Allgemeine Mineralogie [12., wesentl. erw. Aufl. Reprint 2019] 9783111363905, 9783111006703


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German Pages 159 [192] Year 1968

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Allgemeine Mineralogie
I. Die Form der Mineralien
II. Der Feinbau der Kristalle
III. Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien
IV. Die chemischen Eigenschaften der Mineralien
V. Enstehung, Umbildung und Vorkommen der Mineralien
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Allgemeine Mineralogie [12., wesentl. erw. Aufl. Reprint 2019]
 9783111363905, 9783111006703

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Allgemeine Mineralogie

Zwölfte, wesentlich erweiterte Auflage der „Mineralogie" von

Prof. Dr. R . Brauns f Neubearbeitet von

Dr. Karl F . Chudoba em. ord. Professor der Mineralogie und Petrograpbie der Universität Bonn

Mit 144 Textfiguren, 1 Tafel, 3 Tabellen

S a m m l u n g Göschen B a n d 29/29a

Walter de Gruyter & Co • Berlin 1968 vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • K a r l J ; Trübner • Veit & Comp.

Der Göschenband „Mineralogie" von Prof. Dr. R. Brauns erschien erstmalig 1893. Seit der 8. Auflage, 1943, wird die Darstellung von Prof. Dr. Karl F. Chudoba bearbeitet. 1955 erfolgte als 9. Auflage eine Teilung des Stoffes in zwei Bände: Allgemeine Mineralogie (Sammlung Göschen Band 29) und Spezielle Mineralogie (Sammlung Göschen Band 31). Mit der 11. Auflage erschien die Allgemeine Mineralogie, mit der 10. Auflage die Spezielle Mineralogie als Doppelband (29/29a bzw. 31/31 a).

Copyright 1967 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göachen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Alle Hechte, einschließlich der Hechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten. •— Archiv-Nr. 77 90 67 9. Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis Einleitung

Seite

Mineralien. — Aufgabe der Mineralogie Bedeutung der Mineralogie Geschichtliches

Allgemeine Mineralogie I. D i e F o r m d e r M i n e r a l i e n

Bildung der Mineralien Kristall Wachsen eines Kristalls Ausbildung der Kristalle Kristallflächen Einfache Kristallform. — Kombinationen Winkel. — G-oniometer Bedeutung der Winkel Symmetrie Zone. — Kopfbilder Stereographische Projektion Achsen Lage und Bezeichnung der Kristall flächen gegen die Achsen . . Gesetz der rationalen Indizes. — Kristallsysteme und deren Achsenkreuze 1. Kubisches System 2. Hcxagonales System 3. Hexagonal-rh'omboedrisches System 4. Tetragonales System 5. Orthorhombisches System 6. Monoklines System 7. Triklines System Tabelle: Die 32 Kristallklassen Gesetzmäßige Verwachsungen Zwillinge Gesetzmäßige Verwachsung ungleichartiger Kristalle. — Aggregate Amorph. — Lösungsformen

II. D e r F e i n b a u d e r K r i s t a l l e Raumgitter Raumgruppen. — Symbole Deutung der Grundgesetze Röntgeuographische Veriahren Laue-Methoden Debye-Scherrcr-Verfahren Drehkristall-Verfahren llöntgengoniometer-Verfahren Precession-Kamera (ruinier-Methoden Gittertypen Bausteine und deren Bindung Wachstum der Kristalle Ideal* und Realkristall Mesophasen. — Deutung der Zwillingsbildung Deutung der Epitaxie

5

5 6 7

10 n

11 12 14 16 17 18 19 20 21 25 26 27 28 33 36 41 45 48 51 53 54 56 55 60 63 64

65 67 69 71 72 76 76 77 78 78 79 80 82 84 85 86 87

4

Inhaltsverzeichnis

III. D i e p h y s i k a l i s c h e n ralien

Eigenschaften

der

Mine-

Härte Mikrohärte. - Spaltbarkeit Bruch. — Mechanische Deformation Glanz. — Durchsichtigkeit Kristalloptik Grundbegriffe. — Einfache Lichtbrechung Dispersion. — Totale Reflexion Doppelbrechung. — Optisch einachsige Kristalle Optisch zweiachsige Kristalle Polarisationsmikroskop Beobachtungen im parallelstrahligen polarisierten Licht . . . . Interferenzfarben Additions- und Subtraktionsfarben Farben der Mineralien Absorption. — Pleochroismus Strich Beobachtungen im konvergentstrahligen Licht Optisch einachsige Kristalle Optisch zweiachsige Kristalle Optisches Drehungsvermögen Optische Untersuchung stark absorbierender Kristalle . . . . Fluoreszenz, Phosphoreszenz, Lumineszenz Wärmeeigenschaften Spezifisches Gewicht

IV. D i e c h e m i s c h e n

Eigenschaften

der M i n e r a l i e n

87 87 90 92 94 95 95 97 98 102 104 107 109 111 111 113 115 116 116 117 119 120 120 121 122

125

Elemente und Atomgewichte ' 125 Formel 126 Bestimmung der chemischen Bestandteile 127 Das Lötrohr 128 Untersuchung auf Kohle 128 Untersuchung in der Borasperle Erhitzen im Glaskölbchen. — Flammenfärbung. — Verhalten gegen Salzsäure 129 Mikrochemische Analyse. — Optische Spektralanalyse 130 Röntgen Spektralanalyse. — Röntgenfluoreszenzanalyse. — Elektronen-Mikrosonde 131 Schmelzpunkt.— Dimorphie 132 Differentialthermoanalyse 133 Isomorphie 135 Raumisomorphie der Ionen 136 Isotypie. — Homöotypie. — Heterotypie. — Anomale Mischkristalle 138 Entmischung 139

V. E n t s t e h u n g , Mineralien

Umbildung

und

Magmatische Bildungen Übersicht der wichtigsten Magmagesteine Sedimentäre Bildungen Metamorphe Bildungen Pseudomorphosen. Einschlüsse Vorkommen der Mineralien

Literatur Register

Vorkommen

der

139 139 142 143 145 146 147 148

151 152

Einleitung Mineralien. Der Begriff „Mineral" wird allgemein auf das griechische Wort „mna" und auf das von diesem abgeleitete neulateinische „mina" = Schacht (minare = Bergbau treiben) bzw. „minera" = Erzstufe (Erzstück) zurückgeführt; diese Bezeichnung weist also darauf hin, daß die Mineralien1) durch Graben gewonnene Bestandteile unserer Erdrinde sind. Aber auch die Gemengteile kosmischer Weltkörper, wie sie zunächst die Meteorite2) erschließen, zählen zu den Mineralien. Während nun Tiere und Pflanzen Organe besitzen, die sie zu mannigfachen Lebensäußerungen befähigen, haben die Mineralien keine Organe; sie sind die anorganischen, leblosen Produkte der Natur, die unabhängig vom Lebensprozeß organischer Wesen durch chemische Vorgänge in der geheimnisvollen Werkstatt der Natur entstanden sind und auch heute noch, wenn auch kaum beobachtbar, entstehen. Im Laboratorium oder im Hüttenprozeß hergestellte, also künstliche bzw. synthetische Produkte, sind daher keine Mineralien. Ein reines Mineral ist in der Regel in allen seinen Teilen stofflich einheitlich beschaffen, homogen, und nach seiner chemischen Zusammensetzung entweder ein Element oder eine chemische Verbindung, im Gegensatz zu einem Gestein, das vorwiegend ungleichartig (heterogen) ist und meist aus mehreren Hauptmineralien (polymineralisches Gestein) — so Granit z. B. aus Feldspat, Quarz und Glimmer — besteht. Monomineralische Gesteine (wie Kalksteine, Marmore, Quarzite usw.) enthalten im wesentlichen nur ein Hauptmineral. Die Wissenschaft von den Mineralien wird Mineralogie genannt. Aufgabe der Mineralogie ist die Ermittlung aller Eigenschaften der Mineralien; es gilt, die Gesetze, die in ihnen herrschen und die ihre Formen sowie ihre physikalischen Eigenschaften bedingen, zu erschließen, die Stoffe, aus denen sie bestehen, zu bestimmen, ihr Vorkommen in der Natur zu ermitteln, ihr Werden und Vergehen zu verfolgen. Erst wenn man diese Erkenntnisse hat, kann x)

Als „eingedeutschtes" Wort die Mehrzahl Minerale. (gr. metéoros = in der Luft, oben im Himmel), aus dem stammende Stein- und Eisenmassen, aber auch Gläser. l)

Weltraum

6

Einleitung

man die Mineralien kennzeichnen und sie nach ihrer gegenseitigen Verwandtschaft ordnen. Einer beschreibenden Charakterisierung der Mineralien1) geht daher zweckmäßig eine Darlegung ihrer allgemeinen Eigenschaften voraus. Eine solche kann sich in sehr verschiedenen Grenzen halten; mit Rücksicht auf den Kreis, für den dieses Bändchen bestimmt ist, werden hier in erster Linie solche Eigenschaften berücksichtigt, die mit dem bloßen Auge, also phänomenologisch, wahrgenommen oder durch einfache Hilfsmittel bestimmt werden können, darüber hinaus aber — im Sinne einer modernen Mineralogie — auch solche Grundlagen gestreift, die die erschlossenen Gesetzmäßigkeiten des „inneren Aufbaues" der Mineralien zum Inhalt haben. Die Bedeutung der Mineralogie ergibt sich aus der unmittelbaren praktischen Verwendung zahlreicher Mineralien als Rohstoff oder zur Gewinnung nutzbarer Elemente und aus den umfassenden Aufgaben innerhalb der verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen. Die mineralogischen Kenntnisse und Erkenntnisse sind grundlegende Voraussetzung jeglicher wissenschaftlichen Betätigung in der Natur; sie sind unentbehrlich für jede lagerstättenkundliche, gesteinskundliche (petrographische), vulkanologische, bodenkundliche, geographische, vielfach auch biologische Arbeit. Ist doch das Auftreten bestimmter Pflanzenarten an besondere Böden und Gesteine gebunden und werden doch wertvolle sowie wichtige Aufschlüsse über die Struktur und Gliederung der Aufbauelemente der Pflanzen- und Tierwelt sehr häufig mit Hilfe mineraloptischer Methoden ermittelt. Im wesentlichen bleibt die Mineralogie eine wichtige Hilfswissenschaft der Petrographen, Geologen, Geographen, Chemiker, Physiker, Physikochemiker, Bauingenieure, Berg- und Hüttenleute, Technologen, Bodenkundler, Markscheider usw. Überall dort, wo mineralische Rohstoffe — darüber hinaus ganz allgemein Festkörper — zur Untersuchung, Prüfung und Bestimmung gelangen, sind diese Arbeiten nur im Kontakt mit Mineralogen oder mineralogisch geschulten Kräften zweckentsprechend zu gestalten und zielstrebig zu erreichen. Als Untersuchungsobjekte kommen daher u. a. in Frage: Erze, Schmuck- und Edelsteine, synthetische Steine und Produkte, Salze, Erden, IndustrieMineralien, Böden, Gesteine, Seifen, landwirtschaftliche Düngemittel, dann die Ausgangsprodukte und Fertigwaren der Glas-, Keramik-, Porzellan-, Ziegelei- u. a. Industrien, weiter die EndVgl. 11. B r a u n s - K . F . C h u d o b a : dieser Sammlur.g.

„Spezielle

Mineralogie",

Bd.

31/31a

Geschichtliches

7

Produkte der Zementindustrie, Abfälle und Produkte der Hüttenwerke, Schlacken aller Art, Grundstoffe der Basenaustauscher in der Wasseraufbereitung, die Kristalle der Ultraschall- und Hochfrequenztechnik, der Laser 1 )- und Maser 2 )-Strahlenaussendung, kurz: fast alle Substanzen, die wir als fest zu bezeichnen pflegen. Auch die Medizin benötigt in einzelnen Fällen, wie bei Untersuchungen der Staublungen (Silikose), der Zähne, steinigen Absonderungen aller Art usw. die Unterstützung der Mineralogie bzw. die Anwendung mineralogischer Methoden (Biomineralogie, mit ihren Zweigen Biokristallographie und Biopetrographie). Ebenso erfreut sich die Bestimmung und Untersuchung früh- und vorgeschichtlicher Funde der Mitarbeit der Mineralogie. Geschichtliches. Schon lange, ehe von einer Wissenschaft der Mineralogie die Rede war, wurden einzelne Mineralien wegen ihrer auffallenden Eigenschaften gesammelt und benutzt. Der harte Feuerstein, der leicht in scharfkantige Stücke zerschlagen werden kann und weit verbreitet ist, lieferte dem Urmenschen die ersten Werkzeuge und Waffen; Feuerstein mit Schwefelkies (gr. pyrites = Feuerstein) diente dem prähistorischen Menschen zum Feuerschlagen. Später kamen der seltenere zähe Nephrit und viele andere Mineralien sowie Gesteine hinzu, die durch ihre Eigenschaften als Werkzeuge Verwendung fanden (Steinzeit). Erst viel später, nachdem der Mensch das Feuer in seinen Dienst gezwungen hatte, lernte er Kupfer aus Erzen ausschmelzen, danach das Zinn; durch Zusammenschmelzen beider Metalle schuf er die Bronze, das Material für haltbare Waffen, Werkzeuge und Geräte (Bronzezeit). Der gesteigerte Bedarf an diesen Erzen führte zum Bergbau und weitausgedehnten Handel. Dazu gesellte sich das zu Schmuck und Zieraten begehrte Gold, das so, wie es in der Natur gefunden wurde, benutzt werden konnte. Silber und Silbererze, Antimon-, Zink- und Bleierze, vor allem aber die Eisenerze bekamen eine immer größere Bedeutung; uralt ist die Kunst, Eisen aus diesen zu gewinnen (Eisenzeit). Stark färbende Mineralien wurden bereits von den prähistorischen Menschen zum Zeichnen und Malen benutzt. Einer besonderen Wertschätzung erfreuten sich aber schon in frühester Zeit die auch heute noch wegen ihrer optischen Wirkung und Härte begehrten Schmuck- und Edelsteine; diese Mineralien wurden wie etwas Überirdisches verehrt und begehrt. Ihr *) A b k . f. L i g h t A m p ü f i c a t i o n b y S t i m u l a t e d E m i s s i o n of R a d i a t i o n = L i c h t v e r s t ä r k u n g durch erzwungene S t r a h l e n a u s s e n d u n g . 2 ) A b k . f. Microwave A m p l i f i c a t i o n b y S t i m u l a t e d Emission of R a d i a t i o n = Mikrowellenverstärkung durch induzierte S t r a h l e n e m i s s i o n .

8

Einleitung

Besitz galt höher als der von Gold und Silber; sollten sie doch die Eigenschaft besitzen, den Menschen vor schlimmer Krankheit zu bewahren und gegen böse Geister zu schützen. Auch heute noch knüpft sich mancher Aberglaube an die farbenprächtigen, unvergänglichen Edelsteine (Monatssteine, Tierkreissteine). Geschnittene Steine, Gemmen1), dienten schon zur Zeit der Babylonier in der Form von Zylindergemmen, auf Wachs abgerollt, zur Beurkundung; sie waren auch zu Siegelringen sehr begehrt und sie sind heute durch die Bildwerke, die sie darstellen, für die Altertumskunde von größter Bedeutung. Die Kenntnisse der Steine im frühen Altertum sind uns durch eine Schrift von Theophrast (372—287 v. Chr. Darstellung von Bleiweiß) überliefert; er hat im wesentlichen das Lehrgebäude seines berühmten Lehrers Aristoteles (384—322 v. Chr.) aufgezeichnet, das in seinem nicht erhalten gebliebenen Werk „Über die Steine" grundlegende naturwissenschaftliche Beobachtungen enthielt. Zur Zeit Plinius d. Ält. (f 79 n. Chr. beim Untergang von Pompeji) waren die Eigenschaften vieler Mineralien schon recht gut bekannt; er erwähnt die Kristallform vom Quarz und Beryll, die Spaltbarkeit bei Gips und Steinsalz, die hohe Härte von Diamant. Bekannt war der Silbergehalt des Goldes, zur Probe kam der Lydische Stein; Quecksilber diente zur Gewinnung des Goldes aus alten Gewändern, Kobalterze wurden zur Herstellung von blauem Glas benutzt. Bekannt war die Elektrizität des Bernsteins, beobachtet, daß ein Stein Eisen anzieht, daß das Eigengewicht der Mineralien verschieden ist, daß Glas sich warm, Edelsteine dagegen kalt anfühlen. Die Summe dessen, was man über die Mineralien wußte, war nicht klein, doch vermengt mit vielen Angaben über Eigenschaften, die man ihnen andichtete; kaum ein Mineral, das nicht als Arznei oder Zaubermittel gedient hätte. Auf diesem Stand blieben die Kenntnisse von den Mineralien während des ganzen Altertums, jedoch auch durch das Mittelalter bis etwa um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Man lernte wohl noch dies und jenes für den Bergbau wichtige Mineral kennen oder verschiedene Einzelheiten, aber ohne eine systematische Grundlage; so hat z. B. der Inder Al-Beruni (973—1048) nach seinem „Steinbuch" als erster die Dichte von Edelsteinen (Saphir 3,971) mittels des Pyknometers bestimmt. Eine erste Grundeinteilung der Mineralien, nämlich in schmelzbare (a erdige, b metallische), wasserlösliche (Salze) und verbrennbare, gab der arabische Arzt und Philosoph Iln Sina (Avicenna), der von 980—1037 lebte. Weiter 1

) Vertieft geschnitten: Intaglien, erhaben geschnitten: Kameen.

Geschichtliches

9

wurde die eine oder andere auffallende Eigenschaft entdeckt (z. B. die Doppelbrechung im Kalkspat 1670), aber eine genaue, das Wesentliche treffende Beschreibung konnte man nicht geben, weil man die Gesetze, die in den Mineralien herrschen, nicht kannte. Als erstes Hauptwerk zur Begründung der Mineralogie als deskriptive Wissenschaft sind die zehn Bücher „De natura fossilium" (1546) von Georg Agricola (Bauer) — geb. 1494 zu Glauchau, gest. 1555 in Chemnitz — anzusprechen, in denen die „Mineralien" noch als Fossilien beschrieben und gekennzeichnet werden. — Eine der Ermittlung von Gesetzmäßigkeiten in der Kristall- und Mineralwelt zustrebende Wissenschaft auf rationaler und kausaler Grundlage beginnt jedoch erst Ende des 18. Jahrhunderts mit René Just Eauy (1743—1822) in Paris, Abraham Gottlob Werner (1750—1817) in Freiberg/Sachsen und Chr. S. Weiß (1780—1856) in Berlin. Hauy lehrte die Kristallformen entziffern, Werner die Mineralien beschreiben und ordnen, Weiß die Kristallflächen auf Achsen zu beziehen. Die seitdem gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse sind in den verschiedensten Lehrbüchern der Mineralogie niedergelegt, von denen einige auf S. 151 genannt werden.

10

Allgemeine Mineralogie Allgemeine Mineralogie

Die „allgemeine Mineralogie" hat die Aufgabe, die für alle oder für eine größere Zahl von Mineralien gültigen Grundbegriffe, Erscheinungen, Gesetzmäßigkeiten und Beziehungen darzulegen; sie vermittelt auf diese Weise die notwendigen Grundlagen für das sinnvolle Verständnis der einzigartigen Mineralwelt, die derMensch so vielseitig und zweckgebunden zu nutzen weiß. Einzelne der allgemein gültigen Eigenschaften der Mineralien lassen sich ohne Hilfsmittel, andere mit Hilfe einfacher physikalischer Methoden erschließen und beschreiben. Von besonderer Bedeutung aber ist die schon frühzeitig gewonnene Erkenntnis, daß die verschiedenen Gesetzmäßigkeiten der äußeren Form und der wesentlichen physikalischen Eigenschaften der Mineralien „nur" aus ihrem inneren Aufbau — ihrer inneren Struktur — gedeutet und verstanden werden können. So wurden die äußere Erscheinungsform und die verschiedenen physikalischen Eigenschaften initiativer Anstoß, sich Gedanken über den inneren Aufbau der Mineralien zu machen und diesen theoretisch abzuleiten, bis es im Verlaufe der wissenschaftlichen Entwicklung mit Hilfe der Köntgenstralilen M. v. Laue (1912) gelungen ist, die hypothetischen Vorstellungen zu beweisen und die raumgitterartige Struktur der Mineralien1) aufzuzeigen. Die Ergebnisse der „Strukturlehre" werden im vorliegenden Büchlein nur kurz behandelt, aber alle jene Erscheinungen und Gesetzmäßigkeiten bevorzugt angeführt, die zu einer zielklaren Ermittlung und Erkenntnis des inneren Aufbaues der Mineralien geführt haben. Diese z. T. rein phänomenologisch und damit deskriptiv ermittelten Grundlagen sind heute noch von gleichbleibender Bedeutung und nicht überholt oder veraltet, denn sie ermöglichen die verständnisvolle Erfassung der ursächlichen Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Morphologie sowie den vielseitigen Eigenschaften der Kristalle und ihrer inneren Struktur. In diesem Büchlein werden daher nach Vermittlung der „Form der Mineralien" und dem „Feinbau der Kristalle" die wichtigsten physikalischen Eigenschaften, im Anschluß daran die wesentlichsten chemischen Eigenschaften der Mineralien zur Darstellung gebracht. Die „Entstehung" und das „Vorkommen" der Mineralien kommen in einem eigenen Abschnitt gleichfalls zur Behandlung. So sie nicht gestaltlos, amorph, sind.

I. Die Form der Mineralien Die Bildung der Mineralien erfolgt vorwiegend aus übersättigten Lösungen (Schmelzlösungen oder wässerigen Lösungen verschieden hoher Temperaturen), seltener aus Dämpfen oder Gasen. Jedes Lösungsmittel vermag nämlich bei einer bestimmten Temperatur nur eine bestimmte Menge einer oder mehrerer Substanzen in Lösung zu halten; bei einer höheren Temperatur in der Regel mehr als bei einer niederen. Jede Temperaturabnahme f ü h r t darum zwangsläufig zu einer Übersättigung u n d damit zum Ausfall der gelösten Substanzen. Diese einfachen und klaren Erkenntnisse stützen sich auf zahlreiche Versuche, die hierbei nicht nur zur künstlichen Herstellung (Synthese) verschiedener mineralischer Produkte führten, sondern auch zu begründeten Rückschlüssen über das Wachstum und die Bildung der Mineralien in der Natur. Bedeutsam ist hier z. B. die praktisch wichtige Laboratoriumssynthese von Quarz (Si0 2 ), die nicht nur das Dargelegte bestätigt, sondern auch bedeutsame Wachstumshinweise vermittelt. Am Boden einer Hochdruckbombe (eines Autoklavens) wird gekörnter natürlicher Bergkristall als Nährmaterial (Fig. 1) eingebracht, während im oberen Teil ein Bruchstück eines Bergkristalls als „Keim" in einem Stützrahmen frei Fig schwebend wird Vor ' fSchema einer Höchdruckbombe scnweoenu hefpstipt, Deiesugt wira. vor ü r d i e Q Uarz . Syn these. dem Verschließen der Hoch- (Nach E. Buehler und A. C. Walker)

12

Die Form der Mineralien

druckbombe wird diese zu vier Fünftel mit einer wässerigen alkalischen Lösung (Wasser mit einigen Prozent Natriumkarbonat) gefüllt. Durch Aufstellung des Autoklavens auf eine Heizplatte Hegt das Nährmaterial in einem Temperaturbereich von 400° C, während der Umgebung des Keimes nur eine solche von 380° C zukommt. Bei dieser Temperatur ist das Innere der Hochdruckbombe völlig gefüllt und durch einen Innendruck von etwa 1000 Atmosphären beherrscht. Durch Lösung des Nährmaterials in der alkalischen Lösung bildet sich nun eine stark mit Kieselsäure gesättigte Natriumsilikatlösung, die ständig von unten (400° C) nach oben (380° C) diffundiert und nach erfolgter Abkühlung den überschüssigen Teil der gelösten Kieselsäure in fester Form an den Quarzkeim zur Ablagerung bringt 1 ). Die Lösung selbst wandert dann wieder nach unten, wo sie nach Erwärmung auf 400° C wieder Kieselsäure zu lösen vermag, die sie dann beim anschließenden Aufsteigen nach oben wieder am Keim ablagert Das geringe Temperaturgefälle von 20° C zwischen dem Nährmaterial und dem Keim ist demnach ausreichend, um die Nährlösung ständig und außerdem sehr gleichmäßig umlaufen zu lassen. Dadurch wächst der Keim stetig unter Bildung charakteristischer Wachstumsformen, und er kann hierbei in etwa 20 Tagen so viel Kieselsäure anlagern, daß er ein Bergkristall von etwa 125 g Gewicht wird. Ganz allgemein wird nun beobachtet, daß den aus einer Lösung ausgeschiedenen festen Körpern vorwiegend eine ebenflächige und regelmäßige Gestalt z u k o m m t ; auch den in der N a t u r gebildeten Mineralien. Solche von ebenen, scharf ausgebildeten und glänzenden Flächen umschlossene F o r m e n lernte man schon im Altertum an Bergkristallen kennen, die aus dem eisstarrenden Alpengebirge gebracht w u r d e n ; sie waren klar wie Eis u n d man bezeichnete sie deshalb mit dem griechischen Namen f ü r Eis, krystdllos. Diese Bezeichnung Kristall 2 ) blieb der allgemeine Ausdruck f ü r die natürliche, von ebenen Flächen regelmäßig umschlossene äußere ') T e m p e r a t u r g r a d i e n t m e t h o d e : Das Konzentrationsgefälle beruht auf der verschiedenen Löelichkeit des kristallisierten SiO, bei verschiedenen Temperaturen. Zum Unterschied die I s o t h e r m m e t h o d e , bei welcher ein Eonzentrationstfefälle bei konstanter Temperatur im Reaktionsraum durch eine verschiedene Löslichkeit zwischen Impfkristall (Quarz) und Nährsubstanz (Kieselglas) erreicht wird. ') An sich richtiger „Krystall".

Kristall

13

Form der Mineralien, die weitestgehend durch bestimmte Gesetzmäßigkeiten des inneren Aufbaues bedingt und entwickelt wird. Ein Stück Glas, dem man durch Schleifen die F o r m eines Kristalls — etwa eines Würfels — gegeben h a t , ist demnach kein Kristall, denn seine F o r m ist keine n a t ü r liche. Ein Oktaeder von Alaun dagegen ist ein Kristall, denn diese F o r m ist eine natürliche; sie entsteht, wenn sich Alaun aus einer übersättigten wässerigen Lösung ausscheidet. Die Mineralien in der Natur können also kristallisiert auftreten; eine Zusammenhäufung von Kristallen mit nur teilweiser oder ohne eigene Begrenzung führt zu „kristallinen" Aggregaten; die innere Struktur dieser Aggregate ist hierbei die gleiche wie die der chemisch analogen Kristalle, deren äußere Form jedoch nur Ausdruck einer der zahlreichen Gesetzmäßigkeiten ist, die die regelmäßige Anordnung der kleinsten Bausteine im Kristall bedingt. Ein Kristall ist demnach ein regelmäßig begrenzter, homogener Körper, der seine F o r m seinem Stoff bzw. den diesem innewohnenden K r ä f t e n verdankt. Welcher Art diese K r ä f t e sind, wissen wir noch nicht, jedenfalls wirken sie richtend auf die kleinsten Teilchen, die den Kristall im Innern aufbauen. Bemerkenswert ist auch, daß Kristallbruchstücke oder Splitter so weiterwachsen, daß sie im neugebildeten Kristall ebenso orientiert liegen wie im ursprünglichen Kristall. Demnach besitzt jedes Teilchen eines Kristalls die Eigenschaft, gleichartigen Stoff anzuziehen und in derselben Ordnung anzulagern, die ihm selbst eigen ist. Die Eigenschaft, Kristallform anzunehmen, ist nicht nur auf die Mineralien beschränkt, sondern kommt allen Elementen und den meisten chemischen Verbindungen zu, die aus einer Lösung, Schmelze oder aus Dampf in den festen Zustand übergehen; der kristallisierte Zustand ist eine allgemeine Eigenschaft der anorganischen Welt, wie es eine solche der organischen Welt ist, ihre Körper aus Zellen auf zubauen. Die Lehre von den Kristallformen heißt Kristallographie1). ') Die Lehre von den Kristallformen Ist In einem besonderen B&ndchen dieser Sammlung: „Kristallographie" von W. Bruhns — P. Ramdohr zusammengefaßt (Band 210).

14

Die Form der Mineralien

D a s W a c h s e n eines Kristalls k ö n n e n wir verfolgen, seine K e i m b i l d u n g a b e r u n d die ersten W a c h s t u m s e r s c h e i n u n g e n j e d o c h n i c h t . E i n K r i s t a l l w ä c h s t , i n d e m er den Stoff a u s seiner n ä c h s t e n U m g e b u n g e n t n i m m t u n d i h n parallel zu d e n v o r h a n d e n e n F l ä c h e n a n l a g e r t ; er w ä c h s t also d u r c h A n l a g e r u n g , Apposition, seines Stoffes, ein L e b e w e s e n d a gegen d u r c h Zellteilung ( I n t u s s u s z e p t i o n ) . Durch die Abgabe von Substanz an den wachsenden Kristall wird die Lösung rings um diesen verdünnter (Kristallisationshof) und leichter; sie steigt darum in die Höhe; die schwerere Lösung dringt nach. So wird ein auf dem Boden einer Schale wachsender Kristall von der Lösung umströmt, und weil die Strömung und die Stoffzufuhr an den Rändern stärker ist als auf der Oberseite, wächst er nach den Seiten schneller und wird tafelig nach der Auflagerungsfläche. Sorgt man dafür, daß der wachsende Kristall allseitig gleichmäßig von der Lösung umströmt wird, so wächst er auch gleichmäßig. Eine Analyse und Deutung der Wachstumsvorgänge an Kristallen haben fast gleichzeitig W Kossei und I. N. Stranski mit Hilfe der molekularkinetischen 1 ) Theorie zu geben versucht (s. S. 84). E i n w a c h s e n d e r K r i s t a l l u m g i b t sich m i t ebenen F l ä c h e n , die sich in K a n t e n u n d E c k e n schneiden. U n t e r den jeweils gleichen B i l d u n g s b e d i n g u n g e n (wie T e m p e r a t u r , D r u c k , K o n z e n t r a t i o n , Lösungsgenossen usw.) e n t s t e h e n aus einer L ö s u n g b e s t i m m t e r chemischer Z u s a m m e n s e t z u n g K r i s t a l l e gleicher A u s b i l d u n g , gleichartiger K r i s t a l l f o r m ; Ä n d e r u n g e n der B i l d u n g s b e d i n g u n g e n k ö n n e n Änderungen der Kristallform v e r u r s a c h e n . W e s e n t l i c h ist, d a ß die gleichen B i l d u n g s g r u n d l a g e n einer K r i s t a l l i s a t i o n jeweils zu den gleichen Kristallgestalten u n d - f o r m e n f ü h r e n . Die K o n s t a n t e n des W a c h s t u m s sind hierbei die d u r c h den i n n e r e n Fig. 2. K = Keimpunkt. A u f b a u der Kristalle bestimmten Wachstumsrichtungen. WG = Wachstumsgeschwindigkeit»

*) gr. kinetikös = Bewegung.

Wachsen der Kristalle

15

Wachstumsrichtungen der einzelnen Flächen, die vom K e r n p u n k t des Kristalls als die Normalen auf die einzelnen Flächen aufgefaßt werden können (Fig. 2); die Länge der Flächennormalen entspricht der Wachstumsgeschwindigkeit (WG). Den verschiedenen Flächen an einem Kristall kommen hierdurch auffallende Richtungsunterschiede des Wachstums zu; ein nach allen Richtungen gleichmäßiges, isotropes 1 ) Wachstum würde Kugeln und keine ebenflächigen Kristalle entstehen lassen. Bemerkenswert ist, daß vom Verhältnis der Wachstumsgeschwindigkeiten nicht allein die an einem Kristall auftretenden Flächen abhängen, sondern auch ihre Größe. So haben die untereinander parallelen Flächen mit der Wachstumsrichtung B in der Fig. 3 eine größere Wachstumsgeschwindigkeit (b) als die untereinander parallelen Flächen mit den Wachstumsrichtungen A und C; die Flächenstücke Fig. 3. der rascher wachsenden Fläche werden in den aufeinanderfolgenden Wachstumsstadien immer kleiner und müssen schließlich f ü r diese Wachstumsrichtung verschwinden. Ganz allgemein gilt, daß die an einem Kristall vorhandenen Flächen solchen mit relativ kleinen Wachstumsgeschwindigkeiten entsprechen. Das charakteristische Merkmal der Kristalle ist also eine Wachstums-ylmsoiropte 2 ). Ein anisotropes Verhalten der Kristalle wird aber auch bei zahlreichen physikalischen Eigenschaften beobachtet. So ist die H ä r t e bei Disthen, Al 2 Si0 5 (triklin), ganz augenfällig richtunggebunden (in der Längsrichtung der Kristalle eine geringere Härte als senkrecht dazu). Auch die Spaltbarkeit, Wärmeleitfähigkeit und *) gr. isos = gleich; tröpos = Richtung. £ ) gr. an = nicht, ohne; isos = gleich; tröpos =

Richtung.

16

Die Form der Mineralien

die optischen Eigenschaften der Kristalle stehen in ursächlicher Abhängigkeit von der Richtung, so daß zur Definition kommen k a n n : Die Kristalle sind von ebenen Flächen begrenzte homogene, anisotrope Körper. Inhomogenitäten ergeben sich in einem Kristall durch polymorphe Umwandlungen eines Hochtemperaturminerals (s. S. 132), durch Entmischung von Mischkristallen (s. S. 139), aber auch durch Einschlüsse fester, flüssiger und gasförmiger Fremdkörper (s.S. 147). Die Mischkristalle aller Art entsprechen auch in streng physikalisch-chemischem Sinn der Iiomogenitätsforderung. Gleichmäßiges und ungestörtes W a c h s t u m f ü h r t zu gleichmäßig gewachsenen Kristallen. Treten während des Wachstums aber Störungen ein, wie etwa Änderungen in der Zusammensetzung der Lösung, so können diese, z. B. bei Verschiedenfarbigkeit der Anlagerungsschichten, deutlich sichtbar werden (Schichtenbau). Die Apposition der Schichten wird auch durch die gelegentlich beobachtbaren Anwachspyramiden augenfällig. Indem der Kristall sich vergrößert, b a u t sich über jeder seiner Flächen eine Pyramide auf, die ihre Spitze im K e i m p u n k t besitzt. Die Anwachspyramiden treten meist erst in Durchschnitten (Andalusit) oder D ü n n schliffen (z. B. die sog. Sanduhrformen bei Augit) auf. Die Ausbildung, auch Tracht 1 ) der Kristalle g e n a n n t , kann tafelig (planar), säulig bis nadelig (prismatisch bzw. axial) oder isometrisch, d. h. ganz gleichmäßig sein. Nach ihrer Tracht sind manche Mineralien leicht zu erkennen. Die E r k e n n u n g wird erschwert, wenn durch Wachstumsbehinderung oder durch betonte Wachstumsförderung bestimmter Flächen oder Richtungen die Kristalle verzerrt vorliegen (Fig. 5 u n d 6 gegenüber Fig. 4). Durch Aneinanderreihung kleiner, nicht parallel gestellter Kriställchen entstehen satteloder garbenförmige Individuen. Bei ganz schneller Kristallisation, z. B. aus stark unterkühlten oder stark übersättigten Lösungen, wachsen die Kristalle vorzugsweise nach den Ecken u n d K a n t e n ; es entstehen sog. Kristallskelette. Sie zeigen den Umriß der Form, ihr Inneres aber ist nicht erfüllt. Durch das Vorherrschen eines solchen Wachstums entstehen b a u m ') Vgl. S. 18.

Flächen

Fig. 4.

Fig. 5.

Fig. 6.

förmige, moos-, dralit- und haarförmige Kristallbildungen, die als Gitterkristalle angesprochen werden; sie sind bei Gold, Silber, Kupfer und anderen Mineralien nichts seltenes. Die Flächen, die die Kristalle begrenzen, haben verschiedene Beschaffenheit; sie sind oft eben und glänzend, oft aber auch rauh, matt, gestreift, bisweilen auch gekrümmt oder mit regelmäßigen Vertiefungen oder Erhabenheiten versehen. Die Flächen eines Kristalls sind nun untereinander nicht immer gleichwertig. Für den Kristall der Fig. 7 a sind

Fig. 7a. Fig. 7b. Kombination von Würfel und Oktaeder.

z. B. dreieckige und viereckige Flächenformen charakteristisch; die dreieckigen Flächen können nun jeweil sdurch Drehung um 90° um eine Achse, die im Mittelpunkt der viereckigen Fläche zu dieser senkrecht steht, zur Deckung gebracht werden. Aber auch durch Spiegelung an einer Ebene Sj oder S 2 (Fig. 7b) können je zwei Dreiecksflächen inein2

Brauns-Chudoba, Ailg. Mineralogie

18

Die F o r m der Mineralien

ander übergeführt werden. In diesem Verhältnis zueinanderstehende Flächen gleicher Ausbildung und Beschaffenheit nennt man gleichwertige Flächen. Die Gleichwertigkeit der Flächen wird durch Gesetze des inneren Aufbaues und der von diesen abhängigen kristallographischen sowie physikalischen Erscheinungsformen bestimmt. So lassen sich oft physikalisch gleichwertige und ungleichwertige Flächen leicht erkennen. Eine physikalische Verschiedenheit äußert sich z. B . darin, daß ein Kristall nach gewissen Flächen leicht spaltbar ist, nach anderen nicht; die physikalische Gleichwertigkeit darin, daß sich ein Kristall nach mehreren Richtungen mit gleicher Leichtigkeit (Steinsalz nach den Würfelflächen) spalten läßt. Ein von glänzenden quadratischen und rauhen dreiseitigen Flächen begrenzter Flußspat (Fig. 7 a) läßt sich nach den rauhen Flächen leicht spalten, nach den glänzenden n i c h t ; seine Flächen sind physikalisch verschieden. Einfache Kristallform. Wenn alle an einem Kristall vorhandenen Flächen gleichwertig sind, so nennt man die Form eine einfache Kristallform. Eine solche ist z. B. der Würfel, aber auch das Oktaeder (z. B . von Magnetit, Alaun, Flußspat) oder Rhombendodekaeder (Granat) sowie das Rliomboeder (Kalkspat).

Kombinationen. Eine Kristallform, die von ungleichwertigen Flächen begrenzt ist, nennt man eine Kombination; sie wird von Flächen begrenzt, die mehreren einfachen Kristallformen angehören. Fig. 7 a stellt eine Kombination dar, die an Flußspat häufig ist; die quadratischen Flächen würden für sich eine einfache Kristallform, den Würfel, die dreiseitigen das Oktaeder bilden. Die ganze Form ist eine Kombination von Würfel mit Oktaeder. Die „Flächenkombination" eines Kristalls wird nach der Terminologie von Tertsch u. a. als Habitus bezeichnet; die Tracht (S. 16) ist die „Ausbildungsweise" der Flächen. Doch wird auch eine umgekehrte Definition gegeben. Für Niggli u. a. ist die „Tracht" durch die Formenkombination bestimmt; der „Habitus" betrifft die Ausbildung, charakterisiert durch die Flächengröße 1 ). Für jeden Fall stellen Habitus und Tracht einen augenfälligen Ausdruck der Reaktion 1 ) Nach F. Raaz (19G6) s o l l , , H a b i t u s " den übergeordneten Begriff, „Tracht'' die Detailbesehreibung (mit Berücksichtigung des „Gewichtes" jeder Flächenart innerhalb der Flächenkombination) umschließen.

Winkel — Goniometer

19

des wachsenden Kristalls auf die seine Bildung begleitenden chemischen u n d physikalischen Umstände (Milieufaktoren) dar. Deshalb sind Habitus u n d Tracht bei den Mineralien oft deutlich durch ihren F u n d o r t u n d ihr Vorkommen bedingt. Winkel. Zwei benachbarte Kristallflächen schneiden sich in einer K a n t e u n d schließen einen Winkel ein. W ä h r e n d sich die Größe der Kristalle ebenso wie die der Kristallflächen während des Wachsens ändert, bleiben die Winkel unverändert, weil sich auf den Flächen eines wachsenden Kristalls der Stoff in immer parallelen Schichten ablagert. So ist die Größe der Winkel, unter denen die Kristallflächen zusammenstoßen, eine wesentliche, mit den konstant bleibenden Wachstumsrichtungen im Zusammenhang stehende Eigenschaft. An allen Kristallen der chemisch gleichen Mineralart schneiden sich dieselben Flächen immer unter gleichen Winkeln. Diese grundlegende IVinhelbeständiglceit hat Nicolaus Steno im J a h r e 1669 entdeckt (von Rome de VIsle 1783 als allgemein gültiges „Gesetz der Winkelkons t a n z " aufgestellt) und aus Beobachtungen über das Wachsen der Kristalle abgeleitet. Die Fig. 4—6 stellen z. B. eine bei Quarz häufige Kombination: eine sechsseitige Säule (ein Prisma) mit Pyramidenflächen, dar. Die Prismenflächen sind, namentlich in Fig. 6, in Größe und Form sehr verschieden, aber trotzdem alle untereinander gleichwertig, was durch die gleichartige horizontale Streifung dieser Flächen augenfällig wird. Ihre Gleichwertigkeit wird auch in der Winkelkonstanz der Flächen untereinander bestätigt; der Prismenwinkel ist für alle beteiligten Flächen der gleiche, nämlich 120°. Zur Messung der Winkel bedarf man eines besonderen Instrumentes, des Goniometers1)', es ermöglicht, die Gesetze, nach denen die Kristallflächen angeordnet sind, zu ermitteln und die Kristallformen in einer ihrer N a t u r entsprechenden Weise zu ordnen. Goniometer. Das einfachste Goniometer ist das Anlegegoniometer (Fig. 8), so genannt, weil es bei der Messung an die Kristalle angelegt wird. Es besteht aus einem in Grade geteilten Halbkreis, dessen Enden durch eine feste Schiene verbunden sind. In der Mittp *) gr. gonia = Winkel, m i t r o n = Maß. 2»

20

Die Form der Mineralien

dieser Schiene befindet sich ein fester Zapfen, um den sich ein Schenkel drehen läßt.Dieser Schenkel ist auf seiner oberen rechten Seite abgeschrägt und nur halb so breit als der untere Teil; seine rechte Kante würde verlängert genau durch den Fig. 8. Anlegegoniometer. Mittelpunkt gehen. Soll nun ein Winkel gemessen werden, so legt man die Schiene links von dem Zapfen mit ihrer Unterseite auf die eine Fläche und ihr genau parallel, dreht mit dem Zeigefinger den beweglichen Schenkel, bis er der anderen Fläche genau parallel anliegt, und sieht zu, auf welcher Zahl die abgeschrägte obere (rechte) Kante dieses Schenkels steht. Dies ist der Winkel, den beide Flächen bilden (Genauigkeit bei guten und nicht zu kleinen Kristallen etwa 1 / 3 °). Zur genauen Messung der Flächenwinkel dienen die Reflexionsgoniometer, Instrumente auf optischer Grundlage (unter Verwendung der Reflexion einfallender Lichtstrahlen auf eindeutig gegeneinander fixierte Lagen der Kristallflächen), die Winkel bis auf Sekunden genau zu ermitteln gestatten. Mit dem Anlegegoniometer mißt man den sichtbaren äußeren Winkel (a); die Messung auf dem Reflexionsgoniometer erschließt jenen Winkel, den die Normalen zu den Flächen im Innern miteinander bilden (180—a der Fig. 9). Für das reguläre Oktaeder z. B. ist der erstere 109° 28' 16", der Normalenwinkel aber 70° 31' 44", der eine also das Supplement des andern. Da bei Berechnungen und Projektionen die Normalenwinkel einzusetzen sind, werden in den Hand- und Lehrbüchern meist nur diese angeführt.

Flg. 9. Flächenwinkel und Kormalenwinkel.

Bedeutung der Winkel. An einem Spaltungsstück von Kalkspat wird der Winkel, den zwei Flächen miteinander bilden, zu 105° 5' (bzw. 74° 55') gemessen. An jedem weiteren Spaltungs-

Symmetrie

21

stück dieses Minerals wird der gleiche Winkel ermittelt. Er ist für Kalkspat charakteristisch. Mit Kalkspat ist Dolomit zum Verwechseln ähnlich; er läßt sich ebenso wie dieser nach drei Richtungen spalten, aber zwei Spaltflächen schneiden sich unter 106° 25' (bzw. 73° 35'). So können die Winkel dazu dienen, Mineralien voneinander zu unterscheiden oder ein Mineral, das uns oft in verschiedener Gestalt entgegentritt, zu bestimmen. Aus gemessenen Winkeln werden das Achsenverhältnis eines Kristalls (S. 29) und die Indizes seiner Flächen (S. 30) berechnet. Die Winkelmessung bildet die Grundlage der rechnenden Kristallographie.

Symmetrie. Für die an einem Kristall auftretenden Flächen ist nun wesentlich, daß sie eine gesetzmäßige Verteilung und Anordnung erkennen lassen. Diese Gesetzmäßigkeit äußert sich am klarsten in der regelmäßigen "Wiederholung gleichwertiger Flächen eines Kristalls zu gewissen Ebenen oder Richtungen. Oft kann man einen Kristall durch eine Ebene in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften teilen. Eine solche Ebene wird Spiegel- oder Symmetrieebene genannt. So läßt sich beim Kristall der Fig. 10 a durch die vier Ecken E eine Spiegelebene legen; nach dieser ist die eine Hälfte des Kristalls das Spiegelbild der anderen (Fig. 10 b). Nur durch diese eine Ebene kann man den in Fig. 10 a dargestellten Kristall in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften teilen; er besitzt daher nur eine Spiegelebene. Die einzelnen Kristalle gleichen einander und unterscheiden sich durch die jeweilige Zahl der Spiegelebenen, die durch sie hindurchgelegt werden können. Durch manche Kristalle kann man überhaupt keine Spiegelebene legen (Fig. 92), durch andere nur eine (Fig. 10 a und 91), durch wieder andere drei (Fig. 82—89), fünf (Fig. 73—81), sieben (Fig. 5 4 - 6 3 ) oder gar neun (Fig. 22—37). Kristalle, durch

22

Die Form der Mineralien

die man mehr als neun Spiegelebenen legen könnte, gibt es nicht. Um die Zahl der an den Kristallen beobachtbaren Spiegelebenen, ihre Gesetzmäßigkeit und gegenseitige Lage zu erklären und zu verstehen, wurden bestimmte Vorstellungen über den inneren Aufbau der Kristalle notwendig und ausgelöst, weil nur dann die ermittelten phänomenologischen Tatsachen eine Deutung zuließen. Die Spiegelebenen gehen häufig Kristallflächen parallel; sind diese einander gleichwertig, so sind es auch die Spiegelebenen. In einem Kristall — wie dem in Fig. I I a dargestellten— sind die den quadratischen Flächen parallelen Spiegelebenen einander gleichwertig. Ebenso sind die den sechseckigen Flächen parallelen Spiegelebenen, die durch die Diagonalen der quadratischen Flächen verlaufen, einander gleichwertig, aber von den ersteren verschieden; der Kristall beFig. I I a . sitzt 3 + 6 Spiegelebenen (Fig. 11 b). Eine Symmetrieebene, die zu anderen — unter sich gleichen — senkrecht steht, wird Hauptsymmetrieebene genannt, die anderen Nebensymmetrieebenen. Der Kristall der Fig. 11 a besitzt 3 Hauptund G NebenS.E. 1 ). Eine andere Art von Regelmäßigkeit in der Verteilung der Flächen wird daran erkannt, daß sich gleichwertige Flächen eines Kristalls nach Drehung um eine bestimmte Richtung im Kristall zur Deckung bringen lassen. Solche Richtungen werden als Deckachsen oder Symmetrieachsen2) bezeichnet. Manche Kristalle können bei einer vollen Umdrehung um 360° nur zweimal, andere drei-, vier- oder sechsmal ineinander übergeführt und zur Deckung gebracht werden (Fig. 12); die *) Abkürzung für Spiegelebene. ') Abkürzung: S.A.

Symmetrie

23

Deckachse ist zweizählig ( | ) , dreizählig ( a ) , vierzählig ( • ) oder sechszählig ( • ) . D e r B e t r a g der jeweils n o t w e n d i g e n D r e h u n g bis zur D e c k u n g b e n a c h b a r t e r gleichwertiger A

1/

N

Tig. 12. Zwei-, drei-, vier- und sechszähiige Symmetrieachsen.

F l ä c h e n e n t s p r i c h t hierbei 180°, 120°, 90° oder 60°. Mehr als sechszählige S y m m e t r i e a c h s e n werden n i c h t beo b a c h t e t , aber a u c h keine fiinfzähligen. Die Ursache dieser B e o b a c h t u n g liegt gleichfalls im r a u m g i t t e r a r t i g e n A u f b a u der Kristalle, der n u r D r e h u n g s b e t r ä g e obiger W i n k e l w e r t e u n d d a m i t n u r Deckachsen der a n g e f ü h r t e n Zähligkcit zul ä ß t (vgl. S. 72). E b e n s o ist das A u f t r e t e n m e h r e r e r zweizähliger, a b e r a u c h anderszähliger Achsen u n t e r e i n a n d e r an einem Kristall d u r c h die innere S t r u k t u r derselben b e s t i m m t u n d ableitbar. E i n e Deckachse, die zu zwei oder m e h r e r e n zweizähligen S y m m e t r i e a c h s e n s e n k r e c h t s t e h t , wird als Hauptachse hervorgehoben. Die zweizähligen Achsen sind d a n n Nebenachsen ( K g . 13); diese sind u n t e r e i n a n d e r gleichwertig, wenn sie jeweils gleichwertigen kristallographischen E l e m e n t e n parallel gehen. So k o m m e n einem q u a d r a t i s c h e n P r i s m a ( F i g . 13) senkrecht zur vierzähligen H a u p t achse noch 4 zweizählige Deckachsen zu; von denen sind jedoch n u r je 2 gleichwertig. E i n m a l entsprechen sie R i c h t u n g e n durch die K a n t e n - , zum a n d e r e n d u r c h die F l ä c h e n m i t t e n des q u a d r a t i s c h e n Fi F oo a : b : o o c = 010 (Längsfläche) [ Endflächen G oo a:oo b : c = 001 (Basis) > Die Millerschen Indizes haben den Vorzug der Kürze und den Vorteil, daß sie für alle Systeme in der gleichen Weise gelten. Immer bleibt festzuhalten, daß die Indizes „reziproke" Werte sind. Für eine Fläche 234 bedeutet dies also, daß die a-Achse in 1 / 2 , die b-Achse in 1 / 3 , die c-Achse in 1 / 4 der Abschnittseiw/ie»/ der a-, b- und c-Achse geschnitten werden. (Bei Achsenkreuzen mit 3 Nebenachsen tritt eine kleine Abweichung auf, die S. 41 besprochen wird.)

Bezeichnung der Kristallflächen

31

Soll die Lage einer einzelnen Fläche in einem bestimmten Teil der durch die Achsen gebildeten 8 Raumabschnitte (Oktanten) angegeben werden (Fig. 20), so geschieht dies durch eine Bezugnahme auf die Halbachsen, die als + und — unterschieden werden, und durch die Angabe dieser Vorzeichen im Parameterverhältnis bzw. bei den Indizes. Werden z. B. die Halbachsen im rechten oberen R a u m a b s c h n i t t als + bezeichnet (also als + a , + b u n d + c ) , so wird die Lage der vier nach vorn liegenden Flächen einer Pyramide (I, II, I I I u n d IV in Fig. 20) wie folgt angegeben : I. + a : + b : + c = 111 II. + a : — b : + c = 111 I I I . + a : + b : — c = 111 IV. + a : — b : — c = I i i

Fig. 20. Lage der Flächen in verschiedenen Ilaumabschnitten.

In den Indizes bleibt das +-Zeichen fort u n d das — Zeichen wird über die Zahl gesetzt. Die Einklammerung der Indizes fällt fort, wenn sich diese auf eine einzelne Fläche beziehen. F ü r die Pyramidenflächen I. bis IV. ergeben sich also die Indizes: 1 1 1 , 1 1 1 , 1 1 1 und 111. 3. Indizesberechnung von Flächen aus dem Zonenverband. Sobald die Indizes von drei sich schneidenden Flächen bekannt sind, kann man die Indizes der Flächen ermitteln, die mit diesen im Zonenverband stehen. In Fig. 21a mögen die Achsen den langen Kanten parallel gehen, dann haben die quadratischen Flächen folgende Indizes: a = 100, b = 010, c = 001; es sind die Fundamentalflächen (S. 29). Die Flächen d stumpfen die Kanten zwischen den Flächen a/b, a/c und bjc gerade ab; ihre Indizes kann man berechnen nach dem Satz: Die Addition der Indizes von zwei gleichd' a wertigen Flächen ergibt eindeutig die Indizes derjenigen Fläche, die die dazwischenliegende Kante •7 gerade abstumpft; so für d'\ 100 + 010 = 110, für d": 100 + 001 = 101, für d'": 010 + 001 = 011. Fig. 21 a.

32

Die Form der Mineralien

In Fig. 36 (Seite 38) sind die Indizes der rechten und oberen rhombischen Fläche 110 und 101; die Indizes der ihre Kante gerade abstumpfenden Fläche 1 1 0 + 101 = 211. Allgemein gilt der Satz: Die Addition der Indizes von zwei benachbarten Flächen ergibt die Indizes einer zwischenliegenden Fläche; also 1 1 0 + 0 0 1 = 111. Dies erscheint aber nicht eindeutig, weil die beiden Flächen nicht gleichwertig sind; in der gleichen Zone könnten daher u. a. liegen (vgl. Fig. 21b): 111 (o) + 110 (d') = 221 und 111 (o) + 001 (c) = 112; zwischen a und d': 1 0 0 + 1 1 0 = 210. Wesentlich aber ist, daß die Fläche o (Fig. 21 b) a r ^ w zugleich zwei Zonen angehört; sie liegt mit a (100) und d'" (011) in einer Zone, dann aber a auch mit 6 (010) und d" (101) in einer Zone. Sobald aber eine Fläche in zwei bekannten Zonen liegt, ist ihre Lage eindeutig bestimmt Fig. 21 b. und man kann ihre Indizes errechnen. Man ermittelt zunächst aus den bekannten Indizes zweier Flächen die Indizes von deren Kante, d. h. die ihrer Zonenachse. Dasselbe geschieht für die zweite Zone. Aus den Indizes beider Zonen ergeben sich dann die Indizes der Fläche, deren Lage durch die beiden Zonenachsen fixiert ist. Zur Berechnung verfährt man nach einem einfachen Schema, indem man die Indizes der ersten Fläche zweimal nebeneinander setzt, die Indizes der zweiten ebenso darunter, das erste und letzte Glied streicht und die anderen kreuzweise multipliziert und subtrahiert; z. B. Berechnung der Indizes für die Zone a (100)/ii" / (011). a 1 0 0 10 0 X X X d'" 0 1 1 0 1 1 0 x 1 — 0 x 1 = 0 ; 0 x 0 — l x l = — 1; l_x 1 — 0 x 0 = 1. Die Indizes der Zone ajd'" sind demnach [Oll] 1 ). Nach gleicher Berechnung erhält man für die Zone l (010)/ti" (101) die Indizes [101]. Aus den Indizes beider Zonen errechnet man dann nach dem gleichen Schema, unter Berücksichtigung der Vorzeichen, die Indizes der in beiden Zonen liegenden Fläche: a/d'" 0 11 01 bjd" 1 01 10

1 1

l x l — 1 x 0 = 1 ; l x l — 0 x 1 = 1; 0 x 0 — 1 x 1 = 1. Die Indizes der Fläche o sind demnach eindeutig 111. ') Die Indizes der Zonen werden in „eckige" Klammern gesetzt.

Kristallsysteme und deren Achsenkreuze

33

Diese Art der Berechnung ist für alle Kristallflächen möglich, die miteinander im Zonenverband stehen, ohne Rücksicht auf das Kristallsystem; sie gestattet, ohne Winkelmessung die Indizes der Flächen zu bestimmen.

Gesetz der rationalen Indizes. Eine Gesetzmäßigkeit besonderer Art, die eine unmittelbare Anregung zu hypothetischen Vorstellungen über den inneren Aufbau der Kristalle gab, liegt darin, daß die in einem Parameterverhältnis auftretenden Ableitungszahlen m und n immer einfache ganze Zahlen oder Brüche sind, z.B. 2, 3, 4, 1 / l , 1 / 3 , % s / 2 usw.; d.h. wenn man nach den auf S. 26 angegebenen Grundsätzen die Achsen gewählt hat, so lassen sich alle an einem Kristall auftretenden Flächen durch einfache rationale Zahlen auf diese Grundform beziehen. In diesem wichtigen Gesetz, das als Gesetz der rationalen Indizes bezeichnet wird, offenbart sich das innere Wesen der Kristalle; hierdurch unterscheiden sich ihre Formen von denen beliebig konstruierter geometrischer Körper. Die Gesamtheit der hiernach an einer Kristallart möglichen Flächen nennt man deren Formenreihe. Kristallsysteme und deren Achsenkreuze. Die großen Gesetzmäßigkeiten, die als Wesensmerkmale den Kristallen zukommen, finden ihren betonten Ausdruck im Gesetz der Winkelkonstanz und im Rationalitätsgesetz; sie sind aus dem raumgitterartigen Aufbau der Kristalle zu deuten, ebenso wie die an den Kristallen möglichen Symmetricelemente und ihre bestimmten, untereinander begrenzten Kombinationen. Die Erfassung dieser Gesetzmäßigkeiten führte zur Ermittlung und Ableitung der 32 Kristallklassen (S. 25). Jeder Kristall, gleichgültig welcher Bildungsart, ist Träger solcher Symmetrieelemente, die eine Einordnung in eine dieser Klassen ermöglichen. Eine jeweils bestimmte Zahl von den 32 Kristallklassen läßt sich nun nach der Gleichartigkeit der Flächenformen und Zonensysteme auf gleiche Achsenkreuze beziehen und damit zu engeren Verbänden, die man /vris£aZZs?/stowenennt,zusammenfassen. Die Kristallklassen unterscheiden sich also durch ihren Symmetriegrad, die Kristallsysteme durch ihr Achsenkreuz. 3

B r a u n s - C h u d o b a , Allg. Mineralogie

34

Die Form der Mineralien

F ü r die verschiedenen Kristallsysteme gelten folgende Achsenkreuze: Kubisches System, drei gleiche, a u f e i n a n d e r senkrechte H a u p t a c h s e n , a, a, a (vgl. Fig. 22). Hexagonales System, drei gleiche Nebenachsen, die sich in einer E b e n e u n t e r 120° schneiden, u n d senkrecht dazu eine vierte, von jenen verschiedene H a u p t a c h s e , a, a, a, c (vgl. Fig. 54). Hexagonal-rhomboedrisches System, Achsenkreuz des hexagonalen; die Flächenformen werden aber durch eine dreizählige H a u p t a c h s e beherrscht. (Die H a u p t a c h s e des hexagonalen Kristallsystems ist secAszählig.) (Fig. 64). Tetragonales System, zwei gleiche, aufeinander senkrechte Nebenachsen u n d senkrecht dazu eine dritte, von jenen verschiedene H a u p t a c h s e , a, a, c (vgl. Fig. 73 a). Orthorhombisches System, drei ungleiche, aufeinander senkrechte Achsen, a, b, c (vgl. Fig. 82). Monoklines System, drei ungleiche Achsen; zwei (a, c) schneiden sich u n t e r schiefem Winkel, die d r i t t e (6) steht auf beiden senkrecht (vgl. Fig. 90). Triklines System, drei ungleiche, u n t e r schiefen Winkeln sich schneidende Achsen a, b, c (vgl. Fig. 92). Bei der B e t r a c h t u n g stellt m a n die Kristalle zweckmäßig so, daß eine Achse (c) vertikal ist (Vertikalachse) u n d eine andere (6) quer von links nach rechts geht (Querachse); die Lage der dritten (a) ergibt sich dann von selbst (Längsachse). I n n e r h a l b der verschiedenen Kristallsysteme k o m m e n den einzelnen Kristallklassen verschiedene Stufen der Symmetrie zu. Die jeweils den höchsten Symmetriegrad kennzeichnende Klasse wird als vollflächige oder holoedrische1) bezeichnet; sie besitzt die S y m m e t r i e des Achsenkreuzes. U n t e r den mindersymmetrischen Klassen spielen solche der Hemiedrie2), der Halbflächigkeit, eine besondere Rolle. gr. hrtlos = völlig, ganz, h6dra = Fläche. ») gr. Mm] = halb, hgdra = Fläche.

Kristallsysteme und deren Achsenkreuze

35

F ü r sie ist c h a r a k t e r i s t i s c h , d a ß z. B . a n einem O k t a e d e r die eine H ä l f t e der F l ä c h e n g l ä n z e n d , die a n d e r e m a t t ist (Fig. 40). Koch h ä u f i g e r w i r d b e o b a c h t e t , d a ß n u r die eine H ä l f t e d e r F l ä c h e n a u f t r i t t , die a n d e r e H ä l f t e g a n z f e h l t ; aus d e m O k t a e d e r w i r d so das Tetraeder (Fig. 38); die a u f t r e t e n d e F o r m ist ein Halbflächner oder Hernieder des Vollflächners oder Holoeders. W i e leicht einzusehen, k a n n ein Vollflächner zwei H a l b f l ä c h n e r liefern, j e n a c h d e m die eine oder die a n d e r e H ä l f t e seiner F l ä c h e n a u f t r i t t ; beide h a b e n g e n a u dieselbe F o r m , a b e r verschiedene p h y s i k a l i s c h e E i g e n s c h a f t e n (z. B . verschied e n e n Glanz) u n d a n d e m s e l b e n K r i s t a l l eine verschiedene L a g e . D a s T e t r a e d e r , d a s die L a g e d e r weißen F l ä c h e n in F i g . 40 h a t , b e k ä m e die Indizes (111), d a s a n d e r e (111). Seltener t r i t t v o n einer F o r m n u r der v i e r t e Teil der F l ä c h e n a u f , w a s m a n als Tetartoedrie1) b e z e i c h n e t (Fig. 71). Die ebenfalls i m g a n z e n seltene E r s c h e i n u n g , d a ß an einem E n d e einer Achse a n d e r e F l ä c h e n a u f t r e t e n als a m a n d e r e n , n e n n t m a n Hemimorphie2). Die H a u p t a c h s e ist d a n n n u r p o l a r u n d n i c h t m e h r bipolar, w a s h ä u f i g d u r c h v e r s c h i e d e n e F l ä c h e n k o m b i n a t i o n e n a n i h r e n beiden A c h s e n e n d e n a u g e n fällig w i r d (Fig. 70). J e d e H e m i e d r i e ist n a c h i h r e r S y m m e t r i e eine K r i s t a l l klasse f ü r sich; die 32 Klassen b e s t e h e n aus 7 holoedrischen u n d 25 hemiedrischen ( t e t a r t o e d r i s c h e n u n d h e m i m o r p h e n ) K l a s s e n ; i m m e r ist es möglich, die h e m i e d r i s c h e n Klassen eines S y s t e m s v o n den holoedrischen abzuleiten. I m folgenden w e r d e n n u r die w i c h t i g s t e n holoedrischen u n d hemiedrischen F o r m e n b e s p r o c h e n . Bei i h r e r Beschreib u n g wird a n g e n o m m e n , d a ß die F o r m e n ideal a u s g e b i l d e t sind, d . h . die gleichwertigen F l ä c h e n eines Kristalls w e r d e n gleich g r o ß d a r g e s t e l l t . S y m m e t r i e z e n t r u m ist bei allen holoedrischen F o r m e n v o r h a n d e n . E i n e Ü b e r s i c h t ü b e r die 32 Kristallklassen g i b t die Tabelle der Seiten 5 6 — 6 1 ; in i h r sind neben den k e n n z e i c h n e n d e n Symmetrieelomenten auch ihre Bezeichnungen angeführt. ') gr. Mtartos = ein Viertel, h i d r a = Fläche. a ) gr. hemi = habb, raorphe = Gestalt. 3*

36

D i e F o r m der Mineralien 1. K u b i s c h e s

System1)

(Drei gleichwertige, a u f e i n a n d e r s e n k r e c h t s t e h e n d e Achsen) Einfache

holoedrische

Formen

[ S y m m e t r i e e l c m e n t e : 9 Spiegelebenen, v o n d e n e n 3 d e n W ü r f e l f i ä c h e n ( H a u p t S. E.) u n d 6 d e n F l ä c h e n des R h o m b e n d o d e k a e d e r s (Neben-S. E.) parallel g e h e n ; 3 vierzählige D e c k a c h s e n ( m i t den K r i s t a l l a c h s e n z u s a m m e n f a l l e n d ) , 4 dreizählige ( O ) D e c k a c h s e n (den W ü r f e l d i a g o n a l e n e n t s p r e c h e n d ) u n d 6 zweizählige D e c k a c h s e n (die W i n k e l zweier K r i s t a l l a c h s e n h a l b i e r e n d ) ; S y m metrie-Zentrum.]

•B

F i g . 22. O k t a e d e r .

F i g . 23. P y r a m i d c n o k t a o d c r .

E

F i g . 24. I k o s i t e t r a e d e r .

E

'S

Fig. 25. Achtundvierzigflächner.

F i e . 26. Rhombendodekaeder.

«

Fig. 27. P y r a m i d e n würfel.

1. Oktaeder (Fig. 22), begrenzt v o n a c h t gleichseitigen D r e i e c k e n . D i e A c h s e n g e h e n v o n E c k e zu E c k e ; jede F l ä c h e s c h n e i d e t die drei A c h s e n in gleicher L ä n g e . (111). 2 . Pyramidenoktaeder (Fig. 23), a u c h Triakisoktaeder, b e g r e n z t v o n 24 gleichschenkligen Dreiecken. Die A c h s e n g e h e n durch die L ) A u c h reguläres tesseres = vier.

S y s t e m , in Österreich Lesserales S y s t e m ; gr. tössares =

37

Kubisches System

Ecken E\ jede Fläche schneidet zwei Achsen in gleicher, die dritte in größerer, am häufigsten der doppelten Länge. (221). 3. Ikositetraeder (Fig. 24), auch Deltoidikositetraeder und Leucitoeder, begrenzt von 24 Vierecken (Deltoiden). Die Achsen gehen durch die Ecken E ; jede Fläche schneidet zwei Achsen in gleicher, die dritte in kürzerer Länge, z. B . (211). 4. Achtundvierzigflächner (Fig. 25), auch Hexakisoktaeder, begrenzt von 48 ungleichseitigen Dreiecken. Die Achsen gehen durch die Ecken E\ jede Fläche schneidet die 3 Achsen in verschiedener Länge, z. B . (321). 5. Rhombendodekaeder (Fig. 26), auch Granatoeder genannt, begrenzt von 12 rhombischen Flächen. Die Achsen gehen durch die Ecken E\ jede Fläche geht einer Achse parallel und schneidet die beiden anderen in gleicher Länge. (110). 6. Pyramidenwürfel (Fig. 27), auch Tetrakisliexaeder, begrenzt von 24 gleichschenkligen D r ecken. Die Achsen gehen durch die Ecken E; jede Fläche geht einer Achse parallel und schneidet die beiden anderen in verschiedener Länge, z. B.(210). 7. Würfel (Fig. 28), auch Kubus, begrenzt von sechs aufeinander senkrechten, gleichwertigen Flächen.Die Achsen gehen durch die Mitte derFlächen, jede Fläche geht zwei Achsen parallel. (100).

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i

-

^

^

^ ^ Fig. 28. Würfel,

Kombinationen. Die genannten einfachen Formen treten vielfach zu Kombinationen zusammen; einige der häufigsten sind: Träger der Kombination

Die E c k e n werden abgestumpft durch:

Oktaeder

Würfel (m).(ioo)

Fig. 29

Würfel (100)

Oktaeder (100)-(111) Fig. 32

Rhombendodekaeder (110)

Würfel und Oktaeder ( 1 1 0 ) - ( 1 0 0 ) - (111) Fig. 35

Die K a n t e n werden abgestumpft durch: Ithombendodekaeder

(III) - (110)

Die K a n t e n werden zugeschärft durch: Pyramidenoktaeder

( I I I ) - (221)

F i g . 30 Rhombendodekaeder (100)-(110) Fig. 33

F i g . 31 Pyramidenwürfel (100)-(210) Fig. 3 4

Ikositetraeder ( 1 1 0 ) - (211) Fig. 36

48-Fl,1chner ( 1 1 0 ) - (321) F i g . 37

Beispiele: Gold, Silber, Kupfer, Steinsalz, Flußspat, Magneteisen, Spinell, Bleiglanz, Granat, Leucit, Analcim u. a.

38

Fig. 29. Oktaeder mit Würfel.

Fig. 32. Würfel mit Oktaeder.

Fig. 35. Rhombendodekaeder mit Würfel und Oktaeder.

Die Form der Mineralien

Flg. SO. Oktaeder mit Rhombendodekaeder.

Fig. 33. Würfel mit Rhombendodekaeder.

Fig. 36. Rhombendodekaeder mit Ikositetraeder.

Fig. 31. Oktaeder mit Pyramidenoktaeder.

Fig. 34. Würfel mit Pyramiden Würfel.

Fig. 37. Rhombendodekaeder mit Achtundvierzigflächner.

Halb flächige Formen Es gibt im kubischen System zwei wichtige Klassen von halbflächigen Formen, die hexakistelraedrische und die pyrüoedrische (auch disdodekaedrische bzw. pentagonale). Die erstere besitzt nur die sechs den Rhombendodekaederflächen parallelen Spiegelebenen (die Nebensymmetrieebenen), die letztere, die pyritoedrische, nur die drei den Würfelflächen parallelen Spiegelebenen (Hauptsymmetrieebenen). Den tetraedrischen Flächenformen fehlt das Symmetriezentrum, bei den pyritoedrischen ist es vorhanden; diese wurden daher auch parallelflächig hemiedrisch bezeichnet, die tetraedrischen geneigtflächig hemiedrisch. Die Symmetrieelemente dieser beiden Klassen sind auf Seite 66 wiedergegeben. Die wichtigsten Formen der

39

Kubisches System hexakistelraedrischen

Hemiedrie :

Tetraeder (Fig. 38), begrenzt von vier gleichseitigen Dreiecken. Die Achsen gehen durch die Mitte der K a n t e n . Das Tetraeder ist der Halbflächner vom Oktaeder, das zwei in der Form gleiche, in der Lage am Kristall verschiedene Tetraeder liefert; ihre Zeichen sind (111) u n d (111) (Fig. 40).

Fig. 38. Tetraeder.

Fig. 39. Pyramidentetraeder.

Fig. 40. Tetraeder (111) weiß, (III) punktiert.

Pyramidentelraeder (Fig. 39), auch Triakistetraeder, begrenzt von zwölf gleichschenkligen Dreiecken. Die Achsen gehen durch die langen K a n t e n ; das Pyramidentetraeder ist der Halbflächner vom Ikositetraeder, seine Zeichen z. B. (211) und (211). Die anderen Formen, das Deltoiddodekaeder (gebildet von zwölf Deltoiden) u n d Hexakistetraeder (begrenzt von 24 ungleichseitigen Dreiecken) sind selten. Der Würfel, das Rhombendodekaeder u n d der Pyramidenwürf el bleiben in der Form u n v e r ä n d e r t ; ihre Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ist gelegentlich aus der Flächenzeichnung oder aus Ätzfiguren zu erschließen. Kombinationen. Die K a n t e n des Tetraeders werden a b g e s t u m p f t durch den Würfel (Fig. 41); ist der Würfel Träger der Kombination, so s t u m p f t das Tetraeder abwechselnd die Ecken ab (Fig. 42). Die Ecken des Tetraeders werden a b g e s t u m p f t durch das andere

Fig. 41. Tetraeder mit Würfel.

Fig. 42. Würfel mit Tetraeder.

Fig. 43. Tetraeder mit Gegentetraeder.

40

Die Form der Mineralien

Tetraeder, das man Gegentetraeder nennt (Fig. 40 u. 43). Die Kanten des Tetraeders werden zugeschärft durch das Pyramidentetraeder (Fig. 44), die Ecken des Tetraeders von den Flächen aus

Fig. 44. Tetraeder mit Pyramidentetraeder.

Fig. 45. Tetraeder mit Rhombendodekaeder.

Fig. 46. Würfel mit Tetraeder und Rhombendodekaeder.

zugespitzt durch das Rhombendodekaeder (Fig. 45). Fig. 46 stellt eine Kombination von Würfel mit Tetraeder und Rhombendodekaeder dar. Beispiele: Fahlerz, Zinkblende, Boracit. Pentagonale

(pyritoedrische)

Hemiedrie:

Pentagondodekaeder oder Pyritoeder ) (Fig. 47), begrenzt von zwölf Fünfecken (Pentagonen), die vier gleiche und eine von diesen in der Länge abweichende Seite haben. Die Achsen gehen durch die Kanten, die in jedem Fünfeck nur einmal vorliegen. Das Pentagondodekaeder ist ein Halbflächner vom Pyramidenwürfel mit zwei verschiedenen Stellungen (hkO) bzw. (hOl); daher z. B . die Zeichen (210) und (201). 1

f

Fentagondodekaeder.

Dipioeder. (Dyakisdodekaeder)

Würfel mit Pentagondodekaeder.

') Genannt nach Pyrit (Schwefelkies), der in dieser Form häufig kristallisiert.

Hexagonales System

41

Diploeder, auch Dyakisdodckaeder (Fig. 48), begrenzt von 24 ungleichseitigen Trapezflächen. Die Achsen gehen durch die Ecken E. Das Diploeder ist Halbflächner eines Achtundvierzigflächners mit zwei verschiedenen Stellungen, nämlich (hkl) u n d (hlk); die Zeichen sind z. B. (321) und (312). In dieser Klasse bleiben die anderen Flächenformen in ihrer Gestalt u n v e r ä n d e r t ; ihre Zugehörigkeit zu dieser Hemiedrie wird oft an der Streifung der Flächen erkannt (Fig. 52). Sie veranschaulicht, daß diese Klasse nur noch die drei H a u p t - S E besitzt. Die Hauptachsen sind zweizählige Deckachsen.

Fig. 50. Oktaeder mit Pentagondodekaeder.

Fig. 61. Oktaeder und Pentagondodekaeder im Gleichgewicht.

Fig. 62. Gestreifter Pyritwürfel.

Kombinationen. Die beiden Hernieder vereinigen sich miteinander u n d mit Würfel u n d Oktaeder sowie den anderen Flächenformen der holoedrischen Klasse, aber nicht mit den Formen der hexakistetraedrischen Klasse. Die Kanten des Würfels werden durch das Pentagondodekaeder schief abgestumpft (Fig. 49), die Ecken des Oktaeders v o m Pentagondodekaeder zweiflächig zugespitzt (Fig. 50). Oktaeder und Pentagondodekaeder im Gleichgewicht bilden das sogenannte Ikosaeder (Fig. 51). Beispiele: Schwefelkies, Kobaltglanz. Außer diesen beiden Klassen ist noch eine weitere hemiedrische möglich, die gyroedrische (auch gyroidische) Klasse, ohne jede Spiegelebene, aber mit allen Deckachsen (Sylvin, Salmiak), u n d eine tetartoedrische (auch tetartoidische) Klasse (NaC10 3 ) (vgl. S. 56).

2. Hexagonales System (Außer der sechszähligen Hauptachse c, drei gleiche — in einer Ebene unter 120° liegende •— Nebenachsen a)

Die Indizierung der Flächen muß drei gleiche Nebenachsen (Fig. 53) berücksichtigen. D a m i t gleichwertige Flächen gleichartige Indizes erhalten, werden die voneinander 120° entfernt-

42

Die F o r m der Mineralien

liegenden Halbachsen mit dem gleichen Vorzeichen versehen. Die Summe der drei auf die Nebenachsen bezüglichen Indizes ist alsdann unter Berücksichtigung ihres Vorzeichens immer gleich Null. Die Parameterverhältnisse u n d Indizes sind f ü r Formen erster Stellung a!: oo a": — a'": c = 1 0 f l , : 1 / 2 c = 1012, :2c = 2021,

:ooc=1010;

Formen zweiter Stellung 2a': 2a": — a'": c = 1122, : 2c = 1121, : o o c — 1120; zwölfseitige Formen 3 / 2 a ' : 3 a " : — a'": 3c = 2131, : o o c = 2130 Basis oo a': oo a": oo a'": c = 0001.

Fig. 54. Hexagonale Dipyramide erster Stellung.

Fig. 55. Hexagonale Dipyramide zweiter Stellung.

Einfache holoedrische Formen (Symmetrieelemente: sechszählige Hauptachse, 3 + 3 + 1 S.E., 3 + 3 zwei zählige S.A., S.Z.)

1. Hexagonale Dipyramiden, begrenzt von zwölf (2 x 6) gleichschenkligen Dreiecken. Die Hauptachse geht durch die Pyramidenspitzen; die drei angenommenen Nebenachsen gehen durch die Ecken oder durch die Mitte der Seitenkanten, so daß die Flächen der äußerlich gleichen Formen zu den Nebenachsen verschieden liegen können. Man unterscheidet hiernach: l a . Dipyramiden erster Stellung (Fig. 54). Die Achsen gehen von Ecke zu Ecke, eine Fläche schneidet zwei Nebenachsen im Verhältnis a : a u n d geht der dritten parallel ; die Hauptachse

Hexagonales System

43

wird von den verschiedenen Pyramiden, die an den Kristallen einer Substanz auftreten können, in verschiedener Länge geschnitten. Aus allen wählt man eine als Grundpyramide mit (1011), die anderen sind dann steiler als diese oder stumpfer, z. B. (2021), (3031), (1012). I b . Dipyrarniden zweiter Stellung (Fig. 55). Die Nebenachsen gehen durch die Mitte der Seitenkanten. Die Hauptachse wird von verschiedenen Pyramiden in verschiedener Länge geschnitten, z. B. (1123). 2. Dihexagonale Dipyrarniden oder zwölfseitige Pyramiden (Fig. 56), begrenzt von vierundzwanzig (2 x 12) ungleichseitigen Dreiecken. Die Indizes z. B. (2131). 3. Hexagonale Prismen sind begrenzt von sechs gleichwertigen Flächen, die der Hauptachse parallel gehen und sich unter 120° schneiden; sie können zu den Nebenachsen gJnaie5Di^ramide. dieselbe verschiedene Lage haben wie die Flächen der hexagonalen Dipyrarniden. Die äußerlich gleichen Formen werden demnach unterschieden als: 3 a. Prisma erster Stellung (Fig. 57). Die Nebenachsen gehen von Kante zu Kante. (lOlO). 3b. Prisma zweiter Stellung (Fig. 58). Die Nebenachsen gehen von Fläche zu Fläche. (1120). Die Formen beider Prismen sind vollkommen gleich, sie unterscheiden sich nur durch die Lage ihrer Flächen zu den Nebenachsen. Die Prismen sind gewissermaßen Pyramiden, deren Flächen die Hauptachse im Unendlichen schneiden. 4. Dihexagonale Prismen (Fig. 59) oder zwölfseitige Prismen sind begrenzt von zwölf der Hauptachse parallelen, gleichwertigen Flächen; die Winkel sind nur abwechselnd gleich. Indizes z . B . (2130). 5. Die Basis oder Endfläche geht den Nebenachsen parallel und besteht aus einer Fläche sowie der parallelen Gegenfläche (sog. Pinakoid). Sie bildet z. B. in den Figuren 57—59 die Endbegrenzung der Prismen. Die Kombinationen können von Formen gleicher oder verschiedener Stellung gebildet werden. Treten Formen gleicher Stellung zu Kombinationen zusammen, so kommen die Flächen

44

Die Form der Mineralien

der einen Form über oder unter die Flächen der anderen zu liegen, d. h. die Prismen- und Dipyramidenflachen gleicher Stellung liegen in einer Zone. So entspricht z. B. Fig. 60 einem Prisma u n d einer Dipyramide gleicher Stellung, Fig. 61 zwei Dipyramiden gleicher Stellung; beide sind als Formen erster Stellung gezeichnet, doch .

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-L.

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7

Fig. 58. Hexagonale9 Prisma zweiter Stellung.

Fig. 59. Dihexagonales Prisma.

V Fig. 60. Prisma und Dipyramide gleicher Stellung.

Fig. 61. Zwei Dipyramiden gleicher Stellung.

Fig. 62. Prisma und Dipyramide verschiedener Stellung.

Fig. 63. Zwei Dipyramiden verschiedener Stellung.

könnten sie nach Drehung u m 30° um die Hauptachse c auch als Formen zweiter Stellung aufgefaßt werden. Treten Formen von verschiedener Stellung zusammen, so liegen in der Kombination die Flächen der einen Form über oder unter den Kanten der anderen; so stellt Fig. 62 ein Prisma und eine Dipyramide verschiedener Stellung, Fig. 63 zwei Dipyramiden verschiedener Stellung vor. Fig. 62 ist als Prisma erster Stellung mit Dipyramide zweiter Stellung gezeichnet; die Form könnte aber auch — nach Drehung um 30° um die Hauptachse c — als Prisma zweiter Stellung mit Dipyramide erster Stellung aufgefaßt werden. Fig. 63 ist als Dipyramide erster Stellung mit untergeordneter Dipyramide

Hexagonal-rhomboedrisches System

45

zweiter Stellung gezeichnet; sie könnte auch — nach entsprechender Drehung um die Hauptachse c — als Dipyramide zweiter Stellung mit untergeordneter Dipyramide erster Stellung gelten. — Das Prisma erster Stellung stumpft am Prisma zweiter Stellung die Kanten gerade ab und umgekehrt; alle Winkel sind gleich, die Flächen abwechselnd ungleichwertig. — Die Basis bildet die Endbegrenzung der Prismen (Fig. 57—59). Die dihexagonalen Dipyramiden und Prismen sind in den Kombinationen durch die Zahl und Lage ihrer Flächen leicht zu erkennen. Beispiel: Beryll. Hemiedrie. Im hexagonalen System sind hemiedrische Kristalle häufiger als vollflächige; der einen vollflächigen Klasse stehen elf weniger symmetrische gegenüber, denen einige der am häufigsten verbreiteten Mineralien, wie Kalkspat und Quarz, angehören. Wegen der großen Zahl der weniger symmetrischen Klassen werden die durch eine drazählige Hauptachse charakterisierten Kristalle in einem besonderen, dem hexagonal-rhomboedrischen oder Irigonalen Kristallsystem zusammengefaßt. Diese Abtrennung stellt eine gewisse Willkür dar, denn man kann auch im hexagonalen System eine hexagonale Abteilung (mit Klassen, die sich auf einen hexagonalen Elementarkörper beziehen) von einer irigonalen Abteilung (mit Klassen, die sich auf einen rhomboedrischen Elementarkörper beziehen) unterscheiden. ß. H e x a g o n a l - r h n m l i n e d r i s d i e s

System

Dreizählige Hauptachse c und drei gleiche in einer Ebene unter 120® liegende Nebenachsen a.)

Einfache

holoedrische

Formen

(Symmetrieelemcnte: 1 Q , drei vertikale S.E., 3 zweizählige S.A., S.Z.)

Rhomboeder (Fier. 64 und 65), sind Halbflächner von hexagonalen Dipyramiden erster Stellung; sie bekommen die gleichen Indizes wie diese und können ebenso steil oder stumpf sein. Jedes Rhomboeder ist von sechs Rhombenflächen begrenzt; die Nebenachsen gelien durch die Mitte der auf- und absteigenden Seitenkanten. Ans jeder Dipyramide kann man zwei Rhomboeder ableiten, die man als positiv und negativ unterscheidet, je nach der Wahl der Aufstellung. Bei Mineralien, die wie z. B . Kalkspat eine Spaltbarkeit nach einem Rhomboeder besitzen, wird dieses als positives Grundrhomboeder (1011) gewählt (vgl. Fig. 69). Diejenigen Rhomboeder, deren Flächen nach denselben Seiten hin liegen wie die Spaltungsflächen, sind dann ebenfalls positiv, die anderen negativ (auch verwendet), z. B . (0221), Fig. 65.

46

Die Form der Mineralien

Dipyramiden und bekommen ebensolche Indizes wie diese. Sie sind begrenzt von zwölf ungleichseitigen Dreiecken. Die Kanten, die in den beiden Endecken zusammenstoßen, sind abwechselnd stumpfer und schärfer; die Nebenachsen gehen wieder durch die Mitte der auf- und absteigenden, untereinander gleich langen Seitenkanten. Die hexagonalen Prismen erster und zweiter Stellung u n d die Dipyramiden zweiter Stellung sowie das dihexagonale Prisma und die Basis, wie sie für das hexagonale System charakteristisch sind, liefern im hexagonal-rhomboedrischen System keine neuen Formen; sie treten mit den hier genannten hexagonal-rhomboedrischen Formen zusammen auf. Die Kombinationen rliomboedrischer Formen sind immer leicht zu bestimmen, wenn man daran denkt, daß sich die Rhomboeder nur vonDipyramiden erster Stellung, nicht auch von solchen zweiter Stellung ableiten. Stehen daher in einer Kombination von Rhomboeder und Prisma die Rhomboederf lach en über den Prismenf lach en, so liegt das Prisma erster Stellung (1010) und ein verwendetes (negatives) Rhomboeder (0112) vor (Fig. 67); liegen aber die Rhomboederflächen über den Prismenkanten, so ist die Form eine Kombination des Prismas zweiter Stellung (1120) mit einem positiven Rhomboeder (1011) (Fig. 68). Treten nur positive (oder nur negative) Rhomboeder miteinander in Kombination, so liegen Fläche über Fläche; treten positive Rhomboeder mit negativen in Kombination, so liegen die Flächen des einen über oder unter den Kanten des anderen. In besonderen Fällen werden die Kanten des einen (etwa positiven) Rhomboeders durch die Flächen eines anderen (dann negativen) Rhomboeders gerade abgestumpft; man

Hexagonal-rhomboedrisches System

Tig. 67. Prisma erster Stellung mit Rhomboeder.

Fig. 68. Prisma zweiter Stellung mit Rhomboeder.

47

Fig. 69.

nennt letzteres das nächststumpfere Rhomboeder; z. B. ist (0112) das nächststumpfere zu (1011) (Fig. 69); dieses das nächststumpfere zu (0221), dieses das nächststumpfere zu (4041). Beispiele: Kalkspat, Eisenglanz, Korund, Rotgültigerz. Wichtig ist im hexagonal-rhomboedrischen System die Hernimorphie, in der z. B. Turmalin (Fig. 70) kristallisiert. In dieser Klasse treten als Symmetrieelemente nur eine dreizählige, polare Hauptachse und drei vertikale S. E. auf, die sich unter 60° schneiden. Kennzeichnend ist für beiderseits ausgebildete Kristalle die Verschiedenheit der Beendigungen auf der Ober- und der Unterseite (Fig. 70). Die Rhomboeder sind polar (in Fig. 70 je zwei Rhomboeder, die am oberen Ende steiler sind als am unteren), ebenso die Pyramiden und Skalenoeder. Neben dem sechsseitigen Prisma zweiter Stellung (Fig. 70) sind in dieser Klasse die beiden dreiseitigen Prismen (lOlO) und (0110) charakteristisch (letzteres Prisma in Fig. 70).

Fig. 71a. Linkes trigonales Trapezoeder.

Fig. 70.

Fig. 71b. llechtcs trigonales Trapezoeder,

Die Form der Mineralien

48

Wichtig ist die Tetartoedrie; sie wird in erster Linie bei Quarz beobachtet. Die Symmetrie dieser Klasse kennzeichnen eine dreizählige Hauptachse und drei polare Achsen, womit sich enantiomorphe1) Kristallformen ergeben; diese können nur spiegelbildlich zur Deckung gebracht werden, verhalten sich also wie rechte und linke Hand. Augenfällig erschließt dies das linke und rechte Trapezoeder (Fig. 71aund b), die z. B. als x (6löl) bzw. (5161) am Links- und Rechtsquarz der Fig. 72 a und b auftreten. Die Trapezoederflächen gehören einer dihexagonalen Dipyramide (Fig. 5G) an, die aber nur mit dem Fig. 72a. Fig. 72b. vierten Teil ihrer 24 Flächen aufLinksquarz.

Ilechtsquarz.

tritt;

dah(Jr

^

B e z e i c h n u n g

t r a p e

.

zoedrische Tetartoedrie. Weitere Flächenformen dieser Klasse sind u. a. das Prisma erster Stellung (p der Fig. 72), dann — wie die Trapezoeder — stellungsverschiedene Rhomboeder (r und r' der Fig. 72), dreiseitige Doppelpyramiden (z. B. s in Fig. 72) sowie dreiseitige Prismen. 4. Tetragonales 2 ) System (Außer der vierzähligen Hauptachse c zwei unter sieh gleiche, von der Hauptachse verschiedene Nebenachsen a; die drei Achsen stehen aufeinander senkrecht.)

Einlache holoedrische Formen (Symmetrieelemente: Die Hauptachse ist eine vierzählige Deckachse; 2 + 2 + 1 S.B., 2 + 2 zweizählige S.A., S.Z.)

1. Telragonale Dipyramiden, begrenzt von 2 x 4 gleichschenkligen Dreiecken; die Nebenachsen können durch die Ecken oder durch die Mitten der Seitenkanten gehen (Fig. 73 a und b). Die Flächen äußerlich gleicher Formen können demnach gegen die Achsen verschieden liegen. Man unterscheidet: l a . Dipyramiden erster Stellung (Fig. 73a). Die Achsen gehen von Ecke zu Ecke; die Nebenachsen werden im gleichen Verhältnis geschnitten. Grundpyramide (111), andere (112), (221). I b . Dipyramiden zweiter Stellung (Fig. 73b). Die Nebenachsen gehen durch die Mitte der Seitenkanten; eine Fläche geht je einer Nebenachse parallel, also (101) oder (102), (201) usw. *) enantios - gegenüberstehend (entgegengesetzt), morphe = Gestalt. 2 ) auch quadratisches System

Tetragonales System

49

2. Ditetragonaìe Dipyramide, auch achtseitige Doppelpyramide genannt (Fig. 74), begrenzt von 2 x 8 ungleichseitigen Dreiecken; eine Fläche schneidet die drei Achsen in verschiedenem Verhältnis, z. B. (321). 3. Tetragonale Prismen; sie sind begrenzt von vier gleichwertigen Flächen, die sich unter 90° schneiden, der Hauptachse parallel gehen und zu den Nebenachsen dieselbe verschiedene Lage haben können wie die Flächen der tetragonalen Dipyramiden. Die äußerlich gleichen Formen werden demnach unterschieden als:

Fig. 73 a. Tetragonale Dipyramide erster Stellung,

Flg. 73 b. Tetragonale Dipyramide zweiter Stellung.

Fig. 74. Ditetragonaìe Dipyramide.

3 a. Prisma erster Stellung (Fig. 75 a). Die Nebenachsen gehen von Kante zu Kante und werden im gleichen Verhältnis geschnitten. (110). 3 b. Prisma zweiter Stellung (Fig. 75 b). Die Nebenachsen gehen durch die Mitte der Flächen; eine Fläche ist außer der Vertikalachse auch je einer Nebenachse parallel. (100). 4. Achtseiliges Prisma (Fig. 76), auch ditetragonales Prisma genannt, ist begrenzt von acht gleichwertigen Flächen, die unter

Fig. 75a. Tetragonales Prisma erster Stellung. 4

F i g . 76 b. Tetragonales Prisma zweiter Stellung.

Erauns-Chudoba, Allg. Mineralogie

Fig. 76. Achtseitiges Prisma.

50

Die Form der Mineralien

abwechselnd gleichen Winkeln zusammentreffen, die Nebenachsen in verschiedenem Verhältnis schneiden und der Vertikalachse parallel gehen; z. B. (310). 5. Basis (Endfläche), geht den Nebenachsen parallel, (001). In den Figuren 75 und 76 bildet sie die Endbegrenzung der Prismen (als Pinakoid). Kombinationen. Fig. 77 stellt ein Prisma mit Dipyramide gleicher Stellung, Fig. 78 zwei Dipyramiden gleicher Stellung vor. Beide sind als Formen erster Stellung (abgekürzt: St.) gezeichnet,

vV Fig. 77. Prisma und Dipyramide gleicher Stellung.

Fig. 78. Zwei Dipyramiden gleicher Stellung.

Fig. 80. Prisma zweiter Stellung mit Dipyramide erster Stellung und Basis.

Fig. 79. Prisma und Dipyramide verschiedener Stellung.

Fig. 81. Prisma zweiter Stellung mit Dipyramide erster Stellung und einer achtseitigen Doppelpyramide.

könnten aber nach einer Drehung um 45° um die Hauptachse c auch als solche zweiter Stellung aufgefaßt werden. Fig. 79 stellt Prisma und Dipyramide verschiedener Stellung vor, gezeichnet als Prisma zweiter und Dipyramide erster Stellung. In Fig. 80 ist ein Prisma zweiter, eine Dipyramide erster Stellung und die Basis gezeichnet; in Fig. 81 ein Prisma zweiter Stellung mit einer Dipyramide erster Stellung und einer achtseitigen Doppelpyramide, also (100) • (111) • (311). Beispiele: Zirkon, Vesuvian, Apophyllit. Hernieder sind nicht häutig. Aus den Dipyramiden erster Stellung entstehen Disphenoide, ähnlich den Tetraedern des kubi-

Orthorhombisches System

51

sehen Systems, nur sind ihre Flächen nicht gleichseitige, sondern gleichschenklige Dreiecke. Kupferkies kristallisiert in dieser Hemiedrie. 5. Orthorliombisches System (Drei ungleiche, zueinander senkrechte Achsen. Irgendeine von den drei Achsen nimmt man zur Vertikalachse c, die längere der beiden anderen als Querachse b, die kürzere dann als Längsachse a.)

Einfache holoedrische Formen

(Symmetrieelemente: 3 ungleiche, zueinander senkrechte zweizählige S.A., 1 + 1 + 1 S . E . und S.Z.)

1. Orthorhombische Dipyramiden (Fig. 82), begrenzt von 2 x 4 ungleichseitigen Dreiecken; ihre Flächen schneiden alle drei Achsen,

Fig. 83. Vertikalprisma.

Fig. 84. Längsprisma mit Vertikalprisma.

F i g . 85. Querprisma mit Vertikalprisma.

die von Ecke zu Ecke gehen, Grundpyramide (111), andere (113), (221). 2. Orthorhombische Prismen, begrenzt von vier einer Achse parallelen Flächen, die sich unter schiefen Winkeln schneiden. Nach der Lage ihrer Flächen zu den Achsen unterscheidet man: 2a. Vertikalprismen (Fig. 83). Die Flächen gehen der Vertikalachse parallel, z. B. (110), andere (210), (130). 2 b. Längsprismen (Fig. 84, die kleinen Flächen oben). Die Flächen gehen der Längsachse parallel. (011), andere (012), (031). 2 c. Querprismen (Fig. 85, die kleineren Flächen). Die Flächen gehen der Querachse parallel. (101), andere (102), (201). 3. Endflächen, jeweils Flächenpaare mit einem Symmetriezentrum, d.h. Fläche und parallele Gegenfläche (Pinakoide); sie gehen zwei Achsen parallel und stehen auf der dritten senkrecht. Die Endflächen haben demnach die Lage der drei Spiegelebenen; ihre Kanten sind die Achsenrichtungen. 4*

52

Die Form (1er Mineralien

3 a . Längspinakoid (die seitliche Fläche in Fig. 86 und ihre parallele Gegenfläche), geht der Längsachse (a) und der Vertikalachse (c) parallel. (010). 3 b . Querpinakoid (die vordere Fläche in Fig. 86 und ihre parallele Gegenfläche), geht der Querachse (b) und der Vertikalachse (e) parallel. (100). 3 c. Tiasispinakoid (die obere Fläche in Fig. 86 und die ihr parallele Gegenfläche), geht der Längs(a) und Querachse (b) parallel. (001). Fig. 86. Die drei rhombischen

Endflächen.

,

Die Kombinationen .

,

n

finden verschiedene Deu3.

,

,

tung, je nachdem man die eine oder die andere der drei Achsen zur Vertikalachse wählt. Bei prismatischen Kristallen läßt man in der Regel die Vertikalachse den langen Prismenkanten parallel gehen. So ist der in Fig. 87 gezeichnete Kristall von zwei Vertikalprismen — (110) und (120) — und einer Iiipyramide a: b : c = (111) begrenzt. Der in Fig. 88 gezeichnete Kristall wird umschlossen von einem Vertikalprisma (n = 110), einem Längsprisma (k = 021), einem

M

l-'iR. 87 K o m b i n a t i o n v o n zwei orthorhombischen V e r t i k a l p r i s m e n mit einer D i p y r a m i d e .

Fig. 88. Siehe T e x t .

Fig. 89. D i p y r a m i d e m i t einer stumpferen Bipyramide, der B a s i s und einem Längsprisma.

Querprisma (d = 101), einer Pyramide (e = 111) und den drei Endflächen: Längspinakiod ( T = 010), Querpinakoid (JW = 100) und Basispinakoid (001). Der in Fig. 89 dargestellte Kristal] ist von einer Dipyramide (111), einer stumpferen Dipyramide (113), der Basis (001) und einem Längsprisma (011) begrenzt. Beispiele: Schwefel, Arsenkies, Olivin, Topas, Andalusit, Staurolith, Aragonit, Schwerspat, Cölestin u. a.

Monoklines System

53

C. M o n o k l i n e s S y s t e m [Drei ungleiche Achsen, zwei d a v o n (a, c) schneiden sich schiefwinklig, die d r i t t e (b) s t e h t s e n k r e c h t zu b e i d e n . ]

Einfache holoedrische Formen ( S y m m e t r i e e l e m e n t e : S.E. m i t d a r a u f s e n k r e c h t e r zweizähliger S.A., S.Z.)

Die flächenreichste einfache Form ist im ganzen von vier Flächen — zwei Flächen und den ihnen parallelen Gegenflächen — begrenzt. F ü r sich können daher einfache Formen nicht vorkommen, weil sie den Raum nicht umschließen. Alle monoklinen Kristalle

\

t\

1 F i g . 90. K o m b , von Vertikalprisma, Querfläche, Längsfläche und Längsprisma.

F i g . 91. K o m b , von Vertikalprisma (T), L ä n g s f l ä c h e ( M ) , Basis ( P ) , zwei Q u e r f l ä c h e n \x,y) u n d einer P y r a m i d e (o).

sind Kombinationen mehrerer Flächenformen. Die Deutung der Flächen h ä n g t von der Wahl der Achsen a b ; die beiden schiefwinkligen Achsen wählt man so, daß sie in der Spiegelebene liegen und Kristallkanten parallel gehen, die dritte ist senkrecht zur Spiegelebene und daher gegeben. Die eine der schiefwinkligen Achsen stellt man dann vertikal (c), die andere läßt man vom Beobachter nach hinten aufsteigen (a); sie ist also die Längsachse, während die dritte dann als Querachse (b) verläuft. Die Flächen, die am aufrecht gestellten Kristall oben vorne liegen, nennt man vordere, jene, die oben hinten liegen, hintere Flächen. Folgende Flächenformen werden unterschieden: 1. Pyramiden, eigentlich nur „ H e m i p y r a m i d e n " ; sie schneiden alle drei Achsen; z. B. (111) (in Fig. 91 ist die mit o bezeichnete Fläche eine untere Pyramidenfläche I i i der parallelen oberen — aber hinteren — 111; in der Fig. nicht sichtbar).

54

Die Form der Mineralien

2. Prismen: ihre Flächen gehen einer Achse parallel und schneiden die beiden anderen Achsen. 2 a. Vertikalprismen. Die Flächen gehen der Vertikalachse parallel; z. B. (110) (T in Fig. 91). 2b. Längsprismen. Die Flächen gehen der Längsachse parallel; z. B. (011) (Fig. 90 oben). 2 c. Querprismen bestehen nur aus einer Fläche und der parallelen Gegenfläche (Querprismenpaar), die der Querachse parallel gehen; z. B. (101) (in Fig. 91 die Flächen x = 101, y = 201). 3. Endflächen, zwei Flächen, die zwei Achsen parallel gehen: 3a. Längsfläche: geht der Längsachse und der Vertikalachse parallel. (010) (M in Fig. 91). 3b. Querfläche: geht der Querachse und der Vertikalachse parallel. (100), in Fig. 90 die vordere sechsseitige Fläche. 3c. Endfläche oder Basis: geht der Längs- und Querachse parallel. (001) ( P in Fig. 91). Kombinationen. Die Deutung der Flächen hängt von der Wahl der Achsen ab. Bei dem in Fig. 90 gezeichneten Kristall geht die Vertikalachse (c) den langen Kanten, die Längsachse (a) der schief aufsteigenden Kante parallel. Als Flächen liegen vor: ein Vertikalprisraa (110), die Querfläche (100), die Längsfläche (010) und ein Längsprisma (011). Bei dem in Fig. 91 gezeichneten Kristall soll die Vertikalachse den langen Kanten (der Zonenachse der Zone mit den Flächen T und M), die Längsachse der kurzen Kante zwischen P und M parallel gehen; es liegen dann vor: Vertikalprisma T = (110), die Längsfläche M = (010), die Basis P = (001), zwei Querflächen x = (101) und y = (201) und eine hintere Pyramide o = (111). (In der Fig. sind die unteren parallelen Gegenflächen von x, y und o sichtbar.) Beispiele: Kalifeldspat, Augit, Hornblende, Gips.

7. Triklines System (Drei ungleiche, zueinander schiefe Achsen.)

Einfache holoedrische

Formen

(Symmetrieelemente: Keine S . E . , keine S.A., nur S.Z.)

Jede einfache Form im triklinen System besteht nur aus einem Flächenpaar (aus einer Fläche und der ihr parallelen Gegenfläche);

Triklines System

55

daher ist jeder trikline Kristall eine Kombination von verschiedenen Flächenpaaren. Die Deutung und Benennung der Flächen ist von der Wahl der Achsen abhängig. Man wählt die Achsen auch hier so, daß sie drei Kristallkanten parallel gehen; eine Achse wird vertikal gestellt, von den beiden anderen läßt man die kürzere als Längsachse auf sich zugehen, die längere verläuft dann quer und schief. Man nennt dann die Flächen, die alle drei Achsen schneiden, Pyramiden, obwohl sie nur je aus einem Flächenpaar bestehen. Flächenpaare parallel der Vertikalachse sind Vertikalprismen, parallel der Längsachse Längsprismen, parallel der Querachse Querprismen. Die Fläche, die der Längs- und Vertikalachse parallel geht, nennt man Längsfläche, die, die der Querachse und Vertikalachse parallel geht, Querfläche, und die der Längs- und Querachse parallele Fläche Basis. An dem in Fig. 92 gezeichneten Kristall soll die Vertikalachse den langen Kanten (zwischen den

f

Fig. 92.

Flächen T, l, M), die Längsachse der schief aufsteigenden Kante zwischen P und M, und die Querachse der oben von links nach rechts gehenden längeren Kante parallel gehen; es liegen dann vor: Vertikalprismen T — (110) und l = (110), Längsfläche M = (010), Basis P = (001), Querfläche x = (lOl) unten links, und Pyramide o = (111), unten rechts. An jedem triklinen Kristall stehen alle Flächen und alle Kanten schief zueinander; rechte Winkel kommen nicht vor. Beispiele: Albit,

Trikliner Kristall. Axinit, K u p f e r v i t r i o l .

Gesetzmäßige Verwachsungen Kristalle der gleichen chemischen Substanz können in verschiedener Weise miteinander verwachsen sein: entweder sind die Flächen des einen Kristalls den gleichwertigen Flächen des anderen parallel — Parallelverwachsungen —, oder die Flächen des einen liegen ganz unregelmäßig zu denen des anderen — Kristallgruppe. Darüber hinaus können zwei oder mehrere Einzelkristalle in einer gesetzmäßigen Orientierung miteinander auftreten, die als Zwillingsverwachsung bezeichnet wird; bei dieser sind die Einzelkristalle entweder durch eine Spiegelung nach einer Ebene oder durch eine

56

Die F o r m der Mineralien

Tab. 1 : Die 82 Kristallklassen Nr.

System

Klasse*)

1

— holoedrische (hexakisoktaedrische) Kl.

2

Tetraedrlsch-hemiedrische (hexakistetraedrischc) Kl.

3

Kubisch

4

Symbole2)

Symmetrie Ebenen Achsen

°h 4 — 2 3+6 — 3 m m

3U

_Td 4 3m

6

3 4 AP

3

40

Th Pentagonal-hemiedrische (disdodeka- 1 S* edrische) Kl. m Gyroedrische (penta0 gonikositetra4 3 2 edrische) Kl.

-

Zentrum

4t> 6«



11 6•

O .C S a« S° V

+



-



+





+

-

+

5

Tetartoedrische (tetraedrisch-pentagondodekaedrische) Kl.

2 3

6

— holoedrische (ditetragonal-dipyramidale) Kl.

D\h 4 2 2 m m m

7

— hemimorphe (ditetragonalpyramidale) Kl.

4mm

8

Cih — pyramidal-hemiedrische (dipyrami- 4 dale) Kl. m

1

— trapezoedrische (trapezoedrische) Kl.

-

2 + 2»

-

i HP



+

î t> 2•









9

Tetragonal

T

Ci v

-

3« 4 AP

1+2 + 2

2 + 2»

+

2+ 2

IBP

-



+

-

Di 4 2 2

10

— hemimorph-hemiCi edrische (pyrami4 dale) Kl.

11

— sphenoidische (skalenoedrische) Kl.

12

— sphenoidisch-tetartoedrische (disphenoidische) Kl.

Dï dWd) 2 4 2 m 4

S,

1

+

-

') In Klammern und bei •) nach P. Qroth. *) Obere Reihe nach Schoenflies, untere Reihe nach Eermann-Mauguin. Abk. p = polar; I, II, I I I = erster, zweiter, dritter Stellung.

57

Die 32 Kristallklassen

Einfache Flächenformen hkl

hhl

PyraHexakismidenoktaeder oktaeder Hexakis- Deltoiddodetetraeder kaeder Diploeder Pyra(Disdode- midenkaeder) oktaeder

hll Ikositetraeder Pyramidentetraeder Ikositetraeder

Pentagonikositetraeder Tetraedrische Pentagondodekaeder

Pyramidenoktaeder

Ikosite tra ed er

Deltoiddodekaeder

Pyramidentetraeder

hkl

hkO

in

110

Pyramidenwürfel Pyramidenwürfel

RhomOktaeder bendodekaeder RhomTetraeder bendodekaeder PentaRhomgondode- Oktaeder bendodekaeder kaeder Pyramidenwürfel

100 Würfel Würfel Würfel

Rhombendodekaeder

Würfel

PentaRhomgondode- Tetraeder bendodekaeder kaeder

Würfel

Oktaeder

hhl

hOl

kkO

110

100

001

Ditetragonale Dipyramide

Tetrag. Dipyramide I

Tetrag. Dipyramide I I

Ditetrag. Prisma

Tetrag. Prisma I

Tetrag. Prisma I I

Basis« pinakoid

Ditetrag. Pyramide Tetrag. Dipyramide Tetrag. Trapezoeder

Tetrag. Pyramide I Tetrag. Di Pyramide I Tetrag. I)i Pyramide I

Tetrag. Pyramide I I Tetrag. Dipyramide I I Tetrag. Di Pyramide I I

Ditetrag. Prisma

Tetrag. Prisma I

Tetrag. Prisma I I

Basispedion®)

Tetrag. Pyramiden I I I

Tetrag. Pyramide I Tetrag. Disphenoidl

Tetrag. Pyramide I I Tetrag. Pipyramide I I Tetrag. Disphenoid I I

Tetrag. SkaIenoeder Tetrag. Disphenoid I I I

Tetrag. Disphenoid I

') Einzelfläche.

Tetrag. Tetrag. Prisma I I I Prisma I

BasisTetrag. Prisma I I pinakoid

Tetrag. Prisma I

Tetrag. Prisma I I

Basispinakoid

Tetrag. Tetrag. Prisma I I I Prisma I

Tetrag. Prisma I I

Basispedion

Tetrag. Prisma I

Tetrag. Prisma I I

Basispinakoid

Tetrag. Tetrag. Prisma II] Prisma I

Tetrag. Prisma II

Basispinakoid

Ditetrag. Prisma

Ditetrag. Prisma

58

Die Form der Mineralien

Nr. System

Klasse 1 )

Symbole")

13

— holoedrische (dihexagon aldipyramidale) Kl.

Ii

— hemlmorphe (dlhexagonalpyramidale) KI.

ie

— pyramidal-hemiedrische (hexagonalm dlpyramldale) Kl.

16

Hexagonal

— trapezoedrlsche (hexagonaltrapezoedrische) Kl.

Deh 6 2 2 m m m Cm 6mm

— hemimorph-hemlC6 edrische (hexagonalpyramidale) Kl. 6

18

Ditrtgonaldlpyramidale Kl.*)

19

Trigonaldipyramidale Kl.*)

20

— holoedrische (ditrigonalskalenoedrische) Kl. — hemlmorphe (ditrigonal-pyramidale) Kl.

22

Dad

"8

A Cav

3 m

-

3+ 3

1 « P

-



1

1 *

+



-

+

1 « —

3+ 3 •

-

1 « P



+

1+ 3

1 A 3 • p



-

1

1 A

3

io

3

1 AP





-

10

+



— trapezoedrische (trigonaltrapezoedrische) Kl.



+

— tetartoedrische (trigonal-pyramidale) Kl.

3

-

+

-

Ca -





3 «

Cai ~3

°

a

§CD a

+

m

« co

24

— hemledrische (rhomboedrische) Kl.

Cah ~6

O.C s p.

1 • 3+ 3 »

q

23

Hexagonalrhomboedriscb

Jhh ~6 m 2

Zentrum

1+ 3 + 3

Da 6 2 2

17

21

Symmetrie Ebenen Achsen

1 A 3 tP

Ap



Die 32 Kristallklassen

59

Einfache Flächenformen 1120

1010

0001

Dihexag. Prisma

Hexag. Prisma I I

Hexag. Prisma I

Hexag. Baslspinakold

Dihexag. Prisma

Hexag. Prisma I I

Hexag. Prisma I

Hexag. Basispedlon

Hexag. Hexag. Prisma I I I Prisma I I

Hexag. Prisma I

Hexag. Basispinakoid

Hexag. Prisma I I

Hexag. Prisma I

Hexag. Basispinakoid

Hexag. Hexag. Prisma I I I Prisma I I

Hexag. Prisma I

Hexag. Basispedion

Hexag. Prisma I I

Trigonales Prisma I

Trigon. Basispinakold

TrigoTrigonale Trigonale Trigonale Trigonales nales DipyraDipyraDipyramide I I I mlde I I mide I Prisma I I I Prisma I I

Trigonales Prisma I

Trigon. Baslspinakoid

Ditrlgonales Skalenoeder

Hexag. Dipyramide I I

Tihomboeder I

Dihexag. Prisma

Hexag. Prisma I I

Hexag. Prisma I

Hexag. Basispinakoid

Ditrlgonale Pyramide

Hexag. Pyramide I I

Trigonale Pyramide I

Ditrigonales Prisma

Hexag. Prisma I I

Trigonales Prisma I

Trigon. Basispedion

Rhomboederlll

Rhomboeder I I

RhomHexag. Hexag. boeder I Prisma I I I Prisma I I

Hexag. Prisma I

Hexag. Basispinakoid

Trigonales Trapezoeder

Trigonale Di pyramide I I

Rhomboeder I

Dltrigonales Prisma

Trigonales Prisma I I

Hexag. Prisma I

Hexag. Basisplnakold

TriTrigonale Trigonale Trigonale TriPyraPyragonales gonales Pyramide I I I mide I I mide I Prisma I I I Prisma I I

Trigonales Prisma I

Trigon. Basispedion

hitl

hhZhl

|

hOhl

AiifcO

Dihexagonale Dipyramlde

Hexag. Dipyramide I I

Hexag. Dipyramlde I

Dihexag. Pyramide

Hexag. Pyramide I I

Hexag. Pyramide I

Hexag. Dlpyramlde I I I

Hexag. Dipyramlde I I

Hexag. Dipyramide I

Hexag. Trapezoeder

Hexag. Dipyramide I I

Hexag. Dip.vramlde I

Hexag. Pyramide I I I

Hexag. Pyramide I I

Hexag. Pyramide I

DI trigonale Dipyramide

Hexag. Dipyramide I I

Trigonale Dipyramide I

Dihexag. Prisma

Ditrigonales Prisma

|

60

Die Form der Mineralien

1

Nr.

— holoedrische (dipyramidale) Kl.

25

26

Symbole')

Orthorhombiach

- hemimorphe (pyramidale) Kl.

27

— hemiedrische (disphcnoidische)

28

— holoedrische (prismatische) Kl.

29

Monoklin

— hemimorphe (sphenoidische) Kl.

30 31 Triklin 32

— hemiedrische (domatische) Kl.

D2h(V2) 2 2 2

m mm 02V mm 2

Symmetrie Ebenen Achsen

So J= ft iG « °6

1+ 1 + 1

1+ 1 + 1 •

+



1+ 1

1 1 P

-



-

1+ 1 + 1 1

-

+

1

1 •

+



1

-

-



-

1 » P

-

+

-

-

+



-



-

+

Dz(V) 2 2 2

Zentrum

Czh 2

m Cs m Ci 2

Ci

— holoedrische (pinakoidale) Kl.

1

Asymmetrische (pediale) Kl.

1

C,

180"-Drehung um eine Achse in Parailelstellung und damit zur Deckung zu bringen. Aber auch gesetzmäßige Verwachsungen ungleichartiger Kristalle sind vielfach bekannt und erwähnenswert (S. 63). Zwillinge sind also gesetzmäßige Verwachsungen zweier oder mehrerer gleichartiger Kristalle, deren gegenseitige Orientierung kristallographisch durch eine Symmetrieebene (Zwillingsebene) oder Symmetrieachse (Zwillingsachse) angegeben werden kann, je nachdem ob die Teilkristalle durch eine Spiegelung oder Drehung ihre Zwillingsstellung (vgl. oben) deuten lassen. Man unterscheidet Berährungs- und Durchkreuzungszwillinge, je nachdem sich die Einzelkristalle in einer Ebene berühren (Fig. 93) oder durchkreuzen (Fig. 94). Die Zwillingsebene ist immer eine Fläche mit einfachen Indizes, an regulären Kristallen

61

Gesetzmäßige Verwachsungen Einfache Flächenformen Kkl

MO

hOl

OH

100

010

001

Rhomb. Dipyramide

Vertikalprisma

Querprisma

Längsprisma

Querpinakoid

Längspinakoid

Basispinakoid

Rhomb. Pyramide

Vertikalptisma

Qucrdoma 1 )

Längsdoma

Querpinakoid

Längspinakoid

Basispedion

Rhomb. Disphenoid

Vertikalprisma

Querprisma

Längsprisma

Qucrpinakoid

Längspinakoid

Basispinakoid

Prisma

Vertikalprisma

Querprismenpinakoid

Längsprisma

Querpinakoid

Längspinakoid

Basispinakoid

Pyramidendoma

Vertikaldoma

Querpedion

Längsdoma

Querpedion

Längspinakoid

Basispedion

Pyramidensphenoid

Vertikalsphenoid

Querprismenpinakoid

Längssphenoid

Querpinakoid

Längspedion

Basispinakoid

Alle Flächen sind der jeweiligen Schnittlage entsprechende Alle Flächen sind der jeweiligen Schnittlage entsprechende

&

Fig. 93. BerührungszWilling von zwei Oktaedern (Spinell).

Pinakoide Pedien

Fig. 04. Durchkrcuzungszwilling von zwei Würfeln (Flußspat).

a m h ä u f i g s t e n eine O k t a e d e r f l ä c h e ( F i g . 93), an t e t r a g o n a l e n Kristallen z. B. eine B i p y r a m i d e zweiter S t e l l u n g ( F i g . 95), a n r h o m b o p d r i s c h e n K r i s t a l l e n oft die B a s i s ( F i g . 96), an o r t h o r h o m 4 ) Donia, gr. Dach = Flächenpaar, das aus zwei zu einer Spiegclebene geneigten spiegelbildlich gleichen Flächen besteht.

Die Form der Mineralien

62

bischen Kristallen ein Prisma (Fig. 97), an monoklinen Kristallen nicht selten die Querfläche (Fig. 98), an triklinen Kristallen häufig die Längsfläche (Fig. 99). Fast an allen Zwillingen treten charakteristische, einspringende Winkel auf. Durch vielfach wiederholte Zwillingsbildung nach einer Fläche, der sog. polysynthetischen Verzwillingung, entsteht

Fig. 95. Zwilling des Zinnsteins (Graupe) nach (101).

Fig. 96. Kalkspatzwilling nach (0001).

Fig. 97. Aragon! tzwilling nach (110).

Fig. 98. Augitzwilling nach (100).

oft eine kennzeichnende Streifung, z. B. auf der Spaltfläche (001) trikliner Feldspäte, die polysynthetisch nach der Längsfläche (010) verzwillingt sind. Bei Durchkreuzungszwillingen ist die Verwachsungsebene sehr häufig ganz unregelmäßig und durch die „Zwillingsnaht" (Fig. 100) erkennbar, an der unter anderem ein Absetzen einer Flächenstreifung, ein Zusammentreffen glänzender und matter Ebenen usw. vorliegt. Orthorhombische Kristalle mit einem Prismenwinkel von nahezu 120° können durch Zwillingsbildung nach verschiedenen Flächen der gleichen Kristallform eine hexagonale Ausbildung zeigen

Fig. 99. Albitzwiiling nach (010).

Fig. 100. Zwillingsnähte bei Quarz (Dauphinier-Zw.).

Fig. 101. Pyritzwilling nach (110).

Aggregat

63

(Wendezwillinge, z. B. als Drillinge der Aragonitgruppe). Solche Kristalle, die hierbei eine höhere Symmetrie nachahmen, nennt man auch mimetische Kristalle. Eine Spiegelebene ist niemals Zwillingsebene, weil durch eine symmetrische Verwachsung nach einer solchen nur eine Parallelverwachsung entsteht. In Berührungszwillingen wird die Zahl der Spiegelebenen durch die Zwillingsebene um eine vermehrt. Zwillingsverwachsungen mit parallelen Achsen sind bei hemiedrischen (Fig. 101, Durchkreuzung von zwei Pentagondodekaedern) und tetartoedrischen Formen möglich. Strukturelle Deutung der Zwillingsbildungen s. S. 86.

Gesetzmäßige Verwachsung ungleichartiger Kristalle (Epitaxie) Sie ist durch eine bestimmte gesetzmäßige Orientierung zweier miteinander verwachsener Kristalle (Gast und Trägermineral) gekennzeichnet, wobei beide mindestens eine Kristallfläche und eine Zonenrichtung gemeinsam haben. Sehr bekannt ist die Epitaxie 1 ) von Disthen mit Staurolith (Fig. 102, großer Kristall Disthen), bei der die Fläche (100) von Disthen mit der Fläche (010) von Staurolith bei gemeinsamer c-Achse parallel liegen. Auf Orthoklas aufsitzendekleineAlbitkriställchen(Fig. 103) haben die Zonen der a- und c-Achse parallel. Andere gesetzmäßige Verwachsungen wurden u. a. zwischen Eisenglanz und Rutil, Zinkblende und Kupferkies, aber auch an verschiedenen künstlichen Substanzen auf expeFig. 103. Fig. 102. rimenteller Basis beobachtet. Über die Ursache der orientierten Verwachsungen s. S. 87.

Aggregat nennt man die Häufung von vielen dicht aneinander gedrängten Kristallindividuen, die keine Kristallflächen besitzen, weil der Raum und Ort der Entstehung die Ausbildung zu Kristallen hinderte (vgl. S. 13). Ein solches Aggregat ist z. B. der weiße Marmor, der aus dicht gedrängten Körnern von Kalkspat besteht. Die Aggregate nennt man 1

) gr. ¿pitaxis = AnordnUDg.

64

Die Form der Mineralien

je nach der Beschaffenheit der einzelnen Individuen körnig (grob-, mittel-, feinkörnig, dicht), faserig (parallel- und radialfaserig), stenglig, schuppig, schalig usw. Eine besondere Art der Aggregate heißt Glaskopf; sie sind radialfaserig mit rundlicher, nierenförmiger, meist glänzender Oberfläche. Besonders gebräuchlich ist der Name für so beschaffenen Rot- und Brauneisenstein. Amorph (formlos) nennt man diejenigen festen Substanzen, denen die Kennzeichen des kristallisierten Zustandes fehlen. Sie sind niemals von ebenen Flächen begrenzt, aber auch niemals körnig oder faserig, sondern durch ihre ganze Masse hindurch chemisch und physikalisch vollkommen gleichmäßig beschaffen; niemals lassen sie auch nur eine Spur von Spaltbarkeit erkennen, vielmehr ist der Zusammenhang in allen Richtungen gleich. Die physikalischen Eigenschaften sind von der Richtung unabhängig, d.h. nach allen Richtungen gleich (isotrop). Die natürliche freie Oberfläche ist oft wie eine getropfte Masse kugelig gerundet. Der bekannteste amorphe Körper ist das Glas, das aber kein Mineral ist. Vulkanische Gläser der Natur sind häufig kristallin (entglast). Unter den amorphen Mineralien ist Opal am häufigsten. Manche Mineralien haben ein amorphes Aussehen, sie sind aber nur „dicht"; sie bestehen aus kleinen Körnchen, die allerdings manchmal mikroskopisch klein sind. So ist z. B. dichter Kalkstein nicht amorph, sondern feinkörnig, und er besteht aus lauter kleinen Körnchen, die dieselben Eigenschaften wie Kalkspat besitzen. Amorphe Körper können im Laufe der Zeit kristallinisch werden; aus Opal kann sich Chalcedon entwickeln. Amorph sind auch verschiedene Kolloide1), die ihrer Teilchengröße nach (10 -5 —10~ 7 cm Durchmesser) Übergangsglieder zu Molekülen und Ionen darstellen. Die Kolloide im Mineralreich sind aber fast immer kristallin. Brauner Glaskopf, Schalenblende u. a. sind z. B. gealterte Kolloide. L ü s u D g s f o r m e n . Wie in den Wachstumsformen der Kristalle ilire Symmetrie zum Ausdruck k o m m t , so auch, und noch viel gr. kolla = L e i m . D a s W o r t „air.orpli'* s t ü t z t e sich f r ü h e r n u r auf die ä u ß e r e Gestalt.

Der Feinbau der Kristalle

65

schärfer, in den Lösungsformen. Diese werden erhalten, wenn die Kristallflächen mit einem nicht zu heftig angreifenden Lösungsmittel behandelt werden. Besonders charakteristisch sind kleine, oft mikroskopisch kleine Vertiefungen auf den Flächen, die wegen ihres Zustandekommens durch Ätzung der Fläche mit einem Lösungsmittel Ätzfiguren genannt werden. Die Erfahrung hat gelehrt, daß Form und Lage der Ätzfiguren immer der Symmetrie der Flächen entspricht, auf der sie liegen. Aus diesem Grunde sind die Ätzfiguren das sicherste Mittel, die Symmetrie der Kristalle (Holoedrie, Hemiedrie, Hemimorphie usw.) auch dann zu erkennen, wenn sie durch Zahl und Lage der Kristallflächen nicht zum Ausdruck kommt. Die Fig. 104a und b. Unterschied der Ätzfiguren bei Links- und Rechtsquarz, a Linksquarz aus Brasilien kommenden mit Alkalikarbonat, b Rechtsquarz mit Bergkristalle sind oft auf Flußslure gefitzt. ihren Prismenflächen mit natürlichen, schief liegenden Ätzfiguren bedeckt, nach deren Richtung man rechte und linke Kristalle unterscheiden kann. Solche Ätzfiguren können bei Quarz auch künstlich durch Ätzalkali (Fig. 104 a) oder durch Flußsäure (Fig. 104 b) hervorgerufen werden; aus letzterer Figur ist noch ersichtlich, daß auch die benachbarten Flächen des Prismas unterschiedliche Ätzfiguren zeigen. Bisweilen ist ein ganzer Kristall teilweiser Auflösung unterworfen gewesen, und Lösungsflächen haben sich an ihm gebildet; zum Unterschied gegenüber den ursprünglichen Flächen sind diese meist gerundet (Gips, Diamant), und ihre Lage kann nicht durch einfache Ableitungszahlen (S. 33) ausgedrückt werden. Eine aus einem Kristall geschliffene Kugel nimmt, mit einem geeigneten Lösungsmittel behandelt, wieder Kristallform an, die man ihren Lösungskörper nennt.

II. Der Feinbau der Kristalle Die einzigartige und vielseitige Gesetzmäßigkeit im äußeren Bau der Kristalle hat schon sehr frühzeitig verschiedene Vorstellungen von ihrem inneren Aufbau angeregt. Diese Gedanken5

Brauns-Chudoba, Allg. Mineralogie

66

Der Feinbau der Kristalle

gänge über die mögliche Anordnung der kleinsten Bausteine im Kristall ergaben sieh oft zwangsläufig aus dem Versuch, bestimmte kristallographische und physikalische Eigenschaften zu deuten und zu verstehen. Zunächst stellten der Schwede Torbern Bergman (1773) und der Franzose Romé de Lisle (1783) die allgemeine Hypothese auf, daß jede Kristallform aus „Primitivformen" ableitbar sei. Diese Idee wurde vor allem durch die am Kalkspat beobachtete Spaltbarlceit nach den drei Flächen des Rhomboeders (vgl. S. 90) getragen und sie verleitete den französischen Forscher René Just Hauy (1782) zu der Anschauung, daß die kleinsten, den Kalkspat aufbauenden Teilchen eine rhomboedrische Form haben. Aber auch alle anderen einfachen Formen, die an Kalkspat auftreten, wurden aus solchen Rhomboederchen durch eine regelmäßige Abnahme (Dekreszenz) von Ebene zu Ebene erklärt. Durch Übertragung und Anwendung dieser Auffassung auch auf andere spaltbare Mineralien gelang es Hauy, für jedes einzelne Mineral die gesamte Formenreihe abzuleiten. Bei einer würfeFig. 106. ligen Spaltbarkeit ergab sich z. B. ein Oktaeder (Fig. 105) durch eine gesetzmäßige Abnahme der lückenlos aneinander gereihten Würfelchen in drei Richtungen. Durch andere Dekreszenzen und durch Änderung der Anzahl der auf einer Fläche angewachsenen Reihen von Spaltformen konnten dann auch andere Flächenlagen zur Ableitung gelangen, so daß sich auf diese Weise das wichtige Gesetz der rationalen Indizes (S. 33) verständlich machen ließ. Die Darlegungen von Hauy über den inneren Aufbau der Kristalle verursachten zahlreiche kritische Stellungnahmen. Schon 1824 gab A. Seeber den Hinweis, daß bei einem „lückenlos geschichteten Bausteinhaufen" das elastische Verhalten (Dehnung und Pressung), aber auch das Wärmeverhalten (Ausdehnung und Zusammenziehung) der Kristalle nicht erklärt werden könne. Er vertrat daher die Ansicht, daß die einzelnen Teilchen „einander nicht unmittelbar" berühren, sondern gewisse Abstände besitzen müssen. Aus diesen Erwägungen heraus ergab sich die Vorstellung, daß an Stelle der Bausteine nur. ihre „Schwerpunktlagen" in einer

Raumgitter

67

gesetzmäßigen Anordnung (in einem Punktsystem) vorliegen, d.h. die Kristalle füllen den von ihnen eingenommenen Raum nicht als Kontinuum aus, sondern sie sind in Wirklichkeit ein Diskontinuum. Diese fundamentale Erkenntnis führte weiter zu der Vorstellung, daß die Kristalle nach Art eines Raumgitters (Fig. 106) gebaut sind, in welchem sich die zunächst kugelig angenommenen Bausteine in bestimmten Abständen dreidimensional wiederholen. Welcher Art nun die einzelnen Raumgitter sein müßten, um die von J. F. G. Hessel (1830) abgeleiteten 32 Kristallklassen zu erklären, hat erstmalig M. L. Frangenheim (1835), später A. Bravais (1850) entwickelt. Von letzterem wurde gezeigt, daß es 14 verschiedene Raumgittertypen gibt, die, einfach oder zusammengesetzt, die Symmetrie der holoedrischen Klassen der verschiedenen Kristallsysteme erklären können. Um die Symmetrie der nicht holoedrischen Klassen zu deuten, mußte Bravais die Annahme machen, daß sich wohl die Schwerpunkte der Bausteine im Kristall mit holoedrischer Symmetrie anordnen, daß aber die Masseneinheiten selbst eine verminderte Symmetrie haben dürften. Der weitere Ausbau der Strukturtheorie knüpft sich in erster Linie an die Namen von L. Sohncke (1867), E. v. Fedorow (1885) und A. Schoenflies (1888); die beiden letzteren Forscher haben abgeleitet, daß es insgesamt 230 verschiedene Raumgruppen gibt, die sich auf die 32 Kristallklassen verteilen. Raumgitter. Ein Raumgitter stellt ein dreidimensionales Punktsystem dar (Fig. 106), das von zweidimensionalen Netsebenen aufgebaut wird, die selbst wieder aus eindimensionalen Punktreihen bestehen. In der Punktreihe haben wir eine Gerade, die in regelmäßigen Abständen, den Identitätsab ständen, mit gleichen Punkten besetzt ist. Die Identitätsabstände in den a-, b- und c-Richtungen sind im allgemeinen voneinander verschieden, ebenso die Winkel a, ß und y zwischen den Punktreihen, die in speziellen Fällen gleich 90 oder 60° sind. Das einen Kristall aufbauende Raumgitter kann durch Angabe von Gestalt und Größe einer einzigen, von acht Eckpunkten ge5*

68

Der Feinbau der Kristalle

bildeten Zelle, der sog. Elementarzelle (auch Elementarkörper), erfaßt werden. Die Gestalt der Elementarzelle wird durch die Achsenrichtungen u n d ihre Winkel, die Größe durch die Länge der Identitätsabstände bestimmt, die so gewählt werden, daß die Elementarzelle alle regelmäßig wiederkehrenden Massenpunkte umschließt. Die Elementarzelle stellt demnach das kleinstmögliche dreidimensionale Parallelepiped dar, das alle dem Raumgitter als Ganzes zukommenden Symmetrien und Anordnungen der Massenpunkte enthält. Die äußerlich an den Kristallen erkennbaren u n d ermittelten Symmetrieelemente (Spiegelebenen, Deckachsen, Drehspiegelebenen u n d Symmetriezentrum) treten als gleichartige Symmetrieelemente auch bei den Raumgittern auf, u n d zwar nicht einzeln, sondern jeweils in Parallelscharen. Zusätzlich ergeben sich aber als neue Symmetrieelemente des Feinbaues: Die Translation, die Schraubenachsen und die Gleitspiegelebenen. So ist die Parallelverschiebung oder Translation in der Größenordnung von Identitätsabständen eine Deckoperation, weil durch sie ein Massenpunkt mit dem nächstgelegenen gleichwertigen (identischen) zur Deckung kommt. Die Schraubenachsen aber entsprechen Deckoperationen, die eine Parallelverschiebung u n d Drehung f ü r den Vorgang einer Deckung voraussetzen (Fig. 107), wobei zwei-, drei-, vier- u n d sechszählige Schraubenachsen möglich sind. Die Translation ist hierbei mit Drehungen von 180°, 120°, 90° u n d 60° verbunden; die Gleitbeträge haben die Länge von % . V ^ V s der Identitätsabstände. In Fig. 107 ist eine vierzählige Schraubenachse dargestellt; Punkt 1 kommt mit P u n k t 2 nach Drehung von 90° und gleichzeitiger Parallelverschiebung um Vi des OJ Identitätsabstandes (Entfernung zwischen P u n k t 1 o s und Punkt 5) zur Deckung; die gleichen Deckoperationen sind f ü r die folgenden 70— Punkte notwendig, die alle entlang einer Schraubenachse liegen. Als Drehungssinn ea ist in den meisten Fällen ein Rechts- oder Linksumlauf zu unterscheiden. Pi Die Verbindung von Spiegelung und -o Gleitung f ü h r t zur Gleitspiegelung. Ein 2 30— P u n k t kommt mit einem anderen durch ^ Spiegelung unter gleichzeitiger Parallelj zd Verschiebung mit sich selbst zur Dekjf kung; der Gleitbetrag ist immer gleich der Fig. 107 Hälfte des Identitätsabstandes (Fig. 108) Fig. 108.

Raumgruppen — Symbole

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Unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen, äußerlich an den Kristallen nicht wahrnehmbaren Symmetrieelementen konnten v. Fedorow und Schoenflies (vgl. S. 67) für den Feinbau 230 verschiedene Raumgruppen ableiten; sie unterscheiden sich durch die Art der ihnen zukommenden Deckoperationen oder Symmetrieelemente. Ihre Zugehörigkeit zu den 32 Kristallklassen wird augenfällig, wenn man diejenigen Raumgruppen zusammenfaßt, die sich voneinander nur dadurch unterscheiden, daß die Achsen gleicher Richtung Deckachsen oder Schraubenachsen, die Symmetrieebenen aber Spiegel- oder Gleitspiegelebenen sind. Die zu einer Klasse gehörigen Raumgruppen haben nach Schoenflies die gleichen Symbole. Die verschiedenen Raumgruppen innerhalb einer Klasse numeriert man nach einem bei der Ableitung derselben benutzten Prinzip. C umschließt die sog. ,zyklischen Gruppen" der Symmetrieelemente, also die Klassen mit polaren Deckachsen: C^ C2, C3, C4 und C6. Treten senkrecht zu den Deckachsen horizontale Spiegelebenen auf, so wird dem Zahlenindex noch h (C211, C311 usw.) beigefügt, während die mit den Deckachsen parallelen (vertikalen) Symmetrieebenen mit v (C2V, Cäv usw.), die diagonalen mit d gekennzeichnet werden. D ( = Diedergruppe) charakterisiert bipolare Deckachsen mit dazu senkrechten zweizähligen Achsen, also D 2 , D 3 , D 4 , D 6 ; statt D 2 wird meist V ( = Vierergruppe) gebraucht. Ci kommt der triklinen Klasse mit nur einem Symmetriezentrum (i)1), Cs = der monoklinen mit nur einer Spiegelebene (s) zu. Im kubischen System bedeutet T die Tetraedergruppe ,0 die Oktaedergruppe. Die Symbole der 32 Kristallklassen nach Schoenflies sind in den Tabellen der S. 56—61 angeführt. Eine weitere Bezeichnungsweise wurde von Hermann-Mauguin vorgeschlagen, die sich immer mehr einbürgert, weil sie anschaulich und konsequent den Gittertyp und die Symmetrie der einzelnen Raumgruppen, darüber hinaus der 32 Kristallarten, kennzeichnet. Die Symbolisierung der Kristallklassen erfolgt durch die Symmetrie in den sog. „Blickrichtungen", die jeweils vorhandenen Symmetrieachsen (Deckachsen) und Normalen zu den Symmetrieebenen (Spiegelebenen) parallel laufen. Die Blickrichtungen in den verschiedenen Kristallsystemen sind: *) Symmetriezentrum = Inversion: zu jedem Punkt ist ein gleichwertiger Gegenpunkt vorhanden.

70 Kristallsystem Triklin Monoklin Orthorhomb. Hex.-rhomboedr. Tetragonal Hexagonal Kubisch

Der Fembau der Kristalle Blickrichtung irgendeine Richtung nur die i-Achse a-, l- und c-Achse 1. c-Achse (Hauptachse) 2. a-Achse (Nebenachse) 3. die Halbierende zweier Nebenachsen •Flächen

Symbole der Deckachsen sind: 1, 2, 3, 4 und 6. Symbole der Inversionsachsen (richtiger Drehinversionsachsen!) sind: 1, m (die zweizählige Drehinversionsachse ist identisch mit der Spiegelebene m, Abk. von mirroir = Spiegel), 3, 4 und 6. Fällt die Normale einer Spiegelebene mit einer Achse zusammen, so wird die Achse im Zähler, die Spiegelebene im Nenner ge2 schrieben, z. B. — oder 2/m (sprich: zwei über m). Die vollständigen Symbole der 32 Kristallklassen nach HermannMauguin sind in den Tabellen der S. 56—61 angeführt. —• Die gekürzten Symbole sind dann möglich, wenn von zwei für die Symbolisierung verwendeten Symmetrieelementen nur eines für die 6 2 2

Erzeugung dieser Symmetrieklasse notwendig ist; s t a t t - — — e r gibt sich z. m. Bei der Bezeichnung der Raumgruppen bedeuten: P (primitives), A, B oder C [einseitig in (100), (010) oder (001) flächenzentriertes], F (allseitig flächenzentriertes), I (innenzentriertes Gitter), R rhomboedrisch, H liexagonal. a, b, c bezeichnen Gleitspiegelebenen in den drei Pinakoiden mit den Translationsrichtungen [100], [010], [001], Liegt eine Achse „ i n " der Spiegelebene, so wird ihre Zahl vor die Ebene gestellt; die Normale einer Spiegelebene, wenn sie mit einer Achse zusammenfällt, h a t die oben dargelegte Bruchbezeichnung. Symmetrieelemente, die sich aus den angegebenen von selbst ergeben, können auch bei der Raumgruppen-Symbolisierung gekürzt werden; dies ist vor allem bei hochsymmetrischen Gruppen der Fall. Der kubisch flächenzentrierte Würfel (Abb. 1 auf Taf. I, S. 80) h a t als Elementarzelle die Symmetrie und das Symbol der Raumgruppe F m 3 m, der innenzentrierte Würfel (Abb. 2 auf der Taf. I) der Raumgruppe I m 3 m, die hexagonal dichteste Kugelpackung

Deutung der Grundgesetze

71

z. B. bei Magnesium (Abb. 3 auf der Taf. I) der Raumgruppe P 6 3 / mmc, das Rhomboeder (Abb. 8 auf der Taf. I) der Raumgruppe R 3 c usw. Eine graphische Darstellung der 230 Raumgruppen ist u. a. in den „Internationalen Tabellen zur Kristallstrukturbestimmung" (Bd. I, Berlin 1933) und in ihrer Neuauflage, den „International Tables for X-Ray Crystallography" (Bd. 1, Birmingham 1952) gegeben. Die 230 Raumgruppensymbole sind in den meisten neueren Lehrbüchern zusammengestellt, auch in H. Strunz, Miner. Tab., 4. Aufl. 1966, S. 23—28 und in J. Zemann, Kristallchemie, Sammlung Göschen, Bd. 1220/1220 a, S. 31—36. Deutung der Grundgesetze. Die dargelegte gesetzmäßige und raumgitterartige Struktur ermöglichte die „theoretische" Deutung der verschiedenen kristallographischen Grundgesetze (Parameter-, Symmetriegesetz u. a.), wobei ganz ungewiß war, ob sich jemals ein „experimenteller" Beweis für den diskontinuierlichen Aufbau der Kristalle und für die aus diesem abgeleiteten Vorstellungen erschließen würde. Hatte man doch die gegenseitigen Abstände der Schwerpunktlagen in den Gittern mit 10~8 cm, d. h.0,00000001 cm = 1 Ängströmeinheit (Ä), errechnet, also in einer Größenordnung, die kleiner als die Wellenlänge der für uns sichtbaren Lichtarten ist; es bestand daher keine Möglichkeit, sie jemals optisch sichtbar zu erfassen. Zunächst ergab sich die Erkenntnis, daß die Flächen eines Kristalls Netzebenen des Gitters parallel laufen, d. h., es sind an einem Kristall nur solche Flächen möglich, die im Raumgitter Netzebenen entsprechen. Alle Flächenlagen, die nicht durch Gitterpunkte gehen, sondern an diesen vorbeiführen, sind also an einem Kristall ausgeschlossen, weil Flächen ohne Besetzung mit Schwerpunktlagen nicht verwirklicht werden können. Weiter bleibt zu beachten, daß die an einem Kristall beobachteten Kanten und die ihnen parallel gewählten Achsen jeweils Punktreihen des Raumgitters sind. Die Kristallflächen als Netzebenen können daher auf solchen Achsen nur ganze Identitätsabstände abschneiden, womit sich zwangsläufig das rationale Verhältnis der Achsenabschnitte (Parameter) für alle an einem Kristall auftretenden Flächen gegenüber der Grundform ergibt (vgl. S. 33). Die Netzebenenabstände liegen demnach um Identitätsabstände auseinander. Eine Flächenlage ist hierbei um so wahrscheinlicher, je dichter in ihr Gitterpunkte auftreten; diese Grundlage liegt vor, je einfachere Zahlen das Parameterverhältnis einer Fläche wiedergeben. Die dichtest besetzten Netzebenen sind jene, die die einfachsten Abschnitts-

72

Der Feinbau der Kristalle

Verhältnisse aufweisen. Einen augenfälligen Zusammenhang zwischen Millerschen Indizes und Besetzungsdichten einzelner Netzebenen (in „zweidimensionaler" Darstellung) erschließt die Fig. 109. Auch die Zähligkeit der Deckachsen und die mit diesen verbundenen Drehwinkel (vgl. S. 22) finden ihre Erklärung im Raumgitter. Der lückenlose Aufbau von Netzebenen ist nur durch Parallelogramme jeder Art (Quadrate, Rechtecke, Rhomben und Rhomboide) sowie durch gleichseitige Dreiecke und regelmäßige Sechsecke möglich, nicht aber durch regelmäßige Fünfecke, die als Vertreter der Fünfzähligkeit in Betracht kämen. Durch Aneinanderfügen von regelmäßigen Fünfecken bleiben stets spitzrhombische Lücken in den Netzebenen übrig. Auch eine höhere Zähligkeit als sechs ist mit regelmäßigen Punktanordnungen innerhalb der Netzebenen nicht vereinbar, so daß sich die an Kristallen beobachtete Zähligkeit der DeckFig. 1 0 9 . Der Z u s a m m e n h a n g zwischen achsen deutlich in AbhänMillerschen Indiges und Besetzungsgigkeit vom Raumgitter dichten einzelner Netzebenen (zwei ableiten und belegen läßt. dimensional inbezug auf die a- und bAchse) (aus Rieber) Doch auch die Zahl und Kombination der verschiedenartigen Symmetrieelemente an Kristallen konnte in einer ursächlichen und begründeten Abhängigkeit von der raumgitterartigen Struktur nachgewiesen werden, so daß diese mit der Zeit nicht nur als wahrscheinlich, sondern als tatsächlich vorliegend angesprochen wurde. Der experimentelle Nachweis für den Raumgitteraufbau der Kristalle gelang aber mit Hilfe der Röntgenstrahlen. Röntgenographische Verfahren. Die Natur der im Jahre 1895 von C. W. Röntgen entdeckten X- (später Röntgen-) Strahlen war lange Zeit unbekannt. Man vermutete, daß sie Wellenstrahlen seien, aber ein sicherer Beweis fehlte. Wellenstrahlen kennzeichnen Wellenbewegungen; diese können durch „Beugungserscheinungen" beim Durchgang durch enge Spalten (Gitter) nachgewiesen werden, wobei die wirkungsvollsten

Röntgenographische Verfahren

73

Beugungsgitter bei jeweils annähernd gleicher Spaltbreite und Wellenlänge entstehen. Um die Wellennatur der Röntgenstrahlen nachzuweisen, fehlte es aber an geeigneten Beugungsgittern, denn nach den Vermutungen der Physiker entsprach die Wellenlänge des Röntgenlichtes ungefähr einem Tausendstel oder Zehntausendstel der kleinsten Wellenlänge des sichtbaren (violetten) Lichtes. Erst als M. v. Laue (1912) den einzigartigen Gedanken hatte, die von den Mineralogen als „Raumgitter" angesehenen Kristalle als Beugungsgitter zu verwenden, wurde von ihm und seinen Mitarbeitern W. Friedrich und P. Knipping ein naturwissenschaftlicher Erfolg von allergrößter Bedeutung erzielt: Nicht nur die Wellennatur des Röntgenlichtes, sondern auch der Raumgitteraufbau der Kristalle in der erwarteten Größenordnung wurden bewiesen! Von diesem Zeitpunkt ab war der vielfach erörterte „diskontinuierliche" Aufbau der Kristalle aus voneinander getrennten Bausteinen (Atomen, Ionen oder Atom- bzw. Ionengruppen) keine gedankliche Fiktion mehr, sondern eine Tatsache, die immer wieder messend und wägend ermittelt und bestätigt wird. Unter den entwickelten Röntgenverfahren haben die von Laue, Bragg, Debye-Seherrer u. a. eine vielseitig praktische Anwendung. Besonders übersichtlich und auch anschaulich ist die BraggMethode (Fig. 110). Bei diesem Verfahren wird ein Bündel paralleler Röntgenstrahi len gleicher WellenP länge, also einfarbiges d. i' (monochromatisches) Röntgenlicht, verFig U 0 wendet. Wenn dieses - Heflexlonabedingung. unter einem von 0° abweichenden Winkel & auf dichtbesetzte Netzebenen (E, E', E") fällt, so wird ein Teil des eindringenden Röntgenlichtes von den einzelnen Netzebenen reflektiert; sie wirken gleichsam als Spiegel, und unter bestimmten Voraussetzungen können Interferenzen auftreten, wie sich diese auch bei der Reflexion gewöhnlichen Lichtes an dünnen Schichten ergeben. Für die Bedingungen der Reflexion und Interferenz der Röntgenstrahlen läßt sich ableiten: Der in A an der Ebene E (Fig. 110) reflektierte Strahl interferiert mit dem von G an der Ebene E' reflektierten Strahl, wenn der Wegunterschied ein ganzes Vielfaches der Wellenlänge ist. Der Wegunterschied entspricht der Länge GA—GD, wobei DA 1 GF. Da nun GA = GF, errechnet

74

Der Feinbau der Kristalle

DF mit 2d- sin #; d gibt sich der Wegunterschied DF aus sin & die Abstände der gleichbelasteten Netzebenen an. Ist nun 2 d- sin = wA (A die Wellenlänge, n irgendeine ganze Zahl), so entsteht jeweils eine maximale Intensität der interferierenden Reflexionswellen (Braasche Gleichung). Der zu den einzelnen Glanzwinkeln zugehörige Wert n = 1, 2, 3 . . . bezeichnet die Interferenzen 1., 2., 3. . . . Ordnung; sie sind durch einen charakteristischen Intensitätsabfall ausgezeichnet. # ist der sog. Glanzwinkel; er wird mit steigendem n größer. Mit Hilfe obiger Gleichung lassen sich nun bei bekanntem X die Netzebenenabstände (d) bestimmen und damit wichtige Strukturgrößen. Bei der praktischen Durchführung dieser Fig. 111. Methode verändert man den Einfallswinkel des Röntgenstrahles (B in Fig. 111), der auf eine Kristallplatte K von genau bekannter Orientierung fällt; dies erfolgt durch Drehung der auf einem Goniometerkopf montierten Kristallplatte. Ein um die gleiche Goniometerachse sich drehender Arm trägt eine Ionisationskammer (Ik), die einen schmalen, dem Kristall zugewandten Schlitz aufweist; wenn der reflektierte Röntgenstrahl in diese Kammer fällt, so wird ihr Gas-

1

Fig. 112a.

Röntgenographische Verfahren

75

inhalt je nach der Intensität der Reflexion verschieden stark ionisiert und damit leitend gemacht, was an einem mit der Ionisationskammer verbundenen Elektrometer zu erkennen ist. Der jeweils zugehörige Winkel R Ii Ik (Fig. 111) wird auf einem Goniometerkreis abgelesen; er entspricht 180°—2&. Die resultierenden Interferenzen kann man auch auf einem zylindrisch um das Goniometer gelegten photographischen Film auffangen und auswerten. Lcrne-Methode. Ein ausgeblendetes Bündel von „weißem" Röntgenlicht (das verschiedene Wellenlängen besitzt) wird durch eine Kristallplatte bekannter Orientierung hindurchgeschickt (Fig. 112a). Die vom Gitter verursachten Abbeugungen bilden sich dann punktförmig (fleckenförmig) auf einer photographischen Platte (F—F) ab, die —• ebenfalls senkrecht zur Richtung des Primärstrahles (P) — hinter dem Kristall steht. Charakteristisch und von Bedeutung ist die regelmäßige Verteilung der Schwärzungs(Interferenz-)flecke auf den „Laue-Aufnahmen" (Fig. 112 b), die ein Bild der Symmetrie des Kristalls in der Durchstrahlungsrichtung vermitteln, doch immer so, als ob ein Symmetriezentrum vorhanden wäre. Aus der Lage der Interferenzflecke auf der Platte läßt sich die Größe der Elementarzelle beFig. 112b. Lnuediagramm von Zinkblende rechnen, aus den Intennach (100). (In der Mitte der Primärfleck sitätsverhältnissen der des Primärstrahls). verschiedenen Reflexe die Anordnung der Atome in der Zelle, d. h. die genaue Kristallstruktur, ermitteln. Das Zustandekommen der Interferenzflecke hat v. Laue durch drei Gleichungen („Laue-Gleichungen") abgeleitet und verständlich gemacht. Einfacher ist die Erklärung der Laue-Aufnahmen durch die von Bragg dargelegte Reflexion an Netzebenen (vgl. S. 73). Nachdem der Kristall bei der Laue-Methode nicht gedreht wird, reflektieren aus dem Bündel der weißen Röntgenstrahlen

76

Der F e i n b a u der Kristalle

n u r jene Wellenlängen, f ü r die das B r a a s c h e Reflexionsgesetz (die B r a a s c h e Gleichung) erfüllt ist. Fig. 112 a zeigt, wie durch eine Schar v o n N e t z e b e n e n N der K r i s t a l l p l a t t e a b g e b e u g t e Reflexe ß e n t s t e h e n ; eine andere Schar v o n N e t z e b e n e n (N') r u f t den Nebenreflex R ' h e r v o r . Die R i c h t u n g der a b g e b e u g t e n S t r a h l e n wird geometrisch so g e f u n d e n , als ob das einfallende B ü n d e l der R ö n t g e n s t r a h l e n a n der Netzebene reflektieren w ü r d e . I n Wirklichkeit h a n d e l t es sich, wie auch bei der Bragg-Methode, u m eine V e r s t ä r k u n g der d u r c h Z e r s t r e u u n g a n den einzelnen G i t t e r p u n k t e n des Kristalls erregten Elementarwellen durch I n t e r f e r e n z . Die verschiedenen N e t z e b e n e n e n t s p r e c h e n d e n Reflexe lassen verschiedene G r a d e ( I n t e n s i t ä t ) der S c h w ä r z u n g e r k e n n e n ; im allgemeinen w e r d e n die Gitterebenen, die a m d i c h t e s t e n m i t M a s s e n p u n k t e n b e s e t z t sind (Flächen m i t einfachen Indizes, vgl. Fig. 109, S. 72), die kräftigsten Intensitäten hervorrufen. Ist die Distanz zwischen d e m Kristall u n d der p h o t o g r a p h i s c h e n P l a t t e b e k a n n t , so lassen sich die Gitterebenen b e s t i m m e n , die die Reflexe geliefert haben. E i n e A u s w e r t u n g der L a u e - A u f n a h m e n erfolgt a b e r j e t z t selten; f ü r die E r m i t t l u n g der K r i s t a l l s y m m e t r i e h a b e n sie noch B e d e u t u n g , w e n n a n d e r e M e t h o d e n versagen. Debye-Scherrer-VeriahTen. Zur Durchstrahlung mit „ e i n f a r b i g e m " (homogenem) Röntgenlicht von einer bestimmten Wellenlänge kommt kein einheitlicher Kristall, sondern möglichst feines KristallpuZuer (Fig. 113) in einem Röhrchen oder als S t ä b c h e n ( P u l v e r a u f n ä h me!). D u r c h die regellose O r i e n t i e r u n g der zahlreichen vollständigen Drehkxistallaufnahmen. Pulverteilchen sind auch solche L a g e n der N e t z e b e n e n verwirklicht, die nach der Bragg'sehen Gleichung (S. 74) eine Reflexion geben. Solche Reflexionsstellungen sind a b e r nach allen Seiten gegeben, so d a ß die Reflexionen derselben O r d n u n g einen Kegelm a n t e l u m den P r i m ä r s t r a h l als Achse b i l d e n ; die Kegelspitze liegt im d u r c h s t r a h l t e n Kristallpulver. Gewöhnlich werden die abgeb e u g t e n Strahlen auf einem Filmzylinder (Fig. 113) a u f g e f a n g e n . Die Schnittlinien der verschiedenen K e g e l m ä n t e l m i t d e m F i l m

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Drehkristall-Verfahren Ii—ü

Pf ? j

Fig. 114. Pulvercüagramm von Quarz.

sind bogenförmige Kurven, in der Nähe des Primärstrahles fast kreisförmig (Fig. 114). Aus einer Pulveraufnahme können zunächst die Glanzwinkel (vgl. S. 74) und die Netzebenenabstände (d) errechnet werden. Die Auswertung der Pulverdiagramme ist jedoch schwieriger als beim Bragg-Verfahren: vor allem ist die Indizierung der Reflexe von niedriger symmetrischen Kristallen oft kompliziert. Die Pulvermethode ist aber für sehr genaue Messungen der Gitterkonstanten äußerst geeignet, wenn gewisse besondere Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden. Drehkristall-Verfahren. Diese bedienen sich eines Kristalls, der während der Aufnahme um eine Zonenachse gedreht oder geschwenkt wird. Die Drehachse steht senkrecht zur einfallenden homogenen (monochromatischen) Röntgenstrahlung, der Aufnahmefilm ist zylindrisch um die Drehachse gelegt (Fig. 113 und 115). Wesentlich ist, daß nicht nur die in der gedrehten Zone des Kristalls gelegenen Netzebenen nach und nach unter dem Glanzwinkel getroffen werden und Reflexpunkte auf dem Film verursachen, sondern auch die zur Drehachse schräg liegenden Netzebenen. Die Interferenzen ordnen sich in „Schichtlinien" an und jede solche Linie entspricht Netzebenen, die einen bestimmten Index besitzen. Wenn z. B. ein Kristall um seine c-Achse gedreht wird, so ordnen sich die Reflexpunkte der (MO)-Netzebenen auf dem sog. Äquator (Fig. 115,0). Netzebenen, die um einen bestimmFig. 115 Schematische Darstellung ten Winkelbetrag gegen die a c-Achse geneigt sind, wie z. B. """" "x"c^wTcormu>y

78

Der Feinbau der Kristalle

hkl, hk2 usw., fallen auf die erste, zweite usw. Schichtlinie über oder unter den Äquator (Fig. 115, 1 und 2); aus ihrem Abstand vom Äquator ermittelt man die Identitätsabstände der Netzebenen in der Richtung der Drehachse. Die Berechnung erfolgt nach den Formeln P =

nX ; cot ix = cos /j,

e —. R

P = der gesuchte Identitätsabstand; ft = Schichtlinien Winkel gegenüber dem Primärstrahl; e = Netzebenenabstand in mm; R = Kameraradius.

Dreht man nacheinander um die drei kristallographischen Achsen, so erhält man die Größen der Elementarzelle (vgl. S. 68). Von Bedeutung ist dieses, in seinen Grundlagen gekennzeichnete Drehkristall-Verfahren für faserige Mineralien und künstliche Fasern, bei denen die Faserachse einer kristallographischen Achse parallel geht. Die Faserdiagramme ergeben ohne Drehung denselben Effekt wie ein um die Achse gedrehter Einzelkristall der Brajg-Methode. Eine vorteilhafte Erweiterung der Drehkristall-Methode erschließt das Röntgengoniomeler-X erfahren nach Weissenberg, bei welchem man — nach Ausblendung — die Reflexe einer einzigen Schichtlinie (vgl. S. 77) um ungleiche Beträge auseinandergezogen auf einem Film erhält. Dieser Effekt wird durch eine Kopplung von Kristalldrehung (der Kristall sitzt auf einem Goniometerkopf) und Linearverschiebung des zylindrisch gerollten Films in Richtung der gemeinsamen Drehachse des Kristalls und der Achse des Films erreicht. (Der Kristalldrehung von 1° kann z. B. eine synchrone Filmbewegung von 1 mm entsprechen.) Um das Röntgeninterferenzbild noch übersichtlicher und damit leichter auswertbar zu machen, wurde von J. M. Buerger eine ,,Precession'Kamera konstruiert, welche die einzelnen Reflexe in einem geradlinigen Koordinatensystem aufzeichnet (Fig. 116). Bei diesem Aufnahmeverfahren befindet sich der Kristall auf einem Goniometerkopf, der Film in einer ebenen Kassette. Während der Aufnahme im monochromatischen Röntgenlicht wird sowohl der Kristall als auch der Film bewegt, und zwar bewegt sich die Normale auf den Film und eine entsprechende Richtung im Kristall auf einem Kegelmantel (nach dieser „Präzessions"-Bewegung die Kamerabezeichnung).

Guinier-Methode

79

Bemerkenswert ist, daß in dem erhaltenen geradlinigen Koordinatensystem der Reflexe die Indizierung gegenüber anderen Aufnahmeverfahren erleichtert ist; in Fig. 116 sind die Indizes der

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\ Fig. 116. Aufnahme von Petalit (AtO-Keflexe) mit der Precession-Kamera

(Aufnahme A. und J. Zemann).

reflektierenden Netzebenen (hkO) in einem Quadranten eingetragen. Weiter bleibt hervorzuheben, daß den Richtungen kleiner Punktabstände auf der Aufnahme große Identitätsabstände (vgl. S. 67) im Kristallgitter entsprechen, d. h. es wird das reziproke Gitter dargestellt. In diesem erscheint — in Analogie zu den „Flächenpolen" der Kristallflächen in einer zweidimensionalen Projektion (vgl. S. 26) — jede Netzebenenschar von einem festgelegten Nullpunkt aus durch einen zu ihr senkrechten Vektorstrahl zu einem Punkt reduziert. Die Länge des Vektors entspricht hierbei dem reziproken Wert des Netzebenenabstandes (d) •— also -7-!—. Die so ermittelten Punkte für die verschiedenen Netzdhkl ebenenscharen geben also im reziproken Gitter nicht nur die Lage der Netzebenen im Rristallraum wieder, sondern auch ihre d- Werte. Guinier-Methode. Eine weitere geeignete Auswertung der Röntgeninterferenzen ermöglichen die fokussierenden Verfahren,

80

Der Feinbau der Kristalle

bei welchen ein reflektiertes Röntgenstrahlbündel in einem Punkte konzentriert (fokussiert) wird, bevor es zur Rück- oder Durchstrahlung eines Pulverpräparates gelangt. Bei Anwendung dieses Prinzips, z. B. bei der Quinier-Methode, werden das Präparat und der Film kreisbogenförmig auf dem gleichen Zylindermantel angebracht; die Fokussierung erfolgt über einen Monochromator, der einen sehr schmalen Spektralbereich des divergierenden Primärbündels aussondert und dann in einer feinen Linie konvergiert. Eine scharfe Abbildung der Röntgeninterferenzen ergibt sich jeweils dann, wenn diese Linie und das Präparat auf dem durch den Filmzylinder gegebenen Fokussierungskreis liegen. Nach diesem Verfahren wird eine Erhöhung der Intensität und Schärfe der Inferenzlinien erreicht und damit eine größere Genauigkeit bei der Auswertung. Gittertypen. Die systematischen und umfassenden Bestimmungen des Feinbaus der Kristalle haben gezeigt, daß bestimmte einfache Gittertypen vorherrschen oder aber, daß sich komplizierte Strukturen in ihren Grundzügen auf diese beziehen lassen. Für die Beschreibung eines Gitters ist die Kenntnis der Elementarzelle (vgl. S. 68) in ihren Größenordnungen Co Tafel I

Abb. 1. Gold.

Abb. 2. Wollram.

Abb. 3. Magnesium.

Abb. 1. Gold (0=—F m 3m, Kantenlänge des flächenzentrierten Elementarwürfels a, = 4,070 A); gleichzeitig Gitter von Aluminium (ao = 4,04 A), Nickel (a„ = 3,51 A), Kupfer (a0 = 3,61 A), Silber (a„ = 4,078 A), Platin (a„ = 3,903 A), Blei (a, = 4,94 A) usw. Q

Abb. 2. Wolfram (0^ — Im 3m, innenzentrierter Elementarwürfel mit a 0 = 3,16 A); im gleichen Gittertypus kristallisieren Lithium, Natrium, Kalium, Chrom, Molybdän u. a. Abb. 3. Magnesium (Dg h — P6 s /mmc, a„ = 3,19, c, = 6,20 A); gleicher Gittertypus für Beryllium, Titan, Kobalt, Zink, Zirkon usw.

81

Gittertypen T

afsl

1

(Fortsetzung)

t

t-o

Abb. 4. Steinsalz.

Abb. 7. Pyrit.

Abb. 6. Zinkblende.

Abb. 8. Kalkspat.

Abb. 6. Flußspat.

Abb. 9. Spinell.

Abb. 4. Steinsalz, NaCl (O^ — F m 3m, a„ = 6,628 A; kürzester Abstand zwischen Na und C1 2,82 A); gleicher Gittertypua für Sylvin (KCl), Bleiglanz (PbS) u. a. Abb. ß. Zinkblende, ZTIS (T^— F i 3 m , a 0 = 5,42 A); gleicher Gittertypus a für Diamant (C). Abb. 6. Flußspat, CaF, ( 0 ? — i m 3m, a 0 •= 5,45 A); gleicher Gittertypus für Uranpechblende. Abb. 7. Pyrit, FeS, (Tjj — Pa3, a, = 6,418 A); gleicher Gittertypus für Hauerit (MnS2). An Stelle der S — S-Komplexe („Hantel") As — S beim Kobaltglanz, CoAsS, Sb — S beim Antimonglanz, NiSbS. Abb. 8. Kalkspat, CaCO, ( — R3c, Elementarzelle entspricht nicht dem Spaltrhomboeder) und andere Karbonate. Abb. 9. Spinell, HgAl,0« (• = O, an den gemeinsamen Ecken von Würfel u n d Tetraeder, • = AI, an den gemeinsamen Ecken zweier Würfel; Mg, nicht 7 eingezeichnet, im Mittelpunkt der Tetraeder); Gittertyp (O^ — Fd3m) auch für Magnetit, Fe.O, bzw. FeFe,0 4 . Weitere charakteristische Gittertypen, vor allem der Silikate, in der „Spezielle Mineralogie" dieser Sammlung (Bd. 31/31a). 6

Brauns-Chudoba, Allg. Mineralogie

82

Der Feinbau der Kristalle

(Länge der Koordinaten auf den entsprechenden kristallographischen Achsen mit deren Winkelgrößen) bestimmend, sowie die Raumgruppe, der die Zelle angehört. Auch die „Parameter" sind kennzeichnend; sie geben die Orte aller in der Lage prinzipiell verschiedenen Gitterbausteine bezogen auf eine Ecke der Elementarzelle an. Mit ,,Z" wird die Zahl der chemischen Formeleinheiten je Elementarzelle vermittelt. Beispiele für einfache Gittertypen (Strukturen) zeigt die Tafel I (Seite 80/81). Bausteine und deren Bindung im Kristallgitter. Bausteine können sein: Ionen (durch Aufnahme oder Abgabe von Elektronen negativ oder positiv geladene Atome), Atome und Moleküle. Eine Analyse der Kräfte, die zwischen den Kristallbausteinen wirken und diese zusammenhalten, führt zur Erkenntnis verschiedener Bindungsarten. In vielen Fällen ist eine ionare oder heteropolare (gr. heteros = andersartig) Bindung nachweisbar. Bei dieser werden die Ionen als Punktladungen mit einem annähernd kugelförmigen elektrischen Feld angenommen, die sich bei entgegengesetzter Ladung (wie Na + und Gl" bei NaCl) nach dem Coulombschen Gesetz anziehen, d. h. die Anziehungskraft ist proportional dem Produkt der Ladungen und umgekehrt proportional dem Quadrat ihres Abstandes. Die notwendige Gleichgewichtseinstellung wird durch eine abstoßende Kraft erreicht, die bei einer starken Annäherung der Ionen durch die Wechselwirkung der Elektronenhüllen der Ionen aktiviert wird. Auf diese Weise werden die Ionen in einem Kristallgitter bei einer bestimmten Koordination gegenüber den umgebenden Ionen in einem ermittelbaren Abstand (der einem Zustand kleinster potentieller Energie entspricht) voneinander festgehalten. Im NaCl-Gitter (Fig. 117) beträgt z. B. der kleinste Abstand der Ionen 2,82 A; er ist gleich der Summe der sog. Wirkungsradien beider Ionen (in kugelförmiger KraftwirkungT. Der Wirkungsradius des Na-Ions (Na + ) selbst wurde zu 0,98 Ä, des Cl-Ions (Cl~) zu 1,81 A errechnet. Aus röntgenographisch ermittelten Gitterabständen wurden die Wirkungsradien, die auch „scheinbare Ionenradien" genannt werden, für die verschiedenen Elemente ermittelt; sie bewegen sich etwa zwischen 0,5 und 2,0 Ä. Ein weiteres Modell der Kugelpackungen in einem Kristallgitter zeigt die Fig. 118 für den Spinell MgAl204 (• Mg2+ = 0,65 A, Al 3+ = 0,67 Ä, O 2 - = 1,40 Ä).

Bausteine und deren Bindung

Fig. 117. NaCI-Gitter. ßaumgruppe Fmäffl,

83

Fig. 118. Spinell-Gitter. Kaumgruppe F d 3 m.

Wenn auch die Vorstellung der annähernd kugelförmigen Kraftwirkung der Ionen nicht der Wirklichkeit entspricht, weil die Deformation bzw. Polarisation der Elektronenhüllen durch benachbarte Ionen unberücksichtigt bleibt, so hat sie doch für die Deutung verschiedener Erscheinungen (vgl. S. 136) eine Bedeutung. •— Im Gegensatz zur heteropolaren Bindung steht die homöopolare (gr. homoios, homos = gleich, gleichartig), auch als Atombindung bezeichnet. Für diese sind kennzeichnend: gleichartige Bausteine (wie C bei Diamant), die elektrisch neutrale Gebilde (Atome) darstellen, und Verkettung durch ein Elektronenpaar, von denen je ein Elektron zwei benachbarten Atomen zugehört. Charakteristisch sind weiter gerichtete Bindungen. Als Sonderfall sind die Gitter mit metallischer Bindung anzusehen. Die Elektronen (Valenzelektronen) können keinem speziellen Atompaar zugeordnet werden, sondern sie sind — von den Metallatomen abgespalten — frei im Metallgitter als eine Art von „Elektronengas" beweglich. Hierdurch wird u. a. die gute elektrische und thermische Leitfähigkeit der Metalle hervorgerufen. Die Molekülgitter besitzen die van der Waais-Bindung, die nicht Ionen oder Atome, sondern in sich abgesättigte Gruppen von solchen, vor allem Moleküle, verbindet. 6*

84

Der Feinbau der Kristalle

Wachstum der Kristalle. Das Kristallwachstum auf giiterenergetischer Grundlage haben fast gleichzeitig W. Kossei (1927) und I. N. Slranski (1928) abgeleitet. Sie verfolgten hierbei die möglichen Einzelschritte bei den Grenzflächenvorgängen, wie sich diese z. B. bei der Anlagerung von Ionen an das Ionengitter vom NaCl-Typus ergeben; zugleich errechneten sie auf molekularkinetischer Basis die gewonnene Energie, die für die Anlagerung von Ionen an verschiedenen Stellen der Gitteroberfläche bestimmend ist, weil ein „wiederholbarer Schritt" der Anlagerung vor allem an solchen Stellen erfolgen dürfte, bei welchen der relativ größte Energiegewinn zu verzeichnen ist. Von den drei möglichen Fällen der Anlagerung an die Würfelfläche des NaCl-Gitters — Anlagerung an die Oberfläche des räumlichen Gitters (Fig. 119,1), Anlagerung an die Kante eines (100)-

Fig. 119. Anlagerung an ein XaCl-Gitter.

Netzes (Fig. 119, 2) und Anlagerung an das Ende einer geraden Ionenkette (Fig. 119, 3) — ist nach Berechnungen der Anlagerungsenergie die Anlagerung an die Ionenkette des Kristallgitters am günstigsten, die mitten auf der Würfelfläche am ungünstigsten. Freier Energiebetrag 0.0662 0.1807 0.8738

in Position 1 2 3

Ideal- und Realkristall

85

Beim Wachstum eines NaCl-Gitters wird also zunächst eine angefangene Ionenkette weitergebaut, dann mit relativ geringerem Energiegewinn die Würfelnetzebene, während der Beginn einer neuen Netzebene verhältnismäßig seltener stattfindet. Aus diesen Darlegungen folgt auch, daß als stabile Endform der NaClStruktur der Würfel auftritt; die Würfelfläche zeigt kein Streben des Wachstums in Richtung der Flächennormalen, solange sie sich seitlich — tangential — ausdehnen kann. Berechnungen der Gitterenergie für andere Netzebenen des NaCl-Gitters zeigen, daß z. B. die Rhombendodekaederfläche rascher wächst als die Würfelfläche, doch neigt sie dazu, Treppenstufen in der Richtung von Würfelebenen zu bilden. Auch die Oktaederfläche beim Steinsalz wächst gittermäßig nur als treppenförmiges Gebilde. In diesem Zusammenhang muß betont werden, daß die molekularkinetische Theorie des Kristallwachstums für sich allein noch nicht in der Lage ist, die Entstehung der Kristallgestalten zu deuten, auch schon das Wachstum des CsCl und des CaF 2 kann mit der Theorie nicht befriedigend geklärt werden. Hier ist ein weiterer Ausbau noch notwendig. Zu berücksichtigen bleibt aber auch die Erkenntnis von W. Kleber, daß durch das Vorhandensein von Störungen an der Kristalloberfläche eine entscheidende Erhöhung der Energiegewinne bei der Anlagerung von Ionen erzielt werden kann; damit wurde das Wachstum als eine „störungsempfindliche" Eigenschaft der Kristalle erkannt. Ideal- und Realkristall. Die nach mathematischen Prinzipien abgeleiteten „idealen" Gitter erfahren in den seltensten Fällen ihre tatsächliche Verwirklichung. Der Aufbauprozeß eines Kristalls wird nämlich häufig durch verschiedene Faktoren des Wachstums, dann durch Einschlüsse von Gas, Mutterlauge oder durch andere Mineralien gestört, wodurch sich zwangsläufig auch Störungen im Gitter ergeben. Dadurch zeigen die gemessenen Werte verschiedener physikalischer Eigenschaften oft deutliche Abweichungen von denen für einen „Idealkristall" theoretisch geforderten. Der wirkliche Gitterbau weicht demnach von jenen der Idealvorstellungen ab, d. h. der Realkristall vom Idealkristall. Bei den Abweichungen zwischen diesen beiden Kristallarten wird nach C. W. Correns zweckmäßigerweise zwischen Fehlordnungen und Baufehlern unterschieden. Fehlordnungen können sowohl durch unvollständig besetzte Gitterplätze (Leerstellen), als auch durch einen Überschuß (auf

86

Der Feinbau der Kristalle

Zwischengitterplätzen) bzw. Unterschuß an ionaren und atomaren Bauelementen hervorgerufen werden. Baufehler sind z. B. schon an der „Parkettierung" mancher Kristallflächen (wie bei Flußspat) erkennbar; sie ist der Ausdruck dafür, daß die Elementarzellen nicht parallel, sondern zueinander geneigt angeordnet, bzw. gegeneinander versetzt sind (sog. Mosaikstruktur). Einen Übergang der kristallinen Ordnung zur amorphen Unordnung lassen verschiedene metamikte1) Mineralien erkennen; bei einer äußerlichen kristallographischen Umgrenzung sind sie im Innern röntgenamorph. Nachdem diese Mineralien radioaktiv sind, wird wahrscheinlich gemacht, daß ihr Gitterzerfall durch ein Bombardement von a-Teilchen verursacht worden ist. Bei Temperaturerhöhung kann die verlorengegangene Ordnung der Bausteine stufenweise wiederhergestellt werden (Retrokristallisation = Wiederkristallisation!), und zwar bei einer merklichen Dichtezunahme gegenüber der des metamikten Zustandes. Andere Übergänge von der amorphen Phase zum Kristall gehen über Mesophasen (gr. mesos = der mittlere), die verschiedene Anordnungen stäbchenförmiger Teilchen zum völlig ungeordneten Zustand bis zum geordneten des Kristalls zeigen. — Eine kristallinflüssige Zustandsart kommt den flüssigen Kristallen zu, die wahrscheinlich aus ein- oder zweidimensional-periodischen Punktanordnungen aufgebaut sind. Aus dem Bestreben, die phänomenologischen Erscheinungen und abgeleiteten Gesetzmäßigkeiten an den Kristallen auf der Grundlage ihrer Struktur zu verstehen, hat man auch eine Deutung der Zwillingsbildung (vgl. S. 60) versucht; sie umschließt bislang nur wenige, meist rein geometrische Feststellungen über die gegenseitige Orientierung der Kristallgitter in den Zwillingsindividuen. So kann gezeigt werden, daß in einer großen Zahl von Fällen das Gitter für die Zwillingsindividuen über die Zwillingsgrenze hinaus gemeinsam (homogen) bleibt, bei anderen nur teilweise. Diese rein geometrischen Betrachtungen erklären jedoch weder die Ursache noch die Natur der Zwillingsbildung. Chemische Baufehler dürften bei der Zwillingsbildung eine Rolle spielen, d. h. die Anlagerung einer Zwillingsstellung scheint die Präexistenz von Baufehlern an der Oberfläche der Zwillingsgrenze vorauszusetzen. *) gr. meta = hinterher, darauf; miktoa = gemischt.

Härte

87

Zur Deutung der Epitaxie (vgl. S.63): Die Ursache der orientierten Verwachsung liegt in der weitestgehenden Übereinstimmung bestimmter Gitterdimensionen der miteinander verwachsenen Kristalle; vorwiegend wird eine zweidimensionale Analogie im Gitterbau festgestellt. I I I . D i e physikalischen Eigenschaften der Mineralien Die physikalischen Eigenschaften der Kristalle haben f ü r die Erkennung, Untersuchung u n d Bestimmung eines Minerals eine große u n d vielseitige Bedeutung; sie sind entweder von der Richtung abhängig oder unabhängig. Die richtungsgebundenen physikalischen Eigenschaften benötigen zu ihrer Kennzeichnung neben einem Zahlenwert noch die Angabe einer Richtung, wie etwa die Härte, Spaltbarkeit, Leitfähigkeit, die verschiedenen optischen Eigenschaften usw.; sie sind vektorielle Eigenschaften. I m Gegensatz zu ihnen stehen die skalaren, f ü r die ein Zahlenwert ohne Richtungsangabe genügt, wie beim Volumen, dem spezifischen Gewicht usw. H ä r t e . Unter H ä r t e verstehen wir z. B. den Widerstand, den ein Körper dem Ritzen entgegensetzt, also die Ritzhärte. Von zwei Körpern ist derjenige der härtere, der den anderen ritzt. Versucht man mit einem harten Gegenstand, z. B. einem Messer, verschiedene Mineralien zu ritzen, so wird man finden, daß die Spitze in manche leicht, in andere schwer und in wieder andere gar nicht eindringt, daß also die Mineralien verschieden h a r t sind. Um den Grad der H ä r t e ungefähr angeben zu können, h a t Mohs (1773—1839) folgende Reihe von Mineralien — die Härteskala — zusammengestellt, von denen das folgende immer härter ist als das vorhergehende: 1. Talk, 2. Steinsalz, 3. Kalkspat, 4. Flußspat, 5. Apatit, 6. Feldspat, 7. Quarz, 8. Topas, 9. Korund, 10. Diamant. Hiermit kann man die Härte eines Minerals leicht bestimmen: gleich harte Mineralien ritzen sich gegenseitig nicht oder nur

88

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

wenig, ein härteres ritzt immer das weichere. Ein Mineral h a t entweder dieselbe Härte wie ein Glied der Skala (z. B. Turmalin H = 7), oder es ist weicher als das eine und härter als das andere (z. B. Bleiglanz H = 2 l / 2 ). Mineralien bis Härte 2 werden vom Fingernagel leicht geritzt; statt Apatit kann man auch Fensterglas, das Härte 5 hat, nehmen. Mineralien, deren Härte unter 6 ist, werden vom Messer geritzt. Härte 7—10 ist Edelsteinhärte. Ein jeder, der Mineralien bestimmen will, sollte sich eine Härteskala anlegen; Diamant und Korund sind entbehrlich, die anderen Glieder sind alle leicht zu beschaffen. Zur Härtebestimmung bedient man sich zweckmäßig besonderer Härtestifte, die kleine zugespitzte Stücke der wichtigsten Härtegrade enthalten. Die sichere Bestimmung der Härte wird oft dadurch erschwert, daß bei leicht spaltbaren Mineralien die Härte nach verschiedenen Richtungen verschieden ist; sie ist bei Kalkspat (Fig. 122) auf der Rhomboederfläche in der Richtung von der stumpfen Endecke gegen den Pol des Rhomboeders geringer als auf derselben Linie in entgegengesetzter Richtung. Auch ist zu beachten, daß der Abstand der Härtegrade sehr ungleichmäßig ist: der zwischen 3, 4 und 5 ist sehr gering, der zwischen 9 und 10 sehr groß. In der technischen Praxis hat die Mohssche Härteskala für härtere Substanzen folgende Erweiterung erfahren: 6. Feldspat (wie bisher), 7. Reines Quarzglas, 8. Quarz, 9. Topas, 10. Granat, 11. Geschmolzener Zirkon, 12. Korund, 13. Siliziumkarbid, 14. Borkarbid, 15. Diamant. So hart wie Diamant ist das Boraeon, die künstliche kubische Modifikation von Bornitrit (BN) der General Electric Comp., Shenectady, USA. Dieses Hartmaterial ist 1957 unter den gleichen thermischen Bedingungen hergestellt worden wie der synthetische Diamant des gleichen Unternehmens (1955). Das Borazon hat als Hochdruckmodifikation eine Diamantstruktur (Dichte 3,45); es entsteht aus der graphitähnlichen Modifikation des Bornitrits. Eine zahlenmäßige, aber nur halbquantitative Erfassung der Ritzhärte ist mit dem Skierometer möglich; bei diesem Instrument wird meistens eine ebene Kristallplatte unter einer Spitze von Stahl (oder Diamant) hinweggezogen, i. Wird bei einem bestimmten Einfallswinkel r = 90°, dann pflanzt sich der Lichtstrahl in der Grenzebene zwischen beiden Medien fort; bei einem noch größeren Einfallswinkel werden aber alle auf die Grenzschicht auffallenden Lichtstrahlen in das optisch dichtere Medium zurückreflektiert ') lat. dispergere = 7

zerstreuen.

Brauns-Chudoba, Allg. Mineralogie

98

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

und damit erfolgt eine totale Reflexion. Der Grenzwinkel der totalen Reflexion t hängt mit den Brechungsindizes zusammen und 71 man findet sin t = oder n = N • sin t. N Auf die totale Reflexion können viele optische Lichteffekte geschliffener Edelsteine — vor allem bei Diamant — zurückgeführt werden.

Doppelbrechung. Manche durchsichtigen Mineralien lassen beim Hindurchblicken auf eine unterlegte Schrift diese doppelt erscheinen; am deutlichsten zeigt dies klarer Kalkspat, der sog. Doppelspat. Man nennt diese Erscheinung Doppelbrechung, im Gegensatz zur einfachen Brechung (S. 95). Alle Kristalle, mit Ausnahme der kubischen, besitzen die Eigenschaft der Doppelbrechung, doch kann man sie in der Regel nicht ohne besondere Hilfsmittel oder Instrumente wahrnehmen. Optisch einachsige Kristalle. Aufschlußreich ist dieDoppelbrechung an Kalkspatprismen zu verfolgen; f ü r bestimmte

Fig. 126. Doppelbrechung an einem Kalkspatprisma (c-Achse x zur Zcichenebene).

Orientierungen treten zwei Strahlen auf der anderen Seite des

Prismas

aus

(Fig. 126)

und

man

beobachtet

zwei

Spektren nebeneinander. Wird das Brechungsverhältnis für den stärker abgelenkten Strahl gemessen, so findet man — wie immer auch das Prisma aus dem Kalkspat herausgeschnitten ist — Jenselben Wert n = 1,6584 (Na-Licht). Für den weniger abgelenkten Strahl schwankt dagegen n von 1,4864 — wenn die Schwingungen der Welle senkrecht

Optisch einachsige Kristalle

99

zur kristallographischen c-Achse geht — bis 1,6584, wenn der Lichtstrahl im Prisma parallel zur kristallographischen c-Achse verläuft. Weil der erstere Strahl im Prisma den gewöhnlichen Brechungsgesetzen folgt, heißt er ordentlicher Strahl (lat. Ordinarius, abgek. „ o " bzw. „co"), der andere hingegen der außerordentliche (lat. extra-ordinarius, abgek. „ e " bzw. „«"). Dieses verschiedenartige Verhalten des ordentlichen u n d außerordentlichen Lichtstrahls in doppelbrechenden Mineralien kann u. a. nach der Lichtausbreitungstheorie von Huyghens (1629—1693) gedeutet werden. Nach dieser erfolgt die Lichtausbreitung — wie z. B. im Kalkspat — in einer doppelschaligen Strahlengeschwindigkeitsfläche (Fig. 127): Eine Kugel (charakteristisch f ü r die Lichtausbreitung in einfach brechenden Kristallen) wird von einem konzentrisch umschriebenen Drehellipsoid umhüllt, u n d zwar so, daß sich beide in den Durchstoßpunkten der kristallographischen c-Achse berühren. In dieser Richtung haben die ordentliche (kugelige) und die außerordentliche (ellipsoide) StrahlenFig. 127. S t r a h l r a geschwindigkeitsfläche (kurz Strahlengeschwindifrkeitsfläche bei K a l k s p a t . fläche) die gleiche Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Kristall u n d so den gleichen Brechungsindex (n = 1,6584). D a m i t herrscht in dieser als optische Achse bezeichneten Richtung Einfachbrechung; demnach ist die optische Achse eine Achse der Isotropie. Eine Doppelbrechung resultiert erst f ü r Lichtstrahlen, die geneigt zur optischen Achse einfallen, wobei die Doppelbrechung m i t zunehmender Neigung zur optischen Achse wächst. Das Maximum der Doppelbrechung wird in der Richtung senkrecht zur optischen Achse erreicht u n d es entspricht der Differenz der Geschwindigkeiten f ü r den e- u n d o-Strahl bzw. der Differenz der Brechungsindizes ne—nm.

Die einzige bei solchen doppelbreehenden Kristallen — wie bei Kalkspat — beobachtete optische Achse ist Ursache, diese Kristalle als optisch einachsig zu bezeichnen. Die Richtung der optischen Achse ist hierbei identisch mit der Richtung der kristallographischen Hauptachse c. Optisch einachsig sind alle Kristalle des hexagonal-rhomboedrischen, tetragonalen 7«

u n d hexagonalen

Kristallsystems.

100

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

Der Charakter der optisch einachsigen Doppelbrechung kann aber ein zweifacher sein: E r ist optisch negativ — wie bei Kalkspat —, wenn die rotationsellipsoide Strahlenfläche des e-Lichtstrahls die kugelige des o-Lichtstrahls umgibt (Fig. 128); die Stärke der maximalen Doppelbrechung n E — n a ist hierbei negativ (bei Kalkspat ne = 1,4864—n a = 1,6584 = —0,1720). Istn £ > nm—wie bei Q u a r z — u n d die Differenz zwischen n £ — n a damit positiv (Quarz: n £ = 1 , 5 5 3 4 — n m = 1 , 5 4 4 3 =

Fig. 128. Strahlenfläche eines optisch einachsigen, negativen Kristalls.

Fig. 129. Strahlenfläche eines optisch einachsigen, positiven Kristalls.

+ 0,0091), so wird die Doppelbrechung als positiv angesprochen; die Strahlenoberfläche des e-Lichtstrahls wird dann von der des o-Lichtstrahls umschlossen (Fig. 129). Die erhaltenen Zahlenwerte aus der Differenz von ne—nm geben ein Maß für die Größe der Doppelbrechung, die bei Kalkspat — mit 0,1720 — sehr hoch ist, bei Quarz — mit 0,0091 — dagegen niedrig. Diese jeweilige maximale Doppelbrechung bei optisch einachsigen Mineralien stellt eine weitere charakteristische und grundlegende Konstante für die Erkennung und Bestimmung von Mineralien auf der Grundlage ihrer optischen Eigenschaften dar. Von besonderer Wichtigkeit aber ist, daß bei einer jeden Doppelbrechung der e- und der o-Lichtstrahl senkrecht aufeinander polarisiert sind, d . h . im Gegensatz zum gewöhnlichen (unpolarisierten) Licht schwingt das Licht dieser Strahlen in einer (bzw. nahezu einer) E b e n e ; es ist linear polarisiert. In Fig. 126 schwingt der polarisierte o-Strahl in der Zeichenebene (durch Striche angedeutet), der polarisierte e-Strahl senkrecht dazu

101

Optisch einachsige Kristalle

(durch Punkte angedeutet). In einem Spaltungsstück von Kalkspat liegt die Schwingungsrichtung des o-Strahles demnach parallel zur langen Diagonale der Spaltfläche, die des e-Strahles dagegen parallel zur kurzen Diagonale. Ganz allgemein aber: In optisch einachsigen Kristallen schwingt die Welle des o-Lichtstrahls senkrecht zum Hauptschnitt, die Welle des e-Lichtstrahls parallel zum Hauptschnitt, wobei als Hauptschnitt die Ebene durch das Einfallslot und die Richtung der kristallographischen Haupt-(c-)Achse verstanden wird. In Richtung der optischen Achse herrscht Isotropie; eine Polarisation des Lichtes fehlt somit. Vorteilhaften und zweckmäßigen Aufschluß über den Polarisationszustand, die Schwingungsrichtung und die Größe der Brechungsindizes in einem optisch einachsigen Kristall erschließt eine Hilfsfläche, die in ihrer konstruktiven Darstellung die Brechungsindizes als Grundlage verwendet und deshalb Indikatrix genannt wird. — Eine Indikatrix entsteht dadurch, daß man von einem Punkte aus in jeder Richtung eine Strecke gleich dem Brechungsindex aufträgt, der den in dieser Richtung fortschreitenden Lichtwellen zukommt, und hierauf die Endpunkte dieser Strecken untereinander verbindet. Für optisch einachsige Kristalle ergibt sich hierbei ein Rotationsellipsoid, dessen Rotationsachse als „optische Achse" bezeichnet wird; auf ihr erscheint die Länge des Brechungsindex aufgetragen, senkrecht zu ihr — im Kreisschnitt durch den Mittelpunkt der Indikatrix — nm (Fig. 130). Durch diese Koordination erscheint in jedem elliptischen Dia-

0

e Fig. 130. Indikatrix (Rotationsellipsoid) für negative opt. einachsige Kristalle.

Fig. 181. Indikatrix mit Wellennormale u n d Schnittellipse.

102

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

metralschnitt ein Radius stets gleich ti», während der andere eine Länge zwischen nm und ne besitzt. Die Analogie zu den optischen Erscheinungen eines optisch einachsigen Kristalls ist augenfällig: Fällt die Fortpflanzungsrichtung einer Wellennormalen1) in die Richtung M—L (Fig. 131), so steht diese senkrecht auf einer Ellipse, deren Durchmesser (o—o und e'—e') die Schwingungsrichtungen der durch die Doppelbrechung entstehenden Wellen angeben, d. h. parallel zu o—o liegt die Schwingungsrichtung der o-, parallel e'—e' diejenige der e-Welle. Die Länge der Halbmesser ist hierbei gleich den Brechungsindizes der beiden Wellen, nämlich nm und ne. Wenn M—L mit der Rotationsachse zusammenfällt, so wird die Schnittellipse zu einem Kreis-, es gibt keine bevorzugten Schwingungsrichtungen, die Doppelbrechung verschwindet, die Lichtwelle ist nicht polarisiert und bewegt sich mit der Geschwindigkeit der o-Welle entsprechend dem Brechungsindex nm; alles Merkmale der Fortpflanzung des Lichtes in Richtung einer optischen Achse bzw. in einem optisch isotropen Medium. — Bei einem Einfall senkrecht zur Rotationsachse erschließt sich in der dazu senkrechten Schnittellipse die größte Differenz zwischen n e und n m und damit die stärkste Doppelbrechung. Die Indikatrix für negative optisch einachsige Kristalle hat die Gestalt eines abgeplatteten Rotationsellipsoids (Fig. 130) mit ne < nm, für positive ein gestrecktes mit w£ > na. Optisch z w e i a c h s i g e K r i s t a l l e . Von besonderer Art ist nun die Doppelbrechung, die orthorhombische, monokline und trikline Kristalle zeigen und die man z. B . bei Aragonit und Schwefel (beide orthorhombisch) in Analogie zu Kalkspat direkt beobachten kann. F ü r diese doppelbrechenden Kristalle sind drei verschiedene Brechungsindizes kennzeichnend, die mit zunehmender Größe als nx (der kleinste), nß (der mittlere) und nY (der größte) bezeichnet werden, und die im Kristall drei aufeinander senkrecht stehenden Richtungen der Fortpflanzung der Lichtwellen (analog einem Achsenkreuz: Fig. 18) entsprechen. Um nun die optischen Verhältnisse für diese Art der Doppelbrechung zu veranschaulichen, ist es zweckmäßig, nicht auf eine Strahlengeschwindigkeitsfläche zurückzugreifen, sondern auf eine Indikatrix. Sie ist in diesem Falle ein dreiachsiges Ellipsoid, das l ) d. Ii. der Senkrechten auf die Wellenfront, wobei beachtet werden muP, daß bei ellipsoiden Elementarwellen die Wellenfront und der zugehörige Lichtstrahl nicht mehr in allen Fällen aufeinander senkrecttt stehen.

103

Optisch zweiachsige Kristalle

durch drei zueinander senkrechte Achsen von ungleicher Länge ausgezeichnet ist (Fig. 132). Werden auf die drei Halbachsen des Ellipsoids — X, Y, Z — die Brechungsindizes na, riß und ny entsprechend ihrer Größenordnung aufgetragen, so kann leicht gezeigt werden, daß die Kristalle des orthorhombischen, monoklinen und triklinen Systems optisch zweiachsige Kristalle darstellen. Z

Y

Fig. 132. Indikatrix eines optisch zweiachsigen Kristalls.

Normalerweise schneiden die durch X gehenden Diametralschnitte die Indikatrix in Ellipsen, deren einer Radius stets riß (Fig. 132) ist, während der andere im Hauptschnitt 1 ) Y—Z jeweils eine Größe zwischen na und ny besitzt; innerhalb dieser Änderung wird auch die Größe des mittleren Brechungsindex riß erreicht und dann resultiert ein Kreisschnitt. Durch jedes dreiachsige Ellipsoid lassen sich nun zwei — zum Hauptschnitt X—Z symmetrisch liegende — Kreisschnitte legen; auf diese senkrecht einfallende Lichtwellen (Richtungen A—A und A'—A' in Fig. 132) erfahren weder eine Doppelbrechung noch eine Polarisation. Durch dieses optische Verhalten ergeben sich für diese beiden Richtungen Ähnlichkeiten mit einer optischen Achse bei einachsigen Kristallen; auf der Grundlage dieser Analogie wird daher von optisch zweiachsigen Kristallen gesprochen. Die optischen Achsen (A und A' in Fig. 132) liegen im Hauptschnitt Y—Z, der „Ebene der optischen Achsen" (auch optische *) Eier üauptschnitte: durch zwei Halbmesser (bzw. Durchmesser) des Ellipsoids bestimmte Ebenen, die zugleich Spiegelebenen sind.

104

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

Achsenebene = A.E.). w« und ny halbieren hierbei den Winkel der optischen Achsen; sie werden Mittellinien oder Bisektrizes (Halbierende) genannt. Eine weitere wichtige Unterscheidung: Als spitze Bisektrix (auch I. Mittellinie) wird die Halbierende des spitzen Winkels der optischen Achsen genannt (in Fig. 132 ny), die Halbierende des stumpfen Winkels dagegen stumpfe Bisektrix (auch II. Mittellinie) (in Fig. 132 nx). Auch bei den optisch zweiachsigen Kristallen lassen sich unterscheiden: optisch negative mit na als spitze Bisektrix (riß und ny unterscheiden sich wenig voneinander; wird riß = ny, ergibt sich das abgeplattete Rotationsellipsoid der negativen, optisch einachsigen Kristalle; Fig. 128) und optisch positive mit ny als spitze Bisektrix (nß und ny unterscheiden sich erheblich voneinander; wird riß = n a , ergibt sich das gestreckte Rotationsellipsoid der positiven, optisch einachsigen Kristalle; Fig. 129). Den augenfälligen Zusammenhang zwischen der Größe der Brechungsindizes und dem Achsenwinkel kann man zur Berechnung des Achsenwinkels V aus den Brechungsindizes na, riß und ny verwenden. Nach G. Barlaiini ergibt sich für den Winkel V (Winkel zwischen einer optischen Achse und ny) die Formel : „ tang fp ß x cos V = —, wo cos a> — — und cos ^ = — . tang ¥ y y Für den optischen Achsenwinkel zweiachsiger Kristalle .ist zu beachten, daß der wahre Achienwinkel 2V ( V von véritable = wahr, wirklich) vom scheinbaren 2 E (E von évident = augenscheinlich) abweicht (Fig. 133). Nachdem jede Achse beim Austritt in Luft eine der Lichtbrechung n a entsprechende Ablenkung erfährt, ist der scheinbare optische Achsenwinkel größer als der wahre; zwischen den beiden Achsenwinkeln besteht folgende Beziehung: . .. sin E sin V . nß Als Beispiele optisch zweiachsiger Kristalle seien angeführt ( n y a ) : Aragonit Schwefel

na 1,530 1,960

nß 1,682 2,040

ny Opt. Cliar. 1,686 — 2,248 +

IV 18° 11' 69° 5'

Opt. Orientierung A E (100), na // c A B (010), ny // c

Polarisationsmikroskop. Die bisher dargelegten optischen Eigenschaften der Isotropie und Anisotropie erlauben — wie dies folgende Tabelle 2 zeigt — die Zugehörigkeit eines Kristalls innerhalb von drei Gruppen der Kristallsysteme festzulegen.

105

Polarisationsmikroskop Eine weitere Aufgliederung und Unterteilung durchsichtiger bis durchscheinender Kristalle auf optisch-kristallographischer Grundlage erfordert zusätzliche Beobachtungen und E r kenntnisse, die vor allem charakteristische optische Erscheinungen im polarisierten Licht umschließen. Solche Beobachtungen werden deshalb zweckmäßig mit Hilfe eines

Fig. 133. Beziehung zwischen 2 V und 2 E .

^elie XJ

\'il

'/-'vV-'-'i!;

Fig. 134. Konstruktion des JPicoZschen Prismas.

Fig. 135. Wellenverlauf in einem Nìcolsehen Prisma.

Tab. 2 Opt.

Kristallsystem

Lichtbrechung

Auslöschung

isotrop

kubisch

n

alle Schnitte isotrop

hex.fcO rhomboedr.

o m 'S a

'S «s «a to *53 .c

tetragonal

e

n



'S

/ / ^ i r i ; ' 1

hexagonal

//(0001) J Z o n e n * ) g

orthorhombisch

[010], [100], [001]Zonen mit ger. Ausl.

monoklin *N

11(0001) 1 ^ [010]-, (ü

n

Pleochrolsmus

triklin

71 ß

y

n

[010]-Zone m. ger. Ausl. nur schiefe Auslöschungen

•) bzw. [0110]-, [1010]-, [1100]-, [0001]-Zonen.

¿i-chroitisch

(ri-ehroitisch

106

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

Polarisationsmikroskops durchgeführt. Dieses Instrument unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Mikroskop (mit Okular, Objektiv, Objekttisch, Tubus und Beleuchtungseinrichtung) durch den Einbau von Einrichtungen, die linear polarisiertes Licht erzeugen; es sind dies in erster Linie Nicolsehe Prismen, kurz Nicols (William Nicol, 1768—1851). Ein Nicol entsteht aus einem Kalkspatspaltungsstück, das in einer bestimmten Diagonalebene durchschnitten (Fig. 134) und mit Kanadabalsam (n = 1,54) wieder verkittet wurde. An der Verkittungsflache wird nun die o-Welle des Kalkspats (n m = 1,66) totalreflektiert (nach Einfall von Lichtwellen aus dem optisch (lichteren Medium des Kalkspats in das optisch dünnere des Kanadabalsams), während die e-Welle (w£ = 1,54) ohne Brechung die Balsamschicht durchläuft, das Prisma verläßt und dadurch linear polarisiertes Licht liefert (Fig. 135). Bei der Einrichtung eines Polarisationsmikroskops für die Durchlichtmikroskopie erscheint nun wesentlich, daß ein Nicol unterhalb des drehbaren Objekttisches eingebaut ist, das das vom Beleuchtungsspiegel kommende Licht in linear polarisiertes umwandelt und deshalb Polarisator genannt wird. Ein zweiter Nicol, als Analysator (griech. anälysis = Auflösung) bezeichnet, befindet sich im Mikroskoptubus oberhalb des Objektivs. Die Stellung beider Nicols ist bei den Untersuchungen meist gekreuzt, d. h. die Schwingungsrichtungen im Polarisator und Analysator stehen aufeinander senkrecht (gekreuzte Nicols, auch = Nie.). Dadurch wird das vom Polarisator kommende polarisierte Licht durch den Analysator ausgelöscht (verschluckt) und es herrscht bei Beobachtung durch das Okular im Gesichtsfeld völlige Dunkelheit. Bei parallelen Nicols geht dagegen das Licht des Polarisators ungehindert durch den Analysator (wenn auch mit verminderter Intensität). Bei Untersuchungen im Polarisationsmikroskop kann nun polarisiertes Licht die auf dem Objekttisch liegende Mineralplatte von unten entweder parallel durchsetzen — Untersuchungen im parallelen polarisierten Licht (Orthoskop: griech. ortliös = gerade, skopein = sehen) — oder aber nach Durchgang durch eine Linse (Kondensator) unter den verschiedensten Einfallswinkeln, also konvergent1) — Untersuchungen im konvergentstrahligen Licht (Konoskop). ' ) lat. con = zusammen, vergere = sich neigen.

Beobachtungen im parallelstrahligen polarisierten Licht

107

Beobachtungen im parallelstrahligen polarisierten Licht Wird eine durchsichtige optisch isotrope Rristallplatte zwischen gekr. Nie. beobachtet so erscheint sie dunkel; diese Dunkelheit bleibt bei einer jeden Drehung der Platte in ihrer Ebene erhalten. Erklärung: Das einfallende polarisierte Licht geht unter Beibehaltung seiner Schwingungsrichtung ungestört durch die Kristallplatte hindurch, weil optisch isotropeMedien keine bevorzugten Schwingungsrichtungen kennen, und wird dann vom Analysator vernichtet. Dieses Verhalten zeigen alle Kristallschnitte optisch isotroper Körper und in jeder Lage. Ein optisch einachsiger Kristall erscheint dagegen zwischen gekr. Nie. nur dann beim Drehen in seiner Ebene dunkel, wenn Schnitte senkrecht zur „. „„„ „ . . ,

.

,

,,

,

Fig. 1S6.

Schvingungsnch-

optischen Achse vorliegen (d.h. par- t u n g e n in einem o p t i s c h einallel zur Basis 001 oder 0001; Vgl. Tab. achsigen K r i s t a l l s e n k r e c h t zur S. 105). Bei Drehung solcher Schnitte o p t i s c h e n Achse, stimmen immer wieder einzelne Schwingungsrichtungen in der Kristallplatte (Fig. 136) mit denen der Nicols überein und ergeben damit in Analogie zu den optisch isotropen Kristallen die dargelegte Dunkelheit. Ein anderes Verhalten ist für Schnitte charakteristisch, die geneigt oder parallel zur optischen Achse liegen. Diese Schnitte sind im monochromatischen Licht im allgemeinen hell, bei Drehung in ihrer Ebene verändert sich jedoch die Helligkeit bis eine vollständige Dunkelheit erreicht wird. Während einer Drehung um 360° ist eine viermalige Aufhellung (jeweils nach 90°) und eine viermalige Dunkelheit — sog. Auslöschung — zu beobachten, während in den vier 45°-Stellungen eine maximale Helligkeit auftritt. Dieses charakteristische Verhalten erklärt sich durch die jeweilige Lage der zwei senkrecht aufeinander stehenden Schwingungsrichtungen in doppelbrechenden Kristallen gegenüber dem einfallenden polarisierten Licht des Polarisators. Liegen die Schwingungen PP des Polarisators einer Schwingungsrichtung im Kristall parallel (Kj, K2), so gehen sie unverändert durch den Kristall (Fig. 137a) und werden durch den Analysator ausgelöscht; bei einer vollen Drehung um 360° wiederholt sich diese Auslöschungsstellung viermal. — Wenn aber die Schwingungsrichtungen im Kristall schief zu jenen der Nicols liegen (Fig. 137 b),

108

Die physikalischen Eigenschafteil der Mineralien

so wird zunächst die ursprüngliche Schwingung des Polarisators in zwei Komponenten zerlegt, die den Kristall parallel den Schwingungsrichtungen K t und K 2 verlassen und auf den Analysator treffen. Nachdem dieser nur jene Lichtquelle hindurchläßt, die AA parallel verlaufen, werden die beiden Komponenten abermals zerlegt; die auf die Schwingungsebene AA fallenden Anteile !P 0)

K,

K2

W I

I IP

a

D

Fig. 137. Lichtdurchgang durch eine doppelbrechende Kristallplatte zwischen gekr. Nie.: a) Schwingungsrichtungen im Kristall parallel; b) schief zu jenen der gekr. Nie.

und a 2 gehen durch den Analysator hindurch und und erzeugen Helligkeit. (Nähere Erklärung unter Interferenzfarben, S. 109.) Ein den optisch einachsigen Kristallen analoges Verhalten im parallelstrahligen polarisierten Licht zeigen die optisch zweiachsigen Kristalle, doch geben Schnitte genau senkrecht zu einer optischen Achse im monochromatischem Licht keine Dunkelheit 1 ), sondern eine schwache Aufhellung und bei Drehung des Objekttisches keine deutliche Auslöschung. Einige weitere Unterschiede ergeben sich aber, wenn man eine ermittelte Auslöschungsrichtung (in der Stellung ihrer stärksten Verdunkelung) nach Ausschaltung des Analysators auf erkennbare mor') Eine Deutung muß hier unterbleiben.

Interferenzfarben

109

phologische Richtungen im Kristall (Kanten, Spaltrisse, evtl. Zwillingsebenen) bezieht und zwar mit Hilfe des Fadenkreuzes im Okular, dessen Fäden den beiden Schwingungsrichtungen in den Nicols parallel gehen. Hierbei kann zwischen einer geraden, symmetrischen und schiefen Auslöschung unterschieden werden. Die Auslöschungsrichtungen stehen im engen Zusammenhang mit der jeweiligen Symmetrie der Kristalle und der entsprechenden Kristallschnitte. Über die Zonen der geraden und schiefen Auslöschungen bei den verschiedenen Kristallsystemen orientiert die Tab. 2 auf S. 105; sie zeigt zugleich, daß die kennzeichnenden Auslöschungsrichtungen eine weitere Untergliederung der optisch zweiachsigen Kristalle untereinander, aber auch eine Abgrenzung gegenüber den optisch einachsigen Kristallen ermöglichen. Interferenzfarben. Die bisher dargelegten Beobachtungen im parallelen polarisierten Licht erfolgten bei monochromatischem (homogenem) Licht. Bei Anwendung von weißem Lieht ergeben sich einige zusätzliche Erscheinungen, die vor allem solche der noch unberücksichtigt gebliebenen Interferenz sowie der Interferenzfarlen umschließen. Solche Farben werden augenfällig, wenn zwischen gekr. Nicols Kristallplatten untersucht werden, die im monochromatischen Licht nur einen Wechsel zwischen Helligkeit und Dunkelheit erkennen lassen (S. 107); die Hellstellungen sind dann durch Interferenzen farbig. Die Erscheinungen der Interferenz (lat. interficere = vernichten) ergeben sich aus der Wellennatur des Lichtes. Eine Interferenz entsteht durch Übereinanderlagerung von Wellen gleicher Wellenlänge, aber verschiedenen Schwingungszustandes, wenn sich diese von einer Lichtquelle aus in der gleichen Fortpflanzungsrichtung hintereinander bewegen. Die optischen Effekte einer solchen Interferenz (Verstärkung, Schwächung, Vernichtung) veranschaulicht am instruktivsten ein Keil eines doppelbrechenden Minerals, der im monochromatischen Licht in der 45°-SteIlung (dem Maximum der Aufhellung) zwischen gekr. Nicols liegt. In dieser Lage werden abwechselnd dunkle und helle Streifen (Fig. 138) beobachtet. Es läßt sich belegen und ableiten, daß die dunkelsten Stellen jeweils einem Gangunterschied (einer Phasendifferenz) von ganzen Wellenlängen (1, 2, 3 ) entsprechen, die hellsten dagegen einem Gangunterschied von ungeraden Vielfachen einer halben Wellenlänge (V2> *Y2* Va • • •)• Die Abhängigkeit der Streifen von der Wellen-

110

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

länge erschließen die Abstände: Für das kürzerwellige Blau (A = 4590 A) sind sie kleiner (Fig, 138 a), für das längerwellige Rot (X = 6200Ä) größer (Fig. 138 b). Wird aber der gleiche Keil zwischen gekr. Nicols im weißen Licht beobachtet, so fehlen die dunklen Streifen und ein kontinuierliches Band bunter Farben liegt vor, die mit der Dicke des Keils an Farbtiefe und Intenstiät abnehmen (Farben höherer Ordnung). Diese Erscheinung ergibt sich aus der Eigenart des weißen Lichtes, das aus verschiedenen Farben sehr verschiedener Wellenlängen X zusammengesetzt ist (s. S. 97). Dies hat zur Folge, daß für verschiedene Wellenlängen die Gangunterschiede für das Auftreten der Helligkeits- und Dunkelheitsmaxima an verschiedenen Stellen des Keiles liegen. Für eine bestimmte Keildicke fallen dann bestimmte Wellenlängen aus, so daß durch den Analysator nur solche Lichtarten hindurchgehen, die nicht durch Interferenz ausgelöscht wurden. Durch das Ausfallen bestimmter Wellenlängen infolge Interferenz resultieren aber die beobachtbaren Farben, die Interferenzfarben. Solche Interferenzfarben treten in analoger Ursache in Kristallplatten zwischen gekr. Nie. auf, wenn diese aus der Dunkelstellung (Auslöschungsrichtung) gedreht werden, d. h. die verschiedenen Wellenlängen des weißen Lichtes interferieren nach dem Durchgang durch die Platte mit verschiedenen Gangunterschieden. Wird monochromatisches Licht verwendet, so gehen die Helligkeitsstellungen auch auf Interferenz zurück, doch nur für Licht einer bestimmten Wellenlänge. Ganz allgemein ist die Interferenzfarbe vom Gangunterschied abhängig und damit nicht allein von der Dicke des Präparates (Kristallplatte, Dünnschliff, Mineralkorn), sondern auch von der spezifischen Doppelbrechung des Untersuchungsobjektes (Minerals), also von ne—nm bzw. ny—na, und von der Schnittlage. Zwischen Plattendicke, Doppelbrechung und Interferenz besteht eine eindeutige Beziehung. Die Höhe der Doppelbrechung eines Minerals kann man aus der Interferenzfarbe abschätzen.

Farben der Mineralien

111

Die optischen Effekte der Interferenz zwischen parallelen Nicols sind gegenüber jenen zwischen gekreuzten komplementär, d. h. sie ergänzen sich zu weiß. Additions- und Subtraktionsfarben. Für die Auswertung optischer Erscheinungen ist es wichtig, in einem Kristallschnitt (in einer Kristallplatte) die Lage der Schwingungsrichtungen der „schnelleren" Wellen und damit der kleineren Lichtbrechung (also nx) sowie der „langsameren" Wellen und damit der größeren Lichtbrechung (also ny) zu ermitteln und zu kennen. Dies ist mit Hilfe einer zweiten doppelbrechenden Platte möglich, in der die Richtungen der schnelleren und langsameren Wellen — also na und nv — bekannt und festgelegt sind; vorteilhaft wird ein Spaltplättchen von Gips verwendet, das zwischen gekr. Nie. gerade das Rot I. Ordnung aufweist. Wird nun dieses Gipsplättchen über eine ebenfalls in Diagonalstellung (45°-Stellung) liegende Kristallplatte geschoben, so ergeben sich zwei verschiedene Möglichkeiten. Der Gangunterschied in der Kristallplatte (mit und ny') kann beim Durchgang durch das Gipsplättchen (mit nx" und ny") a) vergrößert werden, wenn nx' und na" sowie ny' und ny" übereinander liegen; die Interferenzfarbe steigt ( A d d i t i o n s f a r b e ) , d. h. die Kristallplatte erscheint für die Interferenz dicker, oder b) verkleinert werden, wenn ungleichwertige Schwingungen — also nx' und ny" sowie ny und na" — übereinander liegen; die Interferenzfarbe fällt ( S u b t r a k t i o n s f a r b e ) , d. h. die Kristallplatte erscheint für die Interferenz dünner. Mit Hilfe der steigenden und fallenden Farben läßt sich also in einem Kristall die Lage von na' und ny' — gebunden an die entsprechenden Auslöschungsrichtungen — eindeutig festlegen. Damit erschließen sich aber bestimmende Grundlagen für die Orientierung der optischen Konstanten im Kristall selbst und für den Charakter augenfälliger Zonen (negativ oder positiv). Von den Interferenzfarben verschieden sind jene F a r b e n , die an den Mineralien direkt beobachtet werden u n d die durch Absorption (S. 113) entstehen. Diese Farben der Jlineralien bei Tageslicht stellen in vielen Fällen eine wesentliche Eigenschaft einer Kristallart dar, d. h. die Farben erscheinen mit der chemischen Zusammensetzung und S t r u k t u r einer Kristallart aufs engste verbunden;

112

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

diesen eigenfarbigen, idiochromatischen (gr. idios = eigen, chröma = Farbe) Mineralien stehen die farblosen, achromatischen (gr. a = negative Vorsilbe, chröma = Farbe) gegenüber, die bei einer bestimmten chemischen Zusammensetzung und Struktur farblos sind. Während nun die idiochromatischen Mineralien ihre Farbe mit der Struktur ändern können (oc-PbO, tetragonal: rot, ß-PbO, orthorhombisch: gelb), werden die achromatischen Mineralien entweder durch Einschlüsse oder Beimengungen von Spurenelementen (vgl. S. 136) farbig (fremdfarbig bzw. allochromatisch-, gr. ällos = anders), aber auch durch Gitterstörungen (vgl. S. 115) und Baufehler. Die Farbe der eigenfarbigen Mineralien ist entweder mit Undurchsichtigkeit verbunden und metallisch: Weiß (Silber), Grau (Bleiglanz), Gelb (Gold), Rot (Kupfer); oder sie ist mit Durchsichtigkeit verbunden und nichtmetallisch: Gelb (Schwefel), Rot (Zinnober), Grün (Malachit), Blau (Kupferlasur). Für die Bezeichnung der Farbtöne werden Vergleiche herangezogen: feuer-, blut-, Scharlach-, kirsch-, rosen-, himbeer-, cochenille-, ziegelrot. Zur genaueren Bestimmung benutzt man eine möglichst umfangreiche Farbenskala 1 ). Für die gefärbten Mineralien ist die Farbe meist unwesentlich, was besonders daraus hervorgeht, daß ein und dasselbe Mineral, z. B. Flußspat, farblos und auch in verschiedenen Farben vorkommt, oft sogar an demselben Kristall der Kern eine andere Farbe besitzt als die Hülle. Für allochromatische Mineralien ist demnach die Farbe kein kennzeichnendes Merkmal. Zur Entstehung der Farben in durchsichtigen Mineralien: Ist ein Mineral farblos, so werden nur alle Wellenlängen des einfallenden Lichtes gleich stark geschwächt und aus dem Kristall kommt wieder weißes Licht, jedoch in verminderter Intensität, heraus. Wird aber das aus einem farbigen Kristall austretende Licht durch ein Prisma zerlegt, so gelangt meist ein Spektrum zur Beobachtung, das an verschiedenen Stellen schmale schwarze Linien oder Doppellinien (sog. Äbsorptionslinien; lat. absorbere = verschlingen) erkennen läßt; es haben also nicht alle Wellenlängen ') Die von W. Ostusald aufgestellte Farbtonleiter.

Farben der Mineralien

113

des einfallenden Lichtes den farbigen Kristall verlassen, sondern verschiedene von ihnen wurden im Kristall ausgelöscht, absorbiert, andere geschwächt. Die beobachtete Farbe ist also eine Mischfarbe und entspricht den nicht absorbierten Wellenlängen. Das durch Absorption — ganz allgemein Schwächung der Lichtintensität beim Übergang aus einem optischen Medium in ein anderes — entstandene Spektrum wird als „Absorptionsspektrum" bezeichnet. Die Absorptionslinien und -bände, deren Lage in Ä angegeben wird, treten in einer bestimmten farbigen Kristallait immer wieder an der gleichen Stelle auf und sie sind so charakteristisch, daß mit ihrer Hilfe eine Bestimmung vieler Farbsteine möglich ist und zwar bei Gebrauch eines Spektroskops. Pleochroismus. Wesentlich ist nun, daß sich die Absorption in anisotropen Kristallen mit der Richtung ändert, d. h. sie ist für die beiden polarisierten Wellen verschieden stark. Diese Eigenschaft, das Licht in verschiedenen Richtungen ungleich zu absorbieren, wird als Pleochroismus1) bezeichnet. Eine augenfällige Äußerung des Pleochroismus zeigt sich dadurch, daß ein Farbmineral in verschiedenen Richtungen gleicher Dicke verschiedene Farben zeigt. Wenn man z. B. durch einen grünen Turmalin jeweils senkrecht zu seinen Prismenflächen (also senkrecht zur c-Achse) hindurchsieht, erscheint er grün, in der dazu senkrechten Richtung (also parallel zur c-Achse) dagegen schwarz und undurchsichtig. In diesen beiden Richtungen treten die charakteristischen Absorptionsfarlen dieses dichroitischen (griech. di = doppelt) Minerals auf, in den Zwischenlagen Übergangs- oder Mischfarben. Beim orthorhombischen Cordierit sind dagegen in den Richtungen parallel zu den drei kristallographischen a-, b- und c-Achsen verschiedene Farben — dunkelblau, blau und gelb — zu beobachten; das auch als Diehroit bezeichnete Mineral hat in Wirklichkeit einen Trichroismus (griech. tri = drei). Der Grad und die Art der Absorption ist für ein Mineral in bezug auf die kristallographisch-optischen Hauptrichtungen konstant. Deshalb ist der Pleochroismus ein charakteristisches Merkmal gefärbter, anisotroper Mineralien. Amorphe und kubisch kristallisierende — also optisch isotrope —• Mineralien sind nie pleochroitisch (vgl. Tab. 2 auf S. 105). Optisch einachsige Kristalle sind dichroitisch: in allen Richtungen senkrecht zur c-Achse geben sie die gleiche, parallel zur ') griech. p!6on = mehr, chröma = Farbe, also Vielfarbigkeit. 8

Brauns-Chudoba, Allg. Mineralogie

114

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

c-Achse aber eine andere Farbe. In den Zwischenrichtungen sind Mischfarben beobachtbar. Optisch zweiachsige Kristalle sind trichroitisch; in drei aufeinander senkrechten Richtungen zeigen sie drei verschiedene Farben; in den Zwischenrichtungen treten jeweils Mischfarben auf. Die Erscheinung des Pleochroismus ist für viele gefärbte Mineralien ein Bestimmungsmerkmal, in der Regel aber erst mit Hilfe eines optischen Instrumentes beobachtbar. Im Polarisationsmikroskop kann man die Absorptionsfarben bei ausgeschaltetem Analysator bei Drehung eines Minerals auf dem Objekttisch sehen und kennzeichnen. Hierbei ist es notwendig, die auftretenden Farben den Werten von na und ne bzw. n/ oder nx, riß und ny bzw. na', riß' und ny' zuzuordnen, deren Lage im Kristall durch die Beobachtung der fallenden und steigenden Interferenzfarben ermittelt worden ist (vgl. S. 111). Auch mit der dichroskopischen Lupe (dem Dickroskop) ist der Pleochroismus deutlich wahrzunehmen; dieses Instrument besteht aus einem in einer Röhre gefaßten Spaltungstück v o n Kalkspat mit einer Lupe auf dem einen, mit einem viereckigen Ausschnitt auf dem anderen Ende. Bei der Beobachtung fleht man infolge der Doppelbrechung des Kalkspats den Ausschnitt doppelt. Hält man einen pleochroitischen Kristall vor den Ausschnitt, so erscheinen gleichzeitig zwei Bilder in verschiedener Farbe.

Manche M i n e r a l f a r b e n lassen sich auf sichtbare (makroskopische) Einschlüsse ( H ä m a t i t bei rotem Steinsalz und Heulandit), andere auf mikroskopische (bei manchen Feldspäten) zurückführen; aber auch submikroskopische Einlagerungen (unterhalb 1 0 - 5 cm) dürften als farbverursachend in Betracht kommen und damit ultramikroskopische (Größenbereich von 4.10 - 7 bis 1 0 - 5 cm), amikroskopische (10 - 7 bis 4.10 - 7 cm) u n d atomare; letztere „Verunreinigungen" oft in isomorpher Beimischung (z. B. Chromoxid bei Rubin, A1 2 0 3 ), und zwar in „substitutioneller" (vertretungsweiser) Lage (z. B. Cr in Gitterlagen von AI, oder AI an Stelle von Si bei Silikaten). Bestimmend f ü r eine F a r b e kann auch der interstitielle (.zwischenräumliche) Einbau bestimmter Elemente sein, bei Rauchquarz z. B. AI. Eine F ä r b u n g von Mineralien kann weiter durch eine Zustandsänderung des Farbträgers infolge von Radiumbestrahlung bedingt sein (Zirkon). In sehr vielen Fällen ist die Ursache der F ä r b u n g nicht eindeutig b e k a n n t (Turmalin), oder

Strich

115

u m s t r i t t e n (Amethyst). Oft spielen R a d i u m e m a n a t i o n e n im Verein mit Spuren von beigemischten seltenen E r d e n dabei eine Rolle, oft auch kolloidale Beimengungen (bei blauem Steinsalz z. B. kolloidales Natrium). Die Farben der Mineralien können im Sonnenlicht bleichen oder zur Veränderung kommen, vor allem die allochromatischen. Färb Veränderungen idiochromatischer Minerahen beruhen meist auf chemischen Umwandlungen (wie beim Übergang von rotem Realgar durch Belichtung in gelben Auripigment). Farbveränderungen ergeben sich auch durch Erhitzen sowie durch Bestrahlungen mit Röntgen-, Kathoden-, Radium-, Gamma-, Elektronen-, Neutronen- u. a. Strahlen. So kann violetter Amethyst zu gelbem „Topas" gebrannt werden, blaugrüner Aquamarin zu einem blauen usw. Praktisch wichtig ist auch das Brennen von braunen Zirkonen zu farblos oder blau. Durch Bestrahlung mit beschleunigten Protonen (Atomkernen) und Deuteronen ( = Wasserstoff kerne der Masse 2) eines Zyklotrons wird jeder Diamant grün, bei zu starker Bestrahlung tiefbraun bis schwaiz. Als Ursache der Grünfärbung wird eine Gitterstörung angenommen. Die Farbe ist eine Funktion der natürlichen Ausgangsfarbe und der Bestrahlungsdauer. Im Atomreaktor (mit Neutronen) bestrahlte Diamanten erfahren gleichfalls eine Grünfärbung. — Durch ein intensives Elektronenbombardement können Diamanten eine blaue Farbe erhalten. Ursache der Blaufärbung: Durch die beschleunigten Elektronen werden C-Atome aus ihrer Lage herausgeschossen und im Gitter entstehen Leerstellen (Fehlen des zentralen, tetraedrisch gebundenen C-Atoms); zugleich kommen andere C-Atome in eine Zwischengitter- (interstitielle) Lage. Über die farbgebenden Elemente in isomorpher Mischung siehe S. 136. Strich. Wird m i t einem farbigen Mineral über eine r a u h e Fläche, a m besten über rauhes weißes Porzellan (sog. Biskuit), u n t e r nicht zu gelindem D r u c k hingestrichen, so hinterläßt es einen farbigen Strich, dessen F a r b e häufig zur Bes t i m m u n g der Mineralien dient; meist ist die Farbe des Striches heller als die des Minerals, m a n c h m a l ü b e r h a u p t anders; so gibt schwarzer Eisenglanz roten, gelber Schwefelkies schwarzen Strich; die gefärbten Mineralien geben fast alle weißen Strich. 8»

116

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien Beobachtungen im konvergentstrahügen Licht

F ü r diese Untersuchungen ist es notwendig, daß das polarisierte Licht konvergent — also unter verschiedenen Richtungen — auf die am Objekttisch liegende Kristallplatte fällt. Man erreicht dies beim Polarisationsmikroskop durch einen Kondensor, der über dem Polarisator eingeschaltet wird. Weiter ist die Verwendung eines starken Objektivs, die Stellung gekr. Nie. und das Ausschalten des Okulars notwendig, um die resultierenden Erscheinungen der Interferenz in der Brennfläche des Objektivs beobachten zu können. Bei eingeschaltetem Okular erfolgt die Beobachtung in Verbindung mit einer Amici-Berlrandschen Linse, die unterhalb des Okulars in den Tubus geschoben wird. Optisch einachsige Kristalle zeigen bei dieser „konoskopischen" Anordnung für Platten senkrecht zur optischen Achse ein typisches Interferenzbild (Fig. 139). Im monochromatischen Licht wird ein schwarzes Kreuz beobachtet, das auch bei Drehung der Kristallplatte in ihrer Ebene immer geschlossen bleibt, sowie ein System konzentrischer dunkler Ringe. Im Zentrum des Interferenzbildes liegt die optische Achse mit der Doppelbrechung Null. Für die Balken des Kreuzes decken sich die Schwingungsrichtungen der Wellen im Kristall mit j enen der gekr. Nie. (vgl. Fig. 136) und es erfolgt daher ihre Auslöschung. Die konzentrischen Ringe aber entsprechen Interferenzen in den jeweiligen Richtungen gleichen Gangunterschiedes gegenüber der optischen Achse, also Richtungen, für welche der Gangunterschied ein ganzes Vielfaches der benutzten Lichtart ist. Dieser Gangunterschied Fig. 139. Konoskopischen Intert'erenzbild wächst Von innen nach außen, weü mit der Neigung im monochromatischen Licht.

gegenüber

der

optischen

Beobachtungen im konvergentstrahligen Licht

117

Achse nicht nur die Stärke der Doppelbrechung wächst, sondern auch die Weglänge der beiden polarisierten Wellen im Kristall; der Gangunterschied ist weiter von der Dicke der Kristallplatte abhängig. Im weißen Licht ist das schwarze Kreuz verbunden mit konzentrischen Ringen gleicher Interferenzfarben, die von innen nach außen in der Ordnung steigen. — In Schnitten schief zur optischen Achse erscheinen gewissermaßen nur Teile des „BasisInterferenzbildes". Eine „geringe Öffnung" des schwarzen Kreuzes wird als optische Anomalie angesprochen. Der optische Charakter der einachsigen Kristalle läßt sich u. a. mit einem Gipsplättchen von Rot I. Ordnung (mit na> in der Längsrichtung) bestimmen. Die hierbei zu unterscheidenden steigenden und fallenden Interferenzfalben werden am zweckmäßigsten im zentralen Teil des schwarzen Kreuzes beobachtet, wie dies Fig. 140 (a und b) verdeutlicht. Die unterschiedlich

Fig. 140. Bestimmung des optischen Charakters am einachsigen Achsenbild mit Gipsplättchen für einen a) optisch negativen b) optisch positiven Kristall.

orientierten Additions- und Subtraktionsfarben in den vier Quadranten des Interferenzbildes ergeben sich, wie auch das gegensätzliche Verhalten der optisch negativen und positiven Doppelbrechung, aus der jeweiligen Lage der Schwingungsrichtungen für n a und n e im Kristall gegenüber jenen im Gipsplättchen (vgl. Indikatrix, S. 101). Optisch zweiachsige Kristalle zeigen im konvergentstrahligen Licht (konoskopische Anordnung) die Erscheinungen der Interferenz besonders charakteristisch an Platten senkrecht zur I. Mit-

118

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

tellinie (spitzen Bisektrix). Im monochromatischen Licht wird in der Normalstellung ein schwarzes Kreuz beobachtet, das aus ungleich dicken Balken besteht. Dieses Isogyrenkreuz (griech isos = gleich, gyrós = krumm) und die anderen Stellen gleicher Dunkelheit — entsprechend den Schwingungsrichtungen der Fig. 141 — entstehen unter den gleichen Bedingungen wie jene bei den optisch einachsigen Kristallen. Bei Drehung der Kristallplatte in ihrer Ebene öffnet sich das Achsenkreuz; der größte Öffnungswinkel für die hyperbelartigen Isogyren wird in der Diagonal-(45°-)Stellung beobachtet (Fig. 142). Die Austrittspunkte der beiden Achsen liegen innerhalb der innersten Ringe und zugleich an den Scheitelpunkten der Hyperbeln. Der Abstand der Durchstoßpunkte der optischen Achsen (Fig. 141 und 142) liefert ein Maß für die Größe des Achsenwinkels 2 V. Im weißen Licht erscheinen die Stellen gleichen Gangunterschiedes — Ringe und Lemniskaten ( = liegende Acht) — gleichfarbig. Das Öffnen des dunklen Kreuzes ist für die optisch zweiachsigen Kristalle charakteristisch und ein beachtenswertes Unterscheidungsmerkmal gegenüber den optisch einachsigen Kristallen. Platten schiefer Schnittlage zu der Mittellinie sind unsymmetrisch und zeigen gewissermaßen nur Teile des in Fig. 142 dargestellten Interferenzbildes.

F i g . 141. Schwingungsricht u n g e n in einem o p t i s c h zweiachsigen K r i s t a l l s e n k r e c h t zur ersten Mittellinie.

Fig. 142. K o n o s k o p i s c h e s I n t e r f e r e n z b i l d eines optisch zweiachsigen K r i s t a l l s ( A r a gonil) für eine P l a t t e s e n k r e c h t zur e r s t e n Mittellinie im m o n o c h r o m a t i s c h e n L i c h t .

Optisches Drehungsvermögen

119

Der optische Charakter der zweiachsigen Kristalle läßt sich in Analogie zu den einachsigen (S. 117) bestimmen. Denkt man sich in der Diagonalstellung die Isogyren mit den Achsenpolen zusammengeschoben, so entsteht ein Kreuz, für das die gleichen Unterscheidungsregeln wie bei der Fig. 140 (a und b) gelten. In der Normalstellung ist das Auftreten blauer und gelber Flecken im innersten Ring beiderseits der Achsenaustrittspunkte zu beachten und analog zu deuten. Optisches Drehungsvermögen. Eine „dickere" Quarzplatte senkrecht zur optischen Achse zeigt zwischen gekr. Nie. im monochromatischen Licht keine Dunkelheit, sondern Aufhellung; eine Dunkelstellung ergibt sich erst nach Drehung des Analysators um einen bestimmten Winkelbetrag gegen den Polarisator, wobei der Drehungssinn bei Linksquarz (Fig. 72 a) nach links (im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers), bei Rechtsquarz (Fig. 72 b) nach rechts (im Uhrzeigersinn) notwendig ist. Die Schwingungsebene des linear polarisierten Lichtes wurde demnach beim Durchgang durch die Quarzplatte gedreht. Diese Erscheinung wird als optisches Drehungsvermögen oder auch optische Aktivität bezeichnet. Das Drehungsvermögen hängt von der Kristallart, von der Dicke der Kristallplatte und von der Wellenlänge ab. Als spezifisches Drehungsvermögen wird die Größe des Drehwinkels für Platten von 1 mm Dicke angesehen; für Quarz ergeben sich die Werte für X 6876 A = 15,55°, für l 5893 Ä (Na-Licht) = 21,67°, für A 4308 A = 42,37°. Im weißen Licht ist für die gleiche Quarzplatte keine Dunkelstellung zu erreichen; bei Drehung des Analysators wird jeweils eine Lichtart nach der anderen ausgelöscht und die durchgelassenen vereinigen sich zu einer Mischfarbe. Im konvergenistrahligen weißen Licht (im Konoskop) zeigt die gleiche Quarzplatte ein Achsenkreuz, dessen Mitte aber fehlt, d. h. sie ist durch eine farbige Kreisfläche ersetzt und die Kreuzbalken setzen sich erst vom Außenrand des ersten Ringes ab. Die Farben des zentralen Teiles entsprechen hierbei denjenigen im weißen Licht zwischen gekr. Nie. Optisch aktiv ist unter den regulären Kristallen z. B. NaC10 3 , unter den optisch einachsigen außer Quarz z. B. Zinnober HgS, unter den optisch zweiachsigen Bittersalz MgS0 4 • 7 H 2 0 und Rohrzucker C 1 2 H 2 2 O u . Die optische Aktivität ist bei kubischen Kristallen in allen Richtungen, bei den optisch einachsigen in der Richtung der c-Achse, bei optisch zweiachsigen in der Richtung beider Achsen am besten zu beobachten. Voraussetzung für das

120

Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

Auftreten der optischen Aktivität sind Kristalle ohne Symmetriezentrum. Optische Untersuchung: stark absorbierender Kristalle. Ebenso wichtig wie die Untersuchungen im Durchlicht sind solche im Anflicht. Sie sind bei Kristallen notwendig, deren Absorption (vgl. S. 113) so stark ist, daß sie auch bei Dünnschliffdicke (etwa 0,03 mm) undurchsichtig — opak — sind, wie z. B. die meisten Erze sowie Metalle. Die Untersuchung erfolgt dann im reflektierten Licht und zwar an sorgfältig hergestellten Anschliffen, die auf Hochglanz poliert, möglichst relieffrei geschliffen und frei von Kratzern sowie Löchern sein müssen. Für das Auflichtmikroskop ist ein Opakilluminator (lat. opacus = dunkel, illuminare = erhellen) kennzeichnend, der im Mikroskoptubus eingebaut, seitlich zu^eführtes Licht senkrecht auf den Anschliff leitet und dann das reflektierte Licht im Mikroskop zu beobachten erlaubt. Die Beobachtungen im Auflichtmikroskop stützen sich auf solche im natürlichen und polarisierten Licht (ohne und mit Analysator) und sie umschließen formale und optische Eigenschaften. Als formale Eigenschaften sind anzusehen: Kornform, Korngröße, relative Härte, natürliche Bildungstexturen (gerichtete und ungerichtete), natürliche und künstliche Verformungstexturen (Translation, Zwillingsgleitung, Rekristallisation), aber auch das Ätz- und mikrochemische Verhalten. Unter den optischen Eigenschaften werden hauptsächlich diejenigen der Farbe, des Reflexionsvermögens, der Bireflexion, des Polarisations- (Anisotropie-)Effektes, der Farbveränderungen usw. bestimmt. Das Reflexionsvermögen wird durch das Intensitätsverhältnis des reflektierten Lichtes gegen das auffallende Licht charakterisiert. Metalle (Gold, Silber usw.) haben ein ausgesprochen hohes Reflexionsvermögen. Die Bireflexion (Doppelreflexion) zeigt die Abhängigkeit der Farbe und Helligkeit von der Kristallanisotropie (ohne Analysator beobachtet), während die Anisotropieeffekte die Erscheinungen zwischen gekr. Nie. für verschiedene Schnittlagen eines Kristalls im Anschliff belegen. Nähere Einzelheiten zur Auflichtmikroskopie — auch Erzmikroskopie bezeichnet — wären der Spezialliteratur zu entnehmen. Fluoreszenz, Phosphoreszenz, Lumineszenz. Die Farbe eines Minerals erscheint gelegentlich im durchfallenden Licht anders als im auffallenden Licht. Bei Flußspat, Bernstein u. a. kann man diese Erscheinung manchmal beobachten. Viele dieser Mineralien leuchten dann beim Erhitzen oder bei Bestrahlung mit ultraviolettem Licht in eigenartigen, oft nach ihrer Bildungsweise ver-

Wärmeeigenschaften

121

schiedenen Farben. Diese Erscheinung wird Fluoreszenz genannt, wenn die Ausstrahlung der Lichtenergie (Emission) sofort auf die Aufnahme der Lichtenergie gewisser Wellenlängen (Absorption) folgt. Liegt zwischen diesen beiden Phasen eine längere Zeit, so nennt man diesen Vorgang Phosphoreszenz. Jede Art von Leuchten, die keiner Wärmestrahlung entspricht, bezeichnet man als Lumineszenz. Durch Vorwörter werden die Arten der Lumineszenzanregung angegeben. Photo- (Anregung durch Lichtstrahlen), Kathodo(durch Elektronenstrahlen), Thermo- (durch Erwärmung), Tribo(beim Reiben oder Zerbrechen von Kristallen), Chemo- (bei chemischen Reaktionen), Kristallo- (beim Auskristallisieren) Lumineszenz. Für die Untersuchung von Uranmineralien, Sclimuckund Edelsteinen, aber auch für andere Mineralien ist die Lumineszenz im ultravioletten Licht oft für eine Bestimmung oder Kennzeichnung von Bedeutung. Das ultraviolette Licht ist ein kurzwelliges, unsichtbares Licht, das sich mit seinen Wellenlängen an den violetten Teil des sichtbaren Spektrums anschließt. Untersuchungen der Fluoreszenz in diesem ultravioletten Licht werden in der Praxis vorwiegend mit einer Quarzquecksilberlampe durchgeführt, bei welcher ein Flammenbogen zwischen zwei Quecksilberfäden im Quecksilberdampf eines Vakuums erzeugt wird. Zur Erzeugung des Flammenbogens ist bei manchen Quecksilberlampen ein Kippen notwendig, um den Qnecksilberfaden, durch den der Strom fließt, zum Zerreißen zu bringen; an der Rißstelle entsteht dann der Flammenbogen. Die „Fluoreszenz von Mineralien" vermittelt in einer Übersicht W. Lieber im Sonderheft 5 zum Aufschluß, dem Mitteilungsblatt der Vereinigung der Freunde der Mineralogie und Geologie, Heidelberg 1957. Wärmeeigenschaften der Kristalle spielen für die Erkennung und Bestimmung von Mineralien nur ganz selten eine Rolle. Unterschieden werden gute und schlechte Wärmeleiter. Bei Ag ist die Wärmeleitfähigkeit mit 100 am größten; für Cu beträgt sie 37.6, für Fe 11.9, für Pt 8.4. Glas hat gegenüber Quarz und anderen Mineralien eine geringere Wärmeleitung. Aus diesem Grunde erscheinen echte Steine und deren Synthesen kälter als Glas. Die Wärmeleitung in einem Kristall ist räumlich abhängig von dem Kristallsystem, dem ein Kristall angehört. Die zentrisch symmetrischen Bezugskörper sind: Bei isotropen Kristallen (und bei Gläsern) eine Kugel, bei optisch einachsigen Kristallen ein

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Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

Rotationsellipsoid (Rotationsachse parallel zur kristallographischen Hauptachse) und bei optisch zweiachsigen Kristallen ein dreiachsiges Ellipsoid. Eine experimentelle Bestimmung der Wärmeleitung ist auf Kristallflächen, die mit einer dünnen Wachsschicht überzogen werden, möglich. Nach Aufsetzung einer erwärmten Metallspitze in den Wachsfilm erfolgt ein Schmelzen des Wachses; die Form der geschmolzenen Stellen, die nach Erstarrung eine verdickte Wulst zeigen, entspricht isothermischen Kurven (mit kreisrundem oder elliptischem Verlauf), die relative Werte der Ausbreitungsgeschwindigkeit und auch die Orientierung auf den Kristallflächen vermitteln. Das Wärmeleitvermögen ist im allgemeinen in Richtungen und Ebenen einer dichteren Kugelpackung größer. Die Wärmeleitung bei Metallen ist hierbei 10—lOOmal größer als bei Ionenkristallen (vgl. S. 82). Eine Verringerung der Leitfähigkeit erfolgt durch Gitterbaufehler, Poren, Einschlüsse, Mischkristallbildung usw. Die thermische Ausdehnung (Dilatation) der Kristalle ist viel geringer als jene der Flüssigkeiten. Während sich Wasser bei der Erwärmung von 0° auf 100° C um 1/23, Hg um 1/55 ausdehnen, beträgt die Ausdehnung bei NaCl nur 1/247, bei Diamant nur 1/8480.

Spezifisches Gewicht. Zur Bestimmung und Kennzeichnung der Mineralien wird ihr spezifisches Gewicht oder ihre Dichte (abgek. D.) mit großem Vorteil verwertet, weil diese für jedes Mineral einen bestimmten Wert hat und verhältnismäßig leicht ermittelt werden kann. Das spezifische Gewicht eines Körpers gibt an, wievielmal dieser schwerer ist als ein gleich großes Volumen Wasser. Die Wj Ermittlung der Dichte erfolgt nach der Formel D = — ; in ihr bedeutet m die Masse, d. h. das auf der Waage zu ermittelnde absolute Gewicht, v das Volumen. Die Bestimmung des Volumens begründet sich darauf, daß ein Körper, in Wasser getaucht, ein seinem Volumen gleiches Volumen Wasser verdrängt, oder aber daß er, in Wasser getaucht, so viel an Gewicht verliert, als das Volumen Wasser, welches er verdrängt, wiegt. Hiernach hat man zwei Methoden, das spezifische Gewicht eines Körpers zu bestimmen: entweder mißt oder wiegt man das Volumen des verdrängten Wassers

Spezifisches Gewicht

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(hierzu gehört ein Pyknometer und eine Waage), oder man ermittelt den Gewichtsverlust, den der Kristall im Wasser erleidet (hierzu dient die hydrostatische Waage). Hieraus und aus dem absoluten Gewicht des Körpers, seinem „Gewicht in Luft", findet man sein spezifisches Gewicht, indem man das erstere durch den Gewichtsverlust dividiert. Wiegt z.B. ein Stück Bergkristall in Luft 3,84 g, in Wasser 2,39 g, so beträgt der Gewichtsverlust 1,45 g, und das spezifische Gewicht ist 3,84:1,45 = 2,65. Zur Bestimmung des spezifischen Gewichtes bedient man sich zweckmäßig der einarmigen Westphahchan Waage 1 ). Die Dichtebestimmung mit Hilfe des Pyknometers erfolgt nach der Formel D

P+



m — G

m = Masse (abs. Gew.), P = Gewicht des mit Wasser aufgefüllten Pyknometers, 0 = Gewicht des mit Wasser gefüllten Pyknometers bei eingeworfenem Mineral, dessen Dichte bestimmt wird.

Das spezifische Gewicht vieler Mineralien kann man indirekt mit Hilfe von schweren Flüssigkeiten bestimmen; es ist hierzu notwendig, daß das spezifische Gewicht des Minerals geringer ist als das der Flüssigkeit. Die Flüssigkeit wird durch Zusatz einer leichteren so weit verdünnt, daß das Mineral gerade schwebt; Flüssigkeit und Mineral haben alsdann genau das gleiche spezifische Gewicht. Mit Hilfe einer Westphalschen Waage kann das spezifische Gewicht der Flüssigkeit leicht bestimmt werden, womit auch das des Minerals bekannt wird. Als schwere Lösungen 2 ) werden u. a. benutzt: 1. Bromoform

D = 2,90 ]

mit Alkohol oder X y l o l

2. Acetylentetrabromid

D = 2,95 J

verdünnbar.

') Hat man keine feine Waage zur Verfügung, so kann man eine leichte Waage mit Hornschalen, wie sie die Äpotheker haben, zur Bestimmung des spezifischen Gewichtes von Mineralien benutzen, indem man an die eine Schale das Mineral mit einem langen Frauenhaar aufhängt und es erst in Luft, dann in Wasser eingetaucht, wiegt. •) Die genannten schweren Flüssigkeiten können von E. Merck in Darmstadt bezogen werden.

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Die physikalischen Eigenschaften der Mineralien

3. Thouletache Lösung

D = 3,196

4. Kleinsche Lösung

D =. 3,28

5. Methylenjodid

D = 3,32

6. Rohriachsche Lösung

D = 3,588

7. Retgers Lösung

D — 3,6

8. Cienäsche Lösung

D = 4,15

(wässerige KaliumquecksilberJodldlösung) (wässeriges CadmiumBorowolframat) (Braunssehe Lösung) (Barlumquecksilberjodid)

(Jod und Jodoform m Methylenjodid gelöst) (Thalllumformiat und Thalllummalonat)

9. Retgers Salz

(Thalliumsilbernitrat), erst bei 75° C flüssig mit einer D = 4,8

mit dest. Wasser verdünnbar. mit Benzol oder Xylol verdünnbar. mit in dest. Wasser eingetropfter Rohrbachscher Lösung verdünnbar. mit Benzol od. Methylenjodid verdünnbar. mit dest. Wasser dünnbar.

ver-

mit warmem dest. Wasser verdünnbar.

Die Dichte der schweren Flüssigkeiten ist von der Temperatur beträchtlich abhängig. Mit Hilfe der schweren Lösungen kann nicht nur das spezifische Gewicht von kleinen Mineralsplittern schnell und genau ermittelt werden, sondern es können auch Mineralien von verschiedenem spezifischem Gewicht durch solche Flüssigkeiten zur Trennung gelangen. Für die Bestimmung der Dichte schwerer Flüssigkeiten mit Hilfe des Pyknometers gilt die Formel: P— L L = Gewicht des leeren Pyknometers, P = Gewicht des mit Wasser aufgefüllten Pyknometers, F = Gewicht des mit der schweren Flüssigkeit aufgefüllten Pyknometers.

Sehr annähernd läßt sich das spezifische Gewicht der Flüssigkeit und damit des schwebenden Mineralkorns mit Hilfe einer Reihe von Körpern, Indikatoren1), bestimmen, deren spezifisches Gewicht ein für allemal zuvor ermittelt worden ist; der schwerere Indikator fällt in der Flüssigkeit nieder, der leichtere schwimmt, dazwischen liegt das spezifische Gewicht des schwebenden Mineralkornes. *) Zu beziehen von der Firma Dr. F. Kranlz in Bonn,

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Spezifisches Gewicht

Das spezifische Gewicht der nichtmetallischen Mineralien liegt zwischen 2 und 5, bei den meisten unter 3, das der meisten metallischen zwischen 4 und 8, das der gediegenen Metalle zwischen 8 und 23. Einschlüsse und beginnende Verwitterung ändern den Wert des spezifischen Gewichtes. So ist für klaren Quarz (Bergkristall) D = 2,65, für trüben, oft Einschlüsse enthaltenen Quarz D = 2,5—2,75. Die Dichte ist als Eigenschaft der Masse unabhängig von der Richtung, aber auch bei reinen und frischen Mineralien abhängig von etwaigen isomorphen Beimischungen (S. 130) wie bei Granat, Turmalin, den Kalknatronfeldspäten usw. I V . Die chemischen Eigenschaften der Mineralien 1 ) Ein Mineral bestellt entweder nur aus einem einzigen Element (d. h. es kommt wie Gold, Schwefel u. a. im gediegenen Zustand vor) oder aus mehreren Elementen (Schwefelkies z.B. aus Schwefel und Eisen), die nach bestimmten Gesetzen zu chemischen Verbindungen vereinigt sind. Elemente, ihre chemischen Zeichen und Verbindungs- (Atom-) gewichte, soweit sie als wesentliche Bestandteile in den wichtigsten Mineralien vorkommen, sind: Aluminium Antimon Arsen Barium Beryllium Blei Bor Brom Cadmium Cäsium Cer Chlor Chrom Eisen

AI Sb As Ba Be Pb B Br Cd Cs Ce C1 Cr Fe

26,97 121,76 74,91 137,36 9,02 207,21 10,82 79,92 112,41 132,91 140,13 35,46 52,01 55,85

Fluor Gadolinium Germanium Gold Hafnium Helium Jod Kalium Kalzium Kobalt Kohlenstoff Kupfer Lithium Magnesium

F Gd Ge Au Hf He J K Ca Co C Cu Li Mg

19,00 156,90 72,60 197,20 178,60 4,00 126,92 39,10 40,08 58,94 12,01 63,57 6,94 24,32

*) Ausführlich behandelt in J. Zemann, „Kristallchemie", Sammlung Göschen, Bd. 1220/1220 a und in K. E. Wedepohl, ..Geochemie',, Sammlung Göschen, Bd. 1224—1224 b.

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Die chemischen Eigenschaften der Mineralien

Mangan Molybdän Natrium Nickel Niob Osmium Palladium Phosphor Platin Quecksilber Radium Rubidium Sauerstoff Schwefel Selen Silber

Mn Mo Na Ni Nb Os Pd P Pt Hg Ra Rb O S Se Ag

54,93 95,95 23,00 58,69 92,91 190,20 106,70 30,98 195,23 200,61 226,05 85,48 16,00 32,06 78,96 107,88

Silizium Stickstoff Strontium Tantal Tellur Thallium Thorium Titan Uran Vanadium Wasserstoff Wismut Wolfram Zink Zinn Zirkonium

Si N Sr Ta Te T1 Th Ti U V H Bi W Zn Sn Zr

28,06 14,01 87,63 108,88 127,61 204,39 232,12 47,90 238,07 50,95 1,01 209,00 183,92 65,38 118,70 91,22

Formel. Die chemischen Zeichen gestatten uns, die Zusammensetzung der Mineralien, wie überhaupt der chemischen Verbindungen, durch eine einfache Formel auszudrücken; diese gibt nicht nur an, welche Elemente in einem Mineral enthalten sind, sondern auch in welchem Verhältnis sie an der Zusammensetzung teilnehmen. Um eine kurze Formel zu erhalten, werden die Namen der Elemente nicht ausgeschrieben, sondern nur die Abkürzung ihres meist lateinischen Namens verwendet; zugleich drückt ein solches Zeichen das Gewicht aus, mit dem das kleinste Teilchen (ein Atom) des Elementes in Verbindungen eintritt. Dieses Gewicht (das Verbindungs- oder Atomgewicht) hat für jedes Element einen festen Wert, dessen genaue Bestimmung für die wissenschaftliche Chemie von grundlegender Bedeutung ist. Nach diesen Darlegungen bedeutet die Formel NaCl für Steinsalz: die Verbindung besteht aus einem Atom Natrium und einem Atom Chlor, oder 23,0 Gewichtsteile Natrium sind mit 35,46 Gewichtsteilen Chlor verbunden. Die Formel für Schwefelkies FeSa drückt aus: die Verbindung besteht aus einem Atom Fe und zwei Atomen S, d. h. 55,85 Gewichtsteile Eisen sind mit 2 x 32,06 = 64,12 Gewichtsteilen Schwefel verbunden. Um die Formel für eine Verbindung zu erhalten, hat man zu bestimmen, welche Gewichtsmenge von jedem einzelnen Element in einer bestimmten Gewichtsmenge (auf 100 Gewichtsteile berechnet) der Verbindung enthalten ist. Diese Zahlen, dividiert durch die Verbindungsgewichte der Elemente, geben an, in welchem Verhältnis diese in der Verbindung vereinigt sind; die Verknüpfung

Bestimmung der chemischen Bestandteile

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der einfachsten Verhältniszahlen mit den Zeichen für die Elemente stellt die einfachste Formel dar. Eine Bestimmung für Kupferkies ergibt z. B., daß er aus 34,57 °/0 Cu, 30.54 °/o Fe und 34,89% S besteht. Zur Berechnung der Formel ist jeder Wert durch das Verbindungsgewicht des betreffenden Elementes zu dividieren; also: 34,57:63,57; 30,54:55,85; 34,89: 32,06; dies ergibt 0,54; 0,54; 1,08 oder 1 : 1 : 2. Die Formel für Kupferkies ist demnach (wobei 1 immer fortgelassen wird) CuFeS 2 . Nach diesen Ausführungen geben also die erwähnten chemischen Formeln das siöchiomeirische1) Verhältnis (Mengenverhältnis der Verbindungsgewichte) der am Kristallbau beteiligten Atome wieder. Zur Veranschaulichung der chemischen Zusammensetzung werden aber gelegentlich auch oxidische Formeln geschrieben: Al 2 0 3 -Si0 2 für Andalusit, K 2 0 - A l 2 0 3 - 6 S i 0 2 für Kalifeldspat usw. Vorgezogen wird die Summenformel Äl 2 Si0 5 (Andalusit), KAlSi 3 0 8 (Kalifeldspat) usw. Bei isomorphen Mischkristallen (s. S. 135) werden die gegenseitig ersetzbaren Elemente in runde Klammern gesetzt und voneinander durch Kommas getrennt: (Ca, Mg, Fe) C0 3 für Dolomit, (Mg, Fe) 2 Si0 4 für Olivin, (Ca,Na) (Mg,Fe,Mn,Ti,Al)(Si,Al,P) 2 0 6 für einen komplex zusammengesetzten Pyroxen usw. An diesen kristallchemischen Formeln erkennt man, daß sich in den Kristallgittern auch Elemente (als Ionen) verschiedener Wertigkeit gegensei, ig ersetzen, wenn sie annähernd eine gleiche Raumbeanspruchung haben (s. S. 136). Bestimmung der chemischen Bestandteile. Die chemische Zusammensetzung eines Minerals erschließt die Analyse, und zwar werden durch die qualitative Analyse die Elemente bestimmt, die im Mineral enthalten sind, während durch die quantitative Analyse das Mengenverhältnis dieser Elemente festgestellt wird. Mit den Bestimmungsmethoden macht uns die analytische Chemie bekannt. Diese Methoden kommen dann zur Anwendung, wenn die Zusammensetzung eines bis dahin unbekannten Minerals ermittelt werden muß. Die klassischen chemischen Analysen treten aber wegen ihres Zeitbedarfs immer mehr gegenüber den physikalischen Meßmethoden zurück: Spektralphotometrie (monochromatische Kolorimetrie mit objektiver Intensitätsbestimmung), Röntgenspektralanalyse (S. 131) und Flammenphotometrie in Absorptionsverfahren (sog. Atomabsorption). ') gr. stoicheion = Grundstoff, metrein = messen.

128

Die chemischen Eigenschaften der Mineralien

Soll ein Mineral bestimmt werden, das einer schon bekannten Art angehört, so ist nur selten notwendig, es einer vollständigen qualitativen und quantitativen Analyse zu unterwerfen. Die meisten Mineralien lassen sich nach ihren äußeren Eigenschaften, wie Härte, Farbe, Glanz, Dichte Spaltbarkeit usw. so weit bestimmen, daß nur noch zwischen wenigen ähnlich aussehenden die Wahl bleibt; die Entscheidung geben alsdann einige Versuche. Man beobachtet, ob das Mineral in Wasser löslich ist, ob es von Säuren zersetzt wird, ob es hierbei Gas entwickelt und aufbraust, ob sich dünne Splitter schmelzen lassen, ob sie leicht oder schwer schmelzen, ob ein Körnchen, das in einem unten zugeschmolzenen Glasröhrchen erhitzt wird, Wasser verliert, oder ob es hierbei seine Farbe verändert, usw. Viele andere einfache Versuche lassen sich mit Hilfe eines Lötrohres anstellen 1 ). Das Lötrohr besteht in seiner einfachsten Gestalt aus einer Messingröhre, die an einem Ende das Mundstück trägt, während das andere, mit einer sehr feinen Spitze versehene Ende im rechten Winkel umgebogen ist. Es wird gebraucht, um die Temperatur der Flamme (einer dicken Stearinkerze, kleinen Öllampe oder Gasflamme) durch Lufteinblasen zu erhöhen und die Flamme auf die Probe hinzulenken. Hält man die Spitze des Rohres in die Flamme, so wird mit der Luft viel Sauerstoff zugeblasen und die Probe hierdurch oxidiert (Oxidationsflamme); hält man die Spitze gerade vor die Flamme, so entziehen die glühenden Kohleteilchen der Probe Stoffe, und die Probe wird reduziert (Reduktionsflamme). Untersuchung auf Kohle. Von der Mineralprobe wird ein möglichst kleiner Splitter abgesprengt und dieser entweder für sich allein oder, fein zerrieben, mit getrockneter Soda gemengt, auf Holzkohle geschmolzen; für die Untersuchung macht man in der Kohle eine kleine Vertiefung und bringt die Substanz mit Soda hinein und drückt sie fest. Durch Erhitzen für sich allein oder Schmelzen mit Soda sind viele Stoffe zu erkennen: 1. An dem Rauch, den sie entwickeln. Arsen (Arsenkies) gibt einen Rauch, der knoblauchartigen Geruch hat. Antimon (Antimonglanz) gibt starken, weißen Rauch, Schwefel (Schwefelkies) stechend riechendes Gas. 2. An dem Beschlag, den sie auf der Kohle rings um die Probe bilden. ') Näheres in M. Bmglein „Lötrohrprobierkunde" (Slg. Göschen Kr. 483).

Bestimmung der chemischen Bestandteile

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Der Beschlag von Antimon ist weiß, dick; von Arsen weiß, d ü n n ; von Blei (Bleiglanz) weiß oder gelb; von Wismut dunkelgelb, mit Jodkalium u n d Schwefel dicker, roter Beschlag; von Zink (Zinkspat) in der Hitze gelb, erkaltet weiß. 3. An dem Melallkorn, das nach dem Schmelzen mit Soda auf oder in der Kohle zurückbleibt. Silbererze (Silberglanz) geben weißes, Bleierze (Bleiglanz) graues, Kwpfererze (Kupferglanz) rotes, geschmeidiges Metallkorn. Das geglühte Korn von Eisenerzen wird vom Magneten angezogen. 4. Der Schwefel geht aus den Erzen u n d schwefelsauren Salzen in die Sodaschmelze. Legt man diese auf eine Silbermünze u n d befeuchtet sie mit einem Tropfen Wasser, so bildet sich auf der Münze ein schwarzer Fleck von Schwefelsilber, wenn das Mineral Schwefel enthielt. Man nennt diese Probe Heparreaktion. Untersuchung in der Boraxperle. Viele Metalle werden an der F ä r b u n g erkannt, die sie der Boraxperle erteilen, wenn sie damit zusammengeschmolzen werden. In das Öhr eines dünnen Platindrahtes bringt m a n Boraxpulver, schmilzt dieses an einer nicht leuchtenden Spiritus- oder Gasflamme zu einer klaren Perle u n d schmilzt dann mit dieser Perle das Mineralpulver zusammen. In Ermangelung von P l a t i n d r a h t k a n n m a n einen kleinen Trog oder dünnen Stift gebrannter Magnesia benutzen. Die Perle (Schmelze) wird gelb durch Eisen (Brauneisenstein), grün durch Chrom. (Chromeisenstein), blau durch Kobalt (Speiskobalt), violett durch Mangan (Braunstein). Erhitzen im Glaskölbchen gestattet einen Nachweis von Wasser, Quecksilber, Arsen, Schwefel durch die sich bildenden Beschläge. Flammenfärbung. Viele Stoffe können an der F l a m m e n f ä r b u n g erkannt werden, die a u f t r i t t , wenn das Mineralpulver, mit Salzsäure befeuchtet, an einem dünnen P l a t i n d r a h t oder Magnesiastift in einer nicht leuchtenden F l a m m e einer Spiritus- oder Gaslampe geglüht wird. Es färben die F l a m m e : gelb N a t r i u m (Kochsalz), violett Kalium (Sylvin), gelbrot Kalzium (Kalkspat), purpurrot Strontium (Strontianit), karminrot Lithium (Lithionglimmer), gelbgrün Barium (Witherit), grün Kupferoxid (Malachit ohne Salzsäure), blau Kupferchlorid (Atakamit). Verhalten gegen Salzsäure. Viele Mineralien können an ihrem Verhalten gegen Salzsäure e r k a n n t werden, wenn m a n sie fein gepulvert in einem Glasröhrchen mit Salzsäure übergießt u n d ein wenig erwärmt. Manche lösen sich vollständig auf (Brauneisen9

Brauns-Chudoba, Allg. Mineralogie

130

Die chemischen Eigenschaften der Mineralien

stein), andere hinterlassen einen Rückstand, so besonders die kieselsauren Salze, bei deren Zersetzung sich die Kieselsäure oft gallertartig abscheidet (Nephelin, Natrolith). Sehr viele andere Mineralien lösen sich in Salzsäure unter Entwicklung eines Gases auf; so entweicht aus kohlensauren Salzen (Kalkspat) geruchlose Kohlensäure, aus Schwefelmetallen (Antimonglanz, Magnetkies) übelriechender Schwefelwasserstoff, aus Manganerzen (Pyrolusit) stechend riechendes, grünliches Chlorgas. Mikrochemische Analyse. Bei dieser wird mit Hilfe chemischer und mikroskopischer Untersuchungen versucht, diejenigen Elemente zu bestimmen, die für ein Mineral charakteristisch sind. Die Vorzüge dieser Methode liegen in der Empfindlichkeit vieler Reaktionen, in dem leichten, schnellen und sicheren Nachweis zahlreicher Elemente und namentlich in dem Umstand, daß nur geringe Mengen von Substanz nötig sind. Mikrochemisch wichtige Nachweise sind u. a.: AI. Nachweis als Cäsiumalaun (kubische Kriställchen) durch Zusatz von Cäsiumsulfat zu einer neutralen oder schwach sauren AI-Lösung. — Ca. Nachweis als Gips durch Einwirkung verdünnter Schwefelsäure auf Calciumsalze. — K. Nach Zusatz von Platinchlorid zitronengelbe Oktaeder von Kaliumchloroplatinat, K 2 PtCl 6 . — Mg. Nachweis mit Natriumphosphat (schwach erwärmt) und Überschuß von Ammoniak als Magnesium-AmmoniumPhosphat MgNH 4 P0 4 - 6 H 2 0 in sargähnlichen und dachförmigen Kriställchen. — P. Nachweis als phosphorsaures Ammoniummolybdat (schwefelgelbe Oktaeder und Rhombendodekaeder) durch eine salpetersaure Lösung von Ammoniummolybdat. Optische Spektralanalyse. Vorwiegend für die Bestimmung von Spurenelementen gebraucht, also jener mehr oder weniger seltenen Elemente, die in nicht mehr wägbaren Mengen (im allgemeinen unterhalb von 0,01 %) in Mineralien als molekülfremde Ionen eingebaut vorliegen (vgl. S. 136). Die Bestimmung erfolgt im elektrischen Funken oder im Kohlelichtbogen, wobei die verflüchtigten Elemente jeweils ein Spektrum ganz bestimmter Wellenlängen und Linien (im Emissionsspektrum) zeigen. Das erhaltene Linienspektrum läßt nach Lage und Intensität der Linien einen sicheren Rückschluß auf das verflüchtigte Element zu. Die Auswertung der Intensität der Spektrallinien erschließt eine quantitative Bestimmung. Eine vorteilhafte Erschließung der chemischen Zusammensetzung von Mineralien erfolgt mit Hilfe der

Bestimmung der chemischen Bestandteile

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Röntgenspektralanalyse. Zunächst w u r d e die P r i m ä r a n r e gung einer zu untersuchenden Substanz gemessen; bei diesem Verfahren bildet die P r o b e innerhalb der Röntgenröhre die A n t i k a t h o d e bzw. sie wird auf eine A n t i k a t h o d e aus massivem Metall aufgetragen. Die E l e k t r o n e n der Glühkathode treffen auf die Oberfläche der P r o b e u n d lösen dabei R ö n t genstrahlen mit einem b e s t i m m t e n Energiespektrum aus. Die scharfen Maxima dieses S p e k t r u m s sind charakteristisch f ü r die von den E l e k t r o n e n getroffenen Elemente. Auf die Position (Wellenlänge) dieser Maxima i m S p e k t r u m g r ü n d e t sich die qualitative Röntgenanalyse, w ä h r e n d die H ö h e der Maxima (Intensität) ein Maß f ü r die Menge des betreffenden E l e m e n t s ist (quantitative Röntgenanalyse). Bei der Röntgenfluoreszenzanalyse wird die sogenannte „sekundäre R ö n t g e n s t r a h l u n g " ausgenutzt, d. h. die außerhalb der Röntgenröhre befindliche Substanzprobe wird m i t primärer „ w e i ß e r " u n d charakteristischer R ö n t g e n s t r a h l u n g angeregt. Die erzeugte Fluoreszenz zeigt vornehmlich die den angeregten E l e m e n t e n z u k o m m e n d e n Maxima der registrierbaren Wellenlängen. Die Röntgenfluoreszenzanalyse m i t Hilfe v o n Röntgenspektrometern eignet sich besonders g u t f ü r Proben, die zerstörungsfrei analysiert werden sollen. Einen b e d e u t e n d e n , F o r t s c h r i t t in der Röntgenspektroskopie h a t m a n in den letzten J a h r e n m i t den Elektronen-Mikrosonden (engl. Electronprobe Microanalyzer) erzielt. Die Mikrosonde von R. Castaing (1951) ist eine K o m b i n a t i o n von Elektronenmikroskop1) u n d Röntgenspektrometer. Der dem Elektronenmikroskop äquivalente Teil dient dazu, einen E l e k t r o n e n s t r a h l auf eine winzig kleine Probe von minimal 1 p Durchmesser zu fokussieren. D u r c h diese Strahlung werden in der P r o b e charakteristische Röntgenstrahlen erzeugt. Zugleich erlaubt das Röntgenspektrometer eine qualitative u n d q u a n t i t a t i v e Registrie1 ) Ein Mikroskop, das an Stelle von Lichtstrahlen mit Elektronenstrahlen arbeitet, wobei eine Vergrößerung (100 OOOfach und mehr) durch elektrische oder magnetische Linsen — in Analogie zu gewöhnlichen — erreicht wird,



132

Die chemischen Eigenschaften der Mineralien

rung dieser Strahlung und damit erhält man qualitative oder quantitative Analysen der winzigen Proben, ohne das betreffende Mineralkorn aus der Mineralassoziation vorher abtrennen zu müssen. Die von den angeregten Atomen jeweils erzeugten und nach Wellenlängen zerlegten Röntgenstrahlen werden von Strahlungsdetektoren aufgenommen und dann in elektrische Impulse umgewandelt. Nach der Einführung neuartiger Analysatorkristalle lassen sich mit der Elektronen-Mikrosonde auch leichte Elemente bis hinab zum Atomgewicht von Bor, darunter also auch von N und 0,identifizierend, h. bis auf H, Li und Be alle Komponenten der Mineralien. Die Elektronen-Mikrosonde findet sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis eine vielseitige und intensive Anwendung. Schmelzpunkt. Die Temperatur, bei der eine Kristallart schmilzt, nennt man ihren Schmelzpunkt; dieser ist bei reiner Substanz: f ü r Steinsalz 800°, Silber 960°, Gold 1062°, Platin 1755°, Quarz 1650—1700°. Manche Stoffe verdampfen ohne zu schmelzen (Arsen, Salmiak). Andere besitzen zwei Schmelzpunkte (Schwefel); diese sind dimorph. Dimorphie. Bisweilen findet man, daß dieselbe chemische Verbindung oder dasselbe Element in verschiedener Form und mit verschiedenen physikalischen Eigenschaften kristallisiert; man nennt diese Erscheinung Dimorphie, eine solche Substanz dimorph. Ein bekanntes Beispiel unter den Mineralien ist das Kalziumkarbonat (CaC03), das hexagonal-rhomboedrisch kristallisiert und dann Kalkspat heißt, das aber auch orthorhombisch kristallisiert und dann Aragonit genannt wird; während Kalkspat sehr leicht nach den Rhomboederflächen spaltet, besitzt Arangonit keine deutliche Spaltbarkeit. Andere Beispiele: OrthorhombischerSchwefel schmilzt bei 113°, monokliner bei 120°. Kohlenstoff ist kubisch, durchsichtig, hart als Diamant; hexagonal, undurchsichtig, weich als Graphit. Hieraus sieht man besonders deutlich, daß sich die Verschiedenheit nicht allein auf die Form, sondern auch auf die physikalischen Eigenschaften erstreckt. Bisweilen kann ein Stoff nicht nur in zwei, sondern in mehreren verschiedenen Kristallarten (die man auch als ihre verschiedenen Modifikationen bezeichnet) vorkommen; diese Erscheinung wird als Polymorphie (Vielgestaltigkeit) gekennzeichnet.

Differentialthermoanalyse

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Die verschiedenen Modifikationen einer polymorphen Substanz erhalten als Mineralien einen besonderen Namen; z. B. Kohlenstoff, C, kubisch: Diamant, hexagonal: Graphit; Schwefeleisen, FeS 2 , kubisch: Schwefelkies, orthorhombisch: Markasit; Kalziumkarbonat, CaC0 3 , hexagonal-rhomboedrisch: Kalkspat, orthorhombisch: Aragonit; Titansäure, Ti0 2 , zwei tetragonale Kristallarten: Rutil und Anatas, eine orthorhombische: Brookit. Die Kristalle verschiedener Modifikationen haben eine verschiedene raumgitterartige Anordnung ihrer Bausteine; Modifikationen mit geringem Unterschied der Gitter werden durch zugefügte griechische Buchstaben gekennzeichnet, so a-Quarz, /S-Quarz. Umwandlungstemperatur. Von den Modifikationen einer Kristallart ist oft nur je eine innerhalb einer bestimmten Temperaturgrenze beständig, außerhalb dieser eine andere; der „stabilen" Kristallart kommt hierbei der geringste Energieinhalt (Löslichkeit, Dampfdruck, Reaktionsfähigkeit usw.) zu. Der orthorhombische Schwefel z. B. ist beständig (stabil) bis zu 95°, darüber der monokline. Die Temperatur, bei der die Umwandlung eintreten kann, ist die Umwandlungstemperatur; Stoffe, die sich nach beiden Richtungen umwandeln lassen, nennt man enantiotrope, zum Unterschied zu monotropen, bei denen die Umwandlung nur in einer Richtung verläuft, wie die von Aragonit in Kalkspat. Enantiotrop ist Boracit, der bei kubischer Form doppelbrechend ist, bei 265° aber einfachbrechend wird, wie dies seiner Kristallform entspricht; unter 265° wird er, weil orthorhombisch, sogleich wieder doppelbrechend. Schmilzt man Schwefel auf einem Objektträger unter einem Deckgläschen und läßt erstarren, so bilden sich zunächst unbeständige Arten, die beim Abkühlen oberhalb 95° in die monokline, unterhalb 95° in die orthorhombische Art übergehen; ein ausgezeichnetes Beispiel für das Ostwaldsche Stufengeselz, nach dem beim Verlassen eines Zustandes (hier der Schmelze) sich nicht sogleich der beständige Zustand (das wäre der orthorhombische S) einstellt, sondern zunächst unbeständige Stufen durchlaufen werden. Zur Beobachtung ist ein mit Polarisationsvorrichtung versehenes Mikroskop erforderlich. Differentialthermoanalyse. Die physikalisch-chemischen Umwandlungen bei Erhitzung von Mineralien sind mit Wärmetönungen verbunden; bei diesen wird entweder Wärme verbraucht (endotherme Reaktion) oder Wärme frei (exotherme Reaktion). In einem Zeit-Temperaturdiagramm erschließt sich die erstere

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Die chemischen Eigenschaften der Mineralien

Reaktion durch einen verlangsamten Temperaturanstieg in der Erhitzungskurve (Fig. 143, en), die letztere durch einen beschleunigten Temperaturanstieg (Fig. 143, ex), während Temperaturgebiete ohne Reaktionen einen kontinuierlichen Anstieg zeigen. Mit Hilfe einer solchen „thermischen Analyse" werden in der Metallkunde Zustands-, Schmelz- und Umwandlungsdiagramme von Metallen, metallischen Legierungen usw. ermittelt.

Flg. 143. Schematische Darstellung des Temperaturverlaufes bei Erhitzung von Kaoiinit. Bei 600" C eine endotherme (en), bei etwa 1000® C eine exotherme (ex) Reaktion. 90 mm

Empfindlicher in der Registrierung thermischer Reaktionen ist nun die Difjerentialthermoanalyse (DTA). Bei dieser wird die Temperaturdifferenz während der Aufheizung zwischen einem thermisch indifferenten Stoff (bei dem während der Aufheizung keine Reaktion auftritt, wie etwa bei Korund) und einer zu untersuchenden Probe bestimmt. Die Messung einer solchen Temperaturdifferenz wird mit Hilfe eines Differentialthermoelementes durchgeführt, dessen Drähte aus zwei verschiedenen Legierungen (z. B. Pt-Rh- und Au-Pd-Draht) innerhalb der zu untersuchenden Probe und innerhalb des indifferenten Materials zusammengeschweißt sind. Eine Spannung an den freien Enden des Thermoelementes tritt nur dann auf, wenn eine Temperaturdifferenz in der Erhitzungskurve zwischen dem indifferenten Material und der Probe vorliegt. Die Registrierung einer solchen Spannung erfolgt mit einem hochempfindlichen Meßinstrument (Spiegelgalvanometer, Millivoltmeter usw.). In Temperaturgebieten ohne Reaktionen (also ohne Wärmeabgabe oder Wärmeverbrauch) erhält man eine

Isomorphie

135

horizontale Registrierung; einzelne Reaktionen geben sich als Temperaturdifferenzen durch Zacken in dieser Horizontalen (Fig. 144) zu erkennen. Bei endothermen Reaktionen tritt hierbei eine Abweichung nach Hydrargillit AlfOHl, unten, bei exothermen Reaktionen nach oben auf (vgl. Fig. 144). Die DTA kann demnach eine vorteilhafte Verwendung bei der Untersuchung und Bestimmung von II 2 0-, OH- und C0 2 -haltigen Mineralien finden, weil sich diese durch charakteristische DTA-Kurven (vgl. Fig. 144) voneinander unterscheiden. Aber auch der Quarz zeigt beim Übergang aus der trigonalen Tieftemperaturmodifikation in die hexagonale Hochtemperaturmodifikation eine typische endotherme Reaktion (vgl. Fig. 144). Mit Hilfe der DTA lassen sich wertvolle Aussagen Über 1 4 4 . DTA-Kurven von Mineralien, die den

Mineralbestand

von

in Tonen vorkommen. (Nach

Lippmann.)

Tonen, keramischen Produkten usw. erschließen. Unter Isomorphie (Gleichgestaltigkeit) versteht man die Erscheinung, daß verschiedene Mineralien eine analoge chemische Zusammensetzung, ähnliche Kristallform und die Fähigkeit, sich unbeschränkt (evtl. auch nur beschränkt) homogen zu mischen, besitzen. So sind Manganspat, MnC0 3 , und Eisenspat, FeC0 3 , isomorphe Mischkristalle; sie haben analoge Zusammensetzung und kristallisieren in ähnlichen Formen; darüber hinaus kennzeichnet sie die Eigenschaft, daß die eine Substanz eine entsprechende Menge der anderen vertreten kann. So erscheint im Eisenspat ein Teil des Eisens oft durch Mangan ersetzt, im Manganspat dagegen ein Teil des Mangans durch Eisen. Derartige isomorphe Mischungen sind unter den Mineralien außerordentlich häufig; in ihnen ändern sich die physikalischen Eigenschaften stetig mit der Beimischung, so daß man aus ihnen

136

Die chemischen Eigenschaften der Mineralien

das Mengenverhältnis zweier Bestandteile in der Mischung ermitteln kann. Aus dem spezifischen Gewicht der Kalknatronfeldspäte läßt sich z. B. deren Gehalt an Natronfeldspat feststellen. Seltener findet man in der Natur isomorphe Fortwachsungen, die dadurch entstehen, daß eine Substanz über den Kristallen einer anderen mit ihrer isomorphen Substanz weiter wächst; künstlich kann man dies mit Alaun erzielen, indem man z. B. farblosen Kalialaun über violettem Chromalaun kristallisieren läßt. Die Mineralien, die miteinander isomorph sind, bilden eine isomorphe Reihe. Verschiedene Mineralien enthalten neben den ihre chemische Formel aufbauenden Elementen noch „zusätzliche" Elemente; diese ergeben sich nicht etwa aus mineralischen Einschlüssen, sondern sie treten in den betreffenden Mineralien, wenn auch in geringen Mengen, so doch konstant auf. Diese „fremden Beimengungen" galten zunächst als unwillkommene Verunreinigungen; erst später wurde erkannt, daß die Bausteine eines chemischen Moleküls durch andere ersetzt werden können, wenn sie in Form und Größe untereinander sehr ähnlich sind. Gleichwie man also in einer Mauer deren einzelne Tonziegel durch gleich große und gleich geformte Glasziegel ersetzen kann, so lassen sich auch in den Mineralien sehr ähnlich gestaltete chemische Bausteine untereinander austauschen, wenn eine geregelte innere Anordnung der Bauelemente, also ein kristallisierter Zustand, vorliegt. Diese wichtige Vertretbarkeit „isomorpher Elemente" — als Diadochie 1 ) bezeichnet — ist nach den jetzt geltenden Erkenntnissen in erster Linie durch eine Raumisomorphie der Ionen, d. h. durch die annähernd gleich großen Ionenradien derselben möglich, wobei man sich der einfachen Vorstellung der kugelförmigen Ausbildung der eine chemische Verbindung aufbauenden Ionen bedient. Wesentlich ist hierbei, daß im Kristallgitter nicht nur eine gegenseitige Vertretung von Ionen gleicher Wertigkeit beobachtet wird, sondern eine solche von Ionen verschiedener Wertigkeit; Voraussetzung ist, daß die Raumbeanspruchung der sich gegenseitig vertretenden Ionen im Kristallgitter nicht sehr verschieden ist. So tritt z. B. in Mischkristallen Al 3+ nicht nur für Fe 3+ sondern auch für Si4+ ein, Be2+ für K+, Li+ für Mg2+ usw. Der Einbau „fremder Ionen" 2 ) in Kristalle ist vom mehrfacher Bedeutung, u. a. auch für das Farbproblem der Mineralien. Diese molekülfremden Elemente stellen nämlich in den meisten Fällen 1 ) 2

gr. diadochos = sich ablösend, abwechselnd. ) von sog. Spurenelementen.

Isomorphie

137

die farbgebende Substanz allochromatischer (fremdgefärbter) Mineralien (vgl. S. 112) dar. So ist z. B. das farbgebende Element für die rubinrote Farbe der Korunde (A1203) — durch Synthesen von Rubin bestätigt — das Chromoxid Cr 2 0 3 . Ein Einbau von Cr an Stelle von AI wird dadurch möglich, daß A1203 und Cr 2 0 3 nicht nur das gleiche Kristallgitter (mit nahezu übereinstimmenden Grundkanten und Achsenverhältnissen) besitzen, sondern darüber hinaus auch eine annähernd gleiche Größe der Ionenradien, nämlich mit Al 3+ = 0,57 Ä, Cr 3+ = 0,64 Ä. Ähnliche Grundlagen wie beim Rubin liegen auch beim blauen Saphir vor, dessen farbgebende Elemente — wie es die Synthese dieses Edelsteins erweist — Fe 2 0 3 und Ti0 2 sind; die Wirkungsradien (Ionenradien) von Fe 3 + (0,67 Ä) und Ti 4+ (0,64Ä) stehen in annähernder Übereinstimmung mit dem Ionenradius von Al 3+ (0,57 Ä). Die Arbeitshypothese des gegenseitigen Ersatzes von Ionen annähernd gleicher Größe und Polarisation (Deformation der Ionen durch Nachbarionen) muß jedoch in Zusammenhang mit der Gitterstruktur der einzelnen Mineralien und unter Berücksichtigung der Koordination sowie Wechselwirkung der Ionen untereinander betrachtet werden. Die Koordination spielt hierbei deshalb eine besondere Rolle, weil sie für bestimmte Ionen in verschiedenartigen Gittern verschiedm-zühliger Natur sein kann. Analoge Erkenntnisse der „diadochen" Vertretung der Atome und Ionen mit und ohne Farbwirkung ergeben sich auch für andere Mineralien. Erwähnenswert ist u. a. folgende Vertretbarkeit: Co und Ni mit den Atomradien 1,26 und 1,24 Ä, sowie den Ionenradien Co3+ = 0,82, Ni 3+ = 0,78 A Mti und Fe mit den Atomradien 1,31 und 1,27 A, sowie den Ionenradien Mn 2+ = 0,91, Fe 2+ = 0,83 A 3+ Mn = 0,70, Fe 3 + = 0,67 A. Durch den gleichzeitigen Einbau zweier oder noch mehrerer „fremder Ionen" erschwert sich natürlich die Entscheidung, welches Ion eine beobachtbare Farbe verursacht; dadurch ist es aber auch verständlich, daß für viele allochromatisch gefärbte Mineralien der „Farbträger" noch nicht bekannt ist. Bemerkenswert bleibt noch, daß manche Elemente, wie z. B. Hafnium, Gallium u. a. niemals in eigenen Verbindungen auftreten., sondern durchwegs eingebaut in anderen Verbindungen;

138

Die chemischen Eigenschaften der Mineralien

diese „Tarnung" ist durch die gleichen oder annähernd gleichen Ionenradien dieser Elemente bedingt, wie dies die folgende Tabelle erkennen läßt: Element Hf 4+ Ni 2+ Ga 3+ Ge 4+

Ionenradius 0,84 Ä 0,78 Ä 0,62 Ä 0,44 Ä

Element Zr4* Mg2+ AF+ Si 4+

Ionenradius 0,87 Ä 0,78 Ä 0,57 Ä 0,39 A

Bei solchen Mineralien und bei Mischkristallen werden die diadochen Elemente, voneinander durch ein Komma getrennt, in runde Klammer gesetzt: (Ni, Fe)S 2 für Nickelpyrit, Ag(Cl, Br) für Brom-haltiges Chlorsilber. Bei sehr begrenzter Diadochie wird das anteilmäßig zurücktretende Element meist klein geschrieben: (Zr, Hf)Si04 für Hafnium-haltigen (bis 4%) Zirkon. Isotypie ist für Kristallarten kennzeichnend, die zwar völlig analoge Strukturen besitzen, aber keine Mischkristalle bilden, etwa durch zu große Abweichung der Gittergrößen oder der Bindungsart. Isotyp sind z. B. Bleiglanz (PbS) und Steinsalz (NaCJ), aber auch Olivin (Mg2Si04) und Chrysoberyll (A12B04) sowie viele andere. Von der Isotypie I gleicher Strukturtyp) ist die Homöotypie mit ähnlichem Strukturtyp zu unterscheiden. Hornöotyp sind z. B. Diamant (C) und Zinkblende (ZnS); bei gleicher Struktur (vgl. Taf. I auf S. 81) ist die Symmetrie der Zinkblende (Ta) gegenüber jener von Diamant (Oh) erniedrigt. Unter den Begriff der Hetcrotypie fallen alle Gitter, die voneinander verscmeden sind. Anomale Mischkristalle. Mischkristalle, bei denen die Formeln und auch der Bautypus nicht übereinstimmen, werden als anomale Mischkristalle bezeichnet. So bilden CaF2 (Flußspat) und YF 3 Mischkristalle bis etwa 20% YF 3 (Yttrofluorit). Diese Abweichung vom Formeltypus hat auch Geltung für die sog. Additions- und Subtraktionsmischkristalle. Bei ersteren treten zusätzlich Ionen in Gitterlücken auf, wie bei Fahlerz, das über die Formel Cu3SbS3 hinaus Cu aufnimmt. Als Beispiel der Subtraktionsmischkristalle kann Skutterudit-Speiskobalt (CoAs3) angeführt werden, bei welchem As bis zu einem Drittel fehlen kann. Eine Abweichung vom Bautypus ergibt sich für die anomalen Mischkristalle dann, wenn kubische und orthorhombische, monokline und trikline Kristallarten oder andere ungleichartige misch-

Entmischung

139

bar sind. Das bekannteste Beispiel umschließt die Mischbarkeit von monoklinem Orthoklas (KAlSi 3 0 8 ) und triklinem Albit (NaAlSi 3 0 8 ). Entmischung von Mischkristallen ist häufig, vor allem bei den gesteinsbildenden Mineralien, die bei höherer Temperatur entstanden sind. So sind Albit (NaAlSi 3 0 8 ) und Orthoklas (KAlSi3Os) bei den Temperaturen der normalen Gesteinsverfestigung und damit ihrer Bildung weitestgehend mischbar. Bei Abkühlung tritt eine Entmischung ein, die durch eine orientierte Verwachsung der beiden Mineralien gekennzeichnet ist; sie ist gelegentlich mit bloßem Auge erkennbar (perthitische Entmischung: Albit orientiert in Orthoklas eingebettet). Die Zahl der entmischten Mischkristalle ist sehr groß. Sehr bekannt ist die orientierte Entmischung von Ilmenit (FeTi0 3 ) in Eisenglanz (Fe 2 0 3 ). Die Bronzefarbe des Bronzits ist durch entmischte Ilmenittäfelchen bedingt. Auch der Asterismus mancher Edelsteine sowie viele als Zeichen beginnender Verwitterung angesprochenen „Trübungen" mancher Mineralien sind auf Entmischungsstrukturen zurückzuführen. V. Enstehung, Umbildung u n d Vorkommen der Mineralien Ein tieferes Verständnis für einzelne morphologische, physikalische und chemische Eigenschaften einer Mineralart wird nicht selten erst bei einer genaueren Kenntnis der Büdungsweise und der Bildungsbedingungen für diese Mineralart erreicht. Die Mineralien bilden sich auf verschiedensten Wegen, die wir aber nur in ganz seltenen Fällen verfolgen können. Nach der Bildungsart werden die Mineralien als Bestandteile unserer Erdrinde entweder der magmatischen, der sedimentären oder metamorphen Abfolge zugeordnet, wobei vermerkt werden muß, daß manche Mineralien ihrer Entstehung nach mehreren Bildungszyklen (Abfolgen) angehören, andere aber typomorph nur in einer Abfolge auftreten. Magmatische Bildungen (Magmatite). Die aus einem Schmelzfluß, dem Magma1, entstandenen Mineralien (Magnetit, Apatit, gr. magma = geknetete Masse.

140

Entstehung, Umbildung und Vorkommen der Mineralien

Olivin, Hornblende, Augit, Feldspat u. a.) gehören entweder der plutonischen1) (Tiefengesteins-) oder vulkanischen2) (Ergußgesteins-) Folge an, je nach dem Erstarrungsort der magmatischen Schmelze. Für das Magma ist die Bindung großer Mengen leichtflüchtiger Bestandteile (Gase), wie Wasserdampf, Schwefelwasserstoff, schwefelige Säure, Chlor, Schwermetallchloride, -fluoride, Kohlensäure u. a., charakteristisch. Bei oberflächennahen Eruptionen können sie entweichen, wie etwa bei den vulkanischen Ausbrüchen des Vesuvs, des Ätna u. a., und exhalalive Abscheidungen (Schwefel, Eisenglanz usw.) bilden. Bei tiefmagmatischen Erstarrungen dagegen können die flüchtigen Bestandteile nicht entweichen, weil sie unter hohem Druck stehen; sie werden im Restmagma (Restlösung) angereichert und führen bei fortschreitender Abkühlung von den pegmatitischen3) und pneumatolytischen4) Bildungen zu den hydrothermalen1') Kristallisationen. Die magmatische Abkühlungs- und Erstarrungsphase b a u t Mineralanhäufungen von erheblicher Ausdehnung auf, die als Gesteine bezeichnet werden. In ihnen ist das kennzeichnende Mineralgemenge auf große Entfernungen gleichartig, d. h., die durchschnittliche Größe und das gegenseitige Mengenverhältnis der einzelnen Bestandteile ist über große Bereiche gleichbleibend. Die Auskristallisation der Mineralien in einem Magma u n d ihre Vergesellschaftung zu bestimmten Gesteinen wird durch eine charakteristische Ausscheidungsfolge (magmatische Differentiation) bestimmt. Die ersten Differentiate entsprechen Erzen, dann folgen Mineralien der Olivin-, Pyroxen- und Hornblendegruppe, denen parallel die Plagioklase (Bytownit bis Oligoklas) laufen können; es folgen Biotit und Albit, dann die Kalif eidspäte sowie Quarz. Im allgemeinen bilden sich daher zuerst die ultrabasischen und basischen (die kieselsäureärmsten) Gesteine, in einer späteren Abfolge die sauren (kieselsäurereichsten) Gesteine. Erwähnenswert ist, daß die zuerst auskristallisierten Erze und Silikate entsprechend ihrem spezifischen Gewicht in einer Schmelze absinken (z. B. Chromit, Olivin u. a.) oder aufsteigen können (z. B. Anorthit), wodurch örtliche Anreicherungen der Differentiate verständlich gemacht werden. Eine Differentiation erfolgt manchmal schon im flüssigen Zustand (liquide Entmischung), wodurch eine 1

) ") *) 4 ) 6 )

nach Pluto, dem Gott der Unterwelt. nach Vulcanus, dem Gott des "Feuers. gr. p i g m a , p£gmatos: das Gefrorene. gr. pneuma: Hauch, lyein: lösen. gr. hydor: Wasser, thermä: warme Quelle.

Magmatische Bildungen

141

Sulfid- oder Oxidschmelze von einer Silikatschmelze abgetrennt werden kann. Die Tiefengesteine (Plutonite) werden häufig von Ganggesteinen begleitet, deren Chemismus und Mineralbestand entweder den Tiefengesteinen entspricht oder aber durch eine Anreicherung von hellen (leukokraten) bzw. dunklen (melanokraten) Gemengteilen ausgezeichnet ist. Die ersteren Ganggesteine werden als ungespalten (aschist), die letzteren als aufgespalten (diaschist) bezeichnet. Bemerkenswert ist, daß die magmatischen Gesteine chemisch und mineralogisch eine Trennung in eine Kalkalkali- und eine Alkalireihe erlauben. Bei den Gesteinen der Kalkalkalireihe muß noch CaO herangezogen werden, um alle Tonerde in den Feldspäten zu binden, während bei den Alkaligesteinen ein Alkaliüberschuß vorliegt, der noch in die dunklen Gemengteile (Alkalihornblenden und Alkalipyroxene) eingebaut wird; außerdem treten in letzteren Gesteinen meist noch Feldspatvertreter (Leucit, Nephelin u. a.) auf. Die Kalkalkaligesteine, auch pazifische Gesteine genannt, sind für alle Faltengebirge (vor allem in Umrahmung des pazifischen Ozeans) charakteristisch, die Alkaligesteine (auch atlantische Gesteine genannt) herrschen in tektonischen Bruchzonen vor. Eine Übersicht über die wichtigsten Magmagesteine (Plutonite und Vulkanite) gibt umstehende Tabelle 3. Für die „granitischen Gesteine" ist hierbei wichtig, daß sie nicht allein durch eine magmatische Differentiation gebildet werden, sondern auch durch andere Vorgänge: z. B. aus vorhandenen Gesteinsmassen durch eine Alkalimetasomatose 1 ) (Gesteinsumwandlung durch zugeführte Lösungen) oder durch Aufschmelzung infolge starker Temperaturerhöhung; aber auch Schmelzen, die in vorhandene Gesteine eindringen und diese assimilieren, können zu einer Granitisation führen. In den pegmatitisch-pneumatolytifichen Bildungen sind die Silikate die Hauptmineralien, sie sind oft durch ihren Gehalt an leichtflüchtigen Stoffen gekennzeichnet (Tnrmalin. Bor, Topas: Fluor, Lithionglimmer: Lithium, usw.) weiter sind sie Träger der seltenen Erden (Cer in Monazit, Yttrium in üadolinit, Uran in Uranpecherz usw.) und vor allem wichtiger Kulturmetalle (W in Wulframit, Mo in Molybdänglanz, Sn in Zinnstein usw.). Zwischen den pegraatitischen und pneumatolytischen Bildungen *) gr. m e t ä = h i n t e r h e r , somatosis =

Verkörperung,

142

Entstehung, Umbildung und Vorkommen der Mineralien _ r i l l s—a M i 6 ö -C

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