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German Pages 104 [128] Year 1955
SAMMLUNG
GÖSCHEN
BAND
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ALLGEMEINE MINERALOGIE N e u n t e erweiterte A u f l a g e d e r „ M i n e r a l o g i e " von PROF. DR. R.
B R A U N S
bearbeitet von DR. K A R L F. C H U D O B A ord. Professor der Mineralogie und Petrographie der Universität Bonn
Mit 107 Textfiguren, 1 Tafel, 2 Tabellen
WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J. Göschen'ache Verlagshandlang • J . Gattentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp. B E R L I N
1955
Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten
Copyright 1955 by Walter de Gruyter & Co. Berlin W 35, Genthiner Straße 13
Archiv-Nr. 1100 29 Druck von Rudolf Wendt KG., Berlin N 05 Printed in GermaDy
Inhaltsverzeichnis Einleitung
Seite 5 Mineralien. — Aufgabe der Mineralogie. — Bedeutung der Mineralogie . . . Geschichtliches 6
Allgemeine Mineralogie Aufgabe und Zielsetzung I. Die F o r m der M i n e r a l i e n Bildung der Mineralien Kristall Wachsen eines Kristalls Ausbildung der Kristalle Kristallflächen Einfache Kristallform. — Korabinationen Winkel Goniometer Bedeutung der Winkel. — Symmetrie Zone. — Achsen Lage und Bezeichnung der Kristallflächen gegen die Achsen Gesetz der rationalen Abschnitte. — Kristallsysteme und deren Achsenkreuze 1. Kubisches (reguläres) System 2. Hexagonales System 3. Trigonales (hexagonal-rhomboedrisches) System 4. Tetragonales (quadratisches) System 5. Bhombisches System 6. Monoklines System 7. Triklines System Tabelle: Die 32 Kristallklassen Gesetzmäßige Verwachsungen. — Zwillinge Gesetzmäßige Verwachsungen ungleichartiger Kristalle. — Aggregate. — Amorph Lösungsformen
II. Der F e i n b a u der K r i s t a l l e Baumgitter Baumgruppen. — Symbole Deutung der Grundgesetze Böntgenographische Verfahren Gittertypen Ideal- und Realkristall
III. D i e p h y s i k a l i s c h e n der M i n e r a l i e n
9 11 12 14 14 15 16 17 18 22 23 28 31 37 40 43 46 48 49 50 55 57 59
59
61 62 63 65 70 72
Eigenschaften
Härte Spaltbarkeit Bruch Glanz. — Durchsichtigkeit. - Farben Strich. — Dichroismus Fluoreszenz, Phosphoreszenz, Lumineszenz Spezifisches Gewicht 1*
8 9
73
73 75 76 76 78 79 8Q
Literatur
4 IV. D i e c h e m i s c h e n der Mineralien
Eigenschaften 82
Elemente und Atomgewichte Formel Bestimmung der Bestandteile Das Lötrohr. — Untersuchungen auf Kohle Untersuchungen in der Boraxperle. - Erhitzen im Glaskölbchen. — Flammenfärbung. — Verhalten gegen Salzsäure Schmelzpunkt Dimorphie : Isomorphie Isotypie. — Anomale Mischkristalle. — Entmischung
V. E n t s t e h u n g , U m b i l d u n g der Mineralien
und
83 83 84 85 86 86 87 88 90
Vorkommen 91
Magmatische Bildungen Übersicht der wichtigsten Magmagesteine Sedimentäre Bildungen Metamorphe Bildungen Pseudomorphosen Einschlüsse Vorkommen der Mineralien
Register
91 93 94 96 97 97 98
100 Literatur
1. L e h r - u n d
Handbücher
C o r r e n s , C. W . : Einführung in die Mineralogie (Kristallographie und Petrologie). 1949. E s k o l a , P . : Kristalle und Gesteine. 1946. H i n t z e , C.: Handbuch der Mineralogie. 1 8 9 7 - 1 9 5 4 . L i n c k , G. und J u n g , H.: Grundriß der Mineralogie und Petrographie. 1935. N i g g l i , P . : Allgemeine Mineralogie. 2. Aufl. 1924. R a m d oh r , P . : Klockmann's Lehrbuch der Mineralogie. 14. Aufl. 1954. S c h m i d t , W. und B a i e r , E . : Lehrbuch der Mineralogie. 1935. T e r t s c h , H.: Festigkeitserscheinungen der Kristalle. 1949. T s c h e r m a k , G. — B e c k e , F . : Lehrbuch der Mineralogie. 9. Aufl. 1924.
2. K r i s t a l l o g r a p h i e u n d
Kristallstruktur
B r u h n s , W. — K a m d o h r , P.: Kristallographie. 4. Aufl. 1954. (Sammlung Göschen, Band 210.) K l e b e r , W . : Angewandte Gitterphysik. 2. Aufl. 1949. R a a z , F . und K ö h l e r , A.: Bau und Bildung der Kristalle. 1953. B a a z , F . und T e r t s c h , H.: Geometrische Kristallographie und Kristalloptik. 2. Aufl. 1951. T e r t s c h , H. : Der Schlüssel zum Aufbau der Materie. 1939. "Winkler, Helmut G. F . : Struktur und Eigenschaften der KristaUe. 1950
Einleitung Mineralien. Der Begriff „Mineral" f u ß t auf dem griechischen „mna" und dem daher abgeleiteten lateinischen Wort mina = Schacht; diese Bezeichnung weist darauf hin, daß die Mineralien durch Graben gewonnene Bestandteile unserer festen Erdrinde sind. Während nun Tiere und Pflanzen Organe besitzen, die sie zu mannigfachen Lebensäußerungen befähigen, haben die Mineralien keine Organe; sie sind die anorganischen, leblosen Produkte der Natur, die unabhängig vom Lebensprozeß organischer Wesen durch chemische Vorgänge in der geheimnisvollen Werkstatt der N a t u r entstanden sind und auch heute noch, wenn auch kaum beobachtbar, entstehen. S y n t h e t i s c h e Steine sind daher keine Mineralien. Ein reines Mineral ist in der Regel in allen seinen Teilen stofflich einheitlich beschaffen, h o m o g e n , und nach seiner chemischen Zusammensetzung ein Element oder eine chemische Verbindung, im Gegensatz zu einem G e s t e i n , das ungleichartig ist und meist aus mehreren Mineralien — so Granit z. B. aus Feldspat, Quarz und Glimmer — besteht. Die Wissenschaft von den Mineralien wird Mineralogie genannt. Aufgabe der Mineralogie ist die Ermittlung aller Eigenschaften der Mineralien; es gilt, die Gesetze, die in ihnen herrschen, zu erschließen, die Stoffe, aus denen sie bestehen, zu bestimmen, ihr Vorkommen in der Natur zu ermitteln, ihr Werden und Vergehen zu verfolgen. Erst wenn man diese Erkenntnisse hat, kann man die Mineralien kennzeichnen und sie nach ihrer gegenseitigen Verwandtschaft ordnen. Einer beschreibenden Charakterisierung der Mineralien geht daher zweckmäßig eine Darlegung ihrer a l l g e m e i n e n Eigenschaften voraus. Eine solche kann sich in sehr verschiedenen Grenzen halten; mit Rücksicht auf den Kreis, f ü r den dieses Werkchen bestimmt ist, werden hier in erster Linie nur solche Eigenschaften berücksichtigt, die mit dem bloßen Auge, also phänomenologisch, wahrgenommen oder durch einfache Hilfsmittel bestimmt werden können, darüber hinaus solche Grundlagen gestreift, die die erschlossenen Gesetzmäßigkeiten des „inneren Aufbaues" der Mineralien zum Inhalt haben. Die Bedeutung der Mineralogie geht bereits aus ihren vielseitigen und umfassenden Aufgaben innerhalb der verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen hervor. Die mineralogischen Kenntnisse und Erkenntnisse sind grundlegende Voraussetzung jeglicher wissenschaftlichen Betätigung in der Natur; sie sind unentbehrlich
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Einleitung
für jede lagerstättenkundliche,gesteinskundliche(petrographische), vulkanologische, bodenkundliche, geographische, vielfach auch biologische Arbeit. Ist doch das Auftreten bestimmter Pflanzenarten an besondere Böden und Gesteine gebunden und werden doch wertvolle sowie wichtige Aufschlüsse über die Struktur und Gliederung der Aufbauelemente der Pflanzen- und Tierwelt sehr häufig mit Hilfe mineraloptischer Methoden ermittelt. Im wesentlichen bleibt die Mineralogie eine wichtige Hilfswissenschaft der Petrographen, Geologen, Chemiker, Physiker, Physikochemiker, Bauingenieure, Berg- und Hüttenleute usw. Überall dort, wo mineralische Stoffe zur Untersuchung gelangen, ist diese nur im K o n t a k t mit Mineralogen oder mineralogisch geschulten Kräften zu erreichen und zweckentsprechend zu gestalten. Als Untersuchungsobjekte kommen daher u. a. in F r a g e : ' Erze, Schmuck- und Edelsteine, synthetische Steine,. Salze, Erden, Böden, Gesteine, Seifen, dann die Ausgangsprodukte und Fertigwaren der Glas-, Keramik-, Porzellan-, Ziegelei- u. a. Industrien, weiter die Endprodukte der Zementindustrie, Abfälle und Produkte der Hüttenwerke, Schlacken aller Art, Grundstoffe der Basenaustauscher in der Wasseraufbereitung, die Kristalle der Ultraschall- und Hochfrequenztechnik usw. Auch die Medizin benötigt in einzelnen Fällen, wie bei Untersuchungen der Staublungen (Silikose), der Zähne, steinigen Absonderungen aller Art usw. die Unterstützung der Mineralogie bzw. die Anwendung mineralogischer Methoden. Ebenso erfreut sich die Bestimmung und Untersuchung früh- und vorgeschichtlicher Funde der Mitarbeit der Mineralogie. Geschichtliches. Schon lange, ehe von einer Wissenschaft der Mineralogie die Rede war, wurden einzelne Mineralien wegen ihrer auffallenden Eigenschaften gesammelt und benutzt. Der harte Feuerstein, der leicht in scharfkantige Stücke zerschlagen werden kann und weit verbreitet ist, lieferte dem Urmenschen die ersten Werkzeuge und Waffen; Feuerstein mit Schwefelkies (gr. pyrites = Feuerstein) diente dem prähistorischen Menschen zum Feuerschlagen. Später kam der seltenere zähe Nephrit und manches andere Mineral und Gestein hinzu, die durch ihre Eigenschaften als zum Werkzeug brauchbar befunden wurden (Steinzeit). E r s t viel später, nachdem der Mensch das Feuer in seinen Dienst gezwungen hatte, lernte er Kupfer aus seinen Erzen ausschmelzen, danach das Zinn; durch Zusammenschmelzen beider Metalle schuf er die Bronze, das Material für haltbare Waffen, Werkzeuge und Geräte (Bronzezeit). Der gesteigerte Bedarf an diesen Erzen f ührte zum Bergbau und weitausgedehnten Handel. Dazu gesellte sich das zu Schmuck
Geschichtliches
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und Zieraten begehrte Gold, das so, wie es sich f a n d , b e n u t z t werden konnte. Silber und Silbererze, Antimon-, Zink- und Bleierze wurden b e k a n n t , v o r allem a b e r gewannen die Eisenerze immer größere Bedeutung, und u r a l t ist die K u n s t , E i s e n daraus zu erzeugen. S t a r k f ä r b e n d e Mineralien wurden schon von den prähistorischen Menschen zum Zeichnen und Malen b e n u t z t . Die K l a r heit, prächtige F a r b e und H ä r t e vieler Mineralien haben schon in früher Zeit bei den Menschen Gefallen gefunden, und Mineralien, die j e n e E i g e n s c h a f t e n in besonders hohem Grade in sich v e r einigen und die wir heute noch als Schmuck- und E d e l s t e i n e hochschätzen, wurden in frühesten Zeiten wie etwas Überirdisches v e r e h r t . I h r B e s i t z g a l t höher als der von Gold und Silber; sollten sie doch die E i g e n s c h a f t besitzen, den Menschen vor schlimmer K r a n k h e i t zu bewahren und gegen böse Geister zu schützen. Auch heute noch k n ü p f t sich mancher Aberglaube an die f a r b e n p r ä c h t i gen, unvergänglichen Edelsteine (Monatssteine). Geschnittene Steine, Gemmen, dienten schon zur Zeit der B a b y l o n i e r in der F o r m von Zylindergemmen, auf W a c h s abgerollt, zur B e u r k u n dung, waren zu Siegelringen sehr begehrt und sind heute durch die Bildwerke, die sie darstellen und die o f t durch sie allein überliefert sind, für die Altertumskunde von größter Bedeutung. Die K e n n t nisse der Steine im frühen A l t e r t u m sind uns durch eine S c h r i f t von T h e o p h r a s t (etwa 3 1 4 v. Chr. Darstellung von Bleiweiß) überliefert. Zur Zeit des Plinius ( f 79 n. Chr. beim Untergang von P o m p e j i ) waren die E i g e n s c h a f t e n vieler Mineralien schon r e c h t gut b e k a n n t ; er erwähnt die K r i s t a l l f o r m v o m Quarz und B e r y l l , die S p a l t b a r k e i t bei Gips und Steinsalz, die hohe H ä r t e von D i a m a n t . B e k a n n t war der Silbergehalt des Goldes, zur Probe k a m der Lydische S t e i n ; Quecksilber diente zur Gewinnung des Goldes aus alten Gewändern, Kobalterze, wurden zur Herstellung von blauem Glase b e n u t z t . B e k a n n t war die E l e k t r i z i t ä t des B e r n steins, b e k a n n t , daß ein S t e i n Eisen anzieht, daß das Eigengewicht der Mineralien verschieden i s t , daß Glas sich warm, Edelsteine dagegen k a l t anfühlen. Die Summe dessen, was man über die Mineralien wußte, war n i c h t klein, größer noch die der E i g e n s c h a f t e n , die man ihnen a n d i c h t e t e ; k a u m ein Mineral, das n i c h t als Arznei oder Zaubermittel gedient h ä t t e . Auf diesem S t a n d blieben die Kenntnisse von den Mineralien während des ganzen Altertums, durch das M i t t e l a l t e r bis etwa u m die Mitte des 18. J a h r h u n d e r t s . Man lernte wohl noch dies und j e n e s für den B e r g b a u wichtige Mineral kennen; der Inder Albiruni ( 9 7 3 — 1 0 4 8 ) b e s t i m m t e als erster die D i c h t e von Edelsteinen (Saphir 3 , 9 7 ! ) mittels des P y k n o meters. Auch die eine oder andere auffallende E i g e n s c h a f t wurde
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Allgemeine Mineralogie
entdeckt (die Doppelbrechung im Kalkspat 1670), aber eine genaue, das Wesentliche treffende Beschreibung konnte man nicht geben, weil man die Gesetze, welche in den Mineralien herrschen, nicht kannte. Eine wissenschaftliche, die Ermittlung dieser Gesetze anstrebende Mineralogie beginnt erst Ende des 18. J a h r hunderts mit dem Auftreten von René J u s t Hauy (1743—1822) in Paris, Abraham Gottlob Werner (1750—1817) in Freiberg/Sachsen u n d Chr. S. Weiß (1780—1856) in Berlin. Hauy lehrte die Kristallformen entziffern, Werner die Mineralien beschreiben und ordnen, Weiß die Kristallflächen auf Achsen zu beziehen. Die seitdem gewonnene Erfahrung ist in den verschiedensten Lehrbüchern der Mineralogie niedergelegt, von denen einige auf S. 4 genannt werden.
Allgemeine Mineralogie Die,,allgemeine Mineralogie" h a t die Aufgabe, die f ü r alle oder f ü r eine größere Zahl von Mineralien gültigen Grundbegriffe, Erscheinungen, Gesetzmäßigkeiten und Beziehungen darzulegen ; sie vermittelt auf diese Weise die notwendigen Grundlagen f ü r das sinnvolle Verständnis der einzigartigen Mineralwelt, die der Mensch so vielseitig und zweckgebunden zu nutzen weiß. Einzelne der allgemein gültigen Eigenschaften der Mineralien sind rein beschreibend wiederzugeben, andere mit Hilfe einfacher physikalischer Methoden zu erschließen und festzuhalten. Von besonderer Bedeutung aber ist die schon frühzeitig gewonnene Erkenntnis, daß die verschiedenen G e s e t z m ä ß i g k e i t e n der äußeren Form und der wesentlichen physikalischen Eigenschaften der Mineralien „ n u r " aus ihrem i n n e r e n Aufbau — ihrer inneren Struktur — gedeutet und verstanden werden können. So wurden die ä u ß e r e Erscheinungsform und die verschiedenen physikalischen Eigenschaften initiativer Anstoß, sich Gedanken über den inneren Aufbau der Mineralien zu machen und diesen theoretisch abzuleiten, bis es im Verlaufe der wissenschaftlichen E n t wicklung mit Hilfe der Röntgenstrahlen M. v. Laue (1912) gelungen ist, die hypothetischen Vorstellungen zu beweisen und die raumgitterartige Struktur der Mineralien 1 ) aufzuzeigen. Die Ergebnisse der „ S t r u k t u r l e h r e " werden im vorliegenden Büchlein nur kurz behandelt, aber alle jene Erscheinungen und Gesetzmäßigkeiten bevorzugt angeführt, welche zur zielklaren Ermittlung und Erkenntnis des inneren Aufbaues der Mineralien gef ü h r t haben. Diese z. T. rein phänomenologisch und damit deskripl
) So sie nicht gestaltlos, amorph, sind.
Bildung der Mineralien
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tiv ermittelten Grundlagen sind heute noch von gleichbleibender Bedeutimg, denn die verständnisvolle Erfassung der ursächlichen W e c h s e l b e z i e h u n g e n zwischen der äußeren Morphologie sowie den vielseitigen Eigenschaften der Kristalle und ihrer inneren Struktur gehört nach wie vor zu den Hauptaufgaben der modernen Mineralogie. In diesem Büchlein werden daher nach Vermittlung der „Form der Mineralien" und dem „Feinbau der Kristalle" die wichtigsten physikalischen Eigenschaften, im Anschluß daran die wesentlichsten chemischen Eigenschaften der Mineralien zur Darstellung gebracht. Die „Entstehung" und das „Vorkommen" der Mineralien kommen in einem eigenen Abschnitt gleichfalls zur Behandlung. I. Die Form der Mineralien Die Bildung der Mineralien erfolgt vorwiegend aus übersättigten Lösungen (Schmelzlösungen oder wässerigen Lösungen verschieden hoher Temperaturen), seltener aus Dämpfen oder Gasen. Jedes Lösungsmittel vermag nämlich bei einer bestimmten Temperatur nur eine bestimmte Menge einer oder mehrerer Substanzen in Lösung zu halten; bei einer höheren Temperatur in der Regel mehr als bei einer niederen. Jede Temperaturabnahme f ü h r t d a r u m zwangsläufig zu einer Übersättigung und damit zum Ausfall der gelösten. Substanzen. Diese einfachen und klaren Erkenntnisse stützen sich auf zahlreiche Versuche, die hierbei nicht nur zur künstlichen Herstellung (Synthese) verschiedener mineralischer Produkte führten, sondern auch zu begründeten Rückschlüssen über das Wachstum und die Bildung der Mineralien in der Natur. Bedeutsam ist hier z. B. die praktisch wichtige Laboratoriumssynthese von Quarz (Si0 2 ), die nicht nur das Dargelegte bestätigt, sondern auch bedeutsame Wachstumshinweise vermittelt. Am Boden einer Hochdruckbombe (eines Autoklaven) wird gekörnter natürlicher Bergkristall als Nährmaterial (Fig. 1) eingebracht, während im oberen Teil ein Bruchstück eines Bergkristalls als „Keim" in einem Stützrahmen frei schwebend befestigt wird. Vor dem Verschließen der Hochdruckbombe wird diese zu vier Fünftel mit einer wässerigen alkalischen Lösung (Wasser mit einigen Prozent Natriumkarbonat) gefüllt. Durch Aufstellung des Autoklavens auf eine Heizplatte liegt das Nährmaterial in einem Temperaturbereich von 400° C, während der
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Die F o r m d e r M i n e r a l i e n
Umgebung des Keimes nur eine solche von 380° C zukommt. Bei dieser Temperatur ist das Innere der Hochdruckbombe völlig gefüllt und durch einen Innendruck von etwa 1000 Atmosphären beherrscht. Durch Lösung des Nährmaterials in der alkalischen Lösung bildet sich nun eine stark mit Kieselsäure gesättigte Natriumsilikatlösung, die ständig von unten (400° C) nach oben (380° C) diffundiert und nach erfolgter Abkühlung den überschüssigen Teil der gelösten Kieselsäure in fester Form an den Quarzkeim zur Ablagerung bringt. Die Lösung selbst wandert dann wieder nach unten, Fig. 1. Schema einer Hochdruckbombe f ü r die Quarz-Synthese. (Nach E . ' B u e h l e r und A. C . W a l k e r )
, 400
• ^ l i r w n n t i i i m r auf ® ^rwarniung aut C wieder Kieselsäure zu
S1
lösen vermag, die sie dann beim anschließenden Aufsteigen nach oben wieder am Keim ablagert. Das geringe Temperaturgefälle von 20° C zwischen dem Nährmaterial und dem Keim ist demnach ausreichend, um die Nährlösung ständig und außerdem sehr gleichmäßig umlaufen zu lassen. Dadurch wächst der Keim stetig unter Bildung charakteristischer Wachstumsformen, und er kann hierbei in etwa 20 Tagen so viel Kieselsäure anlagern, daß er ein Bergkristall von etwa 125 g Gewicht wird. Ganz allgemein wird nun beobachtet, daß den aus einer Lösung ausgeschiedenen festen Körpern vorwiegend eine ebenflächige, gesetzmäßige Gestalt zukommt; auch den in der Natur gebildeten Mineralien. Solche von ebenen, scharf ausgebildeten und glänzenden Flächen umschlossene Formen lernte man schon im Altertum an Mineralien kennen, die aus dem eisstarrenden Alpengebirge gebracht wurden; sie waren klar wie Eis und doch härter und dauerhafter als Glas, es konnte — so glaubte man — nur Eis sein, das durch lang dauernde, starke Kälte so hart geworden war, daß es nun
Kristall
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nicht mehr schmelzen konnte; man bezeichnete diese Gebilde mit dem Namen für Eis, kryställos. Diese Bezeichnung Kristall1) wurde beibehalten, auch nachdem man wußte, daß der Kristall aus den Bergen, der Bergkristall, nicht aus Eis entstehen kann; der Terminus „Kristall" blieb der allgemeine Ausdruck für die natürliche, von ebenen Fläche^ umschlossene Form der Mineralien. Ein Kristall stellt also die n a t ü r l i c h e Form eines Minerals dar. Ein Stück Glas, dem man durch Schleifen die Form eines Kristalls, etwa eines Würfels gegeben hat, ist daher k e i n Kristall, denn seine Form ist keine natürliche. Ein Oktaeder von Alaun dagegen ist ein Kristall, denn diese Form ist eine natürliche; sie entsteht immer von selbst, wenn sich Alaun aus seiner Lösung in Wasser ausscheidet. Die Mineralien in der Natur können also kristallisiert auftreten; eine Zusammenhäufung von Kristallen mit nur teilweiser oder ohne eigene Begrenzung führt zu „kristallinen" Substanzen; die i n n e r e Struktur dieser Aggregate ist hierbei die gleiche wie die der chemisch analogen Kristalle, deren äußere Form nur Ausdruck einer der zahlreichen Gesetzmäßigkeiten ist, die die Anordnung der kleinsten Bausteine im Raum begründet. Ein K r i s t a l l ist demnach ein r e g e l m ä ß i g b e g r e n z t e r , h o m o g e n e r K ö r p e r , der seine Form seinem Stoff bzw. den diesem innewohnenden Kräften verdankt. Welcher Art diese Kräfte sind, wissen wir noch nicht, jedenfalls wirken sie richtend auf die kleinsten Teilchen, welche den Kristall im Innern aufbauen. Bemerkenswert ist auch, daß Kristallbruchstücke oder Splitter so weiterwachsen, daß sie im neugebildeten Kristall ebenso orientiert liegen wie im ursprünglichen Kristall. Demnach besitzt jedes Teilchen eines Kristalls die Eigenschaft, g l e i c h a r t i g e n Stoff anzuziehen und in derselben Ordnung anzulagern, die ihm selbst eigen ist. Die Eigenschaft, Kristallform anzunehmen, ist nicht nur auf die Mineralien beschränkt, sondern kommt allen Elementen und chemischen Verbindungen zu, die aus einer Lösung, Schmelze, oder aus Dampf in den festen Zustand über') An sich richtiger „Krystall".
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Die Form der Mineralien
gehen; der kristalline Zustand ist eine allgemeine Eigenschaft der anorganischen Welt, wie es eine solche der organischen Welt ist, ihre Körper aus Zellen aufzubauen. Die Lehre von den Kristallformen heißt K r i s t a l l o g r a p h i e 1 ) . Das Wachsen eines Kristalls können wir verfolgen, seine Keimbildung aber und die ersten Wachstumserscheinungen jedoch nicht; an einer Stelle in einer Lösung, an der zuvor auch bei stärkster Vergrößerung nichts zu sehen war, befindet sich plötzlich ein Kriställchen, und dieses vergrößert sich; es wächst, indem es den Stoff aus seiner nächsten Umgebung entnimmt, die f ü r seine Substanz alsdann übersättigt sein muß, und ihn parallel zu den vorhandenen Flächen anlagert. Ein Kristall wächst also durch Anlagerung, A p p o s i t i o n , seines Stoffes, ein Lebewesen dagegen durch Zellteilung ( I n t u s s u s z e p t i o n ) . Durch die Abgabe von Substanz an den wachsenden Kristall wird die Lösung rings u m diesen verdünnter (Kristallisationshof) u n d leichter; sie steigt darum in die Höhe; die schwerere Lösung dringt nach. So wird ein auf dem Boden einer Schale wachsender Kristall von der Lösung umströmt, und weil die Strömung und die Stoffzufuhr an den Rändern stärker sind als auf der Oberseite, wächst er nach den Seiten schneller und wird tafelig nach der Auflagerungsfläche. Sorgt man dafür, daß der wachsende Kristall allseitig gleichmäßig von der Lösung umströmt wird, so wächst er auch gleichmäßig.
Ein wachsender Kristall umgibt sich mit ebenen Flächen, welche sich in Kanten und Ecken schneiden. Unter den jeweils gleichen Bildungsbedingungen (wie Temperatur, Druck, Konzentration, Lösungsgenossen usw.) entstehen aus einer Lösung bestimmter chemischer Zusammensetzung Kristalle gleicher Ausbildung, gleichartiger Kristallform; Änderungen der Bildungsbedingungen können Änderungen der Kristallform verursachen. Wesentlich ist nur, daß die gleichen Bildungsgrundlagen einer Kristallisation jeweils zu den gleichen Kristallprodukten führen. Die Konstanten des Wachstums sind hierbei die durch den inneren Aufbau der *) Die Lehre von den Kristallformen ist in einem besonderen Bändchen dieser Sammlung:, .Kristallographie" von W. Bruhns-P. Ramdohr zusammengefaßt (Band 210).
Wachsen der Kristalle
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Kristalle bestimmten Wachst u m s r i c h t u n g e n , der einzelnen Flächen, die vom Keimpunkt des Kristalls als die Normalen auf die einzelnen Flächen aufgefaßt werden können (Fig. 2); die Länge der Flächennoi;malen entspricht der Wachstumsgeschwindigkeit (WG). Jedem Kristall kommen hierdurch auffallende Richtungsunter£ _ Kejm schiede des Wachstums zu; ein wachstumsr™htungen. nach allen Richtungen gleichmäwo = Wachstumsgeschwinie 6 1 ' ßiges, isotropes 1 ) Wachstum würde K u g e l n und keine ebenflächigen Kristalle entstehen lassen. Das charakteristische Merkmal der Kristalle ist also eine W a c h s t u m s - A n i s o t r o p i e 2 ) . Ein anisotropes Verhalten der Kristalle wird aber auch bei zahlreichen physikalischen Eigenschaften, die also von der R i c h t u n g abhängig sind, beobachtet. So ist die Härte bei Disthen, Al 2 ^0|Si0 4 ], ganz augenfällig richtunggebunden (in der Längsrichtung der Kristalle eine geringere Härte als senkrecht dazu). Auch die Spaltbarkeit, Wärmeleitfähigkeit und die optischen Eigenschaften der Kristalle stehen in ursächlicher Abhängigkeit von der Richtung, so daß zur Definition kommen kann: D i e K r i s t a l l e s i n d von e b e n e n F l ä c h e n b e g r e n z t e h o m o gene, anisotrope Körper. Gleichmäßiges und ungestörtes Wachstum führt zu gleichmäßig gewachsenen Kristallen. Treten während des Wachstums aber Störungen ein, wie etwa Änderungen in der Zusammensetzung der Lösung, so werden diese, z. B . bei Verschiedenfarbigkeit der Anlagerungsschichten, deutlich sichtbar (Schichtenbau). Die Apposition der Schichten wird auch durch die gelegentlich beobachtbaren A n w a c h s p y r a m i d e n sichtbar; indem der Kristall sich vergrößert, baut sich über jeder seiner Flächen eine Pyramide auf, die ihre Spitze im Keimpunkt besitzt. Die Anwachspyramiden treten ') gr. isos = gleich; tröpos = Richtung. *) gr. an = nicht, ohne; tröpos = Richtung.
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Die Form der Mineralien
meist erst in Durchschnitten (Andalusit) oder Dünnschliffen (sog. Sanduhrformen bei Augit) auf. Die Ausbildung, auch Tracht der Kristalle genannt, kann tafelig (planar), säulig bis nadelig (prismatisch bzw. axial) oder isometrisch, d. h. ganz gleichmäßig sein. Nach ihrer Tracht sind manche Mineralien leicht zu erkennen; die Erkennung wird erschwert, wenn durch Wachstumsbehinderung oder durch betonte Wachstumsförderung bestimmter Flächen oder Richtungen die Kristalle v e r z e r r t vorliegen (Fig. 4 und 5). Durch Aneinanderreihung kleiner, nicht par-
Fig. 3.
Fig.J4.
Fig. 5.
allel gestellter Kriställchen entstehen sattel- oder garbenförmige Individuen. Bei ganz schneller Kristallisation, z. B. aus stark unterkühlten oder stark übersättigten Lösungen, wachsen die Kristalle vorzugsweise nach den Ecken und Kanten; es entstehen sog. K r i s t a l l s k e l e t t e . Sie zeigen den Umriß der Form, ihr Inneres aber ist nicht erfüllt. Durch das Vorherrschen eines solchen Wachstums entstehen baumförmige, moos-, draht- und haarförmige Kristallbildungen, die als G i t t e r k r i s t a l l e angesprochen werden; sie sind bei Gold, Silber, Kupfer und anderen Mineralien nichts Seltenes. Die Flächen, die die Kristalle begrfenzen, haben verschiedene Beschaffenheit; sie sind oft eben und glänzend, oft aber auch rauh, matt, gestreift, bisweilen auch gekrümmt oder mit regelmäßigen Vertiefungen oder Erhabenheiten versehen. Die Flächen eines Kristalls sind nun untereinander nicht immer gleichwertig. Für den Kristall der Fig. 6 a sind z. B. dreieckige und viereckige Flächenformen charakteristisch, die in einer bestimmten Gesetzmäßigkeit angeordnet
Flächen
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sind. Ein Blick auf die Vorderseite des Kristalls (Fig. 6 b) zeigt hierbei, daß die dreieckigen Flächen jeweils durch D r e h u n g u m 90° u m eine Achse, die im Mittelpunkt der viereckigen Fläche zu dieser senkrecht steht, zur Deckung gebracht werden können; aber auch durch S p i e g e l u n g an
¿2
Fig. 6a.
Fig. 6b.
Kombination von Würfel und Oktaeder
einer Ebene Sj oder S 2 können je zwei Dreiecksflächen ineinander übergeführt werden. In diesem Verhältnis zueinanderstehende Flächen gleicher Ausbildung und Beschaffenheit nennt man g l e i c h w e r t i g e Flächen. Die Gleichwertigkeit der Flächen wird durch Gesetze des inneren Aufbaues und der von diesen abhängigen kristallographischen sowie physikalischen Erscheinungsformen bestimmt. So lassen sich oft physikalisch gleichwertige und ungleichwertige Flächen leicht unterscheiden. Eine physikalische Verschiedenheit äußert sich z. B. darin, daß ein Kristall nach gewissen Flächen leicht spaltbar ist, nach anderen nicht; die physikalische Gleichwertigkeit darin, daß sich ein Kristall nach mehreren Richtungen mit gleicher Leichtigkeit (Steinsalz nach den Würfelflächen) spalten läßt. Ein von glänzenden quadratischen und rauhen dreiseitigen Flächen begrenzter Flußspat (Fig. 6a) läßt sich nach den rauhen Flächen leicht spalten,, nach den glänzenden nicht; seine Flächen sind physikalisch verschieden. Einfache Kristallform. Wenn alle an einem Kristall vorhandenen Flächen gleichwertig sind, so nennt man die F o r m eine einfache Kristallform. Eine solche ist z. B. der Würfel, aber auch das Oktaeder (z. B. von Magnetit, Alaun, Flußspat)
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Die F o r m der Mineralien
oder Rhombendodekaeder (Granat) sowie das Rhomboeder (Kalkspat). Kombinationen. Eine Kristallform, die von ungleichwertigen Flächen begrenzt ist, nennt man eine Vereinigung oder Kombination; sie wird von Flächen begrenzt, die mehreren einfachen Kristallformen angehören. Fig. 6 a stellt eine Vereinigung dar, die an Flußspat häufig ist; die quadratischen Flächen sind glänzend, die dreiseitigen matt; die quadratischen würden für sich eine einfache Kristallform, den Würfel, die dreiseitigen das Oktaeder bilden; die ganze Form ist eine Kombination von Würfel mit Oktaeder. Die „Flächenkombination" eines Kristalls wird als H a b i t u s bezeichnet; die T r a c h t (S. 14) ist die „Ausbildungsweise" der Flächen. In einer Kombination sind in der Regel die Flächen einer einfachen Kristallform größer als die der anderen; sie heißt der T r ä g e r der K o m b i n a t i o n oder die trachtbeherrschende Fläche. Bei der Beschreibung gibt man an, in welcher Weise die ursprüngliche Form des Trägers der Vereinigung durch die hinzugekommenen Flächen verändert ist. Man sagt, eine Ecke oder Kante sei abgestumpft, wenn sie durch eine Fläche ersetzt ist (Fig. 25 und 26), eine Ecke sei zugespitzt (Fig. 41), eine Kante sei zugeschärft (Fig. 30), wenn sie durch zwei oder mehr Flächen ersetzt ist. Winkel. Zwei benachbarte Kristallflächen schneiden sich in einer Kante und schließen einen Winkel ein. Während sich die Größe der Kristalle ebenso wie die der Kristallflächen während des Wachsens ändert und daher von keiner wesentlichen Bedeutung ist, bleiben die Winkel unverändert, weil sich auf den Flächen eines wachsenden Kristalls der Stoff in immer parallelen Schichten ablagert. So ist die Größe der Winkel, unter denen die Kristallflächen zusammenstoßen, eine wesentliche, mit den konstant bleibenden Wachstumsrichtungen im Zusammenhang stehende Eigenschaft. An allen Kristallen der chemisch gleichen Mineralart schneiden sich dieselben Flächen immer unter gleichen Winkeln. Diese grundlegende W i n k e l b e s t ä n d i g k e i t hat Nicolaus S t e n o im Jahre 1669 entdeckt (von Romé de l'Isle 1783 als all-
Goniometer
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gemein gültiges „ G e s e t z d e r W i n k e l k o n s t a n z " a u f g e s t e l l t ) u n d aus B e o b a c h t u n g e n ü b e r d a s W a c h s e n d e r K r i s t a l l e a b geleitet. Die Fig. 3—5 stellen z.B. eine bei Quarz häufige Kombination, eine sechsseitige Säule (ein Prisma) mit Pyramidenflächen, dar. Die Prismenflächen sind, namentlich in Fig. 5, in Größe und Form sehr verschieden, aber trotzdem alle untereinander gleichwertig, was durch die gleichartige horizontale Streifung dieser Flächen augenfällig wird. Ihre Gleichwertigkeit wird auch in der Winkelkonstanz der Flächen untereinander bestätigt; der Prismenwinkel ist für alle beteiligten Flächen nämlich der gleiche. Zur Messung d e r W i n k e l b e d a r f m a n eines b e s o n d e r e n I n s t r u m e n t e s , des G o n i o m e t e r s 1 ) ; es ermöglicht die G e s e t z e , n a c h d e n e n die Kristallflächen a n g e o r d n e t sind, zu e r m i t t e l n u n d die K r i s t a l l f o r m e n in einer i h r e r N a t u r e n t s p r e c h e n d e n Weise zu o r d n e n .
Halbkreis, dessen Enden durch eine feste Schiene verbunden sind. In der Mitte Fig. 7." Anlegegoniometer dieser Schiene befindet sich ein fester Zapfen, um den sich ein Schenkel drehen läßt; dieser Schenkel ist auf seiner oberen rechten Seite abgeschrägt und nur halb so breit als der untere Teil; seine rechte Kante würde verlängert genau durch den Mittelpunkt gehen. Soll nun ein Winkel gemessen werden, so legt man die feste Schiene links von dem Zapfen mit ihrer Unterseite auf die eine Fläche und ihr genau parallel, dreht mit dem Zeigefinger den beweglichen Schenkel, bis er der anderen Fläche genau parallel anliegt, und sieht zu, auf welcher Zahl die abgeschrägte obere (rechte) Kante dieses Schenkels steht. Dies ist der Winkel, den beide Flächen bilden (Genauigkeit bei guten und nicht zu kleinen Kristallen etwa 7s°)gr. gonia = Winkel, métron = Maß. 2 Brauns-Chudoba, Atlg. Mineralogie
)
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Die Form der Mineralien
Zur genauenMessung der Flächen winkel dienen die R e f I e x i o n sg o n i o m e t e r , Instrumente auf optischer Grundlage (unter Verwendung der Reflexion einfallender Lichtstrahlen auf eindeutig gegeneinander fixierte Lagen der Kristallflächen), welche die Winkel bis auf Sekunden genau zu ermitteln gestatten. Mit dem Anlegegoniometer mißt man den sichtbaren äußeren Winkel; die Messung auf dem Reflexionsgoniometer gibt den inneren Winkel, den Winkel, den die Normalen zu den Flächen im Innern miteinander bilden. Für das reguläre Oktaeder z. B. ist der erstere 109° 28' 16", der Normalenwinkel aber 70° 31' 44", der eine das Supplement des andern (Fig. 8). Da bei Berechnungen und Projektionen die Normalenwinkel einzusetzen sind, werden in den Hand- und Lehrbüchern nur diese angeführt. Bedeutung der Winkel. An einem Spaltungsstück von Kalkspat tso-i wird der Winkel, den zwei Flächen miteinander bilden, zu 105° 5' gemessen. An einem zweiten und 'K jedem weiteren Spaltungsstück Fig. 8. Flächenwinkel und desselben Minerals, einerlei, an Kormalenwinkel welchem Ort der Erde es gefunden ist, wird der gleiche Winkel ermittelt. Er ist für Kalkspat charakteristisch; immer schneiden sich zwei seiner Spaltflächen unter 105° 5'. An anderen Mineralien treffen wir diesen Winkel nicht. Mit Kalkspat ist Dolomit zum Verwechseln ähnlich; er läßt sich ebenso wie dieser nach drei Richtungen spalten, aber zwei Spaltflächen schneiden sich unter lOß 1 /^; die Winkel beider Mineralien sind also verschieden. So können die Winkel dazu dienen, Mineralien voneinander zu unterscheiden oder ein Mineral, das uns oft in verschiedener Gestalt entgegentritt, zu bestimmen. Aus gemessenen Winkeln werden das Achsenverhältnis eines Kristalls (S. 25) und die Indizes seiner Flächen (S. 27) berechnet. Die Winkelmessung bildet die Grundlage der rechnenden Kristallographie. Symmetrie. Für die an einem Kristall auftretenden Flächen ist nun wesentlich, daß sie eine g e s e t z m ä ß i g e Verteilung und Anordnung erkennen lassen. Diese Gesetzmäßigkeit äußert sich am klarsten in der regelmäßigen Wiederholung gleichwertiger Flächen eines Kristalls zu gewissen E b e n e n oder R i c h t u n g e n . Oft kann man einen Kristall
Symmetrie
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durch eine Ebene so in zwei Hälften geteilt denken, daß die eine Hälfte das Spiegelbild der anderen ist, d. h. daß den Flächen und Winkeln in der einen Hälfte des Kristalls gleiche Flächen und Winkel in der anderen Hälfte spiegelbildlich gegenüberliegen. Eine solche Ebene wird S p i e g e l e b e n e oder S y m m e t r i e e b e n e genannt. So läßt sich beim Kristall der Fig. 9a durch die Ecken E eine Spiegelebene legen; denkt man sich den Kristallin dieser Ebene durchschnitten (Fig. 9 b), so ist die eine Hälfte das Spiegelbild der anderen. Nur durch diese e i n e Ebene kann man den in Fig. 9 a dargestellten Kristall in Fig. Fig. 9b. zwei spiegelbildlich gleiche Hälften teilen, durch keine andere; er besitzt daher nur eine Spiegelebene. Die einzelnen Kristalle gleichen einander und unterscheiden sich durch die jeweilige Zahl der Spiegelebenen, die durch sie hindurchgelegt werden können; durch manche Kristalle kann man überhaupt keine Spiegelebene legen (Fig. 88), durch andere nur eine (Fig. 9a und 87), durch wieder andere drei (Fig.. 78—85), fünf (Fig. 69—77), sieben (Fig. 50—59) oder gar neun (Fig. 18—33); Kristalle, durch die man mehr als neun Spiegelebenen legen könnte, gibt es nicht. U m die Zahl deran den Kristallen beobachtbaren Spiegelebenen, ihre Gesetzmäßigkeit und gegenseitige Lage zu erklären und zu verstehen, wurden bestimmte Vorstellungen über den inneren Aufbau der Kristalle notwendig und ausgelöst, weil nur dann die ermittelten phänomenologischen Tatsachen eine Deutung zuließen.
Die Spiegelebenen gehen häufig Kristallflächen parallel; sind diese einander gleichwertig, so sind es auch die Spiegelebenen. In einem Kristall wie dem in Fig. 10a dargestellten sind die den quadratischen Flächen paralle-
Fig. loa.
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Die F o r m d e r Mineralien
len Spiegelebenen einander gleichwertig; ebenso sind die den sechseckigen Flächen parallelen Spiegelebenen, welche durch die Diagonalen der quadratischen Flächen verlaufen, einander gleichwertig, aber von den ersteren verschieden; der Kristall besitzt 3 + 6 Spiegelebenen (Fig. 10b). Eine Symmetrieebene, welche zu anderen,unter Fig. 10b. sich gleichen, senkrecht steht, wird H a u p t s y m m e t r i e e b e n e genannt, die anderen N e b e n s y m m e t r i e e b e n e n . Der Kristall der Fig. 10a besitzt 3 Haupt- und 6 Neben-S.E.1). Eine andere Art von Regelmäßigkeit in der Verteilung der Flächen wird daran erkannt, daß sich gleichwertige Flächen eines Kristalls nach Drehung um eine bestimmte Richtung im Kristall zur Deckung bringen lassen. Solche Richtungen werden als D e c k a c h s e n oder S y m m e t r i e a c h s e n 2 ) bezeichnet. Manche Kristalle können bei einer vollen Umdrehung um 360° nur zweimal, andere drei-, vier- oder sechsmal ineinander übergeführt und zur Deckung gebracht werden (Fig. 11); die Deckachse ist zweizählig ( | ) , dreizählig (A), vierzählig ( • ) oder sechszählig (•). Der Betrag der jeweils notwendigen Drehung bis zur Deckung benachbarter gleichwertiger Flächen entspricht hierbei 180°, 120°, 90° oder 60°. Mehr als sechszählige Symmetrieachsen werden nicht beobachtet, aber auch keine fünfzähligen; die Ursache dieser Beobachtung liegt gleichfalls im raumgitterartigen Aufbau ¿1
/nb?
Fig. 11. Zwei-, drei-, vier- und sechszählige Symmetrieachsen. *) Abkürzung für Spiegelebene. •)_Abkürzung: S. A.
Symmetrie
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der Kristalle, der nur Drehungsbeträge obiger Winkelwerte und damit nur Deckachsen der angeführten Zähligkeit zuläßt (vgl. S. 64). Ebenso ist das Auftreten mehrerer zweizähliger, aber auch anderszähliger Achsen untereinander an einem Kristall durch die innere Struktur derselben bestimmt und ableitbar. Eine Deckachse, die zu zwei oder mehreren zweizähligen Symmetrieachsen senkrecht steht, wird als H a u p t a c h s e hervorgehoben; die zweizähligen Achsen sind dann die Neb e n a c h s e n (Fig. 12); sie sind untereinander gleichwertig, wenn sie durch jeweils gleichwertige kristallographischeElemente hindurchgehen. So kommen einem quadratischen Prisma senkrecht zur vierzähligen Hauptachse noch 4 zweizähligeDeckachsen zu, von denen je 2 gleichwertig sind; einmal gehen sie durch die Kantenmitten, zum anderen durch die Flächenmitten hindurch (Fig. 12). achse, 2 + 2 zweizählige Noch eine weitere Symmetrie ist Symmetrieachsen. kurz anzuführen.. An möglichst ringsum ausgebildeten Kristallen sieht man, daß zu jeder Fläche eine gleichwertige, parallele Gegenfläche auftritt (Fig. 18, 22, 53 u. a.), bei manchen aber auch nicht (Fig. 34). Von den ersteren sagt man, sie haben ein S y m m e t r i e z e n t r u m 1 ) , bei den anderen fehlt dies. Neben diesen e i n f a c h e n Deckoperationen (Symmetrien) ist noch eine z u s a m m e n g e s e t z t e erwähnenswert: Die D r e h s p i e g e l u n g . Bei ihr wird eine Deckung erst durch D r e h u n g bei gleichzeitiger S p i e g e l u n g an einer auf ihr senkrecht stehenden Ebene erzielt; solche Achsen werden „Drehspiegelachsen" genannt. Bei einem Rhomboeder (Fig. 13) ist jeweils ein Drehwinkel von 60° um die c—c-Richtung erforderlich, damit eine Fläche spiegelbildlich in bezug auf eine senkrecht zu dieser Achse liegende Ebene liegt; die Drehspiegelachse ist sechszählig (O). Als weitere Dreh') Abkürzung: S. Z. (auch C.).
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Die Form der Mineralien
c
spiegelachse kommt noch eine vierzählige () zur Beobachtung, z. B. an doppelkeilähnlichen Flächenformen (Bisphenoiden). Der Drehwinkel beträgt bei ihr 90°. Jede vier- bzw. sechszählige Drehspiegelachse ist für die einfache Symmetrie gleichzeitig zwei- bzw. dreizählig. Von grundlegender Bedeutung ist nun die Feststellung, daß die hier besprochenen Symmetrieelemente •— nämlich die Symmetrieebenen, die verschiedenen Symmetrieachsen und das Symmetriezentrum — nur in ganz bestimmten, vom inneren Aufbau abhängigen, gesetzmäßigen Verbindungen untereinander auftreten. So gibt es Kristalle, die gar keines von den angeführten Symmetrieelementen besitzen, während andere durch die beobachtbare Höchstzahl von neun Spiegelebenen, 13 Deckachsen und einem Symmetriezentrum ausgezeichnet sind; dazwischen stehen Kristalle mit anderen Symmetriekombinationen. In Abhängigkeit vom ermittelten gesetzmäßigen Aufbau werden 32, durch ihre Symmetrieeigenschaften selbständige K r i s t a l l k l a s s e n unterschieden; ihre Symmetrieelemente und Bezeichnungen sind in der Tabelle der Seiten 50—54 zusammengestellt; auf. eine nähere und ausführliche Kennzeichnung aller dieser Kristallklassen muß verzichtet werden. Wichtig ist, daß sich die Kristallklassen in sieben Gruppen, die sieben K r i s t a l l s y s t e m e , ordnen lassen; ihre Besprechung (S. 28) kann aber erst nach Erklärung weiterer kristallographischer Begriffe erfolgen. Zone. An vielen Kristallen sind einander parallele Kanten vorhanden; so sehen wir in Fig. 10a auf S. 19, daß die aufrechten Kanten einander parallel sind, ebenso die, welche von links nach rechts, und die, welche von vorn nach hinten verlaufen. Von solchen Flächen, die sich in parallelen Kanten schneiden, sagt man, sie liegen in einer Zone. Unter einer Zone versteht man die Gesamtheit aller Flächen, die parallele Kanten bilden. Die Flächen einer Zone liegen einer Zonen-
Achsen
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achse parallel, die, durch den Mittelpunkt des Kristalls gelegt, den Kanten einer Zone parallel geht. Durch diese häufig nach dem Augenmaß wahrzunehmende oder auf dem Reflexionsgoniometer zu ermittelnde Parallelität von Kristallkanten kommt eine bestimmte Gesetzmäßigkeit in der Lage der Kristallflächen zum Ausdruck, aber nicht so, daß man ohne weiteres die Lage der Flächen am Kristall kurz ausdrücken könnte. Hierzu ist es notwendig, daß man erst die Lage von einigen Flächen fest bestimmt; dies ist mit Hilfe der Achsen möglich. Es sind dies drei (oder auch vier) Richtungen, die durch den Mittelpunkt eines Kristalls gedacht und gezogen werden (Fig. 14) und ein sogenanntes Achsenkreuz (s. z. B. Fig. 18, 49, 50, 69a und andere) bilden. In Kristallmodellen, deren Flächen aus Glasscheiben bestehen, können die Achsen sichtbar eingezogen werden. Man wählt die Achsen zweckmäßig so, daß sie Kristallkanten, also ZonenFig. 14. Achsenkreuz. achsen, und soweit wie möglich Schnittkanten von Spiegelebenen parallel gehen, weil dann die Gesetzmäßigkeiten in der Lage von Kristallflächen zu der Richtung ihrer Kanten direkt sichtbar werden. Ferner wählt man die Achsen so, daß die Flächen einer einfachen Kristallform in jedem Raumabschnitt die gleiche allgemeine Lage zu den Achsen haben. Die so gewählten Achsen sind je nach der Symmetrie der Kristalle entweder alle oder nur teilweise einander gleich oder alle ungleich; gleiche Achsen bezeichnet man mit gleichen Buchstaben (a), ungleiche mit verschiedenen Buchstaben (a, b, c); will man die kürzere von der längeren unterscheiden, so gibt man ihnen das Zeichen der Kürze o und Länge —. Die Achsen schneiden sich ferner je nach der Symmetrie der Kristalle unter rechten oder unter schiefen Winkeln. Lage und Bezeichnung der Kristalli'Iächen gegen die Achsen An einem Kristall liegen die Flächen so, daß sie entweder 1. alle drei Achsen schneiden oder, genügend verlängert ge-
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D i e F o r m der M i n e r a l i e n
dacht, schneiden können; sie werden P y r a m i d e n f l ä c h e n genannt (Fig. 15 A); 2. nur zwei Achsen schneiden und der dritten parallel gehen: Prismenflächen, wobei Längs-, Quer- und Vertikalpriamenflächen unterschieden werden, je nachdem sie der L ä n g s a c h s e a oder der Q u e r a c h s e b oder der V e r t i k a l a c h s e c parallel gehen (Fig. 15 BCD); 3. nur eine Achse schneiden und den beiden anderen parallel gehen: Endflächen. Von den Endflächen schneidet die Queifläche die a-Achse, die Längsfläche die b-Achse, während die Basis oder kurz Endfläche die c-Achse schneidet (Fig. 15 E F G ) . Man kann nun die Lage einer Fläche am Kristall dadurch angeben, daß man bestimmt, wie sie die angenommenen Achsen schneidet. Hierbei kommt es n i c h t auf die wirkliche Länge der auf den Achsen abgeschnittenen Stücke an (sie ändert sich ja am wachsenden Kristall fortwährend), sondern nur auf das V e r h ä l t n i s der A b s c h n i t t e , also darauf, ob eine Fläche die angenommenen Achsen in gleichem oder verschiedenem Verhältnis schneidet, ob sie einer oder zwei Achsen parallel geht. Das Verhältnis ihrer Achsenabschnitte — der Parameter — nennt man ihr P a r a m e t e r v e r h ä l t n i s . c
c
c
t
b
D
Fig. 15. Die 7 einfachen Flächenformen.
Bezeichnung der Kristallflächen
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1. W e i ß ' s c h e B e z e i c h n u n g s w e i s e . Schneidet eine Fläche drei gleiche Achsen (a) in gleichem Verhältnis, so wird ihre Lage zu den Achsen durch das Parameterverhältnis a : a : a ausgedrückt. Werden drei ungleiche Achsen in gleichem Verhältnis (d. h. in der angenommenen Einheit) geschnitten, so wird dies durch a : b : c veranschaulicht. Die Form eines Minerals, deren Flächen die Achsen in der Einheit schneiden, wird G r u n d f o r m genannt; ihr Parameterverhältnis a : b : c heißt das A c h s e n V e r h ä l t n i s des Minerals. E s wird aus gemessenen Winkeln nach Methoden der rechnenden Kristallographie ermittelt. Als Grundform wird eine solche gewählt,die andembetreffenden Mineral besonders häufig ist und durch gute Flächenbeschaffenheit genaue Winkelmessung gestattet. Aus weiteren Winkeln kann das Parameterverhältnis jeder einzelnen Form berechnet werden. Die allgemeinen Verhältnisse a : m b : n c oder m a : n b : c oder m a : b : n c besagen, daß, im Vergleich zur Grundform, j e zwei Achsen von einer Fläche in anderem Verhältnis geschnitten werden als von jener. Geht eine Fläche einer Achse parallel, so sagt man, sie schneidet sie im Unendlichen, und drückt dies durch das Zeichen o o aus; so heißt a : a :ooa = eine Fläche schneidet von drei gleichen Achsen zwei in gleichem Verhältnis und geht der dritten parallel. Ausdrücke wie a : m a : o o a , a : a : o o c , a : b : o o c , o o a : b : c , a : o o b : c sind hiernach ohne weiteres verständlich. Geht eine Fläche zwei Achsen parallel, so wird ihre Lage gegen gleiche oder ungleiche Achsen durch die Parameterverhältnisse a : o o a : o o a , a : o o a : o o c , a : o o b : o o c , o o a : b : o o c , o o a : o o b : c ausgedrückt. Da die Schnittkanten solcher Flächen die Achsenrichtungen angeben, nennt man diese Flächen auch F u n d a m e n talflächen. Diese Art, die Lage der Flächen zu den Achsen durch ihr Parameterverhältnis mit den Ableitungszahlen anzugeben, ist von Chr. S. Weiß (1817) eingeführt worden und heißt nach ihm die W e i ß ' s c h e B e z e i c h n u n g s w e i s e ; sie ist einfach und anschaulich. An genügend großen Kristallen und Modellen kann das Parameterverhältnis nach Augenmaß geschätzt werden. 2. M i l l e r s c h e B e z e i c h n u n g s w e i s e . Eine andere Art, die Kristallformen zu bezeichnen, r ü h r t von Miller ( 1 8 3 9 ) h e r ; seine „ I n d i z e s " sind die reziproken, ganzzahlig gemachten W e r t e der Achsenabschnitte. Bei ihrer E r m i t t l u n g geht man v o m Parameterverhältnis aus, also z. B . von a : 3 / 2 b : 3c. Die reziproken W e r t e sind 1 / 1 , 2 / 3 , 1 / 3 ; ganzzahlig g e m a c h t durch Multiplizieren mit 3 / x ergibt 321. Oder 2 a : 3 b : 4c ;• die rezi-
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Die Form der Mineralien
proken Werte 1 / 2 , 1 / 3 , 1 / i ; nach Multiplikation mit 12/x die Indizes 643. Die Buchstaben für die Achsen bleiben fort, die drei Zahlen werden nebeneinander gestellt und als Symbol der Form in Klammern gesetzt, also: (321), (643). Hierbei h a t man darauf zu achten, daß sich die erste Zahl auf die Achse a, die zweite auf b, die dritte auf c bezieht. Ist die Ableitungszahl oo, so tritt als Nenner Null, da 1/oo = 0. Demnach für a : oo b : oo c die Indizes (100), f ü r 2a: b : oo c = (120). Die Millerschen Indizes haben den Vorzug der Kürze und den Vorteil, daß sie für alle Systeme in der gleichen Weise gelten. Immer bleibt festzuhalten, daß die Indizes „reziproke" Werte sind. Für eine Fläche 234 bedeutet dies, daß die a-Achse in 1 j 2 , die b-Achse in 1 / 3 , die c-Achse in 1 / i der Abschnitts ein h e i t der a-, b- und c-Achse geschnitten werden (Bei Achsenkreuzen mit 3 Nebenachsen tritt eine kleine Abweichung auf, die S. 37 besprochen wird.). Soll die Lage einer einzelnen Fläche in einem bestimmten der durch die Achsen gebildeten 8 Raumabschnitte (Oktanten) angegeben werden (Fig. 16), so geschieht dies, indem die Halbachsen als + und — unterschieden und das Vorzeichen im Parameterverhältnis und Fig. 16. Lage der Flächen den Indizes angeführt wird. Werden die in verschiedenen KaumHalbachsen im rechten oberen Baumabschnitten. abschnitt als + bezeichnet, so wird die Lage der vier nach vorn liegenden Flächen einer Pyramide wie folgt angegeben: I. + a : + b : + c = 111. II. + a : — b : + c = 111. III. + a : + b : — c = I i i . IV. + a : — b : — c = 111. In den Indizes bleibt das + -Zeichen fort und das — wird über die Zahl gesetzt. Die Klammer fällt fort, wenn sich die Indizes auf eine einzelne Fläche beziehen.
Indizesberechnung von Flächen
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3. I n d i z e s b e r e c h n u n g von F l ä c h e n aus dem Zonenverband. Sobald die Indizes von drei sich schneidenden Flächen bekannt sind, kann man die Indizes der Flächen ermitteln, die mit d' diesen im Zonenverband stehen. In Fig. 17 a mögen die Achsen den langen Kanten parallel gehen, dann haben die quadratischen Flächen folgende Indizes: Fig. 17a. a = 100, b = 010, c = 001; es sind die Fundamentalflächen (S. 25). Die Flächen d stumpfen die Kanten zwischen a/b, a/c und b/c gerade ab; ihre Indizes kann man berechnen nach dem Satz: Die A d d i t i o n der I n d i z e s von zwei g l e i c h w e r t i g e n F l ä c h e n e r g i b t e i n d e u t i g die I n d i z e s d e r j e n i g e n F l ä c h e , die die z w i s c h e n l i e g e n d e K a n t e g e r a d e a b s t u m p f t ; so für d' 100 + 010 = 110, für d " 100 + 001 = 101, f ü r d ' " 010 + 001 = 011. In Fig. 32 sind die Indizes der rechten und oberen rhombischen Fläche 110 und 101, die Indizes der ihre Kante gerade abstumpfenden Fläche 110 + 101 = 211. Allgemein gilt der Satz: Die A d d i t i o n der I n d i z e s v o n zwei b e n a c h b a r t e n F l ä c h e n e r g i b t die I n d i z e s e i n e r z w i s c h e n l i e g e n d e n Fläche; also 1 1 0 + 0 0 1 = 111. Dies wäre aber nicht eindeutig, da die beiden Flächen nicht gleichwertig sind; in der gleichen Zone könnte liegen: 1 1 1 + 1 1 0 = 221 und 1 1 1 + 001 = 112; zwischen a und d' 1 0 0 + 1 1 0 = 210. Zwischen o und d' könnte liegen: 111 + 110 = 221. Die Fläche o (Fig. 17 b) liegt aber auch mit a und d'" und mit b und