Althochdeutsche Griffel-, Feder- und Farbstiftglossen aus Freising: Clm 6293, Clm 6308, Clm 6383, Clm 21525 9783110621952, 9783110619263

The study of drypoint glosses regularly produces new discoveries that prompt scholars to reconsider the record of Old Hi

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German Pages 766 [768] Year 2019

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521)
3. München, BSB Clm 6308 (BStK-Nr. 525)
4. München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)
5. München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)
6. Zusammenfassung und Ausblick
Bibliographie
Register
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Althochdeutsche Griffel-, Feder- und Farbstiftglossen aus Freising: Clm 6293, Clm 6308, Clm 6383, Clm 21525
 9783110621952, 9783110619263

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Oliver Ernst, Andreas Nievergelt und Markus Schiegg Althochdeutsche Griffel-, Feder- und Farbstiftglossen aus Freising

Lingua Historica Germanica

Studien und Quellen zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Herausgegeben von Stephan Müller, Jörg Riecke, Claudia Wich-Reif und Arne Ziegler

Band 21

Gesellschaft für germanistische Sprachgeschichte e.V.

Oliver Ernst, Andreas Nievergelt und Markus Schiegg

Althochdeutsche Griffel-, Feder- und Farbstiftglossen aus Freising Clm 6293, Clm 6308, Clm 6383, Clm 21525

Gedruckt mit Unterstützung der Alexander von Humboldt-Stiftung und des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (Elitenetzwerk Bayern)

ISBN 978-3-11-061926-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-062195-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-061949-2 Library of Congress Control Number: 2019930767 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

| Für Elvira Glaser

Vorwort Der 65. Geburtstag von Elvira Glaser am 06.02.2019 bietet uns den willkommenen Anlass, zum Teil schon vor längerer Zeit begonnene, an verschiedener Stelle versprochene und oft immer wieder unterbrochene Erhebungen und Untersuchungen zu einigen Freisinger Griffelglossenhandschriften zum Abschluss zu bringen. Die Fokussierung auf den Entstehungs- bzw. Glossierungsort Freising ergab sich dabei aus den Forschungsinteressen Elvira Glasers, die im Jahr 1996 mit ihrer Habilitationsschrift einen wesentlichen Grundstein zur Erforschung der Glossierungstätigkeit und damit der frühen Schriftlichkeit an diesem wichtigen Schreibort des Althochdeutschen legte. Dabei lenkte Elvira Glaser auch das Augenmerk auf Glossen in einer bis dato nur wenig beachteten und kaum systematisch erforschten Eintragungstechnik – Griffelglossen, also Glossen, die lediglich mit einem Griffel, das heißt ohne Tinte, ins Pergament eingedrückt oder eingeritzt wurden. Mit diesem Phänomen kamen wir bereits früh in Elvira Glasers Seminaren in Augsburg und Zürich in Berührung, und es blieb fortan Gegenstand unserer eigenen Studien in Form von Seminar- über Abschlussarbeiten bis hin zu den von ihr betreuten Dissertationen und Forschungsprojekten. Sowohl die Erforschung der Eintragungstechnik mit ihren spezifischen Problemen und Funktionen als auch der Glossierungsort Freising spielten stets eine zentrale Rolle. Wir freuen uns daher ganz besonders, zu einem der vielen Forschungsbereiche Elvira Glasers Neues beitragen sowie Altes abschließen zu dürfen und dabei die Erforschung des Glossierungsortes Freising vorantreiben und auf einen aktuellen Stand bringen zu können. Wir danken den Verantwortlichen der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek, Dr. Wolfgang-Valentin Ikas sowie Dr. Juliane Trede, für die großzügig gewährten Möglichkeiten zur Einsichtnahme in ihre Handschriftenbestände. Ebenso sind wir den weiteren Bibliotheken, aus deren Beständen wir Handschriften für die Rahmenuntersuchungen benutzen durften, zu Dank verpflichtet. Den Herausgebern danken wir für die freundliche Aufnahme in die Reihe Lingua Historica Germanica und ebenso den Mitarbeitern des de Gruyter-Verlages für die Zusammenarbeit. Danken möchten wir auch Dr. Roland Schuhmann für wertvolle Auskünfte in Sachfragen. Besonderen Dank für ihre Mithilfe bei der Erstellung des Manuskripts verdienen unsere zuverlässigen und sorgfältigen Hilfskräfte und Lektoren, Katharina Gunkler B.A., Stephanie Kamm M.A., Corinna Köhler B.A, Linda Roos B.A., Vera Schiller und Maximilian Schreiegg B.Sc.

https://doi.org/10.1515/9783110621952-202

VIII | Vorwort

Das Projekt wurde durch Forschungsmittel der Universität Augsburg, durch ein Feodor Lynen-Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung sowie in der Abschlussphase auch durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (Elitenetzwerk Bayern) und die Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg gefördert. Der Druck wurde unterstützt durch eine Druckkostenbeihilfe der Alexander von Humboldt-Stiftung. Nicht zuletzt möchten wir Prof. Dr. Mechthild Habermann, Prof. Dr. Stefanie Stricker, Dr. Birgit Ebersperger, Dr. Friedmann Harzer, Dr. des. Patrick Mächler und Aurel Sieber M.A. für ihre Unterstützung in verschiedensten Belangen danken. Augsburg, Zürich und Erlangen, Dezember 2018 Oliver Ernst, Andreas Nievergelt, Markus Schiegg

Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4

Einleitung | 1 Zielsetzung | 1 Forschungsstand | 1 Der Schreibort Freising und die Glossierung mit dem Griffel | 1 Griffelglossierung in Freising | 5 Untersuchungskorpus | 12 Vorgehensweise | 14 Die Arbeit an den Handschriften | 14 Editionsprinzipien | 15 Aufbau der Editionen und der Editionsartikel | 16 Sprachliche und funktionale Auswertungen | 19

2 München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521) | 21 2.1 Einleitung | 21 2.1.1 Die Handschrift | 21 2.1.2 Die Glossen | 22 2.1.3 Autopsiebericht | 24 2.1.4 Zur Einrichtung der Edition | 26 2.2 Glossierungsschichten | 28 2.3 Edition | 30 2.3.1 Althochdeutsche Griffel- und Federglossen | 30 2.3.2 Lateinische Griffeleintragungen | 181 2.3.2.1 Lateinische Griffelglossen | 181 2.3.2.2 Sonstige lateinische Griffeleintragungen | 182 2.3.3 Unidentifizierte und sonstige Griffeleintragungen | 183 2.4 Parallelglossierungen innerhalb der Dialog-Glossen | 186 2.4.1 Echte Parallelglossierungen | 188 2.4.2 Gleiches Lemma-Interpretament-Verhältnis | 189 2.5 Geographische und zeitliche Charakterisierung der Glossen | 191 2.5.1 Außersprachliche Faktoren für die Lokalisierung und Datierung | 192 2.5.1.1 Handschriftendaten | 192 2.5.1.2 Glossierungsschichten | 192 2.5.2 Sprachgeographische Charakterisierung | 195 2.5.2.1 Konsonantismus | 195 2.5.2.2 Vokalismus | 197 2.5.2.3 Vokale in Nebensilben | 199 2.5.3 Zeitliche Charakterisierung | 201 2.5.3.1 Konsonantismus | 201 2.5.3.2 Vokalismus | 203

X | Inhaltsverzeichnis

2.5.3.3 2.5.4 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.7

Flexionsformen | 203 Ergebnisse unter Berücksichtigung v. Glossierungsschichten | 204 Glossierungstechnik | 208 Glossierte Textstellen | 208 Lemma-Interpretament-Verhältnis | 210 Glossierte Wortarten | 212 Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6293 | 215

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.5 3.6 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4 3.8 3.9

München, BSB Clm 6308 (BStK-Nr. 525) | 229 Einleitung | 229 Die Handschrift | 229 Kodikologische Beschreibung | 230 Paläographische Beschreibung | 231 Inhaltliche Beschreibung | 232 Probationes und andere Marginalien mit Feder | 232 Geschichte der Handschrift | 233 Die Glossen | 233 Althochdeutsche Glossen | 234 Griffel- und Farbstiftglossen | 235 Edition | 237 Althochdeutsche Griffel- und Farbstiftglossen | 237 Unsichere Fälle | 251 Lateinische Griffelglossen | 252 Unidentifizierte und sonstige Griffel- u. Farbstifteintragungen | 253 Althochdeutsche Federglossen | 254 Die Sprache der Griffel- und Farbstiftglossen | 255 Die Entstehung der Glossen | 256 Die ahd. Orosius-Rezeption & Parallelüberlieferung | 258 Überlieferungsgruppe I: Glossarglossen | 261 Charakterisierung der Orosius-Glossarglossen | 263 Überlieferungsgruppe II: Textglossen | 265 Charakterisierung der Orosius-Textglossen | 270 Die althochdeutschen Orosius-Glossen und der Clm 6308 | 271 Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6308 | 272

4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4

München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an) | 275 Einleitung | 275 Die Handschrift | 276 Forschungsstand | 276 Kodikologische Beschreibung | 277 Paläographische Beschreibung | 279 Inhaltliche Beschreibung | 280

Inhaltsverzeichnis | XI

4.2.5 4.2.6 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.4.1 4.3.4.2 4.3.4.3 4.3.4.4 4.3.5 4.3.5.1 4.3.5.2 4.3.5.3 4.4 4.5

Geschichte der Handschrift | 281 Der glossierte Text | 285 Die Glossen | 286 Entdeckung und Autopsiebericht | 286 Schrift und Hände | 291 Editionsprinzipien | 292 Edition | 293 Althochdeutsche Griffelglossen | 293 Althochdeutsche Federglosse | 422 Lateinische Griffeleintragungen | 422 Unentzifferte und sonstige Griffeleintragungen | 424 Sprachgeographische und zeitliche Charakterisierung | 431 Konsonantismus | 431 Vokalismus | 434 Dialekt und Alter | 435 Abschließende Bemerkungen | 439 Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6383 | 443

5 München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677) | 455 5.1 Einleitung | 455 5.1.1 Ausgangslage, Desiderata und Ziele der Untersuchung | 455 5.1.2 Methodische Grundlegung | 456 5.1.3 Editionsprinzipien | 457 5.2 Die Handschrift | 459 5.2.1 Beschreibung der Handschrift | 459 5.2.1.1 Existierende Handschriftenbeschreibungen | 459 5.2.1.2 Kodikologische Beschreibung | 460 5.2.1.3 Paläographische Beschreibung | 462 5.2.1.4 Inhaltliche Beschreibung | 463 5.2.2 Geschichte der Handschrift | 464 5.2.3 Der glossierte Text | 466 5.3 Die Glossen | 467 5.3.1 Forschungsüberblick und Forschungsgeschichte | 467 5.3.2 Griffelglossen | 471 5.3.2.1 Entdeckung, Ermittlung, Untersuchung | 471 5.3.2.2 Autopsiebericht | 472 5.3.2.3 Schrift und Hände | 473 5.3.2.4 Editionsprinzipien | 475 5.3.2.5 Edition | 476 5.3.2.6 Unidentifizierte und sonstige Griffeleintragungen | 506 5.3.2.7 Die Sprache der Griffelglossen | 509 5.3.2.8 Glossierungstechnische Beobachtungen | 513

XII | Inhaltsverzeichnis

5.3.3 5.3.3.1 5.3.3.2 5.3.3.3 5.3.3.4 5.3.3.5 5.3.4 5.3.4.1 5.3.4.2 5.3.4.3 5.3.4.4 5.3.4.5 5.3.4.6 5.3.5 5.3.5.1 5.3.5.2 5.3.5.3 5.3.5.4 5.4 6 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.4 6.4.1 6.4.2 6.5

Farbstiftglossen | 515 Autopsiebericht | 515 Paläographische Bemerkungen | 517 Edition | 518 Unidentifizierte Farbstifteintragungen | 524 Sprachliche und glossierungsfunktionale Merkmale | 524 Federglossen | 525 Autopsiebericht | 525 Paläographische Untersuchung | 526 Edition der althochdeutschen Federglossen | 540 Sprachliche Analyse der althochdeutschen Federglossen | 601 Edition der lateinischen Federglossen | 609 Unidentifizierte Federeintragungen | 625 Die Parallelüberlieferung | 627 Vorbemerkungen | 627 Die Handschriften mit Parallelglossen | 629 Glossen ohne Parallelglossen | 658 Die Entstehung der Glossierung | 659 Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 | 667 Zusammenfassung und Ausblick | 685 Griffelglossierung in Freising: ein vielversprechender Zugang? | 685 Schrift und Schreiben | 689 Sprachliche Aspekte | 692 Althochdeutsch und Latein in Freisinger Griffelglossen | 692 Sprachliche Charakteristika der Freisinger Griffelglossen | 693 Lexikalische Relevanz: Hapax legomena | 696 Grammatische Relevanz: Althochdeutsche Sprechsprache | 697 Glossierungsverfahren und -funktionen | 702 Mittelalterliche Glossatoren als flexible Schreiber | 702 Glossierungsverfahren in Freising | 704 Resümee | 705

Bibliographie | 707 Register | 725 Sachregister | 725 Handschriftenregister | 727 Althochdeutsche Interpretamente | 731 Altniederdeutsche Interpretamente | 741 Lateinische Interpretamente | 741 Lateinische Lemmata | 743

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6:

Ahd. Griffelglossen: Clm 6293, f. 24v, Z. 1: [a] ist kapreitit – [b] kipreitit (Nr. 54) | 66 Ahd. Griffelglosse: Clm 6293, f. 37r, Z. 21: ł hrodar (Nr. 83) | 82 Ahd. Griffelglosse: Clm 6293, f. 43r, Z. 24: vvarikatokan (Nr. 137) | 115 Ahd. Griffelglossen: Clm 6293, f. 45v, Z. 2/4: [a] kakrapan – [b] kikrapaniu (Nr. 142) und fihlot (Nr. 143) | 118 Ahd. Griffelglosse: Clm 6293, f. 157r, Z. 21: u pi lid (Nr. 259) | 179 Feder- und Griffelzeichnung des Schlüssels aus der ‚Visio Baronti‘: Clm 6293, beide f. 142v | 185

Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11:

Ahd. Griffelglosse: Clm 6308, f. 23v, Z. 16: ṕullida (Nr. 6) | 239 Ahd. Griffelglosse: Clm 6308, f. 31v, Z. 7: fursodta (Nr. 12), hier in der Abbildung die besser sichtbare Durchprägung auf f. 30v | 243 Ahd. Griffelglossen: Clm 6308, f. 32v, Z. 12f.: eerlosin und sto¯ (Nr. 15 und 16) | 245 Ahd. Griffelglosse: Clm 6308, f. 86v, Z. 7: casprehhont (Nr. 26) | 249 Ahd. Griffelglosse: Clm 6308, f. 90r, Z. 8: chupha (Nr. 27) | 249

Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19:

Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 6v, Z. 3: uuizago (Nr. 3) | 294 Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 22v, Z. 22: scof (Nr. 31) | 303 Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 26r, Z. 4: caugari · (Nr. 39) | 306 Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 28v, Z. 25: skerio (Nr. 53) | 311 Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 42v, Z. 13: aruuiali (Nr. 88) | 322 Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 51v, Z. 12: emazigo (Nr. 101) | 326 Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 55v, Z. 19: catriuuuon · (Nr. 103) | 327 Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 135r, Z. 16: sageda (Nr. 333) | 396

Abb. 20: Abb. 21: Abb. 22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27: Abb. 28: Abb. 29: Abb. 30: Abb. 31: Abb. 32: Abb. 33: Abb. 34: Abb. 35:

Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 142r, Z. 5: givuarnvn (G46) | 488 Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 142r, Z. 6: pidenc (G48) | 489 Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 142r, Z. 13: intvuen (G50) | 490 Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 143v, Z. 23: vueihit (G70) | 495 Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 147v, Z. 3: lîhtit (G86) | 500 Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 156r, Z. 23: aplagi (G109a) | 506 Ahd. Farbstiftglosse: Clm 21525, f. 101v, Z. 7: cauuinnant (FS9) | 521 Ahd. Farbstiftglosse: Clm 21525, f. 103r, Z. 7: X kepakerne (FS 11) | 522 Federglossen Hand A: Clm 21525, F2: ahd. suvari und F3: ahd. loscento | 533 Federglosse Hand B: Clm 21525, F179b: ahd. missitriuuidun | 534 Federglossen Hand C: Clm 21525, F35: ahd. kerunt und F36: ahd. truopten | 534 Federglosse Hand D: Clm 21525, L55: lat. siabillo | 534 Federglosse Hand E: Clm 21525, L74: lat. alienas | 535 Federglosse Hand F: Clm 21525, F119: ahd. kiparridun | 535 Federglosse Hand G: Clm 21525, F127: ahd. goummanemet | 536 Federglossen Hand H: Clm 21525, F121?: ahd. gezitvuerden und F122: ahd. gisalpoti | 536 Federglosse Hand I: Clm 21525, F146: ahd. giparidun l antaparun | 536 Federglosse Hand J: Clm 21525, F167: ahd. pisorgido | 537 Federglosse Hand K: Clm 21525, F174: ahd. uâsca | 537 Federglosse Hand L: Clm 21525, F180: ahd. hinscrenchigi | 537 Federglosse Hand M: Clm 21525, F192: ahd. tragent | 538

Abb. 7: Abb. 8:

Abb. 36: Abb. 37: Abb. 38: Abb. 39: Abb. 40:

https://doi.org/10.1515/9783110621952-204

1 Einleitung 1.1 Zielsetzung Die Erforschung von Griffelglossen führt regelmäßig zu Entdeckungen, die eine Neubeurteilung der althochdeutschen Glossenüberlieferung bedingen. Dies war in jüngerer Zeit insbesondere bei Freisinger Griffelglossen der Fall. Im vorliegenden Band präsentieren wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen an vier glossierten Handschriften aus der ehemaligen Freisinger Dombibliothek, die sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek München (BSB) befinden: Clm 6293, Clm 6308, Clm 6383 und Clm 21525. Hauptziel der Arbeit ist es, die bisher bekannte Überlieferung von Freisinger Glossen um eine Vielzahl an Neufunden zu erweitern sowie an die bisherige Althochdeutschforschung anzuschließen. Die Zugänglichmachung des neuen Materials erfolgt in Form von Editionen nach den aktuellen Standards. Wir gehen also handschriftennah vor und berücksichtigen auch lateinische Glossen, insbesondere dann, wenn sie zur Einschätzung der Parallelüberlieferung von Relevanz sind. Die jeweiligen Glosseneditionen erfolgen zusammen mit paläographischen, linguistischen und glossierungsfunktionalen Analysen. Die Darstellung schließt mit einer Neubeurteilung der Freisinger Glossenüberlieferung. Im Folgenden umreißen wir den Forschungsstand zur Freisinger Griffelglossierung, wobei wir zunächst generell auf den Schreibort Freising und die Glossierung mit dem Griffel eingehen (Kap. 1.2.1) und dann die Forschungsgeschichte sowie den aktuellen Stand zur Griffelglossierung in Freising darstellen (Kap. 1.2.2). Danach beschreiben wir unser Untersuchungskorpus (Kap. 1.3). Abschließend thematisieren wir unsere Vorgehensweise bei der Arbeit an den Handschriften (Kap. 1.4.1), die Editionsprinzipien (Kap. 1.4.2), den Aufbau der Editionen sowie der Editionsartikel (Kap. 1.4.3) und die sprachfunktionalen Auswertungen der Glossen (Kap. 1.4.4).

1.2 Forschungsstand 1.2.1 Der Schreibort Freising und die Glossierung mit dem Griffel Mit Freising steht in der vorliegenden Untersuchung ein mittelalterlicher Schreibort im Zentrum, dessen Bedeutung für die frühe Überlieferung des Deutschen der Forschung bereits seit Langem bekannt ist. Für das 8. und 9. Jahrhundert konnte Bernhard Bischoff (1974: 71–130; 1980: 211–220) etwa 130 Handschriften Freisinger Schriftheimat ermitteln, von denen die meisten – trotz gelegentlicher Abwanderungen in andere Klosterbibliotheken – auch noch im Gesamtbestand der 225 Handschriften aus der Freisinger Bibliothek in der BSB München erhalten sind (Glauche 2000: vii; Glaser/Ernst 2009: 1356). In der germanistischen Forschung bekannt sind vor allem sieben aus dem 8. bis 10. Jahrhundert überlieferte althochdeutsche Texte https://doi.org/10.1515/9783110621952-001

2 | Einleitung

aus Handschriften Freisinger Schriftheimat oder Provenienz (Hellgardt 2013; Glaser/Ernst 2009: 1353–1357), bei denen eine im Entstehen begriffene althochdeutsche Schreibsprache in den Quellen greifbar wird: das ‚Althochdeutsche Petruslied‘, die Freisinger Handschrift der Evangelienharmonie Otfrids, die Gebete des Sigilhart, eine Versparaphrase des 138. Psalms und der deutsche Priestereid (alle Freisinger Schriftheimat). Aus der Freisinger Bibliothek stammen das bekannte ‚Freisinger Paternoster‘ mit Auslegung und der für die karolingische Reformbewegung wichtige Text ‚Exhortatio ad plebem christianum‘, die aber beide nicht dort entstanden sind. Neben der Textüberlieferung spielte insbesondere die Glossenüberlieferung eine wichtige Rolle für den Schreibort Freising und seine Erforschung. Mit der bekannten Rekonstruktions- und Spekulationsfreudigkeit der älteren Forschung herrschte lange Zeit ein von erschlossenen Sachverhalten geprägtes Bild der Glossierungstätigkeiten am Freisinger Schreibort vor (Glaser 1996: 39). Dabei vermischte sich oft Sagenhaftes mit konkret Nachweisbarem. Georg Baeseckes Annahme etwa der Entstehung einer Glossierung von Gregors Evangelienhomilien auf Bischof Arbeos (764–784) Anregung hin oder seine bekanntere These der Entstehung des lateinisch-althochdeutschen Abrogans in Freising während dessen Amtszeit oder sogar unter seiner Mitwirkung spiegeln vermutlich die große Bedeutung wider, die man dem Schreibort Freising für die frühe Überlieferung zumaß. Beides gilt seit Längerem als widerlegt (Splett 2009: 732; Glaser 1996: 38), und insbesondere die Abrogans-These, die sich bisweilen zäh hielt, verschwindet allmählich aus den Handbüchern. Daneben existierte aber immer eine an der Ermittlung, Edition und Auswertung der konkreten Überlieferung interessierte Forschung, als deren früher Ausdruck etwa Eberhard Graffs ‚Althochdeutscher Sprachschatz‘ gelten kann, der die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannte Überlieferung erfasste. Für die Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert belegt wohl kaum eine andere Arbeit das Bedürfnis nach einer aus den Quellen geschöpften Darstellung besser als die epochale Glossenedition Elias von Steinmeyers. Auf beide Werke beziehen wir uns ebenso noch in der vorliegenden Arbeit standardmäßig, was deren ungeheuren Wert auch für die aktuelle Forschung unterstreicht. Nicht zuletzt wurde mit den großen Wörterbuchprojekten – zunächst mit dem ‚Althochdeutschen Wörterbuch‘ in Leipzig (aufbauend auf Steinmeyer durch Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings) und später dann zusätzlich auch mit den im Umkreis der Arbeiten am Göttinger Wörterbuch von Rudolf Schützeichel entstandene Buchreihe ‚Studien zum Althochdeutschen‘ – eine Hinwendung zu den konkreten Überlieferungen immer deutlicher, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts für einen starken Aufschwung der überlieferungsgeleiteten Forschung sorgte. Die Voraussetzung dafür war allerdings, auch belastbares Wissen über die eigentlichen Textträger zu besitzen, über die Handschriften und ihre Geschichte, deren Entstehungszeit und Schriftheimat. Die Aufarbeitung dieser bis heute wichtigen Grundlage für die germanistische Forschung ist eng mit dem Namen und den

Forschungsstand | 3

Arbeiten Bernhard Bischoffs verbunden: erst mit den ‚Codices Latini Antiquiores‘ (= CLA) für die Überlieferung bis zum Jahr 800 und später mit den für unseren Bereich besonders wichtigen Untersuchungen zu den ‚Südostdeutschen Schreibschulen‘, in denen Bischoff (1974: 58–170) einen guten Teil allein dem Schreibort Freising gewidmet hat. Unsere Kenntnis der Handschriften Freisinger Schriftheimat und die Möglichkeit der Unterscheidung zwischen Schriftheimat und Freisinger Bibliotheksort gehen auf diese immer noch maßgebliche Arbeit zurück, der wir die wesentlichen Datierungen und Lokalisierungen bayerischer Handschriften auch für den vorliegenden Band verdanken.1 Bischoffs Ergebnisse wurden nur in wenigen Fällen durch seine spätere Forschung und Erkenntnisse anderer überholt oder korrekturbedürftig. Meist ergänzen und bestätigen heute aktuelle Bibliothekskataloge wie die Kataloge der BSB München zu den Freisinger Handschriften von Günter Glauche (2000; 2011) die Angaben Bischoffs. Als wichtiges Arbeitsinstrument der Glossenforschung stand dann seit 1973 der erste Katalog der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften von Rolf Bergmann zur Verfügung (= BV), der in mehreren Ergänzungen und Weiterentwicklungen bis zum aktuellen Katalog aus dem Jahr 2005 von Rolf Bergmann und Stefanie Stricker (= BStK) nun auch stets aktuell online vorliegt (= BStK online). Mit ihm wurde es möglich, die Geschichte der Handschriften mit der Geschichte ihrer Glossierung, ihres Gebrauchs und damit ihrer Wirkungsgeschichte und Rezeption zu verknüpfen und für die Erforschung der Anfänge des Deutschen zu nutzen. In der Folge dieser paläographischen und kodikologischen Grundlagenforschung wurden in der lange auf die glossierten Texte ausgerichteten germanistischen Glossenforschung auch schreibortbezogene Untersuchungen zur Dokumentation der Glossierungstätigkeit angegangen. Ziel war es, die Glossenüberlieferung chronologisch und geographisch eingehender aufeinander zu beziehen und Fragen der Entstehung volkssprachiger Schriftlichkeit anhand der Glossierungstätigkeit an einem Schreibort besser nachzuzeichnen. Die Pionierarbeit, die auf Grundlage einer akribischen paläographischen Aufarbeitung die Glossierung eines Schreiborts darstellt, stammt von Josef Hofmann (1963), der eine „geschlossene Darbietung sämtlicher Glossen in Würzburger Handschriften“ (Hofmann 1963: 29) anstrebte. Elvira Glasers (1996) Arbeit hat insbesondere zwei Schwerpunkte: Sie fokussiert die ältesten volkssprachig glossierten Freisinger Handschriften, um die Anfänge der Glossierungstätigkeit an einem Schreibort genauer zu erkunden; dabei nimmt sie vor allem die Eintragungstechnik mit dem Griffel in den Blick. Ihr Ziel war es nicht zuletzt, die früheste konkret greifbare volkssprachige Überlieferung aus den Handschriften selbst neu zu erheben, zu dokumentieren und auszuwerten sowie Bekanntes, wo nötig, zu korrigieren. Dabei galt der sprachlichen Auswertung des Materials ihr

|| 1 Speziell für die Freisinger Dombibliothek liegen darüber hinaus die Untersuchungen von Brunhölzl (1961) und Daniel (1973) vor, welche die Arbeiten Bischoffs fortführten.

4 | Einleitung

vorrangiges Interesse, sodass die Beziehungen zwischen den Handschriften insbesondere unter glossographischem Blickwinkel beschrieben wurden. Ihr folgten andere mit ähnlichen Zielsetzungen, etwa Moulin (1999; 2001) zu Würzburg, Nievergelt (2007) zu Tegernsee, Ernst (2007) zu den an das Untersuchungsmaterial bei Glaser anschließenden Handschriften des frühen 9. Jahrhunderts aus Freising und Klaes (2017) zu Trier. In der Nachfolge der Arbeiten von Bischoff (1928) und Hofmann (1963), welche die Eintragungstechnik mit dem Griffel vor allem in frühen Handschriften nachwiesen, erkannte man in der Griffelglossierung eine Überlieferungsform der frühesten Zeit und damit die Möglichkeit, in eingeritzten Glossen an die Ursprünge der volkssprachigen Überlieferung zu gelangen. So wurde die Aufmerksamkeit auf die in beträchtlichem Ausmaß die frühe Glossenüberlieferung prägende Eintragungstechnik mit dem Griffel gelenkt, die zwar vereinzelt schon früh in der Forschung bekannt war, aber bis auf wenige Ausnahmen kaum systematisch beachtet, erhoben und erforscht wurde (vgl. hierzu genauer Glaser/Nievergelt 2009: 213). Elvira Glaser hat hier in mehreren Untersuchungen eine grundlegende methodische und theoretische Aufarbeitung des Phänomens geleistet und in ihrer Habilitationsschrift für die althochdeutschen Verhältnisse die bis dato 70 bekannten Handschriften zusammengestellt sowie den Editionsstand der darin enthaltenen Griffelglossen dokumentiert (Glaser 1996: 55–63).2 Am Beispiel von Freising zeigte sie, dass die eingehende Beschreibung des Phänomens, der Umstände der Eintragung sowie der Entzifferung und Edition von Griffelglossen im Zentrum der Erforschung frühester sprachlicher Überlieferung stehen kann. Ihre Studie gab den Anstoß zu weiteren Untersuchungen des Phänomens der Griffelglossierung und löste eine „neue Welle“ (Bergmann 2009c: 43) von Funden (auch von Federglossen) aus, und dies alles auch in Handschriften, die nicht als glossentragend bekannt waren. Die von Glaser (1996) begonnene Liste weist aktuell einen Stand von 223 Handschriften mit althochdeutschen und altsächsischen Griffelglossen auf und wird derzeit von uns online weitergeführt und aktualisiert.3 Die gezielte Durchsicht der Handschriften führte schließlich auch zur Entdeckung von Eintragungen, die in anderen Schreibtechniken, beispielsweise mit Farbstiften, aufgezeichnet wurden. Auch dieses Phänomen war nicht gänzlich unbekannt: Bischoff (1928: 154,A.1 und 159; 1966: 88,A.1) hatte bereits auf mit Rötel geschriebene Glossen hingewiesen oder vermerkte in der Edition seiner Griffelglossen zum Freisinger Clm 6277 fragend, manche Glossen seien wohl „mit hartem bleistift?“ (1928: 158,A.1) geschrieben. Eingehende Autopsien ergaben hier oft die Eintragung mit Schwarzstiften (Ernst 2007: 426–428). Dabei führte die Mitbeachtung

|| 2 Glasers Verzeichnis hat mittlerweile mit der Arbeit von Studer-Joho (2017) auch in der Anglistik eine Weiterführung erfahren. 3 Siehe dazu https://glossenwiki.phil.uni-augsburg.de (29.11.2018).

Forschungsstand | 5

der Farbstifttechnik zu weiteren Neufunden auch in bereits als ausgewertet gemeldeten Handschriften (vgl. zusammenfassend Nievergelt 2009b). Die Probleme, die Griffelglossen bei der Entzifferung bereiten, sind von den meisten Forschern, die sich mit solchen Glossen (ae., air., as., ahd., aslav., lat.) beschäftigten, ausführlich beschrieben oder zumindest mit einem Hinweis erwähnt worden. Glaser (1993) hat in einem Aufsatz die Konsequenzen daraus für die Edition von Griffelglossen gezogen und spezifische Formen der Präsentation von Griffelglossen vorgeschlagen, die seitdem den Standard in der Edition gesetzt haben. Dazu gehört auch, dass die kopräsenten lateinischen Griffelglossen miterhoben werden. Erst so konnten auch das Besondere einer beinahe ausschließlich volkssprachigen Glossierung einer Handschrift, wie sie etwa bei der Griffelglossierung insbesondere in der Frühzeit häufiger auftritt (Schiegg 2015b: 99; siehe Kap. 6.3), überhaupt als relevant und aussagekräftig erkannt und damit die eigentlichen Funktionen volkssprachigen Glossierens im frühen Mittelalter besser untersucht werden. Besprechungen von äußeren Erscheinungsformen wurden zu festen Bestandteilen des Editionsartikels. Im Handbuch BStH sind ihnen eigene Kapitel gewidmet: der Position der Glossen (Bergmann 2009b), der Eintragungstechnik (Glaser/Nievergelt 2009; Nievergelt 2009b) und den Schriftmerkmalen (Nievergelt 2009c; Ernst 2009), dem Verhältnis der Interpretamente zu den meist lateinischen Bezugswörtern in formaler, grammatischer (Glaser 2009) oder semantischer (Götz 2009) Hinsicht. Darüber hinaus wurden funktionale Überlegungen angestrengt (Glaser 1996; Schiegg 2015b), bei denen versucht wurde, Griffelglossen pragmatisch und kontextuell in das Schriftwesen einzuordnen.

1.2.2 Griffelglossierung in Freising Unter Freisinger Griffelglossen verstehen wir solche Griffelglossen, die in Freising eingetragen wurden. Dies ist höchstwahrscheinlich der Fall bei Glossen in Handschriften, die in Freising entstanden sind und sich bis zur Säkularisation dort befunden haben. Die gleiche hohe Wahrscheinlichkeit besteht bei Handschriften, die an einem anderen Ort geschrieben wurden und sich zum Zeitpunkt der Glosseneintragung in Freising befanden. Die Existenz von Griffelglossen in Freisinger Handschriften war bereits der frühen Forschung bekannt, wie etwa die Hinweise von Docen (1806: 289) zu „hie und da auch mit einem Griffel eingerizt[en]“ Glossen im Freisinger Clm 6277 belegen. Auch bei Steinmeyer/Sievers (=StSG) erscheinen sporadisch Griffelglossen, einige ebenfalls zum Clm 6277, aus dem Steinmeyer 1882 einige Griffelglossen zusammen mit den Federglossen dieses Codex edierte (vgl. StSG 2,163, Anmerkungen). Im 20. Jahrhundert wuchs die Forschung zu Freisinger Griffelglossen stetig, zunächst hauptsächlich durch die Arbeiten Bischoffs, der Griffelglossen in Clm 6277 und Clm 14461 edierte (Bischoff 1928: 158f. 164) sowie Hinweise zu eingeritzten Glossen in

6 | Einleitung

weiteren Freisinger Handschriften weitergab. Dies betraf die Griffelglossen in Clm 6220, Clm 6263, Clm 6293, Clm 6300, Clm 6305, Clm 6312, Clm 6325 und Clm 6433, die von Stach (1950: 14f.) bekannt gemacht wurden, der selbst noch im Clm 6308 Griffelglossen entdeckte und veröffentlichte (Stach 1951). Auf der Basis von Bischoffs Notizen hat Mayer (1974) einige Griffelglossen der Clm 6220, Clm 6263, Clm 6300, Clm 6305, Clm 6312 und Clm 6433 ediert. Editionen von Freisinger Griffelglossen lieferten auch Meritt (1934) zu Clm 6272 sowie Clm 6293 und Schulte (1993) erneut zum Clm 6293. Durch Glasers (1996) umfangreiche Editionen von Freisinger Griffelglossen des 8. Jahrhunderts, insbesondere die im Clm 6300, aber auch in Clm 6305, Clm 6308, Clm 6312 und Clm 6433 erhobenen, erhöhte sich die Zahl der bekannten althochdeutschen Griffelglossen auf gut 400 aus 11 Freisinger Handschriften (Glaser 1996: 49). In Glaser/Nievergelt (2004: 122; 125f.) wurden neu gefundene Griffelglossen im Clm 21525 gemeldet sowie auf unedierte Griffelglossen in Clm 6263, Clm 6272, Clm 6277 und Clm 6293 hingewiesen. Ernst (2007) führte Glasers Untersuchungen für das frühe 9. Jahrhundert fort, was zu weiteren Neufunden und Neueditionen von Freisinger Griffelglossen in vier Handschriften führte: Clm 6220, Clm 6263, Clm 6272 und Clm 6277. Im BStH erschien anschließend ein Übersichtsartikel zu den Freisinger Glossenhandschriften, der vor allem den bis dahin gültigen Forschungsstand zusammenfasste, aber auch auf die Neufunde der 2009 veröffentlichten Griffelglossen im Clm 6433 hinwies (Glaser/Ernst 2009: 1363,A.37). Auf der Basis dieses Artikels, der bis dato aktuellsten Zusammenfassung des Forschungsstandes, beruht die Übersichtstabelle zu Freisinger Griffelglossen unten. Dem BStH-Artikel sind jeweils die Entstehungszeit der Handschrift, der glossierte Text sowie die Glossierungstechnik und der Eintragungszeitpunkt der Glossen entnommen.4 Gegebenenfalls werden die Daten in der Tabelle an den aktuellsten Forschungsstand angepasst, der dem BStK online sowie den in den Fußnoten zitierten Untersuchungen entnommen wurde. Ebenso wird die bis zum BStH aktuellste Edition gelistet, aus der sich dann die Forschungsgeschichte zur jeweiligen Griffelglossenhandschrift im Detail erfassen lässt. Die Spalte ist aufgeschlüsselt in Griffelglossen (GG), Federglossen (FG), Farbstiftglossen (FS) und Schwarzstiftglossen (SG). Die letzten beiden Typen lassen sich allerdings kaum trennscharf erfassen. Den Terminus technicus ‚Schwarzstiftglossen‘ behalten wir bei, weil er sich erstens in der Literatur zu den aufgelisteten Handschriften bereits etabliert hat und zweitens, weil die uns bis dato bekannten Freisinger Farbstiftglossen in der überwiegenden Mehrheit eine schwärzliche Färbung aufweisen. Seit dem Erscheinen des BStH-Artikel haben sich vor allem auf Grund von Andreas Nievergelts Arbeiten an Freisinger Handschriften einige Aktualisierungen im || 4 Falls der Eintragungsort der Glossen in Freising unsicher ist, wird dies ebenfalls thematisiert.

Forschungsstand | 7

Forschungsstand und der Editionslage zu Freisinger Griffelglossen ergeben. Diese werden in der Spalte ganz rechts zusammen mit einer Fußnote mit den bibliographischen Angaben und weiteren Kommentaren mitgeteilt. Dabei handelt es sich um (1) Neufunde und Korrekturen von Griffelglossen (teilweise auch noch von Federund Farbstiftglossen) in bereits bekannten Griffelglossenhandschriften (Clm 6277, Clm 6293, Clm 6308, Clm 6433, Clm 14461, Clm 18550a), (2) Neufunde von u. a. Griffelglossen in Handschriften, die bislang nur als althochdeutsche Feder- oder Farbstiftglossen tragend bekannt gewesen sind (Clm 6225, Clm 6230, Clm 6267, Clm 6324, Clm 6325, Clm 6355, Clm 6402, Clm 21525) sowie (3) zahlreiche Griffelglossen in Handschriften, in denen bis dato keine althochdeutschen Glossen bekannt waren (Clm 6239, Clm 6279, Clm 6297, Clm 6302, Clm 6310, Clm 6383, Clm 6393, Clm 28135). Die Neufunde bilden meist kleinere Korpora in punktuell mit Griffel glossierten Handschriften, die im Rahmen von Sammeleditionen in Aufsatzform publiziert wurden oder zur Publikation vorbereitet werden (vgl. Nievergelt, in Vorb.); umfangreiche Nachträge erfolgen auch in diesem Band. Ein eklatantes Forschungsdesiderat bilden weiterhin die lateinischen Glossen und damit auch die lateinischen Griffelglossen aus Freising (vgl. dazu Kap. 6.3). Im Zuge der wachsenden Erkenntnis, dass in der Erforschung volkssprachiger Glossen die Mitbehandlung lateinischer Glossen relevant ist (vgl. Glaser 1993: 13), wurden in den Arbeiten zu althochdeutschen Griffelglossen aus Freising auch einige lateinische Griffelglossen und weitere Griffeleintragungen ediert bzw. mitgeteilt.5 Auch auf das vermutliche Nichtvorhandensein lateinischer Griffelglossen in Handschriften, die volkssprachige Griffelglossen tragen, wurde hingewiesen.6 Es folgt die aktuelle Liste der Freisinger Griffelglossenhandschriften, sortiert nach ihrer Handschriftensignatur.

|| 5 Dies geschah zu Clm 6220 (Ernst 2007: 118f.), Clm 6230 (Nievergelt 2017b: 146), Clm 6239 (Nievergelt 2011: 324), Clm 6263 (Ernst 2007: 194–201; zu lat. Federglossen: 213f.), Clm 6272 (Ernst 2007: 323–347), Clm 6277 (Ernst 2007: 500–504), Clm 6305 (Glaser 1996: 531–547), Clm 6308 (Glaser 1996: 580), Clm 6312 (Glaser 1996: 605; Glaser/Ernst 2009: 1363), Clm 6324 (Nievergelt 2010: 19), Clm 6393 (Nievergelt 2013b: 395) und Clm 14461 (Nievergelt 2010: 30). Zu den lateinischen Griffelglossen in den hier behandelten Handschriften siehe die jeweiligen Kapitel (vgl. auch Kap. 6.3). 6 Dies betrifft die Clm 6300 (Glaser 1996: 68) und Clm 6433 (Nievergelt 2009a: 151). Generell ist die Nichtnennung lateinischer Griffelglossen in älteren Editionen nicht mit der Nichtexistenz solcher Glossen gleichzusetzen (vgl. Glaser 1996: 68).

8 | Einleitung

Freisinger Griffelglossenhandschriften Signa- BStKtur7 Nr.

Entstehung in Freising

Glossierter Text

Glossen, Art, Zeit (aktueller Stand)

Aktuellste Editi- Seit on bis und mit BStH BStH (2009) (2009)

Clm 6220

501

a. 810/12–835 (Hitto)

Libri Regum 15 Textgll. (5 GG, 10 FG); GG Ende 9. Jh./Anf. 10. Jh.; FG 9./10. Jh.

Clm 6225

503

a. 810/12–835 Iob, Tb, Idt, (Hitto; z.T. 5. Jh. Esr, Est Frankr.?/Ital.?); Hauptteil um 800 in Bayern erneuert

Ca. 115 Textgll. (mind. 112 FG u. 1 GG); undatiert

FG: StSG 1,470f., GG & 474, 480, 486, FG8 490–492, 501– 508

Clm 505 6230*

Nein: schwäbisch- Act, bayerisch; Epistulae 1. Hälfte 10. Jh. 9 catholicae

Ca. 14 Textgll. (11 FG, 2 (3?) GG); GG 11./12. Jh.

FG: StSG 1,754, 791, 800

Clm 506 6233*

Nein: wohl Tegernsee; letztes Drittel 8. Jh.11

Komm. zu Mt.-Ev., Homilien

1 Textgll. (1 GG); vmtl. Ende 8. Jh.; in Tegernsee glossiert?12

Glaser/Niever– gelt (2004: 125); Nievergelt (2009e: 1413,A.44)

Clm 710af 6239*

Um 800; Südbayern, höchstwahrsch. in Freising entstanden

Idt. AT (Vetus Latina)

6 Textgll. (6 GG); Ende 8. Jh. u. Anf. 9. Jh.



GG & FG: Ernst (2007)



GG & FG10

GG13

|| 7 Bei nicht/unsicher in Freising eingetragenen Glossen der betreffenden Handschrift ist in dieser Spalte ein * eingefügt; eine Kommentierung erfolgt in der Spalte zur Entstehung. 8 Griffelglossen: mindestens ein Neufund, unediert, mitgeteilt in Nievergelt (2011: 313); Federglossen: Neufunde in SchG, mitgeteilt an 4 Stellen (f. 15v [2], 23r, 101r), unediert, siehe BStK online. 9 In BStH nicht unter den Freisinger Handschriften gelistet (Glaser/Ernst 2009: 1359). Die Handschrift ist im schwäbischen Raum Bayerns entstanden, wobei die Glosseneintragung mit großer Wahrscheinlichkeit später in Freising erfolgte (vgl. Nievergelt 2017b: 146). 10 Zwei Griffelglossen ediert Nievergelt (2017b: 145f.); drei zusätzliche Federglossen zu StSG ediert ebenfalls Nievergelt (2017b: 143–145). Die exakte Anzahl der Glossen ist schwer bestimmbar, u. a. wegen federprobenartiger Personennamen und radierter, unsicher lesbarer Einträge. 11 In BStH nicht unter den Freisinger Handschriften gelistet; vgl. Glaser/Ernst (2009: 1359 und 1374,A.70): „Eintragung der Griffelglosse in Freising eher unwahrscheinlich“. Der Codex ist wohl in Tegernsee entstanden und es ist unbekannt, wann er nach Freising kam. Die Glosse wurde früh eingetragen und ist darum ein sehr unsicherer Fall (vgl. Nievergelt 2009e). 12 Die von Siewert (1989: 81) beschriebene Federglosse konnte bei Nachprüfungen in ihrer Existenz nicht bestätigt werden (Glaser/Nievergelt 2004: 125; Ernst 2007: 46,A.16). Auch die Griffeleintragungen sind problematisch, eine ist in ihrem ahd. Charakter gesichert (Nievergelt 2009e: 1413,A.44). 13 Edition und sprachliche Analyse der ahd. Griffelglossen in Nievergelt (2011: 321–324).

Forschungsstand | 9

Signa- BStKtur7 Nr.

Entstehung in Freising

Glossierter Text

Glossen, Art, Zeit (aktueller Stand)

Aktuellste Editi- Seit on bis und mit BStH BStH (2009) (2009)

Clm 6263

514

a. 810/12–835 (Hitto)

Gregor I, EvangelienHomilien

55 Textgll. (45 GG, 10 FG); 10. Jh.

GG & FG: Ernst (2007)



Clm 6267

515 (II) Teil 1 u. 3: a. 810/12–835 (Hitto); Teil 2: 783/84 –810/11 (Atto)

Augustinus, 1 FG 11. Jh. Freising De civ. Dei (Teil 1: BStK-Nr. 515[I]); 1 GG (Teil 2: BStK-Nr. 515[II])

FG: StSG 5,49

GG14

Clm 6272

516

a. 810–820

Hierony40 Textgll. (40 GG); mus, Komm. 9. Jh. zu Mt.-Ev.

GG: Ernst (2007) –

Clm 6277

518

Anf. 9. Jh.

Gregor I, Regula pastoralis

Ca. 940 Textgll. (87 GG & SG); 9. Jh.

GG & SG: Ernst SG15 (2007); FG: StSG 2,162–176

Clm 6279

710ak a. 764–784 (Arbeo)

Gregor I, Moralia

2 Textgll. (2 GG); 8. Jh.



Clm 6293

521

a. 783/84–810/11 (Atto)

Gregor I, Dialoge, Predigten

260 Textgll. (255 GG, GG & FG: 5 FG); 9. Jh. (GG); Schulte (1993) 10. Jh. (FG)

GG; siehe Kap. 2

Clm 6297

710al

a. 764–784 (Arbeo)

Gregor I, Moralia

2 Textgll. (2 SG); 8. Jh./1. Hälfte 9. Jh.



SG17

Nein; Oberitalien vor 800, noch vor 800 in Freising

Gregor I, Moralia

370 Textgll. (GG); um 800

GG: Glaser (1996)



2 Textgll. (GG); wohl handschriftennah



GG18

GG: Glaser (1996)



Clm 523 6300* Clm 6302

710am Ende 8. Jh.

Ps.-Isidor

Clm 6305

524

8./9. Jh.

Hierony43 Textgll. (GG); mus, Komm. 9./z.T. 10.? Jh. zu Mt.-Ev.

Clm 6308

525

a. 764–784 (Arbeo)

Orosius, Historiae

36 Textgll. (31 GG u. GG & FG: FS, 5 FG); Ende 8. Jh. Glaser (1996) (GG & SG); 10. Jh. (FG)

GG16

GG; siehe Kap. 3

|| 14 Edition und sprachliche Analyse der ahd. Griffelglosse in Nievergelt (2012: 394). 15 Nach einer neuerlichen Autopsie der Hs. am 24.08.2017 sind einige Nachträge anzuzeigen, siehe die Mitteilungen in Kap. 5.3.5.2.1. 16 Edition und sprachliche Analyse der ahd. Griffelglossen in Nievergelt (2012: 395–397). 17 Edition und sprachliche Analyse der ahd. Schwarzstiftglossen in Nievergelt (2012: 397–400). 18 Edition und sprachliche Analyse der ahd. Griffelglossen in Nievergelt (2012: 401–403).

10 | Einleitung

Signa- BStKtur7 Nr.

Entstehung in Freising

Glossierter Text

Glossen, Art, Zeit (aktueller Stand)

Aktuellste Editi- Seit on bis und mit BStH BStH (2009) (2009)

Clm 710as Nähere Umge6310* bung; 1. Hälfte 9. Jh.

Augustinus, 3 Textgll. (GG); Homilien 9. Jh.?; Freising?



GG19

Clm 6312

vor 784

Ambrosiaster, Quaestiones

15 Textgll. (GG); Anf. 9. Jh.

GG: Glaser (1996)



Clm 528 6324*

Umgebung von Freising; 2. Hälfte 9. Jh.

Isidor, De ecclesiasticis officiis

8 Textgll. (5 GG, 3 FG); GG Ende 9. Jh.; FG 10. Jh.; wahrs. Freising

FG: StSG 4, 335, 526

GG & FG20

Clm 6325

529

a. 810/12–835 (Hitto)

Isidor, De ecclesiasticis officiis

219 Glossargll. (FG); 1 Textgl. (FG); 1. Hälfte 9. Jh.

FG: StSG 2, 342–346

GG, FS & FG21

Clm 6355

530

2. Viertel 9. Jh.

Canones

7 Textgll. (FG); 13 Glossargll. (FG); 2 GG

FG: StSG 2, 89f., 151

GG22

Clm 710an Ende 8. Jh.; wohl 6383* Bodenseeregion, später in Freising

Rufinus: Eusebius’ Hist. Ecclesiastica

423 Textgll. (422 GG, – 1 FG); Ende 8. Jh.; Teil der Gll. in Freising eingetragen?

Clm 6393

Rufinus, 10 Textgll. (GG); Hist. Mo1. Hälfte 9. Jh. nach., Vita s. Pauli, Vita s. Antonii



GG23

Juvencus, Evangeliorum libri quattuor

FG: StSG 2, 350f.; StSG 5, 103; Ertmer (1994)

GG24

526

710ao Ende 8. Jh.

Clm 536 6402*

Nein: 8./9. Jh.; unbekannt, wohl im 8. Jh. in Freising ergänzt

23 Textgll. (1 GG, 22 FG); 11. Jh. (FG; GG unklar)

GG & FG; siehe Kap. 4

|| 19 Edition und sprachliche Analyse der ahd. Griffelglossen in Nievergelt (2013b: 388f.). 20 Vollständige Neuedition mit weiteren Glossen und Federproben in Nievergelt (2010: 18–22). 21 Die bei Stach (1950: 14f.) mitgeteilten drei Rötel- oder Braunstiftglossen konnten von Nievergelt (2010: 15–17) nicht bestätigt werden, sondern wurden als eine unlesbare Griffeleintragung, ein verblasster Tinteneintrag und eine nicht auffindbare Eintragung klassifiziert. Er verweist auf mehrere ahd. Griffelskizzen innerhalb des Textglossars und ediert die Textglosse auf f. 188r neu. 22 Hinweis auf ahd. Griffelglossen in Nievergelt (2011: 313); Edition von 2 Griffelglossen in Nievergelt (2019), 5 weitere Griffelglossen konnten nicht ausreichend entziffert werden. 23 Edition und sprachliche Analyse der ahd. Griffelglossen in Nievergelt (2013b: 391–397). 24 Edition einer geheimschriftlichen ahd. Griffelglosse sowie nachgetragene Präzisierungen zu den Federglossen in Nievergelt (2009a: 182–186; siehe auch 2019).

Forschungsstand | 11

Signa- BStKtur7 Nr.

Entstehung in Freising

Glossierter Text

Glossen, Art, Zeit (aktueller Stand)

Aktuellste Editi- Seit on bis und mit BStH BStH (2009) (2009)

Clm 6433

2. Hälfte 8. Jh.

Sententiae variae patrum; Isidor, Synonyma

37 Textgll. (GG); 1. Hälfte 9. Jh.

GG: Glaser (1996)

Clm 590 14461

a. 820–830; kam vermutlich Mitte 9. Jh. nach Regensburg

Isidor, De ecclesiasticis officiis

66 Textgll. (ca. 9 GG, GG: Bischoff 5 SG, 52 FG); FG: 2. (1928: 164); FG: Hälfte 9. Jh. (also StSG 2,346f. nicht Freising); GG u. SG evtl. Freising

Clm 652 18550 a**

Ende 8. Jh. (Text)/ Gregor I., 2. Drittel 9. Jh. Regula (Glossar); Entste- pastoralis hung Tegernsee, evtl. in Kontakt mit Freising

Ca. 150 Textgll. (ca. 66 GG, darunter SG, 85 FG); Anf. bis Mitte 9. Jh.; Tegernsee(?)/ ca. 280 Glossargll. (FG); 2. Drittel 9. Jh.; Tegernsee

GG: Mayer GG, SG (1974: 97f.); FG: & FG27 StSG 2,218–224; Mayer (1974: 97f.)

Clm 21525

Anfang 9. Jh.

Gregor I., Regula pastoralis

325 Textgll. (201 FG, 109 GG, 15 FS); Ende 9./Anfang 10. Jh. (GG), 10. Jh. (FG), 1. Hälfte 9. Jh. (SG)

FG: StSG 2,177– 192.

GG, SG, FG; siehe Kap. 5

Homiliensammlung

1 Textgl. (GG)



GG28

544

677

Clm 710bm 1. Viertel 9. Jh. 28135

GG25

GG & SG26

|| 25 Edition weiterer ahd. Griffelglossen, einige davon geheimschriftlich, in Nievergelt (2009a: 154– 167; siehe auch 2019). 26 Nievergelt klassifiziert 2 der von Bischoff entdeckten Glossen als Schwarzstift- statt Griffelglossen. Er ediert 3 weitere Schwarzstift- und ca. 9 Griffelglossen, dazu teilt er eine ahd. Federprobe mit (Nievergelt 2010: 25–29). 27 In der Handschrift wurden weitere GG entdeckt, vgl. Kap. 5.3.5.2.9 und Nievergelt (in Vorb.). 28 Neufund von Nievergelt (04.03.2017), bislang unediert.

12 | Einleitung

1.3 Untersuchungskorpus Unser Untersuchungskorpus besteht nun aus vier frühen Handschriften aus der oben stehenden Liste, zu denen wir die meisten Neufunde mitteilen können. Es handelt sich dabei nicht zuletzt auch um einige der Freisinger Handschriften mit der umfangreichsten Griffelglossierung. Wir untersuchen den Clm 6293 mit Exzerpten aus den ‚Dialogen‘ Gregors des Großen sowie verschiedenen kleineren Predigttexten, den Clm 6308 mit Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘, den Clm 6383 mit der Übersetzung von Eusebius’ ‚Historia Ecclesiastica‘ des Rufinus sowie den Clm 21525 mit der ‚Cura pastoralis‘ Gregors des Großen. Alle Handschriften stammen noch aus dem Ende des 8. Jahrhunderts oder den frühen Anfangsjahren des 9. Jahrhunderts. Mit Ausnahme des Clm 6383 sind alle Handschriften Freisinger Schriftheimat. Die Handschriften werden im Folgenden kurz vorgestellt sowie bezüglich des Forschungsstandes charakterisiert. Im Einzelnen, besonders auch für detaillierte Nachweise, sind die Einleitungen zu den jeweiligen Kapiteln zu konsultieren. München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521) Der Clm 6293 wurde um 800 in Freising geschrieben. Er weist die älteste und umfangreichste derzeit bekannte direkte Textglossierung der ‚Dialoge‘ Gregors des Großen auf. Der frühen Mitteilung einer Federglosse durch Halm im alten Katalog der BSB folgten Editionen durch Steinmeyer, der einige wenige Federglossen hinzufügte, und Meritt, der die Masse an Griffelglossen im Teil mit Gregors Dialogen entdeckte. Im Jahr 1993 edierte Schulte dann in seiner die gesamte Dialog-Glossenüberlieferung erfassenden Studie die Griffelglossen mit wenigen Ergänzungen und Korrekturen neu. Erneute Autopsien der Handschrift im Rahmen von Oliver Ernsts Dissertationsprojekt zur Freisinger Griffelglossenüberlieferung des frühen 9. Jahrhunderts machten schnell deutlich, dass die Edition von Schulte bezüglich einzelner Lesungen wiederum korrigiert werden müsste und dass bei einer eingehenden Untersuchung der gesamten Handschrift mit einer großen Zahl an Neufunden zu rechnen wäre. Zudem machte die textorientierte Ausrichtung der Arbeit Schultes auf die Dialoge Gregors eine erneute Autopsie des Clm 6293 notwendig, da dem Clm 6293 neben den Dialogen auch weitere kurze Texte beigebunden sind, deren (allerdings nur sporadische) Glossierung in den früheren Editionen nicht erwähnt wurde. Nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung können nun insgesamt 260 althochdeutsche Glossen aus dem Clm 6293 mitgeteilt werden. Bis auf fünf Federglossen handelt es sich um Griffelglossen. Gegenüber der letzten Edition werden hier einige Korrekturen der Lesung und/oder Lemmazuweisung vorgenommen sowie zahlreiche Glossen erstmals ediert. In den Auswertungskapiteln werden insbesondere Parallelen zu den anderen Handschriften mit Dialog-Glossen und der Sprachstand der Glossen analysiert. Zum Schluss werden einige auffällige Phänomene der Glossierung angesprochen, die einen Aussagewert über die Funktionen und Umstände der Glossierung besitzen.

Untersuchungskorpus | 13

München, BSB Clm 6308 (BStK-Nr. 525) Der Clm 6308 mit Paulus Orosius’ Abhandlung ‚Historiae adversum paganos‘ weist neben der mit etwa 600 Federglossen umfangreichen lateinischen Glossierung die älteste und nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung auch die umfangreichste volkssprachige Glossierung des Orosiustextes auf. Sie ist darüber hinaus auch die bis dato einzige uns bekannte Orosius-Handschrift mit volkssprachigen Griffelglossen. Bischoff (1974: 63, 77), der zuerst althochdeutsche Federglossen im Codex entdeckte, wies die Handschrift der Freisinger Schreibschule unter Arbeo zu und datierte sie somit in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts. Damit gehört sie zu den ältesten Freisinger Handschriften überhaupt. Die aktuellste Edition der volkssprachigen Glossen stammt von Glaser (1996: 562–587). Im Zuge mehrerer Autopsien, die der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegen, hat Andreas Nievergelt eine größere Zahl an weiteren Glossen entdeckt. Die Neufunde werden hier mit den bereits bekannten Glossen in einer Neuedition zusammengeführt und sprachlich ausgewertet. Aufgrund der erwähnten besonderen Stellung der Handschrift in der Orosius-Überlieferung, die sich auch aus dem Ergebnis der vorliegenden Arbeit an der Glossenedition ergeben hat, stehen zusätzlich insbesondere Fragen der althochdeutschen Orosius-Rezeption im Fokus der Untersuchung. München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an) Der von der Forschung verhältnismäßig wenig beachtete Clm 6383 enthält Eusebius’ ‚Historia ecclesiastica‘ in der lateinischen Übersetzung des Rufinus von Aquileia sowie dessen einleitenden Prolog und Fortsetzung des Stoffs. Der Codex ist Ende des 8. Jahrhunderts wahrscheinlich in der Bodenseeregion entstanden und später nach Freising gelangt. Dass diese Handschrift althochdeutsche Glossen trägt, wurde erst im Jahr 2012 durch die Autopsien Andreas Nievergelts bekannt. In den darauffolgenden Jahren konnten aus über eintausend Griffeleinträgen 422 als althochdeutsche Griffelglossen identifiziert werden, die wir hier zusammen mit den wenigen lateinischen Griffelglossen erstmals edieren und sprachlich analysieren. Kurz vor der Drucklegung dieses Bandes entdeckte Nievergelt zudem eine von der Forschung ebenfalls übersehene althochdeutsche Federglosse, die wir noch in die Edition aufnehmen konnten. München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677) Obwohl die Federglossierung des Clm 21525 bereits früh entdeckt, bei Steinmeyer ediert und die Handschrift daraufhin häufig in unterschiedlichen Forschungszusammenhängen herangezogen wurde, sind bislang noch nicht alle Glossen des Codex publiziert. Dies betrifft in erster Linie die von Andreas Nievergelt neu entdeckten Griffel- und Farbstiftglossen, worauf in jüngeren Publikationen bereits häufiger hingewiesen wurde. Zudem sind auch einige Federglossen zu Steinmeyers Edition nachzutragen. Den lateinischen Glossen der Handschrift ist bislang gar

14 | Einleitung

keine Aufmerksamkeit zuteil geworden; sie sind aber, wie die Arbeiten an der vorliegenden Untersuchung erkennen ließen, enorm wichtig für die Einschätzung der Überlieferungszusammenhänge und -traditionen aller Glossen des Clm 21525, dessen Rolle in der Gesamtüberlieferung der ‚Regula pastoralis‘-Glossierung in der Forschung schon früh untersucht wurde. Die volkssprachigen und lateinischen Glossen werden hier inklusive aller Neufunde neu ediert und auch nach Glossierungsschichten untersucht. Dabei wird die Diskussion der Verwandtschaftsverhältnisse unter den Cura-Glossen, bezogen auf den Clm 21525, fortgesetzt.

1.4 Vorgehensweise 1.4.1 Die Arbeit an den Handschriften Die Vorgehensweise bei der Autopsie der Handschriften wurde bereits häufiger thematisiert und unterscheidet sich kaum von den bei Glaser (1996: 74–79), Ernst (2007: 50–54) und Nievergelt (2007: 140–142) beschriebenen grundsätzlichen Herangehensweisen. Dies gilt auch für die bei der Untersuchung von Griffeleintragungen besonderen Bedingungen und Voraussetzungen, die insgesamt am ausführlichsten von Nievergelt (2007: 61–92) diskutiert wurden. Neu ist gegenüber früheren Publikationen, dass die untersuchten Handschriften mittlerweile alle in Digitalisaten vorliegen und die konkrete Einsichtnahme in die Originale auf die Entzifferung der Eintragungen konzentriert sein konnte, während sonst viel Zeit auch in die Erhebung der lateinischen Kontexte floss. Diese lässt sich nun im Wesentlichen relativ bequem am Digitalisat bewerkstelligen. Die eigentliche Lesung der mit Griffel oder Farbstiften eingetragenen Glossen – und bisweilen auch die mancher Federeintragungen – kann dagegen weiterhin nur am Original erfolgen, auch wenn die Eintragungen teilweise im Digitalisat sichtbar sind. Von Lesungen am Digitalisat ist selbst bei guter Sichtbarkeit (auf die wir bisweilen in den Editionsartikeln hinweisen) aber abzuraten, da der Einstrahlwinkel des Lichts für die komplette Erfassung einer Eintragung und die Sicherung einer Lesung variieren muss. Dies ist bei statischen Fotographien, seien sie auch noch so hochauflösend, prinzipbedingt nicht der Fall. Die Abbildungen in diesem Buch sowie die Hinweise zu im Digitalisat erkennbaren Eintragungen haben also vorrangig dokumentarischen und illustrierenden Charakter und können die Entzifferungsarbeit an der Handschrift selbst nicht ersetzen. Die hier untersuchten Handschriften wurden alle in mehreren Arbeitsgängen autopsiert, worunter wie üblich die komplette Durchsicht einer Handschrift sowie daran anschließend mehrfache Überprüfungen der Lesungen fallen. Die dabei zum Einsatz gekommenen Hilfsmittel waren vorrangig Lampe und Lupe, wobei wir kleinere Taschenlampen benutzten, die bei der Arbeit an den Handschriften am praktischsten sind. Lichtstarke neuere LED-Modelle erwiesen sich als weitgehend un-

Vorgehensweise | 15

brauchbar, wenn eingedrückte Eintragungen zu lesen waren, da zu starke Lichteinstrahlungen die Schattenwirkung insbesondere schwacher Einprägungen optisch einebnen und die Eintragung dadurch unkenntlich machen. Bei Einritzungen sind solche Lampen bisweilen hilfreich, um Eintragungen von sonstigen Spuren wie etwa Kratzer, die von der Pergamentbearbeitung stammen, oder Faltenwürfen des Pergaments besser zu unterscheiden. Die Lesung einer Eintragung war in den meisten Fällen aber auch dann mit Lampen geringerer Lichtstärken erfolgreicher.29 Der Erfolg einer Lesung hängt schließlich zu einem großen Teil ebenso von den umgebenden Lichtverhältnissen ab, wobei wir die Erfahrung gemacht haben, dass weniger Umgebungslicht die Untersuchungen vereinfachte. Dies ist allerdings wohl auch von individuellen Faktoren beeinflusst.

1.4.2 Editionsprinzipien Die Editionen der Glossen sind nach den modernen Standards (siehe etwa Glaser 1993; Ernst 2007: 62–68; Nievergelt 2007: 158–164) konzipiert. Sie sind also handschriftennah, kontextorientiert, berücksichtigen auch lateinische Glossen und kommentieren die Lesung und Interpretation einer Glosse hinsichtlich paläographischer, grammatischer und morphologischer Aspekte. Eine differenzierte Herangehensweise ist allerdings aufgrund unterschiedlicher Glossierungssprachen und Eintragungstechniken notwendig. Die Einbettung des Materials in die restliche Glossenüberlieferung eines Textes kann sich darüber hinaus etwa in bestimmten Glossierungsschichten unterschiedlich stark zeigen, was zum Beispiel eine differenzierte Anlage der Edition nach Glossierungsschichten sinnvoll erscheinen lässt. Dies ist besonders bei Handschriften mit großen Glossenzahlen wie dem Clm 21525 der Fall, bei dem neben den 109 althochdeutschen Griffelglossen auch 201 althochdeutsche Federglossen, 15 althochdeutsche Farbstiftglossen und dazu noch 134 lateinische Federglossen erscheinen. Wir unterteilen die Glossen daher nach eintragungstechnischen Kriterien in Griffelglossen, Farbstiftglossen und Federglossen. Erscheint nur eine geringe Anzahl an Glossen aus bestimmten Schichten, so ist eine integrale Edition sinnvoller, was in den drei anderen Handschriften des Untersuchungskorpus der Fall ist. Die je nach Handschrift unterschiedlichen Verhältnisse und die Folgen daraus für das spezifische Vorgehen bei der Edition werden in den einleitenden Kapiteln zu jeder Handschrift genauer beschrieben. Eine weitere Unterscheidung erfolgt nach identifizierten und unidentifizierten Glossen. In den Editionen werden nur die identifizierten behandelt. Die nicht identi-

|| 29 Zu den Lichtstärken der verwendeten Lampen vgl. allgemein auch Nievergelt (2007: 76,A.45) sowie Ernst (2007: 52). Sie liegen unter den für Ausstellungen erlaubten Beleuchtungsstärken und sind daher auch unter konservatorischen Gesichtspunkten unbedenklich.

16 | Einleitung

fizierten werden in separaten Kapiteln im Anschluss an die Editionen aufgelistet. Ob eine Glosse als identifiziert gelten kann, entscheidet die erreichte Qualität der Lesung, kombiniert mit der Möglichkeit einer sinnvollen lexikalischen oder grammatischen Interpretation. Wir haben bewusst darauf verzichtet, bei Grenzfällen eine Identifikation allein mittels Vermutungen zu bewerkstelligen. Nur in ganz vereinzelten Fällen haben uns der textliche oder überlieferungsgeschichtliche Kontext oder eintragungs- und glossierungstechnische Parallelität eine positive Entscheidung gestattet. Wir unterscheiden zwischen edierten und unedierten Glossen, nicht zwischen bekannten Glossen und Neufunden. Es ist nämlich davon auszugehen, dass insbesondere viele der lateinischen Glossen von der früheren Forschung zwar gefunden, aber dann nicht ediert wurden. In der Darstellung werden bereits edierte Glossen durch eine Angabe der Edition gekennzeichnet. Wo kein solcher Vermerk steht, handelt es sich um Glossen, die hier das erste Mal veröffentlicht werden.

1.4.3 Aufbau der Editionen und der Editionsartikel Die Editionen sind in einzelne Artikel gegliedert. Der Artikel wird definiert durch das lateinische Lemma, also die glossierte Textstelle. Bei mehrfacher Glossierung kann er deshalb auch mehrere Glossen behandeln. Die Artikel sind in der Reihenfolge des Textverlaufs angeordnet und nicht nach der Anordnung der Glossen in der Handschrift, wo einzelne Seiten nach Fehlern bei Neubindungen umgeordnet sein können. Wir folgen damit den üblichen Gepflogenheiten und insbesondere auch Steinmeyer. Im Normalfall stehen die Artikel unverbunden; gruppiert werden sie dann, wenn sich mehrere Glossen auf denselben Textabschnitt beziehen. Wir stellen dann den lateinischen Kontext an den Anfang mehrerer Artikel und wiederholen ihn in den Artikeln selbst nicht mehr. Der Editionsartikel ist in die folgenden Abschnitte gegliedert: 1. Editionszeile, 2. Textzusammenhang, 3. Paläographischer Kommentar, 4. Sprachliche Bestimmung und Einordnung in die Überlieferung. Eine spezielle Regelung gilt für die Edition lateinischer Glossen und wird in den einzelnen Kapiteln kurz thematisiert. 1. Editionszeile: Dieser Abschnitt enthält eine Laufnummer, die Stellenangabe des Lemmas, das lateinische Lemma (Kursivdruck), das Interpretament, wie es am handschriftlichen Original gelesen werden konnte (Fettdruck) sowie allfällige Quellenangaben. Die glossierte Stelle wird mit Foliozählung und Zeilenzahl angegeben. Wo das Lemma marginal glossiert ist, wird es in Klammern gestellt (zu Mehrfachglossierungen siehe unten). Die Wiedergabe der Glosse wird wie folgt diskutiert: Unsicher gelesene Buchstaben sind unterstrichen, ein nicht identifizierter Buchstabe wird durch einen Punkt und nicht gelesene und nicht zählbare Buchstaben werden mittels ‚(…)‘ wiedergegeben. Wo Glossen bereits ediert sind, folgt nach der Glosse die entsprechende Stellenangabe in der Edition. Wo wir Glossen anders lesen als

Vorgehensweise | 17

in den Editionen angegeben, geben wir die Lesung der alten Editionen ebenfalls wieder. Zitieren wir lediglich die Editionsstelle, bedeutet dies entsprechend, dass wir jene Lesung bestätigen. Graphische Besonderheiten (z. B. übergestellte Schriftzeichen) werden mit den verfügbaren drucktechnischen Mitteln behelfsmäßig nachgebildet. Verbindliches dazu ist jedoch der paläographischen Beschreibung zu entnehmen. Bei Mehrfachglossierungen werden die Interpretamente mit ‚[a]‘, ‚[b]‘, etc. durchgezählt und in der Editionszeile nacheinander aufgereiht. Wo die Glossen sowohl interlinear als auch marginal stehen, geben wir im Regelfall zuerst die interlineare, bei über- und unterzeiliger Glossierung zuerst die überzeilige an; bei den marginalen wird dann vor der Glosse mittels ‚( )‘ die marginale Glossierung des Lemmas quasi nachbezeichnet. Wenn in benutzten Editionen von Mehrfachglossen nicht alle Glossen ediert sind, setzen wir die Quellenangabe nicht wie üblich an das Ende der Zeile, sondern nach derjenigen Glosse, die in der Edition aufgeführt ist. 2. Textzusammenhang: Wir geben einen Ausschnitt des Werktextes in einem Umfang wieder, der einen für das Verständnis der Glosse ausreichenden Einblick in den Textinhalt gewährleistet. Die Wiedergabe erfolgt nach dem handschriftlichen Befund, was die Anordnung in der Zeile und die Schreibung betrifft. Abkürzungen werden in Kursivschrift aufgelöst, die Interpunktion wird modernisiert wiedergegeben. Das Lemma wird mit Fettdruck gekennzeichnet (bei unsicherer Lemmazuweisung erfolgt Kursivdruck). Bei Abweichungen des Handschriftentexts von der von uns verwendeten Edition fügen wir die Editionsfassung in Klammern ein. In Klammern folgt die Angabe der glossierten Stelle (Teil und Kapitel) und der Edition (Seite und Zeile) und ggf. auch einer zitierten Bibelstelle. Danach liefern wir eine deutsche Übersetzung, bei welcher wir uns teilweise an existierenden Übersetzungen orientierten, dabei aber möglichst nahe am Original zu übersetzen versuchten, was beispielsweise grammatische Kategorien, Wortarten und syntaktische Konstruktionen anbelangt. 3. Paläographischer Kommentar: Bei Griffelglossen, teilweise auch bei den anderen Glossen, steht eine Angabe zum eintragungstechnischen Profil. In jedem Fall wird die Position beschrieben. Gegebenenfalls folgen Hinweise auf benachbarte Glossen oder unidentifizierte Einträge im Bereich des Textausschnitts. Die Edition der Griffelglossen folgt von Handschrift zu Handschrift einigen weiteren, spezifischen Prinzipien, die dort jeweils beschrieben sind. Generell gilt, dass sämtliche Glossenkorpora in eigenen Kapiteln paläographisch behandelt sind und in den Editionen dieser Teil deshalb meist kurz gehalten werden kann, wozu auch die Entscheidung, nur einwandfrei Identifiziertes in den Editionen unterzubringen, wesentlich beiträgt. 4. Sprachliche Bestimmung und Einordnung in die Überlieferung: Die Belege werden grammatisch und lexikalisch bestimmt und einem Lexem des althochdeutschen

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Wortschatzes zugewiesen. Es folgen Nachweise in den einschlägigen Nachschlagewerken wie den historischen Grammatiken (BRG30, SchAHG, SchABG) und Wörterbüchern. Eine Einbettung in den gesamten Wortschatz, also auch aus Textdenkmälern, leistet an erster Stelle das Althochdeutsche Wörterbuch (AWB) und ab da, wo dieses noch nicht vollendet ist, der Altdeutsche Sprachschatz von Graff (GSp). Der gesamte und bei späteren Funden Graff überbietende Wortschatz ist – nach Wortfamilien strukturiert – auch im Althochdeutschen Wörterbuch von Splett (SpAW) versammelt.31 Für eine Einordnung in den Glossenwortschatz verwenden wir die Glossenwörterbücher, die von Starck/Wells (StWG) und Schützeichel (SchG) herausgegeben wurden. Beide leisten – wie auch AWB und GSp – gute Dienste bei der Suche nach Parallelglossen. Die Verortung der Belege in den historischen Kontext der indogermanischen und germanischen Sprachfamilie ermöglicht das EWA. Bei bestimmten Wortarten geben wir zusätzliche Verweise auf entsprechende einschlägige Nachschlagewerke und Untersuchungen wie RSV, Heidermanns und Riecke. Wo vorhanden, werden anschließend Besonderheiten wie Hapax legomena32, unklare Formen, Inkongruenzen zum Lemma aller Art, dialektale Charakteristika usw. diskutiert. Der Artikel schließt mit einer Auflistung der uns bekannten Parallelglossen, die zum Teil dann auch Gegenstand gesonderter Kapitel sind.33 Nicht edierte Parallelglossen, die wir durch zusätzliche Handschrifteneinsichten oder durch die Überprüfung von Digitalisaten auffinden konnten, werden ebenfalls mitgeteilt. Die edierten Glossen werden in Form von tabellarischen Übersichten am Ende jedes Kapitels zusammengestellt. Hier werden alle Glossen für einen besseren Gesamtüberblick nach dem Textablauf zusammen mit der Nummer ihres Editionsartikels, ihrem Lemma und gegebenenfalls Nennungen früherer Editionen aufgelistet.

|| 30 Die Neubearbeitung von Braunes Althochdeutscher Grammatik durch Frank Heidermanns (BHAG) erschien Ende 2018, erst kurz vor der Drucklegung dieses Bandes und konnte nur noch im Schlusskapitel miteinbezogen werden. Durch die umsichtige Überarbeitung Heidermanns bleiben aber die Paragraphenstruktur und -zählung nahezu unverändert erhalten, sodass die Bezüge auf BRG auch weiterhin nachvollziehbar sind und nun durch das neu eingearbeitete Material ergänzt und gegebenenfalls neu bewertet werden können. 31 Von der Konsultation des bei Glosseneditionen früher regelmäßig benutzten Althochdeutschen Wörterbuchs von Schützeichel haben wir abgesehen. Es wird seit Jahren neu aufgelegt, ohne die neuere Forschung zu berücksichtigen und ist deshalb mittlerweile verzichtbar. Ab der 6. Aufl. (Schützeichel 2006) wird zwar der Glossenwortschatz berücksichtigt, dies aber lediglich durch einen Verweis auf SchG. 32 Wir folgen hier im Wesentlichen den Ausführungen in Nievergelt/Glaser (2016). 33 Untersucht werden in erster Linie echte Parallelglossierungen, unter denen wir die Glossierung der gleichen Textstelle in einer anderen Handschrift mit dem gleichen Lexem verstehen (vgl. Ernst 2007: 78). Daneben können aber etwa auch Glossierungen mit anderen Wortbildungen zum gleichen Basislexem oder überhaupt mit anderen Lexemen für die Analyse interessant sein. Das Gleiche gilt für vergleichbare Lemma-Interpretament-Beziehungen an anderen Textstellen oder aus Glossaren. Näheres ist den Ausführungen in Kap. 2.4 zu entnehmen.

Vorgehensweise | 19

Einzelheiten zu einer etwaigen Markierung eintragungstechnischer Unterschiede werden in den jeweiligen Kapiteln beschrieben.

1.4.4 Sprachliche und funktionale Auswertungen Der Edition folgen verschiedene Auswertungskapitel, die sich zum einen um die Einbettung der Glossen in die Gesamtüberlieferung bemühen und zum anderen um eine sprachliche Auswertung im weitesten Sinne drehen. Da ein wichtiger Bestandteil der Analyse der Freisinger Glossierungstätigkeit im Nachweis einer möglichen Eintragung in Freising besteht, machen hier insgesamt phonematisch-graphematische sowie (flexions-)morphologische Analysen den Anfang. Sie dienen im Wesentlichen einer Lokalisierung und Datierung des Sprachmaterials im Vergleich mit der aus den einschlägigen Grammatiken (BRG, SchAHG, SchABG) bekannten Überlieferung. Das Material wird bezüglich aussagekräftiger lautlich-graphischer und morphologischer Phänomene untersucht, die sich aus der Entstehungszeit und dem Entstehungsort der jeweiligen Handschrift ergeben. In der Auseinandersetzung mit dem Vergleichsmaterial treten bisweilen Besonderheiten bestimmter Glossierungsschichten zutage, die dann auch im Dienste einer zeitlich-geographischen Charakterisierung näher beschrieben werden. Diese Besonderheiten erlauben es uns aber teilweise auch, bestimmte Phänomene der althochdeutschen Grammatik im Besonderen und Sprachwandelprozesse im Allgemeinen besser zu verstehen. Weitere Untersuchungen zu erkennbaren Glossierungstechniken (vgl. etwa Glaser 1996: 466–480) werden abhängig von den Spezifika der jeweiligen Glossenhandschrift angestellt. Dabei fokussieren wir auf für uns auffällige Phänomene, ohne dabei Anspruch auf eine vollständige Auswertung des Materials zu erheben. Im Gegenteil, wir hoffen, dass die Konzeption der Editionen eine gute Basis für Analysen aller Art darstellt und dass die strikte Trennung zwischen Editions- und Auswertungsteil genug Raum für weitergehende Untersuchungen bereithält und zu solchen auch anregt. Das Gleiche gilt für Überlegungen zu Umständen und Funktionen der Glossierungen. Auch diese können wir aufgrund des großen Umfangs und der Vielfalt des im Folgenden mitgeteilten Materials nicht abschließend behandeln. Vielmehr möchten wir mit diesem Band unser „stückwerk“ (StSG 4,ix) zur Freisinger Glossenforschung beitragen, das der daran anschließenden Forschung hoffentlich für Fragestellungen unterschiedlicher Art nützlich sein wird.

2 München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521) 2.1 Einleitung 2.1.1 Die Handschrift Der Clm 6293 der Bayerischen Staatsbibliothek München enthält als „theologische Sammelhandschrift“ (Bierbrauer 1990: 23, Nr. 22) neben den Exzerpten aus den ‚Dialogen‘ Gregors des Großen weitere Texte wie die ‚Vitae Patrum sive Verba seniorum‘, die ‚Visio Baronti‘1 und diverse Predigten. Die Handschrift ist bereits mehrfach ausführlich beschrieben worden2, zuletzt im Katalog der BSB München durch Glauche (2000: 160–164), auf den hier verwiesen werden kann. Im Folgenden beschränken wir uns auf für die Glossierung wesentliche Daten.3 Die Handschrift umfasst 158 Blätter, die einspaltig mit jeweils 24 Zeilen beschrieben sind, und ein nicht gezähltes Vorsatzblatt. Sie wurde nach Bischoff (1974: 88) und Glauche (2000: 161) durchgängig von einer Hand geschrieben.4 Bei Maag (2014: 193, Nr. 100) wird die Handschrift diesbezüglich unter den Codices mit einem signifikanten Anteil in alemannischer Minuskel geführt.5 Schulte (1993: 141) weist zwar aufgrund eines anderen Schriftgrades auf die Möglichkeit einer weiteren Hand auf f. 72f. hin, was aber Glauche (2000: 160) – allerdings explizit nur mit Bezug auf f. 73v – lediglich auf „Platzmangel“ zurückführt. Die bei Maag (2014: 115) bezüglich anderer Freisinger Handschriften genannten Kennzeichen einer alemannischen Minuskel, wie etwa das 3-förmige g, das cc-a, die nt-Ligatur in der Wortmitte sowie weitere Ligaturen mit r, lassen sich in großen Teilen auch an der Schrift des Clm 6293 erkennen. Über den Zeitpunkt der Entstehung herrscht im Wesentlichen Einigkeit, sie wird seit dem ersten Katalog der BSB von Halm ins 9. Jahrhundert datiert (Catalogus I,3,86)6, wobei Bischoff die Schrift noch konkreter dem Freisinger bischöflichen Skriptorium unter Atto (783/84–810/11) zuweist und damit in die Zeit

|| 1 Zur Struktur und den Zielen dieses Visionstexts vgl. Hen (1996). 2 Vgl. Bischoff (1974: 88f.), bezüglich der Auszeichnungsschriften Kessler (1986: Nr. 25,250–252) sowie des Buchschmucks Bierbrauer (1990: 23, Nr. 22), insbesondere mit Bezug auf die Glossierung der Dialoge Schulte (1993: 140–143). 3 Die Handschrift ist beim Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ) als Digitalisat einsehbar: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb00032656-8 (19.10.2018). 4 Bischoff (1974: 88) vermutet auch, dass diese Hand am Clm 6243 mitgewirkt hat; vgl. im Detail auch Kessler (1986: Nr. 25, 250). 5 Im Kapitel zum Freisinger Skriptorium (Maag 2014: 113–126) wird der Clm 6293 aber nicht weiter behandelt. Auf den alemannischen Einfluss wies bezüglich des Buchschmucks auch bereits Bierbrauer (1990: 23) mit explizitem Bezug auf die Formen des von alemannischen Händen geprägten Clm 6243 hin. 6 Ähnlich auch StSG 5,66, Meritt (1934: 228). https://doi.org/10.1515/9783110621952-002

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um die Wende des 8. zum 9. Jahrhundert. Dieser Datierung folgen auch andere Beschreibungen7 und sie wird auch in der aktuellen von Glauche (2000: 160) mit „um 800“ sowie bei Bischoff (2004: 237, Nr. 3034) bestätigt. Der im Wesentlichen glossierte Teil der ‚Dialoge‘ Gregors reicht von f. 1–65v (Glossen Nr. 1–245). Die Einzelblätter f. 6 und f. 152 wurden allerdings später beim Binden vertauscht, sodass es hier zu einer Störung im Textablauf der Dialoge kommt. Entsprechende Hinweise gibt bereits Docen um 1800 (Glauche 2000: 160). Sowohl f. 6 als auch f. 152 sind glossiert, was einen Hinweis darauf geben könnte, dass die Blätter erst beim späteren Binden vertauscht wurden. Die weiteren glossierten Teile betreffen folgende Texte des Codex (die Folioangaben im Folgenden nach Glauche 2000: 161–164): Die Exzerpte aus den ‚Vitae patrum‘ (f. 74r–136r und f. 147v–148v; Glossen Nr. 246, 247) sowie die bei Glauche (2000: 163f.) zusammengefassten ‚Praedicationes et dicta‘ (f. 148v–158v): eine unedierte Predigt (f. 148v–150v, Glosse Nr. 248), deren Text noch ein weiteres Mal nahezu identisch im Clm 28135 ebenfalls aus Freising (vgl. Bischoff 1974: 93) überliefert ist; die ‚Ps.-Bonifatius Sermo 11‘ (f. 150v–151v und f. 6; Glossen Nr. 249–250); das ‚Ps.-Ephraem Latinus Dictum 1‘ (f. 6v und f. 153r–154r; Glossen Nr. 251–252) und ‚Dictum 2‘ (f. 155r–156v; Glossen Nr. 253–258). Die letzten beiden Glossen beziehen sich je einmal auf die Kontamination von Stellen aus vier Homilien eines Florilegs (f. 156v–157v, Glosse Nr. 259) und ‚Caesarius Arelatensis, Sermo 13‘ (f. 157v–158v, Glosse Nr. 260). Die Glossen konzentrieren sich also auf den vorderen Teil mit den ‚Dialogen‘ und treten im hinteren Teil des Codex zu anderen Texten nur sporadisch auf, was unterschiedliche Glossierungsvorgänge, die evtl. auch unabhängig voneinander unternommen wurden, wahrscheinlich macht. Dazwischen sind weite Teile mit ‚Ps.-Johannes Chrysostomus, Homilia 33‘ (f. 65v–72v), ‚Ps. Caesarius Arelatensis, Homilia 17‘ (f. 72v–73v) und die ‚Visio Baronti‘ (f. 136r–147v) nicht glossiert.8 Dies betrifft auch große Teile der ‚Vitae Patrum‘, mit Ausnahme der beiden Stellen mit den Griffeleintragungen Nr. 246 und 247 und einer nicht identifizierten Griffelspur f. 101v, Z. 12 über discerpuntur.

2.1.2 Die Glossen Die Existenz von althochdeutschen Glossen im Clm 6293 ist seit längerem bekannt. Bereits Halm weist im alten Katalog der BSB München (Catalogus I,3,87) auf eine

|| 7 Vgl. CLA 9, Nr. 1262 sowie Kessler (1986: Nr. 25), Bierbrauer (1990: Nr. 22), Holter (1965: 105), Brunhölzl (1961: 61, 120f.). 8 In diesen Teilen finden sich allerdings bisweilen verstreut Kritzeleien mit Griffel sowie insbesondere auf f. 142v und f. 155v je eine Griffelzeichnung eines der Schlüssel aus der ‚Visio Baronti‘ (vgl. genauer Kap. 2.3.3). Bierbrauer (1990: 23, Nr. 22) weist hier nur auf eine Federzeichnung hin.

Einleitung | 23

althochdeutsche Federglosse hin, die dann auch zusammen mit vier weiteren von Steinmeyer ediert wurde.9 H. D. Meritt entdeckte dann bei der Durchsicht mehrerer Handschriften nach altenglischen Glossen im Clm 6293 auch 173 althochdeutsche Griffelglossen, die er in einer Sammelpublikation im Jahr 1934 in Listenform mitteilte (Meritt 1934: 228–232). Auf der Basis dieser beiden Editionen wurden diese Glossen im Glossenwörterbuch von Starck/Wells (= StWG)10 sowie in den bis 1993 erschienenen Bänden des Leipziger AWB verzeichnet. Im Rahmen einer Untersuchung der gesamten althochdeutschen Glossierung der ‚Dialoge‘ Gregors des Großen erschien 1993 eine vollständige Neuedition der Glossen zu Gregors ‚Dialogen‘ durch Wolfgang Schulte (1993: 140–241). Er nahm gegenüber Meritts Edition einige wenige Korrekturen an Lesungen und Lemmazuweisungen vor, edierte darüber hinaus auch drei weitere Griffelglossen und wies an acht Stellen auf von ihm nicht identifizierte Griffeleintragungen hin. Auf der Basis dieser Edition wurden die Glossen nun auch in den nach 1993 erschienenen Bänden und Lieferungen des AWB11 sowie in den 2004 erschienenen Althochdeutschen und Altsächsischen Glossenwortschatz von R. Schützeichel (= SchG) aufgenommen. Bei der nun vorliegenden Neuedition aller Glossen des Clm 6293 handelt es sich also bereits um die vierte Edition. Gegenüber der letzten Edition Schultes können nun insgesamt 83 weitere althochdeutsche Glossen und 55 Korrekturen an bestehenden Lesungen bzw. Lemmazuweisungen mitgeteilt werden.12 Aufgrund der konzeptionell handschriftenbezogenen Herangehensweise dieses Buches werden neben Glossen zu den ‚Dialogen‘, die die Masse ausmachen, auch die Glossen zu anderen dem Clm 6293 beigebundenen Texten mitgeteilt, die von Meritt und Schulte nicht bemerkt oder nicht berücksichtigt wurden. Eine komplette Neuedition hatte sich daher nicht nur wegen der hohen Zahl an Neufunden und Korrekturen zu den ‚Dialogen‘ als sinnvoll erwiesen, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass Glossen zu den anderen Texten des Clm 6293 (mit Ausnahme der beiden bereits bei StSG 5,25 edierten Federglossen) noch gar nicht bekannt waren. Für eine Gesamtbeurteilung der Glossierung des Clm 6293 sollte daher auch eine Gesamtedition den Überblick ermöglichen. Darüber hinaus hatte die verstreute Editionslage bereits früh zu verwirrenden Hinweisen und Aussagen bezüglich der Datierung der Glossen geführt, die oft pauschalisiert auch auf neugefundene Glossen oder die gesamte Glossierung übertragen wurden. Insbesondere die wohl vorrangig paläographisch motivierte Datierung der bei StSG edierten Federglossen in CLA 9 (Nr. 1262,10) ins 10. Jahrhundert taucht || 9 StSG 5,25 und 27. Es handelt sich dabei um die in der vorliegenden Neuedition unter Nr. 4, 43, 44, 257 und 258 verzeichneten Federglossen. 10 Die Glossen bei Meritt (1934) sind hier unter Sigle AA,228–235 zu identifizieren. 11 Schultes Edition ist in Bd. 2 ab Lieferung 5, und dann ab Bd. 4 Lieferung 16 berücksichtigt. 12 Damit erweist sich auch die bei Ernst (2007: 48) und BStK 1041 angegebene Zahl von „ca. 80 Neufunden“ der dort angekündigten Neuedition als zutreffend, die damals auf einer einigermaßen zuverlässigen, aber noch groben Hochrechnung basierte.

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vermutlich wieder bei damit nicht zusammenhängenden Glossen in mehreren Hinweisen („Gll. 10. Jh [?]“) im AWB auf und wird darüber auch in BStK 1041 als Eintragungszeit der Glossen geführt (vgl. hierzu Kap. 2.5). Der Clm 6293 enthält damit zu 260 Textstellen teilweise oder vollständig identifizierte althochdeutsche Glossen mit insgesamt ca. 305 Wörtern.13 Mehrere weitere Griffeleintragungen konnten als lateinisch identifiziert werden, sie werden in Kap. 2.3.2 behandelt: Nur zwei lateinische, im engeren Sinn als ergänzende oder Textwörter erläuternde Griffelglossen sind hier zu zählen (Kap. 2.3.2.1), die restlichen lateinischen Griffeleintragungen spiegeln im weiteren Sinne Bemühungen um die Textrichtigkeit wider und werden als Korrekturen in Kap. 2.3.2.2 zusammengefasst. Zudem fanden sich an zahlreichen anderen Stellen Spuren weiterer Eintragungen, die nicht gelesen bzw. identifiziert werden konnten. Diese werden in einer gesonderten Auflistung in Kap. 2.3.3 mitgeteilt. Der Clm 6293 enthält darüber hinaus auch einige wenige sekundäre lateinische Federeintragungen, die aber nur mitgeteilt werden, wenn sie sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den hier behandelten althochdeutschen Glossen befinden. Auf sie wird gegebenenfalls im Rahmen der einzelnen Editionsartikel hingewiesen.

2.1.3 Autopsiebericht Die Arbeiten an der vorliegenden Edition der Griffelglossen des Clm 6293 reichen bis in die Anfänge von Oliver Ernsts Dissertationsprojekt zu den Freisinger Griffelglossenhandschriften des frühen 9. Jahrhunderts im November 2000 zurück. Zunächst bestand der Plan, den bei Glaser (1996: 40,A.15) aufgrund der Entstehungszeit nicht mehr berücksichtigten Codex auf der Basis der 1993 erschienenen Edition Schultes einer phonologisch-graphematischen und funktionalen Analyse zu unterziehen. Erste Einsichtnahmen in den Codex durch Elvira Glaser und Oliver Ernst ließen aber erkennen, dass die Edition Schultes bezüglich einiger Lesungen korrigiert werden musste und dass bei einer eingehenden Autopsie mit zahlreichen bislang unentdeckten Griffeleintragungen v. a im Dialogteil aber auch in anderen Teilen des Codex zu rechnen war. Um hier einen genauen Überblick über den Umfang der notwendigen Korrekturen und Neufunde zu erhalten, wurde der Codex von Oliver Ernst während des Jahres 2001 mehrmals vollständig autopsiert. Der erste komplette || 13 Die Rechnung erklärt sich zum einen durch 12 Doppelglossierungen zum gleichen Textlemma sowie durch die Glossierung mit mehreren Wörtern. Letzteres führt zu der Aussage ‚ca.‘, da je nach Bewertung des Wortcharakters einer Eintragung unterschiedliche Zählungen zustande kommen (vgl. z. B. Nr. 2 furiuuasprungan gegenüber Nr. 25 vonapisessanemo, wo aufgrund von Zusammenschreibungen keine sicheren Aussagen getroffen werden können. In den beiden Fällen könnte man furi und vona als jeweils eigenständige Wörter zählen, allerdings könnte bei der Analyse als Verbpartikel furi auch als Verbbestandteil interpretiert werden).

Einleitung | 25

Durchgang bezog sich auf die bei Schulte und Meritt edierten oder als nicht identifiziert gemeldeten Stellen mit Griffeleintragungen. Dabei wurden – manchmal in unmittelbarer Nähe zu bereits bekannten – neue bislang nicht edierte Griffelglossen entdeckt und in den meisten Fällen ganz oder in Teilen identifiziert. Diese Neufunde ließen eine erneute Durchsicht des gesamten Codex ratsam erscheinen, um sicherzugehen, dass möglichst viele bislang nicht entdeckte Griffeleintragungen erfasst wurden. Die Neufunde wurden für eine Edition vorbereitet, etwaige Unsicherheiten in Lesungen wurden durch erneute Autopsien geprüft und wenn nötig korrigiert. In dieser Phase wurden einige in ihrer Lesung als problematisch erkannte Griffeleintragungen auch von Andreas Nievergelt im Rahmen gemeinsamer Aufenthalte in der BSB München autopsiert. Die Ergebnisse dieser gemeinsamen Lesungen gingen dann in erste Fassungen der vorliegenden Edition ein. Diese ersten Durchsichten machten klar, dass nicht zuletzt auch aufgrund der handschriftenbezogenen Ausrichtung von Ernsts Dissertationsprojekt eine komplette Neuedition der Glossen unumgänglich wurde. Eine bloße Mitteilung von Korrekturen und Neufunden erschien aufgrund des ohnehin schon unübersichtlichen Forschungsstandes nicht ratsam, insbesondere weil die Glossierung des Clm 6293 mit der bislang ältesten und dichtesten Werktextglossierung der ‚Dialoge‘ Gregors14 nur auf der Basis einer den Überblick ermöglichenden Edition auch in funktionaler Hinsicht eingehender untersucht werden kann. Eine solche Edition und Untersuchung war aber im Rahmen des Dissertationsprojektes nicht mehr zu leisten, sondern wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Die durch die Fertigstellung des Dissertationsprojektes unterbrochene Arbeit an der Edition der Griffelglossen des Clm 6293 wurde im Rahmen eines vom SNF geförderten zweimonatigen Forschungsaufenthaltes an der Universität Zürich im Jahr 2008 wiederaufgenommen. Wiederum nach Unterbrechung wurde die Edition nach der Konzeption der vorliegenden Untersuchung im Jahr 2016 und 2017 überarbeitet. Durch erneute komplette Überprüfungen aller Lesungen durch Andreas Nievergelt im Oktober 2017, bei der er auch bislang nicht lesbare Einträge ganz oder teilweise identifizieren konnte (und auch noch neue entdeckte), und Oliver Ernst im Zeitraum November 2017 bis Juni 2018, bei denen weitere Lesungen wechselseitig korrigiert, bestätigt und ergänzt wurden, konnten die Arbeiten letztendlich abgeschlossen werden. Die in die vorliegende Edition eingegangenen Lesungen stellen also einen besonders günstigen Fall einer intensiven, mehrfachen und von mehreren Personen über einen längeren Zeitraum unabhängig voneinander vorgenommenen Autopsie dar, was die Sicherheit der Lesungen ungemein erhöht.

|| 14 Zur Bedeutung der Griffelglossierung des Clm 6293 vgl. bereits Ernst (2007: 48).

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2.1.4 Zur Einrichtung der Edition Die Edition richtet sich nach den in Kap. 1 beschriebenen Editionsprinzipien, wobei die Glossen zusätzlich noch bezüglich ihrer Eintragungstechnik typisiert werden. Da es sich in der überwiegenden Mehrzahl um Griffelglossen handelt, wird auf eine gesonderte Markierung diesbezüglich verzichtet. Herausgehoben werden lediglich Federglossen durch das Kürzel FG vor dem althochdeutschen Interpretament. Die Griffelglossen lassen sich jedoch in den meisten Fällen sicher zwei grundlegend unterschiedlichen Erscheinungsbildern zuordnen, die sich in der Regel auf die Beschaffenheit des verwendeten Instrumentes zurückführen lassen: Sie sind entweder mit einem Instrument mit abgerundeter Spitze eingedrückt, sodass die Oberfläche des Pergaments beim Schreibvorgang nicht verletzt wurde (Typ A) oder mit einem sehr spitzen Instrument, das die Oberfläche des Pergaments verletzte, geritzt worden (Typ B).15 Da diese Unterschiede relevant für die Unterscheidung von Glossierungsschichten sein können, wird diese Information durch die Kürzel Typ A und Typ B vor dem jeweiligen althochdeutschen Interpretament in der ersten Editionszeile angegeben. Das althochdeutsche Interpretament wird in der Schreibung der Handschrift dargeboten. Dies betrifft Kürzungen, Diakritika, Zusätze und auch, soweit dies drucktechnisch möglich war, Ligaturen (insbesondere &), auf die auch im paläographischen Kommentar hingewiesen wird. Auch die Setzung der Spatien erfolgt nach der Handschrift, wobei hier besonderes Augenmerk auf absichtlich gesetzte Spatien gelegt wird, weshalb auf Spatien, die aufgrund von Ober- oder Unterlängen zustande gekommen sind, lediglich im paläographischen Kommentar hingewiesen wird, ohne sie graphisch umzusetzen. Hinter dem althochdeutschen Interpretament erscheinen gegebenenfalls die Nachweise früherer Editionen.16 Sie beziehen sich v. a. auf die Stellen in der Literatur, aber auch auf Lesungen oder Lemmazuweisungen, die bei abweichenden Interpretationen unsererseits mitgeteilt werden. Fehlt ein Nachweis nach dem althochdeutschen Interpretament, handelt es sich um die Erstedition einer Glosse. Auf den Hinweis ‚Neufund‘ wurde insbesondere deshalb verzichtet, weil uns auch unveröffentlichte Aufzeichnungen früherer Autopsien von Elvira Glaser vorlagen, die sie uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Dies betrifft insbesondere die hier edierten Glossen Nr. 3, 8, 10, 27b, 29, 32, 33, 39, 40, 41, 43, 98, 99, 110, 125, 257. Die Hinweise in diesen Aufzeichnungen leisteten uns bei unseren eigenen Durchsichten

|| 15 Zu den Erscheinungsformen und Typen sowie den daraus ableitbaren Informationen zu unterschiedlichen Glossierungsschichten vgl. Kap. 2.2 sowie Ernst (2007: 68–78). Zur Eintragungstechnik mit dem Griffel in allgemeiner Hinsicht vgl. v. a. Nievergelt (2007: 47–92). 16 Die Editionen Meritts (1934: 228–232) und Schultes (1993: 140–241) werden nur in dieser Zeile mit den Siglen HDM und WS abgekürzt.

Einleitung | 27

des Codex wertvolle Hilfe. Auf eine Diskussion der in diesen Aufzeichnungen gegebenen Lesungen wird aber aufgrund deren nicht autorisierten Charakters verzichtet. Die Edition des lateinischen Werktextes der ‚Dialoge‘ Gregors wird zitiert nach der Ausgabe der Reihe Sources Chrétiennes (= SC), Bände 260 und 265. Die Übersetzung wurde neu angefertigt, wobei bereits existierende Übersetzungen des Textes ins Deutsche und Französische berücksichtigt werden konnten. Dies betrifft zum einen die deutsche Ausgabe in der Bibliothek der Kirchenväter (vgl. Funk 1933a) sowie die französische Übersetzung in den Sources Chrétiennes, zum anderen aber auch die meist zuverlässigen von Schulte in seiner Edition gegebenen Übersetzungen der lateinischen Kontexte zu einigen Glossen, auf die hier zurückgegriffen wurde, wenn eine andere Auswahl des lateinischen Kontextes oder eine andere Interpretation bzw. Lemmazuweisung nicht eine Abwandlung notwendig machte. Die anderen Texte, die die Glossen Nr. 246–260 betreffen, werden nach den folgenden Ausgaben zitiert: die ‚Vitae patrum‘ nach Migne, Patrologiae cursus completus, Series latina (= PL), Band 73; Pseudo-Bonifatius ‚Sermones‘ nach der Ausgabe Migne, Patrologiae cursus completus, Series latina (= PL), Band 89; Pseudo-Ephraem Latinus ‚Dicta‘ nach der Ausgabe von Assemani (1746); das ‚Florilegium‘ nach der Edition von Graziano di S. Teresa (1963). Beim paläographischen Kommentar werden wie üblich die Position der Glosse und Besonderheiten bei der Lesung mitgeteilt. Darüber hinaus wird auch darauf hingewiesen, wenn die Eintragung im Digitalisat der BSB München erkennbar ist. Dies kann in manchen Fällen der besseren Nachvollziehbarkeit der handschriftlichen Bedingungen und der Lesungen dienen. Leider trifft Letzteres nur in wenigen günstigen Fällen zu, bei denen die Beleuchtungsbedingungen und Kameraeinstellungen bei der Digitalisierung genau richtig für die Lesbarkeit einer ganzen Griffeleintragung waren. Ein solch günstiger Fall ist etwa Glosse Nr. 52. In vielen Fällen bedarf es aber für die Lesung einer gesamten Eintragung einer flexiblen Beleuchtung, da bei einer bestimmten Beleuchtungseinstellung nur bestimmte Teile der Eintragung gut sichtbar sind. Es wird daher auch zwischen ‚erkennbar‘ und ‚lesbar‘ unterschieden. In den meisten Fällen sind Spuren der Glossen allerdings nur bei der höchsten Auflösung sichtbar, bei eingeritzten Eintragungen (Typ B) bisweilen besser als bei eingedrückten (Typ A). Einige der hier edierten Glossen sind bereits auf der Basis einer oder mehrerer älterer Editionen im AWB, in StWG, SchG oder RSV mit Angabe der Belegstelle aufgenommen worden. Im grammatischen Kommentar werden bei den Nachweisen einer Ansatzform in den althochdeutschen Wörterbüchern zunächst die Wörterbücher aufgeführt, in denen der vorliegende Beleg bereits verzeichnet ist. Ein ‚vgl.‘ vor diesen Nachweisen bedeutet, dass hier nur auf die in der grammatischen Analyse zugewiesene Ansatzform verwiesen wird. Dies betrifft natürlich alle hier erstmals edierten Glossen, aber auch etwaige von Korrekturen betroffene Glossen der älteren Editionen. Auf vorzunehmende Korrekturen gegenüber den in den Wörterbüchern bereits verzeichneten Ansatzformen oder grammatischen Bestimmungen wird zur

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besseren Übersicht explizit nochmals am Ende des grammatischen Kommentars jeder davon betroffenen Glosse hingewiesen.

2.2 Glossierungsschichten Anhand der Eintragungstechnik lassen sich drei grundlegend verschiedene Eintragungsinstrumente und damit Glossentypen unterscheiden, Federglossen (FG), eingedrückte Griffelglossen (Typ A) und eingeritzte Griffelglossen (Typ B). Dies erlaubt Rückschlüsse auf unterschiedliche Glossierungsschichten und vermutlich auch zeitlich gestaffelte Glossierungsunternehmungen. Federglossen Die fünf bereits bei StSG 5,25 und 27 edierten althochdeutschen Glossen (Nr. 4, 43, 44, 257, 258) wurden mit Feder (und Tinte) eingetragen: Dabei wurden die Glossen Nr. 43 und 44 mit der roten Tinte geschrieben, mit der im Codex auch Auszeichnungen vorgenommen wurden. Diese Tinte ist aber größtenteils vermutlich auch aufgrund von Abrieb verblasst und nur in Resten noch gut erkennbar. Glosse Nr. 4 wurde mit einer ähnlich dunklen Tinte wie der Text geschrieben, die Glossen Nr. 257 und 258 mit einer etwas helleren Tinte. Die Federglossen finden sich auf drei verschiedene Stellen des Codex verteilt: f. 1v (Nr. 4), f. 17r (Nr. 43 und 44), f. 156v (Nr. 257 und 258). Die Glossen auf f. 1v und 17r beziehen sich also auf den Text der ‚Dialoge‘ Gregors, die auf f. 156v auf ‚Ps.-Ephraem Latinus Dictum 2‘. Zusammengefasst lässt das innerhalb der Schicht der Federglossen drei unterschiedliche Glossierungsvorgänge erkennen, die auch zeitlich unabhängig voneinander stattgefunden haben können. Die ohne weitere Erläuterung vorgenommene paläographische Datierung einiger Glossen in CLA 9, Nr. 1262 bezieht sich vermutlich auf die bis dato bekannten und edierten Federglossen. Griffelglossen Die Masse der Eintragungen wurde allerdings mit Griffel ohne Tinte vorgenommen. Die verwendeten Instrumente hinterließen auch keine sonstigen färbenden Spuren, sondern lassen sich auf zwei Grundtypen zurückführen, auf die im Folgenden mit dem Terminus ‚Eintragungstyp‘ Bezug genommen wird: Der erste verwendete Instrumententyp (Typ A) weist einen abgerundeten oder stumpfen Schreibkopf auf. Sein wesentliches Merkmal ist, dass dieser Schreibkopf die Oberfläche des Pergaments nicht verletzt, sondern lediglich eingedrückt hat. Glossen, die mit einem solchen Instrument eingetragen wurden, sind am besten bei flachem, variierendem Streiflicht erkennbar. Der zweite Instrumententyp (Typ B) muss einen spitzeren Schreibkopf besitzen; sein wesentliches Merkmal ist, dass er die Oberfläche des Pergaments, abhängig vom darauf ausgeübten Druck, mehr oder weniger stark verletzt. Glossen dieses

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Instrumententyps werden am besten bei leicht schrägem Drauflicht aus variierenden Richtungen gelesen. Die unterschiedlichen Eintragungstypen fordern damit unterschiedliche Untersuchungsbedingungen, sodass die Zuweisung auch untersuchungstechnische Hinweise für die Entzifferung und Lesung in den Editionsartikeln dokumentiert, die dort jeweils beschrieben werden. Der erwähnte Faktor des Schreibdrucks ist vermutlich auch dafür verantwortlich, dass manche Eintragungen vom Instrumententyp B lediglich oberflächlich, andere wiederum tief eingeritzt sind. Bisweilen kann ein solches Instrument bei entsprechender Pergamentbeschaffenheit und ausgeübtem Druck auch lediglich feine eingedrückte Spuren hinterlassen. Dies erschwert natürlich die eindeutige Zuweisung zu einem Instrumententyp und erklärt, warum teilweise hier vorgenommene Typ-Zuweisungen mit Fragezeichen versehen wurden. Im Zweifelsfall müssten dann Buchstabengröße und -formen eine solche Zuweisung stützen, also Eigenschaften, die der Schrift und nicht dem verwendeten Instrument zuzuordnen sind. Im Clm 6293 finden sich an nicht wenigen Stellen auch Doppelglossierungen, die sich nur z. T. räumlich unterscheiden lassen, z. B. weil die Eintragungen nebeneinander stehen (Nr. 207) oder über- und unterzeilig vorgenommen wurden (Nr. 27, 60, 200, 229). In anderen Fällen aber überlappen sich Eintragungen von unterschiedlichen Instrumententypen (Nr. 54, 136, 183) bzw. wurden vorhandene Eintragungen auch regelrecht in Teilen nachgezeichnet und/oder korrigiert (Nr. 142, 216, 235, 241). Solche Doppelglossierungen sind deshalb für die Schichtuntersuchung besonders interessant, weil sie Rückschlüsse auf die relative Chronologie des Eintragungsvorgangs erlauben (vgl. hierzu dann ausführlicher Kap. 2.5.1). Eine eindeutige Zuweisung von Eintragungen zu einem der beiden Instrumententypen ist daher besonders hilfreich, aber aufgrund der oben erwähnten Probleme nicht immer ganz einfach, da eben auch damit zu rechnen ist, dass hybride Erscheinungsformen der Glossen nicht nur auf unterschiedliche Instrumente und damit unterschiedliche Glossierungsvorgänge zurückzuführen sind. In den meisten Fällen ist die Zuweisung aber unproblematisch, sodass das Glossenmaterial dadurch in einem ersten Schritt vorstrukturiert und bezüglich unterschiedlicher Glossierungsvorgänge gekennzeichnet werden kann. Das heißt aber natürlich nicht, dass alle Glossen eines Eintragungstyps von einer Hand stammen müssen. Ebenfalls muss damit gerechnet werden, dass ein Glossator auch mit unterschiedlichen Instrumenten gearbeitet haben kann. Insgesamt wurden nun 172 der hier edierten althochdeutschen Griffelglossen dem Eintragungstyp A und 95 dem Eintragungstyp B zugewiesen. Von den beiden lateinischen Griffelglossen gehört jeweils noch eine zu Typ A und eine zu Typ B. Neben der quantitativen Verteilung auf die beiden Grundtypen erscheinen die Glossen innerhalb der Gruppen aber in einer Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen, die sich räumlich meist beieinanderstehend erkennen lassen, auch wenn manche ‚Hände‘ durchaus weite Teile des Textes abdecken. Schriftmerkmale sind aufgrund bisweilen sehr flüchtiger Eintragung nur bei deutlichen Glossen auszu-

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machen. Sie reflektieren dabei die Schriftlandschaft in Freising zur Jahrhundertwende, wo die angestammte Freisinger Minuskel auf alemannisch beeinflusste Schrift sowie bisweilen insuleske Merkmale trifft. In der Mehrzahl sind die Eintragungen diesbezüglich im Einklang mit der Formensprache der Freisinger Textschriften; beim Clm 6293 ist dies etwa bei den Glossen Nr. 6 und 7 sowie Nr. 93 und 100 der Fall. Der alemannische Einfluss ist bei g-Formen und v. a. im Wortinneren erscheinenden nt-Ligaturen ersichtlich (z. B. Nr. 235). Auch einige ri-Ligaturen (etwa Nr. 5, 18, 35, 38, 62, 72) sowie manche Ligaturen mit e (en, em neben et) kommen vor und erlauben diesbezüglich auch Zusammenfassungen von Glossen (vgl. etwa Nr. 22, 26, 119, 121). Auf angelsächsische Schreibtradition (BRG §8c,A.7) wird in der Regel der in frühen Handschriften häufiger belegte Akut zur Markierung von Längen zurückgeführt. Dieser ist einmal neben dem Querstrich, der sich aber aufgrund einer leichten Schräglage nicht eindeutig vom Akut unterscheiden lässt, in den Griffelglossen belegt (Nr. 145, 172, 197). Insgesamt ließen sich aber die für eine Handunterscheidung heranzuziehenden Unterscheidungskriterien bei Buchstabenformen, die wohl zusammengefasst mit dem oft unklar definierten Terminus ‚Duktus‘ beschrieben werden könnten, nicht in einem zufriedenstellenden Maße auf das gesamte Material anwenden und führten zu einer zu großen Zahl an Unsicherheiten. Auf eine Händeunterscheidung wird daher im Folgenden also für die Glossen des Clm 6293 verzichtet. Gleichwohl sind Unterschiede oder Ähnlichkeiten innerhalb eines Eintragungstyps auch deutlich, sodass in den Editionsartikeln gerade bei räumlich nahe beieinanderstehenden Glossen auf solche Ähnlichkeiten exemplarisch hingewiesen wird. Der Vergleich von Eintragungen über mehrere Blätter hinweg ist aber allein aus praktischen Gründen ungleich schwieriger zu erlangen, da die Untersuchung immer wieder die Neujustierung von Beleuchtung und gegebenenfalls Lupe erfordert.

2.3 Edition 2.3.1 Althochdeutsche Griffel- und Federglossen 1. f. 1r, Z. 8, petii – (Typ A) kasoahta (8) Q[uada]m die, nimiis quorundam sae/ (9) cularium tumultibus depressus, quibus in / (10) suis negotiis plerumque cogimur soluere /(11) eti[am quo]d [n]os certum est non debere, / (12) [secretum locum] petii amicum moerori (I,Prol; 260,10,4) ‚Eines Tages, niedergeschlagen wegen des zu großen Ungestümes einiger Weltleute, denen wir in ihren Anliegen oft mehr Tribut zollen müssen, als wir sicher verpflichtet sind, suchte ich einen stillen, mit meinem Kummer vertrauten Ort auf.‘ Kleine, mit relativ spitzem Instrument fein geprägte Buchstaben, interlinear über dem Lemma bis über m von amicum. Der erste Teil der Eintragung kasoa ist bei

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Streiflicht von rechts und links gut sichtbar; die folgenden Buchstaben hta sind schwächer geprägt und die Prägespuren bei Streiflicht von rechts nur sichtbar, bei schräg versetztem Drauflicht von links gut erkennbar und entzifferbar. Das Lemma mit Ligatur &. p&ii [= petii]: 1. Sg. Ind. Perf. Aktiv (neben petivi) lat. petere ‚hier: einen Ort aufsuchen‘ oder ‚nach etwas verlangen‘ – GH 2,1671f. Eine eindeutige Entscheidung über diese beiden Bedeutungen von petere erlaubt auch der lateinische Kontext nicht. kasoahta: 1. Sg. Ind. Prät. zu sw. V. ahd. gisuohhen ‚begehren, verlangen, suchen‘ – vgl. GSp 1,82. StWG 610. SpAW 1,784. SchG 8,350. RSV 1,216. Die Übersetzung ist formal wie semantisch kongruent. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt (GötzLAN 488). 2. f. 1v, Z. 5, eminebat – (Typ A) furiuuasprungan – HDM 228,4. WS Nr. 117 (1) ... Infelix quippe animus / (2) meus occupationis suae pulsatus uulnere memi/ (3) nit qualis aliquando in monasterio fuit, quomodo / (4) ei labentia cuncta subter erant, quantum rebus / (5) omnibus quae uoluuntur eminebat, quod nulla nisi / (6) caelestia cogitare consueuerat (I,Prol; 260,12,19) ‚Meine arme, von der Arbeitslast verwundete Seele denkt freilich zurück, wie es ihr einst im Kloster erging, wie alle hinfälligen Dinge unter ihr lagen, wie sehr sie aus allen Dingen, die sich wandeln, herausragte, dass sie an nichts als himmlische Dinge zu denken gewohnt war.‘ Interlinear über dem Lemma bis über quod reichend, die Pergamentoberfläche wurde leicht angeritzt. Zwischen furi und uuas befindet sich keine deutliche Lücke (was durch die Edition Schultes und Meritts suggeriert wird). Zwischen r und i entsteht aufgrund der etwas weit ausgreifenden Zunge des r der Eindruck eines Spatiums. Bei genauer Untersuchung zeigt sich, dass auch zwischen s und dem folgenden prungan keine Lücke ist. Spatium zwischen uu und as, das durch die Oberlänge des b in eminebat bedingt ist. eminebat: 3. Sg. Ind. Imperf. Akt. lat. ēminēre ‚heraus-, hervorragen‘, auch in übertragener Bedeutung als ‚herausragen unter Gleichen‘ und damit in gewisser Weise ‚anderen voranstehen, sich auszeichnen‘ – GH 1,2404f. furiuuasprungan: als Zustandspassiv analytische Verbform mit finitem Hilfsverb ahd. wesan – vgl. in der 3. Sg. Ind. Prät. + Part Prät. an. V. ahd. furibringan ‚hervorheben, herausragen‘ – vgl. AWB 1,1401. GSp 3,198. SpAW 1,105. StWG 78. SchG 2,39. Auffällig ist die Tmesis statt uuas furiprungan, die darauf hinweisen könnte, dass die Eintragung als althochdeutsches Syntagma mit einem Adv. furi + finitem Hilfsverb uuas + Partizip Präteritum prungan einzuschätzen ist. Evtl. liegt aber eine – auch graphisch entsprechend angeordnete – wörtliche Übersetzung des lat. eminebat vor,

|| 17 Mit Anmerkung zu Spuren einer direkt darauf folgenden Glosse, die Schulte (1993: 145) nicht verifizieren konnte. Meritt liest furi uuas, Schulte furi uu as.

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wobei zur Verdeutlichung der lateinischen Wortbildung über dem Rudiment der Präp. lat. ex die entsprechende althochdeutsche Partikel furi übergeschrieben wurde. Aufgrund der formalen wie semantischen Anschlussmöglichkeit an das bereits belegte ahd. furibringan ‚etw./jmdn. nach vorn bringen, nach Rang oder Wertschätzung voranstellen, vorziehen, erhöhen‘ kann als Grundform jedoch eine Partikelverbbildung furipringan mit trennbarer Verbpartikel angesetzt werden. Die formal inkongruente Übersetzung des lateinischen Aktivs mit dem althochdeutschen Zustandspassiv ist im vorliegenden Fall semantisch adäquat. Die Übersetzung furibringan für lat. ēminēre ist sonst noch nicht belegt (vgl. SchG 12,217. KöblerLAW 303). Meritts und Schultes unvollständige Lesung furi uuas ist bereits in StWG 719 und SchG 11,81 als eigener Eintrag furiwesan mit nur dieser Belegstelle aufgenommen und somit zu streichen. 3. f. 1v, Z. 14, (fe)/datur puluere – (Typ A) askv uvoruan (11) At nunc ex occasione curę pastoralis saeculari/ (12) um hominum negotia patitur, et post tam pul/ (13) chram quietis suae speciem terreni actus fe/ (14) datur puluere (Ed. puluere foedatur) (I,Prol; 260,12,27) ‚Jetzt aber erduldet sie [die Seele] wegen des Hirtenamtes die Angelegenheiten der weltlichen Menschen und wird nach der so schönen Zierde ihrer Ruhe mit dem Staub irdischer Beschäftigung besudelt.‘ Mit stumpfem Griffel interlinear über dem Lemma. Bei Streiflicht von rechts und oben gelesen. Das r ist deutlich direkt über dem p von puluere zu erkennen, mit weit ausgreifender Zunge bis über das folgende u. Das u befindet sich direkt über dem l von puluere: erkennbar sind zwei Schäfte (einer vor, einer nach der Oberlänge des l), die noch durch einen Bogen unten verbunden sind. fedatur: 3. Sg. Ind. Präs. Passiv lat. foedāre ‚verunstalten; besudeln, beflecken, entweihen‘ – GH 1,2806f. puluere: Abl. Sg. zum lat. M. pulvis, -eris ‚Staub‘ – GH 2,2083f. askv: Dat. Sg. zum st. F. ahd. aska ‚Asche‘ – vgl. AWB 1,673. GSp 1,492. SpAW 1,32. StWG 35. SchG 1,216. Die Übersetzung von lat. pulvis ‚Erdenstaub, Erde‘ mit ahd. aska ist laut GötzLAN 540 und AWB 1,674 bei Notker belegt. Die Übersetzung ist semantisch kongruent und mit dem Dat. Sg. auch funktional dem lateinischen Ablativ adäquat. uvoruan: präfixloses Part. Prät zum st. V. ahd. werban (auch werfan)/hwervan ‚wirbeln, sich drehen/wenden, verkehren‘ – vgl. StWG 711. GSp 4,1229. SchG 11,11. SpAW 1,1094. Die -Graphie lässt sich als regelmäßige Wiedergabe von germ. /f/ erklären. Der hier zu erwartende grammatische Wechsel der im Althochdeutschen

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betroffenen Konsonantenpaare f/v – b (obd. p)18 unterlag bereits in althochdeutscher Zeit Ausgleichsbewegungen, durch die auch die nebeneinander belegten Infinitive werban neben hwervan dokumentiert werden. Auch im Prät. und Part. Prät. sind Formen mit und ohne grammatischen Wechsel nebeneinander belegt.19 Die Belege mit sind alle auffälligerweise in Reichenauer Glossaren (v. a. Rb, Ka Aug IC, vgl. SchG 11,11) belegt. Semantisch liegt eine den Kontext einbeziehende Übersetzung des gesamten lateinischen Syntagmas terreni actus fedatur puluere ‚sie [die Seele] wird vom Staub der irdischen Beschäftigung befleckt, besudelt‘ mit ahd. asku uvoruan ‚im (Erden-) Staub gedreht/gewendet/gewälzt [= dadurch befleckt und besudelt]‘ vor. Dies wird auch durch die weiteren belegten Bedeutungen von ahd. werban/hwervan ‚sich aufhalten, umgehen, verkehren mit, leben‘, aber auch konkret ‚wirbeln, schleudern‘ (vgl. SchG 11,11. SchW 288. SpAW 1,1094) gestützt. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nicht belegt.20 Der semantisch denkbare Anschluss an ahd. st. V. uuerfan ‚werfen, schleudern, anreihen‘ (vgl. StWG 715. GSp 1,1026. SpAW 1,1101) ist aufgrund der Graphie für das aus germ. /p/ entstandene /f/ auszuschließen, sie wird bei SchAHG und SchABG als fehlerhaft eingeschätzt und bei BRG explizit ausgeschlossen.21 4. f. 1v, Z. 14, condescensione – (FG) nidergilazido – StSG 5,27,7. WS Nr. 2 (14) [s. vorige Nr.] … Cumque se pro condescensione / (15) multorum ad exteriora sparserit, etiam cum / (16) interiora appetit, ad haec procul dubio minor / (17) redit (I,Prol; 260,12,28) ‚Und wenn sie [die Seele] sich um des Herabneigens willen zu vielen Dingen nach außen hin zerstreut hat, kehrt sie, auch wenn sie sich wieder dem Innerlichen zuwendet, fern von Zweifel, geschwächt zurück.‘ Die Federglosse interlinear über dem Lemma, mit einer ähnlich dunklen Tinte wie der Text geschrieben, aber wohl nicht mit der gleichen. Z. 14–17 l. Rand: lateinische Federglossierung dum mens in / multa diui/ ditur minor / ad singula redit mit gleicher Tinte wie nidergilazido, wohl auch gleiche Hand. Das nachträglich eingefügte r in sparserit ist mit der gleichen Tinte wie die althochdeutsche FG nidergilazido geschrieben. condescensione: Abl. Sg. lat. F. condēscēnsio, -ōnis ‚das Herabneigen, Entgegenkommen, Rücksichtnahme; Anteilnahme, Erbarmen‘ (MLW 2,1241f. mit Hinweis auf die Glossierung der vorliegenden Stelle mit ahd. nidergilazido; vgl. auch GH 1,1419). || 18 Zum grammatischen Wechsel vgl. SchABG §78 mit Belegen zu ahd. hwerfan/hwervan; BRG §102. 19 Vgl. hierzu im einzelnen BRG §337,A.3; vgl. auch SchAHG §439; SchABG §135 führt für ahd. hwerfan ‚in Bewegung sein‘ allerdings nur Präsensformen an. 20 Vgl. SchG 12,242 oder StWG 711 etwa mit Belegen zu lat. rotare, agere, conversari. 21 BRG §176,2: „nie wird für dieses f angewendet“ – vgl. auch BRG §131,A.5 (zur postliquiden p-Verschiebung); SchAHG §155f.; SchABG §58–60 (besonders §59).

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nidergilazido: Dat. Sg. st. F. ahd. nidargilāzida ‚Herabneigen, Herablassung‘ – AWB 6,1242. StWG 439 und SchG 7,94 verzeichnen nur diesen Beleg. – vgl. SpAW 1,519. Die Abstraktbildung ist sonst nicht belegt, lässt sich aber formal und semantisch problemlos an die zugrundeliegende verbale Präfixbildung ahd. nidarlāzan ‚sinken lassen, niederlassen; nach unten wenden, herablassen‘ (vgl. AWB 5,688. SchG 5,439. StWG 363) oder auch nidargilāzan anschließen (allerdings auch nur einmal zu lat. submittere ‚senken, niederlassen‘, AWB 5,689. StWG 363 belegt). Die Bildung erfolgte offenbar nicht ohne Anlehnung an die des lateinischen Lemmas, das bezüglich der Semantik des zugrundeliegenden Verbs lat. dēscendere mit einer im Kontext adäquaten substantivischen Abstraktbildung zum st. V. ahd. nidar(gi)lāzan übersetzt wurde. Bei Kempf (1972: 57) wird der Beleg als „Lehnschöpfung“ klassifiziert. Das Wort fand offensichtlich keine Verbreitung und hat auch in anderen germanischen Sprachen keine Entsprechungen, weshalb sich die Klassifikation als Hapax legomenon22, wie sie auch Schulte (1993: 145) vornimmt, wohl trotz der Durchsichtigkeit und leichten Anschlussmöglichkeit an die zugrundeliegenden belegten Verbformen rechtfertigen lässt. Die althochdeutsche Glosse kann als semantisch adäquat betrachtet werden und übersetzt den lateinischen Ablativ auch formal dem deutschen Kasussystem adäquat mit dem Dativ. Zu vgl. ist auch die Glossierung des gleichen Lemmas mit einer althochdeutschen Griffelglosse Nr. 123 Typ B kizunft. 5. f. 2r, Z. 1, casus – (Typ B) kipuri (1) ... Quia et ita sunt casus mentis, / (2) ut prius quidem perdat bonum quod tenet sed ta/ (3) men se perdidisse meminerit (I,Prol; 260,12,38) ‚Denn so sind auch die Verfallserscheinungen des Geistes, dass man zuerst zwar das innegehabte Gut verliert, sich aber des Verlustes noch erinnert.‘ Mit spitzem Griffel über dem Lemma, die Buchstaben r und i sind ligiert. casus: Nom. Pl. lat. casus, ūs ‚Fall, Zufall, Ereignis, auch der ungünstige Zufall, Verfall, Krankheitsfall‘ – GH 1,1026f. kipuri: Nom. Sg. sw. F. ahd. giburī ‚Schicksal, Geschehen, Ereignis‘ – vgl. AWB 1,1539. GSp 3,168. StWG 203. SchG 2,110. EWA 2,466. Die femininen Abstrakta auf ahd. -ī werden bei BRG §227 diachron aufgrund des urspr. Stammbildungselements -īn zur kons. Deklination gestellt. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. Das gleiche Lemma-Interpretament-Verhältnis findet sich auch in dem Glossarfragment Kraków, Biblioteka Jagiellońska Berol. Ms. Lat. Quart. 676 (Schulte 1993, Nr. XVIII; Glosse Nr. 115), allerdings zu einer anderen Textstelle.

|| 22 Vgl. auch Kempf (1972: 57). Zur Klassifikation der Hapax legomena allgemein Lühr (1990) sowie auch Nievergelt/Glaser (2016).

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6. f. 2r, Z. 19, praenotatione – (Typ B) foramarchina (17) ... Sed iam quae prolata sunt / (18) melius insinuo, si ea quae per inquisitionem ac respon/ (19) sionem dicta sunt sola nominum praenotatione dis/ (20) tinguo (I,Prol; 260,14,56) ‚Aber schon vermag ich das, was erwähnt wurde, besser darzustellen, wenn ich das, was als Frage und Erwiderung gesagt wird, durch die alleinige Voranstellung der Namen unterscheide.‘ Die Eintragung ist oberflächlich fein geritzt und steht interlinear über n bis zum Ende des Lemmas. Das i ist sehr kurz, bei genauer Untersuchung aber deutlich erkennbar. praenotatione: Abl. Sg. zum lat. F. praenotātio, -ōnis ‚der Titel‘ – GH 2,1864. Nur diese Bedeutungsangabe bei GH, im vorliegenden Kontext aber wohl in der wörtlicheren Bedeutung einer ‚Voranstellung; das, was als Vermerk vorangestellt wird; Vorvermerk‘. Bei SchG 12,373 und GötzLAN 511 ist eine Übersetzung von praenotātio mit ahd. forazeihhan ‚Vorankündigung‘ verzeichnet. foramarchina: Nom. Sg. st. F., die Wortbildung ist noch nicht belegt. Evtl. lässt sich der vorliegende Beleg als Nachahmung der Wortbildung des lateinischen Lemmas verstehen, wobei prae- mit Adv./Präp. ahd. fora ‚vor, vorn, voran, voraus‘ (vgl. AWB 3,1132) und notatione durch eine fem. Abstraktbildung ahd. markina übersetzt wurde. Die Bildung ist bislang nicht belegt, lässt sich aber als denominale ina-Bildung zu ahd. marka ‚Grenze, Zeichen, Markierung‘ (vgl. AWB 6,290) interpretieren, für die etwa Wilmanns 2,§236,A.2 einige Belege beisteuert (vgl. etwa ahd. reda – redina). Eine deverbale fem. Abstraktbildung zum sw. V. ahd. fora(gi)markōn ‚voranstellen‘ (SchG 6,287) scheint aufgrund der Endung unwahrscheinlich. 7. f. 2v, Z. 6, ut opinor – (Typ B?) souuaniu – HDM 228,3. WS Nr. 3 (6) … dies, ut opinor, antequam sermo cessauit (Ed. cessabit) (I,Prol; 260,16,66) ‚Der Tag ist, wie ich vermute, eher als die Erzählung zu Ende gegangen.‘ Die Eintragung ist mit sehr spitzem Instrument klein und regelmäßig geprägt. Die Buchstabengröße und -form könnte sehr gut zum allerdings geritzten foramarchina (Nr. 6) passen; evtl. ist damit zu rechnen, dass das sehr spitze Instrument auf weicher Fleischseite, wie sie hier vorliegt, keine Ritzungen, sondern nur Prägungen hinterlässt. Evtl. also Typ B, obwohl die typische Ritzung fehlt. ut: Adv./Konj. lat. ut ‚so, wie‘ – GH 2,3326ff. so: Adv./Konj. ahd. sō ‚so, wie‘ – StWG 567 der Beleg ist hier als Adv. klassifiziert. SchG 9,31 – vgl. GSp 6,11. SpAW 1,893. SchW 263. Der lateinische Kontext wie auch die neuhochdeutsche Übersetzung lassen hier bezüglich der Wortartenklassifikation beide Möglichkeiten zu. opinor: 1. Sg. Ind. Präs. zum Deponens lat. opīnāri ‚vermuten, wähnen‘ – GH 2,1362.

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uuaniu: 1. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. wānen ‚vermuten‘ – StWG 694. SchG 10,376 – vgl. GSp 1,860. SpAW 1,1059. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt (vgl. GötzLAN 450). Die Eintragung übersetzt das lateinische Syntagma sowohl formal als auch semantisch adäquat. Ob das lateinische Syntagma auch bezüglich des gegenüber dem Nhd. fehlenden Subjektspronomens nachgeahmt wurde, kann nicht entschieden werden. Zu vergleichen ist hierzu die nochmalige Glossierung des Lemmas in dieser Handschrift mit Subjektspronomen auf f. 42r, 15 (Nr. 129): ut opinor – soihuuanniu, die aber von anderer Hand stammt. Echte Parallelglossierung: Clm 18140, Schulte (1993: Nr. XXI,7,518 opinor – estimo uuanno). 8. f. 3r, Z. 5, specialiter – (Typ A) sunt… (5) … quia si de personis omnibus ipsa specialiter et uer/ (6) ba tenere uoluissem, haec rusticano usu prolata / (7) stilus scribentis non apte susciperet (I,Prol; 260,18,89) ‚Denn hätte ich bei allen Personen auch dieselben Worte genau beibehalten gewollt, so gäbe die Schriftsprache das im Sprachgebrauch des Volkes Erzählte nicht in geeigneter Weise wieder.‘ Die Eintragung in ihren identifizierten Teilen reicht bis vor die Oberlänge des l von specialiter. Sie ist schwach geprägt, weist aber auch oberflächliche Ritzungen bei s und u auf. Hinter t ist das Pergament etwas aufgeraut, sodass die dort erkennbare geprägte Spur, die auf die Existenz von weiteren Buchstaben hinweist, nicht näher identifiziert werden kann. Weitere Buchstaben sind nur unsicher zu identifizieren, aber nach der Oberlänge des l bis über das Ende des Lemmas erkennbar. speciāliter: Adv. ‚insbesondere, besonders‘ – GH 2,2747. sunt...: Die identifizierten Spuren lassen sich etwa an das Adj./Adv. ahd. suntar ‚besonders, abseits, alleine stehend‘ anschließen – vgl. GSp 6,48. SpAW 1,967. StWG 608. SchG 9,339. Falls mit noch weiteren Buchstaben zu rechnen ist, ist auch ein Anschluss an das Adv. ahd. suntarīgo ‚abgesondert, besonders, insbesondere‘ (vgl. GSp 6,51. StWG 609. SchG 9,342) nicht auszuschließen, das als Übersetzungsgleichung für lat. speciāliter bereits belegt ist (vgl. SchG 9,343. StWG 609). 9. f. 3r, Z. 17, contingere – (Typ B?) pirinan – HDM 228,4. WS Nr. 4 (16) … Quas dum / (17) ille ad esum contingere pro abstinentiae amore / (18) recusaret, coeperunt ei parentes eius inridere … (I,1; 260,18,9) ‚Als sich jener aus Liebe zur Enthaltsamkeit weigerte, diese [die Fleischspeisen] zum Verzehr anzurühren, begannen seine Eltern, ihn zu verlachen.‘ Die Eintragung ist von einem spitzen Instrument mit kleinen und regelmäßigen Buchstaben geprägt und weist nur oberflächliche Verletzungen des Pergaments auf. Die Eintragung stammt sicher von gleicher Hand wie souuaniu (Nr. 7, f. 2v, Z. 6)

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und befindet sich wie diese auf einer relativ weichen Fleischseite, wodurch das sehr spitze Instrument nur Prägungen hinterließ. Evtl. also Typ B. contingere: Inf. lat. contingere ‚berühren, anrühren‘ – GH 1,1616. pirinan: Inf. st. V. ahd. birīnan ‚berühren, anrühren‘ – StWG 485. SchG 7,225 – vgl. GSp 4,1158. SpAW 1,750. Formal wie semantisch kongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 10. f. 5r, Z. 7, a fundo – (Typ A) uona allemo (7) … Tunc ille a fundo cor/ (8) dis considerans asperitatem et duritiam suam, humi/ (9) litatem ac mansuetudinem libertini, ex lecto prosiliuit (I,2; 260,32,109) ‚Da sprang jener [der Abt], sein hartes und liebloses Verhalten sowie die Demut und Sanftmut des Libertinus vom Grund seines Herzens betrachtend, aus dem Bett auf.‘ Die Eintragung ist mit stumpfem Instrument geprägt. Sie steht interlinear über dem Lemma und reicht von e in ille bis über o von cordis. a: Präp. (mit Abl.) lat. a, ab ‚von ... aus‘ – GH 1,2. fundo: Abl. Sg. zum lat. M. fundus, -i ‚Grund, Boden‘ – GH 1,2877. uona: Präp. (mit Dat.) ahd. fona ‚von‘– vgl. AWB 3,1069. SchG 3,246. allemo: Dat. Sg. M./N. zum ahd. (Pron.-)Adj. al ‚all‘ – vgl. AWB 1,96. StWG 19. GSp 1,203. SchG 1,50. SpAW 1,13. Der Ablativ des lateinischen Lemmas könnte hier dem althochdeutschen System adäquat mit dem Dativ wiedergegeben worden sein oder auch unabhängig vom lateinischen Kontext von der althochdeutschen Präp. fona regiert sein. Evtl. liegt mit allemo ein attributives Adj. zu einem virtuellen Substantiv vor (für das sich mit Blick auf das lateinische Syntagma das sw. N. ahd. herza anbietet). 11. f. 5v, Z. 6, in tam ampla – (Typ A) insopreiteru – HDM 228,5f. WS Nr. 5 (4) ... ##### Puta##musne (Ed. peccatum) uir iste ue/ (5) nerabilis libertinus, de quo tot magna (Ed. magna fehlt) signa et mira/ (6) cula retulisti, in tam ampla congregatione (Ed. in tam amplam congregationem) imi/ (7) tatorem sui reliquid (Ed. imitatores suos in uirtutibus non reliquit)? (I,2; 260,34,129) ‚Glauben wir, dass dieser ehrwürdige Mann Libertinus, von dem du so große Zeichen und Wunder berichtet hast, in einer so großen Klostergemeinschaft nicht einen Nachahmer von sich [Ed. bezüglich der Tugenden] hinterlassen hat?‘ Die ganze Eintragung interlinear ohne Spatien von m in ampla bis über das erste e von congregatione, in ist schwächer geprägt als die anderen beiden Wörter, bei sehr flachem Streiflicht von links ist über dem zweiten Schaft des m von ampla das i und darauf folgend ein n deutlich erkennbar. Das s von so steht noch vor der Oberlänge des l von ampla, das o danach. Von hier ab beginnend finden sich sehr schwache Tintenspuren, auf die Meritt (1934: 228,A.7) in einer Anmerkung evtl. hinweist. Es

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handelt sich dabei nur um Abrieb von f. 6r. Griffelspuren sind definitiv keine weiteren zu erkennen. in: Präp. hier mit Abl. (in Abweichung von der Edition, die die Formen im Akk. anführt) ‚in‘ – GH 2,124,II (zu in + Abl.). in: Präp. hier mit Dat. ahd. in ‚in‘– AWB 4,1493. StWG 299. SchG 5,31 – vgl. GSp 1,289. SpAW 1,422. tam: Gradpart. lat. tam ‚so‘ – GH 2,3014f. so: Adv. ahd. sō ‚so, so sehr‘– StWG 567. SchG 9,28 – vgl. GSp 6,11. SpAW 1,893. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. ampla: Abl. Sg. F. Adj. lat. amplus, -a, -um ‚umfangreich, weit; groß‘ – GH 1,402. preiteru: Dat. Sg. F. st. flekt. Adj. ahd. breit ‚breit, ausgedehnt, groß‘ – AWB 1,1340. StWG 75. SchG 2,14. – vgl. GSp 3,294. SpAW 1,100. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. Unentschieden muss bleiben, ob hier eine formenkongruente Wort-für-Wort-Übersetzung des lateinischen Syntagmas vorliegt (wobei der althochdeutsche Dativ den lateinischen Ablativ dem System adäquat übersetzt) oder ein althochdeutsches Syntagma, dessen Adjektiv in Kongruenz mit einem virtuellen althochdeutschen Substantiv steht (in etwa mit dem als Übersetzung für lat. congregātio ‚Klostergemeinschaft‘ belegten althochdeutschen st. F. samanunga23). 12. f. 5v, Z. 9, nuper – (Typ A) nunahiun – HDM 228,7. WS Nr. 6 (7) ... Felix qui appella/ (8) tur curuus, quem ipse bene cognouisti, qui eiusdem / (9) monasterii nuper prępositus fuit, multa mihi / (10) de fratribus eius monasterii admiranda narrabat (I,3; 260,34,2) ‚Felix, der der Krumme genannt wird, den du selbst gut kennst und der [noch] vor kurzem Vorsteher desselben Klosters war, erzählte mir viele staunenswürdige Dinge von den Brüdern seines Klosters.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma, ohne Spatium eingedrückt, die Buchstaben sind relativ groß. nuper: Adv. lat. nūper ‚vor nicht langer Zeit, vor kurzem‘ – GH 2,1228. nu: Adv. ahd. nū ‚vor kurzem‘ – AWB 6,1399. StWG 446. SchG 7,140. nahiun: Adv. zu ahd. nāhūn ‚neulich, kürzlich, vor Kurzem‘? – AWB 6,1029. StWG 431. SchG 7,25. Die Bildung nahiun ist sonst nicht belegt. Das AWB 6,1029 wertet den Beleg daher als „wohl verschrieben“.24 Denkbar ist allerdings, dass eine Adverbbildung mittels adverbialen Kasus (hier dem Akk. Sg. F.) zu einem Adj. nāhi ‚nahe, benachbart, plötzlich, zeitlich näherstehend‘ (vgl. SpAW 1,652) vorliegt. Die Bildung nahiun ist dann analog zu relativ häufigen Adjektivadverbien wie gahūn ‚eilig‘,

|| 23 Man vgl. hierzu etwa GötzLAN 134 und KöblerLAW 183. 24 Bereits Meritt deutet diese Möglichkeit in einer Anm. zu seiner Edition an.

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follūn ‚völlig‘ (vgl. Henzen §157,2. Wilmanns 2,§442,A. S.610. BRG §269,3) aufzufassen. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 13. f. 5v, Z. 12, (sub)/primo – (Typ A) piduingu – HDM 228,8. WS Nr. 7 (11) Ex quibus aliqua quae ad memoriam ueni##unt sub/ (12) primo, quia ad alia festino (I,3; 260,34,5) ‚Von diesen Dingen verschweige ich manche, die in die Erinnerung kommen, weil ich zu anderen eile ... .‘ Das Lemma ist durch Zeilensprung getrennt, die Eintragung interlinear über primo bis über das folgende quia reichend. Das g weist eine insulare Form auf und ist nur schwach sichtbar, reicht aber mit seiner Schlaufe direkt nach unten in die Lücke zw. sub/ primo und quia und ist dort erkennbar. subprimo: 1. Sg. Ind. Präs. lat. supprimere ‚bei sich behalten, verhehlen, verschweigen‘ – GH 2,2965,2b. piduingu: 1. Sg. Ind. Präs. zum st. V. ahd. bidwingan ‚bezwingen; bedrängen, niederdrücken; hier: verschweigen, zurückhalten, übergehen‘ – AWB 2,818. StWG 114. SchG 2,339 – vgl. GSp 5,273. SpAW 1,161. Die lateinisch-althochdeutsche Übersetzungsgleichung ist bereits belegt, unter anderem in gleicher Bedeutung nochmals in dieser Handschrift (vgl. Nr. 109 subprimo – Typ A piduink|o). Die beiden Eintragungen sind unterschiedlich deutlich eingedrückt, sodass eine Entscheidung über die Frage, ob beide Glossen von gleicher Hand stammen, nicht möglich ist. 14. f. 152r, Z. 2, in transuersum – (Typ A) induerch (1) … Protinus autem (Ed. autem fehlt) / (2) serpens totum se in itinere in transuersum te/ (3) tendit (I,3; 260,34,19) ‚Sogleich streckte sich die Schlange ganz auf dem Weg in die Quere aus.‘ Die ersten drei Buchstaben sind nur eingedrückt, danach finden sich darauf auch Spuren von einem Instrument Typ B, das vermutlich die vorgeschriebenen Buchstaben nachzeichnet. Beim lateinischen Lemma wurden in und transuersum zusammengeschrieben, evtl. ist die kleine Lücke zwischen trans und uersum, die auch lediglich durch den oberen Bogen des s bedingt sein kann, als absichtlich gesetztes Spatium zu interpretieren. Die Lesung des u ist unsicher. Bei c ist unsicher, ob die Spur vor dem h, die aus einem winzigen Bogen besteht, tatsächlich einen eigenen Buchstaben darstellt oder ob es sich lediglich um die leicht verlängerte Zunge des vorangehenden r handelt. Die Buchstaben sind an dieser Stelle sehr klein und etwas flüchtig geschrieben, wobei dabei die Oberfläche des Pergaments angeritzt wurde, was in diesem Fall die Lesbarkeit erschwert. in transuersum: Präp. in (mit Akk.) + Subst. transversum zum lat. N. trānsversum, -i ‚die Quere, Schräge‘ – GH 2,3199,II: ‚in die Quere, schräg‘. in: Präp. mit Akk. zu ahd. in ‚in‘ – vgl. AWB 4,1493. StWG 299. SchG 5,20.

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duerch: Akk. Sg. st. M./N. ahd. dwerah ‚Quere‘ – vgl. SchG 2,333. Im vorliegenden Fall spricht das lateinische Lemma mit Präp. + Subst. im Akk. für den Ansatz als Subst. Entsprechende Belege, auch die der Parallelglossen aus Dialog-Glossaren zum gleichen Lemma, werden außer bei SchG in den Wörterbüchern sonst als Adj. klassifiziert. 25 Mehrere echte Parallelglossierungen zu dieser Textstelle, vgl. Kap. 2.4. 15. f. 152r, Z. 8, in sude – (Typ A) instechvin (7) … et tremofactus (Ed. tremefactus) post semetipsum concidit / (8) eiusque pes per calci###amentum in sude sepis inhe/(9) sit (Ed. inhaesit), sicque usque dum hortulanus rediret deorsum ca/ (10) pite pependit (I,3; 260,36,25) ‚Vor Schrecken fiel er rücklings herab und blieb mit dem Schuh am Pfahl des Zaunes hängen. Und so hing er dann, bis der Gärtner zurückkehrte.‘ Interlinear über dem Lemma. Die Flexionsendung ist etwas schwach geprägt; in beginnt direkt hinter der Oberlänge des d von sude, das n steht genau über dem e von sude. Über dem i ist noch ein mit dem gleichen Instrument geprägtes v erkennbar, das evtl. als Korrektur interpretiert werden kann (siehe hierzu unten im grammatischen Kommentar). In Z. 9 finden sich über dum noch Spuren eines nicht ausreichend zu sichernden Eintrages …n., der evtl. zum Adv. ahd. danne ‚dann‘ (vgl. AWB 2,90) zu stellen ist (vgl. nicht identifizierte Einträge Kap. 2.3.3). in: Präp. lat. in (mit Abl.) ‚an‘ – GH 2,122. sude: Abl. Sg. zum lat. F. sudis, -is ‚kürzerer Pfahl‘ – GH 2,2902. in: Präp. mit Dat. – vgl. AWB 4,1493. SpAW 1,422. SchG 5,20.

|| 25 Auch SpAW 1,160 verzeichnet die Fügung unter dem st. M./N. dwerah, übersetzt aber in dwerah ‚schräg‘ als Ganzes wiederum adjektivisch. StWG 113 verzeichnen die Fügung ahd. in dwerah ‚quer, seitwärts‘ als Ganzes unter dem Eintrag dwerah als Adj., vgl. auch AWB 2,806f. thuuerah ‚seitwärts, von der Seite, schräg, querverlaufend‘ als Adj., auch als Übersetzung für lat. transversum, Sp. 807. Überhaupt findet sich auch in AWB 2,808 nur das Adjektivabstraktum ahd. thuuerahī, ein Subst. ahd. dwerah gilt hier als nicht belegt. GSp 5,279 liefert als Übersetzung für lat. in transversum gleich drei Belege ahd. in duuerh, in duerh und in duerch, die auch hier jeweils als Adj. klassifiziert wurden. Im vorliegenden Fall spricht das lateinische Lemma mit Präp. + Subst. im Akk. für den Ansatz als Subst., im Übrigen auch bei den bei GSp angegebenen Belegen, die allesamt aus Glossaren zu den Dialogen Gregors entstammen, die sich auf die gleiche Textstelle wie im vorliegenden Fall beziehen. Diese und andere Belege für dwerah verzeichnet SchG 2,333 als st. M.N. Einen Ansatz als Substantiv schlägt in Bezug auf diese Glossarbelege aus anderen Handschriften auch Schulte (1993: 530) vor. Er betont mit guten Gründen, dass ein als dwerah anzusetzendes Substantiv keineswegs nur auf parallele Belegstellen zur selben Familie gehörender Handschriften beschränkt ist (Schulte 1993: 530), was durch den vorliegenden Neufund innerhalb einer wohl primären Textglossierung bestätigt wird.

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stechin: Dat. Sg. zum sw. M. ahd. stecko ‚Pfahl, Stock, Pflock‘ – vgl. GSp 6,628. StWG 590. SpAW 1,929. SchG 9,204. Die Übersetzung des lateinischen Ablativs mit dem althochdeutschen Dativ kann als funktional äquivalent betrachtet werden und ist in mehreren Parallelglossierungen belegt. Über dem i befindet sich vom gleichen Instrument ein v, das als Korrektur zu stechvn (= stechun) aufgefasst werden kann. Die Form kann dann als Akk. Sg. zum sw. M. stecko bestimmt werden, die für das Oberdeutsche des 8./9. Jahrhunderts als regelmäßig betrachtet werden kann (vgl. BRG §221,A.3). Die Korrektur zum Akkusativ könnte ein Hinweis auf einen alternativen von ahd. in regierten Kasus sein. Zahlreiche echte Parallelglossierungen, vgl. Kap. 2.4. 16. f. 152v, Z. 3, deguit – (Typ A) leb&a (2) … qui in ha#conitana (Ed. Anchonitana) urbe / (3) per annos multos in monachi cohabitu (Ed. monachico habitu) deguit (I,5; 260,58,3) ‚… der [ein Mitbischof] viele Jahre in der Stadt Ankona als Mönch lebte‘. Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei Streiflicht von links und oben gelesen. Die Interpretation des e als Ligatur & (et) ist von dem von unten nach rechts oben gezogenen Bogen des e bedingt, an den sich das a anschließt. deguit: 3. Sg. Ind. Perf. lat. dēgere ‚sein Leben verbringen, leben‘ – GH 1,1993. leb&a [= lebeta]: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. lebēn ‚leben, wohnen, überleben; hier: leben, sein Leben verbringen‘ – vgl. AWB 5,699. GSp 2,40. StWG 364. SpAW 1,531 (LÎBAN). SchG 6,5. Zum Zeichen & für die Lautfolge et vgl. SchAHG §7. Formenkongruente und semantisch adäquate Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt (GötzLAN 178). Die Glossierung könnte durch die teils nicht sinnvolle Wortsegmentierung des lateinischen Kontextes der Handschrift (in monachi cohabitu statt Ed. in monachico habitu) im Sinne einer Verdeutlichung motiviert sein. Die vorliegende Stelle wurde im Clm 18140, f. 227vc, Z. 25 mit einem lateinischen Interpretament glossiert: Deguit – uivit. Parallelglossierungen: Das gleiche Lemma-Interpretament-Verhältnis aber zu einer anderen Textstelle (I,4) liegt in einigen anderen Handschriften mit Dialog-Glossen vor, vgl. hierzu Kap. 2.4. 17. f. 152v, Z. 9, functus est [officio] – (Typ A) pruhhent (6) ... Iuxta eam namque ciuitatem / (7) ęcclesia beati martyris stephani sita est, in qua uir / (8) uitę uenerabilis constan####tius nomine mansio/ (9) nario functus est officio (Ed. mansionarii functus officio deseruiebat) (I,5; 260,58,8) ‚In der Nähe dieser Stadt ist nämlich die Kirche des seligen Märtyrers Stephanus gelegen, in der ein Mann von ehrwürdigem Lebenswandel mit dem Namen Constantius im Mesmeramt tätig war.‘ [Ed. ... das Amt des Mesmers ausübte]

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Der erste Buchstabe ist nur schwer zu sichern, da er vor einem Pergamentknitter liegt, erkennbar ist eine Unterlänge mit daran anschließendem kleinen Bogen nach rechts oben. Bei Streiflicht von links ist über functus ruhh gut sichtbar, die Endung allerdings nur schwach. Bei genauer Untersuchung ist sie aber sicher als ent zu lesen, wobei das höhergestellte e mit n verbunden ist. Das o in mansionario wurde mit hellerer Tinte übergeschrieben. functus est: 3. Sg. Ind. Perf. zum Deponens lat. fungī ‚etw. verrichten, [in Verbindung mit lat. officium] (ein Amt) ausüben (mit Abl.)‘ – GH 1,2879. pruhhent: Part. Präs. (?) zum st. V. ahd. brūhhan ‚brauchen, genießen, (ein Amt) ausüben‘ – vgl. AWB 1,1430. 1432 zur Bedeutung als Übersetzung von fungī ‚ein Amt ausüben‘. StWG 80. SpAW 1,109. SchG 2,55. Die Bestimmung als Part. Präs. erfolgt hier unter Berücksichtigung der im Clm 6293 auffälligen Übersetzungspraxis von Deponentien mit einem aus Part. Präs. + Hilfsverb bestehenden althochdeutschen Syntagma26 und der parallelen Glossierung im Clm 18140, wo die Textstelle mit einem st. flektierten Part. Präs. glossiert wurde (s. u.). Vermutlich ist hier auch von einer gekürzten Glossierung für pruhhenter auszugehen. Der Ansatz einer 3. Pl. Ind. Präs. ist aus dem lateinischen Kontext nicht zu motivieren. Die lateinischalthochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach in dieser Bedeutung belegt. Der von der Edition des lateinischen Textes abweichende Kontext hatte vermutlich Einfluss auf Form und Funktion der Glossierung. Das mit hellerer Tinte nachgetragene o in mansionario legt die Herstellung einer Kasuskongruenz mit officio nahe, wobei mansionario vom Korrektor offensichtlich adjektivisch aufgefasst wurde, also in etwa als ‚mesnerisches Amt‘. Der vorliegende Abl. ist dabei von fungī bestimmt. Echte Parallelglossierung liegt vor im Clm 18140 (Schulte 1993: XXI,62): Funct9 (= fūnctus Part. Perf. Passiv des Deponens fungī) – niozzentˉ pruhentˉ (Nom. Sg. M. des st. flekt. Part. Präs.). 18. f. 152v, Z. 22, excellentiae – (Typ A) urmari (20) ... PETRUS: Mirum est ualde / (21) quod audio, sed uelim nosse cuius humilitatis aput (Ed. apud) se / (22) potuit esse (Ed. intus esse potuit) iste, qui tante (Ed. tantae) excellentiae foris fuit (I,5; 260,60,22) ‚PETRUS: Das ist sehr wunderbar, was ich da höre; ich möchte aber gern wissen, wie demütig dieser Mann in seinem Innern sein konnte, der nach außen hin von so großer Vortrefflichkeit war.‘ Die Eintragung eingedrückt interlinear über dem Lemma. Unsicherheit besteht bei der Lesung des ersten Buchstabens vor dem ersten r, von dem nur schwache Spuren erkennbar sind. Die letzten beiden Buchstaben ri sind ligiert. excellentiae: Gen. Sg. zum lat. F. excellentia ‚das Hervorragen, die Vortrefflichkeit, Vorzüglichkeit‘ – GH 1,2516. || 26 Vgl. hierzu v. a. die Glossierungen Nr. 113 pruhanti uuesan und Nr. 160 sintpruhhanti.

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urmari: Die Eintragung lässt sich bei Annahme von formaler Kongruenz mit dem lateinischen Lemma als Nom. oder Gen. Sg. eines fem. Adjektivabstraktums ahd. urmārī ‚Vortrefflichkeit‘ interpretieren, für das bislang keine Belege verzeichnet sind (Adj. ahd. urmāri ‚ausgezeichnet‘, vgl. SchG 10,302). Zu vgl. sind allerdings entsprechende Bildungen zum Adj. ahd. māri, wo ein st. F mārī und auch ein st. N. māri ‚Ruhm, Berühmtheit, Gerücht‘ (vgl. AWB 6,286. StWG 401. GSp 2,825. SpAW 1,599. SchG 6,281) belegt sind. Formal ist bei den femininen Adj.-Abstrakta keine Entscheidung darüber möglich, ob hier formenkongruente Übersetzung oder Glossierung mit der Grundform vorliegt. Die Übersetzung ist semantisch adäquat. 19. f. 7r, Z. 1, lacessiunt – (Typ A) kaarandent – HDM 228,9 kaarindent. WS Nr. 8 kaarind... (f. 152v, Z. 23) GREGORIUS: Inter uirtutes animum congruę re/ (24) quiris, quia multum ualde est quod temptatione sua // (f. 7r, Z. 1) intus mentem lacessiunt mira quae foris fiunt (I,5; 260,60,25) ‚GREGORIUS: Mit Recht suchst du bei den Tugenden die Seele, weil es sehr oft vorkommt, dass die Wunder, die außen geschehen, den Geist innerlich in ihrer Versuchung reizen.‘ Das Präfix ka ist zusätzlich geritzt, der Rest der Eintragung nur geprägt. Evtl. ist mit einer Doppelglossierung durch zwei verschiedene Hände zu rechnen, wobei die eine Hand (Typ B) das Präfix nur nachritzte, zumal darunter – allerdings in ihrer Form nicht sicher zu identifizierende – Prägespuren von Typ A auszumachen sind. Zum Nachziehen vorhandener Spuren durch Instrument Typ B vgl. etwa auch Nr. 235a/b u. 241 a/b. Die bereits von Meritt edierte Flexionsendung ist entgegen der Beobachtungen Schultes eindeutig zu bestätigen, wobei ent ligiert sind, was die Identifizierung der Buchstaben zunächst erschwert. Die Ligatur nt mit gestürztem t ist häufig auch im Text der Handschrift zu beobachten. Die Korrektur der Lesung mit i erfolgt aufgrund der Tatsache, dass die geprägte Spur, die Meritt und Schulte als i interpretieren, stark schräg steht und zweifelsfrei als Schräge und Abstrich eines a interpretiert werden kann.27 Links davon ist bei Streiflicht von oben und rechts eine schwache Spur erkennbar, die als Bauch eines a zu identifizieren ist. Die Form des Buchstaben weist eine große Ähnlichkeit mit den beiden anderen etwas spitzen Bäuchen der a dieser Glosse auf. lacessiunt: 3. Pl. Ind. Präs. lat. lacessere ‚herausfordern, reizen‘ – GH 2,528. kaarandent: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. giarenden ‚reizen, herausfordern‘ – AWB 1,641. RSV 1,5 gi-arinden als sw. V. (jan) klassifiziert. SchG 1,202. StWG 33f. – vgl. GSp 1,427. SpAW 1,27. Formal kongruente und semantisch adäquate Übersetzung des lateinischen Lemmas.

|| 27 Die Lesung wurde auch von Andreas Nievergelt so bestätigt.

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Das Verb ist sonst nur noch zweimal aus dem Glossar Rb als Textglossarglosse zu lat. exasperāre ‚reizen, herausfordern‘ belegt.28 Das Vorkommen des i in beiden alten Handschriften „verschiedener Herkunft“ (der Handschrift des Glossars Rb [alem.] und der Clm 6293 [bair.]) veranlasst das AWB zu der Aussage, dass das i gesichert sei, wenn auch nur „schwer zu erklären“. Mit der hier aufgrund des paläographischen Befundes vorzunehmenden Korrektur der Lesung Meritts und Schultes fällt eine dieser beiden Handschriften als Beleg für das i weg. Das AWB stellt giarinden in Zusammenhang mit dem Adj. arendi für lat. asper ‚rau, hart, streng‘ (AWB 1,631), für das GSp 1,427 als Wurzel ARANDī ansetzt (vgl. SpAW 1,27) und zu dem Karg-Gasterstädt (1938a: 237) in Bezug auf die Belege kiharindat und kiarindant aus dem Glossar Rb eine Ableitung eines kausativen sw. V. arenden mit Primärumlaut29 annimmt. Das i in diesen Belegen bleibt dann aber erklärungsbedürftig.30 Ob bei diesen Belegen auch mit einer alternativen, im Mhd. öfter belegten -Graphie31 für den Primärumlaut zu rechnen ist, erscheint fraglich, da insbesondere auch die Interpretation als st. V. nicht auszuschließen ist. In der Lesung kaarandent ist dann davon auszugehen, dass hier tatsächlich ein wie von Karg-Gasterstädt bereits vermutetes kausatives sw. V. (gi-)arenden < *arand-jan (vgl. Heidermanns 1993: 101) mit noch unumgelautetem a vorliegt.

|| 28 In der Handschrift Karlsruhe, Aug. IC, um 800. Ediert bei StSG 1,410,34 (f. 69v, Z. 17) kiharindat (2. Pl. Ind. Präs.); StSG 1,584,13 (f. 91v, Z. 7) kiarindant (3. Pl. Ind. Präs.). Eine genauere Angabe des Kontextes zu den beiden Glossen bietet Riecke 469f. 29 Die Annahme eines so bislang nicht belegten sw. Kausativums arenden, das den Belegen aus Rb zugrunde liegen soll, ging so vermutlich in das AWB ein und führte zur Klassifizierung des Eintrags gi-arinden als sw. V. Die Überlegungen zur Etymologie von giarinden / arendi, denen die Bemerkung im AWB 1,641 zugrunde liegt, es könnte (mit Verweis auf das nur einmal im Abrogans belegte Adj. ahd. arundi) ein „Suffixablaut“ (zur idg. Wz. *er(e) ‚sich in Bewegung setzen‘ mit dem Suffix *-uent-, -unt-) vorliegen, findet sich ebenfalls in diesem Aufsatz (vgl. 238 mit näherer Ausführung). Zur Klassifikation als jan-Verb ist auch Riecke 469f. (mit Diskussion weiterer Deutungen und Literatur) zu vergleichen. Der vorliegende Beleg ist hier allerdings leider nicht berücksichtigt. 30 Rooth (1971: 21f.) setzt daher auch ein st. V. *gi-ar-indan (< *uz-inþan) an, das mit ahd. aruntī ‚Auftrag‘ verwandt sei. Diese Deutung lehnen Lloyd/Springer allerdings in EWA 1,321 ab und favorisieren selbst einen Anschluss von arendi „wohl als â-rendi (< *ae-rand-ja) [...] und vielleicht zur idg. Wz. *rendh- ‚(zer)reißen‘“, die u. a. auch in ahd. rinta ‚Rinde‘ und als Verb in bi-rintan ‚die Rinde abschälen‘ vorliege. Die ursprüngliche Bedeutung ‚abschälend, zer-/verreißend‘ klinge dann auch noch in nhd. verreißen ‚scharf, vernichtend kritisieren‘ an. Dieser Erklärungsversuch ist nach Riecke 470 aus semantischen Gründen nicht befriedigend, weshalb für ihn die Ableitungsbasis weiterhin ungewiss ist. 31 Vgl. hierzu Weinhold §22 und §29. Neben dieser -Graphie führt Weinhold auch noch die alternative Graphie für den Primärumlaut an, die bereits in althochdeutscher Zeit mit besonderer Häufigkeit im Glossar Rb, aus dem auch die beiden anderen Belege für ahd. giarinden stammen, nachgewiesen werden kann; vgl. hierzu Meineke (1984: 87). Vgl. auch Glosse Nr. 101.

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20. f. 7r, Z. 7, excreuerat – (Typ A) aruuos – HDM 228,10. WS Nr. 9 (6) ... GREGORIVS: Quia ualde opinio sanctitatis / (7) eius excreuerat, multi hunc ex diuersis prouincis (Ed. prouinciis) / (8) anxie uidere sitiebant (I,5; 260,60,30) ‚GREGORIUS: Weil der Ruf seiner Heiligkeit sehr zugenommen hatte, hatten viele aus verschiedenen Gegenden ehrfürchtig das Verlangen ihn zu sehen.‘ Die Zunge des r ist sehr weit ausgreifend und weist am Ende einen kleinen Bogen nach unten auf. Dies erweckt auf den ersten Blick den Eindruck eines weiteren, dritten u, was aber nach näherer Untersuchung eher auszuschließen ist. Eine ähnlich weit ausgreifende Zunge weisen auch die r-Graphien anderer Eintragungen auf. excreuerat: 3. Sg. Ind. Plusquamperf. Aktiv lat. excrēscere ‚zunehmen, herauswachsen, emporwachsen‘ – GH 1,2531. aruuos: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. irwahsan ‚zunehmen, erwachsen, heranwachsen; hier: sich ausbreiten‘ – StWG 690. SchG 10,349 – vgl. GSp 1,686. SpAW 1,1053. Die vorliegende Graphie lässt keine Entscheidung darüber zu, ob evtl. undiphthongiertes ō für vorahd. /ō/ vorliegt. Zu vergleichen ist diesbezüglich allerdings die Eintragung mit Längezeichen ōuuast auf f. 45v, Z. 12, wo höchstwahrscheinlich die gleiche Hand /ō/ durch ein Längenzeichen graphisch markiert hat. Die Schreibung ohne den stimmlosen Spiranten h vor Konsonant ist laut BRG §154,A.5 neben der Form mit h belegt. Erklärt wird die Form ohne h durch Assimilation (BRG §154,A.5 und §99,A.3). Auch hierzu ist die Eintragung ōuuast auf f. 45v, Z. 12 zu vergleichen. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist belegt.32 Die Übersetzung ist semantisch kongruent und formal mit dem Prät. für das lateinische Plusquamperfekt auch funktional adäquat. 21. f. 7r, Z. 11, reficiens – (Typ A) zuntenti – HDM 228,11. WS Nr. 10 (9) ... Eadem / (10) uero hora casu contigerat ut sanctus uir, stans in ligneis / (11) gradibus, reficiens (Ed. reficiendis) lampadibus deseruiret (I,5; 260,60,34) ‚Es geschah aber durch Zufall zur selben Zeit, dass der heilige Mann, auf einer Holzleiter stehend, sich, sie anzündend, um die Leuchter kümmerte [Ed. sich um die Leuchter kümmerte, um sie anzuzünden].‘ reficiens: Part. Präs. lat. reficere ‚wieder anzünden, anfachen‘ – GH 2,2267. zuntenti: Unflekt. Part. Präs. sw. V. ahd. zunten ‚anzünden‘ – StWG 771, unpräfigiert ist das Verb insgesamt nur zweimal bei lampada als Glosse belegt, wobei davon ein Beleg hier vorliegt; der andere übersetzt lat. adolēre ‚in Rauch aufgehen lassen, verbrennen‘ – GH 1,143 – vgl. GSp 5,686. SpAW 1,1188. Die Übersetzung ist formal kongruent.

|| 32 Vgl. GSp 1,686: Belege zu lat. convalescere, oboriri, incidere, ingruere, conficere, coalescere, increscere, invalescere, crescere, percrebescere; Part. Prät. für: natum, exuberans, superadultus, adultus. Vgl. GötzLAN 237 und StWG 690 auch excrescere.

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Für die hier vorliegende Bedeutung von reficere ‚wiederherstellen = wieder anfachen‘ muss auch das Subst. lampada mit in die Lemmazuweisung einbezogen werden, wie dies StWG 771 ansetzen. Insofern kann hier von einer den Kontext einbeziehenden Übersetzung von reficere, nämlich als ‚die Lampen wiederherstellen = anzünden‘ ausgegangen werden. 22. f. 7r, Z. 13, unterzeilig, forma? / ad uidendum? – (Typ A) kasiuni – HDM 228,1233. WS Nr. 11 mit Lemmazuweisung forma in Z. 12 (11) … Erat (Ed. erat autem) pus/ (12) illus ualde, et exilis forma (Ed. ualde, exili forma) atque dispect#a#34. Cumque is / (13) qui ad uidendum eum uenerat quisnam esset inquire / (14) ret, atque obnixe peteret ut sibi debuisset ostendi, / (15) hii qui illum nouerant monstrauerunt quis esset (I,5; 260,60,36) ‚Er war sehr klein und schmächtig und von unansehnlichem Aussehen. Und als der, der gekommen war, ihn zu sehen, fragte, wer es denn sei und beharrlich bat, dass ihm dieser gezeigt werden müsse, zeigten solche, die ihn kannten, wer es war.‘ Die Eintragung unter dum von uidendum. Über der letzten Haste des m von uidendum ist ein kurzer, senkrechter Griffelstrich vom gleichen Instrument wie kasiuni erkennbar, den man evtl. als Verweiszeichen auffassen kann, sodass uidendum als Lemma in Betracht zu ziehen ist. Vielleicht hat der Glossator nachdem er bemerkte, dass er sich in der Zeile geirrt hat, mit dem Griffelstrich das Bezugswort markieren wollen. forma: Abl. Sg. zum lat. F. fōrma, -ae ‚Form, Gestalt; Antlitz‘ – GH 1,2815f. kasiuni: Dat. Sg. zum sw. F. ahd. gisiunī ‚Sehkraft, Anblick; hier: Aussehen‘– StWG 220. SchG 8,253 – vgl. GSp 6,127. SpAW 1,799 [SEHAN]: gisiuni st. M.N. ‚(An)gesicht; Sehvermögen, Sehen, Erscheinung usw.‘ SpAW 1,800 [SEHAN]: gisiunī st. F. ‚Anblick, Aussehen, Erscheinung; Angesicht‘. Die lateinisch-althochdeutsche Übersetzungsgleichung ist sonst nicht belegt.35 Als graphisches Lemma ist sicherlich das lateinische Gerundium uidendum zu betrachten. Das darunterstehende obnixe ‚standhaft, beharrlich‘ (GH 2,1254) bietet semantisch keine Anknüpfungspunkte. Schulte (1993: 150) setzt als semantisches Lemma das eine Zeile darüberstehende lat. forma an, das dann „semantisch und formal keine Schwierigkeiten“ bietet. Aufgrund der räumlichen Distanz der Eintragung zu forma scheint aber auch das lateinische Gerundium ad uidendum als semantisches Lemma infrage zu kommen, wie es bereits Meritt vorschlägt. Die Übersetzung eines Gerundiums mit einem Substantiv ist dann zwar formal nicht || 33 Meritt weist in A.10 als Lemma das darüberstehende uidendum zu, mit der Bemerkung, dass der Glossator mittels eines Substantivs übersetzt, anstatt der Form des lateinischen Lemmas, einem Gerundium, zu folgen. 34 Z. 12: Hs. das a in dispecta steht auf Rasur und wurde von anderer Hand korrigiert. 35 Bei GötzLAN 272 nicht verzeichnet; StWG führen als Lemmata lat. visus, species, aspectus auf.

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kongruent, aber dem deutschen System adäquat: ‚der, der zum Sehen gekommen war‘. Die Bedeutung ‚Blick, Sehen‘ ist bei SchG 8,253 (allerdings in einem unsicheren Fall) belegt (diesbezüglich zu vergleichen ist auch SpAW 1,799). 23. f. 7v, Z. 10, probat – (Typ B) kauuarta – HDM 228,13. WS Nr. 12, beide cauuaigta (9) ... Qualis enim quisque aput se lateat, con/ (10) tumelia inlata probat (I,5; 260,62,57) ‚Wie beschaffen nämlich ein jeder verborgen in sich ist, erweist eine zugefügte Kränkung.‘ Die Eintragung ist insgesamt deutlich geritzt und steht interlinear über dem Lemma. Das abweichend von Meritt und Schulte gelesene k weist einen feinen Schaft oben mit einem kleinen Bogen nach links und eckige Äste auf. Vom drittletzten Buchstaben, der von Meritt und Schulte als g gelesen wurde, sind keine sichtbaren Ritzungen erkennbar. Sichtbar ist bei Streiflicht von oben ein kurzer senkrechter Schaft und daran oben anschließend eine Zunge nach rechts, was sich (entgegen Meritts und Schultes Lesung als i) eindeutig als r interpretieren lässt. Zwischen diesem r und t befinden sich keine scharfen Ritzungen, sondern lediglich Pergamentmaserungen, die den Eindruck von leichten Prägungen machen, was Meritt und Schulte wohl veranlasste, sie als g zu interpretieren. Prägungen sind allerdings bei dem sonst hier verwendeten Instrument nicht zu erwarten. Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. probat: 3. Sg. Ind. Präs. lat. probāre ‚glaubhaft machen, erweisen, beweisen‘ – GH 2,1935. kauuarta: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. giwāren ‚beweisen, einen Bund schließen, bewähren; hier: zeigen, erweisen‘ – vgl. StWG 697. GSp 1,923. RSV 1,250. SpAW 1,1068 [WĀRA]. SchG 10,395. Riecke 453, wāren. Das Interpretament ist bezüglich des Tempus des lateinischen Lemmas formeninkongruent, was auf einer Verwechslung von lat. probat mit probabat beruhen könnte.36 Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt (vgl. RSV 1,250. KöblerLAW 703). Der vorliegende Beleg ist auf der Basis der Editionen Meritts und Schultes bereits bei StWG 706 (unter giweigen), RSV 1,329 und SchG 10,453 (unter giweggen) verzeichnet und dort jeweils zu streichen. 24. f. 8r, Z. 5, crebro – (Typ A) ofto – HDM 228,14. WS Nr. 13 (4) … sicque fratribus in man/ (5) suetudine praeerat, sicut crebro patris iracundiam (Ed. iracundiam ex humilitate) / (6) mitigabat (I,7; 260,66,13) ‚... und so stand er den Brüdern mit Milde vor, gleichwie er oft den Jähzorn des Abtes besänftigte‘.

|| 36 Diese Möglichkeit zog bereits auch Schulte (1993: 151) für seine ebenfalls formeninkongruente Lesung cawaigta in Betracht.

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Die Eintragung interlinear über t von sicut beginnend reicht bis vor die Oberlänge des b von crebro, of ist oberflächlich geritzt. Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung gut sichtbar. crebro: Adv. lat. crēbrō ‚oft, immer wieder‘ – GH 1,1736. ofto: Adv. ahd. ofto ‚oft, immer wieder, zuweilen‘ – AWB 7,65. StWG 450. SchG 7,188 – vgl. GSp 1,184. SpAW 1,684. Die Übersetzung ist formal wie semantisch kongruent. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 25. f. 9r, Z. 13, ex obsesso – (Typ A) vonapisessanemo – HDM 228,15f. uona pisessanemo. WS Nr. 14 vona p isessanemo (11) ... Aiebat / (12) namque quia quodam (Ed. alio quoque) tempore isdem uir omnipotentis dei famu/ (13) lus ex obsesso quodam homine inmundum spiritum excus/ (14) sit (I,10; 260,96,55) ‚Er sagte denn, dass zu einer gewissen Zeit derselbe Mann, ein Diener des allmächtigen Gottes, aus einem besessenen Menschen einen unreinen Geist austrieb.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma; sie reicht von s in famu/lus beginnend ohne Spatium bis über das u in quo. Die bei Schulte nach p angegebene Lücke ist durch die Oberlänge des b in obsesso bedingt. Der aus germ. /t/ entstandene Doppelfrikativ weist die Besonderheit einer Schreibung mit Schaft-s auf, Meritt (1934: 228,A.11) vermutete hier ein Beeinflussung durch die Graphie im lateinischen Lemma obsesso. Das Phänomen ist aber insbesondere in Griffelglossen häufiger auch in anderen Handschriften belegt und muss noch detaillierter untersucht werden.37 Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. ex: Präp. lat. ex (mit Abl.) ‚aus ... heraus‘ – GH 1,2495. obsesso: Abl. Sg. M. zum Part Perf. von lat. obsīdere ‚besetzt halten, besetzen‘ – GH 2,1268; vgl. auch das Adj. mlat. obsessus ‚besessen‘ – Habel/Gröbel 260. vona: Präp. (mit Dat.) ahd. fona ‚von‘ – AWB 3,1070 (Form; nach der Edition Meritts allerdings unter uona), 1080 (Bedeutung). StWG 170 – vgl. GSp 3,523. SpAW 1,255 [FONA]. SchW 115f. pisessanemo: Dat. Sg. M. st. flekt. Part. Prät. ahd. bisezzan ‚besessen‘ zum st. V. ahd. bisizzen ‚besetzen, umlagern, besitzen‘ – StWG 529. SchG 8,256 – vgl. GSp 6,289. SpAW 1,823. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt (GötzLAN 441).

|| 37 Vgl. hierzu etwa Ernst (2007: 170f., 240, 250f., 528f., 583), Ernst/Elspaß (2011: 272), Ernst/Glaser (2009: 1011f.), Glaser/Moulin-Fankhänel (1999: 107) und Seiler (2011: 178).

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26. f. 9v, Z. 15, derogatione – (Typ B) lastrunga – HDM 228,1738. WS Nr. 15 lastrungu (13) Ego namque hunc uirum qui, dum quasi hospitalitatem / (14) exhiberet, orbatus est, non pietatis opere delectatum / (15) aestimo, sed episcopi derogatione (I,10; 260,98,82) ‚Ich glaube nämlich, dass dieser Mann, der seines Kindes beraubt wurde, als er angeblich Gastfreundschaft übte, seine Freude nicht an dem Werk der Frömmigkeit fand, sondern an der Schmähung des Bischofs.‘ Interlinear über dem Lemma. Abweichend von Schulte kann die Lesung des letzten Buchstabens, die von Meritt bereits als unsicher gekennzeichnet wurde, als a angesetzt werden. Die Lesung Meritts und Schultes als u rührt evtl. daher, dass die Rundung links bei entsprechend flachem Streiflicht als Prägung erkennbar ist. Darüber hinaus dürfte sie von der durchaus zu erwartenden Kasuskongruenz mit dem lateinischen Lemma beeinflusst sein. Bei Drauflicht werden aber eine dazu gehörige, geritzte Schräge und der Abstrich des a sichtbar, sodass die Rundung als Bauch des a interpretiert werden kann. Eine Rundung rechts, die die Lesung als u bestätigen würde, ist nicht vorhanden. Das g mit Köpfchen. Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung gut erkennbar. derogatione: Abl. Sg. zum lat. F. dērogātio ‚die teilweise Aufhebung, Beschränkung eines Gesetzes‘ vgl. auch dērogāre ‚vermindern (= herabsetzen)‘ – GH 1,2072. lastrunga: Nom. Sg. st. F. last(a)runga ‚Beschwerde, Lästerung, Schmähung.‘ – AWB 5,647. StWG 361. SchG 5,473 – vgl. GSp 2,100. SpAW 1,508 [LAHAN]. Semantisch adäquate, aber formeninkongruente Übersetzung mit der Grundform. Die lateinischalthochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt (vgl. KöblerLAW 251 sowie die Angaben bei StWG). Der Beleg ist im AWB 5,647 auf der Basis der Lesung Meritts und Schultes aufgenommen und entsprechend zu korrigieren. 27. f. 10v, Z. 21, ad pvotandam – [a] (Typ A) furpanne – HDM 228,19. WS Nr. 16 – [b] unterzeilig, ad pvotandam – (Typ A) sneitenne (20) … . Qui uidelicet sacer/ (21) dos inopinate contigit ut ad pvotandam (Ed. putandum) uineam esset / (22) occupatus (I,12; 260,112,10) ‚Es traf sich zufällig, dass dieser Priester mit dem Beschneiden des Weinbergs [Gerundiv: mit dem zu beschneidenden Weinberg] beschäftigt war.‘ Die beiden Eintragungen von gleicher Hand stehen interlinear über (furpanne) und unter (sneitenne) dem Lemma. Die Beobachtung Meritts, dass über dem o des in der Handschrift fehlerhaften lateinischen Lemmas ein v eingedrückt ist, lässt sich entgegen der Aussage Schultes (1993: 153) zweifelsfrei bestätigen. Die Spur stammt vom gleichen Instrument wie die beiden althochdeutschen Glossen, sodass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Glossator auch die Korrektur vornahm. Vermutlich sollte die missverständliche fehlerhafte lateinische Textstelle durch die Glossierung || 38 Meritt liest lastrungu mit Unsicherheit in der Lesung des letzten Buchstabens.

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sowohl korrigiert als auch durchsichtig gemacht werden (vgl. hierzu Nr. 123 kizunft). Der zweite Buchstabe in sneitenne ist sehr klein, aber zweifelsfrei als n erkennbar. ad pvotandam: Akk. Sg. F. Gerundivum lat. putāre allg. ‚putzen, reinigen‘, als Terminus technicus auch ‚(einen Baum, Weinstock) beschneiden‘ – GH 2,2100. Dagegen lat. pōtāre ‚trinken, zechen, saufen‘ – GH 2,1817. [a] furpanne: Dat. Sg. des Infinitivs („sog. Gerundium“39) des sw. V. ahd. furben ‚polieren, erneuern, reinigen‘– AWB 3,1370f. StWG 185. SchG 3,347. RSV 1,51 – vgl. GSp 3,680. SpAW 1,275 [FURBEN]. Die im AWB verzeichneten Belege lassen einen weiteren Bedeutungsbereich erkennen, der sich v. a. auch auf handwerklich-landwirtschaftliche Tätigkeiten erstreckt: das Reinigen des Getreides von Spelzen; das Säubern, Glätten und Polieren von Metallgegenständen und, wie im vorliegenden Beleg, das Ausputzen der Weinstöcke, den das AWB mit der Bedeutung ‚das Gehölz beschneiden‘ verzeichnet. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt (GötzLAN 542. KöblerLAW 730). Formal wurde die im deutschen System nicht vorhandene lateinische Gerundivform ad putandam mit dem sog. althochdeutschen Gerundium übersetzt (vgl. BRG §315). Es wurde also ganz offensichtlich nicht das fehlerhafte ursprüngliche potandum glossiert, sondern die fehlerhafte Form vom Glossator erkannt, korrigiert und die korrigierte Form zur Verdeutlichung glossiert. Dabei ist zunächst von einer Vokabelglossierung auszugehen, bei der die allg. Bedeutung von lat. putāre ‚reinigen‘ mit dem dafür belegten althochdeutschen Äquivalent furben glossiert wurde. Evtl. wurde auch die im Lateinischen offenbar mögliche Verwendung von putāre als Terminus technicus der Gärtnersprache (vgl. GH 2,2100,Ib) mit der übertragenen Bedeutung ‚einen Weinstock ausputzen = beschneiden‘ auf das ahd. furben übertragen. Die Doppelglossierung über und unter dem lateinischen Lemma könnte einen Hinweis darauf geben, dass furben im Althochdeutschen in dieser Bedeutung ebenfalls erklärungsbedürftig war, da der Vorgang des ‚Ausputzens‘ unterzeilig durch ahd. sneiten gegenüber der ersten Glossierung mit furben konkretisiert wurde und mit der unterzeiligen althochdeutschen Eintragung auch eine Glossierung des überzeiligen althochdeutschen Interpretaments vorliegen könnte. Dafür spricht auch die Position unter dem lateinischen Lemma, da in der Handschrift in der Regel nur bei bereits erfolgter überzeiliger Glossierung auf den Platz unter dem lateinischen Wort ausgewichen wurde. Da bislang keine starken Formen des Verbs furben belegt sind, erklärt sich die a-Graphie in furpanne durch die v. a. im Oberdeutschen zu beobachtende Ausgleichsbewegung, in deren Folge die schwachen jan-Verben von den starken Verben

|| 39 Die Begrifflichkeit ist in den Grammatiken uneinheitlich geregelt; Behaghel (1923: 304f.) bezeichnet sie als „flektierte Formen des Infinitivs“, BRG §314 als Gerundium, wohingegen Paul (2007: §M63) den Schwierigkeiten der Übertragung der Kategorie auf das deutsche System am konsequentesten mit dem Ausdruck „sog. Gerundium“ Rechnung trägt.

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die Infinitivendung -an erhielten, was in bairischen Glossen bis ins 12. Jahrhundert belegt ist (vgl. BRG §314). Für den Vokal in den Gerundiumformen gilt im Wesentlichen das Gleiche (vgl. BRG §315), sodass für die Eintragung also als Grundform die Form des bereits belegten sw. V. furben angenommen werden kann. [b] sneitenne: Dat. Sg. des Infinitivs (= sog. Gerundium) des sw. V. ahd. sneiten ‚die Weinstöcke beschneiden‘. Die Wörterbücher sind sich bei der Beurteilung der Belege offenbar nicht einig: StWG 564 setzen kein sw. V. (jan) ahd. sneiten an und führen nur ein sw V. gi-sneitōn an. Auch RSV 1,193 verweist beim Eintrag unter den sw. V. (jan) *sneiten auf das sw. V. (ōn) (gi-)sneitōn ‚(die Weinstöcke und Oliven) beschneiden‘ (RSV 2,140). Einige der dort aufgeführten Belege lassen sich formal auch als jan-Verben bestimmen: Sie beziehen sich auf das lateinische Lemma putabitur und bestehen aus einem Syntagma aus Partizip Präteritum und Hilfsverb ahd. werdan. Es handelt sich um die Belege aus StSG 1,597,53–5540, die sich alle auf dieselbe Bibelstelle beziehen. SchG 9,8 interpretiert diese Belege als Part. Prät. gisneitit zum sw. V. (jan) sneiten (vgl. hierzu auch SpAW 1,888 und GSp 6,844). Da die Belege für das sw. V. (jan) aber v. a. in jüngeren Quellen belegt sind, bei denen, wie Riecke 545f. zu Recht vermutet, auch Formen mit Abschwächung der Endsilbe vorliegen könnten, blieb der Ansatz eines jan-Verbs mit Unsicherheiten behaftet. Mit dem vorliegenden Beleg kann die Annahme eines jan-Verbs, die nach Riecke vor allem durch das Altnordische und Altenglische gestützt wird, durch einen relativ früh anzusetzenden althochdeutschen Beleg erhärtet werden. Semantisch reiht sich der vorliegende Beleg in die kausative Bedeutung der bei Riecke 546 angeführten Belege, die allesamt lat. putāre im Kontext des Weinberg-Beschneidens übersetzen. Bei den Parallelglossierungen der vorliegenden Dialog-Stelle ist in allen Fällen das st. V. ahd. snīdan anzusetzen.41 28. f. 11r, Z. 21, opem – (Typ A) helfa – HDM 228,21. WS Nr. 17, beide helfoo (19) Qui scilicet seuerus / (20) protinus de terra surrexit, eique penitentiam (Ed. poenitentiam) agen/ (21) ti opem suae intercessionis prebuit (Ed. praebuit) (I,12; 260,114,35) ‚Sogleich erhob sich Severus vom Boden und gewährte ihm, als er Buße tat, den Beistand seiner Fürsprache.‘

|| 40 gesneitetwirt (StSG 1,597,52), gisneitit wirdet (StSG 1,597,53), gisnetit wirdet (StSG 1,597,53f.), gisnaittet wirdet (StSG 1,597,54), gisneittetvvirt (StSG 1,597,54). 41 Vgl. Schulte (1993: Nr. XXI,109; XXII,21; XXIII,36; XXIV,36; XXV,36; XXVI,21). In allen Fällen liegt die funktional adäquate Glossierung von lat. ad putandum (außer im Clm 14689 fehlerhaft als potandum) mit einem ahd. Syntagma zi snidanne vor. Vgl. für alle Fälle die Edition bei Schulte: Clm 18140 (Schulte 1993: 578); Clm 19440 (Schulte 1993: 760); Wien, ÖNB 2723 (Schulte 1993: 798); Wien, ÖNB 2732 (Schulte 1993: 834); Clm 14689 (Schulte 1993: 865). Interessant ist die Parallelglossierung im Cgm 5248 (Schulte 1993: 715), da hier das fehlerhafte lateinische Lemma wie im Clm 6293 mit übergeschriebenem v vorliegt.

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Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die Lesung des letzten Buchstabens ist entgegen Meritt und Schulte eindeutig a. Die beiden erkennbaren cc weisen zwar beinahe eine Schließung der Rundungen auf, entgegen der Beobachtung Schultes ist die Endung -oo aber keineswegs eindeutig und die Interpretation als offenes cc-a in Betracht zu ziehen, die in dieser Handschrift auch nochmals in Glosse Nr. 19 und 110 belegt ist.42 Die Lesung Meritts und Schultes als helfoo birgt darüber hinaus auch grammatische Probleme, da sowohl der Ansatz (-oo) als Gen. Sg. eines st. F. (Schulte 1993: 153) bezüglich der Kasuskongruenz mit lat. opem erklärungsbedürftig ist, als auch die Doppelvokalschreibung -oo für die Endung im Gen. Sg., wofür die Grammatiken keinen Langvokal ansetzen (vgl. BRG §57,A.1. §207. SchABG §110). opem: Akk. Sg. zum lat. F. ops, -is ‚Beistand, Beihilfe, Hilfe, Unterstützung‘ – GH 2,1374f.; hier v. a. Abschnitt IV,1375. helfa: Nom./Akk. Sg. zum st. F. ahd. helfa ‚Hilfe, Beistand, Schutz‘ – AWB 4,905 (der vorliegende Beleg ist hier als Gen. Sg. helfoo verzeichnet und somit zu korrigieren). StWG 266. SchG 4,256 – vgl. auch GSp 4,922. SpAW 1,378 [HELFAN]. 29.–30. f. 11v, Z. 16 (15) Qui liberiori genere ex prouincia nursiae exortus, romę / (16) liberalibus litterarum studiis traditus fuerat (II,Prol; 260,126,7) ‚Er, der aus einer angesehenen Familie aus der Provinz Nursia stammte, war für die Studien der Artes Liberales nach Rom geschickt worden.‘ 29. f. 11v, Z. 16, liberalib; – (Typ A) pohharron Die Eintragung steht interlinear über dem Lemma und weist kleine Buchstaben auf, sie ist durchgehend geprägt. liberalibus: Dat.43 Pl. zum Adj. lat. līberālis, -e ‚frei‘, im mlat. aber v. a. auch in Bezug auf die artes liberāles als liberālia studia ‚die Beschäftigung mit den artes liberāles‘ – GH 2,636f. Habel/Gröbel 220. pohharron: Dat. Pl. zum st. M. buohhāri ‚Schriftgelehrter‘ – vgl. AWB 1,1501. GSp 3,34. StWG 85. SchG 2,94. Das Wort ist bislang nur als Übersetzung von lat. scrība belegt. Im vorliegenden Fall muss von einer interpretierenden Übersetzung der gesamten Textstelle oder einer Fehlübersetzung ausgegangen werden, die auf der Verwechslung von līberālis mit lat. liber beruhen könnte.

|| 42 Vgl. Schulte (1993: 153): Im paläographischen Kommentar zu Nr. 17 schließt Schulte die Lesung „als oben offenes “ explizit aus. 43 tradere alci fordert den Dat. (GH 2,3166).

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30. f. 11v, Z. 16, studiis – (Typ A) lirnungon – HDM 228,22. WS Nr. 18 lir nungon Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die erkennbare und bei Schulte edierte Lücke zwischen lir und nungon ist durch die Oberlänge des d des Lemmas bedingt. Die Eintragung ist im Digitalisat erkennbar. studiis: Dat. Pl. zum lat. N. studium, -iī ‚wissenschaftliche Beschäftigung, das Studieren‘– GH 2,2830f. lirnungon: Dat. Pl. zum st. F. ahd. lirnunga (lernunga) ‚Studien, Studium, wissenschaftliche Beschäftigung‘ – AWB 5,848. StWG 379. SchG 6,117 – vgl. GSp 2,261. SpAW 1,555. Kongruente Übersetzung des lateinischen Dativs. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 31. f. 12v, Z. 4, incole – (Typ A) elilente – HDM 228,24 elilenti. WS Nr. 19 (2) ... Quae res in loco eodem a cunctis est agnita, / (3) atque in tanta ammiratione (Ed. admiratione) habita, ut hoc ipsum capis/ (4) terium eius loci incole in ecclesiae ingressu suspenderent ... (II,1; 260,130,21) ‚Dieses Ereignis wurde dort allen bekannt und erregte solche Verwunderung, sodass die Einwohner dieses Ortes diesen Multer [Sieb] selbst am Eingang der Kirche aufhängten.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. Die Lesung des letzten Buchstabens als e ist, wie bereits Schulte vermerkt, sicher. incole: Nom. Pl. genus communis incolae lat. incola, -ae ‚Einwohner‘ – GH 2,159. elilente: Nom. Pl. M. zum st. flektierten substantivierten Adj. elilenti ‚fremd, ausländisch, gefangen; hier: der in der Fremde Lebende‘ – StWG 124 verzeichnet den Beleg beim Adj. elilenti; in das AWB 3,256 ging er bereits in der Lesung Meritts als elilenti ein: beim Adj. wird hier unter 1a) auf das F. ahd. elilentî(n) (Sp. 260) verwiesen und die Form dort als Gen. Sg. bestimmt, mit einer Bemerkung über die Unsicherheit des vorliegenden Belegs. Die Bedeutung des substantivierten Adj. als ‚der in der Fremde Lebende‘ kann in Analogie zu der in AWB 3,257 belegten Bedeutung des Adj. elilenti ‚in der Fremde lebend‘ angenommen werden. Vgl. auch SchG 2,421, wo der Beleg auf der Basis der Lesung Meritts (elilenti) als subst. Adj. mit der Bedeutung ‚Fremder‘ verzeichnet ist. Des Weiteren vgl. GSp 2,237. SpAW 1,179. Bezüglich der Semantik erwägt bereits Meritt (1934: 228,A.13) bei seiner Lesung elilenti den Einfluss von lat. eius loci (incole). Er vermutet ein substantivisch gebrauchtes Adj., das die Einwohner jenes am Kapiteleingang als deserta benannten Ortes, als ‚Fremde = in der Fremde, Einöde Lebende‘ bezeichnet.44 Die Eintragung wäre dann weniger als Glosse im engeren Sinn, sondern mehr als zusätzliche Information mit anaphorischem Verweisungscharakter aufzufassen, wobei der Glossator || 44 So auch Schulte (1993: 154), allerdings nur mit der Bedeutung ‚Fremde‘, was die im Kontext evozierte Bedeutung nicht ganz trifft.

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mit der Eintragung die Fremdheit und Heimatferne des besagten Ortes vergegenwärtigt und dies auch auf dessen Bewohner überträgt. Aufgrund der hier zu bestätigenden Korrektur der Lesung zu elilente durch Schulte stehen dieser Interpretation auch die formalen Gründe nicht mehr entgegen, die das AWB 3,260 noch zu der Überlegung veranlasste, die Eintragung eher als „eine Glosse zu dem vorausstehenden eius loci“ zu interpretieren. In der Hs. Ra des Abrogans findet sich ein interessanter Parallelfall, bei dem lat. incola ebenfalls mit ahd. elilenti glosssiert wurde.45 Vgl. Glosse Nr. 114 elilenti (zu exilii, wohl von anderer Hand). 32. f. 14v, Z. 18, reserasti – (Typ A) intsluzi (17) ... PETRUS: Fateor, placet quod di/ (18) cis. Sed quia prolati testimonii clausa (Ed. claustra) reserasti, quęso / (19) ut de uita iusti debeas ea quę sunt incoata percurrere (II,2; 260,140,43) ‚PETRUS: Ich gestehe, dass mir gefällt, was du sagst. Da du aber den verschlossenen Sinn der angeführten Stelle [in der heiligen Schrift] erschlossen hast, bitte ich dich, dass du das, was vom Leben des Gerechten begonnen wurde [zu erzählen] fortzusetzen.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Vor der Eintragung befindet sich ein Pergamentknitter, der auf den ersten Blick den Eindruck eines a erweckt, aber nicht zur Eintragung gehört. Die ersten vier Buchstaben sind relativ groß und geprägt, die letzten sehr klein. reserasti: 2. Sg. Ind. Perf. Aktiv lat. reserāre ‚aufschließen‘, auch übertr. ‚erschließen, eröffnen = erhellen, offenbaren‘ – GH 2,2342f. intsluzi: 2. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. intsliozan ‚aufriegeln, aufschließen‘ – vgl. GSp 6,812. StWG 559. SpAW 1,878. SchG 8,462. Funktional adäquate Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 33.–35. f. 15r, Z. 11–12 (9) ... suscepti fratres insane seuientes / (10) semetipsos prius accusare coeperunt, quia hunc sibi / (11) praeesse poposcerant, quorum scilicet tortitudo in / (12) norma eius rectitudinis offendebat (II,3; 260,140,17) ‚Die Brüder gerieten in wahnsinnige Wut und begannen zuerst sich selbst anzuklagen, dass sie ihn gebeten hatten, ihnen vorzustehen; denn ihr verdrehter Verstand nahm an dem Muster seiner Geradlinigkeit Anstoß.‘ 33. f. 15r, Z. 11, tortitudo – (Typ A) kiridani Die Eintragung interlinear über dem Lemma, die letzten beiden Buchstaben stehen von den übrigen wegen der Oberlänge des d von tortitudo etwas getrennt.

|| 45 Ediert bei StSG 1,192,25. Vgl. hierzu auch Splett (1976: 270).

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tortitudo: Nom. Sg. M. zu offenbar nur mlat. tortitudo. Weder bei GH noch bei Habel/Grögel ist das Wort verzeichnet. Offensichtlich handelt es sich um ein Verbalabstraktum zu lat. torquēre ‚drehen, wenden‘, das auch in übertragenem Sinn als ‚verdrehen (= sinnentstellen)‘ belegt ist (GH 2,3153f.). Die althochdeutsch glossierten Belege des Wortes beziehen sich alle auf die vorliegende Textstelle – AWB 4,1123 ahd. hintarscrenkida. AWB 4,1124 ahd. hintarscrenkigî. AWB 5,438 krumbi. kiridani: Nom. Sg. zum st. N. (ī(n)-Abstraktum?; ja-St.?) ahd. giridani ‚Verdrehtheit, Verkehrtheit (des Sinnes, Verstandes)‘. Die vorliegende Bildung zum st. V. ahd. (gi)rīdan ‚drehen, verdrehen‘ (vgl. GSp 2,473. StWG 482. SpAW 1,745. SchG 7,398) ist bislang nicht belegt. Die Bildung kann in Analogie zum lateinischen Lemma als Substantiv interpretiert werden. In Frage kommt dabei ein über das bei StWG und SpAW verzeichnete adjektivisch gebrauchte Part. Prät. giridan ‚gewunden, gedreht, kräuselnd‘ gebildetes Adjektivabstraktum giridan-ī oder eine deverbale Kollektivbildung mit gi - i Zirkumfix (gi-rīdan-i). Zur Bildung vgl. genauer Henzen 137f. Vgl. Glosse Nr. 78 reto[r]queat – kiride. 34. f. 15r, Z. 11–12, (in)/norma – (Typ A) insp.t… Die Eintragung schwach über norma vom selben Instrument wie kiridani. insp.t…: die erkennbaren Spuren lassen sich evtl. an Bildungen zum st. F. ahd. spuot ‚Wesen, Wirken, Substanz‘ (SchG 9,143) anschließen. Belegt ist hier etwa eine ida-Bildung ahd. spuotida ‚Wesen Substanz‘ (SchG 9,144), die durch den paläographischen Befund der nicht eindeutig identifizierbaren drei Buchstaben möglich erscheint. Es könnte sich dann dabei um eine das lateinische Syntagma in norma interpretierende Glosse (etwa in spotida) mit der althochdeutschen Präp. in handeln, die im Kontext als semantisch adäquat betrachtet werden kann. 35. f. 15r, Z. 12, (poposcerant?) – (Typ A) furi Die Eintragung schließt direkt an die vorherige (Nr. 34) nicht eindeutig zu identifizierende Eintragung insp.t… über norma an und steht über den ersten drei Buchstaben von rectitudinis. Die Buchstaben r und i sind ligiert. Mangels bereits belegter Übersetzungen von rēctitūdo mit einem durch furi präfigierten Lexem ist evtl. ein Bezug auf das darüberstehende praeesse, für welches das sw. V. ahd. furigisezzen ‚vorstehen‘ (vgl. SchG 8,179) als Übersetzungsgleichung belegt ist (vgl. auch SchG 12,373), oder poposcerant, für das die graphische Nähe sprechen könnte, in Betracht zu ziehen. Für pōscere sind bislang in den Glossen allerdings keine entsprechenden furi-Bildungen belegt (vgl. SchG 12,372).

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36. f. 15v, Z. 10, conspirantes – (Typ A) kihantreie.te – HDM 228,25. WS Nr. 20, beide kihantre (10) Si sanctus uir contra se unianimiter conspirantes suaeque con/ (11) uersationi longe dissimiles, coactos diu sustinere (Ed. sub se tenere) uoluis/ (12) set (II,3; 260,144,42) ‚wenn der heilige Mann die einmütig sich gegen ihn Verschwörenden und von seinem Lebenswandel weithin Verschiedenen durch Zwang längere Zeit hätte unter sich ertragen [Ed. halten] wollen…‘. Die Eintragung interlinear über dem Lemma, kihant ist eindeutig zu lesen, dann re etwas schwächer, dahinter folgt eine kurze erkennbare Spur, die als i interpretiert werden kann. Die unsichere Spur nach dem zweiten e lässt sich evtl. als n oder o lesen. Die letzten beiden Buchstaben te sind wieder vergleichsweise deutlich. Die Lesung bestätigt die von Meritt (1934: 228,A.14) vorgeschlagene Ergänzung zu kihantreihhante. Die hierfür zu erwartenden hh lassen sich allerdings paläographisch überhaupt nicht bestätigen. conspirantes: Akk. Pl. M. des Part. Präs. lat. cōnspīrāre ‚sich verschwören‘ – GH 1,1548 II. kihantreie.te: Akk. Pl. M. des st. flektierten Part. Präs. sw. V. ahd. gihantreihhen ‚sich verschwören, verabreden‘ – AWB 4,703. StWG 255. SchG 4,165. RSV 1,64 – vgl. GSp 2,397. Die hier gesicherten Buchstaben der Flexionsendung geben ausreichend Grund zur Annahme einer formenkongruenten Übersetzung, die auch – soweit das der paläographische Befund erlaubt – als semantisch adäquat betrachtet werden kann. Die mit ‚?‘ versehenen Ansätze in AWB und SchG sind also zu bestätigen. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt (vgl. GötzLAN 140). Das Fehlen von hh muss nicht zwangsläufig als graphische Nachlässigkeit interpretiert werden, sondern könnte auf die Wiedergabe einer sprechsprachlichen Lautung hindeuten, die auf ein schwach artikuliertes h in dieser Position schließen lässt (zu fehlenden h-Graphien vgl. auch die Glossen Nr. 56 und 60). 37.–38. f. 15v, Z. 12–13 (12) [s. vorige Nr.] … fortasse sui uigoris usum et modum tranquillitatis / (13) excederet (II,3; 260,144,44) ‚wäre er vielleicht über das Gewöhnliche seiner Kraft und das Maß seiner Ruhe hinausgegangen‘. 37. f. 15v, Z. 12, usum – (Typ B) sito – HDM 228,27. WS Nr. 21 Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist im Digitalisat bei hoher Auflösung gut erkennbar. Gleiche Hand wie Nr. 39 sinas. usum: Akk. Sg. M. lat. usus, -ūs ‚übliche Praxis, Brauch, Gewohnheit, das Gewöhnliche‘ – GH 2,3324f. sito: Akk. Sg. st. M. ahd. situ ‚Sitte, Gebrauch, Art und Weise; hier: das Übliche‘ – StWG 528. SchG 8,251 – vgl. GSp 6,159. SpAW 1,822. Der Übergang des -u > -o im

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Nom./Akk. Sg. der ehemaligen u-Stämme tritt im Wesentlichen seit Ende des 9. Jahrhunderts auf, kann aber vereinzelt auch schon früher beobachtet werden (vgl. BRG §220c und A.2). Zu vgl. ist hierzu auch die von gleicher Hand stammende Eintragung Nr. 39 sinas, die ebenfalls eine etwas spätere Form des Nebensilbenvokals aufweist. Der Gebrauch von situ als Übersetzungsäquivalent für lat. usum ist eher selten; es ist sonst nur noch zweimal aus dem Clm 4542 mit Gregorhomilien und nur noch einmal bei Notker belegt – SchG 8,251. GötzLAN 690. Im vorliegenden Fall kann die Übersetzungsgleichung als semantisch kongruent betrachtet werden. 38. f. 15v, Z. 13, exceder& – (Typ A) arfori – HDM 228,28. WS Nr. 22 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die Buchstaben r und i sind ligiert. exceder&: 3. Sg. Konj. Imperf. Akt. lat. excēdere ‚hier: über etw. hinausgehen‘ – GH 1,2515. arfori: 3. Sg. Konj. Prät. zum st. V. ahd. irfaran ‚zurücklegen, erfahren, ergreifen; hier: überschreiten, über etwas hinausgehen‘ – StWG 140; in der vorliegenden Bedeutung verzeichnet das AWB 3,603 (Form), 606 (Bedeutung) nur diesen Beleg. SchG 3,59 – vgl. GSp 3,563. SpAW 1,205. Die Übersetzung von excēdere in der Bedeutung ‚über etw. hinausgehen‘ weist hier ganz offensichtlich eine übertragene Bedeutung des sonst zumeist konkret räumliche Vorgänge bezeichnenden Präfixes ir- ‚aus‘46 auf, also ir-faran etwa als ‚aus einem begrenzten Raum herausgehen = ihn überschreiten‘. Damit wäre die im Kontext gebrauchte Bedeutung von excēdere als ‚über etw. hinausgehen‘ erkannt und adäquat übersetzt worden. Zu bedenken ist allerdings, dass ahd. ir-faran in dieser Bedeutung nur hier belegt ist und evtl. auch mit einer rein formalen Vokabelübersetzung zu rechnen ist, wobei das lateinische Präfix ex- mit der althochdeutschen Entsprechung ir- und lat. cēdere ‚gehen, schreiten‘ (vgl. GH 1,1054) mit ahd. faran ‚gehen, weiterschreiten usw.‘ (vgl. AWB 3,570) übersetzt wurde, für das GötzLAN 96f. entsprechende Belege liefert. 39. f. 15v, Z. 15, sua – (Typ B) sinas (14) … dumque cottidiae (Ed. cotidie) illorum incorrect/ (15) tione fatigatus minus curare (Ed. curaret) sua, et se forsitan relin/ (16) queret, et illos non inueniret. ... (II,3; 260,144,47) ‚Und solange er, täglich ermüdet von der Unverbesserlichkeit jener [Verschwörer], sich weniger um das seinige gekümmert hätte, so hätte er dabei vielleicht sich selbst verloren und die andern nicht gefunden.‘

|| 46 Zur Bedeutung des Präfix ir- in Verbalkomposita vgl. Müller (1948: 347f.). Zu ir-faran vgl. Seebold (1970: 186–188) und Gruber (1930: 56f. und 82).

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Die Eintragung interlinear über sua bis über das folgende et reichend. Sie ist im Digitalisat bei hoher Auflösung gut erkennbar. Davor nicht identifizierte Spuren eines Instruments vom Typ A über minus curare. sua: Akk. Pl. N. subst. Poss.-Pron. lat. suus – GH 2,2986. sinas: Gen. Sg. N./M. zum substantivierten Poss.-Pron. ahd. sīn ‚sein‘ – vgl. GSp 6,6. StWG 523. e hat v. a. in bairischen Quellen seit Ende des 9. Jahrhunderts die Tendenz in -a überzugehen; -as als seltenere aber v. a. in bair. Quellen belegte Form des Gen. Sg. (vgl. BRG §58,A.3. §193,A.1. §248,A.3. SchABG §96a). Zu vgl. ist hierzu auch Nr. 37 sito von gleicher Hand, wo der ebenfalls ins Ende des 9. Jahrhunderts zu datierende Übergang von -u > -o zu beobachten ist. Evtl. liegt Kongruenz zu einem mitzudenkenden althochdeutschen Verb vor, das den Genitiv fordert (vgl. ahd. pflegan)? 40. f. 16r, Z. 5, examinans – (Typ A) arseodanti (3) ... quia in sua semper custodia circumspectus, / (4) ante oculos conditoris se semper aspiciens, se semper / (5) examinans, extra se mentis suae oculum non deuulgauit (II,3; 260,144,62) ,... weil er immer auf die Wachsamkeit über sich selbst bedacht war, sich immer vor den Augen des Schöpfers sehend, immer über sich selbst nachdenkend, das Geistesauge nicht außerhalb seiner umherschweifen ließ‘. Die Eintragung interlinear über dem Lemma; Ligatur von r und s. Die Endung anti liegt auf einem Tintenfleck, was die Lesbarkeit erschwert. Bei flachem Streiflicht sind aber das a und das t als Prägungen deutlich zu erkennen; das n ist nur sehr schwach geprägt; kaum ausreichend zu sichern ist das i, als das allerdings ein schwach erkennbarer, geprägter senkrechter Strich direkt hinter dem t interpretiert werden kann. examinans: Part. Präs. lat. exāmināre ,etw. sorgfältig abwägen, erwägen, untersuchen‘ – GH 1,2506. arseodanti: nicht flektiertes Part. Präs. zu st. V. ahd. irsiodan ,von Schlacken reinigen, aussinnen, erwägen; hier: nachdenken, erforschen‘ – vgl. GSp 6,165. StWG 527. SpAW 1,819. Nicht auszuschließen ist hier eine freiere, im Kontext aber adäquate Übersetzung von lat. exāmināre mit ahd. irsiodan in der übertragenen Bedeutung ,sich selbst erforschen = sich läutern, sich reinigen‘, wie sie auch GötzLAN 234 für Notker verzeichnet.

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41. f. 16r, Z. 9, submittens – (Typ B) nidarlazzanti – WS unidentifizierte Eintragungen Nr. 1, S. 239 und SchG 12,49 unentziffert (8) … Qui / (9) uas, quod tenuerat, in aqua incaute ### submittens47, / (10) ipse quoque cadendo secutus est (II,7; 260,156,4) ‚Das Gefäß, das er [in den Händen] gehalten hatte, unvorsichtig hinabfallen lassend, folgte auch er demselben im Fallen nach.‘ Die ersten beiden unsicheren Buchstaben ni stehen noch vor der Oberlänge des b von submittens; das i ist etwas schwach geritzt, aber direkt vor der Oberlänge des b erkennbar. Vom unsicheren dritten Buchstaben ist bei genauer Untersuchung eine Oberlänge und links davon der dazugehörige Bauch eines d erkennbar, der sich oben allerdings nicht ganz an die Oberlänge anschließt, sodass zunächst der Eindruck eines u mit einem etwas verlängerten rechten Schaft entsteht. Im Digitalisat sind bei hoher Auflösung schwache Spuren der Eintragung erkennbar. submittens: Part. Präs. lat. submittere ,herunter-, herab-, nieder-, hinablassen, versenken‘ – GH 2,2865. nidarlazzanti: Part. Präs. zum st. V. ahd. nidarlāzan ,niederlassen, versenken, sinken lassen‘ – vgl. AWB 5,688. StWG 363. GSp 2,307. SpAW 1,518. SchG 5,485. SchW 167. Formenkongruente Übersetzung des lateinischen Lemmas. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 42. f. 17r, Z. 7, conque/(rebatur) – (Typ A) clak&o (7) ... et magnis clamoribus uim se perpeti conque/ (8) rebatur, ita ut uoces illius (Ed. zusätzl. etiam) fratres audirent, quamuis / (9) imaginem minime cernerent (II,8; 260,168,112) ,... er [der Urfeind] klagte mit lautem Geschrei, dass ihm Gewalt angetan werde, sodass alle Brüder das Geschrei hörten, obwohl sie die Erscheinung nicht sahen.‘ Die Eintragung im Anfang etwas schwach eingedrückt, interlinear über dem ersten Teil des Lemmas, e und t ligiert. Bei flachem Streiflicht von links gut erkennbar. conquerebatur: 3. Sg. Ind. Imperf. Passiv zum lateinischen Deponens conquerī ‚klagen‘ – GH 1,1495. clak&o: 3. Sg. Ind. Prät. zum sw. V. ahd. klagēn ‚klagen‘ – vgl. AWB 5,216. GSp 4,549. RSV 2,76 (nur klagōn). Der im AWB mit Fragezeichen versehene Ansatz eines sw. V. klagēn könnte durch den vorliegenden Beleg gestärkt werden. Die aktivische (formeninkongruente) Übersetzung des lateinischen Deponens ist funktional adäquat. Die Endung -o in der 3. Sg. ist auffällig, aber bei Otfrid belegt (vgl. BRG §319,A.1).

|| 47 Z. 9: Hs. das letzte t in tenuerat auf Rasur; vor submittens wurden 3 Buchstaben radiert.

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43.–44. f. 17r, Z. 10 (9) … Ut enim discipulis suis ue/ (10) nerabilis pater dicebat corporalibus eius oculis isdem / (11) antiquus hostis teterrimus et succensus apparebat (II,8; 260,168,114) ‚Wie aber der ehrwürdige Vater seinen Schülern erzählte, erschien vor seinen leiblichen Augen ganz abscheulich und feurig eben dieser Urfeind.‘ 43. f. 17r, Z. 10, corporalibus – (FG) lihhamon – StSG 5,27. WS Nr. 23, lihham...48 44. f. 17r, Z. 10, eius oculis – (FG) sinen ougon – StSG 5,27,2349 Die Eintragungen wurden mit der roten Tinte vorgenommen, mit der auch die Auszeichnungsschriften der Handschrift geschrieben wurden. Sie sind im Anfang (lihh) deutlich lesbar, allerdings hat sich die Tinte im Laufe der Zeit (vermutlich ohne absichtliche Einwirkung) abgerieben oder verblasst. An den zuvor mit Tinte beschriebenen Stellen sind aber farblose Spuren und Abdrücke zurückgeblieben, die mit Lupe und Lampe bei leicht schrägem Drauflicht von links (lihhamon) und rechts (sinen ougon) eindeutige Lesung ermöglichen. Die entsprechenden Spuren sind sehr schwach auch im Digitalisat erkennbar. Auf diese Weise konnten auch die von Steinmeyer als fast erloschen gekennzeichneten Eintragungen über dem folgenden eius oculis, die gänzlich farblos sind, doch noch bestätigt werden, die von Schulte „auch nur in Spuren nicht gesichert werden konnten“ (Schulte 1993: 157). Der vorletzte Buchstabe in lihhamon ist halbhoch und gerundet; die Schließung der Rundung oben ist aber aufgrund der Blässe der Eintragung nicht eindeutig zu sichern, sodass auch die Lesung u möglich ist. Die Lesung als o wird hier aufgrund der Interpretation des Wortes als Adj. vorgeschlagen, das analog zu den Verhältnissen der lateinischen Vorlage in Kongruenz mit ougon steht. Aufgrund Steinmeyers Konjektur lihhamlihhen wurde der Beleg bei StWG 374 unter dem Adj. lihhamlih verzeichnet. Eine Interpretation der beiden letzten Buchstaben als lih, die in der alternativen Lesung un auch leicht mit lih verwechselt werden könnten, kann aufgrund der fehlenden Oberlängen ausgeschlossen werden. corporalibus: Abl.50 Pl. M. (in Kongruenz mit oculis) zum lat. Adj. corporālis, -e ,körperlich, zum Körper gehörig‘ – GH 1,1704. lihhamon: Dat. Pl. zum Adj. Das Adj. ist so nicht belegt, was auf eine gekürzte, kontrahierte Eintragung lihham[līhh]on mit Binnenkürzung hindeuten könnte, wie es auch StSG vorschlägt.51 In den Wörterbüchern ist der Beleg auf der Basis der vor|| 48 Beide lihham…; StSG 5,27,A.7: „etwa lihhamlihhen“. 49 StSG 5,27,A.8: „die fast erloschene gl[osse] rot“; Schulte (1993: 156f.) kann die Lesung von Steinmeyer nicht bestätigen. 50 Formal auch Dat. möglich; hier als Abl. (lok.) interpretiert. 51 Zu entsprechenden Kürzungsformen vgl. im Korpus der Freisinger Glossen etwa die Glossen Nr. 34 und 38 des Clm 6277 (Ernst 2007: 459, 462). Generell zu den Kürzungstypen vgl. Ernst (2009).

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herigen Editionen als „verstümmelt“ (AWB 5,952) oder mit ‚?‘ versehen (StWG 374. SchG 6,82) zu ahd. lihhamlīh ‚körperlich‘ eingegangen. Die Endung -on spricht für eine Kongruenz mit ougon, was auch die lateinische Vorlage nahelegt. Der lateinische Ablativ ist mit dem althochdeutschen Dativ adäquat übersetzt. eius: Gen. Sg. zum M. Pers.-Pron. der 3. Pers. lat. is ,er‘ – GH 2,457. sinen: Dat. Pl. zum N. Poss.-Pron. ahd. sīn ‚sein‘ – StWG 523. SchG 8,229 – vgl. GSp 6,6. SpAW 1,1232. Die Übersetzung ist zwar formal zum lat. Gen. Sg. M. nicht kongruent, aber funktional adäquat. oculis: Abl. Pl. zum M. lat. oculus, -ī ‚Auge‘ – GH 2,1311. ougon: Dat. Pl. zum sw. N. ahd. ouga ‚Auge‘ – AWB 7,149. StWG 455. SchG 7,224 – vgl. GSp 1,122. SpAW 1,692. Die Übersetzungsgleichung ist bereits belegt. 45. f. 17r, Z. 21, inuitus – (Typ A) kanotit – HDM 228,29. WS Nr. 24 (20) … Cui pugnas quidem uolens intulit, sed oc/ (21) casionis (Ed. occasiones) uictoriae ministrauit inuitus (II,8; 260,170,126) ,Diesem [dem alten Feind] lieferte er zwar mit Willen Kämpfe, verschaffte ihm aber unfreiwillig Gelegenheiten52 zum Sieg.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. inuitus: Nom. Sg. M. zum Adj. lat. invītus ‚wider Willen, unfreiwillig‘ – GH 2,434. kanotit: Unflekt. Part. Prät. zum sw. V. ahd. (gi)nōten ‚nötigen, antreiben, zwingen‘ – AWB 6,1367 und 1370. StWG 445. SchG 7,130 – vgl. GSp 2,1046. SpAW 1,676 ahd. ginōtit ‚gezwungen, unfreiwillig‘. AWB, StWG und SchG verzeichnen den Beleg unter dem unpräfigierten Verb nōten, formal ist auch eine Zuordnung zum Präfixverb ahd. ginōten möglich, das mit gleicher Bedeutung (AWB 6,1370) belegt ist. Riecke 328 behandelt nur das unpräfigierte Verb nōten. 46. f. 18v, Z. 19, (se)/pius – (Typ A) ofto (18) … Quod dum se/ (19) pius cerneret, quia ad uocem diaconi clamantis (i aus e radiert) exi/ (20) bant (Ed. exiebant) foras (II,23; 260,208,32) ,da sie oft beobachtete, dass sie auf Einladung des Diakons nach draußen gingen, …‘. Die Eintragung interlinear über dem zweiten Teil des Lemmas. Die Buchstaben f und t sind ligiert. sepius: Komp. Adv. lat. saepe ‚oft‘ – GH 2,2448. ofto: Adv. ahd. ofto ‚oft, immer wieder, zuweilen’ – vgl. AWB 7,65. StWG 450. SchG 7,188 – vgl. GSp 1,184. SpAW 1,684. Die Übersetzung ist formal zum lateinischen Komparativ inkongruent.

|| 52 Die Version der Hs. macht keinen Sinn.

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47. f. 19v, Z. 9, inhumatum – (Typ B) un(…) (8) Quod rursus tradere sepulture curauerunt, sed sequen/ (9) ti die iterum proiectum exterius atque inhumatum sicut / (10) prius inuenerunt (II,23; 260,210,8) ,Sie machten sich daran, ihn wiederum zu bestatten, aber am folgenden Tag fanden sie ihn wieder herausgeworfen und unbegraben wie zuvor.‘ Die Eintragung über hum des Lemmas beginnend weist schwache, fransige Ritzungen auf. Die Anzahl der Buchstaben nach den sicher identifizierten un ist unklar. un(…): Die identifizierbaren Spuren lassen zumindest eine althochdeutsche Eintragung erkennen, die das lateinische Lemma in formaler Hinsicht bezüglich des Negationspräfixes übersetzt, wie etwa ahd. unbigraban ‚unbegraben‘ (vgl. SchG 10,170), das als Übersetzung für lat. inhumātus ‚unbegraben‘ (GH 2,274) bereits belegt ist (vgl. SchG 12,277). Die folgenden Spuren zeigen auch, dass hier wohl keine bloße Teilglossierung des Präfixes vorliegt. 48. f. 21v, Z. 13, imp&rant – (Typ B) kahalont – HDM 228,30. WS Nr. 25 (11) ... Sed quę/ (12) so te indices, si sancti uiri omnia qui (Ed. quae) uolunt possunt, et cunc/ (13) ta impetrant (Ed. inpetrant) quae desiderant optinere (II,32; 260,230,39) ‚Aber ich bitte dich, [dass] du verrätst, ob die heiligen Männer alles vermögen, was sie wollen, und alles erlangen, was sie zu bekommen wünschen.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma, Spuren davon sind im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. imp&rant: 3. Pl. Ind. Präs. Aktiv lat. impetrāre ‚etwas, wonach man gestrebt hat, erlangen‘ – GH 2,98. kahalont: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. gihalōn ‚erhalten, gewinnen, nehmen; hier: erlangen, erreichen‘ – AWB 4,634 (Form), 636 (Bedeutung). StWG 250. SchG 4,131 – vgl. GSp 4,851. SpAW 1,345. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist nur hier belegt (vgl. AWB und SchG). Die Übersetzung ist formal kongruent. 49. f. 22v, Z. 13, uicaria relatione – (Typ A) uuehsalemo – WS unidentifizierte Eintragungen Nr. 2. SchG 12,49 unentziffert (11) ... sicque factum est ut to/ (12) tam noctem peruigilem ducerent, atque per sacra / (13) spiritalis uitae conloquia sese uicaria relatione sa/ (14) ciarent (Ed. satiarent) (II,33; 260,232,47) ‚Und so geschah es, dass sie die ganze Nacht durchwachten und sich durch heilige Gespräche über das geistliche Leben durch ein abwechselndes Erzählen erquickten.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist nur sehr schwach geprägt. Die Entzifferung ist sehr schwer und nur bei für jeden Buchstaben jeweils günstigem Licht möglich. Bei leicht flachem und schrägem Drauflicht von oben rechts ist uehs recht gut sichtbar. Davor ist die Spur eines halbhohen gerundeten Buchstabens zu sehen,

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der sich bei Streiflicht von links als weiteres u interpretieren lässt. Die Spuren hinter s sind sehr schwer zu identifizieren. uicaria: Abl. Sg. F. zum lat. Adj. vicārius, -a, -um ‚die Stelle einer Person od. Sache vertretend, stellvertretend‘ – GH 2,3468. uuehsalemo: Dat. Sg. M. zum Adj. ahd. wehsal ‚wechselseitig, abwechselnd‘? Die einfache desubstantivische (zum st. M.N. ahd. wehsal – StWG 705. GSp 1,714. SchG 10,459) Form ist als Adj. bislang nicht belegt. Wilmanns 2,§386 führt einige wenige suffixlose Übertritte von Subst. in Adj. (sowie seltene suffixlose Ableitungen aus schwachen Verben, Wilmanns 2,§311,3) auf, sodass die Bildung nicht ausgeschlossen erscheint. Evtl. ist aber auch eine Binnenkürzung uuehsal[lihh]emo in Betracht zu ziehen (zu vgl. wäre diesbezüglich auch Nr. 43 lihham[lihh]on). Zu vgl. ist auch das st. M. N. ahd. wehsal ‚abwechselnd, wechselseitig‘– StWG 705. GSp 1,714. SchG 10,459 sowie auch GötzLAN 708, wo ahd. wehsal auch für weitere mit lat. uicarius etymologisch verwandte Lemmata belegt ist.53 Die im vorliegenden Kontext anzusetzende Bedeutung von wehsal als ‚Wechselgespräch‘ schließt das lat. relatione mit in die Lemmazuweisung ein. Eine solche Bedeutung ist bislang nicht belegt, könnte hier aber als im Kontext formal und semantisch adäquate Übersetzung des gesamten lateinischen Abl. uicaria relatione aufgefasst werden. 50. f. 23r, Z. 20, transfunderent – (Typ A) kafestinotin – HDM 228,32. WS Nr. 26, beide kafastinotin (18) ... ut, quia isdem / (19) quoque uir doctrina gratia (Ed. gratiae) caelestis influebat, / (20) dulcia sibi inuicem uitae uerba transfunderent (II,35; 260,236,7) ,sodass sie sich, weil auch dieser Mann von der Gelehrsamkeit himmlischer Gnade erfüllt war, gegenseitig liebreiche Worte für das Leben überbrachten‘. Interlinear über dem Lemma. Das e zwischen f und der Ligatur st ist etwas schwer zu sichern, es handelt sich hier um eine für die Hs. typische Verbindung aus f und e, die nicht für a steht. Sie findet sich im Text der Hs. z. B. auch in Z. 21/22: per/fecte. transfunderent: 3. Pl. Konj. Imperf. Aktiv lat. trānsfundere ‚hinübergießen, übertragen‘ – GH 2,3186f. kafestinotin: 3. Pl. Konj. Prät. sw. V. ahd. gifestinōn ‚verschanzen, bestätigen, stärken; hier: bestätigen, bekräftigen, bestärken‘ – AWB 3,781, v. a. 783, wo dieser Beleg als Fehlübersetzung klassifiziert wird. StWG 149. RSV 2,40f. SchG 3,132 – vgl. GSp 3,721. SpAW 1,226. SchW. 110. Neben der Möglichkeit, dass die semantische Inkongruenz auf einer Verwechslung mit lat. fundāre beruhen könnte (wie dies Meritt 1934: 228,A.16 und im Anschluss daran auch das AWB 3,783 vermuten), ist auch

|| 53 Hierzu sind z. B. die Glossierungen von lat. uicarium ‚Stellvertreter‘ in Handschriften der Dialoge mit ahd. antrauuihsilun (Schulte 1993: 391), zweimal ahd. wehsol (Schulte 1993: 621, 734) zu vergleichen.

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eine interpretierende Glossierung im Sinne einer ,gegenseitigen Bestätigung‘ (vgl. hierzu auch Schulte 1993: 158) in Betracht zu ziehen. 51. f. 23v, Z. 19, in spera – (Typ A?) insuli – HDM 228,33. WS Nr. 27, beide in suti (16) ... Qui uenerabilis pater, / (17) dum intentam oculorum aciem in hoc splendore co/ (18) rusce (Ed. coruscae) lucis infigeret, uidit germani capuani episcopi / (19) animam in spera ignea ab angelis in caelo ferri (II,35; 260,238,28) ‚Dieser ehrwürdige Vater sah, während er den aufmerksamen Blick auf den Glanz dieses Lichtschimmers richtete, die Seele des Bischofs Germanus von Capua in einer feurigen Kugel (Glossator: in einer Feuersäule) zum Himmel getragen werden.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist oberflächlich geritzt, insofern ist eine Zuordnung zu Typ A unsicher. Der gegenüber der Lesung von Meritt und Schulte hier zu l korrigierte Buchstabe weist eine Oberlänge auf, die die Lesung als l sichert. in: zur lat. Präp. in (hier mit Abl., zur Bezeichnung des Ortes) ,in‘ – GH 2,124. spera: Abl. Sg. F. lat. sphaera, -ae ,Kugel, Himmelskörper‘ – GH 2,2759. Zur Form spera vgl. Habel/Gröbel 375. ignea: Abl. Sg. F. lat. īgneus, -a, -um ,aus Feuer bestehend, brennend‘ – GH 2,33. in: Präp. (mit Dat.) zu ahd. in ‚in‘ – AWB 4,1493. StWG 301. SchG 5,31 – vgl. GSp 1,289. SpAW 1,422. SchW 150. suli: Dat. Sg. zum st. F. ahd. sūl ‚Säule‘ – vgl. StWG 606. SchG 9,319. Als graphisches Lemma wird hier nur spera angesetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass in semantischer Hinsicht auch das folgende ignea die Vorstellung einer (Feuer)Säule evoziert. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist sonst auch nicht belegt. Die Übersetzung des lateinischen Ablativs mit dem von ahd. in geforderten Dativ ist funktional adäquat. Der von Schulte auf der Basis der Lesung suti angenommene Anschluss an ein Hapax legomenon st. F. ahd. sutī, als das der Beleg auch bereits bei StWG 612 und SchG 9,363 aufgenommen wurde, ist damit hinfällig. 52. f. 23v, Z. 24, exigua – (Typ B) luzzil – HDM 228,35. WS Nr. 28 (22) ... Cumque ille fuisset / (23) insolito tanti uiri clamore turbatus, ascendit, / (24) respexit, partemque iam (fehlt in Ed.) lucis exigua (Ed. exiguam) uidit. ... (II,35; 260,238,34) ,Durch das ungewohnte Rufen des großen Mannes befremdet, stieg er hinauf, sah sich um und erblickte noch einen kleinen Teil des Lichtes.‘ Interlinear über dem Lemma. Deutlich, aber nur oberflächlich geritzt, sehr große Buchstaben, die beinahe den gesamten Zeilenzwischenraum ausfüllen. Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung sehr gut lesbar.

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exigua: Nom. Sg. F., wohl aber aufgrund eines fehlenden Nasalstrichs über dem a fehlerhaft für exiguam: Akk. Sg. F. lat. exiguus, -a, -um ,räumlich, dem Umfang nach klein, schmal‘ – GH 1,2558. luzzil: Unflekt. Adj. ahd. luzzil ‚klein‘ – AWB 5,1464. StWG 392. SchG 6,210 – vgl. GSp 2,317. SpAW 1,578. Zum fehlerhaften lateinischen Nom. Sg. formenkongruente und semantisch adäquate Übersetzung. Die Frage, ob der fehlerhafte lateinische Kontext nicht erkannt wurde, oder ob mit der Grundform glossiert wurde, weil lediglich die lexikalische Bedeutung im Vordergrund der Glossierung stand, kann nicht entschieden werden. 53. f. 24r, Z. 15, ita ne conicere – (Typ A) nohsamanuuerfan (14) … sicut num/ (15) quam expertus sum, ita ne (Ed. nec) conicere scio; / (16) quonam que (Ed. quoniam quo) ordine fieri potest, ut mundus / (17) omnis ab uno homine uideatur? (II,35; 260,240,47) ,so etwas habe ich nie erfahren, noch kann ich es mir vorstellen, denn auf welche Weise kann es geschehen, dass die ganze Welt von einem einzigen Menschen geschaut werde?‘ Die Spuren noh stehen über ita ne, über dessen e deutlich das h erkennbar ist. Danach schließt ohne Lücke direkt saman an und reicht bis über das Ende von conicere. ita: Adv. lat. ita ,so‘ – GH 2,466. ne: Verneinungspartikel lat. ne ,nicht‘ – GH 2,1113. conicere: Inf. lat. conicere ,hinwerfen; übertr. auch etw. auf einen Gegenstand hinlenken, deuten, annehmen‘ – GH 1,1482. Es liegt eine bislang nicht belegte Verbalbildung zu ahd. werfan mit einer Verbpartikel/Präf. ahd. saman(e) vor, wie sie etwa in samenebrengen (vgl. AWB 1,1354) belegt ist. Zu lat. conicere sind, soweit zu sehen ist, bislang keine althochdeutschen Übersetzungen mit ahd. samanwerfan belegt. Die Bildung kann als wörtliche Übersetzung des lateinischen Lemmas conicere betrachtet werden, bei der die lateinische Wortbildung nachgeahmt wurde. Die ersten Buchstaben noh könnten auf das althochdeutsche Adv. noh ‚und auch nicht, noch‘ (vgl. StWG 443) hinweisen, das dann ita ne übersetzt. 54. f. 24v, Z. 1, ampliatur – [a] (Typ A) ist kapreitit – [b] (Typ B) kipreitit – HDM 228,36 kiprútit. WS Nr. 29 (f. 24r, Z. 24) ... Cumque in dei // (f. 24v, Z. 1) lumine rapitur super se, in interioribus ampliatur, / (2) et dum sub se conspicit, exaltata conpraehendit quam / (3) pręue sit, quod conpraehendere humiliata non poterat (II,35; 260,240,57) ,Und wenn sie [die Seele] im Lichte Gottes über sich selbst hinaus fortgerissen wird, wird sie im Innern erweitert; und wenn sie erhöht unter sich hinabschaut, begreift sie, wie klein das ist, was sie erniedrigt nicht begreifen konnte.‘

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Die Eintragungen über dem Lemma wurden mit unterschiedlichen Instrumenten vorgenommen und weisen auf eine chronologisch gestaffelte Doppelglossierung hin, bei der die eingedrückte Glosse Typ A ist kapreitit unter der geritzten Typ B kipreitit liegt. Diese Beobachtung könnte auch durch die sprachlich ältere (ka-) und die jüngere (ki-) Form des Präfixes gestützt werden. Die Spuren des Instrumentes Typ B sind im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. Typ A: direkt über dem a von ampliatur ist ein kurzer senkrechter geprägter Strich erkennbar, der als i interpretiert werden kann; s ist mit t ligiert. Typ B: was Meritt als Akzentstrich (?) über einem u interpretiert, ist die stark schräg nach oben laufende Zunge eines e. Direkt daran schließt sich das i an. Schultes Lesung ist damit eindeutig zu bestätigen. ampliatur: 3. Sg. Ind. Präs. Passiv lat. ampliāre ,größer an Umfang machen, erweitern‘ – GH 1,401. [a] ist kapreitit: analytische Verbform mit finitem Hilfsverb + Part. Prät. zur Wiedergabe des lateinischen Passivs. ist: 3. Sg. Ind. Präs. an.V. ahd. sīn ,sein‘ – vgl. StWG 524. GSp 1,481. SpAW 1,815. kapreitit: Part. Prät. sw. V. ahd. (gi)breiten ,sich erstrecken, verteilen, verbreiten; hier: erweitern‘ – vgl. AWB 1,1342. StWG 75. GSp 3,296. SpAW 1,100. SchG 2,14. Riecke 425. RSV 1,13. [b] kipreitit: Part. Prät. sw. V. ahd. breiten – dieser Beleg in StWG 75. SchG 2,15. (sonst s.o.). Der Beleg ist auf der Basis der Edition Meritts im AWB 1,1472 unter ahd. brutten verzeichnet und dort zu streichen.

Abb. 1: Ahd. Griffelglossen: Clm 6293, f. 24v, Z. 1: [a] ist kapreitit – [b] kipreitit (Nr. 54)

55. f. 24v, Z. 8, extra – (Typ B) uz (6) … Quid itaque mirum, si mun/ (7) dum ante se collectum uidit, qui subleuatus in men/ (8) tis lumine extra mundum fuit? (II,35; 260,240,63) ‚Was für ein Wunder ist es deshalb, wenn er die Welt vor sich versammelt sah, er, der durch das Licht des Geistes emporgehoben außerhalb der Welt war?‘ Die Eintragung interlinear über den ersten beiden Buchstaben des Lemmas. Das z ist sehr klein und fransig geritzt. extra: Präp. lat. extra ‚außerhalb‘ – GH 1,2636.

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uz: Präp. mit Dat. ahd. ūz ‚aus‘ – vgl. StWG 686. GSp 1,534. SchG 10,318f. Die Eintragung kann evtl. auch als Adv. ahd. ūz ‚außerhalb‘ (vgl. SchG 10,318) aufgefasst werden. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist noch nicht belegt. Für die Annahme einer Abkürzung für ahd. uzan, uzar, das als Äquivalent für lat. extra bereits belegt ist, besteht aber kein Anlass. 56. f. 24v, Z. 20, liquide – (Typ B) augazurto – HDM 228,37 uuazure. WS Nr. 30 auuazur... (20) … Sed quia haec liquide meis sensibus in/ (21) fudisti, quaeso ut (fehlt in Ed.) ad narrationis ordinem redeas (II,35; 260,242,74) ,Aber weil du diese Dinge klar in meine Gedanken hast einfließen lassen, bitte ich dich, dass du zum Verlauf der Erzählung zurückkehrst.‘ Das Lemma weist in der Hs. eine irreführende Setzung des Spatiums auf (liqui demeis), die zu der Glossierung motiviert haben könnte. Beim dritten Buchstaben ist direkt über dem q von liquide ein geritzter Bogen nach rechts zu erkennen. Von den darüber liegenden Spuren, die Meritt und Schulte als u lesen, führt eine mehr geprägte Unterlänge zu diesem Bogen, die bei Streiflicht von rechts gut erkennbar ist und die Lesung des Buchstabens als g sichert. Die weiterführenden Überlegungen Schultes (1993: 161) zum Anschluss an das Adv. ahd. ougazorhto lassen sich so auch durch den paläographischen Befund bestätigen. Das r wurde direkt auf die Oberlänge des d von liquide geritzt. Entgegen der Bemerkung Schultes über die nicht mehr lesbare Endung lässt sich to als die beiden letzten Buchstaben eindeutig bei leicht schrägem Drauflicht sichern. Zwischen r und t befindet sich eine kleine Lücke, die Platz für einen weiteren Buchstaben bietet, wovon allerdings keine Spuren erkennbar sind. liquide: Adv. lat. liquidē ‚rein, klar, deutlich, hell; mit Gewissheit‘ – GH 2,673. augazurto: Adv. ahd. ougazorhto ‚augenscheinlich, offenkundig, deutlich erkennbar, klar‘ – SpAW 1,693 auf der Basis des vorliegenden Belegs nach Schulte. SchG 7,227. Das Adv. ist an anderer Stelle noch einmal aus einer Handschrift der ‚Dialoge‘ Greogors zum Lemma ēvidenter überliefert und ein weiteres Mal sonst nur noch einmal aus dem Tatian als Übersetzung für lat. manifēstē ‚offenbar, augenscheinlich‘ (GH 2,797). Die Bildung als solche ist als Kompositum mit substantivischem Determinans durchsichtig, zumal auch das als Basis fungierende Adj. zoraht, zorft ‚hell, leuchtend‘ auch als Adv. zorahto, zorfto mit der Bedeutung ‚klar, offensichtlich‘ (vgl. für beides StWG 768. SchG 11,443) belegt ist. Öfter und auch als Glossen belegt ist das hierzugehörige Adj. ougazoroht, ougzorht, ougazorht, ouwizorht ‚augenscheinlich, sichtbar, offensichtlich‘ – vgl. StWG 456. GSp 5,705. SpAW 1,693. SchG 7,226. Zur fehlenden h-Graphie vgl. auch die Glossen Nr. 36 und 60. Der Beleg ist auf der Basis der Lesung Meritts in StWG 701 unter ahd. wazzar verzeichnet und dort zu streichen.

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57. f. 25r, Z. 4, luculentam – (Typ A) lihtentan (3) … Nam scribsit monachorum regula (Ed. regulam) / (4) discretione praecipua (Ed. praecipuam), sermone luculentam (II,36; 260,242,7) ‚Er hat nämlich eine in ihrer Weisheit herausragende und in ihrer Sprache klare Mönchsregel geschrieben.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma, schwach eingedrückt und am besten bei schrägem Drauflicht von links zu lesen. luculentam: Akk. Sg. F. lat. lūculentus, -a, -um ‚recht hell, hübsch; stattlich, ansehnlich‘ – GH 2,716. lihtentan: Akk. Sg. M. stark flektiertes Part. Präs. des sw. V. ahd. līhten ‚leichter machen‘ – vgl. AWB 5,986. StWG 375. SchG 6,89. Bezüglich Kasus und Numerus formenkongruente Übersetzung des lateinischen Lemmas. Das abweichende Genus lässt sich evtl. durch den Bezug auf ein mitgedachtes althochdeutsches M. erklären oder evtl. auf den fehlerhaften Bezug auf den Abl. Sg. sermone des lat. M. sermo ‚hier: Sprache, Sprachgebrauch‘ (GH 2,2642). Die Bildung zum adjektivischen Grundlexem ahd. līhtī/līht ‚leicht‘ (AWB 5,988) erscheint im Kontext als adäquate Übersetzung plausibel. Entsprechende Übersetzungen sind bislang nicht belegt. Ein Anschluss an das semantisch naheliegende Lexem ahd. lioht ‚licht‘, das als Übersetzung für lat. lūculentus bereits belegt ist (vgl. AWB 5,1143), ist aufgrund der eindeutigen Lesung des Stammsilbenvokals auszuschließen. 58. f. 25r, Z. 12, tegerent – (Typ B) pimitin (11) … praesentibus / (12) indicens ut audita per silentium tegerent, absenti/ (13) bus indicans quod uel quale eis signum fieret, … (II,37; 260,242,5) ,den Anwesenden befahl er dabei, dass sie über das Gehörte Stillschweigen bewahrten, den Abwesenden, zeigte er an, welches Zeichen sie empfangen würden, …‘. Die Eintragung interlinear über dem Lemma sehr fein mit kleinen Buchstaben geritzt. tegerent: 3. Pl. Konj. Imperf. lat. tegere ‚decken, bedecken, schützen, verteidigen‘ hier im Zusammenhang mit silentium ‚halten, bewahren‘ – GH 2,3037. pimitin: 3. Pl. Konj. Prät. zum st. V. ahd. bimīdan ‚meiden, (einer Sache) ausweichen, entgehen‘ – vgl. AWB 6,546. StWG 412. GSp 2,675. SpAW 1,621. SchG 6,363. Formenkongruente und im Kontext semantisch adäquate Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist noch nicht belegt. 59. f. 25r, Z. 16, acri – (Typ A) pittro – HDM 228,38. WS Nr. 31 (15) ... Qui mox correp/ (16) tus febribus acri coepit ardore fatigari. ... (II,37; 260,244,8) ‚Dieser, bald von Fiebern befallen, begann von einer heftigen Hitze heimgesucht zu werden.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma reicht bis über o von coepit. Sie ist im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar.

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acri: Abl. Sg. M. lat. ācer, -cris ‚scharf, beißend, schmerzhaft; übertr.: heftig, stark‘ – GH 1,73f. pittro: Instr. Sg. M. oder N. zum st. flekt. Adj. ahd. bittar ‚bitter, scharf, abweisend; hier: heftig, schmerzhaft‘ – AWB 1,1136 (Form), 1137 (Bedeutung). StWG 61. SchG 1,400 – vgl. GSp 3,88. SpAW 1,71. Das AWB setzt als Bedeutung im vorliegenden Fall ‚schmerzhaft, körperlich schmerzbereitend‘ an, was auch vom lateinischen Lemma her abgedeckt wird. Allerdings scheint hier auch eine Bedeutung ‚heftig‘ gerechtfertigt, die vom lateinischen Kontext her ebenso motiviert ist. Die Form ist unter Annahme einer formenkongruenten Übersetzung distinkt und daher mit dem AWB als Instrumental zu bestimmen (vgl. BRG §248. SchAHG §307). Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist noch nicht belegt, zu vergleichen ist allerdings die Übersetzung des Adv. lat. ācriter mit dem Adv. ahd. bitt(a)ro (vgl. AWB 1,1140). 60.–61. f. 25r, Z. 20–21 (20) … atque inter discipulorum manus inbicilla / (21) membra sustentans, erectis in caelum manibus stetit et / (22) ultimum spiritum inter uerba orationis efflauit (II,37; 260,244,12) ‚Und er stand da, die schwachen Glieder unter den Händen seiner Schüler aufrecht haltend, mit zum Himmel erhobenen Händen und hauchte unter Worten des Gebetes den Geist aus.‘ 60. f. 25r, Z. 20, inbicilla – [a] (Typ A) unkaheile – [b] unterzeilig (Typ B) unmaticun – WS Nr. 32 unma... Das Lemma inbicilla wurde offensichtlich doppelt glossiert: unterzeilig steht die bereits von Schulte entdeckte und als unma… edierte Glosse unmaticun von einem Instrument Typ B und überzeilig findet sich zum gleichen Lemma die bislang nicht edierte Eintragung unkaheile von einem Instrument Typ A. Bei ansonsten durchgängig überzeiliger Glossierung lässt sich hieraus evtl. auf eine relative Chronologie der Eintragungen schließen, bei der die unterzeiligen gewissermaßen aus Platzmangel später eingetragen wurden. Die sprachliche Form mit altem ka-Präfix stützt diese Sichtweise. Die Eintragungen sind im Digitalisat bei hoher Auflösung nur schwach erkennbar. inbicilla: Akk. Pl. N. (in Kongruenz mit membra) zum lat. Adj. imbēcillus, -a, -um ‚schwach, gebrechlich, kraftlos‘ – GH 2,59f. [a] unkaheile: Nom./Akk. Pl. M. st. flekt. Adj. ahd. ungiheil ‚unheil, schwach‘. Die Bildung mit infigiertem gi- ist bislang nicht belegt. Zu vergleichen ist eine zum sw. V. ahd. giheilen ‚gesund machen, heilen‘ (AWB 4,831. StWG 262. GSp 4,870) zu stellende Abstraktbildung ungiheilida ‚Unheil, Unglück‘ (KöblerTWB 335. KöblerWAS 280), die allerdings in den anderen Wörterbüchern nicht verzeichnet ist. Die vom lateinischen Genus abweichende Form lässt evtl. auf ein gedachtes althoch-

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deutsches M. schließen, zu dem die Eintragung in Kongruenz stehen könnte (vgl. etwa das st. M./N. ahd. lid ‚Glied, Körperteil‘ AWB 5,898). [b] unmaticun: Die Endung lässt bei angenommener Formenkongruenz zum lateinischen Lemma hier auf den Akk. Pl. N. des schwach flektierten althochdeutschen Adj. unmahtīg ,schwach‘ (SchG 10,231 – vgl. StWG 668. GSp 2,618) schließen. Die Unsicherheit bei der Interpretation des c besteht in der starken Schließung des Bogens rechts, sodass sich der Eindruck eines o ergibt. 61. f. 25r, Z. 21, sustentans – (Typ B) stiurrenter – HDM 228,39 stiurrente. WS Nr. 33 Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist bei hoher Auflösung im Digitalisat erkennbar. Die Lesung Schultes ist zu bestätigen. Die Eintragung hat auf f. 25v Z. 21 (dort über nesciens) durchgedrückt. sustentans: Part. Präs. lat. sustentāre ,etw. in die Höhe, empor-, aufrecht halten’ – GH 2,2982. stiurrenter: Nom. Sg. M. st. flekt. Part. Präs. sw. V. ahd. stiuren ‚(unter)stützen, steuern; hier: aufrecht halten‘ – StWG 594. SchG 9,234. RSV 1,206. – vgl. GSp 6,705. SpAW 1,941. Riecke 354. Die Übersetzung mit der flektierten Form des Part. Präs. ist kongruent und zeigt hier den Subjektsbezug an, der zur lateinischen Vorlage adäquat wiedergegeben ist. 62. f. 25v, Z. 3, tendebatur – (Typ B) uuaskiuorit – HDM 229,1. WS Nr. 34, beide uuas kiuôrt (1) ... Viderunt namque quia strata palliis at/ (2) que innumeris corusca lampadibus uia recto orientis / (3) tramite ab eius cella in caelum usque tendebatur (II,37; 260,244,20) ‚Sie sahen nämlich, dass eine mit Decken belegte und durch unzählige Lampen beleuchtete Straße sich geradewegs in östlicher Richtung von dessen Zelle bis in den Himmel hinein erstreckte.‘ Die Eintragung interlinear vor der Oberlänge des d in tendebatur beginnend reicht bis auf den rechten Innenrand des Blattes hinaus, was aufgrund des Platzmangels Einfluss auf die Zusammenschreibung gehabt haben könnte. r und i sind ligiert. Etwas weiter über dem o findet sich eine einfache, leicht schräg nach rechts oben verlaufende Ritzung, die Meritt und Schulte als Zirkumflex interpretieren. Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. tendebatur: 3. Sg. Ind. Imp. Passiv lat. tendere ‚hier: sich ausdehnen, sich erstrecken, reichen‘ – GH 2,3056. uuas: 3. Sg. Ind. Prät. zum st. V. ahd. wesan – StWG 718. SchG 11,80 – vgl. GSp 1,1053. In einem Verbalgefüge mit dem Partizip Präteritum gifuorit in der Bedeutung ‚sich erstrecken‘. kiuorit: Unflekt. Part. Prät. zum sw. V. ahd. (gi)fuoren ‚tragen, fahren, herbeibringen; hier: sich erstrecken’ – AWB 3,1345 (zur Form), 1346 (zur Bedeutung dieses

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Belegs). StWG 183. SchG 3,334. RSV 1,49 – vgl. GSp 3,589. SpAW 1,206. Riecke 652. Das lateinischen Passiv ist mit dem althochdeutschen Verbalgefüge finites Hilfsverb wesan + Part. Prät. adäquat wiedergegeben. Das Verbalgefüge gifuorit wesan mit der Bedeutung ‚sich erstrecken‘ ist nur hier belegt; es schließt sich zwar an die im AWB für diesen Beleg angeführte Bedeutung ‚etw./jmd. in etw. hineinbringen, -tragen, -setzen‘ an, weist aber doch einen übertragenen, stark vom vorliegenden Kontext beeinflussten Gebrauch auf. Der Beleg ist auf der Basis der Lesung Meritts bzw. Schultes im AWB 3,1345, bei SchG 3,334 und RSV 1,49 verzeichnet und dort jeweils zu korrigieren. 63. f. 26v, Z. 15, (prodi)/dit – (Typ A) meldet. (13) … Vir quippe peregrinus quo cense/ (14) retur nomine nesciebatur, sed eius nomen ille spiritus prodi/ (15) dit, qui se ab illo posse eici clamauit (III,14; 260,304,36). ‚Man wusste nicht, wie der Fremde genannt wurde, aber seinen Namen verriet ein Geist, der ausrief, dass er aus jenem herausfahren könne.‘ Die Eintragung mit kleinen Buchstaben interlinear über dem zweiten Teil des Lemmas am Anfang von Z. 15. Am Ende ist ein weiterer Buchstabe (a?) vorhanden, der in seiner Lesung nicht eindeutig zu sichern ist. prodidit: 3. Sg. Ind. Perf. lat. prōdere ‚hervorbringen, verraten, melden‘ – GH 2,1954. meldet.: 3. Sg. Ind. Prät. (?) zum sw. V. ahd. meldēn ‚melden, verraten, anzeigen‘ – vgl. AWB 6,398. StWG 406. GSp 2,723. SchG 6,322. RSV 2,243. Soweit dies der unsichere letzte Buchstabe zu erkennen erlaubt, ist die Glossierung wohl bezüglich des lateinischen Lemmas formenkongruent. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 64. f. 26v, Z. 22, subsidia – (Typ B) lipl&a (20) ... Alii ad constru/ (21) endum monasterium praedia, alii pecunia (Ed. pecunias), / (22) alii subsidia quęque poterant offerre (III,14; 260,306,43) ,Die einen wollten dem Mann Gottes demütig zur Erbauung eines Klosters Güter anbieten, andere Geld, wieder andere alle Unterstützungen, wie auch immer sie sie nur aufbringen konnten.‘ Die Eintragung lip befindet sich noch vor der Oberlänge des b von subsidia, der Rest dahinter. Direkt hinter der Oberlänge befindet sich eine längere, leicht schrägstehende, etwas geschlängelte Ritzung, die als l interpretiert werden kann. Darauf folgt eine undeutliche, etwas schwer zu interpretierende Ritzung, die aufgrund der Ähnlichkeit mit den sehr ähnlichen Formen in den Glossen Nr. 88 (Typ B) uuas kip&it und Nr. 98 (Typ B) kistap&a als Ligatur & interpretiert werden können. Die Lesung des letzten Buchstabens als a ist sicher. Die Eintragung ist schwach bei hoher Auflösung im Digitalisat erkennbar.

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Unter subsidia befindet sich eine weitere, oberflächliche Ritzung vom gleichen Instrument, die aber nicht eindeutig identifiziert werden konnte. subsidia: Akk. Pl. lat. N. subsidium, -iī ,Hilfe, Beistand; übertr. auch Unterstützung, Hilfsmittel, Schutz, Rückhalt‘ – GH 2,2879. lipl&a: [= lipleta] Akk. Pl. st. F. ahd. lībleita ‚Nahrung, Lebensunterhalt; hier: Beistand, Unterstützung‘ – vgl. AWB 5,894. StWG 372. GSp 2,187. SpAW 1,531. SchG 6,68. Die Schreibung statt für das Diphthong gebliebene /ei/ (< germ. /ai/) muss nicht unbedingt als orthographische Nachlässigkeit gewertet werden, sondern ist nach Auskunft der Grammatiken im gesamten althochdeutschen Zeitraum „nicht selten“ im Fränkischen und Bairischen (kaum im Alemannischen) v. a. vor Dentalen belegt (BRG §44,A.4).54 Die Übersetzung von lat. subsidia mit ahd. lībleita ist sonst nicht belegt (vgl. GötzLAN 636. KöblerLAW 861). Es überwiegen nach Auskunft des EWA 5,1238 Lemmata aus dem Bereich ‚Essen, Nahrung‘. Allerdings ist dort auch die Übersetzung von lat. stīpendium ‚Sold, Lohn, Beistand, Unterstützung‘ (GH 2,2803) aufgeführt, die die Bedeutung von ahd. lībleita im vorliegenden Kontext stützt. Zu vgl. ist auch die Glossierung Nr. 222, 61r, Z. 10 stipendiis – lipleitom, die allerdings von anderer Hand stammt. 65. f. 27r, Z. 6, usum – (Typ B) nuzzi (5) Cumque ei crebro discipuli humiliter imminerent, ut / (6) pro usum (Ed. usu) monasterii possessiones quae offerebantur / (7) acceperet (Ed. acciperet), ille sollicitus suae paupertatis custus (Ed. custos) / (8) fortem sententiam tenebat, … (III,14; 260,306,51) ‚Immer wenn ihn seine Schüler demütig bedrängten, er möge doch zum Nutzen des Klosters die Besitzungen annehmen, die angeboten wurden, hielt jener besorgte Hüter seiner Armut an dem kraftvollen Ausspruch fest ...‘. Die Eintragung interlinear über dem Lemma. usum: Akk. Sg. lat. M. usus, -ūs ‚hier: Nutzen, Brauchbarkeit‘ – GH 2,3325. Der gegenüber dem Ablativ der Edition abweichende Akkusativ ist von der Präposition pro bedingt, die spätlateinisch auch den Akkusativ regiert – vgl. GH 2,1930. nuzzi: Akk. Sg. sw. F. (Adj.-Abstraktum)55 ahd. nuzzī ‚Nutzen, Anwendung, Ertrag; hier: Nutzen, Vorteil‘ – vgl. AWB 6,1447. StWG 447. GSp 2,1123. SpAW 1,672 [NIOZAN]. SchG 7,157. Die Bestimmung als Akk. Sg. geschieht unter Annahme der Formenkon-

|| 54 Vgl. auch SchAHG §27, der im Bairischen die -Graphie häufiger als im Alemannischen beobachtet, sie hier aber für das Bairische aufgrund des Vergleichs mit den rezenten Mundarten als „Verschreibung“ einschätzt. Dagegen vgl. aber SchABG §13b, wo Schatz eine Liste mit Belegen für die -Graphie im Altbairische bietet. 55 Die fem. īn-Abstrakta, die im AWB und bei SchG und SpAW synchron als st. F. klassifiziert werden, werden hier nach BRG §227–231 diachron als sw. F. bestimmt.

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gruenz zum lateinischen Lemma. Die Übersetzung ist dann formal und semantisch adäquat. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 66. f. 27v, Z. 8, satis[faciebat] – (Typ B) kenuoc – HDM 229,3. WS Nr. 35 (5) ... Iuxta defuncti / (6) igitur corpus uiduata mulier sedit, quae in magnis / (7) fletibus noctem ducens, continuis lamentorum uocibus / (8) satisfaciebat dolori (III,17; 260,338,20) ,Daher setzte sich die verwitwete Frau neben den Körper des Toten, verbrachte die Nacht mit lautem Weinen und tat dem Schmerz durch fortgesetztes Wehklagen Genüge.‘ Die Eintragung ist auf den ersten Blick sehr schwer zu erkennen, da sie nur sehr oberflächlich geritzt ist; bei schrägem Drauflicht ist sie am besten sichtbar. Sie beginnt über dem a von satisfaciebat und reicht bis über das c. Der Platz zwischen satis und faciebat ist nicht auffallend größer als zwischen den anderen Buchstaben, sodass Schultes (1993: 163) Beobachtung einer Lücke im lateinischen Lemma nicht zwingend ist. Spuren der Eintragung sind bei hoher Auflösung (allerdings nur sehr schwach) im Digitalisat erkennbar. satis[faciebat]: Das Erstglied fasste der Glossator evtl. als eigenständiges Adverb lat. satis ‚genug, hinreichend‘ (GH 2,2499) auf. kenuoc: Adv. zu ahd. ginuog ‚genug, hinreichend‘ – AWB 6,1421. StWG 216. SchG 7,145 – vgl. GSp 2,1005. SpAW 1,653 [-NAH]. Schultes Beobachtung von einer Lücke suggeriert ein Missverstehen des lateinischen Lemmas seitens des Glossators. Aufgrund der nicht vorhandenen Lücke zwischen satis und faciebat könnte die Eintragung aber auch Teil einer die lateinische Wortbildung erhellenden Glossierung sein, wobei das als Adv. satis aufgefasste Erstglied semantisch wie formal adäquat übersetzt wurde, das Übersetzungsäquivalent für lat. facere aber erspart blieb. In Betracht zu ziehen ist hierfür etwa eine Glossierung mit dem Syntagma (oder Kompositum?) ahd. ginuog(i) tuon ,Genugtuung leisten, Genüge tun‘, das als Übersetzung für lat. satisfacere belegt ist (so interpretiert es das AWB 6,1424; vgl. etwa auch SpAW 1,1032). Uneinig sind sich deshalb vermutlich die Wörterbücher auch bei der Frage der Klassifikation des Belegs als Adj. (AWB) oder als Adv. (StWG, SchG). 67.–68. f. 28r, Z. 2 (f. 27v, Z. 24) ... Ablato // (f. 28r, Z. 1) itaque pallio, diu eo quem colligeram (Ed. collegerat) puluere defunc/ (2) ti faciem frigauit. Qui cum (Ed. dum) diutius frigaretur re/ (3) cepit animam (III,17; 260,338,39) ,Nachdem also das Tuch fortgenommen war, rieb er lange das Gesicht des Toten mit dem Staub ein, den er [Hs. ich] gesammelt hatte. Als dieser längere Zeit eingerieben wurde, erlangte er den Lebensgeist zurück.‘

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67. f. 28r, Z. 2, frigauit – (Typ B) reip – HDM 229,4. WS Nr. 36 Die Eintragungen Nr. 67 und 68 sind beide breit und fransig geritzt. Die beiden Glossen reip und kiropan stammen von gleicher Hand. frigauit: 3. Sg. Ind. Perf. Aktiv lat. fricāre ‚reiben, abreiben‘ – GH 1,2845, allerdings nur mit der Perf.-Form fricuī. reip: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. rīban ‚reiben, abreiben, einreiben’ – StWG 482. SchG 7,394 – vgl. GSp 2,355. SpAW 1,745. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 68. f. 28r, Z. 2, frigar&tur – (Typ B) kiropan – HDM 229,5. WS Nr. 37, beide kiripan Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die Korrektur gegenüber der Lesung Meritts und Schultes von i zu o ergibt sich aufgrund zweier eindeutiger Rundungen links und rechts, die als o zu interpretieren sind. frigar&ur [= frigaretur]: 3. Sg. Konj. Imperf. Passiv lat. fricāre ‚reiben, abreiben‘ – GH 1,2845. kiropan: Unflekt. Part. Prät. st. V. ahd. rioban ‚reiben?‘. Das st. V. ist noch nicht belegt. Vgl. das Adj. ahd. riob ‚schorfig, räudig, aussätzig‘ – GSp 4,1155. Die Übersetzung des lateinischen Passivs mit einem althochdeutschen Part. Prät. lässt ein Syntagma mit Hilfsverb erwarten, für das allerdings keine weiteren Spuren vorhanden sind. 69. f. 28v, Z. 16, exenio – (Typ A) pfrazunna – HDM 229,6 phrazumen. WS Nr. 38 phraz… (14) ... et cum ea de# uerbo dei colloquens sede/ (15) bat, cum repente ex eodem fundo quem in sex uncias / (16) a patrę praeceperat, cum exenio rusticus uenit (III,21; 260,352,17) ,... und er saß bei ihr und redete über das Wort Gottes, als auf einmal von dem Landgut, das sie zu sechs Zwölfteln von dem Vater voraus erhalten hatte, ein Landmann mit einem Geschenk kam‘. Die Eintragung ist insgesamt etwas schwach geprägt, aber deutlich auch in der Endung erkennbar. Sie steht interlinear über dem Lemma exenio und reicht bis über das folgende rusticus. exenio: Abl. Sg. N. lat. (e)xenium, -iī ‚Gastgeschenk, Geschenk‘ – GH 2,3566. Habel/Gröbel 431. pfrazunna: Nom. Sg. zu einem st/.sw. F. ahd. pfrazunna ‚Geschenk‘. Hapax legomenon. Wilmanns stellt entsprechende Bildungen unpersönlicher Wörter zu den Bildungen auf -unna/-inna (vgl. Wilmanns §242). Die Eintragung wurde auf der Basis der Lesung Meritts und Schultes bereits als Dat. Sg. zu sw. M. (?) ahd. phr[a]z[amo] (pfrasamo) ‚Wucher, Zins‘ in AWB 7,288. StWG

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463. SchG 7,288 und EWA 6,1479 aufgenommen – vgl. GSp 3,369. SpAW 1,706 [PFERSAMO].56

70. f. 28v, Z. 18, palatibus – (Typ B) lotido (17) Qui dum ante eos adsisteret, maligno spiritu correptus ce/ (18) cidit, fatigarique nimis (Ed. nimiis) stridoribus atque palatibus coepit (III,21; 260,352,19) ‚Während er vor ihnen stand, wurde er plötzlich vom bösen Geiste befallen, stürzte zu Boden und wurde von lautem Knirschen und Blöken ganz matt.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist flüchtig und oberflächlich geritzt. Am besten lesbar ist sie bei leicht schräg versetztem Drauflicht. Die ersten drei Buchstaben lot sind sicher und leicht zu erkennen; das d liegt direkt auf der Oberlänge des b von palatibus, wo die Oberlänge des d als Kratzer in der Tintenspur erkennbar ist. Der Bauch des d liegt direkt links vor der Oberlänge des b. Hinter der Oberlänge des b von palatibus folgt noch ein halbhoher, oben und unten gerundeter Buchstabe, der als o sicher identifiziert werden kann. palatib; [= palatibus]: Abl. Pl. lat. bālātus, -ūs ‚das Blöken (der Schafe und Ziegen)‘ – GH 1,779. lotido: Dat. Sg. zum st. F. ahd. luotida, bisher erst einmal zu lat. lātrātus (vgl. GH 2,580) ‚das Bellen der Hunde‘ belegt57 – vgl. AWB 5,1415. StWG 389. GSp 4,1096. SpAW 1,572 ‚das Gekläff‘ [LUOEN]. SchG 6,193 ‚Lästerung‘. Funktional adäquate Wiedergabe des lateinischen Ablativs mit dem althochdeutschen Dativ. In parallelen Handschriften der ‚Dialoge‘58 findet sich für lat. bālātus nur die Übersetzung mit ahd. blāʒunga ,das Blöken‘ (vgl. etwa StWG 65). Eine weitere Handschrift mit einem Glossar, das auch Dialog-Glossen enthält (St. Gallen, Stiftsbibliothek 299; Schulte 1993: Nr. XV,323), bietet das zur Wortfamilie gehörende sw. V. ahd. luoen als Übersetzung für lat. rudīt[us] ‚das Schreien des Esels‘, was dafür spricht, den Bedeutungsrahmen auch für ahd. luotida weiter zu fassen und ihn nicht nur auf das Gebell der Hunde zu beschränken, sondern das Brüllen und Schreien allgemein miteinzubeziehen. Vor diesem Hintergrund kann die vorliegende Übersetzung auch als semantisch adäquat betrachtet werden. 71. f. 29r, Z. 3, saltim – (Typ B) doh – HDM 229,7. WS Nr. 39 (1) Qui statim de homine exiit, porcum quem iussus fuerat / (2) inuasit, occidit et recessit. PETRUS: uellim nosse, / (3) si saltim (i aus e korr.; Ed. saltem) porcum con-

|| 56 Das Wort ist noch einmal aus dem Tatian belegt und als st./sw. F. ahd. pfrasama (SchG 288) noch dreimal als Glosse (vgl. StSG 2,144,64. StSG 2,148,43. StSG 3,381,42), jeweils nur für lat. usura ,Zinsen‘ (GH 2,3322) oder fenus (faenus) ,Zinsen, Wucher‘ (GH 1,2719). 57 Der Beleg ist bei StSG 1,311,9 als Dat. Pl. luotidom zu lat. latratibus ediert. 58 Man vgl. hierzu Schulte (1993: 626f., 736, 947).

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cedere spiritui inmundo debuit (III,21; 260,354,29) ‚Dieser ging sogleich aus dem Mann heraus, fuhr in das Schwein, das ihm befohlen worden war, tötete es und verschwand. PETRUS: ‚Ich möchte wissen, ob sie auch nur ein Schwein dem unreinen Geist überlassen durfte.‘‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. saltim: Adv. lat. saltem ‚wenigstens‘ – GH 2,2465. doh: Adv. ahd. doh ‚wenigstens; hier: auch nur‘ – AWB 2,547ff. StWG 103f. SchG 2,262 – vgl. GSp 5,71. SpAW 1,143. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. 72. f. 29v, Z. 23, steterat – (Typ B) caburit (23) … Itaque fur, qui#iuste[t] erat cum pręda captiuus, / (24) quandoque exiit uacuus et liber (III,22; 260,358,30)59 ‚So ging der Dieb, der mit Recht mit seinem Raub gefangen war [Ed. u. korr. Version der Hs.: der lange als Gefangener bei seinem Raube hatte stehen bleiben müssen], später mit leeren Händen und frei weg.‘ Die Eintragung mit kleinen Buchstaben eingeritzt über iuste, von gleicher Hand wie Nr. 70 lotido. Vom b ist bei leichtem Drauflicht von rechts deutlich eine Oberlänge und keine Unterlänge erkennbar, sodass die Lesung als p auszuschließen ist. Die Buchstaben ri sind ligiert, die Spur dahinter liegt unter der mit Tinte ausgeführten Textkorrektur (t) und ist nicht eindeutig zu identifizieren. Die nach der Korrektur defekte Textstelle könnte Einfluss auf die Motivation zur Glossierung gehabt haben, wobei unklar bleibt, ob die Glossierung vor oder nach der Textkorrektur vorgenommen wurde. Die Radierung des d von diu lässt darauf schließen, dass wohl die Stelle zunächst missverstanden wurde: Aus ursprünglichem qui diu steterat wurde auch aufgrund der Zusammenschreibung der Wörter die Stelle als qui iuste erat interpretiert. Mit hellerer Tinte wurde das erst fehlende zweite t in steterat nachgetragen. caburit: 3. Sg. Ind. Präs. (?) oder Part. Prät. (?) zu ahd. giburien ‚sich aufrichten, sich erheben; geschehen, sich ereignen, zustoßen, zuteil werden‘ – vgl. AWB 1,1543. StWG 87. GSp 3,164. SchG 2,115. Die Eintragung könnte sich vor der Textkorrektur auf diu steterat ‚der lange [bei seiner Beute] stand‘ beziehen, wäre dann aber bezüglich des Tempus inkongruent. Der Bezug auf lat. iuste (nach der Textkorrektur) als prädikativ gebrauchtes Part. Prät., in übertragenem Sinne dann in der Bedeutung ‚aufrichtig, aufrecht‘, ist eventuell auf Grund der dann zu erwartenden althochdeutschen Adverbendung -o auszuschließen.

|| 59 Z. 23: Ed. qui diu steterat; Hs.: nach qui wurde das d radiert und nach iuste ein t übergeschrieben: qui#(d)iuste[t] erat.

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73. f. 30v, Z. 15, supinum – (Typ A) uffort (13) ... Ad cuius uocem subito, cunc/ (14) tis uidentibus, abbatis corpus, quod illic ante humatum / (15) fuerat et supinum (p aus b korr.) iacebat, sese uertit in latere / (16) et uacanti (Ed. uacantem) sepulchri locum ad sepeliendum corpus / (17) presbiteri prebuit, ... (III,23; 260,360,37) ,Bei diesem Ruf drehte sich plötzlich vor aller Augen der Körper des Abtes, der früher hier beigesetzt worden war und auf dem Rücken lag, auf die Seite und machte im Grabe einen Platz frei zur Beerdigung der Leiche des Priesters.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma, davor noch Spuren, die wir nicht identifizieren konnten (vgl. nicht identifizierte Einträge Kap. 2.3.3). supinum: Nom. Sg. N. lat. supīnus, -a, -um ‚rücklings, auf dem Rücken liegend‘ – GH 2,2957. uffort: Adv. zu ahd. ūfwert, ūfort ‚aufwärts‘ – vgl. GSp 1,172. StWG 652. SchG 10,156. SpAW 1,1041. Bislang nur für lat. sursum, resupīnus belegt. Hier wohl im Sinne von ‚mit der Vorderseite nach oben‘ gebraucht. 74. f. 31r, Z. 9, euanuit – (Typ B) kileid – HDM 229,8. WS Nr. 40 (8) … Quo dicto / (9) ab oculis aspicientis euanuit, sed tantus in eum pa/ (10) uor inruit, ut tanta in illum (Ed. tota in illo) corporis uirtus defi/ (11) ceret … (III,24; 260,362,10) ‚Als das gesagt war, entschwand er [die Erscheinung des heiligen Petrus] aus den Augen des Hinschauenden. Aber es befiel diesen ein so großer Schrecken, dass ihn alle Körperkraft verließ ... .‘ Schwach geritzt, nur schwach sichtbar, etwas grobe Buchstaben; gleiche Hand wie Nr. 70 lotido und Nr. 71 doh. euanuit: 3. Sg. Ind. Perf. Aktiv lat. ēvānēscere ‚verschwinden, entschwinden‘ – GH 1,2483. kileid: 3. Sg. Ind. Prät. zum st. V. ahd. gilīdan ‚sich entfernen, verschwinden, entschwinden‘ – AWB 5,909. StWG 373. SchG 6,71 – vgl. GSp 2,179. SpAW 1,534. Ahd. gilīdan ist sonst nicht als Übersetzung von ēvānēscere aufgeführt. Vgl. Nr. 219 (Typ A) kaleid. 75.–76. f. 31r, Z. 13–15 (12) ... Qua in re quid isdem beatus apostolus seruien/ (13) tibus sibi uoluit nisi praesentiam (rae auf Rasur) sui respectus ostende/ (14) ret (Ed. ostendere) quia quidquid (Ed. quicquid) pro eius ueneratione agerent ipse / (15) hoc pro mercede retributionis sine intermissione sem/ (16) per uideret? (III,24; 260,362,14) ‚Was wollte der selige Apostel denen, die ihm dienen, dadurch zeigen60, wenn nicht die Ge-

|| 60 ostenderet der Hs. lässt sich nicht sinnvoll übersetzen. Wir folgen der Edition.

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genwart seiner Fürsorge, dass er selbst, was immer sie zu seiner Verehrung täten, stets ohne Unterlass für den Lohn der Vergeltung sorge.‘ 75. f. 31r, Z. 13 respectus – (Typ B) ursuni – HDM 229,9. WS Nr. 41 Die Eintragung interlinear über p des Lemmas beginnend ist im Digitalisat bei hoher Ausflösung schwach erkennbar. Gleiche Hand wie Nr. 74 kileid, aber deutlicher geritzt. Im lateinischen Lemma ist ec ligiert. respectus: Gen. Sg. M. lat. respectus, -ūs ‚Rücksicht; Berücksichtigung; hier: Aufsicht, Fürsorge‘ – GH 2,2349. ursuni: Gen. Sg. zum st. F. ahd. ursiunī ‚fürsorgliche Aufsicht‘. In der mit ur- präfigierten Form Hapax legomenon. Bei KöblerLAW 771 ist dieser Beleg bereits aufgenommen. Unter Annahme von Formenkongruenz mit dem lateinischen Lemma kann die Form mit Schulte und SchG 10,306 als st. F.61 bestimmt werden. Bei StWG 683 ist dieser Beleg als st. N. ursiuni mit der Bedeutung ‚Aufsicht‘ angesetzt; ebenfalls bei SpAW 1,799, der hier die Bedeutung ‚Gedenken, Beachtung‘ ansetzt; bei GSp 6,128. SchG 10,306 sind bereits zwei Adj. ursiuna, ursiunic für lat. prōspicuum ‚durchsichtig, augenscheinlich, klar‘ (GH 2,1645) belegt. Da in allen bei SpAW zur Wortfamilie SEHAN angeführten Präfixbildungen mit siuni das Bedeutungsmerkmal des ‚Sehens‘ in konkreter Weise Bestandteil ist, ist auch bei der Bedeutungszuweisung der Bildung ursuni der Anteil des konkreten Sehens zu betonen, was in Schultes Bedeutungszuweisung ‚Fürsorge‘ (Schulte 1993: 166), der auch SchG folgt, etwas verloren geht. Die Graphie für ahd. /iu/ (< germ. /eu/, vor i, j, u der Folgesilbe) tritt vereinzelt im 8./9. Jahrhundert (in K und Ra) auf; BRG §49,A.1 fassen sie „vielleicht als Allophon /ū/ zu /iu/“ auf (einzelne Belege auch bei SchAHG §43). Die Graphie (mit Längenbezeichnung!) statt wird im 10. Jahrhundert nach der Monophthongierung von /iu/ häufiger. 76. f. 31r, Z. 15, mercede – (Typ B?) lon Die Eintragung interlinear über cede des Lemmas. Danach folgen evtl. Spuren, die aber nicht eindeutig gesichert werden konnten. mercede: Abl. Sg. lat. F. mercēs, mercēdis ‚Lohn, Verdienst‘ – GH 2,886. lon: Nom./Akk. Sg. st. M. ahd. lōn ‚Lohn, Verdienst‘ – vgl. AWB 5,1260. StWG 383. GSp 2,219. SchG 6,148. Die lateinisch-althochdeutsche Übersetzungsgleichung ist

|| 61 Zu den ī[n]-Abstrakta aus Adjektiven oder Verbalstämmen vgl. SchAHG §344. BRG §227ff. (v. a. 230f.). Die Bildung aus Verbalstämmen beschränkt sich allerdings auf sw. jan-Verben, was bei ursuni nicht infrage kommt. Es erscheinen aber auch vielfach Feminina auf -ī, die daneben ihre ursprüngliche Flexion bewahren, sodass die Form ursuni hier nicht eindeutig klassifiziert werden kann (vgl. hierzu v. a. BRG §131,A.1).

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bereits belegt. Aufgrund der Formengleichheit von Nominativ und Akkusativ ist nicht zu entscheiden, ob neben der Glossierung mit der Grundform auch eine zu einer althochdeutschen Präp. mit Akkusativ kongruente Übersetzung vorliegt. 77. f. 31r, Z. 19, excedit – (Typ A) kafor (19) … Numquidnam menti excedit, quia, cum danihel / (20) propheta magnam illam hac (Ed. ac) terribilem uisionem ui/ (21) dit, qua (Ed. ex qua) etiam uisione contremuit, protinus coniun/ (22) git (Ed. adiungit) … (III,24; 260,362,21) ‚Es ist dir doch nicht etwa aus dem Gedächtnis entfallen, dass der Prophet Daniel nach jener großen und schrecklichen Vision, die ihn erzittern machte, beifügte: …‘. Das zweite e im Lemma excedit wurde zur Hälfte radiert, es ist nur noch der Bogen links und die Hälfte vom Köpfchen zu erkennen, sodass evtl. hier eine Korrektur zu i vorliegt. Danach finden sich Spuren von einem anderen, relativ spitzen Instrument geritzt. Evtl. ist die Spur auch nicht sprachlich. excedit (vermutl. korrigiert zu excidit): 3. Sg. Ind. Perf. lat. excīdere (ex und cadere); ‚heraus-, herab-, entfallen; entschwinden, verlorengehen; insbes. dem Gedächtnis entfallen‘ – GH 1,2519f.; oder: 3. Sg. Ind. Präs. lat. excēdere ‚herausgehen, sich entfernen, hinausfallen‘ – GH 1,2515. kafor: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. gifaran ‚herausfallen, entfallen‘ – vgl. AWB 3,599. GSp 3,560. StWG 140. SchG 3,56. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nicht belegt. 78. f. 32r, Z. 8, r&oqueat – (Typ B) kiride – HDM 229,10. WS Nr. 42 (6) … Unde / (7) necesse est, ut ad modernos patres, quorum uita per / (8) Italiae prouincias claruit narratio sę nostra retoqueat (Ed. retorqueat) (III,25; 260,366,28) ‚Von daher ist es notwendig, dass unsere Erzählung wieder zu den Vätern der jüngeren Zeit zurückkehre, deren Leben über die Provinzen Italiens hin glänzte.‘ Die Eintragung beginnt über eat des Lemmas und reicht in den Blattrand. Sie weist eine eigentümliche (dem Instrument geschuldete?) Form des d auf, wobei der Bauch über einen Bogen direkt an das obere Ende des Schaftes anschließt. Sie ist bei hoher Auflösung im Digitalisat gut erkennbar. Im Lemma sind e und t ligiert, es fehlt das r. Die fehlerhafte Form des Lemmas könnte zur Glossierung motiviert haben. r&oqueat: fehlerhaft für lat. retorqueat; 3. Sg. Konj. Präs. lat. retorquēre ‚zurückkehren, zurückwenden, -drehen‘ – GH 2,2367. kiride: 3. Sg. Konj. Präs. st. V. ahd. girīdan ‚verdrehen, wegdrehen; hier: zurückkehren‘ – StWG 482. SchG 7,398 – vgl. GSp 2,473. SpAW 1,745. Formenkongruente und semantisch adäquate Übersetzung.

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79. f. 32v, Z. 22, transferre – (Typ B) frampringan – HDM 229,11. WS Nr. 43 (20) ... Qui ad uesperum ueniens, tan/ (21) te me fortitudinis inueni, ut, si uoluissem, ieiunium us/ (22) que ad diem alterum transferre potuissem (III,33; 260,398,79) ‚Am Abend fühlte ich mich von so großer Kraft, dass ich, wenn ich gewollt hätte, das Fasten noch bis zum anderen Tag hätte hinübertragen (= verlängern) können.‘ Teilweise grob geritzt, etwas fransig (auf Fleischseite), sehr weit ausladende Buchstaben, in die Breite gezogen, was etwas untypisch für Typ B ist. transferre: Inf. lat. trānsferre ‚hinübertragen; hier: verlängern‘ – GH 2,3183. frampringan: Inf. zum st. V. ahd. frambringan ‚weitertragen, übertragen, erzeugen; hier: verlängern, fortsetzen‘ – AWB 1,1398. StWG 78. SchG 2,39 – vgl. GSp 3,199. SpAW 1,105 [BRINGAN]. Formal und semantisch kongruente Übersetzung. 80. f. 33v, Z. 6, inriguam – (Typ B) un (5) … Dedit ei pater suus in/ (6) riguam superius et inriguam inferius (Ed. beide Male inriguum) (III,34; 260,402,26; Ios 15,18f.) ‚Ihr Vater gab ihr ein höher gelegenes bewässertes und ein tiefer gelegenes bewässertes [Land].‘ Die Eintragung deutlich interlinear über ig des Lemmas. Hinter n noch abgesetzt ein kleiner Kratzer. Eine Korrektur des Lemmas zu um (vgl. die Edition des Textes) ist sowohl aufgrund der sicheren Lesung des n, als auch aus positionellen Gründen auszuschließen. Über (in)riguam am Anfang von Z. 6 finden sich nicht zu identifizierende Spuren eines Instruments Typ A (vgl. nicht identifizierte Einträge Kap. 2.3.3). inriguam: Akk. Sg. F. lat. Adj. irriguus, -a, -um ‚bewässert‘ – GH 2,452. Die Edition hat an dieser Stelle die Form inriguum, was ein substantiviertes Neutrum ‚das Bewässerte‘ zum Adj. inriguus, -a, -um nahelegt. Für die feminine Form der Handschrift kann aber ein Adjektiv angesetzt werden, das in Kongruenz mit dem dazugehörenden Substantiv terram in Z. 4 steht. un: Die Eintragung lässt sich evtl. als Negationspräfix ahd. un- deuten, was hier die Fehleinschätzung des Präfix in- des lateinischen Lemmas, das hier als Richtungspräposition in ‚in, hinein, auf, an‘ aufgefasst werden kann62, voraussetzt. Natürlich ist auch damit zu rechnen, dass hier das mehrdeutige lateinische Präfix in- gerade im Kontrast zum althochdeutschen Negationspräfix un- verdeutlicht werden sollte. Immerhin könnte die Eintragung ein Interesse an den Wortbildungsmitteln bezeugen, wenn auch die Position der Eintragung fragwürdig ist.

|| 62 Vgl. GH 1,452, Bedeutung des zugrundeliegenden Verbs ir-rigare (in-rigare): ‚eine Flüssigkeit in-, an-, auf etwas leiten‘.

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81. f. 34r, Z. 19, uela – (Typ A) sekal (18) ..., ex naue (Ed. navi) claui per/ (19) diti, arbor abscisa est, uela in undis proiecta, … (III,36; 260,408,15) ‚das Schiff verlor das Steuerruder, der Mastbaum brach, die Segel wurden in die Flut geweht, …‘. Die Eintragung ist durch die Oberlänge des l im Lemma getrennt: se davor kal danach. Eine weitere nicht identifizierte Spur findet sich über abscisa (vgl. nicht identifizierte Einträge, Kap. 2.3.3). uela: Nom. Pl. lat. vēlum‚ -ī ‚Segel‘ – GH 2,3391. sekal: Nom. Sg. st. M. ahd. segal ‚Segel‘ – vgl. StSG 510. GSp 6,144. SchG 8,123. Formeninkongruente, adäquate Übersetzung mit der Grundform. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt. 82. f. 34r, Z. 21, conpage – (Typ A) kauuag(…) (19) … totumque / (20) uas nauis quassatum nimiis fluctibus ab omni63 fuerat / (21) sua conpage dissolutum (III,36; 260,408,17) ‚Und der ganze Rumpf des Schiffes wurde durch den fürchterlichen Anprall der Wogen erschüttert und geriet aus dem Gefüge.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Zwischen dem zweiten u und a befindet sich eine Rasur. Die Endung ist sehr schwach geprägt, vom zweiten a sind Spuren eines gerundeten, halbhohen Buchstabens erkennbar. Aufgrund eines erkennbaren Abstrichs rechts lesen wir ihn als a. Nach dem unsicheren g finden sich Spuren von weiteren Buchstaben, die nicht sicher zu identifizieren waren. conpage: Abl. Sg. F. lat. conpāgēs, conpāgis ‚Gefüge‘ – GH 1,1333. kauuag(…): Die identifizierten Teile sowie die Anzahl der nicht identifizierten Buchstaben machen evtl. eine Zuweisung zum st. F. ahd. gifuogida ‚Gefüge, Zusammenfügung, Bündnis; hier: Gefüge, Fuge‘ wahrscheinlich – vgl. AWB 3,1339f. StWG 207. GSp 3,424. SchG 3,331. SpAW 1,273. Die Übersetzung wäre damit, soweit zu sehen ist, semantisch adäquat. 83. f. 34r, Z. 21, rimis – (Typ A) ł hrodar – HDM 229,13. WS Nr. 44, beide hrodar (21) … dissolutum. Rimis itaque patentibus intra/ (22) uit mare, atque usque ad superiores tabulas imple/ (23) uit nauem (III,36; 260,408,18) ‚Das Wasser drang durch die offenen Spalten ein und füllte das Schiff bis zu dem oberen Deck‘. Die Eintragung über dem ersten u von dissolutum (s. auch Kontext zur vorigen Nr.) beginnend reicht bis über i von rimis. Sie wurde von Meritt und Schulte als Fehlglossierung interpretiert, die auf der Verwechslung des lateinischen Textwortes lat. rimis (Abl. Pl. lat. F. rīma, -ae ‚Ritze, Spalte‘ – GH 2,2395) mit lat. remus ‚Ru|| 63 Hinter o wurde ein Buchstabe radiert und das m übergeschrieben.

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der‘ (GH 2,2311) beruht, für das auch bereits Übersetzungen mit ahd. hruodar vorliegen. Direkt vor dem h (über dem u von dissolutum) befindet sich allerdings ein Griffelzeichen in Form eines ł. Aufgrund der Position der Glosse über rimis ist ein Bezug zum eigentlich semantisch adäquaten claui in Z. 18 wohl auszuschließen.64 Das Zeichen vor der Eintragung steht als Kürzel ł für lat. uel, mit dem evtl. auf die Verwechslungsmöglichkeit hingewiesen werden sollte. Über lat. clavi in Z. 18 findet sich auch ein kurzer Griffelstrich vom selben Instrument, sodass hier evtl. die Beziehung clavi – hrodar – rimis/remus hergestellt wird. Die Eintragung ist bei hoher Auflösung im Digitalisat erkennbar. hrodar: Nom. Sg. zum st. N. ahd. ruodar ‚Ruder, Steuerruder‘ – StWG 497. SchG 8,28 – vgl. GSp 2,493. SpAW 1,773. Formeninkongruente Glossierung. Durch das vorangesetzte Kürzel für lat. uel soll evtl. auf die Verwechslungsmöglichkeit von lat. rīma mit lat. rēmus hingewiesen werden. Die Form mit anlautendem präkonsonatischen h ist ein Kennzeichen der ältesten Quellen und weist in die frühe Zeit des 8./9. Jahrhunderts (BRG §153). Sie ist unter den bei SchG 8,28 aufgeführten Belegen singulär.

Abb. 2: Ahd. Griffelglosse: Clm 6293, f. 37r, Z. 21: ł hrodar (Nr. 83)

|| 64 Bereits Schulte verweist in seinem Kommentar auf diese mögliche Interpretation von clavus ‚Nagel‘, das hier in übertragener Bedeutung als ‚Steuerruder, Steuerpinne‘ verwendet wird (GH 1,1203), verwirft sie aber aus den gleichen Gründen.

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84. f. 34v, Z. 16, caruis/(set) – (Typ A) anuuari – HDM 229,14. WS Nr. 45 (14) Cumque post eos ipse quoque fuisset egressus, mox in ei/ (15) usdem porti profundi (Ed. portus profundum) nauis dimersa est ac si illis / (16) egredientibus pro pondere subleuatione caruis/ (17) set (III,36; 260,410,36) ‚Obwohl auch er selbst nach diesen ausgestiegen war, ist das Schiff bald in den tiefen Hafen gesunken, als wenn es, indem jene ausstiegen, für die Last keine Erleichterung erhalten hätte.‘ Die Eintragung interlinear über caruis des durch Zeilensprung getrennten Lemmas. Sie ist bei hoher Auflösung schwach im Digitalisat erkennbar. caruiss& (= caruisset): 3. Sg. Konj. Plusquamperf. Akt. lat. carēre ‚von etw. frei sein‘ – GH 1,998. anuuari: 3. Sg. Konj. Prät. st. V. ānwesan, ānuwesan ‚nicht mehr haben, frei sein von‘ – StWG 719. SchG 11,81 – vgl. GSp 1,1059. SpAW 1,1111. Das Wort ist als Glosse zum gleichen Lemma als anawesan im Freisinger Clm 6300 (vgl. Glaser 1996: 247), im Clm 6383 (siehe Kap. 4, Glosse Nr. 127) und noch einmal bei Notker als ānawesan belegt. Die Übersetzung ist formal und semantisch kongruent. 85. f. 34v, Z. 21, (h)onustam – (Typ A) kahlatanaz – HDM 229,15 kahlad mit Anm.65 WS Nr. 46 kahlad... (20) ... Ut hinc omnipotens deus ostenderet, / (21) quia hanc ḥonustam (Ed. onustam) sua manu tenuerat, … (III,36; 260,410,40) ‚weil dadurch der allmächtige Gott zeigen wollte, dass er dieses beladene [Schiff] mit seiner Hand gehalten hatte‘. Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Das fehlerhafte h vor dem Lemma onusta wurde durch einen unterschriebenen Punkt getilgt. Die Eintragung weist große Buchstaben auf und ist teilweise nur schwach geprägt, ab l allerdings auch oberflächliche Verletzung des Pergaments; hier ist das Pergament auch etwas aufgeraut, sodass evtl. auch mit zwei Eintragungsschichten zu rechnen ist. [h]onustā [= onustam]: Akk. Sg. F. lat. Adj. onustus, -a, -um ‚beladen, belastet, bepackt‘ – GH 2,1350. kahlatanaz: Akk. Sg. N. zum st. flektierten Part. Prät. des st. V. ahd. (gi)ladan ‚beladen, belasten‘ – AWB 5,573. StWG 357. SchG 5,440 – vgl. GSp 4,1113f. SchW 165. EWA 5,950. Genusinkongruente aber semantisch adäquate Übersetzung, die offensichtlich in Kongruenz zu einem mitgedachten althochdeutschen Bezugsnomen (etwa ahd. scif) steht (vgl. Schulte 1993: 169). Die Eintragung wurde auf der Basis der Lesung Meritts und Schultes bereits als „verstümmelt“ kahlad.. im AWB und in SchG verzeichnet und ist dort jeweils zu korrigieren. Die Form weist durch das noch erhaltene anlautende präkonsonatische

|| 65 Meritt (1934: 229,A.19): „Illegible at the end. Read kahladana.“

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h und den grammatischen Wechsel, der bei hladan, ladan nach BRG §346,A.3 bereits im 9. Jahrhundert ausgeglichen ist, in die frühe Zeit. 86.–88. f. 35r, Z. 10–12 (9) ... Et sicut inter amantes se animos magnum / (10) caritatis famil#a#ritas ausum prebet, a me ple/ (11) rumque ex dulcedine exactus, ipse quoque de his quæ / (12) egerat extrema quaedam fateri cogebatur (III,37; 260,412,11) ‚Und wie unter sich liebenden Seelen die Vertraulichkeit der Liebe eine große Kühnheit verleiht, wurde er selbst gedrängt, meist von mir aus Liebe veranlasst, auch von diesen geringeren Dingen, die er getan hat, zu erzählen.‘ 86. f. 35r, Z. 10, ausum – (Typ B) katurst – HDM 229,16. WS Nr. 47 Die Eintragung interlinear über dem Lemma reicht bis über das erste e des folgenden prebet. Sie ist im Digitalisat nur schwach erkennbar. ausum: Akk. Sg. M. lat. ausus, -ūs ‚Wagnis, Unternehmen; Verwegenheit‘ – GH 1,746; die Bedeutung ‚Verwegenheit‘ bei Habel/Gröbel 31. katurst: Nom./Akk. Sg. zum st. F. ahd. giturst ‚Wagnis, Kühnheit‘ – StWG 225, 818. SchG 10,122 – vgl. GSp 5,443. SpAW 1,1036 [-TURRAN]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. Vgl. Glosse Nr. 167, auctoritate – (Typ A) katursti. 87. f. 35r, Z. 12, fateri – (Typ A) sakenti uuesan – HDM 229,17 sakenti uu????. WS Nr. 48 sakenti uu esa. Die Eintragung interlinear über t des Lemmas fateri beginnend reicht bis über tu von cogebatur. Auf den nicht ganz zweifelsfrei als n zu identifizierenden letzten Buchstaben ist der erste Buchstabe der nachfolgenden Glosse ahd. uuas kip&it (s. unten Nr. 88) geschrieben. Die Lücke zwischen uu und e in uuesan ist durch die Oberlänge des b von cogebatur bedingt. Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. fateri: Inf. lat. Deponens fatērī ‚bekennen, gestehen; zu erkennen geben, verraten‘ – GH 1,2698. sakenti: Unflekt. Part. Prät. des sw. V. ahd. sagēn ‚berichten, behaupten, sagen, hier: erzählen‘ – StWG 502. RSV 2,249f. SchG 8,62 – vgl. GSp 6,91. SpAW 1,782. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. uuesan: Inf. des st. V. ahd. wesan ‚sein‘ – StWG 718. SchG 11,78 – vgl. GSp 1,1053. SpAW 1,1111. Hier als Teil eines althochdeutschen Syntagmas sagēnti wesan mit der Bedeutung ,erzählen‘. Das lateinische Deponens wird hier mit einem Syntagma bestehend aus dem Part. Präs. und dem Infinitiv des Hilfsverbs wesan adäquat aktivisch umschrieben. Die Übersetzung ist bezüglich des Infinitivs formenkongruent und auch semantisch adäquat.

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Die Eintragung ist als Syntagma sakenti uuesa in SchG 8,62 und 11,78 verzeichnet und dort zu korrigieren. 88. f. 35r, Z. 12, cogebatur – (Typ B) uuas kip&it – HDM 229,18. WS Nr. 49, beide uuas kipeit Die Korrektur der Lesung Meritts und Schultes geschieht nach mehrmaliger Prüfung auf der Basis des Vergleichs mit weiteren Ligatur-& Schreibungen in der Handschrift. Der untere Bogen ist für die Ligatur in dieser Hs. charakteristisch sehr weit nach rechts oben gezogen. Außerdem fehlt die für bloßes e charakteristische Zunge, sodass die Lesung kip&it zu rechtfertigen ist. Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. cogebatur: 3. Sg. Ind. Imperf. Passiv lat. cōgere ‚jmd. zu etw. bringen, drängen, nötigen‘ – GH 1,1246ff., v. a. II,2b. uuas: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. wesan ‚sein‘ – StWG 718. SchG 11,76 – vgl. GSp 1,1053. SpAW 1,1111. Der erste Buchstabe u ist durch den letzten Buchstaben, vermutlich ein n, der vorausgehenden Glosse ahd. uuesan geschrieben. kip&it [= kipetit]: Part. Prät. zum sw. V. ahd. (gi)beiten ‚drängen, zwingen, auffordern‘ – AWB 1,855f. SchG 1,287 [zu beiten]. StWG 44. RSV 1,6 – vgl. GSp 3,67. Evtl. auch zu ahd. beiten (vgl. AWB 1,853). Die Wiedergabe von germ. /ai/ mit ist in bairischen Quellen „nicht selten“ (BRG §44,A.4). Die Übersetzungsgleichung ist bereits belegt. Das lateinische Passiv wurde hier mit einem dem althochdeutschen System adäquaten Syntagma aus Part. Prät. und einer finiten Form des Hilfsverbs wesan umschrieben. Die Übersetzung ist bezüglich der finiten Verbform formenkongruent und semantisch adäquat. Die Eintragung ist auf der Basis der Lesung Meritts im AWB verzeichnet und dort zu korrigieren. 89. f. 35r, Z. 14, exterius – (Typ B) uzzaror – HDM 229,20. WS Nr. 50 uzzaro (13) Sed ne diutius mireris, quid in uirtute domini ueneran/ (14) dus uir sanctolus exterius fecerit, audi ex uirtute / (15) domini qualis interius fuit (III,37; 260,416,80) ‚Aber damit du dich nicht länger wunderst, was der ehrwürdige Mann Sanktulus in der Kraft des Herrn äußerlich wirkte, höre, wie beschaffen er aus der Kraft des Herrn innerlich war.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die Beobachtung Meritts, dass noch Ritzungen hinter der althochdeutschen Glosse folgen, kann entgegen der Aussage Schultes bestätigt werden. Die Eintragung interlinear über dem Lemma reicht bis über f von des folgenden fecerit. Hinter dem o folgt ein senkrechter Strich, der als Schaft eines r interpretiert werden kann. Geschwänztes z.

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exterius: Nom. Sg. M. lat. Adj. exter(us) ‚äußerlich‘ – GH 1,2631. uzzaror: Komparativ zum Adjektivadverb ahd. ūzzaro ‚äußerlich‘ – StWG 686. SchG 10,320 – vgl. GSp 1,539. SpAW 1,1047. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 90. f. 35r, Z. 15, etenim – (Typ B) abar (15) ... Die etenim quadam a lan/ (16) gobardis captus quidam diaconus tenebatur liga/ (17) tus, eumque ipsi qui tenuerant interficere cogi/ (18) tabant (III,37; 260,418,82) ‚Eines Tages aber wurde von den Langobarden ein gefangener Diakon in Fesseln gelegt und eben diejenigen, die ihn festgenommen hatten, dachten daran ihn zu töten.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma, et im Lemma ligiert. Die Eintragung sehr schwach und klein geritzt, vom gleichen Instrument wie Nr. 89 uzzaror darüber. Die im Digitalisat erkennbaren Spuren über captus quidam sind von der Rückseite (Nr. 94, f. 35v, Z. 16 chuatun) durchgeprägt. etenim: verstärkende Konj. lat. etenim ,aber, und allerdings, wiederum‘ – GH 1,2471. abar: Konj. ahd. afur ‚aber, wiederum‘ – vgl. AWB 1,700. GSp 1,177. SchG 1,78. 91. f. 35r, Z. 21, deliberasse – (Typ A) kaendraftot uuarin – HDM 229,21f. WS Nr. 51, mit Hinweis auf unsichere Lesung des f (21) Cumque mortem illius deliberasse eos cerneret, petiit / (22) ut sibi ad custodiam tradi debuisset (III,37; 260,418,87) ‚Und als er sah, dass sie [= die Langobarden] dessen [= des gefangenen Diakons] Tod beschlossen hatten, bat er, dass er ihm zur Bewachung übergeben werde.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma reicht bis über den Anfang von cerneret. Das f ist sicher. Sie ist im Digitalisat nur schwach erkennbar. deliberasse: Inf. Perf. Aktiv lat. dēlīberāre ‚in Erwägung ziehen, reiflich überlegen; hier im Kontext: in Erwägung gezogen haben = beschlossen haben‘ – GH 1,2012. kaendraftot: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. eintraftōn ‚übereinkommen‘. Hapax legomenon – SpAW 1,172 [EIN] + A.3. Die Interpretation dieses Belegs als eintraftōn ist bereits bei Splett (1992: 68f.) näher begründet. SchG 2,393 nimmt einen Ansatz als Präfixverb gieindraftōn ‚übereingekommen sein‘ an. Meritt (1934: 229,A.22) nimmt ein sonst nicht belegtes sw. V. ahd. kaendraffōn (zu *gi-int-raffōn ‚etwas von einer Sache wegnehmen‘) an, was aber die Verwechslung von dēlīberāre mit dēlībāre voraussetzt (vgl. Schulte 1993: 172), die mit dem Kontext nicht zu vereinbaren ist. Der Beleg fand so auch Eingang bei RSV 2,115.

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Spletts und Schultes Ansatz ēndraftōn mit der Graphie für germ. /ai/ ist durch die Anschlussmöglichkeit an die Abrogans-Glosse66 eintraftī ‚Eintracht‘ (AWB 3,218. StWG 123. SpAW 1,173. GSp 5,530) plausibel. uuarin: 3. Pl. Konj. Prät. st. V. ahd. wesan ‚sein‘ – StWG 718. SchG 11,80 – vgl. GSp 1,1053. SpAW 1,1111. Der aktivische Infinitiv Perfekt, der hier Teil einer AcIKonstruktion ist, wurde funktional adäquat mit einer analytischen Verbform bestehend aus Part. Prät. und finitem Hilfsverb wesan mit der Bedeutung ‚übereinkommen‘ übersetzt, wobei das althochdeutsche Prät. der finiten Verbform dem Perfekt des lateinischen Infinitivs adäquat ist. Der althochdeutsche Konj. des finiten Verbs könnte durch den Modus des mit cum eingeleiteten lateinischen Adverbialsatzes mit dem finiten Verb cerneret beeinflusst worden sein. Die Übersetzung könnte damit auf eine verkürzende und vereinfachende Wiedergabe des gesamten lateinischen Kontextes ‚als er sah, dass sie [dessen Tod] beschlossen hatten, ...‘ mit ‚[als] sie übereingekommen waren‘ hindeuten. Der vorliegende Beleg wird in SchG auf der Basis der unsicheren Lesung Schultes widersprüchlich behandelt: Er ist in SchG 11,80 unter wesan als kaendra[h]tot uuesan verzeichnet, in SchG 2,393 unter dem Lemma ahd. gieindraftōn aber als kaendraftot wesan. 92. f. 35r, unter Z. 24, conditione – (Typ B) kiskefti – HDM 229,23. kiskēfti. WS Nr. 52 (f. 35r, Z. 23) … Tibi quidem eum ad custodiendum / (24) damus, sed ea conditione (Ed. condicione) interposita, si iste fugerit, // (f. 35v, Z. 1) pro eo ipse morieris (III,37; 260,418,90) ‚Wir geben dir ihn zwar zur Bewachung, aber unter der Bedingung, dass du, wenn jener flieht, selbst für ihn stirbst.‘ Unterzeilig am unteren Blattrand unter dem Lemma. Meritt ediert über e einen Querstrich, der aufgrund des relativ großen Abstands zur Glosse unter di des Lemmas nicht zur Eintragung gehört. Die bei Schulte (1993: 173) erwähnte v-artige Ritzung über dem e von kiskefti ist so nicht zu bestätigen. Was Schulte als v interpretiert, ist Teil der etwas längeren, nach rechts oben verlaufenden geraden Zunge des e, die zusammen mit dem Kopf des e den Eindruck eines v entstehen lässt. Die Eintragung ist im Digitalisat deutlich geritzt erkennbar. conditione: für lat. condicione, Abl. Sg. lat. F. condicio ‚Bedingung‘ – GH 1,1419f. kiskefti: Dat. Sg. zum st. F. ahd. giscaft ‚Schöpfung; Gestalt; Beschaffenheit‘ – StWG 220. GSp 6,450. SchG 8,269. SpAW 1,841 [SCEPFEN]. Vokabelglossierung, die wohl – begünstigt durch die Schreibung für – auf einer Verwechslung von lat. condicione mit lat. conditione, Abl. Sg. zum lat. F. conditio, -ōnis ‚die Schöpfung,

|| 66 Ediert bei StSG 1,61,15. Zur problematischen Bedeutungsangabe von eintrafti ‚Einfältigkeit‘? im AWB siehe Splett (1992: 117f.).

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Erschaffung‘ (GH 1,1424) beruht.67 Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist belegt (vgl. auch GötzLAN 129). Die parallelen Glossierungen der Textstelle in anderen Dialog-Handschriften weisen dagegen Kontextübersetzung auf (vgl. hierzu Schulte 1993: 406, 673). 93. f. 35v, Z. 12, iussor – (Typ A) purgeo (11) … Fugiit (Ed. Fugit) / (12) itaque diaconus, et quasi deceptus in medio iussor (Ed. fideiussor) re/ (13) mansit (III,37; 260,418,103) ‚Der Diakon floh deshalb und er [Sanktulus] blieb wie ein getäuschter Bürge zurück.‘ Die Eintragung ist klein und deutlich geprägt und bei hoher Auflösung schwach im Digitalisat erkennbar. Sie beginnt über dem u von iussor und reicht über das ohne Lücke direkt anschließende re von remansit auf den Blattrand hinaus. iussor: für eigentl. fideiussor, Nom. Sg. lat. M. fideiussor, -ōris ‚Bürge‘ – GH 1,2749. Der defekte lateinische Kontext könnte die Glossierung motiviert haben, weil das lat. iussor der Hs., für das die Wörterbücher nur die Bedeutung ‚Rudermeister‘ (GH 2,503) oder ‚Diktator‘ (Habel/Gröbel 212) ansetzen, dem Kontext nach als fehlerhaft erkannt und dann mit einem dem lateinischen Kontext adäquaten althochdeutschen Interpretament übersetzt wurde. purgeo: Nom. Sg. sw. M. ahd. burgo ‚Bürge, Gläubiger‘ – vgl. AWB 1,1535ff. StWG 86. GSp 3,177. SchG 2,108. SpAW 1,55 [BERGAN]. Formenkongruente und semantisch adäquate Übersetzung, die Übersetzungsgleichung ist bereits belegt, insbesondere in fünf parallelen Handschriften mit Dialog-Glossen, die bei Schulte (1993) ediert sind (vgl. hierzu im Detail die Übersicht in Kap. 2.4). Die Form lässt sich analog zu den u. a. in der Exhortatio belegten Formen als sw. jan-Stamm bestimmen, wobei die Graphie nach SchABG §106 noch als Reflex des j in der frühen Überlieferung aufzufassen ist und bereits Anfang des 9. Jahrhunderts schwindet. Die Form lässt sich also unter den genannten Einschränkungen noch ins frühe 9. Jahrhundert datieren (vgl. auch BRG §223). 94. f. 35v, Z. 16, inquiunt – (Typ A) chuatun – HDM 229,25. WS Nr. 53 (16) … Tunc illi inquiunt: „Scis ipse meli/ (17) us, quid conuenit.“ (III,37; 260,418,107) ‚Darauf sagten jene: ‚Du weißt selbst besser, was man vereinbarte.‘‘ Interlinear über dem Lemma. Die Eintragung ist bei hoher Auflösung schwach im Digitalisat erkennbar. Über conuenit nicht identifizierte Spuren. inquiunt: 3. Pl. Ind. Perf. Aktiv lat. inquam ‚ich sage, spreche‘ – GH 2,293.

|| 67 Der Beleg ist unter dem Aspekt der Bildung mit -scaf(t)- auch berücksichtigt in Meineke (1991: 102).

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chuatun: 3. Pl. Ind. Prät. st. V. ahd. quedan ‚sagen, sprechen, behaupten‘ – AWB 7,366. StWG 466f. SchG 5,411 – vgl. GSp 4,636. SpAW 1,713 [QUEDAN]. Formal und semantisch kongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 95. f. 35v, Z. 24, compendiosa – [a] (Typ A) kalimflihhemo – HDM 229,26. WS Nr. 54 beide kalimflihharo – [b] (Typ A) kalimfli – WS Nr. 54 kalimfl.. (f. 35v, Z. 22) Tunc omnibus qui illic aderant langobardis placuit, / (23) ut eum capite truncare debuissent, quate/ (24) nus sine graui cruciatu uitam eius compendiosa morte // (f. 36r, Z. 1) terminarent (III,37; 260,420,114) ‚Darauf beschlossen alle Langobarden, die dort anwesend waren, dass sie ihm das Haupt abschlagen sollten, damit sie sein Leben ohne schwere Qual durch einen kurzen Tod beendeten.‘ Beide Eintragungen vom selben Instrument Typ A, es ist aber schwer zu entscheiden, ob sie von gleicher Hand stammen. Eintragung [a] beginnt über s von eius und reicht bis über a des Lemmas. Die beiden h sind durch die Oberlänge des d in compendiosa getrennt. Die Eintragung ist bei hoher Auflösung im Digitalisat schwach erkennbar. Eintragung [b] steht am unteren Blattrand mit etwas Abstand unter lat. compendiosa leicht nach links versetzt (sie beginnt in etwa unter dem e des Textwortes eius). Am Ende nach i sind keine weiteren Buchstaben zu bestätigen. Direkt darüber findet sich noch eine Spur, die als eine Durchprägung der Eintragung Nr. 92 kiskefti von f. 35r, unter Z. 24 identifiziert werden kann. Beide Spuren sind im Digitalisat erkennbar. compendiosa: Abl. Sg. lat. F. compendiōsus, -a, -um ‚abgekürzt, kurz‘ – GH 1,1343. [a] kalimflihhemo: Dat. Sg. M/N. st. flekt. Adj. ahd. gilimpflīh ‚leicht, mäßig, passend; hier: kurz‘ – AWB 5,1002. StWG 211. SchG 6,95 – vgl. GSp 2,216. SpAW 1,544 [LIMPFAN]. Mit dem Dativ funktional adäquate und semantisch im Kontext äquivalente Übersetzung, wobei das althochdeutsche Adj. aufgrund des vom Lemma abweichenden Genus wohl in einem Syntagma mit einem hinzuzudenkenden althochdeutschen mask. Substantiv (etwa ahd. tōd) steht. Die Eintragung ist auf der Basis der Lesung Meritts und Schultes im AWB 5,1002 als kalimflihharo verzeichnet und dort zu korrigieren. [b] kalimfli: der Beleg ist in AWB 5,1002 als kalimfl.. verzeichnet und dort zu korrigieren. Die Eintragung scheint, wie bereits von Schulte (1993: 174) vermerkt, eine Wiederholung der überzeilig interlinearen Glosse [a] zu sein. Sie ist aber nicht in Gänze identifizierbar bzw. auch nicht vollständig. Der Anschluss an ahd. gilimpflīh ist aber auch hier plausibel. 96. f. 36r, Z. 14, calce – (Typ B) spore – HDM 229,28. WS Nr. 55 (13) … Qui dum paulo diutius oraret, hunc electus interfector / (14) calce pulsauit ut surgeret (III,37; 260,420,128) ‚Als dieser ein wenig länger betete, stieß ihn der, der als Henker ausgewählt war, mit dem Fuß, damit er aufstünde.‘

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calce: Abl. Sg. lat. F. calx, -cis ‚Ferse‘ – GH 1,942. spore: Dat. Sg. st. N. ahd. spor ‚Spur, Zeichen; hier: Fußtritt‘ – StWG 577 mit ‚?‘. SchG 9,106 – vgl. GSp 6,356. SpAW 1,908 [SPOR]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist noch nicht belegt – vgl. GötzLAN 84 und GSp 6,356. StWG 577 bieten als Lemmata lat. vestigium, signum.68 Da im aktuellen Fall sowohl die Übersetzung ‚er stieß ihn durch einen Fußtritt‘ (Schulte 1993: 174f.) als auch ‚er stieß ihn mit dem Fuß‘ möglich ist, ist schwer zu entscheiden, welche Bedeutung von spor hier anzusetzen ist. Die Bedeutungsangabe zu ahd. spor bei SchG bietet u. a. auch ‚Tritt, Fuß‘, was sich mit beiden Übersetzungsvarianten deckt. Zu Schultes Bedeutungsangabe ‚Fußtritt‘ passt auch die Klassifikation als Instrumentalbildung (zum st. V. gemeingerm. *spur-na- ‚mit den Füßen [besonders mit der Ferse] treten‘) bei KSEW 870. Allerdings ist nicht eindeutig zu entscheiden, ob nicht auch lediglich eine dem lateinischen Ablativ funktional adäquate Glossierung von calce ‚Ferse‘ vorliegt. 97. f. 36r, Z. 20, adnisu – (Typ B) uuillin – HDM 229,29. WS Nr. 56 (19) Tunc electus carnifex, euaginato (Ed. euaginatum) gladium tenens, / (20) adnisu forti in alto (Ed. altum) brachium percussurus leuauit, / (21) sed deponere nullo modo potuit (III,37; 260,420,134) ‚Dann hob der ausgewählte Scharfrichter, das blankgezogene Schwert haltend, mit großer Kraft den Arm in die Höhe, um zuzuschlagen, konnte ihn aber auf keine Weise niederfallen lassen.‘ Die Eintragung beginnt nach der Oberlänge des d des Lemmas und reicht bis über t von forti. Deutlich geritzt. Scharf, mit spitzem Griffel. Sie ist im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. adnisu: Abl. Sg. lat. M. annīsus (adnīsus), Abl. -ū ‚Bemühen; Kraft; Anstrengung‘ – GH 1,446. Habel/Gröbel 8. uuillin: Dat. Sg. sw. M. ahd. willo ‚Wille, Wunsch, Vorhaben, Gesinnung; hier: Absicht, Wille‘ – StWG 730. SchG 11,158 – vgl. GSp 1,822f. SpAW 1,1089 [WELLEN]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist sonst nicht belegt (vgl. die Belege bei SchG). Schulte (1993: 175) setzt als Bedeutung im vorliegenden Fall (wohl unter Annahme von semantischer Kongruenz mit dem lateinischen Lemma) ‚Anstrengung‘ an, der auch SchG 11,158 folgt. Unter Berücksichtigung der für diese Bedeutung sonst fehlenden Belege69 scheint der Bedeutungsansatz ‚Absicht, Wille‘ auch

|| 68 KöblerLAW 112 führt allerdings die Übersetzungsgleichung an, wobei es fraglich ist, ob es sich dabei nicht nur um diesen Beleg handelt. Zu vergleichen ist außerdem die Übersetzung von lat. calcar ‚Stachel, Sporn‘ mit ahd. spor (GötzLAN 82. GSp 6,356). 69 Eine scharfe Trennung der Bedeutungsbereiche ‚Anstrengung – Bemühen – Absicht‘ ist natürlich nicht möglich. Das bei SchG 11,158 angegebene Bedeutungsspektrum von ahd. willo bezieht sich allerdings deutlich auf den Bereich des ‚Wünschens und Wollens‘. Diesbezüglich ist auch die

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im vorliegenden Kontext wahrscheinlicher. Der Glossator hat offensichtlich die modale adverbiale Bestimmung des lateinischen Kontext adnisu forti auf das folgende percussurus bezogen und mit uuillin übersetzt: ‚mit der Absicht, einen Hieb zu führen‘. 98.–99. f. 36r, Z. 21–22 (21) … Nam repente dirigu/ (22) it, et e#r#ectum (Ed. erecto) in caelo gladium (Ed. gladio) brachium inflexi/ (23) bile remansit (III,37; 260,420,135) ,Denn plötzlich erstarrte ihm der Arm, und blieb mit dem gen Himmel emporgestreckten Schwert unbeweglich.‘70 98. f. 36r, Z. 21, dirigu/(it) – (Typ B) kistap&a – WS unidentifizierte Eintragungen Nr. 3. SchG 12,49 unidentifiziert k[...]a[...] Die Eintragung beginnt nach der Oberlänge des d des Lemmas und reicht bis in den Blattrand hinein, et ist ligiert. Sie ist im Digitalisat bei hoher Auflösung schwach erkennbar. diriguit: 3. Sg. Ind. Perf. Aktiv lat. dīrigere ‚etw. in allen seinen Teilen gerade richten; hier: erstarren‘ – GH 1,2182f. kistap&ta [= kistapeta]: 3. Sg. Ind. Prät zum sw. V. ahd. gistabēn ,erstarren, betäubt sein‘ – vgl. GSp 6,613. StWG 583. SpAW 1,919 [STAB]. SchG 9,150. RSV 2,258. Parallelglossierung: Zu vergleichen ist die Glossierung derselben Textstelle mit ahd. kistarch&a im mittlerweile verschollenen Fragment eines alphabetischen Glossars mit Dialog-Glossen der Stiftsbibliothek Melk (Schulte 1993: 899). Auffällig ist auch hier die Ligatur-&-Graphie. Eine eventuelle Lesung der Glosse kistap&a des Clm 6293 als kistark&a ist aber aufgrund des paläographischen Befundes eindeutig auszuschließen. 99. f. 36r, Z. 22, inflexi/(bile) – (Typ A) ant(…) – WS unidentifizierte Eintragungen Nr. 3. SchG 12,49 unentziffert Die Eintragung steht über dem ersten Teil des durch Zeilensprung getrennten Lemmas und beginnt hinter der Oberlänge des l. Sie ist evtl. das Ergebnis einer zweifachen Glossierung: ant wurde von einem Instrument Typ A geschrieben und z. T. von einem Instrument Typ B nachgezogen. Die Buchstaben sind breit und weisen sowohl Prägungen als auch Ritzungen auf. Die folgenden nicht eindeutig identifizierten Buchstaben reichen bis in den Blattrand und sind mit spitzerem Instrument

|| parallele Glossierung dieser Stelle in Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 10, wo adnisus mit ahd. flisse (flīz) ‚Anstrengung‘ (AWB 3,985) glossiert wurde, zu vergleichen (Schulte 1993: 69). 70 Der offensichtliche Akk. erectum gladium der Hs. lässt sich nur schwer in eine sinnvolle Übersetzung einbauen, ist aber auch für den vorliegenden Fall nicht relevant.

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Typ B geritzt (wie kistap&a darüber). Auch hierunter sind schwach Prägespuren eines Instruments Typ A erkennbar. inflexibile: Nom. Sg. N. lat. adverbiell gebrauchtes Adj. lat. īnflexibilis, -e ‚unbeugsam‘ – GH 2,247. ant(...): Es sind bislang keine mit ant-präfigierten althochdeutschen Übersetzungsäquivalente bekannt. Die identifizierte Spur lässt sich so zumindest nur als adäquate Übersetzung des lateinischen Präfixes in- des Lemmas mit ahd. int- interpretieren. 100. f. 36r, Z. 24, expectaculum – (Typ A) uuntarsiun – HDM 229,30. WS Nr. 57 (f. 36r, Z. 23) … Tunc omnes (Ed. omnis) langobardorum turba, / (24) quae ad illud mortis expectaculum (Ed. spectaculum) aderat, in laudis // (f. 36v, Z. 1) fauore (Ed. fauorem) conuersa mirari coepit ... (III,37; 260,422,137) ‚Da begann die ganze Schar der Langobarden, die bei jenem Schauspiel des Todes anwesend war, in Lob und Beifall ausbrechend, zu staunen.‘ expectaculum: Akk. Sg. lat. N. spectāculum, -ī ‚Schauspiel‘ – GH 2,2749. uuntarsiun: Akk. Sg. zum st. F. ahd. wuntarsiun ‚erstaunlicher Anblick, Schauspiel‘ – StWG 748. SchG 11,294 – vgl. GSp 6,129. SpAW 1,799 [SEHAN]. Das Kompositum ist nur spärlich als Glosse zu lat. spectāculum belegt (vgl. hierzu auch ahd. wuntarsiht). 101. f. 36v, Z. 10, ten+d+(t)ento – (Typ B) kidinnanto – HDM 229,32 kidinnanne71. WS Nr. 58 kidinnanne (8) … Sed lango/ (9) bardus isdem, qui, ut ita dicam, brachium contra deum / (10) tentendo (Ed. tendendo) perdiderat, poena sua exigente con/ (11) pulsus est iurare se christianum hominem num/ (12) quam occidere (III,37; 260,422,147) ‚Aber eben dieser Langobarde, der sozusagen den Arm gegen Gott ausstreckend verloren hatte, wurde durch seine Schuld gezwungen, zu schwören, nie mehr einen Christenmenschen zu töten.‘ Die bei Meritt bereits als unsicher gekennzeichneten letzten beiden Buchstaben sind entgegen Schulte als to zu lesen. Das zweite t im Lemma tentento wurde vom Glossator mit einem senkrechten geritzten Griffelstrich zu d korrigiert. Direkt vor tentendo finden sich am linken Blattrand noch von gleicher Hand die Buchstaben te geritzt, die wohl in Bezug zu dieser Korrektur stehen, da eine Lesung des Wortes als *tetendendo nicht sinnvoll erscheint. Die Korrektur ist im Digitalisat erkennbar. tendento: als Adverbiale gebrauchte Gerundform im Abl. lat. tendere ‚ausstrecken, spannen, ausdehnen‘ – GH 2,3055.

|| 71 Mit Anm. 27: „read kidinsanne“.

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kidinnanto: Adv. zum Part. Präs. des sw. V. ahd. gidennen ‚ausdehnen, ausstrecken‘ – AWB 2,397, 398. StWG 94. SchG 2,169. RSV 1,289 – vgl. GSp 5,144. SpAW 1,131 [DENNEN]. EWA 2,585. Der Beleg ging in der Lesung Meritts und Schultes bereits in das AWB ein und ist dort zu korrigieren. Formal und semantisch kongruente Übersetzung. Das AWB ist sich, wohl bedingt durch die -Graphie des Stammvokals (statt ) und Meritts Erwägung kindinsanne72 zu lesen, bei der Zuweisung zu githennen nicht ganz sicher. Alle anderen im AWB 2,297 und bei RSV 1,289 verzeichneten Belege des Wortes weisen die -Graphie für den Primärumlaut auf. Wenn die -Graphie nicht als – zwar auffällige, aber nicht auszuschließende – Wiedergabe des Primärumlautes73 zu werten ist, muss auch ein st. V. ahd. *(gi)denan ‚sich ausdehnen, ausstrecken‘, für das es bislang noch keine Belege gibt, in Betracht gezogen werden.74 Dazu würde zumindest auch die -Graphie der Endung in kidinnanto passen, die aber auch durch eine – insbesondere im Oberdeutschen nicht seltene – analoge Übertragung der Endung der st. V. auf die sw. V (jan) erklärt werden kann (vgl. BRG §314. SchABG §159). 102. f. 36v, Z. 17, depraedati – (Typ B) herionte – HDM 229,34. WS Nr. 59 (15) … Omnes igitur tante uir#tutis# / (16) hominem cognoscentes, boues et iumenta, quae / (17) depraedati fuerant, certatim ei offerre in mune/ (18) re uolebant (III,37; 260,422,154) ‚Da nun alle einen so wunderbaren Mann in ihm sahen, wollten sie ihm die Rinder und Lasttiere, die sie erbeutet hatten, eifrig als Geschenk anbieten.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. depraedati: Nom. Pl. M. des Part. Perf. lat. Deponens dēpraedārī ‚ausplündern‘ – GH 1,2063. herionte: Nom. Pl. M. des st. flekt. Part. Präs. zum sw. V. ahd. heriōn ‚verheeren, verwüsten, plündern; hier: erbeuten‘ – AWB 4,982 (Form), 983 (Bedeutung). StWG 270. RSV 2,65f. – vgl. GSp 4,986. SpAW 1,383 [HERI]. Wiedergabe des Deponens mit

|| 72 Zum st V. ahd. (gi)thinsan ‚gewaltsam ziehen, reißen, schleppen‘ (vgl. AWB 2,507ff.). RSV 1,289 lehnt diese Lesung explizit ab, weil ahd. dinsan „anscheinend schon am Aussterben war“. 73 Die -Graphie wird von SchAHG §49, der immerhin einige wenige Beispiele aufführt, als Schreibfehler gewertet. Die lautliche Qualität des Primärumlauts schließt allerdings aufgrund unterschiedlicher Bemühungen der Wiedergabe durch die Schreiber auch unterschiedliche Schreibungen nicht aus (SchABG §19 führt z. B. auch die Graphie aus einigen frühen Quellen an). Weinhold §22 vermerkt die Schreibung für den Primärumlaut häufiger im Mittelhochdeutschen und erklärt sie dort aus dem „Streben, e einen höheren Klang zu geben“, was dann auch im Oberdeutschen und besonders im Bairischen durch ausgedrückt wurde. Zum vorliegenden Beleg passt auch, dass Weinhold diese -Graphie namentlich vor nn beobachtet (vgl. hierzu die Ausführungen zu Nr. 19 kaarandent). 74 Ein „verlorengeganges st. V. *denan, dan, dânun“ zieht auch das EWA 2,584 als Basis für die Belege der sw. V. (gi)dennen in Betracht.

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aktivischer Bedeutung im Lateinischen durch ein Partizip Präsens im Deutschen mit Formenkongruenz hinsichtlich Genus und Numerus. Zum hier als i erhaltenen j-Suffix der subst. Ableitungsbasis, vgl. BRG §367,A.1. §118. SchABG §149. 103. f. 36v, Z. 23, disponente – (Typ B) kimarcho – HDM 229,35 kimarch mit Anm. über Unlesbarkeit der Endung. WS Nr. 60 kimarcho... (22) … Factumque est, et omnes captiui cum eo dimissi sunt / (23) atque superne gratiae (Ed. superna gratia) disponente, cum se unus pro / (24) uno morti obtulit, multos a morte liberauit (III,37; 260,422,160) ‚Das geschah, und alle Gefangenen wurden mit ihm freigelassen, und er rettete, indem die himmlische Gnade75 es einrichtete, viele vor dem Tod, weil er sich als einzelner für einen zum Tod anbot.‘ Nach o sind keine weiteren Buchstaben auszumachen. Meritt und Schulte beobachten beide die Unlesbarkeit der Endung. Schulte setzt drei Punkte hinter das o, wobei unklar bleiben muss, auf wie viele folgende Buchstaben damit hingewiesen werden sollte, da die Bedeutung der Punkte in Schultes Edition nicht ganz deutlich wird. disponente: Abl. Sg. F. des Part. Präs. lat. dispōnere ‚hier: etw. einrichten, Vorkehrungen treffen‘ – GH 1,2217. Hier als Teil einer Abl. abs.-Konstruktion, die allerdings in der Version der Hs. defekt ist. Die Form superne gratiae der Hs. könnte als Dativ oder Genitiv aufgefasst werden (s. hierzu unten). kimarcho: Da das belegte sw. M. ahd. gimarko ,Nachbar‘ als Anschlussmöglichkeit aus semantischen Gründen auszuschließen ist, lässt sich die Eintragung im Einklang mit RSV evtl. als gekürzt für kimarch[ontem]o oder kimarcho[ntemo] interpretieren: Dat. Sg. M. zum Part. Präs. des sw. V. gimarkōn ‚bestimmen, anordnen, entscheiden; hier: einrichten‘ – AWB 6,296. StWG 402. RSV 2,100. SchG 6,287 – vgl. GSp 2,850. SpAW 1,600 [MARKA]. SchW 183. Die Bestimmung als gekürzte Schreibung für das stark flektierte Part. Präs. im Dat. Sg. M. erfolgt unter Annahme einer formalen Äquivalenz zum lateinischen Ablativ.76 Kürzungen dieser Art sind aus den Griffelglossierungen anderer Freisinger Handschriften belegt.77 Daneben ist aber auch mit einer Kürzung der gesamten Endung zu rechnen. Der Beleg wurde auf der Basis der Lesung Schultes, die von einer unidentifizierten Endung ausgeht, in das AWB aufgenommen und ist dort zu korrigieren. Zur lateinisch-althochdeutschen Entsprechung ist auch die Glossierung mit den gleichen Basislexemen in Nr. 126 disponi – pimarchon zu vergleichen.

|| 75 Der Genitiv der Hs. macht keinen Sinn, die Übersetzung folgt daher der Edition. 76 RSV 2,100 konjiziert dabei ebenfalls eine Form kimarch[entemo]. 77 Vgl. etwa die Griffelglossen aus dem Clm 6277 Nr. 34 und Nr. 38 in Ernst (2007: 459, 462).

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104. f. 37r, Z. 21, supplime – (Typ B) furist – HDM 229,37. WS Nr. 61 (21) Tam supplime (Ed. sublime) apostolicum praeceptum faciendo / (22) magis quam sciendo nouerat (III,37; 260,424,181) ‚Er [der Apostel Johannes] kannte das so erhabene apostolische Gebot mehr durch das Ausüben als durch das Wissen.‘ Die Eintragung erstreckt sich sehr breitgezogen und mit reichlich Platz zwischen den Buchstaben über dem u von supplime beginnend über das gesamte Lemma, sodass das t von furist genau über dem letzten Buchstaben von supplime zu stehen kommt. Die Buchstaben u und r sind durch die Oberlänge des l von supplime getrennt. supplime: Akk. Sg. N. lat. sublīmis, -e ‚erhaben‘ – GH 2,2861. furist: Unflekt. Adj. Superlativ ahd. furist ‚der erste, vorzüglichste, vornehmste; hier: höchsten Wert habend, erhaben‘ – AWB 3,1395f. StWG 186. SchG 3,356 – vgl. GSp 3,622. SpAW 1,255f. [FORA]. Das Wort ist in der Form furist nur ein weiteres Mal aus dem Glossar Ra (StSG 1,227,37) belegt und zwar für lat. praeditus ‚vorangestellt, vorgesetzt‘ – GH 2,1841. Die bei GötzLAN 635 angeführte lateinisch-althochdeutsche Entsprechung sublimis – furist bezieht sich also nur auf den vorliegenden Beleg. Für das hiervon abgeleitete gleichbedeutende Adj. furisto ist die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung nicht belegt (vgl. AWB 3,1397. StWG 186. GSp 3,623). Die Glossierung mit der Grundform ist formeninkongruent, aber semantisch adäquat. StWG 186 setzen die Bestimmung als Adv. furist an, wofür allerdings vorauszusetzen wäre, dass der Glossator das supplime der lateinischen Konstruktion als Adverb missverstanden hat und es dann auch adverbial übersetzt hat. 105. f. 37r, Z. 24, emin& – (Typ B) opacuam – HDM 229,38. WS Nr. 62, beide opacuum (22) … Conparemus, si placet, / (23) cum hac nostra indocta scientia illius doctam igno/ (24) rantiam, ab (Ed. ubi) haec nostra iacet, ubi illius disciplina eminet (III,37; 260,424,185) ‚Vergleichen wir, wenn es gefällt, mit dieser unserer ungelehrten Wissenschaft dessen gelehrte Unwissenheit, wo78 unsere darniederliegt, dort ragt die Gelehrsamkeit von jenem heraus.‘ Zwischen opa und cuam befindet sich eine kleine Lücke. Die ersten drei Buchstaben opa erstrecken sich recht breit über emine. cuam beginnt erst über dem t der Ligatur & im Lemma. Die Lesung des c ist etwas schwierig, da es sehr nahe am folgenden u steht, was die Segmentierung der beiden Buchstaben etwas erschwert. Den folgenden Buchstaben lesen wir abweichend von Meritt und Schulte als a, wobei die Lesung hier durch das etwas knittrige Pergament erschwert wird: Die sichtbare Spur ist als etwas spitzer Bauch eines a zu interpretieren. Die Lesung als oben

|| 78 ab der Hs. ist nicht sinnvoll zu übersetzen. Die Übersetzung folgt dem ubi der Edition.

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offenes a (cc) schließen wir aus.79 Das darauffolgende m ist zweifelsfrei. Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung gut erkennbar. emin&: 3. Sg. Ind. Präs. Aktiv lat. ēminēre ‚heraus-, hervorragen‘ ‒ GH 1,2404ff. opacuam: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. obaqueman ‚hervorragen, herausragen‘ ‒ AWB 7,587. StWG 468. SchG 5,421 – vgl. GSp 4,666. Das Verb ist sonst nur noch einmal aus der Pariser Handschrift des Abrogans (StSG 1,70,11 [Pa]) belegt. Formeninkongruente Wiedergabe des Präsens im Lateinischen durch ein Präteritum im Althochdeutschen. Der Beleg ist auf der Basis der Lesung Meritts und Schultes im AWB verzeichnet und dort zu korrigieren. 106.–107. f. 37v, Z. 7–8 (5) Quidnam, quaeso te, esse existimas, quod boni quique / (6) subtrahuntur, et qui uiuere ad ęficatione (Ed. aedificationem) multo/ (7) rum poterant, aut paenitus (Ed. penitus) inueniri nequeunt, / (8) aut certe omnimodo rarescunt? (III,37; 260,426,191) ‚Woher meinst du wohl, frage ich dich, dass es kommt, dass die Guten alle uns entrissen werden und dass Menschen, die vermocht hatten, zur Erbauung vieler Menschen zu leben, entweder überhaupt nicht [mehr] ausfindig gemacht werden können oder doch bereits insgesamt selten werden.‘ 106. f. 37v, Z. 7, paenitus – (Typ A) zesperi – HDM 229,40. WS Nr. 63 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Teils geritzt, die etwas breitere Griffelspitze spricht aber für Typ A. paenitus: Adv. penitus ‚gänzlich, ganz und gar, völlig‘ – GH 2,1552. zesperi: Adv. ahd. zisperī ‚gänzlich, gewiss; hier: überhaupt‘ – StWG 766. SchG 11,385 (zi) und 9,78 (sperī) – vgl. GSp 6,354f. SpAW 1,899 [SPARÊN] als zi + speri zum st. F. sperī ‚Sparsamkeit‘. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist, soweit zu sehen ist, nur noch einmal aus dem Abrogans belegt (vgl. StSG 1,229,26. SchG 9,77. GSp 6,354). 107. f. 37v, Z. 8, rarescunt – (Typ A) kadunnent – HDM 229,39. WS Nr. 64 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. rarescunt: 3. Pl. Ind. Präs. Aktiv lat. rārēscere ‚selten werden, sich mindern, abnehmen‘ – GH 2,2199. kadunnent: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. gidunnēn ‚dünn werden, mager werden, sich mindern; hier: selten werden‘ – AWB 2,737. StWG 111. RSV 2,210. SchG 2,319 –

|| 79 Schulte (1993: 178) ist sich in der Lesung dieses Buchstabens unsicher, kann aber die Lesung eines bauchigen a auch nicht verifizieren. Er erwägt deshalb ein oben offenes a.

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vgl. GSp 5,147. SpAW 1,157 [DUNNI]. Der Ansatz eines sw. V. (ēn) rechtfertigt sich hier auch aus semantischen Gründen, da mit Blick auf das lateinische Lemma ein inchoatives Verb zu erwarten ist. RSV 1,34 führt beim ēn-Verb nur diesen Beleg an und verweist für die restlichen Belege auf das entsprechende jan-Verb. Die meisten dort angeführten Belege sind aber nach Riecke 471 ebenfalls als ēn-Verben zu klassifizieren (vgl. auch die entsprechende Klassifikation der Belege im AWB 2,737f.). Die bei GötzLAN 553 verzeichnete lateinisch-althochdeutsche Entsprechung bezieht sich nur auf diesen Beleg, ist aber auch an einer weiteren Stelle für das präfixlose Verb thunnēn (AWB 2,737) belegt. 108. f. 37v, Z. 19, traherent – (Typ A) kin (17) quia numquam peccatores ad lamentum paeniten/ (18) tiae redirent, si nulla essent bonorum exempla / (19) quae eorum mentem traherent (III,37; 260,426,208) ‚Denn nie würden die Sünder zur Buße und zur Beweinung der Sünden kommen, wenn es keine Beispiele der Guten gäbe, die ihre Herzen anzögen.‘ Die Eintragung über der Endung des Lemmas. traherent: 3. Pl. Konj. Imperf. Aktiv lat. trahere ‚ziehen, an sich ziehen‘ – GH 2,317. kin: Die Position der Eintragung macht eine verkürzte Glosse wahrscheinlich. Die Eintragung lässt sich unter der Annahme von Formenkongruenz mit dem lateinischen Lemma als 3. Pl. Konj. Prät. [zu]kin bestimmen. Die Glossierung mit der letzten Silbe erlaubt hier auch Rückschlüsse auf den Präteritalstamm einer Form des als Entsprechung für lat. trahere häufig belegten st. V. ahd. ziohan – vgl. StWG 764f. GSp 5,600ff. SchG 11,415ff. SpAW 1,1190f. [ZIOHAN]. Zur lateinisch-althochdeutschen Entsprechung vgl. GötzLAN 671 und die Belege bei SchG 11,415. 109. f. 37v, Z. 21, subprimo – (Typ A) piduink|o (21) … Sed haec silentio subprimo, quia ad alia / (22) festino (III,38; 260,432,45) ‚Aber ich verschweige dies, weil ich zu anderem eile.‘ Im Lemma wurde o mit hellerer Tinte nachgetragen. Die Eintragung interlinear über dem gesamten Lemma. Das zweite i hochgestellt über u als ² realisiert. Der letzte Buchstabe ist evtl. als o zu lesen, davor finden sich aber nach k zwei senkrechte nahezu parallel verlaufende Griffelstriche von einem Instrument Typ A direkt über dem korrigierten o des Lemmas. Evtl. ist das mit Griffel eingedrückte o daher auch als Teil einer Korrektur des Lemmas zu interpretieren und nicht als Teil der althochdeutschen Eintragung, was durch den senkrechten Griffelstrich evtl. angedeutet werden sollte. subprimo: 1. Sg. Ind. Präs. lat. supprimere ‚unterdrücken‘. Hier in Verbindung mit silentio ‚verschweigen‘ – GH 2,2965. piduink|o: 1. (?) Sg. Ind. Präs. zum st. V. ahd. bidwingan ‚bezwingen, unterdrücken‘ – vgl. AWB 2,818. GSp 5,273. StWG 114. SchG 337.

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Aufgrund der unsicheren Interpretation der Endung sind Aussagen über die Formenkongruenz nur bezüglich des Präsensstammes möglich. Semantisch adäquate Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Übersetzungsgleichung ist bereits belegt, unter anderem in gleicher Bedeutung und ähnlichem Kontext nochmals in dieser Handschrift (unsicher, ob von gleicher Hand, vgl. Nr. 13 subprimo – (Typ A) piduingu). 110.–112. f. 38r, Z. 13–14 (11) POSTQUAM DE PARADISI GAUDIIS, CULPA / (12) exigente, pulsus est primus humani gene/ (13) ris parens, in huius exilii atque cecitatis quam / (14) patimur aerumnam uenit (IV,1; 265,18,2) ‚Nachdem der Stammvater des Menschengeschlechts infolge seiner Schuld aus den Freuden des Paradieses verstoßen worden war, geriet er in die Mühseligkeit des Exils und der Blindheit, die wir erleiden.‘ 110. f. 38r, Z. 13, parens – (Typ A und B) kaaukenti – WS nicht identifiziert Nr. 4. SchG 12,49 k[...]ko[...] unidentifiziert Die Eintragung interlinear über p von parens beginnend reicht bis über i des folgenden in. Die Spuren sind im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. Das zweite a als cc realisiert; e und n sind ligiert. Die Eintragung von Typ A wurde ab u von einem Instrument Typ B nachgezogen, vermutlich, weil die Spuren von Typ A ab u schwächer eingedrückt sind. kaaukenti: Part. Präs zum sw. V. ahd. giougen ‚sich zeigen, zeigen, vor Augen führen‘ – SchG 7,228 – vgl. AWB 7,170. GSp 1,125. StWG 455. RSV 1,145. Das Verb ist u. a. als Entsprechung für lat. apparēre belegt, was evtl. die Eintragung als irrtümliche Interpretation des Textwortes parens ‚Erzeuger, Vater, Stifter‘ (GH 2,1476) von lat. parěre (GH 2,1479) als Part. Präs. von lat. parēre ‚erscheinen, sich zeigen‘ (GH 2,1477) erklären könnte. Evtl. sollte aber auch auf die Verwechslungsmöglichkeit durch die Glossierung hingewiesen werden. 111. f. 38r, Z. 14, aerumnam – (Typ A) armoti – HDM 229,41. WS Nr. 65 Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist bei hoher Auflösung sehr schwach im Digitalisat erkennbar. aerumnam: Akk. Sg. lat. F. aerumna, -ae ‚Mühseligkeit, Drangsal, Trübsal‘ – GH 1,200. armoti: Nom./Akk. Sg. zum st. F. ahd. armuotī oder st. N. ahd. armuoti ‚Mangel, Not; hier: Drangsal‘ – AWB 1,655. StWG 34. SchG 1,207 – vgl. GSp 1,422f. SpAW 1,29 [ARM2]. Eine Entscheidung über das Genus ist hier aufgrund der Wortform nicht möglich (vgl. hierzu auch Schulte 1993: 179 und AWB 1,655f.). Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist sonst nicht belegt (GötzLAN 21, der vorliegende Beleg ist hier nicht berücksichtigt, und SchG 1,207). Zu vergleichen ist

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die Glossierung des gleichen Lemmas im Clm 14645 mit ahd. armid(a) (Nievergelt 2015b: 320f.) oder Adj. lat. aerumnus ‚arm, elend‘ mit ahd. arm aus der ‚Samanunga‘-Handschrift Wien, ÖNB 162 (GötzLAN 21. GSp 1,420 mit Lemmaangabe aerumnōsus). 112. f. 38r, Z. 14, uenit – (Typ A) chuam – HDM 229,42. WS Nr. 66 Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist bei hoher Auflösung sehr schwach im Digitalisat erkennbar. uenit: 3. Sg. Ind. Perf. Aktiv lat. venīre ‚kommen‘ – GH 2,3403. chuam: 3. Sg. Ind. Prät. zum st. V. ahd. queman ‚kommen‘ – AWB 7,498. StWG 468. SchG 5,418 – vgl. GSp 4,655ff. SpAW 1,716 [QUEMAN]. 113. f. 38r, Z. 18, perfrui – (Typ A) pruhanti uuesan – HDM 229,43. WS Nr. 67 (17) … In paradiso quippe homo adsueuerat uer/ (18) bis dei perfrui, beatorum angelorum spiritibus cordis / (19) munditia et celsitudine uisionis interesse (IV,1; 265,18,6) ‚Im Paradies war nämlich der Mensch gewohnt, die Worte Gottes voll zu genießen und reinen Herzens in erhabenen Visionen mit den Geistern der heiligen Engel zu verkehren.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma beginnend reicht bis über das folgende beatorum. Die beiden Wörter sind lediglich durch die Oberlänge des b von beatorum getrennt. Die Eintragung ist klein und deutlich geprägt, weist aber auch oberflächliche Ritzungen auf. perfrui: Inf. lat. Deponens perfruī ‚vollständig genießen, sich laben‘ – GH 2,1593. pruhanti: Unflekt. Part. Präs. st. oder sw. V. ahd. brūhhan, brūhhen ‚brauchen, genießen, ein Amt ausüben; hier: genießen‘ – AWB 1,1430 mit Diskussion zur Beurteilung als st. oder sw. V. (Form), 1431 (Bedeutung). StWG 80. SchG 2,55 – vgl. GSp 3,279. SpAW 1,109 [BRÛHHAN]. uuesan: Inf. st. V. ahd. wesan ‚sein‘ – StWG 718. SchG 11,80 – vgl. GSp 1,1053. SpAW 1,1111. In einem Verbalgefüge mit dem Part. Präs. von ahd. brūhhan in der Bedeutung ‚genießen‘. Der lateinische Inf. des Deponens perfruī mit aktivischer Bedeutung wurde mit einer Hilfskonstruktion Part. Präs. + Inf. des Hilfsverbs wiedergegeben. Zur lateinisch-althochdeutschen Entsprechung ist auch die Eintragung Nr. 160 f. 48r, Z. 22 zu lat. perfruuntur – (Typ A) sintpruhhanti zu vergleichen, die wohl von gleicher Hand stammt. Ebenso ist die Glossierung Nr. 17 f. 152v, Z. 9 zu lat. functus est – (Typ A) pruhhent zu vergleichen. 114. f. 38r, Z. 22, exilii – (Typ A) elilenti (20) Sed postquam huc cęcidit, ab illo quo implebatur / (21) mentis lumine recessit. Ex cuius uidelicet carne / (22) nos in huius exilii cęcitate nati, audimus quidem

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es/(23) se caelestem patriam, audimus eius ciues angelos dei (IV,1; 265,18,10) ‚Aber nachdem er hierhin gefallen war, entfernte er sich von jenem Licht der Seele, mit dem sein Herz erfüllt worden war. Wir, die wir nämlich aus seinem Fleisch in der Dunkelheit dieser Verbannung geboren sind, haben ja doch davon gehört, dass es eine himmlische Heimat gibt, haben gehört, dass deren Bürger die Engel Gottes [sind].‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma beginnend reicht bis über das folgende Wort. exilii: Gen. Sg. lat. N. exsilium (exilium) ‚Verbannung, Landesverweisung, Exil‘ – GH 1,2611. elilenti: Gen. Sg. zum sw. F. ahd. elilentī ‚Verbannung, Landesverweisung, Gefangenschaft‘ – vgl. AWB 3,260. StWG 124. GSp 2,236. SpAW 1,515 [LANT]. SchG 2,421. Die Bestimmung erfolgt unter Annahme von Formenkongruenz mit dem lateinischen Lemma. Im Fall einer Glossierung mit der Grundform ist natürlich auch die Bestimmung als st. N. (ja-St.) in Betracht zu ziehen (vgl. Wilmanns 2,239f. BRG §201. Belege in AWB 3,258f.). Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits öfters belegt (vgl. auch GötzLAN 245). Vgl. hierzu auch die Glossierung in dieser Hs. Nr. 31 f. 12v, Z. 4 incole – elilente von anderer Hand. 115. f. 38v, Z. 8, (praete)/rito – (Typ A) ne (7) Hii (Ed. Hi) autem sentire uel recolere audita non possunt, / (8) quia# eorum nullum, sicut ille, saltem de praete/ (9) rito experimentum tenent (IV,1; 265,20,20) ,Aber diese können das, was sie gehört haben, nicht fühlen oder überdenken, weil keiner unter ihnen, wie jener, auch nur im geringsten Erfahrung aus der Vergangenheit besitzt.‘ Die Eintragung steht über it des durch Zeilensprung getrennten praete/rito. n ist deutlich, e schwächer eingedrückt. praeterito: Abl. Sg. N. praeteritum ‚das Vergangene‘ – GH 2,1893. ne: Die Position über dem zweiten Teil des durch Zeilensprung getrennten lateinischen Lemmas spricht für eine Grammatikglossierung mit der Endung eines Substantivs im Dat. Sg. M./N., die den lateinischen Ablativ funktional adäquat übersetzt. Als Übersetzung für lat. praeteritum ‚Vergangenheit‘ führt KöblerLAW 696 firfarani (AWB 3,617), irgangana (AWB 4,96 irgangano, AWB 4,77 irgangan) und firgangan zīt (AWB 4,65) an. 116. f. 38v, Z. 18, ueraciter – (Typ A) l o (17) … sed quia ea (Hs. unter ea radiert: hac) per experimentum / (18) non nouit, ueraciter esse diffidat (IV,1; 265,20,29) ,Und weil er davon aus Erfahrung nichts wusste, zweifelte er, ob es wirklich existierte.‘

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Die Eintragung befindet sich über dem ersten Buchstaben und dem e der Endung -ter des Lemmas. Dazwischen sind keine Spuren von Buchstaben zu erkennen, was den Eindruck einer gekürzten Eintragung verstärkt. Die Endung o lässt sich evtl. als Endung eines althochdeutschen Adverbs identifizieren, was auch durch bereits bekannte Übersetzungen des Lemmas ueraciter z. B. mit sihhuro oder wortlīhho wahrscheinlich gemacht werden kann. Der unsichere Anfang mit l lässt dabei auch eine gekürzte Adverbbildung mit ahd. līb, wie etwa lībhafto, līblīhho, für die bislang allerdings noch keine Belege verzeichnet sind (vgl. AWB 5,892 bzw. 895), infrage kommen oder überhaupt eine unvollständige Adverbendung -l[ihh]o und damit eine Grammatikglossierung. Die Eintragung ist in beiden Fällen offensichtlich gekürzt, sodass vom Glossator v. a die Klärung der syntaktischen Funktion als Adv. intendiert war. 117. f. 38v, Z. 20, diffidunt – (Typ A) missatruent – HDM 229,45. WS Nr. 68 (18) ... in hac exilii / (19) sui cęcitate nati homines, dum esse summa et in/ (20) uisibilia audiunt, diffidunt an uera sint (i aus u korrigiert) (IV,1; 265,20,31) ‚Wenn sie hören, dass es erhabenste und zugleich unsichtbare Dinge gebe, zweifeln die Menschen, die in dieser Dunkelheit ihrer Verbannung geboren sind, ob sie wahr sind.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma bis über das folgende an uera reichend. diffidunt: 3. Pl. Ind. Präs. Aktiv lat. diffīdere ‚zweifeln, misstrauen‘ – GH 2147. missatruent: 3. Pl. Ind. Präs. zum sw. V. ahd. missitrūēn (missitrū[w]ēn) ‚misstrauen, argwöhnen, zweifeln‘ – AWB 6,685. StWG 637. RSV 2,265. SchG 10,64 – vgl. GSp 5,470. SpAW 1,1019. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 118. f. 39r, Z. 7, praebere – (Typ B) kepan – WS Nr. 69 ke pan (5) … Quisquis aut (Ed. autem) in hac credulitate / (6) adhuc solidus non est, debet procul dubio maiorum / (7) dictis fidem praebere, [Forts. s. folgende Nr.] (IV,1; 265,20,41) ‚Wer auch immer aber in diesem Glauben bis jetzt noch nicht fest ist, muss ohne Zweifel den Aussagen der Älteren Vertrauen schenken.‘ Zwischen e und p befindet sich eine Lücke, die durch die Oberlänge des b von praebere bedingt ist. praebere: Inf. lat. praebēre ‚geben, darreichen, liefern‘ – GH 2,1819. kepan: Inf. zum st. V. ahd. geban ‚geben, darreichen; hier: schenken‘ – SchG 3,414 – vgl. AWB 4,135ff. StWG 194. GSp 4,108. SpAW 1,292 [GEBAN]. Die lateinischalthochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt (vgl. GötzLAN 506 und GSp 4,111).

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119. f. 39r, Z. 8, cedere – (Typ A) antuuihhan (7) … eisque iam per sanctum spiritum / (8) inuisibilium experimentum habentibus cedere (Ed. credere) (IV,1; 265,22,43) ,und ihnen weichen (Ed. glauben), denn sie haben durch den Heiligen Geist bereits das Unsichtbare erfahren‘ (gesamter Kontext s. vorherige Nr.). Das lateinische Lemma ist offensichtlich fehlerhaft für credere. Nach c im Lemma findet sich ein geritzter schräger Griffelstrich, der evtl. auf das fehlende r hinweisen könnte. Nach der Oberlänge des d von credere beginnt die oberflächlich das Pergament anritzende Eintragung ant; danach uuihhan von Typ A, das über re des Lemmas beginnt und bis auf den rechten Blattrand reicht. Die Eintragung ist bei sehr flachem Streiflicht von rechts erkennbar. Der erste Teil besser bei leicht schrägem Drauflicht von links. Der ganze Schriftzug scheint aber trotzdem zusammengehörig. cedere: Inf. lat. cēdere ‚gehen, fortgehen‘ – GH 1,1054. antuuihhan: Inf. st. V. ahd. intwīhhan ‚ausweichen, nachgeben, abtreten‘ – vgl. GSp 1,709. StWG 727. SchG 11,129. Es handelt sich offensichtlich um eine formenkongruente und semantisch adäquate Übersetzung des im Kontext fehlerhaften Lemmas. Die Übersetzungsgleichung ist bereits belegt (vgl. SchG 12,155). Ob der Glossator durch die Glossierung auf den Fehler im Textwort hinweisen wollte, ist nicht zu entscheiden. Die Korrektur stammt evtl. vom gleichen Instrument. 120. f. 39r, Z. 16, percontari – (Typ A) dursochenti – HDM 229,47. WS Nr. 70 (16) Nam si eundem infidelem percontari (Ed. percunctari) uoluero quem / (17) patrem uel quam matrem habuerit protinus / (18) respondit illum atque illam (IV,2; 265,22,2) ‚Denn wenn ich denselben Ungläubigen hätte fragen wollen, wen er zum Vater oder wen er zur Mutter habe, hätte er sogleich geantwortet diesen und jene.‘ Die Eintragung ist bis r geprägt, ab s wurde z. T. zusätzlich auch leicht die Pergamentoberfläche verletzt, ohne dass eine Veränderung der Buchstabenformen erkennbar wäre, durchgängig von einer Hand. Die Zunge des r greift etwas weit aus, sodass der Eindruck eines Spatiums entsteht, das aber nicht vorhanden ist. Zwischen r und s keine weiteren Buchstaben. percontari: Inf. lat. Deponens percontārī ‚alles ausforschen; fragen, forschen‘ – GH 2,1571. dursochenti: Unflekt. Part. Präs. zum sw. V. ahd. duruhsuohhen ‚fragen‘ – StWG 610. RSV 1,215. SchG 9,350. RSV 1,215 – vgl. GSp 6,85. SpAW 1,784. Die Wiedergabe des Infinitivs eines Deponens im Lateinischen erfolgt hier im Vergleich zu anderen Stellen der Hs. nur mit einem Part. Präs. und nicht mit einem Verbalgefüge aus unflektiertem Partizip Präsens und dem Verb wesan. Die Übersetzung, die auch die lateinische Wortbildung formal nachzeichnet, ist semantisch adäquat. Die lateinisch-althochdeutsche Übersetzungsgleichung ist sonst noch nicht belegt.

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121. f. 40r, Z. 4, ensentialiter – (Typ B) uuesantlihho (3) … ut qui spiritu et car/ (4) ne peccauerunt, semper ensentialiter (Ed. essentialiter) uiuentes, / (5) et carne et spiritu sine fine moriantur (IV,3; 265,24,19) ‚Jedoch auch bei den Verdammten hört das Fleisch nicht gänzlich auf, unter den Qualen zu existieren; weil es stetig darbend fortlebt, sodass diejenigen, welche mit Geist und Fleisch gesündigt haben, immer dem Wesen nach fortleben und doch dem Fleisch und dem Geist nach ohne Ende sterben.‘ Vor der Eintragung über en des Lemmas finden sich die Buchstaben es, die vom gleichen Instrument stammen. Sie sind z. T. etwas ausgefranst, aber bei leicht schrägem Drauflicht von links gut lesbar. Sie können als Korrektur des lateinischen Lemmas ensentialiter zu essentialiter interpretiert werden, das auch die Textedition aufweist. Die Eintragung uuesantlihho beginnt über s des Lemmas und weist feine Ritzungen auf. Die Buchstabengröße beträgt etwa den halben Zeilenzwischenraum. Die Buchstaben a und n sind eher eingedrückt, aber auch oberflächlich angeritzt. Die Ritzungen der übrigen Buchstaben passen zum Typ B. ensentialiter: Adv. lat. essentiāliter ‚wesentlich‘ – GH 1,2469. uuesantlihho: Adv. ahd. wesantlīhho ‚wesentlich‘ – vgl. StWG 719. GSp 1,1058. SpAW 1,1112 [WESAN]. SchG 11,83. Das Adv. ist nur zweimal zu lat. essentiāliter (StSG 2,286,20f.) und noch einmal zu substantiāliter (StSG 2,295,52; vgl. SchG 11,83) belegt. Bezüglich des lateinischen Lemmas ist auch die nicht ganz gesicherte Griffelglossierung mit dem unflektierten Adj. eowesantlīch im Freisinger Clm 6300 (Glaser 1996: 195) zu vergleichen. Der naheliegende Schluss, dass auch im vorliegenden Fall die beiden Buchstaben es vor der Eintragung als eo zu lesen sein könnten, ist aufgrund des paläographischen Befundes und der offensichtlichen Korrektur des lateinischen Lemmas sicher auszuschließen. Vgl. auch die Eintragung Nr. 123 con + kizunft in Z. 14 auf dieser Seite, die ebenfalls eine lateinische Korrektur und althochdeutsche Bestandteile aufweist. 122. f. 40r, Z. 13, facerem – (Typ A) tati – HDM 230,1. WS Nr. 71 (12) … om/ (13) nibus omnia factus sum, ut omnes facerem saluos (IV,4; 265,32,90; I Cor 9,22) ‚Ich bin allen alles geworden, um alle heil zu machen (wörtl.: damit ich alle heil machte).‘ facerem: 1. Sg. Konj. Imp. Akt. lat. facere ‚machen; bewirken‘ – GH 1,2661. tati: 1. Sg. Konj. Prät. zum an. V. ahd. tuon ‚machen‘ – StWG 642. SchG 10,102 – vgl. GSp 5,284ff. SpAW 1,1032 [TUON]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt (vgl. hierzu GSp 5,290).

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123. f. 40r, Z. 14, unterzeilig [ex] con discensione [caritatis] – (Typ B) kizunft – HDM 230,3. WS Nr. 72 kiz u nft, beide mit dem Lemma condiscensione (14) Quod ipse quoque dum ex condiscensione caritatis / (15) egeris, in hac re amplius ueniri (Ed. uenerari) debes, in qua mo/ (16) rem egregii praedicatoris imitaris (IV,4; 265,32,91) ,Weil auch du selbst dieses aus Herabneigen in Liebe heraus getan hast, musst du in dieser Sache noch mehr gelobt werden,80 in der du das Verhalten des erhabenen Lehrers nachahmst.‘ z und u sowie u und n sind durch die Oberlängen des d bzw. b des darunterstehenden debes voneinander getrennt. Das lat. condiscensione ist in der Handschrift zwischen n und d durch eine Lücke getrennt. Direkt darunter und sehr nahe am zweiten Teil discensione wurde vom Glossator con geritzt, worauf schon Meritt (1934: 230,A.30) hinweist. Direkt dahinter beginnt die althochdeutsche Glosse. Schulte bezieht das geritzte con auf das fehlerhafte ueniri darunter, das der Glossator damit zu conueniri korrigiert, was allerdings die Textversion der Handschrift auch nicht sinnvoller erscheinen lässt. Zudem wäre dann auch die Glossierung mit kizunft formeninkongruent.81 Meritt scheint dagegen, auch wenn er es nicht explizit ausdrückt, einen Bezug des geritzten con zu dem durch das Spatium alleinstehenden discensione zu sehen, sodass der Glossator mit der Eintragung des con evtl. auf die Zusammenschreibung des Wortes hinweisen wollte und es zur weiteren Erläuterung übersetzte. Die Glossierung der Handschrift weist weitere ähnliche Fälle auf.82 condiscensione: Abl. Sg. lat. F. condēscēnsio, -ōnis ‚Herablassung; Entgegenkommen, Rücksichtnahme; Anteilnahme, Erbarmen; Einwilligung, Bereitwilligkeit‘ (MLW 2,1241f. GH 1,1419). Das MLW verzeichnet condēscēnsio nur im Zusammenhang eines ‚sich Herablassens aus Zuneigung‘, sodass durchaus nur condiscēnsione als Lemma angesetzt werden kann. Allerdings könnte auch das gesamte lateinische Syntagma ex condiscensione caritatis übersetzt worden sein, da evtl. condiscēnsione ‚die Herablassung‘, das offensichtlich v. a. im Kirchenlateinischen gebraucht wird (vgl. GH 1,1419), erst im Kontext mit dem folgenden caritatis die hier vorliegende Bedeutung als ‚fürsorgliche Anteilnahme, Zuneigung, Verbundenheit‘ erhält, was dann semantisch adäquat mit dem ahd. kizunft wiedergegeben wird. Zur Lemmazuweisung conueniri vgl. bereits oben. kizunft: Nom./Akk. Sg. zum st. F. ahd. gizumft ‚Vertrag, Zusammenkunft, Verbindung, Bund, Übereinstimmung, helfende Hand; hier: fürsorgliche Anteilnahme Zuneigung, Verbundenheit‘ – StWG 230. SchG 11,459 – vgl. GSp 5,666. SpAW 1,1180

|| 80 Die Version der Hs. ergibt keinen Sinn. 81 Das ahd. Subst. gizumft ist allerdings als Entsprechung für das von conveniri abgeleitete Subst. lat. conventio bereits belegt (vgl. GötzLAN 150 sowie SchG 11,459). 82 Etwa bei den ahd. Glossen Nr. 27a furpanne und Nr. 27b sneitenne, wo das fehlerhafte potandam vom Glossator zu putandam korrigiert und übersetzt wurde, sowie bei der vorherigen Nr. 121 mit lat. Korrektur des Lemmas es + ahd. Glosse uuesantlihho.

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[ZEMAN]. Nicht ganz auszuschließen ist auch eine dem lateinischen Ablativ funktional adäquate Übersetzung mit dem Dat. Sg., für den selten auch die endungslose Form eintreten kann, was in den SchABG §109b und BRG §218,A2 allerdings nur mit wenigen Fällen belegt ist. Schulte (1993: 183) erwägt auch die Form als Akkusativ zu interpretieren, der durch eine hier nur mitgedachte Präposition bedingt sein könnte. Hier ist etwa die Übersetzung von lat. condiscensione mit dem Syntagma ahd. thuruh erbarmida aus der Oxforder Handschrift Jun. 25 mit Dialog-Glossen zu vergleichen, die sich allerdings auf eine andere Textstelle bezieht.83 Mit Bezug auf das Lemma condiscēnsione, kann von einer im Kontext adäquaten Übersetzung mit der Grundform ausgegangen werden. Zu vergleichen ist diesbezüglich auch die bei GSp belegte Übersetzung für lat. dextra ‚die rechte, helfende Hand‘ mit ahd. gizumft, die im vorliegenden Fall der Übersetzung von lat. condiscēnsione caritatis mit ahd. kizunft die Bedeutungszuweisung ‚fürsorgliche Anteilnahme‘ stützen könnte. Zu vergleichen ist auch die Übersetzung von lat. condēscēnsione mit der Federglosse ahd. nidergilazido auf f. 1v, Z. 14 dieser Hs. 124. f. 40v, Z. 19, incircumscribitum – (Typ B) unumpimerctan – HDM 230,5 unumpimerctan. WS Nr. 73 unumpimerc tan (16) … Quia uero ense (Ed. esse) / (17) non dubitas creantem et regentem, implentem et cir/ (18) cumplectentem, transcendentem et sustinentem, / (19) incircumscribitum (Ed. incircumscriptum) atque inuisibilem deum, ita dubita/ (20) re non debes hunc inuisibilia obsequia habere (IV,5; 265,34,26) ‚Weil du aber nicht zweifelst, dass es einen erschaffenden und regierenden, erfüllenden und umfassenden, übersteigenden und erhaltenden, unbegrenzten und unsichtbaren Gott gibt, so darfst du nicht zweifeln, dass dieser ein unsichtbares Gefolge hat.‘ Die Eintragung ist v. a. in den Senkrechten fein und sauber geritzt. Relativ große Buchstaben, die fast den ganzen Zeilenzwischenraum füllen. Vom c sind mit r ligiert (?) schwache Spuren erkennbar, aber nicht sicher zu identifizieren; es müsste direkt über der Oberlänge des b von incircumscribitum liegen und nicht – wie es die Darstellung Schultes suggeriert – davor. Die Spuren der Eintragung sind bei hoher Auflösung schwach im Digitalisat erkennbar. incircumscribitum: Akk. Sg. M. Adj. lat. incircumscrīptus. So nicht bei GH verzeichnet. Negierende Präfixbildung zum lateinischen Adj. circumscrīptus ‚scharf begrenzt‘ – GH 1,1166. unumpimerctan: Akk. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. unumbimerkit ‚unbegrenzt‘ – StWG 677. RSV 1,243. SchG 10,272 – vgl. SpAW 1,600 [MARKA]. Hapax legomenon. Es handelt sich um eine die Bildungsweise des lateinischen Lemmas nachahmende Nega-

|| 83 Vgl. hierzu und zu parallelen Glossierungen weiterer Hss. Schulte (1993: 419, 479, 515).

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tionsbildung zu einem adjektivisch gebrauchten Part. Prät., die durchsichtig erscheint, auch wenn die mit ahd. umbi- präfigierte Form des zugrundeliegenden sw. V. ahd. merken ‚festsetzen, bestimmen, begrenzen‘ bislang ebenfalls nicht belegt ist.84 Zur Bildungsweise vgl. auch die ebenfalls nur einmal belegte Bildung unupipifagenaz (zu unumbibifangan StWG 677) zum gleichen lateinischen Lemma im Clm 4542 (Mayer 1974: 56,4). Die spärliche Beleglage solcher Bildungen auch im Mittelhochdeutschen85 lässt auf eine Gelegenheitsbildung schließen, die vielleicht v. a. der Verdeutlichung der lateinischen Wortbildung diente. Formenkongruente und semantisch adäquate Übersetzung. Die bei StWG angegebene, sich sehr wörtlich am lateinischen Vorbild der Bildung orientierende neuhochdeutsche Bedeutungsangabe ‚nicht umschrieben‘ verdunkelt die aktualisierte Bedeutung etwas. 125. f. 41r, Z. 24, in machinis – (Typ A) inunkadanchiken – WS nicht identifizierte Eintragungen Nr. 5. SchG 12,49 unentziffert (22) ... Ponamus quoque ante / (23) oculos mentis aedificari domum, inmensas moles / (24) leuari, pondere (Ed. pendere) magnas in machinis columnas (IV,5; 265,36,55) ‚Stellen wir uns also vor unserem geistigen Auge vor, dass ein Haus gebaut wird, dass ungeheure Massen hochgehoben werden, dass große Säulen an Aufzügen hängen.‘ Der Anfang der Eintragung in steht direkt über dem lat. in. Die beiden folgenden Buchstaben sind durch eine sehr kleine Lücke davon getrennt und beginnen direkt über dem m von machinis. ka reicht bis zur Oberlänge des h von machinis, ist kleiner und gegenüber dem Rest der Eintragung hochgestellt. Kurz vor der Oberlänge des h steht d. Die Identifizierung gelang auch durch die Durchprägung auf der Rückseite, wo die Eintragung aufgrund geringerer Pergamentmaserung besser erkennbar und mittels Spiegel auch lesbar ist. in: Präp. lat. in, hier mit Abl. ‚in‘ – GH 2,124,II (zu in + Abl.). machinis: Abl. Pl. lat. F. māchina, -ae ‚Maschine, Gerüst, Vorrichtung‘ – GH 2,747. Habel/Gröbel 229. in: Präp. hier mit Dat. ahd. in ‚in‘ – vgl. StWG 299. GSp 1,289. SpAW 1,422. SchW 150. unkadanchiken: ahd. ungidankīgēn. Dat. Pl. M./N./F. (Gen. Sg. M./N.?) Adj. ahd. ungidenkīg. Die hier identifizierte Bildung ist bislang nicht belegt. Sie lässt sich mit Blick auf das graphische Lemma evtl. als Negationspräfix ahd. un- und eine Adjektivbildung zu ahd. gidenken ‚(ge)denken, beabsichtigen‘ (vgl. AWB 2,389. GSp 5,156) interpretieren. Für die hier vorliegende Textstelle sind keine Parallelglossierungen

|| 84 Vgl. hierzu GSp 2,846ff., v. a. 851. RSV 1,243. StWG 409. SpAW 1,600. Zu vergleichen sind hier allerdings die belegten Präfixbildungen ana-, bi-, gimerken. 85 Vgl. hierzu LexerHWB 2,1948, wo diese Bildungsweise ebenfalls nur mit einem Beleg für mhd. unumbegëben ‚nicht mit Mauern umgeben‘ verzeichnet ist.

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in anderen Handschriften bekannt (vgl. Schulte 1993: 949) und auch die bislang bekannten Übersetzungen von lat. māchina bieten für die vorliegende Glossierung keine Anschlussmöglichkeit (vgl. hierzu GötzLAN 385. KöblerLAW 525. SchG 12,307f.). Sie zeichnet aber evtl. das in der Handschrift ohne Lücke geschriebene graphische Lemma in machinis nach, das der Glossator gesamthaft als negiertes Adj. *inmachinis (*inmachinatus) zu lat. māchinārī ‚aussinnen, erdenken, schaffen, einrichten, denken‘ (GH 2,748) interpretiert haben könnte. 126. f. 41v, Z. 7, disponi – (Typ B) pimarchon – HDM 230,6 pimarchon. WS Nr.74 pimarcho. (6) Qua ex re pensandum est, quia in hunc quoque mundum / (7) uisibilem nihil nisi per creaturam inuisibili (Ed. inuisibilem) disponi / (8) potest (IV,5; 265,38,63) ‚Daraus ist zu erwägen, dass auch in dieser sichtbaren Welt nichts außer durch ein Geschöpf für den Unsichtbaren (Ed. durch ein unsichtbares Geschöpf) bestimmt werden kann.‘ Das n ist nicht mit Sicherheit zu identifizieren, da die Eintragung bis in den Falz reicht und der letzte Buchstabe dort nur in vagen Spuren sichtbar ist. Immerhin gibt dies einen Hinweis darauf, dass die Glossierung vor einer Bindung stattgefunden haben muss, da sonst eine Eintragung der Glosse an dieser Stelle nicht möglich gewesen wäre. disponi: Inf. Passiv lat. dispōnere ‚(an)ordnen, einrichten, regulieren‘ – GH 1,2217. pimarchon: Inf. sw. V. ahd. bimarkōn ,bestimmen, anordnen‘ – AWB 6,296. StWG 402. RSV 2,100 – vgl. GSp 2,851. SpAW 1,600 [MARKA]. Das Verb ist in der mit bipräfigierten Form nur noch ein weiteres Mal aus dem Abrogans belegt (StSG 1,228,1). Wiedergabe des Infinitiv Passiv im Lateinischen durch einen einfachen Infinitiv im Althochdeutschen bei einer Lesung der unsicheren Endung als n. Bei einer etwaigen Lesung als t würde allerdings die Form als Part. Prät. die lateinische Konstruktion adäquat übersetzen. 127. f. 41v, Z. 17, motu – (Typ A) cache (16) … Sed tamen, sicut uitam animae in / (17) corpore manentis et (Ligatur, Ed. ex) motu corporis agnosco, ita / (18) uitam animae post corpus, apertis quibusdam rebus / (19) attestantibus, agnoscere cupio (IV,5; 265,38,72) ,Aber dennoch möchte ich, so wie ich das Leben der im Körper weilenden Seele aus der Bewegung des Körpers erkenne, auch aus einigen offenkundigen Tatsachen erkennen können, dass die Seele nach ihrem Abscheiden aus dem Körper fortlebt.‘ Die Eintragung beginnt über m des Lemmas und reicht bis über die Lücke zwischen u und c des folgenden Wortes. Sie ist sehr schwach eingedrückt und bei sehr flachem Streiflicht von rechts oben zu erkennen. motu: Abl. Sg. lat. M. mōtus, -ūs ‚Bewegung‘ – GH 2,1022.

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cache: Dat. Sg. zum st. N. ahd. gāhi ‚Eile, Übereilung, plötzliches Eintreten‘ – vgl. AWB 4,22. StWG 188. GSp 4,130. SchG 3,370. Funktional adäquate Übersetzung des lateinischen Ablativs mit dem Dativ. 128. f. 42r, über Z. 1, inquies – (Typ A) chuidis – HDM 230,7. WS Nr. 75 (f. 41v, Z. 24) … Tu uero ipse // (f. 42r, Z. 1) inquies quia uita animae in corpore manentis ex / (2) motibus corporis agnoscis (IV,6; 265,40,6) ‚Du sagst allerdings selbst, dass du das Leben der im Körper weilenden Seele an den Bewegungen des Körpers erkennst.‘ u und i und die Oberlänge des d weisen leichte Ritzungen auf. inquies: 2. Sg. Ind. Präs. Akt. inquis verbum defectivum inquam ‚ich sage‘ – GH 2,293. chuidis: 2. Sg. Ind. Präs. zum st. V. ahd. quedan ‚sagen, sprechen, behaupten‘ – AWB 7,355. StWG 466f. SchG 5,411 – vgl. GSp 4,636. SpAW 1,713 [QUEDAN]. Formal und semantisch kongruente Übersetzung. 129.–130. f. 42r, Z. 15–16 (15) … PETRUS: Nulla ut opi/ (16) nor huic alligationi ratio obsistit, in qua (Ed. et) ex rebus / (17) uisibilibus cogitur (Ed. cogimur) credere quod non uidemus (IV,6; 265,40,20) ,PETRUS: Wie ich meine, steht kein Grund dieser Anführung entgegen; durch sie und wegen der sichtbaren Dinge ist man gezwungen das zu glauben, was wir nicht sehen.‘ 129. f. 42r, Z. 15 ut opi/(nor) – (Typ A) soihuuanniu – HDM 230,8 so ih uuaniu. WS Nr. 76 soihuuaniu Die Eintragung interlinear über dem ersten Teil des durch Zeilensprung getrennten Lemmas. Die Lesung ist gegenüber Meritt und Schulte zu -nn- zu korrigieren. ut: Adv. lat. ut ‚wie‘ – GH 2,3326. opinor: 1. Sg. Ind. Präs. lat. Deponens opīnāri ‚vermuten, wähnen, glauben, meinen‘ – GH 2,1362. so: Konj. ahd. sō ,so, wie‘ – StWG 567, der Beleg ist hier als Adv. klassifiziert. SchG 9,31 – vgl. GSp 6,11. SpAW 1,893 [SŌ]. Die Übersetzung von lat. ut ist im vorliegenden Fall ungewöhnlich. ih: Pers.-Pron. ahd. ih ‚ich‘ – StWG 297. SchG 5,7 – vgl. GSp 1,117. SpAW 1,420 [IH]. uuanniu: 1. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. wānen ‚vermuten, meinen‘ – StWG 694. SchG 10,376. RSV 1,247 – vgl. GSp 1,860. SpAW 1,1059 [WĀN]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt (GötzLAN 450). Man vgl. hierzu auch die gleichlautende Glossierung ohne Subjektspronomen im Althochdeutschen (Nr. 7, f. 2v, Z. 6) dieser Handschrift. Der Beleg ist auf der Basis der Lesung Schultes bei SchG 10,376 mit der Ansatzform wanien verzeichnet und dort zu korrigieren.

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130. f. 42r, Z. 16, obsistit – (Typ A) uuidarstat – HDM 230,10. WS Nr. 77 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. obsistit: 3. Sg. Ind. Präs. Akt. lat. obsistere ‚sich entgegenstellen, sich widersetzen‘ – GH 2,1271. uuidarstat: 3. Sg. Ind. Präs. an. V. ahd. widarstān ‚entgegenstehen‘ – StWG 585. SchG 9,163 – vgl. GSp 6,595. SpAW 1,922. Formenkongruente und semantisch adäquate Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt. Auffällig ist hier die v. a. im Alemannischen herrschende Form stān gegenüber bair./frk. stēn (vgl. BRG §382 sowie Glosse Nr. 163 firsten). 131. f. 42r, Z. 18, questus es – (Typ A) sochentiuuari – HDM 230,11f. rochenti uuari86. WS Nr. 78 (17) … Paulo / (18) superius questus (Hs. letztes s radiert) es morientis cuiusdam egredi/ (19) entem te animam non uidissis (Ed. uidisse) (IV,7; 265,40,1) ‚[Gregorius:] Du hast dich kurz vorher beklagt, dass du die scheidende Seele eines Sterbenden nicht gesehen hättest.‘ Die beiden Wörter sind zusammengeschrieben. Die Korrektur der Lesung Meritts durch Schulte ist zu bestätigen. questus es: 2. Sg. Ind. Perf. lat. Deponens querī ‚klagen, beklagen‘ – GH 2,2150. sochenti: Unflekt. Part. Präs. zum sw. V. ahd. suohhen ‚suchen‘ – StWG 610. SchG 9,349. RSV 1,214 – vgl. GSp 6,78. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um eine auf der Verwechslung von lat. querī mit lat. quaerere beruhende Fehlglossierung, für das die Übersetzung mit ahd. suochen bereits häufiger belegt ist (GSp 6,78. RSV 1,213. GötzLAN 544). Der Glossator hat allerdings offenbar die aktivische Bedeutung des Deponens questus es erkannt und sie zumindest aktivisch mit Part. Präs. + einer finiten Form des Hilfsverbs wesan übersetzt. Der Beleg ist in StWG 610 und RSV 1214 zwar unter suochen verzeichnet aber auf der Basis der Lesung Meritts noch mit ‚?‘ versehen. uuari: 2. Sg. Konj. Prät. st. V. ahd. wesan ‚sein‘ – StWG 718. SchG 11,80 – vgl. GSp 1,1053. SpAW 1,1111. In einem Verbalgefüge mit dem Part. Präs. von ahd. suochen. 132. f. 42v, Z. 4, fassus sum – (Typ A) sprehhanti pin – HDM 230,14 sprehhanti87. WS Nr. 79 sprehhanti u… (4) In secundo namque huius operis libro iam fassus sum (Ed. fatus sum88) / (5) quod uir uenerabilis Benedictus, sicut a fidelibus eius / (6) discipulis agnoui, ... || 86 Meritt (1934: 230,A.31) vermutet schon, dass der von ihm als r gelesene Buchstabe auch als s zu lesen sein könnte. 87 sprehhanti mit A.33 über ein möglicherweise folgendes uuas. 88 Die Variante fassus sum gegenüber fatus sum ist auch aus anderen Hss. belegt, vgl. SC 265,42.

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(IV,8; 265,42,1) ‚Im zweiten Buch dieses Werkes habe ich nämlich bereits gestanden [Ed. gesagt], dass der ehrwürdige Mann Benedikt, wie ich von seinen treuen Jüngern erfahren habe, ...‘. Deutlich geprägt interlinear über dem Lemma. Die beiden h in sprehhanti sind – entgegen Schulte – deutlich erkennbar. Die Spur des nach sprehhanti folgenden Wortes ist aufgrund der erkennbaren Unterlänge entgegen der Beobachtung Meritts und Schultes als p (nicht als u) zu lesen. Hinter diesem p ist noch ein senkrechter Strich, also evtl. i zu identifizieren. Direkt danach befindet sich eine Falte im Pergament, die das Schreiben eines Buchstabens unmöglich machte. Danach folgt schon der Blattrand. Der Glossator musste daher auf den Platz unter pi ausweichen, wo sich bei Streiflicht von links zwei kurze Schäfte erkennen lassen, die evtl. noch schwach durch einen Bogen oben verbunden sind und daher als n interpretiert werden können. fassus sum: 1. Sg. Ind. Perf. Passiv lat. Deponens fatērī ‚bekennen, gestehen; zu erkennen geben, verraten‘ – GH 1,2698. sprehhanti: Unflekt. Part. Präs. st. V. ahd. sprehhan ‚sagen, bekennen‘ – StWG 57989. SchG 9,118 – vgl. GSp 6,369. SpAW 1,910 [SPREHHAN]. pin: 1. Sg. Ind. Präs. zum an. V. ahd. sīn ‚sein‘ – vgl. StWG 524. GSp 1,481. SpAW 1,815. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt (GötzLAN 257); sie ist im vorliegenden Fall im Kontext adäquat. Zu vergleichen ist auch die Glossierung Nr. 87 fateri – sakenti uuesan. Übersetzung des Deponens mit Part. Präs. + finitem Hilfsverb wesan. Die Eintragung wurde auf der Basis der Editionen Meritts und Schultes bereits mit der Konjektur u[uesan] in StWG 718 und SchG 9,118 und 11,79 aufgenommen und ist dort jeweils zu korrigieren. 133. f. 42v, Z. 10, laxato – (Typ A) uuitemo – HDM 230,15. WS Nr. 80, beide lichtemo (9) Qui eandem quoque ascendente (Ed. ascendentem) animam intuens, men/ (10) tis laxato sinu, quasi sub uno solis radio cunctum / (11) in suis oculis mundum collectum uidet (Ed. uidit) (IV,8; 265,42,6) ‚Als er auch dieselbe aufsteigende Seele betrachtet, schaut er, indem das Innerste der Seele geweitet ist, vor seinen Augen gleichsam in einem einzigen Sonnenstrahl die ganze Welt vereinigt.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die Lesung (und notwendige Korrektur gegenüber der Lesung Meritts und Schultes) ist eindeutig. laxato: Abl. Sg. M. (in Kongruenz zum Abl. Sg. des lat. M. sinus, -ūs ‚das Innerste‘, vgl. GH 2,2689) des Part. Perf. lat. laxāre ‚I. lockern, erleichtern, Erholung verschaffen; II. erweitern, geräumig machen‘ ‒ GH 2,597. || 89 Der vorliegende Beleg wurde hier in Bezug auf die Edition Meritts mit falscher Seitenangabe (240 statt 230) verzeichnet.

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uuitemo: Dat. Sg. M. zum st. flekt. Adj. ahd. wīt ,weit‘ – vgl. StWG 740. GSp 1,769. SchG 11,234. Funktional adäquate Übersetzung des lateinischen Ablativs mit dem Dativ. Die Eintragung ist in der Lesung Meritts und Schultes als lichtemo bereits in StWG 376, AWB 5,988 und SchG 6,90 aufgenommen worden und dort zu streichen. 134. f. 43r, Z. 20, calore – (Typ B) izzu – HDM 230,16 mit A.34. WS Nr. 81 (17) … Huic autem / (18) cum ualde ignea consparsio corporis inesset, coepe/ (19) runt medici dicere quia, nisi ad amplexus uiriles re/ (20) diret, calore nimio contra naturam barbas es/ (21) set habitura; quod ita quoque post factum est (IV,14; 265,56,14) ‚Da sie [Galla] aber eine sehr hitzige körperliche Naturanlage hatte, sagten die Ärzte, dass sie, wenn sie nicht zum Verkehr mit dem männlichen Geschlecht zurückkehrte, wegen der allzu großen körperlichen Hitze gegen die Natur einen Bart bekommen würde; und so geschah es auch später.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma nach der Oberlänge des l von calore beginnend. calore: Abl. Sg. lat. M. calor, -ōris ‚Hitze, auch körperliche Fieberhitze, leidenschaftliche Glut, Feuer, Eifer, innere Hitze‘ – GH 1,937. izzu: Dat. Sg. zum st. F. ahd. hizza ,Hitze, Glut‘ – AWB 4,1159 (Form); Sp. 1160 (Bedeutung: 1b ‚durch körperliche Hitze, innere Glut bewirkt‘). StWG 28090. SchG 4,349 – vgl. GSp 4,1073. SpAW 1,374 [HEIZ]. Mit dem Dativ für den lateinischen Ablativ formal funktional adäquate und semantisch kongruente Übersetzung. Das Fehlen der h-Graphie im Anlaut vor Vokal beobachten SchABG §80a und SchAHG §247 nur vereinzelt und BRG §153,A.2 „nur in weniger sorgfältig geschriebenen Texten und Gl[ossen]“, ob diese Fälle aber dann – wie dort geschehen – als Schreibfehler bezeichnet werden müssen, ist fraglich. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 135.–137. f. 43r, Z. 22–24 (21) … Sed / (22) sancta mulier nil exterius deformitatis timuit, quae / (23) interioris sponsi speciem amauit, nec uerita est si hoc / (24) in illa foedaretur, quod a caelesti sponso in ea non amaretur (IV,14; 265,56,16) ,Aber die heilige Frau fürchtete nichts an äußerer Entstellung, denn sie liebte die Schönheit ihres inneren Bräutigams und sie fürchtete nicht, wenn das an ihr entstellt würde, was von ihrem himmlischen Bräutigam nicht geliebt wurde.‘

|| 90 Der Beleg hier irrtümlich mit der in Bezug auf Meritts Ed. falschen Seitenangabe (240 statt 230).

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135. f. 43r, Z. 22, deformitatis – (Typ B) unsupari – HDM 230,17. WS Nr. 82 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. deformitatis: Gen. Sg. lat. F. dēfōrmitās, -ātis ‚Entstellung, Verunstaltung, entstelltes Aussehen‘ – GH 1,1984. unsupari: Gen. Sg. sw. F. ahd. unsūbarī ‚Unreinheit, Unsauberkeit‘ – StWG 673. SchG 10,255 – vgl. GSp 6,71. SpAW 1,985. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist nur hier belegt.91 Die Bedeutungsangabe ‚Entstellung‘ in SchG, die sich aus dieser ergibt, ist nicht zwingend, es kann auch eine interpretierende Glossierung vorliegen. 136. f. 43r, Z. 23, uerita est – [a] (Typ A) scamentivvas – HDM 230,19 scamenti uuas. WS Nr. 83 – [b] (Typ B) teritiv – HDM 230,20 u. A.35 rehtiu92 [a] scamentivvas: Die Eintragung ist zusammengeschrieben; das s von vvas steht allein hinter der Oberlänge des h von hoc. Von gleicher Hand wie Nr. 137. [b] teritiv: Das erste t, das Meritt als r liest, ist leicht mit einem r zu verwechseln, weist aber deutlich einen Schaft und einen daraufliegenden Balken auf. Es ist auf das m von scamenti geritzt. Das direkt an das e anschließende r ist etwas nach rechts gekippt und mit i ligiert, sodass zunächst auch eine Lesung als n möglich erscheint, was Meritt auch zur Lesung h veranlasst haben könnte, obwohl die hierfür notwendige Oberlänge ganz fehlt. uerita est: 3. Sg. Ind. Perf. (mit der Endung des Nom. Sg. F. [in Kongruenz mit dem Subjekt] in der Partizipialform) lat. Deponens verērī ‚sich fürchten, sich scheuen, etw. zu tun, etw. scheuen, fürchten; Ehrfurcht, Achtung haben; Scheu und Scham haben‘ – GH 2,3422. [a] scamenti: Unflekt. Part. Präs. sw. V. ahd. scamēn ‚sich schämen, sich scheuen‘ – StWG 532. RSV 2,253 – vgl. GSp 6,494f. SpAW 1,831 [SCAMA]. SchW 228. vvas: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. wesan ‚sein‘ – StWG 718. SchG 11,77 – vgl. GSp 1,1053. SpAW 1,1111. Formal adäquate Übersetzung des lateinischen Deponens mit dem Part. Präs. und finitem Hilfsverb. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist sonst nicht belegt.93 Semantisch steht bei der Zuordnung, die zunächst nicht vollständig äquivalent erscheint, die für lat. verērī bezeugte Bedeutungsfunktion einer ‚Furcht vor der Verletzung des Schicklichen‘ und damit auch ‚Scheu und Scham haben‘ (vgl. GH 2,3422) im Vordergrund, die dann auch dem Kontext adäquat übersetzt wurde.

|| 91 Vgl. GSp 6,71 und auch GötzLAN 178. Die Angabe bei KöblerLAW 240 bezieht sich vermutlich allein auf den vorliegenden Beleg. 92 Schulte (1993: Nr. 83c) kann außer t die Lesung Meritts nicht bestätigen. 93 Vgl. auch GötzLAN 702. Der Einträge bei KöblerLAW 945 und RSV 2,253 beziehen sich nur auf den vorliegenden Beleg.

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[b] teritiv: Nom. Sg. F. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. terien ‚beeinträchtigen, schaden, hinderlich sein, verletzen‘ – vgl. GSp 5,438. SpAW 1,991 [TARA]. StWG 625. RSV 1,325. Präfixlose Part. Prät. sind im Clm 6293 auch noch einmal in Nr. 139 lopit und ebenfalls im Zusammenhang mit der Übersetzung eines lateinischen Passivs auch in den Freisinger Griffelglossen des Clm 6433 belegt (vgl. Nievergelt 2009a: 161, Nr. 10). Formal besteht Kongruenz zur Partizipialform des graphischen lateinischen Lemmas verita. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bisher nicht belegt (vgl. GötzLAN 702 und KöblerLAW 945). Semantisch kann die Eintragung in der Bedeutung ‚verletzt‘ als im Kontext adäquat betrachtet werden.94 137. f. 43r, Z. 24, foedaretur – (Typ A) vvarikatokan – HDM 230,21. WS Nr. 84, beide vvarikazokan Die Eintragung (von gleicher Hand wie Nr. 136a) steht interlinear über dem Lemma. Zwischen a und r besteht eine Lücke, die durch die Oberlänge des d von foedaretur bedingt ist. Die beiden Wörter sind zusammengeschrieben, das i steht direkt vor dem folgenden k. Durch die relativ weit ausgreifende Zunge des r entsteht zwischen r und i der Eindruck einer Lücke. Die alternative Lesung des von Meritt und Schulte gelesenen z statt t liegt an der c-artigen Form des t, die leicht mit z verwechselt werden kann. Zu den Eigenarten des Glossators gehört wie hier eine Schräge bei t und eine geschwungene Form des z, die im vorliegenden Beleg nicht gegeben ist. Für die Form des t zu vergleichen ist die erste t-Form der Eintragung Nr. 208 katurstlihho, zur Form des z Nr. 161 kazuiualtot, die jeweils von gleicher Hand stammen.95 Die vergleichende Analyse erlaubt zweifelsfrei eine Korrektur des paläographischen Befundes. Die Eintragung ist bei Streiflicht von rechts unten erkennbar. Bei hoher Auflösung ist v. a. der zweite Teil der Eintragung katokan auch im Digitalisat erkennbar. Wie bereits Schulte ausführlich begründet, ist die von Meritt und ihm als uuari kazokan gelesene Eintragung mit finitem Hilfsverb und Part. Prät. zum st. V. ahd. ziohan ‚ziehen, aufziehen, nähren‘ (StWG 764. SchG 11,415 – vgl. GSp 5,600. SpAW 1,1190 [ZIOHAN]), unter dem die Eintragung auch bereits in StWG und SchG aufgenommen wurde, zwar funktional adäquat, semantisch aber problematisch.96 Schulte und Meritt behandeln die Eintragung daher als Fehlglossierung, wobei unklar ist, mit welchem lateinischen Verb lat. foedāre verwechselt wurde. Das von Meritt (1934: 230,A.36) vorgeschlagene lat. foederāre ‚sich verbünden‘ ist aus semantischen Grün-

|| 94 Zur Semantik von terien vgl. auch die Behandlung des Verbs bei Riecke 355. 95 Ein analoger Fall der Verwechslung dieses t mit z durch Meritt liegt in Glosse Nr. 160 (siehe dort) vor. 96 Unter den bislang mit ahd. ziohan glossierten lateinischen Lemmata findet sich das vorliegende foedare sonst nicht; vgl. GSp 5,600–602 Belege zu lat. (con-, de-, at-, ex-, re-), trahere, ducere, extenuare, lactare, nutrire, enutrire, alere, fovere, docere, evaginare, stringere.

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den wenig überzeugend. Für Schultes (1993: 190) Vorschlag, der auch in SchG 11,415 aufgenommen wurde, eine Verwechslung mit lat. fētāre ‚brüten‘ (auch trans. ‚befruchten‘ SchG 11,415) anzunehmen, spricht zwar eine gewisse semantische Nähe zu ahd. ziohan ‚aufziehen, nähren, versorgen‘, das aber als Entsprechung für lat. fētāre bislang nirgendwo belegt ist.97 Eine solche Verwechslung mit fētāre ist auch aus dem Kontext nicht zu motivieren. Zu vergleichen ist hier auch die Glossierung des gleichen Lemmas in Nr. 3. f. 1v, Z. 14, das in der Schreibweise der Hs. als fedatur erscheint. Diese Eintragung mit dem gleichen Instrument Typ A ist auch semantisch kongruent, die Zuweisung zur gleichen Hand wie der vorliegende Beleg ist allerdings nicht zu sichern. Die hier vorgeschlagene Korrektur bezieht sich so zum einen auf die oben beschriebene abweichende Interpretation des paläographischen Befundes und zum anderen auf die sich dadurch besser einfügende Semantik der Eintragung: foedaretur: 3. Sg. Konj. Imperf. Passiv lat. foedāre ‚verunstalten, entstellen; schändlich zurichten, verwunden; schänden, besudeln, entehren‘ – GH 1,2806. vvari: 3. Sg. Konj. Prät. zum st. V. ahd. wesan ‚sein‘ – StWG 718 – vgl. GSp 1,1053. SpAW 1,1111. SchW 291. katokan Part. Prät. zum st. V. ahd. tougan ‚verändern, verfärben‘. Die vorliegende Eintragung kann als Erstbeleg für die verbale Basis des bislang nur als Adj. verwendeten ahd. gitougan ‚verborgen‘ interpretiert werden – vgl. StWG 224. GSp 5376. SchG 10,13. Die Interpretation als Partizipialform ergibt sich aus der Annahme der formalen und semantischen Adäquatheit der Übersetzung des lateinischen Passivs mit einem althochdeutschen Hilfsverb + Part. Prät. Die zwar formal mögliche Interpretation als Übersetzung des Passivs mit Hilfsverb + Adjektiv wäre auffällig, wenn auch zumindest in dieser Hs. nicht ganz singulär.98 In etymologischer und semantischer Hinsicht zu vergleichen ist die im Althochdeutschen belegte Ableitung sw. V. tugōn ‚sich verändern, unbeständig sein‘ (vgl. SchG 10,83. RSV 2,159), die als Übersetzungsäquivalent für lat. variāri belegt ist. Insbesondere im Zusammenhang mit den beiden davorstehenden Glossierungen scamenti vvas und teritiv könnte sich daraus eine interpretierende Lesart ergeben: ‚und sie schämte sich nicht/es verletzte sie nicht, wenn das an ihr verändert/entstellt wäre, was von ihrem himmlischen Bräutigam nicht geliebt wurde‘. Die Graphie statt , auch in Fällen, in denen germ. /au/ nicht der Monophthongierung unterlag, ist nach Auskunft der Grammatiken selten, Belege sind aber sowohl aus frühen bairischen (SchABG §14a. SchAHG §33) als auch aus fränkischen Quellen (BRG §46,A.3) beizubringen. Zu vergleichen ist diesbezüglich auch die Eintragung Nr. 139. f. 44r, Z. 13 lopit, allerdings von einem anderen Instrument.

|| 97 Zu vergleichen sind neben den angeführten lateinischen Lemmata bei GSp auch die lateinischalthochdeutschen Entsprechungen bei GötzLAN 262 und KöblerLAW 356. 98 Zu vergleichen ist hier etwa die Glossierung Nr. 150 exhiberentur – uuarun karo.

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Abb. 3: Ahd. Griffelglosse: Clm 6293, f. 43r, Z. 24: vvarikatokan (Nr. 137)

138. f. 44r, über Z. 1, asciuit – (Typ B?) kiuuista – HDM 230,23. WS Nr. 85 (f. 43v, Z. 24) … Ad illa protinus cunctae // (f. 44r, Z. 1) congregationis asciuit (Ed. adsciuit) matrem eique quid uiderit / (2) quidue audierit indicauit (IV,14; 265,58,44) ‚Und jene holte sogleich die Mutter des gesamten Konvents herbei und erzählte ihr, was sie gesehen und was sie gehört hatte.‘ Recht feines und spitzes Instrument, das aber nicht durchgehend die Pergamentoberfläche verletzt, sondern teilweise nur prägt. Könnte aber aufgrund der feinen Spuren zu Glossen vom Typ B passen. Die Eintragung ist bei hoher Auflösung schwach im Digitalisat erkennbar. asciuit: 3. Sg. Ind. Perf. Akt. lat. ascīscere (adscīscere) ‚jmd. zu etw. beiziehen, herbeiholen‘ – GH 1,612. kiuuista: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. giwīsen ‚herbeiholen‘ – StWG 738. RSV 1,267. SchG 11,222 – vgl. GSp 1,1066. SpAW 1,1138 [WĪS2]. Formenkongruente und semantisch äquivalente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 139. f. 44r, Z. 13, permittantur – (Typ B?) lopit – HDM 230,24. WS Nr. 86 (10) Sed inter haec sciendum est, quia sepe animabus exeun/ (11) tibus electorum dulcedo solet (Ed zus. laudis) caelestis erumpere, / (12) ut, dum illam (Ed. illa) libenter audiunt, dissolutionem carnis / (13) ab anima sentire minime permittantur (IV,15; 265,58,4) ‚Dabei muss man wissen, dass, wenn die Seelen der Auserwählten scheiden, oft ein himmlischer Wohlklang zu erschallen pflegt, sodass ihnen nicht

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erlaubt wird, während sie ihn mit Freude hören, die Trennung des Fleisches von der Seele auch nur im mindesten zu bemerken.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Spitz, fein, teils ritzend, teils prägend; wie Nr. 138 kiuuista. permittantur: 3. Pl. Konj. Präs. Passiv lat. permittere ‚zulassen, erlauben, geschehen lassen‘ – GH 2,1614. lopit: unflektiertes Part. Prät. sw. V. ahd. louben, hier: unpers. ‚erlaubt sein‘ – AWB 5,1316. StWG 385. RSV 1,117. SchG 6,166. Das Part. Prät. könnte hier als Teil eines unvollständigen Verbalsyntagmas bestehend aus Part. Prät. und finitem Hilfsverb zur Wiedergabe des lateinischen Passivs zu deuten sein. Die Präfixlosigkeit des Part. Prät. liegt auch noch einmal bei der Übersetzung eines Deponens in Nr. 136b teritiv vor (siehe dort). Das Verb ist in der unpräfigierten Form nur noch ein weiteres Mal (wohl fehlerhaft) für lat. credere belegt.99 Zu vergleichen ist aber die mit irpräfigierte Form, die u. a. auch für lat. permittere belegt ist (StWG 385. RSV 1,117. SchG 6,166 – vgl. GSp 2,66. SpAW 1,565 [-LOUB]). Schulte (1993: 191) erklärt die Formeninkongruenz bezüglich Numerus und Genus verbi dadurch, dass er lopit als einen Teil einer unpersönlichen Verbalkonstruktion deutet. Zur für vorahd. /au/ auch vor Labialen vgl. die einzelnen Fälle bei SchABG §14, S.26. SchAHG §33. BRG §46,A.3. Vgl. Nr. 137 vvarikatokan, allerdings von einem anderen Instrument. 140. f. 44r, Z. 17, ambigo – (Typ B?) zuiualon – HDM 230,25. WS Nr. 87 (17) cuius te quoque non ambigo meminisse (IV,15; 265,60,8) ‚Ich zweifle nicht, dass auch du dich dessen [eines gewissen Servulus] erinnerst.‘ Alle drei Glossen dieser Seite 44r stammen von einem spitzen Instrument und sicher von einer Hand. Zwischen i und u befindet sich eine kleine Lücke. Das i steht über dem o von ambigo, das u über dem ersten m von meminisse. Insgesamt ist die Eintragung recht ausgreifend, die Buchstaben breit und mit viel Platz eingetragen, sodass die Lücke keine absichtliche Trennung darstellt. Die Eintragung hat auf f. 45r durchgedrückt, was dort erkennbaren Spuren in Z. 17 über tamen erklärt. ambigo: 1. Sg. Ind. Präs. Akt. lat. ambigere ‚über etw. zweierlei Ansicht sein, etw. bezweifeln, zweifeln‘ – GH 1,362. zuiualon: 1. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. zwīfalōn ‚zweifeln‘ – StWG 776. RSV 2,199. SchG 11,484 – vgl. GSp 5,725. SpAW 1,1206 [ZWĪFO]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt.

|| 99 StSG 2,143,55. Im AWB 5,1316 wird der Beleg aufgrund von Blattzuschnitt als „verstümmelt“ bezeichnet und mit ‚?‘ versehen, StWG 385 behandeln diese lateinische Entsprechung als Fehlglossierung mit ‚*‘. Bei Riecke 524 ist nur der vorliegende Beleg erwähnt. SchG 6,166 verzeichnet beide Belege ohne Anmerkung.

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141. f. 45r, Z. 24, opificis – (Typ A) meistres – HDM 230,26 meistries. WS Nr. 88 (f. 45r, Z. 23) Sed quia plerumque hii, quos iam perfectos homines / (24) estimant, adhuc in oculis summi opificis aliquid // (f. 45v, Z. 1) inperfectionis habent … (IV,16; 265,64,21) ‚Aber weil zumeist die, die die Menschen bereits für vollkommen halten, in den Augen des höchsten Meisters immer noch etwas Unvollkommenes haben …‘. Die Lesung Meritts mit i ist evtl. durch einen winzigen schräg liegenden Strich beeinflusst, der wohl noch zur Zunge des r gehört oder ein Pergamentknitter ist, an den die Zunge des r direkt hinreicht (vgl. hierzu auch Schulte 1993: 192). opificis: Gen. Sg. lat. M. opifex, -ficis ‚Werkmeister, Verfasser, Arbeiter, Bildner‘ – GH 2,1358. meistres: Gen. Sg. st. M. ahd. meist[a]r ‚Meister, Lehrer, Werkmeister‘ – AWB 6,328. StWG 406. SchG 6,318 – vgl. GSp 2,886. SpAW 1,608. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 142.–143. f. 45v, Z. 2–3 (1) … sicut sepae inperiti hominis / (2) necdum perfecte sculpta sigilla conspicimus et iam / (3) quasi perfecta laudamus, quae tamen adhuc ar/ (4) tifex considerat et limat, laudari iam audet (Ed. audit) et tamen100 / (5) ea tundere meliorando non desinet (Ed. desinit) (IV,16; 265,64,23) ,so wie wir oft als unerfahrene Menschen noch nicht vollkommen behauene Statuen betrachten und sie schon wie vollkommene loben, welche der Künstler gleichwohl noch immer in Augenschein nimmt und feilt und dennoch nicht aufhört sie [mit dem Meißel] zu behauen, obwohl er schon hört, wie er gelobt wird‘. 142. f. 45v, Z. 2, sculpta – [a] (Typ A) kakrapan – [b] (Typ B) kikrapaniu – HDM 230,28. WS Nr. 89, beide kakrapaniu Beide Eintragungen interlinear über dem Lemma. Die geprägte Eintragung von Typ A liegt unter der geritzten von Typ B und wurde wohl deshalb nicht sofort entdeckt. Die eingedrückte ist somit älter als die geritzte, was auch sprachlich durch die Form des Präfixes ka (gegenüber sonst vorherrschenden ki bei Typ B) gestützt wird. Die Ritzung von Typ B zieht die ersten drei Buchstaben exakt den Buchstabenformen der darunterliegenden eingedrückten Eintragung nach. Beim a ist allerdings nur ein senkrechter kurzer Schaft geritzt worden, was als i zu interpretieren ist. Der zum a gehörige Bauch ist nur eingedrückt und stammt von Typ A, sodass die kurze senkrechte Ritzung von Meritt und Schulte wohl als Abstrich eines a interpretiert wurde. Da aber hier offensichtlich zwei unterschiedliche Glossierungsschichten

|| 100 tamen abgekürzt mit Strich über m, vor Z. 5 wurde dann noch nachträglich en angefügt.

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vorliegen, rechtfertigt der paläographische Befund die Korrektur zu kikrapaniu gegenüber der Lesung Meritts und Schultes. Die Spuren der Eintragungen sind bei hoher Auflösung im Digitalisat schwach erkennbar. sculpta: Akk. Pl. N. des Part. Perf. lat. sculpere ‚durch Graben, Stechen, Schneiden etwas bilden‘ – GH 2,2549. [a] kakrapan: unflekt. Part. Prät. st. V. ahd. graban ‚hier: als künstlerisches Arbeiten: eingraben, behauen‘ – vgl. AWB 4,388, zur Bedeutung v. a. 8e, Sp. 390. StWG 236. GSp 4,301. SpAW 1,318 [GRABAN]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. [b] kikrapaniu: Akk. Pl. N. st. flekt. Part. Prät. st. V. ahd. graban ‚behauen‘ – AWB 4,388. StWG 236. SchG 4,21 – vgl. oben.

Abb. 4: Ahd. Griffelglossen: Clm 6293, f. 45v, Z. 2/4: [a] kakrapan – [b] kikrapaniu (Nr. 142) und fihlot (Nr. 143)

143. f. 45v, Z. 4, limat – (Typ A) fihlot – HDM 230,29. WS Nr. 90 Die Eintragung interlinear über dem Lemma stammt von einem Instrument Typ A und ist bei hoher Auflösung im Digitalisat schwach erkennbar. Das t wurde von einem Instrument Typ B nochmals nachgezogen. limat: 3. Sg. Ind. Präs. Aktiv lat. līmāre ‚feilen, abschleifen, polieren, glätten‘ – GH 2,660.

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fihlot: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. fīhlōn (fīhalōn) ‚feilen, glätten‘ – AWB 3,813 (Form), 814 (hier mit der Bedeutungsangabe ‚meißeln, mit dem Meißel bearbeiten‘). StWG 151. RSV 2,42. SchG 3,147 – vgl. GSp 3,434. SpAW 1,230 [FĪHALA]. Die lateinischalthochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt. Zu vergleichen ist auch die Parallelglossierung limat – filot im Clm 18140 (Schulte 1993: 680f., Hs. XXI, Nr. 288). 144. f. 45v, Z. 8, decubans – (Typ A) hlin&a – HDM 230,30 hlinenti. WS Nr. 91 hlinenti (5) … haec quam prae/ (6) diximus romula ea, quam greco uocabulo medici pa/ (7) ralysin uocant, molestia corporali (Ed. corporis) percussa est, / (8) multisque annis in lectulo decubans paene omni ia/ (9) cebat membrorum officio destituta. ... (IV16; 265,64,28) ,Diese Romula, die wir zuvor erwähnt haben, wurde von der Beschwerde des Körpers [die Version der Hs. macht keinen Sinn] befallen, die die Ärzte mit dem griechischen Wort Paralysis bezeichnen, und lag viele Jahre im Bett darnieder und konnte fast gar kein Glied mehr regen.‘ n und & sind durch die Oberlänge des b in decubans getrennt. Was Meritt und Schulte als i lesen, ist die Schräge eines a. Die Lesung & ist sicher. Zu vergleichen sind hier auch die Ligatur-&-Schreibungen in Nr. 16 leb&a (Typ A) und Nr. 64 lipl&a (Typ B). Die Eintragung ist bei hoher Auflösung im Digitalisat schwach erkennbar. decubans: Part. Präs. lat. dēcubāre ‚krank liegen‘ – GH 1,1930. hlin&a [= hlineta]: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. (h)linēn ‚darniederliegen‘ – AWB 5,1013. StWG 377. RSV 2,237. SchG 6,101 – vgl. GSp 4,1094. SpAW 1,546 [LINĒN]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. Keine formenkongruente, aber der deutschen Übersetzung adäquate Glossierung. 145. f. 45v, Z. 12, incrementa – (Typ A) ōuuast – HDM 230,31. WS Nr. 92 (11) … Nam ipsa ei detrimenta membro/ (12) rum facta fuerant incrementa uirtutum, / (13) quia tanto sollicitius ad usum orationis excreue/ (14) rat, quanto et aliud quodlibet agere nequaquam ua/ (15) lebat. ... (IV,16; 265,64,32) ‚Denn gerade die Schäden der Glieder wurden für sie Zuwächse der Tugenden, weil sie umso eifriger in der Übung des Gebets wurde, je weniger sie irgendetwas anderes zu tun imstande war.‘ Der Querstrich über dem o ist leicht nach rechts versetzt, evtl. ist er auch aufgrund einer (sehr) leichten Schräge als Akut zu lesen. Die Eintragung ist bei hoher Auflösung im Digitalisat schwach erkennbar. incrementa: Nom. Pl. lat. N. incrēmentum, -ī ‚Wachstum; Zuwuchs, Anwuchs‘ – GH 2,173. ōuuast: Nom. Sg. st. F. ahd. uowahst ‚hier: Wachstum, Zuwachs‘ – StWG 680. SchG 10,291 – vgl. GSp 1,687. SpAW 1,1054 [WAHSAN]. Die lateinisch-althochdeutsche Ent-

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sprechung ist bereits belegt. Zur Schreibung ohne vgl. auch die Eintragung Nr. 20 aruuos (Typ A). Formeninkongruente Wiedergabe des Plurals mit dem Singular. Zu vergleichen sind diesbezüglich allerdings die lateinisch-althochdeutschen Entsprechungen bei GSp 1,687f., wo mehrmals lateinische Pluralformen mit der althochdeutschen Singularform wiedergegeben wurden, sodass bei diesem Abstraktum die Übersetzung wohl als semantisch äquivalent betrachtet werden kann. 146. f. 45v, Z. 24, (emi)/cuit – (Typ A) scein (f. 45v, Z. 23) … et splendor tanta101 (Ed. tantae) claritatis emi/ (24) cuit, ut corda adsistentium inestimabili pauore // (f. 46r, Z. 1) perstringeret (IV,16; 265,66,43) ‚… und ein Glanz von so großer Helligkeit leuchtete, dass die Herzen der Anwesenden sich mit unvergleichbarer Angst zusammenschnürten.‘ Deutlich geprägt über dem zweiten Teil des durch Zeilensprung getrennten Lemmas. Die Eintragung ist bei hoher Auflösung im Digitalisat schwach erkennbar. Die im Digitalisat erkennbaren Spuren danach über ut corda sind Durchdruck von Nr. 141, f. 45r, Z. 24 meistres. emicuit: 3. Sg. Ind. Perf. Aktiv lat. ēmicāre ‚hervorglänzen, -leuchten‘ – GH 1,2402. scein: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. skīnan ‚leuchten, strahlen, glänzen, sichtbar sein‘ – vgl. StWG 543. GSp 6,499. SpAW 1,848 [SCĪNAN]. SchG 8,354. Die problemlose Anschlussmöglichkeit der deutlich zu sichernden Spuren an das st. V. skīnan zeigt eine funktional adäquate Wiedergabe des lateinischen Perfekts mit dem althochdeutschen Präteritum. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrmals belegt (vgl. auch GötzLAN 224). 147. f. 46r, Z. 13, (refo)/uer& – (Typ A) kasatoti – HDM 23,32. WS Nr. 93 (10) … Quam lucem protinus miri est odoris flaglantia (Ed. fragrantia) / (11) subsecuta, ita ut earum animum quasi (Ed. quia) lux emissa / (12) terruerat, odoris suauitas refo/ (13) ueret. ...102 (IV,16; 265,66,55) ‚Auf das Licht folgte auf einmal ein wunderbarer Wohlgeruch, sodass die Süße des Wohlgeruches ihr Herz, als ob (Ed. weil) das ausgeströmte Licht erschreckt hatte, erquickte.‘ Bei hoher Auflösung sind Spuren der Eintragung im Digitalisat sehr schwach erkennbar. refouer& [= refoueret]: 3. Sg. Konj. Imperf. Akt. lat. refovēre ‚wieder erwärmen, auffrischen, neu beleben, erquicken‘ – GH 2,2271. kasatoti: 3. Sg. Konj. Prät. zum sw. V. ahd. gisatōn ‚beleben, erquicken‘ – StWG 509. RSV 2,127. SchG 8,113 – vgl. GSp 6,154. SpAW 1,794 [SAT]. Das insgesamt nur viermal

|| 101 Z. 23: nach tanta wurde & ausradiert. 102 Zwischen Z. 12–15 befindet sich eine durch ein Pergamentloch bedingte Lücke.

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belegte Verb ist sonst nur als Entsprechung für lat. reficere belegt (vgl. die Belege bei SchG 8,113). 148. f. 46r, Z. 21, fraglantia – (Typ A) prunst – HDM 230,33. WS Nr. 94 (19) ... sed his (Ed. is) qui sub/ (20) secutus est odor remansit, sicque dies secundus et / (21) tertius transiit, ut aspersa fraglantia (Ed. fragrantia) odoris / (22) maneret (IV,16; 265,66,63) ,Aber dieser [der Wohlgeruch], der später hinzugekommen ist, blieb, und so ging der zweite und der dritte Tag vorüber, während der ausgebreitete Wohlgeruch des Duftes zurückblieb.‘ Bei hoher Auflösung sind Spuren der Eintragung über dem Lemma im Digitalisat sehr schwach erkennbar. fraglantia: für Ed. Nom. Sg. lat. F. fragrantia, -ae ‚starker Wohlgeruch‘ – GH 1,2833. Die Form ist wohl durch Ferndissimilation bei r-r zu erklären (vgl. Stotz 1996: §292.6, der hier explizit fragrantia erwähnt). Zur Diskussion der Varianten siehe unten. prunst: Nom. Sg. zum st. F. ahd. brunst ‚Glut, Hitze‘ – AWB 1,1443. StWG 81. SchG 2,62 – vgl. GSp 3,310. SpAW 1,107 [BRINNAN]. Das AWB klassifiziert den Beleg als Vokabelglossierung, wobei die fehlerhafte (?) Schreibung des lateinischen Lemmas auf einer Verwechslung mit lat. flagrantia ‚Glut‘ (GH 1,2779f.) beruhen könnte, das als lateinisches Lemma für ahd. brunst u. a. bereits aus dem Abrogans belegt ist.103 Eine entsprechende Textvariante flagrantia für fragrantia findet sich auch im Clm 2944, einer anderen Handschrift der Dialoge (vgl. Schulte 1993: 129). Zu vergleichen ist aber insbesondere Habel/Gröbel 154, 158, die die beiden Wörter zusammenfassen und unter dem Eintrag flagrantia allgemein auf den Eintrag fragrantia verweisen, dessen Bedeutung dann mit ‚Glut; Räucherduft, Wohlgeruch, Begeisterung‘ angegeben ist. 149. f. 46r, Z. 23, uiaticum – (Typ A) uuekanest – HDM 230,34. WS Nr. 95 (23) … Qua ueniente, uiaticum petiit / (24) et accepit. ... (IV,16; 265,66,65) ‚Als diese [die Lehrerin] kam, erbat und empfing sie die Wegzehrung.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei hoher Auflösung sind Spuren der Eintragung im Digitalisat sehr schwach erkennbar. uiaticum: Akk. Sg. lat. N. viāticum, -ī ‚Reisezehrung, das Reisegeld‘ – GH 2,3465. uuekanest: Akk. Sg. zum st. N. ahd. weganest ‚Wegzehrung‘ – StWG 284. SchG 10,445 – vgl. GSp 2,1103. SpAW 1,664 [NESAN]. Im Kontext ist der Empfang der Eucharistie als Stärkung für den Weg vom Leben zum Tod gemeint (vgl. Schulte 1993: 196). Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt.

|| 103 Vgl. GSp 3,310 und AWB 1,1443f. für lat. ardor, exustio, combustio, flagrantia, incendium, ignes (siderum); vgl. auch GötzLAN 267.

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150.–151. f. 46v, Z. 6–7 (6) Cumque ante foris (Ed. fores) cellulae exhiberentur caelestis (Ed. caelestes) / (7) exsequię, sancta illa anima carne soluta est. ... (IV,16; 265,66,71) ‚Und während vor der Zelle das himmlische Begräbnis begangen wurde, wurde jene heilige Seele vom Fleisch getrennt.‘ 150. f. 46v, Z. 6, exhiberentur – (Typ A) uuarun karo – HDM 230,35f.104 WS Nr. 96 uuarun kar Die Eintragung interlinear über dem Lemma nach der Oberlänge des h beginnend. Die Lesung des zweiten Teils als karo ist auch bezüglich des letzten Buchstabens sicher. Bei hoher Auflösung sind Spuren der Eintragung im Digitalisat sehr schwach erkennbar. exhiberentur: 3. Pl. Konj. Imperf. Passiv lat. exhibēre ‚hier: zur Verwirklichung bringen, ausüben, etwas bereiten‘ und daher im vorliegenden Kontext ‚etw. begehen‘ – GH 1,2552f.; die Bedeutung ‚bereiten‘ hier v. a. 2553. uuarun: 3. Pl. Ind. Prät. st. V. ahd. wesan ‚sein‘ – StWG 718. Hilfsverb mit prädikativ gebrauchtem Adjektiv. karo: Unflekt. Adj. ahd. garo ‚bereitet‘ – AWB 4,115 (Form), 116 (Bedeutung). StWG 192. SchG 3,402 – vgl. GSp 4,238. SpAW 1,288 [GARO]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist sonst nicht belegt.105 Semantisch nicht ganz äquivalente Wiedergabe des lateinischen Lemmas exhibēre ‚begehen‘, die mit dem Kontext und auch mit den allg. Bedeutungen von exhibēre jedoch vereinbar ist. Bezüglich der Glossierung der Passivform ist hier die Wiedergabe von lat. comeretur mit dem zur vorliegenden Stelle analogen garo uuesan bei Notker zu vergleichen (vgl. GötzLAN 117 und AWB 4,117 mit genauem Kontext). 151. f. 46v, Z. 7, exsequię – (Typ B) abahti Ein angesichts des fehlenden m evtl. zu erwartender Nasalstrich über dem ersten a ist nicht auszumachen. exsequię [= exsequiae]: Nom. Pl. lat. F. (Pluraletantum) exsequiae, -ārum ‚das Leichenbegängnis, der Leichenzug, feierliche Beerdigung‘ – GH 1,2607. abahti: Nom. Sg./Pl. st. N. ahd. ambahti ‚Dienst, Dienstleistung, Gottesdienst, Aufgabe, Pflicht‘ – vgl. AWB 1,319ff. StWG 23. SpAW 1,19f. SchG 1,134. Die lateinischalthochdeutsche Entsprechung ist bislang nicht belegt.106 Die im vorliegenden Kon-

|| 104 Mit A.38 über die unsichere Lesung des zweiten Teils der Glosse. 105 Vgl. GSp 4,238–240 und AWB 4,116–118 Belege für lat. (prae-)paratus, promptus, infulatus, expeditus, exertus, comere. 106 Vgl. AWB 1,320f.: Belege zu lat. officium, ministerium, sollicitudo, negotium, professio. Zu vergleichen sind darüber hinaus weitere Lemmata zum st. N. ambaht AWB 1,315ff.

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text etwa als ‚letzter Dienst, der dem Toten erwiesen wird‘ anzusetzende Bedeutung lässt sich aber vor dem Hintergrund der allgemeineren, für religiöse, rituelle Handlungen bereits mehrfach belegten Bedeutungsfunktion als ‚Gottesdienst‘107 motivieren. Zu vergleichen ist außerdem die im Abrogans belegte Übersetzung des verwandten lat. obsequium mit dem a-St. ahd. ambaht (vgl. GSp 3,25). Mit Blick auf das lateinische Lemma lässt sich auch ein tieferer Bezug herstellen. Beim lat. exsequiae handelt es sich um ein aus dem Deponens exsequor (‚nachfolgen, verfolgen‘ und auch ‚einer Leiche das Geleit geben‘ – GH 1,2608f.) abgeleitetes Pluraletantum. Für das früh aus dem Keltischen entlehnte ahd. ambahti verweist das EWA 1,195f. etymologisch auf ein latinisiertes gall. Wort ambactus, das gebildet wurde aus ambi- (< *idg. mbhi) ‚um ... herum‘ und dem Partizipialstamm zur Wurzel idg. *aĝ- ‚treiben‘. 152. f. 46v, Z. 11, elongata – (Typ B) kilanctiu – HDM 230,37. WS Nr. 97 (7) ... Qua / (8) ad caelum ducta, quanto chori psallentium altius / (9) ascendebant, tanto coepit psalmodia lenius audiri, / (10) quousque et eiusdem psalmodie (Ed. psalmodiae) sonitus et odoris sua/ (11) uitas elongata finiretur (IV,16; 265,68,75) ‚Als diese zum Himmel geleitet worden war, war der Gesang desto schwächer zu hören, je höher die Psalmenchöre kamen, bis sowohl der Psalmengesang als auch die ausgebreitete Süße des Wohlgeruches aufhörten.‘ elongata: Nom. Sg. F. des Part. Perf. lat. ēlongāre ‚entfernen; hier: sich verflüchtigen, sich ausbreiten‘ – GH 1,2390. kilanctiu: Nom. Sg. F. des st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. lengen ‚verlängern, ausdehnen‘ – StWG 369. RSV 1,106f. SchG 6,43 – vgl. GSp 2,230. SpAW 1,511 [LANG]. ,hier: sich verflüchtigen, ausbreiten‘. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt; die Übersetzung ist auch im vorliegenden Kontext äquivalent und zeichnet auch formal das Lemma kongruent nach. 153. f. 46v, Z. 17, replicabo – (Typ B) piuu du – HDM 230,38 piuendu. WS Nr. 98 piu en du (15) ... Unde et hoc, quod / (16) de tarsilla amita mea in omeliis euangelii dixis/ (17) se me recolo replicabo (IV,17; 265,68,4) ‚Daher werde ich auch das wiederholen, was ich mich erinnere über meine Tante Tharsilla in den Homilien zum Evangelium gesagt zu haben.‘ Insgesamt ist die Eintragung bei schräg versetztem Drauflicht von variierenden Seiten am besten zu lesen. piu befindet sich vor der Oberlänge des l des Lemmas. Danach folgt eine Spur, die bei schrägem Drauflicht als u zu lesen ist. Die beiden bei

|| 107 Vgl. hierzu die entsprechenden Belege für lat. ministerium und officium im AWB 1,320 und 316 (zu ambaht).

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Schulte auf piu folgenden Buchstaben konnten nicht identifiziert werden, evtl. sind Meritts und Schultes Lesungen aber auch durch noch weitere eingedrückte Spuren eines Instruments Typ A bedingt, die aber ebenfalls nicht zu identifizieren waren. Nach der Oberlänge des b des Lemmas, mit etwas Abstand über o beginnend, deutlich geritzt du. Die bei Schulte edierten Spatien sind durch die beiden Oberlängen des l und des b bedingt. replicabo: 1. Sg. Ind. Fut. lat. replicāre ‚(erzählend) wiederholen, noch einmal aufrollen‘ – GH 2,2325. piuu du: 1. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. biwenten ‚wiederholen‘ – StWG 710. RSV 1,256f. SchG 11,4 – vgl. GSp 1,758f. SpAW 1,1131 [WINTAN]. Binnenkürzung (oder Versparung), bei der lediglich das Präfix mit Anfang des Stamms und die Endung geschrieben wurden. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist nur im vorliegenden Fall belegt. Die Wiedergabe des lateinischen Futurs mit einer althochdeutschen Präsensform ist funktional adäquat. 154. f. 47r, Z. 20, coeuas – (Typ A) ebanaltiu – HDM 230,39. WS Nr. 99 (19) quod quadam nocte ei per uisionem sancta dei genetrix / (20) uirgo maria apparuit, atque coeuas ei in albis uesti/ (21) bus puellas ostendit (IV,18; 265,70,5) ‚dass ihr nämlich in einer Nacht in einer Vision die heilige Gottesgebärerin Jungfrau Maria erschien und ihr gleichaltrige Mädchen in weißen Kleidern zeigte‘. coeuas: Akk. Pl. F. lat. Adj. coaevus, -a, -um ‚gleichen Alters, gleichaltrig‘ – GH 1,1219. Habel/Gröbel 66. ebanaltiu: Akk. Pl. N. st. flekt. Adj. ahd. ebanalt ‚gleichaltrig‘ – AWB 3,4. StWG 114. SchG 2,342 – vgl. GSp 1,196. SpAW 1,164 [EBAN]. Die formeninkongruente Wiedergabe des Femininum Plural durch Neutrum Singular lässt sich evtl. durch ein hinzuzudenkendes Neutrum, z. B. das als Übersetzung für puella belegte althochdeutsche st. N. magatīn ‚Mädchen‘ (GötzLAN 539), mit dem ebanaltiu in Kongruenz steht, erklären. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 155. f. 47v, Z. 2, leue – (Typ B) loso – HDM 230,40. WS Nr. 100 (1) Cui cum puella eadem diceret: „Volo“, ab ea mandatum / (2) protinus accepit, ut nil ultra leue et puellare age/ (3) ret, a risu et iocis abstinere (Ed. abstineret) (IV,18; 265,70,10) ‚Als ihr dasselbe Mädchen sagte: ‚Ich will‘, empfing sie sogleich von ihr die Weisung, nichts Leichtfertiges und Mädchenhaftes mehr zu tun, sich des Lachens und Scherzens zu enthalten.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist durch den weit nach unten reichenden Haarstrich des darüberstehenden a in ab ea zwischen o und s getrennt. Bei hoher Auflösung sind Spuren der Eintragung im Digitalisat schwach erkennbar. leue: Nom./Akk. Sg. N. zum substantivisch gebrauchten Adj. lat. levis, -e ‚leichtfertig; subst. Leichtfertiges‘ – GH 2,626.

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loso: Adv. ahd. lōso ‚leichtfertig‘ – AWB 5,1301. StWG 385. SchG 6,161 – vgl. SpAW 1,552 [-LIOSAN]. Das Adv. ist nur hier belegt. Die Wiedergabe des lateinischen, substantivierten Adj. mit einem Adv., was neuhochdeutsch etwa als ‚nicht mehr leichtfertig zu handeln‘ wiedergegeben werden kann, ist formal zwar nicht kongruent aber funktional im vorliegenden Kontext adäquat. Die adjektivische Basis ahd. lōs der Adverbbildung ist gut belegt, u. a. auch als Übersetzung für das Adj. lat. levis (vgl. hierzu AWB 5,1278. GSp 2,267. StWG 384). 156. f. 47v, Z. 16, reuerenter – (Typ B) eirendo – HDM 230,41 rufendo mit Lemma reuerenter. WS Nr. 101 rufendo mit Lemmazuweisung uocanti (15) … Cui se etiam uocanti re/ (16) spondere coepit, et depręssis reuerenter oculis / (17) aperta uoce clamare: ‚Ecce, domina, uenio. Ecce, do/ (18) mina uenio‘ (IV,18; 265,70,24) ‚Als diese [die Gottesmutter] sie auch rief, antwortete sie und rief, die Augen ehrfürchtig niedergeschlagen, mit lauter Stimme: ‚Schau, Herrin, ich komme. Schau, Herrin, ich komme.‘‘ Die Position der Eintragung direkt über reuerenter gibt ausreichend Anlass, die Lemmazuweisung Schultes (1993: 199) zu korrigieren. Der dritte Buchstabe, der von Meritt und Schulte als f interpretiert wurde, weist keinen kurzen Querstrich durch den Schaft auf. Insgesamt ist der Buchstabe auch lediglich halbhoch und weist – soweit das feststellbar ist – keine wie bei f zu erwartende Oberlänge auf. Erkennbar ist ein Schaft mit einer an dessen oberem Ende angesetzter Zunge, was als r gelesen werden kann. Die Zunge dieses r reicht direkt an das folgende e heran. reuerenter: Adv. lat. reverenter ‚ehrerbietig, achtungsvoll‘ – GH 2,2375. eirendo: Adv. ahd. ērendo mit für germ. /ai/ in Monophthongierungsposition (BRG §43 u. A.7) ‚ehrerbietig, ehrfurchtsvoll‘. Die Adverbbildung108 zum Part. Präs. des sw. V. ahd. ēren oder ērēn ist noch nicht belegt – vgl. AWB 3,384. SchG 2,474. Die Eintragung wurde bei StWG 498 nach Meritts Edition als Einzeleintrag ruofento Adv. zu reverenter mit der Bedeutung ‚rufend‘ aufgenommen. SchG 8,30 verzeichnet den Beleg unter dem Verb ahd. ruofen. Die Eintragungen dort sind zu streichen. 157. f. 47v, Z. 19, habitatura – (Typ A) farantiu – HDM 230,42. WS Nr. 102 (18) … In qua etiam uoce spiritum reddidit, et ex / (19) uirgineo corpore habitatura cum sanctis uirginibus / (20) exiuit. ... (IV,18; 265,72,26) ,Mit diesen Worten hauchte sie ihre Seele aus und verließ den jungfräulichen Leib, um bei den heiligen Jungfrauen zu weilen.‘ Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei hoher Auflösung sind Spuren davon im Digitalisat schwach erkennbar.

|| 108 Zur Bildung von Adverbien aus dem Part. Präs. der sw. V. vgl. Heinle (1987).

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habitatura: Nom. Sg. F. des Part. Futur lat. habitāre ‚irgendwo sich befinden, wohnen‘ – GH 1,2998. farantiu: Nom. Sg. F. des st. flekt. Part. Präs. st. V. ahd. faran ‚hier: leben, weilen‘ – AWB 3,571 (Form), 586 (Bedeutung). StWG 140. SchG 3,54 – vgl. GSp 3,548. SpAW 1,204 [FARAN]. Auch wenn semantisch zunächst die Wiedergabe des gerade auf Unbeweglichkeit abzielenden lateinischen Verbs habitāre mit dem in erster Linie auf Bewegung gerichteten ahd. faran nicht ganz äquivalent erscheint, kann sie im vorliegenden Kontext unter der Berücksichtigung der im AWB 3,589f. (unter B) für faran belegten Bedeutungsfunktion einer grundsätzlichen Verhaltens- und Handlungsweise ‚sich verhalten = (dahin)leben, existieren, sein‘ als adäquat betrachtet werden. Formal wurde dabei das flektierte lateinische Part. Futur mit dem flektierten althochdeutschen Part. Präs. den Möglichkeiten des althochdeutschen Systems entsprechend wiedergegeben. Unnötig konstruiert erscheint dagegen der Ansatz eines das lateinische Part. Futur umschreibenden, allerdings im vorliegenden Fall dann unvollständig wiedergegebenen Syntagmas faran + Inf. zur Angabe des Zweckes, wie er im AWB 3,586 favorisiert wird.109 GötzLAN 298 hat auf dieser Grundlage die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung als habitaturus ‚wohnen werdend‘ – faranti + (sc[ilicet] bū[uu]an) ‚im Begriff sein zu wohnen‘ aufgenommen. Die Übersetzung von habitāre mit faran ist sonst nicht belegt. 158.–159. f. 48r, Z. 2 (f. 47v, Z. 24) Nam sunt quorundam iustorum animae, quae a cae// (f. 48r, Z. 1) lesti regno quibusdam adhuc mansionibus differuntur. / (2) In quo dilationis damno quid aliud innuitus (Ed. innuitur), nisi quod / (3) de perfecta iustitia aliquid minus habuerunt? (IV,26; 265,84,4) ‚Denn es gibt Seelen gewisser Gerechter, die noch einige Stationen vom Himmelreich entfernt sind. Was anderes wird durch diese Strafe der Verzögerung [bei der Aufnahme in den Himmel] angezeigt, als dass sie etwas weniger von der vollkommenen Gerechtigkeit hatten?‘ 158. f. 48r, Z. 2, dilationis – (Typ B) kilengida – HDM 230,43. WS Nr. 103 Die Eintragung beginnt nach der Oberlänge des l des Lemmas. Bei hoher Auflösung sind im Digitalisat sehr schwach Spuren davon zu erkennen. dilationis: Gen. Sg. lat. F. dīlātio, -ōnis ‚Aufschub, Verzögerung‘ – GH 1,2164. kilengida: Gen. Sg. st. F. ahd. gilengida ‚Verlängerung, Verzögerung, Aufschub‘ – AWB 5,810. StWG 210. SchG 6,44 – vgl. GSp 2,225. SpAW 1,512 [LANG]. Die grammatische Bestimmung erfolgt unter Annahme von Formenkongruenz. Das Wort ist in dieser Bedeutung nur hier belegt. Alle anderen Belege sind Übersetzungen für

|| 109 Zur Diskussion des Ansatzes vgl. auch Schulte (1993: 200).

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lat. affīnitās ‚Nachbarschaft, Verwandtschaft‘ (GH 1,230) bzw. cōnfīnium ‚Grenze, Grenzlinie‘ (GH 1,1448). AWB, StWG und SpAW setzen deshalb auch zwei Homonyme gilengida1 ‚Verwandtschaft‘ und gilengida2 ‚Verzögerung‘ an. SchG subsumiert alle unter einem Eintrag. Die Übersetzung kann unter Berücksichtigung der Bedeutung der der Abstraktbildung zugrundeliegenden verbalen Basis sw. V. ahd. (gi)lengen ‚verlängern, ausdehnen, aufschieben‘ (vgl. RSV 1,107. SchW 170. SpAW 1,511) als äquivalent betrachtet werden. Das Wort passt auch in das vorherrschende bei Dittmer (1987: 291f., 302) zusammengefasste Muster der ida-Bildungen: Es ist zu einer einsilbigen Basis (-lang-) aus einem jan-Verb mit Präfix gebildet. 159. f. 48r, Z. 2, damno – [a] (Typ A) nidarunk. – HDM 230 45. WS Nr. 104, beide nidarunku – [b] (Typ B) v Eintragung vom Typ A interlinear über dem Lemma. Am Ende der von Meritt und Schulte bereits als nidarunku gelesenen Eintragung findet sich über der Oberlänge des d von quid ein wohl von anderer Hand mit einem Instrument Typ B geritztes v. Hinter dem k und vor der Oberlänge des d befindet sich eine schwach eingedrückte Spur vom Instrument Typ A, die evtl. als Schräge eines a interpretiert werden kann. Die Spuren lassen darauf schließen, dass die Eintragung bezüglich des letzten Buchstabens von einer anderen Hand korrigiert oder zumindest verdeutlicht wurde. damno: Abl. Sg. lat. N. damnum, -ī ‚Buße, Strafe‘ – GH 1,1879ff. [a] Typ A: nidarunk.: Nom. (?) /Dat. (?) Sg. zum st. F. ahd. nidarunga ‚Verdammung, Strafe‘ – AWB 6,1251. StWG 439. SchG 7,95 – vgl. GSp 2,992. SpAW 1,668 [NIDA]. Eine Entscheidung über Formenadäquatheit (mit dem ahd. Dat. Sg. für den lat. Abl.) oder -inkongruenz ist aufgrund des paläographischen Befundes nicht möglich. Die Abstraktbildung mit -unga zur verbalen Basis ginidaren (vgl. hierzu Dittmer 1987: 301) ist nur noch ein weiteres Mal aus dem Tatian für lat. damnātiō belegt. Die Übersetzung kann damit semantisch auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der verbalen Basis sw. V. (jan) ahd. (gi)nidaren ‚erniedrigen, demütigen, verdammen‘ (AWB 6,1238f. StWG 439) als äquivalent betrachtet werden. [b] Typ B: [nidarunk]v: Die Spur lässt sich am wahrscheinlichsten als Korrektur interpretieren, die evtl. eine formeninkongruente Eintragung von Typ A (nidarunka) in Richtung der Formenadäquatheit (nidarunkv) korrigiert oder die vielleicht nur schwach lesbare Endung einer bereits adäquaten Form verdeutlicht. 160. f. 48r, Z. 22, perfruuntur – (Typ A) sintpruhhanti – HDM 230,47 sinzpruhhanti. WS Nr. 105 sint pruhhanti (20) GREGORIUS: Hoc eis nimirum crescit in iudicio, quod / (21) nunc animarum sola postmodum uero etiam corpo/ (22) rum beatitudine perfruuntur, ut in ipsa quoque / (23) carne gaudeant, in qua dolores pro Domino cruciatos/ (24) que (Ed. cruciatusque) pertulerunt (IV,26; 265,86,25) ‚GREGORIUS: Ihnen wird am Tag des Gerichtes allerdings das als Steigerung zuteil, dass sie jetzt die Glückseligkeit der Seelen al-

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lein, später aber auch die der Körper genießen, sodass sie sich nun auch im Fleisch selbst erfreuen, in dem sie für den Herrn Schmerzen und Qualen litten.‘ Die beiden Wörter sind – entgegen der Edition Schultes – ohne Lücke geschrieben. Meritts Lesung des t in sint als z wurde bereits von Schulte korrigiert.110 Sie rührte evtl. von der Ligatur von n und t her, in der das t eine gewisse Ähnlichkeit mit einem z hat: Es besteht aus einem gestürzten t, einem Balken unten, der sich direkt an die letzte Haste des n anschließt, und aus einem leicht nach rechts geneigten langen Schaft. Bei hoher Auflösung sind Spuren der Eintragung im Digitalisat schwach erkennbar. perfruuntur: 3. Pl. Ind. Präs. lat. Deponens perfruī ‚vollständig genießen, sich laben, sich erquicken an etw.‘ – GH 2,1593. sint: 3. Pl. Ind. Präs. an. V. ahd. sīn (StWG 524. GSp 1,481. SpAW 1,815) in einem Verbalgefüge mit dem Part. Präs. von ahd. prūhhan in der Bedeutung ‚genießen‘. pruhhanti: Unflekt. Part. Präs. st. oder sw. V. brūhhan, brūhhen ‚brauchen, genießen, ein Amt ausüben; hier: genießen‘ – AWB 1,1430 mit Diskussion zur Beurteilung als st. oder sw. V. (Form), 1431 (Bedeutung). StWG 80. SchG 2,55 – vgl. GSp 3,279. SpAW 1,109 [BRÛHHAN]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt, vgl. auch die Eintragung Nr. 113 perfrui – (Typ A) pruhanti uuesan. 161. f. 48r, Z. 24, geminata – (Typ A) kazuiualtot – HDM 230,48. WS Nr. 106 (f. 48r, Z. 24) Pro hac quippe geminata eorum gloria // (f. 48v, Z. 1) scriptum est: In terra sua duplicia possidebunt (IV,26; 265,86,27; Is. 61,7) ‚Über diese freilich verzweifachte Herrlichkeit steht für sie geschrieben: ‚In ihrem Lande werden sie Doppeltes besitzen‘.‘ Bei hoher Auflösung sind Spuren der Eintragung im Digitalisat schwach erkennbar. geminata: Abl. Sg. F.; in Kongruenz mit glōria; der Abl. ist von der Präp. pro (GH 2,1930) regiert. Part. Perf. lat. gemināre ‚verdoppeln‘ – GH 1,2910. kazuiualtot: Unflektierte, adjektivisch gebrauchte Form des Part. Prät. zum sw. V. ahd. zwifaltōn ‚verdoppeln‘ – StWG 774. RSV 2,199f. SchG 11,485 – vgl. GSp 5,720. SpAW 1,1204 [ZWĒNE]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. Formeninkongruente Übersetzung mit der unflektierten Partizipialform.111

|| 110 Zu einer anderen Verwechslung von t mit z vgl. auch Nr. 137. 111 Theoretisch besteht natürlich die Möglichkeit einer Verwechslung des Abl. geminata mit dem Nom. Sg. F., wie es Schulte (1993: 201) vermutet. Die Annahme scheint aber nicht zwingend, da auch dann die Formeninkongruenz der Glossierung bestehen bleibt und aus dem Kontext eine solche Verwechslung nicht unbedingt zu motivieren ist.

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162. f. 49r, Z. 14, trahitur – (Typ B?) kizogan (13) Sicque fit ut res corporea incorpoream exurat, dum / (14) ex igne uisibili ardor ac dolor inuisibilis trahitur, ut / (15) per ignem corporeum mens incorporea etiam incor/ (16) porea flamma crucie#tur112 (IV,30; 265,100,13) ‚So geschieht es, dass ein körperliches ein geistiges Wesen verbrennt, indem aus dem sichtbaren Feuer eine unsichtbare Hitze und ein unsichtbarer Schmerz gezogen wird, sodass durch das körperliche Feuer der körperlose Geist auch mit körperloser Flamme gepeinigt wird.‘ Fein, spitz, wie andere Glossen von Typ B, aber geprägt. Die Endung an ist schwer zu erkennen. Alle Glossen dieser Seite von gleicher Hand. Die Eintragung ist insgesamt relativ schwach, aber bei wechselndem, leicht schrägen Drauflicht und entsprechender Augenstellung aus der entgegengesetzten Richtung lesbar. Die Buchstaben i und z sind durch die Oberlänge des h von trahitur voneinander getrennt. Die ersten Buchstaben kizo sind gut bei schrägem Drauflicht von rechts erkennbar. Die restlichen besser von links (v. a. das g, das in der Unterlänge aufgrund der sehr schwachen und oberflächlichen Prägung nur an einem leichten Glanz der Pergamentoberfläche erkennbar ist). Die danach folgenden Buchstaben sind sehr schwach geprägt und nur nach längerer Autopsie – dann aber deutlich – erkennbar. Über non solum Z. 17/18 finden sich Spuren von einen Instrument Typ B, die nicht identifiziert werden konnten (vgl. Kap. 2.3.3). trahitur: 3. Sg. Ind. Präs. Passiv lat. trahere ‚ziehen‘ – GH 2,3172. kizogan: Part. Prät. zum st. V. ahd. ziohan ‚nähren (= aufziehen), führen; hier: ziehen‘ – vgl. GSp 5,600. StWG 764. SpAW 1,1190 [ZIOHAN]. SchG 11,414. Die lateinischalthochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt. 163. f. 49r, Z. 16, colligere – (Typ B?) fir sten (16) … Quamuis colligere (Ed. collegere) / (17) dictis euangelicis possumus quia incendium anima non / (18) solum uiuendo (Ed. uidendo), sed (Ed. zusätzl. etiam) experiendo, fatetur (Ed. patiatur) (IV,30; 265,100,15) ,Indessen können wir aus den Worten des Evangeliums folgern, dass die Seele das Brennen nicht bloß im Leben [Ed. Sehen], sondern im Erfahren bekennt [Ed. erleidet].‘ Zwischen fir und sten befindet sich eine Lücke, die evtl. durch eine Pergamentfalte nach dem r bedingt ist, auf der sich schlecht schreiben lässt, sodass der Glossator auf den Platz danach auswich; fir endet direkt über dem zweiten l, sten beginnt über dem g von colligere. Nicht auszuschließen ist, dass durch die Lücke auch die Bildung des lateinischen Lemmas durch die Glossierung verdeutlicht werden sollte. Über dem von anderer Hand nachgetragenen us in Z. 17 possumus findet sich noch

|| 112 Z. 16: Hs. crucietur: nach e wurde ein n ausradiert.

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eine Eintragung mus mit Griffel, die wohl als Textkorrektur interpretiert werden kann. Über solum in Z. 18 eine Griffeleintragung, die nicht zu identifizieren war. colligere: Inf. lat. colligere ‚zusammenlesen, sammeln, zusammenstellen‘ und dadurch: ‚den Schluss ziehen, folgern, schließen‘ – GH 1,1265ff., hier v. a. 1267. fir sten: Inf. zum an. V. ahd. firstēn/firstān ‚begreifen, verstehen, erkennen, zur Einsicht gelangen‘ – vgl. StWG 585. GSp 6,593. SpAW 1,923 [STĀN]. SchG 9,161. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist zwar für das Wurzelverb noch nicht belegt,113 zu vgl. ist aber die Wiedergabe von colligere mit dem st. V. ahd. firstantan (vgl. GSp 602f.; KöblerLAW 154) mit gleicher Bedeutung in einem Bibelglossar im Clm 19440. Ebenfalls zu vgl. sind die Glossen G6 und G89 im Clm 21525 mit firstantan und firsten zu lat. dēprehendere (Kap. 5). Die Übersetzung ist formenkongruent und im Kontext semantisch äquivalent. Vgl. zur Form bair./frk. stēn BRG §382 und Glosse Nr. 130 uuidarstat mit alem. Lautung von anderem Instrument. 164. f. 49v, Z. 4, rigorem – (Typ B) fuhti – HDM 231,1 suhti114. WS Nr. 107 fuhti (2) ... PETRUS: Ecce ratione ac testimo/ (3) nio ad credulitate (Ed. credulitatem) flectitur animavs115 (Ed. animus), sed dimissus / (4) iterum ad rigorem redit. ... (IV,30; 265,102,26) ‚PETRUS: Sieh, durch einen Vernunftgrund und durch ein Zeugnis wird das Herz zum Glauben bewegt,116 aber freigelassen kehrt es wieder zur Härte zurück.‘ Schultes Lesung des ersten Buchstabens als f hat aufgrund der paläographischen Ähnlichkeit von f und s gute Gründe. Direkt an den Schaft des ersten Buchstabens schließt sich hier eine zunächst waagerecht nach rechts und dann nach unten in den linken Bogen des u mündende Ritzung an. Die waagerechte Spur kann als Querstrich des f interpretiert werden (wobei der Querstrich hier nicht durch den Schaft hindurch verläuft, sondern lediglich an ihn anschließt) oder eben als Verbindungslinie zum folgenden u. rigorem: Akk. Sg. lat. M. rigor, -ōris ‚Unbiegsamkeit, Härte‘ – GH 2,2394. fuhti: Akk. Sg. sw. F. ahd. fūhtī ‚Feuchtigkeit‘ – AWB 3,1315117. StWG 182. SchG 3,323 – vgl. GSp 3,446. Es handelt sich wohl um eine Fehlglossierung, bei der lat. rigor evtl. fälschlich auf das Verb lat. rigare ‚bewässern‘ bezogen wurde (zu ähnlichen Fehlglossierungen vgl. auch Schulte 1993: 202 mit A.550). Zu bedenken ist aber, dass durch die Glossierung auch auf die Verwechslungsmöglichkeit hingewiesen werden sollte.

|| 113 Vgl. GötzLAN 115. SchG 9,161. GSp 6,593 Belege zu lat. sentire, intelligere, deprehendere, sapere. 114 Mit A.42 über die Lesung des ersten Buchstaben als s. 115 Das urspr. fehlerhafte a in animas wurde durch übergeschriebenes v zu animus korrigiert. 116 Die Version der Hs. macht keinen Sinn. 117 Der Beleg ist hier in der Lesung Meritts suhti als verschrieben für fuhti verzeichnet.

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165. f. 51r, Z. 9, exalans – (Typ B) uf – HDM 231,2. WS Nr. 108 (6) ... Aiebat enim, / (7) sicut tunc res eadem etiam multis innotuit, quia pons / (8) erat118, sub quo niger atque caligosus foetoris intole/ (9) rabilis nebula exalans (Ed. exhalans) fluuius decovrrebat119 (Ed. decurrebat) (IV,37; 265,130,62) ‚Er sagte nämlich, wie dieselbe Sache damals auch vielen bekannt wurde, dass es eine Brücke gab, unter der ein schwarzer und düsterer Fluss dahinströmte, einen Nebel von unerträglichem Gestank ausdünstend.‘ Die Eintragung über xa des Lemmas. Die Lesung als uf ist eindeutig. Im Digitalisat ist die Glosse bei hoher Auflösung gut zu erkennen. exalans: Part. Präs. lat. exhālāre ‚ausdünsten, aushauchen‘ – GH 1,2551. uf: Adv. ahd. ūf ‚aufwärts, empor‘ – StWG 651. SchG 10,153 – vgl. GSp 1,169. SpAW 1,1041 [ŪF]. Es handelt sich vermutlich um eine Glossierung des lateinischen Präfixes ex-, das nicht mit Präp./Präfix ahd. ūz ‚aus, heraus‘ (GSp 1,537), sondern interpretierend mit dem Adv. ahd. ūf glossiert wurde, um das Aufsteigen des Nebels zu verdeutlichen. Zu vgl. ist hierzu etwa die bei GötzLAN 238 belegte Übersetzung von lat. exhālāre mit ahd. ūzblāsan. 166. f. 51r, Z. 23, probatio – (Typ B) pichorun. – HDM 231,3 pichorunc. WS Nr. 109 pichorun.. (f. 51r, Z. 23) Haec uero erat in praedicto ponte probatio, ut quis/ (24) quis per eum iniustorum uellit (Ed. uellet) transire, in tenebroso // (f. 51v, Z. 1) fetentique (Ed. foetentique) flu##uio120 laueretur (Ed. laberetur) (IV,37; 265,130,76) ‚Dieses aber war die Probe auf der zuvor erwähnten Brücke, dass in dem düsteren und stinkenden Fluss einsänke, wer auch immer von den Ungerechten sie überschreiten wollte.‘ Das n befindet sich genau über dem t von ut. Es ist nur oberflächlich geritzt und daher nur schwach zu erkennen. Danach ist noch die Spur eines weiteren Buchstabens (c?) vorhanden, was jedoch nicht eindeutig zu sichern war. Der Eintragung sehr ähnlich sind Nr. 162 und 163. probatio: Nom. Sg. lat. F. probātio, -ōnis ‚Prüfung, Erprobung, Probe‘ – GH 2,1932f. pichorun.: st. F. ahd. bikorunga ‚Versuchung; hier: Probe, Prüfung‘ – AWB 5,328. StWG 54. SchG 5,298 – vgl. GSp 4,523. SpAW 1,457 [KIOSAN]. Die mit bi- präfigierte Form ist in den Glossen nur hier und bei Notker (vgl. SchG 5,298) für lat. temptātio belegt (vgl. GSp 4,523). Zu vergleichen ist aber die unpräfigierte Form korunga, für die auch das lateinische Lemma probātio (u. a. aus dem Abrogans) belegt ist (GSp 4,522f.).

|| 118 t in erat steht auf Rasur, vor e wurde ein Buchstabe radiert. 119 Über o wurde v korrigiert. 120 Zwischen den beiden u von fluuio wurden zwei Buchstaben radiert.

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167.–168. f. 51v, Z. 16–17 (14) Ibi (Ed. zusätzl. se) etiam quendam (Ed. quemdam) peregrinum presbyterum uidisse / (15) fatebatur, qui ad praedictum pontem ueniens, tan/ (16) ta per eum auctoritate transiit, quanta et hic / (17) sinceritate uixit (IV,36; 265,132,93) ‚Er behauptete auch, einen gewissen fremden Priester dort gesehen zu haben, der, als er zu der zuvor erwähnten Brücke kam, sie mit einer ebenso großen Entschlossenheit überschritt, wie er auch hier mit großer Rechtschaffenheit gelebt hatte.‘ 167. f. 51v, Z. 16, auctoritate – (Typ A) katursti – HDM 231,4. WS Nr. 110 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die in der Edition Schultes suggerierte Getrenntschreibung zwischen r und s (katur sti) ist durch die Unterlänge des p von praedictum in der Zeile darüber bedingt. auctoritate: Abl. Sg. lat. F. auctōritās, -ātis ‚die Förderung eines Entschlusses, der Antrieb, die Autorität = Entschlossenheit‘ – GH 1,706ff. katursti: Dat. Sg. st. F. ahd. giturst ‚Kühnheit, Wagnis; hier: Entschlossenheit‘ – StWG 225. SchG 10,122 – vgl. GSp 5,443. SpAW 1,1036 [-TURRAN]. Die lateinischalthochdeutsche Entsprechung ist noch nicht belegt. Die Übersetzung ist im Kontext adäquat. Vgl. ansonsten die Glosse Nr. 86 ausum – (Typ B) katurst. 168. f. 51v, Z. 17, sinceritate – (Typ B) h.ut̄lihho – HDM 231,5 k. . . lihho. WS Nr. 111 kat..ulihho Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist bei leicht schrägem Drauflicht von links erkennbar; h deutlich, wobei eine schräg nach rechts oben weglaufende Kratzspur vermutlich Meritt und Schulte zur Lesung als k verleitet hat. Der danach folgende Buchstabe besteht aus einer unsicheren langen Ritzung. Über t ist ein Querstrich erkennbar, der als Kürzungszeichen (t̄ = ter) interpretiert werden kann. Die Endung lihho über itat des Lemmas ist zweifelsfrei zu erkennen. Im Digitalisat sind bei hoher Auflösung sehr schwach Spuren der Eintragung erkennbar. sinceritate: Abl. Sg. lat. F. sincēritās, -ātis ‚Aufrichtigkeit, Rechtschaffenheit‘ – GH 2,2681. h.ut̄lihho (= h.ut[er]lihho): Adverbbildung ahd. hlūttarlīhho zum Adj. ahd. hlūttarlīh ‚aufrichtig, ehrlich‘ (vgl. AWB 5,1456). Die Adverbbildung ist im Althochdeutschen bislang nicht belegt, vgl. aber das Adv. ahd. (h)lūttarlīchen (AWB 5,1456. EWA 5,1553) und as. (h)lūttarlīko (AWB 5,1456). Die formeninkongruente Wiedergabe des ablativischen Substantivs sincēritāte mit einem althochdeutschen Adverb ist im Kontext funktional adäquat. Die Eintragung ist auf der Basis der Lesungen und Konjekturen Meritts und Schultes bereits bei StWG 225 und SchG 10,56 als fraglicher Beleg zu ahd. gitriu[wi]līhho ‚rechtschaffen‘ verzeichnet und dort zu streichen.

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169. f. 51v, Z. 22, (co)/xas – (Typ A) deoh – HDM 231,7. WS Nr. 112 (19) Qui dum transire uoluisset, eius pes lapsus est, et ex / (20) medio corpore iam extra pontem deductus (Ed. deiectus), a quibus / (21) dam teterrimis uiris ex flumine surgentibus per co/ (22) xas deorsum, atque a quibusdam albatis121 et speciosissimis / (23) uiris coepit per brachia sursum trahi (IV,37; 265,132,98) ‚Als dieser [Stephanus] hinübergehen wollte, strauchelte sein Fuß, und als er mit halbem Körper schon außerhalb der Brücke gefallen war, begann er von einigen furchtbaren Männern, die aus dem Fluss aufstiegen, an den Hüften abwärts und von einigen weißgekleideten und überaus schönen Männern an den Armen aufwärts gezogen zu werden.‘ Die Eintragung interlinear über dem zweiten Teil des durch Zeilensprung getrennten Lemmas. Sie ist bei hoher Auflösung schwach im Digitalisat erkennbar. coxas: Akk. Pl. lat. F. coxa, -ae ‚Hüfte; Pl.: Hüftgelenke‘ – GH 1,1729. deoh: Akk. Pl. st. N. ahd. dioh ‚Hüfte, Bein, (Ober-)Schenkel‘ – AWB 2,512. StWG 101. SchG 2,245 – vgl. GSp 5,118. SpAW 1,141 [DIOH]. Die grammatische Bestimmung erfolgt (wie auch im AWB) unter Annahme von Formenkongruenz mit dem lateinischen Lemma, formal ist auch eine Glossierung mit der Grundform denkbar. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt (vgl. auch GötzLAN 157). 170. f. 51v, Z. 24, luctamen ess& – (Typ A) rinkantiuuesan – HDM 231,8 mit A.44 rinkanti. WS Nr. 113 rinkanti uu esan (f. 51v, Z. 23) … Cumque hoc / (24) luctamen esset, ut hunc boni spiritus sursum, mali deorsum // (f. 52r, Z. 1) traherent, ipse qui haec uidebat ad corpus reuersus est (IV,37; 265,132,100) ‚Und während dieses Ringen stattfand, wobei diesen die guten Geister aufwärts, die bösen abwärts zogen, kehrte derjenige, der dieses sah, zum Leib zurück.‘ Die beiden Wörter interlinear über dem Lemma sind ohne Lücke geschrieben; u und e in uuesan sind durch die Unterlänge des p von coepit in der Zeile darüber getrennt. Im Digitalisat sind bei hoher Auflösung sehr schwach Spuren der Eintragung erkennbar. luctamen: Nom. Sg. lat. N. luctāmen, -inis ‚das Ringen, der Ringkampf‘ – GH 2,713. ess&: 3. Sg. Konj. Imperf. Akt. lat. esse ‚sein, vorhanden sein, stattfinden‘ – GH 2,2918ff. rinkanti: Unflekt. Part. Präs. st. V. ahd. ringan ‚ringen‘ – StWG 486. SchG 7,421 – vgl. GSp 2,528. SpAW 1,751 [RINGAN]. Der Beleg wurde bei StWG 486 und SpAW 1,751 als Hapax legomenon eines st. F. rinkantī ‚das Ringen, der Kampf‘ verzeichnet. Die

|| 121 In der Handschrift wurde das l in albatis aus b korrigiert.

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Annahme eines Substantivs ist nach der vorgenommenen Korrektur des paläographischen Befundes und der Berücksichtigung der Glossierungspraxis nicht mehr aufrechtzuerhalten (vgl. auch Schulte 1993: 206). Die Glossierung mit dem Part. Präs. + Hilfsverb, die in der Handschrift ausnahmslos bei lateinischen Deponentien erfolgt, lässt sich evtl. auch im vorliegenden Fall erklären, wenn das der Bildung luctāmen zugrundliegende Deponens luctārī ‚kämpfen, ringen‘ (GH 2,714) berücksichtigt wird. uuesan: Inf. st. V. ahd. wesan ‚sein‘ – StWG 718. SchG 11,79 – vgl. GSp 1,1053. SpAW 1,1111, hier in einem Syntagma mit dem Part. Präs. von ahd. ringan. 171.–173. f. 52r, Z. 9–10 (8) … Sed / (9) in illo oculti arbitris examine quid in eo uicerit, et / (10) nos et eum qui uidit et reuocatus est latet (IV,37; 265,132,109) ‚Was aber bei jener Prüfung des verborgenen Schiedsrichters siegte, ist uns und dem verborgen, der es sah und zurückgerufen wurde.‘ 171. f. 52r, Z. 9, arbitris – (Typ A) sonares – HDM 231,11. WS Nr. 114 son ares Die Eintragung interlinear über dem Lemma. arbitris: Variante (vgl. Schulte 1993: 206) zu arbitri: Gen. Sg. lat. M. arbiter, -trī ‚Augenzeuge, Schiedsrichter‘ – GH 1,534f. sonares: Gen. Sg. zum st. M. ahd. suonāri ‚Schiedsrichter‘ – StWG 611. SchG 9,355 – vgl. GSp 6,244. SpAW 1,968 [SUONA]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist nur noch ein weiteres Mal aus dem Glossar Rb belegt (StSG 1,388,24). 172. f. 52r, Z. 9, examine – (Typ A) sónu – HDM 231,10. WS Nr. 115 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Der Akut auf dem o ist deutlich und zweifelsfrei. examine: Abl. Sg. lat. N. exāmen, -minis ‚Untersuchung Prüfung‘ – GH 1,2506. sónu: Dat. Sg. st. F. ahd. suona ‚Urteil, Entscheidung, Prüfung‘ – StWG 610. SchG 9,355 – vgl. GSp 6,242. SpAW 1,968 [SUONA]. Funktional adäquate Übersetzung des Ablativs mit dem Dativ. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist nur noch einmal, allerdings mit einem Zusatz, als examen – not suana aus dem Codex Oxford, Bodleian Library Jun. 25 mit Glossen zu den Homilien Gregors des Großen belegt (StSG 2,315,58). Der Akut als Längenzeichen wird meist auf ags. Schreibgewohnheiten zurückgeführt und ist in den ältesten Denkmälern am häufigsten zu finden, besonders oft in der Wiener ‚Samanunga‘-Handschrift R (vgl. BRG §8c,A.7).

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173. f. 52r, Z. 10, lat& – (Typ B) pimitanist – HDM 231,12. WS Nr. 116 Die Eintragung interlinear über dem Lemma, die beiden Wörter sind ohne Lücke geschrieben. lat& [= latet]: 3. Sg. Ind. Präs. Akt. lat. latēre ‚verborgen sein, versteckt sein‘ – GH 2,573. pimitan: Unflekt. Part. Prät. st. V. ahd. bimīdan ‚ausweichen meiden; hier: verbergen‘ – AWB 6,546122. StWG 412. SchG 6,364 – vgl. GSp 2,675. SpAW 1,621 [MĪDAN]. ist: 3. Sg. Ind. Präs. an.V. ahd. sīn ‚sein‘ – StWG 525. SchG 8,216 – vgl. GSp 1,481. Die passivische Bedeutung von lat. latēre wird hier mit einer adäquat umschreibenden Konstruktion mit Part. Prät. + finitem Hilfsverb sīn wiedergegeben, die auch aus anderen Glossierungen und Übersetzungen bekannt ist.123 174. f. 52r, Z. 19, uitare – (Typ A) piuuisan – HDM 231,13. WS Nr. 117 (17) ... ut isti uide/ (18) ant mala quae caueant, illi uero eo amplius puniantur, / (19) quo inferni supplicia nec uisa et cognita uitare uolue/ (20) runt. ... (IV,37; 265,134,120) ‚dass diese die Übel sehen sollen, vor denen sie sich in Acht nehmen sollen, jene aber umso mehr bestraft werden sollen, weil sie die Strafen der Hölle auch nicht als sie sie gesehen und kennengelernt hatten, meiden wollten‘. uitare: Inf. lat. vītāre ‚meiden, vermeiden‘ – GH 2,3524. piuuisan: Inf. st. V. ahd. biwīsan ‚meiden‘ – StWG 738. SchG 11,221 – vgl. GSp 1,1065. SpAW 1,1140 [WĪSAN]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 175. f. 52r, Z. 23, m&allis – (Typ A) kaizimprida – HDM 231,14 kazimprun. WS Nr. 118 kazimpr.. (22) Ridiculum est ualde, si credimus quod in illa uita adhuc / (23) metallis talibus egeamus (IV,37; 265,134,124) ‚Es ist sehr lächerlich, wenn wir glauben, dass wir in jenem Leben noch solche Baumaterialien benötigen.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Zwischen a und z ist deutlich ein senkrechter Schaft erkennbar, der von der Höhe der Oberlängen bis unter die Grundlinie

|| 122 Die im AWB mit ‚?‘ versehene Datierung der Eintragung ins 10. Jahrhundert ist irreführend, da nicht klar wird, ob sich diese Datierung auf paläographische und/oder sprachliche Einschätzungen bezieht. Sie scheint zudem aus beiden Gründen unzutreffend zu sein. Vgl. hierzu auch Kap. 2.5 zur zeitlich-geographischen Analyse. 123 Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist in dieser Form auch aus dem ahd. Tatian belegt, allerdings in anderem Tempus: [non] latuit – bimitan [ni]uuas. – vgl. Masser (1994: 205,26). Die Umschreibung von latēre mit der Passivkonstruktion Part. Prät. + Hilfsverb hat darüber hinaus auch mit anderen Lexemen Parallelen. Zu vgl. sind diesbezüglich die entsprechenden Belege firholan uuerdan, firholan uuesan, giholan uuesan u. a. bei GötzLAN 368.

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reicht. Da eine Interpretation als eine die Wortbildung markierende Trennlinie zwischen Präfix und Grundmorphem unwahrscheinlich erscheint (ka/zimprida), ist wohl i anzusetzen. Die Endung ida, deren a sich direkt über dem l des folgenden Wortes talib; befindet, ist deutlich erkennbar. Bei hoher Auflösung sind Spuren der Eintragung im Digitalisat erkennbar. Auf der Endung ida finden sich zusätzlich kleine Ritzspuren eines Instruments Typ B, die wir aber nicht als sprachlich identifizieren konnten. m&allis [= metallis]: Abl. Pl. lat. N. metallum, -ī ‚Metall, Gold, Silber usw.; auch andere Mineralien wie Marmor, Schwefel, Salz‘; in metonymischer Verwendung auch ‚Grube, Bergwerk‘ – GH 2,902. Zur Kontextbedeutung ‚Baumaterial‘ vgl. bereits Schulte (1993: 208). kaizimprida: Nom. Sg. st. F. ahd. gizimbarida ‚Bauwerk, Bau; hier: Baumaterial‘ – vgl. StWG 230. SpAW 1,1188 [ZIMBAR]. SchG 11,405. Formeninkongruente Übersetzung mit der Grundform. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist noch nicht belegt. Das Wort ist sonst nur noch zweimal aus dem Abrogans zu den Lemmata aedificium und fabricatio belegt (SchG 11,405). Zu vergleichen ist die Übersetzung von metallum mit dem verwandten st. N. gazimbari im Bibelglossar des Clm 18140 (GSp 5,670). Die Graphie ist im Präfix sonst nicht belegt und findet höchstens eine Parallele in der ebenfalls singulären Graphie kae- aus dem ‚Freisinger Paternoster‘ B (vgl. SchABG §32). Evtl. ist daher auch mit einer Doppelglossierung zu rechnen, bei der das ka-Präfix zu ki- korrigiert wurde. Der Beleg wurde auf der Basis der Edition Meritts und Schultes bereits als st. N. gizimbari bei StWG 229f. und SchG 11,403 aufgenommen und ist dort jeweils zu streichen (vgl. auch Schulte 1993: 208). 176. f. 52r, Z. 23, si sanum – (Typ A) ipv kavvisso – HDM 231,15. WS Nr. 119, beide nur ipu (23) … GREGORIUS: Quis hoc, si sanum / (24) sapit, intellegat? (IV,37; 265,134,125) ‚GREGORIUS: Wer mag dieses einsehen, wenn er Vernünftiges versteht [= gesunden Verstand besitzt; vernünftig ist]?‘ Die beiden Wörter ohne Lücke interlinear über dem Lemma. Die Eintragung ist insgesamt etwas schwach geprägt, wobei ipv deutlich sichtbar ist. Meritts und Schultes Lesung u ist in v zu korrigieren. Die Eintragung kavvisso ist im k und o deutlich geprägt, wohingegen die Prägung der restlichen Buchstaben sehr schwach ist, weshalb sie auch bei sehr flachem Streiflicht nicht gut lesbar sind. Am besten lesbar ist die Eintragung bei leicht schrägem Drauflicht von links oder rechts. Die beiden vv sind direkt über dem m von sanum zu identifizieren. Alle folgenden Buchstaben reichen auf den Blattrand hinaus. si: Konj. lat. si ‚wenn‘ – GH 2,2646.

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sanum: Akk. Sg. lat. Adj. sānus ‚vom Verstand gesund, vernünftig‘ – GH 2,2485,IIb. Die hier vorliegende Konstruktion si sanum sapit weist wohl ein transitives sapere ‚= verstehen‘ auf (vgl. GH 2,2487 IIb), sodass sanum hier als substantiviertes Adj. – also etwa als ‚Vernünftiges‘ – aufzufassen ist. Die althochdeutsche Übersetzung mit einem Adv. setzt dagegen eine intransitive Konstruktion voraus, die auch eine neuhochdeutsche Übersetzung etwa mit ‚vernünftig denken‘ nahelegen könnte. ipv: Konj. ahd. ibu ‚wenn‘ – AWB 4,1442 (Form), 1454 (Bedeutung). StWG 297. SchG 4,484 – vgl. GSp 1,75. SpAW 1,420 [IBU]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. kavvisso: Adv. ahd. giwisso ‚folglich, sicherlich, freilich; hier: vernünftig, richtig‘ – vgl. StWG 228. GSp 1,1108124. SchG 11,226. Die Übersetzung mit einem althochdeutschen Adv. ist formal nicht kongruent. Sie könnte Teil eines althochdeutschen Syntagmas mit kavvisso als adverbialer Bestimmung zu einem hinzuzudenkenden Verb sein, etwa als ‚wenn er vernünftig ist/denkt‘. 177. f. 52r, Z. 24, ex eo – (Typ A) fonadiu – HDM 231,16. WS Nr. 120a/b, beide fondiu (f. 52r, Z. 24) … Sed ex eo quod illic ostensum est, // (f. 52v, Z. 1) quisquis ille est cui mansio ista construitur, aperte / (2) datur intellegi quid est quod hic operatur (IV,37; 265,134,126) ‚Aber aus dem, was dort gezeigt wurde, wer auch immer jener ist, für den diese Wohnung bereitet wird, wird offenkundig zu verstehen gegeben, was es ist, was er hier auf Erden verrichte.‘ Die beiden Wörter ohne Lücke über dem Lemma. Entgegen den Editionen Meritts und Schultes ist zwischen n und d eindeutig ein unziales a zu lesen. ex: Präp. (mit Abl.) lat. ex ‚aus, von‘, zur Bezeichnung der veranlassenden Ursache, des Grundes – GH 1,2495ff.; v. a. 2498. eo: Abl. Sg. N. Pers.-Pron. der 3. Sg. lat. is, ea, id ‚er, sie, es; der, die, das‘ – GH 2,457. fona: Präp. (mit Instr.) ahd. fona ‚aus‘ – AWB 3,1072 (Form), 1123 (Bedeutung). StWG 170. SchG 3,246 – vgl. GSp 3,523. SpAW 1,255 [FONA]. diu: Instr. Sg. N. Dem.-Pron. ahd. daz (der) – StWG 94 – vgl. AWB 2,411 (ohne Belege). GSp 5,3. SpAW 1,132 [DER]. Das AWB fasst die gesamte Fügung (wohl aufgrund der guten Beleglage als Übersetzung für die lateinische Konstruktion ex eo; vgl. GötzLAN 233) fona + deiktisches diu als feste Wendung mit der Bedeutung ‚deshalb‘ auf, die dann aber im vorliegenden Fall als Vokabelübersetzung klassifiziert werden muss. Nicht unbegründet ist allerdings Schultes (1993: 209) Annahme, dass nicht eine feste Wendung vorliegt, sondern eine im Kontext adäquate Wort-für-Wort-Übersetzung, die das lat. ex eo auch in der Konstruktion nachahmt.

|| 124 Zu ahd. kauuisso als Übersetzung von lat. sane vgl. GSp 1,1109.

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Die Eintragung fona ist im AWB 3,1072 und bei SchG 3,246 bereits auf der Basis der Edition Meritts und Schultes als fon aufgenommen und dort zu korrigieren. 178. f. 52v, Z. 18, uic/(tu) – (Typ A) lipleitu – HDM 231,17. WS Nr. 121 (15) ... Qui eiusdem uiri / (16) postmodum subtiliter uitam requirens, inuenit / (17) quia ex his quae diebus singulis laborabat, quidquid (Ed. quicquid) ex uic/ (18) tu atque uestitu superesse potuisset, die sabbato ad be/ (19) ati petri ecclesiam deferre consueuerat atque indigen/ (20) tibus erogare (IV,38; 265,136,7) ‚Als dieser dann später in dem Leben dieses Mannes [namens Deusdedit] gründlich nachforschte, fand er heraus, dass er von dem, was er an den einzelnen Tagen erarbeitete, was auch immer an Nahrung und Kleidung hatte übrigbleiben können, am Samstag zur Kirche des heiligen Petrus zu tragen und dort den Armen auszuteilen pflegte.‘ Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei hoher Auflösung sind Spuren davon im Digitalisat erkennbar. uictu: Abl. Sg. lat. M. vīctus, -ūs ‚(Lebens-)Unterhalt, Nahrung‘ – GH 2,3476f. Der Ablativ wird von der Präp. ex regiert, die hier zur Umschreibung eines Genitivus partitivus verwendet wird (zu ex in dieser Verwendung vgl. GH 2,2497). lipleitu: Dat. Sg. st. F. ahd. lībleita ‚Nahrung‘ – AWB 5,894. StWG 372. SchG 6,68 – vgl. GSp 2,187. SpAW 1,531 [-LĪBAN]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt (vgl. auch GötzLAN 708). Formal ist die Übersetzung des lateinischen Ablativs mit dem althochdeutschen Dativ funktional adäquat. 179.–180. f. 52v, Z. 20–21 (20) … Qua ex re perpende quia non inmerito / (21) domus ipsius fabrica sabbato crescebat (IV,38; 265,136,10) ‚Aus dieser Sache siehst du, dass der Bau des Hauses nicht unverdient [= nicht grundlos] samstags anwuchs.‘ 179. f. 52v, Z. 20, non inmerito – (Typ A) niunkauvrk.t – HDM 231,19 mit A.47 ni unkauu. WS Nr. 122 ni unk... Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Eine Lücke zwischen k und a, die durch ein Pergamentloch bedingt ist. Das von Meritt gelesene und nach k folgende auv ist entgegen der Beobachtung Schultes eindeutig zu bestätigen (allerdings mit der Korrektur zu der Lesung des zweiten u als v). Die Buchstaben sind geprägt und auch bei Streiflicht von links gut sichtbar. Die darauffolgenden Buchstaben waren aber am besten bei leicht schrägem Drauflicht von rechts zu erkennen. Die beiden auf das v folgenden Buchstaben befinden sich zwischen den beiden senkrechten Linien der von der Rückseite her durchdrückenden Seitenliniierung. Hier ist zunächst ein weiterer halbhoher Buchstabe erkennbar: ein Schaft, an den sich oben deutlich eine Zunge anschließt, was die Lesung als r nahelegt. Vom folgenden Buchstaben ist deutlich eine Oberlänge identifizierbar; rechts daran angelehnt sind

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Spuren erkennbar, die sich als k interpretieren lassen. Dahinter sind bei schrägem Drauflicht von rechts noch die Spuren eines weiteren Buchstabens erkennbar, aber nicht hinreichend zu sichern. non: Verneinungspartikel lat. non ‚nicht‘ – GH 2,1185. inmerito: Adv. lat. immeritō (inmeritō) ‚unverdient, ohne Schuld, unverschuldet‘ – GH 2,70. ni: Negationspartikel ahd. ni ‚nicht‘ – StWG 438. SchG 7,81 – vgl. GSp 2,969. unkauvrk.t: unflektiertes Partizipialadj. ahd. ungiwurkit ‚unbewirkt, unvollbracht, unverursacht‘. Es handelt sich um eine bislang noch nicht belegte Negationsbildung zum Part. Prät. des sw. V. ahd. giwurken ‚wirken, bewirken, schaffen, vollbringen, verursachen‘ – vgl. StWG 750. GSp 1,970. SpAW 1,1160 [WURKEN]. RSV 1,266. SchG 11,308. Zu vgl. sind natürlich auch die entsprechenden Einträge zu wurken – StWG 750. GSp 1,967. SpAW 1,1160 [WURKEN]. RSV 1,264. Riecke 683. Zu vergleichen ist darüber hinaus die spärlich belegte Bildung ahd. ungiworaht ‚unbearbeitet‘ zu lat. infectus – StWG 665. RSV 1,241. GSp 1,971. SpAW, 1,1161 [WURKEN]. SchG 10,214. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist noch nicht belegt (vgl. GötzLAN 317. KöblerLAW 428). Die Übersetzung ist im vorliegenden Kontext unter Berücksichtigung des der Bildung zugrundeliegenden sw. V. giwurken adäquat, für das RSV u. a. die Bedeutung ‚verursachen‘ ansetzt. Die vorliegende Übersetzung von non inmerito mit ni ungiwurkit lässt sich also in etwa als ‚nicht unbewirkt, nicht unverursacht = nicht ohne Grund, nicht unbegründet‘ verstehen. Meritts (1934: 231,A.47) und Schultes (1993: 210) Ansatz eines Hapax legomenons ahd. unkawerdōt zum sw. V. ahd. giwerdōn ist mit dem paläographischen Befund nicht zu vereinbaren. Der Beleg wurde in dieser Form bereits bei StWG 664. RSV 2,165. SpAW 1,1097 und KöblerLAW 428 und SchG 10,212 (ungiwerdōt) lexikographisch verwertet und ist dort jeweils zu streichen. 180. f. 52v, Z. 21, fabrica – (Typ B) zinprar – HDM 231,18 zinprur. WS Nr. 123 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei leicht schrägem Drauflicht von links ist die Lesung a entgegen der Beobachtung Schultes sicher. fabrica: Nom. Sg. lat. F. fabrica, -ae ‚die praktische Ausübung der Baukunst = das Bauen, der Bau‘, hier als Bezeichnung des Vorgangs, nicht des Ergebnisses – GH 1,2650. zinprar: Nom. Sg. st. N. ahd. zimbar ‚Gebäude, Baustoff, Bau; hier: das Bauen, der Bau‘ – StWG 762. SchG 11,403 – vgl. GSp 5,669. SpAW 1,1187 [ZIMBAR]. StWG und SchG sind sich (offenbar aufgrund der unüblichen Form mit r hinter dem p) bei der Zuweisung des hier vorliegenden Belegs zu ahd. zimbar nicht sicher und haben die Stelle mit ‚?‘ versehen. Da sich die Form mit den beiden r auch nicht durch etwaige Synkopierungen erklären lässt, bleibt sie hier problematisch. Die Bedeutung von zimbar bezieht sich, soweit zu sehen ist, in den meisten Belegen auf das Ergebnis der Bautätigkeit (das Gebäude), muss aber im vorliegenden Fall,

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wie auch beim lateinischen Lemma, auch auf den Vorgang, also ‚das Bauen, der Bau (eines Hauses)‘ bezogen werden. Das Wort ist häufiger belegt, die lateinischalthochdeutsche Entsprechung allerdings nur zweimal: einmal aus der Reichenauer Handschrift Rc mit Glossen zur Cura pastoralis, wo fabrica allerdings in der Bedeutung des Ergebnisses des Bauens also ‚Gebäude‘ gebraucht ist,125 und ein weiteres Mal bei Npgl (vgl. GötzLAN 250). 181. f. 53r, Z. 7, ima – (Typ A) nidarirun – HDM 231,21. WS Nr. 124, beide nidaristun (6) Et faetentem (Ed. foetentem) fluuium decorrentem (Ed. decurrentem) uidit, quia ad / (7) ima cottidie fluit (Ed. defluit) carnalium hic putredo uitiorum (IV,38; 265,136,21) ‚Und den stinkenden dahinströmenden Fluss sah er, weil täglich hier die Fäulnis der fleischlichen Sünden in die Tiefen fließt [Ed. hinabfließt].‘ nidar steht genau über dem Lemma ima, der Rest folgt ohne Lücke dahinter und reicht bis über das zweite t von cottidie. Die von Meritt und Schulte gelesenen Buchstaben st sind nicht zu bestätigen, es handelt sich um ein r mit leicht ausgreifender Zunge. Bei hoher Auflösung sind über dem Lemma bis über das folgende cottidie die Spuren der Eintragung im Digitalisat erkennbar. ima: Akk. Pl. lat. N. īmum ‚die Tiefe, Grund, der Abgrund, die Unterwelt‘; īmus, -a, -um ‚der, die, das unterste‘ ist hier der substantivierte Superlativ infimus des Adj. inferus, -a, -um – GH 2,231, 233. nidarirun: Akk. Pl. N. des Komparativs zum sw. flekt. Adj. nidari ‚tief‘ – AWB 6,1243. StWG 439. SchG 7,94 – vgl. GSp 2,988. SpAW 1,668 [NIDA]. Die lateinischalthochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. Die vorliegende Übersetzung orientiert sich bezüglich Kasus und Numerus am lateinischen Lemma, die Wiedergabe des (verdunkelten) Superlativs des lateinischen Lemmas mit Komparativ ist im vorliegenden Kontext auffällig, aber semantisch adäquat (‚in die tieferen [Bereiche]‘). Inwiefern hier an eine subst. Form des Adj. wie beim lateinischen Lemma zu denken ist oder ein Adj. vorliegt, das in Kongruenz zu einem Subst. steht, ist nicht zu entscheiden. Der Beleg ist im AWB 6,1243 bereits auf der Basis der Edition Meritts als nidaristun verzeichnet und dort zu korrigieren. Zu vergleichen ist auch die Eintragung Nr. 241a f. 64v, Z. 19: ima – nidarostun, die wohl von gleicher Hand stammt.

|| 125 Hs. Karlsruhe Aug. CCXX (BStK-Nr. 313) mit Textglossen zur Regula pastoralis; ediert bei StSG 2,232–237; hier 234,11. Der Kontext des Werktextes lautet: tunc fabrica robusta construitur ‚dann wird ein fester Bau errichtet‘ (Cura Pastoralis 3,18).

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182. f. 53r, Z. 13, obsideat – (Typ A) pisizzen – HDM 231,22 pisizzen. WS Nr. 125 pisizze (9) ... quia sunt / (10) plerique qui multa iam (Ed. iam fehlt) bona opera faciunt, sed tamen / (11) adhuc carnalibus uitiis in cogitationis delectatio / (12) ne tanguntur, et iustum ualde est ut illic nebula / (13) foetoris obsideat126, quos hic adhuc carnis (Ed. carnalis) foetor dilec/ (14) tat (IV,38; 265,136,26) ‚Denn es gibt viele, die zwar schon viele gute Werke tun, aber dennoch in ihren Gedanken noch an fleischlichen Gelüsten Gefallen haben; und es ist ganz gerecht, dass der Nebel von üblem Geruch dort die umgebe, welche hier noch der Gestank des Fleisches erfreut.‘ Vom bei Meritt edierten n am Ende, das Schulte nicht bestätigen konnte, ist bei flachem Streiflicht von rechts (leicht rechts über t des Lemmas versetzt) ein zwei Senkrechte verbindender Bogen erkennbar, der als n interpretierbar ist. obsideat: 3. Sg. Konj. Präs. Aktiv lat. obsīdere ‚besetzen, einschließen, umlagern‘ – GH 2,1268f. ‚hier: umgeben‘. pisizzen: Inf. oder 3. Pl. Konj. Präs. st. V. ahd. bisizzen ‚besitzen, umringen, belagern; hier: einschließen, umgeben‘ – StWG 529. SchG 8,256 – vgl. GSp 6,289. SpAW 1,823 [SIZZEN]. Semantisch adäquate Glossierung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt. Da sich das t in obsideat auf einer Rasur befindet, ist nicht sicher zu entscheiden, ob es sich um eine formeninkongruente Glossierung mit dem Inf. als Grundform handelt. Es ist zu bedenken, dass die Glossierung auch durch eine wohl fehlerhafte lateinische Form (obsideant [?]) motiviert worden sein könnte bzw. sich auf diese ursprünglich bezog. Die Rasur lässt darüber keine Aussagen zu. 183. f. 53r, Z. 21, infecit – [a] (Typ A) archelita – HDM 231,23. WS Nr. 126, beide archelit. – [b] (Typ B) neizta (19) ... Et notandum quod / (20) isdem foetor esse et nebula uisa sit, quia nimirum / (21) carnalis delectatio mentem quam infecit (Ed. inficit) obscurat, / (22) ut ueri luminis claritatem non uideat (IV,38; 265,138,4) ‚Und es ist zu beachten, dass der üble Geruch und der gesehene Nebel dasselbe waren, weil ohne Zweifel der fleischliche Genuss den Geist, den er vergiftet hat, verdunkelt, sodass er den Glanz des wahren Lichts nicht sieht.‘ [a] Die Buchstaben e und c im Lemma infecit sind ligiert. archelita beginnt über dem i von infecit und reicht bis über das s von obscurat; die Lesung der ersten beiden Buchstaben als ar ist entgegen Schulte sicher und bei Streiflicht von rechts deutlich über in von infecit erkennbar. Vom letzten Buchstaben ist eine eingedrückte Schräge von links oben nach rechts unten erkennbar und sehr schwach ein dazu-

|| 126 Das t im Lemma obsideat auf Rasur.

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gehöriger Bauch, der als a zu lesen ist. Die geritzten Spuren, die Schulte (1993: 212) „unsicher als a“ deutet, gehören zur späteren Eintragung neizta. [b] neizta ist direkt auf archelita geritzt, es beginnt auf dem e von archelita und über dem i von infecit. Es reicht bis über das c von obscurat. Geschwänztes z. Vor n von neizta ist eine sehr lange geritzte Senkrechte auszumachen, sie befindet sich in etwa in der Verlängerung des Schaftes des darunterliegenden h von archelita, den sie bis weit in die untere Zeile des lateinischen Textes hinein gewissermaßen fortsetzt. Sie ist vermutlich nicht sprachlich. inf&it: 3. Sg. Ind. Perf. (Variante) lat. īnficere ‚vergiften, verpesten, anstecken‘ – GH 2,238f., vorliegende Bedeutung v. a. Sp. 239. [a] archelita: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. irquellen ‚peinigen, töten‘ – AWB 7,494. StWG 467f. RSV 1,308. SchG 5,416 – vgl. GSp 4,653. SpAW 1,716 [QUELAN]. Die Übersetzung des lateinischen Perf. mit dem althochdeutschen Prät. ist der Form nach funktional adäquat. Die semantisch nicht ganz adäquate Wiedergabe könnte – wie bereits Schulte vermutet – auch auf einer Verwechslung von lat. īnficere mit lat. interficere ‚ermorden, töten‘ (vgl. GH 2,367) beruhen. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist nur hier belegt. Der Ausfall von /w/ in der Verbindung /kw-/ ist im späteren Alemannischen häufiger, im Bairischen aber eher unüblich (vgl. BRG §107,A.2) und würde auch nicht zur eher frühen Form des Präfixes ahd. ir-passen. Zu vgl. ist daher wohl SchABG §88b, wo entsprechende Fälle als Schreibversehen gewertet werden. [b] neizta: 3. Sg. Ind. Prät. zum sw. V. ahd. neizen ‚erschöpfen, verderben, plagen‘ – AWB 6,1102. StWG 434. RSV 1,137. GSp 2,1128. SpAW 1,661 [NEIZEN] ‚abtöten, vernichten‘. SchG 7,45. EWA 6,870. Die Übersetzung mit dem Prät. ist zum lateinischen Perf. funktional adäquat. Mit der Bedeutung ‚verderben‘ erscheint die althochdeutsche Übersetzung mit neizen adäquater als die mit irquellen. Die Doppelglossierung könnte also gerade durch die semantische Inadäquatheit der ersten Glossierung mit archelita motiviert sein. Allerdings ist auch im zweiten Fall die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung lat. īnficere – ahd. neizen sonst nicht belegt, wohl aber die mit interficere, sodass auch hier eine Verwechslung der beiden lateinischen Wörter nicht ganz auszuschließen ist. Nicht auszuschließen ist zudem eine Glossierung des althochdeutschen Interpretaments, wogegen aber die Position direkt auf der darunterliegenden Glosse spricht, die deshalb wohl eher korrigiert werden sollte bzw. gar nicht bemerkt wurde. 184. f. 53v, Z. 5, necar& – (Typ A) chueliti – HDM 231,24. WS Nr. 127 (2) ... Nam libro / (3) geneseos attestante didicimus quia super sodo/ (4) mitas dominus ignem et sulphurem pluiit (Ed. pluit), ut eos et ignis / (5) incenderet, et fetor (Ed. foetor) sulphoris necaret (IV,39; 265,138,4) ‚Denn wie es das Buch Genesis bezeugt, haben wir gelernt, dass der Herr Feuer und Schwefel über die Sodomiter

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regnen ließ, sodass sowohl das Feuer sie in Brand setzte, als auch der Gestank des Schwefels sie tötete.‘ necaret: 3. Sg. Konj. Imperf. lat. necāre ‚töten, umbringen‘ – GH 2,1125. chueliti: 3. Sg. Konj. Prät. sw. V. ahd. quellen ‚quälen, töten, martern‘ – AWB 7,492. StWG 467. RSV 1,307f. SchG 5,416 – vgl. GSp 4,652. SpAW 1,716 [QUELAN]. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist noch einmal aus der Wiener ‚Samanunga‘Handschrift127 und ein weiteres Mal aus einer Handschrift der Dialoge, dem Clm 2944128, belegt. 185.–186. f. 53v, Z. 23 (22) Numquam se a (Ed. ad) sanctae conuersationis habitum uenire, / (23) ivrando, irascendo, deridendo testabatur (IV,40; 265,140,13) ‚Dass er niemals in das Leben einer heiligen Klostergemeinschaft eintreten werde, bekundete er schwörend, zürnend und spottend.‘ 185. f. 53v, Z. 23, deridendo – (Typ B) pihuhonto – HDM 231,25. WS Nr. 128 Die Eintragung sehr fein und oberflächlich interlinear über dem Lemma geritzt, wie Nr. 186 sandonti. deridendo: adverbialer Abl. des Gerundivs lat. dērīdēre ‚auslachen, verspotten; hier: indem er spottet, spottend‘ – GH 1,2070. pihuhonto: Adv. ahd. bihuohōnto ‚spottend‘ – AWB 4,1381. StWG 54. RSV 2,70. SchG 4,450. Hapax legomenon. Die Eintragung lässt sich formal und semantisch als bislang nur hier belegte Adverbbildung zum mehrmals belegten sw. V. ahd. bihuohōn ‚spotten‘ identifizieren – vgl. AWB 4,1380. StWG 293. GSp 1,688. SpAW 1,413 [HUOH]. SchG 4,450. Die Graphie für ahd. /uo/ (< vorahd. /ō/) ist auffällig und findet sich v. a. in fränkischen (BRG §40,A.1. FranckAFG §46), vereinzelt aber auch in oberdeutschen Quellen.129 186. f. 53v, Z. 23, testabatur – (Typ B) sandonti – WS Nr. 129 sake nti Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die von Schulte erstmals edierte und in seinem Kommentar bereits in vielen Teilen als unsicher markierte Lesung lässt sich v. a. bezüglich des dritten und vierten Buchstabens korrigieren, die Schulte in seiner Lesung „ganz unsicher“ als k und e identifiziert. Bezüglich der drei letzten

|| 127 In der Hs R (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 162); vgl. StSG 1,215,9. 128 Vgl. hierzu Schulte (1993: 128) sowie zuerst StSG 2,262,35, allerdings wurde hier eine andere Textstelle (aus IV,24) glossiert, sodass keine echte Parallelglossierung vorliegt. 129 Zu vergleichen ist diesbezüglich v. a. auch SchABG §8a. SchAHG §24 weist v. a. auf den häufigeren Fall einer einfachen -Graphie hin, wenn auf ahd. /uo/ ein Vokal folgt, führt aber auch einige vereinzelte Belege vor Konsonant auf.

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Buchstaben nti besteht kein Zweifel, das davorstehende o findet sich direkt vor der Oberlänge des b von testabatur, nti steht danach. Vom d ist eindeutig eine Oberlänge und davor ein Bogen zu erkennen, der als Bauch eines d interpretiert werden kann. Vom zweiten Buchstaben ist eine Schräge nach rechts unten und links davon bei Streiflicht von unten auch der dazugehörige Bauch eines a sichtbar. testabatur: 3. Sg. Ind. Imperf. lat. Deponens tēstārī ‚etw. bekunden, versichern, beweisen‘ – GH 2,3091. sandonti: Part. Präs. zum sw. V ahd. sandōn ‚bezeugen, beweisen‘ – vgl. StWG 508. GSp 6,256. RSV 2,127. SchG 8,103. SpAW 1,1232. Vgl. Adj. urgerm. *sanþ- ‚wahr‘ (Heidermanns 1993: 469) und as. sōþ ‚wahr, recht‘ – ASHWB 361, sw. V. ae. sēđan ‚bezeugen, beweisen‘. Das Altenglische verfügt auch über das ōn-Verb sōþian ‚beweisen‘ – BT 897 (urgerm. *sanþōjanan HGE 318). Das althochdeutsche Verb ist bislang nur einmal als Textglossarglosse aus dem Glossar Rb (StSG 2,305,23) belegt, wo es im Syntagma ist sandonti (Part. Präs. und Hilfsverb sīn) das lateinische Deponens tēstārī ‚bekunden, bezeugen‘ übersetzt. Die hier vorliegende Eintragung kann in diese Richtung als Teil eines allerdings unvollständigen Syntagmas interpretiert werden (etwa sandonti wesan). SpAW 1,1232 verzeichnet es unter den Einzeleinträgen mit der Bedeutung ‚bezeugen, erweisen‘; GSp 6,256 deutet das Verb zunächst als Ableitung zu dem nur bei Otfrid belegten Hapax legomenon st. M. sand (ohne Übersetzung, mit falscher Quellenangabe), mit Verweis auf fantōn, GSp 3,539, wo es dann allerdings als Verschreibung für eigentliches fantōnti, Part. Präs. zum sw. V. fantōn ‚durchforschen‘ aufgefasst wird. Wissmann (1933: 285) hält beides aus semantischen Gründen für unwahrscheinlich, ohne dies näher auszuführen. Allerdings bezieht er sich bei der Bedeutungsangabe von sand offenbar lediglich auf die in fast allen Otfridglossaren und hierauf beruhenden Wörterbüchern unisono mit ‚Zweck, Absicht‘ angegebenen Übersetzungen, was problematisch ist (vgl. z. B. Kelle 1963: 3,502: ‚Zweck‘). Die Stelle findet sich bei Otfrid im Abschnitt über Jesu Versuchung durch den Teufel in der Wüste. Über die ‚Absichten‘ des Teufels heißt es dort: Er wolta in alawari, daz er ouh sin wari / tho ni ward imo der sand, ouh wiht thar sines ni fand. Piper greift dann auch in seinem Glossar zu Otfrids Evangelienbuch zum Mittel der Paraphrase: ‚das, weshalb man gekommen ist, Absicht‘ (Piper 1884: 386).130 Evtl. ist vor dem Hintergrund der beiden verbalen Belege auch beim Subst. ahd. sand mit der Bedeutung ‚Beweis‘, zu rechnen, die sich auch in den Kontext einfügen würde. Der vorliegende Beleg wurde bereits auf der Basis der Edition Schultes in SchG 8,62 unter ahd. saken verzeichnet und ist dort zu streichen.

|| 130 Vgl. Seebold (1969: 30f.), der die Otfridstelle im Zusammenhang mit urgerm.*san-þa behandelt, die Zugehörigkeit von ahd. sand hierzu aber dann ablehnt.

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187. f. 54r, Z. 1, inguine – (Typ A) hlanchun – HDM 231,26. WS Nr. 130 (f. 53v, Z. 23) ... In hac autem / (24) bestilentia, quae nuper huius urbis populum magna // (f. 54r, Z. 1) ex parte consumsit, percussus in inguine131 est perductus / (2) ad mortem (IV,40; 265,140,15) ‚Bei dieser Pest jedoch, welche neulich die Bevölkerung dieser Stadt zu einem großen Teil hinwegraffte, kam er, nachdem er von Schmerzen in der Genitalzone befallen worden war, in Todesnähe.‘ Die Eintragung über g des Lemmas beginnend. Das Lemma, das ursprünglich mit der unmittelbar davorstehenden Präposition verbunden war (iniguine), wurde aus iguine mit in hellerer Tinte übergeschriebenem in korrigiert, das initiale i wurde radiert. Bei hoher Auflösung sind ganz schwach Spuren der Eintragung im Digitalisat erkennbar. Über perductus steht noch ē mit Griffel, was sich als lat. est auflösen lässt (das gleiche Kürzel geht dem Textwort in der Hs. voraus). inguine: Abl. Sg. lat. N. inguen, -inis ‚Leistengegend, Unterleib‘ – GH 2,268. Der Ablativ ist von der Präp. in in der Bedeutung ‚in einem Raum befindlich, sich aufhalten‘ regiert (vgl. GH 2,124). hlanchun: Dat. Sg. zum sw. F. ahd. (h)lanka ‚Leistengegend, Genitalzone‘ – AWB 5,622. StWG 360. SchG 5,463 – vgl. GSp 2,222. SpAW 1,513 [LANKA]. Funktional adäquate Übersetzung des lateinischen Ablativs mit dem althochdeutschen Dativ. 188. f. 54r, Z. 3, protege/(rent) – (Typ A) scirmtin – HDM 231,27. WS Nr. 131 (2) ... Cumque extremum spiritum ageret, conue/ (3) nerunt fratres, ut egressum illius orando protege/ (4) rent (IV,40; 265,140,18) ‚Und als er den letzten Hauch tat, kamen die Brüder zusammen, um ihm beim Sterben durch Beten beizustehen.‘ Die Buchstaben nt im lateinischen Lemma sind ligiert. Bei hoher Auflösung sind ganz schwach Spuren der Eintragung im Digitalisat erkennbar. protegerent: 3. Pl. Konj. Imperf. lat. protegere ‚bedecken, beschützen; hier: beistehen‘ – GH 2,2085. scirmtin: 3. Pl. Konj. Prät. sw. V. zu ahd. scirmen ‚beistehen‘ – StWG 544. SchG 8,364 – vgl. GSp 6,546. Formenkongruente und semantisch adäquate Übersetzung. 189.–190. f. 54r, Z. 7–8 (6) … Cuncti autem fratres tan/ (7) to pro eo coeperunt enixius orare, quanto eum / (8) iam uidebant sub caeleritate discedere (IV,40; 265,140,21) ‚Alle Brüder jedoch fingen an, umso eifriger für ihn zu beten, mit je größerer Schnelligkeit sie ihn hinscheiden sahen.‘

|| 131 Hs. inguine mit hellerer Tinte korrigiert aus iguine.

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189. f. 54r, Z. 7, enixius – (Typ A) langor – HDM 231,28. WS Nr. 132 Bei hoher Auflösung sind über dem Lemma ganz schwach Spuren der Eintragung im Digitalisat erkennbar. enixius: Komp. lat. Adj. ēnīxius, -a, -um in adverbialem Gebrauch ‚eifrig, inständig‘ – GH 1,2422. langor: Komp. Adv. ahd. lango ‚lange; hier: inständig‘ – AWB 5,613. StWG 360. SchG 5,462 – vgl. GSp 2,227. Formenkongruente Übersetzung. Die lateinischalthochdeutsche Entsprechung ist unter den sonstigen Belegen des Adv. ahd. lango singulär132, hier herrschen sonst die Belege mit temporaler Bedeutung. Insofern aber durch die Inständigkeit des Betens auch eine längere Zeitspanne mitausgedrückt wurde, kann wohl von einer semantisch adäquaten Übersetzung ausgegangen werden. 190. f. 54r, Z. 8, caeleritate – (Typ A) sniumidu – HDM 231,29. WS Nr. 133 Bei hoher Auflösung sind über dem Lemma ganz schwach Spuren der Eintragung im Digitalisat erkennbar. caeleritate: Abl. Sg. lat. F. celeritās, -ātis ‚Schnelligkeit‘ – GH 2,1061. sniumidu: Dat. Sg. st. F. ahd. sniumida ‚Schnelligkeit‘ – StWG 566. SchG 9,21 – vgl. GSp 6,848. Funktional adäquate Wiedergabe des lateinischen Ablativs mit dem althochdeutschen Dativ. 191. f. 55r, Z. 24, aestimationis – (Typ B) chuiti – HDM 231,30. WS Nr. 134 (22) ... Ibi namque, ut ait, quod/ (23) dam monasterium ‚ton galaton‘ dicitur, in quo quidam / (24) monachus magne aestimationis habebatur (IV,40; 265,146,84) ‚Dort gibt es nämlich, wie er sagt, ein gewisses Kloster, das ‚ton galaton‘ genannt wird, in dem ein Mönch von großer Wertschätzung lebte.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. aestimationis: Gen. Sg. lat. F. aestimātio, -ōnis ‚Schätzung, Anerkennung‘ – GH 1,206f. chuiti: Nom. Sg. st. M. N. ahd. quiti ‚Rede; hier: Wertschätzung, Ruf‘ – AWB 7,621. StWG 469. SchG 5,431 – vgl. GSp 4,647. Formeninkongruente Glossierung mit der Grundform. Schulte erwägt bei Annahme von Formenkongruenz die Analyse als Gen. Sg. zu einem st. F. quitī, für das aber bisher keine Belege verzeichnet sind (vgl. hierzu auch explizit AWB 7,622 b) 4). Da sich bei einem st. F. auch keine adjektivische Basis findet bzw. die deverbalen femininen Abstrakta auf -ī(n) v. a. zu ehemaligen jan-Verben im Althochdeutschen belegt sind (vgl. Henzen §110b), wurde der Beleg vermutlich in AWB, StWG sowie bei SchG als st. M quiti aufgenommen.

|| 132 Zu vergleichen ist nur der im AWB 5,613 verzeichnete Beleg zu lat. prolixius aus dem Tatian.

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192.–193. f. 55v, Z. 17 (14) ... Et nunc ecce ad deuorandum draco/ (15) ni sum traditus, qui cauda sua mea genua pedes/ (16) que conligauit, caput uero suum inqua (Ed. intra) meum os mit/ (17) tens, spiritum meum ebibens abstrahit (IV,40; 265,146,100) ‚Und siehe nun bin ich dem Drachen zum Verschlingen übergeben worden, der mit seinem Schwanz meine Knie und Füße zusammenband. Indem er aber seinen Kopf in meinen Mund steckt [die Version der Hs. macht keinen Sinn], zieht er meine Seele heraus, indem er sie austrinkt [= sie austrinkend].‘ 192. f. 55v, Z. 17, ebibens – (Typ B) trinkanti – HDM 231,32. WS Nr. 135, beide trinken Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Das k ist entgegen der Beschreibung Schultes (1993: 217) deutlich zu erkennen. Die Schwierigkeiten bei der Identifikation rühren wahrscheinlich daher, dass bei sehr flachem Streiflicht von rechts unter den Ritzungen auch schwach Spuren eines Instruments vom Typ A auszumachen sind. Es ist also auch mit einer Doppelglossierung zu rechnen. Die Lesung des t ist daher nicht ausreichend zu sichern, evtl. liegt Ligatur mit n vor. ebibens: Part. Präs. lat. ēbibere ‚austrinken‘ – GH 1,2325. trinkanti: Part. Präs. st. V. ahd. trinkan ‚austrinken‘ – StWG 635. SchG 10,48 – vgl. GSp 5,537. Die Eintragung ist auf der Basis der Edition Meritts und Schultes bereits bei SchG als trinken verzeichnet und dort zu korrigieren. 193. f. 55v, Z. 17, abstrahit – (Typ B) ziuhit – HDM 231,31. WS Nr. 136 Bei hoher Auflösung sind über dem Lemma Spuren der Eintragung im Digitalisat erkennbar. abstrahit: 3. Sg. Ind. Präs. lat. abstrahere ‚wegziehen, wegreißen, gewaltsam wegrauben, entführen; hier: herausziehen‘ – GH 1,37. ziuhit: 3. Sg. Ind. Präs. st. V. ahd. ziohan ‚herausziehen‘ – StWG 764. SchG 11,416 – vgl. GSp 5,600. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung mit dem unpräfigierten Verb ist nur hier belegt. Zu vgl. sind aber Übersetzungen des Lemmas mit präfigierten Formen von ahd. ziohan (vgl. SchG 12,93). 194. f. 55v, Z. 22, non euasit – (Typ A) nientgeento – HDM 231,33 ni entcheeng. WS Nr. 137 nientcheeng (20) ... Quod nimirum constat qui (Ed. quia) ad solam utilita/ (21) tem audientium uiderit, qui eum hostem cui tradi/ (22) tus fuerat et innotuit et non euasit (IV,40; 265,146,105) ‚Dies steht ohne Zweifel fest, dass [Hs. der] er zum alleinigen Nutzen der Zuhörer gesehen hatte, der diesen Feind, dem er ausgeliefert war, zwar offenbarte, ihm aber nicht entkam.‘ Die Eintragung beginnt über dem auf Rasur stehenden e des Lemmas. Bei hoher Auflösung sind Spuren der Eintragung im Digitalisat erkennbar. Die Spur, die Meritt

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und Schulte als ch interpretieren, besteht aus einer Rundung nach links, h ist nicht zu bestätigen. Die abweichende Lesung der Endung als to ist sicher. Bei Streiflicht von oben ist der Balken des t sehr gut sichtbar. Von dem von Meritt und Schulte gelesenen g findet sich darüber hinaus auch keine Unterlänge. Das o schließt sich direkt an das t an und ist nur schwach geprägt. Es befindet sich genau über dem e des auf das Lemma folgenden Textwortes Petrus, wo es bei Streiflicht von links unten gut zu identifizieren war. non: Verneinungspartikel lat. non ‚nicht‘ – GH 2,1185. euasit: 3. Sg. Ind. Perf. lat. ēvādere ‚entkommen, entgehen, entrinnen, entschlüpfen‘ – GH 1,2481. ni: Negationspartikel ahd. ni ‚nicht‘ – StWG 438. SchG 7,81 – vgl. GSp 2 969. entgeento: Adverbbildung intgēnto zum Part. Präs. des an. V. ahd. intgēn ‚entkommen‘ – vgl. AWB 4,76. StWG 190. SchG 3,389 (zu intgangan) – vgl. GSp 4,84. SchG 3,383 (intgān). Die Bildung ist selten, aber durchaus belegt und in den Grammatiken erwähnt (vgl. BRG §267,A.4). Das lateinische Prädikat wurde hier zwar nicht formal, aber durchaus der Konstruktion und dem System adäquat mittels Adverb wiedergegeben, etwa als ‚nicht entkommend‘. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. Zur Doppelvokalgraphie, die in den Grammatiken v. a als ein Phänomen der frühen Quellen des 8./9. Jahrhunderts betrachtet wird, vgl. BRG §7c,A.6. SchAHG 7 (Einleitung). Die Eintragung ist auf der Basis der Lesung Meritts und Schultes bereits in AWB, StWG und SchG eingegangen und dort zu korrigieren. 195. f. 56v, Z. 1, grabant – (Typ A) suarent – HDM 231,35. WS Nr. 138 (1) Quae cuncta etiam post mortem grabant (Ed. grauant), si adhuc / (2) in hac uita positis minime fuerint relaxata (IV,41; 265,148,27) ‚Diese alle [Sünden] belasten auch nach dem Tode [die Seele], wenn sie nicht in diesem Leben nachgelassen wurden.‘ Die bei Schulte suggerierte Trennung zwischen e und n ist durch die Oberlänge des b von grabant bedingt. Das Lemma grabant erscheint hier als Variante zu grauant (vgl. hierzu bereits Schulte 1993: 218). grabant [für gravant]: 3. Pl. Ind. Präs. lat. gravāre ‚schwer machen, belasten‘ – GH 1,2975. suarent: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. swāren ‚belasten‘ – StWG 613. SchG 9,370 – vgl. GSp 6,892. Formenkongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. 196. f. 56v, Z. 6, stipulam – (Typ A) strau – HDM 231,36. WS Nr. 139 str au (4) ... Si quis superaedificauerit super hoc fun/ (5) damentum aurum, argentum, lapides praetiosos, / (6) lignam (Ed. ligna), faenum (Ed. foenum), stipulam uniuscuiusque opus qualis (Ed. quale) sit / (7) ignis probauiit (Ed. probabit). (IV,41;

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265,150,32; I Cor 3,11,12–15) ‚Wenn jemand auf diesen Grund Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh gebaut haben wird, wird das Feuer das Werk eines jeden erproben, wie beschaffen es ist.‘ str befindet sich vor, au hinter der Oberlänge des l von stipulam. Die Lesung au ist sicher. stipulam: Akk. Sg. lat. F. stipula, -ae ‚der Halm, Strohhalm; im Pl. = das Stroh‘ – GH 2,2805. Habel/Gröbel 379 setzen auch für den Sg. die Bedeutung ‚Stroh‘ an. strau: Akk. Sg. st. N. ahd. strō ‚Stroh‘ – StWG 600. SchG 9,268 – vgl. GSp 6,759. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. Die Eintragung weist die seltene -Graphie für auslautendes /w/ auf (BRG §108,A.1), das sonst in frühen Quellen als o erscheint (-aw > -ao > -o) und dann mit ahd. /ō/ zusammengefallen ist. Vgl. explizit zu ahd. strō auch BRG §45,A.3. §114. §108,A3. SchABG §27. 197. f. 56v, Z. 11, adhibito – (Typ B) zōkihalatemo – HDM 231,37. WS Nr. 140 (10) ... quamuis hoc de igne tribu/ (11) lationis in hac nobis uita adhibito posset (Ed. posit) intelle/ (11) gi … (IV,41; 265,150,37) ‚obgleich dies von dem uns in diesem Leben bereiteten Feuer der Drangsal verstanden werden kann ...‘ Über dem ersten o der Eintragung ein Querstrich (vgl. hierzu auch Eintragung Nr. 145 ōuuast). Bei hoher Auflösung sind über dem Lemma schwach Spuren der Eintragung im Digitalisat erkennbar. adhibito: Abl. Sg. M. (in Kongruenz zum Abl. Sg. zum M. igne, Z. 10) des Part. Perf. adhibitus, -a, -um lat. adhibēre ‚etw. jmd. entgegenbringen, bei jmd. zur Anwendung bringen; hier: jmd. etw. bereiten‘ – GH 1,117. zōkihalatemo: Dat. Sg. M. oder N. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. zuohalēn ‚bereiten‘. Partikelverbbildung zum sw. V. ahd. halēn ‚holen‘ – vgl. AWB 4,626. GSp 4,850. SchG 4,127 – nicht bei StWG und RSV. Die Bildung ist bislang noch nicht belegt. Der Beleg wurde in AWB 4,637. StWG 250. RSV 2,61. SchG 4,132 zum ōn-Verb zuohalon ‚herbeirufen, bereiten‘ (vgl. auch GSp 4,854) gestellt. Die hier erfolgte Korrektur der Zuweisung zum ēn-Verb basiert auf der -Graphie des Bindevokals, der bei den ēn-Verben gerade in der frühen Zeit häufig zu beobachten ist (BRG 368 und A.1. SchABG §150), während der Bindevokal der ōn-Verben in allen Formen stabil ist (BRG §366. SchABG §149). Es könnte Formenkongruenz zum lateinischen M. oder aber auch Kongruenz mit einem gedachten althochdeutschen N. (etwa st. N. ahd. fiur) vorliegen. Zur Tmesis bei der Verbpartikel zuo vgl. BRG §323. 198.–199. f. 57r, Z. 2 (f. 56v, Z. 23) ... narrari a ma/ (24) ioribus atque scientibus audiui quod pascasius huius apos// (f. 57r, Z. 1) tolicae sedis diaconus, cuius aput nos rectissimi et lu/ (2) culenti de sancto spiritu libri extant, mire (Ed. mirae) sanctitatis uir fue/ (3) rit (IV,42; 265,150,4) ‚... hörte ich, dass von den Älteren und Kundigen erzählt wurde,

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dass Paschasius, Diakon dieses apostolischen Stuhls, von dem durch und durch rechtgläubige und lichtvolle Bücher über den Heiligen Geist bei uns vorhanden sind, ein Mann von wunderbarer Heiligkeit war.‘ 198. f. 57r, Z. 2, (et lu)/culenti – (Typ A) entileohtostin – HDM 231,39. WS Nr. 141 Die Eintragung interlinear über dem zweiten Teil des durch Zeilensprung getrennten Lemmas. Im Digitalisat sind bei hoher Auflösung schwach Spuren zu erkennen. et: Konj. lat. et ‚und‘ – GH 1,2470. luculenti: Nom. Pl. M. (in Kongruenz zu librī, Z. 2) lat. Adj. lūculentus, -a, -um ‚recht hell; stattlich, gewichtig‘ – GH 2,716. enti: Konj. ahd. inti ‚und‘ – AWB 4,1630. StWG 306. SchG 5,60 – vgl. GSp 1,361. leohtostin: Gen. Sg. (?) / Nom. Pl. (?) M. Superl. sw. flekt. Adj. zu ahd. lioht ‚lichtvoll‘ – AWB 5,1143. StWG 379. SchG 6,112 – vgl. GSp 2,147. Die auf Annahme von Kasuskongruenz mit dem lateinischen Lemma beruhende grammatische Bestimmung als Nom. Pl. M. im AWB 5,1143 (dort mit ‚?‘) beruht auf den bei Paul (1877: 359) beschriebenen Ausgleichsformen zwischen schwachen Gen. Sg. und Nom. Pl. M. für die hier, wie Schulte (1993: 220) vermutet, ein früher Beleg vorliegen könnte. Daneben ist eine Missinterpretation der lateinischen Flexionsform durch den Glossator allerdings auch nicht ganz auszuschließen. Zum evtl. durch den Superlativ des vorausgehenden lat. rectissimi ausgelösten formeninkongruenten Superlativ der Eintragung vgl. auch Schulte (1993: 220). Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nur hier belegt. 199. f. 57r, Z. 2, extant – (Typ A) sint – HDM 231,41. WS Nr. 142 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. extant: 3. Pl. Ind. Präs. lat. exstāre (extāre) ‚noch existieren, noch vorhanden sein, da sein, noch bestehen‘ – GH 1,2621. sint: 3. Pl. Ind. Präs. an. V. ahd. sīn ‚vorhanden sein‘ – StWG 525. SchG 8,221 – vgl. GSp 1,481. Formkongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nur hier belegt. 200. f. 57r, Z. 11, refutauit – [a] (Typ A) fartreib – HDM 231,42 uuidarstreit. WS Nr. 143a ...darstreit133 – unterzeilig [b] (Typ B) uuidarota – HDM 231,43. WS Nr. 143b (8) ... in sua tamen sententia usque iuxta diem / (9) sui exitus perstitit, illum amando atque praeferendo, / (10) quem episcoporum iudicio praeesse sibi aecclesia / (11) refutauit (IV,42; 265,152,13) ‚Er verharrte in seiner Meinung bis fast zum Tag seines

|| 133 Mit Anmerkung über die Unsicherheit der Lesung des d.

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Todes, jenen liebend und vorziehend, bei dem es die Kirche durch den Urteilsspruch der Bischöfe ablehnte, dass er ihr vorstehe.‘ Die beiden Eintragungen interlinear über- und unterzeilig beim Lemma. Die ersten drei Buchstaben der überzeiligen von Meritt unsicher als uui gelesenen Eintragung, die sowohl von Meritt als auch von Schulte als unsicher gekennzeichnet wurden, sind allein aus Platzmangel am linken (inneren) Blattrand nicht zu bestätigen. Schulte kennzeichnet darüber hinaus auch seine Lesung des ersten Buchstabens d als unsicher. Sie ist sicher als fartreib zu lesen und zu korrigieren. refutauit: 3. Sg. Ind. Perf. Akt. lat. refūtāre ‚zurückweisen, abweisen, ablehnen‘ – GH 2,2275. [a] fartreib: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. firtrīban ‚zurückweisen, ablehnen‘ – vgl. StWG 634. GSp 5,485. SchG 10,43. Die Übersetzung ist formal und semantisch adäquat. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt. Der Beleg ist auf der Basis der unsicheren Lesungen und Konjekturen Meritts und Schultes bereits in StWG 600 und SchG 9,283 unter widarstrītan verzeichnet und dort zu streichen. [b] uuidarota: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. widarōn ‚ablehnen‘ – StWG 724. SchG 11,112 – vgl. GSp 1,643. Die Übersetzung ist formal und semantisch adäquat. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. 201.–202. f. 57r, Z. 12–13 (11) Hic itaque cum temporibus symmachi apos/ (12) tolicae sedis praesulis esset defunctus, eius dalma/ (13) ticam feretro superpositam demoniacus tetigit, / (14) statimque saluatus est (IV,42; 265,152,15) ‚Als deshalb dieser zu den Zeiten des Vorstehers des apostolischen Stuhles Symmachus starb, berührte ein Besessener dessen Dalmatica, die auf die Bahre gelegt worden war, und wurde sogleich geheilt.‘ 201. f. 57r, Z. 12, praesulis – (Typ A) heroston – HDM 231,44. WS Nr. 144 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Der Eindruck einer Lücke zwischen r und o, die Schulte in seiner Edition suggeriert (her ost on), ist durch die relativ weit ausgreifende Zunge des r bedingt, die aber bis an o reicht. Die Lücke zwischen t und o ist durch die Oberlänge des l im Lemma bedingt. Bei hoher Auflösung ist die Eintragung im Digitalisat gut erkennbar. praesulis: Gen. Sg. lat. M. praesul, -ulis ‚Vorsteher, Vorgesetzter‘ – GH 2,1888. heroston: Akk. Sg. M. (?), Gen. Pl. M. (?) Superl. sw. flekt. Adj. subst. ahd. hērōsto ‚Vorsteher‘ – AWB 4,988. GSp 4,988. StWG 269. SchG 4,295. Formeninkongruente Übersetzung? Schulte (1993: 222) bestimmt die Form als Gen. Sg. M.; ebenso das AWB (hier aber mit Endung -un verzeichnet, die die Lesung nicht hergibt). Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist nur noch einmal aus der Reichenauer ‚Abrogans‘-Handschrift (Ra) belegt (vgl. SchG 4,295).

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202. f. 57r, Z. 13, fer&ro – (Typ A) paru – HDM 231,45. WS Nr. 145 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei hoher Auflösung ist sie im Digitalisat erkennbar. fer&ro [= feretro]: Abl. Sg. lat. N. feretrum, -ī ‚Trage, Bahre‘ – GH 1,2722. paru: Dat. Sg. st. F. ahd. bāra ‚Bahre‘ – AWB 1,810. StWG 42. SchG 1,265 – vgl. GSp 3,150. Funktional adäquate Wiedergabe des lateinischen Ablativs mit dem althochdeutschen Dativ. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. 203. f. 57r, Z. 16, dictauerunt – (Typ A) lertvn – HDM 231,46. WS Nr. 146, beide lertun (14) ... Post multum uero tempo/ (15) ris germano capuano episcopo, cuius superius memoriam / (16) feci134, medici pro corporis salute dictauerunt / (17) ut in angulanis t hermis lauari debuisset (IV,42; 265,152,19) ‚Nach viel Zeit aber verordneten die Ärzte dem Bischof von Capua, Germanus, den ich oben erwähnte, zur Genesung des Körpers, dass er in den angulanischen Bädern baden sollte.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei hoher Auflösung sind schwache Spuren davon im Digitalisat erkennbar. dictauerunt: 3. Pl. Ind. Perf. Akt. lat. dictāre ‚befehlen, vorschreiben; hier: verordnen‘ – GH 1,2139. lertvn: 3. Pl. Ind. Prät. sw. V. ahd. lēren ‚verordnen‘ – AWB 5,827. StWG 370. SchG 6,53 – vgl. GSp 2,255. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nur hier belegt. 204. f. 57r, Z. 23, sensi – (Typ A) kahancta – HDM 231,47. WS Nr. 147 (21) ... Pro nulla alia / (22) causa in hoc poenali loco deputatus sum, nisi quia in / (23) parte laurentii contra symmachum sensi (IV,42; 265,152,25) ‚Aus keinem anderen Grund bin ich an diesen Strafort bestimmt worden, als weil ich gegen Symmachus der Partei des Laurentius anhing.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei hoher Auflösung sind sehr schwache Spuren davon im Digitalisat erkennbar. sensi: 1. Sg. Ind. Perf. Akt. lat. sentīre ‚fühlen, empfinden; die Überzeugung hegen; die Ansicht, Gesinnung haben; hier: einer Partei anhängen‘ – GH 2,2605f. kahancta: 1. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. gihengen ‚(einer Partei) anhängen‘ – AWB 4,949. StWG 268. SchG 4,275 – vgl. GSp 4,768. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist zu präfigierten Formen des Lemmas (consentīre, adsentīre) bereits belegt.

|| 134 Hs. hinter feci wurde t ausradiert.

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205. f. 58r, Z. 6, [quasi in] crepusculum – (Typ A) mezze takaroti – WS nicht identifiziert Nr. 6. SchG 12,49 [...]ezze[...] unentziffert (4) ... Et quae illius mundi sunt multa / (5) iam cernimus, sed necdum perfecte cognoscimus, / (6) quia quasi in quodam mentis crepusculum (Ed. crepusculo) haec ue/ (7) lud ante solem uidemus. ... (IV,43; 265,154,20) ‚Und wir sehen bereits vieles, was jener Welt angehört, aber wir erkennen es noch nicht vollkommen, weil wir dieses gleichwie in einer Morgendämmerung des Geistes wie vor Sonnenaufgang sehen.‘ Die Eintragung über e von mentis beginnend interlinear über crepusculum. Die Buchstaben zwischen t und r sind etwas schwerer identifizierbar, da sie auf einem Pergamentknitter liegen, was die Lesung erschwert, da nicht immer zweifelsfrei zwischen Knitter und Griffelspur unterschieden werden kann. Bezüglich des k bestehen deshalb Unsicherheiten, wobei bei variabler Beleuchtung ein Schaft und entsprechende Schrägen, die als k interpretiert werden können, sichtbar sind. quasi: Adv. lat. quasi ‚wie wenn, als wenn, gleichsam‘ – GH 2,2142. in: Präp. (mit Akk.) lat. in ‚in‘ – GH 2,122. crepusculum: Akk. Sg. lat. N. crepusculum, -ī ‚Dämmerung‘ – GH 1,1752; insbesondere ‚Abenddämmerung‘. mezze: Dat. Sg. st. N. ahd. mez ‚Maß, Art und Weise‘ – vgl. AWB 6,517. StWG 411. GSp 2,893. SchG 6,355. Das Subst. ist als Übersetzung für lat. modus ‚Art und Weise‘ belegt. Es scheint im vorliegenden Fall im Dativ in einer adverbialen Verwendung vorzuliegen mit der Bedeutung ‚gleichsam, wie‘. Zu vergleichen sind entsprechende Verwendungen in anderen Kasus – AWB 6,520–522. SchG 6,355–357. takaroti: Gen. (?) Dat. (?) Nom. (?) Sg. sw. F. ahd. tagarōtī ‚Morgendämmerung, Morgenröte‘ – vgl. StWG 621. GSp 2,487. SchG 9,438. Die Frage der Formenkongruenz zum Dat. Sg. mezze lässt sich aufgrund der Formengleichheit im Sg. der ī(n)Abstrakta nicht mit Sicherheit klären. Im vorliegenden Fall könnte auch der Nominativ (‚wie die Morgendämmerung‘) oder Genitiv (‚nach Art und Weise der Morgendämmerung‘) intendiert sein. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 206. f. 58r, Z. 19, fallerentur – (Typ B) pitrogan – HDM 231,48. WS Nr. 148 (17) ..., ut / (18) neque hii qui bona eius uiderant de elýmosinarum illius / (19) estimatione fallerentur, neque ipsi sine ultione la/ (20) xaretur culpa (IV,43; 265,156,34) ‚dass nicht die, die das Gute an ihm gesehen hatten, hinsichtlich der Einschätzung seiner Almosen getäuscht wurden und ihm selbst die Schuld nicht ohne Strafe erlassen wurde‘. Die Eintragung über e des Lemmas beginnend ist bei hoher Auflösung im Digitalisat teilweise erkennbar.

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fallerentur: 3. Pl. Konj. Imperf. Passiv lat. fallere ‚jmd. irreführen, täuschen‘; das Passiv falli medial = ‚sich täuschen‘ – GH 1,2676f. pitrogan: UnfIekt. Part. Prät. st. V. ahd. bitriogan ‚täuschen‘ – StWG 636. SchG 10,53 – vgl. GSp 5,506. Wiedergabe des Passivs im Lateinischen durch das Partizip Präteritum. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. 207. f. 58v, Z. 2, uersabatur – [a] (Typ B) vvas – [b] (Typ A) lepent̄ (f. 58r, Z. 24) ... Sed quaeso, // (f. 58v, Z. 1) quia paulo superius sermo de locis poenalibus inferni / (2) uersabatur, ubinam esse infernum putamus? (IV,43; 265,156,42) ‚Aber ich frage dich, weil kurz vorher sich die Unterhaltung um den Ort der Höllenstrafe drehte, wo müssen wir die Hölle vermuten?‘ Die beiden Eintragungen stammen von unterschiedlichen Händen. Direkt hinter dem s vom Typ B vvas beginnt leicht nach oben versetzt das l von Typ A lepent̄. Endung etwas unklar: nach dem t ein Pergamentknitter; evtl. Spuren weiterer Buchstaben sind hier nicht sicher auszumachen. Über dem Balken des t ist ein Querstrich erkennbar, der als Abkürzungszeichen für eine Flexionsendung (-ter) interpretierbar ist, die aufgrund des Pergamentknitters nicht geschrieben werden konnte. uersabatur: 3. Sg. Ind. Imperf. Passiv lat. versāre ‚im Geist etw. hin und her überlegen, über etw. sinnen, und dadurch etw. abhandeln‘ – GH 2,3433f.; oder medial 3. Sg. Ind. Imperf. zum Deponens lat. versārī ‚sich mit etwas abgeben, sich mit etw. beschäftigen‘ – GH 2,3435. Der Kontext erlaubt die Bestimmung als Deponens lat. versārī. vvas: 3. Sg. Ind. Prät. an. V. ahd. sīn ‚sein‘ – vgl. StWG 718. GSp 1,1053. lepent̄: gekürzt für lebēntēr, Nom. Sg. M. des st. flekt. Part. Präs. sw. V. ahd. lebēn ‚leben‘ – vgl. AWB 5,699. StWG 364. GSp 2,40. SchG 6,5. Die Bestimmung erfolgt unter Annahme einer abgekürzten Flexionsendung. Die Kürzung folgt hier bereits belegten Mustern und flexivischen Möglichkeiten, wobei die Auflösung von t̄ als -ter im Lateinischen eindeutig, im Althochdeutschen aber weniger festgelegt ist.135 GötzLAN 703 verzeichnet eine interpretierende Wiedergabe des lateinischen Deponens versārī ‚sich beschäftigen mit‘ mit ahd. lebēn bei Notker. Der Glossator fasste offensichtlich das Lemma medial auf und gab es mit einer umschreibenden Konstruktion Hilfsverb sīn + Part. Präs. wieder.

|| 135 Zu entsprechenden Kürzungen und unterschiedlichen Auflösungen bei volkssprachigen Glossen vgl. Ernst (2009: 299).

Edition | 155

208. f. 58v, Z. 4, temere – (Typ A) katurstlihho – HDM 231,49. WS Nr. 149 (4) Hac de re temere definire136 nil (Ed. non) audeo (IV,44; 265,156,1) ‚Darüber wage ich nichts leichthin anzugeben.‘ Interlinear noch kurz vor dem Lemma beginnend und bis über de des folgenden definire reichend. Im Digitalisat sind nur sehr schwache Spuren erkennbar. temere: Adv. lat. temere ‚planlos, aufs Geratewohl, auf gut Glück, absichtslos‘ – GH 2,3042. katurstlihho: Adv. ahd. giturstlīhho ‚leichthin‘ – StWG 225. SchG 10,123 – vgl. GSp 5,443. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist nur noch einmal aus dem Clm 18550a (vgl. SchG 10,123) belegt. 209. f. 59r, Z. 3, (ex)/ute – (Typ A) uzarfaraniv – HDM 231,50 uzarfaraniu. WS Nr. 150 (1) ... nullus subtus terra / (2) dignus inuentus est, quia neque animae corpore ex/ (3) ute aperire nobis praeter dominum sacri eloquii secre/ (4) ta potuerunt (IV,44; 265,158,22) ‚Keiner auf der Erde wurde für würdig befunden, weil nicht die Seelen, die den Körper verlassen haben, uns die Geheimnisse der Heiligen Schrift eröffnen konnten, sondern nur der Herr.‘ Die Eintragung interlinear über dem zweiten Teil des durch Zeilensprung getrennten Lemmas reicht bis über aperire. Bei hoher Auflösung ist die Eintragung im Digitalisat erkennbar. exute: für exutę [= exutae] Nom. Pl. F. (in Kongruenz zu animae) des Part. Perf. exutus, -a, -um lat. exuere‚ mit Abl. = ‚einer Sache entledigen, etw. ablegen, abschütteln; auch: einen Körperteil usw. bei einer Verwandlung ablegen (= hier: den Körper verlassen); etw. aufgeben; von etw. sich lossagen‘ – GH 1,2644f. uzarfaraniv: Nom. Pl. N. (?) st. flekt. Part. Prät. st. V. ahd. ūzirfaran ‚verlassen‘ – AWB 3,614. StWG 141. SchG 3,61. Für eine Bestimmung als Neutrum spricht ein möglicherweise hinzugedachtes Neutrum wie ahd. muot. Auch der Nom. Sg. F. wäre bei Bezug auf lat. anima denkbar. In der doppelt präfigierten Form ist das Wort noch nicht belegt. 210. f. 59v, Z. 8, insanus – (Typ A) vnvviser – HDM 231,5 unuuiser. WS Nr. 151 (7) … Sed / (8) quis hoc dicere uel insanus praesumat (IV,46; 265,162,14) ‚Aber welcher Verrückte mag es wagen, dies zu behaupten.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma, hochgestelltes e in Ligatur mit r. Sie ist bei hoher Auflösung im Digitalisat erkennbar.

|| 136 Hs. definire: das zweite i aus e korrigiert.

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insanus: Nom. Sg. M. zum substantivierten lat. Adj. īnsānus, -a, -um ‚toll, verrückt, wahninnig; = der Verrückte, Wahnsinnige‘ – GH 2,293. vnvviser: Nom. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. unwīs ‚verrückt‘ – StWG 678. SchG 10,276 – vgl. GSp 1,1070f. Formenkongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nur hier belegt. 211.–212. f. 59v, Z. 9–11 (8) … Et si mina/ (9) tus est quod non erat impleturus, dum adserere / (10) eum misericordem uolumus, falsa est (Ed. fallacem), quod dici / (11) nefas est, praedicare compellimur (IV,46; 265,162,16) ‚Und wenn er etwas angedroht hat, was er nicht ausführen wollte, so sind wir, solange wir behaupten wollen, dass er barmherzig ist, gezwungen zu sagen, ihn lügnerisch zu nennen [Version der Hs. macht keinen Sinn: falsch ist] – was zu sagen eine Sünde ist.‘ 211. f. 59v, Z. 9, adserere – (Typ A) kasaken – HDM 231,52. WS Nr. 152 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei hoher Auflösung sind schwache Spuren davon im Digitalisat erkennbar. adserere: Inf. lat. asserere (adserere) ‚behaupten‘ – GH 1,635. kasaken: Inf. sw. V. ahd. gisagēn ‚behaupten‘ – StWG 502. RSV 2,251. SchG 8,66 – vgl. GSp 6,98. Formenkongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach mit der unpräfigierten Basis belegt. 212. f. 59v, Z. 11, nefas est – (Typ A) meinist Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei Streiflicht von rechts oben und rechts unten gelesen. Vor dem sicheren ist ist bei Streiflicht von links schwach ein n erkennbar. Die Spur des ersten Buchstabens ist sehr schwach, bei Streiflicht von rechts sind zwei Bögen zu erkennen, die als m gelesen werden können. Der folgende Buchstabe kann bei Streiflicht von oben links als e interpretiert werden: erkennbar ist sehr schwach ein Bogen und eine Zunge. Zwischen mein und ist ein senkrechter Strich von brauner Tinte (?). nefas: indeklinabel; lat. N. nefās ‚Unrecht, Sünde, Frevel‘ – GH 2,1128. est: 3. Sg. Ind. Präs. lat. esse ‚sein‘ – GH 2,2918. mein: Nom. Sg. zum st. N. ahd. mein ‚Frevel‘ – vgl. AWB 6,336. GSp 2,780. StWG 404. SchG 6,304. ist: 3. Sg. Ind. Präs. zum an. V. ahd. sīn ‚sein‘ – vgl. StWG 524. GSp 1,481. Formenkongruente und semantisch adäquate Übersetzung von lat. nefas est mit einem althochdeutschen Syntagma mein ist. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nur einmal aus der ‚Samanunga‘-Handschrift Wien, ÖNB 162 belegt (vgl. SchG 6,304).

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213. f. 60r, Z. 5, (expe)/tere – (Typ B) sochan – HDM 231,53. WS Nr. 153 (3) ... ita ut hoc nonnum / (4) quam ipse defunctorum animae uideantur expe/ (5) tere (IV,57; 265,184,6) ‚... sodass manchmal die Seelen der Verstorbenen selbst nach ihr [der heilbringenden Darbringung des Opfers] zu verlangen scheinen.‘ Große, deutlich geritzte Buchstaben. Die Eintragung über dem zweiten Teil des durch Zeilensprung getrennten Lemmas ist im Digitalisat bei hoher Auflösung gut erkennbar. Auch über dem ersten Teil expe in Z. 4 sind Spuren einer Griffeleintragung zu erkennen, die aber nicht ausreichend zu identifizieren waren. expetere: Inf. lat. expetere ‚erstreben, begehren, nach etw. verlangen‘ – GH 1,2583. sochan: Inf. sw. V. ahd. suohhen ‚verlangen (nach)‘ – StWG 610. RSV 1,213ff. SchG 9,349 – vgl. GSp 6,78. Formenkongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. 214. f. 60r, Z. 7, diocaesi – (Typ B) farru – HDM 231,54. WS Nr. 154 (5) … Nam praedictus felix episcopus a quodam uene/ (6) rabilis uitae pręsbýtero qui usque ante biennium / (7) uixit et in diocaesi centumcellensis urbis habi/ (8) tauit atque ecclesiae beati Iohannis, quae in loco / (9) qui tauriana dicitur sita est, praeerat, cognouis/ (10) se asserit ... (IV,57; 265,184,9) ‚So versichert der erwähnte Bischof Felix von einem ehrwürdigen Priester, der noch bis vor zwei Jahren lebte und in der Diözese von Centumcellä wohnte und der Kirche des seligen Johannes vorstand, die in einem Ort gelegen ist, der ‚Taurania‘ genannt wird, erfahren zu haben.‘ Die Eintragung über t von et beginnend und bis über o des Lemmas reichend ist im Digitalisat bei hoher Auflösung gut erkennbar. Die beiden r sind durch die Oberlänge des d getrennt. diocaesi: Abl. Sg. lat. F. dioecēsis, -is ‚Diözese, Kirchsprengel‘ – GH 1,2176. farru: Dat. Sg. st. F. ahd. pfarra ‚Sprengel‘ – StWG 460. SchG 7,257 – vgl. GSp 3,345. Funktional adäquate Wiedergabe des lateinischen Ablativs mit dem althochdeutschen Dativ. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. Die Wiedergabe der Affrikate mit einfacher f-Graphie ist nach SchABG §58 im Bairischen selten, häufiger aber im Alemannischen (BRG §131a). 215. f. 60r, Z. 11, uapores – (Typ A) uuallant (10) … quos (Ed. quod) isdem presbiter in eodem loco, in quo aqvae / (11) calide uapores nimios faciunt, quotiens necessi/ (12) tas corporis exiebat (Ed. exigebat), lauari consueuerat (IV,57; 265,184,12) ,dass eben der Priester sich an diesem Ort zu waschen pflegte, an dem die heißen Wasser enorme Dämpfe entwickelten, so oft sein Körper dies benötigte‘. Interlinear über dem Lemma, der erste Buchstabe auf einem Pergamentknitter und daher nur unsicher zu identifizieren.

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uapores: Akk. Pl. lat. M. vapor ‚Dunst, Dampf‘ – GH 2,3364. uuallant: 3. Pl. Ind. Präs. st. V. ahd. wallan ‚wallen, sieden, aufbrausen‘ – vgl. StWG 692. GSp 1,797. SchG 10,364. Die zunächst scheinbar inkongruente Übersetzung mit einem Verb kann im Kontext als Verbalisierung der Nominalkonstruktion uapores faciunt durch uallant als semantisch adäquat aufgefasst werden. Die Form im Plural gibt die lateinische Numeruskongruenz zum Subjekt aquae calidae wieder. 216.–217. f. 60r, Z. 18 (13) … inuenit / (14) quendam incognitum uirum ad suum obsequium / (15) praeparatum, qui sibi de pedibus calciamenta ab/ (16) straheret, uestimenta susciperet, exeunti / (17) e caloribus sabana praeberet, atque omne mi[ni]s/ (18) terium137 (Ed. ministerium) cum magno famulatu perageret (IV,57; 265,186,19) ‚Er fand dort einen Unbekannten vor, bereit zu seinem Dienst, der ihm die Schuhe auszog, ihm die Kleider abnahm, ihm beim Verlassen des Bades das Leintuch reichte und jeden Dienst [unkorrigierte Version der Hs.: jedes Mysterium, Geheimnis] mit großer Dienstbarkeit verrichtete.‘ 216. f. 60r, Z. 18, cum famulatu – [a] (Typ A) deonosto – [b] (Typ B)

i

v

Die Eintragung interlinear über dem Lemma ist insgesamt schwach und nur bei sehr flachem, variierendem Streiflicht von links und oben lesbar. Bei bestimmtem Lichteinfall werden die Buchstaben durch weitere Griffelspuren gekreuzt: Deutlich ist beim ersten e bei Streiflicht von links ein senkrechter Strich von einem Instrument Typ B zu erkennen, der evtl. als Korrektur des Buchstabens zu i aufgefasst werden kann. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Glosse von einer späteren Hand korrigiert wurde. Auch beim letzten Buchstaben wurde das o mit einem spitzeren Instrument zu v korrigiert. famulatu: Abl. Sg. lat. M. famulātus, -ūs ‚das Dienen, die Dienstbarkeit, Knechtschaft‘ – GH 1,2686. [a] deonosto: Instrumental Sg. st. M./N. ahd. dionōst ‚Dienst‘ – vgl. AWB 2,533. StWG 102. GSp 5,93. SchG 2,250. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist noch nicht belegt. [b] dionostv [= dionostu]: Instrumental Sg. st. M./N. ahd. dionōst (s. o.). Aufgrund des Instrumentals herrscht Formenkongruenz zu famulātu. Das Vorhandensein einer Instrumentalform ohne Präp. ist im Allgemeinen ein Hinweis auf frühen Sprachstand (BRG §192e,A.2; 8./9. Jh.), die Formen mit -u scheinen dabei häufiger in frühen Quellen belegt zu sein, ab Mitte des 9. Jahrhunderts wird -o häufiger, wobei -o auch schon in frühen Quellen vorkommt (BRG §93,A.3. SchABG §96c).

|| 137 Hs. mi##s/terium (nach i zwei Buchstaben radiert).

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für vorahd. /eu/ erscheint in allen älteren Quellen, wobei der Übergang eo > io in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts fällt (BRG §48. SchAHG §39), sodass für den vorliegenden Beleg zusammenfassend die Instrumentalendung und Stammsilbenvokale in beiden Fällen einer Datierung in die Frühzeit des 8./9. Jahrhunderts nicht widersprechen. Die außersprachlich gemachte Beobachtung, dass Griffeleintragungen mit einem Instrument Typ B eher nach den Eintragungen von Typ A vorgenommen wurden, lässt sich auch hier neben der ohnehin später anzusetzenden Korrektur der Eintragung Typ A deonosto durch Typ B [d]i[onost]v auch sprachlich bezüglich des Stammsilbenvokals bestätigen. Die ältere Form des Instrumentals macht aber eine Eintragung der Korrektur auch noch in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts wahrscheinlich. Dies widerspricht nicht der bekannten Beleglage, zu vergleichen ist hier auch SchAHG §39, 34, der explizit darauf hinweist, dass insbesondere im Oberdeutschen neben eo auch in frühen Quellen schon io für vorahd. /eu/ vertreten ist. 217. f. 60r, Z. 18, perager& – (Typ A) durhteta – HDM 231,55. WS Nr. 155 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. perager& [= perageret]: 3. Sg. Konj. Imperf. Akt. lat. peragere ‚eine Arbeit, Tätigkeit ausführen, durchführen, vollenden, vollbringen‘ – GH 2,1563. durhteta: 3. Sg. Ind. Prät. an. V. ahd. duruhtuon ‚ausführen‘ – StWG 643. SchG 10,109 – vgl. GSp 5,323. Bezüglich des Modus inkongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. 218. f. 60r, Z. 22, ingratus – (Typ A) .ndank(…) – Hinweis Schulte, nicht identifiziert Nr. 7. SchG 12,49 unentziffert (20) ... ‚Uiro / (21) illi, qui mihi solet tam deuotissimę ad lauandum ob/ (22) sequi, ingratus apparere non debeo, sed aliquid / (23) me necesse est ei pro munere portare‘ (IV,57; 265,186,24) ‚Dem Mann gegenüber, der mich beim Baden so äußerst hingebend zu dienen pflegt, darf ich nicht undankbar erscheinen, sondern ich muss ihm etwas zum Geschenk mitnehmen.‘ Das d über dem kleinen Zwischenraum des n und g von ingratus. Das a direkt über dem g von ingratus. Vom zweiten n ist deutlich der linke Schaft zu erkennen, der Bogen oben und der Schaft rechts sind allerdings etwas undeutlich. Vom darauf folgenden Buchstaben sind bei variierender Beleuchtung unterschiedliche Spuren zu erkennen, was auf eine Doppelglossierung hinweisen könnte (vgl. die Mehrfachglossierung bei deonosto/dionostv vier Zeilen darüber): Bei Streiflicht von rechts oben ist ein Bogen links zu erkennen, der für die Interpretation als c sprechen könnte. Bei Streiflicht von rechts ist aber auch eine nach rechts unten führende Schräge – links davon evtl. leicht geritzt auch ein senkrechter Schaft – sichtbar, was auf die Interpretation als k deuten könnte. Der Bogen liegt zum Teil unter dem Schaft, was eine doppelte Eintragung wahrscheinlich macht. Vom darauffolgenden Buchstaben ist bei Streiflicht von links und rechts sehr schwach eine Oberlänge erkennbar und

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ein Bogen rechts, was aber nicht hinreichend als b zu sichern ist. Die folgenden schwachen Spuren reichen bis über das s von ingratus, sind aber nicht hinreichend zu sichern. Der Raum lässt auf 2–3 folgende Buchstaben schließen. ingratus: Nom. Sg. M. lat. Adj. ingrātus, -a, -um ‚unfreundlich; undankbar‘ – GH 2,265. .ndank(…): die identifizierten Spuren lassen unter Berücksichtigung des lateinischen Lemmas auf eine bisher nur spärlich belegte desubstantivische Adjektivbildung schließen, vgl. etwa die althochdeutschen Adjektive undankbāri (vgl. StWG 656. SchG 10,173) oder undankfol (StWG 656. SchG 10,174) bzw. das althochdeutsche Adv./Adj. undank (vgl. StWG 656. SchG 10,173). Als Adj. interpretiert bei Nievergelt (2009a: 161 und A.794), alle zu lat. ingratus jeweils mit der Bedeutung ‚undankbar‘. 219. f. 60v, Z. 15, (dispa)/ruit – (Typ A) kaleid – HDM 231,56. WS Nr. 156 (14) … In quibus uerbis dispa#ra#/ (15) ruit138, et is qui esse homo uidebatur, euanescendo / (16) innotuit quia spiritus fuit. ... (IV,57; 265,186,40) ‚Mit diesen Worten verschwand er, und der ein Mensch zu sein schien, gab sich durch sein Verschwinden als Geist zu erkennen.‘ Die Eintragung über dem zweiten Teil des durch Zeilensprung getrennten Lemmas. disparuit: 3. Sg. Ind. Perf. Aktiv lat. dispārēre ‚verschwinden‘ – GH 1,2211. kaleid: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. gilīdan ‚verschwinden‘ – AWB 5,909. StWG 373. SchG 6,71 – vgl. GSp 2,179. Formal adäquate Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nur hier belegt. Die Korrektur des Lemmas aus urspr. wohl disperauit zu disparuit könnte zur Glossierung motiviert haben. Evtl. sollte auch einer Verwechslung mit lat. disparāre ‚absondern, trennen‘ (GH 1,2212) vorgebeugt werden. 220.–221. f. 61r, Z. 4–5 (1) ... Quidem (Ed. Quidam) nam/ (2) que monachus, iustus nomine, medicina arte fuerat / (3) inbutus, qui mihi in eodem monasterio constituto / (4) sedule obsequi atque in assiduis aegritudinibus meis / (5) excubare consueuerat (IV,57; 265,188,52) ‚Ein Mönch namens Justus war in der Arzneikunde bewandert und pflegte, da ich mich in demselben Kloster befand, mir eifrig zu Diensten zu sein und während meiner andauernden Krankheiten Wache zu halten.‘

|| 138 Z. 14/15: Hs. dispa|ruit: das a korrigiert aus e; nach a wurde dann ra ausradiert; das r vor uit wurde am linken Rand nachgetragen.

Edition | 161

220. f. 61r, Z. 4, sedule – (Typ A) emazigo – HDM 231,57. WS Nr. 157 Die Eintragung interlinear über dem Lemma reicht bis über o des folgenden obsequi Von der Eintragung sind im Digitalisat bei hoher Auflösung nur sehr schwach Spuren erkennbar. sedule: Adv. lat. sēdulē ‚eifrig, emsig, geschäftig‘ – GH 2,2574. emazigo: Adv. ahd. emizzīgo ‚eifrig‘ – AWB 3,278. StWG 125. SchG 2,429 – vgl. GSp 1,256. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nur hier belegt. 221. f. 61r, Z. 5, excubare – (Typ A) kaanpahten – HDM 231,58. WS Nr. 158 Die Eintragung interlinear über dem Lemma reicht bis über o des folgenden consueuerat. Im Digitalisat sind bei hoher Auflösung schwache Spuren erkennbar. excubare: Inf. lat. excubāre ‚wachen, wachsam sein, besorgt sein‘ – GH 1,2532. kaanpahten: Inf. sw. V. ahd. giambahten ‚sorgen für‘, zu ahd. ambahten ‚dienen, ein Amt verwalten‘ – AWB 1,319. StWG 23. SchG 1,134. RSV 1,2 – vgl. GSp 3,26. In der hier vorliegenden präfigierten Form ist das Wort bislang nur hier belegt. 222. f. 61r, Z. 10, stipendiis – (Typ A) lipleitom – HDM 231,60. WS Nr. 159, beide lipleiton (6) ... Cui in / (7) ipsa sua molestia frater germanus nomine co/ (8) piosus seruiebat, qui ipse quoque nunc in hac urbe / (9) per eandem medicinę artem temporalis uitae / (10 stipendiis (Ed. stipendia) sectatur (IV,57; 265,188,58) ‚In derselben Krankheit diente ihm sein leiblicher Bruder mit Namen Copiosus, der selbst auch jetzt in dieser Stadt durch die Arzneikunst nach dem Unterhalt für das zeitliche Leben strebt.‘ Der entgegen Meritt und Schulte eindeutig als m zu identifizierende letzte Buchstabe ist bei Streiflicht von links deutlich sichtbar. stipendiis: Dat. Pl. lat. N stīpendium, -iī ‚Beistand, Unterstützung, Unterhalt‘ – GH 2,2803. lipleitom: Dat. Pl. st. F. ahd. lībleita ‚Unterhalt, Nahrung‘ – AWB 5,894. StWG 372. SchG 6,58 – vgl. GSp 2,187. Die Übersetzung ist zur lateinischen Vorlage formal kongruent. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. Die Flexionsform ist im AWB 5,894 in der Lesung Meritts und Schultes verzeichnet und dort zu korrigieren. 223. f. 61r, Z. 12, aureos – (Typ A) manchusa (10) … Sed praedictus iustus, cum / (11) iam se ad extremum peruenisse cognouisset, ei/ (12) dem copioso fratri suo quia occultos tres aureos / (13) habere innotuit. ... (IV,57; 265,188,61) ‚Als aber der genannte Justus sah, dass es mit ihm zu Ende ging, verriet er seinem Bruder Copiosus, dass er drei versteckte Goldstücke besitze.‘

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Die Eintragung beginnt über dem s von aureos und reicht dann in den Blattrand hinein. Sie weist Prägungen auf, das Pergament wurde allerdings in der Schräge des a, im c und in der Oberlänge des h auch oberflächlich angeritzt. Die ersten Buchstaben manch sind deutlicher eingedrückt und bei Streiflicht von rechts gut erkennbar, die Spuren danach sind schwächer geprägt, aber eindeutig zu sichern. aureos: Akk. Pl. lat. M. aureus (substantiviertes Adj. ‚aus Gold‘) ‚Goldstück‘ – GH 1,734f. manchusa: Akk. Pl. st. M. ahd. mankus ‚Goldmünze‘ – vgl. AWB 6,249. StWG 399. GSp 2,808. SchG 6,267. SpAW 1,1225. Formenkongruente Übersetzung. Es handelt sich um ein Lehnwort aus dem Mittellateinischen (EWA 6,121). Schulte (1993: 338) erwägt bei der Behandlung einer Parallelglossierung aufgrund des Vorkommens im Altenglischen und Altsächsischen eine Entlehnung bereits im Germanischen. Die Stelle ist noch zweimal parallel glossiert (vgl. Schulte 1993: Nr. XV,32: St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 299. XVI,5: Sélestat, Bibliothèque Humaniste de Sélestat Ms. 7), daneben ist das althochdeutsche Interpretament auch zum Lemma lat. solidus (GH 2,2709) in anderen Handschriften mit Dialog-Glossen belegt (vgl. Schulte 1993: Nr. XXI,98: Clm 18140. XXII,10: Cgm 5248). 224. f. 61v, Z. 5, percipiat – (Typ A) antfahe – HDM 231,61. WS Nr. 160 (3) Vade, et nullus ex fratribus se ad eum morientem / (4) iungat, nec sermonem consolationis ex cuiuslibet / (5) eorum #ore139 percipiat. ... (IV,57; 265,190,76) ‚Geh und keiner von den Brüdern schließe sich dem Sterbenden an und er soll aus dem Mund keines von ihnen ein Wort des Trostes erhalten.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma, n und t sind ligiert. percipiat: 3. Sg. Konj. Präs. lat. percipere ‚bekommen, empfangen‘ – GH 2,1568f. antfahe: 3. Sg. Konj. Präs. red. V. ahd. intfāhan ‚erhalten‘ – AWB 3,506. StWG 136. SchG 3,26 – vgl. GSp 3,395. Formenkongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist nur hier belegt, zu vgl. sind aber zahlreiche Glossierungen zu Wortbildungen zur gleichen lateinischen Basis wie suscipere und accipere (SchG 3,25f.). 225. f. 61v, Z. 17, unam – (Typ A) ein (17) In quibus utrisque rebus unam morienti, alteram ue/ (18) ro uolui uiuentibus fratribus prodesse, … (IV,57; 265,190,88) ,Durch diese Anordnung wollte ich zum einen dem Sterbenden und zum anderen den lebenden Brüdern nützen.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei Streiflicht von rechts erkennbar. unam: Akk. Sg. F. Zahladj. lat. ūnus, -a,-um ‚ein, eines‘ – GH 2,3309.

|| 139 Vor ore wurde ein Buchstabe radiert.

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ein: Nom./Akk. Sg. Zahladj. ahd. ein ‚eins‘ – vgl. AWB 3,120. StWG 120. GSp 1,308. SchG 2,385. Hier auch als Adv. ahd. ein ‚zum einen‘ interpretierbar (vgl. AWB 3,170). Die Eintragung ist evtl. als Vokabelübersetzung zu werten. 226.–227. f. 62v, Z. 21 (18) ... Nam uir uitae uenerabilis Cassius (Hs.: -sius auf Rasur), / (19) narniensis episcopus, qui cottidianum deo sacrificium of/ (20) ferre consueuerat seque in lacrimis inter ipsa sacri/ (21) ficiorum arcana mactabat, mandatum domini per cuiusdam / (22) sui uisionem presbýteri suscepit, ... (IV,58; 265,194,5) ‚Denn der Mann von ehrwürdigem Lebenswandel, der Bischof von Narnia Cassius, der Gott das tägliche Opfer darzubringen pflegte und sich selbst während der Opfergeheimnisse unter Tränen opferte, empfing durch die Vision seines Priesters einen Befehl des Herrn ... .‘ 226. f. 62v, Z. 21, arcana – (Typ A) vvihiv – HDM 231,62 uuihiu. WS Nr. 161 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. arcana: Akk. Pl. lat. N. arcānum, -ī ‚Geheimnis‘ (subst. Adj.) – GH 1,540. vvihiv: Akk. Pl. N. st. flekt. Adj. ahd. wīh ‚heilig‘ – StWG 726. SchG 11,125 – vgl. GSp 1,721. Wiedergabe des substantivierten Adjektivs lat. arcāna ‚Geheimnis‘ durch das formenkongruente Adjektiv ahd. wih ‚heilig‘. Evtl. liegt eine Nachbildung des lateinischen Lemmas und damit ein subst. Adj. vor. Das althochdeutsche Adj. könnte aber auch in Beziehung zu einem gedachten althochdeutschen Neutrum, etwa das als Übersetzungsäquivalent für lat. sacrificium belegte althochdeutsche st. N. opfar (vgl. AWB 7,90. GSp 1,181. StWG 451) stehen. 227. f. 62v, Z. 21, mactabat – (Typ A) plav – HDM 231,63. WS Nr. 162, beide plau Die Eintragung über a des Lemmas beginnend reicht bis vor die Oberlänge des b. Im Digitalisat sind sehr schwach Spuren davon erkennbar. mactabat: 3. Sg. Ind. Imperf. lat. mactāre ‚opfern; (hin-)schlachten; bestrafen‘ – GH 2,750. plav: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. bliuwan ‚geißeln‘ – AWB 1,1219. StWG 66. SchG 1,432 – vgl. GSp 3,257. Formenkongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nur hier belegt. 228.–229. f. 63r, Z. 19–21 (19) … Nauta uero illius uaraca nomine, qui / (20) nunc eiusdem ecclesiae clericatus officio fungi/ (21) tur, post nauem carabum regebat (IV,59; 265,196,14) ‚Aber ein Seemann von ihm mit Namen Varaca [Baraca], der jetzt ein Amt im Klerus derselben Kirche versieht, lenkte hinter dem Schiff einen Kahn.‘

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Über nunc (Z. 20) und nauem (Z. 21, s.u.) finden sich weitere Spuren, die nicht identifiziert werden konnten (vgl. Kap. 2.3.3). 228. f. 63r, Z. 19, nauta – (Typ A) ferio – HDM 231,64. WS Nr. 163 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. nauta: Nom. Sg. M. lat. nauta, -ae ‚Schiffsmann; Seemann‘ – GH 2,1107. ferio: Nom. Sg. sw. M. ahd. ferio ‚Seemann‘ – AWB 3,745. StWG 148. SchG 3,119 – vgl. GSp 3,588. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 229. f. 63r, Z. 21, carabum – [a] (Typ A) mast – [b] unterzeilig (Typ B) rihtiscef Eintragung [a] mast ist aufgrund von Kratzspuren schwer identifizierbar und wurde evtl. mit einem spitzeren Instrument radiert. Sie ist aber anhand der Durchprägung auf f. 63v deutlich zu lesen und dort auch im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. Eintragung [b] rihtiscef ist mit spitzem Instrument durchgängig geritzt und steht über regebat in Z. 22 und unter carabum in Z. 21; semantisch ist der Bezug auf carabum wahrscheinlicher. Davor über a von nauem beginnend bis über m sind schwache Spuren von drei bis vier Buchstaben eines Instruments Typ A zu erkennen, die nicht sicher zu lesen waren (vgl. Kap. 2.3.3). Ihre Zugehörigkeit zur Eintragung mast ist nicht zu sichern, aber auch nicht auszuschließen. carabum: Akk. Sg. lat. M. carabus, -ī ‚kleiner Kahn‘ – GH 1,992. [a] mast: Nom/Akk. Sg. zum st. M. ahd. mast ‚Mast; hier: Schiff, Kahn‘ – vgl. AWB 6,314. StWG 403. GSp2,881. SchG 6,294. Die zunächst semantisch unpassend erscheinende Glossierung könnte im vorliegenden Fall auf eine metonymische Verwendung des althochdeutschen Substantives hinweisen, das im Althochdeutschen zunächst v. a. als Entsprechung für arbor navis ‚Mastbaum‘ belegt ist. Im Lateinischen kann arbor selbst auch allein für das ganze Schiff stehen (vgl. GH 1,537f.). Entsprechende metonymische Bedeutungsverschiebungen sind für mast ‚Schiff‘ dann auch im DWB bis ins 19. Jh. belegt. Der früheste bei Grimm erwähnte Beleg stammt aus dem 13. Jh. (vgl. DWB 12,1711). [b] rihtiscef: Determinativkompositum aus st. F. ahd. rihtī ‚Regel, Richtschnur‘ (vgl. StWG 484. GSp 2,415. SchG 7,221) und st. N. ahd. skif, skef ‚Schiff, Boot‘ (StWG 541. GSp 6,455. SchG 8,341) mit der Bedeutung ‚Leitboot‘ (?). Die morphologisch zwar durchsichtige Bildung ist semantisch im Kontext nicht adäquat und setzt eine Interpretation des Kahns als führendes, leitendes Schiff voraus. Das Kompositum ist noch nicht belegt.

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230. f. 63r, Z. 21, rupto fune – (Typ A) farprohanemo seile – HDM 231,65f. WS Nr. 164 (21) ... Rupto fune, cum / (22) eodem carabo quem regebat, inter undarum cumu/ (23) los repente disparuit140 (IV,59; 265,196,16) ‚Mit zerrissenem Seil [= nachdem das Seil zerrissen war] verschwand er plötzlich mit dem Kahn, den er steuerte, zwischen den aufgetürmten Massen der Wogen.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Das von Meritt als unsicher gekennzeichnete o ist, wie bereits Schulte vermerkt, eindeutig lesbar. rupto: Abl. Sg. M. des Part. Perf. ruptus, -a, -um ‚zerrissen‘ lat. rumpere ‚zerreißen‘ – GH 2,2426. In Kongruenz mit fune als Abl. abs.-Konstruktion. farprohanemo Dat. Sg. N. st. flekt. Part. Prät. st. V. ahd. firbrehhan ‚zerreißen‘ – AWB 1,1332. StWG 74. SchG 2,11 – vgl. GSp 3,264. Formenkongruenz mit dem nachfolgenden Bezugsnomen ahd. seil. fune: Abl. Sg. lat. M. fūnis, -is ‚Seil, Strick, Tau‘ – GH 1,2880. seile: Dat. Sg. st. N. ahd. seil ‚Seil‘ – StWG 513. SchG 8,140 – vgl. GSp 6,187. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt. 231. f. 63r, Z. 24, tandem – (Typ A) daz gunkist (f. 63r, Z. 23) … Nauis autem, cui episcopus prae/ (24) erat, tandem post multa pericula ad hosticam (Ed. Usticam) // (f. 63v, Z. 1) insulam fluctibus quassata peruenit. ... (IV,59; 265,196,18) ‚Das Schiff aber, dem der Bischof vorstand, gelangte schließlich nach vielen Gefahren (und) von den Wellen heftig durchgeschüttelt an eine fremde Insel (Ed. an die Insel Ustika).‘ tandem: Adv. lat. tandem ‚endlich, doch endlich, schließlich‘ – GH 2,3018. daz gunkist: auszuschließen ist der Ansatz einer Kombination mit einer subordinierenden Konjunktion ahd. daz ‚dass‘ + Adverb, da die lateinische Konstruktion keine Unterordnung nahelegt, die die Übersetzung mit der konsekutiven Konjunktion daz rechtfertigen würde. Darüber hinaus ist ein der Eintragung sehr ähnliches az jungist ‚endlich‘ bestehend aus Präposition az ‚zu, bei, an, in, vor‘ und Adverb jungist in den Wörterbüchern als Übersetzung von lat. tandem (GötzLAN 653. SchG 12,447) mit der Bedeutung ‚endlich, zuletzt‘ belegt.141 Der paläographische Befund hier ist allerdings eindeutig mit daz anzusetzen. gunkist: Adv. ahd. jungist ‚endlich, zuletzt‘ – vgl. AWB 4,1851. GSp 1,605. SchG 5,122. Zu erklären ist das Syntagma best. Artikel daz + Adj. im Superlativ gunkist evtl. als Prädikativ, also ‚Das Schiff kam (als) das letzte (= zuletzt) an‘, analog zu

|| 140 Hs. a und u in disparuit auf Rasur; zwischen u und i wurde noch ein Buchstabe radiert. 141 az iungistin: AWB 1,761: Präp. az mit Dativ in Verbindung mit schwach flektierten Superlativadverbien (StSG 1,256,11 und 261,20).

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Konstruktionen, wie sie z. B. im Mittelhochdeutschen (allerdings flektiert) des Öfteren belegt sind (man vgl. hierzu Behaghel 1928: 476: Erec der erste an si kam). Die Graphie statt für /j/ ist laut BRG §116,A.2 anlautend vor e, i häufiger, vor anderen Vokalen aber „äußerst selten“. Unter den Belegen im AWB finden sich mit -Graphie nur beim Adj. Superlativ iungisto entsprechende Belege, die allerdings in ihrer Interpretation mit Unsicherheiten behaftet sind (vgl. AWB 4,1852). 232. f. 63v, Z. 7, uictime – (Typ A) friskinka – HDM 231,67. WS Nr. 165 (5) Sed per obsequium caritatis unum quod mortuo142 / (6) debebat impendit, ut omnipotente (Ed. omnipotenti) deo pro abso/ (7) lutione eius animae offerri (Ed. offerre) sacrificium uictime / (8) salutaris iuberet (IV,59; 265,198,25) ‚Aber wegen eines Dienstes der Liebe, wandte er das einzige auf, das er einem Toten schuldete, dass er dem allmächtigen Gott für die Erlösung seiner Seele das Opfer eines heilbringenden Opfertieres darbringen ließ.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Spuren davon sind bei hoher Auflösung im Digitalisat schwach erkennbar. uictime [= uictimę = uictimae]: Gen. Sg. lat. F. victima, -ae ‚Opfertier, Opfer‘ – GH 2,3473. friskinka: Nom. Pl. st. M. ahd. frisking ‚Opfertier‘ – AWB 3,1266. StWG 179. SchG 3,298 – vgl. GSp 3,832. Formeninkongruenz, die auf einer Verwechslung des lateinischen Gen. Sg. mit dem Nom. Pl. beruhen dürfte. Evtl. sollte durch die Glossierung aber auch auf die Verwechslungsmöglichkeit hingewiesen werden. Die lateinischalthochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt. 233.–234. f. 63v, Z. 8 (8) … quo oblata (Ed. oblate), restaurata naui (Ed. naue), / (9) perrexit ad italiam. ... (IV,59; 265,198,25) ‚Nachdem dieses dargebracht und das Schiff ausgebessert worden war, brach er nach Italien auf.‘ 233. f. 63v, Z. 8, quo oblata – (Typ A) demo kaoffarotiu – HDM 232,3. WS Nr. 166 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Das von Schulte als unsicher gekennzeichnete e in demo ist eindeutig zu lesen. Die beiden Wörter sind durch die Oberlänge des b in oblata getrennt. quo: Abl. Sg. N. (Bezugswort ist sacrificium Z. 7) lat. Rel.-Pron. qui, quae, quod ‚der, die, das‘ – GH 2,2151. In einer Abl. abs.-Konstruktion mit oblata, in der aber aufgrund der fehlerhaften Form von oblata für eigentl. oblato keine Kongruenz bezüglich des Genus besteht.

|| 142 Hs. vor mortuo wurde ein a radiert.

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oblata: Nom. (?) /Abl. (?) Sg. F. des Part. Perf. lat. offerre ‚darbringen; opfern‘ – GH 2,1328. Fehlerhaft für eigentl. oblato, da das Bezugswort sacrificium ein N. ist. Die fehlerhafte Form könnte durch den Gen. Sg. F. uictime beeinflusst worden sein, zu dem zumindest semantisch ebenfalls ein Bezug hergestellt werden kann: ‚Nachdem dieses (das Opfertier uictima / das Opfer sacrificium) dargebracht worden war‘. demo: Dat. Sg. M. Dem.-Pron. ahd. der ‚dieser‘ – StWG 94 – vgl. GSp 5,3. Wiedergabe des lateinischen Ablativs mit althochdeutschem Dativ. kaoffarotiu: Nom. Sg. F. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. offarōn ‚opfern‘ – AWB 7,99. StWG 450. RSV 2,112. SchG 7,187 – vgl. GSp 1,182. Wörtliche Wiedergabe des aus lat. oblato verderbten lat. oblata durch Nominativ Singular Femininum, die durch den folgenden, ebenfalls fehlerhaften Ablativus absolutus restaurata naui begünstigt worden sein könnte. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. Die Glosse wurde bereits bei Müller (1960: 155) und Müller/Frings (1968: 343) bezüglich der -Graphie behandelt und dort als bairisch bestimmt. Die Datierung dieser Eintragung ins 10. Jahrhundert im AWB ist fraglich. 234. f. 63v, Z. 8, restaurata – (Typ A) kazehotiv – HDM 232,1 kazehotiu. WS Nr. 167 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Spuren davon sind bei hoher Auflösung im Digitalisat schwach erkennbar. restaurata: Abl. Sg. F. zum Part. Perf. lat. restaurāre ‚wiederherstellen, erneuern‘ – GH 2,2355. In einer in der Handschrift allerdings fehlerhaften Abl. abs.-Konstruktion restaurata navi für eigentl. restaurata nave. kazehotiv: Nom. Sg. F. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. zehōn oder gizehōn ‚ausbessern‘ – StWG 755. RSV 2,193. SchG 11,339 – vgl. GSp 5,584. Da der Glossator den fehlerhaften Ablativus absolutus lat. restaurata naui nicht erkennt, gibt er lat. restaurata als Nominativ Femininum wieder. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 235. f. 63v, Z. 11, inopinata – [a] (Typ A) umpiuuanentlih – HDM 231,6 unpiuuanetlih. WS Nr. 168 umpivvanentlih – [b] (Typ B) vva (9) ... Cumque ad Romanum portum / (10) uenisset, illic nautam repperit, quem mortuum / (11) putauit. Tunc inopinata exultatione gaui/ (12) sus est ... (IV,59; 265,198,28) ‚Und als er zum römischen Hafen gekommen war, fand er dort den Seemann, den er tot glaubte. Da freute er sich in unerwartetem Jubel ...‘. Schultes Korrektur der Lesung Meritts bezüglich des m und nt ist zweifelsfrei zu bestätigen. Hohes e in Ligatur mit n; Ligatur nt mit gestürztem t. Die Korrektur Schultes der bei Meritt edierten beiden uu zu vv ist zu präzisieren, da die beiden eingedrückten uu und das darauffolgende a offensichtlich von einem Instrument Typ B als vva nachgezogen wurden (wie auch die zweite Haste des ersten u des Wortes). Unter diesen Ritzungen sind noch die eingedrückten Buchstaben uu erkennbar, die eindeutig als jeweils zwei durch einen Bogen unten verbundene Has-

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ten zu identifizieren sind. Die Eintragung mit dem Instrument Typ A ist insgesamt sehr deutlich geprägt, die beiden uu und das folgende a waren aber für den Glossator evtl. zu undeutlich, weshalb er sie in der Form vv nochmals nachzog (vgl. Nr. 241a/b f. 64v, Z. 19 nidarostu/vn). Spuren der beiden Eintragungen sind bei hoher Auflösung im Digitalisat sehr schwach erkennbar. inopinata: Abl. Sg. F. (in Kongruenz mit exultātione) lat. inopīnātus, -a, -um ‚unvermutet, überraschend, unerwartet‘ – GH 2,290. umpiuuanentlih: Unflekt. Adj. ahd. unbiwānentlīh ‚unerwartet‘. Die bisher belegten Formen führten in den Wörterbüchern zum Ansatz unbiwānitlīh ‚unerwartet‘ (StWG 655. SchG 10,172 – vgl. GSp 1,866. SpAW 1,1061), also einer negierten adjektivischen līh-Bildung zum Part. Prät. des sw. V. ahd. biwānen ‚argwöhnen, meinen, hoffen‘ (StWG 694), unter dem dieser Beleg dann verzeichnet wurde. Für die vorliegende Form ist allerdings eher von einer Bildung zum Part. Präs. auszugehen. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. Formeninkongruente Glossierung mit der Grundform. 236.–239. f. 63v, Z. 16–20 (13) ... Qui / (14) uidelicet indicauit quotiens in illius tempesta/ (15) tis fluctibus cum eodem quem regebat fuisset ca/ (16) rabo uersatus, qualiter cum illo undis pleno / (17) natauerat, et quotiens eo a superiore (Ed. superiori) parte de/ (18) orsum uerso ipsae carine eius supersederat, ad/ (19) iungens, cum diebus ac noctibus hoc incessanter fa/ (20) ceret iamque eius uirtus funditus ex fame simul/ (21) et labore cecidisset, quo eum ordine misericordiae (Ed. misericordia) / (22) diuina seruauerit. ... (IV,59; 265,198,32) ‚Dieser [Der Bootsmann] gab nämlich an, wie oft er in den Wellen jenes Sturms mit dem Kahn, den er steuerte, umhergetrieben worden war, wie er geschwommen, als sich der Kahn mit Wasser füllte und wie oft er, als dieser [der Kahn] mit dem oberen Teil nach unten gekippt war, auf dessen Kiel selbst gesessen war, und er fügte hinzu, auf welche Weise, als er dies Tage und Nächte unablässig tat und seine Kraft vor Hunger und zugleich vor Anstrengung völlig geschwunden war, ihn die göttliche Barmherzigkeit rettete.‘ Über tempesta/tis (Z. 14f.) und undis (Z. 16) finden sich Griffelspuren, die nicht sicher identifiziert werden konnten (vgl. Kap. 2.3.3). 236. f. 63v, Z. 16, uersatus – (Typ B) fargozzan – HDM 232,7. WS Nr. 169 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Spuren davon sind bei hoher Auflösung im Digitalisat erkennbar. uersatus: Nom. Sg. M. des Part. Perf. lat. versāre ‚hin und her bewegen, -treiben‘ – GH 2,3433ff. Als Teil eines analytischen Perfekt Passivs versatus fuisset. fargozzan: Unflekt. Part. Prät. st. V. ahd. firgiozan ‚fortspülen‘ – AWB 4,278. StWG 217. SchG 3,461 – vgl. GSp 4,284. Freie, interpretierende Glossierung. Motiviert evtl.

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durch die Vieldeutigkeit des lateinischen Lemmas versare. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nur hier belegt. 237. f. 63v, Z. 18, (de)/orsum – (Typ A) nidar – WS nicht identifiziert Nr. 8. SchG 12,49 unentziffert Geprägt mit oberflächlicher Ritzung interlinear über dem zweiten Teil des durch Zeilensprung getrennten Lemmas. Kleinere, undeutlichere Buchstaben als die anderen Typ A-Glossen dieser Stelle. Spuren der Eintragung sind bei hoher Auflösung im Digitalisat sehr schwach erkennbar. deorsum: Adv. lat. deorsum ‚zur Bezeichnung der Bewegung: abwärts, nach unten‘ – GH 1,2053. nidar: Adv. ahd. nidar ‚unten, abwärts, nieder, nach unten‘ – vgl. AWB 6,1233. SpAW 1,668. GSp 2,985f. StWG 439. SchG 7,94. Die Übersetzung ist bezüglich Form und Bedeutung kongruent. 238. f. 63v, Z. 18, carine – (Typ A) mastes – HDM 232,8. WS Nr. 170 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Spuren davon sind bei hoher Auflösung im Digitalisat schwach erkennbar. carine: für carinae. Dat. Sg. lat. F. carīna, -ae ‚Kiel, Schiffskiel‘ – GH 1,1000. Der Dativ ist von supersedēre ‚auf etw. sitzen‘ (vgl. GH 2,2947) regiert. mastes: Gen. Sg. st. M. ahd. mast ‚Mast‘ – AWB 6,314. StWG 403. SchG 6,294. Fehlglossierung. Eine metonymische Verwendung des althochdeutschen Subst. wie in Nr. 229a lässt sich hier bislang nicht belegen. Formeninkongruenz, die wohl durch vorausgehendes lat. ipsae und folgendes lat. eius begünstigt wurde. Der Dat. Sg. des F. carīna wurde offensichtlich als Genitiv missgedeutet. 239. f. 63v, Z. 20, funditus – (Typ A) karo – HDM 232,19. WS Nr. 171 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die Buchstaben a und r sind durch die Oberlänge des d in funditus getrennt. Sie ist bei hoher Auflösung im Digitalisat gut erkennbar. funditus: Adv. lat. funditus ‚von Grund auf, ganz und gar, völlig, gänzlich‘ – GH 1,2875f. karo: Adv. ahd. garo ‚gänzlich, völlig‘ – AWB 4,118. StWG 192. SchG 3,402 – vgl. GSp. 4,240. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. 240. f. 64r, Z. 20, tutior – (Typ B) festero (20) … In (Ed. Inter) haec autem pensandum est quod tutior uia / (21) sit, ut bonum quod quisque post mortem suam / (22) sperat, agi per alios, agat dum uiuit ipse pro se (IV,60; 265,200,1) ,Man muss aber hierbei bedenken, dass es sicherer ist, das Gute, das einer nach seinem Tode von anderen erhofft, bei Lebzeiten selbst zu tun.‘

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tutior: Komparativ zum Adj. lat. tūtus, -a, -um ‚sicher‘ – GH 2,3272. festero: Komparativ zum Adj. ahd. festi ‚sicher‘ – vgl. AWB 3,764. GSp 3,711. SchG 3,127. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nicht belegt (vgl. SchG 12,463). Formenkongruente Übersetzung. -ero statt -iro ist laut BRG §261,A.2 im Oberdeutschen in der frühen Zeit „höchst selten“ und daher wohl eher in der späteren Zeit (bei Notker) anzutreffen, im Fränkischen dagegen schon früh (im Tatian, bei Otfrid und im Althochdeutschen Isidor) vertreten. 241. f. 64v, Z. 19, ima – [a] (Typ A) nidarostun – HDM 232,20. WS Nr. 172 – [b] (Typ B) vn (16) ... Quis enim fidelium habere dubium / (17) possit in (Ed. ohne in) ipsa immolationis ora (Ed. hora) ad sacerdotis / (18) uocem caelos aperiri ,in illo iesu christi mysterio ange/ (19) lorum choros adesse, summis ima sociari, ter/ (20) ram caelestibus iungi … (IV,60; 265,202,23) ‚Wer von den Gläubigen nämlich könnte einen Zweifel daran haben, dass in der Stunde des Opferns selbst auf die Stimme des Priesters hin die Himmel geöffnet werden, in jenem Geheimnis Jesu Christi die Chöre der Engel anwesend sind, das Tiefste mit dem Höchsten vereint wird, die Erde mit dem Himmlischen verbunden wird ... .‘ Die letzten beiden Buchstaben wurden vermutlich mit einem Instrument Typ B nachgezogen, weshalb die Lesung hier nicht eindeutig zu sichern ist. Die Form der nachgezogenen Buchstaben könnte als vn zu lesen sein, sodass auch hier mit einer das u zu v korrigierenden zweiten Glossierungsschicht zu rechnen ist, die über der ersten eingedrückten liegt (vgl. hierzu Nr. 235a umpiuuanentlih mit von Typ B nachgezogenem vva). ima: Akk. Pl. lat. N. īmum ‚das Unterste, die Tiefe, Grund, der Abgrund, die Unterwelt‘; īmus, -a, -um ‚der, die, das unterste‘ ist hier der substantivierte Superl. des Adj. īnferus, -a, -um – GH 2,231, v. a. 233. nidarostun: Akk. Pl. N. des Superlativs sw. flekt. Adj. ahd. nidari ‚tief‘ – AWB 6,1243. StWG 439. SchG 7,94 mit Bedeutungsangabe ‚tief‘ – vgl. GSp 2,988. SpAW 1,668 [NIDA]. Vgl. Nr. 181 von gleicher Hand. 242.–243. f. 65r, Z. 5–7 (2) ... Sed studendum nobis est ut / (3) etiam post orationis tempora, in quantum deo lar/ (4) giente possumus, in ipso animo (Ed. animum) suo pondere et uigore s/ (5) eruemus, ne post cogitatio fluxa dissoluat, ne / (6) uana menti laetitia subripiat (Ed. subrepat), et lucrum conpunc/ (7) tionis anima per incuria fluxe (Ed. incuriam fluxae) cogitationis per/ (8) dat (IV,61; 265,202,8) ‚Aber für uns ist zu erstreben, dass wir auch nach den Zeiten des Gebetes, soweit wir es mit Gottes Hilfe vermögen, die

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Seele143 in ihrer Beständigkeit und ihrer Lebenskraft bewahren, damit sich nicht eine leere Freude ins Herz einschleicht und die Seele nicht den Gewinn der Reue durch die Sorglosigkeit haltlosen Denkens verliert.‘ 242. f. 65r, Z. 5, (s)/eruemus – (Typ A) arlaosemes – HDM 232,21. WS Nr. 173 Die Eintragung über dem ersten e des Lemmas beginnend reicht bis über n des folgenden ne. Von der Eintragung sind bei hoher Auflösung ganz schwache Spuren im Digitalisat erkennbar. seruemus: 1. Pl. Konj. Präs. lat. servāre ‚erretten, erhalten, unversehrt bewahren‘ – GH 2,2634. arlaosemes: 1. Pl. Konj. Präs. sw. V. ahd. irlōsen ‚bewahren‘ – AWB 5,1289. StWG 384. RSV 1,115. SchG 6,157 – vgl. GSp. 2,274. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bislang nur hier belegt (vgl. auch KöblerLAW 820). Die Graphie in Monophthongposition vor Dental spricht für ein relativ hohes Alter und ist v. a. in den ältesten Quellen noch zu beobachten (zur Graphie für vorahd. /au/ vgl. BRG §45 und A.1). 243. f. 65r, Z. 7, incuria – (Typ A) unrohhun – HDM 232,23. WS Nr. 174 Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Sie ist bei hoher Auflösung im Digitalisat gut erkennbar. incuria: Abl. Sg. lat. F. incūria, -ae ‚Sorglosigkeit, Nachlässigkeit, Leichtsinn‘ – GH 2,181. Der von der lateinischen Textedition abweichende Ablativ, der von Schulte (1993: 237) als fehlerhaft klassifiziert wird, kann durchaus regelhaft von der Präp. per regiert sein, für die spätlateinisch auch Konstruktionen mit Ablativ belegt sind (vgl. GH 2,1561). unrohhun: Dat. oder Akk. Sg. sw. F. unruohha ‚Sorglosigkeit‘ – StWG 671. SchG 10,241 – vgl. GSp 2,378. Für den Akkusativ spricht nur die Bestimmung der Wortform bei Annahme der Formenkongruenz mit der Form incuriam der lateinischen Edition, für den Dativ eine Bestimmung der Wortform der Handschrift lat. incuria als Ablativ, der spätlateinisch von per regiert werden kann. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 244. f. 65v, Z. 3, placitum – (Typ A) sona – HDM 232,24. WS Nr. 175 (3) et scilicet conditor noster, dum tale placitum nostrae men/ (4) tis aspexerit, a peccato nos soluit, quia mvinus144 (Ed. munus) pro / (5) culpa sumit (IV,62; 265,204,14) ‚Und natürlich spricht uns unser Schöpfer von der Sünde frei, sobald er

|| 143 Die Version der Hs. macht keinen Sinn. 144 Hs. minus mit nachträglich übergeschriebenem v über i.

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einen solchen Entschluss unseres Geistes gewahrt haben wird, weil er ein Opfer für die Schuld nimmt.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Bei hoher Auflösung sind schwache Spuren davon im Digitalisat erkennbar. placitum: Akk. Sg. lat. N. placitum, -ī ‚die geäußerte Willensmeinung, Meinung, Grundsatz, Lehrsatz‘ – GH 2,1726. sona: Akk. Sg. st. F. ahd. suona ‚Urteil, Versöhnung, Sühne; hier: Entschluss‘ – StWG 610. SchG 9,355 – vgl. GSp 6,242. Formenkongruente Übersetzung. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt. 245. f. 65v, Z. 19, (fiden)/ter – (Typ A) paldlihho – HDM 232,25. WS Nr. 176 (18) … et fiden/ (19) ter dico quia salutari hostia post mortem non / (20) indigebimus, si ante mortem deo hostia ipsi fuerimus (IV,62; 265,206,29) ‚... und zuversichtlich sage ich, dass wir nach dem Tode des heilbringenden Opfers nicht bedürfen werden, wenn wir vor dem Tode für Gott selbst ein Opfer gewesen sind.‘ Die Eintragung steht über dem zweiten Teil (ter) des durch Zeilensprung getrennten Lemmas und reicht bis über das nachfolgende dico. Das in der Edition Schultes suggerierte Spatium zwischen den beiden h (paldlih ho) ist durch die Oberlänge des d in dico bedingt. Die Eintragung ist bei hoher Auflösung im Digitalisat schwach erkennbar. fidenter: Adv. lat. fīdenter ‚mit Zuversicht, getrost, beherzt‘ – GH 1,2750. paldlihho: Adv. ahd. baldlīhho ‚zuversichtlich‘ – AWB 1,790. StWG 41. SchG 1,255 – vgl. GSp 3,111. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 246. f. 116r, Z. 14, culpabilem – (Typ A) vv (12) ... Et respondit (Ed. respondens) angelus (Ed. zusätzl. Domini ei) dixit: Deus me mi/ (13) sit ut dicerem tibi: Ubi iubes ut mittam illum fra/ (14) trem culpabilem, quem adduxisti (Ed. addixisti)? (Vitas patrum sive Verba seniorum; PL 73,910A) ‚Und der Engel antwortete und sagte: ‚Gott hat mich geschickt, um dir zu sagen: Wohin wünschst du, dass ich jenen schuldbeladenen Bruder hinschicke, den du hergeführt hast (Ed. für den Du gesprochen hast)?‘‘ Deutlich mit spitzem Instrument über c von culpabilem eingedrückt. Die Eintragung ist bei hoher Auflösung im Digitalisat erkennbar. vv: Unverständlich. Die Überprüfung der bereits belegten Entsprechungen für lat. culpabilem erbrachte nichts. 247. f. 121r, Z. 9, arduam – (Typ A) ste(...) (6) ... Audiens autem qui/ (7) dam de magnis monachis aegyptiis opinionem eius, / (8) uenit uidere eum, sperans corporalem conuersa/ (9) tionem plus aputd eum

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arduam inuenire (Vitas patrum sive Verba seniorum; PL 73,925C) ‚Nachdem er von großen ägyptischen Mönchen dessen Meinung gehört hatte, kam er ihn zu sehen, hoffend, dass das direkte Gespräch bei ihm das Schwierige mehr erhelle.‘ Bei sehr flachem Streiflicht von links oben erkennbar. Die Eintragung reicht von a bis über u von arduam. st ist ligiert, die Spur dahinter unsicher hohes e. arduam: Akk. Sg. F. lat. arduus, -a, -um ‚überaus schwierig‘ – GH 1,554. Hier liegt wohl eine Substantivierung vor. Bei GH ist nur noch ein N. arduum, -ī ‚große Schwierigkeit‘ verzeichnet. ste(…): Die Eintragung ist unter Berücksichtigung bereits belegter althochdeutscher Entsprechung zu lat. arduus, arduum ‚überaus schwierig‘ (vgl. SchG 12,118) evtl. an das Adj. ahd. steckal ‚steil, abschüssig, uneben‘ oder das st. M. ahd. steckala ‚Steile, Unebenheit‘ (vgl. StWG 590. SchG 9,201–203. SpAW 1,930) oder aber auch an das Adj. ahd. steigal ‚steil‘ (SchG 9,186) anschließbar. Für sichere Aussagen ist der paläographische Befund allerdings zu ungenau. 248. f. 150r, Z. 11, agnitio – (Typ A) artei...lida (9) Ubi uermes eorum non moriuntur, et ignis non ex/ (10) tinguitur, ubi nihil speratur nisi paena (Clm 28135: poena), ubi nullus / (11) honor nec proximi agnitio, nec dominus super seruum / (12) suum ... (Sermo de regio caelorum, nicht ediert) ‚Wo deren Würmer nicht sterben und das Feuer niemals ausgeht, wo nichts außer Strafe zu erwarten ist, wo keine Ehre [existiert] und keine Anerkennung durch den Nächsten und kein Herr über seinen Sklaven [herrscht], ...‘. Der Text ist nicht ediert, die Version hier folgt der Hs., er ist noch einmal im Clm 28135 (auch aus Freising) überliefert. Eine Überprüfung des Clm 28135 auf f. 15r–18r ergab keine Hinweise auf eine Glossierung. Der Text ist bis auf die oben im Kontext angegebene Abweichung mit dem des Clm 6293 identisch. Die Eintragung reicht von a in agnitio bis über das n im abgekürzten dns (=dominus). ei in artei...lida ligiert, mit hohem e. Sie ist evtl. das Ergebnis einer Mehrfachglossierung, was auch die nicht identifizierten Buchstaben erklären könnte: Die Endung lida deutlicher eingedrückt als der Anfang, die nicht identifizierten Buchstaben könnten der Rest einer ersten Glossierung sein. agnitio: Nom. Sg. lat. F. agnitio, -ōnis ‚das Anerkennen, Anerkennung‘ – GH 1,258. artei...lida: evtl. zu st. F. ahd. irteilida ‚Urteil, Entscheidung, Beurteilung‘ – vgl. StWG 312. GSp 5,415. SchG 9,462. Die deverbale ida-Bildung ist bislang nur einmal aus dem Clm 18140 zu lat. decretum belegt (StSG 1,369,16). Sie kann im vorliegenden Kontext in Anbetracht des Bedeutungsspektrums von lat. agnitio auch interpretierend als ‚Beurteilung‘ aufgefasst werden, sodass die Textstelle als ‚wo keine positive Beurteilung des Nächsten existiert‘ übersetzt wurde.

174 | München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521) 249. f. 151r, Z. 8, lucra – (Typ A) uruin (6) ... Modo autem karissimi (Ed. fratres) dies purgationis (Ed. purificationis) sancti (Ed. sancta), et spiritales (Ed. spirituales) iam / (7) animae sunt, in quibus corporis aliqua fatigatio, / (8) animę uero lucra esse debent inueniantur, et ideo, sicut / (9) apostolus dixit: ... (Ps.-Bonifatius: Sermo 11; PL 89,863D) ‚Jetzt eben, geschätzte [Brüder], sind die heiligen Tage der Reinigung und geistlich sind schon die Seelen, in welchen auf irgendeine Art und Weise Ermüdung des Körpers, aber [auch] Reichtümer [Gewinne, Vorteile] der Seele gefunden werden mögen [Zusatz: sein sollen], so, wie der Apostel sagt: …‘. Die Eintragung interlinear über lucra mit übergeschriebenem i über dem zweiten u. In der den Text parallel aus Freising überliefernden Handschrift Clm 6342 (9. Jh.) finden sich keine Griffeleinträge an dieser Textstelle und auch sonst keine Glossierungen des Textes (Autopsie vom 09.08.2001). Bisweilen ist die Textversion die gleiche wie die des Clm 6293. lucra: Nom. Pl. lat. N. lucrum, -ī ‚Gewinn, Vorteil‘ – GH 2,713. uruin: Evtl. ist die Eintragung als ein bislang nicht belegtes Abstraktum st. M. ahd. urwin (irwin) ‚Gewinn‘ zur verbalen Basis ur-/irwinnan zu interpretieren, das das lateinische Subst. lucra semantisch adäquat übersetzt. Nicht auszuschließen ist allerdings auch eine gekürzte Eintragung für das Verb ahd. ur-/irwinnan ‚gewinnen‘ (vgl. StWG 732. GSp 1,880. SchG 11,180), die dann das auf lucra folgende lateinische Verb inueniantur im Kontext adäquat übersetzt. Die Position über lucra erklärt sich dann evtl. aus Platzgründen aufgrund des übergeschriebenen Nachtrags esse debent über inueniantur (3. Pl. Konj. Präs. Passiv zu lat. invenīre ‚finden, erfinden, sich verschaffen, erwerben‘ – GH 2,419). 250. f. 6v, Z. 4, felicem – (Typ A) salican (2) … ut ad angelorum con/ (3) sortium mereamur peruenire, ubi gaudium in/ (4) uenimus (Ed. gaudium inuenimus fehlt) et ab auditu malo liberati illam felicem / (5) et desiderabilem uocem mereamur audire (Ps.-Bonifatius: Sermo 11; PL 89,864D) ‚damit wir es verdienen, an der Gemeinschaft der Engel teilzuhaben, wo wir die Freude finden, und, vom bösen Gehörten befreit, es verdienen, jenen glücklichen und wünschenswerten Ausspruch zu hören: …‘. Sehr schwach interlinear über dem Lemma, das zweite a in cc-Form. felicem: Akk. Sg. F. Adj. lat. fēlīx ‚glücklich‘ – GH 1,2713. salican: Akk. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. sālig ‚selig, glücklich‘ – vgl. StWG 504. GSp 6,179. SchG 8,83. Zum lateinischen Fem. genusinkongruente, semantisch adäquate Übersetzung des lateinischen Lemmas. Das althochdeutsche Adj. steht evtl. in Kongruenz zu einem gedachten mask. Subst., z. B. st. M. ahd. quiti ‚Aussprechen, Rede‘ (AWB 7,621). Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits mehrfach belegt.

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251. f. 6v, Z. 20, exsecramus – (Typ A) p.u.(…) (16) … Fratres / (17) karissimi, aperiamus os nostrum, obsecramus eum, pro/ (18) ieciamus (Ed. imploramus, projiciamus) a nobis onere (Ed. onera) peccatorum, oramus fre/ (19) quenter sine cessatione, lacrimis (Ed. lacrymas) fundemus, ne/ (20) glegentiam exsecramus malitiam fugemus (Ps.-Ephraem: Latinus Dictum 1; Assemani 581a,D) ‚Liebe Brüder, öffnen wir unseren Mund, beschwören wir und flehen wir ihn inständig an, werfen wir die Last unserer Sünden ab, beten wir immer wieder ohne Unterlass, vergießen wir Tränen, verfluchen wir die Nachlässigkeit, fliehen wir die Bosheit.‘ Die Eintragung eingedrückt, sie reicht interlinear über das gesamte Lemma, wobei aber nur die ersten Buchstaben deutlich zu lesen sind. Davor und darauf finden sich auch zusätzlich oberflächlich geritzte Spuren, mit unsicherem sprachlichem Charakter. Die hier als unsicher gekennzeichneten Buchstaben bestehen jeweils aus einem senkrechten Strich, beide in etwa gleich lang (zur Interpretation siehe unten). Danach folgt eine unbestimmte Zahl an Buchstaben. exsecramus: 1. Pl. Konj. Präs lat. Deponens exsecrāri ‚jmd. verwünschen, verfluchen‘ – GH 1,2607. p.u.(…): evtl. sind die beiden unsicheren Buchstaben nach p und u als i und l zu lesen, sodass die Eintragung mit Blick auf das Lemma als eine bislang allerdings nicht belegte Präfixableitung ahd. bifluohhōn zum althochdeutschen sw. V. fluohhōn ‚verfluchen‘ (AWB 3,1006. GSp. 3,759. SchG 3,225) zu interpretieren sein könnte. Der unsichere paläographische Befund lässt diesbezüglich aber keine sicheren Aussagen zu. 252. f. 153v, Z. 7, exigit – (Typ B) peitit (5) … ipse enim nos pacienter / (6) expectat et omnes nos ad suum regnum inuitat / (7) rationem enim exigit a nobis pro hac negligentia / (8) nostra ... (Ps.-Ephraem Latinus: Dictum 1; Assemani 582a,A) ‚Er selbst nämlich erwartet uns geduldig und lädt uns alle in sein Reich ein, er fordert nämlich von uns Rechenschaft über diese unsere Nachlässigkeit.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Vor dem p sind zwei leicht nach links geneigte kleine Ritzungen erkennbar, die zunächst wie ein a anmuten, davor stehen allerdings keine weiteren Buchstaben mehr. Da eine Identifikation als Präfix dadurch nicht möglich ist, bestehen Zweifel an der Sprachlichkeit der Spur. exigit: 3. Sg. Ind. Präs. lat. exigere ‚verlangen, fordern‘ – GH 1,2557. peitit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. beiten ‚fordern, verlangen‘ – vgl. AWB 1,853. StWG 44. GSp 3,65. SchG 1,287. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. Zu dem Verb existieren auch bedeutungsähnliche präfigierte Formen, vgl. ahd. gibeiten, irbeiten (AWB 1,855f.).

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253. f. 155v, Z. 5, indesinenter – (Typ B) un pi li (5) … ideo indesinenter / (6) et intento corde, caueamus, ne nos in ultimis tem/ (7) poribus tetri et deterrimi (Ed. teterrimi), atque orribiles (Ed. horribiles) demones sus/ (8) cipiant (Ps.-Ephraem Latinus: Dictum 2; Assemani 582a,C) ‚Deshalb wollen wir unaufhörlich und mit aufmerksamem Herzen uns in Acht nehmen, dass uns nicht in den letzten Zeiten hässliche und verworfenste und schreckliche Dämonen in Besitz nehmen.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma. Die Lücke zwischen u und n ist durch die Oberlänge des d von indesinenter bedingt. Die anderen Lücken scheinen absichtlich gesetzte Spatien zu sein. Bei hoher Auflösung sind Spuren der Eintragung im Digitalisat erkennbar. indesinenter: Adv. lat. indēsinenter ‚unaufhörlich‘ – GH 2,190. unpili: abgekürzt zum bislang nur einmal belegten Adv. ahd. unbilībanto? ‚unaufhörlich‘ – vgl. StWG 655. GSp 2,48. SchG 10,170. Das Wort ist bisher nur zu lat. sine intermisssione aus dem Clm 19440 zu Gregors Homilien belegt (StSG 2,285,49). Die Lücken innerhalb der Eintragung stützen die Vermutung, dass hier eine sich an den Silben orientierende Abkürzung vorliegt, bei der lediglich die ersten drei Silben geschrieben wurden. Die Silben scheinen in keinem erkennbaren graphischen Bezug zu Wortteilen des lateinischen Lemmas zu stehen. 254. f. 155v, Z. 13, ducenda – (Typ B) leit(…) (11) ... Mementote, obsecro, (Ed. fratres) caris/ (12) mata (fehlt in Ed.) oram (Ed. horam) illam qua anima nostra ut (Ed. aut) ad mortem / (13) aut ad uitam, pro ut merue (Ed. meruerit) ducenda erit (Ed. ducenda est) (Ps.-Ephraem Latinus: Dictum 2; Assemani 582a,D) ‚Ich bitte Euch, denkt an jene geschenkte Stunde, in der unsere Seele entweder zum Tod oder zum Leben geführt werden muss, so wie sie es verdient.‘ Die Eintragung interlinear über dem Lemma, direkt nach der Oberlänge von d beginnend. Sie ist v. a. bei schwachem Streiflicht von rechts zu erkennen. Die Anzahl der Buchstaben nach t ist unsicher. leit(…): die identifizierten Buchstaben machen eine Form des sw. V. ahd. leiten ,führen, leiten‘ (vgl. AWB 5,779. GSp 2,181. SchG 6,35. RSV 1,102) wahrscheinlich, das als althochdeutsche Entsprechung zu lat. dūcere ‚führen, leiten‘ (GH 1,2302) bereits mehrfach belegt ist. 255. f. 155v, Z. 22, deficile – (Typ A) unoti (18) Pro eo omni custodia seruanda est, unicuique mobilitas / (19) naturae humane fragilitatis, quia … / (20) … / (21) … angusta uero porta poeni/ (22) tentiae et arta uia laborum, a paucis deficile (Ed. difficile) pe/ (23) netratur: … (Ps.-Ephraem Latinus: Dictum 2; Assemani 582a,E) ‚Jeder von diesen muss aufpassen und einem jeden

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eignet die Wankelmütigkeit menschlicher Schwäche, weil … die enge Pforte der Buße und der schmale Weg des Leidens nur von wenigen und mit Schwierigkeiten durchschritten wird.‘ Die Eintragung ist sehr schwach interlinear über dem Lemma eingedrückt, sie sind am besten bei leicht schrägem Drauflicht von rechts zu lesen. deficile: Adj. in adverbialem Gebrauch lat. difficilis, -e ‚schwer, mit Schwierigkeiten verbunden‘ – GH 1,2146. unoti: Adj. ahd. unōdi ‚schwierig‘ – vgl. StWG 670. GSp 1,150. SchG 10,236. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist bereits belegt. 256. f. 156v, Z. 4, unterzeilig, instantia – (Typ A) (…)łaglei.. (f. 156r, Z. 22) … refectio ani/ (23) me est caritas castitas pietas … // … (f. 156v, Z. 3) … et pax uigiliae et orationum / (4) instantia. Haec omnia cibaria sunt spiritalia / (5) et salubria ... (Dicta Sancti Ephraem; Assemani 582b,E) ‚Die Erquickung der Seele ist die Nächstenliebe, die Keuschheit, die Frömmigkeit … und der wachsame Friede und die Inständigkeit der Gebete. Diese alle sind geistige Speisen und Heilmittel …‘. Die Spuren der Eintragung über salubria und unter instantia sind bei Streiflicht von rechts oben zu erkennen, die Interpretation der Buchstaben ist durch Querstriche erschwert, die auch auf mehrere Glossierungsschichten oder Korrekturgänge und Streichungen hindeuten könnten. ł steht über u von salubria und unter dem ersten a von instantia, a deutlich über b von salubria und unter n von instantia. Vom g ist ein Bogen links und daran anschließend ein kleiner Strich der Unterlänge erkennbar, was zur Lesung als g und nicht als c veranlasst. Die Buchstaben danach erstrecken sich bis über q von quibus und unter h von haec. Die Buchstaben vor ł waren nicht zu identifizieren, sie reichen bis auf den linken Blattrand. Aufgrund mangelnder Anschlussmöglichkeiten an die zu lat. salubria145 belegten Übersetzungsäquivalente kann die Eintragung als unterzeilig mit Bezug auf das darüberstehende instantia interpretiert werden. Hierüber finden sich ganz schwache Spuren eines Instruments Typ A, die auf eine vorhergehende Glossierung schließen lassen und die zur unterzeiligen Eintragung motiviert haben könnten. instantia: Nom. Sg. F. lat. īnstantia ‚Inbrünstigkeit, inständiges Bitten‘ – GH 2,323. (...)łaglei..: In den erkennbaren Teilen lässt sich die Eintragung vermutlich als aus zwei durch das Kürzel ł für lat. uel146 verbundende Glossen interpretieren. Der zweite, identifizierte Teil lässt sich mit Blick auf das lateinische Lemma an das ahd. st. N. agaleizi oder das sw. F. ahd. agaleizī ‚Eifer, Emsigkeit, Inständigkeit‘ (vgl. AWB 1,57.

|| 145 Übersetzungsäquivalente sind v. a Ableitungen zum Adj. ahd. heil (vgl. SchG 12,408), die sich mit dem paläographischen Befund an der vorliegenden Stelle nicht vereinbaren lassen. 146 Zu vergleichen ist hierzu auch Nr. 83 ł hrodar dieser Handschrift, das evtl. von gleicher Hand eingetragen wurde.

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GSp 1,131. StWG 16. SchG 1,82) anschließen, die auch als Übersetzungsäquivalente für lat. īnstantia belegt sind (SchG 12,282). 257.–258. f. 156v, Z. 9–10 (8) … haec in / (9) mente sedula cogitamus quamuis adhuc rerum / (10) perturbationibus animus fluctuet … (Dicta Sancti Ephraem; Assemani 582b,F) ‚Dies bedenken wir in geschäftigem Sinn, wenn der Geist bis dahin in den Wirren der Dinge noch so sehr schwanken mag.‘ 257. f. 156v, Z. 9, l. Rand, (in mente sedula) – (FG) simblū – StSG 5,25,4 und A.1 Die Federglosse verblasst. Der Querstrich über u hat links ein Häkchen nach oben, was ihn einem c ähnlich macht. Das b weist auch eine Unterlänge auf, was StSG wohl zur Anmerkung „b vielleicht aus p korrigiert“ veranlasst hat. Es kann natürlich auch umgekehrt gewesen sein. in mente sedula: Abl. Sg. lat. F. mēns, mentis ‚Geist‘ – GH 2,876; Abl. Sg. F. lat. Adj. sēdulus, -a, -um ‚emsig, geschäftig‘ – GH 2,2574. simblū [= simblum]: Adv. ahd. simbalum ‚unablässig, immer, fortwährend‘ – StWG 523. SchG 8,209 – vgl. GSp 6,26. Formeninkongruente, aber im Kontext adäquate Übersetzung mit einem althochdeutschen Adverb. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung sēdulus – simbalum ist sonst noch je einmal aus der St. Galler (K) und der Reichenauer (Ra) ‚Abrogans‘-Handschrift belegt (StSG 1,247,13). 258. f. 156v, Z. 10, fluctu& – (FG) uuancho – Catalogus I,3,87. StSG 5,25,12 Die Schreibung der Wortabstände beim lateinischen Lemma könnten die Glossierung motiviert haben, da zwischen der eigentlichen Flexionsendung & und dem restlichen Wortteil eine kleine Lücke ist. Dies und das ohne Abstand anschließende iam führen dazu, dass die Wortgruppe auch als fluctu etiam missgedeutet werden konnte. Zwischen & und iam wurde nachträglich ein Zeichen gefügt, das vermutlich auf die Wortgrenzen hier hindeuten soll. fluctu&: 3. Sg. Konj. Präs. lat. flūctuāre ‚schwanken‘ – GH 1,2797. uuancho: 3. Sg. Konj. Präs. zum sw. V. ahd. wankōn ‚schwanken, wanken‘ – GSp 1,692. StWG 695. SchG 10,380. RSV 2,172. Die lateinisch-althochdeutsche Entsprechung ist mehrfach belegt. Formenkongruente Übersetzung. Die kürzere Konjunktivform (gegenüber wankōe) ist zwar v. a. in fränkischen Quellen zu finden, aber auch bereits in frühen bairischen Denkmälern belegt (BRG §310 u. A.3), was sich mit der Graphie für vorahd. /k/ deckt (BRG §173). 259. f. 157r, Z. 21, r. Rand, (continuis) – (Typ B) u pi lid (20) … ubi non est ordo ullus nec / (21) agnitio proximi, sed continuis / (22) dolor et gemitus, (Ed. et) mors obtatur / (23) sed non datur; (Florilegium. Homilia 3; Teresa

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1963: 219,104) ‚… wo keinerlei Ordnung besteht und kein Anerkennen der Nächsten, sondern dauernder Schmerz und Stöhnen, und der Tod empfangen wird und nicht gegeben‘. Die Eintragung fein geritzt am rechten Blattrand über s und neben continuis, über dem sich auch Spuren einer weiteren, nur sehr schwach eingedrückten Eintragung befinden, die nicht zu identifizieren waren. Das u befindet sich über s von continuis, der Rest steht etwas nach unten versetzt rechts daneben auf dem Blattrand. Zwischen u und p sowie zwischen i und l eine Lücke. Die Eintragung ist in den Senkrechten deutlich geritzt, wobei u und p klar identifizierbar sind. Der dritte Buchstabe besteht aus zwei kleinen, sehr eng beieinanderstehenden, fast parallelen Senkrechten, die auf den ersten Blick auch den Eindruck eines i erzeugen. Es könnte sich aber auch um die beiden Ritzungen eines a handeln. Die folgenden beiden Spuren sind eine längere und eine kürzere senkrechte Ritzung. Danach folgt vergleichsweise deutlich d. Im Digitalisat sind bei hoher Auflösung schwache Spuren erkennbar.

Abb. 5: Ahd. Griffelglosse: Clm 6293, f. 157r, Z. 21: u pi lid (Nr. 259)

continuis: Eine Interpretation als Dat./Abl. M. zum Adj. lat. continuus, -a, -um ‚ununterbrochen, dauernd‘ (GH 1,1622) lässt sich bei anzunehmender Kongruenz mit dolor im Text nicht motivieren. Bei der Textform continuis ist daher auch von einer Variante im Nom. Sg. M. eines konsonant. flektierten Adj. *continuis, -e (nicht bei GH) auszugehen. Entsprechende Wechsel der Flexion bei Adj. der 1./2. nach der 3. Deklination (und umgekehrt) sind nach Stotz (1998: §5,12f.) häufiger belegt. u pi lid: Mit Blick auf die Form des Lemmas ist evtl. damit zu rechnen, dass der Glossator mit dem u über dem letzten Buchstaben des Lemmas eine Korrektur zu continuus vornahm147, das dann in Kongruenz zum lat. M. dolor ‚Schmerz‘

|| 147 Vgl. ähnliche Fälle in dieser Handschrift, bei denen die Glossierung mit Korrekturen am Lemma einhergeht: Nr. 27, 101, 109, 119, 121, 123.

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(GH 1,2276) steht. Die Spuren am rechten Blattrand pilid lassen sich dann vielleicht an das st. V. ahd. bilīban ‚bleiben‘ (AWB 5,885) – intendiert war evtl. das Part. Präs. – anschließen. Die Interpretation setzt eine spiegelverkehrte Schreibung des b als d voraus. Entsprechende Versehen sind nicht ganz unbekannt (vgl. etwa für den umgekehrten Fall der Verwechslung von d mit b den Beleg bilibant für bilidant, AWB 5,908). Ein möglicher Anschluss an ahd. unbilībanto ‚unaufhörlich‘ – vgl. StWG 655. GSp 2,48. SchG 10,170. Vgl. auch Nr. 253, f. 155v, Z. 5 un pi li zu indesinenter ‚unaufhörlich‘ – ist nicht ganz auszuschließen. Allerdings sprechen die gegenüber dem Rest der Eintragung leicht nach oben versetzte Position des u über dem letzten Buchstaben des Lemmas und das fehlende n bzw. der fehlende Nasalstrich eher dagegen. 260. f. 158r, Z. 22, contenderit – (Typ B) cil& (20) ... Qui autem de (Ed. a) se cum dei adiutorio uitia et pec/ (21) cata repellerit (Ed. repellere), et quod bonum est cogitare simul / (22) et implere contenderit, iuste signum crucis labiis / (23) suis adponet (ed. adponit): … (Caesarius Arelatensis: Sermo 13; CCSL 103,64,19) ‚Wer aber mit Gottes Beistand die Laster und Sünden von sich weggestoßen haben wird und gleichzeitig zu erreichen [ge]sucht [haben wird] das zu denken, was gut ist, und es zu erfüllen, der fügt das Zeichen des Kreuzes auf rechte Art mit seinen Lippen hinzu.‘ Die Eintragung ist klein geritzt und reicht von n bis über das erste e in contenderit. contenderit: 3. Sg. Ind. Fut. II lat. contendere ‚auf etw. hinarbeiten, eifrig streben nach etw.‘ – GH 1,1597. cil&: 3. Sg. Ind. Präs. zum sw. V. ahd. zilēn ‚streben, versuchen, sich bemühen; hier: zu erreichen suchen‘ – vgl. StWG 762. GSp 5,656. SchG 11,401. RSV 2,276. Die Übersetzung von lat. contendere mit ahd. zilēn ist belegt (SchG 12,181. KöblerLAW 196). Die Übersetzung des lateinischen Fut. mit dem althochdeutschen Präs. ist im Kontext adäquat. Die Graphie für die Affrikate z (< germ. t) ist vor den palatalen Vokalen e, i häufig belegt, Angaben über eine etwaige zeitlich-geographische Verteilung dieser nach BRG wohl durch das „lat.-romanische Vorbild“ beeinflussten Graphie sind in den Grammatiken allerdings nur spärlich. Vgl. hierzu v. a. BRG §157. §159,A.2: hier ist die Rede „von den häufigen c vor e, i (die aber in manchen Quellen wie T[atian], O[tfrid], N[otker] nur selten gebraucht werden) [...]“. §173. SchAHG §176: „für die Affrikata wird vor e, i auch c geschrieben, entsprechend dem Lat. (centum, cis)“, was nach Ausweis der Quellen bei Schatz v. a. im ‚Abrogans‘ belegt ist, „sonst ist es seltener aber noch in der Spätzeit zu finden.“ In SchABG §57 bietet Schatz insbesondere Freisinger Quellen als Belege (u. a. aus dem Clm 21525 vncîtliho, siehe Kap. 5: F143).

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2.3.2 Lateinische Griffeleintragungen 2.3.2.1 Lateinische Griffelglossen L.1. f. 21v, Z. 20, dicata – (Typ B) scīficata (18) ... Soror / (19) namque eius, scolastica nomine, omnipotenti domino ab / (20) ipso infantiae (Ed. zusätzl. tempore) dicata, ad eum semel per anno (Ed. annum) ueni/ (21) re consueuerat, ... (II,33; 260,230,8) ,Dessen Schwester nämlich, Scholastika mit Namen, die von Kindheit dem allmächtigen Gott geweiht war, pflegte einmal im Jahr zu ihm zu kommen.‘ Die Ritzung stammt von einem groben Instrument, das breite und fransige Ritzspuren hinterlässt, wie sie sonst bei den althochdeutschen Griffelglossen von Typ B nicht vorkommen. Zum Teil erscheinen die Spuren auch nur als Prägungen: der Querstrich über sci; der untere Bogen des zweiten c; z. T. der Bauch des ersten a, und ganz geprägt ta. Die Tatsache, dass die Prägespuren auch innerhalb von sonst geritzten Buchstaben vorkommen, schließt aus, dass es sich um zwei voneinander mehr oder weniger unabhängige Glossierungsschichten handelt. Hier ist evtl. damit zu rechnen, dass mehrere Einflüsse wie die Instrument- und variierende Pergamentbeschaffenheit, aber auch unterschiedlicher auf das Instrument wirkender Druck zu diesem heterogenen Spurenbild beitrugen. Evtl. ist insgesamt mit einer neuen Hand zu rechnen, was auch die Tatsache nahelegt, dass es sich um eine lateinische Glosse handelt, die evtl. unabhängig von den anderen eingetragen wurde. Über sci befindet sich ein mehr geprägter Querstrich, der als Abkürzungszeichen für sancti interpretiert werden kann. Beim zweiten i ist die Ritzung am oberen Ende des Schaftes punktartig ausgefranst, was evtl. durch die Pergamentbeschaffenheit und das etwas grobe Instrument, das keine feinen Ritzungen erlaubt, bedingt ist und die Identifizierung des Buchstabens erschwert. Der Rest ist deutlich erkennbar. Die Eintragung ist im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar. Die letzten beiden Buchstaben sind geprägt, die anderen deutlich geritzt (wobei die Ritzung etwas fransig wirkt). dicata: Nom. Sg. F. des Part. Perf. lat. dicāre ,etw. feierlich einer Gottheit weihen, zusprechen‘ – GH 1,2133 II. scīficata: Nom. Sg. F. des Part. Perf. lat. sānctificāre ,heiligen‘ – GH 2,2477. Die Glossierung ist formenkongruent und semantisch adäquat.

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L.2. f. 118v, Z. 18, magne – (Typ A) muniis (17) Dicebant de abbate agathonem148 quia abierunt quidam / (18) ad eum dicentes eo quod magne discretionis uir es149/ (19) set; et uolæntes eum probare si irasceretur, et dicunt / (20) ei: Tu es agathon (Ed. Agatho)? (Vitas patrum; PL 73,913C) ‚Sie sprachen über den Abt Agathon, weil einige zu ihm hingingen, die von ihm sagten, dass er ein Mann von großer Bestimmung sei, und die wollten, dass er es zeigt, wenn er zornig wäre. Und sie sagten zu ihm: Du bist Agathon?‘ Intl. über magne. Die Eintragung ist im Digitalisat schwach in Teilen erkennbar. muniis: Glossiert wurde wohl magnae discretionis ‚von großem Unterschied [von anderen]‘, was hier wohl soviel wie ‚Besonderheit‘ des Menschen bedeuten soll. Bei Annahme von Formenkongruenz mit dem graphischen Lemma magne (= magnae) wäre die Form als Gen. Sg. F. des Adj. lat. mūnis, -e? ‚gefällig, dienstfertig‘? – GH 2,1056 zu bestimmen. Erklärungsbedürftig ist aber die doppelte -Graphie, die in keiner Flexionsform (auch nicht als Länge) anzusetzen ist. Zu vergleichen ist aber auch der Pl. mūnia, -ium ,Pflichten, Geschäfte, Tagewerk‘ – GH 2,1053, zu dem die Flexionsform muniis – allerdings für den Dativ – explizit bei GH 2,1053 erwähnt wird. Evtl. liegt daher eine kommentierende Glossierung im Sinne von ‚ein Mann mit vielen Pflichten‘ vor. Das lat. N. mūnus, -eris ‚Aufgabe, Dienst, Amt, Bestimmung‘ – GH 2,1057 kommt aus formalen Gründen kaum in Betracht. 2.3.2.2 Sonstige lateinische Griffeleintragungen Zu den Besonderheiten der Griffelglossierung des Clm 6293 gehören auch einige Korrekturen am lateinischen Werktext und in manchen Fällen auch direkt am volkssprachig glossierten Lemma, die meist von den glossierenden Händen vorgenommen wurden. Die entsprechenden Korrekturen zu volkssprachig glossierten Lemmata wurden in den dazugehörigen Editionsartikeln bereits jeweils ausführlicher beschrieben (vgl. hierzu v. a. Nr. 27, 101, 109, 119, 121, 123). Darüber hinaus wurden einige Textstellen aber auch unabhängig von einer volkssprachigen Glossierung korrigiert, wobei die Übergänge von der Korrektur zur lateinischen Glossierung hier fließend sind. Zu den explizit als lateinische Glossierung interpretierten Griffeleintragungen ist Kap. 2.3.2.1 zu vergleichen. Die anderen Textstellen werden hier im Folgenden kurz mitgeteilt und knapp erläutert. Auf f. 6r, Z. 9 findet sich zu Ps.-Bonifatius, Sermo 11 (PL 89,864C) ein über cogitet eingetragenes non, das als lateinische Negationspartikel interpretiert werden kann. Die Lesung wird insbesondere durch eine unmittelbar daraufliegende, stark verblasste Federeintragung pñ erschwert. Die Negation lässt sich allerdings nicht

|| 148 Z. 17: Hs. abbate agathone: te in abbate wurde nachträglich mit hellerer Tinte übergeschrieben, das m in agathonem wurde unterstrichen. 149 Z. 18: Ed. audientes quia magnae discretionis vir es.

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durch Textvarianten in der Textedition stützen. Eine Interpretation als ahd. son zu ahd. suonen, das semantisch zum Lemma passen würde, ist aufgrund des eindeutigen Schriftbefundes auszuschließen, durch das erste n verläuft ein langer senkrechter Griffelstrich. Als Textzusatz mit Griffel kann die Eintragung ē vom Typ A f. 54r, Z. 1 über perductus (IV,40; 265,140,15f.) gelten, das als übliche Abkürzung für lat. est auch im Text folgt. Sicher als Textkorrekturen können die folgenden Griffeleintragungen interpretiert werden: Auf f. 11v, Z. 17 wurde das fehlerhafte Textwort arrupta durch ein mit Griffel (Typ B) übergeschriebenes b zu abrupta (II,Prol; 260,126,8) korrigiert. Die Eintragung findet sich in unmittelbarer Nähe zu althochdeutschen Griffelglossen (vgl. Nr. 29, 30), stammt aber von einem anderen, spitzeren Instrument als die althochdeutschen Griffeleintragungen dieser Passage. Die Eintragung hat auch auf f. 10v, Z. 17 durchgedrückt, was die dort deutlich sichtbare, sonst aber kaum sinnvoll zu deutende geprägte Eintragung des b erklärt. Das fehlerhafte scripulum f. 31v, Z. 2 wurde durch ein mit Griffel (Typ B) übergeschriebenes u zu scrupulum (III,24; 260,364,29) korrigiert. Auf f. 49r, Z. 17 findet sich über dem mit Feder nachgetragenen us über possumus zusätzlich auch noch eine Griffeleintragung (Typ A) mus, die als Textkorrektur interpretiert werden kann (IV,30; 265,100,15). Ebenso offensichtliche Textkorrekturen sind die Griffeleintragungen (Typ A) f. 53v, Z. 18 über frater (korrigiert mit übergeschriebenem r und m zu fratrem; IV,40; SC 265,140,8) und Z. 19 über s&us (mit übergeschriebenem tus, und unterpunktetem u korrigiert zu secutus; IV,40; SC 265,140,8) sowie f. 77r, Z. 16, wo o in inheremo mit überschriebenem v korrigiert wurde. Erstere und letztere Korrektur ist auch im Digitalisat bei hoher Auflösung erkennbar.

2.3.3 Unidentifizierte und sonstige Griffeleintragungen Unidentifizierte Griffeleintragungen Die folgende Zusammenstellung enthält knapp 60 nicht identifizierte Griffeleintragungen. Wenn nicht anders vermerkt, handelt es sich um höchstwahrscheinlich sprachliche Eintragungen, wobei dies nichts über die Sprache der Eintragungen aussagt. Die Tatsache, dass der Clm 6293 nur in wenigen Fällen identifizierte lateinische Griffelglossen enthält, spricht dafür, dass sich auch unter den nicht identifizierten Eintragungen noch einiges Volkssprachiges befindet. Um hier aber keine Missverständnisse heraufzubeschwören, wird auf die Wiedergabe von unsicher gelesenen Buchstaben verzichtet und nur die graphische Position der Eintragungen mitgeteilt. f. 5v, Z. 1 über impegi atque (I,2; 260,32,125); f. 152r, Z. 9 über dum (I,3; 260,36,25); f. 8v, Z. 1 über quadam (I,8; 260,72,9); f. 8v, Z. 22 über septimum (I,8; 260,72,30); f. 11v, Z. 9 über uite (II,Prol; 260,126,1); f. 14r, Z. 15 marg. r. (II,2; 260,138,14); f. 15v,

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Z. 15 über minuscurare (II,1; 260,144,47); f. 17r, Z. 13 über audiebant (II,8; 260,170, 117); f. 18v, Z. 17 über consueuerat (II,23; 260,208,31); f. 18v, Z. 22 über dixerat (II,23; 260,208,36); f. 20v, Z. 18 über sedens (II,31; 260,226,45); f. 24v, Z. 15 über interior (II,35; 260,240,63); f. 25v, Z. 20 über uaca (II,38; 260,246,8); f. 25v, Z. 21 Spuren über nesciens sind von Nr. 61, f. 25r durchgedrückt; f. 26v, Z. 2 über indefessus (III,14; 260,304,23); f. 26v, Z. 22 unter subsidia/über Z. 23 (sup)/pliciter (III,14; 260,306,43); f. 28r, Z. 1 über pallio; f. 28v, Z. 17 über ante und maligno spiritu correptus (III,21; 260,352,18); f. 28v, Z. 18 über fatigari (III,21; 260,352,18); f. 30r, Z. 21 über tuo se[pulchro] (III,23; 260,360,19); f. 30v, Z. 15 über fuerat et (III,23; 260,360,37); f. 31v, marg. o. (III,24; 260,364,27); f. 32r, Z. 11 über (spo)/litine (II,33; 260,392,40); f. 33v, Z. 6 über in/riguam (III,34; 260,402,26); f. 34r, Z. 19 über abscisa (III,36; 260,408,15); f. 34v, Z. 1 über ex mortis (III,36; 260,408,20); f. 35v, Z. 17 über conuenit (III,37; 260,418,107); f. 38v, Z. 20 über quia (IV,1; 265,20,31); f. 39v, Z. 18 über creatus (IV,2; 265,24,9); f. 40r, Z. 3 über ut (IV,3; 265,24,18); f. 40v, Z. 4 über atque (IV,5; 265,34,12); f. 40v, Z. 7 über exipsis marg. l. (IV,5; 265,34,16); f. 40v, Z. 10 marg. l. (IV,5; 265,34,16); f. 40v, Z. 24 über nisi (IV,5; 265,34,31); f. 44v, Z. 13 über hospitalitate (IV,15; 265,60,28); f. 46v, Z. 24 über extremum (IV,17; 265,68,12); f. 49r, Z. 18 über solum (IV,30; 265,100,16); f. 50v, Z. 12 über cum (IV,33; 265,114,41); f. 58v, Z. 1 über paulo (IV,43; 265,156,41); f. 60r, Z. 4 über expe (IV,57; 265,184,6); f. 60v, Z. 23 über indi/cat (IV,57; 265,188,47); f. 61r, Z. 22 marg. r. (IV,57; 265,188,70); f. 61v, Z. 8 marg. r. (IV,57; 265,190,78f.); f. 61v, Z. 15 über iactate (IV,57; 265,190,84); f. 63r, Z. 19 über diffideret (IV,59; 265,196,14); f. 63r, Z. 20 über nunc (IV,59; 265,196,15); f. 63r, Z. 21 über nauem (IV,59; 265,196,16); f. 63v, Z. 4 über uehementer (IV,59; 265,196,22); f. 63v, Z. 6 über deo Wellenlinie (IV,59; 265,198,24); f. 63v, Z. 6 über pro Wellenlinie (IV,59; 265,198,24); f. 63v, Z. 14 über tempesta/tis (IV,59; 265,198,31); f. 63v, Z. 16 über undis (IV,59; 265,198,33); f. 64v, Z. 8 über non (IV,60; 265,200,12); f. 64v, Z. 23 über dominicae mysteria (IV,60; 265,202,3); f. 73r unterer Blattrand; f. 101v, Z. 12 über discerpuntur (Vitas patrum; PL 73,888C); f. 153v oberer Blattrand Buchstabenübungen?; f. 154v, Z. 10 über punire poenis; f. 155v, Z. 15 über commigratione (Ps.Ephraem Latinus Dictum 2; Assemani 582a,C); f. 157r, Z. 21 über continuis (Florilegium. Homilia 3; Teresa 1963: 219,104). Sonstige Griffeleintragungen Bei der eingehenden Durchsicht des Codex sind auch einige Griffeleintragungen entdeckt worden, die insbesondere in den Handschriftenbeschreibungen bislang keine Erwähnung fanden. Sie sind nichtsprachlicher Natur, dokumentieren aber zum Teil die Beschäftigung mit dem Text der Handschrift, indem sie bisweilen im engeren Sinne Bezug zum Text aufweisen, etwa in Form von senkrecht zum Textspiegel verlaufenden Strichen (vgl. etwa f. 27r, r. Rand mehrere von Typ A) oder als über mehrere Zeilen reichende x-förmige Eintragungen (etwa f. 94r, Z. 19–23; im Digitalisat gut erkennbar), die als Markierungen bestimmter Textstellen interpretiert werden können. Solche Griffeleintragungen sind auch im Zuge von Glossierungs-

Edition | 185

vorgängen denkbar und dadurch auch im Zusammenhang mit diesen in den Editionsartikeln erwähnt, wenn sie sich in der Umgebung althochdeutscher Glossen befinden. Auf der anderen Seite enthält der Clm 6293 aber auch bildhafte Zeichnungen und eher ornamentale Kritzeleien, deren unmittelbarer Textbezug nur in wenigen Fällen sicherzustellen ist. Mit konkretem inhaltlichen Textbezug sind zwei Griffelzeichnungen (Typ B) eines der drei im Text erwähnten Schlüssel aus der ‚Visio Baronti‘, die an der entsprechenden Textstelle in einigen Textzeugen auch abgebildet werden. Aus dem Clm 6293 sind bislang nur die beiden Federzeichnungen auf f. 142v auf dem linken Rand oben und am oberen Blattrand bekannt. Eine Abzeichnung dieser Federzeichnungen des Clm 6293 findet sich auch in der Edition der ‚Visio Baronti‘ von Krusch/Levison (1910: 387, Sigle 3a) (vgl. Abb. 6, links). Bierbrauer (1990, Nr. 22,23) weist nur auf eine Zeichnung hin und erwähnt auch keine unterschiedlichen Instrumente. Der Schlüssel der Griffelzeichnungen auf f. 142v, l. Rand Z. 6–10 (vgl. Abb. 6, rechts) und wiederholt auf f. 155v, l. Rand Z. 8–13 hat im Wesentlichen die gleiche Form wie die Federeintragungen. Die beiden Griffeleintragungen sind bei hoher Auflösung auch im Digitalisat erkennbar. Ohne erkennbaren Textbezug sind zwei Griffelzeichnungen zweier Gesichter von einem Instrument Typ A auf f. 104r r. Rand, von denen im Digitalisat nur eines etwa auf der Höhe von Z. 10–13 sehr schwach erahnbar ist.

Abb. 6: Feder- und Griffelzeichnung des Schlüssels aus der ‚Visio Baronti‘: Clm 6293, beide f. 142v

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Buchstabenformen, die wie Übungen bestimmter Buchstaben anmuten, finden sich auf f. 153v am oberen Blattrand, wo mehrere Formen eines e (auch im Digitalisat bei hoher Auflösung) zu erkennen sind. Konkreter mit dem Bezug auf eine Textstelle sind die beiden g-Formen unter gregem f. 27r, Z. 14 zu sehen, die als Nachahmungen oder Korrekturen der g-Formen des Textwortes zu interpretieren sein könnten. Im Zusammenhang mit dem im Text mit roter Tinte geschriebenen Majuskel-D in Dn̅ s f. 73v, Z. 1 steht sicher die in unmittelbarer Nähe in Z. 2/3 am l. Rand stehende Griffeleintragung (Typ B) eines Majuskel-D. Eine u-förmige Griffelzeichnung (Typ A), die den Eindruck einer Initiale erweckt, ohne dass aber eine entsprechende Anbindung an die Textstelle auszumachen ist, findet sich auf f. 19r, Z. 9–11 am rechten Rand. Auf f. 98v, Z. 16 füllen große Griffelbuchstaben (QQ?ɅO) den leer gebliebenen Rest der Zeile, was an Übungen der Auszeichnungsschrift erinnert. Eher unsicher an eine Initiale erinnert auch die mit einem Instrument Typ B geritzte Zeichnung auf f. 40r, r. Rand Z. 11–16, die auch bei hoher Auflösung im Digitalisat erkennbar ist. Manchmal mehrere in ihrer Größe variierende, kringelartige Griffelzeichnungen von Typ A sind an einigen Stellen des Codex zu finden (f. 31r, etwa Z. 13–20, r. Rand; f. 50v, oberer Blattrand; f. 51v, Z. 6–9, l. Rand; manche sind im Digitalisat bei hoher Auflösung schwach erkennbar). Ornamentale Griffelzeichnungen, die wie Zierbänder anmuten, finden sich schließlich an ein paar Stellen, manchmal auch in Verbindung mit den oben erwähnten Kringeln (f. 29r, oberer Blattrand; f. 51v, l. Rand; f. 103v, l. Rand).

2.4 Parallelglossierungen innerhalb der Dialog-Glossen Die Ermittlung paralleler Glossierungen zielt insbesondere auf die Einschätzung der Unabhängigkeit der Griffelglossen des Clm 6293 von anderen Glossierungen ab. Das Ergebnis dient damit auch in erster Linie zur Absicherung der Frage, ob die Griffelglossen des Clm 6293 als original oder kopial zu bewerten sind. Da die hier untersuchte Handschrift des Werktextes der ‚Dialoge‘ Gregors die älteste, umfangreichste Glossierung150 enthält, ist diese Ermittlung aber auch für die Frage von Belang, ob die spätere reiche Überlieferung von Dialog-Glossen in Glossaren in irgendeiner Weise mit der Glossierung des Clm 6293 in Zusammenhang steht.151

|| 150 Vgl. zu dieser Einschätzung bereits Schulte (1993: 965). 151 Für einen Überblick über den Gesamtbestand der bis 2009 bekannten Handschriften mit Dialog-Glossen, differenziert auch nach Textglossen und Glossarglossen, vgl. Bergmann (2009d: 544– 546). Zu dieser Auflistung, die im Wesentlichen auf der Untersuchung von Schulte (1993) beruht, ist mittlerweile noch eine weitere Handschrift (BStK-Nr. 172, St. Gallen, Stiftsarchiv Cod. fabariensis X) zu ergänzen, deren Dialog-Glossen von Andreas Nievergelt entdeckt und in Nievergelt (2012: 383– 385) ediert wurden.

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Die Untersuchung startet nicht am Nullpunkt, sondern kann auf die diesbezüglich schon richtungsweisende Zusammenstellung der Parallelglossierungen bei Schulte (1993: 942–950) zurückgreifen. Es ist auch davon auszugehen, dass sich an Schultes grundlegender Einschätzung einer im größten Teil autonomen Glossierung des Clm 6293, die dieser für alle Werktextglossierungen annimmt, nichts Wesentliches ändern wird.152 In Anbetracht der erheblichen Korrekturen der Lesungen und Neufunde gegenüber Schultes Edition können die Ergebnisse aber nicht einfach übernommen, sondern müssen neu zusammengetragen werden. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, welche Glossierungen überhaupt als parallel zu betrachten sind. Während Schulte bei seinen Zusammenstellungen ausschließlich textstellenbezogen vorgeht, beziehen wir auch die Lemma-Interpretament-Beziehungen innerhalb des Werktextes als Ganzes mit ein, da einem Glossator spezielle LemmaInterpretament-Verhältnisse auch von anderen Textstellen eines Textes her bekannt sein können. Parallele Überlieferungen wurden somit im Zusammenhang mit der Glossierung des Clm 6293 bezüglich dieser Aspekte untersucht:153 – 1. Echte Parallelglossierungen: Unter echten Parallelglossierungen verstehen wir die Glossierung der gleichen Textstelle mit dem gleichen oder zumindest einem verwandten Lexem, d. h. es wurden auch andere Glossierungen mit unterschiedlicher Graphematik sowie mit einer anderen Wortbildung und/oder Flexion zum gleichen Textlemma noch als echt parallel gewertet. Bei der genauen Analyse wird zwischen diesen allerdings nochmals unterschieden. – 2. Gleiches Lemma-Interpretament-Verhältnis bei Glossierungen der ‚Dialoge‘ Gregors des Großen: Hier ging es v. a. darum festzustellen, ob Übereinstimmungen von Lemma und Interpretament von anderen Textstellen herrühren können. Ein möglicher dritter Aspekt sind die Glossierungen zur gleichen Textstelle, die aber mit anderen althochdeutschen Lexemen vorgenommen wurden. Hierdurch können auffällige Präferenzen bezüglich häufiger glossierter Textstellen ermittelt werden. Diese Erkenntnisse dienen aber lediglich einer Einschätzung dieser Textstellen, können jedoch kaum zur Klärung von Abhängigkeiten bzw. der Frage der Originalität der Glossierung des Clm 6293 herangezogen werden und wurden im vorliegenden Zusammenhang nicht weiterverfolgt.

|| 152 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Schulte (1993: 965–967). Zu den beiden ahd. Schwarzstiftglossen der von Nievergelt (2012: 383–385) entdeckten zusätzlichen St. Galler Handschrift ließen sich keine Parallelen feststellen. Ebenso berücksichtigt sind die bei Nievergelt (2015b: 313–318) edierten Neufunde im Clm 2944 (vgl. sonst Schulte 1993, Nr. IV). 153 Zu vgl. sind diesbezüglich auch bereits die ausführlicheren Hinweise in Ernst (2007: 78–80).

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2.4.1 Echte Parallelglossierungen An 13 Textstellen waren im obigen Sinne definierte echte parallele Glossierungen zu anderen Handschriften mit Dialog-Glossen festzustellen:154 – Nr. 7. ut opinor I,Prol.; 260,16,66 – souuaniu: Clm 18140 (XXI,7: uuanno) – Nr. 14. in transuersum I,3; 260,34,19 – induerch: Clm 18140 (XXI,27); Clm 19440 (XXIII,6); Wien, ÖNB 2723 (XXIV,6); Wien, ÖNB 2732 (XXV,6); Clm 14689 (XXVI,9) – Nr. 15. in sude I,3; 260,36,25 – instechvin: Luxembourg, Bibliothèque Nationale Ms. I:44 (III,11: steko); Clm 18140 (XXI,32); Clm 19440 (XXIII,8); Wien, ÖNB 2723 (XXIV,8); Wien, ÖNB 2732 (XXV,8); Clm 14689 (XXVI,11) – Nr. 17. functus est [officio] I,5; 260,58,8 – pruhhent: Clm 18140 (XXI,62) – Nr. 27b. ad pvotandam I,12; 260,112,10 – sneitenne: Clm 18140 (XXI,109); Cgm 5248 (XXII,21); Clm 19440 (XXIII,36); Wien, ÖNB 2723 (XXIV,36); Wien, ÖNB 2732 (XXV,36); Clm 14689 (XXVI,21) – Nr. 67. frigauit III,17; 260,338,39 – reip: St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 299 (XV,11); Sélestat, Bibliothèque Humaniste de Sélestat Ms. 7 (XVI,20); Freiburg, Universitätsbibliothek Hs. 380 (XVII,6); Clm 18140 (XXI,227); Clm 19440 (XXIII,92); Wien, ÖNB 2723 (XXIV,92); Wien, ÖNB 2732 (XXV,92); Clm 14689 (XXVI,87) – Nr. 81. uela III,36; 260,408,15 – sekal: Clm 18140 (XXI,271); Clm 19440 (XXIII, 101); Wien, ÖNB 2723 (XXIV,101); Wien, ÖNB 2732 (XXV,101); Clm 14689 (XXVI,95) – Nr. 93. iussor III,37; 260,418,103 – purgeo: Clm 18140 (XXI,276); Clm 19440 (XXIII,103); Wien, ÖNB 2723 (XXIV,103); Wien, ÖNB 2732 (XXV,103); Clm 14689 (XXVI,96) (alle: purio) – Nr. 143. limat IV,16; 265,64,24 – fihlot: Clm 18140 (XXI,288: filot) – Nr. 154. coeuas IV,18; 265,70,5 – ebanaltiu: Kraków, Biblioteka Jagiellońska Berol. Ms. Lat. Quart. 676 (XVIII,57: ebancaltrun); Clm 18140 (XXI,289); Clm 19440 (XXIII,106); Wien, ÖNB 2723 (XXIV,106); Wien, ÖNB 2732 (XXV,106) (alle: ebanalte) – Nr. 205. [quasi in] crepusculum IV,43; 265,154,20 – mezze takaroti: Clm 18140 (XXI,55) – Nr. 223. aureos IV,57; 265,188,61 – manchusa: St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 299 (XV,32); Sélestat, Bibliothèque Humaniste de Sélestat Ms. 7 (XVI,5) – Nr. 235a. inopinata IV,59; 265,198,28 – umpiuuanentlih: Oxford, Bodleian Library Jun. 25 (XIX,19: unkiuuanit)

|| 154 In Klammern die Nummern der Handschriften (römische Zahlen) sowie die Nummern des Editionsartikels (in arabischen Zahlen) bei Schulte (1993).

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Von der vorigen Auflistung sind allerdings lediglich sechs Fälle formal identisch (Nr. 14, 15, 17, 67, 81, 223). Bei den anderen bestehen wortbildungsmorphologische (Nr. 27b, 235a/b) bzw. flexionsmorphologische (Nr. 7, 154) und/oder lautlich-graphematische (Nr. 7, 93, 143, 154, 205) Abweichungen. Bezüglich der Handschriften, in denen sich Parallelen finden ließen, fällt auf, dass es sich ausschließlich um Glossare handelt, die zudem auch die Masse an Glossen überliefern, sodass Übereinstimmungen hier allein schon statistischer Natur sein können. Mit elf Parallelglossen ist hier die Glossensammlung des Clm 18140 (XXI) aus Tegernsee am häufigsten vertreten, gefolgt von den Handschriften Clm 19440 (XXIII), ÖNB 2723 (XXIV), ÖNB 2732 (XXV) mit jeweils sieben Parallelglossierungen sowie dem Clm 14689 (XXVI) mit sechs Parallelen. Damit weisen auch die wenigen Gemeinsamkeiten in den bairischen Raum und zu Handschriften, die Steinmeyer unter der Glossarfamilie M zusammengefasst hat.155 Diese Übereinstimmungen dürfen wohl keinesfalls überbewertet werden. Sie sind aber trotz der geringen Zahl auch Ausdruck gleichgearteter Bemühungen um bestimmte Textstellen und -schwierigkeiten und aufgrund der räumlichen Nähe auch Reflexe regionaler Lemma-Interpretament-Traditionen.

2.4.2 Gleiches Lemma-Interpretament-Verhältnis Solche Lemma-Interpretament-Traditionen schimmern evtl. auch bei den folgenden Glossierungen durch, die zu anderen Textstellen in anderen Handschriften mit Dialog-Glossen festzustellen sind. Allerdings sind auch hier die Übereinstimmungen zu gering, als dass direkte Abhängigkeiten angenommen werden können. Auch hier überwiegen die Parallelen zur bairischen Gruppe, allerdings bestehen auch Parallelen zum in den alemannischen Raum weisenden Fragment Kraków, Biblioteka Jagiellońska Berol. Ms. Lat. Quart. 676 (XVIII). Das gleiche Lemma-Interpretament-Verhältnis aber mit Bezug auf eine andere Textstelle weisen diese Glossen auf: – Nr. 5. casus – kipuri: Kraków, Biblioteka Jagiellońska Berol. Ms. Lat. Quart. 676 (XVIII,115) – Nr. 16. deguit – leb&a: Clm 18140 (XXI,41); Clm 19440 (XXIII,11); Wien, ÖNB 2723 (XXIV,10); Wien, ÖNB 2732 (XXV,10) – Nr. 63. prodidit – meldet: Clm 18140 (XXI,28); Clm 19440 (XXIII,7); Wien, ÖNB 2732 (XXV,7); Clm 14689 (XXVI,10) – Nr. 113. perfrui – pruhanti uuesan: Vgl. Glosse Nr. 160

|| 155 Ausführlicher zur Glossarfamilie M und den spezifischen Bezügen unter den Dialog-Glossen vgl. Schulte (1993: 967f. und 976–980).

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– – – – – –

Nr. 140. ambigo – zuiualon : Clm 19440 (XXIII,56); Wien, ÖNB 2723 (XXIV,56); Wien, ÖNB 2732 (XXV,56); Clm 14689 (XXVI,39) Nr. 184. necaret – chueliti: Clm 2944 (IV,17) Nr. 211. adserere – kasaken: Kraków, Biblioteka Jagiellońska Berol. Ms. Lat. Quart. 676 (XVIII,47) Nr. 228. nauta – ferio: Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 10 (I,33: feriun, Punktegeheimschrift) Nr. 235a. inopinata – umpiuuanentlih: Clm 18140 (XXI,107: vnpivuanto); Cgm 5248, 2 (XXII,20: unpivvanto) Nr. 243. incuria – unrohhun: Kraków, Biblioteka Jagiellońska Berol. Ms. Lat. Quart. 676 (XVIII,110); Karlsruhe, Badische Landesbibliothek St. Peter perg. 87 (XX,220); Cgm 5248, 2 (XXII,132)

Neben diesen unmittelbar textbezogenen Parallelen lassen sich Traditionslinien auch hinter anderen Beobachtungen vermuten, ohne dass diese Parallelen aber zu sicheren Aussagen berechtigen. Die Parallelen beziehen sich hier v. a. auf selten belegte althochdeutsche Interpretamente. Zum einen findet sich zu Nr. 84 caruisset – anuuari eine auffällige Parallele zu den Moraliaglossen des Clm 6300 aus Freising. Das althochdeutsche Interpretament anawesan ist nur hier und im Clm 6383 auch noch zum Lemma carere belegt (Glaser 1996: 247, Nr. 207; Kap. 4, Gl. Nr. 127). Ebenso finden sich einige wenige althochdeutsche Interpretamente im Clm 6293, die jeweils nur noch einmal in Handschriften des ‚Abrogans‘ oder der ‚Samanunga‘ belegt sind: Dabei handelt es sich um Nr. 105 opacuam (noch einmal in Pa belegt, StSG 1,70,11), Nr. 126 pimarchon (nur noch einmal in Ra, StSG 1,228,1) und Nr. 184 chueliti (noch einmal in der Hs. R, StSG 1,219,9 und ein weiteres Mal in einer Handschrift der ‚Dialoge‘, vgl. oben). Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Glossierung der ‚Dialoge‘ Gregors im Clm 6293 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch nach der Berücksichtigung der Korrekturen und Neufunde als original betrachtet werden kann. Dabei sind die wenigen echten Parallelglossierungen zu den großen bairischen Glossensammlungen der Glossarfamilie M aber durchaus auch Ausdruck bestehender Lemma-Interpretament-Traditionen, sodass damit zu rechnen ist, dass auch in Freising nicht in allen Teilen unabhängig glossiert werden musste und auf verschiedene Formen früher Vorläufer der Glossensammlungen zurückgegriffen werden konnte.

Geographische und zeitliche Charakterisierung der Glossen | 191

2.5 Geographische und zeitliche Charakterisierung der Glossen Eine ausführliche sprachliche Untersuchung mit dem Zweck der Datierung und Lokalisierung der Glossen des Clm 6293 wurde bislang auch auf der Basis der älteren Editionen nicht vorgenommen. Meritt (1934: 228,A.15) vermerkt zu seiner Edition mit Bezug auf einige undiphthongierte -Graphien für vorahd. /ō/ sowie die Endung -u im Dat. Sg. einiger Feminina vorsichtig, dass die Glossen kaum später als in das beginnende 10. Jahrhundert weisen.156 Im AWB finden sich einige dieser Glossen mit dem Vermerk „Clm 6293, 9. Jh.“157, was sich auch auf die Datierung der Hs. beziehen lässt. Bei manchen anderen Glossen wurde auf diesen Datierungshinweis verzichtet158, in anderen Fällen wiederum findet sich aber (auch noch in jüngeren Bänden) explizit der Hinweis „Gll. 10. Jh. (?)“159. Da für diese Datierungshinweise der Glossen im AWB keine Quelle angegeben wird, ist nur zu vermuten, dass sie entweder auf einer Generalisierung der paläographisch motivierten Einschätzung der bei StSG edierten Federglossen in CLA 9, Nr. 1262,10 beruhen, die dort zusammen mit lateinischen sekundären Eintragungen ins 10. Jahrhundert datiert werden, oder aber auf der erwähnten Datierung Meritts, die dann freilich sinnentstellend generalisiert worden wäre. Dies gilt auch für die vermutete Eintragungszeit der Glossen „wohl im 10. Jahrhundert“ in BStK 1041. Schon ein grober Überblick offenbart den Widerspruch zu vielen gegenläufigen phonologisch-graphematischen Beobachtungen, wie allein bei der im AWB so ins 10. Jahrhundert datierten Glosse Nr. 233 demo kaoffarotiu die Form des Präfixes ka-, das gemeinhin von den Grammatiken ins 9. Jahrhundert datiert wird (vgl. etwa BRG §71). Diese Glosse wurde auch auf der Basis der Edition Meritts in früheren Arbeiten G. Müllers zu Wortstudien behandelt, wobei sie als bairisch bestimmt wurde. Die Datierung der Handschrift ins 9. Jahrhundert wurde implizit dann auch zur Datierung dieser Glosse herangezogen (vgl. Müller 1960: 155; Müller/Frings 1968: 343). Schulte folgt in seinem sehr knappen Resümee zur Frage der Datierung der Gesamtglossierung im Anschluss an seine Edition dieser Ansicht und konstatiert, dass „eine Zuweisung zum Bairischen und das hohe Alter zumindest der Griffelglossen außer Zweifel“ (Schulte 1993: 238) stehen. Ähnlich knapp, aber mit einem Versuch, zu einer differenzierteren Aussage unter Berücksichtigung von Eintragungsschichten zu gelangen, ist die kurze Charakterisierung in Glaser/Ernst (2009: 1365),

|| 156 „The unbroken ō in arfori, hrodar 34r, armoti 38r, dursochenti 39r, sochan 60r, and the dative ending u in izzu 43r, nidarunku 48r, sonu 52r, sniumidu 54r, paru 57r, point to a date hardly later than the beginning of the tenth century“ (Meritt 1934: 228,A.15). 157 Vgl. etwa zu Nr. 111 armoti (AWB 1,655) oder zu Nr. 134 izzu (AWB 4,1159). 158 Vgl. etwa zu Nr. 159a nidarunk. (AWB 6,1251). 159 Vgl. hierzu etwa die Wörterbuchnachweise zu den einzelnen Lemmata in den Editionsartikeln zu Nr. 173 pimitanist und zu Nr. 233 demo kaoffarotiu (AWB 7,99).

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die freilich ebenfalls auf Eindrücken und nicht auf ausführlichen Analysen unter Einbeziehung der Neufunde basierte. Die Erwähnungen einzelner Glossen mit Datierungshinweisen und Lokalisierungen machen deutlich, dass sich weder einzelne Belege noch isoliert betrachtete Phänomene, seien sie auch noch so offensichtlich, zu einer Einschätzung der Datierung und Lokalisierung einer Glossierung eignen – und wie im oben erwähnten Fall sogar widersprüchlich interpretiert werden können.

2.5.1 Außersprachliche Faktoren für die Lokalisierung und Datierung 2.5.1.1 Handschriftendaten In der folgenden Untersuchung werden wesentliche Phänomene zusammengetragen, die für eine Datierung und eine geographische Einschätzung aussagekräftig sind. Dabei werden etwaige gegenläufige Graphien und unterschiedliche Glossierungsschichten berücksichtigt. Die Analyse kann auch von außersprachlichen Beobachtungen und Handschriftendaten geleitet werden: Die Handschrift selbst wurde nach einhelliger Beurteilung der Schrift in Freising um die Wende des 8. und 9. Jahrhunderts geschrieben (vgl. Kap. 2.1). Aus der Handschriftengeschichte sind bis zur Überführung der Handschrift in die BSB München Anfang des 19. Jahrhunderts keine anderen Aufenthaltsorte bekannt. Durch die Eintragungstechnik mit dem Griffel sowie die Ergebnisse der Untersuchung der Parallelglossierungen ist eine originale, also nicht kopiale Eintragung der Glossen als sehr wahrscheinlich anzusehen. Zum einen liefern diese Befunde also mit der Zeit um 800 den terminus post quem für die Datierung der Glosseneinträge. Zum anderen lässt dies auch einen oberdeutschen bzw. bairischen Sprachstand der Glossen erwarten, auch wenn die Möglichkeit nicht oberdeutscher bzw. bairischer Glossatoren immer bedacht werden muss. 2.5.1.2 Glossierungsschichten Neben diesen kodikologischen Eckdaten können aber auch nichtsprachliche Beobachtungen innerhalb der Glossierung selbst wichtige Hinweise für die Datierung liefern. Mehrere Faktoren lassen etwa erkennen, dass die Glossierung des Clm 6293 und selbst die Glossierung nur des Hauptteils der ‚Dialoge‘ das Ergebnis mehrerer Glossierungsvorgänge sein muss. Dies zeigen schon alleine die unterschiedlichen Eintragungstechniken mit der Feder und dem Griffel. Bei den Federglossen lassen sich unterschiedliche Tinten und auch glossierende Hände und damit Individuen unterscheiden: FG 1 Nr. 4 (mit derselben Tinte wie der Text), FG 2 Nr. 43, 44 (mit der roten Tinte der Auszeichnungsschrift, z. T. aber verblasst) und FG 3 Nr. 257, 258 (mit hellerer, brauner Tinte). Eine Identifizierung unterschiedlicher mit dem Griffel glossierender Hände war, wie bereits in Kap. 2.2 näher ausgeführt, nicht auf sicherer

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Basis zu leisten, allerdings lassen sich anhand der unterschiedlichen Spuren, die die Instrumente hinterlassen haben, zumindest zwei große Gruppen eingedrückter und eingeritzter Glossen unterscheiden, die auf zwei unterschiedliche Instrumententypen (Typ A eindrückend, Typ B einritzend) zurückgeführt werden können. Innerhalb der großen Gruppe der Griffelglossen finden sich nun einige Doppelglossierungen zum gleichen lateinischen Lemma, die mit diesen unterschiedlichen Instrumententypen eingetragen wurden. Dabei lassen sich hier über- und unterzeilige sowie geschichtete Glossierungen unterscheiden. 2.5.1.2.1 Über- und unterzeilige Glossierungen Über- und unterzeilige Doppelglossierungen haben sich in der Regel dadurch ergeben, dass ein Glossator aufgrund einer überzeilig erfolgten Eintragung einer Glosse auf den Raum unter dem Lemma ausgewichen ist. Damit lassen sich die beiden Glosseneintragungen – zumindest aufeinander bezogen – chronologisch einordnen. Aufgrund der ansonsten durchgehend überzeiligen Glossierung sind die unterzeiligen Glossen höchstwahrscheinlich später eingetragen worden (vgl. hierzu die Glossen Nr. 27a/b, 60a/b, 200a/b, 229 a/b). Außer die Doppelglossen Nr. 27a/b, die vermutlich von gleicher Hand, sicher aber vom gleichen Instrument Typ A stammen, verteilen sich die über- und unterzeiligen Eintragungen jeweils auf unterschiedliche Instrumententypen und zwar so, dass die Eintragungen von Typ A jeweils überzeilig, die Eintragungen von Typ B jeweils unterzeilig vorgenommen wurden und letztere damit jünger sind. 2.5.1.2.2 Geschichtete Doppelglossierungen An zehn weiteren Stellen finden sich Doppelglossierungen, bei denen eingeritzte Eintragungen von Typ B eingedrückte Glossierungen von Typ A überlagern.160 Einige der eingedrückten unteren Glossenschichten wurden erst bei den Autopsien im Rahmen dieser Arbeit entdeckt. Die Vermutung liegt nahe, dass die jeweils erste, eingedrückte Eintragung auch vom zweiten Glossator nicht gesehen wurde und er deshalb nicht wie in den oben erwähnten Fällen auf die Zeile darunter ausgewichen ist (vgl. etwa Nr. 54, 142). Insbesondere die Teilglossierungen der Glossen Nr. 159, 216, 235, 241, bei denen flexionsmorphologische und/oder graphematische Korrekturen durch den zweiten Glossator vorgenommen wurden, lassen aber gerade im Gegenteil erkennen, dass sich die zweite Eintragung auf die erste bezieht und diese bisweilen sogar korrigiert wird. Zusammenfassend lässt sich daraus folgende Grundannahme für die Datierung der Glossierungen ableiten: Die Federglossen scheinen aus paläographischen Gründen eher ins 10. Jahrhundert zu datieren zu sein, die Angaben in CLA lassen aber || 160 Nr. 54, 136, 142, 143, 159, 183, 207, 216, 235, 241.

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nicht erkennen, auf welcher Basis diese Einschätzung vorgenommen wurde. Ihre Sprachformen sollten also bei angenommener originaler Eintragung kaum älter sein. Bei den Griffelglossen sind anhand der Eintragungstechnik deutlich zwei Schichten zu differenzieren. Einige auffällige Doppelglossierungen lassen erkennen, dass bezüglich einer relativen Chronologie die Glossen von Typ A früher eingetragen wurden als die Glossen von Typ B. Aus paläographischer Sicht lässt sich dieser Eindruck auch durch die älteren cc-a-Formen (Nr. 19, 28, 110, 250) erhärten, die insgesamt zwar spärlich sind, aber nur bei Glossen von Typ A vorkommen. Über die Zeiträume, die zwischen beiden Glossierungsvorgängen liegen, lässt sich nur spekulieren. Es ist aber auffällig, dass bei den Doppelglossierungen dort, wo entsprechende aussagekräftige Phänomene in den Belegen enthalten sind, die Glossen von Typ B auch jüngere Sprachformen aufweisen. Dies betrifft am auffälligsten die Glossen Nr. 54a (Typ A) ist kapreitit und Nr. 54b (Typ B) kipreitit sowie Nr. 142a (Typ A) kakrapan und Nr. 142b (Typ B) kikrapaniu, wo das Präfix ka- in der älteren (Typ A) und ki- in der jüngeren Schicht (Typ B) vorkommt, sowie Nr. 216a (Typ A) deonosto, wo eine Korrektur des älteren Stammsilbenvokals ahd. /eo/ mit einem Instrument Typ B zu io vorgenommen wurde. Eine Analyse der Graphie des Präfixes ka-/ki- zeigt, dass die hier an einzelnen Doppelglossierungen beobachteten Phänomene durchaus auch auf die Verhältnisse der gesamten Glossierungsschicht übertragen werden dürfen (vgl. dazu unten ausführlicher). Dabei müssen jüngere Sprachformen nicht unbedingt darauf hinweisen, dass die Glossierungen auch mit großem zeitlichen Abstand vorgenommen wurden. Vorahd. /eu/ etwa erscheint in den älteren Quellen als ahd. . Der Übergang zu vollzieht sich aber schon in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts (BRG §48), sodass die erwähnte Doppelglossierung Nr. 216a/b mit deonosto und [d]i[onost]v auch in relativ geringem zeitlichen Abstand vorgenommen worden sein könnte. Es ist also auch damit zu rechnen, dass in relativ kurzer Zeit die Formen des ersten Glossators als altertümlich galten und zur Korrektur anregten. Das kann auch mit dem Alter der Glossatoren in Verbindung stehen. Die beiden Schichten sind diesbezüglich also auch anhand anderer Phänomene genauer zu analysieren. In der folgenden Analyse werden für die zeitlich-geographische Charakterisierung besonders aussagekräftige Phänomene herangezogen, insbesondere dann, wenn sie mit mehreren Belegen im Korpus vertreten sind. In ihrer Lesung unsichere Graphien bleiben unberücksichtigt oder werden gesondert erwähnt. In der Analyse werden z. T. die bereits in den Editionsartikeln gemachten Beobachtungen zu auffälligen Graphien wieder aufgenommen und zusammengeführt. Im Einzelnen sei daher für etwaige weitere Ausführungen auf die entsprechenden Editionsartikel verwiesen.

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2.5.2 Sprachgeographische Charakterisierung 2.5.2.1 Konsonantismus Die Glossen weisen in den Lautverschiebungsprodukten durchgängig hochdeutschen, mithin oberdeutschen Lautstand auf. Regelmäßige Verschiebungen von vorahd. /p, t, k/ liegen in allen Glossierungsschichten vor. Unauffällig sind dabei die Graphien für vorahd. /t/, die allesamt für regelmäßige hochdeutsche Verschiebungsprodukte stehen. So findet sich für die Verschiebung zur Affrikate die einfache -Graphie im Wort- und Silbenanlaut vor Vokal in Nr. 21, 140, 161, 162, 175, 180, 193, 197 und 234. Postkonsonantisch in alter Geminate ist die regelmäßige -Graphie (BRG §159) in Nr. 52, 65, 134, 182 vertreten. Seltener, aber häufig vor palatalem Vokal e oder i belegt (BRG §159,A.2) ist die einmalige -Graphie (Nr. 260 Typ B cil&). Für die Verschiebung zum Doppelfrikativ finden sich Belege mit weitgehend unauffälligen, regelmäßigen -Graphien (Nr. 89, 236) und - Graphien (degeminiert nach Langvokal/Diphthong, Nr. 183b, 209). Nr. 41 nidarlazzanti weist noch Doppelgraphie nach Langvokal auf, die nach BRG §160 nur in frühen Quellen vorkommt und somit noch in die frühere Zeit weisen könnte. Auffällig ist die bisweilen in Griffelglossen häufiger belegte -Graphie in Nr. 25 (Typ A) vonapisessanemo (vgl. hierzu den Editionsartikel), aus der sich aber keine sprachgeographischen Erkenntnisse ableiten lassen. Für die Verschiebung zur Affrikate in der für die geographische Charakterisierung aussagekräftigen Position im Anlaut sind für vorahd. /p/ nur wenige Belege beizubringen. Die einzige -Graphie ist diesbezüglich mit Unsicherheiten behaftet (Nr. 69 Typ A pfrazunna). Glosse Nr. 214 (Typ B) farru weist mit der anlautenden einfachen -Graphie eher ins Alemannische als ins Bairische (SchABG §58. SchAHG §150. BRG §131a). Für die postliquide p-Verschiebung ist die regelmäßige einfache -Graphie zweimal vertreten (Nr. 28, 53), in der Position nach Konsonant findet sie sich einmal in Nr. 95. Die restlichen Belege weisen die Verschiebung zum Doppelfrikativ meist mit regelmäßiger Vereinfachung im Auslaut und vor Konsonant auf (Nr. 73, 229). Nr. 233 kaoffarotiu ist diesbezüglich aufgrund der möglichen Lehnbeziehung zu lat. offere unsicher, Müller/Frings (1968: 343) bestimmen die Form als bairisch (vgl. hierzu den Editionsartikel). Bei vorahd. /k/ in Verschiebungsposition161 findet sich ebenfalls durchgängig die regelmäßige Verschiebung zum Doppelfrikativ: 12-mal postvokalisch im Inlaut (Silbengelenk): Nr. 17, 29, 43, 95a, 119, 121, 132, 160, 168, 208, 243, 245; 3-mal, regelhaft vereinfacht: Nr. 113, 129, nur 230 farprohanemo auffällig; nur bei ahd. suochen: Nr. 120, 131, 213.

|| 161 Regelmäßig nicht verschoben erscheint vorahd. /k/ in der Verbindung sk- in den Glossen Nr. 3 askv uvoruan, Nr. 229b rihtiscef und Nr. 232 friskinka.

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Die regelmäßige Verschiebung zur Affrikate findet sich mit 10-mal, wobei alle regelhaft im Wortanlaut oder nach Konsonant stehen: Nr. 112, 125, 128, 166, 183a, 184, 187, 191, 223, 258. Die bis auf Nr. 42 (Typ A) clak&o durchgehende Verschiebung im Wortanlaut zur Affrikate weist hier insgesamt ins Oberdeutsche (BRG §144). Aus der Verteilung auf verschiedene Eintragungstypen lassen sich keine weiteren Erkenntnisse ziehen (Glossierungsschichten: Typ A: 5; Typ B: 2; FG: 1). Unter den Belegen steht die -Graphie auch in fünf Fällen für [k] in der Kombination [kw-] für , wobei vier der Belege sich in Glossen von Typ A und nur einer in denen von Typ B findet (Nr. 112 Typ A chuam, Nr. 128 Typ A chuidis, Nr. 183a Typ A archelita, Nr. 184 Typ A chueliti, Nr. 191 Typ B chuiti). In Typ B ist auch einmal die eher seltene einfache -Graphie belegt (Nr. 105 Typ B opacuam). Nach SchABG §62a ist die chu-Graphie eher ein Phänomen älterer Quellen. Sprachgeographisch besonders aussagekräftig sind die zahlreichen Belege für die Medienverschiebung, insbesondere von vorahd. /b/ und /g/: Für vorahd. /b/ lassen sich insgesamt 45 Belege beibringen, von denen 38 durchgängig

in allen Positionen aufweisen162. Lediglich fünf Belege im Silbenanlaut, die sich auf alle Glossierungsschichten Typ A, Typ B und FG verteilen, haben hier (Nr. 16, 72, 151, 154, 257; Beleg Nr. 90 ist unsicher). Der Befund wird durch 15 weitere

-Graphien im Präfix für ahd. bi-, wo ausschließlich vorkommt,163 nochmals verstärkt. Dies spricht in seiner Durchgängigkeit, insbesondere im Anlaut, für das Bairische, wo

bis ins 10. Jahrhundert herrscht; im Alemannischen nimmt

seit dem 9. Jahrhundert in dieser Position ab (BRG §136. SchAHG §160. SchABG §69). Das Übergewicht an 22 - und -Graphien164 für vorahd. /g/, zu denen auch noch 53 im Präfix ahd. gi- zu rechnen sind, wo in allen Griffelglossenschichten ausschließlich herrscht,165 bestätigt im Wesentlichen das bei SchABG §70b und BRG §149 für die frühe Zeit des Bairischen gezeichnete Bild. Dabei fällt insbesondere der hohe Anteil an inlautenden - und -Graphien166 auf, die nach BRG §149,A.2 sonst nur in frühen alemannischen Quellen begegnen, aber auch von SchABG §71 in bairischen Quellen und insbesondere auch in Freisinger Personennamen beobachtet wurden. Die vorhandenen 16 -Graphien beziehen sich dabei ausschließlich auf den Inlaut v. a. in stimmhafter Umgebung, wobei sie sich in etwa gleich auf die

|| 162 Nr. 2, 5, 11, 17, 27a, 29, 54a, 54b, 59, 64, 67, 68, 79, 88, 93, 98, 105, 113, 118, 132, 135, 139, 142a, 142b, 148, 160, 175, 176, 178, 180, 202, 207b, 221, 222, 227, 230, 245, 252. 163 Nr. 9, 13, 25, 58, 109, 126, 153, 166, 173, 174, 182, 185, 206, 235a, 253. 164 Die Belege verteilen sich im Einzelnen folgendermaßen: 17-mal , davon 11 im Silbenanlaut (Nr. 42, 81, 87, 109, 110, 137, 149, 159a, 170, 211, 232) und 6 im Wortanlaut (Nr. 66, 118, 142a, 142b, 150, 239). 5-mal , zweimal davon im Wortanlaut (Nr. 42, 127, 152, 204, 250). 165 ka-: Nr. 1, 19, 22, 23, 45, 48, 50, 54a, 60, 72, 77, 82, 85, 86, 91, 95, 107, 110, 125, 137, 142, 147, 161, 167, 175, 176, 179, 204, 208, 211, 219, 221, 233, 234; ki-: Nr. 5, 33, 36, 54b, 62, 68, 74, 78, 88, 92, 98, 101, 103, 123, 138, 142, 152, 158, 162, 197. 166 7 Belegen im Wortanlaut stehen 14 inlautende Belege gegenüber.

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beiden Griffelglossenschichten Typ A (8x) und Typ B (7x) verteilen. Bei den wenigen Federglossen herrscht ausschließlich die g-Graphie (einmal inlautend in Nr. 44 FG ougon und einmal im Präfix ahd. gi- Nr. 4 FG nidergilazido), was auch zur oben erwähnten paläographischen Einschätzung ins 10. Jahrhundert passt. 2.5.2.2 Vokalismus Im Haupttonvokalismus bieten einige Graphien Hinweise für eine sprachgeographische Einschätzung, auf die im Folgenden eingegangen wird: Vorahd. /ō/: Von den insgesamt 21 Belegen weisen 16 eine einfache -Graphie auf,167 in drei dieser Belege wurde die Länge höchstwahrscheinlich explizit durch ein Diakritikum168 markiert. Einmal ist eine eher seltene einfache -Graphie (Nr. 185 Typ B pihuhonto) vertreten, die laut BRG §40,A.1 v. a. in fränkischen (vgl. FranckAFG §46), vereinzelt aber auch in oberdeutschen Quellen169 zu finden ist. Nur drei Belege weisen diphthongische Graphien auf (Nr. 1, 66, 82), wobei die Graphien (Nr. 1), (Nr. 66) und unsicheres (Nr. 82) je einmal vertreten sind. Die in Freisinger Personennamen häufige -Graphie, die meist als Kennzeichen früher Freisinger Quellen gilt (SchABG §8a. BRG §39b,A.3 und 4), ist damit ähnlich unterrepräsentiert wie in den Freisinger Griffelglossen des Clm 6300 (Glaser 1996: 384f.). Sie scheint sich also immer mehr als Besonderheit der Urkundenüberlieferung zu erweisen. Die sonst eher in alemannischen Quellen zu findende Graphie in Nr. 82 ist auch in Freisinger Namen vereinzelt überliefert (SchABG §8c), sodass das Vorkommen hier zum Schreibort Freising passt. In Beleg Nr. 20 (Typ A) aruuos ist der vokalische oder konsonantische Charakter des zweiten u nicht entscheidbar; die Mehrzahl der -Graphien sowie die Form des Präfixes ahd. ir- machen eher eine einfache -Graphie wahrscheinlich (SchABG §8e). Insgesamt spricht das deutliche Übergewicht an einfachem stark für eine Zuweisung der Belege ins Bairische (BRG §39b) und deutet auch in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts, da danach im Bairischen eher herrscht (SchABG §8). Insgesamt fünf Belege weisen vorahd. /au/ auf: In Monophthongierungsposition zu ahd. /ō/ (vor germ. /h/ und allen Dentalen, BRG §45) steht in zwei Belegen die übliche einfache -Graphie (Nr. 155, 205), in einem Beleg (Nr. 242 Typ A arlaosemes) findet sich die in den ältesten bairischen Quellen des 8. und beginnenden 9. Jahrhunderts überwiegend vertretene -Graphie (vgl. BRG §45,A.2. SchABG §12). Die restlichen beiden Belege (Nr. 137 Typ A vvarikatokan, Nr. 139 Typ B? lopit) weisen die einfache -Graphie in der Position vor Guttural bzw.

|| 167 Nr. 29, 38, 62, 70, 77, 83, 111, 120, 131, 145, 171, 172, 197, 213, 243, 244. 168 Nr. 145 (Typ A) ōuuast, Nr. 172 (Typ A) sónu, Nr. 197 (Typ B) zōkihalatemo. 169 Zu vgl. ist diesbezüglich v. a. auch SchABG §8a, S.17. SchAHG § 24 weist v. a. auf den häufigeren Fall einer einfachen -Graphie hin, wenn auf ahd. /uo/ ein Vokal folgt, führt aber auch einige vereinzelte Belege vor Konsonant auf.

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Labial auf, in der aufgrund des erhaltenen Diphthongs eigentlich auch eine Diphthong-Graphie zu erwarten wäre (vgl. BRG §46). Die -Graphie ist hier selten, aber bisweilen in fränkischen und v. a. auch in frühen bairischen Quellen belegt (vgl. SchABG §14a u. a. mit einem Beleg hopitas aus dem Clm 2944 mit den ‚Dialogen‘). Eine differenzierte Betrachtung der Glossierungsschichten ermöglicht (nicht zuletzt auch aufgrund geringer Belegzahl) keine weiteren Erkenntnisse. Vorahd. /ai/ ist im Althochdeutschen vor /r, h, w/ und im Auslaut zu /ē/ monophthongiert worden (BRG §43). Für diese Monophthongierungsposition findet sich im Korpus nur ein Beleg, der zudem eine auffällige -Graphie aufweist (Nr. 156 Typ B eirendo), die in den Grammatiken nur vereinzelt verzeichnet ist. Die dort erwähnten Belege stammen v. a. aus dem Glossar Rb und einmal aus den Merseburger Zaubersprüchen (SchABG §11. SchAHG §30. BRG §43,A.7). In allen anderen Fällen ist vorahd. /ai/ Diphthong geblieben (BRG §44). Die Schreibung früher oberdeutscher Belege aus dem 8. Jahrhundert ist vielfach , geht aber schon Ende des 8. Jahrhunderts in über. Die für das frühe Bairische typische -Graphie ist in den vorliegenden Belegen des Clm 6293 nicht vertreten170, was aber auch zu der Beobachtung passt, dass insbesondere Freisinger Quellen (Urkunden) den verstärkten Übergang zu schon in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts erkennen lassen (BRG §44,A.2. SchABG §13a). Die ausschließliche Graphie in Diphthongposition wird im Korpus nur von drei Belegen (Nr. 64, 88, 91) durchbrochen. In Nr. 64 (Typ B) lipl&a und Nr. 88 (Typ B) uuas kip&it sprechen -Graphien für die Wiedergabe des zu erwartenden Diphthongs durch eine einfache -Graphie, die im Bairischen und Fränkischen nicht selten, kaum aber im Alemannischen belegt ist (vgl. BRG §44,A.4. SchABG §13b. SchAHG §27). Aufgrund der weiteren oberdeutschen Merkmale in diesen Belegen (

und ) ist eine Zuweisung ins Bairische daher möglich. Beide Belege gehören zum Eintragungstyp B und stammen evtl. von der gleichen Hand, die auch die -Graphie in Nr. 98 (Typ B) kistap&a für ahd. /ē/ verwendet, was eine lautliche Interpretation der Graphie als /ē/ in allen Belegen stärkt. Vorahd. /eu/ hat sich im Oberdeutschen nur vor Dentalen, vor germ. /h/ und nach vokalharmonischen Gesetzen vor a, e, o der Folgesilbe zu eo entwickelt und wird vom 9. Jahrhundert an von io verdrängt, wo es in der 2. Hälfte herrscht (BRG §47, §48. SchAHG §39. SchABG §15). Sonst ist vorahd. /eu/ zu ahd. /iu/ geworden. Im Bairischen hält sich länger, ist bis Ende des 9. Jahrhunderts als vorhanden und wird dann zu , dies zeigen insbesondere auch Freisinger Namenbelege, in denen nur selten ist (SchABG §15b). Von den sechs Belegen im Korpus (Nr. 40, 61, 169, 198, 216a, 216b) weisen vier die -Graphie auf, wobei auffällt, dass alle zum Eintragungstyp A gehören; sie sprechen also mit hoher Wahrscheinlichkeit für bairischen Lautstand des 9. Jahrhunderts. Von Typ B stammen einmal regelmäßig || 170 Vgl. Nr. 11, 27b, 36, 54a, 54b, 60a, 67, 74, 141, 178, 183b, 200a, 212, 219, 222, 225, 248, 252, 256.

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die Graphie (Nr. 61 stiurrenter) und die oben bereits erwähnte Korrektur einer -Graphie zu (Nr. 216a/b deonosto zu [d]i[onost]v), aus der sich auch eine ungefähre zeitliche Einschätzung der Typ B-Glossen ableiten lässt, die dann etwas später ab der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts anzusetzen sein dürften. 2.5.2.3 Vokale in Nebensilben Von den insgesamt 54 Belegen für das Präfix ahd. gi- weisen 33 die ka-Graphie, 20 die ki- und eine Federglosse die gi-Graphie auf, wobei die beiden Präfixe ka- und ki- deutlich auf die beiden Instrumente Typ A und Typ B verteilt sind und damit auch als Kennzeichen zweier grundlegend zu unterscheidender Glossierungsschichten dienen können: Von den insgesamt 34 Belegen für ka- fallen allein 30 auf Eintragungstyp A und lediglich vier auf Typ B. Von den 20 Belegen hingegen für kifallen lediglich zwei auf Typ A und 18 auf Typ B. (Der einzige Beleg für gi- ist nur einmal in der Federglosse Nr. 4 vertreten.) Die ka-Formen sind offensichtlich oberdeutsch und sprechen mit Blick auf die Entstehungszeit der Handschrift um 800 für das Bairische, da ka- im Alemannischen Anfang des 9. Jahrhunderts stark zurückgeht und das Bairische in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts noch überwiegend ga- aufweist (BRG §71). Präfix ahd. bi-: Es ist ausschließlich die Form pi- belegt, was wie oben bereits ausgeführt für bairischen Sprachstand spricht und aufgrund des Vokals die späte Zeit des 10. Jahrhunderts ausschließt, in dem die Form be-/pe- häufiger wird (BRG §77. SchAHG §82. SchABG §31). Präfix ant-: Von den insgesamt vier Belegen für das Präfix ant- steht Nr. 99 (Typ A) ant(…) höchstwahrscheinlich in nominaler Komposition in betonter Stellung (es übersetzt zumindest ein lateinisches Adj.-Adverb) und ist daher stabil (BRG §73. SchABG §38), was keine Erkenntnisse über den Sprachstand erlaubt. Der Beleg wird also nicht weiter berücksichtigt. In den Glossen Nr. 119 (Typ A) antuuihhan, Nr. 194 (Typ A) nientgeento und Nr. 224 (Typ A) antfahe liegt das unbetonte Verbpräfix vor, das der Abschwächung unterliegt. Die Belege Nr. 119 und 224 haben demnach die älteste Form bewahrt, was für einen frühen Sprachstand spricht (SchAHG §73). Alle Belege wurden mit einem Instrument Typ A eingetragen, wobei Nr. 194 mit der Abschwächung zu ent- auch zeigt, dass nicht alle Glossen dieses Typs den frühen Sprachstand aufweisen. Allerdings sind diese ent-Formen auch schon in frühen althochdeutschen Quellen vereinzelt belegt (vgl. BRG §73,A.3), was in diesem Beleg auch besser zur eher frühen Doppelvokalgraphie (BRG §7c. SchAHG Einl.,7) passen würde. Präfix ir-: Von den neun Korpusbelegen des Präfixes ir- haben sieben die Form .171 Sie stammen alle von einem Instrument Typ A. Zwei Belege haben in Nomi-

|| 171 Nr. 20, 38, 40, 183a, 209, 242, 248.

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nalzusammensetzungen in betonter Position die Form bewahrt (im allerdings unsicheren Beleg Nr. 18 Typ A urmari und in Nr. 75 Typ B ursuni). Insgesamt spricht dies für einen alten Sprachstand des 9. Jahrhunderts, da ar- sonst v. a. in den alten Denkmälern belegt ist und im Laufe des 9. Jahrhunderts durch ir- und erersetzt wird (BRG § 75. SchAHG §84); dabei scheinen vor allem oberdeutsche Denkmäler ar- zu haben, das sich im Bairischen besonders lange hält (SchAHG 84. SchABG §35). Präfix fir-: Beim Präfix fir- steht im Korpus drei Belegen mit far- (Nr. 200a, 230, 236) ein Beleg mit fir- (Nr. 163) gegenüber, was trotz der geringen Belegzahl dem in den Grammatiken gezeichneten Bild eines frühen oberdeutschen Sprachstandes entspricht (BRG §76. SchAHG §83. SchABG §36). Ahd. fir- tritt daneben schon früh auf und herrscht Ende des 9. Jahrhunderts in allen Dialekten. Die far-Formen sind in beiden Schichten von Typ A und Typ B vertreten, wobei Typ A nur die far-Form aufweist und die beiden Typ B-Belege je einmal far- und einmal fir- haben. Aufgrund des Fehlens der fur- und for-Formen ist die ganz frühe Zeit des Bairischen wohl auszuschließen; der Befund passt vielmehr ins Bairische der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Die relative Chronologie der beiden Eintragungstypen spiegelt sich evtl. aber in dieser Verteilung wider, sodass die Typ B-Glossen in der Tendenz etwas später anzusetzen sind. In betonter Position liegen die Adverbformen furi zweimal (Nr. 2, 35) und fora einmal (Nr. 6) im Korpus vor. Die Form des Präfixes missa- in Nr. 117 (Typ A) missatruent ist nach SchAHG §132 v. a. bairisch und in frühen Belegen häufig zu finden, während missi- im Bairischen selten ist. Dabei deutet -a auf ein hohes Alter hin, da es nach SchABG §48 „nur in älteren Belegen“ zu finden ist. Schatz weist auch darauf hin, dass die Form missa- noch in späteren Glossen neben missi- auftaucht, was allerdings auch durch abschriftlichen Charakter bedingt sein kann (SchAHG §132). Auch das in diesem Beleg fehlende inlautende /w/ ist laut SchABG §89e schon im Altbairischen auch neben den Formen mit /w/ belegt. Für eine geographische Charakterisierung der Glossen als bairisch sprechen auch einige Beobachtungen im Vokalismus der Flexions- und Nebensilben. So hat -e v. a. in bairischen Quellen seit Ende des 9. Jahrhunderts die Tendenz in -a überzugehen, was die Endung -as in Nr. 39 (Typ B) sinas als zwar seltenere, aber v. a. in bairischen Quellen belegte Form des Gen. Sg. ausweist (vgl. BRG §58,A.3. §193,A.1. §248,A.3. SchABG §96a). Der in Nr. 102 (Typ B) herionte als i erhaltene Reflex der j-haltigen Ableitungsbasis ist nach r (insbesondere im sw. V. ahd. herion) zwar v. a. im Bairischen bis in die spätere Zeit zu beobachten, wohingegen alemannische und fränkische Denkmäler hier häufig Verlust und damit einhergehende Gemination aufweisen (BRG §118. §367,A.1. SchABG §149). Neben den in der Mehrzahl ins Bairische weisenden oder einer Zuordnung zum Bairischen nicht widersprechenden Merkmalen sind auch vereinzelte alemannische Formen hervorzuheben: Nr. 214 (Typ B) farru weist mit der anlautenden einfachen -Graphie eher ins Alemannische als ins Bairische (SchABG §58. SchAHG §150.

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BRG §131a). Genauso steht im Morphologischen Nr. 130 (Typ A) uuidarstat den bairischen Formen in Nr. 163 (Typ B?) fir sten (bair.) bzw. auch Nr. 194 (Typ A) nientgeento (zu intgēn) gegenüber (vgl. BRG §382). In Nr. 183a (Typ A) archelita fehlt zwar eine graphische Wiedergabe des /w/, was in der Verbindung /kw-/ nur im späteren Alemannischen, nicht aber im Bairischen üblich ist (vgl. BRG §107,A.2), allerdings ist hier aufgrund der frühen ar-Graphie der Bezug zum Alemannischen nicht unbedingt zwingend. Diese wenigen Formen können also das Gesamtbild einer ins Bairische weisenden Glossierung nicht wesentlich stören, deuten aber evtl. vereinzelt auch auf alemannischen Einfluss in den Sprachformen hin.

2.5.3 Zeitliche Charakterisierung 2.5.3.1 Konsonantismus Auf ein hohes Alter zumindest einiger Griffelglossen weisen die anlautenden Graphien vor Konsonant hin, von denen v. a. die Position vor den Liquiden l und r im Korpus belegt ist (Nr. 83, 85, 144, 168, 187); außer Nr. 168 stammen sie alle von einem Instrument Typ A. Da sich die in den ältesten Quellen vorhandenen anlautenden h-Graphien vor Konsonant im Laufe des 9. Jahrhunderts vollständig verlieren (BRG §153. SchAHG §238) und in bairischen Quellen nach SchABG §79 schon zu Beginn des 9. Jahrhunderts seltener werden, wurden die Glossen wahrscheinlich bald nach Entstehung der Handschrift eingetragen. Allerdings behalten insbesondere Freisinger Urkunden die -Graphie in dieser Position während der gesamten ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts und schwinden erst in der zweiten Hälfte (SchABG §79a). Unter den Lautverschiebungsprodukten spricht die überwiegende Graphie für den aus vorahd. /k/ entstandenen Doppelfrikativ (Nr. 17, 29, 43, 95a, 119, 121, 132, 160, 168, 208, 243, 245), der im Laufe des 9. Jahrhunderts allmählich schwindet und ab dem 10. Jahrhundert kaum mehr auftritt, eher für die frühe Zeit (BRG §145,A.1). Die Graphie scheint in dieser Position im Korpus nur auf Bildungen mit ahd. suohhen (Nr. 120, 131, 213) beschränkt zu sein. Nr. 41 (Typ B) nidarlazzanti weist noch Doppelgraphie für vorahd. /t/ nach Langvokal auf, die nur in frühen Quellen vorkommt und somit noch in die frühere Zeit weisen könnte (vgl. BRG §160). Aus der in Griffelglossen häufiger erscheinenden -Graphie in Nr. 25 (Typ A) vonapisessanemo (vgl. hierzu den Editionsartikel) lassen sich wohl keine sicheren zeitlichen Erkenntnisse ableiten, da diese Graphien noch nicht ausreichend analysiert sind. Auffällig ist aber hier das vermehrte Vorkommen in Griffelglossen. Nach SchABG §62a ist die chu-Graphie eher ein Phänomen älterer Quellen: „In jüngerer Zeit ist chu- nur selten neben vorherrschendem qu- vorhanden“. Die stark vertretenen -Graphien für vorahd. /g/ bestätigen im Wesentlichen das bei SchABG §70b und BRG §149 für die frühe Zeit des Bairischen gezeichnete Bild. Spätestens ab dem 10. Jahrhundert herrschen im Oberdeutschen an- und inlau-

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tend die -Graphien (BRG 149,A.6), sodass die Griffelglossen in die frühe Zeit des 9. Jahrhunderts und die Federglossen mit der -Graphie im Präfix ahd. gi- in Nr. 4 und inlautend in Nr. 44 wohl eher in die spätere Zeit fallen. Bei den wenigen Federglossen herrscht ausschließlich die g-Graphie (einmal inlautend in Nr. 44 FG ougon und einmal im Präfix ahd. gi- Nr. 4 FG nidergilazido), was auch zur oben erwähnten paläographischen Einschätzung ins 10. Jahrhundert passt. Die Häufigkeit der Graphie gegenüber für vorahd. /f/ im Wortanlaut (inkl. Präfix ahd. fir-) entspricht dem in den Grammatiken gezeichneten Bild eines frühen Sprachstandes172, da sich im 9. Jahrhundert langsam im Wortanlaut durchsetzen (BRG §138). Die -Graphien verteilen sich auf beide Eintragungstypen A und B, sodass aus dieser Verteilung keine weiteren Schlüsse zu ziehen sind. Die Graphien für ahd. /w/ zeigen mit der Mehrzahl der - und -Graphien im Wesentlichen das Bild, das die Grammatiken für die frühere Zeit zeichnen. Da der Ersatz durch das aus zusammengerücktem entstandene aber erst spät in althochdeutscher Zeit einsetzt (BRG §105), sind genaue Datierungen nicht möglich. In den 44 sicheren Belegen für ahd. /w/ stehen einander 27 -Graphien, 7 und 2 -Graphien gegenüber.173 Die restlichen Belege zeigen die häufige, einfache -Graphie nach dentalem oder velarem Konsonanten (Nr. 161, 184, 191, 195, 249) oder vor Vokal (Nr. 100 uuntarsiun). Zweimal steht /w/ im Auslaut: in Nr. 196 strau als , in Nr. 227 plav als . In Nr. 183a archelita fehlt eine graphische Wiedergabe. Der Ausfall von /w/ in der Verbindung /kw-/ ist nur im späteren Alemannischen, nicht aber im Bairischen üblich (vgl. BRG §107,A.2). Da das Präfix ar- in diesem Beleg eine frühe Form aufweist, ist der Ausfall erklärungsbedürftig (weshalb entsprechende Fälle wohl bei SchABG §88 als Schreibversehen gewertet werden), und der vereinzelte Beleg kann hier kaum sicher zur sprachgeographischen Charakterisierung herangezogen werden. Eine Betrachtung der Glossierungsschichten zeigt, dass die - und -Graphien in beiden Schichten vorhanden sind174 und die jeweilige Überzahl bei den Typ A-Glossen sich dadurch erklärt, dass die Typ AGlossen insgesamt häufiger sind.

|| 172 Im Einzelnen verteilen sich die Graphien wie folgt (inkl. Präfix ahd. fir-): : insgesamt 22-mal; davon im Wortanlaut 16-mal: Nr. 2, 6, 27a, 35, 104, 143, 157, 163, 164, 177, 200a, 214, 228, 232, 236, 240; im Silbenanlaut vor Vokal 5-mal: Nr. 38, 50, 77, 209, 224; inlautend vor Konsonant einmal: Nr. 46; : insgesamt 5-mal: Nr. 3, 10, 62, 140, 161; davon einmal im Wortanlaut (Nr. 10), sonst im Silbenanlaut; : einmal: Nr. 25. 173 : Typ A: Nr. 2, 49, 53, 84, 87, 91, 113, 119, 129, 130, 133, 145, 149, 170, 174, 215, 235a; Typ B: Nr. 7, 23, 62, 88, 97, 121, 138, 153, 200b; FG: Nr. 258. – : Typ A: Nr. 136a, 137, 176, 210, 226; Typ B: 207a, 235b. – : Typ A: Nr. 3, 179 ( mit vokalischem Wert). 174 : Bei den 27 Belegen ist das Verhältnis: 17 Typ A zu 9 Typ B zu 1 FG. Unter den 7 -Graphien: 5 Typ A zu 2 Typ B.

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2.5.3.2 Vokalismus Im Vokalismus spricht das deutliche Übergewicht an für vorahd. /ō/, wie oben ausgeführt, stark für eine Zuweisung ins Bairische (BRG §39b) und weist damit auch in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts, da danach im Bairischen eher herrscht. Die einzige sichere -Graphie in Nr. 66 (Typ B) kenuoc passt bezüglich der Glossierungsschicht Typ B sowie des abgeschwächten Nebensilbenvokals und dem auslautendem in die spätere Zeit ab der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Die Glossen zeigen durchgehend die Durchführung des Primärumlautes von ahd. /a/, die sich in den Belegen mit vorhandener -Graphie zeigt.175 Unterschiede in den Glossierungsschichten sind nicht auszumachen, da insgesamt nur drei Belege auf unterbliebenen Umlaut hindeuten, von denen sich Nr. 60b und 151 durch umlauthindernde Konsonantenverbindungen erklären (BRG §27,A.2a. SchABG §22). Da Belege für spezifische oberdeutsche Umlauthinderungen (BRG §27,A.2b) fehlen, ist eine genauere geographische Differenzierung nicht möglich. Nr. 19 kaarandent ist in der Interpretation seiner Bildung unsicher, bei der Annahme eines sw. V. ahd. giarenden könnte hier eine fehlende Umlautgraphie vorliegen, die sich evtl. auch durch eine bisweilen beobachtete verlangsamende Wirkung von folgender Nasalverbindung erklären lässt (BRG §27,A.1). Die ansonsten durchgängigen Umlautgraphien passen also zur Entstehungszeit der Handschrift um 800, lassen sich aber nicht weiter differenzieren. Von den sechs Belegen für vorahd. /eu/ im Korpus (Nr. 40, 61, 169, 198, 216a, 216b) weisen vier die -Graphie auf, wobei auffällt, dass alle zum Eintragungstyp A gehören. Sie sprechen also mit hoher Wahrscheinlichkeit für bairischen Lautstand des 9. Jahrhunderts. Von Typ B stammt einmal regelmäßig (Nr. 61 stiurrenter) und die oben bereits erwähnte Korrektur einer -Graphie zu (Nr. 216a/b deonosto), aus der sich auch eine ungefähre zeitliche Einschätzung der Typ B-Glossen ableiten lässt, die dann etwas später ab der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts anzusetzen sind. 2.5.3.3 Flexionsformen Der Vokalismus der Flexionsformen lässt sich in einigen Belegen zur zeitlichen Charakterisierung heranziehen: So weisen etwa von den neun Belegen des Dat. Sg. bei den st. F. sieben Belege die noch ins 9. Jahrhundert deutende -Graphie auf (Nr. 3, 134, 159b, 172, 178, 190, 202)176 und zwei die später dafür eintretende Endung (Nr. 4, 70). Nr. 4 (FG) nidergilazido gehört zu den auch paläographisch eher ins 10. Jahrhundert zu datie|| 175 Zur Diskussion des einzigen evtl. abweichenden Belegs mit auffälliger -Graphie vgl. den Editionsartikel Nr. 101 kidinnanto. 176 Die Belege können auch noch durch Nr. 11 (Typ A) insopreiteru ergänzt werden, wo sich die Graphie auch in der starken Adjektivflexion zeigt.

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renden Federglossen, was deren spätere Eintragungszeit stützt. Nr. 70 (Typ B) lotido bestätigt damit auch die eher später anzusetzende Eintragungszeit zumindest großer Teile der Griffelglossen von Typ B, wobei der Befund nicht gegen eine Eintragung noch im 9. Jahrhundert spricht, da die -Graphien hier auch vereinzelt schon beobachtet wurden (BRG §207,A.4. SchAHG §331). Von den sieben Belegen mit früher -Graphie sind sechs Glossen von Typ A (nur Nr. 134 izzu gehört zu den Glossen von Typ B), was im Wesentlichen gut zur frühen Eintragungszeit der Glossen dieses Eintragungstyps passt. Nr. 37 (Typ B) sito zeigt bereits den Übergang des -u zu -o im Nom./Akk. Sg. der ehemaligen u-Stämme, der seit Ende des 9. Jahrhunderts auftritt, vereinzelt aber auch schon früher beobachtet werden kann (vgl. BRG §220c und A.2). Zu vgl. ist hierzu auch die von gleicher Hand stammende Eintragung Nr. 39 (Typ B) sinas, die mit der Endung -as eine seltene, aber v. a. in späteren bairischen Quellen belegte Form des Gen. Sg. (vgl. BRG §58,A.3. §193,A.1. §248,A.3. SchABG §96a) aufweist und damit die etwas spätere Eintragungszeit der Glossen Typ B stützt (Ende 9./Anfang 10. Jahrhundert). Besonders frühen Sprachstand zeigen Nr. 59 (Typ A) pittro, Nr. 216a (Typ A) deonosto und Nr. 216b (Typ B) [d]i[onost]v, die den Instrumental aufweisen (BRG §248. SchAHG §307). Das Vorhandensein einer Instrumentalform ohne Präposition ist im Allgemeinen ein Hinweis auf frühen Sprachstand des 8./9. Jahrhunderts (BRG §192e,A.2). Die Formen mit -u scheinen dabei häufiger in frühen Quellen belegt zu sein, ab Mitte des 9. Jahrhunderts wird -o häufiger, wobei -o auch schon in frühen Quellen vorkommt (BRG §93,A.3. SchABG §96c). Insbesondere Nr. 216b ist in diesem Zusammenhang interessant, da hier mit einem Instrument Typ B Eintragungen vorgenommen wurden, die bezüglich des Instrumentals in Richtung der älteren Form -u gehen, bezüglich des Stammsilbenvokals aber die ältere Form eo zur jüngeren Form io korrigieren. In Nr. 93 (Typ A) purgeo lässt sich die -Graphie analog zu den u. a. in der Exhortatio belegten Formen nach SchABG §106 noch als Reflex des j in der frühen Überlieferung auffassen, der bereits Anfang des 9. Jahrhunderts schwindet. Die Form lässt sich somit noch ins frühe 9. Jahrhundert datieren (vgl. auch BRG §223). In Nr. 27a furpanne bietet die -Graphie beim sw. V. (jan) insofern die Möglichkeit einer zeitlichen Eingrenzung, als die Ausgleichserscheinung -an für -en bereits im 9. Jahrhundert im Oberdeutschen einen breiten Raum einnimmt (BRG §314) und die Form also einer Datierung noch ins Oberdeutsche des 9. Jahrhunderts nicht widerspricht (für das Oberdeutsche spricht hier auch

für vorahd. /b/).

2.5.4 Ergebnisse unter Berücksichtigung von Glossierungsschichten Der in der durchgängigen Verschiebung der Lautverschiebungsprodukte von vorahd. /p, t, k/ erkennbare oberdeutsche Charakter der Glossen aller Eintragungsty-

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pen lässt sich im Bereich der Medienverschiebung durch die vorrangigen

- und -Graphien für vorahd. /b, g/ noch für das Bairische konkretisieren. Der erkennbare bairische Lautstand bezieht sich auch hier auf alle Eintragungstypen, sodass diesbezüglich keine weiteren Differenzierungen notwendig bzw. möglich sind. Im Bereich des Vokalismus wurde dieser bairische Charakter im Wesentlichen bestätigt: Insbesondere die für das frühe Bairische wesentlichen Merkmale wie das deutliche Übergewicht der -Graphien für vorahd. /ō/ insgesamt, die überwiegende -Graphie für vorahd. /ai/ in Diphthongposition sowie die im Bairischen länger vertretene -Graphie für vorahd. /eu/ sprechen für eine Zuweisung der Glossen ins Bairische, wobei abweichende Graphien einer solchen Zuordnung nicht widersprechen, sondern v. a. der zeitlichen Schichtung geschuldet sind (siehe dazu unten). Das bisher gezeichnete Bild lässt sich auch durch die Betrachtung der Präfixvokale bestärken, wo insbesondere das Übergewicht der ka-Formen für ahd. gi-, die durchgängigen pi-Formen sowie einige ar- und far- Formen oberdeutschen und mit Blick auf die Entstehungszeit der Handschrift um 800 auch bairischen Sprachstand zeigen. Der bairische Charakter wird auch im einmaligen Beleg von missa- bestätigt und zeigt sich schließlich auch in weniger häufigen Merkmalen, wie der Form der auffälligen Flexionsendung -as im Gen. Sg. in Nr. 39. Neben dem offensichtlichen bairischen Charakter sind aber auch die wenigen Alemannismen zumindest zu erwähnen, die sich v. a. auf die einmal belegte Form des Wurzelverbs stān, die einmalige -Graphie für die Affrikate aus vorahd. /p-/ und die allerdings nicht ganz sichere -Graphie in Nr. 82 beziehen. Die geringe Zahl an Belegen erlaubt hieraus aber keine allzu weitblickenden Erkenntnisse. Sie lassen aber evtl. erkennen, dass hinter einigen Graphien, die nicht eindeutig für das Bairische sprechen, sondern dieser Zuordnung nur nicht widersprechen, auch etwaige weitere alemannische Einflüsse vorliegen könnten. Insbesondere bei der zeitlichen Charakterisierung der Glossen treten nun aber Unterschiede zwischen den Eintragungstypen zutage, die in gewissem Maße auch verallgemeinernd Rückschlüsse auf die Chronologie der Eintragung und damit auf Eintragungsschichten ermöglichen. Die geringe Zahl an Federglossen erlaubt hier keine detaillierten Aussagen, allerdings lassen die Federglossen-Belege auch den von paläographischer Seite schon vermuteten Eintragungszeitpunkt ab dem 10. Jahrhundert erkennen. Hierfür spricht in Nr. 4 nidergilazido die abgeschwächte Form des Nebensilbenvokals von ahd. nidar, die Form des Präfixes ahd. gi- sowie die Endung für den Dat. Sg. des F. Da die Federglossen Nr. 43 lihhamon und Nr. 44 sinen ougon von anderer Hand stammen, könnte die -Graphie, die ab dem 10. Jahrhundert kaum mehr vorkommt, für eine frühere Eintragung noch im 9. Jahrhundert sprechen, wobei die -Graphie in ougon bei zu erwartendem oberdeutschen Sprachstand eher auf das Ende des 9. Jahrhunderts zeigt. Der aus den Graphien erkennbare Lautstand der Federglossen Nr. 257 simblū und Nr. 258 uuancho lässt keine nähere zeitliche Cha-

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rakterisierung zu, widerspricht aber nicht der paläographischen Einschätzung ins 10. Jahrhundert. Für die Griffelglossen lässt sich insgesamt ein hohes Alter feststellen, deren sprachliche Erscheinungsform deutet insgesamt auf eine Eintragung im 9. Jahrhundert hin. Die ganz frühe Zeit des 8. Jahrhunderts lässt sich dabei wegen der erwähnten außersprachlichen Faktoren wie der Entstehungszeit der Handschrift um 800 und des anzunehmenden originalen Charakters der Glossen nun auch sprachlich aufgrund der durchgehenden Durchführung des Primärumlautes (außer bei Umlauthinderung) in allen Griffelglossentypen ausschließen. Unter den Lautverschiebungsprodukten sprechen die -Graphien für vorahd. /k/ für das relativ hohe Alter beider Eintragungstypen, da sich das spätere nur in drei Belegen (zweimal Typ A, einmal Typ B) im Lexem ahd. suohhen findet. Die einmalige -Graphie nach Langvokal in Nr. 41 und die auffällige -Graphie in Nr. 25 könnten für die frühere Zeit sprechen, ohne dass sie nach Eintragungstypen zu differenzieren wären. Ebenso beide Eintragungstypen betreffen die häufigen, eher als früh einzuschätzenden -Graphien gegenüber für vorahd. /f/ im Wortanlaut (inkl. Präfix fir-), wo sich im 9. Jahrhundert langsam durchsetzt. Die wenigen -Graphien kommen bei beiden Glossentypen vor, sodass sich hieraus keine Chronologie ableiten lässt. Die stark vertretenen -Graphien in beiden Glossentypen für vorahd. /g/ (inkl. gi-) bestätigen im Wesentlichen das in den Grammatiken für das 9. Jahrhundert des Bairischen gezeichnete Bild; spätestens ab dem 10. Jahrhundert herrschen im Oberdeutschen an- und inlautend die -Graphien. Den Sprachstand des 9. Jahrhunderts zeigen auch die vorherrschenden -Graphien für ahd. /w/, die sich ebenfalls unter beiden Glossentypen finden. Deutlich in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts weisen die vorherrschenden -Graphien für vorahd. /ō/ unter allen Griffelglossentypen, wobei die frühe -Graphie neben einmaligem in Typ A herrscht und die später einzuschätzende -Graphie einmal in Typ B zu finden ist. Bezüglich einer Differenzierung von Glossierungsschichten lässt sich auch darüber hinaus insbesondere den Griffelglossen von Typ A aufgrund der v. a. hier belegten -Graphien für präkonsonantisches /h/ ein besonders hohes Alter attestieren; deren Eintragungszeit könnte also in etwa in die Zeit kurz nach der Entstehung der Handschrift reichen. Dies trifft auch für die in einigen Belegen zu beobachtende -Graphie für /kw-/ zu, wobei sich vier der fünf Belege in Glossen von Typ A und nur einer in Glossen von Typ B findet. Ganz besonders deutlich lassen sich Eintragungsschichten anhand des Vokals des Präfixes ahd. gi- differenzieren, da sich hier bezüglich der beiden Griffelglossentypen A und B ein deutliches Bild zeichnen lässt: Die bei anzunehmendem bairischem Sprachstand in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts weisende ka-Form findet sich mit deutlichem Übergewicht unter den Glossen von Typ A, während umgekehrt die Typ B-Glossen in der überwiegenden Mehrheit die ki-Form aufweisen, die zeitlich etwas später in die Zeit ab der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts anzusetzen ist. Dieses Bild der eher frühen, in die

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erste Hälfte des 9. Jahrhunderts weisenden Typ A-Glossen und der eher etwas späteren, in die Zeit ab der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts weisenden Typ B-Glossen wird nun auch durch weitere Beobachtungen bestätigt: Die -Graphien für vorahd. /eu/, die für den frühen bairischen Sprachstand des 9. Jahrhunderts sprechen, sind alle von Typ A, während die einzige -Graphie (die wie oben erwähnt aus der Korrektur einer -Graphie zu in Nr. 216a/b resultiert) von einem Instrument Typ B stammt, was für eine später anzusetzende Eintragung der Typ B-Glossen spricht. Ebenso zeigen nur Typ A-Glossen die noch ins 9. Jahrhundert weisende -Graphie für die Flexionsformen des Dat. Sg. bei st. F. Die spätere -Graphie findet sich dagegen einmal unter den Typ B-Glossen (und einmal unter den Federglossen), wobei unter den Typ B-Glossen auch einmal die frühere -Graphie belegt ist. Dies könnte entweder für unterschiedliche Glossierungsvorgänge unter den Typ B-Glossen sprechen oder aber auch für eine noch ins Ende des 9. Jahrhunderts zu datierende Eintragung, die für das heterogene Bild verantwortlich ist. Hierzu passt auch, dass die Typ B-Glossen Nr. 37 sito, Nr. 39 sinas und Nr. 240 festero spätere, in die Zeit ab dem Ende des 9. Jahrhunderts weisende Vokalgraphien in den Flexionsformen zeigen, wohingegen die Typ A-Glosse Nr. 93 purgeo noch den nur in frühen Quellen bis Anfang des 9. Jahrhunderts belegten Reflex des j als aufweist. Insgesamt lässt sich also der vorrangig bairische Charakter der Glossen festhalten. Sie wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit wohl auch in Freising eingetragen, da sich ansonsten aus der Handschriftengeschichte keine anderen Aufenthaltsorte der Handschrift ausmachen lassen. Bezüglich der Chronologie der Eintragungen lässt sich nun auch sprachlich das bereits angedeutete Szenario bestätigen: Das Gros der Glossen wurde mit einem Instrument Typ A relativ bald nach Entstehung der Handschrift eingetragen, wobei natürlich zeitlich versetzte, unterschiedliche Glossierungsvorgänge nicht auszuschließen und aufgrund der äußeren Erscheinungsform der Eintragungen der Typ A-Glossen auch zu erwarten sind. Insgesamt dürften diese Glossierungsvorgänge aber im Wesentlichen in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts stattgefunden haben. Die Glossen von Eintragungstyp B lassen dagegen erkennen, dass sie in der Mehrzahl etwas spätere Graphien aufweisen, auch wenn hier und da auch frühere Graphien zu finden sind. Die erwähnten Doppelglossierungen haben dies bereits erwarten lassen. Die Graphien der Typ B-Glossen weisen dabei in die Zeit ab der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, wobei auch bisweilen eine noch spätere Eintragungszeit Ende des 9. und Anfang des 10. Jahrhunderts nicht auszuschließen ist. Evtl. spiegelt dieses im Detail nicht ganz einheitliche Bild der belegten Graphien auch die Tatsache wider, dass diese Glossen eben nicht allzu spät nach den Typ A-Glossen eingetragen wurden und damit eine Übergangsphase zu späteren Formen markieren. Allerdings ist hier ebenso mit Verzerrungen aufgrund mehrerer, auch zeitlich gestaffelter Glossierungsvorgänge zu rechnen, die sich nicht mehr vollständig differenzieren lassen.

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2.6 Glossierungstechnik Im Folgenden werden einige die Glossierungstechnik betreffende Auffälligkeiten zusammengetragen, aus denen sich mögliche Absichten der Glossatoren und Glossierungsfunktionen im Allgemeinen ableiten lassen.177 Die Zusammenstellung versteht sich hier als Hinweis für etwaige lohnende weitergehende Untersuchungen, ohne diese im Detail schon vorwegnehmen zu wollen und zu können. Sie erhebt daher auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Neben den glossierten Werkteilen, die Auskunft über die präferierten Textauszüge geben können, werden insbesondere die glossierten Lemmata einer Untersuchung unterzogen; dabei werden besonders auffällige Phänomene hervorgehoben.

2.6.1 Glossierte Textstellen Die Verteilung der Glossen auf die im Clm 6293 enthaltenen Texte macht deutlich, dass ein großes und bevorzugtes Interesse an den ‚Dialogen‘ Gregors bestand, was aufgrund der großen Menge an überlieferten Gregorglossen insgesamt nicht überrascht. Allein 245 der insgesamt 260 hier glossierten lateinischen Lemmata entstammen diesem Text, der mit 65 der insgesamt 158 Blätter nur einen kleineren Teil des Codex ausmacht. Die restlichen 15 glossierten Lemmata verteilen sich auf sechs kleinere Texte, die – mit Ausnahme von Ps. Ephraem, Dicta 1/2 – mit acht glossierten Stellen, nur jeweils mit lediglich ein oder zwei Glossen versehen wurden.178 Auch die Berücksichtigung nicht identifizierter Eintragungen verändert dieses Bild nicht wesentlich (vgl. hierzu bereits Kap. 2.1). Die ‚Dialoge‘ gliedern sich selbst in vier größere Teile (Bücher). Die Glossen verteilen sich dabei wie folgt: 1. Buch: Nr. 1–28 = 28 Gll.; 2. Buch: Nr. 29–62 = 34 Gll.; 3. Buch: Nr. 63–109 = 47 Gll.; 4. Buch: Nr. 110–245 = 136 Gll. Da der Clm 6293 nicht den vollständigen Text, sondern lediglich Exzerpte aus allen vier Büchern enthält, lohnt es sich hier einen genaueren Blick auf die realen Anteile zu werfen: 1. Buch: f. 1–11v179; 2. Buch: f. 11v–26r180; 3. Buch: f. 26r–38r181; 4. Buch: f. 38r–65v182 (gesamt:

|| 177 Die mittlerweile verschiedene Bereiche abdeckenden Forschungsansätze zur Funktionalität hat Schiegg (2015b) in mehreren Kapiteln unter den Aspekten der Kotextualität, Paratextualität und Kontextualität textlinguistisch aufgearbeitet. 178 Vitae patrum: Nr. 246–247 = 2 Gll.; Sermo (unediert): Nr. 248 = 1 Gl.; Ps. Bonifatius: Nr. 249–250 = 2 Gll.; Ps. Ephraim, Dictum 1/2: Nr. 251–258 = 8 Gll.; Florilegium: Nr. 259 = 1 Gl.; Caesarius Arelatensis: Nr. 260 = 1 Gl. 179 Mit Exzerpten aus I,1–3, 5, 7, 8, 10, 12; diese und die folgenden Angaben zu den Exzerpten nach Glauche (2000: 116). 180 Mit Exzerpten aus II,1–3, 7, 8, 19/20, 23/24, 31–8. 181 Mit Exzerpten aus III,14, 17, 20–25, 33/34, 36/37, 38.

Glossierungstechnik | 209

1. Buch: 11 Blätter; 2. Buch: 15 Blätter; 3. Buch: 12 Blätter; 4. Buch: 27 Blätter). Die quantitative Verteilung lässt also zunächst erkennen, dass alle Teile des Textes glossiert wurden und dass die ersten beiden Bücher (das 2. Buch enthält die bekannte Benediktsvita) im Verhältnis zum vorhandenen Umfang auch eine entsprechend gleiche Anzahl an Glossen aufweisen. Das dritte Buch zeigt eine gegenüber dem Anteil am Gesamttext leicht erhöhte Anzahl von Glossierungen und das vierte Buch weist mit dreimal so vielen Glossierungen auch in Relation zum Umfang einen überproportionalen Anteil an glossierten Lemmata auf. Es ist damit berechtigt, daraus den Glossatoren darüber hinaus auch ein konkretes Interesse am vierten Buch zu attestieren; in diesem geht es im Wesentlichen um das Weiterleben der Seele nach dem Tod – im Himmel und in der Hölle. Die Wahl der Glossierungssprache(n) (vgl. Schiegg 2015b: 86, 98f.) fällt im Clm 6293 mit überwältigender Mehrheit auf das Althochdeutsche. Lediglich zwei der Griffelglossen, die im engeren Sinne als textbezogene Erläuterung und nicht als textkritische Variante oder Korrektur bezeichnet werden können, sind lateinisch (vgl. hierzu die entsprechenden Editionsartikel in Kap. 2.3.2). Hinzu kommen noch vereinzelte Textkorrekturen mit Griffel, die naturgemäß lateinisch sind (vgl. Kap. 2.3.2.2). Allerdings weisen einige korrigierte Textstellen auch eine althochdeutsche Glossierung auf, sodass die Glossen, wenn sie nicht gar durch die fehlerhafte Textstelle veranlasst wurden, zumindest in Korrekturzusammenhängen stehen (vgl. Nr. 27, 72, 77, 101, 109, 119, 121, 123, 182, 219, 234, 256, 259). Insgesamt spiegelt damit die Griffelglossierung mit ihrer starken Fokussierung auf die Volkssprache und dem geringen Anteil lateinischer Glossierungen das auch aus anderen Freisinger Handschriften bekannte Bild früher Glossierung (vgl. Glaser 1996: 92; Schiegg 2015b: 99). Im Fall der Federeintragungen sind die lateinischen Glossen – v. a. mit Blick auf den hier besonders interessanten Teil der ‚Dialoge‘ – genauso selten, sodass sich schon bei einer oberflächlichen Durchsicht des ersten Teils mit den ‚Dialogen‘ der Eindruck einer nahezu nicht glossierten Handschrift ergibt. Dieser Eindruck lässt sich bezüglich der Federeintragungen auch nach einer genaueren Prüfung bestätigen. Die wenigen lateinischen Federglossen finden sich auf f. 1v im direkten Umkreis einer der drei althochdeutschen Federglossen (vgl. Nr. 4) zu den ‚Dialogen‘. Es handelt sich hier um insgesamt fünf Textstellen, die lateinisch mit Feder glossiert wurden. Die Glossen stammen höchstwahrscheinlich auch von der gleichen Hand wie die althochdeutsche Federglosse.183 Alle anderen althochdeutschen Federglossen (Nr. 43, 44) zu den ‚Dialogen‘ gehören zu anderen Schichten, sodass sich hier ein auf sechs nahe beieinanderliegende Textstellen bezogener, räumlich beschränkter Glossierungsvorgang auf einer Handschriftenseite erkennen lässt. Dabei wurde nur eine Textstelle mit einem althochdeutschen Lexem übersetzt. Ansonsten han-

|| 182 Mit Exzerpten IV,1–3, 4–9, 14–18, 26, 28–30, 34, 37–46, 57–62. 183 Zu den lat. Eintragungen vgl. auch den Editionsartikel Nr. 4 der ahd. Glossen (Kap. 2.3.1).

210 | München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521)

delt es sich bei den wenigen anderen lateinischen Federeintragungen zu den ‚Dialogen‘ im Wesentlichen um Korrekturen und Textvarianten (vgl. f. 11v, wo fehlendes mundi nachgetragen wurde, vgl. II.1; 260,126,9 oder f. 36r, Z. 10, wo electus nachgetragen wurde, vgl. III,37; 260,420,128, siehe auch Nr. 96 der Edition ahd. Glossen).

2.6.2 Lemma-Interpretament-Verhältnis Im Allgemeinen bietet insbesondere die Beantwortung der Frage, ob die althochdeutschen Übersetzungsäquivalente Formenkongruenz zum entsprechenden lateinischen Lemma aufweisen oder ob es sich um Glossierungen mit zum jeweiligen Kontext inkongruenten Grundformen handelt, Erkenntnisse über die grundlegenden Interessen der Glossatoren. So deutet die Glossierung mit Grundformen dort, wo sie überhaupt zweifelsfrei nachweisbar ist,184 auf ein eher lexikalisches, auf Inhaltliches ausgerichtetes Interesse am Text hin, ohne dass dabei die syntaktische Einbettung im Vordergrund steht. Umgekehrt deutet Formenkongruenz auf ein verstärktes Interesse an der syntaktischen Einbettung, ohne dass deshalb aber auch ein lexikalisches oder inhaltliches Interesse auszuschließen ist. Sie bietet ein Mehr an grammatischer Information, die für eine grammatische Durchdringung konkreter Konstruktionen der Vorlage unabdingbar ist. Ob sich hieraus ein schulischer Charakter einer Glossierung ableiten lässt, ist fraglich, denn unabhängig vom Lernstand ist beides – die grammatische Durchdringung sowie die lexikalische Aufarbeitung – für das Verständnis notwendig. Nach wie vor spielt daher die außersprachliche Frage nach den im Schulunterricht behandelten Texten eine zentrale Rolle bzw. muss das Vorkommen auch bezüglich Frequenz und Konsequenz genauer untersucht werden. Die Frage der Formenkongruenz der Übersetzungen zum lateinischen Lemma, aus der zumindest erkenntlich wird, ob sich die Glossierung eher auf die syntaktische Einbettung und weniger auf den lexikalisch-semantischen Bereich bezieht, lässt sich für die Glossierung des Clm 6293 relativ klar beantworten. Der größte Teil der Glossen zeigt das Bemühen um Formenkongruenz, in nur sehr wenigen Fällen lässt sich die Glossierung mit einer Grundform ausmachen (Nr. 26, 103, 123, 175, 191, 235 – evtl. zusätzlich noch die diesbezüglich aber unsicheren Fälle Nr. 52, 76, 81). Eine solche Kontexteinbettung wird auch durch die relativ seltenen – aber vorhandenen – Kürzungen gestützt. Die wenigen vorkommenden gekürzten Interpretamente sind entweder gerade auf die grammatische Information bezogen und stützen damit das Interesse an der syntaktischen Einbettung (vgl. Nr. 103?, 108, 115, 116) oder weisen durch entsprechende Markierungen eindeutige Endungen auf (Nr. 168,

|| 184 Schwierigkeiten bieten hier häufig z. B. Glossierungen von Lemmata im Nom./Akk., bei denen die ahd. formenkongruente Glossierung und die Grundformenglossierung oft gleiche Formen aufweisen.

Glossierungstechnik | 211

207b). Zwei Glossen zeigen darüber hinaus formal eine Rechtskürzung, sind aber funktional eher als Teilglossierungen aufzufassen, bei denen morphologische Teile des Lemmas mit entsprechenden althochdeutschen Teilformen glossiert sind (Nr. 80, 165). Nr. 253 ist der einzige sichere Beleg für eine auf das Lexikalische fokussierte Rechtskürzung, bei der die syntaktische Einbettung aufgrund der Kürzung nicht gegeben ist und sich nur lexikalisch-semantische Hinweise ableiten lassen (Nr. 103 ist diesbezüglich aufgrund unklarer Auflösungsmöglichkeiten unsicher). Die folgende Liste gibt alle im Clm 6293 vorkommenden gekürzten Glossen wieder: Kürzungen (zur Terminologie vgl. Ernst 2009): Linkskürzung 108. traherent – (Typ A) [zu]kin 115. praeterito – (Typ A) []ne Linkskürzung 116. ueraciter – (Typ A) l[ībhaft]o Binnenkürzung 103. disponente – kimarch[ontem]o Binnenkürzung oder kimarcho[ntemo] oder Rechtskürzung 168. sinceritate – (Typ B) h.ut̄[er]lihho Binnenkürzung mit graphischer Markierung 207. uersabatur – [b] (Typ A) lepent̄[er] Rechtskürzung mit graphischer Markierung 253. indesinenter (Typ B) un pi li [banto] Rechtskürzung 259. continuis – (Typ B) u pi lid unsicher Teilglossierungen (Rechtskürzungen): 80. inriguam – (Typ B) un 165. exalans – (Typ B) uf

In semantischer Hinsicht185 kann den meisten Glossierungen des Clm 6293 Kontextadäquatheit attestiert werden. Reine Vokabelübersetzungen, die zudem im Einzelfall bisweilen auch anders interpretiert werden können, sind eher selten (Nr. 27, 38, 92, 148, 177, 225). Die Einschätzung der semantischen Adäquatheit von Übersetzungen kann aber schnell zirkulär werden, wenn der Vergleich mit bereits belegten Bedeutungen allzu sehr im Vordergrund steht und Abweichungen davon als inadäquat bzw. sogar fehlerhaft interpretiert werden, ohne dabei auf eine mögliche Adäquatheit in einem gegebenen Kontext zu achten. Umgekehrt führt aber auch die Verabsolutierung der konkret vorliegenden Textstelle oft genug in die Sackgasse, wenn mögliche individuelle Glossierungsstrategien einzelner Glossatoren nicht berücksichtigt oder, was wohl häufiger passiert, gar nicht erkannt werden. Im Zweifelsfall ist es daher sinnvoll, scheinbar inadäquate Glossierungen nicht pauschal unter Fehlerverdacht zu stellen186, ohne natürlich umgekehrt auch die Möglichkeit von Fehlglossierungen nicht von vornherein auszuschließen. Bei einigen der diesbezüglich problematischen inkongruenten bzw. semantisch inadäquaten Glossierungen hat die eingehendere Analyse – für die hier auf die je|| 185 Zur semantischen Beziehung von Lemma und Interpretament vgl. Schiegg (2015b: 89–91) mit weiterer Literatur. 186 Vgl. hierzu auch Glaser (1994: 198) sowie Schiegg (2015b: 88f.).

212 | München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521)

weiligen Editionsartikel verwiesen sei – ergeben, dass mit der Glossierung auch auf eine Verwechslungsmöglichkeit hingewiesen werden soll. So ergibt sich bei der offensichtlich inadäquaten, das lateinische Substantiv parens ‚Erzeuger, Vater‘ als Partizip Präsens verkennenden Glosse Nr. 110 kaaukenti (zu ahd. giougen ‚sich zeigen, erscheinen‘) auch die Möglichkeiten einer etymologisierenden Glossierung, indem auf die Verwechslungsmöglichkeit von lat. parěre ‚zeugen, hervorbringen‘ (GH 2,1479) und lat. parēre ‚erscheinen, sich zeigen‘ (GH 2,1477) aufmerksam gemacht werden soll. Ähnliches lässt sich bei anderen Glossen (Nr. 50, 83, 91, 131, 137, 148, 164, 219) in Betracht ziehen. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass offensichtliche Fehlglossierungen auch dann eher selten sind (vgl. etwa Nr. 238), wenn man diesen alternativen Erklärungsmöglichkeiten nicht folgen möchte, und die korrekte Erfassung im Kontext für das Gros der Glossen anzunehmen ist.

2.6.3 Glossierte Wortarten Ein besonders auffälliges Interesse scheint bei der Glossierung der Verben zu bestehen; dies betrifft ca. 150 der 260 Lemmata,187 was einem Anteil von etwa 58 % entspricht. Auf die Eintragungstypen bezogen lässt sich bei den Verben ein Verhältnis von etwa einem Viertel Typ B-Glossen zu drei Viertel Typ A-Glossen ausmachen. Bei einem Gesamtanteil von ca. einem Drittel Typ B-Glossen und zwei Dritteln Typ AGlossen ist der Anteil der glossierten Verbformen unter den Typ A-Glossen überproportional hoch, sodass sich daraus evtl. eine Tendenz zu einem speziellen Interesse der Typ-A-Glossatoren an Verbformen ableiten lässt. Neben den meist formenkongruenten Übersetzungen lateinischer finiter Verbformen und einfacher Infinitive scheint insbesondere passivischen Formen die Aufmerksamkeit gegolten zu haben. Etwa 30 Lemmata in passivischer Form wurden glossiert, wobei sich etwa die Hälfte der Glossierungen auf lateinische Deponentien beziehen. Insgesamt lässt die Glossierung lateinischer passivischer Formen hier eine deutliche Strategie erkennen, die auf die Bereitstellung möglicher Übersetzungsäquivalente abzielt und gleichzeitig die allgemeine Unterscheidung zwischen notwendiger aktivischer und passivischer Interpretation der Verbformen verdeutlicht, was im Wesentlichen korrekt vorgenommen wurde. Der hohe Anteil dieser Glossierungen lässt damit auch eine textnahe Fokussierung auf einzelne grammatische Bereiche erkennen. Die glossierten lateinischen Deponentien sind zu einem Teil zusammengesetzte Deponentialformen, die durch analytische althochdeutsche Konstruktionen, bestehend aus Formen von ahd. sīn und wesan, mit Partizip Präsens wiedergegeben wurden (vgl. Nr. 131, 132, 136a, 207). Auf die Diskussion über die Bewertung der Ur-

|| 187 Die Zahl variiert leicht, je nachdem, ob adverbial gebrauchte Partizipien hinzugezählt werden oder nicht. Die angegebene Zahl bezieht sich hier auf einen Mittelwert.

Glossierungstechnik | 213

sprünglichkeit oder Lateinabhängigkeit dieser Konstruktion soll im Folgenden nicht eingegangen werden, vgl. hierzu etwa Schrodt (2004: §5) sowie Eggers (1987) mit weiterer Literatur. Das hier vorliegende Material kann aber für weitere Untersuchungen einen Beitrag leisten, nicht obwohl, sondern gerade weil es in der direkten Auseinandersetzung mit lateinischen Konstruktionen steht. Ein sehr kleiner Teil an glossierten Lemmata – und zwar nur einfache Präsensund Präteritumsformen – wurde mit einer einfachen synthetischen althochdeutschen Verbform aktivisch übersetzt (Nr. 7 ut opinor – Typ B souuaniu, Nr. 42 conquerebatur – Typ A clak&o, Nr. 129 ut opinor – Typ A soihuuanniu). Eggers (1987: 245f.) hat bei seiner Analyse der Übersetzungen des „sprachgewandte[n] Übersetzer[s]“ der Deponentien im Althochdeutschen Isidor festgestellt, dass dieser offenbar einer Regel folgte, nach der einfache Formen durch einfache althochdeutsche Interpretamente und zusammengesetzte Formen durch zusammengesetzte Interpretamente übersetzt werden, was Eggers in den schulischen Kontext im weitesten Sinne rückt. Im Clm 6293 ist eine solche Übersetzungsregel nur in den oben erwähnten Belegen in Ansätzen erkennbar, die restlichen Fälle laufen ihr z. T. auch zuwider. Beispielsweise wurden bisweilen einfache lateinische Deponensformen durch zusammengesetzte althochdeutsche Formen übersetzt (Nr. 160 perfruuntur – Typ A sintpruhhanti) oder lassen entsprechende intendierte analytische Formen in Andeutungen erkennen, wo nur einfaches Partizip Präsens steht (Nr. 186 testabatur – Typ B sandonti). Solche einfachen Präsenspartizipien finden sich aber auch bei der Übersetzung einfacher lateinischer Infinitivformen (Nr. 120 percontari – Typ A dursochenti, hierzu evtl. auch der unsichere Beleg Nr. 126) neben denen mit vollständigen analytischen Formen (Nr. 87 fateri – Typ A sakenti uuesan, Nr. 113 perfrui – Typ A pruhanti uuesan). Auch zusammengesetzte lateinische Lemmata weisen bisweilen als Übersetzungsäquivalente lediglich die Form des althochdeutschen Partizip Präsens auf (Nr. 17, 102, 120, 186), was evtl. auch in Analogie zu der bei den herkömmlichen Passivformen begegnenden Übersetzung mit einfachem Partizip Präteritum (s. hierzu unten) aufzufassen ist. Hierzu ist wohl auch Nr. 207b zu zählen, wo vor das Partizip Präsens (Typ A) lepent̄ nachträglich mit einem Instrument Typ B das Hilfsverb vvas (Nr. 207a) eingetragen wurde. Dies kann natürlich an unterschiedlichen Glossatoren liegen, allerdings verteilen sich die Muster auf beide Griffelglossentypen A und B, sodass Unterschiede hier kaum mehr ausreichend zu differenzieren sind. Die lateinischen Passivformen, denen auch im Althochdeutschen eine passivische Bedeutung zukommt, werden zum einen nach dem häufig belegten Muster188 mit Hilfsverb ahd. sīn/wesan und Partizip Präteritum übersetzt (Nr. 54a, 62, 88, 91, 137), zum anderen aber auch mit einfachem Partizip Präteritum (Nr. 3, 54b, 68, 139, 142a, 161, 162, 206), bisweilen auch flektiert (Nr. 136b, 142b, 233), und einmal mit || 188 Vgl. hierzu Schröder (1955), Rupp (1956) und Eggers (1987).

214 | München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521)

Hilfsverb + Adj. (Nr. 150 exhiberentur – uuarun karo). Es fehlt gänzlich die spätere Passiv-Periphrase mit Formen von ahd. werdan. Fleischer (2011: 134) tendiert bei den sein-Passivformen zur Interpretation als einfache Kopulastruktur bestehend aus sein und prädikativem Adjektiv, was evtl. durch den letztgenannten Beleg Nr. 150 gestützt wird. Das Interesse an den Passivformen geht aber auch über die grammatische und formelle Unterscheidung von Deponentien und eigentlichen Passivformen hinaus und zeigt sich auch dort, wo aktivische lateinische Formen im Kontext eine passivische althochdeutsche Übersetzung nahelegen (Nr. 173 latet – pimitanist, zum gleichen lateinischen Lemma vgl. auch Eggers 1987: 241). Des Weiteren sind einige lateinische Partizip Präsensformen glossiert worden. Die Übersetzungen erfolgten in der Regel formenkongruent mit unflektiertem Partizip Präsens bei einem Lemma im Nom. Sg. (Nr. 21, 40, 41, 192, 110?) oder flektiert (Nr. 36, 57, 103?). Abweichungen davon sind Nr. 61 sustentans – stiurrenter, wo das Partizip Präsens im Nom. Sg. mit einer adäquaten flektierten Form übersetzt wurde, oder Nr. 144 decubans – hlin&a mit einer im Kontext adäquaten finiten Verbform für das Partizip Präsens. Das Interesse am Partizip Präsens dokumentieren evtl. auch einige althochdeutsche Adverbbildungen zu einer verbalen Basis im Partizip Präsens, mit denen entsprechende deverbale lateinische Adverbbildungen oder auch finite Verbformen übersetzt wurden: Nr. 101 tendento – kidinnanto, Nr. 156 ruerenter – eirendo, Nr. 194 non euasit – nientgeento (vgl. auch Nr. 185 und 235). Im nominalen Bereich ist die besonders hohe Zahl von etwa 50 glossierten lateinischen Lemmata im Ablativ hervorzuheben. Die althochdeutschen Interpretamente decken dabei das gesamte Spektrum möglicher Übersetzungsäquivalente ab, wobei der einfache Dativ als systemadäquate Übersetzung bevorzugt verwendet wurde. Übersetzungen mit Präpositionalsyntagmen kommen nur vor, wenn auch das lateinische Lemma eine Präposition aufweist (vgl. Nr. 11, 15, 25), ansonsten herrscht die Übersetzung mit einer einfachen Dativform. Im Ganzen lassen die Beobachtungen zu den lateinischen Passivformen (und hier v. a. zu den Deponentien) im verbalen Bereich sowie den lateinischen Ablativformen im nominalen ein besonderes Interesse der Glossatoren für Phänomene der lateinischen Grammatik erkennen, für die das Althochdeutsche keine unmittelbare kategoriale Entsprechung aufweist. Durch die Glossierung wird zum einen überhaupt die Aufmerksamkeit auf dieses Phänomen gelenkt und zum anderen werden funktional adäquate volkssprachige Entsprechungen bereitgestellt, die für das Textverständnis genauso relevant sind wie für etwaige Übersetzungen.

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6293 | 215

2.7 Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6293 In dieser Übersicht erscheinen alle in Kap. 2.3 edierten Glossen. Dies betrifft neben den althochdeutschen Griffel- und Federglossen auch die beiden lateinischen Griffelglossen, die in dieser Liste mit einem vor die Editionsnummer gestellten ‚L.‘ markiert wurden. Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

Interpretament

Typ190 Glossened.191

1

1r, 8

petii

I,Prol; 260,10,4

kasoahta

Typ A



2

1v, 5

eminebat

I,Prol; 260,12,19

furiuuasprungan

Typ A

HDM 228,1 WS Nr.1 (Korr.)192

3

1v, 14

fedatur puluere

I,Prol; 260,12,27

askv uvoruan

Typ A



4

1v, 14

condescensione I,Prol; 260,12,28

nidergilazido

FG

StSG 5,27,7 WS Nr.2

5

2r, 1

casus

I,Prol; 260,12,38

kipuri

Typ B



6

2r, 19

praenotatione

I,Prol; 260,14,56

foramarchina

Typ B



7

2v, 6

ut opinor

I,Prol; 260,16,66

souuaniu

Typ B? HDM 228,3 WS Nr.3

8

3r , 5

specialiter

I,Prol; 260,18,89

sunt…

Typ A

9

3r, 17

contingere

I,1; 260,18,9

pirinan

Typ B? HDM 228,4 WS Nr.4

10

5r, 7

a fundo

I,2; 260,32,109

uona allemo

Typ A



11

5v, 6

in tam ampla

I,2; 260,34,129

insopreiteru

Typ A

HDM 228,5f. WS Nr.5

12

5v, 9

nuper

I,3; 260,34,2

nunahiun

Typ A

HDM 228,7 WS Nr.6

13

5v, 12

subprimo

I,3; 260,34,5

piduingu

Typ A

HDM 228,8 WS Nr.7

14

152r, 2

in transuersum

I,3; 260,34,19

induerch

Typ A



15

152r, 8

in sude

I,3; 260,36,25

instechvin

Typ A





|| 189 Angabe der Position des Lemmas (Folio, Zeile). Falls nicht anders vermerkt, handelt es sich um Interlinearglossen. Bei marginaler Position der Glosse ist das Lemma eingeklammert und die Position der Glosse erscheint ebenfalls in dieser Spalte (l = links; r = rechts; o = oben; u = unten). 190 Die Typenbezeichnungen beziehen sich auf die in Kap. 2.2 beschriebenen Eintragungsinstrumente (Typ A: Griffelglossen, eingedrückt; Typ B: Griffelglossen, eingeritzt; FG: Federglossen), anhand derer in Kap. 2.5 auch die Unterscheidung von Glossierungsschichten vorgenommen wird. 191 Wenn nicht anders vermerkt, handelt es sich um die Erstedition. 192 Der Hinweis ‚Korr.‘ weist auf wesentliche Korrekturen an der Lesung und/oder Interpretation der Lemmazuweisung gegenüber der letzten Edition von Schulte (1993) hin. Die konkret erfolgten Korrekturen werden im Editionsteil ausführlich beschrieben. Auf einen Hinweis zu einer etwaigen bloßen Korrektur der Spatiensetzung innerhalb des Interpretaments wird hier verzichtet.

216 | München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521)

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

Interpretament

Typ190 Glossened.191

16

152v, 3

deguit

I,5; 260,58,3

leb&a

Typ A



17

152v, 9

functus est [officio]

I,5; 260,58,8

pruhhent

Typ A



18

152v, 22

excellentiae

I,5; 260,60,22

urmari

Typ A



19

7r, 1

lacessiunt

I,5; 260,60,25

kaarandent

Typ A

HDM 228,9 WS Nr.8 (Korr.)

20

7r, 7

excreuerat

I,5; 260,60,30

aruuos

Typ A

HDM 228,10 WS Nr.9

21

7r, 11

reficiens

I,5; 260,60,34

zuntenti

Typ A

HDM 228,11 WS Nr.10

22

7r, 13

forma? / ad

I,5; 260,60,36

kasiuni

Typ A

HDM 228,12 WS Nr.11

unterzeilig uidendum?

23

7v, 10

probat

I,5; 260,62,57

kauuarta

Typ B

HDM 228,13 WS Nr.12 (Korr.)

24

8r, 5

crebro

I,7; 260,66,13

ofto

Typ A

HDM 228,14 WS Nr.13

25

9r, 13

ex obsesso

I,10; 260,96,55

vonapisessanemo Typ A

HDM 228,15f. WS Nr.14 (Korr.)

26

9v, 15

derogatione

I,10; 260,98,82

lastrunga

Typ B

HDM 228,17 WS Nr.15 (Korr.)

27a

10v, 21

ad pvotandam

I,12; 260,112,10

furpanne

Typ A

HDM 228,19 WS Nr.16

27b

10v, 21,

ad pvotandam

I,12; 260,112,10

sneitenne

Typ A



unterzeilig

28

11r, 21

opem

I,12; 260,114,35

helfa

Typ A

HDM 228,21 WS Nr.17 (Korr.)

29

11v, 16

liberalibus

II,Prol; 260,126,7

pohharron

Typ A



30

11v, 16

studiis

II,Prol; 260,126,7

lirnungon

Typ A

HDM 228,22 WS Nr.18

31

12v, 4

incole

II,1; 260,130,21

elilente

Typ A

HDM 228,24 WS Nr.19

32

14v, 18

reserasti

II,2; 260,140,43

intsluzi

Typ A



33

15r, 11

tortitudo

II,3; 260,140,17

kiridani

Typ A



34

15r, 12

in norma

II,3; 260,140,17

insp.t…

Typ A



35

15r, 11,

(poposcerant?)

II,3; 260,140,17

furi

Typ A



unterzeilig?

36

15v, 10

conspirantes

II,3; 260,144,42

kihantreie.te

Typ A

HDM 228,25 WS Nr.20 (Korr.)

37

15v, 12

usum

II,3; 260,144,44

sito

Typ B

HDM 228,27 WS Nr.21

38

15v, 13

excederet

II,3; 260,144,45

arfori

Typ A

HDM 228,28 WS Nr.22

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6293 | 217

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

Interpretament

Typ190 Glossened.191

39

15v, 15

sua

II,3; 260,144,47

sinas

Typ B



40

16r, 5

examinans

II,3; 260,144,62

arseodanti

Typ A



41

16r, 9

submittens

II,7; 260,156,4

nidarlazzanti

Typ B

WS unident. Nr.1, S.239; SchG XII,49 unentziff.

42

17r, 7

conquerebatur

II,8; 260,168,112

clak&o

Typ A



43

17r, 10

corporalibus

II,8; 260,168,114

lihhamon

FG

StSG 5,27 WS Nr.23 (Korr.)

44

17r, 10

eius oculis

II,8; 260,168,115

sinen ougon

FG

StSG 5,27

45

17r, 21

inuitus

II,8; 260,170,126

kanotit

Typ A

HDM 228,29 WS Nr.24

46

18v, 19

saepius

II,23; 260,208,32

ofto

Typ A



47

19v, 9

inhumatum

II,23; 260,210,8

un(…)

Typ B



48

21v, 13

impetrant

II,32; 260,230,39

kahalont

Typ B

HDM 228,30 WS Nr.25

L.1

21v, 20

dicata

II,33; 260,230,8

scīficata

Typ B



49

22v, 13

uicaria relatione II,33; 260,232,47

uuehsalemo

Typ A

WS unident. Nr.2, S.239; SchG XII,49 unentziff.

50

23r, 20

transfunderent

II,35; 260,236,7

kafestinotin

Typ A

HDM 228,32 WS Nr.26 (Korr.)

51

23v, 19

in spera

II,35; 260,238,28

insuli

Typ A

HDM 228,33 WS Nr.27 (Korr.)

52

23v, 24

exigua

II,35; 260,238,34

luzzil

Typ B

HDM 228,35 WS Nr.28

53

24r, 15

ita ne conicere

II,35; 260,240,47

nohsamanuuerfan Typ A



54a

24v, 1

ampliatur

II,35; 260,240,57

ist kapreitit

Typ A



54b

24v, 1

ampliatur

II,35; 260,240,57

kipreitit

Typ B

HDM 228,36 WS Nr.29 (Korr.)

55

24v, 8

extra

II,35; 260,240,63

uz

Typ B



56

24v, 20

liquide

II,35; 260,242,74

augazurto

Typ B

HDM 228,37 WS Nr.30

57

25r, 4

luculentam

II,36; 260,242,7

lihtentan

Typ A



58

25r, 12

tegerent

II,37; 260,242,5

pimitin

Typ B



59

25r, 16

acri

II,37; 260,244,8

pittro

Typ A

HDM 228,38 WS Nr.31

60a

25r, 20

inbicilla

II,37; 260,244,12

unkaheile

Typ A



60b

25r, 20,

inbicilla

II,37; 260,244,12

unmaticun

Typ B

WS Nr.32 (Korr.)

sustentans

II,37; 260,244,13

stiurrenter

Typ B

HDM 228,39 WS Nr.33 (Korr.)

unterzeilig

61

25r, 21

218 | München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521)

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

Interpretament

Typ190 Glossened.191

62

25v, 3

tendebatur

II,37; 260,244,20

uuaskiuorit

Typ B

HDM 229,1 WS Nr.34 (Korr.)

63

26v, 15

prodidit

III,14; 260,304,36

meldet.

Typ A



64

26v, 22

subsidia

III,14; 260,306,43

lipl&a

Typ B



65

27r, 6

usum

III,14; 260,306,51

nuzzi

Typ B



66

27v, 8

satis[faciebat]

III,17; 260,338,20

kenuoc

Typ B

HDM 229,3 WS Nr.35

67

28r, 2

frigauit

III,17; 260,338,39

reip

Typ B

HDM 229,4 WS Nr.36

68

28r, 2

frigaretur

III,17; 260,338,39

kiropan

Typ B

HDM 229,5 WS Nr.37 (Korr.)

69

28v, 16

exenio

III,21; 260,352,17

pfrazunna

Typ A

HDM 229,6 WS Nr.38 (Korr.)

70

28v, 18

palatibus

III,21; 260,352,19

lotido

Typ B



71

29r, 3

saltim

III,21; 260,354,29

doh

Typ B

HDM 229,7 WS Nr.39

72

29v, 23

steterat

III,22; 260,358,30

caburit

Typ B



73

30v, 15

supinum

III,23; 260,360,37

uffort

Typ A



74

31r, 9

euanuit

III,24; 260,362,10

kileid

Typ B

HDM 229,8 WS Nr.40

75

31r, 13

respectus

III,24; 260,362,14

ursuni

Typ B

HDM 229,9 WS Nr.41

76

31r, 15

mercede

III,24; 260,362,15

lon

Typ B? –

77

31r, 19

excedit

III,24; 260,362,21

kafor

Typ A



78

32r, 8

retoqueat

III,25; 260,366,28

kiride

Typ B

HDM 229,10 WS Nr.42

79

32v, 22

transferre

III,33; 260,398,79

frampringan

Typ B

HDM 229,11 WS Nr.43

80

33v, 6

inriguam

Typ B



III,34; 260,402,26; un Ios 15,18

81

34r, 19

uela

III,36; 260,408,15

sekal

Typ A



82

34r, 21

conpage

III,36; 260,408,17

kauuag(…)

Typ A



83

34r, 21

rimis

III,36; 260,408,18

ł hrodar

Typ A

HDM 229,13 WS Nr.44 (Korr.)

84

34v, 16

caruisset

III,36; 260,410,36

anuuari

Typ A

HDM 229,14 WS Nr.45

85

34v, 21

(h)onustam

III,36; 260,410,40

kahlatanaz

Typ A

HDM 229,15 WS Nr.46 (Korr.)

86

35r, 10

ausum

III,37; 260,412,11

katurst

Typ B

HDM 229,16 WS Nr.47

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6293 | 219

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

Interpretament

Typ190 Glossened.191

87

35r, 12

fateri

III,37; 260,412,13

sakenti uuesan

Typ A

HDM 229,17 WS Nr.48 (Korr.)

88

35r, 12

cogebatur

III,37; 260,412,13

uuas kip&it

Typ B

HDM 229,18 WS Nr.49 (Korr.)

89

35r, 14

exterius

III,37; 260,416,80

uzzaror

Typ B

HDM 229,20 WS Nr.50 (Korr.)

90

35r, 15

etenim

III,37; 260,418,82

abar

Typ B



91

35r, 21

deliberasse

III,37; 260,418,87

kaendraftot uuarin Typ A

HDM 229,21f. WS Nr.51

92

35r, 24

conditione

III,37; 260,418,90

kiskefti

Typ B

HDM 229,23 WS Nr.52

unterzeilig

93

35v, 12

iussor

III,37; 260,418,103 purgeo

Typ A



94

35v, 16

inquiunt

III,37; 260,418,107 chuatun

Typ A

HDM 229,25 WS Nr.53

95a

35v, 24

compendiosa

III,37; 260,420,114 kalimflihhemo

Typ A

HDM 229,27 WS Nr.54 (Korr.)

95b

35v, 24

compendiosa

III,37; 260,420,114 kalimfli

Typ A

WS Nr.54 (Korr.)

unterzeilig

96

36r, 14

calce

III,37; 260,420,128 spore

Typ B

HDM 229,28 WS Nr.55

97

36r, 20

adnisu

III,37; 260,420,134 uuillin

Typ B

HDM 229,29 WS Nr.56

98

36r, 21

diriguit

III,37; 260,420,135 kistap&a

Typ B

WS unident. Nr.3, S.239; SchG XII,49 unident.

99

36r, 22

inflexibile

III,37; 260,420,136 ant(…)

Typ A

WS unident. Nr.3, S.239; SchG XII,49 unentziff.

100

36r, 24

expectaculum

III,37; 260,422,137 uuntarsiun

Typ A

HDM 229,31 WS Nr.57

101

36v, 10

tendento

III,37; 260,422,147 kidinnanto

Typ B

HDM 229,33 WS Nr.58 (Korr.)

102

36v, 17

depraedati

III,37; 260,422,154 herionte

Typ B

HDM 229,34 WS Nr.59

103

36v, 23

disponente

III,37; 260,422,160 kimarcho

Typ B

HDM 229,35 WS Nr.60 (Korr.)

104

37r, 21

supplime

III,37; 260,424,181 furist

Typ B

HDM 229,37 WS Nr.61

105

37r, 24

eminet

III,37; 260,424,185 opacuam

Typ B

HDM 229,38 WS Nr.62 (Korr.)

106

37v, 7

paenitus

III,37; 260,426,191 zesperi

Typ A

HDM 229,40 WS Nr.63

220 | München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521)

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

107

37v, 8

rarescunt

III,37; 260,426,192 kadunnent

Typ A

HDM 229,39 WS Nr.64

108

37v, 19

traherent

III,37; 260,426,208 kin

Typ A



109

37v, 21

subprimo

III,38; 260,432,45

piduink|o

Typ A



110

38r, 13

parens

IV,1; 265,18,2

kaaukenti

Typ A und B

WS unident. Nr.4, S.240; SchG XII,49 unident.

111

38r, 14

aerumnam

IV,1; 265,18,3

armoti

Typ A

HDM 229,41 WS Nr.65

112

38r, 14

uenit

IV,1; 265,18,3

chuam

Typ A

HDM 229,42 WS Nr.66

113

38r, 18

perfrui

IV,1; 265,18,6

pruhanti uuesan

Typ A

HDM 229,43 WS Nr.67

114

38r, 22

exilii

IV,1; 265,18,10

elilenti

Typ A



115

38v, 8

praeterito

IV,1; 265,20,20

ne

Typ A



116

38v, 18

ueraciter

IV,1; 265,20,29

l o

Typ A



117

38v, 20

diffidunt

IV,1; 265,20,31

missatruent

Typ A

HDM 229,45 WS Nr.68

118

39r, 7

praebere

IV,1; 265,20,41

kepan

Typ B

WS Nr.69

119

39r, 8

cedere

IV,1; 265,22,43

antuuihhan

Typ A



120

39r, 16

percontari

IV,2; 265,22,2

dursochenti

Typ A

HDM 229,47 WS Nr.70

121

40r, 4

ensentialiter

IV,3; 265,24,19

uuesantlihho

Typ B



122

40r, 13

facerem

IV,4; 265,32,90;

tati

Typ A

HDM 230,1 WS Nr.71

kizunft

Typ B

HDM 230,3 WS Nr.72

Interpretament

Typ190 Glossened.191

I Cor 9,22

123

40r, 14

[ex] condiscensi- IV,4; 265,32,91

unterzeilig one [caritatis]

124

40v, 19

incircumscribitum

IV,5; 265,34,26

unumpimerctan

Typ B

HDM 230,5 WS Nr.73

125

41r, 24

in machinis

IV,5; 265,36,55

inunkadanchiken

Typ A

WS unident. Nr.5, S.240; SchG XII,49 unentziff.

126

41v, 7

disponi

IV,5; 265,38,63

pimarchon

Typ B

HDM 230,6 WS Nr.74

127

41v, 17

motu

IV,5; 265,38,72

cache

Typ A



128

42r, 1

inquies

IV,6; 265,40,6

chuidis

Typ A

HDM 230,7 WS Nr.75

129

42r, 15

ut opinor

IV,6; 265,40,20

soihuuanniu

Typ A

HDM 230,8 WS Nr.76 (Korr.)

130

42r, 16

obsistit

IV,6; 265,40,21

uuidarstat

Typ A

HDM 230,10 WS Nr.77

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6293 | 221

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

Interpretament

Typ190 Glossened.191

131

42r, 18

questus es

IV,7; 265,40,1

sochentiuuari

Typ A

HDM 230,11f. mit A.31. WS Nr.78

132

42v, 4

fassus sum

IV,8; 265,42,1

sprehhanti pin

Typ A

HDM 230,14 WS Nr.79 (Korr.)

133

42v, 10

laxato

IV,8; 265,42,6

uuitemo

Typ A

HDM 230,15 WS Nr.80 (Korr.)

134

43r, 20

calore

IV,14; 265,56,14

izzu

Typ B

HDM 230,16 WS Nr.81

135

43r, 22

deformitatis

IV,14; 265,56,16

unsupari

Typ B

HDM 230,17 WS Nr.82

136a

43r, 23

uerita est

IV,14; 265,56,17

scamentivvas

Typ A

HDM 230,19f. WS Nr.83a/b (Korr.)

136b

43r, 23

uerita est

IV,14; 265,56,17

teritiv

Typ B

HDM 230,20 WS Nr.83c (Korr.)

137

43r, 24

foedaretur

IV,14; 265,56,17

vvarikatokan

Typ A

HDM 230,21f. WS Nr.84 (Korr.)

138

44r, 1

asciuit

IV,14; 265,58,44

kiuuista

Typ B? HDM 230,23 WS Nr.85

139

44r, 13

permittantur

IV,15; 265,58,4

lopit

Typ B? HDM 230,24 WS Nr.86

140

44r, 17

ambigo

IV,15; 265,60,8

zuiualon

Typ B? HDM 230,25 WS Nr.87

141

45r, 24

opificis

IV,16; 265,64,21

meistres

Typ A

HDM 230,26 WS Nr.88

142a

45v, 2

sculpta

IV,16; 265,64,23

kakrapan

Typ A



142b 45v, 2

sculpta

IV,16; 265,64,23

kikrapaniu

Typ B

HDM 230,28 WS Nr.89 (Korr.)

143

45v, 4

limat

IV,16; 265,64,24

fihlot

Typ A

HDM 230,29 WS Nr.90

144

45v, 8

decubans

IV,16; 265,64,28

hlin&a

Typ A

HDM 230,30 WS Nr.91 (Korr.)

145

45v, 12

incrementa

IV,16; 265,64,32

ōuuast

Typ A

HDM 230,31 WS Nr.92

146

45v, 24

emicuit

IV,16; 265,66,43

scein

Typ A



147

46r, 13

refoueret

IV,16; 265,66,55

kasatoti

Typ A

HDM 23,32 WS Nr.93

148

46r, 21

fraglantia

IV,16; 265,66,63

prunst

Typ A

HDM 230,33 WS Nr.94

149

46r, 23

uiaticum

IV,16; 265,66,65

uuekanest

Typ A

HDM 230,34 WS Nr.95

222 | München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521)

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

Interpretament

Typ190 Glossened.191

150

46v, 6

exhiberentur

IV,16; 265,66,71

uuarun karo

Typ A

HDM 230,35f. WS Nr.96 (Korr.)

151

46v, 7

exsequiae

IV,16; 265,66,71

abahti

Typ B



152

46v, 11

elongata

IV,16; 265,68,75

kilanctiu

Typ B

HDM 230,37 WS Nr.97

153

46v, 17

replicabo

IV,17; 265,68,4

piuu du

Typ B

HDM 230,38 WS Nr.98 (Korr.)

154

47r, 20

coeuas

IV,18; 265,70,5

ebanaltiu

Typ A

HDM 230,39 WS Nr.99

155

47v, 2

leue

IV,18; 265,70,10

loso

Typ B

HDM 230,40 WS Nr.100

156

47v, 16

reuerenter

IV,18; 265,70,24

eirendo

Typ B

HDM 230,41 WS Nr.101 (Korr.)

157

47v, 19

habitatura

IV,18; 265,72,26

farantiu

Typ A

HDM 230,42 WS Nr.102

158

48r, 2

dilationis

IV,26; 265,84,4

kilengida

Typ B

HDM 230,43 WS Nr.103

159a

48r, 2

damno

IV,26; 265,84,4

nidarunk.

Typ A

HDM 230,45 WS Nr.104 (Korr.)

159b

48r, 2

damno

IV,26; 265,84,4

v

Typ B



160

48r, 22

perfruuntur

IV,26; 265,86,25

sintpruhhanti

Typ A

HDM 230,47 WS Nr.105 (Korr.)

161

48r, 24

geminata

IV,26; 265,86,27;

kazuiualtot

Typ A

HDM 230,48 WS Nr.106

Is. 61,7

162

49r, 14

trahitur

IV,30; 265,100,13

kizogan

Typ B? –

163

49r, 16

colligere

IV,30; 265,100,15

fir sten

Typ B? –

164

49v, 4

rigorem

IV,30; 265,102,26

fuhti

Typ B

HDM 231,1 WS Nr.107

165

51r, 9

exalans

IV,37; 265,130,62

uf

Typ B

HDM 231,2 WS Nr.108

166

51r, 23

probatio

IV,37; 265,130,76

pichorun.

Typ B

HDM 231,3 WS Nr.109

167

51v, 16

auctoritate

IV,36; 265,132,93

katursti

Typ A

HDM 231,4 WS Nr.110

168

51v, 17

sinceritate

IV,36; 265,132,93

h.ut̄lihho

Typ B

HDM 231,5 WS Nr.111 (Korr.)

169

51v, 22

coxas

IV,37; 265,132,98

deoh

Typ A

HDM 231,7 WS Nr.112

170

51v, 24

luctamen esset

IV,37; 265,132,100 rinkantiuuesan

Typ A

HDM 231,8 WS Nr.113

171

52r, 9

arbitris

IV,37; 265,132,109 sonares

Typ A

HDM 231,11 WS Nr.114

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6293 | 223

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

172

52r, 9

examine

IV,37; 265,132,109 sónu

173

52r, 10

latet

IV,37; 265,132,111

174

52r, 19

uitare

175

52r, 23

176

Interpretament

Typ190 Glossened.191 Typ A

HDM 231,10 WS Nr.115

Typ B

HDM 231,12 WS Nr.116

IV,37; 265,134,120 piuuisan

Typ A

HDM 231,13 WS Nr.117

metallis

IV,37; 265,134,124 kaizimprida

Typ A

HDM 231,14 WS Nr.118 (Korr.)

52r, 23

si sanum

IV,37; 265,134,125

ipv kavvisso

Typ A

HDM 231,15 WS Nr.119 (Korr.)

177

52r, 24

ex eo

IV,37; 265,134,126 fonadiu

Typ A

HDM 231,16 WS Nr.120a/b (Korr.)

178

52v, 18

uictu

IV,38; 265,136,7

lipleitu

Typ A

HDM 231,17 WS Nr.121

179

52v, 20

non inmerito

IV,38; 265,136,10

niunkauvrk.t

Typ A

HDM 231,19 WS Nr.122 (Korr.)

180

52v, 21

fabrica

IV,38; 265,136,11

zinprar

Typ B

HDM 231,18 WS Nr.123

181

53r, 7

ima

IV,38; 265,136,21

nidarirun

Typ A

HDM 231,21 WS Nr.124 (Korr.)

182

53r, 13

obsideat

IV,38; 265,136,26

pisizzen

Typ A

HDM 231,22 WS Nr.125 (Korr.)

183a

53r, 21

infecit

IV,38; 265,138,34

archelita

Typ A

HDM 231,23 WS Nr.126 (Korr.)

183b

53r, 21

infecit

IV,38; 265,138,34

neizta

Typ B



184

53v, 5

necaret

IV,39; 265,138,4

chueliti

Typ A

HDM 231,24 WS Nr.127

185

53v, 23

deridendo

IV,40; 265,140,13

pihuhonto

Typ B

HDM 231,25 WS Nr.128

186

53v, 23

testabatur

IV,40; 265,140,13

sandonti

Typ B

WS Nr.129 (Korr.)

187

54r, 1

inguine

IV,40; 265,140,15

hlanchun

Typ A

HDM 231,26 WS Nr.130

188

54r, 3

protegerent

IV,40; 265,140,18

scirmtin

Typ A

HDM 231,27 WS Nr.131

189

54r, 7

enixius

IV,40; 265,140,21

langor

Typ A

HDM 231,28 WS Nr.132

190

54r, 8

caeleritate

IV,40; 265,140,22

sniumidu

Typ A

HDM 231,29 WS Nr.133

191

55r, 24

aestimationis

IV,40; 265,146,84

chuiti

Typ B

HDM 231,30 WS Nr.134

pimitanist

224 | München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521)

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

192

55v, 17

ebibens

IV,40; 265,146,100 trinkanti

Typ B

HDM 231,32 WS Nr.135 (Korr.)

193

55v, 17

abstrahit

IV,40; 265,146,100 ziuhit

Typ B

HDM 231,31 WS Nr.136

194

55v, 22

non euasit

IV,40; 265,146,105 nientgeento

Typ A

HDM 231,33 WS Nr.137 (Korr.)

195

56v, 1

grabant

IV,41; 265,148,27

suarent

Typ A

HDM 231,35 WS Nr.138

196

56v, 6

stipulam

IV,41; 265,150,32;

strau

Typ A

HDM 231,36 WS Nr.139

Interpretament

Typ190 Glossened.191

I Cor 3,11,12–15

197

56v, 11

adhibito

IV,41; 265,150,37

zōkihalatemo

Typ B

HDM 231,37 WS Nr.140

198

57r, 2

et luculenti

IV,42; 265,150,4

entileohtostin

Typ A

HDM 231,39f. WS Nr.141

199

57r, 2

extant

IV,42; 265,150,5

sint

Typ A

HDM 231,41 WS Nr.142

200a 57r, 11

refutauit

IV,42; 265,152,13

fartreib

Typ A

HDM 231,42 WS Nr.143a (Korr.)

200b 57r, 11,

refutauit

IV,42; 265,152,13

uuidarota

Typ B

HDM 231,43 WS Nr.143b

unterzeilig

201

57r, 12

praesulis

IV,42; 265,152,15

heroston

Typ A

HDM 231,44 WS Nr.144

202

57r, 13

feretro

IV,42; 265,152,15

paru

Typ A

HDM 231,45 WS Nr.145

203

57r, 16

dictauerunt

IV,42; 265,152,19

lertvn

Typ A

HDM 231,46 WS Nr.146 (Korr.)

204

57r, 23

sensi

IV,42; 265,152,25

kahancta

Typ A

HDM 231,47 WS Nr.147

205

58r, 6

[quasi in] crepusculum

IV,43; 265,154,20

mezze takaroti

Typ A

WS unentziff. Nr.6, S.240; SchG XII,49 unentziff.

206

58r, 19

fallerentur

IV,43; 265,156,34

pitrogan

Typ B

HDM 231,48 WS Nr.148

uersabatur

IV,43; 265,156,42

vvas

Typ B



207a 58v, 2 207b 58v, 2

uersabatur

IV,43; 265,156,42

lepent̄

Typ A



208

58v, 4

temere

IV,44; 265,156,1

katurstlihho

Typ A

HDM 231,49 WS Nr.149

209

59r, 3

exutae

IV,44; 265,158,22

uzarfaraniv

Typ A

HDM 231,50 WS Nr.150

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6293 | 225

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

Interpretament

Typ190 Glossened.191

210

59v, 8

insanus

IV,46; 265,162,14

vnvviser

Typ A

HDM 231,51193 WS Nr.151

211

59v, 9

adserere

IV,46; 265,162,16

kasaken

Typ A

HDM 231,52 WS Nr.152

212

59v, 11

nefas est

IV,46; 265,162,17

meinist

Typ A



213

60r, 5

expetere

IV,57; 265,184,6

sochan

Typ B

HDM 231,53 WS Nr.153

214

60r, 7

diocaesi

IV,57; 265,184,9

farru

Typ B

HDM 231,54 WS Nr.154

215

60r, 11

uapores

IV,57; 265,184,12

uuallant

Typ A



216a

60r, 18

cum famulatu

IV,57; 265,186,19

deonosto

Typ A



216b 60r, 18

cum famulatu

IV,57; 265,186,19

[d]i[onost]v

Typ B



217

60r, 18

perageret

IV,57; 265,186,20

durhteta

Typ A

HDM 231,55 WS Nr.155

218

60r, 22

ingratus

IV,57; 265,186,24

.ndank(…)

Typ A

WS unident. Nr.7, S.240f.; SchG XII,49 unentziff.

219

60v, 15

disparuit

IV,57; 265,186,40

kaleid

Typ A

HDM 231,56 WS Nr.156

220

61r, 4

sedule

IV,57; 265,188,52

emazigo

Typ A

HDM 231,57 WS Nr.157

221

61r, 5

excubare

IV,57; 265,188,53

kaanpahten

Typ A

HDM 231,58 WS Nr.158

222

61r, 10

stipendiis

IV,57; 265,188,58

lipleitom

Typ A

HDM 231,60 WS Nr.159 (Korr.)

223

61r, 12

aureos

IV,57; 265,188,61

manchusa

Typ A



224

61v, 5

percipiat

IV,57; 265,190,76

antfahe

Typ A

HDM 231,61 WS Nr.160

225

61v, 17

unam

IV,57; 265,190,88

ein

Typ A



226

62v, 21

arcana

IV,58; 265,194,5

vvihiv

Typ A

HDM 231,62 WS Nr.161

227

62v, 21

mactabat

IV,58; 265,194,5

plav

Typ A

HDM 231,63 WS Nr.162 (Korr.)

228

63r, 19

nauta

IV,59; 265,196,14

ferio

Typ A

HDM 231,64 WS Nr.163

229a 63r, 21

carabum

IV,59; 265,196,16

mast

Typ A



229b 63r, 21,

carabum

IV,59; 265,196,16

rihtiscef

Typ B



unterzeilig

|| 193 Meritt transkribiert unuuiser.

226 | München, BSB Clm 6293 (BStK-Nr. 521)

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

Interpretament

Typ190 Glossened.191

230

63r, 21

rupto fune

IV,59; 265,196,16

farprohanemo seile

Typ A

HDM 231,65f. WS Nr.164

231

63r, 24

tandem

IV,59; 265,196,18

daz gunkist

Typ A



232

63v, 7

uictime

IV,59; 265,198,25

friskinka

Typ A

HDM 231,67 WS Nr.165

233

63v, 8

quo oblata

IV,59; 265,198,25

demo kaoffarotiu

Typ A

HDM 232,3f. WS Nr.166

234

63v, 8

restaurata

IV,59; 265,198,26

kazehotiv

Typ A

HDM 232,1 WS Nr.167

235a 63v, 11

inopinata

IV,59; 265,198,28

umpiuuanentlih

Typ A

HDM 231,6 WS Nr.168 (Korr.)

235b 63v, 11

inopinata

IV,59; 265,198,28

vva

Typ B



236

63v, 16

uersatus

IV,59; 265,198,32

fargozzan

Typ B

HDM 232,7 WS Nr.169

237

63v, 18

deorsum

IV,59; 265,198,34

nidar

Typ A

WS unident. Nr.8, S.241; SchG 12,49 unentziff.

238

63v, 18

carine

IV,59; 265,198,34

mastes

Typ A

HDM 232,8 WS Nr.170

239

63v, 20

funditus

IV,59; 265,198,36

karo

Typ A

HDM 232,19 WS Nr.171

240

64r, 20

tutior

IV,60; 265,200,1

festero

Typ B



241a

64v, 19

ima

IV,60; 265,202,23

nidarostun

Typ A

HDM 232,20 WS Nr.172 (Korr.)

241b 64v, 19

ima

IV,60; 265,202,23

vn

Typ B



242

65r, 5

seruemus

IV,61; 265,202,8

arlaosemes

Typ A

HDM 232,21 WS Nr.173

243

65r, 7

incuria

IV,61; 265,202,10

unrohhun

Typ A

HDM 232,23 WS Nr.174

244

65v, 3

placitum

IV,62; 265,204,14

sona

Typ A

HDM 232,24 WS Nr.175

245

65v, 19

fidenter

IV,62; 265,206,29

paldlihho

Typ A

HDM 232,25 WS Nr.176

246

116r, 14

culpabilem

Vitas patrum;

vv

Typ A



muniis

Typ A



ste(...)

Typ A



artei...lida

Typ A



PL 73,910A

L.2

118v, 18

magne

Vitas patrum; PL 73,913C

247

121r, 9

arduam

Vitas patrum; PL 73,925C

248

150r, 11

agnitio

Sermo de regio caelorum; nicht ediert

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6293 | 227

Nr.

Pos.189

Lemma

Textstelle

Interpretament

Typ190 Glossened.191

249

151r, 8

lucra

Ps.-Bonifatius:

uruin

Typ A



salican

Typ A



p.u.(…)

Typ A



peitit

Typ B



un pi li

Typ B



leit(…)

Typ B



unoti

Typ A



(…)łaglei..

Typ A



simblū

FG

StSG 5,25,4 und A.1

uuancho

FG

Erstedition in Catalogus I,3,87; StSG 5,25,12

u pi lid

Typ B



cil&

Typ B



Sermo 11; PL 89,863D

250

6v, 4

felicem

Ps.-Bonifatius: Sermo 11; PL 89,864D

251

6v, 20

exsecramus

Ps.-Ephraem Latinus: Dictum 1; Assemani 581a,D

252

153v, 7

exigit

Ps.-Ephraem Latinus: Dictum 1; Assemani 582a,A

253

155v, 5

indesinenter

Ps.-Ephraem Latinus: Dictum 2; Assemani 582a,C

254

155v, 13

ducenda

Ps.-Ephraem Latinus: Dictum 2; Assemani 582a,D

255

155v, 22

deficile

Ps.-Ephraem Latinus: Dictum 2; Assemani 582a,E

256

156v, 4

instantia

Dicta Sancti

unterzeilig

Ephraem; Assemani 582b,E

257

156v, 9, l (in mente sedula)

Dicta Sancti Ephraem; Assemani 582b,F

258

156v, 10

fluctuet

Dicta Sancti Ephraem; Assemani 582b,F

259

157r, 21, r (continuis)

Florilegium. Homilia 3; Teresa (1963: 219,104)

260

158r, 22

contenderit

Caesarius Arelatensis: Sermo 13; CCSL 103,64,19

3 München, BSB Clm 6308 (BStK-Nr. 525) 3.1 Einleitung Die Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6308 gehört zu den ältesten in Freising geschriebenen Handschriften, die althochdeutsche Griffel- und Farbstiftglossen tragen. Außerdem enthält sie die umfangreichste und gleichzeitig früheste uns bekannte althochdeutsche Textglossierung zu Orosius und – soweit bekannt – als einzige volkssprachig glossierte Orosius-Glossenhandschrift nicht nur Federglossen, sondern auch Griffel- und Farbstiftglossen. Die Glossen wurden bereits mehrere Male untersucht (Stach 1951: 347f.; Mayer 1974: 81f.; Glaser 1996: 562–587). Bei der neuerlichen Beschäftigung mit der Handschrift1 im Zusammenhang mit der Internationalen Tagung ‚Orosius im Mittelalter‘ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vom 15./16. Januar 20092 wurden im Bereich der Griffelglossen einige Neufunde und -lesungen gemacht, wodurch den bisherigen Editionen ein paar Nachträge hinzuzufügen sind. Andreas Nievergelt hat als Beitrag zu den geplanten Akten der Tagung eine Neuedition des althochdeutschen Glossenbestands der Handschrift eingereicht. Auf diesen Beitrag wurde gelegentlich verwiesen (z. B. Nievergelt 2011: 311; 2013c: 318, 322). Nachdem er bis Sommer 2018 nicht erschienen war, zog ihn der Verfasser zurück. Er liegt diesem Kapitel zugrunde und wird durch dieses vollständig ersetzt.

3.2 Die Handschrift Zu der Handschrift liegen diverse und zumeist neuere und vergleichsweise ausführliche Beschreibungen vor, weshalb wir uns hier darauf beschränken können, die Eckdaten anzugeben und den bestehenden Beschreibungen einige Präzisierungen nachzureichen.3 Eine kürzere Beschreibung enthält Halm (Catalogus I,3,89, Nr. 687), die maßgebliche gibt Glauche (2000: 187f.). Ausführlich beschrieben ist die Handschrift von Glaser (1996: 563–565). Weitere Beschreibungen enthalten BStK 1047, Nr. 525 und Seebold (2008: 73), kurz auch Bergmann (1983: 21f.). Kodikologische und paläographische Beschreibungen geben CLA 9, Nr. 1271 [12] und Bischoff (1974: 77 und 63); || 1 Autopsie der Handschrift im Lesesaal der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München am 30./31.10. und 18./19.12.2008, 07.–09.01., 02.–05.02., 11.–13. und 18.–20.03.2009. Die Untersuchungen am handschriftlichen Original wurden für die vorliegende Veröffentlichung am 21.–23.08. und 11./12.09.2018 wieder aufgenommen. 2 Vgl. http://www.mittellatein.phil.uni-erlangen.de/archiv/kongresse.html (07.12.2018). 3 Die Handschrift ist beim Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ) als Digitalisat einsehbar: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb00065382-7 (07.12.2018). https://doi.org/10.1515/9783110621952-003

230 | München, BSB Clm 6308 (BStK-Nr. 525)

vgl. auch Traube (1898: 52) und Maag (2014: 5 und 121f.). Zur Schriftauszeichnung vgl. Kessler (1986: 193–196). Die Forschungsgeschichte zur Handschrift und ihrer Geschichte ist bei Glaser (1996: 563) resümiert. Zu den Glossen und ihrer Einbettung in die Orosiusrezeption vgl. Eisenhut (2009: 16).

3.2.1 Kodikologische Beschreibung Pergamentcodex, 149 Blätter, 25,5 x 16 cm. Langzeilen. Der Schriftraum misst 20– 20,5 x 11,5–12 cm, durchgehend 23 Zeilen. Foliierung von ff. 1–149 aus dem 19. Jahrhundert mit dunkler Tinte. Schrift, Lagen- und Seiteneinrichtung vermitteln den geschlossenen Eindruck einer in einem Zug ausgeführten Herstellung. Einband: Heller spätottonischer Ledereinband aus Freising und dem 1. Viertel des 11. Jahrhunderts (vgl. Glauche 2000: 187; Schäfer 1999: 289), der Riemen der Schließe ist weggerissen. Buchdeckel und Rücken sind erneuert. Der Codex ist im Juni 1964 restauriert worden (siehe unten). Auf dem Rücken und den Innenseiten der Buchdeckel sind Signaturschilder „Cod. lat. 6308“ aufgeklebt, auf dem vorderen inneren Buchdeckel dazu das Freisinger Exlibris (vgl. dazu Glaser 1996: 564), auf dem hinteren ein Zettel mit Hinweisen von 1868 durch Georgius Thomas Onoldia zur Kollation des Textes, dessen fragmentarischem Charakter und der Vertauschung von Lagen (Glauche 2000: 188) sowie ein Zettel mit Angabe der 1964 restaurierten Beschädigungen. Pergament: Schafpergament von mittlerer Qualität, nur wenige und ursprüngliche Löcher. f. 47 ist so dünn, dass es nur auf der recto-Seite beschrieben werden konnte (vgl. Glauche 2000: 187). Die Haarseiten sind gelblich, aber nicht stark eingedunkelt. f. 1 und f. 2 weisen (Wasser-?)Flecken und Raupenfraß auf. Die Blätter sind oben, seitlich und unten nachträglich zugeschnitten worden, was an verstümmelten Marginalien zu erkennen ist. Seitlich besonders stark zugeschnitten ist f. 73. Lagenstruktur: Es können 19 Lagen gezählt werden, die erste und die letzte sind unvollständig. Sie sind jeweils am Ende, auf der Schlussseite in der Mitte des unteren Blattrandes mit römischen Ziffern unter Winkeln durchgezählt (vgl. Glauche 2000: 187; Glaser 1996: 563). An Kustoden mit Tinte sind vorhanden i–ii, iiii–xiiii. (Bei „xii“ auf f. 94v ist das letzte „i“ aus dem Pergament ausgeschnitten worden.) Die folgenden Lagen sind mit eingeritzten Kustoden xv–xviii versehen (vgl. Glaser 1996: 563), an welchen zu sehen ist, dass die Lagen 16 und 17 vertauscht sind: f. 126v eingeritzt „xvii“, f. 134v eingeritzt „xvi“. „xviii“ auf f. 142v ist als xxiii verschrieben. Die 3. Lage ist f. 22v nicht bezeichnet. Zu Beginn der 14. Lage, f. 103r, steht unten jüngeres „xii“. Die Lageneinrichtung präsentiert sich wie folgt (vgl. auch Glauche 2000: 187): : IV6 ([][neues leeres Pergamentblatt]HF-HFHF4) + : IV142 + || 4 f. 5 und f. 6 sind heute Einzelblätter.

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: IV-1149 (am Schluss bei der Restaurierung ein neues Pergamentblatt eingefügt). Die Anordnung HFHF weisen die Lagen 1–3 und die Anordnung FHFH die Lagen 4–7, 10–13, 15–19 auf. Lage 8: FFFF, Lage 9: FHFF, Lage 14: FHHF. Die Lagen 4 und 5 müssen zum Zeitpunkt der Glosseneintragung verbunden gewesen sein, da Glossen auf f. 31v auf f. 30v durchgedrückt wurden. Seiteneinrichtung: Liniiert wurde mit stumpfem Griffel lagenweise vor der Faltung von innen. Der Schriftspiegel liegt innen und außen zwischen Doppellinien. Die Zeilenliniierung endet recht genau bei der äußeren seitlichen Begrenzungsvertikalen.

3.2.2 Paläographische Beschreibung Schrift: Die Handschrift ist – abgesehen von wenigen Unterbrechungen, etwa f. 8r ab Z. 14, ff. 114v, 115r – durchgehend von einem festländischen Schreiber geschrieben. Dieser war nach Bischoff (1974: 63) Mitglied der ersten bodenständigen Freisinger Schreibergruppe und bediente sich in ausgereifter Übereinstimmung einer vor- oder frühkarolingischen Schrift, die in ursprünglicher Weise frei von insularen Zügen ist. Zu der innerlich festen, formschönen Schrift des Schreibers vgl. Bischoff (1974: 77). Traube (1898: 52) sieht in der Schrift einen alemannischen Typus. Vgl. auch Maag (2014: 121f. und Abb. 78), die auf alemannische Schriftmerkmale hinweist. Mohlberg (1939: xcv) bezieht die Handschrift in seine Untersuchungen des rätischen Schrifttums mit ein (vgl. auch Stähli 2008: 315f., 344). Von den zahlreichen Ligaturen sind bei Bischoff (1974: 77) die häufigsten wiedergegeben. Zu erwähnen ist, dass selten auch sichelförmiges hochgestelltes a vorkommt, jeweils verbunden mit n und an Zeilenschlüssen (z. B. f. 18v, Z. 6, hanc, f. 132r, Z. 23, habebant). Textbearbeitung: Korrekturen, Verbesserungen, Einfügung fehlender Buchstaben und Silben, Interpunktion, z. T. Akzente: mit Griffel, dazu auch eine jüngere Bearbeitung mit hellerer Tinte, auch Chrismon am Blattrand, z. B. f. 77r, marg. rechts, alle zusammen mit Glossen und Probationes. Buchschmuck: Zur Auszeichnung wurde Unzialschrift in roter und schwarzer Tinte verwendet (Kessler 1986, Nr. 12). Zu den figuralen Schriftflächen auf f. 148v und f. 149r vgl. Bischoff (1974: 77). Auf f. 4r, marg. unten wurde ca. im 10. Jahrhundert, wohl von einem der Glossatoren, eine TO-Weltkarte gezeichnet (vgl. Glauche 2000: 187). Bei der Griffelzeichnung auf f. 23v, die Glaser (1996: 563) erwähnt, handelt es sich um eine zifferblattähnliche Anordnung der Zahlen i–x, mit der auf f. 23v–24r im Text die ägyptischen Plagen durchnummeriert sind. Mit Griffel wurden marginal gelegentlich Linien aus Punkten eingestochen, als Rhombus auf f. 142v.

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3.2.3 Inhaltliche Beschreibung Die Handschrift enthält Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘, am Anfang und am Schluss defekt. Der Text der Handschrift ist verwandt mit den Grundtextzeugen der Handschriften Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana Pal. lat. 829 und Sankt-Peterburg, Rossijskaja nacional’naja biblioteka F.v.I. Nr. 9.5 Im Clm 6308 umfasst er I,Prol.,8 bis IV,22,7 und endet mitten in einem Satz (vgl. Glaser 1996: 563). Die figurale Ausgestaltung der beiden letzten Textseiten deutet darauf, dass der Schreiber die Arbeit abrundete. Möglicherweise war also schon die Vorlage unvollständig. Zum erhaltenen Umfang sowie zu einer wiederholten Passage vgl. Glauche (2000: 188). Der Text ist durchkorrigiert worden, teilweise verbunden mit den Glossierungsarbeiten. Vgl. dazu Brunhölzl (1961: 91f.), Glaser (1996: 564) sowie Kap. 3.3.2.

3.2.4 Probationes und andere Marginalien mit Feder Folgende Federproben und andere Marginalien mit Feder erscheinen in der Handschrift: Auf f. 15r steht auf dem rechten Blattrand, nach oben verlaufend, in roter Farbe Uvue, unter einer Neumenzeile. Auf f. 26r, marg. unten s und weiter rechts fror ut (= Uror, ut?, vgl. Ovid, Dido Aeneae, 25? Glaser 1996: 564 zieht Volkssprachiges in Betracht). Stellenweise sind Textwörter auf die Ränder hinausgeschrieben und wieder ausradiert worden, z. B. auf f. 8v und f. 9r. Auf f. 6v, f. 45r und f. 149r ist marg. unten das letzte Wort abgeschrieben, teilweise verblasst oder ausgewischt. Ähnlich steht auf f. 106r, marg. unten unter dem Textschluss eine Schreibprobe. Ausgewischte Neumenzeilen stehen auf f. 42r, f. 93r und f. 111r, jeweils marg. unten, auf f. 93r auch marg. rechts. Auf f. 87r, marg. unten steht, unten angeschnitten, nisi Dns aedifi in Unzialschrift (vgl. Ps 126), daneben eine ausradierte Eintragung und marg. rechts d und ein Kreuz. Auf f. 103r, marg. unten steht adnex (Beginn des bekannten Pangramms), voraus x, auf f. 143r, marg. unten soderm bos didere (= ?), auf f. 148v, Z. 18, marg. rechts nifemera. Darunter befindet sich eine Federprobe abcde. Da und dort sind Einträge ausgewischt, z. B. f. 95r, marg. unten, f. 102v, marg. unten. Zu den Federproben auf f. 149v (auch Anfangssilben deutscher Personennamen) aus dem 10./11. Jh. vgl. Bischoff (1974: 77), CLA 9, Nr. 1271 und Glaser (1996: 564).

|| 5 Vgl. Eisenhut (2009: 165). Zur Textklassenzugehörigkeit vgl. Arnaud-Lindet (1990/1, 1: lxxxiii), zu den Verwandtschaftsverhältnissen der Textträger das Stemma in Eisenhut (2009: 434), erweitert nach Arnaud-Lindet (1990/1, 1: xc) und Arnaud-Lindet (1997: 60).

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3.2.5 Geschichte der Handschrift Die Handschrift ist dem Schriftbefund gemäß unter Bischof Arbeo (764–784) in Freising entstanden. Sie scheint bis zur Säkularisation im Jahre 1803 in Freising geblieben zu sein. Die Provenienz ist bezeugt durch das Freisinger Exlibris mit der alten Freisinger Signatur Fris. 108 auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels und auf f. 1r durch den Freisinger Besitzvermerk aus dem 12. Jahrhundert, wo auch die älteren Signaturen der Hofbibliothek Cimel. II. 5. a und (jünger) jetzt Cim. 316 mit Bleistift notiert sind. Vgl. Glauche (2000: 187) und Glaser (1996: 564).

3.3 Die Glossen Die Handschrift weist ca. 650 Glossen auf, davon sind über 600 lateinische Federglossen, die übrigen lateinische und althochdeutsche Griffel- und Farbstiftglossen. Sowohl die Feder- als auch die Griffelglossierung sind das Resultat mehrerer Glossierungsarbeiten. Diese stammen zwar aus verschiedenen Zeiten (vgl. Glaser 1996: 565, 585f.), erscheinen aber in Teilen untereinander verbunden, indem sie sich verschiedentlich auf dieselben Lemmata beziehen. Die Feder- und Griffelglossen verteilen sich über den ganzen Codex, die Griffelglossen in größeren Abständen, die Federglossen unregelmäßig, indem sich zwei Drittel allein auf den ersten 8 Blättern befinden. Tendenziell wurde mit Feder interlinear und mit Griffel marginal glossiert (mit Ausnahme derjenigen althochdeutschen Federglossen, die isolierte Einzeleintragungen darstellen), wobei zahlreiche marginal glossierte Lemmata am äußeren Zeilenrand stehen. Lemmaverweisung mit Griffel ist nirgends zu ermitteln, weswegen die Lemmata zu den Griffelglossen nicht immer eindeutig feststehen. Auf den Blatträndern stehen mit Tinte eingetragene Verweisungsmarken in Form von drei zu einem Dreieck geordneten Punkten, die über den gesamten Codex verteilt sind (im Folgenden ; vgl. Glaser 1996: 564). Steinová (2016: 214,A.797) bezeichnet den Typ mit ‚Trigon‘. Unter den Handschriften mit Freisinger Provenienz enthält sie beispielsweise auch der Clm 6300 (Glaser 1996: 64f.; Steinová 2016: 214,A.797). Im Clm 6308 gehört ein Grundbestand möglicherweise zur ursprünglichen Ausstattung der Darstellung, was vom Textschreiber stammen könnte, der diese aus der Vorlage kopiert hatte. Einige weitere sind von den späteren Bearbeitern hinzugefügt worden. Die Glossierungen korrespondieren im Clm 6308 zwar augenscheinlich, aber dennoch in keiner klaren Regelung mit diesen Marken. Dies verleiht diesen Aufmerksamkeitszeichen mehr den Anschein einer eigenen Kommentierungsschicht als den einer Glossierungsvorarbeit, was nicht heißt, dass sie nicht als eine solche gedacht gewesen sein könnten. Etliche Griffelglossen stehen mit zusammen auf derselben Stelle, wobei in keinem Fall zu ermitteln ist, ob die Punkte oder die Glosse zuerst eingetragen wurden. Noch häufiger stehen an mit bezeichneten Stellen interlinear lateinische Federglossen. In ein paar Fällen erge-

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ben sich Feder-Griffel-Doppelglossierungen. Längst nicht jedes Mal ist jedoch eine mit markierte Stelle glossiert worden, und zahlreiche glossierte Stellen sind wiederum nicht mit markiert, sodass sich kein deutlicher Zusammenhang herausstellt. Die Punktemarkierung scheint aber die Form der Glossenverweiszeichen beeinflusst zu haben, die beispielsweise auf f. 2v ebenfalls als Punktegruppen gestaltet sind. (Auf f. 3r stehen solche Zeichen interlinear ohne marginale entsprechende Glossen und kommen hier wohl auch in anderer Funktion vor.)

3.3.1 Althochdeutsche Glossen Entdeckt hat die althochdeutschen Glossen Bischoff (vgl. Stach 1950: 11f., 14), der Notizen zu 5 Glossen hinterlassen hat. Die Stellen sind veröffentlicht bei Stach (1950: 14): „f. 21r, 40r, 51r, 53r, 86v“. Stach kennzeichnet die Handschrift mit einem Asterisk, um anzuzeigen, dass die Notizen Bischoffs den Glossenbestand erschöpfend angeben. Stach (1951: 347f.) veröffentlicht die fünf Glossen, darunter die beiden Griffelglossen auf f. 53r und f. 86v (vgl. Glaser 1996: 565). Mayer (1974: 81f.) trägt eine („1“) weitere Federglosse nach, bestehend aus zwei althochdeutschen Wörtern über zwei grammatisch zusammengehörigen, aber durch ein anderes Wort getrennten lateinischen Lemmata. Glaser (1996: 568–570) behandelt die beiden Eintragungen als zwei Glosseneinträge, worauf in der Folge die Anzahl an althochdeutschen Federglossen mit fünf beziffert wird. Die Edition bei Glaser (1996: 568–582, 587) enthält, als Ergebnis erneuter Autopsie (1996: 565), 15 althochdeutsche Glossierungen, „acht weitere mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit althochdeutsche“ Glossen, dazu sechs lateinische und neun unidentifizierte Eintragungen (1996: 566). Vgl. BStK 1047: „15 Glossen … davon 5 Federglossen … und 10 Griffelglossen“. Angaben zu weiteren Nachträgen enthalten BStK Online (BStK-Nr. 525) und Nievergelt (2013c: 317), die durch die neueste Untersuchung allerdings auch wieder teilweise zu revidieren sind. In Nievergelt (2013c) werden die Glossen der Hauptschicht durchgängig als Farbstiftglossen bezeichnet. In dieser Eindeutigkeit lassen sich die Profile der Glossen jedoch nicht auf eine bestimmte Technik festlegen, wenn auch von der Benutzung eines ganz bestimmten Instrumentes pro Hand ausgegangen werden darf. Farbverluste und Pergamentveränderung haben das Bild jedoch verunklart. Wir werden in der Folge dort, wo es nicht speziell um die Technik geht, der Einfachheit halber meist von ‚Griffelglossen‘ bzw. ‚Griffel- und Farbstiftglossen‘ sprechen. Die neuen Untersuchungen haben ergeben, dass die Handschrift eine größere Zahl weiterer Griffel- und Farbstiftglossen enthält. Die Federglossen bieten, abgesehen von den verwaschenen und verblassten lateinischen auf der dunklen und fleckigen ersten Seite (f. 1r), keine nennenswerten Leseprobleme. Die Griffel- und Farbstiftglossen dagegen konnten großenteils erst nach langwierigen Untersuchungen entziffert werden. Der Bestand setzt sich aus eingedrückten und eingekratzten

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Eintragungen zusammen. Erstere weisen gelegentlich rötlich-bräunlich-schwärzliche Färbung auf und stammen dann wohl von Rötel- und Schwarzstiften. Indem auch die Glossen von einer einzelnen Hand verschieden aussehen, sind die eintragungstechnischen Verhältnisse nicht klar. Manche Eintragungen sind nur schwach profiliert. Die Glossen stehen – manchmal mehrzeilig – ausschließlich marginal, wo sie teilweise bei späterem Zuschneiden der Blätter verstümmelt wurden. Am besten zu entziffern sind sie bei schwachem, seitlich einfallendem Licht; da und dort helfen Durchprägungen auf darunterliegenden Blättern beim Entziffern weiter. Einige Glossen sind wohl verkürzt geschrieben. Nach neuester Erkenntnis sind 31 Griffel- und Farbstiftglossen (Gll. Nr. 1–31) und 5 Federglossen (a–e) althochdeutsch. Weitere Glossen (davon 1* und 2* mit Griffeln) sind möglicherweise auch volkssprachig, konnten aber nicht mit Sicherheit identifiziert werden. Überdies könnten sich unter den gegen 100 unentzifferten Einritzungen noch weitere volkssprachige Glossen befinden. 11 Griffelglossen konnten als lateinisch bestimmt werden, zu denen noch einige mit Griffel ausgeschriebene Zahlwörter hinzukommen.

3.3.2 Griffel- und Farbstiftglossen Die Griffel- und Farbstiftglossen lassen sich nach eintragungstechnischen und paläographischen Kriterien mehreren Eintragungsschichten zuweisen, unter welchen eine markante Hauptschicht (I) neben weniger klar umrissenen Glossierungsschichten (II–IV) hervortritt. (I): Glossen Nr. 1, 2, 3(?), 4–6, 8–22, 24–27, 1*, L2–L9 und eine unentzifferte auf f. 31r, Z. 6, m. r. Die Glossierung umfasst damit 25 althochdeutsche und 8 lateinische Textglossen. Geschrieben sind sie mit einem stumpfen Instrument, das da und dort auch rötlich-bräunliche Farbspuren zurückließ (vgl. bei Nievergelt 2007: 47–59 der Eintragungstyp AB.2). Die eintragungstechnische und paläographische Charakteristik ist genügend konsistent, um für eine bestimmte Schreiberhand zu stehen. Die Glossen waren ursprünglich deutlich eingetragen, wie kräftige Durchprägungen auf darunterliegende Blätter sowie gut lesbare Eintragungen zeigen. Die Schicht setzt auf f. 18r ein, nach f. 53r tritt sie nur noch selten in Erscheinung, und nach f. 90r ist sie nicht mehr sicher nachzuweisen. Die Glossierung ist verbunden mit Textrevision in Form sporadischer Korrekturen der Lemmata, etwa bei den Glossen Nr. 12, 18, 24 sowie anderer Wörter. Beispielsweise ist auf f. 31r, Z. 2 excitis mittels eingeritztem ta zu excitatis abgeändert; zu einer Korrektur auf f. 28r vgl. Glaser (1996: 581 und A.67). Die Schriftgröße entspricht derjenigen der Textschrift. Schriftmerkmale: cc-a, mit Ausnahme von 2-mal unzialem a am Wortende mit dem Balken von t ligiert (Gll. 12, 14); cc-a überwiegt und kann neben regelmäßigen runden Bögen auch einen steilen ersten und einen eckigen zweiten Bogen aufweisen (Gl. 21). Der Schaft von r reicht manchmal weit unter die Basislinie (Gl. 20). t-Balken sind gerade gezogen, ebenso

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die Zunge des runden e, die aber auch auf die Basislinie absinken kann (Gl. 26); g zeigt die alemannische Form. z hat, soweit erkennbar, eine scharf nach links unten wegstoßende Ecke (Gl. 13). Es besteht die Tendenz, das Schriftbild dekorativ zu akzentuieren, etwa mit sehr hohen oder geschwungenen und eingebogenen Schäften, die teilweise durch aufsteigende Linien, die für alte Ritzschriften charakteristisch sind, verdoppelt werden (Gll. 12, 26, 27). Ligierte Buchstabengruppen: ch (Gl. 9), nt mit gestürztem, auffällig kurzem t, das im Winkel ansetzt (Gll. 4, 22, 26). Schluss-a steht über t gesetzt in der Gl. 12. Die wohl auffälligste Besonderheit ist die „seltene“ (BRG §7,A.1) Verwendung der w-Rune zur Wiedergabe von ahd. /w/, mit Sicherheit identifiziert in drei Glossen (Gll. 4, 6, 25). Dieser angelsächsische Usus6, der für das Althochdeutsche aus dem Hildebrandslied (Lühr 1982: 32, 34, 81) sowie sporadisch in Glossen7 bezeugt ist, wurde für Freising erstmals anhand der Glosse Nr. 4 der hier untersuchten Handschrift nachgewiesen8 und mit einer weiteren Griffelglosse im Clm 6272 bestätigt (Ernst 2007: 303, 394f.). Ein zusätzlicher Freisinger Beleg ist kürzlich im Clm 6277 aufgetaucht (vgl. Kap. 5.3.5.2.1). Wie in den anderen Fällen wechselt auch im Clm 6308 mit 9, wobei sich hier eine Verteilung von für initiales /w/ und für postkonsonantisches /w/ andeutet.10 In der Form nicht an die runische Dreiecksform erinnernd, weist jedes Mal den charakteristischen überliegenden, leicht ansteigenden Querstrich11 auf, das einzige Merkmal, das es vom lateinischen

unterscheidet (vgl. Gll. 1, 8, 18, 26, 27).

|| 6 Vgl. Derolez (1954: 387–390), Bischoff (2009: 129) und Baesecke (1922: 447). Eine weitere, von einzelnen Forschern ebenfalls als Runenzeichen gedeutete Graphie in Form eines gedeckten (‚ven-Rune‘) zeigen Schreibungen für /w/ im althochdeutschen Lex Salica-Fragment der Handschrift Trier, Stadtbibliothek, Mappe X, Fragm. 1 sowie in Glossen der Handschrift Leipzig, UB. Rep. II. 6. Vgl. dazu Frank (1974: 20f., 29); S: 55,A.4; StSG 2,141,30.36.54.61 und A.11.13.20.24; 142,59.60 und A.20.21; 143,4.14.25.58 und A.2.7.16.34; 144,6?.37 und A.2.6; 4,484,26f. 7 Siehe einzelne Glossen der Handschriften St. Gallen, Stiftsbibliothek 188, Leipzig, UB. Rep. II. 6, Clm 396, Clm 6272, Clm 6277, Clm 6308, Clm 14517 und Clm 18550a. Vgl. StSG 1,707,8.9; 2,140,45; 141,6.32.38.47; 142,20.22.24.31.50; 218,21,A.14 und 16; Thoma (1963: 225 und A.2); Glaser (1996: 570); Ernst (2007: 303, 394f.); Nievergelt (2011: 317f.); Nievergelt (2019). 8 Vgl. Glaser (1996: 570, Glosse Nr. 3), in der vorliegenden Edition Glosse Nr. 4. 9 Auch im Hildebrandslied wechselt das Runenzeichen mit der -Graphie. Dasselbe gilt für die Glossen der Handschriften Leipzig, UB Rep. II. 6, Clm 396 und Clm 18550a. Ebenso kommen in den Freisinger Griffelglossen des Clm 6272 beide Graphien vor, einmal die w-Rune und zweimal . Es handelt sich um drei Glossen, die Ernst (2007: 417f.) demselben Eintragungstyp zuweist, wobei er aber evtl. verschiedene Hände nicht ausschließt (vgl. Ernst 2007: 272, 395). 10 Dies lässt sich mit der /-Verwendung in den Glossen der Handschrift Leipzig, UB. Rep. II. 6 vergleichen. Vgl. Frank (1974: 150f.). 11 Vgl. Derolez (1954: 389). Dieses Diakritikum erscheint auch im Hildebrandslied, in den Glossen der Handschrift Leipzig, UB. Rep. II. 6, im Freisinger Glossenbeleg des Clm 6272 sowie, beim Kopieren offenbar missverstanden und über das folgende Vokalzeichen gelegt, in der einen Glosse des Clm 396.

Edition | 237

Im Gesamtcharakter steht die feste, breite und runde Schrift von Schicht (I) der Textschrift formal sehr nahe und dürfte ihr mit der konsequenten Verwendung von cc-a auch zeitlich nahekommen. Wie in jener wird mit Bogenbildungen Bewegung und Ornamentation in das Schriftbild gebracht. (II): Die Schicht besteht aus wenigen mit spitzem Instrument eingeritzten Eintragungen, etliche als Ausschreibungen römischer Zahlen. Sie sind lateinisch. Der volkssprachige Charakter einer Eintragung (Gl. 2*) ist zweifelhaft. (III): Glossen Nr. 7, 23 und unidentifizierte auf f. 52r, Z. 2, m. r.; f. 53r, Z. 6, m. r.; f. 71v, Z. 14, m. l.; f. 103v, Z. 9, m. l. (vgl. Glaser 1996: 577, Nr. 15); f. 126r, Z. 3, m. r.; f. 131r, Z. 13, und Z. 14, m. r. Die wenigen lesbaren Eintragungen sind althochdeutsch. Die Gruppe ist eintragungstechnisch definiert: Die Eintragungen sind mit farblosem Griffel rau eingeritzt. Nach Schriftbefund gehören sie wohl nicht alle zusammen. Gemeinsam ist ihnen eine unsorgfältige Schrift. Sie stehen marginal und meist zusammen mit Verweismarken. (VI): Glossen Nr. 28, 29(?), 30, 31(?), L10? und eine unentzifferte auf f. 138v, Z. 16, m. l. Wenige althochdeutsche und lateinische Glossen, hier zusammengenommen in eine Restgruppe aus unterschiedlichen, wohl mit verschiedenen Farbstiften eingetragenen Glossen.

3.4 Edition 3.4.1 Althochdeutsche Griffel- und Farbstiftglossen 1. f. 18r, Z. 4, (urbes? concesserim?) – capu/rc (f. 17v, Z. 16) … cornelius … / (17) … tacites … // (f. 18r, Z. 3) … dicit ego sicut inditas (Ed. inclitas) quondam / (4) urbes igne caelesti flagrasse concesse/ (5) rim (I,5,4; CSEL V,45,5) ‚Cornelius Tacitus sagt: Was mich angeht, würde ich zugeben, dass berühmte Städte einst durch ein Himmelsfeuer verbrannten.‘ Schicht (I). Die Glosse steht zweizeilig marg. rechts neben Z. 3. Bei Beleuchtung von links oben sind die Buchstaben gut lesbar, nur r ist undeutlich. Die Glosse ist rechts nicht verstümmelt, denn Schluss-c befindet sich in einigem Abstand zum Blattrand. Eine schwache weitere Ritzung unterhalb rc gehört wohl nicht zur Glosse. capurc: Form und Textbezug sind unklar. Infrage kommt eine Glossierung von urbes (Z. 4): Nom. (?) Akk. (?) Pl. (?) st. F. ahd. *giburg? ‚Stadt‘, im Falle einer Pluralform allenfalls noch in konsonantischer Flexion (vgl. BRG §243). Präfigierung von burg mit gi- ist im Althochdeutschen nur aus Bildungen wie giburglīh und giburgscaft (AWB 1,1534, 1538) bekannt. Der Glosse am nächsten befindet sich das Textwort concesserim, was beim Interpretament auch an das st. V. ahd. gibergan ‚zurücktreten‘ – AWB 1,907. GSp 3,170. SpAW 1,55. StWG 47, 791. SchG 1,307 – denken lässt. In der Bedeutung ‚sich zurückziehen‘ tritt es sonst reflexiv mit sih auf. Der

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Stammvokalismus deutete auf Konj. Prät., was zur Form des lateinischen Textwortes passen würde. Dagegen spricht aber -c, da vor i die Graphie (oder ) zu erwarten ist (vgl. Gl. 17 sowie unten die graphematisch-phonematische Charakterisierung). Zudem erschiene eine Kürzung bloß um -i seltsam. Ebenfalls mit der Positionierung zu begründen wäre schließlich eine Glossierung von inditas (verschrieben für inclitas). Für ein Adjektiv müssten allerdings eine Kürzung (ahd. capurc[līh?]) vorausgesetzt und semantische Probleme in Kauf genommen werden. 2. f. 19r, Z. 2, (discernant?) – ar (2) … inter sodomam et romam dis/ (3) cernant causas (I,6,1; CSEL V,47,9) ‚Mögen sie zwischen Sodom und Rom die Ursachen unterscheiden.‘ Schicht (I). Die schwache, aber deutliche Glosse steht marg. rechts neben dis-, zusammen mit einer Trigon-Marke. Nach r ist nichts mehr zu erkennen. ar: Präfix ahd. ur-, ar-, ir- – GSp 1,393. Entweder liegt ein gekürztes Interpretament zu discernant oder aber eine Teilglossierung von dis- am Ende der Zeile vor. Vgl. die Freisinger Glosse merito discernere – áfter réhte . zeurteillanne (StSG 2,344,25). 3. f. 19v, Z. 9, (proelium) – seccha (8) … thelchises et char/ (9) satii peruicax proelium aduersus foroneum (I,7,1; CSEL V,48,12) ‚Telchiser und Caryatier führten einen sturen Krieg gegen Phoroneus.‘ Unsicher ob Schicht (I). Die Glosse steht recht deutlich eingeprägt marg. links neben Z. 9. Im mittleren Teil ist sie schwierig zu entziffern. Der Schaft von vermutlichem h ist nur resthaft erkennbar. c ist eckig. seccha: Wohl Akk. Sg. st. F. ahd. sekka ‚Zank, Streit‘ – GSp 6,76. SpAW 1,785. StWG 514. SchG 8,144. 4. f. 20r, Z. 3, (fastidiendam) – ṕullisont – Glaser 1996, Gl. Nr. 3: ṕalha?, bezogen auf Aegyptum (1) … Ante annos / (2) urbis condite CCVIII (Ed. MVIII) fuisse aput aegyp/ (3) tum primum insolitam fastidiendamque / (4) ubertatem (I,8,1; CSEL V,50,1) ‚208 Jahre vor der Gründung Roms herrschte in Ägypten zuerst eine ungewöhnliche und Widerwillen erzeugende Fruchtbarkeit.‘ Schicht (I). Die Eintragung steht marg. rechts, anschließend an das Textwort fastidiendamque. Zu Beginn deutlich eingeprägt, wird sie gegen rechts schwächer. Sie weist schwache Farbspuren auf. nt stehen in Ligatur. Ob die Glosse durch den Blattschnitt um eine Flexionsendung gekürzt wurde, ist ungewiss. ṕullisont: Es ist ein schwaches Verb II der Bildung -isōn (Wilmanns 1899: §80f.; Henzen 225) zur Wurzel ahd. wull- (< wellan ‚wälzen, drehen‘ – GSp 1,790) anzuset-

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zen. Part. Präs. sw. V. ahd. wullisōn ‚Ekel, Widerwillen erzeugen‘. Man vergleiche ahd. wullōn ‚Ekel empfinden‘ (SpAW 1,1087) sowie hier die Glosse Nr. 6. 5. f. 21v, Z. 19/20, (praetento) – urlo/ca (19) … cum a ceruicibus suis inpendentem / (20) gaudium (Ed. gladium) praetento christiano nomine / (21) auerte sint (Ed. auerterint) (I,8,14; CSEL V,53,4) ‚… nachdem sie das über ihren Hälsen schwebende Schwert unter Vorschützen von Christi Namen abgewendet haben‘. Schicht (I). Die Eintragung steht zweizeilig mit schlecht lesbarer 2. Zeile marg. links neben Z. 19 und 20, lo in eigentümlicher Verbindung. urloca: (Gekürztes?) Part. Prät. st. V. ahd. irliogan ‚vorgeben, vortäuschen‘ – AWB 5,1141. GSp 2,131. SpAW 1,549. StWG 378. SchG 6,111. EWA 5,1345. 6. f. 23v, Z. 16, qualores – ṕullida (16) ·II· post horridos renarum qualores (Ed. squalores) per omnia / (17) munda inmundaque reptantes (I,10,10; CSEL V,56,17) ‚Dann die abstoßenden Widerwärtigkeiten der Frösche, die durch alle Dinge, ob reine oder unreine, kriechen‘. Schicht (I). Die Glosse ist gut lesbar über qualores in der leeren Hälfte von Z. 15 rechts neben paenas eingetragen. ṕullida: Akk. Pl. st. F. ahd. wullida ‚Ekel, Widerwärtigkeit‘ – StWG 746. SpAW 1,1088. SchG 9,285. Die Doppelseite f. 23v/f. 24r enthält die Beschreibung der zehn ägyptischen Plagen (I,10). Zu der Griffelzeichnung auf f. 23v, marg. unten vgl. Glaser (1996: 563) und oben in Kap. 3.2.2 unter Buchschmuck.

Abb. 7: Ahd. Griffelglosse: Clm 6308, f. 23v, Z. 16: ṕullida (Nr. 6)

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7. f. 24r, Z. 3, (ulcera) – eiz (3) ·VI· Post uesicas efferuiscentes ulceraque / (4) manantia (I,10,11; CSEL V,57,6) ‚Dann aufbrechende Blasen und nässende Geschwüre‘. Schicht (III). Die schwache Glosse steht in großen Buchstaben marg. rechts neben Z. 3/4, wo sich auch eine Verweismarke befindet. Die Glosse könnte rechts beschnitten sein. eiz: st. M. ahd. eiz ‚Geschwür, Eiterbeule‘ – AWB 2,240. GSp 1,541. SpAW 1,178. StWG 123. SchG 2,413. EWA 2,1028. 8. f. 24r, Z. 3, 5, (ulcera? uesicas? scabiem?) – pulla – Glaser 1996, Gl. Nr. 5: pulla (3) ·VI· Post uesicas efferuiscentes ulceraque / (4) manantia et ut si dicere maluerunt / (5) scabiem ac uitaliginem totis corporibus / (6) erumpentem (I,10,11; CSEL V,57,6) ‚Dann aufbrechende Blasen und nässende Geschwüre und, wie sie selbst zu sagen vorzogen, Krätze und Flechtenbefall, die auf allen Körpern ausgebrochen waren‘. Schicht (I). Die Glosse steht kräftig eingedrückt und leicht bräunlich gefärbt marg. rechts neben Z. 5, an derselben Stelle wie eine Verweismarke . a steht in cc-Form. Die bei Glaser (1996) noch mit Unsicherheiten angegebene Lesung ist eindeutig. Zu der Einritzung intl. über erumpentem (Ed. Glaser 1996, Gl. Nr. 6) siehe unten in Kap. 3.4.4 (unidentifizierte Eintragungen). pulla: Nom. Sg. st. oder sw. F. oder Akk. Sg. oder Pl. oder Nom. Pl. st. F. ahd. blla ‚Eiterbeule‘ – AWB 1,1487. GSp 3,96. SpAW 1,115. StWG 83, 84, 797. SchG 2,85. EWA 2,429. Der Lemmabezug ist nicht eindeutig. Die Positionierung marg. rechts neben Z. 5 sowie eine mögliche Kennzeichnung des Lemmas mit Federpunkten weisen auf das Textwort scabiem (Glaser 1996: 571). Aus semantischen Gründen ist auch an eine Glossierung von uesicas in Z. 3, neben welcher auch eine Verweismarke steht, bzw. auch an ulcera zu denken. Zur Lemmafrage und zur grammatischen Bestimmung vgl. die Ausführungen in der Edition bei Glaser (1996: 571). 9. f. 25r, Z. 8, (incanduit) – fochta – Glaser 1996, Gl. Nr. *3: soc...? (7) … His etiam tempo/ (8) ribus adeo iugis et grauis aestus incan/ (9) duit (I,10,19; CSEL V,59,3) ‚Des Weiteren erglühte in diesen Zeiten eine drückende und beschwerliche Hitze.‘ Schicht (I). Die Glosse ist marg. rechts neben Z. 8 kräftig eingedrückt. Am Anfang ist f mit schwachem, tiefliegendem Zweig zu erkennen. c ist mit dem hochreichenden Schaft von h verbunden, t von oben einfallend in einer Linie geschrieben, der Balken gegen rechts nicht ausgezogen. cc-a ist oben weit geöffnet. Auf derselben Stelle steht eine Verweismarke . fochta: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. fohhen ‚sich entzünden, erglühen‘. Man vergleiche spätmhd./frnhd. fochen ‚anfachen‘ – LexerHWB 3,424, welches aus mlat. focare

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entlehnt sein soll (Glossarium 1884: 532. KSEW 270). Die Zusammenhänge zwischen fochen und nhd. fachen sind allerdings unklar (vgl. DWB 9,18). In diesem Zusammenhang beachte man auch lat. focus ‚Feuerstätte‘, ‚Glut‘ (GH 1,2805), mit welchem volkssprachige Gebäckbezeichnungen wie ae. foca und ahd. fohhenza (BT 296. AWB 3,1023) in Verbindung gebracht werden (EWA 3,443). 10. f. 27r, Z. 15, (addicebant? informe?) – casc| (12) qui nobilium athenensium filios mino/ (13) tauro … / (14) … deuoran/ (15) dos crudeliter addicebant atque in/ (16) forme prodigium effossis greciae / (17) luminibus saginabant (I,13,2; CSEL V,63,7) ‚Sie warfen die Söhne vornehmer Athener dem Minotaurus grausam zum Fraß vor und mästeten das hässliche Ungeheuer, nachdem sie Griechenland die Augenlichter ausgerissen hatten.‘ Schicht (I). Die schwache Eintragung steht marg. rechts neben Z. 15. Sie ist rechts durch den Blattzuschnitt verstümmelt. Der letzte Buchstabe könnte daher auch der Rest eines anderen Schriftzeichens sein. Vor c könnte auch etwas eingeritzt sein. Der aufsteigende Buchstabe nach cc-a ist in der Form unklar. casc|: Vermutlich verstümmeltes Wort mit Präfix ahd. gi[], dessen Wurzelmorphem nicht ermittelt werden konnte. Als Lemmata kommen der Position gemäß addicebant oder informe infrage. 11. f. 30v, Z. 23, praefecto – grauin (f. 30v, Z. 20) … sardana/ (21) pallus uir muliere corruptior, qui inter / (22) scortorum greges femine habitu pur/ (23) puram collo tractans, a praefecto suo arbato // (f. 31r, Z. 1) qui tunc medis praeerat uisus (I,19,1; CSEL V,70,13) ‚Als Sardanapalus, ein Mann verdorbener als eine Frau, inmitten einer Herde von Huren ein Frauengewand aus Purpur trug, wurde er von seinem Präfekten Arbatus, der damals den Medioniern vorstand, gesehen.‘ Schicht (I). Die Griffeleintragung steht in schwacher, aber regelmäßiger Einprägung unterhalb von p̄ fecto im unteren Blattrand. Offenes alemannisches g. grauin: Dat. Sg. sw. M. ahd. grāvo ‚Graf, Statthalter, Vorsteher‘ – AWB 4,399. SpAW 1,319. GSp 4,312. StWG 238, 819. SchG 4,28. EWA 4,577.

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12. f. 31v, Z. 7, (aepulas?) – fursodta – Glaser 1996, Gl. Nr. 9: f. 30v, Z. 7, ..sotit (1) … astragis / (2) oblitus sceleri sui quod in harpulum / (3) dudum admiserat cum filium eius uni/ (4) cum et paruulum interfecit aepulan/ (5) dumque patri adposuit ac ne quidem / (6) fielicissimę12 (Ed. infelicissimae) orbitati felix ignoranti / (7) subtraheret infamet (Ed. infames) aepulas osten/ (8) sis patri cum capite manibus inpropera/ (9) uit (I,19,7; CSEL V,72,2) ‚Astyages hatte das Verbrechen vergessen, das er unlängst an Harpalus begangen hatte, als er dessen einzigen und kleinen Sohn getötet und dem Vater an einem Gastmahl serviert hatte. Und weil selige Ahnungslosigkeit diesen unglücklichsten Verlust vermindert hätte, verspottete er den schändlichen Schmaus, indem er dem Vater die Hände und den Kopf zeigte.‘ Schicht (I). Die Glosse ist auf f. 31v, marg. links, eingetragen. Bei der von Glaser auf f. 30v ermittelten Eintragung handelt es sich um die Durchprägung auf dem darunterliegenden Blatt. Diese ist wegen der Qualität des Pergaments um vieles besser lesbar als die Direkteinprägung, deren vollständige Entzifferung trotz der kraftvollen Einritzung nicht möglich war (vgl. dazu die beiden folgenden Glossen). fur ist schwach, f nicht sicher, vielmehr eine aufragende Linie, die – nimmt man Spuren links daneben hinzu – auch d-Schaft sein könnte. Der t-Balken schwingt rechts in hochstehendes unziales a um. Oberhalb von -ta steht von demselben Griffel der Korrektureintrag in (zu felicissimę Z. 6). Aus der Position der Eintragung zu schließen, befindet sich das Lemma in Z. 7. fursodta: Möglicherweise Akk. Pl. F. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. firsōden ‚verbrühen‘ zu lat. aepulas, als bislang unbelegte Kausativbildung zum st. V. ahd. firsiodan ‚zerkochen‘ – GSp 6,165. Theoretisch nicht auszuschließen ist auch Akk. Sg. st. F. ahd. *fursōdta ‚sättigendes, üppiges Mahl, Schmaus‘ zu aepulas (vgl. got. st. N. sōþ ‚Sättigung‘, sw. V. sōþjan ‚sättigen‘13), wobei beim althochdeutschen Wort die Möglichkeit eines mit t-Suffix gebildeten -ō(-ōn)-stämmigen F. zu einem Verb *fursōden? ‚satt machen‘? (Wilmanns 1899: §255,2.d.), oder eines jō-Stamms besteht und dann als Geminatenschreibung anzusehen wäre, eine Graphie, die für die Geminate vorahd. /þþ/ in der älteren Zeit (8./9. Jh.) vorkommt (BRG §167,A.10).

|| 12 Korrigiert mit Tinte aus filicissimę, davor mit Griffel in; siehe im Folgenden. 13 Vgl. Casaretto (2004: 457f.). Zur Grundlage eines tu-Abstraktums *sā-tu- ‚Sättigung‘ vgl. Heidermanns (1993: 458f.) mit weiterer Literatur.

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Abb. 8: Ahd. Griffelglosse: Clm 6308, f. 31v, Z. 7, fursodta (Nr. 12), hier in der Abbildung die besser sichtbare Durchprägung auf f. 30v

13. f. 31v, Z. 13, (copiis) – scazza – Glaser 1996, Gl. Nr. *4: f. 30v, Z. 14, ?..fu (12) … quio conperto astra/ (13) ges raptis secum copiis in persas ipse / (14) proficiscitur acriusque certamen instau/ (15) rat (I,19,8; CSEL V,72,5) ‚Als er das erfahren hatte, zog Astyages, nachdem er hastig die Truppen / Kriegsmittel zusammengerafft hatte, selbst gegen die Perser und nahm den Kampf noch herber wieder auf.‘ Schicht (I). Die Glosse steht marg. links auf f. 31v und ist hier fast nicht lesbar. Die Durchprägung auf f. 30v (vgl. Ed. Glaser) ermöglicht dagegen die gegebene Lesung. scazza: Nom. (?) Akk. (?) Pl. st. M. ahd. scaz ‚Reichtum, Geldmittel‘ – GSp 6,557. SpAW 1,834. StWG 534, 830. SchG 8,291. Die Forminkongruenz zwischen Lemma und Glosse könnte von einer mitgedachten ahd. Nebensatzparaphrase herrühren (Akk.-Objekt zu rapere). 14. f. 31v, Z. 16, (moleretur) – soahta – Glaser 1996, Gl. Nr. L4: f. 30v, Z. 16, ?cho (15) … proposito suis metu si quis e proelio / (16) caedere moleretur ferro exciperetur (I,19,8; CSEL V,72,7) ‚Dabei hatte er seinen Truppen mitgeteilt, dass, wenn jemand aus Angst versuchen sollte, sich aus dem Kampf zu entfernen, er durch das Schwert getötet würde.‘ Schicht (I). Die Glosse befindet sich marg. links auf f. 31v, wo sie nur resthaft lesbar ist. Besser sichtbar ist sie in der Durchprägung f. 30v (vgl. Glossen Nr. 12 und Nr. 13). soahta: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. suohhen ‚versuchen‘ – GSp 6,78. SpAW 1,784. StWG 610, 854. SchG 9,348. RSV 1,213.

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15. f. 32v, Z. 12, (impetatibus) – eerlosin – Glaser 1996, Gl. Nr. 10: ?..los .. (10) … aremu/ (11) lus quod per (p nachträglich eingefügt) annos XVIII flagitiis impetati/ (12) busque (Ed. inpietatibus) crescens (I,20,5; CSEL V,74,5) ‚König Aremulus, der während achtzehn Jahren unter Schändlichkeiten und Gottlosigkeiten groß geworden war‘. Schicht (I). Die Glosse steht marg. links neben Z. 12. Am Anfang und Ende ist sie schwach, los ist gut lesbar. eerlosin: Nom. Sg. (?) Dat. Sg. (?) Nom. Pl. (?) sw. F. ahd. ērlōsī ‚Gottlosigkeit‘ – AWB 3,423. Vgl. auch EWA 2,1143. Glaser (1996: 575) zieht ebenfalls eine Ableitung von ērlōs in Betracht. Das īn-stämmige Wort war bisher nur aus ‚Bamberger Glauben und Beichte‘ (12. Jh.) bekannt. Vgl. dazu auch das st. F. ahd. ērlōsida in der althochdeutschen Benediktinerregel zum Textwort impietatem (AWB 3,423). Es ist außerdem auch nicht auszuschließen, dass flagitiis glossiert ist. 16. f. 32v, Z. 13, (iudicio) – sto¯ (10) … rex aremu/ (11) lus … / (12) … ad postremum diuino iu/ (13) dicio fulmine interceptus (I,20,5; CSEL V,74,5) ‚König Aremulus wurde endlich durch göttliches Urteil vom Blitz erschlagen.‘ Schicht (I). Die deutlich eingedrückte Eintragung steht marg. links neben Z. 13, zusammen mit , unmittelbar unter der Glosse eerlosin (Gl. 15). Rechts oberhalb von o beginnend steht ein markanter Querstrich, der gegen Ende schräg nach oben weist. Vor s sind, schwächer, vermutlich von anderem Instrument und damit eher nicht zur Glosse gehörig, weitere Ritzungen zu erkennen. sto¯: Vielleicht Dat. (?) Sg. st. F. ahd. stō ‚Strafgericht‘, wō-Stamm, möglicherweise mit altem Nom. Sg. stō, eine Form, zu welcher der Dat. Sg. ebenfalls als stō anzusetzen ist.14 Das Wort war bisher nur im Kompositum stūatago des Muspilli (got. Lehnwort?15) belegt. Ähnlich wie im Muspilli erscheint hier dem Kontext gemäß eine aktive Bedeutung des Grundwortes ahd. stu[o]en als ‚strafen‘ ebenso plausibel wie die passive im Sinne von ‚büßen‘.16 Unklar bleibt, ob der Querstrich für die Glosse eine Bedeutung besitzt, und wenn ja, welche.

|| 14 Vgl. Baesecke (1918: 148,§81); vgl. auch BRG (§208,A.5) und Nievergelt/Glaser (2016: 327). 15 Vgl. u. a. Casaretto (2004: 103) sowie insbesondere Reiffenstein (1958: 28–31). 16 Vgl. zu dieser Frage die Ausführungen bei Müller (1957: 318–321).

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Abb. 9: Ahd. Griffelglossen: Clm 6308, f. 32v, Z. 12f.: eerlosin und sto¯ (Nr. 15 und 16)

17. f. 34r, Z. 8, (copias) – megin – Glaser 1996, Gl. Nr. *5: .oc?? (8) multa in auxilium copias utrimque / (9) duxerunt (I,21,9; CSEL V,77,1) ‚Beide Seiten führten viele Truppen zur Unterstützung heran.‘ Schicht (I). Die Glosse steht mit meg deutlich eingedrückt marg. rechts neben Z. 8. Am Ende ist sie schlecht lesbar. megin: Akk. Pl. st. N. ahd. megin ‚Stärke, Macht, hier: Schar, Truppe‘ – AWB 6,58. GSp 2,620. SpAW 1,581. SchG 6,303. EWA 6,22. Die Bedeutung ‚Schar, Truppe‘ trägt das Wort im Altsächsischen (im Heliand; vgl. ASHWB 265). 18. f. 40r, Z. 1, (pellexerat) – pisuuih| (f. 39v, Z. 23) … sabinorum // (f. 40r, Z. 1) quos foedere ludis pellexerat17 femi/ (2) nas … praesumpsit (II,4,5; CSEL V,89,1) ‚Er raubte den Sabinern, die er durch Vertrag und Spiele angelockt hatte, die Frauen.‘ Schicht (I). Die Glosse steht marg. rechts, zusammen mit , und ist wohl rechts verstümmelt. Sie stammt evtl. vom selben Griffel wie die Korrektur am Lemma. pisuuih|: Vermutlich Inf. st. V. ahd. biswīhhan ‚betrügen, verführen‘ – GSp 6,866. SpAW 983. StWG 618, 831. SchG 9,411.

|| 17 Die Korrektur mittels el über pl ist mit Griffel eingetragen.

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19. f. 41v, Z. 21, (plurimum?) – fol (20) … que res in illo / (21) tunc bello plurimum emolumenti18 / (22) tulit (II,5,4; CSEL V,92,11) ‚Dies brachte dann in jenem Krieg sehr viel Profit.‘ Schicht (I). Die Eintragung steht marg. links neben Z. 21, zusammen mit . fol: Nicht ganz klar. Gekürztes Adv. ahd. follo? ‚zur Genüge‘ – AWB 3,1025. GSp 3,480. SpAW 1,253. StWG 169, 846. SchG 3,235. EWA 3,445. 20. f. 43v, Z. 12, (segnior) – tracor (12) … nec peragendo segnior / (13) totis copiis perpeti (II,6,4; CSEL V,95,13) ‚Und nicht träger beim Vollzug hielt er mit allen Truppen standhaft durch.‘ Schicht (I). Die Glosse steht kräftig eingedrückt marg. links neben Z. 12f., mit ausgreifendem r und schwachem cc-a. Schluss-r steht bereits im Textfeld. tracor: Adv. Komp. ahd. trāgōr zu Adj. ahd. trāgi ‚träge‘ – GSp 5,502. SpAW 1,1009. StWG 631, 831, 855. SchG 10,22. 21. f. 45r, Z. 7, (expeditione) – farte – Glaser 1996, Gl. Nr. *6: q..te (5) … amplissima orientis / (6) cum capite suo brachia unius proelii / (7) expeditione ceciderunt (II,6,14; CSEL V,98,5) ‚Die weitumfassendsten Glieder des Orients und ihr Kopf fielen durch den Feldzug einer einzelnen Schlacht.‘ Schicht (I): Die Eintragung steht marg. rechts neben Z. 7. rt stehen in hoher Ligatur. e besitzt eine weit ausgreifende Zunge (vgl. Glaser 1996: 579). farte: Dat. Sg. st. M. (?) ahd. fart ‚Heerfahrt, Feldzug‘ – AWB 3,631. GSp 3,579. SpAW 1,208. StWG 142, 807. SchG 3,68. EWA 3,73. Formal unklar: Liegt ein Beleg für das Maskulinum vor, welches ansonsten nur bei Otfrid in Eindeutigkeit belegt ist (AWB 3,631)? 22. f. 45v, Z. 10, (hostium) – fianto (8) … thamiris exercitu ac filio amis/ (9) so uel matris uel reginae dolorem / (10) sanguine hostium diluere prius quam / (11) suis lacrimis parat (II,7,4; CSEL V,99,5) ‚Thamyris rüstete sich, nachdem er sein Heer und seinen Sohn verloren hatte, den Schmerz der Mutter und Königin lieber mit dem Blut der Feinde als mit den eigenen Tränen zu lindern.‘ Schicht (I). Die am Anfang sehr schwache und nur mühevoll lesbare Griffelglosse steht marg. links neben Z. 10. nt in Ligatur. Schluss-o ist schwach, aber eindeutig. fianto: Gen. Pl. st. M. ahd. fīant ‚Feind‘ – AWB 3,792. GSp 3,380. SpAW 1,228. StWG 150. SchG 3,149. EWA 3,199. || 18 emolumenti ist intl. mit lucri ł. premii. (Fd.) glossiert.

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23. f. 53r, Z. 5, (incanduit) – fiure| (f. 52v, Z. 22) … romae … / (23) … // (f. 53r, Z. 1) … grauis / (2) pestilentia … / (3) … / (4) … Per uniuersam ciui/ (5) tatem uiolenter incanduit (II,12,2; CSEL V,110,15) ‚In Rom entbrannte in der ganzen Bürgerschaft heftig eine schwere Pest.‘ Schicht (III). Die schwache Glosse steht, zusammen mit einer Verweismarke , marg. rechts neben Z. 5. e ist rechts angeschnitten. Ihr gehen weitere, schwache Griffelspuren voraus. fiure|: Sw. V. ahd. fiurēn ‚entbrennen‘ – AWB 3,931. GSp 3,677. SpAW 1,239. StWG 161. SchG 3,188. EWA 3,334. Die grammatische Form ist nicht zu ermitteln. Die Glosse könnte sich auch auf das Textwort ardere in Z. 6 beziehen. 24. f. 53r, Z. 13, (tabe) – suht – Stach 1951, 347,27: sûht; Glaser 1996, Gl. Nr. 13: suht (9) Nam eo anno … / (10) … pestilentia … / (11) … / (12) … / (13) plebem foeda tuabe19 deleuit (II,12,3; CSEL V,111,4) ‚Denn die Pest hat in jenem Jahr das Volk mit einer schrecklichen Fäulnis vernichtet.‘ Schicht (I). Die Glosse steht marg. rechts neben Z. 13. Dank erhaltener Farbe ist sie selbst bei Auflicht gut sichtbar. Der Schlussbuchstabe ist schwächer. Zur Korrektur der Lesung Stachs und der Bestimmung der Glosse (Nom. Sg. st. F. ahd. suht ‚Seuche‘) vgl. die Edition bei Glaser (1996: 576). 25. f. 73r, Z. 6, (cratem?) – ṕur| / . – Glaser 1996, Gl. Nr. *7: ó.t (5) … Contexui indigestae20 / (6) historiae inextricabilem cratem adque / (7) incertos bellorum orbes huc et illuc / (8) lympatico fourore gestorum uerbis e ues/ (9) tigio secutus implicui (III,2,9; CSEL V,144,15) ‚Ich habe ein unentwirrbares Geflecht einer verworrenen Geschichte geknüpft, und ich habe unbestimmte Windungen von Kriegen, die hier und dort mit einer wahnsinnigen Besessenheit geführt wurden, eingewickelt.‘ Schicht (I). Die Glosse steht marg. rechts neben Z. 6, zusammen mit einer Verweismarke . Das Blatt ist seitlich stark beschnitten; die Eintragung dürfte verstümmelt sein. ṕur ist deutlich lesbar. Ein resthafter Buchstabe unter r verweist vielleicht auf eine zweite Glossenzeile. Von der wohl weggeschnittenen Partie ist auf der sehr schwachen Durchprägung auf f. 74r praktisch nichts zu erkennen. ṕur| / .: Die Position der Eintragung deutet auf einen Bezug zum Text in Z. 6. Lemma dürfte cratem sein, wobei an ein Verbalabstraktum *wurht ‚Hergestelltes, Erdichtetes‘ (auch ‚Geflochtenes‘?; vgl. StSG 1,388,43) zu denken wäre. Belegt ist das st. F.

|| 19 Die Korrektur aus tube mittels mit Feder übergeschriebenem a (vgl. Glaser 1996: 575) ist mit dem Schreibinstrument der Glosse vorgeschrieben. 20 indigestae ist intl. bis marg. mit indescriptę. ł ordinatę / ł dispositę (Fd.; 2. Z. darüber) glossiert.

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ahd. giwurht (GSp 1,975. SpAW 1,1161. StWG 229. SchG 11,307) in dieser Bedeutung. Eine zweite Deutungsmöglichkeit ergibt sich mit dem Textwort orbes (Z. 7), wonach in dem Glossenrudiment ein unbelegtes Simplex st. F. ahd. *(h)wurft, ‚Drehung, Windung‘ vermutet werden könnte. Vgl. Zusammensetzungen wie umbi(h)wurft ‚Himmelskreis, Umlauf‘ (GSp 4,1238) und in den St. Pauler Lukasglossen uniuersus orbis – alliu umbiuurft (StSG 1,730,11). 26. f. 86v, Z. 7, (uocibus efferant) – casprehhont – Stach 1951: 348,1: sprehhont; Glaser 1996, Gl. Nr. 14: ?sprehhont (6) … multis/ (7) que haec uocibus efferant (III,14,8; CSEL V,168,5) ‚… und sie mögen das mit vielen Worten vortragen‘. Schicht (I). Die leicht farbige Glosse steht marg. links neben Z. 7 und ist vom Blattzuschnitt leicht getroffen. Vor s ist cc-a einwandfrei lesbar sowie davor c resthaft, aber identifizierbar zu erkennen. In den beiden h werden die Schäfte aus einer von tief unten weit aufsteigenden Linie und der folgenden Senkrechten geradezu doppelt gezogen. Die Zunge von e führt steil auf die Basislinie hinunter. casprehhont: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. gisprehhōn ‚vortragen‘. Es dürfte sich um den frühesten Beleg dieses ōn-Verbs handeln. Ahd. *sprehhōn ist damit weiterhin nicht unpräfigiert belegt und das Simplex aus den Wörterbüchern (SpAW 1,910. StWG 580. SchG 11,126) zu streichen. (filo- im Interpretament der Glosse filosprechot in StSG 4,5,44 interpretiert Krotz 2002: 366 als Präfix, SchG 11,126 dagegen als Adverb.) 27. f. 90r, Z. 8, (infulis) – chupha (7) … ibi ex multis / (8) sibi regibus cum infulis ultra21 occurren/ (9) tibus alios alelegit (III,16,11; CSEL V,174,11) ‚Er verband sich mit einigen von den vielen Königen, die ihm dort mit wollenen Kopfbinden der Schutzflehenden entgegenkamen.‘ Schicht (I). Die Glosse steht in leichter Färbung marg. rechts neben Z. 8, zusammen mit einer Verweismarke . Der Schaft von h ist schwungvoll von links eingebogen, Schluss-cc-a nur schwach. Intl. über infulis steht die Federglosse sacerdotalib; uestib;. chupha: Nom. Pl. (?) st. F. ahd. kupfa ‚Kopfbedeckung, Kopfbinden, Turban‘ – AWB 5,534. SpAW 1,1223. StWG 354. SchG 5,394. EWA 5,913. bezeichnet die Affrikate (vgl. SchABG §60). Zur Interpretation des Wortes als germanisches Erbwort vgl. EWA 5,913.

|| 21 Intl. über ultra steht die Federglosse sponte.

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Abb. 10: Ahd. Griffelglosse: Clm 6308, f. 86v, Z. 7: casprehhont (Nr. 26)

Abb. 11: Ahd. Griffelglosse: Clm 6308, f. 90r, Z. 8: chupha (Nr. 27). Die Aufnahme illustriert beispielhaft, wie schwach die Glossen aus der Schicht I eingeprägt sein und nur dank Farbspuren gesehen werden können. Gleichzeitig zeigt die Illustration die Grenzen der statischen Fotographie, die eingeprägte Glossen in der Regel nicht in allen Teilen wiederzugeben vermag. Bei wanderndem Licht lässt sich der Eintrag vollständig lesen.

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28. f. 126r, Z. 5, (obrueret) – pisuua| (5) … quo22 celerius imperatum obrueret / (6) … arripuit propiorem / (7) … uiam (IV,15,2; CSEL V,246,7) ‚Damit er ihn schneller vernichten könnte, wählte er den näheren Weg.‘ Schicht (IV). Die schwache Eintragung, die fast nur durch ihre Färbung erkennbar ist, steht marg. rechts neben Z. 5 und ist vermutlich rechts beschnitten. pisuua|: Möglicherweise sw. V. ahd. biswāren ‚erdrücken, beschweren‘ – GSp 6,892. SpAW 1,972. StWG 613. SchG 9,370. RSV 1,219, das in der Glossenüberlieferung als Interpretament zu obruere belegt ist (StSG 2,35,54). 29. f. 128r, Z. 20, (blandientem) – flehon| (20) qui aceruiorem uocant blandientem (21) … deum / (22) quam … / (23) … diabolum (IV,6,39; CSEL V,224,17) ‚Sie nennen den schmeichelnden Gott strenger als den Teufel.‘ Unsicher ob Schicht (IV). Die sehr schwache, schwärzliche Farbstiftglosse steht marg. rechts neben Z. 20 und ist rechts beschnitten. flehon|: sw. V. ahd. flēhōn ‚schmeicheln, besänftigen‘ – AWB 3,948. GSp 3,755. SpAW 1,241. StWG 163, 810, 845. SchG 3,201. RSV 2,44. EWA 3,364. Die grammatische Form ist nicht zu ermitteln. 30. f. 141r, Z. 7, (concubia) – folslaf| (7) … Nocte concubia fecit incendi (IV,18,18; CSEL V,257,18) ‚Er (Scipio) ließ (die Winterlager) nachts zur Zeit des ersten Tiefschlafs anzünden.‘ Schicht (IV). Die Glosse steht marg. rechts zusammen mit einem Trigon , sie ist leicht farbig. Das erste l ist unsicher, vielleicht stehen dort auch zwei Buchstaben. Schluss-f ist rechts angeschnitten. concubia ist intl. mit Feder glossiert mit a cubare siue dormire . dicta. folslaf|: Vielleicht ein Kompositum aus Adj. ahd. fol ‚voll-‘ (AWB 3,1025) und st. M. ahd. slāf ‚Schlaf‘ (GSp 6,801) in der Bedeutung ‚Tiefschlaf, Vollschlaf‘. fol(la)- als Vorderglied bzw. Präfix in der Bedeutung ‚voll-‘ ist aus mehreren althochdeutschen Komposita bekannt (SpAW 2,43). 31. f. 141r, Z. 11, (obpraessi) – zastor| (10) … quare facile ab armatis / (11) obpraessi sunt (IV,18,19; CSEL V,258,1) ‚Daher wurden sie (die Punier) von den Bewaffneten leicht im Kampf vernichtet.‘

|| 22 Über quo steht mit Griffel .li.

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Unsicher ob Schicht (IV). Die Glosse steht marg. rechts und wurde beim Blattschnitt verstümmelt. zastor|: Sw. V. ahd. zistōren ‚vernichten‘ – GSp 6,708. SpAW 1,943. StWG 596. SchG 9,250. RSV 1,207.

3.4.2 Unsichere Fälle Die folgenden Eintragungen könnten ebenfalls althochdeutsch sein, bilden aber aus unterschiedlichen Gründen unsichere Fälle: 1.* f. 18r, Z. 6, (?) – asca – Glaser 1996, Gl. Nr. L1. aia (ediert als zweite Zeile einer partiell gelesenen lateinischen Glosse. Siehe lat. Griffelglosse Nr. 2 im folgenden Kap. 3.4.3). Schicht (I). Die Eintragung steht marg. rechts neben Z. 6, neben exustis. Man ist versucht, wegen der Textstelle de exusis urbibus in der Glossierung das st. sw. F. ahd. aska ‚Asche‘ (AWB 1,673. EWA 1,364) zu sehen, doch passte ein solches Interpretament zu den konkreten Textwörtern weder formal noch semantisch. 2.* f. 27v, Z. 3, intl. unter CCCCLXXX – .aro – Glaser 1996, Gl. Nr. 8: ịaro Schicht (II). Die Eintragung steht unterhalb von CCCC. Die erste Linie ist hoch und gebogen und könnte auch s sein. In den folgenden Linien kann zwar durchaus ein unziales a mit langer Rückenlinie gesehen werden, aber es fehlt der organische Zusammenhalt. Der volkssprachige Charakter (Gen. Pl. st. N. jār ‚Jahr‘? – AWB 4,1782) ist durch diesen paläographischen Befund wohl nicht gesichert. Zudem fehlt ein direkter positioneller und sprachlicher Textbezug. Zur Textstelle und einer Deutung der Eintragung als Kontextglossierung vgl. Glaser (1996: 573). Nach äußeren Merkmalen wäre eine Glossierung von meridiem plausibler. Die Eintragung gehört überdies zu einer Eintragungsschicht, die vornehmlich Ausschreibungen römischer Zahlzeichen enthält. Siehe dazu im folgenden Kap. 3.4.3. 3.* Vielleicht ebenfalls volkssprachig ist die lediglich als z.s(…) gelesene Federeintragung auf f. 51r, marg. rechts neben Z. 13 (vgl. Glaser 1996: 564). 4.* Unklar ist auch die f. 149v inmitten von Federproben geschriebene blasse Federeintragung zo..luno. Bei der Griffeleintragung auf f. 12v, Z. 8 m. l., bei Glaser 1996, Gl. Nr. *1: ???a, handelt es sich vermutlich nicht um eine Textglosse. Sie ähnelt vielmehr einer Schreibprobe aus aneinandergereihten Bogenformen.

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3.4.3 Lateinische Griffelglossen L1. f. 8r, m. u. (zu I,2,47) – & potestas – Glaser (1996: 564f.), mit spitzem Griffel, der sonst nicht nachzuweisen ist. Über der Eintragung steht mit Griffel noch einmal &. L2. f. 18r, Z. 5, (6?), m. r. (infeci, I,5,4; Ed. infici) – consopir. – Glaser 1996, Gl. Nr. L1: conso? aia. Schicht (I). Bei der zweiten Glossenzeile handelt es sich vermutlich um eine selbständige Glosse; siehe die unsichere althochdeutsche Gl. Nr. 2* im vorigen Kapitel. In der ersten Zeile ist das Verb lat. consopire ‚völlig betäuben‘ – GH 1,1541 zu erkennen. L3. f. 20r, Z. 7, m. r. (breuiator, I,8,1) – scriptor (-r fast ganz weggeschnitten), mit einer Verweismarke . Schicht (I). L4. f. 25r, Z. 5, m. r. (propalate, I,10,18) – aperte – Glaser 1996, Gl. Nr. L2: c.est. Die Glosse steht zusammen mit einer Verweismarke . Schicht (I). L5. f. 26v, Z. 3, m. l. (adsęcula, I,12,5; Ed. adsaeculam) – mansor – Glaser 1996, Gl. Nr. 7: m.aisar. Die Glosse ist wegen ihrer rötlich-bräunlichen Färbung gut zu erkennen. Schicht (I). Sie ist, entgegen der Vermutung bei Glaser (1996: 573), lateinisch. L6. f. 27v, Z. 9, m. l. (stolide, I,14,2) – stulte. Die Glosse ist schwach farbig. Schicht (I). L7. f. 28r, Z. 1, m. o. (infinitis, I,14,4) – n·firmis – Glaser 1996, Gl. Nr. L3: ..firm..??. Schicht (I). L8. f. 31r, Z. 4, m. r. (ardenti?, pyriorum?, aus pyr[ae se iniecit. Exin regnum Assyr]iorum], I,19,1) – ignibus – Glaser, Gl. Nr. L5: ignib.? -us in Ligatur. Schicht (I). L9. f. 32r, Z. 13, m. r. (commentis?, I,20,1) – consiliis – Glaser 1996, Gl. Nr. L6: consu?, mit einer Verweismarke . Schicht (I). L10. f. 53v, Z. 12, m. l. (fasces?, II,12,8) – fructu. Schicht (IV) (?). Farbstiftglosse. (L11.) Wahrscheinlich lateinisch ist ein längerer dreizeiliger Eintrag auf f. 92r, Z. 6/7, m. r. (III,18,3). Vermutlich dreimal sunt, mit zweifelhaftem Glossencharakter. Bei einer Reihe von Einritzungen der Eintragungsschicht (II) handelt es sich um, oft nur resthaft lesbare, Ausschreibungen römischer Zahlen (vgl. Glaser 1996: 564), z. B.: f. 2v, Z. 23, intl. II X V – (…); f. 5v, Z. 17, intl. XXXII – triginta, ebenso m. l. trigi; f. 11v, m. u., unter dccc – octoginta; f. 14v, Z. 13, intl. CIVIIII – ...; f. 14v, Z. 14, intl. CLXXVII – ...; f. 15r, Z. 5, intl. CCLXXX – ui?; f. 16v, Z. 14, m. r. nach L (annis) – quinq; f. 20r, Z. 2, intl. CCVIII – octo; f. 38r, Z. 7, intl. LII – (…)ta. Siehe im vorigen Kap. auch die Glosse Nr. 2.* Ein in Glaser (1996: 565) erwähnter Griffeleintrag marg. unten auf f. 126r, mit welchem ein Teil des Werktextes wiederholt sei, konnte nicht gefunden werden.

Edition | 253

3.4.4 Unidentifizierte und sonstige Griffel- und Farbstifteintragungen Unidentifizierte Eintragungen Von mehreren Griffeleintragungen konnten nur einzelne Buchstaben ermittelt werden, von welchen hier nur die deutlichen angegeben werden: f. 2v, m. u. Farbstiftspuren sowie eine längere Einritzung; f. 4r, Z. 19, m. r.; f. 13v, Z. 16, intl. affricae; f. 14v, Z. 15, intl. affrico; f. 15r, m. u. qu; f. 15v, Z. 11, orbis; f. 18v, Z. 2, intl. masculos; f. 18v, Z. 7, m. l. (sulphor?, I,5,9); f. 18v, Z. 7, intl. totam – ca (ahd.?); f. 18v, Z. 15, intl. diuinae; f. 19r, Z. 10, m. r. t / p.; f. 21r, Z. 9, m. r. (reticentibus?, I,8,9) – ca/n..; f. 22v, Z. 13/14, m. l., zweizeilig; f. 23r, Z. 6, m. r.; f. 23v, Z. 1, m. o., sic pro enim &; f. 24r, Z. 6, intl. erumpentem – son.... (Glaser 1996, Gl. Nr. 6: pim....), Glosse bei durch das Pergament durchscheinendem Licht sichtbar; f. 24r, Z. 15, m. r. e (mit ); f. 25r, Z. 15, m. r.; f. 25v, Z. 13 m. l.; f. 27v, Z. 22, m. l. fu(…); f. 29v, Z. 22/23, m. l. zweizeilig; f. 31r, Z. 6, m. r. stu(…) (Schicht I, zusammen mit einer Verweismarke ); f. 32v, Z. 8, m. l.; f. 36r, m. o.; f. 40v, Z. 8, m. r. (?) – e (darüber ~); f. 40v, Z. 13, intl. socii – cios (I); f. 40v, Z. 17, emicant – .uue.; f. 40v, m. u.; f. 45r, Z. 10, intl. magis; f. 50r, Z. 11, m. r.; f. 50v, Z. 11, m. l.; f. 51v, Z. 23, m. l.; f. 52r, Z. 2, m. r. (Schicht III); f. 52r, Z. 5, m. r.; f. 53r, Z. 6, m. r. (Schicht III); f. 60r, Z. 18, m. r. c; f. 61r, Z. 12, m. r. es (mit ); f. 60v, Z. 15, concessit; f. 64v, Z. 13, miserabiles; f. 71v, Z. 14, m. l. (Schicht III, unterhalb ); f. 82r, Z. 8, m. r. pi.. (mit ); f. 93v, Z. 11, m. l.; f. 96v, Z. 10, m. l. ... / pi..; f. 99r, Z. 6, m. r.; f. 99v, Z. 8, m. l. .on; f. 99v, Z. 15, m. l. ..in; f. 103r, Z. 12, m. r.; f. 103v, Z. 9, m. l. (Schicht III. Glaser 1996, Gl. Nr. 15: f. 102v, Z. 9, .ar??); f. 109v, Z. 11, m. l. (mit ); f. 116v, Z. 12, m. l. (mit ); f. 119v, Z. 14, m. l. (mit ); f. 121r, Z. 23, m. r.; f. 124r, Z. 8, m. r. (mit ); f. 125r, Z. 3, m. r.; f. 125r, Z. 9, m. r. (mit ); f. 125v, Z. 3, intl. fluuium congressus – au.. (Glaser 1996, Gl. Nr. *9: auit); f. 126r, Z. 3, m. r. (Schicht III); f. 125v, Z. 11, m. l. zweizeilig (mit ); f. 126r, Z. 5, intl. quo – .li.; f. 126r, Z. 15, m. r.; f. 127r, Z. 17, m. r. (mit ); f. 128r, Z. 23, m. r.; f. 129r, Z. 13, m. r. (mit ); f. 131r, Z. 13, m. r. (Schicht III); f. 131r, Z. 14, m. r. (Schicht III, mit ); f. 138v, Z. 10, m. l.; f. 138v, Z. 16, m. l. (Schicht IV); f. 139v, Z. 22, m. r.; f. 141r, Z. 5, m. r. (mit ; zu hiberna?); f. 144r, Z. 12, m. r.; f. 145r, Z. 19, m. r. (mit ); f. 145r, Z. 22, m. r. (mit ); f. 145v, Z. 14, m. l.; f. 145v, Z. 18/19 m. l. cad..ioso (Farbstift). Zahlreiche, zumeist sehr schwache Griffel- und Farbstifteintragungen blieben für uns völlig unlesbar: f. 4r, Z. 19, intl. transuersi; f. 4r, Z. 22, m. r.; f. 13r, Z. 17, intl. maiores; f. 18v, Z. 13, intl. inrigauerant; f. 19r, Z. 19, spectare; f. 19r, Z. 22, intl. paruam; f. 19r, m. u.; f. 21r, Z. 15, intl. exsoluit; f. 19v, Z. 2, m. l.; f. 23v, Z. 5, m. l.; f. 24r, Z. 16, intl. postremo; f. 24r, Z. 17, intl. aegypto; f. 24r, m. u. längere Einritzung; f. 32r, Z. 7, intl. ciuitatem; f. 33v, Z. 10, m. l.; f. 35r, Z. 7, intl. impediri; f. 40v, Z. 22, m. l. (Farbstift); f. 42r, Z. 5,

254 | München, BSB Clm 6308 (BStK-Nr. 525)

m. r.; f. 42v, Z. 6, m. l.; f. 43v, Z. 6, intl. offensi; f. 43v, Z. 8, m. l.; f. 44r, Z. 19, m. r.; f. 44v, Z. 13, m. l.; f. 44v, Z. 19, intl. confirmat; f. 45r, Z. 3, intl. proxima; f. 45r, Z. 5, intl. amplissima; f. 45v, Z. 4, 6, 7 intl.; f. 45v, Z. 14, m. l.; f. 48r, Z. 5, m. r.; f. 49r, Z. 8, m. r.; f. 51r, Z. 5 (mit ); f. 51v, Z. 12, m. l.; f. 56r, Z. 3, m. r.; f. 57v, Z. 11, m. l.; f. 62r, Z. 6, m. r.; f. 65v, Z. 11, m. l.; f. 74v, Z. 19, m. l.; f. 75v, Z. 10, m. l.; f. 81r, Z. 9, m. r.; f. 81v, Z. 14, m. l.; f. 96r, Z. 18, m. r. (Schwarzstift); f. 99v, Z. 17, intl. perdiccae; f. 102v, Z. 10, m. l. (mit ); f. 103r, Z. 8/9, m. r.; f. 105v, Z. 11, m. l.; f. 116v, Z. 10, m. l.; f. 118v, Z. 23, m. l.; f. 124v, Z. 2, m. l. (Farbstift, rückseitig als Druckstelle sichtbar); f. 125v, Z. 8/9, m. l. (mit ), die Eintragung im Bereich eines eingeritzten Ovals (Gesicht?); f. 126r, m. u.; f. 126v, Z. 18, m. l.; f. 127v, Z. 12, m. l. (mit ); f. 127v, Z. 19, m. l. (mit ); f. 128r, Z. 5, 7–9, m. r. mehrere Griffelspuren (mit neben Z. 5, 8); f. 128r, Z. 18, m. r.; f. 130v, m. r.; f. 131r, Z. 16, m. r.; f. 136v, Z. 8, m. l.; f. 141r, Z. 9, m. r.; f. 143r, Z. 18, m. r.; f. 145v, Z. 2, intl. cum; f. 145v, Z. 12, m. l. (mit ). Sonstige Griffeleintragungen Sonstige Griffeleintragungen finden sich auf f. 18r, m. u., Schreibübung aus lauter m; f. 20r, Z. 9, Hohlmajuskel ; f. 38v, m. l., Blattmotiv; f. 45v, m. l., Kritzeleien; f. 58r, m. u., d d; f. 66r, m. u., Kritzelei (Zeichnung einer Hand?); f. 71r, Z. 20, m. r., eingeritzte Kreuze; f. 73r, Z. 19/20, m. r., Kritzelei; f. 104r, m. u., f. 106r, m. u. Kritzelei; f. 109v, Z. 4 und f. 139v, m. l. eingestochene Punkte.

3.4.5 Althochdeutsche Federglossen Zu den 5 althochdeutschen Federglossen a) f. 4v, Z. 8, intl. meotidas – merilihun b) f. 4v, Z. 8, intl. paludes – mós c) f. 21r, Z. 14, intl. uectigal – zol · d) f. 40r, Z. 3, m. r. (ducem) – hericoho (mit Abklatsch auf f. 39v) e) f. 51r, Z. 8, m. r. (alites) – fogala vgl. die Editionen Stach (1951: 347f.), Mayer (1974: 82) und Glaser (1996: 568f., 571, 575). Zu b) enthält der Clm 17210 die Parallelglosse paludum (Ed. paludes) – ·i· coaceruatio aquę ·i· mos (StSG 4,340,26). Die althochdeutschen Federglossen des Clm 6308 sind aus verschiedenen Glossierungsarbeiten des 10. Jahrhunderts hervorgegangen (vgl. Glaser 1996: 565, 584, 586). Die Glossen a), b) und c) gehören paläographisch zu kopräsenten lateinischen Glossen und stammen von Händen, die auch Korrekturen anbrachten. Die Glossen d) und e) stehen dagegen beide isoliert. Die Glosse e) mit cc-a und offenem g sieht so aus, als wäre sie von einer alten Vorlage abgezeichnet worden. Vielleicht stammt von dieser ungeübten Hand auch die Änderung am Text auf f. 37v, Z. 16, wo tarquiniorum zu tarquinio romano abgeändert wurde.

Die Sprache der Griffel- und Farbstiftglossen | 255

3.5 Die Sprache der Griffel- und Farbstiftglossen Die sprachliche Untersuchung wird am Material der Glossen der Hauptschicht (Schicht I) durchgeführt, die Schlüsse zu Datierung und Dialekt werden für diese gezogen. Auf Glossen der anderen Schichten wird explizit verwiesen. Die dialektale Einschätzung erscheint einfacher als die zeitliche. Die in den Graphien der Glossen erscheinenden Lautverschiebungsprodukte wie , für vorahd. /t/ (Gl. 13; aus Schicht III Gl. 7) und für vorahd. /pp/ (Gl. 27) weisen auf hochdeutschen Sprachstand hin, die Schreibung für vorahd. /k/ (Gl. 27) insbesondere auf das Oberdeutsche. Mit ist die velare Affrikate intervokalisch (Gl. 3), mit im Anlaut vor Vokal (Gl. 27) wiedergegeben. Auf das Bairische deutet die durchgängige Schreibung von vorahd. /b/ als

(SchABG §69. Gll. 1, 8, 18, 28) sowie die Wiedergabe von /g/ durch und , wobei sich die Grapheme nicht auf An- und Inlaut, sondern auf die Position vor a, o (Gll. 1, 5?, 10, 20, 26) gegenüber derjenigen vor i (Gl. 17) verteilen. Vor Liquid steht in Gl. 11. Die Graphien und kommen im ganzen Korpus nicht vor. Kennzeichen des Oberdeutschen ist auch die Schreibung für vorahd. /ō/ (Gl. 14), die in den Freisinger Urkunden des 8. Jahrhunderts neben steht (BRG §39,A.3). /ō/ aus vorahd. /au/ zeigt vermutlich Gl. 12. Gleicht man die lautlichen Merkmale der Glossen mit den Standardgrammatiken ab, ergibt sich für die Sprache der Glossen eine Datierung in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts. Die Zeit nach 900 ist auszuschließen. Wegen durchgängiger

Schreibung für vorahd. /b/ und des a-Vokalismus in der Vorsilbe ahd. gi- (Gll. 1, 10, 26) ist eine Eintragung noch im 9. Jahrhundert anzunehmen. Das gilt im Falle von ahd. zi- auch für die Glosse 31 aus der Schicht IV (BRG §71f., §136). Gegen eine Eintragung schon im 8. Jahrhundert sprechen zunächst die graphische Kennzeichnung des Primärumlauts (SchABG §20f. Gl. 17), allenfalls das Fehlen des präkonsonantischen h in Gl. 25 sowie die Schreibungen für monophthongiertes /au/ (Gl. 12?, 15) und für vorahd. /þ/ (BRG §44 und A.2, §45, §167. Gl. 6)23. Andere Merkmale machen aber die Eintragung noch im 8. Jahrhundert möglich. Einige lautliche Erscheinungen weisen auf eine eher ältere Eintragung und vor die Mitte des 9. Jahrhunderts zurück, beispielsweise die durchgehende Graphie anlautend für /g/ (Gll. 1, 10, 26), für /f/ (Gll. 9, 12?, 19, 21, 22; haben auch die anderen Schichten: Schicht III: 23, Schicht IV: 29, 30) sowie in Gl. 26 einmal für intervokalisches vorahd. /k/ (BRG §138, §149,A.1. SchABG §61, §70c). Deutlich alt präsentiert sich der Vokalismus insbesondere bei den Präfixen ahd. ir-, fir- als ur- (Gl. 5), fur(Gl. 12), zusammen mit gi- als ca-. Ebenfalls als alt einzuschätzen ist die Schreibung zur Wiedergabe des alten /ō/ (Gl. 14). Auch die Wiedergabe der Vokalquantität

|| 23 Ob Schwund von präkonsonantischem /h/ in dem verstümmelten Beleg wur / . vorliegt (Gl. 25; vgl. BRG §153,A.1), hängt davon ab, welches Wort darin steckt.

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durch Doppelschreibung bei Langvokal (Gl. 15) kommt vor allem in den ältesten Quellen vor (BRG §7c). Eine sprachlich begründete Datierung der Glossen in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts muss schließlich anhand des Schriftbefunds diskutiert werden, gemäß welchem die Eintragung der Glossen auch noch im 8. Jahrhundert stattgefunden haben kann. Somit ist der Zeitpunkt der Eintragung in den Bereich der Jahrhundertwende zu rücken und festzuhalten, dass aus paläographischer Sicht einiges noch für eine Aufzeichnung im 8. Jahrhundert spricht. Die Griffelglossen des Clm 6308 liefern damit ein weiteres Beispiel dafür, dass eingeritzte Glossen lautliche Neuerungen wie den Primärumlaut oder den Wegfall des präkonsonantischen h zu besonders frühen Zeitpunkten belegen können. Attestiert man den Glossen den Charakter originaler Aufzeichnung, worauf indirekt die Isolation der Glossen innerhalb der althochdeutschen Orosiusrezeption hindeutet, müssen die in den Grammatiken aus den Federschriften gewonnenen Datierungen neu überdacht werden (vgl. Kap. 6.3). Auf der Grundlage der Schrift ist es zu vertreten, die Griffelglossen des Clm 6308 als Belege für die Lautung des Altbairischen in Freising vom Ende des 8. Jahrhunderts zu betrachten. Für eine genauere Datierung ist ein wichtiger Beitrag aus der Verwendungsgeschichte der wen-Rune zu erwarten. Siehe Kap. 3.3.2. Zur Flexion lässt sich nur wenig ermitteln, da etliche Glossen entweder in der Grundform stehen (Gll. 13, 15?, 16, 29), hinten verstümmelt (Gll. 4?, 10, 18, 25, bei Schicht III Gl. 23, bei Schicht IV Gll. 28–31) oder nicht ausgeschrieben (Gll. 1?, 4?, 17?) sind. In einzelnen Glossen (Gll. 16, 21, evtl. auch 1) könnten frühe Flexionsformen vorliegen, was jedoch in keinem der Fälle zu sichern ist. Es kann lediglich festgehalten werden, dass die volkssprachigen Interpretamente nicht in jedem Fall formkongruente Übertragung leisten. Der Wortschatz weist keine auffällige Zusammensetzung auf. Die Hapax legomena (Gll. 4, 9, 12, 16, aus Schicht IV Gl. 30) bestehen in der Mehrzahl in bisher unbelegten Bildungen aus bekanntem Material. Ob die Gl. 16 in die Erörterungen des gotischen Einflusses auf die althochdeutsche Sprache einzubeziehen ist (vgl. Reiffenstein 1958: 18–23), ist wohl ohne Bestätigung durch weitere Belege nicht zu entscheiden. Die glossierten lateinischen Textwörter lassen sich inhaltlich-semantisch keinem bestimmten Bereich zuweisen. Vergleichbar mit anderen Orosiusglossierungen ist allenfalls ein gewisses Interesse an Krankheitsbezeichnungen (Gll. 7, 8, 24) festzustellen.

3.6 Die Entstehung der Glossen Die ermittelten Daten erlauben es, die Entstehung der Glossierung des Clm 6308 in groben Umrissen zu entwerfen. Eine erste paratextuelle Anlage trägt die Handschrift in Form der marginalen Marken aus drei Punkten, die auf Textstellen von besonderem Interesse hinzeigen. Indem sich zahlreiche Glossen auf dieselben Stellen beziehen und zudem alle marginal stehen, scheinen sich die Glossatoren zumindest teil-

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weise an ihnen orientiert zu haben. Die erste Glossierung wurde mit einem stumpfen Schreibgerät, den Farbspuren nach zu schließen einer Art Farbstift, ausgeführt. Der Glossator zeigt sich in angelsächsischer Tradition ausgebildet, den Laut /w/ anlautend mittels der Futhorc-Rune wiederzugeben. Er verwendet dabei die Variante mit dem Diakritikum. Ob dieses markierende Vorgehen in der Benutzung des Schriftzeichens auf eine spätere Phase hinweist oder eventuell mit dem Graphemsystem des Oberdeutschen zu tun hat, ist noch nicht erforscht. Jedenfalls erscheint die Rune hier so geschrieben wie auch in den anderen Freisinger Belegen. Das Runenzeichen weist isoliert auf einen allfälligen angelsächsischen Hintergrund des Schreibers hin, dessen Schrift sonst keinerlei insulare Merkmale trägt. Die Arbeit des Glossators, die den Codex mindestens zu zwei Dritteln umfasste, war die einer Textrevision, durch welche die Glossierung angeregt sein mochte. Die Veränderungen, die der Glossator am Text anbrachte, sind orthographische Korrekturen und Klärungen, aber keine Textvarianten, weshalb die Arbeit vielleicht ohne Vorlage erfolgte. Auch aus den Glossen sind keine Hinweise auf eine Vorlage zu ersehen. Sie bestehen aus lateinischen Synonymen und volkssprachigen Äquivalenten zu einzelnen Textwörtern in – was die formale Übereinstimmung betrifft – ganz unterschiedlicher Behandlung. Viele der Eintragungen sind kräftig ausgeführt, ohne dass sich dadurch über die Substitution der Textwörter hinaus auf eine bestimmte Absicht schließen ließe. Für einen schulischen Kontext gibt es keine Anhaltspunkte. Die weiteren Griffel- und Farbstifteintragungen dürften nach Schriftbefund, soweit sich hier überhaupt etwas sagen lässt, später hinzugekommen zu sein. Nebst sporadischen Glossen wurden Zahlzeichen zu Zahlwörtern ausgeschrieben. Im 10. Jahrhundert ist die Handschrift erneut einer Textrevision und einer glossographischen Bearbeitung unterzogen worden, jetzt mit Feder und von mehreren Händen. Diesmal dürften Vorlagen benutzt worden sein. Eine althochdeutsche Parallelglosse zu einem später überlieferten Beleg im Clm 17210 kann davon Zeugnis ablegen, dass nun althochdeutsche Orosiusglossen im Umlauf waren. Die glossographische Beschäftigung mit Orosius in Freising im 10. Jahrhundert zeigt sich im Bild der Federglossen des Clm 6308 ungleich deutlicher lateinisch geprägt als die alte Schicht und inhaltlich in die Konzepte des Schulkanons eingebunden.24 Inwieweit der Codex in der Schule allerdings benutzt wurde, ist unklar. Die Glossen des 10. Jahrhunderts sind ganz ungleich verteilt und ihre Aufzeichnung vielleicht nicht im beabsichtigten Ausmaß zu Ende geführt. Dieselbe schnelle Abnahme einer anfänglich dichten Glossierung ist allerdings auch im rein lateinisch glossierten Orosiuscodex Einsiedeln, Stiftsbibliothek Cod. 351 zu beobachten (vgl. Eisenhut 2009: 19,A.10).

|| 24 Brunhölzl (1961: 93) nimmt die Glossen des Clm 6308 zum Anlass, die Unterrichtsmethoden des frühen Mittelalters zu illustrieren.

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3.7 Die althochdeutsche Orosius-Rezeption & Parallelüberlieferung Die Glossierung des Clm 6308 erlangt eine besondere Profilierung, wenn sie einbezogen in die gesamte althochdeutsche Orosiusglossierung betrachtet wird. Dazu entwerfen wir hier einen Überblick über die althochdeutsche Rezeption der Werke des Orosius.25 Diese wird allein in der Glossographie greifbar. Für eine etwaige Textübersetzung ins Althochdeutsche existieren keinerlei Anhaltspunkte.26 Von den Werken des Orosius sind nur die ‚Historiae adversum paganos‘ althochdeutsch glossiert worden. Informationen über Art und Umfang der althochdeutschen Bearbeitung der ‚Historiae‘ sind aus den glossographischen Reflexen nur ansatzweise zu gewinnen. In der älteren Forschung wurde die verhältnismäßig geringe Zahl an althochdeutschen Interpretamenten bzw. an althochdeutsch bearbeiteten Textwörtern hervorgehoben und die Glossierung gegenüber der Textverbreitung als schwaches Echo gewertet.27 Diese Einschätzung beruhte auf dem damals bekannten Material, das in der Zwischenzeit weiter angewachsen ist. Zum aktuellen Zeitpunkt liegen rund 150 althochdeutsche Lexeme in 24928 konkreten Glossenbelegen aus 20 Handschriften vor. Vergleicht man Orosius’ ‚Historiae‘ mit anderen damals beliebten Werken,29 so können sich diese Zahlen durchaus sehen lassen. Dennoch erscheint die althochdeutsche Orosiusglossierung gesamthaft wenig eigenständig. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie verteilt auf drei eher kleinere Glossenfamilien (eine in Glossaren, zwei in Textglossen) auftritt, die untereinander keine offenkundige Verbindung aufweisen, sowie aufgesplittert in einzelne, kleinere Glossierungsarbeiten ist. Zudem erscheint die Volkssprache in keinem einzigen Fall allein, sondern zahlenmäßig immer als deutlich untergeordneter Bestandteil lateinischer Glossierung. Es bietet sich geradezu an, die althochdeutsche Orosiusrezeption im Rahmen der lateinischen Rezeption zu betrachten, wie dies Eisenhut (2009: 111–170) vorzeigt. Wir konzentrieren uns hier auf die althochdeutsche Überlieferung. Dabei beschränken wir uns darauf, die Erforschung der althochdeutschen Orosiusglossen zu

|| 25 Vgl. dazu und im Folgenden Nievergelt (2013c). 26 Die Annahme bei Schreyer (1956: 298), Walahfrid Strabo habe Orosius ins Althochdeutsche übersetzt, ist rein spekulativ (vgl. Schröder 1956/57: 163). 27 Vgl. Karg-Gasterstädt (1940: 268); Schröder (1956/57: 163f.); vgl. Glaser (1996: 567). Zu Forschungsgeschichte und -stand vgl. Nievergelt (2013c: 317f., 321f.). 28 Die Anzahl an Orosiusglossen ist in Bergmann (2009e: 119) mit 203 (0,34% aller ahd. und as. Glossen zu patristischer Theologie und Literatur) angegeben. Der Unterschied ergibt sich hauptsächlich durch die neuentdeckten Glossen im Clm 6308. 29 Beispielsweise Isidors Synonyma, zu denen rund 150 althochdeutsche Glossen aus 3 Handschriften bekannt sind. Vgl. Glaser (1996: 617); Nievergelt (2009a: 180); Nievergelt (2013a: 200).

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resümieren und die Überlieferung in einem kurzen Abriss, geordnet nach glossenspezifischen Zusammenhängen, darzustellen, unter Auflistung der Textträger und im Zusammentragen der althochdeutsch kommentierten Werktextstellen sowie aller althochdeutschen Interpretamente zu Orosius. Ziel ist ein aktualisierter und konzentrierter Überblick über das fragliche Material als Hintergrund, vor dem die frühe Überlieferung im Clm 6308 zu beurteilen ist. Althochdeutsche Orosiusglossen waren schon den ersten Glossenforschern bekannt und sind in Graffs Althochdeutschen Sprachschatz (GSp)30 eingeflossen. Früheste Editionen stammen von Hattemer und Mone.31 Steinmeyers Glossensammlung (StSG) enthält mit 10 Handschriften32 die Hälfte aller heute bekannten Überlieferungsträger. Im 20. und 21. Jahrhundert sind diverse Neufunde dazugekommen, die in vereinzelten Textglossierungen, in einer altniederdeutschen bzw. altniederfränkischen Überlieferung, in einer zu den bereits bekannten Glossaren gehörigen Glossensammlung sowie in Nachträgen bestehen. Sprachliche Untersuchungen unterschiedlichen Umfangs liegen von Wesle (1913: 140–142), Karg-Gasterstädt (1940), Schreyer (1949 und 1951), Blech (1977: 63–72), Mayer (1980), Schützeichel (1985: 35– 37) und Glaser (1996: 583f.) vor. Die Untersuchungen der handschriftlichen Begebenheiten sind – mit Ausnahme derjenigen an den Handschriften BStK-Nr. 138d, 225, 237, 525, 848a und 875j – älteren Datums und bedürften vielleicht einer Überprüfung. Für den vorliegenden Beitrag konnten nur fünf handschriftliche Originale (BStK-Nr. 237, 525, 538, 612 und 631) eingesehen werden. Nach heutigem Wissensstand enthalten 20 Handschriften des 8.–12. Jahrhunderts altdeutsche Glossen zu Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘. Der Katalog der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften (BStK) von 2005 enthält 17 Handschriften. Von den drei 2005 nicht erfassten Handschriften wurde die Handschrift Engelberg, Stiftsbibliothek Cod. 1009 in Bergmann (2009a: 15) nachgetragen und mit einer Katalognummer (BStK-Nr. 138d) versehen. Die Handschriften Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Ms. Hist. lat. 2° 410 (BStK-Nr. 875j) und Paris, Bibliothèque nationale de France lat. 17567 (BStK-Nr. 774ag) wurden in BStK Online ergänzt. In den 20 Handschriften mitgezählt sind drei Handschriften, deren Glossierungen zweifelhafte Fälle von Zugehörigkeit darstellen: In den Handschriften Einsiedeln, Stiftsbibliothek Cod. 32 und München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6408

|| 30 Vgl. GSp, unter den Siglen Or. 1. bzw. Or. 2. Die Glossen der Handschriften BStK-Nr. 225 und 612. 31 Vgl. Hattemer 1,305f. zu den Glossen in BStK-Nr. 225; Hattemer 3,601f. zu BStK-Nr. 237; Mone (1859: 384) zu BStK-Nr. 848a. 32 Die Handschriften BStK-Nr. 112, 225, 237, 372, 538, 612, 631, 849 (die Glossen unter Nr. DCCXXXIX–DCCXLII). Ebenso gibt StSG 2,359,A.1 einen Hinweis auf die althochdeutschen Glossen der Handschrift BStK-Nr. 848a. Die Glossen der Handschrift BStK-Nr. 74 waren Steinmeyer ebenfalls bereits bekannt. Er schied sie jedoch aus seiner Sammlung aus, da er sie als „zu jung“ erachtete (StSG 5,v).

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(BStK-Nr. 112, 538) ist die Zugehörigkeit der Glossen zu Orosius nicht erwiesen, und in der Handschrift Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana Pal. lat. 829 (BStK-Nr. 803) liegt ein sprachlich ungesicherter Glossenbeleg vor. In den übrigen 17 Handschriften stehen die Glossen als althochdeutsche Übersetzungen und Kommentierungen von Wörtern der ‚Historiae adversum paganos‘ von Orosius fest. Wir stellen im Folgenden die 20 Handschriften im Überblick zusammen und versehen sie mit Nummern (in Klammer), unter welchen sie daraufhin nach Gruppenzugehörigkeit aufgelistet und zitiert werden: – BStK-Nr. 74: Boulogne-sur-Mer, Bibliothèque Municipale 126 (13) – BStK-Nr. 112: Einsiedeln, Stiftsbibliothek Cod. 32 (1) – BStK-Nr. 138d: Engelberg, Stiftsbibliothek Cod. 1009 (11) – BStK-Nr. 225: St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 299 (2) – BStK-Nr. 237: St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 621 (9) – BStK-Nr. 361: Leiden, Privatbesitz Erik von Scherling (17) – BStK-Nr. 372: Leiden, Bibliotheek der Rijksuniversiteit Voss. lat. q. 69 (3) – BStK-Nr. 380: Leipzig, Universitätsbibliothek Rep. I. 14 (4) – BStK-Nr. 525: München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6308 (18) – BStK-Nr. 538: München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6408 (5) – BStK-Nr. 612: München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 14754 (6) – BStK-Nr. 631: München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 17210 (7) – BStK-Nr. 720a: St. Omer, Bibliothèque de l’agglomération 717 (14) – BStK-Nr. 774ag: Paris, Bibliothèque nationale de France lat. 17567 (15) – BStK-Nr. 803: Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana Pal. lat. 829 (19) – BStK-Nr. 1035: Sankt-Peterburg, Rossijskaja nacional’naja biblioteka F.v.I. Nr. 9 (16) – BStK-Nr. 848a: Schaffhausen, Stadtbibliothek Ministerialbibliothek Min. 60 (10) – BStK-Nr. 849: Schlettstadt, Bibliothèque Humaniste de Sélestat Ms. 7 (8) – BStK-Nr. 875j: Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Ms. Hist. lat. 2° 410 (12) – BStK-Nr. 977e: Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Cod. Guelf. 80 Gudianus latinus 2° (20) Die Glossierungen lassen sich nach Art der Glossentypen sowie der verwandtschaftlichen Beziehungen der Glossen in Gruppen zueinander stellen. Eine erste Überlieferungsgruppe (I) umfasst Glossen in Glossaren, eine zweite Gruppe (II) Textglossen, die nochmals in drei Untergruppen (IIa, IIb und IIc) unterteilt werden kann.

Die althochdeutsche Orosius-Rezeption & Parallelüberlieferung | 261

3.7.1 Überlieferungsgruppe I: Glossarglossen In acht Handschriften stehen die althochdeutschen Orosiusglossen in Textglossaren:33 (1) Einsiedeln, Stiftsbibliothek Cod. 32 (BStK-Nr. 112), (2) St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 299 (BStK-Nr. 225), (3) Leiden, Bibliotheek der Rijksuniversiteit Voss. lat. q. 69 (BStK-Nr. 372), (4) Leipzig, Universitätsbibliothek Rep. I. 14 (BStK-Nr. 380), (5) München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6408 (BStK-Nr. 538), (6) München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 14754 (BStK-Nr. 612), (7) München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 17210 (BStK-Nr. 631), (8) Schlettstadt, Bibliothèque Humaniste de Sélestat Ms. 7 (BStK-Nr. 849).34 Nur (4) enthält auch den Text der ‚Historiae‘ selbst und darin auch zwei althochdeutsche Textglossen (siehe in Gruppe IIc). (1) Einsiedeln, Stiftsbibliothek Cod. 32 (BStK-Nr. 112): 10./12. Jh. in Süddeutschland oder der Schweiz. Lateinisch-lateinische Glossare. Von insgesamt 63 Glossen 2 Glossen (StSG 2,359,8.18) möglicherweise zu Orosius (?) im fortlaufenden Glossartext stehend, mit diesem eingetragen im 10. Jahrhundert. Die Zugehörigkeit der Lemmata scabies und uitiligo zu Orosius (scabiem – I,8,5?; uitiliginem – I,8,5?) ist nicht erwiesen. Vgl. StSG 2,359,A.6 sowie (5). Die Sprache der Glossen wurde als oberdeutsch bzw. alemannisch bestimmt (vgl. BStK 342 mit Literatur). (2) St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 299 (BStK-Nr. 225): 2. Hälfte 9. Jh. in St. Gallen (wohl unter Abt Hartmut). Glossare. Von insgesamt 741 althochdeutschen Glossen35 sind 24 Glossen (StSG 2,356,6.8.10.16.20; 357,1.3.5.8.10.12.16.19.21.23.30.33.36.40.42. 44.46.48.5236) in den Text eines Glossars zu Orosius integriert. Die althochdeutschen Glossen des Codex wurden als alemannisch bestimmt. Aus Orosius’ ‚Historiae‘ sind althochdeutsch glossiert: annalium – I,prol.,10; parricidiis – I,prol.,10; specula – I,prol.,11; limbo – I,2,1; triquadrum – I,2,1; transuersi – I,2,2; occasum uersus – I,2,3; ostia – I,2,13; promunturium – I,2,13; orientem uersus – I,2,21 (I,2,30?); lacu – I,2,30 (I,2,32?); iugum – I,2,36; conchis – I,3,4; prodigiorum – I,8,3; commendabat – I,8,5; strenue – I,10,5; dilatatis – I,10,15; utrimque – I,10,15; uitricum – I,12,9; colo – I,19,1; successu – II,4,2; confoederatas – II,4,2; inpunitate – II,4,3; tergeminorum – II,4,9; deditionem – VII,28,19(?).37 (3) Leiden, Bibliotheek der Rijksuniversiteit Voss. lat. q. 69 (BStK-Nr. 372): Teile aus verschiedenen Jahrhunderten, Teil 2 (Leidener Glossar) mit den ahd. Glossen im ausgehenden 8. Jahrhundert in St. Gallen entstanden. Textglossare. Unter den volkssprachigen Glossen figurieren zahlreiche altenglische oder sprachliche Misch|| 33 Zum Typus des Textglossars vgl. BStK, 115f. sowie Wich-Reif (2001: 60–63; 2009: 602–618). 34 Vgl. die Zusammenstellung in Wich-Reif (2001: 328). 35 Nicht alle Glossare der Handschrift enthalten ahd. Glossen (vgl. Hattemer 1844: 240). 36 Einiges zuerst in Hattemer (1844: 305f.). 37 Die Stellenzugehörigkeit der letzten Glosse ist unklar. Vgl. StSG 2,357,A.11.

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formen. Auch die von Steinmeyer edierten 3 Glossen (StSG 2,356,4.5.14) zu Orosius, conchis – I,3,4; uitiliginem – I,8,5; uitricum – I,12,9, werden teilweise als altenglisch betrachtet. (4) Leipzig, Universitätsbibliothek Rep. I. 14 (BStK-Nr. 380): Ende 11. Jahrhundert. Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘ und ein in drei Teilen dem Werktext nachträglich beigeschriebenes Textglossar zu Orosius’ ‚Historiae‘, darin 11 althochdeutsche Glossen (Stach 1951: 346,1.2.4.5.6; 347,7.8.9.10.11.12) zu: sulphur – I,5,9; uitiliginem – I,8,5; ranarum – I,10,10; uesicas – I,10,11; lucustarum – I,10,12; rotarumque orbitae – I,10,17; ridiculam – I,10,19; saltibus – I,12,1; uitricum – I,12,9; colo – I,19,1; alueum – II,6,3. Dazu zwei Textglossen. Siehe unten in Gruppe IIc. Die Glossen zeigen oberdeutschen Sprachcharakter. (5) München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6408 (BStK-Nr. 538): Anfang 10. Jh. oder 10./11. Jh. in Oberitalien. Kommentar zu Priscian, Glossar zu Orosius u. a. fraglich 2 Glossen (StSG 2,359,8.18): Die Zugehörigkeit der Lemmata scabies und uitiligo zu Orosius (scabiem – I,8,5?; uitiliginem – I,8,5?) ist nicht erwiesen. Siehe StSG 2,359,A.6 sowie (1). Es liegen keine sprachlichen Bestimmungen vor. (6) München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 14754 (BStK-Nr. 612): 9. Jh., Teil 2, der das Orosiusglossar enthält, im 4. Viertel des 9. Jahrhunderts im Bodenseegebiet entstanden. Beda, Hieronymus, Glossen zur Bibel, Isidor, Walahfrid Strabo, Glossen zu Orosius, Hrabanus Maurus. Im Glossar zu Orosius’ ‚Historiae‘ 9 althochdeutsche Glossen (StSG 2,356,16.20; 357,5.18.30.33.36.40.48) zu den Lemmata: limbo – I,2,1; triquadrum – I,2,1; ostia – I,2,13; conchis – I,3,4; dilatatis – I,10,15; utrimque – I,10,15; uitricum – I,12,9; colo – I,19,1; tergeminorum – II,4,9. Die althochdeutschen Glossen stehen teils im Glossarkontext, teils marginal. Ihre Sprache wurde als bairisch bestimmt. (7) München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 17210 (BStK-Nr. 631): Wohl 12. oder 13. Jh. in Schäftlarn entstanden. Neben Grammatischen Schriften, Worterklärungen und Sentenzensammlungen Glossen zu Orosius, darin 33 althochdeutsche Glossen (StSG 4,340,6.8.9.11.15.16.17.25.26.28.30.31.32.33; 341,3.5.6.7.9.10.11.13. 14.15.16.17.18.29.30.34.35.37.40) zu den Lemmata: zelant – I,prol.,5; grandinum – I,prol.,10; parricidiis – I,prol.,10; specula – I,prol.,11; constupuisse – I,prol.,14; uocare – I,1,14; limbo – I,2,1; transuersi – I,2,2; paludes – I,2,5; ostia – I,2,13; uastissimo – I,2,30; exundare – I,2,30; meatu – I,2,33; pylas – I,2,40; contigua – I,2,61; pharum – I,2,71; saltus – I,2,73; conchis – I,3,4; scabrous – I,3,4; sulphur – I,5,9; ranarum – I,10,10; uesicas – I,10,11; lucustarum – I,10,12; rotarumque orbitae – I,10,17; ridiculam – I,10,19; saltibus – I,12,1; uitricum – I,12,9; colo – I,19,1; tergeminorum – II,4,9; alueum – II,6,3; coctili – II,6,9. Ahd. glossierte Glossenwörter: populos – zu I,10,19; alnos – zu I,10,19. Die Glossen stehen im Glossartext. Sie werden

Die althochdeutsche Orosius-Rezeption & Parallelüberlieferung | 263

dem Bairischen zugewiesen. Die Handschrift enthält auch althochdeutsche Textglossen zu grammatischen Schriften (StSG 4,346f.). (8) Schlettstadt, Bibliothèque Humaniste de Sélestat Ms. 7 (BStK-Nr. 849): 1. Viertel 12. Jh. in Südwestdeutschland (Reichenau?, Zwiefalten?). Paulus Diaconus, Isidor u. v. m., Glossare, 26 Glossen (StSG 2,357,25.27.29.54.56.58; 358,3.5.7.9.12. 15.17.19.21.32.34.35.38.40.41.43.44.47.49; 5,104,2) + 1 Glosse zu einem textfremden Lemma (StSG 2,358,4) in einem Textglossar zu Orosius zu den Lemmata: annalium – I,prol.,10; parricidiis – I,prol.,10; specula – I,prol.,11; limbo – I,2,1; triquadrum – I,2,1; transuersi – I,2,2; occasum uersus – I,2,3; ostia – I,2,13; promunturium – I,2,13; orientem uersus – I,2,21 (I,2,30?); lacu – I,2,30 (I,2,32?); iugum – I,2,36; prodigiorum – I,8,3; commendabat – I,8,5; strenue – I,10,5; dilatatis – I,10,15; utrimque – I,10,15; uitricum – I,12,9; colo – I,19,1; pyrae – I,19,1; successu – II,4,2; confoederatas – II,4,2; inpunitate – II,4,3; tergeminorum – II,4,9; carpentarios – III,21,6; deditionem – VII,28,19. Nicht in Orosius’ ‚Historiae‘: diaeta (vgl. StSG 2,358,A.2). Der Codex enthält insgesamt etwa 2600 althochdeutsche Glossen, davon fast alle in den Glossaren. Sie wurden sprachlich als alemannisch bestimmt.

3.7.2 Charakterisierung der Orosius-Glossarglossen Bei keinem der acht Glossare handelt es sich um eine rein althochdeutsche oder durchgehend lateinisch-althochdeutsche Wörtersammlung. Die volkssprachigen Interpretamente erscheinen als mehr oder weniger sporadisches Zubehör. Als Bestandteile des Glossartextes sind sie zeitgleich mit diesem eingetragen worden. Gelegentlich stehen sie, stellenweise mit id est oder uel eingeführt, innerhalb längerer lateinischer Glossen. Einige althochdeutsche Glossen wurden lateinisch-lateinischen Wörterlisten interlinear (4) oder marginal (6) erst nachträglich beigeschrieben. Vereinzelt kommen auch Glossenglossierungen, also Glossen zu lateinischen (7) oder althochdeutschen (4) Glossenwörtern, vor. In drei Handschriften (2, 6, 7) sind f-Glossen38 anzutreffen. Die ursprünglich übergeschriebenen Kürzel, die wohl der Kennzeichnung der Volkssprachigkeit dienten, stehen in (2) fälschlich innerhalb der Wörter, was auf gedanken- oder verständnisloses Kopieren hindeutet. Die von Baesecke (1921: 257–259) angeregte Idee und von Schreyer (1949: 47 und 1951) vertretene Ansicht, dass die f-Kennzeichnung von Walahfrid in den Orosiusglossen eingeführt wurde, gilt seit langem als überholt (Schröder 1956/7: 163–173).39 Ebenfalls um eine Kennzeichnung der volkssprachigen Wörter dürfte es || 38 Glossen mit über- oder beigeschriebenem ·f· (= franci(s)ce). Vgl. dazu beispielsweise Thoma (1958: 580) und Nievergelt (2009c: 276f.). Frühe Überlegungen zu den f- und s-Glossen der Handschrift St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 299 (2) finden sich bei Hattemer (1844: 239f., vgl. auch 305f.). 39 Nach Schröder (1959: 47) haben die Orosiusglossen mit Walahfrid nicht das Geringste zu tun.

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sich bei dem v-Zeichen über Glossen im Leidener Glossar handeln (Hessels 1906: xxxiv). Die Glossarglossen sind überall lesbar erhalten. Nur in (6) sind Glossen verstümmelt40 und ist die Glossierung vielleicht nicht zu Ende ausgeführt worden.41 Die 55 althochdeutsch glossierten Lemmata verteilen sich ungleich auf den Werktext. Sie stehen fast alle, nämlich 45, in Buch I, davon 6 im Prolog, 17 im 2. Kapitel und 10 im 10. Kapitel. Aus Buch II stammen 6 Lemmata, aus Buch III 2, aus Buch IV 1 und unsicher auch aus Buch VII 1 Lemma. Die Glossen zeigen nach Ansicht der Forschung oberdeutschen, in (1), (2) und (8) alemannischen, in (6) und (7) bairischen Sprachcharakter; für (4) und (5) fehlen die Untersuchungen. Für die Glossen in (2), (6) und (8) erschloss Wesle (1913: 142) eine gemeinsame Vorlage aus dem 1. Viertel des 9. Jahrhunderts und aus ostfränkischem Sprachgebiet.42 Der Wortschatz der Glossarglossen besteht zum überwiegenden Teil aus Substantiven und enthält die folgenden althochdeutschen Interpretamente: ahamuodar (4, 7), anafal (7), bifelahan (2, 8), blātara (4), borto (2, 6, 7, 8), drīfiorscōzi (2, 6, 8), drīzwiniling (2, 6, 7, 8), dūna (2, 8), dwerah (2, 7, 8), eit (8), erila (7), felaha (4, 7), felawāri (7), first (2, 8), folgunga (2, 8), forazeihhan (2, 8), fridōn (7), frosc (4, 7), gimundi (2, 6, 7, 8), ginioz (giniozi?) (2, 8), giwedar (2, 6?), hagal (7), halb (2, 6), halba (2, 8), heiēn (7), horsclīhho (2, 8)43, in (2, 8), iowedarhalb (8), jārwerc (2, 8), juckido (1, 4, 5, 7), kleb (2, 8), klūsa (7), lahtar (4, 7), liuben (2, 8), māgmord (2, 7, 8), mos (7), gimuozōn (7), muscula (6, 7), ōstarwart (2), ōstwart (8), girehhanōn? (7), rocko (2, 4, 6, 7, 8), rūda (4, 7), rūdo (1, 4, 5), samantfahhi (7), sēo (2, 8), sibbōn (2, 8), scala (7), scric (4, 7), scūcar (2, 7, 8), scuoboht (7), slih (7), spiegal (2, 7, 8), springan (7), stapfo (4, 7), stioffater (2, 3, 4, 6, 7, 8), swebal (4, 7), zitragan (2, 6, 8), uningaltī (8), waganāri (8), wald (7), warthūs (7), westar (2, 8), wīt (7), ziegal (7), zurgift (2, 8). Zu Orosius?: tagaweida (8). Altenglisch: blǣce (3), hæfern (3). Wie die Zusammenstellung zeigt, weisen die Glossare in vielfältiger Kombination Parallelglossen auf44, was auf gemeinsame Vorlagen schließen lässt. Eine Verwandtschaft von (2), (6), (7) und (8) wurde schon bei StSG mit der Editionsanlage (2, 6) und mit identischer Nummerierung angedeutet. Stach und Thoma erkannten eine Verbindung zwischen (4) und (7). Schreyer erstellte für (1), (2), (5), (6), (7) und

|| 40 Von der Glosse zu colo (StSG 2,357,40) ist ein Buchstabe mehr erhalten als bei StSG angegeben: |chen. 41 StSG 4,552,7 erwähnt für Erklärungen freigelassene Stellen. Man vergleiche beispielsweise f. 85v, Z. 5 incanduit .i. und dann eine leere Halbzeile. 42 Schreyer (1949: 27f.) stimmt Wesle zu. 43 Es erscheint uns erwähnenswert, dass auch im Clm 14754 (6) auf f. 85r, marginal rechts neben der Z. 25, die strenue (Orosius, Hist. I,10,5) enthält, eine verstümmelte Glosse ho.| steht (ursprünglich horsclīhho?). Ein drittes Schriftzeichen, ein eher großer, nach links zeigender Halbbogen, gehört wohl nicht zur Eintragung. 44 Einige Zahlen geben Wesle (1913: 140) und Schröder (1956/57: 164).

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(8) ein Stemma in fünf Generationsstufen, unter Auslassung von (3) sowie von Codex (4), von dessen Glossen sie offenbar keine Kenntnis hatte.45 Gemeinsames Resultat der Nachforschungen von Wesle, Schreyer und Schröder ist die Erkenntnis, dass der Ursprung der Orosiusglossen in Fulda liege und noch vor Mitte des 9. Jahrhunderts eine fuldische Vorlage auf die Reichenau gelangt sein müsse, von welcher aus die Verbreitung ausging, die sich in den erhaltenen Handschriften manifestiert (vgl. Schröder 1956/7: 166). Die neueste Darstellung gibt Eisenhut (2009: 144–146), unter Einbezug auch der Orosiushandschriften ohne althochdeutsche Glossen. Aus (1) und (5) bildet Eisenhut (2009: 147) eine eigene Gruppe (Gruppe 2) und stellt deren Bezeichnung als Orosiusglossare in Frage (2009: 152).46 Es zeichnet sich ab, dass die Abhängigkeitsverhältnisse ohne genaueste Berücksichtigung der lateinischen Kontexte nicht abschließend zu erhellen sind.

3.7.3 Überlieferungsgruppe II: Textglossen In 13 Handschriften (4, 9–20) stehen die Orosiusglossen als Textglossierungen. Diese können zu drei Gruppen zusammengestellt werden: Eine erste Gruppe (IIa) umfasst die Glossen der Handschrift St. Gallen, Stiftsbibliothek 621 und die von ihr ausgehende Überlieferungskette, eine zweite Gruppe (IIb) untereinander verwandte altniederdeutsche und altniederfränkische Glossen in vier Codices aus heute romanischsprachigem Raum, eine dritte Gruppe (IIc) fünf isolierte Textglossierungen. Gruppe IIa: Die Textglossierung des Codex St. Gallen, Stiftsbibliothek 621 und ihre Abschriften Die Gruppe umfasst die vier Handschriften (9) St. Gallen, Stiftsbibliothek 621 (BStKNr. 237), (10) Schaffhausen, Stadtbibliothek Ministerialbibliothek Min. 60 (BStK-Nr. 848a), (11) Engelberg, Stiftsbibliothek Cod. 1009 (BStK-Nr. 138d) und (12) Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Ms. Hist. lat. 2° 410 (BStK-Nr. 875j). Ein vager erster Fingerzeig auf die Verwandtschaft zwischen (9) und (10) findet sich in StSG 2,359,A.1. Hinweise auf das abschriftliche Verhältnis aller vier Handschriften gibt der Katalog der Ministerialbibliothek Schaffhausen (Gamper/Knoch-Mund/ Stähli 1994: 157; vgl. auch Eisenhut 2009: 305). Eisenhut (2009: 314f. und passim) stellt die kopiale Abfolge als (9) > (11) > (10) > (12) sicher und weist erstmals auf die althochdeutschen Glossen in (11) und (12) hin. Ihre Untersuchung erbrachte zudem 11 Nach-

|| 45 Vgl. Schreyer (1949: 24). Im Kern wird dieser Stammbaum aus den vier Handschriften (2), (6), (7) und (8) gebildet. (1) und (5) bilden eine kaum begründbare Erweiterung. Schröder (1956/7: 164) behandelt denn auch nur das Stemma ohne (1) und (5). 46 Zum Leidener Glossar (3) vgl. bei Eisenhut (2009: 147f.) die Gruppe 3.

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träge zu den Glossen in (10). Zur Tätigkeit Ekkeharts IV. als Orosius-Glossator vgl. auch Bergmann/Tax (2009: 1625). (9) St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 621 (BStK-Nr. 237): Anfang 10. Jh. in St. Gallen (Bischoff 2014: 330).47 Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘. Innerhalb einer ausgiebigen lateinischen Glossierung (nach Eisenhut 2009: 203 sind 99,8 % aller Glossen lateinisch) 1548 althochdeutsche, als alemannisch bestimmte Glossen (StSG 2,358,23.24.27.29.52.55.57; 359,1.3.4.5.7.16)49 zu den Textstellen: taberna meritoria – Cap. libri VI,22; alpes cottias – I,2,66; scabiem ac uituliginem – I,10,2; exoleuerunt – II,18,5; contractuque neruorum – III,16,5; herba – III,19,11; post in farinam redacta – V,7,14; atemnarum – VI,8,14; arduennam siluam – VI,10,17; in arduenna silua – VI,10,19; cubas – VI,11,26; liburnicis – VI,19,8; drusus – VI,21,12; intentio – VII,1,8; tondere – VII,4,4. Die Glossen stammen aus dem 11. Jahrhundert. Nach Eisenhut (2009) wurden sie alle von Ekkehart IV. eingetragen, was in der paläographischen Analyse durch Lenz (2015: 116–123) im Freilegen unterschiedlicher Hände widerlegt wird. Schon Schuler (2010: 117f. und passim) kommt für die althochdeutschen, Ekkehart IV. zugewiesenen Glossen zu ähnlichen Ergebnissen. (10) Schaffhausen, Stadtbibliothek Ministerialbibliothek Min. 60 (BStK-Nr. 848a): Erste Hälfte 12. Jh. in Schaffhausen. Abschrift von (11). Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘. Innerhalb der lateinischen Glossierung 14 althochdeutsche, sprachlich nicht näher bestimmte Glossen50 zu denselben Textstellen wie in (9), mit Ausnahme von taberna meritoria, Cap. libri VI, 22. (11) Engelberg, Stiftsbibliothek Cod. 1009 (BStK-Nr. 138d): 12. Jh., vor 1178 in Engelberg. Abschrift von (9). Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘. Innerhalb der lateinischen Glossierung 15 althochdeutsche, sprachlich nicht näher bestimmte Glossen (Eisenhut 2007) zu denselben Textstellen wie in (9).

|| 47 Diese Datierung steht im Widerspruch zu der Datierung in die zweite Hälfte des 9. Jhs („vor 883“) durch die ganze vorausgehende Forschung. Vgl. noch bei Eisenhut (2009: 177–180). 48 Teilweise mehrere althochdeutsche Wörter in einer Glossierung, insgesamt 20 althochdeutsche Einzelwörter, eines zweimal. 49 Eine erste Edition enthält Hattemer (1847: 601f.), mit einigen Unzulänglichkeiten. Vgl. StSG 2,358,A.13.16; 359,A.5. Ein weiteres Glossenwort auf p. 262a, Z. 8 wurde von Eisenhut (2009: 250f., A.280; vgl. auch 269) sowie Eisenhut (2007) als althochdeutsch identifiziert. Zu den volkssprachigen Glossen ist zudem auch auf p. 122a, Z. 16 turnella (zu herba, III,19,11) zu zählen, eine Bezeichnung, die als althochdeutscher Pflanzenname gilt. Vgl. GSp 5,459. StWG 645. SchG 10,121. Marzell (1943– 1979: 3,1013–1022) sowie die Ausführungen bei Eisenhut (2007). Die Glosse steht in allen vier Handschriften (9, 10, 11, 12). 50 3 Glossen zu Oros. Hist. VI,10,17; VI,10,19; VI,21,12; bei Mone (1859: 384) ins 11. Jh. datiert, davon die ersten beiden auch StSG 2,359,A.1; weitere 11 Glossen bei Eisenhut (2007), inkl. die Glosse zu III,19,11, siehe die vorausgehende Anmerkung.

Die althochdeutsche Orosius-Rezeption & Parallelüberlieferung | 267

(12) Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Ms. Hist. lat. 2° 410 (BStKNr. 875j): 12. Jh. in Zwiefalten. Abschrift von (10). Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘. In der lateinischen Glossierung 2 althochdeutsche, sprachlich nicht bestimmte Glossen (Eisenhut 2007 und 2009: 308,A.468) zu den Textstellen: herba – III,19,11; drusus – VI,21,12. Die Glossierungen der vier Handschriften sind bei Eisenhut (2009) grundlegend behandelt worden. Die Glossen in (11) sind Kopien aus (9), diejenigen von (10) Kopien aus (11), jeweils mit geringen Abweichungen. Nur zwei der volkssprachigen Glossen wurden aus (10) nach (12) kopiert. Untersuchungen zur Sprache dieser Glossengruppe stehen noch aus. Gruppe IIb: Altniederdeutsche Glossen aus heute romanischem Sprachgebiet Eine weitere Gruppe bilden die vier Handschriften (13) Boulogne-sur-Mer, Bibliothèque Municipale 126 (BStK-Nr. 74), (14) St. Omer, Bibliothèque de l’agglomération 717 (BStK-Nr. 720a), (15) Paris, Bibliothèque nationale de France lat. 17567 (BStK-Nr. 774ag) und (16) Sankt-Peterburg, Rossijskaja nacional’naja biblioteka F.v.I. Nr. 9 (BStK-Nr. 1035) mit altniederdeutschen bzw. altniederfränkischen Glossen. Bei (14) handelt es sich um eine Abschrift von (13). (16) zeigt ein paar mit dieser Glossierung eng verwandte Glossen und die als volkssprachige Glossenhandschrift erst 2018 entdeckte (15) enthält eine einzige Parallelglosse zu (13) und (14). Zu den Handschriften (13), (14) und (16) dieser Überlieferungsgruppe vgl. Klein (2009: 1239f.). (13) Boulogne-sur-Mer, Bibliothèque Municipale 126 (BStK-Nr. 74): 1. Hälfte 11. Jh. wohl in der Abtei St. Bertin in St. Omer. Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘ (unter dem Titel ‚De ormesta mundi‘). Innerhalb der durchgängigen lateinischen Glossierung 25 volkssprachige Textglossen (Holder 1901: 72f. [72,32–73,6]; Gysseling/Koch 1950: 395f.; Blech 1977: 54–62), deren sprachliche Bestimmung von altflämisch über altniederländisch, niederfränkisch und altsächsisch bis angelsächsisch reicht, zu den Textstellen: oriente, euro, meridie, africo, occasu, circio, septentrione – I,2,55; boria, fauonio – I,2,57; galliam belgicam – I,2,60; pharum – I,2,71; boream, a meriie, a Morinis, in austro, batauosm – I,2,76; circium uersus – I,2,79; meuania – I,2,82; bello bagui – VI,7,12; caleti – VI,7,14; tamensem – VI,9,6; trino uantum – VI,9,8; luit – VII,8,2; sandapila – VII,10,7; bagaudas – VII,25,2. (14) St. Omer, Bibliothèque de l’agglomération 717 (BStK-Nr. 720a): 2. Hälfte 11. Jh. in der Abtei St. Bertin in St. Omer. Abschrift von (13). Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘, Aethicus Ister, Jordanes Getica, ‚Liber de Ecclesiastica historia‘. Innerhalb lateinischer Glossen 22 niederfränkische Glossen zu oriente, euro, meridie, africo, occasu, circio, septentrione – I,2,55; boria, fauonio – I,2,57; galliam belgicam – I,2,60; pharum – I,2,71; boream, a meriie, a Morinis, in austro, batauosm – I,2,76; circium uersus – I,2,79; meuania – I,2,82; luit – VII,8,2; sandapila – VII,10,7; bagaudas – VII,25,2.

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(15) Paris, Bibliothèque nationale de France lat. 17567, f. 1–70 (BStK-Nr. 774ag, vgl. BStK Online): 2. Hälfte 11. Jh., Frankreich, ergänzt in der 1. Hälfte des 12. Jhs. um f. 71–121. Paulus Diaconus, ‚Historiae Romanorum (Bearbeitung von Eutropius, Breviarium ab urbe condita), Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘. Unter wenigen lateinischen Federglossen 1 altniederfränkische bzw. altniederländische Glosse zu der Textstelle pharum – I,2,71. Da die Glosse noch nicht veröffentlicht ist, geben wir hier eine kurze Edition: f. 43ra, Z. 9, farum – .i. dref. Die Glosse ist Bestandteil einer spärlichen, sonst lateinischen Textglossierung, und steht intl. über dem Lemma. dref: Akk. Sg. st. M. / N. anfrk. dref ‚Leuchtturm‘. Die Glosse ist in (13), BStK-Nr. 74, und (14), BStK-Nr. 720a, parallel belegt (Blech 1977: 57,11.12). Die Sprachbestimmung als altniederfränkisch erfolgt analog zu Klein (2009) und Blech (1977). (16) Sankt-Peterburg, Rossijskaja nacional’naja biblioteka F.v.I. Nr. 9 (BStK-Nr. 1035): 1./2. Viertel 9. Jh. nördliches Frankreich. Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘. Zusammen mit lateinischen Glossen 8 altniederfränkische Textglossen des 12. Jahrhunderts (in Corbie eingetragen) zu den Textstellen: oriente, euro, meridie, africo, occasu, circio, septentrione – I,2,55; galliam belgicam – I,2,60. Diese niederdeutschen Orosiusglossen aus heute romanischsprachigem Raum werden in ihrem Ausgangspunkt (13) als bodenständige Zeugnisse angesehen (Blech 1977: 72), während sie in (16) stark entstellte Schreibungen zeigen, aus denen auf ein Nichtverständnis des Kopisten zu schließen ist. Gruppe IIc: Isolierte Textglossierungen Die fünf Handschriften (4) Leipzig, Universitätsbibliothek Rep. I. 14 (BStK-Nr. 380), (17) Leiden, Privatbesitz Erik von Scherling (BStK-Nr. 361), (18) München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6308 (BStK-Nr. 525), (19) Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana Pal. lat. 829 (BStK-Nr. 803) und (20) Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Cod. Guelf. 80 Gudianus latinus 2° (BStK-Nr. 977e) enthalten althochdeutsche Textglossierungen, die, abgesehen von einer Parallelglosse von (18) zum Glossar in (7), keine Verbindung zu anderen Glossierungen zeigen. Mit Ausnahme der Glossen in (18), der reichsten althochdeutschen Orosius-Textglossierung und wohl der ältesten, handelt es sich um kleinste Korpora von maximal zwei Glossen. (4) Leipzig, Universitätsbibliothek Rep. I. 14 (BStK-Nr. 380): Nebst den Glossen in den Glossaren (siehe oben) enthält die Handschrift auch zwei Textglossen (Stach 1951: 347,14.16) zu den Lemmata: oscitantes – III,1,3 und colossus – IV,13,13. (17) Leiden, Privatbesitz Erik von Scherling (BStK-Nr. 361): 12. Jh. Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘ (Fragment). Neben mehreren lateinischen Marginalglossen eine althochdeutsche Glosse (Karg-Gasterstädt 1940: 267) zu colossus – IV,13,13.

Die althochdeutsche Orosius-Rezeption & Parallelüberlieferung | 269

(18) München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6308 (BStK-Nr. 525): 2. Hälfte 8. Jh. in Freising. Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘ (I–IV). Zusammen mit mehreren lateinischen Griffel- und Federglossen 5 oberdeutsche Federglossen (Stach 1951: 347,20.23.25; Mayer 1974: 82; Glaser 1996: 568–571, 575) unterschiedlichen Alters sowie 31 identifizierte51 altbairische Griffelglossen (Stach 1951: 347,27; 348,1; Glaser 1996: 570–577; Neuedition oben in Kap. 3.4.1), die Hauptschicht vielleicht noch aus dem Ende des 8. Jhs., zu den folgenden Lemmata: maeotidas – I,2,5; paludes – I,2,5; urbes?, concesserim? – I,5,4; discernant? – I,6,1; proelium – I,7,1; fastidiendam – I,8,1; uectigal – I,8,9; praetento – I,8,14; squalores – I,10,10; ulcera (oder zu uesicas?) – I,10,11; ulcera?, uesicas?, scabiem? – I,10,11; incanduit – I,10,19; addicebant?, informe? – I,13,2; praefecto – I,19,1; aepulas? – I,19,7; copiis – I,19,8; moliretur – I,19,8; impietatibus – I,20,5; iudicio – I,20,5; copias (oder zu auxilium?) – I,21,9; pellexerat – II,4,5; ducem – II,4,6; plurimum? – II,5,4; segnior – II,6,4; expeditione – II,6,14; hostium – II,7,4; alites – II,10,11; incanduit – II,12,2; tabe – II,12,3; cratem? (oder zu orbes?) – III,2,9; uocibus efferent – III,14,8; infulis – III,16,11; obrueret – IV,15,2; blandientem – IV,6,39; concubia – IV,18,18; oppressi – IV,18,19. (19) Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana Pal. lat. 829 (BStK-Nr. 803): 8./9. Jh. Lorsch. Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘. Nebst wenigen lateinischen Glossen ein problematischer, wohl volkssprachiger Glossenbeleg52 aus dem 10. Jh. zu indicium – VII,5,16. (20) Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Cod. Guelf. 80 Gudianus latinus 2° (BStK-Nr. 977e): 1. Hälfte 11. Jh. Lorsch. Orosius’ ‚Historiae adversum paganos‘. Innerhalb der durchgehenden lateinischen Glossierung 2 althochdeutsche, sprachlich noch nicht bestimmte Textglossen (Schützeichel 1985: 35f.) zu den Lemmata: emolumenti – II,5,4; scalpro – IV,18,12.

|| 51 Angesichts der zahlreichen weiteren nur teilweise lesbaren Griffelglossen dürfte die Anzahl der volkssprachigen Eintragungen schätzungsweise mehr als 50 betragen. 52 Der Beleg urcmaron bei Mayer (1974: 115) ist unklar. Schon Bischoff (1989: 91,A.44) versah die Handschrift als Träger von althochdeutschen Glossen mit einem Fragezeichen. In den Glossenwörterbüchern (in StWG 683 mit Fragezeichen, in SchG 10,302 unter Beigabe einer Neulesung mit e für c) wird die Glosse als Beleg für ein sonst nirgendwo überliefertes urmarka ‚Anzeichen‘ aufgeführt.

270 | München, BSB Clm 6308 (BStK-Nr. 525)

3.7.4 Charakterisierung der Orosius-Textglossen Die althochdeutschen Textglossen zu Orosius’ ‚Historiae‘ treten als Glieder zweier voneinander unabhängiger Überlieferungskomplexe sowie als vereinzelte Textglossierungen ohne Verbindung zu anderen Glossen auf. Mit Ausnahme von (18) (36 Gll.) übersteigt ihre Anzahl in keinem Codex 25. Sämtliche Belege erscheinen als Teile lateinisch-althochdeutsch gemischtsprachlicher Glossierung. Sie stammen, bis auf die Glossen einer Handschrift, aus dem 10. bis 12. Jh. und sind damit verhältnismäßig jung. In diesem Rahmen machen einzelne Glossenschichten im Clm 6308 (18) eine Ausnahme, dessen Griffelglossen einen Sprachstand vielleicht noch aus dem 8. Jh. zu erkennen geben. Die Verwendung des Runenzeichens für ahd. /w/ verweist auf angelsächsischen Einfluss in Freising (Glaser 1996: 583; BRG §105,A.5, siehe oben). Nach heutigem Wissensstand handelt es sich um die einzige althochdeutsche Griffelglossierung zu Orosius.53 Die Lemmata der Textglossen verteilen sich über den ganzen Werktext, konzentrieren sich aber in Buch I (13–15, 17) und VI (9–11, 13–15, 17). Die Glossen in (13), (14) und (16) bestehen hauptsächlich aus Himmelsrichtungsbezeichnungen (vgl. dazu Bergmann/Stricker 2019: 40) und Namen. Die Textglossen enthalten die folgenden althochdeutschen Interpretamente: anasprāhha (9, 10, 11), bācaudo (13, 14), belweso (13), gibergan? (18), giburg? (18), besūthan (13, 14), bulla (18), decassela (13), dref (13, 14, 15), eiz (18), ērlōsī (18), fart (18), fīant (18), fiurēn (18), flēhōn (18), fogal (18), fohhen? (18), follo? (18), folslāf (18), herizoho (18), heskezzen (4), hōhfeld (9, 10, 11), irminsūl (4, 16), joh (9, 10, 11), karra (13, 14), krampfo (9, 10, 11), kuofa (9, 10, 11), kupfa (18), irliogan (18), mahali (9), malz (9, 10, 11), megin (18), meizil (20), merilīh (18), mietselida (9, 11), mos (18), nals (9), northan (13, 14, 16), northōst (13, 14), northwest (13, 14, 16), Osning (9, 10, 11), ōst franca (13, 14, 16), ōstan (13, 14, 16), plāgen (13, 14), rūdo (9, 10, 11), secka (18), scaz (18), skeido (9, 10, 11), scrōtan (9, 10, 11), skebido (9, 10, 11), skeran (9, 10, 11), firsōden (18), gisprehhōn (18), firstincan (9, 10, 11), stiurruodar (9, 10, 11), zistōren (18), stuowa (18), suohhen (18), suht (18), sūth (13, 14, 16), sūthōst (13, 14, 16), sūthwest (13, 14, 16), biswāren (18), biswīhhan (18), Tarwenna (13, 14), temsa (13), trāgi (18), trenia (13), Trusilēo (9, 10, 11, 12), turnella (9, 10, 11, 12), urmarka? (19), watawo (13, 14), werī (9, 10, 11), west wind (13, 14), westan (13, 14, 16), wullida (18), wullisōn (18), wuohhar (20), wurht? (18), zol (18). (Eumonia (13, 14) ist nicht volkssprachig.)

|| 53 Zahlreiche Griffeleinträge weist auch die Handschrift St. Gallen, Stiftsbibliothek 621 (9) auf, unter welchen jedoch nichts Volkssprachiges gefunden werden konnte. Vgl. Zangemeister (1882: xx), Bruckner (1938: 114), Eisenhut (2009: 188–190, 203, 208, 259–265, 301 und passim) und Nievergelt (2015a: 161f.).

Die althochdeutschen Orosius-Glossen und der Clm 6308 | 271

3.8 Die althochdeutschen Orosius-Glossen und der Clm 6308 Die althochdeutschen Orosiusglossen stehen in der Mehrzahl in Überlieferungslinien, von welchen eine frühere von Fulda und zwei spätere von St. Gallen einerseits und von St. Omer andererseits ausgingen. Die fuldische Überlieferung wird in oberdeutschen Glossarglossen, die sanktgallische in alemannischen, die Überlieferung aus St. Omer in niederdeutschen bzw. niederfränkischen Textglossen sichtbar. Keine der Überlieferungsgruppen, weder Glossarglossen und Textglossen noch die Textglossen untereinander, scheinen miteinander verbunden zu sein.54 Parallelglossen zwischen den Gruppen erscheinen mehr zufällig zu Lemmata, die auch in anderen Texten häufig glossiert sind. Neben diesen Glossierungsfamilien tritt eine Reihe isolierter Textglossierungen auf, von denen die älteste als bairischer Beitrag aus Freising stammt und Indizien auf angelsächsischen Einfluss aufweist. Bei sämtlichen Orosiusglossierungen handelt es sich um wenig umfangreiche Bestände, insbesondere im Vergleich mit den jeweils kopräsenten lateinischen Glossen. Wie aus der Entstehungsgeschichte verständlich, ist das Material mehrheitlich kopial, was sich auch in mechanistischen Schreibungen offenbart. Als Zeugnisse originaler Glossierung und damit unmittelbarer Beschäftigung mit dem Text sind allenfalls die Textglossen in (9), (13), (17), (18), (19) und (20) anzusehen. Unklar ist, in welchem Rahmen man sich mit Orosius beschäftigte und die Glossen eingetragen wurden. Für eine allfällige Verwendung des Textes in der Schule zeichnen die einzelnen Handschriften ein mehrdeutiges Bild. Eine Entstehung in schulischem Kontext wird von Eisenhut (2009: 321) im Falle der St. Galler Überlieferungsgruppe (9–12) abgelehnt, von Glaser (1996: 586) dagegen für die Freisinger Glossen (18) und von Mazhuga (2003: 11) für die verschriebenen Glossen in (16) in Erwägung gezogen. Der Clm 6308 hat in diesem Überlieferungskontext eine einzigartige Stellung inne. Seine althochdeutsche Glossierung ist älter und umfangreicher als die übrigen volkssprachigen Textglossierungen. Die Glossen der ersten Eintragungsschicht setzen sich in der Überlieferung nicht fort. Sie zeigen, dass in den Anfängen der karolingischen Klöster auf deutschsprachigem Gebiet Orosius punktuell und vermutlich in unmittelbarer Auseinandersetzung mit dem Text und seiner sprachlichen Abfassung autonom annotiert wurde. Dieselbe Handschrift dokumentiert, dass mehr als ein Jahrhundert später der Text erneut glossiert wurde, diesmal jedoch unter Benutzung von Vorlagen und mit dem Ziel einer Aufbereitung für die Schule. Die jetzt auftauchenden volkssprachigen Glossen deuten anhand eines einzigen Parallelbelegs darauf hin, dass die althochdeutschen Glossen der Orosisusglossare in die Zirkulationen involviert waren. Der Clm 6308 spiegelt damit in Form sparsamer Hin-

|| 54 Diese Ansicht wird in der Forschung für mehrere der Glossierungen geäußert. Man vergleiche Blech (1977: 68), Glaser (1996: 567) und Eisenhut (2009: 152).

272 | München, BSB Clm 6308 (BStK-Nr. 525)

weise den Lauf wider, den die althochdeutsche Orosiusrezeption im bairischen Raum genommen hat.

3.9 Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6308 Die lateinischen Federglossen sind in unserer Untersuchung nicht mitbehandelt, weshalb sie auch nicht in dieser Übersichtsdarstellung erscheinen. Die lateinischen Griffelglossen jedoch werden wegen ihrer Schichtenzugehörigkeit mitaufgelistet. Nr.

Pos.55

Lemma

Textstelle; Ed.

Interpretament Typ56 Glossenedition57

a)

4v, 8

meotidas

I,2,5; CSEL V,10,6

merilihun

Fd.

Mayer 1974: 82; Glaser 1996 Nr. 1

b)

4v, 8

paludes

I,2,5; CSEL V,10,6

mós

Fd.

Mayer 1974: 82; Glaser 1996 Nr. 2

L1

8r, u

?

I,2,47; CSEL V,19,8

& potestas

58

Glaser 1996: 564f.

1.

18r, 4, r

(urbes? concesserim?)

I,5,4; CSEL V,45,5

capu/rc

I



L2

18r, 5/6?, r (infeci)

I,5,4; CSEL V,45,6

consopir.

I

Glaser 1996 Nr. L1 (Korr.)

2.

19r, 2, r

(discernant?)

I,6,1; CSEL V,47,9

ar

I



3.

19v, 9, l

(proelium)

I,7,1; CSEL V,48,12

seccha

I?



4.

20r, 3, r

(fastidiendam)

I,8,1; CSEL V,50,1

ṕullisont

I

Glaser 1996 Nr. 3 (Korr.)

L3

20r, 7, r

(breuiator)

I,8,1; CSEL V,50,3

scriptor

I



c)

21r, 14

uectigal

I,8,9; CSEL V,52,3

zol ·

Fd.

Stach 1951: 347,20; Glaser 1996 Nr. 4

5.

21v, 19f., l (praetento)

I,8,14; CSEL V,53,4

urlo/ca

I



6.

23v, 16, r

qualores

I,10,10; CSEL V,56,17

ṕullida

I



7.

24r, 3, r

(ulcera)

I,10,11; CSEL V,57,6

eiz

III



8.

I,10,11; CSEL V,57,6 24r, 3/5, r (ulcera? uesicas? scabiem?)

pulla

I

Glaser 1996 Nr. 5

L4

25r, 5, r

aperte

I

Glaser 1996 Nr. L2 (Korr.)

(propalate)

I,10,18; CSEL V,59,1

|| 55 Angabe der Position des Lemmas (Folio, Zeile). Falls nicht anders vermerkt, handelt es sich um Interlinearglossen. Bei marginaler Position ist das Lemma eingeklammert und die Position der Glosse erscheint ebenfalls in dieser Spalte (l = links; r = rechts; o = oben; u = unten). 56 Angabe des Instruments (Fd. = Feder) bzw. der Schicht der Griffelglosse (z. B. I). 57 Wenn nicht anders vermerkt, handelt es sich um die Erstedition. Abweichungen von existierenden Editionen werden als ‚Korr.‘ gekennzeichnet. 58 Sonst nicht nachzuweisende Hand.

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6308 | 273

Nr.

Pos.55

Lemma

Textstelle; Ed.

Interpretament Typ56 Glossenedition57

9.

25r, 8, r

(incanduit)

I,10,19; CSEL V,59,3

fochta

I

Glaser 1996 Nr. *3 unentziffert

L5

26v, 3, l

(adsęcula)

I,12,5; CSEL V,61,15

mansor

I

Glaser 1996 Nr. 7 (Korr.)

10. 27r, 15, r

(addicebant? informe?)

I,13,2; CSEL V,63,7

casc|

I



L6

27v, 9, l

(stolide)

I,14,2; CSEL V,64,4

stulte

I



L7

28r, 1, o

(infinitis)

I,14,4; CSEL V,64,13

n·firmis

I

Glaser 1996 Nr. L3 (Korr.)

11.

30v, 23

praefecto

I,19,1; CSEL V,70,13

grauin

I



L8

31r, 3, r

(ardenti? pyriorum?)

I,19,1; CSEL V,71,1

ignibus

I

Glaser 1996 Nr. L5 (Korr.)

12. 31v, 7, l

(aepulas?)

I,19,7; CSEL V,72,2

fursodta

I

Glaser 1996 Nr. 9 (Korr.)

13. 31v, 13, l

(copiis)

I,19,8; CSEL V,72,5

scazza

I

Glaser 1996 Nr. *4 unentziffert

14. 31v, 16, l

(moleretur)

I,19,8; CSEL V,72,7

soahta

I

Glaser 1996 Nr. L4 unentziffert

L9

32r, 13, r

(commentis?)

I,20,1; CSEL V,73,5

consiliis

I

Glaser 1996 Nr. L6 (Korr.)

15.

32v, 12, l

(impetatibus)

I,20,5; CSEL V,74,5

eerlosin

I

Glaser 1996 Nr. 10 (Korr.)

16. 32v, 13, l

(iudicio)

I,20,5; CSEL V,74,5

sto¯

I



17. 34r, 8, r

(copias)

I,21,9; CSEL V,77,1

megin

I

Glaser 1996 Nr. *5 unentziffert

18. 40r, 1, r

(pellexerat)

II,4,5; CSEL V,89,1

pisuuih|

I



d)

(ducem)

II,4,6; CSEL V,89,2

hericoho

Fd.

Stach 1951: 347,23; Glaser 1996 Nr. 11

19. 41v, 21, l

(plurimum?)

II,5,4; CSEL V,92,11

fol

I



20. 43v, 12, l

(segnior)

II,6,4; CSEL V,95,13

tracor

I



21. 45r, 7, r

(expeditione)

II,6,14; CSEL V,98,5

farte

I

Glaser 1996 Nr. *6 unentziffert

22. 45v, 10, l

(hostium)

II,7,4; CSEL V,99,5

fianto

I



e)

(alites)

II,10,11; CSEL V,107,9

fogala

Fd.

Stach 1951: 347,25; Glaser 1996 Nr. 12

23. 53r, 5, r

(incanduit)

II,12,2; CSEL V,110,15

fiure|

III



24. 53r, 13, r

(tabe)

II,12,3; CSEL V,111,4

suht

I

Stach 1951: 347,27; Glaser 1996 Nr. 13

L10 53v, 12, l

(fasces?)

II,12,8; CSEL V,112,1

fructu.

IV?



40r, 3, r

51r, 8, r

274 | München, BSB Clm 6308 (BStK-Nr. 525)

Lemma

Textstelle; Ed.

Interpretament Typ56 Glossenedition57

25. 73r, 6, r

(cratem?)

III,2,9; CSEL V,144,15

ṕur| / .

I

Glaser 1996 Nr. *7 unentziffert

26. 86v, 7, l

(uocibus efferant)

III,14,8; CSEL V,168,5

casprehhont

I

Stach 1951: 348,1; Glaser 1996 Nr. 14 (Korr.)

27. 90r, 8, r

(infulis)

III,16,11; CSEL V,174,11

chupha

I



28. 126r, 5, r

(obrueret)

IV,15,2; CSEL V,246,7

pisuua|

IV



29. 128r, 20, r (blandientem)

IV,6,39; CSEL V,224,17

flehon|

IV?



30. 141r, 7, r

(concubia)

IV,18,18; CSEL V,257,18 folslaf|

IV



31. 141r, 11, r

(obpraessi)

IV,18,19; CSEL V,258,1

IV?



Nr.

Pos.55

zastor|

4 München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an) 4.1 Einleitung Mit den Glossen im Clm 6383 ist erst in jüngster Zeit ein bislang gänzlich unbekanntes Korpus an althochdeutschen Griffelglossen aufgetaucht, das mit 422 als althochdeutsch bestimmbaren Eintragungen zu den umfangreichsten Beständen an Griffelglossen gehört, die aus Freising überliefert sind. Mit ihrem hohen Alter, ihrer stattlichen Anzahl und zahlreichen Erstbelegen stellen sie für die frühe Überlieferung des Althochdeutschen einen gewichtigen Zuwachs an Quellenmaterial dar. Dass die Glossen so lange unentdeckt geblieben waren, beruht vermutlich darauf, dass einerseits die Handschrift in der Forschung eine vergleichsweise geringe Beachtung fand und andererseits den Glossen eine besonders diskrete äußere Erscheinung eigen ist. Die folgende Präsentation kann dem gewichtigen Material nicht vollumfänglich gerecht werden. Allzu vielen Schwierigkeiten in dessen Überlieferung, Aussehen, Struktur und Umfang ist Rechnung zu tragen, was dazu zwingt, bei der Darstellung und Auswertung von Überlieferung und Glossen einerseits einseitig Schwerpunkte zu setzen und andererseits Einschränkungen hinzunehmen. Probleme bereitet zunächst die Überlieferungssituation. Die Handschrift lässt sich zwar einer Schreiblandschaft, aber keinem bestimmten Schreibort zuweisen. Der Zeitpunkt ihrer Ankunft in Freising ist ungewiss. Eine Darstellung ihrer Herkunft und Geschichte kann sich nur auf eine spärliche vorausgegangene Forschung stützen und muss in den wesentlichen Punkten offen bleiben. Beträchtliche und teilweise unüberwindliche Schwierigkeiten erwachsen der Ermittlung des Glossenmaterials aus dessen Erhaltungszustand und dem eintragungstechnischen Charakter. Zudem ist der Bestand an Belegen sehr umfangreich. Zur Einordnung der Glossen stellt die historische Grammatik und Lexikographie der Althochdeutschforschung die Grundlagen zur Verfügung. Erst in Ansätzen erforscht ist dagegen die althochdeutsche Rezeption des Werktextes, der Kirchengeschichte des Eusebius in der Übersetzung des Rufinus von Aquileia. Eine erste, konzise Überblicksdarstellung gibt Bergmann (2013a). Ein erster Schwerpunkt in unserer Untersuchung wird bei der Behandlung der Überlieferung gesetzt. Wir versuchen, eine detaillierte Beschreibung der Handschrift zu geben und die wenigen Daten aus der Forschung mit eigenen Überlegungen zur Geschichte des Codex und seinem Bezug zu Freising zu verbinden. Bei der Untersuchung der Glossen war der Fokus zunächst auf die Sicherung des Korpus in Umfang und Lesungen zu legen. Sie erforderte eine besonders akribische Prüfung des Pergaments und machte mehrfach durchgeführte Entzifferungsarbeiten notwendig. In der Edition schwerpunktmäßig behandelt ist das Minimalziel, jede Glos-

https://doi.org/10.1515/9783110621952-004

276 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

se in ihrem handschriftlichen und textlichen Kontext zu zeigen und eine erste sprachliche Bestimmung anzubieten. Die Einschränkungen betreffen zunächst die Möglichkeiten, die Handschriftengeschichte zu erschließen. Weitere Abstriche bestehen darin, dass eine Trennung von Eintragungsschichten nur in Ansätzen zu erreichen ist. Die Darstellung der Schichtung muss sich damit begnügen, eine grobe Ordnung nach Eintragungstypen vorzunehmen. Ebenso kann die Beschreibung der Glossenschriften nebst einer Aufzählung von auffälligen Phänomenen nur einen Gesamteindruck wiedergeben. Grenzen in der Ausführlichkeit sind auch der Präsentation und Auswertung gesetzt. Die große Zahl an Glossen verlangt eine Edition in knapper Form, die sich zudem nur dem Material zu widmen hat, das gesichert scheint. Die sprachliche Auswertung des einzelnen Belegs ist auf die Bestimmung von Form und Lexem reduziert. Zur glossierungsfunktionalen Erörterung müssen Hinweise auf charakteristische Besonderheiten und der Versuch genügen, den funktionalen Wesenszug zu skizzieren. Die anschließenden Ausführungen zum Clm 6383 sind wie folgt gegliedert: Den Anfang machen die Beschreibungen der Handschrift (Kap. 4.2) mit ihrer Geschichte, gefolgt von einer kurzen Vorstellung des glossierten Werktextes. Die Glossen (Kap. 4.3) werden daraufhin paläographisch kommentiert und ediert, zuerst die identifizierten althochdeutschen Griffelglossen, danach die eine althochdeutsche Federglosse. Im Anschluss werden die nicht identifizierten Eintragungen listenartig zusammengestellt. Die Auswertung der Glossen bleibt beschränkt auf eine lautliche Untersuchung und den Versuch einer Lokalisierung und Datierung ihrer Sprache.

4.2 Die Handschrift 4.2.1 Forschungsstand Der Clm 6383 wurde in der Forschung verhältnismäßig wenig beachtet. Beschreibungen gibt es nur wenige. Die maßgeblichen stammen von Bischoff (1974: 147f.; CLA 9,1279 [4]) und Glauche (2011: 158f.). Eine kurze Beschreibung mit Blick auf den Buchschmuck enthält Bierbrauer (1990, Textband: 101, Nr. 200). Die auszeichnungsschriftlichen Aspekte behandelt Kessler (1986: 108, 111f., 137). Eine knappe Beschreibung bietet auch der Catalogus (I,3: 102, Nr. 753), desgleichen Bischoff (2004: 240, Nr. 3066), hier mit Hinweisen auf Literatur.1 Eine kurze Charakterisierung der Handschrift, Hinweise zu ihrer Geschichte sowie ihrer Stellung als ältester Überlieferungsträger des Werktextes in der Freisinger Dombibliothek gibt Brunhölzl (1961: 246f.). Auf ein paar Schriftmerkmale und exemplarisch auf zwei Textvarian-

|| 1 Zum Eintrag im historischen Katalog von J. G. Krabinger (Cbm Cat. 82, f. 12v) siehe Glauche (2011: 159); vgl. auch Kellner/Spethmann (1996: 64f.).

Die Handschrift | 277

ten (dies bezogen auf den abgebildeten Ausschnitt in CLA) weist Hammond Bammel (1993: 502f. und A.86) hin. Abbildungen enthalten CLA 9,1279 [4] (abgebildet f. 31v, der Text vom Ende des 2. Buches, in der Edition ab 1,181.2), Bierbrauer (1990, Tafelband: 107, Abb. 400, f. 2v) und Kessler (1986: Abb. 120, f. 31v; Abb. 121, f. 49r; Abb. 122, f. 151r; Abb. 123, f. 17v). Die Handschrift ist digitalisiert im Internet einsehbar.2 Die Handschrift wurde vereinzelt und jeweils in verschiedenem Zusammenhang kurz erwähnt, beispielsweise in der Untersuchung von Jones (1962: 21) zu eingestochenen Liniierungshilfen, von Maag (2014: 194) in einem tabellarischen Katalog von Handschriften in alemannischer Minuskel, von Mommsen in einer Zusammenstellung der Textzeugen (Schwartz/Mommsen 1999: 3, cclv; Nr. 72), bei Deutinger (1999: 78) in den Bemerkungen zum Bestand an Handschriften mit Eusebius᾿ Kirchengeschichte in Freising und bei Breen (1987: 194,A.36), Hammond Bammel (1993: 498) und Reimitz (2015: 266) in ihren Arbeiten zur Überlieferungs- und Editionsgeschichte des Werktextes. Erwähnt im Zusammenhang mit ihren Glossen ist die Handschrift bei Bergmann (2013a: 82), Nievergelt (2013b: 385f., 419f.) sowie im Internet bei BStK online und Althochdeutsche Glossen Wiki.

4.2.2 Kodikologische Beschreibung Pergamentcodex, 151 Blätter, 26 x 20,5 cm. Langzeilen. Der Schriftraum misst 21– 22,5 x 16–17,5 cm und enthält 31–38 Zeilen von ca. 4–6 mm Höhe. Die Foliierung mit dunkler Tinte von ff. 1–151 stammt aus dem 19. Jahrhundert. Einband: Drei Bünde. Heller spätgotischer Ledereinband mit Streicheisenlinien (15. Jh.), der Riemen der Schließe ist weggerissen, ebenso oben eine Kettenöse. Auf dem Vorderdeckel steht zweimal die Aufschrift Cronica Eusebii direkt auf dem Leder, links verblasst, rechts von einem Papierschildchen mit Nummer N 4. überklebt (vgl. Glauche 2011: 159). Auf dem Rücken befinden sich zwei Papierzettel (17. Jh.), oben die Fachbezeichnung N 6 (kaum mehr lesbar), unten die Standortsignatur LL 1, überklebt mit rotem Etikett Kr 277 (Glauche 2011: 159), dazwischen drei Signaturetiketten, oben Cod. Fris. 183., in der Mitte und unten je Cod. lat. 6383. Auf der Innenseite der Buchdeckel kleben Papierblätter, auf dem Vorderspiegel das Signaturetikett Cod. lat. 6383 und mit Bleistift geschrieben Fris. 183. Cod. lat. 6383 sowie Ex Bibliotheca Capituli Frisingensis (18. Jh.). Pergament: Schafpergament, mit Ausnahme von Vellumblättern in den Lagen xiiii und xv (f. 106–121; siehe CLA 9,1279), von mittlerer Qualität. Etliche Haarseiten sind gelblich, aber nicht stark gedunkelt. Wie Einzelblätter zeigen, wurden auch kleinere Hautstücke verwertet. Einige Blätter weisen größere und kleinere Löcher auf, die alle ursprünglich sind. An Beschädigungen sind ein paar Wasserflecken zu || 2 Siehe http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb00054508-8 (07.12.2018).

278 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

melden (z. B. f. 60v, ff. 118v/119r, ff. 120v/121r). Die Blätter sind oben und unten nachträglich zugeschnitten worden, was sich daran zeigt, dass Kopf- und Fußsteg unterschiedlich breit sind. Der Raupenfraß an den Buchdeckeln, der aus der Zeit nach dem Aufkleben der Papierblätter stammt, lässt sich durch wenige Blätter hindurch auch in den Codex hinein verfolgen. Lagenstruktur: An der Lagenstruktur fällt auf, dass bei etlichen der 19 Lagen von Anfang an Einzelblätter (insgesamt 16) verwendet wurden. Nur das heutige Einzelblatt f. 138 war ursprünglich Teil eines Doppelblattes, dessen rechte Hälfte nun verloren ist.3 Die Lagen sind jeweils am Ende durchgezählt (i8- xvii137, eingefasst von gestapelten Strichen). Die Kustoden der letzten beiden Lagen sind mit deren Schlussblättern verlorengegangen. Lageneinrichtung (siehe auch Glauche 2011: 158): : V8 (F[]HFF-H[]FHH4) + IV16 (FHFF) + : V25 (FHHFH-FHF[]H5) + : IV33 (HFFH) + : V41 (FHHF[]-HH[]FH6) + : IV49 (FHFH) + : V57 (HF[]HFH[]FHF7) + : IV64 (FH[]F-HFFH8) + : IV72 (FFHF) + : V80 (FHHF[]H[]FFH9) + : V88 (HHF[]F-HF[]FF10) + : IV96 (HFHF) + : VI105 (F[]FH[]FHF[]HFH11) + : IV113 (HFHH) + : IV121 (FFFH) + : IV129 (HFHF) + : IV137 (HFFF) + []: IV144 (HFFF-HHH[]12) + []: IV151 (HFFF-HHH[]13). Einrichtung der Seite und des Textfeldes: Langzeilen. Liniiert wurden mit stumpfem Griffel – bezogen auf die Lage – von innen 2-4 Doppelblätter gleichzeitig, vor der Faltung (vgl. auch CLA 9,1279). Die Ränder sind heute verhältnismäßig schmal. Der Schriftspiegel liegt innen und außen zwischen Doppellinien. Die Zeilenliniierung geht regelmäßig über den Spiegel und vielerorts an den äußeren Blattrand hinaus. Die Zeilenanzahl bewegt sich zwischen 31–38, wobei sich die Anzahl nach unersichtlichen Regeln verändert, z. B. in der Lagenmitte : f. 4v 31 ZZ., f. 5r 32 ZZ., oder in der Lage : f. 35v 32 ZZ., f. 36r 36 ZZ., aber auch in regelmäßigen Quaternionen wie Lage : f. 9r–10r 38 ZZ., f. 10v–12r 37 ZZ., f. 12v 36 ZZ., f. 13r–v 37 ZZ., f. 14r–15r 38 ZZ., f. 15v, 37 ZZ., f. 16r–v 38 ZZ.

|| 3 Dazu und zum Textverlust siehe unten. 4 f. 3 und f. 7 sind Einzelblätter. Der Rücken wurde später mit einem Papierstreifen verstärkt. 5 f. 18 ist ein Einzelblatt. 6 f. 36 und f. 38 sind Einzelblätter. 7 f. 52 und f. 55 sind Einzelblätter. 8 f. 62 ist ein Einzelblatt. 9 f. 76 und f. 77 sind Einzelblätter. 10 f. 83 und f. 86 sind Einzelblätter. 11 f. 99, f. 102 und f. 104 sind Einzelblätter. 12 f. 138 ist nach Blattverlust ein Einzelblatt. 13 f. 145 ist ein Einzelblatt.

Die Handschrift | 279

4.2.3 Paläographische Beschreibung Schrift: Die Schrift des Werktextes ist eine vorkarolingische alemannische Minuskel, geschrieben „von mehreren untereinander sehr eng verwandten alemannischen Händen des ausgehenden VIII. Jhs.“ (Bischoff 1974: 147). Die Hände verraten geübte Schreiber. Nur selten werden wenige Wörter, beispielsweise Schlusszeilen, von ungeübten Händen geschrieben (z. B. f. 131r, Z. 24). Die Tintenfarbe geht von Braun, Dunkelbraun bis Schwarz (z. B. 11r, ab Z. 5), dunklere Brauntöne überwiegen. Die Platzverhältnisse erforderten einen kleinen Schriftgrad. Mit einer n-Höhe von nur ca. 2 mm bei ca. 6 mm Zeilenabstand wurde ein größtmöglicher Zwischenraum belassen, der die Eintragung von Interlinearglossen in etwa derselben Schriftgröße zulässt. Vereinzelt wurde am Seitenende der Text im unteren Blattrand noch weitergeschrieben.14 Die seitlichen Textspiegelrahmen werden zunächst nur für Kapitelnummern genutzt, ab f. 21v auch für den Text. Überhaupt erweckt die Anlage insgesamt den Eindruck, dass mit dem Platz sparsam umgegangen wurde. Das zeigt auch das Vorgehen, Kapitelanfänge zunehmend nicht mehr als neue Abschnitte zu setzen, sondern den Text weiterlaufen zu lassen. Auf f. 93r sind die Zeilen 2–27 allerdings freigelassen, vielleicht wegen durchscheinender Tinte. Der alemannische Schriftcharakter ist deutlich und manifestiert sich nebst Erkennungsmarken wie die fi-15 und die nt-Ligatur im Wortinnern vor allem durch die runde und ruhige Behandlung der Buchstabenkörper. Da die Buchstaben sehr klein sind, wirkt die Federkante verhältnismäßig breit. Den Händen ist die Neigung gemein, Schäfte stabil senkrecht zu stellen. Die Begrenzung der Mittellänge wird aufmerksam beachtet, was dem Schriftzug Bandcharakter leiht. Die alten Ligaturen, von welchen die Schreiber unterschiedlich stark Gebrauch machten, bilden dazu einen lebhaften Kontrast. a tritt hauptsächlich als cc-a auf, manchmal offen mit Spitzen und nur selten unzial (vgl. CLA). a kommt in at-Ligaturen auch hochgestellt vor16, auffällig gehäuft beim Schreiber, der auf f. 121v ein Textstück reskribierte (Z. 19 auch -ant; siehe Glauche 2011: 159; siehe auch in Kap. 4.2.5), aber auch andernorts in der Handschrift, z. B. f. 52r (conmemorat), f. 79r (ignorat), f. 120r (de-

|| 14 f. 73r producit nachher wieder ausgewischt. Auf f. 4r wurde eine ganze Passage marginal unten ergänzend eingefügt. 15 Ligiert und unligiert, auch im selben Wort (z. B. f. 87r, Z. 27, filosofiam). 16 Es handelt sich um einen c-förmigen Aufsatz auf dem verlängerten Schaft von t, immer im Kontakt mit diesem. In einigen Handschriften kommt dieses a abgelöst und zu einer Welle verflacht vor. Vgl. Bischoff (1974: 64 und A.1) sowie zum Clm 21525 in Kap. 5.2.1.3. Die alte Ligatur (Bruckner 1936: 20 bezeichnet sie als „merowingisch“) tritt in der früh-beneventanischen Schrift der Handschrift Rom, Vatikanstadt, BAV Vercellensis CLXXXIII in besonders vielen Verbindungen auf. Vgl. die Abb. in Ehrle/Liebaert (1932: Tafel 9). Sie ist in der norditalienischen Kursive von Rom, Vatikanstadt, Pal. lat. 187 und in den vorkarolingischen deutschen Handschriften des BAV Pal. lat. 212 und BAV Vat. lat. 553 anzutreffen (CLA 1, 6 [4], 80b [24] und 85 [26]); vgl. auch Kap. 4.2.5.

280 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

serebat), f. 121r (transformata), f. 122r (poscebat), f. 125v (parat), f. 127r (poterat), f. 128r (fugabat), f. 130v (deprehenderat) sowie f. 132v (decreuerat). d ist unzial und halbunzial anzutreffen. Der Balken von t ist häufig links eng eingerollt, geht aber nie in den Schaft über. Unterlängen zeigen f und s, dagegen r nur in Ligaturen. Nasalstriche verlaufen bei den Schreibern unterschiedlich steil. Sie enden oft, wie einige Ligaturenabschlüsse, mit kleinen Köpfchen. Zu den zahlreich verwendeten Abkürzungen und zur Interpunktion siehe CLA 9,1279. Die von Hammond Bammel (1993: 503) hervorgehobenen insularen Reminiszenzen sind nicht charakteristisch. Erwähnt werden kann das offene a mit zwei Spitzen und das singuläre enim-Symbol auf f. 121v, Z. 24. Das dreistrichige a ist nicht anzutreffen. Spätere Eintragungen: Auf die leere Schlussseite f. 151v sind im 9. und 11. Jh. verschiedene Einträge aufgezeichnet worden, und auf f. 1 ist marg. unten ein Bibelzitat eingetragen (siehe das folgende Kap.). Korrekturen mit Tinte aus dem 9. Jh. sind nur wenige anzutreffen. Ab und zu sind interlinear Textergänzungen eingetragen (z. B. f. 117r, Z. 4, Z. 14). Die lateinische Worterklärung auf f. 12r, marg. rechts neben Z. 18, steht in der Handschrift allein. f. 78v–82r hat eine grobe Hand alte Kürzungen und Ligaturen ‚modernisiert‘, d. h. über -rum-Ligaturen Nasalstriche und neben -us-Ligaturen s gesetzt sowie den Schaft des hohen t bei einer at-Ligatur zu einem a erweitert (f. 79r, Z. 27, ignorat). Nur die althochdeutsche Griffelglossierung bezeugt, dass der Text von mehreren Personen studiert wurde. Sonstige Benutzerspuren wie Federproben finden sich in geringer Zahl (siehe das folgende Kap.). Buchschmuck: Textschmuck, Auszeichnung und Gliederungsmittel werden sparsam eingesetzt. Griechische Schrift ist überstrichen (z. B. f. 85v, Z. 6, 13). Bescheiden geschmückte, in der Schreibtinte gezeichnete Initialen, die 2 bis 5 Zeilen bzw. 1,6 bis 3,4 cm hoch sind, stehen nur zu Beginn der Praefatio (f. 1r) und der ersten drei Bücher (f. 2v, 18r, 32v; vgl. Bierbrauer 1990: 101; Kessler 1986: 112 sowie Abb. 400 bei Bierbrauer). Danach finden sich wie Hohlbuchstaben gestaltete oder einfache Majuskeln. Auszeichnungsschrift steht in Majuskeln und Unziale.

4.2.4 Inhaltliche Beschreibung Der Codex enthält f. 1r–151r Eusebius Caesarensis, Historia ecclesiastica (Bücher I–IX) in der lateinischen Übersetzung von Rufinus von Aquileia sowie dessen einleitenden Prolog und Fortsetzung des Stoffs (Bücher X–XI) in der folgenden Verteilung in der Handschrift: f. 1r–v, Prologus, PERITORUM DICUNT ESSE MEDICORUM, (…) – usque ad obitum theodosii augusti (951,3–952,16); f. 2r, Capitulatio; f. 2v–17v, Liber I (GCS NF 6,171: 3–97); f. 17v, Capitulatio; f. 18r–31v, Liber II (GCS NF 6,1: 99–181); f. 31v– 32v, Capitulatio; f. 32v–49r, Liber III (GCS NF 6,1: 183–293); f. 49r–v, Capitulatio; || 17 GCS NF 6 = Schwartz/Mommsen (1999).

Die Handschrift | 281

f. 49v–63v, Liber IV (GCS NF 6,1: 295–393); f. 63v–64r, Capitulatio; f. 64r–80r, Liber V (GCS NF 6,1: 395–507); f. 80r–v, Capitulatio; f. 80v–96r, Liber VI (GCS NF 6,2: 509–629); f. 96r, Capitulatio; f. 96v–107v, Liber VII (GCS NF 6,2: 631–731); f. 107v, Capitulatio; f. 107v–117r, Liber VIII (GCS NF 6,2: 733–797); f. 117r, Capitulatio; f. 117v–126r, Liber IX (GCS NF 6,2: 799–853); f. 126r–v, Capitulatio; f. 126v–140r, Liber X (GCS NF 6,2: 855–903, 957–998); f. 140r–v, Capitulatio; f. 140v–151r, Liber XI (GCS NF 6,2: 999–1040). Durch den Verlust des letzten Blattes der 18. Lage (vgl. Glauche 2011: 159 und siehe oben) fehlt vom Text das Stück supplicia. – tum vero Valentis bella, quae ecclesiis inferebat (Rufinus, Ecclesiasticae historiae, XI, 9–13; GCS NF 6,2, 1016,15–1019,15). Der Text schließt f. 151r, Z. 29f. mit der Schlussformel FINIT LIBER XI. SANCTA TRINITAS QUI ES UNUS DEUS TE CONLAVDO DEO GRATIA (vgl. Bischoff 1974: 148; Glauche 2011: 159; Kessler 1986: 112 und Abb. 122). f. 151v trägt verschiedene Einträge wie aus dem 9. Jahrhundert (vgl. CLA 9,1279) eine auf Anfangsbuchstaben gekürzte, römische ‚Litteral-Inschrift‘, Rätsel, Anmerkungen zu Sekten, die im Werktext behandelt sind, sowie aus dem 11. Jahrhundert Briefadressen. Siehe die Einzelheiten bei Thomas (1869: 5), Brunhölzl (1961: 247), Bischoff (1974: 147f.) und Glauche (2011: 159). Dass bei der Textanordnung platzsparend geplant wurde und für die Lagen etliche Einzelblätter und Stücke mit teilweise großen Löchern verwendet wurden, gibt der Handschrift den Charakter eines für den praktischen Gebrauch bestimmten, soliden Arbeitsexemplars. Der Text zeigt keine Spuren einer nachträglichen Gesamtrevision. Korrekturen fallen sporadisch aus. Die Benutzerspuren in Form der Glossen fallen alle in eine frühe Zeit, mit Ausnahme einer volkssprachigen Federglosse (siehe Kap. 4.3.5.2). Federproben und anderes: f. 1r, marg. unten, Bibelzitat aus Phil 1,21 (Glauche 2011: 159), f. 61r, marg. oben Abklatsch (spiegelbildlich) i ia eluctant / (…). f. 73v/74r marg. außen Farbabrieb, auch an anderen Stellen im Codex, f. 87v, marg. oben mulier tua sunt goloria tua uere, f. 88r, marg. rechts mulier (ausgewischt), f. 89v, marg. oben tue, f. 90v, marg. links g()riatue, f. 91r, Z. 21, intl. etwas ausgewischt, f. 102r, marg. oben uota, f. 102v, marg. links multa sunt, f. 107v, Z. 12, multa, f. 113r, marg. oben Alii ue scitis dulcissime, marg. rechts multa, f. 115r, marg. oben mulier, f. 126v, marg. oben, paulus sa(…), ausgewischt. Bei dem federprobenähnlichen Eintrag auf f. 111r, Z. 7 handelt es sich um eine althochdeutsche Textglosse (siehe Kap. 4.3.4.2).

4.2.5 Geschichte der Handschrift Über die Entstehung der Handschrift und ihre frühere Geschichte ist so gut wie nichts bekannt. Die Datierungen in der Forschung schwanken stark vom Ende des 8. Jahrhunderts (Bischoff 1974: 147) und 8.–9. Jahrhundert (CLA) über 9. Jahrhundert (Catalogus I,3, 102) bis hin zur bestimmt falschen Zuweisung in das 11. Jahrhundert in der Edition von Mommsen (Schwartz/Mommsen 1999: cclv; Nr. 72). Die

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Bestimmung von Bischoff, den Codex noch dem 8. Jahrhundert zuzuweisen, dürfte aus dem Schriftvergleich zu schließen die richtige sein. In der Freisinger Dombibliothek befindlich ist die Handschrift bezeugt im 12. Jahrhundert durch den Besitzvermerk Liber iste est sancte marie et sancti corbiniani frisinge auf f. 2r, Z. 1. Bis zu ihrer Überführung in die Bayerische Staatsbibliothek München 1803 (vgl. den Bibliotheksstempel der Bayerischen Staatsbibliothek auf f. 1r und f. 151v) dürfte sie sich ohne Unterbrechung in Freising befunden haben. Der Schriftbefund, der auf eine Entstehung im letzten Drittel des 8. Jahrhunderts hinzeigt, gestattet jedoch keine Lokalisierung in Freising. Bischoff führt in seiner Untersuchung des Freisinger Skriptoriums die Handschrift im Anhang der „Handschriften zweifelhaften und fremden Ursprungs“ auf (1974: 130–153, hier 147). Die Hände bzw. den Schrifttyp beschreibt er als „alemannisch“ und in CLA 9,1279 als „Pre-Caroline minuscule of a German type in vogue in the Lake Constance region“. Von Bischoff (1977: 64f.) stammt eine Beschreibung der Schrift, deren Bezeichnung „alemannische Minuskel“ Bruckner (1937: 8) prägte.18 Bischoff (1974: 63, 84f.) hat gezeigt, dass einzelne alemannisch ausgebildete Schreiber in Freising gearbeitet haben. Die Wanderung der alemannischen Minuskel nach Bayern ist, bei älterer Terminologie, auch von Lehmann (1927: 63) beschrieben (vgl. Maag 2014: 7). Maag (2014: 113-126) stellt Rolle und Einfluss der alemannischen Minuskel auf das Freisinger Schreibwesen als besonders weitreichend dar. Die Zuweisung des Clm 6383 an die Freisinger Schreibwerkstätte ist in der Forschungsliteratur nirgends explizit ausgefallen, wird aber als Möglichkeit erwogen in CLA („possibly in Freising“), Glauche (2011: 158: „Freising (?)“), Kessler (1986: 108, 111f., 137: „wahrscheinlich […] in Freising geschrieben“) und Glauche in Manuscripta Mediaevalia.19 Aus den Äußerungen Bischoffs (1974: 147f.) ist sie dagegen nicht herauszulesen. Vielmehr findet Bischoff keine der Hände in anderem Freisinger Zusammenhang wieder, wenn er betont, dass selbst die Schrift des 9. Jahrhunderts auf f. 151v „in Freising ebenfalls (Hervorhebung A. N.) nicht nachzuweisen“ sei (Bischoff 1974: 148; vgl. Brunhölzl: 1961: 246). Eine Schlüsselrolle spielt vielleicht die Hand auf f. 121v, die von Bischoff sowohl 1974 als auch in den CLA unerwähnt bleibt, dagegen in Glauche (2011: 159) mit „(Freisinger?) Hand“ angegeben und zur Diskussion gestellt wird. Die Hand unterscheidet sich nicht wesentlich, aber durch einen verstärkten Gebrauch an Kürzungen und der Verwendung des insularen Symbols für enim von den anderen Händen. Das hochgestellte a kommt hier scheinbar gehäuft und auch mit n ligiert vor. Der Charakter der Schriftbehandlung ist hier stark von der Bemühung bestimmt, Platz zu sparen.

|| 18 Eine ausführliche Beschreibung gibt Bruckner (1936: 20–22), der die Schrift als „St. Galler Minuskel“ bezeichnet (vgl. Maag 2014: 7f.). Kessler (1986: 137) spricht von „Bodenseeischem Duktus“. 19 Siehe http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj90883227 (07.12.2018).

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Wo die Nähe der Handschrift zu den Freisinger Codices Clm 6303, Clm 6305 und Clm 6309 begründet wird, geschieht dies im Zusammenhang des Buchschmucks. Ähnlichkeit des Schriftschmucks als Indiz führen Kessler (1986: 111f.) und für den Clm 6303 und Clm 6309 auch Bierbrauer (1990, Textband: 101) an, mit dem Verweis, dass die betreffenden Merkmale auch in Handschriften aus der Bodenseeregion vorkommen. In CLA (9,1279) werden dieselben drei Codices als Beispiele für Freisinger Handschriften genannt, in welchen auch alemannische Hände arbeiteten. Gegen eine Entstehung des Clm 6383 in Freising spricht jedoch, dass sämtliche Hände hier alemannische und dass sie zahlreich sind, während in den Freisinger Codices der fraglichen Zeit, im letzten Drittel des 8. Jahrhunderts, nur sehr vereinzelte Hände unter sonst nicht-alemannischen anzutreffen sind. Bischoff (1974: 77f., 80) identifiziert eine „hervorragend schöne alemannische Hand“ , die wenige Partien im Clm 6282, Clm 6312 und Clm 6434 schrieb sowie eine weitere, die am Clm 6303, Clm 6305 und Clm 6309 arbeitete (Bischoff 1974: 84–86; vgl. auch Maag 2014: 114f.). Von diesen beiden ist diejenige in Clm 6303 und Clm 6309 einigen Händen im Clm 6383 ähnlich. Wie die Hand, die hier f. 121v reskribierte, verwendet die alemannische Hand im Clm 6303 und Clm 6309 das insulare enim-Symbol20 und die Ligaturen mit hochgestelltem a,21 die im Clm 6383 von den Händen auf ff. 120r, 121r, 122r, 125v, 127r, 128r, 130v und 132v in auffällig ähnlicher Formung benutzt wird (siehe oben Kap. 4.2.3). Ebenso weisen t mit links eingerolltem Balken und einige Ligaturen der Hand im Clm 6303 und Clm 6309 große Ähnlichkeiten zu solchen der Hände des Clm 6383 auf. Der Clm 6383 dürfte in der Bodenseeregion und in einem Skriptorium geschrieben worden sein, das enge Verbindungen zu Freising besaß. Die alemannische Hand im Clm 6303 und Clm 6309 könnte am selben Ort ausgebildet worden sein wie die Hände des Clm 6383. Brunhölzl (1961: 246f.) spricht von einem „noch nicht genau bestimmten alemannischen Skriptorium“ und erkennt im Schriftcharakter Bezüge zu den beiden ebenfalls aus dem Bodenseegebiet stammenden Handschriften Stuttgart, HB VII 64 und Einsiedeln, Stiftsbibliothek Cod. 346,22 welche gemäß der Datierung durch Bischoff (1998: 243 und 2014: 361) jedoch der Mitte des 9. Jahrhunderts zuzuweisen sind. Im Übrigen sind die textlichen Verwandtschaftsverhältnisse zwischen dem Clm 6383 und diesen Handschriften nach Brunhölzl auch noch gar nicht geklärt. Große Ähnlichkeiten zeigen die Schriften des Clm 6383 mit der alemannischen Mi-

|| 20 Siehe Clm 6303 z. B. f. 10r, 13v, 16v, etc; Clm 6309 z. B. f. 25v, 67v, 73r, etc. 21 Nebst in -at und -ant (z. B. Clm 6303, f. 1. enumerat, f. 7 domat, f. 9 intellegant, etc.; Clm 6309, f. 7v existimat, f. 10v fiat, f. 25v pugnant) auch in -as (z. B. Clm 6303, f. 10v aquas). In Freising scheint die Ligatur länger fortgelebt zu haben, wie Belege aus dem 2. Viertel des 9. Jahrhunderts zeigen (z. B. Clm 6254, f. 250va, Z. 1). 22 Indem Brunhölzl bei dem Einsidlensis „saec. viii“ angibt, hat er möglichweise die Signatur nicht richtig wiedergegeben und den Codex 347 gemeint (CLA 7,878). Der Schriftcharakter ist dort allerdings ausgeprägt rätisch.

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nuskel von Handschriften aus dem Bodenseeraum wie Schaffhausen, Stadtbibliothek Min. 78 (hier steife t-Schäfte mit scharfen Haken unten; eckige sind auch im Clm 6383 anzutreffen). Wie im Clm 6383 steht ausgeschriebenes nt neben ligiertem. Ähnlich, aber unspezifisch sind auch die großen Ovalformen der Caudae links unter e. Im Vergleich etwas auffälliger ist hochgestelltes a, das auch in St. Gallen, Stiftsbibliothek 44 vorkommt, verbunden mit n, beispielsweise p. 34, Z. 14 (plantabo) und p. 39, Z. 1 (dominantium).23 Mit St. Gallen, Stiftsbibliothek 40 teilt der Clm 6383 die -us-Kürzung. Hoffmann (1999: 580) fragt mit Recht, was wir mit einer Zuweisung in die Bodenseeregion denn anderes anfangen können, als entweder das Skriptorium der Reichenau, dasjenige von St. Gallen oder allenfalls eines in Konstanz in Betracht zu ziehen. Die Vielzahl gut ausgebildeter Schreiberhände, die konzeptuelle Geschlossenheit im Layout und die sorgfältige Durchführung der Schreibarbeit deuten auf ein gut organisiertes Skriptorium. Im Zusammenhang mit dem Clm 6383 hat in der Forschung niemand explizit von St. Gallen oder von der Reichenau gesprochen, sodass eine Entstehung in Konstanz zu überprüfen wäre.24 Die Frage, wann die Handschrift nach Freising kam, ist noch unbeantwortet. Sie ist insbesondere für die Einordnung der Glossen sehr wichtig und könnte vielleicht aus deren Untersuchung heraus beantwortet werden. Sollte zumindest ein Teil der Glossen lokalisiert und als bairisch bestimmt werden, wäre die Handschrift kurz nach ihrer Entstehung in Freising eingetroffen. Die Seite f. 121v wäre dann in Freising neu beschrieben worden. Die Einträge des 9. Jahrhunderts, die nicht mit Freising in Verbindung gebracht werden können, halten jedoch die Möglichkeit offen, dass der Codex Freising später und damit nach Eintragung der Griffelglossen erreichte. Theoretisch könnte die Handschrift auch irgendwo auf ihrem Weg glossiert worden sein. Unklar ist auch, welche Rolle das Buch dann in Freising spielte, wo zwei weitere Handschriften mit dem gleichen Text aufbewahrt wurden. Jene beiden anderen Codices entstanden im 1./2. Viertel des 9. Jahrhunderts und gemäß Bischoff (1974: 25, 36, 147) ebenfalls nicht in Freising: Der Clm 6375 entweder in Süddeutschland in der näheren Umgebung von Freising (Glauche) oder in Oberitalien (Bischoff),25 der Clm 6381 in Benediktbeuren (Bischoff 2004: 240). Beide tragen althochdeutsche Federglossen (BStK-Nr. 532, 533). Siehe dazu in Kap. 4.4.

|| 23 Vgl. auch in altalemannischen Glossen z. B. in Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Aug. IC, f. 53–108, St. Paul, Stiftsarchiv 37/6 (die Glosse StSG 1,311,56) sowie in Admont, Stiftsbibliothek, Fragm. D 1 (BStK-Nr. 296 (II), 775, 8g). 24 Zur Diskussion, ob im 8. und 9. Jahrhundert in Konstanz ein Skriptorium bestand, siehe Hoffmann (1999: 579f.). 25 Siehe Glauche zum Clm 6375 auf Manuscripta Mediaevalia: http://www.manuscriptamediaevalia.de/dokumente/html/obj31798572 (07.12.2018) und Bischoff (2004: 240). Zu der Widersprüchlichkeit siehe die Ausführungen von Glauche.

Die Handschrift | 285

4.2.6 Der glossierte Text Die ‚Historia ecclesiastica‘ von Rufinus von Aquileia stellt die früheste lateinische Kirchengeschichte dar. Es handelt sich um eine Übersetzung der griechischen Kirchengeschichte von Eusebius von Cäsarea. Rufinus übertrug sie zu Beginn des 5. Jahrhunderts ins Lateinische und ergänzte sie in zwei Büchern um die Geschichte der Zeit nach Eusebius bis 395.26 Rufinusʼ Text ist früh überliefert in einem irischen Fragment (um 600/Anfang 7. Jahrhundert).27 Die bis heute maßgebliche Edition der Übersetzung von Eusebiusʼ Kirchengeschichte durch Rufinus stammt von Theodor Mommsen, der sie seiner Edition der Kirchengeschichte von Eusebius beifügte. Er maß ihr zwar keinen selbständigen Wert bei, erachtete sie aber für die Benutzung von Eusebiusʼ als wichtig (Schwartz/Mommsen 1999: 1, ix). Als den besten Textzeugen betrachtete Mommsen die aus Lorsch stammende Handschrift Vatikan, BAV Pal. lat. 822. Zwar nicht, weil er in ihr die Abschrift einer besonders vertrauenswürdigen Vorlage gesehen hätte, sondern aufgrund der Beobachtung, dass die Lorscher Kopisten sich mit großer Aufmerksamkeit den Fehlern widmeten, die zu ihrer Zeit im Umlauf waren. Mommsen würdigte das Lorscher Exemplar als sorgfältige und intelligente, kritische Edition, merkte aber ebenso die vielen Interpolationen an, die er als Kehrseite der hohen Kompetenz der Schreiber bezeichnete.28 Als Quelle hat Mommsen auch den oben erwähnten Clm 6375, eine aus Freising überlieferte Handschrift, verwendet. Caroline Hammond Bammel unternahm den Versuch, mehr Handschriften in die Diskussion um diese Interpolationen einzubeziehen, als dies Mommsen getan hatte. Dessen selektive Benutzung von Handschriften und Behandlung des Rufinustextes bloß als Ergänzung zu demjenigen von Eusebius verunklaren den Blick auf die Textgeschichte bis heute.29 Der Clm 6383 befindet sich unter denjenigen Handschriften, die Mommsen nicht in seine Untersuchung einbezogen hatte. Möglicherweise wurde er wegen der falschen Datierung ins 11. Jahrhundert beiseitegelassen. Ham-

|| 26 Aus der umfangreichen Forschungsliteratur in Auswahl: Zu Rufinus und seinem Werk siehe u. a. Bodart (1995), Murphy (1945), Dattrino (1986) und Amidon (2016: 3–7), zur Überlieferung der ‚Historia ecclesiastica‘ siehe Mommsens ‚Einleitung zu Rufin‘ (Schwartz/Mommsen 1999: 3, ccxlix– cclxviii) und Hammond Bammel (1993), zur Übersetzungstechnik Humphries (2008). Eine Liste mit weiterer Literatur zu Rufinusʼ Übersetzungsarbeit enthält Amidon (2016: xiii). Zu Stoff und Hintergründen des Werks siehe Thélamon (1981). 27 Sammlung Paul Getty jr., Frag. s.n., Bischoff/Brown (1985: 348f., Nr. 1864). Vgl. Hammond Bammel (1993: 484). 28 Siehe Schwartz/Mommsen (1999: 3, ccli–cclxviii, hier cclxviii); vgl. Reimitz (2015: 265). 29 Vgl. Hammond Bammel (1993: 492f.), Reimitz (2015: 266) und auch Lapidge (2003: 124).

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mond Bammel (1993: 498) vermutet dagegen, dass die Handschrift für Mommsens Ausgabe zwar geprüft, aber als uninteressant betrachtet wurde.30 Die erste gedruckte Ausgabe von Rufinusʼ Kirchengeschichte wurde im Jahr 1474 veröffentlicht, ohne Angaben zu Herausgeber und Publikationsort (vgl. Simonetti 2000: 177). 2016 erschien die erste Übersetzung des ganzen Werks ins Englische (Amidon 2016).

4.3 Die Glossen 4.3.1 Entdeckung und Autopsiebericht Andreas Nievergelt entdeckte die Griffelglossen am 9. August 2012, anlässlich einer ersten Autopsie der Handschrift. Nach Meldung der Glossen fand die Handschrift Eingang in BStK, beziehungsweise in die den Katalog weiterführende Datenbank BStK online und erhielt die Katalognummer 710an. Die Entdeckung wurde verzeichnet in Nievergelt (2013b: 385f., 419f.) und Bergmann (2013a: 82). In Nievergelt/Glaser (2016: 328) wurde eine Glosse veröffentlicht (in unserer Edition die Nr. 347). Die Erhebung der Griffelglossen verlief über mehrere Phasen (August 2012, Januar, Februar, August und November 2013, Januar und April 2014 und öfters 2017– 2018), während derer die Handschrift mehrmals möglichst gründlich durchsucht wurde. Ebenfalls in mehreren Durchgängen wurden die Entzifferungsarbeiten sowie Überprüfungen der Zwischenresultate durchgeführt. Die Untersuchung am handschriftlichen Original erbrachte schließlich die folgenden Ergebnisse: Es wurden 422 Griffeleinträge und 1 Federeintrag als althochdeutsche Glossen identifiziert. Mehrere Hundert weitere Griffeleintragungen konnten nur teilweise oder gar nicht entziffert werden. Die Handschrift ist durchgehend und im Überblick betrachtet ungefähr gleichmäßig dicht glossiert. Bei näherer Betrachtung zeigen sich auch Anhäufungen und Pausen, die aber nie länger andauern. (Unklar ist die Verteilung bei den sehr schwachen Eintragungen.) Die Glossen wurden zur Hauptsache mit Griffeln eingetragen. Nur eine althochdeutsche Glosse ist mit Feder und Tinte geschrieben, nebst sporadischen lateinischen Federeinträgen, die aus Korrekturen am Text und Textvarianten bestehen. Letztere sind oben in der Handschriftenbeschreibung (Kap. 4.2) wiedergegeben. Die althochdeutsche Federglosse wird in Kap. 4.3.4.2 ediert und näher beschrieben. Im Folgenden behandelt der Bericht nur noch die Griffelglossen.

|| 30 Falsch datiert und unberücksichtigt geblieben war auch die Handschrift Paris, BnF lat. 12527. Siehe dazu Hammond Bammel (1993: 498, 501). (Die Handschrift enthält auf f. 71v zwei lateinische Farbstiftglossen sowie wenige marginale Griffelproben auf f. 5v, f. 62v, f. 67r; Autopsie 02.07.2014.)

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Eintragungstechnik Die Glossen stammen von farblosen Schreibinstrumenten, bei denen es sich um Schreibgriffel gehandelt haben dürfte. Eindeutige Fälle von Farbstiftglossen wurden keine gefunden; für zwei Glossen (170, 382)31 besteht die Möglichkeit, dass sie allenfalls von Mineralstiften stammen. Die Vertiefungen der Schreiblinien weisen mehrheitlich auf feine, aber nicht scharf zugespitzte Griffel. Ihre mutmaßlichen Profile werden im Folgenden mit ‚stumpf‘ charakterisiert, obwohl ihnen breite Linien fehlen. Aus einigen Ritzungen ist zu schließen, dass auch spitze Instrumente zum Einsatz kamen. Bei vielen dieser Ritzungen ist das Instrumentprofil aber nicht rekonstruierbar, vielleicht, weil der Griffel unregelmäßig zugespitzt war. Geschrieben wurde offensichtlich mit gänzlich unterschiedlichem Krafteinsatz. Zwischen sehr kräftigen Einprägungen, vergleichsweise schwachen und derart unscheinbaren, dass sie kaum zu erkennen sind, liegen enorme Unterschiede. Wo beim Schreiben stark gedrückt wurde, entstanden Durchprägungen auf der Rückseite des Blattes. Glossierungstechnik In der Regel steht zu einem Lemma nur eine Glosse. Es gibt aber auch Anzeichen, dass Ritzungen sich überschichten (17, 32, 35, 58, 62, 68, 87, 90, 274, 290, 351). Es können aber keine Fälle genannt werden, in denen bei Überschichtungen mehrere Eintragungen gelesen werden konnten. In ihrer äußeren Form zeigen die Glossen keine Besonderheiten. Den Normalfall bilden ungekürzte Einzelwörter. Selten sind kleinere Syntagmen wie Artikel und Substantiv (125, 394), Präposition und Substantiv (100) oder periphrastische Verbformen (15, 120?, 341?). Kürzung ist zu beobachten (4, 81, 354, 413), in der Mehrzahl der Fälle wegen unsicherer Lesung aber nicht schlüssig nachzuweisen (23, 29, 68, 71, 104, 150, 169, 176, 214, 219, 239, 245, 260, 264, 269, 273, 326, 380, 389, 408, 409). Interpretamente und ihre Form sind von den Glossatoren nach unterschiedlichen und manchmal undurchschaubaren Prinzipien gewählt worden. Grammatik und Wortart korrelieren nicht immer mit dem lateinischen Lemma. Siehe dazu und zu Beispielen in Kap. 4.4. Die Griffelglossen sind trotz enger Zeilenabstände in der überwiegenden Mehrheit interlinear platziert. Von den entzifferten Glossen sind nur 25, also etwa 5,7%, marginal eingetragen (13, 15, 16, 20, 55, 56, 81, 98, 110, 114, 127, 162, 182, 190, 206, 219, 237, 276, 281, 298, 308, 335, 344, 347, 393). Interlineare Glossen stehen, soweit beurteilbar, immer überzeilig, meist exakt über dem Lemma positioniert. Zwei Glossen zu Lemmata in der letzten Zeile stehen unterhalb des Lemmas im Blattrand (68, 114). Marginalglossen sind auf der Höhe der Zeile, in welcher sich das Lemma befindet, angebracht. Marginal glossiert sind in der Regel Textwörter am Zeilenrand, wobei die Glossen seitlich, unmittelbar neben ihnen platziert wurden. Verweisungs-

|| 31 Die Glossen werden im Folgenden mit den bloßen Nummern der Editionsartikel zitiert, in welchen sie vorgestellt und besprochen werden.

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zeichen sind keine gefunden worden. Glossen im Blattrand zu Wörtern in der ersten oder letzten Zeile können als Interlinearglossen betrachtet werden. Untersuchung Einiges der folgenden Ausführungen ist in Kap. 1.4.1 bereits behandelt worden. Für den Clm 6383 muss es aber zugespitzt nochmals formuliert werden. Die Untersuchung auch des Clm 6383 verlief nach dem Prinzip, die Griffeleintragungen möglichst vollständig zu erfassen und bei der Entzifferung entweder eine Identifikation zu erreichen, oder aber begründet eine Eintragung als unlesbar einzustufen. Jede Glosse wurde mehrere Male untersucht und die Untersuchung so lange fortgesetzt, bis eine in mehreren Malen verifizierte Lesung feststand. Wo sich trotz allen Bemühungen keine stabile Lesung herausbilden ließ, war die betroffene Eintragung ohne Angabe der wechselnden Zwischenergebnisse in die Liste der unentzifferten Glossen zu stellen. Um bei einer so verbreitet problematischen optischen Qualität ein auswertbares Material herauszuarbeiten, wurde versucht, die Anzahl der unentschiedenen Fälle möglichst klein zu halten. Mit dem Grundsatz, die Untersuchung zwar auszureizen, aber jeden Zweifelsfall als solchen zu behandeln und damit als nicht identifizierbar zu klassifizieren, versuchten wir auch, einem Problem bei der Ermittlung von Griffelglossen zu begegnen, das Ó Néill (1998: 3) als „das psychologische“ beschrieb und das gefährlichste („the most pernicious problem“) nannte: Aus wachsender Frustration dem Wunsch nachzugeben, diffuse Formen auch dann sinnvoll zu deuten, wenn sie sich jedes Mal wieder verändert zeigen. Als Hilfsmittel zur Entzifferung wurden schwache Kaltlicht-Taschenlampen, eine Lupe und ein Spiegel eingesetzt. Besonders feine Einprägungen waren nur bei schwächstem Lampenlicht erkennbar (vgl. Kap. 1.4.1). Wie oben mehrfach angedeutet, gestalteten sich Ermittlung und Entzifferung der Griffelglossen des Clm 6383 äußerst vertrackt, ja stellenweise misslich. Mehrere Schwierigkeiten treffen hier zusammen. Das Pergament ist vielerorts rau und stellenweise auch stark zerknittert. Die Zeilen sind sehr weit in den Falz hineingeführt. Glossen in der Nähe des Falzes können nur eingeschränkt untersucht werden, da sich der Codex infolge späterer Neubindung nicht genügend weit öffnen lässt. Die Zeilen stehen eng, und der interlineare Zwischenraum ist schmal (siehe die Maßangaben in Kap. 4.2.2). Die Glossen reichen oben meist an die Liniierung, und wo diese ausgeprägt ist, ergeben sich in der Berührungszone Unklarheiten. Außerdem führen nachträgliche Beschädigungen, namentlich diejenigen, die willentlich ausgeführt wurden, zu großen Problemen der Entzifferung (siehe unten). Ein in eigener Weise problematisches Material stellen die sehr schwachen Eintragungen dar, die recht zahlreich auftreten. Ihre Lesbarkeit ist minim. Meist ist zwar klar, dass es sich um Griffelspuren handelt, doch ist der Umfang beziehungsweise die äußere Begrenzung nicht festzustellen und sind Buchstaben, wenn überhaupt, nur fragmentarisch zu erkennen. Oftmals scheinen sehr feine Spuren über

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längere Strecken unterbruchslos durchzulaufen. Beispiele für solche Stellen sind: f. 3v, f. 21r, f. 22v, f. 27v, ZZ. 24–28, f. 73v, ZZ. 3–11; f. 103v, ZZ. 8, 27, f. 137v, ZZ. 10– 12, f. 140v, ZZ. 15–17 und viele mehr. Man könnte sie ignorieren, wäre nicht ab und zu plötzlich ein Bruchstück lesbar und als althochdeutsch identifizierbar, beispielsweise eine passende Endung oder ein Präfix (vgl. auch die Glosse 120). Die Dokumentation und Präsentation dieser Schichten stellt den Editor vor unlösbare Aufgaben. Wir konnten sie für den Clm 6383 auch nur in schematischer Weise bewältigen. Da solche undeutlichen Ritzungen meist als Griffeleintragungen bestimmt, aber nicht gelesen werden konnten, werden sie ebenfalls in der Auflistung der unentzifferten Einträge, aber auch ohne Angabe einer Restlesung aufgeführt (Kap. 4.3.4.4). Wo der Befund der Griffeleintragung nicht zu sichern war, erscheinen sie in unserer Darstellung gar nicht. Aber auch diejenigen Eintragungen, die in ihren äußeren Grenzen als Einzelwörter erkennbar, aber sehr schwach profiliert sind, bereiteten große Schwierigkeiten. Sie zeichnen sich manchmal durch einen derart geringen Schreibdruck aus, dass sie nur anhand feiner Glanzeffekte bemerkt werden konnten (z. B. 15). Glossen dieser Art pflegen nur bei einer ganz bestimmten Lichtführung aufzuschimmern und bleiben, wenn diese nicht zufällig getroffen wird, unsichtbar.32 Bei einigen Glossen wurde beim Schreiben mit Druck angesetzt, ab der Mitte die Schrift aber nur noch andeutungsweise eingedrückt. Beispiele für solche gegen hinten verlöschende Glossen sind 30, 69, 178, 217, 304, 343, 360, 396. Beschädigungen Über eine längere Strecke hinweg, von f. 113r bis f. 122v, welche die ganze 15. Lage sowie davor und danach ein Blatt umfasst, wurden die Griffelglossen mit einer gewissen Systematik, nämlich alle deutlich eingetragenen, ausradiert. Es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Rasuren nicht ebenfalls alt wären. Rund 30 Glossen sind dabei verstümmelt, in ihrer Lesbarkeit jedoch ganz unterschiedlich stark beeinträchtigt worden. Etwa die Hälfte lässt sich nämlich noch immer lesen, zumindest in Teilen; 16 hingegen wurden (definitiv?) zerstört. Sie sind unter den unidentifizierten Glossen mit einem Vermerk zur Rasur aufgeführt. Die Eingriffe erfolgten als kurze Schabungen im Zentrum der Glosse. Bei resthaft leserlichen Glossen sind es deshalb oft die Wortanfänge und -schlüsse, die am wenigsten beschädigt wurden. Ein paar sehr schwache Einträge, die sich auf denselben Blättern befinden, paläographisch betrachtet aber nicht zu der betroffenen Schicht gehören, wurden verschont. An wenigen anderen Stellen im Codex sind ebenfalls Glossen durch Rasuren beschädigt worden, beispielsweise auf f. 22v, Z. 23 die Glosse 31. Dies gilt dort aber nur für einzelne und verstreute Glossen.

|| 32 Ähnliche Erlebnisse beschreibt Mayer (1994: 27).

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Der Zweck der Eliminierung muss im Dunkeln bleiben. Sollte mit der Aktion ein reinlicher optischer Eindruck bezweckt worden sein, muss sie als kontraproduktiv bezeichnet werden, indem die radierten Glossen nicht weniger sichtbar sind als die unbehelligten Glossen, sondern jetzt eher auffallen. Anhand der Wörter dessen, was man noch lesen kann, ist kein irgendwie spezieller, ungewöhnlicher oder zum Latein unpassender Wortschatz zu erkennen. Dass Griffelglossen nachträglich getilgt wurden, ist nicht ganz selten. Eine sehr starke solche Zerstörung weisen beispielsweise die althochdeutschen Griffelglossen in St. Gallen, Stiftsbibliothek 1394 (IX) (BStK-Nr. 255 IV) auf.33 Vgl. dazu auch in Kap. 5.3.4.1 die Rasuren von Federglossen im Clm 21525. Die Entzifferung von radierten Griffelglossen stellt hohe Anforderungen; sie muss jedoch selbst dort, wo man auf Anhieb gar nichts mehr von den Griffellinien erkennt, nicht zwingend scheitern. Sie kann vielmehr gelingen, wenn die Augen sich so lange eingeschaut haben, bis sie die kontrastreicheren Unebenheiten der Rasur zugunsten den nur weiche Kontraste ausbildenden Eintiefungen der Griffeleintragung ausblenden können. Dabei muss versucht werden, jene Fähigkeit des menschlichen Schauens in Gang zu setzen, dank welcher aus exakten Beobachtungen der Reste einerseits und Bildern aus dem Lesegedächtnis andererseits die verletzte Schrift wiedererstehen kann. Außerdem können dort, wo Glossen kräftig eingedrückt waren, unter Umständen die rückseitig aufragenden Durchprägungen genutzt werden. So konnte beispielsweise die auf f. 122r gründlich ausgekratzte Glosse 258 mit Hilfe eines Spiegels auf f. 122v einwandfrei gelesen werden. Weitere Eingriffe waren wohl nicht auf Beseitigung der Glossen ausgerichtet. Die Rede ist zum einen von der Methode, Glossen mit eingeritzten Schrägstrichen entweder planend vorzumerken, einzuleiten oder hervorzuheben (z. B. 49, 172, 227, 405, wohl auch 6, 8, 38, 39, 214, 249), zum anderen von der Praxis, Glossen mit Griffel auf halber Höhe mit einer Querlinie zu versehen (z. B. 50, 293, wohl auch 116, 270). Beide Vorgehensweisen können auch in anderen Griffelglossenhandschriften beobachtet werden. Querliniierung kann theoretisch ein Mittel zur Auszeichnung sein. Die Lesbarkeit wird jedoch, zumindest für uns heute, oftmals stark vermindert und irritiert. Spätere Beschädigungen sind nicht zu verzeichnen. Obwohl die Blätter offensichtlich zurechtgeschnitten wurden, ist keiner der Fälle unvollständig lesbarer Marginalglossen eindeutig auf eine Verstümmelung zurückzuführen. Auch abgreifende Hände könnten die Profile der Glossen verflacht und weggerieben haben.

|| 33 Zur Tilgung von Griffelskizzen zu althochdeutschen Federglossen im Clm 18922 siehe Nievergelt (2007: 791).

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4.3.2 Schrift und Hände Die Glossen stammen von einer Vielzahl an Händen, die sich – analog zu den Texthänden – sehr ähnlich sind. Dass es mehrere sind, ist primär aus den verschiedenen Griffelprofilen zu schließen, und es ist nicht anzunehmen, dass eine oder wenige Personen so unterschiedliche Instrumente so verschieden benutzten. In der Schrift selber, welche die gleiche, eher frühe alemannische Minuskel wie die Textschrift ist, sind ebenfalls ein paar Eigenheiten einzelner Glossatoren hervorzuheben. Charakteristisch für ein paar Hände und damit vielleicht bedeutsam für die Suche nach dem Schreibort ist das s, bei dem in kursiver Art der Anstrich tief und flach zum unteren Ende des Schafts einfällt und mit dem Schaft einen offenen Winkel bildet (z. B. in 11, 34, 53, 209, 422. Siehe unten die Abb. 15 zur Glosse 53). Auch dort, wo der Anstrich steiler ist, reicht er auf die Basislinie hinunter (z. B. in 98). Unterschiedlich gestalten die Hände die nt-Ligatur: der Schaft von gestürztem t schließt entweder gleich im Winkel von n-Bogen und Querlinie an (dann meist als Gerade weggezogen), oder aber steht entfernt von n auf der Linie (dann meist in dekorativ geschwungener Bogenform, nach links oder nach rechts gekrümmt). a ist meist unzial, aber oben oft nicht geschlossen, insbesondere dort, wo zum Bogen eine Verbindung vom vorausgehenden Buchstaben besteht. cc-a tritt ebenfalls da und dort auf (z. B. in 7, 89), dabei auch zu zwei Spitzen geöffnet (z. B. 166). In einer lateinischen Eintragung ist das a aus drei Strichen bezeugt (f. 49v, marg. rechts neben Z. 7, Sua). d ist im Normalfall halbunzial, ganz selten wird unziales eingesetzt (z. B. 139, 185). e zeigt öfters die alte runde, offene Form, mit leicht nach unten gewölbter, langer Zunge. Eingekerbtes e taucht nur in Ligaturen auf. f ist breit und geht unter die Basislinie. g trägt die zurückhaltende alemannische Zweibogenform. Der Querstrich verbindet sich oft mit dem folgenden Buchstaben.34 k ist, wie v, selten. Bei m ist der letzte Bogen manchmal vergrößert. Wie regelmäßig unverbundenes r unter die Basislinie reicht, ist in der interlinearen Positionierung nicht immer deutlich festzustellen. Als insulare Reminiszenz ist Majuskel-R im Wortinnern zu werten (32, 347). Bei s, das meist auf der Basislinie steht, ist das Dach schmaler als bei f (zum eigentümlichen Ansatzstrich siehe oben). Wie t der Textschrift weist auch t einiger Glossen einen links eingerollten Balken auf. u zeigt da und dort rechts einen senkrechten, unter die Basislinie reichenden Schaft, besonders am Wortende. Altertümlich geprägt sind die Glossenschriften durch die vergleichsweise zahlreichen Ligaturen, nebst oben beschriebenem, recht häufigem nt (auch mit tiefreichendem angehängtem i, z. B. 207, 283) sind insbesondere häufig auch ri (oft in einer kursiviert verschliffenen Form), en und em, e dabei teilweise eingekerbt und hoch (z. B. 166, 221, 291), nicht aber mit separat auf den Querstrich aufgesetztem Auge. Selten ist auch re anzutreffen

|| 34 Dieses Merkmal hebt Bruckner (1936: 21) für die alemannische Minuskel in St. Gallen hervor.

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(z. B. 129). Alemannisch ligiertes fi ist in 155 nicht ganz sicher gelesen. An Kürzungszeichen tritt der Nasalstrich auf (z. B. 21, 78). Einzelne Hände zu unterscheiden gelingt nur bei bestimmten Gruppen von deutlich eingetragenen Glossen, die in der Handschrift nahe beieinander stehen. Beispiele von paläographisch zusammengehörigen Glossengruppen befinden sich auf f. 31r, auf f. 42r (83–85), auf f. 93v und auf f. 128v. Auch die Glossen von einem stumpfen Griffel am Ende der Handschrift dürften zusammengehören. Man könnte viele weitere solche kleinen Verbände anführen. Die Glossen jedoch durchgehend nach paläographischen Kriterien detailliert zu gruppieren, ist in einer verantwortlichen Weise nicht durchführbar. Desgleichen ist es äußerst heikel, in den Schriften auch Anzeichen einer freisingischen Prägung sehen zu wollen und daraus auf eine Glossierung an mehreren Orten, konkret auch in Freising, von wo die Handschrift überliefert ist, zu schließen. Somit muss vorläufig die Feststellung genügen, dass die Hände allesamt nahe beieinander liegen, indem sie alle alemannische Minuskel vom Ende des 8. Jahrhunderts, bzw. um 800 schreiben.

4.3.3 Editionsprinzipien Die Prinzipien, denen die Edition der Griffelglossen des Clm 6383 folgt, sind in Kap. 1.4.2 allgemein umrissen und verstreut in Kap. 4.1 und 4.3 für die spezifische Situation des Clm 6383 genannt worden. Sie werden im Folgenden, bezogen auf die Editionsteile, nochmals in aller Kürze zusammengestellt. Für die Artikelform und die Editionszeile sind keine Besonderheiten anzukündigen. Der Textausschnitt wird im Allgemeinen etwas größer bemessen. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass zahlreiche Glossen in ihrem Verhältnis zur Textstelle, zu welcher sie punktuell positioniert sind, nicht unmittelbar verständlich sind. In ähnlicher Weise wird das allgemein auch mit der deutschen Übersetzung berücksichtigt. Sie ist weniger wörtlich konzipiert, sondern sucht den etwas weiteren inhaltlichen Zusammenhang zu erhellen. Der paläographische Kommentar ist bewusst kurz gehalten. Die behandelte Glosse wird stichwortartig in ihrer eintragungstechnischen Qualität charakterisiert. Auf eine ausführliche Begründung erschwerter Lesbarkeit wird generell verzichtet; es gilt das in Kap. 4.3.2 Gesagte. Die weiteren Angaben konzentrieren sich auf die Position, den Instrumententypus und auffällige Schriftmerkmale. Die grammatische und lexikalische Bestimmung fällt aus den in Kap. 4.1 genannten Gründen gerafft aus und ist darauf ausgerichtet, lediglich erste Vorschläge und Anhaltspunkte für eine Einordnung anzubieten. Auch in dieser Edition werden ein paar ausgewählte Glossen auf Abbildungen gezeigt.

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4.3.4 Edition 4.3.4.1 Althochdeutsche Griffelglossen 1.–2. f. 5v, Z. 23 (22) … sed et mortis modum quo de hac uita discede/ (23) ret utquae rursum inusitato more ad uiuentes repedaret / (24) a mortuis (1,2,23; 27,4) ‚Aber auch die Art und Weise des Todes, durch welchen er aus diesem Leben schied, auf dass er in ungewöhnlicher Art zurück zu den Lebenden von den Toten zurückwiche.‘ 1. f. 5v, Z. 23, inusitato [more] (1,2,23; 27,4) – unsit(…)tun Die Eintragung steht intl. von -n- von inusitato bis a- von ad auf sehr rauem Pergament. Es ist unklar, ob auch davor etwas steht. unsit(…)tun: Wohl Dat. Sg. F. sw. flekt. Adj. ahd. unsit[], vielleicht unsituhaft ‚unanständig‘ – GSp 6,161, als Glosse zu inusitato, bei mitgedachtem althochdeutschem Äquvalent für lat. mōs (st. F. ahd. wīsa?), was alles aber nicht sicher ist. 2. f. 5v, Z. 23, repedaret (1,2,23; 27,5) – cafare Mit spitzem Griffel intl. über -s repeda- eingeritzt. Die Glosse ist sehr schwierig zu entziffern, da die Stelle, auf der sie steht, stark zerkratzt ist. Zwei Längskratzer stören erheblich. -e ist nicht restlos sicher. (Länge der Glosse: 18 mm.) cafare: 3. Sg. Konj. Präs. st. V. ahd. gifaran ‚weggehen‘ – AWB 3,599. GSp 3,560. SpAW 1,205. StWG 140, 806, 843. SchG 3,56. EWA 3,59. 3. f. 6v, Z. 3, uates – uuizago (2) … sed et dauid mag/ (3) nificus uates haec de eodem memorat (1,3,6; 31,15) ‚Aber auch der großartige Prophet David berichtet über dasselbe Folgendes: …‘ Mit spitzem Griffel intl. über dem Lemma, g mit lang gezogener Schulterlinie. (Länge der Glosse: 20 mm.) uuizago: Nom. Sg. sw. M. ahd. wīzago ‚Prophet, Wahrsager‘ – GSp 1,1123. SpAW 1,1148. StWG 741. SchG 11,226.

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Abb. 12: Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 6v, Z. 3: uuizago (Nr. 3)

4. f. 10r, Z. 9, oppugnaret – stri (8) … donec pompeius romanorum magistratus adueniens hieru/ (9) solima urbem quidem romanis armis oppugnaret (1,6,6; 51,11) ‚… solange bis Pompeius, der Feldherr der Römer, nach Jerusalem kam und die Stadt mit römischen Waffen angriff‘. Die Eintragung intl. über -pugn- fein eingeritzt. Das an r angehängte i ist nicht restlos gesichert. (Länge der Glosse: 10 mm.) stri: Gekürzt st. V. ahd. strītan ‚bekämpfen‘ – GSp 6,745. SpAW 1,950. StWG 600, 831. SchG 9,280. 5. f. 10r, Z. 25, idoneum – festan (25) … habes et de his idoneum testem ipsum / (26) iosephum (1,6,9; 53,1) ‚Auch hierfür hast du den fähigen Zeugen Iosephus selbst.‘ Sehr deutlich mit stumpfem Griffel intl. eingedrückt, über -o- des Lemmas beginnend, etwas über das Lemma hinausreichend. (Länge der Glosse: 13 mm.) festan: Akk. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. festi ‚aufrichtig, unerschütterlich‘ – AWB 3,645, 764. GSp 3,711. SpAW 1,225. StWG 149, 807, 844. SchG 3,127. EWA 3,185. Vgl. auch Heidermanns (1993: 192). 6. f. 12r, Z. 9, faustibus – purdino (7) … aestimans se nobilem uide/ (8) ri posse si nouitius esse et aduena israhelitici generis / (9) nullis conscriptionum faustibus (Ed. fascibus) p[ro]deretur (auf Rasur; Ed. urgeretur) (1,7,13; 61,12) ‚Er rechnete damit, dass er als aristokratisch gelten könnte, wenn niemand aufgrund der Aktenbestände (Bündel von Schriftstücken) darauf bestehen könnte, dass er ein Neuling für das israelitische Geschlecht sei.‘ Mit stumpfem Griffel fein intl. über faustibus eingedrückt. Am Anfang schwach und durch Griffelkratzer beeinträchtigt. (Länge der Glosse: 20 mm.)

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purdino: Gen. Pl. sw. F. ahd. burdin, burdī ‚Bündel‘ – AWB 1,1521. GSp 3,162. SpAW 51. StWG 86. SchG 2,103. EWA 2,456. Das Interpretament bezieht sich semantisch auf fascibus ‚Bündel‘, das in der Handschrift – verschrieben – mit faustibus ‚Geschichtsbücher‘ wiedergegeben ist. Im Kasus orientiert es sich aber an conscriptionum. Die Glosse belegt den sehr selten bezeugten Gen. Pl. der femininen īnStämme auf -īno (vgl. BRG §228,A.2). 7. f. 12r, Z. 14, eriles – adalichane (13) … et hii / (14) quos paulo ante memorauimus desposynos id est eriles uel / (15) dominici appellati propter propinquitatem generis christi (1,7,14; 61,17) ‚Und diejenigen, welche wir kurz zuvor erwähnten, wurden ‚Herrenverwandte‘ genannt, das heißt ‚zum Herrn gehörige‘ oder ‚herrschaftliche‘ wegen der Nähe zum Geschlecht Christi.‘ Die Glosse ist mit stumpfem, feinem Griffel intl. eingetragen, von e- des Lemmas bis nach uel reichend. i vor c ist schräg gestellt. Das letzte a ist cc-a. (Länge der Glosse: 23 mm.) adalichane: Nom. Pl. M. st. flekt. Adj. ahd. adallīhhan ‚adelig‘. Vgl. Adj. ahd. adallīh – AWB 1,29. Die Glosse belegt vielleicht eine der sehr seltenen denominativen n-Ableitungen (vgl. Wilmanns 2,§325,2). 8. f. 12v, Z. 30, lento – lazo (30) … lento namque igni extrinse/ (31) cus in superfitiae corporis urebatur (1,835,6; 65,24) ‚Er wurde nämlich außen auf der Oberfläche des Körpers durch ein langsames Feuer verzehrt.‘ Mit spitzem Griffel über -nto n- eingeritzt, vor o ein senkrechter Kratzer. Nach -o der Glosse folgt mit stumpfem Griffel ein fallender Schrägstrich. (Länge der Glosse: 13 mm.) lazo: Instr. Sg. Adj. ahd. laz ‚langsam, gemächlich‘ – AWB 5,652. GSp 2,297. SpAW 1,517. StWG 362, 825, 851. SchG 5,478. EWA 5,1065. Vgl. auch Heidermanns (1993: 363). Der Instrumental auf -o ist die jüngere Form. Sie kommt vereinzelt aber schon in den älteren Quellen vor (vgl. BRG §248,A.5). 9. f. 13r, Z. 15, inuadens – anacafuar (15) … post haec uero omne corpus eius morbus inuadens di/ (16) uerso eum sibimet corruptelae genere uindicabat (1,8,9; 67,17) ‚Danach bestrafte ihn tatsächlich ihrerseits die Krankheit, indem sie mit verschiedenen Entzündungen in seinen ganzen Körper eindrang.‘

|| 35 In der Handschrift bereits Kapitel IX.

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Mit stumpfem Griffel recht gut lesbar intl. über dem Lemma eingeprägt. a- ist schwach eingedrückt. (Länge der Glosse: 28 mm.) anacafuar: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. anagifaran ‚angreifen, eindringen‘ – AWB 3,592. GSp 3,563. SpAW 1,205. StWG 140. SchG 3,54. EWA 3,58. 10. f. 13r, Z. 17, prorigo – iukkidin (16) … Fe/ (17) bris namque in parte lenta uexabat prorigo ex alia par/ (18) te intolerabilis per omne (Ed. omnem) corporis diffusa / superfitiem (1,8,9; 67,19) ‚Einerseits plagte ihn ein längeres Fieber, andererseits breitete sich ein unerträglicher Juckreiz über die ganze Oberfläche des Körpers aus.‘ Fein und schlecht lesbar intl. mit stumpfem Griffel über prorigo eingetragen. Durch mutmaßliches zweites i verläuft senkrecht ein Knitter im Pergament. Vom ersten k (über dem ersten r des Lemmas) ist außer dem Schaft auch der obere Ast zu erkennen, vom zweiten nur der Schaft. iukkidin: Nom. Sg. sw. F. ahd. juckidīn ‚Juckreiz‘. Vgl. Formen wie st. F. ahd. juckida und sw. M. ahd. juckido – AWB 4,1841. 11. f. 14r, Z. 15, confecta – sitot (14) … ex quibus omnibus figmentum inpudens euidenter / (15) arguitur actorum quae recenti confecta plasmate aduer/ (16) sum christum dominum proferuntur (1,9,3; 73,8) ‚Mit all diesem wird die unverschämte Lüge der Akten, welche mit dem neuerlich verfertigten Machwerk gegen Christus, den Herrn, verbreitet werden, klar widerlegt.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über con-, wenig davor beginnend. s mit fallendem Anstrich. s und t sind verbunden, i darin enklaviert. (Länge der Glosse: 12 mm.) sitot: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. sitōn ‚anfertigen‘ – GSp 6,162. SpAW 1,821. StWG 528. SchG 8,248. RSV 2,130. 12. f. 14v, Z. 4, perfunctos – tatun (2) … denique idem ioseppus refert / (3) quattuor per ordinem usque ad caifan pontificatus offitio / (4) post annam esse perfunctos his uerbis scribens (1,10,4; 75,7) ‚Josephus berichtet schließlich, dass es nach Annas vier Personen gab, die das Amt des Hohepriesters bis zur Zeit von Kajaphas ausübten, wenn er in den folgenden Worten schreibt: …‘. Mit unregelmäßig zugespitztem Griffel intl. über -functos, am Schluss schwächer. Nach n folgt erhöht eine kleine Einritzung, vielleicht ein Punkt.

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tatun: 3. Pl. Ind. Prät. an. V. ahd. tuon ‚tun, verrichten‘ – GSp 5,284. SpAW 1,1031. StWG 642, 832, 855. SchG 10,101, als adäquate Wiedergabe des lateinischen Deponens und Partizipialausdrucks. 13. f. 15r, Z. 24, (anticipare) – foraque/man (24) … melius crededit priusquam noui aliquit fierit anti/ (25) cipare hominem nece quam postmodum turbatis rebus seram / (26) paenitudinem gerere (1,11,6; 79,14) ‚Er (Herodes) hielt es für besser, dem Mann (Johannes), noch bevor dieser etwas Neues anrichten konnte, durch Mord zuvorzukommen, als alsbald nach eingetretenen Wirrungen späte Reue zu üben.‘ Die Glosse steht, von stumpfem Griffel schwach, aber gut lesbar eingedrückt, marg. rechts neben Z. 24, fo zwischen den Textfeldbegrenzungssenkrechten, der Rest auf dem Blattrand. (Länge der oberen Glossenzeile: ca. 20 mm.) foraqueman: Inf. st. V. ahd. foraqueman ‚zuvorkommen‘ – AWB 7,576. GSp 4,670. SpAW 1,717 (s. v. furiqueman: StWG 468. SchG 5,420). 14. f. 15v, Z. 37, innumeros – ..za(…)afton (f. 15v, Z. 36) cum pro mirabili36 uirtutis opere per omnem locum caelebraretvr / (37) innumeros tam de uicinis quam de peregrinis … // (f. 16r, Z. 1) … inuitabat (1,1337,1; 85,1) ,[Die Göttlichkeit Jesu], die wegen ihrer wundersamen Kraft überall gepriesen wurde, zog Unzählige, sowohl Ansässige als auch Fremde, an.‘ Mit stumpfem Griffel, nur resthaft lesbar intl. über innumeros und bis über -a- von tam eingetragen. z steht über -me-. Marg. unten unter uicinis befindet sich auch eine Griffeleintragung. ..za(…)afton: Akk. Pl. M. sw. flekt. Adj. ahd. []za[]aft, vielleicht Adj. ahd. unzalahaft ‚zahllos‘, das im Clm 14395 zu lat. innumerus belegt ist (StSG 2,416,39). 15. f. 16r, Z. 9, (differtur) – zatragan/ti uuard (8) … sed ad pre/ (9) sens quidem a domino corporis eius cura differtur (1,1338,3; 85,9) ‚Auf das Vorausgehende (die Bitte Abgars, Jesus möchte kommen) natürlich nicht eingehend wurde die Heilung von dessen Leib durch den Herrn (persönlich) aufgeschoben.‘ Die Glosse ist mit stumpfem Griffel, der zu Beginn der zweiten Glossenzeile ritzte, marg. rechts neben Z. 9 eingetragen. Sie ist nur schwach sichtbar, aber dank Glanzwirkung vollständig lesbar. (Jede Glossenzeile misst etwa 20 mm.)

|| 36 Intl. über m- ist ro eingeritzt, wohl Auflösung der lateinischen pro-Kürzung. 37 In der Handschrift Kapitel XVI. 38 In der Handschrift Kapitel XVI.

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zatraganti uuard: Passivwendung aus Nom. Sg. Part. Präs. st. V. ahd. zitragan ‚aufschieben‘ – GSp 5,496. SpAW 1,1007. StWG 631. SchG 10,20 und 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. werdan ,werden‘ – GSp 1,982. SpAW 1,1098. StWG xlviii, 712, 833. SchG 11,17. 16. f. 16r, Z. 21, (translata) – canoman (20) … et ut euidens dictorum ueri/ (21) tas39 fiat ipsarum exemplaria epistularum ex syrorum lingua trans/ (22) lata ponemus (Ed. ponimus) (1,1340,5; 87,1) ‚Und damit die Wahrheit des Gesagten offensichtlich werde, fügen wir aus der Sprache der Syrer übersetzte Beispiele aus den Briefen selbst an.‘ Die Glosse marg. rechts neben Z. 21 mit stumpfem Griffel eingedrückt. (Länge der Glosse: 20 mm.) canoman: Unflekt. Part. Prät. st. V. ahd. neman oder gineman ‚nehmen, herausnehmen‘ – AWB 6,1105. GSp 2,1054, 1060. SpAW 1,661. StWG 434, 827. SchG 7,46. EWA 6,875. 17. f. 17r, Z. 13, incommodis – (…)hafta (12) … manus inpositione sanauit multosque ali/ (13) os urbis illius ciues uariis obsessos sanauit incommodis (1,13,18; 95,4) ‚Er (Thaddäus) heilte durch Auflegen der Hand, und er heilte viele andere Bürger jener Stadt, die von unterschiedlichen Leiden besessen waren.‘ Sehr schwache Eintragung mit stumpfem Griffel, in sehr schmaler, gedrängter Schrift. Das Gelesene steht intl. über -modi-. Auf derselben Stelle befinden sich weitere Spuren eines stumpfen Griffels. (…)hafta: Vielleicht Adj. ahd. []haft (vgl. SpAW 2,229), in unklarer Form. Das Textwort ist möglicherweise als Adjektiv aufgefasst bzw. behandelt worden. 18. f. 17r, Z. 14, uerbum? – fliz (13) … et sic / (14) opera magna et mirantia (Ed. admiranda) perfitiens praedicabat uerbum dei (1,13,18; 95,5) ‚Und so verkündete er, während er große und staunenswerte Werke vollbrachte, das Wort Gottes.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über ue-. f ist breit und nicht ganz sicher, z ist schmal. fliz: Der Lesung gemäß st. M. ahd. flīz ‚Eifer, Fleiß‘ – AWB 3,985. SpAW 1,248. GSp 3,780. StWG 165. SchG 3,216. EWA 3,397, das hier unverständlich und auch als Umschreibung des Inhalts unplausibel ist.

|| 39 e auf Rasur. 40 In der Handschrift Kapitel XVI.

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19. f. 18r, Z. 29, iustus – rect (28) … sed / (29) iacobum qui dicebatur iustus apostolovm (vm nachträglich hinzugefügt, Ed. apostolorum) episcopum statuunt (2,1,3; 105,7) ‚Sie setzten aber Iacobus, der der Gerechte genannt wurde, als Bischof der Apostel ein.‘ In unregelmäßiger Schrift und weißlicher Färbung intl. über -stus eingeritzt. rect: Nom. Sg. M. nom. flekt. Adj. ahd. reht ‚gerecht‘ – GSp 2,399. SpAW 1,737. StWG 477, 828. SchG 7,362. Zur Schreibung für /h/ vor t vgl. BRG §154,A.4. 20. f. 19r, Z. 1, fraude? – roonliho (f. 18v, Z. 31) Quod re uera mirari dignum est hodiaeque eodem ordine fieri / (32) ab his qui uelut hereditariam ab illo simulationem sectae impuris/simę // (f. 19r, Z. 1) susciperunt quique auctoris sui artibus instituti ecclaesiam fraude / (2) qualibet ingressi lauacrum furantur (2,1,12; 109,4) ‚Es ist als Tatsache der Verwunderung würdig, dass dies auch heute noch in derselben Weise durch jene geschieht, die von ihm (Simon dem Magier) die gleichsam erbliche Heuchelei einer lasterhaften Irrlehre angenommen haben und, unterrichtet in den Künsten ihres Urhebers, mit jeder beliebigen List in die Kirche eindringen und das Taufbecken stehlen.‘ Die Glosse steht marg. oben, in deutlichem Abstand oberhalb von -aesiā frau-. Sie ist fein eingeprägt, durchmischt mit Ritzungen und gut lesbar. roonliho: Nach der Form als ahd. Adverb aufzufassen, mit dem das heuchlerischhinterlistige Einschleichen (lat. fraude) gekennzeichnet wird. Die Länge des Vokals in rōn ist durch die Doppelschreibung des o ausgewiesen. Innerhalb des germanischen Kontextes kann ein Anschluss an an. st. F. raun ‚Versuch, Erforschung‘ versucht werden (FTW 349). Vgl. das an. sw. V. reyna ‚versuchen, erproben‘. Zur Wurzel idg. *h1reh1- ‚fragen‘ vgl. LIV 251. IEW 337, vgl. auch 871. Am ehesten wäre ein Adj. ahd. *rōni ‚zudringlich‘ anzusetzen. Zur Bildung wären dann die Adjektive ahd. hōni und hōnlīh zu vergleichen. Andere lautliche Anschlüsse an germanische Wurzeln sind ohne semantische Unterstützung, wie beispielsweise das Adj. germ. *hreuna- (Heidermanns 1993: 307f.), dessen Bedeutung ‚rau, uneben‘ schwer mit unserem Kontext zu vereinbaren ist. 21. f. 19v, Z. 21, praerogatiua – sūderames (18) … tiberius er/ (19) go … / (20) … / (21) … detulit ad senatum cum praerogatiua suffragii sui (2,2,6; 113,5) ‚Tiberius also machte dem Senat Mitteilung mit dem Vorrecht seiner eigenen Billigung.‘ Die Glosse ist mit feinem, stumpfem Griffel intl. über -rogatiua des Lemmas eingedrückt, e und r stehen in Ligatur. sūderames: Gen. Sg. st. M. ahd. suntaram ‚Vorrecht, Privileg‘. Vgl. Bildungen wie st. F. ahd. suntarīga, suntarīgī ‚Privileg‘ – GSp 6,52. Bei unserem Beleg ist von einer

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m-Ableitung vom Adjektiv ahd. suntar ‚abgesondert‘ auszugehen, möglicherweise ursprünglich eine Superlativform. Vgl. Wilmanns §230, Henzen §76.4, GSp 2,569. Das Genus bezieht sich auf das Bezugswort suffragii. Vgl. das analoge Vorgehen oben in der Glosse Nr. 6. 22. f. 21r, Z. 9, summo nisu – ilunga (7) … primo quidem temporibus tiberii refert in urbe roma seia/ (8) num quendam magni aput imperatorem loci uniuersam / (9) eorum gentem summo nisu interimere uoluisse (2,5,7; 119,13) ‚Zuerst aber berichtet er (Philo), dass zu Zeiten des Tiberius in der Stadt Rom ein gewisser, dem Kaiser sehr nahestehender Seianus deren (der Juden) ganzes Geschlecht mit eifrigem Bemühen beseitigen wollte.‘ Die Glosse ist mit feinem, stumpfem Griffel schwach intl. über -o nisu int- eingedrückt. (Länge der Glosse: 17 mm.) ilunga: Nom. Dat. (?) Sg. st. F. ahd. īlunga ‚Anstrengung, eifriges Bestreben‘ – AWB 4,1490. GSp 1,232, 421. SpAW 1,421. StWG 299. SchG 5,19. EWA 5,58. Zu vereinzelten Dat. Sg. -a in frühen Quellen vgl. BRG §207,A.5. 23. f. 21r, Z. 26, tragicos – lio. (25) … Sed ad (Ed. et) alias innume/ (26) ras clades et ultra omnes tragicos luctus aput alexandriam / (27) iudaeis inrogatas esse sub gaio (2,6,3; 121,10) ‚aber auch andere zahllose Katastrophen und alles übertreffende schreckliche Traurigkeiten, die den Juden in Alexandria unter Gaius zugefügt wurden‘. Intl. über -agi- fein eingeritzt, nach o steht erhöht eine weitere Rundung. Sie könnte die Rundung eines d sein. lio.: Möglicherweise st. N. ahd. liod ‚Lied, Gesang‘, als Bestandteil eines gekürzten Adjektivs. Vgl. Glossierungen von tragoedia mittels ahd. sang und skopfsang (GSp 6,253. GötzLAN 671). 24.–25. f. 21v, Z. 3–4 (3) … conitiebant namque ex hoc / (4) quod spernerentur et conculcarentur iam leges41 suae et omnia institu/ (5) ta maiorum (2,6,4; 121,20) ‚Sie folgerten nämlich daraus, dass ihre Gesetze und alle Sitten der Vorfahren verachtet und zertreten worden seien.‘ 24. f. 21v, Z. 3, conitiebant (2,6,4; 121,20) – caandraffoton Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über -b- des Lemmas einsetzend und bis über ex reichend. Das zweite a ist verhältnismäßig groß, folgendes n schwach, ebenfalls || 41 Zweites e vom Textschreiber aus i korrigiert.

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nur schwach sichtbar ist das zweite f. Das letzte o ist durch die Decklinie gesichert. (Länge der Glosse: 30 mm.) caandraffoton: 3. Pl. Ind. Prät. sw. V. ahd. giintraffōn ‚folgern, vermuten, sich in einen Zustand versetzen‘, möglich eine hastige, kopflose Handlung bezeichnend mit raff- wohl auf germ. *hrappa- ‚schnell‘ – FTW 102‚ Kroonen 243 beruhend. Das Glossenwort folgt vermutlich der Bildung des lateinischen Worts, indem ahd. raffōn ‚stürzen, eilen‘ lat. iacere ‚werfen‘ folgt. Ahd. giintraffōn ist – damals noch als Geisterwort – aufgrund einer Fehllesung bereits in die Wörterbücher eingegangen (RSV 2,115). Vgl. die Ausführungen in Kap. 2.3.1 zu Gl. 91 im Clm 6293. 25. f. 21v, Z. 4, spernerentur (2,6,4; 121,20) – farman& Die Glosse ist mit spitzem Griffel in zierlicher Schrift intl. über -neren- des Lemmas eingeritzt, gegen Schluss ist sie schwach. (Länge der Glosse: 13 mm.) farman&: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. firmanēn ‚verachten, verschmähen‘ – AWB 6,242. GSp 2,769. SpAW 1,597. StWG 399. SchG 6,264. RSV 2,242. EWA 6,111. 26. f. 21v, Z. 9, delatam – capurita (8) … tunc42 de/ (9) inde idem scriptor aliam quoque in eos delatam commemorat ul/ (10) tionem dicens (2,6,6; 123,2) ‚Darauf berichtet derselbe Verfasser über eine andere Vergeltung, die ebenfalls jenen (den Juden) widerfuhr, indem er sagt …‘. Intl. von -e- bis -ā mit feinem, stumpfem Griffel eingetragen. r und i stehen in Ligatur, t und a sind sehr schwach. capurita: Akk. Sg. F. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. giburien, giburren ‚geschehen, zustoßen‘ – AWB 1,1543. GSp 3,164. SpAW 87. StWG 87, 797. SchG 2,115. RSV 1,287. EWA 2,467. Riecke 682. 27. f. 22r, Z. 1, dumtaxat – cauuar liho (1) … sicut in historiis grecorum repperimus eorum dumtaxat qui / (2) olympiadas scribunt (2,7; 123,26) ‚So wie wir das in den Berichten freilich jener Griechen finden, die die Olympiaden aufzeichneten.‘ Die sehr schwache Glosse von stumpfem Griffel über -xat qui, nur sehr schlecht sichtbar. Im Blattrand folgt vielleicht noch etwas. cauuar liho: Wohl ein Adv. ahd. giwārlīhho ‚freilich, wahrhaftig‘. Vgl. das belegte Adv. ahd. wārlīhho – GSp 1,921. SpAW 1,1065. StWG 697. SchG 10,400.

|| 42 Aus tum mit übergeschriebenem c zu tunc korrigiert.

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28.–29. f. 22r, Z. 19 (17) … de hoc autem iacobo clemens alexandrinus etiam historiam / (18) quandam dignam memoria in septimo disputationum (Ed. Dispositionum43) suarum libro scribit / (19) perlatam ad se usque ex traditione maiorum (2,9,2; 125,17) ‚Über diesen Iacobus schreibt auch Clemens von Alexandria im siebten Buch seiner ,Dispositiones‘ eine Geschichte, die aus der Überlieferung der Vorfahren kam und die es wert ist, aufgezeichnet zu werden.‘ 28. f. 22r, Z. 19, ex (2,9,2; 125,17) – uzar Die Stelle ex traditione maiorum ist mit stumpfem Griffel intl. überschrieben, eine Eintragung, die zu Beginn teilweise und am Ende ganz entziffert werden konnte. Über ex tra- ist uzar zu erkennen, mit weiteren Buchstaben nach r, sodass nicht klar ist, ob statt uzar uz und der Anfang eines Interpretaments zu traditione steht. uzar: Vmtl. Präp. ahd. ūzar ‚aus‘ – GSp 1,535. SpAW 1,1048. StWG 686. SchG 10,320. 29. f. 22r, Z. 19, maiorum (2,9,2; 125,17) – alto Mit stumpfem Griff intl. über maio-, den Schluss der längeren Eintragung bildend. Nach o ist nichts zu erkennen. alto: Gekürzt (?) Gen. Pl. (?) M. sw. flekt. Adj. ahd. alt ‚alt‘ bzw. sw. M. ahd. alto ‚Vorfahr‘ – AWB 1,287. GSp 1,192. SpAW 1,16. StWG 21, 786, 836. SchG 1,119. Vgl. auch Heidermanns (1993: 98). 30. f. 22v, Z. 18, metalli – smida.a(…) (17) … reper/ (18) cusso splendore duplicatam spectantibus lucem fulgor metalli / (19) uibrantis effudit (2,10,4; 129,2) ‚Da verströmte der Glanz des blitzenden Metalls in dem reflektierten Leuchten ein Licht, das den Betrachtern doppelt erschien.‘ Mit feinem Griffel über intl. metalli und darüber hinausreichend bis in den Blattrand hinaus eingetragen, zu Beginn eingeritzt, dann ab d eingedrückt. Das erste a folgt dicht auf d, danach erlischt die Glosse. Der Buchstabe zwischen den beiden a könnte allenfalls c sein. smida.a(…): Am Anfang der Eintragung kann das st. F. ahd. smīda ‚Metall, Metallmasse, die verarbeitet wird‘ gesichert werden – GSp 6,827. SpAW 1,885. StWG 563. SchG 8,487.

|| 43 disputationum hat auch der Freisinger Clm 6375. Vgl. Schwartz/Mommsen (1997: 125, im Apparat).

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31. f. 22v, Z. 22, adrogantia – scof (21) … per hoc plus aliquit de eo quam humane naturae / (22) est artifex adrogantia mentiretur (2,10,5; 129,4) ‚Die kunsthandwerkliche Anmaßung spiegelte damit mehr vor als das, was menschliche Natur ist.‘ Die Glosse scheint am Anfang radiert worden zu sein. Sie ist aber einwandfrei lesbar geblieben. Bei Licht von schräg links oben sind sc gut sichtbar. (Länge der Glosse: 10 mm.) scof: Nom. Sg. st. N. ahd. skopf ‚Anmaßung, Verspottung‘ – GSp 6,454. SpAW 1,853. StWG 545. SchG 8,372. Zu f, das auf eine alte Nebenform mit einfachem germ. *p hinzeigt, vgl. BRG §127,A.4.

Abb. 13: Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 22v, Z. 22: scof (Nr. 31)

32. –33. f. 24v, Z. 9–10 (8) quod inquinatissime huius heresis mystae44 tectum aput se / (9) reseruari pollicentur arcanum infelicibus45 per haec mulierculis / (10) et peccatis ut ait apostolus oneratis detestabiliter inlu/ (11) dentes (2,13,8; 137,25) ‚Die Anhänger dieser äußerst schmutzigen Sekte versichern, dass sie dieses Geheimnis unter sich versteckt halten und überlisten auf diese abscheuliche Weise unglückliche, sündige Dirnen.‘

|| 44 Später mit dunklerer Tinte zu mysticae korrigiert. 45 Später darüber mit dunklerer Tinte ide (Korrektur zu infidelibus?).

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32. f. 24v, Z. 9, arcanum (2,13,8; 137,25) – caRuni Die Glosse ist mit feinem Griffel intl. über arca- eingetragen, R als Majuskel. Auf derselben Stelle steht eine weitere, längere Griffelglosse, die nicht gelesen werden konnte. caRuni: Akk. Sg. st. N. ahd. girūni ‚Geheimnis‘ – GSp 2,525. SpAW 1,771. StWG 218. SchG 8,22. 33. f. 24v, Z. 10, detestabiliter (2,13,8; 137,26) – leidsaml.h(…) Die Glosse ist mit stumpfem Griffel, sehr schlecht sichtbar, eingedrückt, das Lesbare steht intl. über -etestab-. l- ist besonders schwach. Nach dem zweiten l ist die Eintragung nicht mehr sicher lesbar. Vielleicht steht am Ende tatsächlich o. leidsaml.h(…): Möglicherweise Adv. ahd. leidsamlīhho ‚abscheulich‘ zum Adj. ahd. leidsamlīh ‚widerwärtig‘ – AWB 5,763. SpAW 1,523. StWG 367. SchG 6,28. EWA 5,1136, das als Äquivalent zu lat. dētēstābilis belegt ist. 34. f. 24v, Z. 30, adminiculo – helfa(…) (29) … Is igitur urbem / (30) romam ingressus utens adminiculo adsistentis sibi et ad/ (31) herentis demonicae uirtutis quam paraedrun (Ed. πάρεδρον) uocant bre/ (32) ui tempore in tantum malorum uenit profectum (2,1446,5; 139,15) ‚nachdem dieser also in die Stadt Rom eingedrungen war und, indem er sich die Unterstützung eines Gehilfen und dessen innewohnende teuflische Stärke, die ‚Paredros‘ genannt wird, zu Nutzen gemacht hatte, in kurzer Zeit einen solchen Fortschritt in der Bosheit gemacht hatte, …‘. Die Glosse mit mal ritzendem, mal einprägendem Griffel intl. über admini- eingetragen. Sie ist schwierig zu entziffern. helfa, das durch den Schaft von d in adminiculo in zwei Teile getrennt ist, ist sicher. Danach könnte ein für die Glossen der Handschrift charakteristisches s folgen, wie aus einem fallenden Anstrich zu schließen ist. helfa(…): Zu Beginn der Eintragung steht st. F. ahd. helfa ‚Beistand, Unterstützung, Hilfe‘ – AWB 4,905. GSp 4,922. StWG 266, 821, 850. SchG 4,256. EWA 4,930. Ob es sich um das Vorderglied eines Kompositums handelt, konnte anhand der resthaften Fortsetzung nicht ermittelt werden. 35. f. 25r, Z. 1, potiretur – cahaltan (f. 24v, Z. 31) … bre/ (32) ui tempore in tantum malorum uenit profectum ut etiam simu// (f. 25r, Z. 1) lacri a ciuibus romanis tamquam deus honore potiretur (2,1447,5;

|| 46 In der Handschrift Kapitel XIII. 47 In der Handschrift Kapitel XIII.

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139,18) ‚(nachdem) er in kurzer Zeit einen solchen Fortschritt in der Bosheit gemacht hatte, dass er auch bei den römischen Bürgern die Ehre eines Bildes erlangte, als wäre er ein Gott‘. Die Glosse intl. mit stumpfem Griffel über potir&- eingedrückt. ta ist schwach. Vor und nach der Glosse sind weitere Griffelspuren zu sehen. cahaltan: Unflekt. Part. Prät. st. V. haltan ‚bewahren, erhalten‘ – AWB 4,646. SpAW 1,347. GSp 4,896. StWG 251, 849. SchG 4,139. EWA 4,785. 36. f. 25r, Z. 10, mercimonia – arnunga (9) … iste adueniens ex orientis parti/ (10) bus ut caelestis quidam negotiator mercimonia diuini lumi/ (11) nis si quis sit comparare (Ed. qui sit conparare) paratus aduexit (2,14,6; 139,26) ‚Dieser führte, aus östlichen Ländern herkommend, gleichsam wie ein himmlischer Geschäftsmann jenen die Güter des göttlichen Lichts heran, die bereit waren, sie zu erwerben.‘ Die Glosse mit stumpfem, aber feinem Griffel intl. über -monia di- eingedrückt. Schwierig zu entziffern, aber dann einwandfrei lesbar. (Länge der Glosse: 20 mm.) arnunga: Akk. Pl. st. F. ahd. arnunga ‚Gut, Erworbenes‘ – AWB 1,660. SpAW 1,30. GSp 1,427. Vgl. auch SchAHG §343. Vgl. das sw. V. ahd. arnōn ‚ernten, verdienen‘ – AWB 6,659. Das Substantiv war bislang – in mehr ideeller Bedeutung – nur in der Althochdeutschen Benediktinerregel belegt. 37. f. 25r, Z. 22, desistunt – pikunnont (22) … nec prius ab obsecrando desistunt quam / (23) que orauerant impetrarent (2,15,1; 141,9) ‚Aber sie hören nicht früher auf inständig zu bitten, als dass sie das, worum sie baten, erlangt haben.‘ Die Glosse mit feinem, stumpfem Griffel in kleiner Schrift einwandfrei lesbar intl. über dem Lemma, bei -e- beginnend, eingedrückt. Am Ende die nt-Ligatur mit gestürztem t. (Länge der Glosse: 20 mm.) pikunnont: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. bikunnōn ‚aufhören, ablassen‘? Das altostniederfränkisch belegte sw. V. bekunnon (AWB 5,519) ist in der Bedeutung ‚prüfen, erproben‘ bezeugt. Aus Freising (Clm 6300) liegen in unsicheren Lesungen Hinweise auf ein sw. V. in derselben Bedeutung vor, das auch gikunnōn gelautet haben könnte (*gikunnunga – AWB 5,519. Glaser 1996: 161f.). Was das Prät. Präs. kunnan anbelangt, fällt auf, dass die präfigierten Formen disparate Bedeutungsentwicklung zeigen. Somit bleibt vorläufig nur die Bedeutung für das hier belegte bikunnōnt dem Werktext zu entnehmen.

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38. f. 25v, Z. 15, ad liquidum – ofano (14) Sed et abstinentium uitas eorum dumtaxat qui nunc in ecclesiis uel mo/ (15) nasteriis degunt describit ad liquidum (2,17,2; 143,8) ‚Er (Philo) schildert aber auch die Lebensgeschichten der Asketen, die jetzt in Kirchen oder Klöstern leben, deutlich.‘ Mit sehr feinem Griffel schwach, aber gut lesbar intl. über -iqui- eingedrückt. Auf dem ersten o steht ein fallender Griffelkratzer. (Länge der Glosse: 11 mm.) ofano: Adv. ahd. offano ‚offenkundig, deutlich‘ – AWB 7,53. SpAW 1,683. GSp 1,162. StWG 449. SchG 7,185. EWA 6,1136. Heidermanns (1993: 639). Zu einfachem f nach Kurzvokal vgl. BRG §132,A.1. 39. f. 26r, Z. 4, contubernia – caugari · (3) … refugientes imparis pro/ (4) positi consortia et uitae dissimilis contubernia (2,17,5; 145,4) ‚Sie meiden die Gesellschaft (von Menschen mit) ungleicher Lebensweise und Wohngemeinschaften mit Andersgesinnten.‘ Die Glosse gut lesbar mit stumpfem Griffel intl. über contuber- eingedrückt. Am Ende mit Griffel ein Punkt. Durch u geht ein Griffelkratzer. (Länge der Glosse: 21 mm.) Auch über consortia steht eine Griffeleintragung: c(…)sa..i (vgl. unidentifizierte Eintragungen Kap. 4.3.4.4). caugari: Akk. Pl. sw. F. ahd. gougarī ‚Ausschweifung‘, Abstraktum auf der Basis von germ. *gaug- ‚müßig, ausgelassen sein‘, mit r-Erweiterung (EWA 4,551, 554f.). Vgl. das sw. Verb ahd. gougarōn ‚umherschweifen‘ – AWB 4,374.

Abb. 14: Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 26r, Z. 4: caugari · (Nr. 39)

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40.–41. f. 26r, Z. 16–17 (16) … in aegypto tamen maior est copia per / (17) singula queque terretoria praecipue autem circa alexandriam (2,1748,7; 145,17) ‚Größer ist die Menge (dieser Leute) jedoch in Ägypten, und zwar in jedem einzelnen der Distrikte, besonders aber um Alexandria herum.‘ 40. f. 26r, Z. 16, copia (2,17,7; 145,17) – fulli Die Glosse ist sehr schwach mit stumpfem Griffel intl. über -opia eingedrückt, von der Hand der Glosse 38. Das zweite l ist nicht sicher. Möglicherweise geht die Eintragung nach -i noch weiter. (Länge der Glosse: 12 mm.) fulli: Falls vollständig, überliefert die Glosse Nom. Sg. sw. F. fullī ‚Fülle‘ – AWB 3,1327. SpAW 1,252. GSp 3,484. StWG 182. SchG 3,327. EWA 3,621. 41. f. 26r, Z. 17, terretoria (2,17,7; 145,18) – lantun Die Glosse intl. über dem Lemma bis über -t- mit einem unregelmäßig gespitzten Griffel eingetragen. (Länge der Glosse: 15 mm.) lantun: Dat. Pl. st. N. ahd. lant ‚Land‘ – AWB 5,625. SpAW 1,514. GSp 2,232. StWG 360. SchG 5,465. EWA 5,1030. Der althochdeutsche Dativ steht wohl unter Einfluss von lat. in. Zur rechtsgeschichtlichen Bedeutung des Wortes vgl. auch DRW 8,313. 42. f. 26r, Z. 21, aeris – caatamida (19) … Regio … / (20) … sita colliculis quibusdam molliter / (21) et clementer erecta ad munimentum simul atque aeris temperiem (Ed. temperie) commoda (2,1749,8; 145,22) ‚Eine Gegend, die weich entlang kleiner Hügel gelegen und sanft angehoben ist, günstig sowohl zum Schutz als auch für eine gemäßigte Temperatur der Luft.‘ Intl. mit stumpfem Griffel, vor aeris beginnend und bis zu -m reichend. Die Glosse ist außerordentlich schlecht lesbar und konnte nur bei schwacher Beleuchtung von unten her entziffert werden. m ist dabei unsicher geblieben. caatamida: Gen. Sg. st. F. ahd. giātamida ‚Luft, Wehen‘, deverbales Abstraktum auf -ida – SpAW 2,236. EWA 5,12. Vgl. dazu das sw. Verb ahd. ātamōn ‚atmen‘ – AWB 1,685. EWA 1,379 und das st. F. ahd. ātamunga ‚Wehen, Atmung‘ – AWB 1,685. 43. f. 27r, Z. 6, concubitus – [a] mitislaf – [b] slaf (4) … indignum ducentes … / (5) … edere mortalem partum eas a qui/ (6) bus diuini uerbi concubitus sacrosanctus et inmortalis expetitur (2,17,19; 151,10) ‚Sie betrachten es als unrein, … dass sterblicher Nachwuchs von denjenigen geboren werden || 48 In der Handschrift Kapitel XVI. 49 In der Handschrift Kapitel XVI.

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sollte, von welchen der heilige und unsterbliche Verkehr mit dem heiligen Wort gesucht wird.‘ Die erste Glosse von spitzem Griffel in mikroskopisch kleiner Schrift intl. über -oncub-, die zweite von stumpfem Instrument größer über -us einsetzend, am Schluss undeutlich. [a] mitislaf: Nom. Sg. st. M. ahd. mitislāf ‚Beischlaf‘ – AWB 6,766. GSp 6,801. SpAW 1,868. StWG 419. EWA 6,514. [b] slaf: Nom. Sg. st. M. ahd. slāf ‚Schlaf‘ – GSp 6,801. SpAW 1,868. StWG 554. SchG 8,426, hier in der Bedeutung ‚Beischlaf‘? 44. f. 27v, Z. 2, interpretatione – ?rsoh(…) (1) … filo … in sensibus autem profun/ (2) dissimus et in interpretatione atque intellegentia diuinarum scriptu/ (3) rarum subtilissimus (2,1850,1; 153,20) ‚Philo … ist äußerst tiefgründig in seinen Gedanken und höchst scharfsinnig in seiner Auslegung und Erkenntnis der heiligen Schriften.‘ Schwache Eintragung, der lesbare Teil intl. über -nter-. ?rsoh(…): Möglicherweise st. F. ahd. ursuohhida ‚Erörterung, Deutung‘ – GSp 6,87. StWG 684, das im Clm 19440 als Entsprechung zu lat. interpretātiō überliefert ist (StSG 2,297,29). 45. f. 27v, Z. 4, etiam – auh (3) … Mul/ (4) ta denique diuini nobis etiam ipse ingenii sui munimenta (Ed. monumenta) dereliquit (2,1851,1; 155,2) ‚Schließlich hat auch er selbst uns viele Zeugnisse seines Scharfsinns hinterlassen.‘ Ganz schwache Einprägung über -tia-; h ist nur schattenhaft erkennbar. auh: Adv. Konj. ahd. ouh – AWB 7,182. GSp 1,120. SpAW 1,694. StWG 456, 827. SchG 7,230. EWA 6,1270. 46.–48. f. 27v, Z. 5–6 (5) … Primo quidem per ordinem in genesim scripsit libros quos / (6) adtitulauit sacrae legis explanatio figuralis (2,18,1; 155,4) ‚Als erstes schrieb er Bücher zur Genesis in fortlaufender Reihenfolge, die er mit ‚Allegorischer Kommentar zum heiligen Gesetz‘ betitelte.‘

|| 50 In der Handschrift Kapitel XVII. 51 In der Handschrift Kapitel XVII.

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46. f. 27v, Z. 5, primo (2,18,1; 155,4) – erista Intl. über -mo qui- eingetragen. Am Schluss steht ein deutliches a. erista: Adv. ahd. ērista ,erst‘. Im Normalfall lautet das Adverb ērist – AWB 3,404. GSp 1,438. SpAW 1,185. StWG 132, 806. SchG 2,482. EWA 2,1139, doch kommen die Adverbien im Superlativ auch in Form des sw. N. des Adjektivs vor. Vgl. meista gegenüber meist ,meist‘ (BRG §268,A.4). 47. f. 27v, Z. 6, explanatio (2,18,1; 155,4) – cariht(…) Mit feinem, stumpfem Griffel eingedrückt. Die Glosse beginnt über -s von legis und geht bis über -p- des Lemmas. Nach schwachem t konnte nichts mehr deutlich gelesen werden. cariht(…): Wohl ein Abstraktum (‚Erklärung‘) auf Basis von ahd. girihten ‚ordnen, erklären‘ – GSp 2,419. SpAW 1,735. StWG 484. SchG 7,408. RSV 1,156. Vgl. Riecke 442 (rihten). 48. f. 27v, Z. 6, figuralis (2,18,1; 155,4) – furi(…)t Schwierig zu erkennende Einritzung von spitzem Griffel inmitten von anderen Griffelspuren, über figuralis bis über im Text folgendes tum. furi ist deutlich, die Fortsetzung, die vielleicht mit t endet, unklar. r und i sind ligiert. furi(…)t: Am Anfang wohl Präfix ahd. furi-, hier temporal ‚im Voraus‘? – AWB 3,1379. GSp 3,612, 616. SpAW 1,256. StWG 185, 812. SchG 3,350. EWA 3,660. -t: Wenn richtig gelesen, unbestimmbare Adj.-Endung, vielleicht die Endung eines unflekt. Part. Prät. eines schwachen Verbs? 49. f. 28r, Z. 14, constipatione – stafaronti (14) … ut illi soli qui in foribus templi constipatione populi ne/ (15) cati sunt triginta milia iudaeorum numerarentur (2,19,1; 159,3) ‚dass allein jene, die in den Pforten zum Tempel durch das Gedränge des Volkes getötet wurden, auf dreißigtausend Juden beziffert wurden.‘ Die Glosse mit feinem, stumpfem Griffel intl. über dem Lemma bis zum zweiten -treichend gut lesbar eingedrückt. Vor der Glosse Kratzer. (Länge der Glosse: 24 mm.) stafaronti: Dat. Sg. sw. F. ahd. stapfarōntī ‚Gedränge‘. Basis ist ein bislang unbelegtes sw. V. ahd. stapfarōn ‚zusammenlaufen‘?, eine Iterativbildung auf Basis ursprünglich des Verbs wgerm. *stap-ja- (Henzen 224, 148. Kroonen 474). Vgl. ahd. sw. V. stapfōn ‚schreiten‘ und ahd. stapf, stapfo ‚Schritt‘ – GSp 6,656, SpAW 1,933f. Die Glosse dokumentiert eine īn-Bildung vom Partizip Präsens, wie sie nur sehr selten und nur in den ältesten oberdeutschen Quellen belegt ist (GSp 1,29,A.*. BRG §229).

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50. f. 28r, Z. 25, conuiciis – sceltom · (24) … qui confligentes ad inuicem / (25) primo conuiciis lacessere (Ed. lacessire) (2,20,2; 159,15) ‚Diejenigen, die aneinandergerieten, überschütteten sich gegenseitig mit Beschimpfungen.‘ Die Glosse mit feinem Griffel intl. über dem Lemma bis -ci- eingedrückt. Danach mit Griffel ein Punkt. Eine eingeritzte Linie quer durch die Glosse beeinträchtigt die Lesbarkeit. (Länge der Glosse: 18 mm.) sceltom: Dat. Pl. sw. F. ahd. skelta ‚Beschimpfung, Schmähung‘ – GSp 6,487. SpAW 1,838. StWG 537, 830. SchG 8,311. 51. f. 28v, Z. 2, comminus – nahc (f. 28r, Z. 31) … Nonnum/ (32) quam autem etiam in media ciuitate occurrentes sibi trucidabant praecipue // (f. 28v, Z. 1) in diebus festis sicarii plebibus admixti occultatis pugionibus ober/ (2) rantes ut quisque designatus eis comminus inciderat perimebant (2,20,5; 161,2) ‚Es geschah manchmal auch selbst im Zentrum der Stadt, dass – wenn sie sich trafen – sie sich gegenseitig umbrachten, besonders an Festtagen, wenn die Mörder sich unter die Volksmenge mischten, mit verborgenen Dolchen herumgingen, worauf jeder, der von ihnen bestimmt worden war, handgemein getötet wurde.‘ Intl. über -omm- mit stumpfem, feinem Griffel gut lesbar eingetragen. Unklar ob nach c ein Punkt folgt. (Länge der Glosse: 8 mm.) nahc: Adv. ahd. nāh – AWB 6,984. GSp 2,999. SpAW 1,652. StWG 430. SchG 7,12. EWA 6,756. Heidermanns (1993: 424). Die Glossierung von lat. comminus mittels Adv. ahd. nāh ist in der Glossenüberlieferung mehrfach belegt: In Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 10 (Mayer 1974: 7,8; Schulte 1993: 59), Clm 18140 (comminus sitam – nahkilegana, StSG 2,256,71; Schulte 1993: 659) und Wien, ÖNB 162 (StSG 1,65,22). 52. f. 28v, Z. 17, subiugare – kazamon · (15) … paratus inde inruere hierusolymam52 et / (16) ui ac potestate urbem tenere simulque romanorum praesidia ac plebem / (17) tyrannidi suae subiugare (2,21,1; 161,17) ‚bereit, von hier aus in Jerusalem einzufallen und mit Waffengewalt und Stärke die Stadt zu beherrschen und gleichzeitig die Besatzung und das Volk seiner Tyrannei zu unterwerfen‘. Die Glosse ist sehr gut lesbar mit feinem, stumpfem Griffel intl. über -iugare eingetragen, am Ende steht mit Griffel ein Punkt. (Länge der Glosse: 21 mm.) kazamon: Inf. sw. V. ahd. gizāmōn ‚unterwerfen‘ – GSp 5,664. SpAW 1,1171. StWG 753. SchG 11,325. RSV 2,192. || 52 Ed. Hierusolyma. Der Nasalstrich wohl später.

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53. f. 28v, Z. 25, tribunus – skerio (25) … ubi sub felicae tribunus qui in hierusolymis erat ad / (26) paulum … dicit (2,21,3; 161,24) ‚Als der Kommandant, der zur Zeit des Felix in Jerusalem war, zu Paulus sagte, …‘. Die Glosse ist mit stumpfem Griffel deutlich lesbar intl. über tribun- eingedrückt. s weist den charakteristischen tiefen Anstrich auf. (Länge der Glosse: 15 mm.) skerio: Nom. Sg. sw. M. ahd. skerio ‚Militärtribun, Offizier‘ – GSp 6,531. SpAW 1,842. StWG 539. SchG 8,329, hier erstmals zu lat. tribunus. Zu erhaltenem i: BRG §223,A.3.

Abb. 15: Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 28v, Z. 25: skerio (Nr. 53)

54. f. 29r, Z. 28, igitur – enti (28) … Igitur iudaei posteaquam paulus ad caesarem quem appella/ (29) uerat a festo transmissus est … et frustratas insidias quas ei in/ (30) tenderant uident (2,23,1; 165,11) ‚Und die Juden erkannten, nachdem Paulus von Festus zum Kaiser geschickt worden war, an welchen er sich gewandt hatte, dass die Anschläge, die sie gegen ihn gerichtet hatten, vereitelt waren.‘ Mit spitzem Griffel intl. über -git- eingeritzt. i ist schwach. enti: Konj. ahd. inti ‚folglich, somit‘ – AWB 4,1630. GSp 1,361. SpAW 1,424. StWG xliii, 305, 823, 850. SchG 5,56. EWA 1,125. 55. f. 29r, Z. 29, (intenderant) – pilaufant (29) … et frustratas insidias quas ei in/ (30) tenderant uident (2,23,1; 165,12) ‚… erkannten, dass die Anschläge, die sie gegen ihn gerichtet hatten, vereitelt waren.‘ Die Glosse von mal ritzendem, mal eindrückendem Griffel marg. rechts neben Z. 29 eingetragen, in der Lesbarkeit durch Kratzer (z. B. über -ant) beeinträchtigt. pilaufant: 3. Pl. Ind. Präs. st. V. ahd. biloufan ‚gegen jdn. richten, etwas anstreben‘. Bislang unbelegte Präfigierung des st. V. ahd. loufan – AWB 5,1344. SpAW 1,566.

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StWG 386, 852. SchG 6,169. EWA 5,1462. Ist das Präsens der Glosse vielleicht durch uident beeinflusst? 56. f. 30r, Z. 17, (tunc?) – fona(…) (17) … tunc / (18) rursum ipsi scribae et farisaei coeperunt ad inuicem dicere (2,23,15; 171,5) ,Da begannen die Schriftgelehrten und die Pharisäer erneut untereinander zu sagen …‘. Schwache Eintragung von stumpfem Griffel marg. rechts neben Z. 17, die nur am Anfang gelesen werden konnte. fona(…): Vielleicht Präp. ahd. fona ‚von‘ – AWB 3,1070. GSp 3,523. SpAW 1,255. StWG xl, 170, 811, 846. SchG 3,246. EWA 3,466, mit dem Ungelesenen zusammen evtl. in der Bedeutung ‚von nun an‘. Glosse und Textbezug sind jedoch gleichermaßen unklar. 57–58. f. 31r, Z. 6 (4) … sed nero / (5) regni sibi potestate conualescente post multa quae animo concepe/ (6) rat nefaria et inpura flagitia ad ipsam quoque iam diuinitatis tendebat / (7) iniuriam (2,25,1; 175,21) ‚Nero aber richtete, nachdem er, durch die wachsende Macht seiner Herrschaft sicher geworden, viele verbrecherische und schmutzige Schandtaten ersonnen hatte, das Unrecht nunmehr schon gegen die göttliche Weisheit.‘ 57. f. 31r, Z. 6, nefaria – (…)mozon Die Glosse setzt vor n- ein, sie ist sehr schlecht lesbar und gegen den Falz hin insbesondere am Anfang der Eintragung nur sehr eingeschränkt untersuchbar. (…)mozon: Die resthafte Lesung gestattet keine gesicherte Identifikation. Nach der Form und dem Textbezug zu schließen, dürfte -on Akk. Pl. eines schwachen nStamms sein, eine Form, die gerade in den ältesten oberdeutschen Quellen nicht selten ist (BRG §221,A.3). In London, BL Add. 18379 ist lat. nefarius mit ahd. unmuozhaft glossiert (StSG 4,152,14), weshalb für den fragmentarischen Beleg des Clm 6383 – rein spekulativ – an ein Adj. ahd. *unmuozi ‚schändlich, verbrecherisch‘ gedacht werden kann. 58. f. 31r, Z. 6, flagitia – uneron Mit unregelmäßig gespitztem Griffel intl. über flagi-, der zweite Buchstabe unsicher, vermutl. ein etwas höher gestelltes n. Auf derselben Stelle sind weitere Ritzungen. uneron: Dat. Pl. st. F. ahd. unēra ‚Schandtat, Vergehen‘ – GSp 1,443. SpAW 1,186. StWG 656, 855. SchG 10,177. Die Entsprechung lat. flagitium und ahd. unēra ist aus spätalthochdeutscher Zeit schon einmal belegt (StSG 2,613,5).

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59. f. 31r, Z. 7, probra – farmeina (7) … Longum est et nostro operi inconueniens probra eius flagi/ (8) tiaque53 describere maximae (Ed. maxime) cum multi de his plenius scripserint (2,25,1; 175,22) ‚Es würde lange dauern und wäre für unsere Arbeit ungeeignet, alle seine Schandtaten und Verbrechen zu beschreiben, besonders weil viele über sie ja vollkommen geschrieben haben.‘ Die Glosse steht intl., setzt nach -s von inconueniens ein und geht bis über e- von eius, eingetragen vom selben spitzen Griffel wie die nächste Glosse. Sie ist gut lesbar. farmeina: Geht man von Kongruenz in Wortart und Form aus, ist die Glosse als Akk. Pl. st. M. ahd. firmein oder st. F. firmeina ‚Verbrechen‘ zu bestimmen. Ahd. mein ‚Verbrechen‘ (AWB 6,336. GSp 2,780. SpAW 1,605. StWG 404. SchG 6,304. EWA 6,236) ist a-stämmiges Neutrum, wie auch die Entsprechungen anderer germanischer Sprachen. Der Versuch, die Form damit zu erklären, dass der Glossator lat. probra als Adjektiv im Singular aufgefasst habe, müsste auch Grundformglossierung im Nominativ voraussetzen. Die benachbarten Glossen, die von derselben Hand stammen dürften, zeigen dagegen das Verfahren, Wortart und Form des Lemmas im Interpretament beizubehalten. 60. f. 31r, Z. 15, consulite– farhelfat (15) … consulite com/ (16) mentarios uestros (2,25,4; 177,8) ‚Befragt eure Geschichtswerke!‘ Die Glosse steht intl. über dem Lemma in ganzer Länge und ist mit spitzem Griffel eingeritzt. Sie ist im zerknitterten Pergament schwierig zu entziffern, konnte aber vollständig gelesen werden. farhelfat: 2. Pl. Imp. st. V. ahd. firhelfan ‚Rat holen, sich verhelfen‘. Bislang für das Althochdeutsche unbelegte Präfigierung des st. V. ahd. helfan ‚beistehen, helfen‘ – AWB 4,909. GSp 4,918. SpAW 1,378. StWG xlii, 266, 822, 850. SchG 4,258. EWA 1,931, die dann im mhd. verhelfen auftaucht (LexerHWB 3,127). -at ist die Endung des älteren Alemannisch (BRG §308 und A.1). 61.–62. f. 31r, Z. 32 (30) Uerumtamen scribit de his (Ed. etiam) gaius quidam scriptor antiquus qui cum / (31) zeferino episcopo romano aduersum proculum quendam catafrygam / (32) disputans haec de apostolorum commemorat locis (2,25,6; 179,1) ‚Gleichwohl schreibt über sie auch Gaius, einer der alten Schreiber, der mit Zepherinus, dem Bischof von

|| 53 -q; aus quae radiert.

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Rom, über die Orte der Apostel das folgende berichtet, während er gegen einen gewissen Cataphrygus Proclus argumentiert.‘ 61. f. 31r, Z. 32, disputans (2,25,6; 179,1) – st..tant Die Glosse steht, mal geritzt, mal schwach eingedrückt vom selben Griffel wie die nächste Glosse, intl. über -utan-. In der Wortmitte konnte sie nicht gelesen werden. st..tant: Vermutlich unflekt. Part. Präs. st. V. ahd. strītan ‚streiten, im Streitgespräch erörtern‘ – GSp 6,745. SpAW 1,950. StWG 600, 831. SchG 9,280. 62. f. 31r, Z. 32, commemorat (2,25,6; 179,2) – farz(…)ta Intl. über -memorat eingetragen. Nach lesbarem far- ist noch z erkennbar, am Ende a, vielleicht einem t folgend. Vor der Glosse befinden sich weitere Ritzungen. farz(…)ta: Auf Grundlage der ermittelten Buchstaben und des Textzusammenhangs kann ein sw. V. ahd. *firzellen ‚berichten‘ erwogen werden. Vgl. das sw. V. ahd. zellen ‚erzählen‘ – GSp 5,644. SpAW 1,1169, das mit Präfix fir- dann im Mittelhochdeutschen erscheint (verzellen ‚berichten‘ – LexerHWB 3,316). Aus den Schlussbuchstaben der Glosse wäre auf eine Präteritumsform zu schließen. 63. f. 31v, Z. 2, uia – sint (1) … si enim procedas / (2) uia regali quae ad uaticanum ducit aut uia ostensi (2,25,7; 179,4) ‚wenn du nämlich auf der königlichen Straße, die zum Vatikan führt, oder auf der Straße nach Ostia gehst, …‘. Intl. über uia sehr schwach eingetragene Glosse, die nur bei Streiflicht von unten her sichtbar ist. sint: Nom. (?) Sg. st. M. ahd. sind ‚Weg‘ – GSp 6,231. SpAW 818. StWG 526. SchG 8,233. steht als Graphie für germ. /th/ in den Glossen der Handschrift allein. 64. f. 31v, Z. 10, autem – afar (10) … haec autem rettulimus ut historia quę in opinio/ (11) ne omnium est confirmatior haberetur (Ed. habeatur) (2,25,8; 179,15) ‚Wir berichteten dies nämlich so, damit der Bericht, der von allen als wahr angesehen wird, eine weitere Bestätigung erhält.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über aū eingetragen, schon vor a- beginnend. Die Eintragung ist sehr schwach und von ungleichem Schreibdruck. Das erste a ist eng an f gerückt. In Z. 10, intl. über opinione steht eine unentzifferte Griffeleintragung (vgl. in Kap. 4.3.4.4). afar: Konj. ahd. avur ‚aber, dagegen‘; Adv. Konj. ahd. avur ‚nochmals, wiederum‘ – AWB 1,700. GSp 1,177. SpAW 1,7. StWG 37, 789, 837, 858f. SchG 1,77. EWA 1,401. Die Schreibung des germ. f zwischen Vokalen mittels kommt ausschließlich in sehr

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alten Quellen vor. Vgl. BRG §139,A.2. Das Wort ist in den Glossen des Clm 6383 mehrfach belegt. Vgl. die Glossen 189, 340 und 385. 65. f. 32v, Z. 10, dirimuntur – kasentˉ (8) … santi ue/ (9) ro apostoli domini et saluatoris nostri caeterique discipuli ad praedicandum / (10) uerbum dei per singulas quasque orbis terrae prouincias dirimuntur (Ed. diriguntur54) (3,1,1; 189,3) ‚Was die heiligen Apostel und die übrigen Jünger unseres Herrn und Erlösers anbelangt, wurden sie zur Verkündigung des Wortes Gottes über sämtliche Gegenden des Erdkreises ausgesandt.‘ Schwache Eintragung, intl. über -irimun- mit unregelmäßig geschliffenem Griffel aufgezeichnet. Durch en gehen Kratzer. Über t liegt eine gewellte Querlinie, bei der es sich um einen Kürzungsstrich handeln könnte. kasentˉ: Part. Prät. sw. V. ahd. senten oder gisenten ‚senden‘ – GSp 6,234, 236. SpAW 1,818. StWG 517, 829. SchG 8,164. RSV 1,169. Der Kürzungsstrich ist wohl nicht determinativ verwendet. Mit der Glosse wird möglicherweise textkritisch Bezug auf diriguntur genommen. 66. f. 32v, Z. 15, praedicans – ca(…) (14) Petrus pontum et (Ed. ohne et) galatiam, bytiniam, capadociam caeterasque con/ (15) fines prouintias iudaeis dumtaxat praedicans circumisse depraehen/ (16) ditur (3,1,2; 189,8) ‚Petrus wird dabei gesehen, wie er Pontus, Galatia, Bithynia, Cappadocia und die übrigen Provinzen, wenn auch nur diejenigen, die an die Juden grenzen, predigend durchreiste.‘ Eintragung von stumpfem Griffel über d-, von der nur der Anfang gelesen werden konnte. ca(…): Präfix ahd. gi- – AWB 4,249. GSp 4,10. SpAW 2,54. EWA 4,202 einer ansonsten nicht gelesenen Verbform. 67. f. 32v, Z. 29, narratione – zeli? (29) … Uerum procedente nobis historiae narratione (3,3,3; 191,5) ‚wie uns allerdings die Erzählung der Geschichte offenlegt, …‘. Eintragung von spitzem Griffel über -ae na-, in kleiner Schrift. Nach l ist die Situation unklar. zeli?: In der Eintragung ist die Wurzel ahd. zel- (germ. *talja-) erkennbar, ohne dass ein bekanntes Substantiv mit dieser Lautung angeführt werden könnte. Vgl. dazu das st. F. ahd. zala ‚Erzählung‘ – GSp 5,641. SpAW 1,1170. || 54 dirimuntur steht auch im Freisinger Clm 6375, in Paris, BnF lat. 18282 und in Rom, BAV Pal. lat. 822. Vgl. in der Textedition den Variantenapparat.

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68. f. 32v, Z. 32, exponemus – sak (30) … Necessa/ (31) rio etiam scripturarum libros qui in auctoritate esse debeant … / (32) … exponemus (3,3,3; 191,8) ‚Wir werden notwendigerweise auch die Bücher der Schriften erklären, die für maßgeblich gehalten werden müssen.‘ Sehr feine Einprägung unterhalb von -one-. Nach k setzt in größerer Schrift ein Griffeleintrag ste (vgl. Kap. 4.3.4.4) ein, von welchem vielleicht weitere Buchstaben der Textglosse verdeckt werden. sak: Gekürzte oder unvollständig sichtbare Form des sw. V. ahd. sagēn ,sagen‘ – GSp 6,91. SpAW 1,782. StWG 502, 829. SchG 8,61. RSV 2,249, das in der althochdeutschen Glossenüberlieferung als Interpretament zu lat. exponere bekannt ist. 69. f. 33v, Z. 23, insidiis – faru. (23) … caeterorumque omnium quos propter fidem christi insi/ (24) diis dolis atque omni fraude nequitiae circumuenerant (3,5,2; 197,5) ‚… und aller übrigen, die man wegen ihres Glaubens an Christus mit Fallen, Täuschungen und dem ganzen Betrug der Verdorbenheit bedrängt hatte, …‘. Sehr schwache Einprägung, beginnt intl. über -i von xpi, nach hinten verlöschend. faru.: Dat. Pl. (?) st. sw. F. ahd. fāra ‚Hinterhalt‘ – AWB 3,568. GSp 3,575. SpAW 1,204. StWG 139, 806. SchG 3,50. EWA 3,52. 70. f. 33v, Z. 30, transire – (…)faran (28) … ecclesia uero / (29) … responso a deo accepto / (30) et migrare (Ed. emigrare) iubetur, et transire ad oppidum quoddam pellam / (31) nomine trans iordanen (3,5,3; 197,12) ‚Die Kirche jedoch erhielt eine göttliche Offenbarung mit der Aufforderung auszuwandern und in eine Stadt namens Pella jenseits des Jordans hinüberzugehen.‘ Längere, schwache Eintragung über transire, in kleiner Schrift. (…)faran: Inf. st. V. ahd. []faran ‚gehen, fahren‘ – AWB 3,570. SpAW 1,204. GSp 3,548. StWG 140, 806, 843. SchG 3,51. EWA 3,56, mit nicht entziffertem Präfix. 71. f. 34r, Z. 15, tricies – driui (13) … refert quod ex omni iudaea po/ (14) puli in die55 sollemni paschae hierusolyma, uelut exitiali quadam / (15) manu cogente conuenerant, quos tricies centena milia hominum dicit / (16) fuisse (3,556,5; 199,7) ‚Er erzählt, dass am Tag des Passahfestes Menschenmassen aus ganz Judäa, zusammengetrieben wie von einer

|| 55 Zwischen i und e Rasur. 56 In der Handschrift Kapitel VI.

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todbringenden Gewalt, in Jerusalem zusammenströmten, von denen er sagt, es seien dreißig Mal hunderttausend gewesen.‘ Mit spitzem Griffel intl. über trici-. Marg. rechts stehen drei Querkratzer. driui: Zahlwort ahd. drī, driu, drīo ‚drei‘ – AWB 2,642. GSp 5,239. EWA 2,770, in unklarer Lautung. Vielleicht liegt eine gekürzte Form oder gar ein Zahladverb mit unbekannter Bildung vor. Die Glosse scheint sich jedenfalls auf den Bestandteil triim lateinischen tricies zu beziehen und selber nicht ‚dreißig‘ auszudrücken. 72. f. 35v, Z. 6, genere?– fordar (6) … sed nouo crudelitatis genere necem quam sponte inferebant si ro/ (7) garentur negabant (3,6,14; 205,14) ‚Als sie aber gebeten wurden, den Tod zu gewähren, den sie so freiwillig zufügten, lehnten sie dies mit einer neuen Art Grausamkeit ab.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über genere eingetragen, auf einer Stelle, wo das Pergament pelzig und rau ist, und deshalb sehr schlecht lesbar. fordar: Unklar. Vielleicht Adv. ahd. furdir? (AWB 3,1372. GSp 3,636), aber in unverständlicher Verbindung zur Textstelle. 73. f. 35v, Z. 9, superstites – pilipane (7) … cum tamen unusquisque defitientium cum gemitu57 / (8) oculos retorqueret ad templum non de morte propria dolens / (9) sed de inpunitate praedonum quos superstites relinquebant (Ed. relinquebat)58 (3,6,14; 205,17) ‚während jedoch jeder der Sterbenden unter Stöhnen den Blick auf den Tempel hinwendete, nicht den eigenen Tod, sondern die Straflosigkeit der Räuber beklagend, die er als Überlebende zurückließ‘. Die Glosse steht mit stumpfem Griffel intl. über superstites eingetragen. Sie ist gut lesbar. pilipane: Akk. Pl. M. st. flekt. Part. Prät. st. V. ahd. bilīban ‚zurückbleiben, übrig bleiben‘ – AWB 5,885. GSp 2,47. SpAW 1,531. StSG 372, 851. SchG 6,67. EWA 5,1228. 74. f. 35v, Z. 17, cunctabor – fra(…) (17) Non cunctabor inquit proferrae quod sentio (3,6,16; 205,25) ‚Ich werde nicht zögern, sagte er‚ zu erzählen, was ich empfinde.‘ Schwache Eintragung mit stumpfem Griffel, das lesbare intl. über -ncta-. fra(…): Wortanfang einer Form des sw. V. ahd. frāgēn ‚sich erkundigen, nachfragen, zaudern‘ – AWB 3,1206. GSp 3,811. SpAW 1,259. StWG 175, 811, 846. SchG 3,281. RSV

|| 57 Zwischen e und m ein Schriftzeichen radiert. 58 Von späterer Hand in dunkler Tinte vor Schluss-t ein n mit Einfügungszeichen hinzugefügt.

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2,215. EWA 3,511, das als althochdeutsches Interpretament zu lat. cūnctārī belegt ist (StSG 1,63,36. 586,30). 75. f. 38r, Z. 14, numinis – dur?dines (13) … tum principes in/ (14) tellegentes ut res erat numinis esse motus in uiro (3,8,9; 219,15) ‚als die Richter erkannten, dass in dem Mann tatsächlich eine Erregung göttlichen Waltens war, …‘. Mit stumpfem Griffel über numinis, in der Wortmitte kaum lesbar. dur?dines: Gen. Sg. st. M. ahd. d[]din?. Der lesbare Schluss zeigt vermutlich eine althochdeutsche maskuline Genitivendung. Das Lexem ließ sich aber nicht ermitteln. 76. f. 38v, Z. 17, seriem – ordinna (16) … sed duo tantum et uiginti sunt / (17) libri qui omnium temporum seriem continent (3,10,1; 223,22) ‚Es sind nur zweiundzwanzig Bücher, die (aber) den Ablauf sämtlicher Zeiten enthalten.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -um bis über c- von continent eingetragen, gut lesbar. ordinna: Akk. Sg. st. F. ahd. ordina ‚Ordnung, Reihenfolge, Reihe‘ – AWB 7,108. GSp 1,471. SpAW 1,687. EWA 6,1188. Unetymologisches nn kann Versehen (BRG §94,A.1. §127,A.1) oder aber wahrscheinlicher dialektale Eigenheit sein (analog zur Geminierung nach Langvokal im Obd.? Vgl. BRG §127.2). Vgl. Glosse Nr. 80. 77. f. 38v, Z. 20, gerunt – forent (20) qui paulo minus ad tria milia annorum59 continentiam gerunt (3,10,2; 225,2) ‚[Bücher Moses], die eine Zeitspanne von etwas wenig weniger als dreitausend Jahre umfassen‘. Mit stumpfem Griffel intl. über -erun- eingetragen, schwach sichtbar und schlecht lesbar, insbesondere o. n und t stehen in Ligatur mit gestürztem t. forent: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. fuoren ‚führen, mittragen‘ – AWB 3,1345. GSp 3,589. SpAW 1,206. StWG 183, 812. SchG 3,335. EWA 3,639. RSV 1,48. Riecke 652, vielleicht, aber nicht unbedingt mit dem Charakter einer Vokabelübersetzung. 78. f. 38v, Z. 26, iugis – ēigi (26) pro eo quod non ita extiterit profetarum iugis et explorata successio (3,10,4; 225,9) ‚da es nicht in gleicher Weise eine kontinuierliche und nachgewiesene Abfolge von Propheten gab‘.

|| 59 Zwischen den beiden nn wurde ein Buchstabe getilgt.

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Intl. über -s et ex- mit stumpfem Griffel, über e- liegt ein Nasalstrich. Es ist nicht ganz klar, ob davor auch etwas eingeritzt ist. ēigi: Nom. Sg. nomin. flekt. (unbelegtes) Adj. ahd. einīgi ‚zusammenhängend‘? Den Beleg als Nom. Sg. F. st. flekt. Adj. einīg ‚einzig‘ – AWB 3,171. GSp 1,327. SpAW 1,175. StWG 121, 803. SchG 2,397. EWA 2,993 zu bestimmen, setzte eine defektive Endung -i statt -iu voraus. Zur Schreibung für /ei/ und der Beurteilung des Lautwerts vgl. BRG §44,A.4. Der Nasalstrich gibt hier Anlass dazu, von monophthongischer Aussprache auszugehen. Auch für die Endung ist nicht voreilig von „nachlässiger“ Schreibung auszugehen. 79. f. 39r, Z. 29, consobrinus – fatareo (29) … consobrinus is secundum carnem salua/ (30) toris fuisse dicebatur quia clopan fratrem fuisse ioseph hegesippus con/ (31) testatus est (3,11; 229,4) ‚Dem Fleisch zufolge soll er das Geschwisterkind des Erlösers gewesen sein, da Hegesippus versicherte, Cleopas sei der Bruder von Joseph.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -rinus is eingedrückt, am Schluss nicht ganz klar. Es steht wohl ligiertes eo. fatareo: Nom. Sg. sw. M. ahd. fetiro, fatureo ‚Vatersbruder, Oheim väterlicherseits‘ – AWB 3,787. GSp 3,377. SpAW 1,214. StWG 149, 808. SchG 3,134. EWA 3,191, im Text ‚Geschwisterkind‘ (GH 1,1537). Die Schreibung -eo in maskulinen jan-Stämmen weist noch in das 8. Jahrhundert. Vgl. BRG §223,A.2. 80. f. 40v, Z. 27, superstes – pilipalno (27) … In his superstes athuc aput asiam demorabatur ipse ille quem / (28) amabat dominus ihesus (3,23,1; 237,14) ‚In jenen (Zeiten) weiterhin (am Leben) geblieben, weilte in Asien jener Mann selbst, den Jesus, der Herr, liebte.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -perstes eingetragen, gut lesbar, das zweite l steht da. pilipalno: Wohl zu verstehen als pilipano. Nom. Sg. M. sw. flekt. Part. Prät st. V. ahd. bilīban ‚zurückbleiben, übrig bleiben‘ – AWB 5,885. GSp 2,47. StWG 372, 851. Für das zweite l ist keine lautgesetzliche Erklärung zu sehen. Handelt es sich um eine Dissimilationserscheinung bei ursprünglichem pilipanno? Zu allfälligem nn vgl. die Glosse Nr. 76 ordinna (zu dem Phänomen vgl. BRG §126,A.3, freilich anhand anderer Fälle). 81. f. 40v, Z. 32, adstipulantur – cahee (31) … Irenaeus et clemens alexandrinus huic ueritati adstipu/ (32) lantur (3,23,3; 237,19) ‚Irenäus und Clemens von Alexandrien bestätigen diese Wahrheit (wörtlich: stimmen mit dieser Wahrheit überein).‘

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Marg. links, tiefer als Z. 32, bis unter -lan- reichend mit stumpfem Griffel sehr deutlich eingedrückt. cahee: Mit größter Wahrscheinlichkeit gekürztes st. V. ahd. giheizan ‚bestätigen, bekräftigen‘ – AWB 4,884. GSp 4,1081. SpAW 1,375. StWG 265, 821. SchG 4,250. Ein anderes Verb ahd. *gi-hē- ist nicht in Sicht; allfällige hērēn, gihērēn, hērisōn sind ohne Anschluss im Text, ebenso ein hypothetisches *gāhēn. Zudem ist ahd. giheizan im Zusammenhang mit lat. stipulare belegt, wenn auch sehr spät im st. M. ahd. giheizāri zu lat. stipulator (St. Blasien, 12. Jh.; StSG 3,188,39. AWB 4,893). Da hier aus inhaltlichen Gründen nicht von einer Präteritumsform ausgegangen werden kann (allerdings kommen genau solche Gegenüberstellungen zwischen Lemma und Interpretament in den Glossen vor. Vgl. die Glosse Nr. 96), ist die Schreibung eher als Nachweis für die monophthongische Aussprache von /ei/ zu nehmen, als darin eine undiphthongierte Präteritumsform zu vermuten. 82. f. 41v, Z. 25, effugire – ca(…) (24) … Sed / (25) ille neque effugire neque prosus declinare usquam nitens (3,23,15; 243,10) ‚Aber er versuchte weder zu fliehen noch ihnen auszuweichen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -q; e- einsetzend und als ca gut lesbar, danach aber sehr undeutlich. ca(…): Vermutlich Verbalpräfix ahd. gi- – AWB 4,249. GSp 4,10. SpAW 2,54. EWA 4,202. Die Wortwurzel ist nicht zu ermitteln. 83.–85. f. 42r, Z. 12–13 (11) … sed et uariis sermonum consula/ (12) tionibus uelut quibusdam praecantationibus efferos et exterritos eius / (13) animos mitigabat (3,23,19; 245,1) ‚Auch beruhigte er seinen rasenden, verängstigten Geist mit verschiedenen tröstenden Worten ebenso wie mit gewissen Bezauberungen.‘ 83. f. 42r, Z. 12, praecantationibus (3,23,19; 245,1) – calstare Mit spitzem Griffel intl. über -r- bis -nt- in sehr sorgfältiger, feiner Schrift eingeritzt. (Länge der Glosse: 13 mm.) calstare: Dat. Sg. st. N. ahd. galstar ‚Zauberei, Zaubergesang, Verzauberung‘ – AWB 4,32. GSp 4,179. SpAW 1,280. StWG 189. SchG 378. EWA 4,33, der Singular vielleicht in verallgemeinerndem Sinn. 84. f. 42r, Z. 12, efferos (3,23,19; 245,1) – crimiu Mit spitzem Griffel intl. über efferos, im Bereich von ri undeutlich. crimiu: Akk. Pl. N. st. flekt. Adj. ahd. grim ‚wild, rasend‘ – AWB 4,424. GSp 4,323. SpAW 1,324. StWG 239, 820. SchG 4,47, 48. EWA 4,617. Heidermanns (1993: 258).

Die Glossen | 321

85. f. 42r, Z. 13, mitigabat (3,23,19; 245,2) – cazert(…) Unklare Verhältnisse: ca mit spitzem Griffel von derselben Hand wie die Glosse Nr. 83, zert dagegen eingeprägt. Die Eintragung steht intl. über mitigabat. cazert(…): Vermutlich sw. V. ahd. gizerten ‚zart behandeln, besänftigen‘. Vgl. das sw. V. ahd. zerten – GSp 5,696. SpAW 1,1172. StWG 758. SchG 11,361. RSV 1,277. 86. f. 42r, Z. 16, tropea – zeihhan (15) … atque insignia quedam et / (16) tropea uisibilis in eo resurrectionis ostendens (3,23,19; 245,5) ‚indem er gewisse Kenn- und Siegeszeichen der in ihm sichtbaren Auferstehung vorzeigte‘. Mit stumpfem Griffel intl. über tropea uisi- eingetragen, schwierig zu entziffern, auch weil die Glosse beim Falz liegt. zeihhan: Akk. Pl. st. N. ahd. zeihhan ‚Zeichen, Wunderzeichen‘ – GSp 5,591. SpAW 1,1176. StWG 756, 857. SchG 11,340. 87. f. 42r, Z. 31, argumento – demo urdanche (30) … quod huiusce / (31) modi praedicationis adsertio non argumento humani sermonis / (32) sed adstipulatione diuinae uirtutis indigiat (3,24,4; 245,22) ‚Denn was von dieser Art der Predigt behauptet wird, erfordert die Unterstützung der göttlichen Macht, nicht die Logik der menschlichen Sprache.‘ Die Glosse beginnt intl. über non und geht bis über h- von humani. Vor d- der Glosse steht mit anderem Griffel e, ein weiteres e befindet sich auf r der Glosse. demo urdanche: Bestehend aus demo: Dat. Sg. M. Dem.-Pron. Art. ahd. der, diu, daz – AWB 2,411. GSp 5,3, 18, 36. SpAW 1,132. StWG 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. EWA 2,589 und urdanche: Dat. Sg. st. M. urdank ‚Argument, Schlussfolgerung, Erfindung‘ – GSp 5,164. SpAW 1,129. StWG 681. SchG 10,239. 88. f. 42v, Z. 13, adpulisse – ar uu iali (12) Igitur ex ipsis discipulis domini matheus tantummodo et iohannis / (13) ad scribendum adpulisse animum traduntur (3,24,6; 247,8) ‚Demnach sollen von den Jüngern des Herrn selbst nur Matthäus und Johannes – wie berichtet wird – ihren Geist zum Schreiben hingetrieben haben.‘ Die Glosse ist durch Abstände in drei Teile geteilt. ar steht intl. über ad-, uu über -pu-, iali über -iss-. Alles ist sehr gut lesbar mit stumpfem Griffel eingedrückt. Vor uu steht, einem Ansetzen des Instruments ähnlich, ein kleiner Griffelstrich. (Länge der Glosse: 23 mm.) aruuiali: 3. Sg. Konj. Prät. st. V. ahd. irwallan ‚hintreiben, gezwungen sein, etwas zu tun‘ – GSp 1,798. SpAW 1,1056. StWG 693. SchG 10,366, als freie Umschreibung ‚er habe hingetrieben‘ gegenüber der lateinischen Satzkonstruktion. Der Konjunktiv

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scheint (subjunktivisch) zur Wiedergabe der indirekten Rede gewählt, der Singular allein auf Johannes bezogen. Vielleicht ist der Glossator aber auch von adpulisset mit fehlendem -t ausgegangen.

Abb. 16: Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 42v, Z. 13: aruuiali (Nr. 88)

89. f. 43v, Z. 31, destinatum – arlegit (29) … maioribus quippe portentis efferebatur semet ipsum sal/ (30) uatorem dicens ad hominum salutem de caelestibus et inuisibilibus saeculi (Ed. saeculis) / (31) destinatum (3,26,1; 255,3) ‚Durch die großen Wunder übermütig geworden, sagte er, dass er selbst der Retter sei, der aus den himmlischen und unsichtbaren Zeiträumen zum Wohl der Menschheit ausersehen worden sei.‘ Intl. mit stumpfem Griffel von -e- bis zum letzten -t- des Lemmas eingedrückt, a als cc-a. (Länge der Glosse: 22 mm.) arlegit: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. irleggen ‚bestimmen‘ – AWB 5,729. GSp 2,91. SpAW 1,536. StWG 365. SchG 6,15. RSV 1,311. EWA 5,1112. Riecke 641 (leggen). 90. f. 43v, Z. 31, aliter – so (31) … adserens non aliter posse unumquemque angelos saeculi uincere (3,26,1; 255,3) ‚Er behauptete, dass kein anderer sonst die welterschaffenden Engel besiegen könne.‘ Schwache Eintragung intl. über -lit-, auf einer Stelle mit weiteren Einritzungen. so: Adv. ahd. sō ‚so, auf diese Weise, ebenso‘ – GSp 6,11. SpAW 1,893. StWG xlvi, 567, 854. SchG 9,25. 91. f. 44v, Z. 1, per – duru. (1) … et per angelos ei / (2) reuelatas putaret (3,28,2; 257,20) ‚Er glaubte, dass sie (die Eingebungen) ihm durch Engel offenbart würden.‘ Griffeleintrag oberhalb von p im oberen Blattrand.

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duru.: Nicht ganz sicherer Beleg für Präp. ahd. duruh ‚durch‘ – AWB 2,761. GSp 5,221. SpAW 1,159. StWG 112, 801. SchG 2,324. EWA 2,879. 92. f. 45r, Z. 13, pastibus – fuarun (13) … animam uero alendam sapientiae pastibus et / (14) scientię cibis in maius semper augendam (3,29,4; 263,2) ‚… dass die Seele jedoch mit den Nahrungen der Weisheit zu verpflegen und mit den Speisen des Wissens zu erweitern sei‘. Mit stumpfem Griffel sehr schwach eingeprägt intl. über -stib; eingetragen. fuarun: Dat. Pl. st. F. ahd. fuora ‚Nahrung‘ – AWB 3,1343. GSp 3,597. SpAW 1,207. StWG 183, 812. SchG 3,332. EWA 3,638. Die Endung -un kommt in der älteren Zeit selten vor (BRG §207,A.8). 93. f. 45r, Z. 19, inprobant – itauuizont (18) … an et apostolos / (19) inprobant (3,30,1; 263,8) ‚Verurteilen sie etwa auch die Apostel?‘ Mit stumpfem Griffel eingetragen und recht gut lesbar. a ist klein, n und t stehen in Ligatur mit gestürztem t. Die Glosse beginnt intl. über dem ersten n von inprobant und reicht bis über p&- von nachfolgendem petrus. (Länge der Glosse: ca. 21 mm.) itauuizont: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. itawīzōn ‚tadeln, beschimpfen, missbilligen‘ – AWB 4,1756. GSp 1,1120. StWG 314, 850. SchG 5,98. RSV 2,72. EWA 5,234. Eine Parallelglosse enthält, soweit den Resten zu entnehmen ist, der Cgm 5248,2. Im Clm 18140 endet der parallele Beleg auf -ant. Siehe StSG 2,603,52. 94. f. 45r, Z. 20, non taedet – niardrooz (20) … sed et paulum Non taedet apostolum in quadam / (21) epistola sua mentionem uel salutationem facere conparis suae (3,30,1; 263,10) ‚Paulus ist es auch nicht leid, seine Gemahlin in einem seiner Briefe zu erwähnen und zu begrüßen.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar eingetragen. Die Glosse beginnt intl. über non. Das zweite r ist sehr schwach, z dagegen sehr gut sichtbar. (Länge der Glosse: 26 mm.) niardrooz: Bestehend aus ni: Neg.-Part. ahd. ni ‚nicht‘ – AWB 6,1203. SpAW 1,666. GSp 2,969. StWG 437, 827, 852. SchG 7,75. EWA 6,924 und ardrooz: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. irdriozan ‚leid sein, überdrüssig sein‘ – AWB 2,659. GSp 5,248. SpAW 1,152. StWG xxxix, 108. SchG 2,290. EWA 2,784, das Präteritum zur Wiedergabe des lateinischen historischen Präsens. 95. f. 47r, Z. 27, subigor – uparstozaner (26) … frumentum inquit / (27) ego sum dei, bestiarum dentibus molor et subigor, ut panis mundus effitiar (3,36,12; 279,16) ‚‚Ich bin das Korn Gottes‘, sagte er, ‚ich werde

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von den Zähnen der wilden Tiere gemahlen und geknetet, auf dass ich zu reinem Brot verarbeitet werde.‘‘ Längere Eintragung mit stumpfem Griffel, die über -r von molior einsetzt und bis über -a- von panis geht. e und r sind ligiert. Die fein eingedrückte Eintragung ist schwer zu entziffern. Am besten sichtbar ist sie unter flachem Blickwinkel von oben bei schwachem Streiflicht von unten. uparstozaner: Nom. Sg. M. st. flekt. Part. Prät. ahd. ubarstōzan ‚durcharbeiten, kneten‘, als Wiedergabe des Passivs mittels flektiertem Partizip Präteritum. Zum Verbalpräfix ubar- vgl. GSp 1,83. SpAW 2,131. Zum st. V. ahd. stōzan ‚stoßen, schlagen‘ vgl. GSp 6,728. SpAW 1,945. Die Bedeutung ‚zerkleinern, zu Pulver zerstoßen‘ taucht im Neuhochdeutschen wieder auf (DWB 23,583 Abschnitt 3, überstoszen). 96. f. 48r, Z. 18, non pigebit – ni artrag&a (18) … Non pigebit autem nostibi60 omnia que quondam a pres/ (19) byteris dedicimus et bene retinemus … / (20) … explicare (3,39,3; 287,7) ‚Es wird (dich) nicht verdrießen, wenn wir Dir alles erklären, was wir einst von den Presbytern gelernt und vollständig behalten haben.‘ Mit stumpfem Griffel intl. eingetragen, gleich nach N- von Non beginnend, bis über aū. Die schwach eingeprägte Glosse ist bei Lichteinfall von unten gut lesbar. (Länge der Glosse: 32 mm.) ni artrag&a: Bestehend aus ni: Neg.-Part. ahd. ni ‚nicht‘ – AWB 6,1203. SpAW 1,666. GSp 2,969. StWG 437, 827, 852. SchG 7,75. EWA 6,924 und artrag&a: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. irtrāgēn ‚verdrießlich machen‘ – GSp 5,503. SpAW 1,1009. StWG 631. SchG 10,22. RSV 2,264. Das Präteritum ist unverständlich. pigebit kann kaum als pigebat verlesen worden sein, weshalb von einer paraphrasierenden Glossierung auszugehen ist. 97. f. 48v, Z. 27, refert – arsag& (26) … alia quoque quam plurima, supra memorati / (27) aristionis, refert (3,39,14; 291,14) ‚Er berichtet auch sehr viele andere Dinge des oben erwähnten Aristion.‘ refert ist wegen eines Lochs im Pergament auf re und fert aufgeteilt. Die Griffelglosse steht mit stumpfem Griffel sehr fein eingeprägt intl. über re. g erscheint vergrößert, danach folgt undeutlich vermutlich &, was auch wie ein a aussieht. arsag& 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. irsagēn ‚bekanntmachen, berichten‘ – GSp 6,102. SpAW 1,782. StWG 503. SchG 8,67. RSV 2,250.

|| 60 Zusammenschreibung durch st-Ligatur.

Die Glossen | 325

98. f. 49r, Z. 11, (parabula) – saga (11) habetur autem in euangelio quod dicitur secundum hebraeos scribta ista ista pa/ (12) rabula (3,39,17; 293,10) ‚Dieses Gleichnis befindet sich auch in dem Evangelium, welches ‚nach den Hebräern geschrieben‘ genannt wird.‘ Fein eingeprägt mit stumpfem Griffel, marg. rechts neben Z. 11, neben pa/. saga: Nom. Sg. st. sw. F. ahd. saga ‚Erzählung, Gleichnis‘ – GSp 6,105. SpAW 1,782. StWG 501. SchG 8,57. 99. f. 49v, Z. 19, profectus – spoot (19) Et quidem saluatoris nostri institutio ecclesiarumque profectus crescebat in / (20) dies (4,2,1; 301,7) ‚Der Unterricht unseres Erlösers und der Erfolg der Kirchen vermehrten sich nämlich Tag für Tag.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über profect- eingetragen. (Länge der Glosse: 13 mm.) spoot: Nom. Sg. st. F. ahd. spuot ‚Fortschritt, Wachstum‘ – GSp 6,318. SpAW 1,917. StWG 582. SchG 8,143. 100.–101. f. 51v, Z. 12 (10) … do/ (11) cere etiam eum refert immolata absque ullo respectu conscientiae de/ (12) gustanda et sine scrupulo atque indifferenter fidem negandam perse/ (13) cutionis temporibus (4,761,7; 311,20) ‚Er berichtet auch, dass dieser lehrte, dass Opfer ohne Rücksicht auf das Gewissen und ohne Besorgnis gekostet werden sollten und überdies der Glaube in Zeiten der Verfolgung gleichgültig geleugnet werden könne.‘ 100. f. 51v, Z. 12, sine scrupulo (4,7,7; 311,20) – anahuaten Mit stumpfem Griffel intl. über -crupulo, t mit längerem Schaft, e und n stehen in Ligatur. Im Bereich von at stören Knitter im Pergament die Entzifferung. (Länge der Glosse: 20 mm.) anahuaten: Bestehend aus ana: Präp. ahd. ānu ‚ohne‘ – AWB 1,577 (ānu mit Genitiv: 599). GSp 1,282. SpAW 1,25. StWG 32, 788, 836. SchG 1,187. EWA 1,289 und huaten: Gen. Sg. sw. M. ahd. huoto oder huoteo ‚Besorgnis, Bedenken‘. Es liegt näher, ein bislang unbelegtes an- (oder jan-?) stämmiges schwaches Maskulinum anzusetzen, als das sw. V. ahd. huoten ‚behüten‘ (AWB 4,1402) in Betracht zu ziehen, da die Kombination von ānu + Infinitiv auf wenige und lexikalisierte Bildungen beschränkt erscheint (ānu sīn, ānu werdan, AWB 1,577), wo ānu zudem adverbiale Funktion hat.

|| 61 In der Handschrift bereits Kapitel VIII.

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101. f. 51v, Z. 12, indifferenter (4,7,7; 311,20) – emazigo Mit stumpfem Griffel sehr deutlich intl. über -ndiffere- eingetragen. i zeigt oben und unten einstichähnliche Vertiefungen, was auch bei der Glosse Nr. 88 aruuiali zu beobachten ist. g besitzt einen geraden Deckstrich, links angebogen. e und m sind ligiert. (Länge der Glosse: 32 mm.) emazigo: Adv. ahd. emizzīgo (amazzīgo) ‚immerfort, beständig, unbeirrt‘ – AWB 1,313, 3,278. GSp 1,256. SpAW 1,181. StWG 125, 804. SchG 2,429. EWA 2,1067.

Abb. 17: Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 51v, Z. 12: emazigo (Nr. 101)

102. f. 52r, Z. 27, integerimam – uncastauuita (26) … In quibus / (27) haegesippus celeberrimus habebatur qui integerimam traditio/ (28) nem apostolicae praedicationis simplici sermone conscriptam / (29) in quinque libris memoriae tradedit (4,8,2; 315,7) ‚Unter ihnen war Hegesippus der berühmteste; er gab die Tradition der apostolischen Predigt, die in fünf Büchern geschrieben ist, untadelig in einfacher Sprache geschrieben weiter.‘ Die Glosse steht intl., beginnt über qui und geht bis über -m des Lemmas. Sie konnte nur mit großer Mühe gelesen werden. c steht etwas erhöht, s und t sind undeutlich und nicht gänzlich sicher. uncastauuita: Akk. Sg. F. st. flekt. Adj. ahd. ungistouwit ‚untadelig‘, gebildet aus dem Partizip Präteritum des sw. V. ahd. stouwen ‚schelten‘ – GSp 6,726. SpAW 1,945. StWG 597. SchG 9,258. RSV 1,323. Riecke 382. 103. f. 55v, Z. 19, familiaribus – catriuuuon · (18) … qui cum in eadem ciuitate uelit (Ed. vellet) interritus / (19) permanere adquiescens tamen deprecantibus se familiaribus suis ad agrum / (20) quendam ciuitati proximum secedit (4,15,9; 339,18) ‚Er wollte ohne Furcht in derselben Stadt bleiben, gab aber den Bitten seiner Freunde nach und zog sich auf einen Landsitz in der Nähe der Stadt zurück.‘

Die Glossen | 327

Sehr kräftig und schönschriftlich, intl. über -am- beginnend bis über suis eingedrückt. r und i stehen in Ligatur, am Schluss ein Punkt. (Länge der Glosse: 32 mm.) catriuuuon: Dat. Pl. sw. M. ahd. gitriuwo ‚Getreuer, Vertrauter‘ – SpAW 1,1019. Als Interpretament des substantivierten lat. Adjektivs ist für catriuuuon auch möglich eine Bestimmung als Dat. Pl. sw. flekt. Adj. ahd. gitriuwi ‚getreu‘ – GSp 5,464.

Abb. 18: Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 55v, Z. 19: catriuuuon · (Nr. 103)

104.–105. f. 56r, Z. 2 (1) quin immo et cum conperisset adesse conprehensores suos in occursum / (2) eis progressus laeto admodum uultu ac placido conpellare uiros coe/ (3) pit cum ingenti oris gratia (4,15,13; 341,10) ‚Ja, als er erfuhr, dass diejenigen, die ihn festnehmen sollten, dort waren, ging er ihnen sogar entgegen und begann, sie mit einem sehr fröhlichen und friedlichen Gesicht und einer äußerst gnädigen Rede anzusprechen.‘ 104. f. 56r, Z. 2, laeto (4,15,13; 341,10) – do Mit stumpfem Griffel intl. über -eto eingetragen. Möglicherweise steht davor noch mehr. do: Ein sehr unsicherer Fall, vielleicht grammatische Kürzung oder lesbarer Rest des Adverbs ahd. blīdo zum Adj. ahd. blīdi ‚froh‘ – AWB 1,1205. 105. f. 56r, Z. 2, conpellare (4,15,13; 341,10) – caquaten Ganz fein eingeritzt, gut lesbar. caqua steht intl. über conpe-, ten über -ar-. Die Trennung ist verursacht durch die beiden ll des Lemmas. e und n stehen in Ligatur. caquaten: Inf. von vielleicht sw. V. ahd. giquatēn ‚ansprechen, grüßen‘. Belegt ist das sw. V. ahd. giquetten ‚freundlich anreden, grüßen‘ – GSp 4,649. Riecke 640 (quetten). Die Einfachschreibung t und der fehlende Primärumlaut deuten auf ein ēn-Verb: giquatēn ‚zu reden beginnen, anreden‘.

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106. f. 56r, Z. 29, animatur – ca(…) (29) … Interea animatur ad furo/ (30) rem tumultus populi uidentis, quia polycarpus introducitur (4,15,17; 343,15) ‚Inzwischen steigerte sich der Tumult der Leute in eine Raserei hinein, als sie sahen, wie Polycarpus hereingeführt wurde.‘ Feine, längere Eintragung, stellenweise als Ritzung, stellenweise als Einprägung, äußerst schwierig zu entziffern und nur am Anfang lesbar. ca(…): Erkennbar ist lediglich Präfix ahd. gi- – AWB 4,249. GSp 4,10. SpAW 2,54. EWA 4,202. 107.–108. f. 57r, Z. 1 (f. 57r, Z. 34) … post/ (35) quam uidit … // (f. 57v, Z. 1) … per mortem premia inmortalitatis indeptus (4,15,40; 351,7) ‚als er sah, dass er durch seinen Tod die Belohnung der Unsterblichkeit erlangt hatte, ...‘. 107. f. 57v, Z. 1, inmortalitatis (4,15,40; 351,7) – dera Mit stumpfem Griffel intl. über -itat-. dera: Gen. Sg. F. Dem.-Pron. Art. ahd. der, diu, daz – AWB 2,411. GSp 5,3, 18, 36. SpAW 1,132. StWG 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. EWA 2,589. 108. f. 57v, Z. 1, indeptus (4,15,40; 351,7) – salta Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma. Vor s ist eine eingeritzte Senkrechte zu erkennen. salta: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. sellen ‚erlangen, erhalten‘ – GSp 6,174. SpAW 1,805. StWG 515. SchG 8,155. RSV 1,319. Riecke 628. Das althochdeutsche Verb erscheint sonst innerhalb des Bedeutungsbereichs ‚geben, übergeben‘. Der vorliegende Beleg erinnert an die Herkunft des Verbs aus der Wurzel uridg. *selh1- ‚nehmen‘ (LIV 529) und zeigt die germanische Kausativbildung nuanciert. 109. f. 58r, Z. 8, moribus – situ (7) … Quodam / (8) filosofo crescente nomine, cana, (Ed. cane) tam professione quam moribus dolos ue/ (9) ro (Ed. uiro) insidiasque tendente (4,16,1; 355,19) ‚Als ein Philosoph namens Crescens, ein Hund62 von Beruf wie auch von seinen Sitten her, Listen und Verschwörungen gegen ihn richtete, ...‘. Mit stumpfem Griffel intl. über -orib;, s nur schwach sichtbar. situ: Nom. Sg. st. M. ahd. situ ‚Sitte, Betragen‘ – GSp 6,159. SpAW 1,822. StWG 528. SchG 8,250.

|| 62 Ein Zyniker; vgl. lat. canine ‚hündisch, zynisch‘ – GH 1,957.

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110. f. 58r, Z. 12, (ueritatis) – uuari. (12) … beatus ipse uerus filosofus ueritatis / (13) … / (14) … profetica mente praedixit (4,16,2; 355,21) ‚Dieser gesegnete, aufrichtige Philosoph der Wahrheit sagte mit prophetischer Weisheit voraus, …‘. Die Glosse von einem stumpfen Griffel steht marg. rechts neben Z. 12, neben ueritatis. Die rechten Schäfte der beiden u sind gegen unten verlängert, r und i ligiert. Möglicherweise folgt noch ein Schriftzeichen (n?). uuari.: Gen. Sg. īn-st. F. ahd. wārī ‚Wahrheit‘ – SpAW 1064, das aus Wendungen wie in wārī, zi wārī bekannt ist (GSp 1,921). Wenig wahrscheinlich ist, dass sich die Glosse auf uerus bezieht (dann Adj. ahd. wāri), da man sie dann intl. erwarten würde und sich zudem Marginalglossen im Clm 6383 in der Regel auf Wörter am Textfeldrand beziehen. 111. f. 58r, Z. 25, suspectus – un cauuari (23) … si uero legit / (24) quae apud nos scripta sunt et aut non intellexit eorum uirtutem aut / (25) intellexit quidem sed dissimulat Ne et ipse suspectus habeatur / (26) in talibus multo nequior et detestabilior iudicandus est (4,16,4; 357,15) ‚Und wenn er wirklich die Schriften gelesen hat, die unter uns in Umlauf sind, und entweder deren Vortrefflichkeit nicht versteht oder sie zwar versteht, sich aber verstellt, damit er selbst nicht für verdächtig gehalten würde, dann muss er als noch viel wertloser und abscheulicher angesehen werden.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel schwach eingetragen, intl. vor s- beginnend. Zwischen un und c- ist ein größerer Abstand. r und i stehen ligiert über h- von habeatur. c ist wohl leicht erhöht, das mutmaßlich folgende a konnte nicht sicher gelesen werden. un cauuari: Nom. Sg. M. nom. flekt. Adj. ahd. ungiwāri ‚verdächtig‘. Vgl. giwāri ‚aufrichtig‘ – SpAW 1,1064 und ungiwār ‚unaufrichtig‘ – GSp 1,917. StWG 664. SchG 10,210 (mit ungiwar vermischt). 112. f. 59r, Z. 14, corruptorem – far(…) (14) … neque adulterum, neque corrupto/ (15) rem aut homicidam uel latronem (4,17,12; 363,11) ‚weder ein Ehebrecher, noch ein Bestecher, noch ein Mörder, noch ein Räuber‘. Sehr schwache Eintragung mit stumpfem Griffel, am Anfang, intl. über cor-, lesbar. r reicht tief nach unten. far(…): Vermutlich Präfix ahd. fir- – GSp 3,604. SpAW 2,33. EWA 3,279.

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113. f. 59r, Z. 25, adnexuit – pifianc (24) … post haec illa iustinus ad/ (25) nexuit ex ordine quae paulo ante rettulimus (4,17,13; 363,22) ‚Nach diesen Worten fügte Justinus der Reihe nach hinzu, was wir kurz zuvor berichtet haben.‘ Die Glosse mit spitzem Griffel über -nexuit, pi steht im linken Blattrand. pifianc: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. bifāhan ‚hinzufügen, anhängen‘ – AWB 3,492. GSp 3,403. SpAW 1,196. StWG 136, 806. EWA 3,13. 114. f. 59v, Z. 34, prouocantibus – crozzentem (33) … haec autem nobis necessario de opusculis iustini dicta sint / (34) ad inquisitionem librorum eius studiosos quosque fidelium prouocantibus (4,18,10; 369,2) ‚Dies aber sei von uns notwendigerweise über Justinus’ Werke gesagt, damit sie die Wissbegierigen unter den Gläubigen zum Studium seiner Bücher herausfordern.‘ Die Glosse steht marg. unten, unterhalb des Lemmas, im Abstand von etwa 6 mm unter der Zeilenlinie und beginnt unter -uo-. Die Einprägung von einem stumpfen Griffel ist schwach, die Glosse dennoch ganz lesbar. o ist eckig, em sind verbunden. In Falznähe ist der Eintrag schwierig zu untersuchen. crozzentem: Dat. Pl. (M.) st. flekt. Part. Präs. sw. V. ahd. gruozen ‚reizen, erregen, auffordern‘ – AWB 4,462. GSp 4,337. SpAW 1,330. StWG 243, 820. SchG 4,74. RSV 1,61. EWA 4,669. Riecke 664. 115. f. 60v, Z. 8, circumcisione – umpiscrotunga (8) … Erant inquit diuersae sententię in circumcisione (4,22,7; 373,9) ‚Er sagt: Es gab verschiedene Anschauungen bezüglich der Beschneidung.‘ Mit stumpfem Griffel intl. eingetragen. u- steht über -ū-, m ist vergrößert, r und o sind verbunden. Die Glosse geht bis in den Blattrand hinaus. Trotz starker Zerknitterung des Pergaments ist sie wegen der regelmäßig eingedrückten Linien in klarer Zeichnung gut lesbar. Der Griffel dürfte mit demjenigen identisch gewesen sein, mit dem die Glosse 113 geschrieben wurde. umpiscrotunga: Dat. (?) Sg. st. F. ahd. umbiskrōtunga ‚Beschneidung‘, als volkssprachige Nachbildung des lateinischen Wortes. Vgl. das (nicht ganz sicher belegte; vgl. StSG 2,329,43) st. V. ahd. umbiskrōtan ‚zuschneiden‘ (GSp 6,579. SpAW 1,863. StWG 550. SchG 8,395) und analoge Ausdrücke wie ahd. umbisnīda (GSp 6,843). Es ist nicht zu entscheiden, ob Grundformglossierung oder Dat. Sg. auf -a (BRG §207, A.5) vorliegt.

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116. f. 60v, Z. 12, disseruit – arsag&a (12) … disseruit autem / (13) et de euangelio secundum hebreos et syros et quaedam etiam de lingua / (14) hebreica disputauit et iudaicarum traditionum meminit (4,22,8; 373,14) ‚Er behandelte aber auch das Evangelium gemäß den Hebräern und Syrern, diskutierte einige Angelegenheiten, die die hebräische Sprache betreffen, und erwähnte jüdische Traditionen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über disseruit, a- über d-, -a über -t. Trotz Querkratzern ist die Eintragung sehr gut lesbar, bis auf g, das etwas undeutlich ist. arsag&a: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. irsagēn ‚erörtern, besprechen‘ – GSp 6,102. SpAW 1,782. StWG 503. SchG 8,67. RSV 2,250. Vgl. Glosse 97. 117. f. 61r, Z. 31, singulis – ei(…)em (31) … et tamquam pium se ac religiosum patrem singulis exhibet (4,23,10; 379,3) ‚und er erweist sich jedem einzelnen gegenüber wie ein treusorgender, gottesfürchtiger Vater‘. Schwache Eintragung von stumpfem Griffel intl. über singulis, nach einer unlesbaren mittleren Partie gut lesbares, ligiertes em am Schluss. ei(…)em: Vermutlich Dat. Pl. st. flekt. Adj. ahd. einag ‚einzig, eigen‘ – AWB 3,171. GSp 1,327. SpAW 1,175. StWG 121, 803. SchG 2,397. EWA 2,993. 118. f. 62v, Z. 25, explorasse – (…)farant (25) … ibique diligenter de omnibus explorasse quę essint ueteris testa/ (26) menti uolumina (4,26,14; 387,29) ‚Und dort erkundigte ich mich sorgfältig nach allen Schriften, die Bücher des Alten Testaments sind.‘ Feine Eintragung mit stumpfem Griffel, intl. über dem Textwort, nur am Ende lesbar. (…)farant: Vielleicht unflekt. Part. Präs. st. V. ahd. []faran, wobei an irfaran ‚erkunden‘ gedacht werden kann, das in der Glossenüberlieferung als Äquivalent zu lat. explorare bezeugt ist (StSG 4,338,26). Diese Zuweisung bleibt aber sehr unsicher. 119. f. 63v, Z. 7, fato – cheosonnu (7) … est eius et ad antoninum de fato po/ (8) tissimus (Ed. potentissimus) dialogus (4,30,1; 393,17) ‚Unter seinen Schriften findet sich ein an Antonius gerichteter vorzüglicher Dialog über das Schicksal.‘ Die Glosse steht intl. über fato. Die Stelle nach h ist zerkratzt und e ist vor allem an der Zunge erkennbar. cheosonnu: Wir deuten diesen Beleg als Dat. Sg. st. F. kiosona ‚Schicksal‘, als mit n-Suffix gebildetes Verbalabstraktum (Wilmanns 2,§234), mit der in diesen Glossen

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häufigen Verdoppelung von n. Wegen -o- ist von einer Herleitung aus dem belegten st. F. ahd. kiusunga ‚Urteil‘ – AWB 5,206 abzusehen. 120. f. 63v, Z. 11, uisus est – (…)n ist (9) … Sed cum magistrum notasset er/ (10) roris et ineptas eius fabulas arguisset uisus est sibi ad meliorem / (11) et rectam fidei sententiam conuertisse (4,30,3; 393,21) ‚Aber nachdem er seinen Lehrer wegen seines Irrtums gerügt und seine läppischen Fabeln kritisiert hatte, betrachtete er sich als einen, der zu einer besseren und richtigen Ansicht des Glaubens übergegangen war.‘ Eine Stelle mit vielen intl., kaum lesbaren Einritzungen. Schon über arguisset sind Spuren zu sehen. Das Gelesene steht über -sus. ist: 3. Sg. Ind. Präs. Verb. subst. und Hilfsverb ahd. sīn ‚sein‘ – GSp 1,481. SpAW 1,815, dem vielleicht ein Partizip Präteritum eines starken Verbs vorausgeht. 121. f. 64r, Z. 31, recuperaret – ca(…)uni (29) … si … / (30) describat … et pugnas quas ani/ (31) ma ut caelestem patriam recuperaret excepit (5,pr.,4; 401,18) ‚wenn sie (die Rede) die Kämpfe beschreibt, die die Seele ertrug, um die himmlische Heimat zurückzugewinnen‘. Die sehr schwache Glosse beginnt über -ec- und reicht über das Lemma hinaus. ca(…)uni: Der lateinischen Form entsprechend 3. Sg. Konj. Prät. st. V. ahd. gi[]nan. Vielleicht handelt es sich um das st. V. giwinnan ‚erlangen‘ – GSp 1,876. SpAW 1,1128 (giwuni?). 122. f. 65v, Z. 1, incesta – unkusc. (1) … commentiti (Ed. conmenti; vgl. die Varianten im Apparat) sunt aduersum nos uelut thyesteas cenas et incesta oedippia perpe/ (2) trantes (5,1,14; 407,25) ‚Sie dachten sich Unwahrheiten aus über uns, beispielsweise dass wir thyesteische Mahlzeiten und ödipeische Unzuchthandlungen abhalten.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über incesta und in größeren Buchstaben darüber hinaus, nur sehr mühevoll zu lesen. Auch über oedippia stehen Ritzungen. unkusc.: Vermutlich sw. F. ahd. unkuskī ‚Unzucht, Schändung‘ – GSp 4,530. SpAW 1,502. StWG 667. SchG 10,226. 123.–124. f. 65v, Z. 23–24 (22) … tanta tolerantiae uirtute firmata est / (23) ut resolueretur prius et concideret carnificum manus qui sibi pro conten/ (24) tiosa iudicis animositate inuicem succedebant (5,1,18; 409,20) ‚Sie wurde mit einer solchen Ausdauer gestärkt, dass die Hand der Folterer, die sich in Übereinstimmung mit der hartnäckigen Feindseligkeit des Richters gegenseitig ablösten, zuerst erschlaffte und dann niedersank.‘

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123. f. 65v, Z. 23, concideret (5,1,18; 409,20) – cauuolhe Mit einem ungleichmäßig geschliffenen Griffel intl. über dem Lemma eingetragen. cauuolhe: 3. Sg. Konj. Präs. sw. V. ahd. giwolhen oder giwolhēn ‚ermüden, welken‘, zum Adj. ahd. welk ‚welk, weich‘ (GSp 1,846. SpAW 1,1087; Heidermanns 1993: 667) im Ablaut stehendes sw. V., das mit dem sw. ahd. welkēn ‚ermatten‘ (GSp 1,847) zu vergleichen ist. 124. f. 65v, Z. 24, animositate (5,1,18; 409,21) – ...h.lmuatigi Intl., am Anfang sehr schwache Eintragung. -muat- steht über -tate. ...h.lmuatigi: Dat. Sg. sw. F. ahd. mihhilmuotigī ‚Kühnheit, Leidenschaft, Stolz, Überheblichkeit‘ – AWB 6,579. SpAW 1,623. StWG 413. SchG 6,372. EWA 6,414. Das Interpretament war bislang – ebenfalls zu lat. animositas – einmalig belegt in dem aus dem 12. Jahrhundert stammenden Clm 22201 (StSG 1,564,25). Der Clm 18140 enthält eine Parallelglosse upmuoti michilmuoti (StSG 2,604,29). 125. f. 65v, Z. 30, agones? – dio(…)heiti (29) … et tamquam ablatis / (30) per confessionem doloribus instaurabatur recentior ad agones (5,1,19; 409,28) ‚Und gleichsam als wären ihre Schmerzen durch ihr Glaubensbekenntnis entfernt worden, wurde sie ungeschwächt für die Kampfspiele erneuert.‘ Sehr schlecht und nur resthaft lesbare intl. Eintragung, die über -tior einsetzt und bis über agones hinaus in den Blattinnenrand hineinreicht. Schon über re- von recentior ist etwas eingeritzt. dio(…)heiti: Bestehend aus dio: Akk. Pl. F. Dem.-Pron. Artikel ahd. der, diu daz – AWB 2,411. GSp 5,3, 18, 36. SpAW 1,132. StWG 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. EWA 2,589 und (…)heiti: Vielleicht Suffix ahd. -heitī (SpAW 2,233), das als Mittel zur Abstraktbildung hier nicht recht passen will. 126. f. 67r, Z. 11, squalorem – uulzot (10) … uincula sua monilia pretiosa ducebant / (11) per squalorem carceris christi bonus odor effecti (5,163,35; 417,1) ‚Sie betrachteten ihre Fesseln als kostbare Ornamente, wie sie durch den Schmutz des Gefängnisses zum guten Geruch Christi geworden waren.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -rem eingetragen, ot in kleinen Buchstaben. uulzot: Akk. Sg. st. M. ahd. wulzōt ‚Schmutz‘. Mit Suffix ahd. -ōt gebildetes Verbalabstraktum aus dem st. V. germ. *walt-/*welt-. Orel (2003: 454). Wilmanns 2,§261.2.

|| 63 In der Handschrift Kapitel II.

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SpAW 2,336. GSp 5,ix. Vgl. das sw. V. ahd. welzen ‚wälzen‘ – GSp 1,792. SpAW 1,1091. Vgl. das st. M. ahd. wullōd ‚Ekel‘ (GSp 5,ix. SpAW 1,1088) aus dem st. V. wellan. Zur Bedeutungsentwicklung vgl. beim st. V. wellan die Bedeutungsvariante ,beflecken‘. 127. f. 67r, Z. 15, (caruerint) – [a] piscerit – [b] anucaues.| (13) … Sed et ipsis gen/ (14) tilibus in multo obprobrio expositi erant tamquam degeneres et ignaui, qui / (15) fidem perdiderint et crimen inuenerint et qui christianorum quidem nomine ca/ (16) ruerint, homicidarum tamen poenas non effugerint (5,164,35; 417,7) ‚Sie waren ständigen Verspottungen von den Heiden selbst ausgesetzt, als unwürdige Feiglinge, die den Glauben verloren hatten und sich angeklagt fühlten; die des Namens der Christen beraubt, aber der Bestrafung von Mördern nicht entgangen waren.‘ Die erste Glosse steht marg. rechts neben Z. 15, anschließend an ca- des Lemmas, und ist gut lesbar. r und i sind ligiert. Die zweite befindet sich in viel kleinerer Schrift unmittelbar unterhalb der ersten. Sie erlischt gegen hinten. [a] piscerit: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. biskerien ‚wegnehmen, einer Sache berauben, betrügen, zum besten halten‘ – GSp 6,533. SpAW 1,841. StWG 539. SchG 8,334. RSV 1,321, zur Wiedergabe der passivischen Bedeutung. [b] anucaues.|: Part. Prät. st. V. ānuwesan ‚etwas nicht haben‘ – AWB 1,577. GSp 1,1059. SpAW 1,1111. StWG 719, 856. SchG 11,81. EWA 1,289, in nicht zu ermittelnder Form. 128. f. 67r, Z. 22, offerebat – arpot (20) … post haec iam per diuersas species martyrii eorum / (21) uelut coronam quandam65 uariis floribus conpositam dominus christus intexens / (22) offerebat patri (5,166,36; 417,14) ‚Danach flocht Christus der Herr mit den unterschiedlichen Arten des Martyriums, die sie erlitten hatten, noch gleichsam einen Kranz aus verschiedenen Blumen, den er dem Vater darbot.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über -ffere- eingetragen. arpot: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. irbiotan ‚darbieten, opfern‘ – AWB 1,1096. GSp 3,73. SpAW 1,67. StWG 58, 793. SchG 1,380. EWA 2,93.

|| 64 In der Handschrift Kapitel II. 65 Aus quendam korrigiert. 66 In der Handschrift Kapitel II.

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129. f. 67r, Z. 31, contrectare – zagreifonne (30) … sed illis eo magis animos roborabat spes uicinae iam gloriae quam / (31) sibi iam iamque manu contingere et contrectare dexteris uidebantur (5,167,38; 419,1) ‚Aber die Hoffnung auf den nahen Ruhm stärkte ihren Geist noch mehr, so dass es schien, als würden sie ihn fast berühren und mit ihren rechten Händen abtasten.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über contrecta- eingetragen, r und e stehen in Ligatur. zagreifonne: Bestehend aus za: Präp. ahd. zi ‚zu‘ – GSp 5,572. SpAW 1,1183. StWG 759, 833, 857. SchG 11,363 und greifonne: Dat. Inf. sw. V. ahd. greifōn ‚abtasten, ergreifen‘ – AWB 4,411. GSp 4,318. SpAW 1,323. StWG 239. SchG 4,38. RSV 2,57. EWA 4,605, mit in der Bezugnahme der Glosse auf den Textinhalt einer Wendung, die sich vergleichen lässt mit nhd. ‚zum Greifen nahe‘. 130. f. 73v, Z. 13, quidem – [a] sar – [b] halt (12) … et plorimos ab eis inretitos uidens multos / (13) quidem et coram disputando correxerit68 (5,16,2; 461,6) ‚Er sah viele Leute, die sich in Fallen gefangen hatten, und ermahnte viele von ihnen, und zwar indem er in ihrer Gegenwart Debatten führte.‘ Zwei schwache Eintragungen, die erste intl. über qu-, die zweite über -m et. [a] sar: Möglicherweise Adv. ahd. sār ‚alsbald, bereits, sogar‘ – GSp 6,22. SpAW 1,793. StWG 508. SchG 8,108. [b] halt: Adv. ahd. halt ‚trotzdem, ja, eher‘ – AWB 4,645. GSp 4,909. SpAW 1,346. StWG 251, 821. SchG 4,139. EWA 4,783. 131. f. 73v, Z. 21, excessu – arhapani (21) ac repente in quodam excessu mentis effectum et uelut spiritu actum / (22) proloqui coepisse noua quedam (5,16,7; 463,9) ‚Und plötzlich, in einer Art Ekstase, wie von einem Geist getrieben, begann er einige neue Dinge auszusprechen.‘ Mit stumpfem Griffel, über -am von quodam beginnend, bis über m- von mentis. Die Zunge von r schwingt weit aus. ar ist noch farblos, danach erscheint eine leichte Färbung. arhapani: Dat. Sg. sw. F. ahd. irhabanī ‚Selbsterhöhung, Ausschweifung, Ekstase‘ – AWB 4,529. GSp 4,822. SpAW 1,363. StWG 310, 823. SchG 4,93. EWA 4,710. 5,164.

|| 67 In der Handschrift Kapitel II. 68 -erit als Korrektur.

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132. f. 73v, Z. 26, obiurgabant – +pagant (23) … que cum / (24) ita fieri uiderent hi qui per idem tempus aderant auditores alii eum / (25) uelut demone repletum et erratico perflatum spiritu ad decipiendos popu/ (26) los iudicantes obiurgabant et proloqui omnino prohibebant (5,16,8; 463,15) ‚Als die Anwesenden dies beobachteten und ihn hörten, entschieden einige von ihnen, dass er wie jemand war, der von einem Dämon erfüllt war, durchweht von einem umherirrenden Geist, um die Völker zu täuschen, und sie rügten ihn und verboten ihm, sich überhaupt zu äußern.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über -iurgaba-. Das erste a ist schwach, aber klar. n und t stehen in Ligatur mit gestürztem t, dieses mit zurückgebogenem Schaft. Vor p steht vom selben Griffel ein Kreuz. Kreuzförmige Markierungen kommen ab und zu vor Glossen vor, beispielsweise auch im Clm 21525 die Farbstiftglosse FS 11. pagant: 3. Pl. Ind. Präs. st. (red.) V. ahd. bāgan ‚streiten, tadeln‘ – AWB 1,776. GSp 3,22. SpAW 1,36. StWG 40, 790, 837. SchG 1,244. EWA 1,425. Die Wahl des Präsens ist unverständlich. 133. f. 74r, Z. 7, bacchantes – quitilonte (6) … Frequenter tamen aduen/ (7) tantibus ex asya fratribus uaesani et contra fidem christi bacchantes confuta/ (8) ti ut haeretici corruptoresque ueritatis ab ecclesiae conuentu et societate / (9) depulsi sunt (5,16,10; 465,10) ‚Die Brüder aus Asien traten jedoch immer wieder auf, und die Verrückten, die gegen den Glauben Christi schwärmten, wurden als Ketzer und Verderber der Wahrheit verurteilt und aus der Versammlung und Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen.‘ Die Glosse steht mit stumpfem Griffel eingetragen intl. über -acchante-. quitilonte: Nom. Pl. M. st. flekt. Part. Präs. sw. V. ahd. quitilōn ‚schwärmen, in Ekstase sein, schwelgen‘ – AWB GSp 4,648. SpAW 1,714. StWG 469. SchG 5,431. RSV 2,83. Das Verb war bislang in der Bedeutung ‚murmeln, leise (be-)sprechen‘ belegt. 134.–135. f. 75r, Z. 8–9 (5) … hic est … / (6) … / (7) … / (8) … qui salaria / (9) prestat69 praedicantibus uerbum suum ut per haec inuitati enixius doc/ (10) trinae eius operam praebeant (5,1870,2; 473,19) ‚Er ist einer, der denjenigen, die sein Wort predigen, Gehälter gewährt, damit sie dazu gebracht werden können, sich eifriger seiner Lehre zu widmen.‘

|| 69 Nach prestat zweites prestat durchgestrichen. 70 In der Handschrift Kapitel XVII.

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134. f. 75r, Z. 8, salaria (5,18,2; 473,19) – fruant. Die Glosse beginnt intl. über -aria und geht in den Blattrand hinaus, wo sie erlischt. Sie ist schlecht lesbar. Unklar ist auch die Situation vor f. fruant.: (Akk. Pl.?) st. F. pfruonta ‚Entgelt, Unterhalt‘ – AWB 7,292. GSp 3,367. SpAW 1,708. StWG 463. SchG 7,291. EWA 6,1494. Eine Parallelglosse phruonta enthält der Clm 18140 (StSG 2,604,44). 135. f. 75r, Z. 9, enixius (5,18,2; 473,20) – offanor Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über dem Lemma eingetragen. offanor: Komp. offanōr des Adv. ahd. offano ‚offen, deutlich, öffentlich‘ – AWB 7,53. GSp 1,162. SpAW 1,683. StWG 449. SchG 7,185. EWA 6,1136. 136. f. 75r, Z. 23, adinuentiones – urdancha (22) … et cohortatur omnes ad no/ (23) uas uerborum adinuentiones adcommodare aurem suam (5,1871,5; 475,17) ‚Und er ermahnt alle, ihre Ohren an sprachliche Neuerfindungen zu gewöhnen.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über -inuention-. urdancha: Akk. Pl. st. M. ahd. urdank (oder F. ahd. urdanka) ‚Erdichtung, Erfindung‘ – GSp 5,164. SpAW 1,129. StWG 681. SchG 10,293. 137. f. 76v, Z. 24, testor – (…)z?ant (23) … deum enim (Ed. ergo) / (24) testor (5,20,7; 485,13) ‚Ich rufe nämlich Gott zum Zeugen an.‘ Sehr schwache Eintragung mit stumpfem Griffel, im linken Blattrand einsetzend und bis über testor. n und t stehen in Ligatur mit gestürztem t. Auch interlinear über testor steht wohl etwas (pim in kleiner Schrift?). (…)z?ant: Unsicherer Beleg eines Part. Präs. st. V., vielleicht heizan ‚benennen, anrufen‘ (AWB 4,868), das als Interpretament zu lat. testari bezeugt ist. Lateinische Deponentien werden in althochdeutschen Glossen des Öfteren mittels Partizip Präsens (und manchmal zusätzlich mit flektiertem Hilfsverb) wiedergegeben. 138. f. 77r, Z. 7, desperatae – farchondiu (6) … ad iudicium pertrahit accusatore ei suscita/ (7) to quodam infelicissimo et desperatę salutis homine (5,21,2; 487,5) ‚Er schleppte ihn vor Gericht, nachdem er ihn als Ankläger einen unglücklichen Menschen ohne Hoffnung auf Rettung aufgescheucht hatte.‘

|| 71 In der Handschrift Kapitel XVII.

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Die Glosse steht intl. über desperatę. Sie konnte insbesondere am Anfang und am Ende nur mit Mühe gelesen werden. farchondiu: Adj. ahd. firkund ‚verzweifelt‘ in unklarer Form (Nom. Sg. F.?). Vgl. das Adj. ahd. kund ‚offenbar, kund‘ (AWB 5,472. EWA 5,877) und das Prät. Präs. ahd. firkunnan ‚verzweifeln‘ – AWB 5,507. EWA 5,891. Das o der Glosse dürfte analogisch sein (aus dem Prät. von kunnan? Vgl. BRG §302,A.2. §373,A.3). 139. f. 78r, Z. 12, foedere – fridu (11) … et litteras mittit quibus omnes / (12) simul absque discretione ab ecclesiastico foedere segregaret (5,24,9; 495,4) ‚Und er schickte Briefe, mit denen er alle auf einmal ohne Unterscheidung vom Friedensbündnis der Kirche abtrennte.‘ Gut lesbar mit feinem, stumpfem Griffel intl. über -oeder- eingetragen. Flaches unziales d, ri-Ligatur. fridu: Dat. Sg. st. M. ahd. fridu ‚Friedensbündnis‘ – AWB 3,1257. GSp 3,788. SpAW 1,264. StWG 178. SchG 3,295. EWA 3,559, mit alter u-stämmiger Dativform, ohne i, wie auch in der Althochdeutschen Benediktinerregel belegt. (Zu Resten der u-stämmigen Endungen und der Vermischung mit Instrumental-Formen vgl. SchABG §104a und BRG §220c,A.3.) 140. f. 81r, Z. 7, otium – mozzun (5) … et si quidem uelit quis omnem uitam uiri / (6) huius litterarum tradere monumentis certum est quia tanta sunt de eo ac / (7) talia quae proprium et opus requirant et otium (6,2,1; 519,12) ‚Wenn tatsächlich jemand das gesamte Leben des Mannes mit dessen schriftlichen Quellen mitteilen wollte, kann man sicher sein, dass das relevante Material so umfangreich ist, dass es eine eigene Arbeit und literarische Tätigkeit erfordert.‘ Mit stumpfem Griffel schwach eingeprägt. Die Glosse beginnt intl. vor dem Lemma und geht bis über -o- von nos. Das erste z ist schlecht sichtbar. mozzun: Akk. Sg. sw. F. ahd. muoza ‚Muße, arbeitsfreie Zeit‘, hier ‚Zeit für geistige Arbeit‘ – AWB 6,900. GSp 2,907. SpAW 1,644. StWG 426. SchG 6,469. EWA 6,668, auffallend ist, dass hier muoza mit schwacher Stammbildung belegt ist. Eine Parallelglosse im Clm 18140 lautet muoza (StSG 2,604,53). 141. f. 81r, Z. 15, capesendi – cadolendes (14) … et multis ea tempestate martyrio / (15) coronatis in tantum ardorem capesendi martyrii puerulus tunc adhuc / (16) origenis exarserat (6,272,3; 521,4) ‚Und als zu dieser Zeit viele mit dem Martyrium gekrönt wurden, entbrannte in Origines, der || 72 In der Handschrift Kapitel I.

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damals noch ein kleiner Knabe war, eine solche Leidenschaft, das Martyrium so schnell wie möglich zu erreichen (wörtlich: des hastig zu ergreifenden Martyriums).‘ Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma. s ist schwach, der Rest gut lesbar. cadolendes: Gen. Sg. M. N. st. flekt. Part. Präs. (passivisch) ahd. gidolēn – AWB 2,595. GSp 5,135. SpAW 1,144. StWG 800. SchG 2,265. RSV 2,208 (dolēn). EWA 2,717, gemäß der Lemmabedeutung ‚hastig ergreifen, streben‘ und damit in einer vom anderen Beleg von gidolēn (zu conpati ‚mitleiden‘ – StSG 1,758,21; Voetz 1987: 478) stark abweichenden Bedeutung. Die Wortwahl ist hier wohl durch martyrii beeinflusst: ‚Streben danach, das Martyrium (mit den anderen zusammen?) zu erleiden‘. Das zweite steht für /t/ nach n, wie es aus frühen Quellen bekannt ist (K, Pa). Vgl. BRG §163,A.5. 142. f. 81r, Z. 31, segniter – seimliiho (30) hinc iam lectioni se coepit diuinorum uoluminum mancipare et in erudi/ (31) tionibus fidei diuinę semet ipsum haut segniter exercere (6,273,7; 521,26) ‚Als Folge davon begann er sich der Lektüre der heiligen Schriften zu widmen und sich keineswegs säumig in der Gelehrsamkeit des göttlichen Glaubens zu üben.‘ Mit stumpfem Griffel recht gut lesbar intl. über -gniter. Der letzte Schaft von m setzt etwas höher an. seimliiho: Adv. ahd. seimlīhho ‚träge‘, gebildet mit dem s. M. ahd. seim ‚Honig‘ (GSp 6,221. SpAW 1,802), also in eigentlichem Sinne ‚zähflüssig (wie Honig)‘. Vgl. Glossen 171 und 306. 143. f. 83r, Z. 16, ereptus – calosit (15) … nisi et tunc ope diuine prouidentiae/ (16) ae74 (Ed. et) furentum manibus fuisset ereptus (6,475,1; 531,8) ‚außer dass er auch damals mithilfe der göttlichen Vorsehung aus ihren wütenden Händen gerissen wurde‘. Mit unregelmäßig zugespitztem Griffel intl. über ereptus. c ist nicht ganz sicher. calosit: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. lōsen ‚befreien, wegreißen‘ – AWB 5,1283. GSp 2,272. SpAW 1,551. StWG 384. SchG 6,157. RSV 1,115. EWA 5,1446. 144. f. 83r, Z. 24, perennis – euu(…) (23) … etenim in nostram usque memoriam ab inco/ (24) lis loci perennis uirtutum potamiaene fama celebratur (6,576,1; 531,19) ‚Tatsächlich wird bis zum heutigen Tag

|| 73 In der Handschrift Kapitel I. 74 Wohl nochmaliges -ae von prouidentiae. 75 In der Handschrift Kapitel VI. 76 In der Handschrift Kapitel VI.

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von den Bewohnern des Ortes der bleibende Ruhm von Potamiaenas Wunderwerken gefeiert.‘ Feine, nahe beim Falz schlecht untersuchbare Eintragung. Sie beginnt intl. über pund verliert sich über uirtutū. euu(…): Vermutlich Adj. ahd. ēwīg ‚immerwährend, fortdauernd‘ – AWB 3,460. GSp 1,507. SpAW 1,192. StWG 135, 805. SchG 3,12. EWA 2,1178. Vgl. auch Heidermanns (1993: 97). 145. f. 86v, Z. 23, editionum – uuarpunga (21) … ut agnosceret … / (22) … / (23) … quanta esset editionum diuersitas (6,1677,1; 555,3) ‚... um zu erkennen, wie groß die Verschiedenheit der Textausgaben war‘. Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma. a am Schluss hängt an g und ist deshalb oben weit offen. Weniger wahrscheinlich ist eine Lesung als u. uuarpunga: st. F. ahd. warbunga ‚Buchrolle, Schriftrolle‘ – GSp 4,1236. SpAW 1,1096. StWG 697. SchG 10,395, mit unklarer Form: Steht das Wort im Nom. Pl. oder im Gen. Sg. (?) In jedem Fall herrscht Forminkongruenz gegenüber dem Textwort. 146. f. 89r, Z. 23, conuincendis – zacadegante (22) … quo in tempore origenes rogatus est ab ecclesiis quę sunt aput achaiam / (23) ut illo usque pro conuincendis haereticis qui inibi liberius conualuerant perueniret (6,2378,2; 571,14) ‚Zu dieser Zeit wurde Origenes von den Kirchen in Achaia gebeten, den ganzen Weg dorthin zu kommen, um die dort zügellos erstarkenden Ketzer zu widerlegen.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über pro conuincendis ha-. zacadegante: za + cadegante. za: Präp. ahd. zi ‚zu‘ – GSp 5,572. SpAW 1,1183. StWG 759, 833, 857. SchG 11,363. – cadegante: Akk. Pl. M. st. flekt. Part. Präs. (passivisch) sw. V. ahd. gidegen ‚zum Schweigen bringen‘. Das jan-Verb ist bekannt aus dem Mittelhochdeutschen: mhd. degen ‚stillen‘ (LexerHWB 1,414). a in -ante ließe sich erklären mit dem im Oberdeutschen häufigen -anti beim Part. Präs. der sw. V. der Klasse I (vgl. BRG §316 und A.1). Das sw. V. erscheint wahrscheinlicher als hier noch erhaltenes Primärverb *degan, das dem jan-Verb und dem ēn-Verb ahd. dagēn ‚schweigen‘ (AWB 2,21) zugrunde liegt (vgl. EWA 2,488). Ganz sicher ist aber auch dies nicht. Der Akkusativ dürfte aus einer mitgedachten Umschreibung des Partizipialausdrucks stammen.

|| 77 In der Handschrift Kapitel XV. 78 In der Handschrift Kapitel XXVI.

Die Glossen | 341

147. f. 89r, Z. 26, inhumanus – uncahorac (25) … Pro hoc autem quae aduersum / (26) eum inhumanus liuor accenderit (6,2379,2; 571,18) ‚aber der rücksichtslose Neid, den er gegen ihn entflammte, …‘. Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über inhuman-. uncahorac: Nom. Sg. nom. flekt. Adj. ahd. ungihōrag ‚rücksichtslos, lieblos‘ – GSp 4,1008. SpAW 1,401. StWG 660. SchG 10,195. 148. f. 90v, Z. 22, transtulissent – framprungū (21) … sed hoc solum pro uero habendum in scribturis diuinis quod septua/ (22) ginta interpretes transtulissent quoniam id esset solum quod (Ed. ohne solum quod) auctoritate apostolica confirmatum sit (Ed. ohne sit) (6,3180,1; 587,2) ‚und dass nur dasjenige in den heiligen Schriften für authentisch zu halten sei, was die siebzig Übersetzer übersetzten, weil dies das einzige ist, das durch die apostolische Autorität bestätigt wird‘. Mit stumpfem Griffel in breiter Schrift intl. über dem Lemma und darüber hinausreichend, auf ganzer Länge gut lesbar. framprungū = framprungun: 3. Pl. Ind. Prät. st. V. ahd. frambringan ‚übertragen, übersetzen‘ – AWB 1,1398. GSp 3,199. SpAW 1,105. StWG 78, 796. SchG 2,38. EWA 2,341. Der Beleg bezeugt das alte starke Präteritum. 149. f. 90v, Z. 28, memorauimus – ?asak (27) … quemque inibi episcopatus officium suscepisse superius / (28) memorauimus (6,3181,2; 587,8) ‚Und er erhielt hier das Episkopat, wie wir oben erwähnten.‘ Mit feinem, stumpfem Griffel sehr schwach intl. über mem-. ?asak: Vermutlich resthaftes sw. V. ahd. []sagēn ‚erzählen, berichten‘ – GSp 6,91. SpAW 1,782. 150. f. 90v, Z. 31, docuimus – lert (31) … sicut iam in primo libro huius operis docuimus (6,3182,3; 587,13) ‚wie wir schon im ersten Buch dieses Werks hier gelehrt haben‘. Feine Einritzung rechts neben dem Textschluss in der leer gebliebenen Zeilenhälfte, sehr schwach.

|| 79 In der Handschrift Kapitel XXVI. 80 In der Handschrift Kapitel XXX. 81 In der Handschrift Kapitel XXX. 82 In der Handschrift Kapitel XXX.

342 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

lert: Wohl gekürzter Beleg einer Prät.-Form des sw. V. ahd. lēren ‚lehren‘ – AWB 5,827. GSp 2,255. SpAW 1,527. StWG 370. SchG 6,52. RSV 1,107. EWA 5,1187. 151. f. 92v, Z. 1, direptionem – herriod (1) Nostri tamen direptionem hanc bonorum suorum sicut apostolus de illis / (2) dixit antiquis cum gaudio susceperunt (6,4183,6; 603,2) ‚Aber die Unsrigen nahmen diese Plünderung ihrer Güter mit Freude an, wie der Apostel von den Alten sagte.‘ Mit stumpfem Griffel über -reptione-, ri ist ligiert und hochgezogen. (Länge der Glosse: ca. 20 mm.) Oberhalb der Glosse befindet sich eine Einritzung fuol, die unverständlich bleibt (vgl. auch in Kap. 4.3.4.4). herriod: Akk. Sg. st. M. ahd. heriōd, herrōd ‚Plünderung‘ – AWB 4,1008. GSp 4,987. SpAW 1,383. StWG 270. SchG 4,291. EWA 4,986. 152. f. 92v, Z. 4, congestis – zasamane (3) … dentes primo / (4) ei omnes effoderunt congestis deinde lignis extruxerunt rogum comminan/ (5) tes84 uiuam se eam incensuros (6,4185,7; 603,5) ‚Sie rissen ihr zuerst alle Zähne aus und schichteten dann zusammengetragenes Holz auf, um einen Scheiterhaufen zu bauen, und drohten, sie lebendig zu verbrennen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -ngestis. Bei Lichteinfall von oben her ist die Glosse gut lesbar. Marg. links neben Z. 4 ist mit Griffel ein Kreuz eingetragen. zasamane: Adv., Verbalpräf. ahd. zisamane ‚zusammen-‘ – GSp 6,35. SpAW 1,791. 2,176. StWG 765, 833. SchG 8,91. 153. f. 92v, Z. 7, proripit – areihanat (6) … at illa ut rogum uidit esse succensum, paululum quid in semet ipsa mo/ (7) litur. Repente uero se e manibus proripit (Ed. proripuit) impiorum atque in ignem quem mi/ (8) nabantur sponte prosiluit (6,4186,7; 603,8) ‚Als sie jedoch sah, wie der Scheiterhaufen entbrannte, überlegte sie ganz kurz und entriss sich plötzlich den Händen der Frevler und sprang von sich aus in das Feuer, mit dem sie sie bedroht hatten.‘ Intl. mit stumpfem Griffel über dem Lemma, bis -p-. (Länge der Glosse: ca. 20 mm.) areihanat: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. ireihhanēn ‚entreißen‘. Das Verb ist an ein sw. V. ahd. *eichenen ‚in Anspruch nehmen‘ anzuschließen, das im EWA 2,970 zur Deutung eines problematischen Belegs (StSG 2,91,50) erwogen wird (anders BRG

|| 83 In der Handschrift Kapitel XXXIII. 84 n über a. 85 In der Handschrift Kapitel XXXIII. 86 In der Handschrift Kapitel XXXIII.

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§352,A.3). Für unsere Glosse ist das Suffix ahd. -anēn (SpAW 2,198, 330f.; Wilmanns 2,102f.) anzunehmen, denn -at deutet auf ein ēn-Verb. Das Präsens dürfte aus der Form des Lemmas in der Handschrift stammen. 154. f. 92v, Z. 14, facultas – cafori (12) … Nullum nostris iter erat peruium nulli/ (13) us plateae transitus indulgebatur Neque die Neque Nocte (Ed. noctu) procedendi / (14) usquam libera erat facultas (6,4187,8; 603,15) ‚Die Unsrigen konnten nirgendwohin gehen. Wir konnten durch keine Straße gehen. Weder tagsüber noch nachts gab es eine freie Möglichkeit hinauszugehen.‘ Intl. in kleiner, akkurater Schrift von stumpfem Griffel, über -a- von erat beginnend bis über fa- des Lemmas. r und i sind ligiert. cafori: Nom. Sg. st. N. ahd. gifuori ‚günstige Gelegenheit, Möglichkeit‘ – AWB 3,1355. GSp 3,610. SpAW 1,206, 207, 209. EWA 4,259. StWG 207, 816, 848. SchG 3,338. 155. f. 92v, Z. 16, igni – fiur(…) (14) … ut enim quis nostrorum apparuisset / (15) in puplicum (Ed. publico) statim clamor uulgi et seditio nascebatur ut uel pedi/ (16) bus traheretur qui uisus esset uel igni succenderetur (6,4188,8; 603,17) ‚Sobald einer der Unsrigen draußen erschien, ertönte sofort ein Schrei aus der Menge und ein Aufruhr brach aus, der damit endete, dass derjenige, der gesehen worden war, an den Füßen weggezerrt oder im Feuer verbrannt wurde.‘ Die sehr schwache Glosse steht, wo sie lesbar ist, über igni, f und i stehen in der alemannischen Ligatur. Nach bereits kaum noch sichtbarem r ist die Situation sehr unübersichtlich. Es folgt vielleicht a, später vielleicht p, was alles eine Glosse zu succenderetur sein kann. Es lässt sich jedoch nichts Bestimmtes sagen. fiur: st. N. ahd. fiur ‚Feuer‘ – AWB 3,925. GSp 3,674. SpAW 1,239. StWG 161, 809. SchG 3,186. EWA 3,330. 156. f. 92v, Z. 18, rabies – daz (17) … Uerum cum haec mala per dies singulos augerentur subito inter / (18) ipsos persecutores rabies quędam belli ciuilis exarsit (6,4189,8; 603,19) ‚Als nun aber diese Übel von Tag zu Tag angewachsen waren, brach plötzlich zwischen den Verfolgern selbst ein gewisser Wahnsinn in Form eines Bürgerkriegs aus.‘

|| 87 In der Handschrift Kapitel XXXIII. 88 In der Handschrift Kapitel XXXIII. 89 In der Handschrift Kapitel XXXIII.

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Sehr feine Eintragung intl. über -bies in einer problematischen Verwirrung von anderen Unebenheiten im Pergament, die teilweise ebenfalls von Griffeln stammen könnten. daz: Nom. Sg. N. Dem.-Pron. Artikel ahd. der, diu, daz – AWB 2,411. GSp 5,3, 18, 36. SpAW 1,132. StWG 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. EWA 2,589, wohl zu beziehen auf eine althochdeutsche Entsprechung zu rabies (beispielsweise st. N. heizmuoti, o. ä.). 157. f. 93v, Z. 18, adfigente – castah/ota (16) … in quibus ammonaria sancta virgo aduersum quam sum/ (17) ma contentione iudice persistente et inmensis eam atque exquisitis cruciatibus / (18) adfigente (Ed. adfligente) (6,4190,18; 607,16) ‚Unter ihnen war die heilige Jungfrau Ammonaria, gegen die der Magistrat mit größter Entschlossenheit eiferte und die er mit den schwersten und einfallsreichsten Folterungen quälte (nach dem Wort der Handschrift: anheftete).‘ Gut lesbar mit stumpfem Griffel zweizeilig eingetragen, auf dem Blattrand beginnend, die erste Zeile bis über ad- des Lemmas. (h steht über a-). castahota: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. gistahhōn ‚anheften, festmachen‘, die Bedeutung gemäß dem Wort der Textvariante in der Handschrift. Vgl. dazu das sw. V. ahd. stehhōn, steckōn ‚anstacheln, stecken‘ – GSp 6,636. 158. f. 93v, Z. 19, fas – rect (18) … eo maxime quod eius sententia uincere cupiebat quam laudabili / (19) uoce decreuerat Nihil se prosus (Ed. prorsus) eorum quę sibi contra fas imperabantur ac/ (20) turam (6,4191,18; 607,18) ‚Und das vor allem, weil er die Entschlossenheit, die sie mit lobenswerter Sprache geäußert hatte, überwinden wollte, dass sie niemals eines der Dinge tun würde, die ihr gegen das Gesetz befohlen wurden.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über a des Lemmas beginnend, etwas über das Lemma hinausreichend. e und c stehen in Ligatur. rect: Akk. Sg. st. N. ahd. reht ‚Gesetz, Gebot‘ – GSp 2,405. SpAW 1,735. StWG 477, 828. SchG 8,363, mit der Schreibung ct für ht aus romanischer Schreibpraxis (vgl. BRG §149,A.4).

|| 90 In der Handschrift Kapitel XXXIV. 91 In der Handschrift Kapitel XXXIV.

Die Glossen | 345

159. f. 93v, Z. 20, tenax – harti (20) … statuti sui tenax ad ultimum capite punitur (6,4192,18; 607,19) ‚Als sie in ihrer Entscheidung fest blieb, wurde sie am Ende hingerichtet.‘ Mit feinem, stumpfem Griffel fein, aber gut lesbar intl. über -nax des Lemmas eingetragen. Die leicht nach links geneigte Schrift stammt von derselben Hand, die die Glosse 157 eingetragen hat. harti: Nom. Sg. M. Adj. ahd. herti ‚hart, streng‘ – AWB 4,729. GSp 4,1019. SpAW 1,375. StWG 257, 272, 821. SchG 4,185. EWA 4,848. Heidermanns (1993: 280), das i-stämmige Adjektiv mit oberdeutschem a in der Wurzel. 160. f. 93v, Z. 29, pari – epanlihera (28) … tum deinde caeteros uariis tormen/ (29) tis dilanians cum pari modo constantia fidei uideret armatos tradi / (30) ignibus iubet (6,4193,20; 609,7) ‚Dann zerriss er die anderen mit verschiedenen Folterungen, aber als er sah, dass sie mit der gleichen Standhaftigkeit des Glaubens bewaffnet waren, befahl er, sie den Flammen zu übergeben.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über pari modo. h ist etwas schwächer als die anderen Buchstaben. epanlihera: Gen. Sg. F. st. flekt. Adj. ahd. ebanlīh ‚gleich viel, gleichartig‘ – AWB 3,14. GSp 2,117. SpAW 1,165. StWG 115. SchG 2,345. EWA 2,934. Der Genitiv steht möglicherweise in instrumentaler Bedeutung. Vgl. Schrodt (2004: §S94). 161. f. 93v, Z. 31, differri – arzerian (30) … Dioscorum uero puerum quod sibi constanter et sapienter in omnibus res/ (31) pondisset admiratus differri praecepit sperans eum pro aetate paenetudi/ (33) nem gesturum (6,4194,20; 609,9) ‚Den Knaben Dioscorus befahl er jedoch zu begnadigen, aus Bewunderung für den Mut und die Weisheit, mit denen dieser ihm in allem antwortete, und hoffte, dass er wegen seines Alters Reue zeigen würde.‘ Mit stumpfem Griffel intl., über dem zweiten f des Lemmas beginnend. r und i stehen in Ligatur. arzerian: Inf. sw. V. ahd. irzerien, irzerren ‚zerreißen, auseinanderreißen‘. Vgl. das spät, einmalig und unsicher aus Freising bezeugte sw. V. ahd. zerren ‚reißen‘ – GSp 5,691. SpAW 1,1182. StWG 758. SchG 11,361. RSV 1,277 (Clm 6217, Mitte 13. Jh.; StSG 1,489,19). Die Glosse gibt das mehrdeutige Lemmawort in einer seiner Bedeutungsvarianten (GH 1,2145,B)1)a) wieder, die dem Textinhalt nicht adäquat ist.

|| 92 In der Handschrift Kapitel XXXIV. 93 In der Handschrift Kapitel XXXIV. 94 In der Handschrift Kapitel XXXIV.

346 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

162. f. 94v, Z. 35, fraudibus – ur ch/ustim (34) … sed isti inquit cum diligentius perspexissent agere eum cuncta / (35) fraudibus et dolis mendaciis atque periuriis (6,4395,6; 615,20) ‚aber als sie genauer überlegten, wie er in allen Belangen mit Betrügereien und Listen, Lügen und Meineid vorging, …‘. Die Glosse marg. links neben Z. 35, in zwei Zeilen, sehr schwach eingedrückt, insbesondere das zweite u, aber doch lesbar. urchustim: Dat. Pl. st. F. ahd. urkust ‚List, Betrug‘ – GSp 4,517. SpAW 1,457. StWG 682. SchG 10,299. 163. f. 95r, Z. 9, circumuentione – pisuuiihes (7) … tribus namque epis/ (8) copis simplicissimis hominibus et omnium ignaris … ad/ (9) ibitis, immo potius subtili ab eo circumuentione deceptis imaginariam magis / (10) quam legitimam ab eis extorquet manus inpositionem (6,4396,9; 619,1) ‚Er zog drei Bischöfe heran, einfachste Männer, die nicht wussten, was vorging, oder besser gesagt, mit seiner schlauen Täuschung betrogen wurden.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über -muentione. Obwohl das Pergament hier zerknittert ist, konnte die Glosse einwandfrei gelesen werden. pisuuiihes: Gen. Sg. st. M. ahd. biswīh ‚List, Betrug‘ – GSp 6,869. SpAW 1,983. StWG 61, 793. SchG 9,410. 164. f. 95r, Z. 33, profanis – lotarlihem (33) haec et multa alia huiusmodi cornelius de uita et moribus ac profanis eius / (34) actibus scribit (6,4397,22; 625,2) ‚Dies und vieles mehr von dieser Art schrieb Cornelius über sein Leben und seinen Lebenswandel und seine gottlosen Taten.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über -fanis und über das Lemma hinausreichend. lotarlihem: Dat. Pl. st. flekt. Adj. ahd. lotarlīh ‚gottlos, unaufrichtig‘. Vgl. das bislang nur durch Notker bezeugte Adv. ahd. lotarlīhho – AWB 5,1303. GSp 2,204. SpAW 1,564. EWA 5,1454. 165. f. 95v, Z. 25, uale – ma gis (25) … uale pacem desiderans quam tibi inprecor (6,4598; 627,18) ‚Lebe wohl. Ich hoffe auf den Frieden, den ich von Dir erbitte.‘ || 95 In der Handschrift Kapitel XXXVI. 96 In der Handschrift Kapitel XXXVI. 97 In der Handschrift Kapitel XXXVI. 98 In der Handschrift Kapitel XXXVI.

Die Glossen | 347

Intl. über uale, mit Spatium vor alemannischem g. magis: 2. Sg. Optativ bzw. Voluntativ Prät.-Präs. ahd. magan ‚können, vermögen‘ – AWB 6,11. GSp 2,604. SpAW 1,580. StWG 393, 826. SchG 6,437. EWA 6,18. Vgl. die identische Glossierung uale – magis in Pa (StSG 1,80,37; Wilmanns 3,1,§111). 166. f. 96v, Z. 25, obiecta – uuorfena (24) … in quibus inter caetera etiam hoc indicat / (25) quod omnes ecclesiae obiecta (Ed. abiecta) Nouati praesumptione pacem inter se inuicem seruent (7,4; 639,11) ‚In diesen (Schriften) meldet er unter anderem, dass alle Kirchen die Anmaßung von Novatus abgelehnt haben und unter sich den Frieden bewahren.‘ Intl. über -iecta Nou- auf Rasur, von der die Glosse beschädigt ist. a zeigt spitze cc-Form mit steilem Deckstrich, en ist ligiert, mit hohem e. uuorfena: Akk. Sg. N. sw. flekt. Part. Prät. st. V. ahd. werfan ‚werfen, verwerfen‘ – GSp 1,1026. SpAW 1,1101. StWG 715. SchG 11,50. 167. f. 97r, Z. 5, decessor – aldiro (4) … ad quem scribit nihilominus dionysius de baptismate com/ (5) memorans quod stefanus quidem decessor suus … / (6) … statuerit Nec communicandum esse his qui re/ (7) baptizant (7,5,4; 641,5) ‚Dionysius schrieb ihm trotzdem über die Taufe und erwähnte, dass sein Vorgänger Stefanus entschieden hatte, dass kein Abendmahl mehr gefeiert werden solle mit denen, die von Neuem taufen.‘ Mit feinem, stumpfem Griffel intl. über -cessor eingetragen. Marg. rechts steht mit Griffel M. aldiro: Nom. Sg. sw. M. ahd. bzw. aobd. altiro ‚Amtsvorgänger‘, Komparativ des Adj. ahd. alt ‚alt‘ – AWB 1,287. GSp 1,192. SpAW 1,16. StWG 21, 786, 835. SchG 1,119. EWA 1,171. 168. f. 97v, Z. 2, decessor – aldiro (1) … ante etiam quam ego / (2) episcopus ordinarer immo et ante quam decessor meus haeraclas (7,999,2; 647,8) ‚auch bevor ich zum Bischof geweiht wurde, und sogar noch bevor mein Vorgänger Heraclas ordiniert wurde‘. Von anderer Hand und noch deutlicher als die gleichlautende Glosse auf f. 97r, Z. 5 (Glosse 167), mit stumpfem Griffel in breiter Schrift intl. über dem Lemma eingetragen. aldiro: Nom. Sg. sw. M. ahd. bzw. aobd. altiro ‚Amtsvorgänger‘. Vgl. bei der vorausgehenden Glosse 167.

|| 99 In der Handschrift Kapitel VIII.

348 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

169. f. 98r, Z. 20, carente – pifa (18) … in / (19) desertum quoddam Lybiae pertranxerunt ibique eos in loco squalidissimo et omni usu huma/ (20) nitatis carente a paretonio trium dierum itinere in desertum protento nexos uin/ (21) culis reliquerunt (7,11,23; 663,5) ‚Sie verschleppten sie in irgendeine Wüste in Libyen und ließen sie dort gefesselt zurück an einem vor Schmutz starrenden Ort frei von jeglichem Nutzen für den Menschen, drei Tagesreisen von Paraetonium weg in die Wüste.‘ Mit stumpfem, leicht färbendem Instrument intl. über caren-. cc-a am Ende, wobei es unklar ist, ob die Glosse danach noch weitergeht. pifa: Wohl gekürzte Glosse. Vermutlich (Part. Präs.?) mit bi- (AWB 1,953. GSp 3,5. SpAW 1,59. EWA 2,1), präfigiertes V. ahd. fa[] (etwa bifallan ‚getrennt werden‘? – AWB 3,547). 170. f. 98r, Z. 27, permitteretur – fur (26) … cum ad … / (27) fratres nemo prosus humanitatis et ministerii causa permitteretur accedere (7,11,24; 665,5) ‚wenn es niemandem gestattet war, zu den Brüdern hinzugehen, um ihnen mitmenschlich und unterstützend beizustehen, …‘. Die Glosse leicht farbig intl. über pm-, vielleicht mit einem Farbstift eingetragen. fur: Verbalpräfix ahd. fir- (fur-, far-) – GSp 3,604. SpAW 2,33. Wilmanns 2,§124. EWA 3,279. fur- ist die älteste Form (BRG §76). In der althochdeutschen Glossenüberlieferung bilden firgeban (StSG 1,22,20) und firlāzan (StSG 1,216,9. 380,28) Entsprechungen zu lat. permittere. 171. f. 98v, Z. 10, segnitiae – seimi (7) … in quibus tres quidam admirandi / (8) aduliscentes … / (9) … diuino fidei calo/ (10) re succensi coeperunt semet ipsos segnitiae atque ignauiae incusare (7,12; 665,25) ‚Unter ihnen waren drei bewunderungswürdige junge Männer. In der göttlichen Glut des Glaubens entflammt, begannen sie, sich selber Trägheit und Feigheit vorzuwerfen.‘ Mit stumpfem Griffel in feiner Einprägung intl. über -gnitia-. seimi: Gen. (?) Sg. sw. F. ahd. seimī ‚Langsamkeit, Trägheit‘. Das Abstraktum und das zugrunde liegende Adj. ahd. seim(i) waren bislang nur mit lang- komponiert und nur aus spätalthochdeutscher Zeit belegt (AWB 5,619, hier stellenweise vermischt mit langsam). Der Beleg weist weg von einer Erklärung des Adjektivs langseim als exozentrische Bildung zu germ. M. *saima ‚Seim‘. Dazu und zur Annahme eines germanischen Primäradjektivs *saima- ‚langsam‘ vgl. Heidermanns (1993: 462) sowie Glossen 142 und 306.

Die Glossen | 349

172. f. 98v, Z. 18, audaciae – paga (17) … Sed et mulier quedam / (18) supra dictorum iuuenum secuta fertur audacię, et magnanimitatis exem/ (19) plum, similemque sortitur exitum poenę (7,12; 667,9) ‚Es wird auch gesagt, dass eine Frau, die dem Beispiel der Kühnheit und Großzügigkeit der jungen Männer folgte, eine ähnliche Todesstrafe erlitt.‘ Schwache Einprägung über -acię. Der vierte Buchstabe ist vermutlich a. Davor steht mit Griffel ein Schrägstrich. paga: Gen. Sg. st. F. ahd. bāga ‚Wortstreit, Streitsucht, Verwegenheit‘ – AWB 1,775. GSp 3,23. SpAW 1,37. StWG 39, 790. SchG 1,244. EWA 1,425. Vgl. auch die Glossen 132 und 279. 173. f. 99r, Z. 20, prestigias – antipitroc (19) … christum qui est super om/ (20) nia deus tota fide profusis lacrimis inuocat ut prestigias fallacis daemonis argu/ (21) at (7,15100,17; 671,29) ‚Aus der Tiefe seines Glaubens rief er tränenüberströmt Christus an, der der Gott über allem ist, auf dass er die Täuschungen des betrügerischen Dämons widerlege.‘ Mit stumpfem Griffel, einwandfrei lesbar intl. über ut prestigias. antipitroc: Akk. Pl. st. N. (?) ahd. ant(i)bitrog ‚Trugbild‘. Vgl. st. N. (?, M.?) ahd. bitrog – GSp 5,510. SpAW 1,1017, das bislang einmal als Äquivalent zu lat. praestigium bezeugt war (Clm 6312, vgl. Mayer 1974: 82,2; Glaser 1996: 594). Liegt nicht Glossierung mittels Nom. Sg. vor, was unwahrscheinlich erscheint, ist das Genus als Neutrum zu bestimmen (vgl. Wilmanns 2,§157, wo der Bildungstyp im Westgermanischen allerdings als schwach bezeichnet wird). Die Bestimmung von ahd. bitrog als st. M. in den Wörterbüchern scheint aus dem verbreiteteren Wortbildungsmuster erschlossen (vgl. Wilmanns 2, §140; Glaser 1996: 594). anti- ist wohl Präfix ant-. Die Form mit -i ist ein weiteres Mal belegt in Griffelglossen aus Freising: Clm 6277, damnationem – antigilti (Bischoff 1928: 158,33; Ernst 2007: 472). Vgl. auch AWB 1,546. EWA 1,274. 174. f. 99r, Z. 32, comptae – casezzito (32) Adstat uero alia aere nihilominus fusa statua habitu uiri stola comptae (Ed. compte) circum/ (33) dati et dextram mulieri porrigentis (7,18101,2; 673,10) ‚In der Nähe steht eine andere Statue, ebenfalls in Bronze gegossen, in Form eines Mannes, der elegant mit einem Gewand gekleidet ist und seine rechte Hand nach der Frau ausstreckt.‘

|| 100 In der Handschrift Kapitel XIV. 101 In der Handschrift Kapitel XV.

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Intl. über o von comptae einsetzend, mit stumpfem Griffel, schwach eingeprägt und schwer zu entziffern. s und Schluss-o sind klein, letzteres erhöht am Querbalken des t. casezzito: Adv. ahd. gisezzito ‚schmuck, gefällig, sauber‘, aus dem Part. Prät. sw. V. ahd. sezzen oder gisezzen ‚hin-, festsetzen‘ – GSp 6,290, 293. SpAW 823, 824. StWG 519, 829. SchG 8,175, 179. RSV 171, 174. Riecke 643. 175. f. 99v, Z. 2, conquirit [ad depellendos?] – catreip (1) … quam cum summo uertice crescens herba contige/ (2) rit uires inde ad depellendos omnes morbos languoresque conquirit (7,18102,2; 673,15) ‚Wenn die emporwachsende Pflanze mit ihrer Spitze diesen (den Rand der bronzenen Robe der Statue) berührt, empfängt sie die Kraft, alle Krankheiten und Schwächen zu vertreiben.‘ Intl. mit stumpfem Griffel über -nquirit, schwach eingeprägt, aber lesbar. Vor der Glosse stehen mit Griffel zwei senkrechte Striche. catreip: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. gitrīban ‚vertreiben‘ – GSp 5,483. StWG 634. Wie das Tempus ausdrückt, handelt es sich wohl um eine Umschreibung des Geschilderten (‚empfing und vertrieb danach‘) und nicht um eine auf conquirit eingeschränkte Bezugnahme auf den Text. 176.–178. f. 99v, Z. 3–4 (2) … ita ut quecum/ (3) que illa fuerit infirmitas corporis hausto (Ed. haustu) exiguo madefacti salutaris graminis / (4) depellatur, Nihil omnino uirium gerens, si antequam aereae fimbriae summita/ (5) te (Ed. summitatem) crescendo contigerit decerpatur (7,18103,2; 673,16) ‚Sodass, nachdem man es eingeweicht hat, jede körperliche Krankheit durch einen kleinen Schluck von diesem heilsamen Kraut vertrieben wird. Wenn es gepflückt wird, bevor es im Emporwachsen den Rand des Bronzesaums berührt hat, hat es überhaupt keine Wunderkraft.‘ 176. f. 99v, Z. 3, hausto (7,18,2; 673,16) – slun Schwache Einprägung, intl. über -aust-. l ist schwach und nach n ist nichts mehr sichtbar. slun: Gekürztes (?) st. M. ahd. slunt ‚Trunk, Schluck‘ – GSp 6,798. SpAW 1,877. StWG 561, 830. SchG 8,471.

|| 102 In der Handschrift Kapitel XV. 103 In der Handschrift Kapitel XV.

Die Glossen | 351

177. f. 99v, Z. 3, graminis (7,18,2; 673,16) – platir. Intl. über gram-. i und r sind sehr schwach, danach ist noch resthaft ein Buchstabe erkennbar. platir.: Pl. st. N. ahd. blat ‚Pflanzenteil, Gras‘ – AWB 1,1183. GSp 3,249. SpAW 1,77. StWG 64, 794. SchG 1,416. EWA 2,167. Der Kasus ließ sich nicht ermitteln. 178. f. 99v, Z. 4, antequam? aereae? (7,18,2; 673,17) – fel.. Feine Eintragung intl. über -equā, die gegen rechts erlischt. fel..: Unklar. Liegt eine Glosse mit st. N. ahd. feld (AWB 3,709) zu aereae vor, das als areae missverstanden wurde? 179. f. 99v, Z. 7, beneficiis – pimiltenissi (7) … et nihil mirum si hi qui ex gentibus crediderant pro beneficiis que a saluato/ (8) re fuerant consecuti huiusmodi uelut munus uidebantur offerrae (7,18104,4; 673,21) ‚Und es ist in keiner Weise seltsam, dass diejenigen Angehörigen der Heiden, die glaubten, diese Art von Geschenk für die Wohltaten, die sie vom Erretter erhalten hatten, darbringen wollten.‘ Intl. mit feinem, stumpfem Griffel gut lesbar über -eneficiis q-. pimiltenissi: Dat. Sg. (?) sw. F. ahd. bimiltinissī ‚Wohltat‘. Die Präfigierung mit biist neu. Vgl. das sw. F. ahd. miltnissī, miltnassī ‚Wohltat, Gnadenerweis‘ – AWB 6,591. GSp 2,727. SpAW 1,624. StWG 414. SchG 6,376. EWA 6,434. Die entsprechenden Belege des frühen bis mittleren 9. Jahrhunderts sind bairisch (vgl. EWA). 180. f. 99v, Z. 11, indifferenter – ununtarlaazo (10) … sed et antiquas ipsorum imagines a quibusdam conser/ (11) uatas nos uidimus, quod mihi uidetur ex gentili consuetudine indifferenter / (12) obseruatum, quod ita soleant honorare quos honore dignos duxerint (7,18105,4; 673,26) ‚Wir haben auch alte Bilder von ihnen selbst gesehen, die von bestimmten Leuten zur Erhaltung aufbewahrt wurden; dies scheint mir ein heidnischer Brauch zu sein, der gleichgültig weiterbefolgt wird, indem sie auf diese Weise (mit diesem Brauch) diejenigen zu ehren pflegen, die sie für würdig halten.‘ Die feine Eintragung beginnt intl. über dem zweiten i des Lemmas und geht über jenes hinaus. Im Blattinnenrand konnte sie nur mit Mühe, schließlich aber vollständig gelesen werden.

|| 104 In der Handschrift Kapitel XV. 105 In der Handschrift Kapitel XV.

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ununtarlaazo: Adv. ahd. ununtarlāzo – ‚ununterbrochen‘. Die Schreibung zeigt auf Langvokal ā. Ein Adj. ahd. *lāz ist indes nicht bekannt. Kompositionen wie das st. M. ahd. untarlāz oder das st. V. ahd. untarlāzan bezeichnen ‚Unterbrechung‘ (GSp 2,314) und ‚unterlassen‘ (AWB 5,689). Die Bedeutung des Belegs als ‚ununterbrochen‘ trifft den Sinngehalt von indifferenter nicht, drückt aber aus, dass der heidnische Brauch ohne Änderung von den Christen weiter eingehalten wurde und damit ohne Unterbrechung weiterlebte. 181. f. 100r, Z. 1, interitum – faruuortani (1) Et bella non uirtutis merito neque ob defensionem sed ob necem atque interitum ciuium com/ (2) mouebant (7,21106,4; 675,24) ‚Und sie veranlassten Kriege, nicht der Tugendhaftigkeit geschuldet oder zur Verteidigung, sondern zwecks Mord und Vernichtung der Bürger.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über atq; einsetzend und bis über interitū reichend. Die Glosse war sehr schwer und am Anfang nur rudimentär zu entziffern. faruuortani: Akk. Sg. sw. F. ahd. firwortanī ‚Untergang‘ – GSp 1,997. SpAW 1,1099. StWG 160, 809. SchG 11,284. EWA 3,318, belegt bislang im Samanunga-Glossar in Wien, ÖNB 162 (StSG 1,113,5. 189,23), zum selben Lemma. 182. f. 100v, Z. 2, (infirmos) – poson (f. 100r, Z. 33) … plurimi nostrorum … / (34) … // (f. 100v, Z. 1) … miserando in/ (2) firmos, semet ipsos huiuscemodi mortibus inserebant (7,22107,8; 683,5) ‚Viele der Unsrigen verbanden sich innerlich mit den Todesfällen in Form eines Mitleids mit den Schwachen.‘ Schwache Eintragung marg. links neben Z. 2, das erste o nicht ganz sicher. poson: Akk. Pl. M. sw. flekt. Adj. ahd. bōsi ‚schwach, nichtig‘ – AWB 1,1270. SpAW 1,89. GSp 3,216. StWG xxxviii, 70. SchG 1,459. EWA 2,253. 183. f. 100v, Z. 8, tremere – ca(…)p.. (8) statim ut tremere membra uidissent (7,22108,10; 683,12) ‚sobald sie sahen, dass deren Glieder zu zittern begannen, …‘. Die längere Eintragung intl. über tremere, sehr schlecht lesbar. ca(…)p..: Was gelesen werden konnte, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das Präfix ahd. gi- – AWB 4,249. GSp 4,10. SpAW 2,54. EWA 4,202.

|| 106 In der Handschrift Kapitel XVIII. 107 In der Handschrift Kapitel XX. 108 In der Handschrift Kapitel XXI.

Die Glossen | 353

184. f. 100v, Z. 19, inter – untar (19) … inter que scribsit etiam de repromissionibus / (20) futuris (7,24109,1; 685,7) ‚Unter all diesen (den Werken des Dionysius) schrieb er auch ,De repromissionibus futuris‘.‘ Mit feinem Griffel intl. über -t̄ que eingeritzt. untar: Präp. ahd. untar ‚zwischen, unter‘ – GSp 1,381. SpAW 1,1044. StWG 674, 832, 855. SchG 10,256. 185. f. 101r, Z. 7, discrepans – untarsceid.. (6) … dum interrogatione praecedente responsio subse/ (7) quens in concordiam quod contrarium et discrepans uidebatur adduceret (7,24110,5; 687,24) ‚Denn die Antwort, die auf die vorausgehende Frage folgt, wird zur Übereinstimmung dessen hinführen, was gegenteilig und unvereinbar schien.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma, nur resthaft und mit großen Schwierigkeiten zu lesen. d zeigt unziale Form. untarsceid..: Vermutlich st. V. ahd. untarskeidan ‚im Widerspruch stehen, sich unterscheiden‘ – GSp 6,433. SpAW 1,835. StWG 535. SchG 8,300. Die grammatische Form konnte nicht ermittelt werden. 186. f. 101r, Z. 17, schismata – apazaurscrotanna · (16) … etenim cum in arsenoite essemus / (17) ubi multo iam tempore uuoluebatur ista doctrina ita ut schismata inter fratres / (18) et discordię fierent (7,24111,6; 689,10) ‚denn als wir nämlich in Arsinoe waren, wo diese Lehrmeinung schon lange kursierte, so, dass Glaubensspaltungen und Zwietrachten unter den Brüdern entstanden, …‘. Mit spitzem Griffel intl. über -s- des Lemmas bis über -t- von fratres in kleiner, zierlicher Schrift zart eingeritzt. Am Ende steht mit Griffel ein Punkt. Vor der Glosse, über ut beginnend, ist etwas mit stumpfem Griffel eingedrückt. apazaurscrotanna: Nom. Pl. st. F. ahd. abaziirskrōtana ‚Glaubensspaltung, Trennung‘, mit auffälliger verstärkender Präfixvermehrung. Zum st. V. skrōtan ‚abschneiden‘ vgl. GSp 6,578. SpAW 1,863. StWG 550. SchG 8,395. Die Komposition erinnert an eine Gerundiumsform eines Verbs wie *abairskrōtan.

|| 109 In der Handschrift Kapitel XXII. 110 In der Handschrift Kapitel XXIII. 111 In der Handschrift Kapitel XXIII.

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187. f. 101r, Z. 27, continuo – sliumo (27) … iudicantes hoc quod non continuo si quit semel animo / (28) uisum fuerit omni id studio et contentione seruandum est (7,24112,8; 689,22) ‚Sie waren der Ansicht, dass an einer rasch und einmalig gefassten Meinung nicht mit äußerstem Eifer und Leidenschaft festgehalten werden sollte.‘ Intl. über continuo mit stumpfem Griffel. Es ist möglich, dass auch davor noch etwas mit Griffel eingeritzt ist. sliumo: Adv. ahd. sliumo ‚rasch, plötzlich‘ – GSp 6,848. SpAW 1,880, 890 (s. v. slūna, sniumi), StWG 566, 854 (s. v. sniumi). SchG 8,965. 188. f. 101v, Z. 11, crasso – dihhera (10) … unde neque iohannis hunc esse librum / (11) Nec reuelationem uideri posse quę crasso quodam uelamine ignorantię / (12) contegatur (7,25113,2; 691,18) ‚Daher sei das Buch weder als von Johannes noch als Offenbarung zu sehen, da es von einem dicken Schleier der Unwissenheit bedeckt sei.‘ Intl. über dem Lemma, mit feinem, stumpfem Griffel, einwandfrei lesbar. dihhera: Dat. (?) Sg. F. st. flekt. Adj. ahd. dicki ‚dick‘ – ABW 2,446. SpAW 1,136. GSp 5,111. StWG 99, 799. SchG. 2,225. Vgl. auch Heidermanns (1993: 617). Die Schreibung verweist auf einfaches germ. *k (vgl. BRG §145,A.6). Die Endung -era weist auf Genitiv, der Bezug zum Textwort auf Dativ. 189. f. 101v, Z. 14, sed – afar (14) … Sed cherintum quendam auctorem … / (15) … / (16) … titulum praetulisse (7,25114,2; 691,21) ‚Es war aber Cerinthus, ein gewisser Autor, der den Titel so zur Schau stellte.‘ Der Glosseneintrag beginnt intl. vor sed. r steht über -d. afar: Konj. ahd. avur ‚aber, dagegen‘; Adv. Konj. ahd. avur ‚nochmals, wiederum‘ – AWB 1,700. GSp 1,177. SpAW 1,7. StWG 37, 789, 837, 858f. SchG 1,77. EWA 1,401. Die Schreibung des germ. f zwischen Vokalen mittels kommt ausschließlich in sehr alten Quellen vor. Vgl. BRG §139,A.2 sowie die Glossen 64, 340 und 385. 190. f. 102r, Z. 22, (praecellentes) – furistun (22) … in quibus insignes et ceteris praecel/ (23) lentes erant firmillianus a caesarea cappadociae Gregorius et athenodo/ (24) rus … helenus (7,28115,1; 703,12) ‚Unter || 112 In der Handschrift Kapitel XXIII. 113 In der Handschrift Kapitel XXIV. 114 In der Handschrift Kapitel XXIV. 115 In der Handschrift Kapitel XXV.

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ihnen herausragend und die anderen übertreffend waren Firmilianus aus Cäsarea in Kappadokien, Gregorius und Athenodorius, Helenus ….‘ Mit stumpfem Griffel marg. rechts neben p̄ cel. r und i sind ligiert. furistun: Nom. Pl. M. Adj. Superl. ahd. furisto ‚Erster nach Rang, Ansehen‘ – AWB 3,1397. SpAW 1,256, 495. GSp 3,622. StWG 186, 812, 847. SchG 3,356. EWA 3,670. 191. f. 102v, Z. 1, orientali et septentrionis – ca.o.tarl?n?nord (1) dignissimum puto tanti uiri gesta quae sub orientali et septentrionis axe cunc/ (2) torum sermone celebrantur … huic narrationi ad memo/ (3) riam posteritatis inserere (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 953,4) ‚Ich halte es für am geeignetsten, die Taten dieses großen Mannes, die in den östlichen und nördlichen Gebieten von allen gepriesen werden, als Aufzeichnung für die Nachwelt in unsere Erzählung aufzunehmen.‘ Längere schwache Eintragung, nur in Teilen lesbar, erkennbar über orient-, -i et s-, -entrio-. ca.o.tarl?n?nord: Der Eintrag enthält einige Anhaltspunkte für die folgenden Vermutungen: ca: Vielleicht Präfix ahd. gi- – AWB 4,249. GSp 4,10. SpAW 2,54. EWA 4,202, o.tarl: Vielleicht Adj. ahd. ōstarl[] (ōstarlīh?) ‚östlich, morgenländisch‘ – AWB 7,131. GSp 1,500. SpAW 1,690. StWG 454. SchG 7,214. EWA 6,1229 und nord: Nom. Sg. (?) st. M. ahd. nord ‚Norden‘ – AWB 6,1333. GSp 2,1096. SpAW 1,675. StWG 443. SchG 7,121. EWA 6,1026. 192.–193. f. 102v, Z. 7 (7) coibatur a fratribus tempore captionis non tam ad capiendos pisces quam ad homi/ (8) nes decipiendos (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 953,11) ‚Als es Zeit für den Betrug wurde, trafen sich die Brüder nicht so sehr, um Fische zu fangen, sondern um andere zu täuschen.‘ 192. f. 102v, Z. 7, coibatur (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 953,11) – capurita Die Glosse beginnt noch knapp im Blattrand und verläuft dann intl. über dem Lemma bis t. capurita: Nom. Sg. N. Part. Prät. sw. V. ahd. giburien, giburren ‚geschehen‘ – AWB 1,1543. GSp 3,164. SpAW 87. StWG 87, 797. SchG 2,115. RSV 1,287. EWA 2,467. Riecke 682 zur Wiedergabe der Passiv-Form. Möglich ist formal und sinngemäß auch 3. Sg. Ind. Prät. 193. f. 102v, Z. 7, captionis (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 953,11) – sleihhes Die Glosse von stumpfem Griffel gut lesbar intl. über dem Lemma.

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sleihhes: Gen. Sg. st. M. ahd. sleih ‚Täuschung, Betrug‘. Vgl. st. V. ahd. slīhhan ‚schleichen‘ (GSp 6,784. SpAW 875), mit der Zusatzbedeutung ‚etwas heimlich tun‘, worauf unter anderem das sw. V. ahd. insleihhen ‚einschmuggeln‘ (GSp 6,785) hinweist. 194. f. 102v, Z. 11, suorum – iro (10) … quid causae existeret pro qua in exitium / (11) sui suorumque fratres accenderentur inquirit (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 953,15) ‚Er fragte, was für einen Grund es gebe, weswegen die Brüder gegeneinander und gegen ihre eigenen Leute in tödlicher Wut entbrannt seien.‘ Feine Einprägung intl. über -ru-. iro: Gen. Pl. M. Pers.-Pron. ahd. er, siu, iz – GSp 1,37. SpAW 1,184. StWG 128, 804, 842. SchG 2,444. EWA 2,1092, in possessiver Verwendung. 195. f. 102v, Z. 14, quaestus – cauuinnes (13) Nolite inquit o filioli … frater/ (14) nam pacem quaestus cupiditate dissoluere (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 953,19) ‚Er sagte: ,Meine Söhne, zerstört nicht den brüderlichen Frieden im Wunsch nach Gewinn.‘‘ Mit stumpfem Griffel, etwas vor dem Lemma beginnend, dann über dessen ganze Länge gehend, gut lesbar. cauuinnes: Gen. Sg. st. M. ahd. giwin ‚Gewinn‘ – GSp 1,881. SpAW 1,1129. StWG 228, 818, 849. SchG 11,163. 196. f. 102v, Z. 30, ferax – tragant (29) … Sed et in hodiernum frugum ferax esse dicitur solum quod ante fuerat / (30) nauium ferax (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 954,10) ‚Es heißt sogar, das Land sei heute fruchtbar an Früchten, wo es einst ‚fruchtbar‘ an Schiffen war.‘ Die Glosse setzt intl. über e des Lemmas ein und geht bis über M von nachfolgendem Memoriatur. Das erste t zeigt einen schräg nach vorne drängenden Schaft, die beiden a sind in die Höhe gezogen. tragant: Unflekt. Part. Präs. st. V. ahd. tragan ‚tragen, bringen‘ – GSp 5,492. SpAW 1,1007. StWG 631. SchG 10,16. 197. f. 103r, Z. 9, fanum – pluastarhus (8) … et cum peruenisset ad summum alpium iugum / (9) niuibus repleta erant omnia nullum usquam diuersorium, fanum ibi tantum apollinis / (10) erat, cui succedens transacta nocte discessit (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 954,27) ‚Und als er den Gipfel des Passes erreichte, war alles mit Schnee bedeckt, und es gab nir-

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gends ein Gasthaus, nur ein Apollotempel stand da, in den er eintrat. Er verbrachte dort die Nacht und entfernte sich dann.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über fanū ibi tan- eingetragen. pluastarhus: Nom. Sg. st. N. ahd. bluostarhūs ‚Tempel, (heidnisches) Heiligtum‘ – AWB 1,1233. GSp 4,1054. SpAW 1,85, 416. StWG 68. SchG 1,439. EWA 2,209. 198. f. 103r, Z. 11, consulere – .ntfragen (10) … sacerdos uero erat quidam / (11) fani eius cui consulere simulacrum apollinis mos erat et reddere responsa pos/ (12) centibus (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 954,29) ‚Nun hatte dieser Tempel einen Priester, dessen Gewohnheit es war, Apollos Götzenbild zu konsultieren und denjenigen, die sie verlangt hatten, die Antworten zu geben.‘ Schwach eingeprägte Glosse, vor allem am Ende sehr schwach. Sie setzt intl. kurz vor dem Lemma ein und geht bis über -l-. .ntfragen: Inf. sw. V. intfrāgēn ‚befragen, um Rat fragen‘ – AWB 3,1209. GSp 3,811. SpAW 1,259. StWG 175, 811, 846. SchG 3,281. RSV 2,217. EWA 3,512. 199. f. 103r, Z. 13, consulta – caratana (12) … Igitur post digressum / (13) gregorii offerre consulta et responsa poscere sacerdos accessit ex more Ni/ (14) hil inde responsi ueniebat (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 954,31) ‚Nachdem Gregorius also gegangen war, kam der Priester wie üblich, um Ratschläge darzubringen und um Antworten zu bitten, aber es kam keine Antwort.‘ Die Glosse steht intl. über dem Lemma, ra in etwas größerer Schrift. caratana: Akk. Sg. N. sw. flekt. Part. Prät. st. V. rātan, girātan ‚beraten‘ – GSp 2,457, 459. SpAW 1,726. StWG 472, 828, 853. SchG 7,326, 328. Das Lemma wird als Partizip Präteritum von consulere aufgefasst. 200. f. 103r, Z. 15, litat – rpetot (14) … iterum atque iterum / (15) litat, surdis ingerit fabulam (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 954,33) ‚Wieder und wieder opfert er und trägt seine Worte tauben Ohren vor.‘ Die Glosse setzt unerkenntlich im inneren Blattrand an, wo ein erster Buchstabe stehen dürfte, und geht dann bis über -at des Lemmas. rpetot: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. irbetōn ‚erbitten, erflehen, durch Beten erlangen‘ – AWB 1,933. GSp 3,60. SpAW 1,72. StWG 48, 837. SchG 1,317. RSV 2,16. EWA 1,571. Das Wort war bislang nur im Abrogans-Glossar belegt, einmal auch zu litare. Vgl. die Glosse litat – arpetot in Karlsruhe, BL Aug. CXI (StSG 1,200,30). Vgl. auch die folgende Glosse 201.

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201. f. 103r, Z. 16, inuocas – arpetos (15) … cumque stupore noui silentii aestuaret sacerdos / (16) Noctu ei adsistens daemonium dicit in somnis quid me illic inuocas quo iam uenire / (17) Non possum (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 955,2) ‚Und während der Priester über dieses ungewohnte Schweigen verblüfft und beunruhigt war, kam der Dämon nachts zu ihm und sprach im Traum zu ihm: ,Warum rufst du mich dorthin, wohin ich nicht mehr kommen kann?‘.‘ Intl. über dem Lemma, sehr schwach und nur bei bestimmten Lichtverhältnissen sichtbar. t ist undeutlich. arpetos: 2. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. irbetōn ‚erbitten, erflehen, durch Beten erlangen‘ – AWB 1,933. GSp 3,60. SpAW 1,72. StWG 48, 837. SchG 1,317. RSV 2,16. EWA 1,571. Vgl. auch die vorausgehende Glosse 200. 202. f. 103r, Z. 19, aput – after (19) … Quibus auditis sacerdos occupat uiam, multa aput semet ipsum uoluens / (20) atque animo recussante pertractans (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 955,6) ‚Als er dies gehört hatte, ging der Priester auf die Straße, überlegte vieles bei sich und ging alles widerstrebend in Gedanken durch.‘ Sehr feine, leicht schwärzliche Eintragung mit spitzem Griffel. after: Präp. ahd. after ‚nach, hinter, gemäß‘ – AWB 1,37. GSp 1,185. SpAW 1,8. StWG 15, 785. SchG 1,71. EWA 1,64, was als Äquivalent zu apud nicht unmittelbar einleuchtet. 203. f. 103r, Z. 31, pandens – arpreitonti (31) referens omnemque aput eum rei geste ordinem pandens (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 955,19) ‚Er breitete die ganze Folge aus, in der sich die Dinge bei ihm zugetragen hatten.‘ Sehr schwache Glosse, von stumpfem Griffel. Sie beginnt intl. über -nē von ordinē und verläuft über pandens in ganzer Länge. Die Lesung enthält mehrere Unsicherheiten. arpreitonti: Nicht sicherer Beleg für Nom. Sg. M. nom. flekt. Part. Präs. sw. V. ahd. irbreitōn ‚ausbreiten, kundtun‘. Das ōn-Verb ahd. breitōn ist in (gi-)wītbreitōn (GSp 3,298) bezeugt. 204. f. 103r, Z. 33, enixius? pertinatius? – uui.ar(…)a.on.o (33) … cumque enixius et pertinatius persisteret catechu/ (34) minus ab eo factus est (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 955,21) ‚Und als er sich eifrig und beharrlich zeigte, wurde er von ihm zu einem Taufbewerber gemacht.‘

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Rudimentäre, nur resthaft lesbare Eintragung, sehr schwach mit stumpfem Griffel intl. über enixius et p-. uui.ar(…)a.on.o: Im Anfang der Eintragung könnte ahd. uuidar stecken, was für eine Glossierung von pertinatius spräche. Vgl. die Glosse pertinaces – uiderstritico in Karlsruhe, BL Aug. 220 (StSG 2,233,70). Ansonsten bleibt alles unsicher. 205. f. 103v, Z. 28, perurgentem – peitantan (27) … insistente plurimum et disceptationibus ualedissi/ (28) mis perurgentem (Ed. perurgente) malchione presbytero antiochene ecclesiae (7,29116,2; 705,10) ‚Es war Malchion, ein Priester der Kirche von Antiocha, der am meisten (auf der Anklage Pauli) bestand und (ihm) mit den machtvollsten Argumenten hart zusetzte.‘ Intl. über dem Lemma in ganzer Länge mit stumpfem Griffel. a in cc-Form. Der Balken des zweiten t ragt nach rechts hinaus. n am Schluss ist nicht ganz sicher. peitantan: Akk. Sg. M. st. flekt. Part. Präs. sw. V. beiten ‚drängen, nötigen‘ – AWB 1,853. GSp 3,65. SpAW 1,71. StWG 44, 791. SchG 1,287. RSV 1,6. EWA 1,522. 206. f. 103v, Z. 31, (ipsa) – s.lpun (30) … denique oratoriam in eadem / (31) ipsa urbe docuerat (7,29117,2; 705,14) ‚Er hatte schließlich in der selben Stadt Rhetorik unterrichtet.‘ Mit stumpfem Griffel marg. l. neben Z. 31 eingetragen, am Anfang unsicher gelesen. s.lpun: Vermutlich Dat. Sg. F. sw. flekt. Pron.-Adj. ahd. selb ‚selber, selbst‘ – GSp 6,193. SpAW 1,804. StWG 514. SchG 8,147. 207. f. 104r, Z. 14, curentur – fleganti (14) mittentes hanc epistulam deprecamur omnes ut si qui forte tali doctrina infecti sunt / (15) curentur a uobis (7,30118,3; 707,11) ‚Indem wir diesen Brief senden, bitten wir alle darum, dass jeder von euch, der von dieser Art von Doktrin infiziert worden ist, kuriert wird.‘ Sehr schwach eingeprägte und schlecht untersuchbare Eintragung. n und t sind ligiert, i danach tief. Der Anlaut steht nicht fest. Es ist nicht auszuschließen, dass sich im Falz drinnen unsichtbar p- befindet. fleganti: Unflekt. Form des Nom. Sg. Part. Präs. st. V. ahd. pflegan ‚sorgen für, pflegen‘ – AWB 7,273. GSp 3,356. SpAW 1,704. StWG 462. SchG 7,281. EWA 6,1442. In der Wiedergabe des lateinischen Passivs kennen die althochdeutschen Glossen mehrere Verfahren, darunter die Verwendung des reinen Partizip Präsens. || 116 In der Handschrift Kapitel XXVII. 117 In der Handschrift Kapitel XXVII. 118 In der Handschrift Kapitel XXVII.

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208. f. 104v, Z. 15, neotericos – unrecte (14) … psalmos uero qui in dominum nostrum ihesum / (15) christum dicebantur cessare fecit uelut neotericos et nuper inuentos (7,30119,10; 711,10) ‚Er hat den Psalmen, die an den Herrn Jesus Christus gerichtet wurden, ein Ende gesetzt, gleich wie neuen und jüngst erfundenen.‘ Mit stumpfem Griffel deutlich intl. über dem Lemma eingetragen. Nur gerade c ist nicht auf Anhieb zu lesen. unrecte: Akk. Pl. M. st. flekt. Adj. ahd. unreht ‚unrecht, unrichtig‘ – GSp 2,402. SpAW 1,737. StWG 670. SchG 10,237, zur Bezeichnung des gegenüber dem Althergebrachten Unechten, Falschen. 209. f. 108r, Z. 16, mores – sit. (15) … uerum ubi ex multa libertate multaque in/ (16) dulgentia uitiati sunt mores, et disciplina corrupta est (8,1,7; 739,11) ‚wo jedoch durch eine Fülle an Freiheit und Nachsicht die Sitten verdorben werden und die Disziplin vernachlässigt wird, …‘. Die Glosse mit stumpfem Griffel fein intl. über more-. s weist den von schräg oben bis zum Fuß einfallenden Anstrich auf. Nach t folgt ein unlesbares Schriftzeichen. sit.: st. M. ahd. situ ‚Sitte‘ – GSp 6,159. SpAW 1,822. StWG 528. SchG 8,250, in unklarer Form. 210. f. 108r, Z. 20, fallatia – farlosi (20) … dum simulatio in uultu dolus in corde fallatia profertur in uerbis (8,1,7; 739,17) ‚während Heuchelei im Gesicht und Hinterlist im Herzen wohnt und Betrug in der Sprache bekannt gemacht wird, …‘. Mit stumpfem Griffel schwach intl. über -tia und darüber hinaus. Von mutmaßlichen a und r sind die Rückenlinie und die gewellte Zunge sichtbar. farlosi: Nom. Sg. sw. F. firlōsī ‚Hinterlist, Betrug‘. Vgl. das sw. F. ahd. lōsī ‚Leichtsinn‘ (AWB 5,1296) und zur Bedeutung unseres Belegs das st. N. ahd. gifirlōs ‚heimliche Verleumdung‘ und st. F. ahd. gifirlōsida ‚Betrug‘ (AWB 3,993. SpAW 1,552). 211. f. 108v, Z. 30, hic – dar (30) … hic uero ingens120 spectaculum sacerdotes dei effec/ (31) ti sunt huic mundo (8,3,1; 743,17) ‚Hier wurden die Priester Gottes in der Tat zu einem riesigen Schauspiel für diese Welt.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel sehr deutlich über hic.

|| 119 In der Handschrift Kapitel XXVII. 120 Zweites n von der Texthand nachträglich eingefügt.

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dar: Adv. ahd. dār ‚dort‘ – AWB 2,166. GSp 5,53. SpAW 1,125. StWG 90, 798, 840. SchG 2,144. EWA 2,533. Der Glossator deutet hic örtlich. 212. f. 109r, Z. 21, exaggerasse – suellan (20) … cum uero inde flamma sumens ini/ (21) tium tota per populos et sacerdotes exaggerasse (Ed. exaggerasset) incendia possibile non est numero conprehen/ (22) di (8,4,5; 747,5) ‚Als jedoch das Feuer, das von hier ausging, zu einem ganzen Brand über die Völker und die Priester anschwoll, wurde es unmöglich, die Zahl der Märtyrer zu zählen.‘ Mit stumpfem Griffel in rauem Pergament intl. über -erasse. suellan: Inf. st. V. ahd. swellan ‚vermehren, vergrößern, anschwellen‘ – GSp 6,873. SpAW 1,979. StWG 616. SchG 9,391. 213. f. 109v, Z. 19, uiget – arsuualet · (18) … cur aiunt imperator punis in petro men/ (19) tis sententiam quae in nobis omnibus uiget (8,6,5; 751,1) ‚Sie sagten: ,Warum, Majestät, bestrafst Du Petrus für eine Überzeugung, welche in uns allen in Kraft ist?‘‘ Intl. über uiget, bis über folgendem ut, gut lesbar. Nach der Glosse steht mit Griffel ein Punkt. arsuualet: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. irswalēn, gemäß dem Lemma ‚kräftig sein, in Kraft, Ansehen, Geltung sein, blühen‘ oder aber für das Eintreten eines Zustands ‚erstarken, kräftig werden‘. Auf Basis eines erst aus dem Mittelhochdeutschen überlieferten Abstraktums swal (st. M. zu st. V. ahd. swellan; LexerHWB 2,1333) gebildetes ēn-Verb. Vgl. schweizerdt. erschwallen ‚sich vergrößern, anwachsen‘ (SI 9,1815). 214. f. 109v, Z. 28, aceruatim – hufo (27) … ex quo instimabili (Ed. inaestimabili) furore succensus iubet / (28) omnes nostros aceruatim collectos, alios quidem gladio obtruncari, alios ignibus / (29) conflagrare (8,6,6; 751,11) ‚Deswegen flammend von grenzenloser Wut befahl er, uns alle summarisch zusammenzuraffen und einige mit dem Schwert zu köpfen, andere zu verbrennen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -uati-, mit unsicherem o. Davor stehen Kratzer. hufo: Vermutlich resthaftes Adv. ahd. hūfōn ‚haufenweise‘ (oder gekürztes Adv. ahd. hūfōnto?) – AWB 4,1319. SpAW 1,407. GSp 4,833. StWG 289. SchG 4,422. EWA 4,1192. 215. f. 110r, Z. 8, inhiabat – cinazta (7) … cum haec aput nicome/ (8) diam gererentur ubi cruentus et ferox auctor ipse crudelitatis piorum carnibus inhia/ (9) bat (8,6,8; 751,27) ‚während dies in Nicome-

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dia vor sich ging, wo der wilde, blutrünstige Urheber der Grausamkeit selbst nach dem Fleisch der Frommen schnappte, …‘. Die Glosse beginnt über -ia- und geht in den Blattrand hinaus. Die beiden a besitzen eine steile Rückenlinie. Die Eintragung ist gut lesbar. cinazta: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. ginazzen ‚den Mund aufsperren, nach etwas schnappen‘ – AWB 4,262. SpAW 1,305. GSp 2,1117. StWG 214. SchG 3,456. EWA 4,336. Riecke 223 (ginizzen), bislang nur aus einem einzigen Beleg aus der Mitte des 9. Jahrhunderts bekannt (StSG 2,11,16). 216.–217. f. 110r, Z. 14–15 (15) … catene quae121 homicidis adulteris ue/ (15) nenariis et sepulchrorum uiolatoribus fuerant fabricate (8,6,9; 751,35) ‚die Ketten, die für Mörder, Ehebrecher, Giftmischer und Grabschänder geschmiedet worden waren, …‘. 216. f. 110r, Z. 14, homicidis (8,6,9; 751,35) – slah? Sehr schwach über -omicid-, und es ist unklar, ob nach h noch etwas steht. Kratzer beeinträchtigen die Lesbarkeit. slah?: Vielleicht sw. M. ahd. slaho ‚Mörder‘ – GSp 6,775. SpAW 870. StWG 556, als Zweitglied von Komposita überliefert. 217. f. 110r, Z. 15, uiolatoribus (8,6,9; 751,35) – aruuert.. Mit stumpfem Griffel intl. über -at- beginnend und über fue- von fuerant erlöschend. aruuert..: Vermutlich Nomen agentis aus dem sw. V. ahd. irwerten ‚schänden, entehren, verletzen‘ – GSp 1,957. SpAW 1,1099. StWG 718, 856. SchG 11,71. RSV 1,259, das in Glossen des Öfteren als Interpretament zu lat. violare vorkommt (vgl. SchG 11,71f. 12,477). 218. f. 110r, Z. 25, certatum – ilenta (24) … tanta etenim ab122 eis uirtute perse/ (25) uerantię aduersum inlata supplicia pro pietate certatum est (8,7,1; 753,14) ‚Denn mit so großer Tugend der Beharrlichkeit gegen die Folterungen, die ihnen wegen der Frömmigkeit zugefügt wurden, wurde von ihnen erstritten, dass …‘. Intl. über dem Lemma in ganzer Länge mit stumpfem Griffel.

|| 121 In der Handschrift wie cateneque als cateneq;. 122 ab von der Texthand nachträglich eingefügt.

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ilenta: Nom. Sg. N. sw. flekt. Part. Präs. sw. V. ahd. īlen ‚wetteifern, streben‘ – AWB 4,1475. SpAW 1,421. GSp 1,226. StWG 298, 823. SchG 5,12. RSV 1,78. EWA 5,42, als Wiedergabe des lateinischen Partizips in passivischer Verwendung. 219. f. 110v, Z. 21, ((appa)ruerunt) – fallen (20) … qui tamen ilico ut appa/ (21) ruerunt (8,7,5; 755,14) ‚und kaum waren sie erschienen, als …‘. Die Griffeleintragung steht in schwacher Einprägung marg. links neben Z. 21, die mit ruer̄ beginnt. Der vierte Buchstabe ist kaum sichtbar. fallen: Vermutlich 3. Pl. Konj. Präs. st. V. ahd. fallan ‚fallen, stürzen‘ – AWB 3,542. GSp 3,454. SpAW 1,201. StWG 138, 806, 843. SchG 3,40. EWA 3,36, als reine ,Vokabelglossierung‘, indem der Glossator den Wortteil ruerunt herauslöst und übersetzt. Die Form ist nicht verständlich, was aber vielleicht daher rührt, dass das ,Lemma‘ undifferenziert gekürzt ist (und vielleicht als ruerint aufgefasst wurde?). 220. f. 111r, Z. 11, machinis – cazimparim (10) … mulieres quoque nudas ita ut / (11) ne pudenda quidem contegerentur arte quadam conpositis machinis uno pede in / (12) excelsum suspensas et capite in terra demersas indignissimo expectaculo (Ed. spectaculo) expo/ (13) sitas pendere per diem continuum sinebant (8,9,1; 757,9) ‚Sie ließen zu, dass auch Frauen, die so völlig nackt waren, dass nicht einmal ihre Schamteile bedeckt waren, einen ganzen Tag an Holzgerüsten hingen, die so geschickt gebaut waren, dass einer ihrer Füße in die Höhe ragte, während ihre Köpfe nach unten sanken; ein schockierender Anblick.‘ Intl. mit feinem, stumpfem Griffel über dem Lemma, etwas vor diesem einsetzend. r und i sind verbunden, m steht erhöht. pudenda in Z. 11 ist mit Feder althochdeutsch glossiert. Vgl. F1. cazimparim: Dat. Pl. st. N. ahd. gizimbari ‚Holzgerüst‘ – GSp 5,670. SpAW 1,1188. StWG 229, 818, 875. SchG 11,404. 221. f. 111r, Z. 17, despecatis – nidarsehanem (16) … Qui cum ad situm suum naturali impetu referrentur discerp/ (17) tis despecatisque uisceribus auulsa secum membra rapiebant (8,9,2; 757,14) ‚Und wenn sie (die Äste) durch einen natürlichen Schwung in ihre Positionen zurückschnellten, rissen sie die verstümmelten Körper mit sich, wobei die Eingeweide verächtlich zerstückelt wurden (wörtlich: zerstückelt und verachtet wurden).‘ Mit stumpfem Griffel schwach über dem Lemma eingedrückt, e und m in hoher Ligatur. Die Glosse ist sehr schwer zu entziffern.

364 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

nidarsehanem: Dat. Pl. st. flekt. Part. Prät. st. V. ahd. nidarsehan ‚verachten, hinabschauen‘ – GSp 6,122. SpAW 1,789. StWG 512. SchG 8,135. 222. f. 111r, Z. 23, subicerent – piduuangun (23) … cumque hi certatim se et sponte gladio subicerent confessione123 / (24) praemissa (8,9,4; 757,23) ‚und als sie miteinander wetteiferten, sich freiwillig dem Schwert zu unterwerfen, nachdem sie ihr Glaubensbekenntnis abgegeben hatten, …‘. Sehr schwache Eintragung intl. über dem Lemma, bis über co- von confessione. Voraus steht vermutlich auch etwas. Die Glosse ist nur bei Licht von unten links her überhaupt sichtbar. piduuangun: Unsicherer Beleg für 3. Pl. Ind. Prät. st. V. bidwingan ‚unterwerfen, bezwingen‘ – AWB 2,818. GSp 5,273. SpAW 1,160. StWG 114, 801. SchG 2,337. EWA 2,924. 223. f. 111r, Z. 26, contiguum – frastaftotemo (26) egrediuntur cuncti pariter ad contiguum moenibus campum (8,9,4; 757,26) ‚Sie gingen alle gleichzeitig zu einem Feld, das an die Stadtmauern grenzte.‘ Intl. über contiguum, sehr schwierig zu entziffern, nur emo ist auf Anhieb lesbar. frastaftotemo: Dat. Sg. M./N. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. frastaftōn ‚von sich wegdrücken?, wegstoßen?‘. Das Verbalpräfix fra- (Grundbedeutung ‚fort, weg‘) kommt im Althochdeutschen nur noch in der frühesten Zeit vor (EWA 3,504). In staftōn ist die Bezeichnung eines räumlichen Kontakts (einer Befestigung?) zu vermuten, in der Basis staft vielleicht die Bedeutung ‚befestigter Gegenstand‘. Vgl. dazu st. M. ahd. steft, stift ‚Stachel, Dorn, Nadel, Zapfen‘ – GSp 6,613. SpAW 1,928 sowie st. M. ahd. uostaft ‚Flicken‘ – GSp 6,614. SpAW 1,920, die in etymologischem Zusammenhang mit uridg. *steip- ‚steif machen, zusammendrängen‘ (LIV 594. IEW 1015) stehen, zusammen mit dem Adj. germ. *steifa- ‚steif‘ (Heidermanns 1993: 48, 549) und lat. stipare ‚zusammendrücken‘. Innerhalb dieses offenen semantischen Rahmens (von ‚fest‘ über ‚befestigen‘ zu ‚berühren‘) muss die Bedeutung des Verbs frastaftōn der Glosse über das lateinische Lemma ermittelt und – nicht unmittelbar einleuchtend – als ‚berühren, anstoßen‘ bestimmt werden. Der Dativ ist aus lat. ad zu erklären, dem im Althochdeutschen die Präposition zi entspricht. Vgl. dazu beispielsweise die althochdeutschen Dativformen zu lateinischen, mit ad eingeleiteten Akkusativen im Clm 21525.

|| 123 Danach ist prē/ (24) ssione ausgewischt.

Die Glossen | 365

224. f. 111r, Z. 29, haebetata – aruuartit (28) … defecerunt car/ (29) nificum manus et succedentes sibi inuicem fatigati sunt haebetata est acies gladii (8,9,4; 757,30) ‚Die Hände der Henker versagten, und sich ablösend erschöpften sie sich gegenseitig; der Rand des Schwertes war abgestumpft.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -etata und etwas darüber hinausreichend, recht gut lesbar. aruuartit: Adj. ahd. irwartit ‚verdorben‘ resp. unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. irwerten ‚verderben‘ – GSp 1,957. SpAW 1,1099. StWG 718, 856. SchG 11,71. RSV 1,259. 225. f. 111v, Z. 21, tunc – after (21) … Aderat tunc quidam uir agens turmam militum romanorum philoromus / (22) nomine (8,9124,8; 759,22) ‚Damals war ein Mann namens Philoromus zugegen, der eine römische Söldnertruppe befehligte.‘ Mit spitzem Griffel, intl. kurz vor t- einsetzend, schwierig zu entziffern. after: Adv. ahd. after ‚danach‘ – AWB 1,37. GSp 1,185. SpAW 1,8. StWG 15, 785. SchG 1,71. EWA 1,64. Die Bedeutung ‚danach‘ passt nicht recht zu derjenigen des Textwortes. Vgl. Glosse 202. 226. f. 112r, Z. 13, otium – muazza (13) … et si quod aliquis per otium excogitans / (14) nouum genus supplicii detulisset licebat inferre (8,10,4; 761,17) ‚Und jeder, der eine neue Art von Folter vorstellte, die er sich in seiner Freizeit ausgedacht hatte, konnte sie hinzufügen.‘ Intl. über otium excog- mit stumpfem Griffel, gut sichtbar, wenn auch die letzten beiden Buchstaben nur noch mit Mühe zu lesen sind. Vor m steht mit Griffel ein winkelförmiges Zeichen, das nicht zur Glosse gehört (vgl. Glosse 228). muazza: Akk. Sg. st. F. ahd. muoza ‚Muße, freie Zeit‘ – AWB 6,900. SpAW 1,644. StWG 426. SchG 6,469. EWA 6,668. 227. f. 112r, Z. 17, et trocleis – enti furc.. (16) … post tergum alii uinctis manibus adpen/ (17) debantur et trocleis distenti membratim diuellebantur (8,10,5; 761,21) ‚Einige wurden mit auf den Rücken gebundenen Händen aufgehängt und mit Winden auseinandergestreckt, Glied für Glied auseinandergerissen.‘ Mit spitzem Griffel intl. über et trocl-, sehr schwierig zu untersuchen. Auf u der Glosse liegt ein schräger Kratzer. Vielleicht liegen zwei Griffeleinträge aufeinander.

|| 124 In der Handschrift Kapitel X.

366 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

enti furc..: Bestehend aus enti: Konj. ahd. inti ‚und‘ – AWB 4,1630. GSp 1,361. SpAW 1,424. StWG xliii, 305. SchG 5,56. EWA 5,125 und furc..: St. sw. F. ahd. furka ‚Winde, Marterinstrument‘ – AWB 3,1405. GSp 3,685. SpAW 1,276. StWG 187, 812. SchG 3,360. EWA 3,672, in unklarer Form. 228. f. 112r, Z. 27, agerentur – cazensot (25) … iam uero / (26) hi qui ante praesidem suspendebantur non id solum temporis quo ab eo uel discutiebantur / (27) uel cruciabantur sed totum paene diem cum alii actus agerentur in aeculeis exige/ (28) bant (8,10,6; 763,10) ‚Und diejenigen, die vor dem Gouverneur aufgehängt waren, blieben nicht nur während der Zeit, in der sie von ihm verhört oder gefoltert wurden, auf den hölzernen Foltergestellen, sondern fast den ganzen Tag, während andere Geschäfte abgewickelt wurden.‘ Sehr schwache Eintragung intl. über agerentur, die bei flachem Lichteinfall von links unten sichtbar ist. e und n sind ligiert. Vor c steht dasselbe winkelförmige Zeichen wie vor der Glosse 226, muazza. cazensot: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. gizinsōn ‚verhandeln, Geschäfte abwickeln‘. Ein ōn-Verb gizinsōn gibt nur SpAW 1,1190. Vgl. auch EWA 4,463. Die aus ahd. zins gebildeten jan-Verben sind zinsen ‚Steuerpflicht zuweisen, auferlegen‘ und gizinsen ‚Buße auferlegen, für schuldig erklären‘ (GSp 5,690. SpAW 1,1190). 229.–230. f. 112v, Z. 15 (14) … et hoc in ciues perpetratum est quod in hos/ (15) tes egisse notam crudelitatis habuisset (8,11,1; 765,16) ‚Und was hier den Bürgern angetan wurde, wäre, wenn es einem Feind angetan worden wäre, als Grausamkeit wahrgenommen worden.‘ 229. f. 112v, Z. 15, notam (8,11,1; 765,16) – camarichot Mit spitzem Griffel intl. über -e notam cru- eingetragen. r und i sind ligiert. Marg. links steht mit Griffel ein ri-ähnliches Zeichen. camarichot: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. markōn oder gimarkōn ‚wahrnehmen, bezeichnen, vermerken‘ – AWB 6,295. GSp 2,849. SpAW 1,600. StWG 402. SchG 6,286. RSV 2,99. EWA 6,178. i zwischen r und Affrikate (< *k) wirft Fragen auf. Bei einem Sprossvokal erwartet man eine assimilierte Qualität (BRG §69; vgl. das Material bei Reutercrona 1920: 96–102). 230. f. 112v, Z. 15, crudelitatis (8,11,1; 765,16) – crim. Schwache Einprägung anschließend an die vorausgehende Glosse, intl. über -tatis. r und i sind ligiert. crim.: Vermutlich sw. F. ahd. grimmī ‚Grausamkeit‘ – AWB 4,428. GSp 4,324. SpAW 1,324. StWG 240. SchG 4,49. EWA 4,621.

Die Glossen | 367

231. f. 113r, Z. 6, praetipitio – farlusti (5) … Alii cum ad sacrificandum quererentur sacrilegam pollutionem uitantes, uitam / (6) praetipitio finierunt, minore quidem tolerantię fiducia sed conseruande fidei maiore cautel/ (7) la (8,12125,2; 767,26) ‚Als andere sich zu opfern suchten, vermieden sie eine gottlose Entweihung, indem sie ihr Leben mit einem Sturz beendeten und damit zwar weniger Vertrauen in ihre Beharrlichkeit zeigten, dafür aber mehr darauf bedacht waren, ihren Glauben zu schützen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über p̄ tipitio in feiner Einprägung. l ist undeutlich. farlusti: Dat. Sg. st. F. ahd. firlust ‚Verderben, Sturz‘ – AWB 5,1421. GSp 2,266. SpAW 1,553. EWA 3,296. Das Wort war bislang erst ein Mal im althochdeutschen Tatian belegt. 232. f. 113r, Z. 9, probitate – uuizim (8) … cui erant duae filię uirgines honeste satis / (9) et ad maternae pudititiae regulam nutritae spetiae simul et moribus emula sibi probitate / (10) certantes (8,12126,3; 767,31) ‚Sie hatte zwei jungfräuliche Töchter, die durch und durch sittlich waren und nach der Regel der mütterlichen Keuschheit aufgezogen worden waren. Sie strebten danach, in ihrem Äußeren und ihrem Charakter mit der Rechtschaffenheit ihrer Mutter zu konkurrieren (wörtlicher: mit rivalisierender Rechtschaffenheit wetteiferten).‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -i probitate, leicht glänzend. uuizim: Dat. Pl. sw. F. ahd. wizzī (oder st. N. ahd. wizzi?) ‚Verstand, anständiges Verhalten‘ – Gsp 1,1099. SpAW 1,1146. StWG 743. SchG 11,264, der Plural vielleicht wegen der zwei Protagonistinnen. 233. f. 113r, Z. 12, contentio – strit (10) … Sed / (11) pro his quae supra diximus uel naturae uel institutionum bonis prauorum hominum multa erga / (12) uirgines (Ed. virginis) earumque matrem contentio exagitabatur (8,12127,3; 767,34) ‚Aber durch die Vorteile der Natur und der Erziehung, von denen wir gesprochen haben, wurde durch böse Männer gegen die jungen Frauen und ihre Mutter ein großer Streit ausgelöst.‘ Intl. über -ntenti-. Die Glosse wurde radiert, ist aber noch knapp lesbar. strit: Nom. Sg. st. M. ahd. strīt ‚Streit, Wettstreit‘ – GSp 6,747. SpAW 1,950. StWG 600, 831. SchG 9,276.

|| 125 In der Handschrift Kapitel XIII. 126 In der Handschrift Kapitel XIII. 127 In der Handschrift Kapitel XIII.

368 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

234. f. 113r, Z. 13, turbines – tunstin (13) … cumque declinandi turbines (Ed. turbinis) gratia sui absentiam procurassent (8,12128,3; 767,35) ‚als sie sich aber zurückzogen, um den Aufruhr zu vermeiden, …‘. Die Glosse ist radiert worden und nur noch knapp lesbar. Vor u ist eine Ritzung zu erkennen, die in der Durchprägung auf f. 114r als t zu lesen ist. tunstin: Gen. Sg. (od. Akk. Pl.?) sw. F. ahd. tunstī ‚Aufruhr‘. Bekannt ist das st. F. ahd. tunst ‚Sturmwind‘ – GSp 5,430. SpAW 1,1030. StWG 642. SchG 10,97. -in verweist dagegen auf konsonantische Flexion. (Für Dat. Pl. ist kein Anlass zu sehen, allerdings weisen zahlreiche Glossen im Clm 6383 keine formale Kongruenz zwischen Lemma und Interpretament auf.) 235. f. 113v, Z. 3, monilibus – scer fo (1) … aliae duae uirgines … / (2) … ornatae mo/ (3) ribus magis quam monilibus (8,12129,5; 769,23) ‚zwei andere junge Frauen, geschmückt mehr durch ihre Sittlichkeit als durch ihren Schmuck‘. Mit spitzem Griffel intl. gut lesbar eingetragen, mit Spatium nach r, scer über moni-, fo über b;. scerfo: Gen. Pl. (?) oder Instr. Sg. (?) st. N. ahd. skerf, skerpf ‚Münze, Schmuck‘ – GSp 6,541. SpAW 1,843. StWG 539. SchG 8,326. Gen. Pl. ist schwierig zu erklären. Der lateinische Plural monilia steht für ‚Schmuck, Geschmeide‘ (GH 2,993). Sollte ahd. skerf diese metonymische Bedeutung gehabt haben, wäre die Form als Instrumental Singular zu deuten. Instrumental Singular auf -o kommt selten auch schon in den älteren Quellen vor (BRG §193,A.3). 236. f. 113v, Z. 15, aliquando – souanne (14) … Sed cum / (15) aliquando iam non ratione aut humanitate crudelitatis tamen nimietate satiati / (16) respicere ad immanitatem sceleris sui coepissent (8,12130,8; 771,2) ‚Aber als sie irgendwann zufrieden waren, nicht mit ihrer Vernunft oder Rücksicht, sondern mit dem Übermaß ihrer Grausamkeit, begannen sie, über die Ungeheuerlichkeit ihres Verbrechens nachzudenken.‘ Im Blattrand beginnend, bis über den Anfang des Lemmas, in sehr schwacher Einprägung. Das zweite n ist wegen eines Kratzers schlecht erkennbar. souanne: Konj. ahd. sōwanne ‚wann immer, wenn einmal‘ – GSp 4,1203 (6,18). SpAW 1,893, 1061. StWG 567. SchG 9,46.

|| 128 In der Handschrift Kapitel XIII. 129 In der Handschrift Kapitel XIII. 130 In der Handschrift Kapitel XIV.

Die Glossen | 369

237. f. 113v, Z. 20, (de reliquo) – f(…)fort (18) … Quoniam fas non esset / (19) tot cives in quibus fidei suae esset obstinata persuasio morti tradere placere de reli/ (20) quo ut hoc genus hominum nequaquam quidem subiret interitum (8,12131,9; 771,8) ‚Es hieß, es sei nicht richtig, so viele Bürger zu Tode zu bringen, die hartnäckig an ihrem Glauben festhielten, und es sei fernerhin recht, dass Menschen dieser Art von nun an niemals hingerichtet werden sollten.‘ Schwache Eintragung marg. links neben Z. 20, bei Lichteinfall von unten rechts resthaft so lesbar. f(…)fort: Adv. ahd. f[]fort? Unklar, lat. de reliquo ist andernorts mit ahd. frammort (AWB 3,1219) wiedergegeben worden (vgl. GötzLAN 565), was hier aber nicht so zu stehen scheint. 238. f. 114v, Z. 29, insuetam – unca(…)tan (27) … Tantus uero metus / (28) patres plebumque oppresserat uti ne hoc ipsum quidem quod in metu erant132 / (29) palam ostendere auderent sed ferebant insuetam seruitutem gementes (8,14133,3; 781,3) ‚Aber die Furcht, die die Väter und die Menschen belastete, war so groß, dass sie es nicht wagten, selbst offen zu zeigen, dass sie Angst hatten, sondern sie ertrugen ihre ungewohnte Knechtschaft mit Stöhnen.‘ Nur teilweise lesbare, schwache Eintragung intl. über dem Lemma und bis über serdes folgenden Wortes. unca(…)tan: Akk. Sg. M st. flekt. Adj. ahd. ungi[]t ‚ungewohnt‘ (vielleicht ungiwenit? ungiwonēt? – GSp 1,874. SpAW 1,1153; allerdings erscheint auf der unlesbaren Stelle der Platz für fünf bis sechs Buchstaben zu knapp). Das Maskulinum dürfte mit einem virtuellen althochdeutschen Äquivalent für servitus (wie beispielsweise dionost) zu tun haben. 239.–240. f. 115r, Z. 22 (22) … uetera quoque delubra et olim etiam ab stu/ (23) diosis cultoribus derelicta renouari omnia iubet (8,14134,9; 783,5) ‚Er ordnete auch die Wiederherstellung aller alten Tempel an, die einst sogar von eifrigen Betenden aufgegeben worden waren.‘

|| 131 In der Handschrift Kapitel XIV. 132 -an- nachträglich von der Texthand eingefügt. 133 In der Handschrift Kapitel XV. 134 In der Handschrift Kapitel XVII.

370 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

239. f. 115r, Z. 22, delubra (8,14,9; 783,5) – hori Die Glosse mit stumpfem Griffel sehr schwach intl. über dem Lemma, r und i stehen in Ligatur. hori: Nom. Pl. st. M. N. ahd. huor ‚Schändung, Ort der Unzucht‘ – AWB 4,1383. SpAW 1,413. GSp 4,1010. StWG 293, 822, 850. SchG 4,452. EWA 4,1263. Als metonymische Ortsbezeichnung war ahd. huor bislang erst im 10.–12. Jahrhundert bezeugt (EWA 4,1263). -i der Glosse könnte auf einen i-Stamm deuten. Vielleicht ist die Glosse aber gekürzt und besteht lediglich aus einem Vorderglied mit Bindevokal. Aus der Glossenüberlieferung ist die Wiedergabe von lat. delubrum mittels ahd. huorhūs bekannt (StSG 1,653,35, 637,12). 240. f. 115r, Z. 22, olim (8,14,9; 783,5) – forn Mit stumpfem Griffel intl. über olim, der letzte Buchstabe nicht einwandfrei lesbar. forn: Adv. ahd. forn ‚einst‘ – AWB 3,1189. SpAW 1,256. GSp 3,627. StWG 173, 811. SchG 3,271. EWA 3,493. 241. f. 115r, Z. 31, auitis – aldun (30) … omnes pariter / (31) bonis paternis auitisque familiis euoluebat (8,14135,10; 783,15) ‚Und so vertrieb er alle Menschen gleichermaßen von ihren väterlichen Gütern und aus ihren großväterlichen Familien.‘ Intl. mit stumpfem Griffel über -uitisq-. Die Glosse wurde ausgekratzt, ist aber lesbar geblieben. d ist nicht ganz deutlich. aldun: Dat. Pl. sw. flekt. Adj. ahd. alt ‚alt‘ – AWB 1,287. GSp 1,192. SpAW 1,16. StWG 21, 786, 835. SchG 1,119. EWA 1,171. 242. f. 115r, Z. 33, temulentus – tranchot (32) … in conuiuiis uero / (33) tam profusus erat tamque temulentus ut insanus et mente captus uini furore / (34) putaretur (8,14136,11; 783,18) ‚Bei Gelagen war er wirklich so maßlos und so betrunken, dass man glaubte, er sei verrückt und sein Geist vom Weinrausch betäubt.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma. Die Glosse wurde radiert, ist aber noch lesbar. tranchot: Nom. Sg. M. nom. flekt. Adj. ahd. trankōt ‚betrunken‘ bzw. Part. Prät. sw. V. ahd. trankōn ‚sich betrinken‘, Ableitung vom st. M. ahd. trank ‚Trank‘ (GSp 5,538. SpAW 1,1015).

|| 135 In der Handschrift Kapitel XVII. 136 In der Handschrift Kapitel XVII.

Die Glossen | 371

243. f. 115v, Z. 4, studium – fliz (4) … cui inter cetera etiam hoc singulare studium erat ne / (5) ullam non dico urbem sed uel breue oppidum absque adulterio nobilium matronarum … / (6) … praeteriret (8,14137,12; 785,2) ‚Unter anderem zeigte er einen besonderen Eifer, an keinem der kleinsten Dörfer vorbeizukommen – von den Städten ganz zu schweigen –, ohne die vornehmen Frauen zu verführen.‘ Mit stumpfem Griffel fein intl. über stud- eingedrückt. fliz: Nom. Sg. st. M. ahd. flīz ‚Eifer, Anstrengung, Fleiß‘ – AWB 3,985. SpAW 1,248. GSp 3,780. StWG 165. SchG 3,216. EWA 3,397. 244. f. 115v, Z. 18, praeceps – fal (17) … Uerum cum duobus grauissimis dominis libidine et cru/ (18) delitate praeceps ageretur (8,14138,15; 785,17) ‚während er also von zwei fordernden Meistern, der Lust und der Grausamkeit, kopfüber angetrieben wurde, …‘. Mit stumpfem Griffel intl. über -ceps, sehr klar lesbar. fal: Nom. Sg. st. M. ahd. fal ‚Fall, Abgrund, Verderben‘ – AWB 3,531. SpAW 1,202. GSp 3,462. StWG 137, 806. SchG 3,31. EWA 3,21. Das Lemma ist als Substantiv aufgefasst. 245. f. 115v, Z. 21, uigebant – sual (20) sed in ea ingenii adque industrię bonum ceterarumque honestarum artium studia / (21) magis quam haec uigebant (8,14139,15; 785,20) ‚Aber noch mehr als diese Dinge blühten in ihr Intelligenz und Betriebsamkeit und ein eifriges Streben, alle übrigen ehrenvollen Künste zu beherrschen.‘ Schwache Eintragung, intl. über -geba-, l ist unsicher. sual: Die Lesung wäre vielleicht zu ungenügend für eine Identifikation, aber die Eintragung bildet eine Parallele zu Glosse 213; sual ist deshalb wohl gekürztes sw. V. ahd. swalēn ‚kräftig sein’, wie es mit ir- präfigiert in Glosse 213 bezeugt ist. Wegen des Numerus wenig wahrscheinlich ist 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. swellan ‚strotzen, kräftig sein‘ – GSp 6,873. StWG 616. SchG 9,391. 246. f. 116v, Z. 6, purulentis – fuleitare (5) … post / (6) etiam fistulis quibusdam in superfitiem purulentis meatibus adapertis de / (7) interioribus putrefacti uulneris uenis euullire undatim coepit innu/ (8)

|| 137 In der Handschrift Kapitel XVII. 138 In der Handschrift Kapitel XVII. 139 In der Handschrift Kapitel XVII.

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mera uermium multitudo (8,16140,4; 791,5) ‚Nachdem sich eitrige Geschwüre an der Oberfläche geöffnet hatten, begann eine zahllose Menge von Würmern in Wellen aus den Adern in der verwesten Wunde herauszusprudeln.‘ Intl. mit mal ritzendem, mal drückendem Griffel, bei Lichteinfall von oben links lesbar. Das Pergament ist an dieser Stelle sehr rau. fuleitare: Dat. Sg. st. N. ahd. fūleitar ‚Eiter‘. Zum Zweitglied eitar ‚Eiter‘ vgl. AWB 3,235. SpAW 1,177. GSp 1,158. StWG 123, 803. SchG 2,410. EWA 3,1025, zum Erstglied Wörter wie das sw. F. ahd. fūlī ‚Fäulnis, Wundeneiter‘ (AWB 3,1319), zur Komposition das aus dem 13. Jahrhundert überlieferte mhd. (ahd.?) fūlbluot ‚Wundsekret‘ (SchG 3,323). 247. f. 118r, Z. 4, nancisci – piniusen (…)ta (2) … Etenim maximinus … / (3) … sex non amplius menses passus est nostros in pace persis/ (4) tere et protinus quidquid ad obturandam (Ed. obturbandam) eam nancisci potuit (9,2; 807,22) ‚Maximinus ließ nämlich nicht zu, dass wir mehr als sechs Monate in Frieden blieben, und er vermochte sofort etwas zu finden, um diesen zu stören.‘ Intl. über nancisci, bei Lichteinfall von unten her erkennbar. Die Glosse wurde radiert, ist im vorderen Teil aber schwach lesbar geblieben. piniusen: Inf. sw. V. ahd. biniusen ‚erlangen‘ – AWB 6,1294. SpAW 1,673. GSp 2,1104. StWG 442. SchG 7,111. RSV 1,142. EWA 6,994. In der ungelesenen Fortsetzung (…)ta könnte eventuell eine Glosse zu potuit stecken. 248. f. 118v, Z. 9, triuio – cauu.c.e (7) … dux damasci cogni/ (8) ta imperatoris sui erga christianos libidine et placere ei in talibus studens indig/ (9) nissimas quasdam mulierculas de triuio conquesitas sisti sibi facit (9,5,2; 811,17) ‚Der Herzog von Damaskus, der von der Freude seines Kaisers an den Christen erfahren hatte und darauf bedacht war, ihn in dieser Angelegenheit zufriedenzustellen, suchte auf der Straße einige höchst unansehnliche Frauen zusammen und ließ sie vor sich hintreten.‘ Intl. über dem Lemma mit spitzem Griffel. ca ist kleiner als dann uu. Die Glosse wurde radiert und ist in der Mitte nicht mehr lesbar. Auch über erga in Z. 8 ist ein Eintrag radiert worden (vgl. Unidentifizierte Griffeleintragungen). cauu.c.e: Vermutlich Dat. Sg. st. N. ahd. giwiggi ‚Scheideweg, Kreuzung‘ – GSp 1,671. SpAW 1,1078. StWG 228, 818. SchG 11,122.

|| 140 In der Handschrift Kapitel XVII.

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249. f. 119r, Z. 6, fragilis – pluc (4) … fateor … / (5) … simulacra quę ipsi finximus deos caeli ac terrae puta/ (6) bamus auctores sed arguebat eos fragilis substantiae suae a nobis prestita / (7) consecratio (9,6,3; 813,21) ‚Ich gebe zu, dass wir dachten, dass die Bilder, die wir uns selbst ausdachten, die Götter des Himmels und die Schöpfer der Erde seien, aber die Vergötterung ihrer schwachen Beschaffenheit, die wir ihnen entgegenbrachten, widerlegte sie.‘ Die Glosse intl. über fragi-, radiert und schwierig zu entziffern. Durch mutmaßliches u geht ein schräger Kratzer. pluc: Unsicherer Beleg für das Adj. ahd. blūg ‚schwach, furchtsam‘ – AWB 1,1226. SpAW 1,82. GSp 3,247. EWA 2,201, das bislang nur bei Otfrid im Adv. blūgo belegt ist. 250. f. 119r, Z. 8, fictum – cahuct (8) … uerum omnipotens ille deus quem non nostris manibus fictum sed cuius / (9) nos decebat esse ficmentum (9,6,3; 813,24) ‚aber jener allmächtige Gott, der nicht das Werk unserer Hände ist, sondern dessen Schöpfung es war, dass wir sein sollten, …‘. Die Glosse steht intl., beginnt über c und reicht bis über s- von sed. Sie ist radiert, aber lesbar geblieben. t ist schwach. cahuct: Akk. Sg. st. F. ahd. gihugt ‚das Ausgedachte, Erfindung‘ – AWB 4,1333. SpAW 1,408. GSp 4,793. StWG 209, 816, (848). SchG 4,242. EWA 4,281. Das Wort ist sonst in der Bedeutung ‚Gedächtnis, Andenken, Erinnerung‘ überliefert. 251. f. 119v, Z. 8, gratia – danche (7) … quando pueris scholaris meditatio de pilato et / (8) ihesu haberi contumeliae nostrae gratia iussa est (9,7,1; 815,25) ‚Wann wurde angeordnet, dass um unserer Verleumdung willen die Schulübungen der Kinder Pilatus und Jesus betreffen sollten?‘ Intl. über gratia, gut sichtbar ist der Schaft von d über -r-. Die Glosse ist radiert, dabei aber lesbar geblieben. danche: Vermutlich Dat. Sg. st. M. ahd. dank ‚Dank, Gunst, Gnade‘ – AWB 2,51. SpAW 1,129. GSp 5,167. StWG 90, 798. SchG 2,138. EWA 2,524, als Vokabelglossierung zu gratia und Erklärung dessen als Ablativ. Eine Präposition ahd. *danke ‚dank‘ ist dagegen unwahrscheinlich. 252. f. 119v, Z. 9, aere – scaz (9) … in his uero legibus quas aduersum nos aere inci/ (10) sas singulis quibusque ciuitatibus proposuerat uelut in aeternum mansuras (9,7,1; 815,27) ‚... in diesen Ge-

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setzen aber, die er gegen uns in jeder Stadt in Bronze eingravierte, als ob sie für immer bestehen würden‘. Mit spitzem Griffel intl. über aere, c und a sind klein. scaz: Nom. Sg. st. M. ahd. skaz ‚Geld‘ – GSp 6,557. StWG 534, 830. SchG 8,291, als Vokabelglossierung zu lat. N. aes, das unter mehreren auch die Bedeutung ‚Geld‘ tragen kann. 253. f. 120r, Z. 4, daemonas – cafarrun (3) … ab eo christianae religionis ritum … / (4) … in idulorum cultum mutare cogeretur et daemonas uenerari pro deo (9,8,2; 823,3) ‚Es (das Volk der Armenier) wurde von ihm (vom Volk der Römer) gezwungen, vom christlichen Ritus zur Anbetung von Götzen überzugehen und statt Gott Dämonen zu verehren.‘ Mit feinem, stumpfem Griffel sehr dezent, aber lesbar intl. über daemonas. cafarrun: Akk. Pl. (M.?) sw. flekt. Adj. ahd. gifāri ‚lauernd, nachstellend‘ – AWB 3,626. GSp 3,576. SpAW 1,204. StWG 206. SchG 3,65. EWA 3,53, bislang einmalig überliefert im Clm 18922 (StSG 2,477,4); in unserer Glosse möglicherweise substantivisch verwendet (*gifāro ‚Dämon‘?). rr der Glosse weist auf das Oberdeutsche und auf Langvokal (BRG §121,3.) 254. f. 120r, Z. 15, stragem – uual (15) quod et si aliqui inminentem uidentes stragem filios suos ad / (16) urbem uenundaturi abduxerant (9,8,6; 823,14) ‚Weil sie die drohende Vernichtung voraussahen, brachten einige Leute ihre Kinder in die Stadt, um sie zu verkaufen.‘ Intl. über -rage-, mit stumpfem Griffel, gut lesbar. uual: Akk. Sg. st. M. N. ahd. wal ‚Gemetzel, Blutbad, Verwüstung‘ – GSp 1,801. SpAW 1,1055. StWG 691. SchG 10,358. 255. f. 120r, Z. 28, stipem – druh (27) colore taetro luminibus in profundum demersis, huc atque illuc corpore nu/ (28) tabundi, et iam iamque labsuri ingrediebantur, nec uoce iam stipem, sed ulti/ (29) mum trahendo spiritum deposcentes (9,8,8; 825,1) ‚Mit abscheulicher Gesichtsfarbe, die Augen tief eingesunken, schritten sie, nahe daran zusammenzubrechen, mit ihrem Körper hin- und herschwankend einher und bettelten nicht mehr mit ihrer Stimme, sondern mit ihrem letzten Atemzug um Almosen.‘ Die Glosse steht von stumpfem Griffel intl. über dem Lemma. Sie ist radiert worden, aber knapp lesbar geblieben. druh: Akk. Sg. st. F. ahd. drūh ‚Holzklotz, Holzfessel‘ – AWB 2,685. SpAW 1,154. GSp 5,254. StWG 109, 801. SchG 2,302. EWA 2,816. Kontextunabhängige Glossierung von

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stipem als Akk. Sg. M. lat. stips ‚Stock, Klotz‘ statt vom Textwort, das Akk. Sg. F. lat. stips ‚Almosen‘ ist. 256. f. 120v, Z. 32, ac – enti (31) … conferre certatim unusquisque prout / (32) poterat cybos et sustentare ac reficere pereuntes (9,8,14; 827,3) ‚Sie wetteiferten miteinander, um Essen anzubieten, wie es jedem möglich war, und um diejenigen zu unterstützen und zu erquicken, die im Sterben lagen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über ac re- eingetragen. Die Glosse wurde radiert, ist aber lesbar geblieben. enti: Konj. ahd. inti ‚und‘ – AWB 4,1630. SpAW 1,424. GSp 1,361. StWG xliii, 305. SchG 5,56. EWA 5,125. 257. f. 121r, Z. 21, fautor – ukaiso oder likaiso (20) … erat quidem iam tunc christiane / (21) religionis fautor uerique dei uenerator nondum tamen ut est sollemne nostris / (22) initiari signum dominicae passionis acceperat (9,8141,15; 827,29) ‚Er war tatsächlich bereits ein Anhänger der christlichen Religion und ein Anbeter des wahren Gottes, hatte aber noch nicht das bei uns übliche Zeichen der Passion Christi, die Taufe, empfangen.‘ Mit spitzem Griffel intl. über fautor. Am Anfang der Glosse scheint u zu stehen, das aber vielleicht auch li mit niedrigem l sein kann. o ist schwach und nicht ganz sicher zugehörig. ukaiso oder likaiso: Ein rätselhafter Beleg (ahd.?). Aus der Endung und dem Lemma ist allenfalls auf ein sw. M. und am ehesten auf ein Nomen agentis zu schließen. Für das Basiswort sind aber keine direkten Anschlüsse in Sicht. Für ukais- ist nichts zu finden. Für likais- am nächsten erscheint das sw. V. ahd. līhhēn ‚Gefallen finden‘ (AWB 5,966. EWA 5,1274), aber dann müsste bei līkaiso von unverschobenem germ. /k/ ausgegangen werden. Aus der Fortsetzung -aiso ergäben sich zudem weitere Fragen. Gleichwohl ist am ehesten an einen Bezug zu urgerm. *līkai̯- ‚angemessen, gleich sein‘ zu denken. 258. f. 122r, Z. 17, cedens – inuueih (16) … tamen / (17) quoniam resistere non audebat et rursum aliaene auctoritati cedens inuitus uideri / (18) in hoc uenisse erubiscebat (9,9,13; 835,2) ‚Er wagte es immer noch nicht, sich zu widersetzen, während er sich andererseits schämte, scheinbar nur darauf beschränkt zu sein, unfreiwillig der Autorität anderer nachzugeben.‘

|| 141 In der Handschrift Kapitel IX.

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Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. sehr kräftig über cedens eingetragen. Sie wurde radiert und ist in loco nur resthaft zu erkennen. Dank der Durchprägung auf der Rückseite des Blattes ist sie mithilfe eines Spiegels jedoch lesbar. inuueih: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. intwīhhan ‚nachgeben, ausweichen‘ – GSp 1,709. SpAW 1,1121. StWG 727. SchG 1,129. 259. f. 122v, Z. 15, euasit – for (15) tandem ad ea loca quae hostibus carere uidebantur euasit (9,10,4; 841,10) ‚Endlich floh er an jene Orte, welche frei von Feinden zu sein schienen.‘ Intl. über -ua-, fein und weißlich. Das Pergament ist an dieser Stelle stark zerknittert. for: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. faran ‚hinausgehen, entkommen‘ – AWB 3,570. SpAW 1,204. GSp 3,548. StWG 140, 806, 843. SchG 3,51. EWA 3,56. 260. f. 122v, Z. 29, prouintialium – calant (29) … indesidentem curam prouintialium nostrorum geren/ (30) tes et utilitatibus eorum uel commodis consulentes (9,10,7; 843,7) ‚da wir uns ständig um unsere Provinzbewohner kümmern und mit Ratschlägen auf ihre Bedürfnisse und Interessen eingehen, …‘. Intl. mit feinem, stumpfem Griffel über -uinti- schwach eingeprägt. Nach n folgt ein undeutlicher Buchstabe, der t sein könnte. calant: Vielleicht gekürztes (?) Adj. ahd. gilent-/gilant[] ‚zur Provinz gehörig‘, beispielsweise *gilenti?, *gilentīg? Vgl. das Adj. ahd. inlenti, inlentīg ‚einheimisch‘ (AWB 4,1606). 261. f. 122v, Z. 33, diuis – cot. (f. 122v, Z. 33) … quod iussum fuerat a diuis / (34) principibus diocletiano et maximiano parentibus nostris inhiberi conuentus // (f. 123r, Z. 1) christianorum (9,10,8; 843,12) ‚dass der Befehl, die Versammlungen der Christen zu verbieten, an unsere Eltern von den göttergleichen Fürsten Diokletia und Maximian ausgegangen war‘. Die Glosse steht intl. über diuis. Sie wurde radiert und ist am Ende nicht mehr lesbar. cot.: st. M. ahd got ‚Gott‘ – AWB 4,332. SpAW 1,314. StWG 234. SchG 4,34. EWA 4,534, in unklarer Form. Das Lemma wurde offenbar als Substantiv, M. lat. dīvus, aufgefasst.

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262. f. 123r, Z. 22, capiant – cafa(…)n (22) … ut et in hoc omnes pietatis nostrae beneficium capiant (9,10,11; 845,18) ‚damit auch in dieser Hinsicht alle die Wohltat unserer Frömmigkeit empfangen können‘. Der Eintrag ist ausradiert worden und nur noch am Anfang und am Schluss lesbar. cafa(…)n: Vermutlich Rest von einer Wortform des st. V. ahd. gifāhan ‚entgegennehmen‘ – AWB 3,503. GSp 3,388. SpAW 1,197. StWG 136, 806. SchG 3,25. EWA 3,13. 263.–264. f. 123v, Z. 6 (6) Sed defuncto eo qui erga christianos nunc inaudita crudelitate nunc simulata / (7) uenia agebat (9,11142,1; 849,4) ‚Aber mit dem Tod desjenigen, der die Christen bald mit unerhörter Grausamkeit, bald mit vorgetäuschter Nachsicht behandelte, …‘. 263. f. 123v, Z. 6, nunc (9,11,1; 849,4) – sumanes Mit stumpfem Griffel intl. sehr fein über N̄c ina-. sumanes: Adv. ahd. sumanes ‚zuweilen, bald (… bald)‘ – GSp 6,47. SpAW 1,962. StWG 606. SchG 9,324, als Pendant zur nachfolgenden Glosse. 264. f. 123v, Z. 6, nunc (9,11,1; 849,5) – suma Intl. mit stumpfem Griffel über N̄c. suma: Vermutlich gekürztes Adv. ahd. sumanes ‚zuweilen, bald (bald …)‘ – GSp 6,47. SpAW 1,962. StWG 606. SchG 9,324, als Pendant zur vorausgehenden Glosse. 265. f. 124r, Z. 26, amplius – ferror (25) … iuuabat enim christianorum principum fauor, et le/ (26) gislatione religiosa alacris (Ed. alacres) nostrorum animos eo amplius animabat (10143,2,2; 861,6) ‚Die Hilfe kam nämlich aus dem guten Willen der christlichen Herrscher, und er feuerte die eifrige Gesinnung der Unsrigen noch mehr an.‘ Intl. über m einsetzend, schwach eingeprägt. Mutmaßliches rr konnte nicht sicher gelesen werden. ferror: Adv. Komp. ahd. ferrōr, aus ferro ‚entfernter, weiter‘ – AWB 3,750. GSp 3,659. SpAW 1,224. StWG 148, 808. SchG 3,122. Zur Ausgangsform Adv. ahd. fer vgl. EWA 3,157.

|| 142 In der Handschrift Kapitel X. 143 In der Handschrift noch Buch IX.

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266.–267. f. 124r, Z. 28 (27) … et honorem sacerdotibus / (28) cum summa ueneratione deferrent, sed et inpendiorum sumptus benignius / (29) largirentur (10144,2,2; 861,8) ‚Sie überbrachten den Priestern die Ehre ihres tiefsten Respekts und spendeten auch großzügig den Aufwand der hohen Kosten.‘ 266. f. 124r, Z. 28, et (10,2,2; 861,8) – enti Intl. über Sed et, ziemlich schlecht sicht- und lesbar. enti: Konj. ahd. inti ‚und‘ – AWB 4,1630. GSp 1,361. SpAW 1,424. StWG xliii, 305, 823, 850. SchG 5,56. EWA 1,125. 267. f. 124r, Z. 28, inpendiorum (10,2,2; 861,8) – cazi ugo Intl. über inpendio-, sehr schwierig zu entziffern. Zwischen i und u ist ein Abstand. Intl. über sumptus verlaufen weitere Spuren. cazi ugo: Gen. Pl. st. M./N. ahd. giziug ‚Kosten, Aufwand‘ – GSp 5,614. SpAW 1,1192. StWG 230, 818, 849. SchG 11,433. 268. f. 124v, Z. 8, uicibus – uuilom (7) adstabant hic psallentium chori iuuenes et uirgenes145 seniores cum iunioribus / (8) laudabant nomen domini hic mystica mynisteria ordinatis ac dispositis uicibus / (9) agebantur (10146,3,4; 863,5) ‚An einem Ort standen Chöre von Menschen, die Psalmen sangen, junge Männer und Frauen, ältere mit jüngeren, lobten sie den Namen des Herrn, während an einem anderen Ort die heiligen Gottesdienste zu geregelten und wohlgeordneten Zeiten abgehalten wurden.‘ Mit stumpfem Griffel intl., kurz vor dem Lemma beginnend und bis in den Blattrand hinaus, gut lesbar. uuilom: Dat. Pl. st. sw. F. ahd. wīla ‚Zeitpunkt, Weile‘ – GSp 4,1224. SpAW 1,1124. StWG 728. SchG 11,138. 269. f. 125r, Z. 7, primo – ein. (6) … immo inhumana inuidiae clade perculsus occul/ (7) tis insidiis primo decipere egregium principem parat (10147,8,5; 893,17) ‚Viel eher von einer unmenschlichen Zerstörung durch Neid erschüttert begann er zuerst mit geheimen Plänen den edlen Herrscher zu täuschen.‘

|| 144 In der Handschrift noch Buch IX. 145 Danach Rasur? 146 In der Handschrift noch Buch IX. 147 In der Handschrift noch Buch IX.

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Intl. über -mo, sehr schwach eingedrückt, gegen hinten verlöschend. ein.: Adv. ahd. ein[], vielleicht gekürztes oder resthaftes Adv. ahd. einēst ‚einmal, zunächst‘ – AWB 3,181. 270.–272. f. 125r, Z. 20–21 (20) … Nunc in nostros tela contorquet et tyrannidis suae prima / (21) sacrilegia nostrorum cruore delibat (10148,8,9; 895,12) ‚Jetzt drehte er seine Lanzen gegen unser Volk herum und kostete die ersten Religionsfrevel seiner Tyrannei mit unserem Blut.‘ 270. f. 125r, Z. 20, contorquet (10,8,9; 895,12) – reit Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über -ontor-, lesbar, wenn auch schwach und verunklart durch Querkratzer. reit: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. rīdan ‚herumdrehen‘ – GSp 2,473. SpAW 1,745. StWG 482. SchG 7,398. Das auslautende t ist eher durch Übergreifen des grammatischen Wechsels als durch Auslautverhärtung erklärbar. Zum auch frühen Vorkommen von t für ahd. d vgl. BRG §167,A.6. 271. f. 125r, Z. 21, sacrilegia (10,8,9; 895,13) – macare Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma, über -a- einsetzend. macare: Unklar. Akk. Pl. eines st. N. ahd. *magari bzw. eines M. st. flekt. Adj. ahd. magar, magari ‚mager‘ – AWB 6,63 sind mit dem Textwort nicht in Einklang zu bringen. Das Wort mit Akk. Pl. st. M. ahd. machāri ‚Vermittler‘ – AWB 6,89 zu erklären, ist ebenfalls nicht plausibel. 272. f. 125r, Z. 21, delibat (10,8,9; 895,13) – cumeta Intl. mit stumpfem Griffel, sehr klar lesbar über -e deliba-. c- ist hochgezogen. cumeta: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. *gumēn ‚einen Teil wegnehmen, kosten‘. Das bislang unbekannte Verb steht vielleicht in ablautendem Verhältnis zu ahd. goumen ‚speisen‘, gouma ‚Essen‘ – AWB 4,376, 380. EWA 4,556–564. 273. f. 125r, Z. 24, crudelitate – crim (24) … Statim tamen inuenit aliquid in quo priores crudelitate superaret (10149,8,11; 897,1) ‚Dennoch fand er sogleich einen Weg, um seine Vorgänger an Grausamkeit zu übertreffen.‘ Intl. über -itate, sehr schwach und am Ende nicht ganz sicher.

|| 148 In der Handschrift noch Buch IX. 149 In der Handschrift noch Buch IX.

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crim: Unsicherer Beleg für gekürztes sw. F. ahd. grimmī ‚Grausamkeit‘? – AWB 4,428. GSp 4,324. SpAW 1,324. StWG 240. SchG 4,49. EWA 4,621. 274. f. 125r, Z. 34, negotii – saga (f. 125r, Z. 34) … nullaque negotii inquisitione habita puniri hoc // (f. 125v, Z. 1) solo quo (Ed. quod) deferebantur iubebat (10150,8,14; 897,11) ‚Er befahl, sie zu bestrafen, nur weil sie angeklagt worden waren und ohne eine Untersuchung der Angelegenheit.‘ Die Eintragung mit stumpfem Griffel steht intl. über -ue nego-, schwierig zu entziffern und umgeben von weiteren Griffelspuren. saga: Gen. Sg. st. F. ahd. saga ‚Meinung, Rechenschaft‘ – GSp 6,105. SpAW 1,782. StWG 501. SchG 8,57, in inhaltlich nicht ganz klarem Zusammenhang mit dem Text. 275. f. 125v, Z. 8, satis agere – canucternissa (6) … ecclesias / (7) quoque … rursum / (8) ipse subuertere et per omnia satis agere quatenus cunctos qui ante se / (9) fuerant tyrannos crudelitate superaret (10151,8,15; 899,8) ‚Auch die Kirchen riss er erneut nieder, und er hatte vollauf genug zu tun damit, alle Tyrannen, die ihm vorausgegangen waren, an Grausamkeit zu übertreffen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über satis agere, schwierig zu entziffern. Schon über -mnvon omnia steht etwas (fa?). canucternissa: (Nom. Sg.?) st. F. ginuhtarnissa ‚Überfluss, Genüge‘, den Sachverhalt umschreibende Abstraktbildung, vielleicht denominal auf Basis eines Adjektivs *ginuht-ar gebildet. Zum st. F. ginuht ‚Überfluss‘ und sw. V. ahd. ginuhten ‚reichlich vorhanden sein‘ vgl. AWB 6,1406. SpAW 1,654. EWA 4,352, zum Suffix -nissa vgl. SpAW 2,331. EWA 6,905. 276. f. 125v, Z. 13, (factionibus?) – casa.. (12) … praeterea si quos iniquis factio/ (13) nibus circumuentos in exilium misisset, … (10152,8,13; 899,13) ‚und wenn er außerdem betrogene Männer unter falschen Anschuldigungen verbannte, …‘. Mit stumpfem Griffel marg. links neben Z. 13, die mit nib; von factionib; beginnt. casa..: Möglicherweise st. N. ahd. gisamani ‚Partei, Versammlung, Anhängerschaft‘ – GSp 6,37. SpAW 1,791. StWG 219. SchG 8,93. Dies ist in der althochdeutschen Glossenüberlieferung als Interpretament zu lat. factio anzutreffen. || 150 In der Handschrift noch Buch IX. 151 In der Handschrift noch Buch IX. 152 In der Handschrift noch Buch IX.

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277. f. 125v, Z. 20, eminentior – furi (18) … Nec / (19) difficultas aliqua uictoriae fuit ubi et causa iustior et fides / (20) purior et uirtus eminentior habebatur (10153,9,6; 901,1) ‚Der Sieg war auch in keiner Weise schwierig, wenn die Sache als gerechter, der Glaube als reiner und die Tugend als herausragender betrachtet wurde.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -min-, sehr klar lesbar. r und i stehen in Ligatur. furi: Präfix ahd. furi ‚hervor-, heraus-‘ – AWB 3,1379. SpAW 1,256. GSp 3,612. StWG 185, 812. SchG 3,350. EWA 3,660. 278. f. 127r, Z. 21, simulatio – forit (20) … cum haec dixisset omnes simul quaerimoniarum libellos iussit exuri / (21) ne innotesceret ulli hominum simulatio sacerdotum (10,2; 961,20) ‚Nachdem er so gesprochen hatte, befahl er, alle Bittschriften, die Beschwerden enthielten, zu verbrennen, damit die Heuchelei zwischen den Priestern niemandem bekannt werde.‘ Die Glosse intl. über simulatio, ori ist ligiert. forit: Unklar. Ist ein Substantiv ahd. fuorit ‚Heuchelei, Vorspiegelung‘ anzusetzen? 279. f. 127r, Z. 31, certaminis – paga (30) … In quibus quidam insig/ (31) nis in arte dialectica per dies singulos conflictum summi certaminis cum epis/ (32) copis nostris … mouebat (10,3; 962,3) ‚Einer von denen, die gewieft waren in der Kunst der Dialektik, veranlasste jeden Tag einen Zusammenstoß der härtesten Debatte mit unseren Bischöfen.‘ Mit stumpfem Griffel fein intl. über -tami-. Das Schluss-a ist sehr schwach. paga: Gen. Sg. st. F. ahd. bāga ‚Streit, Wortgefecht‘ – AWB 1,775. SpAW 1,37. StWG 39, 790. SchG 1,244. EWA 1,425. Vgl. auch die Glosse 172. 280. f. 127r, Z. 32, non inprobabiliter? – unca(…) (32) … uiris adaequae in dialectica non inprobabiliter eruditis (10,3; 962,3) ‚... mit Männern, die in der Disputationskunst keineswegs unerfahren waren‘. Schwache Eintragung intl. über non und bis über inp- von inprobabiliter. unca(…): Adv. (?) ahd. ungi[]. Außer den Präfixen ist nichts zu ermitteln. 281. f. 127v, Z. 3, (laberetur) – ars/life (1) … tanta etenim dicendi arte obiectis quaestionibus occur/ (2) rebat ut ubi maxime putaretur adstrictus uelut anguis lubricus / (3) laberetur (10,3; 962,8) ‚Er begegnete

|| 153 In der Handschrift noch Buch IX.

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den gestellten Fragen mit solch einer rhetorischen Geschicklichkeit, dass er, wann immer er am festesten gefangen schien, wie eine schlüpfrige Schlange wegglitt.‘ Die Glosse steht zweiteilig marg. links neben Z. 3 und reicht mit e in die Zeile hinein. arslife: 3. Sg. Konj. Präs. st. V. irslīfan ‚wegschlüpfen‘ – GSp 6,808. SpAW 1,875. StWG 558. SchG 8,452. 282. f. 127v, Z. 6, insultantem – itauuizzentā (6) … qui cum uidisset filosofum insultantem nostris / (7) et callida se disputationis arte iactantem (10,3; 962,12) ‚als er sah, wie der Philosoph unsere Leute verspottete und verschlagen und prahlerisch seine Fähigkeiten in der Dialektik zeigte, … ‘. Mit spitzem Griffel intl. über dem Lemma eingetragen, über -lt- beginnend. itauuizzentā = itauuizzentan: Akk. Sg. M. st. flekt. Part. Präs. sw. V. itawīzen ‚beschimpfen, Vorwürfe machen‘ – AWB 4,1755. GSp 1,1120. StWG 314. SchG 5,98. RSV 1,82. EWA 6,233. Vgl. auch Splett (1976: 198). 283. f. 128r, Z. 22, clamitat – hlahahareti (21) … permotus lacri/ (22) mis eius senex ad sepulchrum filię properat atque eam nomine clamitat (10,5; 964,12) ‚Bewegt von seinen (des anderen Mannes) Tränen eilte der alte Mann zum Grab seiner Tochter und rief sie beim Namen.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel in feiner Schrift intl. über dem Lemma. eti ist ligiert (gestürztes t, tief reichendes i). hlahahareti: 3. Sg. Konj. Prät. sw. V. ahd. hlahaharēn ‚laut schreien‘. Zum Simplex, dem sw. V. ahd. harēn vgl. AWB 4,711. EWA 4,829. Im Vorderglied ist zwar das st. V. ahd. lahhan ‚lachen‘ (AWB 5,592. EWA 5,982) zu erkennen, doch muss dies wohl als reines Schallwort aufgefasst werden, da clamitat in der Textbedeutung nichts mit Lachen zu tun haben kann. hlaha ist somit wohl reine Verstärkung zu ‚sehr laut schreien‘. Die konjunktivische Form ist merkwürdig. 284. f. 128r, Z. 31, eius – sine (30) … euocabatur frequenter arrius in concilium (Ed. consilium) / (31) et adsiduo tractatu adsertiones eius discutiebantur (10,5; 964,23) ‚Arrius wurde oft in den Rat gerufen, und seine Aussagen wurden in sorgfältiger Behandlung geprüft.‘ Mit spitzem Griffel intl. über -ius. Auch über cogitabatur in Z. 29 stehen Ritzungen. sine: Nom. Pl. M. Poss.-Pron. ahd. sīn ‚sein‘ – GSp 6,6. StWG 523, 829, 853. SchG 8,227.

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285. f. 128v, Z. 6, obniti – uuidari (5) … Defertur ad constantinum sacerdotalis concilii sententia, ille tamquam / (6) a deo prolatam ueneratur154 cui si qui temptasset obniti uelut contra diuina statu/ (7) ta uenientem in exilium155 se protestatur acturum (10,5; 965,8) ‚Die Entscheidung des Priesterrates wurde an Konstantin weitergeleitet, der sie so verehrte, als ob sie von Gott ausgesprochen worden wäre, und erklärte, dass er jeden, der versuchen sollte, sich dagegen zu wehren, verbannen würde wegen Verstoßes gegen das göttlich Verordnete.‘ Mit stumpfem Griffel fein eingeprägt, gut lesbar, intl. über -niti ue-. r und i stehen in Ligatur. uuidari: Verb.-Präf. ahd. widari ‚gegen-, entgegen-‘, vgl. das Adv. widari – GSp 1,636. SpAW 1,1118. StWG 723. SchG 11,110. 286. f. 128v, Z. 23, mutabilem – arfor. (22) … aut ex alia subsistentia uel substantia / (23) dicunt esse aut conuertibilem uel mutabilem filium dei (10,6; 966,4) ‚oder (wer sagt), dass Gottes Sohn aus einer anderen Subsistenz oder Substanz ist oder veränderlich und wandelbar, ...‘. Mit stumpfem Griffel, intl. vor m- einsetzend, bis über a, gegen hinten verlöschend. Die Glosse ist schlecht erkennbar. arfor.: Adj. ahd. irfuori ‚veränderlich‘? Vgl. das Adj. ahd. gifuori ‚geeignet‘ (AWB 3,1355) und das sw. V. ahd. irfuoren ‚wegbringen‘ (AWB 3,1362). 287.–288. f. 128v, Z. 25 (24) … statuunt praeterea obseruandum esse in ecclesi/ (25) is ne quis ex his qui semet ipsos inpatientia libidinis exciderunt ueniret ad / (26) clerum (10,6; 966,7) ‚Sie beschließen im Zusatz, dass in den Kirchen darüber gewacht werden müsse, dass niemand von denen, die sich wegen mangelnder Bereitschaft sexuelles Verlangen auszuhalten selbst kastrieren, zum Klerus zugelassen werden darf.‘ 287. f. 128v, Z. 25, libidinis (10,6; 966,7) – geil. Schwache Eintragung intl. über libi-. g und l sind kaum sichtbar und unsicher. geil.: Vielleicht Gen. Sg. sw. F. ahd. geilī ‚Wollust, Maßlosigkeit‘ – AWB 4,180. GSp 4,183. SpAW 1,294. StWG 195. SchG 3,421. EWA 4,123.

|| 154 ra von der Texthand nachträglich eingefügt. 155 Erstes i von der Texthand aus e korrigiert.

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288. f. 128v, Z. 25, exciderunt (10,6; 966,7) – cafurontisint Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über exciderunt, is ist schwach, sonst gut lesbar. n und t stehen beide Male in alter Ligatur mit nach vorne geschwungenem Schaft des gestürzten t. cafurontisint: Bestehend aus cafuronti: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. gifūrōn ‚heraushauen, entmannen‘. Vgl. das sw. V. ahd. gifūren ‚entmannen‘ (AWB 3,1376. StWG xli. RSV 1,52. EWA 3,659) und sint: 3. Pl. Ind. Präs. Verb. subst. ahd. sīn ‚sein‘ – GSp 1,481. SpAW 1,815. StWG xlvi, 524, 829, 853. SchG 8,230. Vgl. die parallelen Glossen mit irfūren im Clm 18140, Clm 19440 und Wien, ÖNB Cod. 2732 (StSG 2,605,68) 289. f. 128v, Z. 29, uel si quae – ł ipa fa (27) … Et ut ne quis / (28) episcoporum ceterorumque clericorum cum extraneis mulieribus habitet praeter cum ma/ (29) tre uel sorore uel thia uel si quę sunt huiuscemodi necessitudinum personę (10,6; 966,12) ‚... und dass keiner der Bischöfe und der übrigen Kleriker mit nichtverwandten Frauen zusammenlebt, nur mit der Mutter oder der Schwester oder der Tante, oder wenn es Personen sind, die in dieser Weise verwandt sind‘. Die Eintragung von stumpfem Griffel setzt vor si ein, fa steht über quę. ł ipa fa: Bestehend aus ł: lat. uel, ipa: Konj. ahd. ibu (abu, ubi, oba) ‚falls, sofern, wenn‘ etc. – AWB 4,1442. SpAW 1,420. GSp 1,75. StWG 297, 823. SchG 4,483. EWA 5,6, zu der Variantenbildung vgl. EWA 5,7f. und fa: Unklar. Eine gekürzte Angabe, was mit dem Pronomen gemeint ist? 290. f. 128v, Z. 32, auctoritas – capaldi (30) … si hoc / (31) difficile est certe Non minus a tribus ita tamen ut metropolitani episcopi maxime / (32) uel praesentia uel auctoritas habeatur (10,6; 966,15) ‚Wenn dies schwierig ist, dann sicherlich um nicht weniger als drei (Bischöfe), aber so, dass entweder die Anwesenheit oder die Autorität des Metropolitanbischofs mit eingebunden ist.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über auctorit-. Wegen weiterer Griffellinien schwierig zu entziffern. d weist einen runden Schaft auf. capaldi: Nom. Sg. sw. F. ahd. gibeldī ‚Autorität, Einflussreichtum‘. Vgl. sw. F. beldī – AWB 1,862 (Bedeutung 8). GSp 3,110. SpAW 1,40. StWG 45. EWA 1,527, vgl. auch das Adj. ahd. gibeldi (AWB 1,862). 291. f. 129r, Z. 11, nouatiani – niuuiquemon (11) … Et Catharos qui aput nos nouatiani sunt (10,6; 967,9) ‚... und die Katharer, die bei uns als Novatianer bekannt sind‘.

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Mit stumpfem, feinem Griffel. Die Glosse beginnt intl. über -u- des Lemmas. Sie ist sehr gut lesbar. e und m stehen in hoher Ligatur. niuuiquemon: Nom. Pl. sw. M. ahd. niuwiquemo ‚Neuling, Neuankömmling, Neubekehrter‘ – GSp 4,673. SpAW 674, 717. StWG 443. SchG 7,114. EWA 6,1005. 292. f. 129r, Z. 22, cathecumenos – all(…)per.t (20) … Ut … / (21) … / (22) ... quinque annos inter cathecumenos faci/ (23) ant (10,6; 967,23) ‚Sie sollen fünf Jahre bei den Katechumen verbringen.‘ Lange intl., sehr schwach eingeprägte Glosse von stumpfem Griffel. a- setzt kurz vor c- des Textwortes ein, per.t steht über -cumenos. Dazwischen unlesbare Spuren. Auch über faciant befinden sich Einprägungen. all(…)per.t: Unklar. Zu Beginn ist das Pron.-Adj. ahd. al ‚all, jeder‘ – AWB 1,96 zu erkennen. 293.–294. f. 129v, Z. 23 (23) … et ob hoc infrequens et pęne obliuioni datus fuerat locus (10,7; 969,18) ‚Aus diesem Grund war der Ort nicht mehr besucht worden und fast dem Vergessen anheim gefallen.‘ 293. f. 129v, Z. 23, infrequens (10,7; 969,18) – uncareinot Die Glosse steht mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma in ganzer Länge und ist schwierig zu entziffern, weil sie mit einer Griffellinie quer durchgestrichen wurde (zur Markierung?). uncareinot: Nom. Sg. nom. flekt. Adj. ahd. ungireinōt ‚nicht aufgesucht, unberührt‘, herzuleiten aus dem Part. Prät. eines sw. V. ahd. *(h)reinōn ‚betreten, berühren‘ zum st. V. ahd. rīnan ‚berühren‘ – GSp 4,1156. SpAW 1,750. 294. f. 129v, Z. 23, obliuioni (10,7; 969,18) – far(…) Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma eine längere Eintragung, die nur am Anfang gelesen werden konnte. far(…): Präf. ahd. fir- (nhd. ver-) – GSp 3,604. SpAW 2,33. EWA 3,279, vermutlich der Beginn eines Verbalabstraktums ‚Vergessen‘. 295.–296. f. 129v, Z. 29 (27) … aderat quidem et / (28) titulus ille qui grecis et latinis, atque hebraicis litteris a pilato fue/ (29) rat conscribtus sed nec ipse satis euidenter dominici prodebat signa pa/ (30) tibuli (10,7; 969,25) ‚Dort wurde auch die Inschrift gefunden, die Pilatus mit griechischen, lateinischen und hebräischen Buchstaben angefertigt hatte,

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aber sie zeigte die Zeichen auf dem Querbalken des Kreuzes des Herrn nicht in nützlicher Deutlichkeit.‘ 295. f. 129v, Z. 29, dominici (10,7; 969,25) – cots..? Intl. über dem Lemma, sehr schwach. Nach lesbarem cot folgen vielleicht s und zwei weitere Buchstaben, danach ist die Situation unklar. cots..?: Adj. aus cot + s[]. cot: st. M. ahd. got ‚Gott‘ – AWB 4,332. SpAW 1,314. GSp 4,146. StWG 234. SchG 4,3. EWA 4,534. Der zweite Wortteil ist nicht zu ermitteln. 296. f. 129v, Z. 29, prodebat (10,7; 969,25) – ca Die Eintragung intl. über p-. Danach folgt nichts. ca: Präfix ahd. gi- (nhd. ge-) – AWB 4,249. GSp 4,10. SpAW 2,54. EWA 4,202. 297. f. 129v, Z. 32, confectam – cafegarot (31) … Accidit in eadem urbe primariam quandam loci illius feminam gra/ (32) ui egritudine confectam seminecem iacere (10,7; 970,2) ‚In derselben Stadt lag gerade eine vornehme Frau, die hier lebte, verzehrt von einer schweren Krankheit, im Sterben.‘ Mit stumpfem Griffel intl., vor dem Lemma beginnend, sehr schwierig zu entziffern. f scheint aber klar. cafegarot: Part. Prät. eines sw. V. ahd. (gi)fegarōn ‚fertig machen, erschöpfen‘? In der althochdeutschen Glossenüberlieferung tritt als Äquivalent zu lat. conficere mehrfach das sw. V. ahd. seganōn ‚segnen‘ auf – GSp 6,146. SpAW 1,797. StWG 511. SchG 8,126. RSV 2,128. Für die Bedeutung von confectam an der vorliegenden Stelle ist eine kontextuell motivierte Glosse mit seganōn aber nicht denkbar. Mit einer kontextfreien Vokabelglosse muss, verglichen mit entsprechenden Belegen, in den Glossen des Clm 6383 zwar gerechnet werden, aber die Lesung mit f spricht für ein anderes Interpretament. Ein Anschluss ist vielleicht über das sw. V. ahd. fegōn ‚reinigen‘ und das Adj. ahd. fagar(i) ‚schön‘ (AWB 3,483, 676) zu erreichen und die Bedeutungsentwicklung dabei im Bereich von ‚vollenden, vollbringen‘ zu suchen. Zu dem weit verzweigten etymologischen Hintergrund vgl. die Ausführungen in EWA 3,4, 101. 298.–299. f. 130r, Z. 13 (13) … sic euidenti indicio, regina uoti compos / (14) effecta, templum mirificum in eo loco in quo crucem reppererat, regia ambiti/ (15) one construxit (10,8; 970,19) ‚Die Kaiserin, die mit so einem deutlichen Zeichen ihres Gebets teilhaftig geworden war, ließ in ihrer königlichen Ehrsucht an der Stelle, an der sie das Kreuz gefunden hatte, einen wunderbaren Tempel bauen.‘

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298. f. 130r, Z. 13, (indicio?) (10,8; 970,19) – marcha pi Mit stumpfem Griffel marg. rechts neben Z. 13, schlecht erkennbar. marcha pi: Bestehend aus marcha: Wohl st. F. ahd. marka ‚Zeichen, Markierung‘ – AWB 6,290. GSp 2,846. SpAW 1,600. StWG 402. SchG 6,283. EWA 6,172, in unklarer Form und pi: Ob hier noch st. N. bilidi ‚Bild‘ (AWB 1,1034), ebenfalls zu indicio, steht, ist gänzlich unsicher. 299. f. 130r, Z. 13, compos (10,8; 970,19) – maria Mit stumpfem Griffel fein, aber lesbar intl. über dem Lemma, r und i in Ligatur. maria: Nom. Sg. F. sw. flekt. Adj. ahd. mari ‚teilhaftig, in vollem Besitz‘. Das Wort war bislang nur als gimari, ebenfalls zu lat. compos, bei Notker belegt (AWB 6,272). Die Wurzel hat die Grundbedeutung ‚befestigen‘. Mit gleicher Wurzel hat das Althochdeutsche das sw. V. merien ‚festmachen (Schiff)‘ (AWB 6,476. Riecke 626) und das sw. M. marstecko ‚Pfahl zum Befestigen eines Schiffes‘ (AWB 6,303). Vgl. dazu EWA 6,187, 328. 300. f. 130r, Z. 18, thecis – castusamlihes (17) … ligni uero ipsius salutaris, / (18) partem detulit filio, partem uero thecis argenteis conditam dereliquit / (19) in loco quę etiam nunc ad memoriam sollicita ueneratione seruatur (10,8; 970,24) ‚Was das heilkräftige Holz selbst anbelangt brachte sie einen Teil davon ihrem Sohn und ließ einen Teil, in silbernen Behältern aufbewahrt, am Ort zurück; es wird dort zum Gedenken noch immer mit großer Sorgfalt und Verehrung aufbewahrt.‘ Mit stumpfem Griffel längere schwache Eintragung, die intl. über -ec- einsetzt und im zerknitterten Pergament sehr schwer zu entziffern ist. -s scheint sich gegen oben in Form einer Wellenlinie fortzusetzen. castusamlihes: Gen. Sg. M. N. st. flekt. Adj. ahd. kastusamlīh ‚in der Art eines Behälters‘? Vgl. das sw. M. kasto ‚Behälter, Einfassung‘ – AWB 5,57. Das einfache c wäre als unscharfe Bezeichnung der Affrikate hinzunehmen. Vgl. BRG §144,A.2. Zur Verbindung der Suffixe -sam und -līh vgl. Beispiele bei SpAW 2,348. Die grammatische Form ist unverständlich. 301. f. 130r, Z. 26, fretus – erac (25) … Interea constantinus pietate / (26) fretus sarmatas gothos156 aliasque barbaras nationes … / (27) … in solo proprio armis edomuit (10,8; 971,5) ‚In der Zwischenzeit eroberte Konstantin, auf seinen Glauben vertrauend, mit Waffengewalt die Sarmaten auf ihrem eigenen Boden.‘ || 156 h von der Schreiberhand nachträglich eingefügt.

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Mit stumpfem Griffel intl. gut lesbar über -etu-. erac: Nom. Sg. M. nom. flekt. Adj. ahd. ērag ‚fest vertrauend, sich verlassend‘. Von st. F. ahd. ēra ‚Ehre, Würde‘ abgeleitetes Adjektiv. Es steckt möglicherweise auch im sw. F. ahd. ēregrehtī ‚Herrlichkeit, Barmherzigkeit‘. Vgl. die Diskussionen in AWB 3,383 und EWA 2,1125. 302. f. 130v, Z. 22, inuaditur – casēhun (22) … Inuaditur nauis filosofi cuncti cum ipso pariter perimuntur (10,9; 972,13) ‚Das Schiff des Philosophen wurde überfallen, und mit ihm wurden alle zugleich getötet.‘ Mit stumpfem Griffel, ordentlich lesbar, intl. über dem Lemma in ganzer Länge. Über dem e liegt ein Querstrich. casēhun = casenhun?: Unklar. Inf. eines ōn-Verbs? (gisenkōn?). u (ū) statt ō begegnet in späteren bairischen Quellen, ganz selten auch in der frühen Zeit (BRG §366,A.1). Man erwartet aber eher ein Part. Prät., doch dann wäre es ein starkes, auf -un endendes (u kann kaum als cc-a gelesen werden). 303. f. 130v, Z. 25, perspicacem – claouan (25) … frumentio uero quem quasi perspicacem deprehenderat157 et pruden/ (26) tem rationes suas scriniaque commisit (10,9; 972,16) ‚Frumentius aber, den er als scharfsinnig und klug erkannt hatte, vertraute er seine Buchführung und seine Urkundenschränke an.‘ Die Glosse mit feinem stumpfem Griffel (wie die vorausgehende) intl. über -icacem. claouan: Akk. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. glou, glao ‚scharfsinnig‘ – AWB 4,311. SpAW 1,311. GSp 4,294. StWG 232, 819. SchG 3,477. EWA 4,499. 304. f. 131v, Z. 16, inuocandum – carof(…) (15) … docet eumque quem sibi auctorem suae sciret esse incolumitatis et / (16) uite commonet inuocandum ipsum namque esse, qui et regibus regna distribuat / (17) et mortalibus uitam (10,11; 974,24) ‚Und er riet ihr, denjenigen anzurufen, den sie als den Urheber ihres Lebens und ihres Wohlergehens kennen sollte, denn er sei es, der den Königen Reiche und den Sterblichen das Leben zuteilte.‘ Mit stumpfem Griffel sehr schwach intl. über inuocand-, nach hinten verlöschend. carof(…): Vermutlich st. V. ahd. giruofan oder sw. V. ahd. giruofen ‚anrufen‘. Vgl. das st. V. ahd. ruofan ‚rufen‘ und das sw. V. ahd. ruofen ‚anrufen, herbeirufen, ausrufen‘ – GSp 4,1132, 1134. SpAW 1,773.

|| 157 at-Nexus.

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305. f. 131v, Z. 20, hoc – do (19) … aurum / (20) despicit argentum respuit ieiunio quasi cibo pascitur hoc solum ei muneris da/ (21) bimus si eum qui me illa inuocante sanauit christum deum colamus (10,11; 975,1) ‚Sie verachtet Gold und verschmäht Silber und gedeiht beim Fasten, als ernähre sie sich davon. Deshalb können wir ihr nur dann ein Geschenk machen, wenn wir Christus als Gott anbeten, der mich heilte, als sie ihn anrief.‘ Intl. über hoc. do: Adv. ahd. dō ‚dann, darauf, obgleich‘ – AWB 1,143. GSp 5,65. StWG 103, 800. SchG 2,261. EWA 2,706. 306.–309. f. 131v, Z. 22–24 (21) … At hoc tunc rex / (22) segnior fuit et interim distulit saepius licet ab uxore commonitus donec ac/ (23) cidit quadam die uenante eum (Ed. eo) in siluis cum comitibus suis obscurari densissimis / (24) tenebris diem et per taetrae noctis horrorem luce subducta cecis iter / (25) gressibus denegari (10,11; 975,3) ‚Aber der König war zu träge, dies zu tun und verschob es, obwohl seine Frau ihn oft drängte, bis es eines Tages geschah, dass, als er mit seinen Gefährten im Wald jagte, eine sehr dichte Dunkelheit den Tag verdüsterte, und als das Licht sich verlor, gab es durch den Schrecken der scheußlichen Nacht hindurch keinen Weg mehr für seine blinden Schritte.‘ 306. f. 131v, Z. 22, segnior (10,11; 975,3) – seimac Die Glosse beginnt auf dem Blattrand und reicht bis über se-. Sie ist schwierig zu entziffern. Vor s- steht eine gewellte Linie. seimac: Nom. Sg. M. nom. flekt. Adj. ahd. seimag ‚träge‘. Vgl. das Adj. ahd. seimīg ‚nektarähnlich‘ (GSp 6,222). Vgl. dazu und zur Bedeutung des Ausgangswortes als ‚langsam‘ die Angaben oben zu den Glossen 142 und 171. 307. f. 131v, Z. 23, uenante (10,11; 975,4) – uueidinontemo Mit feinem Griffel gut lesbar intl. über -nante eum in silui- eingetragen. uueidinontemo: Dat. Sg. M. st. flekt. Part. Präs. sw. V. ahd. weidinōn ‚jagen‘ – GSp 1,755. SpAW 1,1084. StWG 706. SchG 10,465. RSV 2,177. 308. f. 131v, Z. 24, (?) (10,1; 975,5?/6?) – cal Mit stumpfem Griffel marg. links neben Z. 24. cal: Unklar. Bezieht sich der Eintrag auf tenebris (vgl. ahd. st. N. tunkal ‚Finsternis‘) oder als gi-l[] auf subducta?

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309. f. 131v, Z. 24, horrorem (10,11; 975,5) – caniffa Die Glosse gut lesbar intl. über horrorem. caniffa: Akk. Sg. st. F. ahd. giniffa ‚Schrecken, Schauer‘. Vermutlich jō-stämmiges Abstraktum aus der Wurzel urgerm. *χnef- ‚ergreifen, drücken‘ (< uridg. *knep- ‚greifen, kneifen‘). Die Bedeutung von giniffa wäre dann als ‚Beklemmung‘ anzusetzen. Zur Wurzel vgl. EWA 6,854 (unter dem Adj. nefger). 310. f. 131v, Z. 29, omissis – ubara (28) … Nunc se de his tenebris / (29) liberet158 ut ipsum ex hoc omissis omnibus coleret (10,11; 975,11) ‚Er (Gott) könnte ihn jetzt aus dieser Dunkelheit befreien, sodass er von nun an alle anderen aufgeben und ihn anbeten könnte.‘ Die schwache Eintragung setzt ein über o von hoc. Unklar ob nach -a noch etwas steht. ubara: Adv. ahd. ubara? oder Verb.-Präf. ahd. ubar- ‚über-‘ – GSp 1,83. SpAW 1,1040, 2,131. In althochdeutschen Glossen zu lat. omittere sind mit Präfix ubar- die Verben ubarburren und ubarheffen belegt (SchG 12,341). 311. f. 132r, Z. 1, monet – man&a (f. 131v, Z. 34) … fabricari // (f. 132r, Z. 1) tamen ecclesiam monet formamque describit (10,11; 975,18) ‚Sie erinnerte daran, dass doch eine Kirche erbaut werden solle und beschrieb deren Aussehen.‘ Die Eintragung mit breitem stumpfem Griffel steht schlecht sichtbar intl. über formāq; de-. Zwischen a und & steht breit und schlecht sichtbar n. man&a: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. manēn ‚ermahnen‘ – AWB 6,241. SpAW 1,597. GSp 2,767. StWG 399. SchG 6,264. RSV 2,242. EWA 6,111. 312. f. 132r, Z. 7, in obliquum – cascido (6) … consumptis omnibus machinis et boum homi/ (7) numque uiribus cum media iam in obliquum fuisset erecta et pars reliqua nullis mac/ (8) hinis eregeretur (10,11; 975,25) ‚Sie benutzten alle Maschinen und die Kraft von Männern und Ochsen, und als sie (die Säule) auf halbem Wege schrägstehend angehoben war, konnte keine Maschine sie den Rest des Weges anheben.‘ Die Glosse mit breitem stumpfem Griffel intl. über obliquum. cascido: Adv. ahd. giskido ‚schief, schräg‘. Das Wort gehört vermutlich zur Wurzel germ. *skaiđ-a ‚trennen‘ (Orel 2003: 331). Die Bedeutungsentwicklung ist dann aber unklar.

|| 158 Nach libe- Rasur.

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313. f. 132r, Z. 19, liberatione – eindraaungu (17) … et ecce mirantibus adhuc et stupentibus cunctis in oculis / (18) eorum sensim supra basim suam nullo contingente columna deposita summa cum / (19) liberatione (Ed. libratione) consedit (10,11; 976,11) ‚Und siehe, während alle noch staunten und sich wunderten, ließ sich die Säule, ohne dass jemand sie angefasst hätte, vor ihren Augen allmählich und in vollkommener waagrechter Stellung auf ihre Basis nieder.‘ Mit breitem stumpfem Griffel intl. über dem Lemma und bis über -e- von consedit. Nach dem ersten a steht wohl noch eines. eindraaungu: Dat. Sg. st. F. ahd. eindrāunga ‚(einmaliger?) Schwung‘. Vgl. das st. F. ahd. drāunga ‚Drehung‘ (AWB 2,636). ein- dürfte der Verstärkung dienen bzw. die Präzision des Vorgangs unterstreichen. Die Glossierung bezieht sich auf die Bedeutung ‚Umschwung‘ von lat. libratio. 314. f. 132r, Z. 28, degeret – indacta (27) … cum nobiscum / (28) palestini tunc limitis dux in hierusolymis satis unanimiter (Ed. unianimiter) degeret (10,11; 976,22) ‚Als er dann ‚dux limitis‘ in Palästina war, lebte er sehr einträchtig mit uns zusammen in Jerusalem.‘ Mit breitem stumpfem Griffel gut lesbar intl. über -egeret. indacta: 3. Sg. Ind. Prät. eines sw. V. ahd. indengen ‚gedeihen, glücklich leben‘ (oder gar eines an. Verbs ahd. *dingan, mit zu ahd. bringan analoger Präteritumsbildung?), zu germ. *þenχa- ‚gedeihen‘ (Orel 2003: 421; FTW 179). Vgl. dazu as. githungan ‚trefflich‘ und an(d)thengian ‚vollbringen‘ – ASHWB 408 sowie das st. V. ahd. dīhan ‚gedeihen‘ und die etymologischen Zusammenhänge in EWA 2,634. 315. f. 132r, Z. 30, honoribus – eron (29) … Posteaquam religiosi principis mater helena summis romani / (30) regni honoribus affecta ex hac luce discessit (10,12; 976,24) ‚nachdem Helena, die Mutter des religiösen Fürsten, die mit den höchsten Ehren des römischen Reiches ausgestattet war, aus dieser Welt geschieden war, …‘. Intl. über -norib-, in schwacher Einprägung. eron: Dat. Pl. st. F. ahd. ēra ‚Ehre, Ansehen‘ – AWB 3,346. SpAW 1,186. GSp 1,441. StWG 129, 804. SchG 2,459. EWA 2,1110. 316. f. 132v, Z. 9, excidium – piscrotani (7) … Se quidem iam ex luce discedentem nihil curare pro / (8) fratris uero statu esse sollicitam ne forte pro innocentium poenis regni sui pate/ (9) retur excidium (10,12; 977,13) ‚Sie selbst habe keine Bedenken mehr, da sie sich vom Licht entferne, aber

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sie mache sich wegen der Situation ihres Bruders Sorgen, dass sein Reich nicht auf Rechnung von Unschuldigen den Untergang erleide.‘ Mit stumpfem Griffel über dem Lemma und darüber hinaus bis über Q. ta klein. piscrotani: Nom. Sg. sw. F. ahd. biskrōtanī ‚Vernichtung, Untergang‘. Vgl. das st. V. ahd. biskrōtan ‚abhauen‘ (GSp 6,578. SpAW 1,863). Es handelt sich um eine alte īn-Ableitung aus dem Partizip Präteritum. Vgl. dazu Henzen 171,§110. 317. f. 132v, Z. 20, dogmatum – saga (20) … ut non in personam eius sed in dogmatum / (21) prauitatem fuerit lata sententia (10,12; 977,26) ‚... dass er nicht gegen seine Person, sondern gegen die Falschheit seiner Lehren verurteilt worden war‘. Die Eintragung von stumpfem Griffel intl. über dogm-. saga: Akk. Pl. (?) st. F. ahd. saga ‚Meinung, Aussage‘ – GSp 6,105. SpAW 1,782. StWG 501. SchG 8,57. Der Kasus kann durch die vorausgehende Präposition bestimmt sein. 318.–319. f. 133r, Z. 4 (4) … ex quo deuincto sibi imperatore coe/ (5) pit de arrii restitutione suggerere (10,12; 978,18) ‚Von da an begann er, nachdem er den Kaiser sich selbst unterworfen hatte, über die Wiedereinsetzung von Arius zu sprechen.‘ 318. f. 133r, Z. 4, deuincto (10,12; 978,18) – caheizzan Die Glosse steht intl. über dem Lemma, von einem Griffel, der abwechselnd ritzte und einprägte, am Schluss schwach sichtbar, aber insgesamt recht gut lesbar. caheizzan: Unflekt. Part. Prät. st. V. ahd. giheizan ‚gebieten, verpflichten‘ – AWB 4,868. GSp 4,1077. SpAW 1,375. StWG 265, 821, 850. SchG 4,249. EWA 4,916. 319. f. 133r, Z. 4, imperatore (10,12; 978,18) – uualtiso Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma. Das erste u ist sehr schwach, ebenso das mutmaßliche s. uualtiso: Unklare Bildung (Nomen agentis?, waltiso?) in unklarer Form, die zum sw. V. ahd. waltisōn ‚herrschen, walten, berühmt sein‘ (GSp 1,815. SpAW 1,1058) zu stellen ist. 320.–322. f. 133r, Z. 9–10 (8) … Sed eusebius qui aput / (9) nicomędiam erat de cuius simulatione in subscribendo supra diximus amplam / (10) temporis nanctus et principi per presbyterum familiaris effectus reuoluere omnia / (11) atque in irritum reuocare concilii gesta molitur (10,13; 978,24) ‚Nun fand Eusebius, der in Nicomedia war und über dessen

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Verstellungskunst wir früher gesprochen haben, die Gunst der Stunde: Nachdem er durch den Priester mit dem Herrscher befreundet worden war, bemühte er sich, alles zurückzudrehen und die Handlungen des Rates für ungültig zu erklären.‘ 320. f. 133r, Z. 9, amplam (10,13; 978,24) – maria Feine, aber recht gut lesbare Eintragung mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma. maria: Akk. Sg. F. st. flekt. Adj. ahd. māri ‚groß, bedeutend‘ – AWB 6,281. GSp 2,821. SpAW 1,599. StWG 401. SchG 6,279. EWA 6,164. Vgl. auch Heidermanns (1993: 408). Es ist davon auszugehen, dass der Glossator das Textwort lat. ampla ‚Anlass‘ kontextfrei als feminines Adjektiv lat. ampla kommentiert. 321. f. 133r, Z. 10, nanctus (10,13; 978,24) – caeita Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma. caeita: Vielleicht (mit fehlendem g) 3. Sg. Ind. Prät. Prät.-Präs. ahd. gieigan ‚erlangen, finden‘. Ahd. eigan zeigt generell die Schwundstufe nicht. Das sw. V. ahd. eiten ‚brennen von Ton, (ab)härten‘ (AWB 3,239) kommt hier aus semantischen Gründen nicht infrage. 322. f. 133r, Z. 10, familiaris (10,13; 978,24) – ca Fein intl. über fa- eingetragen. ca: Präfix ahd. gi- (nhd. ge-) – AWB 4,249. SpAW 2,54. GSp 4,10. EWA 4,202 zu einem unbekannten Adjektiv. 323. f. 133r, Z. 27, cuniculum – holstaigi (26) … ubi cum / (27) sederet intestina eius atque omnia uiscera in secessus cuniculum defluxere (10,14; 979,20) ‚Und als er sich setzte, glitten seine Eingeweide und alle seine Innereien in den Abfluss des unterirdischen Kanals.‘ Mit stumpfem Griffel in kleiner Schrift intl. über dem Lemma und darüber hinaus bis über de-. st ist eng, s schlecht sichtbar, das zweite i mit g durch eine längere Linie verbunden. holstaigi: Akk. Sg. st. N. ahd. holsteigi ‚Höhlensteig, unterirdischer Gang‘. Vgl. das st. N. ahd. hol ‚Höhle, Loch‘ – AWB 4,1201. EWA 4,1104 sowie das st. N. ahd. gisteigi ‚Aufstieg‘ – GSp 6,626. 324. f. 133r, Z. 28, exsoluit – ino (28) ita tali in loco dignam mortem blasfemae et faetidae mentis exsoluit (10,14; 979,21) ‚Und so war es an einem solchen Ort, dass er einen Tod fand, der seines blasphemischen und stinkigen Charakters würdig war.‘

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Mit stumpfem Griffel intl. über -luit eingetragen. ino: Wohl Interj. ahd. inu, eno ‚siehe!‘ – AWB 4,1636. GSp 1,300. SpAW 1,424. StWG 306. SchG 5,64. EWA 6,133. Zu Kommissiva in Glossen vgl. Schiegg (2015b: 119f.). 325. f. 133v, Z. 1, inretitus – umpinezzit (1) … non solum a perfidia eorum in qua callide inretitus tene/ (2) batur abscederet (10,14; 980,5) ‚Er würde sich nicht nur von ihrer Perfidie distanzieren, in die er so geschickt verstrickt worden war.‘ Die Glosse, eingetragen von einem stumpfen Griffel, ist schwierig, aber schließlich vollständig lesbar. Sie liegt intl. über dem Lemma und geht bis an den Textrand. p weist einen tiefen Schaft auf. umpinezzit: Nom. Sg. nom. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. umbinezzen ‚im Netz fangen, verstricken‘. Vgl. das sw. V. ahd. binezzen ‚im Netz fangen‘ – AWB 6,1197. EWA 6,917, zum selben Lemma, eine desubstantivische Ableitung, die (in zwei Seduliusglossen aus dem 11. Jh.) nur im Part. Prät. überliefert ist (vgl. EWA). 326. f. 133v, Z. 7, igitur – car (7) … Igitur … defuncto alexandro (10,15; 980,11) ‚Nach dem Tod Alexanders also …‘. Mit stumpfem Griffel intl. über -tur. car: Vielleicht gekürztes Adv. ahd. girehto ‚nämlich, also‘ – GSp 2,411. SpAW 1,737, das bei Notker als Entsprechung zu lat. igitur anzutreffen ist. Die Griffeleintragung ist als Beleg dafür freilich zu wenig sicher. 327. f. 133v, Z. 8, acris – claouuen (8) … quod uero esset idem uir acris ingenii et in ecclesiasticis negotiis / (9) adprime uigilans, satis iam tunc haereticis innotuerat (10,15; 980,12) ‚Die Ketzer wussten bereits jetzt, dass er ein Mann mit scharfer Intelligenz und völlig unermüdlich in der Verwaltung der Kirche tätig war.‘ Die Glosse über dem Lemma bis über ing-, von einem Griffel, der die Schrift abwechselnd einritzte und einprägte. claouuen: Gen. Sg. M./N. sw. flekt. Adj. ahd. glao, glou ‚klug, scharfsinnig‘ – AWB 4,311. GSp 4,294. SpAW 1,311. StWG 232, 819. SchG 3,477. EWA 4,499. Vgl. auch Heidermanns (1993: 247).

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328. f. 134r, Z. 12, omittere – fa?e (12) … multitudo uero gestorum quam plurima cogat omittere (10,15; 982,6) ‚Doch ihre Anzahl zwingt mich dazu, sehr viele wegzulassen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -tter-. Auch über cogat steht etwas eingeritzt (vgl. Unidentifizierte Eintragungen). fa?e: Unklar. Evtl. Präfix ahd. fir- ‚ver-‘ – GSp 3,604. SpAW 2,33. EWA 3,279. 329. f. 134v, Z. 28, mulier – altun (28) … cumque mulier ea que edocta (Ed. docta) fuerat perorasset (10,18; 984,8) ‚Als die Frau die Rede beendet hatte, wurde sie unterrichtet.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -q; einsetzend und über dem Lemma bis -i-. l ist rund und schwach. altun: Akk. (?) Sg. sw. F. subst. Adj. ahd. alta ‚alte Frau‘ – AWB 1,291. StWG 21. SchG 1,121. 330. f. 134v, Z. 30, obuncans – raffota (30) … tunc illa ut mulierum se talium procacitas habet obun/ (31) cans timotheum, tu, tu, inquit mihi uim fecisti (10,18; 984,11) ‚Dann umklammerte sie Timotheus mit der Zudringlichkeit solcher Frauen und sagte: ,Du, du hast mir Gewalt angetan.‘‘ Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemmateil, fein und klar eingedrückt. raffota: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. raffōn ‚ergreifen, umklammern‘. Zur Bedeutung vgl. zu derselben Textstelle das sw. V. ahd. bikripfen ‚umklammern‘ in den Mondsee-Glossaren (AWB 5,414. StSG 2,606,10). 331. f. 134v, Z. 33, rediculosus – cahohter (33) … tum omnes rediculosus pudor habere coepit quod tam facile tacente / (34) reo factio criminis (Ed. conpositi criminis) patuisset (10,18; 984,14) ‚Dann begann die Schmach für lächerlich gehalten zu werden, sich über alle auszubreiten, weil das Komplott mit dem erfundenen Verbrechen so leicht freigelegt worden war, ohne dass der Angeklagte etwas gesagt hatte.‘ Mit stumpfem Griffel schlecht sichtbar intl. über dem Lemma, der vierte Buchstabe ist unklar. Auch über pudor steht eine Griffeleintragung (vgl. Unidentifizierte Eintragungen). cahohter: Nom. Sg. M. st. flekt. Part. Prät. wohl eines sw. V. ahd. huohen ‚verspotten, verhöhnen‘. Vgl. das sw. V. ahd. huohōn – AWB 4,1379 in dieser Bedeutung.

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332. f. 135r, Z. 4, prestigiis – pitroge (3) … hoc est inquiunt ubi nemo / (4) possit uerborum prestigiis decipi, res oculis agitur, uerbis cessantibus (10,18; 984,19) ,,Hier‘, sagten sie, ,haben wir etwas, worüber niemand durch den Betrug kunstvoller Rede getäuscht werden kann. Diese Sache ist etwas für die Augen, und die Sprache verstummt.‘‘ Intl. über dem Lemma. e steht zu g erhöht. pitroge: Dat. Sg. st. M. ahd. bitrog ‚Trugbild, Täuschung‘ – GSp 5,510. SpAW 1,1017. StWG 61. SchG 10,57. 333. f. 135r, Z. 6, indicato – sageda (5) … haec est arsenii dex/ (6) tera quam tu quomodo uel ad quos usus excideris indicato (10,18; 984,22) ‚Dies ist Arsenius’ (abgetrennter) rechter Arm; offenbare, auf welche Weise und zu welchem Zweck du ihn abschnittest.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über indicat-. sageda: 3. Sg. sw. V. ahd. sagēn ‚mitteilen, melden‘ – GSp 6,91. SpAW 782. StWG 502, 829. SchG 8,58. RSV 2,249.

Abb. 19: Ahd. Griffelglosse: Clm 6383, f. 135r, Z. 16: sageda (Nr. 333)

334. f. 135v, Z. 28, consulebant – cate(…) (26) … sed cum rem detulisset ad eos quorum consiliis utebatur / (27) neque ibi se uelle accipere ecclesiam neque hic dare respondent quia plus sibi singuli / (28) quique quam absentibus consulebant (10,20; 987,8) ‚Als er die Angelegenheit seinen Beratern vorstellte, antworteten sie jedoch, dass sie dort weder eine Kirche annehmen noch hier eine schenken würden, da jeder von ihnen für seine eigenen Interessen und nicht für die der abwesenden Menschen sorgte.‘ Die Glosse steht intl. über consuleba-. Sie ist nur resthaft lesbar. cate(…): Erkennbar ist Präfix ahd. gi- (nhd. ge-) – AWB 4,249. SpAW 2,54. GSp 4,10. EWA 4,202, die Verbwurzel ist dagegen nicht identifizierbar.

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335. f. 136r, Z. 26, (labsum) – calaufa (25) … similiter cruciabantur sed non similiter gloriabantur / (26) quia dolebat ecclesia etiam illius casum qui inpellebat ad labsum (10,22; 988,22) ‚Ähnlich wurden sie gequält, aber nicht ähnlich wurden sie gerühmt, denn die Kirche bedauerte auch den Fall desjenigen, der den Sturz veranlasst hatte.‘ Die sehr schwache Eintragung steht marg. rechts neben Z. 26, neben labsum. calaufa: Akk. Sg. st. F. giloufa ‚Gleiten, Sturz‘, fem. Nomen actionis zum st. V. ahd. loufan ‚laufen, sich bewegen‘ – AWB 5,1344. SpAW 1,566. GSp 4,116. StWG 386, 852. SchG 6,169. EWA 5,1462. 336. f. 136r, Z. 30, conhibentia – pruncana (28) … inque eius / (29) locum felix diaconus suus ab haereticis subrogatur, et non tam sectae diuersi/ (30) tate quam communionis et ordinationis conhibentia (Ed. coniventia) maculatur (10,23; 989,2) ‚Ich sage, dass auf dessen (Silvesters) Stelle sein Diakon Felix von den Ketzern gewählt wurde. Er (Felix) wurde weniger durch seine sektiererische Widersprüchlichkeit als durch die Komplizenschaft rund um seine Kommunion und Ordination beschmutzt.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über conhibentia. In Z. 29 steht über dem zweiten u von subrogatur mit Griffel ein (Verweis-?)Zeichen ·/·. pruncana: Part. Prät. st. V. ahd. bringan ‚gewähren‘ – AWB 1,1384. SpAW 1,104. GSp 3,192. StWG 77, 796, 858. SchG 2,35. EWA 2,338, vielleicht hier als Nom. Sg. N. sw. flekt. zur Wiedergabe des Abstraktums. (Ist brungana vielleicht auch ein Substantiv in der Bedeutung ‚Unterstützung, Beihilfe‘?) 337.–339. f. 136r, Z. 33 (32) … Aput / (33) alexandriam uero georgius satis procaciter ui raptum episcopatum gerebat (10,24; 989,5) ‚In Alexandria übte Georgius das mit Gewalt übernommene Bischofsamt freilich sehr dreist aus.‘ 337. f. 136r, Z. 33, uero (10,24; 989,5) – za Die Eintragung mit stumpfem Griffel steht über -ro g-. z ist nur schlecht lesbar. za: Vielleicht Präposition ahd. zi – GSp 5,572. SpAW 1,1183. Vgl. als Interpretamente zu lat. vero Wendungen wie zi wāre (StSG 2,320,28). Wegen der Position der Eintragung ist diese Bestimmung allerdings sehr unsicher. 338. f. 136r, Z. 33, satis (10,24; 989,5) – ca Die Eintragung mit stumpfem Griffel steht über sa-. ca: Präfix ahd. gi- (nhd. ge-) – AWB 4,249. GSp 4,10. SpAW 2,54. EWA 4,202. Vgl. die Äquivalente zu lat. satis ahd. ginuog und gifago bei GötzLAN 590.

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339. f. 136r, Z. 33, procaciter (10,24; 989,5) – freh? Intl. über -pcaci-, mit unklarer Situation nach h. f ist sehr unsicher. freh?: Adj. (hier Adv.?) ahd. freh ‚frech, begierig‘ – AWB 3,1241. GSp 3,793. SpAW 1,262. StWG 176. SchG 3,289. EWA 3,537. Vgl. auch Heidermanns (1993: 212). 340.–341. f. 136v, Z. 9 (7) … Interea … / (8) … sacerdotes et populi qui arrio duce primitus fuerant ab / (9) ecclesia deuulsi in tres denuo sectas partesque finduntur (10,26; 989,18) ‚In der Zwischenzeit wurden die Priester und Menschen, die unter der Führung von Arius ursprünglich von der Kirche getrennt worden waren, erneut in drei Sekten und Parteien aufgeteilt.‘ 340. f. 136v, Z. 9, denuo (10,26; 989,18) – afar Die schwache Eintragung steht in breiter Schrift über denuo. afar: Adv. Konj. ahd. avur ‚nochmals, wiederum‘ – AWB 1,700. GSp 1,177. SpAW 1,7. StWG 37, 789, 837, 858f. SchG 1,77. EWA 1,401. Die Schreibung mit ist ein Hinweis auf hohes Alter (BRG § 139.A.2). Die Glosse ist identisch mit Glosse 385. 341. f. 136v, Z. 9, finduntur (10,26; 989,18) – caspaltan...r(…) Die Eintragung steht mehrheitlich als Ritzspur in breiter Schrift auf sehr rauer Pergamentstelle und ist sehr schlecht lesbar. s ist unsicher, das Ende der Glosse nur resthaft zu erkennen. caspaltan...r(…): Wohl aufzugliedern in caspaltan: (Unflekt.?) Part. Prät. st. V. ahd. spaltan, gispaltan ‚spalten, gewaltsam zerteilen‘ – GSp 6,336. SpAW 1,897. StWG xlvi, 570, 854. SchG 9,49 und ...r(…): Vermutlich die Reste eines Hilfsverbs (werdan, wesan) zur Passivbildung. 342. f. 138r, Z. 7, custodiret – u.ereti (5) … diu de hoc multumque deliberans cum ex / (6) utraque parte concluderetur elegit ut legato suo recepto erga ceteros / (7) sententiam disparem, sed sibi placitam custodiret (10,31; 993,26) ‚Nachdem er lange und gründlich darüber nachgedacht hatte und da es keinen Ausweg gab, entschied er sich dafür, sein Legat zurückzunehmen und gegenüber den anderen ein nicht ebenbürtiges Urteil aufrechtzuerhalten, das aber für ihn zufriedenstellender war.‘ Die schlecht lesbare Glosse von einem Griffel, der mal ritzte, mal schwach einprägte, intl. über dem Lemma. u.ereti: Mit großer Wahrscheinlichkeit 3. Sg. Konj. Prät. sw. V. ahd. werēn ‚etwas einhalten, aufrechterhalten‘ – GSp 1,928. SpAW 1,1111. StWG 715. SchG 11,49. RSV 2,272.

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343. f. 138r, Z. 11, circumiens – umpifara(…) (11) … Eusebius (Ed. Eusebius uero) circumiens ori/ (12) entem atque italiam medici pariter et sacerdotis fungebatur officio (10,31; 994,5) ‚Eusebius seinerseits bereiste den Orient und Italien und betätigte sich beruflich gleichzeitig als Arzt und als Priester.‘ Sehr schwache Eintragung mit stumpfem Griffel, die nur bei in günstiger Weise düsterem Licht gesehen und gelesen werden konnte. Sie steht intl. über dem Lemmawort über dessen ganzer Länge. Gegen hinten erlischt sie. umpifara(…): st. V. ahd. umbifaran ‚umkreisen, bereisen‘ – AWB 3,612. GSp 3,562. SpAW 1,205, 2,137. StWG 140, 652, 807. SchG 3,61. EWA 3,60, in einer Form, die nicht zu ermitteln ist. 344. f. 138r, Z. 13, (reuocabat?) – a?ha?e. (12) … singulas / (13) quasque ecclesias abiurata infidelitate ad sanitatem recte fidei reuoca/ (14) bat (10,31; 994,7) ‚Er rief die einzeln Kirchen zur Kräftigung des rechten Glaubens im Verzicht auf Untreue zurück.‘ Die Eintragung steht resthaft lesbar marg. rechts neben Z. 13. Vielleicht beginnt sie schon interl. über -uoca-, worauf Griffelspuren hindeuten. a?ha?e.: Möglicherweise 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. irhalēn ‚zurückrufen‘ – AWB 4,626. EWA 5,164, s. v. irhalōn – GSp 4,854. SpAW 1,345. StWG 250. SchG. 4,132. RSV 2,60. 345.–346. f. 138r, Z. 17–18 (17) … Nisi quod hilarius uir natura lenis et placidus simulque eruditus et / (18) ad persuadendum commodissimus rem diligentius et aptius procurabat (10,32; 994,11) ‚Der einzige Unterschied bestand darin, dass Hilarius, ein Mann, der von Natur aus sanftmütig und friedlich und gleichzeitig gelehrt und der geeigneteste war, um zu überzeugen, seine Arbeit vorsichtiger und geschickter verrichtete.‘ 345. f. 138r, Z. 17, placidus (10,32; 994,11) – liupliiher Die Glosse mit stumpfem Griffel intl., über -t von et beginnend bis über -u- des Lemmas, gut lesbar. liupliiher: Nom. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. liublīh ‚sanft, freundlich, friedfertig‘ – AWB 5,1189. GSp 2,58. SpAW 1,548. StWG 378. SchG 6,128. EWA 5,1388. 346. f. 138r, Z. 18, commodissimus (10,32; 994,12) – cahorentlihosto Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma und bis über rem reichend. ent (e und n verbunden) ist etwas schwach eingeprägt, sonst ist alles gut lesbar.

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cahorentlihosto: Nom. Sg. M. sw. flekt. Sup. des Adj. ahd. gihōrentlīh ‚angemessen, rechtschaffen, zuverlässig‘ auf Basis des sw. V. ahd. gihōren ,gehorchen’ – AWB 4,1246 mit Suffix -līh (SpAW 2,266. EWA 1265; Schmid 1998) gebildetes Adjektiv. 347. f. 138r, Z. 19, (?, uersutias?) – uuidara/stRvpali (19) qui etiam libros de fide nobiliter scribtos ededit quibus et haereticorum uer/ (20) sutias et nostrorum deceptiones et male credulam simplicitatem ita diligen/ (21) ter exposuit (10,32; 994,14) ‚Er veröffentlichte auch einige vortrefflich geschriebene Bücher über den Glauben, in denen er sowohl die Verschlagenheit der Ketzer als auch die Täuschung der Unsrigen und deren unglückliche Leichtgläubigkeit so sorgfältig darlegte, …‘ Die Glosse zweiteilig marg. rechts neben Z. 18 bzw. Z. 19, mit stumpfem Griffel gut lesbar eingetragen. uuidarastRvpali: (Akk. Pl.?) sw. F. ahd. widarstrūbalī ‚Verschlagenheit‘ – GSp 6,738. SpAW 1,952. StWG 724. SchG 11,114. Das Wort ist sonst zu lat. obstinatio (Clm 6277; Ernst 2007: 475f.), contumacia, contumelia und superbia (Clm 14747, Clm 19417, Clm 19440; StSG 2,104,1; SchG 11,114) in der Bedeutung der offenen Widerständigkeit, auch durch Verleumdung und Hochmut bezeugt. Demgegenüber bezeichnet das Wort in unserer Glosse die versteckte Aggression. Die Bezeichnung dieser Glosse als Tris legomenon in Nievergelt/Glaser (2016: 328) ist freilich diskutabel, insofern Parallelglossen (hier die drei Federglossen) besser als einzelne Zeugnisse gezählt werden. 348. f. 138r, Z. 26, pulsaturus – sto.a? (26) … Sed iulianus postquam ad orientem persas bello pulsaturus ad/ (27) uenit (10,33; 994,21) ‚Nachdem Julianus in den Osten gekommen war, um im Krieg die Perser zu vertreiben, …‘ Mit stumpfem Griffel sehr fein intl. über pulsat- erkennbar. sto.a?: Erkennbar ist st. V. ahd. stōzan ‚stoßen‘ – GSp 6,728. SpAW 1,945. StWG 597, 854. SchG 9,259, das als althochdeutsches Äquivalent zu lat. pulsare bekannt ist (vgl. SchG 12,386). 349. f. 138r, m. u., (?, procurationem?) – fure/cauma(…) (33) procurationem prouintiarum iurisque dicendi christianis statuit non debere committi (10,33; 994,28) ‚Er ordnete an, dass die Verwaltung der Provinzen und der Justiz nicht den Christen anvertraut werden sollte.‘ Sehr schlecht lesbare, zweizeilige Eintragung mit stumpfem Griffel auf dem unteren Blattrand. furecauma(…): Vermutlich eine Glosse zu procurationem in der letzten Zeile. Erkennbar ist das st. sw. F. ahd. gouma, mit der ersten Zeile vielleicht foragouma ‚Für-

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sorge‘. Vgl. dazu das sw. V. ahd. foragoumen ‚fürsorglich beschaffen, angedeihen lassen‘ – AWB 4,381. 350.–352. f. 138v, Z. 4–6 (4) … etenim cum uelut tetri serpentes de cauernis ter/ (5) rae ebullientes ad eum processissent magorum filosoforum haruspicum augurumque ma/ (6) nus profana omnes pariter alligant nihil suis artibus successurum, nisi prius athana/ (7) sium uelut horum omnium obstaculum sustulisset (10,34; 995,5) ‚Denn als eine gottlose Bande von Zauberern, Philosophen und Wahrsagern gegen ihn vorrückte, gleichsam wie grässliche Schlangen, die aus Höhlen hervorquellen, erklärten sie alle, dass sie durch ihre Künste nichts erreichen würden, wenn er nicht zuerst Athanasius beseitigen würde, der ihnen allen im Weg stand.‘ 350. f. 138v, Z. 4, tetri (10,34; 995,5) – crimma Mit stumpfem, feinem Griffel intl. über dem Lemma, bei -e- einsetzend. r und i stehen in Ligatur. crimma: Nom. Pl. M. st. flekt. Adj. ahd. grim, grimmi ‚abscheulich, hässlich‘ – AWB 4,424. SpAW 1,324. GSp 4,323. StWG 239, 820. SchG, 4,47f., vgl. auch Heidermanns (1993: 258), die maskuline Form nach dem lateinischen Textwort. -a ist auch schon in alten Quellen anzutreffen (BRG § 248,A.9). 351. f. 138v, Z. 5, augurum (10,34; 995,6) – calstareo Mit stumpfem Griffel fein intl. über -ugurumq;. Der Anfang und der letzte Buchstabe sind undeutlich durch eine darübergelegte weitere Ritzung. Zu der lateinischen Glossierung an derselben Textstelle siehe die Glossen L9-L11. calstareo: Gen. Pl. st. N. ahd. galstar ‚Zauberei, Zaubergesang, Verzauberung‘ – AWB 4,32. GSp 4,179. SpAW 1,280. StWG 189. EWA 4,33. Die Glosse nimmt zwar frei auf den Text Bezug, übernimmt aber die grammatische Form des Lemmas. (Dass der Glossator die -um-Ligatur nicht gekannt und an eine Form von augurium gedacht hätte, ist nicht anzunehmen.) 352. f. 138v, Z. 6, successurum (10,34; 995,7) – afterpifararo Die Glosse ist mit stumpfem Griffel schwach eingeprägt und schwierig zu entziffern. Sie setzt intl. über dem Lemma bei -ss- ein und reicht bis über nisi. afterpifararo: Nom. Sg. M. sw. flekt. Adj. ahd. afterbifarari ‚nachrückend‘, mit dem Charakter einer Vokabelglossierung. Auch würde man Neutrum erwarten.

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353. f. 138v, Z. 14, nisi prospiceret – ni uuaraneti (12) … et cum / (13) forte adplicuisset ad athanasii159 (Ed. ohne ad) nauicula ad quendam locum conperit a pre/ (14) tereuntibus postergum (Ed. post tergum) esse percussorem suum et iam iamque nisi prospiceret imminere (10,35; 995,16) ‚Und als Athanasius’ Schiff zufällig an einem bestimmten Ort gelandet war, erfuhr er von Vorübergehenden, dass sein gedungener Mörder hinter ihm war und dass er ihm jederzeit auflauern würde, wenn er sich nicht vorsehe.‘ Mit stumpfem Griffel. Schwaches ni steht intl. über ni- von nisi. uuaraneti über prospice- ist gut lesbar. ni uuaraneti: Bestehend aus ni: Neg.-Part. ahd. ni ‚nicht‘ – AWB 6,1203. SpAW 1,666. GSp 2,969. StWG 437,827,852. SchG 7,75 und uuaraneti: 3. Sg. sw. V. ahd. waranēn, warnēn ‚vorausblicken, vorsorgen‘ – SpAW 1,1069. SchG 10,401. RSV 2,269, s. v. warnōn – GSp 1,947. StWG 698. 354. f. 138v, Z. 27, suburbano – uui (26) … Nam cum / (27) dafnis in (Ed. in Dafnis) suburbano antiochiae iuxta fontem castallium litaret apollini (10,36; 996,2) ‚Denn als er beim Kastalianischen Brunnen in Daphne, einer Vorstadt von Antiochia, Apoll ein Opfer darbrachte, ….‘ Die Eintragung intl. über -urban-. uui: Lexikalische Kürzung; infrage kommt st. M./N. ahd. wīlāri ‚Siedlung, Landgut‘ – GSp 1,844. SpAW 1,1124. StWG 728. SchG 11,138. 355. f. 139v, Z. 17, saxa – fe(…) (17) … non solum fundamentorum saxa longe lateque iac/ (18) tantur (10,39; 998,5) ‚Und nicht nur wurden die Steine für die Fundamente weit herumgeworfen, …‘ Sehr fein eingeprägte Glosse intl. über saxa, konnte nur am Beginn gelesen werden. fe(…): Wohl st. M. ahd. felis oder st. F. ahd. felisa oder sw. M. feliso ‚Fels‘ – AWB 3,723. GSp 3,497. SpAW 1,222. StWG 146, 808, 844. SchG 3,108. EWA 3,142. 356. f. 139v, Z. 29, pertinacis – einstriti (28) … hoc iterum saepiusque et frequentissi/ (29) mę per totam illam diem repetens pertinacis populi tęmeritatem flam/ (30) mis ultricibus coercebat (10,40; 998,16) ‚Dies geschah während des ganzen Tages immer wieder mit großer Häufigkeit, und es zügelte die Unverschämtheit des hartnäckigen Volkes mit rächenden Flammen.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über pertina-. r und i stehen in Ligatur. Davor sind andere Griffelspuren zu erkennen.

|| 159 h von der Schreiberhand nachträglich eingefügt.

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einstriti: Der Form gemäß Nom. Sg. nom. flekt. Adj. ahd. einstrīti ‚hartnäckig, widerspenstig‘ – AWB 3,215. GSp 6,749. SpAW 1,172. StWG 122, 803, 842. SchG 2,403. EWA 2,1018. Auch das sw. F. ahd. einstrītī ‚Hartnäckigkeit, Starrsinn‘ (AWB 3,216) ist nach der Form theoretisch möglich. 357. f. 142r, Z. 11, rotatus – umpihringit (8) … ecce subi/ (9) to sacerdotes templi illius uirgo filia correpta spiritu cum ingente uo/ (10) ciferatione et clamoribus usque ad caelum datis, per medios agi populos / (11) coepit, et crebros ducens rotatus stridens huc atque illuc rauida / (12) ora uibrare (11,4; 1007,14) ‚Und siehe, die jungfräuliche Tochter des Priesters des Tempels wurde plötzlich von einem Geist gepackt, der anfing sich unter gewaltigem Gebrüll und Geschrei, das bis in den Himmel hallte, mitten durch die Leute zu bewegen und mit rasender Fratze hin und her zu fliegen, indem er zahlreiche kreisförmige Drehungen in alle Richtungen vollführte.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über rotatus bis über str-. Gut lesbar. Kurz davor, intl. über crebros, scheint auch etwas eingeritzt. umpihringit: Unflektiertes Part. Prät. sw. V. ahd. umbiringen ‚sich im Kreis drehen‘ – GSp 4,1170. SpAW 1,750. StWG 486. SchG 7,422. RSV 1,157, in Übertragung des Textwortes als Partizip von rotare oder aber 3. Sg. Ind. Präs., die Handlung wiedergebend. Ahd. umbiringen war bislang in der Bedeutung ‚mit einem Ring umgeben, einzäunen‘ bezeugt (im Clm 14747, zu lat. saepire, StSG 2,765,19). 358. f. 142v, Z. 2, adfectus – cafegan (1) … at ille licet esset paga/ (2) nus et iniuriis ab imperatore fuisset adfectus (11,5; 1009,2) ‚Er (der Präfekt) war jedoch Heide und wurde vom Kaiser mit Ungerechtigkeiten behandelt.‘ Intl. über adfectus und in der Mitte schlecht sichtbar. f und g unsicher. cafegan: Die Glosse ist wohl althochdeutsch (Part. Prät. eines st. V.?), aber in der resthaften Lesung nicht näher zu bestimmen. Vgl. die Glosse 297. 359. f. 142v, Z. 5, terrorem – droha (5) … mane processurus terrorem solito maiorem per offi/ (6) tium mouet agitque omnia quo quam minimi uel si fieri posset nulli periclita/ (7) rentur (11,5; 1009,5) ‚Und am Morgen, als er ausging, bot er mit seinem Gefolge einen noch furchterregenderen Anblick als sonst und tat alles, damit wenige oder gar keine Menschen in Gefahr waren.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma.

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droha: Akk. Sg. st. F. ahd. drawa, drōa ‚Schrecken, das Angedrohte‘ – AWB 2,637. GSp 5,246. SpAW 1,148. StWG 106, 800. SchG 2,285. EWA 2,760, h ist als Hiatustilger nach ausgefallenem w aufzufassen, der seit dem 9. Jh. auftaucht (BRG §110,A.3). 360. f. 142v, Z. 20, subire – cadol.. (20) … Imperator subire mortem si iubeas paratus sum (11,5; 1010,5) ‚Kaiser, ich bin bereit, den Tod zu erleiden, wenn Du es befiehlst.‘ Die Glosse beginnt über -r- und reicht über das Lemma hinaus. Sie ist sehr fein eingeritzt und erlischt gegen hinten. cadol..: sw. V. ahd. gidolēn ‚erleiden, geduldig ertragen‘ – SchG 2,265, in unbestimmbarer Form. Zu dolēn (dolōn) vgl. AWB 2,591. GSp 5,133. SpAW 1,144. StWG 104, 800. RSV 2,28, 208. EWA 2,714. 361. f. 142v, Z. 22, repressit – ardulita (21) … cumque edocuisset cuncta / (22) de muliere repressit imperatoris insaniam (11,5; 1010,7) ‚Und als er alles berichtet hatte, was die Frau betraf, beschwichtigte er die Tobsucht des Kaisers.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über -epressit eingedrückt. ardulita: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. irtullen ‚unterdrücken, beschwichtigen‘. Vgl. sw. V. ahd. bitullen ‚vorenthalten, unterschlagen, betrügen‘ – SpAW 1,1038. StWG 640. SchG 10,88. RSV 1,326. Zur Bildung vgl. Riecke 451. 362. f. 142v, Z. 23, igne – fu. (22) … Per idem tempus / (23) ecclesia uelut persecutionis igne conflante purior auri metallo refulge/ (24) bat (11,6160; 1010,8) ‚In dieser Zeit leuchtete die Kirche, gleichsam im Feuer der Verfolgung entbrannt, reiner als Gold.‘ Intl. in schwacher Einprägung über -e. fu.: Resthaftes st. N. ahd. fiur, in alten Quellen fuir ‚Feuer‘ – AWB 3,925. GSp 3,674. SpAW 1,239. StWG 161, 809. SchG 3,186. EWA 3,330. 363. f. 142v, Z. 31, adtriuisset – arsluac (29) … Mauuia … / (30) … / (31) … cumque frequentibus bellis romanum adtriuisset exercitum et / (32) plurimis peremptis reliquos uertisset in fugam (11,6; 1010,16) ‚Mauvia hat auch das römische Heer in häufigen Schlachten zerrüttet, viele getötet und die restlichen in die Flucht geschlagen.‘ Gut lesbar mit stumpfem Griffel intl. über -riuiss-.

|| 160 In der Handschrift noch Kapitel V.

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arsluac: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. irslahan ‚vernichten, aufreiben‘ – GSp 6,766. SpAW 1,869. StWG 555, 854. SchG 8,437. 364. f. 143r, Z. 6, populis – liutim (5) … quo ui/ (6) so moses presentibus ducibus qui perurgebant et populis ait (11,6; 1011,9) ‚Als Mose ihn (Lucius) sah, sagte er zu den Offizieren, die dort waren und drängten, und zu den Leuten, …‘ Die Glosse beginnt vor dem Lemma und geht intl. bis über das zweite p. Es handelt sich um eine äußerst zarte Einritzung. liutim: Dat. Pl. st. M. ahd. liut ‚Volk‘ – AWB 5,1205. GSp 2,193. SpAW 1,558. StWG 381. SchG 6,134. EWA 5,1397. 365. f. 143r, Z. 11, tam facile – fradl.. (11) … quare inquit o161 moses tam facile condemnas eum cuius fidem / (12) ignoras (11,6; 1011,14) ‚Er sagte: ,Warum, oh Moses, verurteilst Du so leichtfertig einen, dessen Glauben Du nicht kennst?‘‘ Die Glosse ist fein intl. über tam fac- eingedrückt und nach d nur noch resthaft zu erkennen. fradl..: Vermutlich Adv. ahd. fradlīhho ‚tüchtig, eifrig, eilfertig, klug‘ – AWB 3,1200. GSp 3,820. SpAW 1,259. StWG xl, 811, 846, 860. SchG 3,278. EWA 3,506. Vgl. auch Heidermanns (1993: 210). 366.–367. f. 143r, Z. 14 (13) … desine inquit o162 luci dolosis / (14) tuis me quoque imaginibus adgredi (11,6; 1011,17) ,,Lucius‘, antwortete er, ,höre auf, auch mich mit deinen trügerischen Bildern anzugreifen.‘‘ 366. f. 143r, Z. 14, imaginibus (11,6; 1011,17) – pilid.n Intl. über -m- einsetzend, mit stumpfem Griffel sehr fein eingedrückt; p ist unklar, das Ende kaum mehr sichtbar. pilid.n: Dat. Pl. st. N. ahd. bilidi ‚Bild‘ – AWB 1,1034 (1028). GSp 3,97. SpAW 1,61. StWG 54, 55. SchG 1,352. EWA 2,50.

|| 161 Auf o ist ein Akut. 162 Auf o ist ein Akut.

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367. f. 143r, Z. 14, adgredi (11,6; 1011,17) – zoarquā Gut lesbar, mit stumpfem Griffel in feiner Einprägung intl. über dem Lemma. zoarquā = zoarquam: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. zuoirqueman ‚sich heranmachen, sich vermessen‘. Vgl. die starken Verben ahd. irqueman ‚erstaunt sein, in Angst geraten‘ und zuoqueman ‚hinzutreten‘ sowie Bildungen mit Zweitpräfix ir- wie ūfirqueman ‚entstehen‘ – AWB. GSp 4,665. SpAW 1,717. Bei der Form des glossierten Textwortes handelt es sich nicht um einen historischen Infinitiv. Die Übertragung in eine finite Präteritumsform wirkt hier mechanisch, zusätzlich durch den Wechsel von der zweiten zur dritten Person. 368. f. 143r, Z. 17, numquit – inuga (17) … Numquit potest uerior esse fides quae auri/ (18) bus capitur quam quae oculis peruidetur (11,6; 1011,20) ‚Kann etwa ein Glaube, der mit den Ohren wahrgenommen wird, wahrer sein als einer, der mit den Augen erkannt wird?‘ Die Glosse steht in sehr feiner Einprägung intl. über -um quit. inuga: Konj. ahd. inuga ‚etwa (nicht)?‘ – AWB 4,1639. SpAW 1,303, 424, 679. EWA 5,134. (inu vgl. StWG 306. SchG 5,64). 369. f. 143r, Z. 25, suffunderet – pidanfta (25) … Uerum cum aput alexandriam populos et urbem nebulosi / (26) doctoris163, taetra perfidiae caligo164 suffunderet uelut lampadam quandam diui/ (27) na luce fulgentem didymum dominus accendit (11,7; 1012,6) ‚Als in Alexandria eine schändliche Dunkelheit des Unglaubens des düsteren Lehrers die Menschen und die Stadt bedeckte, zündete der Herr Didymus an, gleichsam als eine Lampe, die mit göttlichem Licht strahlt.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -uffunde- und bis auf n, das schwach ist, gut lesbar eingetragen. pidanfta: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. bidempfen ‚ersticken, mit etwas überfließen lassen‘ – AWB 2,373. GSp 5,142. SpAW 1,124. StWG 93, 799. SchG 2,163. RSV 1,225. EWA 2,576. Riecke 267. 370.–371. f. 143v, Z. 12 (12) sed et in ceteris siue dialecticae seu geometriae astronomiae / (13) quoque uel arithmeticae disciplinis ita esset paratus (11,7; 1013,4) ‚Er war auch in den anderen Disziplinen, sei es in Dialektik oder Geometrie, oder in Astronomie und Arithmetik so gut ausgebildet.‘ || 163 i aus e korrigiert. 164 go nachträglich eingefügt.

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370. f. 143v, Z. 12, dialecticae (11,7; 1013,4) – di(…)redina Mit stumpfem Griffel intl. über siue dialecti-. di(…)redina: Im hinteren Teil der Eintragung ist zu erkennen: Gen. Sg. st. F. ahd. redina ‚Syllogismus, Überlegung‘ – GSp 2,450. SpAW 1,731. StWG 475. SchG 7,349. di(…) zu Beginn könnte ding sein. Vgl. dazu Glossen zu dialectica wie thincliho (Clm 19440; StSG 2,16,32) und diinclicho (Clm 23486; StSG 2,20,16). 371. f. 143v, Z. 12, astronomiae (11,7; 1013,4) – callale. Intl. mit spitzem Griffel über -nomiae. Die Glosse ist sehr schwer zu lesen und, da sie sich gegen den Falz hin befindet, nur eingeschränkt untersuchbar. callale.: Formal und inhaltlich völlig unklar. Allenfalls zu bedenken ist eine Ableitung von st. V. ahd. galan ‚beschwören, zauberisch singen‘ – AWB 4,27, was jedoch eine allzu unsachliche Bezugnahme auf den Text bedeutete. Das im Text folgende arithmeticae ist mit Griffel lateinisch glossiert. Vgl. Lateinische Griffelglossen, Kap. 4.3.4.3.1, die Glosse L.12. 372.–373. f. 143v, Z. 16–17 (16) … huius aliquanti dic/ (17) ta uel communiter disputata uel proponentibus responsa adhibitis no/ (18) tariis describsere (11,7; 1013,8) ‚… viel von seinen Worten oder was er öffentlich diskutiert oder Vortragenden geantwortet hatte‘. 372. f. 143v, Z. 16, huius (11,7; 1013,8) – sin Intl. und schwach, mit spitzem Griffel über -ius. sin: Gen. Sg. M. Refl.- bzw. Pers.-Pron. und Poss.-Pron./Adj. poss. ahd. sīn ‚seiner, sein‘ – GSp 6,6. StWG 523, 829, 853. SchG 8,227. 373. f. 143v, Z. 17, disputata (11,7; 1013,9) – stritanti Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über -putata; r und i stehen in Ligatur, und Schluss-i geht vom Ende des t-Balkens nach unten. stritanti: Nom. Sg. unflekt. Part. Präs. st. V. ahd. strītan ‚streiten, diskutieren‘ – GSp 6,745. SpAW 1,950. StWG 600, 831. SchG 9,280. 374. f. 143v, Z. 29, florebat – pluata (29) … Florebat igitur aegyptus ea tempestate non solum eruditis in christia/ (30) na filosofia uiris (11,8; 1013,21) ‚Ägypten blühte also zu der Zeit nicht nur dank Männern, die in christlicher Philosophie ausgebildet waren.‘ Intl. über -r- einsetzend, zunächst eingedrückt, ab dem ersten a, das schlecht sichtbar ist, dann geritzt. Von t- von tibi in der darüberliegenden Zeile reicht ein Griffelstrich auf l des Lemmas herunter.

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pluata: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. bluoen ‚blühen, in voller Kraft stehen‘ – AWB 1,1227. GSp 3,239. SpAW 1,83. StWG 67, 838. SchG 1,436. RSV 1,11. EWA 2,206. Riecke 146. 375. f. 144r, Z. 7, pollentes – uuallante (6) … Habuit autem per idem tempus etiam / (7) mesopotamia uiros nobiles eisdem studiis pollentes (11,8; 1014,8) ‚Zu derselben Zeit hatte aber auch Mesopotamien vortreffliche Männer, die in denselben Bemühungen vieles zu tun vermochten.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über dem Lemma. Das erste u in der nach links ausgebauten Form, wie sie in der Auszeichnung vorkommt, n und t stehen in Ligatur, e mit ausschwingender Zunge. uuallante: Nom. Sg. M. st. flekt. Part. Präs. st. V. ahd. wallan ‚erblühen, strotzen, mächtig sein‘ – GSp 1,797. SpAW 1,1056. StWG 692, 856. SchG 11,364. 376. f. 144r, Z. 16, ad profitendam – forazapringanne (15) … ambo nobiles ambo athenis eruditi ambo collegae ambo de au/ (16) ditorio digressi ad profitendam retoricam rogabantur (11,9; 1014,17) ‚Beide waren aus adeligen Familien, beide studierten in Athen, wo sie Mitschüler waren, und beide wurden nach Verlassen des Hörsaals angefragt, die Redekunst öffentlich auszuüben.‘ Mit stumpfem Griffel über profitendam und bis über c von retoricā reichend. r und i stehen in Ligatur. Gut lesbar. forazapringanne: Dat. Inf. (Gerundium) st. V. ahd. forabringan ‚vorbringen, hervorbringen‘ – AWB 1,1398. GSp 3,199. SpAW 1,105. StWG 78. SchG 2,38. EWA 2,341, mit eingeschlossenem Präfix zi der Gerundiumsbildung (BRG §315,A.2). 377. f. 144r, Z. 18, mancipasset – kafeste (18) … quique cum se totius (Ed. totum) dei, seruitio mancipasset, tantum de / (19) collegae amore presumpsit, ut sedentem Basilium de doctoris cathe/ (20) dra deponeret (11,9; 1014,19) ‚Und da er sich ganz in Gottes Dienst gestellt hatte, nahm er die Liebe seines Begleiters in einem solchen Ausmaß in sich auf, dass er Basilius vom Lehrstuhl entfernte.‘ Intl. über manci-, schwach eingeritzt, zusammen mit einer anderen Einritzung, was eine unklare Situation ergibt. Im Bereich des Präfixes könnte die zweite Ritzung ke sein, im Bereich von fe ist je nach Ritzung auch fa möglich. kafeste (auch kefaste?): 3. Sg. Konj. Präs. sw. V. ahd. gifesten ‚sich hingeben, sich beschäftigen‘ – AWB 3,764 (Bedeutungsbereich 3). GSp 3,719. SpAW 1,225. StWG 149. SchG 3,127. RSV 1,39. EWA 3,185.

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378. f. 144r, Z. 21, remotis – arscopanem (20) … ibique / (21) per annos ut aiunt tredecim omnibus grecorum secularium libris remotis / (22) solis diuinae scribture uoluminibus operam dabant (11,9; 1014,22) ‚Dort legten sie dreizehn Jahre lang, wie gesagt wird, alle Schriften der heidnischen Griechen beiseite und widmeten sich ausschließlich den Büchern der Heiligen Schrift.‘ Mit stumpfem Griffel, intl. über r- beginnend und dann in den Blattrand hinaus verlaufend, gut lesbar. arscopanem: Dat. Pl. st. flekt. Part. Prät. st. V. ahd. irskioban ‚entfernen, verstoßen‘ – GSp 6,409. SpAW 1,850. StWG 544. SchG 8,362. 379. f. 144r, Z. 30, rura – feld (30) … Basilius ponti urbes et rura circumiens (11,9; 1015,4) ‚Basilius ging durch die Städte und die ländlichen Gebiete von Pontus.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über rur-. Danach möglicherweise noch Spuren eines anderen Griffels. feld: Akk. Pl. st. N. ahd. feld ‚Feld, Weide‘ – AWB 3,709. GSp 3,515. SpAW 1,221. StWG 145, 807. SchG 3,98. EWA 134. 380. f. 144r, Z. 33, abiectis – kesun~ (32) … callumque ab his longe negligentiae / (33) coepit abolire subegitque abiectis inanium rerum et secularium / (34) curis suimet notitiam recipere (11,9; 1015,7) ‚Er begann, die bei langer Vernachlässigung entstandene Unempfindlichkeit zu beseitigen und zwang sie (die Provinz), ihre Sorgen um wertlose und verwerfliche Dinge abzulegen und ihre Aufmerksamkeit ihm zu schenken.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über abiectis. Ihr folgt eine Wellenlinie, mit der eine Kürzung bezeichnet sein könnte. kesun~: Unter Deutung der Wellenlinie als Kürzungszeichen: Gekürztes Part. Prät. sw. V. ahd. gisuntarōn ‚absondern‘ – GSp 6,53. SpAW 1,967. StWG 609. SchG 9,343. RSV 2,151. 381. f. 144v, Z. 17, condolere – riuuuota (17) … ille delinquentibus misericorditer condolere et / (18) a delicto reuocare (11,9; 1015,26) ‚Er zeigte sein Mitgefühl, indem er Mitleid hatte mit den Straffälligen, und rief sie von der Sünde zurück.‘ Intl. mit stumpfem Griffel über dem Lemma, klar lesbar. riuuuota: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. riuwōn ‚Mitleid haben, bedauern‘ – GSp 6,1143. SpAW 1,760. StWG 489. SchG 7,450. RSV 2,122.

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382. f. 144v, Z. 23, exilium – scato (22) … basilius … / (23) … cum a ualente in exilium pro fide cogeretur (11,9; 1016,4) ‚Als Basilius sich wegen seines Glaubens von Valens ins Exil gezwungen sah, …‘ Vielleicht mit einem Farbstift intl. über exiliū eingetragen. Der letzte Buchstabe ist undeutlich. scato: Unklar. Nach der Form Akk. Sg. st. M. skato ‚Schatten‘ – GSp 6,423. SpAW 1,833, was aber aus inhaltlichen Gründen unplausibel ist. 383.–384. f. 144v, Z. 29–30 (28) … atque utinam / (29) aliquit mihi esset digni muneris quod offerrem huic qui maturius basili/ (30) um de nodo follis huius absolueret (11,9; 1016,10) ‚Ich wünschte, ich könnte demjenigen, der Basilius früher aus der Verwicklung seines (Geld-?)Sacks befreien würde, ein würdiges Geschenk machen.‘ 383. f. 144v, Z. 29, maturius (11,9; 1016,10) – sniumo Intl. über a einsetzend, mit stumpfem Griffel, klar lesbar. sniumo: Adv. ahd. sniumo ‚schnell, unverzüglich‘ – GSp 6,848. SpAW 1,890. StWG 567, 854. SchG 9,21. 384. f. 144v, Z. 30, nodo (11,9; 1016,10) – ursun Die gut lesbare Glosse von einem stumpfen Griffel beginnt intl. über -e von de und geht bis über -o. ursun: Wohl Nom. Sg. st. M. ahd. ursun ‚Größenwahnsinn, Prahlsucht‘, Verbalabstraktum als schwundstufiges Pendant zu st. M. ahd. ursin ‚Wahnsinn‘ – SpAW 1,818, analog zu den Paarungen ahd. urdrioz – urdruz, urspring – ursprung. Zu dem Bildungstyp und zur Verbalklasse III vgl. Hinderling (1967: 139–145). Beim Interpretament ist mit einer Erklärung der hier abstrakten Bedeutung von lat. nodus zu rechnen bzw. des schwierigen Begriffs nodus follis. 385. f. 144v, Z. 31, denuo – afar (30) … cumque daretur ei nox que erat me/ (31) dia ad spatium deliberandi respondisse denuo perhibetur (11,9; 1016,12) ‚Und als ihm die Nacht, die dazwischen lag, als Bedenkzeit gegeben wurde, soll er noch einmal geantwortet haben: …‘ Mit stumpfem Griffel sehr deutlich intl. über -nuo. afar: Adv. Konj. ahd. avur ‚nochmals, wiederum‘ – AWB 1,700. GSp 1,177. SpAW 1,7. StWG 37, 789, 837, 858f. SchG 1,77. EWA 1,401. Die Glosse ist identisch mit Glosse 340.

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386. f. 145r, Z. 3, praedio – oadle (2) … ipse tamen ab / (3) hostibus circumuentus in praedio quo ex bello trepidus confugerat impieta/ (4) tis suae poenas, igni exustus dedit (11,13;165 1020,2) ‚Aber er war auf einem Landgut, zu dem er aus Angst vor der Schlacht geflohen war, vom Feind umgeben, und zahlte den Preis für seine Gottlosigkeit, indem er zu Asche verbrannt wurde.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -n prae- fein, aber gut lesbar eingetragen. oadle: Dat. Sg. st. M. ahd. uodil ‚Gut, Besitztum‘ – GSp 1,144. SpAW 1,1045. StWG 680. SchG 10,286. 387. f. 145r, Z. 8, strenuus – strenger (8) … usu armorum stre/ (9) nuus uelox corpore et ingenio bonus erat (11,13; 1020,8) ‚Er war energisch im bewaffneten Kampf, körperlich schnell und intelligent.‘ Die Glosse beginnt über e am Zeilenende und verläuft in den rechten Blattrand hinaus. Mit stumpfem Griffel, gut lesbar. e und n stehen in Ligatur. strenger: Nom. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. strengi ‚energisch, entschlossen‘ – GSp 6,756. SpAW 1,947. StWG 599. SchG 9,271; Heidermanns (1993: 560). 388. f. 145r, Z. 20, alumna – camahha (19) … Cum interim iusti/ (20) na mater eiusdem arriane haereseos alumna impietatis suę ue/ (21) nena quae uiuente uiro suppresserat filio facile decepto fidenter / (22) aperuit (11,15; 1020,21) ‚Unterdessen öffnete seine Mutter Justina, eine Schülerin der arianischen Sekte, mutwillig für ihren leichtgläubigen Sohn die Giftflaschen ihrer Gottlosigkeit, die sie zu Lebzeiten ihres Mannes versteckt hatte.‘ Die Glosse setzt intl. über u ein und geht über das Lemma hinaus. Mit stumpfem, feinem Griffel, gut lesbar. camahha: Nom. Sg. sw. F. ahd. gimahha ‚Schülerin, Angehörige‘ – AWB 6,89. GSp 2,634. SpAW 1,584. StWG 212. EWA 4,314. Das Wort war bislang ausschließlich in der Bedeutung ‚Ehefrau‘ belegt. 389. f. 145v, Z. 4, beniuolo – ueuillo (3) … Interim dictanda aduersum fidem patrum imperalia decre/ (4) ta mandantur beniuolo tunc memoriae scriniis praesidenti166 (11,16; 1021,17) ‚Inzwischen wurden

|| 165 Nach f. 144 fehlt das letzte Blatt der 18. Lage. Der Textverlust umfasst das Stück supplicia. – tum vero Valentis bella, quae ecclesiis inferebat. Rufinus, Ecclesiasticae historiae, 11,9–13; siehe Schwartz/Mommsen (1999: 2, 1016,15–1019,15); vgl. Glauche (2011: 159) sowie oben Kap. 4.2.2. 166 -i aus e korrigiert.

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kaiserliche Verordnungen, die gegen den Glauben der Väter verstießen, an Benivolus gesandt, der damals die Anklagebehörde leitete.‘ Mit stumpfem Griffel schwach intl. über beniuolo fein eingedrückt. ueuillo: Ein sonderbarer Beleg. Es scheint, als sei benivolo für das Adj. lat. benivolus ‚wohlwollend‘ gehalten und glossiert worden mit einem Adv. ahd. we[la]willo ‚wohlwollend‘. Vgl. dazu das Adv. ahd. welawillīg – GSp 1,829. SpAW 1,1151 und das Adj. ahd. willi in einwilli, ungiwilli – GSp 1,826. SpAW 1,1090. Bei we- wäre dann von einer (sprechsprachlichen?) Verkürzung des Vorderglieds wela- auszugehen. Weil die Lesung nicht ganz ohne Zweifel ist, bleibt diese Deutung jedoch unsicher. 390. f. 145v, Z. 5, incunabulis – uuetota (4) … Sed / (5) ille cui ab incvnabulis167 sacra fides et uenerabilis fuit abnegat se / (6) impia posse uerba proferre, et contra deum loqui (11,16; 1021,18) ‚Er aber, dem der Glaube von frühester Kindheit an heilig und verehrungswürdig war, sagte, dass er keine gottlosen Aussagen machen und gegen Gott sprechen könne.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über incovna-. uuetota: Die Glosse sieht aus wie eine Präteritumsform eines sw. ōn-Verbs, was aber mit dem Textwort, über welchem sie steht, nicht in Einklang zu bringen ist. uuetota ist vielleicht Nom. Pl. st. M. ahd. wetōt ‚Einwicklung, Windeln‘, ein deverbales ōt-Abstraktum aus dem st. V. ahd. wetan ‚verbinden, verknüpfen‘ – GSp 1,738. SpAW 1,1115 (oder einem sw. V. *wetōn?). Eine Grundformglossierung hätte mehrere Parallelen in den Glossen der Handschrift. 391. f. 145v, Z. 7, promittitur – cafall.. (6) … tum uero ne inceptum / (7) reginę frustra uideretur celsior ei honor promittitur si impleret in/ (8) iuncta (11,16; 1021,20) ‚Dann, wenn das Unterfangen der Königin sich nicht als vergeblich erweisen sollte, wurde ihm eine Ämterlaufbahn versprochen, wenn er tat, was ihm aufgetragen war.‘ Die äußerst schwache Glosse setzt über -m- des Textwortes ein. c am Anfang ist schwach, der Schluss gar nicht mehr lesbar. cafall..: Das Gelesene zeigt auf das st. V. ahd. fallan oder gifallan – AWB 3,542, 549. GSp 3,454. SpAW 1,201, das in der Bedeutung ‚zuteilkommen lassen, jemandem zufallen‘ als Interpretament von promittitur an dieser Textstelle allenfalls denkbar ist.

|| 167 -v- aus o korrigiert.

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392. f. 145v, Z. 27, inusta – scarphit (26) … Per idem tempus subreptione quadam / (27) daemonis turpis macula religioso principi inusta est (11,18; 1022,19) ‚Während dieser Zeit wurde der religiöse Fürst durch die List eines Dämons mit einem hässlichen Schandfleck gebrandmarkt.‘ Mit stumpfem Griffel schwach, intl., vor dem Lemma einsetzend bis über -a. Im Bereich von r ist sie schlecht lesbar. scarphit: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. skarpfen ‚brandmarken, ein Zeichen einbrennen‘, das zum Adj. ahd. skarpf ‚scharf, heftig, bitter‘ usw. und as. giskerpian ‚rau machen, aufreizen‘ – GSp 6,544. SpAW 1,794, 833. ASHWB 344 zu stellen ist. SchAHG §155 betrachtet die Affrikate allerdings hier als aus westgerm. *pp entstanden. Vgl. die Formen ohne Affrikate wie das sw. V. ahd. skarbōn ‚rau machen, aufreizen‘ und das st. M. ahd. skorf ‚Schorf, Grind‘ (SpAW 1,843). 393. f. 145v, Z. 29, (ludos?) – (…)n/spil (27) … etenim cum aput / (28) thessalonicam seditione exorta quidam ex militaribus uir impetu fuisset po/ (29) populi168 furentis extinctus repenti (Ed. repentini) nuntii atrocitate succensus ad lu/ (30) dos cercenses inuitari populum (11,18; 1023,2) ‚Dies geschah, als ein Militäroffizier bei einem Aufstand in Thessaloniki angegriffen und von den wütenden Menschen getötet wurde. Als die unvermuteten Nachrichten eintrafen, befahl er, wütend über die Grausamkeit, den Leuten, sich zu Zirkusspielen einzufinden.‘ Die Glosse steht zweizeilig marg. links neben Z. 29 und Z. 30, eingetragen mit stumpfem Griffel und nur schwach eingedrückt. Die erste Zeile ist nur resthaft lesbar. (…)n/spil: In der zweiten Glossenzeile ist erkennbar spil: Akk. Sg. st. N. ahd. spil ‚Spiel‘ – GSp 6,329. SpAW 1,904. StWG 574. SchG 9,83. 394. f. 146r, Z. 3, animaduersione – diumihhilmotin (3) … lege sanxit in posterum ut sententiae principium (Ed. principum) super anim/ (4) aduersione prolatae in diem tricensimum ab exsecutoribus differrentur (11,18; 1023,9) ‚Er setzte von da an ein Gesetz in Kraft, dass Urteile von Herrschern zur Strafverhängung von den Gerichtsvollziehern erst nach dreißig Tagen vollstreckt werden sollten.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel, intl. über a- einsetzend und dann in den rechten Blattrand hinaus bis zum Seitenschnitt verlaufend, am Schluss etwas schwächer, aber dennoch lesbar.

|| 168 po- wohl versehentlich wiederholt.

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diumihhilmotin: Bestehend aus diu: Dem.-Pron. Art. ahd. der, diu, daz – AWB 2,411. GSp 5,3, 18, 36. SpAW 1,132. StWG 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. EWA 2,589 und mihhilmotin: Nom. Sg. sw. F. ahd. mihhilmuotī(n) ‚Leidenschaftlichkeit‘ – AWB 6,579. GSp 2,694. SpAW 1,623. StWG 413. SchG 6,372. EWA 6,414. Das Wort steht auch als Rufinus-Hist.-eccl.-Glosse zu lat. animositate (V,1) im Clm 18140 (StSG 2,604,29). Das Wort der Glosse trifft die kontextuelle Bedeutung des Lemmas nicht genau. 395. f. 146r, Z. 14, offerre – arpotan (13) … prestare multa pos/ (14) centibus sed frequentius ultro offerre (11,19; 1023,21) ‚Er gab denjenigen, die fragten, viel, bot ihnen aber häufig noch mehr an.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über dem Lemma. arpotan: Unflekt. Part. Prät. st. V. ahd. irbiotan ‚zur Verfügung stellen, anbieten‘ – AWB 1,1096. GSp 3,73. SpAW 1,67. StWG 58, 793. SchG 1,380. EWA 2,93. 396.–397. f. 146r, Z. 14–15 (14) … idolorum cultus qui constantini institu/ (15) tione et deinceps neglegi et destrui coeptus fuerat eodem169 imperante / conlapsus est (11,19; 1023,22) ‚Die Anbetung der Götzen, die zu vernachlässigen und auszurotten man auf Initiative Konstantins begonnen hatte, brach während seiner Regierungszeit zusammen.‘ 396. f. 146r, Z. 14, institutione (11,19; 1023,22) – castaf. Die Eintragung setzt intl. über -itu- ein und reicht wenig in den Blattrand hinaus, am Ende erlischt sie. f ist nicht sicher. castaf.: Mit ahd. gi- (nhd. ge-) präfigiertes Substantiv, das möglicherweise mit dem sw. V. ahd. stiften ‚gründen‘ – GSp 6,614. SpAW 1,937 zu verbinden ist. Mit der vorliegenden, nur rudimentär ermittelten Form bleibt vieles unklar. 397. f. 146r, Z. 15, destrui (11,19; 1023,22) – forit Mit stumpfem Griffel nur schwach intl. über -estrui eingetragen. forit: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. fuoren ‚führen, tragen, befördern‘ und zahlreiche Bedeutungsvarianten – AWB 3,1345. GSp 3,589. SpAW 1,206. StWG 183, 812. SchG 3,333. RSV 1,48. EWA 3,639, in der hier aktualisierten Bedeutung ‚zerstören‘ sonst als zifuoren (AWB 3,1354) überliefert.

|| 169 An der Stelle von o ein Loch im Pergament.

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398. f. 146r, Z. 21, ceteris – andr.n (20) … apollinaris episcopus / (21) uir sane in ceteris instructus (11,20; 1024,5) ‚Bischof Apollinaris war ein Mann, der durchaus in anderen Dingen gut unterrichtet war, …‘ Die Glosse steht intl. über ceteris in ganzer Länge. Von d ist nur der Bogen deutlich zu sehen. andr.n: Dat. Pl. Pron.-Adj. ahd. ander ‚anderer‘ – AWB 1,462. GSp 1,370. SpAW 1,22. StWG xxxvii, 27, 787, 836. SchG 1,161. EWA 1,241. 399. f. 146r, Z. 29, supplementum – farholfan.. (29) … ad supplementum uero ratio/ (30) nabilis partis ipsum uerbum dei fuisse perhibebat (11,20; 1024,14) ‚Zur Verstärkung des rationalen Teils aber, sagte er, diente das Wort Gottes selbst.‘ Intl. über -pp- einsetzend wird die feine Einprägung der Glosse nach hinten immer schwächer und verliert sich über uero. farholfan..: Gelesen ist das Part. Prät. st. V. ahd. firhelfan ‚nachhelfen, verstärken‘. Als Präfixe zum st. V. ahd. helfan (AWB 4,909) waren bislang gi- und zuo- belegt (AWB 4,916, 917. SpAW 1,378). Der paläographische Befund lässt keine Aufschlüsse über die volle Form des Belegs zu (handelt es sich um eine Abstraktbildung?). 400. f. 146v, Z. 3, dogmata – riht. (2) … ex illo ap/ (3) pollinaristae ab ecclesia declinantes, et episcopos sibi suae partes (Ed. partis) et dogma/ (4) ta propria ecclesiasque defendunt (11,20; 1024,22) ‚Und von da an haben die Apollinarier, die sich von der Kirche abwandten, sowohl Bischöfe für ihre Sekte als auch ihre eigenen Lehren und Kirchen für gerechtfertigt erklärt.‘ Die schwache Eintragung von einem stumpfen Griffel steht intl. über dogma/, wo sie schlecht untersuchbar ist. Der letzte Buchstabe konnte nicht gelesen werden. riht.: Vermutlich Akk. Pl. sw. F. rihtī ‚Regel, Lehrsatz‘ – GSp 2,415. SpAW 1,736. StWG 484. SchG 7,411. 401. f. 146v, Z. 9, iurgia – capaca (9) … multa ibi iurgia, et multae controuersiae saepe / (10) commotae (11,21; 1024,28) ‚Dies verursachte dort des Öfteren viele Streite und viele Meinungsverschiedenheiten.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -gia & mul- eingetragen. Insbes. p ist sehr deutlich. capaca: Nom. Pl. st. F. ahd. gibāga (oder st. M. gibāg) ‚Streit, Rechtsklage‘. Vgl. st. F. ahd. bāga, st. N. ahd. gibāgi, st. M. (N.) ahd. bāg ‚Streit‘ – AWB 1,775. GSp 3,23. SpAW 1,37. StWG 39, 790. SchG 1,244. EWA 1,426.

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402. f. 146v, Z. 11, in hoc – afar (10) … Nec tamen summa ui nitentibus aliis et aliis obnitentibus ipsisque / (11) in hoc aelementis terrae marisque fatigatis (11,21; 1024,30) ‚Auch kämpften die einen mit größter Kraft und leisteten die anderen Widerstand, und sie waren dabei durch die Elemente der Erde und des Meeres zermürbt, …‘ Mit stumpfem Griffel intl. über hoc ae- eingetragen. afar: Konj. ahd. avur ‚aber, dagegen‘ – AWB 1,700. GSp 1,177. SpAW 1,7. StWG 37, 789, 837, 858f. SchG 1,77. EWA 1,401. 403. f. 146v, Z. 18, praetore – sca hhari (17) … aput constantinopolim uero Nec/ (18) tarius ex praetore urbano cathecuminus et nuper baptisma consecutus / (19) sacerdotium suscepit (11,21; 1025,5) ‚In Konstantinopel wurde Nectarius tatsächlich vom städtischen Prätor zum Katechumen und erhielt im Anschluss an seine kürzliche Taufe die Priesterweihe.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über praetore, sca in kleiner Schrift über pra-, hhari größer über -ore. scahhari: Das scheint zunächst Nom. Sg. st. M. ahd. skāhhāri ‚Schächer, Räuber‘ – GSp 6,412. SpAW 1,828. StWG 531. SchG 8,271, hier für ‚Statthalter‘, zu sein. Es fragt sich allerdings aus inhaltlichen Gründen, ob es sich beim Glossenwort wirklich um ahd. skāhhāri handeln kann oder nicht vielmehr um ein praetore als ‚Feldherr‘ übersetzendes st. M. ahd. *skahhāri ‚Feldherr‘ zu skahhōn ‚herumziehen‘ (in undiskahhōn ‚auf den Wellen schweifend‘ – GSp 6,412). 404. f. 146v, Z. 25, crescerent – aohhont (23) … uisum / (24) est episcopo … hanc ab imperatore depos/ (25) ceret ut crescentibus fidelium populis, orationum quoque crescerent domus (11,22; 1025,14) ‚Er beschloss, den Kaiser darum (um das verfallene Kirchengebäude) zu bitten, damit die Gebetshäuser, indem sie vermehrt würden, mit der wachsenden Zahl der Gläubigen Schritt halten können.‘ Die Glosse in schwacher Einprägung intl. über dem Lemma. aohhont: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. ouhhōn ‚zunehmen, vermehren‘ – GSp 1,119. SpAW 1,695. StWG 456. SchG 7,232. EWA 6,1277. 405.–406. f. 146v, Z. 26–27 (26) Quamque cum acceptam uellet excolere reperta in loco sunt antra quędam / (27) latentia et terrae defossa latrociniis et sceleribus magis quam caeremo/ (28) niis apta (11,22; 1025,15) ‚Er erhielt sie (die Kirche) und machte sich daran, sie zu restaurieren, als auf dem Gelände versteckte Grotten und unterirdische Kammern entdeckt

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wurden, die geeigneter waren für Gesetzlosigkeit und Verbrechen als für Gottesdienste.‘ 405. f. 146v, Z. 26, antra (11,22; 1025,15) – holin Mit stumpfem Griffel über dem Lemma, h schwach, sonst gut lesbar. Am Anfang steht ein schräger Griffelkratzer. holin: Nom. Pl. sw. F. ahd. holī(n) ‚Höhle, Grotte‘ – AWB 4,1211. GSp 4,847. SpAW 1,397. StWG 282. SchG 4,368. EWA 4,1112. 406. f. 146v, Z. 27, sceleribus (11,22; 1025,15) – far.a Sehr schwache intl. Eintragung in unsicherer Lesung über -celer-. far.a: Die fragmentarische Lesung gestattet keine lexikalische Bestimmung. Zieht man für den dritten Buchstaben r in Betracht, kann man allenfalls an das Präfix firund das an. V. ahd. firtuon ‚schändlich handeln‘ – GSp 5,322 denken (*fartāt?). 407. f. 146v, Z. 33, coire – .far? (32) … crebros conflictos (Ed. conflictus) agere in / (33) plateis belloque aperto uterque populus170 inter se coire (11,22; 1025,22) ‚Sie trugen viele Kämpfe in den Straßen aus, sodass sich die beiden Völker im offenen Krieg begegneten.‘ Die Eintragung steht intl. über coire, mit stumpfem Griffel und sehr schwach eingeprägt. Sie ist nur in ihrem mittleren Teil lesbar. .far?: far ist vielleicht die Wurzelsilbe des st. V. ahd. faran – AWB 3,570. SpAW 1,204. GSp 3,548. StWG 140, 806, 843. SchG 3,51. EWA 3,56. In Prudentiusglossen ist zweimal die Paarung coire – zisamanefaran überliefert (StSG 2,478,28. 592,49). 408. f. 146v, Z. 33, numero – za (f. 146v, Z. 33) … at nostri numero et po// (f. 147r, Z. 1) tentia multo plures sed modestia religionis minus feroces erant (11,22; 1025,22) ‚Unsere Seite übertraf die andere Seite an Zahl und Stärke, war jedoch durch religiöse Zurückhaltung weniger gewalttätig.‘ Die Glosse ist intl. über nu- eingedrückt. za: Wohl gekürztes st. F. ahd. zala ‚Zahl, Anzahl‘ – GSp 5,641. SpAW 1,1170. StWG 753. SchG 11,321.

|| 170 o aus u korrigiert.

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409. f. 147r, Z. 29, pagina – du (27) … cumque haec scribta uenis/ (28) sent et uelut post inducias parui temporis ad audiendum uterque po/ (29) pulus conuenisset ad templum statim ut prima epistulae pagina171 / (30) reserata est in cuius exordio uana gentilium superstitio culpabatur / (31) clamor a nostris inmensus adtollitur (11,22; 1026,22) ‚Als nun dieser Brief ankam und sich beide Völker nach einer Art kurzfristigem Waffenstillstand im Tempel trafen, war kaum die erste Seite des Briefs vorgelesen worden, deren Einleitung den eitlen Aberglauben der Heiden tadelte, als unsere Leute laut aufschrien.‘ Intl. mit stumpfem Griffel über -e pa-. du: Es ist von einer Kürzung auszugehen; wenn zu pagina gehörig, von einer lexikalischen Kürzung, wenn zu epistulae, von einer grammatischen. Alles Weitere ist unverständlich. (Steht allenfalls das Adj. ahd. dunni ‚dünn‘ – AWB 2,738 dahinter?) 410. f. 147v, Z. 10, uero – auar (10) … Iam uero in superioribus extrema totius ambitus spatio (Ed. spatia) oc/ (11) cubant (Ed. occupant) exhedrae, et pastoforia (11,23; 1027,4) ‚Auf der oberen Ebene jedoch boten die äußersten Bauten im gesamten Umfang Platz für Hallen und eine Kapelle.‘ Sehr schwach intl. über uero. Das zweite a ist kaum sichtbar. auar: Adv. Konj. ahd. avur ‚aber, tatsächlich aber‘ – AWB 1,700. GSp 1,177. SpAW 1,7. StWG 37, 789, 837, 858f. SchG 1,77. EWA 1,401. 411. f. 147v, Z. 31, laquearibus – catafal(…) (30) … lapis cu/ (31) ius naturam ferrum ad se trahere diximus desuper in laquearibus fixus (11,23; 1028,3) ‚Ein Stein, der, wie wir sagten, natürlicherweise Eisen anzieht, war in der getäfelten Zimmerdecke befestigt.‘ Die Glosse mit stumpfem Griffel intl. über laquearib;. Sie ist schlecht lesbar, weil sie gegen den Falz hin ungünstig positioniert und auf einer zerknitterten Stelle im Pergament eingetragen ist. catafal(…): Vermutlich st. N. ahd. gitavali ‚getäfelte Decke‘ – GSp 5,392. SpAW 1,987. StWG 224. SchG 9,434. 412. f. 148r, Z. 8, praeceps – fal (6) … quod / (7) si humana, manus simulacrum, illut172 contegisset terra dehiscens ilico / (8) solueretur in chaos caelumque repente rueret in preceps (11,23; 1028,13)

|| 171 -a aus Korrektur. 172 Korrigiert aus illum.

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‚Dass wenn eine menschliche Hand die Statue berührte, sich auf der Stelle die Erde öffnen und sofort in den Abgrund sürzen würde, während der Himmel sofort zusammenbräche.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über pre-, sehr gut lesbar. fal: Nom. Sg. st. M. ahd. fal ‚Fall, Sturz, Abgrund‘ – AWB 3,531. GSp 3,462. SpAW 1,202. StWG 137, 806. SchG 3,31. EWA 3,21. 413. f. 148v, Z. 25, parieti – nti (24) … erat autem simulacrum illut a tergo / (25) exesum et parieti diligenter adnexum (11,25; 1031,20) ‚Denn jene Statue war hinten ausgehöhlt und an der Wand eng anliegend befestigt.‘ Eingetragen mit stumpfem Griffel intl. über -ieti. nti: Grammatisch gekürzt, Dat. Sg. st. F. ahd. want ‚Wand‘ – GSp 1,761. SpAW 1,1132. StWG 695. SchG 10,384. 414. f. 148v, Z. 29, incitamentum – caspanstungon (28) … posteaquam que libitum fuerat uel ad conster/ (29) nationem maiorum (Ed. maiorem) uel ad libidinis incitamentum disseruisset numen in/ (30) purum (11,25; 1031,24) ‚Nachdem das schmutzige Götterwesen mit ihr gesprochen hatte, mit was auch immer für Begriffen, um ihr Entsetzen zu verstärken oder den Anreiz der Wollust zu wecken, …‘ Längere intl. Eintragung von feinem, stumpfem Griffel. Sie beginnt über -s in- und reicht bis über das erste ss von disseruisset. Sie ist in der vorderen Hälfte weniger gut lesbar. caspanstungon: Nimmt man, was naheliegt, ein Substantiv an, muss dieses eine -ung/-unga-Bildung sein: gispanstung bzw. gispanstunga. Dann ist die Form als Dat. Pl. zu bestimmen. Das passt aber alles nicht zur Form des Lemmas. Für einen Akk. Sg. wäre von schwacher Flexion auszugehen, die in Form eines sw. M. ahd. *-ungo aber kaum denkbar ist. Ahd. gispanstunga ‚Anlockung, Anreiz‘ ist trotz sehr merkwürdiger Bildung (aus einem sw. V. *gispanstōn?) zumindest semantisch plausibel. 415. f. 148v, Z. 32, obstupefactae – prutti (32) … tum descendens obstupefactae et consternatae mulier/ (33) culę adulterii fucum profanis commentationibus inferebat (11,22; 1026,22) ‚Dann stieg er zu der vor Schrecken betäubten und verängstigten Frau nieder und wollte ihr Schande antun, was er hinter ruchlosen Worten versteckte.‘ Die Eintragung ist mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über -bstupe- eingetragen. prutti: Wohl Nom. Sg. F. st. flekt. Adj. ahd. brutti ‚erschreckt, bestürzt‘. Vgl. das sw. F. ahd. bruttī(n) ‚Schrecken‘ – AWB 1,1474. SpAW 1,103. EWA 2,409. In der Frage

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eines ahd. Adjektivs brutti unklar ist der Beleg unarpruttiv (zu inperterrita, StSG 2,270,38). 416. f. 149r, Z. 28, fraude – un.r ?.o (28) … sacerdotes (Ed. sacerdotis) fraude canopus caldeorum uictor ostenditur (11,26173; 1033,7) ‚Durch die List des Priesters wurde Kanopus zum Sieger über die Chaldäer erklärt.‘ Feine und resthafte Eintragung mit stumpfem Griffel intl. über fraude. Nur un ist deutlich. un.r ?.o: Ein unsicherer Beleg, das lesbare un- ist jedoch ein schwacher Anhaltspunkt. Vermutlich Subst. ahd. un[] ‚Betrug‘ wie beispielsweise st. F. untriuwa (GSp 5,467. SpAW 1,1019). Denkbar ist auch eine adverbiale Bildung. 417. f. 149v, Z. 1, fraus? – .ohte. (f. 149r, Z. 33) … Nunc ue/ (34) ro aduentante sacerdote dei theofilo Nullus profuit sudor nec ceris // (f. 149v, Z. 1) fraus obtecta subuenit (11,26174; 1033,12) ‚Mit der Ankunft des Priesters Gottes, Theophilus, waren weder sein Schweiß noch sein mit Wachs überzogener Betrug von Nutzen.‘ Resthafte, sehr schwache Eintragung intl. über fraus. .ohte.: Die fragmentarische Lesung weist auf eine volkssprachige Glosse, gewährt jedoch keine weitere Identifikation. 418.–419. f. 150r, Z. 12 (12) … Dicebant ergo hi qui tunc admiratione rerum gestarum con/ (13) uertebantur ad fidem (11,29; 1035,9) ‚Diejenigen also, die aus Erstaunen über das Geschehene zum Glauben kamen, sagten …‘ 418. f. 150r, Z. 12, ergo (11,29; 1035,9) – afur Mit stumpfem Griffel, intl. über ergo, die Buchstaben weit auseinandergeschrieben. afur: Adv. Konj. ahd. avur ‚folglich, aber‘ – AWB 1,700. GSp 1,177. SpAW 1,7. StWG 37, 789, 837, 858f. SchG 1,77. EWA 1,401. 419. f. 150r, Z. 12, gestarum (11,29; 1035,9) – ho Mit stumpfem Griffel intl. über -arum eingetragen. Vielleicht steht davor noch ein Schriftzeichen.

|| 173 In der Handschrift Kapitel XXV. 174 In der Handschrift Kapitel XXV.

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ho: Grammatische Glossierung zur Kasusangabe von Gen. Pl. (eines ahd. Substantivs mit Wurzelausgang h). 420. f. 150v, Z. 11, excubiarum – camarofr(…) (11) … Nec tam excubiarum vigiliis quam obsecrationum pernoctatio/ (12) ne munitus (11,33; 1037,2) ‚Er investierte nicht so viel in die Wächter der Bewachungsdienste wie in das Durchwachen im Gebet.‘ camarofr(…): Der lesbare Beginn kann st. F. ahd. kamara ‚Zimmer‘ – AWB 5,17 sein. Hat der Glossator excubiae mit cubiculum oder cubicularium verwechselt? 421. f. 150v, Z. 20, fretus – fluatu (20) … Sed ubi uere religionis fretus auxilio theodosius alpium fauces / (21) coepit urgere (Ed. urguere) (11,33; 1037,12) ‚Aber als Theodosius, vertrauend auf die Unterstützung der wahren Religion, auf die Alpenpässe vorrückte, …‘ fluatu: Nom. Sg. st. M. ahd. fluotu (später st. F. ahd. fluot) ‚Flut‘ – AWB 3,1008. GSp 3,754. SpAW 1,249. StWG 167, 810. SchG 3,225. EWA 3,423, als reine Vokabelübersetzung des Textwortes fretus als Substantiv lat. fretus ‚Flut‘. Im Glossenbeleg ist das alte u-stämmige Maskulinum bewahrt. 422. f. 151r, Z. 19, pudoris – scama (18) … quibus spes uana et falsa diuinatio minus / (19) interitu (Ed. in interitu) contulit poenę quam pudoris seruauit in uita (11,34; 1039,14) ‚… deren (der Heiden) leere Hoffnung und falsche Prophezeiung bedeuteten, dass die Strafe im Untergang kleiner war als die Schmach zu Lebzeiten.‘ Mit stumpfem Griffel in feiner Einprägung intl. über dem Lemmawort eingetragen. s weist den am unteren Schaftende angesetzten Anstrich auf. Der letzte Buchstabe ist nur resthaft zu ermitteln. scama: Gen. Sg. st. F. ahd. skama ‚Schamhaftigkeit, Beschämung‘ – GSp 6,492. SpAW 1,831. StWG 532, 830. SchG 8,276.

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4.3.4.2 Althochdeutsche Federglosse F1. f. 111r, Z. 11, (pudenda) – · cunta · (10) … mulieres quoque nudas ita ut / (11) ne pudenda quidem contegerentur arte quadam compositis machinis uno pede in / (12) excelsum suspensas et capite in terra demersas indignissimo expectaculo (Ed. spectaculo) expo/ (13) sitas pendere per diem continuum sinebant (8,9,1; 757,8) ‚Sie ließen zu, dass auch Frauen, die so völlig nackt waren, dass nicht einmal ihre Schamteile bedeckt waren, einen ganzen Tag an Holzgerüsten hingen, die so geschickt gebaut waren, dass einer ihrer Füße in die Höhe ragte, während ihre Köpfe nach unten sanken; ein schockierender Anblick.‘ Federglosse in großer Schrift von einer späteren Hand (ca. 10. Jh.) in Z. 7 nach Textende (von Abschnitt 8,8) im leergelassenen Zeilenraum eingetragen. cunta: F. ahd. kunta ‚weibliche Scham‘, in seiner unverschobenen Lautgestalt ein altes Wanderwort. Vgl. dazu und zu dem bislang einzigen althochdeutschen Beleg in Halle, Universitäts- und Landesbibliothek, Qu. Cod. 79 die Ausführungen in Tiefenbach (2006: 8–10). Während dort von einer federprobenartigen Aufzeichnung auszugehen ist, kann das Dis legomenon im Clm 6383 als fernstehende Textglosse zu lat. pudenda in Z. 11 erklärt werden. Zur Glossierung von machinis in derselben Zeile vgl. Glosse 220. 4.3.4.3 Lateinische Griffeleintragungen Die Handschrift trägt 12 lateinische Griffelglossen (L1–L12) sowie ein paar weitere lateinische Griffeleintragungen. 4.3.4.3.1 Lateinische Griffelglossen L1. f. 7v, Z. 22, caelestium (1,3,20; 39,5) – uer bi Intl. kräftig eingekratzt; uer über -esti-, bi über -m; eine der ganz wenigen Griffeleintragungen, die auf dem Digitalisat sichtbar sind. L2. f. 21r, Z. 8, quendam (2,6,1; 119,13) – qui Intl. über quen-. L3. f. 22v, ab Z. 11 (2,10,3; 127, ab 18) – amphitheatrū Mit stumpfem Griffel, marg. oben. Der Eintrag bezieht sich auf das Erzählte ab Z. 11. L4. f. 27v, Z. 11, (temulentia?) (2,18,2; 155,8) – d./so/catio/ne? Akkurat geschrieben, marg. links, zu Beginn in der Anordnung unklar. Unziales d, das vielleicht nicht dazugehört. Das Interpretament ist der gegebenen Lesung unverständlich.

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L5. f. 44r, Z. 12, freti (3,26,4; 255,18) – preparati Recht gut lesbar intl. über freti. L6. f. 65r, Z. 7, ius (5,1,9; 405,23) – lex Intl., auf rauer Pergamentstelle. L7. f. 93v, Z. 15, confecti (6,41175,17; 607,13) – commixti Trotz störender Kratzer recht gut lesbar, intl. über dem Lemma. L8. f. 103v, Z. 5, metafrasin (Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 955,28) – liber Einwandfrei lesbar intl. über dem Lemma. L9. f. 138v, Z. 5, magorum (10,34; 995,6) – incant(…) Die Passage ist in den Z. 4–6 auch ahd. glossiert; vgl. Glossen 350–352. L10. f. 138v, Z. 5, filosoforum (10,34; 995,6) – sapie Intl. über filos-. L11. f. 138v, Z. 5, haruspicum (10,34; 995,6) – .../incantatorū Mit einer Eintragung von ca. drei Buchstaben oberhalb von incan-. L12. f. 143v, Z. 13, arithmeticae (11,7; 1013,5) – numerar– Nach -r folgt ein langer Querstrich. Z. 12 auch ahd. glossiert; vgl. Glossen 370–371. 4.3.4.3.2 Weitere lateinische Griffeleintragungen Einige weitere lateinische Griffeleinträge bestehen aus Probationes, Ergänzungen, Korrekturen und anderen, die nicht als Glossen im engeren Sinne gedeutet werden: f. 17v, Z. 18–20, marg. r., quia/que; f. 19v, Z. 4, nach qui mit spitzem Griffel s (Ed. auch qui; 2,2,2; 111,11); f. 31r, Z. 2, in der leeren Zeilenhälfte steht Sed erant princies & adlo(…). & kann et oder ex sein; f. 41r, marg. o. steht pertotummilitisunt in; f. 54v, Z. 31, occurrisset – cum (über occu-), eine Textergänzung (vgl. 4,14,7; 335,5), nachträglich mit Feder ausgeführt; f. 55v, marg. u., Beatus(…), in großen Buchstaben, B als Hohlbuchstabe; f. 57v, marg. o. l., quo; f. 57v, Z. 6, marg. l. Sunt; f. 58r, Z. 7, marg. r. quia in; f. 63v, marg. o. de aliquis causis; f. 66v, Z. 3, in der leergebliebenen Zeilenhälfte steht oms amici me; f. 66v, Z. 9, quam – MEO; f. 66v, Z. 11, maiestatis auxilio – & enim; f. 93r, Z. 9, Suos, in einem unbeschriebenen Bereich, ebenso f. 93r, Z. 12, sublatos; f. 101r, marg. o., steht von spitzem Griffel qui empti sunt uolent·; f. 103v, Z. 31, marg. l., Pauli, ab Z. 25 kommt Paulus im Text vor (7,29,1; 705,8); f. 149v, Z. 1, fraus – fraus.

|| 175 In der Handschrift Kapitel XXXIV.

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Auf f. 142r, Z. 19 wurde increpitus (11,5; 1008,4) mit eingeritztem a zu increpatus und f. 143r, Z. 3, Z. 10 inustum (11,6; 1011,13) mit eingeritztem i zu iniustum abgeändert. 4.3.4.4 Unentzifferte und sonstige Griffeleintragungen Unentzifferte Griffeleintragungen Die folgende Zusammenstellung enthält diejenigen rund 800 Griffeleintragungen, die nicht gelesen werden konnten. Etliche davon gehören zu Eintragungsschichten, die lesbare althochdeutsche Glossen enthalten. Unter ihnen sind auch die durch Rasur zerstörten Glossen. Einen großen Teil der hier gesammelten machen sehr schwache Einträge aus, von denen selten auch nur einzelne Buchstaben zweifelsfrei gelesen werden konnten (vgl. Kap. 4.2.3). Wir geben grundsätzlich lediglich die Stellen an, wo sich die Eintragungen befinden. Das sind bei Interlineareintragungen die Textwörter, über welchen sie sich befinden, bei Marginaleintragungen der betreffende Blattrand sowie die Zeilenhöhe. Nur ab und zu, wo Buchstaben unseres Erachtens feststehen, haben wir sie wiedergegeben. f. 1r, Z. 11, marg. r.; f. 1v, Z. 8, uero; f. 2v, Z. 23, [du]/cem futurum; längere Eintragung mit spitzem Griffel, einzelne Buchstaben sind lesbar; f. 2v, Z. 24, in niti; f. 3v, intl. zahlreiche feine, aber allesamt unsichere Einritzungen; f. 3v, Z. 1, notitia; f. 3v, Z. 2, creduntur; f. 3v, Z. 7, sempiternus; f. 3v, Z. 13, mag. l.; f. 3v, Z. 15, persecretione, etwas über -s-; f. 3v, Z. 24, antiquissimus; f. 3v, Z. 31, marg. l.; f. 4v, Z. 12, prius; f. 5v, Z. 31, aperti; f. 6r, Z. 16, ungento; f. 6r, Z. 22, marg. r., in großen Buchstaben; f. 6v, Z. 1, comprehensus; f. 6v, Z. 2, sed, in der Form eines Verweiszeichens; f. 6v, Z. 15, modo; f. 7r, Z. 22, caelestis, über dem zweiten e; f. 7v, Z. 30, marg. l.; f. 8r, intl. da und dort unsichere Griffelspuren; f. 8r, Z. 12, sursum; f. 8r, Z. 16, teneat, vielleicht lesbar; f. 9v, Z. 15, dominatum; f. 9v, Z. 16, genere, einzelne Buchstaben lesbar; f. 10r, Z. 5, illius?; f. 10r, Z. 8, adueniens; f. 10r, Z. 9, caperet; f. 10r, Z. 21, exquo; nimmt teil an althochdeutschen Schichten; f. 10r, marg. u. l., (…)anan, marg. u. r. n; f. 10v, Z. 12, matheus – pi?n; f. 11r, Z. 29, temporibus – s nt, mit spitzem Griffel, gestürztes t, marg. r. n e, Querstrich über n; f. 11r, Z. 21, marg. r., N mit doppelter Diagonalen; f. 11v, Z. 4, marg. r.; f. 11v, Z. 14, adoptione; f. 12r, marg. o. l.; f. 12r, Z. 8, israhelitici; f. 12r, Z. 13, proauis; f. 12r, Z. 14, vor desposynos steht etwas (&?); f. 12v, Z. 18, ignominiam; f. 12v, Z. 23, commiserat; f. 12v, Z. 26, exitum; f. 13r, Z. 13, historio, längere Glosse mit stumpfem Griffel, über t von histo/ beginnend bis in den Blattrand hinaus; f. 13r, Z. 16, marg. r., .. alno; rechts neben Fe/ von febris, zuerst mit stumpfem, dann alno mit spitzem Griffel. f. 13r, Z. 21, corrupta; f. 13r, marg. u.; f. 13v, Z. 16, marg. l.; f. 14r, Z. 17, namque; f. 14v, Z. 15, memorat, vielleicht lesbar; f. 15v, marg. u.; f. 16r, Z. 32, haec facias; f. 16r, Z. 33, rogauerim; f. 16r, Z. 34, qua; f. 16r, Z. 35, (zu murmurant?), marg. r., gehört wohl zu den althochdeutschen Glossen 15 und 16; f. 16r, Z. 36, aduersum; f. 16v, Z. 7, marg. l., n; f. 16v, Z. 19, marg. l., mehrere Spuren;

Die Glossen | 425

f. 17r, Z. 4, marg. r.; f. 17v, Z. 21, aput; f. 18r, Z. 4, xps? f. 18r, Z. 6, consummato; f. 18r, Z. 14, marg. r.; f. 18v, Z. 28, cum; f. 19r, Z. 4, incautis – (…)nat.; f. 19r, Z. 4, occultis – ?ar, über -ccu-; f. 19r, Z. 17, prophetiae; f. 19r, Z. 18, aguntur; f. 19r, Z. 18, marg. r., (…)ari; f. 19r, Z. 22, iam; f. 19r, Z. 28, amor; f. 19v, Z. 5, senatus; f. 19v, Z. 5, decreto; f. 19v, Z. 15, alburno; f. 19v, Z. 22, (respuit?), ein eingestochener Punkt über -t von respuit, marg. l. eine Einritzung; f. 19v, Z. 27, marg. l.; f. 20r, marg. o. r., eine Einprägung, die wie eine Durchprägung aussieht; f. 20v, Z. 1, qualis; f. 20v, Z. 3, institutio; f. 20v, Z. 21, subiacent; f. 21r, zahlreiche feine Eintragungen; f. 21r, marg. r. o.; f. 21r, Z. 5, diuinam; f. 21r, Z. 12, perturbationibus; f. 21r, Z. 16, in quid erat; f. 21r, Z. 17, erga; f. 21r, Z. 20, contra; f. 21r, Z. 21, imaginibus; f. 21r, Z. 22, profane; f. 21r, Z. 24, ausus; f. 21v, Z. 7, marg. l.; f. 21v, Z. 12, contra; f. 21r, Z. 18, saeuitia; f. 21v, Z. 20, conuerti; f. 21v, Z. 21, periere; f. 22r, Z. 3, marg. r.; f. 22r, Z. 19, traditione; f. 22v, zahlreiche intl. feine Eintragungen; f. 22v, Z. 3, tribunali, eine längere Eintragung; f. 22v, Z. 8, scripturarum?; f. 22v, Z. 17, marg. l.; f. 22v, Z. 19, intuentibus; f. 22v, Z. 29, respitiens; f. 23r, marg. u.; f. 24v, Z. 1, inpossibile; f. 24v, Z. 5, exercrabilia;f. 24v, Z. 9, reseruari; f. 24v, Z. 17, celeritate; f. 24v, Z. 22, oriente; f. 24v, Z. 25, paraedrum; f. 25r, Z. 5, marg. r. (?); f. 25r, Z. 7, deducit; f. 25r, Z. 9, exorientis partibus; f. 25r, Z. 11, paratus; f. 25r, Z. 13, marg. r.; f. 25r, Z. 16, uniuersorum; f. 25r, marg. u. r.; f. 25v, Z. 1, perexisse; f. 25v, Z. 4, exemplo – i.., intl. über -plo; f. 25v, Z. 7, memoriae; f. 25v, Z. 12, omnia ecclesiae, vielleicht lesbar; f. 25v, Z. 20, legis; f. 25v, Z. 24, cultrices; f. 25v, Z. 27, inposuit; f. 25v, Z. 30, ex ipsis rebus; f. 26r, Z. 4, consortia – c(…)sa..i; f. 26r, Z. 5, uolentibus; f. 26r, Z. 7, memorantur; f. 26r, Z. 7, legimus; f. 26r, Z. 13, marg. r.; f. 26r, Z, 17, nam; f. 26r, Z. 18, patriae; f. 26r, Z. 19, magis; f. 26r, Z. 21, marg. r.; f. 26r, Z. 23, inquit; f. 26r, Z. 26, casta; f. 26r, Z. 28, marg. r.; f. 26r, Z. 31, iterum; f. 26v, Z. 13, itaque non solum; f. 27r, Z. 5, edere; f. 27r, Z. 7, corruptellae; f. 27v, zahlreiche intl. feine Einritzungen; f. 27v, Z. 1, marg. l.; f. 27v, Z. 2, intellegentia; f. 27v, Z. 3, copiose; f. 27v, Z. 4, dereliquit; f. 27v, Z. 7, diuersis; f. 27v, Z. 7, quaestiones, intl. über -aest-; f. 27v, Z. 10, propositionum; f. 27v, Z. 10, agricultura; f. 27v, Z. 14, congregari; f. 27v, Z. 24, marg. l. bis über libri; f. 27v, Z. 25, inferuntur; f. 27v, Z. 27, maledicta tum; f. 27v, Z. 28, libri; f. 28r, Z. 12, imperio perdurante?; f. 28r, Z. 16, festus; f. 28v, marg. o. l.; f. 29r, Z. 1, concaptiuum; f. 29r, Z. 2, marg. r.; f. 29r, Z. 6f., marg. r.; f. 29r, Z. 8, defensione; f. 29r, Z. 9, passione; f. 29r, Z. 9, marg. r.; f. 29r, Z. 18, leonis; f. 30r, Z. 17, osanna; f. 30v, Z. 1, längere Eintragung in dem leergebliebenen Zeilenstück; f. 30v, Z. 4; marg. l.; f. 30v, Z. 10, confessione; f. 30v, Z. 16, marg. l.; f. 30v, Z. 22, facinora; f. 30v, Z. 24, confessum; f. 30v, Z. 24, marg. l.; f. 30v, Z. 25, dicta sunt; f. 30v, Z. 28, filium, Diple?; f. 31r, marg. r., zahlreiche Spuren; f. 31r, Z. 4–5 fast durchgehende intl. Spuren; f. 31r, Z. 5, conualescente?; f. 31r, Z. 7, marg. r., beginnt noch in der Zeile; f. 31r, Z. 11, temperauerit, intl. über -mper-; f. 31r, Z. 16, repperietis; f. 31r, Z. 16, sectam; über -ā bis marg. r.; f. 31r, Z. 18, scit; f. 31v, Z. 4, marg. l.; f. 31v, Z. 10, opinione?; f. 31v, Z. 15, tenebat; f. 31v, Z. 17, marg. l.; f. 32v, marg. o. r.; f. 32v, Z. 15, praedicans; f. 32v, Z. 17, marg. l.; f. 32v, Z. 29, inuenitur; f. 32v, marg. u., ste, unterhalb von exponemus; f. 33r, Z. 2, sunt; f. 33r, Z. 12, comprobatur; f. 33r, Z. 19, marg. r.; f. 33r, Z. 28, medicus; f. 33r,

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Z. 31, explicuit; längere Eintragung mit spitzem Griffel; f. 33v, zahlreiche, sehr schwache intl. Einritzungen; f. 33v, Z. 14, galba et otho; f. 33v, Z. 18, [ro]/mam tendens tito filio, längere Eintragung, einzelne Buchstaben lesbar; f. 33v, Z. 24, reposcebant, beginnt über -s-; f. 33v, Z. 26, omnem; f. 33v, Z. 31, marg. l.; f. 34r, Z. 12, operis; f. 34r, Z. 13, iudaea po/[puli]; f. 34r, Z. 16, tempore, über -em-; f. 34r, Z. 17, cruentis; f. 34r, Z. 27, (?) – cof(…) marg. r.; f. 34r, Z. 29, factiosorum; f. 34r, Z. 29, marg. r.; f. 34v, Z. 17, pudore – luad, oder hiad?; f. 34v, Z. 24, aederent; f. 34v, Z. 25, atque; f. 34v, Z. 31, inherentes, lange Eintragung; f. 34v, Z. 32, praeuenisset – (…)e; f. 35r, Z. 1, excogitabant; f. 35r, Z. 7, praepararent; f. 35r, Z. 13, cum; f. 35r, Z. 17, gentem; f. 35r, Z. 20, consumpta; f. 35r, Z. 21, quocumque; f. 35r, Z. 24, supra?, Kratzer oder Schrift?; f. 35r, Z. 31, praedones; f. 35v, Z. 10, sumptu; f. 35v, Z. 21, nequiorem; f. 35v, Z. 24, corrumpebantur, über -rrum-; f. 35v, Z. 25, explicari; f. 35v, Z. 27, parentes, über pare-; f. 36r, Z. 9, barbaros; f. 36r, Z. 11, situissem; über -em; f. 36r, Z. 12, uiros; f. 36r, Z. 30, paruulus; f. 36v, Z. 32, procaeritas, ausgekratzt?; f. 37r, Z. 9, praesentia, über dem ganzen Textwort; f. 37v, Z. 4, de; f. 37v, Z. 16, ut putarent; f. 38r, Z. 21, potiretur, über poti-; f. 38v, Z. 20, tria; f. 38v, Z. 26, successio; f. 39r, Z. 2, animus; f. 39r, Z. 17, notitiam; f. 39r, Z. 18, manu; f. 39v, Z. 23, efficitur; f. 40r, Z. 1, aetate; f. 40r, Z. 2, principatus, über -inci-; f. 40r, Z. 3, relegione; f. 40r, Z. 4, persecuti; f. 40r, Z. 7, ab eo; f. 40r, Z. 10, genere; f. 40v, Z. 2, domitianus; f. 41r, Z. 6, Be, im Text bei habes; f. 41r, Z. 11, omnium; über omni-; f. 41r, Z. 20, diligentiam; f. 41r, Z. 22, attentius; f. 42r, Z. 5, occultans solum, zusammen mit Kritzelei; f. 42v, Z. 3, continerent; über -iner-; f. 42v, Z. 12, marg. l.; f. 42v, Z. 16, memori/[am], im Falz nicht lesbar; f. 47v, Z. 27, rationis; f. 43r, Z. 4, gesta; f. 43r, Z. 21, breuiter; f. 43r, Z. 26, anceps; f. 43v, Z. 12, claresceret; über -scere-; f. 43v, Z. 27, autem magica; f. 43v, Z. 23, (?) – ..drot, marg. l. neben comprobantur; f. 44v, Z. 1, angelos, mit spitzem Griffel; f. 44v, Z. 12, scripturae; f. 44v, Z. 26, marg. l.; f. 44v, Z. 32, reuerentia; f. 45r, Z. 13, partibus, über -ibus; f. 45r, Z. 14, haec; f. 45v, Z. 16, NO(…), in der leergebliebenen Zeilenhälfte; f. 47r, Z. 18, polycarpum; f. 48v, Z. 24, causas; f. 48v, Z. 26, parte; f. 48v, Z. 32, ea; f. 49r, vielerorts feine Einritzungen; f. 49r, Z. 8, testimoniis; f. 49v, Z. 23, marg. l.; f. 49v, Z. 32, uastanda; f. 50v, marg. o.; f. 51v, Z. 8, nuncupasse; f. 52r, zahlreiche intl. Einritzungen; f. 52r, Z. 10, restincta; f. 52r, Z. 20, marg. r.; f. 52v, marg. u., m.n(…); f. 54r, Z. 17, conuenit; f. 54v, marg. o, mit spitzem Griffel zweizeilig über moliri (Z. 1); f. 55r, Z. 10, marg. r.; f. 55v, Z. 12, marg. l.; f. 55v, Z. 22, ei – (…)mo; f. 56r, Z. 3, ingentioris; f. 56r, Z. 5, positus perquiri, längere Eintragung; f. 56r, Z. 31, interrogaretur; f. 56r, Z. 31, esset; f. 56v, Z. 31, polycarpus; f. 57v, zahlreiche feine intl. Griffelspuren; f. 57v, Z. 1, inmortaliter, über -ta-; f. 57v, Z. 1, indeptus, über in-; f. 57v, Z. 3, herodis pater, über -dis pa-; f. 57v, Z. 15, pretiotissimis; f. 57v, Z. 16, probabiliora; f. 57v, Z. 24, marg. l.; f. 57v, Z. 28, interrogationes; f. 57v, Z. 28, responsionum; f. 57v, Z. 29, aput, vielleicht lesbar; f. 57v, marg. u., rechts neben der Lagenzahl; f. 58r, Z. 3, marg. r.; f. 58r, Z. 11, martyrium; f. 58r, Z. 26, detestabilior, über -lio-; f. 58r, Z. 13, marg. r.; f. 58r, Z. 15, marg. r.; f. 58r, Z. 16, marg. r.; f. 58r, Z. 20, doctrina; f. 58r, Z. 27, pietatis – ...a; f. 58r, Z. 32, paratus; f. 58v, Z. 28, gaudere oportuerat; f. 58v, Z. 30, a quo; f. 59r, Z. 1, posset;

Die Glossen | 427

f. 59r, Z. 16, facinoris; f. 60r, Z. 9, marg. r.; f. 60r, Z. 13, designat; f. 60r, Z. 14, episcopis; f. 60r, Z. 22, omnia; f. 60v, Z. 2, sectam; f. 60v, Z. 5, maculauerunt; f. 61r, Z. 10, gnosios; f. 61r, Z. 16, semper; f. 61r, Z. 19, eruditionis; f. 61r, Z. 22, libenter; f. 61v, Z. 29, melito; f. 62r, Z. 9, quaestio; f. 62r, Z. 28, auspiciis; f. 62v, Z. 6, aduerterint, über -ter-; f. 62v, Z. 8, iudices; f. 63v, Z. 4, conpositos; f. 63v, Z. 5, grecum; f. 63v, Z. 8, alia, davor eine kräftige Markierung mit Griffel; f. 63v, Z. 12, marg. l.; f. 63v, Z. 19, prosequuntur; f. 64r, Z. 16, marg. r. zwei Eintragungen von verschiedenen Griffeln; f. 64r, Z. 30, refertur, auch auf dem Blattrand etwas; f. 64r, Z. 31, certamina; f. 64r, Z. 31, pro fide; f. 64v, Z. 9, gratia; f. 65r, sehr viele intl. feine Einritzungen; f. 65r, Z. 6, feruore; f. 65r, Z. 7, fasque; f. 65r, Z. 8, non ferens poposcit; f. 65r, Z. 9, marg. r.; f. 65r, Z. 10, eius; f. 65r, Z. 11, christianus; f. 65r, Z. 24, reliquerunt; f. 65r, Z. 24, marg. r.; f. 65r, Z. 25, marg. r.; f. 65r, Z. 29, subrogari; f. 65r, Z. 29, ita ut; f. 65r, Z. 32, quidem publice; f. 65v, Z. 14, patientia; f. 65v, Z. 14, robustis; f. 65v, Z. 16, quia ea; f. 65v, Z. 30, recentiora; f. 65v, Z. 30, marg. l., ste; f. 66v, Z. 1, inquit, -it; f. 66v, Z. 3, in der leergebliebenen Zeilenhälfte; f. 66v, Z. 12, consequi – S, über co-; f. 67r, Z. 18, nutatione, unterhalb -one; f. 67r, Z. 16, marg. l.; f. 67v, Z. 30, igitur; f. 68v, Z. 2, patiebantur, über patie-; f. 68v, Z. 9, dapes; f. 68v, Z. 20, pudore; f. 68v, Z. 33, inter ipsos; f. 71r, Z. 18, marg. r.; f. 71r, Z. 27, marg. r.; f. 71r, Z. 28, exemplaribus; f. 71r, marg. u. r.; f. 72r, Z. 5, restitueret; f. 72r, Z. 6, marg. r.; f. 72v, Z. 9, aegypto; f. 73v, zahlreiche feine Eintragungen; f. 73v, Z. 6, machinante; f. 73v, Z. 11, praefatione; f. 73v, Z. 18, montanum; f. 73v, Z. 20, priuatus accensum; f. 73v, Z. 21, spiritu; f. 73v, Z. 27, eius qua; f. 73v, Z. 30, inmemores; f. 73v, Z. 35, insana; f. 74r, Z. 7, confutati; f. 74r, Z. 13, supra; f. 74r, Z. 16, tentus; f. 74r, Z. 34, uel; f. 74v, Z. 4, aput; f. 74v, Z. 10, cum eis; f. 75r, Z. 4, marg. r.; f. 75r, Z. 9, doctrinae; f. 75r, Z. 15, argentum; f. 75r, Z. 28, nefariis; f. 75v, Z. 23, profecisse; f. 75v, Z. 24, deinde; f. 76v, Z. 6, aliquando; f. 76v, Z. 6, haec – c; f. 76v, Z. 10, studentem; f. 76v, Z. 14, polycarpus; f. 76v, Z. 19, doctrina; f. 76v, Z. 24, marg. l.; f. 76v, Z. 33, propagabatur; f. 76v, Z. 31, vor pax; f. 76v, Z. 32, tempestate; f. 76v, Z. 34, hominum, über -in-; f. 76v, Z. 34, summi; f. 77r, Z. 27, quando; f. 77r, Z. 23, indiciis; f. 77v, Z. 26, omnium, über om-; f. 78v, obere Blatthälfte viele Griffelspuren; f. 78v, Z. 1, tenebant, über -neba-; f. 78v, Z. 24, cassius tyrius; f. 81r, Z. 3, studia, über -a; f. 81r, Z. 13, supra, über -ra, danach zwei kurze senkrechte Striche, wie auch schon über -que von omnique in Z. 12; f. 81r, Z. 20, seruatus, über -tus, im Innenrand nicht lesbar. f. 81r, Z. 28, cogeretur; f. 81r, Z. 32, inpeditus; f. 81r, Z. 36, marg. r.; f. 81v, Z. 20, marg. l.; f. 81v, Z. 29, potuit; f. 82r, Z. 12, aetatis; f. 82r, Z. 14, effectum; f. 82r, Z. 16, uinculorum; f. 82r, Z. 23, in eum gentilium; f. 82r, Z. 28, interimerent; f. 82r, Z. 31, marg. r.; f. 82v, Z. 2, praebebat; f. 82v, Z. 4, docet cogit; f. 82v, Z. 23, exercitiis, über -citiis; f. 83r, Z. 25, uirginitate; f. 83r, Z. 25, exqui/[sita]; f. 83v, Z. 13, recipit; f. 83v, Z. 16, uerbo; f. 83v, Z. 18, martyrii; f. 83v, Z. 20, gestum; f. 83v, Z. 27, adgressus; f. 83v, Z. 33, quidem; f. 84v, Z. 11, repente; f. 85r, Z. 5, antinoitas; f. 85r, Z. 18, transmisi; f. 86v, Z. 12, suum; f. 87r, Z. 9, tenebris; f. 87r, Z. 12, commouenda; f. 87r, Z. 26, quae; f. 87v, zahlreiche intl. Einritzungen; f. 87v, Z. 7, marg. l.; f. 87v, Z. 10, etiam ego; f. 87v, Z. 14, aderutionem; f. 87v, Z. 19, cum; f. 88v, Z. 18, non

428 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

commemorans; f. 89r, Z. 22, origenes; f. 89v, Z. 13, euangelia, über eua-; f. 90v, zahlreiche Spuren eines stumpfen Griffels; f. 90v, Z. 2, confirmatum; f. 90v, Z. 10, memoria; f. 90v, Z. 11, eius frater; f. 90v, Z. 12, retractos; f. 90v, Z. 13, quinquennii – (…)vat(…); f. 90v, Z. 19, aliena; f. 90v, Z. 21, solum, über u; f. 90v, Z. 21, in scribturis; f. 90v, Z. 22, marg. l.; f. 90v, Z. 31, b(…), in der leergebliebenen Zeilenhälfte; f. 91v, Z. 8, adserens; f. 91v, Z. 23, marg. l., bis über ad- von adserere, wo vermutlich en steht; althochdeutsch?; f. 92r, Z. 20, marg. r.; f. 92r, Z. 31, plateas; f. 92r, Z. 35, m. u. bint?; f. 92v, Z. 13 indulgebatur – (…)a.an, über -ebat-; f. 92v, Z. 14, libera; f. 92v, Z. 19, seditionibus; f. 92v, Z. 27, trementes, über -ntes; f. 93r, Z. 11–12, im unbeschriebenen Feld; f. 93v, Z. 3, offertur, über -nt von portabant beginnend; f. 93v, Z. 27, agit; f. 94r, Z. 5, turma – .au (…); f. 95r, Z. 1, exsecrato, über -at-; f. 95r, Z. 18, iuuentute, über -uent-; f. 97r, Z. 14, marg. r, ac; f. 97v, Z. 33, inuestes; f. 98v, Z. 18, audaciae, über -ciae und darüber hinaus; f. 99r, Z. 31, expressa; f. 99v, Z. 26, gregorius, über gre-; f. 99v, Z. 33, marg. l.; f. 100r, marg. o.; f. 100r, Z. 3, deletam; f. 100v, Z. 3, martyrium; f. 100v, Z. 7, uxorem; f. 100v, Z. 14, rursum; f. 100v, Z. 17, gallieni; f. 100v, Z. 19, utilitas; f. 100v, Z. 25, adserere; f. 101v, Z. 1, doctrinae; f. 101v, Z. 19, repromissionibus, über -epro-; f. 101r, Z. 17, ut; f. 101v, Z. 4, adsertio; f. 102r, Z. 10, temporibus; f. 102v, Z. 1, dignissimum, über dig-; f. 102v, Z. 2, omissa, schon über sermone celebrantur Spuren; f. 102v, Z. 3, regionibus; f. 102v, Z. 9, auxilium; f. 102v, Z. 15, adoram; f. 102v, Z. 25, marg. l.; f. 103r, zahlreiche feine Eintragungen; f. 103r, Z. 14, iterum; f. 103r, Z. 16, daemonium; f. 103r, Z. 17, expulsum; f. 103r, Z. 18, locum; f. 103r, Z. 33, persisteret?; f. 103r, Z. 34, minus; f. 103r, Z. 14, silentium; f. 103r, Z. 17, expulsum; f. 103v, Z. 4, maxima, über -i-; f. 103v, Z. 7, commodum; f. 103v, Z. 24, transacto; f. 103v, Z. 25, ultimum aput, über -ū aput. f. 103v, Z. 27, plurimum, über -ri-. Über plurimum mit Griffel eine Wellenlinie; f. 103v, Z. 27, marg. l.; f. 103v, Z. 32, notariis; f. 103v, Z. 33, administratione; f. 103v, Z. 34, occultantem; f. 104r, Z. 18, ac notauit; f. 104r, Z. 30, fraudem; f. 104r, Z. 31, susceptorum; f. 104v, marg. o., Sc; f. 104v, Z. 1, querela; f. 104v, Z. 4, marg. l., bis über multo; f. 104v, Z. 4, conlocari; f. 104v, Z. 6, palmas; f. 104v, Z. 7, sonitu; f. 104v, Z. 9, uoces; f. 104v, Z. 9, a uiris; f. 104v, Z. 19, marg. l.; f. 104v, Z. 16, compositos; f. 104v, Z. 17, marg. l.; f. 104v, Z. 17, instituerat, über folgendem ita ein senkrechter Strich; f. 104v, Z. 20, marg. l.; f. 104v, Z. 22, manebant; f. 104v, Z. 25, qui ei – vi; f. 104v, marg. u.; f. 105r, Z. 9, huic; f. 105r, Z. 30, nouem; f. 107r, Z. 6, expeditus; f. 107r, Z. 18, alexandriam; f. 107r, Z. 28, marg. r.; f. 107v, Z. 9, marg. r., fa; f. 108r, Z. 32, prophetae, über -tae; f. 109r, Z. 25, publice; f. 109v, Z. 8, protelaretur; f. 109v, Z. 18, aiunt; f. 109v, Z. 21, similibus, über si-; f. 109v, Z. 25, prosequitur; f. 109v, Z. 26, incendio; f. 109v, Z. 27, suspitione; f. 109v, Z. 28, obstruncari, über -cari; f. 109v, Z. 30, sacrificaturi; f. 109v, Z. 32, ceruices; f. 110r, Z. 10, urgebantur; f. 110r, Z. 17, locus; f. 110r, Z. 23, palestinam, über -est-; f. 110v, Z. 10, marg. l.; f. 110v, Z. 14, plurimi; f. 110v, Z. 27, mittunt; f. 110v, Z. 28, bestias; f. 110v, Z. 30, mandari; f. 110v, Z. 32, mirifica; f. 111r, Z. 27, seruaret; f. 111r, Z. 31, paruulus; f. 111v, Z. 2, letitia – ?re., althochdeutsch?; f. 111v, Z. 23, fatigari nec tamen, längere Einritzung; f. 112r, Z. 1, idem; f. 112r, Z. 7, repertus; f. 112r, Z. 11, robur; f. 112r,

Die Glossen | 429

Z. 24, marg. r.; f. 112r, Z. 24, distortis; f. 112r, Z. 24, relinquebant; f. 112r, Z. 26, suspendebantur; f. 112r, Z. 29, crudelitas; f. 112r, Z. 30, aufugerat; f. 112v, Z. 3, marg. l.; f. 112v, Z. 3, agones; f. 112v, Z. 4, tormenta; f. 112v, Z. 8, aput frigyam; f. 112v, Z. 9, propria romani; f. 112v, Z. 11, marg. l.; f. 112v, Z. 15, beati; f. 112v, Z. 16, pietate; f. 112v, Z. 17, adauctus; f. 112v, Z. 22, possit; f. 112v, Z. 26, indigniis; f. 112v, Z. 27, adsumebant; f. 112v, Z. 28, illa autem; f. 112v, Z. 30, sinebant; weisslich, über -neb-; f. 112v, Z. 31, uero; f. 113r, Z. 6, praetipitio; f. 113r, Z. 19, lasciuiore, die Glosse ist radiert. Die Durchprägung auf f. 114r ist unleserlich, f. 113r, Z. 24, turpitudine, die Glosse ist zur Unleserlichkeit ausradiert; f. 114r, Z. 31, regnum; f. 114v, Z. 7, longe – ho(…); f. 114v, Z. 16, imagines?; f. 115r, Z. 4, grauide; f. 115r, Z. 7, marg. r.; f. 115r, Z. 14, crudelitate, über cru-; f. 115r, Z. 17, socium, sehr fein; f. 115r, Z. 20, auguriis – f(…); f. 115r, Z. 20, diuina, der Eintrag ist ausradiert; f. 115r, Z. 20, marg. r., der Eintrag ist ausradiert; f. 115r, Z. 21, [diuina/tionibus, der Eintrag über -tionibus ist ausradiert; f. 115r, Z. 21, symbolis, der Eintrag ist ausradiert; f. 115r, Z. 25, marg. r., der Eintrag ist ausradiert; f. 115v, Z. 13, callidus; f. 115v, Z. 20, marg. l.; f. 115v, Z. 21, uigebant, der Eintrag beginnt schon über haec; f. 115v, Z. 25, consecrare, der Eintrag ist ausradiert; f. 115v, Z. 25, humano, und viele weitere Wörter der Zeile; f. 115v, Z. 30, inambiguo; f. 116r, Z. 11, nanctus, vielleicht ausradiert; f. 116r, Z. 25, marg. r.; f. 116v, Z. 34, rei; f. 117r, Z. 3, relinquerant; f. 117v, Z. 30, infesti; f. 118v, Z. 8, erga; f. 118v, Z. 11, spurca – u(…)na, der Eintrag ist ausradiert; f. 118v, Z. 30, sectam; der Eintrag ist ausradiert; f. 118v, Z. 29, iudiciis?; f. 119r, Z. 11, aeternis; f. 119r, Z. 27, antrix, der Eintrag ist ausradiert; f. 119v, Z. 29, effetas, der Eintrag ist ausradiert. Über arrida stehen zwei kleine Zeichen; f. 119v, Z. 31, negat; f. 119v, Z. 31, obscaena, der Eintrag ist ausradiert; f. 120v, Z. 26, marg. l.; f. 121v, Z. 24, cecinit; f. 122v, Z. 7, daemonibus – ta(…); f. 122v, Z. 12, desertum, über -sert-; f. 122v, Z. 24, sera; f. 122v, Z. 27, christianorum; f. 122v, Z. 30, uel commodis; f. 122v, Z. 30, consulentes, der Eintrag ist ausradiert; f. 123r, Z. 20, competita, der Eintrag ist ausradiert; f. 123v, Z. 26, ultorem; f. 123v, Z. 8, separari; f. 123v, Z. 16, tanta; f. 123v, Z. 17, nunc; f. 123v, Z. 21, censebat, über -sebat; f. 123v, Z. 25, plurimi; f. 123v, Z. 33, conpaginatam; f. 124r, Z. 7, litterarum, über -arum; f. 124r, Z. 14, praedixerat, über -er-; f. 124r, Z. 19, fide; f. 124r, Z. 20, pariter; f. 124r, Z. 21, conprobabant; f. 124r, Z. 24, consurgere; f. 124r, Z. 26, animos; f. 124r, Z. 30, urbes; f. 125r, Z. 3, marg. r.; f. 125r, Z. 12, gratia; f. 125r, Z. 27, retruse; f. 125v, Z. 13, stationibus; f. 125v, Z. 18, flagitiis – lannen; f. 125v, Z. 28, erga?; f. 125v, Z. 29, ingenium; f. 126r, Z. 16, cruce; f. 126r, Z. 17, captiuitate?; f. 127r, Z. 10, frustraretur; f. 127r, Z. 31, conflictum; f. 127v, Z. 33, succiso; f. 128r, Z. 10, extendissent; f. 127v, Z. 2, maxime; f. 127v, Z. 4, quidam; f. 128r, Z. 25, reposcenti; f. 128r, Z. 27, ex quibus; f. 128v, Z. 32, ordinationem; f. 129r, Z. 16, placuerit; f. 129r, Z. 25, paenitentiam; f. 129r, Z. 26, gerant; f. 129r, Z. 34, clericus, klein, mit spitzem Griffel; f. 129v, Z. 29, ipse?; f. 129v, Z. 31, marg. l.; f. 130r, Z. 4, dignatus es; f. 130r, Z. 7, extiterint; f. 130r, Z. 18, partem; f. 130r, Z. 26, barbaras; f. 130r, Z. 28, amplius; f. 130r, Z. 29, heremi; f. 130v, Z. 18, marg. l. (?); f. 131r, Z. 14, mittat; f. 131r, Z. 17, in quo sit; f. 131v, Z. 14, fecit; f. 131v, Z. 22, commonitus; f. 131v, Z. 28, uxoris; f. 131v, Z. 33, captiua; f. 132r, Z. 4,

430 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

instanter, über -ter; f. 132r, Z. 6, tertiam; f. 132r, Z. 13, machinae; f. 132r, Z. 14, librate; f. 132r, Z. 25, regna; f. 132r, Z. 34, marg. u., unterhalb coepit; f. 132v, Z. 10, sollicitudinem; f. 132v, Z. 24, inceptum; f. 132v, Z. 27, nicomediae; f. 132v, Z. 31, exinde; f. 133r, Z. 19, uigilem ducens, über -lem du-; f. 133v, Z. 12, cognouere; f. 133v, Z. 12, indicabat; f. 133v, Z. 19, imitantium; f. 133v, Z. 20, cum intentus; f. 134r, Z. 8, principes; f. 134r, Z. 8, exerci/[tus], bis in den Blattrand hinaus; f. 134r, Z. 11, pre/[terire]; f. 134r, Z. 12, cogat; f. 134r, Z. 19, regio; f. 134r, Z. 19, fautoribus, bis in den Blattrand hinaus; f. 134v, Z. 7, enauigauit; f. 134v, Z. 8, ut quae se; f. 134v, Z. 9, innotescere; f. 134v, Z. 9, innotescere; f. 134v, Z. 11, praeiudicato; f. 134v, Z. 12, de quo supra; f. 134v, Z. 18, confessionis; f. 134v, Z. 21, eorum; f. 134v, Z. 22, sociauit; f. 134v, Z. 23, cuiusdam; f. 134v, Z. 27, ad ea; f. 134v, Z. 33, pudor; f. 135r, Z. 8, exsurrexerunt?; f. 135v, Z. 25, concedatur; f. 135v, Z. 26, detulisset; f. 135v, Z. 27, respondent; f. 135v, Z. 34, ponuntur; f. 136r, Z. 29, subrogatur; f. 137r, Z. 20, turbines; f. 137v, Z. 6, procuratio?; f. 137v, Z. 10–12, intl. kleine Zeichen, feine Ritzungen; f. 137v, Z. 25, conpulsus; f. 138r, Z. 4, tenebat; f. 138r, Z. 7, custodiret; f. 138r, Z. 8, spacio; f. 138r, Z. 14, cum ceteris episcopis; f. 138r, Z. 16, molientem; f. 138r, Z. 26, pulsaturus; f. 138r, Z. 27, idolorum; f. 138v, Z. 10, marg. l.; f. 138v, Z. 16, fili; f. 138v, Z. 29, aiunt; f. 139v, Z. 22, oppressi fuerant; f. 139v, Z. 23, concurrit; f. 139v, Z. 26, marg. l.; f. 140r, Z. 7, athanasii; f. 140v, Z. 15, confilius; f. 140v, Z. 15 consilium?; f. 140v, Z. 16 imperii?; f. 140v, Z. 31, tam pia; f. 141v, Z. 8, perunctus?; f. 141v, Z. 16, concalescens; f. 141v, Z. 19, rogat; f. 142r, Z. 8, soli; f. 142v, Z. 19, uehiculum; f. 142v, Z. 20, ingressus; f. 142v, Z. 25, praecipue; f. 143r, Z. 2, innotuerat; über -notu-; f. 143r, Z. 9, testor; f. 143r, Z. 17, quae; f. 143r, Z. 19, maiore; f. 143r, Z. 20, necessitas; f. 143r, Z. 20, conpulsus; f. 143r, Z. 22, pacem; f. 143r, Z. 32, confisus; f. 143v, Z. 17, magna; f. 143v, Z. 29, ea; f. 144r, Z. 4, partibus; f. 144r, Z. 7, uiros;f. 144r, Z. 16, retoricam; f. 144r, Z. 17, uero; f. 144r, Z. 21, tredecim; f. 144v, Z. 12, inherebat; f. 144v, Z. 14, absolutus; f. 144v, Z. 29, basili – t; f. 145r, Z. 3, confugerat; f. 145r, Z. 8, superabat; f. 145r, Z. 18, perterritur; f. 145r, Z. 20, marg. r.; f. 145v, Z. 3–5, marg. l., dreizeiliger Eintrag; f. 145v, Z. 10, conscientiae; f. 145v, Z. 29, fuisset; f. 146r, Z. 13, marg. r.; f. 146r, Z. 22, marg. r.; f. 146v, Z. 1, sententia; f. 146v, Z. 3, declinantes; f. 146v, Z. 4, in urbe; f. 146r, Z. 4, marg. r.; f. 146v, Z. 5, sacerdotium; f. 146v, Z. 7, uero; f. 146v, Z. 8, supererat; f. 146v, Z. 11, aelementis; f. 146v, Z. 15, contempta; f. 146v, Z. 26, cum?; f. 146v, Z. 29, cauernas; f. 146v, Z. 32, ferroque, über -o-; f. 147r, Z. 21, marg. r.; f. 147v, Z. 18, quod; f. 147v, Z. 18, generibus; f. 147v, Z. 19, lamminis; f. 147v, Z. 30, fabrica; f. 147v, Z. 31, trahere; f. 148r, Z. 6, gentilibus?; f. 148r, Z. 13, fumosum; f. 148v, Z. 18, sua; f. 148v, Z. 26, pariet; f. 149r, Z. 14, exponere; f. 149r, Z. 17, argenti; f. 149v, Z. 34, fuerant; f. 150r, Z. 31, dolo; f. 150v, Z. 2, libera; f. 150v, Z. 4, immunem esse ducem; f. 151r, Z. 19, marg. r.

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Sonstige Griffeleintragungen f. 11v, vereinzelte Trennstriche zwischen Satzteilen; f. 11v, marg. r., kleines Flechtbandornament; f. 17v, marg. l., Ornament; f. 12r, Z. 19, nach docebant ein eingeritztes Kreuz (Einfügungszeichen?); f. 21v, Z. 14, vor Cumque mit Griffel ein Kreuz; f. 27v, Z. 25, mit Griffel ein Kreuz über -ec- in decalogi; f. 29v, Z. 4, nach xpm mit Griffel ein Kreuz; f. 29v, Z. 16–19, marg. l., Hohlmajuskel ; f. 42r, Z. 9, intl. Kritzelei am Zeilenbeginn; f. 42r, Z. 10, nach ducens mit Griffel ein Kreuz; f. 49v, Z. 9, marg. r., ein Zeichen; f. 57v, Z. 13, vor ubi mit Griffel ein Kreuz; f. 63v, marg. l., Zeichnung (?); f. 65r, Z. 4, marg. r., ein Zeichen; f. 68v, marg. l., Zeichnung?; f. 79v, Z. 8, marg. l., mit Griffel ein schräges Kreuz; f. 97v, Z. 6, secundum, unter dem 1. u zwei Punkte; Z. 8, tantum, unter a ein Punkt; f. 104v, Z. 8, marg. l., M; f. 105r, Z. 12, marg. r., M; f. 109v, Z. 26, über imperator zwei Schrägstriche; f. 110v, Z. 29, marg. l., M; f. 112v, Z. 8, über aput zwei senkrechte Striche; f. 124v, Z. 3, über animo zwei Striche; f. 124v, Z. 26, marg. l., ein gabelförmiges Zeichen; f. 125v, Z. 25f., marg. l., ein Zeichen in der Form einer angelsächsischen c-Rune; f. 126v, Z. 9, marg. l., ein gabelförmiges Zeichen; f. 128r, Z. 29, marg. r. zwei Schrägstriche; f. 143v, Z. 12, geometriae – M; f. 148r, marg. r., zwei Nota-N; f. 151v, in Z. 3 (= Z. 4) über gignit Griffeleinträge.

4.3.5 Sprachgeographische und zeitliche Charakterisierung Die Glossen des Clm 6383 sprachlich umfassend zu untersuchen, ist im gegebenen Rahmen nicht zu bewältigen. Die folgenden Ausführungen setzen sich darum ein eingeschränktes Ziel. Sie konzentrieren sich auf die Frage nach dem Sprachcharakter der Glossen und damit auf die Frage nach ihrem Bezug zum Ort ihrer Provenienz. Wir beschreiben insbesondere lautliche Merkmale, und aus diesen vor allem diejenigen, die für eine sprachgeographische und zeitliche Einordnung von Nutzen sein können. Für die Fragestellung ebenfalls relevante Einzelheiten aus der Morphologie und der Wortbildung ziehen wir dabei hinzu. Die für die Glossen des Clm 6383 besonders ergiebigen Bereiche des Wortschatzes und der Glossierungsverfahren erfahren im folgenden Kapitel eine kurzgefasste Darstellung. 4.3.5.1 Konsonantismus Der Lautstand der Glossen ist durch die Resultate der zweiten Lautverschiebung insgesamt als hochdeutsch und durch die Schreibungen im Bereich der germanischen Medien (und teilweise des Vokalismus) als oberdeutsch ausgewiesen. Verschobenes germ. /t/ erscheint einheitlich in den Graphien und , wobei die Graphien nach Vokal Frikativ und Affrikate nicht systematisch unterscheiden; vgl. scaz (Nr. 252) und daz (Nr. 156). Desgleichen richten sich die Doppel- und die Einfachschreibung des Frikativs nicht systematisch nach der Länge des vorausgehenden vokalischen Elements, wie etwa emazigo, uparstozaner, crozzentem

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und caheizzan zeigen (Nr. 101, 95, 114, 318). Weitere Beispiele bieten die Glossen Nr. 3, 8, 28, 93, 140, 180, 232, 243 und 325. Dementsprechend undeutlich fallen nach Vokal auch die Affrikatenschreibungen aus (vgl. Nr. 174, 325). Fest ist dagegen die Affrikatenschreibung im (Silben-)Anlaut und postkonsonantisch, beispielsweise in zasamane, arzerian (Nr. 152, 161) sowie in den Glossen Nr. 67, 85, 86, 126, 129, 152, 161, 220, 228, 267, 408; ist als Schreibung für die Affrikate nicht anzutreffen. Vorahd. /p/ taucht in der Graphie auf und unterscheidet sich nicht von , mit dem auch germ. /f/ wiedergegeben wird. Nur einmal wird nach r die Schreibung verwendet (Nr. 392 scarphit), die jedoch auch hier Frikativschreibung sein kann (vgl. BRG §132,A.3). Man vergleiche dazu die Glosse Nr. 235 scerfo. Anlautend steht in fruant. und fleganti (Nr. 134, 207), postkonsonantisch in helfa, pidanfta, farholfan (Nr. 34, 369, 399). Ebenfalls mit bezeichnet sind die Ergebnisse aus geminiertem /p/, dies in scof (Nr. 31, falls hier nicht eine alte Nebenform zugrunde liegt) und vermutlich auch in stafaronti (Nr. 49). Intervokalisches vorahd. /p/ erscheint in Doppelfrikativschreibung in offanor (Nr. 135) und wohl auch in caandraffoton und raffota (Nr. 24, 330), aber auch in Einfachschreibung bei ofano (Nr. 38) sowie nach Langvokal im Auslaut (Nr. 43 mitislaf). Auch vorahd. /k/ ist als durchweg verschoben zu erkennen. Schreibungen von /k/ im Silbenanlaut mit wie in pikunnont und unkusc. (Nr. 37, 122) sind aus älteren oberdeutschen Quellen bekannt. Ansonsten zeigen Belege wie cheosonnu, farchondiu und urchustim (Nr. 119, 138, 162) die Verschiebung im Anlaut, allerdings in Schreibungen, die als mögliche Wiedergabe sowohl einer Affrikate als auch eines Frikativs ebenfalls nicht eindeutig sind. Dasselbe gilt für die fast einheitliche -Schreibung nach n in den Glossen Nr. 87, 136, 242 und 251, unter denen casēhun (Nr. 302) mangels schlüssiger Etymologie vielleicht nur scheinbar eine Ausnahme macht. Einen oberdeutschen Frikativ nach Sonant, nämlich nach l, zeigt Nr. 123 cauuolhe. Ähnlich deutet der Sprossvokal in camarichot (Nr. 229) wohl auch auf frikativische Lautung. Eine Affrikatenschreibung zwischen Vokalen enthält die Glosse iukkidin (Nr. 10). In der postvokalischen Position zeigen sämtliche Schreibungen die Verschiebung zum doppelten Reibelaut in der folgenden Verteilung: steht nach Diphthong (Nr. 86, 193, 404) und nach Kurzvokal (Nr. 188, 388, 394, 403; eine Ausnahme bildet vermutlich Nr. 157 castahota). Aufgrund der hohen Einheitlichkeit kann in dihhera (Nr. 188) mit einiger Sicherheit auf germanische Einfachkonsonanz geschlossen werden. Nach Langvokal steht einfaches in allen līh-Bildungen (Nr. 20, 27, 142, 160, 164, 300, 345, 346) und in pisuuiihes (Nr. 163); wegen unvollständiger Lesungen unklar sind Nr. 44 und 124. Aus der Reihe tanzt nur in Nr. 7 adalichane. Das nach s unverschobene /k/ wird mit einer Ausnahme (Nr. 53 skerio) mittels wiedergegeben. Zur Wiedergabe des Labiovelars germ. /kw/ wird durchgehend die Doppelgraphie benutzt (Nr. 13, 105, 133, 291, 367). Ein deutlich oberdeutsches Gepräge vermitteln die Belege für die westgermanischen Medien. /d/ tritt einerseits in der gewöhnlichen Verschiebungsgraphie

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auf, am Wortanfang beispielsweise in tragant (Nr. 196), nach Sonant in lantun (Nr. 41), nach Vokal in stritanti (Nr. 373). Auffällig oft erscheint jedoch die Schreibung , insbesondere nach Sonant, z. B. in Nr. 21 sunderames und Nr. 167, 168 aldiro, aber auch intervokalisch nach Langvokal in Nr. 333 sageda, dazu im Anlaut in Nr. 361 ardulita. Weitere Beispiele geben die Nr. 24, 141 und 241. Im Oberdeutschen ist diese Schreibung selten, der Fall nach n tendenziell der noch häufigste. In den Abroganshandschriften sind für /t/ in auffälligem Umfang präsent (BRG §163,A.5). Im Unterschied zu westgerm. /d/ ist westgerm. /b/, das in einer Vielzahl an Belegen vorliegt, einheitlich, nämlich mittels

wiedergegeben. Einsame Ausnahme ist in Nr. 310 ubara, ansonsten wird die Graphie in den volkssprachigen Glossen nicht genutzt.

herrscht in allen Positionen, im Anlaut wie beispielsweise in pagant (Nr. 132) und im Präfix ahd. bi- als pi- (siehe unten), zwischen Vokalen wie in arscopanem (Nr. 378) und nach Konsonant wie in cazimparim (Nr. 220). Die Wiedergabe von germ. /g/ präsentiert sich innerhalb der Positionen des absoluten An- und Auslauts einerseits und des Inlauts andererseits jeweils einheitlich und zwischen An-/Auslaut und Inlaut in klarer Unterscheidung. An- und auslautend tritt /g/ durchgängig verschoben und in der Graphie auf. Beispiele für die Anlautposition wie in crimiu und claouan (Nr. 84, 303) sind zahlreich, insbesondere auch durch die ca-Präfigierungen. Auslautendes zeigen beispielsweise die Glossen pifianc und seimac (Nr. 113, 306), nebst einigen anderen (Nr. 249, 301, 363). Der Zufall will es, dass anlautendes /g/ nur zweimal vor einem hellen Vokal belegt ist. Auch da kommt in der einen Glosse zur Anwendung: cinazta (Nr. 215). In der zweiten (Nr. 287) dürfte vor e ein stehen, doch ist die Lesung nicht gesichert. In nur zwei Fällen erscheint im Anlaut die Graphie (Nr. 52, 65). Im Inlaut herrscht nach Vokal vor (Nr. 3, 39, 96, 97, 98, 116, 124, 132, 146, 172, 198, 207, 274, 279, 297, 317, 333, 368), ebenso nach n. Nach dem Präfix un- bleibt bei Präfix ca- die -Schreibung (z. B. Nr. 147 uncahorac), während das Suffix -unga immer hat. Seltener sind hier -Schreibungen wie in capaca (Nr. 401), auch zweimal in resthaften Glossen (Nr. 68, 149) und in pruncana (Nr. 336). für /g/ steht vor t in Nr. 250 cahuct. In Nr. 321 caeita ist g wohl nicht geschrieben. Germ. /þ/ ist in den Glossen in einer großen Zahl von Belegen bezeugt und ganz einheitlich mit wiedergegeben. Weder noch sind vorhanden. Das erinnert an die Verhältnisse in der althochdeutschen Benediktinerregel und in den St. Galler Vorakten (vgl. BRG §167,A.2). in Nr. 270 reit ist wohl mit paradigmatischem Ausgleich aus dem grammatischen Wechsel zu erklären. in Nr. 63 sint steht isoliert. Germ. /f/ wird vorherrschend mit wiedergegeben, dies auch intervokalisch in fast allen Belegen für afar (Nr. 64, 189, 340, 385, 402, 418). Nur einmal wird das Wort auar geschrieben (Nr. 410). Im Anlaut (beispielsweise im Präfix far- oder den Glossen Nr. 244 und 412 fal, Nr. 253 cafarrun und anderen) unterscheidet sich die Graphie nicht von der Schreibung für anlautendes germ. /p/.

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Germ. /h/ ist im Anlaut vor Konsonant nur in Resten festgehalten (Nr. 283 hlahahareti, Nr. 357 umpihringit), sonst fehlt es in dieser Position (vgl. z. B. Nr. 55 pilaufant, Nr. 268 uuilom, Nr. 293 uncareinot). Desgleichen fehlt aber auch unetymologisches h im vokalischen Anlaut. Ein zwischen zwei Vokale eingeschobenes h weist die Glosse Nr. 359 droha auf. Vor t ist /h/ als geschrieben in den Glossen rect, unrecte, canucternissa und indacta (Nr. 19, 158, 208, 275, 314). In Nr. 51 nahc begegnet die Schreibung mit (vgl. dazu BRG §178). In der Wiedergabe von /w/ ist die Digraphie recht stabil (Nr. 3, 15, 27, 88, 103, 110, 111, 127b, 145, 163, 166, 181, 195, 213, 217, 222, 224, 232, 248, 254, 268, 307, 319, 353, 354, 375, 381, 390). Das gilt teilweise auch zusammen mit u (Nr. 103 catriuuuon, Nr. 381 riuuuota), wo es aber auch zu graphischer Koaleszenz kommt (Nr. 102 uncastauuita, Nr. 126 uulzot, Nr. 291 niuuiquemon). Nach Konsonant ist /w/ zweimal auch als einfaches anzutreffen (Nr. 212 suellan, Nr. 245 sual), einmal auch im Anlaut (Nr. 236 souanne). 4.3.5.2 Vokalismus Die Wiedergabe der Vokale enthält ein paar Belege für Doppelgraphien zum Ausdruck der Quantität von Langvokalen. Ahd. /ā/ erscheint als in ununtarlaazo (Nr. 180) und in eindraaungu (Nr. 313), /ē/ als in cahee (Nr. 81), /ī/ als in seimliiho, pisuuiihes, liupliiher (Nr. 142, 163, 345) und germ. und ahd. /ō/ als in roonliho, niardrooz und spoot (Nr. 20, 94, 99). Aus den haupttonvokalischen Phänomenen verdienen die folgenden eine besondere Betrachtung: Die Hebung von /a/, die Resultate der althochdeutschen Monophthongierung und der althochdeutschen Diphthongierung sowie die Vokale der unbetonten Präfixe. Für den Primärumlaut ist der Entwicklungsstand nicht leicht festzustellen, da /a/ in den Glossen selten in Primärumlautposition steht. Die wenigen Anhaltspunkte deuten auf einen fortgeschrittenen, aber nicht ganz vollendeten Wechsel hin. Umgelautet ist /a/ in enti (Nr. 54, 227, 256, 266) und in anderen Beispiele wie dem jan-Verb arzerian und dem ja-stämmigen Adjektiv strenger (Nr. 161, 387). Oberdeutsche Umlauthinderung zeigen -Schreibungen vor Liquidaverbindungen in aldiro, aruuartit, capaldi, scarphit (Nr. 167/168, 224, 290, 392) und wohl auch uualtiso (Nr. 319). Keinen Primärumlaut zeigen platir, camarichot und maria (Nr. 177, 229, 299). Der germ. Diphthong /ai/ ist in großer Übereinstimmung mit wiedergegeben (Nr. 33, 59, 86, 117, 125, 129, 142, 153, 171, 175, 185?, 203?, 205, 246, 269, 270, 287, 293, 306, 313, 318, 321?, 356). Das einzige in holstaigi (Nr. 323) wirkt wie ein Relikt. Das zweite erscheint in der Glosse Nr. 257, die jedoch insgesamt unverständlich ist. Bei zwei Glossen (Nr. 78, 81) könnten die Schreibungen und verwendet worden sein, doch hängt der Nachweis von einer entsprechenden Deu-

Die Glossen | 435

tung der eigentlich unklaren Verhältnisse ab. Die Monophthongierung von /ai/ zeigt sich in den Schreibungen als abgeschlossen. Die Ergebnisse der althochdeutschen Diphthongierung von germ. /ē2/ liegen zweimal in der Schreibung vor (Nr. 88, 113). Die Digraphien für den germ. Diphthong /eu/ zeigen die für das Oberdeutsche charakteristische Verteilung von (Nr. 119) gegenüber (Nr. 187, 247, 345, 364 381, 382). Der Diphthong germ. /au/ ist ohne Anzeichen einer Hebung von a als geschrieben (Nr. 39, 45, 55, 102, 335, 348). zeigen auch die beiden Belege für das Adjektiv ahd. glou (Nr. 303, 327). Die althochdeutsche Monophthongierung von germ. /au/ erscheint im Bild der - (Nr. 95, 115, 128, 143, 136) und - Schreibungen (Nr. 20, 94) als vollzogen. Den Graphien gemäß befindet sich dagegen germ. /ō/ mitten im Prozess der Diphthongierung. Monophthongische Schreibungen und diphthongische existieren nebeneinander, die Diphthongschreibungen sind dabei noch leicht in der Minderheit. Es sind 1x (Nr. 99), 14x (Nr. 77, 114, 140, 239, 259, 278, 286, 304, 331, 367, 394, 397 und 44?, 57?) gegenüber 1x (Nr. 386) und 10x (Nr. 9, 92, 100, 124, 134, 197, 226, 363, 374, 421) zu zählen. Die unbetonten Präfixe zeigen (außer bi-) die alten a-Vokale, die für das Oberdeutsche der frühen Zeit kennzeichnend sind: pi- (BRG §77) 16x: Nr. 37, 55, 73, 80, 113, 127a, 163, 169, 173, 179, 222, 247, 316, 332, 352, 369. – ca- (BRG §71) 72x: Nr. 2, 9, 16, 24, 26, 27, 32, 35, 42, 46, 65, 66, 81, 82, 85, 102, 103, 105, 106, 111, 121, 123, 127b, 141, 143, 146, 147, 157, 174, 175, 183, 192, 195, 199, 220, 228, 229, 238, 248, 250, 260, 262, 267, 275, 276, 280, 288, 290, 293, 296, 297, 302, 304, 309, 318, 321, 322, 326?, 331, 334, 335, 338, 341, 346, 358, 360, 388, 391, 396, 401, 411, 414 und ka- 2x: Nr. 52, 377 und ke- 1x: Nr. 380. – far- (BRG §76) 12x: Nr. 25, 59, 60, 61, 112, 138, 181?, 210?, 231, 294, 328?, 399. fur- 1x: Nr. 170? – and- (BRG §73) 1x: Nr. 24. in- 1x: Nr. 258. ?nt- 1x: Nr. 198. – ar- (BRG §75) 24x: Nr. 88, 89, 94, 96, 97, 116, 128, 131, 153, 161, 186, 200, 201, 203, 213, 217, 224, 281, 286, 361, 363, 367, 378, 395. – za- (BRG §72): 2x: Nr. 15, 186?. 4.3.5.3 Dialekt und Alter Im Bild der Schreibungen zeigen die Glossen des Clm 6383 im lautlichen Bereich ein deutlich alemannisches Gepräge. Charakteristisch für das Alemannische sind die Schreibungen , für die Affrikate ahd. pf (BRG §131,A.4) sowie die Bezeichnung für den frühen Diphthong aus germ. /ō/, die zudem von der alten Übergangsform begleitet wird. Alemannisch ist auch das frühe Vorhandensein von aus germ. /ē2/, eventuell schon im 8. Jahrhundert (BRG §5). Im Einklang damit steht die positionell geregelte Verteilung von und für germ. /g/. Insbesondere typisch für das Alemannische ist dabei für /g/ im Auslaut (BRG §149,A.4). Alemannische Kennzeichen sind zu dieser Zeit auch der aus germ. /k/ stammende Frikativ nach Liquid (BRG §144,A.5) und die fortgeschrittene Schwächung von prä-

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konsonantischem h. Der alemannische Charakter im Lautlichen wird zudem nachdrücklich unterstrichen durch zwei Alemannismen aus der Flexionsmorphologie: durch ō in den Pluralendungen des Indikativs Präteritum der schwachen Verben (Nr. 24 caandraffoton) und die Endung -at im Imperativ Plural der starken Verben (Nr. 60 farhelfat); letztere zeichnet das Alemannisch der vornehmlich älteren Zeit aus (BRG §308). Die Glossen tragen zudem Merkmale, die ihnen ein hohes Alter attestieren. In manchen graphischen, lautlichen und morphologischen Belangen lassen sie sich mit Denkmälern vom Ende des 8. Jahrhunderts vergleichen. Auf die frühe Zeit weisen Phänomene wie die Schreibung für /t/, die Schreibung für intervokalisches germ. /f/, die Kennzeichnung der Vokalquantität durch Doppelschreibung, der a-Vokalismus der unbetonten Präfixe, die erhaltenen Reste nicht umgelauteter kurzer a sowie letzte Zeugnisse von ai und präkonsonatischem h. Einiges davon ist spezifisch im alemannischen Kontext alt, anderes aber auch generell im hochdeutschen, so beispielsweise die archaisch anmutende Infinitivendung des jan-Verbs arzerian (Nr. 161) oder die Verwendung des Präfixes fra- in Nr. 223 frastaftotemo. Zu diesen frühen Erscheinungen gesellen sich weitere alte Merkmale wie erhaltenes m im Dativ Plural (Beispiele: Nr. 164 lotarlihem, Nr. 220 cazimparim), das ab dem 9. Jahrhundert (im Oberdeutschen etwas früher; BRG §124) einem n weicht und das auch in den Glossen des Clm 6383 schon erscheint (z. B. Nr. 58 uneron). In das 8. Jahrhundert gehört auch die Schreibung -eo im Nominativ Singular der schwachen maskulinen jan-Stämme bei Nr. 79 fatareo. Reichhaltig dokumentiert ist n der īn-stämmigen Feminina, etwa im Nominativ Singular bei mihhilmotin und holin (Nr. 394, 405), oder in der selten belegten Form des Genitivs Plural (Nr. 6 purdino). Die Glossen Nr. 139 und 421 überliefern außerdem Zeugnisse der alten u-Stämme. Es fragt sich nun, inwieweit die zusammengetragenen Argumente dazu ausreichen, die Sprache der Glossen als alemannisch zu bestimmen. Bekanntlich ist es in den Quellen des Althochdeutschen selten möglich, das Bairische und das Alemannische absolut schlüssig auseinanderzuhalten (vgl. BRG §5; Glaser 1996: 43, jeweils mit Literatur). Einige der oben genannten Argumente für eine Zuweisung ins Alemannische werden auch immer wieder bei der Behandlung bairischer Quellen angeführt. Ein Beispiel liefern die f-Schreibungen für ahd. pf (vgl. in Kap. 2.5.2.1). Ein anderes Beispiel ist die oben ebenfalls aufgeführte -Graphie, die im Zusammenhang mit der Freisinger Urkundenüberlieferung als typisch gilt. Gerade hinter solchen Zuweisungen klaffen aber noch immer Forschungslücken. Glaser (1996: 385) zeigt, dass bei näherer Betrachtung weder spezifisch für den Schreibort Freising, noch in Freising auch außerhalb der Urkunden eindeutig nachzuweisen ist. Sprachendefinierende Kennzeichen müssten in vergleichbaren Kontexten möglichst oft und möglichst regelmäßig vorhanden sein. Wenn wir die Sprache der Griffelglossen des Clm 6383 als alemannisch bestimmen, berücksichtigen wir zunächst ihre hohe Anzahl an Merkmalen, mit denen das Alemannische in der historischen Grammatikschreibung charakterisiert wird. Au-

Die Glossen | 437

ßerdem zeichnen sich vielfältige Möglichkeiten ab, Beobachtungen an den Glossen mit Bezugspunkten wie zeitgenössischen lokalisierten Quellen, beispielsweise denjenigen aus St. Gallen, zu verbinden. Man vergleiche die oben und in den Editionsartikeln (Nr. 36, 165, 200, 201) untergebrachten Hinweise auf Bezüge zu der althochdeutschen Benediktinerregel und dem Abrogansglossar. Im Gegenzug ist zu bedenken, dass zwar keines der als typisch bairisch definierten Kennzeichen im Clm 6383 in besonderer Weise hervortritt, alemannisch Interpretiertes aber ebenfalls in bairischen Quellen auftritt. Zwei Beispiele zeigen, wie unübersichtlich die Situation in den Quellen und in der Forschung sein kann. In der Schrift nach r erhaltenes i wird in Glaser (1996: 419, 456) als bairisches Kennzeichen genannt. Gemeint ist die Stellung nach /ar/ wie in der Glosse Nr. 161 des Clm 6383. Bei dem einzigen Beleg im Clm 6300 handelt es sich dagegen gerade nicht um diesen Fall. Eine Bildung wie canucternissa (Nr. 275) wird in SchABG §115 als absolut untypisch für bairische Quellen erklärt, von Glaser (1996: 393, 457) aber im Clm 6300 nachgewiesen. Ziehen wir einen Vergleich zwischen den Schreibungen im Clm 6383 und denjenigen der ungefähr gleich alten, als altbairisch bestimmten Glossen des Clm 6300, ergeben sich Unterschiede wie Gemeinsamkeiten. Unterschiede betreffen die Wiedergabe von germ. /g/ und von vorahd. /p/ in Affrikatenposition, der Entwicklung von /a/ vor i, im Clm 6300 das Fehlen von und überhaupt der Diphthongierung von germ. /ō/ sowie die Pluralendungen im Präteritum der schwachen Verben. Gemeinsamkeiten bilden das Fehlen von , der a-Vokalismus der Präfixe, das Auftauchen von für germ. /d/ nach n und weitere wie erhaltenes und

für /b/, die für die betreffende Zeit dann an sich weniger aussagekräftig sind (vgl. Glaser 1996: 455–466). Insgesamt sind es schließlich doch die Unterschiede, die markant wirken und den Eindruck zweier nicht identischer Dialekte hervorrufen. Der ausgeführte linguistische Befund lässt sich nun zum paläographischen stellen. Wie in Kap. 4.2.3 festgehalten, ist es wenig wahrscheinlich, dass in Freising, wo alemannische Schreiberhände Ende des achten Jahrhunderts nur sporadisch auftreten, plötzlich eine große Gruppe von ausschließlich alemannischen Händen eine bestimmte Handschrift schreibt. Es ist auch wenig wahrscheinlich, dass in Freising von ebenfalls mehreren alemannischen Händen in einer Sprache glossiert wird, die eine Reihe typisch alemannischer Züge trägt und keine profiliert bairische Kennmerkmale aufweist. Die Glossen des Clm 6383 bilden deshalb ein starkes Argument dafür, dass die Handschrift tatsächlich im Bodenseeraum und nicht in Freising entstanden ist und auch hier und nicht in Freising glossiert wurde. Nach sowohl paläographischem als auch sprachlichem Befund ist ihre Eintragung zeitnah zur Entstehung der Handschrift erfolgt, also am Ende des 8. Jahrhunderts bzw. um das Jahr 800. Damit ist das Verhältnis der Handschrift und ihrer Glossen zu Freising aber noch nicht abschließend erörtert. Jetzt ist nach dem Zeitpunkt zu fragen, zu dem die Handschrift nach Freising gelangt ist. Von Seiten der Kodikologie und Paläographie kommen widersprüchliche Einschätzungen, die im Kap. 4.2 diskutiert sind. Der

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Ansicht von Glauche (2011: 159), dass eine Seite nach Schriftbefund früh und vielleicht in Freising transkribiert wurde, steht die Aussage Bischoffs (1974: 148) gegenüber, dass auch in den Eintragungen aus dem 9. Jahrhundert kein Bezug zu Freising erkennbar sei. Beide Beobachtungen sind offen formuliert, können aber nicht gleichzeitig zutreffen. Der Zeitpunkt der Ankunft in Freising ist indes von hoher Bedeutung für die Frage, ob vielleicht Teile der Glossierung in Freising eingetragen wurden. In Frage kämen am ehesten Glossen, die in Schreibung und Sprache von den übrigen abweichen, oder aber unspezifisch sind. Dazu gibt es die folgenden Fälle zu versammeln. – Gemeinsamkeiten des Bairischen und des Alemannischen: Gewiss enthält der Clm 6383 eine größere Anzahl an Glossen, die diesbezüglich in sprachgeographischer Hinsicht unspezifisch sind. Man vergleiche Nr. 101 emazigo mit Nr. 220 emazigo des Clm 6293. Das Material des Clm 6383 lässt sich nach diesem Gesichtspunkt aber natürlich nicht zweckdienlich gliedern. – Gemeinsames Wortgut mit bairischen Glossen: Es gibt Wörter im Clm 6383, die man bis anhin nur aus bairischen Quellen kannte (z. B. Nr. 347). Um hier anzusetzen, wäre zuerst der ganze Wortschatz der Glossierung dialektlandschaftlich zu untersuchen. – Fremdkörper: Die unverständliche Glosse Nr. 257 steht auf demjenigen Blatt, das auf der Rückseite vielleicht in Freising reskribiert wurde. Sie sticht punkto Eintragungstechnik aus den anderen Glossen heraus. Als dunkles Wort ist sie aber kaum für eine Lokalisierung nutzbar. – Die Verwendung von : Unter den sonst gleichförmig als ca- aufgezeichneten Präfixen sind zwei als ka- und eines als ke- wiedergegeben. wird zudem ganz sporadisch in bestimmten Glossen verwendet, darunter auch in zwei rudimentär gelesenen, wo für postvokalisches /g/ steht, was den bairischen Charakter unterstriche. Besonders interessant könnte diesbezüglich die Glosse Nr. 377 sein, die eine Überschichtung aufweist. Diese -Schreibungen sind aber weder für Freising als Kennzeichen der Schrift zu definieren, noch im Clm 6383 eindeutig als Schichtenmerkmal herauszulösen, wo sie überdies zweimal ja auch für germ. /k/ stehen. – Der Wechsel zwischen - und -Schreibungen: Man könnte theoretisch die -Schreibungen mit Freising verbinden, wo sie im Unterschied zu den -Schreibungen gängig sind. Diese Hypothese wird aber dadurch in Frage gestellt, dass die betroffenen Glossen sich im alemannischen Schriftcharakter nicht von denjenigen unterscheiden, die aufweisen. Aus paläographischem Blickwinkel ist entlang der beiden Schreibungen keine Schichtentrennung durchführbar. – Der Wechsel zwischen und für germ. /d/: Hier ergibt eine Freisinger Hypothese für die eine der beiden Varianten keinen Sinn, weil auch in Freising, aber eben nicht nur in Freising, sondern gerade auch aus dem Bodenseeraum diese Variantenbildung bezeugt ist.

Abschließende Bemerkungen | 439







Doppelglossen: Die Beispiele sind selten, aber es gibt Stellen, wo Lemmata zweimal glossiert sind. In den Glossen Nr. 43 und 127 weist die zweite Glosse einen kleinen Schriftgrad auf, der für die Glossen der Handschrift sonst untypisch ist. Den Wörtern ist jedoch kein weiterführender Hinweis zu entnehmen. Überschichtungen in Form von übereinander geschriebenen Glossen: Es gibt einige Beispiele für Einritzungen von verschiedenen Griffeln auf derselben Stelle (z. B. Nr. 32, 58, 68, 274, 377). Als Nachweis für verschiedene Eintragungsorte sind sie jedoch unbrauchbar, indem meist nur eine der beiden Eintragungen gelesen werden konnte. Schichtungen im Instrumentengebrauch: Sie mit verschiedenen Orten zu erklären, ist nicht möglich. Noch besitzen wir keine Kenntnisse über Griffeltypen, die nur in Freising benutzt wurden. Die Realität in Freising ist – wie überall – vielmehr diejenige, dass die unterschiedlichsten Instrumente verwendet wurden, was nicht zuletzt durch den Clm 6293 eindrücklich belegt wird.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Frage, ob zumindest ein Teil der Griffelglossen in Freising eingetragen wurde, vorderhand offen bleiben muss. Selbst für die althochdeutsche Federglosse ist das völlig ungewiss. Die Möglichkeit besteht, aber sie ist für die Griffelglossen davon abhängig, wann die Handschrift in Freising eingetroffen ist. Vielleicht aber besteht der Beitrag aus Freising lediglich darin, dass man hier einen Teil der Glossen tilgte.

4.4 Abschließende Bemerkungen Die Glossierung des Clm 6383 gehört zu den umfangreichsten althochdeutschen Griffelglossenkorpora. Sie in allen Aspekten durchleuchten zu wollen, erforderte ein weitaus breiteres Studium, als es hier geleistet werden konnte. Wie eingangs begründet, hatte sich die vorliegende Erstuntersuchung und Erstpräsentation zu beschränken. Sie konzentriert sich auf diejenigen Arbeiten, die zum Zeitpunkt einer Neuentdeckung allgemein als vorrangig erscheinen: Die Erörterung des Überlieferungskontextes, die Bergung der Belege in möglichst gesicherten Lesungen und deren Präsentation in einer Edition, die die Glossen in ihrer textlichen Umgebung zeigt, eine erste lautliche, grammatische und lexikalische Bestimmung der einzelnen Belege und der Versuch einer Lokalisierung und Datierung ihrer Sprache. Mit dieser Grundlegung sollte das gewichtige, komplexe und in großen Teilen schwierige Material für eine Weiterbearbeitung durch die Forschung in geeigneter Form aufbereitet werden. Wichtige und große Bereiche verbleiben damit noch unbearbeitet. Zu erwähnen sind die Morphologie der Glossen in Flexion und Wortbildung, das Spektrum der glossierungsfunktionalen Merkmale, die Zusammensetzung des Lexikons und die Einordnung der Glossen in die Zusammenhänge der volkssprachigen Eusebius-

440 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

bzw. Rufinus-Glossierung. Auf einige dieser Desiderata nehmen die folgenden abschließenden Bemerkungen kurz Bezug. Lemma-Interpretament-Verhältnis In den Beziehungen vom Textwort zur Glosse herrscht eine Vielfalt an Kommentierungsverfahren und Glossierungsfunktionen. Es fällt zunächst auf, dass zwischen Lemma und Interpretament der Anteil an Inkongruenz in der Form und in der Wortart hoch ist. Zudem sind einige Glossen in ihrer semantischen Bezugnahme auf den Text unverständlich. Formale Inkongruenz tritt in bekannter Weise dort auf, wo dem Althochdeutschen die lateinischen sprachlichen Mittel nicht zur Verfügung stehen, beispielsweise im althochdeutschen Dativ zur Wiedergabe des Ablativs, in der Verwendung eines althochdeutschen Kasus, der demjenigen anderer Textwörter entspricht, um komplexe Relationen wiederzugeben (Nr. 6, 21), in althochdeutschen finiten Formen zur Ausdeutung lateinischer Partizipialkonstruktionen (Nr. 9, 108, 157, 258, 330), im althochdeutschen Präteritum zur adäquaten Wiedergabe des lateinischen historischen Präsens (Nr. 94, 97), in althochdeutschen finiten Formen auch zu unterschiedlichen lateinischen Infinitiven (Nr. 88, 367), in althochdeutschen Aktivformen (auch Partizipien) bei lateinischen Deponentien (Nr. 12, 108, 367) sowie unterschiedlichen althochdeutschen Strategien, die lateinischen Passivformen zu umschreiben (Nr. 15, 25, 35, 95, 207). Die Verfahren, die in der althochdeutschen Glossographie verbreitet anzutreffen sind, sind in den Kapiteln 2.6.2 und 2.6.3 im Zusammenhang mit analogen Glossen des Clm 6293 näher beschrieben. Zu den inkongruenten Erscheinungen gehört auch das in der Forschung noch nicht befriedigend geklärte Phänomen, dass im Nominalbereich ‚grundformähnlich‘ mittels Nominativ glossiert wird, meist dann im Singular (Nr. 109, 319, 384, 390, in 115 und 139 nicht eindeutig als Nominativ bestimmbar); siehe auch dazu Kap. 2.6.2. Ein anderer ungewöhnlicher Fall ist die Umsetzung von Pluralformen in den Singular (Nr. 83, 145, 235) oder Singularformen in den Plural (Nr. 232, 332). Für scheinbar weitgehende Abweichungen können als Quellen mitgedachte althochdeutsche Umschreibungen vermutet werden, die im Clm 6383 jedoch oft nicht rekonstruierbar erscheinen (Nr. 58, 96, 175, 188, 218, 283, 288). Es gibt aber auch ganz schematische Umsetzungen. So taucht die bei einem historischen Infinitiv plausible Umsetzung mittels Präteritum auch bei einem nicht historischen auf, wobei sich der Glossator auch um die aus dem Inhalt ersichtliche grammatische Person foutiert (Nr. 367). Ein weiterer Schematismus, der auch aus anderen Glossen bekannt ist (z. B. den Federglossen des Clm 21525; siehe dort die Glossen F73 und F96), ist die Verwendung des Dativs, wenn das lateinische Lemma im Akkusativ mit ad eingeleitet ist, das im Althochdeutschen mit dem den Dativ regierenden zi übereinstimmt (Nr. 223). Ähnliches kommt im Clm 6383 auch bei lat. in und pro vor (Nr. 41, 146).

Abschließende Bemerkungen | 441

In einigen Fällen semantischer Inkongruenz ist von freier Übersetzung auszugehen (Nr. 141). Inkongruenz in der Bedeutung kann gelegentlich mit kontextferner Vokabelglossierung erklärt werden (Nr. 161, 251, 255, 320, 352?, 421), auch mit einer abweichenden Interpretation einer lateinischen Form (Nr. 199); es erscheinen daneben auch semantisch ganz unbegreifliche Interpretamente (Nr. 18). Inkongruenz in der Wortart kann das Bemühen um hauptsächlich inhaltliche Kommentierung bezeugen (Nr. 20) oder aber Versuche, über das einzelne Textwort hinausreichende Sachverhalte mit einem Abstraktum zu erfassen (Nr. 275, 336). Zum Phänomen des Wortartenwechsels gehört auch das Glossieren mit Pro-Formen, deren Anteil im Clm 6383 jedoch klein ist. Der bestimmte Artikel kommt wenig allein vor (Nr. 107, 156), ebenso wenig in Verbindung mit einem Substantiv (Nr. 87, 125, 396). Insgesamt ergibt sich das Bild eines von unterschiedlichsten Interessen und Anliegen gesteuerten, flexiblen und kreativen Eingehens auf sowohl die Form als auch den Inhalt des Textes. Wortschatz Der in der Glossierung des Clm 6383 bewahrte Wortschatz zeichnet sich durch einen vergleichsweise hohen Anteil an Hapax legomena aus. Wenn der Begriff eines Hapax legomenon so verwendet wird, wie er in Glaser (1996: 102) festgelegt ist, also auch unbelegte Prä- und Suffigierung mit einschließt (vgl. auch Nievergelt/Glaser 2016: 318f.), sind unter den Interpretamenten 78 einmalig bezeugte althochdeutsche Wörter zu zählen: die Glossen Nr. 7, 20, 21, 24, 27, 37, 39, 42, 49, 55, 59, 60, 78?, 95, 100, 102, 105, 111, 115, 119, 123, 126, 138, 140, 142, 146, 153, 156, 161, 164, 171, 179, 180, 186, 193, 203?, 213, 223, 234, 242, 246, 260, 271, 272, 275, 278?, 283, 286, 288, 290, 293, 297, 300, 301, 306, 309, 312, 313, 314, 316, 319, 321, 323, 325, 330, 331, 335, 336?, 346, 352, 361, 367, 384, 390, 392, 399, 403, 414. Nimmt man die Belege für nur formseitige Hapax legomena (einmalig bezeugte grammatische Formen) bzw. nur inhaltsseitige (einmalig bezeugte Bedeutungsvarianten) dazu, wächst die Zahl weiter an. Dis legomena (z. B. Nr. 200 und 201, 215, 249, 259) fügen wertvolle Bestätigungen bislang nur einmalig belegter Wörter bei. Die singulären Parallelen zu anderen althochdeutschen Denkmälern (Abrogans, Althochdeutsche Benediktinerregel) sind erst noch eingehender zu untersuchen. Einzelne Hapax legomena erwecken den Eindruck von ad hoc-Bildungen, z. B. die Glosse Nr. 186 oder die Glosse Nr. 300, was jedoch nicht einwandfrei nachgewiesen werden kann. Der Clm 6383 und die althochdeutsche Eusebius von Cäsarea-Glossierung Die althochdeutsche Rezeption der Kirchengeschichte des Eusebius von Cäsarea spielt sich allein anhand der lateinischen Bearbeitung des Rufinus von Aquileia ab und ist nur in Form von Glossen überliefert. Siehe dazu bei Bergmann (2013a: 81– 83), der die maßgebliche Überblicksdarstellung der Überlieferung in 15 Handschriften gibt (BStK-Nr. 64, 112, 162b, 225, 372, 443(I), 499, 532, 533, 637, 665, 849, 926,

442 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

950, 998[I]), unter zusätzlicher Erwähnung der kurz vor Drucklegung gemeldeten Entdeckung der Glossen im Clm 6383. Inzwischen ist als 17. Handschrift auch noch Paris, BnF lat. 18282 (BStK-Nr. 774aa) dazugekommen, die ebenfalls Griffelglossen enthält (vgl. Nievergelt 2015b). Innerhalb der Gruppe, die neu ca. 1150 Glossen überliefert, setzt der Clm 6383 mit seinen 442 (identifizierten) Glossen einen markanten Akzent. Das Korpus sticht insbesondere aus den Textglossierungen hervor, von denen sonst keine mehr als 9 Glossen umfasst.176 Der Clm 6383 und der Clm 18140 teilen sich 5 Parallelglossierungen (im Clm 6383 die Glossen Nr. 93, 124, 134, 140, 288). Ob darin eine Spur von Freising aus zu den Tegernseer Glossaren zu sehen ist, bleibt allerdings mehr als fraglich. Wir verfügen über keine Anzeichen, dass die Griffelglossen des Clm 6383 in Freising weiterverwendet wurden, so wie wir auch generell über die Rezeption von Griffelglossen noch kaum etwas wissen. Beziehungen zwischen den Glossen der drei aus Freising überlieferten Handschriften, dem Clm 6375, Clm 6381 und Clm 6383, sind keine zu erkennen.

|| 176 Die Anzahl von 10 Glossen, die bei StSG 2,607,1–7, 13–18 aus dem Clm 6375 ediert sind, ist nach 9 zu korrigieren. Die in StSG 2,607,5 als uatun edierte Marginalglosse ist zu lesen als uatim. Es handelt sich um eine Korrekturangabe zu dem am Zeilenanfang von Z. 13 verschriebenen Textwort aceruatim. Die Korrektur wurde auch im Text selbst ausgeführt.

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6383 | 443

4.5 Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6383 Die folgende Übersicht listet alle edierten althochdeutschen und lateinischen Glossen der Handschrift. Im Gegensatz zu den Darstellungen der anderen Kapitel entfällt hier die Hand/Typ-Spalte, da eine solche Unterscheidung hier nicht durchgeführt wurde (vgl. Kap. 4.3.3), sowie die Spalte mit Informationen bisheriger Glosseneditionen, da es sich hierbei vollständig um bislang unediertes Material handelt. Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

1

5v, 23

inusitato [more]

1,2,23; 27,4

unsit(…)tun

2

5v, 23

repedaret

1,2,23; 27,5

cafare

3

6v, 3

uates

1,3,6; 31,15

uuizago

L1

7v, 22

caelestium

1,3,20; 39,5

uer bi

4

10r, 9

oppugnaret

1,6,6; 51,11

stri

5

10r, 25

idoneum

1,6,9; 53,1

festan

6

12r, 9

faustibus

1,7,13; 61,12

purdino

7

12r, 14

eriles

1,7,14; 61,17

adalichane

8

12v, 30

lento

1,8 (Hs: Kap. 9),6; 65,24

lazo

9

13r, 15

inuadens

1,8,9; 67,17

anacafuar

10

13r, 17

prorigo

1,8,9; 67,19

iukkidin

11

14r, 15

confecta

1,9,3; 73,8

sitot

12

14v, 4

perfunctos

1,10,4; 75,7

tatun

13

15r, 24, r

(anticipare)

1,11,6; 79,14

foraque/man

14

15v, 37

innumeros

1,13 (Hs: Kap. 16),1; 85,1

..za(…)afton

15

16r, 9, r

(differtur)

1,13 (Hs: Kap. 16),3; 85,9

zatragan/ti uuard

16

16r, 21, r

(translata)

1,13 (Hs: Kap. 16),5; 87,1

canoman

17

17r, 13

incommodis

1,13,18; 95,4

(…)hafta

18

17r, 14

uerbum?

1,13,18; 95,5

fliz

19

18r, 29

iustus

2,1,3; 105,7

rect

20

19r, 1

fraude?

2,1,12; 109,4

roonliho

21

19v, 21

praerogatiua

2,2,6; 113,5

sūderames

L2

21r, 8

quendam

2,6,1; 119,13

qui

22

21r, 9

summo nisu

2,5,7; 119,13

ilunga

23

21r, 26

tragicos

2,6,3; 121,10

lio.

24

21v, 3

conitiebant

2,6,4; 121,20

caandraffoton

|| 177 Angabe der Position des Lemmas (Folio, Zeile). Falls nicht anders vermerkt, handelt es sich um Interlinearglossen. Bei marg. Position ist das Lemma eingeklammert und die Position der Glosse erscheint ebenfalls in dieser Spalte (l = links; r = rechts; o = oben; u = unten).

444 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

25

21v, 4

spernerentur

2,6,4; 121,20

farman&

26

21v, 9

delatam

2,6,6; 123,2

capurita

27

22r, 1

dumtaxat

2,7; 123,26

cauuar liho

28

22r, 19

ex

2,9,2; 125,17

uzar

29

22r, 19

maiorum

2,9,2; 125,17

alto

L3

22v, o

Text ab Z. 11

2,10,3; 127, ab 18

amphitheatrū

30

22v, 18

metalli

2,10,4; 129,2

smida.a(…)

31

22v, 22

adrogantia

2,10,5; 129,4

scof

32

24v, 9

arcanum

2,13,8; 137,25

caRuni

33

24v, 10

detestabiliter

2,13,8; 137,26

leidsaml.h(…)

34

24v, 30

adminiculo

2,14 (Hs: Kap. 13),5; 139,15

helfa(…)

35

25r, 1

potiretur

2,14 (Hs: Kap. 13),5; 139,18

cahaltan

36

25r, 10

mercimonia

2,14,6; 139,26

arnunga

37

25r, 22

desistunt

2,15,1; 141,9

pikunnont

38

25v, 15

ad liquidum

2,17,2; 143,8

ofano

39

26r, 4

contubernia

2,17,5; 145,4

caugari ·

40

26r, 16

copia

2,17 (Hs: Kap. 16),7; 145,17

fulli

41

26r, 17

terretoria

2,17 (Hs: Kap. 16),7; 145,18

lantun

42

26r, 21

aeris

2,17 (Hs: Kap. 16),8; 145,22

caatamida

43

27r, 6

concubitus

2,17,19; 151,10

[a] mitislaf – [b] slaf

44

27v, 2

interpretatio

2,18 (Hs: Kap. 17),1; 153,20

?rsoh(…)

45

27v, 4

etiam

2,18 (Hs: Kap. 17),1; 155,2

auh

46

27v, 5

primo

2,18,1; 155,4

erista

47

27v, 6

explanatio

2,18,1; 155,4

cariht(…)

48

27v, 6

figuralis

2,18,1; 155,4

furi(…)t

L4

27v, 11, l

(temulentia?)

2,18,2; 155,8

d./so/catio/ne?

49

28r, 14

constipatione

2,19,1; 159,3

stafaronti

50

28r, 25

conuiciis

2,20,2; 159,15

sceltom ·

51

28v, 2

comminus

2,20,5; 161,2

nahc

52

28v, 17

subiugare

2,21,1; 161,17

kazamon ·

53

28v, 25

tribunus

2,21,3; 161,24

skerio

54

29r, 28

igitur

2,23,1; 165,11

enti

55

29r, 29, r

(intenderant)

2,23,1; 165,12

pilaufant

56

30r, 17, r

(tunc?)

2,23,15; 171,5

fona(…)

57

31r, 6

nefaria

2,25,1; 175,21

(…)mozon

58

31r, 6

flagitia

2,25,1; 175,21

uneron

59

31r, 7

probra

2,25,1; 175,22

farmeina

60

31r, 15

consulite

2,25,4; 177,8

farhelfat

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6383 | 445

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

61

31r, 32

disputans

2,25,6; 179,1

st..tant

62

31r, 32

commemorat

2,25,6; 179,2

farz(…)ta

63

31v, 2

uia

2,25,7; 179,4

sint

64

31v, 10

autem

2,25,8; 179,15

afar

65

32v, 10

dirimuntur

3,1,1; 189,3

kasentˉ

66

32v, 15

praedicans

3,1,2; 189,8

ca(…)

67

32v, 29

narratione

3,3,3; 191,5

zeli?

68

32v, 32

exponemus

3,3,3; 191,8

sak

69

33v, 23

insidiis

3,5,2; 197,5

faru.

70

33v, 30

transire

3,5,3; 197,12

(…)faran

71

34r, 15

tricies

3,5 (Hs: Kap. 6),5; 199,7

driui

72

35v, 6

genere?

3,6,14; 205,14

fordar

73

35v, 9

superstites

3,6,14; 205,17

pilipane

74

35v, 17

cunctabor

3,6,16; 205,25

fra(…)

75

38r, 14

numinis

3,8,9; 219,15

dur?dines

76

38v, 17

seriem

3,10,1; 223,22

ordinna

77

38v, 20

gerunt

3,10,2; 225,2

forent

78

38v, 26

iugis

3,10,4; 225,9

ēigi

79

39r, 29

consobrinus

3,11; 229,4

fatareo

80

40v, 27

superstes

3,23,1; 237,14

pilipalno

81

40v, 32

adstipulantur

3,23,3; 237,19

cahee

82

41v, 25

effugire

3,23,15; 243,10

ca(…)

83

42r, 12

praecantationibus

3,23,19; 245,1

calstare

84

42r, 12

efferos

3,23,19; 245,1

crimiu

85

42r, 13

mitigabat

3,23,19; 245,2

cazert(…)

86

42r, 16

tropea

3,23,19; 245,5

zeihhan

87

42r, 31

argumento

3,24,4; 245,22

demo urdanche

88

42v, 13

adpulisse

3,24,6; 247,8

ar uu iali

89

43v, 31

destinatum

3,26,1; 255,3

arlegit

90

43v, 31

aliter

3,26,1; 255,3

so

L5

44r, 12

freti

3,26,4; 255,18

preparati

91

44v, 1

per

3,28,2; 257,20

duru.

92

45r, 13

pastibus

3,29,4; 263,2

fuarun

93

45r, 19

inprobant

3,30,1; 263,8

itauuizont

94

45r, 20

non taedet

3,30,1; 263,10

niardrooz

95

47r, 27

subigor

3,36,12; 279,16

uparstozaner

96

48r, 18

non pigebit

3,39,3; 287,7

ni artrag&a

97

48v, 27

refert

3,39,14; 291,14

arsag&

446 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

98

49r, 11, r

(parabula)

3,39,17; 293,10

saga

99

49v, 19

profectus

4,2,1; 301,7

spoot

100 51v, 12

sine scrupulo

4,7 (Hs: Kap. 8),7; 311,20

anahuaten

101 51v, 12

indifferenter

4,7 (Hs: Kap. 8),7; 311,20

emazigo

102 52r, 27

integerimam

4,8,2; 315,7

uncastauuita

103 55v, 19

familiaribus

4,15,9; 339,18

catriuuuon ·

104 56r, 2

laeto

4,15,13; 341,10

do

105 56r, 2

conpellare

4,15,13; 341,10

caquaten

106 56r, 29

animatur

4,15,17; 343,15

ca(…)

107 57v, 1

inmortalitatis

4,15,40; 351,7

dera

108 57v, 1

indeptus

4,15,40; 351,7

salta

109 58r, 8

moribus

4,16,1; 355,19

situ

110

58r, 12, r

(ueritatis)

4,16,2; 355,21

uuari.

111

58r, 25

suspectus

4,16,4; 357,15

un cauuari

112 59r, 14

corruptorem

4,17,12; 363,11

far(…)

113

59r, 25

adnexuit

4,17,13; 363,22

pifianc

114

59v, 34, u

prouocantibus

4,18,10; 369,2

crozzentem

115

60v, 8

circumcisione

4,22,7; 373,9

umpiscrotunga

116 60v, 12

disseruit

4,22,8; 373,14

arsag&a

117

singulis

4,23,10; 379,3

ei(…)em

118 62v, 25

explorasse

4,26,14; 387,29

(…)farant

119

61r, 31

fato

4,30,1; 393,17

cheosonnu

120 63v, 11

uisus est

4,30,3; 393,21

(…)n ist

121 64r, 31

recuperaret

5,pr.,4; 401,18

ca(…)uni

L6

ius

5,1,9; 405,23

lex

122 65v, 1

incesta

5,1,14; 407,25

unkusc.

123 65v, 23

concideret

5,1,18; 409,20

cauuolhe

124 65v, 24

animositate

5,1,18; 409,21

...h.lmuatigi

125 65v, 30

agones?

5,1,19; 409,28

dio(…)heiti

126 67r, 11

squalorem

5,1 (Hs: Kap. 2),35; 417,1

uulzot

127 67r, 15, r

(caruerint)

5,1 (Hs: Kap. 2),35; 417,7

[a] piscerit – [b] anucaues.|

128 67r, 22

offerebat

5,1 (Hs: Kap. 2),36; 417,14

arpot

129 67r, 31

contrectare

5,1 (Hs: Kap. 2),38; 419,1

zagreifonne

130 73v, 13

quidem

5,16,2; 461,6

[a] sar – [b] halt

131

63v, 7

65r, 7

excessu

5,16,7; 463,9

arhapani

132 73v, 26

obiurgabant

5,16,8; 463,15

+pagant

133 74r, 7

bacchantes

5,16,10; 465,10

quitilonte

134 75r, 8

salaria

5,18 (Hs: Kap. 17),2; 473,19

fruant.

73v, 21

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6383 | 447

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

135 75r, 9

enixius

5,18 (Hs: Kap. 17),2; 473,20

offanor

136 75r, 23

adinuentiones

5,18 (Hs: Kap. 17),5; 475,17

urdancha

137 76v, 24

testor

5,20,7; 485,13

(…)z?ant

138 77r, 7

desperatae

5,21,2; 487,5

farchondiu

139 78r, 12

foedere

5,24,9; 495,4

fridu

140 81r, 7

otium

6,2,1; 519,12

mozzun

141 81r, 15

capesendi

6,2 (Hs: Kap. 1),3; 521,4

cadolendes

142 81r, 31

segniter

6,2 (Hs: Kap. 1),7; 521,26

seimliiho

143 83r, 16

ereptus

6,4 (Hs: Kap. 6),1; 531,8

calosit

144 83r, 24

perennis

6,5 (Hs: Kap. 6),1; 531,19

euu(…)

145 86v, 23

editionum

6,16 (Hs: Kap. 15),1; 555,3

uuarpunga

146 89r, 23

conuincendis

6,23 (Hs: Kap. 26),2; 571,14

zacadegante

147 89r, 26

inhumanus

6,23 (Hs: Kap. 26),2; 571,18

uncahorac

148 90v, 22

transtulissent

6,31 (Hs: Kap. 30),1; 587,2

framprungū

149 90v, 28

memorauimus

6,31 (Hs: Kap. 30),2; 587,8

?asak

150 90v, 31

docuimus

6,31 (Hs: Kap. 30),3; 587,13

lert

151

direptionem

6,41 (Hs: Kap. 33),6; 603,2

herriod

152 92v, 4

congestis

6,41 (Hs: Kap. 33),7; 603,5

zasamane

153 92v, 7

proripit

6,41 (Hs: Kap. 33),7; 603,8

areihanat

154 92v, 14

facultas

6,41 (Hs: Kap. 33),8; 603,15

cafori

155 92v, 16

igni

6,41 (Hs: Kap. 33),8; 603,17

fiur(…)

156 92v, 18

rabies

6,41 (Hs: Kap. 33),8; 603,19

daz

L7

confecti

6,41 (Hs: Kap. 34),17; 607,13

commixti

157 93v, 18

adfigente

6,41 (Hs: Kap. 34),18; 607,16 castah/ota

158 93v, 19

fas

6,41 (Hs: Kap. 34),18; 607,18 rect

159 93v, 20

tenax

6,41 (Hs: Kap. 34),18; 607,19 harti

160 93v, 29

pari

6,41 (Hs: Kap. 34),20; 609,7

epanlihera

161 93v, 31

differri

6,41 (Hs: Kap. 34),20; 609,9

arzerian

162 94v, 35

fraudibus

6,43 (Hs: Kap. 36),6; 615,20

ur ch/ustim

163 95r, 9

circumuentione

6,43 (Hs: Kap. 36),9; 619,1

pisuuiihes

164 95r, 33

profanis

6,43 (Hs: Kap. 36),22; 625,2

lotarlihem

165 95v, 25

uale

6,45 (Hs: Kap. 36); 627,18

ma gis

166 96v, 25

obiecta

7,4; 639,11

uuorfena

167 97r, 5

decessor

7,5,4; 641,5

aldiro

168 97v, 2

decessor

7,9 (Hs: Kap. 8),2; 647,8

aldiro

169 98r, 20

carente

7,11,23; 663,5

pifa

170 98r, 27

permitteretur

7,11,24; 665,5

fur

171

segnitiae

7,12; 665,25

seimi

92v, 1

93v, 15

98v, 10

448 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

172 98v, 18

audaciae

7,12; 667,9

paga

173 99r, 20

prestigias

7,15 (Hs: Kap. 14),17; 671,29

antipitroc

174 99r, 32

comptae

7,18 (Hs: Kap. 15),2; 673,10

casezzito

175 99v, 2

conquirit [ad depellendos?]

7,18 (Hs: Kap. 15),2; 673,15

catreip

176 99v, 3

hausto

7,18 (Hs: Kap. 15),2; 673,16

slun

177 99v, 3

graminis

7,18 (Hs: Kap. 15),2; 673,16

platir.

178 99v, 4

antequam? aereae?

7,18 (Hs: Kap. 15),2; 673,17

fel..

179 99v, 7

beneficiis

7,18 (Hs: Kap. 15),4; 673,21

pimiltenissi

180 99v, 11

indifferenter

7,18 (Hs: Kap. 15),4; 673,26

ununtarlaazo

181 100r, 1

interitum

7,21 (Hs: Kap. 18),4; 675,24

faruuortani

182 100v, 2, l

(infirmos)

7,22 (Hs: Kap. 20),8; 683,5

poson

183 100v, 8

tremere

7,22 (Hs: Kap. 21),10; 683,12

ca(…)p..

184 100v, 19

inter

7,24 (Hs: Kap. 22),1; 685,7

untar

185 101r, 7

discrepans

7,24 (Hs: Kap. 23),5; 687,24

untarsceid..

186 101r, 17

schismata

7,24 (Hs: Kap. 23),6; 689,10

apazaurscrotanna ·

187 101r, 27

continuo

7,24 (Hs: Kap. 23),8; 689,22

sliumo

188 101v, 11

crasso

7,25 (Hs: Kap. 24),2; 691,18

dihhera

189 101v, 14

sed

7,25 (Hs: Kap. 24),2; 691,21

afar

190 102r, 22, r (praecellentes)

7,28 (Hs: Kap. 25),1; 703,12

furistun

191 102v, 1

orientali et septentrionis

Rufinus, De Gregorio Thaumaturgo; 953,4

ca.o.tarl?n?nord

192 102v, 7

coibatur

ebd.; 953,11

capurita

193 102v, 7

captionis

ebd.; 953,11

sleihhes

194 102v, 11

suorum

ebd.; 953,15

iro

195 102v, 14

quaestus

ebd.; 953,19

cauuinnes

196 102v, 30

ferax

ebd.; 954,10

tragant

197 103r, 9

fanum

ebd.; 954,27

pluastarhus

198 103r, 11

consulere

ebd.; 954,29

.ntfragen

199 103r, 13

consulta

ebd.; 954,31

caratana

200 103r, 15

litat

ebd.; 954,33

rpetot

201 103r, 16

inuocas

ebd.; 955,2

arpetos

202 103r, 19

aput

ebd.; 955,6

after

203 103r, 31

pandens

ebd.; 955,19

204 103r, 33

enixius? pertinatius?

ebd.; 955,21

uui.ar(…)a.on.o

L8

metafrasin

ebd.; 955,28

liber

perurgentem

7,29 (Hs: Kap. 27),2; 705,10

peitantan

7,29 (Hs: Kap. 27),2; 705,14

s.lpun

103v, 5

205 103v, 28

206 103v, 31, l (ipsa)

arpreitonti

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6383 | 449

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

207 104r, 14

curentur

7,30 (Hs: Kap. 27),3; 707,11

fleganti

208 104v, 15

neotericos

7,30 (Hs: Kap. 27),10; 711,10

unrecte

209 108r, 16

mores

8,1,7; 739,11

sit.

210 108r, 20

fallatia

8,1,7; 739,17

farlosi

211 108v, 30

hic

8,3,1; 743,17

dar

212 109r, 21

exaggerasse

8,4,5; 747,5

suellan

213 109v, 19

uiget

8,6,5; 751,1

arsuualet ·

214 109v, 28

aceruatim

8,6,6; 751,11

hufo

215 110r, 8

inhiabat

8,6,8; 751,27

cinazta

216 110r, 14

homicidis

8,6,9; 751,35

slah?

217 110r, 15

uiolatoribus

8,6,9; 751,35

aruuert..

218 110r, 25

certatum

8,7,1; 753,14

ilenta

219 110v, 21, l

((appa)ruerunt)

8,7,5; 755,14

fallen

F1

(pudenda)

8,9,1; 757,8

· cunta ·

220 111r, 11

machinis

8,9,1; 757,9

cazimparim

221 111r, 17

despecatis

8,9,2; 757,14

nidarsehanem

222 111r, 23

subicerent

8,9,4; 757,23

piduuangun

223 111r, 26

contiguum

8,9,4; 757,26

frastaftotemo

224 111r, 29

haebetata

8,9,4; 757,30

aruuartit

225 111v, 21

tunc

8,9 (Hs: Kap. 10),8; 759,22

after

226 112r, 13

otium

8,10,4; 761,17

muazza

227 112r, 17

et trocleis

8,10,5; 761,21

enti furc..

228 112r, 27

agerentur

8,10,6; 763,10

cazensot

229 112v, 15

notam

8,11,1; 765,16

camarichot

230 112v, 15

crudelitatis

8,11,1; 765,16

crim.

231 113r, 6

praetipitio

8,12 (Hs: Kap. 13),2; 767,26

farlusti

232 113r, 9

probitate

8,12 (Hs: Kap. 13),3; 767,31

uuizim

233 113r, 12

contentio

8,12 (Hs: Kap. 13),3; 767,34

strit

234 113r, 13

turbines

8,12 (Hs: Kap. 13),3; 767,35

tunstin

235 113v, 3

monilibus

8,12 (Hs: Kap. 13),5; 769,23

scer fo

236 113v, 15

aliquando

111r, 11

8,12 (Hs: Kap. 14),8; 771,2

souanne

237 113v, 20, l (de reliquo)

8,12 (Hs: Kap. 14),9; 771,8

f(…)fort

238 114v, 29

insuetam

8,14 (Hs: Kap. 15),3; 781,3

unca(…)tan

239 115r, 22

delubra

8,14 (Hs: Kap. 17),9; 783,5

hori

240 115r, 22

olim

8,14 (Hs: Kap. 17),9; 783,5

forn

241 115r, 31

auitis

8,14 (Hs: Kap. 17),10; 783,15

aldun

242 115r, 33

temulentus

8,14 (Hs: Kap. 17),11; 783,18

tranchot

243 115v, 4

studium

8,14 (Hs: Kap. 17),12; 785,2

fliz

450 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

244 115v, 18

praeceps

8,14 (Hs: Kap. 17),15; 785,17

fal

245 115v, 21

uigebant

8,14 (Hs: Kap. 17),15; 785,20

sual

246 116v, 6

purulentis

8,16 (Hs: Kap. 17),4; 791,5

fuleitare

247 118r, 4

nancisci

9,2; 807,22

piniusen (…)ta

248 118v, 9

triuio

9,5,2; 811,17

cauu.c.e

249 119r, 6

fragilis

9,6,3; 813,21

pluc

250 119r, 8

fictum

9,6,3; 813,24

cahuct

251 119v, 8

gratia

9,7,1; 815,25

danche

252 119v, 9

aere

9,7,1; 815,27

scaz

253 120r, 4

daemonas

9,8,2; 823,3

cafarrun

254 120r, 15

stragem

9,8,6; 823,14

uual

255 120r, 28

stipem

9,8,8; 825,1

druh

256 120v, 32

ac

9,8,14; 827,3

enti

257 121r, 21

fautor

9,8 (Hs: Kap. 9),15; 827,29

ukaiso oder likaiso

258 122r, 17

cedens

9,9,13; 835,2

inuueih

259 122v, 15

euasit

9,10,4; 841,10

for

260 122v, 29

prouintialium

9,10,7; 843,7

calant

261 122v, 33

diuis

9,10,8; 843,12

cot.

262 123r, 22

capiant

9,10,11; 845,18

cafa(…)n

263 123v, 6

nunc

9,11 (Hs: Kap. 10),1; 849,4

sumanes

264 123v, 6

nunc

9,11 (Hs: Kap. 10),1; 849,5

suma

265 124r, 26

amplius

10 (Hs: Buch 9),2,2; 861,6

ferror

266 124r, 28

et

10 (Hs: Buch 9),2,2; 861,8

enti

267 124r, 28

inpendiorum

10 (Hs: Buch 9),2,2; 861,8

cazi ugo

268 124v, 8

uicibus

10 (Hs: Buch 9),3,4; 863,5

uuilom

269 125r, 7

primo

10 (Hs: Buch 9),8,5; 893,17

ein.

270 125r, 20

contorquet

10 (Hs: Buch 9),8,9; 895,12

reit

271 125r, 21

sacrilegia

10 (Hs: Buch 9),8,9; 895,13

macare

272 125r, 21

delibat

10 (Hs: Buch 9),8,9; 895,13

cumeta

273 125r, 24

crudelitate

10 (Hs: Buch 9),8,11; 897,1

crim

274 125r, 34

negotii

10 (Hs: Buch 9),8,14; 897,11

saga

275 125v, 8

satis agere

10 (Hs: Buch 9),8,15; 899,8

canucternissa

276 125v, 13, l

(factionibus?)

10 (Hs: Buch 9),8,13; 899,13

casa..

277 125v, 20

eminentior

10 (Hs: Buch 9),9,6; 901,1

furi

278 127r, 21

simulatio

10,2; 961,20

forit

279 127r, 31

certaminis

10,3; 962,3

paga

280 127r, 32

non inprobabiliter?

10,3; 962,3

unca(…)

281 127v, 3, l

(laberetur)

10,3; 962,8

ars/life

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6383 | 451

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

282 127v, 6

insultantem

10,3; 962,12

itauuizzentā

283 128r, 22

clamitat

10,5; 964,12

hlahahareti

284 128r, 31

eius

10,5; 964,23

sine

285 128v, 6

obniti

10,5; 965,8

uuidari

286 128v, 23

mutabilem

10,6; 966,4

arfor.

287 128v, 25

libidinis

10,6; 966,7

geil.

288 128v, 25

exciderunt

10,6; 966,7

cafurontisint

289 128v, 29

uel si quae

10,6; 966,12

ł ipa fa

290 128v, 32

auctoritas

10,6; 966,15

capaldi

291 129r, 11

nouatiani

10,6; 967,9

niuuiquemon

292 129r, 22

cathecumenos

10,6; 967,23

all(…)per.t

293 129v, 23

infrequens

10,7; 969,18

uncareinot

294 129v, 23

obliuioni

10,7; 969,18

far(…)

295 129v, 29

dominici

10,7; 969,25

cots..?

296 129v, 29

prodebat

10,7; 969,25

ca

297 129v, 32

confectam

10,7; 970,2

cafegarot

298 130r, 13, r

(indicio?)

10,8; 970,19

marcha pi

299 130r, 13

compos

10,8; 970,19

maria

300 130r, 18

thecis argenteis

10,8; 970,24

castusamlihes

301 130r, 26

fretus

10,8; 971,5

erac

302 130v, 22

inuaditur

10,9; 972,13

casēhun

303 130v, 25

perspicacem

10,9; 972,16

claouan

304 131v, 16

inuocandum

10,11; 974,24

carof(…)

305 131v, 20

hoc

10,11; 975,1

do

306 131v, 22

segnior

10,11; 975,3

seimac

307 131v, 23

uenante

10,11; 975,4

uueidinontemo

308 131v, 24, l (?)

10,11; 975,5?/6?

cal

309 131v, 24

horrorem

10,11; 975,5

caniffa

310 131v, 29

omissis

10,11; 975,11

ubara

311

monet

10,11; 975,18

man&a

312 132r, 7

in obliquum

10,11; 975,25

cascido

313 132r, 19

liberatione

10,11; 976,11

eindraaungu

314 132r, 28

degeret

10,11; 976,22

indacta

315 132r, 30

honoribus

10,12; 976,24

eron

316 132v, 9

excidium

10,12; 977,13

piscrotani

317 132v, 20

dogmatum

10,12; 977,26

saga

318 133r, 4

deuincto

10,12; 978,18

caheizzan

319 133r, 4

imperatore

10,12; 978,18

uualtiso

132r, 1

452 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

320 133r, 9

amplam

10,13; 978,24

maria

321 133r, 10

nanctus

10,13; 978,24

caeita

322 133r, 10

familiaris

10,13; 978,24

ca

323 133r, 27

cuniculum

10,14; 979,20

holstaigi

324 133r, 28

exsoluit

10,14; 979,21

ino

325 133v, 1

inretitus

10,14; 980,5

umpinezzit

326 133v, 7

igitur

10,15; 980,11

car

327 133v, 8

acris

10,15; 980,12

claouuen

328 134r, 12

omittere

10,15; 982,6

fa?e

329 134v, 28

mulier

10,18; 984,8

altun

330 134v, 30

obuncans

10,18; 984,11

raffota

331 134v, 33

rediculosus

10,18; 984,14

cahohter

332 135r, 4

prestigiis

10,18; 984,19

pitroge

333 135r, 6

indicato

10,18; 984,22

sageda

334 135v, 28

consulebant

10,20; 987,8

cate(…)

335 136r, 26, r (labsum)

10,22; 988,22

calaufa

336 136r, 30

conhibentia

10,23; 989,2

pruncana

337 136r, 33

uero

10,24; 989,5

za

338 136r, 33

satis

10,24; 989,5

ca

339 136r, 33

procaciter

10,24; 989,5

freh?

340 136v, 9

denuo

10,26; 989,18

afar

341 136v, 9

finduntur

10,26; 989,18

caspaltan...r(…)

342 138r, 7

custodiret

10,31; 993,26

u.ereti

343 138r, 11

circumiens

10,31; 994,5

umpifara(…)

344 138r, 13, r

(reuocabat?)

10,31; 994,7

a?ha?e.

345 138r, 17

placidus

10,32; 994,11

liupliiher

346 138r, 18

commodissimus

10,32; 994,12

cahorentlihosto

347 138r, 19, r (?, uersutias?)

10,32; 994,14

uuidara/stRvpali

348 138r, 26

pulsaturus

10,33; 994,21

sto.a?

349 138r, u

(?, procurationem?)

10,33; 994,28

fure/cauma(…)

350 138v, 4

tetri

10,34; 995,5

crimma

L9

magorum

10,34; 995,6

incant(…)

L10 138v, 5

filosoforum

10,34; 995,6

sapie

L11

haruspicum

10,34; 995,6

.../incantatorū

351 138v, 5

augurum

10,34; 995,6

calstareo

352 138v, 6

successurum

10,34; 995,7

afterpifararo

353 138v, 14

nisi prospiceret

10,35; 995,16

ni uuaraneti

354 138v, 27

suburbano

10,36; 996,2

uui

138v, 5 138v, 5

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 6383 | 453

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

355 139v, 17

saxa

10,39; 998,5

fe(…)

356 139v, 29

pertinacis

10,40; 998,16

einstriti

357 142r, 11

rotatus

11,4; 1007,14

umpihringit

358 142v, 2

adfectus

11,5; 1009,2

cafegan

359 142v, 5

terrorem

11,5; 1009,5

droha

360 142v, 20

subire

11,5; 1010,5

cadol..

361 142v, 22

repressit

11,5; 1010,7

ardulita

362 142v, 23

igne

11,6 (Hs.: Kap. 5); 1010,8

fu.

363 142v, 31

adtriuisset

11,6; 1010,16

arsluac

364 143r, 6

populis

11,6; 1011,9

liutim

365 143r, 11

tam facile

11,6; 1011,14

fradl..

366 143r, 14

imaginibus

11,6; 1011,17

pilid.n

367 143r, 14

adgredi

11,6; 1011,17

zoarquā

368 143r, 17

numquit

11,6; 1011,20

inuga

369 143r, 25

suffunderet

11,7; 1012,6

pidanfta

370 143v, 12

dialecticae

11,7; 1013,4

di(…)redina

371 143v, 12

astronomiae

11,7; 1013,4

callale.

L12 143v, 13

arithmeticae

11,7; 1013,5

numerar–

372 143v, 16

huius

11,7; 1013,8

sin

373 143v, 17

disputata

11,7; 1013,9

stritanti

374 143v, 29

florebat

11,8; 1013,21

pluata

375 144r, 7

pollentes

11,8; 1014,8

uuallante

376 144r, 16

ad profitendam

11,9; 1014,17

forazapringanne

377 144r, 18

mancipasset

11,9; 1014,19

kafeste

378 144r, 21

remotis

11,9; 1014,22

arscopanem

379 144r, 30

rura

11,9; 1015,4

feld

380 144r, 33

abiectis

11,9; 1015,7

kesun~

381 144v, 17

condolere

11,9; 1015,26

riuuuota

382 144v, 23

exilium

11,9; 1016,4

scato

383 144v, 29

maturius

11,9; 1016,10

sniumo

384 144v, 30

nodo

11,9; 1016,10

ursun

385 144v, 31

denuo

11,9; 1016,12

afar

386 145r, 3

praedio

11,13; 1020,2

oadle

387 145r, 8

strenuus

11,13; 1020,8

strenger

388 145r, 20

alumna

11,15; 1020,21

camahha

389 145v, 4

beniuolo

11,16; 1021,17

ueuillo

390 145v, 5

incunabulis

11,16; 1021,18

uuetota

391 145v, 7

promittitur

11,16; 1021,20

cafall..

454 | München, BSB Clm 6383 (BStK-Nr. 710an)

Nr.

Position177 Lemma

Textstelle; Edition

Interpretament

11,18; 1022,19

scarphit

393 145v, 29, l (ludos?)

11,18; 1023,2

(…)n/spil

394 146r, 3

animaduersione

11,18; 1023,9

diumihhilmotin

395 146r, 14

offerre

11,19; 1023,21

arpotan

396 146r, 14

institutione

11,19; 1023,22

castaf.

397 146r, 15

destrui

11,19; 1023,22

forit

398 146r, 21

ceteris

11,20; 1024,5

andr.n

399 146r, 29

supplementum

11,20; 1024,14

farholfan..

400 146v, 3

dogmata

11,20; 1024,22

riht.

401 146v, 9

iurgia

11,21; 1024,28

capaca

402 146v, 11

in hoc

11,21; 1024,30

afar

403 146v, 18

praetore

11,21; 1025,5

sca hhari

404 146v, 25

crescerent

11,22; 1025,14

aohhont

405 146v, 26

antra

11,22; 1025,15

holin

406 146v, 27

sceleribus

11,22; 1025,15

far.a

407 146v, 33

coire

11,22; 1025,22

.far?

408 146v, 33

numero

11,22; 1025,22

za

409 147r, 29

pagina

11,22; 1026,22

du

410 147v, 10

uero

11,23; 1027,4

auar

411 147v, 31

laquearibus

11,23; 1028,3

catafal(…)

412 148r, 8

praeceps

11,23; 1028,13

fal

413 148v, 25

parieti

11,25; 1031,20

nti

414 148v, 29

incitamentum

11,25; 1031,24

caspanstungon

415 148v, 32

obstupefactae

11,22; 1026,22

prutti

416 149r, 28

fraude

11,26 (Hs. Kap. 25); 1033,7

un.r ?.o

417 149v, 1

fraus?

11,26 (Hs. Kap. 25); 1033,12

.ohte.

418 150r, 12

ergo

11,29; 1035,9

afur

419 150r, 12

gestarum

11,29; 1035,9

ho

420 150v, 11

excubiarum

11,33; 1037,2

camarofr(…)

421 150v, 20

fretus

11,33; 1037,12

fluatu

422 151r, 19

pudoris

11,34; 1039,14

scama

392 145v, 27

inusta

5 München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677) 5.1 Einleitung 5.1.1 Ausgangslage, Desiderata und Ziele der Untersuchung Die althochdeutschen Glossen der Handschrift Clm 21525 sind seit den Anfängen der germanistischen Glossenforschung bekannt und bereits in den unterschiedlichsten Forschungskontexten berücksichtigt worden. Dennoch gibt es noch zahlreiche Desiderata. Die dringlichsten sind die folgenden: 1) Die Glossierung ist noch nicht in ihrem Gesamtumfang veröffentlicht. Sie ist zunächst um den großen Teil der neu entdeckten Griffelglossen zu ergänzen, die gegen ein Drittel der ganzen althochdeutschen Glossierung ausmachen. Des Weiteren sind auch bei den Federglossen Nachträge anzugeben. Sie betreffen Neufunde, Neuentzifferungen sowie Neulesungen und damit verbundene Korrekturen von bereits edierten Glossen. Einige Nachträge sind auch zu den Farbstiftglossen zu leisten, wobei auch überhaupt das Vorhandensein dieses eintragungstechnisch alternativen Typus für die Glossen des Clm 21525 zu ergänzen ist. 2) Die maßgebliche Edition der Glossen durch Elias von Steinmeyer ist nie um eine sprachliche Untersuchung der gesamten Glossierung erweitert worden. Einzelne Glossen sind unterdessen sprachlich bestimmt worden, zur Hauptsache im Rahmen lexikographischer Arbeit. Eine entsprechende Charakterisierung fehlte bislang aber noch für einen großen Anteil, den längst nicht nur die unedierten ausmachen. 3) Die Glossierung ist nur in rudimentären Ansätzen auf ihre Schichtung untersucht worden. Eine paläographische Untersuchung hat Steinmeyer durchgeführt, dies aber im begrenzten Rahmen seiner tabellarischen Editionen, denen er mit Hinweisen zu verschiedenen Schreiberhänden jeweils auch eine paläographische Grundierung lieh – in der Regel die Kontrastierung einer Haupthand mit Nebenhänden. Die Glossierung des Clm 21525 ist paläographisch mehrdimensional gegliedert, nämlich erstens eintragungstechnisch als mit Tinte oder gebundenen Pigmenten aufgetragen oder farblos in das Pergament eingetieft und zweitens personalschriftlich von einer Vielzahl von Schreibern eingetragen. Diese Struktur ist für sprachliche und abstammungsgeschichtliche Fragen bislang weder erschlossen, geschweige denn ausgewertet worden. 4) Die in großen Teilen evident kopial generierte Glossierung des Clm 21525 ist bislang nur ungegliedert auf verwandte Glossierungen in anderen Handschriften bezogen worden. Außerdem ist die Parallelüberlieferung nicht über die Angaben Steinmeyers in den Editionszeilen, auf der auch die Filiationsuntersuchungen von Wesle und Steinmeyer selbst basieren, hinausgehend weiter zusammengesucht und dementsprechend auch nicht mit der neuen Forschung abgeglichen worden. Damit ist die Frage nach den Vorlagen bislang sehr offen geblieben. Gänzlich unberück-

https://doi.org/10.1515/9783110621952-005

456 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

sichtigt geblieben ist der Umstand, dass die Glossierung nicht rein volkssprachig, sondern althochdeutsch-lateinisch gemischt ist. Sämtlichen bisherigen Filiationsanalysen haftet der schwerwiegende Mangel an, dass die lateinischen Glossen ausgeblendet wurden. Unsere Untersuchung ist grundsätzlich der integralen Präsentation der althochdeutschen Glossierung des Clm 21525 gewidmet, sie legt aber das Hauptaugenmerk auf die oben herausgestellten Desiderata, welche eingehender als andere Aspekte behandelt werden. Das ist an den Editionsartikeln zu erkennen, die darauf fokussieren, Neufunde nachzureichen, Lesungen zu korrigieren, paläographische Bestimmungen anzugeben, den Beleg grammatisch und lexikalisch zu bestimmen und die Parallelüberlieferung auszubreiten. Außerdem werden auch sämtliche lateinische Glossen in einer Edition präsentiert und – wo jene erreichbar waren – auf Parallelglossen bezogen. Am Schluss der Untersuchung des Clm 21525 soll der Versuch möglich sein, anhand der ermittelten Daten die Entstehung der Glossierung nachzuzeichnen.

5.1.2 Methodische Grundlegung Die folgende Untersuchung der Glossierung verläuft entlang deren einzelnen Schichten und gliedert sich dadurch in mehrere Teilstudien. Sowohl die äußere Erscheinung der Glossen als auch ihr sprachlicher Charakter und ihre Einordnung in die Traditionen werden nicht für die Gesamtglossierung der Handschrift, sondern für einzelne Schichten erörtert. Zu diesem Zweck wird das zusammengetragene und neu ermittelte Glossenmaterial zunächst nach seiner Schichtung geordnet. Das eintragungstechnische und das schriftcharakteristische Profil bilden dafür die grundlegenden Leitgrößen. Die beiden Profile sind nicht zwingend verbunden, können separat beschrieben werden und eigene Schichtungsdarstellungen abgeben. Über den einzelnen Glossenbeleg hinaus ist jedoch eine unabhängige Behandlung des einen vom anderen in vertretbarer Weise nicht zu erreichen. Während innerhalb der Schreibmaterialien weitere Ausdifferenzierungen vorgenommen werden können – verschiedene Federn, Tinten, Griffel –, ist bei der einzelnen Schreiberhand eine Unterteilung etwa in einzelne Arbeitsphasen auf Basis des Materials nicht durchführbar. Ebenso wenig lassen sich eintragungstechnische Schichten und Hände aus ihrer spezifischen Bestimmung und direkten gegenseitigen Bezogenheit herauslösen. So ist es beispielsweise nicht möglich aufzuzeigen, dass eine Hand mit mehreren Instrumenten gearbeitet hätte oder ein bestimmtes Instrument von mehreren Personen benutzt worden wäre. Wollen wir uns den Entstehungsumständen nähern, muss die zentrale Bezugsgröße die Schreiberhand sein. Der Begriff ‚Hand‘ wird auch von uns ausschließlich als paläographischer Begriff verwendet. Die einzelne Hand erscheint als Ausdruck der Schreibarbeit, die eine bestimmte Person in der betroffenen Handschrift aus-

Einleitung | 457

führte. Die Hand wird allein über die Schriftbeschreibung ermittelt. Sie referiert aber auf außerpaläographische Faktoren, die für unsere Fragen von zentralem Interesse sind. So steht die Hand: 1) für eine individuelle Verwendung von Sprache, die als eine flexible anzunehmen ist, indem sie neben einer muttersprachlichen Kompetenz alle Entscheidungen, Sprache auch zu übernehmen, zu verändern und zu erneuern, miteinschließt. In den Glossen von einer Hand drückt sich also – potentiell unbegrenzt flexibel – der Sprachgebrauch eines bestimmten Glossators aus; 2) für ein bestimmtes Setting aus all den Unterlagen, aus denen der Glossator kopierte oder im weiteren Sinne sich Informationen verschaffte; 3) für den Aufgabenbereich, den der Glossator an der betreffenden Handschrift betreute, der beispielsweise auch denjenigen eines Korrektors umfassen konnte. Diese Kontexte können theoretisch für eine ganze Schreiber- oder Glossatorengeneration und den Bildungsbetrieb eines Schreiborts die gleichen gewesen sein. Wollen wir sie aber in größtmöglicher Konsistenz erkennen, sind aus der zur Verfügung stehenden Überlieferung sowohl Sprachbenutzung als auch Vorlagen und Arbeitspensum bestenfalls – und auch hier nur annäherungsweise – in der einzelnen Hand erfassbar. Die Schichtung nach eintragungstechnischen Merkmalen kann dagegen dort aushelfen, wo die paläographische Analyse auf unüberwindliche Hindernisse stößt (vgl. Nievergelt 2003: 361). Im Clm 21525 ist dies der Bereich der Griffel- und Farbstiftglossen, die in ihrem Erhaltungszustand einerseits und im Grad an schriftcharakteristischer Prägnanz andererseits zu wenige paläographisch verwertbare Anhaltspunkte enthalten. Der Begriff der Parallelglosse, wie er in der vorliegenden Untersuchung verwendet wird, ist in Kap. 1 festgelegt worden. Er spielt in unserer Behandlung des Clm 21525 eine besonders wichtige Rolle und wird im Abschnitt zu den überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhängen (Kap. 5.3.5) dementsprechend ausdifferenziert. Dasselbe gilt für den Begriff der Vorlage. Wie nicht nur die neue Forschung und andere Glossierungen, sondern aktuell die Glossen des Clm 21525 zeigen, ist er als ein offener zu entwerfen, nämlich als Bezeichnung aller Unterlagen schriftlich festgelegten Wissens, aus denen der Glossator schöpfte, und nicht etwa als Bezeichnung eines erschlossenen Überlieferungsträgers in Form einer stemmatologisch angesetzten, hypothetischen Handschrift, aus welcher kopiert wurde.

5.1.3 Editionsprinzipien Kennzeichnung der Glossen Die Edition der Glossen ist grundsätzlich auch für den Clm 21525 nach den in Kap. 1 definierten Prinzipien aufgebaut, setzt aber Schwerpunkte im Sinne der Zielsetzung, die Schichtung der Glossierung in das Zentrum der Untersuchung zu stellen. Sie

458 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

unterscheidet sich von den anderen Editionen in diesem Buch in den folgenden Punkten: Wir unterteilen die Glossen nach eintragungstechnischen Kriterien in drei Korpora: die Griffelglossen, die Farbstiftglossen und die Federglossen. Jedem Korpus ist eine eigene Edition gewidmet. Die Belege werden nach ihrer eintragungstechnischen Zuweisung mit ‚G‘ (Griffelglosse), ‚FS‘ (Farbstiftglosse) und ‚F‘ (Federglosse) bezeichnet. Wir unterscheiden auch nach Sprache die althochdeutschen und die lateinischen Glossen. Dies führt bei den Federglossen zu zwei getrennten Editionen. Die lateinischen Belege werden mit ‚L‘ (Lateinische Glosse) bezeichnet, die althochdeutschen mit ‚F‘. Diese schlanke, wenn auch asymmetrische Kennzeichnung ist möglich, weil die Griffel- und Farbstiftglossen keine lateinischen Belege enthalten. In der Unterscheidung nach identifizierten und unidentifizierten Glossen folgen die Editionen den in Kap. 1 ausgeführten Grundsätzen und Vorgehensweisen. Dies gilt auch für die Trennung von edierten und unedierten Glossen, die wir im Falle des Clm 21525 als eine Unterscheidung zwischen bekannten Glossen und Neufunden durchführen. Bei den althochdeutschen Farbstift- und Federglossen ist nicht immer zu entscheiden, ob von uns neu gefundene Glossen von früheren Forschern tatsächlich übersehen wurden oder aber nicht entziffert werden konnten. Steinmeyer hat wiederholt auch auf Rasuren und Unlesbares aufmerksam gemacht. Man könnte die entsprechenden Belege hier allenfalls als ‚Erstlesungen‘ verzeichnen (zu den ‚Neulesungen‘ vgl. Kap. 5.3.4.1). Bei den lateinischen Glossen der Handschrift können ohnehin keine Neufunde reklamiert werden, da hierzu keine Forschung vorliegt. Bei den Griffelglossen handelt es sich dagegen durchweg um Neufunde, weswegen sich ein entsprechender Vermerk auch hier erübrigt. In der Darstellung werden edierte Glossen durch eine Angabe der Edition (im Normalfall die Edition Steinmeyers) gekennzeichnet. Wo kein solcher Vermerk steht, handelt es sich um Glossen, die hier das erste Mal veröffentlicht werden. Aufbau der Editionen und der Editionsartikel Die Gliederung der Editionen in Artikel und deren Anordnung im Editionsverlauf folgen der Beschreibung in Kap. 1. Anders gestaltet werden die Artikel in den folgenden Einzelheiten, die die Editionszeile, die paläographische Kommentierung und die Behandlung von Parallelglossen betreffen: Die Laufnummer zu Beginn des Editionsartikels wird um die Kürzel ‚G‘, ‚FS‘, ‚F‘, ‚L‘ (siehe oben) erweitert. Wo Glossen bei Steinmeyer ediert sind, folgt nach der Glosse die entsprechende Stellenangabe in StSG 2. Wo wir Glossen anders lesen als Steinmeyer, geben wir Steinmeyers Lesung wieder. Zitieren wir lediglich die StSGStelle, bedeutet dies entsprechend, dass wir Steinmeyers Lesung bestätigen. Wenn Steinmeyer von Mehrfachglossen nicht alle Glossen ediert, setzen wir die Quellenangabe nicht wie üblich an das Ende der Zeile, sondern nach diejenige Glosse, die in Steinmeyers Edition aufgeführt ist.

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Im paläographischen Kommentar steht bei den Federglossen zuerst die Zuweisung an eine der Glossenhände, bei den Griffel- und den Farbstiftglossen eine Angabe zum eintragungstechnischen Profil. Die Edition der Griffelglossen folgt einigen weiteren, spezifischen Prinzipien, die dort beschrieben sind (Kap. 5.3.2.4). Generell gilt auch für die Behandlung der Glossen des Clm 21525, dass sämtliche Glossenkorpora in eigenen Kapiteln paläographisch behandelt sind und in den Editionen dieser Teil deshalb meist kurz gehalten werden kann. Der sprachlichen Bestimmung folgt eine Einordnung in die parallele Überlieferung. Dafür werden die Parallelglossen folgendermaßen zusammengestellt: Angegeben wird die betreffende Handschrift und die Stelle der Parallelglosse in den bestehenden Editionen. Für die Form der Belege verweisen wir auf die Editionen. Nur dort nicht auffindbare Glossen geben wir wieder. Eine spezielle Regelung in der Darstellung gilt schließlich für die Edition der lateinischen Glossen (Kap. 5.3.4.5).

5.2 Die Handschrift 5.2.1 Beschreibung der Handschrift 5.2.1.1 Existierende Handschriftenbeschreibungen Zur Handschrift liegt eine Reihe von Beschreibungen vor. Die meisten sind jedoch knapp oder aber behandeln einen bestimmten Gesichtspunkt. Die frühen beschränken sich auf einige wenige Eckdaten: Pez (1721: xxvi, Dissertatio isagogica in primum tomum); Docen (1806: 286); Hofmann (1826: §103); Piper (1880: 146); Catalogus II,4,3, Nr. 24. Unter den älteren die ausführlichste bietet Steinmeyer (StSG 4,574,32–42, Nr. 456). Die maßgebliche paläographische Beschreibung stammt von Bischoff (1974: 91f.), wiederholt und um die Beschreibung des Buchschmucks ergänzt bei Kessler (1986: 262f., Nr. 30). Bei Bischoff (2004: 272, Nr. 3328) wird im Wesentlichen auf Bischoff (1974) verwiesen. Mit kunsthistorischem Schwerpunkt beschrieben ist die Handschrift bei Bierbrauer (1979: 18f., 139f., Taf. 10, 4–5. 7–9; 11, 1– 4). Neuere Beschreibungen geben auch Bierbrauer (1990: 25, Nr. 26) und – mit ausführlicher Literatur – BStK 3,1279f. (Nr. 677). Am umfassendsten neu beschrieben ist die Handschrift in den Beiträgen von Bierbrauer und Glauche auf Manuscripta Mediaevalia.1 Kurze Erwähnung hat die Handschrift zudem in unterschiedlichen Kontexten gefunden, beispielsweise in: GSp 1,xliii (Sigle Gc. 5); Raumer (1845: 109); Clement (1984: 41); Löwe (1973: 88,A.59); Kruse (1976: 90); Wich-Reif (2001: 309); Bergmann (2009d: 540f.); Bergmann (2013b: 140); Hellgardt (2013: 171); Maag (2014: 195). Zu

|| 1 Vgl. http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31724842 (07.12.2018) sowie http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj90881332 (07.12.2018).

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weiteren siehe die Forschungsgeschichte der Glossen (Kap. 5.3.1). Nicht berücksichtigt wurde die Handschrift bei der Erstellung der kritischen Edition des Werktextes durch Judic (SC 381/382) (vgl. Diesenberger 2004: 182,A.86). All den aufgeführten Beschreibungen sind für die untenstehende Beschreibung Daten entnommen, die da und dort präzisiert und um eigene Beobachtungen und Beurteilungen ergänzt wurden. 5.2.1.2 Kodikologische Beschreibung Pergamentcodex, 2 (I+II) + 161 (1–161) + 1 (162) Blätter, 24–24,5 x 15 cm. Einspaltige Einrichtung. Der Schriftspiegel misst 19,5 x 10,5–11 cm, beidseitig mit Doppellinien mit einem Abstand von ca. 6 mm versehen. 22, 23 und 24 Zeilen von ca. 9 mm Höhe. Foliierung von ff. 1–161 aus dem 19. Jahrhundert mit schwarzer Tinte, am Ende (f. 161r) mit Monogramm S., die drei Zusatzblätter ff. I, II und 162 mit Bleistift.2 Einband: Drei Bünde. Heller spätgotischer Ledereinband mit Streicheisenlinien (15. Jahrhundert), Deckel und Rücken restauriert. Schließe. Vorderer Deckel: Pergamentschild mit Titel Pastorale sancti Gregorii pape. Auf dem Rücken zwei Papierzettel mit Aufdruck S. Gregorii Magni / Lib. Regulæ Curæ Pastoralis (18. Jahrhundert). Das erste Vorsatzblatt war vormals auf den Vorderdeckel aufgeleimt (StSG 4,574,33), wo jetzt, wie auch auf dem Hinterdeckel, ein papierenes Spiegelblatt aufgeklebt ist. Pergament: Mittlere und recht gleichmäßige Qualität, recht fest, H-Seiten gelblich, aber nicht stark gedunkelt. Es wurden auch Randstücke der Häute verwendet.3 Die Blätter weisen da und dort Löcher auf, die meisten ursprüngliche, somit sind keine Textverluste damit in Verbindung zu bringen.4 An Beschädigungen sind zu erwähnen: ein paar alte Risse, genäht (z. B. ff. 1, 37, 66) und ein weggerissenes Stück (f. 124). Die Blätter sind oben, seitlich und teilweise auch unten nachträglich zugeschnitten worden, was sich an verstümmelten Marginalien wie Glossen und Bibelverweisen zeigt (z. B. f. 52r). Die Blätter weisen keinen Raupenfraß auf, mit Ausnahme der ersten sechs Blätter ff. 1–6, die nach der Eintragung der ersten Glossen befallen worden sein müssen, indem Glossen beschädigt wurden (vgl. Gl. F7). Die Löcher sind teilweise identisch mit solchen in den beiden Vorsatzblättern. Wenig Raupenfraß gibt es auch auf f. 162. Lagenstruktur: Die Lagen (21 + ein Doppelblatt) sind in Umfang und Aufbau auffallend unregelmäßig verfertigt. Kustoden fehlen, weswegen wir die Lagen mit Nummern in eckigen Klammern durchzählen. Der Textanfang fehlt; es beginnt nach zwei Vorsatzblättern mit einem Quinio aus einem Doppelblatt und vier Einzelblät|| 2 Die Handschrift ist beim Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ) als Digitalisat einsehbar: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb00047306-7 (07.12.2018). 3 Siehe ff. 11, 19, 36, 39, 46, 50, 61, 65, 70, 72, 104, 107, 111, 115, 118, 129, 141. 4 Siehe ff. 5, 6, 29, 33, 44, 49, 77, 82, 86, 93, 96, 108, 131, 134, 136, 139, 142, 143, 149, 151, 160.

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tern, von denen zwei vertauscht eingebunden wurden, gefolgt von Ternionen, Quaternionen und Quinionen in wechselnder Zusammensetzung aus Doppel- und sporadisch Einzelblättern: : V6 ([][]H[]H-FH[]FF5) + : IV14 (HFHH) + : III20 (HFH) + : IV28 (HFHF) + : IV36 (HFHF6) + : V42 (HF[][]H-[]HF[]F7) + : IV50 (HFHH) + : IV58 (HHFH) + : V66 (HFH[]H[]HFHF8) + : IV74 (HFHF) + : IV82 (HHFH) + >[xii]>: III88 (HFH) + : IV96 (HFHF) + : IV104 (FHFH) + : IV112 (HFHH) + : IV120 (HFHF) + : IV128 (HFHF) + : VI139 ([]HHFFH-FHHFFF9) + : IV145 (FH[]H-[]FFH10) + : IV153 (HFHH) + : III159 (HHH) + : III[163] ([][]H-FF?11), gefolgt von zwei Einzelblättern (f. 162 + ein aufgeklebtes Blatt). Die Rücken der Lagen und auch einzelner Bogen wurden mit Stücken einer makulierten Decretum Gratiani-Handschrift des 12. Jahrhunderts verstärkt (1r, 5v, 7v, 14r, 15rv, 20r, 29rv, 32r, 33v, 36rv, 85v, 86r, 91rv und 94rv); vgl. auch den ausgelösten Falzstreifen im hinteren Deckel (vgl. Glauche in Manuscripta Mediaevalia12). Seiteneinrichtung: Die Liniierung erfolgte mit recht spitzem Griffel auf der Außenseite des jeweils äußersten Doppelblattes einer Lage, unter Durchprägung auf die restlichen Blätter der Lage. Diese Durchprägungen sind schwach und vielerorts beim heutigen Zustand der Blätter schon ab dem übernächsten Doppelblatt kaum mehr festzustellen. Einen Sonderfall stellt die 13. Lage (ff. 89–96) dar: Sie ist von innen her liniiert, also auf ff. 92v/93r. Von ff. 1–6 ist nur 6v direkt liniiert. Bei verworren zusammengesetzten Lagen ist auch die Liniierung unklar, so fällt bei der 6. Lage auf, dass f. 40v stärkere Durchprägung zeigt als f. 41v. Ähnliches spielt sich in der 18. Lage bei ff. 129r/130r ab. Zudem sind hier verschiedene Einzelseiten noch separat – teilweise ohne Seitenlinien – (nach-?)liniiert (ff. 131v, 132rv, 133r, 137v). Die Zeilenanzahl schwankt zwischen 22, 23 und 24: ff. 1r–6v 22 ZZ., f. 7r–112v 23 ZZ., unterbrochen bei f. 68rv mit 24 ZZ. ff. 113r–128v 22 ZZ, ab f. 129r bis am Ende 23 ZZ.

|| 5 f. 1, f. 3, f. 4 und f. 5 sind Einzelblätter. f. 4 und f. 5 wurden vertauscht. Ursprünglich, d. h. mit dem Textanfang, müssen davon nur f. 1 und 4 Einzelblätter gewesen sein. 6 Ursprünglich HFHH. Das innerste Doppelblatt wurde falsch gefaltet eingelegt. 7 f. 38, f. 39, f. 40 und f. 41 sind Einzelblätter. 8 f. 62 und f. 63 sind Einzelblätter. 9 f. 139 ist ein Einzelblatt, [xviii] ist also ein Quinio mit hinten angefügtem Einzelblatt. 10 f. 142 und f. 143 sind Einzelblätter. 11 Eigentlich ein einziges Doppelblatt (f. 160/161), das mithilfe von zwei Einzelblättern eigebunden wurde. 12 Vgl. http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31724842 (07.12.2018).

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5.2.1.3 Paläographische Beschreibung Schrift: Vorkarolingische, frühe karolingische und karolingische Minuskel13 von neun Händen. Die detaillierte Aufteilung gibt Bischoff (1974: 91f.), zusammen mit einer Beschreibung der Schrift im Rahmen der Freisinger Schriftgeschichte, unter Verweis auf charakteristische Schriftmerkmale bestimmter Schreiber14 sowie innerhalb der Schreibergeneration (vieles aus Bischoff 1974 übernommen bei Kessler 1986: 262–265). Auf ff. 128rv und 151v–152r hat der Benediktbeurer Schreiber Hengilhart mitgewirkt (Bischoff 1974: 43, auch 64). Es besteht aber keine Verwandtschaft zur Benediktbeurer Regula pastoralis-Handschrift Clm 4614, dagegen zum etwa gleichzeitigen Freisinger Clm 6277, der ebenfalls ein paar Zeilen von Hengilhart enthält (Bischoff 1974: 91; siehe dazu unten). Die Tintenfarbe geht von Dunkelbraun bis Schwarz. Der Text ist später – teilweise noch im 9. Jahrhundert – korrigiert (ein Korrektor unterzeichnet f. 139r mit alprat; siehe unter Federproben) und ergänzt (siehe beispielsweise f. 4v, Z. 11 und marg. unten, wo nach einer eingeschobenen Passage aus einem Brief Gregors (PL 77,1209B, nach Os 9,8) der Text um das folgende, fehlende Bibelzitat (Ez 44,12) ergänzt wurde (Ed. 134,24f.);15 weitere Korrekturen z. B. f. 42r; zu der Korrektur auf f. 8r siehe unten) sowie mit Glossen versehen worden. Buchschmuck: Freisinger Buchschmuck des frühen 9. Jahrhunderts vor Beginn der Hitto-Zeit. Auszeichnungsschrift steht in roter und schwarzer Unziale (Kessler 1986, Nr. 30). Der dann für die Hitto-Zeit kennzeichnende Farbenwechsel in Ziegelzu Dunkelrot taucht im Clm 21525 frühzeitig auf (ff. 2v, 4r, 6r, 7r, 8r). Nur ein Teil der Textabschnitte ist mit Initialen ausgezeichnet. Die Initialen sind zwischen 2 und 8,7 cm hoch, bzw. überstreichen 2–6 Zeilen, die Anfangsinitiale f. 2v 8 Zeilen; ohne Farbe. Die Initiale zum Textbeginn (

, f. 2v) und eine weitere (, f. 85r) sind mit Flechtband ausgefüllt. Zu weiteren Füllmustern wie Tierköpfen vgl. Bierbrauer (1990: 25, Nr. 26). Die Initialen stammen – zumindest im vorderen Teil der Handschrift – vermutlich von derselben Hand, die fein zeichnet. Es handelt sich vermutlich nicht um eine der am Clm 6277 beteiligten Hände, nach Bierbrauer mit Sicherheit auch nicht um Hengilharts. Initialbildung und Ornamentik sind nah verwandt mit dem textgleichen und wohl zeitgleichen Freisinger Clm 6277, z. T. fast identisch (vgl. 18v, 20r, 24v im Clm 6277 mit 14r, 15r, 19r im Clm 21525) oder angenähert (vgl. 4v, 147r im Clm 6277 mit 2v und 101r im Clm 21525). Daraus ist auf ein ge-

|| 13 Maag (2004: 195) erkennt in der Schrift eine alemannische Minuskel. Die alemannische Charakteristik ist unter den Händen aber sehr unterschiedlich bis gar nicht ausgeprägt. 14 Charakteristisch für zwei der Hände ist das aus der alten Ligatur befreite, s-förmige a f. 129v, Z. 8, quae; f. 126v, Z. 15, ciuitas; f. 132v, Z. 16, praetulerat; f. 155v, Z. 10, aliquando; f. 156v, Z. 19, adhibeat; f. 161v, Z. 8, reuocat. Vgl. Bischoff (1974: 64 und A.1). 15 Die Handschrift folgt hier den Codices Clm 6277 und Clm 18550a, die auf f. 8r, Z. 1 und marg. oben resp. f. 7r, Z. 14 und marg. oben dieselbe Textversion (im Clm 18550a inkl. Glossierung) und eingefügte Korrektur aufweisen.

Die Handschrift | 463

meinsames oder voneinander abhängiges Vorlagenverhältnis zu schließen (Brunhölzl 1961: 117f.; Kessler 1986: 118). Neuzeitliche Eintragungen: f. IIv: Bleistiftnotiz Docens mit dem Hinweis auf die althochdeutschen Glossen: „gr. 3 / Glossas theotiscas in hoc Cod. occurrentes (f. 1– 96) exscripsi / D.“ Querständig von gleicher Hand des 15. Jahrhunderts wie der Titel f. 1r: Glosule diuerse. (siehe Kap. 5.3.1). Zudem haben spätere Leser (15. Jahrhundert) mit Notizen auf die Seitenvertauschungen (f. 31v, 32rv, 33v, 34r) und die fehlenden Teile zu Beginn und am Schluss hingewiesen (f. Iv, 161v; siehe unten und bei Glauche auf Manuscripta Mediaevalia16). 5.2.1.4 Inhaltliche Beschreibung Inhalt: Gregorius Magnus, Regula pastoralis, mit fehlendem Anfang und Schluss. Iv: Inhaltsangabe aus dem 15. Jahrhundert: Liber Regule Pastoralis cure Bʼtī Gregorii ppe / scriptus ad Iohʼem venerabilem epm. f. 1r: Buchtitel Liber pastoralis cure (15. Jahrhundert). f. 1r–161v Gregorius Magnus, Regula pastoralis (Editionen: PL 77,13-126D; SC 381/382). f. 1r Capitulatio, zu Beginn verstümmelt (…) // aliter uerecundi. Quod aliter ammonendi sunt proterui (Kap. 32; SC 381,118,1–3) …; f. 2v–161v: Incipit liber (einkorrigiert: regule) pastoralis Gregorii feliciter (darüber: scriptus ad Iohannem episcopum) – der Text endet kurz vor Schluss … seseque salubriter // (Reg. past. 4; SC 382,538,75. Vgl. in der Inhaltsangabe f. Iv: Et patit / circa finē defectū modicū ut estimo. (StSG 4,574,35). f. 139v ist leer, außer Kritzeleien (siehe unten unter Federproben). f. 162r, leer, Tintenabdruck des Textes von f. 161v gegenüber. f. 162v: In der oberen Hälfte Fragment eines Briefs (13. Jahrhundert), nachträglich radiert, links abgeschnitten. In der letzten Zeile ist noch zu lesen […]tem tuam doctor amantissime ad honorem ecclesie […] (vgl. Glauche auf Manuscripta Mediaevalia, siehe Fußnote). In der ersten Lage ist der Text durch unsachgemäßes Binden durcheinandergeraten: Richtig ist: – 1, 2, 3, 5, 4, 6 –; auch das innere Doppelblatt der 5. Lage ist falsch gefaltet (vgl. StSG 4,574,36f. und oben die Lagenstruktur). Auf f. 7v, marg. unten ist die Sequenz Quam tamen … reprehendit auf f. 8r, Z. 12-14 (PL 77,18B und A.g) durch die Textvariante Quæuidelicet uox … quod postea publice feriendo reprehendit (Reg. past. 1,4; SC 381,142,39–42) noch im 9. Jahrhundert ersetzt worden (vgl. Glauche auf Manuscripta Mediaevalia, siehe Fußnote). Federproben: Die Handschrift enthält ein paar Schreibproben, die aus Textpassagen bestehen, welche auf die Blattränder exzerpiert (f. 63v; f. 142v, marg. und intl.; f. 154v; f. 160v) oder interlinear eingefügt wurden (f. 159v, Z. 7, Z. 16f.). f. 161v, marg. unten steht ein Textteil von f. 40v, Z 6f. (Nemo quippe est qui ita uiuet ut aliquatenus non delinquat. Reg. past. 2,8; SC 381,234,46f.; vgl. Manuscripta Mediaevalia). Dazu findet man bekannte für Federproben verwendete Texte wie das ver-

|| 16 Siehe http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31724842 (07.12.2018).

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breitete Adnexique … auf f. 143r, marg. oben: nexiq; glob|. Die ausgewischte Federprobe auf f. 80v, marg. oben: mane surge …17 ist wohl Teil von mane, surge, vigila, lege, stude, vel ora (vgl. Keller 1994: 317). Im Clm 18550a ist mane surge auf f. 146v, marg. links neben Z. 3 eingeritzt. Weitere resthafte Federproben: f. Ir, querständig marg. rechts oben: (…)gl.. plebanus omnisit tempor(…); f. 17r: mea. f. 113v: nomen nomi.; f. 121r: ma mat; f. 139v: stelle (und ein paar Versuche mit dessen Wortanfang); f. 154r: ne(…). f. 162v steht unten AVE MARIAb. Ausgewischte und verschmierte Federproben finden sich überdies auf f. 151r, Z. 11, f. 152v, marg. links, f. 154r, marg. unten und f. 154v, marg. oben. Auf f. 96r befindet sich auf dem oberen Blattrand in blasser Tinte eine musikalische Notation. In blasser Tinte stehen f. 148v, marg. links Neumenreihen. Neumen sind auch f. 50r, Z. 14 eingetragen. Unter den Federproben finden sich auch althochdeutsche Personennamen: f. 83r, Z. 17: alprat ruott othor, und f. 139r am Ende Reg. past. 3,30 in der bfkgeheimschriftlichen Notiz fegp (!) blprbt pch (!) lkbrxm fmfndbrfm (!) (StSG 4,574,39f.; Bischoff 1974: 92). Vokale über den betreffenden Konsonanten geben die Auflösung der Chiffren. Der Anfang der Federprobe (fegp blprbt) ist darunter mit blasser Tinte wiederholt, ebenfalls mit den Auflösungshilfen. Dabei steht eine Federprobe stime, darunter aspiciens a longe (Adventsresponsorium der Matutin des ersten Adventssonntags. Processionale monasticum, vgl. Solesmes 1949: 18; PL 105: 1244), daneben abcdefg sowie weitere kleine Proben. Zeichnungen: f. 139v: Federskizzen (Löwen?), f. 161r, marg. unten: initialenornamentale Federskizze mit zwei Tierköpfen. Technische Zeichen: f. 9v, marg. links neben Z. 19f., Nota (vgl. Steinová 2016: 402); f. 127r, marg. unten, su p; f. 130r: marg. unten, super.18 Bei längeren Bibelzitaten sind seitlich neben den Zeilenanfängen Zitationsmarken angebracht (z. B. f. 43r, Z. 1–6; f. 45r, Z. 7–16). Zu weiteren Eintragungen siehe die Auflistungen in den Glosseneditionen.

5.2.2 Geschichte der Handschrift Die Handschrift ist gemäß Schriftbefund im Domkapitel Freising am Anfang des 9. Jahrhunderts19 entstanden, nach gemeinsamer Vorlage wie der Clm 6277 oder von voneinander abhängigen Vorlagen, worauf gemeinsame Schreiberhände, nah ver-

|| 17 surge steht – ausradiert – noch einmal am Anfang von Z. 5, gefolgt von sa. 18 Bei der von Steinová (2016: 234,A.883) erwähnten und auf S. 415 abgebildeten „anchora“ auf f. 1, marg. links neben Z. 14 handelt es sich dagegen nicht um ein technisches Zeichen, sondern um die römische Zahl xl. Im Text fehlt die Kapitelüberschrift von Kapitel 40. Sie ist auf dem oberen Rand nachgetragen und mittels innerem und äußerem Einfügungszeichen mit dem Text verbunden. Das marginale xl gehört zur Angabe dieser Ergänzung. 19 Dies ist die Datierung von Bischoff (1974: 64): „etwa aus dem ersten und zweiten Jahrzehnt des IX. Jahrhunderts“. Andere Datierungen: 8. Jahrhundert: GSp 1,xliii; 10. Jahrhundert: StSG 4,574,35.

Die Handschrift | 465

wandter Buchschmuck und enge Verbindungen in den Glossen hinweisen. Überliefert ist der Codex aus dem Kloster Weihenstephan, wo er spätestens Ende 11. Jahrhundert im Katalog der Bibliothek von Weihenstephan als „Pastoralis cura“ nachgewiesen ist (MBK 4,2: 650,40; vgl. Glauche 2000: x); später ist er in Weihenstephan bezeugt durch einen Besitzeintrag aus dem 15. Jahrhundert („Weyhensteuen“) und in einem gestochenen Wappen-Exlibris von 1646 (Warnecke 1890: 225, Nr. 2394) auf dem Vorsatzblatt f. Iv. Im Zuge der Säkularisation 1803 gelangte die Handschrift in die Bayerische Staatsbibliothek, München (Bibliotheksstempel der BSB f. 1r, f. 161v, f. 162v). Die Heterogenität in der Lagenstruktur und in geringerem Maß auch in der Liniierung weisen auf eine Herstellung der Handschrift, die nicht in umfassender Weise planmäßig verlief. Eine regelmäßige Quaternionenstruktur über mehr als zwei Lagen hinweg herrscht nur in den Lagen [xiii]–[xvii]. Außer [xiv] und [xix] beginnen die Lagen mit einer Haarseite. Die Lagen [xix]–[xxi]([xxii]) (ff. 140ff., ab Reg. Past. 3,31) folgen nach eineinhalb leeren Seiten, markieren auch dadurch, dass f. 139 als Einzelblatt der Lage [xviii] angehängt wurde, eine eigene Phase der Schreibarbeit und wirken gerade auch durch ihre dichte althochdeutsche Griffelglossierung als vielleicht einst physisch vom Rest getrennter Teil. Der Text ist vor allem im vorderen Teil der Handschrift Korrekturdurchgängen unterzogen und mit Feder volkssprachig und lateinisch glossiert worden, also Arbeiten, die in Teilen zusammen abliefen. Die ersten Federglossierungen wurden teilweise überarbeitet. Dabei sind althochdeutsche und lateinische Glossen ausradiert, neu überschrieben oder aber an anderen Stellen neu hingeschrieben worden. Unabhängig von der Federglossierung ist bis f. 139 sporadisch, ab f. 140 reichlich und nur volkssprachig auch mit Griffel glossiert worden, vereinzelt auch mit Farbstift. Ob die Lagen, bevor sie im 15. Jahrhundert neu zusammengebunden wurden, auch vorher schon gebunden waren, ist ungewiss. Zur Zeit der Glossierung zumindest scheinen die Blätter nicht nur größer, sondern auch noch ungebunden gewesen zu sein, indem einzelne Glossen bis in den Falz hinein verlaufen. Auf ungeschützte Situation oder zumindest einen schadhaften ersten Einband weisen die Beschädigungen und Blattverluste am Anfang und am Ende hin. Die heutige Bindung ist erfolgt, als die Handschrift in einem beschädigten Zustand gewesen war, weshalb Falze mit Makulatur verstärkt wurden. Die ersten und letzten Blätter dürften da schon gefehlt haben. f. 162 dürfte ursprünglich nicht zur Handschrift dazugehört haben (was auch die Liniierung nahelegt) und der Tintenabdruck von f. 161v nicht etwa das Fertigstellen der Niederschrift verhindert haben (dies nimmt Glauche in Manuscripta Mediaevalia [07.12.2018] an). Vielmehr kam das (ursprünglich nicht mitfoliierte) Blatt hinzu, als f. 161v ungeschützt und wohl feucht war. Die Handschrift wurde im Oktober 1976 restauriert, dies gemäß Klebeaufschrift auf dem hinteren Buchdeckel, die keine Angaben zu den durchgeführten Arbeiten und allfälligen behobenen Schäden enthält.

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Der Handschriftenbeschreibung ist für die Glossen zu entnehmen: Dass sie auf unverbundene Blätter aufgetragen wurden, dass sie im Zusammenhang mit Textrevisionen und Überarbeitung der Glossen und allein deshalb schon nicht alle gleichzeitig entstanden, dass solche, die aus den Überarbeitungen stammen, – gemäß der Subskription auf f. 139r – von einem Alprat stammen könnten, der sich auch als Korrektor zu erkennen gibt, dass weitere Glossatoren Ruotpret und Othor geheißen haben könnten und dass die Glossen zusammen mit den Glossen des Clm 6277 aus einer gemeinsamen Quelle oder aber aus untereinander verbundenen Vorlagen stammen könnten.

5.2.3

Der glossierte Text

Die Entstehung des ‚Liber regulae pastoralis‘, eines Seelsorge-Leitfadens, ist vor dem Hintergrund der päpstlichen Amtstätigkeit Gregors des Großen zu sehen, in der die Bemühung, die kirchlichen Würdenträger auf ihre Führungsrollen vorzubereiten, einen hohen Stellenwert innehatte (Floryszczak 2005: 69). Das Werk20 verbreitete sich schon zu Lebzeiten Gregors rasch. Während der karolingischen Kirchenreform diente Gregors Pastoralregel21 vornehmlich als Handbuch für die Predigt und das richtige Verhalten, und spielte als theoretisch-ethische Grundlage für das Bischofsamt eine wichtige Rolle (vgl. Judic 2014). Der Text wurde fleißig kopiert und studiert. Etwa 700 mittelalterliche Handschriften und Fragmente sind heute noch erhalten (Chiesa 2012: 319). Alte Klosterbibliotheken enthalten teilweise noch heute mehrere karolingische Exemplare, wie beispielsweise die St. Galler Bestände zeigen. Die Wertschätzung des Textes ist auch aus Freising bezeugt. Das Freisinger bischöfliche Kapitular ‚Capitula Fringensia prima‘ aus den letzten Regierungsjahren Karls des Großen enthält eine Forderung nach Kenntnis eines ‚librum pastoralem clerici‘, in welchem man die Regula pastoralis Gregors erkennt (Floryszczak 2012: 306). Gregors Hirtenregel gehört zu denjenigen patristischen Texten, die am häufigsten althochdeutsch glossiert sind. Die althochdeutschen Cura-Glossen sind untereinander in teilweise alten und weitläufigen verwandtschaftlichen Beziehungen verbunden (Bergmann 2009d: 540f.; 2013b: 142). Siehe dazu und im Zusammenhang mit einer Freisinger Regula pastoralis-Glossenhandschrift, dem Clm 6277, bei Ernst (2007: 507–516) sowie im Folgenden in Kap. 5.3.5.

|| 20 Die Forschungsliteratur ist sehr umfangreich, auch an neuen Arbeiten. Umfassend zu Entstehung, Inhalt und Wirkungsgeschichte ist die Darstellung von Floryszczak (2005). Zur Textgeschichte in der handschriftlichen Überlieferung vgl. Chiesa (2012) und (2014). 21 Zur Hirtenmetapher vgl. Suchan (2015: 72–90).

Die Glossen | 467

5.3 Die Glossen Die Ausführungen zu den Glossen des Clm 21525 folgen den in Kap. 5.1.2 formulierten Grundsätzen einer Erörterung, die den einzelnen Schichten des Korpus entlang verläuft. In ihrer Grobstruktur setzen sie sich zusammen aus den Präsentationen dreier separater Untersuchungen und zwei Rahmenteilen. Die Untersuchungen betreffen die Griffelglossen (Kap. 5.3.2), die Farbstiftglossen (Kap. 5.3.3) und die Federglossen (Kap. 5.3.4). Ihre Darstellungen erfolgen nach einem gemeinsamen Grundbau aus paläographischer Analyse, Edition und sprachlicher Auswertung. Im Falle der Federglossen, wo die Handanalyse im Einzelnen durchführbar ist und sich althochdeutsche und lateinische Glossen mischen, vermehren und verzweigen sich die Editionen und Analysen. Die Rahmenteile bestehen aus einem Überblick über die bisherige Erforschung der Glossen des Clm 21525 (Kap. 5.3.1) sowie einer abschließenden Einordnung der gesamten Glossierung und ihrer Überlieferung in die Verwandtschaftsbeziehungen unter den althochdeutschen Regula pastoralis-Glossen und den betroffenen Handschriften (Kap. 5.3.5).

5.3.1

Forschungsüberblick und Forschungsgeschichte

Die althochdeutschen Federglossen im Clm 21525 gehören zu den früh entdeckten, und sie werden seitdem – allerdings meist nur vereinzelt – von der Forschung immer wieder aufgegriffen. Ihre Erforschung erfolgte zur Hauptsache unter lexikographischer Perspektive und als Teil der Erschließung der verwandtschaftlichen Strukturen in den umfangreichen oberdeutschen Glossentraditionen. An den Anfängen stehen die Arbeiten von Docen, dem wir erste Bemerkungen über ihre Aufzeichnung und verwandtschaftlichen Verbindungen verdanken. Ohne Einzelglossen aufzulisten bezeichnet Docen (1806: 286) die Glossen als „von mehr als einer Hand“ stammend. Docen erkennt teilweise Übereinstimmungen mit Regula pastoralis-Glossen, die er in seinem Glossar mit dem Kürzel ,CP‘ kennzeichnet. Interessanterweise wertet er: „Übrigens gehören sie zu den minder wichtigen“. Auch erwähnt er, dass der lateinische Text von jemandem durchkorrigiert wurde und zitiert die geheimschriftliche Subskription auf f. 139v (vgl. Kap. 5.2.1), zusammen mit einer normalschriftlichen Auflösung. Hoffmann (1826: 41, §103) übernimmt Docens Angaben praktisch wörtlich in seine Auflistung von Handschriften mit volkssprachlichen Cura pastoralis-Glossen. Graff arbeitet die Glossen in seinen ‚Althochdeutschen Sprachschatz‘ (GSp) unter der Sigle Gc. 5 ein, wobei er diese charakterisiert als „Interlinearglossen, mehrere schon fast unlesbar“ (GSp 1, xliii). Kurze Hinweise auf die Existenz der Glossen finden sich auch bei von Raumer (1845: 109, Sigle 5) und Piper (1880: 47, Sigle 146). Zu den frühen wissenschaftlichen Beschäftigungen mit den Glossen gehören jedoch insbesondere auch Schmellers Glossensammlungen, die auch Steinmeyer verwendete; vgl. dazu ausführlich Scheuerer (1995: 101–177).

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Die bislang maßgebliche Edition der althochdeutschen Federglossen erschien 1882 im zweiten Band von Steinmeyers und Sievers Glossensammlung (StSG 2), innerhalb der Cura pastoralis-Glossen eingegliedert in die Glossenfamilie Nr. 638 (StSG 2,177–192). Die Glossen des Clm 21525 werden dort mit der Sigle f gekennzeichnet. Sie sind in dieser Gruppe mit den volkssprachigen Cura-Glossen in den Handschriften Clm 18140 (Sigle a; BStK-Nr. 637), Clm 19440 (Sigle b; BStK-Nr. 665), Wien, ÖNB 2723 (Sigle c; BStK-Nr. 949), Wien, ÖNB 2732 (Sigle d; BStK-Nr. 950), Clm 14689 (Sigle e; BStK-Nr. 604) und Clm 6028, f. 49r (Sigle g; BStK-Nr. 499) versammelt. Steinmeyer stellt die Textglossierung im Clm 21525 also zu der umfangreichen Textglossarüberlieferung in den Handschriften der Mondseer Bibelglossatur (vgl. Bergmann 2009d: 541). Auf Parallelglossen in anderen Cura-Glossengruppen weist Steinmeyer bei den einzelnen Glossierungen hin und unterscheidet im paläographischen Kommentar in den Anmerkungen eine Haupthand von ‚anderen‘ Händen (vgl. dazu Kap. 5.3.4.2.1). In Rahmen seiner Untersuchungen der Bibelglossare, die dem fünften Band seiner Glossensammlung beigegeben sind, liefert Steinmeyer eine Liste der Parallelglossen, die der Clm 21525 mit dem Clm 18550a teilt, und skizziert anhand einiger Indizien die gemeinsame Vorlage sowie die Verwandtschaftsverhältnisse zu der Mondseer Glossatur, insbesondere zu den Salzburger Handschriften (StSG 5,462f.). In der Folge stützte sich die Glossenforschung zum Clm 21525 in der Regel auf die Edition Steinmeyers. Korrekturen oder Ergänzungen der Edition wurden – bis auf die Veröffentlichung einer der Griffelglossen bei Nievergelt/Glaser (2016: 328, siehe in unserer Edition die Glosse G13) – nicht vorgenommen. Die Untersuchung von Wesle (1913: 50–54; 77–90) bildet neben den Arbeiten Steinmeyers die einzige Studie, die sich aus breiterer Perspektive mit den Verwandtschaftsverhältnissen, der Sprache und der Frage nach der Vorlage der in StSG als Gruppe 638 zusammengenommenen althochdeutschen Glossen beschäftigt. Wesle (1913: 50) kommt zu dem Ergebnis, dass „f [= Clm 21525] für sich allein steht, während abcde eine Gruppe bilden“, was er daran festmacht, dass zahlreiche Glossen allein bei f erscheinen, dass nur f eine nennenswerte Anzahl von verschobenen germ. /g/ im Wortanlaut aufweist und der lateinische Text in den anderen Handschriften häufig gegen f übereinstimmt. Wesle (1913: 51–54) analysiert den Lautstand der ganzen Gruppe und charakterisiert die Sprache der hypothetischen Vorlage „638 V“ als „bayrisch und zwar ohne erkennbaren fremden Einfluss“ (1913: 54). Anschließend setzt Wesle (1913: 80) die Gruppe 638 in Beziehung zu anderen CuraGlossen und sieht eine besonders enge Verwandtschaft mit den Gruppen 637 (Clm 6277: StSG 2,162–176) und 642 (St. Paul, Stiftsarchiv 82/1: StSG 2,200–208 und Sélestat, BM Ms. 7: StSG 2,209–216). Zahlreiche Übereinstimmungen beobachtet Wesle auch zwischen dem Clm 21525 und dem Glossar des Clm 18550a (= 646; vgl. StSG 2,220–224), was ihn folgern lässt, dass einige der Glossen im Clm 21525 direkt dem Clm 18550a bzw. einer nicht mehr vorhandenen Vorlage dieser Handschrift entnommen seien; Abweichungen erklärt er als „Veränderungen eines jüngeren Schrei-

Die Glossen | 469

bers“ (Wesle 1913: 79). Für die Gesamtheit der untersuchten Cura-Glossen geht Wesle schließlich von einem alemannischen Original ‚O‘ vom Ende des 8. Jahrhunderts aus, auf welches alle Glossierungen zurückzuführen seien (Wesle 1913: 92f.). Seine These einer alemannischen Quelle ist allerdings relativ schwach gestützt (Ernst 2007: 424). Wesles Ausführungen zu den Verwandtschaftsverhältnissen sind im Detail begründet und einleuchtend (vgl. Ernst 2007: 422), die Annahme eines Archetypus aller Glossen ist allerdings problematisch. Wesles Studie ist in den Kontext stemmatologischer Arbeiten einzuordnen, die insbesondere bezüglich der Glossenüberlieferung deshalb zu kritisieren sind, da die Glossierung einer Handschrift ebenso gut, wenn nicht gar viel eher, das Ergebnis von vielen individuellen Akkumulationsprozessen sein kann, als dass sie auf ein geplantes Vorhaben zurückgeht (Schiegg 2015b: 305). Im Clm 21525 sprechen das Zusammentreffen so zahlreicher Hände und die fehlende Einheitlichkeit und Systematik der Glossierungsverfahren dafür. Die Glossen des Clm 21525 wurden für Schatz’ Altbairische Grammatik herangezogen (SchABG §1) und sind einige Male direkt zitiert, etwa auf den Seiten 37, 54, 64, 70, 78 und 84. Die sprachgeographische Einordnung des Glossenmaterials erfolgte in der Forschung einhellig ins Bairische (Baesecke 1918: 256; Müller 1957: 310; Reutercrona 1920: 7, 46, 125, 157; Wesle 1913: 54; Seebold 2008: 56). Der Zeitpunkt der Glosseneintragung wird dagegen unterschiedlich bestimmt, laut Seebold (2008: 56) fand sie „nur unwesentlich später“ als diejenige des Textes statt, den Seebold in das erste oder zweite Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts datiert. Vgl. auch BStK 3,1280, gemäß dem die Federglossen „wohl mit dem Text Anfang des 9. Jahrhunderts eingetragen“ wurden. Schatz (SchABG §1) und Reutercrona (1920: 7, 46, 125, 157) geben das 10. Jahrhundert als Entstehungszeit der Glossen an, Müller (1957: 310) sogar das 10. bis 11./12. Jahrhundert. Näher begründet wird die Datierung allerdings in keinem der Fälle. Lexikographisch aufgearbeitet wurden einige der Federglossen erstmals in Schmellers Bayerischem Wörterbuch (1827; 1837) und sämtliche dann in Graffs Althochdeutschem Sprachschatz (GSp, siehe oben), im Althochdeutschen Glossenwörterbuch (StWG), im Althochdeutschen Wörterbuch (AWB), nach Wortfamilien gruppiert im Althochdeutschen Wörterbuch von Splett (SpAW), im Etymologischen Wörterbuch des Althochdeutschen (EWA), im Althochdeutschen und Altsächsischen Glossenwortschatz (SchG) und im Chronologischen Wörterbuch des deutschen Wortschatzes, 9. Jahrhundert (Seebold 2008). Einzelne Glossen des Clm 21525 wurden in diversen, vor allem lexikographisch orientierten Einzelstudien zitiert und jeweils hinsichtlich der Fragestellungen dieser Arbeiten untersucht. Die Ergebnisse aus diesen Studien werden in den entsprechenden Artikeln unserer Editionen mitgeteilt. Hier folgt nur der Nachweis, wo welche Glossen erwähnt sind: Baur (1960: 291), Bliesener (1955: 60: F85), Cirimele (2012: 39: F34, 74: F82, 81: F135, 88: F178, 93: F189), Cirimele/Nievergelt (2016: 72: F154, 87: F142), Heinertz (1927: 40: F43, 75: F18, 81: F86), Helm (1914: 271: F189), Jacob

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(1897, 40 etc.), Kempf (1972: 43: F39, 58: F4a, 61: F74, 91: F165, 94: F105, 95: F102, 101: F21, 109: FS4, 130: F1), Möllmann (1994: 109: F62), Müller (1957: 303: F23), Nievergelt (2009a: 97: F156, 103: F185, 119: F189), Palander (1899: 98: F39), Reutercrona (1920: 7: F129), Riecke (2004: 130: F94, 132: F18, 544: F119, 548: F173 & F189), Rosengren (1968: 41: F138, 48 & 66: F161, 49 & 65: F79), Sievers (1909: 44: F4 & F21 & F33 & F142 & F173), Siewert (1989: 38: F117), Waag (1931–32: 18: F38). Die Handschrift ist in Bergmann/Stricker, Katalog der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften (BStK), unter der Nummer 677 verzeichnet. Angegeben wird eine Gesamtzahl von „etwa 200 Glossen“ (BStK: 1280), unter Hinweis auf die nachzutragenden Griffelglossen. Vgl. auch Bergmanns Überblick zur GregorGlossierung (2009d: 540). In BStK online werden ergänzend auch die Farbstiftglossen erwähnt. In der neueren Forschung wird die Erörterung der Verwandtschaftsverhältnisse der Glossen fortgesetzt. Wie vor ihm in Ansätzen schon Brunhölzl (1961: 118), Ernst/Glaser (2009: 1366) und Seebold (2008: 56) kommt Ernst im Rahmen seiner Untersuchung der Griffelglossen des Clm 6277 auf die Zusammenhänge zwischen dem Clm 21525 und dem Clm 6277 zu sprechen. Ernst (2007: 518) macht aufgrund zahlreicher Parallelen wahrscheinlich, dass der Clm 21525, der Clm 6277 und der Clm 18550a sich einmal gleichzeitig an einem Ort, womöglich in Freising, befunden haben könnten. Zu den verwandtschaftlichen Aspekten gegenüber den Glossen der St. Galler Regula pastoralis-Handschriften22 gibt Cirimele (2012: 14, 19, 23, 39, 41, 60, 74f., 81f., 88f., 93f., 106f., 112, 186) einige Hinweise (vgl. auch Cirimele/Nievergelt 2016: 72, 87, 94,A.141). Mit Bergmann (2013b: 142) bleibt festzuhalten, dass eine zusammenfassende Untersuchung zu den Verwandtschaftsverhältnissen der einzelnen Regula pastoralis-Glossierungen noch fehlt. Die jüngste Forschungsgeschichte ist bestimmt von der Entdeckung und Erforschung der Griffelglossen. Sie ist beschrieben im folgenden Kapitel. In der Literatur ist sie zu verfolgen in Glaser/Nievergelt (2004: 122), Glaser/Nievergelt (2009: 217) und Nievergelt (2012: 382; vgl. Bergmann 2013b: 140). Ernst/Glaser (2009: 1374,A.70) vermuten, dass die Griffelglossen wie auch die Federglossen in Freising eingetragen wurden. Neben den Griffelglossen werden in der Forschung nun auch die Farbstiftglossen wahrgenommen. Nievergelt (2007: 51) weist darauf hin, dass es sich bei den von StSG als „ganz blass“ (StSG 2,192,9,A.3. und A.4) charakterisierten Glossen um Schwarzstiftglossen handle (vgl. auch Nievergelt 2009b: 236). Ernst (2007: 519) bestätigt diesen Befund.

|| 22 Dabei handelt es sich um St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 216, 217, 218, 219 und 220.

Die Glossen | 471

5.3.2 Griffelglossen 5.3.2.1 Entdeckung, Ermittlung, Untersuchung Die Entdeckung der Griffelglossen des Clm 21525 durch Andreas Nievergelt liegt weit zurück. Sie erfolgte am 4. September 1996 im Zuge von Autopsien im Rahmen einer Seminararbeit zu althochdeutschen Regula pastoralis-Glossen (vgl. Ernst 2007: 47, 425, 515). Der erste Befund lautete, dass die Handschrift etliche Einritzungen enthält, von welchen im Wesentlichen aber nur die beiden sehr deutlich eingekratzten Glossen auf f. 16r (G6, G7) als eindeutig althochdeutsch bestimmt werden konnten. Der Fund wurde 1999 von Elvira Glaser an der Handschrift überprüft. 2004 erfolgte die erste Meldung von „wenigen althochdeutschen Griffelglossen“ (Glaser/Nievergelt 2004: 122). Die Untersuchung der Griffelglossen durch Andreas Nievergelt präsentiert sich als eine lange Folge mehrerer Anläufe jeweils ohne Fortsetzung. An die Entdeckung vermochte keine eingehendere Beschäftigung mit der neuen Griffelglossenhandschrift unmittelbar anzuschließen. Oliver Ernst konnte den Clm 21525 in seinem Dissertationsprojekt zu den Griffelglossen in Freisinger Handschriften des 9. Jahrhunderts nicht mehr berücksichtigen (Ernst 2007: 47). Die Untersuchungen wurden erst am 2. August 2007 wieder aufgenommen und führten zu der weiteren Entdeckung, dass die Griffelglossierung ab f. 140 verhältnismäßig dicht ist. Einer gründlichen Untersuchung konnten die nunmehr zahlreichen Glossen aber erst ab Dezember 2011 unterzogen werden.23 Es war geplant, die Edition der Glossen in einem Nachtragsartikel unterzubringen (vgl. Nievergelt 2012: 382). Diese Unternehmung wurde indes immer wieder unterbrochen und konnte schließlich erneut nicht zu Ende geführt werden. Die Gründe, dass die wiederholte Beschäftigung mit den Glossen trotz großen Zeitaufwandes nie zu einem Abschluss kam, liegen zur Hauptsache in der enormen Schwierigkeit, die die Entzifferung der Glossen bereitet. Hinzu kam, dass sich das Korpus für eine Bearbeitung im Umfang eines Artikels als zu umfangreich erwies. Außerdem erschien es zunehmend weniger opportun, die Glossen ohne Berücksichtigung der Federglossen zu bearbeiten, bei welchen sich im Laufe der Arbeit ein Bedarf an neuer Untersuchung bemerkbar machte. Mit der vorliegenden Monographie bot sich endlich der Rahmen, in welchem die Darstellung der Griffelglossierung des Clm 21525 sinnvoll aufzuheben ist. Die neueste Untersuchung der Handschrift konnte am 10.01.2017 in Angriff genommen werden.24

|| 23 Autopsien: 12.–13.12.2011, 13.–16.02.2012, 06.03.2012, 28.–30.03.2012. 24 Autopsien: 10.–12.01., 01.–03.03., 21.–23.03., 26.–28.04., 23.–24.05., 17.–19.07.2017.

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5.3.2.2 Autopsiebericht Der Clm 21525 enthält eine große Zahl an farblosen Eintragungen, die in das Pergament eingedrückt und eingeritzt sind. Es wurden mehrere Instrumente eingesetzt. Die Vertiefungen weisen auf zugespitzte und stumpfe bzw. abgeschliffene Spitzen. In vielen Fällen wurde im selben Schreibvorgang das Pergament mal verletzt, mal nur deformiert. Bischoff, der das Phänomen in bayerischen Handschriften als erster beobachtet hatte, schloss darauf, dass die Schreiber den Griffel beim Schreiben in verschiedener Weise gehalten haben müssen (Bischoff 1928: 154). Um möglichst regelmäßige Formen zustande zu bringen, ist die Handhabung des Griffels tatsächlich sehr beweglich zu gestalten. Sie erklärt aber allein den Wechsel von Ritzung zu Einprägung noch nicht, für die die Ursache auch in der Form des Instruments zu suchen ist. Die betroffenen Schreiblinien deuten auf unregelmäßig geformte Spitzen, ohne allerdings eine deutliche Vorstellung der betreffenden Beschaffenheit vermitteln zu können. Solche Griffel scheinen beim Schreiben gedreht worden zu sein. Die instabile Vertiefung gestaltet die Bestimmung und Identifikation der einzelnen Instrumente als schwierig und macht ein Auseinanderhalten der Eintragungen nach schreibtechnischen Kriterien äußerst kompliziert. Die Griffeleintragungen des Clm 21525 sind – bei ganz unterschiedlichem Aussehen – in der großen Überzahl äußerst schwierig zu entziffern. Die Anzahl nicht entzifferter Einträge gegenüber entzifferter ist selbst für Griffelglossen ungewöhnlich hoch: Gegenüber den als althochdeutsch identifizierten Glossen konnte mehr als das Doppelte an Eintragungen nicht sinnvoll entziffert werden, meist gänzlich nicht. Das hat seinen Hauptgrund darin, dass die Einritzungen und Einprägungen mehrheitlich mit wenig Druck eingetragen wurden. Sie sind fast generell nur sehr schwach sichtbar. Dies allein hieße noch nicht, dass sie deswegen auch schlecht lesbar sein müssen. Entscheidend für die Lesbarkeit sind vielmehr die Regelmäßigkeit des Drucks und der Zustand des Pergaments. Wo derart schwache Glossen auf zerknittertem Pergament stehen, sind sie nur in Ausnahmefällen lesbar. Die Wechsel zwischen Ritzung und Prägung und verbreitetes Schwanken in der Intensität des Schreibdrucks innerhalb ein und derselben Glosse sorgen beim Lesen für beträchtliche Irritation. Des Öfteren lässt die Deutlichkeit gegen das Wortende hin stark nach. Überdies ist das Schriftbild der Glossen ganz unterschiedlich klar als zusammengehöriger Schriftzug fassbar. Die Glossatoren haben offensichtlich auch darauf geachtet, Überschneidungen mit Federlinien zu vermeiden. In mehreren Fällen sind glossierte Stellen zusätzlich mit Griffelmarken versehen bzw. Glossen zerkratzt worden. Im Unterschied zu den Feder- und den Farbstiftglossen ist nicht sagbar, ob die Griffelglossen an Qualität eingebüßt haben. Ebenso ist nicht zu ermitteln, ob nachträgliche Pressungen die Eintiefungen verringert haben. Im heutigen Zustand vermitteln die Griffelglossen den Eindruck äußerst diskreter, unkommunikativer Notizen (mit wenigen Ausnahmen, z. B. G6, G7). Nirgendwo treten sie ostentativ auf. Sie unterscheiden sich in diesem Charakterzug markant von den Griffelglossen im

Die Glossen | 473

Clm 6293 und im Clm 18550a und gleichen mehr den Griffelglossen im Anfangsteil des Clm 6383. Die Untersuchung der Griffelglossen erfolgte unter mehrfacher Einsichtnahme (siehe oben zu den Autopsien) und unter Zuhilfenahme einer schwachen LEDLampe. Die Arbeitsmethoden, mittels Beleuchtungswechseln eine maximale Anzahl von Lichteinfällen anzustreben und dabei auch die eigene Blickrichtung größtmöglich zu variieren, sind in verschiedenen Arbeiten beschrieben worden (vgl. Mayer 1974; Glaser 1996; Ernst 2007; Nievergelt 2007). Gemäß den oben skizzierten Verhältnissen gestaltete sich die Ermittlung und Entzifferung zeitintensiv und schwierig. Fast alles, was gelesen werden konnte, ist der Handschrift in langwieriger und mehrmals wiederholter Entzifferungsarbeit abgerungen. Nebst den Wechseln in der Eintragungstechnik ergaben sich durch Unterschiede im Pergament und in der Position der Eintragung von Glosse zu Glosse ganz verschiedene Untersuchungsbedingungen. Die Entzifferung der Glossen erwies sich – blickt man auf die gesamte Anzahl Einritzungen – als nur mäßig erfolgreich. Bescheiden ist der Ertrag deswegen nicht. Es konnten Griffeleintragungen zu 109 lateinischen Lemmata als althochdeutsche Textglossen bestimmt werden (G1–109), insgesamt 112 Glossen mit 126 Wörtern. Die lateinischen Einritzungen lassen sich an einer Hand abzählen. Es handelt sich bei ihnen auch nicht um Textglossen, sondern bei den meisten um kontextlose Eintragungen in der Art von Schreibproben. Weitere, weit über 220 interlineare und marginale Eintragungen blieben unidentifiziert, das heißt, auch bei Entzifferung einzelner Buchstaben nicht sinnvoll deutbar. Indem kein einziger der Griffeleinträge als lateinische Glosse gedeutet werden konnte, dürfte die Anzahl an althochdeutschen Glossen unter den unentzifferten hoch sein, besonders bei denen, die von Händen stammen, die auch lesbare Glossen schrieben. Bei einer ganzen Reihe von sehr schwachen Eintragungen ist der Glossencharakter aber unsicher. Zu den Glossen hinzu treten weitere Einritzungen wie Akzente, Schreibproben, Markierungen (Durch-, An- und Unterstreichungen), Zeichnungen und Kritzeleien. Die Griffelglossen des Clm 21525 sind auf dem Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek prinzipiell nicht sichtbar. Eine Ausnahme machen die kräftigen Einritzungen der Glossen G6 und G7. 5.3.2.3 Schrift und Hände Die Griffelglossen stammen nicht nur von vielen verschiedenen Instrumenten, sondern auch von mehreren Händen. Nach Aufbau und Anordnung der Schriftzüge zu beurteilen, handelt es sich durchwegs um geübte Hände, die zudem viel Fertigkeit im Schreiben mit Griffel auf Pergament besessen haben. Es gibt keine Hinweise auf Veränderungen in der Buchstabenmorphologie, die auf die Eintragungstechnik zurückzuführen wären.

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Einer detaillierten paläographischen Analyse stehen aber die Hindernisse der oben beschriebenen visuellen Einschränkung im Wege. Die äußere Erscheinung der in großen Teilen schwachen Profile hängt in großem Maße vom Zustand und dem Äußeren des jeweiligen Pergamentes ab. Die Identität von Instrumenten ist oftmals nur auf derselben Handschriftenseite nachzuweisen. Die althochdeutsche Griffelglossierung spielt sich in der Handschrift im Großen und Ganzen auf zwei Bereiche verteilt ab, in sporadischer Weise in den ersten vier Lagen (G1–25) und verdichtet in den Lagen 19–21 (G28–109). Verbindungen zwischen diesen Bereichen in Form gemeinsamer Hände sind nicht festzustellen. Die Bereiche unterscheiden sich im Inventar der verwendeten Buchstaben, indem im ersten bei mehreren Händen vorkommt, im zweiten bis auf einen unsicheren Fall (G108) nicht, ein Umstand, der aber im Rahmen der sprachlichen Untersuchung zu behandeln ist. Umgekehrt erscheint im zweiten Bereich das Graphem häufig, im ersten nur einmal (G15). Zwischen den beiden Bereichen befinden sich in der 9. Lage noch zwei, untereinander paläographisch nicht zusammengehörige althochdeutsche Glossen (G26, G27). Ansonsten sind im Zwischenbereich nur noch wenige, nicht identifizierte Einritzungen anzutreffen, die keine äußerlichen Hinweise enthalten, zu einem der beiden Bereiche zu gehören. Die Schriften sind nur ganz grob einem Zeitraum von etwa 2. Drittel/Mitte des 9. Jahrhunderts bis möglicherweise in das 10. Jahrhundert einzuordnen. Sie enthalten kaum signifikante Buchstabenformen und keine Ligaturen, weshalb Datierungsversuche hauptsächlich vom äußeren Gesamteindruck einer Eintragung her erfolgen müssen. Der Gesamtcharakter der unter sich ohnehin sehr ähnlichen Schriften ist jedoch deutlich von der Formensprache der karolingischen Minuskel des mittleren 9. Jahrhunderts bestimmt. G1–25: Die hier versammelten Glossen sind nach eintragungstechnischen und individuellen Schriftmerkmalen nur in kleinsten Gruppen miteinander zu verbinden. G6 und G7 gehören bestimmt zueinander, was nur vielleicht auch für G5, G9 und G10 sowie für G13, G14, G15 und G16 zutrifft. Die Schriften können nur grob datiert werden. Nach Formen der Buchstaben (ruhige, einfache Formen, weit ausschwingendes r) und ihrer Anordnung (in ungezwungener Folge) beurteilt, können die Glossen G1, G2, G5, G9, G10, G11, G13, G16, G18, G19 und G20 noch in das 9. Jahrhundert gehören. Für eine handschriftennahe Eintragung gibt es dabei ebenso wenig Evidenz wie für eine Eintragung erst im 10. Jahrhundert. Ihnen gegenüber sind von den anderen Glossen G6, G7 und G24 mit Bestimmtheit später zu datieren, bei den restlichen lässt sich nichts sagen. G28–109: Unter den Schriften der auf rund 20 Blättern recht zahlreichen Griffeleintragungen treten eher zwei Schrifttypen als zwei konkrete Haupthände hervor. Dass mehrere Glossen vom selben Typ auch einer einzigen Hand zuzuweisen sind, ist bei vielen Glossen wahrscheinlich, aber kaum verlässlich nachzuweisen. Beim ersten Typ handelt es sich um eine runde, entspannte Schrift mit eigenkräftigen Buchstabenformen (beispielsweise G28–34, G46, G62, G76, G103 und weitere), beim

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zweiten um eine etwas schärfere, vielerorts deutlich nach rechts geneigte Schrift (beispielsweise G37, G57b, G70, G72, G86 und weitere). Die Typen zeitlich zu trennen, ist problematisch, und die folgenden Zuweisungen sind mit Vorbehalten zu treffen: In das 9. Jahrhundert weisen beim ersten Typ nebst dem räumlich freien Zeichengefüge das aus zwei fast gleichen Halbbögen geschaffene g (das für die alemannische Minuskel charakteristisch ist), die breit ausschwingende r-Zunge (frei von aller Brechung) und das pseudorätisch geformte t (ohne von unten aufsteigendem linken Balkenanteil); in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts weist nur ganz unsicher das v, das noch schmal, aufrecht und symmetrisch ist.25 s steht auf der Basislinie. Beim zweiten Typ zeigen Drängung, die ansteigenden Querstriche (e, t), Brechung der r-Zunge und unter die Basislinie zurückgekrümmte Bögen bei h weg vom 9. Jahrhundert (10. Jahrhundert?). Eine einzelne Hand festzulegen gelingt – wie oben erklärt – bestenfalls auf kleinem Raum. So scheinen die Griffelglossen G39–46, diejenigen G53–57a, 58–69 sowie G92–100 und dann wieder G102–104 von jeweils derselben Hand zu stammen. G48–50 weisen den übrigen Glossen gegenüber eine etwas energischere, eckigere Schrift auf. Bei all diesen Gruppen handelt sich um den ‚älteren‘ Typ der Schriftbehandlung. Eine detaillierte Verteilung der Griffel feststellen zu wollen, ist aus eintragungstechnischen Gründen folglich wohl hoffnungslos. Zahlreiche Eintragungen, insbesondere unter den nicht identifizierten, können auch nach Schriftmerkmalen keinem der beiden Typen zugewiesen werden. 5.3.2.4 Editionsprinzipien Die Edition enthält nur einwandfrei als althochdeutsch identifizierte Eintragungen, mit Ausnahme der gekürzten Glossen G44 und G67, die aus eintragungs- und glossierungstechnischen Überlegungen mit aufgenommen wurden. Teilweise entzifferte Glossen figurieren dementsprechend in der Edition, wenn die gelesenen Reste die Identifikation gewährleisten. In den Editionsartikeln wird auf Zuweisung zu einer Eintragungsschicht verzichtet. Hingewiesen wird auf die Position der Glosse, auf eintragungstechnisch erzeugte Phänomene und auf das Griffelprofil, das daraus herauszulesen ist sowie auf auffällige Buchstabenformen. Die nicht identifizierten Griffeleintragungen werden im Anschluss an die Edition mitgeteilt (siehe Kap. 5.3.2.6.1).

|| 25 Die frühen Glossen des Clm 6293 enthalten ebenfalls diese v-Graphien.

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5.3.2.5 Edition G1. f. 5r, Z. 17, quoniam quos – pidiu de soa(…) (17) … Quoniam (Ed. quia) quos per/ (18) mittendo tolerat, profecto per iudicium / (19) reprobationis ignorat (1,1; 130,27) ‚Denn wenn er sie auch erträgt, indem er sie gewähren lässt, kennt er sie bei einem ablehnenden Schiedspruch sicherlich nicht.‘ Mit spitzem Griffel fein eingetragen, in kleiner Schrift, leicht schwärzlich. Sichtbar bei Beleuchtung von der Seite. Beginnt intl. über -t von nescit und geht bis über quos. tolerat ist glossiert mit xps (L23). pidiu: Konj. ahd. bidiu ‚wenn, weil‘ – AWB 1,953. GSp 5,34. StWG 52. SchG 1,342. de: Möglicherweise Akk. Pl. M. Dem.-Pron. der, diu, daz – AWB 2,412. Denkbar ist auch das erweiterte Dem.-Pron., falls das folgende soa(…) dazugehört. soa(…): Unklar. Entweder Fortsetzung des vorausgehenden Wortes oder ein Wort zu permittendo? G2. f. 7v, Z. 21, suppetunt – kanuogant (21) … dum multa suppetunt (1,4; 142,21) ‚wenn die Mittel in Fülle vorhanden sind …‘. Mit stumpfem Griffel mit wenig Druck und in kleiner Schrift intl. über -ppetunt deingetragen. Die Rückenlinie von a reicht recht hoch hinauf. n weist einen kleinen Ansatz links auf. kanuogant: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. ginuogen ‚reichlich vorhanden sein, genügen‘ – AWB 6,1426. GSp 2,1009. SpAW 1,653. StWG 216, 817. SchG 7,146. EWA 6,1073. RSV 1,143. Riecke 654. Eine Parallelglosse enthält Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (Mayer 1974: 5,2: kindigen; vgl. die Neulesung bei SchG 7,146), eine Glosse aus dem späten 10. Jh. -ant für -ent tritt in obd. Quellen schon früh auf (BRG §309). G3. f. 8v, Z. 9, seueritate – uuot (9) … iustitię seueritate dis/(10) tricti (Ed. destricti) sunt (1,5; 144,8) ‚Sie sind hart durch die Strenge der Gerechtigkeit.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über seuer- eingetragen. Das erste u ist schwach. uuot: (Dat.?) Sg. st. F. ahd. wuot ‚Wut‘ – SpAW 1,1159. StWG 749. SchG 11,301; das Textwort seueritas vom Glossator vielleicht in Anlehnung an saeuitia verstanden. Die Schreibung weist entweder auf eine Schreibung für /wu/ oder auf undiphthongiertes wōt, die endungslose Form auf späteres Althochdeutsch, indem endungslose Dat.-Sg.-Formen im Althochdeutschen noch sehr selten sind (vgl. BRG §218,A.2). Theoretisch ist auch Glossierung mittels Grundform möglich. G4. f. 13r, Z. 3, ad [opera] transacta – zadenuurilitan.. (1) … unde necesse est ut / (2) cum cogitatio extra usum ducitur, proti/ (3) nus mentis oculus ad opera transacta / (4) reuocetur (1,9; 158,18) ‚Deshalb ist es nötig, dass,

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wenn das Denken auf Abwege geführt wird, das Gedächtnisauge gleich zu den vergangenen Werken zurückgerufen wird.‘ Mit spitz, dann stumpf schreibendem, also beim Schreiben gedrehtem Griffel intl. unter -a transacta und in den Blattrand hinaus verlaufend. Nach dem letzten lesbaren Buchstaben Spuren von weiteren Buchstaben im Blattrand. Der hintere Teil der Glosse ist in der Durchprägung auf f. 14r besser lesbar. zadenuurilitan..: Zu segmentieren in za den uurilitan. za: Präp. ahd. za, zi ‚bis zu, auf‘ etc. – GSp 5,572. SpAW 1,1183. StWG 759, 833, 857. SchG 11,363. den: Dat. Pl. Dem.-Pron., best. Artikel ahd. der, diu, daz – AWB 2,412. GSp 5,3, 36. SpAW 1,132. StSW 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. uurilitan..: Fehlt noch eine Endung? Part. Prät. st. V. ahd. furilīdan ‚verbringen, durchführen, vorübergehen‘. furilīdan war bislang in der Bedeutung ‚vorausgehen‘ belegt (AWB 5,908). Das ahd. Äquivalent in der Glossenüberlieferung zu lat. transactus ist gilitan AWB 5,904. Zur Bedeutung von Präfix furi als ‚vorbei‘ zur Übersetzung von lat. trans- siehe furigangan, furifaran und AWB 3,598f., 1384; 4,68. G5. f. 15v, Z. 4, conticescent – suinant (3) … pedes sanctorum suorum serua/ (4) bit et impii in tenebris conticiescent (1,11; 166,18; I Sm 2,9) ‚Er wird die Füße seiner Heiligen behüten und die Gottlosen werden verstummen in der Finsternis.‘ Zu Beginn in Prägung, gegen Ende hin eingeritzt, recht gut lesbar intl. über -nticeseingetragen. a ist breit, das zweite n dagegen auffällig schmal. Auf s- steht ein senkrechter Kratzer. seruabit ist mit Feder lateinisch glossiert (L68). suinant: 3. Pl. Ind. Präs. (in futurischer Bedeutung) st. V. ahd. swīnan ‚schwinden, verstummen‘ – GSp 6,881. SpAW 1,985. StWG 619. SchG 9,418. Eine indirekte Parallelglosse (zu I Sm 2,9) enthält der Clm 13002 (2. H. 12. Jh.; StSG 1,406,29). Vgl. zur selben Textstelle auch in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 die Glosse suuinten (StSG 2,202,1) und in Sélestat, BH Ms. 7 die Glosse svintint (StSG 2,210,3). G6. (+ L71) f. 16r, Z. 2, deprehendit – uirstantit – cogitauit (1) … et uentura uitiorum bella ex alto / (2) deprehendit (1,11; 166,33) ‚Und sie (die Kirche) erkennt von einem erhöhten Standpunkt aus, wenn Kriege der Sünden herannahen.‘ Mit spitzem Griffel in leichter, schwärzlicher Färbung intl. über dem Lemma, auf derselben Stelle wie die lat. Fdgl. cogitauit (L71) und derer wegen am Wortbeginn nur mühsam lesbar. Das erste i ist sehr schwach. st sind verbunden. uirstantit: 3. Sg. Ind. Präs. st. V. ahd. firstantan ‚erfassen, erkennen‘ – GSp 6,602. SpAW 1,922. StWG 586. SchG 9,167. Vgl. parallele Glossierungen mittels firstān in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1, Sélestat, BH Ms. 7 und St. Florian, BAC III 222 B (StSG 2,202,8; 210,68; 225,18). Zu nicht umgelautetem a in Nasalverbindung vgl. BRG

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§27,A.1. Das lateinische Lemma ist formal ambig; die beiden Glossen entscheiden sich für verschiedene Tempora. G7. f. 16r, Z. 3, aebetes – meitte (2) … Sed sunt nonnulli qui dum æsti/ (3) mari æbetes nolunt (1,11; 166,34) ‚Während es aber einige gibt, die nicht als Stumpfe gelten möchten …‘. Mit demselben spitzen Griffel wie die vorausgehende Glosse eingetragen, intl. über -bete-. Das zweite t ist überzeilig in gleicher Größe über das erste t gesetzt. meitte: Nom., Akk. Pl. M. st. flekt Adj. ahd. meit ‚stumpf, stumpfsinnig‘. Erstbeleg für das Simplex. Vgl. ahd. gimeit – AWB 6,391. EWA 4,321 sowie die weiteren germanischen Belege bei Heidermanns (1993: 394f.) jeweils mit Präfix ga-, gi-, nach Heidermanns evtl. in partizipialer Funktion. Die vom Schreiber angedeutete Gemination weist darauf hin, dass das Adj. hier ja-stämmig gewesen sein könnte, wovon aber, soweit ersichtlich, keine anderen Spuren existieren. Vgl. den Ansatz germ. *maida- bei Heidermanns (1993: 50 (§43), 56 (§62), 394f.). IEW 697: *mai-dh- (im EWA 4,321 wird von einem Verbaladj. zum st. V. urgerm. *mei̯þe/a ausgegangen). Es ist darum eher von einer abweichenden Graphie auszugehen (vgl. BRG §164,A.3). Die grammatische Form ist hier auch mit Blick auf die lateinischen Glossen unbestimmt: Das Lemma ist im Clm 14689, f. 44v, Z. 34, Wien, ÖNB 2723, f. 107v, Z. 8 und Wien, ÖNB 2732, f. 121v, Z. 20 mit stultos glossiert, im Clm 14409, f. 17r, Z. 5 und in Fulda, HLB Aa2, f. 138v, Z. 23 und St. Omer, BM 150, f. 74r, Z. 15 mit stulti. Im Clm 18140 und Clm 19440 lautet die Glosse unfruota; StSG 2,180,38. Zu einer weiteren ahd. Glossierung in Wien, ÖNB 949, vgl. Nievergelt (in Vorb.). G8. f. 16v, Z. 5, quod in – dazd(…) (5) … semen autem quod in / (6) spinis cecidit (1,11; 168,55; Ps 37,9) ‚… das Samenkorn aber, das in den Dornen zu Boden fällt‘. Mit stumpfem Griffel intl. über qd in eingedrückt. Erstes d unzial, zweites (unsicheres) d halbunzial. daz: Nom. Sg. N. Dem.-Pron. bzw. Rel.-Pron. ahd. der, diu, daz – AWB 2,412. GSp 5,3, 36. SpAW 1,132. StWG 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. Das Folgende (zu in?) erlaubt in der unsicheren Lesung keine Deutung. G9. f. 16v, Z. 10, aemicat – scrinit (9) Lippus uero est, cuius quidem ingenium ad congi/ (10) tionem ueritatis æmicat, sed tamen hoc car/ (11) nalia opera obscurant (1,11; 168,59) ‚Wer aber triefäugig ist, dessen Verstand erstrahlt beim Erkennen von Wahrheit, welchen aber die Werke des Fleisches verdunkeln.‘

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Mit spitzem Griffel gut lesbar intl. über -micat eingetragen. Die Schäfte sind unten leicht nach rechts umgebogen. r reicht unter die Basislinie. Der t-Balken durchkreuzt den Schaft. scrinit: 3. Sg. Ind. Präs. entweder st. V. ahd. skīnan ‚strahlen, leuchten‘ (GSp 6,499) oder sw. V. ahd. skricken ‚aufblitzen‘ (GSp 6,573) bzw. eine versehentliche Mischung davon. Beide Verben treten in der ahd. Glossenüberlieferung als Äquivalente zu lat. emicare auf, davon skīnan auch in Regula pastoralis-Glossen, z. B. StSG 2,202,40. G10. f. 16v, Z. 15, uitiatur – lastrot (14) Quorum quoniam (Ed. quia) infusione crebro atteritur, / (15) etiam acies pupillę uitiatur (1,11; 168,63) ‚Weil sie durch das beständige Abfließen abgenutzt wird, wird auch die Sehkraft der Pupille beschädigt.‘ atteritur ist mit Feder althochdeutsch glossiert, siehe F87 (ginezetvuirđ). Mit spitzem Instrument intl. über dem Lemma eingetragen. Nur schwach sichtbar. Von unten beleuchtet einwandfrei lesbar. Der Rücken von a verläuft gewellt. lastrot: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. lastarōn, lastrōn ‚verletzen‘ – AWB 5,644. GSp 2,99. SpAW 1,508. StWG 361. SchG 5,472. EWA 5,1053. RSV 2,86. Wiedergabe des Passivs mittels Partizip und ohne Hilfsverb, wie sie in den althochdeutschen Glossen verbreitet ist. G11. f. 17r, Z. 15, quo se – diusih (14) … et eo claritatem ueri luminis ne/ (15) quaquam penetrat, quo se aputd se per ar/ (15) rogantiam exaltat (1,11; 168,79) ‚Und er (der Mensch) dringt keineswegs so weit zu der Klarheit des wahren Lichts vor, wie er sich durch Anmaßung bei sich selbst erhöht.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über quo s-. Der Bogen von h endet leicht abgespreizt. diusih: Zu segmentieren als diu sih. diu: Instr. Sg. Dem.-Pron. (Rel.-Pron.) ahd. der, diu, daz – AWB 2,412. GSp 5,3, 36. SpAW 1,132. StWG 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. sih: Akk. Sg. Pron. Refl. ahd. sih ‚sich‘ – GSp 6,5. SpAW 1,813. StWG 522. SchG 8,194. G12. f. 17v, Z. 1, (f. 17r, Z. 15, arrogantiam?) – kelpfa. Eintragung in der linken oberen Blattecke, mit unregelmäßig zugespitztem Instrument: k und unsicheres a schwach, lp schärfer geritzt, e vielmehr nur eingeprägt. Die Buchstaben sind, wohl durch Verschmutzung, schwärzlich und deshalb bei durch das Pergament durchscheinendem Licht am besten zu lesen. Oberhalb des Eintrags stehen mit (…) und unterhalb mit ..t weitere Einritzungen (siehe Kap. 5.3.2.6.1).

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kelpfa.: st. N. ahd. gelpf ‚Prahlerei‘ oder eine Bildung mit gelpf (wie beispielsweise st. F. ahd. gelpfheit) – AWB 4,203. Ein Bezug zu der danebenstehenden Textstelle ist nicht zu erkennen: (f. 17r, Z. 23) … nimirum feruor intimus // (f. 17v, Z. 1) usque ad cutis scabiem prorumpit (1,11; 170,86) ‚Die innere Hitze bricht sich freilich bis zum Ausschlag der Haut Bahn.‘ Als Lemma kommt dagegen arrogantiam in Frage, das auf der vorausgehenden Seite steht: f. 17r, (14) … eo claritatem ueri luminis ne/ (15) quaquam penetrat, quo se aputd se per ar/ (16) rogantiam exaltat (1,11; 170,80) ‚Er (der Mensch) dringt keineswegs so weit zu der Klarheit des wahren Lichtes vor, wie er sich durch Anmaßung bei sich selbst erhöht.‘ G13. (+ F91) f. 17v, Z. 5, (pruriginem) – pronodun – prono. (4) … Quasi enim cutis pruri/ (5) ginem paulus curabat abstergere (1,11; 170,89) ‚Darum bemühte sich Paulus darum, das Jucken der Haut zu vertreiben.‘ Zum Vorgehen Gregors, anhand von Krankheiten aus dem Alten Testament Laster als Krankheiten der Seele darzustellen, vgl. für die Glossen (G13–19) Floryszczak (2005: 122f.). pronodun mit stumpfem, feinem Griffel marg. links neben Z. 5. Darüber, marg. links neben Z. 4 die Federglosse prono (F91). Rechts unterhalb der Griffelglosse befinden sich weitere Einritzungen. pronodun: Akk. Sg. sw. M. ahd. bronado ‚Krätze‘ – AWB 1,1417. GSp 3,310. SpAW 1,106. StWG 79. SchG 2,48. EWA 1,357. Zur Bildung vgl. auch EWA 1,223. Parallelglosse und Zweitbeleg zum vormaligen Hapax legomenon im Clm 18550a (Glossar) (pronadun. StSG 2,221,3) -un ist im Obd. die ältere Endung des Akk. Sg. (8./9. Jh.), vgl. BRG §221,A.2. Die Glosse ist erstveröffentlicht in Nievergelt/Glaser (2016: 328) in der Lesung pronodon. Der zweitletzte Buchstabe ist jedoch gemäß der neuen Untersuchung als u zu lesen. G14. f. 17v, Z. 13, non conpescitur – ni kestil(…) (13) quę si in paruis non conpescitur, nimi/ (14) rum sine mensura dilatatur (1,11; 170,95) ‚Wenn diese (die Habgier) nicht in den kleinen Dingen gestillt wird, breitet sie sich maßlos aus.‘26 Mit stumpfem, feinem Griffel schwach intl. über non conpescitur eingetragen, gegen das Ende verlöschend. ni: Neg. Part. ahd. ni ‚nicht‘ – AWB 6,1203. GSp 2,969. SpAW 1,666. StWG 437, 827, 852. SchG 7,75. EWA 6,92. kestil(…): Part. Prät. sw. V. ahd. stillen oder gistillen ‚besänftigen, beruhigen, stillen‘ – GSp 6,672. StWG 593. SchG 9,220. RSV 1,205. Vgl. die Parallelglossen niuuirdit gistillit in Kassel, G, LMB 2° Ms. theol. 32 (Hofmann 1963:

|| 26 Zur Textstelle vgl. Floryszczak (2005: 122f.) sowie Hack (2012: 179,A.138).

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128) und ohne ni in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,205,56) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,210,38). G15. f. 17v, Z. 15, (impetigo?) – (…)svht (14) … Impe/ (15) tigo quippe sine dolore corpus occu/ (16) pat (1,11; 170,96) ‚Der Ausschlag erobert den Körper nämlich ohne Schmerz.‘ Mit feinem Griffel marg. links neben Z. 15, nur am Ende lesbar. v in svht klein und eng. Vor s könnte se stehen. Der Lemmabezug ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. (…)svht: st. F. ahd. []suht ‚Krankheit, Seuche‘ (SpAW 1,961), hier Krankheitsbezeichnung vermutlich zum Textwort impetigo ‚Ausschlag, Räude‘. G16. f. 17v, Z. 16, tedio – unlust (16) … et absque occupati tedio excrescens, / (17) membrorum decorem foedat (1,11; 170,97) ‚Und er (der Ausschlag) verunstaltet das Aussehen der Glieder, ohne dass der Überdruss des Befallenen zunimmt.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma eingetragen. Der t-Balken ist dann eingeritzt. unlust: Dat. (?) Sg. st. F. ahd. unlust ‚Unlust, Widerwille‘ – GSp 2,289. SpAW 1,574. StWG 668. SchG 10,229, vgl. EWA 5,1533. Dativ ist möglich, indem im Ahd. selten Dativ Sg.-Formen ohne i auftreten (BRG §218,A.2). G17. f. 17v, Z. 21, (dolorem in uulnere? oder zu oben impetigo? oder pruriginem?) – iukkon (20) … et dolorem / (21) in uulnere non facit (1,11; 170,101) ‚Er (der Geiz) verursacht keinen Schmerz in der Wunde.‘ Mit spitzem Griffel marg. links neben Z. 21. Darüber die Eintragung .cuun (siehe Kap. 5.3.2.6.1). iukkon: Akk. Sg. (?) sw. M. ahd. iukko? ‚Juckreiz‘, eine unpersönliche Substantivierung aus dem sw. V. ahd. iukken (AWB 4,1840)? Vgl. Henzen 132. G18. f. 17v, Z. 22, promittit – forakahe (21) … quia æstuanti animo / (22) ex culpa habundantiam promittit (1,11; 170,102) ‚weil er dem kochenden Gemüt als Folge der Sünde Wohlstand verspricht‘. Mit stumpfem Griffel intl. über dem Lemma. Nach h ist die Situation unklar. forakahe: Gekürzt? (3. Sg.?) st. V. ahd. foragiheizan ‚verheißen‘ – AWB 4,884. GSp 4,1089. SpAW 1,375. StWG 265. SchG 4,250 (giheizan). EWA 4,924.

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G19. f. 18r, Z. 9, nefarium – uuirsistun (9) Qui nequaquam quidem usque ad opus nefarium / (10) rapitur (1,11; 172,110) ‚Er lässt sich niemals zu einem ruchlosen Werk hinreißen.‘ Mit feinem Griffel intl. über dem Lemma. uuirsistun: Akk. Sg. N. sw. flekt. Adj. Superlativ ahd. wirsisto ‚schlechteste, ärgste‘ – GSp 1,1046. SpAW 1,1137. StWG 737. SchG 11,215. G20.–21., f. 18v, Z. 9 (8) Tantum debet actionem populi actio trans / (9) cedere (Ed. transcendere) præsulis, quantum distare solet / (10) a grege uita pastoris (2,1; 174,4) ‚Das Handeln des Vorstehers muss das Handeln des Volkes um so viel überragen, wie das Leben eines Hirten üblicherweise von der Herde entfernt ist.‘ G20. f. 18v, Z. 9, quantum (2,1; 174,4) – so Mit stumpfem Griffel intl. über -uan-. Schon davor über praesulis steht etwas. so: Adv. ahd. sō – GSp 6,11. SpAW 1,893. StWG 567, 854. SchG 9,25, aus einer Wendung wie sō filu ‚soviel wie‘. G21. f. 18v, Z. 9, distare (2,1; 174,4) – sci.onte. Von stumpfem Griffel in weißlicher Färbung intl. über distare. Die Entzifferung gestaltet sich sehr schwierig. Nach e ein hoher Buchstabe, darüber evtl. Querstrich. sci.onte.: Unsicherer Beleg für sw. V. ahd. scidōn ‚trennen, scheiden‘ – GSp 6,435. SpAW 1,835. StWG 540. SchG 8,339. RSV 2,133, hier vermutlich Part. Präs. G22. f. 20v, Z. 14, penetrat – ferit (13) … Illa namque uox / (14) libentius auditorum cor penetrat (2,3; 180,7) ‚Jenes Wort durchdringt nämlich leichter das Herz der Zuhörer.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -etrat. Vor f- Spuren einer anderen Einritzung. Auch über namq; ist etwas schwach eingedrückt. ferit: 3. Sg. Ind. Präs. st. V. faran ‚eintreten‘ (AWB 3,570). Vgl. ahd. duruhfaran (AWB 3,593, beispielsweise in den Regula pastoralis-Glossen StSG 2,210,2; 2,214,22), oder infaran (AWB 3,601. StSG 4,13,36) als Äquivalente zu lat. penetrare. G23. f. 22v, Z. 17, silentio – stil(…) (17) Sit rector discretus in silentio utilis in uerbo (2,4; 186,2) ‚Der Seelsorger sei taktvoll im Schweigen, tüchtig im Reden.‘ Von einem sehr feinen, nicht scharfen Griffel intl. über in sil-. stil(…): Resthaftes sw. F. ahd. stillī – GSp 6,620. SpAW 1,939. StWG 593. SchG 9,222.

Die Glossen | 483

G24. f. 24r, Z. 4/7, (tabernaculum) – heriperca (3) … hinc moysi / (4) praecipitur ut tabernaculum sacerdos ingredi/ (5) ens tintinnabulis ambiatur (2,4; 190,47) ‚Deshalb wird Moses vorgeschrieben, dass der Priester, wenn er das Feldherrnzelt betritt, Glöckchen tragen muss.‘ Die Glosse ist, in einiger Entfernung vom Lemma, marg. rechts neben Z. 7 mit einem stumpfen Griffel eingetragen. p ist breit und überschneidet e. ca ist nicht ganz sicher. Die Glosse dürfte sich auf tabernaculum in Z. 4 und nicht auf die nebenstehende Textstelle (Ed. 190,49) beziehen. Darauf zeigt möglicherweise auch eine mit Griffel eingetragene Wellenlinie über -lū. Unterhalb der Glosse steht über quan- und in den Blattrand hinaus verlaufend vom selben Griffel eine Eintragung, die nur in Teilen lesbar ist: f. 24r, Z. 8, (…)z.ala, vielleicht zu sonitus in (8) … audiatur sonitus quan/ (9) do ingreditur (2,4; 190,50) ‚Man soll den Schall hören, wenn er eintritt.‘ (siehe Kap. 5.3.2.6.1). heriperca: Akk. Sg. st. F. ahd. heriberga ‚Feldherrnzelt‘ – AWB 4,974. GSp 3,175. SpAW 1,383. StWG 270. SchG 4,285. EWA 4,975, als Übersetzung für lat. tabernaculum vor allem bei Notker belegt. G25. f. 25r, Z. 5, (sed) – uzan (4) … ut / (5) ab eis non solum praua nullo modo sed ne / (6) recta quidem nimie et inordinate proferan/ (6) tur (2,4; 192,84) ‚dass von ihnen (den Seelsorgern) nicht nur das Unrechte in keiner Weise, sondern auch das Richtige nicht übertrieben oder ungeordnet vorgebracht werde‘. Marg. rechts mit stumpfem Griffel, in etwas verzerrten Buchstaben. uzan: Konj. ahd. ūzan ‚aber, sondern‘ – GSp 1,538. SpAW 1,1047. StWG 686. SchG 10,319. G26. f. 66r, Z. 4, pandatur – of s (2) … quibus citius a predicante / (3) succurritur, si quae sit huius permuta/ (4) tionis causa pandatur. callidus namque / (5) aduersarius (3,9; 304,131) ‚Diesen wird vom Prediger schneller geholfen, wenn ihnen klar gemacht wird, was der Grund dieses Wechsels sei. Der listige Feind nämlich …‘. Mit spitzem Griffel intl. über pan-. Über c- des folgenden callidus vom selben Griffel s. Weitere, schwächere Einritzungen an beiden Stellen. of: Gekürztes sw. V. ahd. offanōn ‚öffnen, kundtun‘ – AWB 7,55. GSp 1,168. SpAW 1,683. StWG 449, 827. SchG 7,185. EWA 6,1137. RSV 2,111. s: Gekürztes Interpretament zu callidus (vielleicht swepfari?) oder aber gekürzte 3. Sg. Konj. Präs. verbum substantivum ahd. sīn (Kurznotation von offanōt sī)?

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G27. f. 67r, Z. 1–2, (rigida) – uuas (1) … quo illa dudum contra se ri/ (2) gida colla uictorum calcat (3,9; 306,161) ‚zumal er die Nacken der Feinde, die lange Zeit gegen ihn unbeugsam waren, niedertritt‘. Mit stumpfem Griffel marg. rechts. uuas: Unflekt. Adj. ahd. was ‚streng, rau‘ – GSp 4,1240. SpAW 1,1070. StWG 699, 856. SchG 10,409. Heidermanns (1993: 315). G28. f. 140r, Z. 3, accusant – lastront (2) … am/ (3) monendi sunt qui accusant praua, / (4) nec tamen dieuitant (3,31; 486,5) ‚Ermahnt werden sollen diejenigen, welche das Böse anklagen, es aber dennoch nicht umgehen.‘ Mit feinem Griffel intl. über -usant und über das Lemma hinaus eingetragen. st verbunden, r mit tiefreichendem Schaft. lastront: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. lastarōn, lastrōn ‚rügen, beschimpfen‘ – AWB 5,644. GSp 2,99. SpAW 1,508. StWG 361. SchG 5,472. EWA 5,1053. RSV 2,86. Vgl. G10. G29. f. 140r, Z. 16, priuata – selpiu (15) … Ammonendi sunt / (16) ut eis perditio priuata sufficiat (3,31; 486,13) ‚Sie sind daran zu erinnern, dass ihnen das eigene Verderben genügen soll.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -riuata. s und i sind sehr schwach. selpiu: Nom. Sg. F. st. flekt. Adj. ahd. selb ‚eigen‘ – GSp 6,193. SpAW 1,804. StWG 514. SchG 8,147. G30. f. 140r, Z. 23, quando – vuanne (22) … erubescit quan/ (23) doque esse quod fugit uideri (3,31; 486,17) ‚Sie (die Seele) schämt sich irgendwann auch das zu sein, was sie zu scheinen meidet.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -ue eē eingetragen. Der Schlussbuchstabe ist nicht ganz eindeutig. vuanne: Adv. ahd. wanne ‚wann, irgendwann‘ – GSp 4,1201. SpAW 1,1061. StWG 695. SchG 10,381. G31.–33., f. 140v, Z. 1–5 (1) Cum uero quisque prauus (Ed. prauus quisque) inpudenter / (2) innotescit quo liberius omne faci/ (3) nus perpetrat eo etiam licitum pu/ (4) tat, et quod licitum suspicatur, in hoc / (5) procul dubio multiplicius mergitur (3,31; 486,19) ‚Wenn aber einer sich schamlos als Böser offenbart, führt er je freimütiger jede Untat durch, desto eher er sie auch für erlaubt hält, und in dem, was mit Verdacht als erlaubt betrachtet wird, sinkt er ohne Zweifel immer tiefer ein.‘

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G31. f. 140v, Z. 2, liberius (3,31; 486,19) – paldor Mit stumpfem Griffel intl. über -erius. paldor: Komp. Adv. ahd. baldo ‚frei, mutig, dreist‘ – AWB 1,787f. SpAW 1,39. GSp 3,108f. StWG 41. SchG 1,252. EWA 1,434. Heidermanns (1993: 115). Vgl. die Regula pastoralis-Glosse liberius – paldor in Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,189,48) und auch Clm 18550a (Glossar) liberum (3,3) – palden (StSG 2,223,42). G32. f. 140v, Z. 3, (putat) (3,31; 486,20) – ahtot Mit stumpfem Griffel marg. rechts neben Z. 3 gleich an pu- anschließend. ahtot: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. ahtōn ‚nachdenken, überlegen, halten für‘ – AWB 1,80. GSp 1,105. SpAW 1,11. StWG 18, 786. SchG 1,96. RSV 2,4. EWA 1,124. G33. f. 140v, Z. 4, licitum (3,31; 486,20; zweites licitum) – muozhafta Mit stumpfem Griffel intl. über -citum. Die Schrift wird gegen Ende größer und breiter. muozhafta: Nom. Sg. N. sw. flekt. Adj. ahd. muozhaft ‚erlaubt, vergönnt‘, bislang präfigiert mit un- (GSp 2,908) und einmal in adverbialer Form belegt (AWB 6,909, zu lat. licito. StSG 2,1,18. Vgl. EWA 6,673). G34. f. 140v, Z. 7, praedicauerunt (3,31; 486,22) – martvn (6) … peccatum suum sicut sodoma / (7) prędicauerunt nec absconderunt (3,31; 486,22; Is 3,9) ‚Ihre Sünde verkündigten sie wie Sodom und verbargen sie nicht.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -cauerunt. Eine weitere Griffeleintragung steht über prę: ..d (siehe Kap. 5.3.2.6.1). martvn: 3. Pl. Ind. Prät. sw. V. ahd. māren ‚rühmen, öffentlich bekanntmachen, hervorheben‘ – AWB 6,275. GSp 2,826. SpAW 1,599. StWG 401, 826. SchG 6,276. EWA 6,159. RSV 1,123. Riecke 505. G35. f. 140v, Z. 11, requirebat – suohhento (10) sed funditus frena timoris amiserat, / (11) quę ad culpam nec tenebras requirebat (3,31; 486,25) ‚Es (Sodom) hatte aber die Zügel der Furcht vollständig losgelassen, es, das für die Sünde nicht einmal die dunklen Orte aufsuchte.‘ Leicht schwärzlich, intl. über -as requireb-. Die Glosse ist wegen ihrer Position in der Nähe des Falzes schwierig zu untersuchen. suohhento: Wohl Adverbialbildung Part. Präs. sw. V. ahd. suohhen ‚suchen, aufsuchen‘ – GSp 6,78. SpAW 1,785. StWG 610, 854. SchG 9,348. RSV 1,213. Riecke 652.

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G36.–37., f. 140v, Z. 12–13 (12) … clamor / (13) sodomorum et gomorre multiplicatus est (3,31; 486,26; Gn 18,20) ‚Das Geschrei über Sodom und Gomorrha vermehrte sich.‘ G36. f. 140v, Z. 12, clamor (3,31; 486,26; Gn 18,20) – ruom Mit stumpfem Griffel intl. über -amor. Am Schluss wegen der Position im Falz nur eingeschränkt lesbar. ruom: Wohl Nom. Sg. st. M. ahd. ruom ‚Geschrei, Prahlerei‘ – GSp 4,1137. SpAW 1,775. StWG 499, 829. SchG 8,32. Dazu gibt es etliche Parallelglossen: StSG 2,175,32 (Clm 6277); 195,22 (Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732); 236,72 (Karlsruhe, BL Aug. CCXX). G37. f. 140v, Z. 13, multiplicatus (3,31; 486,26; Gn 18,20) – preitit Mit spitzem Griffel intl. über -iplicat- gut lesbar eingeritzt. Marg. links scheint überdies pi eingeritzt. preitit: Nom. Sg. Part. Prät. nomin. flekt. sw. V. ahd. breiten ‚vervielfachen, erweitern‘ – AWB 1,1342. GSp 3,296. SpAW 1,100. StWG 75, 795. SchG 2,14. EWA 2,314. RSV 1,13. G38. f. 140v, Z. 16, libertate – paldo (15) … peccatum uero (Ed. etiam) cum cla/ (16) more, est culpa cum libertate (3,31; 486,29) ‚Eine Sünde aber mit Geschrei ist ein Verschulden in aller Offenheit.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -ertate. paldo: Dat. Sg. st. F. ahd. balda ‚Vermessenheit, sich herausgenommene Freiheit‘ – AWB 1,788. GSp 3,109. SpAW 1,40. StWG 41. SchG 1,254. Nicht ganz undenkbar ist Adv. ahd. paldo [baldo]. G39. f. 140v, Z. 17, accusant – lastront (17) At contra ammonendi sunt qui accusant / (18) praua nec tamen dieuitant (3,31; 486,30) ‚Im Gegensatz dazu sind diejenigen zu ermahnen, welche das Böse anklagen, es aber dennoch nicht umgehen.‘ Mit feinem Griffel intl. über dem Lemma eingetragen. Sehr schwierig zu entziffern, aber schließlich vollständig lesbar. lastront: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. lastarōn, lastrōn ‚anklagen‘ – AWB 5,644. GSp 2,99. SpAW 1,508. StWG 361. SchG 5,472. EWA 5,1053. RSV 2,86. Vgl. G10, G28.

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G40. f. 140v, Z. 21, reatu – sculd (20) … qui de / (21) reatu suorum criminum etiam semetip/ (22) sis iudicibus non excussantur (3,31; 486,32) ‚sie, die sie auch von sich selbst als Richter für die Schuld ihrer Verbrechen nicht um Verzeihung gebeten werden‘. Sehr schwach in regelmäßiger Schrift intl. über reat- teils eingedrückt, teils eingeritzt. sculd: Dat. Sg. st. F. ahd. skuld ‚Schuld‘ – GSp 6,467. SpAW 1,864. StWG 551, 854. SchG 8,403. Zur seltenen endungslosen Form des Dat. Sg. der femininen i-Stämme vgl. BRG §218,A.2. G41. f. 141r, Z. 1, proferunt – sprehhant (1) uoces contra culpas proferunt (3,31; 488,35) ‚Sie tragen Reden gegen die Sünden vor.‘ Mit stumpfem Griffel auf dem oberen Blattrand, quasi intl. über -ferunt eingetragen, hauptsächlich dank Glanz der Linien erkenn- und lesbar. sprehhant: 3. Pl. Ind. Präs. st. V. ahd. sprehhan ‚vorbringen, zur Sprache bringen, vortragen‘ – GSp 6,369. SpAW 1,910. StWG 579, 830. SchG 9,117. G42. f. 141r, Z. 2, semetipsos – selp(…) (1) … et se/ (2) metipsos operibus reos trahunt (3,31; 488,35) ‚Und sie verraten sich selbst durch ihre Taten als Schuldige.‘ Mit stumpfem Griffel sehr schwach intl. über -tipsos eingetragen. Auch über folgendem operibus sind Spuren einer Griffeleintragung zu erkennen. selp(…): Pron.-Adj. ahd. selb ‚selb, selber‘ – GSp 6,193. SpAW 1,804. StWG 514. SchG 8,147. G43. f. 141r, Z. 7, conatur – giilit (6) … sed non / (7) conatur ut uincat (3,31; 488,35) ‚Sie (die Seele) bemüht sich aber nicht, es (das Übel) zu besiegen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -onatu- eingetragen. gi ist sehr fein eingedrückt. giilit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. giīlen ‚erstreben, sich bemühen‘ – AWB 4,1482. GSp 1,230. SpAW 1,421. StWG 299. SchG 5,15. EWA 5,44. RSV 1,80. Riecke 387 (īlen). G44. f. 141r, Z. 10, tenebras – u (9) … et actioneis / (10) prauę tenebras non relinquait (3,31; 488,41) ‚Und sie verlässt die Finsternis der bösen Tat nicht.‘ Intl. über t-, von demselben Griffel wie giilit in Z. 7, weswegen eine althochdeutsche Deutung naheliegt.

488 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

u: könnte dem Inhalt entsprechend gekürztes st. F. ahd. ubiltāt (GSp 5,330) sein. Die lat.-ahd. Wortentsprechung tenebrae – ubiltāt ist in einer Prudentiusglosse überliefert (StSG 2,465,41). Auch gekürztes uinstarī oder uinstarnissi ist denkbar. Letztlich bleibt der althochdeutsche Charakter einer Eintragung aus nur einem Buchstaben aber ungewiss (vgl. Nievergelt 2017a: 303f.). G45. f. 141v, Z. 7, aguntur – ..tripan (7) … uiui quippe quę circa (Ed. inter) illos aguntur / (8) sciunt et sentiavnt (3,31; 488,54) ‚Die Lebendigen wissen und merken freilich, was um sie herum getrieben wird.‘ Mit spitzem Griffel intl. über -guntur eingeritzt. Nahe bei der Bindung positioniert, ist die Glosse sehr schlecht lesbar. ..tripan: Vermutlich unflekt. Part. Prät. st. V. ahd. trīban ‚betreiben, sich beschäftigen‘ – GSp 5,481. SpAW 1,1013. StWG 634. SchG 10,41, das Part. Prät. zur Angabe des Passivs. G46. f. 142r, Z. 5, se muniant – givuarnvn (3) … in tam caligoso (Ed.: caliginoso) cer/ (4) tamine intentione continua intra / (5) mentis castra se muniant (3,32; 490,11) ‚In dem so dunklen Kampf sollen sie sich durch beständige Wachsamkeit in der Burg der Seele schützen.‘ Mit feinem, stumpfem Griffel intl. über -uniant und darüber hinaus. Davor über se weitere Buchstaben, vielleicht, aber ganz unsicher sih. givuarnvn: 3. Pl. Konj. Präs. sw. V. ahd. giwarnōn ‚beschützen, befestigen, sich in Acht nehmen‘ – GSp 1,947. SpAW 1,1069. StWG 698. SchG 10,402. RSV 2,175. Zu u statt ō in späteren bairischen Belegen vgl. BRG §366,A.1. SchABG §149a. Man vergleiche im Clm 6277 muniant – uuarnun (zu 3,9; StSG 2,168,27).

Abb. 20: Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 142r, Z. 5: givuarnvn (G46)

Die Glossen | 489

G47.–48. f. 142r, Z. 6 (6) Nam si a circumspectionis sollicitu/ (7) dine cor distituitur, uulneribus / (8) aperitur (3,32; 490,11–12) ‚Wenn das Herz allerdings nachlässt, sich um Umsicht zu kümmern, entblößt es sich den Hieben.‘ G47. f. 142r, Z. 6, nam (3,32; 490,11) – afur Mit stumpfem Griffel intl. über Nam. Der erste Buchstabe ist nur resthaft erkennbar. afur: Konj. ahd. avur ‚hingegen, nämlich‘ – AWB 1,700. GSp 1,177. SpAW 1,7. StWG 37, 789, 837. SchG 1,77. EWA 1,401. G48. f. 142r, Z. 6, circumspectionis (3,32; 490,12) – pidenc Mit feinem, stumpfem Griffel sehr deutlich intl. über -mspect- eingeprägt. pidenc: Wohl gekürztes Abstraktum wie beispielsweise st. F. ahd. bidenkida (AWB 2,394) in der Bedeutung ‚Besonnenheit, Abwägen‘.

Abb. 21: Ahd. Griffelglosse Clm 21525, f. 142r, Z. 6: pidenc (G48)

G49. f. 142r, Z. 9, liberius – paldor (8) … Quoniam (Ed. quia) hostis callidus tanto / (9) liberius pectus percutit quanto nudum / (10) a prudentie (Ed. prouidentiae) lorica deprehendit (3,32; 490,13) ‚Weil ja der verschlagene Feind um soviel ungehinderter die Brust durchbohrt, um wie viel er sie vom Panzer der Vorsicht entblößt erblickt‘. Mit stumpfem Griffel intl. über -erius. Kleines d, or nur schlecht sichtbar. Auch über quanto befindet sich eine Einritzung (siehe Kap. 5.3.2.6.1). paldor: Komp. Adv. ahd. paldo [baldo] ‚frei, kühn, dreist‘ – AWB 1,787. GSp 3,108f. SpAW 1,40. StWG 41. SchG 1,255. EWA 1,436. Vgl. die Glosse G31.

490 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

G50. f. 142r, Z. 13, desuescant – intvuen (11) Ammonendi sunt qui repentina con/ (12) cupiscentia superantur, ut curare / (13) nimis terrena desuescant (3,32; 490,17) ‚Ermahnt werden müssen diejenigen, die von einer plötzlichen Begierde überwältigt werden, dass sie sich abgewöhnen sollen, sich allzu sehr um das Weltliche zu sorgen.‘ Mit stumpfem Griffel sehr deutlich intl. über -uescant eingedrückt. Nach -n folgen schwächere und nicht eindeutig lesbare Einritzungen, die nicht zu der Glosse gehören. Intl. über dem ersten e des Lemmas ist ein Schrägstrich eingeritzt. intvuen: Gekürzt sw. V. ahd. intwennen ‚entwöhnen‘ – GSp 1,869. SpAW 1,1153. StWG 709. SchG 11,3. RSV 1,331. Riecke 512.

Abb. 22: Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 142r, Z. 13: intvuen (G50)

G51. f. 142r, Z. 18, exprimitur – ofanot (17) Unde et per salamonem uox percussi et dor/ (18) mientis exprimitur qua ait (3,32; 490,20) ‚Daher wird ja auch durch Salomon die Stimme eines im Schlaf Geschlagenen wiedergegeben, die sagt: …‘. Von einem Instrument mit ungleichmäßiger Zuspitzung intl. über -imitur eingetragen. Am Schluss schwach, dennoch vollständig lesbar. ofanot: Nom. Sg. Part. Prät. nomin. flekt. sw. V. ahd. offanōn ‚zeigen, darstellen‘ – AWB 7,55. GSp 1,168. SpAW 1,683. StWG 449, 827. SchG 7,185. RSV 2,111. EWA 6,1138. Das Auftreten von einfachem f statt ff nach Kurzvokal ist nicht ungewöhnlich. Vgl. BRG §132.

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G52. f. 142v, Z. 14, hinc – dana (14) … Hinc superius / (15) scriptum est (3,32; 492,34) ‚Deshalb steht weiter oben geschrieben: …‘. Mit stumpfem Griffel intl. über -inc sup-. d in unzialer Form. Nach dem zweiten a ist nichts mehr zu erkennen. dana: Vermutlich Adv. Konj. ahd. dann ‚daher, demgemäß, aufgrund von‘ – AWB 2,41. GSp 5,50. SpAW 1,125. StWG 90, 798, 839. SchG 2,140. EWA 2,522. G53. f. 142v, Z. 17, clauo – stivrnagela (15) … et eris quasi dormiens in / (16) medio mari et quasi sopitus guberna/ (17) tor amisso clauo (3,32; 492,34; Prv 23,34) ‚Und du wirst sein wie einer, der mitten auf dem Meer schläft, und wie ein eingeschlafener Steuermann, bei aus der Hand gefallenem Steuerruder.‘ Von feinem, mal ritzendem, mal einprägendem Instrument intl. über -lauo in m- von clauo, in medio eingetragen. stivrnagela: Dat. Sg. st. M. ahd. stiurnagal ‚Steuerruder‘ – GSp 2,1017. SpAW 1,652, 942. StWG 595. SchG 9,238. Parallelglossen enthalten St. Florian, Bibliothek des Augustiner Chorstifts, III B 222 und Wien, ÖNB 949 (StSG 2,231,19), Clm 6277 (2,175,38), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (2,208,19). G54. f. 142v, Z. 21, cumulos – givuel (17) … In medio enim mari / (18) dormit qui in huius mundi temptati/ (19) onibus positus prouidere motus inru/ (20) entium uitiorum quasi inminentes un/ (21) darum cumulos neglegit (3,32; 492,38) ‚Inmitten des Meeres schläft derjenige, der inmitten der Versuchungen dieser Welt es unterlässt, die Bewegungen der wie drohende Wassermassen hereinbrechenden Sünden vorauszusehen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -umulos. givuel: Akk. Pl. st. N. (?) ahd. giwel ‚Masse, Haufen‘ – GSp 1,794. SpAW 1,1087. StWG 227. SchG 10,479. Siehe die Parallelglosse im Clm 6277: i. giuuel (StSG 2,175,41). G55.–59., f. 143r, Z. 5–8: (4) … Si enim guber/ (5) nator clauvm sollicite stringit modo / (6) in fluctibus ex aduerso nauem27 dirigit / (7) modo uentorum impetus per oblicum28 fin/ (8) dit29 (3,32; 492,42) ‚Wenn nämlich der Steuermann das Ruder sorgfältig handhabt, lenkt || 27 e zu i korrigiert? 28 oblicū korrigiert aus obliqū. 29 findit, aus fundit radiert.

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er bald das Schiff von der Gegenseite an die Wellen, bald zerteilt er schräg die Angriffe der Winde.‘ G55. f. 143r, Z. 5, stringit (3,32; 492,43) – dvingit Mit stumpfem Griffel schwach sichtbar intl. über -tringit. d ist sehr fein. Zwei gekreuzte Schrägen deuten auf v, danach folgt ein energischer i-Strich. dvingit: 3. Sg. Ind. Präs. st. V. ahd. dwingan ‚fest anpacken, straff führen‘ – AWB 2,813. GSp 5,269. SpAW 1,160. StWG 113, 801. SchG 2,336. EWA 2,922. Eine Parallelglosse enthält der Clm 6277, f. 139r, marg. rechts neben Z. 9, i. duingit (StSG 2,175,43). G56. f. 143r, Z. 5, modo (3,32; 492,43) – sar Mit stumpfem Griffel intl. über -o und in den Blattrand hinaus. sar: Adv. ahd. sār ‚alsbald, eben erst‘ – GSp 4,22. SpAW 1,793. StWG 508. SchG 8,108. G57. f. 143r, Z. 6, ex aduerso (3,32; 492,43) – [a] ?halp(…) – [b] duereh Zwei Eintragungen auf derselben Stelle intl. über aduerso, die erste mit stumpfem, die zweite mit spitzem Griffel. [a] ?halp(…): Was von der ersten Glosse gelesen werden konnte, deutet hin auf st. F. ahd. halba ‚Seite‘ – AWB 4,616. Vgl. die adverbielle Wendung ahd. bī halbu ‚seitlich‘ – AWB 1,957, 4,616. [b] duereh: Adj. ahd. dwerah ‚schräg, von der Seite her‘ – AWB 2,806. GSp 5,279. SpAW 1,160. StWG 113, 801. SchG 2,332. EWA 2,913, in unklarer Form, die gleich auch im Clm 6277 zu derselben Passage, aber zu per obliquum steht (StSG 2,175,45). G58. f. 143r, Z. 7, per oblicum (3,32; 492,44) – neigito Mit stumpfem Griffel, nur mühevoll, aber dennoch vollständig lesbar intl. über -blicū eingetragen. neigito: Adv. ahd. neigito ‚schräg, seitlich‘, adverbial verwendetes Part. Prät. sw. V. ahd. neigen ‚neigen, abwenden‘ – GSp 4,1128. SpAW 1,668. StWG 433. SchG 7,43. RSV 1,136. EWA 6,866. Riecke 538. G59. f. 143r, Z. 8, findit (3,32; 492,44) – slei Mit stumpfem Griffel intl. über -dit. Nach -i folgt möglicherweise vom Griffel der Glosse ein Querstrich. slei: Wohl gekürzt sw. V. ahd. sleizen ‚spalten, zerteilen‘ – GSp 6,817. SpAW 1,879. StWG 557. SchG 8,449. RSV 1,190. Riecke 544. Übersetzt die Textvariante. Die Glosse ist also nach oder im Zusammenhang mit der Korrektur eingetragen worden.

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G60.–62. f. 143r, Z. 9–13 (8) … ita cum mens uigilanter animam / (9) regit. Modo alia superans calcat / (10) modo alia prouidens declinat ut et prae/ (11) sentia ælaborando subiciat et con/ (12) tra futura certamina prospiciendo / (13) conualescat (3,32; 492,45) ‚Wenn so der Geist umsichtig die Seele regiert, zertritt er bald siegreich das eine und weicht bald vorsichtig dem anderen aus, auf dass er mit Anstrengung sowohl die gegenwärtigen Kämpfe bezwinge als auch mit Voraussicht für zukünftige stark werde.‘ G60. f. 143r, Z. 9, modo (3,32; 492,45) – svmenes Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über -odo und darüber hinausgehend. svmenes: Adv. ahd. sumanes ‚bisweilen, irgendeinmal, hin und wieder‘ – GSp 6,47. SpAW 1,962. StWG 606. SchG 9,324. Im Clm 6277 ist modo von 3,32 (Ed. 409,43) mit sumanes glossiert. Vgl. StSG 2,175,44 und oben die Glosse G56. G61. f. 143r, Z. 9, calcat (3,32; 492,46) – tri.it Mit stumpfem Griffel intl. über -lcat und bis in den Blattrand hinaus. Ein Knitter zwischen den beiden i verunklart den vierten Buchstaben. Auch über folgendem declinat ist etwas eingeritzt (vgl. unidentifizierte Griffeleintragungen). tri.it: 3. Sg. Ind. Präs. st. V. ahd. tretan ‚zertreten‘ – GSp 5,520. SpAW 1,1013. StWG 634. SchG 10,40. G62. f. 143r, Z. 13, conualescat (3,32; 492,48) – gimege Mit stumpfem Griffel intl. über -u- beginnend. gimege: 3. Sg. Konj. Präs. Prät.-Präs. ahd. gimagan ‚vermögen‘ – GSp 2,609. StWG 394, 826. Diese Bestimmung ist wegen e der Wurzelsilbe lautgesetzlich begründet, im Gegensatz zum sw. V. ahd. gimagēn, für welches ein Übergreifen des Umlauts angenommen werden müsste (AWB 6,71). Vgl. RSV 2,241. Krüer (1914: 14) fragt „janVerb?“ Das Prät.-Präs. war in Glossen bislang einmalig belegt im Clm 6277, zum selben Lemma convalescat, aber an anderer Stelle (Reg. past. 3,8; StSG 2,167,50). Die Glosse gimaga des Clm 6277 wird kontrovers beurteilt. GSp 2,609 und SchG 6,438 erkennen das Prät.-Präs., ABW 6,70f. und StWG 394 das sw. V. gimagēn. G63. f. 143r, Z. 14, patriae – heima (13) … Hinc rursus (Ed. rursum) de forti/ (14) bus superne patrie bellatoribus dicitur (3,32; 492,49) ‚Dies wird wiederum von den tapferen Kriegern der himmlischen Heimat gesagt.‘ Mit stumpfem Griffel intl. schwach über -trie eingeprägt. m ist klein. heima: Gen. Sg. st. F. ahd. heima ‚Heimat‘ – AWB 4,845. SpAW 1,372. GSp 4,946. StWG 263. SchG 4,241. EWA 4,907.

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G64. f. 143r, Z. 19, (suggestio) – rat (17) … ensis / (18) enim super femor ponitur quando / (19) acumine sanctae praedicationis praua sug/ (20) gestio carnis ædomatur (3,32; 492,52) ‚Das Schwert an den Schenkel legen (heißt) nämlich, mit dem Scharfblick der heiligen Predigt die verdorbene Versuchung des Fleisches bezwingen.‘ Mit stumpfem Griffel sehr schwach marg. rechts neben Z. 19, anschließend an sug-. Am besten sichtbar ist r. rat: Nom. Sg. st. M. ahd. rāt ‚Rat, Ratschlag‘ – GSp 2,461. SpAW 1,726. StWG 472, 828. SchG 7,324. G65. f. 143v, Z. 9, foetores – sveheda (9) Per nasum quoque odores foetoresque / (10) discernimus (3,32; 494,61) ‚Durch die Nase unterscheiden wir auch Wohlgerüche und Gestänke.‘ Mit stumpfem Griffel intl. ab -res. sveheda: Akk. Pl. st. F. ahd. swehhida ‚Gestank‘. Vgl. sw. M. ahd. swehhado – GSp 6,864. SpAW 1,976. StWG 615. SchG 9,383. Parallele Glossierungen mit swehhado finden sich im Clm 18140 und im Clm 19440 (StSG 2,195,36). G66. f. 143v, Z. 14, sita – gilegit (13) … quia discreta / (14) eorum prouidentia ita in alto sita est (3,32; 494,64) ‚weil deren sorgliche Vorsicht in solch großer Höhe gelegen ist‘. Intl. über dem Lemma, im hinteren Teil von Kratzern überzogen und nur mit Mühe lesbar. Nicht ganz klar, ob nach -t noch ein Buchstabe steht. gilegit: Adjektivisch verwendetes unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. leggen ‚hinlegen‘ – AWB 5,721. GSp 2,88. SpAW 1,536. StWG 365. SchG 6,12. RSV 1,309. EWA 5,1108. G67. f. 143v, Z. 17, munita – v (16) … et contra / (17) ea dum uenerint muni/ (18) ta subsistat (3,32; 494,66) ‚Und wenn die Kämpfe dann auf sie (die Vorsehung) zukommen, hält sie ihnen befestigt stand.‘ Mit stumpfem, feinem Griffel intl. über -n- eingeprägt. v: Wohl gekürzt Part. Prät. sw. V. ahd. warnōn ‚beschützen, befestigen, sich in Acht nehmen‘ – GSp 1,979. Vgl. G46. Die Zuweisung eines einzelnen Buchstabens an ein Lexem ist jedoch nicht zu sichern. Vgl. Nievergelt (2017a: 303f.). G68. f. 143v, Z. 20, quia – daz (20) … quia dum / (21) contra ictum quisque paratior redditur (3,32; 494,68) ‚denn wenn jeder sich gegen den Hieb in Bereitschaft setzt, …‘.

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Mit stumpfem Griffel intl. über qui-, auf stark zerkratzter Stelle nur sehr mühsam lesbar. daz: Konj. ahd. daz ‚denn, dass‘ – AWB 2,313. GSp 5,39. SpAW 1,132. StWG 91, 798, 840. SchG 2,152. G69.–70., f. 143v, Z. 22–23 (22) hostis qui se inopinatum credidit, eo / (23) ipso quo praeuisus est æneruatur (3,32; 494,69) ‚der Feind, der sich für unentdeckt hielt, wird schon dadurch, dass er vorhergesehen wurde, geschwächt‘. G69. f. 143v, Z. 22, inopinatum (3,32; 494,69) – ung(…)..rt(…) Mit feinem, stumpfem Griffel intl. über inopinatū eingetragen, nur zu Beginn lesbar. ung(…)..rt(…): Adj. ahd. ung[] ‚unbemerkt‘ zu inopinatus, wozu es in der althochdeutschen Glossenüberlieferung Vergleichsbeispiele gibt (SchG 12,278). Vgl. insbesondere die potentiellen Parallelglossen ungiuuadē (Karlsruhe, BL Aug. CCXX; StSG 2,237,5) und vngivuarnoten (Clm 6277; StSG 2,175,50). G70. f. 143v, Z. 23, aeneruatur (3,32; 494,70) – vueihit Mit einem wohl unregelmäßig zugespitzten Griffel intl. recht deutlich über dem Lemma eingetragen. vueihit: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. weihhen ‚entkräften, weich machen‘ – GSp 1,712. SpAW 1,1121. StWG 706. SchG 10,468. RSV 1,252. Riecke 453. Vgl. die Parallelglosse givueihit im Clm 6277 (StSG 2,175,52), in StWG 706 zu weihhen gestellt, in SchG 10,470 (gemäß GSp 1,714 und vielleicht wegen kíuueihán im Clm 14409, StSG 2,242,43) zu giweihhen.

Abb. 23: Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 143v, Z. 23: vueihit (G70)

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G71.–73. f. 144r, Z. 4–8 (3) … Quia dum / (4) mala ex iuditio faciunt districtius con/ (5) tra se iuditium accendunt, ut tanto / (6) eos durior sententia feriat, quanto / (7) illos in culpa arctius uincula delibe/ (8) rationis ligant (3,32; 494,74) ‚Denn wenn sie das Böse aus ihrem eigenen Urteil heraus tun, entzünden sie gegen sich ein strengeres Urteil, sodass der Schiedsspruch sie desto härter treffen wird, je fester die Fesseln sie in der Sünde einer freien Entscheidung umschlingen.‘ G71. f. 144r, Z. 4, districtius (3,32; 494,74) – ginotor Mit stumpfem Griffel intl. über -tius beginnend. Das zweite o ist nur resthaft sichtbar. ginotor: Der Glossator sieht in dem Lemma offenbar das Adverb; Komp. Adv. ahd. ginōto ‚streng‘ – GSp 2,1043. SpAW 1,678. StWG 215. SchG 7,134. Kommt im Clm 6277 an anderer Stelle als Interpretament zu districte vor: StSG 2,169,52 und 2,175,54 zu artius: ginotor. G72. f. 144r, Z. 7, artius (3,32; 494,75) – lihho Intl., sehr schwach über artius. lihho: Endung -līhho des Adverbs eines Adj. ahd. []līh (Schmid 1998), möglicherweise in hauptsächlich grammatischer Funktion. Von einer allfälligen Komparativform (-r) sind keine Spuren zu erkennen. G73. f. 144r, Z. 8, deliberationis (3,32; 494,75) – selpvuillun Mit stumpfem Griffel intl. über -tionis liga-, die letzten Buchstaben in schwacher Färbung. selpvuillun: Gen. Sg. sw. M. ahd. selbwillo ‚freier Wille, Entscheidungsfreiheit‘ – GSp 1,826. SpAW 1,804, 1089. StWG 515. SchG 8,152. Zu -un im Gen. Sg. der sw. Maskulina in späteren bairischen Quellen vgl. BRG §221,A.3; auch §59,A.2. G74. f. 144r, Z. 9, abluerent – puoz(…) (8) … Cicius fortasse / (9) delicta penitendo abluerent (3,32; 494,76) ‚Bereuend würden sie die Sünden vielleicht schneller tilgen.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -uerent. z vergrößert, danach resthaft weitere Einprägungen. puoz(…): Sw. V. ahd. buozen ‚sühnen, gutmachen‘ – AWB 1,1512. GSp 3,224. SpAW 1,117. StWG 85, 797. SchG 2,100. RSV 1,21. EWA 2,453. Riecke 337. Vgl. die Parallelglossen gipuoztin (Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732; StSG 2,195,41). Zur Etymologie vgl. auch Wissmann (1938: 15–17).

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G75. f. 144r, Z. 17, peccando – svnt.? (16) … cum / (17) ab (Ed. hi a) statu iustitię peccando concidunt (3,32; 494,81) ‚wenn sie sündigend vom sicheren Stand der Gerechtigkeit niederstürzen‘. Mit stumpfem Griffel sehr schwach intl. über -ecca-. svnt.?: Vermutlich sw. V. ahd. suntōn ‚sündigen‘ – GSp 6,264, das aus Bibel- und Gregorglossen als Äquivalent zu lat. peccare belegt ist (vgl. SchG 9,347). G76. f. 144r, Z. 21, studia – ilvnga (19) … Hinc est quod per prophetam / (20) dominus non30 tam praecipitationum praua, / (21) quam delictorum studia reprehendit (3,32; 494,84) ‚Daher kommt es, dass der Herr durch den Propheten nicht so sehr die Fehler der Übereilungen als vielmehr die Bestrebungen zu sündigen kritisiert.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -udi-, g schwach. ilvnga: Akk. Pl. st. F. ahd. īlunga ‚Eifer, Fleiß‘ – AWB 4,1490. GSp 1,232, 421. StWG 299. SchG 5,19. EWA 5,58. G77. f. 144v, Z. 7, insequitur – gihartit (4) Quoniam (Ed. Quia) igitur peccatis aliis differunt pec/ (5) cata quę per consilium perpetran/ (6) tur, noan tam praua (Ed. praue) facta dominus, quam / (7) studia prauitatis insequitur (3,32; 496,91) ‚Weil also die mit Überlegung begangenen Sünden sich von anderen Sünden unterscheiden, verfolgt der Herr die sündhaften Werke nicht so sehr wie die Vorlieben für Schlechtigkeiten.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -quitur. gihartit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. giherten ‚gegen Widerstand durchsetzen, jemandem hart zusetzen‘. Vgl. sw. V. ahd. herten ‚bedrängen‘ in AWB 4,1014. GSp 4,1024. StWG 272, 822. SchG 4,301. RSV 1,70. EWA 4,990. Riecke 435 (herten). Die Parallelglosse im Clm 6277 lautet – wohl verschrieben – i. hattit (StSG 2,175,64). Man vgl. mhd. geherten ‚behaupten‘ – LexerHWB 1,789 sowie die Regula pastoralisGlosse in Zürich, ZB Rh. 35, insecuntur – herden (StSG 2,240,10) und mhd. herten in dieser Bedeutung – LexerHWB 1,1267, worauf schon Steinmeyer hinwies (StSG 2,240,A.6). Vgl. auch Marti (2004: 100). G78. f. 144v, Z. 11, expressione – ofanota (11) Quo contra recte beati uiri expressio/ (12) ne per prophetam dicitur (3,32; 496,94) ‚Dagegen heißt es richtig beim Propheten bei der Darstellung des glückseligen Mannes: …‘.

|| 30 Über non ist dicit eingefügt.

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Intl. über -pressio- schwach, aber gut lesbar eingetragen. ofanota: Dat. Sg. st. M. ahd. offanōd, offanōt ‚Darstellung, Darlegung‘, deverbale Abstraktbildung zum sw. V. offanōn (AWB 7,55) mit Suffix -ōd, -ōt (SpAW 2,337–340, 343f. Henzen 175. Willmanns 2,345). G79. f. 144v, Z. 14, praesidentis – me(…)uues(…) (13) … Cathedra / (14) quippe iudicis esse (korr. aus est) uel presidentis so/ (15) let (3,32; 496,96) ‚Der Stuhl ist freilich der Sitz eines Richters oder eines Vorsitzenden.‘ Eine längere, sehr schwierig zu entziffernde Glosse, mit stumpfem Griffel intl. über presidentis und darüber hinaus eingetragen. me steht intl. über -re-, uues über -ntis so-. me(…)uues(…): Obwohl der volkssprachige Charakter sehr wahrscheinlich ist, gestattet die fragmentarische Lesung kaum sichere Zuweisungen. me(…) erinnert an das sw. V. ahd. meistarōn (AWB 6,387), Interpretament zu praesidere in Prudentiusglossen (StSG 2,419,18. 479,59). Evtl. steckt in uues st. V. ahd. wesan. G80. f. 144v, Z. 21, aelatione – pr..t. (20) Quasi in peruersi consilii cathedra31 se/ (21) det, qui tanta iniquitatis ælatione attollitur32 (3,32; 496,100) ‚Wer sich mit einer solchen Selbstüberhebung an Sünde aufrichtet, führt gleichsam den Vorsitz in einer lasterhaften Ratsversammlung.‘ Mit stumpfem Griffel sehr schwach über æla- eingetragen. pr..t.: Vermutlich sw. F. ahd. breitī ‚Ausdehnung, Umfang‘ – AWB 1,1348. G81. f. 145r, Z. 2, fulciuntur – irpurit (f. 144v, Z. 23) … Et sicut assistentibus turbis33 // (f. 145r, Z. 1) prelati sunt, qui cathedre honore / (2) fulciuntur (3,32; 496,102) ‚Und so wie diejenigen, die durch die Ehre eines Vorsitzes emporgehoben werden, gegenüber den sie umgebenden Massen Vorrang haben, …‘. Mit stumpfem Griffel intl. über -ulciunt-. irpurit: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. irburien, irburren ‚hochheben, aufrecht halten‘ – GSp 3,165. SpAW 1,87. StWG 87. SchG 2,116. EWA 2,467. RSV 1,286. Riecke 500. Eine Parallelglosse enthält der Clm 6277 (StSG 2,175,71). Vgl. auch in der Hs. die Glosse StSG 2,178,3.

|| 31 -m radiert. 32 attollitur marg. rechts nachgetragen. 33 Der Schaft von b quergestrichen.

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G82. f. 145r, Z. 5, colligant – firnemen (5) Admmonendi sunt ergo (Ed. ergo sunt) ut hinc colligant, / (6) qui in culpa se etiam per consilium / (7) ligant, qua quandoque ultione feri/ (8) endi sunt (3,32; 496,105) ‚Ermahnt werden sollen also diejenigen, die mit Überlegung in die Sünde eingebunden sind, damit sie daraus schließen, mit welcher Strafe sie über kurz oder lang zu treffen sein werden.‘ Mit feinem, mal spitzem, mal stumpfem Griffel gut lesbar intl. ab -o- eingetragen. firnemen: 3. Pl. Konj. Präs. st. V. ahd. firneman ‚erkennen, herleiten‘ – AWB 6,677. GSp 2,1066. SpAW 1,662. StWG xlv, 435. SchG 7,50. EWA 6,884. Vgl. in der Handschrift die Federglosse F149. G83. f. 145r, Z. 13, grauibus – hepig.n (12) … Atque aliter qui se a paruis cus/ (13) todiunt, sed aliquando in grauibus / (14) diemerguntur (3,33; 498,6) ‚Und außerdem (müssen) die (ermahnt werden), die sich vor kleinen (Fehlern) in Acht nehmen, aber manchmal in schweren versinken.‘ Intl. über -aui-. Der zweitletzte Buchstabe konnte nicht identifiziert werden. hepig.n: Dat. Pl. Adj. ahd. hebīg ‚schwerwiegend, gewichtig‘ – AWB 4,781. GSp 4,824. SpAW 1,366. StWG 273. SchG 4,125. EWA 4,880. G84.–85. f. 147r, Z. 10–11 (8) … simu / (9) latores cum parua custodiunt, odo / (10) rem de se extendere sancte oppiniorinis / (11) querunt (3,33; 502,63) ‚Heuchler, die, während sie sich um kleine Dinge kümmern, versuchen, um sich den Wohlgeruch eines makellosen Rufs zu verbreiten‘. G84. f. 147r, Z. 10, extendere (3,33; 502,63) – vuitpreit.. Mit stumpfem Griffel fein intl. über -tendere, ab p schwächer und in größer werdender Schrift, am Schluss unklar. vuitpreit..: (Inf.?) sw. V. ahd. wītbreitōn (oder wītbreiten?) ‚ausdehnen‘ – SpAW 1,1142. StWG 740. SchG 11,234. RSV 2,186. Riecke 425 (breiten). Unpräfigiert als janVerb bisher einmal belegt im Clm 18547b in einem problematischen Beleg. Vgl. Nievergelt (2007: 713f.). (Anders RSV 2,186: ōn-Verb mit Endsilbenabschwächung; vgl. auch StWG 740.) G85. f. 147r, Z. 10, oppinionis (3,33; 502,63) – vu Mit stumpfem Griffel intl. über oppi-. vu: Vermutlich gekürzt st. M. ahd. wān ‚Ansicht, Meinung‘ – GSp 1,857. SpAW 1,1060. StWG 694. SchG 10,373.

500 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

G86. f. 147v, Z. 3, leuari – lîhtit (3) Quoniam (Ed. quia) nec leuari appetait, et qui (Ed. qui et) hoc ip/ (4) sum quoniam (Ed. quia) cecidit nescit (3,34; 504,9) ‚Wer nicht weiß, dass er gerade gefallen ist, wünscht nicht aufgehoben zu werden.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -euari. Der Zirkumflex ist deutlich eingetragen. lîhtit: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. līhten ‚aufrichten, aufheben‘ – AWB 5,986. GSp 2,161. SpAW 1,543. StWG 375. SchG 6,89. RSV 1,110. EWA 5,1281. Riecke 475.

Abb. 24: Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 147v, Z. 3: lîhtit (G86)

G87. f. 147v, Z. 7, quam – vueo (6) … Prius ergo osten/ (7) denda sunt, quam sint uana quę / (8) diligunt (3,34; 504,12) ‚Man soll also (den Leuten) zuerst zeigen, wie nichtig dasjenige ist, was sie lieben.‘ Mit spitzem Griffel intl. über -am bis zu s- von sint, am Ende unsicheres o. vueo: Adv. ahd. wio, weo ‚wie, wie sehr‘ – GSp 4,1192. SpAW 1,1136. StWG 736, 856. SchG 11,203. G88. f. 147v, Z. 14, (inexperta? expertis?) – |rsuohtvn (13) … Melius enim inex/ (14) perta recipiunt, si de expertis quicquid disputatio/ (15) nis audiunt ueraciter recognoscunt (3,34; 504,16) ‚Sie billigen nämlich Ungeprüftes lieber, wenn sie etwas von dem Geprüften, das sie aus der Untersuchung hören, als wahr erkennen.‘ Mit stumpfem Griffel marg. links neben Z. 14. r steht zu s etwas erhöht, unter s ist ein p-ähnliches Zeichen eingeritzt. o weist links einen hochgehenden Schaft auf. Offenbar wurde zuerst h geschrieben, dies dann zu o korrigiert.

Die Glossen | 501

|rsuohtvn: Der Lemmabezug ist wegen der Verstümmelung des Wortanfangs nicht klar. Je nach dem, was vor |rs- stand, kann inexperta oder das als Textergänzung eingefügte expertis glossiert worden sein: Akk. Pl. N. oder Dat. Pl. N. sw. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. irsuohhen ‚versuchen, prüfen‘ – GSp 6,78. SpAW 1,785. StWG 610. SchG 9,348. RSV 1,213; zu inexperta vielleicht mit vorausgehendem ni oder un-. G89. f. 147v, Z. 18, deprehenderint – firstent (16) Tunc igitur pleno uoto discunt uera / (17) bona querere, cum certo iuditio / (18) deprehenderint, falsa se uacuae tenuisse (3,34; 504,19) ‚Dann also lernen sie aus vollem Wunsch das wirklich Gute zu suchen, wenn sie mit sicherem Urteil erkennen, dass sie in unnützer Weise das Falsche besessen hatten.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -prehenderint. Die Glosse ist schwierig zu lesen, vor allem im Bereich von -ste-. Vor und nach der Glosse weitere Griffelspuren. Marg. links neben Z. 17f. steht auch etwas eingeritzt (...o) (siehe Kap. 5.3.2.6.1). firstent: 3. Pl. Ind. Präs. an. V. ahd. firstēn ‚erfassen, wahrnehmen‘ – GSp 6,593. SpAW 1,922,923. StWG 585. SchG 9,161, das Präsens in Futurbedeutung. G90. f. 147v, Z. 19, quod – daz (19) Audiant ergo quod bona praesentia etiam (Ed. et a) / (20) dielectatione citius transitura sint (3,34; 504,20) ‚Sie sollen hören, dass die gegenwärtigen Güter, dem Vergnügen entrissen, schneller vorbeigehen werden.‘ Mit stumpfem Griffel, in leichter Färbung, intl. über quod. daz: Konj. ahd. daz ‚dass‘ – AWB 2,313. GSp 5,39. SpAW 1,132. StWG 91, 798, 840. SchG 2,152. Vgl. außerdem G68. G91. f. 148r, Z. 12, hodie – (…)vanne (12) ecce constitui te hodie super gentes et / (13) super regna (3,34; 504,30; Ier 1,10) ‚Sieh, ich habe Dich heute über die Völker und die Reiche gestellt.‘ Mit stumpfem Griffel intl. vor hodie einsetzend und über hodie lesbar. (…)vanne: Adv. ahd. []wanne ‚heute, für immer?‘ (zu Adv. ahd. wanne ‚wann‘ vgl. GSp 4,1201. SpAW 1,1061. StWG 695. SchG 10,381f.) Man vergleiche das Übersetzungswort eogawanna für hodie im Freisinger Paternoster (Clm 6330, f. 70v, Z. 20) – GSp 4,1204. StWG 307. S 44a,37. G92. f. 155r, Z. 12, dum – vvan (12) ne dum creduntur sufficere (3,36; 522,37) ‚wenn es (das Geringe) nur nicht für genügend gehalten wird‘. Fein, intl. vor d- beginnend und ansteigend, über -u- unsicheres n.

502 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

vvan: Wohl Konj. ahd. wan oder gekürztes wanta ‚weil, wenn, nämlich‘ – GSp 4,1206. SpAW 1,1061. StWG 695, 856. SchG 10,385. G93.–94., f. 155r, Z. 16–17 (14) Et grauis quidem praedicatori labor est, / (15) in (Ed. et in) communis praedicationis uoce, ad occul/ (16) tos singulorum motus causasque uigila/ (17) re, et palestrarum more, in diuersi / (18) lateris arte se uertere (3,37; 522,4) ‚Es ist eine schwere Aufgabe für den Prediger, beim Sprechen einer gemeinschaftlichen Predigt sowohl über die geheimen Regungen und Anliegen der Einzelnen zu wachen als auch wie in den Wettkampfstätten (nach Art der Wettkampfstätten) sich kunstgemäß nach verschiedenen Seiten zu wenden.‘ G93. f. 155r, Z. 16, motus (3,37; 522,4) – sueipa Mit spitzem Griffel intl. über -otu-, am Ende sehr schwach. Ein schräger Griffelstrich über -o- beeinträchtigt die Entzifferung. sueipa: Akk. Pl. st. M. ahd. sweib ‚Bewegung‘ – GSp 6,855. SpAW 1,982. (StWG 614 und SchG 9,379 [sweb]). G94. f. 155r, Z. 17, palestrarum (3,37; 522,5) – spilestetio Mit spitzem Griffel, der stellenweise auch breite Linien hinterlässt, über -rarum intl., recht gut lesbar. -o ist schwach und liegt etwas tiefer im m- von more drin. spilestetio: Gen. Pl. st. F. ahd. spilastat ‚Wettkampfstätte‘ – GSp 6,642. SpAW 904. StWG 575. SchG 9,88. G95. f. 155v, Z. 7, conspersione – givuonaheiti (6) … et sic frenenatevr (mehrfach korr., Ed. frenetur) leti/ (7) tia quae ex conspaersione est, ut tamen / (8) non crescat tristitia (3,37; 522,13) ‚Und die Freude, die der Gemütsveranlagung erwachsen ist, muss so gezügelt werden, dass dennoch die Traurigkeit dabei nicht zunimmt.‘ Mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über -nspaersione eingetragen. givuonaheiti: Dat. Sg. st. F. ahd. giwonaheit ‚was man gewohnt ist, natürliche Gemütsverfassung‘ – GSp 1,871. SpAW 1,1154. StWG 228f., 818. SchG 11,279. EWA 4,455. Die Wortgleichung lat. consparsio – ahd. giwonaheit ist aus etlichen Regula pastoralis-Glossierungen bekannt (siehe F175 und die Parallelglossen bei StSG 2,186,7 inkl. Clm 6277), sonst aber nicht zu dieser Textstelle. Vgl. auch eine entsprechende Glosse in Karlsruhe, BL Aug. CCXX (Karg-Gasterstädt 1938b: 455,9).

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G96. f. 155v, Z. 9, iste – svmer (9) … Iste grauatur usu im/ (10) moderatae praecipitationis (3,37; 522,14) ‚Einer ist belastet durch die Angewohnheit einer maßlosen Eilfertigkeit.‘ Mit stumpfem Griffel deutlich intl. über iste gr-. svmer: Nom. Sg. M. st. flekt. Pron. Adj. ahd. sum ‚ein gewisser, jener‘ – GSp 6,44. SpAW 1,962. StWG 606. SchG 9,323. G97. f. 155v, Z. 12, subito – drati (12) … eum uis praepedit subito natae / (13) formidinis (3,37; 522,16) ‚Die Macht einer plötzlich entstandenen Furcht lähmt ihn.‘ Mit stumpfem Griffel intl. über -to. drati: Adj. ahd. drāti ‚schnell, jäh‘ – AWB 2,629. GSp 5,256. SpAW 1,149. StWG 106, 800. SchG 2,283. EWA 2,760. Heidermanns (1993: 626), in unklarer Form. G98.–100. f. 155v, Z. 14–16 (13) … ille grauatur usu im/ (14) moderatae formidinis, et aliquan/ (15) do tamen in eo quod appetit, tene/ (16) ritate (Ed. temeritate) impellitur praecipitationis (3,37; 522,17) ‚Ein anderer leidet unter der Angewohnheit einer maßlosen Furcht, und dennoch wird er manchmal in dem, was er begehrt, durch eine Unbesonnenheit gedankenlosen Handelns angetrieben.‘ G98. f. 155v, Z. 14, formidinis (3,37; 522,17) – plodi Mit stumpfem Griffel intl. über -midin-. plodi: Gen. Sg. sw. F. ahd. blōdī ‚Furcht‘ – AWB 1,1225. GSp 3,251. SpAW 1,82. StWG 67, 794. SchG 1,435. EWA 2,196. G99. f. 155v, Z. 15, appetit (3,37; 522,18) – cher Mit ungleichmäßig zugespitztem Griffel intl. über -ppet-. cher: Gekürzt 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. gerōn ‚begehren, verlangen‘ – AWB 4,228. GSp 4,229. SpAW 1,298,299. StWG 198, 815. EWA 4,178. RSV 2,52. Zu der seltenen Bezeichnung von /g/ durch im Oberdeutschen vgl. BRG §149,A.8. G100. f. 155v, Z. 15, teneritate (!) (3,37, 522,18) – vndu.. Mit stumpfem Griffel intl. über dem zweiten e beginnend und in den Blattrand hinaus verlaufend. vndu..: Subst. ahd. vnd[], evtl. st. F. ahd. undult ‚Ungeduld‘ – GSp 5,136. SpAW 1,144. StWG 656. SchG 10,175. Vgl. das sw. V. ahd. undulten (GSp 5,139) zu lat. aestuare (StSG 2,401,54; 421,6) sowie eine Glosse im Clm 18550a (Nievergelt, in Vorb.).

504 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

G101. f. 156r, Z. 5, immanis – mih (4) plerumque enim debile corpus oppri/ (5) mit languor immanis (3,37; 524,27) ‚Oft nämlich drückt eine riesige Ermattung den schwachen Körper nieder.‘ Mit spitzem Griffel intl. über -mma-. mih: Gekürzt Adj. ahd. mihhil ‚groß, gewaltig‘ – AWB 6,563. GSp 2,622. SpAW 1,623. StWG 413. SchG 6,370. EWA 6,409. Heidermanns (1993: 405). G102.–103. f. 156r, Z. 8–10 (8) … Stu/ (9) det igitur qui medetur, quateinus / (10) sic superexsistentem morbum sub/ (11) trahat (3,37; 524,29) ‚Derjenige, der heilt, bemüht sich also, die so plötzlich auftretende Krankheit zu entfernen.‘ G102. f. 156r, Z. 8, studet (3,37; 524,29) – ille Mit stumpfem Griffel intl. über stu-. ille: 3. Sg. Konj. Präs. sw. V. ahd. īlen ‚sich bemühen, erstreben‘ – AWB 4,1475. GSp 1,226. SpAW 1,421. StWG 298, 823. SchG 5,12. EWA 5,42. RSV 1,78. Riecke 387. Auffällig ist die optativische Form gegenüber dem lateinischen Indikativ. Eine lateinische Glossierung mit Subjektergänzung ille ist inmitten der dichten, ausschließlich althochdeutschen Griffelglossierung wenig wahrscheinlich. G103. f. 156r, Z. 10, superexsistentem (3,37; 524,30) – megini Mit stumpfem Griffel deutlich in etwas nach rechts wegfliehender Schrift intl. über -entem eingetragen. megini: Vermutlich gekürzt Adj. ahd. meginīg ‚machtvoll, gewaltig‘ – AWB 6,61. GSp 2,621. SpAW 1,582. StWG 393. SchG 6,303. EWA 22,232. G104. f. 156r, Z. 15, [discretione] componit – mezhaft (14) tanta ergo adiutorium discreti/ (15) one componit, ut uno eodemque / (16) tempore et languori obuiet et / (17) debilitati (3,37; 524,33) ‚Er setzt also eine Arznei mit einem solchen Unterscheidungsvermögen zusammen, dass sie in ein und derselben Zeit sowohl der Krankheit als auch der Schwäche entgegenarbeitet.‘ Nach schwachem m kräftig und deutlich intl. über -ponit ut u- eingetragen. mezhaft: Gekürzt sw. V. ahd. mezhaftōn oder mezhaftigōn ‚maßhalten, mit Maß herstellen‘ – GSp 2,898. SpAW 1,619. StWG 411. SchG 6,358. RVS 2,102. Die Glosse nimmt auf den Kontext Bezug (tanta discretione componit).

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G105.–109. f. 156r, Z. 18–23 (17) … Si igitur medicina / (18) corporis indiuise adhibeita ser/ (19) uire diuisibiliter potest, tunc / (20) enim uera (Ed. uere) medicina est, quan/ (21) do sic per eam uitio superexistenti / (22) succurritur, ut etiam subpo/ (23) site conspearsioni (Ed. consparsioni) seruiatur (3,37; 524,35) ‚Wenn also eine leibliche Arznei ungeteilt verabreicht unterschiedlich wirken kann, – sie ist nämlich dann eine wahre Medizin (Ed. wahrlich eine Medizin), wenn mit ihr bei einer zufällig aufgetretenen Krankheit so geholfen wird, dass es dem Organismus auch grundsätzlich nützt –‘. G105. f. 156r, Z. 18, adhibita (3,37; 524,35) – pota... Mit stumpfem Griffel intl. über -hibita, am Ende verlöschend. pota...: Part. Prät. st. V. ahd. biotan ‚anwenden, anbieten‘ – AWB 1,1083. GSp 3,68. SpAW 1,67. StWG 57, 793. SchG 1,377. EWA 2,90. G106. f. 156r, Z. 19, diuisibiliter (3,37; 524,35) – vn Mit stumpfem Griffel intl. über -sibi-. ter in der gebräuchlichen Kürzung als t mit überliegendem Querstrich. Der Vokal e ist damit jedoch nicht gänzlich sicher. vnter: Gekürzt Adv. ahd. untar[] ‚unterteilt‘. Vgl. Adverbien wie ahd. unterskeidanto ‚trennend‘ und untarskeidlīhho ‚unterschiedlich‘ (GSp 6,438). G107. f. 156r, Z. 21, superexistenti (3,37; 524,36) – uue.. Mit stumpfem Griffel schwach intl. über -xis- eingetragen. uue..: Mit großer Wahrscheinlichkeit resthaftes oder gekürztes st. V. ahd. wesan ‚sein‘ – GSp 1,1053, was die allfälligen Parallelglossen zi leibo wesantemo (Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732; StSG 2,197,8) nahelegen. G108. f. 156r, Z. 22, subposite (3,37; 524,37) – ke.. Mit stumpfem Griffel intl. über sub-, nur am Anfang lesbar. ke..: Unklar. Vielleicht der Anfang ahd. gi- eines Part. Prät. G109. f. 156r, Z. 23, conspersioni (3,37; 524,37) – [a] aplagi – [b] suht aplagi mit stumpfem Griffel gut lesbar intl. über -rsioni. suht steht ebenfalls mit stumpfem Griffel, schwach, aber lesbar, unterhalb von -ersioni im unteren Blattrand. [a] aplagi: Dat. Sg. sw. F. ahd. abalāgī ‚Schwäche, Mattigkeit‘, Adjektivabstraktum gebildet aus dem Adj. ahd. abalāgi ‚kraftlos, unkriegerisch‘ – AWB 1,5. EWA 1,9.

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[b] suht: Dat. Sg. st. F. ahd. suht ‚Krankheit, Sucht‘ – GSp 6,140. SpAW 1,961. StWG 605. SchG 9,317. Auch diesem Dat. Sg. der i-stämmigen Feminina fehlt die Endung. Vgl. oben die Glossen G3 und G16 sowie BRG §218,A.2.

Abb. 25: Ahd. Griffelglosse: Clm 21525, f. 156r, Z. 23: aplagi (G109a)

5.3.2.6 Unidentifizierte und sonstige Griffeleintragungen 5.3.2.6.1 Unidentifizierte Griffeleintragungen Die folgende Zusammenstellung enthält Griffeleintragungen unterschiedlichen Charakters. Neben eindeutig als Schriftzug erkennbaren, aber unlesbaren Einträgen stehen sehr schwach, gleichsam flüchtig eingetragene Einritzungen, die nicht immer als Schrift bestimmbar sind. Um keine Missverständnisse heraufzubeschwören, haben wir weitgehend davon abgesehen, unsicher gelesene Buchstaben anzugeben. Einzelne Buchstaben werden nur dann wiedergegeben, wenn sie uns eindeutig erschienen. Bei Eintragungen, von denen nur resthafte Einzelstriche erkennbar sind, geben wir lediglich die Stelle bzw. das Textwort an, über welchem sie stehen. Bei Zeilenbruch ist der nicht betroffene Wortteil in eckige Klammern gesetzt. Auf marginale Eintragung weist allenfalls bei mutmaßlichen Bezugswörtern wie üblich die Klammer. f. 1r, Z. 3, pussillanimes; f. 1r, Z. 7, marg. r.; f. 1r, Z. 8, [ammo]nendi – fi; f. 1r, Z. 10, marg. r.; f. 3v, Z. 1, concupiscunt; f. 3v, Z. 6, appetunt; f. 3v, Z. 7, repellantur – t; f. 3v, Z. 8, praesumitur; f. 3v, Z. 8f., marg. l. zweizeilige Einritzung; f. 3v, Z. 12, cogitationum; f. 5r, marg. l. o.; f. 5r, Z. 1, primas (steht – wie mit Feder – secundum matthaeus?); f. 5v, Z. 13, agitur ut per; f. 5v, Z. 22, summi positi; f. 9r, marg. o.; f. 9r, Z. 4, uiuant; f. 9r, Z. 1–2, marg. r. st; f. 9r, Z. 11, uocet – ..lto; f. 9r, Z. 15, impleuit – (…)ot; f. 9r, Z. 19, mulier; f. 9v, Z. 5, marg. l.; f. 9v, Z. 9, qui magnis; f. 11v, Z. 16, ænumerat;

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f. 13r, Z. 1, unde – (…), siehe L56; f. 14v, Z. 1, experimento; f. 15r, Z. 2, [asstrin]gitur; f. 15v, Z. 7, tenere – (…)ft e (…); f. 15v, Z. 9, non – (…)ei. (noch zu consuætudo?); f. 15v, Z. 10, desiderium – t (über -ri-); f. 16r, Z. 1, conspicit; f. 16r, Z. 18, sed; f. 16v, Z. 1, curuum; f. 16v, Z. 7, et diuitiis; f. 16v, Z. 8, suffocantur; f. 16v, Z. 10, ueritas; f. 16v, Z. 11, carnalia opera; f. 16v, Z. 17, subtiliter; f. 16v, Z. 18, euntes – (…)e (e über -nt); f. 17r, Z. 3f., adiuuamus; f. 17v, Z. 1, foris; f. 17v, Z. 2, sauciat; f. 17v, Z. 2, cogitatione; f. 2, marg. l.; f. 7v, Z. 4, cutis; f. 17v, Z. 5, abstergere; f. 17v, Z. 6, non; f. 17v, Z. 19, quaeque; f. 17v, Z. 20, marg. l. (obicit?) – .cuun; f. 17v, Z. 21, uulnere; f. 18r, Z. 2, exasperat – a(…)ha, auf derselben Stelle wie die Federglosse giruhet (F93); f. 18r, Z. 7, marg. r.; f. 18r, Z. 16, marg. r., über der Federglosse huorlusti (F96); f. 18r, Z. 15, ponderosus – n (über -nd-); f. 18v, Z. 4, qualiter; f. 18v, Z. 5, pertimescat; f. 18v, Z. 7, uiuere; f. 18v, Z. 7, demonstremus; f. 18v, Z. 8, marg. r.; f. 18v, Z. 9, distare; f. 18v, Z. 10, uita; f. 8v, Z. 14, ergo; f. 18v, Z. 20, internorum; f. 19r, Z. 9, curat – (…)it; f. 19r, Z. 17, conspiciant – (…)he.; f. 19v, Z. 23, ueritatem (darunter); f. 20r, Z. 1, aerunt; f. 20r, Z. 9, diuina; f. 20r, Z. 10, correctiones – re(…); f. 20r, Z. 22, inportunitas; f. 20v, Z. 3, suggestionem; f. 20v, Z. 13, namque; f. 23r, Z. 21, prouocarent; f. 23v, Z. 9, marg. l. bis in die Zeile herein, auch über etiam; f. 24r, Z. 3–5 intl. diverse feine Spuren; f. 24r, Z. 8, (sonitus?) – (…)z.ala; f. 24v, Z. 15, punica; f. 25r, Z. 10, marg. r.; f. 25r, Z. 13, inmundi; f. 25r, Z. 19, etwas über der Marginalglosse uuortsao (F103); f. 25v, Z. 5, instantia; f. 27r, Z. 16, quibus; f. 29v, Z. 15, meritis; Z. 29v, Z. 21, eius; f. 32r, Z. 10– 11, marg. r., fa(…); f. 34v, Z. 23, frustra; f. 38r, Z. 8, intl. feine Spuren; f. 39r, Z. 4, tondentes; f. 39r, Z. 8, excrescant; f. 39v, Z. 23, blanda (unterhalb); f. 57r, Z. 10, designantur – ihv (über -gn-, v erhöht); f. 58r, Z. 12, ammonendi – v (über dem 2. m); f. 61v, Z. 16, inuicem; f. 66v, Z. 8, reddidisse; f. 68v, Z. 11, liuore; f. 69r, Z. 6, quid; f. 69r, Z. 10, humanos; f. 69r, Z. 13, ergo; f. 70v, Z. 2, linguam; f. 71r, Z. 10, culpam; f. 85v, Z. 10, marg. l. über der Federglosse tragent (F192); f. 91v, Z. 7, inconstantia; f. 99r, marg. o. sv; f. 101v, Z. 3, hominibus – sa..; f. 103v, Z. 10, perpendant; f. 108r, Z. 1, auxilium – ..illa (auf derselben Stelle Rest einer Schwarzstiftglosse; siehe Kap. 5.3.3); f. 108r, Z. 18, marg. l.; f. 115r, Z. 9, marg. r., inp; f. 117v, Z. 13, in hostis; f. 119r, Z. 2, merguntur; f. 125r, Z. 21, articulum; f. 140r, Z. 1, inlicita – (…)e; f. 140r, Z. 10, per tot personas – (…) (…)e.; f. 140r, Z. 14, dissimulant – s. (über -si-); f. 140v, Z. 1, cum (marg. o.); f. 140v, Z. 2, innotescit – (…)it; f. 140v, Z. 3, perpetrat (intl. über -etr-); f. 140v, Z. 5, mergitur; f. 140v, Z. 7, praedicauerunt – ..d. (siehe auch in der Edition die Glosse G34); f. 140v, Z. 7, absconderunt (über -sconde-); f. 140v, Z. 12, rursus scriptum (ab -sus); f. 140v, Z. 13, marg. l. pi; f. 140v, Z. 17, qui; f. 140v, Z. 19, districto (über -rict-); f. 141r, Z. 1, uoces; f. 141r, Z. 2, operibus; f. 141r, Z. 7, uincat (intl. über -inc-); f. 141r, Z. 12, scientiam (über -iam); f. 142r, Z. 1, scuto solliciti; f. 142r, Z. 2, marg. r. (iacula?); f. 142r, Z. 9, quanto; f. 142r, Z. 12, ut curare; f. 142r, Z. 22, cura (über -a su-); f. 142v, Z. 2, perpetrauerit; f. 142v, Z. 3, quam; f. 142v, Z. 6, aeuigilare; f. 142v, Z. 21, neglegit; f. 143r, Z. 1, studium; f. 143r, Z. 2, amittere; f. 143r, Z. 4, scli non tenere; 143r, Z. 10, declinat – ..s.t (über -at); f. 143r, Z. 10, marg. r.; f. 143r, Z. 15, cuiusque (über -usque); f. 143r, Z. 20, aedomatur; f. 143r, Z. 21, exprimitur; f. 143v, Z. 5–6,

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marg. l. zweizeilige Eintragung mit stumpfem Griffel; f. 143v, Z. 7, oculis; f. 143v, Z. 15, prius; f. 143v, Z. 16, uideant; f. 143v, Z. 16, contra – u.d.; f. 143v, Z. 21, paratior; f. 143v, Z. 22, crediti; f. 144v, Z. 13, sedit; f. 144v, Z. 18, perpetrare (intl. über -are); f. 144v, Z. 20, cathedram; f. 144v, Z. 21, consilium (über -ilium); f. 144v, Z. 21, peruersi – ..lh..; f. 144v, Z. 23, conaetur; f. 145r, Z. 2, praecipitatione; f. 145r, Z. 4, peccata; f. 145r, Z. 7, ligant; f. 145r, Z. 8, feriendi; f. 145r, Z. 10, marg. r.; f. 145r, Z. 12, qui in niminis; f. 146r, Z. 10, baratho (über -ath- wohl nur zwei Strichlein); f. 146v, Z. 5, inmensa – (…)ri(…) (über -mensa co-); f. 147r, Z. 18, minima; f. 147r, Z. 20, edifficanda quę – .e...na; f. 147v, Z. 4, marg. l.; f. 147v, Z. 6, requirit; f. 147v, Z. 7, marg. l. dat (t mit Querstrich); f. 147v, Z. 9, intimanda (über in- und -a); f. 147v, Z. 9, marg. l.; f. 147v, Z. 12, marg. l.; f. 147v, Z. 12, amanda – f(…) (ab -m-); f. 147v, Z. 17f., marg. l., ...o; f. 147v, Z. 20, adultione (über -e); f. 148r, Z. 4, perculsa, (), intl. und marg. r.; f. 148r, Z. 13, destruas (über -struas); f. 148r, Z. 16, utiliter (über -ilit-); f. 148r, Z. 17, auditorum (über -rum); f. 148r, Z. 18, naui; f. 148r, Z. 19, plantares; f. 148v, Z. 22, prostratus (über -atus); f. 149r, Z. 2, persequeris; f. 150v, Z. 13, per temporem; f. 150v, Z. 17, superato; f. 151v, Z. 3, ad retributionem; f. 151v, Z. 5, occulta; f. 151v, Z. 7, perceperunt; f. 152r, Z. 13, amanda – sti (oder sci) (über am-, mit spitzem Griffel); f. 154r, Z. 17, munis (über -is); f. 154r, Z. 20, auditorum; f. 155r, Z. 4, luxum; f. 155r, Z. 15, uoce (über -ce); f. 155r, Z. 18, se uertere; f. 155r, Z. 19, fatigatur; f. 155v, Z. 3, tergatur; f. 156r, Z. 16, obuiet (über -bu-); f. 156r, Z. 13, languor – (…)ual. (längere Griffeleintragung); f. 156r, Z. 16, languori; f. 156r, Z. 21, succurritur; f. 156r, Z. 23, seruiatur; f. 156v, Z. 11, marg. l. neben a uicina (zweizeilig?); f. 157r, Z. 5, nimirum – c (mit stumpfem Griffel über -ir-); f. 157r, Z. 15, adhuc; f. 157v, Z. 9, animus – ga... (über ani-; marg. l. auch noch etwas); f. 157v, Z. 22, tempore – .or (über -mpo-); f. 158v, Z. 18, quam; f. 158v, Z. 23, exprimenda – de (über -men-. Korrektur?); f. 158v, Z. 23, marg. r.; f. 160r, Z. 6, quoniam. 5.3.2.6.2 Lateinisches f. 13r, Z. 1, unde (1,9; 158,16) – idcirco – idcirco (L56); f. 115r, marg. u. ddequi; f. 121r, Z. 3, marg. r. quod; f. 121r, Z. 5, marg. r. quod; f. 132r, marg. o., pater; f. 141r, Z. 3, ad contra radiert, darauf mit feinem, stumpfem Griffel aliter. 5.3.2.6.3 Korrekturen und Ergänzungen f. 20r, Z. 12, ex se – non (marg. mit Feder: non); f. 66r, Z. 19, suggescione – über c ein t mit stumpfem Griffel; f. 78r, Z. 14, desperatione, 1. e mit stumpfem Griffel aus i korrigiert; f. 108r, Z. 2, idcirco mit Griffel und dann mit Feder eingetragen; f. 154r, Z. 8, medicamina – ta intl. über -ina, wohl Korrektur.

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5.3.2.6.4 Akzente f. 67v, Z. 8, deuitant Akzent auf i mit Griffel und Feder; f. 72r, Z. 9, Zirkumflex über o von langoris; f. 142v, Z. 19, Zirkumflex über dem ersten e von prouidere. 5.3.2.6.5 Anderes, Zeichnungen Auf f. 6r, m. o. ist in sorgfältiger Schrift ein vollständiges Alphabet eingeritzt (vgl. Nievergelt 2007: 89,A.91); f. 12r, Z. 12, die Versalie ist mit stumpfem Griffel vorgeschrieben; f. 17v, marg. l., obere Blatthälfte, Zeichnung einer -Initiale. Vgl. Seitenmitte die Versalie ; f. 25v, marg. l. neben Z. 7–9, Hand, die aus einem Ärmel ragt; f. 25v, Z. 17, in se – eine kleine Zeichnung unklaren Sujets; f. 34r, Z. 11–13, marg. r., Tierkopf; f. 35v, marg. l., verzierte -Initiale; f. 53v, Z. 7–8, marg. l., Blättchen; f. 74v, marg. l., Kopf mit Griffel und Feder; f. 82r, marg. o. und in den Text hinunterreichend, Figur, der Kopf oben auf Augenhöhe beschnitten; f. 88v, marg. l., Tier (zwei in den Blattrand ragende Beine); f. 132v, marg. o., Ranken und Blätter; f. 102v, marg. u., kleines Ornament; f. 103r, marg. u., kleines Ornament; f. 142v, Z. 19, dormit – ? Über -it ein unbestimmbares Zeichen. Wohl keine Glosse; da und dort intl. Markierungen in Form von Strichen, z. B. f. 27r, Z. 11, nach consuluit; f. 27r, Z. 15, über testamenti. Oftmals Querlinien über Wörtern. 5.3.2.6.6 Kritzeleien f. 6r, marg. u.; f. 34r, Z. 14, intl. f. 35v, Z. 22, intl.; f. 40r, Z. 15, marg. r.; f. 81r, Z. 17, über nimirum; f. 86v, Z. 10–14 intl. Schreibübungen mit spitzem Griffel (g-, n/m- und o-Formen); f. 135r, marg. u., p; f. 144v, marg. u. Kritzelei. 5.3.2.7 Die Sprache der Griffelglossen Analog zu derjenigen der Federglossen orientieren wir uns bei der sprachlichen Analyse der Griffelglossen an dem in der paläographischen Untersuchung gewonnenen Bild eines zusammengesetzten bzw. uneinheitlichen Korpus. Wir versuchen prinzipiell, die Glossen gruppenweise zu betrachten, nämlich jeweils die Glossen, die nach äußeren Merkmalen zusammengehören. Nun lässt sich diese Gruppierung aber nur grob vornehmen. Anders als bei den Federglossen konnten bei den Griffelglossen nicht belastbare Handzuweisungen, sondern lediglich eine Aufteilung auf zwei Bereiche vorgenommen werden, in denen sich in der Schrift zwar pro Bereich Eigenheiten andeuten (siehe oben Kap. 5.3.2.3), die Glossen aber nicht von einer, sondern lediglich teilweise von den gleichen Händen stammen. Der erste Bereich umfasst die Glossen G1–25 (G26–27 nehmen wir hinzu), der zweite die Glossen G28–109. Die Untersuchung widmet sich besonders graphematisch-phonematischen sowie morphosyntaktischen Fragen. Im Zentrum steht der Versuch, in den Schreibungen der Belege diejenigen sprachlichen Merkmale zu sammeln, die für

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eine zeitliche und räumliche Einordnung der Sprache nutzbar gemacht werden können. Die Glossen G1–25 bilden nur dadurch eine Gruppe, dass sie in der Handschrift räumlich beieinander stehen, während diese Gruppe ansonsten heterogen ist. Isoliert davon stehen die beiden Glossen G26 und G27. Sie werden hier mitberücksichtigt. Im Konsonantismus gibt es wenig Markantes zu nennen. Germ. Tenues sind nur ganz wenige belegt. *t ist intervokalisch verschoben und geschrieben als in uzan (G25). Vorahd. *p könnte in der resthaft lesbaren Glosse kelpfa. (G12) stecken (vgl. EWA 4,146–148). *k kommt geminiert als in iukkon (G17) vor, einer im Oberdeutschen eher unüblichen Graphie (vgl. aber BRG §180,,1). Nach s ist *k als geschrieben in scrinit (G9), verschoben ist es in sih (G11). Gut bezeugt sind die germanischen Medien, die eine weitgehend durchgeführte Verschiebung zeigen. Westgerm. *d erscheint in meitte (G7) in eigenartiger und lautlich unbegründeter Schreibung als , eine insgesamt sehr seltene Abweichung in althochdeutschen Quellen (vgl. BRG §164,A.3). Westgerm. *b ist durchgängig zu

verschoben, ebenso westgerm. *g in der Graphie (G2, G12, G14, G18), nur in der intervokalischen Position steht in kanuogant (G2). für westgerm. *g nach r in heriperca (G24) ist paläographisch unsicher. Westgerm. *ϸ ist überall mit wiedergegeben (G1, G4, G8, G11, G13). Germ. *f erscheint (anlautend, prävokalisch) entweder als in zadenuurilitan.. und uirstantit (G4, G6) oder auch als in forakahe und ferit (G18, G22). Germ. *w ist in suinant (G5) nach s mit einfachem wiedergegeben, im Anlaut in uuirsistun (G19) und uuas (G27) mit ; unklar ist in uuot (G3). Die Präfixe ahd. gi- und zi- zeigen noch die alte a-Lautung in G2, G4 und G18, fir in G6 dagegen bereits den jüngeren Vokal. Germ. *ō ist diphthongiert in kanuogant (G2); in G3 ist die Schreibung ambig. Dass G6, G7 und G24 jüngere Schichten repräsentieren, ergibt sich hauptsächlich aus der Schrift. Eine älteste sprachliche Schicht zeichnet sich sachte in den mit ka- präfigierten Belegen G2 und G18 ab, zu denen auch die paläographisch nahestehenden, aber sprachlich unspezifischen Glossen G1, G5, G9, G10, G19 zu stellen sind. Diejenigen Glossen, die wir nach paläographischen Kriterien ungefähr in die Mitte des 9. Jahrhunderts datierten, zeigen also anlautend die ganze Medienverschiebung, inlautend in kanuogant (G2) aber auch wieder , und hier auch bereits diphthongiertes ō. -ant in der 3. Pl. Ind. Präs. der jan-Verben im selben Beleg ist unspezifisch und für die Datierung nicht hilfreich. Von präkonsonantischem h am Wortanfang ist in uuas (G27) – wie danach auch in vueo (G87) in der größeren Glossengruppe – keine Spur zu sehen. Als Dat. Sg. aufgefasst zeigen uuot (G3) und unlust (G16) die seltene endungslose Form (vgl. BRG §218,A.2. SchABG §109b). Die umfangreichere Gruppe G28–109 vermag dank der größeren Materialmenge ein aspektreicheres Bild abzugeben. Trotz ebenfalls mehrerer Hände erscheint sie graphematisch konsistenter, ein Befund, der sich im Sprachlichen wiederholt. Im Konsonantismus tritt recht deutlich Altbairisch zutage. Schwach repräsentiert sind wieder die germ. Tenues. Vorahd. *t erscheint postvokalisch nach Diphthong und

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im Silbenauslaut als einfaches in muozhafta und mezhaft (G33, G104), *k intervokalisch als in suohhento und sprehhant (G35, G41), sowie auch als in vueihit (G70) und mih (G101). Die Affrikate wird nach n mit wiedergegeben in pidenc (G48). Ausnahmslos in der Graphie

steht westgerm. *b (G29, G31, G37, G38, G42, (G45?), G48, G49, (G57?), G73, G74, G81, G83, (G93?), G98, G105, G109). Dagegen ist ebenso praktisch ohne Ausnahme westgerm. *g, mit geschrieben, in Lenislautung erkennbar (G43, G46, G53, G54, G58, G62, G66, G71, G76, G77, G95, G103, G109). In cher (G99) erscheint g anlautend in der typisch oberdeutschen Schreibung , die (im Auslaut) auch in der Federglosse F172 auftaucht. In der Schreibung zeigt sich eine artikulatorische Annäherung von germ. f in afur (G47) und hochdeutschem f in ofanot und ofanota (G51, G78), zweiteres intervokalisch einfach geschrieben. Gegenüber in G47 taucht germ. f in hepig.n (G83) dagegen als

auf (vgl. bei BRG §139,A.5 zu statt in hevīg in bairischen Glossen). Germ. *w wird meist mittels wiedergegeben (G30, G46, G50, G54, G70, G73, G84, G85, G87, G95). zeigt vvan (G92), vielleicht me(…)uues(…) und uue.. (G79, G107). In dvingit (G55) steht, nach Dental – nicht eindeutig lesbar – einfaches ; einfaches erscheint, nach s, auch in sveheda (G65). Die Häufigkeit von v korrespondiert damit, dass auch der Vokal u da und dort mit wiedergegeben wird (G15, G34, G46, G53, G60, G75, G76, G88, G96, G100, G106). Im Vokalismus der Haupttonsilben sind die bairischen Konservatismen verschwunden: Germ. *ō ist überall zu uo diphthongiert (G33, G35, G36, G74, G88, G95), *ai zu ei gehoben (G37, G58, G59, G63, G70, G84, G93, G95). Neben in ferit (G22) steht vor -rt- in gihartit (G77) das oberdeutsch hier übliche a. Während der Flexionssilbenvokalismus fast überall noch voll ausgebildet ist – -io in spilestetio (G94), -i in givuonaheiti (G95), typisch bairisch -un im Gen. Sg. der sw. M. in selpvuillun (G73) – zeigt der Vokalismus der Präfixe die im Altbairischen späten Formen mit i: gi- (G43, G46, G54, G62, G66, G71, G77, G95), int- (G50), ir- (G81) und fir- (G82, G89). (ke in G108 ist ganz unsicher gi-.) Der Dativ Sg. der a-stämmigen Maskulina lautet in ofanota (G78) auf -a, derjenige der i-stämmigen Feminina kommt einmal endungslos vor in suht (G109; vgl. dazu G3 und G16). Abschwächung wird nur vereinzelt in ein paar Mittelsilben sichtbar (z. B. G60, G65, G94, auch G53?), in für ō der ōnVerben in givuarnvn (G46) und in den Kasusendungen tauchen Ausgleichstendenzen nur punktuell auf, beispielsweise in stivrnagela (G53). Der in den Glossen überlieferte Wortschatz ist zu weiten Teilen bekannt, davon einiges aus Parallelglossen (vgl. in den Editionsartikeln zu G2, G6, G13, G14, G36, G53, G54, G55, G69?, G70, G74, G77, G81, G95, G107?) und Glossen zu denselben Lemmata (G5, G65). Dazu gibt es aber auch Neues: Erstbelege betreffen das ahd. Adj. muozhaft (G33), das st. F. ahd. swehhida (G65), das st. M. ahd. offanōd, offanōt (G78) sowie das sw. F. abalāgī (G109). Dazu erscheinen der Zweit- und erstmals deutliche Beleg für das Prät.-Präs. gimagan (G62) und der Zweitbeleg für

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das sw. V. wītbreiten (G84). Unwirkliches st. V. skrīnan in G9 könnte irrtümlich entstanden sein.34 Unsicher ist die Rekonstruktion eines sw. M. ahd. iukko in G17. Die Sprache der althochdeutschen Griffelglossen des Clm 21525 ist zusammenfassend wie folgt zu charakterisieren: Der oberdeutsche Sprachcharakter ist deutlich, insbesondere in den Resultaten der Zweiten Lautverschiebung und hier evident im Bereich der westgermanischen Media *b. -un in der 3. Pl. Ind. Prät. der janVerben (G34) und

aus b für intervokalisches germ. f erlauben eine Zuordnung zum Bairischen. Durchgängig für /g/ in den Glossen im hinteren Teil der Handschrift und überall für den alten Langvokal germ. ō zeigen zusammen mit der Präfixform gi- einen Sprachstand, wie er laut Grammatiken im Bairischen am Ende des 9. Jahrhunderts erreicht ist. (Nach SchABG §70 verliert sich die Schreibung k-, cim Anlaut erst im 10. Jahrhundert.) -a im Dat. Sg. der st. Maskulina, das in G78 erscheint, kommt v. a. im Bairischen gegen Ende des 9. Jahrhunderts vor (BRG §193,A.1; SchABG §96a). Weitere bairische Charakteristika wie u für ō in Endsilben und -un im Gen. Sg. der sw. Maskulina gelten gar als verhältnismäßig jung. Die genannten Merkmale kommen in einem Großteil der Glossen nach f. 140 vor und hier auch in solchen Glossen, die wir oben nach paläographischen Gesichtspunkten in das zweite Drittel bis in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts datierten (G46, G62, u. a.). Das hat zur Folge, dass die Sprache dieser Griffelglossen im Bild der Grammatikschreibung gegenüber der Zeit ihrer Aufzeichnung tendenziell progressive Züge offenbart. Trifft unsere paläographische Datierung zu, zeigen die Glossen, dass die Fortisqualität von westgerm. g und der alte Monophthong ō auch im Bairischen recht zügig verschwanden. Die Griffelglossen G28–109 des Clm 21525 besitzen sprachlich wie graphematisch ein recht exaktes Gegenstück in den althochdeutschen Griffelglossen des Clm 18765 (Nievergelt, eingereicht).35 Dank dieser Korpora tritt allmählich Griffelglossierung aus einer Zeit zutage, aus welcher wir bislang nur wenig althochdeutsche Griffelglossen kennen (zweites Drittel bis zweite Hälfte 9./ Anfang 10. Jahrhundert). Falls es sich bestätigen sollte, dass sich den Griffelglossen entlang dank ihres mehrheitlich nicht kopialen und damit zeitgenössischen Sprachcharakters eine eigene Chronologie der sprachlichen Veränderungen erstellen lässt (vgl. Ernst/Elspaß 2011), bildeten diese Korpora wichtige Glieder zwischen der mittlerweile zu großen Teilen untersuchten frühen Griffelglossenkorpora und einigen aus dem 10./11. Jahrhundert. Innerhalb des Clm 21525 erweisen sich die Griffelglossen als Arbeiten, die mit oder kurz nach der Farbstiftglossierung eingesetzt haben

|| 34 Etwas Ähnliches, aber fehlendes statt überflüssiges r zeigt beispielsweise die Glosse istcaspiuzzit im Clm 18550a (Glossar), StSG 2,222,5 und A.1. 35 Es handelt sich um 116 identifizierte althochdeutsche Griffelglossen, die zusammen mit 50 lateinischen Griffelglossen und zahlreichen unidentifizierten Einritzungen in Boethius’ ,De consolatione philosophiae‘ eingetragen sind. Vgl. BStK-Nr. 657.

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mochten. Einige der sporadischen Eintragungen aus dem vorderen Handschriftenteil (z. B. G1, G2, G5, G9, G10, G19) dürften, wie die Farbstiftglossen, handschriftennah entstanden sein, die älteren der Glossen in den Lagen 19–21 jedoch nicht unbedingt später. 5.3.2.8 Glossierungstechnische Beobachtungen Die Glossen geben in der Regel lateinische Einzelwörter mittels volkssprachiger Äquivalente wieder, sie erklären dabei aber Unterschiedliches. Bei durchgängiger Glossierung mittels ganzer Wortformen, ist die Glossierung stark grammatisch geprägt. Nur gerade einige lexikalisch gekürzte Glossen scheinen auf die Klärung der Wortsemantik beschränkt. Die Interpretamente wurden grundsätzlich aus derselben Wortart gewählt und in der Form nach Kasus, Numerus, Tempus und Modus möglichst kongruent gebildet. Dies gilt weitgehend für die Glossierung lateinischer Substantive, Verben und Adjektive. Unflektiert tritt nur in G27 und G97 ein Adjektiv auf, und die endungslosen Dat. Sg.-Formen der i-stämmigen st. F. (G3, G16, G109) könnten theoretisch auch Nominativformen sein. Kongruenz ist auch da zu sehen, wo das Althochdeutsche grammatische Kategorien selbst nicht kennt und mit eigenen Mitteln ausdrücken muss (vgl. Glaser 2009: 378). Die Wiedergabe des lateinischen Ablativs durch den Dativ und synthetischer Passivformen mittels periphrastischer Konstruktionen ist im Althochdeutschen so üblich, dass man von Regeln der Übertragung sprechen kann. Sie kommen auch in den Griffelglossen des Clm 21525 zur Anwendung (ahd. Dativ für lat. Ablativ in G3, G16, G38, G40, G53, G78, G83 und G95, Passivumschreibungen in G10, G14, G37, G45, G51, G70, G81 und G86). Als Eigenheit der Glossierung erscheint jeweils das unflektierte Partizip Präteritum und nie ein Hilfsverb. Typisch althochdeutsch ist auch die Wiedergabe des lateinischen Futurs mittels Präsens (G5) und eines lateinischen Deponens mittels aktiver Form (G42, G77). Weitere Strategien bestehen in der Wiedergabe einer im Lateinischen finiten Form durch eine Adverbialbildung des Partizip Präsens in G35 oder eines lateinischen Infinitivs mittels verwendetem Partizip Präsens in G21; beide Belege liegen jedoch in unsicherer Lesung vor. In G66 hat das Partizip Präteritum Adjektivfunktion inne. Ein Unterschied zwischen den Glossen G1–27 und G28–109 zeigt sich im Umfang der Interpretamente. Glossierung mittels Einzelwörtern ist bei beiden Gruppen die Regel. Kleinere Syntagmen kommen nur in den Glossen im vorderen Teil der Handschrift vor: Satzeinleitungen (G1, G11), Präpositionalgefüge (G4) und mit Partikel negierte Verbform (G14). In den Glossen hinten in der Handschrift ist die Wiedergabe mittels Einzelwort sehr fest, was besonders in den Interpretamenten zu lateinischen Passivformen auffällt, die aus reinen Partizipien bestehen (siehe oben). Die Wortarten sind quantitativ ungefähr gleichmäßig vertreten. Recht groß ist die Gruppe althochdeutscher Adverbialbildungen (G20, G30, G31, G35?, G49, G52, G56, G58, G60, G71, G72, G87, G91, 106?). Ein syntaktischer Fokus der Glossierung ist

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darin zu sehen, dass wiederholt lateinische Satzanschlüsse geklärt werden (G1, G25, G47, G52, G68, G90, G92). Das Demonstrativpronomen ahd. der, diu, daz begegnet als Relativpronomen in G8 und G11 und in Artikelverwendung in G4. Ein paar wenige Griffelglossen treten in Doppelglossierungen auf, zweimal zwei Griffelglossen (G57a+b, G109a+b), einmal eine Griffel- und eine Federglosse (G6 + L71), die Federglosse lateinisch. In G57 können die Schichten nach ihrer äußerlichen Erscheinung auseinandergehalten werden, in G109 ist dies wenig klar. Fast ein Zehntel der Glossen treten gekürzt auf, bis auf eine erscheinen alle in Form lexikalischer Kürzung in Form der Wiedergabe des Wortanfangs (G26, G44?, G59, G67?, G85?, G99, G101, G103, G104, G106). Grammatik erklärend ist lihho in G72 (Angabe der Wortart?). In G103, G104 und G106 erscheint das Verfahren charakteristisch für eine bestimmte Hand. In G106 wird eine konventionelle, markierte Kürzung verwendet und gleichzeitig der hintere Wortteil unmarkiert suspendiert. Ob die Glossatoren Vorlagen verwendeten, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Dass die Sprache der Glossen gegenüber dem Äußeren der Einträge jung erscheint, spricht eher dagegen. Parallelglossen zu Federglossenbelegen in anderen Handschriften sind aber gleichwohl vorhanden, und dies mit 15 (davon 2 unsichere) nicht wenig (G2, G6, G13, G14, G36, G53, G54, G55, G69?, G70, G74, G77, G81, G97, G107?). Wie bei den Farbstiftglossen sind die entsprechenden Griffelglossen im Clm 21525 – wo sich dies überhaupt feststellen lässt – formal jedoch oft eigenständig (G2, G6, G70, G77). Zwischen den Glossen G1–27 und G28–109 ergeben sich verschiedene Ausrichtungen auf die Überlieferung. Die Glossen im vorderen Handschriftenbereich weisen keine Parallelbelege zum Clm 6277 auf. Einen Beleg haben sie mit dem Clm 18550a (Glossar) gemeinsam. Die Glossen der letzten drei Lagen dagegen sind mit acht Parallelbelegen deutlich mit den Federglossen des Clm 6277 verbunden (G36, G53, G54, G55, G69?, G70, G77 und G81), allerdings sind nur vier davon formal identisch (G36, G53, G54, G55). Drei der identischen (G53–55) stammen von derselben Hand, darunter das Interpretament giwel in G54, das in den althochdeutschen Regula pastoralis-Glossen zu der betreffenden Textstelle nur gerade im Clm 6277 und Clm 21525 belegt ist. So ausgeprägt der Bezug der Griffelglossen G28–109 des Clm 21525 zur Federglossierung im Clm 6277 ist, so auffällig fehlt er zu denjenigen im Clm 18550a (Text + Glossar). Zur Einbettung der Griffelglossen in die gesamte Entstehung der Glossierung des Clm 21525 siehe die Zusammenfassung dieses Kapitels.

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5.3.3 Farbstiftglossen 5.3.3.1 Autopsiebericht Ein kleiner Teil der Glossen des Clm 21525 ist mit Farbstiften eingetragen worden. Die Bezeichnung Farbstift wird im vorliegenden Zusammenhang als Terminus technicus verwendet für diejenigen Eintragungen in der Handschrift, die in einem Auftrag von beim Abrieb von Stiften bzw. Minen auf dem Pergament verbliebenen Farbmitteln bestehen. Soweit heute noch erkenntlich, stammen diese oft nur resthaft erhaltenen Eintragungen von verschiedenen Instrumenten. Eine größere Gruppe bilden schwärzliche Eintragungen durch ein Instrument, das wir mit Schwarzstift benennen. Sie ähneln in technischer Hinsicht stark den Glosseneintragungen in anderen Handschriften36, die ihrerseits in der Forschungsliteratur als Schwarzstiftglossen behandelt wurden, was ihre Bezeichnung als Schwarzstiftglossen auch im Clm 21525 berechtigt, auch wenn das sie verursachende Instrument weder in Form noch Material erschlossen werden kann. Wenige isolierte weitere Glossen zeigen eine andere Farb- und Auftragserscheinung, unter ihnen ein Eintrag mit einem – ebenfalls behelfsmäßig zu benennenden – Braunstift (FS14). Von den Farbstifteintragungen konnten 15 als althochdeutsche Textglossen identifiziert (Edition FS1–15) und ein paar weitere nicht sinnvoll gelesen werden. An etlichen Stellen ist zudem fraglich, ob hier ebenfalls eine Farbstifteintragung gestanden hatte und inzwischen verlöscht ist (z. B. f. 94r, Z. 4, 6–8). Aus dem ermittelten Material ergeben sich keine Hinweise auf lateinische Glossen. Die Schwarzstiftglossen sind in der überwiegenden Mehrzahl sehr schlecht sicht- und lesbar. Sie bestehen aus feinen, schwärzlichen Schreiblinien37, die – soweit ersichtlich – mit wenig Druck geschrieben wurden und dementsprechend kaum Eintiefungen ausbilden. Plastische Begleiteffekte weisen die Glossen FS1 und FS2 auf, doch ist die Situation hier derart unklar, dass gar das Vorhandensein zusätzlicher Griffeleintragungen in Erwägung gezogen werden muss. Die Haftungskraft der Pigmente ist als gering einzustufen. Darauf verweist die Forschungsgeschichte der Farbstiftglossen im Clm 21525, die gar Anlass zur ernsthaften Befürchtung gibt, dass die Glossen einer starken Gefährdung ausgesetzt sind. Dies ist zwar eine bekannte Tatsache bei Farbstiftglossen (vgl. Nievergelt 2009b: 232), doch gibt es im Falle des Clm 21525 handfeste Nachweise. Die Nachweise liefert die Erforschung der Glossen durch Steinmeyer, wobei er ganz offensichtlich die Glossen noch deutlicher und vollständiger lesen konnte, als dies heute möglich ist. Steinmeyer ist von verblasster Tinte ausgegangen. Die Glossen müssen zwar schon sehr farbschwach gewesen sein, indem sie Steinmeyer wiederholt als „mit sehr blasser tinte“ (StSG 2,187,A.4) bzw. generell als „ganz blass“

|| 36 Z. B. in den Hss. Clm 6277, Clm 6297, Clm 14461, Clm 18547b, Wien, ÖNB 1218. 37 Durch das Pergament hindurchschimmernde Tintenfarbe kann ähnlich aussehen.

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(StSG 2,192,A.1, 3, 4) beschreibt. Ungeachtet dessen gibt Steinmeyer umfangreichere Lesungen. Wir wissen nicht, mit welchen Methoden Steinmeyer seine Entzifferungen durchführte. Dass er im Entziffern verblasster Tinte eine außerordentliche Befähigung besaß, belegen seine Editionen, nicht zuletzt diejenigen einiger schwacher Tintenglossen im Clm 21525. Von den Farbstiftglossen FS1, FS2, FS6 und FS10 konnte Steinmeyer mehr lesen, als es uns heute möglich ist. Für die Glossen FS1 und (relativiert) FS2 gibt Steinmeyer vollständige Lesungen, die von uns in wiederholter und langwieriger Untersuchung nur noch bestenfalls nachvollzogen, aber nicht selbständig erlangt werden konnten. Dass Steinmeyer wenige weitere Farbstiftglossen übersah (FS3, FS4, FS5, FS12) bzw. einmal Buchstaben nicht mitlas (FS11), liefert nicht den kleinsten Grund, an seinen vollständigen Lesungen zu zweifeln. Da Steinmeyers Wiedergaben einen besseren Zustand der Glossen reflektieren, werden wir uns bei der sprachlichen Analyse von Belegen, die von uns weniger deutlich, nicht besser oder nicht anders gelesen werden konnten, an ihnen orientieren. Nach dem Gesagten ist bedauerlicherweise zu konstatieren, dass die Farbstiftglossen in den vergangenen 150 Jahren an Farbkraft eingebüßt haben müssen. Über die Ursachen können nur Vermutungen angestellt werden, da es keine Hinweise auf Eingriffe gibt. Dass die Pigmente verblassten, ist wegen der unregelmäßigen Verluste weniger wahrscheinlich38, als dass sie abgerieben wurden. Schlecht haftendes Material kann wohl schon allein bei aneinandergedrückten Seiten von der Unterlage gelöst werden. Geschehen kann das bei jeder Art von Pressung des Buchs mit Abrieb auf die aufliegende Seite, durch aufgelegte Glasplatten oder ähnliches. Ansonsten ist noch an ein Abgreifen bei unsachgemäßer Berührung der Textfläche zu denken. Jede Form, über die Seite zu wischen, und sei es mit dem leichtesten Staubwedel, dürfte die Eintragungen besonders gefährden. Eine große Gefahr für Farbstiftglossen geht zudem vom Ansaugen von Pergamentseiten beim Digitalisieren aus. Die Untersuchung und Entzifferung von Schwarzstiftglossen ist unter Bedingungen durchzuführen, die sich von denjenigen sowohl bei Griffel-, aber auch bei Federglossen unterscheiden. Bei Streiflicht sind Schwarzstiftglossen praktisch unsichtbar, was für Griffelglossen bei Auflicht gilt.39 Die Glanzeffekte, die bei fetthalti-

|| 38 Zu Lichtempfindlichkeit von mittelalterlichen Farbstifteintragungen ist wenig bekannt. Es ist davon auszugehen, dass sich eisenhaltige Mineralfarben durch Oxidation im Laufe der Zeit verfärbten. Für ein Ausbleichen gibt es dagegen keine Hinweise. Bei farbigen Eintragungen ist die optische Qualität mit der Schärfe des Hell-Dunkel-Kontrasts von Auftrag zu Untergrund gleichzusetzen. Dieser wird durch das Eindunkeln des Pergaments verringert. Ob eine zusätzliche Aufhellung des Auftrags hinzukommt, ist indes nicht zu ermitteln. 39 Das wird in der Entdeckungs- und Entzifferungsgeschichte der Griffel- und Farbstiftglossen der Handschrift Paris, BnF lat. 9389 deutlich. Bei der Untersuchung mit Licht wurden nur die Griffelglossen entdeckt. Die Farbstiftglossen kamen erst bei einer Untersuchung zum Vorschein, bei welcher die Benutzung einer Lampe nicht mehr erlaubt war. Vgl. Nievergelt/De Wulf (2015: 83).

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gen Eintragungen auftreten können, sind an den Schwarzstiftglossen des Clm 21525 nicht zu beobachten. Ebenso wenig sind Fluoreszenzeffekte zu bemerken, die bei Tinteneintragungen mit der UV-Lampe nutzbar gemacht werden können. Grundsätzlich ideal sind Lichtsituationen, bei denen der größte Helligkeitskontrast zwischen dem Dunkelheitswert des Farbstifts und demjenigen des Pergaments gebildet wird, also unter Abschirmung allen direkt einfallenden Lichts. Die Entzifferungen waren denn auch am erfolgreichsten bei ganz schwachem Licht unter größtmöglicher Abdunkelung (eine solche ließ sich behelfsmäßig herbeiführen, indem die Handschrift durch ein darübergehaltenes Papierblatt in Schatten getaucht wurde) und dabei meist auch erst, nachdem das Auge sich eine Zeit lang an die Situation gewöhnt hatte. Nach eintragungstechnischen Kriterien lässt sich die folgende Gruppierung durchführen: a) Glossen FS1, FS2, FS4–13, unklar FS15 (?), dazu unidentifizierte auf f. 64v, 93v, 94v, 98v, 99r, 106v, 107r, 108r, 129r: Interlineare Eintragungen von einem Schwarzstift in ganz unterschiedlichem Erhaltungszustand. Gut lesbare Eintragungen stehen neben beinahe erloschenen, weshalb die technische Zusammengehörigkeit nicht in jedem Fall feststeht. Schriftmorphologische Differenzen kommen noch dazu, siehe unten. b) Glosse FS3: Schwärzliche Marginalglosse von einem spitzen Instrument. c) Glosse FS14: Interlinearglosse von einem Braunstift. Vielleicht stammt auch FS15 von einem bräunlichen Stift. 5.3.3.2 Paläographische Bemerkungen Zur Schrift der Farbstiftglossen kann nur wenig Charakteristisches gesagt werden. Die wenigen Eintragungen enthalten eine nur geringe Menge an Buchstaben, die ihrerseits keine eigenwilligen oder prägnanten Formen und auch keine Varianten ausbilden, und gehören zudem mehreren Schichten an. Innerhalb der Gruppe der Schwarzstiftglossen fallen Unterschiede in der Schriftgröße auf, die schwierig zu interpretieren und vielleicht für die Schichtung auch nicht relevant sind. Als rare Besonderheit ist eine eigentümliche Streckung von n in den Glossen FS7 und FS8 zu erwähnen, die bei n in den übrigen Glossen fehlt. Zusammen mit der stark unterschiedlichen Sichtbarkeit entsteht – wenn auch ein nur unbestimmter – Eindruck, dass die Schwarzstiftglossen nicht alle von derselben Hand stammen. Zusammengehörigkeit ist anhand der Schrift mit einer gewissen Bestimmtheit nur für beieinanderstehende Glossen zu postulieren wie für die folgenden Glossengruppen: – Glossen FS4 und FS5 und unidentifizierte auf f. 93v und f. 94v. – Glossen FS6, FS7, FS8 und unidentifizierte auf f. 98v und f. 99r. – Glossen FS9, FS10, FS11, FS12, unsicher FS13 und vielleicht unidentifizierte auf f. 106v, 107r und f. 108r. Graphematische und sprachliche Merkmale verdunkeln die Zusammengehörigkeitsverhältnisse zusätzlich. Siehe dazu Kap. 5.3.3.5.

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5.3.3.3 Edition FS1. f. 64v, Z. 12, uendicat – cauuinnit – StSG 2,187,24 (10) … tanto deterior culpa doloris / (11) fiat (Ed. fit), quanto sibi ante homines uirtutis spe/ (12) ciem uiendicat (Ed. uindicat) (3,9; 302,86) ‚Umso schlimmer würde die Sünde des Unwillens, je mehr sie für sich vor den Menschen den Schein der Tugend annimmt.‘ Äußerst schwache Schwarzstiftglosse intl. über uiendi-, die Steinmeyer offensichtlich noch vollständig lesen konnte und als „mit sehr blasser tinte“ geschrieben charakterisierte (StSG A.4). Die Glosse ist heute nur noch mit viel Geduld zu sehen (siehe Autopsiebericht oben). Bei Beleuchtung mit Streiflicht ist eingeprägt zu lesen .a..?nit, wobei nicht klar wird, ob an diesen Stellen der Farbstift Einprägungen hinterließ, oder ob es sich um eine zusätzliche Glosse mit Griffel handelt. cauuinnit: 3. Sg. Ind. Präs. st. V. ahd. giwinnan ‚annehmen, aneignen, besiegen‘ – GSp 1,876. SpAW 1,1228. StWG 732. SchG 11,177. FS2. f. 71v, Z. 23, prestantius – .ua.. – StSG 2,188,A.8: uua lira oder ähnliches (f. 71v, Z. 21) … est autem speciale duplum (Ed. duplicium) malum, … / (22) … / (23) … quasi prestantius ceteris prudentes se // (f. 72r, Z. 1) esse gloriantur (3,11; 320,81) ‚Das besondere Unglück der Unaufrichtigen besteht aber darin, … dass sie sich gleichsam rühmen, von vorzüglicherer Klugheit als die anderen zu sein.‘ Schwarzstiftglosse intl. über prestantius, von der heute nur noch über pr- letzte Farbreste erhalten sind. Bei dem, was uns lesbar war, handelt es sich um Einprägungen, von denen nicht einmal sicher ist, dass sie von einem Farbstift oder einem Griffel stammen. Da Steinmeyer ganz offensichtlich noch mehr lesen konnte, ist – wenn überhaupt – seine Lesung auszuwerten, auch wenn er sie als nur mutmaßlich kennzeichnet. .ua.. bzw. uua lira: Nom. Pl. M. st. flekt. Komp. Adj. ahd. wal, wol ‚vortrefflich‘ – StWG 744, also ‚vorzüglichere Kluge‘ statt adverbial ‚vorzüglicher Kluge‘, das Adjektiv hier einmalig belegt. (In SchG 12,61 wird der Beleg unter den unidentifizierbaren Eintragungen aufgeführt.) Angesichts dieser Überlieferungssituation ist der Ansatz eines Adj. ahd. wal, wol sehr unsicher. Gleichfalls unsicher ist das auch nur einmal belegte Adj. ahd. unwol (GSp 1,830, mit Vorbehalten. Clm 14747, f. 95r, Z. 1, incerta – unuuiolloiv; StSG 2,333,2). FS3. f. 79v, Z. 4, (uitio) – fizo (2) … sed nec per / (3) ignem rubiginem amittimus, quando / (4) et inter flagella uitio non caremus (3,13; 338,76) ‚Aber wir verlieren den Rost selbst durch das Feuer nicht, wenn wir inmitten der Züchtigungen uns nicht von der Sünde lossagen.‘

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Schwärzliche Eintragung in kleiner Schrift marg. links neben Z. 4, unklar, mit was für einem Instrument eingetragen, eher Farbstift als Tinte. fizo: Dat. Sg. st. F. ahd. fizze, fizzea ‚Laster, Fehler‘ – EWA 3,338, hier bestimmt als frühes Lehnwort aus spätlat. vitium. Das jō-stämmige Wort erscheint in unserer Glosse in später (< fizzu) oder an die ō-Stämme angeglichener Lautgestalt. Das Wort war bislang einmalig in der St. Galler Abrogans-Handschrift (p. 121, Z. 16; StSG 1,141,12) belegt und wurde in der Forschung verschieden determiniert: Als i-stämmiges N. bei StWG 162 und AWB 3,935, beiderorts mit Fragezeichen, als das st. F. fizza (aus Verwechslung des Lemmas mit lat. licium) in Splett (1976: 211, 443) und SchG 3,190. Die u. E. überzeugende Erklärung einer Herleitung aus vitium, die auch bei GötzLAN 716 und im AWB erwogen wird, wird vielleicht gestützt durch das Wort Fitze(-n) für die ‚Zuchtrute‘ in rezenten Dialekten wie im Schweizerdeutschen, das hingegen vielleicht aus dem Verb fitzen ‚mit einer Rute, einer Peitsche schlagen‘ rückgebildet ist. Vgl. dazu SI 1,1152 und DWB 3,1695, fitzen 3) ‚virgis caedere‘ und Fitzer 2) ‚ictus‘. FS4. f. 93v, Z. 10, gloriantium – fro.. (9) Qui rursus ad alios loquens, cum de ab/ (10) stinentię uirtute gloriantium praecepta / (11) restringeret (Ed. praestringeret), adiunxit (3,19; 376,44) ‚Und wiederum zu den anderen sprechend, fügte er, indem er auf die Vorschriften derjenigen anspielte, die sich der Tugend der Enthaltsamkeit rühmen, hinzu, …‘. Verblasste Schwarzstiftglosse intl. über glor-. fro..: Resthaftes sw. V. aus der Gruppe ahd. frewen, frouwen, frōōn, frōēn ‚frohlocken, sich freuen‘ – AWB 3,1227, 1246. GSp 3,798. SpAW 1,268. StWG 177, 179. SchG 3,294, 310. EWA 3,552. RSV 1,294, 3,217. frōēn ist als Äquivalent zu lat. gloriari im Abrogansglossar bezeugt (StSG 1,136. 137,31). FS5. f. 93v, Z. 12, superstitionem – kameitheit (11) … quę sunt rationem / (12) quidem habentia sapientiae, in superstiti/ (13) onem et humilitatem (3,19; 376,46; Col 2,23) ‚Diese (Vorschriften) sind zwar kluge Berechnungen in Sachen religiöser Schwärmerei und Demut, …‘. Schwache, aber recht vollständig lesbare Schwarzstiftglosse intl. über superstiti-. kameitheit: Akk. Sg. st. F. ahd. gimeitheit ‚Aberglaube‘ – AWB 6,394. GSp 2,702. SpAW 1,609. StWG 213. SchG 6,320. EWA 4,322. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Glossar): in superstitione – ingameitheiti (StSG 2,224,8). FS6.–8. f. 99r, Z. 4–7 (4) … ne ue/ (5) nalem dei iustitiam æstimaent, si cum curant / (6) pro peccatis nummos tribuere, arbitraen/ (7) tur se posse inulte peccare (3,20; 388,92–94) ‚auf dass sie die Gerechtigkeit Gottes nicht für eine käufliche halten, wenn sie glauben,

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dass sie ungestraft sündigen können, wenn sie dafür sorgen, dass für die Sünden Almosen verteilt werden‘. FS6. f. 99r, Z. 5, uenalem (3,20; 388,92) – laz – StSG 2,192,1: laz Nur noch resthaft lesbare Glosse intl. über -nal-, die bereits Steinmeyer als „ganz blass“ bezeichnete (vgl. StSG 2,192,A.1). z ist heute nur noch zu erahnen. Steinmeyer ediert zum Lemma uenalem laz n..nen. Er hat vermutlich laz (in Kenntnis zweier Parallelglossen?) gedeutet bzw. als gekürzte Glosse betrachtet, für das Folgende aber offenbar keine Erklärung gefunden und keine eigene Lemmazuweisung vorgenommen. laz: Gekürzt Akk. Sg. N. st. flekt. Adj. ahd. []l(i), wozu sich das Adjektiv ahd. feili ‚feil, verkäuflich‘ anbietet – AWB 3,692. Die Position über der Wortendung unterstützt die Interpretation als grammatische Glossierung. Lesung und Bestimmung werden gestützt durch eine Reihe von Parallelglossen: Karlsruhe, BL Aug. CCXX, f. 60r, Z. 23, feila (GSp 3,495); Clm 18550a (Glossar), f. 156r, Z. 16, feilaz (StSG 2,224,40); St. Gallen, Stiftsbibliothek 219, p. 149, Z. 20, fekllb (Griffelglosse; Nievergelt 2009a: 108). Die Bestimmung des Interpretaments als Adj. ahd. laz ‚nachlässig‘ in SchG 5,478 ist dagegen schon aus semantischen Gründen unglaubhaft. FS7. f. 99r, Z. 5, aestiment? – n??nen (3,20; 388,92) – StSG 2,192,1: n..nen (zu uenalem) Wie zu Steinmeyers Zeit nur noch in Teilen lesbare Schwarzstiftglosse intl. über -ē dī iusti-. An der Schrift fallen die niedrigen, in die Breite gezogenen n auf. Zwischen den ersten beiden n konnten wir nicht einmal mehr Spuren ausfindig machen. n??nen: 3. Pl. Konj. Präs. vielleicht sw. V. ahd. nemnen ‚bezeichnen, halten für‘ – AWB 6,1161. Die Bestimmung ist unsicher, zumal die Glosse vor aestiment steht. Die Zuweisung zum sw. V. ahd. wānen in SchG 10,375 (?[uua]nen) erfolgte ohne Beachtung des ersten Buchstabens. FS8. f. 99r, Z. 7, inulte (3,20; 388,94) – ni garo – StSG 2,192,3: ..ungarih.. Sehr blasse (vgl. StSG 2,192,A.1), aber vollständig lesbare Schwarzstiftglosse intl. über -e posse inulte peccar-. Vorher und nachher ist nichts Weiteres zu erkennen. Auch hier ist n niedrig und eigentümlich breit. ni garo: Bestehend aus ni: Neg.part. ahd. ni ‚nicht‘ – AWB 6,1203 und garo: Gekürztes (adverbial verwendetes?) Part. Prät. st. V. ahd. rehhan (garo[hhan(o?)]) ‚rächen, strafen, vergelten‘ – GSp 1,1132. SpAW 1,734. StWG 476 (bei StWG 663 der Beleg nach StSG unter Adj. ungirohhan. Vgl. GSp 1,1134). SchG 7,359. Die neue Lesung unterstützen folgende Parallelglossen: Karlsruhe, BL Aug. CCXX, f. 60v, Z. 3, ungerochen (StSG 2,234,32; die Glosse steht marg. und ist intl. ausgewischt); Clm 18550a (Glossar), f. 156r, Z. 17 ungiroħ (StSG 2,224,41); zudem auch Zürich, ZB Ms. Rh. 35,

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f. 58r, Z. 15, unerrochene (StSG 2,240,3040). Aufgrund der neuen Lesung ist ebenfalls die Einordnung bei SchG 10,204 (?ungarih[tit] ‚ungestraft‘) zu revidieren. FS9. f. 101v, Z. 7, uendicant – cauuinnant – StSG 2,192,9 (5) … Incassum se ergo / (6) innocentes putant, qui commune dei / (7) munumnus sibi priuatum uiendicant (3,21; 394,12) ‚Mit Unrecht halten sie sich also für schuldlos, die die gemeinschaftliche Gabe Gottes für sich persönlich aneignen.‘ Gut lesbare Schwarzstiftglosse, intl. über -ndiecant und darüber hinaus. cauuinnant: 3. Pl. Ind. Präs. st. V. ahd. giwinnan ‚annehmen, aneignen, besiegen‘ – GSp 1,876. SpAW 1,1228. StWG 732. SchG 11,179. Vgl. oben FS1 und die parallele Glosse uruuinnant (St. Florian, BAC III 222 B) und uuruinnent (Wien, ÖNB 949) bei StSG 2,229,7.

Abb. 26: Ahd. Farbstiftglosse: Clm 21525, f. 101v, Z. 7: cauuinnant (FS9)

FS10. f. 102v, Z. 6, ultrix – daz rehantli? – StSG 2,192,16: daz rehantlia (5) ... eumque post / (6) hanc uitam ultreix gehenna suscepit (3,21; 396,42) ‚und ihn empfing nach diesem Leben die rächerische Hölle‘. Schwarzstiftglosse, intl. über ultrix gehen-, recht gut sicht- und lesbar. Steinmeyer las nach i noch a, von dem heute nichts Sicheres mehr ermittelt werden kann. Da jedoch die Glossen seit damals ganz offensichtlich stark an Sichtbarkeit eingebüßt haben, ist die Lesung Steinmeyers der Bestimmung zugrunde zu legen. daz rehantlia: Bestehend aus daz: Nom. Sg. N. best. Art. ahd. daz ‚das‘ – AWB 2,412 und rehantlia: Nom. Sg. N. sw. flekt. Adj. ahd. rehhantlīh ‚rächend‘ – SpAW 1,735. StWG 477. SchG 7,360. Das Neutrum ist aus einem mitgedachten volkssprachigen || 40 Die Glosse steht über inulte und nicht, wie StSG 2,240,A.17 angibt, über peccare. Vgl. Marti (2004: 109).

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Neutrum zu erklären, das mit großer Wahrscheinlichkeit das st. N. ahd. wīzi ‚Hölle, Höllenstrafe‘ ist – GSp 1,1117. Vgl. dazu die Parallelglosse im Clm 18550a (Glossar) garihlihazuuizzi (StSG 2,224,52). Ausfall bzw. Nichtschreibung von intervokalischem h in flektierten Formen von Adjektiven auf -līh ist beispielsweise auch in den Griffelglossen des Clm 6277 belegt (Ernst 2007: 460, 462, 468, 539). Es handelt sich wohl nicht um ein Kürzungsverfahren, sondern um eine Wiedergabe sprechsprachlicher Lautung und lässt auf ein schwach artikuliertes h in dieser Position schließen. FS11. f. 103r, Z. 7, munifici – X kepakerne – StSG 2,192,20: kepa.... (6) … ne ual/ (7) de munifici uideri appetant (3,21; 398,60) ‚Sie sollen nicht danach streben, sehr freigiebig zu erscheinen.‘ Schwarzstiftglosse intl. über dem Lemma und bis über uide-. Vor der Glosse steht mit demselben Instrument ein großes X über m-. Die Glosse ist vollständig lesbar. Die unvollständige Lesung in StSG ist im AWB 4,135 mutmaßlich als Adj. gebalīh bestimmt, in StWG 193 dem st. F. geba zugewiesen, in SchG 3,411 durch Michael Flöer in der Ansatzform kepak[ern] zutreffend korrigiert bzw. konjiziert. X kepakerne: Das X hat wohl die Funktion, auf die Glosse hinzuzeigen, allerdings erscheint es in der Hs. nur bei dieser einen Glosse. kepakerne: Nom. Pl. M. st. flekt. Adj. ahd. gebagerni ‚freigiebig‘ – AWB 4,134. SpAW 1,293, 299, 300. StWG 193, 814. SchG 3,411. EWA 4,111.

Abb. 27: Ahd. Farbstiftglosse: Clm 21525, f. 103r, Z. 7: X kepakerne (FS11)

FS12. f. 103v, Z. 23, quasi – eristo (f. 103v, Z. 22) … qui offert sacrifi/ (23) cium ex substantia pauperis, quasi // (f. 104r, Z. 1) qui uictimat filium in conspectu pa/ (2) tris (Ed. patris sui) (3,21; 400,88; Sir 34,24) ‚Wer ein Opfer darbringt aus dem Besitz eines Armen, der opfert gleichsam den Sohn vor den Augen des Vaters.‘ Schwach sichtbare Schwarzstiftglosse intl. über qua-.

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eristo: Adv. (?) ahd. ērist ,in erster Linie, zunächst‘ – AWB 3,404. GSp 1,438 (?), SpAW 1,185. StWG 132, 805. SchG 2,482. EWA 2,1139 oder Adj. Nom. Sg. M. ahd. ēristo ‚als erster‘ AWB 3,413. GSp 1,440. FS13. f. 106r, Z. 10, non permittunt – farsak (8) … pensemus quanta sint / (9) mala discordie, que nisi extincta sint fun/ (10) ditus (Ed. funditus fuerint), bonum subsequi non permittunt (3,22; 406,56) ‚Bedenken wir, wie groß die Sünden der Zwietracht sein müssen, indem sie, solange sie nicht gänzlich getilgt sind, gar nicht zulassen, dass das Gute folgen kann.‘ Gegen hinten sehr schwache Farbstifteintragung intl. über -rmittun-. farsak: Gekürzt sw. V. ahd. firsagēn ‚verweigern‘ – GSp 6,103. StWG 502. SpAW 1,782. SchG 8,65. RSV 2,251, als Glosse zum Ausdruck non permittunt. FS14. f. 127v, Z. 20, exsecrandis – za?grehanseasiguo.nga: (19) … Cum enim paulus fornicati/ (20) onis uitium tot criminibus exsecrandis inseru/ (21) it cuius sit reatus indicauit (3,27; 454,135) ‚Indem nämlich Paulus die Sünde des Ehebruchs unter so vielen zu verfluchenden Vergehen einreihte, zeigte er an, von welcher Schwere des Verbrechens sie ist.‘ Mit bräunlichem Farbstift intl. über exsecrandis inseru-. Sehr schwierig zu entziffern. Unklar, ob einzelne Buchstaben von anderen überschrieben sind und ob die Eintragung am Anfang radiert und dabei verschmiert wurde. Nach z- scheinen Buchstaben übereinandergeschrieben zu sein. r folgt unmittelbar auf g, und nach n folgt s so eng, als ob hier eine andere Eintragung beginne. za?grehanseasiguo.nga: Die in vielen Teilen unsichere Lesung erlaubt nur annäherungsweise Deutungen. Möglich ist eine Abfolge Präp. za + Inf. st. V. g(i)rehhan + 3. Sg. Konj. Präs. Verbum subst. (und davor Akk. Sg.? F.? Pers.-Pron. siu) + sī-g- + ?, wobei sich das Verb auf exsecrari, sī auf sit, und sich der Rest auf fornicatio zu beziehen hätte, in der Bedeutung einer verkürzenden Umformulierung ‚zu rächen sie sei –‘ ? Der einfache Infinitiv statt des flektierten nach zi kommt im Altbairischen in seltenen Fällen vor (BRG §315,A.2). Ahd. girehhan ‚rächen‘ passt aber nicht wirklich gut zu lat. exsecrari. FS15. f. 128v, Z. 20, resipiscunt – ·i· ferna (18) … quid igitur isti dicturi sunt si aliis / (19) in integritate stantibus. ipsi nec post dam/ (20) na resipiscunt (3,28; 458,16) ‚Was also werden sie sagen, wenn sie selbst – während sich andere in Unversehrtheit behaupten – nicht einmal nach Niederlagen wieder zu sich kommen?‘ In technisch unklarer Ausführungsweise (Schwarz- oder Braunstift?) schlecht lesbar intl. über -cunt eingetragen.

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·i· ferna: Unklar. Vermutlich gekürzt. Ein st. V. *firnesan – vgl. die Glosse zur selben Textstelle ·i· niginesant im Clm 6277 (StSG 2,174,37) – ist wegen -a nicht in Betracht zu ziehen, und n als st zu lesen (vgl. ahd. firstantan GSp 6,602) ist aus dem handschriftlichen Befund nicht zu bewerkstelligen. 5.3.3.4 Unidentifizierte Farbstifteintragungen Erloschene Schwarzstifteintragungen stehen über den folgenden Textwörtern: unsicher f. 26v, Z. 19, innitente (vgl. vielleicht Mayer 1974: 143,16); f. 64v, Z. 15, dilectio bis über non; f. 93v, Z. 8, manducantem; f. 94v, Z. 5, rixas – (…)a; f. 98v, Z. 22, naturam; f. 99r, Z. 17, dicat; f. 106v, Z. 3, ad; f. 107r, Z. 3, sentiendo; f. 108r, Z. 1, auxilium; f. 129r, Z. 4, transacta; f. 144v, Z. 7, prauitatis – ..at (intl. über -atis); außerdem f. 107r, Z. 1, über hominum zwei Striche mit Schwarzstift. 5.3.3.5 Sprachliche und glossierungsfunktionale Merkmale Die Farbstiftglossen FS1, FS2, FS4–13, die als Schwarzstiftglossen unter sich teilweise paläographische Zusammengehörigkeit zeigen, sind in ihrem Sprachcharakter wie die übrigen althochdeutschen Glossen des Clm 21525 bairisch, sie zeigen dabei aber den ältesten Lautstand. Im Unterschied zu den anderen Glossen erscheint westgerm. */g/ in allen Positionen verschoben und wird mit vor a (FS1, FS9) und mit vor e (FS11), aber auch vor a (FS5), wiedergegeben. Einmal steht dennoch (FS8), doch ist das höhere Alter durch den Vokal a auch hier ausgewiesen. Desgleichen steht für westgerm. */b/ intervokalisch

(FS 11). Das alte Gepräge erhalten die Glossen hauptsächlich durch die Schreibungen von Präfix ahd. gi-, insbesondere als ca, welches auch im Bairischen nicht über die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts hinausgeht. Die beiden entsprechenden Glossen (FS1, FS9) könnten eine isolierte Schicht darstellen. Ihre allfällige paläographische Zusammengehörigkeit lässt sich anhand ihres heutigen Erhaltungszustandes aber nicht mehr sicher nachweisen. Ansonsten sind die Schreibungen wenig auffällig. Auch für germ. */ai/ gibt innerhalb der gegebenen Überlieferungssituation keine Anhaltspunkte. Isoliert steht die Glosse FS14, deren za auch auf das Bairische zeigt. /g/ ist hier zweimal geschrieben. Die Endung -o in der anderen allein stehenden Glosse (FS3) stellt sich zu den Lautungen der Federglossen. Prägnanter als die graphematische und lautliche Variation ist die überraschende Vielfalt an unterschiedlichen glossierungstechnischen Vorgehensweisen. Zunächst sind die Kürzungen zu nennen: Glosse FS6 ist als grammatische, FS8 und FS13 – vermutlich auch FS15 – sind als lexikalische Kürzung zu beschreiben. Kaum als Kürzung zu taxieren ist dagegen die Nichtschreibung von h in Glosse FS10, ein Phänomen, das sich in Griffelglossen anderer Freisinger Handschriften beobachten lässt (siehe im Editionsartikel). Nebst Einzelwörtern überliefern die Glossen FS8, FS10 und FS14 kleinere Syntagmen, dokumentieren Artikelgebrauch (FS10) und

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enthalten zudem einmalig ein kreuzförmiges, einleitendes Zeichen (FS11), dessen Funktion nicht klar ist. Mit vier Belegen, die Parallelglossen besitzen (FS5, FS6, FS8 und FS10), zeigen sich die Farbstiftglossen des Clm 21525 zwar mit der althochdeutschen Regula pastoralis-Glossenüberlieferung verbunden, dies jedoch nur locker, indem zwar identische Lexeme, aber diese in anderer Form erscheinen. Man vergleiche auch FS9 mit anderem Präfix als parallele Glossierungen in der Glossenfamilie Nr. 647. Die engste Beziehung besteht diesbezüglich zum Clm 18550a (Glossar), mit dem die Farbstiftglossierung sämtliche Parallelglossen teilt. Keine Verbindung über Parallelglossen besteht dagegen zum Clm 18550a (Textglossen) und zum Clm 6277. Die Farbstiftglossen befinden sich mit einer Ausnahme (unentzifferter Eintrag auf f. 144v) alle im vorderen Handschriftteil, das heißt vor der Zäsur auf f. 139. Wie aus den Schreibungen zu schließen ist, stellen die Farbstiftglossen die möglicherweise älteste sprachliche Schicht in der Glossierung der Handschrift dar und bilden damit entweder die früheste Eintragungsschicht oder aber reflektieren alte Vorlagen in unveränderter Übernahme. Sie stehen in Freisinger Handschriften damit nicht allein. Auch im Clm 6277 bilden Farbstiftglossen gegenüber koexistenten Griffelglossen möglicherweise die früheste Eintragungsschicht (Ernst 2007: 549, 551). Schriftgeschichtlich alt sind nebst den Farbstiftglossen im Clm 6297 insbesondere diejenigen im Clm 6308. Farbstiftglossen sind auch außerhalb von Freising unter den ältesten Glossen anzutreffen (z. B. in Paris, BnF lat. 9389).

5.3.4 Federglossen Die Federglossen des Clm 21525 wurden im Frühjahr 2017 mehrmals untersucht. Dabei wurde bei einzelnen Problemfällen auch von der UV-Lampe der BSB München Gebrauch gemacht. Forschungsgrundlagen bildeten die Edition der althochdeutschen Glossen von Steinmeyer, publiziert 1882 (StSG 2,177–197), die in den Anmerkungen zahlreiche paläographische Beobachtungen enthält, sowie die paläographischen Hinweise Steinmeyers in StSG 4,574 und 5,462f. Die Edition Steinmeyers erwies sich in bekannter Manier als äußerst präzise. Nur in vereinzelten Fällen sind Lesungen zu korrigieren. Zu Neufunden, Neuentzifferungen und Neulesungen siehe unten. Bislang nicht untersucht waren die lateinischen Federglossen. Die folgende Analyse ist auf sämtliche Federglossen der Handschrift gerichtet. 5.3.4.1 Autopsiebericht 328 Textwörter sind mit Feder glossiert: Die Handschrift enthält 381 interlinear und marginal aufgezeichnete Federglossen, darunter 226 althochdeutsche mit 268 althochdeutschen Wörtern zu 201 lateinischen Lemmata sowie 155 lateinische Glossen zu 134 Lemmata. 6 Lemmata sind sowohl althochdeutsch als auch lateinisch glos-

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siert (F20/L17; F24/L19; F51/L42; F55/L44; F72/L57; F118/L100), die Glossierung einmal als vel-Glosse (F20/L17). Unter den althochdeutschen Glossen gibt es 28 Mehrfachglossierungen à zwei Interpretamente, davon 18 als Paare aus radierter, noch lesbarer Glosse und – im Normalfall – identischer neuer Glosse (F53, F60, F67, F76, F80, F81, F90, F133, F135, F137, F157, F160, F162, F164, F165, F179, F181, F187), 2 als vel-Glossen (F4, F146), 1 aus Feder- und Griffelglosse (F91/G13) und 1 aus geheim- und normalschriftlicher identischer Glosse (F124). Bei den lateinischen Mehrfachglossen bestehen 3 aus zwei verschiedenen Interpretamenten (L70, L88, L118), 2 weisen zwei identische Interpretamente auf (L61, L62) und 13 weitere ebenfalls, nur dass hier jeweils eine der beiden Glossen radiert und durch die andere ersetzt wurde (L5, L19, L32, L33, L35, L36, L47, L57, L60, L92, L100, L111, L114). Den von Steinmeyer edierten althochdeutschen Federglossen sind 19 neugefundene hinzuzufügen (F15b, F16, F46b, F60a, F67a, F75a, F81b, F91, F100, F101, F104, F128b, F133a, F157a, F160b, F162b, F165b, F200, F201). 9 bei Steinmeyer als Rasur vermerkte radierte Wörter konnten identifiziert werden (F44, F53b, F76a, F90b, F92, F137b, F178, F181b, F187a). Bei 12 Glossen war Steinmeyers Lesung zu ergänzen oder zu korrigieren (F8, F11, F12a, F14, F21, F28, F115, F124b, F142?, F145, F164, F181b). An 2 Stellen konnten wir weniger lesen als Steinmeyer (F6, F135a). Ein Großteil der Federglossen ist gut lesbar geblieben. Einige Marginalglossen und wenige Interlinearglossen sind durch Verblassung in ihrer Lesbarkeit beeinträchtigt. Größere Verluste sind durch eine Reihe von Beschädigungen zu verzeichnen. Bei der Beschneidung der Blätter sind Marginalglossen verstümmelt worden (z. B. F11, F32b, F45, F70, F124b, F145, F195). Einige heute sehr schwache Eintragungen könnten auch durch abgreifende Hände gelitten haben. Nur einmal erscheint Verlust an Buchstaben durch Raupenfraß (F7). Die größten Beschädigungen bestehen in der Tilgung einer größeren Anzahl von Glossen. Diese erfolgte im Zuge einer noch zu althochdeutscher Zeit vorgenommenen Überarbeitung, bei welcher bestehende Glossen radiert und durch neue, in den meisten Fällen identische, ersetzt wurden. Diese neuen Glossen wurden auf die Rasuren oder aber an andere Stellen hingeschrieben, dabei auch Marginalglossen durch Interlinearglossen und umgekehrt ersetzt. Bei der Tilgung alter Glossen ist man unterschiedlich gründlich vorgegangen. Ein Teil der radierten Glossen ist noch gut lesbar, andere nur noch in Teilen, einige auch gar nicht mehr. Die Überarbeitung betraf althochdeutsche und lateinische Glossen in derselben Weise. Zu den überarbeiteten Glossen kommen weitere hinzu, die ersatzlos getilgt wurden. Ob auch für sie Ersatz geplant war, ist unbekannt. 5.3.4.2 Paläographische Untersuchung Bislang wurden die Glossen paläographisch nur von Steinmeyer untersucht. Die paläographische Untersuchung von Bischoff (1974: 91f.) enthält keine entsprechenden Angaben zu den Glossen. Die seitens der Althochdeutschforschung geäußerten

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Datierungen der Glosseneintragung sind in keinem der Fälle begründet. Laut dem Katalogartikel in BStK (S. 1280) wurden die Federglossen „wohl mit dem Text Anfang des 9. Jahrhunderts eingetragen“, laut Seebold (2008: 56) „nur unwesentlich später“ als der Text, den Seebold in das erste oder zweite Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts datiert. SchABG (§1) gibt das 10. Jahrhundert als Entstehungszeit der Glossen an, womit er allerdings von allen unter der Steinmeyer-Sigle 63841 versammelten Glossen spricht. Desgleichen könnte Müller (1957: 310) alle in StSG unter Nr. 638 behandelten Handschriften im Auge haben, wenn sie das 10. bis 11./12. Jahrhundert nennt. 5.3.4.2.1 Die paläographische Untersuchung von Steinmeyer Die Untersuchung von Steinmeyer, deren Ergebnis seine Glossenedition (StSG 2,177–197) bildet, geht – wie bei Steinmeyer üblich – weit über die bloße Ermittlung und Wiedergabe von Belegen hinaus. Sie bildet bis heute die einzige glossographische und implizit auch sprachliche42 Untersuchung der Glossen des Clm 21525, die sich der gesamten Glossierung der Handschrift widmet. Darüber hinaus werden die einzelnen Belege in die Parallelüberlieferung eingeordnet. Auch mit seinem paläographischen Zugang steht Steinmeyer bislang allein. Seine Untersuchung betrifft bekanntlich zur Hauptsache die althochdeutschen Federglossen. Lateinische hat Steinmeyer erwähnt, wo sie in inhaltlichem Zusammenhang, meist zum selben Lemma, mit althochdeutschen auftreten. Handzuweisungen hat Steinmeyer nur bei althochdeutschen Glossen gegeben. Steinmeyer bietet stupende Lesungen von heute kaum mehr sichtbaren Glossen. Wir wissen nicht, mit welchen Hilfsmitteln Steinmeyer die Handschrift untersucht hat. Bei stark verblassten Einträgen dürfte ihm sein Wissen um Parallelglossen Hinweise geliefert haben. Nie aber ist festzustellen, dass Steinmeyer nicht jeden Buchstaben, den er ediert, nicht wirklich auch ermittelt, sondern nur assoziiert hätte. Im Bereich der Farbstiftglossen gehen seine Erträge über das hinaus, was heute noch möglich ist. Seine Edition hat für das althochdeutsche Material also auch dokumentarischen Wert (siehe dazu Kapitel 5.3.3.1). Steinmeyer hat auch aufmerksam die Rasuren registriert und die Tilgung und Ersetzung von Glossen in Form von Entzifferungsversuchen und entsprechenden Hinweisen in den Anmerkungen festgehalten. Steinmeyer unterscheidet Glossenhände. In den Anmerkungen zur Edition finden sich entsprechende Hinweise, die ohne Begründung erfolgen. Wie viele Glossatoren Steinmeyer am Werk sah, wird aus seinen Anmerkungen nicht klar. Fest steht, || 41 Die bei Steinmeyer in römischen Zahlen geschriebenen und in der Forschungsliteratur verbreitet so übernommenen Siglen verwenden wir mit arabischen Ziffern. 42 Implizit sind etwa die vorgängige Bestimmung des Sprachcharakters, die Identifikation des Lexems, die Lemmazuweisung.

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dass Steinmeyer eine Haupthand erkannte und dieser den größten Teil der althochdeutschen Glossen zuschrieb (StSG 4,574). Zurückhaltender klingt seine Beschreibung in StSG 5,462: „Cl. 21525 enthält gll. verschiedener hände, […]“ In den Anmerkungen kommt Steinmeyer nur dann auf Hände zu sprechen, wenn er in dem betreffenden Glossenbeleg nicht die Haupthand erkennt. Diesem Befund verleiht er jeweils mittels „von anderer hand“ Ausdruck. Dass Steinmeyer damit weder nur eine weitere Hand noch lauter Einzelbelege anderer Hände meint, zeigt sich darin, dass er mehrmals zwei Glossen zusammennimmt und einer „anderen Hand“ zuweist: Die Glossen F64 und F71 (StSG 2,179,40.A.5 und 179,59.A.9) und die Glossen F95 und F97 (StSG 2,180,67.A.14 und 181,7.A.3) werden jeweils derselben anderen Hand und – etwas weniger deutlich – die Glossen F150 und F151 (StSG 2,184,64. 66, beide A.14) und F155 und F156 (StSG 2,185,3. 5, beide A.1) zusammen einer anderen Hand zugewiesen. Als weitere Glossen, die nicht von der Haupthand stammen, führt Steinmeyer die folgenden auf: F144, F146, F147, F167, F168 und F176 (StSG 2,184,36 und A.8. 184,51 und A.11. 184,54 und A.12. 185,25 und A.10. 185,28 und A.12. 186,13 und A.5). Auf Glossatorenhände in den Textkorrekturen weist Steinmeyer zudem bei folgenden Glossen hin: F30, F81, F123, F125 und F197 (2,178,A.5. 180,A.3. 183,A.1. 183,A.4. 191,A.7). Eine paläographische Beobachtung zu einer Korrektur eines Lemmas vermerkt Steinmeyer bei F162 (2,185,A.6). In einem isolierten Fall weist Steinmeyer auf Verweiszeichen hin: F196 (2,190,A.5). Eine zeitliche Angabe zu den Glossenschriften macht Steinmeyer nicht. Ob er dies unterließ, weil er die Handschrift als im 10. Jahrhundert entstanden einstufte, kann nicht beantwortet werden. 5.3.4.2.2 Der handschriftliche Befund Die Glossen verteilen sich in unterschiedlicher Dichte über den Codex. Grob gesagt ist die Federglossierung zu Beginn des Codex recht dicht und wird dann dünner bis äußerst spärlich. Ein tendenziell umgekehrter Verlauf ist bei den Griffelglossen festzustellen. Die Federglossen verteilen sich auf eine Vielzahl an Schreiberhänden. Die Aussage Steinmeyers, dass sie zum größten Teil von einer Hand herrühren (StSG 4,574), ist zu relativieren (auch für die lateinischen Glossen). Eine Haupthand lässt sich dennoch herausheben (Hand A), an deren Seite eine zweite, über größere Räume hinweg glossierende Hand tritt (Hand B). Ansonsten arbeiten die meisten Glossenhände auf kleinem Raum von wenigen Blättern. Obwohl sie zeitlich nahe beieinander liegen dürften, unterscheiden die Hände sich vielerorts optisch stark, bedingt durch verschiedene Federn und Tinten, durch die Schriftgröße, aber auch im Können der einzelnen Schreiber. Verbunden sind die Glossen durch einheitliche Glossierungstechniken. Der Großteil ähnelt sich layouttechnisch, etwa in der Positionierung: interlineare überzeilig und zum Wortbeginn des Lemmas jeweils leicht nach rechts versetzt, margi-

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nale auf exakter Zeilenhöhe und durch größtmögliche Nähe sowie mittels Verweiszeichen mit dem Lemma verbunden, – immer jeweils mit Ausnahmen und in der Einheitlichkeit der Ausführung teilweise auch von der betreffenden Hand abhängig. Die Verweiszeichen bestehen aus einfachen Punkten, Doppelpunkten in vertikaler oder horizontaler Anordnung, Akut- und Zirkumflex-ähnlichen Strichen und Bögen sowie Neumen wie Pes und Quilisma (z. B. F26). Fast durchwegs ist ein inneres mit einem äußeren Zeichen gepaart. In seltenen Fällen fehlt eines der beiden (z. B. F195). Da und dort dienen innere Verweiszeichen heute als Hinweise auf radierte Marginalglossen (z. B. f. 7v, Z. 6 über colligitur, mit radierter Glosse marg. links). 5.3.4.2.3 Tinten und Federn Für die Unterscheidung von Glossen einer Handschrift sind die Schreibutensilien und -materialien ein aussagekräftigeres Merkmal von Eintragungsschichten als für die Unterscheidung von Händen über mehrere Handschriften hinweg. Das gilt insbesondere bei wenigen verstreuten Glossen und weniger bei durchgehender Glossierung einer ganzen Handschrift, wo ein besonders fleißiger Glossator natürlich auch seine Instrumente wechseln konnte. Bei den Federn kann theoretisch das Profil des Instruments bestimmt werden, was durch die persönliche Handhabung jedoch oft erschwert wird. Die Farbe einer bestimmten Tinte kann zwar in Verbindung mit der wechselnden Unterlage Veränderungen erfahren, bleibt aber doch meist über mehrere Glossen hinweg eine verlässliche Konstante. Die Federglossen des Clm 21525 sind von Federn mit unterschiedlichem Zuschnitt geschrieben worden. Es gibt keine Hinweise auf schlechtes Material, das hindernd auf das Schreiben und damit auf die Erscheinung der Schrift eingewirkt hätte. In den Tinten überwiegen Brauntöne, die schwärzlich-braun bis rötlich auftreten. Dazu kommen graue und schwärzliche Tinten. Eine Reihe von radierten Glossen zeigen warmrötliche Färbung. Es ist unklar, ob das Abschaben die Farbe veränderte. An einigen Stellen ist Tinte verblasst. Meist aber hat dies mit äußeren Einwirkungen wie Rasuren zu tun. Nur an wenigen Orten findet sich Abklatsch auf gegenüberliegenden Blättern. 5.3.4.2.4 Schrift und Hände Auf die großen Schwierigkeiten, Glossen nach paläographischen Gesichtspunkten zu beurteilen, zu datieren und gar zu lokalisieren sowie individuellen Händen zuzuweisen, ist in der Forschung wiederholt hingewiesen worden. Sie sind für die Glossen des Clm 21525 erneut zu betonen, und das Wissen um sie soll stillschweigend den festen Hintergrund bilden, vor welchem sich die folgende Untersuchung abwickelt. Die Glossenhände hier zeitlich zu unterscheiden, scheint auf paläographischem Wege kaum möglich. Außerdem interessiert die Glossenforschung der Zeitpunkt der Eintragung, welcher nicht mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, an welchem die

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Schrift gelernt wurde. Wir versuchen deshalb in einem ersten Schritt einen zeitlichen Rahmen für die ganze Glossierung zu entwerfen (Kap. 5.3.4.2.5). Dabei bieten die Hände je nach Grad an Geübtheit ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Einen handfesten Hinweis auf eine zeitliche Abfolge bilden zumindest die alten Überarbeitungen, bei welchen Glossen durch neue ersetzt wurden. Die Gliederung der Glossierung nach unterschiedlichen Händen ist mithilfe von individuellen Schriftmerkmalen und Schreibgewohnheiten durchzuführen (Kap. 5.3.4.2.6). An solchen zu nennen sind der Grad an Übung und Fertigkeit der Schreiber, (nur in günstigen Fällen) der Schriftwinkel, der Schriftneigungswinkel, wiederkehrende Charakteristika in den Buchstabenformen oder regelmäßige Variation sowie die Behandlung von Ligaturen und Kürzungen. Da für diese Kriterien das Material in den meisten Fällen viel zu klein ist, bieten die oben beschriebenen, deutlichen Unterschiede in den verwendeten Instrumenten und Materialien wichtige Hilfestellungen. Angesichts der Fülle an Parallelglossen in anderen Glossenhandschriften wird im Anschluss zu untersuchen sein, inwieweit die Scheidung der Hände ein Bild der verwendeten Kopiervorlagen entstehen lässt. Was dabei an Zusatzinformation aus der sprachlichen Untersuchung zu erwarten ist, hängt davon ab, ob sich für Hände eine Abhängigkeit von Kopiervorlagen nachweisen lässt. Sprachliche Merkmale dürften daher für die Händeunterscheidung bestenfalls von bestätigendem Wert sein. An schriftsystematischen Besonderheiten enthalten die Glossen des Clm 21525 nur wenig Nennenswertes. Eigentümlich, wenn auch nicht nur hier vertreten, ist das Verfahren, bei Doppelbuchstaben den einen über (auch einmal unter) den anderen zu setzen. In einer Glosse ist der Gebrauch der zur fraglichen Zeit verbreiteten bfk-Geheimschrift dokumentiert, die zudem auch in einer Subskription zur Anwendung gelangt. Bei mehreren Wörtern können Trennpunkte auftreten (z. B. F112). Es gibt nebst den vielen Parallelglossen auch in der Schrift selbst etliche Hinweise auf ein kopiales Glossieren nach Vorlagen. Sie bestehen in Buchstabenvertauschungen (z. B. F54), im Weglassen von Buchstaben (F177) und im Abschreiben falscher Buchstaben (z. B. F124). Einige Glossen erscheinen zudem versetzt, also nicht an die richtigen Stellen gesetzt wie die Parallelglossen (siehe Kap. 5.3.5.4). 5.3.4.2.5 Zeitlicher Rahmen Die Schriften sämtlicher Glossen sind jünger als die Textschriften. Gleichzeitige Schriften sind nicht zu belegen. Von den zahlreichen Händen schreibt die Mehrheit – vor allem die nur sporadisch arbeitenden Hände – schwunglose, oft schwerfällige Gebrauchsschrift. Es handelt sich in jedem Fall um spätkarolingische Minuskel, die frühestens am Ende des 9. Jahrhunderts und wohl hauptsächlich im 10. Jahrhundert anzusiedeln ist und bis in das 11. Jahrhundert reichen könnte. Naturgemäß ist dies besser festzustellen, wo geübte Hände am Werk waren. Aber auch in

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ungelenken Schriften fehlt den Buchstaben die ungezwungene Formschöpfung der Textschriften. Damit ist das augenfälligste, aber am schwierigsten darzulegende Anzeichen für die zeitliche Distanz der Glosseneintragung gegenüber der Textniederschrift angesprochen: die geänderte Auffassung von Zeichenform im Zeichenverbund, die optische Betonung des Einzelwortes durch eine Zusammendrängung der Zeichenfolge im Bereich der mittleren Höhe, oft verbunden mit der Tendenz, angrenzende Linien parallel zu führen.43 Auch die elegant rhythmisierte Schrift der geübten Haupthand A mutet mit ihren leisen Brechungen gegenüber der Textschrift deutlich jünger an. In vielen Glossenhänden ist eine flache Position der Federkante, wohl bei senkrecht vom Körper wegzeigendem Arm, festzustellen. Mehrere Glossenhände gestalten bandartig verdichtete Schriftzüge mit ausgeprägter Basislinie (auch bei deren wellenförmigem Verlauf) und dabei kompakte Wortbilder. Schriftmerkmale der späten karolingischen Minuskel44 sind in den einzelnen Händen in unterschiedlicher Anzahl und Kombination anzutreffen. Unter den Buchstabenformen sind dies die zurück- und manchmal tiefgezogenen Bögen von h, m und n, der waagrechte Schlussstrich unten an diesen Bögen, angehängte i in derselben Rückwärtsbiegung, in die Länge gezogene f und s, die zusammen mit dem Schaft von r wieder unter die Basislinie reichen, die häufige Verwendung von unzialem d und v, auch im Wortinnern, v mit weiter Öffnung unter Abspreizung des linken Schenkels, eine Tendenz zur Brechung, besonders deutlich bei r, sowie anorganisch nachgebildete karolingische st-, rt- und ct-Ligaturen. Offenes a kommt in den Glossen nur sporadisch vor (L110), ebenso in Textergänzungen (z. B. f. 27v, Z. 2, mirabiliter). Wichtige Gesichtspunkte wie das proportionale Verhältnis von Ober- und Unterlängen zur Mittelhöhe ist bei den Interlinearglossen nicht verlässlich zu klären. Bei den Marginalglossen treten teilweise glossenschriftliche Elemente wie stark gelängte Schäfte auf. Als allgemein eher späte Erscheinung in der Volkssprache kann die – in unseren Glossen nur sporadische – Verwendung von Akzenten gelten (F4, F33, F143, F174). 5.3.4.2.6 Die einzelnen Hände Wie oben angesprochen, stammen die Schriften der Glossen von geübten einerseits und gänzlich unroutinierten Händen andererseits. Bei ersteren kann auf im Skriptorium tätige Schreiber geschlossen werden. Letztere scheinen Anfänger zu sein. Es kann sich aber auch um Gelehrte mit wenig Schreibpraxis handeln. Im Folgenden werden 13 Hände unterschieden und in der Reihenfolge ihres Auftretens in der

|| 43 Diesen inneren Wandel hat Bischoff beschrieben (vgl. 2009: 160). 44 Vgl. dazu generell Bischoff (2009: 161), für Freising vgl. Daniel (1973).

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Handschrift mit A–M durchnummeriert behandelt. Mit diesen und weiteren Händen, die keiner dieser Hände zugeordnet werden konnten, teilweise aber unsichere Gruppen bilden oder unverwechselbare Gestalt zeigen, ist von bis zu 20 verschiedenen Glossatoren auszugehen. Hand A: Bei Steinmeyer die Haupthand. Bräunliche Tinte. Breitfeder mit deutlichen Unterschieden zwischen Schatten- und (z. T. ganz feinen) Haarstrichen. Geübte Hand, flüssige Schrift. Der Schreiber orientiert sich an der oberen Begrenzung des Mittelbandes, was der Schrift Leichtigkeit und Beweglichkeit verschafft. Leichte Tendenz zur Rechtsneigung. Charakteristisch sind das flache Auge von a, die Rundung von d, die oft zum Kopf nach rechts gezogene g-Schlaufe, der vergleichsweise tiefe Ansatz am Schaft des Kopfes bei p, der locker mit dem Schaft verbunden ist, die geknickte, aber dennoch flüssig ausgreifende r-Zunge, häufiges v, oft geschwungen nach links geöffnet, tiefreichende s, f und zeitweise auch r, steifes konstantes z, eine Tendenz, Schäfte von links oben einzubiegen und die Bögen von n und m unten mit einem kurzen Aufstrich abzuschließen. Kürzungen: n mit Querstrich und qi sowie die Einleitung mit s, in den lateinischen Glossen. Das gestürzte t im Wortinnern in der Textergänzung habundantia (f. 12r, Z. 23) könnte auf eine Vorlage in alemannischer Minuskel hinweisen.45 Die Hand glossiert mehrheitlich interlinear. In Marginaleinträgen vergrößert sich die Schrift, ohne die Proportionen zu ändern. Die Hand schreibt auch Bibelverweise, z. B. f. 78v. Althochdeutsche: F1, F2, F3, F4, F5, F6, F7, F9, F10, F11?, F12a, F12b, F13?, F14?, F15b?, F16?, F17, F18, F19, F20, F22, F23, F24, F25, F26, F27, F28, F29, F30?, F31, F32a, F33, F34, F38, F39, F41, F42, F46a, F47, F48, F49, F50, F52, F55, F56?, F57, F61, F62, F63, F65, F66, F68, F72, F73, F74, F75a?, F76a?, F78, F79, F82, F83, F84, F85?, F86, F87, F88, F90b?, F91, F92?, F93, F94, F96, F101, F102, F105, F106, F107, F108, F109a, F110, F111, F169, F170, F171, F172, F179a?, F183, F184, F185, F186, F187b, F188, F189, F190, F191. Fraglich ist, ob die etwas zu unbewegliche Schrift der Glosse F54 auch dazu gehört. Zudem können, wie einige der mit ‚?‘ aufgeführten Glossen, noch weitere der radierten Glossen von Hand A stammen. Siehe dazu unten. Lateinische: L1, L2, L3, L4, L5a, L5b?, L6, L7, L8?, L9?, L10, (L11?), L12, L13?, L14, L16, L17, L18, L21, L22, L23, L24, L25, L26, L27, L28, L29?, L30, L31, L37, L39, L41, L43, L44, L46?, L48, L49?, L50, (L51?), L52, L54, L65, L76, L77, L79, L80, L81, L82, L83, L85, L86, L87, L88, L89, L91, L93a, L95, L96, L97, L98?, L99, L103, L108?, L115a, L117, L120, L122, L123.

|| 45 Weder Clm 6277 (nt) noch Clm 18550a (hier sind t und i verbunden) haben hier gestürztes t.

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Abb. 28: Federglossen Hand A: Clm 21525, F2: ahd. suvari und F3: ahd. loscento

Hand B: Neben der Haupthand die am häufigsten auftretende Hand, die in den Glossen nicht in einheitlicher Schriftgröße und Tintenfarbe auftritt, Marginalglossen anders behandelt als Interlinearglossen und deshalb nicht ganz sicher zu umreißen ist. Dunkelbraune bis schwarzbraune Tinte(n?), möglicherweise Gebrauch von verschiedenen Federn, die eine fein und elastisch. Die Schrift ist wechselhaft in Neigungswinkel und Größe, gedrängt und unruhig. Die Haarstriche sind verhältnismäßig steil. In den Marginalglossen fallen senkrechte, übersteigert hohe und dünne Schäfte bei d, h und l auf sowie lange Unterlängen bei f, p und s, die alle eine unfeste Form haben. Charakteristische Buchstaben: a mit hochgezogener Rundung und schräger, manchmal nach unten eingedrückter Rückenlinie, häufiger Gebrauch von unzialem d mit langgestrecktem schrägem Schaft, öfters rüsselartig abgeknickte Verlängerung der g-Schlaufe, die insgesamt sehr ungleich unbehandelt wird, nach links einbiegende Bögen bei h und n, i steif, p mit eckigem Kopf, r häufig tief gespalten, t mit abgeknicktem Fuß, z mit auf den Schaft gesetztem, geradem oberem und halbrundem unterem Balken. i, h, m und n weisen am Schluss keine Abschlussstriche auf. Versuche, die alte rt-Ligatur zu imitieren. Sie könnten darauf hinweisen, dass die Hand tendenziell ältere Schrift zu schreiben versucht. Die Hand hat die Subskription auf f. 139r inklusive die übergeschriebenen Vokalschlüssel und vielleicht auch die bfk-geheimschriftliche Glosse F124b geschrieben. Die Glossen F95 und F97 werden auch von Steinmeyer zueinander gestellt (StSG 2,180,67 und A.14 und 181,7 und A.3). Von Hand B stammen auch Bibelverweise (z. B. f. 15v, Z. 11; f. 45r, Z. 9) und Textergänzungen, z. B. f. 14r, Z. 9: sps. Althochdeutsche: F8, F15a, F21, F51, F53, F58, F59?, F60b?, F67b, F69, F70, F75b, F76b, F77?, F80b?, F81b?, F90a, F95, F97, F98, F99?, (F100?), F112, F113, F114, F124b?, F132, F133b, F134, F135b, F136b, F137a, F138, F139, F140, F141, F142, F143, F144, F145, F148, F149a, F152, F153, F154, F157b, F158, F159, F160a, F161, F162a, F163, F164a, F165a, F166, F179b, F181a, F198, F199, F200? Ganz unsicher gehört auch F104 dazu. Lateinische: L5c, L32b, L33a, L36b, L38?, L42, L47b, L57b, L58b, L60b, L61b, L62b, L64, L72, L90b, L109?, L110?, L114b, L127, L128, L129.

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Abb. 29: Federglosse Hand B: Clm 21525, F179b: ahd. missitriuuidun

Hand C: Kleine und nicht ganz plastische Gruppe. Kräftige, etwas steife Züge. Streifenartiges Schriftbild, Rechtsneigung der Schrift. Charakteristisch die eckigen n und u, kleine Aufstriche. v am Wortanfang öffnet sich nach links. Mit Bestimmtheit zusammengehörig sind die Glossen auf f. 4v, unsicher dazu die blasse Glosse f. 4r und die Glossen auf f. 6r und 7r. Althochdeutsche: F32b, F35, F36, F37, F45. Lateinische: L34?

Abb. 30: Federglossen Hand C: Clm 21525, F35: ahd. kerunt und F36: ahd. truopten

Hand D: Wenige lateinische Interlinearglossen mit weiterführendem und nicht übersetzendem Charakter. Schwarzbraune Tinte. Recht breite Feder, flacher Schriftwinkel, Rundungen klein und schmal. Sehr unsicher gehört die althochdeutsche Glosse F64 dazu. Althochdeutsche: F64? Lateinische: L53, L55, L56, L66, L67. Sehr unsicher auch L45.

Abb. 31: Federglosse Hand D: Clm 21525, L55: lat. siabillo

Hand E: Lateinische Interlinearglossen von einer eher groben, aber schwungvollen Hand. Dunkelbraune Tinte, steile Federhaltung. In der kleinen Gruppe als einheit-

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lich behandelt festzustellen sind a (tief nach unten reichender Bauch), e (schräg, mit flacher Biegung und steiler Zunge) und n (tiefer Bogenansatz, rechts eine leichte Biegung zurück). Lateinische: L69, L74, L75 und L78. Möglicherweise gehört die althochdeutsche Glosse F71 dazu.

Abb. 32: Federglosse Hand E: Clm 21525, L74: lat. alienas

Hand F: Drei althochdeutsche Glossen und einige lateinische. Dunkelbraune Tinte, flache, nahezu waagrechte Federhaltung. Blockartiges Mittelband, steife Züge. Hochgezogene Schäfte von k und d, tiefe Unterlänge von p, t mit scharf abgewinkeltem Fuß. Die Glossen stehen marginal und sind mit Verweiszeichen aus Punkten mit dem Lemma verbunden. Althochdeutsche: F109b, F119, F125. Lateinische: L59, L63?, L84?, L93b, L100b, L101, L105b?, L107?

Abb. 33: Federglosse Hand F: Clm 21525, F119: ahd. kiparridun

Hand G: Wenig geübte Hand auf wenigen Seiten. Graubraune Tinte, elastische Feder. Charakteristisch: Buchstaben mit schwankenden Proportionen, a flachgedrückt, Schaft von d oben spachtelförmig stark verbreitert, unterer Bogen von e wenig ausgebildet, g-Schlaufe in Cedille-Form, n und u nach rechts wegfliehend, s-Bogen dünn und stark nach unten gebogen. Einmal Gebrauch des Nasalkürzungsstrichs. Bis auf eine althochdeutsche Marginalglosse alle Glossen interlinear. Die Hand ist wohl auch in der rudimentären Kopie der Subskription auf f. 139r zu sehen. Althochdeutsche: F124a, F126, F127, F128a, F129, F130. Lateinische: L104, L106?

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Abb. 34: Federglosse Hand G: Clm 21525, F127: ahd. goummanemet

Hand H: Wenige althochdeutsche Glossen auf begrenztem Raum (f. 27v–34r). Braune Tinte, breite Feder, ungleichmäßige Federhaltung. Rechtsneigung der Schrift. Obwohl Glosse F121 scheinbar mit derselben Feder und Tinte geschrieben ist, ist ihre Zugehörigkeit fraglich. Althochdeutsche: F117, F120, F121?, F122, F123.

Abb. 35: Federglossen Hand H: Clm 21525, F121?: ahd. gezitvuerden und F122: ahd. gisalpoti

Hand I: Wenige Glossen auf kleinem Raum, zu denen auch ein Marginaleintrag auf f. 44v gehört. Graue Tinte, schräge Federhaltung. Etwas Variation in den Formen von a, g und n. Charakteristisch: der längliche p-Kopf, teilweise tiefgespaltene n, Tendenz dazu auch bei r. Zwei Glossen (F150 und F151) wurden auch von Steinmeyer zueinander gestellt (StSG 2,184,64 und 66, beide A.14). Eine dritte (F155) wird von Steinmeyer – unklar – mit F156 in Verbindung gebracht (StSG 2,185,3 und 5, beide A.1). F156 konnten wir jedoch keiner Hand zuordnen. Siehe dazu unten. Althochdeutsche: F146, F147, F150, F151, F155. Lateinische: L112, L113, L115b?, L116.

Abb. 36: Federglosse Hand I: Clm 21525, F146: ahd. giparidun l antaparun

Hand J: Zwei althochdeutsche Glossen von eher plumper Hand mit roher Feder ohne Wechsel der Strichbreite. Graue Tinte. Gedrängte Zeichenfolge. Unbeholfene ctLigatur.

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Althochdeutsche: F167, F168.

Abb. 37: Federglosse Hand J: Clm 21525, F167: ahd. pisorgido

Hand K: Drei althochdeutsche Glossen mit insgesamt wenigen, aber unter sich verhältnismäßig vielen gemeinsamen Buchstaben. Braune Tinte. Leichte Rechtsneigung, wechselnde Federhaltung. Verhältnismäßig kleines Auge von a; u und o eckig. Althochdeutsche: F173, F174, F176.

Abb. 38: Federglosse Hand K: Clm 21525, F174: ahd. uâsca

Hand L: Braune bis hellbraune Tinte, flache Federhaltung. Blockartiges, kompaktes Schriftbild, in dem die zurückstrebenden Bögen von h und n und einmal geschwungen geöffnetes v für etwas Bewegung sorgen. Bei t durchschneidet der Balken den Schaft, der Fuß ist waagrecht nach rechts verlängert. Ausgeprägte abschließende Aufstriche bei i und n. Variiertes, aber immer senkrechtes g. Sämtliche Glossen stehen interlinear. ter-Kürzung und an h angehängtes i. Althochdeutsche: F175, F177, F180, F182. Lateinische: L118.

Abb. 39: Federglosse Hand L: Clm 21525, F180: ahd. hinscrenchigi

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Hand M: Eine kleine Gruppe von 9 Glossen, nicht von anderen Händen unterbrochen, hellbraune Tinte, stabile Federhaltung und Schriftneigung nach rechts mit starrer Betonung dieser Schräge in allen Buchstaben. Bandartige Füllung der Mittelhöhe. Fußstriche bei i, n und u, markant am Wortschluss, nicht aber bei h, das stark nach links gezogen endet. Sämtliche Marginalglossen sind mit Verweiszeichen mit den Lemmata verbunden. Althochdeutsche: F192, F193, F194, F195, F196, F197. Lateinische: L124, L125, L126.

Abb. 40: Federglosse Hand M: Clm 21525, F192: ahd. tragent

5.3.4.2.7 Problematische Gruppen – F64 und F71 stellen isolierte Einträge dar. Steinmeyer erkennt dieselbe Hand (StSG 2,179,40 und 179,59 und A.5 und A.9). Obwohl beide von einer groben Hand stammen und ähnliche Farbe aufweisen, lässt sich keine Identität der Hände nachzeichnen. Verschieden ist unter anderem die Federhaltung. Für F64 ist allenfalls eine Zugehörigkeit zu Hand D in Erwägung zu ziehen. F71 gehört vielleicht zu den lateinischen Glossen von Hand E. – F80a und F81a, beide Interlinearglossen auf Rasur, stammen von einer sehr unbeholfenen Hand, die – so scheint es – auf bestehende, teilweise radierte Glossen (von Hand B?) geschrieben sowie Linien mehrfach gezogen hat. Den Glossen entsprechen identische, radierte Marginalglossen. – Paläographisch isoliert steht die Glosse F103. Vielleicht stammt auch die verblasste Glosse F104 nicht von Hand B, sondern von derselben Hand wie F103. – Ebenfalls nicht anderen Glossen beizugesellen sind die Glossen F115 und F116, die auch untereinander nicht verbunden werden können. – Eine eigene Gruppe kann in den radierten Glossen auf f. 66v gesehen werden (vgl. StSG 2,187,A.4), von denen einzig F178 gelesen werden konnte. Sie erscheinen in hellem rötlichbraunem Farbton. In der althochdeutschen Glosse fällt der steile Rücken von a- auf. Ansonsten erlaubt der Zustand der Glossen keine Schriftbeschreibung. Ob alle Eintragungen paläographisch zusammengehören, kann nicht bestimmt werden. – Vereinzelte lateinische Glossen – sie haben alle weiterführenden und nicht übersetzenden Charakter – können mit Händen in Verbindung gebracht werden, die den Text ergänzten und korrigierten. Da sie innerhalb der Glossierung

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isoliert auftreten, sind sie mit dem Vermerk „nicht bestimmte Hand“ gekennzeichnet, obwohl sich unter Einbezug sämtlicher Nachträge Hände beschreiben ließen, denen sie zuzuweisen wären. Als Beispiel sollen die Glossen L68 und L70 dienen, die von einer Hand stammen, die auf derselben Seite den Bibelverweis marg. links neben Z. 2 aufzeichnete und auch an anderen Stellen in der Handschrift anzutreffen ist, beispielsweise f. 37r, marg. unten. Möglicherweise ist noch eine weitere Hand anzusetzen bei Einträgen, die sämtlich radiert wurden, eine Hand, die recht große Schrift schrieb. Ein Beispiel eines solchen Eintrags ist die radierte Glosse L58a.

5.3.4.2.8 Unklar verbundene und isolierte Hände Einige Glossen sind wegen starker Verblassung nicht mehr zuweisbar, beispielsweise die althochdeutschen Glossen auf dem rechten Blattrand von f. 3r F11, F13, F14 respektive marginal unten F15b sowie die nur schlecht oder teilweise lesbaren bzw. resthaften Glossen F16, F46b, F59, F92. Dasselbe gilt bei mehreren radierten Glossen wie F44, F60a, F67a, F75a, F89, F100, F133a, (F134?), F135a, F136a, F137b, 149b, F157a, F160b, F162b, F164b, F165b, F179a, F181b, F187a, F201; L8, L19, L33b, L35, L47a, L57a, L58a, L60a, L61a, L62a, L90a, L92a, L98, L111, L114a. In einigen dieser Fälle scheint eine Zugehörigkeit zu Hand A möglich. Die althochdeutschen Glossen F40, F43, F118, F131, F156 und die lateinischen L15, L20, L40, L71, L73, L94, L102, L111, L119, L121, L130, L133 und L134 konnten keinen anderen Glossen zur Seite gestellt werden, auch nicht die diesbezüglich sehr unsicheren Glossen L45, L51 und L107. Manche stammen von Händen, die den Text korrigierend bearbeiteten. Die beiden Eintragungen L131 und L132, die mit Zeichen als Einfügungen gekennzeichnet sind, stammen möglicherweise auch von derselben Hand. 5.3.4.2.9 Beobachtungen zur Schichtung Welche Hände von Rasuren betroffen sind, ist in den meisten Fällen nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Wo aber radierte Glossen noch eine Handzuweisung erlauben, handelt es sich um Hand A (z. B. F179, L5). Hand B tritt deutlich als die Hand auf, welche radierte (oder verblasste?) Glossen ersetzte (F15, F53, F60, F67, F75, F76, F90, F133, F135, F136, F137, F149, F157, F160, F162, F164, F165, F179, F181 – L5, L33, L47, L51?, L57, L58, L60, L62, L90, L100, L105, L114). f. 20v, Z. 5 hat Hand B eine radierte Textergänzung neu geschrieben. Glossen ersetzt hat auch Hand F (L100, L105?). Die Gründe dafür, wann radierte Glossen auf derselben Stelle (z. B. F53, F135, F136, F137) oder aber radierte interlineare durch neue marginale (z. B. F60, L57, F76, F90) beziehungsweise radierte marginale durch neue interlineare ersetzt wurden (z. B. F160, F162), sind gänzlich undurchschaubar. Für die zeitliche Abfolge erscheint es paradox, dass die Schrift von Hand A, die jünger erscheint, durch die Schrift von Hand B, die älter wirkt, überlagert wird. Dieselbe Abfolge zeigt sich aber auch an Stellen, wo Textkorrekturen auf radierten

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Glossen ausgeführt wurden (z. B. F44), und die Subskription von Hand B bezeichnet den Schreiber ja als Emendator. Aus der Äußerung von Bischoff (1974: 92) ist herauszulesen, dass er den zeitlichen Abstand von Hand B zu den Textschriften als nicht sehr groß einschätzte – wie viele Jahre er mit „etwas jünger“ auch immer meinen mochte. Dass die Hand B konservativ schrieb, zeigten wir oben in Kap. 5.3.4.2.6. Ein Faktor, der mitzubedenken ist: Die Schrift wird geprägt zu dem Zeitpunkt, an dem sie gelernt wird. Ein älterer Schreiber kann zu einem späteren Zeitpunkt ältere Schrift schreiben als gleichzeitige Hände einer Nachfolgegeneration. Vielleicht liegen die Unterschiede zwischen Hand A und Hand B aber auch auf stilistischem Gebiet. 5.3.4.3 Edition der althochdeutschen Federglossen F1.–5. f. 2v, Z. 13–17 (13)

ASTORALIS CURAE ME / (14) PONDERA FUGERE DE/ (15) litiscendo uoluisse benigna frater / (16) karissimae atque humillima intentione / (17) repraehendis (Praef; 124,3) ‚Da ich mich den Lasten der priesterlichen Seelsorge durch Flucht habe entziehen wollen, tadelst du mich, teuerster Bruder in wohlwollendster und demütigster Absicht.‘ F1. f. 2v, Z. 13, pastoralis (Praef; 124,3) – piscophtuomlih.. – StSG 2,177,1 Hand A. Die Glosse intl. über dem Lemma, nach t stark verblasst und am Ende unlesbar. Wir konnten, unter Zuhilfenahme der UV-Lampe, genauso viel lesen wie Steinmeyer. piscophtuomlih..: (Gen. Sg.?), Adj., ahd. biscoftuomlīh ‚priesterlich‘ – AWB 1,1115. StWG 59. SchG 1,393. Laut Kempf (1972: 130) ist das Wort nur in Gregorglossen und nicht weiter im Ahd./Mhd. belegt; Wiedergabe des Frikativs mit aus germ. /p/ findet sich zuweilen (BRG §132,A.3); zur -līh-Bildung vgl. Schmid (1998: 151). Parallelglossen enthalten Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,1). F2. f. 2v, Z. 14, pondera (Praef; 124,3) – suvari – StSG 2,177,6 Hand A. Intl. über -de- des Lemmas. suvari: Nom. Pl. sw. F. ahd. suārī ‚Schwere, Last‘ – GSp 6,891. StWG 613. SchG 9,371. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,5. Vgl. F151). F3. f. 2v, Z. 15, delitiscendo (Praef; 124,3) – loscento – StSG 2,177,7 Hand A. In regelmäßiger Schrift intl. über dem Lemma. loscento: Adverbialbildung des Part. Präs. sw. V. ahd. loskēn – AWB 5,1298. StWG 384. SchG 6,159. RSV 2,240; also loskēnto ‚durch Verbergen, Verstecken‘ – AWB

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5,1299.46 Parallelglossen enthalten Basel, ÖBU B. V. 21 (StSG 2,197,25), Clm 6277 (StSG 2,162,10), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,7), Wien, ÖNB 772 (StSG 5,27,1), Wien, ÖNB 804, Würzburg, UB M. p. th. q. 60 (StSG 2,197,25). F4. f. 2v, Z. 16, intentione (Praef; 124,4) – anadahtungo l râne – StSG 2,177,12 Hand A. Intl. über dem Lemma. Mit Zirkumflex über dem â, vgl. Sievers (1909: 44). anadahtungo: Dat. Sg. st. F. ahd. anadāhtunga ‚Absicht‘ – AWB 1,416. StWG 25. SchG 1,148. Kempf (1972: 58) klassifiziert dies als eine Lehnbildung ohne Parallelen im Mhd. oder in anderen germ. Sprachen. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,12). râne: Dat. Sg. st. M./N. ahd. rān ‚Absicht‘ – GSP 2,503. StWG 471. SchG 7,319. Parallelglossen enthalten Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,12). Mehrfachglossierung mit zwei Synonymen, durch l (= vel) verknüpft. F5. f. 2v, Z. 17, reprehendis (Praef; 124,5) – lastros – StSG 2,177,15 Hand A. Intl. über dem Lemma, etwas kurzes l, st verbunden. lastros: 2. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. lastrōn ‚jdn. tadeln‘ – AWB 5,644. StWG 361. SchG 5,473. RSV 2,86. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,15), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,200,20) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,215,1). F6.–7. f. 2v, Z. 18–19 (18) … praesentis libri stilo exprimo / (19) de eorum grauedine omne quod penso (Praef; 124,6) ‚Beim Schreiben des vorliegenden Buches, gebe ich alles wieder, was ich denke über deren Schwere.‘ F6. f. 2v, Z. 18, (stilo) (Praef; 124,6) – g.scripe – StSG 2,177,17: giscripe Hand A. Verblasste Glosse marg. links neben Z. 18; der zweite Buchstabe könnte a oder e sein (StSG: i). g.scripe: Dat. Sg. st. N. ahd. giscrīb ‚Schreiben, Schrift‘ – GSp 6,571. StWG 221. SchG 8,386. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,1). In Clm 18140, Clm 19440 und Wien, ÖNB 2723 ist die Glosse lateinisch: scriptura.

|| 46 Vgl. auch die Ausführungen zu ahd. lōsken bei Bulitta/Heidermanns (2015: 157–160).

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F7. f. 2v, Z. 19, penso (Praef; 124,7) – pidencho – StSG 2,177,18 Hand A. Intl. über dem Lemma. p ist fast gänzlich einem Raupenfraßloch zum Opfer gefallen. pidencho: 1. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. bidenken ‚bedenken‘ – AWB 2,384. StWG 93. SchG 2,166. RSV 1,25. Die Verschiebung von /k/ zur Affrikate ist typisch bairisch (BRG §87b). Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,18). F8. f. 2v, Z. 21, (adeptum) – |amahhen – StSG 2,177,20: ..mohhen (21) Et qui incaute expetit (Ed. expetiit). adeptum se esse per/ (22) timescat (Praef; 124,8) ‚Und wer unbedacht danach gestrebt hat, soll sich fürchten, dass er es (das Hirtenamt) erlangt hat.‘ Hand B. Die Glosse marg. links neben Z. 21, links abgeschnitten, noch ein Rest von a erkennbar (vgl. StSG A.4), unter UV nach m ein a erkennbar (statt o bei Steinmeyer), e unsicher. |amahhen: Akk. Sg. M. st. flekt. ahd. gimah ‚verbunden, geeignet, passend‘ – AWB 6,76. StWG 212. SchG 6,226. Laut AWB 6,80 eine „Fehlübers., wohl in Verwechslung von adeptus zu adipisci mit adaptus“. Die Endung -en ist eine jüngere, ab Ende des 9. Jahrhunderts im Bairischen erscheinende Bildung (BRG §248,A.2. SchABG §117b). Die Parallelglosse im Clm 18550a (Glossar) stützt die Lesung: gamahhen (StSG 2,220,4). F9. f. 3r, Z. 2, allegationibus – redun – StSG 2,177,21 (1) … ut ad lectoris sui / (2) animum ordinatis allegationibus (e aus i korr.) quiasi / (3) quibusdam gradiatur passibus (Ed. passibus gradiatur) (Praef; 124,11) ‚um in die Seele des Lesers in geordneten Ausführungen gleichsam schrittweise einzudringen‘. Hand A. Intl. über -nib-. redun: Dat. Pl. st. F. ahd. reda ‚Rede‘ – GSp 2,144. StWG 475. SchG 7,346. Der Dat. Pl. der ō-Stämme auf -un ist als „später“ (BRG §207,A.8) bzw. ab dem 10. Jh. (SchABG §110f. zitiert diese Glosse) zu klassifizieren. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,21), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,200,22), Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,209,1). F10. f. 3r, Z. 5, culmen – hertuom – StSG 2,177,23 (5) … ad culmen quisque regiminis qua/ (6) liter ueniat (Praef; 124,13) ‚wie jemand zum höchsten Posten der Leitung komme‘. Hand A. Intl. über -men.

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hertuom: Akk. Sg. st. M./N. ahd. hērtuom ‚Herrschaft, Amtswürde‘ – AWB 4,1020. StWG 272. SchG 4,304. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,23). Vgl. F19. F11. f. 3r, Z. 10, (peruentioni) – piquemin| – StSG 2,177,26: piquem… (zu accessum) (10) Ne aut humilitas accessum fugiat. aut per/ (11) uentioni uita contradicat (Praef; 124,17) ‚damit nicht dem Amtsantritt die Demut fehle oder das Leben dem Erlangten widerspreche‘. Hand A? Marg. rechts neben Z. 10, rechts abgeschnitten. Obwohl ab m stark verblasst, ist der Eintrag lesbar. Steinmeyer ordnet der Glosse das Lemma accessum zu, ein Verweiszeichen von der Hand des Glossators (heller Punkt) befindet sich jedoch sowohl über dem ersten e von peruentioni als auch über p der Glosse. Die Parallelglossen piquemini im Clm 6277 (StSG 2,162,19) und zuopiquemani in Clm 18410 und Clm 19440 (StSG 2,177,27) sprechen ebenfalls für eine solche Lemmazuordnung. piquemin|: (Dat. Sg.?), st. F. ahd. biquemanī ‚Amtsantritt‘ – GSp 4,668. StWG 468. SchG 5,423. Zu den Parallelglossen siehe oben. F12. f. 3r, Z. 12, destituat – [a] pigepa – [b] firlaze – StSG 2,177,29: ….gepa firlaze (11) … Aut uitam doc/ (12) trina destituat (Praef; 124,18) ‚oder er das Leben durch die Lehrweise verliere‘. Beide Glossen von Hand A. pigepa mit verblasstem Anfang steht intl. über -itu-, firlaze anschließend über -at. Die neue Lesung mithilfe der UV-Lampe bestätigt, was Steinmeyer vermutet hatte (StSG 2,177,29,A.10). [a] pigepa: 3. Sg. Konj. Präs. st. V. ahd. bigeban ‚verlassen, aufgeben‘ – AWB 4,161. StWG 194. SchG 3,415. Diese Endung auf -a erscheint besonders im spätalthochdeutschen Bairischen (BRG §311,A.1). [b] firlaze: 3. Sg. Konj. Präs. st. V. ahd. firlāzan ‚verlassen‘ – AWB 5,670. GSp 2,307. StWG 362. SchG 5,481. Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,29), Wien, ÖNB 804, Würzburg, UB M. p. th. q. 60 (StSG 2,197,51). Mehrfachglossierung vermutlich durch zwei Synonyme. In sprachlicher Hinsicht auffällig ist, dass sich die Endungen unterscheiden. Dabei könnten die älteren -e-Endungen aus kopialen Verhältnissen herrühren (fast alle aufgelisteten Parallelglossen enden auf -e, nur diejenige in Wien, ÖNB 2723 endet auf -o, diejenige im Clm 14689 ist endungslos), -a in der ersten Glosse gibt dagegen den zeitgemäßen Lautstand wieder. Uns sind keine Parallelglossen bekannt.

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F13. f. 3r, Z. 15, (commendet) – gilivpe – StSG 2,177,34 (14) … post autem magisterium quod / (15) a non querente suscipitur uita commendet (Praef; 126,21) ‚Dann aber soll das Leben das Amt, welches ungefragt übernommen wurde, angenehm machen.‘ Hand A? Marg. rechts neben Z. 15, teilweise verblasst. gilivpe: 3. Sg. Konj. Präs. sw. V. ahd. giliuben ‚angenehm, lieb machen, (an)empfehlen‘ – AWB 5,1184. GSp 2,59. StWG 380. SchG 6,127. RSV 1,111. Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,34), Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,209,63) und St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,200,26). Vgl. F67. F14. f. 3r, Z. 21, (tumor) – .puriti – StSG 2,177,39 A.13: irpur (20) … ne haec ante / (21) occulti arbitris (nachher S radiert) (Ed. arbitris) oculos tumor ęlationis ex/ (22) tinguat (Praef; 126,25) ‚damit sie nicht vor den Augen des verborgenen Richters das Anschwellen des Übermuts auslösche‘. Hand A? Marg. rechts neben Z. 21, ausgeblichen, der Anfang im Gegensatz zur Wiedergabe bei Steinmeyer nicht lesbar. Am Wortende vermutlich i. .puriti: Nom. Sg. st. F. ahd. irburitī ‚Überheblichkeit‘ – AWB 1,1552. GSp 3,168. StWG 310. SchG 2,112. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,39). F15. f. 3r, Z. 22, (metiri) – [a] pidenchan – StSG 2,177,41 – [b] pidench (22) … Sed quoniam (Ed. quia sunt) plerique mihi / (23) imperitia similes, qui dum metiri se nesciunt (Praef; 126,28) ‚Aber weil viele, unerfahren ähnlich wie ich, es nicht verstehen, an sich selbst zu beurteilen‘. pidenchan von Hand B marg. rechts neben Z. 22, pidench – sehr stark und hinten gänzlich verblasst – vielleicht von Hand A, marg. unten, unterhalb von metiri. [a] pidenchan: Inf. sw. V. ahd. bidenken ‚sich selbst einschätzen, beurteilen‘ – AWB 2,384. GSp 5,159. StWG 93. SchG 2,167. RSV 1,25. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,163,1), Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,41), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,200,28) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,213,47). Vgl. F97. [b] pidench: Vermutlich identische Glosse. F16. f. 3v, Z. 5, (praecipites) – kaha (5) … quoniam (Ed. quia) indocti ac praecipites doctrinę artem / (6) tenere appetunt (Praef; 126,31) ‚weil sie ungelehrt und vorschnell die Burg der Lehre einnehmen wollen‘.

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Hand A? Marg. links neben Z. 5, teilweise stark verblasst, aber unter UV-Licht vollständig lesbar. Intl. über dem Lemma steht ein Verweiszeichen (zwei Punkte). kaha: Nom. Pl. M. st. flekt. Adj. ahd. gāhi ‚vorschnell, übereilt‘ – AWB 4,20. GSp 4,130. StWG 188. SchG 3,370. Parallelglossen finden sich in Clm 18140 und Clm 19440 (StSG 2,177,46: zigaha) und St. Florian, BAC III 222 B (StSG 2,216,31). Der Übergang von e in Endsilben zu a ist typisch für das spätere Bairische (BRG §58,A.3). F17. f. 3v, Z. 11, temeritate – frapaldi – StSG 2,177,49 (9) … ab impe/ (10) ritis ergo pastorale magisterium qua teme/ (11) ritate suscipitur (1,1; 128,4) ‚durch welche Vermessenheit wird das Lehramt von Unerfahrenen übernommen‘. Hand A. Intl. über -rita-. frapaldi: Dat. Sg. sw. F. ahd. frabaldī ‚Vermessenheit, Anmaßung‘ – AWB 3,1199. GSp 3,111. StWG 174. SchG 3,278. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,49). F18. f. 3v, Z. 13, uiscerum – inuplo – StSG 2,177,51 (12) … Quis autem cogitationum / (13) uulnera nesciat esse occultiora (Ed. occultiora esse nesciat) uulneribus uisce/ (14) rum? (1,1; 128,6) ‚Wer aber wüsste nicht, dass Seelenwunden tiefer liegen als die der Eingeweide?‘ Hand A. Intl. über -sce-, i und n durch einen waagrechten Fußstrich verbunden. inuplo: Gen. Pl. st. N. ahd. innobeli, innovili ‚Innereien, Eingeweide’ – AWB 4,1624. GSp 1,298. StWG 304. SchG 5,55. EWA 5,112. Zum Wechsel von p, b und f vgl. SchABG §78; auch Heinertz (1927: 75) beschreibt diesen Konsonantenwechsel. F19. f. 3v, Z. 19, culmen – heri – StSG 2,177,52 (18) Sed quoniam (Ed. quia) auctore deo ad releigionis reuerenti/ (19) am omne iam praesentis saeculi culmen incli/ (20) natur (1,1; 130,11) ‚Jetzt, da alle Hoheit im gegenwärtigen Zeitalter, wenn Gott es will, sich respektvoll vor der Religion verbeugt.‘ Hand A. Intl. über -me-, das Ende verblasst. StSG A.16 erwägt auch hert, aber eine Lesung des letzten Buchstabens als t ist nicht wahrscheinlich. heri: Nom. Sg. sw. F. ahd. hērī ‚Verehrung, Herrlichkeit, Würde‘ – AWB 4,973. Liest man am Ende dennoch t, wäre gekürztes ahd. hērtuom ‚Herrschaft, Vorrang‘ (AWB 4,1020. GSp 4,994. StWG 272. SchG 4,285, 306) denkbar, was durch die Glosse F10 gestützt würde und die Interpretation im AWB 4,974 begründet.

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F20. (+ L17) f. 3v, Z. 21, affectant – minnont ł desiderant – StSG 2,177,53: minnont (20) … Sunt nonnulli qui intra sanctam aecclesiam / (21) per speciem regiminis gloriam affectant / (22) honoris (1,1; 130,13) ‚Es gibt Einige, die in der heiligen Kirche unter dem Vorwand zu leiten Ruhm und Ehre erstreben.‘ Hand A. Die Glosse setzt intl. über -ff- ein und verläuft in den Blattrand hinaus. Die beiden Glossenwörter stammen von derselben Hand. minnont: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. minnōn ‚erstreben, begehren‘ – AWB 6,630. GSp 2,776. StWG 415. SchG 6,384. RSV 2,103. Mehrfachglossierung mit zwei Synonymen, durch ł (= vel) verknüpft. Im Clm 18550a stehen Parallelglossen, die sich interessanterweise aufteilen: Die lat. Parallelglosse findet sich intl. f. 5v, Z. 2: desiderant (vgl. L17), die ahd. Parallelglosse im Glossar, f. 154r, Z. 2: affectant · minnont (StSG 2,220,6). F21. f. 5r, Z. 1, (foro) – heimgarte – StSG 2,177,54: heimgârte (1) … Primas salutationes in foro … / (2) … / (3) … quaerunt (1,1; 130,15,A.) ‚Sie suchen die ersten Begrüßungen auf dem Versammlungsplatz.‘ Hand B. Marg. rechts neben Z. 1, mit Verweiszeichen über im der Glosse und vielleicht über f des Lemmas. rt in steifer Ligatur, was Steinmeyer offenbar irrtümlich als Zirkumflex betrachtete. Sievers (1909: 44) übernimmt den von Steinmeyer fälschlicherweise gesetzten Zirkumflex in seine Auflistung ‚Accente in den Glossenhandschriften‘. heimgarte: Dat. Sg. st. M. ahd. heimgart ‚Platz, auf dem sich Menschen versammeln, öffentlicher Platz‘ – AWB 4,848. GSp 4,249. StWG 264. SchG 4,242. EWA 4,908. Kempf (1972: 101) thematisiert an diesem Beleg die Semantik, die sich von ahd. ‚Versammlungsplatz‘ zu mhd. ‚eingefriedeter Garten‘ wandelt. Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,54). F22. f. 5r, Z. 8, aliud – ein – StSG 2,177,56 (8) … quando aliud discitur et aliud / (9) doceatur (1,1; 130,19) ‚wenn das eine gelernt und das andere gelehrt wird‘. Hand A. Intl. über -iu-. ein: Nom. Sg. N. Pron./Numerale ahd. ein ‚das eine‘ – AWB 3,135. GSp 1,309. StWG 120. SchG 2,385. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,7. Die entsprechende Textglosse ist lat. unū, ebenso vnum im Clm 6277, f. 6r marg. rechts neben Z. 8, aber intl. scheint deutsch ener zu stehen).

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F23. f. 5r, Z. 9, queritur – stovuot – StSG 2,177,57 (9) … Quos contra dominus per prophetam quę/ (10) ritur (1,1; 130,21) ‚Über diese klagt der Herr durch den Propheten.‘ Hand A. Intl. über -ue- und in den Blattrand hinaus verlaufend. Das erste o sieht aus wie aus u korrigiert, erhielt seine Form jedoch wohl durch die Verbindung mit t. stovuot: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. stouwōn ‚klagen‘ – GSP 6,726. StWG 597. SchG 9,258. RSV 2,148.47 Parallelglossen enthalten Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (Mayer 1974: 4,3), Clm 6277 (StSG 2,163,7), Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,57), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,200,53) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,214,78). F24. (+ L19) f. 5r, Z. 13, fulti – angustantur – irpurita – StSG 2,178,3 – () (…)ustan.. (13) … qui nullis uirutibus fulti (Ed. fulti uirtutibus) … / (14) … / (15) … culmen regiminis rapiunt (1,1; 130,24) ‚die durch keine Tugenden emporgehoben … das Hirtenamt an sich reißen‘. Die ahd. Glosse von Hand A, intl. über -ti beginnend. Oberhalb von ihr, über dem ganzen Lemma, eine radierte lateinische Federglosse (siehe L19); marg. rechts neben Z. 13 eine weitere radierte Federglosse, die mit der intl. lateinischen identisch sein könnte. irpurita: Nom. Pl. M. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. irburien, irburren ‚aufrichten, erheben‘ – AWB 1,1546. GSp 3,165. StWG 87. SchG 2,117. RSV 1,286. Siehe F37. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,3). F25. f. 5r, Z. 17, et prouehit – entifvorit – StSG 2,178,5 (16) … Quos tamen internus / (17) iudex et prouehit et nescit (1,1; 130,26) ‚Diese aber bringt der innere Richter zugleich vorwärts und kennt sie nicht.‘ Hand A. Intl. über proue-. entifvorit: Bestehend aus enti: Konj. ahd. enti ‚und‘ – AWB 4,1630 und fvorit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. fuoren ‚sich bewegen, jdn. vorwärtsbringen‘ – AWB 3,1347. GSp 3,597. StWG 183. SchG 3,334. RSV 1,48. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,9).

|| 47 Müllers (1957: 309) Annahme, dass dieses als jan- und on-Verb überlieferte Lexem nur im Bairischen des 10. und 11. Jahrhunderts auftritt, ist unzutreffend. Siehe Karlsruhe, BL Aug. IC: 8./9. Jh. alem. Auch alem.: irstouwôn von der Reichenau: Karlsruhe BL Aug. 178. Auch Schlettstadt 7 (alem. 11.–12.). Südrhfrk. Wolfenbüttel, HAB Cod. Guelf. 47, etc.

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F26. f. 5v, Z. 12, (exigente) – gisculdentero – StSG 2,178,7 (11) qui quamuis lumen scientiae sua culpa exi/ (12) gente non habeant (1,1; 132,41) ‚obwohl diese das Licht der Wissenschaft wegen ihrer eigenen Schuld (wörtlich: ihres sich vollziehenden Verschuldens) nicht haben‘. Hand A. Marg. links neben Z. 12, mit dem Lemma verbunden mit Verweiszeichen in Neumenform. gisculdentero: Dat. Sg. F. st. flekt. Part. Präs. sw. V. ahd. gisculden ‚schulden‘ – GSP 6,473. StWG 551. SchG 8,406. RSV 1,186. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,7). Die Belege in Clm 18140 und Clm 19440 deuten auf das ōn-Verb gisculdōn. F27. f. 5v, Z. 14, offendant – missituen – StSG 2,178,9 (13) … ut per eorum ignoran/ (14) tiam hi etiam qui seqcuntur offendant (1,1; 132,43) ‚dass durch ihre Unwissenheit auch diejenigen, die ihnen folgen, sündigen‘. Hand A. Intl. über -nt beginnend und in den Blattrand hinaus verlaufend. missituen: 3. Pl. Konj. Präs. an. V. ahd. missituon ‚unrecht handeln, sündigen‘ – AWB 6,686. GSp 5,325. StWG 644. SchG 10,113. Vgl. dazu im Clm 6277 offendunt – missatuont (StSG 2,172,3). F28. f. 5v, Z. 21, (incurua) – pineigi – StSG 2,178,10: ....negi (19) … Obscurentur oculi / (20) eorum (Ed. fälschlicherweise corum) ne uideant. et dorsum eorum (Ed. illorum) semper / (21) incurua (1,1; 132,47; Ps 68,24) ‚Deren Augen sollen finster werden, damit sie nicht sehen, und krümme immer ihren Rücken.‘ Hand A. Marg. links neben Z. 21, verblasst, aber weitgehend lesbar. e ist unsicher, aber sicher gefolgt von i. pineigi: 2. Sg. Imp. sw. V. ahd. bineigen ‚jdn. niederdrücken, unterwerfen‘. Das sw. V. ahd. neigen ist mit dieser Präfigierung nicht bekannt. Der Beleg ist im AWB 6,1095 s. v. gineigen als „verstümmelt“ verzeichnet, bei StWG 433 s. v. neigen, mit Fragezeichen. Auch in SchG 7,43 wird vom Simplex neigen ‚beugen‘ ausgegangen. F29. f. 4r, Z. 2, (subsequenter) – folgento – StSG 2,178,12 (1) … Quibus hi nimirum / (2) qui subsequentuer inherent: dorsa nominan/ (3) tur (1,1; 132,50) ‚Diejenigen (Augen) allerdings, die sich diesen nachfolgend anhängen, werden ‚Rücken‘ genannt.‘ Hand A. Marg. oben, oberhalb von officium in Z. 1, mit Verweiszeichen intl. über sdes Lemmas und vor f der Glosse. folgento: Adverbialbildung des Part. Präs. sw. V. ahd. folgēn ‚folgen‘ – AWB 3,1032. GSp 3,507. StWG 168. SchG 3,237. RSV 2,213; also folgēnto ‚folgend‘ – AWB 3,1041. SchG 3,238. Die parallelen Glossen in Clm 18140, Clm 18550a (Textglossen), Clm

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19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 enthalten das Adverb folglīhho (StSG 2,178,12. 218,5). F30. f. 4r, Z. 7, (sollerti) – flizlihero – StSG 2,178,15 (7) ET SUNT NONNULLI QUI SOLLERTI / (8) cura spiritalia praecepta perscrutantur (1,2; 134,3) ‚Und es gibt Einige, die mit gründlicher Bemühung die Anweisungen des geistlichen Lebens erforschen.‘ Nicht ganz sicher Hand A. Marg. rechts neben Z. 7. flizlihero: Dat. Sg. F. st. flekt. Adj. ahd. flīzlīh ‚eifrig, gründlich‘ – AWB 3,990. GSp 3,781. StWG 165. SchG 3,218. Zum -līh-Suffix vgl. Schmid (1998: 198). F31. f. 4r, Z. 10, conculcant – firmanont – StSG 2,178,16 (9) Sed quae intellegendo penetrant, uiuendo / (10) conculcant (1,2; 134,5) ‚Aber was sie mit dem Verstand durchdringen, verachten sie durch ihr Leben.‘ Hand A. Intl. über dem Lemma. firmanont: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. firmanōn ‚verachten, ablehnen‘ – AWB 6,263. GSp 2,769. StWG 399. SchG 6,271. RSV 2,99. 2,242. Im AWB wird StSG 2,178,16 als „Verschrieben: fi-manont“ zitiert, unklar, wie es zu dieser Angabe kommt. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,16. 4,658,19. 5,102,9), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,201,3) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,209,65), von denen einige das ēn-Verb firmanēn enthalten. F32. f. 4r, Z. 12, inpugnant – [a] vuidarstent – () [b] vuiderveh| – StSG 2,178,19 (11) … Et quod uer/ (12) bis praedicant, moribus inpugnant (1,2; 134,7) ‚Und was sie mit Worten predigen, das bekämpfen sie durch ihr Verhalten.‘ Die erste Glosse von Hand A, intl. über dem Lemma, die zweite von Hand C, marg. rechts neben Z. 12, am Wortende beschnitten. [a] vuidarstent: 3. Pl. Ind. Präs. an. V. ahd. widarstēn ‚sich widersetzen, widerstreben‘ – GSp 6,607. StWG 586. SchG 9,163. Parallelglossen enthalten Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,19). [b] vuiderveh|: Steinmeyer ergänzt zu vuidervehtant (StSG A.7); (3. Pl. Ind. Präs.?) st. V. ahd. widarfehtan ‚bekämpfen, sich widersetzen‘ – GSp 3,442. StWG 144. SchG 3,88. In das jüngere Althochdeutsche weist hier (silben)anlautendes für f (BRG §138,A.1). Die erste Glosse zeigt in der Endsilbe -ar die im späteren Bairisch (10. und 11. Jh.) auftretende Neigung, in a überzugehen (BRG §58,A.3); in den Parallelglossen ist dies allerdings identisch.

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F33. f. 4r, Z. 13, abrupta – ohaldi – StSG 2,178,22 (13) cum pastor per abrupta graditur (1,2; 134,7) ‚während der Hirte die steilen Abhänge hinuntergeht‘. Hand A. Intl. über dem Lemma mit Zirkumflex über v. ohaldi: Akk. Pl. sw. F. ahd. uohaldī ‚steiler Ort, Abhang‘ – GSp 3,893. StWG 680. SchG 10,287. Sievers (1909: 44). Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,10). F34. f. 4r, Z. 20, pascebantur – nuzzun – StSG 2,178,23 (18) … Et oues meae de his / (19) quae conculcata pedibus uestris fuerant, pas/ (20) cebantur (1,2; 134,12; Ez 34,19) ‚Und meine Schafe ernährten sich von dem, was eure Füße niedergetreten hatten.‘ Hand A. Intl. über -antu-. nuzzun: 3. Pl. Ind. Prät. st. V. ahd. niozan ‚essen, weiden‘ – AWB 6,1276. GSp 2,1118. StWG 441. SchG 7,109. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,23). F35. f. 4v, Z. 7, sitiunt – kerunt – StSG 2,178,26 (7) … Qui cum dicta sitiunt (1,2; 134,20) ‚Während diese (die Hirten) nach Worten dürsten …‘. Hand C. Intl. über -iunt. kerunt: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. gerōn ‚begehren, dürsten‘ – AWB 4,228. GSp 4,229. StWG 198. SchG 3,443. RSV 2,52. Auffällig ist die Endung -unt bei eben diesem ōn-Verb, die nur vereinzelt in alemannischen und bairischen Glossen belegt ist (BRG §309; SchAHG §514). SchABG §70b zitiert die Glosse bezüglich der sich im 10. Jh. verlierenden k-Graphie im Anlaut. F36. f. 4v, Z. 8, corruptis – truopten – StSG 2,178,27 (8) … quasi corrup/ (9) tis fontibus in potibus lutum sumunt (1,2; 134,21) ‚Gleichsam trinken sie Schmutz aus verdorbenen Quellen.‘ Hand C. Intl. über -rrup-. truopten: Dat. Pl. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. truoben ‚verwirren, verschmutzen‘ – GSp 5,489. StWG 638. SchG 10,74. RSV 1,230. Partizip ohne gi-Präfix. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,27).

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F37. f. 4v, Z. 15, extenditur – erpuritvuirdit – StSG 2,178,30 (15) Et in exemplum culpa uehementer extenditur (1,2; 134,29) ‚Und die Sünde wird als Vorbild gewaltig aufgerichtet (wörtl.: ausgebreitet).‘ Hand C. Intl. über dem Lemma. erpuritvuirdit: Bestehend aus erpurit: unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. irburien, irburren ‚aufrichten, erheben‘ – AWB 1,1546. GSp 3,165. StWG 87. SchG 2,116. RSV 1,286 und vuirdit: 3. Sg. Ind. Präs. st. V. werdan ‚werden‘; analytische Verbalform zur Übersetzung des lateinischen Passivs. Auffällig ist die abgeschwächte Vorsilbe (BRG §75). F38. f. 4v, Z. 16, ordinis – vuihi – StSG 2,178,31 (16) quando pro reuerentia ordinis peccator hono/ (17) ratur (1,2; 134,30) ‚wenn der Sünder für die Ehrfurcht gegenüber der Amtswürde geehrt wird‘. Hand A. Intl. über -ordin-. vuihi: (Gen. Sg.?) sw. F. ahd. wīhī ‚Weihe, Heiligung, Heiligkeit‘ – GSp 1,723. StWG 727. SchG 11,131. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,31), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,201,7) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,214,1). F39. f. 6r, Z. 1, asinariam – esilliher – StSG 2,178,33 (f. 4v, Z. 22) … Per molam // (f. 6r, Z. 1) quippe asinariam secularis uitę circuitus ac / (2) labor exprimitur (1,2; 136,35) ‚Durch den Eselsmühlstein (= Mühlstein einer Eselsmühle) wird nämlich der Lauf und die Mühe des weltlichen Lebens dargestellt.‘ Hand A. Die Glosse über dem Lemma. esilliher: Nom. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. esillīh ‚zum Esel gehörig, Esel(s)-‘ – AWB 3,439. GSp 1,487. StWG 134. SchG 3,5. Palander (1899: 98) erwähnt diesen Beleg; Kempf (1972: 43) klassifiziert diese Bildung als Lehnübersetzung nach lat. Vorbildern. Das Maskulinum der Glosse steht wohl in Abhängigkeit von ahd. kwirnstein. Vgl. dazu die Glossen asinaria – esillihiu ·i· chuirnstein (StSG 1,818,37) zum Bibelvers Mt 18,6, der in der Regula pastoralis der glossierten Stelle vorausgehend zitiert wird. Der Nominativ der Glosse dürfte zu mola asinaria der Matthäusstelle gebildet sein (in der Hs. f. 4v, Z. 21). Parallelglossen enthalten Clm 14689 (wohl zu Ed. 136,34), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,33). F40. f. 6r, Z. 5, destruit – kirrit – StSG 2,178,36 (3) … Qui ergo / (4) … uel uerbo uel ex/ (5) emplo ceteros diestruit (Ed. uel uerbo cęteros destruit uel exemplo) (1,2; 136,39) ‚wer aber … entweder durch Wort oder Beispiel die anderen verdirbt‘.

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Nicht bestimmte Hand. Intl. über -trui-. kirrit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. giirren ‚in die Irre führen, verderben‘ – AWB 4,1720. GSp 1,453. StWG 311. SchG 5,81. RSV 1,81. Parallelglossen enthalten Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (Mayer 1974: 4,9), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,36). (Im Clm 6277 taucht dieselbe Glossierung an anderer Stelle auf. Vgl. StSG 2,166,29.) SchABG §70b zitiert die Glosse bezüglich der sich im 10. Jh. verlierenden k-Graphie im Anlaut. F41. f. 6r, Z. 5, profecto – vuisso – StSG 2,178,38 (5) … melius profecto fuerat (1,2; 136,39) ‚es wäre gewiss besser gewesen‘. Hand A. Intl. über -fec-. vuisso: Adv. ahd. wisso ‚in der Tat, gewiss‘ – GSp 1,1106. StWG 739. SchG 11,226. F42. f. 6r, Z. 9, utcumque – ziettevuelihero vuis – StSG 2,178,39 (9) Quoniam (Ed. Quia) nimirum si solus caderet, utcumque hunc / (10) tolerabilior inferni poena cruciaret (1,2; 136,42) ‚Wenn er denn nun alleine abgefallen wäre, wie auch immer würde diesen im Jenseits eine erträgliche Strafe treffen.‘ Hand A. Intl. über -m- einsetzend und in den Blattrand hinausgehend. ziettevuelihero vuis: Bestehend aus zi: Präp. ahd. zi ‚zu, auf‘; ettevuelihero: Dat. Sg. st. flekt. F. Indef.-Pron. ahd. eddewelīh, erscheint in Wendungen, hier zusammen mit vuis: indekl. (Dat. Sg.) st. F. ahd. wīs ‚Art, Weise‘ – GSp 1,1073. StWG 738. SchG 11,217; Bedeutung der Wendung also ‚auf irgendeine Weise‘ – AWB 3,49. StWG 738. SchG 2,357. 11,218. 11,387. Man vgl. die Glosse &tiuilo zur selben Stelle in Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (Mayer 1974: 4,12). Für das spätere Althochdeutsche typisch ist -tt- bei ette- (BRG §167,A.10; SchABG §48 zitiert diese Glosse). F43.–45. f. 6r, Z. 13–14 (13) … ne temerare ad (Ed. temerarie sowie ohne ad) sacra regimina / (14) quisquis impar est his (Ed. quisquis his impar est) audeat (1,3; 136,4) ‚damit jeder, der des heiligen Führeramts unwürdig ist, es nicht zu entehren wage‘. F43. f. 6r, Z. 13, ne temerare (1,3; 136,4) – nigiualgan – StSG 2,178,40 Nicht bestimmte Hand. Intl. über N&eme-. Ursprüngliches temerare ist zu temere expungiert. Die Glosse bezieht sich auf temerare. ni zu Beginn, von Steinmeyer als „unsicher“ beschrieben, ist sehr wahrscheinlich. nigiualgan: Bestehend aus ni: Neg.part. ahd. ni ‚nicht‘ und giualgan: Inf. sw. V. ahd. gifelgen ‚verunreinigen, entehren‘ – GSp 3,499. StWG 146. SchG 3,107. RSV 1,36. Dazu erklärt Heinertz (1927: 40): „Zur erklärung dieser glossierungen darf man wohl anführen, dass ein unrechtmässiges aneignen, sobald es sich um geistliche

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güter handelte, eine entweihung war.“ Parallelglossen – alle ohne ni – enthalten Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (Mayer 1974: 4,14), Clm 3767 (StSG 2,199,17), Clm 6277 (StSG 2,163,19), Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,40). F44. f. 6r, Z. 13, ne … audeat (1,3; 136,5) – .?nigibelde – StSG 2,178,40,A.11: „rasur“ Nicht bestimmte Hand. Die Eintragung steht intl. über -rare sa- in Z. 13 und schließt unmittelbar an die Glosse nigiualgan an. Sie ist durch Rasur (zur Eliminierung der Glosse und Einfügung von ad) stark beschädigt und zu Beginn gar nicht und dann nur resthaft lesbar. .?nigibelde: Vielleicht bestehend aus ni: Neg.part. ahd. ni ‚nicht‘ und gibelde: 3. Sg. Konj. Präs. sw. V. ahd. (gi)belden ‚sich erdreisten‘ – AWB 1,863. StWG 45. SchG 1,291. RSV 1,7. F45. f. 6r, Z. 14, (impar) (1,3; 136,5) – vnvuirdi| – StSG 2,178,44 Hand C. Marg. rechts neben Z. 14, das Ende abgeschnitten. Verweiszeichen über dem Lemma und über der Glosse. vnvuirdi|: Adj. ahd. unwirdīg ‚unwürdig‘ – GSP 1,1017. StWG 678. SchG 10,276. Steinmeyer ergänzt zu vnvuirdiger (StSG 2,178,A.12). Die Glossen zur selben Stelle im Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,44) enthalten das Adj. ungiristīg. Vgl. dazu aber im Clm 18550a, f. 7v, Z. 18, (inpar) – indignus. F46. f. 6r, Z. 17, plures – [a] mana gen – StSG 2,178,47 – () [b] manag (17) … Nolite plures magistri fieri fratres mei (1,3; 136,7; Iac 3,1) ‚Es sollen nicht so viele Lehrer werden, meine Brüder!‘ Die erste Glosse von Hand A, intl. über dem Lemma, die zweite von nicht bestimmbarer Hand sehr schwach, aber am Anfang noch lesbar, marg. rechts neben Z. 17. [a] managen: Nom. Pl. M. sw. flekt. Adj. ahd. manag ‚viele, viele Menschen‘ – AWB 6,206. GSp 2,756. StWG 397. SchG 6,255. Die -en-Endung ist jung, da erst im 10./11. Jh. im Obd. -un über -on zu -en übergeht (BRG §221,A.3). [b] manag: Vielleicht der Rest einer identischen Glosse. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,16), auch mit -enEndung. F47.–48. f. 6r, Z. 18–19 (18) Hinc ipse dei hominumque mediator regnum / (19) percipere uitauit in terris (1,3; 136,8) ‚Hierbei unterließ es selbst der Mittler zwischen Gott und den Menschen, auf Erden die Herrschaft anzunehmen.‘

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F47. f. 6r, Z. 18, mediator (1,3; 136,8) – suonari – StSG 2,178,49 Hand A. Intl. über -iato-. suonari: Nom. Sg. st. M. ahd. suonāri ‚Richter, Mittler‘ – GSp 6,244. StWG 611. SchG 9,355. F48. f. 6r, Z. 19, uitauit (1,3; 136,9) – meid – StSG 2,178,50 Hand A. Intl. über -ui-. meid: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. mīdan ‚vermeiden, unterlassen‘ – AWB 6,543. GSp 2,674. StWG 412. SchG 6,363. F49. f. 6v, Z. 11, probrosae – scantlihes – StSG 2,178,53 (10) … poe/ (11) nam probrosae mortis appetit (1,3; 138,20) ‚Er erstrebte die Strafe des schändlichen Todes.‘ Hand A. Intl. über dem Lemma, h an i herangerückt. scantlihes: Gen. Sg. M.(/N.) st. flekt. Adj. ahd. scantlīh ‚schändlich‘ – GSp 6,520. StWG 533. SchG 8,280. Wegen des Bezugswortes mortis ist Genus M. wahrscheinlicher. Vgl. die Parallelglosse scbntlkhfs tpdfs (= scantlihes todes) im Clm 3767 (StSG 2,199,21). Parallelglossen enthalten außerdem Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (Mayer 1974: 4,18), St. Florian, BAC III 222 B (StSG 2,217,4), Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,53), dazu eine noch unveröffentlichte Griffelglosse in Wien, ÖNB 949 (vgl. Nievergelt in Vorb.). F50. f. 6v, Z. 15, declinare – pimidan – StSG 2,178,56 (14) … prospera formi/ (15) dando declinare (1,3; 138,23) ‚das Glück durch Furcht zu vermeiden‘. Hand A. Intl. über dem Lemma. pimidan: Inf. st. V. ahd. bimīdan ‚verbergen, vermeiden‘ – AWB 6,546. GSp 2,675. StWG 412. SchG 6,363. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,56). F51. (+ L42) f. 6v, Z. 22, admissa – pecata – () missita/niu – StSG 2,178,58 (22) In illis autem longi quoque temporis amdmissa terguntur (1,3; 138,29) ‚Bei jenen aber werden auch vor langer Zeit begangene Schulden getilgt.‘ Die althochdeutsche Glosse von Hand B in zwei Zeilen marg. links neben Z. 22, die lateinische auf Rasur intl. über dem Lemma. missitaniu: Nom. Pl. N. st. flekt. Part. Prät. an. V. ahd. missituon ‚sündigen‘ – AWB 6,686. GSp 5,325. StWG 644. SchG 10,113. Eine Parallelglosse enthält vielleicht der

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Clm 3767 (StSG 2,199,A.10). Vgl. auch die Glossen missetatin und delicta im Clm 18550a (Textglossen; die althochdeutsche bei StSG 2,218,A.7). F52. f. 7r, Z. 2, (disciplina) – zuhti – StSG 2,178,59 (1) Nam plerumque aduersitatis cum (Ed. ohne cum) magisterio sub / (2) disciplina cor praemitur (1,3; 138,30) ‚Denn oft wird das Herz unter die Zucht der feindlichen Herrschaft gedrängt.‘ Hand A. Marg. rechts neben Z. 2, Verweiszeichen /. über dem Lemma und über der Glosse. Über dem Lemma ist etwas ausgewischt. zuhti: Dat. Sg. st. F. ahd. zuht ‚Zucht‘ – GSp 5,615. StWG 769. SchG 11,455. F53.–54. f. 7r, Z. 11–12 (10) … mox / (11) ut pressurę pondere caruit, in tumorem (Ed. tumore) uul/ (12) neris erupit (1,3; 138,38) ‚Sobald er der Last des Leidensdrucks entbehrte, brach der Drang nach Verwundung hervor.‘ F53. f. 7r, Z. 11, caruit (1,3; 138,38) – [a] darp&a – [b] & – StSG 2,178,60 und A.14: darp&a, „p&a auf rasur“ Hand B. Intl. auf Rasur über dem mittels ar korrigierten Lemma. Im Bereich von p& ist deutlich noch & einer radierten Glosse lesbar. [a] darp&a: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. darbēn ‚Mangel haben, nicht haben‘ – AWB 2,306. GSp 5,214. StWG 91. SchG 2,149. RSV 2,207. [b] &: Darunter vermutlich eine getilgte identische Glosse. Eine Parallelglosse enthält der Clm 3767 (StSG 2,199,25). F54. f. 7r, Z. 12, uulneris (1,3; 138,38) – ı manshalti – StSG 2,178,61: imanshal:ti Unklare Zugehörigkeit: Ganz unsicher Hand A. Die Glosse beginnt noch im linken Blattrand mit einem senkrechten Strich ı, dessen Funktion unklar ist (evtl. lat. i[d est] ‚dies ist‘ oder Verschreibung?). lt auf Rasur. manshalti: Gen. Sg. st. F. ahd. manslaht ‚Totschlag, Mord‘ – AWB 6,265. GSp 6,777. StWG 399. SchG 6,261; Glosse womöglich verschrieben (vgl. AWB): h und l vertauscht. Parallelglossen in Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,61). F55. (+ L44) f. 7r, Z. 13, eneruiter – i· leuiter – () vnstatigo – StSG 2,178,63 (13) … quoniam (Ed. quia) in appetitu feminę enerui/ (14) ter fluxus est (Ed. ohne est) (1,3; 140,39) ‚da er in der Begierde nach einer Frau wankend ohne Halt war‘. Die althochdeutsche Glosse – Hand A – marg. rechts neben Z. 13, unmittelbar an die lateinische Glosse anschließend, die intl. über -nerui- steht. Davor über feminę eine

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radierte Glosse (mit ·i· am Anfang und dann s(…)?), ebenso marg. rechts oberhalb von vnstatigo radiert vielleicht nochmals s(…). vnstatigo: Adv. ahd. unstātīgo ‚unbeständig, haltlos, wankend‘ – GSp 6,646. StWG 673. SchG 10,252. Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,178,63). In Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 ist das folgende fluxus mit unstatiger glossiert (Mayer 1974: 23). F56.–57. f. 7r, Z. 16 (15) … in bonorum quoque nece post didicit / (16) sine obstaculo retractationis anhelare (1,3; 140,41) ‚Nachher lernte er auch ohne das Hindernis des Sich-Sträubens nach dem Tod der Guten zu lechzen.‘ F56. f. 7r, Z. 16, obstaculo (1,3; 140,41) – vuideri – StSG 2,178,69 Hand A? In kleiner Schrift intl. über -stac-. vuideri: Vermutlich Anfang von gekürztem Substantiv mit Vorderglied widar – SpAW 169, wozu es in der ahd. Glossenüberlieferung Äquivalente gibt wie widarstantanī, widarsili, widarstantnissa, etc. – GSp 1,637. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass unsere Glosse widarstantida ist, worauf Parallelglossen in Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (Mayer 1974: 4,24) und Zürich, ZB Rh. 35 (StSG 2,237,11) hinweisen. Das in SchG 11,110 für unsere Glosse bestimmte bislang nicht bekannte st. F. widarī ‚Hindernis‘ ist weder aus dieser, noch aus den anderen in SchG aufgeführten Glossen anzusetzen. SchG sieht dieses Subst. auch in angeschnittenem uuidar/ zu obstaculum, Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (vgl. Schiegg 2012: 101, Abb. 8), sowie zu gekürzten Glossen im Clm 4542. Auch ohne die Parallelglossen ist dieser Neuansatz nicht zu halten. Unser Beleg wird bei StWG 723 unsicher dem Adv. ahd. widari zugewiesen. GSp 1,636 führt den Beleg nicht explizit auf. F57. f. 7r, Z. 16, anhelare (1,3; 140,42) – fneha. – StSG 2,179,1: fnehan Hand A. Intl. über -are, der letzte Buchstabe resthaft, vgl. StSG 2,179,A.1: „n verblasst“. fneha.: Inf. st. V. fnehan ‚keuchen, lechzen‘ – AWB 3,1012. GSp 3,781. StWG 167. SchG 3,227. F58. f. 7r, Z. 18, cum damno – mitscedin – StSG 2,179,2 (18) … et post cum damno desudantis exercitus / (19) militem deuotum (Ed. etiam deuotum militem) extinxit (1,3; 140,43) ‚und er ließ später zum Schaden des sich abmühenden Heeres einen ihm ergebenen Soldaten töten‘. Hand B. Intl. über cum da-.

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mitscedin: Bestehend aus mit: Präp. ahd. mit ‚mit‘ – AWB 6,700 und scedin: Dat. Sg. sw. M. ahd. scado ‚Schaden, Nachteil‘ – GSp 6,421. StWG 530. SchG 8,261. Auffällig ist hier der nur in alten Quellen anzutreffende Umlaut, der im 9. Jahrhundert zugunsten der anderen Kasus analogisch ausgeglichen wird (BRG §221,A.1). Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Textglossen), f. 8v, marg. l. neben Z. 21, m.t s.edin (vgl. Nievergelt in Vorb.). F59. f. 8v, Z. 4, (pro exercitatione) – fonadero opungo – StSG 2,179,13 (4) … et pro exercitatione ceterorum magnis / (5) muneribus exaltantur (1,5; 144,4) ‚und für das Training anderer zeichnen sie sich durch große Qualitäten aus‘. Hand B? Marg. links neben Z. 4, der Anfang des letzten Wortes stark verblasst. Von dessen vier ersten Buchstaben, die Steinmeyer als „unsicher“ bezeichnet, konnten wir bis auf nur mutmaßliches o alle sicher lesen. fonadero opungo: Bestehend aus fona: Präp. ahd. fona ‚von, hinsichtlich‘ – AWB 3,1069. GSp 3,523. StWG 170. SchG 3,249, dero: Dat. Sg. F. best. Art. ahd. der ‚der‘ – AWB 2,411. GSp 5,3, 18, 36. StWG 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. EWA 2,589 und opungo: Dat. Sg. st. F. ahd. uobunga ‚Übung, Anleitung‘ – GSp 1,71. StWG 680. SchG 10,285. Bei dero und opungo liegen zwei jüngere Bildungen auf -o statt -u vor (BRG §207,A.4). Eine Parallelglosse enthält mit großer Wahrscheinlichkeit der Clm 18550a (Textglossen), f. 10r, Z. 9, marg. r., f(…) d(…)pun/gu (vgl. Nievergelt in Vorb.). Mit ahd. uobida glossiert ist die Textstelle in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,201,26) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,211,30). F60. f. 8v, Z. 14, lucra – [a] kiuuori – () [b] kiuuori – StSG 2,179,21 (13) … Cumque sua et / (14) non aliorum lucra cogitant (1,5; 144,12) ‚und da sie nur an ihren eigenen Nutzen und nicht an den anderer denken‘. Die interlineare Glosse über lucra ist radiert, aber fast vollständig lesbar geblieben, die marginale – unsicher ob von Hand B – steht links neben Z. 14, mit Verweiszeichen über dem Lemma (auf der Rasur) und über der Marginalglosse. Die marginale Glosse ist keiner Hand zuweisbar. Die beiden Glossen sind wohl identisch. [a] + [b] kiuuori: Akk. Pl. st. N. ahd. gifuori ‚Gewinn, Nutzen‘ – AWB 3,1355. GSp 3,601. StWG 207. SchG 3,339. SchABG §70b zitiert die Glosse bezüglich der sich im 10. Jh. verlierenden k-Graphie im Anlaut. F61. f. 9r, Z. 7, ad nomen – indenstal – StSG 2,179,26 (7) … atque ad nomen fratris filium gig/ (8) nat (1,5; 146,27) ‚und er soll im Namen des Bruders Kinder erzeugen‘. Hand A. In kleiner Schrift intl. über -d no-. gignat ist von derselben Hand intl. glossiert mit generat (L48).

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indenstal: Bestehend aus in: Präp. ahd. in ‚in‘, den: Akk. Sg. M. Dem.-Pron. Artikel ahd. der, diu, daz ‚der, die, das‘ – AWB 2,411. GSp 5,3, 18, 36. StWG 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. EWA 2,589 und stal: Akk. Sg. st. M. ahd. stal ‚Stelle‘ – GSp 6,674. StWG 584; heutige Entsprechung: Präp. ‚anstelle‘ – SchG 2,181. 5,23. 9,154. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Textglossen; StSG 2,218,14). F62.–63. f. 11r, Z. 14–15 (14) … utrobi/ (15) que ergo humilis, utrobique subiectus / (16) est (Ed. ohne est) (1,7; 152,37) ‚In beiderlei Hinsicht war er demütig, in beiderlei Hinsicht unterwürfig.‘ F62. f. 11r, Z. 14, utrobique (1,7; 152,37) – iouuederohalpun – StSG 2,179,33 Hand A. Intl. über -bi- einsetzend und bis an den Blattrand reichend. Vielleicht ein Punkt nach der Glosse. iouuederohalpun: Adv. ahd. iowedarhalbūn ‚in beiderlei Hinsicht‘ – GSp 4,886. StWG 308. SchG 4,122. 5,71. Parallelglossen enthalten außerdem Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (Mayer 1974: 5,19), St. Florian, BAC III 222 B (StSG 2,225,7), Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,179,33), Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,42), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,201,46) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,216,43). (Die Marginalglosse im Clm 18550a (Textglossen) ist wie in StSG 2,218,A.16 angegeben und nicht wie in Mayer (1974: 98,8) zu lesen. Bei Mayer ist sie zudem irrtümlich als Griffelglosse bezeichnet. Es handelt sich aber um eine Federglosse.) F63. f. 11r, Z. 15, subiectus (1,7; 152,38) – gahorsamer – StSG 2,179,38 Hand A. Intl. über -iect’. gahorsamer: Nom. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. gihōrsam ‚gehorsam, unterwürfig‘ – AWB 4,1271. GSp 4,1009. StWG 209. SchG 4,398. Auffällig ist der alte Präfixvokal . SchABG 46 zitiert diese Glosse. Möllmann (1994: 109) thematisiert diese Glosse bei der Behandlung des Adjektivs gihōrsam und schlägt die Kontextübersetzung ‚unterwürfig‘ vor. Eine Parallelglosse in identischer Form enthält der Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,44), sodass die archaische Präfixgraphie auf abschriftliche Verhältnisse zurückgehen kann. F64. f. 11v, Z. 4, que aegit – dioertuot – StSG 2,179,40 (4) … que / (5) ægit ferre non ualet (1,7; 154,48) ‚Was er tut, kann er nicht tragen.‘ Nicht bestimmte Hand, vielleicht Hand D? Intl. über q- einsetzend und bis in den Falz hineingehend. Möglicherweise ist qui zu que von der Glossenhand korrigiert. dioertuot: Bestehend aus dio: Akk. Pl. N. Dem.-Pron. ahd. daz ‚das‘ – AWB 2,411. GSp 5,3, 18, 36. StWG 94, 95, 799, 840. SchG 2,170. EWA 2,589, er: 3. Sg. M. Pers.-

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Pron. ahd. er ‚er‘ und tuot: 3. Sg. Ind. Präs. an. V. ahd. tuon ‚tun‘ – GSp 5,284. StWG 642, die Schreibung aegit als Wiedergabe von agit aufgefasst. Eine Parallelglosse enthält der Clm 6277 (StSG 2,163,24), die das zum Lemma passende Präteritum ausdrückt. F65. f. 11v, Z. 8, instrumentum – lera – StSG 2,179,42 (8) ad usum suę libidinis instrumentum / (9) apostolici sermonis arripiunt (1,8; 154,4) ‚Als Zeugnis ihres Begehrens eignen sie sich ein Apostelwort an.‘ Hand A. Intl. über -me-. lera: Akk. Sg. st. F. ahd. lēra ‚Beweis, Zeugnis‘ – AWB 5,821. GSp 2,254. StWG 370. SchG 6,51. Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,179,42). F66. f. 11v, Z. 17, fauet – lochot – StSG 2,179,44 (17) … et fauet ergo desiderio (1,8; 154,10) ‚und er fördert allerdings das Verlangen‘. Hand A. Intl. über -u&. lochot: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. lockōn ‚fördern‘ – AWB 5,1255. GSp 2,545. StWG 383. SchG 6,146. RSV 2,91. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,179,44). F67. (+ L52) f. 12r, Z. 5, conponat – [a] giliube – regat – () [b] giliube – StSG 2,179,46 (4) … et officium lau/ (5) dando quod queritur conponat ad uitam (1,8; 154,18) ‚Indem er das Amt, das angestrebt wird, lobt, formt er es für das Leben.‘ Die intl. althochdeutsche Glosse über -onpo-, radiert, mit UV-Licht aber noch vollständig lesbar und dennoch keiner Hand mehr zuzuweisen. Die marg. Glosse von Hand B steht rechts neben Z. 5, Verweiszeichen /. auf der intl. und über der marg. Glosse. regat steht intl. über -at. [a] + [b] giliube: 3. Sg. Konj. Präs. sw. V. ahd. giliuben ‚angenehm, lieb machen, (an)empfehlen‘ – AWB 5,1184. GSp 2,59. StWG 380. SchG 6,127. RSV 1,111. Im Clm 18149 und Clm 19440 lautet die Glosse girihte (StSG 2,179,46). Vgl. F13. F68. f. 12v, Z. 12, subprimat – firsuige – StSG 2,179,50 (11) … fitque ut aliud in imis intentio / (12) subprimat (1,9; 156,7) ‚und es geschieht, dass man die eigentliche Absicht verschweigt‘. Hand A. Intl. über dem Lemma. Auf derselben Stelle ist etwas radiert, von dem nichts lesbar geblieben ist. firsuige: 3. Sg. Konj. Präs. sw. V. ahd. firswīgēn ‚verschweigen, unterdrücken‘ – GSp 6,860. StWG 618. SchG 9,409. RSV 2,262. Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm

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18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,179,50), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,201,53) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,215,37). F69.–70. f. 12v, Z. 20: (20) Sed repente perueniens iure sibi hoc debitum / (21) ad quod peruenerit putat (1,9; 158,13) ‚Aber wenn sie [die Seele] dies plötzlich erreicht, denkt sie, dass ihr rechtmäßig dies schuldig sei, was sie erreicht habe.‘ F69. f. 12v, Z. 20, (iure) (1,9; 158,13) – pirehte – StSG 2,179,57 Hand B. Marg. links neben Z. 20, Verweiszeichen /. über Lemma und Glosse. Intl. über dem Lemma etwas ausgewischt. pirehte: Bestehend aus pi: Präp. ahd. bī ‚bei, zu‘ und rehte: Dat. Sg. st. N. ahd. reht ‚Gesetz, Gerechtigkeit‘ – GSp 2,405. StWG 477. SchG 1,331; zusammen ‚rechtmäßig‘ – SchG 7,363. Eine Parallelglosse – eine Schwarzstiftglosse – enthält der Clm 6277 (Ernst 2007: 479f.). F70. f. 12v, Z. 20, (debitum) (1,9; 158,13) – |culdigaz – StSG 2,179,58 Hand B. Marg. links neben Z. 20–21, links beim Blattzuschnitt verstümmelt. Intl. über debitum, das durch ein s-förmiges Verweiszeichen als Lemma gekennzeichnet ist, ist etwas zur Unkenntlichkeit ausradiert worden. Möglicherweise wurde das mit dem intl. Verweiszeichen korrespondierende Verweiszeichen weggeschnitten. Die Glosse steht unterhalb der Glosse pirehte von derselben Hand. Indem |culdigaz entfernt vom Lemma steht, könnte es mit F69 zusammen eine zusammengehörige Glossierung bilden. |culdigaz: für [s]culdigaz: Nom. Sg. N. st. flekt. Adj. ahd. skuldīg ‚schuldig, zustehend‘ – GSp 6,470. StWG 551. SchG 8,408. F71. f. 13r, Z. 6, proposuerit – inthiez – StSG 2,179,59 (5) … et repente cognoscit, si prę/ (6) latus bona agere que proposuerit possit (1,9; 158,20) ‚und bald erkennt er, ob er als Vorgesetzter die guten Dinge, die er verheißen hatte, tun könne‘. In den althochdeutschen Glossen isolierte Hand. Vielleicht die Hand E? Intl. über dem Lemma. inthiez: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. intheizan ‚etw. geloben, verheißen‘ – AWB 4,891. GSp 4,1086. StWG 265. SchG 4,251.

Die Glossen | 561

F72. (+ L57) f. 13r, Z. 8, imis – ·i· aphtrorun – StSG 2,179,60 – a.p(…)b – StSG 2,179,60,A.10: „auf rasur“ – () pavpertatibus (8) … qui in imis positus non de/ (9) sinit (Ed. desiit) superbire (1,9; 158,22) ‚der in niedriger Stellung nicht aufgehört hat, überheblich zu sein‘. Die althochdeutsche Glosse von Hand A intl. über -ui inim- auf einem radierten Eintrag (vgl. StSG 2,179,60,A.10), von dem noch a.p(…)b zu lesen ist. Es handelt sich vermutlich um das Wort der marginalen Glosse, die rechts neben Z. 8 steht. Verweiszeichen über dem Lemma (in der althochdeutschen Glosse drin) und über der Marginalglosse. ·i· aphtrorun: Gl. eingeleitet mit ·i·; Dat. Pl. Komp. Adj. ahd. aftrōro ‚geringer, niedriger‘ – AWB 1,52. GSp 1,189. StWG 16. SchG 1,77. Die Graphie erscheint zuweilen in spätbairischen Quellen (BRG §139,A.7). Sie herrscht auch in den Parallelglossen (vgl. Wesle 1913: 53). Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,179,60). F73. f. 13r, Z. 13, sustentationem – vuoro – StSG 2,179,63 (12) … quando ad multorum sus/ (13) tentationem tenditur is (1,9; 158,25) ‚sobald dieser für den Lebensunterhalt Vieler tätig ist‘. Hand A. Intl. über -tati- des Lemmas. vuoro: Dat. Sg. st. F. ahd. fuora ‚Nahrung, Lebensunterhalt‘ – AWB 3,1343. GSp 3,597. StWG 183. SchG 3,333. Steinmeyer deutet mit dem dem Lemma vorangesetzten ad an, dass er hinter der Dativform einen Einfluss der Präposition vermutet (mitgedachtes ahd. zi?). Von den Parallelglossen enden fast alle ebenfalls auf -o. Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,179,63). F74. f. 13r, Z. 22, confundit – firguzit – StSG 2,179,66 (22) etiam peritus se nauta confundit (1,9; 160,32) ‚Auch der erfahrene Schiffer gerät in Verwirrung.‘ Hand A. Intl. über dem Lemma. firguzit: 3. Sg. Ind. Präs. st. V. ahd. firgiozan ‚vergießen, in Verwirrung geraten‘ – AWB 4,278. GSp 4,284. StWG 217. SchG 3,461. Auffällig ist hier die u-Graphie, die auf eine monophthongierte Form, die ab dem 10. Jahrhundert häufiger wird (BRG §49,A.1) hindeuten könnte. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,179,66). F75. f. 13v, Z. 2, incessanter – [a] unstathaft – () [b] unstathaft – StSG 2,179,69 (2) … huc illucque incessan/ (3) ter impellitur (1,9; 160,34) ‚hierhin und dorthin wird es (das Schiff) unbeständig getrieben‘.

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Die Interlinearglosse blass (radiert? Hand A?), aber vollständig lesbar über -ue inces-, die Marginalglosse von Hand B links etwas unterhalb von Z. 2, Verweiszeichen “ über Lemma und Marginalglosse. Das intl. Verweiszeichen ist auf die verblasste Glosse aufgetragen. [a] + [b] unstathaft: Adv. ahd. unstatahaft ‚unbeständig, schwankend‘ – GSP 6,647. StWG 673. SchG 10,250. Laut Kempf (1972: 61) ist das Lexem im Mittelhochdeutschen nur einmal belegt, in übrigen germanischen Sprachen nicht. F76. f. 13v, Z. 13, torporis – [a] slaffi – StSG 2,179,73,A.11: „rasur“ – () [b] Slaffi – StSG 2,179,73 (12) … percepta / (13) dona sub otio lenti torporis abscondere (1,9; 160,42) ‚die empfangenen Gaben unter der Ruhe des trägen Nichtstuns zu verbergen‘. Die Interlinearglosse (Hand A?) sehr blass über torp-, die Marginalglosse von Hand B links neben Z. 13, mit Verweiszeichen über Lemma und Glosse. [a] + [b] slaffi: Gen. Sg. sw. F. ahd. slaffī ‚Erschlaffung, Trägheit‘ – GSp 6,803. StWG 554. SchG 8,428. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,179,73), Clm 18550a (Textglossen) (Griffelglosse; vgl. Nievergelt in Vorb.), Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,48). Unklar ist, ob die Griffelglosse slaf im Clm 27152 – entgegen den Zuweisungen bei Mayer (1974: 105) und Nievergelt (2017b: 159) und trotz ihrer Position – ebenfalls als Parallelglosse zu betrachten ist. F77. f. 15r, Z. 4 (Glosse Z. 3), subditis – denliutin – StSG 2,180,13 (2) … caueat ne districti iudicis iram (Ed. iram iudicis) gra/ (3) uius accendens, dum loco delectatur glo/ (4) rię, fiat subditis auctor ruinę (1,10; 164,39) ‚Er hüte sich, den Zorn des strengen Richters stärker zu reizen, und während er sich an seiner ruhmvollen Stellung erfreut, den Untergebenen zum Anlass des Verderbens zu werden.‘ Unsicher ob von Hand B. Intl. über accendens in Z. 3, also um eine Zeile zu hoch aufgezeichnet (vgl. StSG 2,180,13,A.1). Darin kann ein für Kopiervorgänge typischer Fehler gesehen werden. denliutin: Bestehend aus den: Dat. Pl. M./F./N. best. Art. ahd. der ‚der‘ und liutin: Dat. Pl. st. M./F./N. ahd. liut ‚Leute, Untergebene‘ – AWB 5,1205. GSp 2,193. StWG 381. SchG 6,134. F78.–79. f. 15v, Z. 9 (8) … quoniam (Ed. quia) ad uirtutis statum dum / (9) fluxa consuætudo non ærigitur (1,11; 166,21) ‚weil sich ein wankelmütiger Lebenswandel ja nicht zur standhaften Tugend erhebt‘.

Die Glossen | 563

F78. f. 15v, Z. 9, (fluxa) (1,11; 166,21) – vnstatigiu – StSG 2,180,20 Hand A. Marg. links neben Z. 9, unmittelbar vor dem Lemma, mit Verweiszeichen links neben der Glosse und über dem Lemma. vnstatigiu: Nom. Sg. F. st. flekt. Adj. ahd. unstātīg ‚haltlos, wankend‘ – GSp 6,646. StWG 673. SchG 10,251. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,163,7), Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,180,20), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,202,3). Vgl. F99. F79. f. 15v, Z. 9, (consuaetudo) (1,11; 166,21) – lust – StSG 2,180,23 Hand A. Marg. links neben Z. 9 auf Zeilenhöhe. Verweiszeichen über fluxa und über lust. lust: Nom. Sg. st. F. ahd. lust ‚Lust, Begierde, Freude, Verlockung‘ – AWB 5,1419. GSp 2,285. StWG 390. SchG 6,197. Unklare Anordnung. Das Verweiszeichen verbindet lust mit fluxa. Vielleicht eine Glossierung des ganzen Ausdrucks fluxa consuaetudo. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,59). F80.–81. f. 15v, Z. 12: (12) … remissas manus et diessoluta (Vulg. soluta) / (13) genua erigite (1,11; 166,23; Hbr 12,12) ‚Richtet auf die erschlafften Hände und die wankenden Knie.‘ F80. f. 15v, Z. 12, remissas (1,11; 166,23; Hbr 12,12) – [a] ·i· slaffun – StSG 2,180,26 – () [b] slaffun – StSG 2,180,26,A.2: „dasselbe wort am rande ausradiert“ Die Interlinearglosse von unbeholfener, nicht bestimmter Hand über rem- des Lemmas, a aus Korrektur (unklar, ob aus o, wie von Steinmeyer in A.2 angegeben), die Marginalglosse (Hand B?) abgegriffen oder radiert links neben Z. 12, noch lesbar. Die Glossen sind inklusive Art der Geminatenschreibung identisch. [a] + [b] ·i· slaffun: Gl. in [a] eingeleitet mit ·i·; Akk. Pl. F. sw. flekt. Adj. ahd. slaf ‚schlaff, träge‘ – GSp 6,802. StWG 554. SchG 8,426. Diese Glosse erwähnt auch Rosengren (1968: 49) bei ihrer Aufstellung von Glossierungen zu remissus in den Evangelienglossen. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,180,26), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,202,5) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,215,5). Eine weitere Parallelglosse steht, mit Griffel, in Wien, ÖNB 949 (vgl. Nievergelt in Vorb.). F81. f. 15v, Z. 12, dissoluta (1,11; 166,24; Hbr 12,12) – [a] ·i· ummagun – StSG 2,180,29 – () [b] ..gun Die Interlinearglosse von unbeholfener Hand (auf Hand B?), über dem Lemma. Steinmeyer erkennt auch in der Korrektur des Lemmas die Glossenhand (StSG 2,180,29,A.3). Von der Marginalglosse links neben Z. 12 (Hand B?) sind noch die

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letzten drei Buchstaben lesbar. Sie könnte mit der Interlinearglosse identisch gewesen sein. [a] (+ [b]) ·i· ummagun: Gl. eingeleitet mit ·i·; Akk. Pl. N. sw flekt. Adj. ahd. unmag ‚schwach‘ – GSp 2,611. StWG 668. SchG 10,230. F82. f. 15v, Z. 14, erret – irre – StSG 2,180,32 (14) … ut non claudicans erret (1,11; 166,25; Hbr 12,13) ‚damit nicht jemand als Lahmer in die Irre gehe‘. Hand A. Intl. über ma- von auf das Lemma folgendem magis. irre: 3. Sg. Konj. Präs. sw. V. ahd. irren ‚umherirren, in die Irre gehen‘ – AWB 4,1729. GSp 1,452. StWG 311. SchG 5,77. RSV 1,80. F83. f. 15v, Z. 17, (idoneus) – gimacher – StSG 2,180,33 (16) qui ad tenendam mensuram discretionis / (17) idoneus non est (1,11; 166,27) ‚der (ein Mann mit kleiner Nase) nicht geeignet dafür ist, das Maß an Urteilskraft zu bewahren‘. Hand A. Im linken Blattrand beginnend bis über i- des Lemmas. gimacher: Nom. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. gimah ‚geeignet‘ – AWB 6,76. GSp 2,635. StWG 212. SchG 6,226. Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,180,33), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,202,7) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,212,54). F84. f. 15v, Z. 23, (prodeant) – zovuaren – StSG 2,180,36 (22) … quę ex cau/ (23) sis singulis temptamenta prodeant (1,11; 166,32) ‚welche Versuchungen aus den einzelnen Ursachen entstehen‘. Hand A. Unterhalb des Lemmas auf dem unteren Blattrand, am Ende vielleicht ein Buchstabe ausradiert (vgl. StSG 2,180,36,A.4). zovuaren: 3. Pl. Konj. Präs. st. V. ahd. zuofaran ‚zukommen, hervorgehen‘ – AWB 3,617. GSp 3,573. StWG 141. SchG 3,62 Die Graphie für /uo/ ist aus einzelnen bairischen Quellen des 10.–12. Jh. bekannt (BRG §40,A.2). Im Clm 6277 ist die Textstelle mit váran glossiert (StSG 2,163,36). F85. f. 16r, Z. 13, (funditus) – karali – StSG 2,180,42 (12) … atque a bo/ (13) nis actibus funditus exsors uacat (1,11; 166,42) ‚und er ist leer, von guten Werken gänzlich ausgeschlossen‘. Vielleicht Hand A. Marg. rechts neben Z. 13.

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karali: Gekürzt Adv. ahd. garalīhho ‚gänzlich, völlig‘ – AWB 4,102. GSp 4,241. StWG 192. SchG 3,394. SchABG §70b zitiert die Glosse bezüglich der sich im 10. Jh. verlierenden k-Graphie im Anlaut. F86. f. 16v, Z. 13, grossescunt – dicchent – StSG 2,180,46 (12) … sed humore de/ (13) fluenti infirmantibus palpebris (Ed. defluente infirmatae palpebrae) grossescunt (1,11; 168,61) ‚aber beim Abfließen der Tränen schwellen die Augenlider an‘. Hand A. Intl. über dem Lemma. dicchent: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V ahd. dickēn ‚dick werden, anschwellen‘ – AWB 2,445. GSp 5,113. StWG 99. SchG 2,225. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,180,46). F87. f. 16v, Z. 14, (atteritur) – ginezetvuirđ – StSG 2,180,48 (14) Quorum quoniam (Ed. quia) infusione crebro atteritur, / (15) etiam acies pupillę uitiatur (1,11; 168,62) ‚Weil sie durch das beständige Abfließen abgenutzt wird, wird auch die Kraft der Pupille beschädigt.‘ Hand A. Marg. links neben Z. 14, mit Verweiszeichen : über Lemma und Glosse. ginezetvuirđ: Analytische Passivform bestehend aus ginezet: Part. Prät. sw. V. ahd. neizen oder gineizen ‚quälen, schwächen, zerstören‘ – AWB 6,1102. RSV 1,137 und gekürztes vuirdit (die ausgeschriebene Form geben die Parallelglossen im Clm 6277, Clm 18140 und Clm 19440): 3. Sg. Ind. Präs. st. V. ahd. werdan ‚werden‘ – GSp 1,982. Vgl. SchG 11,45. Auffällig ist die abgeschwächte Nebentonsilbe sowie das ins Bairische deutende für /ei/ (BRG §40,A.2). Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,163,42), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,180,48). SchG 7,68 führt die Form auf nezzen ‚befeuchten, wässrig werden‘ zurück, was auch das AWB diskutiert. Dies erscheint aber sehr unwahrscheinlich, zumal die Gleichung lat. atterere – ahd. (gi)neizen mehrfach belegt ist und zudem eine der Parallelglossen den Diphthong zeigt (StSG 2,180,50). F88. f. 16v, Z. 17, (sauciat) – givuirsirot – StSG 2,180,51 (15) … Et sunt non/ (16) nulli quorum sensum carnalis uitę opera/ (17) tio sauciat (1,11; 168,64) ‚Und es gibt einige, bei denen der fleischliche Lebenswandel das Gewissen verdirbt.‘ Hand A. Marg. links neben Z. 17, mit Verweiszeichen . über Lemma und Glosse. givuirsirot: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. giwirsirōn ‚verderben, verschlechtern‘ – GSp 1,1047. StWG 737. SchG 11,214. RSV 2,185. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,180,51).

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F89. f. 17r, Z. 7, pupilla – aphil – StSG 2,180,A.10 (7) … pupilla namque oculi nigra ui/ (8) det (1,11; 168,73) ‚Die schwarze Pupille des Auges nämlich sieht.‘ Intl. über pup-, ausradiert, aber mit sehr viel Mühe noch lesbar. Von Steinmeyer erwogenes aphil ist nahezu sicher. Die Eintragung ist keiner der bestimmten Hände zuweisbar. aphil: Nom. Sg. st. M. ahd. aphul ‚(Aug-)Apfel‘ – AWB 1,612. GSp 1,173. StWG 32. SchG 12,61 (bei „Unidentifizierbare Eintragungen“ aufgelistet). Das AWB 1,614 vermutet, dass die Glosse hier radiert wurde, weil pupilla hier ‚Pupille‘ bedeutet. Das ist nicht nur glossierungstechnisch nicht glaubhaft, zumal ahd. apful ja auch die Bedeutung ‚Augapfel‘ tragen kann. Vgl. in Karlsruhe, BL St. Peter perg. 87 die Regula pastoralis-Glosse pupillae – afful zu 1,11; 168,60 (StSG 2,241,15). F90. f. 17r, Z. 14, excludit – () [a] ·i· giuzzot – StSG 2,180,58 – [b] (…)uzot – StSG 2,180,58: ::: (A.11: „am rande ... etwas ausgewischt“; siehe F92) (13) … a luce se supernę cognitionis ex/ (14) cludit (1,11; 168,78) ‚Er schließt sich vom Licht höherer Erkenntnis aus.‘ Die erste Glosse – von Hand B – beginnt im linken Blattrand und geht bis über -udes Lemmas. Intl. über dem Lemma ist eine Glosse ausradiert, von der uzot unter der späteren Glosse rechts hervorragt. [a] ·i· giuzzot: Gl. eingeleitet mit ·i·; 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. giūzōn ‚ausschließen, absperren‘ – GSp 1,540. StWG 687. SchG 10,324. RSV 2,169. [b] (…)uzot: Vermutlich dasselbe Wort, mit Einfachschreibung des z. F91. (+ G13) f. 17v, Z. 4, (pruriginem) – prono. – pronodun (4) … Quasi enim cutis pruri/ (5) ginem paulus curabat abstergere (1,11; 170,89) ‚Darum wollte Paulus das Jucken der Haut vertreiben.‘ Hand A. Marg. links neben Z. 4, blass und gegen rechts verlöschend. Es ist unklar, ob nach dem zweiten o noch etwas kommt. Darüber steht sehr blass eine weitere resthafte Federglosse. Die Griffelglosse pronodun steht darunter, marg. links neben Z. 5. prono.: Gekürzt oder hinten erloschen sw. M. ahd. bronado ‚brennender, juckender Hautausschlag‘ – AWB 1,1417. GSp 3,310. StWG 79. SchG 2,48. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Glossar; StSG 2,221,3). F92. f. 17v, Z. 11, (impetiginem) – .ohafiu. – StSG 2,180,A.11: „etwas ausgewischt“ (11) Impetiginem quoque habet in corpore (1,11; 170,93) ‚Einen Ausschlag nämlich hat er am Leib.‘

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Hand A? Marg. links neben Z. 17, abgegriffen oder radiert. Beginn und Ende der Glosse sind erloschen. Über dem Lemma ein Verweiszeichen, das ganz schwach auch über dem Anfang der Glosse erkennbar ist. .ohafiu.: Akk. Sg. st. N. ahd. lohafiur ‚Ausschlag, Krätze‘ – AWB 5,1249. GSp 3,676. StWG 383. SchG 6,143. Eine Parallelglosse enthält der 18550a (Glossar; StSG 2,221,4). Die gleiche Glossierung in St. Florian, BAC III 222 B (StSG 2,225,15) bezieht sich auf Ed. 164,12. F93.–94. f. 18r, Z. 2–3 (2) … et quasi totum corpus exasperat / (3) quoniam (Ed. quia) per uniuersa uitia animum subplantat (1,11; 170,104) ‚und sie (die Habgier) macht gleichsam den ganzen Körper rau, weil sie ihn durch alle nur möglichen Laster verdirbt‘. F93. f. 18r, Z. 2, exasperat (1,11; 170,104) – giruhet – StSG 2,180,59 Hand A. Intl. über -sperat, gegen hinten verblassend. giruhet: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. girūhen ‚rau machen‘ – GSp 2,439. StWG 496. SchG 8,17. RSV 1,160. Die abgeschwächte -et-Endung erscheint in den Parallelglossen als -it. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,180,59). F94. f. 18r, Z. 3, subplantat (1,11; 170,105) – girrit – StSG 2,180,62 Hand A. Intl. über -plant-. girrit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. giirren ‚verführen, verderben‘ – AWB 4,1717. GSp 1,453. StWG 311. SchG 5,81. RSV 1,81. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,180,62). F95. f. 18r, Z. 13, cum humor uiscerum ad uires – ·i· denni dei inniherder cidenmahtin – StSG 2,180,67 (12) … uitium quippe est pon/ (13) deris cum humor uiscerum ad uires (Ed. uirilia) labi/ (14) tur (1,11; 172,112) ‚Das Übel eines Bruches besteht nämlich dann, wenn die inneren Säfte in die männlichen Teile hinabgleiten.‘ Hand B. Die Wiedergabe bei Steinmeyer suggeriert eine zusammenhängende lange Glossenzeile. Der Eintrag teilt sich jedoch in zwei auseinanderliegende Interlinearglossen. ·i· denni dei inniherder steht intl. über cum hum-, cidenmahtin über ad uires. Man kann die beiden Teile daher auch als separate Glossierungen betrachten. Die Geminatenschreibungen stehen überzeilig, in denni über e, in inniherder über dem zweiten i. Steinmeyer weist die Glosse einer „anderen Hand“ zu (StSG 2,180,67,A.14). Erster Teil der Glossierung eingeleitet mit lat. ·i·, dann

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denni: Konj. temp.-kond. ahd. danne, denne, denni ‚(jedes Mal) wenn‘ – AWB 2,399. GSp 5,44. StWG 90. SchG 2,170. dei: Nom. Pl. N. best. Art. ahd. diu ‚die‘ – AWB 2,412. Hier liegt eine Nebenform vor, die nur im Oberdeutschen erscheint und sich im Bairischen bis ins 11./12. Jh. hält (BRG §287,A.1g). inniherder: Nom. Pl. st. N. ahd. inniherdar ‚Eingeweide‘ – AWB 4,1621. GSp 4,1030. StWG 304. SchG 5,52. ci: Präp. ahd. zi ‚zu‘ – GSp 5,572. Zur Bezeichnung der Affrikate vor i mit siehe BRG §157. den: Dat. Pl. F. best. Art. ahd. den ‚den‘. mahtin: Dat. Pl. st. F. ahd. maht ‚Macht, übertr. männliche Genitalien‘ – AWB 6,125. GSp 2,611. StWG 395. SchG 6,240. Parallelglossen enthalten Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (Mayer 1974: 6,19), Clm 18550a (Glossar; StSG 2,221,9. 10) und St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,201,69. 202,17), davon enthält die Glosse in ganzer Länge nur der Clm 18550a. Dortiges innadirhir ist – wie aus unserer Glosse zu schließen ist – zu lesen als verstelltes innahirdir und wohl nicht als verschriebenes innadihir (StSG 2,221,9,A.2, übernommen in AWB 4,1607, SchG 5,52). Adäquate Übersetzung des Lateinischen; Glossierungen über den jeweiligen lateinischen Entsprechungen, ähnlich einer Interlinearglossierung. F96. f. 18r, Z. 16, (lasciuiam) – huorlusti – StSG 2,181,3 (15) … Ponderosus ergo est, / (16) qui totis cogitationibus ad lasciuiam / (17) defluens (1,11; 172,115) ‚Mit einem Bruch behaftet ist also, wer sich mit allen Gedanken in der Zügellosigkeit verliert.‘ Hand A. Marg. rechts neben Z. 21, mit Verweiszeichen . über dem Lemma und der Glosse. huorlusti: Dat. Sg. st. F. ahd. huorlust ‚unkeusche Begierde, Lüsternheit‘ – AWB 4,1393. GSp 2,290. StWG 294. SchG 4,459. Steinmeyer deutet auch hier mit zugesetztem ad die Dativform von der deutschen Syntax beeinflusst. Siehe dazu F73. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Glossar; StSG 2,221,12). F97. f. 18v, Z. 11, metiri – pidenchan – StSG 2,181,7 (10) … Oportet namque / (11) ut metiri sollicite studeat (2,1; 174,5) ‚er muss sich nämlich sorgfältig bemühen zu beurteilen …‘. Hand B. Intl. über dem Lemma. pidenchan: Inf. sw. V. ahd. bidenken ‚bedenken‘ – AWB 2,384. GSp 5,159. StWG 93. SchG 2,166. RSV 1,25. Siehe F15 ebenso zu metiri.

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F98. f. 19r, Z. 10, lutum – kiuuascanaz – StSG 2,181,11: zu insequens (9) … ne tacta quiaeque quęque deterius / (10) coinquinet (Ed. inquinet), si sordida insequens lutum / (11) tenet (2,2; 176,7) ‚damit sie (die Hand) – wenn sie schmutzig ihrer Arbeit nachgehend Dreck trägt – nicht alles, was sie berührt, noch schlimmer verschmutzt‘. Hand B. Intl. über insequens. kiuuascanaz: Akk. Sg. N. st. flekt. Part. Prät. st. V. ahd. waskan ‚waschen, bespülen‘ – GSp 1,1079. StWG 699. SchG 10,410. Während die anderen bei StSG 2,181,11 zu lat. insequens aufgeführten Glossen formale Kongruenz mit insequens zeigen (abawaskantēr, das Maskulinum wohl auf rector bezogen) und damit insequi als ‚die Arbeit des Waschens verfolgen‘ übersetzen dürften, fällt die Glosse des Clm 21525 formal aus dem Rahmen. Sie kann indes erklärt werden als quasi vokabelmäßige Übersetzung von lutum als PPP von lat. V. luere ‚waschen‘. Vgl. die entsprechende Parallelglosse uuascantiu zu lutum in Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (Mayer 1974: 6,20). Mit abawaskantēr glossiert ist die Stelle in Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,181,11). F99. f. 19r, Z. 23, fluxae – ·i· unstagi – StSG 2,181,15 und A.4: unstati oder unstagi (21) … quateinus / (22) sacerdotale cor nequaquam cogitationies / (23) fluxę possideant (2,2; 176,16) ‚indem keineswegs flüchtige Gedanken von dem priesterlichen Herzen Besitz ergreifen sollen‘. Hand B? Intl. über dem Lemma, am Ende ausgeblichen. Die beiden Lesungen des zweitletzten Buchstabens durch Steinmeyer rühren davon her, dass a wie t aussieht und g sehr schwach ist. Der Schreiber könnte gar unsttgi geschrieben haben. unstagi: eingeleitet mit ·i·; die Glosse wird bestimmt als Adj. ahd. unstātīg ‚flüchtig, wankend‘ – GSp 6,645. StWG 673. SchG 10,251. In der Form weicht sie jedoch ab von den Parallelglossen in Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,181,15) und lehnt sich an die fünfmalige (!) Glossierung von levitas mittels Subst. unstātīgī im Clm 6277 an (vgl. Nievergelt 2008: 131). Interessant ist im vorliegenden Zusammenhang vielleicht die von vnstagi zu vnstatigi korrigierte Federglosse (StSG 2,171,40). Vgl. F78. F100. f. 20v, Z. 15, commendat – liupit (13) … Illa namque uox / (14) libentius auditorum cor penetrat, quam dicen/ (15) tis uita commendat (2,3; 180,8) ‚Jenes Wort nämlich, welches das Leben des Priesters anempfiehlt, durchdringt das Herz der Zuhörer leichter.‘ Radierte Glosse von nicht bestimmter Hand (Hand B?). Intl. über -mm-, iup ist unsicher. Eine Lesung als lopot. ist auch möglich. Links neben der Glosse über uita coist eine weitere Glosse radiert.

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liupit: In der vermuteten Lesung 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. liuben ‚angenehm, lieb machen, (an)empfehlen‘ – AWB 5,1184. GSp 2,58. StWG 380. SchG 6,127. RSV 1,111. Siehe F13 (ebenfalls zu commendare) und F67 (zu conponere). Eine Parallelglosse enthält möglicherweise der Clm 18550a (Textglossen), f. 22v, Z. 7, marg. l., li.p.t (vgl. Nievergelt in Vorb.). F101. f. 21v, Z. 1, (flectatur? delectationis?) – ·i· spanan (f. 21r, Z. 23) … cum ad sola quæ anteriora sunt nititur, // (f. 21v, Z. 1) in nullo dielectationis infimę latere flecta/ (2) tur (2,3; 182,32) ‚Indem er allein nach dem Vorderen strebt, wird er auf keiner Seite zu niedriger Lustbarkeit abgelenkt.‘ Hand A. Marg. oben links in der Ecke, schwach, bis -n gut lesbar. Unklar, ob danach noch etwas steht. ·i· spanan: eingeleitet mit ·i·; vielleicht Part. Prät. st. V. ahd. spanan ‚verführen, ablenken‘ – GSp 6,339, als Glossierung der Passivform von flectatur. Aus semantischen Gründen denkbar ist auch eine (hinten erloschene) Glosse zu delectationis in der Bedeutung ‚Verlockung‘, wobei an eine Abstraktbildung auf ahd. -ī(n) durch Ableitung aus dem Partizip Präteritum zu denken ist (Henzen §110): *spananī. Man vergleiche die gleichartige Bildung in der Glosse F11. F102. f. 25r, Z. 10, inquinat – marrit – StSG 2,181,67 (9) … Et auctorem / (10) suum haec eadem loquacitas inquinat (2,4; 194,88) ‚Und eine solche Geschwätzigkeit schadet dem Urheber selbst.‘ Hand A. Intl. über dem Lemma. marrit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. marren, merren ‚hindern, schaden‘ – AWB 6,499. GSp 2,829. StWG 410. SchG 6,248. RSV 1,123 führt den Beleg unter dem sw. V. ahd. māren auf. F103. f. 25r, Z. 19, (seminiuerbius) – uuortsao – StSG 2,181,68 (18) … Unde et ab huius mundi sa/ (19) pientibus praedicator aegregius semini/ (20) uerbius est uocatus (2,4; 194,95) ‚Daher ist von den Weisen dieser Welt ein ausgezeichneter Prediger ein Wortsäer genannt worden.‘ Nicht bestimmte Hand. Marg. rechts neben Z. 19, anschließend an radiertes us (vgl. StSG 2,181,68,A.14), mit Verweiszeichen über Lemma und Glosse. uuortsao: Nom. Sg. sw. M. ahd. wortsāo ‚Wortsäer‘ – GSp 6,55. StWG 746. SchG 11,284 (mit unsinniger Ansatzform uuaortsao). Laut Kempf (1972: 96) ist das Wort aus dem Griechischen ins Lateinische als Lehnbildung gekommen und verbreitete sich dann ins Angelsächsische und Althochdeutsche. Parallelglossen enthalten Clm 18550a (Glossar; StSG 2,181,68), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,202,57) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,215,44).

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F104. f. 25r, Z. 23, (promeret) – sprahhi (f. 25r, Z. 22) … ex eo se inquinat, / (23) quod si ordinate promeret, prolem recte cogitationis // (f. 25v, Z. 1) ædere in audientium cordae potuisset (2,4; 194,97) ‚Er verunreinigt sich mit dem, was, wenn er geordnet spräche, den Sprössling eines rechten Gedankens im Herzen der Zuhörer hätte hervorbringen können.‘ Vielleicht Hand B. Marg. rechts neben Z. 23, auf abgegriffener Stelle; zweites h über dem i. Unter h eine schwache weitere Eintragung (erkennbar ist p mit Deckstrich). Verweiszeichen (Häkchen) über Lemma und Glosse. sprahhi: 3. Sg. Konj. Prät. st. V. ahd. sprehhan ‚sprechen‘ – GSp 6,269. StWG 579. SchG 9,117. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Glossar; StSG 2,221,55). F105. f. 25v, Z. 6, testificor – p&o – StSG 2,181,70 (6) … testificor coram deo / (7) et christo ihesu (2,4; 194,102; II Tim 4,1) ‚ich bitte dich inständig vor Gott und Jesus Christus‘. Hand A. Intl. über -est-. p&o: 1. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. betōn ‚inständig bitten, jdn. beschwören‘ – AWB 1,927. GSp 3,58. StWG 48. SchG 1,370. RSV 2,14. Aus semantischen Gründen und wegen der lateinischen Form ist von Indikativ und nicht von Konjunktiv auszugehen. Die Endung -o (ohne n) in der 1. Sg. der ōn-Verben erscheint im Oberdeutschen erst vom 11. Jahrhundert an (SchAHG §507). Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,164,3), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,181,70), Clm 18550a (Textglossen; StSG 2,219,12). F106. f. 25v, Z. 18, transferat – vuarmpringe · – StSG 2,182,1: ohne Punkt (17) ut et per pietatis uiscera in se infirmita/ (18) tem ceterorum transferat (2,5; 196,5) ‚dass er durch das Innerste der Liebe die Schwäche der anderen auf sich überträgt‘. Hand A. Intl. über dem Lemma. vuarmpringe: 3. Sg. Konj. Präs. an. V. ahd. frambringan ‚etwas übertragen‘; wohl verschrieben für vram, also zu AWB 1,1398. GSp 3,199. StWG 78. SchG 2,39. Die Graphie / für /f/ ist selten (BRG §139,A.6. §189). Kempf (1972: 94) klassifiziert dies als Lehnübersetzung. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,164,9) und Clm 18550a (Textglossen; StSG 2,219,15). Die Parallelglosse im Clm 18550a ist identisch, was für den engen Zusammenhang der beiden Glossierungen spricht. Zur Schreibung vuarm- vgl. im Clm 18550a, f. 29r, Z. 8, excedimus – vuarmgilidan (Neulesung des Belegs bei Mayer 1974: 98,14).

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F107. f. 25v, Z. 20, appetendo – gisuohanto · – StSG 2,182,3: ohne Punkt (18) … et per spe/ (19) culationis altitudinem semetipsum / (20) quoque inuisibilia appetendo transcen/ (21) dat (2,5; 196,6) ‚und [dass er] durch die Höhe der Betrachtung sich über sich selbst erhebe, dabei das Unsichtbare begehrend‘. Hand A. Intl. über dem Lemma, h mit kleinem Bauch. gisuohanto: Adverbial verwendetes Part. Präs. sw. V. ahd. gisuohhen ‚begehren, verlangen‘ – GSp 6,82. StWG 610. SchG 9,353. RSV 2,216. Eine Parallelglosse enthält der Clm 18550a (Textglossen; StSG 2,219,17). F108. f. 26r, Z. 7, conuersari – giparun – StSG 2,182,7 (6) atque in occultis suis qualiter debeant / (7) conuersari dispensat (2,5; 196,14) ‚und er ordnet an, wie sie sich in ihrer Verborgenheit zueinander verhalten sollen‘. Hand A. Intl. über dem Lemma. giparun: Inf. sw. V. ahd. gibārōn ‚sich verhalten‘ – AWB 1,825. GSp 3,152. StWG 42. SchG 1,271. RSV 2,13. Infinitiv auf -un tritt laut SchABG §149a bei ōn-Verben „in späterer Zeit, etwa v. J. 900 an, nicht selten“ auf. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,164,12) und Clm 18550a (Textglossen; StSG 2,219,19). F109.–110. f. 26r, Z. 12–13 (12) … Nolite fraudare / (13) inuicem (2,5; 196,17; I Cor 7,5) ‚Betrügt euch nicht gegenseitig.‘ F109. f. 26r, Z. 12, fraudare (2,5; 196,18; I Cor 7,5) – [a] firhindran – StSG 2,182,9 – () [b] piteilan – StSG 2,182,9 Die Interlinearglosse von Hand A über dem Lemma, die Marginalglosse von Hand F marg. rechts neben Z. 12, mit Verweiszeichen . über Lemma und Glosse. Mehrfachglossierung von zwei unterschiedlichen Händen. [a] firhindran: Inf. sw. V. ahd. firhintaren ‚betrügen, vorenthalten, sich einander entziehen‘ – AWB 4,1125. GSp 4,704. StWG 277. SchG 4,325. RSV 1,71. Die Schreibung für , vor allem nach /n/, ist selten und im Oberdeutschen anzutreffen (BRG §163,A.5). Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,182,9). Im Clm 6277 ist die Stelle mit gihintran glossiert (StSG 2,164,15). [b] piteilan: Inf. sw. V. ahd. biteilen ‚betrügen, entziehen‘ – GSp 5,416. StWG 624. SchG 9,459. RSV 1,222. Die Infinitivendung -an ist für das frühere Althochdeutsch und in bairischen Glossen bis ins 12. Jahrhundert üblich (BRG §314). F110. f. 26r, Z. 13, inuicem (2,5; 196,18; I Cor 7,5) – vniv – StSG 2,182,13 Hand A. Intl. über -uic-.

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vniv: Bestehend aus vn (= vnter): Präp. ahd. unt[ar] ‚unter‘ – GSp 1,674, und iv: Dat. Pl. ungeschl. Pers.-Pron. 2. Pers. ahd. iu ‚euch‘; Bedeutung zusammen: ‚einander, gegenseitig‘ – SchG 2,312. 10,258. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,182,13). F111. f. 26r, Z. 16, (condescensionis) – irparamvngo – StSG 2,182,16 (16) … et tamen per condescen/ (17) sionis (e aus i korrigiert. StSG 2,182,16,A.4) uiscera carnalium cubile per/ (18) scrutatur (2,5; 196,20) ‚und dennoch durchforscht er mit der Herzensgüte des Erbarmens das Ehegemach der Fleischlichen‘. Hand A. Marg. rechts neben Z. 16. irparamvngo: Gen. Sg. st. F. ahd. irbarmunga ‚Herablassung, Erbarmen‘ – AWB 1,821. GSp 1,424. StWG 309. SchG 1,270. Laut AWB ist „bei der Schwierigkeit der lat. Textstelle [...] die Möglichkeit einer abweichenden Übersetzung mit dem dat. sg. nicht ganz ausgeschlossen“, was so unbeweisbar wie unwahrscheinlich ist. Hier liegt wohl die späte Genitivendung aus dem Ausgleich von Dativ und Genitiv vor, vgl. BRG §207,A.5. Zum Sprossvokal nach r in diesem Beleg und den Parallelbelegen vgl. Reutercrona (1920: 125). Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,182,16) und theoretisch möglich auch Clm 3767 (Thoma 1963: 237). F112.–114. f. 26v, Z. 14–15 (14) ... siue mente / (15) excidimus (Ed. excedimus) deo siue sobrii sumus uobis (2,5; 198,35; II Cor 5,13) ‚sei es, dass wir außer uns waren für Gott, sei es, dass wir vertraut waren für euch‘. Übersetzung der einzelnen lateinischen Bestandteile vergleichbar einer Interlinearversion; über excidimus Rasur, wo Clm 6277 (StSG 2,164,22), Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,182,22) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,211,44) Parallelglossen haben. Vgl. auch Basel, UB B. V. 21 (StSG 2,198,9) und Clm 18550a (Textglossen; vuarmgilidan, Neulesung der Griffelglosse; vgl. Nievergelt in Vorb.; Mayer 1974: 98,14). F112. f. 26v, Z. 14–15, siue mente [excid]imus (2,5; 198,35; II Cor 5,13) – pidiu · uuir demomuote – StSG 2,182,20 Hand B. Intl. über -i- von siue einsetzend und in den Blattrand hinaus verlaufend. u in pidiu ist über i gesetzt. Punkt nach pidiu auf mittlerer Höhe, vermutlich als Worttrenner. pidiu · uuir demomuote: Bestehend aus pidiu: Adv. ahd. bī + deiktisches ahd. diu ‚denn; sei es, dass‘ – AWB 1,983. SchG 1,343, uuir: Nom. Pl. ungeschl. Pers.-Pron. ahd. ih, wir ‚wir‘, demo: Dat. Sg. M./N. best. Art. ahd. demo ‚dem‘ und muote: Dat.

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Sg. st. M./N. ahd. muot ‚Gemüt, Inneres‘ – AWB 6,865. SchG 6,465. Zu den Glossierungen von excedimus in anderen Hss. siehe oben. F113. f. 26v, Z. 15, deo (2,5; 198,35; II Cor 5,13) – cigote – StSG 2,182,22 Hand B. Intl. über dō. Intl. über excid- des vorausgehenden excidimus ist eine Federglosse getilgt worden. Zu erkennen ist über -d- ein Buchstabe, über welchen u oder a gesetzt wurde. cigote: Bestehend aus ci: Präp. ahd. zi ‚zu, auf…hin‘ und gote: Dat. Sg. st. M. ahd. got ‚Gott‘ – AWB 4,332. GSp 1,146. StWG 234. SchG 4,4. Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,182,22). F114. f. 26v, Z. 15, sobrii sumus uobis (2,5; 198,35; II Cor 5,13) – gisuuasa pirun iu – StSG 2,182,26 Hand B. Intl. über -b- von sobrii einsetzend und bis über -s von sumus. gisuuasa pirun iu: Bestehend aus gisuuasa: Nom. Pl. M. st. flekt. Adj. ahd. giswās ‚vertraut‘ – GSp 6,903. StWG 223. SchG 9,377, pirun: 1. Pl. Ind. Präs. an. V. ahd. sīn ‚sein‘ und iu: Dat. Pl. ungeschl. Pers.-Pron. ahd. du, ir ‚euch‘. Die Endung -a im Nom./Akk. Pl. M. erscheint vor allem im spätalthochdeutschen Bairischen (BRG §248,A.9). F115. f. 27r, Z. 10, (consuluit) – intfragota – StSG 2,182,30: ratfragota (10) … coram testamenti arca dominum consu/ (11) luit (Ed. consulit) (2,5; 198,49) ‚Er fragte den Herrn vor der Bundeslade um Rat.‘ Nicht bestimmte Hand. Marg. rechts. Die Glosse ist am Anfang radiert, die Lesung i- unsicher. Den Buchstaben vor dem ersten t lesen wir als n. Er kann nicht a sein. intfragota: 3. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. intfrāgōn ‚um Rat fragen‘ – AWB 3,1210. GSp 3,814. StWG 175. RSV 2,217; bisher nur in der älteren Form (BRG §73) antfragōn belegt. Im Clm 18550a (Glossar) steht raatfragota (StSG 2,221,63). Ahd. intfrāgēn zu lat. consulere ist in Bibel- und Canones-Glossen belegt (SchG 3,281). F116. f. 27r, Z. 12, (ambigunt) – ziuuiflont – StSG 2,182,31 (12) … ut cum foris ambigunt quid / (13) disponant (2,5; 198,50) ‚damit sie, wenn sie draußen zweifeln, wie sie sich anordnen sollen, ...‘. Nicht bestimmte Hand. Marg. rechts neben Z. 12, mit dem Lemma über Verweiszeichen in Form eines lang ausgezogenen Akut-ähnlichen Strichs verbunden. ziuuiflont: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. zwīfalōn ‚zweifeln‘ – GSp 5,725. StWG 776. SchG 11,484. RSV 2,199. Zum Sprossvokal zwischen z und w im vorliegenden Beleg vgl. Reutercrona (1920: 46) und SchABG §54 (zitiert diesen Beleg). Zum Svarabhakti zwischen Dental und w: BRG §69,A.5. „spätere obd. Quellen haben zuweil den Vo-

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kal“. SchABG §77a zitiert diese Glosse außerdem noch als Beispiel für für germ. /f/. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,164,28), Clm 18550a (Glossar; StSG 2,221,64, mit Sprossvokal a) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,209,15). F117. f. 27v, Z. 16, luterem – lapel · – StSG 2,182,39: ohne Punkt (14) … Unde et ante fores templi ad ablu/ (15) endas ingredientium manus mare ae/ (16) reum (Ed. aeneum), id est luterem (2,5; 200,70) ‚Deshalb (tragen zwölf Stiere) vor dem Tempel das ‚eherne Meer‘, das ist das Waschbecken zum Händewaschen für die Eintretenden.‘ Hand H. Intl. über -ter-. lapel: Akk. Sg. st. M./N. ahd. labal ‚Becken‘ – AWB 5,565. GSp 2,78. StWG 357. SchG 5,438. Parallelglossen enthalten Basel, UB B. V. 21 (StSG 2,198,12), Clm 6277 (StSG 2,164,35) und Clm 18550a (Textglossen; StSG 2,219,23). F118. (+ L100) f. 30v, Z. 2, lenocinante – spanantero – () sed(…)ente – seducente – StSG 2,182,52 (1) … in luxum superbiae ipso potentię / (2) fastigio lenocinante corrumpitur (2,6; 208,77) ‚Durch den Zuwachs an Macht angetrieben wird sie vom Hochmut verdorben.‘ Nicht bestimmte Hand. Die althochdeutsche Glosse intl. über -nante co-, die lateinischen beide marg. links neben Z. 2. spanantero: Gen. Pl. st. flekt. Part. Präs. st. V. ahd. spanan ‚verlocken, antreiben‘ – GSp 6,339. StWG 570. SchG 9,52. Parallelglossen enthalten Kassel, GHB LB MB 2° theol. 32 (Siewert 1989: 38) und Clm 18550a (Glossar; StSG 2,222,4). F119. f. 33r, Z. 6, signis – kiparridun – StSG 2,182,63 (5) … Sed tamen qui/ (6) busdam signis decenter erumpentibus … (7) … deprehendant (2,6; 212, 134) ‚Aber trotzdem sollen sie an gewissen, in geeigneter Weise hervortretenden Anzeichen erkennen …‘. Hand F. Marg. rechts neben Z. 6, mit Verweiszeichen über Lemma und Glosse. Das erste r des Glossenwortes ist radiert. kiparridun: Dat. Pl. st. F. ahd. gibārida ‚Erscheinung, Verhalten‘ – AWB 1,813. GSp 3,150. StWG 201. SchG 1,268. F120. f. 32r, Z. 11, ligamen – pinta – StSG 2,182,68 (10) … Fracturam uero / (11) ligamen astringit (2,6; 214,173) ‚Gebrochenem aber legt man einen Verband an.‘ Hand H. Intl. über -gam-.

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pinta: Nom. Sg. st. F. ahd. binta ‚Binde, Verband‘ – AWB 1,1062. GSp 3,136. StWG 56. SchG 1,367. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,164,68), Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,182,68). F121.–122. f. 32v, Z. 14–15 (14) Ut per uinum scilicet mordeantur uulnera, / (15) per oleum foueantur (2,6; 216,193) ‚damit die Wunden durch Wein gleichsam geätzt werden, durch Öl geheilt werden‘. F121. f. 32v, Z. 14, mordeantur (2,6; 216,193) – gezitvuerden · – StSG 2,182,73: ohne Punkt Vielleicht Hand H. Intl. über dem Lemma. gezitvuerden: bestehend aus gezit (giezzit): Unflekt. Part. Prät. sw. v. ahd. ezzen ‚ätzen, reinigen‘ – AWB 3,476. GSp 1,528. StWG 78. SchG 3,15. RSV 1,292 und vuerden: 3. Pl. Konj. Präs. st. V. ahd. werdan ‚werden‘. Hier liegt ein verschliffenes Präfix gi- vor. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,165,1), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,182,73), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,203,12) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,213,49). F122. f. 32v, Z. 15, foueantur (2,6; 216,193) – gisalpoti – StSG 2,183,3 Hand H. Intl. über -oueant-. i am Wortende vom Glossator expungiert. gisalpoti: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. salbōn ‚salben‘ (gisalpōt) – GSp 6,192. StWG 504. SchG 8,83. RSV 2,124. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,165,3), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,183,3). F123. f. 34r, Z. 8, sustentamur – gistivrit – StSG 2,183,6 (8) Uirga enim percutimur, baculo sustentamur (2,6; 216,206) ‚Mit der Rute nämlich werden wir geschlagen, mit dem Stab werden wir gestützt.‘ Hand H. Intl. über -stent- des Lemmas. Im Lemma wurde gemäß Steinmeyer (A.1) vom Glossator -mus zu -mur korrigiert. gistivrit: Part. Prät. sw. V. ahd. stiuren ‚unterstützen, sich stützen auf‘ – GSp 6,705. StWG 594. SchG 9,234. RSV 2,206. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,183,6). F124. f. 34v, Z. 10, oportunitate – [a] um mezigi – () [b] |rbxmmf z,kgk – StSG 2,183,14: um mezigi – () |bxmmf zkgk (9) … Cumque ab / (10) his cessante forsitan oportunitate qui/ (11) æti sunt (2,7; 218,13) ‚und wenn, da vielleicht einmal die Gelegenheit fehlt, sie sich ruhig verhalten müssen‘.

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Mehrfachglossierung: Die normalschriftliche Glosse von Hand G steht intl. (Spatium zwischen den beiden m wegen Oberlänge des Lemmas), die bfk-geheimschriftliche (Hand B?) marg. links neben Z. 10. Vor b ist ein abgeschnittenes r zu erkennen. Zwischen z und k befindet sich ein Strich, dieser ist wohl funktionslos und möglicherweise auch nicht von der Feder des Glossators. [a] ummezigi: (Dat.?) Sg. st. F. ahd. unemizzīgī ‚Untätigkeit‘ – GSp 1,256. StWG 656. SchG 10,176. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,183,14). [b] |rbxmmf z,kgk: bfk-Verschlüsselung; vermutlich zwei Wörter, wovon das erste links abgeschnitten ist: |rb: (= |ra), was die Möglichkeit einer pronominalen Endung []ra gibt; es könnte der best. Art. [de]ra vorliegen, der mit dem folgenden Wort kongruiert. Denkbar wäre auch eine Glossierung von cessante. xmmf zkgk (= umme zigi) ist identisch mit der Interlinearglosse. Die Glosse übersetzte ursprünglich wohl inopportunitate, eine Textvariante (vgl. Ed. Variantenapparat), vgl. die Parallelglossen (StSG 2,183,14) und wurde in diese Hs. kopiert, unter Nichtbeachtung der Variante opportunitate. Siehe StSG 5,463,1. F125. f. 34v, Z. 23, exploratione – gespehoti – StSG 2,183,19: gispehoti (f. 34v, Z. 22) … et in / (23) exploratieone hostium frustra uelociter exercitus (Ed. exercitus uelociter) // (f. 35r, Z. 1) adsequitur (Ed. sequitur) (2,7; 220,23) ‚und bei der Aufsuchung der Feinde eilt das Heer umsonst schnell nach‘. Hand F. Marg. links neben Z. 23, mit einfachen Punkten als Verweiszeichen über dem Lemma und der Glosse. Der zweite Buchstabe scheint eher e als i zu sein. Die Zuweisung bei StSG 2,183,19,A.4, die Korrektur des Lemmawortes stamme vom Glossator, ist wegen Unterschieden in der Tintenfarbe und den Buchstabenformen anzuzweifeln. gespehoti: (Dat.?) Sg. sw. F. ahd. gispehōtī ‚Aufsuchen, Kundschaften‘ – GSp 6,324. StWG 222. SchG 9,62. F126. f. 35r, Z. 9, (inpulsus) – anagivuataz – StSG 2,183,20 (9) … uento temptationis inpulsus / (10) oculovs aecclesie (Ed. ecclesiae oculos) puluescait (Ed. puluis caecat) (2,7; 220,29) ‚Vom Sturm der Versuchung aufgewirbelt gerät Staub in die Augen der Gemeinde.‘ Hand G. Marg. rechts neben Z. 9, letztes a über tz. Verweiszeichen über Lemma und Glosse. Marg. rechts neben Z. 10 steht, mit Akut-ähnlichem Verweiszeichen mit dem Text verbunden, rechts abgeschnitten c&a| (= cecat; siehe die Textedition). anagivuataz: Nom. Sg. N. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. anawāen ‚anwehen, aufwirbeln‘ – GSP 1,622. StWG 688. SchG 10,330. RSV 1,246. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,165,15), Clm 18140, Clm 19440 (StSG 2,183,20).

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F127. f. 35r, Z. 13, adtendite – goummanemet – StSG 2,183,24 (13) Adtendite autem uobis ut non grauentur corda / (14) uestra in crapula et æbriætate (2,7; 220,32; Lc 21,34) ‚Nehmt euch in Acht, dass eure Herzen nicht beschwert werden durch Völlerei und Trunkenheit.‘ Hand G. Intl. über dem Lemma. goummanemet: Bestehend aus goumma: Akk. Sg. st. F. ahd. gouma ‚Essen, Mahlzeit‘ – AWB 4,376 und nemet: 2. Pl. Imp. st. V. ahd. neman ‚nehmen‘ – AWB 6,1105; Bedeutung der Wendung: ‚achten, aufpassen‘ – AWB 4,379. GSp 4,201. StWG 235. SchG 4,14. 7,46. (Der Ausdruck gouma neman ist in den Glossen des Clm 6277 sehr zahlreich belegt, aber nicht in einer Parallelglosse zu unserer Textstelle.) Doppel-m: Wissmann (1975: 41) vermutet im Doppel-m des Clm 18036 (StSG 2,564,36) den Reflex eines geschwundenen *j, vgl. EWA 4,557. Vgl. Wesle (1913: 53). F128. f. 35v, Z. 2, suspendit – [a] dana nā – StSG 2,183,26 – () [b] .a..nam (f. 35r, Z. 22) … Hinc paulus rele/ (23) giosorum mentes a mundi consortio // (f. 35v, Z. 1) … sus/ (2) pendit (2,7; 220,41) ‚Daher nahm Paulus die Seelen der Gottgeweihten von der Teilhaberschaft an der Welt zurück.‘ Die Interlinearglosse von Hand G, über -end-. Kürzungsstrich über na. Die Marginalglosse radiert, links neben Z. 2. [a] dana nā: Präfigierung mit dana: Präp. ahd. dana ‚fort, weg‘ – AWB 2,36 und Verb nā = nam: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. neman ‚nehmen‘ – AWB 6,1105; vgl. dazu AWB 2,38. dananeman ‚wegnehmen‘ – GSp 2,1071. StWG 435. SchG 7,51. Eine exakte Parallelglosse enthält der Clm 6277 (StSG 2,165,22). Präsensform haben die Parallelglossen in Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,183,26). [b] .a..nam: Die Marginalglosse dürfte identisch sein, unter Auflösung der Kürzung. F129. f. 35v, Z. 4, probauit – gichos – StSG 2,183,28 (3) … ut ei placeat / (4) cui se probauit (2,7; 220,43; II Tim 2,4) ‚damit der dem gefalle, der ihn geprüft hat‘. Hand G. Intl. über -bau-. gichos: 3. Sg. Ind. Prät. st. V. ahd. gikiosan ‚auswählen, prüfen‘ – AWB 5,189. GSp 4,510. StWG 331. SchG 5,220. Parallelglossen enthalten St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,203,25) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,214,39). Im Clm 14409 ist die Glosse lateinisch: f. 36v, Z. 10, ·i· placauit. F130. f. 36r, Z. 22, obscuratum – irsaluuet – StSG 2,183,30 (21) … Quomodo / (22) obscuratum est aurum (2,7; 222,73; Lam 4,1) ‚Wie ist verdunkelt das Gold‘.

Die Glossen | 579

Hand G. Intl. über -bscura-. Marg. links ist etwas ausgewischt. irsaluuet: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. irsalawen, irsalawēn (?) ‚verdunkeln, verfinstern‘ – GSp 6,183. StWG 504. RSV 1,168. Unkommentiert als ēn-Verb bei SchG 8,78. Tatsächlich weisen die Glossenbelege für salawen und irsalawen auf ein ēnVerb (StSG 1,638,25; Mayer 1974: 57,4). StWG gibt ein jan-Verb an. Riecke 498. RSV 2,252: saleuuen ist inkl. Komposita übergetreten in die langsilbige jan-Verb-Klasse. SchAHG § 288 gibt das Verb als ēn-Verb an. RSV 1,168 gibt Anzeichen auf ōn und jan-Bildungen an. Reutercrona (1920: 7) zieht für das erste u in dieser Glosse einen Sprossvokal in Erwägung, weist später (1920: 189) aber auch auf die Möglichkeit für /w/ hin. Bibelglosse zu Lam 4,1, die in Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 (?) und Wien, ÖNB 2732 in den Bibelglossen steht (StSG 1,638,25). F131. f. 36v, Z. 1, in capite – fornentigi – StSG 2,183,3248 (f. 36r, Z. 23) … dispersi sunt lapides sanctuarii // (f. 36v, Z. 1) in capite omnium platearum (2,7; 222,74; Lam 4,1) ‚Zerstreut sind die Steine des Heiligtums an allen Ecken der Straßen.‘ Nicht bestimmte Hand. Quasi intl. über dem Lemma. fornentigi: Dat. Sg. sw. F. ahd. fornentīgī ‚vorderes Ende, Spitze, Ecke‘ – AWB 3,1192. GSp 3,629. StWG 174. SchG 3,273. F132. f. 41v, Z. 2, mentiuntur – truginot – StSG 2,184,6 (1) … quod ple/ (2) rumque uitia uirtutes se esse mentiuntur (2,9; 236,4) ‚dass meistens die Laster vortäuschen, dass sie Tugenden seien‘. Hand B. Intl. über ment-. truginot: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. truginōn, truganōn ‚lügen, vortäuschen‘ – GSP 5,509. StWG 638. SchG 10,69. RSV 1,158. Graff bestimmt 3. Pl., die aber als Sg. geschrieben ist. Ebenso wahrscheinlich, wenn nicht wahrscheinlicher ist ein Partizip. Die Sg.-Form ist als Parallelglosse zu mentitur an der Stelle 3,13 in zwei Hss. überliefert (StSG 2,205,47; Mayer 1974: 7,2). F133.–134. f. 41v, Z. 3–4 (3) Nam sepe sub parsimonię nomine se te/ (4) nacia palleiat (2,9; 236,4) ‚Denn oft verbirgt sich Geiz unter dem Namen der Enthaltsamkeit.‘

|| 48 Bei StSG ist f. 36r angegeben, allerdings befindet sich die Glosse auf f. 36v.

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F133. f. 41v, Z. 3, parsimoniae (2,9; 236,4) – [a] uastu. – [b] uastun – StSG 2,184,8: uastun uastu. ist ausgewischt, steht intl. über par- und ist nur noch schwach sicht- und keiner Hand zuweisbar. uastun von Hand B, intl. über -rsi-, das Ende der getilgten Glosse überdeckend. [a] + [b] uastun: Gen. Sg. sw. F. ahd. fasta ‚Enthaltsamkeit, Mäßigung‘ – AWB 3,645. GSp 3,725. StWG 142. SchG 3,76. Die ausgewischte Glosse dürfte identisch sein. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,184,8). F134. (+ L110) f. 41v, Z. 4, palliat (2,9; 236,5) – ·i· pleihhit – StSG 2,184,12 () ·i· macerat Hand B. Intl. über pall-. Bräunliche Schatten um die Buchstaben herum könnten auf eine darunterliegende ausgewischte (identische?) Glosse hindeuten. Die lateinische Glosse steht marg. links neben Z. 4. ·i· pleihhit: Gl. eingeleitet mit ·i·; pleihhit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. bleihhēn ‚bleich, blass machen, zum Verschwinden bringen‘ – RSV 2,206; zum jan-Verb gestellt in AWB 1,1195. GSp 3,245. StWG 65. SchG 1,423. Das -it-Suffix bei einem ēnVerb ist laut BRG §368,A.2 „nur in späteren bair. Glossen“ belegt (vgl. SchABG §150). Laut AWB liegt wohl eine Fehlübersetzung vor: „der Glossator hat das lat. Lemma wahrscheinlich mit pallere ‚blass sein‘, pallor ‚Blässe‘ in Verbindung gebracht; ob für die ahd. Übersetzung hier die dem Kontext entsprechende spezifische Bedeutung ‚zum Verschwinden bringen, verbergen‘ anzunehmen ist, bleibt zweifelhaft“. Lateinisches Lemma war ursprünglich palleat > lat. pallere ‚bleich sein, werden‘. Korrektur vermutlich vom Glossator: Ident. Tinte, ident. i-Form. Die marg. lateinische Glosse deutet auch auf palleat. Semantisch gefolgert ist mit RSV ein ēn-Verb anzusetzen zu pallere (vgl. Regula pastoralis-Glossen StSG 2,207,71. 214,72). F135. f. 41v, Z. 4, effusio – [a] s… – [b] spildi – StSG 2,184,15: spildi, A.3: „spil auf rasur“ (4) … contraque se effusio / (5) sub appellatione largitatis occultat (2,9; 236,5) ‚und dagegen verbirgt sich Verschwendung unter dem Namen der Freigiebigkeit‘. Von einer über dem ersten -f- des Lemmas einsetzenden, ausgewischten Glosse ist noch ein s sichtbar. Sie wurde von Hand B mit spildi überschrieben. ([a] +) [b] spildi: Nom. Sg. st. F. ahd. spildī ‚Verausgabung, Verschwendung‘ – GSp 6,337. StWG 575. SchG 9,90. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,163,7), Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,184,15), Clm 18550a (Textglossen) (vgl. Nievergelt in Vorb.), St. Florian, BAC III 222 B (StSG 2, 226,26), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,203,50), Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,211,51) und Wien, ÖNB 949 (StSG 2,232,42).

Die Glossen | 581

F136.–137., f. 41v, Z. 7–8 (7) … et effrenata ira spiritalis zeli / (8) uirtus æstimatur (2,9; 236,7) ‚und ungezügelter Zorn wird als Tugend geistlichen Eifers betrachtet‘. F136. f. 41v, Z. 7, effrenata (2,9; 236,7) – (…) – d’iuuerlazazna – StSG 2,184,17 und A.4: „bis zum ersten a auf rasur“ Hand B. Intl. über -ffrena-, mit einem vertikalen Strich über d, dessen Funktion unklar ist. z steht über an eingefügt. Die Glosse steht auf einer getilgten Glosse. d’iuuerlazazna: Bestehend aus diu: Nom. Sg. F. best. Art. ahd. diu ‚die‘ und uerlazazna (lies uerlazzana): Part. Prät. Nom. Sg. F. st. V. ahd. firlāzan ‚von sich lassen, lockern‘ – AWB 5,670. GSp 2,307. StWG 362. SchG 5,482. Der Präfixvokal ist hier abgeschwächt, was vom Ende des 9. Jahrhunderts in allen Dialekten üblich ist (BRG §76). F137. f. 41v, Z. 8, uirtus (2,9; 236,7) – [a] ginadigi – [b] …gi – StSG 2,184,18 und A5: „von n an auf rasur“ Hand B. Intl. über dem Lemma. Die Glosse steht auf einer getilgten Glosse, von der am Ende von ginadigi noch …gi (von nicht bestimmter Hand) hervorschaut. [a] (+[b]) ginadigi: Nom. Sg. sw. F. ahd. ginādīgī ‚Mitleid, Freundlichkeit, Tugend‘ – AWB 6,975. GSp 2,1029. StWG 214. SchG 7,7. F138. f. 41v, Z. 14, parcum – argan – StSG 2,184,25 (14) et parcum se uideri in dispensationibus ex/ (15) sultet (2,9; 236,11) ‚und er freue sich, dass ihm die Ausgaben sparsam erscheinen.‘ Hand B. Intl. über par-. argan: Akk. Sg. M. st. flekt. Adj. ahd. arg ‚sparsam‘ – AWB 1,632. GSp 1,411. StWG 33. SchG 1,200. F139.–140. f. 41v, Z. 15–16 (15) … Aut cum effuse quid perditur, lar/ (16) gum se quasi miserando gloriætur (2,9; 236,12) ‚oder dass, während es [das Vermögen] maßlos verschwendet wird, die Freigiebigkeit gleichsam als Erbarmen gerühmt wird‘. F139. f. 41v, Z. 15, effuse (2,9; 236,12) – spildliho – StSG 2,184,28 Hand B. Intl. über dem Lemma. spildliho: Adv. ahd. spildlīhho ‚verschwenderisch, vergeudend‘ – GSp 6,337. StWG 575. SchG 9,90. Diese Glosse erwähnt auch Rosengren (1968: 41) bei ihrer Aufstellung von Belegen für spildi und dessen Ableitungen in Evangelienglossen.

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Parallelglossen enthalten St. Gallen, Stiftsbibliothek 216 (StSG 2,243,20; Cirimele 2012: 37–39) und Clm 3767 (StSG 2,200,34). F140. f. 41v, Z. 16, miserando (2,9; 236,13) – ·i· parmanto – StSG 2,184,30 Hand B. Intl. über miser-. ·i· parmanto: Gl. eingeleitet mit ·i·; parmanto: Adv.bildung des Part. Präs. sw. V. ahd. barmēn, belegt ist das V. allerdings nur mit Präfix ir-/er- – AWB 1,816. RSV 2,204; hier also: Adv. ahd. barmēnto ‚erbarmungsvoll‘ – AWB 1,818. GSp 1,423. StWG 42. SchG 1,269. F141. f. 41v, Z. 17, quod ferire – tazincaltan – StSG 2,184,31 (17) aut remittendo quod ferire debuit, ad æter/ (18) na supplitia subditos pertrahat (2,9; 236,14) ‚oder er führt durch seine Nachsicht gegenüber dem, was er bestrafen sollte, die Untergebenen zu den ewigen Strafen‘. Hand B. Intl. über ferire. tazincaltan: Bestehend aus taz: Nom. Sg. N. Dem.-Pron., als Rel.-Pron. gebraucht, ahd. daz ‚das‘ und incaltan: Inf. sw. V. ahd. intgelten ‚bestrafen‘ – AWB 4,211. GSp 4,189. StWG 196. SchG 3,435. RSV 1,56 (siehe nächste Glosse, F142). Hier und in der nächsten Glosse kann man oberdeutsche Umlauthinderung vor -lt- beobachten (BRG §27,A.2b; SchABG 37 zitiert beide Glossen). Die Form in-, entstanden durch Assimilation des t bei dreifacher Konsonanz, ist im Althochdeutschen weit verbreitet (BRG §73,A.2). Das /k/ lässt sich womöglich durch vorangegangene Assimilation von /tg/ > /k/ erklären. F142. f. 41v, Z. 19, feriendo – ·i· incaltanto – StSG 2,184,32: ·i· incaltant (19) Aut immaniter quod delinquitur feriendo (Ed. feriendo quod delinquitur) (2,9; 238,15) ‚Oder indem er schonungslos ahndet, was verschuldet wird‘. Hand B. Intl. über dem Lemma. Die letzten zwei Buchstaben sind nicht ganz sicher. ·i· incaltanto: Gl. eingeleitet mit ·i·; incaltanto: Adverbial verwendetes Part. Präs. sw. V. ahd. intgelten ‚bestrafen‘ – AWB 4,211 (siehe vorausgehende Glosse, F141). F143. f. 41v, Z. 21, immature – ·i vncîtliho – StSG 2,184,33 (20) … Aut hoc quod / (21) agi recte ac grauiter potuit, immature / praeueniens leuigaet (2,9; 238,17) ‚Oder indem er das, was genau und ernsthaft hätte geschehen müssen, vorzeitig handelnd an Wert mindert.‘ Hand B. Intl. über imm-. Der Zirkumflex steht rechts über dem î (Sievers 1909: 44). ·i vncîtliho: Gl. eingeleitet mit lat. ·i; Adv. ahd. unzītlīhho ‚zur unpassenden Zeit‘ – GSp 5,637. StWG 679. SchG 10,282. Parallelglossen enthalten Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,212,62) und möglicherweise St. Gallen, Stiftsbibliothek 220 (Cirimele/

Die Glossen | 583

Nievergelt 2016: 86f.). Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 haben das Adverb unzītīgo (StSG 2,184,33). F144. f. 42r, Z. 9, dissimulantur – firterchinit – StSG 2,184,36 (8) Non nulla quippe ut diximus prudenter dis/ (9) simulanda sunt, sed quoniam (Ed. quia) dissimulantur in/ (10) dicanda (2,10; 238,9) ‚Einiges muss man daher, wie gesagt, klugerweise übersehen, aber anzeigen, dass es übersehen wird.‘ Hand B. Intl. über dissimu-. Vor dem Lemma etwas ausgewischt. firterchinit: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. firtarkenen ‚übergehen, verdecken‘ – GSp 5,455. StWG 622. SchG 9,448. RSV 1,221. Riecke 202. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,165,58), Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,183,57). F145. f. 42r, Z. 11, (perpeti) – fertragenuu.| – StSG 2,184,46: fertragenun | (10) … ut cum delinquens et deprehendi / (11) se cognoscit et perpæti (2,10; 238,10) ‚damit der Fehlende erkennt, dass er erkannt und geduldet wird‘. Hand B. Marg. rechts neben Z. 11, mit Akut-ähnlichen Verweiszeichen über Lemma und Glosse. Die Eintragung ist am Rand rechts abgeschnitten. Der letzte vollständige Buchstabe ist u, nicht n wie bei Steinmeyer. fertragenuu.|: Wohl für fertragen uu(erdan), gemäß Parallelglossen, ebenso StSG 2,184,46,A.10. fertragen: Unflekt. Part. Prät. st. V. ahd. firtragan ‚tragen, stützen, ertragen‘ – GSp 5,497. StWG 631. SchG 10,18 und Rest von ahd. w(erdan) ‚werden‘. Der Präfixvokal ist hier abgeschwächt, was vom Ende des 9. Jahrhunderts in allen Dialekten üblich ist (BRG §76). Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,184,46). F146. f. 42v, Z. 17, signis – giparidun l antaparun – StSG 2,184,51 (16) … ut quibus/ (17) dam signis ærumpentibus rector in subdito/ (18) rum mente omne quod clausum latet inueni/ (19) at (2,10; 240,32) ‚damit, während die Zeichen hervortreten, der Vorsteher alles finde, was im Herzen seiner Untergebenen sich verbirgt‘. Hand I. Intl. über dem Lemma und bis über -pen-, die zweite Glosse durch Umrandung optisch zur ersten gezogen. Marg. links neben Z. 17 ist etwas verblasst. giparidun: Dat. Pl. st. F. ahd. gibārida ‚Erscheinung, Anzeichen‘ – AWB 1,813. SchG 1,267; siehe F119 mit anderem Sprachstand. antaparun: Dat. Pl. sw. F. ahd. antbāra ‚Anzeichen, Geste‘ – AWB 1,535. GSp 3,150. StWG 29. SchG 1,176. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,165,70), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,184,51). Mehrfachglossierung mit zwei Synonymen, durch l (= vel) verknüpft.

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F147. f. 42v, Z. 19, articulo – aniginne – StSG 2,184,54 (19) … et interueniente correptionis arti/ (20) culo, ex minimis maiora cognoscat (2,10; 240,34) ‚und indem er am Beginn des Anfalls einschreitet, erkennt er aus den Kleinsten die Größeren‘. Hand I. Intl. über arti/ und danach in den inneren Blattrand hinein verlaufend. aniginne: Dat. Sg. st. N. ahd. anagin ‚Beginn‘ – AWB 1,436. GSp 4,215. StWG 25. SchG 1,150. F148. f. 43v, Z. 21, submittunt – niderlazent – StSG 2,184,58 (20) … sed adhuc per ambitum quasi / (21) per guilę dessiderium sese ad ima submit/ (22) tunt (2,10; 242,68) ‚aber wegen dem damit verbundenen Wunsch und Verlangen neigen sie sich gefräßig auf die Erde herab‘. Hand B. Intl. über -bmit/ und ein wenig in den inneren Blattrand hinein. niderlazent: 3. Pl. Ind. Präs. st. V. ahd. nidarlāzan ‚hinunterlassen, sich niederbeugen‘ – AWB 5,688. GSp 2,307. StWG 363. SchG 5,485. Parallelglossen enthalten Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,184,58). F149. f. 44v, Z. 3, colligere – [a] ferneman – () [b] firnem/an – StSG 2,184,61 (2) … Ex se ærgo debet unusquisque (Ed. quisque) / (3) colligere qualiter aliænæ hunc opor/ (4) teat inbecillitati misereri (2,10; 244,88) ‚Also muss jeder für sich überdenken, wie er mit der Schwachheit anderer Mitleid haben solle.‘ Die intl. Glosse von Hand B über collig-, die marg. Glosse (mit Zirkumflex-artigen Verweiszeichen über Lemma und Glosse) links neben Z. 3, ausradiert, aber noch lesbar (von nicht bestimmter Hand). Aus Platzgründen steht die Endung an über dem hinteren Teil der Glosse. Laut Steinmeyer handelt es sich hier um „dasselbe wort“, allerdings unterscheidet sich – soweit erkennbar – der Präfixvokal. [a] ferneman + [b] firnem/an: Inf. st. V. ahd. firneman ‚verstehen, erkennen‘ – AWB 6,1136. GSp 2,1066. StWG 435. SchG 7,53. Der Präfixvokal der intl. Glosse ist zum e abgeschwächt, die radierte Marginalglosse trägt ein i. Hand B gibt somit einen jüngeren Lautstand wieder (vgl. BRG §76). F150. f. 44v, Z. 8, praeoccupatus – gifuriuango – StSG 2,184,64: gifuriuan:go (8) … si quis praeoccupatus fuerit / (9) in aliquo delicto (2,10; 244,92; Gal 6,1) ‚wenn jemand bei irgendeiner Sünde erwischt worden wäre‘. Hand I. Intl. über dem Lemma. g ist über o eingefügt, darüber und darunter Einfügungspunkte. Kürzungsstrich über t. gifuriuangoter: Nom. Sg. M. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. gifurifangōn ‚jemanden ergreifen, überraschen‘ – AWB 3,565. GSp 3,415. StWG 139. SchG 3,49. RSV 2,38. Das korrigierend eingefügte g nimmt den späteren Sprachgebrauch zurück (Ernst/Glaser

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2009: 1015; Schiegg 2013: 46; SchABG §86). Die Parallelglosse im Clm 6277, f. 62r, marg. rechts neben Z. 3 lautet unkorrigiert uuriuanot (StSG 2,166,8). F151. f. 44v, Z. 19, ponderis – svari – StSG 2,184,66 (17) … ut cum culpa ab / (18) auditore (korr. ab auctorę) non cognoscitur, quanti sit / (19) ponderis ab increpantis ore sentiatur (2,10; 244,100) ‚und wenn die Schuld vom Verursacher nicht erkannt wird, von welcher Schwere sie ist, soll dies vom Munde des Zurechtweisers gehört werden‘. Hand I. Intl. über -ond-. svari: Gen. Sg. sw. F. ahd. swārī ‚Gewicht, Schwere‘ – GSp 6,891. StWG 613. SchG 9,371. Die Graphie für /w/ ist ungewöhnlich (BRG §105,A.2). Vgl. F2. F152. f. 44v, Z. 21, leuigat – gismahit – StSG 2,184,67 (20) Et cum sibi quis malum quod perpetrauit le/ (21) uigat (2,10; 244,102) ‚und wenn jemand das Böse, das er getan hat, herabmindert‘. Hand B. Intl. über -uigat. gismahit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. gismāhen ‚verringern, herabmindern‘ – GSp 6,822. StWG 561. SchG 8,474. RSV 1,192. F153. f. 45r, Z. 10, describes – girizes – StSG 2,184,71 (9) … sume tibi laterem / (10) et pone (Ed. pones) eum contra (Ed. coram) te, et describes / (11) in eo ciuitatem hierusalem (2,10; 244,111; Ez 4,1) ‚Nimm dir einen Ziegelstein und lege ihn vor dich, und du beschreibst in ihm die Stadt Jerusalem.‘ Hand B. Intl. über des-. Von derselben Hand stammt der Hinweis auf das Bibelzitat marg. rechts neben Z. 8: Inezehigele. girizes: 2. Sg. Ind. Präs. st. V. ahd. girīzan ‚einritzen, darstellen‘ – GSp 2,551. StWG 490. SchG 7,453. F154. f. 45r, Z. 12, obsidionem – gisez – StSG 2,185,1 (12) … Et ordinabis aduersus eam obsidio/ (13) nem (2,10; 246,113; Ez 4,2) ‚Und du wirst eine Belagerung gegen diese anordnen.‘ Hand B. Intl. über -bsi-. gisez: Akk. Sg. st. N. ahd. gisez ‚Posten, Belagerung‘ – GSp 6,302. StWG 219. SchG 8,174. St. Florian, BAC III 222 B hat als Glosse umpisez (StSG 2,226,38). F155. f. 45r, Z. 17, sartaginem – phannun – StSG 2,185,3 (17) Et tu sume tibi sartaginem ferream (2,10; 246,116; Ez 4,3) ‚Und du nimm dir eine eiserne Pfanne.‘

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Hand I. Intl. über -artag-. phannun: Akk. Sg. sw. F. ahd. pfanna ‚Pfanne‘ – GSp 3,338. StWG 459. SchG 7,253. Parallelglossen enthalten Basel, UB B. V 21 (StSG 2,198,29), Clm 14409 (StSG 2,242,15), Clm 18550a (Glossar; StSG 2,222,66), St. Florian, BAC III 222 B (StSG 2,226,44), und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,215,47). Vgl. auch Basel, UB B. VII. 18 (StSG 2,244,16, clvoitfannun) und St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,203,67, rostphannun). Die Bibelstelle wird in der Regula pastoralis zweimal zitiert (Ed. 246,116 und 248,156), weswegen sich Parallelglossen auf zwei Stellen im Text verteilen können, wobei der Clm 21525 mit der Glossierung der ersten Zitation aber allein zu stehen scheint, auch gegenüber dem Clm 18550a. Zu den entsprechenden Bibelglossen, unter vielen anderen auch in Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732, vgl. StSG 1,642,44. F156. f. 45v, Z. 2, adprehendunt – hinstent – StSG 2,185,5 (1) quando terrenum auditorum cor ad ut doce/ (2) ant, adprehendunt (2,10; 246,121) ‚wenn sie es unternehmen, das irdisch gesinnte Herz der Zuhörer zu belehren‘. Nicht bestimmte Hand. Intl. über -prehen-. Kürzungsstrich über dem ersten t. hinterstent: 3. Pl. Ind. Präs. an. V. ahd. hintarstēn ‚unternehmen‘ – GSp 6,605. StWG 586. SchG 9,162. F157. f. 46r, Z. 12, ariaetes – [a] p(…)ra – [b] phederara – StSG 2,185,6: phederara (11) … et po/ (12) nes ariætes in gyro (2,10; 248,145; Ez 4,2) ‚und du stellst Sturmböcke ringsum‘. Die ganz lesbare Glosse intl. von Hand B über ariæ-, auf eine radierte, wohl identische Glosse von nicht bestimmter Hand geschrieben, von der noch Beginn und Ende entzifferbar sind. [a] + [b] phederara: Akk. Pl. st. M. ahd. pfetarāri ‚Mauerbrecher, Rammbock‘ – GSp 3,328. StWG 461. SchG 7,271. Die Endung -a ist im 9. Jh. an Stelle von -e getreten (BRG §198,A.4). Parallelglossen enthalten Basel UB, B. V. 21 (StSG 2,198,27), Basel, UB B. VII. 18 (StSG 2,244,3), St. Gallen Stiftsbibliothek 219 (Nievergelt 2009a: 97), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,203,64) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,209,17). Zu den entsprechenden Bibelglossen, unter sehr vielen anderen in Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732, vgl. StSG 1,642,39 und StSG 5,10,11. Zur Etymologie und Verbreitung des Wortes in der Glossenüberlieferung vgl. O’Sullivan (2013: 206–210). F158. f. 46r, Z. 20, aculeos – uuassi – StSG 2,185,8 (19) atque in gyro ariætes ponit, cum temp/ (20) tationum aculeos … / (21) … / (22) … innotescit (2,10; 248,150) ‚und Sturmböcke stellte er ringsum, wenn er die Stacheln der Versuchungen darlegte.‘

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Hand B. Intl. über -cu-. Die Glosse steht womöglich auf einer radierten Eintragung, von der nichts lesbar geblieben ist. uuassi: Akk. Pl. sw. F. ahd. wassī ‚Schärfe, Spitze, Stacheln‘ – GSp 4,1242. StWG 700. SchG 10,414. Eine Parallelglosse enthält der Clm 6277 (StSG 2,166,14). F159. f. 46v, Z. 1, aemulationis – ·i· girihhes – StSG 2,185,9 (1) nisi contra delicta singulorum æmulatio/ (2) nis spiritu ferueat (2,10; 248,154) ‚wenn er nicht entbrannt ist vom Geist der Rache gegen die Fehler der Einzelnen‘. Hand B. Auf dem oberen Blattrand, quasi intl. über æmul-. ·i· girihhes: Gl. eingeleitet mit ·i·; Gen. Sg. st. M. ahd. girih ‚Rache, Strafe‘ – GSp 1,1135. StWG 218. SchG 7,403. F160. f. 46v, Z. 7, frixura – [a] giroupti – () [b] (…)ti – StSG 2,185,10: giroupti und A.3: „rasur” (6) … Per sarta/ (7) ginem quippe frixura mentis, per ferrum uero / (8) increpationis fortitudo signatur (2,10; 248,158) ‚Durch die Pfanne nämlich wird die Röstung des Geistes, durch das Eisen aber die Stärke der Zurechtweise angedeutet.‘ Hand B. Intl. über frix-, nach StSG 2,185,10,A.3 „von dem ersten i an auf rasur“. Von der radierten, resthaften, links stehenden Marginalglosse von nicht bestimmter Hand ist nur das Ende lesbar. Sie ist wohl identisch mit Interlinearglosse. [a] (+[b]) giroupti: Nom. Sg. sw. F. ahd. girouptī ‚Röstung‘ – GSp 1,360. StWG 817. SchG 8,8. Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,185,10). Im Clm 14409 ist die Stelle lateinisch glossiert: f. 47r, Z. 3, uł feruor. F161.–162. f. 46v–f. 47r, Z. 23–Z.1 (f. 46v, Z. 22) … Ne tunc / (23) ad uindictam destituti sint, si nunc fuerint // (f. 47r, Z. 1) in correptione redissoluti (Ed. dissoluti) (2,10; 248,170) ‚Dann werden sie nicht der Strafe preisgegeben, wenn sie nun nicht durch Tadel schlaff geworden sind.‘ F161. f. 46v, Z. 23, destituti (2,10; 248,170) – pimeinte – StSG 2,185,15 Hand B. Intl. über -estit-, ab m ausradiert, aber dennoch lesbar. pimeinte: Nom. Pl. M. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. bimeinen ‚bestimmen, vorsehen, verurteilen‘ – AWB 6,349. GSp 2,792. StWG 405. SchG 6,306. RSV 1,125. F162. f. 47r, Z. 1, dissoluti (2,10; 248,171) – [a] slaffe – () [b] slaffe – StSG 2,185,16: slaffe Lemma von jüngerer Hand korrigiert (vgl. StSG 2,185,16,A.6). Die intl. Glosse von Hand B über -lu-, die marg. Glosse (von nicht bestimmter Hand) getilgt und noch

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schwach lesbar rechts neben Z. 1. In der Interlinearglosse ist das zweite f unter das erste gesetzt, in der ansonsten identischen Marginalglosse steht das zweite f über dem ersten. [a] + [b]: slaffe: Nom. Pl. M. st. flekt. Adj. ahd. slaf ‚schlaff, nachlässig‘ – GSp 6,802. StWG 554. SchG 8,426. Diese Glosse erwähnt auch Rosengren (1968: 48, 66) bei ihrer Aufstellung von Glossierungen zu dissolutus in den Evangelienglossen. Eine Parallelglosse enthält der Clm 6277 (StSG 2,166,17). F163. f. 47r, Z. 3, exasperat – ergremit – StSG 2,185,17 (2) … dum ad increpationem se mens / (3) doctoris exasperat (2,10; 250,173) ‚während sich das Gemüt des Lehrers zum Tadel ergrämt‘. Hand B. Intl. über exaspe-, das zweite r auf Rasur (StSG 2,185,17,A.7). ergremit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. irgremmen ‚sich ergrämen, sich heftig erregen‘ – AWB 4,416. GSp 4,321. StWG 239. SchG 4,41. RSV 1,298. In er- liegt eine abgeschwächte Nebentonsilbe vor. F164.–165. f. 47r, Z. 6–7 (6) dum culpa subiectorum (Ed. subditorum) cum magna inuectione / (7) corripitur, magistri lingua usque ad exces/ (8) sus uerbi pertrahantur (2,10; 250,175) ‚Während das Vergehen der Untergebenen mit großem Schelten aufgegriffen wird, lässt sich die Sprache des Lehrers zu Überschreitungen des Ausdrucks fortreißen.‘ F164. f. 47r, Z. 6, inuectione (2,10; 250,176) – [a] rapsungo – () [b] rapsungo – StSG 2,185,18: rafsungo und A.8: „dasselbe wort … am rande ausradiert“ Die intl. Glosse von Hand B über inu-. Steinmeyer (A.8) ist unsicher, ob der dritte Buchstabe f oder p ist und entscheidet sich in der Edition für f. Der fragliche, ungelenk geschriebene Buchstabe ist dagegen als p zu bestimmen. Man vergleiche seine eckige Form mit p in anderen Glossen von derselben Hand. Marg. rechts neben Z. 6 steht – ausradiert, aber noch lesbar – dasselbe Wort (von nicht bestimmter Hand). [a] + [b] rapsungo: Dat. Sg. st. F. ahd. rafsunga ‚Schelten, Bestrafung, Züchtigung‘ – GSp 2,502. StWG 470. SchG 7,311. Beim -o handelt es sich um eine jüngere Bildung (BRG §207,A.4). Eine Parallelglosse rafsungo enthält der Clm 6277 (StSG 2,166,18). F165. f. 47r, Z. 7, excessus (2,10; 250,177) – [a] upuangodun – () [b] upuangodun – StSG 2,185,19: :upuangodun (intl.) Die intl. Glosse von Hand B steht über exces/, die marg. Glosse (von nicht bestimmter Hand) – radiert, aber noch lesbar – rechts neben Z. 7, auf Texthöhe. [a] + [b] uperuangodun: Dat. Pl. st. M. ahd. ubarfangōd, ubarfangado ‚Überschreitung‘ – vgl. die Ansatzformen in GSp 3,414. StWG 648. SchG 10,139. Steinmeyer

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deutet, wie in den Glossen F72 und F95 auch hier (mit zugesetztem ad) die Dativform als von der deutschen Syntax beeinflusst. Das Hapax legomenon wird in der Forschung dementsprechend als st. M. auf -ōd/-ōt betrachtet (SpAW 2,337). Die Parallelglosse uparuengido im Clm 6277 (StSG 2,166,19) scheint auch nach dieser Vorgehensweise gebildet. Nicht ganz auszuschließen ist aber auch ein sw. M. Verbalsubstantiv auf -ado (SpAW 2,185. Willmanns 2,349) im Akk. Pl. Der Vokal o vor dem Dental zeigt sich in der Hs. auch in pronodun (G13). F166. f. 47r, Z. 16, figurate – pizeichanthliho – StSG 2,185,21 (16) … quod figurate / (17) dominus per moysen praecipit (2,10; 250,183) ‚Dies befiehlt der Herr bildlich durch Moses.‘ Hand B. Intl. über figur-. Das auffällige h nach t stammt evtl. aus zunächst fälschlich als h abgeschriebenem li. pizeichanthliho: Adv. ahd. bizeihhantlīhho ‚bildlich‘ – GSp 5,598. StWG 63. SchG 11,344. Kempf (1972: 91) klassifiziert dies als Lehnübersetzung nach lat. Vorbild. Vgl. Clm 6277 (StSG 2,163,67): Dies ist keine Parallelglosse, hat aber ein identisches Lemma. In den Glossaren zu figurate vgl. Reg. past. 3,28 (StSG 2,194,42). F167. f. 48r, Z. 10, circumspectionis – pisorgido – StSG 2,185,25 (9) Vt in eo … erga cęlestem / (10) uitam prouidę circumspectionis … / (11) … / (12) diuinę ammonitionis uerba / (13) restaurent (2,11; 252,6) ‚damit die göttlichen Mahnworte in ihm … das himmlische Leben der vorsichtigen Umsicht wiederherstellen‘. Hand J. Intl. über dem Lemma. pisorgido: Gen. Sg. st. F. ahd. bisorgida ‚Umsicht, Fürsorge‘ – GSp 6,278. StWG 60. SchG 9,427.49 Der Clm 6277 enthält dieselbe Glossierung f. 73r zu Kap. 3,4 (StSG 2,166,71) und f. 72r zu Kap. 4 (StSG 2,176,69, vgl. auch StSG 2,168,49.). In Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 lautet die Glosse pitrahtido (StSG 2,185,25). F168. f. 48r, Z. 19, inpulsu – gistunctaz – StSG 2,185,28 (18) … quod externis occu/ (19) pationum tumultibus inpulsu (Ed. impulsum) a semetip/ (20) so corruat (2,11; 252,13) ‚dass es von äußeren Unruhen der Belagerungen erschüttert von selbst zusammenbricht‘. Hand J. Intl. über dem Lemma.

|| 49 Kempf (1972: 81) geht fälschlicherweise davon aus, dass auch im Clm 21525 an dieser Stelle eine Form von pitrahtida steht, wie dies in Parallelglossen der Fall ist.

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gistunctaz: Akk. Sg. N. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. stungen od. gistungen ‚anschlagen, erschüttern‘ – GSp 6,693. StWG 602. SchG 9,257. RSV 1,211. Riecke 615f. beobachtet, dass ausschließlich obd. Belege für / zu germ. *stenga- mit dieser Bedeutung vorkommen, ansonsten handelt es sich um jüngere Ableitungen von germ. *stenkwa- mit Bedeutungswandel zu ‚riechen‘. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,185,28). F169. f. 49v, Z. 13, (officiunt) – tarun – StSG 2,185,43 (13) … sepe namque aliis officiunt, qvę aliis pro/ (14) sunt (3,Praef; 258,6) ‚Oft nämlich schaden den Einen [die Dinge], die den Anderen nützen.‘ Hand A. Marg. links neben Z. 13, etwas abgegriffen. off- des Lemmas auf Rasur (StSG 2,185,43,A.15) und von anderer Hand korrigiert; marg. unterhalb der Glosse steht officiunt (Korrektureintrag). tarun: 3. Pl. Ind. (?) Präs. Sw. V. ahd. tarōn ‚verletzen, schaden‘ – GSp 5,440. StWG 622. SchG 9,449. RSV 2,154. Fehlendes t im Indikativ ist nicht sprachlich erklärbar (vgl. BRG §309,A.4). Mit dem ōn-Verb stehen die Glossen des Clm 21525 an dieser Stelle allein: Parallele Glossen zeigen das jan-Verb terren, nebst dem Clm 6277 (StSG 2,166,35), St. Gallen, Stiftsbibliothek 220 (Cirimele/Nievergelt 2016: 87), Clm 3767 (StSG 2,200,40), St. Florian, BAC III 222 B (StSG 2,226,59) und Zürich, ZB Ms. Rh. 35 (StSG 2,237,45). Vgl. auch lateinische Glossen, alle nocent in Clm 18140, f. 231vb, Z. 22: nocent; Clm 19440, p. 237, marg. r. neben Z. 2: officiunt . nocent; Karlsruhe, BL St. Peter perg. 87, f. 85r, Z. 37: officiunt – nocent; Sélestat, BM Ms. 7, f. 97va, Z. 27; Fulda, HLB Aa2, f. 138v, Z. 19; St. Omer, BM Ms. 150, f. 74ra, Z. 12: officiunt · afficiunt · ł nocent; Würzburg, UB M. p. th. f. 42, f. 33r, Z. 17, nocent. F170.–171. f. 50r, Z. 4 (2) … Quid enim sunt intentę / (3) mentes auditorum, nisi ut ita dixerim / (4) quędam in cythara tensiones stratę chor/ (5) darum (3,Praef; 260,15) ‚Was nämlich sind die gespannten Gemüter der Zuhörer anderes als, wenn ich so sagen darf, bei der Zither die gestrafften Spannungen der Saiten.‘ F170. f. 50r, Z. 4, tensiones (3,Praef; 260,15) – riduni – StSG 2,185,46 Hand A. Intl. über -ensio-. Zweites i verkürzt, evtl. funktionsloser Strich bzw. Verschreibung evtl. aus missverstandenem Punkt (vgl. StSG 2,185,46,A.16: „l. ridun“). ridun[i]: Nom. Pl. sw. F. ahd. rīda ‚Spannung, Windung‘ – GSp 2,473. StWG 482. SchG 7,398. Parallelglossen enthalten Clm 18550a (Glossar; StSG 2,223,17) und St. Florian, III 222 B (StSG 2,226,62). F171. f. 50r, Z. 4, stratae (3,Praef; 260,15) – gepanoto – StSG 2,185,48 Hand A. Intl. über dem Lemma.

Die Glossen | 591

gepanoto: Nom. Pl. F. st. flekt. Part. Prät. sw. V. ahd. ebanōn od. giebanōn ‚etw. eben machen, straffen‘ – AWB 3,20. SchG 2,347. RSV 2,30. Verschliffenes Präfix. Parallelglossen enthalten St. Gallen, Stiftsbibliothek 220 (Cirimele/Nievergelt 2016: 87), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,185,48). F172. f. 50r, Z. 8, modulationem – sanch – StSG 2,185,50 (7) … Et idcirco chordę conso/ (8) nam modulationem reddunt (3,Praef; 260,18) ‚Und so geben die Saiten eine zusammenstimmende Melodie.‘ Hand A. Intl. über -atio-. sanch: Akk. Sg. st. M./N. ahd. sang ‚Gesang, Melodie‘ – GSp 6,250. StWG 508. SchG 8,104. Zu der seltenen Bezeichnung von /g/ durch im Oberdeutschen vgl. BRG §149,A.8. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,185,50). F173. f. 52v, Z. 17, infectat – iruarit – StSG 2,185,57 (marg. links) Et quanto / eum tumor / elationis / infectat (Ed. infestat) (3,2; PL 77,36,A.i50) ‚und umso mehr ihn der Stolz der Überheblichkeit in Gefahr bringt‘. Hand K. Der Satz inklusive Glosse wurde am linken Rand nachgetragen (StSG 2,185,57,A.20), mit Einfügungszeichen , das innere nach inclinat (Z. 17). Auch im Clm 6277, f. 69r sind dieser Text und (eine andere) Glosse nachträglich marg. nachgetragen (StSG 2,166,45 und A.14). Im Clm 18550a steht die Ergänzung f. 53v, marg. unten. iruarit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. irfārēn ‚jdn. in Gefahr bringen, in die Enge treiben‘ – AWB 3,625. RSV 2,212. Bei StWG 141 und SchG 3,58 dem st. V. irfaran zugewiesen, was semantisch weniger naheliegend ist. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,185,57). F174. f. 52v, Z. 23, (fomenta) – uâsca – StSG 2,185,63 (22) quoniam (Ed. quia) et plerumque dura uulnera per lenia fo/ (23) menta mollescunt (3,2; 270,47) ‚denn auch verhärtete Wunden werden meist durch sanfte Umschläge weich‘. Hand K. Marg. links neben Z. 23, mit Verweiszeichen über Lemma und Glosse. Zirkumflex über dem ersten â, vgl. Sievers (1909: 44). uâsca: Akk. Pl. st. F. ahd. fāsca ‚lindernder, heilender Umschlag‘ – AWB 3,642. GSp 3,706. StWG 142. SchG 3,73. Parallelglossen enthalten St. Paul, Stiftsarchiv 82/1

|| 50 Diese Textvariante wird in SC 382 nicht mitgeteilt, aber in PL 77.

592 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

(StSG 2,204,16), Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,212,17), Würzburg, UB M. p. th. f. 42 (Hofmann 1963: 115, geuâsge). Vgl. auch Clm 6277 (StSG 2,166,49, uascunga). F175. f. 54r, Z. 20, consparsionibus – giuuonaheitin – StSG 2,186,7 (19) Non nulli autem læti uel tristes non rebus / (20) fiunt, sed consparsionibus exsistunt (3,3; 274,11) ‚Einige aber werden nicht durch Ereignisse fröhlich oder traurig, sondern erscheinen als Gewohnheiten.‘ Hand L. Intl. über -sparsio-. giuuonaheitin: Dat. Pl. st. F. ahd. giwonaheit ‚Gewohnheit, Brauch‘ – GSp 1,871. StWG 228. SchG 11,279. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,166,61), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,186,7). Vgl. auch G95. F176. f. 55r, Z. 22, difixisti – uirsaztos – StSG 2,186,13 (21) … fili mi, si spoponderis pro ami/ (22) co tuo, diffixisti apud extraneum manum / (23) tuam (3,4; 276,29; Prv 6,1) ‚mein Sohn, wenn du für deinen Freund gebürgt hast (und) deine Hand einem Fremden verpflichtet hast, ...‘. Hand K. Intl. über dem Lemma. Unklar, wie die Korrektur des Textwortes verlief. Jedenfalls scheint die letzte Rasur nach der Eintragung der Glosse erfolgt zu sein, indem deren i davon erfasst wurde. uirsaztos: 2. Sg. Ind. Prät. sw. V. ahd. firsezzen ‚aussetzen, versetzen, verpflichten‘ – GSp 6,300. StWG 519. SchG 8,178. RSV 1,173. Auffällig ist die alte Endung in der 2. Sg. auf -s, die schon im 9. Jahrhundert durch ein t verlängert wurde (BRG §306b). Gleichzeitig erscheint jedoch das i im Präfix, das weniger in frühen Belegen vorkommt (BRG §76). Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,186,13). F177. f. 55v, Z. 2, periculo – philigido – StSG 2,186,16 (1) … Spondere / (2) namque pro amico est alienam animam in pe/ (3) riculo suę conuersationis accipere (3,4; 276,32) ‚Denn bürgen für einen Freund heißt, eine fremde Seele anzunehmen, mit der Gefahr, das eigene Leben zu verlieren.‘ Hand L. Intl. über in pe/. Das erste i in Kurzschreibung an den rechten Schaft des h unten angehängt, li mit Nachtragspunkt zwischen h und g über hig eingetragen. Marg. links etwas ausgewischt, versehen mit einem Punkt , der auch über i- von in (Z. 2) steht. Siehe Unidentifizierte Federeintragungen. philigido: Dat. Sg. st. F. ahd. pfligida ‚Gefahr‘ – GSp 3,358. StWG 462. SchG 7,281. Zum Sprossvokal i zwischen pf und l vgl. Reutercrona (1920: 157). In der Parallelglosse inphligido des Clm 6277 (StSG 2,166,65) wurde das h nachträglich darübergesetzt. Weitere Parallelglossen enthalten Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB

Die Glossen | 593

2732 (StSG 2,186,16), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,200,53) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,214,78). F178. f. 68v, Z. 2, uersuti hostis – arcustinuiiantes – StSG 2,187,A.4: „mehrere rasuren“ (f. 68r, Z. 23) … Dicendum itaque / (24) est inuidis, … // (f. 68v, Z. 1) … in antiquam uer/ (2) suti hostis nequitiam demerguntur (3,10; 312,50) ‚Daher muss man den Neidischen sagen, dass sie in der alten Bosheit des listigen Feindes versinken.‘ Nicht bestimmte Hand. Blasse, leicht rötliche Federglosse intl. über -suti hostis. Auffallend ist der steile Rücken bei a-. Bei StSG 2,187,A.4 findet sich ein Hinweis auf „mehrere rasuren“ auf f. 68v, mit denen wohl überdies die radierten Glossen über concidit (Z. 19), liuor (Z. 20) und -dii seminarum fuit (Z. 21) gemeint sind. arcustinuiiantes: Bestehend aus arcustin: Gen. Sg. M. sw. flekt. Adj. ahd. ar(g)kusti ‚lasterhaft, hinterlistig‘; bislang nur als argkustīg belegt – AWB 1,637; allerdings existiert auch ein Adj. unkusti – StWG 668. SchG 10,225 und uiiantes: Gen. St. st. M. ahd. fīant ‚Feind‘ – AWB 3,792; beim doppelten i handelt es sich entweder um eine Quantitätsangabe oder um eine Schreibernachlässigkeit. Eine Parallelglosse, eine noch nicht veröffentlichte Griffelglosse, enthält der Clm 4614 (vgl. Nievergelt in Vorb.). F179. f. 70r, Z. 15, suspicionibus – [a] missitriudun – StSG 2,188,A.2 – () [b] missitriuuidun – StSG 2,188,1 (14) … semper pauidis / (15) suscipicionibus agitantur (3,11; 316,27) ‚Sie werden immer von furchtsamem Argwohn getrieben.‘ Die intl. Glosse (Hand A?) radiert, blass, aber lesbar intl. über suscipi-, die marg. Glosse von Hand B links neben Z. 15 und bis über sus- in den Text hereinreichend. [a] missitriudun + [b] missitriuuidun: Dat. Pl. st. F. ahd. missitriuwida ‚Misstrauen, Verzweiflung‘ – AWB 6,684. GSp 5,468. StWG 417. SchG 6,401. F180. f. 71v, Z. 2, tergiuersatione – hinscrenchigi – StSG 2,188,10 (1) … ter/ (2) giuersatione prauę defensionis inlu/ (3) sus totum pariter ignorat (3,11; 318,66) ‚Durch die Arglist der unredlichen Verteidigung getäuscht, weiß er nun gar nichts.‘ Hand L. Intl. über -giuers-. Kürzungsstrich über dem t. Marg. links neben Z. 2 und intl. über dem Lemma wurden Eintragungen radiert (vgl. StSG 2,188,10,A.4). hinterscrenchigi: Dat. Sg. sw. F. ahd. hintarscrenkīgī ‚Arglist, betrügerisches Verhalten‘ – AWB 4,1124. GSp 6,584. StWG 277. SchG 4,328. In liegt die obd. Verschiebung von /k/ zu /kx/ vor (BRG §144). Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,188,10). Vgl. auch Clm 14689, hin-

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tirscren ohida (!)51 (StSG 2,188,10) und Basel, UB B. V. 21, hindersregone (StSG 2,198,56). F181. f. 72r, Z. 13, defensione – [a] diemissitriuuidadesmuotes – StSG 2,188,2452 – [b] diemissitriuuida desmuotes – StSG 2,188,24,A.9: „rasur“ (11) … Quid enim per ciuitates mu/ (12) nitas exprimitur, nisi suspectę men/ (13) tes et fallaci semper defensione circum/ (14) datę (3,11; 320,89) ‚Was nämlich drücken die befestigten Städte aus, wenn nicht misstrauische und mit lügenhafter Verteidigung umgebene Seelen.‘ Beide Glossen intl., die frühere radiert und rötlich blass über -ensione circū, die spätere von Hand B über -efensione ci-, also die radierte zu einem großen Teil verdeckend. Dennoch ist diese auf ganzer Länge lesbar geblieben. diemissitriuuidadesmuotes: Bestehend aus die: Akk. Sg. F. best. Art. ahd. die ‚die‘, missitriuuida: Akk. Sg. st. F. ahd. missitriuwida ‚Misstrauen, Verzweiflung‘ – AWB 6,684, des: Gen. Sg. M./N. best. Art. ahd. des ‚des‘ und muotes: Gen. Sg. st. M./N. ahd. muot ‚Gemüt, Gesinnung‘ – AWB 6,865; GSp 5,468. StWG 417. Interpretierende Übersetzung: ‚tiefsitzendes Misstrauen‘ – SchG 2,183. 6,401. 6,466. F182. f. 72r, Z. 22, fastu – vueigri – StSG 2,188,26 (f. 72r, Z. 22) apud cogitationes suas in fastu pru/ (23) dentię … // (f. 72v, Z. 1) extollunt (3,11; 320,97) ‚Sie rühmen ihre Überlegugen in Verachtung der Klugheit.‘ Hand L. Intl. über -n fa-, nach StSG 2,188,26,A.10 auf Rasur, was nicht klar festzustellen ist. vueigri: Dat. Sg. sw. F. ahd. weigarī ‚Widerwille, Verachtung‘ – GSp 1,703, StWG 706. SchG 10,467. Hier liegt eine Synkopierung des a vor. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,188,26) und Würzburg, UB M. p. th. f. 42 (Hofmann 1963: 116). F183. f. 77v, Z. 12, mittit – frumit – StSG 2,189,15 (11) … perfecta caritas foras / (12) mittit timorem (3,13; 334,15; I Io 4,18) ‚Vollendete Liebe sendet die Furcht nach draußen.‘ Hand A. Intl. über mit-. frumit: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. frummen ‚vollbringen, senden‘ – AWB 3,1300. GSp 3,649. StWG 181. SchG 3,316. RSV 1,295. Einfachschreibung des m. Parallelglos-

|| 51 Vom Schreiber verlesenes chida und missverstanden, weil das Lemma in zwei Wörtern als Tergiuer Satione steht. 52 Bei StSG 2,188,24 Spatium vor desmuotes.

Die Glossen | 595

sen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,189,15). F184. f. 78r, Z. 12, insensibilitate – unvuizin – StSG 2,189,21 (10) … tanto acriori / (11) inuectione feriendi sunt, quanto ma/ (12) iori insensibilitate durauerunt (3,13; 336,33) ‚Umso schärfer muss man sie tadeln, je mehr sie durch Unverstand verhärtet sind.‘ Hand A. Intl. über -sensib-. unvuizin: Dat. Sg. sw. F. ahd. unwizzī ‚Unverstand, Unempfindlichkeit‘ – GSp 1,1101. StWG 678. SchG 10,277. Formen auf -in sind im Sg. nur selten belegt, regelmäßig im Pl. (BRG §228,A.1); evtl. ein Archaismus? Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,189,21). F185. f. 78r, Z. 16, incutiat – anavuerfe – StSG 2,189,25 (15) … Ita dumtaxat ut et ostensa / (16) disperatio formidinem incutiat (3,13; 336,35) ‚so nur, damit die gezeigte Verzweiflung ihnen Schrecken einflößt‘. Hand A. Intl. über dem Lemma. anavuerfe: 3. Sg. Konj. Präs. st. V. ahd. anawerfan ‚hineinwerfen, einjagen‘ – GSp 1,1030. StWG 715. SchG 11,52. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,189,25). Vgl. auch St. Florian, BAC III 222 B (StSG 2,228,9, anaforuuerfe). F186.–187. f. 78v, Z. 19–20 (19) Versa est mihi domus Israhel in scoriam / (20) omnes isti æs et stagnum et ferrum et plumbum / (21) in medio fornacis (3,13; 338,54; Ez 22,18) ‚Das Haus Israel ist mir zur Schlacke geworden; insgesamt sind sie (das Volk Israel) Erz und Zinn und Eisen und Blei mitten im Schmelzofen.‘ F186. f. 78v, Z. 19, in scoriam (3,13; 338,54; Ez 22,18) – insinter – StSG 2,189,32 Hand A. Intl. über -n sco-. insinter: Bestehend aus in: Präp. ahd. in ‚in, zu‘ und sinter: Akk. Sg. st. M. ahd. sintar ‚Metallschlacke‘ – GSp 6,265. StWG 527. SchG 8,239. Parallelglossen enthalten Basel, UB B. V. 21 (StSG 2,198,70), St. Gallen, Stiftsbibliothek 219 (Nievergelt 2009a: 103f.), Clm 3767 (StSG 2,778,28. 5,102,37f.; vgl. Nievergelt 2009a: 103,A.410), Clm 18550a (Textglossen; StSG 2,219,45), St. Florian, BAC III 222 B (StSG 2,228,13), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,205,43), St. Paul, Stiftsarchiv 903/0 (StSG 5,26,28), Zürich, ZB Ms. Rh. 35 (StSG 2,239,47; Marti 2004: 87f.). Vgl. auch die entsprechenden Bibelglossen (StSG 1,640,11. 654,28).

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F187. f. 78v, Z. 20, stagnum (3,13; 338,55; Ez 22,18) – (…) – [a] cin – [b] cin – StSG 2,189,35: : cin Intl. über sta- ist cin radiert und nur noch mithilfe der UV-Lampe lesbar. Das zweite cin von Hand A steht über -gn-. Vor beiden Glossen liegt eine weitere Rasur. Reste einer radierten Eintragung sind auch marg. links neben Z. 20 zu erkennen, mit denen vielleicht das Verweiszeichen über st- zu verbinden ist. [a] + [b] cin: Nom. Sg. st. N. ahd. zin ‚Zinn‘ – GSp 5,677. StWG 763. SchG 11,407. Parallelglossen enthalten Basel, UB B. V. 21 (StSG 2,198,73), Karlsruhe, BL St. Peter perg. 87 (StSG 2,241,46), Clm 3767 (Nievergelt 2009a: 103,A.410), Clm 18550a (Textglossen; Mayer 1974: 98,20. 23), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,205,45) und Sélestat, BH Ms. 7 (StSG 2,214,78). Zürich, ZB Ms. Rh. 35 (Nievergelt 2011: 350). F188. f. 79v, Z. 5, conflauit – plait – StSG 2,189,39 (5) … frustra conflauit / (6) conflator (3,13; 338,77; Jer 6,29) ‚Vergeblich fachte der Schmelzer die Flamme an.‘ Hand A. Intl. über über -fla-. plait: 3. Sg. Ind. Präs. sw. V. ahd. blāen ‚blasen, die Flamme anfachen‘ – AWB 1,1167. GSp 3,234. StWG 63. SchG 1,408. RSV 1,8. F189. f. 79v, Z. 13, pygmentorum – arzato – StSG 2,189,44 (13) … quos fortis pygmentorum potio / (14) curare non ualuit (3,13; 340,83) ‚Diese (die Kranken) konnte ein kräftiger Trank aus Balsamen nicht heilen.‘ Hand A. Intl. über über -ygm-. arzato: Gen. Pl. st. M. ahd. arzāt ‚Arzt; derjenige, der mit Salben umgeht‘ – AWB 1,669. GSp 1,477. StWG 35. SchG 1,214, das Lemma als pigmentariorum aufgefasst. Parallelglossen enthalten Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,189,44). F190. f. 79v, Z. 17, fomentis – fascun – StSG 2,189,46 (15) … Et nonnulla / (16) uulnera quę curari incisione nequeunt / (17) fomentis olei sanantur (3,13; 340,86) ‚Und manche Wunden, die durch Schneiden nicht geheilt werden, werden durch Umschläge mit Öl geheilt.‘ Hand A. Intl. über -om-. fascun: Dat. Pl. st. (F./N.?) ahd. fāsca, fāski ‚Umschlag, Linderungsmittel‘ – AWB 3,642. GSp 3,706. StWG 142. SchG 3,73. Helm (1914: 271) bezieht sich auf diese Glosse und charakterisiert das Wort als „eine alte direkte Entlehnung aus dem Lateinischen“. Parallelglossen enthalten St. Gallen, Stiftsbibliothek 217 (HDM 233b,5; Cirimele 2012: 91–94), Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB

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2732 (StSG 2,189,46). Vgl. auch Clm 6277 (StSG 2,169,70, mitfascunun). Eine weitere Parallelglosse enthält evtl. St. Gallen, Stiftsbibliothek 219 (Nievergelt 2009a: 119). F191. f. 80v, Z. 17, molestias – unsen – StSG 2,189,54 (16) … Nam si in/ (17) latas molestias tranquilla (Ed. tranquille) lingua dice/ (18) ret (3,14; 342,33) ‚denn wenn man über zugefügte Schwierigkeiten mit ruhiger Stimme sprechen würde, ...‘. Hand A. Intl. über -oles-. unsen: Wohl gekürztes unsen[fti], vgl. StSG 2,189,54,A.8: sw. F. ahd. unsemftī ‚Schwierigkeit, das Lästige‘ – GSp 6,225. StWG 671. SchG 10,243. F192. f. 85v, Z. 10, (torpescunt) – tragent – StSG 2,190,21 (9) … Sępe / (10) ergo mansueti desolutionis torpes/ (11) cunt tedio (3,16; 354,15) ‚Oft aber werden die Sanftmütigen bei der Aufrechterhaltung der Zucht träge.‘ Hand M. Marg. links neben Z. 10, mit Verweiszeichen über Lemma und Glosse. tragent: 3. Pl. Ind. Präs. sw. V. ahd. trāgēn ‚träge werden, matt werden‘ – GSp 5,503. StWG 631. SchG 10,22. RSV 2,263. Eine Parallelglosse, eine neu gefundene Griffelglosse enthält der Clm 18550a (Textglossen) auf f. 85r, Z. 10, irtragent (vgl. Nievergelt in Vorb.) F193. f. 86v, Z. 5, (impellere) – tripan – StSG 2,190,33 (5) illum stimulo impellere nititur, hunc freno / (6) moderatur (3,16; 356,46) ‚Jenen bemüht er sich durch Ansporn anzutreiben, diesen im Zaume zu halten.‘ Hand M. Marg. links neben Z. 5, mit Verweiszeichen über Lemma und Glosse. tripan: Inf. st. V. ahd. trīban ‚(an)treiben‘ – GSp 5,481. StWG 634. SchG 10,41. Die Glossen zu der Stelle enthalten in Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 das Verb zuotrīban (StSG 2,190,33). F194. f. 86v, Z. 14, (praetextu) – uirterchineti – StSG 2,190,41 (13) … quę perconturbat (Ed. perturbatum) cor / (14) et sine iustitię praetextu confundit (3,16; 358,53) ‚der ein beunruhigtes Herz ohne gerechten Vorwand verwirrt‘. Hand M. Marg. links neben Z. 14, mit Verweiszeichen über Lemma und Glosse. uirterchineti: Dat. Sg. sw. F. ahd. firtarkenitī ‚Vorwand, Verhüllen‘ – GSp 5,456. StWG 159. SchG 9,448. Parallelglossen enthalten Clm 6277 (StSG 2,170,49), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,190,41), Clm 18550a (Textglossen, virterchneti; Mayer 1974: 98,24, firterchineti; vgl. Nievergelt in Vorb.).

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F195. f. 87r, Z. 22, (auersa) – uuidergichertem| – StSG 2,190,50 (22) Percussit ergo eum abner auersa hasta in in/ (23) guine (3,16; 358,78) ‚Also stieß ihn Abner mit der umgedrehten Lanze in den Unterleib.‘ Hand M. Marg. rechts neben Z. 22, wohl rechts abgeschnitten; vielleicht fehlt ein o, vgl. StSG 2,190,50,A.4. Zum inneren Verweiszeichen fehlt das äußere, es ist vielleicht auch weggeschnitten worden. Unter der Glosse befindet sich eine ausgewischte Eintragung. uuidergichertem[o?]: Dat. Sg. M./N. Part. Prät. sw. V. ahd. widarkēren ‚zurückkehren, umdrehen‘ – AWB 5,129. GSp 4,474. StWG 327. SchG 5,194. RSV 1,90. In liegt obd. /k/ > /kx/ vor. F196. f. 87v, Z. 8, (abrupta) – gahin – StSG 2,190,52 (7) … cum per ab/ (8) rupta furoris mentem cuiuspiam ferri / (9) conspicit (3,16; 360,85) ‚wenn man sieht, dass jemandes Gemüt durch die Abgründe des Zornes fortgetragen wird‘. Hand M. Marg. links neben Z. 8, mit Verweiszeichen über Lemma und Glosse. gahin: Akk. Pl. sw. F. ahd. gāhī ‚steiler Anhang, Absturz, Eile, Hitzigkeit, Raserei‘ – AWB 4,23. GSp 4,131. StWG 188. SchG 3,372. Ungewöhnlich, weil alt, ist die -īnEndung (BRG §228). Parallelglossen enthalten Clm 14689, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,190,52). F197. f. 96r, Z. 18, contineri – ginerituuerdan – StSG 2,191,47 (17) … Ne idcirco se meliores esti/ (18) ment, quoniam (Ed. quia) conteineri per se cęteros uident (3,20; 382,9) ‚Sie sollen sich nicht deshalb für etwas Besseres halten, weil sie sehen, dass andere durch sie unterhalten werden.‘ Hand M. Intl. über dem Lemma. Beim Lemma ist durch spätere Hand e zu i korrigiert worden, evtl. verbunden mit dem Glossierungsvorgang. StSG 2,191,47,A.7 sieht die Hand des Glossators. ginerituuerdan: Bestehend aus ginerit: Unflekt. Part. Prät. sw. V. ahd. nerien bzw. ginerien ‚ernähren, unterhalten, heilen‘ – AWB 6,1174. GSp 2,1101. StWG 436. SchG 7,60. RSV 1,314 und uuerdan: Inf. st. V. (Hilfsverb) ahd. werdan ‚werden‘. Parallelglossen enthalten Karlsruhe, BL Aug. CCXX (StSG 2,234,19), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,191,47), Clm 18550a (Textglossen, ganerit; Mayer 1974: 98,26 liest generit). F198.–199. (+ L126–129), f. 96v, Z. 22 (f. 96v, Z. 19) … unde et ne/ (20) cesse est ut sollicite perpendant ne / (21) commissa indigne distribuant; / (22) Ne quedam quibus nulla, Ne nulla / (23) quibus quaedam, Ne nulla (Ed. multa) quibus pauca // (f. 97r, Z. 1) Ne pauca prebeant quibus

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impendere / (2) multa debuerunt (3,20; 384,25) ‚Daher ist es nötig, sorgfältig darauf zu achten, dass sie ihr Anvertrautes nicht ungerecht verteilen; damit sie nicht denen einiges geben, denen sie nichts geben sollten, nicht denen nichts, denen sie einiges geben sollten und nicht denen viel, denen sie wenig geben sollten sowie nicht denen wenig, denen sie viel geben sollten.‘ Die Glossen F198 und F199 stehen zusammen mit einer Reihe von intl. lateinischen Federglossen: Z. 21, distribuant – dispensant; Z. 22, Ne quedam – nulla dabitis; Z. 23, quibus quaedam – aliquisdam debetis; Z. 23, Ne nulla – nemultum; Z. 23, pauca – paruulum (F126–129). F198. f. 96v, Z. 22, Ne … quibus nulla, … impendere … debuerunt (3,20; 384,25) – denir nieht gepan nisculit – StSG 2,191,56 Hand B. Intl. über quibus nulla. Bestehend aus den: Dat. Pl. M./F. best. Art. ahd. den ‚denen‘ und ir: Nom. Pl. ungeschl. Pers.-Pron. ahd. ir ‚ihr‘, nieht: Adv. ahd. nieht ‚nichts‘ – AWB 6,1314. GSp 1,734. SchG 7,106. Das ist spätalthochdeutsch (BRG §299b), gepan: Inf. st. V. ahd. geban ‚geben‘ – AWB 4,135. GSp 4,108. StWG 194. SchG 3,414 und nisculit: Bestehend aus ni: enklit. Neg.part. und sculit: 2. Pl. Konj. Präs. Prät.-Präs. ahd. sculan ‚sollen‘ – GSp 6,461. StWG 550. SchG 8,402. Zur Mehrfachverneinung vgl. Schrodt (2004: §S131). Also: „denen ihr nichts geben solltet“. Die direkte Anredeform erinnert an eine Verwendung der Textstelle in einer Predigt. Sie herrscht auch in den lateinischen Glossen. F199. f. 96v, Z. 22, Ne nulla … impendere … debuerunt (3,20; 384,25) – diercihet – StSG 2,191,58: diercihet Hand B. Intl. über -e null-. StSG 2,191,58,A.9 merkt die unsichere Lesung des ersten Buchstabens an, der auch n sein könnte. Da die Rundung von links oben ansetzt, ist ein unziales d denkbar. Aus inhaltlichen Gründen ist aber n wahrscheinlicher. niercihet: Bestehend aus ni: enklit. Neg.part. ahd. ni; ercihet: 2. Pl. Konj. Präs. st. V. ahd. irzīhan ‚verweigern, versagen‘ – GSp 5,586. StWG 762. SchG 11,400; Also: „ihr sollt nicht verweigern“. In er- abgeschwächte Nebentonsilbe. F200. f. 141v, Z. 19, quos repentina concupiscentia superat – tu ga gif ubir (18) … Ammonendi quippe sunt / (19) quos repentina concupiscentia supe/ (20) rat (3,32; 490,6) ‚Ermahnt werden müssen nämlich diejenigen, die eine plötzliche Begierde überkommt.‘

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Vielleicht Hand B. Die vier Eintragungen verteilen sich intl. über die Textpassage wie folgt: tu über re- von repentina, ga über -nt- von repentina, gif über con- von concupiscentia und ubir mit unsicherem letztem Buchstaben marg. rechts neben Z. 19, neben supe/. Geht man von lexikalischen Kürzungen aus und nimmt man eine präzise Platzierung an, müssen tu und ga beide zu repentina gehören. Eine Zuweisung jedes Glossenworts an eines der Textwörter ist eventuell auch möglich. tu: Zu repentina: Dem.-Pron. N. Sg. F. Artikel ahd. diu; oder zu quos: Akk. Pl. M.? Dem.-Pron. ahd. der, diu, daz; oder Rel.-Part. ahd. de (dār)? – GSp 5,4. StWG 92. ga: Gekürzt Adj. ahd. gāhi ‚plötzlich‘ – AWB 4,21. gif: Gekürzt Subst. ahd. gi-f-, wofür ein Abstraktum aus dem Adj. freh ‚begierig‘ – AWB 3,1231 naheliegt: sw. F. ahd. *gifrehhī ‚Gier‘? Vgl. ahd. frehhī – AWB 3,1231. ubir: Gekürzte Glosse, evtl. zu ahd. ubar[faran] ‚hinweggehen, überschreiten, überkommen‘ – AWB 3,609, oder ahd. ubar[wintan] – GSp 1,751 ‚überwinden, besiegen‘, beide als althochdeutsche Äquivalente zu lat. superare belegt (oder Glossierung des lateinischen Präfixes). F201. f. 157r, Z. 17, (gaudere) – freuue. (16) … aut de actione recta / (17) humane laudis retributione gau/ (18) dere (3,38; 526,25) ‚oder sich am menschlichen Lob als Lohn des rechten Handelns zu freuen‘. Nicht bestimmte Hand. Marg. rechts neben Z. 17, eine weggewaschene Federglosse. Das Ende ist nicht lesbar. freuue.: Inf. (?) sw. V. ahd. frewen ‚sich freuen‘ – AWB 3,1246. GSp 3,798. StWG 177. SchG 3,294. RSV 1,294.

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5.3.4.4 Sprachliche Analyse der althochdeutschen Federglossen Wie bereits erwähnt (vgl. Kap. 5.3.1) sind die Datierungen der Glosseneintragungen seitens der Forschung in keinem der Fälle begründet worden. Die sprachgeographische Einordnung erfolgte durchwegs und meist pauschal ins Bairische. Ausführlichere sprachliche Analysen zu den Glossen in ihrer Gesamtheit existieren noch nicht und nur in Ansätzen für einzelne Belege. Eine Untersuchung des vollständigen Laut- und Formeninventars aller althochdeutschen Glossen kann auch diese Arbeit nicht leisten. Vielmehr geht es im Folgenden darum, sprachliche Charakteristika der Glossen einzelner Hände anhand bestimmter Phänomene herauszuarbeiten. Dabei sollen auch bei einigen auffällig jungen oder alten Sprachformen, wenn verfügbar, Parallelglossen zum Vergleich herangezogen werden, um die jeweiligen sprachlichen Phänomene als abschriftlich oder als Resultate vermutlich individueller Anpassungen charakterisieren zu können. Die Glossen sind durch eine Reihe von gemeinsamen spätalthochdeutschen und bairischen Merkmalen untereinander verbunden. Diese werden bei den beiden Haupthänden A und B behandelt und bei den restlichen Händen nicht jedes Mal wieder neu angesprochen. Hand A Die Glossen dieser Hand weisen aufgrund der Ergebnisse der Zweiten Lautverschiebung oberdeutschen, genauer bairischen Sprachstand auf. Dies belegt im Konsonantismus die im Bairischen durchgeführte Medienverschiebung /b/ > /p/, die hier konsequent und in allen Positionen erscheint (BRG §88b) (z. B. F12a: pigepa); auch die Verschiebung von /k/ zur Affrikate /kx/ (BRG §87b) ist im Bairischen üblich (z. B. F7: pidencho). Bestimmte seltener auftretende, aber für das Oberdeutsche typische Graphien bestätigen diese Einordnung, etwa die Bezeichnung von /g/ durch in sanch (F172, vgl. Wesle 1913: 53) (BRG §149,A.8) oder die Schreibung für /t/, vor allem nach /n/, in firhindran (F109a) (BRG §163,A.5). Diese d- statt t-Graphie im Clm 21525 in firhindran (F109a) ist gegenüber den Parallelglossen in den Codices Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,182,9) singulär; im Clm 6277 ist die Stelle mit gihintran, glossiert, das ebenfalls t aufweist (StSG 2,164,15). Bei gisculdentero (F26) ist das nicht mehr als oder erscheinende als eine jüngere Entwicklung des Oberdeutschen zu charakterisieren (BRG §149,A.6). Die für das spätere Althochdeutsche typische Schreibung statt überliefert das Pronominalpräfix ette- bei ziettevuelihero (F42; BRG §167,A.10; SchABG §48 zitiert diese Glosse), das auch die Parallelglosse in Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 kennzeichnet (Mayer 1974: 4,12). Auch der Vokalismus der Tonsilben weist ins späte Bairische. Dies gilt bei für /ei/ in ginezet (F87) (BRG §44,A.4), wobei hier auch die abgeschwächte Endsilbe -et als junge Graphie auffällt (vgl. zu dieser Glosse auch Wesle 1913: 51). Die Graphie für /uo/ in zovuaren (F84) ist aus einzelnen bairischen Quellen des 10.–12. Jahrhunderts bekannt (BRG §40,A.2). Zwar ist der alte Präfixvokal /a/ auffällig in gahorsamer (F63; SchABG §32 zitiert diese Glosse; vgl. Wesle 1913: 52), wobei hier

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eine Parallelglosse im Clm 18550a (Glossarteil) in identischer Form (StSG 2,220,44) und damit wohl abschriftliche Verhältnisse vorliegen. Dass die Sprache der Glossen nicht aus der Frühzeit stammen kann, belegt die durchgängig durchgeführte Diphthongierung von /ō/ zu /uo/ (z. B. F10: hertuom; F25: fvorit) – im Bairischen des 9. Jahrhunderts erscheint oftmals noch /ō/ (BRG §39b) – oder das häufig in den Nebentonsilben auftretende i. Der Glossator schreibt das Präfix ahd. gi- meist als gi-, wobei im Bairischen das /i/ erst im Laufe des 9. Jahrhunderts „allmählich die Oberhand gewinnt“ (BRG §71; z. B. F26: gisculdentero). Auffällig ist die Graphie für den (ehemaligen) Diphthong /iu/ in firguzit (F74), da diese Graphie erst im Anschluss an die Monophthongierung nach dem 10. Jahrhundert häufiger wird (BRG §49,A.1). Parallelglossen tradieren im Bereich des Vokalismus manchmal ältere Formen. So tritt nur im Clm 21525 die spätalthochdeutsche u-Schreibung (BRG §20b,2) in firguzit (F74) auf, während Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 die ältere Graphie aufweisen (StSG 2,179,66). Noch mehr als die Haupttonvokale zeigen diejenigen der Nebensilben spätere Qualitäten. Die abgeschwächte Nebentonsilbe -et in ginezet (F87) erscheint in den Parallelglossen noch nicht abgeschwächt als -it, so im Clm 6277 (StSG 2,163,42), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,180,48) – das ins Bairische deutende für /ei/ dagegen erscheint in allen erwähnten Handschriften außer in Wien, ÖNB 2732, wo das übliche steht. Auch die abgeschwächte -et-Endung in giruhet (F93) erscheint in den Parallelglossen als -it (Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732; StSG 2,180,59). Zwei Glossen tragen Akzentzeichen in Form eines Zirkumflexes, F4: râne und F33: ohaldi, in nicht eindeutig bestimmbarer Funktion (vgl. Sievers 1909: 44). Nur in zwei der drei Codices mit Parallelglossen erscheinen bei F4 Zirkumflexe (Clm 19440, Wien, ÖNB 2732). Der beschriebene Nebensilbenvokalismus leiht auch der Flexionsmorphologie ein spätalthochdeutsch-bairisches Gepräge. So etwa der Übergang von e in Endsilben zu a (laut BRG §58,A.3: im späteren Bair. des 10. und 11. Jahrhunderts) im Nom. Pl. M. der pronominalen Flexion in kaha (F16) und die Konjunktiv Präsens-Form der 3. Sg. auf -a bei pigepa (F12a) (BRG §311a,A.1. SchABG §156a). Häufig sind wiederum jüngere Sprachformen, die eine Datierung ins spätere Althochdeutsche erlauben, etwa der gelegentlich (F59; F73) auftretende Endsilbenvokal -o des Dativ Sg. der ōStämme, der erst im 10./11. Jahrhundert regelmäßig eintritt, sich aber teilweise auch in älteren Quellen zeigt (BRG §207,A.4). Auch ein Dativ Pl. der ō-Stämme auf -un (F9: redun) ist als „später“ (BRG §207,A.8) bzw. ab dem 10. Jahrhundert (SchABG §110f. zitiert diese Glosse) zu klassifizieren. Beim Gen. Sg. auf -o, wiederum bei den ō-Stämmen, liegt in irparamvngo (F111) ein vom 10. Jahrhundert an auftretender Ausgleich von Dat. und Gen. vor (SchABG §110b. BRG §207,A.5). Die Endung -o in der 1. Sg. Ind. Präs. der ōn-Verben erscheint im Oberdeutschen vom 11. Jahrhundert an (SchAHG §507), siehe p&o (F105); Infinitiv auf -un tritt laut SchABG (§149a) bei ōn-Verben „in späterer Zeit, etwa v. J. 900 an, nicht selten“ auf, so in giparun (F108).

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Teilweise sind die dem späteren Althochdeutschen zuzuordnenden Formen der Flexionsmorphologie auch in den Parallelglossen anzutreffen. Sie erscheinen insbesondere in den eng verwandten Handschriften oft identisch, so etwa der Endsilbenvokal -o des Dat. Sg. der ō-Stämme im Clm 18140 ebenso wie F4, F26 und F73, im Clm 19440 wie F26 und F73, in Wien, ÖNB 2723 wie F4 und F73, in Wien, ÖNB 2732 wie F73 (F4 ist hier mit Nominativ glossiert). Die späte Genitiv Sg.-Form auf -o bei irparamvngo (F111) erscheint ebenfalls in den Handschriften Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732; in Clm 14689 endet die Glosse auf -a. Auch die reduzierte Endung in p&o (F105) tritt in den Parallelglossen auf, im Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,181,70), im Clm 6277 (StSG 2,164,3) und im Clm 18550a (Textglossen; StSG 2,219,12). Die Infinitivendung -un beim ōn-Verb giparun (F108) ist auch im Clm 6277 (StSG 2,164,12) und im Clm 18550a (Textglossen; StSG 2,219,19) zu beobachten. Auch die junge -en-Endung in managen (F46a), die im 10./11. Jahrhundert von -un über -on zu -en entstanden ist (BRG §221,A.3), hat eine Parallele im Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,16). Bei der Doppelglossierung von F12 mit pigepa und firlaze ist auffällig, dass zur ersteren Form mit der jüngeren, bairischen Endung -a keine Parallelglossen vorliegen, wohingegen das ältere -e ebenso in den Handschriften Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,177,29), Wien, ÖNB 804 und Würzburg, UB M. p. th. q. 60 (StSG 2,197,51) anzutreffen ist und damit vermutlich kopiert wurde, während das -a wohl zeitgenössischen Lautstand wiedergibt. Die Glossen von Hand A zeigen folglich spätalthochdeutschen Stand etwa des 10. Jahrhunderts. Die zahlreichen jungen Sprachformen erlauben eine solche Datierung. Einige davon, insbesondere im Bereich der Flexionsmorphologie, erscheinen auch in den Parallelglossen, was entweder für eine recht junge gemeinsame Vorlage oder einen verbreiteten Bedarf, eine ältere Vorlage anzupassen, spricht. Fälle, bei denen es sich um Anpassung an die eigene Lautung handeln kann, zeigen sich bei diesem Glossator vor allem in Form einiger jüngeren Lautungen sowie auch bei der erwähnten oberdeutschen d-Graphie in firhindran (F109a). Hand B Auch die Glossen dieser Hand weisen bairischen Lautstand auf, was im Konsonantismus wiederum an der durchgeführten Medienverschiebung /b/ > /p/ in allen Positionen (z. B. F198: gepan; F15a: pidenchan) belegt werden kann. Das anlautende /g/ weist in die jüngere Zeit (BRG §149,A.6), wobei auch einige Glossen k-anlautend sind. Auffällig ist auch die t-Graphie für germ. /þ/ in taz (F141; SchABG §64 zitiert die Glosse), eine von der Grammatikschreibung in das 10. Jahrhundert datierte und als Notkers Anlautgesetz bekannte Erscheinung, die allerdings öfter auch in den als älter bestimmten Glossen im Freisinger Clm 6300 zu beobachten ist (Glaser 1996: 410). Die Affrikate ts wird vor hellem Vokal mit c wiedergegeben (F95, F113, F143, F199), aber auch mit z in pizeichantliho (F166).

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Im Vokalismus zeigt sich jüngerer Sprachstand, ins Oberdeutsche weist hier die oberdeutsche Umlauthinderung vor -lt- in incaltan (F141) und incaltanto (F142) (BRG §27,A.2b. SchABG 37 zitiert beide Glossen). In opungo (F59) könnte noch germ. ō erhalten sein (vgl. Wesle 1913: 51), vielleicht bewirkte aber das vorausgehende -o von dero eine Verschleifung, denn in muote von F112 erscheint der neue Diphthong. Das ie bei nieht, das im Syntagma denir nieht gepan nisculit (F198) erscheint, ist spätalthochdeutsch (BRG §299b). Auffällig ist allerdings der Umlaut im Dat. Sg. sw. M. mitscedin (F58), der sich nur in alten Quellen findet, im 9. Jahrhundert ist er zugunsten der anderen Kasus analogisch ausgeglichen (BRG §221,A.2). Angesichts der Parallelglosse im Clm 18550a liegen hier deutlich kopiale Verhältnisse vor, da ansonsten, wie im Folgenden gezeigt wird, auffällig junge Formen auftreten. So erscheinen einige abgeschwächte Nebentonsilben, etwa die Vorsilbe er- in ergremit (F163) sowie in ercihet (F199), die zwar neben ir- auftritt, aber erst im Mittelhochdeutschen die definitive Form des Präfixes wird (BRG §75). Beide Belege sind ohne Parallelglossen. Auch alle drei fer-/uer-Präfixe von dieser Hand sind abgeschwächt, was vom Ende des 9. Jahrhunderts an in allen Dialekten üblich ist (BRG §76): uerlazzana (F136), fertragen (F145) und ferneman (F149a) (vgl. Wesle 1913: 52). Der erste Beleg besitzt keine Parallelglossen, zum zweiten liegen Parallelglossen in Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 vor, wobei in allen diesen Handschriften das ältere fir-Präfix erscheint (StSG 2,184,46). Auffällig ist die Adaptation beim dritten aufgeführten Verb mit fer-Präfix. Hier bestehen zwar keine Parallelglossen, allerdings kann man in der Handschrift eine Doppelglossierung von colligere beobachten, wobei die zweizeilige Marginalglosse ausradiert ist, aber noch als firneman (F149b) lesbar ist. Hand B, die unter anderem auch diese Ersetzung vorgenommen hat, fügte dann interlinear ferneman (F149a) ein, wobei sie zwar die alte -an-Endung beibehielt, aber den Präfixvokal abschwächt und damit ‚modernisiert‘ wiedergab. Wie auch bei Hand A erscheint bei Hand B einmal ein Zirkumflex, der einen Langvokal markiert, in vncîtliho (F143; vgl. Sievers 1909: 44; die c-Graphie für die Affrikate bei dieser Glosse, die auch in ercihet (F199) erscheint, zitiert SchABG §57). Einzelphänomene in der Morphologie stützen die Lokalisierung in das Oberdeutsche. Dorthin deutet etwa der Nom. Pl. N. des best. Art. dei (F95; statt diu), eine Nebenform, die nur im Oberdeutschen erscheint und sich im Bairischen bis ins 11./12. Jahrhundert hält (BRG §287,A.1g). Ebenfalls eine Form, die laut BRG §368,A.2 „nur in späteren bair. Glossen“ erscheint, ist das -it-Suffix beim -ēn-Verb pleihhit (F134) (vgl. SchABG §150). Auch die Adjektivendung -a im Nom. Pl. M. st. flekt. (F114: gisuuasa) kommt im Alemannischen und vor allem im spätalthochdeutschen Bairischen vor (BRG §248,A.9. §58,A.3). Blickt man erneut auf die Partizipialform fertragen (F145), so liegt im Gegensatz zu den Parallelglossen (siehe voriger Abschnitt) nur im Clm 21525 die Partizipialendung -en vor, in den Parallelglossen dagegen durchwegs das ältere -an. Diese -en-Endung ist besonders auffällig und isoliert, da sie erst im späteren Althochdeutschen eintritt und bairische Glossen die

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-an-Endung bis ins 12. Jahrhundert behalten (BRG §314). Man kann bei diesem Verb also von einer Anpassung durch den Glossator an seinen zeitgemäßen Sprachstand ausgehen. Andere jüngere Formen schreibt die Hand gelegentlich gemeinsam mit Parallelglossen. So liegt wie auch bei Hand A bei ō-stämmigen Feminina im Dat. Sg. -o vor, bei dem es sich um eine jüngere Bildung handelt (BRG §207,A.4). Dies ist der Fall in fonadero opungo (F59) und rapsungo (F164a); eine Parallelglosse zu F164a, auch auf -o, enthält der Clm 6277 (StSG 2,166,18). Ebenfalls eine jüngere, ab Ende des 9. Jahrhunderts im Bairischen erscheinende Bildung (BRG §248,A.2. SchABG §117b) ist die -en-Endung des Akk. Sg. M. st. flekt. Adj. in |amahhen (F8), welche auch die Parallelglosse gamahhen in Clm 18550a (Glossarteil) besitzt (StSG 2,220,4). Für Hand B liegen die Verhältnisse insofern ähnlich wie bei Hand A, als es sich auch hier um spätalthochdeutsche, bairische Glossen handelt. Mit ihren recht wenigen Parallelglossen und jung erscheinenden Formen hebt sie sich allerdings von Hand A ab. Der Schreiber von Hand B bezeichnet sich in der Subskription selbst als ‚emendator‘, was an den zahlreichen textkritischen Verbesserungen deutlich wird. Geht man davon aus, dass die radierten Glossen F15 und F179 von Hand A stammen, so ist Hand B zeitlich nach Hand A einzuordnen. Die von Hand B ergänzten Glossen sind meist mit den radierten identisch. Auffällig ist aber das oben erwähnte abgeschwächte Präfix fer- (F149), das in der radierten Glosse – diese kann paläographisch keiner Hand zugeordnet werden – als fir- erscheint. Das von Hand B marginal eingetragene missitriuuidun (F179b) dagegen zeigt im Gegensatz zur interlinearen, radierten Glosse (F179a: missitriudun) die Einfügung von ui, also /wi/, was eine reflektiertere Schreibung darstellt als die sprechsprachliche oder spätere weil verschliffene Schreibung der radierten Glosse. Als korrigierender Eingriff ist wohl auch das verdoppelte z in giuzzot (F90a) zu interpretieren, welches bei der ausradierten Glosse (…)uzot (F90b) nicht erscheint. Hand C Wegen der nur fünf dieser Hand zugeordneten althochdeutschen Glossen kann hier – und ähnlich dann auch bei den folgenden Händen – keine Berufung auf eine Vielfalt unterschiedlicher auffälliger Phänomene mehr erfolgen wie bei Hand A und B. Immerhin ist es möglich, Hand C in das späte Oberdeutsche einzuordnen. Durchgeführt ist die Medienverschiebung /b/ > /p/, wobei die intervokalische Position, die eine Zuordnung ins Bairische erlauben würde, fehlt (F36: truopten; F37: erpuritvuirdit). Auch /g/ ist, in kerunt (F35), verschoben. Die k-Graphie verliert sich im 10. Jahrhundert (SchABG §70b zitiert diese Glosse; vgl. Wesle 1913: 53). Auffällig ist die Endung -unt bei eben diesem ōn-Verb, die nur vereinzelt in alemannischen und bairischen Glossen belegt ist (BRG §309; SchAHG §514). In das jüngere Althochdeutsche weisen (silben)anlautendes v- für f (BRG §138,A.1; F32b: vuiderveh|) sowie das abgeschwächte er- in erpurit (F37) (vgl. Wesle 1913: 52), das – wie auch bei Hand A belegt – neben ir- auftritt und im Mittelhochdeutschen die definitive Form des Präfixes wird (BRG §75).

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Hand D Zu dieser Hand kann neben die fünf bis sechs lateinischen nur sehr unsicher die althochdeutsche Glosse F64 (dioertuot) gestellt werden, die sprachlich unauffällig ist und mit der Diphthongierung von /ō/ (BRG §38) sowie der Form dio (BRG §287,A.1h) für die Zeit ab dem 9. Jahrhundert ein sprachlich unspezifisches Syntagma bildet. Die Parallelglosse im Clm 6277 (dieerteta: StSG 2,163,24) überliefert mit die eine jüngere Form sowie das zum Lemma passende Präteritum teta. Hand E Von dieser Hand stammt neben den vier lateinischen Federglossen wiederum nur unsicher die althochdeutsche Glosse F71 (inthiez). Diese ist unauffällig, int- bildet die schon früh und in allen Dialekten abgeschwächte und in der ganzen althochdeutschen Periode herrschende Form (BRG §73). Auch ie hat sich schon früh durchgesetzt (BRG §48; vgl. Wesle 1913: 51). Hand F Wie auch bei den anderen Händen ist hier die Medienverschiebung /b/ > /p/ dokumentiert, hier in jedem Fall. /g/ ist einmal verschoben (F119: kiparridun), einmal nicht (F125: gespehoti). Die Dat. Pl.-Form auf -un in F119 ist im Bairischen ab dem 10. Jahrhundert geläufig (SchABG §110f.; siehe Ausführungen zu Hand A), das ursprüngliche doppelte r nach Langvokal zeigt in das Oberdeutsche (BRG §118,A.3). Auch das anlautende g- in gespehoti ist eine jüngere Entwicklung des Oberdeutschen (BRG §149,A.6), womöglich liegt hier zudem eine Abschwächung vor, wobei die Lesung als ge- nicht ganz sicher ist. Die Infinitivendung -an (F109b: piteilan) ist für das frühere Althochdeutsch und in bairischen Glossen bis ins 12. Jahrhundert üblich (BRG §314). Hand G Auf das Oberdeutsche weist hier die Verschiebung von /k/ zu /kx/ in gichos (F129; BRG §144). Anlautendes /g/ steht hier wieder als g- (siehe auch F126: anagivuataz und F127: goummanemet), was in die jüngere Zeit deutet (BRG §149,A.6). Auffällig ist, dass der Glossator einen schriftkonventionellen Kürzungsstrich bei dana nā (F128) verwendet – die radierte Glosse an derselben Stelle erscheint ausgeschrieben, wobei Hand G womöglich für die Rasur verantwortlich war. Auch die ansonsten identische Parallelglosse im Clm 6277 (StSG 2,165,22) lautet ungekürzt dananam. Unklar ist die Interpretation der Schreibung ummezigi (F124a), die eventuell auf sprechsprachliche Lautung (Wiedergabe einer Allegroform umm aus unem, unter Abschwächung des Mittelvokals i > e) oder aber auf Verlesung bzw. Verschreibung zurückgeführt werden kann. Während die Parallelglossen in beiden Fällen unemverschriften – Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,183,14) – erscheint das Wort in der geheimschriftlichen Glosse, vielleicht von

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Hand B, an derselben Stelle der Handschrift, identisch in der verschliffenen und abgeschwächten Lautung. Hand G hat womöglich die Glosse von Hand B aufgelöst. Hand H Hier ist wiederum die Medienverschiebung /b/ > /p/ in allen Positionen zu beobachten (F117: lapel; F120: pinta; F122: gisalpoti). Anlautend erscheint wiederum das in jüngerer Zeit übliche g- (F122: gisalpoti; F123: gistivrit). gezitvuerden (F121) zeigt Koaleszenz von Präfix und Wurzel sowie einfaches z für die Affrikate (EWA 2,1188. BRG §159; vgl. ahd. giezzit). Diese Formen sind allerdings keine sprachlichen Anpassungen des Glossators, sondern finden sich auch in den Parallelglossen, wo die Glossierung in vier Handschriften ebenfalls mit gezit- beginnt: Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,182,73) – im Clm 6277 dagegen erscheint die volle Form giezzit (StSG 2,165,1). Hand I Die Sprache der Glossen dieser Hand lässt sich aufgrund der Medienverschiebung /b/ > /p/, die sich in F146 zeigt (giparidun l antaparun) wiederum ins Oberdeutsche einordnen. g- beim gi-Präfix erlaubt wie bei den anderen Händen wieder eine jüngere Datierung (BRG §149,A.6). Der Sprossvokal nach dem Präfix in antaparun erscheint bei den Parallelglossen nicht: Clm 6277 (StSG 2,165,70), Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,184,51). Ungewöhnlich ist die f- und u-Graphie für /f/ innerhalb einer Glosse, die zudem noch ein korrigierendes g besitzt und damit den späteren Lautwechsel zurücknimmt (Ernst/Glaser 2009: 1015; vgl. Schiegg 2013: 46; SchABG §86): gifuriuangoter (F150). In der Parallelglosse im Clm 6277 (StSG 2,166,8) fehlt das g, das /f/ wird in beiden Positionen als u wiedergegeben: uuriuanot. Auch die Graphie v für /w/ in svari (F151) ist ungewöhnlich (BRG §105,A.2). Bei den Glossen dieser Hand wirkt die Graphemwahl somit unreflektiert, während die Morphologie keine Auffälligkeiten aufweist. Hand J Trotz der nur zwei althochdeutschen Glossen von dieser Hand lässt sich deren Sprache klar ins spätalthochdeutsche Oberdeutsche einordnen. Hier liegt die oberdeutsche Medienverschiebung /b/ > /p/ in pisorgido (F167) vor und im selben Wort eine -o-Endung im Gen. Sg. der ō-stämmigen Feminina, was wie auch bei den Händen A und B auf den vom 10. Jahrhundert an auftretenden Ausgleich von Dat. und Gen. hindeutet (SchABG §110b; BRG §207,A.5). Anlautendes g- in gistunctaz (F168) stützt die jüngere Datierung. Allerdings ist in der Endsilbe noch keine Abschwächung zu -ez zu beobachten, wie sie vom 10. Jahrhundert an üblich wird (BRG §248,A.2). Das im Silbenauslaut vor Konsonant erscheinende c in diesem Wort ist typisch oberdeutsch (BRG §149,A.4). Zudem beobachtet Riecke 615f., dass ausschließlich oberdeutsche Belege für c / k aus germ. *stenga- mit der hier vorliegenden Bedeutung

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vorkommen. Ansonsten handelt es sich um jüngere Ableitungen von germ. *stenkwa- mit Bedeutungswandel zu ‚riechen‘. Hand K Die drei althochdeutschen Glossen dieser Hand sind nur mit der -it-Endung in der 3. Sg. Ind. Präs. eines ēn-Verbs in iruarit (F173) als bairisch charakterisiert (SchABG §150. Vgl. F134 von Hand B). Auffällig ist die alte Endung in der 2. Sg. auf -s bei uirsaztos (F176), die schon im 9. Jahrhundert durch ein t verlängert wurde (BRG §306b). Im gleichen Wort erscheint jedoch das i im Präfix, das weniger in frühen Belegen vorkommt (BRG §76). Auch iruarit (F173) besitzt diesen gemeinahd. Präfixvokal (BRG §75). Die Parallelglossen in den Handschriften Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,185,57, 186,13) sind bezüglich dieser drei Phänomene identisch. Bei uâsca (F174) ist der Stammvokal mit Zirkumflex gekennzeichnet (Sievers 1909: 44). Hand L Die vier von dieser Hand eingetragenen althochdeutschen Glossen lassen sich wiederum ins späte Oberdeutsche datieren und lokalisieren. In hinterscrenchigi (F180; BRG §144) liegt Verschiebung von /k/ zu /kx/ vor, daneben herrscht für /g/ in allen Positionen (z. B. F175: giuuonaheitin), was in die jüngere Zeit weist (BRG §149,A.6). Ebenso ist der Dat. Sg. auf -o (F177: philigido) erst im 10./11. Jahrhundert regelmäßig, teils erscheint diese Endung auch in älteren Quellen (BRG §207,A.4). Dazu passt die Synkope in vueigri (F182) sowie die Abschwächung in hinter- bei der erstgenannten Glosse, falls die ursprünglich lateinische Kürzung ( für ter) hier regulär verwendet ist (vgl. ausgeschriebenes hinterscrenchigi im Clm 18140). Alle hier erwähnten sprachlichen Phänomene finden sich auch in den Parallelglossen, bezüglich dieser Phänomene direkt übereinstimmend etwa in Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732 (StSG 2,186,7. 16. 188,10. StSG 26). Damit liegen hier nicht zwingend individuelle Anpassungen durch Hand L vor. Hand M Die sechs althochdeutschen Glossen dieser Hand sind wiederum bairisch und jung. Medienverschiebung /b/ > /p/ findet sich in tripan (F193), Affrizierung /k/ > /kx/ in uirterchineti (F194) und uuidergichertem| (F195). steht für /g/ in allen Positionen. Ungewöhnlich weil alt ist die -īn-Endung im Akk. Pl. bei gahin (F196). Der Umlaut trotz Umlauthinderung in uirterchineti (F194) ist im Bairischen eine späte Erscheinung (BRG §27,A.2b).

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In ihrem sprachlichen Gesamtbild zeigen die Federglossen des Clm 21525 alle altbairischen Sprachstand im Übergang zur späteren Zeit des 10. Jahrhunderts. Mithilfe ihrer sprachlichen Merkmale sind die einzelnen Glossierungsarbeiten nicht in eine Abfolge zu bringen. Die Überarbeitungsvorgänge mittels Rasuren und anschließender Neuglossierung geben den einzigen greifbaren Hinweis auf eine Abfolge, die jedoch gerade in sprachlicher Hinsicht fast folgenlos blieb. Zahlreiche Glossen sind kopiert und zeigen dennoch nicht viele Spuren eines älteren Sprachstands. Jüngere Formen offensichtlich kopierter Glossen finden sich in Parallelglossen identisch wieder, weshalb es nicht möglich scheint, den Sprachstand der Glossen auf den Glossator selbst zu beziehen. Nur innerhalb der Glossen der beiden Haupthände (Hand A und Hand B) lassen sich Belege finden, die zeigen, dass die Glossatoren ältere Vorlagen an einen neueren Sprachstand angepasst haben. Ob diejenigen Glossen, zu denen keine Parallelglossen vorfindlich sind, für die Sprache in Freising zur Zeit der Glossenaufzeichnung stehen können, ist natürlich höchst ungewiss. Immerhin ist ihre Zahl angesichts des stark kopialen Charakters der Glossierung überraschend hoch. 5.3.4.5 Edition der lateinischen Federglossen Die folgende Edition versammelt die Federglossen des Clm 21525, die als lateinisch bestimmt wurden. Als Glossen sind sie zunächst bestimmbar, wenn sie synonymische Äquivalente zu Lemmata bilden. Einige bestehen auch aus längeren, satzähnlichen Erklärungen (z. B. L3, L9). Weitere sind Proformen und andere koreferentielle Beifügungen, mit denen eine Textstelle unter Verweisung quasi präzisierend ausformuliert wird (z. B. L7, L23, L25, L26, L45, L55, L66, L70, L72, L108, L121, L131, L132). Sie lassen sich nicht immer in direkter Weise auf Textwörter beziehen. Je nach Glossendefinition kann über ihren Glossencharakter im engeren Sinne als paratextuelle Hinzufügungen gestritten werden. Besonders fraglich sind Fälle, in denen Einfügungszeichen die interlinearen Einträge mit dem Text verbinden (L131, L132). Da aber einige dieser Einträge in anderen Regula pastoralis-Handschriften parallel belegt sind, haben wir alle Mitglieder dieses Typus mit aufgenommen, in Editionsartikeln dargestellt und mitgezählt. Ausschlaggebend war auch, dass eine solche Eintragung in der Textedition nicht als Textvariante aufgeführt ist. Von Glossen unterschieden und nicht aufgenommen haben wir dagegen Eintragungen, die sich als Aufzeichnungen der Textrevision bestimmen ließen. Alle entsprechenden Entscheidungen stützen sich auf die verwendete Textedition (SC 381/382). Die Edition der lateinischen Federglossen ist im Grundsatz gleich aufgebaut wie die Editionen der althochdeutschen Glossen. Die Artikel sind jedoch auf drei Abschnitte mit ausgewählten Angaben reduziert. Gleich gestaltet wie in den anderen Editionen ist die Editionszeile. Der paläographische Kommentar im zweiten Abschnitt ist knapp gehalten und besteht hauptsächlich aus der Angabe der Schichtenzugehörigkeit. Im letzten Abschnitt folgen, wo wir sie ermitteln konnten, Hin-

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weise auf Parallelglossen. Sie sind fast alle bei Handschriftenautopsien und aus Abbildungen zusammengesucht worden. Nähere Angaben dazu enthält das Kap. 5.3.5. Da diese Glossen in der Regel unediert sind, geben wir sie in unserer Lesung und mit Angabe der Stelle, an welcher sie sich in der Handschrift befinden, wieder. Bei den wenigen veröffentlichten verfahren wir gleich und verweisen auf die betreffende Literatur. L1. f. 2v, Z. 15, fugere delitiscendo uoluisse (Praef; 124,3) – s· quasi me Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 4v, Z. 5: quasi me; Clm 18550a, f. 4v, Z. 2: s. quasi me·. Vgl. F1. L2. f. 2v, Z. 18, exprimo (Praef; 124,6) – ostendo Hand A. L3. f. 2v, Z. 20, haec qui uacat (Praef; 124,7) – s, pondera qui non hab& Hand A. Parallelglossen: Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. [1]v53, Z. 6, marg. l.: pondera; Basel, UB B. V. 21, f. 38r, Z. 5: pondera; Clm 6277, f. 4v, Z. 10f.: () pondera / qui non hab&, vgl. Ernst (2007: 431); Clm 18550a, f. 4v, Z. 7: s. pondera qui non hab&. L4. f. 2v, Z. 20, non expetat (Praef; 124,7) – i· non cupiat Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 4v, Z. 11: non cupiat, vgl. Ernst (2007: 431); Clm 18550a, f. 4v, Z. 8: ·i· non cupiat; vgl. Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. [0]v, Z. 9, nullo modo exquirat. L5. f. 3r, Z. 4, exposcit (Praef; 124,13) – [a] exigit – () [b] ud c(…) – () [c] ud constituantur episcopi Die intl. Glosse stammt von Hand A, die radierte Glosse marg. r. mit Verweiszeichen, wohl ebenfalls von Hand A, die neue marg. Glosse von Hand B. Parallelglossen: Clm 6277, f. 4v, Z. 18: cum episcopus moriatur· ut constituantur episcopi; Clm 18550a, f. 4v, Z. 13: () ·i· cum episcopus moriatur· ut con/ stituatur episcopus·. L6. f. 3r, Z. 6, rite (Praef; 124,14) – s, culmen Hand A. Parallelglossen: Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. [0]v, Z. 15: hoc – culmen; Clm 18140, f. 230rc, Z. 28: culmen; Clm 18550a, f. 4v, Z. 15: s, culmen; Clm 19440, p. 233, marg. r. neben Z. 14: culmen.

|| 53 Die Blattzählung ist verwirrend: Das erste Blatt ist auf dem Buchdeckel aufgeklebt, der Werktext beginnt auf der Versoseite.

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L7. f. 3r, Z. 8, Infirmitatem (Praef; 124,16) – s, pensandum est Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, 5r, Z. 1: () Pensandum est; Clm 18550a, f. 4v, Z. 16: s. pensandum est. Syntaktische Glosse: pensandum est ist eine Wiederholung der Wendung im Text, von welcher alle Nebensätze abhängen (Z. 4). L8. f. 3r, Z. 9, consideratione (Praef; 124,16) – s, pensatione – StSG 2,177,A.6: „...sa...ne deutsch?“ Vielleicht Hand A. Parallelglosse: Clm 6277, f. 5r, Z. 2: () pensatione. L9. f. 3r, Z. 10, Ne aut humilitas (Praef; 124,17) – ·i· si dignum se sciat Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 5r, Z. 3: () si dignum se esse sciat; Clm 18550a, f. 4v, Z. 17f.: ·i· si / dignum se sciat. L10. f. 3r, Z. 18, propagetur (Praef; 126,23) – ·i dilat&tur Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 5r, Z. 11: () dilat&ur (auf derselben Stelle wie eine ahd. Griffelglosse, siehe im Kap. 5.3.5.1); Clm 18550a, f. 4v, Z. 25: ·i· dilat&ur; Wien, ÖNB 804, f. 175v, Z. 25: dilatetur; Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 1, dilat&ur; Wien, ÖNB 2732, f. 121r, Z. 13: dilat&ur. In Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. [0]v, Z. 22, ist das Lemma ahd. glossiert: kiuuitpretot uuerde, vgl. die abweichende Lesung bei Mayer (1974: 5) sowie Nievergelt (in Vorb.). L11. f. 3r, Z. 18, superest (Praef; 126,23) – dec& Unklar: Hand A? oder Hand M? Parallelglosse: Clm 18550a, f. 5r, Z. 1: ·i· dec&. L12. f. 3r, Z. 20, haec (Praef; 126,25) – s, opera Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 5r, Z. 13: () opera; Clm 18550a, f. 5r, Z. 3: s, opera. Vgl. L24. L13. f. 3r, Z. 21, elationis (Praef; 126,26) – superbie Hand A? Parallelglossen: Clm 18140, f. 230rc, Z. 15: superbię; Clm 19440, p. 233, Z. 16: superbię; Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 2, superbiae; Wien, ÖNB 2732, f. 121r, Z. 14: superbię; vgl. auch Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 14, und Wien, ÖNB 2732, f. 121v, Z. 5: elatione · superbia, zu 1,4, das im Clm 18140 und Clm 19440 althochdeutsch glossiert ist (StSG 2,179,11). L14. f. 3v, Z. 7, (ausibus) (Praef; 126,33) – gustib, Wohl Hand A.

612 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

Parallelglossen: Clm 6277, f. 5v, Z. 2: gu(…) [stark verblasst]; Clm 18550a, f. 5r, Z. 12: () gustib, (links darüber ·i·, das aber als Verweiszeichen fungiert und auch über dem Lemma steht). L15. f. 3v, Z. 7, (in ipsa?) (Praef; 126,33) – abipsa Nicht bestimmte Hand. Marg. links. Verweiszeichen bei der Marginaleintragung. Lemma unklar, kein Entsprechungszeichen zum Verweiszeichen. L16. f. 3v, Z. 18, reuerentiam (1,1; 130,10) – fidem Hand A. Parallelglossen: Clm 18140, f. 230rc, Z. 20: ·i· ad fidem; Clm 19440, p. 233, Z. 18: ·i· ad fidem; Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 4, ·i· fidem; Wien, ÖNB 2732, f. 121r, Z. 15: ·i· fidem. L17. (+ F20) f. 3v, Z. 21, affectant (1,1; 130,13) – minnont ł desiderant Hand A. Parallelglossen: Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. [1]r, Z. 19: desiderant; Basel, UB B. V. 21, f. 98v, Z. 10: desiderant; Clm 18550a, f. 5v, Z. 2: desiderant. L18. f. 5r, Z. 4, ministrare (1,1; 130,17) – regere Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 6r, Z. 4: () regere; Clm 18550a, f. 5v, Z. 9: regere. L19. (+ F24) f. 5r, Z. 13, fulti – [a] angustantur – irpurita – () [b] (…)ustan.. Nicht bestimmte Hände. Beide lateinische Glossen radiert. Die marg. Glosse rechts. L20. f. 5r, Z. 14, diuinitus (1,1; 130,24) – ·adeo· Nicht bestimmte Hand. Parallelglossen: Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. [1]v: adeo; Clm 6277, () adeo, vgl. dazu f. 6r, Z. 15: liho, Griffelglosse (Ernst 2007: 448); Clm 18550a, f. 5v, Z. 19: adeo. L21. f. 5r, Z. 15, adsequevntur (1,1; 130,25) – ·i· inbonitate Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 6r, Z. 17: () in bonitate; Clm 18550a, f. 5v, Z. 21: inbonitate. L22. f. 5r, Z. 15, internus (1,1; 130,26) – cęlestis Hand A. Parallelglossen: Clm 18140, f. 230rc, Z. 24: ·i· cęlestis; Clm 19440, p. 233, Z. 19: ·i· cęlestis; Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 5: celestis; Wien, ÖNB 2732, f. 121r, Z. 18: cęlestis. L23. f. 5r, Z. 18, tolerat (1,1; 130,27) – xps (= christus) Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 6r, Z. 19: xps; Clm 18550a, f. 5v, Z. 24: xps. L24. f. 5v, Z. 6, qui ea (1,1; 132,36) – ·i qui opera Hand A.

Die Glossen | 613

Parallelglossen: Clm 6277, f. 6v, Z. 10: () opera; Clm 18550a, f. 6r, Z. 10: opera. Vgl. L12. L25. f. 5v, Z. 8, ignorat (1,1; 132,37; I Cor 14,38) – deum Hand A. Parallelglossen: Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. [1]v, Z. 16: deum; Clm 6277, f. 6v, Z. 13: () deum; Clm 18550a, f. 6r, Z. 12: deum. L26. f. 5v, Z. 9, ignorabitur (1,1; 132,37; I Cor 14,38) – ab eo Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 6v, Z. 13: ab eo; Clm 18550a, f. 6r, Z. 13: abeo; vgl. Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. [1]v, Z. 16, ab illo. L27. f. 5v, Z. 10, subiectorum (1,1; 132,40) – i discipulorum Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 6v, Z. 15: () discipulorum; Clm 18550a, f. 6r, Z. 14: discipulorum. L28. f. 5v, Z. 11, qui (1,1; 132,40) – magistri Hand A. Die Glosse steht über quamuis, dem Wort nach qui, so auch im Clm 18550a. Parallelglossen: Clm 6277, f. 6v, Z. 15: magistri; Clm 18550a, f. 6r, Z. 15: magistri. L29. f. 5v, Z. 22, facię (1,1; 132,48) – idem episcopi Hand A? Parallelglossen: Clm 6277, f. 7r, Z. 5: () episcopi; Clm 18550a, f. 6v, Z. 1: episcopi. L30. f. 4r, Z. 1, Quibus (1,1; 132,49) – oculis Hand A. L31. f. 4r, Z. 4, qui (1,1; 132,52) – i· magistri · Hand A. Parallelglossen: Clm 18550a, f. 6v, Z. 6: ·i· magistri; St. Gallen, Stiftsbibliothek 219, p. 6, Z. 8: qi magistri (Nievergelt 2009a: 80,A.324). L32. f. 4r, Z. 11, (didicerunt) (Ed. didicerint) (1,2; 134,6) – () [a] ?liter didicer| – () [b] aliter didicerimus Die erste Glosse ist von nicht bestimmter Hand, die zweite von Hand B. Beide Glossen stehen marg. rechts. Die erste ist mit dem Lemma durch ein Verweiszeichen verbunden, radiert. L33. f. 4r, Z. 17, limpidissimam (1,2; 134,10; Ez 34,18) – [a] purissimam – [b] p(…) Die lesbare Glosse [a] stammt von Hand B. Die Glosse [b] ist radiert, die erste darauf geschrieben. Parallelglossen: St. Florian, Stiftsbibliothek BAC III 222 B (G), f. 123r, Z. 16: purissimam; St. Gallen, Stiftsbibliothek 219, p. 6, Z. 17: i· purissimam (Nievergelt 2009a: 80,A.324).

614 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

L34. f. 4v, Z. 10, Causa (1,2; 13454,24) – origo Möglicherweise Hand C. Parallelglosse: Clm 18550a, f. 7r, Z. 14: origo. L35. f. 4v, Z. 13, Delinquentem (1,2; 134,28) – [a] culpandem – () [b] culpan.. Beide Glossen radiert. Nicht bestimmte Hände. Verweiszeichen stehen marg. links. Am Schluss der marg. Glosse ist noch der Kürzungsstrich erkennbar. L36. f. 4v, Z. 20, unum de pussillis istis (1,2; 136,33; Mt 18,6) – [a] pusillus infide – () [b] ·i· pusillus infide Die intl. Glosse radiert und von nicht bestimmter Hand, die marg. Glosse links und von Hand B. Verweiszeichen: ·i·. Unterhalb der marg. Glosse ist eine weitere radiert. L37. f. 6r, Z. 6, sub exteriori (1,2; 136,40) – mundalia Hand A. Parallelglossen: Clm 18140, f. 230va, Z. 11: ·i· mundano; Clm 19440, p. 233, Z. 23: ·i· mundano; Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 8: mundano; Wien, ÖNB 2732, f. 121r, Z. 22: mundano. L38. f. 6v, Z. 1, cognito (1,3; 138,A.11–13; Io 6,15) – facto Hand B? Mit Verweiszeichen. L39. f. 6v, Z. 9, (ad crucis uero patibulum sponte conuenit) (1,3; 138,18) – |criptum est. Male/ |ictus homo qui pen/ |& in ligno· Hand A. Dreizeilig marg. links, am Rand jeweils abgeschnitten. Es handelt sich um ein Zitat nach Dt 21,23: „maledictus a Deo est qui pendet in ligno“. Parallelglossen: Clm 6277, f. 9r, Z. 6f.: () Scriptum est Maled(…)/ homo qui pend& inligno; Clm 18550a, f. 8r, Z. 11: () Scriptum est· Maledictus / homo qui pend& in ligno·. L40. f. 6v, Z. 11, membra (1,3; 138,21) – ·i· homines· Nicht bestimmte Hand. i ist verdreht an m angehängt. Parallelglossen: Clm 18140, f. 230va, Z. 16: ·i· homines; Clm 19440, p. 233, Z. 25: ·i· homines; Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 10: ·i· homines; Wien, ÖNB 2732, f. 121v, Z. 1: ·i· homines. L41. f. 6v, Z. 12, fauores (1,3; 138,21) – laudes Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 9r, Z. 10: () laudes; Clm 18550a, f. 8r, Z. 15: laudes. L42. (+ F51) f. 6v, Z. 22, (amdmissa) (1,3; 138,29) – pecata – () missitaniu Hand B. Vor pecata etwas radiert.

|| 54 Die Textstelle findet sich nicht in SC 381; der Satz in der Hs. lautet: „Causa ruinae popoli sacerdotes mali“.

Die Glossen | 615

L43. f. 7r, Z. 9, scidit (1,3; 138,36) – pallium samuelis· Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 9v, Z. 11: () pallium samuelis. Ein verstümmelter, ähnlicher Eintrag in runisch-griechischer Mischschrift steht marg. links. Siehe in Kap. 5.3.5.1; Clm 18550a, f. 8v, Z. 11: pallium samuelis. L44. (+ F55) f. 7r, Z. 13, eneruiter (1,3; 140,39) – i. leuiter – () vnstatigo Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 9v, Z. 16: () leuiter; Clm 18550a, f. 8v, Z. 15: ·i· leuiter. L45. f. 8r, Z. 21, illius (1,4; 144,47) – ncbycħ Nicht bestimmte Hand. Sehr unsicher Hand D. Die Querlinie am Schluss über ch ist undeterminative Kürzung; c und y erinnern an die cgl-Geheimschrift, was aufgelöst lat. nabuchodonosor (dt. Nebukadnezar) nahelegt. Die Glosse erklärt, wer mit dem Pronomen gemeint ist. Dazu, wie Gregor das Beispiel Nebukadnezars behandelt, vgl. Floryszczak (2005: 114). L46. f. 8v, Z. 7, referti (1,5; 144,6) – repleti Getilgte, aber lesbare Glosse, mit großer Wahrscheinlichkeit von Hand A. Vergleichbare Glossen: Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. 4r, marg. r. neben Z. 13: saturati; Clm 18140, f. 230va, Z. 29: referti · pleni; Clm 19440, p. 234, marg. l. neben Z. 5: referti · pleni; Zürich, ZB Ms. Rh. 35, f. 5r, Z. 2: refert (korr. aus refecti) – pleni. L47. f. 8v, Z. 12, adimunt (1,5; 144,10) – [a] tollunt – () [b] tollunt Die intl. Glosse radiert, die marg. links neben Z. 12 von Hand B, mit Verweiszeichen. Parallelglossen: Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. 4r, Z. 16, marg. l.: tpllunt (= tollunt); Fulda, HLB Aa2, f. 138v, marg. l. neben Z. 10: uł tollunt; Clm 6277, f. 11v, Z. 11, ein Verweiszeichen über adimunt, aber marg. l. nichts wirklich Deutliches zu erkennen; Clm 18550a, f. 10r, Z. 19: tollunt, Griffelglosse, dazu im Glossarteil, auf f. 154r: adimunt · tollunt; St. Gallen, Stiftsbibliothek 219: tpllfnt (= tollent), Griffelglosse (Nievergelt 2009a: 122); Wien, ÖNB 949, f. 115r, marg. u. nach der Subskription steht mit Feder adimunt tollunt, f. 8r, Z. 8: tollunt, Griffelglosse. L48. f. 9r, Z. 7, gignat (1,5; 146,28) – generat Hand A. Parallelglosse: Clm 18550a, f. 10v, Z. 17: generat. L49. f. 9v, Z. 11, parere (1,5; 148,49) – obedire Wohl Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 13v, Z. 21: obedire; Clm 18550a, f. 11r, Z. 21: obedire, auf Rasur; St. Paul, Stiftsarchiv 82/1, f. 168r, Z. 14: obedire; Zürich, ZB Ms. Rh. 35, f. 5v, Z. 21: obedire.

616 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

L50. f. 11r, Z. 19, colligant (1,7; 152,41) – intellegant Hand A. Parallelglossen: Clm 18140, f. 230vb, Z. 8: intellegant; Clm 19440, p. 234, Z. 8: intellegant; St. Paul, Stiftsarchiv 82/1, f. 168v, Z. 6: intellegant; Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 17: intellegant; Wien, ÖNB 2732, f. 121v, Z. 8: intelleḡ. Im Clm 18550a steht f. 13r, Z. 1 am beschnittenen Rand rechts neben der Zeile von colligant [Z. 1] In|, was auf die gleiche Glosse hindeuten könnte. L51. f. 12r, Z. 1, regendi artifex (1,8; 154,15) – ·i· paulus· Nicht bestimmte Hand. Unsicher ob von Hand A. Parallelglossen: Basel, UB B. V. 21, f. 102v, Z. 8: paulus; Clm 6277, f. 16r, Z. 21: () Paulus; Clm 18140, f. 230vb, Z. 11: ·i· paulus; Clm 19440, p. 234, Z. 9: ·i· paulus; Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 18: ·i· paulus; Wien, ÖNB 2732, f. 121v, Z. 10: ·i· paulus. L52. (+ F67) f. 12r, Z. 5, conponat (1,8; 154,18) – giliube – regat – () giliube Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 16v, Z. 4: () regat; Clm 18550a, f. 13v, Z. 10: regat; Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 19: regat; Wien, ÖNB 2732, f. 121v, Z. 10: regat. L53. f. 12r, Z. 12, Unde (1,8; 156,23) – id circco Hand D. Das letzte c in blasser Tinte. Vgl. L56. L54. f. 12r, Z. 22, pascitur (1,8; 156,31) – ·i· letificabitur Hand A. Parallelglossen: Clm 18550a, f. 14r, Z. 6: letificabitur; Wien, ÖNB 2723, f. 107r, Z. 19: la&ificatur; Wien, ÖNB 2732, f. 121v, Z. 10: la&ificabitur. Im Clm 18140 und im Clm 19440 althochdeutsch glossiert (StSG 2,179,48). L55. f. 12v, Z. 1, queritur (Ed. quaeritur) (1,8; 156,33) – siabillo Hand D. Unklar ob dies vielleicht wie die Eintragung f. 12v, Z. 5. adelacionem eine Textkorrektur ist. L56. f. 13r, Z. 1, unde (1,9; 158,16) – idcirco Hand D. Die Federglosse steht auf Griffelspuren, intl. über cogitauit. Vgl. L53. L57. (+ F72) f. 13r, Z. 8, (imis) (1,9; 158,22) – [a] a.p(…)b – ·i· aphtrorun – () [b] pavpertatibus Marg. Glosse von Hand B, rechts, mit Verweiszeichen. Die althochdeutsche steht intl.; vgl. in der Edition F72. L58. f. 13r, Z. 9, (suppetit) (1,9; 158,23) – [a] habundat – () [b] habundat Die intl. Glosse ist radiert und von nicht bestimmter Hand; die marg. von Hand B, rechts, mit Verweiszeichen. Parallelglossen: Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4, f. 7v, Z. 10, marg. l.: cum abundat; Clm 18140, f. 230vb, Z. 17: abundat; Clm 19440, p. 234, Z. 13: abundat; Wien, ÖNB 2723, f. 107v, Z. 1: habundat; Wien, ÖNB 2732, f. 121v, Z. 12: habund̄.

Die Glossen | 617

L59. f. 13v, Z. 1, (In qua) (1,9; 160,33) – () potestate Hand F. Die Glosse steht marg. oben links. Parallelglossen: Basel, UB B. V. 21, f. 103r, Z. 9: in culmine – in potestate; Clm 6277, f. 18r, Z. 10: () potestate; Clm 18550a, f. 15r, Z. 6: potestate. L60. f. 13v, Z. 2, quatitur (1,9; 160,34) – [a] repugnat spūi (= spiritui) – () [b] repugnat spūi (= spiritui) Die marg. Glosse von Hand B, links; die intl. radiert, mit Verweiszeichen. L61. f. 13v, Z. 16, (tendentibus) (1,9; 160,45) – [a] posse ueni/ gentib.. – [b] posse uenigentibus Beide Glossen stehen mit Verweiszeichen marg. links; die erste Glosse ist blass, zweizeilig (gentib.. übergesetzt) und von nicht bestimmter Hand, die zweite Glosse von Hand B. In Clm 18550a, f. 15r, Z. 22: + p(…), mit Verweiszeichen über dem Lemma und marg. r. Vgl. z. B. Zürich, ZB Ms. Rh. 35, f. 9r, Z. 3: populis. L62. f. 13v, Z. 22, passionies (1,9; 160,49) – [a] uicia – () [b] uicia Die intl. Glosse von nicht bestimmter Hand; die marg. wohl von Hand B, links, mit Verweiszeichen. Parallelglossen: Clm 6277, f. 18v, Z. 12: () hoc sunt uicia; Clm 18550a, f. 15v, Z. 3: () hoc sunt vicia, auf radierter, identischer Glosse und ebenfalls intl. etwas radiert; Sélestat, BM Ms. 7, f. 97vb, Z. 19: uitia; St. Paul, Stiftsarchiv 82/1, f. 168v, Z. 11: uitia. In Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 ist die Glosse althochdeutsch: StSG 2,180,3, ebenso – mit anderem Interpretament – in Clm 4614: Bischoff (1928: 156) und in Zürich, ZB Ms. Rh. 35 (StSG 2,237,19). L63. f. 14r, Z. 10, (cupienda) (1,9; 162,8) – rapienda Hand F? Marg. rechts, mit Verweiszeichen. Parallelglossen: Clm 6277, f. 19r, Z. 2: () rapienda; Clm 18550a, f. 15v, Z. 16: rapienda. L64. f. 14r, Z. 22, uiuere (1,10; 162,17) – l&tari Wohl Hand B, mit Rasurspuren. L65. f. 14r, Z. 22, (arentia) (1,10; 162,17) – infidelia Hand A, marg. rechts, mit Verweiszeichen. Parallelglossen: Clm 18550a, f. 16r, Z. 6: infidelia, auf derselben Stelle mit Griffel althochdeutsch glossiert (vgl. Nievergelt in Vorb.); Wien, ÖNB 2723, f. 107v, Z. 5: infidelia; Wien, ÖNB 2732, f. 121v, Z. 16: infidelia. Im Clm 18140 und im Clm 19440 ist die Glosse ebenfalls althochdeutsch: StSG 2,180,7. L66. f. 14v, Z. 16, aut ab eo (1,10; 162,31) – sis a deo Hand D.

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L67. f. 14v, Z. 19, hanc ipse (1,10; 164,34) – sibi Hand D. Die Eintragung steht über creditur. Parallelglosse: Clm 6277, f. 19v, Z. 18: sibi. L68. f. 15v, Z. 4, seruabit (1,11; 164,17; I Sm 2,9) – ·i· dominus Nicht bestimmte Hand, die vielleicht identisch ist mit derjenigen, die auf f. 37r, marg. unten die Textergänzung eintrug. L69. f. 15v, Z. 10, innititur (1,11; 166,22) – festinat Hand E. Vielleicht die Hand von F71. Die Glosse stand (von derselben Hand?) in Z. 11 über sequuntur und wurde dort radiert. In Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 ist das Lemma althochdeutsch glossiert (StSG 2,180,24). L70. f. 15v, Z. 15, sanaetur (1,11; 166,25; Hbr 12,13) – [a] quis in uobis – () [b] ·i· anobis Nicht bestimmte Hand, die auch marg. oben links neben Z. 2 den Hinweis auf die Bibelstellen eintrug. L71. (+ G6) f. 16r, Z. 2, deprehendit (1,11; 166,33) – cogitauit – uirstantit Nicht bestimmte Hand. Parallelglossen: Clm 6277, f. 21r, Z. 12: cogitauit; Clm 18550a, f. 17v, Z. 12: s, cogitauit. L72. f. 16r, Z. 16, existat (1,11; 166,44) – (…) ·i· deo Vielleicht Hand B, die Glosse auf Rasur. Parallelglossen: Clm 6277, f. 21v, Z. 7: () a deo, mit Verweiszeichen; Clm 18550a, f. 18r, Z. 1: deo auf Rasur vor alienus eingefügt. L73. f. 17r, Z. 5, (?) (1,11; 168,72) – inea Marg. rechts neben Z. 5. Nicht bestimmte Hand. Nach -a steht noch etwas. L74. f. 19r, Z. 9, sordes (2,2; 176,5) – alienas Hand E. Die Glosse steht über dem vorausgehenden Wort diluere. Parallelglosse: Clm 6277, f. 145r, Z. 2: () alienas, ebenfalls rechts neben diluere. L75. f. 20r, Z. 9, in hoc (2,2; 178,40) – ł in eo Hand E. Parallelglosse: Clm 6277, f. 49r, Z. 8: eo. L76. f. 21r, Z. 6, ordinis (2,3; 182,18) – ·i· officivm Wohl Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 50r, Z. 10: () officii; Clm 18550a, f. 22v, Z. 23: officii. L77. f. 21r, Z. 12, armao (2,3; 182,23) – idem boni Wohl Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 50r, Z. 16: ·i· boni; Clm 18550a, f. 23r, Z. 5: ·i· boni.

Die Glossen | 619

L78. f. 21v, Z. 22, sperat (2,3; 184,50) – estimat Hand E. Parallelglosse: Clm 6277, f. 51r, Z. 8: () estimat. L79. f. 22r, Z. 4, defendat (2,3; 184,53) – ·i· sumat Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 51r, Z. 12: () sumat; Clm 18550a, f. 24r, Z. 24: sumat. L80. f. 22v, Z. 19, reticescat (2,4; 186,3) – netaceat · Hand A. Parallelglossen: Clm 18550a, f. 25r, Z. 18: i. netaceat; St. Gallen, Stiftsbibliothek 217, p. 44, Z. 20: retaceat, Griffelglosse (Cirimele & Nievergelt 2016: 78). Im Clm 6277 fehlt das betreffende Blatt. L81. f. 22v, Z. 20, indiscretum (2,4; 188,4) – qui magis tac& quam dec& · Hand A, mit Verweiszeichen. Parallelglosse: Clm 18550a, f. 25r, Z. 20: qui magis tac& quam dec&. Im Clm 6277 fehlt das betreffende Blatt. L82. f. 23r, Z. 20, nec aperiebant (2,4; 188,23; Lam 2,14) – non manifestabant Hand A. Parallelglosse: Clm 18550a, f. 25v, Z. 19: non manifestabant. Von der gleichen Hand stammt eine Korrektur am Lemma. Im Clm 6277 fehlt das betreffende Blatt. L83. f. 24v, Z. 21, premissimus (2,4; 192,77) – i prae diximus Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 53r, Z. 17: () praediximus; Clm 18550a, f. 27r, Z. 22: .i. praediximus. L84. f. 24v, Z. 22, (sal) (2,4; 192,79) – |aritatem Wohl Hand F. Marg. links, mit Verweiszeichen. L85. f. 25r, Z. 9, auctorem (2,4; 192,87) – ·i· doctorum· Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 53v, Z. 7: doctorem; Clm 18550a, f. 27v, Z. 10: .i. doctorem. L86. f. 25r, Z. 11, auditoribus (2,4; 194,88) – subditoribus Hand A. L87. f. 25r, Z. 21, asseritur (2,4; 194,96) – ·dicitur· Hand A. Parallelglosse: Clm 18550a, f. 27v, Z. 22: dicitur. L88. f. 25v, Z. 1, aedere (2,4; 194,98) – [a] parere – () [b] nutrire Beide Glossen von Hand A, die marg. links Glosse mit Verweiszeichen.

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L89. f. 25v, Z. 16, suspensus (2,5; 196,4) – suffultus Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 54r, Z. 14: () suffultus; Clm 18550a, f. 28r, Z. 18: suffultus. L90. f. 25v, Z. 23, congruens (2,5; 196,8) – [a] credens – () [b] credens Die marg. Glosse links wohl von Hand B, mit Verweiszeichen; die intl. Glosse ist radiert. Parallelglossen: Clm 6277, f. 54r, Z. 20: credens; Clm 18550a, f. 28r, Z. 24: i. credens. L91. f. 26r, Z. 6, in occultis (2,5; 196,14) – ·i· in lectis Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 54v, Z. 4: () inlectis; Clm 18550a, f. 28v, Z. 4: i. inlectis. L92. f. 27r, Z. 22, struens (Ed. sternens) (2,5; 200,57) – [a] ster(…) – () [b] (…)ns Nicht bestimmte Hand. Die marg. Glosse rechts. Parallelglossen: Clm 6277, f. 154v, Z. 17: () sternens, Lemma struens; Clm 18550a, f. 29v, Z. 11: sternens, Lemma struens unterpunktet zur Kennzeichnung der Korrektur, darüber noch Glosse gepanonter (StSG 2,219,21). Auch in Clm 18140, Clm 19440, Clm 14689, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 ist die Glosse althochdeutsch glossiert (StSG 2,182,33). L93. f. 28r, Z. 11, (temptetur) (Ed. pulsetur) (2,5; 202,84) – () idem puls&ur idem von Hand A, puls&ur von Hand F, mit Verweiszeichen. Eine Textvariante, die wir hier einbeziehen, weil es parallele Belege gibt: Parallelglossen: Clm 6277, f. 25v, Z. 11: () aliter puls&ur, aliter steht ebenfalls separat und das Bezugswort temptetur ist durchgestrichen; Clm 18550a, f. 30r, Z. 22: Mittels pulse ist temtetur zu pulsetur korrigiert. L94. f. 28v, Z. 4, suppresso (2,6; 204,7) – ·i· humiliato · Nicht bestimmte Hand. Marg. links wurde etwas radiert. Parallelglossen: Clm 6277, f. 26r, Z. 5: humiliato; Clm 18550a, f. 30v, Z. 13: i. humiliato. L95. f. 28v, Z. 12, dispensatur (2,6; 204,13) – ·i· regatur · Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 26r, Z. 13: regatur; Clm 18550a, f. 30v, Z. 22: i. regatur; Clm 18140, f. 231rb, Z. 10: regatur; Clm 19440, p. 235, marg. r. neben Z. 15: regatur. L96. f. 28v, Z. 15, ordinis (2,6; 204,15) – sanctitatis · Hand A. Parallelglossen: Clm 6277, f. 26r, Z. 16: so…tas, so wohl falsch abgeschrieben statt sc; Clm 18550a, f. 30v, Z. 25: sanctitatis. Vgl. Basel, UB B. V. 21, f. 114v, Z. 15: sanctitatis – .i. ordinis.

Die Glossen | 621

L97. f. 28v, Z. 16, conditionis (2,6; 204,16) – creature · Hand A. Parallelglossen: Basel, UB B. V. 21, f. 111r, Z. 2: creature; Clm 6277, f. 26r, Z. 17: creature; Clm 18550a, f. 31r, Z. 1: creature. L98. f. 29v, Z. 1, iussa complentur (2,6; 206,40) – cuncta Hand A?, die Eintragung radiert und expungiert. Es handelt sich wohl um eine Wiederholung von cuncta (f. 29r, Z. 23). L99. f. 29v, Z. 10, spargit (2,6; 206,46) – dilatauit Hand A. In Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 ist die Glosse althochdeutsch (StSG 2,182,45). L100. (+ F118) f. 30v, Z. 2, lenocinante (2,6; 208,77) – spanantero – () [a] sed(…)ente – () [b] seducente [b] von Hand F?, [a] von nicht bestimmter Hand. Beide Marginalglossen links. Die erste radierte Marginalglosse ist bis in die Mitte lesbar. Parallelglossen mit seducente enthalten: Fulda, HLB Aa2, f. 138v, Z. 13; Karlsruhe, BL St. Peter perg. 87, f. 85ra, Z. 31; Clm 14409, f. 31v, marg. l. neben Z. 12; St. Gallen, Stiftsbibliothek 219, p. 44, Z. 9 (Nievergelt 2009a: 81,A.324); St. Omer, BM 150, f. 4r, Z. 7; St. Paul, Stiftsarchiv 903/0, f. 10r, marg. unten, Z. 1, als saducente (StSG 5,25,A.3); Zürich, ZB Ms. Rh. 35, f. 20v, Z. 15. L101. f. 31v, Z. 7, (aequales) (2,6; 210,117) – similes Hand F. Marg. links, mit Verweiszeichen. Parallelglosse: Clm 18550a, f. 33v, Z. 14: similes esse, am Satzende intl. eingefügt. L102. f. 33v, Z. 10, maneant (2,6; 214,155) – ·i· exspectant Nicht bestimmte Hand. L103. f. 33v, Z. 21, aequalitas (2,6; 214,164) – ·i· mansuetudo Hand A. Vgl. dazu in Clm 18140, f. 231rb, Z. 21: soci&as; Clm 19440, p. 235, marg. r. neben Z. 21: soci&as. L104. f. 35r, Z. 5, exercetur (2,7; 220,26) – agitur Hand G. Die Eintragung steht über iudicis. L105. f. 36v, Z. 16, (degere) (2,7; 224,85) – (…)re uiuere Beide Glossen marg. links. Die erste Glosse ist radiert, die lesbare von Hand F?, mit Verweiszeichen. Parallelglossen: Basel, UB B. V. 21, f. 114r, Z. 33: .i. uiuere; Fulda, HLB Aa2, f. 138v, Z. 16: uiuere; Clm 18550a, f. 38v, Z. 10: vivere; St. Omer, BM 150, f. 74r, Z. 9: uiuere; Würzburg, UB M. p. th. f. 42, f. 25r, Z. 1: uiuere.

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L106. f. 37v, Z. 18, infundere (2,7; 226,127) – ·i· dare Hand G? In Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 ist die Glosse althochdeutsch glossiert (StSG 2,183,38). L107. f. 37v, Z. 21, (ferueant) (2,7; 226,129) – festinaent Hand F? Die Glosse steht – mit Verweiszeichen – marg. links neben Z. 21 und ist unterpunktet; e der Korrektur stammt von einer anderen Hand. Parallelglosse: Clm 18550a, f. 39v, Z. 9: festinant (Griffelglosse). In Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 ist die Glosse althochdeutsch glossiert (StSG 2,183,40). L108. f. 40v, Z. 1, subditorum (2,8; 234,42) – quibus Hand A? L109. f. 41r, Z. 14, (cogitationis) (2,8; 236,69) – m(…)a(…)one Hand B? Ausradiert, marg. links. Parallelglosse: Clm 6277, f. 58v, Z. 1: meditatione. L110. (+ F134) f. 41v, Z. 4, (palleiat) (2,9; 236,5) – .i. pleihhit – ()·i· macerat Sehr unsicher Hand B. Die Glosse steht marg. links. Das zweite a ist cc-a. L111. f. 42r, Z. 4, indicanda (2,9; 238,5) – indaganda Nicht bestimmte Hand. Die Glosse stand zuerst auf vorausgehendem dissimulantur und wurde dort ausgekratzt. Es handelt sich vielmehr um eine Textkorrektur, die hier wegen der parallelen Belegung mit aufgenommen wurde: Im Clm 6277, f. 59r, Z. 13 ist indicanda zu indaganda korrigiert. L112. f. 42v, Z. 3, inferuescunt (2,10; 240,22) – putrescunt Hand I. In Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 ist die Glosse althochdeutsch glossiert (StSG 2,184,49). L113. f. 43r, Z. 13, percunctationibus (Ed. percontationibus) (2,10; 240,46) – interrogationibus Hand I. Parallelglossen: St. Paul, Stiftsarchiv 82/1, f. 171r, Z. 12: interrogationibus; St. Paul, Stiftsarchiv 903/0, f. 9v, marg. u., Z. 1 (StSG 5,25,A.10); Würzburg, UB M. p. th. f. 42, f. 29r, marg. r. neben Z. 7: interrogationibus. Im Clm 6277, f. 60v, Z. 1 steht () interrogationibus zu inquisitionibus, das 2 Zeilen vor percunctationibus steht, ist also eine „verschobene“ Glosse. In Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 ist die Glosse althochdeutsch glossiert (StSG 2,184,55), ebenso im Clm 18550a (vgl. Nievergelt in Vorb.). L114. f. 46r, Z. 17, circumspectas (2,10; 248,149) – [a] ·i· magnas – [b] ·i· magnas Radierte Glosse, die von Hand B mit identischer Glosse überschrieben wurde.

Die Glossen | 623

Parallelglossen: Clm 19440, p. 236, Z. 26: .i. magnas, intl. über dem Lemma circvmdatas; Wien, ÖNB 2723, f. 109r, Z. 1: magnas; Wien, ÖNB 2732, f. 123r, Z. 11. Vgl. Clm 18140, f. 231vb, Z. 15: circumdatas. L115. f. 47v, Z. 10, excedit (2,10; 250,196) – idem vênit idem von Hand A, venit von Hand I? Zu der Einleitung idem vgl. die Glosse L93. L116. f. 47v, Z. 16, (percutit) (2,10; 250,201) – |x aadfligit Wohl Hand I, mit Verweiszeichen, wohl links angeschnitten. L117. f. 70r, Z. 7, nec seducti per prudentiam calleant (3,11; 316,22) – vitio cadant. Wohl beide Wörter von Hand A. vitio über -ec se-, cadant über per, mit NT-Ligatur. Vgl. dazu im Clm 14689, f. 44v, Z. 29: calleant – sapiant. Im Clm 18140, Clm 19440, in Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 ist die Stelle althochdeutsch glossiert (StSG 2,187,73). L118. f. 72r, Z. 21, replicantur (3,11; 320,96) – [a] conuertentur – [b] reuoluuntur Hand L. Parallelglossen: Clm 18140, f. 232rc, Z. 17: reuoluvntur; Clm 19440, p. 238, Z. 20: conuertentur und intl. darüber reuolvuntvr; Wien, ÖNB 2723, f. 110r, Z. 4: conuertuntur; Wien, ÖNB 2732, f. 124r, Z. 12: conuertentur. L119. f. 73r, Z. 6, quod (3,12; 322,13) – eis Nicht bestimmte Hand. L120. f. 74v, Z. 12, hac (3,12; 326,72) – patria saeculari Hand A. Vgl. dazu Clm 6277, f. 38r, Z. 1: in hac patria. L121. f. 75r, Z. 12, utile est (3,12; 328,89; Hbr 12,10) – nobis Nicht bestimmte Hand. L122. f. 79r, Z. 5, percutitur (3,13; 338,60) – tangitur Hand A. Parallelglossen: Clm 18140, f. 232va, Z. 25: tangitur; Clm 19440, p. 239, Z. 11: tangitur; Wien, ÖNB 2723, f. 110r, Z. 17: tangitur; Wien, ÖNB 2732, f. 124v, Z. 6: tangitur. L123. f. 83r, Z. 6, diffiniens (3,14; 348,108) – loquens Hand A. Vgl. dazu Clm 18140, f. 232vb, Z. 16: dicens; Clm 19440, p. 239, Z. 19: dicens; Wien, ÖNB 2723, f. 110v, Z. 6: dicens; Wien, ÖNB 2732, f. 124v, Z. 13: dicens. L124. f. 96r, Z. 21, dispertiens (3,20; 382,10) – diuidens Hand M.

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Parallelglossen: Clm 18140, f. 233rb, Z. 8: dividens; Clm 19440, p. 240, Z. 24: diuidens; Wien, ÖNB 2723, f. 111r, Z. 12: diuidens; Wien, ÖNB 2732, f. 125r, Z. 17: diuidens. L125. f. 96v, Z. 8, subsistunt (3,20; 382,16) – uiuunt Hand M. Parallelglossen: Clm 18140, f. 233rb, Z. 10: vivunt; Clm 19440, p. 240, Z. 25: viuvnt; Wien, ÖNB 2723, f. 111r, Z. 13: viuunt; Wien, ÖNB 2732, f. 125r, Z. 18: viuunt. L126. f. 96v, Z. 21, distribuant (3,20; 384,25) – dispensant Hand M. In Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 ist die Glosse althochdeutsch glossiert (StSG 2,191,54). L127. (vgl. F198) f. 96v, Z. 22, ne quedam (3,20; 384,25) – nulla dabitis Hand B. Vgl. im Clm 6277, f. 131r, Z. 17: dent. L128. (vgl. F199) f. 96v, Z. 23, quibus quedam, Ne nulla (3,20; 384,26) – aliquisdam debetis nemultum Hand B. Vgl. im Clm 6277, f. 131r, Z. 18 ist quibus glossiert mit: () sidare debuerunt; ne nulla: () multa. L129. f. 96v, Z. 23, pauca (3,20; 384,26) – paruulum Hand B. L130. f. 97r, Z. 4, spargant (3,20; 384,28) – dispensant Nicht bestimmte Hand. Ein anderes lateinisches Interpretament enthalten Clm 18140, f. 233rb, Z. 14: perdant; Clm 19440, p. 240, Z. 26: perdant; Wien, ÖNB 2723, f. 111r, Z. 14: perdant; Wien, ÖNB 2732, f. 125r, Z. 19: perdant. L131. f. 110r, Z. 3, qui confundunt (3,23; 414,24) – hanc Nicht bestimmte Hand, die Eintragung mit Einfügungszeichen zum Text gezogen. L132. f. 111r, Z. 5, diuidere (3,23; 416,58) – eos Nicht bestimmte Hand, die Eintragung mit Einfügungszeichen zum Text gezogen. L133. f. 120v, Z. 7, lumine (3,26; 438,13) – luna Nicht bestimmte Hand. Radiert. L134. f. 120v, Z. 18, hinc est (3,26; 440,21) – mater… Nicht bestimmte Hand. Radiert.

Die Glossen | 625

5.3.4.6 Unidentifizierte Federeintragungen – f. 3r, Z. 21, arbitris – (…), ausradierte Glosse. Das Textwort ist im Clm 18550a, Clm 18140 und Clm 19440 glossiert mit iudicis. – f. 4v, Z. 22, marg. links unterhalb der marginalen Glosse L36b ist eine weitere radiert: pu(…). – f. 6v, marg. unten unterhalb temporis ist etwas radiert. – f. 7r, Z. 13, rigidus – …s, dazu ein Verweiszeichen; dasselbe Verweiszeichen steht marginal rechts auf einer radierten Eintragung oberhalb der Glosse F55. – f. 7v, Z. 6, (colligitur) – marg. links radiert s(…) und darunter t. Über colligitur steht ein Verweiszeichen . – f. 8r, Z. 6, marg. rechts eine erloschene Eintragung. – f. 11v, Z. 12, über protinus eine verblasste Eintragung, die mit dem Textzusatz marg. oben zusammenhängen könnte. – f. 12v, Z. 12, auf der Stelle der Glosse F68 ist etwas radiert. – f. 13r, Z. 12, marg. rechts außen verblasst und abgeschnitten sp|. – f. 13r, Z. 20, nauem – .mi, eine verblasste Eintragung. – f. 13v, Z. 8, (accedat?) – (…)at, marg. rechts außen. Zudem über dem Fragezeichen vielleicht g.. – f. 13v, Z. 12/13, marg. links unterhalb der Federglosse F76b ist etwas verblasst. – f. 14r, Z. 16, marg. rechts ist etwas radiert. Man sieht noch (…)n. – f. 14v, Z. 11, über Si ergo steht nach etwas Getilgtem si ergo, ebenfalls radiert. – f. 15v, Z. 4, conticescent – g.(…)ent. Es könnte sich um eine Parallelglosse zu gastillent im Clm 18550a (Glossar; StSG 2,220,58) handeln. Möglich ist auch eine Parallelglosse zu einer Griffelglosse in Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4; vgl. Nievergelt (in Vorb.). – f. 15v, Z. 12, paulus – (…)ste – f. 16r, Z. 22, marg. rechts erloschene Federglosse. – f. 16v, Z. 1, curuum – .na(…), radiert. – f. 18r, Z. 20, boni operis – (…), radiert. – f. 20v, Z. 15, uita commendat – (…), radiert. Siehe dazu bei F100. – f. 21r, Z. 8, pectusculum – g..atio, dazu marg. rechts etwas. – f. 23r, Z. 19, uiderunt – .a(…)ndo – f. 25r, Z. 23, marg. rechts, unterhalb der Glosse F104 (…), vielleicht mit Querstrich darüber. – f. 26r, marg. oben, zweizeilig, radiert. – f. 26r, Z. 4–5, marg. rechts und intl. über cubile carnalium sind Eintragungen radiert. Marginal sind über und unter der Rasur je h erkennbar, sonst ist nichts mehr sicher lesbar. Vgl. zu der Stelle (2,5; 196,12) im Clm 18550a die Glosse zaderulihālihonogamahhidu (StSG 2,221,58). – f. 26v, Z. 15, excidimus – (…), radiert. Siehe F113. – f. 26v, Z. 19, temperare – (…)ft.nto, ausgewischte Glosse. Vgl. Clm 18550a, f. 29r, Z. 12, mezhaft(…) über condiscendendo temperare; vgl. Nievergelt (in Vorb.).

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f. 28v, Z. 4–5, marg. links ist etwas getilgt. f. 35r, Z. 1, marg. rechts längere Rasur, vielleicht von mehreren Einträgen. f. 35r, Z. 6, uacat – un. f. 35v, Z. 1, marg. links radierte zweizeilige Eintragung. Über contestando ein Verweiszeichen . f. 35v, Z. 1, marg. oben über conueniendo ausgekratzte Eintragung. Ein Verweiszeichen (kleiner Bogen) über dem Textwort ist vielleicht auch noch über dem Lemma sichtbar. f. 36r, Z. 17, marg. links eine Eintragung ausgewischt. (Steht Panem?) f. 36r, Z. 22, marg. links etwas ausgewischt. f. 37r, Z. 21, über -da von toleranda (2,7; 226,11): Eine radierte Eintragung d.l...., die vielleicht auch althochdeutsch ist. Vgl. sw. V. ahd. dulten ‚erdulden‘ – AWB 2,720. Die Lesung ist jedoch zu unsicher. f. 42r, Z. 19, audiens ist unterstrichen und intl. überschrieben mittels (…)ens (vielleicht zu uidens korrigiert wie im Clm 6277, f. 59v, Z. 7), dann radiert. f. 42v, Z. 17, marg. links neben Z. 17 ist etwas verblasst. Vgl. F146. f. 42v, Z. 21, über fili ho/ etwas radiert. Lesbar ist zu Beginn noch ·i. f. 46r, marg. unten, unter insinuet – te.e.(…) f. 46v, Z. 16, intl. über perpaetuum eine getilgte Eintragung. f. 47v, Z. 15, marg. rechts eine Eintragung ausradiert. f. 47r, Z. 20, marg. rechts eine Eintragung ausradiert. f. 50r, Z. 18, marg. rechts .a(…), ausradiert. f. 55v, Z. 2, marg. links etwas radiert. Erkennbar ist dasselbe Verweiszeichen , das auch über in steht. Vielleicht eine Marginalglosse zu periculo, das intl. glossiert ist (F177). f. 55v, Z. 7, marg. links etwas ausradiert. f. 66r, Z. 5, duos – (…)og?, unklar, ob mit Farbstift oder Feder. f. 68v, Z. 19, concidit – (…), ausradierte Federglosse. Vgl. unter F178. f. 68v, Z. 20, liuor – (…), möglicherweise steht dolor. Vgl. unter F178. f. 68v, Z. 21, (fratrici)/ dii seminarium fuit – (…). Längere radierte Glossierung, vgl. F178. f. 73v, Z. 21, über ergo etwas. f. 74v, Z. 4, argueris quem – dis. dni, verwischt. f. 75r, Z. 7, et reuerebamur – (…), radierte Eintragung. f. 75r, Z. 13, ammonendi – (…), radierte Eintragung. f. 76r, Z. 11, quoniam sicut uenter – (…), radiert. Vielleicht eine Schreibprobe wie gegenüber f. 75v, Z. 11? f. 80v, marg. unten, unterhalb tollerant. (Steht quos?) f. 83r, marg. oben ist eine längere Federeintragung radiert. f. 87r, Z. 22, unterhalb der Glosse F195 ist etwas ausradiert. f. 96v, Z. 8, intl. über igitur steht vielleicht nochmals igitur.

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5.3.5 Die Parallelüberlieferung 5.3.5.1 Vorbemerkungen Um zu einer Vorstellung zu gelangen, wie die Glossierung des Clm 21525 entstanden ist, sind hauptsächlich drei Sachverhalte zu rekonstruieren: Die äußere Strukturierung der Arbeit, die Vorlagen und die Art und Weise, wie gearbeitet wurde. Dem ersten Punkt waren die paläographischen Studien in den Kap. 5.3.3.3, 5.3.4.2 und 5.3.5.2 gewidmet, mit dem dritten haben sich die sprachlichen Untersuchungen in den Kap. 5.3.2.7, 5.3.4.4 und 5.3.3.5 befasst. Es bleibt die Frage nach den Vorlagen, die von den Glossatoren benutzt wurden. Die einzige Möglichkeit sie zu erörtern, besteht darin, die Parallelüberlieferung zu befragen. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei nicht der Ursprung der Cura-Glossen an sich, sondern Substanz und Herkunft des Materials, das den Glossatoren in Freising in der Ausgangslage zur Verfügung gestanden haben mochte. Den konkreten Untersuchungsgegenstand bilden dafür die Parallelglossen, also Parallelen zwischen dem Clm 21525 und einer anderen Handschrift in Form von Glossen, die beiderorts die selbe Textstelle mit identischem Interpretament glossieren. Dazu bietet es sich an, die Bedingung der Identität nicht zu strikt zu stellen. Identität soll das Lexem betreffen, auch die Wortart, aber nicht kleinere formale Unterschiede. Selbst Wechsel in den Präfixen sollten als Option offengehalten werden. Es soll damit berücksichtigt werden, dass Glossatoren nicht nur sklavisch kopierten. Im Unterschied zu einer Textabschrift standen ihnen beim Glossieren bei der Benutzung eines Glossentextes die Möglichkeiten einer eigenen Auswahl, Reflexion und Umformung (etwa die Anpassung an ihren eigenen Dialekt) offen. Reflexe davon sind in den Glossen zu verfolgen. Auch die Querverweise in den Editionen Steinmeyers trennen Identität und Ähnlichkeit nicht rigoros. Der Sachverhalt der Adaptation lässt auf realistische Weise mehr Bezüge zwischen glossierten Handschriften zu, macht die Situation aber auch noch weniger übersichtlich. Eine Rekonstruktion der Abstammung von Glossen und der Wege, die die Wörter durch die heute in weiten Strecken unbekannte kopiale Überlieferung nahmen, ist meist nicht durchführbar. Die Regula pastoralis-Glossen sind ein besonders entmutigendes Beispiel dafür. Im besten Fall lassen sich noch näher und ferner verwandte Glossierungen unterscheiden. Dabei ist man versucht, mit der Anzahl an Parallelglossen zu argumentieren. Klein (1977: 54) hat indes darauf aufmerksam gemacht, dass die Nähe der Verwandtschaft verlässlicher über „singuläre Parallelen“ zu ermitteln sei, über Lemmata also, die nur in zwei Handschriften identisch glossiert sind. Wenn im Folgenden die Handschriften mit Parallelglossen in ihrem Verhältnis zum Clm 21525 besprochen werden, wird beiden Aspekten Aufmerksamkeit geschenkt. Zu den althochdeutschen Glossen des Clm 21525 sind Parallelglossen in 31 Handschriften bekannt. Diese Handschriften werden in den folgenden Kapiteln in ihrem Verwandtschaftsverhältnis zu den Glossen des Clm 21525 überprüft. Behan-

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delt werden sie in der Reihenfolge und Gruppierung, in der Steinmeyer die Regula pastoralis-Glossenfamilien – unter den Nummern 637–657 – zusammenstellte. Für die Filiationsuntersuchung sind die lateinischen Parallelglossen natürlich ebenso wichtig wie die althochdeutschen. Im Unterschied zu jenen sind sie aber nicht systematisch erfasst worden und auch nur teilweise zugänglich. Wo sie uns erreichbar waren, werden sie in die Untersuchung miteinbezogen. In der Zusammenstellung werden also die folgenden Handschriften versammelt: Alle Handschriften mit althochdeutschen Parallelglossen zum Clm 21525, die Steinmeyer kannte und zu Glossenfamilien gruppierte; dazu – insofern wir sie ermitteln konnten – die Handschriften, die Steinmeyer ebenfalls in die Cura-Glossenfamilien eingruppierte, die aber keine althochdeutschen, sondern nur lateinische Parallelglossen zum Clm 21525 aufweisen; außerdem die Handschriften mit althochdeutschen Parallelglossen zum Clm 21525, die Steinmeyer noch nicht kannte und die deshalb nicht in die Familienstruktur integriert sind. Keine Berücksichtigung erfahren dagegen Handschriften, die keine althochdeutschen Cura-Glossen tragen und nur über lateinische Parallelglossen mit dem Clm 21525 verbunden sind. Sie waren nicht in einem repräsentativen Sinne ausfindig zu machen. Den – nach quantitativen Maßstäben gemessen – für die althochdeutschen Glossen des Clm 21525 engsten Kreis verwandter Glossierung bilden die Bestände in Handschriften der sogenannten Mondseer Glossatur. Das Cura pastoralis-Segment trägt in StSG die Nr. 638. Von den anderen Cura-Glossenfamilien am nächsten stehen zwei Familien von Glossen, die im Clm 6277 (StSG Nr. 637) und im Clm 18550a (StSG Nr. 645 und 646) überliefert sind. Die Glossen dieser vier Glossenfamilien zeigen bairischen Sprachstand, die Belege im Glossar des Clm 18550a den ältesten Sprachstand. Die Handschriften der Nr. 637, 638, 645 und 646 werden im Folgenden besonders aufmerksam betrachtet. Ebenso gilt unser besonderes Augenmerk denjenigen Handschriften, die ebenfalls aus Freising oder dem weiteren bayerischen Raum stammen. Ausführlicher als andere Handschriften betrachten wir auch solche mit alemannischen Glossen, die in bemerkenswerter Weise mit den Glossen des Clm 21525 verbunden sind. Wir versuchen in jedem Fall, nach dem oben beschriebenen Vorgehen die Nähe der Verwandtschaft zum Clm 21525 zu beschreiben, d. h. einerseits die Anzahl an Parallelglossen zu eruieren, das proportionale Verhältnis von Gesamtzahl und Parallelglossen miteinzubeziehen, aber auch – was uns, durch Klein (1977: 53f.) angeregt, wichtig erscheint – zu ermitteln, ob die dem Clm 21525 gegenübergestellte Handschrift die Parallelglossen mit ihm exklusiv teilt oder zusammen mit weiteren Handschriften. Diese Erörterungen führen wir auf der Ebene der Eintragungsschicht, also der einzelnen Schreiberhand durch. Die Aufzählungen der Parallelglossen erfolgen mithilfe der Nummern, mit der die Glossen des Clm 21525 versehen sind. Einzelheiten zu den Glossen der jeweiligen anderen Handschrift können im betreffenden Editionsartikel nachgesehen werden. Mit Zugabe eines Fragezeichens ‚?‘ bezeichnen wir nicht, dass die Parallelität fraglich ist, sondern weisen auf Unsicherheiten der

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Handzuteilung im Falle der Glosse des Clm 21525 hin. Der Vermerk ‚sek.‘ (= sekundär) bezeichnet Glossen, die im Clm 21525 ausradierte ersetzen. Solche Glossen können ohne Vorlage und dennoch nicht original eingetragen sein. In Klammern ‚( )‘ sind Glossen gesetzt, die nur unter Vorbehalten als Parallelglossen bezeichnet werden können (z. B. bei anderer Wortbildung). Ein nachgestellter Stern ‚*‘ gibt an, dass die Glosse außer im Clm 21525 nur in der jeweiligen anderen Handschrift bezeugt ist, oder mit anderen Worten, dass eine singuläre Parallele vorliegt. Nur ein Teil der Handschriften konnte im Original eingesehen werden. Die Autopsien hat Andreas Nievergelt durchgeführt.55 Von den restlichen Handschriften waren etliche im Internet einsehbar.56 5.3.5.2 Die Handschriften mit Parallelglossen 5.3.5.2.1 Die Glossierung Nr. 637 (Nr. 637 und Nr. 637b) München, BSB Clm 6277 – BStK 518 Die Glossenhandschrift (Freising, 1. Viertel 9. Jh.; GSp Gc. 3) weist von allen hier zusammengestellten Handschriften mit 43 althochdeutschen und 57 lateinischen die meisten Parallelglossen zum Clm 21525 auf, die aus einer Glossierung stammen, die nicht zur Glossatur der Familie Nr. 638 gezählt wird. Der Clm 6277 zeigt dazu sowohl in paläographischer als auch schriftornamentaler Hinsicht eine enge Verwandtschaft zum Clm 21525. Die beiden Codices könnten sich von all den hier behandelten Handschriften am ehesten auch am selben Ort befunden haben. Sie dürften eine längere Zeit miteinander in Freising aufbewahrt gewesen sein, bis der Clm 21525 nach Weihenstephan gelangte (Ernst 2007: 422, mit Literatur). Mit seinen über 850 althochdeutschen und um ein Vielfaches zahlreicheren lateinischen Federglossen (Ernst 2007: 423) sowie den gegen 100 Griffel- und Schwarzstiftglossen stellt der Clm 6277 eine der am reichsten glossierten Regula

|| 55 Augsburg, Archiv des Bistums Augsburg Hs. 4: 11.10.2018; Basel, ÖBU B. V. 21: 28.10.2015; Basel, ÖBU B. VII. 18: 28.10.2015; Clm 3767: 01.03.2017; Clm 4614: Jan. 2017; Clm 6277: 24.08.2017; Clm 14409: 07.08.2008; Clm 18140: 20.09.2006; Clm 18550a: März 2018; Clm 19440: 20.09.2006; Clm 27152: 06.–07.11.2013, 06.–07.05.2014; St. Florian, BAC III 222 B: 17.05.2018; St. Gallen, Stiftsbibliothek 216, 217, 220: vgl. Cirimele/Nievergelt (2016); St. Gallen, Stiftsbibliothek 219: vgl. Nievergelt (2009a); St. Paul, Stiftsarchiv 82/1: 17.07.2018; St. Paul, Stiftsarchiv 903/0: 17.07.2018; Wien, ÖNB 804: 20.07.2018; Wien, ÖNB 772: 20.07.2018; Wien, ÖNB 949: 20.07.2018; Zürich, ZB Ms. Rh. 35: 05.05.2018. 56 Vgl. Fulda, HLB Aa2: fuldig.hs-fulda.de; Karlsruhe, BL Aug. CCXX und Karlsruhe, BL St. Peter perg. 87: digital.blb-karlsruhe.de; Kassel, GHB LB MB 2° theol. 32: orka.bibliothek.uni-kassel.de; Clm 14689: www.bsb-muenchen.de; St. Omer, BM 150: bibliotheque-numerique.bibliotheque-agglostomer.fr; Sélestat, BH Ms. 7: Mikrofilm; Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732: http://digital. onb.ac.at; Würzburg, UB M. p. th. f. 42: http://vb.uni-wuerzburg.de (alle 07.12.2018).

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pastoralis-Handschriften dar. Was den Bestand an althochdeutschen Glossen betrifft, wird er nur noch vom Clm 4614 (BStK-Nr. 488) übertroffen. Die althochdeutschen Federglossen des Clm 6277 sind von Steinmeyer ediert (StSG 2,162–176) und von Wesle sprachlich untersucht worden (1913: 45–50). Für die Erörterung der verwandtschaftlichen Verhältnisse ist es von Bedeutung zu beachten, dass Steinmeyer den Clm 6277 in seiner Untersuchung der Bibelglossare nicht mit dem Clm 21525 und dem Clm 18550a verbindet (StSG 5,462,35–39). Dagegen steht eine in der Forschung vertretene Meinung, dass der Clm 6277 und der Clm 18550a sich nahestehen (vgl. Ernst 2007: 517). Im Bereich der althochdeutschen Glossen ist die Verbindung zwischen dem Clm 6277 und dem Clm 18550a sowohl bezüglich dessen Textglossen als auch dessen Glossar nicht eng; die Anzahl der Berührungspunkte ist sogar recht gering. Um einiges enger präsentiert sich der Bezug der althochdeutschen Glossen des Clm 6277 zu der Mondseerglossatur. Diese Beurteilung deutet sich auch in der kurzen Bemerkung in StSG 5,462,36–38 an, wo der Clm 18550a nicht erwähnt wird. (Zu der Frage, weshalb Steinmeyer den Clm 6277 nicht in die Nr. 638 aufnimmt, siehe unten.) Deutlich mehr Beziehung zum Clm 18550a lässt sich erst dann feststellen, wenn die lateinischen Glossen zu den ersten beiden Teilen des Werktextes beigezogen werden, was dann aber nicht ohne Blick auch auf den Clm 21525 (und andere lateinische Cura-Glossen) geschehen soll. Einen ersten Eindruck vermittelt unsere Edition der lateinischen Glossen im Clm 21525. Noch immer fehlt eine aktualisierte Edition der althochdeutschen Federglossen des Clm 6277 mit Veröffentlichung der Nachträge (vgl. z. B. unter F22), unter Einbezug einer Darstellung der komplexen paläographischen Schichtung sowohl der althochdeutschen als auch der lateinischen Glossen. Den Griffel- und Schwarzstiftglossen des Clm 6277 hat Oliver Ernst eine umfassende Untersuchung gewidmet (Ernst 2007: 421–576). Im Zuge unserer Untersuchung wurde die Handschrift kurz eingesehen (Autopsie 24.08.2017). Die folgenden Nachträge sind anzuzeigen: – f. 1v, Z. 17, über internorum curam (Cap. 18) steht eine Schwarzstiftglosse ka(…) – f. 5r, marg. r. neben Z. 11 steht auf derselben Stelle wie die lat. Federglosse dilat&ur mit Griffel gipre (zu Z. 11, propagetur, vgl. StSG 2,177,37 sowie hier L10). – f. 5v, Z. 2, Ernst (2007: 440f., Nr. 13): Es steht giturst – f. 5v, Z. 17, Ernst (2007: 444, Nr. 18): lesbar ist .nnero – f. 7r, Z. 12, Ernst (2007: 456, Nr. 32): Die Glosse konnte entziffert werden: sint kechrumpit (sw. V. ahd. krumben oder gikrumben ‚krümmen‘ – AWB 5,438) – f. 7r, Z. 13, Ernst (2007: 458), es steht dera – f. 7r, marg. r. neben Z. 15, Ernst (2007: 460), Nr. 35: sint – f. 9v, marg. l. neben Z. 11, links beschnitten, mit Feder in griechisch-runischer Mischschrift |amunl (= [s]amuel), vgl. L43 – f. 9v, Z. 2, Ernst (2007: 465): Über plerumque zu lesen ist uuoal. (vermutlich ahd. wola)

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f. 9v, Z. 19, Ernst (2007: 468f., Nr. 46): Gelesen werden konnte anu (…)rrida. Wohl anu irrida; vgl. StSG 4,437,3 f. 10v, marg. u. über dem Nachtragswort extitit: zu lesen als uuas f. 18r, Z. 1, Ernst (2007: 482), die Schwarzstiftglosse über culminis ist zu lesen als herit̄, vgl. StSG 2,177,23. Die Nr. 64 ist zu lesen als anaḡ (= anagilīhhi?) f. 18v, Z. 12, Ernst (2007: 486, Nr. 71): Die Schwarzstiftglosse konnte gelesen werden als ṕeliho (= wohl Instr. weliho; über der wen-Rune unsicher der diakritische Strich; i tief an l gehängt) f. 24r, Z. 15, marg. r. neben Z. 15 fir(…), eine längere Griffelglosse von derselben Hand wie Ernst (2007: 487, Nr. 73) f. 148r, Z. 16, tumores – sciNda (mit spitzem Griffel = ?) f. 38v, Z. 19, Ernst (2007: 495, Nr. 83), in alter Schrift, tharuoon&tiu (= dārwōnētiu, zu inmorata), neu gelesen f. 122r, marg. l. neben Z. 8, Ernst (2007: 497, Nr. 85), neue Lesung als andr, voraus ein tiefer Schaft, die Glosse eher zu ex obliquo, vgl. ahd. Adv. anderhalb

Ernst (2007: 516–519) weist auf wenige und teilweise unsichere Spuren von Parallelglossierung hin, die zwischen den Griffel- und Schwarzstiftglossen des Clm 6277 und Federglossen des Clm 18550a hin- und herführen. Dazu der Nachtrag, dass sich unter den verblassten und deshalb übersehenen Federglossen des Clm 18550a auf f. 8r, Z. 18, intl. über declinare mit ṕisan eine Parallelglosse zur Griffelglosse ce eruuisan des Clm 6277 (Ernst 2007: 464, Nr. 40) befindet (Nievergelt, in Vorb; vgl. auch F50). Eine Schwarzstiftglosse des Clm 6277 besitzt eine Parallele zu einer Federglosse des Clm 21525 (Ernst 2007: 479, 519, Nr. 60; F69). Die folgenden Glossen des Clm 21525 haben Parallelglossen im Clm 6277: Hand A: F3, F11?, F15b?, (F22), F23, F78, F87, F105, F106, F108, F169, F190 – L1, L3, L4, L5b?, L7, L8, L9, L10, L11?, L12, L14, L18, L21, L23, L24, L25, L26, L27, L29?, L39, L41, L43, L44, L49, L51?, L52, L76, L77, L79, L80, L81, L82, L83, L85, L89, L90, L91, L92, L93, L94, L95, L96, L97, L120. – Hand B: F15a (sek.), F69, F135 (sek.), F144 (sek.?), F158* (sek.), F162a* (sek.), F164a* (sek.), F165a* (sek.) – L47b (sek.), L62b (sek.), L72?, L109?, (L127, L128). – Hand D: F64? – L67. – Hand E: L74, L75, L78. – Hand F: L59, L63? – Hand G: F126, F128. – Hand H: F117, F120, F121, F122. – Hand I: F146(b), F150* – L113. – Hand K: F173, F174. – Hand L: F175, F177. – Hand M: F194. – Nicht bestimmte Hände: F43 – L20. – Griffelglossen: G36, G53, G54*, G55*, (G69?), G70*, G77*, G81*. Die Anzahl von insgesamt 100 Parallelglossen (43 althochdeutsch, 57 lateinisch), also rund 22 % aller Glossen, übertrifft diejenige der Parallelglossen, die der Clm 21525 innerhalb der Glossenfamilie Nr. 638 besitzt. (Für den Clm 6277 dürften es ca. 5 % sein.) Der Eindruck, dass sich der Clm 6277 und der Clm 21525 nahestehen, wird allerdings dadurch eher geschmälert, dass die Anzahl an Parallelglossen, die die beiden Handschriften ausschließlich gemeinsam haben, gering ausfällt. Gerade

632 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

die Glossen der Haupthand der Glossen im Clm 21525 erscheinen mit dem Clm 6277 gerade nicht im Speziellen verbunden – gemeint ist, aus einer gemeinsamen physischen Präsenz der Handschriften zu erklären –, sondern vielmehr mit Vorlagen, die nebst für andere Handschriften eben auch für den Clm 6277 benutzt wurden. (Dieser erste Eindruck kann jedoch erst überprüft werden, wenn die Verbreitung der lateinischen Regula pastoralis-Glossen dereinst erforscht ist.) Eine besondere Beziehung herrscht dagegen zwischen den Griffelglossen des Clm 21525 und den Federglossen des Clm 6277, zwischen denen es fünf Parallelbelege gibt. Wiederum keine Verbindung zum Clm 6277 weisen die Farbstiftglossen auf. Nicht im Ganzen untersucht, aber exemplarisch erwähnt sind in unseren Editionen Fälle von identischen LemmaInterpretament-Paarungen nicht zu denselben Textstellen. Im Clm 6277 können dies auch Parallelglossen zur Gruppe Nr. 638 sein, ohne Beteiligung des Clm 21525 (z. B. F166). St. Paul, Stiftsarchiv 903/0 – BStK 776 Wohl Südwestdeutschland, 3. Drittel 9. Jh. (Bischoff 1998: 276). Die zehn im Stiftsarchiv St. Paul aufbewahrten Blätter (Alkuin, De Orthographia, Worterklärungen zu Vergil [mit 1 ahd. Glosse im Kontext; StSG 5,74,24], Glossare, Exzerpte, Formulae Augienses) sind ein Fragment. Sie gehören zu Fulda, HLB Aa2, f. 20–35 (Bischoff 1998: 276; BStK-Nr. 163 [I]). Auf f. 7v–10v wurden von einer Hand (9./10. Jh., in unterschiedlicher Schriftgröße) in 2 bis 6 Zeilen (auf f. 8r, 9r und 10r sind stellenweise Hilfslinien mit Griffel erkennbar) 21 lateinisch-althochdeutsche und etwas mehr als 60 lateinisch-lateinische Glossen zu Gregor, Regula pastoralis eingetragen. Die drei letzten Zeilen f. 10v sind nur teilweise lesbar (vgl. StSG 5,25,A.3). Das Textglossar ist in der Handschrift rückwärts mit Unregelmäßigkeiten eingetragen (f. 10v – 10r – 9v – 8v – 9r – 7v – 8r; vgl. StSG 5,75,37–39). An der Schrift fällt auf, dass der Schreiber bis f. 10v–9v unziales G und danach Minuskel-g verwendet. Steinmeyer ediert das Glossar integral, also auch sämtliche lateinische Glossen (StSG 5,25,5–9 und 13– 16,A.3–10. 5,26,1–10 und 20–29,A.1–15). Wohl wegen einer Handvoll Parallelglossen zum Clm 6277, vor allem aber vermutlich, weil eine nur in diesen beiden Handschriften vorkommt (StSG 2,168,55 und 5,26,23), hat Steinmeyer die Glossen dieses Fragments in die Familie 637 (als Nr. 637b) eingegliedert. Die Beziehung zum Clm 21525 besteht über zwei Glossen aus der Gruppe 638 (F186 und L113) und eine weitere, eher westlich mehrfach belegte, lateinische: Hand A: F186. – Hand F: L100. – Hand I: L113.

Die Glossen | 633

5.3.5.2.2 Die Mondseer Glossen der Glossierung Nr. 638 München, BSB Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732, Clm 14689 (a, b, c, d, e) – BStK 637, 665, 949, 950, 604 Die Handschriften: München, BSB Clm 18140 (Tegernsee, 3. Viertel des 11. Jh.; GSp Gc. 1), Clm 19440 (Tegernsee, um 1000, teilweise letztes Drittel 11. Jh.; GSp Gc. 6), Wien, ÖNB 2723 (Mondsee, 2. Hälfte 10. Jh.), Wien, ÖNB 2732 (Salzburg?, Mondsee?, 10. Jh.), Clm 14689 (Umkreis Regensburg?, 1. Hälfte 12. Jh.; GSp Gc. 7). Die Glossierung des Clm 21525 ist von Steinmeyer dieser Gruppe zugeordnet worden, der auch noch der Clm 6028 angehört, der aber keine Parallelglossen zum Clm 21525 aufweist und darum hier nicht behandelt wird. Die ganze Familie setzt sich aus Glossen in Glossaren zusammen, unter welchen die Glossen des Clm 21525 die einzige Textglossierung sind. Alle anderen Handschriften enthalten Glossen auch noch zu anderen Texten, allen voran die ‚Mondseer Bibelglossen‘ sowie Glossen zu patristischen Texten, Isidor, u. a., aber auch Sachglossare.57 In allen Glossaren mischen sich althochdeutsche und lateinische Interpretamente. Die Glossare der sechs Handschriften stehen unter sich in enger Beziehung. Besonders nahe stehen sich Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2723. Sie weisen im Wesentlichen dieselbe Anordnung der glossierten Texte auf, was – eingeschränkt – auch für den Clm 14689 gilt.58 Der Clm 18140 ist nach Vorlage des Clm 19440, unter Beizug anderer Quellen, geschaffen worden (Steinmeyer 1901: 50; StSG 5,411). Von den Cura-Glossen sind im Clm 19440 eine ganze Reihe althochdeutsch, die in den beiden Mondseer Handschriften lateinisch sind; Steinmeyer notiert nur einen umgekehrten Fall (siehe die Liste in StSG 5,460f.). Dazu weist der Clm 19440 gegenüber den Mondseer Handschriften einen Mehrbestand an althochdeutschen und lateinischen Glossen auf. Die Glossierung des Clm 14689 steht nach Steinmeyer (StSG 5,462) von den beiden Mondseer Glossierungen derjenigen von Wien, ÖNB 2723 näher. Ein großer Teil der althochdeutschen Textglossen zur Regula pastoralis ist auch in diesen Glossaren überliefert. Dass Steinmeyer von den Textglossen nur diejenigen des Clm 21525 innerhalb der Edition des Kernbestands der zentralen Handschriften in die Familie Nr. 638 aufnimmt, ist dadurch begründet, dass keine andere Regula pastoralis-Textglossierung so viele Berührungspunkte mit den Mondseer CuraGlossaren zeigt. Andererseits ist die Glossierung des Clm 21252 aber – gleich wie viele andere Cura-Textglossen-Handschriften – vielschichtig und – wie wir hier darlegen – keineswegs nur mit Beziehung auf die Mondseer-Glossare zusammengesetzt, ein Umstand, den schon die ältere Forschung herausstellt. Wie Steinmeyer selbst betont (StSG 5,462), besteht auch eine große Übereinstimmung zwischen den Glossen der Glossierung Nr. 638 und derjenigen des Clm 6277. Von dessen rund 160

|| 57 Zu den ‚Mondseer Bibelglossen‘ vgl. Meineke (2009 und 2013) mit Literatur. 58 Zu den Einzelheiten vgl. StSG 5,409f. Vgl. auch Jellinek (1889: 412) und Wesle (1913: 50f.).

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parallel belegten Glossen finden sich 110 auch in den Mondseer Cura-Glossen, davon 80 singulär zu diesen parallel, was zwei Fünftel aller Glossen ausmacht, die Nr. 638 mit anderen Glossierungen gemeinsam besitzt (Wesle 1913: 77f.). Diesen 80 Glossen gegenüber stehen 50 Glossen, die der Clm 6277 mit dem Clm 18550a gemein hat. Zu den 201 althochdeutschen Federglossen des Clm 21525 gibt es (gemäß unserer Untersuchung) insgesamt 128 Parallelglossen, 91 davon sind Glossen der Mondseer Glossatur, während die Parallelen zum Clm 18550a im Bild der nur althochdeutschen Glossen deutlich schwächer aussehen (siehe oben). Diese Kräfteverhältnisse, zusammen mit dem Umstand, dass der Clm 6277 einen ungleich höheren Anteil an sonst nirgendwo parallel belegten Glossen aufweist als der Clm 21525, dürften Steinmeyer bewogen haben, den Clm 6277 gesondert zu behandeln. Obwohl sich die Situation für den Clm 21525 unter Mitberücksichtigung der lateinischen und der mit Griffel eingetragenen Glossen verändert, ergibt die Entscheidung Steinmeyers noch immer Sinn. Die folgenden 91 althochdeutschen und 21 lateinischen Glossen des Clm 21525 sind in den Mondseer Glossaren parallel belegt: Hand A: F1* (bcd), F2* (abcd), F3 (abcd), F4a* (abcd), F4b (bcd), F5 (abcd), F7* (abcde), F9 (abcd), F10* (abcd), F11? (ab), F12b (abcde), F13? (abcde), F14*? (abcd), F15b? (abcde), F16? (ab), F17* (abcd), F23 (abcde), F24* (abcd), F26* (abcd), F31 (abcd), F32a* (cd), F34* (abcd), F38 (abcd), F39* (abcde), F49 (abcde), F50* (abcd), F54*? (abcd), F55* (abcde), F62 (abcde), F65* (abcde), F66* (abcd), F68 (abcde), F72* (abcd), F73* (abcde), F74* (abcd), F76a? (abcd), F78 (abcde), F83 (abcde), F86* (abcd), F87 (abcd), F88* (abcd), F93* (abcd), F94* (abcd), F105 (abcd), F109a* (abcd), F110* (abcd), F111 (abcde), F172* (abcd), F183* (abcd), F184* (abcd), F185* (abcd), F189* (abcd), F190 (abcde) – L6 (ab), L10 (cd), L13? (abcd), L16 (abcd), L22 (abcd), L37 (abcd), L46? (ab), L50 (abcd), L52 (cd), L54 (cd), L65 (cd), L95 (abcd), L122 (abcd). – Hand B: F15a (abcde), F21* (abcde), F76b (abcd) (sek.), F80? (abcd), F99? (abcd?), F113* (abcde), F124b*? (abcd), F133*b (abcd) (sek.), F135b (abcde) (sek.), F144 (bcd) (sek.?), F145* (abcd), F148* (cd), F160* (abcde) – L58 (abcd) (sek.), L114 (bcd) (sek.). – Hand C: F36* (abcd). – Hand G: F124a (abcd), F126 (ab), F128 (abcd). – Hand H: F120 (abcde), F121? (abcd), F122 (abcd), F123* (abcd). – Hand I: F146(b) (abcd). – Hand J: F168* (abcd). – Hand K: F173* (abcd), F176* (abcd). – Hand L: F175 (abcd), F177 (bcd), F180* (abcd), F182 (abcd) – L118a (bcd), L118b (ab). – Hand M: (F193*) (abcd), F194 (abcd), F196* (abcde), F197 (abcd) – L124 (abcd), L125 (abcd). – Nicht bestimmte Hände: F40 (abcd), F43 (abcde) – L40 (abcd), L51 (abcd). Griffelglossen: G36 (abcd), (G65 [ab]), G74 (abcd), G107? (abcd). Bei den althochdeutschen Glossen sind die Anteile groß: Von insgesamt 91 Parallelglossen haben der Clm 18140: 88 Parallelglossen, der Clm 19440: 90 Parallelglossen, Wien, ÖNB 2723: 88 Parallelglossen, Wien, ÖNB 2732: 88 Parallelglossen, Clm 14689: 24 Parallelglossen. 47 althochdeutsche Parallelglossen befinden sich ausschließlich (*) in den Mondseer Glossaren der Familie Nr. 638. Hand A spielt im

Die Glossen | 635

Zusammenhalt mit der Mondseer Glossatur die Hauptrolle, aber auch sieben weitere Hände schreiben Glossen, die allein in der Glossierung Nr. 638 parallel bezeugt sind. Steinmeyer (StSG 5,462,42–463,2) sieht es durch verschriebene und fehlplatzierte Glossen als erwiesen an, dass die Glossen des Clm 21525 kopierte sind. Anhand der Glossen F32a und F148, die nur in den Mondseer Handschriften (c, d) parallel belegt sind, schließt Steinmeyer, dass die Vorlage des Clm 21525 zu der Mondseergruppe (c, d) gehörte, obwohl F126 den gegensätzlichen Fall zeige (StSG 5,463,2–4). Dieses Schwanken zwischen den Familien Clm 19440 (b, auch a) versus Wien, ÖNB 2723 und 2732, Clm 14689 (c, d, e) bzw. den Vertretern der ersten versus denjenigen der zweiten Klasse (StSG 5,413,32–35), zeigt sich an noch mehr Fällen in den lateinischen Parallelglossen, in deren Licht die Beziehung zu den Mondseer Handschriften (c, d) ebenso ein wenig enger erscheint: L10, L52, L54, L65 versus L6, L46, L118b. Eine punktuelle Nähe zum Clm 14689 zeigt sich in der Glosse F39, die sich beiderorts auf ein Textwort an anderer Stelle zu beziehen scheint (asinaria, Ed. 136,34 statt asinariam, Ed. 136,35). Ganz leicht zum Clm 19440 hin orientiert wirken die Griffelglossen, während die Farbstiftglossen gänzlich von der Mondseer Glossatur getrennt erscheinen. 5.3.5.2.3 Die Glossierung Nr. 639 Die Gruppe wird gebildet aus 3 lateinisch-spätalthochdeutschen, wenn nicht eher schon mittelhochdeutschen Glossarglossen zu identischen Lemmata in zwei späten Handschriften, Wien, ÖNB 804 und Würzburg, UB M. p. th. q. 60, ediert in StSG 2,197,22–24. 51f. Die Sprachbestimmung – als bairisch oder fränkisch – fällt in der Forschung unterschiedlich aus (vgl. die Literatur in BStK). Eine weitere Glosse in Wien, ÖNB 804 ist lateinisch. Wien, ÖNB 804 – BStK 926 St. Florian, Ende 12. Jh. Der umfangreiche Codex aus mehreren kodikologischen Einheiten versammelt Exzerpte, Glossare und anderes. Die wohl reichhaltigsten Beschreibungen geben Denis (1793: 151–161) und StSG 4,636–638. Von den 4 in den Glossaren enthaltenen Cura-Glossen (3 althochdeutsch, 1 lateinisch) bilden 3 Parallelglossen zu Glossen im Clm 21525: Hand A: F3, F12b – L10. Würzburg, UB M. p. th. q. 60 – BStK 998 (I) Deutschland, 13. Jh., aus der Zisterzienserabtei Ebrach. Zur Schriftheimat gibt es keine detaillierten Angaben aus der Forschung. Die ursprüngliche Lage mit Exzerpten aus Bibelkommentaren und anderem, auf 6 Blättern und auf die leere Seite der nächsten kodikologischen Einheit geschrieben, ist erster Teil eines mehrteiligen Codex, der in weiten Teilen in enger Beziehung zu Wien, ÖNB 804 steht (vgl. StSG 4,667,42f.). In den Expositiones uerborum (vgl. StSG 4,669,9) stehen dieselben drei deutschen Cura-Glossen wie in Wien, ÖNB 804 und somit dieselben Parallelglossen

636 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

zum Clm 21525, dort ebenfalls Hand A: F3, F12b. (Da wir nicht dazu kamen, diese Handschrift einzusehen, wissen wir nicht, wie es um lateinische Glossen steht.) Die erste der beiden deutschen Parallelen (StSG 2,197,22) und die lateinische in Wien, ÖNB 804 sind als Parallelglossen über mehrere Glossenfamilien verbreitet, die zweite deutsche (2,197,51) enthalten nur die Gruppen Nr. 638 und 639. 5.3.5.2.4 Die Glossierung Nr. 640 Basel, ÖBU B. V. 21 – BStK 26 12. Jh., seit spätestens dem 15. Jh. im Dominikanerkloster in Basel (GSp Gc. 11). Der Werktext ist – zur Hauptsache interlinear – in unterschiedlicher Dichte glossiert; gegen Ende des Textes nur noch spärlich. Die Glossierung umfasst 57 (58?) althochdeutsche und rund 700 lateinische Federglossen. 56 althochdeutsche Glossen sind ediert in StSG 2,197–199. Meyer/Burckhardt (1960: 492) ergänzen um drei weitere Glossen, von welchen eine aber lateinisch ist (f. 103r, Z. 2 steht über non nicht itt, sondern ut); eine weitere (f. 103r, Z. 32, magistri – .s. phares) ist problematisch und wurde – soweit ersichtlich – auch nicht in die Wörterbücher aufgenommen. Die dritte (f. 129v, Z. 9, ericus – igel) besitzt Parallelen im Clm 6277, in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1, Sélestat BM Ms. 7 und Karlsruhe, St. Peter perg. 87 (StSG 2,168,63. 205,11. 211,49. 241,40). Die lateinischen Federglossen sind nicht ediert, mit Ausnahme derjenigen zur Praefatio, von denen Meyer/Burckhardt (1960: 492) eine Liste geben. Die Parallelen zum Clm 21525 betreffen dessen folgende Glossen: Hand A: F3, F186 – L3, L17, L97. – Hand B: F157 (sek.). – Hand F: L105? – Hand H: F117. – Hand I: F155. – Hand L: F180. – Nicht bestimmte Hand: L51; althochdeutsche und lateinische Parallelglossen also zu gleichen Teilen. Ohne singuläre Parallelen und mit Parallelglossen in kleiner Anzahl erscheint der Bezug zwischen den beiden Glossierungen gering. Etwas stärker wird er im Bild der gemeinsamen Lemmata sowie der übereinstimmenden Gleichungen. Die Lemmata zu den folgenden Glossen des Clm 21525 sind in Basel, ÖBU B. V. 21 mit einem anderen althochdeutschen Interpretament glossiert: G7, F91, F112, F118, F136, F143 (vgl. StSG 2,198,23 mit Meyer/Burckhardt 1960: 492), F160, F178, F185, – sind lateinisch glossiert: F8, F25, F31, F57, G6, F116, F141, F142, F158, – sind mit einem anderen lateinischen Interpretament glossiert: L4, L10, L47. Außerdem kommt das Wortpaar der Glosse L96 zu einer anderen Textstelle auch in Basel, ÖBU B. V. 21 vor. 5.3.5.2.5 Die Glossierung Nr. 641 München, BSB Clm 3767 – BStK 469 Süd- oder Westdeutschland, Mitte oder 3. Viertel des 9. Jh. (Bischoff 1980: 194; Bischoff 2004: 225; GSp Gc. 2). Der Werktext ist hinten nicht vollständig. Der Clm 3767 verdient als Parallelglossenhandschrift unsere Beachtung, weil der Anteil an Parallelglossen mit 9 von 48 innerhalb der eigenen Glossierung relativ hoch ausfällt.

Die Glossen | 637

Wesle (1913: 56) bestimmt die Sprache als „eher alemannisch als bayrisch“. Nebst den Bezügen zur bairischen Parallelüberlieferung ist die Glossierung mit der alemannischen von Zürich, Ms. Rh. 35 und den St. Galler Cura-Glossierungen verbunden (Nr. 649, 654, 656), davon zu St. Gallen, Stiftsbibliothek 219 auch durch die dominant geheimschriftliche Aufzeichnung. Die Handschrift enthält 48 althochdeutsche Federglossen von mehreren Händen des 10. und 11. Jh., darunter mindestens zwei Hände, die die Glossen in bfkGeheimschrift aufzeichneten. (Zur Sprache der Glossen vgl. Wesle 1913: 55f.) Lateinisch sind nur wenige Glossen, in Geheimschrift zwei: f. 54r, Z. 6, marg. r. über magno prfcki, f. 56v, Z. 21, über dilabuntur cbdxnt. Auch Federproben stehen teilweise in bfk-Geheimschrift (f. 5r, marg. oben, f. 34r, marg. oben). Eine Federprobe ist deutsch (11./12. Jh.): f. 95v, marg. oben, Pastoralis cura diu ne wirt mire met. ser (Bischoff 1980: 194, leicht anders. Handelt es sich um eine Übersetzung des Textanfangs Pastoralis curae me pondera delitiscendo, mit mhd. emetîn?). Die geheimschriftlichen Glossen sind teilweise stark verblasst (vgl. GSp 1,xliii. StSG 4,513). Steinmeyer ediert 41 Federglossen (StSG 2,199f.), davon eine resthafte (2,199,A.10), und verweist auf zwei erloschene (A.19. A.26). In den „Berichtigungen“ (StSG 2,778) gibt Steinmeyer die Lesungen von zwei weiteren Glossen (f. 7r, f. 54v), ergänzt zwei bisherige Lesungen (f. 12v, f. 24v) und verweist auf eine weitere ihm unlesbare Glosse (f. 5r; der Hinweis nochmals in StSG 5,102,34f.). Thoma (1963: 237) erwähnt eine weitere, verwischte Federglosse f. 19v, liest von der Glosse f. 7r etwas mehr und merkt wenig Weiteres an. In SchG 10,174 und Nievergelt (2009a: 94,A.385, 103) werden eine respektive zwei weitere Federglossen verzeichnet. Dazu noch die folgenden Ergänzungen: Die Glosse f. 7r, Z. 19 konnte mithilfe einer UV-Lampe gelesen werden als kkh prsbmpn (= kih orsamon), die Glosse StSG 2,199,51 als ..pxcsblbp (vgl. StSG 5,102,36). Die Glosse f. 5r, Z. 20 zu diuerberat liest sich, wie in SchG 10,463 angegeben, als zkxxfkbkt (= ziuueibit). Die Glosse auf f. 60v, Z. 23, ex obliquo – undarz (SchG 10,174) endet auf einen unklaren Buchstaben. Dazu gibt es zahlreiche Parallelglossen. Eine verblasste Federglosse steht f. 18r, marg. r. neben Z. 16, b(…) (vielleicht zu ambiatur, über dem auch etwas steht?). Bei den lateinischen Einträgen handelt es sich zur Hauptsache um Textkorrekturen bzw. -ergänzungen. Einige sind mit Griffel vorgeschrieben (z. B. f. 42v, Z. 18 marg. l., f. 43r, Z. 5 und Z. 12, f. 43v, marg. u., f. 44v, Z. 8, f. 45v, mehrere, etc.). Unklare Griffeleintragungen stehen über f. 45v, Z. 19, frustra – sv(…); f. 46r, Z. 16, simulationem – he.. Eine längere probatio mit Griffel steht f. 26v, marg. o. (Text der ersten Zeile). f. 24v, marg. oben links sind mit Griffel zwei ornamentierte Majuskeln gezeichnet, ein Ornament auch f. 26v, marg. o., f. 63v, marg. links neben Z. 17–25 ein Esel, der zurückblickt. Im Clm 3767 finden sich 9 Parallelglossen zu den Federglossen des Clm 21525. Sie verteilen sich im Clm 21525 auf die folgenden Hände: Hand A: F49, F111?, (F169), F186, F187. – Hand B: F51* (sek.?), F53* (sek.), F139. – Nicht bestimmte Hand: F43.

638 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

Die Zusammensetzung verrät keine bestimmten Abhängigkeiten zwischen den beiden Glossierungen. Abgesehen von einem völlig unsicheren (F51) kommt nur in einem einzigen Fall eine Glosse allein in diesen beiden Handschriften vor (F53), im Clm 3767 erscheint sie aber verderbt. Die wenigen Parallelglossen sind formal selten deckungsgleich und verteilen sich zudem in beiden Handschriften auf verschiedene Schichten, die sich unter sich auch nicht gegenüberstehen. Es mag allenfalls auffallen, dass praktisch nur Glossen der beiden Haupthände des Clm 21525 betroffen sind, die sich dadurch eventuell als besonders stark vernetzt auszeichnen, ohne dass sich daraus aber auf eine Beziehung zwischen den beiden Beständen schließen ließe. Auch dass beiderorts die bfk-Geheimschrift in Erscheinung tritt, ist wegen des sporadischen Gebrauchs im Clm 21525 ohne Aussage. Die Glossen des Clm 3767 besitzen deutlich mehr Parallelen mit den Feder- und Griffelglossen des Clm 18550a. 5.3.5.2.6 Die Glossierung Nr. 642 (a und b) Die Überlieferungsgruppe Nr. 642 wird nach Steinmeyer gebildet aus den CuraGlossen zweier Handschriften, St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (Nr. 642a) und Sélestat, BH Ms. 7 (Nr. 642b). Die Glossen stehen in Textglossaren, von welchen dasjenige im St. Pauler Codex die Glossen in der Reihenfolge der Wörter im Textverlauf, das Schlettstädter dagegen alphabetisch geordnet aufführt. Die enge Verbindung zwischen den beiden Glossaren beruht auf einer großen Zahl gemeinsamer althochdeutscher und lateinischer Glossen. Wie die beiden Handschriften und ihre beiden Cura-Glossare in ihrer Entstehung zusammenhängen, ist von der Forschung kontrovers diskutiert worden und bis heute nicht einwandfrei geklärt. Fest steht, dass der St. Pauler Codex nicht die Quelle für das Schlettstädter Glossar gewesen sein konnte. Vgl. dazu die Ausführungen bei Wesle (1913: 37–41), der zusammen mit Steinmeyer von einer gemeinsamen Vorlage ausgeht, deren Aussehen jedoch sowohl als glossierter Werktext als auch als Glossar, das ganze Textpartien verwendet, vorstellbar ist. Die Untersuchung von Wesle wurde anhand der althochdeutschen Bestandteile durchgeführt. Von den 415 althochdeutschen Glossen in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 und den 365 in Sélestat, BH Ms. 7 sind 355 beiden Glossaren gemeinsam (Wesle 1913: 36), also über 99% von 642a auch in 642b und 85% von 642b auch in 642a. Die Verhältnisse bei den lateinischen Glossen unterstreichen die Verwandtschaft zwar, bieten aber nicht das gleich deutliche Bild: Von 106 lateinischen Glossen in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 und 42 in Sélestat, BH Ms. 7 bilden 36 Parallelen zwischen den Handschriften. Damit sind rund 6/7 der lateinischen Cura-Glossen von 642b auch in 642a vorhanden, aber nur ein Drittel von 642a auch in 642b. Von den in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 lateinisch glossierten Lemmata sind 3 in Sélestat, BH Ms. 7 althochdeutsch glossiert (StSG 2,210,13. 210,75. 212,76). Die Quellenlage könnte also wesentlich komplexer gewesen sein, als nur aus einer einzigen Vorlage bestehend.

Die Glossen | 639

Nr. 642a: St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 – BStK 779 Entstanden im 10. Jh., überliefert aus der Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra in Augsburg. Der kleinformatige, aber sehr dicke Codex enthält ein lateinisch-althochdeutsches Glossar zum Alten Testament, in welches f. 167r–178r ein Textglossar mit ebenfalls althochdeutschen und lateinischen Glossen zur Regula pastoralis eingefügt ist. Dieses beansprucht die ganze 22. Lage (auf f. 167r der Titel) und die ersten sieben Seiten der 23. Lage. Die Lagen unterscheiden sich in der Zeilenzahl (15 gegenüber danach nur noch 12 Zeilen). Die meisten althochdeutschen Glossen sind – wie auch sonst im Codex – in späterer Zeit mit Tinte unterstrichen worden.59 Während die Bibelglossare oft im Stil von Worterklärungen verfasst sind, besteht das Gregorglossar aus Lemma-Interpretament-Paaren. Es weist im ganzen Codex – auch deshalb – die größte Dichte an althochdeutschen Glossen auf. Insgesamt umfasst es 522 Glossen, davon 416 althochdeutsche und 106 lateinische, davon 3 sowohl althochdeutsch als auch lateinisch. Die althochdeutschen sind bis auf eine ediert bei StSG 2,200–208 (Berichtigungen in StSG 5,103,1. 3f.), die lateinischen sind nicht veröffentlicht. In SchG 2,457 und 5,35 wird eine weitere althochdeutsche Glosse nachgetragen (Parallelglosse zu StSG 2,213,3). Die Edition Steinmeyers ist in bewährter Weise exakt und nur an einer Stelle wie folgt zu korrigieren: StSG 2,204,17: irbarmiuuirdit. Die „Korrekturen“ in SchG 1,105. 3,328. 5,332. 9,425. 10,65. 11,109 und 11,216 zu StSG 2,201,15.58. 203,63. 204,8. 206,44.49 und 207,5 sind dagegen sämtliche ohne jede Berechtigung. Die Sprache der Glossen wird in der Forschung als alemannisch bestimmt (vgl. die Literatur in BStK 3,1499f.). Im Clm 21525 bilden die folgenden 28 althochdeutschen und 4 lateinischen Glossen Parallelbelege: Hand A: F5, F9, F13?, F15b?, F23, F31, F38, F62, F68, F78, F83, F186, F187 – L49, L50. – Hand B: F15a (sek.?), F80b?, F95 (an der zweiten Stelle, StSG 2,202,17, in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 sowohl lateinisch als auch althochdeutsch), F135 (sek.), F157 (sek.) – L62b (sek.). – Hand G: F129(*). – Hand H?: F121. – Hand I: F155 (in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 sowohl lateinisch als auch althochdeutsch) – L113. – Hand K: F174. – Hand L: F177. – Nicht bestimmte Hand: F103. – Griffelglossen: (G5*), (G6), G14, G53. Unter den althochdeutschen Parallelglossen findet sich mit F129 eine Glosse, die nur im Clm 21525 und den Handschriften der Überlieferung Nr. 642 bezeugt ist. Nur mittelbar vergleichbar ist eine Griffelglosse des Clm 21525 (G5) mit ähnlichen Belegen in Nr. 642. Die Parallelglossen von Hand A und Hand B sind Glossen auch der Mondseer-Glossare und mit Parallelen auch in anderen Handschriften. Außerhalb von diesen stehen im Clm 21525 zu St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 Parallelglossen der kleinen Hände (mit Ausnahme von Hand L) und der Griffelglossen des Clm 21525, hier zwei Glossen, die die Handschrift Sélestat, Ms. 7 nicht enthält. In

|| 59 Dabei wurden einige übersehen (z. B. StSG 2,201,5.7.36. 202,72. 207,1. 208,51) und dafür auch lateinische erwischt (z. B. f. 168v, Z. 12, uitia).

640 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 sind einige Lemmata lateinisch glossiert, die im Clm 21525 volkssprachige Glossen aufweisen: f. 169r, Z. 2, sustentationem . refectionem (vgl. F73), f. 169r, Z. 11, grossescunt . intumescunt (vgl. F86), f. 169r, Z. 12, sauciat . uulnerat (vgl. F88), f. 169r, Z. 13, pruriginem . scabiem (vgl. F91, G13), f. 170v, Z. 4, foueantur . sanantur (vgl. F122), f. 171r, Z. 5, parsimoniae . abstinentiae (vgl. F133), f. 171v, Z. 9, officiunt . nocent ł resistunt (vgl. F169), f. 173r, Z. 2 und Z. 3 prestantius . melius (vgl. FS2), f. 178r, Z. 8, delitiscendo. latendo seu deuitando (vgl. F3), f. 178r, Z. 11, destituat. dissipat (F12). Andere lateinische Interpretamente stehen in f. 168r, Z. 9, eferti . saturati (vgl. L46), 168r, Z. 9, adimunt . perdunt (vgl. L47a), f. 169r, Z. 4, quatitur . concutitur (vgl. L60a). Alles in allem ergibt sich für die Cura-Glossen in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 und dem Clm 21525 das Bild von offensichtlichen, aber stark verästelten und weder direkten noch engen Überlieferungszusammenhängen. Nr. 642b: Sélestat, BH Ms. 7 – BStK 849 Zwiefalten (nach der jüngsten Bestimmung durch Kruse 2017), Anfang 12. Jh. Der Codex enthält nebst Exzerpten zahlreiche lateinisch-althochdeutsche Text- und Sachglossare. Als eine der bekanntesten althochdeutschen Glossenhandschriften ist er wiederholt im Zentrum von Untersuchungen gestanden (vgl. Wesle 1913 mit Literatur, Schulte 1993 mit Literatur, Kruse 2017). Auf f. 96v–99v enthält er ein alphabetisches Textglossar zur Regula pastoralis mit 365 lateinisch-althochdeutschen (StSG 2,209–216,30.35–64) und 42 lateinisch-lateinischen Glossen sowie eine lateinischalthochdeutsche Doppelglosse (StSG 2,215,47). Parallelglossen (23 althochdeutsche, 1 lateinische) im Clm 21525 sind die folgenden: Hand A: F5, F9, F13?, F15b?, F23, F31, F38, F62, F68, F83, F187. – Hand B: F15a (sek.?), F80b?, F135 (sek.), F143, F157 (sek.) – L62b (sek.). – Hand G: F129. – Hand H: F121. – Hand I: F155. – Hand K: F174. – Hand L: F177. – Griffelglossen: G6, G14. Ein paar Lemmata, die im Clm 21525 volkssprachig glossiert sind, besitzen in Sélestat, BH Ms. 7 lateinische Interpretamente: f. 97vb, Z. 22, pruriginem . scabiem (vgl. F91), f. 96vb, Z. 2, ad uires . ad uerenda (vgl. F95), f. 97va, Z. 27, officiunt . nocent (vgl. F169), f. 97rb, Z. 4, contineri . sustentari (vgl. F197), f. 98ra, Z. 2, prestantius . melius (vgl. FS2); zu einem anderen lateinischen Interpretament siehe f. 98ra, Z. 23, referti . saturati (vgl. L46). Die Parallelen sind bei den althochdeutschen Glossen ähnliche wie diejenigen in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1, mit folgenden Abweichungen: Es sind keine Parallelglossen zu F78, F186, F95, G53, L49, L50 und L113 vorhanden, dafür eine zusätzliche mit F143. Gemessen am Umfang des Schlettstädter Cura-Glossars sind die 23 Parallelglossen eine geringe Menge. Es gibt auch kaum lateinische Glossenparallelen, weshalb der Bezug zum Clm 21525 etwas weniger ausgeprägt erscheint als dessen Verbindung zu St. Paul, Stiftsarchiv 82/1.

Die Glossen | 641

5.3.5.2.7 Die Glossierung Nr. 643 St. Florian, BAC III 222 B – BStK 152 Der Codex besteht aus zwei Teilen. Die Regula pastoralis-Handschrift bildet den ersten Teil: f. 2–127, St. Amand (?), 1. Hälfte 9. Jh. (GSp Gc. 8). Der zweite Teil, f. 128– 172, Alkuin, Dialogus de vera philosophi, Grammatica, ist in der zweiten Hälfte des 9. Jh. in St. Florian entstanden (Bischoff 1980: 37) und enthält ein paar lateinische Griffelglossen (f. 142v, Z. 3f.; f. 153r, Z. 9; f. 165r, Z. 25). Die Gregor-Handschrift enthält den Werktext, zu Beginn mit Verlusten und – nebst einem lateinisch-althochdeutschen Canones-Glossar (StSG Nr. 591; Reiffenstein 2009: 1428f.) – althochdeutsche Textglossen sowie ein lateinisch-althochdeutsches Textglossar zur Regula pastoralis. Steinmeyer weist die Textglossen der Glossenfamilie Nr. 643 zu, das Glossar der Nr. 647. Die Glossen sollen im 9. Jahrhundert in Salzburg dazugekommen sein (Bischoff 1980: 127, der hier wohl sowohl die Glossare als auch die Textglossen meint). St. Florian, BAC III 222 B (T) Zum Werktext stehen 27 althochdeutsche Textglossen, davon 26 Federglossen und 1 Griffelglosse. 25 Federglossen sind ediert in StSG 2,216f. Eine weitere ist nachzutragen. Sie steht f. 12v, marg. links neben Z. 12: (obstinationis) – einstritig (1,6; SC 381,150,11), am Ende ist sie verblasst und nicht sicher lesbar. Interlinear über -bdes Lemmas steht ei, so als habe der Glossator zuerst hier zu schreiben begonnen. Zur Glossierung vgl. im Glossar die Parallele StSG 2,225,4. Auf f. 31v, Z. 15 ist über fastigio (2,6; SC 381,208,76) eine Federglosse ausradiert. Außer ·i· am Anfang konnte sie nicht entziffert werden. Zur Stelle vgl. im Clm 21525 die Glossen F118 und L100. Zwei weitere Federglossen auf f. 31v sind lateinisch: Z. 15, lenocinante – ·i· c̄ ponente und Z. 18, per illam – ·s· potentiā. Ansonsten sind kaum lateinische Federglossen zu sichten. Reiffenstein (2009: 1431) gemäß ist die Sprache der Textglossen derjenigen der Canonesglossen auf f. 3r sehr ähnlich und etwa im späten 9. bis frühen 10. Jahrhundert anzusiedeln. Die Handschrift enthält auch eine althochdeutsche Griffelglosse: f. 52r, Z. 6, arrogantiae (3,9; 298,26) – ruomi, mit stumpfem Griffel interlinear über dem Anfang des Textwortes. Nach m steht noch etwas, jedoch um so viel schwächer, dass fraglich ist, ob es zur Glosse gehört. Beim Interpretament handelt es sich vielleicht um gekürztes sw. F. ahd. ruomiselī ‚Anmaßung‘ (GSp 4,1140); vgl. im Clm 6277 eine mögliche Parallelglosse (StSG 2,167,60). Von Griffeln stammen auch eine Textkorrektur (f. 13v, Z. 2) und zahlreiche marginale Kritzeleien (zu Einritzungen im Glossar siehe unten). Unter vielen Federproben ist eine bfk-geheimschriftlich: f. 117r, marg. unten, vertikal aufsteigend: pbtfr. f. 127v, marg. unten stehen die fünf Wörter des Sator-Quadrats in einer Zeile (vgl. Bischoff 1980: 127). Mit lediglich zwei Parallelglossen zum Clm 21525 – Hand A: F16?, F49. – sieht der Bezug zwischen den Glossierungen schwach aus. Auch zu den übrigen CuraGlossen sind die Parallelen spärlich: 3 weitere Parallelen mit Nr. 638, 2 mit Nr. 641,

642 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

je 1 mit Nr. 637, 642, 645, 648 und 650. Mit 9 Parallelen zu Nr. 647 ist die Verbindung zum Glossar in derselben Handschrift dagegen verhältnismäßig deutlich (StSG 2,216f.; siehe Kap. 5.3.5.2.10). 5.3.5.2.8 Die Glossierung Nr. 644 Auf diese kleine Glossenfamilie (StSG 2,217f.; Nachtrag: 5,103,5) möchten wir nur kurz hinweisen. Sie soll als Beispiel dafür dienen, dass eine Verwandtschaft unsichtbar bleiben kann, solange man nur die althochdeutschen Glossen betrachtet. Die Gruppe wird gebildet von einem kleineren Cura-Glossar, das in zwei Handschriften des 10. Jahrhunderts praktisch identisch überliefert ist. Die 15 resp. 16 althochdeutschen Glossen sind gegenüber den 53 lateinischen in der Minderheit. Bei den lateinischen handelt es sich um weit verbreitete Interpretamente. Ein paar Glossen enthalten sowohl lateinische als auch althochdeutsche Interpretamente. Die Sprache der volkssprachigen Glossen von Nr. 644 wurde von Wesle (1913: 56) als „fränkisch beeinflusst, mit Resten oberdeutscher Merkmale“ bestimmt. Fulda, HLB Aa2 – BStK 163 (II) Wohl Südwestdeutschland, 10. Jh. Das Cura-Glossar innerhalb der Exzerpten- und Glossarsammlung enthält nebst den lateinischen 16 althochdeutsche Glossen. St. Omer, BM Ms. 150 – BStK 718 10. Jh., überliefert aus St. Bertin. Das auf den Werktext folgende Glossar enthält 16 althochdeutsche Glossen. Die zwei Glossen, die Fulda, HLB Aa2 nicht hat, sind von anderer Hand nachträglich beigefügt worden (StSG 2,217,17.23; vgl. A.5), die zweite auf Rasur, wo möglicherweise die Glosse StSG 5,103,5 gestanden hat. Eine Glosse in Fulda, HLB Aa2 fehlt in St. Omer, BM Ms. 150 (StSG 2,217,51). Das Glossar der beiden Handschriften enthält drei Parallelglossen zu den lateinischen Federglossen des Clm 21525: Hand B: L47 (sek.). – Hand F: L100, L105. Etwas enger noch erscheint die Beziehung, wenn man die Lemmata betrachtet. 10 Lemmata, die in Fulda, HLB Aa2 und St. Omer, BM Ms. 150 lateinisch glossiert sind, haben im Clm 21525 althochdeutsche Interpretamente (F3, F25, F55, F62, F104, F118, F122, F133, F169, G7), einmal ist ein Lemma verschieden lateinisch (L116), einmal eines verschieden althochdeutsch (G59) glossiert. Die Glossierung des Clm 21525 ist also ganz evident auch mit der Glossatur Nr. 644 verbunden. 5.3.5.2.9 Die Glossierungen Nr. 645 und Nr. 646 München, BSB Clm 18550a – BStK 652 Tegernsee, Ende 8. Jh. (Bischoff 1974: 154f., 158f.; GSp Gc. 4). Die Handschrift enthält althochdeutsche und lateinische Textglossen mit Feder und Griffel. Auf f. 154– 156 wurde ungefähr im zweiten Drittel des 9. Jh. ein lateinisch-althochdeutsches Glossar zur Regula pastoralis eingetragen (Bischoff 1974: 155, 159. Vgl. auch Hoff-

Die Glossen | 643

mann 2005: 61). Textglossen und Glossarglossen bilden paläographisch, zeitlich und in ihrer Zusammensetzung zwei verschiedene Korpora, was auch in den beiden Nummern von Steinmeyer zum Ausdruck kommt (Textglossen: Nr. 645, Glossarglossen: Nr. 646), in der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Glossen aber nicht immer mit der nötigen Konsequenz beachtet wurde (beispielsweise in der sprachlichen Untersuchung von Wesle 1913). Federtext- und Glossarglossen haben sehr wenig gemein, nach StSG beispielsweise nur zwei Parallelglossen (StSG 2,218,15 bzw. 220,29 sowie 2,218,A.16 und 220,42). Noch bis heute ist der Vergleich aber erschwert. Während die Glossarglossen in vollständiger Lesung zur Verfügung sind, stellen die Textglossen ein an der Handschrift unzugängliches Material dar, das seit StSG nie neu aufgearbeitet wurde. Der Grund: Die Federglossen wurden (noch in alter Zeit) zum größten Teil ausradiert und sind seither in weiten Teilen zerstört. Die erst später bekannt gewordenen Griffelglossen sind zudem noch nicht vollständig ermittelt. Die ersten Resultate einer laufenden Untersuchung, die eine neue Ausgangslage schaffen soll (vgl. Nievergelt in Vorb.), dienen uns hier bei der Beschreibung der Glossenbestände zur Ergänzung und Präzisierung. Es zeigt sich, dass die in sich äußerst heterogene Griffelglossierung – im Kontrast zu der Federglossierung – vielfältig auf die Glossen des Glossars bezogen ist. Nr. 645: Die Textglossen des Clm 18550a Die Textglossen bestehen aus Feder- und Griffelglossen. Stach (1950: 15) erwähnt auch Braunstiftglossen, doch dürfte es sich dabei um radierte Federglossen handeln. Die Federglossen wurden zur Hauptsache marginal eingetragen. Obwohl die Rasuren die Verhältnisse völlig verdunkeln, stammt ein größerer Teil der Marginalglossen wohl von einer Hand, die eine ruhige breite Minuskel schreibt. Diese Hand ist zweifellos alt, braucht aber nicht zwingend noch in das 8. Jh. gestellt zu werden. Neben der hohen NT-Ligatur (auch mit -er-Kürzungsstrich) fällt insbesondere die Verwendung der wen-Rune für ahd. w auf (vgl. StSG 2,218,A.14), welche die p-Form und da und dort den diakritischen Schrägstrich zeigt (dies in neu entzifferten Glossen; vgl. Nievergelt in Vorb.). Die Tinte der Glossen ist braun, in den Rasuren gegen Rot aufgehellt. Vom Schriftgrad der ersten Hand unterscheidet sich die kleinere Schrift von den interlinearen (auch einigen marginalen, mit Verweisung), lateinischen und althochdeutschen Glossen einer zweiten, eifrigen Hand aus etwa der Mitte des 9. Jh. In Form kleiner Glossengruppen stoßen einige jüngere Hände dazu. Sie mischen sich teilweise auf dem Blattrand mit den Glossen der Haupthand und sind in Rasuren nicht mehr von jenen zu unterscheiden. Auf eine weitere, jüngere, auszeichnungsschriftlich aparte Hand, die Glossen am oberen Blattrand aufreiht, weist Steinmeyer hin (StSG 2,219,A.11). Die Lemmata sind im vorderen Handschriftenteil über bestimmte Strecken hinweg mit Verweiszeichen – mal in Form schwarzer Punkte, mal wellenförmiger Linien – versehen, die vermutlich nicht von der Feder des Glossators stammen.

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Die meisten Marginalglossen sind Rasuren zum Opfer gefallen, die unterschiedlich gründlich ausgeführt sind. Einiges ist trotz Rasur lesbar geblieben, anderes resthaft sichtbar, sehr vieles aber bis auf einen rötlichen Schimmer verschwunden, und nur noch die Verweiszeichen künden von der Glossierung. Steinmeyer (StSG 2,218,A.7) schätzt das Lesbare auf weniger als ein Fünftel der gesamten Glossierung. Seine Edition enthält 80 Federglossen. Mayer (1974: 97f.) trägt 9 weitere Federglossen nach. (Eine davon, Mayer 1974: 98,2 ist allerdings nicht althochdeutsch: .i.filo auf f. 9r, marg. rechts neben Z. 4, gehört zu quidam sapiens und nicht zu multa in Z. 4, wie die entsprechenden Parallelglossen im Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 belegen.) Die neuerliche Untersuchung zeigt zum einen, wie genau Steinmeyer hinschaute, zum anderen aber auch, dass manches, was er als hoffnungslos beiseiteließ, doch noch erhoben werden kann (vgl. Nievergelt in Vorb.). Die althochdeutschen Griffelglossen sind schon von Steinmeyer gesehen und in einem Fall in die Edition aufgenommen worden (StSG 2,219,A.10). Untersucht wurden sie von Mayer (1974: 97f.) und (zusammen mit der Glosse StSG 2,219,A.10) auf 20 beziffert, wobei Mayer auch die in StSG 2,218,A.16 angegebene Federglosse, nun fälschlicherweise als Griffelglosse bezeichnet, mitveröffentlichte (Mayer 1974: 98,8). Vieles ist außerdem übersehen worden: Gemäß neuer Untersuchung enthält die Handschrift mindestens 66 althochdeutsche Griffelglossen, zusammen mit rund 20 lateinischen sowie zahlreichen unentzifferten Einritzungen, in mehreren Schichten. Die Glossen – Einzelwörter und Syntagmen aus zwei bis fünf Wörtern – wurden von mehreren geübten Händen mit verschiedenen Instrumenten interlinear und marginal oftmals mit großer Sorgfalt eingetragen. Sämtliche Griffelglossen sind wohl noch im 9. Jh. entstanden. Die ältesten Glossen scheinen kurz nach Entstehung der Handschrift aufgezeichnet worden zu sein, beispielsweise f. 95r, Z. 19, intl. über contineri die Glosse ganerit (Mayer 1974: 98,26: generit) mit unzialem G, wie es neben halbunzialem g auch in der Textschrift verwendet ist (z. B. f. 7r, Z. 3, intellegentes). Auch die Schrift der Glosse nisiuuesan/ti auf f. 50r, marg. rechts neben Z. 9 zu nulla generetur (2,11; Ed. 254,45), weist an den Anfang des 9. Jh. zurück. Nur wenig später sind die etwas jüngeren Schriften, wie beispielsweise diejenige der Glosse gihapetiuuuirdit auf f. 142v, Z. 23, intl. über conetur (3,34; Ed. 508,82). Im Unterschied zu den Textglossen mit Tinte sind die Griffelglossen des Clm 18550a sowohl mit dem Glossar der Handschrift als auch mit der Glossatur M in vielfältiger Weise verbunden. Weiteres siehe in der angekündigten Studie (Nievergelt, in Vorb.) Auf die Parallelglossen, die sich der Clm 18550a (Textglossen) und der Clm 21525 teilen, haben Steinmeyer (StSG 2,177–189 in der Edition) und Wesle (1913: 78f.) hingewiesen. Ihre Angaben sind auf Basis der Neuentzifferungen und -funde wie folgt zu ergänzen: Im Clm 18550a bilden 18 althochdeutsche und 57 lateinische Textglossen Parallelglossen zu Glossen im Clm 21525. Wenn im Folgenden die Entsprechungen des Clm 21525 aufgelistet werden, ist in Rechnung zu stellen, dass der Hauptteil der Federglossen im Clm 18550a stark beschädigt und ihre Anzahl dadurch reduziert

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ist und unsere Angaben nur die nachweislichen Parallelen beinhalten. Parallelglossen zu Glossen des Clm 18550 (Textglossen) sind im Clm 21525: Hand A: (F29), F61*, F62, F105, F106, F107*, F108, F186, F187 – L1, L3, L4, L5b, L6, L7, L9, L10, L11?, L12 , L14, L17, L18, L21, L23, L24, L25, L26, L27, L28, L29, L31, L39, L41, L43, L44, L48, L49, L50, L52, L54, L65, L76, L77, L79, L80, L81, L82, L83, L85, L87, L89, L91, L95, L96, L97. – Hand B: F58*, F59*, F76b (sek.) (Griffelglosse im Clm 18550a), (F100*?), F135 (Griffelglosse im Clm 18550a) – L47b (sek.) (Griffelglosse im Clm 18550a), L61 (sek.?), L62 (sek.), L72 (sek.?), L90 (sek.). – Hand C: L34. – Hand F: L59, L63?, L93, L101, L105b? (sek.?), L107? (Griffelglosse im Clm 18550a). – Hand H: F117. – Hand M: F192*, F194, F197 (alles Griffelglossen im Clm 18550a). – Nicht bestimmte Hand: L20, L71, L92. L94, L107. Eine weitere Parallelglossierung könnte in den radierten Glossen Clm 18550a, f. 29r, Z. 12, mezhaft(…) zu condiscendendo temperare (vgl. Nievergelt in Vorb.) und Clm 21525, f. 26v, Z. 19, temperare – (…)ft.nto (siehe unter Unidentifizierte Federeintragungen Kap. 5.3.4.6) bestehen. Außerdem sind im Clm 18550a bei radierten Glossen Textwörter durch Verweiszeichen als Lemmata erkennbar, die im Clm 21525 glossiert sind. Ein Beispiel: f. 7r, Z. 11, peruertuntur, rechts daneben eine radierte Marginalglosse, die theoretisch Parallelglosse zu F36 sein könnte. Die Verbindung zwischen den Textglossierungen ist bei den lateinischen Federglossen deutlich enger als bei den althochdeutschen. Zweifellos verbunden mit dem Clm 18550a sind nur die Glossen von Hand A. Aber auch hier erscheint eine Vorlage andeutungsweise erst, wenn der Blick auf die Schichtung auch im Clm 18550a fällt. Die lateinischen, in kleiner Schrift auf den ersten Blättern des Clm 18550a, die mit lateinischen Glossen von Hand A korrespondieren, bilden eine paläographisch einheitliche Gruppe (zweite Hand) von unversehrten Glossen, die in Einzelfällen auch auf Rasuren stehen. Einzelne althochdeutsche Glossen von dieser Hand tauchen von Hand A auch im Clm 21525 auf (F61, F105, F106, F107, F108). In anderen Fällen glossiert Hand A Lemmata mit lateinischen Glossen im Clm 18550a althochdeutsch (siehe unten). Analog zu beschreiben, aber getrennt davon zu sehen ist Hand F. Die lateinischen Glossen von Hand F haben Entsprechungen im Clm 18550a, die auch von einer anderen Hand als der mit Hand A verbundenen Hand herstammen. Die Parallelglossen zu drei Glossen von Hand M sind im Clm 18550a alles Griffelglossen aus unterschiedlichen Schichten. Dort, wo Griffelglossen im Clm 18550a Federglossen von Hand B gegenüberstehen, handelt es sich bei zweiteren um Ersatz für radierte Glossen (von Hand A?). Zu den radierten Glossen der Haupthand im Clm 18550a sind in den Glossen des Clm 21525 keine Bezüge sichtbar. Weiteres siehe unten zu den einzelnen Händen des Clm 21525. Eine Verbindung zwischen den beiden Glossierungen tritt auch in der Wahl der lateinischen Lemmata zu Tage. Will man sie für verbindlich erklären, ist sie ausgeprägter als diejenige durch die Parallelglossen. Allerdings ist ihr Aussagewert noch nicht zu bestimmen, da die Forschung dazu noch fehlt. Tatsache ist, dass eine Vielzahl von glossierten Lemmata beiden Handschriften gemein ist, wobei die Interpre-

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tamente in Sprache und Lexem unterschiedlich sein können. Beispiele von parallelen Lemmata mit verschiedenen althochdeutschen Interpretamenten: F30 – im Clm 18550a mit Griffel glossiert (vgl. Nievergelt in Vorb.), F50 (siehe oben zum Clm 6277), F53 – im Clm 18550a farmisit (Mayer 1974: 98,1: firmisit), F71 – im Clm 18550a pimeinta, F159 – im Clm 18550a antontes (StSG 2,219,38); mit verschiedenen lateinischen Interpretamenten: L88 – im Clm 18550a .i.genere; mit althochdeutschem gegenüber lateinischem Interpretament: F31, F32, F45, F65, F72, F98, F169 – im Clm 18550a spernant, negant, indignus, doctrinam, s.inmiseriis, lauens, ł obiciunt; mit lateinischem gegenüber althochdeutschem Interpretament: L58 – kihalot (Mayer 1974: 98,9; Griffelglosse). Außerhalb der Glossen bestehen in den Sekundäreintragungen der beiden Handschriften weitere Querbezüge. Sie betreffen gleiche Korrekturen am Text sowie Ergänzungen, beispielsweise auf f. 52v im Clm 21525 (siehe F173) und f. 53v im Clm 18550a. Eine der Federproben des Clm 21525 (siehe Kap. 5.2.1) erscheint im Clm 18550a als Einritzung. Im Unterschied dazu und zu den Federglossen zeigen die Griffel- und Farbstiftglossen des Clm 21525 keine Bezüge zu den Textglossen des Clm 18550a. Nr. 646: Das Textglossar des Clm 18550a Im zweiten Drittel des 9. Jh. ist der Clm 18550a auf den letzten drei Blättern (f. 154– 156) um ein fünfseitiges lateinisch-althochdeutsches Textglossar mit etwa 280 Glossen zur Regula pastoralis erweitert worden. Das Glossar im Clm 18550a ist – trotz des archaischen Sprachstands der althochdeutschen Glossen – nicht als direktes Abbild einer alten Vorlage zu betrachten. Vielmehr ist es als Exzerptensammlung aufgebaut, indem aus einer Vorlage mit althochdeutschen und lateinischen Interpretamenten die deutschen Wörter ausgewählt wurden. Lateinische Reste wie f. 154r, Z. 10, adimunt · tollunt (vgl. L47) erinnern noch daran, ebenso indirekt die lateinischen Interpretamente in den Textglossen. Die Beziehung zwischen dem Glossar und dem Clm 21525 wird von Wesle (1913: 78) hervorgehoben. Die Anzahl gemeinsamer, parallel belegter Glossen beträgt 28 althochdeutsche Parallelglossen sowie 1 lateinische. Eine weitere Parallelglosse, zu StSG 2,220,58, könnte sich in der resthaften Glosse auf f. 15v, Z. 4 intl. über conticescent verbergen (siehe unter Unidentifizierte Federeintragungen Kap. 5.3.4.6). Betrachten wir die im Folgenden aufgelisteten Parallelglossen, scheinen die Hand A und die Farbstiftglossen des Clm 21525 am nächsten an den Glossarglossen des Clm 18550a zu sein: Hand A: F6*, F20*, F22(*?), F25*, F33*, F46a*, F62, F63*, F76a?, F79*, F91*, F92?, F96*, F170. – Hand B: F8*, F76b (sek.), F95, F104*?, F135b (sek.) – L47 (sek.). – Hand I: F155. Nicht bestimmte Hände: F103, F116, F118. – Griffelglosse: G13*. – Farbstiftglossen: FS5*, FS6, FS8, FS10*. Von den Glossen von Hand A kommen nur zwei sowohl im Glossar des Clm 18550a als auch in den Mondseer Glossaren vor (F62, F76a). Die Glossen, die das

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Glossar im Clm 18550a allein mit der Glossierung Nr. 638 teilt, stehen bis auf zwei Ausnahmen nur im Clm 21525 (vgl. Wesle 1913: 78f. mit einer tabellarischen Zusammenstellung). Von den Glossen von Hand A kommen also Parallelglossen entweder in den Mondseer Glossaren oder aber im Clm 18550a vor, aber nicht gleichzeitig in beiden, obwohl der Clm 18550a (G) etliche Glossen mit den Tegernseer Glossaren gemein hat. Jene wurden bei der Zusammenstellung im Clm 21525 offenbar kaum berücksichtigt. Was für Hand A gilt, gilt auch für die anderen Hände: Die Parallelglossen der Hand I, der unbestimmten Hände und der Griffel- und Farbstiftglossen mit dem Clm 18550a (G) kommen in den Mondseer Glossaren nicht vor. Die betreffenden Glossen der Hand B sind Ersatzeintragungen für radierte Glossen. Es macht also insgesamt den Anschein, als ob bei der Wahl der Glossen im Clm 21525 mithilfe des Bestands, der dem Glossar des Clm 18550a zugrunde liegt, die hinter den Mondseer Glossaren stehende Glossensammlung ergänzt worden sei. 5.3.5.2.10 Die Glossierung Nr. 647 Die Glossenfamilie wird gebildet aus einem lateinisch-althochdeutschen CuraGlossar, das in zwei Handschriften überliefert ist, in St. Florian, BAC III 222 B ganz und in Wien, ÖNB 949 Glossen zum Textabschnitt 3,16–36. Wesle (1913: 64–68) und Reiffenstein (2009: 1431–1433) geben eine sprachliche Untersuchung sowohl der Text- als auch der Glossarglossen der beiden Handschriften und bestimmen die Sprache als bairisch. Wesle (1913: 68) merkt auch noch eine alemannische Beeinflussung an, allerdings auf Basis nur sehr begrenzt signifikanter Merkmale. St. Florian, BAC III 222 B (G) Salzburg, 2. Hälfte 9. Jh. (siehe oben Nr. 643). Das Glossar (mit Kapitelnummern gegliedert) ist mit 380 althochdeutschen Glossen hauptsächlich lateinisch-althochdeutsch konzipiert; lateinisch-lateinische Glossierungen gibt es nur sechs: f. 123r, Z. 16, limpidissimam . purissimam, nach StSG 2,224,31; f. 124v, Z. 12, ostentare . ostendere, nach 2,227,14; f. 124v, Z. 14, trabem . firgam, nach 2,227,17; f. 126v, Z. 20, differunt . dissimiles sunt, nach 231,28; f. 126v, Z. 24, extendere . ostendere, nach 231,39; f. 127r, Z. 3, torpore .i. tepore, nach 231,49. Intl. über -rpore .i. tep- steht mit spitzem Griffel eine Einritzung, die wir nicht lesen konnten. Die Glossarglossen sind nach Reiffenstein (2009: 1431) sprachlich hochaltertümlich und müssen daher sehr genau eine ältere Vorlage abbilden. Es gibt eine Handvoll Parallelglossen im Clm 21525: Hand A: F62, F169, F170, F185, F186. – Hand B: F135b (sek.) – L33 (sek.). – Hand I: F155. – Griffelglossen: G53, davon aber keine singulären Parallelen. Einmal finden sich die betreffenden Glossen nur noch in der Mondseer Glossatur (F185), zweimal nur auch noch im Clm 18550a (F92, F170). Ein anderes Licht fällt auf die Beziehung zwischen den Glossen der Nr. 647 und denjenigen des Clm 21525, wenn man die Lemmata und die Interpretamente losge-

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löst von den Textstellen betrachtet. Auch in dieser Gegenüberstellung treten die Umrisse eines gemeinsamen ‚Cura-Wortschatzes‘ hervor. Im Clm 21525 sind außer in den Parallelglossen auch die Lemmata der folgenden 42 Glossen in St. Florian, BAC III 222 B (G) glossiert: F13, F62, F86, F87, F105, F118, F122, F134, F139, F143, F153, F154, F157, F160, F170, F171, F175, F179, F180, F182, F194, F195 – L11, L16, (L43), L69, L88, L118 – G6, G54, G55, G70, G72, G76, G77, G88, G94, G107, G108 – FS8, FS9, FS11. Außerdem kommen die althochdeutschen Interpretamente der folgenden Glossen des Clm 21525 in St. Florian, BAC III 222 B an anderen Textstellen vor: F5, F31, F40, F58, F66, F75, F76, F81, F87, F104, F164, F178, F191, F199 – G10, G28, G35, G39, (G59?). Besonders fällt uns hier im Salzburger Glossar die Glosse mit scedin auf (StSG 2,228,73), die im Clm 21525 in derselben alten Lautung zu einem anderen Lemma steht (F58). Wien, ÖNB Cod. 949 – BStK 928 Salzburg, 2. Viertel 9. Jh. (Bischoff 2014: 485; GSp Gc. 9). Der ganz von einem Schreiber, der f. 115r in der Subskription Muniperth scripsit istum librum genannt ist (vgl. Bischoff 1980: 149; auch 73 und Bischoff 1974: 231), geschriebene Codex enthält den Werktext mit einigen althochdeutschen und lateinischen Feder- und Griffelglossen (T) und auf der letzten Seite ein Ende 9. Jh. (Bischoff 1980: 150) eingetragenes lateinisch-althochdeutsches Cura-Textglossar zu 3,16–36 (G). Das Glossar stellt Steinmeyer zu demjenigen in St. Florian, BAC III 222 B (Nr. 647), die Textglossen nummeriert er als eigene Überlieferung (Nr. 648). Wien, ÖNB Cod. 949 (G) Das lateinisch-althochdeutsche Cura-Glossar (vermutlich Salzburg) steht im heutigen Codex in 43 Zeilen auf dem Schlussblatt f. 115v. Nach Schriftbefund ist es mindestens ein halbes Jahrhundert jünger als die Niederschrift des Werktextes (siehe oben). Die lateinisch-althochdeutschen Wortpaare stehen lauftextartig in den Langzeilen. Beigegebene Kapitelzahlen gestalten die Zusammenstellung übersichtlich. Die 161 althochdeutschen Glossen des Glossars vom Ende des 9. Jh. sind ediert in StSG 2,228,32–231,64, zusammen mit den entsprechenden Glossen des Glossars in St. Florian, BAC III 222 B, mit denen sie im Großen und Ganzen übereinstimmen. Neuerungen gegenüber älterem Sprachstand kommen mal in der einen, mal in der anderen Handschrift vor (vgl. Reiffenstein 2009: 1433). Die Edition Steinmeyers ist nur an einer Stelle zu korrigieren: Statt wie bei StSG 2,231,53 steht niskenkhen (ohne r). Das Glossar enthält 3 lateinische Glossen: Z. 37, Differunt – dissimiles sunt, nach StSG 2,231,28; Z. 39, Extendere – ostendere, nach 2,231,39; Z. 40, Torpore .i. tepor., nach 2,231,49 (die beiden e des Interpretaments fast bis ganz erloschen), also ebenfalls parallel zum Glossar in St. Florian, BAC III 222 B (zur letzten Glosse siehe unten in den Textglossen). Mit dem Clm 21525 teilt das umfangreiche Glossar nur eine Parallelglosse, im Clm 21525 die Griffelglosse G53. Aus dem in weiten Teilen mit dem Glossar von St.

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Florian, BAC III 222 B (G) identischen Glossenbestand kommen in den Federglossen des Clm 21525 keine vor. Das hat wesentlich damit zu tun, dass sich die glossierten Textpartien im Clm 21525 nur ganz knapp mit denjenigen in der Salzburger Handschrift überschneiden. Zu den Gemeinsamkeiten im Wortschatz der Interpretamente außerhalb der Parallelbelegung vgl. die Ausführungen zu St. Florian, BAC III 222 B. 5.3.5.2.11 Die Glossierung Nr. 648 Wien, ÖNB 949 (T) Zur Handschrift (Salzburg, 2. Viertel 9. Jh.) siehe den vorigen Abschnitt. Rund 40 althochdeutsche und wenige lateinische Textglossen sind locker über den ganzen Text verstreut, beiderlei von mehreren Händen und sowohl mit Tinte als auch mit Griffeln eingetragen. Steinmeyer ediert 9 Federglossen (StSG 2,232,16–22. 42–49), mit Hinweisen zur Schichtung (A.9 und A.11). Eine zusätzliche Federglosse ist nachzutragen: f. 8v, steht unter secessum (1,5; Ed. 148,50) in der letzten Zeile (Z. 27) gisu.., hinten verblasst, wohl gisuuasi, entsprechend der Parallelglosse im Clm 18550a (StSG 2,220,32). Nebst einigen Textergänzungen und -varianten sind interlinear, teilweise von den Händen, die die althochdeutschen Glossen aufzeichneten, auch wenige lateinische Federglossen eingetragen worden: f. 33r, Z. 24, credunt – .i. accipiunt (dieselbe Hand wie StSG 2,232,19.21.42); f. 44v, Z. 18, derogant – .i. uituperant; f. 73v, Z. 21, inulte – .i. sine uindicta; f. 92v, Z. 27, celibatus – .i. castratus; f. 108r, Z. 1, torpore – tepore; f. 109v, Z. 19, peccatis – uerbum. Federprobenähnlich folgt f. 115r auf die Subskription adimunt tollunt. Die Griffelglossen sind, wie eine Autopsie der Handschrift vom 20.07.2018 gezeigt hat, unvollständig und teilweise fehlerhaft ediert. (Eine Neuedition erfolgt in Nievergelt, in Vorb.). Sie wurden, nach Hinweisen durch Bischoff (vgl. 1980: 150), zunächst von Mayer untersucht und ediert (1974: 143). Mayer veröffentlicht 9 gelesene und 4 nicht gelesene Glossen. Von den ungelesenen entziffert Siewert eine (1985: 106, zu Mayer, f. 18r, bisso). Die Lesung Siewerts als uuiz ist zu bestätigen (1. u ist sicher). Auf drei weitere Griffelglossen weist, in rudimentärer Lesung, Stefanie Kümberg in SchG 12,68 hin und gibt eine mögliche Lesung der bei Mayer nicht gelesenen Eintragung auf f. 6r, Z. 13, zu nimirum, als „[nicriturt]“. Gemäß unserer Lesung steht lmn?qt. Es handelt sich um keine Glosse, sondern um die Fortsetzung einer in Z. 12 begonnenen, interlinear eingeritzten Alphabetskizze, von der in Z. 12 (…)fghik gelesen werden konnte. Die Handschrift enthält eine Reihe weiterer Griffelglossen, darunter etliche althochdeutsche. Eine ist lateinisch, und weitere Einritzungen konnten nicht entziffert werden. Insgesamt sind wenigstens 30 althochdeutsche Griffelglossen zu verzeichnen, die auch Bezüge zu anderen Curaglossen aufweisen. Einige sind gekürzte Glossen. Bei der lateinischen handelt es sich um die Eintragung auf f. 8r, Z. 8 zu adimunt, die Mayer nicht lesen konnte. Sie lautet tollunt

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(vgl. die Glosse f. 115r) und steht zusammen mit einer althochdeutschen von einem anderen Griffel (vgl. Nievergelt in Vorb.). Die Parallelglossen zu den Textglossen in Wien, ÖNB 949 im Clm 21525 sind die folgenden: Hand A: F49. – Hand B: F80b(?), F135b – L47 (sek.). Letztere ist auch Parallelglosse zu einer Textglosse in St. Florian, BAC III 222 B, die auch in den Glossenfamilien Nr. 637, 638, 642 und 645 anzutreffen ist. Die Griffelglossen des Vindobonensis enthalten drei Parallelen zu Federglossen des Clm 21525, die aber ebenfalls keine singulären, sondern verbreitete Parallelen darstellen. Damit sind die Bezüge des Clm 21525 zur Überlieferung Nr. 648 zwar gegeben, aber nur schwach nachzuzeichnen. Das gilt auch für die Korrespondenzen unter Lemmata und Interpretamenten außerhalb der eigentlichen Parallelglossierung, die darin bestehen, dass die Lemmata zu F55, F141, F143, G7, G58 und G59 in Wien, ÖNB 949 auch, aber mit anderen althochdeutschen Interpretamenten glossiert sind. Der Glosse FS8 steht in Wien, ÖNB 949 eine lateinische (.i. sine uindicta, siehe oben) gegenüber. Ähnlich sind die andernorts althochdeutsch glossierten derogant (vgl. StSG 2,167,7. 198,40. 241,30. 243,24) und credunt (vgl. StSG 2,226,21) im Vindobonensis lateinisch glossiert. 5.3.5.2.12 Die Glossierung Nr. 649 Karlsruhe, BL Aug. CCXX – BStK 313 Die Handschrift (Deutschland, ca. 2. Viertel des 9. Jh.) enthält die Teile 3 und 4 der Regula pastoralis. Die 274 althochdeutschen und wohl ähnlich vielen lateinischen Glossen stammen von verschiedenen Händen des 10. und 11. Jh. (Bischoff 1998: 358). Die maßgebliche Edition gibt Steinmeyer (StSG 2,232–237). Karg-Gasterstädt (1938b: 455f.) fügt der Edition Steinmeyers 7 weitere Glossen bei. Frank (1984) ergänzt um weitere angeblich 11 neue Glossen, wobei sämtliche von Karg-Gasterstädt edierte dabei sind und dabei teilweise in fehlerhafter Lesung. Die Glosse f. 68r, Z. 5, sal – salse (Frank 1984: 80,15) ist kaum althochdeutsch. In SchG erscheinen vier weitere Nachträge, darunter die soeben erwähnte salse-Glosse (SchG 8,86) und die sehr unsicher althochdeutsche Glosse habe (SchG 4,96) sowie der vom Text isolierte Eintrag man in einer Federprobe auf f. 33v, marg. unten. Dass dies ahd. man ‚Mann‘ sein soll (SchG 6,153), ist weder beweisbar noch wahrscheinlich. (Davor steht verwischt etwas wie indomini.) Die neugefundene Glosse dedit – cap (SchG 3,413) ist dagegen althochdeutsch. Einzelne Glossen sind nachträglich ausgeputzt worden, beispielsweise auf f. 61r, Z. 12, wo über obliget (3,20; Ed. 390,113) die Glosse pindet noch lesbar ist. Parallelglossen im Clm 21525 sind: Hand M: F197. – Griffelglossen: G36, (G69?). – Farbstiftglossen: FS6, FS8. Die Verbindung der Glossen zu denen des Clm 21525 ist damit gering ausgeprägt und erscheint im Gegensatz zu derjenigen zu den Mondseer Glossaren und zum Clm 6277 eher zufällig. Das mag darin begründet sein, dass von der Karlsruher Handschrift die beiden ersten Textteile fehlen und der Clm 21525

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im hinteren Teil mit Feder kaum noch glossiert ist. Immerhin besteht auch über die Griffelglossierung eine Verbindung zu den Mondseer Glossen und dem Clm 21525. Über die Farbstiftglossen des 21525 ist die Karlsruher Handschrift auch mit dem Glossar des Clm 18550a verbunden. Singuläre Parallelen bestehen keine. Unter den lateinischen Glossen beider Handschriften befinden sich dieselben lateinischlateinischen Wortpaare, die aber verschiedene Textstellen betreffen, z. B. zu L41, L42, L50 in Karlsruhe, BL Aug. CCXX, f. 85v, Z. 14, fauores – laudes, f. 95r, Z. 8, ammissa – peccata, f. 73r, Z. 7, colligant – iđ intellegant. 5.3.5.2.13 Die Glossierung Nr. 650 Zürich, ZB Ms. Rh. 35 – BStK 1010 Die vorne und hinten unvollständige Handschrift (Oberrhein-Bodensee, ca. 3. Viertel des 9. Jh., gemäß Bischoff 2014: 540. Zu anderen Datierungen auch ins 10. Jh. vgl. Marti 2004: 2–4; GSp Gc. 10) enthält rund 200 althochdeutsche und ungefähr gleich viele lateinische Glossen, darunter wenige althochdeutsche und lateinische Griffelund Farbstiftglossen (Marti 2004; Nievergelt 2011: 347–352). Von den bereits in der ersten Hälfte des 18. Jh. erstmals erwähnten Glossen wurden 88 vom Rheinauer Stiftsbibliothekar Pater Basilius Germann zwischen 1766 und 1770 in seinem handschriftlichen Katalog aufgelistet (Marti 2004: 2f., mit einem Abdruck der Liste 147– 150). Einzelne weitere veröffentlichte J. J. Oberlin 1781 (StSG 4,670,11–16). Die maßgebliche Edition verfasste Steinmeyer (StSG 2,237–240). Marti (2004: 8–124) gibt eine ausführliche Edition von 190 Belegen nach neuesten Standards und ergänzt dabei die Edition Steinmeyers um eine Glosse: f. 35r, Z. 21, ratio – sina (Marti 2004: 31), freilich ein problematischer Beleg, dem beizufügen wäre, dass über dem vorausgehenden uictrix ebenfalls von Hand 3 tarra steht (lat.?). Nievergelt (2011: 348– 350) trug vier Farbstift-, zwei Griffel- und zwei Federglossen nach, unter Missachtung weiterer unedierter Glossen: f. 43v, Z. 3, etiam (3,12; 324,39) – ouc (Hand 4). Althochdeutsch ist wohl auch auf f. 35v, Z. 19, dedignantur (3,8; 290,5) – entuu̅ (intwerdōn?). Die Glossen von mehreren Händen sind in Teilen wesentlich jünger als die Handschrift. Steinmeyer (StSG 4,670,7–10) unterscheidet fünf Glossenhände und gibt für jede den Textumfang an, innerhalb welchem sie vorkommen. Die dritte Hand bezeichnet er als „jung und grob“. Marti (2004: 129 und A.195) übernimmt die Handunterscheidung Steinmeyers und bestimmt für jede Hand Glossierungsverfahren und -techniken. Diese Vorarbeiten erlauben es, die Parallelüberlieferung zu dieser Handschrift auf eine paläographisch ausdifferenzierte Vergleichsbasis zu beziehen. Die Verbindungen der Handschrift zu 23 anderen althochdeutschen Regula pastoralis-Glossenhandschriften sind ähnlich vielfältig wie diejenigen des Clm 21525, und alle vergleichen wir auch mit dem Clm 21525. Parallelglossen zu Zürich, ZB Ms. Rh. 35 enthalten Clm 6277 (2,237,40.42.45. 238,7.15.31. 239,7a.15.20.60. 240,10.15.57 –

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2,165,18.20. 166,35. 167,23.48.62. 168,66. 169,3.16. 170,6.55. 171,19. 176,3); St. Paul, Stiftsarchiv 903/0 (2,239,47 – 5,26,28); die Mondseer Glossaren (2,238,31.56. 239,15.20.45. 240,57 – 2,187,15.63. 188,22.38. 189,28. 195,60); Basel, UB B. V. 21 (2,237,24. 238,12. 239,A.17.47. 240,57 – 2,197,53. 198,50.68.70. 199,28); Clm 3767 (2,237,45 – 2,200,40); St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (StSG 2,237,14.22.24.40.42, 238,12.31.46. 239,6.15.24,A.17.47. 240,10.47 – 201,29.56.65. 203,21.23. 204,38.44.66. 205,13.20.25.39.43. 206,2. 207,54); Sélestat BM Ms. 7 (StSG 2,237,14.22.40.42. 238,12.31.46. 239,15.24.A17. 240,10.47 – 2,210,15.17. 211,61. 212,23.34.50.80. 213,7.35. 214,10.31.56. 215,60. 216,25); St. Florian, Stiftsbibliothek III 222 B (2,237,42.45. 239,38.47 – 2,217,13 – 2,226,59.77. 228,2.13); Clm 18550a (T) (2,239,47. 240,57 – 2,219,45; Nievergelt, in Vorb.); (G) (2,240,19.30 – 2,224,15.41); Karlsruhe, BLB Aug. CCXX (2,239,A.17, 240,8 – 2,33,1.52); Fulda, HLB Aa 2 (2,239,45 – 217,27); St. Omer, BM Ms. 150 (2,239,45 – 217,27); St. Gallen, Stiftsbibliothek 219 (2,239.47; Nievergelt 2009a: 103); Clm 4614 (2,238,49; Bischoff 1928: 156); Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (2,237,15.22; Mayer 1974: 5,10.28); Karlsruhe, BLB, St. Peter perg. 87 (2,237,24. 238,31. 239,A.17. 240.57 – 2,241,8.35.42. 242,8); Karlsruhe, BLB Aug. CCXL (2,240.57; Mayer 1974: 40,10); St. Gallen, Stiftsbibliothek 220 (StSG 2,237,15 ; Cirimele/Nievergelt 2016: 85). Von der verhältnismäßig frühen Hand 4, die am meisten Glossen eintrug, stammen sämtliche althochdeutschen Parallelglossen zum Clm 21525, die dort fast alle von Hand A geschrieben sind: Hand A: F56?, F169, F186, F187. L49 von Hand A dagegen hat eine Parallelglosse von Hand 1 in der Rheinauer Handschrift, in einem Teil, mit dem vielleicht ein alter Teil ersetzt wurde. Weitere Parallelglossen: Hand F: L100. Farbstiftglossen: FS8. Ansonsten sind die Bezüge undeutlich. Einige Interpretamente kommen im Clm 21525 zu anderen Textwörtern vor, z. B. StSG 2,237,10 – F27; 2,237,14 – F73; 2,238,5 – G28 und G39; 240,43.65 – F40. Interessanterweise sind fast keine Überschneidungen bei den Parallelglossen des Clm 6277, des Clm 18850a, den Mondseer Glossaren und dem Clm 21525 festzustellen. Von den Parallelglossen von Hand 4 zum Clm 21525 ist gar keine auch Parallelglosse zu den Mondseer Glossaren. Diese haben ohnehin nur wenige Glossen mit Zürich, ZB Ms. Rh. 35 gemein, dort bis auf eine von Hand 5 alle von Hand 4. Der Clm 6277 und der Clm 18550a (Textglossen) teilen Glossen außerdem von Hand 3. Ohne Parallelglossen zu den Mondseer Glossen sind die Glossen von Hand 1 und 2. Die stärkste Beziehung zum bayerischen Raum zeichnet sich zum Clm 6277 ab. Die Parallelglossen stammen hauptsächlich von der Hand 4, wenige von Hand 3. Der Bezug erscheint besonders vielschichtig, indem sich im Glossierungsverfahren des Schreibers 4 auch Gemeinsamkeiten mit den im Clm 6277 angewandten Verfahren zeigen, etwa die syntaktisch ausgerichtete Glossierung mittels Synsemantika und die Wiederholung von Interpretamenten zu wiederkehrenden Textwörtern (vgl. Marti 2004: 132–136). Hand 4 arbeitet in der stärksten Vernetzung, aber – was die große Zahl nicht parallel belegter Glossen sowie die flexible Kürzungstechnik in lateinischen wie althochdeutschen Glossen zeigt – auch mit der größten Selbständigkeit. Dem Schreiber

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dürften Vorlagen in Form von lateinisch-althochdeutschen Glossaren zur Verfügung gestanden haben, die mit solchen verwandt waren, die in Freising sowohl für den Clm 6277 als auch den Clm 21525 benutzt wurden. 5.3.5.2.14 Die Glossierung Nr. 651 Karlsruhe, BL St. Peter perg. 87 – BStK 324 Lorsch, Mitte oder 3. Viertel 11. Jh. (Bischoff 1989: 106f.; GSp Gc. 12). Das Glossar zur Regula pastoralis enthält 53 althochdeutsche Glossen (bei Wesle 1913: 73 sprachlich als südrheinfränkisch-alemannisch bestimmt) und ungefähr doppelt so viele lateinische Glossen. Sowohl lateinische wie auch althochdeutsche Glossen sind auch Interlineareinträge. Zwei Glossen bilden Parallelbelege zum Clm 21525: Hand A: F187. – Hand F: L100. Die althochdeutsche Parallelglosse ist steht interlinear. Zu F89 (von nicht bestimmbarer Hand) enthält die Karlsruher Handschrift zum Clm 21525 eine Parallele in der Glosse pupillae – afful zu der Textstelle Ed. 168,60, allerdings zu Ed. 168,73, dem Lemma im Clm 21525, in geringer Entfernung, weshalb über einen Glossareintrag durchaus eine kopiale Verbindung bestehen kann. 5.3.5.2.15 Die Glossierung Nr. 652 München, BSB Clm 14409 – BStK 582 Der Clm 14409 ist auch in Freising entstanden (Mitte bis 3. Viertel des 9. Jh.), nicht aber seine 15 althochdeutschen Glossen von mehreren Händen, die nach Schriftbefund zu einer Zeit arbeiteten, als die Handschrift schon in St. Emmeram und dort auch bereits ergänzt worden war. (Zur Geschichte der Handschrift vgl. Helmer/Knödler/Glauche 2015: 24f.; zur Sprache der Glossen vgl. Wesle 1913: 76.) Etwas über 20 Textglossen sind lateinisch. An einzelnen Stellen sind Interlinearglossen ausradiert worden. f. 93v, Z. 5 sind über offendunt noch zwei Schäfte, g und Schlusst zu erkennen. Möglicherweise stand erbelgent, wozu man die Regula pastoralisGlossen StSG 2,200,58. 240,24. 213,79 vergleiche. Radiert sind auch die Glossen f. 93v, Z. 8, über offensione, f. 95v, Z. 6 über inruens, Z. 12 über benefac und Z. 18 über striones. Die beiden Parallelglossen – Hand F: L100 (sek.). – Hand I: F155. – sind auch in vielen anderen Handschriften vorhanden und geben kein Zeugnis für eine allfällige Verbindung zwischen den Glossen des Clm 14409 und des Clm 21525 ab. 5.3.5.2.16 Die Glossierung Nr. 653 München, BSB Clm 27152 – BStK 693 Der Codex (Südbayerischer Raum, Beginn 9. Jh.) enthält nebst anderen (teilweise auch althochdeutsch glossierten) Texten auf elf Blättern einen Auszug aus der Regula pastoralis (1,9–11, 2,4; 2,9; 2,11. Ed. 156,3–172,126; 186,2–194,107; 252,3–256,55)

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mit – zur Regula pastoralis – 8 althochdeutschen Federglossen und einer Griffelglosse. Die Griffelglossen der Handschrift zeigen oberdeutschen Sprachstand (Nievergelt 2017b: 160). Zur Sprache der Federglossen merkt Wesle (1913: 76) Weniges an, darunter die Schreibung für /ou/ in StSG 2,242,24. Zwei dieser Federglossen besitzen Parallelen in anderen Handschriften, eine auch zu den Mondseerglossen, allerdings nicht zum Clm 21525 (StSG 2,242,24). In der Griffelglosse (Mayer 1974: 105,3) kann eine Parallelglosse zu F76 gesehen werden. Hand A: F76a? – Hand B: F76b (sek.). 5.3.5.2.17 Parallelglossen in Handschriften aus St. Gallen Von den fünf in der St. Galler Stiftsbibliothek aufbewahrten althochdeutsch glossierten Regula pastoralis-Handschriften enthalten vier Parallelglossen zum Clm 21525. Zu der Glossierung Nr. 655 (Cod. 218, BStK-Nr. 206) gibt es keine Parallelbelege. Wir können die Glossierungen hier zusammen behandeln, obwohl Steinmeyer die St. Galler Cura-Glossen einzeln mit Nummern klassifizierte. Die Beziehungen zum Clm 21525 sind äußerst spärlich und reichen pro Handschrift über drei althochdeutsche Glossen nicht hinaus. Keine der Parallelglossen kommt in mehr als einer St. Galler Handschrift vor, keine ist mit dem Clm 21525 singuläre Parallele. Das illustriert en miniature die komplizierte Heterogenität der Cura-Glossen der St. Galler Handschriftengruppe, die insgesamt zu 20 Handschriften Parallelglossenbeziehungen zeigen (Cirimele/Nievergelt 2016: 93–95; Nievergelt 2009a: 143 und A.693), die aber alle kein scharfes Profil aufweisen. Am meisten Parallelglossen stehen im Clm 6277 und in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1. Mit einer gewissen Deutlichkeit zeigen die Belege aus St. Gallen, in denen die Griffelglossen gegenüber den Federglossen deutlich in der Mehrheit sind, dass die althochdeutschen Griffelglossen zur Regula pastoralis Anteil haben an den Zirkulationsprozessen. Nr. 656: St. Gallen, Stiftsbibliothek 216 – BStK 204 Vermutlich St. Gallen, Ende 8. Jh. Der Codex enthält 11 ahd. Feder- und 14 ahd. Griffelglossen (Cirimele/Nievergelt 2016: 64f.). Mit nur einer Parallelglosse – Hand B: F139 – besteht eine ganz kleine, aber dadurch, dass nur noch eine weitere Parallele, zum Clm 3767, besteht, pointierte Verbindung zum Clm 21525. St. Gallen: Stiftsbibliothek 217 – BStK 205 Wohl St. Gallen, Ende 8. Jh. Die Handschrift enthält 123 Textglossen (3 althochdeutsche Feder- und 30 althochdeutsche und 90 lateinische Griffelglossen; Cirimele/ Nievergelt 2016: 75f., 78–81), deren althochdeutsche zu den ältesten Glossen aus St. Gallen gehören. Eine althochdeutsche bildet eine Parallele zu einer Glosse in der Mondseer Glossatur, inklusive Clm 21525. Eine lateinische ist dagegen beispielsweise mit Parallelen im Clm 6277 und Clm 18550a (Textglossen) verbunden. Die Glossen im Clm 21525 stammen von Hand A: F190 – L80.

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Nr. 654: St. Gallen, Stiftsbibliothek 219 – BStK 207 Vielleicht St. Gallen, 2. Viertel 9. Jh. Die Handschrift enthält 13 althochdeutsche Feder- und 56 althochdeutsche Griffelglossen sowie 80 lateinische Feder- und 85 lateinische Griffelglossen (Nievergelt 2009a: 80f. und A.324; 121–125). Mit sieben Parallelglossen zeigt der Codex 219 von den St. Galler Regula pastoralis-Handschriften die meisten Gemeinsamkeiten mit dem Clm 21525. Diese sind allerdings stärker lateinisch (4 lateinische gegenüber 3 althochdeutschen) geprägt: Hand A: F186, (F190) – L31. – Hand B: F157 (sek.) – L33 (sek.), L47 (sek.). – Hand F: L100. – Farbstiftglossen: FS6. Die Glossen bilden keine singulären Parallelen. Der Codex 219 selbst ist reichhaltig, aber sehr unübersichtlich vernetzt. Das gilt vor allem für seine althochdeutschen und lateinischen Griffelglossen, die althochdeutsche Parallelglossen mit 19 anderen Handschriften teilen. Vgl. die Zusammenstellung in Nievergelt (2009a: 143,A.693). Die lateinischen Parallelen sind noch nicht untersucht. Verhältnismäßig stark ist der Bezug zum Clm 6277 (4 Feder- und 8 Griffelglossen), auch zu den Mondseer Glossen (1 Feder- und 5 Griffelglossen). Von diesen Parallelglossen ist der Clm 21525 unberührt, der seine Parallelen zu St. Gallen, Stiftsbibliothek 219 mit dem Clm 18550a und Glossen der Familien Nr. 640, 642 und 643 teilt. Indem ein umfangreicher Anteil der Griffelglossen im Codex 219 nicht entziffert werden konnte, stehen die wirklichen Verhältnisse noch nicht fest. St. Gallen: Stiftsbibliothek 220 – BStK 256t Unbekannter Entstehungsort, wohl nicht St. Gallen, 10. Jh. Die ganze althochdeutsche Glossierung (13 identifizierte Glossen) ist mit Griffel eingetragen (dazu 9 lateinische Glossen; Cirimele/Nievergelt 2016: 89f.). Ein verhältnismäßig hoher Anteil ist parallel belegt, nebst dem Clm 21525 in weiteren elf Handschriften: Clm 6277, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732, Clm 14689, Clm 3767, St. Florian, Stiftsbibliothek III 222 B, St. Paul, Stiftsarchiv 82/1, Sélestat, BM Ms. 7, Zürich, ZB Ms. Rh. 35. Die drei Parallelglossen im Clm 21525 sind von Hand A: F169, F171 – Hand B: F143. 5.3.5.2.18 Die Glossierung Nr. 657 Steinmeyer gab den wenigen Glossen der Handschrift Basel, ÖBU B. VII. 18 die eigene Nr. 657. In Band 4 seiner Glossensammlung hat er die Regula pastoralis-Glossen von Nachtragshandschriften unter der Familie Nr. 657 als 657b–d weitergezählt (4,330), obwohl er in Band 2 die Cura-Glossen bis zur Nr. 659 geführt hatte. Offenbar waren ihm die Nrn. 658 und 659 allzu sporadische Glossierungen; die Nr. 657 aber ist noch ein in der Tradition verwurzeltes Korpus. Von den Nachtragshandschriften in Band 5 ließ sich St. Paul, Stiftsarchiv 903/0 an den Clm 6277 anschließen (siehe oben), die restlichen vier Handschriften zählte Steinmeyer als Nr. 657e–h weiter (5,26f.). Von all diesen acht Handschriften enthalten vier Parallelglossen zu der Glossierung des Clm 21525.

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Basel, ÖBU B. VII. 18 – BStK 28 Süddeutschland, 2. Hälfte 10. Jh. Die Handschrift enthält 5 althochdeutsche Glossen, 4 mit Feder, eine mit Griffel eingetragen (StSG 2,244; Nievergelt 2017b: 130). Die Federglossen stammen alle von derselben, recht groben Hand, die auch wenig Lateinisches beifügte (z. B. f. 53r und 56v). Die Parallelglossen schaffen keinen Bezug zum Clm 21525, handelt es sich bei ihnen doch um zwei Glossen zu einem Zitat aus Ez, die in sehr vielen Cura-Glossenfamilien und Bibelglossierungen stehen: Hand B: F157 (sek.). – Hand I: F155. Mit einem anderen althochdeutschen Wort ist das Lemma zu F104 glossiert (StSG 2,244,1). Nr. 657c: Kassel, GHB LB MB 2° theol. 32 – BStK 330 Südengland, 2. Hälfte 8. Jh., ab 9. Jh. in Fulda. Die Handschrift enthält an althochdeutschen Cura-Textglossen zwei Federglossen (StSG 4,330) und einige Griffelglossen, von denen bislang vier entziffert wurden (Hofmann 1963: 128; Siewert 1989: 37– 39). Zwei Griffelglossen bilden Parallelglossen zu den folgenden Glossen des Clm 21525: Nicht best. Hand: F118. – Griffelglossen: G14*, G13–16 und F91 und F92 stehen zu denselben Stellen wie Griffelglossen in der Handschrift in Kassel (vgl. auch die Liste bei Hofmann 1963: 128), teilweise mit ähnlichen Interpretamenten (G17), doch sind die betreffenden Textwörter bzw. die ganze Passage generell oft glossiert worden. Singulär ist die Griffelglossen-Parallele zu G14. Nr. 657g: Wien, ÖNB 772 – BStK 923 Salzburg, 1. Hälfte 12. Jh. Der Codex enthält, umrahmt von einer Oratio und neumierten Hymnen, den Werktext der Regula pastoralis. Auf f. 88r, unten im Textspiegel ist, vom Text einer Hymne überschrieben, mit spitzem Griffel in Hohlcapitalis der Name BALDEVVINVS eingeritzt. (Mit Griffel ist auch f. 86v, marg. links eine Manicula eingetragen.) Der Text ist an einer einzigen Stelle deutsch glossiert worden (StSG 5,27,1). Reiffenstein (2009: 1433) weist die Handschrift der Glossenfamilie Nr. 638 zu; Steinmeyer zieht sie zur Nr. 657. Die eine althochdeutsche Textglosse kommt in mehreren Glossenfamilien (Nr. 637, 638, 639, 640) vor und besitzt auch eine Parallelglosse im Clm 21525, Hand A: F3. Die Nähe zu den anderen Glossenfamilien wäre daher gegebenenfalls über lateinische Glossen zu erschließen. Außer einer Scholie f. 73r, marg. rechts neben Z. 22 (eine Worterklärung zu sidon in 3,28) handelt es sich bei den lateinischen Interlineareinträgen jedoch um die Kennzeichnung von Textvarianten (bzw. die Wörter der Edition): f. 13v, Z. 25, promissionis – sponsionis; f. 18r, Z. 12, ostendebat – exhibebat; f. 22v, Z. 3, pastoris – rectoris; f. 26v, Z. 11, meditationis – cogitationis; f. 26v, Z. 11, repugnare – resultare; f. 38v, Z. 16, vincuntur – subiciuntur (Ed. subiguntur); f. 39r, Z. 21, computatis – compositis; f. 47v, Z. 5, fatigatius – fugatius; f. 66v, Z. 29, bene – plene; f. 69v, Z. 17, amantes – manentes (identisch als Griffelglosse in St. Gallen, Stiftsbibliothek 219, p. 185, Z. 11. Vgl. Nievergelt 2009a: 125);

Die Glossen | 657

f. 70r, Z. 12, lectū – delictum; f. 73v, Z. 1, ardentioribus – ardoris; f. 76v, Z. 27, uiuentibus – degentibus; f. 87v, Z. 20, quibusdā – quiddam. Nr. 657h: München, BSB Clm 4614 – BStK 488 Benediktbeuren, um 800. Es handelt sich um eine der ältesten althochdeutsch glossierten Handschriften, und sie enthält nach heutigen Erkenntnissen auch die meisten Glossen. Bei diesen handelt es sich zur Hauptsache um Griffelglossen, deren Anzahl über 1000 liegt. Hinzu kommen noch ganz wenige Federglossen. Die ersten Glossen (Feder- und Griffelglossen) edierte Steinmeyer (StSG 5,27,3–6. 19–21), weitere Bischoff (1928: 739f.) und Thoma (1963: 243). Eine neue Edition wird von Andreas Nievergelt vorbereitet (vgl. BStK online). Aus den bislang rund 50 edierten Glossen geht kein Bezug zum Clm 21525 hervor. In den noch zu veröffentlichenden Griffelglossen tauchen einige Parallelen auf, doch bleiben sie eher die Ausnahme. Wir geben ein Beispiel: Eine Parallelglosse zu F178 (unbestimmte Hand) im Clm 21525. Nach einem ersten Eindruck zu urteilen, enthält der Clm 4614 eine ursprüngliche, autarke Cura-Textglossierung. 5.3.5.2.19 Die Parallelüberlieferung in Hss., die nicht in StSG erfasst sind Würzburg, UB M. p. th. f. 42 – BStK 988 Unklare Schriftheimat, vielleicht Fulda, Ende 9. Jh. Der Codex enthält den Werktext mit 11 althochdeutschen und etwas mehr lateinischen Textglossen von mehreren ungefähr gleichzeitigen Händen, die auch den Text korrigierten (vgl. Hofmann 1963: 115). Sowohl die althochdeutschen als auch die lateinischen Glossen sind vielfältig mit anderen Regula pastoralis-Glossierungen verbunden. Vier Parallelglossen verbinden sie mit dem Clm 21525: Hand F (?): L105. – Hand I: L113. – Hand K: F174. – Hand L: F182, letztere hat die Familie Nr. 638 mit Würzburg, UB M. p. th. f. 42 allein gemeinsam. Augsburg, Archiv des Bistums Augsburg Hs. 4 – BStK 13 Vermutlich Füssen, 10./11. Jh. Die Handschrift enthält ungefähr 100 altbairische Textglossen (Mayer 1974: 3–7), zusammen mit vielen lateinischen, die sich gehäuft auf den ersten Seiten der Handschrift befinden. Althochdeutsche und lateinische Glossen stammen von mehreren Händen, unter denen eine verhältnismäßig jung (12./13. Jh.) ist. Einige Glossen sind verblasst, andere durch rigorosen Blattzuschnitt verstümmelt. Ein Teil der Glossen sind bfk-geheimschriftlich aufgezeichnet, dies v. a. althochdeutsche, zu kleinen Teilen auch lateinische. Die Edition von Mayer ist um einige Federglossen zu ergänzen. Außerdem enthält der Codex auch Griffelglossen. Fünf sind althochdeutsch, eine weitere lateinisch (vgl. Nievergelt in Vorb.). Die Blattränder tragen zahlreiche Kritzeleien. Die folgenden althochdeutschen Glossen des Clm 21525 verbinden die Augsburger Handschrift mit diesem: Hand A: F23, F49, F56?, F62 – L3, L4, L6, L25. – Hand B:

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F95, F98 – L47 (sek.), L58 (sek.). – Nicht best. Hände: F40, F43 – L20. – Griffelglossen: G2*. Darunter befindet sich nur eine singuläre Parallele, im Clm 21525 eine Griffelglosse. Die übrigen Glossen sind auch in anderen Handschriften des Öfteren belegt, viele von ihnen in der Glossenfamilie Nr. 638. Als zusätzliche Bezüge sind zu erwähnen, dass die Lemmata von F7, F9, F33 und F41 in Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 lateinisch glossiert sind, das Lemma von L10 althochdeutsch. Die Parallelen sind nicht ausgiebig, unterstreichen aber die weitläufige Verbundenheit der Hände A und B und darin den ‚lateinischen Charakter‘ der Haupthand A. 5.3.5.3 Glossen ohne Parallelglossen Althochdeutsche Federglossen ohne Parallelglossen (67 Glossen) Hand A: F12a, F18, F19, F27, F28, F30, F41, F47, F48, F52, F57, F75a, F82, F84, F85, F101, F102, F179a, F188, F191. Davon ist bei den Glossen F75a, F85 und 179a die Handzuweisung unsicher. – Hand B: F60, F67b, F70, F75b, F77, F81, F90a (sek.), F97, F98, F112, F114, (F132?), F134, F136, F137, F138, F140, F141, F142, F149 (sek.), F153, F159, F161, F163, F166, F179b, F181b, F198, F199, F200. – Hand C: F35, F37, F45. – Hand E: F71? Die Handzuweisung ist unsicher. – Hand F: F109b, F119, F125. – Hand G: F127, F130. – Hand I: F146(a), F147, F151, F152. – Hand J: F167. – Hand M: F195. Zu F193 gibt es in Nr. 638 eine bis auf das Präfix parallele Glosse. – Nicht best. Hände: F131, F156. Althochdeutsche Griffelglossen ohne Parallelglossen (95 Glossen) G1, G3, G4, G5, G7, G8, G9, G10, G11, G12, G15, G16, G17, G18, G19, G20, G21, G22, G23, G24, G25, G26, G27, G28, G29, G30, G31, G32, G33, G34, G35, G37, G38, G39, G40, G41, G42, G43, G44, G45, G46, G47, G48, G49, G50, G51, G52, G56, G57a, G57b, G58, G59, G60, G61, G62, G63, G64, G66, G67, G68, G71, G72, G73, G75, G76, G78, G79, G80, G82, G83, G84, G85, G86, G87, G88, G89, G90, G91, G92, G93, G94, G95, G96, G97, G98, G99, G100, G101, G102, G103, G104, G105, G106, G108, G109. Bei der resthaften G69 ist die Situation unklar. Althochdeutsche Farbstiftglossen ohne Parallelglossen (11 Glossen) FS1, FS2, FS3, FS4, FS7, FS9, FS11, FS12, FS13, FS14, FS15. Lateinische Glossen ohne Parallelglossen in den hier untersuchten Handschriften Keine Parallelglossen in den untersuchten Handschriften haben 48 lateinische Glossen: Hand A: L2, L30, L86, L88, L98, L99, L103, L108, L115, L117, L123. Bei L98 und L108 ist die Handzuweisung unsicher. L98 ist vielleicht keine Glosse. – Hand B: L32b (sek.), L36b (sek.), L38, L42, L57, L58, L60a, L64, L110, L129. Bei L38, L108 und L110 ist die Handzuweisung unsicher. – Hand D: L53, (L55), L56, L66. Sehr unsicher Hand D ist L45. L55 könnte eine Textkorrektur sein. – Hand E: L69. – Hand F: L84. –

Die Glossen | 659

Hand G: L194, L106. Bei L106 ist die Zuweisung der Hand unsicher. – Hand I: L112, L115?, L116. – Hand M: L126. – Nicht best. Hände: L15, L19, L35, L45 (Hand D?), L68, L70, L73, L102, L111, L119, L121, L130, L131, L132, L133 und L134. Weitere 16 lateinische Glossen haben Parallelglossen, aber nicht im Clm 6277 und Clm 18550a: Hand A: L16, L22, L37, L46, L87, L120, L122. – Hand B: L33a (sek.), L114b (sek.). – Hand E: L75. – Hand F: L100. – Hand I: L113. – Hand L: L118. – Hand M: L124, L125. – Nicht best. Hand: L40. 5.3.5.4 Die Entstehung der Glossierung Kopiervorlagen in der Parallelglossierung In die Glossierungsschichten des Clm 21525 zusammengeführt, zeichnen sich in der Parallelglossierung schemenhaft die Kopiervorlagen ab:60 Hand A Die Glossen von Hand A besitzen Parallelglossen in 25 Glossenbeständen in 23 Handschriften. Betroffen sind 18 Glossenfamilien, die Nr. 637, 638, 639, 640, 641, 642, 643, 645, 646, 647, 648, 649, 650, 651, 653, 654, 656, 657: Clm 6277 (12+44), St. Paul, Stiftsarchiv 903/0 (1+0), Clm 18140 (50+9), Clm 19440 (52+9), Wien, ÖNB 2723 (51+11), Wien, ÖNB 2732 (51+11), Clm 14689 (16+0), Wien, ÖNB 804 (2+1), Wien, ÖNB 949 (1+0), Würzburg, UB M. p. th. q. 60 (2+?), Basel, ÖBU B. V. 21 (2+3), Clm 3767 (5+0), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (13+2), Sélestat, BH Ms. 7 (11+0), St. Florian, BAC III 222 B, Textglossen (2+0), Clm 18550a, Textglossen (9+46), Clm 18550a, Glossar (14+0), St. Florian, BAC III 222 B, Glossar (5+0), Wien, ÖNB 949 (1+0), Zürich, ZB Ms. Rh. 35 (4+1), Karlsruhe, BL St. Peter perg. 87 (1+0), Clm 27152 (1+0), St. Gallen, Stiftsbibliothek 217 (1+1), St. Gallen, Stiftsbibliothek 219 (2+1), St. Gallen, Stiftsbibliothek 220 (2+0), Wien, ÖNB 772 (1+0), Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 4 (4+4). Die Zahlen kommen höher zu liegen, wo die radierten Glossen von Hand A stammten. Der Eindruck einer äußerst weitverzweigten Vernetzung ist schwierig in Fakten zu überführen, solange die Parallelglossenverhältnisse unter den anderen Handschriften noch nicht ausgezählt sind. Deutlich wird aber, dass Hand A mengenmäßig stark verbunden ist mit den Textglossen des Clm 6277 und Clm 18550a und den Glossaren des Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732, also dem bairischen Raum, wozu auch mit deutlich weniger Parallelglossen der Clm 18550a, Glossarteil und St. Florian, BAC III 222 B gehören. Ebenfalls noch deutlich, aber schwächer ist die Verbindung zu dem Raum Augsburg-Zwiefalten mit den Glossaren St. Paul, Stiftsarchiv 82/1, Sélestat, BH Ms. 7. Sporadisch und nicht aus-

|| 60 Die Zahlenangaben in Klammern bezeichnen die Anzahl an althochdeutschen und lateinischen Parallelglossen.

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sagekräftig ist die Verbindung zu anderen Schreiborten, etwa St. Gallen. Über die Textglossierung ist Hand A besonders eng mit dem Clm 6277 und dem Clm 18550a, Textglossen, verbunden, allerdings muss hervorgehoben werden, hauptsächlich durch die lateinischen Glossen. Zum Clm 6277 ist der Anteil an lateinischen Parallelglossen den althochdeutschen gegenüber viermal höher, im Clm 18550a gar fünfmal. Die Anzahl an althochdeutschen Parallelglossen ist dabei nicht wesentlich höher als in anderen Handschriften. Ganz anders präsentiert sich für Hand A das Bild innerhalb der Familie Nr. 638, wo das Zahlenverhältnis von althochdeutschen zu lateinischen Parallelglossen des Clm 21525 durchgehend ungefähr 5:1 zugunsten der volkssprachigen Glossen ausfällt. Die Verhältnisse werden noch plastischer, wenn wir die singulären Parallelen zusammentragen, um so die Nähe zwischen den Glossierungen auf die Probe zu stellen. Hier können wir nur die althochdeutschen Glossen zur Hand nehmen. Für Hand A präsentieren sich die Zahlen wie folgt: Mit dem Clm 6277 teilt Hand A keine einzige singuläre Parallele. 30 sind dagegen zu den Glossaren des Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 zu zählen, 10 zum Clm 18550a (G), 2 zum Clm 18550a (T). Die Nähe der Haupthand A im Clm 21525 zu den Glossaren der Familie 638 ist evident. Von besonderem Interesse ist die ebenfalls deutliche Nähe zu den Textglossen im Clm 18550a, doch sind hier die Verhältnisse erst zu klären, wenn dort alle Glossen erhoben sind. Zum Freisinger Clm 6277 besitzt Hand A dagegen eine unspezifische Beziehung, wie sie bestehen kann, wenn zwei Glossierungen aus Vorlagen geschöpft wurden, die umfangreich und weit verbreitet waren. Da sich die Handschriften am selben Ort befanden, könnten die Vorlagen zu den betreffenden Parallelglossen identisch gewesen sein. Hand B Die Glossen von Hand B besitzen althochdeutsche Parallelglossen in 19 Handschriften und lateinische Parallelglossen in 2 weiteren althochdeutschen Glossenhandschriften: Clm 6277 (10+5), Clm 18550a, Textglossen (5+4), Clm 18550a, Glossar (5+1), Clm 18140 (11+1), Clm 19440 (12+2), Wien, ÖNB 2723 (13+2), Wien, ÖNB 2732 (13+2), Clm 14689 (5+0), Clm 3767 (3+0), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (5+1), Sélestat, BH Ms. 7 (5+1), St. Florian, BAC III 222 B, Glossar (1+1), Fulda, HLB Aa2 (0+1), St. Omer, BM Ms. 150 (0+1), Augsburg, Archiv des Bistums Augsburg Hs. 4 (2+2), Basel, ÖBU B. V. 21 (1+0), Basel, ÖBU B. VII. 18 (1+0), St. Gallen, Stiftsbibliothek 216 (1+0), St. Gallen, Stiftsbibliothek 219 (1+2), St. Gallen, Stiftsbibliothek 220 (1+0), Wien, ÖNB 949, Textglossen (2+1). Nach Anzahl der Handschriften präsentieren sich die Glossen von Hand B ähnlich weitläufig vernetzt wie diejenigen von Hand A. Doch liegen die Verhältnisse völlig anders. Eine direkte Verbindung zu der gemeinsamen Vorlage der Freisinger Textglossen ist ebenso wenig nachzuweisen wie ein unmittelbarer Zusammenhang mit den Mondseer Glossaren. Denn die Parallelglossen der Hand B – althochdeutsche und lateinische –, die Hand B gemeinsam mit dem Clm 6277 und dem Glossar im Clm 18550a hat, bestehen – mit ganz wenigen Aus-

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nahmen – aus den Zweitglossen für radierte Vorgängerglossen. Dasselbe gilt für die Parallelglossen mit St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 und Sélestat, BH Ms. 7. Die Ausnahme in Form einer Parallelbelegung im Clm 6277 ist eine Farbstiftglosse. Was die althochdeutschen Textglossen im Clm 18550a betrifft, gibt es Spuren zu dortigen eingeritzten Glossen und bislang ungelesenen, verblassten Marginalglossen (vgl. Nievergelt, in Vorb.). Die Parallelglossen, die Hand B mit den Mondseerglossaren gemein hat, bestehen nebst wenigen ‚echten‘ ebenfalls aus Zweitglossen auf Rasuren. Hinzu kommen hier noch Glossen mit Unsicherheiten der Zuweisung an Hand B. Die Parallelglossen in den weiteren Handschriften sind fast nur einmalige und wirken dementsprechend zufällig mit denjenigen von Hand B verbunden, die zudem zum großen Teil ebenfalls sekundäre sind. Ein eigenständiges Profil gewinnt die Glossierung von Hand B darin, dass 33 Glossen ohne Parallelglossen stehen, unter welchen nur zwei radierte ersetzen. Damit tritt der Glossator als Bearbeiter der älteren Federglossierung in Erscheinung – mit großer Distanz zu deren Vorlagen –, der dort, wo er nicht alte Glossen ersetzte, Glossen aus einer anderen Vorlage abschrieb, von der wir sonst keine Spuren besitzen, oder aber original glossierte. Die althochdeutschen singulären Parallelen in den Glossen von Hand B zu anderen Handschriften bestehen in 4 zum Clm 6277, 6 zu den Glossaren der Gruppe 638, 2 zum Clm 3767, 3 zu den Textglossen im Clm 18550a und 2 (sekundäre) zu dessen Glossar, also in deutlich weniger Beziehungen, verglichen mit Hand A. Hand C Die Glossen von Hand C besitzen 2 Parallelglossen in 5 Handschriften: Clm 18550a, Glossar (1), Clm 18140 (1), Clm 19440 (1), Wien, ÖNB 2723 (1), Wien, ÖNB 2732 (1), die Parallele zu der Gruppe 638 ist singulär. Mit den Textglossen im Clm 18550a hat Hand C vielleicht eine lateinische Glosse gemeinsam. Die wenigen restlichen Glossen sind nicht parallel belegt. Hand D Die lateinischen Glossen von Hand D besitzen 1 Parallelglosse im Clm 6277. (Unsicher ist die Handzugehörigkeit der Parallelglosse F64.) Hand E Zu 3 der 4 lateinischen Glossen von Hand E enthält der Clm 6277 Parallelglossen. Hand F Hand F ist durch Parallelglossen eng mit dem Clm 6277 (2) und dem Clm 18550a, Textglossen (6) verbunden, und zwar (bis auf eine unsichere) über sämtliche lateinische Glossen dieser Hand. Die 3 althochdeutschen Glossen stehen dagegen ohne Parallelbelegung da. 2 lateinische Parallelen existieren zu Fulda, HLB Aa2 und St. Omer, BM Ms. 150, 1 zu Basel, ÖBU B. V. 21, Zürich, ZB Ms. Rh 35, Karlsruhe, BL

662 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

St. Peter perg. 87, zum Clm 14409, zu St. Gallen, Stiftsbibliothek 219, Würzburg, UB M. p. th. f. 42. Hand G Die Glossen der Hand G haben Parallelglossen in 7 Handschriften: im Clm 6277 (2) und den bairischen Glossaren Clm 18140 (3), Clm 19440 (3), Wien, ÖNB 2723 (2), Wien, ÖNB 2732 (2), 1 Glosse haben sie zudem singulär mit St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 und Sélestat, BH Ms. 7 gemein. Zum Clm 18550a ist keine Verbindung sichtbar. 2 Glossen sind ohne Parallelen. Hand H Die wenigen Glossen von Hand H besitzen alle Parallelglossen, und dies in 10 Handschriften: Clm 6277 (4), Clm 18550a, Textglossen (1), Clm 18140 (4), Clm 19440 (4), Wien, ÖNB 2723 (4), Wien, ÖNB 2732 (4), Clm 14689 (3), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (1), Sélestat, BH Ms. 7 (1), Basel, ÖBU B. V. 21 (1). Es handelt sich um Glossen, die diese Handschriften auch unter sich teilen, die also vielleicht so etwas wie einem Grundbestand angehörig sind. Eine Parallele zur Gruppe 638 (F123) ist singulär. Hand I Die Glossen von Hand I besitzen Parallelglossen in 12 Handschriften: Clm 6277 (2+1), Clm 18550a, Glossar (1), Clm 18140 (1), Clm 19440 (1), Wien, ÖNB 2723 (1), Wien, ÖNB 2732 (1), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (1), Sélestat, BH Ms. 7 (1), St. Florian, BAC III 222 B (1), Basel, ÖBU B. V. 21 (1), Basel, ÖBU B. VII. 18 (1), München, Clm 14409 (1), zur Hauptsache durch die weit verbreitete Glosse F155. Über diese und Hand I besteht auch die einzige Verbindung zur Glossierung des ebenfalls aus Freising stammenden Clm 14409. Vier althochdeutsche Glossen von Hand I sind nicht parallel belegt, was auch für sämtliche lateinischen Glossen gegenüber dem Clm 6277 und Clm 18550a gilt. 1 lateinische Parallele führt zu Würzburg, UB M. p. th. f. 42. Hand J Von den zwei Glossen dieser Hand steht eine auch in den Mondseer-Glossaren Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732. Die andere ist nicht parallel, aber als Interpretament zum selben Lemma mehrfach im Clm 6277 belegt. Hand K Die drei Glossen von Hand K tauchen sämtliche parallelbelegt in 8 Handschriften auf: in Clm 6277, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723 und Wien, ÖNB 2732 (je 2) sowie in St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (1), Sélestat, BH Ms. 7 (1) und Würzburg, UB M. p. th. f. 42 (1). Beide Parallelen zu der Glossargruppe 638 sind singuläre.

Die Glossen | 663

Hand L Die althochdeutschen Glossen von Hand L sind, ähnlich wie diejenigen von Hand K, sämtliche parallelbelegt. 9 Handschriften: Clm 6277 (2), Clm 18550a, Glossar (1), Clm 18140 (5), Clm 19440 (4), Wien, ÖNB 2723 (5), Wien, ÖNB 2732 (5), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (1), Sélestat, BH Ms. 7 (1) sowie in Würzburg, UB M. p. th. f. 42 (1). Eine Parallele zu den Glossaren der Familie 638 ist singulär (F180). Die lateinische Glosse hat im Clm 6277 und Clm 18550a keine Parallele. Hand M Die althochdeutschen Glossen von Hand M haben wenige Parallelglossen in 8 Handschriften: Clm 6277 (1), Clm 18550a, Textglossen (3), Clm 18140 (4), Clm 19440 (4), Wien, ÖNB 2723 (4), Wien, ÖNB 2732 (4), Clm 14689 (1), Karlsruhe, BL Aug. CCXX (1), 2 davon singulär parallel zu den Glossaren der Gruppe 638 (F193, F196), weitere 2 zum Clm 18550a, Textglossen (F192, F194). 2 althochdeutsche Glossen von Hand M sind nicht parallel belegt, und die lateinischen haben im Clm 6277 und Clm 18550a keine Parallelen. Eine Besonderheit in der Verbindung zum Clm 18550a besteht darin, dass die Parallelglossen dort alle Griffelglossen sind. Hand M stellt auch die einzige Federglossenverbindung zur althochdeutschen Glossierung von Karlsruhe, BL Aug. CCXX her, die sonst zu auffällig vielen Griffel- und Farbstiftglossen des Clm 21525 Parallelglossen aufweist. Nicht bestimmte Hände Die beiden Glossen F40 und F43, die von nicht bestimmten Händen stammen, haben Parallelglossen im Clm 6277, Clm 18140, Clm 19440, Wien, ÖNB 2723, Wien, ÖNB 2732, Clm 14689, Augsburg, Archiv des Bistums Augsburg Hs. 4 und Clm 3767. Unter den nicht bestimmten Händen kann außerdem die Hand der radierten Glossen auf f. 66v erwähnt werden, zu deren Glossen eine Parallelglosse im Clm 4614 steht. Griffelglossen Zu 16 Belegen unter den Griffelglossen finden sich Parallelglossen in 13 Handschriften: Clm 6277 (8), Clm 18550a, Glossar (2), Clm 18140 (4), Clm 19440 (4), Wien, ÖNB 2723 (3), Wien, ÖNB 2732 (3), Augsburg, Archiv des Bistums Augsburg Hs. 4 (1), St. Florian, BAC III 222 B (1), St. Paul, Stiftsarchiv 82/1 (2), Sélestat, BH Ms. 7 (1), Karlsruhe, BL Aug. CCXX (3), Kassel, GHB LB MB 2° theol. 32 (1), Wien, ÖNB 949 (1). Durch singuläre Parallelen sind die Griffelglossen insbesondere mit dem Clm 6277, aber auch dem Glossar im Clm 18550a verbunden. Farbstiftglossen Die Farbstiftglossen haben Parallelglossen in 4 Handschriften: Clm 18550a, Glossar (4), Karlsruhe, BL Aug. CCXX (2), St. Gallen, Stiftsbibliothek 219 (1), Zürich, ZB Ms. Rh. 35 (1), unter welchen sowohl der Clm 6277 als auch die Mondseer-Glossare feh-

664 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

len. Über 2 singuläre Parallelen besteht eine besondere Nähe zum Clm 18550a, über 1 zu Kassel, GHB LB MB 2° theol. 32 und Augsburg, Archiv des Bistums Augsburg Hs. 4. Zwischenfazit zu den Kopiervorlagen Was die Beziehungen zu den besonders eng verbundenen Glossierungen des Clm 6277 und des Clm 18550a betrifft, zeigen sich unter den ‚kleinen Händen‘ (Hände C– M) einige Übereinstimmungen: Die Hände C und J zeigen keine Verbindungen zum Clm 6277, die Hände D, E, G, I, J, K und M keine zu den Textglossen im Clm 18550a, die Hände C, D, E, F, G, H, J, K, M keine Bezüge zum Glossar des Clm 18550a. Der Clm 6277 ist also mit den mehrheitlich späteren Glossierungsvorgängen des Clm 21525 stärker verbunden als der Clm 18550a, der sichtbar in den Hintergrund rückt. Zu den Mondseer Glossaren weisen nur die Glossen der Hände D und F keine Verbindung auf. Auch die kleinen Hände stehen also mehrheitlich wie Hand A im Zusammenhang mit der Mondseer Glossatur. Die Hände H, K und L sind die einzigen Hände, die keine Glossen schrieben, die nicht sonst wo auch belegt sind. Hand B und Hand M weisen Parallelen zu Griffelund Farbstiftglossen in anderen Handschriften auf. Was die Zugehörigkeit zur althochdeutschen Überlieferung anbelangt, ist damit der Clm 21525 als einzige Textglossenhandschrift tatsächlich zu den Mondseerglossaren beziehungsweise in die Cura-Glossenfamilie 638 zu stellen, wie dies schon die ältere Forschung – an erster Stelle Steinmeyer – praktiziert hatte. Nimmt man auch die lateinische Glossierung in den Blick, verschieben sich die Verhältnisse. Die deutlich lateinische Prägung der Querverbindung zu den Glossen des Clm 6277 zeigt sich auch in einigen ‚kleinen‘ Händen, die ausschließlich lateinische Parallelglossen mit dem Clm 6277 haben (Hand D, E, F). Skizzierung der Entstehung der Glossierung Die Entstehung der Glossierung des Clm 21525 kann aus diesen Beobachtungen wie folgt skizziert werden: Als erste Glossen dürften althochdeutsche Farbstiftglossen und sporadische Griffelglossen in die Handschrift eingetragen worden sein. Diese Glossierungen sind von geringem Umfang und stammen aus unterschiedlichen Glossierungsarbeiten, die nicht allzu lange nach Entstehung der Handschrift eingesetzt haben dürften. In den Farbstiftglossen gibt es Nachweise, dass sie mit Vorlagen des Glossars im Clm 18550a verbunden werden können, zu welchem sie, was die Niederschrift anbelangt, ungefähr gleich alt sind. Die sporadischen Griffelglossen befinden sich in dem vorderen Handschriftenteil. Zeitgleich oder wenig später wird der Teil des Codex mit Griffel glossiert, der heute bei f. 140 anfängt. Diese Griffelglossierung zeigt sich besonders dicht angelegt. Anders als die Farbstiftglossen zeigen diese Griffelglossen eine ausgeprägte Nähe zum Clm 6277, mit dem sie 5 singuläre Parallelen teilen. Glossen, die gegenüber dem Clm 6277 um wenige Wörter

Die Glossen | 665

‚verschoben‘ im Clm 21525 stehen (siehe G57b), könnten darauf hinzeigen, dass eine Textglossierung als Vorlage benutzt wurde. Es handelt sich bei diesen ‚verschobenen‘ Glossen um Parallelglossen, die zum selben lateinischen Wort, aber nicht an identischer Stelle stehen. Sie sind oft an ihrer formalen Inkongruenz zu erkennen. Zieht man in Betracht, dass diese Textglossierung mithilfe von Unterlagen erfolgte, müssten diese entweder rein volkssprachig gewesen sein oder aber die Glossatoren haben daraus nur volkssprachige Glossen verwendet. Unklar ist, inwiefern Veränderungen in der Schrift, die auf eine zusätzliche Schicht hindeuten, auf eine nachträgliche, neuerliche oder gleichzeitig durchgeführte weitere Griffelglossierung zurückzuführen sind. Mit Hand A setzt zu einem unbekannten Zeitpunkt, frühestens noch im späten 9. Jahrhundert, vermutlich aber erst im 10. Jahrhundert eine systematische Glossierung mit Feder ein. Sie steht im Rahmen einer Verbesserung der Textgestaltung durch Querverweise auf Bibelstellen, an welcher die Hand auch beteiligt ist. Die Glossen dieser Hand sind in der Cura-Glossierung äußerst weitläufig vernetzt. Durch singuläre Parallelen zeigt sich die Hand sehr eng mit den lateinisch-bairischen Glossaren der Mondseer-Curaglossare und dem Glossar im Clm 18550a verbunden. Die offensichtlichen Verbindungen auch zum Clm 6277 und den Textglossen im Clm 18550a sind besonders stark von lateinischen Parallelen geprägt, die auch zu den Mondseer Glossaren existieren. Hand A dürfte mit Glossaren gearbeitet haben. Hinweise liefern ‚verschobene Glossen‘ wie F39 und F132, die in einer größeren Entfernung zum ursprünglichen Lemma stehen. Die weite Vernetzung, die in verwandten Glossierungen aber nirgendwo eine besonders ähnliche Zusammenstellung der Glossen aufweist, zeigt den Glossator als unabhängig mit seinen Vorlagen verfahrenden Kommentator, der auswählt und – indem viele Glossen keine Parallelen besitzen – vielleicht auch original glossiert. Dabei könnten auch diejenigen Glossen entstanden sein, deren Lemmata anderswo lateinisch glossiert sind. (Solche Glossen sind dahin zu überprüfen, ob sie sich auf jene lateinischen Interpretamente beziehen.) Er schreibt in einer Sprache, die, aus ihrem Lautstand geschlossen, eine der gegebenen Zeit gewesen sein könnte, also vielleicht seine eigene war. Möglicherweise ist sie in den Glossen ohne Parallelen am besten zu sehen. Bei der Übernahme von Wörtern aus der Vorlage führt der Glossator Anpassungen durch. Vermutlich nicht viel später wird der Werktext einer Revision unterzogen. Ein Korrektor, der sich in einer Subskription Alprat nennt, tilgt einen Teil der bestehenden Glossen, um sie entweder zu entfernen, oder dann identisch – als Hand B – auf derselben Stelle oder in der Positionierung verändert wieder hinzusetzen. Dazu zeichnet er eine Reihe weiterer althochdeutscher und lateinischer Glossen auf. Dabei benutzt er Vorlagen, verfasst aber auch eine größere Zahl von Glossen, zu denen keine Parallelglossen vorzubringen sind. Dass er kopiert, ist ebenfalls an ‚verschobenen‘ Glossen zu erkennen, wie schon Steinmeyer zeigte (StSG 5,463,1), ein Fall, der auch vermuten lässt, dass die Vorlagen in Glossaren und nicht in einer Textglossierung bestanden. Anders als Hand A scheinen Hand B Vorlagen zur Verfügung

666 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

gestanden zu haben, die nicht mehr oder nur noch unsicher in die bairischen Traditionen eingebunden waren, in welchen das Glossar des Clm 18550a und die Salzburger Glossare stehen und aus denen noch die Tegernseer Glossare hervorgingen. Ähnlich wie der Glossator hinter Hand A arbeitet derjenige hinter Hand B offenbar unabhängig von einer bestimmten Vorlage. Die spätalthochdeutschen Anzeichen in seinen Glossen können als Spuren des Gebrauchs der eigenen Sprache betrachtet werden. Mit dem Wechsel von Hand A zu Hand B findet auch ein stilistischer Umschwung statt. Hand A wirkt kultivierter als Hand B, die in der Subskription auch einige Schreibschwächen zeigt. Auch die Folgehände sind im Überblick beurteilt nicht überaus gut geschulte. In dieser letzten Phase der althochdeutschen Glossierung der Handschrift können auch noch wenige Griffelglossen hinzugekommen sein. Die Glossierung des Clm 21525 zeigt damit eine komplexe Abfolge und Verflechtung von kopialen und originalen Glossierungen im selben Überlieferungsträger, bei welcher die Originalglossierung nicht den alternativen Techniken vorbehalten war, die Parallelüberlieferung in Handschriften mit derselben Provenienz in ganz unterschiedlicher Weise in die kopialen Vorgänge eingebunden erscheint und zudem Vorlagen von Glossator zu Glossator in individueller Entscheidungsgewalt benutzt wurden.

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 | 667

5.4 Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

Hand62 Glossened.63

F1

2v, 13

pastoralis

Praef; 124,3

piscophtuomlih..

A

StSG 2,177,1

F2

2v, 14

pondera

Praef; 124,3

suvari

A

StSG 2,177,5

F3

2v, 15

delitiscendo

Praef; 124,3

loscento

A

StSG 2,177,7

L1

2v, 15

fugere delitiscendo uoluisse

Praef; 124,3

s· quasi me

A



F4

2v, 16

intentione

Praef; 124,4

anadahtungo l râne

A

StSG 2,177,12

F5

2v, 17

reprehendis

Praef; 124,5

lastros

A

StSG 2,177,15

F6

2v, 18, l

(stilo)

Praef; 124,6

g.scripe

A

StSG 2,177,17: giscripe

L2

2v, 18

exprimo

Praef; 124,6

ostendo

A



F7

2v, 19

penso

Praef; 124,7

pidencho

A

StSG 2,177,18

L3

2v, 20

haec qui uacat

Praef; 124,7

s, pondera qui non hab&

A



L4

2v, 20

non expetat

Praef; 124,7

i· non cupiat

A



F8

2v, 21, l

(adeptum)

Praef; 124,8

|amahhen

B

StSG 2,177,20: ..mohhen

F9

3r, 2

allegationibus

Praef; 124,11

redun

A

StSG 2,177,21

L5a

3r, 4

exposcit

Praef; 124,13

exigit

A



L5b

r

()

ud c(…)

A?



ud constituantur episcopi

B



L5c F10

3r, 5

culmen

Praef; 124,13

hertuom

A

StSG 2,177,23

L6

3r, 6

rite

Praef; 124,14

s, culmen

A



L7

3r, 8

infirmitatem

Praef; 124,16

s, pensandum est

A



L8

3r, 9

consideratione Praef; 124,16

s, pensatione

A?

StSG 2,177,A.6: ...sa…ne

L9

3r, 10

ne aut humilitas Praef; 124,17

·i· si dignum se sciat

A



|| 61 Position des Lemmas (Folio, Zeile). Falls nicht anders vermerkt, handelt es sich um Interlinearglossen. Bei marginaler Position ist das Lemma eingeklammert und die Position der Glosse erscheint ebenfalls in dieser Spalte (l = links; r = rechts; o = oben; u = unten). Annotieren mehrere Glossen dasselbe Lemma, wird auf eine erneute Angabe von Position, Lemma und Textstelle verzichtet; nur von der ersten Glosse abweichende Angaben sind aufgeführt. 62 Eine Handunterscheidung wurde nur bei Federglossen durchgeführt. Bei nicht bestimmten Händen steht nur ein Fragezeichen. Bei Griffel- und Farbstiftglossen bleibt die Spalte leer (vgl. dazu Kap. 5.3.2 und Kap. 5.3.3). 63 Wenn nicht anders vermerkt, handelt es sich um die Erstedition. Ansonsten wird die Edition bei StSG 2 zitiert.

668 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

F11

3r, 10, r

(peruentioni)

Praef; 124,17

piquemin|

Hand62 Glossened.63 A?

StSG 2,177,26: piquem… (zum Lemma accessum)

F12a 3r, 12

destituat

Praef; 124,18

F12b

pigepa

A

StSG 2,177,29,A.10

firlaze

A

StSG 2,177,29

F13

3r, 15, r

(commendet)

Praef; 126,21

gilivpe

A?

StSG 2,177,34

L10

3r, 18

propagetur

Praef; 126,23

·i dilat&tur

A



L11

3r, 18

superest

Praef; 126,23

dec&

A?M? –

L12

3r, 20

haec

Praef; 126,25

s, opera

A



F14

3r, 21, r

(tumor)

Praef; 126,25

.puriti

A?

StSG 2,177,39, A.13: irpur

L13

3r, 21

elationis

Praef; 126,26

superbie

A?



F15a 3r, 22, r

(metiri)

Praef; 126,28

pidenchan

B

StSG 2,177,41

F15b u

()

pidench

A?



F16

3v, 5, l

(praecipites)

Praef; 126,31

kaha

A?



L14

3v, 7, l

(ausibus)

Praef; 126,33

gustib,

A?



L15

3v, 7, l

(in ipsa?)

Praef; 126,33

abipsa

?



F17

3v, 11

temeritate

1,1; 128,4

frapaldi

A

StSG 2,177,49

F18

3v, 13

uiscerum

1,1; 128,6

inuplo

A

StSG 2,177,51

L16

3v, 18

reuerentiam

1,1; 130,10

fidem

A



F19

3v, 19

culmen

1,1; 130,11

heri

A

StSG 2,177,52

F20

3v, 21

affectant

1,1; 130,13

minnont

A

StSG 2,177,53

1,1; 130,13

ł desiderant

A



1,1; 130,15,A.

heimgarte

B

StSG 2,177,54:

L17 F21

5r, 1, r

(foro)

heimgârte

L18

5r, 4

ministrare

1,1; 130,17

regere

A



F22

5r, 8

aliud

1,1; 130,19

ein

A

StSG 2,177,56

F23

5r, 9

queritur

1,1; 130,21

stovuot

A

StSG 2,177,57

F24

5r, 13

fulti

1,1; 130,24

irpurita

A

StSG 2,178,3

angustantur

?



(…)ustan..

?



L19a L19b r

()

L20

5r, 14

diuinitus

1,1; 130,24

·adeo·

?



L21

5r, 15

adsequuntur

1,1; 130,25

·i· inbonitate

A



L22

5r, 15

internus

1,1; 130,26

cęlestis

A



F25

5r, 17

et prouehit

1,1; 130,26

entifvorit

A

StSG 2,178,5

G1

5r, 17

quoniam quos

1,1; 130,27

pidiu de soa(…)





L23

5r, 18

tolerat

1,1; 130,27

xps

A



L24

5v, 6

qui ea

1,1; 132,36

·i qui opera

A



Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 | 669

Nr.

Pos.61

Lemma

L25

5v, 8

ignorat

Textstelle; Ed. Interpretament 1,1; 132,37;

Hand62 Glossened.63

deum

A



ab eo

A



I Cor 14,38

L26

5v, 9

ignorabitur

1,1; 132,37; I Cor 14,38

L27

5v, 10

subiectorum

1,1; 132,40

i discipulorum

A



L28

5v, 11

qui

1,1; 132,40

magistri

A



F26

5v, 12, l

(exigente)

1,1; 132,41

gisculdentero

A

StSG 2,178,7

F27

5v, 14

offendant

1,1; 132,43

missituen

A

StSG 2,178,9

F28

5v, 21, l

(incurua)

1,1; 132,47;

pineigi

A

StSG 2,178,10: ….negi

Ps 68,24

L29

5v, 22

faciae

1,1; 132,48

idem episcopi

A?



L30

4r, 1

quibus

1,1; 132,49

oculis

A



F29

4r, 2, o

(subsequenter) 1,1; 132,49

folgento

A

StSG 2,178,12

L31

4r, 4

qui

1,1; 132,52

i· magistri ·

A



F30

4r, 7, r

(sollerti)

1,2; 134,3

flizlihero

A?

StSG 2,178,15

F31

4r, 10

conculcant

1,2; 134,5

firmanont

A

StSG 2,178,16

(didicerunt)

1,2; 134,6

?liter didicer|

?



aliter didicerimus

B



F32a 4r, 12

inpugnant

1,2; 134,7

vuidarstent

A

StSG 2,178,19

F32b r

()

F33

abrupta

L32a 4r, 11, r L32b

4r, 13

L33a 4r, 17

limpidissimam

vuiderveh|

C

StSG 2,178,19

1,2; 134,7

ohaldi

A

StSG 2,178,22

1,2; 134,10;

purissimam

B



p(…)

?



nuzzun

A

StSG 2,178,23

Ez 34,18

L33b F34

4r, 20

pascebantur

1,2; 134,12; Ez 34,19

F35

4v, 7

sitiunt

1,2; 134,20

kerunt

C

StSG 2,178,26

F36

4v, 8

corruptis

1,2; 134,21

truopten

C

StSG 2,178,27

L34

4v, 10

causa

1,2; 134,2464

origo

C



L35a 4v, 13

delinquentem

1,2; 134,28

culpandem

?



L35b l

()

culpan..

?



F37

4v, 15

extenditur

1,2; 134,29

erpuritvuirdit

C

StSG 2,178,30

F38

4v, 16

ordinis

1,2; 134,30

vuihi

A

StSG 2,178,31

unum de pussillis istis

1,2; 136,33;

pusillus infide

?



Mt 18,6

·i· pusillus infide

B



L36a 4v, 20 L36b l

()

|| 64 Die Textstelle findet sich nicht in SC 381; der Satz in der Hs. lautet: „Causa ruinae popoli sacerdotes mali“.

670 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

Hand62 Glossened.63

F39

6r, 1

asinariam

1,2; 136,35

esilliher

A

StSG 2,178,33

F40

6r, 5

destruit

1,2; 136,39

kirrit

?

StSG 2,178,36

F41

6r, 5

profecto

1,2; 136,39

vuisso

A

StSG 2,178,38

L37

6r, 6

sub exteriori

1,2; 136,40

mundalia

A



F42

6r, 9

utcumque

1,2; 136,42

ziettevuelihero vuis

A

StSG 2,178,39

F43

6r, 13

ne temerare

1,3; 136,4

nigiualgan

?

StSG 2,178,40

F44

6r, 13f.

ne … audeat

1,3; 136,5

.?nigibelde

?

StSG 2,178,40, A.11: „rasur“

F45

6r, 14, r

(impar)

1,3; 136,5

vnvuirdi|

C

StSG 2,178,44

F46a 6r, 17

plures

1,3; 136,7; Iac 3,1 mana gen

F46b r

()

F47

6r, 18

mediator

F48

6r, 19

uitauit

L38

6v, 1

cognito

A

StSG 2,178,47

manag

?



1,3; 136,8

suonari

A

StSG 2,178,49

1,3; 136,9

meid

A

StSG 2,178,50

B?



1,3; 138,A.11–13; facto Io 6,15

L39

6v, 9, l

(ad crucis uero 1,3; 138,18 patibulum sponte conuenit)

|criptum est. Male/ |ictus homo qui pen/ |& in ligno·

A



F49

6v, 11

probrosae

1,3; 138,20

scantlihes

A

StSG 2,178,53

L40

6v, 11

membra

1,3; 138,21

·i· homines·

?



L41

6v, 12

fauores

1,3; 138,21

laudes

A



F50

6v, 15

declinare

1,3; 138,23

pimidan

A

StSG 2,178,56

F51

6v, 22, l

(admissa)

1,3; 138,29

missita/niu

B

StSG 2,178,58

L42

intl.

1,3; 138,29

pecata

B



F52

7r, 2, r

(disciplina)

1,3; 138,30

zuhti

A

StSG 2,178,59

L43

7r, 9

scidit

1,3; 138,36

pallium samuelis ·

A



F53a 7r, 11

caruit

1,3; 138,38

darp&a

B

StSG 2,178,60

&

B

StSG 2,178,60, A.14: „rasur“ StSG 2,178,61:

F53b F54

7r, 12

uulneris

1,3; 138,38

ı manshalti

A?

F55

7r, 13, r

(eneruiter)

1,3; 140,39

vnstatigo

A

StSG 2,178,63

L44

intl.

i· leuiter

A



F56

7r, 16

obstaculo

1,3; 140,41

vuideri

A?

StSG 2,178,69

F57

7r, 16

anhelare

1,3; 140,42

fneha.

A

StSG 2,179,1:

imanshal:ti

fnehan

F58

7r, 18

cum damno

1,3; 140,43

mitscedin

B

StSG 2,179,2

G2

7v, 21

suppetunt

1,4; 142,21

kanuogant





L45

8r, 21

illius

1,4; 144,47

ncbycħ

D?



Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 | 671

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

F59

8v, 4, l

(pro exercitatione)

1,5; 144,4

fonadero opungo

B?

StSG 2,179,13

L46

8v, 7

referti

1,5; 144,6

repleti

A



G3

8v, 9

seueritate

1,5; 144,8

uuot





L47a 8v, 12

adimunt

1,5; 144,10

tollunt

?



L47b l

()

tollunt

B



F60a 8v, 14

lucra

kiuuori

?



F60b l

()

kiuuori

B?

StSG 2,179,21

F61

9r, 7

ad nomen

1,5; 146,27

indenstal

A

StSG 2,179,26

L48

9r, 7

gignat

1,5; 146,28

generat

A



L49

9v, 11

parere

1,5; 148,49

obedire

A?



F62

11r, 14

utrobique

1,7; 152,37

iouuederohalpun

A

StSG 2,179,33

F63

11r, 15

subiectus

1,7; 152,38

gahorsamer

A

StSG 2,179,38

L50

11r, 19

colligant

1,7; 152,41

intellegant

A



F64

11v, 4

que aegit

1,7; 154,48

dioertuot

D?

StSG 2,179,40

F65

11v, 8

instrumentum

1,8; 154,4

lera

A

StSG 2,179,42

F66

11v, 17

fauet

1,8; 154,10

lochot

A

StSG 2,179,44

L51

12r, 1

regendi artifex

1,8; 154,15

·i· paulus·

A?



conponat

1,8; 154,18

giliube

?



regat

A



F67a 12r, 5

1,5; 144,12

L52

Hand62 Glossened.63

F67b r

()

giliube

B

StSG 2,179,46

L53

12r, 12

unde

1,8; 156,23

id circco

D



L54

12r, 22

pascitur

1,8; 156,31

·i· letificabitur

A



L55

12v, 1

queritur

1,8; 156,33

siabillo

D



F68

12v, 12

subprimat

1,9; 156,7

firsuige

A

StSG 2,179,50

F69

12v, 20, l (iure)

1,9; 158,13

pirehte

B

StSG 2,179,57

F70

12v, 20, l (debitum)

1,9; 158,13

|culdigaz

B

StSG 2,179,58

L56

13r, 1

unde

1,9; 158,16

idcirco

D



G4

13r, 3

ad [opera] transacta

1,9; 158,18

zadenuurilitan..





F71

13r, 6

proposuerit

1,9; 158,20

inthiez

E?

StSG 2,179,59

F72

13r, 8

imis

1,9; 158,22

·i· aphtrorun

A

StSG 2,179,60

1,9; 158,22

a.p(…)b

?

StSG 2,179,60, A.10: „rasur“

pavpertatibus

B



habundat

?



habundat

B



L57a L57b r

()

L58a 13r, 9

suppetit

L58b r

()

F73

13r, 13

sustentationem 1,9; 158,25

vuoro

A

StSG 2,179,63

F74

13r, 22

confundit

firguzit

A

StSG 2,179,66

1,9; 158,23

1,9; 160,32

672 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

Nr.

Pos.61

L59

13v, 1, o, l (in qua)

Lemma

L60a 13v, 2

quatitur

L60b l

()

F75a 13v, 2

incessanter

F75b l

()

F76a 13v, 13

torporis

F76b l

()

L61a 13v, 16, l (tendentibus)

Textstelle; Ed. Interpretament 1,9; 160,33

potestate

F



1,9; 160,34

repugnat spūi

?



repugnat spūi

B



unstathaft

A?



unstathaft

B

StSG 2,179,69

slaffi

A?

StSG 2,179,73, A.11: „rasur“

Slaffi

B

StSG 2,179,73

posse ueni/gentib..

?



posse uenigentibus

B



uicia

?



1,9; 160,34

1,9; 160,42

1,9; 160,45

L61b l L62a 13v, 22

passiones

L62b l

()

Hand62 Glossened.63

1,9; 160,49

uicia

B?



1,9; 162,8

rapienda

F?



1,10; 162,17

l&tari

B?



1,10; 162,17

infidelia

A



aut ab eo

1,10; 162,31

sis a deo

D



14v, 19

hanc ipse

1,10; 164,34

sibi

D



15r, 4/3

subditis

1,10; 164,39

denliutin

B?

StSG 2,180,13

15v, 4

seruabit

1,11; 164,17;

·i· dominus

?



suinant





L63

14r, 10, r (cupienda)

L64

14r, 22

L65

14r, 22, r (arentia)

L66

14v, 16

L67 F77 L68

uiuere

I Sm 2,9

G5

15v, 4

conticescent

1,11; 166,18; I Sm 2,9

F78

15v, 9, l

(fluxa)

1,11; 166,21

vnstatigiu

A

StSG 2,180,20

F79

15v, 9, l

(consuaetudo)

1,11; 166,21

lust

A

StSG 2,180,23

L69

15v, 10

innititur

1,11; 166,22

festinat

E



·i· sla fun

?

StSG 2,180,26

slaffun

B?

StSG 2,180,26, A.2: „dasselbe wort

F80a 15v, 12

remissas

1,11; 166,23;

f

Hbr 12,12

F80b l

()

am rande ausradiert“

F81a 15v, 12

dissoluta

1,11; 166,24;

·i· ummagun

B?

StSG 2,180,29

..gun

B?



irre

A

StSG 2,180,32

quis in uobis

?



Hbr 12,12

F81b l

()

F82

erret

15v, 14

1,11; 166,25; Hbr 12,13

L70a 15v, 15

sanaetur

1,11; 166,25; Hbr 12,13

L70b o, l

·i· anobis

?



F83

15v, 17, l (idoneus)

1,11; 166,27

gimacher

A

StSG 2,180,33

F84

15v, 23, u (prodeant)

1,11; 166,32

zovuaren

A

StSG 2,180,36

()

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 | 673

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

G6

16r, 2

deprehendit

1,11; 166,33

G7

16r, 3

aebetes

1,11; 166,34

F85

16r, 13, r (funditus)

L72

16r, 16

existat

G8

16v, 5

quod in

Hand62 Glossened.63

uirstantit





cogitauit

?



meitte





1,11; 166,42

karali

A?

StSG 2,180,42

1,11; 166,44

(…) ·i· deo

B?



1,11; 168,55;

dazd(…)





L71

Ps 37,9

G9

16v, 10

aemicat

1,11; 168,59

scrinit





F86

16v, 13

grossescunt

1,11; 168,61

dicchent

A

StSG 2,180,46

F87

16v, 14, l (atteritur)

1,11; 168,62

ginezetvuirđ

A

StSG 2,180,48

G10

16v, 15

1,11; 168,64

lastrot





F88

16v, 17, l (sauciat)

1,11; 168,64

givuirsirot

A

StSG 2,180,51

L73

17r, 5, r

(?)

1,11; 168,72

inea

?



F89

17r, 7

pupilla

1,11; 168,73

aphil

?

StSG 2,180,A.10

1,11; 168,78

·i· giuzzot

B

StSG 2,180,58

(…)uzot

?

StSG 2,180,58:

uitiatur

F90a 17r, 14, l (excludit) F90b intl.

::: (= Rasur)

G11

17r, 15

quo se

G12

17v, 1, o

(arrogantiam?)

F91

17v, 4, l

(pruriginem)

G13

17v, 5, l

F92

17v, 11, l (impetiginem)

1,11; 168,79

1,11; 170,89

1,11; 170,93

diusih





kelpfa.





prono.

A



pronodun





.ohafiu.

A?

StSG 2,180,A.11: „etwas ausgewischt“

G14

17v, 13

G15

17v, 15, l (impetigo?)

ni kestil(…)





1,11; 170,96

(…)svht





G16

17v, 16

G17

17v, 21, l (dolorem in uulnere? impetigo? pruriginem?)

1,11; 170,97

unlust





1,11; 170,101

iukkon





G18

17v, 22

F93

18r, 2

promittit

1,11; 170,102

forakahe





exasperat

1,11; 170,104

giruhet

A

StSG 2,180,59

F94 G19

18r, 3

subplantat

1,11; 170,105

girrit

A

StSG 2,180,62

18r, 9

nefarium

1,11; 172,110

uuirsistun





F95

18r, 13

cum humor uiscerum ad uires

1,11; 172,112

·i· denni dei inniherder B cidenmahtin

StSG 2,180,67

F96

18r, 16, r (lasciuiam)

1,11; 172,115

huorlusti

A

StSG 2,181,3

G20

18v, 9

quantum

2,1; 174,4

so





G21

18v, 9

distare

2,1; 174,4

sci.onte.





non conpescitur 1,11; 170,95 tedio

674 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

Hand62 Glossened.63

F97

18v, 11

metiri

2,1; 174,5

pidenchan

B

StSG 2,181,7

L74

19r, 9

sordes

2,2; 176,5

alienas

E



F98

19r, 10

lutum?

2,2; 176,7

kiuuascanaz

B

StSG 2,181,11 (zum

F99

19r, 23

fluxae

2,2; 178,16

·i· unstagi

B?

Lemma insequens)

StSG 2,181,15&A.4: unstati oder unstagi

L75

20r, 9

in hoc

2,2; 178,40

ł in eo

E



G22

20v, 14

penetrat

2,3; 180,7

ferit





F100 20v, 15

commendat

2,3; 180,8

liupit

B?



L76

21r, 6

ordinis

2,3; 182,18

·i· officivm

A?



L77

21r, 12

armo

2,3; 182,23

idem boni

A?



F101

21v, 1, o

(flectatur? delectationis?)

2,3; 182,33

·i· spanan

A



L78

21v, 22

sperat

2,3; 184,50

estimat

E



L79

22r, 4

defendat

2,3; 184,53

·i· sumat

A



G23

22v, 17

silentio

2,4; 186,2

stil(…)





L80

22v, 19

reticescat

2,4; 186,3

netaceat ·

A



L81

22v, 20

indiscretum

2,4; 188,4

qui magis tac& quam A dec& ·



L82

23r, 20

nec aperiebant 2,4; 188,23;

non manifestabant

A



heriperca





Lam 2,14

G24

24r, 4/7, r (tabernaculum) 2,4; 190,47

L83

24v, 21

2,4; 192,77

i prae diximus

A



L84

24v, 22, l (sal)

2,4; 192,79

|aritatem

F?



G25

25r, 5, r

(sed)

2,4; 192,84

uzan





L85

25r, 9

auctorem

2,4; 192,87

·i· doctorum·

A



F102 25r, 10

inquinat

2,4; 194,88

marrit

A

StSG 2,181,67

L86

auditoribus

2,4; 194,88

subditoribus

A



F103 25r, 19, r (seminiuerbius) 2,4; 194,95

uuortsao

?

StSG 2,181,68

L87

25r, 11

premissimus

2,4; 194,96

·dicitur·

A



F104 25r, 23, r (promeret)

2,4; 194,97

sprahhi

B?



L88a 25v, 1

aedere

2,4; 194,98

parere

A



L88b l

()

nutrire

A



F105 25v, 6

testificor

p&o

A

StSG 2,181,70

25r, 21

asseritur

2,4; 194,102; II Tim 4,1

L89

25v, 16

F106 25v, 18

suspensus

2,5; 196,4

suffultus

A



transferat

2,5; 196,5

vuarmpringe ·

A

StSG 2,182,1 (ohne Punkt)

F107 25v, 20

appetendo

2,5; 196,6

gisuohanto ·

A

StSG 2,182,3 (ohne Punkt)

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 | 675

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

L90a 25v, 23

congruens

2,5; 196,8

L90b l

()

F108 26r, 7

conuersari

2,5; 196,14

L91

in occultis fraudare

26r, 6

F109a 26r, 12

Hand62 Glossened.63

credens

?



credens

B?



giparun

A

StSG 2,182,7

2,5; 196,14

·i· in lectis

A



2,5; 196,18;

firhindran

A

StSG 2,182,9

piteilan

F

StSG 2,182,9

vniv

A

StSG 2,182,13

2,5; 196,20

irparamvngo

A

StSG 2,182,16

2,5; 198,35;

pidiu · uuir demomuote B

StSG 2,182,20

cigote

B

StSG 2,182,22

gisuuasa pirun iu

B

StSG 2,182,26 StSG 2,182,30:

I Cor 7,5

F109b r

()

F110

inuicem

26r, 13

2,5; 196,18; I Cor 7,5

F111

26r, 16, r (condescensionis)

F112

26v, 14

F113

26v, 15

siue mente [excid]imus deo

II Cor 5,13

2,5; 198,35; II Cor 5,13

F114

26v, 15

sobrii sumus uobis

2,5; 198,35; II Cor 5,13

F115

27r, 10, r (consuluit)

2,5; 198,49

intfragota

?

F116

27r, 12, r (ambigunt)

2,5; 198,50

ziuuiflont

?

StSG 2,182,31

2,5; 200,57

ster(…)

?



(…)ns

?



lapel ·

H

StSG 2,182,39 –

ratfragota

L92a 27r, 22

struens

L92b r

()

F117

luterem

27v, 16

2,5; 200,70

(ohne Punkt)

L93

28r, 11, r (temptetur)

2,5; 202,84

idem puls&ur

65

L94

28v, 4

suppresso

2,6; 204,7

·i· humiliato ·

?



L95

28v, 12

dispensatur

2,6; 204,13

·i· regatur ·

A



L96

28v, 15

ordinis

2,6; 204,15

sanctitatis ·

A



L97

28v, 16

conditionis

2,6; 204,16

creature ·

A



L98

29v, 1

iussa complentur

2,6; 206,40

cuncta

A?



L99

29v, 10

spargit

2,6; 206,46

dilatauit

A



F118

30v, 2

lenocinante

2,6; 208,77

spanantero

?

StSG 2,182,52

L100a l

()

2,6; 208,77

sed(…)ente

?



L100b l

()

seducente

F



L101 31v, 7, l

(aequales)

2,6; 210,117

similes

F



F119

signis

2,6; 212,134

kiparridun

F

StSG 2,182,63

33r, 6, r

|| 65 idem von Hand A, puls&ur von Hand F.

676 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

Nr.

Pos.61

Hand62 Glossened.63

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

L102 33v, 10

maneant

2,6; 214,155

·i· exspectant

?



L103 33v, 21

aequalitas

2,6; 214,164

·i· mansuetudo

A



F120 32r, 11

ligamen

2,6; 214,173

pinta

H

StSG 2,182,68

F121

mordeantur

2,6; 216,193

gezitvuerden ·

H?

StSG 2,182,73

32v, 14

(ohne Punkt)

F122 32v, 15

foueantur

2,6; 216,193

gisalpoti

H

StSG 2,183,3

F123 34r, 8

sustentamur

2,6; 216,206

gistivrit

H

StSG 2,183,6

F124a 34v, 10

oportunitate

2,7; 218,13

um mezigi

G

StSG 2,183,14

F124b l

()

|rbxmmf z,kgk

B?

StSG 2,183,14:

gespehoti

F

|bxmmf zkgk

F125 34v, 23, l (exploratione)

2,7; 220,23

StSG 2,183,19: gispehoti

L104 35r, 5

exercetur

2,7; 220,26

agitur

G



F126 35r, 9, r

(inpulsus)

2,7; 220,29

anagivuataz

G

StSG 2,183,20

F127 35r, 13

adtendite

2,7; 220,32;

goummanemet

G

StSG 2,183,24

dana nā

G

StSG 2,183,26

.a..nam

?



gichos

G

StSG 2,183,28

irsaluuet

G

StSG 2,183,30

fornentigi

?

StSG 2,183,3266

Lc 21,34

F128a 35v, 2

suspendit

F128b l

()

F129 35v, 4

probauit

2,7; 220,41

2,7; 220,43; II Tim 2,4

F130 36r, 22

obscuratum

2,7; 222,73; Lam 4,1

F131

36v, 1

in capite

2,7; 222,74; Lam 4,1

L105 36v, 16, l (degere)

2,7; 224,85

(…)re uiuere

F?



L106 37v, 18

infundere

2,7; 226,127

·i· dare

G?



L107 37v, 21, l (ferueant)

2,7; 226,129

festinaent

F?



L108 40v, 1

2,8; 234,42

quibus

A?



L109 41r, 14, r (cogitationis)

2,8; 236,69

m(…)a(…)one

B?



F132 41v, 2

mentiuntur

2,9; 236,4

truginot

B

StSG 2,184,6

F133a 41v, 3

parsimoniae

2,9; 236,4

uastu.

?



uastun

B

StSG 2,184,8

·i· pleihhit

B

StSG 2,184,12

·i· macerat

B?



s…

?

StSG 2,184,15, A.3: „rasur“

spildi

B

StSG 2,184,15

subditorum

F133b F134 41v, 4

palliat

L110

()

l

F135a 41v, 4 F135b

effusio

2,9; 236,5

2,9; 236,5

|| 66 Bei StSG ist f. 36r angegeben, allerdings befindet sich die Glosse auf f. 36v.

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 | 677

Nr.

Pos.61

Hand62 Glossened.63

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

F136 41v, 7

effrenata

2,9; 236,7

(…) – d’iuuerlazazna

B

StSG 2,184,17, A.4: „auf rasur“

F137a 41v, 8

uirtus

2,9; 236,7

ginadigi

B

StSG 2,184,18

…gi

?

StSG 2,184,18, A.5: „rasur“

F137b F138 41v, 14

parcum

2,9; 236,11

argan

B

StSG 2,184,25

F139 41v, 15

effuse

2,9; 236,12

spildliho

B

StSG 2,184,28

F140 41v, 16

miserando

2,9; 236,13

·i· parmanto

B

StSG 2,184,30

F141

41v, 17

quod ferire

2,9; 236,14

tazincaltan

B

StSG 2,184,31

L111

42r, 4

indicanda

2,9; 238,5

indaganda

?



feriendo

2,9; 238,15

·i· incaltanto

B

StSG 2,184,32:

F142 41v, 19

·i· incaltant

F143 41v, 21

immature

2,9; 238,17

·i vncîtliho

B

StSG 2,184,33

F144 42r, 9

dissimulantur

2,10; 238,9

firterchinit

B

StSG 2,184,36

2,10; 238,10

fertragenuu.|

B

StSG 2,184,46:

F145 42r, 11, r (perpeti)

fertragenun |

L112 42v, 3

inferuescunt

2,10; 240,22

putrescunt

F146 42v, 17

signis

2,10; 240,32

giparidun l antaparun I

StSG 2,184,51

F147 42v, 19

articulo

2,10; 240,34

aniginne

I

StSG 2,184,54

L113

percunctationibus

2,10; 240,46

interrogationibus

I



F148 43v, 21

submittunt

2,10; 242,68

niderlazent

B

StSG 2,184,58

F149a 44v, 3

colligere

2,10; 244,88

ferneman

B

StSG 2,184,61

F149b l

()

firnem/an

?

StSG 2,184,61

g

I

StSG 2,184,64:

43r, 13

F150 44v, 8

praeoccupatus

2,10; 244,92;

gifuriuan o

I

gifuriuan:go

Gal 6,1

F151



ponderis

2,10; 244,100

svari

I

StSG 2,184,66

F152 44v, 21

leuigat

2,10; 244,102

gismahit

B

StSG 2,184,67

F153 45r, 10

describes

2,10; 244,111;

girizes

B

StSG 2,184,71

gisez

B

StSG 2,185,1

phannun

I

StSG 2,185,3

2,10; 246,121

hinstent

?

StSG 2,185,5

2,10; 248,145;

p(…)ra

?



phederara

B

StSG 2,185,6

·i· magnas

?



·i· magnas

B



44v, 19

Ez 4,1

F154 45r, 12

obsidionem

2,10; 246,113; Ez 4,2

F155

45r, 17

sartaginem

2,10; 246,116; Ez 4,3

F156 45v, 2

adprehendunt

F157a 46r, 12

ariaetes

Ez 4,2

F157b L114a 46r, 17 L114b

circumspectas

2,10; 248,149

678 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

Nr.

Pos.61

Hand62 Glossened.63

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

F158 46r, 20

aculeos

2,10; 248,150

uuassi

B

StSG 2,185,8

F159 46v, 1

aemulationis

2,10; 248,154

·i· girihhes

B

StSG 2,185,9

F160a 46v, 7

frixura

2,10; 248,158

giroupti

B

StSG 2,185,10

F160b l

()

(…)ti

?

StSG 2,185,10, A.3: „rasur“

F161

destituti

2,10; 248,170

pimeinte

B

StSG 2,185,15

dissoluti

2,10; 248,171

slaffe

B

StSG 2,185,16

f

46v, 23

F162a 47r, 1 F162b r

()

slaf e

?



F163 47r, 3

exasperat

2,10; 250,173

ergremit

B

StSG 2,185,17

F164a 47r, 6

inuectione

2,10; 250,176

rapsungo

B

StSG 2,185,18: rafsungo; A.8: „f nicht sicher, kann auch p sein“

F164b r

()

F165a 47r, 7

excessus

2,10; 250,177

rapsungo

?

StSG 2,185,18, A.8: „dasselbe wort“

upuangodun

B

StSG 2,185,19: :upuangodun

F165b r

()

F166 47r, 16

figurate

L115

47v, 10

excedit

L116 47v, 16, l (percutit)

upuangodun

?



pizeichanthliho

B

StSG 2,185,21

2,10; 250,196

idem vênit

67



2,10; 250,201

|x aadfligit

I?



2,10; 250,183

F167 48r, 10

circumspectionis 2,11; 252,6

pisorgido

J

StSG 2,185,25

F168 48r, 19

inpulsu

2,11; 252,13

gistunctaz

J

StSG 2,185,28

F169 49v, 13, l (officiunt)

3,Praef; 258,6

tarun

A

StSG 2,185,43

F170 50r, 4

tensiones

3,Praef; 260,15

riduni

A

StSG 2,185,46

F171

stratae

3,Praef; 260,15

gepanoto

A

StSG 2,185,48

F172 50r, 8

modulationem

3,Praef; 260,18

sanch

A

StSG 2,185,50

F173 52v, 17

infectat

3,2; PL 77,36,

iruarit

K

StSG 2,185,57

50r, 4

A.i68

F174 52v, 23, l (fomenta) F175

54r, 20

F176 55r, 22

uâsca

K

StSG 2,185,63

consparsionibus 3,3; 274,11

giuuonaheitin

L

StSG 2,186,7

difixisti

uirsaztos

K

StSG 2,186,13

3,2; 270,47

3,4; 276,29; Prv 6,1

F177 55v, 2

periculo

3,4; 276,32

philigido

L

StSG 2,186,16

FS1

64v, 12

uendicat

3,9; 302,86

cauuinnit



StSG 2,187,24

G26

66r, 4

pandatur

3,9; 304,131

of s





|| 67 idem Hand A, venit Hand I? 68 Diese Textvariante wird in SC 382 nicht mitgeteilt, aber in PL 77.

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 | 679

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

Hand62 Glossened.63

G27

67r, 1, r

(rigida)

3,9; 306,161

uuas





F178 68v, 2

uersuti hostis

3,10; 312,50

arcustinuiiantes

?

StSG 2,187,A.4:

L117

nec seducti per 3,11; 316,22 prudentiam calleant

vitio cadant.

A?



F179a 70r, 15

suspicionibus

missitriudun

A?

StSG 2,188,A.2

F179b l

()

missitriuuidun

B

StSG 2,188,1

F180 71v, 2

tergiuersatione 3,11; 318,66

hinscrenchigi

L

StSG 2,188,10

FS2

71v, 23

prestantius

3,11; 320,81

.ua..



StSG 2,188,20, A.8: „uua lira oder

F181a 72r, 13

defensione

3,11; 320,91

diemissitriuuida desmuotes

B

„mehrere rasuren“

70r, 7

3,11; 316,27

ähnliches“

StSG 2,188,24: mit Spatium vor desmuotes

F181b L118a 72r, 21

diemissitriuuida desmuotes

?

StSG 2,188,24, A.9: „rasur“

conuertentur

L



replicantur

3,11; 320,96

reuoluuntur

L



F182 72r, 22

fastu

3,11; 320,97

vueigri

L

StSG 2,188,26

L119

L118b quod

3,12; 322,13

eis

?



L120 74v, 12

hac

3,12; 326,72

patria saeculari

A



L121 75r, 12

utile est

3,12; 328,89;

nobis

?



frumit

A

StSG 2,189,15

73r, 6

Hbr 12,10

F183 77v, 12

mittit

3,13; 334,15; I Io 4,18

F184 78r, 12

insensibilitate

3,13; 336,33

unvuizin

A

StSG 2,189,21

F185 78r, 16

incutiat

3,13; 336,35

anavuerfe

A

StSG 2,189,25

F186 78v, 19

in scoriam

3,13; 338,54;

insinter

A

StSG 2,189,32

(…) – cin

?

StSG 2,189,35:

cin

A

StSG 2,189,35

Ez 22,18

F187a 78v, 20

stagnum

3,13; 338,55;

: (= Rasur)

Ez 22,18

F187b L122 79r, 5

percutitur

3,13; 338,60

tangitur

A



FS3

(uitio)

3,13; 338,76

fizo





3,13; 338,77;

plait

A

StSG 2,189,39

79v, 4, l

F188 79v, 5

conflauit

Jer 6,29

F189 79v, 13

pygmentorum

3,13; 340,83

arzato

A

StSG 2,189,44

F190 79v, 17

fomentis

3,13; 340,86

fascun

A

StSG 2,189,46

F191

molestias

3,14; 342,33

unsen

A

StSG 2,189,54

diffiniens

3,14; 348,108

loquens

A



80v, 17

L123 83r, 6

680 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

Hand62 Glossened.63

F192 85v, 10, l (torpescunt)

3,16; 354,15

tragent

M

StSG 2,190,21

F193 86v, 5, l

(impellere)

3,16; 356,46

tripan

M

StSG 2,190,33

F194 86v, 14, l (praetextu)

3,16; 358,53

uirterchineti

M

StSG 2,190,41

F195 87r, 22, r (auersa)

3,16; 358,78

uuidergichertem|

M

StSG 2,190,50

F196 87v, 8, l

(abrupta)

3,16; 360,85

gahin

M

StSG 2,190,52

FS4

93v, 10

gloriantium

3,19; 376,44

fro..





FS5

93v, 12

superstitionem 3,19; 376,46;

kameitheit





Col 2,23

F197 96r, 18

contineri

3,20; 382,9

ginerituuerdan

M

StSG 2,191,47

L124 96r, 21

dispertiens

3,20; 382,10

diuidens

M



L125 96v, 8

subsistunt

3,20; 382,16

uiuunt

M



L126 96v, 21

distribuant

3,20; 384,25

dispensant

M



F198 96v, 22

ne … quibus nulla … impendere … debuerunt

3,20; 384,25

denir nieht gepan nisculit

B

StSG 2,191,56

L127 96v, 22

ne quedam

3,20; 384,25

nulla dabitis

B



F199 96v, 22

ne nulla … impendere … debuerunt

3,20; 384,25

diercihet

B

StSG 2,191,58: diercihet

L128 96v, 23

quibus quedam, 3,20; 384,26 ne nulla

aliquisdam debetis nemultum

B



L129 96v, 23

pauca

3,20; 384,26

paruulum

B



L130 97r, 4

spargant

3,20; 384,28

dispensant

?



FS6

99r, 5

uenalem

3,20; 388,92

laz



StSG 2,192,1: laz

FS7

99r, 5

aestiment?

3,20; 388,92

n??nen



StSG 2,192,1: n..nen (zum Lemma uenalem)

FS8

99r, 7

inulte

3,20; 388,94

ni garo



StSG 2,192,3: ..ungarih..

FS9

101v, 7

FS10 102v, 6

uendicant

3,21; 394,12

cauuinnant



StSG 2,192,9

ultrix

3,21; 396,42

daz rehantli?



StSG 2,192,16: daz rehantlia

FS11 103r, 7

munifici

3,21; 398,60

X kepakerne



StSG 2,192,20: kepa....

FS12 103v, 23 quasi

3,21; 400,88;

eristo





Sir 34,24

FS13 106r, 10

non permittunt 3,22; 406,56

farsak





L131

qui confundunt 3,23; 414,24

hanc

?



L132 111r, 5

diuidere

3,23; 416,58

eos

?



L133 120v, 7

lumine

3,26; 438,13

luna

?



110r, 3

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 | 681

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

Hand62 Glossened.63

L134 120v, 18 hinc est

3,26; 440,21

mater…

?



FS14 127v, 20 exsecrandis

3,27; 454,135

za?grehanseasiguo. nga:





FS15 128v, 20 resipiscunt

3,28; 458,16

·i· ferna





G28

140r, 3

accusant

3,31; 486,5

lastront





G29

140r, 16

priuata

3,31; 486,13

selpiu





G30

140r, 23 quando

3,31; 486,17

vuanne





G31

140v, 2

liberius

3,31; 486,19

paldor





G32

140v, 3, r (putat)

3,31; 486,20

ahtot





G33

140v, 4

3,31; 486,20;

muozhafta





martvn





3,31; 486,25

suohhento





3,31; 486,26;

ruom





preitit





licitum

zweites licitum

G34

140v, 7

praedicauerunt 3,31; 486,22; Is 3,9

G35

140v, 11

G36

140v, 12 clamor

requirebat

Gn 18,20

G37

140v, 13 multiplicatus

3,31; 486,26; Gn 18,20

G38

140v, 16 libertate

3,31; 486,29

paldo





G39

140v, 17 accusant

3,31; 486,30

lastront





G40

140v, 21 reatu

3,31; 486,32

sculd





G41

141r, 1

proferunt

3,31; 488,35

sprehhant





G42

141r, 2

semetipsos

3,31; 488,35

selp(…)





G43

141r, 7

conatur

3,31; 488,35

giilit





G44

141r, 10

tenebras

3,31; 488,41

u





G45

141v, 7

aguntur

3,31; 488,54

..tripan





F200 141v, 19

quos repentina 3,32; 490,6 concupiscentia superat

tu ga gif ubir

B?



G46

142r, 5

se muniant

3,32; 490,11

givuarnvn





G47

142r, 6

nam

3,32; 490,11

afur





G48

142r, 6

circumspectionis 3,32; 490,12

pidenc





G49

142r, 9

liberius

3,32; 490,13

paldor





G50

142r, 13

desuescant

3,32; 490,17

intvuen





G51

142r, 18

exprimitur

3,32; 490,20

ofanot





G52

142v, 14 hinc

3,32; 492,34

dana





G53

142v, 17

3,32; 492,34;

stivrnagela





clauo

Prv 23,34

G54

142v, 21

cumulos

3,32; 492,38

givuel





G55

143r, 5

stringit

3,32; 492,43

dvingit





682 | München, BSB Clm 21525 (BStK-Nr. 677)

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

G56

143r, 5

modo

3,32; 492,43

sar





ex aduerso

3,32; 492,43

?halp(…)





duereh





G57a 143r, 6 G57b

Hand62 Glossened.63

G58

143r, 7

per oblicum

3,32; 492,44

neigito





G59

143r, 8

findit

3,32; 492,44

slei





G60

143r, 9

modo

3,32; 492,45

svmenes





G61

143r, 9

calcat

3,32; 492,46

tri.it





G62

143r, 13

conualescat

3,32; 492,48

gimege





G63

143r, 14

patriae

3,32; 492,49

heima





G64

143r, 19, r (suggestio)

3,32; 492,52

rat





G65

143v, 9

3,32; 494,61

sveheda





G66

143v, 14 sita

3,32; 494,64

gilegit





G67

143v, 17

3,32; 494,66

v





G68

143v, 20 quia

3,32; 494,68

daz





G69

143v, 22 inopinatum

3,32; 494,69

ung(…)..rt(…)





G70

143v, 23 aeneruatur

3,32; 494,70

vueihit





G71

144r, 4

districtius

3,32; 494,74

ginotor





G72

144r, 7

artius

3,32; 494,75

lihho





G73

144r, 8

deliberationis

3,32; 494,75

selpvuillun





G74

144r, 9

abluerent

3,32; 494,76

puoz(…)





G75

144r, 17

peccando

3,32; 494,81

svnt.?





G76

144r, 21

studia

3,32; 494,84

ilvnga





G77

144v, 7

insequitur

3,32; 496,91

gihartit





G78

144v, 11

expressione

3,32; 496,94

ofanota





G79

144v, 14 praesidentis

3,32; 496,96

me(…)uues(…)





G80

144v, 21 aelatione

3,32; 496,100

pr..t.





G81

145r, 2

fulciuntur

3,32; 496,102

irpurit





G82

145r, 5

colligant

3,32; 496,105

firnemen





G83

145r, 13

grauibus

3,33; 498,6

hepig.n





G84

147r, 10

extendere

3,33; 502,63

vuitpreit..





G85

147r, 10

oppinionis

3,33; 502,63

vu





G86

147v, 3

leuari

3,34; 504,9

lîhtit





G87

147v, 7

quam

3,34; 504,12

vueo





G88

147v, 14, l (inexperta? expertis?)

3,34; 504,16

|rsuohtvn





G89

147v, 18 deprehenderint 3,34; 504,19

firstent





G90

147v, 19

quod

3,34; 504,20

daz





G91

148r, 12

hodie

3,34; 504,30;

(…)vanne





foetores munita

Ier 1,10

Übersicht: Die Glossen in München, BSB Clm 21525 | 683

Nr.

Pos.61

Lemma

Textstelle; Ed. Interpretament

Hand62 Glossened.63

G92

155r, 12

dum

3,36; 522,37

vvan





G93

155r, 16

motus

3,37; 522,4

sueipa





G94

155r, 17

palestrarum

3,37; 522,5

spilestetio





G95

155v, 7

conspersione

3,37; 522,13

givuonaheiti





G96

155v, 9

iste

3,37; 522,14

svmer





G97

155v, 12

subito

3,37; 522,16

drati





G98

155v, 14

formidinis

3,37; 522,17

plodi





G99

155v, 15

appetit

3,37; 522,18

cher





G100 155v, 15

teneritate (!)

3,37; 522,18

vndu..





G101 156r, 5

immanis

3,37; 524,27

mih





G102 156r, 8

studet

3,37; 524,29

ille





G103 156r, 10

superexsistentem

3,37; 524,30

megini





G104 156r, 15

[discretione] componit

3,37; 524,33

mezhaft





G105 156r, 18

adhibita

3,37; 524,35

pota...





G106 156r, 19

diuisibiliter

3,37; 524,35

vn





G107 156r, 21

superexistenti

3,37; 524,36

uue..





G108 156r, 22

subposite

3,37; 524,37

ke..





G109a 156r, 23

conspersioni

3,37; 524,37

aplagi





G109b u

()

suht





freuue.

?



F201 157r, 17, r (gaudere)

3,38; 526,25

6 Zusammenfassung und Ausblick 6.1 Griffelglossierung in Freising: ein vielversprechender Zugang? Die rund eintausend althochdeutschen, hauptsächlich mit Griffel eingetragenen Glossen in den Handschriften Clm 6293, Clm 6308, Clm 6383 und Clm 21525 lassen die Glossenüberlieferung aus Freising um vier stattliche Korpora anwachsen und bauen die herausragende Stellung, die dem frühmittelalterlichen Schreibort als Überlieferungsort des Althochdeutschen zukommt, weiter aus. Die hohe Bedeutung der in Freising praktizierten Griffelglossierung ist neben derjenigen der Federglossierung für die Forschung zu einer festen Gewissheit geworden. Spätestens seit der Untersuchung von Elvira Glaser (1996) sind Freising und Griffelglossierung in der wissenschaftlichen Wahrnehmung eng verbunden. Nach gut zwanzig Jahren, in denen die Beschäftigung mit dem Freisinger Material fortgesetzt wurde, ist es Zeit geworden die Frage zu stellen, welche Schlüsse wir aus den Forschungsergebnissen zur Praxis der Griffelglossierung in Freising ziehen können. Im Grunde ist zu hinterfragen, ob es aus historischer Sicht Sinn ergibt, die Technik des Glossierens mit Griffel mit einer gewissen Selbstverständlichkeit gerade mit Freising zu verbinden. Diese Frage hat dadurch, dass sich seit 1996 die Anzahl der bekannten althochdeutschen (und altsächsischen) Griffelglossenhandschriften auf das Dreifache vermehrt und sich die quantitativen Verhältnisse dadurch verschoben haben, an Dringlichkeit zugenommen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Bild, das uns Freising mit seiner althochdeutschen Griffelglossierung in 29 Handschriften bietet (siehe die Übersichtstabelle in Kap. 1), lediglich den Zustand der Überlieferung wiedergibt. Es gibt uns keine Auskunft darüber, ob das Glossieren mit Griffel im Freising der einschlägigen Zeit eine ungewöhnlich intensive Pflege und Entfaltung erfahren hatte. Tatsache ist, dass die Geschichte des Freisinger Handschriftenbestandes vergleichsweise günstig verlief, ein Umstand, dem wir es verdanken, dass wir von dort heute noch einen der größten mittelalterlichen Bücherschätze in relativ geschlossenem Erhaltungszustand besitzen (vgl. Glauche 2000: vii). In dieser Eigenschaft sind die Handschriften aus Freising für die linguistische Forschung in erster Linie ein Untersuchungsmaterial, das sich besonders gut dafür eignet, das Phänomen der Griffelglossierung an einem Ort zu untersuchen. Sie liefern an sich aber noch keinen Grund, Freising im Zusammenhang mit dieser Überlieferungsform zugleich eine besondere Rolle zuzuweisen. Schon Bernhard Bischoff (1928: 154) hat keinen Anlass gesehen anzunehmen, dass eingeritzte Glossen nicht auch außerhalb Freisinger, St. Emmeramer und Benediktbeurener Handschriften zu erwarten sind. In den Ergebnissen aus der jüngeren Griffelglossenforschung zeichnet sich tatsächlich mit zunehmender Deutlichkeit

https://doi.org/10.1515/9783110621952-006

686 | Zusammenfassung und Ausblick

ab, dass die Griffelglossierung in Freising gewiss besonders ausführlich ist, aber lediglich exemplarisch offenbart, was damals einfach gängige Praxis war. Das zeigen zum einen Überlegungen zur Anzahl an Handschriften. Dort, wo für Handschriften die Überlieferungsbedingungen ähnlich günstig waren wie für die Bestände der Freisinger Dombibliothek, können wir mit Griffel glossierte Handschriften in vergleichbarer Häufigkeit antreffen. Zu nennen sind die Bibliotheken der bayerischen Nachbarklöster wie beispielsweise St. Emmeram, aus dem heute 15 Handschriften mit althochdeutschen Griffelglossen bekannt sind.1 Aber auch St. Gallen, dessen Handschriftenbestand ebenfalls noch vergleichsweise geschlossen bewahrt wurde (vgl. Nievergelt 2009d: 1466), besitzt eine große Zahl an Griffelglossenhandschriften (60 Hss.).2 Weitere, zu ihrer Zeit ebenfalls umfangreiche und heute gut erhaltene Bestände sind noch nicht in der gleichen Weise nach Griffelglossen abgesucht worden wie diejenigen aus Freising, St. Emmeram und St. Gallen, doch besitzen wir bereits Kenntnis davon, dass auch in ihnen Griffelglossen überliefert sind.3 Das sind Fulda (10 Hss.), Köln (3 Hss.), Mainz (ca. 5 Hss.), Murbach (ca. 3 Hss.), die Reichenau (ca. 4 Hss.), Trier (1 Hs.), Würzburg (ca. 9 Hss.), Salzburg4 (9 Hss.). Aber auch aus Beständen, die heute weit verstreut oder gar nur noch in Resten zu erfassen sind, lassen sich Indizien sammeln, dass das Glossieren mit Griffel in den betreffenden Klöstern gepflegt wurde. Das betrifft in besonderer Weise Lorsch (6 Hss.), aber auch Schreiborte mit altniederdeutscher Überlieferung wie St. Bertin (1 Hs.), Corvey (1 Hs.), Essen (5 Hss.) und Werden (2 Hss.). Als Schreibort mit großen Lücken in der Überlieferung bezeugt Tegernsee (vgl. Nievergelt 2009e) so-

|| 1 Dublin, Trinity College Library Cod. 737, Clm 3747, Clm 13038, Clm 9534, Clm 14117, Clm 14179, Clm 14197, Clm 14286, Clm 14386, Clm 14425, Clm 14517(?), Clm 14653, Praha, Metropolitní Kapitula U SV. Víta O 83(?), Wien, ÖNB Cod. 1218, Wolfenbüttel, HAB Cod. Guelf. 80.6 Augusteus 8° (vgl. BStK-Nr. 101, 468, 710ap, 548, 566, 568, 710ah, 710aq, 577, 584, 598, 710av, 783 [I], 934, 977b). 2 Basel, ÖBU B. III. 2, Berlin, SBPK Ms. Ham. 542, Vatikan, BAV Reg. lat. 348, St. Gallen, Stiftsbibliothek 2 (p. 3–300), 2 (p. 301–568), 6, 9, 11, 12, 14, 28, 40, 44, 49, 52, 70, 90, 120, 126, 136, 159, 168, 183, 185, 188, 193, 195, 212, 213, 216, 217, 219, 220, 221, 225, 227(?), 228, 238, 242(?), 258, 422, 553, 557, 567(?), 579, 671, 682(?), 751(?), 876, 877, 914, 915, 916, 1394 II, 1398b, Clm 14117, Stuttgart, WLB HB II 54, Zürich, ZB C 57, C 59, C 68, C 69(?) (vgl. BStK-Nr. 34j, 36, 256j [I/II], 256k, 173, 256l, 256m, 256n, 174, 175, 176, 177, 256an, 179, 256ao, 256o, 184, 188, 191, 194, 197, 256q, 256aa, 199, 256ah, 256s, 256ai, 204, 205, 207, 256t, 256u, 256v, 256w, 256j, 256x, 208, 256am, 256ap, 256ag, 233, 256y, 236, 256ad, 256aq, 238, 247, 248, 256g, 256h, 256ab, 255 [I], 566, 866, 1019g, 1002, 1003, 1019i). 3 Die ermittelten Zahlen der Griffel- und Farbstiftglossenhandschriften nach Provenienz sind im Althochdeutschen Glossenwiki (https://glossenwiki.phil.uni-augsburg.de, 29.11.2018) nachzuvollziehen und werden von uns bei Neufunden stets aktualisiert. 4 Der Vergleich zwischen Freising und Salzburg zeigt beispielhaft, dass hinter den Zahlen eine asymmetrisch verlaufene Griffelglossenforschung steht. Glaser (1996: 61) führt 2 Handschriften aus Salzburg auf (Salzburg, Bibliothek der Erzabtei St. Peter a VII 2, Wien, ÖNB Cod. 949; BStK-Nr. 839, 928). Seither durchgeführte Studien haben den Bestand auf 9 erhöht; dazu kamen St. Florian, Stiftsbibliothek III 222 B (f. 2–127), Clm 4592, Clm 15813, Clm 15825, Clm 18524b, Wien, ÖNB Cod. 808 (f. 1– 100), Wien, ÖNB Cod. 808 (f. 101–234) (vgl. BStK-Nr. 152, 710ba, 619, 618, 647, 957i [I/II]).

Griffelglossierung in Freising: ein vielversprechender Zugang? | 687

wohl in den spärlichen Resten aus den Anfängen als auch aus der Zeit der Wiedereinrichtung etliche Beispiele für das Glossieren mit Griffel (12 Hss.). Ähnlich wie mit der Anzahl an Handschriften verhält es sich auch mit anderen, für das Phänomen der Griffelglossierung relevanten Aspekten: Was in Freising – wiewohl anhand zahlreicher Fälle – belegt werden kann, findet man normalerweise auch in anderen Beständen. Dazu drei Beispiele: Das erste betrifft die Beobachtung, dass sich größere Korpora regelmäßig aus kleinräumigen Glossierungen unterschiedlichster Hände zusammensetzen. Der einzelne Glossator hat mit Griffel im Normalfall offenbar in kleinem Umfang gearbeitet. Griffelglossen dokumentieren sehr oft ein Studium ganz bestimmter, umfangmäßig stark begrenzter Textpassagen. Was die Händevielfalt des Clm 6293 zeigt, ist in gleicher Weise in den ebenfalls recht großen Korpora des Essener Evangeliars oder im Clm 4614 nachzuverfolgen. Ein zweites verbreitetes Charakteristikum ist die Kopräsenz von lateinischen Griffelglossen, ein drittes der Einsatz von Farbstiften. Beides ist in Freising, aber ebenso durch die ganze althochdeutsche Glossenüberlieferung hindurch zu verfolgen. Farbstiftglossierung kennt man mittlerweile schon von eigentlich überall her, wenn sie auch insgesamt seltener ist als die Griffelglossierung (Näheres dazu in Kap. 6.2). Freising ist in der einschlägigen Zeit also nicht zwingend als Stätte nachzuweisen, an welcher die Griffelglossierung besonders profiliert ausgeübt worden wäre. Aber Freising ist heute, was den Bestand an Griffelglossierungen anbelangt, unbestritten ein Vorzeigefall. Dieser Handschriftenbestand ermöglicht durch seine umfangreiche Erhaltung das Studium zahlreicher unterschiedlicher Aspekte und ist zudem verhältnismäßig gut erforscht. Betrachten wir diese beiden Vorzüge im Einzelnen. Die Freisinger Handschriften zeigen das Phänomen der Griffelglossierung in besonders vielen, großen Korpora und eingebettet in eine Überlieferung, die reich an alten Handschriften, anderen althochdeutschen Sprachdenkmälern sowie weiteren Möglichkeiten kontextueller Anknüpfung ist. Dies erfüllt die Voraussetzungen, die Griffelglossierung sowohl sprachlich als auch schriftkundlich und funktional studieren zu können. Dank dem Umstand, dass in Griffelglossen gerade die frühe Zeit reichhaltig repräsentiert ist und Griffelglossen daneben auch noch in Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts vorkommen, lassen sich in den genannten Bereichen auch Entwicklungen verfolgen. Für die noch zu leistende paläographische Erforschung der Griffel-Schreibtechnik bilden die Freisinger Griffelglossen in ihrer Fülle ein herausragendes Untersuchungsmaterial; denn wie alle paläographische Forschung ist ein solches Vorhaben auf eine bestimmte Menge an Material angewiesen. Beispielsweise können Fragen, wie die Rolle der Schriftgröße bei Glossen, nur im Vergleich zwischen mehreren und größeren Korpora beantwortet werden. In Freising ist zu erkennen, dass sich Griffelglossen in der frühesten Zeit im Unterschied zu späteren Glossen in der Schriftgröße von der Textschrift nicht evident unterscheiden. Was in den alten Glos-

688 | Zusammenfassung und Ausblick

sen des Clm 6293, Clm 6297 und Clm 6308 zu beobachten ist, korrespondiert mit Eindrücken, die auch die frühen Glossen in St. Gallen 11, 193 und 217 vermitteln. Allerdings sind diesbezüglich weitere Untersuchungen zur Herausbildung spezieller Glossenschriften notwendig, da hierzu Aspekte wie die Sorgfältigkeit der Eintragung und die kalligraphische Geübtheit der Glossatoren zu berücksichtigen sind. Bisweilen korrelieren auch kalligraphisch grobschlächtige Eintragungen mit einer bemerkenswerten Elaboriertheit der Glosseninhalte, die auf individuelle Textaneignung bzw. ephemere, nicht geplante Glossierungsunternehmungen hindeuten könnten (vgl. Glaser 1996: 636, 643; Ernst 2007: 412, 568, 588). Von größtem Interesse sind die Freisinger Griffelglossen für die historische Sprachwissenschaft. Die Forschung zur althochdeutschen Sprache kann hier auf besonders viele Belege für diverse lautliche und grammatische Phänomene zugreifen und erfährt von etlichen, bislang nicht belegten Lexemen und Wortbildungsvarianten. Die Glossen des Clm 6293 und Clm 6300 zeigen in mannigfacher Weise, wie vielfältig ein großer Bestand in dieser Hinsicht genutzt werden kann. Glossierungsverfahren lassen sich an den Freisinger Belegen in systematischer und nicht nur in exemplarischer Weise untersuchen. Als Beispiel erwähnenswert ist etwa die Verteilung von Marginal- und Interlinearglossen, die auch für die Federglossierung bislang nicht aufschlussreich ergründet wurde. Der zweite Vorzug, den die eingehende Untersuchung der Griffelglossierung in Freising bietet, besteht darin, dass zu den Freisinger Handschriften- und Glossenbeständen eine fortgeschrittene Forschung existiert. Dies betrifft auch die Griffelglossierung selbst: Freisinger Griffelglossen gehören zu den am frühesten beachteten und wurden gerade auch bei der Etablierung einer auf Griffelglossen spezialisierten Forschung sowohl exemplarisch als auch systematisch herangezogen. Diese existierende Forschung kann eine gute Grundlage für weiterführende Fragen an Griffelglossen etwa aus funktionaler und kontextueller Perspektive bieten. Freising als vielversprechenden Zugang zu bestimmen, ist für seine Griffelglossen aber immer noch keine Darlegung ihrer Charakteristik. Um die Griffelglossierung aus Freising in ihrer Eigenart zu charakterisieren, müssen wir nach denjenigen Erscheinungen fragen, die wir entweder nur hier oder aber hier besonders ausgeprägt antreffen. Auch solche Erscheinungen könnten in Wahrheit zu ihrer Entstehungszeit weit verbreitet gewesen sein, weshalb denjenigen, die in den Freisinger Glossen mehrfach und in verschiedenen Handschriften auftreten, besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist. Zu finden sind solche Phänomene sowohl auf dem Gebiet der Schrift und der Schreibtechnik als auch im sprachlichen und glossierungstechnischen Bereich. Aussagekräftig sind dabei auch Erscheinungen, die wir von anderswo kennen und die in einem so großen Überlieferungskomplex wie dem Freisingischen nicht oder nur sporadisch auftauchen.

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6.2 Schrift und Schreiben Einige Besonderheiten in der Schriftverwendung resultieren aus der Verschriftung der Volkssprache. In Freisinger Griffelglossen wird gleich in mehreren Handschriften die angelsächsische w-Rune zur Wiedergabe von ahd. /w/ verwendet. Bislang kennt man aus Freising drei Fälle: ein paar Glossen im Clm 6308 sowie je ein Einzelbeleg im Clm 6277 (vgl. Kap. 5.3.5.2.1) und im Clm 6272 (vgl. Ernst 2007: 303). Dieser angelsächsische Usus ist nur aus wenigen althochdeutschen Quellen bekannt, sein Vorkommen in drei Handschriften desselben Schreibortes fällt deshalb auf. In Freising ist die w-Rune eine Angelegenheit nur der Griffelglossen. Sie kommt durchweg versehen mit dem diakritischen Schrägstrich vor und zeigt in ihrer äußeren Form keine Anklänge mehr an den runischen Stab und Haken. Nur das Diakritikum trennt sie optisch von p ab, wie das in den Glossen des Clm 6308 gut zu beobachten ist (vgl. Abb. 7 in Kap. 3.4.1). Geschichte und Verbreitung des diakritischen Strichs sind nicht erforscht. Er wurde nicht immer eingesetzt; in bairischen Glossen kann man seine Setzung nachvollziehen, da hier regelmäßig

für ahd. /b/ verwendet wird und damit die Gefahr einer Verwechslung besteht. Gerade die Federglossen des Clm 18550a verwenden jedoch die w-Rune fast immer ohne Diakritikum und unterscheiden die beiden

in der Form meist nicht. Die Glossen des Clm 18550a rücken dadurch etwas weg von Freising und stellen sich zum Bodenseeraum, wo der w-Rune die diakritische Kennzeichnung ebenfalls fehlt (z. B. in den Griffelglossen des Clm 14517 und auch in zwei, freilich nicht ganz sicheren, einzelnen Belegen aus St. Gallen, einer davon eine Griffelglosse; vgl. Nievergelt, in Vorb. und Nievergelt 2019). Die w-Rune dürfte in Freising als angelsächsisches Element der lateinischen Schrift und nicht als runisches empfunden worden sein. Wie anderswo auch, wurde das Runenzeichen in Freising nicht über den Zeitpunkt hinaus verwendet, bis zu welchem auf dem Kontinent noch insulare Schrift geschrieben wurde. Der sonstige Runengebrauch in Freising spielt sich im Rahmen von Schreibproben und Auszeichnung ab. Die Runen werden dabei auch mit griechischer Schrift zu Mischschriften verbunden. In diesen Kontext gehört die griechisch-runisch gemischte Federglosse des Clm 6277 (vgl. Kap. 5.3.5, Glosse L43). In den Freisinger Griffelglossen finden sich keine Spuren einer kryptographisch-experimentellen Verwendung von Runen, wie sie etwa aus St. Galler Griffelglossen bekannt ist. Griechische Schrift ist in Freising dagegen auch in Griffelglossen, in althochdeutschen und lateinischen, verwendet worden (Ernst 2007: 381). Diese Erscheinung ist auch für Freising bislang singulär geblieben. Ebenso hat die Freisinger Griffelglossierung im Bereich der Bonifatischen Notengeheimschriften Einzigartiges vorzuweisen. In zwei Handschriften (Clm 6433 und Clm 6402) sind bfk-geheimschriftliche Griffelglossen dokumentiert, die mit einem stark reduzierten Chiffrensatz den Ambiguitäten dieser Geheimschrift Rechnung tragen. Sie dürften am Anfang der Glossengeheimschriften in Freising stehen. Diese Glossen sind auch die

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einzigen bfk-geheimschriftlichen Griffelglossen, die nicht evident kopial sind. Vielleicht stellen sie tatsächlich Zeugnisse für die Original-Chiffrierung im Akt der Niederschrift dar (vgl. Nievergelt 2019). Hinzu kommt aus Freising der bislang einzige bekannte Fall von Punktegeheimschrift in einer Griffeleintragung, die in einem eingeritzten Personennamen im Clm 6355 vorliegt (Nievergelt 2018: 252,A.13). Die Freisinger Griffelglossen bezeugen, dass die Bonifatischen Noten in Freising besonders früh in Glossenschriften ausprobiert und verwendet wurden, was auch in Federglossen aus dem Clm 6411 zu ersehen ist. Der Gebrauch der w-Rune ist in die Versuche einzureihen, germanische Laute möglichst differenziert in eine schriftliche Form überzuführen und dabei das Inventar der lateinischen Buchstaben zu erweitern. Ein weiterer solcher Versuch offenbart sich in einer Griffelglosse im Clm 6279 (vgl. Nievergelt 2012: 396f.). Für den althochdeutschen Lautverschiebungsfrikativ /Ʒ/ wird ein Schriftzeichen verwendet, das eigens dafür ausgedacht erscheint. Es ist formal an z orientiert, wird aber in auffälliger Weise spiegelbildlich gewendet. In einigen Freisinger Griffelglossen ist auch die Doppelschreibung von Vokalzeichen für die Wiedergabe von volkssprachigen Langvokalen anzutreffen. Dieser Usus, der hauptsächlich in den ältesten Quellen zu beobachten ist, ist keine Freisinger Spezialität; die Griffelglossen des Clm 6293 und die Schwarzstiftglossen des Clm 6297 steuern der Überlieferung aber eine Reihe weiterer Beispiele bei. Aus dem Bodenseeraum erscheinen weitere im Clm 6383. Für die auf angelsächsische Schreibtraditionen zurückgeführte Setzung von Akuten zur Bezeichnung langer Vokale finden sich Belege im Clm 6293 (vgl. Glossen Nr. 145, 172, 197). Im Allgemeinen zeigen die Freisinger Griffelglossen sonst keine orthographischen Eigenheiten. Eine Kuriosität stellen die vertikal übereinandergesetzten Buchstaben für Geminaten im Clm 21525 dar (vgl. Glossen F8, F80, F95, F104, F136, F162; vgl. Kap. 5.3.4). Sie gehören im Clm 21525 zur Schreibpraxis vor allem einer Hand der Federglossen (Hand B), sind in diesem Codex aber in einem Fall auch in die Griffelglossierung übernommen worden (vgl. Glosse G7, Kap. 5.3.2). Von einiger Bedeutung dürften die Freisinger Griffelglossen für die Schriftgeschichte Freisings sein. Wie andernorts auch treten in ihnen Hände weiterer Akteure in Erscheinung, die zusätzliche pragmatische Rahmen der Schriftlichkeit repräsentieren. Die handschriftenübergreifende paläographische Erforschung der Glossenhände aus Freising steht insgesamt noch aus, nicht nur diejenige der Griffelglossen. Der Einfluss der alemannischen Minuskel in Freising, der von Maag (2014: 115–126) etwas zu stark hervorgehoben wird, wäre ebenso wie der insulare Einfluss auch an den Glossenschriften zu überprüfen. In Freising tauchen insulare Schriftmerkmale vereinzelt in Korrekturen auf, während das frühe Skriptorium in seinem Charakter nicht insular geprägt ist (Bischoff 1974: 63). Indem Glossenhände oft Korrektorenhänden entsprechen, sind Glossenschriften mit Schriften der Korrekturen zu vergleichen. Zumindest eine Glossenhand im Clm 6293 zeigt insulare Merkmale (wie etwa das insulare g in Glosse Nr. 13). Andere Hände sind bezüglich westlicher Formen, insbesondere der alemannischen Minuskel, von Interesse. Der diesbezüglich

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reiche Clm 6383 eignet sich allerdings weniger gut, die alemannische Minuskel für Freising zu untersuchen, da der alemannisch geprägte Codex selbst kaum in Freising entstanden sein dürfte und die Entstehung der Glossen in Freising höchstens für einen Teil in Erwägung zu ziehen ist. Dem hauseigenen frühen Freisinger Stil scheinen die Griffelglossen im Clm 6308 verpflichtet, doch sind sie zu wenige und zu schlecht sichtbar für eine genauere Einschätzung. Auch ähnliche Beispiele wie die Glossen im Clm 6297, im Clm 6239 oder dann auch spätere im Clm 6310 sind wegen des geringen Umfangs der Glossierung nur sehr eingeschränkt in ihrem Schriftcharakter zu erfassen. Aussagen über eine bevorzugte Verwendung bestimmter Buchstabenvarianten in den Griffelglossen, in Einklang mit oder in Absetzung von den Textschriften, sind bislang noch nicht zu treffen. Das gilt auch für den Bereich der Abbreviaturen und Ligaturen, in welchem erste Einzelbeobachtungen stattfinden. Ein erster Eindruck besagt beispielsweise, dass cc-a und die dreistrichige Variante oder etwa die ri-Ligatur nur sporadische und keine prägenden Bestandteile der Freisinger Griffelglossen sind. Wenig eigenständiges Profil zeigen die Freisinger Griffelglossen in puncto Kürzungsverfahren. Die Verwendung von sowohl bezeichneten als auch unbezeichneten Kürzungen scheint zwar gängig gewesen zu sein (vgl. Ernst 2009: 300), aber es fehlen die systematisch gekürzten Korpora, wie wir sie insbesondere aus Benediktbeuren (Clm 4542, Clm 4614, Clm 29265/7; BStK 477, 488, 710bi), aber auch aus St. Gallen (Berlin, SBPK Ms. Ham. 542, Roma, BAV Reg. lat. 348; BStK 36, 822) kennen. Ob einzelne Phänomene wie die syllabare Suspension bei Präfixen, die an Freisinger Griffelglossen entdeckt und beschrieben wurden (vgl. Ernst 2009: 301f.; Ernst/Glaser 2009: 1017–1019), eine Freisinger Eigenart darstellen, ist an Griffelglossen aus anderen Kontexten erst noch zu untersuchen. Die Griffeltechnik selbst ist für Freising als variantenreich praktiziert zu beschreiben. Allein im Clm 6293 begegnen uns sehr viele unterschiedliche Instrumente, während sich in anderen Codices wie im Clm 6300 und im Clm 6308 bestimmte Instrumente als bevorzugt darstellen, was dann aber meist auch mit den Haupthänden zu tun hat.5 Für eine aussagekräftige Darstellung der in Freising verwendeten Instrumententypen fehlen für allzu viele Handschriften noch die Einzeluntersuchungen. Neben dem Griffel rücken zunehmend Farbstifte ins Blickfeld. Wie das Beispiel des Clm 6308 zeigt, sind sie oftmals materiell nicht rekonstruierbar, vor allem dann, wenn der Farbauftrag sehr schwach und zudem an eine starke Einprägung gekoppelt ist. Außerdem sind Farbstiftglossen in weiten Teilen schlecht erhalten, was wiederum an den Belegen im Clm 21525 festzustellen ist. Bei den Farbstif-

|| 5 Im Clm 6300 benutzt die vorherrschende Hand einen scharf gespitzten, aber unregelmäßig geschliffenen Griffel, im Clm 6308 macht die Haupthand von einem stumpfen Instrument Gebrauch, dessen Spuren Farbreste enthalten.

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ten, die auch verschiedene Typen gekannt haben müssen, ist das Material in Freising begrenzt. Vorherrschend sind schwärzliche Mineralspuren, weshalb sich die Freisinger Farbstiftglossen mittels des Terminus technicus weitgehend als Schwarzstiftglossen beschreiben lassen (vgl. Kap. 1.2.2). Solche schwärzlichen Glossen enthalten die Codices Clm 6277, Clm 6297, Clm 6308, Clm 14461 und Clm 21525 (vgl. Nievergelt 2010: 32), während sich für den Clm 6325 gemeldete Farbstiftglossen (Stach 1950: 14f.) nicht nachweisen ließen (Nievergelt 2010: 16). Bestimmt aber ist der Farbstiftgebrauch an sich kein Freisinger Merkmal: Er ist, nebst einer überhaupt allgemeinen Verbreitung in den Glossen, aus der ganzen Region bezeugt und – was das Bild der Glossenüberlieferung vermittelt – auch in Regensburg (Dublin, Trinity College Library Cod. 737, Clm 3747, Clm 14379 (?), Clm 14425 (?), Wien, ÖNB 1218), Tegernsee (Clm 18547b, Clm 18550a, Clm 18556a) und an anderen bayerischen Schreiborten (Clm 3809, Clm 4533, Clm 14364, Praha, Metropolitní Kapitula U SV. Víta A 156) präsent.

6.3 Sprachliche Aspekte 6.3.1 Althochdeutsch und Latein in Freisinger Griffelglossen Auch in den Freisinger Handschriften sind Griffel- und Farbstiftglossen kein ausschließlich volkssprachiges Phänomen. Lateinische Griffelglossen sind hier regelmäßig koexistent beziehungsweise kopräsent. Zwischen der Anwendung von alternativen Schreibtechniken und der Sprache der Glossen sind keine Bezüge zu erkennen. Die Verteilung von lateinischen und althochdeutschen Griffelglossen ist von Handschrift zu Handschrift verschieden. In bestimmten Fällen kann sie auf Eintragungsschichten bezogen werden (vgl. Clm 6263, Ernst 2007: 230–239; Clm 6293). Es wäre allerdings verfrüht, auf diesem Gebiet bereits generelle Aussagen zu treffen, weil die lateinischen Griffelglossen nur in Einzelfällen erhoben sind und noch immer nicht systematisch ermittelt werden. Aus einigen neueren Untersuchungen, in denen lateinische Griffelglossen berücksichtigt wurden, lässt sich für Freising der folgende vorläufige Befund skizzieren: In den frühen Handschriften ist die Griffelglossierung mit großer Deutlichkeit eine volkssprachige Angelegenheit. Es gibt Fälle von ausschließlich volkssprachiger Griffelglossierung, die natürlich nur bei einer gewissen Anzahl an Glossen prägnant sind. Ein eindrucksvolles solches Beispiel ist der Clm 6300, der einen großen Bestand an althochdeutschen Griffelglossen (370 entzifferte) und keine als lateinisch identifizierte Einritzung enthält (Glaser 1996: 92). Ebenso weist auch der Clm 6433 neben seinen 37 althochdeutschen keine lateinischen Griffelglossen auf (Nievergelt 2009a: 179). Im Clm 6220 mit 11 althochdeutschen Griffelglossen konnten die meisten lateinischen Einritzungen nicht als Glossen im engeren Sinn bestimmt werden (Ernst 2007: 90). Ausschließlich volkssprachige größere Griffelglossenkorpora ken-

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nen wir auch aus St. Galler Handschriften. In der ganzen Glossenüberlieferung sind sie aber selten. In Freising sind aber auch dort, wo lateinische Griffelglossen zusammen mit althochdeutschen vorkommen, die lateinischen meist in der Minderzahl. Das zeigen die folgenden Beispiele: deutlich der Clm 6277 – gegen 100 ahd., 5 lat. (Ernst 2007: 500–504); Clm 6293 – 260 ahd., 2 lat. (vgl. Kap. 2.3.2); Clm 6312 – 12 ahd., 1 lat. (Glaser 1996: 605); aber auch die Handschriften Clm 6263 – 45 ahd., 15 lat. (Ernst 2007: 195–201); Clm 6272 – 40 ahd., 26 lat. (Ernst 2007: 323–347)6; Clm 6308 – 31 ahd., 11 lat. (vgl. Kap. 3.4.3); Clm 14461 – 14 ahd., 5 lat. (Nievergelt 2010: 30); Clm 6324 – 5 ahd., 2 lat. (Nievergelt 2010: 19). Etwa gleichauf liegen die beiden Sprachen im Clm 6305 mit 43 ahd. und 44 lat. Griffelglossen (Glaser 1996: 531–547). Dies alles belegt, dass in gemischten althochdeutsch-lateinischen Griffelglossenkorpora in Freising das Latein praktisch durchweg schwächer vertreten ist. Zahlenverhältnisse wie 2 althochdeutsche und 23 lateinische Griffelglossen im St. Emmeramer Clm 14286 (Nievergelt 2013b: 402), 145 althochdeutsche und ca. 200 lateinische im Tegernseer Clm 18556a (Mayer 1974: 99) oder mehrere hundert lateinische bei 16 althochdeutschen wie in der Lorscher Glossierung in Rom, BAV Pal. lat. 1631 (McCormick 1992) kennen wir aus Freising nicht. Dort, wo lateinische mit althochdeutschen Glossen zusammen vorkommen, bleibt ihre Anzahl in Freising unter 50, anders als in Handschriften wie Rom, BAV Ottob. lat. 3295 – 570 ahd., 150 lat. (Mayer 1982: 13) und Clm 18547b – 421 ahd., 101 lat. (Nievergelt 2007: 143f.). Ein Beispiel wie der St. Emmeramer Clm 14395, wo unter althochdeutschen Federglossen (2495 Glossen) auch lateinische Griffelglossen vorkommen (ca. 75 Glossen), fehlt im Freisinger Bestand ebenfalls. Freisinger Handschriften, die nur lateinisch mit dem Griffel glossiert sind, tragen keine umfangreichen Korpora. Nur wenige – bislang unedierte – eingeritzte lateinische Glossen enthalten beispielsweise der Clm 6283 (Autopsie 07.03.2013), der Clm 6284 (Autopsie 01.03.2018) und der Clm 6376 (Autopsie 12.12.2012). Einiges dürfte noch zum Vorschein kommen, wenn erst die Bestände auch auf lateinische Einritzungen durchsucht werden. Umfangreiche lateinische Griffelglossierung ist jedenfalls bisher für Freising nicht bezeugt.

6.3.2 Sprachliche Charakteristika der Freisinger Griffelglossen Einige bei Glaser/Ernst (2009: 1362f.) summarisch behandelte sprachliche Phänomene in Freisinger Griffelglossenhandschriften lassen sich auf der Basis des hier

|| 6 Den 26 lateinischen Griffelglossen bei Ernst (2007) ist eine weitere hinzuzufügen: Die irrtümlich als ahd. qitv gelesene Glosse (Ernst 2007: 280f., 377) ist zu lat. exitv (zum Lemma exodi) zu korrigieren (vgl. auch AWB VII,349; BHAG §146a,A.2).

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hinzugewonnenen Materials konkretisieren. Im Folgenden thematisieren wir Umlautgraphien, die Entwicklung von vorahd. /h/ und vorahd. /k/, die graphische Markierung von Diphthongen, daneben auch das Fehlen bestimmter Graphien in unseren Korpora sowie eine mögliche sprachgeographische Charakterisierung. Für die älteste Überlieferung kann festgehalten werden, dass das Fehlen der Umlautgraphie (Ernst/Glaser 2009: 1009) weiterhin auf die bei Glaser (1996) behandelten frühen und umfangreichen Griffelglossen des Clm 6300 beschränkt bleibt, die in der Literatur oft als „Freisinger Griffelglossen“7 bezeichnet werden (BRG §27,A.1, auch BHAG §27,A.1). Die zeitlich folgenden althochdeutschen Griffelglossierungen weisen bis auf wenige (zumal interpretatorisch diesbezüglich unsichere) Einzelfälle die graphische Umsetzung des Primärumlauts auf. Dies passt auch zu der bisher angenommenen Chronologie bei der graphischen Umsetzung des Umlauts, der in der Regel in den Quellen der Zeit um die Wende des 8. zum 9. Jahrhunderts meist schon vorhanden ist (BRG §27). Die hier bezüglich ihrer frühen Entstehungszeit interessanten Clm 6293 und Clm 6308 weisen die graphische Umsetzung des Umlauts ebenfalls bereits auf, im westlicheren Clm 6383 scheint der Wechsel fortgeschritten, aber nicht ganz vollendet zu sein. Insbesondere für die Griffelglossen des Clm 6308 ist eine Eintragung aus paläographischen Gründen noch im 8. Jahrhundert in Betracht zu ziehen, sodass sich hier sprachliche Neuerungen auch früher graphisch manifestiert haben können. Neben dieser sprachlichen Progressivität ist damit aber natürlich auch umgekehrt die Möglichkeit einer besonderen sprachlichen Konservativität der umlautlosen Freisinger Moraliaglossen des Clm 6300 zu berücksichtigen (Ernst/Glaser 2009: 1009; vgl. unten Kap. 6.3.4 zu sprachlicher Progressivität). Exemplarisch für die in die Frühzeit reichende Überlieferung sind auch einige präkonsonantische -Graphien im Anlaut, die insbesondere die frühen Korpora der Freisinger Moraliaglossen des Clm 6300 (drei Belege, vgl. Glaser 1996: 411f.) und des Clm 6305 (ein Beleg, vgl. Glaser 1996: 548) zeigen. Aus den Freisinger DialogGlossen des Clm 6293 lassen sich hier fünf weitere Belege beibringen (Nr. 83, 85, 144, 168, 187; vgl. Kap. 2.5.3.1), was dessen direkten Anschluss an die frühe Zeit zumindest für einen Teil der Glossenschichten dokumentiert. In den anderen bisher untersuchten Freisinger Griffelglossenhandschriften (Glaser 1996; Ernst 2007) fehlen die -Graphien. Für den Ausfall des im Inlaut vor Konsonant wurde ein Zusammenhang mit sprechsprachlichen Formen erwogen (Glaser 1996: 460). Auch hier lassen sich den bei Glaser (1996: 412) diskutierten Fällen8 aus dem Clm 6300

|| 7 In Anbetracht des deutlich gewachsenen Umfangs der Freisinger Griffelglossenüberlieferung und um Missverständnisse und falsche Verallgemeinerungen zu vermeiden, bietet es sich an, hier die differenzierende Bezeichnung ‚Freisinger Moraliaglossen‘ zu wählen (vgl. Seebold 2001: 31; Ernst/Glaser 2009: 1009). 8 Es handelt sich um neun Belege ohne gegenüber drei mit graphischem Reflex von vorahd. /h/.

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weitere aus dem Clm 6293 hinzufügen (Nr. 20, 56, 60b, 145; vgl. dazu Nr. 134 izzu mit Schwund im Anlaut vor Vokal). Das Phänomen ist darüber hinaus auch einmal unter den Griffelglossen des Clm 6277 belegt (Nr. 45, Ernst 2007: 536). Daneben reichen zahlreiche intervokalische -Graphien für den aus vorahd. /k/ entstandenen Doppelfrikativ im Clm 6300 in die frühe Zeit. Auch hier zeigt die Glossierung des Clm 6293 mit ihrer überwiegenden -Graphie einen direkten Anschluss. Dies gilt ebenso für die Griffelglossen im Clm 6308. Besonderheiten im Vokalismus bieten insbesondere unterbliebene graphische Markierungen für Diphthonge. Zum einen sind hier neue Belege mit für vorahd. /ei/ in Diphthongposition zu nennen: kahelta (Glaser 1996: 387), pimenta (Ernst 2007: 480, 539), im Clm 6293: Nr. 64 lipl&a, Nr. 88 uuas kip&it, Nr. 91 kaendraftot uuarin. Die zusätzlichen Belege stützen insbesondere die in Ernst/Glaser (2009: 1010) verfolgte Interpretation als sprechsprachlich beeinflusste Graphien (vgl. Kap. 6.3.4), in denen sich sprachgeographische Unterschiede manifestieren können. Zum anderen sind bezüglich der auffälligen Belege mit -Graphie für vorahd. /au/ in Diphthongposition (vor allem im Fränkischen, vgl. BRG §46,A.3) nun insbesondere drei Freisinger Belege zu nennen: Neben den im Clm 6300 noch singulären Beleg (Nr. 172 piropon, Glaser 1996: 388) treten nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung auch aus dem Clm 6293 Nr. 137 vvarikatokan und Nr. 139 lopit. Zusammen mit den beiden Belegen aus der St. Galler Abroganshandschrift (hōpit, Kögel 1879: 22; vgl. Glaser 1996: 388,A.63) und aus dem Clm 2944 (hopitas, SchABG §14a) mehren sich hier also auch die Belege aus dem Bairischen. Auffällig ist auch das Fehlen bestimmter Graphien, die als typisch freisingisch gelten: So ist die Graphie für vorahd. /ō/ (vgl. Glaser/Ernst 2009: 1362; BRG §39,A.3; BHAG §39,2.,A.3) gerade in den frühen Freisinger Moraliaglossen des Clm 6300 und auch in den anderen von Glaser untersuchten Handschriften gar nicht vorhanden (Glaser 1996: 385). Auch im vorliegenden Untersuchungskorpus begegnet uns diese Graphie nur sehr vereinzelt (Clm 6293 Nr. 1 kasoahta; Clm 6308 Nr. 14 soahta). Die in den Grammatiken v. a. für Freisinger Urkunden als typisch erachtete -Graphie scheint somit vorrangig ein Phänomen der Urkundenüberlieferung zu sein. Ebenfalls selten erscheint die Graphie für vorahd. /au/ in Monophthongierungsposition (BRG §45,A.2. BHAG §45,A.2c). Im gesamten hier untersuchten Korpus erscheint sie nur einmal im Clm 6293 Nr. 242 arlaosemes und ist in den bei Glaser (1996) und Ernst (2007) untersuchten Korpora gar nicht vorhanden. Was die sprachgeographische Charakterisierung betrifft, zeigen die Glossierungen ansonsten durchgehend die Kennzeichen des zu erwartenden bairischen Sprachstandes: für vorahd /b/, für vorahd. /g/, auch im Inlaut, -haltige Formen in verschiedenen Präfixen sowie die Bewahrung monophthongischer Graphien für vorahd. /ō/. Neben dem offensichtlichen bairischen Charakter, den die Griffelglossen des Clm 6293 aufweisen, sind einige Alemannismen, die sich v. a. in der in Nr. 130 einmal belegten Form des Wurzelverbs stān, der einmaligen -Graphie für die Affrika-

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te aus vorahd. /p-/ in Nr. 214 und der allerdings nicht ganz sicheren -Graphie in Nr. 82 zeigen, wohl ein Ausdruck der Problematik der bairisch-alemannischen Mischung der Frühzeit, der sich sporadisch auch in Freising findet. Insgesamt ist die Sprache der Frühzeit vom Ende des 8. und Anfang des 9. Jahrhunderts gut durch mehrere recht große und einige kleinere Griffelglossenkorpora aus Freising belegt: Neben das bis dato einzige umfangreiche Korpus der Freisinger Moraliaglossen des Clm 6300 treten nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung die 255 Griffelglossen des Clm 6293. Sie werden zudem ergänzt durch kleinere Korpora, deren Griffel- und Farbstiftglossen in die Frühzeit – Clm 6239 (6 Gll.), Clm 6297 (2 Gll.), Clm 6308 (31 Gll.), Clm 6312 (15 Gll.) und Clm 6433 (37 Gll.) – oder zumindest noch ins 9. Jahrhundert reichen – Clm 6277 (ca. 90 Gll.), Clm 6272 (40 Gll.) und Clm 6305 (43 Gll.).

6.3.3 Lexikalische Relevanz: Hapax legomena Im Bereich des Wortschatzes besitzen die frühen Griffelglossenkorpora einen großen Quellenwert, insbesondere durch Hapax legomena und selten überlieferte Wörter und Wortbildungen. Auch unsere Editionen können hierzu zahlreiche Neufunde vermelden. Für den Clm 6300 ermittelte bereits Glaser (1996: 641) einen Anteil von etwa 15 % Hapax legomena9 am untersuchten Wortschatz der Freisinger Moraliaglossen. Selbst wenn man einige Ansätze, die auf unsicheren Lesungen basieren, unberücksichtigt lässt, ist das ein auffällig hoher Wert. Dies gilt mit ca. 16 % auch für die 5 Hapax legomena im Clm 6308 (Nr. 4, 9, 12, 16, 30; vgl. Kap. 3.5). Der Anteil der Hapax legomena im Clm 6293 beläuft sich mit 10 Fällen auf ca. 4 % (FG Nr. 4; GG Nr. 69, 75, 91, 124, 137, 155, 158 (?) 185, 186). Die Erstbelege im Clm 21525 betreffen 4 Fälle und damit etwa 4 % der Griffelglossen dieser Handschrift (G33, G65, G78, G109; vgl. Kap. 5.3.2.7). Besonders groß ist der Anteil an Hapax legomena im allerdings nicht aus Freising stammenden Clm 6383 mit 78 einmalig bezeugten althochdeutschen Wörtern; der Anteil der Hapax legomena beträgt ca. 18 % (siehe die genaue Auflistung in Kap. 4.4). Über diese Hapax legomena hinaus bietet das hier untersuchte Material aber auch wertvolle zusätzliche Belege für Lexeme, Flexionsformen, Ableitungen und Bedeutungen, die bislang nur einmal oder nur unklar (z. B. in unsicheren Lesungen u. ä.) bezeugt sind: etwa im Clm 21525 das Prät.-Präs. gimagan (G62) und der Zweitbeleg für das sw. V. wītbreiten (G84) oder im Clm 6293 das sw. V. ahd. sandōn (Nr. 186) und die -ida-Bildung ahd. irteilida (Nr. 248). Hier sind auch auffällige

|| 9 Wir schließen hiermit auch unbelegte Prä- und Suffigierungen mit ein (vgl. Nievergelt/Glaser 2016: 318f.).

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Belege zu nennen, die Basis weiterer Untersuchungen sein können wie etwa im Clm 21525 das unbegreifliche st. V. skrīnan (G9), das irrtümlich entstanden sein könnte, oder die unsichere Rekonstruktion eines sw. M. ahd. iukko (G17). Über die rein lexikalische Beleglage hinaus erweitern besondere oder seltene lateinisch-althochdeutsche Entsprechungen zudem unser Wissen über das Bedeutungsspektrum bereits belegter Lexeme oder zeigen uns speziellere sowie auch assoziativere Glossierungstechniken (vgl. unten Kap. 6.4). In gleicher Hinsicht sollen nur am Rande gemachte und bisweilen in den Editionsartikeln mitgeteilte Beobachtungen als Anregung für weiterführende Untersuchungen erwähnt sein. So fiel etwa zunächst im Clm 6293 auf, dass einige der selten belegten Lemma-InterpretamentBeziehungen sonst nur in Handschriften aus dem Umkreis der frühen ‚Abrogans‘und ‚Samanunga‘-Glossare bekannt sind (vgl. z. B. Nr. 31, 106, 148, 151, 184, 201, 212, 257). Das betrifft überhaupt auch einige althochdeutsche Lexeme und Bildungen (vgl. z. B. Nr. 91, 105, 126, 175, 186). Ähnliches ließ sich für den Clm 6383 beobachten, wobei dort Bezüge zum ‚Abrogans‘-Glossar und zur althochdeutschen Benediktinerregel auffällig sind (vgl. Kap. 4.3.5.3). Ob es sich hierbei insgesamt um lediglich statistische Übereinstimmungen handelt (diese Handschriften überliefern immerhin einen großen Teil des früh belegten althochdeutschen Wortschatzes) oder ob die Parallelen Hinweise auf eine gezielte Glossarverwendung und Handschriftentradierung bieten können, bedarf einer gesonderten und eingängigeren Prüfung als es hier möglich war, sodass es für zusammenfassende oder gar resümierende Aussagen an dieser Stelle zu früh ist.

6.3.4 Grammatische Relevanz: Althochdeutsche Sprechsprache Versuche, auffällige sprachliche Eigenheiten bei Griffelglossen mittels Rückgriff auf sprechsprachliche Formen einzuordnen und diese zu erklären, finden sich bereits bei Glaser (1996) zu verschiedenen sprachlichen Phänomenen.10 Bei ihrer Untersuchung von Auffälligkeiten innerhalb einer Glossierungsschicht in den Freisinger Moraliaglossen des Clm 6300 steht die oben erwähnte fehlende Umlautbezeichnung in eigenartiger Diskrepanz zu einigen sprachlichen Phänomenen, die einer insgesamt eigentlich früh anzusetzenden Eintragungszeit der Glossen widersprechen. Da sich das Problem nicht einfach durch unterschiedliche Eintragungsschichten bzw. Glossatoren erklären ließ, erwog Glaser, dass sich in den Griffelglossen Sprachwan-

|| 10 Neben dem oben erwähnten -Schwund (Glaser 1996: 460) und den einfachen Vokalgraphien für ahd. Diphthonge im Fall von vorahd. /ai/ (Glaser 1996: 387) und /au/ (Glaser 1996: 388) erregten insbesondere auch abgeschwächte Formen des Artikels/Demonstrativpronomens (Glaser 1996: 444, 463), die -Schreibungen für vorahd. /þ/ (Glaser 1996: 459) und der Fall eines epenthetischen t (Glaser 1996: 406) Aufmerksamkeit.

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delphänomene früher als in anderen Überlieferungen zeigen könnten. Dies basierte nicht zuletzt auf den Untersuchungen Sondereggers (1961) zu den St. Galler Vorakten, Konzeptschriften zu Urkunden, die ebenfalls in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts den Umlaut bereits graphisch umgesetzt zeigen, während die zeitgleich entstandenen Reinschriften dieser Texte noch weitgehende Umlautlosigkeit aufweisen. Diese Erkenntnis von Sonderegger und Glaser warf auch die Frage nach der für die Datierung und Lokalisierung des Sprachmaterials notwendigen Vergleichskorpora auf (Glaser 1996: 465) und war für die Beurteilung in der Folge untersuchter Freisinger Griffelglossenkorpora wichtig. Durch die Aufarbeitung der zeitlich an die in Glaser (1996) behandelten anschließenden Freisinger Griffelglossen bei Ernst (2007) kamen weitere Belege für die oben beschriebenen sprachlichen Spezifika der Griffelglossenüberlieferung zum Vorschein und wurden auch durch die Entdeckung anderer Phänomene ergänzt. Ehemals oft als ‚nachlässig‘ oder ‚fehlerhaft‘ gedeutete Schreibungen – so auch meist noch in der 15. Auflage der ‚Althochdeutschen Grammatik‘ von Braune/ Reiffenstein aus dem Jahr 2004 (BRG; siehe unten)11 – erscheinen unter einer anderen Perspektive: etwa Schwund von intervokalischem /h/ als Reflex sprechsprachlicher Lautung in den Clm 6277 (Ernst 2007: 460, 462), Clm 6293 (Nr. 36) und Clm 21525 (FS 10), die fehlenden -Graphien nach /n/ aus dem Clm 6263, die sich insbesondere auch durch Belege aus den Freisinger Federglossen des Clm 6277 ergänzen lassen (Ernst 2007: 243), die -Graphien (statt ) für den Doppelfrikativ aus vorahd. /t/ (Ernst 2007: 240, 528) aus Clm 6263 und Clm 6277 und insbesondere die sprechsprachlich interpretierten Synkopen in Präfixen aus Clm 6263 und Clm 6272 (vgl. den Überblick in Ernst/Glaser 2009: 1017–1019). Diese Befunde führten zu vier zusammenfassenden und weiterführenden Artikeln. Der erste fokussiert auf die Darstellung der graphematischen und phonematischen Besonderheiten insbesondere der Griffelglossenüberlieferung (Ernst/Glaser 2009). Der zweite thematisiert vor allem mögliche theoretische Interpretationsrahmen und lotet für das Sprachmaterial die Untersuchungsmöglichkeiten im Rahmen des in der jüngeren Sprachgeschichtsforschung diskutierten Konzepts einer ‚Sprachgeschichte von unten‘ (Elspaß 2005) auch für die ältere Überlieferung aus (Ernst/Elspaß 2011). Die dritte Studie bettet diese Befunde in Koch/Oesterreichers (1985) Modell des ‚konzeptionellen Kontinuums‘ ein und diskutiert die medialen und konzeptionellen Bedingungen von Volkssprache und Latein zu althochdeutscher Zeit im Generellen sowie die Rolle der Glossatoren bei der Verschriftung von || 11 Die einfache Vokalgraphie für üblicherweise als ahd. Diphthong erscheinendes vorahd. /ai/ (vgl. die vorige Fußnote) wurde von Braune noch als „orthographische Nachlässigkeit ohne lautliche Grundlage“ (BRG §44,A.4) bewertet, was Reiffenstein, der Herausgeber der 15. Auflage, allerdings schon kritisiert; das in „nachlässiger geschriebenen Hss.“ öfter vorkommende interpretiert er dadurch, dass „jene leichter der Sprechsprache nachgeben konnten“. Vgl. dazu auch Schiegg (2015b: 37).

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Nähesprache und beim Sprachwandel im Speziellen (Schiegg 2013; vgl. auch Schiegg 2015b: 14–28).12 Der vierte Artikel schließlich argumentiert dafür, dass trotz der in den letzten Jahren erfolgten Neubewertung der Glossenüberlieferung in der Althochdeutschforschung nicht von einem ‚Paradigmenwechsel‘ (siehe etwa bei Ridder/Wolf 2000: 420 und Moulin 2009: 1659) die Rede sein sollte, da dieser schillernde Begriff weder der früheren noch der heutigen Glossenforschung gerecht wird (Schiegg 2014). Bei diesen Studien wurde deutlich, dass sich bei einer eingehenderen Suche nach ähnlichen graphematischen und phonematischen Besonderheiten auch außerhalb des Freisinger Korpus weitere Belege ausmachen lassen13, die insgesamt zu einer Umbewertung vor allem der in der (Griffel-)Glossenüberlieferung vertretenen Graphien führen müsste. So bleibt festzuhalten, dass sich zwar v. a. im Freisinger Material an Griffelglossen diese Phänomene zeigen, dass diese aber keineswegs eine Freisinger Eigenheit darstellen. Es ist lediglich der guten Forschungslage geschuldet (vgl. Kap. 6.1), dass solchen Phänomenen bei der Freisinger Überlieferung bisher besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde. Erfreulicherweise haben diese Beobachtungen zu den auffälligen Graphien in Freisinger Griffelglossen Eingang in die von Heidermanns bearbeitete, neueste und jüngst erschienene Auflage der ‚Althochdeutschen Grammatik‘ (BHAG) gefunden. Wie Heidermanns im Vorwort betont, bemüht er sich „den reichen Erträgen der neueren Glossenforschung gebührend Rechnung zu tragen“, wobei er die Anregung aufgreift, „unorthodoxe graphische Varianten nicht vorschnell als Schreibfehler abzutun, sondern als tastende Annäherungen an die Aussprache zu würdigen“ (BHAG, VII). Dies zeigt sich in den einzelnen Kapiteln der Grammatik, die an den neuesten Forschungsstand angepasst sind. Dabei ersetzt Heidermanns die in der älteren Auflage meist pauschalen Abwertungen der oben genannten Graphien durch neutralere Formulierungen, widerspricht jenen teilweise und interpretiert die Graphien nun manchmal ebenfalls als sprechsprachliche Schreibungen.14 || 12 Zur Frage, ob Glossen als Quellen althochdeutscher Alltagssprache herangezogen werden können, insbesondere zur Rolle von Synsemantika wie Artikel, Pronomen und Partikeln dabei, vgl. Glaser (2006). Zu Reflexen gesprochener Sprache im Althochdeutschen vgl. auch Sonderegger (1971 und 2000) sowie Masser (1997). 13 Weitere Hinweise bei Ernst/Glaser (2009), etwa zu den abgeschwächten Präfixvokalen im ‚Freisinger Paternoster‘ und bei Otfrid. 14 Belege für die oben erwähnte -Graphie für vorahd. /eu/, die bei BRG §345,A.3c noch als „vielleicht Verschreibungen“ interpretiert werden, sind nach BHAG §345,A.3c „schwerlich […] als Verschreibungen zu werten“. Die bei BRG §128,A.3 nur erwähnte Existenz fehlender -Graphien nach interpretiert BHAG §128,A.3 nun auf Grund der neuen Beleglage dahingehend, dass „/g/ nach [ŋ] schwach artikuliert worden ist“. Bei -Schreibungen für vorahd. /þ/, welche vormals als „Schreibfehler“ (BRG §167,A.9) galten, betont BHAG §167,A.9, dass „besonders in den Glossen“ mit „sprechsprachlichen Schreibungen zu rechnen“ ist. Auch zu den bei BRG §160,A.2 als „Vertauschungen“ bewerteten -Graphien für vorahd. /t/ merkt BHAG §160,A.2b an, dass dieser Laut „in

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Auch aus dem Material der vorliegenden Untersuchung lassen sich weitere Belege zu den besprochenen lautlich-graphischen Phänomenen beibringen und dabei für die jeweilige Datierung der Glossen auffällig progressive sprachliche Züge geltend machen. Besonders für den Clm 6293 ist dies der Fall. Entsprechende Deutungen erlauben aber auch der Clm 6308 und der Clm 21525. Details zu den im Folgenden erwähnten Glossen, insbesondere genaue Verweise zu den Grammatiken, finden sich in den jeweiligen Editionsartikeln. Die sprachliche Analyse der Griffelglossen im Clm 6293 hat insbesondere bei den eingedrückten Glossen (= Typ A) Hinweise auf eine frühere Eintragungszeit in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts ergeben (vgl. Kap. 2.5.4). Die folgenden Phänomene sind besonders interessant in der Diskussion, ob sie als früh oder spät anzusehen sind: Die Glosse Nr. 25 (Typ A) vonapisessanemo liefert einen weiteren Beleg für die -Graphie für vorahd. /t/. Die Glosse Nr. 183a (Typ A) archelita zeigt den Wegfall des labialen Elements, der sonst vor allem im späteren Alemannischen zu beobachten ist; die dortige Form des Präfixes ar- für ahd. ir- weist dagegen auf eine frühe Form hin. Die späten sprachlichen Merkmale erlauben es in diesen Fällen, die Belegformen als progressiv zu beschreiben. Weitere progressive Sprachformen könnten hier bei Glossen wie Nr. 106 (Typ A) zesperi vorliegen, wo die Verschriftung einen Hinweis auf abgeschwächte Nebentonsilbenvokale in diesen früh datierten Glossen gibt. Solange hier aber auch immer die Möglichkeit unterschiedlicher Glossierungsschichten innerhalb der einzelnen Typen und damit einzelner späterer Eintragungen in Betracht gezogen werden muss, können nur widersprüchliche Graphien innerhalb einer Eintragung für eine solche Beurteilung herangezogen werden. Unter -Graphien für vorahd. /f/ etwa, die sich im Laufe des 9. Jahrhunderts gegenüber den früheren -Graphien durchsetzen, stellt die Nr. 161 (Typ A) kazuiualtot ein Beispiel dafür dar, dass eine Graphie wie dann anachronistisch interpretiert werden kann, wenn man für entsprechende Graphien eine absolute Chronologie ansetzt. Die anderen Glossen mit -Graphien sind dahingehend weniger widersprüchlich und somit bezüglich ihrer sprachlichen Progressivität nicht eindeutig zu charakterisieren: Nr. 3 (Typ A), Nr. 10 (Typ A), Nr. 25 (Typ A), Nr. 62 (Typ B), Nr. 140 (Typ B). Auch aus Phänomenen, die sich erst geraume Zeit nach dem betroffenen Zeitraum einstellen, lassen sich unter den späteren eingeritzten Glossen (= Typ B) Hinweise auf progressive Sprachformen ableiten, etwa in Nr. 185 (Typ B) pihuhonto, wo die einfache -Graphie für ahd. /uo/ auf eine frühe sprechsprachliche Verschriftung einer monophthongischen Aussprache hindeuten könnte. Ebenso könn-

|| Texten und besonders in Glossen zuweilen auch durch einfaches bezeichnet“ wird. Ebenso wird die ehemals „mangelhafte Schreibung“ (BRG §93,A.2) von Geminaten durch einfache Konsonantengraphien auf Grund der neuen Quellenlage wertungsfrei als „des öfteren durch einfache Konsonanten bezeichnet“ (BHAG §93,A.3) mitgeteilt.

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ten fehlende -Graphien in den beiden eingeritzten Glossen von Typ B Nr. 56 augazurto und Nr. 60b unmaticun Reflexe sprechsprachlicher Formen sein, ohne deshalb aber als progressiv gelten zu müssen. Inwiefern hierzu auch die Belege Nr. 137 (Typ A) vvarikatokan und Nr. 139 (Typ B) lopit mit einfacher -Graphie für vorahd. /au/ in Diphthongposition zählen, die genauso gut Ausdruck regionaler Variation sein könnten, ist auf der Basis der bisherigen Beleglage nicht zu klären. Bezüglich der Einschätzung sprachlicher Progressivität sind im Clm 6293 aber auch die Fälle ‚korrigierender‘ Doppelglossierungen interessant, da sie evtl. zeitgenössische Beurteilungen von Graphien offenbaren, die für spätere Glossatoren als unangemessen galten: So erscheinen offensichtlich sprachlich bedingte Korrekturen bzw. alternative Realisierungen bei den Präfixen in Nr. 54a kapreitit (Typ A) hin zu Nr. 54b kipreitit (Typ B) und Nr. 142a kakrapan (Typ A) zu Nr. 142b kikrapaniu (Typ B) sowie bei der Korrektur von Stammsilbenvokal und Flexionsform in Nr. 216a deonosto (Typ A) mit den beiden Buchstaben i und v (Typ B), also zu Nr. 216b [d]i[onost]v. Diese Korrekturen könnten aber auch umgekehrt den konservativen Charakter mancher Sprachformen als veraltet herausstellen. Diese Beobachtungen lassen sich auch für eine Verortung früherer Sprachformen im Nähe-DistanzKontinuum (Koch/Oesterreicher 1985) nutzbar machen, indem wir hier unterschiedliche sprachliche Varianten vorliegen haben, die zudem noch von den damaligen Glossatoren bezüglich ihres konzeptionellen Profils bewertet wurden. Dies eröffnet uns ganz neuartige pragmatische Analysekategorien für mittelalterliche Schriftlichkeit (vgl. Schiegg 2013). Dagegen scheinen die Doppelglossierungen in Nr. 235a/b (Typ A/B) umpiuuanentlih/[umpi]vva[nentlih] sowie auch in Nr. 241a/b (Typ A/B) nidarostun/[nidarost]vn eher die Umsetzung graphischer Neuerungen von zu oder womöglich auch individuelle Schreibgewohnheiten zu reflektieren. Die Griffelglossen im Clm 6308 wurden auf Grund paläographischer Charakteristika ins 8. Jahrhundert datiert (vgl. Kap. 3.5). Auch hier konnten – neben den alten Phänomenen wie durchgehend anlautend für vorahd. /g/ sowie alten Präfixvokalen – lautliche Neuerungen wie vor allem der Primärumlaut in Nr. 17 megin, aber auch der Wegfall von präkonsonantischem (Nr. 25) sowie die Schreibungen für monophthongiertes /au/ (Nr. 15) und für vorahd. /þ/ (Nr. 6) beobachtet werden, die für diese frühe Zeit auffällig sind. Paläographische Kriterien erlaubten auch die Datierung der Griffelglossen im Clm 21525, wobei diese deutlich später anzusetzen sind, nämlich ins zweite Drittel bis in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts (vgl. Kap. 5.3.2.7). Die Glossen zeigen im hinteren Teil der Handschrift bereits durchgängig für vorahd. /g/, überall für vorahd. /ō/ sowie auch die Präfixform gi-, was laut Grammatiken im Bairischen am Ende des 9. Jahrhunderts, teilweise auch erst im frühen 10. Jahrhundert erreicht wird. Auch das -a im Dat. Sg. der st. Maskulina bei G78 ofanota, u für ō bei den ōnVerben und -un im Gen. Sg. der sw. M. gelten als verhältnismäßig jung. Somit treten auch hier wieder gegenüber der Zeit ihrer Aufzeichnung tendenziell progressive Züge in den Glossen zu Tage.

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Die Problematik progressiver Schreibungen wäre im Clm 6383 vor dem sprachund schriftgeschichtlichen Hintergrund des Alemannischen zu beurteilen, eine Analyse, die im Rahmen dieser Studie nicht durchgeführt wurde. Die untersuchten Glossierungen zeigen somit einige Lautungen, die für den jeweiligen Eintragungszeitraum der Griffelglossen als progressiv sowie wohl auch sprechsprachlich gelten und zeitgenössischen Sprachcharakter wiedergeben können. Diese sprachlichen Charakteristika können in Kombination mit außersprachlichen wie kodikologischen und paläographischen Faktoren zu einer Neubeurteilung einer Glossierung bezüglich Sprache, Ort und Alter führen. Anhand der unterschiedlichen Eintragungszeiträume und auch der konzeptionellen Profile der Eintragungen können wir nun eine eigene Chronologie sprachlicher Veränderungen erstellen, wie uns dies die oftmals kopial überlieferten Federglossen oder Textdenkmäler nicht erlauben. Den in der historischen Soziolinguistik beobachteten „temporal gap between the introduction of new forms in speech and their first recordings in written texts” (Raumolin-Brunberg 1996: 17) kann die grammatische Analyse von nähesprachlichen Griffelglossen somit zu einem gewissen Grade überbrücken. In einer erstrebenswerten, bislang noch nicht durchgeführten quantitativen Untersuchung größerer Korpora von Griffelglossen könnten wir damit die Möglichkeit erhalten, nicht nur unsere Kenntnisse der althochdeutschen Grammatik auf der Basis der großen Menge des neu edierten Materials deutlich zu erweitern, sondern durch die Differenzierung von konzeptionell mündlichen und eher schriftsprachlichen Überlieferungsformen des Althochdeutschen dem vielschichtigen Sprachgebrauch der damaligen Zeit näherzukommen. Allerdings ist dabei auch zu berücksichtigen, dass in Anbetracht der großen Griffelglossenkorpora, wie etwa dem des Clm 6293, der Anteil von explizit als sprechsprachlich einzustufenden Belegen doch eher gering ist. Auch innerhalb der Praxis der Griffelglossierung zeigen sich nun immer deutlicher die völlig unterschiedlichen sprachlichen Herangehensweisen, Glossierungsverfahren und -funktionen, was sich dementsprechend in der flexiblen Verwendung spezifischer Glossierungstechniken und damit einhergehend unterschiedlicher distanz- und nähesprachlicher Formen äußert.

6.4 Glossierungsverfahren und -funktionen 6.4.1 Mittelalterliche Glossatoren als flexible Schreiber Analog zu ihrer meist heterogenen Entstehung und mehrschichtigen Struktur sind in den Freisinger Griffelglossen ganz unterschiedliche Glossierungsverfahren zu erkennen. Der recht geringe Anteil sprechsprachlicher Belege im Clm 6293 geht einher mit einer eher auf die Schrift- bzw. Distanzsprache fokussierten Glossierung, die auf die Durcharbeitung spezieller grammatischer Phänomene und die etymolo-

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gische Durchleuchtung spezieller Lemmata ausgerichtet war. Dazu zählt die Beschäftigung mit Phänomenen der lateinischen Grammatik wie die Glossierung von Deponentien, Passivformen und Ablativkonstruktionen (vgl. Kap. 2.6). Ebenso zeigen die Griffelglossen im Clm 6293 eine weitgehend klare und sorgfältige Eintragungsweise, was auf ein planvolles Vorgehen beim Glossieren schließen und damit kaum spontane und nähesprachliche Formen erwarten lässt. Dem gegenüber steht beispielsweise die Griffelglossierung des Clm 6263, die mit ihrer wahrscheinlichen Entstehung im 10. Jahrhundert jünger ist als die des Clm 6293 (Ernst 2007: 251). Schon in der Schrift weist jene eine oftmals ephemere, flüchtige und bisweilen grobschlächtige Eintragungsweise auf. Hierbei finden sich einige der Sprechsprache nahestehende Graphien: verkürzte Glossen sowie Glossen, die als syntaktische Hilfen im Kontext der mittelalterlichen lectio zur Vorbereitung auf den Vortrag der im Codex enthaltenen Evangelienhomilien Gregors eingetragen wurden (vgl. dazu Schiegg 2015b: 185). Somit bilden die Griffelglossen in diesem Codex die vielleicht spontanen Reaktionen einiger Leser bei der Durcharbeitung der Texte (Ernst 2007: 258). Die Glossierungen des Clm 6293 und Clm 6363 stehen also in völlig unterschiedlichen Funktionszusammenhängen und reflektieren dies auch in ihrer sprachlichen und äußeren Form. Diese Beobachtung hat für kommende Untersuchungen die Konsequenz, dass für die Beurteilung sprachlicher Auffälligkeiten neben der bekannten geographischen Variation auch Fragen der Funktionszusammenhänge an zentraler Stelle zu berücksichtigen sind. Die vielfach nachrangig behandelte Frage nach den Funktionen und Kontexten einer Glossierung sollte damit auch wieder zur Grundlage jeder zeitlich-geographischen Analyse und damit einer linguistischen Beurteilung des Sprachmaterials werden.15 Die Charakterisierung der Sprachformen sollte dabei möglichst wertungsfrei aus den jeweiligen unterschiedlichen Glossierungskontexten heraus geschehen und nicht vorschnell aus möglichen Defiziten beim Glossator erklärt werden (vgl. Ernst/Glaser 2009: 1003f.). Es ist nämlich davon auszugehen, dass Glossatoren sich an die jeweiligen kontextuellen Bedingungen des Glossierens und spezifischen Probleme der Texterschließung anpassen und flexibel zwischen eher flüchtigen und privaten oder komplexeren Sprachformen variieren konnten. Deutliche Variation zeigt sich nicht nur bei der Wahl der unterschiedlichen Schreibinstrumente Griffel, Farbstift und Feder, sondern auch innerhalb der Verwendung eines Instruments, nämlich des hier thematisierten Griffels. Erst die Berücksichtigung der mittelalterlichen Glossatoren als ‚flexible Schreiber in || 15 Ausführlich zu unterschiedlichen Kontexten des Glossierens sowie zur Problematisierung der in der Forschung immer wieder rezipierten Dichotomie von ‚classbook‘ und ‚library book‘ (vgl. etwa Lapidge 1982 und Wieland 1985) siehe Schiegg (2015b: 125–208), wo die Kontexte klösterlicher Unterricht, Bibliothek, privates Studium, Vortragssituationen (Tischlesung und liturgische Lesung) und das Skriptorium anhand zahlreicher Glossenbelege und weiterer Quellen differenziert ausgearbeitet werden.

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der Sprachgeschichte‘ (vgl. zu diesem Konzept Schiegg 2015a) kann deren Schaffen adäquat einordnen und deren Sprachhandeln16 differenziert funktional und kontextuell verorten.

6.4.2 Glossierungsverfahren in Freising Aus der Überlieferung der Freisinger Griffelglossen sind analog zu ihrer meist heterogenen Entstehung und mehrschichtigen Struktur ganz unterschiedliche Glossierungsverfahren zu ersehen. Eine eigentliche Freisinger Schule ist dabei nicht auszumachen. Auch hier sind die meisten Typen der Glossierung noch nicht für ganze Handschriftengruppen untersucht worden. Aus den Einzeluntersuchungen setzen sich jedoch einige Eindrücke für die ganze Freisinger Griffelglossierung zusammen, die nun abschließend umrissen werden. Originelle und schreibortspezifische Verfahren kann Freising ebenso wenig wie andere Orte mit Griffelglossenüberlieferung vorweisen. Wiederum erlaubt die Fülle an überliefertem und untersuchtem Material, ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Vorgehensweisen zu überblicken. Es überwiegt der Eindruck, dass über das jeweilige Glossierungsverfahren in einem persönlichen Rahmen und je nach Kontext entschieden wurde. Einiges betrifft die Schrift- und Sprachenverwendung und wurde oben behandelt. Zu den Beobachtungen am Äußeren der bisher beschriebenen Glossen gehört, dass die Interlinearglossierung überwiegt und bei Marginalglossierung keine systematischen Verweisungssysteme verwendet werden. Bei der räumlichen Platzierung wird die größtmögliche Nähe zum Lemma gesucht, weswegen Marginalglossen oft Lemmata mit Randpositionen betreffen. Der Normalfall ist die Glossierung genau eines Textwortes mit genau einem Glossenwort. Kleinere Syntagmen mit Pronomina, Präfixe mit Substantiv und periphrastische Bildungen aus Partizipien und Hilfsverben sind anzutreffen, aber nur wenige ganze Teilsätze. Die bekannten Freisinger Griffelglossen dienen ausschließlich der Texterschließung. Griffelglossen, die als Skizzen für reinschriftlich auszuführende Federglossen eingesetzt wurden, sind kaum zu finden. Die Griffelskizzen im Clm 6325 stellen einen Sonderfall dar, indem sie unter Glossarglossen stehen und damit mehr der Anlage des Haupttextes galten (Nievergelt 2010: 16). Die Praxis der eingeritzten Vorbereitung von Reinschrift, die andernorts bei Federglossen häufig auftritt (St. Gallen, Tegernsee, auch Trier; siehe etwa Nievergelt 2007: 761–777 und Klaes 2017: 218), ist aus Freisinger Glossen bislang nicht bekannt. Als ein Merkmal, das möglicherweise mehr griffelglossenspezifisch als charakteristisch für Freising ist, und mit den Ergebnissen aus den Untersuchungen des || 16 Eine sprachpragmatische Perspektive auf frühmittelalterliche Glossen zeigt Schiegg (2016) auf.

Resümee | 705

Clm 6293 und Clm 6383 an Deutlichkeit gewinnt, ist eine gewisse Art von Lockerung in der Lemma-Interpretament-Verbindung. Auf mehreren Ebenen herrscht zwischen Text- und Glossenwort auffällig oft eine Art von Inkongruenz – grammatisch, in der Wortart oder in der Bedeutung –, die sich auch nicht problemlos als funktional adäquat erklären lässt. Aus den betreffenden Belegen spricht einiges für einen sehr freien Umgang mit dem Text und für Funktionen der Glossen, die selbst den weiten Bereich der allgemeinen Texterschließung überschreiten und assoziative Sphären streifen. Je öfter dies zu konstatieren ist, desto weniger hilft es, von ‚Fehlglossierung‘ zu sprechen. Die Freisinger Griffelglossierung zeigt in diesen Beispielen einen Gebrauch von Volkssprache im Rahmen einer elaborierten Glossierungstechnologie, ausgeführt von flexiblen Schreibern, die in der Lage waren, sprachlich auf Probleme der Texterschließung zu reagieren, wie es in der existierenden Forschung auch bereits im Zusammenhang mit der Glossierung anderer Freisinger Handschriften beobachtet wurde (vgl. Ernst 2007: 258). Verbunden mit der Schreibtechnik und den eingeschränkten Möglichkeiten, sie kommunikativ zu nutzen, erwecken diese glossierungsfunktional spezifischen Belege den Eindruck, dass die Freisinger Griffelglossen original eingetragene und selbständig ersonnene Äußerungen sind. Aber der Bestand enthält auch Nachweise dafür, dass die Griffelglossierung in die Prozesse der Glossentraditionen eingebunden sein konnte. Parallelglossen in Federglossen oder in Glossaren zu Griffelglossen belegen, dass beim Glossieren mit Griffel auch Vorlagen eine Rolle gespielt haben mochten, oder aber Griffelglossen dafür Vorlagen sein konnten. Dieser letzte Punkt zeigt Griffelglossen als Ausdruck einer Vernetzung, die in den Parallelglossen zum Clm 21525 als eine besonders weit angelegte hat aufgezeigt werden können.

6.5 Resümee In diesem Band haben wir versucht, für Freising, einen der bedeutendsten althochdeutschen Überlieferungsorte, die Praktiken des Glossierens mit Griffel und Farbstift zu erörtern und deren Vorkommen, Ausprägung und Tragweite für die Glossenüberlieferung dieses Schreiborts umfassend darzustellen. Die Resultate besitzen jedoch über das Beispiel Freising hinaus eine allgemeine Signifikanz. Sie betrifft das Glossieren in alternativen Schreibtechniken, die mittelalterliche Glossographie und die historische Grammatik und Lexikographie des Deutschen. Unsere Untersuchung konnte der Forschung in umfangreichen Editionen zahlreiche Neufunde und Korrekturen an althochdeutschem Wortmaterial mitteilen sowie mittels einer ersten sprachlichen Einschätzung für eine weiterführende Bearbeitung bereitstellen. Dem althochdeutschen Wortschatz werden mit den edierten Glossen etliche Ergänzungen zugeführt. Auch der althochdeutschen Grammatikschreibung bringen die Glossen neue Erkenntnisse. Die sprachlichen Analysen vermögen erneut zu zeigen, dass das traditionelle Bild der althochdeutschen Grammatik korrekturbedürftig ist. Entspre-

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chende Korrekturvorschläge stammen aus den früheren Arbeiten zu Freisinger Griffelglossen und sind jetzt in die 2018 erschienene Neuauflage der ‚Althochdeutschen Grammatik‘ (BHAG) aufgenommen worden. In der neueren Forschung wurde eine Perspektive aufgezeigt, in den Griffelglossen mutmaßlich nähe- und sprechsprachliche Zeugnisse zu sehen. In den Belegen werden sprachliche Formen in einer Ausprägung erkannt, in der sie in den meist kopial tradierten althochdeutschen Texten und Federglossen nur selten oder aber erst später erscheinen. Griffelglossen besitzen damit eine sprachhistorische Sonderstellung, indem sie Sprachformen zeigen, die in anderen Überlieferungsformen teilweise erst bis zu mehrere Jahrhunderte später anzutreffen sind. Diesbezügliche Äußerungen aus jüngeren Arbeiten konnten in unserer Studie mit einigen neuen Belegen untermauert und um weitere Aspekte bereichert werden. Mit der Zunahme der uns bekannten, volkssprachige Griffelglossen tragenden Handschriften weitet sich das Spektrum an Phänomenen, die Ausdruck verschiedener Glossierungsfunktionen sein können. Sie zeigen das Glossieren mit Griffel nicht nur als spontanes und nähesprachliches Schreiben, sondern ebenso als Niederschlag eines der Erschließung komplexer lateinischer Satz- und Textstrukturen gewidmeten Gelehrtenstudiums. Mit Griffel sind nicht nur persönliche Notizen aufgezeichnet, sondern auch Glossen aus Vorlagen übernommen worden. Wo mit Griffelglossen andere Glossen korrigiert wurden, treten Reflexionen und Bewertungen der Schreiber zu Tage, was uns neuartige pragmatische Analysekategorien für mittelalterliche Schriftlichkeit in die Hände spielt. Griffelglossen wurden folglich auch in distanzsprachlichen Verschriftungskontexten eingesetzt, was sich auch in ihrer Sprache widerspiegeln kann. Möchte man somit Griffelglossen und das Handeln der Glossatoren in ihrer ganzen sprachlichen und funktionalen Vielfalt erfassen und in die mittelalterliche Schriftlichkeit einordnen, dürfen die unscheinbaren Eintragungen nicht länger pauschal als ‚defizitär‘ oder aber pragmatisch einseitig in der Schule verortet werden (vgl. Ernst/Glaser 2009: 1002). Vielmehr treten die mittelalterlichen Glossatoren in den Griffelglossen meist als wissenskundige und von den unterschiedlichsten Interessen geleitete, kreative und flexible Schreiber in der älteren Sprachgeschichte des Deutschen in Erscheinung.

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Register Seitenzahlen in Kursivschrift bezeichnen eine Erwähnung in den Anmerkungen auf der Seite.

Sachregister Abrogans 2, 44, 54, 87, 96, 107, 121, 123, 131, 136, 178, 180, 190, 357, 433, 437, 441, 519, 695, 697 Akzentzeichen 30, 66, 119, 134, 231, 405, 509, 531, 602, 690 Alphabetskizze 509, 649 Altenglisch 23, 51, 144, 162, 261, 264 Altniederdeutsch 259, 265, 267, 422, 686 Altniederfränkisch 259, 267, 268, 271 Altsächsisch 259, 267, 268, 271 Arbeo, Bischof (764–784) 2, 13, 233 Archaischer Sprachstand 436, 558, 595, 646, 647 Artikelgebrauch 165, 287, 441, 477, 514, 524, 558, 600, 697, 699 Atto, Bischof (783/84–810/11) 21 Aufmerksamkeitszeichen 233, 464 Benediktinerregel 244, 338, 433, 437, 697 Beschädigung von Glossen 230, 235, 241, 245, 247, 251, 256, 264, 277, 288, 289, 290, 347, 424, 458, 460, 463, 501, 526, 527, 529, 539, 548, 553, 560, 615, 643, 644, 645, 657, 661 Bibelglossar 130, 136, 468, 630, 639 Buchschmuck 21, 231, 276, 280, 283, 459, 462, 465 cc-a 21, 52, 194, 235, 237, 240, 241, 246, 248, 254, 279, 291, 295, 322, 348, 388, 622 Doppelbuchstaben 52, 148, 199, 256, 530, 578, 593, 605, 690 Doppelglossierung 24, 29, 43, 50, 66, 136, 142, 147, 159, 193, 194, 207, 234, 439, 514, 526, 603, 604, 640, 701 Durchprägung 89, 106, 164, 235, 242, 243, 247, 287, 290, 368, 376, 425, 429, 461, 477 Ekkehart IV 266 Exhortatio ad plebem christianum 2, 88, 204 Exlibris 230, 233, 282, 465 f-Glossen 263

https://doi.org/10.1515/9783110621952-008

Farbstiftglossen 4, 13, 14, 15, 229, 233, 234, 235, 237, 240, 250, 252, 253, 255, 257, 286, 287, 336, 348, 410, 455, 457, 458, 459, 470, 512, 515–25, 516, 527, 632, 635, 646, 647, 650, 651, 652, 655, 658, 661, 663, 664, 687, 691, 692, 703 Farbstiftglossen, Gefährdung 515 Federprobe 231, 232, 251, 280, 281, 422, 463, 464, 473, 637, 641, 649, 650 Federzeichnung 22, 185, 231, 464, 509, 641 Flexible Schreiber 441, 457, 652, 702, 703, 705, 706 Freisinger Paternoster 2, 136, 501, 699 Geheimschrift, bfk 10, 11, 464, 467, 530, 533, 577, 606, 637, 638, 641, 657, 689, 690 Geheimschrift, cgl 615 Geheimschrift, Punkte 190, 690 Glossarglossen 44, 144, 186, 261, 263, 264, 271, 635, 643, 647, 704 Glossendichte 25, 257, 286, 465, 471, 474, 504, 528, 636, 639, 664 Glossenglossierung 263 Glossenhände 28, 29, 236, 254, 257, 266, 527, 529, 531–39, 601, 637, 643, 644, 649, 650, 651, 690 Glossenschrift 276, 291, 528, 531, 688, 690 Glossierungstechnik 208, 287, 528, 688, 697, 702 Grammatische Glossen 421, 513, 520, 611, 652 Gregor der Große, Dialoge 21, 22, 23, 25, 27, 28, 186, 187, 190, 208, 209, 210, 694 Gregor der Große, Homilien 2, 57, 134, 176, 703 Gregor der Große, Regula pastoralis 140, 462, 463, 466, 467, 470, 471, 514, 525, 609, 627, 630, 632, 633, 639, 640, 641, 642, 646, 648, 650, 651, 653, 654, 655, 656, 657 Griechisch 280, 689 Griechisch-runisch 615, 630, 689 Griffelglossen, altenglisch 4 Griffelprobe 286, 637, 646

726 | Register

Griffelzeichnung 22, 185, 186, 231, 239, 254, 509 Handunterscheidung 30, 192, 528, 529, 651 Hapax legomenon 256, 511, 696 Hengilhart 462 Hildebrandslied 236 Himmelsrichtung, Bezeichnungen 270 Hitto, Bischoff (810/12–835) 462 Initiale 186, 280, 462, 464, 509 Isidor, althochdeutscher 170, 213, 262, 263, 633 Isidor, Synonyma 258 Konstanz 284 Kopiales Glossieren, Anpassung 236, 263, 268, 271, 530, 603, 604, 605 Krankheitsbezeichnungen 256, 481 Kürzung 60, 63, 67, 94, 124, 132, 154, 176, 183, 210, 211, 238, 246, 280, 282, 284, 287, 292, 327, 412, 418, 481, 483, 488, 489, 490, 492, 494, 499, 502, 503, 504, 505, 513, 514, 520, 522, 523, 524, 530, 532, 537, 545, 556, 565, 566, 597, 600, 641, 649, 652, 691 Kürzungsstrich 132, 154, 181, 292, 409, 535, 578, 584, 586, 593, 606, 614, 615, 643 Kustoden, eingeritzt 230 Lagenstruktur 230, 278, 460, 465 Lateinische Griffelglossen 5, 7, 181, 183, 252, 422, 508, 641, 651, 654, 655, 692, 693 Lex Salica-Fragment 236 Lichtverhältnisse 15, 27, 235, 473, 516, 517 Ligatur 21, 26, 30, 31, 41, 43, 58, 63, 71, 85, 91, 95, 119, 128, 147, 155, 167, 231, 235, 238, 246, 252, 279, 282, 283, 284, 291, 292, 299, 301, 305, 309, 318, 319, 323, 324, 325, 326, 327, 329, 331, 334, 335, 336, 337, 338, 342, 343, 344, 345, 347, 355, 359, 363, 366, 370, 381, 382, 383, 384, 385, 387, 401, 402, 407, 408, 411, 462, 474, 530, 531, 532, 533, 536, 546, 623, 643 Mehrfachglossierung 17, 159, 173, 458, 526, 541, 543, 546, 572, 577, 583 Merseburger Zaubersprüche 198 Mondseer Glossatur 395, 628, 630, 633, 635, 646, 647, 650, 652, 654, 655, 661, 664, 665 Muspilli 244 Namen 197, 198, 232, 266, 270, 462, 464, 466, 656, 690

Neumen 232, 464, 529 Notker III 32, 57, 58, 83, 122, 131, 154, 170, 346, 387, 394, 483, 603 Orosiusrezeption, althochdeutsche 229, 256, 258–72 Otfrid 2, 59, 144, 170, 246, 373, 699 Reichenau 33, 140, 178, 263, 265, 284, 547, 686 Rötel 4, 235 Rune 431, 689 Samanunga 99, 134, 143, 156, 190, 352, 697 Schrift, alemannische Minuskel 21, 30, 231, 236, 241, 277, 279, 282, 283, 284, 291, 292, 343, 347, 437, 438, 462, 475, 532, 690 Schrift, angelsächsische Minuskel 30, 134, 236, 257, 270, 690 Schrift, frühkarolingische Minuskel 231, 462 Schrift, karolingische Minuskel 462, 474, 530, 531 Schrift, rätisch 231, 283, 475 Schrift, Unziale 137, 231, 232, 235, 242, 251, 279, 280, 291, 338, 353, 422, 462, 478, 491, 531, 533, 599, 632, 644 Schule 257, 271, 706 Schwarzstiftglosse 4, 6, 11, 187, 235, 254, 470, 507, 515, 516, 517, 524, 560, 630, 631, 690, 692 Seiteneinrichtung 231, 278, 460, 461 Spätalthochdeutsch 312, 348, 543, 574, 599, 601, 602, 603, 604, 605, 607, 635, 666 Sprache, sprechsprachlich 56, 412, 522, 605, 606, 694, 695, 697, 698, 699, 701, 702, 703, 706 St. Gallen 284 St. Galler Vorakte 433, 698 St. Pauler Lukasglossen 248 Subskription 466, 467, 530, 533, 535, 605, 648, 649, 665, 666 Syntagma 31, 33, 36, 37, 42, 51, 55, 73, 74, 84, 85, 89, 104, 105, 116, 126, 134, 137, 144, 156, 165, 287, 513, 524, 604, 606, 644, 704 Tatian 67, 75, 127, 135, 146, 170, 367 Urkundenüberlieferung 197, 198, 201, 255, 436, 695, 698 UV-Lampe 517, 525, 540, 543, 545, 559, 596, 637 Verschobene Glosse 622, 665

Handschriftenregister | 727

Verweiszeichen 46, 233, 237, 240, 246, 247, 248, 252, 253, 288, 397, 424, 528, 529, 535, 538, 543, 545, 546, 548, 553, 555, 557, 559, 560, 561, 562, 563, 565, 567, 568, 570, 571, 572, 574, 575, 577, 583, 584, 591, 596, 597, 598, 610, 612, 613, 614, 615, 643, 645, 704

Walahfrid 258, 262, 263 Weihenstephan 465, 629 w-Rune 236, 256, 257, 270, 631, 643, 689, 690 Zahlwörter 235, 251, 252, 257, 317 Zirkumflex 70, 500, 509, 529, 541, 546, 550, 582, 584, 591, 602, 604, 608 Zitationsmarke 464

Handschriftenregister An mit Fettdruck erscheinenden Seitenzahlen wird detaillierter auf eine Handschrift eingegangen. Admont, Stiftsbibliothek – Fragm. D 1 284 Augsburg, Archiv des Bistums Augsburg – Hs. 4 476, 547, 552, 553, 554, 556, 558, 568, 569, 601, 610, 611, 612, 613, 615, 616, 652, 657–58, 659 – Hs. 10 91, 190, 310 Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität – B. III. 2 686 – B. V. 21 541, 573, 575, 586, 594, 595, 596, 610, 612, 616, 617, 620, 621, 636, 652, 659 – B. VII. 18 586, 655, 656 Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz – Ms. Ham. 542 686, 691 Boulogne-sur-Mer, Bibliothèque Municipale – 126 259, 260, 267 Dublin, Trinity College Library – Cod. 737 686 Einsiedeln, Stiftsbibliothek – Cod. 32 259, 260, 261 – Cod. 127 261 – Cod. 346 283 – Cod. 347 283 – Cod. 351 257 Engelberg, Stiftsbibliothek – Cod. 1009 259, 260, 265, 266 Essen, Münsterschatzkammer – Hs. 1 687 Freiburg im Breisgau, Universitätsbibliothek – Hs. 380 188 Fulda, Hochschul- und Landesbibliothek – Aa2 478, 590, 615, 621, 632, 642, 652 Halle, Universitäts- und Landesbibliothek – Qu. Cod. 79 422

Karlsruhe, Badische Landesbibliothek – Aug. IC 33, 44, 134, 144, 198, 284 – Aug. CXI 54, 78, 95, 178, 357 – Aug. CCXX 140, 359, 486, 495, 502, 520, 598, 650–51, 652 – Aug. CCXL 652 – St. Peter perg. 87 190, 566, 590, 596, 621, 636, 652, 653, 659 Kassel, Gesamt-Hochschulbibliothek – 2° Ms. theol. 32 480, 575, 656 Kraków, Biblioteka Jagiellońska – Berol. Ms. Lat. Quart. 676 34, 188, 189, 190 Leiden, Bibliotheek der Rijksuniversiteit – Voss. lat. q. 69 259, 260, 261–62 Leiden, Privatbesitz Erik von Scherling 260, 268 Leipzig, Universitätsbibliothek – Rep. I. 14 260, 261, 262, 268 – Rep. II. 6 236 London, The British Library – Add. 18379 312 Luxembourg, Bibliothèque Nationale – 44 188 München, Bayerische Staatsbibliothek – Cbm Cat. 82 276 – Cgm 5248 51, 162, 188, 190, 323 – Clm 396 236 – Clm 2944 121, 143, 187, 190, 198, 695 – Clm 3747 686 – Clm 3767 553, 554, 555, 573, 582, 590, 595, 596, 636–38, 652, 654, 655, 659 – Clm 3809 692 – Clm 4533 692 – Clm 4542 57, 106, 556, 691 – Clm 4592 686

728 | Register

– Clm 4614 462, 593, 617, 630, 652, 657, 687, 691 – Clm 6028 468, 633 – Clm 6217 345 – Clm 6220 6, 7, 8, 692 – Clm 6225 7, 8 – Clm 6230 7, 8 – Clm 6233 8 – Clm 6239 7, 8, 691, 696 – Clm 6243 21 – Clm 6254 283 – Clm 6263 6, 7, 9, 693, 698, 703 – Clm 6267 7, 9 – Clm 6272 6, 7, 9, 236, 689, 693, 696, 698 – Clm 6277 4, 5, 6, 7, 9, 60, 94, 236, 349, 400, 462, 464, 466, 468, 470, 486, 488, 491, 492, 493, 495, 497, 498, 502, 514, 515, 522, 524, 525, 532, 541, 544, 546, 547, 548, 552, 553, 559, 560, 563, 564, 565, 569, 571, 572, 573, 575, 576, 577, 578, 580, 583, 585, 587, 588, 589, 590, 591, 592, 597, 601, 602, 603, 605, 606, 607, 610, 611, 612, 613, 614, 615, 616, 617, 618, 619, 620, 621, 622, 623, 624,628, 629–32, 632, 633, 634, 636, 641, 646, 650, 651, 652, 653, 654, 655, 659, 660, 689, 692, 693, 695, 696, 698 – Clm 6279 7, 9, 690 – Clm 6282 283 – Clm 6283 693 – Clm 6284 693 – Clm 6293 6, 7, 9, 12, 21–190, 301, 438, 439, 440, 473, 475, 687, 688, 690, 691, 693, 694, 695, 696, 697, 698, 700, 702, 705 – Clm 6297 7, 9, 515, 525, 688, 690, 691, 692, 696 – Clm 6300 6, 7, 9, 83, 103, 190, 197, 233, 305, 437, 603, 688, 692, 694, 695, 696, 697 – Clm 6302 7, 9 – Clm 6303 283 – Clm 6305 6, 7, 9, 283, 693, 694, 696 – Clm 6308 6, 7, 9, 13, 229–72, 525, 688, 689, 691, 692, 693, 694, 695, 696, 701 – Clm 6309 283 – Clm 6310 7, 10, 691 – Clm 6312 6, 7, 10, 283, 349, 693, 696 – Clm 6324 7, 10, 693 – Clm 6325 6, 7, 10, 692, 704 – Clm 6330 501

– Clm 6342 174 – Clm 6355 7, 10, 690 – Clm 6375 284, 285, 302, 315, 442 – Clm 6376 693 – Clm 6381 284, 442 – Clm 6383 7, 10, 13, 190, 275–454, 473, 690, 691, 692, 694, 696, 697, 702, 704 – Clm 6393 7, 10 – Clm 6402 7, 10 – Clm 6408 259, 260, 261, 262 – Clm 6411 690 – Clm 6433 6, 7, 11, 113, 692, 696 – Clm 6434 283 – Clm 9534 686 – Clm 13038 686 – Clm 14117 686 – Clm 14179 686 – Clm 14197 686 – Clm 14286 686, 693 – Clm 14364 692 – Clm 14386 686 – Clm 14395 297, 693 – Clm 14409 478, 495, 578, 586, 587, 621, 653 – Clm 14425 686 – Clm 14461 5, 7, 11, 515, 692, 693 – Clm 14517 236, 686, 689 – Clm 14645 99 – Clm 14653 686 – Clm 14689 51, 188, 189, 190, 468, 478, 542, 543, 544, 546, 547, 551, 553, 554, 556, 558, 559, 561, 563, 564, 573, 574, 576, 580, 587, 593, 596, 598, 603, 620, 623, 633–35, 655, 659 – Clm 14747 400, 403, 518 – Clm 14754 259, 260, 261, 262, 264 – Clm 15813 686 – Clm 15824b 686 – Clm 15825 686 – Clm 17210 254, 257, 259, 260, 261, 262–63 – Clm 18036 578 – Clm 18140 36, 41, 42, 51, 119, 136, 162, 173, 188, 189, 190, 310, 323, 333, 384, 395, 414, 442, 468, 478, 485, 486, 494, 496, 505, 540, 541, 542, 543, 544, 545, 546, 547, 548, 549, 550, 551, 552, 553, 554, 555, 556, 558, 559, 560, 561, 562, 563, 564, 565, 567, 569, 571, 572, 573,574, 576, 577, 578, 579, 580, 583, 587, 589, 590, 591, 592, 593, 594, 595, 596, 597, 598, 601, 602, 603,

Handschriftenregister | 729

604, 606, 607, 608, 611, 612, 614, 615, 616, 617, 618, 620, 621, 622, 623, 624, 633–35, 644, 655, 659 – Clm 18149 559 – Clm 18547b 499, 515, 692, 693 – Clm 18550a 7, 11, 155, 236, 462, 464, 468, 470, 473, 480, 485, 503, 512, 514, 519, 520, 522, 525, 532, 541, 542, 546, 547, 548, 550, 553, 555, 557, 558, 562, 563, 566, 568, 570, 571, 572, 573, 574, 575, 580, 586, 590, 591, 595, 596, 597, 598, 602, 603, 604, 605, 610, 611, 612, 613, 614, 615, 616, 617, 618, 619, 620, 621, 622, 628, 630, 631, 634, 638, 642–47, 647, 649, 651, 652, 654, 655, 659, 660, 689, 692 – Clm 18556a 692, 693 – Clm 18765 512 – Clm 18922 290, 374 – Clm 19417 400 – Clm 19440 51, 130, 176, 188, 189, 190, 308, 384, 395, 400, 407, 468, 478, 485, 486, 494, 496, 505, 540, 541, 542, 543, 544, 545, 546, 547, 548, 549, 550, 551, 552, 553, 554, 555, 556, 558, 559, 560, 561, 562, 563, 564, 565, 567, 569, 571, 572, 573, 574, 576, 577, 578,579, 580, 583, 587, 589, 590, 591, 592, 593, 594, 595, 596, 597, 598, 601, 602, 603, 604, 606, 607, 608, 611, 612, 614, 615, 616, 617, 618, 620, 621, 622, 623, 624, 633–35, 644, 655, 659 – Clm 21525 6, 7, 11, 13, 15, 130, 180, 279, 290, 336, 364, 440, 455–683, 690, 691, 692, 696, 698 – Clm 22201 333, 337, 338 – Clm 23486 407 – Clm 27152 562, 653–54, 659 – Clm 28135 7, 11, 22, 173 – Clm 29265/7 691 Oxford, Bodleian Library – Jun. 25 (ff. 87–107) 105, 134, 188 Paris, Bibliothèque nationale de France – lat. 7640 96, 190, 339, 347 – lat. 9389 516, 525 – lat. 12527 286 – lat. 17567 259, 260, 267, 268 – lat. 18282 315, 442 Praha, Metropolitní Kapitula U SV. Víta – A 156 692 – O 83 686

Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana – Ottob. lat. 3295 693 – Pal. lat. 187 279 – Pal. lat. 212 279 – Pal. lat. 553 279 – Pal. lat. 822 285, 315 – Pal. lat. 829 232, 260, 268, 269 – Pal. lat. 1631 693 – Reg. lat. 348 686, 691 – Vercellensis CLXXXIII 279 Salzburg, Bibliothek der Erzabtei St. Peter – a VII 2 686 Sammlung Paul Getty jr. – Fragment, s.n. 285 Sankt-Peterburg, Rossijskaja nacional’naja biblioteka – F.v.I. Nr. 9 232, 260, 267, 268 Schaffhausen, Stadtbibliothek Ministerialbibliothek – Min. 60 259, 260, 265, 266 – Min. 78 284 Sélestat, Bibliothèque Humaniste de Sélestat – Ms. 7 162, 188, 259, 260, 261, 263, 468, 477, 481, 541, 542, 544, 547, 549, 551, 557, 558, 560, 563, 564, 570, 573, 575, 576, 578, 580, 582, 586, 590, 592, 593, 596, 617, 636, 638, 639, 640, 652, 655, 659 St. Blasien, Stiftsbibliothek – verschollen 320 St. Florian, Bibliothek des AugustinerChorherrenstifts – III 222 B 477, 491, 521, 545, 554, 558, 567, 580, 585, 586, 590, 595, 613, 641–42, 647–48, 648, 649, 650, 652, 655, 659, 686 St. Gallen, Stiftsarchiv – Cod. fabariensis X 186 St. Gallen, Stiftsbibliothek – Cod. 2 686 – Cod. 6 686 – Cod. 9 686 – Cod. 11 686, 688 – Cod. 12 686 – Cod. 14 686 – Cod. 28 686 – Cod. 40 686 – Cod. 44 284, 686 – Cod. 49 686 – Cod. 52 686 – Cod. 70 686

730 | Register

– Cod. 90 686 – Cod. 120 686 – Cod. 136 686 – Cod. 159 686 – Cod. 168 686 – Cod. 183 686 – Cod. 185 686 – Cod. 188 236, 686 – Cod. 193 686, 688 – Cod. 195 686 – Cod. 212 686 – Cod. 213 686 – Cod. 216 470, 582, 654, 686 – Cod. 217 470, 596, 619, 654, 659, 686, 688 – Cod. 218 470, 654 – Cod. 219 470, 520, 586, 595, 597, 613, 615, 621, 637, 652, 655, 656, 659, 686 – Cod. 220 470, 582, 590, 591, 652, 655, 659, 686 – Cod. 221 686 – Cod. 225 686 – Cod. 227 686 – Cod. 228 686 – Cod. 238 686 – Cod. 242 686 – Cod. 258 686 – Cod. 299 75, 162, 188, 259, 260, 261, 263 – Cod. 422 686 – Cod. 553 686 – Cod. 557 686 – Cod. 567 686 – Cod. 575 686 – Cod. 621 259, 260, 265, 266, 270 – Cod. 671 686 – Cod. 682 686 – Cod. 751 686 – Cod. 876 686 – Cod. 877 686 – Cod. 911 78, 178, 339, 519, 695 – Cod. 914 686 – Cod. 915 686 – Cod. 916 305, 338, 441, 686 – Cod. 1394 (II) 686 – Cod. 1394 (IX) 290 – Cod. 1398b 686 St. Omer, Bibliothèque de l’agglomération – 150 478, 590, 621, 642, 652 – 717 260, 267

St. Paul, Stiftsarchiv – 37/6 284 – 82/1 468, 477, 481, 491, 541, 542, 544, 547, 549, 551, 557, 558, 560, 563, 564, 568, 570, 576, 578, 580, 586, 591, 593, 595, 596, 615, 616, 617, 622, 636, 638, 639–40, 640, 652, 654, 655, 659 – 903/0 595, 621, 622, 632, 652, 655, 659 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek – HB II 54 686 – HB VII 64 283 – Hist. lat. 2°410 259, 260, 265, 267 Trier, Stadtbibliothek – Mappe X, Fragm. 1 236 Wien, Österreichische Nationalbibliothek – Cod. 162 99, 134, 143, 156, 190, 310, 352 – Cod. 772 541, 656–57, 659 – Cod. 804 541, 543, 603, 611, 635, 636, 659 – Cod. 808 686 – Cod. 949 478, 491, 521, 554, 563, 580, 615, 647, 648–50, 649, 659, 686 – Cod. 1218 515, 686 – Cod. 2723 51, 188, 189, 190, 468, 478, 485, 486, 496, 505, 540, 541, 542, 543, 544, 545, 546, 547, 548, 549, 550, 551, 552, 553, 554, 555, 556, 558, 559, 560, 561, 562, 563, 564, 565, 567, 569, 571, 572, 573, 574, 576, 577, 578, 579, 580, 583, 584, 586, 587, 589, 590,591, 592, 593, 594, 595, 596, 597, 598, 601, 602, 603, 604, 606, 607, 608, 611, 612, 614, 616, 617, 618, 620, 621, 622, 623, 624, 633–35, 644, 655, 659 – Cod. 2732 51, 188, 189, 190, 384, 395, 468, 478, 485, 486, 496, 505, 540, 541, 542, 543, 544, 545, 546, 547, 548, 549, 550, 551, 552, 553, 554, 555, 556, 558, 559, 560, 561, 562, 563, 564, 565, 567, 569, 571, 572, 573, 574, 576, 577, 578, 579, 580, 583, 584, 586, 587,589, 590, 591, 592, 593, 594, 595, 596, 597, 598, 601, 602, 603, 604, 606, 607, 608, 611, 612, 614, 616, 617, 618, 620, 621, 622, 623, 624, 633–35, 644, 655, 659 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek – Cod. Guelf. 47 547 – Cod. Guelf. 80 Gudianus latinus 2° 260, 268, 269 – Cod. Guelf. 80.6 Augusteus 8° 686

Althochdeutsche Interpretamente | 731

Würzburg, Universitätsbibliothek – M. p. th. f. 42 592, 594, 621, 622, 657 – M. p. th. q. 60 541, 543, 603, 635–36, 659 Zürich, Zentralbibliothek – C 57 686

– C 59 686 – C 68 686 – C 69 686 – Rh. 35 497, 520, 556, 590, 595, 596, 615, 617, 621, 637, 651–53, 655, 659

Althochdeutsche Interpretamente Dieses Register enthält die in der vorliegenden Untersuchung mit Sicherheit oder zumindest mit größter Wahrscheinlichkeit als althochdeutsch identifizierten Interpretamente sowie einige weitere erwähnte althochdeutsche Wörter. Problematische Identifikationen werden mit einem Fragezeichen kenntlich gemacht. Die Lexeme werden in normalisierter Ansatzform aufgeführt. Die alphabetische Anordnung der Lexeme folgt dem normalisierten Lautstand. Mit Fettdruck in den Seitenzahlen wird auf Editionsstellen verwiesen, mit Kursivschrift auf eine Erwähnung in den Anmerkungen.

abalāgī 505, 511 abaziirskrōtana 353 adallīhhan 295, 432 after 358, 365 afterbifarari 401 aftrōro 561 afur 86 agaleizi 177 agaleizī 177 ahtōn 485 al 37, 385 alt 302, 370 alta 395 altiro 347, 433, 434 alto 302 giambahten 161 ambahti 122 anadāhtunga 541 anagilīhhi (?) 631 anagin 584 ander 415, 631 ant- 91, 199 antbāra 536, 583, 607 antibitrog 349 antōn 646 ānu 325, 631 apful 566, 653 ar- 238 giarenden 43, 203 arg 581 ar(g)kusti 593 armuoti 98

armuotī 98, 191 arnunga 305 arzāt 596 aska 32, 195, 251 avur 314, 354, 398, 410, 416, 418, 420, 433, 489, 511 bāga 349, 381 bāgan 336, 433 balda 486 baldlīhho 172 baldo 485, 489 bāra 152, 191 barmēn 582 irbarmēn (?) 639 gibārōn 572, 602, 603 beiten 85, 175, 359 gibeiten 85, 198, 695 (gi)belden 553 betōn 571, 602, 603 irbetōn 357, 358 bī 560 bidenkida (?) 489, 511 bidiu 476, 573 bihuohōnto 143, 197, 700 bikorunga 131 bilidi 405 bimiltinissī 351 binta 575, 607 bintan 650 biotan 505 irbiotan 334, 414 biquemanī 543

732 | Register

biskoftuomlīh 540 biskrōtanī 391 bisorgida 537, 589, 607 biswīh 346, 432, 434 bitrog 396 bittar 68, 204 bizeihhantlīhho 589, 603 blāen 596 blat 351, 434 bleihhēn 580, 604 blīdi (?) 327 bliuwan 163, 202 blōdī 503 blūg (?) 373 bluoen 407 bluostarhūs 356 bōsi 352 firbrehhan 165, 195 breit 37, 203 breiten 65, 486, 630 gibreiten 65, 194, 701 breitī (?) 498 irbreitōn 358 wītbreitōn (?) 499, 512, 696 bringan 397, 433 forabringan 408 frambringan 80, 341, 571 furibringan 31 bronado 480, 566 brūhhan 41, 99, 127, 213 brūhhen 99, 127, 213 brunst 121 brutti 419 bulla / būlla 240 buohhāri 52 buozen 496 burdin 294, 436 burgo 88, 204, 207 giburien 76, 301, 355 irburien 498, 547, 551, 605 dana 578 danan 491 dank 373 dār 360 darbēn 555 daz 494, 501 gidegen 340 bidempfen 406, 432 gidenan 92

indengen 391, 434 bidenken 542, 544, 568, 601, 603 gidennen 92, 203, 214 denni 567 der 137, 165, 166, 191, 321, 328, 333, 343, 413, 431, 476, 478, 479, 521, 557, 558, 562, 567, 573, 581, 582, 594, 599, 603, 604, 606, 630 dickēn 565 dicki 354, 432 ding (?) 407 dioh 133 dionōst 158, 159, 194, 199, 203, 204, 701 dō 389 doh 75 gidolēn 338, 404 drāti 503 drawa 403, 434 drī 316 irdriozan 323, 434 drōa 403, 434 drūh 374 gidunnēn 96 duruh 322 dwerah 39, 492 dwingan 492, 511 bidwingan 39, 97, 364 ebanalt 124 ebanlīh 345 ebanōn 590 eddewelīh 552, 601 gieigan 393, 433 ireihhanēn 342 ein 162, 546 einag 331 eindrāunga 391, 434 einēst (?) 378 einīgi (?) 318 einstrīti 402 einstrītīg 641 eintraftōn 86, 695 eiz 240 elilenti 53 elilentī 99 emizzīgo 161, 326, 432, 438 enti 547 er 356, 558, 606, 644 ēra 391 ērag 387

Althochdeutsche Interpretamente | 733

ērendo 125, 198, 214 ērist 309, 522 ērlōsī 244 esillīh 551 ēwīg 339 ezzen 576, 607 bifa[] 348 bifāhan 330, 433 gifāhan (?) 377 intfāhan 162, 199 fal 371, 418, 433 fallan 363, 412 gifallan 412 gifurifangōn 584, 607 fāra 316 faran 125, 376, 417, 482, 510, 511 []faran 316, 331 anagifaran 295 gifaran 79, 293 irfaran 57, 191 umbifaran 399 ūzirfaran 155 zuofaran 564, 601 irfārēn 591, 608 fart 246 fāska 537, 591, 596, 608 fasta 580 fatureo 319, 436 fegarōn (?) 386 gifegarōn (?) 386 widarfehtan 549, 605 feili (?) 520 feld 351, 409 gifelgen 552 felis (?) 402 felisa (?) 402 feliso (?) 402 ferio 164 ferrōr 377 gifesten 408 festi 169, 207, 294 gifestinōn 63 fetiro 319, 436 fīant 246, 593 fīhalōn 118 fir- 329, 348, 385, 395, 631 firkund 337, 432 firlōsī 360 firlust 367

firmein (?) 313 firmeina (?) 313 firnesan (?) 523 firtarkenitī 597, 608 firwortanī 352 fiur 343, 404 fiurēn 247 fizze 518 flēhōn 250 flīz 298, 371 flīzlīh 549 fluotu 421 fnehan 556 fogala 254 fohhen 240 folgēn 548 follo (?) 246 folslaf 250 fona 37, 48, 137, 312, 557 foragouma (?) 400 foramarkina 35 forn 370 fornentīgī 579 frabaldī 545 fradlīhho 405 frāgēn 317 intfrāgēn 357 intfrāgōn 574 freh 398 frewen 519, 600 fridu 338 frisking 166, 195 frummen 594 fūhtī 130 fūleitar 371 fullī 307 fuora 323, 561 fuoren 70, 318, 414, 547, 602 gifuoren 70 fuorit 381 furben 49, 204 furdir (?) 317 furi 55, 381 furi- 309 furist 95 furisto 354 furka 365 gāhi 107, 544, 599, 602 gāhī 598, 608

734 | Register

galstar 320, 401 garalīhho 564 garo 122, 169, 214 gebagerni 522 geban 101, 599, 603, 650 bigeban 543, 601, 602, 603 geilī 383 gelpf (?) 479, 510 intgelten 582, 604 intgēn 147, 199, 201, 214 gerōn 503, 511, 550, 605 gi- 241, 315, 320, 328, 352, 355, 386, 393, 396, 397, 505 giātamida 307 gibāg 415, 433 gibāga 415, 433 gibārida 536, 575, 583, 606, 607 gibeldī 384, 434 giburg (?) 237 giburī 34 gifāri 374, 433 gifrehhī (?) 599 gifuogida 81 gifuori 343, 557 gifūrōn 384 gihōrentlīh 399 gihōrsam 558, 601, 637 gihugt 373, 433 gilengida 126 gilent- (?) 376 gilimpflīh 89 giloufa 397 gimah 542, 564, 605 gimahha 411 gimeitheit 519 ginādīgī 581 ginerien 644 giniffa 390 ginōto 496 ginuhtarnissa 380, 434, 437 ginuog 73, 203 firgiozan 168, 561, 602 girehto (?) 394 giridani 54 girih 587 girouptī 587 girūni 304 gisamani 380 gisez 585

gisezzito 349 gisiunī 46 giskaft 87 giskido 390 giskrīb 541 gispanstunga (?) 419 gispehōtī 577, 606 giswās 574, 604 gitavali 418 gitriuwi 326, 434 gitriuwo 326, 434 giturst 84, 132, 630 giturstlīhho 155 giwārlīhho 301 giwel 491 giwiggi 372 giwin 356 giwisso 136 giwonaheit 502, 511, 592, 608 gizimbari 363, 433, 436 gizimbarida 135 giziug 378 gizumft 104 glou 388, 394, 433 got 376, 386, 574 gougarī 306 gouma 536, 578, 606 graban 117, 194, 701 grāvo 241 greifōn 335 irgremmen 588, 604 grim 320, 401, 433 grimmī 366, 379 gruozen 330, 432 gumēn 379 gihabēn 644 -haft 298 halba (?) 492 irhalēn 399 zuohalēn 149, 197 gihalōn 62, 646 halt 335 haltan 304 gihantreihhen 56 hebīg 499, 511 heima 493 heimgart 546 -heiti (?) 333 heizan (?) 337

Althochdeutsche Interpretamente | 735

foragiheizan 481, 510 giheizan 319, 392, 432, 434 intheizan 560, 606 helfa 51, 304, 432 firhelfan 313, 415, 432, 436 gihengen 152 hērī 545 heriberga 483, 510 heriōd 342 heriōn 93, 200 hērituom 631 herizoho 254 hērōsto 151 giherten 497, 511 herti 345 hērtuom 542, 602 firhintaren 572, 601, 603 hintarskrenkīgī 537, 593, 608 hizza 111, 191, 204 holī 417, 436 holsteigi 393, 434 hūfōn (?) 361 huohen 395 huor 370 huorlust 568 huoto 325 ibu 136, 384 igil 636 ih 108, 213 īlen 362, 504 giīlen 487 īlunga 300, 497 in 37, 39, 40, 55, 64, 106, 203, 557, 595 innaro 630 inniherdar 567 innobeli 545 ino 393 intgēnto 147 inti 150, 311, 365, 375, 378, 434 inuga 406 iowedarhalbūn 558 ir 572, 574, 599 ir- 238 irbarmunga 573, 602, 603 irburitī 544 irfuori (?) 383 irhabanī 335 irren 564 giirren 551, 567

irrida 631 irteilida 173, 696 itawīzen 382 itawīzōn 323 iukko (?) 481, 510, 512, 697 jār (?) 251 juckidīn 296, 432 jungist 165 kamara 421 kastusamlīh (?) 387 widarkēren 598, 608 gikiosan 578, 606 kiosona 331, 432 klagēn 59, 196, 213 krumben 630 bikunnōn 305, 432 kunta 422 kupfa 248 labal 575, 607 ladan 83 giladan 83 lahaharēn 382, 434 lango 146 lanka 145 lant 307, 433 lastarunga 49 lastrōn 479, 484, 486, 541 laz 295, 520 firlāzan 543, 581, 603, 604 nidarlāzan 59, 195, 201, 584 lebēn 41, 154, 213 leggen 494 irleggen 322 leidsamlīhho (?) 304 leiten 176 lengen 123 lēra 559 lēren 152, 341 bilīban 178, 317, 319 lībleita 71, 119, 138, 161, 198, 695 furilīdan 476, 510 gilīdan 77, 160 []līh 496 lihhamlīh 60, 63 līhten 68, 500 līnēn 119, 214 liod (?) 300 irliogan 239 lioht 150

736 | Register

lirnunga 53 liuben 569 giliuben 544, 559 liublīh 399, 434 liut 405, 562 lockōn 559 lohafiur 566 lōn 78 lōsen 339 irlōsen 171, 197, 695 loskēn 540 lōso 124 lotarlīh 346, 436 louben 113, 115, 197, 695, 701 biloufan 311, 434 luotida 75, 204 lust 563 lūttarlīhho 132 luzzil 64 magan 346 gimagan 493, 511, 696 maht 567 man 650 manag 553, 603 manēn 390 firmanēn 301 mankus 161 firmanōn 549 manslaht 555 māren 485 mari 387 māri 393, 434 marka 387 markōn 366, 432, 434 bimarkōn 107 gimarkōn 94, 366, 432, 434 marren 570 mast 164, 169 megin 245, 701 meginīg 504 mein 156 bimeinen 587, 646 meistar 117 meit 478, 510 meldēn 71 merlīh 254 mez 153 mezhaft (?) 645 mezhaftōn 504, 511

mīdan 554 bimīdan 68, 135, 191, 214, 554 mihhil 504, 511 mihhilmuotī 413, 436 mihhilmuotigī 333 minnōn 546 firmissen 646 missitriuwida 593, 594, 605 mit 556, 648 mitislāf 307, 432 mos 254 muot 573, 594, 604 muoza 338, 365 muozhaft 485, 511 nāh 310, 434 nāhūn 38 ginazzen 361, 433 bineigen 548 neigito 492 neizen 141, 565, 601, 602 neman. 298, 536, 578, 606 firneman 499, 584, 604 gineman 298 nemnen (?) 520 nerien 598 umbinezzen 394 ni 138, 147, 323, 324, 480, 520, 552, 553, 599, 644, 648 nidar 169 nidargilāzida 33, 105, 197, 202, 203, 205 nidari 140, 170, 701 nidarunga 127, 191 nieht 599, 604 niozan 550 biniusen 372 niuwiquemo 384, 434 noh 65 nord 355 nōten 61 ginōten 61 nū 38 ginuogen 476, 510 nuzzī 72 offano 306, 432 offanōd 497, 511, 701 offanōn 483, 490, 511 offanōr 337, 432 offarōn 166, 191, 195 ofto 47, 61

Althochdeutsche Interpretamente | 737

ordina 318 ōstarlīh (?) 355 ouga 60, 197, 202, 205 ougazorhto 67, 701 giougen 98, 212 ouh 308, 651 ouhhōn 416 pfanna 585 pfarra 157, 195, 200 pfetarāri 586 pflegan 359, 432 pfligida 592, 608 pfrazunna 74, 195 pfruonta 337, 432 giquatēn 327 quedan 88, 108, 196 quellen 142, 196 irquellen 141, 196, 201, 202, 700 queman 99, 196 foraqueman 297 obaqueman 95, 196 zuoirqueman 406 quiti 146, 196 quitilōn 336 raffōn 395, 432 giintraffōn 300 rafsunga 588, 605 rān 541, 602 rāt 494 rātan 357 girātan 357 raun (?) 299, 434 reda 542, 602 redina 407 rehhan 520 girehhan (?) 523 rehhantlīh 521 reht 299, 344, 434, 560 rīban 74 rīda 590 rīdan 379, 433 girīdan 79 girihten (?) 309 rihtī 415 rihtiskif 164, 195 birīnan 36 ringan 133 umbiringen 403, 434 rioban 74

riuwōn 409, 434 girīzan 585 girūhen 567, 602 ruodar 81, 191 giruofan (?) 388 giruofen (?) 388 ruom 486 ruomiselī (?) 641 saga 325, 380, 392 sagen 84, 213 sagēn 316, 396, 433 []sagēn 341 firsagēn 523 gisagēn 156 irsagēn 324, 331 irsalawen 578 salbōn 576, 607 sālig 174 saman 65 samanwerfan? 65 sandōn 143, 213, 696 sang 591, 601 sār 335, 492 gisatōn 120 segal 81 nidarsehan 363 seil 165 seimag 389, 433 seimī 348 seimlīhho 339, 434 sekka 238 selb 359, 484, 487 selbwillo 496, 511 sellen 328 gisenkōn (?) 432 senten (?) 315 gisenten 315 firsezzen 592, 608 sih 479 simbalum 178, 205 sin 651 sīn 65, 109, 127, 135, 150, 156, 191, 213, 214, 332, 384, 512, 574, 630 sīn (Poss.) 57, 60, 200, 204, 207, 382, 407 sind 314, 433 sintar 595 irsiodan 58 sitōn 296 situ 56, 58, 204, 207, 328, 360

738 | Register

bisizzen 48, 141, 195, 201, 700 skado 556, 604, 648 skāhhāri 416 skama 421 skamēn 112 skantlīh 554 skarpfen 413, 432, 434 skato 410 skaz 243, 373, 431 untarskeidan 353 skelta 310 skenken 648 skerf 368, 432 biskerien 334 skerio 311, 432 skidōn (?) 482 skīnan 120, 478, 510, 512, 697 irskioban 409, 433 skirmen 145 skopf 303, 432 skricken 478, 510, 512 skulan 599 skuld 487 giskulden 548, 601, 602 skuldīg 560 slaf 563, 587 slāf 307 slaffī 562 irslahan 404 slaho (?) 362 sleih 355 sleizen 492 irslīfan 381 intsliozan 54 sliumo 354 slunt 350 gismāhen 585 smīda 302 sneiten 49 sniumida 146, 191 sniumo 410 sō 35, 37, 108, 203, 213, 322, 482 firsōden 242 sōwanne 368, 434 spaltan 398 gispaltan 398 spanan 570, 575 spil 413 spilastat 502, 511

spildī 580 spildlīhho 581 spor 89 sprehhan 109, 487, 511, 571 gisprehhōn 248 gispriuzan 512 spuot 325, 434 spuotida 55 gistabēn 91, 198 frastaftōn 364, 436 gistahhōn 344, 432 stal 557 firstantan 477, 510 widarstān 109, 201 stapfarōntī 309, 432 steckal (?) 172 steckala (?) 172 stecko 40 steigal (?) 172 firstēn 129, 201, 501 hintarstēn 586 widarstēn 549 stiften (?) 414 stillen 480 gistillen 480 stillī 482 stiuren 70, 199, 203, 214, 576, 607 stiurnagal 491, 511 stō 244 zistōren 250 stouwen 326, 434 stouwōn 547 stōzan 400 ubarstōzan 323, 432 strengi 411, 434 strīt 367 strītan 294, 314, 407, 433 strō 148, 202 stungen 589, 607 suārī 540 suht 247, 505, 511 []suht 481 sūl 64 sum 503 sumanes 377, 493 suntar 36 suntaram 299, 433 gisuntarōn 409 suntōn (?) 497

Althochdeutsche Interpretamente | 739

suohhen 109, 157, 191, 243, 485, 511, 695 duruhsuohhen 102, 191, 213 gisuohhen 30, 572, 695 irsuohhen 500 suona 134, 171, 191, 197 suonāri 134, 554 swalēn 371, 434 irswalēn 361 swāren 148 biswāren (?) 250 swārī 585, 607 giswāso 649 swehhida 494, 511 sweib 502 swellan 361, 434 firswīgēn 559 biswīhhan 245 swīnan 477, 510 tagarōti 153 firtarkenen 583 tarōn 590 biteilen 572, 606 terien 112 tougan 113, 197, 695, 701 giantraffōn 432, 436 tragan 356, 433 firtragan 583, 604 zitragan 297 trāgēn 538, 597 irtrāgēn 324, 597 trāgi 246 trankōn 370 tretan 493 trīban 488, 597, 608 firtrīban 150 gitrīban 350 trinkan 147 bitriogan 153 truginōn 579 truoben 550, 605 missitrū(w)ēn 101, 200 irtullen 404, 433 tunstī 368 tuon 103, 296, 558, 606 duruhtuon 159 missituon 548, 554 turnella 266 ubar- 390, 433, 599 ubara (?) 390, 433

ubarfangōd 588 ūf 131 ūfort 77 umbiskrōtunga 330 un- 80, 420, 495 un[bigraban?] 62 unbilibanto (?) 176 unbiwānentlīh 167, 701 undankbāri (?) 159 undankfol (?) 159 undult (?) 503 unemizzīgī 576, 606 unēra 312, 436 ungi- 369, 381 ungidenkīg 106 ungiheil 69 ungihōrag 341, 433 ungireinōt 385, 434 ungiwāri 329 ungiwurkit 138 unkuskī 332, 432 unlust 481, 510 unmag 563 unmahtīg 69, 701 unōdi 176 unreht 360, 434 unruohha 171 unsemftī 597 unsituhaft (?) 293 unstatahaft 561 unstātīg 563, 569 unstātīgo 555 unsūbarī 112 untar 353, 572, 637 untar[] 505 unumbimerkit 105 ununtarlāzo 351, 434 unwirdīg 553 unwīs 155 unwizzī 595 unwol 518 unzalahaft (?) 297 unzītlīhho 582, 604 uobida 557, 604, 605 uodil 411 uohaldī 550, 602 uowahst 119, 197 urdank 321, 337 urkust 346, 432

740 | Register

urmārī 42, 200 urmarka 269 ursiunī 78, 200 ursun 410 ursuohhida (?) 308 urwin 174 ūz 66 ūzan 483, 510 ūzar 302 giūzōn 566, 605 ūzzaro 85 anawāen 577, 606 irwahsan 45, 120, 197 wal 374, 518 wallan 157, 408 irwallan 321 waltisōn 392, 434 wan 501, 511 wān 499 wānen 35, 108, 213, 520 wankōn 178, 205 wanne 484 []wanne 501 want 419 wanta (?) 501, 511 warbunga 340 giwāren 47 wārī 329 warnōn (?) 494 giwarnōn 488, 511 was 484, 510 waskan 569 wassī 586 we[la]willo (?) 411 weganest 121 wehsal 62 wehsal[līh]? 63 ziweiben 637 weidinōn 389 weigarī 594, 608 weihhen 495, 511 weliho 631 intwennen 490 biwenten 123 werban 32, 195 werdan 297, 551, 565, 576, 583, 598, 639, 644 intwerdōn (?) 651 werēn 398 werfan 65, 347

anawerfan 595 irwerten 362, 365, 434 wesan 31, 70, 84, 85, 86, 99, 109, 112, 113, 122, 133, 154, 213, 214, 505, 511, 631, 644 ānuwesan 83, 334 wesantlīhho 103 wetōt (?) 412 widar 358 widar- 556 widari 383 widarōn 150 widarstrūbalī 400 wīh 163 intwīhhan 102, 199, 375 wīhī 551 wīla 378, 434 wīlāri 402 willo 90 giwinnan 332, 518, 521 wio 500, 510 wir 573 giwirsirōn 565 wirsisto 482, 510 wīs 552 wīsan 631 biwīsan 135 erwīsan 631 giwīsen 115 wisso 552 wīt 110 wīz 649 wīzago 293 wīzi 522 wizzī 367 wola 630 giwolhen 333, 432 giwolhēn 333, 432 dārwōnēn 631 wortsāo 570 wullida 239 wullisōn 238 wulzōt 333, 434 wuntarsiun 92, 202 wuot 476, 510 giwurken 139 za 523 zala 315, 417 gizāmōn 310 zehōn 167

Altniederdeutsche Interpretamente | 741

gizehōn 167 zeihhan 321 firzellen (?) 314 irzerien 345, 432, 434, 436 gizerten 321 zi 335, 340, 397, 476, 552, 567, 574, 631 irzīhan 599, 604 zilēn 180, 195 zimbar 139 zin 596

gizinsōn 366 ziohan 97, 129, 147 zisamane 342, 432 zisperī 96 zol 254 zuht 555 zunten 45 zwīfalōn 116, 574 zwifaltōn 128, 700

Altniederdeutsche Interpretamente dref 268 kunta 422

Lateinische Interpretamente abstinentia 640 abundāre 616 accipere 649 aestimāre 619 affligere 623 agere 621 amphitheātrum 422 angustāre 612 apertē 252 bonus 640 cadere 637 caelestis 612 cāritās 619 castrāre 649 cerdere 620 coacervātio aquae 254 cōgitāre 618 commiscēre 423 compōnere 641 concutere 640 cōnsilium 252 consōpīre (?) 252 convertere 623 creātūra 621 culpāre 614 cupere 610 dare 622 decēre 611

dēsiderāre 612 deus 612 dēvitāre 640 dicere 619 dīlātāre 611, 621, 630 dispendere 624 dispēnsāre 624 dissimilis 647, 648 dissipāre 640 dīvidere 623 doctor 619 esse 252, 647, 648 exigere 610 exspectāre 621 festīnāre 618, 622 fidēs 612 fīlum 644 frūctus 252 generāre 615 gūstus 611 humiliāre 620 idcircō 616 īgnis 252 incantātor 423 indāgāre 622 īnfidēlis 617 īnfīrmis (?) 252 intellegere 616, 651

742 | Register

interrogātio 622 intumēscere 640 laetārī 617 latēre 640 laus 614, 651 lectum 620 levis 615 lēx 423 liber 423 loquī 623 lūna 624 mācerāre 622 manifestāre 619 mānsor 252 mānsuētūdo 621 meditātio 622 mūnia 182 ne 619 nocēre 640 non 619 nūtrīre 619 oboedīre 615 octō 252 octōginta 252 officium 618 orīgo 614 ostendere 610, 647, 648 parere 619 parvulus 624 paupertās 616 peccāre 614, 651 pēnsātio 611 perdere 640 potestās 252 praedīcere 619 praeparāre 423 pretium 637 pulsāre 620 pūrus 613, 647 putrēscere 622 quī 422

quīnque 252 rapere 617 refectio 640 regere 612, 616, 620 replēre 615 repūgnāre 617 resistere 640 revolvere 623 sānāre 640 sānctificāre 181 sānctitās 620 sapientia (?) 423 saturātus 640 scabiēs 640 scrīptor 252 sēdūcere 621 similis 621 sine 649 sternere 620 stultus 252 subditus 619 suffulcīre 620 sūmere 619 superbia 611 sustentāre 640 tacēre 619 tangere 623 tepor 647, 648, 649 tollere 615, 646, 649 trīginta 252 ut 636 venīre 623 verbum 422, 649 verendus 640 vindicāre 649 virga 647 vitium 617 vituperāre 649 vīvere 41, 621, 624 vulnerāre 640

Lateinische Lemmata | 743

Lateinische Lemmata Die mit * gekennzeichneten Wörter sind althochdeutsch bzw. auch althochdeutsch glossiert. a* 37 abiectus* 409 abluere* 496 abruptum* 550, 598 abstrahere* 147 ac* 375 accūsāre* 484, 486 ācer* 68, 394 acervātim* 361 aculeus* 586 ad* 476, 557, 567 adhibēre* 149, 505 adimere 615, 640, 646, 649 adinventio* 337 adipiscī* 542 adminiculum* 304 admissum* 554 admittere 614 adscīscere* 115 adsecula 252 adstipulārī* 319 aemulātio* 587 aequālis 621 aequālitās 621 āēr* 307 aerumna* 98 aes* 373 aestimātio* 146 affectāre* 546, 612 affectus* 403 affīgere* 344 agere* 366, 488, 558 aggredī* 406 agnitio* 173 āles* 254 aliquando* 368 aliter* 322 alius* 546 allegātio* 542 alumna* 411 ambigere* 116, 574 āmittere 651 ampliāre* 65 amplius* 377 amplus* 37, 393

anhēlare* 556 animadversio* 413 animāre* 328 animōsitās* 333 annectere* 330 annis 252 annīsus* 90 anticipāre* 297 antrum* 417 aperīre 619 appārēre* 363 appellere* 321 appetere* 503, 572 apprehendere* 586 apud* 358 arbiter* 134 arcānum* 163 arcānus* 304 arduus* 172 ārens 617 argūmentum* 321 ariēs* 586 arithmētica 423 arrogantia* 303, 479, 641 articulus* 584 artus* 496 asinārius* 551, 635 asserere* 156, 619 astronomia* 407 attendere* 578 atterere* 404, 565 auctor 619 auctōritās* 132, 384 audācia* 349 audēre* 553 audītor 619 augur* 401 aureus* 161 ausus* 84, 611 autem* 314 āversus* 598 avītus* 370 bacchārī* 336 bālātus* 75 beneficium* 351

744 | Register

benevolus* 411 blandīrī* 250 breviātor 252 caelestis 422 caelibātus 649 calcāre* 493 calor* 111 calx* 89 capere* 377 capessere* 338 captio* 355 caput* 579 carabus* 164 carēre* 83, 334, 348, 555 carīna* 169 casus* 34 catēchūmenus* 385 causa 614 CCVIII 252 cēdere* 102, 375 celeritās* 146 certāmen* 381 certāre* 362 cēterus* 415 circumcīsio* 330 circumīre* 399 circumspectio* 489, 589 circumventiō* 346 clāmitāre* 382 clāmor* 486 clāvus* 491 coaevus* 124 cōgere* 85 cōgitātio 622 coīre* 355, 417 colligere* 129, 499, 584, 616, 651 commemorāre* 314 commendāre* 544, 569 comminus* 310 commodus* 399 compellāre* 327 compendiōsus* 89 compēscere* 480 compōnere* 504, 559, 616 compos* 387 cōmptus* 349 cōnārī* 487, 644 concidere* 333 concubitus* 307

concubium* 250 conculcāre* 549 concupīscentia* 599 condēscēnsio* 33, 104, 573 condicio* 87 conditio 621 condolēre* 409 cōnficere* 296, 386, 423 cōnflāre* 596 cōnfundere* 561 congestus* 342 congruere 620 conicere* 65, 300 cōnīventia* 397 conpāgēs* 81 conquerī* 59 conquīrere* 350 cōnsīderātio 611 cōnsobrīnus* 319 cōnspersio* 502, 505, 592 cōnspīrāre* 56 cōnstīpātio* 309 cōnsuētūdo* 563 cōnsulere* 313, 357, 396, 574 contendere* 180 contentio* 367 conticēscere* 477 contiguus* 364 continēre* 598, 640, 644 contingere* 36 continuō* 354 continuus* 178 contorquēre* 379 contrectāre* 335 contubernium* 306 convalēscere* 493 conversārī* 572 convīcium* 310 convincere* 340 cōpia* 243, 245, 307 corporālis* 60 corrumpere* 550 corruptor* 329 coxa* 133 crassus* 354 crēbrō* 47 credere 649 crepusculum* 153 crēscere* 416

Lateinische Lemmata | 745

crūdēlitās* 366, 379 culmen* 542, 545, 631 cum* 556, 567 cumulus* 491 cūnctārī* 317 cunīculus* 393 cupere 617 cūrāre* 359 custōdīre* 398 daemōn* 374 damnum* 127, 556 dare* 650 DCCC 252 dēbēre* 599 dēbitum* 560 dēcessor* 347 dēclināre* 554, 631 dēcubāre* 119 dēdīgnārī* 651 dēfendere 619 dēfēnsio* 594 dēferre* 301 dēfīgere* 592 dēfīnīre 623 dēfōrmitās* 112 dēgere* 41, 391, 621 dēlībāre* 379 dēlīberāre* 86 dēlīberātio* 496 dēlinquere 614 dēlitēscere* 540, 640 dēlūbrum* 370 dēnuō* 398, 410 deorsum* 169 dēpraedārī* 93 dēprehendere* 477, 501, 618 dērīdēre* 143 dērogāre 649 dērogātio* 49 dēscrībere* 585 dēsistere* 305 dēspērātus* 337 dēspicere* 363 dēstināre* 322 dēstituere* 543, 587, 640 dēstruere* 414, 551 dēsuēscere* 490 dētēstābilis* 304 deus* 574

dēvincīre* 392 dialectia* 407 dicāre 181 dictāre* 152 differre* 297, 345, 647, 648 difficilis* 176 diffīdere* 101 dīlābī 637 dīlātio* 126 dioecēsis* 157 dīreptio* 342 dīrigere* 91 dirimere* 315 disciplīna* 555 discrepāre* 353 dispārēre* 160 dispēnsāre* 620 dispertīre 623 dispōnere* 94, 107 disputāre* 314, 407 disserere* 331 dissimulāre* 583 dissolūtus* 587 dissolvere* 563 distāre* 482 distribuere 624 dīstrictus* 496 dīverberāre* 637 dīvīnitus 612 dīvīsibilis* 505 dīvus* 376 docēre* 341 dogma* 392, 415 dominicus* 386 dūcere* 176 dum* 501 dumtāxat* 301 dux* 254 ēbibere* 147 ēdere 619 ēditiō* 340 effertus 640 efferus* 320 effrēnātus* 581 effugere* 320 effūsio* 580 effūsus* 581 ēlātio* 498, 611 ēlongāre* 123

746 | Register

ēmicāre* 120, 478 ēminens* 381 ēminēre* 31, 95 ēnervāre* 495 ēnervis* 555, 615 ēnīxē* 337 ēnīxius* 146 epulae* 242 ergo* 420 ēricius* 636 erīlis* 295 ēripere* 339 errāre* 564 esse* 133, 156, 332, 574 essentiāliter* 103 et* 150, 365, 378, 547 etenim* 86 etiam* 308, 651 ēvādere* 147, 376 ēvānēscere* 77 ex* 48, 137, 302 ex aduerso* 492 ex obliquo* 631, 637 exaggerāre* 361 exāmen* 134 exāmināre* 58 exasperāre* 567, 588 excēdere* 57, 623 excellentia* 42 excessus* 335, 588 excīdere* 79, 384 excidium* 391 exclūdere* 566 excrēscere* 45 excubāre* 161 excubiae* 421 exenium* 74 exercēre 621 exercitātio* 557 exhālāre* 131 exhibēre* 122 exigere* 175, 548 exiguus* 64 exilium* 410 expedītio* 246 expetere* 157, 610 explānātio* 309 explōrāre* 331 explōrātio* 577

expōnere* 316 exposcere 610 expressio* 497 exprimere* 490, 610 exsecrārī* 175, 523 exsequiae* 122 exsilium* 99 exstāre* 150 extendere* 499, 551, 647, 648 exter* 85 extra* 66 exutus* 155 fabrica* 139 facere* 103 facilis* 405 factiō* 380 facultās* 343 fallācia* 360 fallere* 153 familiāris* 326, 393 famulātus* 158 fānum* 356 fās* 344 fascis* 294 fāstīdīre* 238 fāstus* 594 fatērī* 84, 109 fatum* 331 fautor* 375 favēre* 559 favor 614, 651 fēlīx* 174 ferāx* 356 feretrum* 152 ferīre* 582 fervēre 622 fictum* 373 fideiussor* 88 fīdenter* 172 figuralis* 309 figūrātus* 589 findere* 398, 492 flāgitium* 312 flōrēre* 407 flūctuāre* 178 flūxus* 563, 569 foedāre* 32, 113 foedus* 338 foetor* 494

Lateinische Lemmata | 747

fōmenta* 591, 596 formīdo* 503 forum* 546 fovēre* 576, 640 fragilis* 373 fragrantia* 121 fraudāre* 572 fraus* 299, 346, 420 fretus* 421 frētus* 387, 423 fricāre* 74 frīxūra* 587 fulcīre* 498, 547, 612 funditus* 169, 564 fundus* 37 fungī* 41 fūnis* 165 gaudēre* 600 gemināre* 128 generāre* 644 gerere* 318, 420 gignere 615 glōriārī* 519 grāmen* 351 grātia* 373 gravāre* 148 gravis* 499 grossescere* 565, 640 habitāre* 125 haruspex 423 haustus* 350 hebes* 478 hebetāre* 365 herba* 266 hic* 407 hīc* 360 hinc* 491 hōc* 389, 416 hodiē* 501 homicīdium* 362 honor* 391 horror* 390 hostis* 246, 593 hūmor* 567 idōneus* 294, 564 igitur* 311, 394 īgnis* 343, 404 imāgo* 405 imbēcillus* 69

immānis* 504 immātūrus* 582 immeritō* 138 immortālitās* 328 impār* 553 impellere* 577, 589, 597 impendere* 599 impendium* 378 imperātor* 392 impetīgo* 481, 566 impetrāre* 62 impietās* 244 improbābilis* 381 improbāre* 323 impugnāre* 549 īmum* 140, 170 īmus* 561, 616 in* 37, 39, 40, 64, 106, 153, 595 incandēscere* 240, 247 incessanter* 561 incestum* 332 incircumscrīptus* 105 incitāmentum* 419 incola* 53 incommodāre* 298 incrēmentum* 119 incūnābula* 412 incūria* 171 incurvāre* 548 incutere* 595 indēsinenter* 176 indicāre* 396, 622 indicium* 269, 387 indifferēns* 326, 351 indipiscī* 328 indiscrētus 619 īnfectāre* 591 īnfervēscere 622 īnficere* 141, 252 īnfinītus 252 īnfirmus* 352 īnflexibilis* 91 īnfrequēns* 385 īnfula* 248 īnfundere 622 ingrātus* 159 inguen* 145 inhiāre* 361 inhūmānus* 341

748 | Register

inhumātus* 62 innītī 618 innumerus* 297 inopīnātus* 167, 495 inquam* 88, 108 inquināre* 570 īnsānus* 155 insēnsibilitās* 595 īnsequī* 497 īnsidiae* 316 īnstantia* 177 īnstitūtio* 414 īnstrūmentum* 559 īnsuētus* 369 īnsultāre* 382 integer* 326 intendere* 311 intentio* 541 inter* 353 interitus* 352 internus 612 interpretātio* 308 inultus* 520, 649 inūrere* 413 inūsitātus* 293 invādere* 295, 388 invectio* 588 invicem* 572 invītus* 61 invocāre* 358, 388 ipse* 359 irrētīre* 394 irriguus* 80 is* 60, 137, 382 iste* 503 ita* 65 iūdicium* 244 iūgis* 318 iūrgium* 415 iūs* 423, 560 iūstus* 299 lābī* 381 lacessere* 43 laetificāre 616 laetus* 327 lāpsus* 397 laquear* 418 lascīvia* 568 latēre* 135

laxāre* 110 lēnōcinārī* 575, 621, 641 lentus* 295 levāre* 500 lēvigāre* 585 levis* 124 liber* 489 līber* 485 līberālis* 52 līberātio* 391 lībertās* 486 libīdo* 383 licitus* 485 ligāmen* 575 līmāre* 118 limpidus 613, 647 liquidē* 67 liquidus* 306 litāre* 357 lucrum* 557 luctāmen* 133 lūculentus* 68, 150 lūdus* 413 lūmen 624 lūtēr* 575 lutum* 569 māchina* 106, 363 mactāre* 163 maeotidas* 254 magicus 423 magnus* 302, 637 mancipāre* 408 manēre 621 mātūrus* 410 mediātor* 554 memorāre* 341 mēns* 573 mentīrī* 579 mercēs* 78 mercimōnium* 305 metafrasi 423 metallum* 135, 302 mētīrī* 544, 568 ministrāre 612 miserandus* 582 mītigāre* 321 mittere* 594 modo* 492, 493 modulātio* 591

Lateinische Lemmata | 749

molere* 243 molestia* 597 monēre* 390 monīle* 368 mordēre* 576 mōs* 328, 360 mōtus* 107, 502 mulier* 395 multiplicāre* 486 mūnificus* 522 mūnīre* 488, 494 mūtābilis* 383 nam* 489 nancīscī* 372, 393 nārrātio* 315 nauta* 164 ne* 65, 552, 553, 599 nec 619 necāre* 142 nefārius* 312, 482 nefās* 156 negōtium* 380 neōtericus* 360 nisī* 402 nīsus* 300 nōdus* 410 nōmen* 557 non* 138, 147, 323, 324, 381, 480, 523 nōrma* 55 nōscere* 366 novātiānī* 384 nūllus* 599, 644 nūmen* 318 numerātio 423 numerus* 417 numquid* 406 nunc* 377 nūper* 38 obicere* 347 obiūrgāre* 336 oblicus* 492 obligāre* 650 oblīquus* 390 oblīvio* 385 obnītī* 383 obruere* 250 obscūrāre* 578 obsīdere* 48, 141 obsidio* 585

obsistere* 109 obstāculum* 556 obstinātio* 641 obstupefacere* 419 obuncāre* 395 occultus 620 oculus* 60 offendere* 548 offerre* 166, 334, 414 officere* 590, 640 ōlim* 370 omittere* 390, 395 onustus* 83 opifex* 117 opīnāri* 35, 108 opīnio* 499 opportūnitās* 576 opprimere* 250 oppugnāre* 294 ops* 51 ōrdo* 551, 618, 620 orientālis* 355 ostentāre 647 ōtium* 338, 365 pāgina* 418 palaestra* 502 palliāre* 580, 622 palūs* 254 pandere* 358, 483 pār* 345 parabola* 325 parcus* 581 parens* 98 pārēre 615 pariēs* 419 parsimōnia* 580, 640 pāscere* 550, 616 passio 617 pāstōrālis* 540 pāstus* 323 patria* 493 paucus 624 peccāre* 497, 649 pellicere* 245 pendere* 542 penetrāre* 482 penitus* 96 per* 322 peragere* 159

750 | Register

percipere* 162 percontārī* 102 percunctātio 622 percutere 623 perennis* 339 perfruī* 99, 127 perfungī* 296 perīculum* 592 permittere* 115, 348, 523 perpetī* 583 perspicāx* 388 pertināx* 402 perurgēre* 359 perventio* 543 petere* 30 pharus* 268 philosophia 423 pigēre* 324 pīgmentum* 596 placidus* 399 placitum* 171 plūrēs* 553 pollēre* 408 pondus* 540, 585 populus* 405 potīrī* 304 praebēre* 101 praecantatio* 320 praecellere* 354 praeceps* 371, 418, 544 praecipitium* 367 praedicāre* 315 praedīcere* 485 praedium* 411 praefectus* 241 praemittere 619 praenotātio* 35 praeoccupāre* 584 praerogatīva* 299 praesidēns* 498 praestāns* 518, 640 praesul* 151 praetendere* 239 praeteritum* 100 praetextus* 597 praetor* 416 prestigiae* 349, 396 prīmus* 309, 378 prīvātus* 484

pro* 557 probāre* 47, 578 probātio* 131 probitās* 367 probrōsus* 554 probrum* 313 procāx* 398 prōcūrātio* 400 prōdere* 71, 386 prōdīre* 564 proelium* 238 profānus* 346 profectō* 552 prōfectus* 325 prōferre* 487 profitērī* 408 prōmere* 571 prōmittere* 412, 481 prōpāgāre* 611, 630 prōpalāre 252 prōpōnere* 560 prōripere* 342 prōspicere* 402 protegere* 145 prōvehere* 547 prōvinciālis* 376 prōvocāre* 330 prūrīgo* 296, 480, 566, 640 pudenda* 422 pudor* 421 pulsāre* 400 pulvis* 32 pūpilla* 566, 653 pūrulentus* 371 putāre* 49, 485 quaestus* 356 quam* 500 quandō* 484 quantus* 482 quasi* 153, 522 quatere 617, 640 querī* 109, 547 quī* 166, 384, 476, 478, 479, 558, 582, 599 quia* 494 quīdam 422 quidem* 335 quod* 501 quoniam* 476 rabiēs* 343

Lateinische Lemmata | 751

rārēscere* 96 ratio* 651 reātus* 487 recuperāre* 332 refercīre 615 referre* 324 refertus 640 reficere* 45 refovēre* 120 refūtāre* 150 relātio* 62 reliquus* 369 remittere* 563 removēre* 409 repedāre* 293 repentīnus* 599 replicāre* 123, 623 reprehendere* 541 reprimere* 404 requīrere* 485 reserāre* 54 resipīscere* 523 respectus* 78 restaurāre* 167 reticēscere 619 retorquēre* 79 reverenter* 125 reverentia 612 revocāre* 399 rīdiculōsus* 395 rigidus* 484 rigor* 130 rīma* 81 rotātus* 403 rumpere* 165 rūs* 409 sacrilegium* 379 saepe* 61 sal 619 salārium* 337 saltem* 75 sānus* 136 sartāgo* 585 satis* 73, 397 satis agere* 380 sauciāre* 565, 640 saxum* 402 scelus* 417 schisma* 353

scōria* 595 scrūpulus* 325 sculpere* 117 se* 479 sēcessus* 649 sed* 354, 483 sēdulē* 161 sēdulus* 178 sēgnis* 246, 339, 389 sēgnitia* 348 sēmet* 487 sēminiverbius* 570 sentīre* 152 septentrio* 355 seriēs* 318 servāre* 171 sevēritas* 476 si* 136, 384 sīgnum* 575, 583 silentium* 482 simulatio* 381 sincēritās* 132 sine* 325 singulus* 331 sitīre* 550 situs* 494 sīve* 573 sōbrius* 574 sollers* 549 spargere 621, 624 speciāliter* 36 spectāculum* 92 spērāre 619 spernere* 301 sphaera* 64 squālor* 239, 333 stāgnum* 596 stāre* 76 sternere* 590 stilus* 541 stīpendium* 161 stips* 374 stipula* 148 stolidus 252 strāgēs* 374 strēnuus* 411 stringere* 492 struere 620 studēre* 504

752 | Register

studium* 53, 371, 497 subditus* 562 subicere* 364 subiectus* 558 subigere* 323 subīre* 404 subitō* 503 subiugāre* 310 sublīmis* 95 submittere* 59, 584 subsequī* 548 subsidium* 71 subsistere 624 suburbānum* 402 succēdere* 401 sudis* 40 suffundere* 406 suggestio* 494 superāre* 599 superesse 611 superexistere* 504, 505 superstes* 317, 319 superstitio* 519 supīnus* 77 suppetere* 476, 616 supplantāre* 567 supplēmentum* 415 suppōnere* 505 supprimere* 39, 97, 559, 620 suspectus* 329 suspendere* 578, 620 suspicio* 593 sustentāre* 70, 576 sustentātio* 561, 640 suus* 57, 356 tabernāculum* 483 tābēs* 247 taedēre* 323 taedium* 481 taeter* 401 tam* 37 tandem* 165 tegere* 68 temerāre* 552 temere* 155 temeritās* 545 temperāre* 645 temptāre 620 tēmulentus* 370

tenāx* 345 tendere* 70, 92 teneritās* 503 tēnsio* 590 tergiversātio* 593 territōrium* 307 terror* 403 tēstārī* 143, 337 testificārī* 571 thecis* 387 torpēscere* 597 torpor* 562, 647, 648, 649 tortitudo* 54 trabs 647 tragicus* 300 trahere* 97, 129 trānsferre* 80, 298, 341, 571 trānsfundere* 63 trānsigere* 476 trānsīre* 316 trānsversum* 39 tremere* 352 tribūnus* 311 trīciēns* 316 trīvium* 372 trochlea* 365 tropaeum* 321 tumor* 544 tunc* 365 turbo* 368 tūtus* 169 ulcus* 240 ultrīx* 521 unde 508, 616 ūnus* 162 usus* 56, 72 ut* 35, 108 utcumque* 552 utrobīque* 558 valē* 346 vapor* 157 vātes* 293 vectīgal* 254 vel* 384 vēlum* 81 vēnālis* 520 vēnārī* 389 venīre* 99 verbum* 298

Lateinische Lemmata | 753

verērī* 112 vēritās* 329 vērō* 397, 418 versāre* 154, 168 versūtia* 400 versūtus* 593 via* 314 viāticum* 121 vicārius* 62 vicis* 378 victima* 166 vīctus* 138 vidēri* 332 vigēre* 361, 371

vindicāre* 518, 521 violātor* 362 vīrēs* 567, 640 virtūs* 581 viscera* 545, 567 vītāre* 135, 554 vitiāre* 479 vitium* 518 vīvere 617 vocibus efferre* 248 vōs* 574 vulnus* 555 XXXII 252