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German Pages 874 Year 2006
Dienst an Glaube und Recht Festschrift für Georg May zum 80. Geburtstag
Herausgegeben von Anna Egler Wilhelm Rees
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ANNA EGLER / WILHELM REES (Hrsg.)
Dienst an Glaube und Recht
Kanonistische Studien und Texte begründet von Dr. A l b e r t M . Ko e n i g e r˙ o.ö. Professor des Kirchenrechts und der Kirchenrechtsgeschichte an der Universität Bonn fortgeführt von Dr. Dr. H e i n r i c h F l a t t e n˙ o.ö. Professor des Kirchenrechts und der Kirchenrechtsgeschichte an der Universität Bonn und Dr. G e o r g M ay Professor für Kirchenrecht, Kirchenrechtsgeschichte und Staatskirchenrecht an der Universität Mainz herausgegeben von Dr. A n n a E g l e r Akademische Direktorin am FB 01 Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Mainz i. R. und Dr. Wi l h e l m R e e s Professor für Kirchenrecht an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Band 52 ANNA EGLER / WILHELM REES (Hrsg.)
Dienst an Glaube und Recht
Dienst an Glaube und Recht Festschrift für Georg May zum 80. Geburtstag
Herausgegeben von Anna Egler Wilhelm Rees
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0929-0680 ISBN 3-428-12329-8 978-3-428-12329-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort der Herausgeber Dienst an Glaube und Recht – dieser Titel der Georg May zur Vollendung seines 80. Lebensjahres am 14. September 20061 dedizierten Festschrift spiegelt wesentliche Inhalte von Leben und Schaffen des Jubilars wider. Ein hervorstechender Zug seiner Persönlichkeit ist seine stete Bereitschaft, sich in Dienst nehmen zu lassen – von den ihm Anvertrauten, seinen Pflichten als akademischer Lehrer, Wissenschaftler, Forscher und Priester. Für den Dienst am Glauben strebte Georg May das Priestertum an, und zwar in seiner Heimatdiözese. So begann der heimatvertriebene Schlesier nach Beendigung des Theologiestudiums an der Universität München am 1. April 1950 die Pastoralausbildung im Priesterseminar Neuzelle an der Oder, um nach der Priesterweihe am 1. April 1951 als Seelsorger im Restgebiet des Erzbistums Breslau zu wirken. Sein Wunsch, als Pfarrer den Gläubigen in der Gemeindepastoral zu dienen, den er auf die Frage seines Ordinarius Ferdinand Piontek hinsichtlich seiner Zukunft beim Kaplansexamen 1952 äußerte, entsprach nicht dessen Plänen. Im Jurisdiktionsbezirk Görlitz fehlte ein Offizial. Deshalb sollte Georg May, den sein Lehrer Franz Xaver Seppelt für eine Promotion empfohlen hatte, das kanonistische Spezialstudium persolvieren. Die Vorliebe des jungen Priesters galt allerdings der neutestamentlichen Wissenschaft, was er auch in dem Gespräch anmerkte. Kapitelsvikar Piontek antwortete mit aller Deutlichkeit: „Es kommt nicht auf Ihre Wünsche an, sondern auf die Bedürfnisse der Diözese.“ May war klar, seine Neigungen hatten zurückzustehen, der Dienst an der Diözese hat Vorrang. Während der Tätigkeit als Assistent am Priesterseminar Erfurt von 1953 bis 1955 verfasste er seine Dissertation „ Die geistliche Gerichtsbarkeit des Erzbischofs von Mainz im Thüringen des späten Mittelalters. Das Generalgericht zu Erfurt“. Nach der Promotion bei seinem Lehrer Klaus Mörsdorf, der ihn bereits am Ende seines Theologiestudiums für eine Weiterqualifikation gewinnen wollte, erwirkte Mörsdorf, dass Piontek 1 Zu den Lebensdaten vgl. Lebenslauf von Georg May, in: Fides et Ius. Festschrift für Georg May zum 65. Geburtstag, hrsg. von Winfried Aymans / Anna Egler / Joseph Listl, Regensburg 1991, S. 602; Anna Egler, Universitätsprofessor Dr. Georg May – ein Portrait, in: Una Voce-Korrespondenz 5, 1995, S. 283 – 291; die autobiographischen Skizzen Nr. 163 und 165 unter II. der Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Georg May, die in dieser Festschrift abgedruckt ist.
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Georg May für die Habilitation freistellte. Mit der Fortführung und dem Abschluss der Ausbildung am Kanonistischen Institut der Universität München mit der Habilitation eröffnete sich der Weg in die wissenschaftliche Laufbahn, die weder vom Ortsordinarius noch von May angezielt war. Diese berufliche Zukunft kommentierte Piontek realistisch mit den Worten „Sie begeben sich auf ein glattes Parkett“. May, den Mörsdorf einem Bischof gegenüber als seinen „Starschüler“ bezeichnete, wird diesen Ausspruch bitter erfahren müssen. Denn etwa ab Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts erfolgte auch in der theologischen Wissenschaft die allzu vereinfachende Einteilung in „Konservative“ und „Progressive“; fachliche Kompetenz und herausragende Leistung wurden als zweitrangig eingestuft. Mit dem Etikett „konservativ“, oder gar „erzkonservativ“, belegt, wurden Berufungen durch ungewöhnliche Interventionen verhindert. Obgleich May solches 1969 in München und 1975 in Salzburg widerfuhr, ließ er sich in seinem Einsatz als akademischer Lehrer und Forscher sowie in seiner Tätigkeit als Priester nicht beirren. Er diente weiterhin der ihm aufgetragenen Aufgabe. Das Recht in der Lehre zu vertreten und auch durch eigene Forschungen auf der Grundlage des Glaubens zu erschließen, prägte das Bemühen des Wissenschaftlers und Priesters Georg May. Die Verklammerung von Glaube und Recht und die Verwiesenheit beider aufeinander hat der Jubilar immer klar und einleuchtend dargelegt. Die Normierung des Rechtes muss auf dem Glauben aufruhen, gleichsam aus dem Glauben hervorquellen. Das Recht der Kirche kann und darf kein willkürliches sein. Richtschnur für die Rechtsetzung ist der Glaube. Er ist nicht nur Quelle, sondern auch Zielpunkt des Rechtes. Der Kanonist May wurde nicht müde, durch Betonung dieses Konnexes die Aversion gegen das Recht der Kirche, v. a. als aktiver akademischer Lehrer, abzubauen, den Blick für dessen Notwendigkeit sowohl für den Glauben der einzelnen Person wie die kirchliche Gemeinschaft zu öffnen. In seinen Publikationen ist diese Überzeugung niedergelegt. Die in dieser Festschrift wiedergegebene wissenschaftliche Bibliographie von Georg May lässt das breite Spektrum seines wissenschaftlichen Arbeitens erkennen. Der Kanonist wies sich in seinen zahlreichen Veröffentlichungen als profunder Kenner und souveräner Beherrscher der Methoden und Materien der kirchlichen Rechtsgeschichte, des Kirchenrechts und des Staatskirchenrechts, die er als Professor zu vertreten hatte, aus. Vor allem seine rechtshistorischen Forschungen, unter denen die Moguntiaca einer besonderen Erwähnung bedürfen, basieren auf Quellenforschungen in deutschen und ausländischen Archiven. Die umfangreiche Bibliographie zeugt des Weiteren von der immensen Schaffenskraft und akribischen Hingabe Mays an den ihm von Gott zugedachten und durch seine Oberen bestimmten Dienst. Selbst nach seiner Emeritierung (1994) sah sich der Jubilar nicht von seinen Aufgaben entpflichtet. Seine For-
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schungen hat er sogar intensiviert und in den Jahren 2004 bis 2006 beachtenswerte Opera abgeschlossen. Die häufigen Zitationen von Publikationen oder Hinweise auf Werke des Jubilars in dieser Festschrift bezeugen die Beachtung seiner Veröffentlichungen in der Fachwelt. Glaube und Recht – diese Pole katholischer Lehre und katholischen Lebens bestimmen nicht nur das Wirken des Jubilars als Wissenschaftler, sondern auch das des Priester-Professors. Priorität hat stets, die Integrität des Glaubens zu wahren und diesen nach Möglichkeit zu schützen. Aus dieser Verantwortung erwuchs sein Einschalten in die Diskussion nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und sein Eintreten für Kontinuität und Tradition in der Kirche. Ist die Kontinuität richtig interpretiert im Sinne des Bewahrens doch ein Merkmal der Rechtswissenschaft. Diesen Einsatz sah May als Dienst am Glauben. Er hat in der Kraft des Glaubens hingenommen, dass seine Kritik an manchen innerkirchlichen Entwicklungen, die er mit dem Blick des Rechtshistorikers und Kenners der kirchlichen Rechtsgeschichte betrachtete, missgedeutet wurde und ihm Nachteile im universitären und kirchlichen Bereich wie bezüglich der Publikationsmöglichkeiten brachten. Interessant ist jedoch, dass mancher deutsche Bischof im privaten Gespräch seiner Beurteilung der innerkirchlichen Situation zustimmte. In der Öffentlichkeit blieb May jedoch ein „einsamer Rufer“. Verunsicherten Gläubigen aber waren seine Anfragen und Anmerkungen in den unruhigen Jahren nach dem Konzil Hilfe und Orientierung. May ist ein gesuchter Ratgeber in diffizilen kirchenrechtlichen Problemen, Fragen des religiösen und spirituellen Lebens, der Orthodoxie und Orthopraxis, die ihm von Gläubigen aller Schichten bis hin zu Offizialen unterbreitet werden. Dem Glauben und Recht diente und dient der Jubilar auch als priesterlicher Seelsorger. Priesterliche Funktionen waren ihm stets wichtig. Aus seiner Überzeugung, dass ein theologisches Fach wie das Kirchenrecht den Praxisbezug unbedingt fordert, war und ist er priesterlich tätig als Beichtvater und Prediger im wöchentlichen Rhythmus. Diese Erfahrungen sind in seine Vorlesungen eingeflossen. Aus den Rückmeldungen zu seiner Tätigkeit als akademischer Lehrer sei nur ein Priester zitiert: „Oft merke ich, wie ich bei der Seelsorge von all dem profitieren kann, was ich bei Ihnen lernte.“ Der Jubilar ist Priester aus innerster Überzeugung und mit Hingabe. So war und ist ihm die tägliche Zelebration gleichermaßen Bedürfnis und Kraftquelle. Eine überschaubare Zahl von Gläubigen an Werktagen und eine beachtliche Anzahl an Sonntagen sind treue Mitfeiernde. Von diesen wurde die Publikation dieser Festschrift finanziell mitgetragen. Es sei Ihnen herzlich gedankt. An dieser Stelle ist vielen zu danken, zunächst verbindlich allen Autoren, die durch Ihre wissenschaftlichen Beiträge diese Festschrift ermöglicht und damit Ihren Kollegen bzw. Freund Georg May geehrt haben. Herzlich danken wir für
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die finanzielle Unterstützung der Drucklegung den hochwürdigsten Herren Kardinälen Prof. Dr. Dr. Karl Lehmann, Bischof von Mainz, und Prof. Dr. Friedrich Wetter, Erzbischof von München und Freising, den Bischöfen von Erfurt, Görlitz und Speyer. Allen genannten Bistümern ist May durch sein Wirken verbunden. Herrn Assistenzprofessor Dr. Konrad Breitsching, Universität Innsbruck, danken wir sehr für die Hilfe und die förderlichen Ratschläge bei der Erstellung der Druckvorlage. Des Weiteren gilt unser besonderer Dank Herrn Verleger Prof. Dr. jur. h. c. Norbert Simon und Herrn Dr. Florian Simon, Verlagshaus Duncker und Humblot, Berlin, für die Übernahme der Festschrift in das Verlagsprogramm und die wohlwollende, geduldige Beratung in verlagstechnischen Fragen sowie den Mitarbeiterinnen, allen voran Frau Birgit Müller für die Überprüfung der Druckvorlage, und Mitarbeitern des Verlages für ihre stets entgegenkommende, kompetente und freundliche Betreuung. Dem Jubilar gelten beste Wünsche für die Jahre, die Gott ihm noch schenken wird. Er erhalte ihn für den Dienst an Glaube und Recht, zu dem er ihn berufen hat, in Gesundheit und bei Schaffenskraft! Ad multos annos!
Mainz und Innsbruck, am Fest Kreuzerhöhung 2006 Anna Egler Wilhelm Rees
Inhaltsverzeichnis Allgemeines Michael Figura Eucharistie und Kirche ……………………………………………………………
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Peter Claus Hartmann Hinrichtungen katholischer Geistlicher deutscher Diözesen im Dritten Reich ….. 19 Johannes Reiter Informed consent und die Zeugen Jehovas. Medizinethische und medizinrechtliche Probleme ………………………...……………………………………....…. 31
Geschichte – Rechtsgeschichte Louis Carlen Die Basilika St. Peter in Rom als Rechtsort ……………………………………... 53 Anna Egler Jurisdiktionsakte von Weihbischöfen der Mainzer Erzdiözese im späten Mittel………………………...……………………………………....…. 71 alter …………… Stephan Haering Der Streit um die Mettener Abtwahl 1905 ……………………………………… 105 Helmut Hinkel „Heilsamer Sterbtrost“. Bruderschaften und Tod im barocken Mainz …………. 199 Friedhelm Jürgensmeier Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau (1610 – 1798) …………………………………………………………………… 241
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Inhaltsverzeichnis
Knut Wolfgang Nörr Texturen mittelalterlicher Rechtsfortbildung: Die Dekretale und Dekretalensammlung (von Alexander III. bis Gregor IX.) …………………………………. 263 Ludolf Pelizaeus Die soziale und schulische Situation im Amt Olm bis zur Zeit des Übergangs von der Kurmainzer zur französischen Herrschaft ………………………...……. 281 Georg Schwaiger Franz Xaver Seppelt in Breslau und München. Eine Erinnerung zum 50. Todestag ……………………………………………………………..……… 295 Peter Walter Cicero in pulpito. Einblicke in die Predigtwerkstatt des Mainzer Humanisten Dietrich Gresemund d. J. ..………………………………………………………. 315 Alfred Wendehorst Der Archidiakon Lupold von Bebenburg und der Streit um die Exemtion der Kapelle in Unterebersbach ………………………..…………………………….. 335
Kirchenrecht Georg Bier Die rechtliche Bedeutung der Assistenz bei katholisch-evangelischer Eheschließung …………………………………………………………….……………...... 347 Arturo Cattaneo Questioni ecclesiologiche, pastorali e canonistiche nel rapporto fra la vita religiosa e la Chiesa particolare …………………………………………………...... 373 Libero Gerosa Charismen, geistliche Vollmacht und Leitung der Institute des geweihten Lebens ………………………………………………………………………....... 397 Rudolf Henseler Neue Akzente im „Ordensrecht“ des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium ……………………...…………………………………………….....……. 425
Inhaltsverzeichnis
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Alfred E. Hierold Struktur- und Satzungsfragen im Deutschen Caritasverband ………...………… 443 Severin J. Lederhilger Vermögensverzicht und Gütergemeinschaft. Zu einigen rechtlichen Aspekten des Armutsgelübdes im österreichischen Kontext …………………………….... 451 Christoph Ohly Integer cultus Dei. Die Sorge des Apostolischen Stuhls um die Authentizität der Liturgie der Kirche ………………………………………………………..… 479 Hans Paarhammer Das insigne Kollegiatstift Mattsee in seiner gegenwärtigen Rechtsgestalt ……... 503 Helmuth Pree Kirchenrecht in der Ökumene …………………………………………………... 527 Bruno Primetshofer Rechtsnachfolge bei Ordensgemeinschaften ……………………………………. 541 Nikolaus Schöch Ist die Auflösung der nichtvollzogenen Ehe von Getauften noch zeitgemäß? Überlegungen zur Aktualität eines Verwaltungsverfahrens …………………….. 561 Rudolf Schunck Profil einer hierarchischen Rechtsfigur in der Kirche. Aspekte der Personalprälatur Opus Dei .....……………………………………………………………. 597 Hugo Schwendenwein Probleme um die disziplinäre Verantwortung im kirchlichen Dienst. Zur Frage der Unterscheidung von Straf- und Disziplinarstrafrecht ………………………. 611 Wolfgang Waldstein Fragen der Wirkung falscher Interpretationen kirchenrechtlicher Normen …….. 635 Andreas Weiß Potestas regiminis. Kanonistische Erwägungen zur Struktur der kirchlichen Leitungsvollmacht ………………………………………………………………. 657
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Inhaltsverzeichnis
Hartmut Zapp „Kirchenaustritt“ zur Vermeidung von Kirchensteuern – nun ohne kirchenrechtliche Konsequenzen ……………………………………………………...… 673 Anton Ziegenaus Der Empfänger der Krankensalbung ……………………………………………. 709
Staat und Kirche Wilhelm Rees Katholisch-Theologische Fakultäten und Studium der Katholischen Theologie in der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich ……………… 723 Markus Walser Die kirchliche Stiftung im liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) …………………………………………………………………………… 791
Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Prof. Dr. Georg May ………………………………………………………..……… 809 Verzeichnis der Mitarbeiter …………………………………...………………….… 859
Allgemeines
Eucharistie und Kirche Von Michael Figura
I. Das Jahr der Eucharistie Mit dem Apostolischen Schreiben Mane nobiscum Domine vom 7. Oktober 2004 hat der am 2. April 2005 verstorbene Papst Johannes Paul II. das Eucharistische Jahr eingeleitet, das von Oktober 2004 bis Oktober 2005 dauert. Den Auftakt dieses besonderen Jahres bildete der Internationale Eucharistische Kongress in Guadalajara (Mexiko) vom 10. – 17. Oktober 2004, der Abschluss ist die XI. Ordentlichen Bischofssynode im Vatikan, die sich vom 2. – 23. Oktober 2005 mit dem Thema beschäftigt: „Die Eucharistie als Quelle und Höhepunkt des Lebens und der Sendung der Kirche“. Zur Vorbereitung der Bischofssynode wurden am 25. Februar 2004 die Lineamenta und auf der Basis der Antworten darauf am 7. Juli 2005 das Instrumentum laboris herausgegeben. Wichtig für die Bischofssynode ist die letzte Enzyklika Johannes Pauls II. Ecclesia de Eucharistia vom 17. April 2003, in welcher der Papst die Kirche einlädt, über die verschiedenen Dimensionen dieses Geheimnisses des Glaubens nachzudenken. Zu dieser Enzyklika gehört aber auch die Instruktion Redemptionis Sacramentum vom 25. März 2004. Bereits im Apostolischen Schreiben Rosarium Virginis Mariae (16. Oktober 2002) zum Jahr des Rosenkranzes (Oktober 2002 – Oktober 2003) hat Johannes Paul II. den freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Geheimnissen des Rosenkranzes die lichtreichen Geheimnisse hinzugefügt, deren 5. Gesätz über die Einsetzung der Eucharistie als sakramentalen Ausdruck des Ostergeheimnisses meditiert. Der am 19. April 2005 gewählte neue Papst Benedikt XVI. hat am folgenden Tag in seiner ersten Botschaft in der Sixtina nach der Konzelebration mit den Kardinälen das Thema des eucharistischen Jahres aufgegriffen: „Sehr bedeutungsvoll ist, dass mein Pontifikat zu einer Zeit beginnt, in der die Kirche das besondere Jahr der Eucharistie begeht. Sollte man in diesem providentiellen Zusammentreffen nicht ein Element sehen, das das Dienstamt, zu dem ich berufen bin, kennzeichnen muss? Die Eucharistie, Herz des christlichen Lebens und
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Michael Figura
Quelle der Evangelisierungssendung der Kirche, soll die ständige Mitte und Quelle des mir anvertrauten Petrusamtes sein.“ 1 II. Das Werden einer eucharistischen Ekklesiologie Für Paulus wie auch für die Kirchenväter und die Theologen des Mittelalters ist die Kirche als Leib Christi untrennbar mit der Eucharistie verbunden. Die biblische Grundstelle für eine eucharistische Ekklesiologie findet sich 1 Kor 10,16 f.: „Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Weil es ein Brot ist, sind wir viele ein Leib, denn wir alle haben teil an dem einen Brot.“ Kirche wird hier vor allem als Eucharistiegemeinschaft verstanden: „Kirche ist überall dort, wo sich Christen zur Feier des Herrenmahls um den Tisch des Herrn versammeln.“ 2 Dieser Gedanke setzt sich bereits in den frühen Glaubensbekenntnissen durch. So wird im Apostolicum die communio sanctorum bekannt. Im ursprünglichen Sinn ist damit die Gemeinschaft an heiligen Dingen (sancta) gemeint, d. h. die Eucharistie, die Christus der Kirche geschenkt hat als Band der Vereinigung mit dem dreifaltigen Gott, das die Teilnehmer zu Heiligen (sancti) macht. Natürlich greift die communio sanctorum sowohl räumlich als auch zeitlich bei jeder Eucharistiefeier über die je gegenwärtigen Teilnehmer weit hinaus, wie sich bereits bei der typologischen Gegenüberstellung der Sinai- und der Zionsoffenbarung im Hebräerbrief (12,22 ff.) zeigt: „Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind, zu Gott, dem Richter aller, zu den Geistern der schon vollendeten Gerechten, zum Mittler eines neuen Bundes, Jesus, und zum Blut der Besprengung, das mächtiger ruft als das Blut Abels.“ 3 Neuer Bund und Besprengungsblut ist der Abendmahlskelch nach Mk 14,24 in Fortführung von Ex 24,8. Die Raum und Zeit überragende Dimension der communio sanctorum kommt deutlich im Zweiten Hochgebet des Missale Romanum (dritte Auflage 2002) zum Ausdruck: „Darum kommen wir vor dein Angesicht und feiern in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche den ersten Tag der Woche ... Gedenke
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Papst Benedikt XVI. Joseph Ratzinger, Der Anfang. Predigten und Ansprachen April / Mai 2005 (= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 168), S. 23. 2
Walter Kardinal Kasper, Sakrament der Einheit. Eucharistie und Kirche, Freiburg i. Br. 2004, S. 117. 3 Vgl. zur Exegese Erich Gräßer, An die Hebräer, 3. Teilbd. (= EKK XVII/3), Zürich / Neukirchen-Vluyn 1997, S. 302 – 326.
Eucharistie und Kirche
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deiner Kirche auf der ganzen Erde und vollende dein Volk in der Liebe ... Gedenke aller unserer Brüder und Schwestern, die entschlafen sind in der Hoffnung, dass sie auferstehen ... Vater, erbarme dich über uns alle, damit uns das ewige Leben zuteil wird in der Gemeinschaft mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, mit deinen Aposteln und mit allen, die bei dir Gnade gefunden haben von Anbeginn der Welt.“ Besonderen Einfluss auf die eucharistische Ekklesiologie der Alten Kirche hat Augustinus (354 – 430 n. Chr.) ausgeübt. In den Predigten (Sermones) in seiner Bischofsstadt Hippo Regius behandelt er mehrfach die Wechselbeziehung zwischen Eucharistie und Kirche. So ruft er den zur Eucharistiefeier Versammelten zu: „Wissen müsst ihr, was ihr empfangen habt, was ihr empfangen werdet, was ihr täglich empfangen sollt.“ Augustinus erklärt es dann genauer: „Wenn du den Leib Christi verstehen willst, dann höre den Apostel, der den Gläubigen sagt: ‚Ihr aber seid der Leib Christi und Glieder‘ [1 Kor 12,27]. Wenn aber ihr Leib Christi und Glieder seid, dann ist euer Geheimnis (mysterium) auf dem Altar (mensa dominica) niedergelegt. Ihr empfangt euer Geheimnis. Auf das, was ihr seid, antwortet ihr Amen, und mit der Antwort unterschreibt ihr es. Denn du hörst: Der Leib Christi, und antwortest: Amen. Sei Glied des Leibes Christi, damit das Amen wahr ist.“ 4 Eucharistische Ekklesiologie versteht die Kirche als eine Gemeinschaft von Kirchen (communio ecclesiarum), die miteinander in Kommuniongemeinschaft stehen. Mit Koinonia oder communio werden allerdings seit der frühen Kirche nicht nur die sakramentale Eucharistie bezeichnet, sondern auch andere Akte gegenseitiger Gemeinschaft (z. B. gegenseitige Besuche, Briefe, Benachrichtigungen). Vor allem aber lebt die Kirche in Eucharistiegemeinschaften, denn in jeder Eucharistiefeier ist „nach der Konsekration von Brot und Wein unser Herr Jesus Christus als wahrer Gott und Mensch wahrhaft, wirklich und substanzhaft unter der Gestalt jener sinnenfälligen Dinge enthalten“ 5 . Das Zweite Vaticanum führt dazu aus: „Diese Kirche Christi ist wahrhaft in allen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwesend, die in der Verbundenheit mit ihren Hirten im Neuen Testament auch selbst Kirchen heißen. Sie sind nämlich je an ihrem Ort, im Heiligen Geist und mit großer Zuversicht (vgl. 1 Thess 1,5), das von Gott gerufene neue Volk ... In diesen Gemeinden, auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Diaspora leben, ist Christus gegenwärtig, durch dessen Kraft die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche geeint wird. Denn ‚nichts anderes wirkt die Teilhabe an Leib und Blut Christi, als dass wir in das übergehen, was wir empfangen.‘“ (LG 26)
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Augustinus, sermo 227 (PL 38, 1099); 272 (PL 38, 1246).
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Konzil von Trient, Dekret über das Sakrament der Eucharistie, cap. 1: DH 1636.
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Michael Figura
Der kurz dargestellte Grundgedanke der eucharistischen Ekklesiologie gerät zwar nie in Vergessenheit, tritt aber seit dem Spätmittelalter vor allem in der westlichen Kirche zeitweilig in den Hintergrund. Im 20. Jahrhundert wird er zuerst von russisch-orthodoxen Exilstheologen neu herausgestellt, vor allem von Nikolaj Afanasjew (1893 – 1966), dessen eucharistische Ekklesiologie durch Alexander Schmemann 6 (1921 – 1983) und Ioannes Zizioulas weitergeführt und in wesentlichen Punkten korrigiert wird. Im Raum der katholischen Theologie der lateinischen Kirche hat besonders Henri de Lubac (1896 – 1991) bahnbrechend gewirkt für die eucharistische Ekklesiologie des Zweiten Vaticanum. So hat er bereits zwanzig Jahre vor Lumen Gentium in Corpus Mysticum theologie- und dogmengeschichtlich die Einheit in der Unterscheidung von sakramentalem und kirchlichem Leib Christi untersucht und als Ergebnis seiner Forschungen festgehalten: „Nun aber ist die Eucharistie das mystische Prinzip, das auf dauerhafte Weise im Schoß der christlichen Gesellschaft sich auswirkt ... Sie ist das universale Band, die unaufhörlich sprudelnde Quelle. Mit dem Fleisch und dem Blut des Erlösers genährt, werden alle seine Gläubigen ‚mit einem einzigen Geist getränkt‘, der sie wahrhaft zu einem einzigen Leibe zusammenschweißt. Wörtlich gilt also: die Eucharistie macht die Kirche“. 7 In der Méditation sur l’Église stellt er das wechselseitige Verhältnis von Eucharistie und Kirche heraus: „Die Kirche macht die Eucharistie.“ – „Die Eucharistie macht die Kirche.“ 8 Aus diesen Prinzipien folgt: Wo die Eucharistie ist, da ist die Kirche, und: Wo die Kirche, da ist die Eucharistie. Das zeigt sich darin, dass alle Ämter in der Kirche dem eucharistischen Geheimnis dienen. So ist der Bischof der „Hohepriester seiner Herde“ (SC 41), dessen hauptsächliche Verantwortung in der Feier der Eucharistie liegt. „Nie verdient sie [die Kirche] ihren Namen besser, als wenn sich das Gottesvolk an einem bestimmten Ort zur eucharistischen Feier um seinen Hirten schart ... Jeder Bischof wirkt die Einheit seiner Herde ... Der Bischof selbst aber ist‚ in Frieden und Kommunion‘ mit all seinen Brüdern, die an andern Orten das gleiche und einzige Opfer darbringen und dabei seiner gedenken, wie er ihrer aller gedenkt. Sie bilden gemeinsam das einzige Bischofsamt 6
Vgl. Alexander Schmemann, Eucharistie. Sakrament des Gottesreichs, Freiburg 2005. 7
Henri de Lubac, Corpus Mysticum. L’eucharistie et l’Église au moyen âge. Étude historique (= Théologie, Bd. 3), Paris 21949, S. 89 – 115, hier S. 104. Dt. Übers. von Hans Urs von Balthasar: Henri de Lubac, Corpus Mysticum. Kirche und Eucharistie im Mittelalter. Eine historische Studie, Einsiedeln 1969, S. 97 – 126, hier S. 115. 8
Vgl. Henri de Lubac, Méditation sur l’Église [11953] (= Œuvres complètes, Bd. 8), Paris 2003, S. 123 – 137. Dt. Übers. von Hans Urs von Balthasar: Henri de Lubac, Die Kirche. Eine Betrachtung, Einsiedeln 1968, S. 127 – 142.
Eucharistie und Kirche
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(un seul épiscopat), und alle sind ebenfalls ‚in Frieden und Kommunion‘ mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, dem sichtbaren Band der Einheit. Durch sie sind alle Gläubigen geeint.“ 9 Hier finden sich Aussagen, die zwanzig Jahre später in LG 21 – 25 aufgegriffen wurden. Auch nach dem Konzil beschreibt de Lubac den bischöflichen Dienst von der Eucharistie her: „Der Bischof ‚ist nicht zuerst der Repräsentant der Gesamtkirche oder der Repräsentant seiner Eigenkirche: er ist gerade beider Band und ihre Vermittlung‘. In seiner ganzen Tätigkeit wacht er darüber, dass die einigende Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums, dem er vorsteht, überall seine Wirkung ausübe. Die beiden wichtigsten Dokumente, die uns als Zeugen des urkirchlichen Lebens verbleiben, der Klemensbrief und die Briefe des Ignatius von Antiochien, zeigen ihn gleichermaßen als den Bildner der Einmütigkeit, homonoia.“ 10 Auch das Petrusamt als „Mittelpunkt der Einheit“ sieht de Lubac von der Eucharistie her. Gegen die Meinung, die Verheißung Jesu: „Tu es Petrus...“ (Mt 16,18) gelte nur dem Apostel Petrus, nicht aber seinen Nachfolgern auf der Cathedra Petri, weist er mit dem reformierten Theologen Jean-Jacques von Allmen darauf hin, dass Jesus im Lukasevangelium Petrus die Aufgabe, seine Brüder zu stärken (Lk 22,32), „‚im Rahmen der Eucharistie anvertraut‘, das heißt ‚im Rahmen dessen, was nach dem Willen Jesu bis zu seiner Wiederkunft dauern soll‘“ 11 . Auch im Katechismus der Katholischen Kirche findet sich eine eucharistische Sicht des Papsttums: „Die ganze Kirche ist mit dem Opfer und der Fürbitte Christi vereinigt. Da der Papst mit dem Petrusdienst in der Kirche betraut ist, ist er an jeder Eucharistiefeier beteiligt, in der er als Zeichen und Diener der Einheit der Gesamtkirche genannt wird.“ (Nr. 1369) Das bereits erwähnte Instrumentum laboris zur Vorbereitung der Bischofssynode 2005 über die Eucharistie nimmt de Lubacs „Aphorismus“ auf: „Die Kirche vollzieht die Eucharistie, und die Eucharistie baut die Kirche auf. Obwohl beide von Christus in Bezug zueinander gesetzt wurden, sind diese Bezeichnungen des bekannten Aphorismus nicht gleichwertig. Wenn die Eucharistie die Kirche wachsen lässt, weil im Sakrament der lebendige Jesus Christus ist, dann hat er die Kirche noch früher gewollt, damit sie Eucharistie feiert. Die
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Ebd., S. 127 f. (dt. S. 131 f.).
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Henri de Lubac, Les églises particulières dans l’Église universelle, Paris 1971, S. 54. Dt. Übers. von Hans Urs von Balthasar: Henri de Lubac, Quellen kirchlicher Einheit, Einsiedeln 1974, S. 53. 11
Ebd., S. 106 (dt. S. 98).
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Michael Figura
Christen des Ostens unterstreichen besonders, dass die Kirche seit der Schöpfung vor ihrer irdischen Verwirklichung besteht.“ (Nr. 13) 12 Das Thema Eucharistie und Kirche wird auch in ökumenischen Gesprächen behandelt. Das Dokument der Gemischten Internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche: Das Geheimnis der Kirche und der Eucharistie im Geheimnis der Heiligen Dreifaltigkeit (München 1982) verankert die eucharistische Ekklesiologie in der dreifaltigen Gemeinschaft von Vater und Sohn und Heiligem Geist selbst: „Dieses Geheimnis der Einheit in der Liebe vieler Personen stellt im Vollsinn die Neuheit der trinitarischen Koinonia dar, die dem Menschen in der Kirche durch die Eucharistie mitgeteilt ist ... Mehr noch, die Eucharistie stellt, wenn sie so im Licht des Geheimnisses der Dreifaltigkeit verstanden wird, den Maßstab dar für den Vollzug des gesamten kirchlichen Lebens. Die institutionellen Elemente dürfen dabei nichts anderes sein als ein Widerschein der geheimnisvollen Wirklichkeit.“ 13 Die trinitarische Dimension der Ekklesiologie weist darauf hin, dass nicht wir Menschen die Kirche machen, sondern sie von Gott her empfangen, der uns in ihr an seinem dreifaltigen Leben teilnehmen lässt. Das schließt keineswegs aus, dass die Kirche wegen der Menschwerdung Gottes auch eine menschliche Wirklichkeit ist. „Wohl aber wird damit ein Verständnis von Kirche unmöglich, das dahin neigt, sie nur oder primär als gesellschaftliches Phänomen auf Seiten der Menschen zu sehen.“ 14 Die trinitarische Dimension der Kirche ist Ausdruck dafür, dass die eine und einzige katholische Kirche in und aus Teilkirchen besteht (vgl. LG 23), eine Einheit in und aus Vielheit ist und deshalb ein corpus
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Das Instrumentum laboris bezieht sich auf die Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, Nr.21 und 26, wo ebenfalls herausgestellt wird, dass die Eucharistie die Kirche aufbaut und die Kirche die Eucharistie vollzieht (= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 159). Die Frage nach dem Beginn der Kirche seit der Theologie der Väterzeit kann hier nicht weiter untersucht werden. Vgl. dazu Yves Congar, Ecclesia ab Abel (1952), in: ders., Etudes d’ecclésiologie médiévale (= Variorum reprints), London 1983, S. 79 – 108. 13
Harding Meyer, Damaskinos Papandreou / Hans Jörg Urban / Lukas Vischer (Hrsg.), Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene. Bd. 2 (1982 – 1990), Paderborn / Frankfurt a. M. 1992, S. 534 f. 14
Kirche und Rechtfertigung. Das Verständnis der Kirche im Licht der Rechtfertigungslehre. Hrsg. 1993 von der Gemeinsamen römisch-katholischen / evangelischlutherischen Kommission, in: Meyer u. a., Dokumente (Anm. 13), Bd. 3 (1990 – 2001), Paderborn / Frankfurt a. M. 2003, S. 335.
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ecclesiarum bildet 15 . Diese Einheit der Kirche als communio ecclesiarum hat wiederum Anteil an der Einheit des dreifaltigen Gottes und spiegelt sie wider. „In einem noch tieferen Sinn ist die eine und einzige Kirche, weil der eine einzige Gott die Gemeinschaft von drei Personen ist, Gemeinschaft von vielen Gemeinden ... Die eine und einzige Kirche ist identisch mit der Koinonia der Kirchen. Einheit und Vielfalt erscheinen hier als so eng miteinander verbunden, dass die eine ohne die andere nicht bestehen kann. Dieser für die Kirche grundlegende Bezug wird durch die Institution sichtbar gemacht und in der Geschichte verwirklicht.“ 16 Das Verhältnis von Trinität und eucharistischer Ekklesiologie lässt sich kurz so zusammenfassen: „Die Kirche macht kund, was sie ist: Das Geheimnis der trinitarischen Koinonia, das ‚Wohnen Gottes bei den Menschen‘ (vgl. Offb 21,4).“ 17 Im Dokument der bilateralen Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz und der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands Communio Sanctorum (2000) wird auf die Kirche als Communio und dadurch implizit auf die eucharistische Ekklesiologie hingewiesen. Die kirchlichen Hinweise der letzten 20 Jahre auf eine eucharistische Ekklesiologie beziehen sich immer wieder auf die Außerordentliche Bischofssynode 1985, die zwanzig Jahre nach Abschluss des Zweiten Vaticanum die Communio-Ekklesiologie als „die zentrale und grundlegende Idee der Konzilsdokumente“ herausgestellt hat 18 . III. Ansätze eucharistischer Ekklesiologie in „Lumen Gentium“ Ansätze eucharistischer Ekklesiologie, vorbereitet von orthodoxen Theologen, aber auch von Henri de Lubac 19 , finden sich vor allem in den ersten drei 15
Das Zweite Vaticanum weist in LG 23, Anm. 70 hierzu bei den Väterzitaten an erster Stelle auf Hilarius von Poitiers (310/20 – 367) hin, der in seinen Tractatus super Psalmos zu Ps. 14,3 schreibt: „etsi in orbe ecclesia una sit, tamen unaquaeque urbs ecclesiam suam obtinet; et una in omnibus est, cum tamen plures sint, quia una habetur in pluribus.“ (CCL 61, 83). 16
Meyer u. a., Dokumente (Anm. 13), S. 538.
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Ebd., S. 533.
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Zukunft aus der Kraft des Konzils. Die außerordentliche Bischofssynode ’85. Die Dokumente mit einem Kommentar von Walter Kasper, Freiburg i. Br. 1986, S. 33. 19
Vgl. Paul McPartlan, The Eucharist makes the Church. Henri de Lubac and John Zizioulas in Dialogue, Edinburgh 1993; Henri de Lubac et le mystère de l’Église. Actes du colloque du 12 octobre 1996 à l’Institut de France (= Études lubaciennes I), Paris 1999.
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Kapiteln der Kirchenkonstitution 20 . Die Beziehung zwischen Eucharistie und Kirche kommt dadurch zum Ausdruck, dass das eucharistische Opfer „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ 21 ist. „Durch den Leib Christi in der heiligen Eucharistiefeier gestärkt, stellen sie [die Gläubigen] ... die Einheit des Volkes Gottes, die durch dieses hocherhabene Sakrament sinnvoll bezeichnet und wunderbar bewirkt wird, auf anschauliche Weise dar.“ (LG 11) Kurz nach der bereits erwähnten außerordentlichen Bischofssynode von 1985 hat der jetzige Papst Benedikt XVI., damals noch Präfekt der Glaubenskongregation, einen wegweisenden Artikel über die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils veröffentlicht, in dem er auch deren eucharistische Dimension darstellt. Eucharistische Ekklesiologie ist allem voran dadurch gekennzeichnet, „dass nun Jesu letztes Abendmahl als der eigentliche Akt der Kirchengründung erkennbar wird ... Das Abendmahl ist der Anfang der Kirche. Denn immer bedeutet es, dass Eucharistie Menschen zusammenschließt, nicht nur untereinander, sondern mit Christus, und dass sie so Menschen zur Kirche macht. Zugleich ist damit auch schon die grundlegende Verfassung der Kirche gegeben: Kirche lebt in Eucharistiegemeinschaften. Ihr Gottesdienst ist ihre Verfassung, denn sie selbst ist ihrem Wesen nach Gottesdienst und darum Menschendienst, Dienst der Weltverwandlung.“ 22 In jeder Eucharistiefeier ist der auferstandene und erhöhte Herr ganz gegenwärtig. Die Gläubigen empfangen seinen Leib, der aus Maria geboren ist, am Kreuz gelitten hat, gestorben und in die Unterwelt abgestiegen ist, am dritten Tag aber auferstanden und in der Himmelfahrt erhöht ist. Dieser geopferte und erhöhte Leib des Herrn ist einer und kann nun nicht mehr zerteilt werden. Was aber vom sakramentalen Leib Christi gilt, gilt auch – bei aller notwendigen Unterscheidung zwischen Christus und Kirche – von seinem ekklesialen Leib. Deshalb sagt das Konzil: „Diese Kirche Christi ist wahrhaft in allen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwesend, die in der Verbundenheit mit ihren Hirten im Neuen Testament auch selbst Kirchen heißen. Sie sind nämlich je an ihrem Ort, im Heiligen Geist und mit großer Zuversicht ... das von Gott 20
Vgl. LG 2 – 8; 11; 18 – 29 und dazu den Kommentar von Peter Hünermann, in: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil, hrsg. von Peter Hünermann / Bernd Jochen Hilberath, Bd. 2, Freiburg i. Br. 2004, S. 357 – 372; 404 – 460. 21
In PO 5 wird die Eucharistie als „Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation“ bezeichnet: „die Katechumenen werden allmählich zur Teilnahme an der Eucharistie vorbereitet, die schon Getauften und Gefirmten durch den Empfang der Eucharistie ganz dem Leib Christi eingegliedert.“ 22 Vgl. Joseph Kardinal Ratzinger, Kirche, Ökumene und Politik. Neue Versuche zur Ekklesiologie, Einsiedeln 1987, S. 17.
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gerufene neue Volk ... In diesen Gemeinden, auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Diaspora leben, ist Christus gegenwärtig, durch dessen Kraft die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche geeint wird. Denn ‚nichts anderes wirkt die Teilhabe an Leib und Blut Christi, als dass wir in das übergehen, was wir empfangen‘“. (LG 26) Kardinal Ratzinger deckt die sich aus diesem Konzilstext ergebenden Konsequenzen für das Verhältnis von Eucharistie und Kirche auf: „Die Gemeinde muss ‚rechtmäßig‘ sein, damit sie Kirche sei, und rechtmäßig ist sie ‚in der Verbundenheit mit den Hirten‘... Das bedeutet zunächst: Niemand kann sich selbst zur Kirche machen. Es kann nicht einfach eine Gruppe zusammentreten, das Neue Testament lesen und sagen: Wir sind nun Kirche, weil es ja der Herr ist, wo sich zwei oder drei in seinem Namen versammeln. Zur Kirche gehört wesentlich das Element des Empfangens ... Wir nennen diese Struktur des Empfangens, des Begegnens ‚Sakrament‘. Und eben deswegen gehört es auch zur Grundstruktur des Sakraments, dass es empfangen wird und dass niemand es sich selbst reicht ... Deswegen ist es nicht bloß ein Verstoß gegen äußere kirchenrechtliche Anordnungen, wenn man sich die Eucharistie selber herumreicht und selber nimmt, sondern eine Verletzung der inneren Struktur des Sakraments ... Kirche kann man nicht machen, nur empfangen, und zwar empfangen von dort her, wo sie schon ist und wo sie wirklich ist: aus der sakramentalen Gemeinschaft seines durch die Geschichte hindurchgehenden Leibes.“ 23 Mit der eucharistischen Ekklesiologie ist „aufs engste der Gedanke der bischöflichen Kollegialität verbunden, der gleichfalls zu den tragenden Säulen der Ekklesiologie des Zweiten Vaticanums zählt“. Kollegialität heißt für das Konzil: „Wie nach der Verfügung des Herrn der heilige Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in entsprechender Weise (pari ratione) der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, miteinander verbunden.“ (LG 22) Der auf dem Konzil ausgebrochene Streit über die Kollegialität des Bischofsamtes, die Frage nach der Sakramentalität der Bischofsweihe sowie der Beziehung zwischen Bischofskollegium und universalem Jurisdiktionsprimat des Papstes führten zur viel umstrittenen Nota explicativa praevia 24 , in welcher der konziliare Gebrauch des Begriffs Kollegium präzisiert und festgestellt wird, dass die Bischofsweihe und die hierarchische Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums unabdingbare Voraussetzungen sind, um Glied dieses Kollegiums zu werden (Nr. 2). Kardinal Ratzinger weist historisch, liturgisch und theolo23 24
Ebd., S. 18 f.
Vgl. zur Vorgeschichte den Kommentar von Joseph Ratzinger, in: LThK 2: Das Zweite Vatikanische Konzil, Teil 1, Freiburg i. Br. 1966, S. 348 f.; Hünermann (Anm. 20), S. 539 ff.
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giegeschichtlich nach, dass der Gedanke der bischöflichen Kollegialität sich aus der Erforschung der gottesdienstlichen Struktur der Kirche entwickelt hat. Die Alte Kirche kennt keine Selbstgenügsamkeit der einzelnen Gemeinden: „Die Gemeinden sind durch die Presbyter untereinander zusammengehalten und durch den Bischof hineingehalten in die größere Einheit der Gesamtkirche. Das Priestersein schließt immer ein Miteinander ein und die Zuordnung zu einem Bischof, die zugleich Zuordnung zur Kirche als ganzer ist.“ 25 IV. „Ecclesia de Eucharistia“ und „Mane nobiscum Domine“ Diese beiden päpstlichen Schreiben (Enzyklika und Apostolisches Schreiben), die zum letzten theologischen und pastoralen Vermächtnis Papst Johannes Pauls II. gehören, sind besonders wichtig für eine eucharistische Ekklesiologie, die sich seit dem Zweiten Vaticanum immer mehr entwickelt hat. 1. Anliegen der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia ist es, das vielfach verloren gegangene Staunen über die Eucharistie als Geheimnis des Glaubens neu zu wecken (Nr. 6). In der Enzyklika, die ganz von der Beziehung zwischen Eucharistie und Kirche bestimmt ist, wird dieses Thema aber besonders im zweiten Kapitel behandelt, wo es um die Auferbauung der Kirche durch die Eucharistie geht. Damit ist eine alte Frage gestellt, die sich schon bei de Lubacs erwähntem Aphorismus gezeigt hat: Die Kirche macht die Eucharistie, die Eucharistie macht die Kirche. Die Frage lautet: Ist die Eucharistie ursächlich für das Entstehen der Kirche oder setzt die Eucharistie bereits die von Jesus gewollte und in Zeichenhandlungen, Gleichnissen und Taten vorbereitete Kirche voraus, die Gott sich „durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat“ (Apg 20,28)? Das Instrumentum laboris für die Bischofssynode 2005 beschäftigt sich unter Bezugnahme auf die Enzyklika Ecclesia de Eucharistia mit dieser Frage: „Die Kirche vollzieht die Eucharistie, und die Kirche baut die Eucharistie auf. Obwohl beide in Bezug zueinander gesetzt wurden, sind diese Bezeichnungen des bekannten Aphorismus nicht gleichwertig. Wenn die Eucharistie die Kirche wachsen lässt, dann hat er [Christus] die Kirche noch früher gewollt, damit sie Eucharistie feiert. Die Christen des Ostens unterstreichen besonders, dass die Kirche seit der Schöpfung vor ihrer irdischen Verwirklichung besteht. Die Zugehörigkeit zur Kirche ist vorrangig, um die Sakramente empfangen zu können.“ Das Arbeitsdokument der Bischofssynode geht von der Priorität der Kirche vor der Eucharistie aus und bezieht sich dabei auf Vätertexte, die, wie z. B.
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Ratzinger, Kirche, Ökumene und Politik (Anm. 22), S. 20.
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der Hirt des Hermas 26 , den Gedanken einer Präexistenz der Kirche vor Jesus Christus nahe legen. Die Enzyklika, auf der das Instrumentum laboris basiert, behandelt diesen Gedanken nicht ausdrücklich, sondern spricht nur davon, dass sich „ein ursprünglicher Einfluss der Eucharistie an den direkten Ursprüngen der Kirche“ zeige: „Als die Apostel die Einladung Jesu im Abendmahlssaal angenommen haben: ‚Nehmet und esset ... Trinket alle daraus ...‘ (Mt 26,26 – 27), sind sie zum ersten Mal in sakramentale Gemeinschaft mit Ihm getreten. Von diesem Moment an bis zum Ende der Zeiten wird die Kirche durch die sakramentale Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes, der für uns geopfert wurde, auferbaut.“ (Nr. 21). Die Taufe, die den Täufling von der Erbschuld befreit, ihn dem Christusgeheimnis gleichgestaltet und in die Kirche eingliedert, ist das Tor zum christlichen Leben und deshalb auch Voraussetzung für den Empfang der Eucharistie. Durch die Teilnahme am eucharistischen Opfer wird die in der Taufe begonnene Gemeinschaft mit Jesus Christus und seinem mystischen Leib, der Kirche, immer wieder neu genährt und gefestigt. Die Eucharistie ist das Sakrament gegenseitiger Einwohnung: Jesus Christus bleibt in der sakramentalen Speise seines Leibes und Blutes im Herzen des Kommunizierenden, und der Empfänger des Sakraments bleibt in Jesus Christus. Darauf weisen immer wieder die Immanenzformeln des Johannesevangeliums hin: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mit, und ich bleibe in ihm.“ (Joh 6,56) 27 Die Enzyklika weist darauf hin, dass mit der eucharistischen Kommunion die Kirche zugleich in ihrer Einheit als Leib Christi gefestigt wird (vgl. Nr. 23). Zugleich verteidigt sie die Anbetung, die den im Tabernakel aufbewahrten eucharistischen Spezies erwiesen wird (vgl. Nr. 25). Wegen der engen Beziehung zwischen Eucharistie und Kirche überträgt die Enzyklika die vier „notae Ecclesiae“ des Nizäno-Konstantinopolitanums auch auf das eucharistische Geheimnis: „Eine und katholisch ist auch die Eucharistie. Sie ist ebenfalls heilig, ja sie ist sogar das Allerheiligste Sakrament. Aber vor allem auf ihre Apostolizität wollen wir ... unsere Aufmerksamkeit richten.“ (Nr. 26) Die Apostolizität der Eucharistie zeigt sich in verschiedener Hinsicht. Zunächst stellt die Enzyklika heraus: „In Kontinuität mit dem Handeln der Apostel, die dem Auftrag des Herrn gehorchten, feiert die Kirche die Eucharistie durch die Jahrhunderte hindurch.“ Dann bedeutet Apostolizität der Kirche Bewahrung des „depositum 26
Dort ist von einer presbytera (Greisin) die Rede, die von Hermas als die Kirche gedeutet wird. „Weil sie von allen Dingen zuerst geschaffen worden ist ..., darum ist sie eine Greisin und um ihretwillen ist die Welt geschaffen.“ (Die Apostolischen Väter I: Der Hirt des Hermas, 2. Visio [GCS 48, S. 7]). 27 Vgl. dazu Klaus Scholtissek, In ihm sein und bleiben. Die Sprache der Immanenz in den johanneischen Schriften, Freiburg i. Br. 2000.
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fidei“ durch den Papst und das Bischofskollegium mit und unter dem Nachfolger Petri: „Auch in diesem zweiten Sinn ist die Eucharistie apostolisch, weil sie gemäß dem Glauben der Apostel gefeiert wird.“ (Nr. 27) Apostolizität der Eucharistie bedeutet auch die Notwendigkeit des Weihepriestertums für den gültigen Vollzug der Eucharistiefeier (vgl. Nr. 28). Der geweihte Priester handelt „in persona Christi“. Johannes Paul II. weist darauf hin, dass er darunter mehr versteht als nur „im Namen“ oder „in Stellvertretung Jesu Christi“. „Das Amt der Priester, die das Weihesakrament empfangen haben, macht in der von Christus gewählten Heilsordnung deutlich, dass die von ihnen zelebrierte Eucharistie eine Gabe ist, die auf radikale Weise die Vollmacht der Gemeinde überragt. Das Weihepriestertum ist unersetzlich, um gültig die eucharistische Konsekration an das Kreuzesopfer und das letzte Abendmahl zu binden.“ (Nr. 29) Die Feier der Eucharistie ist nie nur Vollzug der feiernden Ortsgemeinde (Pfarrei), sondern fügt diese in die größeren Gemeinschaften der Diözese (Teilkirche) und der Universalkirche ein, ja sogar in die himmlische Liturgie (vgl. Nr. 39). Schließlich erwähnt die Enzyklika die Verbindung von Eucharistie und Maria: In der Schule Mariens. Als Mutter der Kirche ist Maria „eine von der Eucharistie geprägte Frau“. Der Papst weist darauf hin, dass das Evangelium auf den ersten Blick zu diesem Thema schweigt. Er hat aber die Einsetzung der Eucharistie als fünftes Gesätz in die lichtreichen Rosenkranzgeheimnisse eingereiht, weil „die Kirche, die auf Maria wie auf ihr Urbild blickt, berufen ist, sie auch in ihrer Beziehung zu diesem heiligsten Geheimnis nachzuahmen“ (Nr. 33). Die Gründe, die den Papst dazu bewegt haben, Maria als von der Eucharistie geprägte Frau zu bezeichnen, werden in Nr. 54 – 58 dargelegt. Der wichtigste lautet: „In der Eucharistie das Gedächtnis des Todes Christi zu leben schließt auch ein, immer wieder dieses Geschenk [gemeint ist Jesu Anvertrauung seines Lieblingsjüngers an Maria sowie deren Überantwortung an den Jünger und damit an die Kirche nach Joh 19,6 f.] zu empfangen. Das bedeutet, diejenige, die uns jedes Mal als Mutter gegeben wird, nach dem Beispiel des Johannes zu uns zu nehmen ... Maria ist mit der Kirche und als Mutter der Kirche in jeder unserer Eucharistiefeiern präsent. Wenn Kirche und Eucharistie ein untrennbares Wortpaar sind, so muss man dies gleichfalls von Maria und der Eucharistie sagen. Auch deshalb kennen die Kirchen des Westens und des Ostens einhellig seit dem Altertum das Gedenken Marias in der Eucharistiefeier.“ (Nr. 57) 2. Im Apostolischen Schreiben Mane nobiscum Domine nimmt Johannes Paul II. das dogmatische Anliegen der Eucharistieenzyklika und das Thema des Eucharistischen Jahres insgesamt unter einem mehr pastoralen Gesichtspunkt noch einmal auf. Strukturprinzip dafür ist eine geistliche Auslegung der Emmauserzählung (Lk 24,13 – 35), der auch der Titel (V. 29) dieses letzten Schreibens des verstorbenen Papstes entlehnt ist. Die Beziehung von Eucharis-
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tie und Kirche kommt besonders im 3. Kapitel über die Eucharistie als Quelle und Epiphanie der Gemeinschaft (Nr. 19 – 23) zur Sprache. Im gesamten christlichen Leben und vor allem in der Eucharistiefeier muss der Blick stets auf Christus gerichtet sein, um ihn mit den Emmausjüngern im Brechen des Brotes entdecken zu können. Zugleich fordert der Papst die Katholiken auf, mit Maria das Antlitz Jesu Christi zu betrachten, der in der Eucharistie unsere Speise wird. Die Eucharistie ist Geheimnis des Lichtes, Quelle kirchlicher Gemeinschaft und Antriebskraft zur Mission (vgl. Nr. 8 – 31). Dem Schreiben ist ein umfangreicher Anhang beigefügt, in dem sich Empfehlungen und Vorschläge der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung für das Jahr der Eucharistie finden. Maria wird hier mit der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia als „Ikone der ‚eucharistischen‘ Kirche“ bezeichnet: „Um den Sinn der Eucharistiefeier vertieft zu leben, so dass diese Spuren in unserem Leben hinterlässt, gibt es nichts Besseres, als sich von Maria, der ‚eucharistischen Frau‘ erziehen zu lassen.“ (Nr. 5) V. Eucharistie als Sakrament der Einheit: Zur ökumenischen Situation in der Frage nach Eucharistie und Kirche Die Eucharistie ist das größte Geschenk Jesu an seine Kirche. In der Antiphon zur Vesper des Fronleichnamsfestes, die auf Thomas von Aquin zurückgeht und bis heute gebetet oder gesungen wird, finden sich die wichtigsten Dimensionen der Eucharistie: „O sacrum convivium! In quo Christus sumitur, recolitur memoria passionis eius, mens impletur gratia, et futurae gloriae nobis pignus datur. Alleluia. Alleluia.“ 28 Die Eucharistie ist demnach Opfer, Gastmahl, Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi sowie eschatologische Verheißung 29 . Vor Thomas von Aquin hat bereits der große nordafrikanische Kirchenlehrer Augustinus den Zusammenhang zwischen Eucharistie und Kirche in seiner ganzen Tiefe verstanden und die Eucharistie als Zeichen der Einheit (signum 28
Thomas von Aquin, Opuscula Theologica, 2. Bd., Rom / Turin 1954, S. 280. Vgl. zum Fronleichnamsoffizium des Aquinaten Jean-Pierre Torrell O.P., Magister Thomas. Leben und Werk des Thomas von Aquin. Aus dem Franz. übers .von Katharina Weibel, Freiburg i. Br. 1995, S. 148 – 154. 29
Vgl. dazu ausführlicher Avery Cardinal Dulles, Eucharistie: Das lebendige Geschenk Jesu, in: IKZ Communio 34 (2005), S. 391 – 400. Vgl. auch den schönen Artikel von Jan-Heiner Tück: Verborgene Gegenwart und betrachtendes Verweilen. Zur poetischen Theologie des Hymnus «Adoro te devote», in: ebd., S. 401 – 418.
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unitatis) und Band der Liebe (vinculum caritatis) bezeichnet. Er betont die Identität des sakramentalen Leibes mit dem historischen Leib Jesu und das Glaubensgeheimnis, dass die Elemente durch die Konsekrationsworte Leib und Blut Christi würden. Doch es kommt ihm besonders auf das Tun der Teilnehmer an der Eucharistiefeier an: geistig-geistlich (spiritualiter) müsse man den Leib Christi essen und sein Blut trinken 30 . Wie dieser geistliche Genuss des Leibes Christi aussieht, sagt sein bekanntes Axiom: Crede, et manducasti 31 . Der Glaube ist ein geistliches Essen des Leibes Christi. Für den Bischof von Hippo – wie auch für das Neue Testament – hat Leib Christi mehrere Dimensionen. Leib Christi meint nicht nur den individuellen Leib Christi, sondern zugleich den universalen ekklesialen Leib Christi. Augustinus stellt mehr die zweite Bedeutung heraus. Die Eucharistie baut den ekklesialen Leib Christi auf, indem sie den Geist Christi vermittelt: „Die Gläubigen kennen den Leib Christi, wenn sie es nicht vernachlässigen, der Leib Christi zu sein. Sie sollen Leib Christi werden, wenn sie vom Geist Christi leben wollen. Vom Geist Christi lebt nur der Leib Christi ... Willst also auch du vom Geist Christi leben? Sei im Leib Christi. Lebt denn etwa mein Leib von deinem Geist? Mein Leib lebt von meinem Geist, und der deinige von deinem Geist. Der Leib Christi kann nur vom Geist Christi leben. Darum sagt der Apostel Paulus, indem er uns dieses Brot erklärt: Ein Brot, ein Leib sind wir viele [1 Kor 10,17].“ 32 Die Eucharistie begründet nicht erst das Sein und Bleiben im Leib Christi, sondern setzt beides bereits voraus, vertieft es und macht es lebendig 33 . So findet sich bei Augustinus der immer wieder staunenswerte Satz: „Wenn ihr also Leib und Glieder Christi seid, ist euer Geheimnis (mysterium) auf dem Tisch des Herrn niedergelegt: Euer Geheimnis empfangt ihr. Auf das, was ihr seid, antwortet ihr Amen, und mit der Antwort unterschreibt ihr es. Du hörst nämlich: Der Leib Christi, und antwortest: Amen. Sei Glied des Leibes Christi, damit das Amen wahr sei.“ 34 In der Eucharistie empfangen die Christen, was sie sind. Zugleich gilt auch, dass sie sind, was sie empfangen. Zwischen Eucharistie und Kirche gibt es, spätestens im Gefolge Augustins, eine wechselseitige Begründung. In diesem Zusammenhang findet sich bei Augustinus der Begriff des totus Christus, womit gemeint ist, dass zu Christus in seiner Ganzheit Haupt und 30
Vgl. In Iohannis Evangelium tr. XXVI, 11 (CCL 36, S. 265).
31
Ebd., tr. XXV, 12 (CCL 36, S. 254).
32
Ebd., tr. XXVI, 13 (CCL 36, S. 266).
33
Vgl. dazu ausführlicher Johannes Betz, Eucharistie. In der Schrift und Patristik (= HDG IV, 4a), Freiburg i. Br. 1979, S. 150 – 154. 34
Sermo 272 (PL 38, 1246).
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Leib der Kirche gehören 35 . Das hat gegenwärtig Konsequenzen für das Eucharistie- und Kirchenverständnis. Wenn nämlich in der Eucharistie der totus Christus empfangen wird, dann ist der Kommunionempfang nicht nur eine individuelle Begegnung zwischen dem eucharistischen Herrn und dem Kommunikanten, sondern zugleich ein ekklesiales Ereignis. Für die katholische Kirche bilden deshalb Glaubens-, Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft eine unauflösliche Einheit. Ausnahmen davon kann es nicht generell, sondern nur in begrenzten Einzelfällen geben, die von der Kirche seit dem Ökumenismusdekret des Zweiten Vaticanum (1964) in den verschiedenen Ausgaben des Ökumenischen Direktorium (1967 / 1970; 1993), im Codex Iuris Canonici (1983), im Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (1990) sowie in den Enzykliken Papst Johannes Pauls II. Ut unum sint (1995) und Ecclesia de Eucharistia (2003) erwähnt werden. Dabei ist jedoch sorgsam zu unterscheiden zwischen orthodoxen Christen, die zu den sogenannten Schwesterkirchen der Katholischen Kirche gehören, und den anderen Christen, die zu den aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gehören. Für die Katholische Kirche ist das Gebet Jesu um die Einheit aller Glaubenden (vgl. Joh 17,20 – 26) ein Stachel, auf dem Weg der Annäherung der Konfessionen nicht zu erlahmen. Es gibt bereits seit über dreißig Jahren Modelle für eine Kircheneinheit, die aber bisher aus verschiedenen Gründen nicht verwirklicht werden konnten. In den letzten Jahren ist, wohl auch im Gefolge der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (31.10.1999), eine gewisse Abkühlung des ökumenischen Enthusiasmus festzustellen. Das Verhältnis von Kirche und Eucharistie wird zurzeit ökumenisch wieder neu aufgegriffen 36 . Dabei geht es, um es nur kurz zu benennen, um die bisher umstrittene Amtstheologie, die Ekklesiologie, aber auch um ethische und pastorale Fragen 37 .
35
Vgl. In Epistolam Ioannis ad Parthos, tr. I, 2 (SC 75, 116): Mit dem Wort, das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat, wird die Kirche verbunden: „et fit Christus totus, caput et corpus“. 36 37
Vgl. Kasper, Sakrament der Einheit (Anm. 2), S. 37 – 143.
Vgl. zusammenfassend Karl Lehmann, Einheit der Kirche und Gemeinschaft im Herrenmahl. Zur neueren ökumenischen Diskussion um Eucharistie- und Kirchengemeinschaft. Eröffnungsreferat von Bischof Karl Lehmann bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda 25. Sept. 2000 (= Der Vorsitzende der DBK 21), Bonn 2004. Jetzt auch in: Karl Kardinal Lehmann, Zuversicht aus dem Glauben. Die Grundsatzreferate des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz mit den Predigten der Eröffnungsgottesdienste, Freiburg i. Br. 2006, S. 340 – 370.
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Es ist zwar erfreulich, dass seit geraumer Zeit innerhalb der evangelischen Gemeinden neue Aufbrüche und Bestrebungen im Gange sind, die alte Verbindung von Sonntagsgottesdienst und Abendmahl wiederherzustellen. An diese Entwicklung kann das ökumenische Gespräch über Kirchengemeinschaft, Amt und Eucharistie / Abendmahl anknüpfen. Doch harren gerade im Verhältnis von Kirche und Eucharistie / Abendmahl noch manche Fragen einer theologischen Klärung, die neu aufgebrochen sind durch die am 29. November 2004 veröffentlichten Empfehlung der Bischofskonferenz der VELKD: Allgemeines Priestertum, Ordination und Beauftragung nach evangelischem Verständnis. Die theologischen Gespräche der Ökumene müssen von einer ökumenischen Spiritualität beseelt ein, der es um die Einheit der Christen geht. Dabei sind Glaubens-, Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft das ersehnte Ziel. In der Eucharistie, in der Glaubens- und Kirchengemeinschaft gipfeln, sind wir hineingenommen in die Communio Sanctorum des Apostolischen Glaubensbekenntnisses als Gemeinschaft an den heiligen Gaben (Eucharistie) und als Gemeinschaft mit den Heiligen im Himmel. Die Eucharistie vereinigt uns leibhaftig mit Christus, erfüllt uns mit dem Heiligen Geist und führt uns zum Vater. Sie bleibt das Geheimnis schlechthin, aus dem wir leben, denn sie schenkt uns immer neu durch den Empfang des Leibes und Blutes Christi Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott, Gemeinschaft miteinander in der Kirche und schließlich Gemeinschaft mit allen Menschen, denn Gottes Liebe bezieht sich auf die ganze Welt.
Hinrichtungen katholischer Geistlicher deutscher Diözesen im Dritten Reich Von Peter Claus Hartmann Der Jubilar hat in einem dicken Buch mit Vehemenz und großem Engagement darauf hingewiesen, dass es unter Adolf Hitlers Herrschaft Katholikenverfolgungen gegeben habe. 1 Diese Feststellung Mays soll im Folgenden am Beispiel der hingerichteten katholischen Geistlichen deutscher Diözesen überprüft werden. I. Wenn man die einschlägigen Werke, etwa das zweibändige von Helmut Moll 1999 herausgegebene „deutsche Martyrologium“ 2 oder die 1740 Seiten dicke von Ulrich von Hehl bearbeitete Sammeldokumentation „Priester unter Hitlers Terror“ 3 mit den entsprechenden Dokumentationen und statistischen Erhebungen durcharbeitet, so ist man beeindruckt von der hohen Zahl der Opfer unter den katholischen Priestern. Dabei ist zu betonen, dass sich beide Werke auf die Priester im deutschsprachigen Raum beschränken, dass also etwa die noch viel zahlreicheren umgekommenen polnischen, französischen, niederländischen oder belgischen Geistlichen hier nicht berücksichtigt werden. In der Geschichtswissenschaft und in der Öffentlichkeit wird viel darüber diskutiert, ob es einen Widerstand der katholischen Kirche gegeben habe. In neuester Zeit wird sogar von mehr oder minder seriösen Politologen, Journalis-
1 Georg May, Kirchenkampf oder Katholikenverfolgung? Ein Beitrag zu dem gegenseitigen Verhältnis von Nationalsozialismus und christlichen Bekenntnissen, Stein am Rhein 1991, bes. S. 593 ff. 2 Helmut Moll (Hg.), Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, 2 Bde., Paderborn / München u. a. 1999. 3
Ulrich von Hehl (Bearb.), Priester unter Hitlers Terror. Eine biographische und statistische Erhebung, Mainz ²1985 (Veröffentl. d. Kommission f. Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, 37).
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ten und „Hobbyhistorikern“ die Kirche in die Nähe des Naziregimes gerückt und ihr eine Mitschuld am Holocaust zugewiesen. Am meisten Aufsehen hat in diesem Zusammenhang das Buch von Daniel J. Goldhagen erregt, nach dessen Auffassung die katholische Kirche „am Tod von Millionen unschuldiger Menschen mitgewirkt“ habe. 4 Dieses im Stil jesuitischer Kontroverstheologen des 17. Jahrhunderts geschriebene völlig einseitige, eifernde Buch, das die entsprechenden Beweise weitgehend schuldig bleibt, wird von Fachleuten sehr heftig kritisiert. Sogar der recht kirchen- und papstkritische Kirchenhistoriker und ehemalige Priester Georg Denzler wirft ihm z. B. mit vollem Recht: „Verkürzungen, Ungenauigkeiten und Verallgemeinerungen oft in einem suggestiven Fragestil vorgelegt“ vor, der „keinerlei Beweise bietet“. Er urteilt sehr treffend: „Goldhagens Buch steckt voller Polemik und Besserwisserei; es ist eine moralische Anklageschrift, die meist ohne exakte Prüfung der erwähnten Fakten und ohne Würdigung der herrschenden Motive auskommt, weshalb auch zwei Drittel des Buches (Teil II und III) über Beurteilung der Schuld und Wiedergutmachung des Schadens ohne Fundament in der Luft hängen; es ist schließlich eine Schmähschrift à la „Pfaffenspiegel“ des 19. Jahrhunderts, die in der Kirche nicht viel mehr als eine kriminelle Gesellschaft zu sehen vermag.“
Weiter unten bemerkt Denzler: „Bleibt noch zu sagen, dass Goldhagen als Politologe keine Ahnung hat von dem, was die katholische Kirche ist und sein will“ und er betont, für Goldhagens Buch gelte in verstärktem Maße: „Es ist eine künstliche Konstruktion von Halbwahrheiten im Dienste einer Ideologie. Und es wimmelt nur so von außerordentlichen faktischen 5 Fehlern ...“
Obwohl dieses Urteil bei den Fachhistorikern allgemein ganz ähnlich gefällt wird, hatte das Buch Goldhagens, wie angedeutet, über die Medien erheblichen Einfluß auf die öffentliche Meinung und es wird in kirchenkritischen Kreisen sehr ernst genommen. Ist diese Negativwertung Goldhagens angesichts der Unwissenschaftlichkeit seines Werks bei Fachleuten indiskutabel, so geht allgemein die Auffassung darüber weit auseinander, ob man von kirchlichem Widerstand sprechen kann. Der oben zitierte Denzler gibt einem Buch in diesem Zusammenhang sogar den Titel „Widerstand ist nicht das richtige Wort.“
4
Daniel Jonah Goldhagen, Die katholische Kirche und der Holocaust, Darmstadt 2002, S. 251. 5 Georg Denzler, Widerstand ist nicht das richtige Wort. Katholische Priester, Bischöfe und Theologen im Dritten Reich, Zürich 2003, S. 276 f.
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Johannes Neuhäusler, selbst zusammen mit tausenden katholischen Priestern mehrere Jahre lang Häftling im KZ Dachau und Zeitzeuge, spricht demgegenüber vom „Kampf des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche“ und vom „kirchlichen Widerstand“. 6 Auch nach dem Urteil der Historiker Klaus Gotto, Hans Günter Hockerts, Konrad Repgen und Heinz Hürten leistete die katholische Kirche Widerstand. 7 Martin Broszat, als langjähriger Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München eine besondere Autorität für alle historischen Fragen des Dritten Reiches, bezeichnet demgegenüber als „Widerstand“ nur den (vor allem bewaffneten) Kampf gegen die Existenz des NS-Staates. Dieser Widerstand beschränkte sich demnach auf ganz wenige Fälle, etwa den militärischen Widerstand des 20. Juli 1944. Alle anderen gegnerischen Handlungen sowie den „passiven Widerstand“ bezeichnet er als „Resistenz“. Nach dieser Definition gab es keinen kirchlichen Widerstand, der in diesem Sinne auch der Lehre der Kirche und des Christentums widersprochen hätte, aber eine erhebliche „Resistenz“ gerade der katholischen Geistlichkeit und des katholischen Milieus. In diesem Zusammenhang betont Broszat, der das „historische Scheitern des aktiven deutschen Widerstands im Dritten Reich“ 8 feststellt: „Vor allem aber zeigt sich: in den überwiegend kirchenfrommen Teilen der bayerischen Landbevölkerung gewannen die Kirche und der kirchliche Rückhalt den Rang einer außerordentlich wirksamen Resistenzkraft gegenüber dem Nationalsozialismus“.
Er spricht von der „Resistenz einer mächtigen traditionellen katholischen Struktur“ und unterstreicht deren „Durchschlagkraft“. 9 Schließlich bemerkt er zu dieser katholischen Resistenz in Bayern: „Unter wirkungsgeschichtlichem Gesichtspunkt war diese Front des Widerstandes in Bayern, aber sicher nicht nur hier, die bedeutendste, trotz und gerade wegen der nur teilhaften, im wesentlichen auf den Bereich der christlichen Weltanschauung und der
6
Johannes Neuhäusler, Kreuz und Hakenkreuz. Der Kampf des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche und der kirchliche Widerstand, München 1946. 7 Klaus Gotto / Hans Günter Hockerts / Konrad Repgen, Nationalsozialistische Herausforderung und kirchliche Antwort. Eine Bilanz, in: Klaus Gotto / Konrad Repgen (Hg.), Die Katholiken und das Dritten Reich, Mainz ³1990, S. 173 ff.; Heinz Hürten, Widerstand und Zeugnis: Ein Nachwort, in: ebd., S. 191. 8
Martin Broszat, Resistenz und Widerstand. Eine Zwischenbilanz des Forschungsprojekts, in: Martin Broszat u. a. (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Bd. 4, München / Wien 1981, S. 698 f. 9
Broszat, Resistenz (Anm. 8), S. 702 f.
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Peter Claus Hartmann Erziehung in Kirche und Schule beschränkten, hier aber prinzipiell geführten Auseinandersetzung“. 10
II. Ob man die trotz mancher Kompromissversuche dem Regime gegenüber doch weitgehend distanzierte bis gegnerische Haltung der katholischen Kirche nun Resistenz oder Widerstand nennt, ist in unserem Zusammenhang weniger wichtig. Es bleibt jedenfalls das von Georg May betonte Faktum, dass viele Mitglieder der katholischen Kirche und ihres Klerus im Dritten Reich besonders gelitten haben. Dies gilt natürlich in noch viel höherem Maße für die nichtdeutschen besetzten Gebiete als für das wenigstens in gewisser Weise durch das Konkordat geschützte Reichsgebiet. Aber selbst dort waren, wie das Gesamtergebnis der Dokumentation Ulrich von Hehls zeigt, durchschnittlich mindestens 35,9 % der katholischen Weltpriester „zwischen 1933 und 1945 in irgendeiner Form von insgesamt 22 703 Gewaltmaßnahmen des Regimes betroffen, in der Diözese Eichstätt waren es sogar 80,8 %, in der des Ermlandes in Ostpreußen 66,8 %, in Augsburg 62,3 % und in Paderborn 62,0 %.“ Dabei lag „die Verfolgungsdichte“ im mehrheitlich katholischen Bayern „deutlich höher als im Reichsdurchschnitt.“ 11 Diese Forschungsergebnisse lassen jedenfalls die These, es habe „Katholikenverfolgungen“ gegeben, als nicht unbegründet erscheinen. Sie wird durch das Faktum unterstrichen, daß mehrere tausend katholische Priester in Konzentrationslagern eingesperrt waren. Aber in dieser kurzen Studie soll auf einen anderen wichtigen Aspekt in diesem Zusammenhang, d. h. auf das Phänomen der Hinrichtung katholischer Priester in den deutschen Diözesen im Dritten Reich näher eingegangen werden. Es geht hier somit nicht um die Tausenden von Priestern, die in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert waren, allein im KZ Dachau von 1938 bis 1945 neben 141 Geistlichen anderer Konfessionen immerhin 2 579 katholische Priester. 12
10
Broszat, Resistenz (Anm. 8), S. 702.
11
Von Hehl, Priester (Anm. 3), S. XLII, XLIII.
12
Günther Kimmel, Das Konzentrationslager Dachau. Eine Studie zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, in: Bayern in der NS-Zeit. Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, hg. von Martin Broszat / Elke Fröhlich, Bd. II, München 1979, S. 375.
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Ferner soll der Blick nicht auf die vielen hundert Priester geworfen werden, die in Gefängnissen und Konzentrationslagern umkamen, auch nicht auf die etwa 400, die in Hartheim bei Linz und Mauthausen vergast worden sind. 13 III. Vielmehr geht es hier ganz speziell um die durch Enthauptung, Strang oder Erschießung hingerichteten katholischen Priester. Dieses Phänomen ist gerade in letzter Zeit wieder in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt, da die Erzdiözese Hamburg den Seligsprechungsprozeß für die drei zusammen mit einem evangelischen Pastor in Lübeck hingerichteten Kapläne beantragt hat. Da in der fast rein evangelischen Hansestadt Lübeck nur etwa 2 % der Bevölkerung Katholiken waren, dürften die drei jungen Priester mehr als 50 % des damals dort tätigen katholischen Klerus ausgemacht haben, der im Dritten Reich auf diese Weise ausgelöscht wurde. 14 Es handelte sich um die Kapläne Hermann Lange, Johannes Prassek und Eduard Müller. Diese drei jungen katholischen Geistlichen wurden am 10. November 1943 in Hamburg enthauptet. Man warf ihnen vor, feindliche Rundfunksender abgehört und regelmäßige Gruppenabende für überwiegend junge Männer veranstaltet zu haben, wo man die religiöse Vertiefung angestrebt und die Hetze gegen den nationalsozialistischen Staat betrieben habe. Deshalb wurden sie „wegen Zersetzung der Wehrkraft, landesverräterischer Feindbegünstigung und Rundfunkverbrechen“ zum Tode verurteilt und hingerichtet. 15 Bekannter als diese drei Märtyrer sind die beiden in München als Seelsorger wirkenden und hingerichteten Geistlichen: zum einen der Jesuitenpater Alfred Delp, der aktiv in der Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“ mitwirkte. Er hatte bei der Erarbeitung der Konzeption für den Neuaufbau von Staat und Gesellschaft nach einem Sturz Hitlers wesentlichen Anteil. Er gewann nämlich, wie Michael Pope nachweist, „erheblichen Einfluß auf die gemeinsamen Entwürfe des Kreisauer Kreises“. Damals gelang es ihm, angesichts von Mitgliedern recht unterschiedlicher Weltanschauung, „trotz und gerade wegen seiner
13
Kimmel, Das Konzentrationslager Dachau (Anm. 12), S. 376, 388 ff.
14
Laut Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. 11, Leipzig 1902, S. 671, 674 zählte Lübeck 1900 genau 96 775 Einwohner, wovon 2 176 römischkatholisch waren. 15
Moll, Zeugen (Anm. 2), S. 249 – 257. Vgl. das Handbuch der katholischen Studentenverbindungen Unitas: Unitas-Handbuch, hg. von Wolfgang Burr, Bd. II, Bonn 1996, S. 81.
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dezidiert katholischen Positionen zu einem treibenden Faktor der Kreisauer Arbeit“ zu werden. 16 Nachdem das Attentat Stauffenbergs auf Hitler am 20. Juli 1944 mißlungen war, wurde Delp am 28. Juli verhaftet, in der Nacht vom 6./7. August nach Berlin gebracht und am 11. Januar 1945 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Am 2. Februar wurde er zusammen mit Goerdeler und Popitz gehängt.17 Als zweiter Münchner Priester, der hingerichtet wurde, ist der Kaplan Dr. Hermann Joseph Wehrle zu nennen. Der 1899 in Nürnberg geborene Fabrikbesitzersohn studierte zunächst Geschichte, Soziologie und Philosophie, promovierte zum Dr. phil. und war als Journalist tätig, konnte diese Tätigkeit aber seit 1933 nicht fortsetzen, da er sich als überzeugter Gegner des Nationalsozialismus weigerte, der „Reichsschrifttumskammer“ beizutreten. Nachdem er schon vorher mit Unterbrechungen Theologie studiert hatte, nahm er dieses Studium 1940 wieder auf und wurde am 6. April 1942 von Kardinal Michael von Faulhaber in Freising zum Priester geweiht. Nach kurzer Kaplanstätigkeit in Planegg ernannte ihn der Kardinal zum Kaplan in der München-Bogenhausener Pfarrei Heilig Blut. Im dortigen Pfarrhaus führte er als Beichtvater ein Gespräch mit dem gut katholischen Widerständler Freiherrn von Leonrod. Dieser fragte ihn dort, „ob das Wissen um die Vorbereitung eines Tyrannenmordes eine Sünde sei“, was Wehrle verneinte. Als nach dem Attentat Stauffenbergs Leonrod verhaftet und gefoltert wurde, gab er den Namen seines Beichtvaters preis, allerdings in der Hoffnung, dass diesem wegen der Konkordatsbestimmungen nichts passieren könne. Aber nicht nur Leonrod wurde hingerichtet, sondern auch Wehrle. Er wurde wegen seiner Beichtauskunft am 14.9.1944 zum Tod verurteilt und noch am selben Tag gehängt. Um die spätere Märtyrerverehrung auszuschließen, verbrannte man die Leiche und verstreute die Asche. Seine Abschiedsworte, die man auf einem Zettel fand, waren: Ich bin zum Tode verurteilt. Welch schöner Tag – heute Kreuzerhöhung“. Georg Schwaiger hebt Wehrles „Einsatz für Gerechtig-
16
Michael Pope, Alfred Delp SJ im Kreisauer Kreis. Die Rechts- und sozialphilosophischen Grundlagen in seinen Konzeptionen für eine Neuordnung Deutschlands (Veröffentl. d. Kommission f. Zeitgeschichte, Reihe B: Bd. 63), Mainz 1994, passim, bes. S. 49 ff., 159 ff., Zit. S. 160. 17
Roman Bleistein, Alfred Delp, Geschichte eines Zeugen, Frankfurt a. M. 1989, S. 293 – 411; ders., Die Jesuiten im Kreisauer Kreis. Ihre Bedeutung für den Gesamtwiderstand gegen den Nationalsozialismus, Passau 1990, passim.
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keit, Frieden und menschenwürdiges Leben“ und „sein Zeugnis für Christus bis zur Vollendung im Kreuz“ hervor. 18 Relativ unbekannt ist demgegenüber, dass etwa in der kleinen Diözese Passau in Niederbayern fünf Priester hingerichtet wurden. Sie sind in der Öffentlichkeit und auch bei den Historikern weitgehend vergessen. Wer kennt z. B. in diesem Zusammenhang den Namen des mutigen Pfarrers von Otterskirchen, Ludwig Mitterer? Geboren am 2. Juni 1883 in Aicha (Landkreis Rottal-Inn) wurde der 1909 in Passau zum Priester Geweihte nach mehreren Jahren Tätigkeit als Kooperator 1928 Pfarrer von Zenting und 1938 Pfarrer von Otterskirchen. Der strikte Gegner des NS-Regimes rieb sich immer wieder an den Machthabern. Man warf ihm vor, im Wirtshaus beim Absingen des Horst-Wessel-Liedes demonstrativ sitzen zu bleiben und „heimtückische Predigten“ zu halten. So sagte er z. B. in seiner Predigt vom 14. Juli 1935, die Zehn Gebote würden für alle Menschen gleich gelten, ob für Juden, Franzosen oder die nordischen Menschen. So erhielt dieser Landpfarrer dauernd Drohungen, etwa die, man werde ihm eine Haftstrafe verpassen, und Verwarnungen. Aber Mitterer ließ sich nicht einschüchtern. Gelegenheit, den unliebsamen Priester zu beseitigen, boten schließlich kritische Äußerungen über die Kriegsführung, die Mitterer im privaten Gespräch mit zwei NS-Schwestern führte. Diese zeigten den Pfarrer bei den örtlichen Parteistellen an, worauf dieser am 6. September 1943 verhaftet und am 27. September nach Berlin gebracht wurde. Dort verurteilte ihn der Volksgerichtshof unter dem Vorsitz des berüchtigten Roland Freisler am 1. Oktober 1943 wegen „Wehrkraftzersetzung“ und „Feindbegünstigung“ zum Tode. In der Urteilsbegründung hieß es unter anderem: „Die NSDAP kennt Mitterer (...) schon lange als Staatsfeind, der in Predigten und sonst seine Gemeindeangehörigen staatsfeindlich beeinflußt (...). Mitterer hat also einen schweren Angriff auf den Siegglauben zweier deutscher Frauen unternommen, er hat zugleich unser deutsches Volk aufs Schwerste beschimpft, wenn er behauptete, wir hätten mit dem Bombenkrieg angefangen (...). Und er hat giftigste Zersetzung mit seiner Erklärung betrieben, das sei eben der totale Krieg, nach dem man geschrieen habe. Mit dem Hinweis auf 1918 endlich hat er offen Defaitismus propagiert.“
In der Todeszelle schrieb Mitterer noch: „Ich nehme die Strafe an als Buße für meine Sünden (...) Meinen Feinden, die mich angezeigt haben, verzeihe ich. –
18 Georg Schwaiger, Kaplan Dr. Hermann Joseph Werle, in: Moll, Zeugen (Anm. 2), Bd. I, S. 390 f.
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Meine Verwandten bitte ich ums Gebet, meine geistlichen Brüder mögen meiner am Altar gedenken.“ Dann wurde er noch am gleichen Tag hingerichtet. 19 Ein ähnliches Schicksal hatte Pfarrer Joseph Losch im Bistum Regensburg. Der 1900 geborene, begabte jüngste Sohn eines früh verstorbenen Kleinbauern in der Oberpfalz war u. a. Präses des katholischen Arbeitervereins und von Anfang an ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten. Anfang 1933, noch vor der Machtergreifung, erklärte er z. B. auf der Kanzel: „Die Roten, damit meine ich die Sozi, sind mir lieber als die Braunen. Gott möge uns vor den Nazis bewahren! Wenn die an die Macht kommen, werden wir dasselbe erleben, als kämen die Kommunisten ans Ruder.“ Daraufhin war er als Antinazi abgestempelt und diese fingen sofort nach der Machtergreifung an, ihn zu bespitzeln. Außerdem war er dauernd den Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes ausgesetzt, das dem bei den Gläubigen sehr beliebten Geistlichen einen „schlechten Lebenswandel“ andichtete. Da dieser sich mit seiner Kritik am Regime nicht zurückhielt, zeigten ihn Nationalsozialisten 1939 „wegen Beleidigung des Führers und damit Vergehens gegen das Heimtückegesetz vom 20. 12. 1934“ an. Er hatte nämlich in einer Predigt am 30. 4. 1939 diejenigen als „religiöse Falschmünzer“ bezeichnet, die von einem Allgott und einer Vorsehung sprächen, was Adolf Hitler immer wieder tat. Am 17. Juni 1941 wurde der Pfarrer wegen Beleidigung von drei betrunkenen Soldaten zu drei Wochen Gefängnis verurteilt. Er hatte den Lärm, welchen die drei Säufer machten, als „viehisch“ bezeichnet. Da sich Pfarrer Losch auch in seinen Briefen mit seiner Kritik am Regime nicht zurückhielt und diese bei einer Hausdurchsuchung bei Verwandten von der Gestapo am 16. Januar 1944 auf Denunziation eines Ortsbewohners hin gefunden wurden, verhaftete ihn die Gestapo und man klagte ihn am Volksgerichtshof „wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung“ an. Er wurde zum Tode verurteilt. Nachdem er seine letzten Worte zu Papier gebracht hatte, wurde er am 29. Januar 1945 im Zuchthaus Brandenburg-Görden durchs Fallbeil geköpft. Seine letzten schriftlichen Worte lauteten: „Meine Lieben, Alle, Alle: Meine allerletzten Grüße auf dieser armen, armen Erde. Euch Allen, Allen. Ich gehe zu Gott und den Heiligen. Vergesst mich im Gebete nicht.“ 20
19
Ulrich Kretzinger, Geistliche aus der Diözese Passau in Terror und Verfolgung 1933 – 1945, in: OG 27 (1985), S. 197 – 212, bes. S. 209 – 211; Herbert W. Wurster, Pfarrer Ludwig Mitterer, in: Moll, Zeugen (Anm. 2), S. 513 f.; Peter Claus Hartmann, Das Bistum Passau im 19. und 20. Jahrhundert, in: OG 31 (1989), S. 155 – 167, hier S. 163. 20 Vgl. Emmeram H. Ritter, Pfarrer Joseph Losch, in: Moll, Zeugen (Anm. 2), S. 529 – 533.
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Ebenfalls im Zuchthaus Brandenburg-Görden wurde etwa ein Jahr früher der Berliner Diözesanpriester Pfarrer Dr. Alfons Maria Wachsmann, um ein weiteres Beispiel aus Norddeutschland zu bringen, durchs Fallbeil hingerichtet. Der 1896 in Berlin geborene Wachsmann nahm als Kriegsfreiwilliger ab 1914 am Ersten Weltkrieg teil, begann 1919 sein Theologiestudium und trat dem katholischen Studentenverband „Hochland“ bei. Als Kaplan in Berlin war er mit dem dort bis zu dessen Entlassung 1936 an der Universität lehrenden Professor Romano Guardini verbunden. 1929 kam er als Pfarrer in die pommersche Universitätsstadt Greifswald, wo er 14 Jahre lang wirkte und nicht nur die polnischen Fremdarbeiter betreute, sondern auch enge Kontakte zu Professoren und Studenten hielt. Dort promovierte er auch im März 1935 zum Dr. phil. Der äußerst engagierte Seelsorger und geistreiche Priester hörte trotz schwerster Strafandrohung regelmäßig Radio Vatikan und den Londoner Rundfunk ab und verbreitete in seinem „Wahrheitsdienst“, wie er es bezeichnete, die neuesten Nachrichten bei Mitbrüdern, Professoren und Studenten. Zum Zorn der Machthaber organisierte er Vorträge von Professor Guardini, die wesentlich besser besucht waren als NS-Veranstaltungen. Angesichts dieses mutigen Verhaltens des Geistlichen war seine Verurteilung nur noch eine Frage der Zeit. Am 23. Juni 1943 verhaftete ihn dann die Gestapo. Im Volksgerichtshof warf man ihm vor: „Alfons Wachsmann hat als Priester seine Kapläne und auch Andere vier Kriegsjahre lang mindestens fünfzigmal am Hören des Londoner Hetzsenders teilnehmen lassen und Studenten, meist Soldaten, gegenüber unsere Wehrmachtsberichte angezweifelt, immer wieder erklärt, wir könnten den Krieg nicht gewinnen und wir wären schuld an ihm. Als Propagandist unserer Kriegsfeinde ist er also unserem kämpfenden Volk in den Rücken gefallen.“
Kurz vor seiner Hinrichtung am 21. Februar 1944 schrieb Wachsmann: „Ich habe mich ganz und restlos und ohne jeden Vorbehalt Gott ergeben. In seiner Hand bin ich geborgen (...) Die neun Monate meiner Vorbereitung auf die Ewigkeit waren schwer, aber doch sehr schön.“ 21 Ähnlich erging es dem Pfarrer von Neustrelitz in Mecklenburg. Der 1891 in Schwerin geborene Bernhard Schwendtner wurde 1914 in Osnabrück zum Priester geweiht, promovierte 1918 in Münster und später nochmals an der Gregoriana in Rom. 1927 wurde er Pfarrer in der Diasporapfarrei Neustrelitz. Seine Gläubigen waren vor allem polnische Saisonarbeiter und aus Westdeutschland evakuierte Katholiken. Der zweifach promovierte Pfarrer hielt mit seiner Kritik am NS-Regime nicht hinterm Berg und bekannte offen seine
21
Vgl. Ursula Pruß, in: Moll, Zeugen (Anm. 2), S. 114 – 117.
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Gegnerschaft. Deshalb verhaftete die Gestapo den katholischen Pfarrer am 21. Oktober 1943 „wegen staatsfeindlicher Äußerungen“. Er war von einem Sturmführer im SS-Fliegerkorps, der mit ihm ein längeres Gespräch geführt hatte, in dem der SS-Mann die katholische Kirche scharf angriff und Schwendtner sie vehement verteidigte, angezeigt worden. Der Todeskandidat schrieb noch an seine Pfarrgemeinde: „Ich betrachte meinen Tod als Martyrium und so mögen es auch Haus, Heim und Pfarrei auffassen. Bedingungslos habe ich meinen Willen dem Göttlichen untergeordnet (...) Auf Wiedersehen in einer anderen, besseren Welt! Euer Pfarrer“. Der „wegen Wehrkraftzersetzung“ Verurteilte wurde am 30. Oktober 1944 um 12.30 Uhr in Brandenburg-Görden durch das Fallbeil hingerichtet. In sein Brevier schrieb er noch kurz vorher: „Ich sterbe ruhig und gefasst. Gruß in Christus.“ 22 Als letztes Beispiel sei noch das des hingerichteten Danziger Pfarrers Dr. Bruno Binnebesel genannt. Der am 26. Februar 1902 in Westpreußen geborene Binnebesel studierte in Freiburg i. Br. und Breslau Theologie, trat dort jeweils einer CV-Verbindung bei, wurde 1928 zum Priester geweiht und 1938 Pfarrer (Kurat) von Danzig-Brösen. Als überzeugter Gegner des Nationalsozialismus kritisierte er immer wieder mutig, aber auch unvorsichtig, die Ungerechtigkeit und das Wesen der NS-Weltanschauung im kleinen Kreis, aber auch in der Öffentlichkeit. Im November 1943 wurde er dann wegen Abhörens verbotener Rundfunksendungen verhaftet. Er war von einem SS-Mann auf Veranlassung von dessen Braut angezeigt worden, deren Familie mit dem Pfarrer guten Kontakt hatte. Die junge Frau hatte kritische Äußerungen Binnebesels notiert und an die Gestapo weitergereicht. Vom Volksgerichtshof wurde der Pfarrer hierauf am 9. September 1944 zum Tode verurteilt und am 13. November des gleichen Jahres im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Seine letzten Worte: „Alles ist zur Hochzeit bereit (...) Sterben ist mir Gewinn. Gelobt sei Jesus Christus!“ 23 Man könnte hier noch die weiteren 18 ähnlichen Schicksale der im Dritten Reich hingerichteten katholischen Priester in Deutschland beschreiben und sie
22
Vgl. Benedicta Maria Kempner, Priester vor Hitlers Tribunalen, ND der 2. Aufl. München 1996, S. 368 – 375; Karl Heinz Jahnke, Widerstand und Opposition gegen das NS-Regime aus den Kirchen in Mecklenburg 1933 – 1945, Rostock 1994, S. 22 f.; Renate Krüger / Helmut Moll, Pfarrer Dr. Dr. Bernhard Schwendtner, in: Moll, Zeugen (Anm. 2), S. 257 – 259. 23
Richard Stachnik / Helmut Moll, in: Moll, Zeugen (Anm. 2), S. 639 – 641.
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um die vielen getöteten Geistlichen in den besetzten Ländern vermehren, aber dies würde in einem kurzen Beitrag zu weit führen. IV. Wenn wir uns jedenfalls diese hier kurz skizzierten Schicksale vor Augen führen, diese Beispiele der durch das NS-Regime hingerichteten katholischen Geistlichen aus deutschen Diözesen, somit in irgendeiner Weise aussagekräftigen Exempel unter den 28 katholischen Bonhoeffers 24 , dann erscheint die vielfache Kritik an der Haltung der katholischen Kirche in einem anderen Licht als dies aus den anfangs zitierten kirchenkritischen Werken hervorzugehen scheint. Auch der immer wieder von Medienvertretern geäußerte allgemeine Vorwurf, die Deutschen hätten im Dritten Reich und auch besonders im Krieg zu wenig Zivilcourage gezeigt, erscheint angesichts des hier dargelegten lebensbedrohlichen Risikos solcher Kritik als problematisch. Aus heutiger Sicht und der gesicherten Position des Lebens in einer Demokratie heraus, kann man in Unkenntnis der Situation der totalitären Diktatur leicht eine solche Kritik vorbringen. Jedenfalls spricht vieles für die Aussagen von Georg May 25 , wenn er die Katholikenverfolgungen hervorhebt. Dies gilt u. a. für das oft zu wenig beachtete Faktum der vielen hingerichteten, der Hunderten von umgekommenen und der Tausenden von in Konzentrationslagern und Gefängnissen eingesperrten Priester, sowie den hohen Prozentsatz der mit dem NS-Regime in Konflikt geratenen katholischen Geistlichen, auf deren Wohl und Wehe die Bischöfe und der Papst besonders Rücksicht nehmen mussten und die sie nicht durch zu heftige Kritik des NS-Regimes zusätzlich gefährden durften.
24 Siehe die Biographien der 28 hingerichteten Priester in: Moll, Zeugen (Anm. 2), S. 27 ff., 33 ff., 110 ff., 114 ff., 212 ff., 249 ff., 267 ff., 386 ff., 390 ff., 513 f., 514 ff., 516 ff., 529 ff., 533 ff., 540 ff., 637 – 642, 645 – 650, 709, 712, 720, 724, 729, 749, 779, 786, 789, 820, 832 ff., 836 ff. 25
Vgl. May , Kirchenkampf oder Katholikenverfolgung (Anm. 1), passim.
Informed consent und die Zeugen Jehovas Medizinethische und medizinrechtliche Probleme Von Johannes Reiter Den Zeugen Jehovas begegnen wir auf der Straße, auf öffentlichen Plätzen, vor den Eingängen der großen Warenhäuser und an den Haustüren. Die Hauszu-Haus-Besuche sind geradezu ihr Markenzeichen. Glaube und Verkündigung bilden eine Einheit, und großes Engagement zählt als Beweis der Treue und persönlichen Hingabe an Gott. Das Erlebnis der Gemeinschaft in ihren Zusammenkünften sowie die organisierte Missionstätigkeit strukturieren die religiöse Lebenswelt und den Alltag eines Zeugen Jehovas. Hauptthema ihrer religiösen Gesprächs- und Bibelstudienangebote ist das „Königreich Gottes“, nach ihrem Verständnis eine Regierung im Himmel, die bald unter der Friedensherrschaft Jesu Christi alle Probleme der Menschheit lösen soll. In den gesellschaftlichen Umbrüchen und den unheilvollen Entwicklungen des 20. und 21. Jahrhunderts sehen die Zeugen Jehovas Zeichen dieser Endzeit. Auch wenn die Blutfrage bei den Zeugen Jehovas nicht das zentrale Element ihrer Lehre ist, so werden im öffentlichen Bewusstsein die Zeugen Jehovas doch damit assoziiert. Den Zeugen Jehovas ist es nämlich verboten, Blut zu welchem Zweck auch immer, zu sich zu nehmen. Davon betroffen sind also auch Bluttransfusionen sowie medizinische Behandlungsmethoden mit Blut und Blutprodukten. Durch die Einstellung der Zeugen Jehovas zum Blutgebrauch wird nicht nur für die unmittelbar betroffenen Patienten, sondern auch für die behandelnden Ärzte eine sowohl ethisch als auch juristisch schwierige Sachlage herbeigeführt. In diesem Beitrag sollen die Probleme und Lösungsmöglichkeiten dargestellt werden. Das zu behandelnde Thema verlangt zunächst, dass kurz referiert wird, um wen es sich bei den Zeugen Jehovas handelt (I.). Danach ist das Thema in den größeren Zusammenhang der medizinischen Ethik und des Medizinrechts einzuordnen (II.), um dann an konkreten Fragestellungen und Problemen erörtert zu werden (III.). In einem weiteren Punkt wird die theologische Begründung für das Blutverbot dargestellt und hinterfragt (IV.) und schließlich wird in einigen Schlussbemerkungen das Wichtigste zusammengefasst (V.).
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I. Wer sind die Zeugen Jehovas? 1. Entstehung und Verbreitung Bei den Zeugen Jehovas handelt es sich um eine religiöse Sekte 1 – also um eine aus den großen Kirchen herausgelöste Sondergruppe –, die auf den amerikanischen Kaufmann und Adventisten Charles Taze Russel (1852 – 1916) zurückgeht, der 1879 in Pittsburgh (USA) die endzeitlich ausgerichtete Zeitschrift „Zion’s Watch Tower and Herold of Christ’s Presence“ und 1881 die „Zion’s Watch Tower Tract Society“ (dt. Wachturmgesellschaft) begründete, ohne damit die Absicht einer eigenen Sekte zu verbinden; sein Ziel war vielmehr das Bibelstudium. Die Bezeichnung „Ernste Bibelforscher“ kam 1913 auf. Erst seit 1931 nennen sich die Mitglieder in Anlehnung an Jes 43,10.12 Jehovas Witness (dt. Jehovas Zeugen). Die Zeugen Jehovas zählen derzeit weltweit 6,5 Millionen aktive Mitglieder; die Zahl der Sympathisanten wird auf acht Millionen geschätzt. Sitz der Hauptgesellschaft ist Brooklyn, New York, (USA). Sitz des deutschen Zweigkomitees ist Selters/Taunus. In Deutschland beträgt die Zahl der Zeugen Jehovas 165.200. Die Zeugen Jehovas sind in fast allen Ländern der Erde vertreten und erreichen durch intensive Missionstätigkeit einen jährlichen Zuwachs von rund zwei Prozent, wobei der Zuwachs vor allem in Osteuropa und in den Entwicklungsländern stattfindet, während in Deutschland die Mitgliederzahl leicht rückläufig ist.
1
Zum Namen, zur Geschichte, Organisation und Lehre vgl. Matthias Schreiber, Art. Zeugen Jehovas, in: TRE, Bd. 36, S. 660 – 663; Günther Pape, Art. Zeugen Jehovas, in: Hans Gasper / Joachim Müller / Frederike Valentin (Hg.), Lexikon Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen, Freiburg 31991, S. 1143 – 1150; Art. Zeugen Jehovas, in: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie (http://www.wikipedia.de); Lothar Gassmann, Die Zeugen Jehovas. Geschichte, Lehre, Beurteilung, Neuhausen / Stuttgart 1996; Eckhard Türk, Die Zeugen Jehovas kommen. Streitpunkte, Argumente, Klärungen, Limburg 1996; Ulrich Rausch / Ute Schüssler, Jehovas Zeugen. Dokumente, Daten, Hintergründe, Frankfurt 21998; Jehovas Zeugen und die Blutfrage, Wiesbaden 1997. Weblinks: watchtower.org (http://www.watchtower.org/languages/deutsch/index.html): Offizielle Website der Zeugen Jehovas; jehovas-zeugen.de (http://www.jehovas-zeugen.de/): Zweigbüro von Jehovas Zeugen in Deutschland; Netzwerk Sektenausstieg e. V. (http://www.sektenausstieg.net/): Informationsportal ehemaliger Zeugen Jehovas; Offizielle Homepage der AJWRB (http://www.ajwrb.org/): Zeugen Jehovas für Reformen bei der Blutfrage (Englisch).
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2. Lehre Im Zentrum ihrer Lehre steht die Erwartung des kommenden Gottes- bzw. Königreiches mit dem verherrlichten Christus an dessen Spitze. Den Zeitpunkt dieses Ereignisses haben die Zeugen Jehovas für die Jahre 1872, 1874, 1914, 1925 und 1975 errechnet. Nachdem diese Prognosen nicht eingetreten sind, machen sie nunmehr keine konkreten Zeitangaben, ihr streng apokalyptischer Geist ist dennoch ungebrochen. 2 Die Zeugen Jehovas greifen das reformatorische sola scriptura-Prinzip auf und leiten ihren Glauben von ihrem Verständnis der Bibel ab, das sich allerdings auf Grund der Annahme einer Verbalinspiration und einer systeminternen Sicht und Sprache von den anderen christlichen Gemeinschaften unterscheidet. Maßgebliche Exegetin ist die „Leitende Körperschaft“. 3 Die Ethik der Zeugen Jehovas ist von einer eschatologischen Naherwartung geprägt, darum lehnen sie eine Verantwortung für die Welt vor allem auf der gesellschaftlichen, sozialen und politischen Ebene ab; konkrete Hilfe im Einzelfall wird hingegen nicht ausgeschlossen. Die ethischen Handlungsnormen werden mit der ihnen eigenen exegetischen Methode direkt aus der Bibel erhoben, wie etwa das Verbot des Blutgenusses. 4 Die Zeugen Jehovas lehnen aus Glaubensgründen, auf die später noch einzugehen ist, die Transfusion sowohl von Fremdblut als auch von Eigenblut ab. Die Bluttransfusion wird in einer begrifflichen Analogie zur „intravenösen Ernährung“ als Äquivalent des Essens angesehen. Das Essen von Blut gilt jedoch den Zeugen Jehovas auf Grund biblischer Anordnung als verboten. Blut, das einmal den Körper verlassen hat, muss nach der Lehre der Zeugen Jehovas vernichtet werden (vgl. Lev 7,26 f.; 17,11 – 14 und Dtn 12,16.24). 5 Die rigorose Haltung zur Bluttransfusion bestand nicht von Anfang an. Für den ersten Präsidenten Charles T. Russel war die Gabe von Blutkonserven noch kein Problem. Erst seit den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, unter Präsident Rutherford, wird die Bluttransfusion verboten und dann sehr bald auch mit der Strafe des Gemeinschaftsentzugs belegt. 6
2 Vgl. Joseph Wilting, Das Reich, das nicht kam, Jena 2000; Manfred Gerhard, Die Endzeit der Zeugen Jehovas, Berlin 2002. 3
Vgl. Schreiber, Zeugen Jehovas (Anm. 1), S. 662.
4
Vgl. Schreiber, Zeugen Jehovas (Anm. 1), S. 663.
5
Vgl. dazu Der Wachtturm, 15. Juni 2004, der mehrere Artikel zur Blutfrage enthält.
6
Vgl. Türk, Die Zeugen (Anm. 1), S. 187.
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Inzwischen führen die Zeugen Jehovas neben dem religiösen Grund auch einen pragmatischen Grund an, dass nämlich eine Bluttransfusion mit Gefahren und Risiken verbunden sei, zum Beispiel der Übertragung von Viren (Aids, Hepatitis), Bakterien, Parasiten usw. Das Risiko einer Infektion ist allerdings nur ein vorgeschobenes, wenn auch ein nicht zu vernachlässigendes Argument, um die religiöse Überzeugung für die Öffentlichkeit nachvollziehbarer zu machen, denn selbstverständlich müssten die Zeugen Jehovas auch die risikolose Bluttransfusion ablehnen, falls es denn eine solche jemals geben sollte. Im normalen Medizinbetrieb werden Bluttransfusionen zur Erhaltung des Lebens bei starken Blutverlusten nach Verletzungen, bei operativen Eingriffen oder bei chronischen Anämien eingesetzt. 7 Die Ablehnung der Blutübertragung durch die Zeugen Jehovas bezieht sich auf die Übertragung von Vollblut, Konzentrat aus roten Blutkörperchen, von Plasma, weißen Blutkörperchen und Blutplättchen. Der freien Gewissensentscheidung des einzelnen unterliegen die Verfahren der extrakorporalen Zirkulation im geschlossenen Kreislauf ohne Zwischenlagerung des Blutes, die Hämodialyse, die Herz-Lungen-Maschine mit Blutersatzfüllungen. Ebenfalls der freien Gewissensentscheidung unterliegt die Übertragung von Proteinen, Albuminlösungen, Globulinen, Fibrinogen, Immunglobulinen und die Infusion von Gerinnungskonzentraten bei Hämophilien.
Tabelle 1 Verbotene Blutprodukte und Methoden der Zeugen Jehovas ‚Verbotene‘ Blutprodukte •
Vollblut
•
Plasma
•
Leukozyten
•
Erythrozyten
•
Thrombozyten
‚Verbotene‘ Methoden •
Homologe Transfusion (Spenderblut)
•
Autologe Transfusion (Eigenblut)
7 Vgl. die Art. Blut und Bluttransfusion, in: Willibald Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Berlin / New York 2592002, S. 219, 229.
Informed consent und die Zeugen Jehovas
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Tabelle 2 Erlaubte Blutprodukte und Methoden der Zeugen Jehovas ‚Erlaubte‘ Blutprodukte
‚Erlaubte‘ Methoden
•
Albumin
•
•
Immunglobuline (z. B. Impfstoffe)
Induzierte Hämodilution (mit Autotransfusion)
•
Cell Saver
•
Erythropoetin
•
•
Gerinnungsfaktoren
•
Fibrinogen
•
Re-Transfusion (wenn ‚Blutkreislauf‘ auch außerhalb des Körpers geschlossen bleibt)
AT III
•
•
Dialyse
Interferon
•
•
Herz-Lungen-Maschine
Interleukin
•
‚Wundheilungsfaktoren‘ aus Thrombo’s
•
Gefrorenes Frischplasma? (als fraktioniertes Plasma)
•
Auf Hämoglobin Basierende Blutersatzstoffe (noch nicht verfügbar)
Zur Durchsetzung ihrer Blutdoktrin haben die Zeugen Jehovas ein weltweites Netz von Krankenhausverbindungskomitees aufgebaut. Die örtlichen Krankenhausverbindungskomitees fungieren als Mittler zwischen dem Patienten und solchen Ärzten, die sich bereit erklärt haben, ein den Geboten der Glaubensgemeinschaft entsprechendes partielles Behandlungsverbot unter allen Umständen zu respektieren. Darüber hinaus kommt den Verbindungskomitees als Informationsdrehscheibe eine zentrale Bedeutung zu. Sie vermitteln nicht nur dem interessierten Arzt medizinische Informationen über blutlose Alternativbehandlungen, sondern auch dem einzelnen Patienten. Hierdurch wird versucht, die Kompetenzkluft zwischen Arzt und Patient zu verkleinern, um jenen in eine stärkere Verhandlungsposition zu heben. Nach Übernahme der Behandlung wird die Zusage des Arztes mit „24-Stunden-Sitzwachen“ kontrolliert und notfalls deren Einhaltung rechtlich erzwungen. Seit neuestem bildet sich bezüglich der Blutfrage innerhalb der Organisation der Zeugen Jehovas ein Meinungspluralismus heraus. Eine Reihe von Zeugen
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Jehovas, die offenbar selbst Zeugen Jehovas bleiben möchten und von daher die übrigen Glaubensgrundsätze keineswegs in Frage stellen, setzen sich mit biblischen Argumenten für eine größere Offenheit in der Blutfrage ein. Diese „Association of Jehova’s Witnesses for Reform on Blood“ (AJWRB), in Deutschland: Vereinigung der Zeugen Jehovas für eine Reform in der Blutfrage, betreibt eine eigene Internetseite, auf der sie ausführlich über ihre Anliegen und entsprechende, bereits erfolgte Lockerungen in der Lehre der leitenden Körperschaft berichtet. 8 II. Medizinethik und Medizinrecht 1. Medizinethik Medizinische Ethik befasst sich mit Fragen des moralisch Gesollten, Erlaubten und Zulässigen im Umgang mit menschlicher Krankheit und Gesundheit. 9 Medizin und Ethik sind sich nicht fremd. Ein Nachdenken über die Verantwortbarkeit ärztlichen Handelns findet man in den unterschiedlichen Kulturen der Menschheit. Dabei ist jede Kultur vor einem Hintergrund zu sehen, der sich, je nach Perspektive des Betrachters, als philosophisch, religiös oder ideologisch darstellt. Religion, Philosophie oder Ideologie werden durch die Kultur auch an die medizinische Ethik vermittelt, so dass sich diese in unterschiedlichen Kulturkreisen ebenfalls unterschiedlich darstellt. 10 Die folgenden Überlegungen gehen von der medizinischen Ethik westlicher Prägung aus. Diese orientiert sich vorwiegend an zwei Modellen: an dem hippokratischen Modell und an dem Autonomie-Modell. Das hippokratische Modell geht auf den griechischen Arzt Hippokrates (4. Jh. v. Chr.) – ein Schüler des Philosophen Heraklit – sowie die im Corpus Hippocraticum zusammengefassten Fragmente über Medizinpraxis, Medizinphilosophie und Medizinethik zurück. Eine bis heute paradigmatische Bedeutung hat der hippokratische Eid, der für den Arzt in der Spannung zwischen technischem Können und moralischem Sollen die ethischen Grenzen fest8
Vgl. http://www.geocities.com/Athens/Ithaca/6236/.
9
Vgl. etwa nur Ludger Honnefelder / Michael Fuchs, Art. Medizinische Ethik. 2. Systematisch, in: Lexikon der Bioethik, Bd. 2, Gütersloh 1998, S. 652 – 661; Urban Wiesing, Ethik in der Medizin. Ein Studienbuch, Stuttgart 22004; Günther Pöltner, Grundkurs Medizin-Ethik, Wien 2002; Herbert Schlögel / Andreas-P. Alkofer (Hg.), Was soll ich dir tun?, Stuttgart 2003. 10 Vgl. Michael Klöcker / Udo Tworuschka (Hg.), Ethik der Weltreligionen, Darmstadt 2005.
Informed consent und die Zeugen Jehovas
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schreibt. Zwei herausragende und bis heute wirksame Grundpflichten verlangen vom Arzt, sich ohne Ansehen der Person für das Wohl des Patienten einzusetzen (bonum facere) und ihm insbesondere nicht zu schaden (nil nocere). Unter der Bedingung, dass das „Wohl des Kranken“ mit dem medizinisch Richtigen zusammenfällt, liegt die Entscheidungskompetenz ganz auf der Seite des Arztes. Es ist der Arzt, der wohlwollend für den Kranken Entscheidungen trifft. Dieses wohlwollende Entscheiden für jemanden, der keine Sachkompetenz besitzt, so wie ein Vater im Interesse seiner Kinder handelt, wurde zunächst neutral mit dem Begriff „Paternalismus“ bezeichnet. Die Kehrseite des paternalistischen Prinzips – und von daher bekommt das Wort heute einen eher negativen Klang – tritt dann zutage, wenn bestritten wird, dass der Arzt allein weiß, was das Wohl des Patienten ist. Mit der Ausweitung des Begriffs „Wohl des Kranken“ können ärztliche Entscheidungen nicht mehr bloß im Medizinischen begründet werden. Der Patient selbst kann etwas wollen, was in den Augen des Arztes für dessen Gesundheit schädlich ist, zum Beispiel kann er wünschen, dass keine lebenserhaltenden oder lebensverlängernden Maßnahmen durchgeführt werden (zum Beispiel eine Bluttransfusion) oder dass ihm die Wahrheit über die Prognose seiner Krankheit mitgeteilt wird. Die Forderung nach Relativierung des paternalistischen Prinzips wird in erster Linie durch die Forderung nach Achtung der Selbstbestimmung des Patienten bzw. seines Rechts darauf begründet und findet in dem zweiten Modell ihren Niederschlag. Das zweite Modell, das wir als Autonomie-Modell bezeichnen, ist von einer Denkrichtung geprägt, die die Medizin in einer pluralistischen Welt entscheidend beeinflusst und ihre Wurzeln in der Philosophie der Aufklärung hat. Es ist ein Denken, das die Selbstbestimmung (Autonomie) des Menschen als seine wesentliche Bestimmung herausstellt. Der Philosoph Immanuel Kant (1724 – 1804) hatte als erste Grundlage für jegliches sittliches Handeln und mithin jeglicher Ethik die Fähigkeit des Menschen herausgearbeitet, seinen Willen frei und selbst zu bestimmen. Zugleich hat er aufgezeigt, dass damit jedem menschlichen Individuum ein unbedingter, nicht relativierbarer Wert zugesprochen werden muss, was mit der (unantastbaren) Würde des Menschen bezeichnet wird. Dies ist der Grund dafür, dass die Achtung der Selbstbestimmung ein unbedingtes sittliches Gebot ist.
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2. Medizinrecht Unter der Bezeichnung Medizinrecht fasst man diejenigen Rechtsnormen zusammen, die sich auf die medizinischen Belange im weitesten Sinn beziehen. 11 Die Verbindung von Fragestellungen aus den Bereichen Medizin und Recht wurde lange Zeit und wird zum Teil immer noch mit dem Terminus Arztrecht zum Ausdruck gebracht. 12 Damit ist das Problem jedoch in mehrfacher Weise nur ungenau beschrieben. Im Medizinrecht geht es nicht nur um das Recht des Arztes, sondern ebenso um das seines Patienten. Ferner umfasst das Medizinrecht das Recht der anderen Heilberufe. Zudem berücksichtigt das Medizinrecht den weiten Bereich des Gesundheitswesens. Es geht ihm also nicht nur um das Recht von in den Medizinbetrieb eingebundenen Personen, sondern auch um die rechtliche Ordnung einschlägiger Institutionen (zum Beispiel Krankenhäuser) und um die rechtlichen Anforderungen an einschlägige Gegenstände (zum Beispiel Arzneimittel). Vielfach wird zwischen Recht und Gewissen, näherhin der Unterordnung unter das Recht und der Bindung an das ärztliche Gewissen, ein Gegensatz herzustellen versucht. Eher handelt es sich aber bei beiden Größen um ein Ergänzungsverhältnis: Das Recht steckt einen Rahmen, innerhalb dessen dem ärztlichen Gewissensentscheid Respekt gezollt wird, zum Beispiel der Weigerung an bestimmten Maßnahmen mitzuwirken, etwa dem Schwangerschaftsabbruch. Andererseits sind ärztliche Handlungen weithin „gewissensneutral“ und bedürfen insoweit nicht eines besonderen Gewissensschutzes. Ob und wie weit dies auch im Fall der Bluttransfusion im Zusammenhang mit der Behandlung von Zeugen Jehovas gilt, wird in diesem Beitrag zu prüfen sein. Auch für die Entwürfe der freiheitlich-demokratischen Gesellschafts- und Staatsordnungen der Neuzeit sind die Ideen von Autonomie und Würde des Menschen fundamental. In ihnen soll sowohl die Möglichkeit zur (moralischindividuellen) Selbstbestimmung gewahrt und gesichert werden – wie es in der Formulierung von Menschenrechten zum Ausdruck kommt – als auch die Selbstbestimmung des Menschen als Mitglied einer Gesellschaft und eines Staates – wie es in den demokratischen sozialen Grund- und Bürgerrechten
11
Vgl. Hans-Georg Koch, Art. Medizinrecht, in: Lexikon der Bioethik, Bd. 2, Gütersloh 1998, S. 663 – 665, an dem ich mich im Folgenden orientiere; Erwin Deutsch / Andreas Spickhoff, Medizinrecht. Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, Berlin u. a. 52003. 12 Vgl. Adolf Laufs, Art. Arztrecht, in: Lexikon der Bioethik, Bd. 1, Gütersloh 1998, S. 261 – 267.
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gefordert wird. In freiheitlich-demokratischen Staaten sind diese Grundrechte in der jeweiligen Verfassung bzw. im Grundgesetz festgehalten. III. Informed consent – Aufgeklärte Einwilligung 1. Aufklärung und Einwilligung Weil der Mensch Herr seiner eigenen Ziele ist, muss die verantwortliche Hilfe des Arztes die Selbstbestimmung respektieren. Dieser Forderung entspricht die juristische Entscheidung, dass ein medizinischer Eingriff nur zulässig sein kann, wenn er mit der aufgeklärten Einwilligung (informed consent) des Patienten geschieht. 13 Das Selbstbestimmungsrecht findet seinen Niederschlag auch in gesetzlichen Rahmenwerken, die für die Medizin maßgeblich sind. Das Selbstbestimmungsrecht, aus dem sich der informed consent herleitet, ist in der Regel wesentlicher Bestandteil der Verfassungen moderner Staaten. In der Bundesrepublik Deutschland ist es im Artikel 2 des Grundgesetzes verankert. Das Recht auf Selbstbestimmung ist zu einer wesentlichen Komponente der Arzt-PatientBeziehung geworden. Der Patient hat das Recht zu entscheiden, ob eine ärztliche Maßnahme durchgeführt werden soll oder nicht. Der Arzt hat daher die Pflicht, ihn über die Möglichkeiten der Untersuchung und Therapie aufzuklären und seine Zustimmung für die Durchführung der einzelnen Maßnamen einzuholen (informed consent). Sofern seine Entscheidungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist, hat ein Patient zum Beispiel auch das Recht, eine lebensrettende Behandlung abzulehnen. Der informed consent hat also seine Grundlage nicht nur in der philosophischen Ethik, sondern auch im Recht. Hinzu kommt, dass nach deutscher Rechtsauffassung jeder medizinische Eingriff, sei es eine lebensrettende Operation oder der Einstich einer Injektionsnadel, jede medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung, jede Applikation eines Medikamentes, jede Bestrahlung oder physiotherapeutische Einwirkung eine Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuches (§§ 223 ff. StGB) darstellt. Nur durch die informierte Einwilligung des Patienten (informed consent) kann diese Körperverlet-
13
Vgl. Jürgen van de Loo / Ute Walter, Art. Aufklärung/Aufklärungspflicht, in: Lexikon der Bioethik, Bd. 1, Gütersloh 1998, S. 284 – 288; Dieter Giesen, Art. Einwilligung, in: Lexikon der Bioethik, Bd. 1, Gütersloh 1998, S. 539 – 543; H. Tristam Engelhardt Jr., Art. Freies und informiertes Einverständnis, in: Wiesing, Ethik in der Medizin (Anm. 9), S. 106 – 108.
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zung gerechtfertigt werden. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit des Eingriffes ist also die Willensübereinstimmung zwischen Arzt und Patient. Die Einwilligung in ärztliche Maßnahmen ist aber nur wirksam, wenn weitere Voraussetzungen gegeben sind. Der Patient muss einwilligungsfähig sein. Die Einwilligungsfähigkeit ist unabhängig von der Geschäftsfähigkeit (volle Geschäftsfähigkeit ist mit Beginn der Volljährigkeit = 18. Lebensjahr gegeben). Maßgeblich für eine rechtswirksame Einwilligung ist die so genannte Einsichtsund Urteilsfähigkeit in dem Sinne, dass der Betroffene imstande ist, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs voll zu erfassen. Bei Volljährigen setzt man dies voraus, sofern sie sich nicht in einem psychischen Ausnahmezustand befinden. Bei Minderjährigen kommt es auf die zuvor schon genannte Einsichts- und Urteilsfähigkeit an. Je tiefer der ärztliche Eingriff, umso strenger sind die Anforderungen. Man geht davon aus, dass ein 16-Jähriger in alltägliche und verhältnismäßig harmlose Eingriffe wirksam einwilligen kann. Fehlt dem Betroffenen die Einwilligungsfähigkeit, so kann die Einwilligung nur von einem gesetzlichen Vertreter (bei Minderjährigen sind dies die Eltern bzw. die nichteheliche Mutter, bei Volljährigen ist dies der Betreuer, früher Vormund) gegeben werden. Wird die Einwilligung missbräuchlich verweigert, hat das Vormundschaftsgericht die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ist die rechtzeitige Anrufung des Vormundschaftsgerichts nicht möglich, so kann ein erforderlicher Eingriff auch durch Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt sein. 2. Informed consent und die medizinische Behandlung bei den Zeugen Jehovas a) Ablehnung der Bluttransfusion und der Gabe von Blutprodukten durch Erwachsene Die Anhänger von Sekten (zum Beispiel Zeugen Jehovas) und abweichenden Lebensauffassungen unterliegen grundsätzlich den zuvor dargelegten rechtlichen Bestimmungen 14 . Für den Patienten besteht kein Therapiezwang; er kann
14 Bis einschließlich Punkt e) vgl v. a. Albrecht W. Bender, Zeugen Jehovas und Bluttransfusion. Eine zivilrechtliche Betrachtung, in: MedR 1999, S. 260 – 267; Hanns Rüdiger Röttgers / Schide Nedjat, Kritik am Transfusionsverbot nimmt zu, in: Deutsches Ärzteblatt 99 (2002) S. A 102 – 105; David Malyon, Transfusion – free treatment of Jehovah’s Wittnesses: respecting the autonomous patient’s rights, in: Journal of Medical Ethics 24 (1998), S. 302 – 307; David Malyon, Transfusion – free treatment of Jehovah’s Wittnesses: respecting the autonomous patient’s motives, in: Journal of Medical
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über die Notwendigkeit einer Behandlung nach Aufklärung durch den Arzt selbst entscheiden (voluntas aegroti suprema lex). Daher ist der Wille eines Sektierers oder Abweichlers, der aus von der Mehrheit der Bevölkerung nicht geteilten Gründen auf Ablehnung einer dringend indizierten Maßnahme besteht, grundsätzlich zu berücksichtigen. Dabei ist es unerheblich, ob dieser abweichende Wille religiös, wie im Falle der Zeugen Jehovas, oder in anderer Weise begründet ist. Der einwilligungsfähige Patient kann in freier Selbstbestimmung selbst einen vital indizierten und dringenden Eingriff auch aus Gründen ablehnen, die rational nicht nachvollziehbar sind. Dem Arzt steht es nicht an, die Motive seines Patienten zu erforschen oder zu bewerten. Seine therapeutische Pflicht zwingt ihn lediglich, dem Patienten die Notwendigkeit und Dringlichkeit sowie die Folgen der Weigerung eindrücklich vor Augen zu führen. 15 Eine Bluttransfusion gegen die Weigerung des Patienten ist ein rechtlich unzulässiger Eingriff in die Körperintegrität und bei Zeugen Jehovas, die die Bluttransfusion aus religiösen Gründen ablehnen, auch noch in die durch Art. 4 des Grundgesetzes gewährleistete Glaubensfreiheit. Für den Fall, dass der Patient zum Beispiel auf Grund einer Bewusstlosigkeit seinen Willen nicht äußern kann, trägt jeder Zeuge Jehovas ein „Dokument zur ärztlichen Versorgung“ bzw. eine Patientenverfügung bei sich, die folgenden Wortlaut hat: 16 „Ich (...) erkläre hiermit mein limitiertes Einverständnis, als Patient nach den Regeln der ärztlichen Kunst versorgt zu werden. Die Limitierung ergibt sich aus den von mir im Voraus verfügten folgenden Anweisungen, die auf meiner unumstößlichen Entscheidung beruhen. Ich ordne an, dass mir keine Bluttransfusionen (von Vollblut, roten Blutkörperchen, weißen Blutkörperchen, Blutplättchen oder Blutplasma) gegeben werden. Diese Verfügung gilt unter allen Umständen, selbst wenn Ärzte zur Erhaltung meines Lebens oder meiner Gesundheit die Gabe von Blut für erforderlich halten sollten. Mit blutfreien Plasmaexpandern (wie Dextran, Kochsalzlösung, Ringer-Laktat-Lösung oder Hydroxyäthylstärke) und anderen blutfreien Behandlungsmethoden bin ich einverstanden.“
Ethics 24 (1998), S. 376 – 381; Osamu Muramoto, Bioethics of the refusal of blood by Jehovah’s Witnesses: part 1. Should bioethical deliberation consider dissidents’ views?, in: Journal of Medical Ethics 24 (1998), S. 223 – 230; Osamu Muramoto, Bioethics of the refusal of blood by Jehovah’s Witnesses: part 2. A novel approach based on rational non-interventional paternalism, in: Journal of Medical Ethics 24 (1998), S. 295 – 301; Kreuznacher Diakonie, Grundsätze zur Behandlung von Zeugen Jehovas – vor dem Hintergrund der Gabe von Blut und Blutprodukten – in Krankenhäusern der Kreuznacher Diakonie (http://www.kreuznacherdiakonie.de/700_ethik/zeugenjehovas.htm). 15
Vgl. Bender, Zeugen (Anm. 14), S. 261.
16
Das Formular findet sich bei Bender, Zeugen (Anm. 14), S. 262.
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Johannes Reiter „Auch im Fall meiner Bewusstlosigkeit und Handlungsunfähigkeit hat meine vorstehende Verfügung unverändert Gültigkeit. Der Zustand der Bewusstlosigkeit ist für mich keine unvorhergesehene Situation, in der jemand über eine mögliche Änderung meines Willens Mutmaßungen anzustellen hätte. Um weiter zu gewährleisten, dass die von mir verfügte Limitierung beachtet wird, habe ich eine Vertrauensperson bevollmächtigt, für den Fall meiner Bewusstlosigkeit bzw. Handlungsunfähigkeit meinen Willen durchzusetzen.“
Eine solche antezipierte Behandlungsverfügung ist grundsätzlich rechtsverbindlich. Nur dann, wenn gegenteilige Erkenntnisse über den Patientenwillen vorliegen, kann von der Verfügung abgewichen werden. Denkbar wäre folgender Fall: Der Ehepartner des Patienten erklärt, dieser habe gerade die Zeugen Jehovas verlassen, aber vergessen, die Patientenverfügung aus seinen Unterlagen zu entfernen. 17 b) Bluttransfusion bei Minderjährigen Bei der Behandlung von Minderjährigen, deren Eltern Zeugen Jehovas sind, kann es zu einer Spannung zwischen dem Interesse des Patienten und dem religiösen Selbstverständnis der Sorgeberechtigten kommen, denn die Zeugen Jehovas lehnen auch für ihre Kinder die Behandlung mit Blut ab. Die Broschüre der Zeugen Jehovas „Unser Königreichsdienst“ vom September 1992 geht auf die Behandlung der Kinder ein und gibt auch praktische Ratschläge für das Verhalten der Sorgeberechtigten. Auszugsweise heißt es dort: „Eine solche alternative blutfreie Behandlung ist nicht nur besser und sicherer als Mitblut, sondern lässt ihre Kinder auch in der Gunst des großen Lebengebers, Jeho18 va, bleiben, was von größter Wichtigkeit ist.“ „In einer kritischen Situation mögen es Älteste für ratsam halten, für eine 24stündige Wache im Krankenhaus zu sorgen, die vorzugsweise von einem Ältesten und einem Elternteil des Patienten oder einem anderen nahen Angehörigen gehalten wird. Bluttransfusionen werden oft gegeben, wenn alle Verwandten und Freunde abends nach 19 Hause gegangen sind.“ „Wie werden wir reagieren, wenn wir von einem Staatsanwalt oder Richter gefragt werden, warum wir eine ‚lebensrettende‘ Transfusion für unser Kind verweigern? Auch wenn wir geneigt sein mögen, zunächst unseren Glauben an die Auferstehung zu erklären und unseren festen Glauben daran zum Ausdruck zu bringen, dass Gott uns unser Kind wiedergeben wird, wenn es stirbt, könnte eine solche Antwort den 17
Vgl. Röttgers / Nedjat, Kritik (Anm. 14), S. A 103.
18
Unser Königreichsdienst, September 1992, S. 5.
19
Unser Königreichsdienst, September 1992, S. 4.
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Richter, dessen Hauptinteresse das körperliche Wohl des Kindes ist, lediglich zu der Überzeugung kommen lassen, dass wir religiöse Fanatiker sind und dass er einschreiten muss, um unser Kind zu schützen. ... Wir können den Richter darauf hinweisen und ihn davon in Kenntnis setzen, dass wir als christliche Eltern die Verwendung des Blutes einer anderen Person zur Erhaltung des Lebens als schwere Verletzung des Gesetzes Gottes betrachten und eine erzwungene Bluttransfusion bei unserem Kind 20 für uns einer Vergewaltigung gleichkommt.“
Die Auflösung der Spannung zwischen den Interessen des Minderjährigen und dem Interesse der Erziehungsberechtigten ist dann möglich, wenn der minderjährige Patient selbst über die Bluttransfusion entscheiden kann. Wann dies der Fall ist, kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall entschieden werden. Ein Gleichlauf zwischen Entscheidungskompetenz und Religionsmündigkeit, die mit der Vollendung des 14. Lebensjahres beginnt, ist abzulehnen, denn die Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist stets eine individuelle Fähigkeit und keine an der abstrakten Religionsmündigkeit messbare Größe. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Minderjährige selbst in der Lage ist, die Bedeutung einer unter Umständen lebensrettenden Bluttransfusion zu beurteilen. Man geht heute davon aus, dass dies der Mehrzahl der Jugendlichen im 17. und 18. Lebensjahr möglich ist. Das bedeutet, dass bezüglich der Bluttransfusion sowohl eine mündliche Ablehnung als auch eine Patientenverfügung zu respektieren sind. 21 Gelangt der Arzt zu dem Ergebnis, sein Patient könne noch nicht selbst entscheiden und verweigern die Eltern ihr Einverständnis zu einer lebensrettenden Bluttransfusion, ist diese Verweigerung als Missbrauch des Sorgerechtes anzusehen, denn das Recht der elterlichen Sorge dient nicht der Verfolgung der eigenen Interessen, sondern zum Schutz des Kindes und zur Förderung seines Wohls. Die Eltern können sich für ihre Verweigerung auch nicht auf das Grundgesetz Art. 4 Abs. 1 berufen, denn das Grundrecht der Glaubensfreiheit wird durch das Menschenbild des Grundgesetzes als verfassungsimmanente Schranke begrenzt, wozu auch die allgemeine Hilfeleistungspflicht zählt. 22 Der Arzt kann im Falle der Verweigerung der Bluttransfusion durch die Eltern eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts herbeiführen (§ 1666 Abs. 1 BGB), wobei die Eltern nach Möglichkeit anzuhören sind. Diese können nämlich das Gericht auf Behandlungsalternativen oder auf ein ande-
20
Unser Königreichsdienst, September 1992, S. 6.
21
Vgl. Bender, Zeugen (Anm. 14), S. 264 f.
22
Vgl. Bender, Zeugen (Anm. 14), S. 265. Nach BVerfGE 24, 236, 246 steht ein Akt der Religionsausübung nur dann unter dem Schutz des Grundgesetzes, wenn er sich „im Rahmen gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen der heutigen Kulturvölker hält“.
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res Krankenhaus hinweisen, das auf blutsparendes Operieren und die Anwendung fremdblutersetzender Methoden eingestellt ist. Ist es dem Arzt nicht möglich, die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts einzuholen, darf und muss er sich notfalls über die Entscheidung der Eltern hinwegsetzen. 23 c) Verfahrensweise bei Notfalleingriffen 24 Wie ist bei einer vital indizierten und dringenden Operation zu handeln, wenn der Patient mit der Operation voll einverstanden ist, aber eine Bluttransfusion kategorisch ablehnt? Einerseits ist der Arzt in einem Notfall, wie übrigens auch jede andere Person, zur Hilfeleistung grundsätzlich verpflichtet. Andererseits kann der Arzt nicht gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln. Denn durch die Ablehnung der Bluttransfusion durch den Patienten handelt es sich um eine Operation unter erschwerten Umständen, die für den Arzt eine belastende Zumutung seines Gewissens darstellen kann. Hier stehen sich die Gewissensprobleme von Patient und Arzt gegenüber. Der Arzt sollte sich aber vorher fragen, ob seine Ablehnung bei Beachtung aller heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Operationstechnik und der Blutersatzverfahren nicht doch unangemessen ist. Die Angst vor einem „Exitus in Tabula“ ist ein schlechter Ratgeber. Zahlreiche Berichte in der medizinischen Literatur über erfolgreich durchgeführte große Operationen an Mitgliedern der Zeugen Jehovas ohne Bluttransfusion sollten zu denken geben. Bei vital indizierten dringenden Eingriffen muss der Arzt jedoch mitwirken, an das Transfusionsverbot des Patienten bleibt er gebunden. Durch die Verweigerung der Bluttransfusion durch den Patienten wird die Hilfeleistungspflicht des Arztes nicht gemindert, lediglich seine Hilfeleistungsmöglichkeit. Bleibt die Nutzen-Risiko-Bilanz einer Operation positiv, obwohl der Patient jede intra- und postoperative Bluttransfusion verweigert, so kann für die Indikationsstellung zur Operation nichts anderes gelten, als wenn
23
Vgl. Bender, Zeugen (Anm. 14), S. 265; Röttgers / Nedjat, Kritik (Anm. 14), S. A 104; Kreuznacher Diakonie, Grundsätze (Anm. 14), S. 5. 24 Vgl. Kreuznacher Diakonie, Grundsätze (Anm. 14), S. 6 f. Im Hinblick auf den Operationszeitpunkt unterscheidet man: 1. Notfalloperation bei vitaler Indikation; 2. dringliche Operation; 3. Elektivoperation zum Zeitpunkt der Wahl und 4. Intervalloperation in der symptomfreien Zwischenphase nach Abklingen der akuten Symptomatik bei chronisch rezidivierenden Erkrankungen (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch [Anm. 7], S. 1211).
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dem Arzt das für die Bluttransfusion benötigte Blut aus faktischen Gründen nicht zur Verfügung stünde. Einen vital indizierten dringenden Eingriff mit einer trotz Verweigerung der Bluttransfusion positiven Nutzen-Risiko-Bilanz muss der Arzt durchführen, dies folgt aus der allgemeinen Hilfeleistungspflicht (§ 323 c StGB). Bietet nur eine sofortige Operation die Chance der Lebensrettung, so wird sie selbst dann durchzuführen sein, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass eine Bluttransfusion erforderlich werden wird, denn hier geht es darum, die Chance auf Lebensrettung zu wahren. d) Verfahrensweise bei Elektiv-Eingriffen 25 Elektive Eingriffe sind im Gegensatz zu Notfalleingriffen geplante Eingriffe (zum Zeitpunkt der Wahl) mit in der Regel geringem Letalitätsrisiko. Elektive Eingriffe, die trotz der Verweigerung der Bluttransfusion eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz haben, sind prinzipiell zulässig. Allerdings darf der Arzt solche Eingriffe nur dann durchführen, wenn nach den individuellen Umständen des konkreten Falles sowie seiner persönlichen Erfahrung nur eine sehr geringe Transfusionswahrscheinlichkeit besteht. Die Aufklärung des Patienten über das erhöhte Risiko, dem er sich in Folge der verweigerten Bluttransfusion aussetzt, ist verpflichtend. Auf Operationen, die eine zwingende Bluttransfusion erfordern, muss der Arzt verzichten. Wenn der Arzt gegen den Willen des Patienten eine Bluttransfusion vornimmt, setzt er sich einer strafrechtlichen Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung und darüber hinaus einer zivilrechtlichen Verurteilung wegen eventueller Komplikationen im Zusammenhang mit der Bluttransfusion aus. e) Freizeichnung 26 Die Tätigkeit des Arztes steht immer auch unter dem Druck außermedizinischer, zum Beispiel rechtlicher Faktoren. Für Qualitätsmängel muss der Arzt zivilrechtlich haften. Im Zusammenhang mit der verweigerten Bluttransfusion der Zeugen Jehovas ist das Risiko zumindest erhöht. Die Zeugen Jehovas wollen dem Rechnung tragen durch einen Zusatz zu dem Behandlungsvertrag mit folgendem Wortlaut: 27 25
Vgl. Kreuznacher Diakonie, Grundsätze (Anm. 14), S. 7 f.
26
Vgl. Bender, Zeugen (Anm. 14), S. 263 f.
27
Der Text findet sich bei Bender, Zeugen (Anm. 14), S. 263.
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Johannes Reiter „Ich befreie die behandelnden Ärzte, das Krankenhaus und das Krankenhauspersonal insoweit von der Haftung für jegliche Schäden, die bei kunstgerechter Versorgung auf meine Ablehnung von Bluttransfusionen zurückgeführt werden können. Dieser Wille ist auch für meine Erben bindend.“
Obwohl der Wortlaut eine Haftungsbefreiung insinuiert, bedarf es einer solchen gar nicht. Denn auf Grund des Behandlungsvetos der Zeugen Jehovas bezüglich der Verwendung von Blut würde sich eine eventuelle Gesundheitsbeeinträchtigung oder gar der Tod nicht aus dem Nichthandeln des Arztes sondern allein aus dem Veto des Patienten ergeben. Allerdings kann den Arzt ein Übernahmeverschulden treffen. Er hat daher bei der Übernahme einer Behandlung zu prüfen, ob er die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die ihm angetragene Behandlung (ohne Bluttransfusion) durchzuführen. Bei größeren elektiven Eingriffen sollte sich der Arzt kritisch fragen, ob es einen anderen Operateur gibt, der den Eingriff sicherer durchführen kann. 28 f) Kostenübernahme für die teurere Behandlungsform Ein auch ethisch nicht zu unterschlagender Aspekt ist die unter Umständen teurere Behandlungsform auf Grund des Verzichts auf Bluttransfusion gegenüber der Regelbehandlung mit Bluttransfusion. Denn in der Regel ist eine blutlose Alternativbehandlung kostenintensiver, da andersartige Leistungen erbracht werden müssen. Hier könnte der Gedanke aufkommen, es sei „recht und billig“, die Mehrkosten dem Zeugen Jehovas aufzuerlegen. Dieser Gedanke ist jedoch abzulehnen, weil die Kostenträger schon immer das wirtschaftliche Risiko einer medizinisch unvernünftigen Entscheidung ihrer Versicherten zu tragen haben. Die blutlose Alternativbehandlung ist damit kein Luxus, der von den Kostenträgern nicht zu erstatten wäre, sondern eine Regelleistung. 29 IV. Die Blutfrage und die Bibel Das kategorische Verbot des Blutgenusses der Zeugen Jehovas ist umfassend und schließt, wie gezeigt wurde, auch die medizinisch angezeigte Bluttransfusion ein. Die Zeugen Jehovas stützen dieses Verbot durch Verweis auf die Bibel und führen dazu eine Reihe von Schriftstellen an, wobei Gen 9,3 f. und Apg 15,28 f. am häufigsten zitiert werden. Was beinhalten diese Stellen näherhin und inwieweit kann das damals und dort Gemeinte auf die heutige
28
Vgl. Bender, Zeugen (Anm. 14), S. 264.
29
Vgl. Bender, Zeugen (Anm. 14), S. 261.
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Situation der Bluttransfusion übertragen werden? Um hier zu einer befriedigenden Antwort zu kommen, muss vor allem auf den biblischen Kontext der Blutfrage eingegangen werden. 30 Gen 9,3 f. lautet in der Neue-Welt-Übersetzung der Zeugen Jehovas: „Jedes sich regende Tier, das am Leben ist, möge euch zur Speise dienen. Wie im Falle der grünen Pflanzen gebe ich euch gewiss das alles. Nur Fleisch mit seiner Seele – seinem Blut – sollt ihr nicht essen.“
Zunächst ist festzustellen, dass Israel, wie alle antiken Kulturen und Religionen, im Blut den Lebensstoff schlechthin gesehen hat. Da das Leben, vor allem das des Menschen, nicht in der Verfügungsgewalt des Menschen steht, sondern Gott gehört, ist eine ehrfürchtige Scheu gegenüber dem Blut in der damaligen Zeit zu verstehen. Von daher lassen sich übrigens auch die strengen jüdischen Schächtungsvorschriften, die das Ausbluten des Schlachttieres sichern, erklären. Auf diesen Fall zielt auch die obige Schriftstelle. Mit dem Verbot des Blutgenusses wollte sich Israel zudem von seiner heidnischen Umwelt absetzen, in der das Trinken von Tier- oder Menschenblut verbreitet und mit magischen Vorstellungen verbunden war. Man wollte die Lebenskraft (Seele) des betreffenden Tieres oder Menschen, etwa des besiegten Feindes, in sich aufnehmen. Dass im Blut das Leben schlechthin bzw. die Seele des Menschen präsent ist, entspricht zumindest aus heutiger Sicht magischem Denken. In Gen 9,4 geht es um Folgendes: 31 Gott gibt die Erlaubnis für den Verzehr von tierischem Fleisch. Das Tier muss lediglich vollständig ausgeblutet sein. Damit wird zum einen sichergestellt, dass kein lebendiges Tier verzehrt wird, und zum anderen
30 Vgl. dazu Hans Wissmann / Otto Böcher, Art. Blut I und II, in: TRE, Bd. 6, Berlin / New York 1980, S. 727 – 736. 31
Zu Gen 9,4 vgl. Josef Scharbert, Genesis 1 – 11 (Die Neue Echter Bibel), Würzburg 1983, S. 95 f.: „Man muß, bevor man Fleisch ißt, dafür sorgen, dass das Blut des betreffenden Tieres vollständig ausgelaufen ist. (...) Das Blut als Sitz des Lebens ist nach dem Glauben Israels Gott vorbehalten: Es muss auf den Boden rinnen und vergraben oder am Opferaltar ausgegossen werden, vgl. Lev 17,1 – 16, Dtn 12,13 – 38.“; Walther Zimmerli, 1. Mose 1 – 11 (Zürcher Bibelkommentare), Zürich 51991, S. 325 – 331; Horst Seebass, Genesis 1. Urgeschichte (1,1 – 11,26), Neukirchen-Vluyn 1996, S. 232 f.: V 4 enthält lediglich „die allgemeine Norm, dass das Leben selbst auch bei Tiertötungen den Menschen niemals zur Verfügung stehen soll. (...) Es manifestiert sich atl. im Blut. (Wo später das Alte Testament als Grundlage galt, wurde daher aus V 4 das Verbot des Blutgenusses.)“; Gerhard von Rad, Das erste Buch Mose. Genesis (Das Alte Testament Deutsch), Göttingen / Zürich 121987, S. 98 f.: Der Mensch, der sich bis dahin nur von Pflanzen ernährt hat, „geht jetzt zur Fleischnahrung über. (...) Es wird ihm die Fleischnahrung freigegeben, sofern er nur das Blut, das der alten Anschauung als sonderlicher Sitz des Lebens galt, unangetastet ließ.“
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Johannes Reiter
der Respekt gegenüber dem von Gott gegebenen Leben bewahrt wird. Das Verbot der Bluttransfusion durch die Zeugen Jehovas lässt sich also aus der obigen Stelle nicht herleiten. Über die heute durchgeführte Bluttransfusion sagt das Alte Testament nichts, Gleiches gilt vom Neuen Testament. Die für das Verbot der Bluttransfusion herangezogene neutestamentliche Stelle lautet in der Neue Welt-Übersetzung der Zeugen Jehovas: „Der heilige Geist und wir selbst haben es für gut befunden, euch keine weitere Bürde aufzuerlegen, als folgende notwendigen Dinge: euch von Dingen zu enthalten, die Götzen geopfert wurden, sowie von Blut und von Erwürgtem und von Hurerei. Wenn ihr euch vor diesen Dingen sorgfältig bewahrt, wird es euch gutgehen. Bleibt gesund!“ (Apg 15,28 f.)
Der Hintergrund dieser Weisung ist folgender: 32 In den ersten christlichen Gemeinden gab es Spannungen zwischen Judenchristen und Heidenchristen bezüglich der Frage, ob die Heidenchristen wie die Judenchristen dem mosaischen Gesetz zu unterwerfen seien, oder ob für sie andere Bedingungen gelten sollten. In dieser Situation vermitteln Petrus und Jakobus auf dem Apostelkonzil in Jerusalem und legen fest, dass die Heidenchristen nicht an das ganze mosaische Gesetz gebunden sind. Um aber künftig Spannungen auszuschließen, sollen die Heidenchristen ein „Minimalgesetz“ beachten, in dem die oben genannten, aus der Sicht der Judenchristen gefährlichen vier Dinge ausgeschlossen werden, wobei drei dieser vier Forderungen den Blutverzicht betreffen. Diese Entscheidung diente zum einen der Auflösung der Spannungen zwischen Judenchristen und Heidenchristen und zum anderen der Verdeutlichung des christlichen Profils. Für die ersten Gemeinden war es von überlebenswichtigem Interesse, dass man sich bei der Missionsarbeit und der Öffnung auf andere Kulturen hin nicht heidnische – götzendienerische – Praktiken einhandelte. Für die Judenchristen war mit dieser Entscheidung klar, dass es sich bei den Heidenchristen um echte Christen handelt, die keine heidnischen Praktiken mehr ausüben, und für die heidnische Umwelt war klar, dass sich das Christentum nicht mit der heidnischen Praxis verträgt. Wie schon in Gen 9,4 geht es auch in Apg 15,28 f. nicht um Bluttransfusion, sondern um das Trinken von Tier- und Menschenblut und um den Verzehr von Erwürgtem (nicht ausgeblutetem Fleisch). Das Verbot der Bluttransfusion aus diesen Stellen herauslesen zu wollen, ist eine lebensgefährliche Deutung der biblischen Texte.
32
Vgl. Rudolf Pesch, Die Apostelgeschichte (Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament), Zürich / Neukirchen-Vluyn 1986, S. 83; Josef Zmijewski, Die Apostelgeschichte (Regensburger Neues Testament), Regensburg 1994, S. 571 f.
Informed consent und die Zeugen Jehovas
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V. Schlussbemerkungen Bei der Frage nach dem Verbot oder der Billigung einer Bluttransfusion darf die Bibel nicht als medizinischer Ratgeber, der sie nicht ist und nicht sein kann, überfordert oder gar missbraucht werden. Unabhängig jedoch von der Richtigkeit bzw. Falschheit der religiös motivierten Begründung für die Ablehnung einer Bluttransfusion ist der Wille des Patienten für das Handeln des Arztes maßgebend. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet, wie eingangs dargelegt, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Darüber hinaus kann sich der Zeuge Jehovas auf die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantierte Glaubensfreiheit beziehen (Art. 4 GG). Der Respekt vor der Glaubensfreiheit des Patienten und seiner festen Bindung innerhalb der Gemeinschaft sind zu achtende Persönlichkeitsrechte. Wenn die Fürsorgepflicht des Arztes und die Patientenautonomie im Widerspruch stehen, verlangt die Fürsorgepflicht des Arztes nur die Einschätzung der Einwilligungsfähigkeit des Patienten in die vorgeschlagene Therapie. Lehnt der einwilligungsfähige Patient eine Therapie ab, bindet dies den Arzt auch dann, wenn die Entscheidung des Patienten dessen Tod zur Folge haben kann. Ein Zuwiderhandeln wäre weder ethisch noch rechtlich zulässig.
Geschichte – Rechtsgeschichte
Die Basilika St. Peter in Rom als Rechtsort Von Louis Carlen I. Orte, an denen immer wieder Recht gesetzt, gesprochen, verwaltet oder vollstreckt wird, wo regelmäßig Rechtshandlungen vorgenommen werden, bezeichnet man als Rechtsorte 1 . Dabei ist zwischen rechtlichen Handlungen zu unterscheiden, die in den Bereich des kirchlichen Rechts fallen und solchen, die dem weltlichen Recht zuzurechnen sind. Kirchen, in denen wiederholt Rechtshandlungen erfolgen, werden auch zu Rechtsorten. Sie sind dann auch Gegenstand der Rechtsarchäologie 2 . Im Folgenden gehen wir der Frage nach, wieweit in der St. Petersbasilika in Rom wiederholt oder regelmäßig rechtliche Handlungen vorgenommen wurden, womit diese Kirche auch zum Rechtsort wurde. Seit Kaiser Konstantin um 319 – 322 bestand die fünfschiffige Basilika AltSankt Peter mit dem Petrusgrab unter dem Hochaltar. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts beginnt die Vorgeschichte zu Neu-Sankt Peter, die im 16./17. Jahrhundert (1586 – 1626) zur hauptsächlichen Vollendung führte 3 . Die Peters1
Vgl. Karl von Armira / Claudius von Schwerin, Rechtsarchäologie, Berlin-Dahlem 1943, S. 13 ff.; Witold Maisel, Rechtsarchäologie Europas, Wien / Köln / Weimar 1992, S. 1 ff.; ders., Gegenstand und Systematik der Rechtsarchäologie, in: Forschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde I (Zürich 1978), S. 13 ff. 2
Louis Carlen, Kirchen als Rechtsorte, in: Klaus Lüdicke / Hans Paarhammer / Dieter A. Binder (Hg.), Neue Positionen des Kirchenrechts, Graz 1994, S. 7 – 27. Wieder abgedruckt in: Louis Carlen, Kirchliches und Wirkliches im Recht, Hildesheim 1998, S. 201 – 219; ders., Gotteshäuser Roms als kirchliche Rechtsorte, in: Andreas Weiss / Stefan Ihli, Flexibilitas iuris canonici, Festschrift für Richard Puza, 2003, S. 89 – 102. 3 Die Literatur über die St. Peters-Basilika ist umfangreich. Verwiesen sei auf die Literaturverzeichnisse bei: Carlo Galassi Paluzzi, La basilica di S. Pietro, Bologna 1975, S. 421 – 473; Carlo Pietrangeli, La Basilica San Pietro, Firenze 1989, S. 325 ff.; Achim Arbeiter, Alt-St. Peter in Geschichte und Wissenschaft, Diss. Hamburg 1982, Berlin 1988; Richard Krautheimer u. a., Corpus Basilicarum Christianarum Romae, V, Città
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Louis Carlen
basilika ist Zentrum der römisch-katholischen Kirche, Wallfahrtsort und seit dem 14. Jahrhundert „der entscheidende Aktionsraum des Papsttums (Palastkirche) und spiritueller Mittelpunkt des Vatikans“ 4 . St. Peter ist eine der fünf römischen Patriarchalbasiliken und genießt als solche alle Privilegien, die diesen Basiliken zukommen 5 . Vor allem besitzt sie den Papstaltar und Papstthron, der allein vom Papst benutzt werden darf, während für die Benutzung des Papstaltars durch beauftragte Prälaten eine besondere Erlaubnis erforderlich ist. II. Kirchliche Handlungen, denen nach Sakramentenrecht auch Rechtscharakter zukommt 6 , wurden und werden auch in St. Peter vorgenommen. So begründet die Taufe die Mitgliedschaft in der Kirche 7 , die Weihe befähigt nach Maßgabe der Rechtsvorschriften, Leitungsgewalt zu übernehmen 8 . Durch Abgabe des Konsenses schließen die Partner die Ehe 9 . Adelige und Staatsmänner schlossen verschiedentlich in St. Peter ihre Ehe. Als Beispiel sei erwähnt König Friedrich III. und seine Braut Leonore von Portugal, die Papst Nikolaus V. am 16. März 1452 am Hauptaltar von St. Peter traute. Nach einer zweiten Messe krönte der Papst Friedrich III. mit der Aachener Krone zum lombardischen König 10 . Auch die Eheschließungen von Verwandten der Päpste erfolgten manchmal in St. Peter, aber auch in der Sixtinischen Kapelle, wie beispielsweise jene des Papstnepoten Don Luigi Braschi unter Assistenz von Papst Pius VI. 11 .
del Vaticano 1980, S. 171 f.; Giancarlo Alteri – Roberto Del Signare, Basilica di San Pietro, in: Nicolò del Re (Hg.), Mondo Vaticano, Città del Vaticano 1995, S. 120; Bruno Steimer (Hg.), Lexikon der Päpste und des Papsttums, Freiburg / Basel / Wien 2001, Sp. 671 f.; Damian Dombrowski, Sankt Peter, in: LThK IX, Freiburg 32000, Sp. 43. 4
Steimer (Anm. 3), Sp. 671 f.
5
Vgl. die Lit. bei Amato P. Frutaz, Basilika, in: LThK II, Freiburg 1958, Sp. 45; Heinzgerd Brakmann, Basilika, in: LThK II, Freiburg 31994, Sp. 63 f. 6
CIC 1917 can. 726 ff.; CIC 1983 can. 840 ff.
7
CIC 1917 can. 87; CIC 1983 can. 849.
8
CIC 1917 can. 109; CIC 1983 can. 129 § 1.
9
CIC 1983 can. 1057, 1180 ff. Kirche als Eheschließungsort: CIC 1917 can. 1081, 1094 ff.; CIC 1983 can. 1118. 10
Ludwig Pastor, Geschichte der Päpste, I, Freiburg i. Br. 1886, S. 378.
11
Ein Stich im Museo di Roma zeigt diese Trauung.
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III. Papstwahlen wurden vom 11. bis 13. Jahrhundert meist in St. Peter oder in der Lateranbasilika durchgeführt 12 , seit dem Bau der Sixtinischen Kapelle 1473, die 1483 geweiht wurde, meist in dieser 13 . Nach der Wahl im Vatikan führte man den neuen Papst, begleitet von zwei Kardinälen unter dem Gesang des Te Deum zum Altar in St. Peter. Dort warf er sich zum Gebet nieder, worauf er auf den Papstthron hinter dem Altar in der Apsis 14 gesetzt wurde. Dort leisteten Kardinäle und Bischöfe den Fuß- und dann den Friedenskuss. Der Fußkuss wurde aus dem byzantinischen Hofzeremoniell übernommen 15 , obwohl man spätere Formen des Fußkusses mit Verweisen auf biblische Vorbilder rechtfertigte 16 . Auch im päpstlichen Zeremoniell der Inthronisation 17 sind byzantinische 18 , aber auch altrömische Überlieferungen 19 . Im Laufe der Zeit wurde das Konzept
12
Hermann Josef Wurm, Die Papstwahl, ihre Geschichte und Gebräuche, Köln 1902, S. 15; Peter Herde, Studien zur Papst- und Reichsgeschichte, II, Stuttgart 2002, S. 153 ff. 13
Roberto Salvini, La Capella Sistina, Milano 1965; Liselotte Bestmann, Michelangelos Sixtinische Kapelle, München 1999. 14
Dazu u. a. Michele Maccarrone, Die Cathedra Sancti Petri im Hochmittelalter, in: Römische Quartalschrift 75 (1980), S. 171 ff., und die Literatur bei: Louis Carlen, Zeremoniell und Symbolik der Päpste im 15. Jahrhundert, Freiburg 1993; Carlo Galassi Paluzzi (Anm. 3), S. 461 f. 15
Zur orientalischen Tradition Konrad Dilger, Untersuchungen zur Geschichte des osmanischen Hofzeremoniells, München 1967, S. 73 f.; Hanns Gabelmann, Antike Audienz- und Tribunalszenen, Darmstadt 1984, S. 2. 16
Lk 7,38; Mt 28,9; Apg 10,25; Ps 3,11. Vgl. auch J. Host, Proskynese. Zur Anbetung im Urchristentum nach ihrer religionsgeschichtlichen Eigenart, Gütersloh 1932, S. 116; Thomas Ohm, Die Gebetsgebärden der Völker und des Christentums, Leiden 1948. Über die Prokynese bei den Juden Fritz Traeger, Charisma, Studien zur Geschichte des antiken Herrscherkultes, I, Stuttgart 1957, S. 435 f. 17
Nikolaus Gussone, Thron und Inthronisation des Papstes von den Anfängen bis zum 12. Jahrhundert, Bonn 1978, S. 142 ff. 18 Otto Treitinger, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell, Darmstadt 21956, S. 56. 19
Andreas Alföldi, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, Darmstadt 31980 (11935), S. 242 ff. Vgl. auch Hans Ulrich Instinsky, Bischofsstuhl und Kaiserthron, München 1955; ders., Offene Fragen zum Bischofsstuhl und Kaiserthron, in: Röm. Quartalschrift 66 (1971), S. 66 ff.; Louis Carlen, Byzantinische und römische
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Louis Carlen
der Inthronisation verändert. Die Kanonisten beurteilen die rechtliche Bedeutung der Inthronisation verschieden 20 . Die einen sind der Ansicht, dass die Inthronisation mit der kanonischen Wahl zusammenhing, ein Teil von dieser war und dem Gewählten die Fülle der päpstlichen Gewalt gab. Der Thron, die sog. Cathedra Sancti Petri, wurde im Jahre 875 von Karl dem Kahlen anlässlich der Kaiserkrönung St. Peter geschenkt 21 . Er wurde zum Symbol des römischen Episkopates und des päpstlichen Amtes, wobei man an die Entwicklung des Bischoftsthrones anknüpfte 22 . Im Papstzeremoniell spielt die Bekleidung mit der cappa rubea, dem Purpurmantel 23 , unmittelbar nach der Wahl, später anlässlich der Krönung, eine Rolle; der Purpurmantel war als Insignie wichtig, wie auch die Formel der ordines des ausgehenden 13. und des beginnenden 14. Jahrhunderts zeigt, nach welcher der nun Prior diaconorum genannte Archidiakon dem gewählten Papst den Mantel umlegte mit den Worten: „Investio te de papatu Romano, ut praesis urbi et orbi“ 24 . Seit dem 12. Jahrhundert wurde der Purpurmantel förmliches Investitursymbol der päpstlichen Herrschaft 25 . Viktor III. verzichtete schon 1088 auf die päpstliche Herrschaft durch die Niederlegung des Purpurmantels 26 . Der Purpurmantel geht auf die konstantinische Schenkung zurück 27 . Der Immanta-
Einflüsse im päpstlichen Zeremoniell, in: Mélanges Felix Wubbe, Freiburg 1993, S. 100 f. 20
Gussone (Anm. 17), S. 289 – 296.
21
Darüber besteht eine umfangreiche Literatur. Vgl. Louis Carlen, Zeremoniell und Symbolik der Päpste und des Papsttums, Freiburg 1999, S. 20. 22
Nikolaus Gussone / Nikolaus Staubach, Zu Motivkreis und Sinngehalt der Cathedra Petri, in: Frühmittelalterliche Studien 9 (1975), S. 334 ff.; D. Balboni, La „Cathedra Sancti Petri“, Simbolismo, culto, arte, in: Rivista diocesana di roma XI (1970), S. 237 ff. 23
Louis Carlen, Der Purpurmantel des Papstes, in: ders., Sinnenfälliges Recht, Hildesheim 1995, S. 291 – 304. 24
Ordo Gregors X. (1272 – 1276) mit Angaben aus älterer Zeit.
25
Monumenta Germaniae Historica, Scriptores VII, S. 749. Dazu Richard Zoepffel, Die Papstwahlen, Göttingen 1871, S. 168 ff.; Joseph Braun, Die liturgische Gewandung, Freiburg 1907, S. 351. Marc Dykmans, Le cérémonial papal de la fin du moyen âge à la Renaissance, Bruxelles-Rome 1983, S. 180. Vgl. auch Bernhard Schimmelpfennig, Ein Bischof dem Papste gleich? Zu den Insignien und Vorrechten des Erzbischofs von Benevent, in: Aus Archiven und Bibliotheken, Festschrift für Raymund Kottje, Frankfurt a. M. 1992, S. 400. 26
Carl Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums, Tübingen 41924, S. 111. Zur Rolle des Mantels bei Wahlauseinandersetzungen Gussone (Anm. 17), S. 270. 27
Carlen (Anm. 23).
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tion aber liegen antike Vorbilder zu Grunde. In Rom galt das purpurne paludamentum als Abzeichen der Herrscherwürde. Der Purpurmantel war Abzeichen der höchsten Macht. Schon unter dem Prinzipat wurde die Anlegung des Purpurs als eine Art Investitur betrachtet 28 . Wenn die Kirche für den Papst Mantel und Purpur übernimmt, bringt sie dadurch in der Nachfolge des alten Roms zum Ausdruck, dass der Papst seine Würde rechtmäßig besitzt und Herr der Stadt Rom und des Erdkreises sei 29 . IV. St. Peter war bis 1963 Krönungskirche für die Päpste. Andere Krönungsorte kamen nur in Frage, wenn St. Peter dem Papst durch Gegner verschlossen blieb 30 . Papstkrönungen sind seit dem endenden 12. Jahrhundert überliefert 31 . So wissen wir, dass das Pontifikat von Paschalis II. (1099 – 1118), Calixt II. (1119 – 1124) und Alexander III. (1159 – 1181) mit der Krönung begann 32 . Die Krönung bedeutete für den Papst nicht nur sichtbaren Ausdruck, dass er Summus Pontifex, sondern auch Landesherr Roms und des Kirchenstaates war, später sprach man auch vom rector orbis 33 . Die Krone war allerdings für den Papst nicht entscheidende Insignie für den rechtmäßigen Besitz der päpstlichen Würde, wie das die Krone und die Krönung für das Königtum war. W. Ullmann hat den Gegensatz zwischen Papst- und Kaiserkrönung aufgezeigt 34 . Zwar hat 28
Alföldi (Anm. 19), S. 168 f.
29
Der Dictatus von Avranches im 11. Jh. sagt vom Papst: „Solus utitur rubra cars in signum imperii vel martiri“. (Percy Ernst Schramm, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, III, Stuttgart 1956, S. 715). 30
Carlrichard Brühl, Fränkischer Krönungsbrauch und das Problem der „Festkrönungen“, in: Histor. Zeitschrift 194 (München 1962), S. 265 ff.; ders., Krönung, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte II, Berlin 1975, Sp. 1235 f. – Im Corpus iuris canonici findet die Krönung wenig Beachtung (vgl. Karl Gottfried Hugelmann, Die deutsche Königswahl im Corpus iuris canonici, Breslau 1909, S. 83 f., 56 f.). Vgl. auch S. 248 – 251, 254 f., 262 – 264; August Franzen / Remigius Bäumer, Papstgeschichte, Freiburg i. Br. 1988, S. 175. 31
Eduard Eichmann, Weihe und Krönung des Papstes im Mittelalter, München 1951 (= Münchener Theol. Studien III/1), S. 36 ff. 32
Hans-Walter Klewitz, Die Krönung des Papstes, in: ZRG Kan. Abt. 61 (1941),
S. 98. 33
Wilhelm Wegener, Krone und Krönung des Papstes, in: Juristische Schulung III (1963), S. 338. 34 Walter Ullmann, Die Machtstellung des Papsttums im Mittelalter, Graz 1960, S. 461.
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Louis Carlen
die imitatio imperii bewirkt, dass das Zeremoniell der Kaiserkrönung die Ausgestaltung der Papstkrönung beeinflusst hat 35 . Nach dem Zeremoniell im Ordo von 1275 fand die Papstkrönung vor dem Portal der Peterskirche statt 36 , wo der Papst auf einem Sessel auf der Plattform, in facie ecclesiae, Platz nahm und ihm der Prior der Kardinaldiakonen die Mitra abnahm und die Krone aufsetzte. Das wiederholte sich bei der Krönung Pauls VI. 1963, wohl um die feierliche Handlung einem größeren Publikum zugänglich zu machen und weil im Dom der Raum durch den noch aufgebauten Konzilsapparat verengt war. V. Große Bedeutung erlangte St. Peter seitdem Papst Leo III. an Weihnachten 800 Karl den Großen in dieser Kirche zum Kaiser krönte 37 . Die deutschen Kaiser wurden in der Folge bis und mit Friedrich III. 1452 meist in St. Peter gekrönt 38 . Hier wurden auch mehrere Kaiserinnen gekrönt 39 . Seit 962 blieb das Zeremoniell im Allgemeinen gleich, wenn es auch im Laufe der Zeit bereichert oder in Einzelheiten verändert wurde: Begrüßung, Schutzversprechen des Kaisers, dreifache Einsegnung, Salbung und Überreichung der Insignien 40 . Der Krönungsritus ist enthalten im Pontifikale der römischen Kirche, einer Sammlung von Vorschriften für gottesdienstliche Handlungen, die der römische Bischof bei bestimmten Gelegenheiten zu vollziehen hatte. Seine Grundlagen
35
Carlen (Anm. 19), S. 103.
36
Michel Andrieu, Le Pontifical Romain au Moyen Âge, II, Città del Vaticano 1939 (= Studi e Testi 87), S. 525 ff.; J. Catalani, Sacrarum Caerimoniarum libri tres, I, Rom 1750, S. 119. Vgl. auch Bernhard Schimmelpfennig, Die Krönung des Papstes im Mittelalter, dargestellt am Beispiel der Krönung Pius’ II., in: Quellen und Forschungen aus italien. Archiven LIV (1974), S. 192 ff. 37
Louis Carlen, Krönungskirchen, in: I. Castillo Lara (Hg.), Studia in honorem Eminentissimi Cardinalis Alphonsi M. Stickler, Roma 1992, S. 55 ff. 38
Über das Empfangszeremoniell für Friedrich III. in Rom und die Bedeutung von St. Peter dazu ausführlich Achim Thomas Hack, Das Empfangszeremoniell bei mittelalterlichen Papst-Kaiser-Treffen, Köln 1999, S. 13 ff. 39
Paul Krull, Die Salbung und Krönung der deutschen Königinnen und Kaiserinnen im Mittelalter, Diss. Halle-Wittenberg 1911, S. 0 ff., 86 ff., 89 f. 40 Johannes Haller, Die Formen der deutsch-römischen Kaiserkrönung, in: Quellen und Forschungen aus italien. Archiven und Bibliotheken XXXIII (1944), S. 88; ders., Abhandlungen zur Geschichte des Mittelalters, Stuttgart 1944, S. 322. Zum Einzug des Kaisers in die Peterskirche und Gebet am Apostelgrab Hack (Anm. 38), S. 357 f. Zur Salbung jetzt: Franz-Reiner Erkens, Sakralkönigtum, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde 26, Berlin 2004, S. 233 f.; Arnold Angenendt, Salbung, ebd., S. 335 ff.
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liegen in einer bald nach 950 in Mainz für die dortige Kirche zusammengestellten Sammlung, die unter deutschem Einfluss in Rom übernommen, überarbeitet und vermehrt wurde und sich seit dem 12. Jahrhundert über das Abendland und den lateinischen Orient verbreitete 41 . Das Pontificale Romanum und seine Ableitungen überliefern auch das Zeremoniell für die Kaiserkrönungen 42 . Das Kapitel von St. Peter empfing in der Kapelle S. Mariae in Turri den Kaiser. Dieser legte in die Hände des ersten anwesenden Kardinals den Eid ab 43 , worauf er als canonicus von Sankt Peter aufgenommen und mit den Abzeichen eines Kanonikers dieser Kirche geschmückt wurde. Die Kapelle S. Mariae in Turri wurde 1053 von Papst Leo IX. dem Kapitel von Sankt Peter überwiesen. Sie war also Kapitelkirche 44 . In der Kapelle des hl. Gregor, die von Gregor IV. zu Ehren Gregors des Großen errichtet worden war und wo die Gebeine der Heiligen Gregor, Sebastian und Tyburtius in je einem Altar ruhten, empfing der Kaiser die sakralen Gewänder. Die Kapelle war Ankleideraum des Papstes 45 . Der Zug ging dann in das Mittelschiff der Basilika zum Hochaltar und dann zur confessio des hl. Petrus unter dem Hauptaltar. Seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts fand die Salbung des Kaisers und der Kaiserin 46 nicht mehr 41
Michel Andrieu, Les Ordines Romani du haut moyen-âge I, Spicilegium Sacrum Lovaniense XI, Löwen 1931; ders., Le Pontifical Romain au Moyen-Âge, 4 Bde., Città del Vaticano 1938 – 41 (= Studi e Testi LXXXVI – LXXXVIII und XCIX); Reinhard Elze , Ordines coronationis imperialis, Hannover 1960 (= Fontes iuris germanici antiqui IX); Bernhard Schimmelpfennig, Die Zeremonienbücher der römischen Kurie im Mittelalter, Tübingen 1973; Percy Ernst Schramm, Die Ordines der mittelalterlichen Kaiserkrönung, in: Archiv für Urkundenforschung X (1929); Reinhard Elze (Hg.), Die Ordines für die Weihe mit Krönung des Kaisers und der Kaiserin, Hannover 1960. 42
Zu den Veränderungen: C. A. Bouman, Sacring and Crowning, Groningen / Djakarta 1957. 43
Heinrich Günter, Die römischen Krönungseide der deutschen Kaiser, Berlin 1931, S. 7. Zur Kapelle S. Mariae in Turri Susanne Schüller-Piroli, 2000 Jahre Sankt Peter, Olten 1950, S. 180 f., 199, 261, 351; Eduard Eichmann, Die römischen Eide der deutschen Könige, in: ZRG Kann. Abt 6 (1916), S. 140 ff.; Hack (Anm. 38), S. 349 f. 44
Eichmann (Anm. 46), I, S. 297, 314; II, S. 20 f.
45
Monumenta Germaniae Historica, Scriptores II, S. 620, 486.
46
Grundlegend zur Salbung Eduard Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, I, Würzburg 1942, S. 78 ff.; ders., Die rechtliche und kirchenpolitische Bedeutung der Kaisersalbung im Mittelalter, in: Festschrift der Görres-Gesellschaft für Georg von Hertling, Kempten 1913, S. 263 ff.; Eva Müller, Die Anfänge der Königssalbung im Mittelalter und ihre historisch-politischen Auswirkungen, in: HJ 59 (1938), S. 317 ff.; Fritz Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im früheren Mittelalter, Leipzig 1914, S. 53 ff., 78 ff.; Franz Reiner Erkens, Auf der Suche nach den Anfängen: Neue Überlegungen zu den Ursprüngen der fränkischen Königssalbung, in: ZRG Kan. Abt. 90
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hier statt, sondern am Altar des hl. Mauritius; denn nach einem Ceremoniale soll niemand am Altare des hl. Petrus ordiniert werden, außer der römische Bischof 47 . Hier wurden auch die Insignien übergeben. Dann begaben sich der Papst mit seiner Assistenz und der Kaiser und die Kaiserin zum Hauptaltar. Die Plätze von Salbung und Krönung scheinen im Laufe der Zeit gewechselt zu haben, um so mehr da man annimmt, dass der Mauritiusaltar erst von Otto I. gestiftet wurde 48 . Es ist unbekannt, wann der Mauritiusaltar errichtet wurde; in der Beschreibung der Basilika aus dem 8. Jahrhundert wird er noch nicht erwähnt 49 . Der hl. Mauritius war gewissermaßen „Reichsheiliger“, und die Mauritiusverehrung hatte im Mittelalter politische Bedeutung 50 . Das kommt auch am Mauritiusaltar in St. Peter bei der Kaiserkrönung zum Ausdruck, womit dem Reichsheiligen im Petersdom gehuldigt wird. Ein Bronzeportal aus dem 15. Jahrhundert zeigt u. a. die Krönung Kaiser Sigismunds durch Papst Eugen IX. (1433). Das römische Einholungszeremoniell des Kaisers 51 und das gesamte Zeremoniell vor und in St. Peter war beherrscht von der Herrschaftsrepräsentation, des Herrscherkults und der Staatssymbolik. VI. Die ökumenischen Konzile haben nicht nur eine rechtliche Basis und Ordnung, sondern erlassen auch kirchliche Rechtsakte. Der Ort, wo sie tagen, wird damit auch zu einem Rechtsort. Der früheste Beleg für ein Konzil, das in der alten Peterskirche stattfand, stammt aus dem Jahre 800. Am 1. und 23. Dezember dieses Jahres tagte unter dem Vorsitz von Karl dem Großen dort ein Konzil. Dazu hatte der König gela-
(2004), S. 494 ff.; Josef Semmler, Der Dynastiewechsel von 751 und die Fränkische Königssalbung, Düsseldorf 2003. 47
Anton Diemand, Das Ceremoniell der Kaiserkrönungen von Otto I. – Friedrich II., Diss. München 1893, S. 6 f. 48
Haller (Anm. 40), S. 57 ff., 62; Hans-Walter Klewitz, Papsttum und Kaiserkrönung, in: Deutsches Archiv IV (1941), S. 428 ff. 49
Eichmann, I, S. 279, 287, 295, 315 f. u. II, S. 27 f.
50
Albert Brackmann, Die polit. Bedeutung der Mauritiusverehrung im frühen Mittelalter, SB der Berliner Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Kl. 1937, S. 29 – 305 (Wiederabdruck: Gesammelte Aufsätze, 21967, S. 211 – 241); Adalbert Jos. Herzberg, Der heilige Mauritius, 1936, S. 73 ff., 107 f.; Adolf Hofmeister, Die heilige Lanze, ein Abzeichen des alten Reiches, 1908, S. 64 ff. 51
Hack (Anm. 38), S. 253 ff.
Die Basilika St. Peter in Rom als Rechtsort
61
den, und zwar nach dem Muster der fränkischen Reichssynoden erging die Einladung außer an den hohen Klerus aus Rom und dem Reich auch an den römischen Senat und die fränkischen Großen als Umstand. Vor allem behandelte man Vorwürfe, die gegen Papst Leo III. erhoben wurden 52 . Johannes XXIII. berief auf den 1. April 1412 ein Konzil nach Rom ein. Es wurde am 14. April eröffnet, hatte aber nur eine feierliche Sitzung in St. Peter 53 . Im neuen Petersdom versammelten sich die beiden Vatikanischen Konzilien. Das erste tagte vom 18. Dezember 1869 bis 18. Juli 1870 im rechten Querschiff. 791 Personen nahmen daran teil 54 . Wichtige Beschlüsse waren das Unfehlbarkeitsdogma und die Konstitutionen „Dei Filius“ und „Pastor aeternus“ 55 . Das 2. Vaticanum unter Johannes XXIII. und Paul VI. dauerte vom 11. Oktober 1962 bis 8. Dezember 1965 56 und neben den Beobachtern, Periti und geladenen Gästen nahmen daran 2 540 Konzilsväter teil. Die Plenarsitzungen fanden in St. Peter statt 57 . VII. Die Kanonisation 58 baut auf bestimmten Rechtsgrundlagen auf 59 . Am Ende eines vorausgehenden kirchlichen Prozesses wird bestätigt, dass die betreffende
52
Eugen Ewig, in: Hubert Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte III/1, Freiburg i. Br. 1985, S. 107. 53
Karl August Fink, ebd., III/1, S. 548. Zu den Konzilen im Vatikan, ev. in St. Peter, Pietrangli (Anm. 3), S. 259 f. 54
Vgl. Klaus Schatz, Vatikanum I, 3 Bde., Paderborn 1992 – 1996.
55
Texte bei Heinrich Denzinger / Peter Hünermann, Nr. 3000 – 3075, 812 – 833; Roger Aubert, La Constitution Dei Filius du concile du Vatican. De doctrina Concilii Vaticani I, Roma 1961; Umberto Betti, La costituzione dommatica Pastor aeternus del Concilio Vaticano I, Roma 1961. 56 Unterbrechung durch den Tod Johannes XXIII. am 2.6.1963, Wiederaufnahme am 29.9.1963 (2. Sitzungsperiode), zwei weitere Sitzungsperioden 1964/1965. 57
Quellen: Das Zweite Vatikanische Konzil. Dokumente und Kommentare, Freiburg i. Br. 1966 – 1968. Giuseppe Alberigo (Hg.), Storia del Concilio Vaticano II, 5 Bde., Bologna u. a. 1995 – 2001. 58 59
Zur Definition: AAS 75 (1983), S. 349.
U. a.: X, 3, 45,1; can. 1999 – 2141 CIC 1917; can. 1403 CIC 1983; Ap. Konst. „Divinus perfectionis Magister“ vom 25.1.1983. Libero Gerosa, Die Heiligsprechungspraxis der Kirche und die theologischen Grundlagen des kanonischen Prozeßrechts, in: Winfried Schulz in memoriam. Schriften aus Kanonistik und Staatskirchenrecht, hg. von C. Mirabelli / G. Feliciani / C. G. Fürst / H. Pree, Frankfurt a. M. u. a. 1999, S. 327 – 341.
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Person als Heiliger oder Heilige, oder Seliger oder Selige verehrt werden darf 60 . In St. Peter fanden zahlreiche Kanonisationen statt, unter Johannes Paul II. auch auf dem Petersplatz. Für 1390 – 1970 zählt Carlo Pietrangeli 66 Kanonisationen auf, die in St. Peter erfolgten 61 . Solchen Kanonisationen konnte auch eine gewisse politische Bedeutung zukommen, besonders wenn es sich um Persönlichkeiten handelte, die im öffentlichen Leben standen, wie zum Beispiel der Habsburger König Karl I., der am 3. Oktober 2004 von Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz selig gesprochen wurde. VIII. Unter Papst Bonifaz VIII. (1294 – 1303) wurde 1300 zum ersten Mal das Heilige Jahr gefeiert 62 . Es wird durch einen Ablass, Nachlass der Sündenstrafen, ausgezeichnet 63 . Der Ablass ist aus der Bußpraxis des 10. Jahrhunderts hervorgegangen, hat also rechtliche Elemente 64 . Ablass-Verkündigungen erfolgten auch in St. Peter. Das Heilige Jahr wird eröffnet, indem der Papst vor der 1. Weihnachtsvesper mit einem Hammer an die vermauerte Porta Santa von St. Peter klopft, die dann geöffnet wird. Nach Ablauf des Heiligen Jahres wird
60 Zu den Kanonisationen u. a. die Literatur, Ausführungen und Kanonisationslisten von 993 – 1235 bei Bernhard Schimmelpfennig, Heilige Päpste – päpstliche Kanonisationspolitik, in: Jürgen Petersohn (Hg.), Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter, Sigmaringen 1994, S. 73 ff. Vgl. auch André Vauchez, Les origines et le développement du procès de canonisation (XII – XIII siècles), in: FS Elm S. 845 – 856; Thomas Wettstein, Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen Spätmittelalter, Köln 2004. 61 Pietrangeli (Anm. 3), S. 260 f. Vgl. auch Breve notizia della canonizzazione dei Santi celebrate in diversi tempi nella Patriarcale Basilica Vaticana, Roma 1839; Carlo Galassi Paluzzi (Anm. 3), S. 347 – 368. 62 Aus der Literatur zum Hl. Jahr Paolo Brezzi, Storia degli Anni Santi, Milano 1975; Eva Maria Jung-Inglessis, Das Heilige Jahr in der Geschichte, 1300 – 1975, Bozen 1974; Piero Bargellini, L’Anno Santo nella storia, nella Letteratura e nell’Arte, Firenze 1974; E. Laici, Gli Anni Santi e le basiliche giubilari, Roma 1925. 2
63
Immer noch grundlegend: Nikolaus Paulus, Geschichte des Ablasses im Mittelalter vom Ursprung bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, 3 Bde., Paderborn 1922 – 1923. Gegenwart: AAS 59 (1967), S. 5 – 24, 91 (1999), S. 129 – 147; CIC 1983 can. 306, 992 – 997. 64
Hermann Josef Schmitz, Die Bussbücher und die Bussdisziplin der Kirche, 2 Bde., Mainz 1883, Nachdr. Graz 1958; Bernhard Poschmann, Die abendländische Kirchenbuße im frühen Mittelalter, Breslau 1930; Ludger Körntgen, Studien zu den Quellen der frühmittelalterlichen Bußbücher, Sigmaringen 1993.
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sie in ähnlicher Weise wieder geschlossen. Es gibt darüber auch eine Beschreibung aus dem Jahre 1750 65 . IX. Wieweit in der Frühzeit in Alt-Sankt Peter Gericht gehalten wurde, ist nicht feststellbar. Bischöfe hielten in römischen Basiliken Gericht, nachdem sie unter Konstantin auch in Zivilsachen richterliche Kompetenz erhielten und das episcopale iudicium staatlich anerkannt wurde 66 . Trotz kirchlichen Verboten seit 1183, Gerichtssitzungen in Kirchen abzuhalten 67 , wurde in Kirchen und deren Anhängen immer wieder Gericht gehalten 68 . Für St. Peter waren solche Verbote auch unwirksam, weil hier der Gerichtsort mit der Kaiserpolitik zusammenhing und der Kaiser sich als Gerichtsherr Roms ansah, was auch immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen Papst und Kaiser führte 69 . Über St. Peter und seine Umgebung als Gerichtsort darf ich hier wiederholen, was ich anderorts dazu geschrieben habe 70 . S. Maria in Turri war ein kleines Gotteshaus an der inneren Seite des Portikus zum Atrium von Alt-Sankt Peter und wird schon im 8. Jahrhundert erwähnt 71 . Hier hat der Kaiser hoheitliche Rechtsakte vorgenommen und fanden Königsempfänge statt, vor allem aber führte des Kaisers ständiger „missus ad iustitiam faciendum“ oder Präfekt in S. Maria in Turri an mehreren Tagen den Vorsitz bei Gerichtsverhandlungen 72 . Der „Libellus de imperatoria potestate in
65
Pietrangeli (Anm. 3), S. 264 und die dort S. 330 angeführte Literatur. Vgl. auch S. Garofalo, Il simbolismo nelle nuove valve di bronzo per la Porta santa di San Pietro, in: Roma Nobilis, Roma 1953, S. 727 ff. 66
Codex Theodosianus I, 27, 1 (Theodosiani Libri cum constitutionibus Sirmondianis, ed. Theodor Mommsen, Berlin 1905, S. 62). 67
X, 3, 49,5. Vgl. auch X, 3,49 und VI, 3, 23,2.
68
Markus Rafael Ackermann, Mittelalterliche Kirchen als Rechtsorte, in: ZRG Germ. Abt. 110 (1993), S. 530 ff. 69
Theodor Hirschfeld, Das Gerichtswesen der Stadt Rom vom 8. bis 12. Jahrhundert, Diss. Berlin 1912, S. 24; Helmut Beumann, Der deutsche König als „Romanorum Rex“, in: SB der Wissenschaftl. Gesellschaft an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M. XVIII, Wiesbaden 1981, S. 35 ff. 70
Louis Carlen, Recht, Geschichte und Symbol, Hildesheim 2002, S. 169 f.
71
W. Meyer-Barkhausen, Die frühmittelalterlichen Vorbauten am Atrium von St. Peter, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch XX (1958), S. 7 ff. 72
Hirschfeld (Anm. 69), S. 23.
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urbe Romana“ verfasst um 998 – 1002, spricht von einem Gerichtsort des Missus vor St. Peter, wo dieser im Namen des Kaisers Recht sprach 73 . „Venientes autem ante fores basilicae beati Petri apostoli ad sanctam Mariam in turri, ubi iudicium deatum erat“, heißt es in den Akten eines Prozesses zwischen dem Kloster Farfa und den Geistlichen der Kirche S. Eustachio 998 74 . Im Atrium von St. Peter wurde ebenfalls Gericht gehalten. Der Pigna-Brunnen versinnbildete „die Jurisdiktion des Kaisers im Atrium“ 75 . Die Gesandten Kaiser Heinrichs V. verhandelten hier 1111, und in der Kirche S. Maria in Turri trafen sie eine Vereinbarung 76 . In St. Peter selber hielt Karl der Große im Jahre 800 Gericht. Ferdinand Gregorovius schildert das wie folgt: „Karl berief Geistliche, Adel und Bürgerschaft, Römer und Franken, zu einer Versammlung. Dieses Parlament, eine Synode in Form eines Gerichts, traf am 1. Dezember in St. Peter zusammen. Der König, mit der Toga und Chlamys des Patricius bekleidet, saß neben dem Papst; zu ihren Seiten hatten ringsum die Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte Platz genommen, während die Geistlichen niederer Grade und der gesamte Adel der Römer und Franken aufrecht standen. Karl sagte ihnen, dass er gekommen sei, die gestörte Ordnung der Kirche herzustellen, die an ihrem Oberhaupt begangenen Frevel zu bestrafen und zwischen den Römern als den Klägern und dem Papst als dem Beschuldigten Gericht zu halten. Vor dem Tribunal des Patricius sollten nochmals die Klagen, welche die empörten Römer gegen den Papst erhoben hatten, gehört und das Schuldig und Nichtschuldig über diesen ausgesprochen werden. Die richterliche Befugnis Karls war unbestritten“ 77 .
Nachdem Karl der Große die Anklagen gegen Papst Leo III. angehört hatte, diese aber als nicht bewiesen ansah, leistete der Papst auf der Kanzel, das Evangelium in der Hand, den Reinigungseid. Ähnlich hatte sich schon Papst Pelagius (556 – 561), den einige Römer beschuldigten, beim Tod seines Vorgängers Vigilius (537 – 555) die Hand mit im Spiel gehabt zu haben, öffentlich in St.
73
Monumenta Germaniae Historica, Scriptores III, S. 719 ff. Der Missus wohnte im kaiserlichen Palast bei St. Peter. 74
Ignazio Giorgi / Ugo Balzani, Il Regesto di Farfa, III, Rom 1883, S. 138.
75
Ulrich Schulze, Brunnen im Mittelalter, Politische Ikonographie der Kommunen in Italien, Frankfurt a. M. 1994, S. 135. 76
Louis Duchesne / Cyrille Vogel (Hg.), Le Liber Pontificalis, II, Paris 21955, S. 339.
77 Ferdinand Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter (1848/49), Ausgabe Waldemar Kampf, I, München 1978, S. 457.
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Peter durch einen Eid gereinigt 78 . Solche Reinigungseide in der Kirche wurden häufig geschworen 79 . Karl der Große hielt einige Tage nach seiner Krönung zum Kaiser in St. Peter Gericht über die römische Opposition 80 . X. Auf Altären wurden im Mittelalter in rituellen Handlungen Dokumente niedergelegt. Das konnte mit dem Altarpatron als Adressaten zusammenhängen aber auch mit dem zusätzlich beglaubigten öffentlichen Akt, sowie der Hoffnung auf die schützende Sakralumgebung 81 . Diesen Vorgang treffen wir auch in St. Peter, wo Karl der Große 774 mit dem Papst zusammen kam und eine Ausfertigung der Urkunde mit der ergänzenden Schenkung seines Vaters Pippin 82 in der confessio niederlegte, auf den Leib des heiligen Petrus und unter die Evangelien. Diese pflegte man dort zu küssen 83 . Die Nähe zum Altar und sakrale Riten sollten hohe Rechtssicherheit gewähren 84 . In diesem Zusammenhang ist auch das Archiv der „Fabbrica di San Pietro“ zu erwähnen, dessen Dokumente von 1503 bis heute reichen und ein vielfältiges juristisches Material umfassen. XI. Die Überreichung von Insignien an kirchliche Würdenträger darf auch als Rechtsakt betrachtet werden. Man denke an die feierliche Überreichung des roten Hutes mit beiderseits 15 herabhängenden Quasten an die Kardinäle. Innozenz IV. verlieh auf Grund eines Beschlusses der Synode von Lyon den
78
Ebd., S. 458.
79
Carlen (Anm. 70), S. 173.
80
Eugen Ewig, in: Handbuch der Kirchengeschichte III/1, Freiburg 1985, S. 109.
81
Hans Peter Neuheuser, Rechtssicherheit durch Sakralisierung, in: ZRG Kan. Abt. 90 (2004), S. 371. 82
Percy Ernst Schramm, Das Versprechen Pippins und Karls des Großen für die Römische Kirche, in: ZRG Kan. Abt. 27 (1938), S. 180 ff. 83 84
Louis Duchesne, Liber pontificalis, V, Paris 1886 (Nachdruck 1955), S. 22 ff.
Peter Classen, Karl der Große, das Papsttum und Byzanz, in: Helmut Beumann (Hg.), Karl der Große, Lebenswerk und Nachleben, I, Düsseldorf 31967, S. 551.
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Hut, der bis 1591 nur an weltgeistliche Kardinäle und seit 1591 auch an Ordensgeistliche ging 85 . Meist wurde der Hut in St. Peter feierlich überreicht; es sind nur wenige Fälle bekannt, dass er übersandt wurde 86 . Erwähnt sei auch die Überreichung des Palliums 87 , „quo quidem significatur potestas qua, in communione cum Ecclesia Romana, Metropolita in propria provincia iure instruitur“ 88 . XII. St. Peter ist großer Wallfahrtsort. Im Zusammenhang mit dem Recht stehen Straf- und Sühnewallfahrten 89 , die von kirchlichen und weltlichen Gerichten und von Schiedsgerichten verhängt wurden und auch durch das System der päpstlichen Reservatsfälle ausgeweitet wurden, wonach für gewisse schwere Missetaten nur durch eine persönliche Wallfahrt nach Rom Absolution erlangt werden konnte 90 . Gefördert wurden die Bußwallfahrten nach Rom auch durch die Totschlagsühnen, die seit dem endenden 13. Jahrhundert bis ins beginnende 18. Jahrhundert auftreten und wobei durch einen Vertrag zwischen dem Täter und den Verwandten des Getöteten ein Sühnevertrag abgeschlossen wurde, der den Täter unter anderem zu Wallfahrten verpflichtete 91 . Strafwallfahrten nach Rom wurden auch aus Gnade verfügt, indem die Wallfahrt an die Stelle einer Leibes- oder Todesstrafe trat.
85
Carlen (Anm. 23), S. 60 f.
86
P. M. Baumgarten, Die Übersendung des roten Hutes, in: HJ 26 (1906), S. 99 – 103, 696 f. 87
Carlen (Anm. 23), S. 66 f., 72 f. Lit.
88
CIC 1983 can. 437, auch can. 355 § 2; CIC 1917 can. 275 – 279.
89
Louis Carlen, Straf- und Sühne-Wallfahrten nach Rom, in: Festschrift Hermann Baltl zum 70. Geburtstag, hg. von Helfried Valentinitsch, Graz 1988, S. 131 – 153; ders., Pèlerinage et droit au moyen-âge, in: Medioevo in Cammino: L’Europa dei pellegrini, Orta di San Giulio 1989, S. 361 – 372; ders., Wallfahrt und Recht im Abendland, Freiburg 1987, S. 70 – 102. 90
Leopold Carl Goetz, Studien zur Geschichte des Bussakramentes, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte XVI (Gotha 1896), S. 360; Mathias Hausmann, Geschichte der päpstlichen Reservatsfälle, Regensburg 1868; Cyrille Vogel, Le pèlerinage pénitentiel, in: Pellegrinaggi e culto dei santi in Europa fino alla crociata, Todi 1963, S. 82. Allgemein über Pilger und Wallfahrten nach Rom u. a. die Lit. bei Richard Krautheimer, Rom, Schicksal einer Stadt, 312 – 1308, Darmstadt 21996, S. 370 f. 91
Dazu die Literatur bei Carlen, Strafwallfahrten nach Rom (Anm. 89), S. 135.
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Neben anderen Patriarchalbasiliken war St. Peter eines der Hauptziele dieser Wallfahrten, für die wir u. a. zahlreiche Belege aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien und den Niederlanden besitzen. Die Büßer mussten sich in den Patrialchalbasiliken bestimmten Bußriten unterziehen 92 . Man wies ihnen einen besonderen Platz während des Gottesdienstes zu und legte ihnen die Bußrute auf, was symbolisch Bannlösung ist 93 . Die päpstlichen Pönitentiare gaben reumütigen Sündern mit einem langen Stab in St. Peter einen sanften Schlag aufs Haupt 94 . XIII. Rechtsikonographische Darstellungen in Kirchen 95 machen diese nicht zu Rechtsstätten, immerhin aber sei für St. Peter darauf hingewiesen, weil solche Bildwerke auch die Legitimation des Papstes und seine Ansprüche untermauern. Beim Papstwappen enthält der Schild regelmäßig nur das Familienwappen des jeweiligen Papstes, wobei Tiara und Schlüsselpaar als Symbole des päpstlichen Wappens den Schild timbrieren 96 . Da die Päpste St. Peter seit dem frühen Mittelalter als Grablege bevorzugten, schmücken ihre Grabmäler verschiedentlich Zeichen der päpstlichen Legitimation und Gewalt. Am Grabmal Innozenz X. stellte man zwei Statuen auf, welche die geistliche und die weltliche Gewalt personifizieren sollen 97 . Auf anderen Grabmälern ist die Iustitia 98 . Schlüssel in der Hand der Päpste und die Tiara
92
Josef A. Jungmann, Die lateinischen Bussriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Innsbruck 1932, S. 6 f., 21 f.; Raimund Kottje, Bußpraxis und Bußritus, in: Segni e riti nella chiesa altomedievale occidentale, Spoleto 1987, S. 391; R. E. Reynolds, Rites of separation and reconciliation in the early middle ages, in: ebd., S. 405 ff. 93 Auch im Pontificale Romanum, p. III, Ordo excommunicandi et absolvendi (vgl. auch CIC 1917 can. 2257 § 2). 94
Louis Carlen, Rechtsstäbe im religiös-kirchlichen Bereich, in: Festschrift für Hermann Baltl zum 80. Geburtstag, hg. von Kurt Ebert, Wien 1998, S. 59 f. 95
Louis Carlen, Rechtsikonographisches in Kirchen Roms, in: Louis Carlen (Hg.), Forschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde, Bd. 21 (2004), S. 203 – 225. 96
Dazu Bruno Heim, Wappenbrauch und Wappenrecht in der Kirche, Olten 1949; ders., Heraldy in the Catholic Church, Gerrards Cross 21981; Donald Lindsay Galbreath, Papal Heraldry, London 71972. 97
Pierre Grimal, Die Kirchen Roms, Glanzvolle Symbole der Ewigkeit, Stuttgart 2002, S. 121. 98
Carlen (Anm. 95), S. 208.
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auf dem Haupt machen deren Gewalt sichtbar, ebenso eine reich verzierte Cappa magna 99 . Die Schlüssel als Symbol der Binde- und Lösegewalt 100 in der Hand des Petrus erscheinen auch auf der bekannten Bronzestatue, wahrscheinlich von Arnolfo di Cambio (gest. 1302), in St. Peter 101 . An St. Peter und Paul, am 29. Juni, wird die Statue mit Pontifikalparamenten und Krone bekleidet. Die Krone spielte in St. Peter auch eine Rolle, als 1631 die „Madonna della Febre“ feierlich gekrönt wurde 102 . Pius IX. krönte 1854 das Bild der Unbefleckten Empfängnis in St. Peter 103 . Giotto malte im Jahre 1298 in der Vorhalle von St. Peter das Schiff Petri, ein Symbol, das eine lange Geschichte von der theologischen Urzeit an, etwa in den Ps-Klementinen, bis zur Lehre von Papst Innozenz III. hat. Es wurde eine Symbolgeschichte des römischen Primats und kirchenrechtlich und kirchenpolitisch verwendet 104 . Dass die Darstellung des Schiffes Petri unter Papst Bonifaz VIII. in St. Peter wiederholt wurde, ist wohl nicht zufällig, da dieser Papst noch einmal die Lehre vom Primat verkündete 105 . Päpstliche Hoheit und Gewalt bringen auch andere Bildwerke in St. Peter zum Ausdruck. Dass der Papst über den Konziliarismus, der auf dem Konzil von Konstanz (1431 – 1439) die Oberhoheit der Allgemeinen Konzilien über den Papst forderte, den Sieg davon trug, lies Papst Eugen IV. (1431 – 1447) auf dem mittleren Portal von St. Peter, das im 17. Jahrhundert nach Neu-Sankt Peter übernommen wurde, darstellen. Petrus übergibt dem vor ihm knienden Papst Eugen IV. und nicht dem Konzil die Schlüssel des Himmelreichs. Auf einem Reliefband mit dem Unionskonzil von Ferrara–Florenz thront Papst Eugen über den Konzils-Teilnehmern und über dem griechischen Kaiser 106 .
99
Carlen (Anm. 95), S. 210 ff.
100
Gratian, Decr. I dist. XX 2; Petrus Lombardus, Sent. IV dist. 18,2.
101
U. a. Erwin Gatz, Roma Christiana, Regensburg 1998, S. 20, 122 f.
102
M. Dejonghe, Les madonnes couronnées de Rome, in: Orbis Marianus I (Paris 1967). Das Kapitel von St. Peter arbeitete im 17. Jahrhundert einen Ordo aus, der Vorschriften für eine Krönung und den Krönungsritus enthielt. Neue Ordines 1897 von der Ritenkongregation und 1981 von der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst (Louis Carlen, Maria im Recht, Freiburg 1997, S. 25). 103
Carlen, ebd., S. 28.
104
Hugo Rahner, Symbole der Kirche. Die Ekklesiologie der Väter, Salzburg 1964; Klaus Schatz, Der päpstliche Primat, Würzburg 1990. 105
J. B. Lo Grasso, Ecclesia est Status: De mutuis officis et iuribus fontes selecti, Rom 21952, Nrn. 491 ff.; Denzinger (Anm. 55), Nrn. 872 f. 106
Carlen (Anm. 95), S. 211.
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Die verschiedenen Ehrenstatuen der Päpste sind auch Herrschaftszeichen 107 . XIV. Fassen wir zusammen: Im Sinne der Rechtsarchäologie ist die Basilika St. Peter in Rom auch Rechtsort. In ihr wurden und werden kirchliche Handlungen vorgenommen, denen das Kirchenrecht Rechtscharakter zumißt. Hier fanden Papstwahlen und Papstkrönungen mit dem zugehörigen und nachfolgenden Zeremoniell statt wie auch Kaiserkrönungen. In der Basilika waren Sitzungen von Konzilien. Sie sah Kanonisationen. In St. Peter und seinen Anlagen wurde Gericht gehalten. Die Altäre sollten auf ihnen niedergelegten Dokumenten Rechtssicherheit gewähren 108 . Die Basilika ist Stätte, wo Insignien überreicht werden. Sie war Ziel von Straf- und Sühnewallfahrten mit entsprechenden Bußriten. Schließlich künden rechtsikonographische Bildwerke von päpstlicher Legitimation und Gewalt.
107 Krautheimer (Anm. 90), S. 252, 387; Werner Hager, Die Ehrenstatuen der Päpste, Leipzig 1929; Gerhard B. Ladner, Die Papstbildnisse des Altertums und des Mittelalters, 3 Bde., Città del Vaticano 1991 – 1989. Hinzuweisen ist auch auf die Grabdenkmäler: Renzo U. Montini, Le tombe dei papi, Roma 1957; Werner Goetz, Die mittelalterlichen Grabmäler in Rom und Latium vom 13. bis 15. Jahrhundert, I, Rom / Wien 1981; Michael Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung, Göttingen 1989. 108 Sandy Viek, Der mittelalterliche Altar als Rechtsstätte, in: Mediaevistik, Internationale Zeitschrift für interdisziplinäre Mittelalterforschung 17 (2004), S. 111 ff.
Jurisdiktionsakte von Weihbischöfen der Mainzer Erzdiözese im späten Mittelalter Von Anna Egler
I. Bemerkungen zum Thema 1. Der Gegenstand Die folgenden Darlegungen untersuchen das Wirken der Weihbischöfe unter einem Aspekt, der bisher keine besondere Aufmerksamkeit erfahren hat. Denn die Bezeichnung „Weihbischof“ bedingte eine Blickverengung auf die Pontifikalfunktionen, für deren Vollzug dieser Stellvertreter des Bischofs eingesetzt wurde. Weil die Pontifikalien genuines Tätigkeitsfeld des Weihbischofs und Ausdruck des beinahe täglich sich vollziehenden Gottesdienstes der Kirche in der Gemeinschaft der Gläubigen sind (z. B. Konsekrationen und Benediktionen von Personen, Gegenständen, Gebäuden und Orten), fanden sie größeres Interesse. So wird in der Literatur vorwiegend, manchmal sogar ausschließlich, das Wirken der Weihbischöfe auf ihre Weihehandlungen beschränkt. Jedoch lässt sich aus den Quellen ein weiterer Wirkradius der Weihbischöfe erheben, ihr Tätigwerden auf dem Gebiete der Leitungsgewalt, der potestas iurisdictionis. Allerdings ist die Überlieferung dieser Aktivitäten nicht so günstig wie für die Pontifikalhandlungen. Die Kommissionen der Erzbischöfe und ihre Mandate für Einzelfälle beweisen die Ausstattung der Weihbischöfe mit der potestas iurisdictionis. Dass diese Vollmacht eingesetzt wurde, dafür liefern die Quellen Beweise; Ziel dieses Beitrages ist es, diese fast unbekannte Seite der Tätigkeit der Weihbischöfe in dem hier möglichen Umfang zu erhellen 1 . 1
Die Quellen, aus denen der Beitrag schöpft, wurden mit dem Jubilar v. a. im Staatsarchiv Würzburg in jahrelanger Arbeit erforscht. Die Abhandlung ist der Ertrag gemeinsamen Bemühens um die Moguntiaca. Seit Abfassung seiner Dissertation „Die geistliche Gerichtsbarkeit des Erzbischofs von Mainz im Thüringen des späten Mittelalters“ blieben die Moguntiaca ein Forschungsdesiderat für Georg May. Der hier vorgelegte „Baustein“ will sich in die Linie seiner wissenschaftlichen Publikationen zu diesem Themenbereich einreihen.
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2. Der zeitliche Rahmen Das Spätmittelalter als zeitlicher Rahmen der Darstellung wurde gewählt, einmal, weil die mit dem 14. Jahrhundert einsetzende Entwicklung zur Bestellung des Weihbischofs für eine Diözese einen gewissen Abschluss erreicht hatte 2 . Es endete die Zeit der vorübergehend aushelfenden (mitunter auch vagierenden) Bischöfe, die aus ihren vor allem im Osten, Norden und im Orient gelegenen Bistümern nicht Besitz ergreifen konnten, vertrieben worden waren oder diese durch Flucht hatten verlassen müssen. Heimat- und gleichsam arbeitslos hatten sie ihre Dienste den Oberhirten im Reich angeboten. An ihre Stelle traten nun die Weihbischöfe, die durch die Bestimmungen des Konzils von Vienne (1311 – 1312) und mit der Ernennung zu Titularbischöfen zu einem anerkannten Glied in der Hierarchie aufrückten 3 . Etwa ab Mitte des 15. Jahrhunderts verblieben sie in der Diözese, in und für die sie vom Ortsoberhirten berufen worden waren. Sie wirkten künftig kaum mehr gleichzeitig oder wechselweise und vorübergehend aufgrund spezieller Vollmachten in verschiedenen Bistümern. Vielmehr waren sie nun in der Regel in einer Diözese tätig 4 und damit die ständigen Stellvertreter des Ortsoberhirten für die Pontifikalien geworden. Weiter begründet sich der zeitliche Ansatz, weil seit dem Jahre 1383 die Kommissionen der Mainzer Erzbischöfe für ihre Vicarii bzw. Vicarii generales in pontificalibus als handschriftliche Quellen beinahe lückenlos vorliegen 5 . Sie 2
August Fr. Koch, Die Erfurter Weihbischöfe, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde 6, 1865, S. 33 – 126 , hier S. 67 – 68; Bruno Krusch, Studie zur Geschichte der geistlichen Jurisdiktion und Verwaltung des Erzstifts Mainz. Commissar Johann Bruns und die kirchliche Eintheilung der Archidiaconate Nörten, Einbeck und Heiligenstadt, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen 1897, S. 112 – 277, hier S. 125; S. 174; Heinrich Otto, Die frühesten Mainzer Weihbischöfe, in: Historisches Jahrbuch 58, 1938, 120 – 128, hier S. 120 f. 3
Clem. 1, 3, 5; Georg Christian Joannis, Rerum Moguntiacarum libri quinque, 3 Bde., Frankfurt 1722 – 1727, hier II, p. 420; Paul Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, 2. Bd., Berlin 1878, ND Graz 1959, S. 171 – 176; D. Rattinger, Die Mainzer Weihbischöfe des Mittelalters, in: Der Katholik 75/I, 1895, S. 140 – 153, 245 – 258, hier S. 150, 245 – 246; Otto, Die frühesten Mainzer Weihbischöfe (Anm. 2), S. 120 f.; Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 50 – 67. 4 Im 15. Jahrhundert waren von 24 Weihbischöfen nur noch drei von ihnen auch in anderen Bistümern tätig: Conradus Eubel (Hrsg.), Hierarchia catholica medii aevi, Bd. 1, Münster 21913, Bd. 2, Münster 21914, hier I, S. 554; II, S. 278. 5 Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Ingrossaturbücher (zitiert: StA Würzburg MIB mit Bandangabe); Papierkopien der Sicherheitsfilme dieser Bestände im Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz (www.igl.uni-mainz.de); Auszüge
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geben Aufschluss über die Befugnisse der Weihbischöfe sowohl hinsichtlich ihrer territorialen wie inhaltlichen Zuständigkeit. Man betritt damit einen einigermaßen sicheren Boden für das Rechtsinstitut der Hilfsbischöfe und den Umfang ihrer Tätigkeit 6 . 3. Die Mainzer Verhältnisse Schließlich ist für die Erzdiözese Mainz 7 auf eine Besonderheit hinzuweisen. Seit Anfang des 14. Jahrhunderts wirkten im Mainzer Sprengel wahrscheinlich zwei Weihbischöfe 8 . Dies ist eine Einmaligkeit unter den 21 deutschen Fürstbistümern. Denn die Verhältnisse im Erzbistum Salzburg waren nicht gleicher Art. Dort wurden die Funktionen eines Weihbischofs vom Bischof von Chiemsee wahrgenommen 9 . Dass der Erzbischof von Mainz zweier Weihbischöfe bedurfte, war einmal durch die große Ausdehnung der Erzdiözese und zum anderen durch seine vielfältigen Belastungen im Dienste des Reiches durch die Aufgaben als Erzkanzler bedingt. Mit den ihnen obliegenden außerordentlichen, vielfältigen und schwierigen Aufgaben begründen denn von Kommissionen bei Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, passim und Valentin Ferdinand Gudenus (Hrsg.), Codex diplomaticus anecdotorum res Moguntinas illustrantium, 5 Bde., Göttingen 1745, Frankfurt / Leipzig 1747 – 1758, passim. 6
Zur Begrifflichkeit vgl. Hinschius, Das Kirchenrecht (Anm. 3), II, S. 174 f.
7
Chronologische Auflistung der Weihbischöfe: Mainzer Weihbischöfe im Erzbistum, in: Friedhelm Jürgensmeier (Hrsg.), Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, Bd. 3, 2 (= Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 6. Bd.), Würzburg 2002, S. 1702 f.; Die Mainzer Weihbischöfe, in: Friedhelm Jürgensmeier, Das Bistum Mainz. Von der Römerzeit bis zum II. Vatikanischen Konzil (= Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte, 1. Bd., Frankfurt a. M. 21989, S. 327 f.; Eubel, Hierarchia catholica [Anm. 4], I, S. 554; II, 278). 8
Georg May, Die Gehilfen für die Pontifikalfunktionen, in: Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, hrsg. von Friedhelm Jürgensmeier, Bd. 2, Würzburg 1997, S. 521 – 526, hier S. 524; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 417 – 454; Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 804 – 839; Krusch, Studie (Anm. 2), S. 125; Koch, Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 67 – 126. Nach Johann Wolf, Eichsfeldische Kirchengeschichte mit 134 Urkunden, Göttingen 1816, S. 129 erfolgte erst im Jahr 1383 eine zweifache Bestellung. 9
Johannes Wilhelm Fuchs, De suffraganeis seu de vicariis generalibus in pontificalibus episcoporum Germaniae, Von denen Weihbischöfen, Diss. Iur. eccl. Mainz 1782, p. 22; Manfred Heim, Der Bischof von Chiemsee als Weihbischof in Salzburg und die Stellung des Archidiakons und Stiftspropstes von Herrenchiemsee, in: Weihbischöfe und Stifte. Beiträge zu reichskirchlichen Funktionsträgern der Frühen Neuzeit, hrsg. von Friedhelm Jürgensmeier (= Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 4), Frankfurt a. M. 1995, S. 52 – 65.
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auch die Erzbischöfe die Bestellung von Gehilfen für die Pontifikalien 10 . Sie setzten daher einen Weihbischof für die rheinischen Gebiete mit Sitz in Mainz (in partibus Rheni) und einen für den von der Metropole weit abgelegenen und daher besonderer Fürsorge bedürftigen hessisch-thüringischen Raum mit Sitz in Erfurt (in partibus Hassiae et Thuringiae) ein. Für diese nord-östlichen Teile des Sprengels hatte schon Erzbischof Peter von Aspelt (1306 – 1320) einen Weihbischof bestellt, der als der erste ständige „echte“ Weihbischof „per Thuringiam, Hassiam et Saxoniam“ anzusehen ist 11 . Es war Johannes Messerer, der Episcopus Lavacensis (1312 – 1316) 12 . Mit ihm gleichzeitig wirkte Ludwig, der Episcopus Marroniensis (1313 – 1323). Diese Doppelung deutet an, dass im Mainzer Erzbistum künftig grundsätzlich zwei Weihbischöfe als Gehilfen des Ordinarius auftraten. Trotz der Umschreibung seines Tätigkeitsbereiches, die Johannes in seiner Selbstbezeichnung vornahm, scheint die territoriale Abgrenzung noch nicht endgültig vollzogen gewesen zu sein. Denn der Episcopus Lavacensis Johannes Messerer, der „vicarius per Thuringiam, Hassiam et Saxoniam“ des Erzbischofs, trat auch am Rhein auf 13 . Und Johannes von Reifferscheid, der Episcopus Cyrenensis (1422 – 1447), z. B. wurde im Jahre 1435 „presertim“ für die partes Rheni bestellt 14 , also ein Wirken im östlichen Teil des Erzbistums wurde nicht ausgeschlossen. Die Befugnisse der zwei Weihbischöfe waren nicht nur territorial festgelegt. Der Proepiscopus für die rheinischen Gebiete hatte in gewisser Hinsicht eine Vorrangstellung. Er allein durfte am Gründonnerstag das Chrisam, das Katechumenen- und Krankenöl weihen; nur er wurde vom Erzbischof zum „generalem vicarium nostrum in pontificalibus“ bestellt 15 .
10
Vgl. die einleitenden Worte der Kommissionen „Cum variis et arduis ... negociis“, „Inter curas nostras innumeras“: z. B. StA Würzburg MIB (Anm. 5), 10, fol. 82v; 56, fol. 166v – 167r u. ö.; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 419 – 420; Fuchs, De suffraganeis (Anm. 9), p. 24 – 26. 11
Georg May, Die Anfänge des Generalvikars in der Erzdiözese Mainz, in: ZRG Kan. Abt. 110, 1993, S. 190 – 231, hier S. 205 – 206. 12
Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 806; Eubel, Hierarchia catholica (Anm. 4), I, S. 554; Jürgensmeier, Das Bistum Mainz (Anm. 7), S. 327 – 328, hier S. 327; Handbuch der Diözese Mainz, Mainz 1931, S. 42 – 43; Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 70 – 71. – Die Namen der Bistümer werden nach der Schreibweise von Eubel, Hierarchia catholica (Anm. 4), passim, wiedergegeben. 13 Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 425, 426 (Stift St. Stephan in Mainz, Kloster Arnsburg, Kloster Katlenburg). 14 15
StA Würzburg, MIB (Anm. 5), 22, fol. 88v.
Erstmals so in der Kommission für den Episcopus Cyrenensis am 27. März 1435: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 22, fol. 88v und 28 A, fol. 225v. In der Kommission für
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II. Der Weihbischof 1. Die Bezeichnung Die Bezeichnung Weihbischof drückt bereits aus, wofür dieser Gehilfe des Bischofs bestellt wird: für Weihe- bzw. Pontifikalhandlungen. Durch den Empfang des Ordo episcopalis wird er für diese Aufgabe befähigt16. Der Ordinarius überträgt ihm von den ihm eigenen potestates – der potestas ordinis und potestas iurisdictionis17 – iura ordinis episcopalia, kurz iura pontificalia18. Die Stellvertretung, d. h. die Wahrnehmung der Aufgabe in fremdem Namen, scheint in den Quellen deutlich auf. So überschrieb das Mainzer Provinzialkonzil von 1261 c. 49 „qui vices Episcopi Dioecesani obeunt“ und sprach in den folgenden Ausführungen von den Bischöfen, „qui ... vices Dioecesani exercent“ und „qui vices Dioecesani in consecrationibus gerunt“19. Nach den verschiedenen Benennungen von „gerens/gerentes vices in pontificalibus/spiritualibus“
Erhard Redwitz vom 14. 4. 1494: „In generalem nostrum in pontificalibus Vicarium auctoritate nostra ordinaria et tenore presentium constituimus, facimus, ordinamus et deputamus“ (StA Würzburg, MIB [Anm. 5], 46, fol. 217r). 16
Zur Entwicklung: Hinschius, Das Kirchenrecht (Anm. 3), II, S. 171 – 175; Otto, Die frühesten Mainzer Weihbischöfe (Anm. 2), S. 120 – 128; Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 33 – 126; Jakob Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten über die Erfurter Weihbischöfe, in: Mittheilungen des Vereins für die Geschichte und Alterthumskunde von Erfurt 21, 1900, S. 1 – 93; May, Die Gehilfen (Anm. 8), S. 521 – 526. 17
In Anlehnung an die mittelalterliche Gewaltenlehre wird hier die Zweiteilung der kirchlichen Vollmacht in potestas ordinis bzw. sanctitatis und potestas iurisdictionis zu Grunde gelegt. Seit Mitte des 13. Jahrhunderts wurde der Begriff „iurisdictio“ im weiteren Sinne von kirchlicher Regierungsgewalt gebraucht und von der potestas ordinis unterschieden (Thomas, Summa Theologica II, 2 qu. 39 art 3 Resp; zur Entwicklung: Nikolaus Hilling, Über den Gebrauch des Ausdrucks iurisdictio im kanonischen Recht während der ersten Hälfte des Mittelalters, in: AfkKR 148, 1938, S. 165 – 170; Johann Baptist Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, 2 Bde., Freiburg i. Br. 3 1914, hier I, S. 27 – 29; Walther Kaempfe, Die Begriffe der Jurisdictio ordinaria, quasiordinaria, mandata und delegata im römischen, canonischen und gemeinen deutschen Recht und die zwischen diesen Jurisdictions-Arten obwaltenden Unterschiede, Wien 1876, v. a. S. 196 – 234; Richard Puza, Potestas ecclesiastica, in: LMA VII, 1995, Sp. 133 f. 18
Hinschius, Das Kirchenrecht (Anm 3), II, S. 40 – 41; Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts (Anm. 17), S. 442 – 443. 19 Johann Friedrich Schannat / Joseph Hartzheim (Hrsg.), Concilia Germaniae, Bd.3 und 4, Köln 1760, 1761, ND Aalen 1970, hier III, p. 613.
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bzw. „in pontificalibus et spiritualibus“20, über „in spiritualibus (pontificalibus) vicarius“21 und „generalis vicarius in pontificalibus (et in spiritualibus)“22 hatte sich etwa um die Mitte des 14. Jahrhunderts Vicarius in pontificalibus als Bezeichnung des Weihbischofs herauskristallisiert. Mit Albert von Beichlingen, dem Episcopus Hippusensis (1335 – 1371), der am Rhein und in Thüringen wirkte und in der Diözese Bamberg aushalf23, wird die Bezeichnung „vicarius in pontificalibus“ zunehmend üblicher24 und in den seit 1383 überlieferten Beauftragungen der Weihbischöfe beständig gebraucht25. Die Vicarii in pontificalibus hießen auch Propontifices, Proepiscopi und Suffraganei26.
20 Die Abfolge der Worte variiert: Vices kann den Worten gerens/generentibus nachoder vorangestellt sein. – Belege zur Bezeichnung z. B. Ernst Vogt (Bearb.), Regesten der Erzbischöfe von Mainz von 1289 – 1396, 1. Abt., Bd. 1, Leipzig 1913, S. 577 Nr. 2953, 2954; Heinrich Otto (Bearb.), Die Regesten der Erzbischöfe von Mainz von 1289 – 1396, 1. Abt., 2. Bd., Darmstadt 1932 – 1935, ND Aalen 1976, S. 190 Nr. 3706; 277 Nr. 4127; 332 Nr. 4410; 352 Nr. 4522, 4523. Vgl. auch Hinschius, Das Kirchenrecht (Anm. 3), II, S. 174. Zur begrifflichen und faktischen Trennung der Zuständigkeiten von Weihbischof und Generalvikar: May, Die Anfänge (Anm. 11), S. 190 – 231. 21
Otto, Regesten (Anm. 20), S. 189 Nr. 3702, 3703; Mainzer Provinzialkonzil von 1310: Schannat / Hartzheim, Concilia Germaniae (Anm. 19), IV, p. 177 (Vicarii in Spiritualibus), 205 (in Pontificalibus Vicarii). Zur Abfassung dieses Partikularrechtes durch Erzbischof Peter von Aspelt vgl. Stefanie Unger, Generali concilio inhaerentes statuimus. Die Rezeption des Vierten Lateranum (1215) und des Zweiten Lugdunense (1274) in den Statuten der Erzbischöfe von Mainz bis zum Jahr 1310 (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 114), Mainz 2004. 22
Z. B. Otto, Regesten (Anm. 20), S. 45 Nr. 3089.
23
Franz Falk, Die Literatur zur Geschichte der Mainzer Weihbischöfe, in: Archivalische Zeitschrift NF 73, 1892, S. 284 – 297, hier S. 291; Rattinger, Die Mainzer Weihbischöfe (Anm. 3), S. 255 (1346 Konsekration der Kirche in Mistelfeld). 24
Falk, Die Literatur (Anm. 23), S. 290; Otto, Regesten (Anm. 20), p. 683 Nr. 6234 (22. Juli 1348); S. 697 Nr. 6331 (5. April 1350, Druck: Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 835 Nr. IX); S. 708 Nr. 6410 (15. Juli 1352); Fritz Vigener (Bearb.), Regesten der Erzbischöfe von Mainz 1289 – 1396, 2. Abt., 1. Bd., Leipzig 1913, S. 88 Nr. 342 (1. Juni 1355), S. 588, Nr. 2607 (31. März 1370). So auch Konrad von Vonitza, Episcopus Bundizensis am 18. August 1369: Vigener, Regesten, S. 579, Nr. 2561; Sebastian Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum, Aschaffenburg 1763, p. 13; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 428 – 429 (28. Oktober 1369). 25 StA Würzburg MIB (Anm. 5), 10, fol. 82v; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 429 u. ö. 26
Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), Titel und p. 1; Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), II, p. 804 – 839; Fuchs, De suffraganeis (Anm. 9), p. 15 – 17; Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 7.
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2. Auswahl und Berufung Die Wahl des Weihbischofs als seines ständigen persönlichen Stellvertreters zur Ausübung des Ordo nahm der Erzbischof nach den vom Recht geforderten Voraussetzungen vor: einwandfreier Lebenswandel, gute Bildung bzw. Ausbildung, Eignung für das Amt, begabt mit den Fähigkeiten, die zu übernehmenden Pflichten treu und gewissenhaft zu erfüllen. Auffallend ist, wie häufig Ordenskleriker zum Vicarius in pontificalibus berufen wurden 27 . Von den sechzehn Weihbischöfen in partibus Rheni im 15. Jahrhundert gehörten vierzehn einem Orden an, sehr viele dem Dominikanerorden. Bei Ordensmitgliedern, anscheinend besonders den Söhnen des heiligen Dominikus, setzte man offenbar eine solide theologische Bildung und spirituelle Qualitäten voraus. Tatsächlich war eine beträchtliche Zahl der Weihbischöfe gelehrte Männer. Zu diesen ideellen Gründen kam der nervus rerum. Bei Ordensmitgliedern erhoffte man sich die materielle Mitversorgung durch die klösterliche Kommunität, denn der Apostolische Stuhl forderte die Sicherstellung des Lebensunterhaltes des Hilfsbischofs 28 . Mitunter sorgte der Papst dafür, dass dem Weihbischof Einkünfte für eine standesgemäße Lebensführung zuflossen, wie im Falle des Albert von Beichlingen. Da er von seinem Bistum Hippus in der Provinz Nazareth, gelegen im Gebiet von Schismatikern, keine finanzielle Unterstützung erwarten konnte, sollten der Mainzer Erzbischof und sein Kapitel ihm ein Benefizium, das 18 – 25 Mark abwirft, verleihen 29 . Erzbischof Adolf I. von Nassau (1381 – 1390) entschied, dass die Einkünfte, die seinem Weihbischof Theoderich von Indagine (Dietrich von Hage, 1384 – 1385) aus seinen Pontifikalhandlungen zuflossen, zu teilen sind: Die eine Hälfte der Gebühren kann er „für sine Koste und arbeit haben“, die andere Hälfte sollte er dem Erzbischof reichen 30 . Den von ihm ausgesuchten Kleriker schlug der Erzbischof mit Angabe des Einkommens dem Papst zur Ernennung vor. Denn seit dem Konzil von Vienne 1311 – 1312 konnte kein Kandidat ohne die päpstliche Zustimmung zum Weihbischof befördert werden 31 . Manche Weihbischöfe belegen dies in ihrer
27
Fuchs, De suffraganeis (Anm. 9), p.77 – 79.
28
Willibald M. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. II, Wien / München 21962, S. 132. 29
Päbstliche Urkunden und Regesten aus den Jahren 1295 – 1352, die Gebiete der heutigen Provinz Sachsen und deren Umlande betreffend, bearb. von Gustav Schmidt (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, Bd. 21), Halle 1886, S. 373 Nr. 120 (25. September 1346). 30
Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 809 (8. Juni 1384).
31
Clem. 1, 3, 5.
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Selbstbezeichnung. Z. B. leitete der in Erfurt auftretende Weihbischof Heinrich von Apolda (1331 – 1349) wiederholt seine Schreiben mit „Dei et apostolicae sedis gratia episcopus“ 32 ein. Der päpstlichen Ernennung folgte die Bischofskonsekration und danach die Beauftragung für den Dienst „in pontificalibus“. Schließlich musste der Hilfsbischof die gewissenhafte Erfüllung mit Eid und Revers versprechen. Dem Eid des Weihbischofs Michael Helding (1506 – 1561, Weihbischof in partibus Rheni 1538 – 1550), den er am 5. August 1538 leistete, sind die Pflichten gegenüber Erzbistum und Erzbischof zu entnehmen33. 3. Die potestas des Vicarius in pontificalibus Das Tätigkeitsfeld des Vicarius in pontificalibus ist also zunächst mit der Benennung festgelegt. Er ist Stellvertreter des Ordinarius im Bereich der potestas ordinis, Stellvertreter in der Ausübung der potestas iurisdictionis ist der Generalvikar, der Vicarius in spiritualibus generalis, das alter ego des Ordinarius34. Die potestas ordinaria vicaria erhält der Generalvikar mit der Übertragung des Amtes durch den ihn erwählenden Bischof. Handlungen der Leitungsgewalt gehören, soweit sich diese der Ordinarius zur Erledigung nicht selbst vorbehalten hat, zu den genuinen Aufgaben des Generalvikars. Begrifflich und theoretisch war wohl mit der Bestellung des Dietrich von Ilfeld zum „vicarius generalis in spiritualibus“35 durch Erzbischof Gerlach von Nassau ( 1346 – 1371) und schließlich in der ersten schriftlich überlieferten Kommission des Erzbischofs Konrad II. von Weinsberg (1390 – 1396) für den Generalvikar Nikolaus von Saulheim aus dem Jahre 139136 eine Abgrenzung der Tätigkeiten vollzogen: Stellvertreter des Bischofs für die Funktionen des Ordo ist der Vicarius in pon32
Otto, Regesten (Anm. 20), I, 2, S. 277 Nr. 4127 (13. Februar 1338), 305 Nr. 4272 (22. September 1338); 320 Nr. 4361 (26. April 1339), 4363 (3. Mai 1339); 332 Nr. 4410 (5. September 1339); 352 Nr. 4522 (16. Mai 1340); 352 Nr. 4523 (16. Mai 1340) u. ö.; Vigener, Regesten (Anm. 24), S. 571 Nr. 2528 (20. März 1369); S. 588 Nr. 2607 (31. März 1370). 33
Vgl. den Eid des Weihbischofs in partibus Rheni, Michael Helding (1506 – 1561), den er am 5. August 1538 leistete; Druck: Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 444. 34
Zur historischen Entwicklung und begrifflichen Abgrenzung zuletzt May, Die Anfänge (Anm. 11), v. a. S. 217 – 231. 35 Vigener, Regesten (Anm. 24), S. 464 Nr. 2055; May, Die Anfänge (Anm. 11), S. 221 f. 36
„Commissio Vicariatus in sprititualibus“: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 12, fol. 90v; Druck: Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), II, p. 422 f. Vgl. May, Die Anfänge (Anm. 11), S. 225 – 230.
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tificalibus, für die Ausübung der potestas iurisdictionis der Vicarius (generalis) in spiritualibus. In der Praxis scheint diese strikte Zuordnung bzw. Trennung nicht immer durchgehalten worden zu sein. In den Quellen finden sich Beweise dafür, dass die Vicarii in pontificalibus außer Akten der Weihegewalt auch solche setzten, für die die potestas iurisdictionis erforderlich ist. Da der Weihbischof die Vollmacht für letztere nicht kraft der potestas ordinis besitzen konnte, bedurfte er, um Jurisdiktionsakte erlaubt und gültig setzen zu können, der Ermächtigung. Die Ausstattung mit der potestas iurisdictionis erfolgte seitens der Erzbischöfe entweder in den von ihnen ausgestellten Kommissionen für mehrere Aufgaben oder Tätigkeitsfelder oder durch eine spezielle Beauftragung für Einzelfälle. Für manche von Weihbischöfen gesetzte Akte der Jurisdiktion fehlt der Nachweis der Bevollmächtigung. Die Befugnisse, solche Handlungen vornehmen zu können, leiteten sie u. U. aus der gängigen theologischen Meinung und/oder dem Usus der Zeit ab (wie z. B. die Gewährung von Ablässen). Die iurisdictio der Weihbischöfe ist eine potestas delegata. Mitunter erlaubte ein Erzbischof auch die Delegation der dem Weihbischof verliehenen Vollmacht an Priester oder Mitbrüder im Bischofsamt, wie z. B. den Weihbischöfen Hermann, Episcopus Scopiensis (1385 – 1395) und Johannes von Gudensberg (oder Schonelefe), Episcopus Sleswicensis (1401) in ihren Kommissionen 37 . Der Bischof als erster Verwalter und Spender aller Gnadenmittel seines Sprengels besitzt die iura ordinis episcopalis 38 in vollem Umfang. Diese iura pontificalia sind die Spendung der Firmung und der höheren Weihen 39 , die Bereitung des Chrisams und der heiligen Öle am Gründonnerstag, die Konsekration von Kirchen, Altären, Kelchen und Patenen, die Weihe von Glocken und Kirchenparamenten, die Salbung der Könige, die Benediktion von Äbten und Äbtissinnen, die feierliche Einkleidung von Nonnen, die Rekonziliation entweihter Kirchen, die Vollmacht Ablässe in bestimmtem Umfang zu erteilen und sich bestimmte Sünden zur Absolution vorzubehalten. Die gemeinhin unter
37
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 12, fol. 124v; MIB 13, fol. 238v – 239r.
38
Auch: iura ordinis episcopalia, iura pontificalia, iura episcopalia, iura ordinis reservata; Hinschius, Das Kirchenrecht (Anm. 3), II, S. 40; Sägmüller, Lehrbuch (Anm.17), I, S. 443 – 444; Joseph Augustin Ginzel, Handbuch des neuesten in Oesterreich geltenden Kirchenrechtes. Für den praktischen Gebrauch bearbeitet, 1. Bd., Wien 1857, S. 239 – 242 mit Belegen aus dem vorkodikarischen Recht. 39 Manche Handlungen der potestas ordinis konnten auch Priester, versehen mit einer besonderen päpstlichen Vollmacht, vornehmen, wie z. B. die Spendung der Firmung und der niederen Weihen, die Konsekration von Kirchen, Altären, heiligen Gefäßen, die Glockenweihe, die Benediktion von Äbten und Äbtissinnen, die Rekonziliation polluierter Kirchen. Sie sind iura ordinis communis. (Hinschius, Das Kirchenrecht [Anm. 3], II, S. 40 f.; Sägmüller, Lehrbuch [Anm. 17], I, S. 443 f.).
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dem Oberbegriff „Weihehandlungen“ subsumierten Pontifikalien des Bischofs umgreifen sowohl Akte der potestas ordinis wie der potestas iurisdictionis. Nur wer Inhaber der Leitungsvollmacht ist, kann Rekonziliationen vornehmen sowie Absolutionen erteilen und Ablässe gewähren 40 . III. Die Beauftragung 1. Die Litterae datae bzw. die Commissio Die Einsetzung in das Amt des Vicarius in Pontificalibus geschah durch ein vom Erzbischof ausgefertigtes Dokument, betitelt als „Lit(t)era, Litera data/Litterae datae“, „Commissio“ sowie „Constitutio“ 41 . Littera, v. a. der Plural Litterae, wird auch zur Bezeichnung von Urkunden verwendet, und mit Litterae werden vorzüglich Verwaltungsurkunden charakterisiert 42 . Commissio hatte schon früh die Bedeutung von Übertragung, Verleihung von Vollmacht (potestas vicario data), wurde aber auch für das Instrument, mit dem ein Mandat für die Ausübung von Jurisdiktion erteilt wurde, gebraucht: „qua vice (plerumque iurisdictionis) negotia, potestates deferuntur vel conceduntur“ 43 . Die Lit(t)era data/Litterae datae und die Commissio umschrieben die Pflichten und die wahrzunehmenden Aufgaben. In diesen Dokumenten kondensiert sich der rechtlichserhebliche Akt der Bestellung zum Vicarius in pontificalibus. Inhaltlich stimmen Littera/e data/e und Commissio in vielen Partien überein. In man-
40
Klaus Mörsdorf nennt sie „Akte der Weihegewalt mit jurisdiktionellem Einschlag“ (Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, Bd. I, München / Paderborn / Wien 111964, S. 317). 41
So für Heinrich, den Episcopus Adrimitanensis 1420: StA Würzburg MIB 17 (Anm. 5), fol. 132r. 42 Rudolf Köstler, Wörterbuch zum Codex Iuris Canonici, München 1927, S. 213 – 214; Klaus Mörsdorf, Die Rechtssprache des Codex Iuris Canonici. Eine kritische Untersuchung (= Görres-Gesellschaft. Veröffentlichungen der Sektion für Rechts- und Staatswissenschaft 74. Heft), Paderborn 1937, ND Paderborn 1968, S. 338. Litera waren z. B. die Beauftragungen für Jacobus Lavacensis (1383) und Johannes Cyrenensis (1435) überschrieben, Litera data jene für Johannes Sleswicensis (1401): StA Würzburg MIB 10 (Anm. 5), fol. 82r; 22, fol. 88v; 13, fol. 238v. 43 Mittellateinisches Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert, begr. von Paul Lehmann / Johannes Stroux, Bd. 2 C, Red. von Otto Prinz u. a., München 1999, II, Sp. 969 – 971, hier Sp. 969, 970; J. F: Niermeyer / C. van de Kieft, Mediae Latinitatis Lexicon minus. Lexique latin médiéval – Medival Latin Dictionary – Mittellateinisches Wörterbuch, Vol. I, Darmstadt 22002; S. 285; Mörsdorf, Die Rechtssprache (Anm. 42), S. 107.
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chen Details wurde jedoch eine Modifizierung oder Reduzierung der Aufgabe vorgenommen. Die inhaltlichen Kriterien weisen m. E. auf einen Gebrauch als Synonyma hin. Weil mit der Kommission in der Regel Jurisdiktionsvollmacht übertragen wurde, trug nicht nur die Bestallungsurkunde für den Generalvikar Nikolaus von Saulheim 1391 die Überschrift „Commissio“, sondern auch die Auftragsschreiben für die Richter des Mainzer Erzbischofs 44 . Die Bezeichnung Litera data bzw. Commissio trugen auch Schriftstücke, mit denen der Erzbischof zu Jurisdiktionsakten, die die Bestellungsurkunde nicht beinhaltete, bevollmächtigte. Erzbischof Adolf II. von Nassau (1461 – 1475) z. B. fertigte am 4. Juni 1466 für den Mainzer Weihbischof Sigfried Piscatoris 45 eine Kommission aus, in der er ihn zur Reformierung des Zisterzienserinnenklosters Marienschloß bei Rockenberg bevollmächtigte 46 . Sein gleichnamiger Vorgänger Adolf I. von Nassau hatte mit einer Litera data eine Regelung über die Einkünfte getroffen, die dem Theoderich von Indagine, dem Episcopus Rut(h)inensis, den er zu seinem „Vicarium in Pontificalibus gemachet vnd gesetzet ... nach lude der Commission, die er von vns darüber hatt“, aus den ihm übertragenen Aufgaben zufließen sollen 47 . Formal waren Lit(t)era data/Litterae datae und die Commissio eine Urkunde. Sie weisen die Merkmale einer Urkunde auf, wenn auch nicht alle einer nach den klassischen Regeln abgefassten, so doch die wesentlichen 48 . Sie beginnen mit der Intitulatio, dem Namen des jeweiligen Erzbischofs, der Aussteller ist. Inscriptio und Salutatio sind an den Empfänger gerichtet, den einzusetzenden Weihbischof: Es folgen ineinander fließend die Narratio und die Dispositio, die
44
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 12, fol. 90v; Georg May, Die Organisation von Gerichtsbarkeit und Verwaltung in der Erzdiözese Mainz vom hohen Mittelalter bis zum Ende des Reichskirche, 2 Bde. (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 111, I und II), Mainz 2004, hier II, S. 1239 (Index: Stichwort Kommission, Kommissorium). 45
Erste Ernennung am 14. März 1446, Weihbischof bis 1450 (StA Würzburg MIB [Anm. 5], 25, fol. 169v – 170r – Auszug bei Joannis, Rerum Moguntiacarum [Anm. 3], II, p. 433); Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 17; Falk, Die Literatur (Anm. 23), S. 291 f.; zum zweiten Male: 1460 – 1473. 46
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 36, f. 215r – v (Marienflos statt Marienschloß).
47
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 10, fol. 234v – 235r (1384), gekürzt in: Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 809. Die Kommission konnte in den MIB nicht gefunden werden. 48 Clavis mediaevalis. Kleines Wörterbuch zur Mittelalterforschung, in Gemeinschaft mit Renate Klauser, hrsg. von Otto Meyer, unveränd. ND 1966, S. 256 – 258.
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die Gründe für Abfassung der Urkunde und die Willenserklärung des Ausstellers darlegen. Die Datierung beschließt das Dokument in den Ingrossaturbüchern. Die erste bis jetzt uns bekannte schriftliche Beauftragung eines Weihbischofs ist die „Littera“ für den Franziskaner Jacobus, den Episcopus Lavacensis für den rheinischen Teil des Erzbistums vom 21. Januar 1383 49 . Ältere Überlieferungen bezeugen, dass vor Jacobus wohl schon die Erfurter Weihbischöfe Albert von Beichlingen, Rudolf von Stolberg/Stalberg (1356 – 1373) und Theoderich von Indagine Kommissionen erhalten hatten 50 . Die Bestellung des Rudolf, des Episcopus Constantianensis, am 18. Juli 1370 nahm Erzbischof Gerlach vor „sub eadem forma sicut ante eum habet Dominus Albertus“ 51 . Die wiederholte Verwendung desselben Formulars bzw. eines solchen, das mit denselben Worten einsetzte, kam in Übung. Die Kommission des Jacobus, Episcopus Lavacensis, begann mit den Worten „Cum variis et arduis“. Zwei weitere Ende des 14. Jahrhunderts ausgefertigte Kommissionen gebrauchten dieselbe Einleitung. Es sind jene für die Bischöfe Hermann, den Episcopus Scopiensis, und den Dominikaner Johannes, Episcopus Taurisiensis (1399 – 1405) 52 . Im 15. Jahrhundert, von der Kommission für Johannes, Episcopus Sleswicensis, vom 15. Juli 1401, bis zu jener von Erhard von Redwitz, Episcopus Venecompensis / Vicecompensis (1494 – 1502), vom 14. April 1494 bzw. jener für Thomas Ruscher, Episcopus Venecompensis / Vicecomponensis (1503 – 1510), vom 27. März 1503, wurden die Kommissionen mit drei verschiedenen Formeln begonnen: „Quoniam quidem“, „Incumbentibus nobis“ 53 , „Inter curas nostras“.
49 StA Würzburg MIB (Anm. 5), 10, fol. 82v – ? (unvollständig, Vermerk: es fehlen drei Blätter), das vollständige Dokument konnte anscheinend Joannis noch einsehen: Ders., Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 429 f. – Auch Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S 76 bemerkt, die Anstellungsschreiben früherer Weihbischöfe sind nicht erhalten. Allerdings hält er die Littera für den Episcopus Rut(h)inensis für eine Kommission. Doch ist nur Bezug auf deren Erteilung genommen; die Kommission konnte in den MIB nicht gefunden werden. 50 Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 45 f.; StA Würzburg MIB (Anm. 5), 10, fol. 234v – 235r, gekürzt bei Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 809; Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 74 f. 51 Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 808 f.; Vigener, Regesten (Anm. 24), S. 596 Nr. 2652. 52
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 12, fol. 99v – 100r, 124v – 125r; Auszug: Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 810; MIB 13, fol. 119r – v; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 430; vgl. Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 76 – 77. 53
Erstmals in der Kommission für Friedrich, Episcopus Tullensis (1392 – 1401): StA Würzburg MIB (Anm. 5), 12, fol. 100r – v, 125r – v; Daten: Jürgensmeier, Bistum Mainz (Anm. 7), S. 327; Handbuch der Diözese Mainz (Anm. 12), S. 42.
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2. Der Inhalt der Kommissionen – die Aufgaben Die erste – wenn auch vielleicht nicht in vollständigem Wortlaut – überlieferte Kommission vom 21. Januar 1383, die bereits erwähnte Littera für Jacobus, den Episcopus Lavacensis 54 , listet detailliert die vom Weihbischof wahrzunehmenden Aufgaben auf. Diese bleiben in der Folgezeit weithin dieselben. Fast stereotyp wird dasselbe Vokabular gebraucht unter Übernahme derselben Redewendungen früherer Kommissionen. Die Anfangsworte verschiedener Kommissionen „Cum variis et arduis nostris“, „Incumbentibus nobis“ oder „Inter curas nostras“ sind Varianten im Ausdruck; die Inhalte bleiben im Wesentlichen gleich. Die Erzbischöfe artikulierten immer neu ihre Sorge, sie könnten die Bedürfnisse der Gläubigen vernachlässigen, da sie den mit dem Bischofsamt verbundenen Pflichten nicht ausreichend nachkommen könnten („ad ea que spiritualia sunt et speciliater ad illa que pontificalis ordinis existunt“). Denn auf ihnen lasten vielfältige, schwierige wie mühevolle Obliegenheiten in Stadt und Erzdiözese Mainz. Mit dieser großen Beanspruchung begründeten sie Jahrhunderte hindurch die Berufung eines Vicarius in pontificalibus. Die dem Weihbischof „rite et expresse ...in his scriptis“ anvertraute Stellvertretung („vices nostras … committimus“) umfasste die „auctoritatem nostram liberam et plenam licenciam“ in der Stadt und im Erzbistum 55 . In den Kommissionen des Episcopus Adrimitanensis (Heinrich von Ernerwein/Enerbonn, 1420 – 1427) und des Episcopus Cyrenensis (Johannes Reifferscheid, 27. März 1435) lautete der Kernsatz des Dokumentes: „Vos in vicarium nostrum in pontificalibus et in illis que pontificalis officii existunt, per presentes constituimus, facimus et deputamus“ 56 , nachdem vorher die wahrzunehmenden Pflichten und Befugnisse benannt worden waren. Mit der Littera für den Episcopus Lavacensis 57 wurde
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StA Würzburg MIB (Anm. 5), 10, fol. 82v – ?; gedr. bei Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 429; Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 13 f. 55
Stehende Formulierung: StA Würzburg MIB (Anm. 5), passim.
56
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 17, fol. 132r, gedr.: Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 811 – 812; MIB 22, fol. 88v und 28 A, fol. 225v. – Johannes von Reifferscheid war schon von Erzbischof Konrad III. von Dhaun (1419 – 1434) 1422 zum Weihbischof ernannt worden. – Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 17; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 433; Ingrid Heike Ringel, Studien zum Personal der Kanzlei des Mainzer Erzbischofs Dietrich von Erbach (1434 – 1459) (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte Bd. 34), Mainz 1980, S. 122; Falk, Die Literatur (Anm. 23), S. 285 f., 291 f. 57 StA Würzburg MIB (Anm. 5), 10, fol. 82v; Druck: Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 429.
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gleichsam der Kernbestand der Aufgaben des Weihbischofs festgeschrieben. Er wird bevollmächtigt, – die höheren und niederen Weihen zu spenden (conferre et celebrare), und zwar zu den vom Recht festgesetzten Zeiten und unter Einhaltung der Voraussetzung und Bedingung für die Spendung; 58 – Klöster, Kirchen, Kapellen, Altäre und Friedhöfe zu konsekrieren und zu rekonziliieren; – Nonnen einzukleiden; – Büßer (penitentes) beiderlei Geschlechtes mit Gott und der Kirche zu versöhnen („intronizare et reconciliare“); – Kirchenschmuck, Kelche, Bischofs- und Priestergewänder und alles, was sich auf den Gottesdienst bezieht, zu konsekrieren und zu benedizieren; – das Chrisam, Katechumenen- und Krankenöl am Gründonnerstag in der Stadt Mainz herzustellen und – endlich all das zu erledigen, was zur Erfüllung der vorstehend genannten Aufgaben notwendig oder nützlich ist. – Darüber hinaus erhielt der Weihbischof Jacobus die Vollmacht, die Untergebenen in den Fällen, die dem Erzbischof kraft Rechtes oder aufgrund von Gewohnheit reserviert sind, in foro conscientiae zu absolvieren. – Kirchen, Kapellen und Altäre, die neu errichtet sind oder errichtet werden sollen, darf er nicht konsekrieren, wenn sie vorher nicht dotiert wurden, und zwar wenigstens mit einer Summe von 18 Pfund Hallenses 59 . – Für die Ausstellung der Litterae formatae 60 oder anderer Dokumente, die sich aus den Pontifikalfunktionen ergeben, darf er nur die von früheren Erzbischöfen festgesetzte, übliche Gebühr verlangen. – Schließlich folgt eine Generalklausel, die sicher stellen soll, dass der Weihbischof die ihm übertragenen Aufgaben ungehindert wahrnehmen kann. Er darf in Stadt und Diözese für die Zeit seiner Anwesenheit die Wirkung von Urtei58
Der Erzbischof benennt diese: Überprüfung über den Erwerb der entsprechenden Bildung und Nachweis der gesicherten wirtschaftlichen Situation (ausreichendes Benefizium oder Verfügen über eigenes Vermögen oder andere genügende Einkünfte). 59
Deutsch: Heller, Haller, Häller – der in der Reichsmünzstätte Schwäbisch-Hall geprägte Pfennig, der sich seit Mitte des 13. Jahrhunderts allgemein als Währung durchsetzt (Clavis mediaevalis [Anm. 48], S. 97). 60
Entlassung zur Weihe durch einen anderen Bischof und/oder aus der Diözese.
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len, kirchlichen Interdikten und die Einstellung von Gottesdiensten beenden oder nachlassen/mildern (tollere aut relaxare) und aufheben (suspendere)61. Wenn auch die Kommissionen in ihren wesentlichen Bestimmungen künftig offensichtlich wenig verändert wurden, so nahmen die Erzbischöfe bei den zu übertragenden Vollmachten an ihre Vicarii in pontificalibus mitunter Erweiterungen oder Einschränkungen territorialer oder substantieller Art vor. Z. B. enthalten die Kommissionen der etwa um die Zeit des Episcopus Lavacensis eingesetzten Weihbischöfe Hermann von Wildungen, Episcopus Scopiensis (1392)62, und Johannes, Episcopus Taurisiensis (1399)63, die ebenfalls mit den Worten „Cum variis et arduis“ beginnen, die lokale Bestimmung ihres Wirkungsbereiches: Thüringen und Sachsen; zu den Benediktionen, die sie spenden können, zählt nun auch die Weihe von Äbten. Das scheint in gewisser Weise eine Parallele zur Einkleidung der Nonnen – beides Handlungen an Mitgliedern von Orden, wenn auch unterschiedlich in der Qualität. In die Kommission des Mainzer Weihbischofs Johannes von Reifferscheid wurde dann am 27. März 1435 folgerichtig zur Weihe der Äbte jene von Äbtissinnen aufgenommen64. Hinsichtlich der Weihehandlungen enthält die Kommission des Weihbischofs Johannes Sleswicensis ein interessantes Detail. Dieser von Erzbischof Jo61 Diese Generalklausel geht in die Kommissionen der Folgezeit wortgetreu in den Schlusspassus ein – z. B.: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 12, fol. 125v; MIB 22, fol. 89r. 62
„Commissio Suffraganei in partibus Turingie, Saxonie etc.“: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 12, fol. 124v – 125r; Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 810; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 430. Er hatte in den Jahren 1388, 1389, 1390 und noch am 30. April 1392 Pontifikalhandlungen in den Gebieten am Rhein vorgenommen. – Stephan Alexander Würdtwein, Monasticon Palatinum, T. V, Mannheim 1796, p. 186 – 188; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 430, 906; Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 50 f.; Thomas Schilp (Bearb.), Die Reichsburg Friedberg im Mittelalter. Regesten der Urkunden 1216 – 1410 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 3), 2. Bd., Marburg 1987, S. 234 Nr. 585). Am 2. Juli 1392 pontifizierte er bereits in Erfurt (Dagobert Vonderau, Zur Biographie des Mainzer Weihbischofs Hermann von Wildungen, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 42, 1990, S. 123 f.). 63 StA Würzburg MIB (Anm. 5), 13, fol. 126r – v; Auszug: Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 810. Er scheint sich nicht lange im Mainzer Sprengel aufgehalten zu haben; 1405 ist er als Generalvikar im Bistum Wladislaviensis, 1406 in den Diözesen Metz, Toul und Verdun tätig (Eubel, Hierarchia catholica [Anm. 4], I, S. 501, Anm. 3, 556; Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten [Anm. 16], S. 51 f.). 64
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 22, fol. 88v. In den Kommissionen des Erfurter Weihbischofs Johannes Schulte (1477), der Mainzer Weihbischöfe Heinrich (1486) und Erhard, beide Episcopi Venecompensis / Vicecomponensis, heißt es: „abbates et abbatissas solemniter benedicere“ (MIB 38, fol. 47v; 46, fol. 66v, 217r).
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hann II. von Nassau (1397 – 1419) am 15. Juli 1401 bestellte Vicarius in pontificalibus 65 durfte einen fähigen und geeigneten Bischof zu Weihehandlungen heranziehen, wenn er die Pontifikalhandlungen nicht vornehmen konnte. Ausdrücklich bevollmächtigte der Erzbischof den pontifex deputandus zu Rekonziliationen und führte aus, dass der helfende Bischof kraft der erzbischöflichen auctoritas Personen, die sich einer Rekonziliation widersetzen, durch eine Zensur beugen und Pönitenten des Mainzer Sprengels in foro conscientiae von den dem Ordinarius reservierten Sünden absolvieren kann. Mit dieser Bestimmung stellte der Erzbischof deutlich heraus, dass nur er als ordentlicher Inhaber der Jurisdiktionsgewalt diese für Akte, die der potestas iurisdictionis bedürfen, bevollmächtigen kann 66 . Auch Hermann, der Episcopus Scopiensis, durfte sich bei seiner Tätigkeit von einem fähigen und geeigneten Weltpriester, der im inneren Bereich tätig wurde, unterstützen lassen. Dieser sollte das Bußsakrament spenden und von den reservierten Zensuren lossprechen können 67 . Weiter erhielten die Weihbischöfe Hermann und Johannes die Erlaubnis, Gläubige, die in ungebührlicher Weise sich weigerten, die Rekonziliation (von Orten) vornehmen zu lassen, diese durch Androhung und Verhängung kirchlicher Zensuren dazu zu drängen (compellere valeatis). Die Beichtvollmacht wird den Weihbischöfen in unterschiedlichem Umfang zugestanden. Friedrich, der Episcopus Tullensis 68 , hatte die Vollmacht erhalten, Pönitenten „publice“ mit der Kirche zu versöhnen; von den dem Erzbischof speziell vorbehaltenen Reservatfällen durfte er allerdings nur in foro conscientiae, aber nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Stadt Mainz absolvieren (1392). Weihbischof Reifferscheid besaß eine Beichtvollmacht, die weder territorial noch inhaltlich beschränkt war. Er durfte alle Diözesanen des Erzbischofs auch in Reservatfällen in foro competenti sowohl innerhalb wie außerhalb der Stadt Mainz und im gesamten ihm anvertrauten Gebiet absolvieren 69 . Heinrich von Rübenach, der Episcopus Venecompensis / Vicecompensis
65
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 13, fol. 238r – 239v.
66
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 13, fol. 238r – 239v.
67
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 12, fol. 124v.
68
Er führte den Titel des Bistums Toul, für das er 1391 von Papst Bonifaz IX. ernannt worden war, von dem er jedoch wegen der Gegnerschaft der Anhänger des Gegenpapstes Clemens’ VII. nicht Besitz ergreifen konnte. Erzbischof Konrad bestellte diesen aus Mühlhausen im Elsass stammenden Augustinereremiten 1392 zu seinem Weihbischof (StA Würzburg MIB [Anm. 5], 12, fol. 125r – v); 1399 wurde er auf das Bistum Accon transferiert (Rattinger, Die Mainzer Weihbischöfe [Anm. 3], S. 257 f.; Falk, Die Literatur [Anm. 23], S. 291). 69
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 22, fol. 88v.
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(1486 – 1493) 70 , durfte die „solemniter et publice penitentes“ gemäß den Dekreten der sanctorum patrum mit der Kirche versöhnen und damit zur Einheit mit ihr zurückführen 71 . Eine wichtige, hervorragende Handlung der potestas ordinis des Erzbischofs wird nur dem Weihbischof in partibus Rheni, nicht jenem in partibus Thuringiae gestattet: die Bereitung des Chrisams und des Katechumenen- und Krankenöles am Gründonnerstag. Diese Pontifikalfunktion wurde im Jahre 1383 dem Episcopus Lavacensis Jacobus und 1392 dem Weihbischof Friedrich übertragen; beide gelten als Weihbischöfe, die ihren Sitz in Mainz hatten 72 . Die Weihe der heiligen Öle wird zum Vorrecht der Vicarii in pontificalibus in partibus Rheni werden. Doch enthält die Kommission des Heinrich Ernerwein, der im Jahre 1420 „praesertim“ für die hessischen, sächsischen und thüringischen Lande bestellt wurde, die Vollmacht zur Weihe der heiligen Öle am Gründonnerstag 73 . Ernerwein, der seit 1414 Titularbischof war und wohl auch im Bistum Paderborn Pontifikalhandlungen vorgenommen hatte 74 , scheint schon vor 1420 im Mainzer Sprengel gewirkt zu haben († 1436) 75 . Vielleicht hatte er in früheren Jahren die Beauftragung zur Ölweihe erhalten und diese wollte der Erzbischof ihm nun nicht entziehen. Möglicherweise wurde ihm die Vollmacht verliehen, weil er u. U. auch in partibus Rheni tätig werden konnte. Aber die Kommission beinhaltete eine Einschränkung. Die Weihe der heiligen Öle durfte er nur innerhalb der Grenzen seines Tätigkeitsbereiches, also dem ihm zugewiesenen Gebiet vornehmen. Auch die Ausübung der potestas ordinis erfuhr hinsichtlich der Spendung der heiligen Weihen zunächst eine territoriale Begrenzung. Die Beauftragung war nicht so allgemein gehalten wie in anderen Kommissionen. Zu keiner Zeit durfte Weihbischof Ernerwein ohne besondere 70
1486 – 1493 Weihbischof in Mainz. – Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 438; Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 23. Zu seiner Person: Erwin Gatz (Hrsg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1996, S. 601. 71
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 46, fol. 66v (Kommission vom 8. Oktober 1486). – Zu den Bußriten: Josef Andreas Jungmann, Bußriten, in: LThK II, 21958, Sp. 823 – 826; Josef Andreas Jungmann, Die lateinischen Bußriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Innsbruck 1932; Reinhard Messner, Bußriten, in: LThK II, 31994, Sp. 840 – 845. 72 StA Würzburg MIB (Anm. 5), 10, fol. 82v; MIB 12, fol. 125r – v; Handbuch der Diözese Mainz (Anm. 12), S. 42. 73
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 17, fol. 132r – v.
74
Hans-Jürgen Brandt / Karl Hengst, Die Weihbischöfe in Paderborn, Paderborn 1986, S. 52. 75 Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 54; Brandt / Hengst, Die Weihbischöfe in Paderborn (Anm. 74), S. 52 f.
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Erlaubnis des Erzbischofs Klerikern aus dem rheinischen Teil, nämlich den Bezirken des Domes, der Stifte St. Peter, St. Viktor, St. Maria im Feld, St. Moritz, St. Maria ad gradus in Mainz, St. Peter und Alexander in Aschaffenburg, St. Bartholomäus in Frankfurt, des Stiftes in Moxstadt und St. Martin in Bingen, Weihen spenden 76 . Die Kommission für Johannes Reifferscheid scheint hinsichtlich der Weihe der heiligen Öle am Gründonnerstag endgültig Klarheit geschaffen zu haben. Zunächst galt die Beauftragung zur Vornahme dieser Pontifikalfunktion für Reifferscheid. Jedoch ist der Satz, in dem die Beauftragung ausgesprochen wurde, durch Unterstreichung hervorgehoben. Zudem wurde am Rande vermerkt, dass diese Vollmacht außer dem Weihbischof mit Sitz in Mainz den übrigen Suffraganen verweigert ist 77 . D. h. ab 1435 ist als Vertreter des Erzbischofs für die Weihe der heiligen Öle am Gründonnerstag allein der Vicarius in pontificalibus in partibus Rheni autorisiert 78 . Johannes von Reifferscheid wird ausdrücklich erlaubt, die üblichen, gewohnten Ablässe zu erteilen 79 . Ein deutlicher Hinweis, dass die potestas ordinis nicht befähigt, Ablässe zu gewähren. Diese Vollmacht, die nun als in der potestas iurisdictionis verankerte angesehen wird, muss von deren Inhaber, also für den ihm zustehenden Bereich vom Erzbischof, übertragen werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Erzbischöfe ihren Weihbischöfen großzügig eine Teilhabe an den iura ordinis propria übertrugen; die Stellvertretung des Ordinarius in pontificalibus – wie wohl beabsichtigt und aus den Begründungen der Erzbischöfe zu erkennen – umfasst nahezu alle iura ordinis episcopalia 80 . Die wahrzunehmenden Aufgaben erfuhren mit der Zeit eine gewisse Ausweitung. Unter den Pontifikalien waren solche, die hoheitliche Hirtengewalt erforderten, wie Rekonziliationen und die Verwaltung des Bußsakramentes. Die Vollmacht zur Lossprechung von den Bischöfen reservierten Sünden bzw. Kirchenstrafen scheint mit nur geringen Einschränkungen delegiert worden zu sein.
76
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 17, fol. 132v.
77
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 22, fol. 88v.
78
Vgl. die Kommission für Heinrich Rübenach (1486): StA Würzburg MIB (Anm. 5), 46, fol. 66v. 79 80
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 22, fol. 88v; 28 A, fol. 225v.
In den herangezogenen Kommissionen wird niemals die Krönung und Salbung der Könige erwähnt, die ebenfalls zu den dem Bischof vorbehaltenen Weihehandlungen zählte (Hinschius, Das Kirchenrecht [Anm. 3], II, S. 40; Sägmüller, Lehrbuch [Anm. 17], I, S. 443 f.).
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3. Die Quellen der Kommissionen Die Kommissionen sind inhaltlich keine Neuschöpfung der Erzbischöfe. Die Bestimmungen über Aufgaben und Vollmachten der Vicarii in pontificalibus sind im universal- und teilkirchlichen Recht verankert81. Die Übernahme geht bis in die Wortwahl. Eine Anlehnung an und Anleihe bei den Canones der Provinzialkonzilien von 1261 und 1310 ist deutlich zu erkennen. Dort finden sich nicht nur Befugnisse der Weihbischöfe umschrieben, sondern auch die Bedingungen für die Vornahme von Pontifikalhandlungen. Zu eruieren waren aus den Provinzialsynoden von 1261 und 1310, welche Anordnungen in Kommissionen eingegangen sind bzw. welche die den Weihbischöfen übertragenen Vollmachten zu interpretieren gestatten, wie z. B. bei der Absolution von Reservatfällen, wo stereotyp eine kumulative Angabe erfolgte. Diese lautete in den Kommissionen: Der Weihbischof hat die Absolutionsvollmacht für die Sünden, die dem Erzbischof kraft Rechtes oder aufgrund von Gewohnheit reserviert sind. Damit war die Bevollmächtigung erteilt, die das Provinzialkonzil von 126182 als notwendig hervorgehoben und daran erinnert hatte, dass die Weihbischöfe dieser bedurften, weil sich diese nicht aus der potestas ordinis herleiten lässt. Bevor das Konzil von 1310 diese benannte, unterrichtete es zunächst über die Fälle, die dem Apostolischen Stuhl reserviert waren. Es sind: der tätliche Angriff auf Geistliche und Religiosen, Brandstiftung an/in Kirchen oder Klöstern und simonistische Handlungen von Klerikern. Als dem Bischof zur Absolution vorbehalten werden 25 schwere Vergehen aufgezählt, unter ihnen Mord, Sakrileg, Brandstiftung, Meineid, Simonie, Übertretung von Gelübden, Ehebruch, Häresie, Apostasie, Abtreibung, Zauberei und Geldfälschen83. Die Provinzialsynode von 1310 z. B. schärfte wie bereits jene von 1261 denen, „qui vices Dioecesani in consecrationibus gerunt“ ein, dass sie Kirchen, Kapellen und Oratorien, die neu errichtet wurden oder werden, nur konsekrieren dürfen, wenn diese entsprechend dotiert wurden; wenigstens die Beleuchtung (i. w. S.: Kirchenschmuck) muss gesichert sein. Ausdrücklich 81
Unger, Generali concilio inhaerentes statuimus (Anm. 21), passim, bes. S. 95 f.; Eduard Otto Kehrberger, Provinzial- und Synodalstatuten des Spätmittelalters. Eine quellenkritische Untersuchung der Mainzer Provinzialgesetze des 14. und 15. Jahrhunderts, und der Synodalstatuten der Diözesen Bamberg, Eichstätt und Konstanz, Phil. Diss. Tübingen, Stuttgart 1938, S. 20 f.; Neuenheuser, Die Absolution von bischöflichen Reservaten in der vortridentinischen Zeit gemäß den Verfügungen deutscher Synoden, in: Pastoralblatt 46, 1912, Sp. 257 – 266, 307 – 311. 82 83
C. 49: Schannat / Hartzheim, Concilia Germaniae (Anm. 19), III, p. 613.
Schannat / Hartzheim, Concilia Germaniae (Anm. 19), IV, p. 221 mit III, p. 598 (1261). Allgemein: Plöchl, Geschichte (Anm. 28), S. 378 – 381, 407 (Handlungen, die den Tatbestand der Simonie erfüllten).
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verboten war, unter dem Vorwand einer generellen Kommission Klosterkirchen zu weihen oder den Grundstein zu diesen zu legen; vielmehr müssen die Weihbischöfe dazu „specialiter“ beauftragt worden sein 84 . Die negative Kehrseite der Weihe von Kirchen ist deren Entweihung. Weil viele Zweifel bestanden, wer eine geschändete Kirche (ecclesia violata) rekonziliieren kann, sah man sich 1310 gezwungen, „presentis auctoritate Concilii“ zu erklären, nur ein Bischof könne eine entweihte Kirche entsühnen. Denn die Rekonziliation gehört zu den Handlungen, die den ordo episcopalis fordern 85 . Bei den Weihekandidaten soll nicht nur das Wissen geprüft werden; durch den Empfang des Bußsakramentes sollen sie sich geistlich auf die Weihe vorbereiten (1261). Des Weiteren muss im Scrutinium erforscht werden, ob Vater, Großvater oder andere Vorfahren sich gegen Geistliche vergangen haben (1310)86 . IV. Die Tätigkeit der Vicarii in pontificalibus An Beispielen soll nun aufgezeigt werden, wie die Weihbischöfe von den ihnen übertragenen Vollmachten Gebrauch gemacht haben. Zu den Pontifikalhandlungen werden gemäß dem Thema nur kurze Bemerkungen erfolgen. Außerdem sind diese – wie bereits erwähnt – in der Regel gut bearbeitet, weil quellenmäßig besser greifbar als die Jurisdiktionsakte. 1. Pontifikalien Pontifikalfunktionen der Weihbischöfe sind zahlreich belegt, vor allem die Weihen von Kirchen, Kapellen, Altären und Friedhöfen. Und anlässlich solcher Konsekrationen oder Benediktionen gewährten sie Ablässe. Koch kommt zu der Schlussfolgerung, dass wir die Kenntnisse über die Weihbischöfe des 14. und 15. Jahrhunderts v. a. den Indulgenzbriefen, die sie ausstellten, verdanken 87 . Weihespendungen sind in dieser Epoche seltener belegt, wie z. B. von Weihbischof Nikolaus Gestopolitanus (1420 – 1421). Seine Kommission ist am Vigiltag von Pfingsten 1420 (26. Mai) datiert; am folgenden Samstag, also am
84
Schannat / Hartzheim, Concilia Germaniae (Anm. 19), III, p. 613 (c. 49); IV, p. 205. 85
Schannat / Hartzheim, Concilia Germaniae (Anm. 19), IV, p. 203.
Schannat / Hartzheim, Concilia Germaniae (Anm. 19), III, p. 612 f. (c. 50); IV, p. 177. 86
87
Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 69; Gatz, Die Bischöfe (Anm. 70), passim, wo stets auf die zahlreichen Pontifikalfunktionen der Weihbischöfe verwiesen wird.
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Samstag vor Dreifaltigkeitssonntag, spendete er schon in der Domkirche heilige Weihen 88 . 2. Jurisdiktionelle Akte Die jurisdiktionellen Handlungen der Weihbischöfe sind auf verschiedene Weisen legitimiert. In der Regel legten die Erzbischöfe in den Kommissionen fest, in welchem Umfang sie den Vicarii in pontificalibus die Ausübung der potestas iurisdictionis erlaubten. Daneben erhielten die Weihbischöfe spezielle Beauftragungen und schließlich setzten sie Akte der Leitungsgewalt, ohne dass ein Mandatum für diese zu erkennen ist, wie z. B. bei der Verlegung von Festtagen. a) Aufgrund der Kommission Rekonziliationen kann derjenige vornehmen, der im Besitz der potestas iurisdictionis ist – selbstverständlich der Bischof, seine Stellvertreter bedürfen der Bevollmächtigung. Die Rekonziliation kann Personen und Sachen umfassen. Rekonziliiert werden müssen Personen, die sich eine Kirchenstrafe zugezogen haben und geweihte Gebäude und Orte, die durch Violation bzw. Pollution ihres Weihecharakters verlustig gegangen sind. Der Auftrag, Pönitenten mit der Kirche zu versöhnen, ist fester Bestandteil in den Kommissionen. So rekonziliierten z. B. der Weihbischof Sigfried Piscatoris am 20. 11. 1463 die Kanoniker des Mainzer Stiftes St. Johann und Johannes Bonemilch, Episcopus Sidoniensis (1498 – 1508), 1499 die Stiftskirche in Heiligenstadt 89 . Der Episcopus Scopiensis beurkundete am 3. April 1388 die Entsühnung der Sakristei der Pfarrkirche St. Marien und des Friedhofes in Schwabenheim (Pfaffenschwabenheim) 90 . Obwohl der bedeutende Dekretist Huguccio (1140/50 – 1210) bereits herausgearbeitet hatte, dass die Ablassgewährung ein jurisdiktioneller Akt ist 91 , musste sich erst herauskristallisieren, aus welcher der Gewalten, der potestas ordinis oder der potestas iurisdictionis, sich die Vollmacht zur Gewährung von 88 Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 433; vgl. Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 16. 89
Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 818; Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 64; Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 84. 90 91
Würdtwein, Monasticon (Anm. 62), V, p. 186 – 188.
Karl Rahner, Ablaß, in. LThK I, 21957, Sp. 46 – 54, hier Sp. 49; Rudolf Weigand, Huguccio, in: LThK V, 31996, Sp. 314.
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Ablässen herleitet. Nicht nur in die Kommission für den Weihbischof Johannes von Reifferscheid war ausdrücklich die Vollmacht zur Gewährung von Ablässen aufgenommen92; auch in der Kommission des Vicarius in pontificalibus Heinrich Venecompensis / Vicecompensis (1486) ist die Ausstattung mit dieser potestas benannt93. Vorher haben die Vicarii in pontificalibus die Vollmacht zur Erteilung von Ablässen wohl als durch die Bischofskonsekration übertragen angesehen94. Wahrscheinlich gewährten sie deshalb den Gläubigen für Werke der Frömmigkeit und Nächstenliebe so großzügig Ablässe – wie aus den Quellen ersichtlich. Wenn die Weihbischöfe die Gewinnung von Ablässen z. B. bei Konsekrationen von Kirchen ermöglichten, nahmen sie mit der Weihe eine dem Bischof vorbehaltene, ihnen aber durch die Kommission übertragene Handlung der potestas ordinis vor und leiteten u. U. daraus ab, dass sie implizit auch zur Gewährung von Ablässen bevollmächtigt waren95. Unter den Ablassverleihungen nimmt der Jubiläumsablass eine Sonderstellung ein. Mit der Ankündigung bzw. Eröffnung der heiligen Jahre verkünden die Päpste den Ablass für die Gesamtkirche. Den Bischöfen als Hirten ihres Sprengels obliegt die Verkündigung in ihren Diözesen. Ende des Jubeljahres 1500 ermöglichte der Papst die Ablaßgewinnung auch außerhalb der Stadt Rom96. Die Verkündigung des Jubiläumsablasses delegierte Erzbischof Berthold. Am 8. Juli 1502 bevollmächtigte er dazu Johannes Bonemilch, den Episcopus Sidoniensis; außer ihm erhielten die Delegation noch Simon Voltzke, der Kantor des Severistiftes, der Pfarrrektor der Kirche St. Georg in Erfurt Johannes Schoner sowie Werner Spreth von Alich, Kanoniker des Moritzstiftes und Vikar des Metropolitankapitels in Mainz97.
92
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 22, fol. 88v; 28 A, fol. 225v.
93
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 46, fol. 66v.
94
Nikolaus Paulus, Geschichte des Ablasses im Mittelalter vom Ursprunge bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, 3 Bde., Paderborn 1922 – 1923, I, S. 212 – 392, III, S. 1 – 115. 95
Die Weihe von Kirchen war zwar dem Bischof vorbehalten, erforderte aber nicht die potestas iurisdictionis; sie konnte daher einem Priester übertragen werden (Hinschius, Das Kirchenrecht [Anm. 3], II, S. 40). 96 97
Vgl. Paulus, Geschichte (Anm. 94), III, S. 192 f., 215 – 218.
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 47, fol. 190r – 191r; May, Die Organisation (Anm. 44), S. 728.
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b) Spezielle Beauftragung zu Jurisdiktionshandlungen Albert von Beichlingen erhielt im Jahre 1337 die Sondervollmacht für die Lossprechung von Kirchenstrafen für die Stadt Erfurt, nicht von Seiten des Erzbischofs, sondern vom päpstlichen Pönitentiar Gaucelinus von Albano. In den Auseinandersetzungen zwischen Balduin von Luxemburg und Heinrich von Virneburg um den Mainzer Erzstuhl hatten sich die Erfurter Bürger anscheinend die Strafe des Interdikts und der Exkommunikation zugezogen. Ihr Widerstand gegen die Ernennung Heinrichs von Virneburg zum Mainzer Erzbischof durch den Papst führte zur Verhängung des Interdikts (1329). Die Agitationen des Dekans des Marienstiftes Hermann von Bibra und sein rücksichtsloses Vorgehen als Provisor brachten Rat und Bürgerschaft von Erfurt so auf, dass sie ihn Ende des Jahres 1335 gefangen nahmen. Anstelle des Hermann, den sie wieder frei ließen, setzten sie zwei andere Kleriker gefangen. Auch diese ließen sie nach einiger Zeit widerwillig frei. Doch durch diese Tätlichkeit an Personen des geistlichen Standes waren sie in die Strafe der Exkommunikation gefallen, deren Absolution dem Apostolischen Stuhl reserviert war 98 . Der päpstliche Pönitentiar, seinerseits vom Papst durch ein Spezialmandat bevollmächtigt, bestellte Weihbischof Albert am 19. Februar 1337 zum „executor“ für die Lossprechung der Schuldigen. Er betonte, dass Rat und Bürger der Stadt sich wohl bewusst waren, durch die Gefangennahme der Geistlichen der Exkommunikation verfallen zu sein. Mit Schreiben vom 28. April 1337 absolvierte Weihbischof Albert unter Berufung auf die ihm vom Pönitentiar übertragene Vollmacht die Erfurter Bürger von der Kirchenstrafe 99 . Weihbischof Konrad Linden (Episcopus Christianopolitaniensis, 1403 – 1406) 100 führte im Jahre 1403 nach dem Tode des Abtes Winther Lumpho als 98
Provinzialkonzil 1310: Schannat / Hartzheim, Concilia Germaniae (Anm. 19), IV, p. 221. 99 Carl Beyer (Hrsg.), Urkundenbuch der Stadt Erfurt, 2 Tle. (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete 23, 24), Halle 1889, 1897, II, S. 134 – 137 Nr. 161 (das einleitende Regest zu den genannten Dokumenten spricht von „Interdikt und andern kirchlichen Strafen“); Otto, Die frühesten Mainzer Weihbischöfe (Anm. 2), S. 127; Karl Beyer, Die Stadt Erfurt während des Streites um das Erzbistum Mainz zwischen Heinrich von Virneburg und Erzbischof Balduin von Trier, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 14, 1890, S. 1 – 33. – (Aus den Angaben in diesem Beitrag scheint es sich um ein Interdikt, das Balduin bzw. der Papst über die Stadt Erfurt verhängt hatte. Die Aufhebung des Interdikts soll aber ebenfalls am 28. April 1337 erfolgt sein: v a. S. 27 f.). 100
Kommission: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 14, fol. 53v – 54r (3. September 1403); Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 16; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 432, 907.
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neuen Abt des Benediktinerklosters Seligenstadt in sein Amt ein. Es wird von der Abbatiae possessio, nicht der benedictio abbatis berichtet101. Die Weihe eines Abtes, dann der Äbtissin gehörte aufgrund der Kommission quasi zum Grundbestand der Aufgaben des Vicarius in pontificalibus. Die Einsetzung des gewählten oder bestimmten Abtes bzw. dessen Bestätigung, die ebenfalls als eine Art der Einsetzung galt, ist nach der Regel Benedikts (cap. 65) und dem Codex Justinianus (1, 3, 46) dem zuständigen Ordinarius vorbehalten102. Sie ist ein Akt der bischöflichen Leitungsgewalt. Interessant ist, dass Linden bereits am 26. Juni, also vor Erhalt seiner Kommission in Seligenstadt tätig wurde. Es ist nicht erkennbar, ob zu dieser jurisdiktionellen Handlung ein spezieller Auftrag erteilt worden war. Von Weihbischof Heinrich Hopfgarten (epicopus Rossensis, 1456 – 1460) wird dagegen berichtet, dass er im Jahre 1457 in Seligenstadt nach der provisio durch Erzbischof Dietrich von Erbach (1434 – 1459) Abt Reinhard von Mosbach benediziert habe; die Weihe des Prämonstratenserabtes Peter de Dornickheim (= Peter von Dürkheim) in Münsterdreisen 1458 war nach der Wahl und deren Bestätigung durch den Weihbischof erfolgt103. Erhard Redwitz, der Episcopus Venecompensis / Vicecompensis104, weihte im Jahre 1496 Johann von Siegen zum Abt des Benediktinerklosters Johannisberg im Rheingau, anscheinend ebenfalls nach getätigter Wahl durch die Ordensmit-
101
„Abbatiae in possessionem induxit“: Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 432. – Zu Abt Lumpho (1403 – 1407) vgl. Heinrich Wagner, Die Äbte des Klosters Seligenstadt im Mittelalter, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 53, 2001, S. 393 – 446, hier S. 439 f., 446; Peter Engels, Seligenstadt am Main, in: Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Hessen (= GermBen VII), St. Ottilien 2004, S. 941 – 995, hier S. 981. 102
Benno Hegglin, Der benediktinische Abt in rechtsgeschichtlicher Entwicklung und geltendem Kirchenrecht (= Kirchengeschichtliche Quellen und Studien 5. Bd.), St. Ottilien 1961, S. 48, 49, 153 – 154. Hinsichtlich der beiden Akte der Einsetzung und der Weihe des neuen Abtes etwas undeutlich: Angelus Häußling, Abtsweihe, in: LMA I, 1980, Sp. 67. 103 Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 434, 909 f. = StA Würzburg MIB (Anm. 5), 26, fol. 218r; Wagner, Die Äbte (Anm. 101), S. 441 f.; Engels, Seligenstadt (Anm. 101), S. 981; Gatz, Die Bischöfe 1448 – 1648 (Anm. 70), S. 313 f.; Franz Xaver Remling, Urkundliche Geschichte der ehemaligen Abteien und Klöster im jetzigen Rheinbayern, 2. Th., Neustadt a. d. H. 1836, S. 110; Norbert Backmund, Monasticon Praemonstratense, I, 1, Berlin / New York 21983, p. 114. 104
Kommission: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 46, fol. 217r – v; Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 24 f.; Gatz, Die Bischöfe (Anm. 70), S. 573.
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glieder105. Es waren Pontifikalhandlungen, zu denen die Kommission ermächtigt hatte. Die Einsetzung durch den Erzbischof, der jurisdiktionelle Akt, war wohl vorausgegangen. Zwei Handlungen der potestas iurisdictionis des Weihbischofs Hermann von Gehrden (Episcopus Citrensis, 1435 – 1471) waren durch spezielle Beauftragungen der Erzbischöfe Dietrich bzw. Adolf II. von Nassau abgesichert. Im Jahre 1447 versetzte er die Kalandsbrüder von Münden in das wirtschaftlich zerrüttete Benediktinerkloster Steina (Marienstein) bei Nörten. Die Neubesiedlung sollte das Ende des Gottesdienstes im Kloster und den Übergang in weltliche Hände verhindern106. Die Kommission zur Überprüfung der Postulation Hermanns von Hessen zum Propst des Stiftes St. Peter in Fritzlar war am 23. September 1465 datiert107. Diesem Mandatum gingen im September 1465 folgende Ereignisse voraus. Der Mainzer Stiftsherr Hermann war nach dem Tode des Propstes Ernst von Nataga von einigen Vertretern des Kapitels für die Propstei postuliert worden. Jedoch hatte der Erzbischof bereits am 1. August 1465 seinem Neffen Johann von Nassau (III., 1466 – 1480/82), der (ebenfalls) von Mitgliedern des Stiftes zum Propst postuliert worden war, die Propstei übertragen108. Weihbischof Hermann sollte in Vertretung des Erzbischofs die
105
Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 440; Silvia Gräfin Brockdorff (†) / Johannes Burkhardt, Johannisberg/Rheingau, in: Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Hessen (= GermBen. VII), St. Ottilien 2004, S. 666 – 697, hier S. 674, 690. 106
Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), I, p. 762; Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 336; Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 57; Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 79 f.; Enno Schöningh, Marienstein, in: Die Benediktinerklöster in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen (= GermBen VI), St. Ottilien 1979, S. 351 – 356, hier S. 352 (nach Schöningh 1449: Union von Marienstein mit der Kalandsbruderschaft des Hospitals St. Spiritus zu Münden); Malte Prietzel, Die Kalande im südlichen Niedersachsen. Zur Entstehung und Entwicklung von Priesterbruderschaften im Spätmittealter (= Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte 117), Göttingen 1995, S. 150 – 172, hier S. 150 – 155. 107 Commissio ad examinandum decretum postulationis de persona Hermanni Lantgrauiae Hassie ad praeposituram Fritzlariensem facte: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 30, fol. 278r; Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 814; Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 48. 108
Karl Lennarz, Propstei und Pröpste des St. Peterstiftes in Fritzlar. Nebst einem Anhange: Vom Scholaster und der Stiftsschule zu Fritzlar (= Quellen und Abhandlungen zur Geschichte der Abtei und der Diözese Fulda XV), Fulda 1936, S. 51 – 54, 69; Karl E. Demandt, Das Chorherrenstift St. Peter zu Fritzlar. Quellen und Studien zu seiner mittelalterlichen Gestalt und Geschichte (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 49), Marburg 1985, S. 4, 696; Michael Hollmann, Das Mainzer
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Vorgänge um die Postulation Hermanns von Hessen untersuchen. Bei entsprechendem positiven Ergebnis soll er die Postulation „auctoritate nostra metropolica“ bestätigen mit den üblichen Feierlichkeiten. Die Bestätigung der Wahl eines Propstes fällt ebenso in den Bereich bischöflicher Jurisdiktion wie die eines Abtes. Der Erzbischof hebt in dem Mandatum deutlich hervor, dass er den Vicarius in pontificalibus für eine eigentlich ihm kraft seiner potestas iurisdictionis zu vollziehende Aufgabe delegiert. Erneut wurde die Stellvertretung mit der üblichen, bekannten Formel begründet, dass die Belastungen und die Anforderungen es dem Erzbischof nicht erlauben, die Überprüfung der Angelegenheit selbst vorzunehmen. Häufig hatten die Weihbischöfe Visitationen, v. a in Klöstern, durchzuführen. Erster Visitator in seinem Sprengel ist der Bischof. Selbstverständlich kann er sich vertreten lassen. In den Kommissionen der Vicarii in pontificalibus ist diese Aufgabe nicht aufgeführt. Die Vollmacht hierzu scheint durch ein besonderes Mandatum übertragen worden zu sein. Manchmal sollte der Visitation die Reformierung des Konventes folgen; letztere ebenfalls ein Akt bischöflicher Leitungsgewalt. Sigfried Piscatoris wurde nach der erneuten Bestellung zum Weihbischof am 27. März 1460 von Erzbischof Adolf II. mit der Visitation des Prämonstratenserklosters Ilbenstadt im Jahre 1464 109 sowie der Visitation und Reformierung des Zisterzienserinnenkonventes Marienschloß bei Rockenberg im Jahre 1466 beauftragt. Die Kommunität befand sich in einem beklagenswerten Zustand, denn die Nonnen waren in ihrem Eifer für die Religion und in der Beobachtung der Regel „miserabiliter“ vom rechten Weg abgewichen. Sollte eine Zurückführung zur Ordensdisziplin sich als unmöglich herausstellen, kann der Weihbischof kraft der ihm verliehenen Fakultäten den Konvent neu besetzen 110 . Er machte von dieser potestas Gebrauch. Er holte Nonnen strengerer Observanz nach Marienschloß und ernannte eine neue Äbtissin 111 . Der Eifer Friedrichs, des Episcopus Tullensis, um den Schutz der Lehre war bekannt. Erzbischof Konrad II. von Weinsberg (1390 – 1396) setzte ihn im Domkapitel im späten Mittelalter (1306 – 1476) (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 64), Mainz 1990, S. 325, 419. 109
Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 435.
110
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 36, fol. 215r – v; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 435 . 111
Alexander F. Fiolka, Kirche und Kloster der ehemaligen Zisterzienserinnen-Abtei Marienschloß zu Rockenberg. Chronologie Marienschloß, Rockenberg 2003, S. 60; Marienschloß. Beiträge zur Klostergeschichte, Heft 1: 200 Jahre Säkularisation, Rockenberg 2003, S. 17.
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Jahre 1392 als „haereticae quaesitor prauitatis“ ein. Er hatte den Auftrag, mit dem Generalvikar Nikolaus von Saulheim und dem Dompfarrer Johannes Wasmund Untersuchungen gegen die Anhänger der Waldenser in Mainz anzustellen. 36 Bürger wurden als in die Häresie gefallen ausfindig gemacht 112 . Es sind auch Fälle überliefert, in denen Weihbischöfe gemeinsam mit anderen Geistlichen, z. B. Kommissaren, Untersuchungen durchführten und mit Entscheidungsvollmacht ausgestattet wurden, d. h. Urteile fällen konnten. So erhielt der Erfurter Weihbischof Berthold von Oberg, Episcopus Panadensis (1468 – 1494), am 17. April 1476 den Auftrag, mit dem Heiligenstädter Kommissar Hermann Helye die Tätigkeit des Johannes von Jena, des Administrators in spiritualibus et temporalibus des Zisterzienserinnenklosters Anrode, zu untersuchen. Dieser war beim Erzbischof wegen seiner nachlässigen und der Abtei zunehmend verlustbringenden Güterverwaltung angezeigt worden. Sollten die Vorwürfe berechtigt sein, konnte der Administrator ab- und durch einen anderen ersetzen werden, was auch geschah 113 . Als Vicarius in pontificalibus hatte er offensichtlich aufgrund eines speziellen Mandatum den Ordinarius in Ausübung von dessen potestas iurisdictionis zu vertreten. Der gelehrte und offensichtlich sehr einsatzfreudige Erfurter Weihbischof Johannes Sidoniensis (Bonemilch aus Laasphe, 1498 – 1510) 114 ging als „percelebris monasteriorum reformator“ in die Geschichte ein 115 . Im Jahre 1499 erhielt er den Auftrag mit dem Heiligenstädter Kommissar Johann Deinhard und den Benediktineräbten von Reinhausen und Northeim das Nonnenkloster ordinis canonicarum regularium Weende, die Zisterzienserinnenklöster Carden/Karden-Mariengarten, Höckelheim, Wiebrechtshausen und Osterode, in denen das geistliche Leben und mitunter auch die Vermögensverwaltung vernachlässigt wurden, zu visitieren und zu reformieren; es ist den Visitatoren gelungen, die Ordensdiziplin
112
Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 431; Franz Werner, Der Mainzer Dom und seine Denkmäler nebst Darstellung der Schicksale der Stadt, und der Geschichte seiner Erzbischöfe bis zur Translation des erzbischöflichen Sitzes nach Regensburg, 2. Th., Mainz 1830, S. 136 f. 113
Kommission: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 38, fol. 18v – 19r.; Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 815; Elmar Golland, Anrode, in: Gerhard Schlegel (Hrsg.), Repertorium der Zisterzen in den Ländern Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Eine Dokumentation aus Anlaß des Jubiläums 900 Jahre Abtei Cîtaeux, Bergheim 1998, S. 150 – 156, hier S. 154. Zu Hermann Helye: May, Die Organisation (Anm. 44), S. 962, 1009 f. 114
Kommission: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 46, fol. 159r mit fol. 159v; Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 83 – 85; Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 64 f., Gatz, Die Bischöfe (Anm. 70), S. 67. 115
Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 818.
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wieder herzustellen116. Im Jahre 1507 folgte der Auftrag zu Visitation und Reformierung des Benediktinerklosters Homburg bei Langensalza. Da der Erzbischof voraussah, dass dies kein leichtes Unterfangen war, stellte er dem Weihbischof die Äbte von Reinhardsbrunn und Oldisleben sowie den Siegler Johannes Sömmering und den Dekan des St. Severi-Stiftes Jakob Doleatoris an die Seite117. c) Ohne ersichtliches Mandat Die Ordnung des Gottesdienstes, worunter die Festlegung von Festtagen fällt, ist Vorrecht des Ordinarius einer Diözese; sie ist ein Akt der Leitungsgewalt. Auch auf diesem Gebiet wurden die Weihbischöfe tätig, ohne dass in den nun als Beispiele angeführten Fällen ein Spezialmandat des Erzbischofs ersichtlich ist, z. B. für Hermann von Gehrden, den Episcopus Citrensis, den Erzbischof Dietrich Schenk von Erbach am 11. März 1435 (– 1471) zum Weihbischof in Erfurt eingesetzt hatte118. Im Jahre 1437 verlegte er nach der Weihe eines Marienbildes im Frauenkloster St. Martini extra das Fest der Kirchweihe der bei diesem Kloster gelegenen Kapelle des heiligen Grabes auf den Sonntag nach Mariae Geburt119. Einer Handlung der potestas ordinis folgte ein Akt der potestas iurisdictionis. Auch Weihbischof Piscatoris entsprach dem Wunsch der Regularkanoniker von Pfaffenschwabenheim und gestattete ihnen am 17. Oktober 1472 für die Feier des Weihetages der Kirche einen Sonntag im Monat Oktober zu wählen120. Heinrich Hopffgarten, mit dem Titel Episcopus Rossensis für die partes Rheni bestellt (1456 – 1460), verlegte am 14. Juli 1456 die
116
Kommissionen: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 47, fol. 192v.,193r; Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 818; Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 64 f.; May, Die Organisation (Anm. 44), S. 964 f. 117
Kommission vom 16. Oktober 1507: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 49, fol. 102r – v; Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 818; Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 84; Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 65; May, Die Organisation (Anm. 44), S. 730 – 732, 1252, 1226. – Stets heißt es: Die „religionis disciplina temporalium etiam rerum administratio“ werden vernachlässigt (StA Würzburg, MIB [Anm. 5], 49, fol. 102r – v u. ö.). 118
Vorher in Paderborn tätig. – StA Würzburg MIB (Anm. 5), 22, fol. 81r – 82r; 28 A, fol. 223v – 224r (erste Bestellung auf Widerruf); 1438: für sechs Jahre berufen (Würzburg, Staatsarchiv, Mainzer Urkunden, Geistlicher Schrank, Lade 21,1; Gudenus, Codex diplomaticus [Anm. 5], IV, p. 813). 119 120
Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 56 f.
Ludwig Baur (Bearb.), Hessische Urkunden aus dem Großherzoglich Hessischen Haus- und Staatsarchive, Bd. 5, Darmstadt 1873, S. 233 f.
Jurisdiktionsakte von Weihbischöfen der Mainzer Erzdiözese
99
Feier des Weihetages der Kirche St. Nikolaus in Wickstadt vom Sonntag vor Allerheiligen auf den Sonntag nach Mariae Geburt mit Bestätigung aller früher gewährten Ablässe 121 . Erhard von Redwitz, der Episcopus Venecompensis / Vicecompensis (1494 – 1502), gestattete auf Bitten des Grafen Ludwig von Isenburg-Büdingen sowie der Äbtissin und der Nonnen der Zisterzienserinnenabtei Marienborn am 10. Juni 1497 künftig den Weihtag der Peterskirche auf dem Herrnhaag statt am Fest St. Peter ad Vincula am vorhergehenden Sonntag zu feiern 122 . Bruderschaften zu errichten und zu bestätigen, ist ebenfalls das Recht des Ordinarius und ist zweifellos ein Akt der potestas iurisdictionis. In keiner Kommission des behandelten Zeitraumes findet sich die Beauftragung eines Weihbischofs zu einer solchen Handlung. Im Jahre 1407 jedoch bestätigte der Erfurter Weihbischof Johannes von Korbeck, Episcopus Citrensis (1406 – ca. 1415 im Mainzer Sprengel), mit dem Paderborner Weihbischof Eberhard von Villach die Elendenbruderschaft in Warburg. Warburg war in der Diözese Paderborn gelegen, gehörte aber zum Mainzer Metropolitanverband 123 . Die wohl ausschließliche Tätigkeit des Johannes im Bistum Paderborn ab etwa 1420 dürfte in der Rückkehr in sein Heimatbistum gründen 124 . Der Weihbischof Johannes Sleswicensis war im Jahre 1402 Administrator der anscheinend nicht besetzten Mainzer Dompropstei; mit seinem Bruder
121 Ludwig Baur (Hrsg.), Urkundenbuch des Klosters Arnsburg in der Wetterau, Darmstadt 1851, S. 718 Nr. 1192. Zur Person: Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 18; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 434; Ringel, Studien (Anm. 56), S. 142; Gatz, Die Bischöfe (Anm. 70), S. 313 f. – Die Belege für die Verlegung von Festtagen, v. a. Tagen der Weihe von Kirchen, sind so zahlreich, dass sie nicht alle aufgeführt werden können; z. B.: in Georgenberg bei Frankenberg am 23. September 1493 durch den Erfurter Weihbischof Georg Bersabeensis (1490 – 1498): Friedrich Schunder (Hrsg.), Die oberhessischen Klöster. Regesten und Urkunden, 1. Bd. (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck 9), Marburg 1961, S. 209 Nr. 652. 122
A. Simon, Die Geschichte des reichständischen Hauses Ysenburg und Büdingen, 3. Bd., Frankfurt a. M. 1865, S. 285 Nr. CCLXXXIX; Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands, 4. Bd.: Hessen, Stuttgart 1960, S. 203, 296 f. 123
Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 47 – 48; Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 52 – 53 (richtig gegen Koch, Die Erfurter Weihbischöfe [Anm. 2], S. 77); Brandt / Hengst, Die Weihbischöfe in Paderborn (Anm. 74), S. 42; Kommission vom 27. Oktober 1406: StA Würzburg MIB (Anm. 5),14, fol. 53v. 124
Brandt / Hengst, Die Weihbischöfe in Paderborn (Anm. 74), S. 44.
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Hermann Schindeleib, dem Scholaster des Marienstiftes in Erfurt, urkundete er am 13. Januar als „Formunder“ der Dompropstei 125 . V. Weihbischöfe als Mitwirkende bei Jurisdiktionsakten 1. Als Generalvikar Es gibt Weihbischöfe, die gleichzeitig das Amt des Generalvikars innehatten, wie Johannes von Reifferscheid, Titularbischof von Cyrene 126 , und Sigfried Piscatoris, ebenfalls Titularbischof von Cyrene. Sie waren Inhaber der potestas iurisdictionis nicht als Weihbischöfe, sondern kraft der Einsetzung zum Generalvikar. Für die Erfüllung ihrer speziellen Aufgaben als Stellvertreter des ersten Hirten der Erzdiözese, erhielten sie die Leitungsgewalt mit ihrer Berufung zum Vicarius in spiritualibus 127 . Weihbischof Sigfried Piscatoris war wahrscheinlich spätestens ab September 1447 auch Generalvikar. Bis 1450 war er somit Vicarius in pontificalibus et spiritualibus 128 . In der Urkunde aus dem Jahre 1449, die die Weihe von zwei Altären in der Kirche der Karthause von Mainz bezeugt, wird er Vicarius in pontificalibus des Erzbischofs Dietrich genannt 129 . Handlungen der Jahre 1447 bis 1450 sind durch die Selbstbezeichnung als „in pontificalibus et spiritualibus vicarius“ und die Beurkundung mit
125 Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 15; Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 907; vgl. Hollmann, Das Mainzer Domkapitel (Anm. 108), S. 121, 116; Josef Pilvousek, Die Prälaten des Kollegiatstiftes St. Marien in Erfurt 1400 – 1555 (= Erfurter Theologische Studien, Bd. 55), Leipzig 1988, S. 200 – 202. 126
Am 21. August 1422 von Erzbischof Conrad III. (1419 – 1434) zum Weihbischof bestellt; als solcher wurde zum Generalvikar ernannt. Der Nachfolger Erzbischof Dietrich Schenk von Erbach (1434 – 1459) berief ihn mit der Kommission „Incumbentibus Nobis“ vom 27. März 1435 zu seinem Vicarius generalis in pontificalibus (StA Würzburg MIB [Anm. 5], 22, fol. 88v – 89r; 28 A, fol. 225v – 226r). Er hatte beide Funktionen bis 6. Juli 1427 inne, danach fungierte er nur noch als Weihbischof (May, Die Organisation [Anm. 44], S. 96). Vgl. auch Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 17. 127
May, Die Anfänge (Anm. 11), passim; zu den Aufgaben des Johannes Reifferscheid vgl. May, Die Organisation (Anm. 44), S. 96. 128
Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 908 f.; Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), II, p. 427 f.; Ringel, Studien (Anm. 56), S. 122 f., 242; May, Die Organisation (Anm. 44), S. 104. 129
Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 433 f.
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dem „sigillum vicariatus officii“ als jurisdiktionelle Akte des Generalvikars ausgewiesen, wie z. B. die Beilegung eines Rechtsstreites130. 2. Als Provikar Berthold Oberg, der Episcopus Panadensis, wurde 1480 von Erzbischof Diether von Isenburg (1475 – 1480, 2. Amtszeit) zum Weihbischof und Provikar in partibus Rheni bestellt131. Als Stellvertreter des Generalvikars vereinigte er aufgrund der Kommission die potestas ordinis und die potestas iurisdictionis in seiner Person; er war vicarius in pontificalibus et in spiritualibus. 3. Als Mitglieder des geistlichen Gerichtes Weihbischöfe wurden auch mit richterlichen Aufgaben betreut, also mit der Stellvertretung des Erzbischofs im Bereich der Rechtsfindung und Rechtsprechung. Denn die Erzbischöfe machten sich die Bildung ihrer Weihbischöfe zu Nutze, indem sie manche von ihnen als Richter bestellten. Johannes Bonemilch z. B. wurde mehrmals zum Richter des Generalgerichtes in Erfurt bestellt, erstmals am 23. Oktober 1502 von Erzbischof Berthold von Henneberg (1484 – 1504)132. Die Vollmacht erstreckte sich auf Akte der Rechtsprechung und Verwaltung. Am 27. Januar 1505 berief Jakob von Liebenstein (1504 – 1508) und am 29. September 1508 Erzbischof Uriel von Gemmingen (1508 – 1514) den Vicarius in pontificalibus Johannes als Richter133. Die Kommissionen waren entweder an den Weihbischof gerichtet oder nannten ihn an erster Stelle, wahrscheinlich mit Rücksicht auf seine Würde. Sigfried Piscatoris z. B. erhielt in der Zeit, da „nur“ als Vicarius in pontificalibus fungierte, zweimal ein solches Mandatum. Im Jahre 1458 berief ihn Erzbischof Dietrich zur Unterstützung des Generalinquisitors Heinrich Kalteisen OP in die Dreierkommission zur Untersuchung der Anklage gegen den Lollarden Hans Becker, und 1473 gehörte er dem Richtergremium an, das den Mord
130
Ringel, Studien (Anm. 56), S. 123, A. 54 mit weiteren Beispielen.
131
So Jürgensmeier, in: Gatz, Die Bischöfe (Anm. 70), S. 509 ohne Quellenangabe. Leider konnte der Autor auf Nachfrage den Beleg nicht mehr verifizieren. 132
StA Würzburg MIB (Anm. 5), 47, fol. 12v; May, Die Organisation (Anm. 44), S. 739. 133 StA Würzburg MIB (Anm. 5), 49, fol. 54v – 55r; 51, 66r – v; May, Die Organisation (Anm. 44), S. 748 f.
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an Johannes Swiczer aus Wächtersbach aufklären sollte 134 . Weihbischof Matthias Emich (1476 – 1480) war 1479 Mitglied der Kommission, die den seit 1477 gegen den Mainzer Domprediger Johannes Ruderath aus Wesel bestehenden Häresieverdacht untersuchte 135 . An der Spitze der Fünfer-Kommission, die Erzbischof Berthold von Henneberg am 19. Oktober 1494 zur kanonischen Untersuchung schwerer Vergehen der Pfarrer Johann Weiß in Heigerod und Valentin Sartoris in Sundhausen bestellt hatte, stand anscheinend der Erfurter Vicarius in pontificalibus Georg Bersabeensis (1490 – 1498) 136 . Wegen der auf ihm lastenden schwierigen Aufgaben könne er, der Erzbischof, weder die Untersuchung selbst leiten noch die Entscheidung in der Sache herbeiführen. Er vertraue diese daher erfahrenen und klugen Personen an, nämlich zwei weiteren Bischöfen und den Äbten der Benediktinerklöster St. Peter und St. Jakob in Erfurt sowie von Reinhardsbrunn 137 . Der Episcopus Georg war bereits im Jahre 1480 in Dorpat als Vicarius und Inquisitor tätig gewesen 138 . Die Kommission hatte die crimina gravia hinsichtlich aller Umstände und Vorkommnisse zu erforschen, zu prüfen, zu beurteilen und eine Entscheidung zu treffen. Gegebenenfalls kann der Weihbischof alleine die Strafe der Deposition oder gar der Degradation verhängen, wenn die ‚Qualität‘ der Vergehen dies erfordert. Die Degradation, die Ausstoßung aus dem Priesterstand, war eine dem Ordinarius vorbehaltene Handlung 139 . Sie stellt das (negative) Gegenstück zur Aufnahme in den Klerikerstand durch die Spendung der heiligen Weihen dar.
134
Einzelheiten bei May, Die Organisation (Anm. 44), S. 145 f.; Fritz Hermann † (Bearb.), Die Protokolle des Mainzer Domkapitels, 1. Bd.: Die Protokolle aus der Zeit 1450 – 1484, zum Druck vorb. von Hans Knies, Darmstadt 1976, S. 400 f., Nr. 1017 mit S. 368 f., Nr. 919. 135 Joannis, Rerum Moguntiacarum (Anm. 3), II, p. 437; Severus, Memoria Propontificum Moguntinorum (Anm. 24), p. 21 f.; Hermann, Die Protokolle (Anm. 134), S. 470, Nr. 1249; Gatz, Die Bischöfe (Anm. 70), S. 154. Zur Person Ruderats: Sebastian Severus, Parochiae Moguntinae inter urbem primores, Aschaffenburg 1768, p. 5. 136
Kommission: StA Würzburg MIB (Anm. 5), 46, fol. 158v – 159r; Feldkamm, Geschichtliche Nachrichten (Anm. 16), S. 63 f.; Koch, Die Erfurter Weihbischöfe (Anm. 2), S. 82 f.; Gatz, Die Bischöfe (Anm. 70), S. 175. 137
Gudenus, Codex diplomaticus (Anm. 5), IV, p. 815 f.
138
Gatz, Die Bischöfe (Anm. 70), S. 175.
139
Hinschius, Das Kirchenrecht (Anm. 3), II, S. 40.
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VI. Ergebnis Wie die deutsche und die lateinische Bezeichnung „Vicarii in pontificalibus“ es zum Ausdruck bringen, waren das eigentliche Aufgabengebiet dieser Stellvertreter des Bischofs Weihe- bzw. Pontifikalhandlungen. Die Befragung der Quellen hat ergeben, dass ihr Wirken nicht auf diese beschränkt war. Es umfasste nicht nur Akte der potestas ordinis, sondern auch der potestas iurisdictionis. Die Vollmacht, diese vornehmen zu können, wurde vom Erzbischof mit der Kommission oder durch ein Spezialmandat übertragen. Er gewährte dem Weihbischof per delegationem Anteil an seiner potestas iurisdictionis. Es konnte gezeigt werden, dass die Weihbischöfe von dieser Bevollmächtigung Gebrauch machten. Mitunter handelten sie anscheinend auch ohne eine Sondervollmacht. Die herangezogenen Beispiele eröffnen einen interessanten Einblick in das Wirken der Vicarrii in pontificalibus und bezeugen zugleich, wie weit gespannt ihr Tätigkeitsfeld sein konnte. Sie vertraten tatsächlich die viel beschäftigten Mainzer Erzbischöfe im vollen Sinne als „vices gerentes“ und „Vicarii“.
Der Streit um die Mettener Abtwahl 1905 Von Stephan Haering Die Bestellung eines neuen Klosteroberen ist in aller Regel ein Vorgang, der nur bei der betroffenen Gemeinschaft und in deren näherem Umfeld sowie bei den zuständigen kirchlichen Behörden besondere Aufmerksamkeit findet. Jede Regel kennt aber auch Ausnahmen. Vor einem Jahrhundert zog die Wahl des neuen Abtes im niederbayerischen Benediktinerkloster Metten 1 in der Diözese Regensburg das Interesse sowohl von einzelnen Fachleuten des kirchlichen und des weltlichen Rechts als auch einer breiteren Öffentlichkeit auf sich. Die heftige Zeitungskontroverse, die im Januar 1906 um das Ereignis entbrannte, war manchem Zeitgenossen noch nach Jahrzehnten präsent. Im Jahr 1936 äußerte der damalige Abtpräses der Bayerischen Benediktinerkongregation, Abt Dr. Placidus Glogger (1874 – 1941) 2 , in einem Beitrag anläßlich des ersten Todestages des seinerzeit Gewählten, er habe damals gar nicht glauben können, daß
1
Gegründet um 766, säkularisiert 1803, als erstes Benediktinerkloster in Bayern nach der Säkularisation auf Veranlassung von König Ludwig I. im Jahr 1830 wiederbegründet; vgl. Stephan Haering, Art. Metten, in: LThK³ 7, 1998, Sp. 207. – Für die Unterstützung bei der Sammlung und Bereitstellung der Quellen und der Literatur für diesen Beitrag gilt der Dank des Verfassers besonders den Mitarbeitern Rechtsassesor Dipl.Theol. Martin Rehak, Dipl.-Theol. Thomas Schmaus und cand. theol. Christian Nowak. 2
Placidus Glogger OSB, seit 1893 Benediktiner der Abtei St. Stephan in Augsburg, 1915 bis zum Tod Abt seines Klosters; zu ihm: Art. Glogger, in: Wilhelm Kosch, Das Katholische Deutschland. Biographisch-bibliographisches Lexikon, Bd. 1, Augsburg 1933, Sp. 1036; Johannes Lettner, Augsburg, in: Bibliographie der deutschsprachigen Benediktiner 1880 – 1980, Bd. I (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige. Ergänzungsreihe, Bd. 29/I), St. Ottilien 1985, S. 1 – 11, hier S. 3; Theodor Rolle, Benediktinerabt im Dritten Reich. Zum 50. Todestag von Abt Dr. Plazidus Glogger von St. Stephan in Augsburg am 29. Juli 1991, in: Stephania 62 (1990), S. 42 – 75 und 63 (1991), S. 25 – 62; ders., Kardinal Faulhaber und der Augsburger Abt Placidus Glogger zur Zeit der „Machtergreifung“ Hitlers, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 104 (1993), S. 204 – 222.
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Stephan Haering
P. Willibald Adam (1873 – 1935) 3 Abt geworden sei; vielmehr habe er zunächst an eine Namensverwechslung gedacht. Dann fügte er jedoch hinzu: „Doch der darauf folgende kirchenpolitische Federkrieg über die ‚Mettener Abtwahl und kein Ende‘ ließ keinen Zweifel mehr aufkommen, daß der erst etwas über 32 Jahre alte P. Willibald wirklich der erwählte Abt unseres größten bayerischen Klosters sei.“ 4 Der vorliegende Beitrag will die genau ein Jahrhundert zurückliegende Episode von neuem ins Licht rücken. Dies geschieht nicht, um daraus ein Jubiläum zu stilisieren, sondern um ein besonders für den Kanonisten interessantes Stück
3 Willibald Adam OSB, seit 1892 Benediktiner der Abtei Metten, zum Zeitpunkt der Abtwahl 1905 Lehrer am Gymnasium, Abt bis 1929 (freie Resignation), dann bis zu seinem Tod Spiritual in der Benediktinerinnenabtei Frauenwörth (Chiemsee); zu ihm: Corbinian Hofmeister, Trauerrede bei der Beerdigung Sr. Gnaden des Hochwst. Herrn Abtes Herrn Willibald Adam O.S.B. von Metten, in: Alt- und Jung-Metten 9 (1934/35), S. 70 – 74; Annales Ordinis S. Benedicti 43 (1935), S. 108 (Necrologium: R.mus D. Willibaldus Adam); Maurus Dietl u. a., In piam memoriam! Zum 1. Todestag von Abt Willibald Adam († 8. März 1935), in: Alt- und Jung-Metten 10 (1935/36), S. 65 – 74; Wilhelm Fink, Metten 1935, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 54 (1936), Chronik S. 5 – 8, hier S. 5 – 7; Willibald Weber, Zur Erinnerung an den 100. Geburtstag von Abt Willibald Adam, in: Alt- und JungMetten 40 (1973/74), S. 146 – 151; Benedikt Busch, Metten, in: Bibliographie der deutschsprachigen Benediktiner 1880 – 1980 I (Anm. 2), S. 33 – 55, hier S. 34. 4
Placidus Glogger, „Gemma abbatum“, in: Alt- und Jung-Metten 10 (1935/36), S. 70 – 72, hier S. 70. – Die allgemeine Literatur zur Geschichte der Abtei Metten und der Bayerischen Benediktinerkongregation weist wenigstens knapp auf die Probleme um die Abtwahl hin: Wilhelm Fink, Geschichte der Benediktinerabtei Metten seit 1830, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 50 (1932), S. 278 – 314, hier S. 309: „Neu war [in den Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation von 1904/05; S.H.] vor allem die Bestimmung, die dem Präses bei den Abtwahlen den Vorsitz und die Leitung einräumte. Bisher war immer ein bischöflicher Kommissär erschienen und hatte die Wahl geleitet. Diese Bestimmung fand bei der Wahl eines Nachfolgers des Abtes Leo zum erstenmal Anwendung. Sie verursachte nicht geringe Aufregung.“; ders., Beiträge zur Geschichte der bayer. Benediktinerkongregation. Eine Jubiläumsschrift 1684 – 1934 (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige. Ergänzungsreihe, Bd. 9), Metten / München 1934, S. 342: „Nachdem Rom die Revision [der Statuten; S.H.] gutgeheißen, setzte sie 1905 der damalige Präses, Abt Leo Mergel von Metten, wenige Wochen vor seiner Ernennung zum Bischof von Eichstätt, in Kraft. Bei der Wahl seines Nachfolgers, des Abtes Willibald Adam, trat die Bestimmung in Wirksamkeit, daß Rom die Bestätigung des Neugewählten vollzieht. Es entstand darüber ein großer Streit. Von dieser Zeit an war das Erscheinen eines bischöflichen Vertreters zur Wahl überflüssig geworden. Der Präses leitet jetzt allein die Wahl.“
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107
Geschichte der Abtei Metten und der Bayerischen Benediktinerkongregation ein wenig zu erhellen. Rechtsgeschichtlich reizt der Gegenstand insoweit, als sich, zumal wenn Linien bis in die Gegenwart ausgezogen werden, exemplarisch Veränderungen im rechtlichen Verhältnis von Bischof und Ordensverband und im Staatskirchenrecht nachvollziehen lassen, die als angemessen und erwünscht zu beurteilen sind. Von Interesse ist aber nicht zuletzt auch der Einblick in die öffentliche Wahrnehmung und in die journalistische Behandlung kirchlicher Ereignisse vor hundert Jahren. Um einen solchen Einblick in möglichst großer Unmittelbarkeit zu eröffnen, werden im Anhang nicht nur bislang ungedruckte Quellen ediert, die das eigentliche Wahlgeschehen und die amtliche Behandlung der Angelegenheit betreffen, sondern auch die bedeutenderen Artikel aus dem Zeitungsstreit dokumentiert. So kann der Leser, der geistig den Bogen zwischen dem Beginn des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart schlagen will, nicht nur durch die Rezeption der gebotenen Darstellung, sondern auch anhand originaler Texte nachvollziehen, daß sich in der Zeitungskultur zwar manches geändert hat, aber in kirchenpolitischen Auseinandersetzungen bestimmte Verhaltens- und Argumentationsmuster damals wie heute nahezu gleichbleibend wiederkehren. I. Die Ereignisse 5 1. Eintritt der Vakanz und Neuwahl Am 5. September 1905 starb der Eichstätter Bischof Franz Leopold Freiherr von Leonrod (1827 – 1905), der seit 1867 die altbayerisch-fränkische Diözese geleitet hatte 6 . Die Nomination des neuen Bischofs stand gemäß dem Konkor-
5
Die relevanten Akten, die für die Darstellung herangezogen wurden, befinden sich im Bischöflichen Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54, und im Archiv der Abtei Metten, Generalia 1905, Signatur: A I, 6(38: „Wahl des hochw. P. Willibald Adam zum Abte des Benediktinerstifts Metten. 19. Dezember 1905“. Die einschlägigen Bestände dieser beiden Institutionen enthalten hinreichend Material, um die Vorgänge nachzuzeichnen; von der Einsichtnahme in die Akten weiterer Einrichtungen konnte deshalb abgesehen werden. Den Leitern der beiden Archive, Msgr. Dr. Paul Mai (Regensburg) und P. Dr. Michael Kaufmann OSB (Metten), gilt verbindlicher Dank. 6
Vgl. Andreas Bauch, Art. Leonrod, in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945. Ein biographisches Lexikon, hrsg. von Erwin Gatz, Berlin 1983, S. 445 – 447; Jürgen Strötz, Franz Leopold Freiherr von Leonrod (1827 – 1905), Bischof von Eichstätt (1867 – 1905). Diözese Eichstätt und bayerische Kirche zwischen
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Stephan Haering
dat von 1817 dem bayerischen König bzw. dem Regenten zu. Prinzregent Luitpold nominierte am 28. Oktober 1905 den Abt von Metten und Abtpräses der Bayerischen Benediktinerkongregation Dr. Leo Mergel (1847 – 1932) 7 zum neuen Bischof von Eichstätt. Papst Pius X. (1903 – 1914) vollzog am 11. Dezember 1905 die Ernennung, und am 27. Dezember 1905 wurde Mergel durch den Apostolischen Nuntius Erzbischof Dr. Carlo Caputo (1843 – 1908) 8 in Eichstätt zum Bischof geweiht. Nach seiner Präkonisation als Bischof von Eichstätt legte Abt Leo die Leitung des Klosters Metten nieder. In der Abtei wurde gemäß den geltenden Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation am 14. Dezember 1905 vom Konventkapitel ein Administrator gewählt, der die Leitung des Klosters wahr-
Erstem Vatikanum und Modernismuskontroverse (Münchener theologische Studien. I. Historische Abteilung, Bd. 40), St. Ottilien 2004. 7
Johannes Leo von Mergel OSB, 1873 Priester der Diözese Eichstätt, 1875 Promotion zum Dr. iur. can. in Rom (S. Apollinare), 1882 Eintritt in die Abtei Metten, Lehrer und Direktor des Bischöflichen Seminars, 1898 Abt, 1904 Präses der Bayerischen Benediktinerkongregation; zu ihm: A. P., Dr. Leo Ritter v. Mergel, O.S.B., Erzbischof (!) von Eichstätt, in: Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und dem CistercienserOrden 27 (1906), S. 199 – 202; Ferdinand von Werden, Dr. Johannes Leo von Mergel, O.S.B., Bischof von Eichstätt †, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 50 (1932), Chronik S. 19 – 29 (auch separat erschienen); Leander Schönberger, S. Exzellenz Bischof Leo Ritter von Mergel, Eichstätt, in: Alt- und Jung-Metten 6 (1931/32), S. 115 – 122; Art. Mergel, in: Wilhelm Kosch, Das Katholische Deutschland. Biographisch-bibliographisches Lexikon, Bd. 2, Augsburg [1938], Sp. 2940; Leo Kolmer, Abt Leo Mergel, Bischof v. Eichstätt (1847 – 1932), in: Alt- und Jung-Metten Mitteilungsblatt 1948/1, S. 5 – 7; Ernst Reiter, Art. Mergel, in: Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945 (Anm. 6), S. 499 – 501; Busch, Metten (Anm. 3), S. 47; Art. Mergel, in: Bosls Bayerische Biographie. Ergänzungsband, hrsg. von Karl Bosl, Regensburg 1988, S. 122; Art. Mergel, in: Große Bayerische Biographische Enzyklopädie, hrsg. von Hans-Michael Körner unter Mitarbeit von Bruno Jahn, Bd. 2, München 2005, S. 1300; Art. Mergel, in: Deutsche Biographische Enzyklopädie der Theologie und der Kirchen (DBETh), hrsg. von Bernd Moeller mit Bruno Jahn, Bd. 2, München 2005, S. 925. 8
Carlo Caputo, 1867 Priester der Erzdiözese Neapel, Dr. iur. utr., Dr. theol., im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls, 1883 Bischof von Monopoli, 1886 Translation in die Diözese Aversa, 1897 als Diözesanbischof abgelöst und zum Titular-Erzbischof von Nikomedien ernannt, sechs Jahre Aufenthalt in Rom als Privatmann, 1903 Erzpriester (Oberhirte) von Altamura und Acquaviva delle Fonti, 1904 bis zum Tod 1908 Nuntius in Bayern; biographische Angaben zu Caputo bei Luciano Orabona, Chiesa e società meridionale di fine ’800. Storia di Aversa e il vescovo Caputo. Religiosità cultura e «Il Corriere Diocesano» (Chiese del Mezzogiorno. Fonti e Studi, Bd. 18), Napoli 2001.
Der Streit um die Mettener Abtwahl 1905
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zunehmen hatte, bis ein neuer Abt sein Amt antreten konnte 9 . Die Wahl fiel auf P. Godehard Geiger (1853 – 1937) 10 , den Rektor des von der Abtei getragenen Gymnasiums. Den Termin für die Wahl des künftigen Mettener Abtes setzte der stellvertretende Präses der Bayerischen Benediktinerkongregation, Abt Rupert Metzenleitner (1849 – 1922) 11 aus der Abtei Scheyern, auf Dienstag, 19. Dezember 1905, an. Administrator P. Godehard bereitete den Wahlakt vor und stellte auf der Basis der Ordensregel und der Statuten eine Wahlordnung zusammen 12 . Durch Aushang im Kloster vollzog der Administrator am 18. Dezember 1905 die förmliche Ladung der Wähler 13 und gab in gleicher Form verschiedene Hinweise zum Ablauf der Wahl 14 . Am Wahltag wurde um 7.30 Uhr in der Stiftskirche in Gegenwart der Wähler ein feierliches Hochamt zelebriert. Um 9 Uhr erfolgte die Eröffnung der eigentlichen Wahlsitzung 15 . Unter der Leitung von Abt Rupert Metzenleitner
9
Vgl. Statuta Congregationis Benedictino-Bavaricae [1904], Deggendorfii 1905, S. 29 (n. 112). 10 Godehard Geiger OSB, 1878 Eintritt in Metten, Gymnasiallehrer, 1905 – 1918 Rektor des Gymnasiums, 1918 – 1922 Prior, später auch in den Klöstern Plankstetten und Niederaltaich tätig; schriftstellerische Tätigkeit zu theologischen und spirituellen Themen; zu ihm: Alt- und Jung-Metten 11 (1936/37), S. 117 – 135 (Beiträge mehrerer Autoren); Busch, Metten (Anm. 3), S. 41. 11
Rupert Metzenleitner OSB, 1873 Eintritt in Scheyern, 1896 Abt; zu ihm: Art. Metzenleitner, in: Kosch, Das Katholische Deutschland, Bd. 2 (Anm. 7), Sp. 2965 f.; Franz Gressierer, Scheyern, in: Bibliographie der deutschsprachigen Benediktiner 1880 – 1980 I (Anm. 2), S. 117 – 127, hier S. 124; Anselm Reichhold, Chronik der Abtei Scheyern von den Anfängen bis zur Gegenwart 1077 – 1988, in: Benediktinerabtei Scheyern 1077 – 1988. Vor 150 Jahren wiedererrichtet, Weißenhorn 1988, S. 9 – 79, hier S. 67 f. – Zum Amt des Präses der Kongregation vgl. Stephan Haering, Der Abtpräses der Bayerischen Benediktinerkongregation. Bemerkungen zu seiner Stellung und seinen Befugnissen besonders nach geltendem Recht, in: Froh in gemeinsamer Hoffnung. Festschrift für Abt Gregor Zasche OSB, hrsg. von Wolfgang Winhard, St. Ottilien 2002, S. 31 – 59. 12
Siehe Anhang, Dokument 1.
13
Archiv der Abtei Metten, Generalia 1905, Signatur: A I, 6(38: „Citatio. Feria III. d. 19. Decembris 1905 in nostro monasterio electio novi Abbatis habebitur. Ad quam electionem omnes et singuli R.R. P.P. Conventuales hisce rite citantur. Mettenae dd. 18. Decembr. 1905. P. Godehardus, Adm.“ 14
Siehe Anhang, Dokument 2.
15
Siehe das Wahlprotokoll im Anhang, Dokument 3.
110
Stephan Haering
führten die 41 stimmberechtigten Patres der Abtei eine offensichtlich problemlos verlaufende Wahl durch. Bereits im ersten Wahlgang erreichte P. Willibald Adam mit 30 Stimmen die von den Statuten geforderte absolute Mehrheit 16 . Mit der Annahme durch den Gewählten war der Wahlvorgang beendet. Allerdings war P. Willibald Adam damit lediglich „erwählter Abt“, weil die Übertragung des Amtes erst nach der Bestätigung der Wahl durch den Heiligen Stuhl, die vom Vorsitzenden zu erbitten war, geschehen konnte 17 . 2. Der Konflikt mit dem Bischöflichen Ordinariat Regensburg Unmittelbar nach Beendigung der Wahl erhielt Administrator P. Godehard Geiger ein vom Vortag, 18. Dezember 1905, datiertes Schreiben des Regensburger Generalvikars Dr. Franz Xaver Leitner (1844 – 1908) 18 , womit dieser im besonderen Auftrag des Diözesanbischofs Dr. Ignatius von Senestrey (1818 – 1906) 19 bezüglich der Wahl und Bestätigung des Abtes Verwahrung einlegte 20 . Gegenstand des Protests war nicht etwa die Person des Gewählten, dessen Name zum Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens allenfalls Objekt von Spekulationen sein konnte, sondern die Tatsache, daß der Wahlvorgang – entgegen der früheren Praxis – ohne Beteiligung des Diözesanbischofs vollzogen werden sollte (und auch tatsächlich so vollzogen worden ist). Es sei nicht einmal offizielle Mitteilung über die bevorstehende Wahl gemacht worden. Generalvikar Leitner sprach die Vermutung aus, daß die neuen Statuten der Bayerischen
16
Vgl. Statuta 1904 (Anm. 9), S. 30 f. (n. 117).
17
Vgl. Statuta 1904 (Anm. 9), S. 30 (n. 113).
18
Dr. Franz Xaver Leitner, 1864 Abitur in Metten, 1893 – 1906 Generalvikar in Regensburg; zu ihm: Art. Leitner, in: Kosch, Das Katholische Deutschland, Bd. 2 (Anm. 7), Sp. 2548 f.; Paul Mai, Art. Leitner, in: Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945 (Anm. 6), S. 442. Leitner, ein „außerordentlich tatkräftiger Vertreter seiner Diözese“ (Kosch, Sp. 2549) war in der Endphase der Amtszeit Bischof Senestreys eine Schlüsselfigur in der Regensburger Diözesanleitung; vgl. auch Hans-Michael Körner, Staat und Kirche in Bayern 1886 – 1918 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Bd. 20), Mainz 1977, S. 87, 110. 19
Dr. Ignatius von Senestrey, 1858 – 1906 Bischof von Regensburg; zu ihm: Paul Mai, Art. Senestréy, in: Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945 (Anm. 6), S. 699 – 702; ders., Ignatius von Senestréy. Bischof von Regensburg (1858 – 1906), in: Lebensbilder aus der Geschichte des Bistums Regensburg, hrsg. von Georg Schwaiger (Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. 23/24), Regensburg 1989, S. 751 – 760; Karl Hausberger, Art. Senestrey, in: LThK³ 9, 2000, Sp. 461; Art. Senestréy, in: DBETh, Bd. 2 (Anm. 7), S. 1250. 20
Siehe Anhang, Dokument 4.
Der Streit um die Mettener Abtwahl 1905
111
Benediktinerkongregation, die eine solche Beteiligung nicht vorsahen und die dem Ordinariat durchaus bekannt waren, unter bewußter Umgehung der betroffenen Diözesanbischöfe in Rom durchgesetzt worden seien. Mit dem Schreiben behielt sich das Ordinariat ausdrücklich Schritte beim Heiligen Stuhl vor. Es wurde verlangt, die Verwahrung vor der Wahl zu verlesen. Noch deutlicher ist die ungehaltene Stimmung, die bei der Diözesanleitung herrschte, in dem vom 17. Dezember 1905 datierten, schwer lesbaren Konzept eines Briefs auszumachen, das von Bischof Senestrey abgezeichnet wurde 21 . Darin wurde vor allem massiv gerügt, wie sich die Abtei Metten im Zusammenhang mit der Bestellung des Administrators und der Vorbereitung der Wahl eines neuen Abtes gegenüber der Leitung der Diözese verhalten habe. Man empfand es in Regensburg als kränkend, nicht in die Vorgänge einbezogen worden zu sein. Die Person des neuen Bischofs von Eichstätt, unter dessen Amtszeit als Abtpräses die neuen Statuten der Kongregation immerhin in Kraft gesetzt worden waren, wurde dabei merklich geschont. Die Tendenz dieses Briefkonzepts ging vielmehr dahin, alle Vorwürfe dem namentlich nicht genannten Administrator des Klosters anzulasten, verbunden mit verdeckten Drohungen hinsichtlich der Zukunft der Beziehungen zwischen Diözese und Abtei. Die rechtliche Frage der Beteiligung des Diözesanbischofs an der Wahl eines neuen Abtes wurde demgegenüber fast beiläufig behandelt, wohl auch im Bewußtsein, daß man sich aufgrund der Übersendung der erneuerten Statuten durch Abt Leo bereits seit längerem mit der neuen Rechtslage hätte vertraut machen können. Ein bißchen äußert sich in der Empfindlichkeit, die in diesem Briefkonzept zutage tritt, wohl auch eine uneingestandene Verärgerung darüber, aufgrund eigener Versäumnisse hinsichtlich der rechtlichen Verhältnisse nicht ganz auf der Höhe der Zeit gewesen zu sein. Aus dem Entwurf wurde jedenfalls, wie ein Vermerk anzeigt, auf Veranlassung von Generalvikar Leitner kein amtliches Schreiben; der Text wurde nicht expediert. Statt dessen verfaßte der Generalvikar den oben erwähnten Brief, der einzelne Bestandteile des Konzepts übernimmt. Er bleibt jedoch, bei aller inhaltlichen Deutlichkeit, in einem sachlichen Ton gehalten und beschränkt sich auf die rechtlich relevanten Aspekte. Ob Generalvikar Leitner durch seine Intervention den greisen Bischof Senestrey davor bewahren wollte, sich durch den persönlich gekränkten Ton in einem amtlichen Brief unangemessen zu exponieren, oder ob der Anteil des Bischofs an dem Brief gar nicht so hoch zu veranschlagen war und Leitner selbst sich zu größerer Zurückhaltung entschlossen hatte – vielleicht auch um als früherer Mettener Abiturient eine Vergiftung der Klimas zwischen der Diözese Regens-
21
Siehe Anhang, Dokument 5.
112
Stephan Haering
burg und der ehemaligen Studienstätte Metten soweit möglich gering zu halten –, ist für die Vorgänge als solche sekundär und kann hier dahingestellt bleiben. Administrator P. Godehard Geiger, in dessen Händen die Leitung des Klosters Metten auch nach vollzogener Abtwahl bis zur Einsetzung des Neugewählten noch lag, beantwortete den Brief des Regensburger Ordinariats am 20. Dezember 190522. Die Antwort ist in einem sehr sachlichen Ton gehalten, dabei durchaus von einem kühlen Selbstbewußtsein getragen, welches durch eine gesicherte rechtliche Position der Abtei bzw. des Administrators in der Angelegenheit gerechtfertigt schien. Geiger wies nüchtern darauf hin, daß man bei der Abtwahl ganz nach den geltenden Statuten vorgegangen sei, und legte den zentralen Punkt der Veränderung im Recht, daß nämlich nunmehr die Bestätigung der Wahl unmittelbar vom Apostolischen Stuhl vorgenommen werde, dar. Er unterließ es auch nicht, ausdrücklich das Datum des 13. Oktober 1905 zu erwähnen, unter welchem dem Ordinariat in Regensburg die neuen Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation bekanntgemacht worden waren. Damit deutete der an, daß man in Regensburg rund zwei Monate Zeit gehabt hätte, sich mit den Änderungen vertraut zu machen. Was die verlangte Verlesung des Protests des Ordinariates vor der Wahlversammlung anging, machte der Mettener Administrator geltend, daß das Schreiben erst nach vollzogener Wahl bei ihm angelangt, dann aber sogleich den noch versammelten Wählern bekanntgemacht worden sei. Geiger fügte den spitzen Hinweis an, daß die bischöfliche Protesterklärung bereits am Abend des 18. Dezember 1905 in der Zeitung zu lesen gewesen sei, der Konvent sich jedoch auf diese Form der Bekanntgabe nicht habe einlassen können23.
22 23
Siehe Anhang, Dokument 6.
Geiger bezog sich offensichtlich auf die folgende Notiz im Regensburger Morgenblatt, Nr. 287, 18./19.12.1905, S. 3: „Aus Bayern, 16. Dezbr. Die Rechtsverhältnisse der Mettener Abtwahl liegen nicht so einfach, wie sie von Metten aus dargestellt werden. Es heißt zwar, daß die Abtwahl am 19. Dezember vormittags unter Vorsitz des Vizepräses der bayerischen Benediktinerkongregation stattfinden werde, ferner daß die geschehene Abtwahl der päpstlichen Bestätigung bedürfe, allein der bischöflichen Rechte ist in den Nachrichten aus Metten mit keinem Worte gedacht. Und doch sind die Rechte der bayerischen Bischöfe bezüglich des Vorsitzes bei der Abtwahl und der Bestätigung derselben uralt, je (!) unvordenklich, und wohl verbrieft. Die neu erlassenen Statuten der Benediktinerkongregation mögen wohl das von Metten aus dargestellte Recht enthalten, allein hier gilt der Rechtsgrundsatz: Speciale derogat generali; das besondere Recht tut Abbruch dem allgemeinen. Ferner gilt die Praxis des hl. Stuhles, niemals ein wohlerworbenes, uraltes Recht zu schmälern ohne Vorwissen des bisherigen Rechtsinhabers. – Da es sich bei dieser Abtswahl um einen Präzedenzfall handelt, so ist notwendig, daß die bayerischen Bischöfe ihr Recht in entsprechender Weise wahren.“
Der Streit um die Mettener Abtwahl 1905
113
Die postwendende Antwort des Regensburger Generalvikars datiert vom 21. Dezember 1905 und fiel ebenso knapp wie kühl aus 24 . Generalvikar Dr. Leitner insinuierte, daß die Aufhebung des bisherigen Rechts des Diözesanbischofs, die Wahl des Abtes zu bestätigen, bei der Einführung der neuen Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation erschlichen worden sei. Ferner betonte er, allerdings nicht gerade schlüssig, daß eine Stellungnahme des Ordinariats zu den am 13. Oktober 1905 übersandten neuen Statuten nicht angebracht gewesen sei, weil seitens des Klosters bzw. des Wahlvorstands der Termin der Neuwahl nicht offiziell mitgeteilt worden sei. Im übrigen habe man sich in der Angelegenheit bereits nach Rom gewandt. In der Tat hatte Bischof Senestrey die Angelegenheit sogleich mit Schreiben vom 20. Dezember 1905 bei Papst Pius X. vorgetragen 25 . In seiner Beschwerde legte Senestrey den Sachverhalt dar und wies auf das alte und stets ausgeübte Recht des Bischofs hin, an der Abtwahl teilzunehmen und den gewählten Abt zu bestätigen. Senestrey stellte sich auf den Standpunkt, daß ein solches Recht nicht ohne Konsultation des betroffenen Bischofs aufgehoben werden dürfe, und brachte seine Vermutung zum Ausdruck, die Benediktiner hätten die einschlägige Änderung der Statuten auf krummen Wegen eingefädelt. Außerdem wies er darauf hin, daß die Rechte des Bischofs, am Wahlvorgang teilzunehmen und die Wahl zu bestätigen, insofern sehr angebracht und zuträglich seien, als die meisten Mönche in öffentlichen Schulen und in Pfarreien wirkten. Damit deutete Senestrey an, daß ein großer Teil der Benediktiner auf Feldern tätig war, die der bischöflichen Aufsicht unterstanden, und daß die Rechtsänderung bezüglich der Abtwahl mittelbar die Autorität des Bischofs gefährden könnte. Abschließend bat Bischof Senestrey den Papst, die Angelegenheit nochmals zu prüfen, und unterstrich, daß der bischöfliche Anspruch gegenüber den Benediktinern bereits vor dem Vollzug der Wahl geltend gemacht und die Appellation an den Heiligen Stuhl angekündigt worden sei. Flankiert wurde diese Beschwerde des Regensburger Bischofs beim Papst durch einen drei Tage später verfaßten Brief Generalvikar Leitners an den Nuntius in München, in welchem der Sachverhalt nochmals aus der Perspektive der bischöflichen Behörde dargelegt und um die Unterstützung des Nuntius gebeten wurde 26 . Auf Antwort aus Rom mußte man in Regensburg allerdings lange warten. Als rund fünf Monate später ein Schreiben des Präfekten der zuständigen Kon-
24
Siehe Anhang, Dokument 7.
25
Siehe Anhang, Dokument 8.
26
Siehe Anhang, Dokument 9.
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Stephan Haering
gregation der Römischen Kurie nach Regensburg ging 27 , war die Angelegenheit kein rechtes Thema mehr. 3. Bestätigung der Wahl, Amtseinsetzung und Benediktion Während der Mettener Administrator und das Bischöfliche Ordinariat Regensburg sich noch über die Ereignisse im Vorfeld der Neuwahl auseinandersetzten, unternahm der Wahlvorstand, Abt Rupert Metzenleitner, die nächsten Schritte, um das Verfahren der Amtsbesetzung zum Abschluß zu bringen. Mit einem vom Wahltag selbst datierten und in Metten verfaßten Schreiben teilte er Bischof Ignatius Senestrey das Ergebnis der Wahl mit, übersandte das Wahlprotokoll und kündigte an, daß sich der Neugewählte nach der Bestätigung der Wahl mit der Bitte um Erteilung der Benediktion an Senestrey wenden werde 28 . Auf die seitens des Regensburger Ordinariats geltend gemachten Einwände, die Metzenleitner zweifellos bekannt waren, ging er nicht ausdrücklich ein. Indirekt aber bekräftigte er einerseits den Standpunkt des Mettener Konvents und der Bayerischen Benediktinerkongregation, indem er auf die rechtmäßige Durchführung der Wahl und auf das Einvernehmen mit dem bisherigen Mettener Abt und neuen Eichstätter Bischof Leo Mergel hinwies. Andererseits war es ihm offensichtlich auch darum zu tun, das Klima zwischen Bistum und Kloster zu verbessern, indem er die Tatsache erwähnte, daß der erwählte Abt Zögling des in Metten eingerichteten bischöflichen Seminars gewesen sei, also seine Ausbildung teilweise in einer diözesanen Institution erhalten habe, und indem er die Bitte um das bischöfliche Memento vorbrachte. Neben diesem Brief teilte der Wahlvorstand das Ergebnis der Wahl dem Bischof offensichtlich auch telegraphisch mit. Dies geht aus einem entsprechenden Antwortschreiben von Generalvikar Leitner vom 21. Dezember 1905 hervor, worin der Konflikt gleichfalls umgangen wird 29 . Abt Rupert Metzenleitner wandte sich sogleich auch an den Heiligen Stuhl mit der Bitte um Bestätigung der Wahl, die dieser unverzüglich am 23. Dezember 1905 mit Dekret der Kongregation für die Bischöfe und die Regularen erteilte 30 . Ebenso wurde bei den staatlichen Stellen die Landesherrliche Bestätigung der Wahl bzw. Genehmigung des Amtsantritts erbeten, die Prinz Luitpold von
27
Siehe dazu unten, Abschnitt I.4.
28
Siehe Anhang, Dokument 10.
29
Siehe Anhang, Dokument 11.
30
Siehe Anhang, Dokument 12.
Der Streit um die Mettener Abtwahl 1905
115
Bayern, „des Königreichs Bayern Verweser“, am 6. Januar 1906 gewährte 31 . Vor der Erteilung der Bestätigung des Prinzregenten hatte die Königliche Regierung von Niederbayern, Kammer des Innern, mit Schreiben vom 21. Dezember 1905 beim Bischöflichen Ordinariat Regensburg angefragt, ob gegen die Wahl „kanonisch rechtliche Erinnerungen bestehen“, und um Angaben zu Person und Werdegang des Gewählten gebeten 32 . Generalvikar Dr. Leitner beantwortete die Anfrage am 29. Dezember 1905 und führte aus: „Gegen die Wahl des genannten Paters, bisherigen Gymnasiallehrers in Metten bestehen an sich kanonisch rechtliche Erinnerungen nicht, außer daß dies Mal, abweichend von der bisherigen Rechtsübung, die Wahl ohne bischöflichen Kommissar vollzogen u. bisher noch nicht bestätigt worden ist.“ 33 Über den erwählten Abt Willibald Adam heißt es u. a.: „Uns ist von den persönlichen Verhältnissen des Erwählten bisher nur Günstiges bekannt geworden.“ 34 Auffällig ist, daß Generalvikar Leitner, der bei Abfassung des Schreibens über die Erteilung der Wahlbestätigung durch den Heiligen Stuhl sicher noch nicht unterrichtet war, grundsätzlich festhielt, daß „kanonisch rechtliche Erinnerungen“ gegen die Wahl nicht bestanden, wiewohl er auch auf das Fehlen des bischöflichen Kommissars hinwies. Jedenfalls fiel die Beurteilung des Vorgangs gegenüber dem Staat weit gemäßigter aus als wenige Tage zuvor im Schriftwechsel mit dem Mettener Administrator gegenüber dem Kloster Metten. Diese Mäßigung dürfte allerdings weniger mit einer modifizierten Einschätzung der Rechtslage zusammenhängen als mit einer generell zurückhaltenden Darstellung innerkirchlicher Vorgänge für staatliche Stellen. Eine merkliche Entspannung der Stimmung zwischen dem Regensburger Ordinariat auf der einen und den bayerischen Benediktinern und speziell dem Kloster Metten auf der anderen Seite trat erst etwas später ein. Sie wird in einem erleichtert klingenden Schreiben erkennbar, das Abt Rupert Metzenleitner am 14. Januar 1906 von Metten aus an Generalvikar Leitner richtete 35 . Am Vortag, 13. Januar 1906, hatte eine Begegnung zwischen Bischof Ignatius,
31 Abschrift des Bestätigungsdekrets für den Bischof von Regensburg zur Kenntnisnahme: Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 31r. 32 Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 29. 33
Konzept des Antwortbriefs von Generalvikar Leitner vom 29.12.1905 auf das Schreiben der Regierung von Niederbayern vom 21.12.1905: Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 29. 34
Ebd.
35
Siehe Anhang, Dokument 13.
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Stephan Haering
Generalvikar Leitner und Abt Rupert in Regensburg stattgefunden, die anscheinend bis zu einem gewissen Grad klärend wirkte und für die Beteiligten erfreulich verlaufen ist. Abt Rupert hatte bei dieser Zusammenkunft die Regensburger Diözesanleitung über verschiedene Tatsachen, die im Zusammenhang mit der Mettener Wahl standen, unterrichtet. Über den Inhalt des äbtlichen Berichts gibt eine Aktennotiz von Generalvikar Leitner Auskunft 36 . Demnach seien weder Abt Rupert Metzenleitner noch Abt Hildebrand de Hemptinne (1849 – 1913) 37 , der Primas der Benediktinischen Konföderation 38 , für die vorgenommene Änderung der Statuten eingetreten, wohl aber Abt Leo Mergel. Sie sei nötig gewesen, um den vollen Beitritt der Abtei St. Stephan in Augsburg zur Bayerischen Benediktinerkongregation zu erreichen. Schon bei den letzten Abtwahlen in München und Augsburg sei wegen besonderer Verhältnisse die päpstliche Bestätigung vorbehalten gewesen 39 . Ob Abt Rupert allerdings auch deutlich gemacht hat, daß bei
36 Aktennotiz Leitner 13./15.1.1906: Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 35. 37
Hildebrand de Hemptinne, aus Gent, 1869 Benediktiner in Beuron, 1890 Abt von Maredsous (Belgien), 1893 bei Errichtung der Benediktinischen Konföderation von Papst Leo XIII. zum ersten Abtprimas ernannt; vgl. Pia Luislampe, Art. Hemptinne, in: LThK³ 4, 1995, Sp. 1419 (Lit.). 38 Vgl. zur Benediktinischen Konföderation: Frumentius Renner, Confoederatio Benedictina. Geschichte ihrer Konstituierung von Leo XIII. bis zu Pius XII., in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 91/I-II (1980), S. 232 – 289; zum Amt des Abtprimas: Stephan Haering, Art. Abtprimas, in: Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht 1, 2000, S. 24 f. (Lit.). 39
Es handelt sich um die Wahlen von Theobald Labhardt (1851 – 1919) zum Abt von St. Stephan in Augsburg am 6.9.1903 und von Gregor Danner (1861 – 1919) zum Abt von St. Bonifaz in München am 3.3.1904. Bei der Wahl Labhardts übte Abt Rupert Metzenleitner, der auch damals Wahlvorstand war, das für diesen Fall vom Heiligen Stuhl gewährte Recht der Bestätigung der Wahl aus; vgl. Placidus Glogger, Das Benediktinerstift St. Stephan in Augsburg unter den letzten drei Äbten, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 50 (1932), S. 494 – 507, hier S. 501. Dies entspricht der vom Generalkapitel der Kongregation 1900 in Ottobeuren vorgesehenen Regelung, wonach der Abtpräses die Wahl eines neuen Abtes „auctoritate Apostolica“ bestätigt; vgl. Statuta Congregationis Benedictino-Bavaricae edita mandati Capituli Generalis Ottenburae anno 1900 celebrati, Augustae Vindelicorum 1900, S. 30 f. (Declarationes ad cap. 64, n. 2). Diese Statutenfassung hatte jedoch nur insoweit Geltung, als sie nicht in Widerspruch zu ihrer Vorgängerin stand. Sie wurde nicht in der 1900 beschlossenen, sondern erst in der vom Generalkapitel 1904 gebilligten Fassung vom Heiligen Stuhl bestätigt. Vgl. dazu Stephan Haering, Die Bayerische Benediktiner-
Der Streit um die Mettener Abtwahl 1905
117
diesen Wahlen die Bestätigung nicht unmittelbar durch den Apostolischen Stuhl erfolgt ist, sondern durch den Wahlleiter kraft delegierter Vollmacht, ist aus Leitners Notiz nicht zu entnehmen. Ferner teilte Abt Rupert mit, daß er die päpstliche Bestätigung der Wahl am 26. Dezember 1905 erhalten habe. Nach dem Gespräch reiste Abt Rupert nach Metten weiter, um am 14. Januar 1906 die Bestätigung der Wahl dem Konvent und der Öffentlichkeit förmlich bekanntzugeben und Abt Willibald in sein Amt einzusetzen. Damit endete die genau einen Monat dauernde Administration des Klosters durch P. Godehard Geiger. Am folgenden Tag stattete der neue Mettener Abt Willibald Bischof Ignatius seinen Antrittsbesuch ab 40 , bei dem auch die bevorstehende Benediktion des Abtes vereinbart wurde. Mit der Erteilung der Benediktion betraute der greise, im 87. Lebensjahr stehende Diözesanbischof seinen Weihbischof 41 ; für Senestrey selbst wäre die Wahrnehmung der Funktion wohl jenseits seiner Kräfte gelegen. Die Benediktion fand am Sonntag, 28. Januar 1906 statt, dem Tag, der bereits in Metzenleitners Schreiben als von Mettener Seite erwünschter Termin bezeichnet wurde 42 . Am 28. Januar begeht man bis heute in Metten liturgisch das Fest Kaiser Karls des Großen, der in der Gründungsgeschichte der Abtei eine bedeutende Rolle spielt. Die Benediktion empfing Abt Willibald entsprechend der Verfügung Bischof Senestreys durch Weihbischof Sigismund Felix Freiherr von Ow-Felldorf (1855 – 1936) 43 . In den Schilderungen über den Verlauf des Festtags wird jeweils hervorgehoben, daß der niederbayerische Regierungspräsident Freiherr von Andrian-Werburg öffentlich Presseberichte zurückgewiesen habe, anläßlich der Wahl seien Konflikte zwischen Kloster und Regierung entstanden.
kongregation im 19. und 20. Jahrhundert, in: Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum, bearb. von Ulrich Faust und Franz Quarthal (Germania Benedictina, Bd. 1), St. Ottilien 1999, S. 675 – 703, hier S. 688 f. 40
Aktennotiz Leitner (Anm. 36).
41
Siehe Anhang, Dokument 14.
42
Zum Verlauf des Benediktionsfestes siehe den Bericht der Augsburger Postzeitung Nr. 23, 30.1.1906, S. 4 f. (siehe Anhang, Dokument 34); A. P., Abtweihe in Metten, in: Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und dem Cistercienser-Orden 27 (1906), S. 202 f. 43
Sigismund Felix Freiherr von Ow-Felldorf, 1902 – 1906 Weihbischof in Regensburg, 1906 – 1936 Bischof von Passau; zu ihm: August Leidl, Art. Ow-Felldorf, in: Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945 (Anm. 6), S. 550 f.
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Stephan Haering
4. Die römische Antwort auf die Regensburger Intervention Während die von Abt Rupert Metzenleitner beim Heiligen Stuhl vorgetragene Bitte um Bestätigung der Mettener Wahl unverzüglich beschieden wurde, blieb das Beschwerdeschreiben von Bischof Senestrey vom 20. Dezember 1905 an dieselbe Adresse lange ohne Antwort. Erst unter dem Datum des 23. Mai 1906, also fünf Monate später, äußerte sich die zuständige kuriale Behörde 44 . Das kurze Schreiben des Präfekten der Kongregation für die Bischöfe und die Regularen wies darauf hin, daß die Änderung des Rechts zur Bestätigung der Abtwahlen eine Rückkehr zum allgemeinen kanonischen Recht bedeute. Das Bestätigungsrecht sei den Bischöfen gewährt worden, als die Klöster noch keine Kongregation gebildet hätten, und dieses Recht sei nie ein originär bischöfliches, sondern ein delegiertes gewesen. Diese Änderung bringe keine Minderung der bischöflichen Rechte bezüglich der Pfarreien und der Schulen, die von Mönchen betreut werden. Den Regensburger Bischof konnte dieses knappe Schreiben, das sich im Grunde nicht mit den Argumenten auseinandersetzte, die er in seinem Rekurs vorgebracht hatte, trotz der entsprechend geäußerten Zuversicht der Kurienkongregation kaum befriedigen. Bischof Senestrey erwiderte daher auf das Schreiben am 28. Mai 1906 und trug nochmals unverändert seine Auffassung zu der Angelegenheit vor 45 . Der bischöfliche Schriftsatz bekräftigte den eingenommenen Rechtsstandpunkt und formulierte von neuem die Befürchtung, daß die neue Regelung die Autorität des Bischofs beeinträchtigen werde. Damit endet die Überlieferung des relevanten Aktenfaszikels des Bischöflichen Ordinariates Regensburg. Die römische Behörde betrachtete den Vorgang, wie schon das erwähnte Schreiben der Kongregation für die Bischöfe und die Regularen vom 23. Mai 1906 erkennen ließ, offensichtlich als abgeschlossen. II. Der „kirchenpolitische Federkrieg“ um die Abtwahl Zu den amtlichen Vorgängen um die Mettener Abtwahl wurde bald eine ungewöhnliche und in aller Öffentlichkeit zu vernehmende Begleitmusik veranstaltet. Während in den Tagen unmittelbar um den Wahltermin in den Zeitungen jeweils nur kurze Meldungen zu den Ereignissen gedruckt wurden 46 , fand 44
Siehe Anhang, Dokument 15.
45
Siehe Anhang, Dokument 16.
46
Vgl. etwa Augsburger Postzeitung, Nr. 283, 15.12.1905, S. 10 (Ankündung der Wahlen eines Administrators und eines Abtes in Metten); Augsburger Postzeitung, Nr. 285, 17.12.1905, S. 4 (Meldung über die Wahl von P. Godehard Geiger zum Admini-
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im Januar 1906 in der Presse eine scharfe Kontroverse statt. Etwa drei Wochen lang druckten verschiedene Zeitungen Beiträge, die zunächst das Ereignis der Wahl als solches kritisch beleuchteten, sich aber mit zunehmender Dauer der Auseinandersetzung vor allem als Schlagabtausch zwischen (national-)liberalen und kirchlichen Kreisen bzw. innerhalb divergierender kirchlicher Interessengruppen darstellten. Dadurch wurde ein Ereignis, das in der Regel nur am Ort und im Bereich des Ordens von Interesse ist, auf eine Ebene überregionaler Zusammenhänge und scheinbar erheblicher Bedeutung gehoben. 1. Die beteiligten Zeitungen Als Kampfplätze für den „Federkrieg“ um die Mettener Abtwahl dienten verschiedene Organe der Tagespresse, die in Bayern erschienen und nicht nur lokal, sondern zumindest regional verbreitet waren. Nach den üblichen Kategorien lassen diese Zeitungen sich in Vertreter einer liberalen Gesinnung und Exponenten der katholischen Richtung unterscheiden. Die liberalen Stimmen verschafften sich in der Augsburger Abendzeitung, der Allgemeinen Zeitung und in den Münchner Neuesten Nachrichten Gehör. Den führenden Part übernahm auf dieser Seite die Augsburger Abendzeitung, die als nationalliberal orientiertes Blatt galt47. Unterstützung gewährten die Münchner Neuesten Nachrichten, die zu damaliger Zeit die tonangebende liberale, schließlich linksliberale Zeitung in Süddeutschland waren48. Eine gewisse Rolle spielte ferner noch die damals in München erscheinende Allgemeine Zeitung, die ebenfalls eine nationalliberale Ausrichtung hatte49. Diese Zeitunstrator); Augsburger Abendzeitung, Nr. 354, 20.12.1905, S. 7 (Meldung über die vollzogene Abtwahl); Augsburger Postzeitung, Nr. 288, 21.12.1905, S. 5 (Meldung über die vollzogene Abtwahl und Vorstellung des Gewählten). 47
Vgl. Kurt Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert. Geschichte der deutschen Presse. Teil II (Abhandlungen und Materialien zur Publizistik, Bd. 6), Berlin 1966, S. 153; Dieter Albrecht, Von der Reichgründung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1871 – 1918), in: Handbuch der bayerischen Geschichte, begr. von Max Spindler, neu hrsg. von Alois Schmid, Bd. 4/1, 2., völlig neu bearb. Aufl., München 2003, S. 318 – 438, hier S. 331 f. 48
Vgl. Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert (Anm. 47), S. 153; Kurt A. Holz, Münchner Neueste Nachrichten (1848 – 1945), in: Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts, hrsg. von Heinz-Dietrich Fischer (Publizistisch-historische Beiträge, Bd. 2), Pullach bei München 1972, S. 191 – 207; Albrecht, Von der Reichgründung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (Anm. 47), S. 332. 49 Vgl. Christian Padrutt, Allgemeine Zeitung (1798 – 1929), in: Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts (Anm. 48), S. 131 – 144.
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gen bekämpften alles, was nach Ultramontanismus und Beeinträchtigung des staatlichen Anspruchs durch die Kirche roch. Sie wurden nicht zuletzt in der liberalen Beamtenschaft gelesen. Die katholischen Gegner der Liberalen meldeten sich in der Augsburger Postzeitung und im Regensburger Morgenblatt zu Wort. Die Augsburger Postzeitung war seinerzeit die führende katholische Zeitung im süddeutschen Raum 50 , allerdings bei einer eher bescheidenen Abonnentenzahl 51 . Sie diente in der Auseinandersetzung auch der Leitung der Bayerischen Benediktinerkongregation als Sprachrohr. Das gleichfalls katholisch orientierte Regensburger Morgenblatt war vor allem in Regensburg und der Oberpfalz verbreitet 52 . Es zeigte eine gewisse Nähe zur Regensburger Bischöflichen Kurie und konnte, wie der Verlauf der Kontroverse erkennen läßt, gegebenenfalls auch gegen benediktinische Positionen Stellung beziehen. Den örtlichen Mittelpunkt des Zeitungsstreits bildete, was den Sitz der beteiligten Organe angeht, die Stadt Augsburg, wo sich die protestantisch geprägte Abendzeitung und die katholische Postzeitung schon seit Ende des 17. Jahrhunderts gegenüberstanden 53 . 2. Der Verlauf des „kirchenpolitischen Federkriegs“ Den Auftakt der Auseinandersetzung bildete ein einspaltiger Artikel der Augsburger Abendzeitung am 8. Januar 1906 54 . Der nicht namentlich gezeichnete Beitrag berichtete zunächst von der Tatsache, daß die Mettener Wahl ohne Beteiligung eines bischöflichen Kommissars durchgeführt worden sei und daß das Regensburger Ordinariat dagegen Protest erhoben habe. Außerdem war von 50 Vgl. Hermann Hart, Die Geschichte der „Augsburger Postzeitung“ bis zum Jahre 1838, Augsburg 1934; Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert (Anm. 47), S. 162 – 183, bes. S. 174. 51 Die Augsburger Postzeitung hatte damals etwa 8000 Abonnenten; vgl. Kl[emens] Löffler, Geschichte der katholischen Presse Deutschlands (Soziale Tagesfragen, Heft 50), Mönchengladbach 1924, S. 80. 52 Vgl. Norbert Mayer, Die Presse Regensburgs und der Oberpfalz von 1806 bis zum Weltkrieg, in: Verhandlungen des Historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg 87 (1937), S. 3 – 130, hier S. 75 – 82; Josef Held, Zeitungsgeschichte Zeitgeschichte. Der „Anzeiger“ 75 Jahre im Druck und Verlagshaus Habbel-Held, in: Zeitungsgeschichte Zeitgeschichte. Beiträge zur Regensburger Pressegeschichte (Zeit und Welt, Heft 3), Regensburg 1959, S. 7 – 40. 53
Vgl. Löffler, Geschichte der katholischen Presse Deutschlands (Anm. 51), S. 9.
54
Siehe Anhang, Dokument 17.
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einem Protest der Regierung von Niederbayern die Rede, welcher der Landesherrlichen Bestätigung entgegenstehe. Die ganze Tendenz des Beitrags ging dahin, die Mettener Wahl als einen weiteren Schritt in einem Prozeß der immer stärkeren ultramontanen Ausrichtung und Zentralisation der Kirche im allgemeinen und der bayerischen Benediktiner im besonderen darzustellen. Es wurde der Eindruck erweckt, daß bestimmte kirchliche Kreise mit undurchsichtigen Methoden und selbst gegen Einwände aus den eigenen Reihen in diesem Unternehmen die Fäden ziehen würden. Die Verlagerung der kirchlichen Bestätigung der Abtwahlen in Bayern vom Bischof an die Römische Kurie würde dies zeigen; sie sei in den neuen Statuten der Benediktiner, die geradezu im geheimen eingeführt worden seien, vorgesehen worden. Als Protagonisten der ultramontanen Ausrichtung machte der Beitrag vor allem Nuntius Caputo aus, stellte aber auch Bischof Leo Mergel und Abtprimas Hildebrand de Hemptinne in dieses Licht. Ergänzt wurde diese Kritik durch eine etwas larmoyante Erinnerung an die Wohltaten, welche die bayerischen Könige den Benediktinerklöstern erwiesen, und an das hohe Ansehen, das sich die Benediktiner in der Vergangenheit als „ein toleranter und friedfertiger Orden“ erworben hätten. Der Artikel kritisierte aber auch die bayerische Regierung, die endlich „energisch auf die Wache“ rücken müsse. Minister von Wehner bzw. seine Behörde wurden als den Aufgaben nicht ganz gewachsen hingestellt 55 . Nicht ohne gewisse Ironie ist, daß gerade der „energische Protest“ Bischof Senestreys von Regensburg, der in liberalen Kreisen gerade als Exponent eines kirchlichen Ultramontanismus in Bayern galt, als Indiz dafür genannt wurde, daß man es mit einer Sache von weitreichender Bedeutung zu tun habe. In dem Beitrag wurde die Tatsache des Konflikts zwischen dem Regensburger Ordinariat und den Benediktinern richtig wiedergegeben. In anderen Punkten aber wurden unzutreffende Angaben gemacht. Nicht wissen konnte der Autor, daß die Bestätigung der Wahl durch Prinzregent Luitpold bei Erscheinen des Blattes bereits erteilt war. Ein Protest der Regierung von Niederbayern wurde später anläßlich der Abtweihe öffentlich dementiert. Zumindest irreführend war die verwendete Bezeichnung des Vorstehers der Benediktinischen Konföderation als „italienischer Abtprimas“. Denn Primas Hildebrand de Hemptinne residierte zwar auf dem Aventin in Rom, war seiner nationalen Herkunft nach aber Belgier und der Ordensprofeß nach Mönch der deutschen
55
Anton von Wehner (1850 – 1915), 1903 – 1912 bayerischer Minister des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten; vgl. Körner, Staat und Kirche in Bayern 1886 – 1918 (Anm. 18), passim; Art. Wehner, in: Bosls Bayerische Biographie. Ergänzungsband (Anm. 7), S. 170.
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Abtei Beuron 56 . Ob an dieser Stelle nationale Ressentiments absichtlich bedient werden sollten, muß indes dahingestellt bleiben. Der Artikel der Augsburger Abendzeitung wurde wahrgenommen und erregte die Öffentlichkeit. Die Münchner Neuesten Nachrichten druckten ihn drei Tage später, am 11. Januar 1906, unter der Überschrift „Ordinariat Regensburg und Benediktinerkongregation“ ebenfalls ab 57 . Die Allgemeine Zeitung veröffentlichte am selben Tag einen eigenen Beitrag, der die „staatskirchenrechtlichen Kompetenzkonflikte“ in den Mittelpunkt stellte 58 . Dem liberalen Organ ging es vornehmlich darum, Versäumnisse des Wahlleiters im Hinblick auf die staatliche Beteiligung an dem Vorgang der Neubesetzung des äbtlichen Amtes in Metten zu rügen und dieses Verhalten in den Kontext mißlicher ultramontaner Zentralisierungsbestrebungen zu plazieren, welche die bisherige so segensreiche Tätigkeit der Benediktiner in Bayern beeinträchtigen würden. Auffällig ist der Hinweis, daß es in der Bayerischen Benediktinerkongregation selbst Widerstand gegen die neuen Statuten gegeben habe. Der Ton des Beitrags war, verglichen mit dem bereits erwähnten Artikel der Augsburger Abendzeitung 59 , vornehmer, die inhaltliche Tendenz aber stimmte völlig damit überein. Im Regensburger Morgenblatt und in der Augsburger Postzeitung, die nach der Diktion der Augsburger Abendzeitung den klerikalen Blättern zuzurechnen sind, wurde am selben Tag in nahezu gleichlautenden Beiträgen die Berichterstattung der Abendzeitung als tendenziell kulturkämpferisch bewertet und kritisiert, daß „Ministerialbeamte solche Dinge … lancieren dürfen“ 60 . Am folgenden Tag reichten sowohl die Augsburger Postzeitung als auch das Regensburger Morgenblatt den Hinweis nach, daß die Mettener Wahl sowohl kirchlich als auch staatlich bestätigt worden sei 61 .
56
Siehe oben Anm. 37.
57
Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 15, 11.1.1906, S. 2.
58
Siehe Anhang, Dokument 18.
59
Dokument 17.
60
Siehe Anhang, Dokument 19.
61
Regensburger Morgenblatt, Nr. 8, 12.1.1906, S. 3; Augsburger Postzeitung Nr. 8, 12.1.1906, S. 10: „Die Abtwahl in Metten, über welche die ‚Augsb. Abendztg.‘ sich so sehr aufgeregt hatte, ist, wie wir gestern bereits kurz meldeten, durch den Heiligen Stuhl und landesherrlich bestätigt worden. Die ‚Abendztg.‘ hat also mit ihrer ganzen Kanonade nichts erreicht.“
Der Streit um die Mettener Abtwahl 1905
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Eine ausführlichere Darstellung und Bewertung der Vorgänge veröffentlichte die Augsburger Postzeitung auf der Titelseite ihrer folgenden Sonntagsausgabe62 . Der Beitrag hatte vermutlich zwei verschiedene Autoren, die jedoch beide – wie die zutage tretenden intimen Kenntnisse des Eigenrechts und der Gegebenheiten in der Bayerischen Benediktinerkongregation vermuten lassen – aus dem Bereich der Kongregation gekommen sein dürften. Der erste Abschnitt wurde seitens des Präsidiums der Kongregation lanciert, mit großer Wahrscheinlichkeit sogar von Abt Rupert Metzenleitner verfaßt und nahm Bezug auf die Presseäußerungen der Allgemeinen Zeitung vom 11. Januar 190663 , welche die Vorgänge nicht zuletzt zu einem Konflikt zwischen Staat und Kirche stilisierten. Der zweite Teil – nach dem Einschub „Man schreibt uns dazu weiter“ – hätte dagegen aus der Abtei Metten stammen können, weil sehr konkret auf die dortige Situation eingegangen wurde. Eine offiziöse Einsendung des Klosters war es aber wohl nicht, weil später öffentlich unterstrichen wurde, daß sich „das Kloster Metten mit keiner Zeile“ an der „unerquickliche[n] Preßfehde“ beteiligt habe 64 . Der Tenor des dreispaltigen Artikels bestand insgesamt darin, daß die Mettener Abtwahl ganz nach geltendem Recht vollzogen worden sei. Außerdem wurden Tendenzen zurückgewiesen, Zwietracht in den Benediktinerorden zu tragen und Gegensätze in der bayerischen Kongregation heraufzubeschwören. Abschließend wies der Verfasser des zweiten Teils darauf hin, daß die angewandten Regeln ein geordnetes Zusammenspiel der beteiligten Instanzen – Orden, Bistum und Staat – sichern würden, wobei den einzelnen gegeben würde, was ihnen zukomme. Die Augsburger Abendzeitung meldete sich am folgenden Tag, 15. Januar 1906, wieder „Zur Mettener Abtwahl“ zu Wort 65 . Der Beitrag bestand aus zwei Teilen. Zunächst schüttete ein vermutlich aus der Redaktion selbst kommender Autor Häme über das „hyperpäpstliche Organ“ Regensburger Morgenblatt aus, welches in seiner Notiz vom 11. Januar die Nuntien Macchi und Caputo verwechselt hatte. Dieselbe Tonart setzte sich in den Passagen fort, in denen das Blatt seine Einstellung zu Bischof Senestrey darlegte und sich über Generalvikar Leitner lustig machte, dem es nicht gelingen wolle, die Informanten der Abendzeitung zu enttarnen. Mit der Kenntnis der Person des Nuntius Erzbischof Carlo Caputo war es beim Redakteur der Abendzeitung allerdings auch nicht weit her, denn der Autor gab Caputo, der nie einem Orden angehörte,
62
Siehe Anhang, Dokument 20.
63
Dokument 18.
64
Dokument 34.
65
Siehe Anhang, Dokument 21.
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ohne sachliches Fundament als Benediktiner von Montecassino aus 66 . Es war offensichtlich zu verlockend, aus dieser vermeintlichen Tatsache Begründungen für eine besondere Förderung der Zentralisierung des Benediktinerordens durch den Nuntius und für ein enges Zusammenwirken zwischen den bayerischen Benediktinern und Caputo zu konstruieren. Der zweite Teil stammte wohl von einem externen Mitarbeiter, für den rechtliche Kompetenz hinsichtlich des Themas geltend gemacht wurde. In diesen Ausführungen wurden zunächst kirchliche Zentralisierungstendenzen unter dem Pontifikat Leos XIII. (1878 – 1903) beklagt. Dann wies der Autor auf eine relevante Norm des bayerischen Religionsedikts (1818) und auf eine Verfügung König Ludwigs I. von Bayern aus dem Jahr 1836 hin, wonach eine Landesherrliche Bestätigung der Wahl bzw. die Genehmigung des Amtsantritts erforderlich sei. Nach der Verordnung von 1836, die in der entsprechenden Passage wörtlich zitiert wurde, sei es auch das Recht des Königs, zur Wahl und Installation der Vorstände der Benediktinerklöster Kommissäre zu entsenden. Dieses Recht dürfe, so der ungenannte Autor, nicht ausgehöhlt werden, indem die staatlichen Behörden von einer bevorstehenden Abtwahl nicht unterrichtet werden. Zuzustimmen ist der Einschätzung, daß das bloße Schweigen der neuen Statuten über das staatliche Entsendungsrecht dieses nicht beseitigte. Insgesamt kam der Verfasser zu dem Schluß, daß die staatliche Bestätigung der Wahl hätte verweigert und eine erneute Durchführung derselben verlangt werden können. Das bischöfliche Recht, einen Kommissar zur Wahl zu entsenden und die Wahl zu bestätigen, sei dagegen in legitimer Weise abgeschafft worden. Daher sei der Protest des Bischöflichen Ordinariats Regensburg unberechtigt. Wie weit die Kraft der dargebotenen Argumente reichte, wird weiter unten zu erörtern sein. Schon in ihrer nächsten Ausgabe, am 16. Januar 1906, griff die Augsburger Abendzeitung die Mettener Abtwahl wieder auf 67 . Auch dieser Beitrag bestand aus zwei Teilen. Der erste stammte, wie ein zu Beginn des Textes verwendetes Symbol erkennen läßt, von demselben Autor, der den Beitrag vom 8. Januar 1906 verfaßt hatte. Im zweiten Teil, zu Beginn durch ein Sternchen markiert, faßte die Redaktion Informationen zusammen, die ihr zugetragen wurden. Im ersten Abschnitt wurden angeblich unrichtige bzw. verfälschende Behauptungen der Augsburger Postzeitung aus den vergangenen Tagen zurückgewiesen. Es sei „Perfidie“, wenn die Postzeitung Bischof Senestrey „anremple“ und die 66
Daß Caputos Heimatstadt Neapel nicht weit von Montecassino entfernt liegt, kann kaum genügen, in ihm gleich einen Benediktiner der dortigen Erzabtei zu sehen; zu Caputo siehe oben Anm 8. 67
Siehe Anhang, Dokument 22.
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Verantwortung für die Änderung der Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation einem Verstorbenen, Abt Dr. Eugen Gebele (1836 – 1903)68 von St. Stephan in Augsburg, 1897 bis zu seinem Tod der Vorgänger Mergels als Abtpräses, zuweise. Außerdem stellte der Verfasser fest, daß es vor allem Abt Leo Mergel gewesen sei, der die Aufhebung des bischöflichen Bestätigungsrechts betrieben habe, entgegen der Haltung des Abtes Rupert Metzenleitner. Der zweite Abschnitt kritisierte, daß die Verfügung König Ludwigs I., daß bei der Durchführung einer Abtwahl staatliche Kommissare teilnehmen, in einem geheimen Erlaß des Ministeriums abgeschafft worden sei. Die Heimlichtuerei erschwere es den zuständigen Stellen, das Recht korrekt anzuwenden. In der Augsburger Postzeitung folgte am 17. Januar 1906 ein in Teilen polemischer Diskussionsbeitrag unter der Überschrift „Hetze um jeden Preis“69. Polemik wurde am Beginn und gegen Ende des Artikels entfaltet, und sie richtete sich gegen die kämpferischen Beiträge der „Hetzer“ von der Augsburger Abendzeitung, die mit ihrer unkundigen und massiv tendenziösen Berichterstattung nicht mehr könne als „unwissende Kinder schrecken – und Liberale“. In den polemischen Rahmen war eine sehr ausführliche und in nüchternem Ton gehaltene Erörterung der Rechtslage und Darlegung der Tatsachen eingebettet. Der Autor bot zunächst allgemeine rechtshistorische Ausführungen zur Exemtion von Ordensgemeinschaften, insbesondere der Benediktiner, um dann auf die neueren Rechtsverhältnisse der bayerischen Benediktiner einzugehen. Die Darlegungen, die indes nicht in jeder Hinsicht zutreffend waren, verrieten Kenntnisse, die auf einen bayerischen Benediktiner als Verfasser oder wenigstens auf einen Autor aus einem benediktinischen Umfeld schließen lassen. So wurde beispielsweise aus den Kongregationsstatuten von 1860 und 1904 zitiert, die zwar im Druck vorlagen, aber sicher nicht ohne weiteres für jedermann zugänglich waren. Allerdings nannte der Text fälschlich 1861 anstatt 1858 als Jahr der Wiederbegründung der Bayerischen Benediktinerkongregation70. Dieser Irrtum erklärt sich wohl aus der Tatsache, daß die Statuten der Kongregation ab 1861 in Anwendung waren71.
68
Vgl. F. Lauchert, Gebele, Eugen, in: Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog, hrsg. von Anton Bettelheim, Bd. 8, Berlin 1905, S. 195; Art. Gebele, in: Kosch, Das Katholische Deutschland, Bd. 1 (Anm. 2), Sp. 949 f.; Lettner, Augsburg (Anm. 2), S. 3. 69
Siehe Anhang, Dokument 23.
70
Zwei Tage später stellte die Zeitung den Irrtum selbst richtig: Augsburger Postzeitung, Nr. 14, 19.1.1906, S. 12; vgl. dazu auch Haering, Bayerische Benediktinerkongregation im 19. und 20. Jahrhundert (Anm. 39), S. 676 – 679. 71
Vgl. Statuta Congregations Bavaricae Ordinis S. Benedicti sub titulo SS. Angelorum Custodum [1860], Monachii 1874, S. 60 (Authentizitätsvermerk des Apostolischen Nuntius in München vom 13.4.1861).
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Richtig wies der Autor dagegen auf die Neuregelung der Wahlkonfirmation in den Statuten von 1904/05 hin und zitierte in gekürzter Form, aber sachlich korrekt den Wortlaut der einschlägigen Satzungsnorm 72 . Die Regelung, daß der Apostolische Stuhl die Wahl bestätige, entspreche dem allgemeinen Recht und den Gepflogenheiten im Benediktinerorden und sei angesichts der guten Möglichkeiten zur Kommunikation mit Rom leicht praktikabel. Mit der Bestätigung der Satzungen habe Rom gleichsam stillschweigend die Bevollmächtigung der Bischöfe, die Wahl zu bestätigen, aufgehoben. Hier setzte der Verfasser voraus, daß es sich dabei um kein originäres Recht der Bischöfe, sondern um ein vom Apostolischen Stuhl delegiertes Recht gehandelt habe. Gegen die Neuregelung hätten sich die Bischöfe nach Inkrafttreten und Kenntnisnahme der Statuten nicht verwahrt. Was die Nichtbeteiligung eines staatlichen Kommissars angeht, faßte sich der Verfasser knapp und stellte fest, daß die Entsendung eines solchen Kommissars schon seit langem nicht mehr praktiziert wurde. Dabei konnte er sich eine hämische Bemerkung nicht verkneifen: „Man muß sich also wundern, daß eine so lächerliche und beschämende Unkenntnis der einschlägigen Dinge in so boshafter Form in einer größeren Zeitung sich noch hervorwagen darf. Wenn die ‚Abendzeitung‘ durchaus den Hansdampf in allen Gassen spielen will, dann darf sie sich nur öfter von solchen Leuten bedienen lassen.“ Die nächsten Wortmeldungen finden sich im Regensburger Morgenblatt, das bisweilen auch als Sprachrohr der Regensburger bischöflichen Behörde fungierte. Am 18. Januar 1906 stellte die Zeitung fest, daß die liberale Presse im Streit um die Mettener Abtwahl „ein kulturkämpferisches Fiasko“ erlitten habe 73 . Insgesamt sekundierte der Beitrag der Augsburger Postzeitung hinsichtlich der Linie, die Äußerungen der liberalen Presse als kulturkämpferische Hetze darzustellen, die sich nicht um die Tatsachen und die Rechtslage kümmere. Falsch stellte der Autor jedoch die Position des Regensburger Ordinariats dar, wenn er dessen volles Einverständnis mit dem Ablauf der Ereignisse konstatierte. Am folgenden Tag, 19. Januar 1906, wurde im selben Blatt ein ganz anderer Ton angeschlagen 74 . Ein Autor, der wohl aus dem Bereich des Bischöflichen Ordinariates Regensburg kam, griff den Verfasser des Beitrags in der Augsbur72
Vgl. Statuta 1904 (Anm. 9), S. 30 (n. 113): „Praeses indicit diem electionis, quae intra mensem a morte Abbatis fieri debet, et ipsi electioni sine voto tamen praesidet. Postremo a Sancta Sede confirmationem Neoelecti petit et de peracta electione Ordinarium loci certiorem facit. Ubi agitur de Prioris conventualis electione, confirmatio ad praesidem spectat.“ 73
Siehe Anhang, Dokument 24.
74
Siehe Anhang, Dokument 25.
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127
ger Postzeitung vom 17. Januar 1906 75 massiv und in teilweise ironischem Tonfall an. Der vertretene Rechtsstandpunkt zielte darauf, daß das Recht der Bischöfe, die Abtwahlen zu bestätigen, ein originäres bischöfliches Recht sei und nicht ein jederzeit widerrufbarer Auftrag des Apostolischen Stuhls. Damit wurde, wenn auch nicht detailliert und in insgesamt grober Gestalt, die Position der Regensburger Diözesanleitung referiert. Am selben Tag, 19. Januar 1906, publizierte die Augsburger Postzeitung erneut einen Beitrag desselben Autors, der sich bereits am 14. Januar 1906 in diesem Organ geäußert hatte 76 . Die Aussagen des zweiten Artikels lassen nun klar erkennen, daß es sich bei dem Verfasser um Abt Rupert Metzenleitner aus Scheyern handeln mußte, der hier u. a. von der durch ihn selbst vollzogenen Installation des neuen Mettener Abtes berichtete. Vor allen wies Abt Rupert Aussagen von Beiträgen der Augsburger Abendzeitung und der Münchner Neuesten Nachrichten zurück und stellte aus seiner Sicht die Tatsachen klar. Insbesondere korrigierte er Mutmaßungen über die Rolle des Apostolischen Nuntius Caputo und des Abtprimas de Hemptinne. Zu seinem Schutz hielt Metzenleitner fest, daß die anstehende Mettener Wahl durch ihn den staatlichen Behörden angezeigt worden sei. Ein wenig Anlaß zum Schmunzeln gibt die Bemerkung, daß es „eine gütige Hand“ gewesen sei, welche die kritisierten Zeitungen „nach Scheyern gelangen lassen“ habe. Offensichtlich wollte Metzenleitner deutlich machen, daß man in der Abtei Scheyern keine liberalen Zeitungen abonniert habe. Nach vier Tagen, an denen nur katholische Blätter zu vernehmen waren, mußte auch wieder die liberale Presse auf das Schlachtfeld des kirchenpolitischen Federkriegs treten. In der Augsburger Abendzeitung vom 20. Januar 1906 wurde vor allem Spott über die Regensburger Diözesankurie ausgegossen 77 . Im ersten Absatz des Beitrags „Zur Mettener Abtwahl“ kam zunächst jedoch ein offensichtlich staatskirchenrechtlich geschulter externer Autor zu Wort, der auf dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse eine Anpassung staatlicher Bestimmungen forderte. Danach griff ein Redakteur der Zeitung den seit dem Beitrag im Regensburger Morgenblatt vom Vortag 78 offensichtlichen Dissens im katholischen Lager auf und machte sich – ohne den Namen zu nennen – über den Regensburger Generalvikar Leitner lustig, der die von den Benediktinern vorgelegten, dann aber unauffindbaren Statuten nicht gelesen habe. 75
Vgl. Dokument 23.
76
Siehe Anhang, Dokument 26. Der erste Beitrag dieses Autors ist abgedruckt als (erster Abschnitt von) Dokument 20. 77
Siehe Anhang, Dokument 27.
78
Dokument 25.
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Und wohl um noch ein wenig Öl ins Feuer zu schütten, wurde berichtet, der neue Mettener Abt Willibald Adam sei in Regensburg „sogar mit dem belobigenden Prädikat eines ‚bescheidenen Männleins‘ ausgezeichnet worden“, eine Mitteilung, die nicht gerade angetan war, die Sympathien der Benediktiner für das Ordinariat zu fördern und so das Einvernehmen zwischen Diözesankurie und Benediktinerkongregation zu festigen. Die Augsburger Postzeitung wurde als entweder unaufrichtig oder schlecht informiert präsentiert, weil sie nichts über den Protest des Bischofs von Regensburg gegen das Procedere bei der Mettener Abtwahl publiziert habe. Am folgenden Tag, 21. Januar 1906, ergriff wieder die Augsburger Postzeitung das Wort und behandelte „nochmals die Abtwahl in Metten“ 79 . Es sind wiederum zwei Autoren, welche unter dieser Überschrift schrieben. Der erste Abschnitt stammte wieder von Abt Rupert Metzenleitner, der hier erneut bestrebt ist, Vorwürfe gegen seine Amtsführung und gegen seine öffentliche Darstellung der Ereignisse zurückzuweisen. Er bezog sich dabei konkret auf den Beitrag der Augsburger Abendzeitung vom 16. Januar 1906 80 . Die Einzelheiten der Argumentation müssen hier nicht ausgebreitet, sondern können im Anhang nachgelesen werden. Es fällt jedoch auf, daß Abt Rupert sehr darum bemüht war, sich ins rechte Licht zu stellen und sein Einvernehmen mit allen Beteiligten zu betonen. Interessant ist schließlich die explizit geäußerte Vermutung, daß in der publizistischen Auseinandersetzung auch aus dem Orden selbst heraus gegen den Abtpräses agitiert würde. Der Autor des zweiten Teils war offensichtlich Kanonist. Nach Art eines kurzen Fachgutachtens nahm er zu den Rechten der bayerischen Bischöfe hinsichtlich der Abtwahlen Stellung und bezog sich dabei besonders auf die in der Postzeitung vom 17. Januar 1906 gemachten Äußerungen eines anderen Verfassers 81 . Insgesamt betrachtet nahm der kanonistische Experte die Position ein, die seitens des Regensburger Ordinariats vertreten wurde, und kam zu der Feststellung, daß der Heilige Stuhl bloß durch die Bestätigung der neuen Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation die alten Rechte der Bischöfe sicher nicht beseitigen wollte. Das Regensburger Morgenblatt publizierte am folgenden Tag, 22. Januar 1906, eine zwar nicht gezeichnete, aber in ihrer Urheberschaft für jedermann klar zuzuordnende und insoweit wenigstens offiziöse kurze Stellungnahme des Regensburger Ordinariats 82 . Es ging wohl in erster Linie darum, rasch die hä79
Siehe Anhang, Dokument 28.
80
Dokument 22.
81
Dokument 23.
82
Siehe Anhang, Dokument 29.
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mischen Äußerungen der Augsburger Abendzeitung vom 20. Januar 1906 83 gegen das Ordinariat, das nicht sorgfältig arbeite, zurückzuweisen und sich dadurch dem „Blamage-Kübel“ zu entziehen. Vermutlich ist der Beitrag von Generalvikar Dr. Leitner abgefaßt worden. Der Verfasser nutzte auch die Gelegenheit, den Verlauf der Ereignisse knapp darzustellen und die nach seiner Ansicht offene Rechtsfrage zu formulieren. Die meisten angegebenen Verfahrensschritte waren auch anhand anderer Quellen nachzuvollziehen; bei den Aussagen über die unverzügliche Kenntnisnahme der neuen Statuten der bayerischen Benediktiner durch die Regensburger Behörde im September 1905 könnte es sich aber auch um eine bloße Schutzbehauptung handeln 84 . Am folgenden Tag, 23. Januar 1906, konnte man erneut in der Augsburger Postzeitung eine Wortmeldung zur Sache lesen 85 . Der zweifellos kanonistisch geschulte Verfasser replizierte auf die Äußerungen, die ein ungenannter Fachgenosse zwei Tage zuvor in demselben Organ publiziert hatte 86 . Er erörterte die Frage nach der rechtlichen Eigenart des früheren bischöflichen Bestätigungsrechts der Bischöfe und kam – summa summarum – zu dem Urteil, daß der Hl. Stuhl berechtigt gewesen sei, das Mandat an die Bischöfe, Abtwahlen zu bestätigen, zurückzuziehen. Interessant ist das angeführte Argument, daß es sich bei diesem Mandat an die Bischöfe um ein Privileg zugunsten der Benediktinerklöster gehandelt habe, welchen dadurch die Zahlung beträchtlicher Annaten an den Apostolischen Stuhl erspart geblieben sei. Dieses Privileg, für dessen Beibehaltung kein Grund mehr gegeben sei, sei auf Antrag der Benediktiner, der in dem vom Generalkapitel gebilligten Satzungstext zum Ausdruck gekommen sei, aufgehoben worden. Dagegen sei nie daran gedacht gewesen, ein eigenes Recht der Bischöfe wie das Recht, einen neuen Abt zu benedizieren, zu beeinträchtigen. Am Ende sprach der Autor die Vermutung aus, der Hl. Stuhl hätte den Bischöfen das Recht zur Wahlbestätigung belassen bzw. wieder gegeben, wenn sie sich nur sofort nach Bekanntgabe der neuen Statuten darum bemüht hätten. Die Antwort aus dem Regensburger Ordinariat wurde sogleich am Tag des Erscheinens dieser Ausgabe der Postzeitung verfaßt und war am 25. Januar 1906 zu lesen 87 . Der Verfasser, wohl Generalvikar Dr. Leitner, versuchte im Telegrammstil die vorgebrachten Argumente zu entkräften. Ein wenig gekränkt schien er über eine Tendenz des Artikels der Postzeitung, die Klöster vor die 83
Dokument 27.
84
Nach der Feststellung von P. Godehard Geiger wurden die Statuten am 13. Oktober 1905 an das Regensburger Ordinariat gesandt; vgl. Dokument 6 und oben I.2. 85
Siehe Anhang, Dokument 30.
86
Dokument 28 (zweiter Abschnitt).
87
Siehe Anhang, Dokument 31.
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Bischöfe zu setzen. Allerdings muß man festhalten, daß diese Tendenz in dem kritisierten Beitrag keineswegs generell, sondern nur insoweit gegeben war, als die Veränderung des Bestätigungsrechts als Aufhebung eines Privilegs der Benediktiner, nicht aber der Bischöfe dargestellt wurde. Zum Abschluß schlug der Verfasser vor, den öffentlichen Streit über die Angelegenheit einzustellen und einfach die römische Antwort auf die Regensburger Beschwerde abzuwarten. Am selben Tag, 25. Januar 1906, erschien auch in der Postzeitung ein weiterer Beitrag zur Sache, „Nachklänge zum Mettener Abtwahl-Streit“ betitelt und damit das allmähliche Ende der Zeitungsdebatte andeutend 88 . Der Autor, der offensichtlich aus dem Bereich der Bayerischen Benediktinerkongregation kam, bezog sich eingangs auf den einschlägigen Artikel der Augsburger Abendzeitung vom 20. Januar 1906 89 . Er konstatierte mit Genugtuung, daß dieses Organ sich überwunden habe und bereit gewesen sei „der Wahrheit Zeugnis zu geben“. Es habe in seinem „Endurteil“ festgestellt, daß den Wahlleiter und den Mettener Konvent keine Schuld treffe. Im weiteren Verlauf war der Beitrag bemüht, das „innerkirchliche Klima“ zu verbessern, indem das beständige gute Einvernehmen zwischen Bischöfen und Klöstern herausgestellt wird, das seit der Wiedererrichtung der Bayerischen Benediktinerkongregation im 19. Jahrhundert geherrscht habe, im Gegensatz zur Situation im 17. und 18. Jahrhundert 90 . Ferner wies der Verfasser darauf hin, daß die Veränderung des Bestätigungsrechts nicht den Bischöfen zur Genehmigung habe vorgelegt werden können, nachdem der Apostolische Stuhl die Statuten bereits approbiert hatte. Am 27. Januar 1906 kam, gleichfalls in der Augsburger Postzeitung, erneut ein anderer Autor zu Wort; er ist der Seite des Bischöflichen Ordinariats Regensburg zuzurechnen 91 . Der Beitrag nahm kritisch Stellung zu dem Artikel, der am 23. Januar 1906 ebenfalls in der Postzeitung erschienen war 92 . In der Sache brachte dieser Beitrag wenig Neues. Vor allem griff er den in dem kritisierten Artikel entworfenen Vergleich zwischen dem Konfirmationsrecht der bayerischen Bischöfe und dem Mandat eines Generalvikars an und hob hervor, daß es sicher nicht die Absicht des Heiligen Stuhles gewesen sein könne, die bisherigen Rechtsverhältnisse quasi stillschweigend, ohne direkte Einbeziehung der Bischöfe, zu verändern. Hier klang wieder der Vorwurf an, die Benedikti88
Siehe Anhang, Dokument 32.
89
Dokument 27.
90
Vgl. Stephan Haering, Die Bayerische Benediktinerkongregation von 1684 bis 1803, in: Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner (Anm. 39), S. 621 – 652 (Lit.). 91
Siehe Anhang, Dokument 33.
92
Dokument 28.
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ner hätten anläßlich der Vorlage der Statuten beim Heiligen Stuhl nicht redlich agiert. Am Ende drückte der Autor die Hoffnung aus, „daß Rom selbst in Bälde die Zweifel löse“. Dieser am Vortag der Benediktion des neuen Abtes Willibald Adam in Metten erschienene Beitrag beschloß den „kirchenpolitischen Federkrieg“ um die Mettener Abtwahl 93 . In den folgenden Tagen berichteten die Zeitungen noch über das Benediktionsfest. Im lokalen Deggendorfer Donauboten, in der Augsburger Postzeitung und im Regensburger Morgenblatt erschien ein gleichlautender ausführlicher Bericht über den Verlauf des Festtags, der seitens der Abtei Metten lanciert worden sein dürfte 94 . In dem Bericht wird u. a. hervorgehoben, daß Regierungspräsident Freiherr von Andrian-Werburg feststellte, alle in der Presse aufgetauchten Gerüchte, die Regierung habe Protest gegen die Abtwahl eingelegt, seien grundlos, und daß sich die Abtei Metten an der „Preßfehde … mit keiner Zeile beteiligt“ habe. Der Bericht vermittelt den Eindruck eines harmonischen Festes, an dem alle Beteiligten auf staatlicher und kirchlicher Seite in vollem Einvernehmen standen. 3. Kurze Analyse der Pressekontroverse Bei einer flüchtigen Analyse des dreiwöchigen kirchenpolitischen Federkriegs vom Januar 1906 kann der heutige Leser, ein Jahrhundert nach den geschlagenen Schlachten, einige interessante Beobachtungen machen. Sie betreffen den damaligen, sich in mancher Hinsicht von den gegenwärtigen Usancen unterscheidenden Arbeitsstil der Zeitungen, aber auch die Dynamik der Kontroverse. a) Zu den Verfassern der Beiträge Zunächst einmal fällt auf, daß die Zeitungsartikel allesamt nicht namentlich gezeichnet waren. Die Anonymität macht es dem Leser unmöglich, den Verfasser unmittelbar zu erkennen, vielmehr ist die Verantwortung für die Beiträge letztlich bei der Redaktion insgesamt anzusiedeln. Lediglich Zeichen, die bisweilen am Beginn eines Artikels gesetzt wurden und die den heute teilweise in
93
Die regionale Presse fand aber bald ein neues Thema aus dem kirchlichen Bereich mit dem man sich kontrovers auseinandersetzen konnte, nämlich die Bitte Bischof Senestreys um einen Koadjutor (vgl. etwa Regensburger Morgenblatt, Nr. 25, 1.2.1906, S. 4). 94
Deggendorfer Donaubote, Nr. 23, 30.1.1906, S. 1 f.; Augsburger Postzeitung, Nr. 23, 30.1. 1906, S. 4 f. (siehe Anhang, Dokument 34); Regensburger Morgenblatt, Nr. 24, 31.1.1906, S. 5.
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den Zeitungen verwendeten Namenskürzeln der Verfasser oder der als Quelle benutzten Nachrichtenagentur vergleichbar sind, gestatten Rückschlüsse darauf, welche Artikel von ein und demselben Autor stammen. Allerdings muß man sehen, daß solche Zeichen nicht immer gesetzt werden. Bisweilen lassen inhaltliche Merkmale Rückschlüsse auf die Urheberschaft der Zeitungsbeiträge zu. In der Kontroverse um die Mettener Abtwahl kommt beispielsweise kaum verdeckt Abt Rupert Metzenleitner von Scheyern wiederholt zu Wort. In dem Beitrag in der Augsburger Postzeitung vom 19. Januar 1906 95 sagt der Autor etwa ausdrücklich, daß er in Scheyern sei, und nimmt noch Bezug auf einen eigenen früheren Beitrag vom 14. Januar 1906 96 , der ebenso wie ein weiterer vom 21. Januar 1906 97 eingangs mit einem Zeichen (‡) markiert ist, welches in seiner Form überdies an ein sogenanntes Scheyrer Kreuz erinnert. Diese Fakten zusammen mit den Schlüssen, die aus dem Inhalt der betreffenden Artikel zu ziehen sind, lassen die Verfasserschaft Metzenleitners sehr sicher erscheinen. Ähnliches gilt für die Urheberschaft des Regensburger Generalvikars Dr. Franz Xaver Leitner – oder wenigstens eines Mitarbeiters aus dessen engster Umgebung – an den kurzen Artikeln im Regensburger Morgenblatt vom 22. und vom 25. Januar 1906 98 , wobei man sich in diesem Fall für die Schlußfolgerung vornehmlich auf inhaltliche Feststellungen stützen muß. Einzelne Beiträge auf Seiten der liberalen Presse lassen auch einen Autor oder zumindest einen im Hintergrund stehenden Informanten aus dem Bereich der bayerischen Benediktiner vermuten, wenn etwa ein Dissens innerhalb der Kongregation über die Neufassung der Statuten angedeutet wird 99 . Hinter den in der Augsburger Abendzeitung verbreiteten Äußerungen könnte vielleicht ein Benediktiner aus der dortigen Abtei St. Stephan stehen, deren Eingliederung in die Bayerische Benediktinerkongregation aufgrund der Entwicklung, die das Kloster im 19. Jahrhundert genommen hatte, nicht ganz einfach war, und in der immer noch Widerstände vorhanden gewesen sein dürften 100 . Andere Autoren lassen besondere kirchenrechtliche Kenntnisse erkennen. Ob sich allerdings der 95
Dokument 26.
96
Dokument 20.
97
Dokument 28.
98
Dokumente 29 und 31.
99
Vgl. Dokumente 17, 21 und 22.
100
Zur schwierigen Entwicklung von St. Stephan in den Jahrzehnten bis zum Beitritt zur Kongregation vgl. Hermann Bourier, Das Benediktinerstift St. Stephan in Augsburg unter den ersten drei Äbten, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 50 (1932), S. 443 – 493; danach: Glogger, Das Benediktinerstift St. Stephan in Augsburg unter den letzten drei Äbten (Anm. 39).
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möglicherweise im Hintergrund der Regensburger Diözesankurie stehende dortige Lyzealprofessor Dr. Philipp Schneider, der sich später in einem wissenschaftlichen Beitrag mit der Materie auseinandergesetzt hat, unter diesen befand, muß man angesichts seiner kritischen Bemerkung über die Verhandlung der Angelegenheit in Zeitungen bezweifeln 101 . Ferner fällt auf, daß die Zeitungen offensichtlich unaufgefordert eingesandte Beiträge von externen Autoren ohne weiteres als Artikel in den normalen Redaktionsteil übernommen und nicht etwa in eine Sparte für Leserzuschriften verwiesen haben. Die auswärtige Verfasserschaft an diesen Artikeln wird in der Regel allerdings nicht irgendwie kaschiert, sondern offen angezeigt mit Formeln wie „Wir erhalten dazu folgende Zuschrift“ o. ä. Durch die Aufnahme fremder Beiträge kommt es auch dazu, daß unter einer Überschrift Texte verschiedener Autoren zusammengefaßt werden. Die Aufnahme nur flüchtig geprüfter, sachlich nicht ganz zuverlässiger fremder Beiträge kann dann freilich dazu führen, daß die Gegenseite mit hämischer Kritik ansetzt, wie es beispielsweise in der Augsburger Postzeitung am 17. Januar 1906 in Reaktion auf die Berichterstattung der Augsburger Abendzeitung geschehen ist. Dort wurde die Berichterstattung der Abendzeitung einer lächerlichen und beschämenden Unkenntnis in der Sache und der Boshaftigkeit in der Form geziehen 102 . b) Zum Stil der Auseinandersetzung Bemerkenswert ist die Schärfe der Tonart, die bisweilen in der Pressekontroverse angeschlagen wurde. Man schenkte sich nichts, kam manchmal schlichtweg grob, manchmal auch überlegen ironisch daher. Ein paar Beispiele mögen dies verdeutlichen. Die Augsburger Abendzeitung warf in dem Artikel vom 8. Januar 1906, der die ganze Debatte eröffnete, dem Kloster Metten vor, sich einfach über das Recht hinweggesetzt zu haben, und schrieb: „Merkwürdigerweise scheint diesmal das Stift Metten von allzu selbstherrlicher Seite in einer Weise beraten worden zu sein, als ob es vor lauter Päpstlichkeit über alle kirchenrechtlichen und staatskirchlichen Formen hinwegsehen könne.“ 103 Das Regensburger Morgenblatt und die Augsburger Postzeitung konstatierten am 11. Januar 1906 bei der liberalen Abendzeitung, die früher den ultramontanen
101
Siehe dazu unten, Abschnitt III mit Anm. 113 – 116.
102
Vgl. Dokument 23.
103
Dokument 17.
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Bischof Senestrey angegriffen habe und ihn nun als national gesinnt hinstellen würde, „Gesinnungs-Elastizität“ 104 . In der Augsburger Postzeitung schloß ein Beitrag vom 14. Januar 1906, der von der liberalen Presse aufgestellte Behauptungen korrigierte, ironisch mit dem Lk 2,14 aufnehmenden Zitat aus dem „Gloria“ des Meßordinariums: „Pax hominibus bonae voluntatis.“ 105 Dabei handelte es sich kaum um einen aufrichtigen Friedenswunsch, sondern vielmehr um einen spitzen Vorwurf der Böswilligkeit an die kritisierten Gegner. Die liberale Seite wollte nicht nachstehen. In der Augsburger Abendzeitung vom 15. Januar 1906 wurden der Regensburger Diözesanleitung eine finstere und vormoderne Gesinnung und die Bereitschaft, entsprechende Methoden anzuwenden, unterstellt, wenn es dort zum Verhältnis des dortigen Generalvikars zur liberalen Presse bzw. zur Pressefreiheit hieß: „Wir verstehen recht gut das sehnliche Verlangen des Herrn Generalvikars Dr. Leitner und seiner Getreuen, die Quelle so mancher unbequemer Mitteilung der ‚Augsb. Abendztg.‘ kennen zu lernen. Es wird aber alles noch so eifrige Schnüffeln, wie es jetzt auch wieder unter der Geistlichkeit Regensburgs betätigt worden ist, vergeblich bleiben, wenigstens so lang nicht Folter und Daumenschrauben wieder eingeführt werden.“ 106 Und am folgenden Tag wurde im selben Organ die Berichterstattung der klerikalen Zeitungen in dem Abtwahlstreit mit „Perfidie“ charakterisiert 107 . Die kirchliche Seite dagegen erhob vor allem gegen die Augsburger Abendzeitung den Vorwurf, eine allgemeine Hetzkampagne zu betreiben. So schrieb die Augsburger Postzeitung am 17. Januar 1906 über die Abendzeitung: „Sie sucht die Bischöfe gegen die Benediktiner und den Nuntius zu hetzen, die Benediktiner selbst gegen Rom wegen dessen angeblicher Zentralisationsgelüste, die bayerische Regierung aber gegen alle andern, die Benediktiner, die Bischöfe, den Nuntius und Rom.“ Im selben Beitrag konstatierte die Postzeitung aber auch, daß diese Bemühungen für jeden einigermaßen Kundigen leicht zu durchschauen seien, und hielt fest: „Damit kann man unwissende Kinder schrecken – und Liberale.“ 108 Dem gegen die Abendzeitung gerichteten Vorwurf, einfach nur zu hetzen, schloß sich auch das Regensburger Morgenblatt an, wo man am 18. Januar
104
Dokument 19.
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Dokument 20.
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Dokument 21.
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Dokument 22.
108
Dokument 23.
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1906 als Resümee eines aufklärenden Beitrags lesen konnte: „So bleibt von der Aktion der ‚Augsburger Abendzeitung‘ nichts übrig, als die plumpe Hetze.“ 109 Im Gegenzug attestierte die Abendzeitung am 20. Januar 1906 bei der Berichterstattung der Postzeitung, die bestimmte Aspekte nicht bzw. unzutreffend ansprechen würde, „Unverfrorenheit“. „Entweder war das Blatt da ganz schlecht unterrichtet, oder es stellte Behauptungen wider besseres Wissen auf.“ 110 Als letztes Beispiel sei ein Zitat aus dem Regensburger Morgenblatt vom 25. Januar 1906 angeführt, wo der aus dem Regensburger Ordinariat kommende Verfasser belehrend gegenüber einem Autor der Postzeitung auftrat: „Herr X in der ‚Postzeitung‘ ruht nicht. Hat er unlängst mit dem Blamagekübel – sehr geschmackvoll – hantiert, so versucht er es nun mit dem ‚Sturm im Wasserglas‘, kommt aber ganz daneben. Gemach, mein Herr: Sie reiten nochmals den Gaul von dem ‚Auftrag‘, übersehen aber folgende Punkte:“ 111 Hier wurde auf einen Beitrag repliziert, der nicht von liberaler Seite, sondern gleichfalls aus einem kirchlichen Hintergrund kam. Man ist also, wie sich anhand weiterer Beispiele belegen ließe, auch innerhalb kirchlicher Kreise nicht immer behutsam miteinander umgegangen. c) Sachliche Aspekte des Verlaufs der Kontroverse Betrachtet man den Verlauf der dreiwöchigen Zeitungskontroverse, so fällt auf, daß ihr Charakter sich von einer kulturkämpferischen Kampagne der liberalen Presse, die man auf kirchlicher Seite abzuwehren suchte, zu einem öffentlich ausgetragenen Streit kirchlicher Gruppierungen wandelte. Angestoßen wurde die ganze Debatte am 8. Januar 1906 von der liberalen Augsburger Abendzeitung, die anhand der Mettener Abtwahl einen Dissens zwischen Staat und Kirche feststellen und Gefahren einer fortschreitenden ultramontanen Zentralisierung der Kirche an die Wand malen wollte; der Konflikt zwischen der Regensburger Kurie und den Benediktinern spielte dagegen eine untergeordnete Rolle. Andere liberale Zeitungen folgten wenige Tage später dieser Tendenz. Von katholischer Seite wurden zunächst die kulturkämpferischen Absichten, die hinter dieser Berichterstattung standen, benannt und zurückgewiesen. Allmählich aber nahm anstelle des staatskirchenrechtlichen Themas die Streitfrage, die zwischen dem Ordinariat Regensburg auf der einen und der Benediktinerkongregation bzw. dem Kloster Metten auf der anderen Seite schwelte, ob nämlich die Amtsbesetzung
109
Dokument 24.
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Dokument 27.
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Dokument 31.
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nach kirchlichem Recht korrekt verlaufen sei, in dem „Federkrieg“ einen immer breiteren Raum ein, um schließlich allein beherrschend zu werden. Diese Veränderung hängt damit zusammen, daß die Frage, ob die Nichtbeteiligung eines staatlichen Kommissärs an der Abtwahl legitim gewesen sei, rasch in zustimmendem Sinn beantwortet werden konnte, während die kirchenrechtliche Problematik sich verworrener darstellte und die Sichtweisen noch über das Ende der Pressedebatte hinaus diesbezüglich divergierten. Als man einsehen mußte, daß die Angelegenheit sich nicht unter kulturkämpferischen Vorzeichen würde ausschlachten lassen, zog sich die auf liberaler Seite in dem Konflikt führende Augsburger Abendzeitung aus der Debatte zurück. Am 20. Januar 1906 äußerte sie sich zum letzten Mal zu dem Thema und trat mit – im Grunde dürftigen und implizit die eigene Fehleinschätzung eingestehenden – Anregungen zur Revision staatskirchenrechtlicher Normen den Rückzug an, allerdings nicht ohne etwas Öl ins Feuer des innerkirchlichen Streits zu gießen. In den katholischen Organen Augsburger Postzeitung und Regensburger Morgenblatt wurde die Auseinandersetzung in der Tat noch eine Woche länger fortgeführt, was die dort auftretenden Kontrahenten aber wohl auch ohne die Sticheleien der Abendzeitung getan hätten. Im Regensburger Morgenblatt vom 25. Januar 1906 wurde endlich der Wunsch kundgetan, den Streit nicht weiter öffentlich fortzuführen: „Warten wir also ruhig den Ausgang der Sache ab, ohne weiter vor dem Publikum über die Abtwahlen zu streiten.“ 112 Diese Einsicht hätte man den diversen kirchlichen „Federkriegern“ früher gewünscht. Aus der Darstellung des Verlaufs der Debatte ist deutlich geworden, daß in vielen Beiträgen rechtliche Aspekte der Angelegenheit ausführlich erörtert wurden. Die betreffenden Artikel lassen durchaus eine gewisse juristische oder kanonistische Kompetenz der Autoren erkennen. Man muß allerdings einerseits feststellen, daß sich die rechtliche Argumentation – was in parteilichen Organen durchaus statthaft ist – immer parteiisch und zielorientiert darstellt und nicht als objektiv bezeichnet werden kann, auch wenn sie sich auf den ersten Blick so geben mochte. Bedenklich stimmt, daß einige der Autoren sich öffentlich exponierten, ohne einen seriösen Überblick über die Fakten und über die – zugegeben komplexe – Rechtslage zu haben. Indes überrascht dies auch wieder nicht, weil man solches immer wieder gewärtigt.
112
Dokument 31.
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III. Zur rechtlichen Einordnung der Auseinandersetzung Der Streit um die Mettener Abtwahl 1905, wie er in den Akten und in den Zeitungen greifbar ist, hing eng mit rechtlichen Fragen zusammen. Die Protagonisten der Auseinandersetzung argumentierten zwar rechtlich, aber selbstverständlich jeweils aus ihrer subjektiven Position heraus. Bei manchen interessenbestimmten und teilweise wohl auch mit Vorurteilen behafteten Teilnehmern der Pressedebatte konnte man noch weniger Objektivität der Betrachtung erwarten. Gutachten finden sich nicht in der ausgewerteten Aktenüberlieferung, nicht einmal für den internen Gebrauch erarbeitete Zusammenstellungen der relevanten Rechtsquellen. Unter wissenschaftlichem Anspruch hat sich lediglich der zeitgenössische Regensburger Lyzealprofessor für Kirchenrecht Dr. Philipp Schneider (1840 – 1906) 113 mit der Angelegenheit auseinandergesetzt und dazu 1906 in der kanonistischen Fachzeitschrift „Archiv für katholisches Kirchenrecht“ einen 18 Seiten zählenden Aufsatz publiziert 114 , dem er wenig später einen kurzen Nachtrag folgen ließ 115 . Schneiders nüchterne Haltung wird schon aus den einleitenden Bemerkungen seines Beitrags ersichtlich, wo er feststellte, daß die Mettener Abtwahl „nur zu lange … eine ständige Rubrik in den politischen Blättern“ bildete, „wohin dasselbe nach seinem innersten Wesen absolut nicht gehörte“ 116 . Er legte eine solide und historisch ausgreifende Erörterung seines Themas vor, auf welche
113 Philipp Schneider, aus Miltenberg, 1864 Priester der Diözese Würzburg, 1881 Dr. theol. an der Universität Würzburg, 1887 Professor am Lyzeum in Regensburg, 1904 Konsultor der Kommission zur Kodifikation des kanonischen Rechts; wissenschaftliche Publikationen u. a. zu Domkapitel, kirchlicher Rechtsquellenlehre, Rechtsquellensammlungen; siehe zur Person: † Prof. Dr. Philipp Schneider, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 87 (1907), S. 352 f. (der namentlich nicht gezeichnete Nachruf ist vermutlich von Franz Heiner, dem damaligen Herausgeber der Zeitschrift, verfaßt); Wilhelm Schenz, Das erste Jahrhundert des Lyzeum Albertinum als Kgl. Bayer. Hochschule (1810 bis 1910), Regensburg u. a. 1910, S. 212 f., 296 – 298. 114
Philipp Schneider, Die Mettener Abtwahl nach den Grundsätzen des allgemeinen Kirchenrechts, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der bayerischen Benediktinerkongregation, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 86 (1906), S. 429 – 446. 115
Philipp Schneider, Nachtrag zu dem Artikel »Die Mettener Abtwahl«, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 86 (1906), S. 798 – 800. – Schneider verstarb bereits am 25.8.1906, muß also Beitrag und Nachtrag bald nach Ende der öffentlichen Debatte verfaßt haben. – Der Beitrag wurde übrigens unverzüglich in der Standardliteratur berücksichtigt; vgl. Johannes Baptist Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts. 2., verm. und verb. Aufl., Freiburg im Breisgau 1909, S. 842 Anm. 9, S. 843 Anm. 2. 116
Schneider, Mettener Abtwahl (Anm. 114), S. 429.
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im folgenden noch zurückzukommen sein wird. Allerdings hatte Schneider offensichtlich keinen direkten Zugriff auf die Quellen des Eigenrechts der Bayerischen Benediktinerkongregation; denn als er auf eine einschlägige Satzungsbestimmung Bezug nahm, mußte er aus einem Zeitungsbericht zitieren. Bei der diskutierten rechtlichen Problematik lassen sich eine staatskirchenrechtliche und eine kanonistische Frage unterscheiden. Es ging konkret einerseits um die staatliche Beteiligung und andererseits um die bischöfliche Beteiligung an dem Verfahren zur Bestellung eines neuen Abtes für ein bayerisches Kloster. Die beiden Problemfelder stellen sich unterschiedlich komplex dar. 1. Die staatliche Beteiligung an der Abtwahl Die liberalen Presseorgane kritisierten zu Beginn ihrer Kampagne, daß bei der Mettener Abtwahl kein staatlicher Wahlkommissär beteiligt worden sei, und führten dazu verschiedene rechtliche Bestimmungen an, welche durch ein solches Vorgehen verletzt worden seien. Im Verlauf der Debatte stellte sich bald heraus, daß die Kritiker sich nicht auf dem neuesten Stand der Rechtsentwicklung befanden und nicht darum wußten, daß seit 1852 keine staatlichen Wahlkommissionen für klösterliche Wahlen mehr bestellt wurden117. Namentlich hatten sie eine Ministerial-Entschließung aus dem Jahr 1889, die diese Praxis nochmals explizit sanktionierte und wonach zu den Wahlen der Ordensoberen regelmäßig keine staatlichen Kommissäre mehr entsandt wurden, nicht berücksichtigt118. Die gemäß geltendem Staatskirchenrecht erforderliche Landesherrliche Bestätigung bzw. Genehmigung der Wahl, die durch Prinzregent Luitpold mit Datum vom 6. Januar 1906 – also ohne Verzug – erfolgte, zeigte, daß die staatlichen Behörden keine Rechtsverletzung erkennen konnten. Schon bei ihrem Auftakt am 8. Januar 1906 war die Pressedebatte insoweit überholt. Die Rechtsinstitute des staatlichen Wahlkommissärs und der Landesherrlichen Genehmigung der Wahlen von Klosteroberen waren Ausdruck des bayerischen Staatskirchentums des 19. Jahrhunderts, das – wenn auch zuletzt insgesamt milde gehandhabt – bis zum Ende der bayerischen Monarchie 1918 Be-
117 118
Vgl. Schneider, Mettener Abtwahl (Anm. 114), S. 430.
Ministerial-Entschließung vom 28. März 1889, die Verhältnisse der katholischen Kirche in Bayern betr., abgedr. in: Philipp Schneider, Die partikulären Kirchenrechtsquellen in Deutschland und Oesterreich, Regensburg 1898, S. 226 – 232, hier S. 227: „Desgleichen wird nach Anordnung Seiner Königlichen Hoheit auch für die Folgezeit von der Absendung weltlicher Kommissäre bei der Wahl der Klosteroberen und der Gelübde-Ablegung regelmässig und wenn nicht ein besonderer Anlass vorliegt, abgesehen werden.“
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stand hatte. Die Weimarer Reichsverfassung, die das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat zugrundelegte, brachte in dieser Hinsicht eine Neuorientierung und legte in Art. 137 Abs. 2 Satz 2 fest, daß die Religionsgesellschaften ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde verleihen. Eine staatliche Beteiligung an der Besetzung kirchlicher Ämter war in Deutschland unter der Herrschaft der Weimarer Verfassung und ist auch heute unter Geltung des Grundgesetzes, das die Weimarer Verfassungsartikel über Kirchen und Religionsgesellschaften übernommen hat (Art. 140 GG), nur im vornehmlich konkordatär begründeten Einvernehmen der getrennten, aber zusammenwirkenden Partner Staat und Kirche möglich 119 . Eine staatliche Beteiligung an dem Verfahren zur Bestellung klösterlicher Oberer mittels Beiziehen von Wahlkommissären oder mittels Wahlbestätigung ist nicht mehr vereinbart worden. Deshalb gibt es in der Gegenwart weder staatliche Kommissäre bei Abtwahlen noch die Bestätigung gewählter Ordensoberer durch Organe des Staates. Dem wird niemand nachtrauern. 2. Die bischöfliche Beteiligung an der Abtwahl Die staatskirchenrechtliche Seite des Mettener Abtwahlstreits entpuppte sich bald als ein Scheinproblem. Die kirchenrechtlichen Aspekte der Auseinandersetzung waren dagegen weit komplizierter. Dies ließ sich schon an den einschlägigen Zeitungserörterungen erkennen, in denen viele kanonistische Überlegungen angestellt und entsprechende Argumente geltend gemacht wurden, die verschiedenen Autoren aber doch weithin aneinander vorbeigeredet haben und ein einigermaßen abgerundetes Bild der Rechtslage nicht entstanden ist. Auch Philipp Schneider hielt sich in seinem erwähnten Aufsatz nicht lange mit dem Staatskirchenrecht auf, sondern bot vor allem eine Analyse der kirchenrechtlichen Aspekte. Schneider behandelte vier Fragenkreise, nämlich die Entsendung eines bischöflichen Kommissärs zu Abtwahlen, die Bestätigung von Abtwahlen durch den Bischof, die Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation von
119
Vgl. zu den heute noch in Geltung stehenden staatlichen Beteiligungsrechten, hier v. a. mit Blick auf die sogenannten neuen Bundesländer, Stephan Haering, Staatliche Beteiligung an der Besetzung kirchlicher Ämter. Die aktuelle vertragliche Rechtslage für katholische Kirchenämter in den neuen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin, in: Gnade und Recht. Beiträge aus Ethik, Moraltheologie und Kirchenrecht. Festschrift für Gerhard Holotik zur Vollendung des 60. Lebensjahres, hrsg. von Stephan Haering, Josef Kandler, Raimund Sagmeister (Schriftenreihe des Erzbischof-RohracherStudienfonds, Bd. 5), Frankfurt am Main u. a. 1999, S. 293 – 328, hier S. 298 – 303.
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1904/05 und die rechtliche Qualität der päpstlichen Approbation dieser Statuten. Die Überlegungen und Schlußfolgerungen Schneiders, der auf historische Rechtsquellen zurückgriff und auch sonst vornehmlich geschichtlich argumentierte, müssen hier nicht im einzelnen referiert werden. Bezüglich des bischöflichen Wahlkommissärs stellte er zutreffend fest, daß dieses Rechtsinstitut dem staatlichen Wahlkommissär nachgebildet sei und daß das auf Gewohnheit beruhende Recht der bayerischen Bischöfe, Kommissionen zu entsenden, im Widerspruch zum autonomen Wahlrecht der Konvente stehe. Es entspreche der Gerechtigkeit, wenn die Bischöfe darauf verzichteten oder wenn der Apostolische Stuhl dieses Recht aufhebe 120 . Was das Konfirmationsrecht des Bischofs angeht, kam Schneider durchaus überzeugend zu der Feststellung, daß es sich um ein „jus proprium“ handle. Allerdings könne der Apostolische Stuhl den Bischöfen dieses Recht auch entziehen und es selbst wahrnehmen oder durch andere wahrnehmen lassen 121 . Im Nachtrag ergänzte Schneider seine Überlegungen zum bischöflichen Konfirmationsrecht und korrigierte sie teilweise, blieb aber im Ergebnis bei der These vom „jus proprium“ des Bischofs 122 . Die Ausführungen über die neuen Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation sind als schwächster Teil von Schneiders Aufsatz zu bezeichnen, was mit der gegebenen Quellenbasis zusammenhängt. Der Autor mußte sich darauf beschränken, sie „nach ihrer gemeinrechtlichen Seite zu erörtern“, weil er weder über den authentischen Text der Satzungen verfügte – eine Satzungsnorm wird auf der Grundlage eines Zeitungsbeitrags zitiert – noch Einblick in die Genese der Statuten besaß. So mußte vieles im Vagen bleiben oder mit Vorbehalt gesagt werden 123 . Was die rechtliche Qualität der Approbation der Statuten betrifft, wies Schneider auf die beiden Möglichkeiten der Approbation in forma communi und der Approbation in forma speciali hin, welche die betreffenden Bestimmungen zu päpstlichen Partikulargesetzen mache. In welcher Form die Approbation erteilt worden sei, sei nicht bekannt124 . Philipp Schneider kommt das Verdienst zu, nach der teilweise wirren Zeitungsdebatte, diesem „kirchenpolitischen Federkrieg“ mit hoher Rauchentwick120
Vgl. Schneider, Mettener Abtwahl (Anm. 114), S. 431 – 433.
121
Vgl. Schneider, Mettener Abtwahl (Anm. 114), S. 433 – 437.
122
Vgl. Schneider, Nachtrag (Anm. 115).
123
Vgl. Schneider, Mettener Abtwahl (Anm. 114), S. 437 – 445.
124
Vgl. Schneider, Mettener Abtwahl (Anm. 114), S. 445 f. – Das betreffende Rechtsinstitut wird nunmehr gewöhnlich als „approbatio in forma specifica“ bezeichnet; vgl. dazu Bruno Primetshofer, Approbatio in forma specifica. Überlegungen zur Normentypik im kanonischen Recht, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 169 (2000), S. 408 – 432.
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lung, durch nüchterne wissenschaftliche Behandlung des Themas den Blick auf die Sache wieder frei gemacht zu haben. Seine Ausführungen bedürfen lediglich weniger Ergänzungen hinsichtlich der Satzungen der Bayerischen Benediktinerkongregation und deren Genese, die Schneider – wie er ausdrücklich klarstellte – nicht kannte. Eine Revision der Satzungen der Bayerischen Benediktinerkongregation, die nach ihrer Wiedererrichtung 1858 die Statuten der alten Kongregation des 17. und 18. Jahrhunderts weithin übernommen hatte, hatte sich bereits im Lauf des 19. Jahrhunderts als erforderlich erwiesen. Durch Beschlüsse der Generalkapitel, aber auch durch Konventionen und Usancen wurde das Eigenrecht in mancher Hinsicht adaptiert und ergänzt. Auf diese Weise wurden aber auch die rechtlichen Verhältnisse unübersichtlicher125. Der Beitritt der Abtei St. Stephan in Augsburg zur Kongregation 1893 machte die Neufassung der Statuten noch dringlicher, und so beschloß das 15. Generalkapitel der wiedererrichteten Bayerischen Benediktinerkongregation nach vielen Vorarbeiten im Juli 1900 neue Satzungen126. Diese Statuten wurden dem Apostolischen Stuhl nicht zur Approbation vorgelegt und besaßen nur insoweit Geltung, als sie dem bisherigen Recht nicht widersprachen. Bezüglich der Abtwahl sahen sie vor, daß der Bischof einen Kommissar zur Wahl schicken konnte und „auctoritate Apostolica“ die erbetene Benediktion erteilte, die Bestätigung der Wahl aber durch den wahlleitenden Abtpräses erfolgte, und zwar ebenfalls „auctoritate Apostolica“127. Dieses Procedere kam offensichtlich bei den Abtwahlen 1903 in St.
125
Die Situation erhellt aus dem Brief, den Abt Rupert Mutzl (Scheyern), der damalige Präses der Kongregation, im Zusammenhang mit der anstehenden Aufnahme der Abtei St. Stephan in Augsburg in die Kongregation am 10.6.1893 an Abt Eugen Gebele (St. Stephan) richtete: „Die Genesis unserer Statuten ist nämlich eine eigentümliche. Als ich 1873 Präses wurde, befand ich mich in einem wahren Labyrinth. … Es können Ew. Gnaden sowie Ihre Patres aus den Statuten und den bisher gedruckten Rezessen keine hinreichende Kenntnis darüber gewinnen, was in der Praxis für unsere Kongregation zu Rechten besteht.“, abgedr. bei: Glogger, Das Benediktinerstift St. Stephan in Augsburg unter den letzten drei Äbten (Anm. 39), S. 497. 126
Statuta 1900 (Anm. 39); vgl. auch Anselm Reichhold, 300 Jahre Bayerische Benediktiner-Kongregation im Spiegel der wichtigsten Beschlüsse der Generalkapitel, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 95 (1984), S. 522 – 696, hier S. 624 f.; Haering, Bayerische Benediktinerkongregation im 19. und 20. Jahrhundert (Anm. 39), S. 688 f. 127
Statuta 1900 (Anm. 39), S. 30 f. (Declarationes ad cap. 64, n. 2): „Praeses diem electionis, quae intra mensem a morte praedecessoris instituenda est, determinat et praesidet ipsi electioni, sine voto tamen, nec non legitimam electionem auctoritate Apostolica confirmat. Ordinarius, in cuius dioecesi monasterium viduatum situm est,
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Stephan (Augsburg) und 1904 in St. Bonifaz (München) ohne Beanstandungen zur Anwendung. Vom 17. Generalkapitel, das im Juli 1904 in Ettal stattfand, wurden in Gegenwart des Abtprimas Hildebrand de Hemptinne, der an den Beratungen mitgewirkt hatte, neue Statuten beschlossen. Widerstand dagegen kam aus der Abtei Metten, deren Deputierter eine Petition von 24 Konventualen dieses Klosters vorlegte, vorläufig die Statuten nicht neu zu gestalten 128 . Die neuen Statuten erhielten am 7. August 1905 die Bestätigung der Kongregation für die Bischöfe und die Regularen 129 . Diese Satzungen sahen die bekannte Regelung vor, wonach die Abtwahl unter dem Vorsitz des Abtpräses durchgeführt und vom Apostolischen Stuhl auf Bitten des Abtpräses die Konfirmation der Wahl ausgesprochen wird; einen gewählten Konventualprior konnte dagegen der Präses bestätigen 130 . Von einem bischöflichen Wahlkommissar war in den Satzungen nicht die Rede. Der gewählte und bestätigte Abt hatte dann vom Diözesanbischof die Erteilung der Benediktion zu erbitten; ausnahmsweise konnte mit Zustimmung des Diözesanbischofs auch ein anderer die Benediktion erteilen 131 . Am ganzen Vorgang der Neubesetzung des äbtlichen Amtes war der Diözesanbischof nur durch die Spendung der Abtsbenediktion beteiligt.
mittere potest unum commissarium, qui electioni assistat, nec non Neoelecto benedictionem petitam auctoritate Apostolica impertit.“ 128 Statuta 1904 (Anm. 9); vgl. Reichhold, 300 Jahre Bayerische BenediktinerKongregation im Spiegel der wichtigsten Beschlüsse der Generalkapitel (Anm. 126), S. 626 f. 129 Abdruck des Dekrets: Statuta 1904 (Anm. 9), S. 42. Die zuständige Kongregation für die Bischöfe und die Regularen spricht allerdings in ihrem Schreiben an den Bischof von Regensburg davon, daß die Approbation am 6.8.1905 erteilt worden sei (siehe Dokument 15). Gleiches gilt für das Schreiben von Abt Rupert Metzenleitner an Bischof Senestrey vom 19.12.1905 (Dokument 10) und für Beiträge der Augsburger Postzeitung vom 17.1.1906 und vom 21.1.1906 (siehe Dokumente 23 und 28). Das Faktum, daß mit den amtlichen Dokumenten befaßten Organe wie die approbierende Kongregation selbst und der amtierende Vorsteher der Bayerischen Benediktinerkongregation das Datum 6.8.1905 nennen, spricht eher dafür, daß die Approbation an diesem Tag erteilt wurde. 130 131
Siehe oben Anm. 72.
Statuta 1904 (Anm. 9), S. 31: „Abbas legitime electus et confirmatus statim plenam sui monasterii administrationem et gubernationem in spiritualibus et temporalibus suscipit. Ac benedictionem petit ab Ordinario loci, qui eam auctoritate Apsotolica impertit secundum decretum Innocentii XI. de die 21. Martii 1687: ‚Nuper a particulari‘, quin ad singulos casus requiratur speciale mandatum Apostolicum; nisi forte Neoelectus proprio Episcopo consentiente ab alieno benedictionem petit.“
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Die kirchenrechtlichen Erörterungen über die Berechtigung dieser Regelung, ob sie nun in der Zeitungsdebatte oder im Aufsatz von Schneider angestellt worden sind, waren vor allem auf die Vergangenheit gerichtet und bezogen ihre Argumente aus der Geschichte. Um mehr als private und unterschiedlich sachkundige Überlegungen, welche die Basis für eine in die Zukunft gerichtete Lösung der Streits bilden konnten, handelte es sich freilich nicht. Den kundigen Beteiligten mußte in jeder Phase der Auseinandersetzung, also bereits im Dezember 1905 und Januar 1906 klar sein, daß der Streit letztlich durch eine künftige römische Beurteilung entschieden würde. Nachdem die Angelegenheit beim Apostolischen Stuhl anhängig gemacht war, dessen jurisdiktionellen Vorrang sowohl der Bischof als auch die Benediktiner fraglos anerkannten, konnte nur von dort die Lösung erwartet werden. Die Anerkennung des römischen Jurisdiktionsprimats brachte auch Philipp Schneider in seinem Beitrag zum Ausdruck, wenn er mehrfach darauf hinwies, daß es dem Apostolischen Stuhl natürlich unbenommen sei, den Bischöfen bisher innegehabte Rechte zu entziehen 132 . Es ging also im letzten einzig um die Frage, ob Rom den Argumenten, die seitens der Regensburger Diözesankurie vorgebracht wurden, so viel Bedeutung beimessen wollte, daß zumindest für die Zukunft bei Abtwahlen wieder anders verfahren würde. Für die Mettener Wahl vom 19. Dezember 1905 war ohnedies keine Korrektur mehr zu erwarten, nachdem die zuständige kuriale Kongregation bereits die Bestätigung der Wahl erteilt hatte. Dies schätzte auch Schneider so ein, der seinen Aufsatz mit folgenden Worten schloß: „Was der apostolische Stuhl auf den eingelegten Protest des Regensburger Ordinarius tun wird, kann niemand sagen. Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass die erteilte Approbation aufgehoben oder eine Änderung der Statuten vorgenommen wird, da der in den Statuten festgesetzte Wahlmodus mit den Bestimmungen der andern Benediktinerkongregationen übereinstimmt und den Bischöfen auch bei andern exemten Klöstern ein Bestätigungsrecht bei Wahlen nicht zusteht, und ausserdem das wichtigste Recht, den neugewählten Abt zu benedizieren, ihnen gewahrt ist.“ 133 Auch für künftige Abtwahlen in Metten oder in anderen bayerischen Benediktinerklöstern war also bei realistischer Betrachtungsweise schon um den Jahreswechsel 1905/06 keine Änderung der Praxis, wie sie bei der Mettener Wahl von 1905 zur Anwendung kam, zu erwarten. Warum sollte Rom das Abgehen vom bischöflichen Bestätigungsrecht, das bei den Abtwahlen in Augsburg und München in den Jahren 1903 und 1904 immerhin ohne erkennbare Schwierigkeiten durchgeführt wurde, nun auf den Einspruch des Bischofs
132
Vgl. Schneider, Mettener Abtwahl (Anm. 114), S. 437, 444.
133
Schneider, Mettener Abtwahl (Anm. 114), S. 446.
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von Regensburg hin zurückziehen und eine eigene Befugnis wieder aufgeben? Würde eine solche Veränderung nicht auch möglicherweise als Eingeständnis eines Fehlers interpretiert werden können? In der Antwort auf den Rekurs des Bischofs von Regensburg stellte sich die Kurie, ohne in nähere Erörterungen der Rechtslage einzutreten, auf den Standpunkt, daß es sich bei dem Konfirmationsrecht des Bischofs um ein vom Apostolischen Stuhl delegiertes Recht gehandelt habe, das im Hinblick auf das Fehlen eines benediktinischen Klösterverbandes den Bischöfen gewährt worden sei und nun, da die bayerischen Benediktinerklöster in einer Kongregation vereint seien, wieder zurückgezogen werde 134 . Die Rechte des Bischofs bezüglich der apostolischen Aktivitäten der Klöster wie Pfarreien und Schulen blieben davon unberührt. Das römische Schreiben ist insoweit nicht voll überzeugend, als es nur ansatzweise inhaltlich argumentiert und im Grunde vor allem apodiktische Feststellungen trifft. Mit den Tatsachen stimmt es in dem Punkt nicht überein, daß das bischöfliche Konfirmationsrecht auch bei Abtwahlen in Klöstern mit Kongregationszugehörigkeit ausgeübt worden ist. Jedenfalls hat das Schreiben Bischof Senestrey und die Regensburger Kurie nicht zufriedengestellt, weil sie sonst nicht in einer Replik nochmals ihre abweichende Rechtsauffassung dargelegt hätten 135 . Aber nun galt: Roma locuta, causa finita. Dem Bischof verblieb im Zusammenhang mit der Bestellung eines neuen Abtes nur das Recht, die Benediktion zu erteilen. Die rechtlichen Verhältnisse waren nun auch bezüglich der bayerischen Benediktinerklöster dieselben wie für die übrigen Klöster des Ordens. Eine in der Zeit liegende Tendenz zu maßvoller rechtlicher Zusammenführung und Vereinheitlichung, die bezüglich der Benediktiner in der Schaffung der Konföderation durch Leo XIII. im Jahr 1893 und im Hinblick auf die ganze Kirche durch die Einsetzung der Kommission zur Kodifizierung des kanonischen Rechts durch Pius X. im Jahr 1904 136 sichtbar wurde, hatte sich Geltung verschafft. Dem rechtlichen Frieden zwischen der Regensburger Kurie und den Benediktinern des Bistums im allgemeinen und der Abtei Metten im besonderen hat der Konflikt langfristig nicht geschadet, auch wenn der Bischof von Regensburg das Konfirmationsrecht nicht mehr zurückerlangen konnte. Im Lauf des 20. Jahrhunderts fanden vier weitere Abtwahlen in Metten statt, bei denen es keinerlei Konflikt mit der bischöflichen Behörde mehr gab. Bei den Wahlen 1929 (Abt
134
Vgl. Dokument 15.
135
Vgl. Dokument 16.
136
Vgl. Pius X., MP De Ecclesiae legibus in unum redigendis, in: Acta Sanctae Sedis 36 (1904), S. 549 – 551.
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Corbinian Hofmeister)137 und 1966 (Abt Dr. Augustinus Mayer)138 erfolgte die Bestätigung durch den Heiligen Stuhl, während – nach einer Änderung der rechtlichen Kompetenz – die Wahlen von 1971 (Abt Emmeram Geser)139 und 1989 (Abt Wolfgang M. Hagl)140 sogleich durch den Abtpräses, unter dessen Vorsitz die Wahlen stattfanden, konfirmiert werden konnten. Der jeweils problemlose Verlauf der Einsetzung neuer Äbte ist darauf zurückzuführen, daß die Zuständigkeiten eindeutig geklärt waren und so Konfliktquellen vermieden werden konnten. Das kirchliche Gesetzbuch von 1917 stellte bezüglich der Bestellung eines neuen Abtes lediglich fest, daß dieser innerhalb von drei Monaten vom Diözesanbischof die Benediktion zu empfangen habe141. Die eigentliche Übertragung des Amtes durch die Wahl und deren Bestätigung waren aufgrund des geltenden Prinzips der Verwaltungsexemtion dem Bischof entzogen142. Die auf der Basis des CIC/1917 erneuerten Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation setzten die entsprechenden Grundsätze um, indem sie festlegten, daß der Abt unter Vorsitz des Abtpräses der Kongregation vom Konventkapitel gewählt (bzw., wenn keine Wahl zustande kommt, vom Abtpräses ernannt), vom Apostolischen Stuhl bestätigt und vom Diözesanbischof benediziert wird143. Im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils reduzierte der Apostolische Stuhl – wie in vielen Bereichen – auch im Hinblick auf das Ordenswesen die vorbe-
137
Vgl. Angelus Sturm, Abtweihefest, in: Alt- und Jung-Metten 4 (1929/30), Heft 1, S. 4 – 10, hier S. 4. 138 Vgl. Gallus Dams, Abtweihefest in Metten, in: Alt- und Jung-Metten 33 (1966/67), S. 121 – 128, hier S. 122 f. 139
Vgl. Benedikt Busch, Sonnige Ernte – kräftiger Herbststurm, in: Alt- und JungMetten 38 (1971/72), S. 1 – 11, hier S. 8. 140
Vgl. Alt- und Jung-Metten 56 (1989/90), S. 1.
141
Can. 625 CIC/1917: „Abbates regulares de regimine, legitime electi, debent intra tres menses ab electione benedictionem accipere ab Episcopo dioecesis in qua monasterium situm est; postquam vero benedictionem receperint, praeterquam potestate conferendi ordines ad normam can. 964, n. 1, fruuntur privilegiis de quibus in can. 325, excepto pileolo violaceo.“; vgl. dazu Ferdinand Schönsteiner, Grundriß des Ordensrechtes, Wien / Donauwörth / Basel 1930, S. 555 – 557. 142
Vgl. Audomar Scheuermann, Die Exemtion nach geltendem kirchlichen Recht mit einem Überblick über die geschichtliche Entwicklung (Görres-Gesellschaft. Veröffentlichungen der Sektion für Rechts- und Staatswissenschaft, Bd. 77), Paderborn 1938, S. 113. 143
4 Vgl. Statuta Congregationis Benedictinae Bavaricae sub titulo SS. Angelorum Custodum [1918/1921] ad manuscripti instar impressa, Augustae Vindelicorum 1922, S. 7 – 50 (n. 113 – 119).
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haltenen Kompetenzen und verschaffte dem Grundsatz der Verwaltungsautonomie bei den Orden weiterreichende Geltung 144 . Dies wirkte sich u. a. dahingehend aus, daß nun auch die Bestätigung von Abtwahlen ordensintern vollzogen wurde und der Abtpräses der Bayerischen Benediktinerkongregation die entsprechende Kompetenz erhielt 145 . Am gesamten Verfahren zur Bestellung eines neuen Abtes sind nach dem heute für die Bayerische Benediktinerkongregation geltenden Recht das Konventkapitel des betreffenden Klosters, der Abtpräses der Kongregation und der Diözesanbischof beteiligt. Unter der Leitung des Abtpräses wählt das Kapitel den neuen Abt, der Abtpräses bestätigt die Wahl, sofern sie rechtmäßig ist, und der Diözesanbischof erteilt dem rechtmäßig ins Amt gekommenen Abt die kirchliche Benediktion 146 . Mit diesem Procedere wird sowohl dem Gedanken der Ordensautonomie Rechnung getragen als auch der Tatsache, daß auch das rechtlich selbständige Kloster nicht isoliert steht, sondern zur Diözese gehört und in deren Leben eingebunden ist. IV. Allgemeine Beobachtungen aus heutiger Sicht Schaut man aus dem langen zeitlichen Abstand von einem Jahrhundert auf den Streit um die Mettener Abtwahl 1905 zurück, dann lassen sich in vieler Hinsicht Beobachtungen machen. Sie betreffen die rechtlichen Aspekte des
144 Vgl. Franziskus Berzdorf, Autonomie und Exemtion der kanonischen Lebensverbände (Münchener Theologische Studien. III. Kanonistische Abteilung, Bd. 49), St. Ottilien 1995. 145 Vgl. Die Satzungen der Bayerischen Benediktiner-Kongregation [1972/1979], St. Ottilien o. J., S. 66 – 69 (Juridischer Teil [1972], Nr. 10 – 16).
Es fällt auf, daß bereits die Satzungen aus dem Jahr 1900 die Bestätigung der Wahl durch den Präses vorsahen, wobei die Wahl in Gegenwart eines bischöflichen Kommissars durchzuführen war (siehe oben, Anm. 127). Auch dieses Modell kommt der Grundintention des Abtwahlkapitels der Regel des hl. Benedikt (cap. 64) nahe, wonach die Wahl eines neuen Abtes einerseits eine innere Angelegenheit der einzelnen Klostergemeinschaft darstellt, andererseits aber auch eine gewisse Aufsicht und Mitwirkung der Kirche gegeben ist; vgl. dazu Benno Hegglin, Der benediktinische Abt in rechtsgeschichtlicher Entwicklung und geltendem Kirchenrecht (Kirchengeschichtliche Quellen und Studien, Bd. 5), St. Ottilien 1961, S. 45 – 51; Albert Sieger, Die Abtsbestellung nach Kapitel 64 der Benediktsregel – ein Modell für kirchliche Ämterbesetzungen?, in: Kirchliches Recht als Freiheitsordnung. Gedenkschrift für Hubert Müller (Forschungen zur Kirchenrechtswissenschaft, Bd. 27), Würzburg 1997, S. 196 – 217. 146 Vgl. Die Satzungen der Bayerischen Benediktinerkongregation [1979/1987], Metten 1989, S. 55 – 58 (Juridischer Teil [1987], Nr. 20 – 37).
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Verhältnisses von Kirche und Staat und des angemessen geordneten Zueinanders verschiedener kirchlicher Instanzen ebenso wie die Kultur der Zeitungspublizistik, die Pflege innerkirchlicher Kommunikation und ganz einfach menschliche Verhaltensmuster. Zu den im engeren Sinn rechtlichen Fragen wurde im vorausgehenden Abschnitt bereits das Nötige gesagt. Nun sollen in gebotener Kürze noch Aspekte angesprochen werden, die gewissermaßen im Hintergrund der Rechtsfragen erkennbar sind. 1. Zur Berichterstattung über kirchliche Themen Bei der Behandlung kirchlicher Themen in den Medien begegnen auch heute bisweilen ähnliche Verhaltens- und Deutungsmuster, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Mettener Abtwahl zu beobachten waren. Sie hängen teilweise mit vorgeprägten Haltungen der Autoren zusammen, rühren zum Teil aber auch von Sachgesetzlichkeiten des Journalismus her. Mit letzteren ist vor allem der für die Tagespresse gegebene Zwang gemeint, möglichst aktuell zu berichten und dabei nach Möglichkeit auch die Erwartungen einer bis zu einem gewissen Grad auf mehr oder minder große Sensationen versessenen Leserschaft zu bedienen. Die geforderte Aktualität kann leicht dazu führen, daß bei der Berichterstattung Fehler unterlaufen, weil es an Zeit mangelt, erhaltene Nachrichten zu überprüfen oder sich vor der Veröffentlichung von Berichten über den Hintergrund von Sachverhalten gründlich zu informieren und damit eine gesicherte Grundlage für die Beurteilung zu schaffen. Heute ist es in den Zeitungen nicht mehr üblich, eingesandte Beiträge einfach abzudrucken und dabei sogar den Namen des Autors zu verschweigen; vielmehr stützen sich die Redaktionen neben der Zulieferung von Nachrichten durch professionelle Agenturen auf einen festen Stab angestellter oder freier Mitarbeiter. Doch die Gefahr, schlicht Falschmeldungen oder, was häufiger vorkommt, Halbwahrheiten zu verbreiten, ist damit nicht völlig gebannt. Bei der Berichterstattung über kirchliche Themen hängt sie nicht zuletzt damit zusammen, daß vielen Autoren kirchliche Institutionen und Strukturen, ja das kirchliche Milieu insgesamt, relativ fremd sind. Dies kann zur Folge haben, daß Zusammenhänge nicht richtig wahrgenommen werden und die Berichterstattung sich allzu leicht auf „bewährte“ Muster stützt, zumal dann, wenn die Leserschaft einer Zeitung politisch-weltanschaulich relativ homogen ist und ein Autor davon ausgehen darf, mit dem Rückgriff auf vertraute Klischees den Überzeugungen der Leser zu entsprechen und diese zu bekräftigen. Man kann unterstellen, daß zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Zeitungen in ihrer Leserschaft eine höhere Homogenität hatten, als dies heute der Fall ist, und insofern die Neigung der Autoren, sich entsprechend zu verhalten, sogar größer war als in der Gegenwart.
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Beim Mettener Abtwahlstreit kam in den liberalen Zeitungen sehr stark das Klischee von einer ultramontanen Verschwörung bestimmter Kirchenmänner zum Tragen, welche die eigene Prägung der Kirche in Bayern und deren gute Einbindung in die Gesellschaft einem rigiden, die spezifischen Verhältnisse der Ortskirchen außer acht lassenden römischen Zentralismus opfern wollen. Ähnliches begegnet auch heute immer wieder einmal in den Medien, natürlich im Kontext anderer Themen, an die dieses Deutungsmuster herangetragen werden kann; Abtwahlen eignen sich in unseren Tagen kaum mehr dafür. Auch von Rechtsverletzungen war damals in der Berichterstattung die Rede, und man ist erinnert an die immer wieder begegnende Tendenz, rasch einen allzu großzügigen Umgang mit den Normen oder gar Rechtsbruch seitens angeblich selbstherrlicher (kirchlicher) Amtsträger zu konstatieren, ohne sich über eine womöglich komplexe Rechtslage Orientierung zu verschaffen. Allerdings kann man nicht nur im Zusammenhang mit Medienbeiträgen, sondern auch in vielen anderen Lebensbereichen feststellen, daß die Entschiedenheit des Urteils häufig umgekehrt proportional zur Kenntnis der Sache steht. In manchen Fällen nimmt man mit – gegebenenfalls leicht säuerlichem – Schmunzeln wahr, daß der Kirche eher fernstehende Leute Bedenken tragen und Sorgen äußern, in innerkirchlichen Divergenzen würden bestimmte Positionen nicht genügend respektiert oder spezielle Personen oder Gruppen irgendwie ins Hintertreffen geraten. Eine solche Beobachtung ist auch im Zusammenhang mit der Zeitungsdebatte um die Mettener Wahl zu machen, wenn beispielsweise die Augsburger Abendzeitung dem Regensburger Ordinariat im Kampf um entzogene bischöfliche Rechte den Rücken zu stärken schien. Das Manöver war schon für die Zeitgenossen allzu durchsichtig. Ihnen mußte sich wie dem heutigen Leser der Eindruck aufdrängen, daß es den betreffenden Autoren weniger um die Durchsetzung vielleicht subjektiv berechtigter Anliegen von Personen oder Institutionen in der Kirche ging, sondern vielmehr um das Offenhalten oder die Verschärfung von Konflikten. Jedenfalls ist nicht nur im kirchlichen Bereich, sondern auch in anderen Zusammenhängen kritischer Sinn angebracht, wenn für bestimmte Positionen unerwartete Unterstützung von außen kommt. Manchmal kann sie ganz anders gemeint sein, als sie sich vordergründig präsentiert. 2. Zur Kultur kirchlicher Kommunikation Die Vorgänge um die Mettener Abtwahl des Jahres 1905 können nicht gerade als Beispiel gelungener (innerkirchlicher) Kommunikation bezeichnet werden. Alle drei beteiligten kirchlichen Akteure haben in dieser Hinsicht mehr oder minder versagt, nämlich der Apostolische Stuhl, die Regensburger Kurie und die (bayerischen) Benediktiner. Allerdings muß dieser Feststellung einschränkend
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hinzugefügt werden, daß die Umstände teilweise das Begehen kommunikativer Fehler begünstigt haben. Im Vorfeld der Approbation der erneuerten Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation, die im August 1905 erfolgt ist, hat es der Apostolische Stuhl unterlassen, die bayerischen Bischöfe, denen mit diesen Statuten die bisherigen Rechte auf Vertretung bei den Abtwahlen durch einen Kommissär und auf Bestätigung der Wahl entzogen wurden, um Stellungnahme zu bitten. Die Reaktion der Regensburger Diözesanleitung auf die Mettener Wahl läßt jedenfalls erkennen, daß dies nicht geschehen ist. Mit Recht machten Bischof Senestrey in seinem Rekursschreiben und Professor Schneider in seinem Aufsatz darauf aufmerksam, daß solche Änderungen gewöhnlich nicht ohne Einbeziehung der Betroffenen durchgeführt werden. Nicht besonders höflich gegenüber dem Bischof von Regensburg erscheinen auch die lange Wartezeit von fünf Monaten, die er bis zur Beantwortung seiner Beschwerde hinnehmen mußte, und – gerade angesichts dieser langen Wartezeit – die Dürftigkeit der Begründung, welche die Kongregation für die Bischöfe und die Regularen zur Abweisung der Beschwerde gab. Andererseits muß man der römischen Behörde zugute halten, daß schon vor der Statutenapprobation 1905 in Bayern zwei Abtwahlen durchgeführt worden waren (Augsburg 1903, München 1904), bei denen nicht mehr der zuständige Diözesanbischof die Bestätigung aussprach und allem Anschein nach dennoch keine Einwände erhoben wurden. Das Einverständnis des bayerischen Episkopats zu dieser Änderung schien also gegeben. Der Bischof von Regensburg bzw. sein Ordinariat haben nach Zustellung der neuen Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation im Oktober 1905 zunächst geschwiegen. Erst unmittelbar vor der Wahl ist der Brief an den Administrator des Klosters Metten gegangen, mit dem das Ordinariat Verwahrung einlegte. War dies aufgrund des kurzfristigen Vorgehens schon unglücklich, so muß die Tatsache, daß die Auffassung des Regensburger Ordinariats bereits vor der Zustellung des Schreibens in der Zeitung zu lesen war, ausdrücklich als kommunikativer Fehler bezeichnet werden. Warum hat sich die Regensburger Behörde, der spätestens seit Bekanntgabe der Nomination des Mettener Abtes Dr. Leo Mergel auf die bischöfliche Kathedra von Eichstätt Ende Oktober 1905 klar war, daß in Metten in Kürze eine Abtwahl stattfinden würde, nicht früher und zuerst auf amtlichem Weg an das Kloster Metten bzw. an die Leitung der Bayerischen Benediktinerkongregation gewandt, um dort die eigene Position deutlich zu machen? Warum haben Bischof Senestrey oder Generalvikar Leitner nicht sogleich beim Heiligen Stuhl nachgefragt, wie die neuen Statuten im Hinblick auf die Wahl des Abtes einzuschätzen seien? Die in der zeitgenössischen Presse geäußerte Vermutung scheint doch zuzutreffen, daß man in Regensburg die neuen Statuten zunächst nicht richtig zur Kenntnis genommen hat. Die später gemachte Äußerung, man habe erst abwarten wollen, wie sich die
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Mönche anläßlich der Abtwahl verhielten, erscheint wie eine Schutzbehauptung, nachdem das kommunikative Desaster bereits angerichtet war. Ein nicht unbedingt günstiges Licht auf die kommunikative Kompetenz des Regensburger Ordinariats wirft auch dessen kaum verdeckte Teilnahme an der Zeitungskontroverse, zumal in jener Phase, in der es nicht mehr um die Abwehr des Vorwurfs ging, es sei Staatskirchenrecht verletzt worden, sondern nur noch die rein kirchenrechtlichen Aspekte diskutiert wurden. Der Gerechtigkeit wegen muß jedoch auch festgehalten werden, daß von Regensburger Seite die Beendigung des Zeitungsstreits einmal öffentlich angemahnt wurde. Insgesamt aber hat seinerzeit im Regensburger Ordinariat wohl doch eine gewisse Streitlust und Freude an der öffentlichen Auseinandersetzung den Sieg über die kluge Einsicht davongetragen, eine kontrovers beurteilte kirchenrechtliche Frage abseits der breiten Öffentlichkeit zu klären. Die Benediktiner, die man – bei durchaus gebotener differenzierter Betrachtung der verschiedenen Beteiligten (Abt Leo Mergel, Abt Rupert Metzenleitner, Abtprimas Hildebrand de Hemptinne, Abtei Metten, anonyme Mönche aus der Bayerischen Benediktinerkongregation) – summarisch als dritten kirchlichen Akteur bezeichnen kann, standen, was eine unvollkommen ausgeprägte kommunikative Kompetenz angeht, dem Regensburger Ordinariat nicht nach. In der Phase der Erarbeitung der neuen Statuten hätte von benediktinischer Seite durchaus informell mit den zuständigen bayerischen Bischöfen bezüglich der Neuregelung des Abtwahlverfahrens Kontakt aufgenommen werden können. Hat der Abtprimas davon abgeraten? Hat man befürchtet, schon in einer frühen Phase bischöflichen Widerstand gegen eine Neufassung zu wecken und diese so zu gefährden? Andererseits konnten auch die Benediktiner nach den Abtwahlen in Augsburg 1903 und München 1904 vermuten, daß die Bischöfe keine Einwände gegen den Verlust des Konfirmationsrechts hatten. Oder meinte man, dem Apostolischen Stuhl vorzugreifen, wenn man mit den Bischöfen Kontakt aufnahm? Positiv ist auf dem Konto der Benediktiner jedenfalls zu vermerken, daß Abtpräses Leo Mergel die approbierten Statuten den Bischöfen zugesandt hat und diese sich so aus erster Hand mit der neuen Rechtslage vertraut machen konnten. Die Tatsache schließlich, daß das Ordinariat Regensburg nicht förmlich von der bevorstehenden Wahl verständigt wurde, kann angesichts der neuen statutarischen Normen nicht als kommunikatives Versäumnis gewertet werden. Sehr kritisch ist jedoch die benediktinische Beteiligung an dem Zeitungsstreit zu sehen. Abt Rupert Metzenleitner war vor allem bemüht, seine eigene Rolle in dem ganzen Geschehen zu rechtfertigen. Rücksicht auf andere hat er dabei kaum genommen. Anonyme Verfasser oder Informanten aus dem Bereich der bayerischen Benediktiner haben in den Zeitungen einen in der Kongregation vorhandenen Dissens über die Veränderung des Eigenrechts des Verbandes
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deutlich werden lassen. Es hat den Anschein, als wollten jene Mönche oder Äbte, die sich bei der Statutenrevision mit ihren Positionen nicht durchsetzen konnten, sich wenigstens von der Öffentlichkeit recht geben lassen. Vor allem aber gilt auch für die Benediktiner in gleicher Weise wie für das Regensburger Ordinariat, daß man noch über die bereits erfolgte Klärung der staatskirchenrechtlichen Seite des Themas hinaus sich an der öffentlichen Diskussion beteiligt hat. Denn dort war gewiß, wie schon manche Zeitgenossen erkannten, nicht das Forum für die Erörterung und die Lösung der aufgeworfenen kirchenrechtlichen Fragen. Einen unangenehmen Beigeschmack hat insbesondere die Tatsache, daß sich die bayerischen Benediktiner teilweise von liberaler Seite haben loben lassen (müssen) – auf Kosten des Regensburger Ordinariats. Den Fragen um die unzureichende Kommunikationskompetenz der Beteiligten stehen manche Aspekte schlicht menschlicher Unzulänglichkeit nahe. Nicht alle Verhaltensweisen, die in der Auseinandersetzung zutage traten, scheinen jeweils der Wahrung des Anspruchs der Ämter, welche die Betreffenden innehaben, geschuldet. Da gab es durchaus die Empfindungen der Kränkung und der Zurücksetzung, wenn man sich nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht in gehöriger Form unterrichtet fühlte. Da gab es aggressives Auftreten, um von eigener Schwäche und von Fehlern und Versäumnissen abzulenken oder diese zu verdecken. Da gab es die Sorge, in der Öffentlichkeit persönlich nicht gut dazustehen. Es gab schließlich auch die Tendenz, auf einem neuen Kampffeld „nachzukarten“ und damit erlittene Niederlagen auszugleichen. Doch davon muß hier nicht mehr im einzelnen die Rede sein. Zum Schluß stellt sich die Frage: Kann man aus den Ereignissen um die Mettener Abtwahl 1905 lernen? Gewiß lassen sich Schlußfolgerungen ziehen. Sie betreffen zum einen die Notwendigkeit der sorgfältigen Prüfung aller Rechtsfragen, bevor man eine – zumal öffentliche und mit Vorwürfen gegen andere verbundene – Bewertung abgibt. Sie betreffen ferner die Notwendigkeit eines klugen Umgangs mit der Öffentlichkeit, wenn es um die Behandlung und Darstellung kirchlicher Vorgänge geht. Sie betreffen schließlich die sorgfältige Pflege einer Kultur der Kommunikation in der sich als communio verstehenden Kirche, die sich alle Beteiligten angelegen sein lassen sollten. Was die Entwicklung der Rechtslage bezüglich der Besetzung des äbtlichen Amtes in einem bayerischen Kloster angeht, ist für die Zeit vom beginnenden 20. zum beginnenden 21. Jahrhundert zweifellos eine Verbesserung zu konstatieren, die sich kurz mit den Stichworten Beseitigung des Staatskirchentums und volle Durchsetzung klösterlicher Leitungsautonomie benennen läßt. Ob sich aus dem Blick auf die damalige Episode allerdings über die Feststellung dieser erfreulichen Tatsachen hinaus positive Effekte ergeben werden, muß dahingestellt bleiben. Möglich wäre es jedenfalls.
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V. Anhang 147 Dokument 1: Vorläufige Wahlordnung, zusammengestellt von Administrator P. Godehard Geiger 148 Ordo eligendi Abbatem. 1. Hora … missa solemnis de Spiritu S. – Missa finita cantatur: Veni Creator Spiritus. 2. Hora ... Conventus ad conclave vocatur. a. Accusatur contumacia absentium. b. Fit protestatio de non admittendo inhabili ad suffragia. c. Constituitur numerus electorum praesentium (R: Adsum). d. Leguntur constitutiones de qualitatibus Abbatis (S. Reg. c. 2 et c. 64. Statuta Congr. n.n. 112 – 117 ?). e. Datur absolutio a censuris in cautelam a. R. D. Praeside. f. Quaeritur forma electionis (schedulae!). g. Praestatur iuramentum ab electoribus singillatim secundum senium. h. Eleguntur (sive per compromissum sive per scrutinium ut placet) tres scrutatores, qui ad libitum electorum etiam ad iuramentum adigi possunt. 3. Electores secundum senium ad tabulam accedunt, ubi schedulae praeparatae positae sunt, et nomina in schedulas inscribunt, plicantque schedulas. Deinde singuli ad mensam scrutatorem accedunt et schedulam in urna ponunt. – Scrutatores ante ceteros eligunt. 4. Schedulae numerantur et tot esse quot suffragia, publice indicatur. Ceteri abeunt in cellas suas, scrutatores cum Praeside remanent et legunt ac notant singula vota. 5. Si nullus habeat votorum numerum absolute majorem, omnes, qui vota habent (tulerunt) publicantur, et scrutinium iteratur (schedulis prioribus combustis).
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Bei jenen Abdrucken, denen ein handschriftliches Konzept zugrunde liegt, sind Streichungen, Korrekturen etc., die das Manuskript aufweist, nicht vermerkt; es wird vielmehr nur die Endfassung des Textes wiedergegeben. – Beim Abdruck von Zeitungsbeiträgen werden Hervorhebungen im Originaltext (Fettdruck, Sperrungen) nicht berücksichtigt. 148 Archiv der Abtei Metten, Generalia 1905, Signatur: A I, 6(38. – Die Zeitangaben sind offengehalten.
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6. Si quis suffragiorum numerum absolute majorem habet, primus (i. e. senior) scrutatorum nomine Capituli eum eligit his verbis: Ego Fr. N. vice mea et omnium eligentium praesentium eligo R. P. N. in Abbatem huius monasterii.
Dokument 2: Hinweise von Administrator P. Godehard Geiger für den Konvent 149 Publicandum. Morgen wird um 7 ½ Uhr eine feierliche Missa de Spiritu S. abgehalten werden, der alle hochw. P.P. Conventualen, soweit sie nicht legitime verhindert sind, beiwohnen werden. Levitieren werden die R.R. P.P. Rupert und Leo. Am Schlusse wird das Veni Creator Spiritus gesungen. Um 9 Uhr beginnt der Wahlakt. Die hochw. Patres (in Flocken) nehmen dabei zunächst secundum senium in den Chorstühlen Platz und treten auch secundum senium zur Eidesleistung an den Altar und dann zum Schreiben der Wahlzettel (je zwei) an den Schreibtisch, nachdem von dem Actuarius (R.P. Karl) jedesmal die Betreffenden mit Namen aufgerufen worden sind. Ebenso werden die geschriebenen Wahlzettel genau nach dem Senium von den Wählern in die Wahlurne gelegt. Nach dem Wahlakte wird im Wahllokale selbst das Te Deum gebetet werden. Wer über den näheren Verlauf der Wahlhandlung und die Form der Wahlzettel noch genauere Aufschlüsse wünscht, kann bei dem Aktuar R.P. Karl die betreffenden Schriftstücke einsehen. 18.12.05. P. Godehard, Adm.
Dokument 3: Wahlprotokoll 150 Protokoll über die im Benediktinerstifte Metten vorgenommene Wahl eines neuen Abtes am 19. Dezember 1905.
149 150
Archiv der Abtei Metten, Generalia 1905, Signatur: A I, 6(38.
Archiv der Abtei Metten, Generalia 1905, Signatur: A I, 6(38. – Elementare biographische Daten zu den im Protokoll aufgeführten Wählern bei Wilhelm Fink, Entwicklungsgeschichte der Benedictinerabtei Metten. I. Teil: Das Profeßbuch der Abtei (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige. Ergänzungsreihe, Bd. 1/I), München 1926; Bernhard Schich, Necrolog der Abtei Metten 1900 – 2000, in: Alt- und Jung-Metten 68 (2001/02), S. 67 – 81 (Lit.).
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Anwesende: Der Hochwdgst. H. Abt Rupert Metzenleitner von Scheyern als erster Visitator der bayer. Benediktinerkongregation, Stellvertreter des Präses & Leiter der Wahl. R.R.P.P.
Marianus Stauber Heinrich Trimpl Amand Meyer Edmund Schmidt Felician Fischer Hermann Heigl Emmeram Kappert Erhard Auhofer Godehard Geiger Beda Adlhoch Christ. Petrus Altinger Othmar Stauber Gunther Widmann Benno Linderbauer Paul Marchl Petrus Schneider Benedict Contzen Gallus Ritter Isidor Dürr Placidus Brill Bernhard Ponschab Coelestin Pellkofer Victor Eder Stephan Dersch Wunibald Goetz Bonifaz Rauch Willibald Adam Rupert Hauth Burchard Schretzenmeyer Michael Huber Wolfgang Maier Virgil Dechant Hugo Eichinger
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Anselm Wohlmuth Constantin Müller Leo Kolmer Carl Sperl Leander Schönberger Joannes Ev. Ziegler Pius Widmann Nachdem der bisherige Abt des Benediktinerstiftes Dr. Leo Mergel von S. Kgl. Hoheit dem Prinzregenten von Bayern zum Bischof von Eichstätt ernannt & im Konsistorium vom 11. Dezember von S. Heiligkeit dem Papste Pius X. präkonisiert worden war, wurde die Wahl eines neuen Abtes für das Benediktinerstift Metten auf den 19. Dezember anberaumt & alle Wahlberechtigten vorschriftsmäßig zur Wahl eingeladen. Sämtliche Geladenen waren auch erschienen und im Wahllokal persönlich anwesend mit Ausnahme des kranken P. Utto Kornmüller. Nachdem am 19. Dezember um 7 ½ Uhr ein feierliches Hochamt in der Kirche gefeiert worden war, dem alle Wähler, soweit sie nicht rechtmäßig verhindert waren, anwohnten, versammelten sich die Wähler um 9 Uhr im Wahllokale & wurde die Wahl den Statuten der Kongregation entsprechend eröffnet. Zunächst wurde P. Carl Sperl als Aktuar für die Wahlhandlung aufgestellt & von diesem hierauf die Namen sämtlicher Wähler verlesen, wobei jeder seine Anwesenheit durch die Antwort adsum erwies. Nach einer Ansprache des Wahlpräsidenten und Verlesung der Kapitel 2 & 64 der hl. Regel & der Nummern 112 – 117 der Kongregationsstatuten über die Wahl eines Abtes legten alle Wähler secundum senium den vorgeschriebenen Eid ab, worauf durch Akklamation die P.P. Erhard Auhofer, Beda Adlhoch & Wunibald Goetz zu Scrutatoren gewählt & mit Handgelöbnis zur Beobachtung des Stillschweigens verpflichtet wurden. Sodann schrieben die Wähler, zunächst die Scrutatoren, ihr Votum in die bereit liegenden gleichförmigen Wahlzettel mit Beisetzung ihres eigenen Namens & überreichten sie dem Präsidenten, der sie in die aufgestellte Urne legte. Als die Reihe an den kranken P. Utto Kornmüller kam, begaben sich die Scrutatoren zu ihm in das Krankenzimmer, nahmen ihm den vorgeschriebenen Eid ab & empfingen von ihm seinen Wahlzettel, um ihn in das Wahllokal zu bringen & ihn in die Urne zu legen, worauf die Reihenfolge der Abstimmung fortgesetzt wurde. Nachdem sämtliche Wahlberechtigte ihre Zettel abgegeben hatten, wurde konstatiert, daß die Zahl der eingelegten Wahlzettel (41) mit der Zahl der Wähler übereinstimmte. Hierauf entfernte sich der Konvent aus dem Wahllokale, in dem nur das Wahlkomite zurückblieb. Von dem Wahlpräsidenten wurde Zettel um Zettel geöffnet, die Namen notiert & dann die Zettel den Scrutatoren der Reihe nach hinübergereicht, welche ebenso verfuhren und schließlich das Stimmenergebnis verglichen. Als Resultat des Skrutiniums ergab sich, daß der Hochw. P. Willibald Adam mit 30 von 41 Stimmen die absolute Stimmenmehrheit erhalten hat und somit als kanonisch gewählt
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zu betrachten ist. Um seine Zustimmung & Annahme befragt, erklärte der Erwählte die Annahme der Wahl, womit die Wahlhandlung beendet war. Zur Beurkundung dessen wird dieses Protokoll aufgenommen, verlesen und unterzeichnet. Metten, den 19. Dezember 1905. Rupert Metzenleitner, O.S.B., Abt von Scheyern, Wahlvorstand, P. Willibald Adam, O.S.B., erwählter Abt P. Godehard Geiger, Administrator P. Beda Adlhoch, O.S.B. Dr. th., Scrutator P. Wunibald Goetz, O.S.B., Scrutator P. Erhardus Auhofer, O.S.B., Scrutator
Dokument 4: Schreiben des Bischöflichen Ordinariats Regensburg (Generalvikar Dr. Franz Leitner) an die Abtei Metten vom 18. Dezember 1905 151 Das bischöfliche Ordinariat Regensburg. Wahl und Bestätigung des Abtes betr. Die neuen vor einiger Zeit Sr. bischöfl. Gnaden unserem Hochwürdigsten Herrn Ordinarius überschickten Statuten der bayer. Benediktiner-Kongregation enthalten hinsichtlich der uralten Rechte des Diöcesan-Bischofs bei der Wahl und Bestätigung der Wahl des Abtes ganz neue Bestimmungen. Es besteht die Mutmaßung, daß bei Vorlage dieser Statuten in Rom behufs Apostolischer Genehmigung das bisherige Recht der Bischöfe entweder nicht oder nicht richtig dargestellt worden ist. Denn bis zur Stunde ist über die Schmälerung des bisherigen Rechtes der Hochwürdigste Ordinarius von Regensburg nicht mit einem Worte gehört oder einvernommen worden. Da nun nach den Zeitungsmeldungen zu schließen morgen den 19. D. schon die Wahl eines Abtes für Metten nach der neuen Ordnung vorgenommen werden soll, hieher aber nicht einmal eine direkte Mitteilung hierüber gelangt ist, so werden andurch die oben erwähnten Rechte des Diöcesan-Bischofs im speziellen Auftrage Sr. bischöfl. Gnaden ausdrücklich verwahrt, und die geeigneten Schritte zum heil. Stuhle vorbehalten.
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Archiv der Abtei Metten, Generalia 1905, Signatur: A I, 6(38.
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Zugleich wird der oberhirtliche Wille ausgesprochen, daß diese Verwahrung vor dem Wahlakte wortdeutlich bekannt gegeben werde. Regensburg, 18. Dezember 1905 Ex mandato speciali: Dr. Fr. Leitner, Vic. gen. Th. Braun
Dokument 5: Konzept eines Briefs des Bischöflichen Ordinariats Regensburg an das Kloster Metten vom 17. Dezember 1905, unterzeichnet von Bischof Ignatius 152 Regensburg, 17.12.1905 An das Benediktiner-Stift Metten. Ableben des Pfarrers P. Corbinian Daffenreither in Michaelsbuch betr. N.B.: Wurde, obwohl wahr in allen Stücken, auf bitte des GVicars nicht mundiert, geht aber ad acta in perpetuam rei memoriam, wie S. bischöfl. Gnaden bestimmt haben. V.G. Soeben kam uns die bezeichnete Trauerkunde zu. Dieselbe schmerzt um so mehr, als der Genannte, ehemals selbst ein Zögling des bisch. Seminars in Metten, stets – bei aller Rücksicht auf die Exemtion – einer der dem Hochwürdigsten Diözesanbischof treu ergebenen Konventualen war. Doppelt schmerzlich berührt dieser Verlust gerade im gegenwärtigen Augenblick, da Mangel an Kräften im Kloster besteht, u. sich in Folge der neuen Statuten der Bayerischen Benediktiner-Kongregation das Verhältnis des Klosters zum Bischof so bedeutend geändert hat. Wohl waren diese neuen Statuten vor einiger Zeit in einem Druck-Exemplar durch den bisherigen H.H. Abt Leo Sr. bischöflichen Gnaden mit kurzem Begleitschreiben übermacht worden. Allein abgesehen davon, daß die unseres Wissens ohne alle entsprechende Veranlassung in Rom beantragte u. durchgesetzte Anordnung der bishe-
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Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 12 f. – Auf dem Konzept ist fol. 12r ein Zeitungsausschnitt vom 13. Dezember aufgeklebt mit Ankündigung der Wahl des Administrators und des Abtes in Metten. – Zu dem im Text erwähnten P. Corbinian Daffenreither (1851 – 1905) vgl. Fink, Profeßbuch (Anm. 150), S. 84; Schich, Necrolog (Anm. 150), S. 69; nach einer mündlichen Mettener Konventtradition galt gerade Daffenreither als ernstzunehmender Kandidat für die Abtwahl.
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rigen uralten Tradition hinsichtlich der Wahl u. der Bestätigung eines neuen Abtes nun gänzlich geändert wurden, u. zwar ohne alle vorherige Einvernahme des Hochw. Ordinarius von Regensburg, ist auch das Verhalten des Stiftes zu diesem seit Präconisierung des H. H. Abtes als Bischof von Eichstätt ein solches gewesen, daß es auffallen, ja kränken mußte. Während die Zeitungen die Wahltermine für den Administrator und neuen Abt bekannt machten, erfolgte hieher nicht eine Zeile einer Mitteilung hierüber. Ja, auch die vollzogene Wahl des H. Administrators war nachweislich bereits in den Zeitungen zu lesen, bevor irgendeine amtliche Nachricht darüber an uns kam. Und doch hätte diese sofort erfolgen müssen, schon mit Rücksicht auf die Seelsorge in den Stift’schen Pfarreien und auf das bischöfl. Seminar. Endlich kam solche Nachricht heute, vom Gestrigen datiert, hier an. Aber in einer ganz unzureichenden Form. Der Hw. Administrator zeigt nämlich seine am 14. D. geschehene Wahl unterm 16. selbst an, ohne Unterschrift einer Konventvertretung, ohne eine Beglaubigung. Und warum erfolgt jetzt diese Anzeige – ohne die vorgeschriebene richtige Form, ohne ein Wort der Empfehlung in oberhirtliches Gebet u. Wohlwollen? Wohl nur wegen der Notwendigkeit, gleichzeitig den betrübenden Trauerfall zu melden u. um Bestellung eines Provisors für Michaelsbuch zu bitten. Manche meinen, die Wahl eines Administrators sei schon am 14. der K. Regierung angezeigt worden. Wir legen darauf kein weiteres Gewicht. Aber sind das nicht Umstände, welche eine gründliche Veränderung des wichtigen Verhältnisses des Klosters Metten zum Diözesanbischof dokumentieren? Wir mußten dies in bestimmtester Form heute schon aussprechen, im speziellen Auftrag Sr. bischöflichen Gnaden, hochwelche zwar alt und gebrechlich, aber deshalb um so empfindlicher bei solchem Verhalten sind. Wir mußten es mit lebhaftem Bedauern u. Empfindenheit aussprechen – im Interesse der bischöfl. Auktorität, zu welcher ein Kloster wie Metten – ganz abgesehen von der schönen Tradition – so viele Beziehungen hat, und sind entschlossen, jede Verletzung des richtigen Standpunktes entsprechend zu beurteilen, zu notieren u. eventuell zurückzuweisen. Alles Weitere muß vorbehalten bleiben. ep. Ignatius
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Dokument 6: Schreiben der Administration des Benediktinerstiftes Metten (P. Godehard Geiger) an das Bischöfliche Ordinariat Regensburg vom 20. Dezember 1905 153 Metten, den 20. Dezember 1905 Von der Administration des Benediktinerstiftes Metten an das hochwürdigste Bischöfliche Ordinariat Regensburg Betreff: Wahl und Bestätigung des Abtes Hochwürdigster Herr Bischof! Gnädigster Herr! Gegenüber dem Proteste, den Ew. Bischöfliche Gnaden unter dem 18. Dezember gegen die auf den 19. Dezember anberaumte Wahl eines neuen Abtes an den Konvent des Benediktinerstiftes gerichtet haben, bittet der ehrfurchtsvollst unterzeichnete Administrator des Stiftes Ew. Bischöfliche Gnaden, folgendes gnädigst zur Kenntnis nehmen zu wollen: 1.) Nachdem die neuen Statuten der bayerischen Benediktinerkongregation von dem Generalkapitel beschlossen und vom Apostolischen Stuhle genehmigt worden sind, hielt sich der Konvent des Benediktinerstiftes Metten nicht bloß für berechtigt, sondern auch für verpflichtet, ohne weiteres genau nach den Bestimmungen derselben die Wahl des neuen Abtes vorzunehmen, um so mehr, da ja auch nach dem Wortlaute der alten Statuten die Bestätigung des neugewählten Abtes durch den Diözesanbischof nicht jure ordinario, sondern nur Auctoritate Apostolica erfolgte, diese Auctoritas Apostolica aber durch die Bestätigung der neuen Statuten vonseite des Apostolischen Stuhles als aufgegeben erscheint, und auf die von dem hochwürdigsten Herrn Abte Leo als Präses der Kongregation das hochwürdigste Bischöfliche Ordinariat unter dem 13. Oktober an das hochwürdigste Bischöfliche Ordinariat gemachten Mitteilung keinerlei Rückäußerung erfolgte. 2.) Da die Protesterklärung des hochwürdigsten Bischöflichen Ordinariates vom 18. Dezember erst um 9 Uhr an der hiesigen Post anlangte u. erst nach 10 Uhr, nachdem der Wahlakt schon vorüber war, in die Hände des Unterzeichneten gelangte, konnte dieselbe auch dem Konvente vor dem Wahlakte nicht mehr bekannt gegeben werden. Dies geschah aber sofort nach dem Wahlakt vor dem noch versammelten Konvent. Allerdings war die Protesterklärung Ew. Bischöflichen Gnaden schon am Abend vorher in der Zeitung zu lesen, was aber für den Konvent kein Grund sein konnte, von der Wahl Abstand zu nehmen.
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Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 20 und 22r; als Konzept: Archiv der Abtei Metten, Generalia 1905, Signatur: A I, 6(38.
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3.) Da nunmehr die Gesuche um Bestätigung des neugewählten Abtes an den Apostolischen Stuhl und die höchste landesherrliche Stelle abgegangen sind, glaubt der Konvent alles weitere der Entscheidung des Apostolischen Stuhles anheimstellen zu sollen. Ew. Bischöflichen Gnaden Ehrfurchtsvollst-gehorsamst P. Godehard Geiger, O.S.B. Stiftsadministrator
Dokument 7: Schreiben des Bischöflichen Ordinariats Regensburg (Generalvikar Dr. Franz Leitner) an die Abtei Metten vom 21. Dezember 1905 154 Das bischöfliche Ordinariat Regensburg. Wahl und Bestätigung des Abtes betr. Auf die Eingabe v. 20. D. im bez. Betreffe wird kurz Nachstehendes erwidert: 1. Gerade die Aufhebung eines alten bisherigen Rechtes, das der H.H. DiözesanBischof besessen u. geübt hat, ohne Einvernahme desselben seitens des Hl. Stuhles wird bezweifelt, es sei denn daß darauf bei Vorlage der neuen Statuten gar nicht hingewiesen worden ist. 2. Eine Rückäußerung auf die Vorlage v. 13. Okt. l. J. war umso weniger angezeigt, als hieher nicht einmal der Termin der Neuwahl bekannt gegeben worden ist, dieser vielmehr nur aus den Zeitungen entnommen werden konnte. 3. Es ist unrichtig, daß eine bischöfliche „Protesterklärung“ schon am Abend vorher in der Zeitung zu lesen war. 4. Die Verwahrung der bischöflichen Rechte ist bereits in Rom angebracht und Remedur bzw. Aufklärung erbeten. Regensburg, 21. Dezember 1905. Dr. Fr. Leitner, V. G. Sohnleitner
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Archiv der Abtei Metten, Generalia 1905, Signatur: A I, 6(38.
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Dokument 8: Schreiben (Konzept) von Bischof Ignatius Senestrey an Papst Pius X. vom 20. Dezember 1905 155 Beatissime Pater! Permittat Sanctitas Vestra benigne, Episcopum Ratisbonen. proponere aliquam quaestionem recentissime in hac dioesesi exortam. Facta enim praeconizatione D. Leonis Mergel, hucusque Abbatis in monasterio Metten O.S.B. hujus dioecesis, qua Episcopi Eistetten heri electio novi Abbatis in eodem monasterio instituta et perfecta est, praesidente actui electionis Vice-Praeside Congregationis Benedictino-Bavaricae, olim d. 26. Aug. 1684 erectae et anno c. 1856 restitutae, quin ullum ad Epsicopum Ordinarium invitationis verbum pro assistentia vel confirmatione in electione factam sit. Sed hoc jus assistentiae et confirmationis hucusque in omnibus electionibus ejusdem monasterii Episcopo Ratisbonen. competebat atque semper exercebatur, etiam post exemtionem ante annos quinquaginta restitutam. Praetendunt monachi, hoc anno 1905 nova statuta ab Apostolica Sede confirmata fuisse neque in iis amplius statui jus illud assistentiae et confirmationis, sed solummodo jus benedictionis electi Abbatis; id quod jam pridem aliis quibusdam congregationibus similibus concessum esse constat. Episcopus Ratisbonen. se haud ignorare debere talem restrictionem juris sui antiquissimi putat, quippe quod saluberrimum hucusque evaserit praesertim ne auctoritas Ordinarii ab istis monachis, qui fere omnes in scholis publicis vel in administrandis parochiis laborant, parvi fiat. Omnino autem persuasum eidem est, Apostolicam Sedem haud mutare voluisse jus antiquum in Bullario tom. XII pag. 68 sqq. descriptum, quin Episcopus de tali restrictione sui juris saltem auditur fuerit et de rationibus gravissimis pro sustentatione juris militantibus prius examinatur. Sed ne verbum quidem de hac re ad eumdem Episcopum ante statutorum confirmationem pervenit, ita ut opinio apud plurimos stet, monachos in petenda hac confirmatione statutorum antiquum jus Episcopi aut omnino non exposuisse sinistre aut sinistre tantum. Ne igitur jura inscio Episcopo tali modo mutantur, humillime petitur a Sanctitate Vestra, ut gratiosissime me dignetur quaestionem propositam novo examini subjicere et Episcopum de hoc inoperato rerum eventa docere, imo in usu antiquissimi juris tueri.
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Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 48 und 50. Im Schreiben wird als Jahr der Wiedererrichtung der Bayerischen Benediktinerkongregation irrtümlich 1856 statt 1858 angeführt.
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Addere liceat, jura episcopalia fuisse nuperrime ante actum electionis novelli Abbatis reclamata, facto indicio appellationis ad Apostolicam Sedem interponendae. Et Deus etc. Ratisbonen. 20. Dec. 1905. ep. Ignatius
Dokument 9: Schreiben (Konzept) von Generalvikar Dr. Franz Xaver Leitner an den Apostolischen Nuntius Erzbischof Dr. Carlo Caputo vom 23. Dezember 1905 156 Excellentissime ac Reverendissime Domine! Ex mandato Rev.mi D.D. Episcopi Ignatii, qui fausta quaelibet et jucunda pro festis venturis et anni novi initio Excellentiae Tuae Rv.mae suo nomine ominari me jussit, simul debeo nuntiare, eumdem Rv.m Dominum apud S. Sedem nuper reclamasse, quia electio novi Abbatis in Metten die 19. m. c. facta sit absque ulla Episcopi Ordinarii scientia et assistentia, quamvis antiquum jus etiam in Bullario (tom. XI. et XII.) descriptum aliud praescripserit, et quia novorum statutorum pro Congregatione Benedictino-Bavarico die 6. Aug. a. c. in Urbe confirmatio evenerit, quia ulla notitia de tali mutatione antiqui juris ad Ordinarium suo tempore pervenerit. Rogamus etiam Te, Excellentissime Domine, ut jus Episcopo competens et antiquitus a Summis Pontificibus concessum et ab Episcopis sempre usitatum, quo etiam debebant et poterant novos Abbates non talum benedicere, sed etiam confirmare, contra novationes hujus modi tueri ac defendere benigne velit. Et Dei misericordia coelestibus donis Te augere et conservare dignetur. Maxima qua par est aestimatione et obsequio persistet Excellentiae Tuae Rv.mae Ratisbon. 23. Dec. 1905. exp. Leitner
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Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 49.
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Dokument 10: Brief von Abt Rupert Metzenleitner (Scheyern) aus Metten an Bischof Ignatius Senestrey vom 19. Dezember 1905 157 Metten, am 19. Dezember 1905 Betreff: Wahl eines neuen Abtes von Metten. Mit einer Beilage. Eure Gnaden, Hochwürdigster Herr Bischof! Dem Wunsch des abtretenden Herrn Abtes, nunmehrigen Bischofs von Eichstätt, sowie des ganzen Konventes in Metten zufolge ist die Wahl des neuen Abtes auf den heutigen Tag anberaumt und entsprechend den kanonischen Vorschriften und den Bestimmungen der vom Hl. römischen Stuhle am 6. August genehmigten neuen Statuten der bayerischen Benediktiner-Congregation abgehalten worden. Es wurde, wie aus beiliegendem Protokolle zu ersehen ist, gleich im ersten Wahlgange mit großer Stimmen-Majorität P. Willibald Adam, ehemaliger Zögling des Bischöflichen Knabenseminars Metten, gegenwärtig Ordinarius der 4. Klasse des hiesigen Gymnasiums gewählt. Sobald dessen Wahl die Päpstliche und Landesherrliche Bestätigung erhalten hat, wird er sich an den Hochwürdigsten Herrn Ordinarius der Diöcese Regensburg bittlich wenden, um von Euren Bischöflichen Gnaden die Benedictio Abbatis auctoritate Apostolica zu erwirken. Den Erwählten, das ganze Kloster Metten, die bayerische Benediktiner-Congregation und sich selbst ins Hohepriesterliche Memento empfehlend verharrt ehrfurchtsvoll Euer Bischöflichen Gnaden ergebenster Diener + Rupert III., O.S.B., Abt von Scheyern, stellvertretender Präses der bayer. Benediktiner-Congregation
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Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 23. Beilage: Wahlprotokoll, siehe oben, Dokument 3.
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Dokument 11: Brief (Konzept) von Generalvikar Dr. Franz Xaver Leitner an Abt Rupert Metzenleitner in Scheyern vom 21. Dezember 1905 158 An den hochwürdigsten Herrn Abt Rupert Metzenleitner, O.S.B., im Stifte Scheyern. Ew. Gnaden soll ich im hohen Auftrag Sr. bischöflichen Gnaden unseres hochwürdigsten Herrn Ordinarius geziemend danken für das freundliche Telegramm nach der Wahl in Metten. Indem ich diesem Auftrag hiermit ergebenst nachkomme, spreche ich zugleich die besten Wünsche für die kommenden Feiertage u. zum bevorstehenden Jahreswechsel aus. Der Hochwürdigste Herr Bischof J. Leo gedenkt morgen sicher zu kommen u. nach einem Abschiedbesuch am Samstag Vorm. weiterzureisen, um in Eichstätt rechtzeitig am 23. einzutreffen. Gewiß wird Gott der Herr sein Wirken in der Heimatdiözese segnen. Ehrfurchtsvoll empfiehlt sich Ew. Gnaden. Regensburg, 21. Dez. 1905, exp. Leitner
Dokument 12: Dekret der Heiligen Kongregation für die Bischöfe und die Regularen zur Bestätigung der Mettener Abtwahl vom 23. Dezember 1905; durch Abt Willibald Adam beglaubigte Abschrift vom 18. Januar 1906 159 Beatissime Pater! Rupertus Metzenleitner, Abbas Schyrensis et Visitator I. Congregationis Bavaricae O.S.B., ad pedes S.V. provolutus exponit: Eystadiensi iam renuntiato Episcopo D. Leone Mergel, qui adhuc Abbatis Mettensis Coenobii necnon Praesidis Congregationis Bavaricae officiis laudabiliter functus erat, oportebat ut Conventus familiae Mettensis ad novum eligendum Praesulem convocaretur, quod ab Oratore, qui secundum Congregationis Bavaricae leges eiusdem Congregationis regendae munus acceperat, praestitum est die XIX. h. m.
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Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 28r. 159 Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 39.
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Omnibus iuxta normas canonicas Ordinisque statuta rite servatis Abbas electus est R.P.D. Willibaldus Adam, Coenobii Mettensis monachus, qui consensu suo electionem perfecit. Quum vero Constitutiones Congregationis Bavaricae vetant, ne Abbas constituatur absque S. Sedis confirmatione, suprascriptus Abbas Schyrensis Conventusque Mettensis ad S.V. thronum humiliter accedunt rogantes, ut peractam electionem beneplacito Suo corroborare et confirmare dignetur. Pro qua gratia... Vigore specialium facultatum a SS.mo D.no N.ro concessarum, Sacra Congregatio E.morum et R.morum S.R.E. Cardinalium Negociis et Consultationibus Episcoporum et Regularium praeposita, attentis expositis electionem de qua in precibus ratam habet atque confirmat. Contrariis quibuscumque non obstantibus. Romae 23. Decembris 1905 D. Card. Ferrata, Praef. Ph. Guistini, Secret. Concordat cum originali. Mettenae 18. Januar. 1906. Willibald Adam, O.S.B. Abt
Dokument 13: Brief von Abt Rupert Metzenleitner aus Metten an Generalvikar Dr. Franz Xaver Leitner vom 14. Januar 1906160 Kloster Metten, 14.I.1906 Euer Gnaden, Hochwürdigster Herr Praelat, Hochverehrter Herr Generalvicar! Nochmal Deo gratias für alle Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe, welche Sie mir gestern wieder zugewendet haben! Die guten Nachrichten, welche ich aus Regensburg, aus dem bischöflichen Palais bringen durfte, haben in Metten sichtlich erfreut. Der neue Abt hat die Kgl. Bestätigung schriftlich erst am Freitag erhalten, die päpstliche erst von mir zu sehen bekommen. Vor dieser Bestätigung wagte er es nicht, S. Bischöflichen Gnaden Ignatius sich vorzustellen und ihn um die Huld baldiger Benediktion zu bitten. 160 Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 15r – 16r.
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Nachdem nun heute die Bestätigung promulgiert und der neue Abt von mir dem Konvente und dem Volk vorgestellt worden ist, möchte er gleich morgen mit mir nach Regensburg reisen und vom hochwürdigsten Herrn Bischof Audienz erhalten. Haben Euer Gnaden wieder die Güte, diese Audienz vorzubereiten und meinem Mitbruder huldvolle Aufnahme zu erwirken. Wir werden erst um 12 ½ nach Regensburg kommen können. Weil ich schon um 1 ¾ nach Ingolstadt abfahren soll, um morgen daheim einzutreffen, so kann ich leider den Abt Willibald nicht mehr ins Palais geleiten. Wir werden uns deshalb bei den Karmeliter-Vätern eine Stärkung suchen und dann scheiden, er, um ins Palais zu gehen, ich, um heim zu reisen. Die Benediktion will Abt Willibald ganz dem Reverendissimus anheimstellen; das habe ich freilich schon gemerkt, daß hier alles recht froh wäre, wenn sie am 28.I. stattfinden würde. Die diesbezüglichen Nachrichten gehen nicht von den Kloster-Obern aus, im Gegenteil wird bitter geklagt, daß soviel geschwätzt wird. Und nun in aller Liebe und Verehrung Gott befohlen! Adiutorium Tuum sit in nomine S. N. Jesu Christi! Beten Sie doch auch manchmal für Euer Gnaden ergebensten Cfr. + Rupert, O.S.B., abbas vilissimus
Dokument 14: Dekret (Konzept) des Bischofs Ignatius Senestrey zur Beauftragung von Weihbischof Sigismund Felix von Ow-Felldorf mit der Benediktion von Abt Willibald Adam vom 19. Januar 1906 161 Ignatius omnibus has litteras Nostras visuris salutem precamus a Domino. Cum in monasterio Metten O.S.B., hujus Nostrae Dioecesis post promotionem Rv.mi D.D. Leonis Mergel ad Eystasiensem Cathedram R.D. Pater Willibaldus Adam, ejusdem monasterii et Ordinis sacerdos professus, die 19. Decembris anni nuper elapsi Abbas electus et per Rescriptum speciale S. Congregationis pro rebus Episcoporum et Regularium in Urbe constitutae die 23. Decembris confirmatus sit; cumque idem R. Dominus a Nobis enixe petierit, ut sibi Abbatialis Benedictio tempore opportuno rite conferatur: Nos precibus hujus modi annuentes ad munus hoc Nostra vice explendum Ill.mum et Rev.m Dominum Sigismundum Liberum Baronem de OwFelldorf, Episcopum titularem Arethusin. Nostrumque auxiliarem tenore praesentium 161 Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 37.
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deputamus; id quod etiam publice ante actum ipsum benedictionis tum venerabili conventui tum fideli populo enuntiari volumus. Benedicat Dominus monasterio Metten et novello Abbati! Datum Ratisbonae, ex Aedibus Nostris die XIX. mensis Januarii a. MCMVI, Episcopatus Nostri anno XLVIII. Ep. Ignatius
Dokument 15: Schreiben der Heiligen Kongregation für die Bischöfe und die Regularen an den Bischof von Regensburg vom 23. Mai 1906 162 Ex secretaria S. Congregationis Episcoporum et regularium Nr. 90/16 Roma 23 Maggio 1906 Illustre e molto Reverendo Mons. come fratello, La S. Congregazione approvando il 6 Agosto 1905 gli Statuti o Costituzioni della Cong. Benedittina-Bavarese e revocando a se la conferma dei neo-eletti Abbati, ha voluto unicamente ridurre i Monasteri benedettini di Baviera, oggi riuniti in Congregazione, al diritto comune di tutti gli altri Ordini Religiosi esistenti in quella Provincia. Con questo non ha inteso la S. Congregazione di menomare i diritti di Mons. Vescovo sia sulle Parrocchie amministrate dai Monaci, sia sulle scuole dirette dai medesimi. Se l’antico diritto concedere ai Vescovi di Baviera la conferma di alcune elezioni di Abbati, ciò era: 1° perché i Monasteri Benedettini Bavaresi non formavano ancora una Congregazione; 2° e per diritto delegato dalla Sede Apostolica, non già proprio dei Vescovi stessi. Questa Sacra Congregazione si è recata a premura di sottomettere alla S.V. le suddette dilucidazioni, nella fiducia che saranno di sua saddisfazione. Della Sig. Vostra Affino come fratello D. Card. Ferrata Pref. F. Giustini Seg.rio Ratisbona – A Mons. Vescovo.
162 Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 51r.
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Dokument 16: Brief (Konzept) von Bischof Ignatius Senestrey von Regensburg an den Präfekten der Kongregation für die Bischöfe und die Regularen Kardinal Domenico Ferrata vom 28. Mai 1906 163 Eminentissime ac Reverendissime Princeps et Domine! Accepi epistolam ab Eminentia Tua Rv.ma in casu monasterii Metten. O.S.B. quoad electionem et confirmationem Abbatis benigne ad me datam, die 23. h. m. sub nr. 90/16. Gratias agens pro resolutionis communicatione simul veniam peto, ut mihi liceat ad eamdem rem aliqua repetere. 1. Constat, Episcopus Ratisbonen. jus confirmandi semper habuisse et exercuisse etiam in antiqua et in nova congregatione Benedictino-Bavarica. 2. Non negatur vi potestatis Apostolicae Episcopos hujusmodi electionibus assistentiam et confirmationem praebuisse. Inde major spes affulgebat, revocationem haud fore decretam, nisi causa aliqua urgente vel audita prior eiusdem Episcopi sententia. Tunc idem potuit explicare rationes gravissimas pro continuatione status antiqui militantes. 3. Manent utique Episcopo jura quoad parochias et seminarium monasterio Metten. commissa. Sed multo difficilius exercentur nunc, mutato statu generali quoad Episcopum Ordinarium. 4. Haud dubium est, auctoritatem Episcopi mutatione tali modo facta imminutam fuisse, tum in ipso monasterio, tum extra illud, quia res omnino in dioecesi et regno Bavarico innotuit, utique cum specie restrictionis absque causa neque audito Episcopo factae. Id dolens me meamque Dioecesim Apostolicae Sedi iterum commendo et sacram purpuram deosculans maximae devotionis sensibus permaneo Eminentiae Tuae Romanae Ratisbon. die 28. Maii 1906 humillimus et addictissimus servus ep. Ignatius Eminentissimo ac Reverendissimo Dmno Dmno Dominico S.R.E. Cardinali Ferrata, Praefecto S. Congreg. Ep. et Regularium
163 Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, Bestand Klosterakten Metten, Signatur: Kla 19 Nr. 54 fol. 47.
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Dokument 17: Augsburger Abendzeitung, Nr. 7 vom Montag, 8. Januar 1906, S. 4 ¥ München, 6. Januar. Ein Aufsehen erregender Kompetenzkonflikt ist zwischen dem bischöflichen Ordinariat Regensburg und der bayerischen Benediktiner-Kongregation ausgebrochen. Die Regensburger klerikalen Blätter veröffentlichen jüngst einen offenbar aus dem Ordinariat stammenden, scharfen Protest gegen das Vorhaben des Mettener Stiftes, einen neuen Abt ohne Gegenwart des bischöflichen Konfirmationskommissärs zu wählen. Das Stift nahm die Wahl dennoch in dieser, von der bisherigen Gepflogenheit abweichenden Form vor; das Ordinariat hat aber dagegen Protest in Rom eingelegt. Diesem Protest ist in Rom nicht stattgegeben worden, sondern die Konfirmation des neuen Abtes ist unmittelbar erfolgt. Nun steht aber der landesherrlichen Bestätigung noch ein Protest der Kgl. Regierung von Niederbayern im Wege, welche auch nicht im Sinne der bisherigen Gepflogenheit von der Wahl amtlich verständigt worden war. Merkwürdigerweise scheint diesmal das Stift Metten von allzu selbstherrlicher Seite in einer Weise beraten worden zu sein, als ob es vor lauter Päpstlichkeit über alle kirchenrechtlichen und staatskirchlichen Formen hinwegsehen könne. Die Sache hat aber noch eine prinzipielle Seite ernsterer Natur. Wenn die Benediktiner in Bayern bisher ein toleranter und friedlicher Orden waren, so verdanken sie dies ihrer autonomen, von einer internationalen und ultramontanen Zentralisation unabhängigen Organisation. Mit dieser Organisation haben vor zwei Menschenaltern die bayerischen Könige die Benediktinerklöster aus freier Huld und Gnade gegründet und ihnen ihre rein wissenschaftlichen und seelsorglichen Aufgaben angewiesen. In dieser Organisation haben die Benediktinerklöster, welche in Bayern auch mehrere, große Studienanstalten leiten, auch die Gunst Andersgläubiger errungen, wie allein die immensen Wohltätigkeitsstiftungen des protestantischen Freiherrn von Cramer-Klett beweisen. Diese Organisation ist bedroht, oder, wenn der Staat nicht energisch auf die Wache rückt, eigentlich schon vernichtet. Zielbewußt wurde zuerst die Zentralisation der bayerischen Klöster unter einem in Rom residierenden Abtprimas trotz des Protestes vieler Konventualen vollzogen. Nun wurden, ohne daß man die Ordenskonvente darüber vorher verständigte, in die neuen Statuten Bestimmungen aufgenommen, welche die Zentralisation in ultramontaner Richtung vollenden sollen. Dazu gehört auch der Paragraph, daß die bayerischen Bischöfe bei den Abtwahlen in Zukunft keinen Kommissär mehr zur Konfirmation schicken können. Die Konfirmation erfolgt durch Vermittlung des Abtprimas in Rom. Das ist ein Punkt von weittragender Wichtigkeit, wie der energische Protest des Bischofs von Regensburg beweist. Die bayerischen Benediktiner sollen nach Analogie des Jesuitenordens straff international zentralisiert werden. Diese Neuerung wurde den Konventen einfach ohne ihre Zustimmung aufgedrängt; der italienische Abtprimas vereinbarte die Sache mit dem Nuntius und dem jetzigen Bischof von Eichstätt; die Konvente wurden nicht befragt. Selbst einzelne Aebte waren entgegen. Ja, dem Landesherrn wurden die neuen Statuten gar nicht vorgelegt. So will man von Rom aus die hochherzigen Stiftungen der bayerischen Könige in ultramontaner Richtung modifizieren. Wir fürchten, daß eine Verlegung der Leitung der Klöster über die Berge
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den Orden der Benediktiner in das Geleise des Jesuitenordens bringen wird. Niemand hatte eine Ahnung von dieser Tendenz der neuen Statuten. Nunmehr begreift man die auffallende Freundschaft des Nuntius Caputo zu den bayerischen Benediktinerklöstern. Nuntius Caputo ist auch sonst nicht abgeneigt, seine Hand nach den Rechten der bayerischen Metropoliten auszustrecken. Es dünkt uns, das sonst so vorsichtige Ministerium Wehner habe sich in letzter Zeit in eine arge Falle locken lassen. Möge es daraus wieder glücklich entkommen.
Dokument 18: Allgemeine Zeitung, Nr. 14 vom Donnerstag, 11. Januar 1906, S. 6 f. Staatskirchenrechtliche Kompetenzkonflikte. München, 9. Januar. Ordinariate im zeitweiligen Konflikte mit der Regierung, das ist eine altgewohnte Erscheinung, die währen wird, solange es von der Befähigung der Machthaber in beiden Lagern abhängt, wie weit die Grenzpfähle des gegenseitigen Herrschaftsgebietes vor oder zurück gesteckt werden können. Aber ein Ordinariat im Konflikt mit Rom, in Interessengemeinschaft mit der Staatsregierung, das ist ein Novum. Und insofern verdient diese Sache einiges Interesse. Es ist bekannt geworden, daß die durch die Berufung des Abtes Dr. Leo Mergel auf den erledigten bischöflichen Stuhl von Eichstädt veranlaßte Neuwahl eines Abtes von Metten ohne die bisher übliche Zuziehung eines bischöflichen sowie staatlichen Kommissärs erfolgte, daß also der derzeitig in Vertretung fungierende Präses der bayerischen Benediktiner-Kongregation, Abt Rupert Metzenleitner von Scheyern, in seiner Eigenschaft als Wahlleiter es für angemessen fand, das Ordinariat sowie die kgl. Regierung vom Wahlakt auszuschließen. Insofern ist denn auch die Darstellung der Augsburger Abendzeitung richtig zu stellen; es handelt sich nicht um einen Konflikt mit der bayerischen Benediktiner-Kongregation, sondern mit ihrem zur Zeit vikarierenden Präses, mit dessen Vorgehen im fraglichen Falle weder unter den Prälaten und Prioren, noch unter den Konventualen des Königreiches eine Majorität sich aussprechen dürfte. Nun ist zu betonen, daß nach der einen Seite hin gegenüber dem Ordinariate der Wahlleiter sich formell im Recht befand, da die in Rom durch Dekret der Kongregation der Bischöfe und Regularen vom 7. August 1905 bestätigten neuen Statuten der bayerischen Benediktiner-Kongregation entsprechend dem Grundsatz der Exemption der Benediktiner von der bischöflichen Jurisdiktion unter Kap. 64, Ziffer 112 mit 121, de ordinando Abbate, lediglich eine Benachrichtigungspflicht vom Ergebnis der vollzogenen Wahl gegenüber dem Diözesanbischof aufstellen. Die Exemption der Benediktinerstifte von der bischöflichen Jurisdiktion ist eine der Hauptneuerungen, die die beuronische Bewegung in den Orden getragen hat, und findet ihre Kehrseite in dem Institut des Primates, das Leo XIII. entgegen den Ueberlieferungen des Or-
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dens schuf und zum amtlichen Vermittler zwischen dem Heiligen Stuhl und sämtlichen Benediktiner-Kongregationen der Welt bestellte. Wohl aber stellt das Vorgehen des Wahlleiters einen Mißgriff nach der staatlichen Seite hin dar. Denn die Ziffer XXIII Absatz 2 der M.-E. vom 20. November 1836 (Weber, Band 3, S. 72), wonach es dem Könige vorbehalten bleibt, „landesfürstliche Kommissäre neben den bischöflichen zu der Wahlhandlung und Installation absenden zu können“, ist durch Kap. 64 der edierten Statuten vom 7. August 1905 nicht aufgehoben, konnte selbstverständlich auch nicht aufgehoben, sondern höchstens ignoriert werden. Es steht die Frage offen, ob es der Staatsregierung nicht möglich gewesen wäre, eine derartige Beiseitesetzung ihrer Verordnungen zu verhüten. Sie konnte sich nicht beklagen, auf die Neuwendung der Dinge im Benediktiner-Orden rechtzeitig aufmerksam gemacht worden zu sein [!]; denn bereits im Jahre 1903 behandelte die Allgemeine Zeitung unter dem Titel „Alte und neue Benediktiner“ das Thema von der bevorstehenden Statutenänderung in ausführlicher Weise (Allg. Ztg., 30. u. 31. Mai, 3. Juni 1903), und am 28. Juli 1904 wies die Kölnische Zeitung unter „Römische Zentralisationsbestrebungen“ auf die Gefahren hin, die der bisherigen Rechtsstellung der bayerischen Kongregation seitens Rom drohten. Es hätte der kgl. Staatsregierung auch nicht unbekannt bleiben dürfen, daß sich in der Kongregation eine nicht unerhebliche Strömung gegen die neuen Statuten geltend machte, daß aber mangels jeglichen Interesses seitens des Staates es den interessierten Kreisen angesichts des strengen Subordinationsverhältnisses innerhalb des Ordens nicht möglich war, ihren Wünschen Geltung oder auch nur geneigtes Gehör zu verschaffen. Die Masse der bayerischen Benediktiner trifft sicher nicht die Schuld, daß neue Statuten im Juli 1904 beschlossen, im August 1905 bestätigt wurden, die ihnen die frühere, auf Unterricht und Wissenschaft gerichtete Lebensführung fast unmöglich zu machen drohen. Was da an stiller Aufopferung geleistet wird, um den Intentionen des höchstseligen Stifters und Neubegründers des Ordens, Ludwig I., trotz aller römischen Neueinführungen gerecht zu werden, um den altererbten Ruhm pädagogischer Tüchtigkeit und wissenschaftlicher Tätigkeit zu wahren, entzieht sich ebenfalls offenbar der Kenntnis der kgl. bayerischen Staatsregierung. Dieser aber wird es jetzt, angesichts der bestätigten Statuten, sehr schwer fallen, das Gebiet zurückzuerobern, das Rom so in aller Stille abgenommen hat. In aller Stille, obwohl Bayern beim Heiligen Stuhl diplomatisch sich vertreten glaubt!
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Dokument 19: Regensburger Morgenblatt, Nr. 7 vom Donnerstag, 11. Januar 1906, S. 3; Augsburger Postzeitung, Nr. 7 vom Donnerstag, 11. Januar 1906, S. 9 164 Der Benediktinerorden und die Abtwahl in Metten werden in der liberalen „Augsb. Abendztg. [Abendzeitung]“ in kulturkämpferischem Sinne ausgeschlachtet. Die Abtwahl hat ohne Gegenwart eines bischöflichen Konfirmationskommissärs stattgefunden; auch ist der Regierung von Niederbayern die Wahl nicht mitgeteilt worden. Ohne auf die Konstitution des Benediktinerordens und die kirchliche und kirchenrechtliche Seite der Sache einzugehen, konstatieren wir Folgendes: Die „Augsburg. Abendzeitung“, welche im Sommer gelegentlich der Erörterung der Kirchengemeindeordnung den greisen Oberhirten der Diözese Regensburg so unsäglich ordinär behandelt hat, findet jetzt, daß er national gesinnt und gegen den „Ultramontanismus“ bei dieser Abtwahl aufgetreten. Dasselbe Blatt welche (!) [Und gerade dieses selbe Blatt, welches] bei der Ernennung des Abtes Mergel zum Bischof von Eichstätt diesen als einen friedliebenden Bischof mit den ausgezeichnetsten Lobsprüchen bedacht hat, stempelt ihn jetzt zum Werkzeug des „internationalen Antisemitismus [Ultramontanismus]“. Er habe mitgeholfen, den Benediktinerorden international zu zentralisieren, seine Leitung nach Rom zu verlegen und ihn in die Geleise des Jesuitenordens hineinzuführen. Das habe er mit dem Nuntius Macchi (!) abgekartet, der auch sonst nicht abgeneigt sei, seine Hand nach den Rechten der bayerischen Metropoliten auszustrecken. Das sonst so vorsichtige Ministerium Wehner habe sich in letzter Zeit in eine arge Falle locken lassen. Neben der hier auftretenden Gesinnungs-Elastizität des liberalen Blattes setzt uns doch einigermaßen in Verwunderung, daß Ministerialbeamte solche Dinge in die „Augsb. Abendztg.“ lancieren dürfen.
Dokument 20: Augsburger Postzeitung, Nr. 10 vom Sonntag, 14. Januar 1906, S. 1 Die Abtwahl in Metten ‡ Die „Allgemeine Zeitung“ möchte in ihrem gestrigen Blatte vom 11. Januar Nr. 14 durch einen Artikel mit der Ueberschrift „Staatskirchenrechtliche Kompetenzkonflikte“ den Hochwürdigsten Herrn Abt von Scheyern an den Pranger stellen. Es wird nämlich behauptet, „daß der derzeitig in Vertretung fungierende Präses der bayerischen Benediktiner-Kongregation in seiner Eigenschaft als Wahlleiter zu Metten es für angemessen fand, das Ordinariat sowie die k. Regierung vom Wahlakt auszu-
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Abweichende Formulierungen der Postzeitung sind in eckige Klammern gesetzt. – Beide Zeitungen nennen anstatt des Nuntius Carlo Caputo, der 1904 bis 1907 in München wirkte, fälschlich den Namen des Vorgängers Giuseppe Macchi (1902 – 1904). – Zur Problematik der im Artikel erwähnten Kirchengemeindeordnung vgl. H. Körner, Staat und Kirche in Bayern 1886 – 1918 (Anm. 18), S. 81 – 96.
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schließen, ein Vorgehen, für das weder unter den Prälaten und Prioren, noch unter den Konventualen des Königreichs eine Majorität sich aussprechen dürfte.“ Der ganze Artikel enthält so viel Irrtümliches, daß er nicht ernst genommen werden kann. 1. Das Verhalten des Wahlpräsidenten gegenüber dem bischöflichen Ordinariat wird zwar mit Hinweis auf die Exemption der Benediktiner als formell berechtigt anerkannt, dafür aber von dieser Exemption gesagt, sie sei eine der Hauptneuerungen, welche die beuronische Bewegung in den Orden getragen hat. Nun hat schon Papst Innozenz XI. der bayerischen Benediktinerkongregation auf Betreiben des Kurfürsten Max Emanuel durch Breve vom 26. August 1684 die Exemption verliehen, während die Beuron-Kongregation noch kein halbes Jahrhundert hinter sich hat. 2. Das Vorgehen des Wahlleiters wird als ein Mißgriff nach der staatlichen Seite hin dargestellt, weil es dem König vorbehalten bleibe, landesfürstliche Kommissäre zu der Wahlhandlung und Installation absenden zu können. Warum wird denn hier das Zugeständnis verschwiegen, welches am 28. März 1889 das Ministerium Lutz den bayerischen Bischöfen gemacht hat, daß nämlich nach Anordnung Sr. k. Hoheit auch für die Folgezeit von der Absendung weltlicher Kommissäre bei der Wahl der Klosteroberen regelmäßig, und wenn nicht ein besonderer Anlaß vorliegt, abgesehen werde? Und wie will bewiesen werden, daß die Abtwahl in Metten der k. Staatsregierung nicht angekündigt worden sei? 3. Es wird von einem „Konflikt“ der Staatsregierung und des Ordinariats mit dem stellvertretenden Präses geredet. Wie soll dieser Konflikt sich bekundet haben? Weder von der kgl. Staatregierung, noch vom Ordinariat ist auch nur eine Zeile in dieser Angelegenheit dem Präsidium zugegangen. 4. Es heißt: Die Masse der bayerischen Benediktiner trifft sicher nicht die Schuld, daß neue Statuten im Juli 1904 beschlossen, im August 1905 bestätigt wurden, welche ihnen die frühere, auf Unterricht und Wissenschaft gerichtete Lebensführung fast unmöglich zu machen drohen. Wer so schreiben kann, der weiß nichts von der Statutenfrage und hat keine genauere Kenntnis der alten und neuen Statuten. Das Streben nach neuen Statuten geht nicht aus von den alten Kongregationsklöstern, sondern war Herzensangelegenheit des Abtes Eugen Gebele von Augsburg, der von seiner Erhebung zum Präses an (1897) bis zu seinem Tode (8. Aug. 1903) unablässig neue Statuten anstrebte. Die nunmehr promulgierten Statuten wollen die völlige Einverleibung des Klosters St. Stephan in die bayerische Kongregation erleichtern und die gegenwärtigen Zeitverhältnisse besser berücksichtigen. Sie mildern die Disziplin, vermindern die geistlichen Uebungen, mehren die Zeit zum Studium und sichern bei aller Freiheit der einzelnen Klöster in minder wichtigen Dingen die Einheit im wesentlichen. 5. Hat der Abt von Scheyern bei der Mettener-Abtwahl nur nach den jetzt geltenden Statuten gehandelt und in keiner Weise die Rechte des Staates und des bischöflichen Ordinariates Regensburg verletzt, so ist es eine Verdächtigung der Prälaten, Priore und Ordensmitbrüder, sie in Gegensatz zum Präsidium zu bringen. Soviel zur Steuer der Wahrheit sine ira et studio!
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Man schreibt uns dazu weiter: Die Abtwahl in Metten will mißbraucht werden, um die bayerische BenediktinerKongregation zu verdächtigen. Was ist denn bei dieser Abtwahl am 19. Dezember geschehen? Hätte die Wahl gleich den früheren nach den alten Statuten sich vollzogen, welche aus dem 17. Jahrhundert stammen, so hätte sofort nach Annahme der Wahl seitens des erwählten P. Willibald Adam der Konfirmationskommissär kraft päpstlicher Bevollmächtigung ihn als Abt von Metten bestätigt, der Wahlpräsident aber ihn nach Ablegung des Tridentinischen Glaubensbekenntnisses mit dem Prälatengewande bekleidet und mit dem Pektorale geschmückt. Er wäre feierlich in die Kirche eingezogen und hätte die Huldigung des Konventes entgegengenommen. Die kgl. Regierung hätte er von seiner Wahl verständigt und bei ihr um Erwirkung der landesherrlichen Anerkennung nachgesucht, inzwischen aber die abteiliche Regierung schon voll und ganz ausgeübt. Infolge der neuen Wahlordnung dagegen und des getroffenen Uebereinkommens bleibt der k. Studienrektor P. Godehard Geiger nach wie vor Administrator des Stiftes, bis für den erwählten Abt vom Wahlvorstand die päpstliche und die kgl. Bestätigung eingeholt und bekannt gegeben ist. Der erwählte Abt enthielt sich auch nach der am 26. Dez. in Scheyern eingetroffenen päpstlichen Bestätigung jeder Amtshandlung und wohnte nicht als Prälat, sondern als einfacher Benediktinerpriester der BischofsKonsekration in Eichstätt an, weil die kgl. Bestätigung der Wahl noch nicht erfolgt war. Welcher Wahlmodus nimmt mehr Rücksicht auf die Staatsgewalt? Was aber die Rechte des Diözesanbischofs betrifft, so hatte derselbe die Wahl immer nur im Namen des Papstes zu bestätigen. Zudem hat der päpstliche Stuhl diese Bestätigung schon wiederholt sich selbst vorbehalten. Was Wunder, wenn bei einer Neuordnung der Dinge von der Mehrzahl für die unmittelbar päpstliche Bestätigung der erwählten Aebte gestimmt würde, um so mehr, weil man sich der Hoffnung hingab, daß päpstliche und landesherrliche Bestätigung so ziemlich gleichzeitig erfolgen würden. Das Ansehen des Diözesanbischofs ist wohl schon dadurch hinlänglich gewahrt, daß der Erwählte von ihm die abteiliche Weihe zu erbitten hat. Pax hominibus bonae voluntatis.
Dokument 21: Augsburger Abendzeitung, Nr. 14 vom Montag, 15. Januar 1906, S. 2 f. Zur Mettener Abtwahl. Unsere Mitteilung über den Protest des Bischofs von Regensburg gegen seine Ignorierung bei der Mettener Abtwahl veranlaßt das „Regensb. Morgenbl.“, das Sprachrohr des Regensburger Ordinariats, zu einigen giftigen Bemerkungen. Dabei passiert diesem hyperpäpstlichen Organ das unangenehme Malheur, daß es nicht einmal weiß, wie der gegenwärtige päpstliche Nuntius in München heißt, was, besonders wenn man den Mund so voll nimmt, recht erheiternd wirkt. Der päpstliche Vertreter
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in München ist nämlich schon seit geraumer Zeit nicht mehr Msgr. Macchi, wie die Regensburger Leuchte meint, sondern Msgr. Caputo, der bekanntlich aus dem Benediktinerkloster Monte Cassino vorgegangen ist. Dieser letzte Umstand dürfte im vorliegenden Falle nicht ganz ohne Belang sein, weil er einerseits eine Erklärung dafür giebt, warum dieser Prälat so sehr für die Zentralisierung des Benediktinerordens sich ins Zeug legt, und andererseits das besondere Vertrauen verständlich macht, das die bayerischen Benediktiner dem italienischen Ordensbruder entgegenbringen. Also nicht Macchi, sondern Caputo! Die schmerzlichen Erfahrungen, die man in Regensburg im vergangenen Sommer gelegentlich der Debatte betr. die Kirchengemeindeordnung machen mußte, scheint man dort immer noch nicht verwunden zu haben. Das Regensburger Blatt beginnt seine Anrempelung nämlich mit dem Hinweis, daß wir damals den greisen Oberhirten der Diözese Regensburg „so unsäglich ordinär“ behandelt hätten. Wir möchten dazu nur bemerken, daß wir den Bischof Senestrey noch lange nicht so ordinär behandelt haben, wie die Zentrumspresse schon mit ihr mißliebigen bayerischen Ministern und Beamten und auch mit Bischöfen umgesprungen ist, und daß wir ihm bezw. seinem getreuen Knappen Dr. Ludwigs jedenfalls nur die Behandlung angedeihen ließen, welche die beiden durch ihr Vorgehen verdient hatten. Dummheit oder absichtliche Entstellung ist es, wenn das Blatt unsere damalige Haltung in Gegensatz zu der jetzigen bringen und behaupten will, wir fänden jetzt, daß Bischof Senestrey national gesinnt und gegen den Ultramontanismus bei der Mettener Abtwahl eingetreten sei. Das ist uns natürlich niemals eingefallen; denn wir wissen lange genug ganz genau, was wir von Bischof Senestrey zu halten haben. Ihn braucht das Regensburger Blatt gegen den Vorwurf, national gesinnt zu sein, nicht in Schutz nehmen, und vor der Beschuldigung des Eintretens gegen den Ultramontanismus schützt ihn allein schon genügend seine Vergangenheit. Daß sein Protest in Sachen der Mettener Abtwahl ganz andere Gründe hat, haben wir nie im mindesten bezweifelt, zumal diese Gründe für jeden, der die Verhältnisse einigermaßen kennt, deutlich genug auf der Hand liegen. Die Bischöfe wollen sich einfach eine gewisse Einflußnahme auf den Benediktinerorden, die sie bisher besassen und die durch die Zentralisierungsbestrebungen bedroht wird, nicht so ohne weiteres entwinden lassen. Nationale oder gar antiultramontane Gesinnung spielen dabei sicher keine Rolle. Das „Regensburger Morgenblatt“ gibt zum Schlusse seiner Verwunderung Ausdruck, daß Ministerialbeamte solche Dinge in die „Augsb. Abendztg.“ lancieren dürfen. Das Kultusministerium und seine Beamten sind aber vollständig unschuldig an dem, was in der „Augsb. Abendztg.“ gestanden. Wir verstehen recht gut das sehnliche Verlangen des Herrn Generalvikars Dr. Leitner und seiner Getreuen, die Quelle so mancher unbequemer Mitteilung der „Augsb. Abendztg.“ kennen zu lernen. Es wird aber alles noch so eifrige Schnüffeln, wie es jetzt auch wieder unter der Geistlichkeit Regensburgs betätigt worden ist, vergeblich bleiben, wenigstens so lang nicht Folter und Daumenschrauben wieder eingeführt werden. Ueber die rechtliche Seite der Angelegenheit wird uns von einem mit der Sache vertrauten Mitarbeiter noch geschrieben: F.X. Wie bekannt, hat die Leitung der Wahl eines Nachfolgers des zum Bischofe von Eichstätt erhobenen früheren Abtes von Metten durch den stellvertretenden Präses der bayerischen Benediktiner-Kongregation, Prälaten Rupert III. von Scheyern, so-
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wohl von Seite des bischöflichen Ordinariats Regensburg, als auch der Kgl. Regierung von Niederbayern eine allerdings, wie die jetzt bereits erfolgte landesherrliche Bestätigung beweist, kaum sehr ernst gemeinte Beanstandung erfahren. Beide Stellen fühlten sich in den ihnen zustehenden Rechten beeinträchtigt, beide deshalb, weil die Unterlassung der rechtzeitigen Anzeige des für den Wahlakt anberaumten Termins es ihnen unmöglich gemacht hatte, Wahlkommissäre zu entsenden. Unter grundsätzlicher Ausscheidung der zweifelsohne hereinspielenden politischen Gesichtspunkte – Konflikte kirchenrechtlicher Natur sind zum Teil immer auch Macht- bezw. Nachgiebigkeitsfragen – sollen hier die rechtlichen Seiten des Problems erörtert werden. Zu unterscheiden ist der kirchenrechtliche und der staatskirchenrechtliche Teil des Streitfalles, somit die Frage, ob der in Rom verworfene Protest des Ordinariats Regensburg verfehlt war, sowie, ob der Wahl des neuen Abtes von Metten die landesherrliche Bestätigung hätten versagt, bezw. seitens der Staatsregierung dem Konvente Metten nahegelegt werden können, eine Neuwahl unter Beobachtung der üblichen Form vorzunehmen. Anlangend die rein kanonische Frage, so dürfte der Protest der Regensburger oberhirtlichen Stelle als das zu erachten sein, als was er in Rom auch eingeschätzt worden ist – als ein Protest in den Wind. Denn die mit der zweiten Hälfte des Pontifikates Leo XIII. einsetzende zentripetale Bewegung im Benediktinerorden, als deren Trägerin die rasch zu bedeutendem Ansehen gelangte Beuroner Kongregation zu erachten ist, und die mit dem die Befugnisse des neubestellten Abtprimas regelnden Dekret der Congregatio Episcoporum et Regularium d. d. 16. Sept. 1893 ihren vollsten Ausdruck fand, hat auch dem längst vertretenden Anspruch der Benediktinerabteien zum Durchbruch verholfen, von der bischöflichen Jurisdiktion exempt zu werden. Für die bayerische Kongregation, deren Statuten vom 5. Februar 1858 stammten, ist mit dem Dekret der Congr. Ep. et Reg. vom 7. August 1905 sowohl das neue Rechtsinstitut des Abtprimates, als auch die Exemption von der bischöflichen Autorität zur formellen Anerkennung gelangt. Daß die Statuten d. d. 7. August 1905 der Krone nicht zur Bestätigung vorgelegt worden seien, können wir vorerst nicht annehmen, da die darin getroffenen Aenderungen (Kap. 64 Ziff. 112 ff. der Declarationes, Kap. 2 Ziff. 144, de Praeside) zum Teil auf ein Gebiet übergreifen, auf dem frühere landesherrliche Verordnungen einer einseitigen Neuregelung entgegenstehen. Dem Ordinariate bleibt somit angesichts der neuen Statuten vom 7. August 1905 lediglich der Anspruch, seitens des Präses vom Resultat der vollzogenen Wahl verständigt zu werden. Von dem Recht des Bischofes, einen Wahlkommissär zu entsenden, oder den Erwählten zu bestätigen, ist in Kap. 64 de ordinando Abbate, nichts enthalten. Die Bestätigung wird vielmehr durch den Abtprimas vermittelt, dem auch nach Ziffer 144 alle fünf Jahre Bericht über den Stand der einzelnen Stifte im Rahmen der ihm durch das Dekret vom 16. September 1893 eingeräumten Aufsichtsrechte zu erstatten ist. Bemerkt mag noch werden, daß der Bischof dem von Rom Bestätigten auf Ansuchen die äbtliche Benediktion zu erteilen hat. So unberechtigt somit der Protest des Regensburger Ordinariates erscheint, zu dessen Entschuldigung angeführt werden kann, daß die beanstandete Wahl die erste seit dem Inkrafttreten der neuen Statuten ist, so wohlbegründet wäre die Verweigerung der landesherrlichen Bestätigung des Neugewählten erschienen. Denn die im Rahmen der Zuständigkeit des § 77 c des Religionsediktes
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bezüglich der Wahl und Bestätigung der Aebte und selbständigen Prioren erlassenen Verordnungen sind durch die Statuten nicht alteriert, so weit Rechte der Krone in Frage kommen. Von den hier in Betracht kommenden Verordnungen Ludwigs I., des Neubegründers der bayerischen Benediktinerstifte, ist die bedeutsamste jene vom 20. November 1836, den Benediktinerorden in Bayern betreffend (Döllinger 23, S. 250). Sie bestimmt in Ziffer XXIII: „Den selbständigen Klöstern des Benediktinerordens bleibt es überlassen, ihre Vorstände (Aebte oder Prioren) durch kanonische Wahl selbst zu ernennen; die erste Ernennung geschieht jedoch von dem Könige. Der wirkliche Antritt des Amtes bleibt jederzeit durch die königliche Genehmigung bedingt, sowie auch dem Könige vorbehalten bleibt, landesfürstliche Kommissäre neben den bischöflichen zu der Wahlhandlung und Installation abordnen zu können.“ Was den Abs. 1 dieser Bestimmung betrifft, so ist erst wieder mit der Gründung des Klosters Ettal die Frage der Ernennung des ersten Abtes eines Benediktinerstiftes erörterungsfähig geworden. So lange die Apostolische Administration Scheyerns für Ettal aufrecht bleibt, also kein Prior regiminis vorhanden ist, scheidet das Ernennungsrecht der Krone aus. Geltend gemacht kann es erst werden, wenn ein Prior regiminis oder ein Abt zu bestellen ist. Wohl aber ist der Abs. 2 seit Erlaß der erwähnten Bestimmungen naturgemäß wiederholt zur Anwendung gekommen. Es erfolgte, wie zum letzten Male noch vor dem Inkrafttreten der neuen Statuten anläßlich der Erledigung der Prälatur von St. Bonifaz in München, Anzeige vom Wahltermine an die zuständige Kreisstelle, sowie das Ordinariat, deren freiem Ermessen es anheim gestellt blieb, von dem ihnen durch kirchliches und staatliches Recht eingeräumten Rechte der Abordnung eines Wahlkommissärs Gebrauch zu machen. Wie bereits dargelegt, konnten die Ziffern 112 – 121 der neuen Statuten den wahlleitenden Prälaten nicht deswegen von der Verpflichtung befreien, die Kgl. Regierung vom Wahltag zu verständigen, weil sie die Existenz des erwähnten Kronrechtes mit Stillschweigen übergehen. Es oblag ihm vielmehr, gleich wie in den früheren Fällen vor Erlaß der neuen Statuten, die staatliche Stelle durch rechtzeitige Anzeige in Stand zu setzen, sich über die Abordnung eines landesfürstlichen Kommissärs zu entscheiden. Vom Standpunkte der zur Wahrung der Kronrechte berufenen Staatsregierung aus wäre aus diesem formellen Mangel die Berechtigung abzuleiten gewesen, dem Neugewählten die Bestätigung zu versagen, bezw. dem Konvente von Metten zu eröffnen, daß behufs Erwirkung der landesherrlichen Bestätigung eine erneute Vornahme der Wahlhandlung unter Beobachtung der bisher üblichen Gepflogenheiten geboten erscheine. Kultusminister Dr. v. Wehner scheint aber hierzu keine Veranlassung gesehen zu haben; denn er hat sich im Gegenteil beeilt, dem ohne Benachrichtigung der Staatsregierung gewählten Abte die landesherrliche Bestätigung zu verschaffen.
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Dokument 22: Augsburger Abendzeitung, Nr. 15 vom Dienstag, 16. Januar 1906, S. 8 f. Zur Mettener Abtwahl. ¥ München, 14. Jan. Ueber die Abtwahl von Metten bringt die „A. Postztg.“ gegenüber der „Allg. Ztg.“ und der „A. Abdztg.“ eine Reihe von Artikeln, welchen man den Vorwurf absichtlicher Wahrheitsfälschung nicht ersparen kann. Wir wollen zugestehen, daß die Redaktion nicht in der Lage ist, die Tatsachen nachzukontrollieren. Allein den Einsendern muß dieser Vorwurf gemacht werden. In Nr. 10 der „Postztg.“ heißt es, weder das Ordinariat Regensburg noch die Regierung habe eine Zeile wegen der Abtwahl in protestierendem Sinne geschrieben. Das ist unwahr. Dem wahlleitenden Präses ist der energische Protest des Regensburger Bischofs vorgelegt worden. Dieser Protest ist auch nach Rom gegangen. Der Protest stand schon vorher im „Regensb. Morgenbl.“ u. a. Wozu solche Tatsachen wegleugnen, um die Oeffentlichkeit zu täuschen? Der Präses hat der Regierung von Niederbayern die Wahl nicht mitgeteilt. Das Ministerium hat diesen Fehler gerügt. Auf die heuchlerische Frage: „Was ist denn geschehen?“ können die Einsender eine deutliche Antwort im Regensburger Protest lesen. Es ist naiv, wenn die „Postzeitung“ der „Abendzeitung“ vorwirft, sie habe den Regensburger Bischof als „national gesinnt“ bezeichnet. Das geschah nicht. Aber warum wird von der „Postztg.“ der „ehrwürdige Bischofsgreis“, der diesmal ausnahmsweise ein striktes Recht verficht, angerempelt? Noch eine Perfidie müssen wir zurückweisen. Die „Postzeitung“ schiebt die Schuld der neuen Statuten, welche dem Landesherrn nicht vorgelegt wurden, um eine Vergewaltigung der nach dem Zeugnis des Einsenders in Nr. 14 der „Allg. Ztg.“ in ihrer Mehrheit protestierenden Konvente in aller Stille zu vollführen, auf den verstorbenen Abt Gebele. Dieser Herr starb am 8. August 1903. Die neuen Statuten wurden erst nach seinem Tode bearbeitet und im August 1905 herausgegeben unter lebhafter Unzufriedenheit der Konvente. Warum die Verantwortung auf einen Toten schieben? Bezeichnend ist, daß ein Einsender der „Postztg.“ den Nuntius Macchi verteidigt, also gar nicht weiß, daß Nuntius Macchi längst nicht mehr in Bayern ist, daß es sich um Msgr. Caputo handelt. Solche Kleinigkeiten genieren nicht! Wir können noch verraten – ohne aus dem Ministerium orientiert zu sein –, daß der Regent sich in der Sache bereits bei Ordensmitgliedern selbst erkundigt hat. Regensburg erhält für die Zukunft recht. Es handelt sich nicht um Metten allein, sondern um alle Klöster. Zur Steuer der Wahrheit sei beigefügt, daß der Abt von Scheyern mit Nachdruck gegen die Anfeindung des bischöflichen Konfirmationsrechtes gearbeitet hat. Die Verantwortung dafür, daß die Vorlage der Statuten beim Landesherrn nicht erfolgte und so dieser die Rechte der Konvente nicht schützen konnte, übernahm auf Drängen des italienischen Abtprimas der jetzige Bischof von Eichstätt, den wir darüber nicht loben können. Er wußte, daß die Konvente nicht zustimmen und verhandelte mit Umgehung des Landesherrn in Rom selbst. Darum ist es freudig zu begrüßen, daß der Regent selbst in seinem feinen Sinne für die Erhaltung der so hochedlen und weisen Stiftungen seines erlauchtesten Vaters für die Sache sich interessiert. Er wird gewiß ohne Mühe einen Weg finden, um in Harmonie mit Rom den ziemlich leichtsinnig begangenen Fehler
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wieder zu korrigieren. Ludwig I. wollte keine international zentralisierten Klöster gründen; sonst hätte er die Jesuiten gerufen. Seine Stiftungen haben sich bewährt. Wozu also hinter dem Rücken des Landesvaters sie verändern? * Von anderer Seite geht uns zur Mettener Abtwahl noch eine Mitteilung zu, die in einigem Gegensatz zu den vorstehenden Ausführungen das Verhalten des Kultusministeriums in dieser Angelegenheit in einem sehr merkwürdigen Lichte erscheinen läßt. Darnach wäre seitens dieses Ministeriums den Benediktinern vor Jahren schon in einer geheimen Entschließung die Konzession gemacht worden, daß in Zukunft keine Kommissäre zu den Abtwahlen mehr entsendet werden sollen, und der Leiter der Mettener Abtwahl, Prälat Megenleitner (!) von Scheyern hätte sich demgemäß in völlig korrekten Bahnen bewegt. Bezeichnend ist nur, daß man es seinerzeit unterließ, diese zur M.-E. vom 20. November 1836 ergangene Nachtragsentschließung zu veröffentlichen, so daß sowohl die Königl. Kreisregierung von Niederbayern, als auch die öffentliche Meinung des Glaubens sein mußte, jene Bestimmung (Weber, Band 3, Seite 72) bestehe auch heute noch in vollem Umfange zu Recht. Der Grund zu solch’ diskreter Zurücknahme offiziell bekanntgemachten Verordnungen ist nicht recht einzusehen; es müßte denn angenommen werden, daß man seinerzeit es für angezeigt hielt, die Sache in aller Stille zu regeln. Daß diese Methode den äußeren Stellen die Handhabung der Gesetze und Verordnungen nicht erleichtert, ist einzusehen. Auch ist es nicht gerade sehr erbaulich, wenn ein Regierungspräsident, der vollkommen korrekt gehandelt hat, vom Ministerium sich desavouieren lassen muß, weil das Ministerium es unterließ, ihn rechtzeitig von einer Entschließung in Kenntnis zu setzen, die eine veränderte Sachlage schuf.
Dokument 23: Augsburger Postzeitung, Nr. 12 vom Mittwoch, 17. Januar 1906, S. 2 f. Hetze um jeden Preis. X In Bayern gibt es Leute, die jeden Anlaß benützen, um womöglich kirchenpolitische Konflikte herbeizuführen. „Haltet euch, ihr Staatsmänner, die unverantwortlichen Hetzer vom Leibe,“ ist eine oft ausgesprochene Warnung. Die Konflikte sind von jeher von Hetzern herbeigeführt, vertieft und vergiftet worden; den Schaden aber hatten immer beide Gewalten, Staat und Kirche. Der Kulturkampf hat das deutlich genug gelehrt. Für Bayern wird zu solchen Manövern eines der großen liberalen Blätter benützt, am liebsten die „Augsb. Abendzeitung“. Man erinnert sich noch lebhaft der Vorgänge im letzten Sommer und Herbst. Jetzt bemüht sich die „Abendzeitung“, den nichtssagenden „Konflikt“, wenn man von einem solchen sprechen will, wegen der Abtwahl in Metten auszunützen; sie sucht die Bischöfe gegen die Benediktiner und den Nuntius zu hetzen, die Benediktiner selbst gegen Rom wegen dessen angeblicher Zentralisationsgelüste, die bayerische Regierung aber gegen alle andern, die Benediktiner, die Bischöfe, den Nuntius und Rom. Von welchen Kreisen diese Dinge ausgehen, weiß man ganz gut. Dabei
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wird mit der üblichen erbärmlichen Unwissenheit gearbeitet; aber die Leute stellen sich doch, als seien sie tief eingeweiht. Das kanonische sowohl als das bayerische Staatskirchenrecht beherrschen sie wie ihre Domäne. Dem Lesepublikum der liberalen Blätter imponieren sie damit. Dabei kann man auch persönliche Gehässigkeiten an den Mann bringen und kommt so allseits auf seine Rechnung. Was nun die Abtwahl anlangt, so wäre für die Hetzer der „Abendzeitung“ vorab nötig, die Rechtsverhältnisse zu kennen und die historischen Tatsachen. Aber von Detailkenntnissen sind diese Hetzer nie in der Bewegungs- und Redefreiheit geniert. Wie steht es denn da eigentlich? Nach dem gemeinen kanonischen Recht sind die Benediktinerklöster von der bischöflichen Jurisdiktion exemt. Diese Exemtion, welche in ihren ältesten Beispielen bis ins 7. Jahrhundert hinaufgeht, hatte ihren Grund in Mißständen, welche durch die Unterwerfung der Klöster unter die Bischöfe mehrfach auftraten. Bei den Wahlen der Vorstände, bei der Vermögensverwaltung, bei Handhabung der Disziplin haben nicht selten unverständige und laxe Bischöfe einen sehr ungünstigen Einfluß geübt, oder es sind durch sonstige Willkürlichkeiten Streitigkeiten herbeigeführt worden. Umfassende Reformen in den Klöstern, so besonders jene der Clugnyazenser (!) im 10. und 11. Jahrhundert, ließen sich nur unter jener Exemtion erreichen, auf welche denn auch nach und nach alle älteren Orden großes Gewicht legten, und welche sie tatsächlich für sich errangen. Anfangs wohltätig wirkend und notwendig, wurde sie im Laufe des Mittelalters infolge der großen Ausdehnung ein Uebelsstand, über den von den Bischöfen auf dem Konzil von Trient schwere Klagen geführt wurden. Das Konzil hat nun in vielfältiger Hinsicht hier beschränkend und ändernd eingegriffen, besonders die Frauenklöster und -Orden wieder in größere Abhängigkeit von den Bischöfen gebracht, und auch die Exemtion der Mannsklöster beschränkt. Darauf beruht das jetzt geltende Recht. Darnach ist die Exemtion für die Mannsklöster der älteren Orden im Kern aufrecht erhalten worden. Bei den ältesten Orden (Basilianern, Augustinern, Benediktinern in ihren verschiedenen Abzweigungen) bildet der Orden kein organisches Ganzes, sondern jedes einzelne Kloster ist vollkommen selbständig für sich. Nur die befolgte Regel bildet unter den Klöstern das gemeinsame Band. Der Orden ist also nur ein geistiges, moralisches nicht aber juristisches Ganzes mit einer einheitlichen Verfassung. Hier ist auch das einzelne Kloster exemt. Erst die späteren Orden (Franziskaner, Dominikaner und namentlich die Jesuiten) haben eine einheitliche, den ganzen Orden umspannende Verfassung. Die Exemtion ist hier dem ganzen Orden gegeben und damit allerdings auch seinen einzelnen Häusern. Als in Bayern wieder Klöster begründet wurden, wozu der Staat sich im bayerischen Konkordat ausdrücklich verpflichtet hatte wegen der umfassenden Einziehung des Klostergutes, wurden dieselben natürlich auf Grund des geltenden kirchlichen Rechtes ins Leben gerufen, d. h. die begründeten Klöster waren von der bischöflichen Jurisdiktion an sich exemt. Da jedoch die neubegründeten Klöster anfangs noch nicht die vollen Bedingungen der Exemtion, welche eine förmliche Errichtung der Konvente mit einer festen Anzahl von Mitgliedern fordert, zu erfüllen vermochten, außerdem vielfach Seelsorge nehmen mußten, so blieb ihnen gegenüber die bischöfliche Jurisdiktion noch in weitem Umfang bestehen und wurde tatsächlich geübt. In-
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soweit nämlich exemte Klöster Seelsorge üben für Weltleute, bleiben sie nach kirchlichem Recht immer dem Bischof unterworfen. Erst allmählich haben sich in Bayern die Verhältnisse der einzelnen Klöster soweit entwickelt, daß das gemeine kirchliche Recht voll zur Anwendung und die Exemtion voll zur Geltung kommen konnte. Nun wurde aber auch die weitere Vorschrift des Konzils von Trient praktisch, welche verlangt, daß die Benediktinerklöster territorial zu sog. Kongregationen zusammentreten, sich aus den Aebten einen Präses wählen, der dann die Visitation in den Klöstern zu vollziehen und die Einhaltung der Disziplin zu kontrollieren hat. Die bischöfliche Jurisdiktion und Kontrolle ist ja durch die Exemtion ausgeschlossen. Solche Kongregationen sind nicht als Verbände zu denken, welche etwa ein Kloster dem andern unterwerfen und ein verfassungsrechtliches organisches Unum hervorbringen, sondern sie bilden eine Konföderation, in der die selbständige Stellung der Einzelnen erhalten bleibt, in der aber jedes Kloster eine gewisse Unterstützung in den andern Klöstern hat im Verfolg seiner inneren und äußeren Interessen. Wie die einzelnen Klöster, ist auch diese Konföderation von der bischöflichen Jurisdiktion exemt. Die Kongregation der bayerischen Benediktinerklöster wurde 1861 erst begründet, und damals wurden dafür auch die Statuten entworfen, welche natürlich die Anerkennung des Heiligen Stuhles zu finden hatten. In jenen älteren Statuten war nun die Bestimmung vereinbart, dass der Bischof, in dessen Diözese eines der Klöster liegt, auctoritate Apostolica, also im Rahmen und Auftrag und in Vertretung des Papstes, die Konfirmation des in freier Wahl der Konventualen gekürten Abtes oder Priors zu geben habe. Es war beigefügt, daß aus diesem Grund der Bischof einen Kommissär zur Wahl schicken könne (potest mittere commissarium), der aber nur als Zeuge, nicht als vorsitzender Leiter der Wahl anwohnen konnte. Die Leitung der Wahl oblag dem Präses. Der Bischof darf gemeinrechtlich sich in die Wahlen dieser Klöster überhaupt nicht einmischen. Nach bayerischem Partikularrecht konnte er also bloß als Vertreter des Heiligen Stuhles sich beteiligen und die notwendige Bestätigung geben. In den neuen, erst am 6. August 1905 von seiten Roms approbierten Statuten ist nun seitens der Benediktinerkongregation folgende Regelung der Wahl vorgeschlagen worden: Praeses indicit diem electionis et ipsi electioni, sine voto tamen, praesidet. Postremo a Sancta Sede confirmationem Neoelecti petit et de peracta electione Ordinarium loci certiorem facit. Der Vorschlag fand beim Heiligen Stuhl, weil überall, selbst in Amerika, dieser Modus eingehalten wird und jetzt eine rasche und leichte Kommunikation besteht mit Rom, Zustimmung. Der Heilige Stuhl hat damit stillschweigend die seinerzeit gegebene Bevollmächtigung der Bischöfe zurückgezogen. Wie er seinerzeit nicht verpflichtet war, eine solche Vollmacht zu geben, ist er natürlich jetzt berechtigt, sie zurückzunehmen, weil die Benediktiner das wünschten und überall, selbst in Amerika, die Uebung dem gemeinen Recht entspricht. Von einer Beeinträchtigung des Rechtes der Bischöfe ist hier keine Rede. Ein solches bestand nicht, sondern nur ein Auftrag, den selbstverständlich der Auftraggeber unter geänderten Verhältnissen beliebig zurücknehmen kann. Solche Akte nimmt auch die Staatsregierung nicht selten vor gegenüber den untergebenen Verwaltungsbehörden, der Kreisregierung, dem Bezirksamt usw. Die Presse kümmert sich nie darum oder
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doch nicht in gehässigen Expektorationen. – Die am 6. August von Rom approbierten Statuten wurden die beteiligten Bischöfen mitgeteilt unter Hinweis auf diesen besonderen Punkt. Irgendeine Einsprache wurde dagegen nicht erhoben. Wenn die Bischöfe Gewicht darauf legten, daß ihnen die frühere Beauftragung belassen wurde, dann hätten sie ja die Sache beim Nunzius oder direkt in Rom beregt. Weil das nicht geschah, konnte man unseres Erachtens in Metten mit Recht annehmen, daß seitens der Bischöfe überhaupt kein weiteres Gewicht auf die Sache gelegt werde. Zu einer Hetze besteht also keinerlei Grund. Am allerwenigsten hat mit der Sache der Nunzius zu tun. In diese Dinge mischt er sich, wenn nicht von irgendeiner Seite angerufen, in keiner Weise ein. Eine Anrufung ist aber nicht erfolgt. Was die bayerische Regierung anlangt, so ist das ältere, längst nicht mehr praktizierte Recht allerdings davon ausgegangen, zu den Wahlen einen kgl. Kommissär zu schikken. Das geschah selbst bei Dekanatswahlen. Aber man hatte seitens der Regierung bald selbst das Empfinden, daß der Staat dabei eine nicht eben imposante Rolle spiele, ebensowenig, wie bei der Gelübdeablegung der Klosterfrauen. Man ließ also die Sache bleiben und begnügt sich mit einer Anzeige und Bestätigung der vollzogenen Wahl. Im Rahmen dieser seit Jahrzehnten geübten Praxis bewegte sich auch die Wahl in Metten. Man muß sich also wundern, daß eine so lächerliche und beschämende Unkenntnis der einschlägigen Dinge in so boshafter Form in einer größeren Zeitung sich noch hervorwagen darf. Wenn die „Abendzeitung“ durchaus den Hansdampf in allen Gassen spielen will, dann darf sie sich nur öfter von solchen Leuten bedienen lassen. Was das in diese Erörterung hineingezogene Bestreben Leos XIII. anlangt, den Benediktinerorden in seiner Gesamtheit in eine Konföderation zusammenzufassen, so liegt dieselbe in der Gegenwart, wo alles was gemeinsame Interessen hat sich zusammenschließt, wahrhaftig nahe genug. Von einer Unterdrückung der Selbständigkeit der einzelnen Klöster ist dabei keine Rede. Es handelt sich nur um einen freien Zusammenschluß zum gemeinsamen Schutz, zur gemeinsamen Arbeit, zur gegenseitigen Anregung. Es ist für den Kenner der Dinge lächerlich, hier von einer jesuitischen Zentralisation zu sprechen. Damit kann man unwissende Kinder schrecken – und Liberale.
Dokument 24: Regensburger Morgenblatt, Nr. 13 vom Donnerstag, 18. Januar 1906, S. 3 Ein kulturkämpferisches Fiasko hat mit ihrer gehässigen Stellungnahme zur Abtwahl in Metten die liberale Presse, insbesondere die „Augsburger Abendzeitung“, erlitten. Irgendwo in einem Ministerium, ob es das Kultusministerium oder das Ministerium des Innern ist, bleibe dahingestellt, sitzt ein Ministerialbeamter, der Freude an kirchenpolitischen Konflikten hat und das, was aus den Quellen durchsickert, verwertet und es in die „Augsburger Abendzeitung“ direkt oder indirekt hineinbringt in hetzerischem Sinn. Mit der Abtwahl in Metten ist er hereingefallen; er hat Diskussionen in Ministerialkreisen anscheinend mit Tatsachen verwechselt. Die Abtwahl in Metten ist
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landesherrlich bestätigt worden. Die „Augsburger Abendztg.“ hatte Lärm geschlagen; es sei die Vornahme der Wahl nicht vorher der Regierung angekündigt worden, darum ein Regierungskommissär nicht zugegen gewesen. Die rasch erfolgte landesherrliche Bestätigung beweist, daß kein Konflikt vorliegt. Von der Staatsregierung ist, wie die „Augsburger Postzeitung“ mitteilt, auch nicht eine Zeile wegen der Mettener Abtwahl an den Wahlleiter (Abt von Scheyern) gelangt. Das ergibt, daß die Regierung alles erfüllt sah, was sie verlangen kann. Wenn sie trotzdem keinen Kommissär schickte, so ist die Erklärung in der Antwort vom 14. Juni 1888 des Kultusministeriums auf das Memorandum der Bischöfe gegeben; in dieser Erklärung heißt es, daß „von der Absendung weltlicher Kommissäre bei der Wahl von Klosteroberen und der Gelübdeablegung regelmäßig und wenn nicht ein besonderer Grund vorliegt, abgesehen werden wird“. Es wurde ferner behauptet in der „Augsburger Abendzeitung“, der Bischof von Regensburg habe energisch Protest eingelegt, weil er von der Vornahme der Abtwahl nicht verständigt worden sei und keinen Konfirmationskommissär habe senden können. Auch hier konstatiert die „Augsb. Postzeitung“, daß seitens des Ordinariats in Regensburg dem Wahlleiter (Abt von Scheyern) nicht eine Zeile zugegangen ist. Das Statut des Benediktinerordens stellt den Orden direkt unter den Papst. Früher hatte der Diözesanbischof die Wahl im Namen des Papstes zu bestätigen, jetzt bestätigt der Hl. Stuhl direkt. Daß das Ordinariat von Regensburg nichts gegen die Sachlage unternahm, ist klar. So bleibt von der Aktion der „Augsburger Abendzeitung“ nichts übrig, als die plumpe Hetze.
Dokument 25: Regensburger Morgenblatt, Nr. 14 vom Freitag, 19. Januar 1906, S. 2 Die Abtwahl in Metten. x. Regensburg, 17. Jan. Die „Augsb. Postztg.“ bringt in ihrer Nr. 12 S. 2 einen Artikel mit der Spitzmarke: „Hetze um jeden Preis“. Er macht sich leider die von ihm versuchte Abwehr zu leicht. So stiftet man nicht den wahren Frieden. Selbst wir müssen diesen Frieden ablehnen. Zur Begründung nur einige Sätze. Die „Exemtion“ der Klöster von der bischöfl. Jurisdiktion gilt dem X-Schreiber in der „Postzeitg.“ nach dem gemeinen kanonischen Rechte als Regel, nicht bloß als Ausnahme, was schon der Sinn (Privileg) bedeutet. Er gibt zu, daß für die 1861 neugebildete bayr. Benediktinerkongregation Statuten vereinbart und genehmigt waren, nach welchen der Bischof namens des Papstes jeden neuen Abt zu bestätigen hatte – auctoritate Apostolica. „Das aber sei kein Recht, sondern nur ein Auftrag (??) gewesen. Also könne der Heilige Stuhl diesen Auftrag wieder zurücknehmen und zwar ohne weiteres, weil die Benediktiner das wünschten.“ Der Artikel fährt dann fort: Die neuen Statuten wurden ja – nach der päpstlichen Bestätigung – den einzelnen Bischöfen fertig zugeschickt und haben auf diesen besonderen Punkt hingewiesen. Einspruch wurde nicht (sogleich!) erhoben, also konnte
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man annehmen, daß „von den Bischöfen überhaupt kein größeres Gewicht darauf gelegt wurde, daß ihnen die frühere Beauftragung belassen würde.“ So wörtlich. Wahrlich zum Lachen! Da hatten denn doch die Bischöfe eine andere Anschauung von ihrem uralten, auch nach der Exemtion gebliebenen Rechte und können sich auch jetzt mit solcher Theorie nicht einverstanden erklären. Wie gnädig: nach der StatutenAenderung dürften die Bischöfe „remonstrieren“; tun sie es nicht gleich, dann ist das neue Recht präskribiert. Unsere Leser sehen daraus, auf welch schwachen Füßen obige Verteidigung ruht, und begreifen, daß aus solchem Vorgehen ein Konflikt entstehen mußte, wenn nicht große Langmut aus vielen Rücksichten geübt worden wäre.
Dokument 26: Augsburger Postzeitung, Nr. 14 vom Freitag, 19. Januar 1906, S. 1 Nochmals die Mettener Abtwahl. Gott sei Dank, Abt Willibald von Metten hat am Fest des heiligsten Namens Jesu, von höchster kirchlicher und staatlicher Seite anerkannt, die Regierung des altehrwürdigen Stiftes angetreten und die erste Huldigung seiner geistlichen Söhne entgegengenommen! Das gibt auch Hoffnung, daß bezüglich der Mettener Abtwahl nun bald wieder alles in Ruhe sein werde. Für heute geben Nr. 15 der „Neuesten Nachrichten“ und Nr. 14 der „Augsb. Abendzeitung“, welche eine gütige Hand hat nach Scheyern gelangen lassen, Anlaß, unseren letzten Zeilen in dieser Sache noch einiges beizufügen: 1. „Neueste Nachrichten“ und „Abendzeitung“ sehen mit Mißtrauen auf den päpstlichen Nunzius Msgr. Caputo, von dem die „Abendzeitung“ die überraschende Neuigkeit zu bringen weiß, er sei aus dem Benediktinerkloster Monte Cassino hervorgegangen und ein italienischer Ordensbruder der bayerischen Benediktiner. Da unsere Kongregation, wie neulich dargetan worden, schon seit Jahren mit Umgestaltung der veralteten Statuten sich beschäftigt und den Entwurf derselben bereits auf dem Generalkapitel zu Ottobeuren 1900 fertiggestellt hat, Msgr. Caputo aber erst seit Februar 1904 in München weilt, so ist klar, daß er auf die Statuten nicht den mindesten Einfluß übte, ja höchst wahrscheinlich erst in den letzten Wochen von den neuen Statuten gehört hat. Jedenfalls kann der stellvertretende Abtpräses, welcher das außerordentliche Generalkapitel in Ettal zur Erledigung der Statutenfrage einberufen hat, durch Zeugen beweisen, daß er nie über diese Sache mit dem Nunzius auch nur eine Silbe gesprochen. An dem Ettaler Entwurf wurde aber in Rom nichts mehr von Bedeutung geändert. O diese Furcht vor Gespenstern! 2. Das Gleiche gilt vom Abtprimas, dem ein gefahrdrohender Einfluß angedichtet wird. Die neuen Statuten enthalten über ihn gar nichts, als daß ihm alle fünf Jahre über den Stand der einzelnen Klöster zu berichten ist. Diese Anordnung hat Papst Leo XIII. 1893 für den ganzen Orden getroffen. Sie enthält insoferne eine Milderung, als nach den alten Statuten schon alle drei Jahre an die S. Congreg. Eps. et Regul. berichtet werden mußte.
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3. Wenn besonderer Ton darauf gelegt werden will, daß die Bestätigung der Abtwahl durch den Abtprimas erwirkt werde, so sei bemerkt, daß dieser Weg durchaus nicht von den neuen Statuten vorgeschrieben ist, sondern nur wegen der bekannten Liebenswürdigkeit und brüderlichen Dienstgefälligkeit dieses Prälaten seitens des Wahlleiters in Metten eingeschlagen wurde. Ein anderer Prälat würde sich schön bedanken, wenn ihm in solcher Weise die Rolle eines Agenten zugemutet würde. Die neuen Statuten sind so wenig ein Werk des Abtprimas, daß es jahrelange Mühe kostete, um ihn für dieselben in etwas zu gewinnen und ihn geneigt zu machen, sie dem Heiligen Stuhle zu empfehlen. 4. Die Exemption der bayerischen Benediktiner von der bischöflichen Autorität wird in den neuen Statuten gar nicht erwähnt. Es bleibt in dieser Beziehung bei dem, was Rom im Jahre 1684 und neuerdings am 5. November 1860 zugesichert hat. 5. Die „Abendzeitung“ weiß, was bei der letzten Abtwahl in München geschehen. Weil sie in alles Einblick hat, muß sie auch wissen, wer die bevorstehende Wahl damals angezeigt hat, und zugeben, daß diese Pflicht nicht dem Wahlpräsidenten obliegt. Es trifft ihn also der Vorwurf nicht, der ihm gemacht wird, um so weniger, weil er tatsächlich das Kultusministerium von der Mettener Abtwahl in Kenntnis gesetzt und sich als Wahlvorstand rechtzeitig gemeldet hat. Das schöne Fest der Erscheinung des Herrn (6. Januar) hat für Metten die landesherrliche Wahlbestätigung erwirkt. Möge das Reich des göttlichen Friedensfürsten, mögen Gerechtigkeit, Wahrheit und Liebe unser bayerisches Vaterland mehr und mehr einen, festigen und beglücken!
Dokument 27: Augsburger Abendzeitung, Nr. 19 vom Sonnabend, 20. Januar 1906, S. 9 Zur Mettener Abtwahl. Zur Klärung des Mettener Abt-Wahlstreites wird uns noch geschrieben: Die Nichtbeachtung des vom Königlichen Regierungspräsidium von Niederbayern eingelegten Protestes gegen die Wahl des neuen Abtes von Metten seitens des Königlichen Staatsministeriums des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten scheint im Hinblick auf die Erwiderung auf die Freisinger Denkschrift unterm 8. April 1852 erlassene Allerhöchste Instruktion gerechtfertigt. Diese, den Vollzug des Konkordates betreffende Entschließung enthält 27 Erklärungen über Punkte, die Gegenstand von Klagen der Freisinger Denkschrift gewesen waren. Ziffer 14, die auch die Frage der Ablegung der lebenslänglichen Gelübde in dem Verlangen der Bischöfe entsprechender Weise regelt, enthält die Versicherung, daß bei der Wahl der Klosteroberen von der Entsendung von Kommissionären Umgang genommen werde. Es scheint jedoch, daß die Praxis sich nicht auf diesen Standpunkt gestellt hat, da übungsgemäß seitens mehrerer Stifte der zuständigen Kreisregierung Anzeige von Ort und Tag der Wahlhandlung auch noch 1852 gemacht worden ist. Der Vorfall zeigt unter allen
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Umständen, daß schon mit Rücksicht auf die unterm 7. August 1905 in Kraft getretenen neuen Statuten die Verordnungen vom Jahre 1834 und 1836, den Benediktinerorden in Bayern betreffend, einer neuen Redaktion dringend bedürftig erscheinen. Erstaunlich ist, mit welcher Unverfrorenheit die „Augsb. Postztg.“ fortgesetzt in Abrede zu stellen suchte, daß seitens des Bischofs von Regensburg gegen die Mettener Abtwahl Protest eingelegt wurde. Entweder war das Blatt da ganz schlecht unterrichtet, oder es stellte Behauptungen wider besseres Wissen auf. Sein Verhalten ist um so merkwürdiger, als das Organ des Regensburger Ordinariates aus dessen Haltung und Anschauung in dieser Sache durchaus kein Hehl macht. Das „Regensburger Morgenbl.“ tritt sogar neuerdings der „Postztg.“ sehr scharf entgegen, indem es schreibt: […]165 Wir können übrigens dem aus eigener Wissenschaft noch Einiges, was nicht uninteressant ist, hinzufügen. Die revidierten Statuten der Benediktiner wurden, wenn wir recht unterrichtet sind, im vorigen Sommer dem Regensburger Ordinariat vorgelegt. Der Leiter der Diözese (nicht der Bischof, der ja infolge von Altersschwäche nicht mehr dispositionsfähig ist) las sie aber nicht einmal durch. Nachdem die Mettener Abtwahl stattgefunden, ging sofort ein Protest nach Rom, der allerdings nichts fruchtete. Der neue Abt und der Wahlleiter (Abt von Scheyern) verteidigten die Nichtanzeige der Wahl damit, daß ja die Statuten (in denen auch der Wegfall der Entsendung eines bischöflichen Kommissärs zur Abtwahl enthalten ist) vorgelegt wurden und ein Widerspruch dagegen nicht erfolgt sei. Das Letztere allerdings nur aus dem Grunde, weil sie überhaupt nicht gelesen worden waren. Uebrigens ist der neue Abt bei der persönlichen Vorstellung in Regensburg wohl im Hinblick auf die „Unauffindbarkeit der nichtgelesenen Statuten“ in Gnaden aufgenommen und sogar mit dem belobigenden Prädikat eines „bescheidenen Männleins“ ausgezeichnet worden. So der wahre Sachverhalt. Den Wahlleiter und den Mettener Konvent trifft danach keine Schuld, diese liegt, wie man sieht, wo anders. Das hat auch das „Regensb. Morgenbl.“ vergessen zu sagen, und deshalb und um der „Postzeitung“ Gelegenheit zu geben, die Wahrheit zu erfahren, wollen wir nicht versäumen, das ergänzend anzufügen.
165 Es wird – mit geringfügigen, sachlich bedeutungslosen Abweichungen – im Wortlaut der gesamte, oben als Dokument 24 abgedruckte Artikel zitiert.
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Dokument 28: Augsburger Postzeitung, Nr. 16 vom Sonntag, 21. Januar 1906, S. 1 f. 166 Nochmals die Abtwahl in Metten. ‡ Leider drängen arge Verdächtigungen der „Augsburger Abendzeitung“, welche in Nummer 15 vom 16. Januar bereits den Vorwurf absichtlicher Wahrheitsfälschung, der Verleugnung und des Heuchelns erhebt, nochmals die Feder zur Klarstellung der Sache, nicht zu Beleidigungen, in die Hand. 1. Die „Abendzeitung“ schreibt: „In Nr. 10 der „Postzeitung“ heißt es, weder das Ordinariat Regensburg noch die Regierung habe eine Zeile wegen der Abtwahl in protestierendem Sinne geschrieben.“ Das ist unwahr, wie ein Blick in den betreffenden Artikel dartut. Dieser besagt vielmehr: „Es wird von einem Konflikt der Staatsregierung und des Ordinariates mit dem stellvertretenden Präses geredet. Wie soll dieser Konflikt sich bekundet haben? Weder von der K. Staatsregierung noch vom Ordinariat ist auch nur eine Zeile in dieser Angelegenheit dem Präsidium zugegangen.“ So ist es in der Tat, nicht anders. Von einem verspäteten Protest des bischöflichen Ordinariates Regensburg hat der Wahlpräsident zwar nachträglich gehört; aber dieser Protest galt nicht ihm, sondern dem Stifte Metten, von dem man Wahlanzeige erwartet hatte. Was von Regensburg an den stellvertretenden Präses kam, das war, um nun einzugestehen, was früher verschwiegen werden wollte, am 23. Dezember der wärmste Dank des greisen Bischofs für die telegraphische Meldung der in Metten erfolgten Wahl und die Weihnachtssegenswünsche seines Generalvikars Prälaten Dr. Leitner, das war in jüngster Zeit die wiederholte Einladung zur bischöflichen Tafel mit der Versicherung, daß das Vorgehen des Wahlleiters in Metten von Anfang an korrekt gewesen. Seitens der K. Staatsregierung liegt bis zum heutigen Tage wirklich keine Zeile vor, obgleich die „Abendzeitung“ meldet: „Der Präsis [!] hat der Regierung von Niederbayern die Wahl nicht mitgeteilt. Das Ministerium hat diesen Fehler gerügt.“ Das Ministerium hat nicht gerügt, sondern die wiederholte Bitte des Wahlpräsidenten um möglichst rasche Erwirkung der landesherrlichen Bestätigung des neuen Abtes huldvoll berücksichtigt. Deutet doch der zweite Artikel des gleichen Blattes, geschrieben von einem barmherzigen, rechtlich denkenden Samaritan, selbst darauf hin, dass der Prälat von Scheyern sich „in völlig korrekten Bahnen bewegt hat.“ So ist denn derselbe von der „Allgemeinen Zeitung“ in kirchlicher, von der „Abendzeitung“ in
166 Bei den im Text erwähnten Patres handelt es sich um Edmund Schmidt (1844 – 1916) aus Metten und Anton Sanctjohanser (1848 – 1916) aus Scheyern; zu Schmidt: Busch, Metten (Anm. 3), S. 51; Schich, Necrolog (Anm. 150), S. 70; zu Sanctjohanser: Gressierer, Scheyern (Anm. 11), S. 125; ders., Die verstorbenen Scheyerer Mönche seit 1838 bis zur Gegenwart, in: Benediktinerabtei Scheyern 1077 – 1988 (Anm. 11), S. 90 – 109, hier S. 96.
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staatsrechtlicher Beziehung gerechtfertigt; es kann somit von keinem Konflikte mit ihm die Rede sein. 2. Eine Perfidie wagt es die „Abendzeitung“ zu nennen, wenn die neuen Statuten auf den Abtpräses Eugen von Augsburg zurückgeführt werden wollen. Diese, heißt es, seien erst nach seinem Tode bearbeitet und im August 1905 herausgegeben worden. Wir entschuldigen gerne die Heftigkeit der Sprache und verzeihen den Ausdruck „Perfidie“, weil die hier bekundete Unwissenheit denn doch die geäußerte Befürchtung hebt, der Artikelschreiber sei ein Sohn des heiligen Vaters Benediktus, einer unserer Mitbrüder. Wie würde er es sonst leugnen können, daß Abtpräses Eugen neuer Statuten wegen mit Pater Edmund von Metten verhandelt und dann mit Abfassung derselben den Pater Anton von Scheyern betraut hat? Wie sollte er nicht wissen, daß nach Ablehnung dieser Entwürfe Abt Eugen die Sache selbst in die Hand nahm, auf der Osterkonferenz zu Scheyern (17. mit 19. April 1900) und dem Generalkapitel zu Ottobeuren (17. mit 21. Juli 1900) glücklich zu Ende brachte, dann die Statuten in Rom vorlegte und persönlich im November 1900 befürwortete? 3. Diese Statuten, welche kurz vor dem Tode des Augsburger Abtes aus Rom zurückkamen, um in einigen Punkten geändert zu werden, wurden auf dem Generalkapitel in Ettal Satz für Satz revidiert, teilweise verbessert, schließlich wieder nach Rom geleitet, das sie am 6. August 1905 genehmigte. Das sind Tatsachen, die nicht eine Schuld, sondern ein großes Verdienst des Abtpräses Eugen enthalten. Es ist klar, daß während der Verhandlungen zur Revision der Statuten nicht immer gar alles eines Sinnes war und in bezug auf den einen und andern Punkt, z. B. Wahlkommissär, Bestätigungsrecht, entgegengesetzte Anschauungen zutage traten. Aber gerade die Freiheit der Beratung erleichterte die Annahme der loyal gefaßten Entscheidungen, so daß sämtliche Statutenverhandlungen in Frieden und Eintracht seitens der beteiligten Prälaten und Konvent-Deputierten endeten. Nicht minder friedlich und ruhig verlief auch deren Promulgation in den einzelnen Stiftern, so daß sicher kein Augenzeuge ist, wer von einer Vergewaltigung der in ihrer Mehrheit protestierenden Konvente spricht. 4. Wenn Abtpräses Leo von Metten, der vollendet hat, was Abt Eugen viele Jahre hindurch erstrebte, von der gleichen Zeitung, welche erst kürzlich so sehr ihn erhoben hat, nun in arger Weise angeschuldigt wird, so rechtfertigt ihn das Allerhöchste Vertrauen, das ihn fast unmittelbar nach Durchführung der neuen Statuten, welche im wesentlichen nur das alte Recht in kürzerer, übersichtlicherer, zeitgemäßerer, milderer Form geben, auf den Stuhl des hl. Willibald berufen hat. 6. [!] Wenn endlich der Artikelschreiber der „Abendzeitung“ es wagt, selbst die Allerhöchste Person des Regenten ins Treffen zu führen, so sei bemerkt, daß der Schreiber dieser Zeilen schon wiederholt das große Glück und die hohe Ehre hatte, in unmittelbarer Nähe das väterliche Herz des Prinzregenten und seine Liebe zu den Benediktinern zu bewundern, und deshalb nichts für den Orden fürchtet, sondern vielmehr voll des Vertrauens ist, der Landesvater werde sich über Ordensangelegenheiten bei den berufenen Vertretern des Ordens oder bei den Bischöfen als den Organen der Kirche informieren.
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Wir erhalten dazu folgende weitere Zuschrift: Die Bischöfe Bayerns hatten bisher bei den Abtwahlen der Benediktiner in ihren Diözesen folgende drei Rechte: das Recht, einen bischöflichen Kommissär zur Abtwahl zu schicken, dessen Aufgabe es war, der Wahl beizuwohnen und nach geschehener Wahl das Wahlprotokoll an den Bischof zu senden; das Recht, die Wahl innerhalb dreier Monate zu bestätigen; endlich das Recht, dem Erwählten und Bestätigten die feierliche Abtweihe zu erteilen. Diese Rechte besitzen die Bischöfe Bayerns nicht bloß seit 1861, sondern sie hatten dieselben inne bis zur Klosteraufhebung 1803 während des ganzen 18. Jahrhunderts, ja in allen früheren Jahrhunderten, seit Benediktinerklöster in Bayern bestehen, wie das aus dem Breve Innozenz’ XI. vom 21. März 1687 klar erhellt. Nur war laut ebendieses Dokumentes die Bestätigung der Aebte von den in die Kammerbücher (Camera Apostolica) eingetragenen Klöstern, z. B. des Reichstiftes von St. Emmeram in Regensburg, dem apostolischen Nunzius der Schweiz vorbehalten. Zu diesen Camera-Klöstern haben die jetzt in Bayern bestehenden niemals gehört. Am 6. August 1905 wurden, so erfahren wir aus einem Artikel der „Augsb. Postztg.“ 1906 Nr. 12 S. 2, in Rom neue Statuten der bayerischen Benediktiner-Kongregation approbiert, welche die Abtwahl folgendermaßen regeln: „Der Präses (der Kongregation) bestimmt den Tag der Wahl und führt in der Wahl selbst, aber ohne Stimmrecht, den Vorsitz. Zuletzt erbittet er vom hl. Stuhle die Bestätigung des Neugewählten und setzt den Ordinarius der Diözese von der geschehenen Wahl in Kenntnis.“ Damit soll das uralte Recht der Bischöfe, den neugewählten Abt zu bestätigen, aus der Welt geschafft sein. Ein derartiger Widerruf uralter, wohlverbriefter Rechte ist im Kirchenrechte und in der Praxis des hl. Stuhles unseres Wissens noch nicht vorgekommen. Aber man sagt: „Von einer Beeinträchtigung des Rechtes der Bischöfe ist hier keine Rede. Ein solches bestand nicht, sondern nur ein Auftrag, den selbstverständlich der Auftraggeber unter geänderten Verhältnissen beliebig zurücknehmen kann.“ Gewiß, die Bestätigung der Abtwahlen durch die Bischöfe ist, wenigstens seit Einführung der Exemption, ein Auftrag des hl. Stuhles, aber nicht bloß ein Auftrag, eine Pflicht, sondern auch ein Privileg, ein Recht. Oder ist nicht die Beauftragung eines einfachen Priesters seitens des Papstes, die Firmung zu spenden, auch ein Recht dieses Priesters? Ist nicht die Beauftragung der benedizierten Aebte, ihren Untergebenen Tonsur und niedere Weihen zu erteilen, ein Recht, ein Privileg derselben Aebte? Ist nicht die Beauftragung des Salzburger Erzbischofs, gewissen Bischöfen seines Metropolitansprengels die Bestätigung zu erteilen, ein Recht dieses Erzbischofes? Jede Vollmacht des Obern, hier des hl. Stuhles, ist ein Recht des Bevollmächtigten jedem dritten gegenüber, aber auch gegenüber dem hl. Stuhl selbst. Schlechthin hat der hl. Stuhl ganz gewiß das Recht, jede Bevollmächtigung, jedes Privileg zurückzuziehen, auch ohne Grund. Aber schon die Klugheit und Billigkeit im Regieren verlangt, daß man ohne Grund eine gewährte Gnade nicht zurücknehme. Niemand hat diesen Grundsatz besser gekannt und geübt und klarer ausgesprochen als die römischen Päpste. Hören wir z. B. Bonifaz VIII.: „Decet concessum a principe beneficium esse mansurum, reg. 16 iur., und Indultum a iure (a principe) beneficium, non est alicui auferendum, reg. 17 iur. in 6º. Solange also nicht Mißbräuche
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oder ganz veränderte Verhältnisse den Regenten des Reiches oder den obersten Hirten der Kirche zwingen, darf er die von ihm gewährten Privilegien oder Vollmachten nicht widerrufen, soll nicht die Herrschaft eine Willkür-Herrschaft werden. In unserem Falle liegen aber weder veränderte Verhältnisse vor; die Einigung der bayerischen Benediktiner bestand ja schon zur Zeit Innozenz’ XI.; noch weniger kann von Mißbrauch des Privilegs die Rede sein. Aber es wurden doch „die am 6. August 1905 von Rom approbierten Statuten den beteiligten Bischöfen mitgeteilt unter Hinweis auf diesen besonderen Punkt“. Wer hat die Statuten mitgeteilt? Wann wurden sie mitgeteilt? Wer hat auf den besondern Punkt hingewiesen? Hat das Rom getan oder die Benediktiner? Und selbst wenn die Benediktinerklöster die veränderten Statuten den betreffenden Bischöfen mitgeteilt hätten (Rom hat es nicht getan), so würden mit diesen Statuten die uralten Rechte der bayerischen Bischöfe nicht umgestoßen; man befrage sämtliche Kanonisten in dem Titel de confirmatione utili vel inutili (II. Bch. 30 Titel). So sagt u. a. Kardinal De Luca: „Es ist ein unumstößlicher Grundsatz, daß die Bestätigung des Fürsten immer so aufzufassen ist, daß das Recht eines Dritten dadurch nicht verletzt wird.“ Pignatelli aber beschließt seine 107 Konsultation im 10. Teile des Werkes Consultationes canonicae mit den Worten: „Die Doktoren behaupten, man müsse die Worte eines obersten Erlasses im ureigentlichen Sinne auffassen, wenn der eigentliche Sinn dem Rechte eines Dritten Eintrag täte.“ Hiermit stimmt überein, was Alexander III. im c. 15. De officio et potestate iudicis delegati (I 29) verfügt. Die Rechte der bayerischen Bischöfe lagen bisher klar; es ist nicht leicht denkbar, daß Rom durch die Bestätigung der neuen Benediktinerstatuten, ohne die Interessenten, hier die Bischöfe, auch nur zu hören, die alten Rechte gleichsam mit einem Federstrich beseitigen wollte; denn fest steht die Rechtsregel: Decet concessum a principe beneficium esse mansurum.
Dokument 29: Regensburger Morgenblatt, Nr. 17 vom Montag, 22. Januar 1906, S. 2 Die Mettener Abtwahl. X. Regensburg, 21. Januar Die Mettener Abtwahl ruht noch immer nicht. Notgedrungen müssen wir heute darauf zurückkommen. Gegenüber den Augsburger Zeitungen gilt es, festzustellen, daß 1. allerdings im September v. J. die neuen Statuten den einzelnen Bischöfen zugestellt wurden; 2. daß dieselben hier wohl beachtet und sofort mit Bedauern besprochen wurden; 3. daß der Vorsatz, eine Reklamation dagegen zu erheben, immer schon feststand; 4. daß das Verhalten der Mönche hinsichtlich der nächsten Wahl abgewartet werden sollte; 5. daß leider nicht einmal der wirkliche Wahltag hieher zur Anzeige kam; 6. daß darum nachher erst recht die Reklamation Eile hatte; 7. daß diese in der Tat am 18. Dezember hier zur Post kam, in Metten aber erst gegen Schluß des Wahlaktes übergeben wurde; 8. daß selbe auch in Rom sofort nach dem 19. Dezember zur Vorlage kam, als Rechtsverwahrung und zugleich als Bitte um Aufklä-
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rung und Remedur. Leider ging in Rom die Sache den Kanzlei-Weg, während die Bitte des Herrn Abtes von Scheyern als Vizepräses der bayer. Benediktiner-Kongregation um Bestätigung dieses Abtes durch Vermittlung des Hrn. Abbas primas, also direkt schon am 23. Dezember gewährt worden ist. Dadurch ist zwar Abt Willibald zweifellos vom Heiligen Stuhle bestätigt, aber die historische und Rechtsfrage nicht aus der Welt geschafft, zumal unbekannt ist, welche Gründe (oder Verschweigungen?) bei Vorlage der neuen Statuten in Rom seinerzeit unterlaufen sind. Diese wenigen Punkte lassen klar die Sachlage erkennen. Der Blamage-Kübel geht uns nichts an!!
Dokument 30: Augsburger Postzeitung, Nr. 17 vom Dienstag, 23. Januar 1906, S. 1 Die Mettener Abtwahl. X Gestatten Sie, daß ich zu den Ausführungen Ihres Korrespondenten in Nr. 16 folgendes bemerke: 1) Die gewählten, zum Teil sehr unzutreffenden Analogien beweisen nichts. Der Analogiebeweis ist in juristischen Materien der schwächste und gibt nur eine oberflächliche Erkenntnis. Der juristischen Natur nach ist das „Bestätigungsrecht“ der bayerischen Bischöfe, das nicht proprio jure, sondern auctoritate apostolica geübt wird, nur ein Auftrag, der zwar ein Recht darstellt allen andern gegenüber, nicht aber gegenüber dem Auftraggeber (mandans), wie selbstverständlich. In der inneren juristischen Natur des Auftrags liegt das Recht jederzeitiger Zurücknahme seitens des Mandanten. So beruht, um ein Analogon zu gebrauchen, die Stellung des Generalvikars auf einem mandatum generale des Bischofs. Aber eben deswegen kann der Bischof jeder Zeit ohne Angabe eines Grundes sein Mandat zurücknehmen und kann einen anderen Generalvikar ausstellen. Der bisherige kann kein Recht geltend machen gegenüber dem Bischof. Ein Mandat stellt auch nie ein Privileg dar, und es können darum die Grundsätze für Privilegien nicht angewendet werden. Wenn die bayerischen Bischöfe seit alter Zeit jenes Mandat hatten, wenn sie darin eine Auszeichnung erblickten, so wird dadurch an der inneren Natur der Sache nichts geändert. Es bleibt Mandat und wird nicht Privileg. Der Generalvikar wird in dem Mandat des Bischofs auch eine Auszeichnung erkennen, er mag es sehr lange schon innehaben, es mag ihn schmerzen, wenn der Bischof dasselbe nach langer Zeit zurücknimmt; aber sein Recht wird nicht verletzt. Die Würde des Generalvikars kann nicht ersessen werden und wird auch nie privilegium mansurum eben wegen der inneren juridischen Natur der Stellung. Die Argumentation des Korrespondenten würde zutreffen, wenn den bayerischen Bischöfen das Recht der Bestätigung wäre schlechthin zugestanden worden, was auch möglich wäre und in ältester Zeit tatsächlich zutraf. So aber können sie nur auctoritate apostolica, also aufgrund einer Delegation, bestätigen und da finden die gemeinrechtlichen Grundsätze derselben Anwendung. Diese sind andere als jene für Privilegien. Die Delegation bleibt immer, was sie ihrer Natur nach ist, Auftrag.
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2) Die in der Kongregation föderierten bayerischen Benediktinerklöster haben das Recht der Autonomie, d. h. sie können sich zur Sicherung der in der Konföderation angestrebten Zwecke Statuten schaffen, welche den Charakter eigentlicher Kirchengesetze haben für die beteiligten Kreise. Dieses Recht hat der Heilige Stuhl sowohl 1861 als 1905 in der Konfirmation der Statuten einschlußweise anerkannt. Es liegt das im Begriff der Konfirmation, welche juris prius habiti corroboratio ist; auch sonst ist dies anerkannten Rechtes. Wenn die Benediktiner Bayerns sich Statuten schaffen, so können sie das allerdings nicht unter Verletzung der Rechte Dritter, und die Konfirmation des Heiligen Stuhles hebt an sich solche Rechte nicht auf. Aber dabei ist ein Doppeltes vorausgesetzt: a) Es darf die confirmatio nicht in forma specifica gegeben sein; b) wenn sie in forma communi gegeben ist, muß es sich um wirkliche Rechte handeln, die auch dem Hl. Stuhl, d. h. dem Konfirmierenden gegenüber als solche erscheinen, seien es nun solche des gemeinen Rechts z. B. das Recht auf die Abtweihe) oder kraft eines besonderen Privilegs gegeben. Wir wissen nicht, in welcher Form die Statuten von 1905 bestätigt wurden. Nehmen wir den gewöhnlichen Fall der Bestätigung in forma communi an, so ist aus dem zu Nr. 1 Dargelegten klar, daß es sich eben dem Hl. Stuhl gegenüber nicht um ein Recht handelt, sondern nur um einen von ihm gegebenen Auftrag, der, wie wir sehen werden, eine Begünstigung der Klöster selbst bezweckt, also für diese Privileg ist. Die Konfirmation hat eben auch in forma communi die Wirkung der Korroboration des rechtlich bereits Geschehenen. Wenn nun die Benediktinerkongregation von ihrem Standpunkt aus nicht die Bestätigung seitens der Bischöfe beseitigen konnte, weil ihr gegenüber für diese auch ein Recht bestand, so muß die Beseitigung ohne weiteres angenommen werden, wenn der Konfirmierende einen in den gefaßten Statuten liegenden Vorschlag auf Beseitigung eines Auftrages, den er selbst gegeben und jederzeit zurücknehmen kann, in der Konfirmation annimmt. Hier liegt in derselben ohne Zweifel eine Gewährung des ihm gemachten Vorschlags, weil angenommen werden muß, daß der Konfirmierende das zu Bestätigende zur vollen rechtlichen Wirksamkeit bringen will, soweit es sich nicht um Rechte Dritter handelt, die auch ihm selbst gegenüber als solche erscheinen, also eine Bindung bedingen, wie das bei gewährten Privilegien u. dgl. der Fall ist. Wenn aber die 1905 gefaßten Statuten volle rechtliche Wirksamkeit haben sollen durch die Konfirmation, so fällt jene Beauftragung der bayerischen Bischöfe weg. Es hat ja keinen Sinn mehr, daß die Bischöfe „auctoritate apostolica“ die Bestätigung geben, wenn die auctoritas apostolica dies selbst tut. Es können doch auch die Bischöfe z. B. bei Dispensen von einer erhaltenen Fakultät nicht Gebrauch machen, wenn die Dispens schon vom Hl. Stuhl gegeben ist oder gleichzeitig gegeben wird. Was also mit Anrufung der Autoritäten des Kardinals De Luca oder Pignatellis und „sämtlicher Kanonisten“ ja aus X. 2,30 erwiesen werden will, hat hier keine Bedeutung, weil die rechtliche Voraussetzung eine wesentlich andere ist. 3) Der Hl. Stuhl war um so mehr berechtigt, auf jenen Vorschlag der bayerischen Benediktiner einzugehen, weil es sich bei der früher üblichen bischöflichen Bestätigung im Grunde nicht um eine Begünstigung der Bischöfe, sondern der bayerischen Benediktinerklöster handelt, also um ein Privileg für sie, auf das sie jederzeit verzichten konnten, nachdem der anfängliche Grund weggefallen war, der dafür auch noch im 17. und 18. Jahrhundert bestand. Mit der vom Bischof auctoritate apostolica voll-
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zogenen Bestätigung fielen die hohen Annaten ganz oder zum guten Teil weg, welche die Klöster bei Neubesetzung der Abteien an die camera Apostolica für die Bestätigung zu zahlen hatten. Das ist jetzt wesentlich anders. Der Grund besteht für die Klöster nach Abschaffung oder Umwandlung der Annaten nicht mehr. Sie brauchen also auf die durch den Bischof vollzogene Bestätigung kein Gewicht mehr zu legen. – Das Recht der Bischöfe, den Abt zu weihen, stand gar nie, weder früher noch jetzt, in Frage. Das ist wirkliches Recht der Bischöfe. Es steht ihnen proprio jure zu. 4) Ueber die ganze Art des Vorgehens kann man sich seine eigenen Gedanken machen. Wenn die bayerischen Bischöfe wirklich darauf Gewicht legten, kraft päpstlicher Delegation die Bestätigung der Wahl zu geben, so lag es nahe, dies sofort zu tun, nachdem ihnen die neuen Statuten bekannt wurden. Es ist kaum zu bezweifeln, daß ihnen dann der Heilige Stuhl trotz der neuen Statuten die Delegation beließ oder sie ihnen vielmehr wieder gab. Durch die Flucht in die Oeffentlichkeit wurde der jetzige Sturm im Wasserglas erregt.
Dokument 31: Regensburger Morgenblatt, Nr. 19 vom Donnerstag, 25. Januar 1906, S. 2 Mettener Abtwahl. x. Regensburg, 23. Jan. Herr X in der „Postzeitung“ ruht nicht. Hat er unlängst mit dem Blamagekübel – sehr geschmackvoll – hantiert, so versucht er es nun mit dem „Sturm im Wasserglas“, kommt aber ganz daneben. Gemach, mein Herr: Sie reiten nochmals den Gaul von dem „Auftrag“, übersehen aber folgende Punkte: 1. daß wirklich die Bischöfe ursprünglich das Recht der Bestätigung schlechthin besassen, proprio jure, vor aller Exemtion; 2. daß ihnen dasselbe Recht auch nach der Exemtion belassen wurde; 3. daß also kein Privileg einfachhin in Frage ist; 4. daß auch die bischöfl. Gewalt hierin nicht mit der eines Generalvikars verglichen werden kann, wie denn auch ein Wechsel in der Person des Generalvikars nicht mit der fraglichen Zurücknahme eines bischöflichen Rechtes in Vergleich kommt; 5. daß nicht in Frage ist, ob der Hl. Stuhl das frühere Recht zurücknehmen konnte oder durch die Bestätigung der neuen Statuten zurückgenommen habe, sondern vielmehr, ob er, gehörig unterrichtet, es ohne weitere Verhandlung, ohne Anlaß und Grund, ohne Weiteres zurücknehmen wollte. – Also fällt alles weg, was in der A. Postztg. Nr. 17 Ziff. 2 gesagt ist. Was aber ebenda unter Ziff. 3 angeführt wird, nimmt sich fast aus, als ob der Hl. Stuhl nur auf die Klöster, nicht auf die Bischöfe Rücksicht zu nehmen hätte. Und doch gehen diese jenen vor, selbst in der Bezeichnung „Congregatio Episcoporum et Regularium.“ Zum Schlusse ein Vorschlag zum Frieden: Herr Abt Willibald in Metten ist zweifellos bestätigt. Schon naht der Tag, da er die bischöfl. Weihe trotz neuer Statuten erhalten wird. Die Regensburger Rekursschrift liegt dem hl. Stuhl vor, zugleich als Bitte um Aufklärung und Abhilfe. Warten wir also ruhig den Ausgang der Sache ab, ohne weiter vor dem Publikum über die Abtwahlen zu streiten.
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Dokument 32: Augsburger Postzeitung, Nr. 19 vom Donnerstag, 25. Januar 1906, S. 1 Nachklänge zum Mettener Abtwahl-Streit. Nr. 19 der „Augsburger Abendzeitung“ vom 20. Januar fällt in der Klostersache, welche so viel Lärm machte, das Endurteil: „Den Wahlleiter und den Mettener Konvent trifft keine Schuld.“ Je mehr Ueberwindung es gekostet haben mag, der Wahrheit Zeugnis zu geben, und je kürzer und unumwundener dies geschieht, desto bereitwilliger soll dies Geständnis auch anerkannt werden. Zur Festigung der gewonnenen Eindrücke und zur Berichtigung mancher Vorurteile dürften vielleicht noch folgende Bemerkungen am Platze sein: 1. Die Einführung der bayerischen Benediktiner-Kongregation im Jahre 1684 entsprach ganz und gar nicht dem Wunsch und Willen der damaligen Bischöfe. Es gab deshalb fortgesetzt Zwistigkeiten und Zänkereien, namentlich bei den Abtwahlen, bei welchen die bischöflichen Kommissäre den Vorrang beanspruchten, während der Wahlpräsident sein vom Papst verliehenes Recht geltend machte. 2. Dagegen wurde die Wiederherstellung der bayerischen Benediktiner-Kongregation vom Episkopate ersehnt. Abt Rupert I. von Scheyern wurde vom Erzbischof Gregor von München-Freising in die 1858 mit 61 wiedererstandene Kongregation gewissermaßen hineingedrängt. Abt Haneberg, der nachmalige Bischof von Speyer, bot alles auf, sie zu verbreiten. Bischof Pankratius von Augsburg erklärte nach dem Beitritte des Stiftes St. Stephan im Jahre 1894 dem damaligen Abtpräses Rupert II. von Scheyern, nun wolle er gern sein „Nunc dimittis“ anstimmen. 3. Die Wahlen der Klosterobern in den Abteien und Prioraten verliefen nun durchaus in der schönsten Eintracht zwischen dem Abtpräses und dem bischöflichen Wahlkommissär. Dieser war von seinem Bischof in der Regel schon zum voraus ermächtigt, den Erwählten unmittelbar nach der Wahl auctoritate Apostolica zu bestätigen, so daß er gleich die volle Regierungsgewalt erhielt und betätigen konnte. Der bischöfliche Wahlkommissär blieb in der Regel ein besonderer Freund des Klosters und des unter seinen Augen erwählten Abtes. 4. Die Bischöfe Bayerns waren den in ihren Diözesen gelegenen Kongregationsklöstern durchaus gnädig gesinnt und gaben ihnen fort und fort in Hülle und Fülle Beweise der Huld. 5. Ganz ausgeschlossen ist demnach der Verdacht, irgend eine Eingenommenheit gegen die Bischöfe oder die bischöflichen Kommissäre habe die Aenderung des Wahlmodus in den neuen Statuten veranlaßt. Maßgebend war – freilich nicht ohne Widerspruch – die Praxis der neueren Kongregationen in Deutschland, Oesterreich und Amerika. Ein Einspruch seitens der Bischöfe und der Staatsregierung war um so weniger zu erwarten, weil ja auch bei der Abtwahl in Augsburg am 6. September 1903 und München am 3. März 1904 gegen Wunsch und Willen des stellvertretenden
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Abtpräses die Bestätigung vom Hl. Stuhl den Bischöfen entzogen wurde, ohne daß eine Klage geltend gemacht worden wäre. 6. Wenn jetzt auch kirchlich gesinnte Kreise es zu bedauern scheinen, daß die geänderten Statuten nicht den Bischöfen vorgelegt wurden, so ist zu beachten, daß sie vor der Einsendung nach Rom nicht wohl überreicht werden konnten einmal wegen der exempten Stellung der Kongregation, dann auch wegen der Ungewißheit, ob sie in Rom bestätigt werden würden. Nach erfolgter päpstlicher Approbation ging es nicht mehr an, die bischöfliche Genehmigung zu erholen. Es blieb sonach dem Abtpräses Leo von Metten nichts übrig, als die neuen Statuten den Bischöfen vorzulegen und auf die wichtigsten Punkte aufmerksam zu machen, was im Oktober 1905 geschah. 7. Die neuen Statuten beschränken sich gleich den alten auf das kirchliche Gebiet und berühren in keiner Weise die Obliegenheiten gegenüber der kgl. Staatsregierung. Deshalb bestand keine Verpflichtung, sie dem kgl. Staatsministerium einzusenden, wie dies auch 1861 nicht geschehen ist. 8. Wie jeder Katholik, so ist auch jeder Benediktiner den Befehlen des römischen Papstes Gehorsam schuldig, wie dies namentlich jeder Abt gleich dem Bischofe bei der feierlichen Benediktion zu beschwören hat. Päpstliche Erlasse verpflichten, ob sie in die Statuten aufgenommen sind oder nicht. So hat denn auch der Umstand, daß das Dekret der römischen Kongregation der Bischöfe und Regularen vom 16. September betreffend den Abtprimas in den neuen Statuten erwähnt wird, nicht etwas neues in die Kongregation gebracht, was 1905 für die Kongregationsmitglieder nicht bestanden hätte. 9. Die Beilage zur „Allgemeinen Zeitung“ Nr. 15 deutet in einem im ganzen maßvoll gehaltenen Artikel „Die rechtliche Stellung des Abtprimas der Benediktiner“ auf die vom Minister Fürsten Karl von Oettingen-Wallerstein 1834 beabsichtigte kgl. Bayerische Benediktiner-Kongregation hin, welche nur ganz kurze Zeit sich erhalten konnte. Sie war ja nur das Werk menschlicher, bureaukratischer Einsicht, welche mit bloß staatlichen Mitteln und Kräften, mit Statuten, die erst nach erhaltener ministerieller Bestätigung auch der kirchlichen Sanktion unterstellt werden sollten, ein dauerndes Gebilde schaffen wollte. Mit dieser hat die nunmehr genugsam besprochene bayerische Benediktinerkongregation nichts zu schaffen.
Dokument 33: Augsburger Postzeitung, Nr. 21 vom Samstag, 27. Januar 1906, S. 1 Die Mettener Abtwahl. Wären die Erörterungen, welche sich in den Zeitungen an die letzte Mettener Abtwahl anschlossen, nichts anderes als „ein Sturm im Wasserglase“, so hätten einige Tropfen Oeles hingereicht, um die durch diesen Sturm heraufbeschworenen Wogen zu beschwichtigen. Leider hat der Artikelschreiber (Augsb. Postzeitung, 1906, Nr. 17) das Gegenteil getan. Was die sachlichen Auseinandersetzungen anlangt, so war uns vor allem die geschichtliche Entwicklung der Frage interessant (3). Demnach wäre die Bestätigungsvollmacht
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der bayerischen Bischöfe im 17. und 18. Jahrhundert nichts anderes gewesen als ein wirksamer Blitzableiter gegen das drohende Gewitter der päpstlichen Annaten. Nachdem diese Gefahr vorüber, bleibt den Bischöfen nur der Dank der Welt: Der Mohr hat seinen Dienst getan; der Mohr kann gehen! – Der Vergleich der Konfirmationsgewalt der bayerischen Bischöfe mit dem Mandat eines Generalvikars (1) erscheint zu mindestens äußerst naiv; es wäre also obengenannte Gewalt der Bischöfe nach diesem Vergleich jedesmal mit dem Tode des Papstes und mit dem Tode eines jeden Bischofes erloschen. Freilich: „der Analogiebeweis ist in juristischen Materien der schwächste und gibt nur eine oberflächliche Erkenntnis“. Darum halten wir auch jetzt noch diese beständige Gewalt, dieses immerdauernde Recht der bayerischen Bischöfe für ein Privileg. Doch, selbst angenommen, es wäre nur eine beständige Beauftragung, der bayerischen Bischöfe gewesen, so hätten die Benediktiner, wollten sie die Bestätigungsgewalt der Bischöfe wirksam beseitigt wissen, bei Uebergabe ihrer neuen Statuten zur Approbation die Pflicht gehabt, den Heiligen Stuhl auf das bayerische Partikularrecht aufmerksam zu machen; ebenso die betreffenden bayerischen Bischöfe von der geplanten Neugestaltung des Rechtes zu verständigen. Daß der Heilige Stuhl die neuen Statuten approbierte ohne jede Derogationsklausel gegenüber dem Rechte der Bischöfe, die Abtwahl zu bestätigen, sowie ohne die Bischöfe in dieser Sache zu hören, zeigt nach der bisherigen Praxis des Heil. Stuhles an, daß er das bayerische Partikularrecht nicht umändern wollte. Daß nach der Bestätigung der Statuten diese von den Benediktinern den Bischöfen, wie man berichtet, vorgelegt wurden, tut nichts zur Sache; denn das war Privateifer; vom Heiligen Stuhle hatten sie schwerlich einen diesbezüglichen Auftrag. Hoffen wir, daß Rom selbst in Bälde die Zweifel löse!
Dokument 34: Augsburger Postzeitung, Nr. 23 vom Dienstag, 30. Januar 1906, S. 4 f. Benediktionsfest in Metten. Metten, 28. Jan. 06. Der 28. Januar, das Fest Karls des Großen, wurde in Metten von jeher feierlich begangen; ist ja der Name des christlichen Heldenkaisers unzertrennlich verknüpft mit der Gründungsgeschichte des Klosters. Aber eine so großartige, durch die Anwesenheit so zahlreicher illustrer Persönlichkeiten verherrlichte Feier wie die heute vollzogene Benediktion des neuen Abtes Willibald Adam hat die altehrwürdige Stiftung des seligen Utto trotz ihrer elfhundertjährigen Vergangenheit an diesem Tage und wohl auch sonst nie geschaut. An infulierten kirchlichen Würdenträgern waren zur seltenen Feier erschienen die Hochwürdigsten Herren Bischof Dr. Leo Mergel von Eichstätt und Weihbischof Dr. Sigismund von Ow-Felldorf von Regensburg, die Hochwürdigsten Aebte Rupert Metzenleitner von Scheyern, Dr. Theobald Labhardt von St. Stephan-Augsburg, Gregor Danner von St. Bonifaz-München, Norbert Weber von St. Ottilien. Von anderen Vertretern des Ordens- und Weltklerus seien besonders genannt die Prioren Maurus Weingart von Weltenburg und Willibald Wolfsteiner von Ettal, Lyzealrektor Dr. Schenz von Regensburg und Msgr. Stadtpfarrer Leonhard von Deggendorf. Von hohen weltlichen Gästen seien erwähnt: Se. Exzellenz Regierungs-
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präsident Freiherr Andrian von Werburg, erblicher Reichsrat Baron v. Cramer-Klett, Regierungsrat Ritter v. Lenk-Deggendorf, Bürgermeister Kinshofer-Deggendorf. Nach dem um halb 9 Uhr erfolgten feierlichen Einzuge der hochwürdigsten Prälaten und des Konventes in die prächtig geschmückte Stiftskirche bestieg der frühere Abt von Metten, Bischof Leo die Kanzel zur Festpredigt und verbreitete sich unter Zugrundelegung der Stelle aus der Benediktinerregel: „Der Abt gilt als Stellvertreter Christi im Kloster“ in herzlicher Weise mit der ihm eigenen Kraft und Innigkeit über die drei Punkte: Der Abt ist Stellvertreter Christi 1. durch Autorität und Gewalt, 2. durch Leben und Beispiel, 3. durch Liebe und Sorge für die Seinigen. Zum Schlusse richtete der hohe Redner an die geradezu beängstigend, Kopf an Kopf sich drängende Schar der Gläubigen eine eindringliche Aufforderung zu gewissenhafter Hochhaltung der Autorität in jeder Erscheinungsform, zu praktischer Uebung wahrer Gottes- und Nächstenliebe. Hierauf verlas der Presbyter-Assistens beim bischöflichen Pontifikalamt, Msgr. Leonhard, das oberhirtliche Bevollmächtigungsschreiben zur Erteilung der Abtweihe durch Weihbischof Sigismund an Stelle des durch Altersschwäche und Kränklichkeit verhinderten Diözesanbischofes Ignatius. Darnach begannen mit der kirchlichen Eidesleistung des Neuzuweihenden und dem Schwur auf das Evangelium die umfangreichen, stellenweise überaus ergreifenden Gebete und Zeremonien der Weihe, die sich nach den genauen kirchlichen Vorschriften in sinnvoller Weise dem Opferritus eingliederten. Die Festmesse, zu welcher der Studentenchor des Gymnasiums nach einer neuen Komposition von Griesbacher (Missa „Mater admirabilis“) mustergültig die Gesänge besorgte, las der neue Abt unter Assistenz der Aebte von Scheyern und St. Stephan bis zum Offertorium an einem eigenen Altare, von da ab kniend in der Mitte des Presbyteriums. Die Konsekrationsworte fielen für ihn aus, die hl. Kommunion empfing er unter einer Gestalt aus den Händen des Bischofs. Von den Weihegebeten verdienen besondere Erwähnung die vor dem Evangelium zu rezitierenden sieben Bußpsalmen mit gesungener Allerheiligenlitanei, während dessen der Neuzuweihende eine halbe Stunde lang an den Stufen des Altars auf dem Angesichte lag. Daran reihten sich längere Gebete und Gesänge, unter denen der Bischof nach Ueberreichung der Ordensregel dem neuen Abte den Hirtenstab übergab und darnach an den Ringfinger der rechten Hand den Ring steckte. Bei dem Offertorium opferte der neue Prälat dem Bischofe zwei große Kerzen, zwei Brote und zwei Weinfäßchen, zum Hinweis auf die Gegenstände, welche zur Opferfeier erforderlich sind. Nach dem feierlichen Segen setzte der Bischof dem Neugeweihten die Mitra aufs Haupt und überreichte ihm sodann die Pontifikalhandschuhe, worauf die eigentliche Inthronisation folgte. Nach derselben stimmte der Bischof das Tedeum an, welches der Sängerchor fortsetzte, während der neue Abt zwischen den beiden äbtlichen Assistenten würdevoll durch die Kirche schreitend dem gläubigen Volk zum erstenmal den hohepriesterlichen Segen spendete. Daran reihte sich von seiten des Konventes das feierliche Homagium, worauf der neue Prälat mit kraft- und klangvoller Stimme vom Altar aus den Pontifikalsegen erteilte und dann gegen den Bischof sich wendete mit dem Segenswunsche: „Ad multos annos!“ Um ¾12 Uhr endete die kirchliche Feier. Nach einer Pause fand sodann im Theatersaale des Klosterseminars ein Festmahl statt, das der Sängerchor mit einigen Liedern würzte. Während der Tafel brachte Abt Willibald in vollendeter Rede den Toast aus auf Se. Kgl. Hoheit den Prinzregenten und das
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ganze königliche Haus. Anknüpfend an die Verdienste Karls des Großen und die Geburt des Klosters feierte der Redner in begeisterndem Tone die hohen Verdienste, die der edle Bayernkönig Ludwig I. sich um Mettens Wiedergeburt nach dem Säkularisationssturme erworben. Ludwigs hohe, gegen Metten huldvolle Gesinnung lebe aber fort in den Wittelsbacher Herrschern bis auf die heutige Stunde. Als zweiter Redner erhob sich Se. Exzellenz Regierungspräsident Frhr. v. Andrian-Werburg und dankte für die ehrenvolle Einladung zu diesem Feste, der er um so lieber nachgekommen sei, als er jetzt Gelegenheit finde, das Kloster Metten, eine der ältesten Kulturstätten, seiner aufrichtigsten Sympathien zu versichern und um zugleich zu demonstrieren, daß die in der Presse aufgetauchten Gerüchte, als hätte die Regierung einen Protest gegen die Abtwahl in Metten eingelegt, vollständig grundlos sind. Er gratuliere vielmehr zu der Wahl und hege die Hoffnung, daß die freundschaftlichen Beziehungen, die ihn mit dem bisherigen Abte und Bischof Leo verbunden, unter dem neuen Abte fortdauern werden. Es werde die Regierung jederzeit den Interessen des Klosters Rechnung tragen. Er wisse, daß die loyalen Gesinnungen des Benediktinerordens die geschäftlichen Beziehungen mit der Regierung wesentlich erleichtern. Wie der neue Abt seine erste öffentliche Kundgebung dem Landesherrn geweiht, dem vornehmsten Träger der weltlichen Autorität, so bringe er sein Hoch der ersten kirchlichen Autorität, was ihm um so leichter werde, als die Beziehungen zwischen dem päpstlichen Stuhle und der bayerischen Regierung die denkbar besten seien. Wenn die beiden Autoritäten harmonisch zusammenwirken, dann werden auch die beiderseitigen Interessen am besten gewahrt. Der jetzige Papst Pius X. habe ohnedies so viele Beweise hoher Einsicht und Klugheit, aber auch versöhnlicher Gesinnung gegeben, daß nicht bloß jeder Katholik ihn hoch ehre, sondern auch jeder Mensch sich zu ihm hingezogen fühle. Den dritten Toast brachte in herrlichen, aus tiefstem Herzen kommenden Worten Weihbischof Sigismund auf den neuen Abt aus. Er habe am Morgen bei der kirchlichen Feier im Namen des Diözesanbischofs die wärmsten und herzlichsten Glückwünsche ausgesprochen. Weiter wies der hohe Redner darauf hin, daß gerade vor 50 Jahren der erste Abt von Metten auf den erzbischöflichen Stuhl von München erhoben worden sei und den Hirtenstab des sel. Utto mit dem Bischofsstab des hl. Korbinian vertauscht habe. Zum Schlusse fasse er im Namen des Diözesanbischofs und aus eigenem Herzen alles, was die ganze Diözese gleichsam im Herzen trage, für das Kloster zusammen in den schon beim Weiheakt ausgesprochenen Wunsch: „Möge der Herr Ihnen die Gnade geben, mit der ganzen anvertrauten Herde die ewige Seligkeit zu erlangen!“ Als vierter Redner sprach Bürgermeister Kinshofer in herzlichen, zum Teil humorvollen Worten von den Beziehungen, die seit Karls des Großen Zeiten zwischen Metten und Deggendorf in geistiger und materieller Hinsicht bestünden. Sein hoch galt dem Kloster Metten. Um 4 Uhr veranstalteten die Schüler des Gymnasiums im Beisein sämtlicher Festgäste im bischöflichen Theatersaale ein wohlgelungenes Festkonzert, wobei sowohl Deklamation, als auch Gesang und Instrumentalmusik reichsten Beifall ernteten. So ist nun die schöne Feier vorüber. Hoffentlich wird auch die mit der Abtwahl zusammenhängende unerquickliche Preßfehde, an der sich übrigens das Kloster Metten mit keiner Zeile beteiligt hat, baldigst verstummen. Möge der großartige, herrliche Verlauf des Benediktionsfestes eine glückverheißende Vorbedeutung sein für eine lange, segensvolle Regierung des neuen Abtes!
„Heilsamer Sterbtrost“ Bruderschaften und Tod im barocken Mainz Von Helmut Hinkel I. Vorformen Erst sieben Jahre nach der Eroberung von Mainz und Vertreibung der Bürger (1462) gab Kurfürst Adolf II. von Nassau (1461 – 1475) der Stadt eine verfassungsmäßige Ordnung. Dieser „Freiheitsbrief“ von 1469 bestimmte, daß jeder, der Bürger werden wollte, sich einer „Bruderschaft“ anschließen mußte. Bruderschaftsordnungen für die jetzt bewußt so bezeichneten Zünfte erließ der Erzbischof 1468 und 1469. Darin wurde u. a. bestimmt, daß an den vier Fronfasten (Quatember) jeden Jahres Gottesdienste für die Verstorbenen gehalten werden sollten 1 . Die Überführung der Zünfte in Bruderschaften geschah zur Disziplinierung der Einwohner. Adolf II. konnte dabei auf schon bestehende hochangesehene, rein religiöse Verbindungen an den Stifts-, Kloster- und Pfarrkirchen zurückgreifen. So bestand eine Dreifaltigkeitsbruderschaft bei den Augustinern, die Maria-Anna-Bruderschaft bei den Karmeliten und eine MariaWendelin- und Rochusbruderschaft an der Stiftskirche St. Johann 2 . Standen diese Vereinigungen allen Bürgern offen, so war die St. Martinsbruderschaft am Dom auf die Domherren, Ritter und ihre Damen beschränkt. Schon bei den Kirchenvätern der Frühzeit erscheint der Gedanke von Brüder- und Schwesternschaften, nannte doch das Neue Testament die Christen Brüder und Schwestern. Die Anfänge des Bruderschaftswesens kommen aus der Ostkirche. Dabei war bereits im 4. Jahrhundert das Totengedächtnis form-
1
Anton Ph. Brück, Aus dem Mainzer Zunftleben im 16. Jahrhundert, in: Mainzer Zeitschrift 67/68 (1972/73), S. 51 – 58; Wolfgang Dobras, Die kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1462 – 1648), in: Franz Dumont / Ferdinand Scherf / Friedrich Schütz, Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz 1998, S. 227 – 263, hier S. 228 – 235. 2 Anton Ph. Brück, Mainz vom Verlust der Stadtfreiheit bis zum Ende des dreißigjährigen Krieges (1462 – 1648) (= Geschichte der Stadt Mainz 5), Düsseldorf 1972, S. 16.
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gebend und kultisch-dynamisch wirksam. Von England, wo man bis ins 7. Jahrhundert mit dem christlichen Osten in Verbindung blieb, brachte der spätere Mainzer Bischof Bonifatius die Idee der „sodalitas“ oder „communio fraterna“ ins Frankenreich. Eine Vorform der späteren Bruderschaften bildeten dann die Verbrüderungen der Klöster zu gemeinsamem Gebet. Bald wurden auch Laien darin aufgenommen. Zuerst waren es nur Patrone, die als Dank für ihre Wohltaten Anteil an den Fürbittgebeten der Fraternität erhielten und im Todesfalle Gebetshilfe erfuhren. Die Gemeinschaft sollte das Gedächtnis für die Toten garantieren durch Gewährleistung von zahlreichen Totenmessen und Gebeten für die Verstorbenen, Austausch von Bruderschaftslisten und Todesnachrichten. Eine theologische Wurzel der Bruderschaftsidee liegt in der Überzeugung von der konstitutiven Gemeinschaft der Kirche, der Lehre vom „Kirchenschatz“ sowie der Möglichkeit der Gewinnung und des Austausches geistlicher Güter. Großen Aufschwung erlebte das Bruderschaftswesen im 15. Jahrhundert. Neben rein religiösen Zusammenschlüssen (Verehrung des Altarsakramentes, Marien- und Rosenkranzbruderschaften und Pilgervereinen) traten auch Ziele beruflicher Art (z. B. Schützen-, Winzer-, Handwerker-Bruderschaften etc.). Eine zentrale Rolle spielte bei allen aber die Sicherung des eigenen Seelenheiles und der Gedächtnismessen für die Verstorbenen. Manche Bruderschaften waren fast ausschließlich zur Garantie eines Jahrtages oder mehrerer Jahrgedächtnisse für die Toten gegründet worden 3 . II. Bruderschaften im barocken Mainz Im 17. Jahrhundert entstanden, gefördert durch die nachtridentinischen Päpste, neue Vereinigungen, die bewußt in der Katholischen Reform wurzelten und dazu die sozialcaritative Seite pflegten. Als „das Rückgrat des sozialen, religiösen und staatlichen Lebens“ und als „Manifestation der Macht der Laien“ in der Kirche charakterisiert eine neueste Untersuchung die Wirkung der barocken Bruderschaften 4 . Zu ihren Gunsten wurden die alten Vereinigungen zurückgedrängt und durch die wichtigsten und fast überall vorkommenden Sakraments-, Rosenkranz-, Christenlehr- und Arme-Seelen- bzw. Gut-Tod-Bruderschaften überflügelt. Bei den neu gegründeten lag der Schwerpunkt eindeutig auf der geistlichen Seite, und sie wurden auch stärker vom Klerus beeinflußt.
3
Lexikon für Theologie und Kirche 2, Freiburg 31994, Sp. 718 – 721 (Lit.); Lexikon des Mittelalters 2, München / Zürich 1983, Sp. 738 – 741 (Lit.). 4 Peter Hersche, Muße und Verschwendung. Europäische Gesellschaft und Kultur im Barockzeitalter, 2 Tlbde, Freiburg 2006, S. 396 – 419, hier S. 396.
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„Rund ein Drittel der Neugründungen gingen von Klöstern aus, welche bestimmte von ihnen favorisierte und mit reichen Ablässen versehene Kulte, insbesondere die Marienverehrung in ihren verschiedenen Formen (etwa der Rosenkranz durch die Dominikaner), durch die Bruderschaften unter den Laien weiter zu verbreiten suchten und sich dafür im Gegenzug eine gewisse materielle Unterstützung durch die Mitglieder, etwa durch Messstipendien, Kauf von Devotionalien und freie Spenden, erhofften“ 5 .
Für die barocken Bruderschaften im Erzbistum und Kurfürstentum Mainz stellt Anna Egler heraus: „Die katholische Erneuerung nach dem Konzil von Trient führte zu einer Regeneration des Bruderschaftswesens, das im Barockzeitalter hinsichtlich der Anzahl von Bruderschaften (durch Wiedererrichtung oder Neugründung), ihrer Formenvielfalt wie ihrer Aktivitäten seine Aufgipfelung erreichte. Die religiöse Ausrichtung (vorrangiger Einsatz für Sicherung, Vertiefung und öffentliches Bekenntnis des Glaubens) wird intensiviert, nicht zuletzt durch die enge Anbindung an die Orden mit Anlehnung an deren Spiritualität beziehungsweise die Übernahme dieser, die kirchliche Aufsicht und die Umsetzung der durch das Tridentinum und durch Papst Klemens VIII. (1592 – 1605) getroffenen Bestimmungen. ... Bezüglich der Pflichten der Mitglieder bestanden kaum Unterschiede. Diese wurden in den Statuten der Bruderschaften ... aufgelistet. Es waren Übungen der Frömmigkeit (privates und gemeinschaftliches Beten, Teilnahme an den feierlichen Bruderschaftsfesten, Totengedenken durch Gebet und Mitfeier heiliger Messen) und Werke der Nächstenliebe, die entsprechend dem Namen oder Patron eine Akzentuierung erhielten. Eine bestimmte Kirche oder der Altar der Bruderschaft waren geistlicher Mittelpunkt“ 6 .
So war also die Lage im barocken Mainz 7 . In dieser „geistlichen Stadt“, deren Erzbischof auch als Kurfürst und Erzkanzler fungierte, blühten im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche neue fromme Vereinigungen an Stiften, Pfarrkirchen und Klöstern.
5
Hersche, Muße (Anm. 4), S. 397.
6
Anna Egler, Frömmigkeit – gelebter und entfalteter Glaube (1500 – 1800), in: Friedhelm Jürgensmeier (Hg.), Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte 3,1, Würzburg 2002, S. 773 – 860, hier S. 836. 7 Egler, Frömmigkeit (Anm. 6); Helmut Hinkel, Lebendiger Katechismus. Mainzer Barockfrömmigkeit, in: Franz Dumont / Ferdinand Scherf / Friedrich Schütz, Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz 1998, S. 315 – 317. Elisabeth Darapsky, Mainz. Die kurfürstliche Residenzstadt 1648 – 1792, Mainz 1995, S. 113 – 115 (Lit.); als Materialsammlung immer noch unerläßlich: Ludwig Andreas Veit / Ludwig Lenhart, Kirche und Volksfrömmigkeit im Zeitalter des Barock, Freiburg 1956.
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Nach 1700 boten etwa 40 Bruderschaften den Einwohnern Gelegenheit zu geistlicher Betätigung. Weil manche Gruppierungen nur kurzfristig lebten, läßt sich eine konkrete Zahl nicht ausmachen. Wenn die Bruderschaften nicht ausdrücklich nach Ständen oder Berufen gegliedert waren, sollten sie allen Gläubigen, Männer und Frauen, offen stehen. Bei der prekären Mainzer Archivaliensituation lassen sich aber nur wenige gesicherte Aussagen über die soziologische Struktur machen. Wohl waren zu Anfang die Mitglieder ein etwa ausgewogener Spiegel der Bevölkerung, d. h. es waren alle Schichten, selbst die Armen, vertreten. Die Mainzer Karmeliten gaben für diese Gruppe eine Kurzfassung ihres „Skapulier“-Bruderschaftsbüchleins heraus, „das dem gemeinen Land-Mann, als welcher aus Armuth ihme keines der grösseren Büchlein dieser Bruderschaft hat verschaffen können, aufgelegt worden; auf daß er darinnen kürtzlich vernehme, wie er sich der Privilegien und Abläßen theilhaftig mache, darneben seine Schuldigkeit ersehe; welches ihme dann kürtzlich in fünf Capitelen wird vorgetragen, zu größeren Ehren GOttes und seiner Mutter Mariä, wie auch zum allgemeinen Seelen-Heil der Einverleibten“ 8 .
Den Hauptanteil stellten aber wohl das mittlere Bürgertum, die kleinen Handwerker und Kaufleute. Bei den Jesuiten (s. u.) und in der Sakramentsbruderschaft der Pfarrei St. Quintin (s. u.) sammelten sich eher die Begüterten, während die Rosenkranzbruderschaft der Dominikaner (s. u.) sich am weitesten öffnete. In den beiden letzteren Bündnissen dominierten die Frauen. Genauere Untersuchungen über die Zusammensetzung gibt es bisher nur für die HerzJesu-Bruderschaft bei den Welschnonnen 9 und der Sakramentsbruderschaft 10 . Während des 18. Jahrhunderts bestanden in Mainz an Stiften, Pfarrkirchen und Klöstern folgende Bruderschaften 11 :
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Kurtzer und gründlicher Bericht der viel und mannigfältigen Gnaden, Privilegien und Abläß der uhralten weit berühmten Ertz-Bruderschaft des Heil. Scapuliers, so dann auch Obligation und Schuldigkeit des Einverleibten. Mayntz, gedruckt in der privilegirten Buchdruckerey, des Hospitals St. Rochi, durch Joh. Leonhard Ockel 1752, S. 2. 9 Elisabeth Darapsky, Geschichte der Welschnonnen in Mainz. Die regulierten Chorfrauen des Hl. Augustinus und ihre Schulen (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz 25), Mainz 1980; Heinrich Schrohe, Die Geschichte der Herz-Jesu-Bruderschaft im alten Mainz, in: Martinus-Blatt 23 – 25 (1923). 10
Heinrich Schrohe, Zur Geschichte der Sakramentsbruderschaft zu St. Quintin in Mainz, in: Die sakramentalische Bruderschaft an St. Quintin in Mainz, Mainz 1924, S. 7 – 61. 11
Johann Sebastian Severus, Moguntia ecclesiastica hodierna, Mainz 1763; Andreas Ludwig Veit, Beiträge zur Geschichte der Erzdiözese, der Stadt und Universität Mainz
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Bei Stiften: Dom
Confraternität mit dem Deutschen Orden St. Martinus St. Christophorus
Liebfrauen
Marianische Liebesversammlung
St. Gangolph (Hofkirche)
Arme Seelen
St. Johann
St. Wendelin St. Rochus
Bei Pfarrkirchen: Dompfarrei
St. Johannes Nepomuk
St. Christoph
Arme Seelen Heiligkreuz
St. Emmeran
Zum Trost der Armen Seelen St. Marien und St. Emmeran
St. Ignaz
St. Maria Elendsbruderschaft
St. Quintin
Sakramentalische Bruderschaft
St. Stephan (Pfarrei)
Exulum (Elende) St. Stephan
St. Rochus-Hospital
St. Rochus St. Ursula
aus der Zeit des Erzbischofs Lothar Franz von Schönborn 1699 – 1729, Mainz 1918, S. 20 – 22; Georg Wilhelm Justin Wagner, Die vormaligen geistlichen Stifte im Großherzogthum Hessen 2, hg. von Friedrich Schneider, Darmstadt 1878, S. 467 – 490. Die Angaben der Autoren sind nicht vollständig, wohl auch weil viele Bruderschaften nur kurzfristig bestanden. Hier ergänzt durch Bruderschaftsbüchlein und Angaben in den „Kurmainzer Hof- und Staatskalendern“, die 1740 beginnen.
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Bei Klöstern: Augustinereremiten
Hl. Dreifaltigkeit Maria vom Trost Maria vom Guten Rat St. Sebastian
Congregatio BMV (Welschnonnen)
Herz-Jesu
Dominikaner
Hl. Namen Jesu Hl. Rosenkranz St. Anna
Franziskaner
Hl. Fünf Wundmale Unbefleckte Empfängnis Mariä St. Antonius von Padua Gürtelbruderschaft St. Ludwig
Jesuiten
Todesangst Lateinische Sodalität der Herren Marianische Kongregation der Herren und Bürger Junggesellensodalität
Karmeliten
Skapulier St. Joseph St. Anna
Arme Klarissen
St. Thecla
Alle Vereinigungen gaben ihren Mitgliedern „Bruderschaftsbüchlein“ mit Meßgebeten, Gebeten und Liedern für ein gottgefälliges Leben und Sterben an die Hand, von denen einige besonders relevante in Folge vorgestellt werden. Sie sollten der privaten Betrachtung, dem Gebet beim Kirchenbesuch und in den Klöstern der wenigstens partiellen Teilnahme und damit Teilhabe am monastischen Stundengebet dienen.
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III. Das ganze christliche Leben – eine Vorübung auf den glücklichen Tod 1. Umgang mit Sterben, Tod und Begräbnis Wenn auch die Anforderungen an die Mitglieder in den Statuten eine „ziemliche Einförmigkeit“ (Anna Egler)12 aufweisen, so dienten doch die verschiedenen Heilsgeheimnisse oder die Heiligen, die im Zentrum der Verehrung standen, dazu, den unterschiedlichen Ständen spezifische Aspekte des christlichen Lebens nahezubringen. Das gilt insbesondere für den Umgang mit Sterben, Tod und Begräbnis. So bestimmten die Regeln der bei den Augustinereremiten 1759 errichteten Bruderschaft „Maria vom guten Rat“ nur lapidar: „II. Sollen die Einverleibte für die lebendige und abgestorbene Brüder und Schwester Jährlich eine Heil. Meß lesen, oder lesen lassen, oder wegen Unvermögen wenigstens nach verrichter Beicht und Communion eine Heil. Meß mit Andacht hören“13.
Hingegen schreiben die Statuten der 1727 vom Mainzer Domkapitel gegründeten Johannes-Nepomuk-Bruderschaft ausführlich, in aller Breite, Verhaltensregeln vor: „7. So offt das allerhochwürdigste Sacrament zu den Krancken oder Sterbenden in die Häuser offentlich Proceßion-weiß getragen wird; und dasselbe allerhochwürdigste Gut von denen Einverleibten in diesen Geistlichen Seelen-Bund, unter den andächtigen Gesang und Gebett wird begleitet werden; oder so offt sie die Sterbende besuchen, andächtiglich trösten, zu wahrer Reumüthigkeit und Buß aufmuntern, mit andächtigen Vorbetten, mit gutem Rathgeben, und Gewissens-Berührungen werden Christlich bedienen, verdienen abermahl 40. Tägigen Ablaß. 8. So offt die Einverleibte in diesen geistlichen Seelen-Bund denen Begräbnussen absonderlich der armen verlassenen Leuthe werden beywohnen, ihr H. Gebett zu GOtt zur Erquickung einer solchen abgeschiedenen Seel und ewigen Ruhe des Abgestorbenen werden ausgiessen, oder den Betrübten mit Leistung anderer Liebs-Wercken der Barmhertzigkeit an Handen gehen, verdienen 40. Tägigen Ablaß. 9. Damit aber unter uns GOttes- und des Nechsten Lieb nicht allein gegen die Lebendige, sondern auch gegen die Abgestorbene, vermehret werde, und sich biß in den Tod hinaus strecke; so sollen alle diesen Geistlichen Seelen-Bund Einverleibte, dahin 12 13
Egler, Frömmigkeit (Anm. 6), S. 386.
Marianische Bruderschafft unter dem Titul der heiligsten Jungfrauen und Mutter Maria von dem guten Rath welche Ihro Päbstliche Heiligkeit Clemens XIII. Bestättiget, und mit besonderen Ablässen Begnadiget. Mit Erzbischöflicher Genehmhaltung in der Kloster-Kirchen der Eremiten des H. Vatters Augustini, zu Maynz Aufgericht im Jahr 1759. Mayntz, Gedruckt, in der Hof- und Universitäts-Buchdruckerey, durch Johann Benjamin Waylandt. 1764, S. 20 (Martinus-Bibliothek Mainz, Sign.: L/1723).
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befliessen seyn, damit, so bald sie hören werden daß jemand aus diesem Geistlichen Seelen Bund gestorben, solches dem Secretario und übrigen Mitglieder wissend gemacht werde, und alsdann die Geistliche vor den Abgestorbenen eine Heilige Meß, die weltliche aber die solche nicht können noch wollen lesen lassen, ein Rosencrantz betten sollen; hier sehen sie, was dieses vor ein nützlicher geistlicher Gewinn seye, auf diese Arth bettet einer vor alle, kommt er aber zum Sterben, so betten alle vor ihn“ 14 .
2. Pompes funèbres Barocke Menschen liebten Schaugepränge auch und gerade im Umkreis des Todes: die „pompes funèbres“, die „schöne Leich“. Für die Exequien, regierender Fürsten z. B., wurde ein ausufernder Aufwand getrieben. Bei den Bruderschaften sollte die Sorge für die verstorbenen Schwestern und Brüder deshalb ebenfalls öffentlich sichtbar sein. Über die Funeralien bei der mitgliederstärksten und reichsten Vereinigung, der Sakramentsbruderschaft von St. Quintin, sind wir einigermaßen unterrichtet 15 . Ein prächtiger Himmel, der die große Summe von 142 fl. kostete, wurde für die öffentlichen Versehgänge gespendet. Den Priester mit dem Allerheiligsten begleiteten flambeauxtragende Männer 16 . Starb ein Mitglied, meldete man es im Pfarrhaus. Am Begräbnis sollten alle teilnehmen. Dem Sarg voran trug man die Trauerfahne der Bruderschaft. Sie bestand aus schwarzem Damast und war mit silbernen Borden eingefaßt. Auf beiden Seiten zeigte sie aufgenähte gemalte Bilder. Auch das Kreuz und die Stangenknöpfe waren versilbert. Ein eigenes Grabtuch für den Sarg und für die späteren Seelmessen auf die Tumba 14 Geistlicher Seelen-Bund, Unter dem Titul Des wunder-würckenden Heiligen Joh. von Nepomuck, Martyrers, Beichtigers und Jungfrau Eines besonderen hülfreichen Patronen gegen die falsche Ehrabschneiderische Zungen, und eilfertigen Beschützers gegen so wohl zeitliche als ewige Schand und Verschimpfung aufgerichtet In der Hohen Ertz-Bischoff- und Churfürstlichen Ertz- und Dhom Kirchen zu Mayntz Unter gnädigster Bewilligung Vorstand und Schutz des weyland Hochw. Fürsten und Herrn, Hn. Lotharii Francisci Des Heil. Stuhls zu Mayntz Ertz-Bischoffen, des H. R. R. durch Germanien Ertz-Cantzler und Churfürsten, Bischoffen und Fürsten zu Bamberg. Mit gnäd. Verwilligung und Verordnung Eines Hochw. Ertz- und Dhom-Capituls zu Mayntz 1727. anjetzo aufs neu aufgelegt. Mayntz, gedruckt in der Churfürstl. privil. Buchdruckerey des Hospit. Sti Rochi durch Joh. Leonhard Ockel 1762, S. 6 – 7 (Martinus-Bibliothek Mainz, Sign.: o. Sign.). 15 16
Schrohe, Sakramentsbruderschaft (Anm. 10), S. 37 – 47.
Schrohe, Sakramentsbruderschaft (Anm. 10), S. 43: „Als Herr Lafontaine 1736 mit seinem Flambeaux das Gold an den kleinen Pläcklein des Himmels verbrannte, zahlte er zum Erlaß 8 fl. 40 Kr.“
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oder den Spriegel (Holzgestell in Form eines Sarges) wurde angeschafft. Auf dem Hochaltar konnte man für die Totengottesdienste fünf bemalte „Bländungen“ oder Trauertafeln in der Form von Pyramiden als „Trauerzierde“ aufstellen lassen, wohl gedacht als Ersatz für ein „Castrum doloris“, das sich die Bürger nicht leisten konnten. Selbst ein Grabrecht in der Kirche durften die Mitglieder beanspruchen. Im Jahre 1728 bemühte man sich in Rom mit Hilfe von Franziskanern um die Genehmigung eines „privilegii altaris celebrandi pro defunctis Archiconfraternitatis Eucharistiae ad Septennium concessi“ 17 . Ähnlich, doch in etwas anderem Rahmen verliefen die Funeralien bei der jesuitischen „Marianischen Kongregation der Herren und Bürger“: „Großen Wert legte die Sodalität stets auf den Seelengottesdienst für die Verstorbenen und auf ein ehrbares katholisches Begräbnis. 1630 hören wir, daß bei Begräbnissen sich die Sodalen bei der Sodalitätskirche versammeln und dann gemeinsam zu dem Haus des Verstorbenen sich begeben sollten. Voran wurde eine schwarze Fahne mit dem gestickten Bild der heiligen Dreifaltigkeit und drei schwarzumflorte Kerzen getragen. 1655 wurde bestimmt, daß die Leiche eines verstorbenen Sodalen von sämtlichen Sodalen zu begleiten sei, der Präfekt und der ganze Vorstand mit brennenden Fackeln. Wann die Universität teilnahm, geschah es in corpore mit dem akademischen Szepter. 1629 wurde der Beschluß gefaßt ‚mehr Bücher von Köln zu bestellen, in welchen auf ebenmäßige Weiß und Manier das Ampt vor die Abgestorbenen in Sprüch verfaßt ist, damit mehr Sodalen das Ampt für die Abgestorbenen in der Sodalität sprechen und lesen können‘“ 18 .
Um eine christliche Bestattung nicht nur der eigenen Mitglieder ging es der „Pfarrbruderschaft genannt Exulum“ bei St. Stephan in Mainz 19 . Die Bewohner der Stiftshäuser und die „Nachbarschaft am Gautor“ hatten sich – wohl im Laufe des 14. oder zu Beginn des 15. Jahrhunderts – zusammengeschlossen zu einer Bruderschaft genannt „Exulum“ oder „Elende Bruderschaft“, die „Gott dem Allmächtigen zu Ehren, auch Ihnen und Ihren Nächsten zu heilsamen Trost und Gutem, mit Consens der ordinari hohen Obrigkeit, zu Hülf und Fürbitt der abgestorbenen Seelen, und williger Begräbnuß der armen Elenden, verlassenen Men-
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Carl Forschner, Geschichte der Pfarrei und Pfarrkirche Sankt Quintin in Mainz, Mainz 1905, S. 158: „Wegen eines auf 7 Jahre verliehenen Altarprivilegs zur Zelebration der heiligen Messe für die verstorbenen Mitglieder der Erzbruderschaft“. 18
Johannes Sartorius, Die Marianische Kongregation der Herren und Bürger in Mainz 1609 bis 1940, Mainz 1940, S. 72. 19
Anton Ph. Brück / Helmut Hinkel, Zur Geschichte der Pfarrei St. Stephan in Mainz, in: Helmut Hinkel (Hg.), 1000 Jahre St. Stephan in Mainz. Festschrift (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 63), Mainz 1990, S. 377 – 387, hier S. 382.
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schen, so in berürtes Stiffts Munthats [Immunität] Begriff, christlichen Tods in Armut verfahren, und sonsten unvermöglich und hülflos gestalt seindt, aus göttlichem Eifer und Affection mit sonderer Andacht ganz löblich auffgericht und instituirt worden ist“.
So heißt es in der Einleitung zu der erneuerten Bruderschaftsordnung vom Jahre 1600. Im Gedenken an das Wort Christi, „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen ... was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,35.40), waren schon im frühen Mittelalter Herbergen entstanden für die „Elenden“, für die Menschen „ohne Land“, für die Fremden, die heimatlos und damit rechtlos waren. Für sie war auch in Mainz, neben der Domkirche, in Verbindung mit dem Domstift ein „hospitale pauperum“, eine Herberge für die Armen gestiftet worden. Alle Pfarrangehörigen von St. Stephan, Frauen und Männer, die in Mainz Bürgerrecht besaßen, waren in dieser Bruderschaft zusammengeschlossen. Seit dem Jahr 1600 trafen sie sich regelmäßig am 4. Ostersonntag zu Gottesdienst und Versammlung. Punkt 5 ihrer Bruderschaftsordnung von 1600 bestimmte: „Item es sollen die Fundationes und Legata, so von andächtigen, gutherzigen Leuten zu dieser Bruderschaft gestiftet worden, und noch fürders zu Trost und Heil ihrer Seelen und ewiger christlicher Gedächtnus gestiftet werden mögen, in obberührt Ordnungs- und Statutenbuch durch Custorn und Pfarrherrn mit Fleiß eingeschrieben, und ihre Anniversaria oder andere Fundationes oder Verordnungen, es sei gleich mit Celebration des heiligen Amts der Meß oder Almosen Ausgab und Spenden, getreulich geleist und gehalten werden“.
Als Ziel und Zweck der Vereinigung faßte sie zusammen: „... und [sollen] sich demnach die sämtliche Brüder und Pfarrgenossen dahin richten und befleißen, daß sie den Gottesdienst nach Ordnung und Satzung der allgemeinen christlichen und katholischen Kirchen Gott dem Allmächtigen zu Lob und Ehren und ihnen samt den ihrigen zu zeitlicher und ewiger Wohlfahrt andächtiglich besuchen, nachbarliche brüderliche Ruhe, Fried und Einigkeit unter sich und mit anderen halten, die Abgestorbenen zur Erden williglich bestatten und begehn helfen, und sonsten auch alles und jedes bei dieser uralten gottseligen und löblichen Bruderschaft erzeigen und leisten, was zur Handhabung, Besserung und Mehrung derselbigen, und zu allerseits Glück, Heil und Gedeihen nützlich, fürderlich und ersprießlich ist; das gebe und verleihe uns die allerheiligste Dreifaltigkeit, Gott Vater und Sohn und der heilig Geist. Amen“.
3. Ars moriendi: Bellarmin Die theologische Grundlage für die geistliche Hinführung zu einem „guten Tod“ boten die Jesuitengelehrten, besonders ihr Ordensgenosse, der heilige Kardinal Robert Bellarmin (1542 – 1621), mit seiner Lehre über die „Letzten
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Dinge“ 20 . Für die Menschen des Barock in ihrer Gratwanderung zwischen Kriegen und Seuchen war es einleuchtend, daß die Ewige Seligkeit das Ziel menschlichen Lebens ist. Der Kardinal lehrt, daß das Handeln des Menschen, sofern es nicht böse ist, auf das letzte Ziel, nämlich Gott, zugeordnet ist. Er stellt Gott vor als die Erfüllung menschlichen Strebens, denn er ist die Seligkeit des Menschen. Bei der Beschreibung der Sünde und ihren Folgen fragt er nach der Strafschuld der Sünde und der ewigen Verdammnis. Dabei behandelt er im Zusammenhang mit der Unterscheidung der Sünden in Todsünden und läßliche Sünden das Fegefeuer. Bellarmin hat noch ein weiteres für unser Thema besonders wichtiges Buch über das „gute Sterben“ („De arte bene moriendi“) 21 geschrieben. Die Mainzer Jesuiten, die etliche seiner Werke herausgaben, verbreiteten die Schrift auch in deutscher Übersetzung 22 , die von theologisch interessierten Laien viel benutzt wurde. Der Heilige blickt auf das Leben des Menschen, viel weniger auf sein Sterben. In erbaulichem Zureden ermuntert er die Christen zu einem guten, tugendhaften und vernünftigen Leben. Seine Lehre vom Fegefeuer zeigt, daß in der Heiligen Schrift drei Tatbestände mit dem Wort Reinigung bezeichnet werden. Christus schafft Reinigung von den Sünden, indem er als Lamm Gottes die Sünden der Welt trägt. Schwierigkeiten und Leid im irdischen Leben wirken reinigend. Das Purgatorium ist der Ort, in dem nach diesem Leben gleichsam wie in einem Körper die Seelen gereinigt werden, die im Leben auf Erden nicht voll gereinigt wurden. Nicht alle Sünden ziehen eine ewige Strafe nach sich. Bei der Vergebung einer Todsünde wird nicht die ganze Strafe erlassen, und so geschieht es oft, daß in diesem Leben die zeitlichen Strafen nicht voll abgebüßt werden. Bellarmin zeigt dann, daß, wenn es kein Fegfeuer gäbe, viele Menschen sorglos vor der Sünde und ohne gute Werke leben würden. Der Schmerz des Todes wirkt bei denen, die im Glauben sterben, reinigend. Der Tod entfaltet aber nicht aus sich eine reinigende Wirkung. Es reinigen vielmehr die freiwilligen Akte, die das Sterben begleiten. Die Möglichkeit und Wirksamkeit von Fürbitten für die Verstorbenen im Fegefeuer begründet er vor allem von der Gemeinschaft der Kirche her. Die Gemeinschaft der Lebenden und der Verstorbenen mit Christus ermöglicht eine Gemeinschaft der Lebenden mit den Verstorbenen und eine Hilfe der Lebenden für die Verstorbenen. Bellarmin lehrt, daß die Seelen im Fegefeuer für die Menschen auf Erden beten. Sie darum zu bitten ist aber nutzlos, weil sie nicht erfahren, wie wir leben. Als Formen
20 Robert Bellarmin, Disputationes de controversiis christianae fidei adversus huius temporis haereticos ..., Ingolstadt 1586 (u. ö.). 21
Rom 1620, Köln 1620 (u. ö.).
22
Sterbkunst, das ist Wie man sich zu Tod bereiten solle, Köln 1620.
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der Hilfe für die Verstorbenen nennt er die Mitfeier der hl. Messe, Gebet, Bußund Genugtuungswerke, wie Almosen, Fasten, Pilgern und anderes. Der Ablaß ist eine Anwendung von Genugtuung aus den Werken Christi oder der Heiligen, die den Sterbenden zugewandt werden in der Weise der Fürsprache und nicht in der Weise der Lossprechung 23 . IV. Praktizierbare Umsetzung 1. Jesuiten: „Tod-Angst“ Selbstverständlich griffen die Mainzer Jesuiten 24 in ihren vielfältigen pastoralen Aktivitäten in besonderer Weise auf die Theologie ihres Ordensgenossen zurück und versuchten, sie für weite Kreise fruchtbar zu machen. Deshalb gründeten sie 1654 in ihrer Kirche 25 eine Bruderschaft, um eine selige Sterbestunde zu erflehen: Andächtige Uebung der aufgerichten, Und von päbstlicher Heiligkeit INNOCENTIO X. ALEXANDRO VII. BENEDICTO XIII. bestättigten Bruderschaft Unsers am H. Creuz sterbenden Heylands JESV CHRISTI,
23
Vgl.: Philipp Schäfer, Eschatologie. Trient und Gegenreformation (= Handbuch der Dogmengeschichte IV, 7c,2), Freiburg 1984 passim. 24
Anton Ph. Brück, Die Anfänge der Jesuiten in Mainz, in: Helmut Hinkel (Hg.), Anton Ph. Brück, Serta Moguntina. Beiträge zur mittelrheinischen Kirchengeschichte (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 62), Mainz 1989, S. 272 – 283; Heinrich Schrohe, Zur Geschichte der oberrheinischen Jesuitenprovinz im 17. und 18. Jahrhundert, in: Freiburger Diözesanarchiv NF 27 (1926), S. 227 – 253; Vgl. auch: Helmut Hinkel, Jesuiten – Bartholomiten – Weltpriester. Kurze Geschichte des Mainzer Priesterseminars, in: Helmut Hinkel (Hg.), Das Seminar. 200 Jahre Mainzer Priesterseminar in der Augustinerstraße und Perspektiven der Priesterausbildung heute, Mainz 2005, S. 93 – 117. 25 Fritz Arens, Die Kunstdenkmäler der Stadt Mainz 1: Kirchen St. Agnes bis Hl. Kreuz (= Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 4,1), München 1961, S. 267 – 289.
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Und Seiner schmerzhaften Mutter MARIAE zu Erhaltung eines seeligen Sterbstündleins In der Kirch der Societät IESV zu Maynz, im Jahr 1654. * Mayntz Gedruckt bey Johann Leopold Seywald Privil. Buchdruckern. 1734. Eine weitere Auflage erschien 1744. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 blieb die Andacht in der nunmehrigen Universitätskirche und kam nach 1800 in den Dom. Das in Klein-Oktav gedruckte Schriftchen enthält 95 Seiten (MartinusBibliothek Mainz, o. Sign.). Nach den Satzungen (S. 3 – 5) folgen die Ablässe (S. 6 – 13), dann die Andacht mit Liedern (S. 14 – 21), abschließend der Rosenkranz zu den „fünf Wunden Christi“ (S. 21 – 35), schließlich Gebete für Kranke, dann eine Armseelenmesse mit deutschen Texten (S. 45 – 61) und eine tägliche Andacht für einen seligen Tod (S. 61 – 67). Den Abschluß bildet die Andacht von den „sieben Schmerzen Mariä“ (S. 68 – 94). Für den alltäglichen Gebrauch erarbeiteten die Patres noch eine Kurzfassung: Kurtze Unterweisung, Was ein Mitglied der Bruder= schaft des an dem Heil. Creutz sterbenden Heylands JEsu Christi / Die Tod=Angst genannt, Welche in der Kirch der Societät JEsu zu Mayntz monathlich gehal= ten wird, zu verrichten habe. Mayntz, gedruckt in der Churfürstl. privilegirten Buchdruckerey des Hospitals Sti Rochi, Durch Leonhard Ockel, 1756. In Klein-Oktav gedruckt, hat das Heftchen (Martinus-Bibliothek Mainz, o. Sign.) 24 Seiten und enthält Meßgebete, Armseelenlieder und Ablässe. Zu Beginn (S. 1 – 4) erläutert der Verfasser die Programmatik der Bruderschaft:
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„Das Ziel und End dieser Bruderschaft (welche von den Römischen Päbsten den Nahmen: Die Bruderschaft von einem glückseeligen Tod, überkommen hat) ist durch das Leyden und Sterben JEsu Christi für sich und alle Einverleibte, von GOtt ein seeliges Sterbstündlein zu erlangen: Worzu folgende Stück von jedem zu beobachten, doch ohne Verbindnuß einer eintzigen Sünd. Die Vernachläßigung dieser Stück verursachet, daß man an denen Verdiensten und denen guten Wercken anderer einverleibten Brüder und Schwestern keinen Theil nehme. 1. Wird ein Mitglied dieser Bruderschaft um erst benanntes Ziel und End zu erhalten, jährlich beichten und communiciren an dem 2ten Freytag im Monath May. Dieser Freytag pflegt durchgehends mit einem Sonntag verwechselt zu werden: gleichwie solches umb den Ablaß zu gewinnen frey gestellt worden ist von Ihro Päbstlichen Heiligkeit Benedicto dem XIII. 2. Wird ein jeder zu eben dieser Meinung alle Wochen einmahl betten das kleine Rosenkränzlein von den H. fünf Wunden, welches bestehet in fünf Gesäzlein, deren jedes in sich haltet fünf Vatter unser und ein Ave Maria. Im ersten Gesätzlein begehrt man durch die H. Wund des lincken Fuß JEsu Christi vollkommene Reu über alle Sünden im Sterbstündlein. Im zweyten Gesätzlein begehrt man durch die H. Wund des rechten Fuß / Gnad und Stärck gegen alle Versuchungen in Tods-Nöthen. Im dritten Gesäzlein begehrt man durch die Heil. Wund der lincken Hand Errettung von der ewigen Verdammnuß. Im vierten Gesätzlein begehrt man durch die Heil. Wund der rechten Hand die ewige Seeligkeit. Im fünften Gesätzlein begehrt man durch die Heil. Wund der Seiten ein eiferige Lieb zu JEsu und Maria in unserm Sterbstündlein. Zuletzt werden noch drey Vatter Unser gesprochen, zu Ehren der 3. Stunden, durch welche JEsus am Creutz gehangen. Zum Beschluß sagt man: Ehr sey dem Vatter und dem Sohn, und dem Heil. Geist, als er war im Anfang, jetzt und allweg / und zu ewigen Zeiten. Amen. 3. Wird ein jeder fleißig beywohnen der gewöhnlichen monathlichen Versammlung, welche in der Kirch der Patrum Societatis JESU, an dem zweyten Sonntag im jeden Monath, Item alle Güldene Sonntäg, und am fünften Sonntag nach Ostern (als an welchem das Haupt-Fest ist) gehalten wird. Im Winter um halber 4., im Sommer um 4. Uhr. Nachmittag. 4. Wird sich ein jeder andächtig einstellen bey der H. Meß, welche jedesmahl den darauf folgenden Montag (oder da dieser ein Feyertag wäre / den nächst folgenden Wercktag) vor die verstorbene Brüder und Schwester, oder Gutthäter in gemeldter Kirch umb 7. Uhr gelesen wird. So oft die einverleibte Brüder und Schwester dieser H. Meß andächtig beywohnen, gewinnen sie hundert Täg Ablaß, welchen sie entweder sich selbst, oder denen armen Seelen im Fegfeuer zueignen können. Bey dem Eingang dieser H. Meß opfert man selbige auf folgende Weiß auf. O JEsu gütigster Heiland und Erlöser! Ich falle zu deinen heiligsten Füssen, demüthigst darnieder, und bitte dich hertzlich, daß dieses allerreineste unblutige MeßOpfer deines zarten Fronleichnams und kostbarlichen Bluts, wie auch meine im Geist demüthige, und mit zerknirschtem Hertzen vorhabende Andacht gereiche zum Preiß und Lob deiner unendlichen Majestät, zur Dancksagung für alle mir und anderen ein-
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verleibten Brüderen und Schwesteren, sowohl Lebendigen als Abgestorbenen verliehene vielfältige Gaaben und Gnaden. O JEsu mein einziger Trost! erinnere dich all deiner Pein und Marter, und vermittelst dieses hochheiligsten Altar-Opfers lindere in meinem Sterbstündlein alle Schmertzen, Angst und Schröcken: du wollest auch die höchstbetrübte Seelen unserer verstorbenen Brüderen und Schwestern, jener besonders, welche den letzteren Monath verschieden seynd, anheut trösten / und den bitteren Kelch ihrer grossen Quaal verwandlen in die Süßigkeit der himmlischen Freuden, Am[en]“.
Neben dieser für alle Gläubigen gedachten Bruderschaft betrieben die Jesuiten noch ein reich aufgefächertes Kongregationswesen 26 . Die Marianischen Kongregationen oder Sodalitäten entstanden 1563 in Rom, ursprünglich für die Jugend, und wurden dann auf alle Stände, Berufe und gesellschaftliche Gruppen ausgedehnt, seit 1751 auch für Frauen. Für die Katholische Reform leisteten die Sodalitäten Entscheidendes. In Mainz bestanden 1675 sechs Kongregationen, darunter die 1609 gegründete „Marianische Kongregation der Herren und Bürger“ 27 , deren Mitglieder großen Wert auf die Sterbebegleitung legten (s. o.). Die „Congregatio Maior Academica“ wandte sich an akademisch gebildete Kreise, zu denen Mainzer Domherren, Stiftsherren, Universitätsprofessoren und sonstige einflußreiche Geistliche und Laien zählten 28 . Nach Ende der schwedischen Besatzung konnte sie 1639 neu eröffnet werden. Besonders in der großen Pest 1666 bewährten sich die Sodalen und verpflichteten sich 1672, beim Tod eines Mitglieds eine heilige Messe lesen zu lassen (s. o.). Beginnend im Jahre 1701 wurden jedes Jahr als Neujahrsgabe lateinische Büchlein an die Mitglieder verteilt. Einen Schwerpunkt dieses „Buchapostolats“ bildeten Schriften, die sich mit den „letzten Dingen“ befaßten, so ein „Calendarium bene moriendi“ (1711), in dem immer wieder der gute Tod als Hauptaufgabe des Lebens herausgestellt wird 29 . Schon 1712 folgte ein Opuscu30 lum über die „christliche Philosophie zum seligen Leben und Sterben“ . Im
26
LThK 6, 31997, Sp. 1359 f.
27
Sartorius, Marianische Kongregation (Anm. 18).
28
Anton Ph. Brück, Das Buchapostolat der Mainzer „Congregatio maior academica“ im 18. Jahrhundert, in: Mainzer Zeitschrift 60/61 (1965/66), S. 70 – 76. 29 Calendarium bene moriendi: sive Acta sanctorum ad bene vivendum proposita. Xenium Almae Congregationi Latinae Majori B. Mariae Virg. ab angelo salutatae oblatum Moguntiae post Partum Virginis MDCCXI. Moguntiae Typis Joannis Mayeri. 30 Philosophia christiana ad beate vivendum et moriendum In quocunque statu utilissima. ... MDCCXII. Moguntiae Typis Joannis Mayeri.
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Jahre 1745 gab man ein Trostbuch für Kranke und Sterbende 31 heraus, und 1750 veröffentlichte man von Heinrich Balde SJ ein Schriftchen „Zum guten Leben und zum guten Tod“ 32 . Für die „Bellarmin-Rezeption“ zeugt die Herausgabe von dreien seiner kleineren Werke: „Drei Bücher über das Seufzen der Taube oder die Gabe der Tränen“, 1756 33 , „Zwei Bücher über die sieben Worte Christi am Kreuz“, 1758 34 und „Über den Aufstieg des Geistes zu Gott auf der Leiter der geschaffenen Dinge“, 1758 35 . 2. Bettelorden Auch die Bettelorden, z. B. die Dominikaner (s. u.), Augustinereremiten (s. o.) und Karmeliten (s. o.) wollten nicht zurückstehen und pflegten eigene neue Bruderschaften mit ordensspezifischen Akzenten oder belebten alte neu. a) Franziskaner: „Seufftzer der Sterbenden“ Nach dem Untergang des alten Franziskanerklosters während der Reformationszeit berief Erzbischof Johann Schweikard von Kronberg 1612 wieder Minoriten 36 nach Mainz. Sie errichteten 1658 die Bruderschaft von der „Unbefleck-
31
Memoria Novissimorum Piis Considerationibus instaurata, Una cum adjectis quibusdam in Solatium praecipue Infirmorum ac Moribundum precibus jaculatoriis ... 1745. Moguntiae, Typis Goublerianis. 32
Veritates Christianae, quae modum exhibent bene vivendi et bene moriendi. Auctore R. P. Henrico Balde Societatis Jesu. ... Moguntiae, Ex typ. Electali AulicoAcademico privil. apud Joannem Haeffner. 33
De genitu columbae sive de bono lacrymarum libri tres auctore Roberto S. R. E. Cardinale Bellarmino. ... Moguntiae A. C. MDCCLVI. Ex Typ. Elect. Aul. Acad. apud Haered. Haeffner Per E. P. Bayer. 34
De septem verbis a Christo in cruce prolatis libri duo. Auctore Roberto S. R. E. Cardinale Bellarmino. ... A. C. MDCCLVII, Moguntiae Ex Typogr. Elector. Aulic. Academ privil. apud Haered. Haeffner per Benj. Waylandt. 35
De ascensione mentis in deum per scalas rerum creaturarum. Opusculum Roberti Cardinalis Bellarmini e Societate Jesu. ... A. C. MDCCLVIII. Moguntiae ex Typogr. Elector. Aulic. Academ. privil. apud Haered. Haeffner per Joan. Benjamin. Waylandt. 36
Arens, Kirchen (Anm. 25), S. 289 – 296.
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ten Empfängnis Mariens“37 und verbanden sie mit der „Kordel“- und Antoniusvon-Padua-Bruderschaft (1587). BruderschafftsBüchlein, Oder Kurtzer Begriff deren drey heiligen Bruderschafften / Als Der heiligen fünff blutflies= senden Wunden, oder St. Fran= cisci Cordel, der unbefleckten Empfängnuß MARIAE, Und des heiligen grossen Für= bitters Antionii. Wie dieselbige von der andächti= gen Bruderschafft zu Mayntz in der Kir= chen bey den PP. Recollect. oder Bar= füssern zu halten ist. Cum Permissu Superiorum. Mayntz, gedruckt in der Churfürstlichen Hoff- und Universitäts Buchdruckerey. Durch Benjam. Wayland. 1756. In dem in Klein-Oktav gedruckten Schriftchen (Martinus-Bibliothek Mainz, o. Sign.) folgt nach den üblichen Statuten, Andachten, Liedern und Gebeten ein langer Abschnitt für die Armen Seelen (S. 44 – 52): „Andacht bey der Monatlichen Seelen-Meß zu gebrauchen, zum Trost der armen Seelen im Fegfeuer. Alle Montag nach dem dritten Sonntag frühe um halber sieben Uhr wird ein Seelen-Ampt gehalten werden: Nach dem Seelen-Ampt, wird der Priester vor dem Altar Kniend laut betten fünff Gebettlein. Fünff Brunnen des Heylands, eröffnet zur Kühlung und Erlösung der Seelen im Fegfeuer bey der Monatlichen Seel-Meß zu gebrauchen“.
Für die eigene Todesstunde der Mitglieder gab der Autor vor: „Seufftzer der Sterbenden zu den heiligen Wunden JEsu. Im Nahmen Gottes meines himmlischen Vatters, der mich aus lauter Barmhertzigkeit nach seinem göttlichen Ebenbild erschaffen hat. Im Nahmen JEsu Christi seines eingebohrnen Sohns, der
37
Wagner / Schneider, Stifte (Anm. 11), S. 480.
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mich aus lauter Lieb mit seinem theuren Blut erlöset hat. Im Nahmen des heiligen Geistes, der mich im Sacrament der Tauff geheiliget hat. Im Nahmen der Hochheiligsten Dreyfaltigkeit, will ich behertzt und unerschrocken mit einem wahren und rechten Glauben mit reiner Lieb, mit starcker Hoffnung und grossem Vertrauen auf den schmählichen Tod JEsu Christi und sein Heil. bitteres Leyden, den letzten Streit anfangen, meinen schwachen Leib an das Creutz JEsu Christi hefften, meine arme sündige Seel in seinen allerheiligsten Blut-fliessenden Wunden versencken und verbergen. Das blutige Creutz will ich mit liebreichen Armen umpfangen, und bey dieser siegreichen Blut-Fahnen will ich mich treulich halten. Den Heil. Creutz-Baum, will ich pflantzen in mein bekümmertes Hertz, und unter dessen gnadenreichen Schatten will ich leben und sterben, unter diesen Gnad- und Schutz-reichen Baum des Lebens will ich mich verträulich niedersetzen zu den Füssen des gecreutzigten, und meine arme Seel mit dem allerheiligsten, aus seinen rosenfarben Wunden, reichlich herab fliessenden Blut befeuchtigen lassen. Da will ich verträulich sagen: JEsu dir leb ich, JEsu dir sterb ich, JEsu dein bin ich tod und lebendig; JEsu in deine Händ befehl ich meinen Geist: JEsu in deine allerheiligste Wunden verberg ich meine Seel. Ich weiß O milder JEsu und bekenne von Hertzen, daß ich mit meinen schweren Sünden die ewige Verdammnuß nicht einmahl, sondern vielmal verdienet hab, aber ich nehme meine Zuflucht zu deinem blutigen Creutz, zu deinem bitteren Leyden und schmählichen Tod, zu deinen offenen und tieffen Wunden, aus welchen du dein rosenfarbes Blut, zu meiner und aller Erlösung also reichlich vergossen hast. Die Seeligkeit gebührt mir zwar nicht nach meinen Verdiensten, aber dein unschuldiger Tod wird mir ertheilen das Leben, dein heiliges theures Blut wird mich reinigen von Sünden, und deine offene Wunden werden für mich ruffen und schreyen zu deinem himmlischen Vatter, Gnad und Barmhertzigkeit von ihm in Todts-Nöthen erlangen. O mildreicher JEsu: ich setze meine gantze Hoffnung, Trost und Zuversicht, auf dein heiliges Leyden, auf dein blutiges Creutz, auf deinen bitteren Tod, auf deine reichliche Verdienste, auf deine blutfliessende Wunden, und auf dein kostbahres Blut. Ich setze deinen bitteren Tod zwischen meine Sünden, und dem Zorn deines himmlischen Vatters. Ich setze deine allerheiligste Wunden und alle deine vergossene Heil. Bluts-Tropffen zwischen meine sündige betrangte Seel und dein strenges Urtheil. Mit diesem Blut HErr JEsu Christe schreibe deine rosenfarbe Wunden in mein unreines Hertz, wann ich nicht werd können reden, laß dein theures Blut für mich schreyen: O JEsu laß solchen theuren Werth an meiner armen Seelen nicht verlohren seyn: dessen eintziges Tröpfflein kan reinigen und seelig machen die gantze Welt. Die Vergiessung deines rosenfarben Bluts sey ein Abwaschung aller meiner Sünden. Dein heiligste Wunden seynd mir fünff starcke Schild wider alle Anfechtung der bösen Feind. Dein bitter Leyden und Sterben sey ein Krafft und Stärcke meiner beängstigten Seelen. O süsser JEsu: in dein treues liebreiches Hertz befehle ich die Zeit meines Tods, mein Witz und Verstand, meine Sinn und Gedancken, mein Leib und Seel befehl ich in deine allerheiligste Wunden. In diesem Blut-trieffenden Steinritzen, in diese pur-
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purfarbe Felß-Löcheren verbirgt sich meine arme Seel, als eine forchtsame Taub in ihrer letzten Noth“ [S. 52 – 56].
b) Arme Klarissen: „Hülff im letzten Todeskampf“ Die Armen Klarissen, 1619 von Erzbischof Johann Schweikard von Kronberg nach Mainz geholt 38 , griffen im 18. Jahrhundert „moderne“ Frömmigkeitsmotive auf, so die Verehrung ihrer Ordensgenossin Katharina von Bologna (1712) und 1751 die der als weibliche Erzmärtyrin angesehenen Thekla von Ikonium 39 . Ihr Bruderschaftsbüchlein erschien unter dem Titel: Trostreiche Erquick=Stunden, Oder Kleine Tag=Zeiten Nebst neun tägiger Andacht und verschiedenen Gebetter Zu der Fast vergessenen, anjetzo aber wie= derum starck hervor glantzenden Perlen, Der Heil. Jungfrauen und ersten Martyrin des Weiblichen Geschlechts Thecla, Einer grossen Patronin der Sterbenden wider das Feuer, und Donner=Wetter, auch gegen alle Kranckheiten so wohl Menschen als Vieh. Deren Fest jährlich den 23. Sept. begangen wird. Cum Licentia Censoris Ordinarii. Mayntz / gedruckt in der Churfürstl. Privil. Hoff= und Universit. Buchdruckerey bey Häffn. seel. Erben. Durch Elias Peter Bayer. 1752.
38
M. Laetitia Brede / Fritz Arens, Kirche und Kloster St. Antonius (Armklaren) zu Mainz (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz 13), Mainz 1950. 39 Helmut Hinkel, Miracul der Wunderwerck Gottes. Katharina von Bologna und Armklara in Mainz, in: Mainzer Zeitschrift 101 (2006), S. 97 – 117 (Abb.).
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Das in Klein-Oktav gedruckte Opusculum enthält 44 Seiten (MartinusBibliothek Mainz, Sign.: L/874). Nach Vita, Tagzeiten und einer neuntägigen Andacht folgt (S. 34 – 35): „Bey denen Sterbenden aber ist es allezeit zu betten ... Kommet zu Hülff, O ihr liebe Engel, eilet herzu, O ihr Heilige GOttes, und nehmet auf meine (oder dieses Sterbendens) arme Seel, wann sie vom Leib abscheidet, und stellet sie vor das Angesicht des Allerhöchsten, nehme mich (oder diesen Sterbenden) auf, JESUS, der das verlohrne Schäflein auf seinen Achseln zu dem himmlischen Vatter zutraget, die heilige Engel wollen uns übertragen in den Schooß Abraham, damit wir, wie der arme Lazarus / die ewige Ruhe geniessen mögen. O heilige Thecla, dich bitten wir jetzt bey unserem guten und gesunden Verstand, wann einmahl der Priester deinen Nahmen über unseren sterblichen Leib wird anruffen, so komme und stehe uns bey, daß wir bey andächtigem Anruffen des allerheiligsten Nahmens JESU und Maria, unser Leben schliessen mögen. Ach komme doch, O Heilige Thecla! und helffe, daß uns der strenge Richter dazumahl gnädig seye, und ein gnädiges Urtheil aussprechen wolle, wann der Heilige Ertz-Engel Michael unser Leben auf die Waag-Schaal legen wird, so komme Heilige Thecla mit der Hochwürdigsten Mutter GOttes Maria, mit unseren Heiligen SchutzEngeln und mit unseren Nahmens-Patronen, und hilff den Satan vertreiben, damit wir die Ewigkeit mit diesem Trost anfangen, sprechend: GOtt seye ewig gebenedeyet, weilen wir Gnad gefunden bey seiner Barmhertzigkeit, Amen. Allmächtiger GOtt, Vatter, Sohn, Heiliger Geist, ich bitte dich demüthiglich durch die grosse Verdiensten deiner Braut der Heiligen Thecla, errette mich von allem Bösen in meiner Sterbstund, gleichwie du den heiligen Petrum und Paulum von dem Kercker, und die Heil. Thecla Jungfrau und Martyrin von dreyen entsetzlichen Tormenten errettet hast, und verleyhe mir eine glückselige Ewigkeit. Du aber, O Heilige Thecla! stehe mir bey in der allergrösten Noth meiner Sterbstund, damit ich doch dergleichen Inbrünstigkeit habe dazumahl, wie ich mir jetzt vom Hertzen wünsche, und wann ja der Tod meine Zungen wird gebrochen haben, mache, heilige Thecla, damit ich gleichwohl nur andächtig in dem Hertzen gedencke, JEsus, Maria Joseph, O himmlischer Vatter in deine Händ befehl ich meinen Geist. O Sohn GOttes, JEsu in deine Heilige fünff Wunden befehl ich meine Seel. O Heil. Geist in deine seeligmachende Gnad befehle ich mich. O allerheiligste Dreyfaltigkeit dir lebe ich, dir sterbe ich, dein bin ich todt und lebendig, Amen“.
Von den täglichen Gebeten (S. 41 – 44) greift das Schlußgebet ebenfalls dem Gedanken an den Tod auf: „Abends-Gebett zu St. Thecla. O Unüberwindliche Heldin, und mein auserwöhlte Schutz-Patronin Heil. Jungfrau und Ertz-Martyrin Thecla! bitte doch für mich arme sündige Creatur, daß ich diese Nacht nicht gählingen und schnell von dem Tod hingerissen werde, zu dem erschrecklichen Richter-Stuhl des allergerechtesten Richters, sondern daß ich zuvor durch wahre Reu und Buß alle meine Sünden auslösche, und nach empfangenen Heil. Sacramenten des Fronleichnams und letzer Oehlung in der Gnad GOttes abscheide von dieser Welt. Stehe mir alsdann bey, O gnädigste Fürsprecherin in meinem letzten Tod-Kampff, beschütze und bewahre mich vor allen
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höllischen Feinden, damit sich nicht wider mich ausgiesse der gerechte Zorn GOttes, sondern erlange mir von GOtt durch deine kräfftige Fürbitt, daß ich vor den göttlichen Augen Gnad und Barmhertzigkeit finde / und mit dir die ewige Seeligkeit unfehlbar erlange, Amen“.
3. Stiftskirchen Von den Stiften widmete sich neben St. Johannis (vgl. Abschnitt Allerseelen) besonders die Bruderschaft bei der Kirche Beatae Mariae Virginis ad Gradus den letzten Dingen. a) Liebfrauenstift: „Dieses Bild soll in meiner Sterbstund auff meinem Hertzen liegen“ In dieser 1069 geweihten Kollegiatsstiftskirche 40 führten die Stiftsherren 1699 die „Marianische Liebesversammlung“ ein: Bruderschaffts=Büchlein / Oder Außführlicher Bericht Von der Hochnützlichen Bruderschafft Der Marianischen Liebs=Versamlung / So zu München in St. Peters Pfarr=Kirchen eingesetzt / und den Anfang gehabt / auch von Ihro Päbstl. Heiligkeit Innocentio XI. sambt vollkomme= nem Ablaß bestättiget. Und anjetzo zu Mayntz auff be= schehene Approbation eines hochwürdigen Ertz=Bischöffl. Vicariats in die hochlöbl. Collegiat-Kirchen B. Mariae Virginis ad Gradus mit gleichmässigem Ablaß
40 Beate Dengel-Wink, Die ehemalige Liebfrauenkirche in Mainz. Ein Beitrag zur Baukunst und Skulptur der Hochgotik am Mittelrhein und in Hessen (= Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz 1990), Mainz 1990; Anna Egler, Willigis und die Stifte in Stadt und Erzbistum Mainz, in: Helmut Hinkel (Hg.), 1000 Jahre St. Stephan in Mainz. Festschrift (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 63), Mainz 1990, S. 283 – 308.
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den 25. Martii Anno 1699. ein= geführt worden. Sambt außführlicher Erklärung dieser Bruderschafft und zugehörigen Gebettern. Cum Gratia & Privilegio. Mayntz / In Verlegung Johann Mayern / Hoff= und Universitäts=Buchdruckern. Anno 1707. Das in Klein-Oktav gehaltene Büchlein umfaßt 42 Seiten (MartinusBibliothek Mainz, o. Sign.). Angefügt wurde die 1700 in Liebfrauen gestiftete Kreuzwegandacht der Bruderschaft (S. 43 – 96). Schon die Statuten heben die Sorge um das Seelenheil hervor: „Welche Andacht und GOtt gefälliges Werck auch eintzige Ursach gewesen / daß solche in Mayntz / und zwar in die hochlöbliche Collegiat-Kirchen Beatae Mariae Virginis ad Gradus introducirt und den völligen Anfang genommen / absonderlich / weilen jährlich für einen jeden / so in dieser Bruderschafft eingeschrieben so vil tausend H. Messen gelesen / und so vil hundert tausend heilige Rosenkräntz gebettet werden. Und zwar zu dieser Intention und Meynung / damit dich GOtt für allem Ubel behüte / in deinen Wercken seinen Segen gebe / und ein seliges Ende beschehre. Weilen dan so viel tausend H. Messen und Rosenkräntz zu diesem End verrichtet werden / wie will es dan möglich seyn / daß es einem auß dieser Bruderschafft übel gehe / oder eines bösen Tods sterben möge. Wann schon einer oder ander ein böses Leben führete / und im Stand der Ungnaden zu sterben verdiente / so ist gleichwohl festiglich zu hoffen / der grundgütige GOtt werde durch die reiche Verdiensten JEsu und Mariä / und durch so viel tausend H. Messen und Rosenkräntz bewegt / dem boßhafften Sünder noch vor seinem letzten End wahre Rew und Leyd ertheilen / und ihn für einem unseligen Tod bewahren. Neben den jenigen Messen / so jährlich von den Priestern gelesen / wird an allen Mutter GOttes Festen an dem hohen Altar vor alle Brüder und Schwesteren ein Musicalisches hohes Ampt / und Abends nach der Predig die Litaney sambt dem Salve gesungen / und solche Andacht mit dem Segen deß Hochwürdigsten jedesmahl beschlossen / für die Abgestorbene aber wird daselbst gleicher gestalt jedesmahl nach allen Mutter GOttes Festen ein Musicales Ampt umb 7. Uhr gehalten werden“ [S. 4 – 5].
Nach dem Bericht über die Aufnahmefeier und Rosenkranzgebet greift ein weiterer Text den Gedanken nochmals auf (S. 22 – 24): „Gebett vor dem Bruderschaffts Bild [Anhang, Abb. 1]. Auß grund meines Hertzens küsse / und grüsse ich zu höchsten Ehren und Lob / O du allerliebreicheste Jungfrau Maria / dieses dein heiliges geweyhetes Bild / und begehre dir solche Treu / Lieb und Ehr zu erzeigen / gleich wie dir dein süssester JEsus auff Erden erzeigt und dich mit seinen milten Armlein umbfangen hat / du O treuhertzige Mutter wollest auch meine unwürdige Seel mit deinen Gnadenreichen Armen umbfangen / und an dein Mütterli-
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ches Hertz trucken / gleichwie du deinen süssesten JEsum auff diesem Bruderschaffts-Bildlein umbfangest / zu welchem ich ein sonderbahre Lieb und Andacht trage / solches mit meinen Augen anzusehen / zu küssen / und so lang ich lebe / dasselbe möglichst zu verehren / dieses Bild soll in meiner Sterbstund auff meinem Hertzen liegen / ein Schilds seyn in meiner letzten Noth / damit die gifftige Pfeil deß Satans mein Hertz nicht berühren / noch durchtringen mögen / sondern durch deine Mütterliche Fürbitt solche von mir abgewendet / und mein beängstigstes Hertz mit der Göttlichen Gnaden gestärcket / und getröstet werde. Dahero will auch dieses heilige Zeichen eines Pfleg-Kindts mit mir in das Grab nehmen / und hierdurch erweisen / daß ich in der Lieb Mariä gelebt / gestorben / und von GOtt dem strengen Richter ein gnädiges Urtheil erhalten möchte / küsse auch nochmahlen dieses JEsu und Mariä Bild/ und sage mit Hertzen und Mund / JEsus Maria euch küsse ich / und bitte euch demüthiglich / in euern Gnad und Schutz erhaltet mich / Amen“.
4. Pfarrkirchen Selbstverständlich blühten auch in den Pfarreien fromme Vereinigungen. In Mainz waren das besonders St. Emmeran (s. u.) und St. Quintin. a) St. Quintin: „Weegzehr zur glücklichen Ewigkeit“ Durch die Errichtung der „Erzbruderschaft vom Allerheiligsten Altarsakrament“ 1624 wurde die älteste Pfarrkirche (erw. 744) der Stadt Mainz, St. Quintin41, zur „Mutter- und Titelkirche“ der Bruderschaft für das ganze Erzbistum und damit zu einem geistlichen Zentrum42. In vielen Auflagen wurde das Bruderschaftsbüchlein43 gedruckt. Als Ziele nennt es: ewige Anbetung des Altarsakraments, Sühne für die Gotteslästerungen und [S. 8] „Erlangung eines seeligen Sterbstündleins, und damit alle, sonderbar die einverleibte Brüder und Schwestern mit der göttlichen weegzehrung des allerheiligsten Leibs und Bluts JEsu Christi, vor ihrem End und Absterben auf die annahende Ewigkeit versehen und gestärckt werden mögen“.
41
Forschner, Pfarrei (Anm. 17), passim.
42
Schrohe, Sakramentsbruderschaft (Anm. 10), passim.
43
Englischer Ehren-Preiß des Göttlichen Glorreichen Frohnleichnams JEsu Christi im allerheiligsten Sacrament: Das ist: Auserlesene Andachts-Ubungen der Heil. recht Englischen Ertz-Bruderschafft der immerwährenden Anbettung des allerheiligsten Sacraments, In der Löbl. Pfarr-Kirch zu S. Quintin in der Churfürstlichen Residentz-Stadt Mayntz, und durch das gantze hohe Ertz-Stifft Mayntz. Mayntz / gedruckt in der Churfürstl. privil. Hoff- und Universit. Buchdruckerey bey Joh. Heinrich Häffner 1742 (Martinus-Bibliothek Mainz, Sign.: L/336).
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Für die Lebenden und Verstorbenen der Gemeinschaft erschien ein eigenes Andachtsbüchlein: Verdoppeltes all=monathliches / Bitt= und Versöhnungs= Opffer. Das ist: Monathliche Andacht Zweyer HH. Messen / Deren eine für die Lebendige / die andere für die Abgestorbene Brü= dere und Schwestere der Hochlöblichen Ertz=Bruderschafft des Allerheiligsten Sacraments / in der Löbl. Pfarr= Kirch zu Sanct Quintin in Mayntz / Alle und jede Monathen / gewöhn= lich auff den Montag / welcher nechst dem so genannten ersten Monaths= und Bruderschaffts= Sonntag folget / morgens umb 8. Uhr gehalten wird. Cum Permissu Superiorum. Mayntz / Gedruckt in der Hoff= und Uni= versitäts=Buchdruckerey / durch Johann Georg Häffner. 1721. In Klein-Oktav gedruckt, hat das Heft 36 Seiten (Martinus-Bibliothek Mainz, Sign.: L/336) und bestimmt [S. 8]: „Bey Außgang der Priesteren aus der Sacristey zum Altar / wird aus dem Meß-Opffer deren Abgestorbenen die Sequenz: Dies irae &c. als eine der heylsambsten Betrachtungen für Lebendige und Abgestorbene mit Bestimmung der Orgel / und untersetzter Kurtzer Fuga, zu teutsch abgesungen / wie folgt: da indessen jedermann von selbsten wissen / und sich erinnern wird / was und wie er / wehrender dieser beeden heiligen Messen / zum Heyl aller Lebendigen und Abgestorbenen Mit-Brüdern und MitSchwestern / aus recht-Brüderlicher Lieb GOtt eyfferigst bitten und betten wolle“.
Es folgen von den verschiedenen Teilen des Requiems inspirierte Bußlieder (S. 14 – 18), dann betete der Priester eine Litanei und weitere Gebete für die Verstorbenen (S. 19 – 36). Nach dem Fronleichnamsfest als Haupttag feierten die Mitglieder mit besonderer Anteilnahme den Gründonnerstag wegen der Einsetzung der Eucharistie und wiederholten die Andacht an jedem Donnerstagabend:
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Donnerstägiges Salve, Und sonderbahre Andacht / Vor dem hochwürdigsten Sacrament deß Altars / Als dem von CHRISTO JESU, Unserem Liebreichsten GOtt und Heyland Am Heil. Gründonnerstags-Abend / eingesetzten allerheiligsten Abend=Mahl / Zu dessen / und seiner Jungfr. Mutter MARIAE, Danckbarer Verehrung / Umb einen glückseeligen Todts=Kampff für uns zu erbitten / Donnerstägs Nachmittags umb 3. Uhr zu S. Quintin in Mayntz zu halten angeordnet. Cum Approbatione & Permissu Superiorum. Mayntz / im Verlag bey Johann Mayern / Hoff= und Universitäts=Buchdruckern / 1715. In Klein-Oktav gedruckt, faßt die Schrift 36 Seiten (Martinus-Bibliothek Mainz, Sign.: L/336) und beginnt mit [S. 3]: „Erklärung dieser sonderbahren Andacht / und Einladung an alle deß Hochwürdigsten Sacraments andächtige Liebhabere“. Führt dann weiter aus [S. 6 – 10]: „Sehe darumb und behertzige mein andächtiger Christ / wann du zu schuldigster Danckbarkeit / für jetzt gedachte zwey sonderbahre / in Einsetzung deß allerheiligsten Sacraments / dir erzeigte grosse Gnaden / JEsu und Mariä / etwas lieb- und wohlgefälliges erzeigen wilst / ob du nicht ein solches / gar füglich / alle Donnerstäg / in andächtiger Beywohnung dieser hie folgendts beschriebener Salve, und Andacht verrichten mögest? angesehen ein jeder Donnerstags-Abend ein immerwehrende Vorstellung und ewige Erinnerung ist jenes heiligen Abends / deß heiligen Gründonnerstags / an welchem Christus JEsus / wie obgemeldt / uns biß zum End geliebet / und zu sonderbahrem Andencken derselbigen / seiner Lieb und zur Gedächtnuß seines bitteren Leydens und Sterbens / sein heiligstes Fleisch und Blut / im hochwürdigsten Sacrament / für uns dargeben / so gleich auch darauff in seine Blutfliessende Todt-Angst / und in den Todt selbsten / uns zu erlösen / gangen ist? Und gewißlich wirst du nebst jetztgedachter erzeigender deiner schuldigsten Danckbarkeit / in Pflegung dieser Andacht / dir selbsten auffs neu / noch diese beede / dir höchst nöthige und ersprießliche hohe Gnaden / außzubitten und zu hoffen haben / wann nemblich in deinem Todt / deine arme Seel in eusserster Gefahr deß ewigen
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Verderbens außgesetzt / nach Göttlicher Hülff am hefftigsten seufftzen wird / daß als dann / und Zum ersten Christus JEsus im hochwürdigsten Sacrament / diese wesentliche Gottes Krafft / dein letztes Abendmahl und Weegzehr zur glücklichen Ewigkeit / und höchster Sterb-Trost; Zweytens aber / daß auch Maria die allerseeligste Jungfrau / seine hochwürdigste Mutter / deine Gnadenreiche Schirmerin in deinem letzten und gefährlichsten Todts-Kampff seyn werde. ... Und wie wird nicht auch Maria die allerseeligste Jungfrau / als die liebhertzigste Fürsprecherin aller Sterbenden / alsdann eyfferen / damit die jenige / so Zeit ihres Lebens / ihres liebsten Sohns JEsu Christi / bitteren Leydens und Sterbens / in dem hochwürdigsten AltarSacrament / als einem lebendigen Denckmahl dessen / sich öffters mit Andacht erinneret / und sie als die übergebenedeyte Mutter / dieser Göttlichen Speiß verehret haben / auch in ihrer Todt-Angst / mit dero mütterlichen Hülff / und dieser göttlichen Weegzehr und Gottes-Krafft wohl versehen, zu klarer Anschauung GOttes seeliglich hinscheiden mögen? GOtt gebe / vermittels dieser Andacht / umb seine Gnad uns also zu bewerben / damit / gleichwie Luc. am 2. c. der betagte gerechte Simeon / auß denen Händen der allerseeligsten Jungfrauen Mariä / Christum JEsum / unsern GOTT und Heyland / vor seinem letzten End empfangen / und in Weissagung und Behertzigung seines bittern Leydens und Sterbens / mit inniglichem Hertzens-Trost / auffgelöset zu werden / zum HErrn geseufftzet und gesungen hat: Nunc dimittis &c. also auch wir durch dero gnadenvolle Fürbitt denselbigen unseren HErrn / GOtt und Heyland Christum Jesum / im hochwürdigsten Sacrament / als dem wahren Denckmahl all seines bitteren Leydens und Sterbens / zur letzten Wegzehr empfangen / die Würckung seines bitteren Leydens alsdann in uns empfinden / und von seiner liebreichsten Gegenwarth in unserer Todts-Stund auffgemuntert / umb auffgelöset / und von ihme ewig erfreuet zu werden / dasselbige Simeonische Trost-Gesang an unserem Hinscheiden absingen / oder doch tröstlich seufftzen mögen: Nun lassest du / O HErr deinen Diener (deine Dienerin) nach deinem Wort im Frieden fahren: dan meine Augen haben gesehen deinen Heyland! Amen“.
Wie der Gründonnerstag gefeiert wurde, meldet ein undatierter, aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts stammender Aushang für die Kirche: „Nächstkünftigen heil. Grün-Donnerstag wird in allhiesiger Pfarr-Kirch zu St. Quintin die jährliche Gedächtnus desselbigen Tags im letzten Abendmahl geschehenen gnadenreichsten Einsetzung des Allerheiligsten Hochwürdigsten Sakraments des Altars, von dessen löblicher Erz-Bruderschaft mit folgender Andacht begangen: Morgens um 6 Uhr wird bey Aussetzung höschst-ermeldeten Hochwürdigsten Sakraments eine stille Meß gelesen. Um 8 Uhr das hohe musicalische Engel-Amt gesungen. Nachmittags sogleich um 4 Uhr die Predigt, nebst vorhergegangener und nachfolgender Music; wie auch Abends von 8 bis 9 Uhr, zu Ehren der Blut-fliessenden TodAngst Christi des Herrn am Oelberg, eine Trauer-Music gehalten, und alsdann zum Beschluß der Göttliche Seegen gegeben werden.
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Allen und jeden Brüdern und Schwestern obernennter Erz-Bruderschafft haben Ihro Päbstliche Heiligkeit Paulus V. verliehen 7 Jahr, und siebenmal 40 Täg Ablaß, welche an gemeldtem heil. Grün-Donnerstag, nebst verrichteter Beicht und Communion, der Sacramentalischen Proceßion oder Umgang beywohnen, und für die Einigkeit Christlicher Fürsten, Ausreutung der Ketzereyen, und Erhöhung der Christ-Catho44 lischen Kirch GOTT andächtig bitten“ .
Ein weiteres Heftchen, der sogenannte „Dreißiger Mariä“ 45 , nimmt das Motiv der Himmelfahrt Mariens auf und bittet ebenfalls um einen seligen Tod, „damit das Hinscheiden, die Himmelfahrt und Krönung MAriä in schuldigem Danke geehrt werde, daß auch wir einst eines gleich seligen Sterbens wie fröhlichen Himmelfahrt gewürdigt werden“. V. Allerseelentag Wie heute auch galt das Fest Allerseelen dem zentralen Totengedenken. Die Gläubigen besuchten die Gräber in den Kirchen und auf den Friedhöfen, die noch um die Kirchen herum lagen 46 . Ein Blick in die Rubrik „Alle Andacht und Gebett ... in = u. ausserhalb Mayntz“ der Kurmainzer Hof- und Staatskalender zeigt die Fülle der Gottesdienste: „Den I. [November] zu S. Emeran [Pfarrkirche] 1 Uhr sollene Vesper, hernach pr[edigt] und die Todten-Vesper / auch daselbst 9. Tag bis durch Abends 4 Uhr und frühe um 7 Uhr Andacht zum trost der armen Seelen, mit Aussetzung des hochwürdigsten Guts, vollk[ommenen] abl[aß]. In der St. Joannis Kirch [Stiftskirche] die Octav durch Nachmitt[ags] 5 u[hr] Andacht für die Abgestorbene. 2. [November] In allen Pfarr-kirchen halb 7. Uhr pr[edigt]. In S. Alexii Hospit[al] Kirch Andacht für die Abgestorbene, v[ollkommenen] abl[aß] auch die Octav um 8. Uhr eine Heilige Meß, 7. Jahr und so viel Quadrag[enen] abl[aß]. In S. Joan[nis] Hospit[al] Kirch die Octav durch vollk[ommenen] abl[aß] für die arme Seelen [1764]“.
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Forschner, Pfarrei (Anm. 17), S. 170.
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Andächtige einunddreißigtägige Lieb-, Lob-, Freud- und Ehrbesingnis der aller ehr-, lob- und liebwürdigsten Königin Himmels und der Erde MAriä. Vom Tage ihrer glorreichen Himmelfahrt und Krönung bis auf den triumphierlichen Festtag des heiligen Kreuzes Erhöhung einschließlich um Erhaltung ihres kräftigen Beistandes und Fürbitte in allen unseren Leibes- und Seelen-Gefährlichkeiten, vornähmlich aber eines seligen Todes. Von der löbl. Erzbruderschaft des hochwürdigsten Sakramentes zu St. Quintin in Mainz jährlich zu zelebrieren angeordnet, O. O. und o. J. [Mainz 1723]. 46
Katharina Will, Die Kirche als Friedhof bis zum 18. Jahrhundert, in: Franz Dumont / Ferdinand Scherf / Friedrich Schütz, Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz 1998, S. 676 – 678.
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Am 2. November in der Frühe hielten die Geistlichen in den Pfarrkirchen neben den Meßfeiern spezielle Totenpredigten. In der Kapelle des St. AlexiusHospitals, das in dieser Zeit alte und kranke Diener des Stiftsadels beherbergte, betete man eine Andacht während der ganzen Oktav, und ebenso in der Kirche des St. Johannis-Hospitals, in dem invalide Soldaten lebten 47 . Schwerpunkte für den Allerseelentag setzten die Pfarrei des St. Johannis-Stiftes und die Pfarrkirche St. Emmeran. 1. Johannis-Stift: „Seelen-Trost“ Am Nachmittag des Allerheiligentages hielt der Pfarrer des St. JohannisStiftes 48 für alle Kirchenbesucher eine Andacht, die während der Oktav wiederholt wurde. Die Gläubigen bekamen für diese Gottesdienste ein Heftchen: Seelen=Trost, Oder Neun=tägige Andacht Für die arme See= len im Fegfeuer, So In allhiesiger Collegiat-Stiffts= Kirchen ad S. Joannem am Abend vor Aller-Seelen-Tag angefangen und den 9. Novembris Abends sich endigen wird. Cum Permissu Censoris Ordinarii. Mayntz, Gedruckt in der Churfürstl. privilegirten Buchdruckerey des Hospitals St. Rochi, durch Joh. Leonhard Ockel, 1748. Zu finden bey Herrn Pfarrer zu St. Johann. Das in Oktav gedruckte Werkchen hat nur 20 Seiten (Martinus-Bibliothek Mainz, Sign.: L/1379). Es beginnt:
47 Franz Dumont, Helfen und Heilen - Medizin und Fürsorge in Mittelalter und Neuzeit, in: Franz Dumont / Ferdinand Scherf / Friedrich Schütz, Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz 1998, S. 771 – 805, hier S. 771 f. 48 Arens, Kirchen (Anm. 25), S. 409 – 442. Die Kirche steht möglicherweise an der Stelle des alten Domes.
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„Zu mercken. Daß diese Andacht für die arme Seelen, insonderheit eines jeden Eltern, Geschwistrigten, Ehegenossen, Befreundten, Gutthäteren, und anderer, für welche zu bitten einem obgelegen, und ersprießlich ist, angesehen. Und wird solchem nach auf bestimmte Zeit und Ort Abends 5. Uhr nach gegebenem Seegen mit dem Hochwürdigen Sacrament des Altars unser Lieben Frauen Rosenkrantz laut gebettet, und bey einem jeden Ave Maria nach den Worten, Bitt für uns arme Sünder hinzugesetzt: und für die arme Seelen jetzt und ec. Und zu End spricht man jedesmahl: HErr gieb ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen“.
2. Pfarrkirche St. Emmeran: „Fröhliche Auferstehung“ Am aufwändigsten feierte man den Allerseelentag in der 1220 erstmals erwähnten Pfarrkirche St. Emmeran 49 . Hier gab es auch eine eigene Arm-SeelenBruderschaft, die einen mit reichen Ablässen versehenen privilegierten Bruderschaftsaltar besaß und ein Andachtsbüchlein herausgab mit dem Titel: Vollkommene Und Höchst=verdienstliche Liebs=Übung, So Denen armen im Fegfeuer Straff=leydenden Seelen vermittelst einer aufgerichteten Von Ihro Päbstlichen Heiligkeit BENEDICTO XIV. Mit vielen Ablässen begnädigten von hohen Ordinariat bestättigten Bruderschafft In der Pfarrey ad Sanctum Emmeranum erwiesen wird. Cum Licentia Superiorum. Maynz, Gedruckt in der Churfürstl. privileg. Buchdruckerey des Hospitals Sti Rochi, Durch Joh. Leonhard Ockel 1756.
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Arens, Kirchen (Anm. 25), S. 191 – 266.
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Den Zweck der Vereinigungen nennt die: „Kurtze Vorrede. Das Haupt-Ziel und End dieser Bruderschafft, ist die allerhöchste Ehr und Glory der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit nach allen Kräfften zu beförderen, zu diesem Ziel und End, samtliche Brüder und Schwester in einem heylsammen Bund zusammen tretten, mittels ihres vereinigten Gebetts, offentlichen Andachten, heiligen Messen und Bruderschaffts-Versammlungen, durch die Verdiensten unseres HErrn und Heylands JEsu Christi, als Mittleren zwischen GOtt und den Menschen, wie auch durch die Fürbitt der allerseeligsten Jungfrau und Mutter GOttes Mariä und aller Heiligen, die Allerhöchste Dreyfaltigkeit zu bewegen, daß allerhöchst dieselbe denen armen im strengen Fegfeuer leydenden Seelen, ihre Straff nachlassen, dieselbe von der feurigen Gluth erledigen, und in die ewige Freuden übersetzen möge, wo sie mit allen Heiligen den Drey-einigen GOtt loben benedeyen können. Es ist nicht nöthig, hier weitläuffig die Verdiensten zu melden, welche jedermann sich erwerbet durch sein Gebett, und in dieser Bruderschafft hierzu verordneten Andachten; in weiterer Betrachtung, daß ein jeder von uns Menschen heut oder morgen, wan er von dieser Zeitlichkeit abscheidet, von seinen hier in der Welt zuruckgelassenen Brüdern und Schwestern, Freunden oder Nebenmenschen dergleichen Hülff vielleicht höchstens vonnöthen haben wird“ [S. 3 – 4].
Das in Klein-Oktav gehaltene Büchlein hat 24 Seiten (Martinus-Bibliothek Mainz, o. Sign.) und bringt nach den Ablässen (S. 6 – 7) die Statuten (S. 8 – 9), greift dann die „Fünf-Wunden-Andacht“ auf (S. 12 – 20) und endet mit einem langen Gebet an die Dreifaltigkeit. Am Nachmittag des Allerheiligentages betete man nach der Vesper eine eigene Allerseelenandacht: Trostreiche und geschwinde Hülff So Denen armen Seelen im Fegfeuer aus denen unendlichen Verdiensten Des Blut=triefenden, am Creutz ster= benden Heylands JEsu Christi, Durch Eine neun=tägige Andacht in der Pfarr=Kirch ad St. Emeranum geleistet wird. Cum Permissu Superiorum. Mayntz, gedruckt in der Churfürstl. privileg. Buchdruckerey des Hospitals Sti Rochi, Durch Johann Leonhard Ockel 1755.
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Es beginnt mit dem: „Vorbericht an den andächtigen Leser. Gegenwärtig vorgeschriebene Andacht ist in der Pfarr-Kirch ad St. Emeranum auf ewig fundirt, und wird Nachmittags vor dem Gedächtnuß-Tag aller Seelen-Abends um vier Uhr, anderen Tags aber früh um sieben Uhr mit Aussetzung des Hochwürdigen Guts der Anfang gemacht und also die gantze Octav hindurch früh und Abend continuiret, wobey nachgesetzte Bett- und SingOrdnung gehalten wird. Zur Vermehrung dieser Andacht haben Ihro Päbstliche Heiligkeit allen und jeden so dieser Andacht nach verrichter Heil. Beicht und Communion beywohnen, vollkommenen Ablaß, so denen armen Seelen zum Trost kan gewidmet werden, verliehen. Worzu alle eiferige und wahre Gönner der armen Seelen freundlichst eingeladen werden“ [S. 3 – 4].
Das Heftchen ist in Klein-Oktav gedruckt, umfaßt 16 Seiten, ist in vielen Auflagen erschienen und in einigen mit einem eindrucksvollen Titelkupfer geschmückt (der gekreuzigte Jesus verströmt sein Blut auf die armen Seelen im Fegefeuer) (Martinus-Bibliothek Mainz, Sign.: L/648) [Anhang, Abb. 2]. Den Hauptteil der Andacht nimmt ein Rosenkranz „von 7. Gesätz zu Ehren der sieben Wort Christ am Creutz“ ein (S. 5 – 10). Darauf folgt eine Arme-SeelenLitanei (S. 10 – 13), die mit dem Gebet abschließt: „O Allergütigster HErr JEsu Christe, Gebiether und Heyland aller Christglaubigen Seelen, der du in diese Welt kommen bist, die arme Sünder vom Todt zum Leben zu bringen, und uns seelig zu machen, du bist der Weeg, die Wahrheit unser Leben und Ende; tröste durch dein bittres unschuldiges Leben und Sterben, durch deine Heil. fünff Wunden und sieben schmertzhaffte Blut-Vergiessungen die betrübte verlassene Seelen, welche aus dieser deiner Versammlung von Anfang biß anhero in GOtt verschieden; erledige sie von dem Gewalt und Tyranney der bösen Geisteren, von allem Gestanck, Feuer, Schweffel, Hitz und Frost, Hunger und Durst, Trauren und Klagen, Elend und Jammer, Mühe und Arbeit, darinnen sie ja billig als deine Gefangene seufftzen, heulen und weinen, gieb ihnen völligen Ablaß und das rechte Jubel-Jahr: Dein bitterer Tod sey ihnen der Eingang zum ewigen Leben, deine fröhliche Auferstehung ein ewiger Trost und Frieden; laß sie jetzt in dein Reich kommen, damit sie am Jüngsten Tag eine fröhliche Aufferstehung haben mögen, wann du als ein König der Glory so herrlich vor aller Welt erscheinen, und über die Lebendige und Todten gewaltiglich richten wirst, daß, O Liebster HErr JEsu Christe dich alle Glaubige sambt dem Vatter und Heiligen Geist dort oben im Himmelreich loben und ehren, und wir unwürdige Diener hier auf Erden dich Zeit Lebens beständig preisen, Amen“.
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3. Dominikaner: „Heilsamer Sterbtrost“ Neben der Sakramentsbruderschaft in St. Quintin nahm die Rosenkranzbruderschaft bei den Dominikanern 50 , deren Kloster 1256 gegründet wurde, was die Zahl der Mitglieder betrifft, den ersten Platz ein. In der Klosterkirche stand auch ein eigener Rosenkranzaltar. Die Hof- und Staatskalender melden für den „6. [November = Sonntag nach Allerseelen] bey Dominican[ern] General-Communion für alle Abgestorbene aus der Brudersch[aft] des Heil[igen] Rosenkranz; vollk[ommenen] ablaß, I u[hr] Predig“. Die Bruderschaft gab ein in vielen Auflagen erschienenes Büchlein heraus, das auf der Titelseite mit einem Kupfer der Marienkrönung [Anhang, Abb. 3] geziert war: Gnadenreiche Erz=Bruderschaft Des Heil. Rosenkranzes, JEsus und Maria, In der Kirche der PP. Dominicanorum zu Mainz. Mainz, gedruckt in der Kurfürstl. privileg. Buchdruckerei des Hospit. zu St. Rochus 1771. Das Heftchen im Klein-Oktav zählt 48 Seiten (Martinus-Bibliothek Mainz, Sign.: D/759a). Nach der Erläuterung der Geheimnisse des freudenreichen, des „schmerzlichen“ und des „glorwürdigen“ Rosenkranzes (S. 2 – 6) folgen die Litanei (S. 7 – 9), die Statuten (S. 11 – 12) und die reichen Ablässe (S. 13 – 22). Den Abschluß bilden Lieder für eine Rorate-Messe (S. 33 – 36) und weitere Gesänge. Ein breiter Raum wird dem Totengedenken gewidmet (S. 22 – 30). Wir drucken diesen Text vollständig ab, weil er weitgehend all das bündelt, was die Seelsorger dem Gläubigen in den Bruderschaften über den christlichen Tod theologisch und praktisch vermitteln wollten [Anhang, Abb. 4]: „Heilsamer Sterbtrost, / Das ist: / Kurzer Bericht und Gedenkzeichen / von der Bruderschaft des ewigen Rosen- / kranzes Gebets für die Sterbende. Ziel und End dieser Bruderschaft. Am Abdruck liegt der gute Schuß. Wer bis an das End verharret, ist selig. Zuletzt wird Judas aus einem Apostel ein Verräther, der Schächer aus einem Mörder ein Beichtiger Christi. Einem jeden ist nur eine Stund gegeben zu so unge-
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Egler, Frömmigkeit (Anm. 6), S. 841 f.; Arens, Kirchen (Anm. 25), S. 180 – 190; Franz Falk, Marianum Moguntinum. Geschichte der Marienverehrung und der Immakulata-Tradition im Bistum Mainz und am Mittelrhein, Mainz 1906, S. 48 – 51.
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wisser Zeit, als gewissen Tod. Daran hanget Höll und Himmel, an einer Stund die glückselige und unglückselige Ewigkeit. Darum sorget eine gottsförchtige Sel foderst um das letzte Sterbstündlein, dann niemand weiß, wie und wann er sterben werde. Das ist die Ursach, warum eine Erzbruderschaft des H. Rosenkranzes JEsu und Mariä folgendes Trostmittel eröfnet, und aus ihrem mütterlichen Gnadenschatz durch die ganze Christenheit dieses Hilfsmittel zum Trost derjenigen, welche in ihrem Sterbstündlein liegen, von wegen den großen Schmerzen und Aengsten nicht ein einiges Ave Maria beten können, ausgebreitet, sodann in folgenden Puncten bestehet: Regulen dieser Bruderschaft. Erstlich ist zu wissen, daß jedes Jahr achttausend, sieben hundert und sechzig Stunden begreifet, aus welchen einem jeden Einverleibten nur eine des ganzen Jahrs zugeeignet wird, deswegen dann so viele Personen aufgenommen, als Stunden im Jahr gezählet werden, damit gleichsam kein Augenblick, Tag und Nacht, das ganze Jahr vorüber gehe, in welchem vor den sterbenden Bruder oder Schwester dieser Erzbruderschaft in der ganzen Christenheit der Rosenkranz nicht gebetet, und die Heil. Messen, auch Communion verrichtet werden. Zum andern soll ein jeder, der dieser Bruderschaft verlangt einverleibt zu werden, eine gewisse Stund von dem Präside oder Vorsteher gemelder Bruderschaft empfangen, welche Stund nachmals nicht kann nach Belieben verändert werden, sondern, wann einer dieselbige verändern wolte, oder seine Stund verloren oder vergessen hätte, der soll eine andere von dem Vorsteher dieser Bruderschaft begehren. Zum dritten, sollen alle einverleibte Brüder und Schwestern am Tag ihrer Betstund oder etliche Tage zuvor beichten und communiciren; so dieses aber aus Mangel des Beicht-Vaters, oder erheblichen Ursachen nicht geschehen kan, sollen sie zum wenigsten Reu und Leid über ihre Sünden erwecken. Zum vierten, wann einer aus Nachlässigkeit oder Vergessenheit seine Stund verabsaumet, soll man für die verabsaumte Stunde eine Meß lesen lassen, oder wann dieses nicht füglich geschehen kan, mit Rath des Rosenkrantz Paters, oder sonst seines Beichtvaters, eine andere Stunde dafür verrichten. Es ist auch erlaubt, wann einer aus erheblichen Ursachen seine Betstunde nicht verrichten kan, eine andere Person zu bestellen, welche dieses an statt seiner verrichte. Zum fünften, sollen alle Brüder und Schwestern, so es anders seyn kan, jährlich den ersten Sonntag nach aller Seelen zu der General Communion in die RosenkrantzKirche kommen, für alle Abgestorbene Brüder und Schwestern reumüthig beichten und communiciren. Letztlich soll der Einverleibte seine Eltern oder Freund ermahnen, daß, wann er sollte dem Tod nahen, sie alsobald solches anzeigen dem P. Prediger der Ertzbruderschaft, damit die Stunde einem anderen gegeben werde. Was man in der verordneten Stunde beten soll. Wann die Stunde vorhanden ist, soll man beten drei H. Rosenkräntz, jeden von fünf Gesätzen, bei jedem grossen Corallen oder Vater unser soll man beten einen Glauben, welches dann alles zusammen machet fünfzehen Glauben, und hundert, und fünfzig Ave Maria, nach jedem Glauben soll man hinzusetzen folgende Wort: Durch deine letzte Angst und schwere Verlas-
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senheit, O gütigster HErr JESU, verlasse uns niemalen, insonderheit in der Stunde unsers Absterbens, Amen. Die nicht lesen können, sollen dafür zuletzt drei Vater unser und drei Ave Maria beten. Dieses Gebet soll geschehen langsam und andächtig, und für die, sonderlich selbiger Zeit Verlassene, und in Todts-Aengsten Liegende, dem lieben GOtt aufgeopfert werden. Wann auch nach verrichtem allem diesem Gebet die Stunde noch nicht verflossen wäre, kan man nach Belieben andere Gebeter hinzufügen. Eifriges Fürnehmen. Ich [N.N.] muß den [ ] Tag des Monats [ ] erscheinen bei der Audienz JEsu Christi, und der seligsten Jungfrauen Mariä, mit beiden heiligen Majestäten zu tractiren das hochwichtige Geschäft des Heils der Sterbenden! 51 Ich verheisse solches zu thun, doch ohne Verbindnuß einiger Sünd, so lang ich leben werde, Amen. Gebet nach vollendeter Stunde zu sprechen. O Allerheiligste Jungfrau Maria! siehe ich armer Sünder opfere dir auf diesen Psalter, welchen ich jetzt für alle in dieser Stunde Sterbende gebetet habe. Ach opfere doch denselbigen deinem allerliebsten Sohn JEsu Christo, damit er seine Güte und Barmherzigkeit gegen ihnen erzeige; und was diesem meinem Gebet abgangen ist in der Andacht, Eifer und Aufmerksamkeit, das wollest du, o gebenedeyte Jungfrau erstatten und ersetzen. Ach Mutter der Barmherzigkeit, Maria verlaß mich nicht in meinem letzten Sterbstündlein, sondern behüte mich vor allem Uebel und Gefahr, und die Rosenkränz sambt anderm Gebet, welche für mich im Todsbet liegenden werden verrichtet werden, nimme in Gnaden auf, und führe meine arme Seel an das Ort der ewigen Ruhe, damit sie lobe und preise JEsum Christum deinen lieben Sohn, mit dem Vater und Heil. Geist in alle Ewigkeit, Amen. Beschluß- und Merkpünktlein. Oft giebt es in einer gewissen Stunde einen sonderbaren Gnaden-Regen, welcher wohl in Acht zu nehmen, massen dann der böse Feind allen List erdenken wird, eine andächtige Seel, durch Einmischung unterschiedlicher Geschäften, von ihrer Betstunde verhinderen, dessentwegen ein rechter Eifer und starcker Vorsatz vonnöthen seyn wird, allen Verhindernussen zu begegnen. Wer diese Andacht erfunden. Diese heilsame Andacht ist von einem geistlichen Vater, Prediger-Ordens, Namens Patronio, erfunden worden, in der ganzen Christenheit mit gröstem Seelen-Nuzen und sonderbarem Eifer geübet, ist auch ein angehängter Theil der Ertzbruderschaft des Heil. Rosenkrantzes. Gebet zu der allergebenedeytesten Jungfrauen Maria, Königin des allerheiligsten Rosenkrantzes, um ein seliges Sterbstündlein. Ach Maria, du hochgebenedeyte Mutter
51 In dem von mir benutzten Exemplar (Martinus-Bibliothek Mainz, Sign.: D/759a), das der geistlichen Zensur vorlag „Praesentatum coram Commissione Archi-Episcopali die 21ma Iunii 1773“, ist der Satz „erscheinen bei der Audienz JEsu Christi, und der seligsten Jungfrauen Mariä, mit beiden heiligen Majestäten zu tractiren das hochwichtige Geschäft des Heils der Sterbenden!“ handschriftlich unterstrichen. Der Zensor monierte dadurch die faktische Gleichsetzung von Jesus und Maria.
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GOttes, du nach GOtt meine höchste Zuflucht: Ich armes Erd-Würmlein falle dir zu Füssen, und bitte dich / o ganz barmherzige Mutter Maria, weil ich dich von Jugend auf geliebt, und zu meiner lieben Mutter und Patronin hab auserwählt, du wollest mir von deinem allerliebsten Sohn, der von mein- und unser allwegen am Oelberg den blutigen Schweiß geschwitzet, ein vernünftiges und seliges Sterbstündlein erlangen. Ach Mutter der Barmherzigkeit, wann ich werd umgeben seyn mit den Aengsten des Tods, wann ich werde dahin kommen, daß meine Augen das heilige Kreutz und deine heilige Bildnuß nicht mehr werden sehen, mein Mund auch meinen Trost JEsum Christum, und dich Mutter GOttes nicht mehr anruffen kan, meine Ohren keinen geistlichen Trost mehr hören, der Teufel mir auch das Buch meines sündlichen Lebens wird fürhalten, und der nagende Wurm meines Gewissens wieder anfangen zu beissen, der Tod mit mir wird ringen, die strenge Urtheil GOttes über mich werden ergehen. Ach barmherzige Mutter Maria, so stehe mir alsdann bei, und verlaß mich nicht in solchem Streit, und überantworte meine arme Seel Christo meinem Erlöser und Seligmacher, der dir niemahls etwas versagen thut, daß er mir von deinetwegen wolle meine schwere vielfältige Sünden verzeihen, und mich nicht straffen nach meinem Verdienst. Ach allerliebste Mutter Maria, erlange mir durch deine Fürbitt an meinem letzten End einen Zährenfliessenden Anblik, und einen einzigen schmerzlichen Seufzer von den so tiefen und unzahlbaren Seufzern, welche dein liebster Sohn JEsus ausgelassen, als er drei Stunden lang lebendig am Creuz gehangen, damit durch solche die Schmerzen, das Aechzen und Seufzen, so mich in der Stunde des Tods pressen werden, eine milde Linderung haben mögen, Amen“.
VI. Schluß In der Barockzeit gelang zum letzten Mal in der europäischen Geschichte die seither gestörte Verschmelzung von Kultur und Religion, von geistlichem und weltlichem Leben. Für die Menschen, ob reich oder arm, waren Sterben, Tod und Begräbnis öffentlich. Der Tod 52 konnte nicht, wie es derzeit oft geschieht, tabuisiert, als etwas Unpassendes möglichst versteckt und aus dem Bewußtsein verdrängt, oder auf der anderen Seite bagatellisiert und als Spektakel zur Schau gestellt werden. Eine solch inhumane Sicht mußte Menschen, deren Leben von Krieg, Seuchen und Hungersnöten weithin bedroht wurden, fremd sein. Sterben und Tod waren allgegenwärtig. Überall begegnete man dem „memento mori“. Keines der vielen Grabmäler in den Kirchen verzichtete auf die plastische Vergegenwärtigung der Vergänglichkeit, z. B. als Totenschädel oder Gerippe. Den Gläubigen war bewußt, daß der Tod den endgültigen Abschluß des irdischen Lebens bedeutet, als Phase, in der alle Lebensvorgänge unwiederbringlich beendet sind. Die Bruderschaften setzten in ihrem Verhältnis zu Sterben, Tod und
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Lexikon der katholischen Dogmatik, Freiburg 1987, S. 509 – 511.
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Begräbnis schon das um, was heute wieder von der Pastoraltheologie 53 gefordert oder gar als Neuentdeckung gepriesen wird. Ganz entscheidend war der Gemeinschaftsgedanke, ohne den es die Kirche nicht gibt. Der Allerseelentag und die Arme-Seelen-Bruderschaften zeigten exemplarisch das Verantwortungsgefühl für die Mitmenschen über den Tod hinaus. Man sollte sich nicht nur um das eigene Seelenheil kümmern. Es war Pflicht der Mitglieder, Kranke und Sterbende zu besuchen und mit ihnen zu beten, auch um die Todesangst zu mindern. Durch die öffentlichen Versehgänge forderte man die Menschen auf, der Sterbenden zu gedenken. Ebenso beging man die Begräbnisse, das Requiem und die Seelenmessen gemeinsam. Um die Beerdigung von Fremden (Elende) kümmerten sich eigene Bruderschaften. In den Predigten, den Versammlungen, den Andachten und den Bruderschaftsschriften schärften die Seelsorger immer aufs Neue die christliche Wahrheit über den Tod ein. Den Gläubigen wurde die Endlichkeit des nur Irdischen vor Augen geführt. Man erinnerte sie an die Ungewißheit der Todesstunde und mahnte zur Wachsamkeit in der kurzen Spanne des Lebens, damit sich jeder für das Kommende vorbereiten konnte und das Leben sich in Gott vollende. Durch die unterschiedliche Ausrichtung der Bruderschaften wurden, ohne das Wesentliche aus den Augen zu verlieren, verschiedene Aspekte der christlichen Bereitung auf Tod und Ewigkeit vermittelt. Am Beispiel Jesu, im Mitgehen und Mitleiden seiner Passion, besonders eindringlich in den Phasen seines Sterbens, sollten die Mitglieder ihr eigenes Schicksal wiederfinden, damit sie auch zu seiner Auferstehung und Herrlichkeit gelangen könnten. Ganz realistisch wird das Grauen vor dem Tod angesprochen, das auch Jesus erleiden mußte: „Tod-Angst“. Im Gebet erlebte man die „Seufftzer der Sterbenden“ und erbat „Hülff im letzten Todeskampff“. Heilige Fürsprecher, in erster Linie die Gottesmutter, sollten Beistand leisten und den Mut stärken: ihr „Bild soll in meiner Sterbstund auff meinem Hertzen liegen“. Die Eucharistie, die Jesus am Abend vor seinem Leiden eingesetzt hat, war die „Weegzehr zur glücklichen Ewigkeit“. Sie schenkte den „Seelen-Trost“, den „heilsamen Sterbtrost“, damit das irdische Leben der Frommen in die „fröhliche Auferstehung“ münden konnte. Die nachtridentinischen Bruderschaften erwiesen sich als eine Quelle, aus der sich das christliche Leben erneuern konnte, so auch in Mainz, wo der katholische Glaube während der Reformationszeit stark angefochten war. Jahrhundertelang haben die Bruderschaften den Gläubigen Hilfe und Trost geschenkt. 53
Lexikon der Pastoral 2, Freiburg 2002, Sp. 1617 – 1619, 1725 – 1735.
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Einige der zahlreichen Vereinigungen wurden schon Ende des 18. Jahrhunderts verboten und unterdrückt. Auch in Mainz setzten sich die Anschauungen – und zugleich die Vorurteile – der katholischen Aufklärung mit ihrem obrigkeitlichen Mißtrauen gegenüber der Frömmigkeit des Volkes durch, die der barocken Glaubenshaltung schließlich ein Ende bereitete. Nach der französischen Eroberung löste man die meisten Vereinigungen auf und übertrug das Vermögen den Pfarreien. Überdauert haben nur wenige, so die „Herz-Jesu-Bruderschaft“, die von der Welschnonnenkapelle in die Pfarrkirche St. Peter transferiert wurde. In der Zeit von Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1850 – 1877) belebte man einige Bruderschaften neu, die noch zum Teil bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts blühten, wobei aber mehr der religiöse Vereinscharakter im Vordergrund stand54. Die Bedeutung des Bruderschaftsgedankens, gerade auch für unsere Zeit, hat der Jubilar55 stringent herausgestellt: „Die Idee der Bruderschaft ist legitim und richtig wie ehedem. Die gemeinsame Pflege von Frömmigkeit und Nächstenliebe bleibt ein dringendes Erfordernis christlichen Zeugnisses. Das kirchliche Recht der Vereinigungen ist notwendig, um den äußeren, normativen Rahmen abzustecken, innerhalb dessen sich deren Leben vollziehen kann; der CIC/1983 hat ihn großzügig gestaltet. Es ist jetzt Sache der Christen, ihn zu nutzen und mit Leben zu erfüllen. Dabei wird es entscheidend auf ihre Gläubigkeit ankommen. Wenn sie die Werte, welche die Kirche verwaltet, hochschätzen, werden sie sich willig daran beteiligen, sie zu empfangen und andere dafür zu gewinnen. Die Bruderschaften vermögen diesen Zwecken in geeigneter Weise zu dienen“.
54
Anna Egler, Frömmigkeit im 19. und 20. Jahrhundert, in: Friedhelm Jürgensmeier (Hg.), Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte 3,2, Würzburg 2002, S. 1462 – 1532, hier S. 1519 – 1532. 55
Georg May, Die Bruderschaften im Recht der Kirche, in: Anna Egler / Wilhelm Rees (Hg.), Georg May, Schriften zum Kirchenrecht. Ausgewählte Aufsätze (= Kanonistische Studien und Texte 47), Berlin 2003, S. 341 – 370, hier S. 366; vgl. auch Georg May, Die kirchlichen Vereine nach den Bestimmungen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983, in: Anna Egler / Wilhelm Rees (Hg.), Georg May, Schriften zum Kirchenrecht. Ausgewählte Aufsätze (= Kanonistische Studien und Texte 47), Berlin 2003, S. 323 – 340.
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Helmut Hinkel
Abbildung 1: Gnadenbild aus Liebfrauen. Kupfer. Mainz 1707. In: Marianische Liebs-Versammlung (Martinus-Bibliothek Mainz, Foto: Thomas FuÈchtenkamp)
„Heilsamer Sterbtrost“
Abbildung 2: Jesus am Kreuz und das Fegefeuer. Kupfer. Mainz 1755. In: Trostreiche und geschwinde HuÈlff (Martinus-Bibliothek Mainz, Foto: Thomas FuÈchtenkamp)
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Helmut Hinkel
Abbildung 3: MarienkroÈnung. Kupfer. Mainz 1771. In: Erz-Bruderschaft des Heil. Rosenkranzes (Martinus-Bibliothek Mainz, Foto: Thomas FuÈchtenkamp)
„Heilsamer Sterbtrost“
Abbildung 4: Heilsamer Sterbtrost. In: Erz-Bruderschaft des Heil. Rosenkranzes (Martinus-Bibliothek Mainz, Foto: Thomas FuÈchtenkamp)
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Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau (1610 – 1798) Von Friedhelm Jürgensmeier I. Die Geschichte des Klosters und das überlieferte Totenbüchlein Die erste gesicherte Nachricht über das „Weisenauer Klösterchen“ bringt eine am 23. August 1493 ausgestellte Urkunde.1 Darin verlieh der Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg (1484 – 1504)2 dem Konvent der dort seit einigen Jahren nach der Regel der Augustinereremiten lebenden „Reuerinnen“3 die förmliche Anerkennung als Kloster. Er legte verschiedene Bestimmungen fest und gewährte der Klostergemeinschaft die üblichen Ordensprivilegien. Das von Mainzer Bürgern mitsamt der 1499 eingeweihten Kirche zu eren der Heyligen Dryfaltigkeit und aller Heyligen gestiftete4 kleine Kloster St. Maria Magdalena lag nahe Weisenau auf dem Weg zur Stadt Mainz hin unterhalb des Allerheiligenberges in unmittelbarer Nähe zum Rhein. 1
Valentin Ferdinand von Gudenus, Codex diplomaticus sive anecdotorum res Moguntinas ..., 5 Bde., Göttingen u. a. 1743 – 1768, hier IV, S. 499 – 501, Nr. 237; Johann Christian Joannis, Rerum Moguntiacarum libri quinque, 3 Bde., Frankfurt a. M. 1722 – 1727, hier I, S. 80; Peter Bruder, Die Klöster der Büßerinnen bei Weisenau und der Terziarinnen zu Klein-Winternheim, in: AHG 15 (1884), S. 200 – 241, 293 – 336, hier S. 205 – 208. 2 Friedhelm Jürgensmeier, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz unter Mitwirkung von Clemens Brodkorb, Berlin 1996, S. 283 – 285 (Lit.). 3 Auch Magdalenerinnen (vgl. LThK³ 6, 1997, Sp. 1181 – 1182), Büßerinnen oder Weißfrauen genannt. Ein erstes Kloster der Reuerinnen in Mainz wurde um 1247 am Dietmarkt, dem heutigen Schillerplatz, errichtet; Kurt Köster, Mainz in der Geschichte des Reuerinnen-Ordens, in: JBMz 3 (1948) II, S. 243 – 272; das Haus der Reuerinnen in Weisenau dürfte vom Kölner Kloster der Büßerinnen aus besiedelt worden sein; vgl. Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 208. 4
Als Stifter von Kloster und Kirche werden die Mainzer Bürger Johann Heyl und Peter Viol mit ihren Ehefrauen genannt; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 206 und 208 – 210.
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Friedhelm Jürgensmeier
Dem Kloster der Reuerinnen in (Mainz-)Weisenau war nur eine kurze Geschichte beschieden. Anlässlich des Todes oder der Absetzung5 ihrer ersten und einzigen Vorsteherin Gertrud von Essen um 1540 kam es zur Auflösung des dortigen Konvents. Interne Spannungen, Uneinigkeit über die Wahl einer neuen Vorsteherin und möglicherweise auch aufgetretene Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Ordensideale ließen damals den Gedanken aufkommen, eine klösterliche Gemeinschaft mit dem Konvent der Franziskaner-Terziarinnen6 in Klein-Winternheim7 herbeizuführen. Diese Kommunität hatte in Eingaben an die erzbischöfliche Behörde die Bitte geäußert, wegen ihrer unzureichenden und gefährlichen Lebensverhältnisse in die Stadt Mainz umsiedeln zu dürfen. Das Begehren nahm Kurfürst Kardinal Albrecht von Brandenburg (1514 – 1545)8 zum Anlass, die Terziarinnen in das Kloster Weisenau zu verlegen mit dem Ziel, dadurch die dortigen klösterlichen Verhältnisse zu verbessern. Um eine geordnete Durchführung der Übersiedlung und des klösterlichen Zusammenlebens vorzubereiten, beauftragte der Erzbischof eine Kommission9 mit der Regelung der für beide Gemeinschaften neuen und veränderten Lebens- und Vermögensverhältnisse. Es überrascht kaum, dass es bei den Reuerinnen heftige Reaktionen auslöste, als die Durchführung und Verwirklichung einer solchen Zusammenlegung
5
So Thomas Berger, „So weit nämlich ging die von den Franzosen uns überbrachte Freiheit, dass man selbst das Tageslicht kaufen musste“. Mitteilungen aus der Chronik des Tertiarinnenklosters bei Weisenau vor der kurfürstlichen Residenzstadt Mainz zu Ende des 18. Jahrhunderts, in: Wissenschaft und Weisheit 63/2 (2000), S. 273 – 319, hier S. 275. 6
Aus dem „Franziskanischen Dritten Orden“, das heißt, aus der Bewegung, als Mann oder Frau in der Welt auch ohne Eintritt in den Franziskanerorden (Erster Orden) oder in den Orden der Klarissen (Zweiter Orden) gemäß den Idealen des heiligen Franz von Assisi zu leben, bildeten sich vornehmlich im 15. Jahrhundert klösterliche Gruppierungen des „Dritten Ordens“. Diese regulierten Terziaren oder Terziarinnen lebten in klösterlicher Gemeinschaft und banden sich durch Gelübde; LThK³ 9 (2000), Sp. 1349 – 1352; ausführliche Literatur Berger, Chronik (Anm. 5), S. 273. 7
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 211 – 217; Berger, Chronik (Anm. 5), S. 275.
8
Friedhelm Jürgensmeier (Hg.), Erzbischof Albrecht von Brandenburg 1490 – 1545. Ein Kirchen- und Reichsfürst der Frühen Neuzeit (= Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 3), Frankfurt a. M. 1991; Friedhelm Jürgensmeier, in: Gatz, Bischofslexikon (Anm. 2), S. 13 – 16 (Lit.). 9 Ihr gehörten Weihbischof Michael Helding, Generalvikar Bernhard Scholl und der Domkantor Philipp von Stockheim an; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 217.
Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau
243
konkret wurde und am 24. August 154310 vierzehn Terziarinnen aus KleinWinternheim in das Kloster Weisenau einzogen. Innerhalb der nächsten zwei Wochen verließen alle 24 Reuerinnen das Kloster. Zumindest ein Teil von ihnen fand eine neue Bleibe in einem Haus in der Mainzer Pfarrei St. Emmeran, das ihnen wahrscheinlich vom Mainzer Domkapitel zugewiesen worden war.11 Ein Ende dieser verworrenen Situation brachte erst ein Vertrag über die Regelung der Besitz- und Vermögensverhältnisse, der auf Vermittlung des damaligen Guardians der Mainzer Franziskaner Johannes Wild12 zwischen den Terziarinnen und den Reuerinnen zustande kam und am 22. September 1544 von Erzbischof Albrecht bestätigt wurde.13 Das „Weisenauer Klösterchen“ kam endgültig in den Besitz der dorthin von Klein-Winternheim ganz übergesiedelten Terziarinnen und blieb ihnen erhalten, bis es 1802 von der französischen Regierung säkularisiert und aufgehoben wurde. Von seinem äußeren Bestand ist kaum mehr ein Rest vorhanden. Umso erfreulicher ist es, dass eine Chronik14 erhalten blieb, die überraschend lebendig und inhaltsgefüllt über die facettenreiche Geschichte dieser Weisenauer Terziarinnen und ihrer Umgebung berichtet. Auf Bitten der Vorsteherin Clara Pfeiffer15 hatte 1659 P. Adam Bürvenich, damals Definitor im Mainzer Franziskanerkloster und Chronist der Rheinischen Provinz der Franziskaner-Rekollekten, begonnen, die Chronik zu schreiben. Unter Benutzung von Dokumenten und Aufzeichnungen skizzierte er zunächst die erst wenige Jahrzehnte alte Geschichte der Terziarinnen in Klein-Winternheim und der Reuerinnen in Weisenau. Dann hielt er – und zwar mitunter recht ausführlich und weit ausholend – die klösterlichen Vorkommnisse und Veränderungen und die Ereignisse der Zeit bis zum Jahr 1663 fest. Nach kurzer Unterbrechung setzten andere Franziskaner aus Mainz, die im Kloster der Terziarinnen als Beichtväter oder geistliche Berater tätig waren, die Arbeit an der Chronik fort, dabei gelegentlich abgelöst von Schwestern aus dem Konvent. Die Chronik, eine beachtenswerte und vor allem für die Region wichtige historische Quelle mit unterschiedlicher
10
Köster, Reuerinnen (Anm. 3), S. 267; Berger, Chronik (Anm. 5), S. 275; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 216 nennt als Datum den 21. August 1541. 11
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 223; Berger, Chronik (Anm. 5), S. 275.
12
Vgl. zur Person des späteren Dompredigers: Nikolaus Paulus, Johann Wild. Ein Mainzer Domprediger des 16. Jahrhunderts, Köln 1893. 13
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 221 – 223.
14
Martinusbibliothek Mainz, Hs 2: „Chronicke des Closters der Schwestern 3ten ordens St. Francisci außerhalb der churfürstl. Residentz Statt Maintz bey Weißenaw anno 1659“. 15
Sie starb am 4. Juli 1669, nachdem sie 34 Jahre Oberin gewesen war (vgl. unten).
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Friedhelm Jürgensmeier
Dichte und historischer Aussagekraft, endet mit dem Jahr 1800. Die letzten Eintragungen stammen aus der Feder des Mainzer Franziskaners P. Anicetus Tamson.16 Eine Edition dieser Chronik liegt nicht vor. Wohl aber wurde sie in zwei längeren Beiträgen ausgewertet und in Passagen vorgestellt. In seiner 1884 erschienenen Abhandlung über „Die Klöster der Büßerinnen bei Weisenau und der Tertiarinnen zu Klein-Winternheim“ charakterisiert Peter Bruder17 kurz die „Chronik“ und geht dann anhand dieser Quelle der Geschichte der Weisenauer Terziarinnen von den Anfängen bis zur Klosterauflösung 1802 nach. Häufige in Übersetzung vorgelegte Zitate aus der Chronik lassen gut deren Art und Inhalt erkennen. Thomas Berger18 konzentriert seinen Beitrag in dem unter das Thema „Frauen in der franziskanischen Bewegung“ gestellten Band im Wesentlichen auf die Geschichte des Weisenauer Klosters in den Jahren von 1792 bis 1802. Seine zahlreichen aus der Chronik herangezogenen Berichte vermitteln einen lebhaften Eindruck von den kriegerischen Vorkommnissen, den Schrecken, den politischen und geistigen Umbrüchen und dem subjektiven Empfinden der unmittelbar Betroffenen im letzten Jahrzehnt der Geschichte von Erzstift und Kurstaat Mainz und vom politisch bewirkten Ende des jahrhundertealten monastischen und klösterlichen Lebens dieser Region. Das aufgelöste Kloster der Terziarinnen an der Weisenauerstraße 3 wurde im 19. Jahrhundert zugunsten des Baues einer Kaserne weitgehend niedergelegt. Außer einem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichteten rundbogigen Hofportal aus rotem Sandstein erinnern keine baulichen Reste mehr an das Kloster, es sei denn der spätbarocke so genannte „Äbtissinnenbau“ an der Wormserstraße 15, der den Franziskaner-Terziarinnen gehört haben soll.19
16
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 204.
17
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 200 – 241 und 293 – 336: Prof. Dr. Peter Bruder (1845 – 1927) war Mainzer Diözesan-Archivar und Geistlicher Rat; vgl. H(einrich) Schrohe, Todesfälle [Nachruf auf Peter Bruder], in: Historisches Jahrbuch 47 (1927), S. 653; sowie Heinrich Schrohe, Geistlicher Rat Professor Dr. Bruder (Bild seines Lebens, Veröffentlichungen), in: Katholischer Kirchenkalender der Pfarrei Bingen für das Jahr 1926, hg. von J. Como, S. 14 – 18 (mit Schriftenverzeichnis). 18 19
Berger, Chronik (Anm. 5), S. 273 – 319.
Zur Denkmaltopographie vgl. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2.1: Stadt Mainz. Stadterweiterungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, bearb. von Angela Schumacher / Ewald Wegner, Worms 1986, S. 200; Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2.3: Stadt Mainz. Vororte, bearb. von Dieter Krienke, Worms 1997, S. 156.
Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau
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Umso wertvoller ist es, dass außer der „Chronik“ noch ein erst 1762 angelegtes handgeschriebenes „Todten-Register“20 für die Jahre 1610 – 1798 die Erinnerung wach hält an diejenigen, die in einem Zeitraum von über 200 Jahren als Ordensfrauen in dem Kloster lebten und wirkten. Dieses Verzeichnis in Form eines Memorien- oder Seelenbuches nennt nach Monat und Tag geordnet das Todesdatum, die Namen, das Lebens- und das Professalter der verstorbenen Schwestern, vor die Wir schuldig sein zu ewigen Zeiten zu betten.21 Weilen des Closters Seellenbuch sambt allen anderen briefschaften durch das schwedische Kriegswesen verlohren,22 wurde das gebundene Büchlein (10 cm x 17 cm) der Schwestern Jahrgezeiten zur gedächtnus 1762 von Schwester Josepha Vogelmann23, seit 1759 Oberin, neu angelegt. Die Vorsteherin schrieb auf die Blätter nach Art eines Kalenders zunächst die Monatsnamen (beginnend mit Januarius auf fol. 19) und je darunter durchnummeriert die Tage des Monats.24 Sie trug auch bei den Monaten von Juli (fol. 41v) bis Dezember die Namen und Angaben der bis zum Jahr 1762 verstorbenen Mitschwestern ein, soweit die Namen und Todes- und Gedächtnistage dem Kloster noch bekannt waren. Große Lücken bestehen bis 1632. Das älteste eingetragene Datum ist der 5. Januar 1610, an dem in Gott selig entschlafen Schwester Anna Schreiberin, ihres Alters 77, im h(eiligen). Orden 60 Jahr, ist 33 Jahr Köchin gewest, ein sehr demütiges Kind.25 Eine andere Schrift nahm die Nachträge für die Monate Januar bis Juni vor. Die Namen und Daten der Verstorbenen der Jahre von 1762 bis 1794 wurden von der jeweils dafür zuständigen Schwester eingetragen. Das letzte festgehaltene Datum ist der 25. September 1794, an dem in Gott selig entschlafen Schwester Maria Hyacinta Hildmännin, ihres Alters im 40., 20
Stadtarchiv Mainz (StA Mainz) 13/25: Das „Todten-Register der Geistlichen abgestorbenen Schwestern in dem jungfräulichen Kloster Allerheiligenberg“ bei Weisenau. – Es scheint, als ob in der Literatur diese Quelle bisher noch nie herangezogen wurde. 21
Fol. 18v. Die Foliierung der Handschrift (fol. 1 – 84v , 168 Seiten) nahm im Jahre 1931 Archivdirektor Dr. Richard Dertsch (1894 – 1981) vor; zu Dertsch vgl. den Nachruf von Hans Knies, in: AmrhKG 34 (1982), S. 374 – 375. 22
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 234 – 241 bringt Berichte aus der Chronik, wie die Schwestern die Schrecken der Jahre 1631 bis 1633 erlebten. 23 Eigenhändiger Eintrag (fol. 18v); Berger, Chronik (Anm. 5), S. 279 und 284 gibt als Tag der Wahl zur Oberin mit Bezug auf die Chronik den 29. Mai 1759 an und nennt als Todestag den 9. September 1793; an diesem Tag starb aber laut Totenbuch fol. 53 nicht sie, sondern die Oberin Maria Josepha Höck. 24
Es dürfte wohl auf Flüchtigkeit beruhen, dass dem Februar lediglich 28 (ohne Schaltjahr) Tage zugeschrieben wurden, dem März 30, dem April 32, dem Juni 25 und den Monaten September und November je 31 Tage. 25
Fol. 19.
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Friedhelm Jürgensmeier
ihrer geistlichen Profess im 19. Jahr. Gott gebe ihr die ewige Ruh.26 Fast alle Eintragungen für die Schwestern geschehen in der stereotypen Form in Gott selig entschlafen. Selten ist eine kurze Charakterisierung oder Bemerkung wie etwa Gott gebe ihr die ewige Ruhe oder Bemerkungen wie bei Schwester Anna Schreiber. Die stilistische Formulierung ändert sich jedoch im Allgemeinen dann, wenn das Jahrgedächtnis nahe stehender verstorbener Geistlicher oder Wohltäter ins Totenbuch eingetragen wird. Dann heißt es zumeist, sie seien verschieden, gestorben oder Gott habe bei ihnen das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselt.27 Die Chor- und Laienschwestern im Kloster und mitunter auch weltliche Terziarinnen werden als Schwester, Soror oder besonders häufig als Sör bezeichnet, die Vorsteherinnen zumeist als Mutter. Zweimal werden lediglich Gedenktage genannt. Am 17. Juli mussten für einen geistlichen Herrn zu ewigen Zeiten drei Messen gelesen und von den Schwestern im wöchentlichen Kapitel drei Pater Noster gebetet werden und am 11. September heißt es, der Ablass am Hochaltar sei zu verrichten.28 Am 10. April wird vermerkt, 1714 sei die 30 Jahre alte Anna Maria Lacher als Laienschwester eingekleidet worden.29 Einbezogen wurden die Laienschwestern, einige weltliche Personen und zwei weltliche Terziarinnen, nämlich die am 4. Januar 1666 verstorbene Pfründnerin Schwester Catharina Fischer (fol. 19) und die am 20. März 1735 verstorbene Jungfer Anna Sibilla Enßl(in) (fol. 27).30 Insgesamt werden im Totenbuch 83 Namen von Ordensfrauen genannt, nämlich 80 verstorbene Schwestern, die genannte Anna Maria Lacher, die Oberin Josepha Vogelmann und die letzte Oberin Johanna Hartmann, die auf Anordnung der französischen Regierung am 27. Juli 1798 die Aufzeichnungen an die Munizipalität des Kantons Mainz ablieferte (fol. 1).
26
Fol. 56.
27
So etwa fol. 19und 41v, 59.
28
Fol. 43v und 53v.
29
Fol. 30; eventuell identisch mit der am 17. August 1724 verstorbenen Anna Maria Lach. 30 Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 314. Aus ihrem Nachlass wurden liturgische Gerätschaften für die restaurierte Klosterkirche angeschafft.
Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau
247
II. Erschließung des „Totenbüchlein“ In vier Listen wird das Totenbüchlein erschlossen: 1. alphabetisch , 2. chronologisch nach dem Todesjahr, 3. nach den errechneten Professjahren und 4. die Oberinnen. 1. Die Namen der Verstorbenen31 Albanin32, Anna Maria: gest. 2. Febr. 1697; 56 Jahre, 37 Jahre im Orden, 7 Jahre Vikarin (fol. 22v). Alterin, Margarethe: gest. 31. Aug. 1682; 49 Jahre, 23 Jahre Profess (fol. 51v). Angelina: gest. 13. Dez. 1742; 78 Jahre, 57 Jahre Profess (fol. 70). Anthesin, Maria Antonia: gest. 6. Jan. 1773; 63 Jahre, 45 Jahre Profess (fol. 19v). Baumänin, Catharina: gest. 30. Dez. 1734; 79 Jahre, 58 Jahre Profess (fol. 73). Baumänin, Margaretha: gest. 30. Juli 1711; 64 Jahre, 44 Jahre Profess (fol. 46). Bauschin33, Catharina: gest. 27. Sept. 1637; 34 Jahre, 18 Jahre Profess (fol. 56). Beltzin, Maria Antonia: gest. 18. Sept. 1794; 24 Jahre, 1 Jahr Profess (fol. 54v). Bintge34, Anna Maria: gest. 23. April 1759; 38 Jahre, 16 Jahre Profess, weltliche Terziarin (fol. 32). Bintgerin, Maria Theresia: gest. 30. Aug. 1793; 61 Jahre, 35 Jahre Profess (fol. 51). Bläßbachin35, Margaretha: gest. 3. Jan. 1669; 81 Jahre, 68 Jahre Profess, 8 Jahre Oberin (fol. 19).
31 Den Vornamen sind zumeist die Familiennamen beigegeben, und zwar in feminisierter Form. 32
Das Kloster erhielt von ihr an Mitteln etwa 1.000 Reichstaler; fol. 22v.
33
Sie stammte aus Limburg und ist identisch mit Catharina Pampessin, die 1632 nach der Flucht des Konvents vor den schwedischen Truppen von dem wie Mainz ebenfalls eingenommenen Andernach weiter nach Boppard floh; Bruder, Klöster, S. 241 und 303. 34
Bruder nennt sie Bintger; sie stammte aus Weisenau, lebte 18 Jahre im Kloster, gab für ihre Kost 2.000 fl.; nach ihrem Tod erhielt das Kloster nochmals 110 fl. sowie Mobiliar und Kleidung; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 316. 35
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241 bezeichnet sie 1632 als Oberin; sie blieb nach der Flucht vor den schwedischen Truppen in Andernach, wo den Schwestern Unterkunft
248
Friedhelm Jürgensmeier
Blumin36, Anna: gest. 19. Jan. 1657; 49 Jahre, 33 Jahre Profess (fol. 20). Bornin37, Elisabeth: gest. 29. Jan. 1658; 78 Jahre, 47 Jahre Profess (fol. 20v). Braunin, Maria Theresia: gest. 7. Febr. 1753; 70 Jahre, 54 Jahre Profess (fol. 23v). Catharina Gertrudis: gest. 16. Dez. 1722; 50 Jahre, 27 Jahre Profess (fol. 71). Christina: gest. 21. Aug. 1691; 75 Jahre, 52 Jahre Profess (fol. 49v). Destrigin, Elisabeth: gest. 2. Jan. 1694; 68 Jahre, 30 Jahre Profess (fol. 19). Diehlin, Henerica: gest. 27. April 1759; 48 Jahre, 29 Jahre Profess (fol. 32v). Döörigen, Ludovica: gest. 27. Dez. 1784; 28 Jahre, 8 Jahre Profess (fol. 72v). Dorothea38: gest. 25. Sept. 1635; 51 Jahre, 30 Jahre Profess (fol. 56). Dorothea: gest. 23. Okt. 1666; 42 Jahre, 16 Jahre Profess (fol. 61). Dörrin, Rosa: gest. 30. März 1744, Laienschwester (fol. 28). Dörrin, Serafina: gest. 25. Okt. 1784; 35 Jahre, 11 Jahre Profess (fol. 61v). Feyin, Coleta: gest. 22. Juni 1783; 68 Jahre, 45 Jahre Profess (fol. 39v). Förgin, Archangela: gest. 15. Mai 1759; 53 Jahre, 37 Jahre Profess, 5 Jahre Oberin (fol. 36). Francisca: gest. 19. Okt. 1685; 67 Jahre, 40 Jahre Profess (fol. 60v). Fulmerin, Margareta: gest. 4. Febr. 1635; 67 Jahre, 42 Jahre im Orden39 (fol. 22v).
gewährt worden war; die meisten anderen Schwestern wurden von Andernach aus auf Klöster in anderen Orten verteilt. 36
Sie flüchtete mit Schwester Elisabeth Müntz von Andernach weiter nach Carden; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241. 37 Sie stammte aus Trier; in Vertretung des zuständigen Franziskaner-ObservantenGuardians von Limburg an der Lahn wurde sie am 5. Mai 1610 von Leonard Baronius, Pfarrer von St. Emmeran, als Schwester eingekleidet; ihre Profess nahm im folgenden Jahr der Franziskaner P. Martin Mertzenich entgegen; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 229. 38
Diese Eintragung ist überdeckt von einem angehefteten Zettel. Die Schwester blieb 1632 nach der Flucht vor den Schweden in Andernach; auch hier nur der Vorname; 1634 blieb sie bei der kranken Schwester Christina Kisselstein im Weisenauer Kloster, während die anderen Schwestern in die Stadt Mainz flüchteten; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241 und 296. 39
Ihre Profess wohl 1593; blieb 1632 nach der Flucht vor den schwedischen Truppen vorübergehend in Andernach, obwohl auch dorthin die feindliche Soldateska einrückte; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241; dort „Fülmerin“ genannt.
Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau
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Geigerin, Constantia: gest. 30. April 1776 (fol. 33). Geistin, Francisca: gest. 18. Dez. 1760; 80 Jahre, 50 Jahre Profess (fol. 71). Gischettin, Engelberta: gest. 30. Dez. 1788; 68 Jahre, 48 Jahre Profess, im 8. Jahr Oberin40 (fol. 73v). Görtzin, Ludovica41: gest. 15. Dez. 1749; 62 Jahre, 40 Jahre Profess (fol. 70v). Hauselin42, Margaretha: gest. 4. Juli 1636 (fol. 41). Hertzin43, Elisabetha: gest. 18. Nov. 1633 (fol. 65v). Hildmännin, Maria Hyacintha: gest. 25. Sept. 1794; 40 Jahre, 19 Jahre Profess (fol. 56). [Hinckin44], Johanna: gest. 26. Nov. 1633; 34 Jahre, 21 Jahre Profess (fol. 67). Höckin, Maria Josepha: gest. 9. Sept. 1793; 53 Jahre, 30 Jahre Profess, 5 Jahre Oberin (fol. 53). Hyacintha: gest. 28. Dez. 1775; 55 Jahre, 34 Jahre Profess (fol. 73). Keisin, Elisabetha: gest. 29. April 1638 (fol. 33). Kertzin, Coleta: gest. 5. Juni 1729; 22 Jahre, 1 Jahr Profess (fol. 38v). [Kisselstein45], Christina: gest. 3. Juli 1635; 62 Jahre, 45 Jahre Profess (fol. 40v).
40
Zu ihrer Wahl als Oberin auch Berger, Chronik (Anm. 5), S. 284.
41
Maria Ludovica war die Tochter des kurfürstlich Mainzer Hofkammer-Rats und Haus-Hofmeisters Johann Ignaz Görtz, ein großer Wohltäter des Klosters, das er auch als Universalerbe einsetzte. Er wurde in der Kirche des Klosters beigesetzt; vgl. Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 314 f. Seine Ehefrau Sophia Görtz starb am 1. Oktober (keine Jahresangabe); vgl. Totenbüchlein, fol. 57v. 42 Auch „Heusselin“; 1632 flüchtete sie von Andernach weiter nach Aachen; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241. 43
Sie ist wohl identisch mit Schwester Elisabeth Müntz, die 1632 von Andernach weiter nach Carden floh; es könnte sich mit der 1632 genannten Schwester Elisabeth aber auch um die 1637 als krank beschriebene und 1638 verstorbene Elisabeth Keis handeln; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241und 303. 44 Sie war 1632 Vikarin; sie floh von Andernach weiter in das Kloster der Prämonstratenserinnen in Beselich; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241. 45
Unter den Schwestern, die 1632 bei der Flucht nach Andernach genannt werden, ist keine Christina, wohl aber eine Cäcilia Weicker, die weiter nach Beselich reist. Ein solcher Name ist im Totenbuch nicht zu finden. Diese Schwester Cäcilia darf nicht mit Schwester Christina verwechselt werden, denn sie zählt 1637 zu den erkrankten Schwes-
250
Friedhelm Jürgensmeier
Kitzerin, Innatia: gest. 6. Mai 1776 (fol. 34v). [Künigin46], Anna: gest. 22. Okt. 1637; 70 Jahre, 46 Jahre Profess (fol. 61). Kunin47, Martha: gest. 8. Nov. 1656; 54 Jahre, 37 Jahre Profess (fol. 64). Lachin, Anna Maria: gest. 17. Aug. 1724; 43 Jahre, 12 Jahre Profess (fol. 49). Maasin, Maria Anna: gest. 16. Aug. 1793; 58 Jahre, 38 Jahre Profess (fol. 49). Margin, Johanna: gest. 1. Juni 1702; 54 Jahre Profess (fol. 38v). Maria Antonia: gest. 30. Nov. 1726; 30 Jahre, 9 Jahre Profess (fol. 67v). Maria Magdalena: gest. 20. Dez. 1745; 73 Jahre, 52 Jahre Profess (fol. 71v). Martha: gest. 14. Nov. 1697; 61 Jahre, 36 Jahre Profess (fol. 65). Mirbachin, Maria Anna: gest. 29. Okt. 1740 (fol. 62). Müllerin48, Anna: gest. 4. Mai 1632 (fol. 34). Netzin49, Elisabetha Catharina: gest. 27. Jan. 1779; 54 Jahre im Orden (fol. 20v). Pacifica: gest. 21. Sept. 1763; 64 Jahre, 44 Jahre Profess (fol. 55). Peroin, Agnes: gest. 8. Mai 1759; 53 Jahre, 37 Jahre Profess (fol. 34v). Pfeifferin50, Clara: gest. 4. Juli 1669; 67 Jahre, 45 Jahre Profess, 34 Jahre Oberin (fol. 41). tern. Dagegen war Schwester Christina Kisselstein bereits 1634 so krank, dass sie nicht mit den anderen Schwestern vom durch Krieg sehr gefährdeten Weisenau in das Mainzer Klarissenkloster fliehen konnte; mit Schwester Dorothea blieb sie im Kloster, bis ein Bauer sie nachts auf dem Rücken zu den anderen Schwestern in die Stadt trug; dort starb sie und wurde bei den Klarissen begraben; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241. 46
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241 und 303; danach war sie 1632 nicht bei den nach Andernach geflohenen Schwestern, starb im Alter von 62 Jahren und hatte die Profess vor 46 Jahren abgelegt. 47
Nach Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241 hieß sie Martha Krig(in), stammte aus Mainz, reiste 1632 von Andernach weiter nach Aachen und starb nicht 1656, sondern infolge einer Epidemie am 8. November 1637, ihres Alters 58, Profession 38 Jahre; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241 und 303. 48
Sie stammte aus Hochheim, legte 1587 Profess ab; starb in Andernach in Gott verschieden und wurde in Andernach bei unseren Patres (pattris) in ihrem Kreuzgang begraben. Dorthin hätten die Schwestern wegen des schwedischen Kriegs aus ihrem Kloster allhier zu Weisenau 1631 ausziehen müssen. Die Schreiberin fügt hinzu: Gott sei ihrer Seele gnädig (fol. 34). 49
Sie dürfte die Profess 1725 abgelegt haben.
Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau
251
Pilipin, Maria Francia: gest. 20. Febr. 1786; 43 Jahre, 23 Jahre Profess (fol. 24v). Quantin, Rosa: gest. 21. Febr. 1793; 69 Jahre, 48 Jahre Profess, Laienschwester (fol. 24v). Reinhartin, Elisabetha: gest. 12. Mai 1759; 84 Jahre, 63 Jahre Profess (fol. 35v). Richelin, Maria Margaretha: gest. 31. Okt. 1767; 80 Jahre, 52 Jahre Profess, Laienschwester (fol. 62v). Riglin, Martha: gest. 21. Juli 1781; 75 Jahre, 53 Jahre Profess (fol. 44v). Schligtin, Rosa: gest. 27. Juli 1728; 24 Jahre, 4 Jahre Profess (fol. 45v). Spanierin, Rosa: gest. 18. Nov. 1716; 37 Jahre, 21 Jahre Profess (fol. 65v). Spönlin, Maria Barbara: gest. 11. Mai 1706; 66 Jahre, 46 Jahre Profess, 30 Jahre Küsterin (fol. 35). Schreiberin, Anna: gest. 5. Jan. 1610; 77 Jahre, 60 Jahre Profess, 33 Jahre Köchin (fol. 19v). Schreiberin, Argangela: gest. 24. Nov. 1794; 24 Jahre, 1 Jahr Profess (fol. 66v). Schürerin51, Maria Magdalena: gest. 25. Nov. 1718; 87 Jahre, 58 Jahre Profess, 34 Jahre Oberin (fol. 67). Schwarz, Maria Bernardina: gest. 31. Aug. 1793; 86 Jahre, 70 Jahre Profess, 34 Jahre Vikarin, Jubilarin (fol. 51v). Schwöbin (Schwäbin?), Coleta: gest. 28. Aug. 1727; 69 Jahre, 50 Jahre Profess (fol. 51). Steinmetzin, Maria Catharina: gest. 2. Dez. 1675; 20 Jahre im Orden (fol. 68v). Trexlerin, Anna Catharina: gest. 28. Okt. 1730; 84 Jahre, 42 Jahre Profess (fol. 62). Trimerin52 [Trümmer], Anna Maria: gest. 23. Nov. 1759; 80 Jahre, 62 Jahre Profess (fol. 66v). Ursula: gest. 14. Dez. 1708 (fol. 70v). Waisin, Clara: gest. 30. Aug. 1687; 41 Jahre, 20 Jahre Profess (fol. 51).
50 Sie stammte aus Ursel bei Frankfurt; zu ihrer Person siehe Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 201 – 202 und 237 – 238. 51
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 313 nennt als Familiennamen „Schärer“.
52
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 314.
252
Friedhelm Jürgensmeier
Weichin, Cecilia: gest. 18. Okt. 1789; 86 Jahre, 61 Jahre Profess (fol. 60). [Wenerin53], Barbara: gest. 4. Okt. 1637; 55 Jahre, 44 (sic!) Jahre Profess (fol. 58). Wernerin, Maria Barbara: gest. 9. Sept. 1770; 80 Jahre, 53 Jahre Profess (fol. 53). Wetzlin, Eupfrasia: gest. 7. Juli 1682; 67 Jahre, 45 Jahre Profess, 3 Jahre Oberin (fol. 42). Wirthin, Ludovica: gest. 11. Mai 1773; 39 Jahre, 20 Jahre Profess (fol. 35). Wolffin, Maria Antonia: gest. 26. März 1789; 36 Jahre, 11 Jahre Profess (fol. 27v). Zirachin (Ziruck?), Catharina Theresia: gest. 7. Nov. 1783; 37 Jahre, 17 Jahre Profess (fol. 64). 2. Sterbetag und Todesjahr 1610, 05. Jan.
Schreiber, Anna
1632, 04. Mai
Müller, Anna
1633, 18. Nov.
Hertz, Elisabeth
1633, 26. Nov.
[Hinck], Johanna
1635, 04. Febr. Fulmer, Margareta 1635, 03. Juli
[Kisselstein], Christina
1635, 25. Sept.
Dorothea
1636, 04. Juli
Hausel, Margaretha
1637, 27. Sept.
Bausch [Pampessin], Catharina
1637, 04. Okt.
[Wener], Barbara
1637, 22. Okt.
[Künig], Anna
1637, 08. Nov.
Kun [Krigin], Martha54
53 Barbara Wener aus Weisenau brachte 1632 den eilig nach Andernach geflüchteten Schwestern Ordenskleidung; wegen ihrer organisatorischen Tüchtigkeit nannte man sie „des Klosters Marktschiff“; nach anderer Angabe starb sie ihres Alters 68, der Profess 54 Jahre; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 235, 299 und 303. 54
Vgl. Anm. 46.
Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau
1638, 29. April Keis, Elisabeth 1656, 08. Nov.
Kun [Krigin], Martha55
1657, 19. Jan.
Blum, Anna
1658, 29. Jan.
Born, Elisabeth
1666, 23. Okt.
Dorothea
1669, 03. Jan.
Bläßbach, Margaretha
1669, 04. Juli
Pfeiffer, Clara
1675, 02. Dez.
Steinmetz, Maria Catharina
1682, 07. Juli
Wetzl, Euphrasia (Eupfrasia)
1682, 31. Aug.
Alter, Margarethe
1685, 19. Okt.
Francisca
1687, 30. Aug.
Wais (Weis), Clara
1691, 21. Aug.
Christina
1694, 02. Jan.
Destrig, Elisabeth
1697, 02. Febr. Alban, Anna Maria 1697, 14. Nov.
Martha
1702, 01. Juni
Marg, Johanna
1706, 11. Mai
Spönl, Maria Barbara
1708, 14. Dez.
Ursula
1711, 30. Juli
Baumann, Margaretha
1716, 18. Nov.
Spanier, Rosa
1718, 25. Nov.
Schürer, Maria Magdalena
1722, 16. Dez.
Catharina Gertrudis
1724, 17. Aug.
Lach, Anna Maria
1726, 30. Nov.
Maria Antonia
1727, 28. Aug.
Schwöb (Schwäb?), Coleta
55
Vgl. Anm. 46.
253
254
Friedhelm Jürgensmeier
1728, 27. Juli
Schligt, Rosa
1729, 05. Juni
Kertz, Coleta
1730, 28. Okt.
Trexler, Anna Catharina
1734, 30. Dez.
Baumann, Catharina
1740, 29. Okt.
Mirbach, Maria Anna
1742, 13. Dez.
Angelina
1744, 30. März Dörr, Rosa 1745, 20. Dez.
Maria Magdalena
1749, 15. Dez.
Görtz, Ludovica
1753, 07. Febr. Braun, Maria Theresia 1759, 23. April Bintge, Anna Maria 1759, 27. April Diehl, Henerica 1759, 08. Mai
Pero, Agnes
1759, 12. Mai
Reinhart, Elisabeth
1759, 15. Mai
Förg, Archangela
1759, 23. Nov.
Trimer (Trümmer), Anna Maria
1760, 18. Dez.
Geist, Francisca
1763, 21. Sept.
Pacifica
1767, 31. Okt.
Richel, Maria Margaretha
1770, 09. Sept.
Werner, Maria Barbara
1773, 06. Jan.
Anthes, Maria Antonia
1773, 11. Mai
Wirth, Ludovica
1775, 28. Dez.
Hyacintha
1776, 30. April Geiger, Constantia 1776, 06. Mai
Kitzer, Innatia
1779, 27. Jan.
Netz, Elisabeth Catharina
1781, 21. Juli
Rigl, Martha
1783, 22. Juni
Fey, Coleta
Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau
1783, 07. Nov.
Zirachin (Ziruck?), Catharina Theresia
1784, 25. Okt.
Dörr, Serafina
1784, 27. Dez.
Döörigen, Ludovica
1786, 20. Febr. Pilip, Maria Francia 1788, 30. Dez.
Gischett, Engelberta
1789, 26. März Wolff, Maria Antonia 1789, 18. Okt.
Weich, Cecilia
1793, 21. Febr. Quant, Rosa 1793, 16. Aug.
Maas, Maria Anna
1793, 30. Aug.
Bintger, Maria Theresia
1793, 31. Aug.
Schwarz, Maria Bernardina
1793, 09. Sept.
Höck, Maria Josepha
1794, 18. Sept.
Beltz, Maria Antonia
1794, 25. Sept.
Hildmann, Maria Hyacintha
1794, 24. Nov.
Schreiber, Argangela (Archangela) 3. Erste Profess56
1550
Schreiber, Anna († 1610)
1587
Müller, Anna († 1632)
1590
[Kisselstein], Christina († 1635)
1591
[Künig], Anna († 1637)
1593
Fulmer, Margareta († 1635)
1593
[Wener], Barbara († 1637)
1599
Kun [Krigin], Martha († 1637; vgl. Anm. 46)
1601
Bläßbach, Margaretha († 1669)
1605
Dorothea († 1635)
56
Errechnet; Abweichungen in der Jahreszahl um +/-1 sind möglich.
255
256
Friedhelm Jürgensmeier
1611
Born, Elisabeth († 1658)
1612
[Hinck], Johanna († 1633)
1619
Kun [Krigin], Martha († 1656; vgl. Anm. 46)
1619
Bausch [Pampessin], Catharina († 1637)
1624
Blum, Anna († 1657)
1624
Pfeiffer, Clara († 1669)
1637
Wetzl, Euphrasia (Eupfrasia) († 1682)
1639
Christina († 1691)
1645
Francisca († 1685)
1648
Marg, Johanna († 1702)
1650
Dorothea († 1666)
1655
Steinmetz, Maria Catharina († 1675)
1659
Alter, Margarethe († 1682)
1660
Alban, Anna Maria († 1697)
1660
Spönl, Maria Barbara († 1706)
1660
Schürer, Maria Magdalena († 1718)
1661
Martha († 1697)
1664
Destrig, Elisabeth († 1694)
1667
Baumann, Margaretha († 1711)
1667
Wais (Weis), Clara († 1687)
1676
Baumann, Catharina († 1734)
1677
Schwöb (Schwäb?), Coleta († 1727)
1685
Angelina († 1742)
1688
Trexler, Anna Catharina († 1730)
1693
Maria Magdalena († 1745)
1695
Catharina Gertrudis († 1722)
1695
Spanier, Rosa († 1716)
1696
Reinhart, Elisabeth († 1759)
Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau
1697
Trimer (Trümmer), Anna Maria († 1759)
1699
Braun, Maria Theresia († 1753)
1709
Görtz, Ludovica († 1749)
1710
Geist, Francisca († 1760)
1712
Lach, Maria Anna († 1724)
1715
Richel, Maria Margaretha († 1767)
1717
Maria Antonia († 1726)
1717
Werner, Maria Barbara († 1770)
1719
Pacifica († 1763)
1722
Förg, Archangela († 1759)
1722
Pero, Agnes († 1759)
1723
Schwarz, Maria Bernardina († 1793)
1724
Schligt, Rosa († 1728)
1725
Netz, Elisabeth Catharina († 1779)
1728
Anthes, Maria Antonia († 1773)
1728
Kertz, Coleta († 1729)
1728
Rigl, Martha († 1781)
1728
Weich, Cecilia († 1789)
1730
Diehl, Henerica († 1759)
1738
Fey, Coleta († 1783)
1740
Gischett, Engelberta († 1788)
1741
Hyacintha († 1775)
1743
Bintge, Anna Maria († 1759; weltliche Terziarin)
1745
Quant, Rosa († 1793)
1753
Wirth, Ludovica († 1773)
1755
Maas, Maria Anna († 1793)
1758
Bintger, Maria Theresia († 1793)
1763
Höck, Maria Josepha († 1793)
257
258
Friedhelm Jürgensmeier
1763
Pilip, Maria Francia († 1786)
1766
Zirachin (Ziruck?), Catharina Theresia († 1783)
1773
Dörr, Serafina († 1784)
1775
Hildmann, Maria Hyacintha († 1794)
1776
Döörigen, Ludovica († 1784)
1778
Wolff, Maria Antonia († 1789)
1793
Beltz, Maria Antonia († 1794)
1793
Schreiber, Argangela (Archangela) († 1794)
Mitunter fehlen Angaben über das Lebensalter bzw. Professalter, so – in chronologischer Reihenfolge – bei: Elisabeth Hertz († 1633), Margaretha Hausel († 1636), Elisabeth Keis († 1638), Ursula († 1708), Maria Anna Mirbach († 1740), Rosa Dörr († 1744), Constantia Geiger († 1776) und Innatia Kitzer († 1776). 4. Oberinnen Aus dem Totenbüchlein lässt sich nur bedingt folgende Reihung der Vorsteherinnen erstellen: 1632
Bläßbach, Margarethe (gest. 1669), 8 Jahre Oberin (fol. 19); nachweisbar 1632.57
1634
Wohnhoff, Martha; nachweisbar 1634.58
1635 – 1669
Pfeiffer Clara, 34 Jahre Oberin (fol. 41).
vor 1682
Wetzl, Eupfrasia (gest. 1682), 3 Jahre Oberin (fol. 42).
1681 – 1715
Schürer, Maria Magdalena, 34 Jahre Oberin (fol. 67).
1715 – 1754
Göpfert, Maria Agnes.59
1754 – 1759
Förg, Archangela, im 5. Jahr Oberin (fol. 36).
1759 – 1781
Vogelmann, Josepha60 (fol. 19).
57
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 241.
58
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 232.
59
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 204 und 313; gebürtig aus Mainz; ihre Amtszeit endete 1756 und nicht, wie bei Bruder angegeben, erst 1759.
Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau
1781 – 1788
Gischett, Engelberta, im 8. Jahr Oberin (fol. 73v).
1788 – 1793
Höck, Maria Josepha, 5 Jahre Oberin (fol. 53).
1793 – 1802
Hartmann, Josepha (fol. 1).
259
III. Auswertung Mit der in der Martinusbibliothek Mainz aufbewahrten „Chronik“ des Klosters und dem hier vorgestellten, im Stadtarchiv Mainz vorhandenen „TodtenRegister“ sind zwei Quellen überliefert, die wesentlich dazu beitragen können, die Geschichte und die Bewohner des „Weisenauer Klösterchen“ in der Erinnerung zu behalten. Nimmt man das Totenbuch und ergänzt aus der Literatur die Namen von Anna Sallwerder61 und Elisabeth Münz62, die 1613 als Ordensfrauen eingekleidet wurden, von Martha Wohnhoff63 und Maria Agnes Göpfert64, die, obwohl beide viele Jahre als Oberinnen tätig, im Totenbuch nicht verzeichnet sind, und von Schwester Seraphine65 aus Hechtsheim, die 1793 bei der Belagerung und Beschießung von Mainz mit zwei Laienschwestern zum Schutz des Klosterbesitzes und zur Bedienung der im Kloster einquartierten Offiziere zurückblieb und nicht mit den übrigen damals noch etwa 18 Mitschwestern in das Mainzer Klarissenkloster geflohen war,66 dann lassen sich die Namen und wesentliche Daten von 88 Franziskaner-Terziarinnen nennen, die zwischen 1550 und 1802 im Weisenauer Kloster lebten, beteten und wirkten. Von fast allen gibt es Auskünfte über das Eintrittsalter ins Kloster, das Jahr der ersten Profess und über Jahr und Tag, da sie in Gott selig entschlafen sind. Das errechnete Durchschnittsalter ihres Eintritts liegt bei 21,7 Jahren. Von den im 17. Jahrhundert verstorbenen Schwestern waren bei ihrer Profess acht jünger als 20 Jahre, darunter Schwester Barbara Wener, die 1583 als Elfjährige ihre erste Profess ablegte, sowie Margarethe Bläßbach und Johanna Hinck, die 1601 bzw. 1612 im noch kindlichen Alter von 13 Jahren Profess machten. Das Pro60
Sie legte das Totenbuch an. Nur ihr Name, nicht aber ihr Todestag, ist in diesem festgehalten; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 315 und 317 vermutet als Todesjahr 1781; Berger, Chronik (Anm. 5), S. 279 und 264 gibt irrtümlich den 9. September 1793 an. 61
Sie legte 1614 bereits ihre Profess ab; Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 232.
62
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 232; möglicherweise identisch mit der 1633 verstorbenen Elisabeth Hertz. 63
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 232 f.
64
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 204 und 313 f.
65
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 324.
66
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 324.
260
Friedhelm Jürgensmeier
fessalter der im 18. Jahrhundert verstorbenen Schwestern lag mit durchschnittlich 21,91 Jahren geringfügig höher als der für die Zeit von 1610 bis 1704 errechnete Gesamtdurchschnitt. Von diesen 47 im 18. Jahrhundert gestorbenen Schwestern waren im Jahr ihrer ersten Profess zwar auch acht jünger als 20, darunter jedoch vier, die zum Zeitpunkt der Profess bereits 16 Jahre zählten. Drei waren bereits 30 Jahre oder älter, als sie die erste Profess ablegten, darunter war die 1730 verstorbene Anna Catharina Trexler mit 42 Jahren die älteste. Die durchschnittliche Lebensdauer der 70 Schwestern, über die eine Altersangabe gemacht wird, betrug 56,41 Jahre. Am jüngsten verstarb 1729 Schwester Coleta Kertz mit 22 Jahren. Am längsten von allen lebte die Oberin Maria Magdalena Schürer, die 1718 mit 87 Jahren starb. Durchschnittlich lebten diese Professschwestern 37,7 Jahre im Kloster, am längsten mit 70 Jahren die mit dem Titel Jubilarin geehrte Maria Bernardina Schwarz. 34 Jahre übte sie das Amt einer Vikarin aus. Im Totenbuch sind nur ein Teil der von 1610 und 1794 verstorbenen Ordensfrauen und weltlichen Terziarinnen eingetragen. Aus dem Grund lässt sich über die personale Größe des Konvents keine genauen Angaben machen. Orientierungspunkte bieten einige Angaben in der Literatur. Als 1634 neun Schwestern nach ihrer Flucht vor den schwedischen Truppen in ihr Kloster zurückkehrten, war das nur ein Teil des Konvents, denn 1635 fanden 14 Franziskaner-Terziarinnen vorübergehend im Kloster der Mainzer Klarissinnen Unterkunft und Bleibe.67 Für das Jahr 1728 wird der Konvent mit 23 Schwestern und drei weltlichen Terziarinnen angegeben.68 1798 lebten 18 Schwestern im Kloster.69 Bei genauer Sicht der chronologisch geordneten Auflistung der Todesjahre werden einige Auffälligkeiten erkennbar. Mit zwölf verstorbenen Schwestern war in den für Mainz besonders schweren Kriegs- und Fluchtjahren von 1632 bis 1638 die Sterberate überdurchschnittlich hoch. Ständige Unruhe, Not und Gefährdung dürften zu den bewirkenden Ursachen gezählt haben. Von 1638 bis 1656 gibt es keine Einträge. Die Gründe dafür scheinen mangelnde Unterlagen gewesen zu sein und nicht etwa ungewöhnlich große Langlebigkeit der Ordensfrauen. Auf solchen Mangel deutet auch hin, dass selbst nach Beginn der Niederschrift einer „Chronik“ im Jahr 1659 die Zahl der Eintragungen zunächst gering blieb. In den 26 Jahren von 1656 bis 1682 wurden lediglich sieben Schwestern als verstorben eingetragen. Von diesen starben fünf in einem Al-
67
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 293 und 297.
68
Bruder, Klöster (Anm. 1), S. 314.
69
Notiz von Richard Dertsch in StAMz 13/25 Findbuch.
Das Totenbüchlein des Klosters Allerheiligenberg bei Mainz-Weisenau
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ter, dass deutlich unter der errechneten durchschnittlichen Lebensdauer von 56,41 Jahren lag. Von 1682 bis 1794 zeigen die Eintragungen keine besonderen Lücken. Mit 61 Verstorbenen in diesen Jahren würde durchschnittlich alle 1,8 Jahre eine Schwester gestorben sein. Die genauere Überprüfung zeigt jedoch, dass das statistische Mittel von der Realität mehrfach erheblich durchkreuzt wurde. So starben 1759 und 1760 insgesamt sieben Schwestern. 1793/94 war die Sterberate mit acht Toten ähnlich hoch. Die beiden jüngsten Schwestern wurden nur 24 Jahre alt.70 Die älteste war die 86-jährige Schwester Maria Bernardina Schwarz. Die Brisanz der für Mainz und seine kirchlichen und religiösen Institutionen politisch so verwirrenden und aufregenden Jahre 1793 und 1794 gingen offensichtlich nicht spurlos am Weisenauer Kloster und seinen Bewohnern vorüber. Josepha Hartmann, die das hier ausgewertete Totenbuch an die Munizipalität in Mainz übergab, musste erleben und erleiden, dass mit der öffentlichen Bekanntgabe der Aufhebung aller Klöster und geistlichen Institutionen am 4. Juli 1802 durch die französische Regierung das Ende auch ihres Klosters gekommen war. Der klösterliche Besitz wurde enteignet und ging in andere Hände über. Die Schwestern, deren weiteres Schicksal unbekannt ist, mussten ihr Haus verlassen und irgendwo eine neue Bleibe suchen. Mit diesem von außen erzwungenen Auszug der Franziskaner-Terziarinnen endete das „Weisenauer Klösterchen“. Rund 250 Jahre war es eine religiöse Einrichtung gewesen, die im wesentlichen nach innen wirkte und kaum je einmal zu überregionaler Bedeutung gelangte. Wenn dennoch die erhaltenen Namen und Daten der Insassinnen veröffentlicht werden, sei das verstanden als eine Verbeugung vor diesen Frauen, die in großer Kontinuität aus religiöser Überzeugung zurückgezogen, einfach und still eine wichtige Aufgabe im Leben der Kirche erfüllten.
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Es waren Maria Antonia Belt und Archangela Schreiber.
Texturen mittelalterlicher Rechtsfortbildung: Die Dekretale und Dekretalensammlung (von Alexander III. bis Gregor IX.) Von Knut Wolfgang Nörr I. Einleitung Im kanonischen Recht des Mittelalters waren die großen rechtsbildenden Faktoren auf das Innigste miteinander verwoben. Daran soll im folgenden erinnert werden, wobei wir uns auf zwei Phänomene solcher Verknüpfung beschränken: zum einen zwischen der päpstlichen Dekretale und der Dekretalensammlung, zum anderen, seit dem 12. Jahrhundert, zwischen der Dekretale oder Dekretalensammlung und der kanonistischen Wissenschaft. Gerät hier also die Dekretale und ihre Bedeutung für die Entwicklung des kanonischen Rechts ins Blickfeld, dann geht es in erster Linie um die Geschichte ihres Einflusses und ihrer Wirkung, nicht etwa um ihre Herkunft und ihr Zustandekommen: die Wirkungsgeschichte der päpstlichen Dekretalen ist aber immer zugleich eine Geschichte ihrer Sammlung und eine Geschichte ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung. Aus analytischen Gründen sollte man daher differenzieren und die Frage der Genese, ferner – nicht zu vergessen – die Frage der Geltung der Dekretalen von der wirkungsgeschichtlichen Frage unterscheiden; denn erstere Fragen setzen an der einzelnen Dekretale an (wenn Dekretalen dann auch unter Umständen typologisch zusammengefasst werden können), während die wirkungsgeschichtliche Fragestellung immer zugleich eine solche der Dekretalensammlungen darstellt, an welche dann, zu gegebener Zeit, die Arbeit der Kanonisten anknüpft, deutlich besonders in der Literaturgattung der Glossen und Glossenapparate.
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II. Aus den Anfängen 1 Die These einer wirkungsgeschichtlichen Abhängigkeit der Dekretale von ihrer Aufnahme in Sammlungen bewahrheitet sich bereits an jenem Schriftstück, das seit eh und je als erste päpstliche Dekretale betrachtet wird, an dem bekannten Brief des Siricius an Bischof Himerius von Tarragona aus dem Jahr 385 (JK 255). Denn der Brief figuriert deshalb als das erste Beispiel der Rechtsquellengattung Dekretale, weil er die früheste derartige Verlautbarung darstellt, welche in den einschlägigen Textkompositionen zu finden war. Das Zeichen war damit gesetzt; Rechtsakte aller Art, auch solche der höchsten Autorität, sollen sie über den unmittelbaren Anlass hinaus Wirkung entfalten, bedurften der Aufnahme in eine Sammlung, die dann ihrerseits Verbreitung fand oder deren Inhalt von anderen Sammlungen übernommen wurde. Es hätte also nicht genügt, der Weisung der Päpste, die seit alters bestimmten Dekretalen beigegeben wird, Folge zu leisten, wonach der Empfänger – meist ein Erzbischof als Leiter einer Kirchenprovinz – den Brief allen Bischöfen seiner und der benachbarten Provinzen bekannt geben und auf diese Weise verbreiten möge: denn auch solche Dekretalen wären gemeinkirchlich, das heißt über den partikularen Empfängerkreis hinaus, in Vergessenheit geraten, wenn sie nicht durch Sammlungen den späteren Generationen vermittelt worden wären. III. Zur Bezeichnung codex oder corpus canonum Was bisher vorgetragen wurde, stellt unsere, das heißt eine historiographische Sicht der Dinge dar; wie verhält es sich aber mit den Zeitgenossen, den Päpsten selbst oder den Kanonisten: gab es für sie keinen Anlass, sich über das Thema „Dekretale und Dekretalensammlung“ Gedanken zu machen? In der Tat waren sie hierzu gezwungen, natürlich nicht aus wirkungsgeschichtlichem Blickwinkel, wohl aber unter dem Aspekt der Geltung im Sinne der Pflicht der hiervon Angesprochenen, also vor allem der kirchlichen Amtsträger, die Dekretale zu beachten und für ihre Durchsetzung zu sorgen. Die Frage lautet, ob eine Dekretale Geltung beanspruchen konnte, wenn sie in einer Sammlung nicht aufzufinden war. In vorgratianischer Zeit ist das Problem in einem Schreiben Papst Nikolaus’ I. an die Bischöfe des Westfrankenreichs von 865 (JE 2785; vgl. D. 19, c. 1) behandelt worden. Hier ist von einem canonum codex die Rede, in wel1 Detlev Jasper / Horst Fuhrmann, Papal Letters in the Early Middle Ages, Washington D.C. 2001.
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chem eine bestimmte Dekretale nicht aufzufinden war; der Papst entschied, dass für die Gültigkeit einer Dekretale es nicht auf ihre Einreihung in eine Kanonessammlung ankommen würde. Dass man sich auf einen codex oder auch ein corpus canonum berief, und zwar nicht nur für die Dekretalen, ist in den Quellen immer wieder zu finden; doch genauere Bezeichnungen hatten sich nicht eingebürgert, so dass die Forschung nach der Sammlung, die gemeint sein könnte, immer erst suchen muss. Beispielsweise erklärte Bernardus Papiensis (in der Vorrede zu seiner Dekretalensumme), er habe im Breviarium extravagantium, der später so bezeichneten Compilatio prima, für das vorgratianische Material, das er dort aufnahm, unter anderem auf ein corpus canonum zurückgegriffen; hier wurde mit einiger Sicherheit ermittelt, dass ihm die Collectio Anselmo dedicata aus dem späten 9. Jahrhundert vorgelegen hat. Ein anderes Beispiel bildet ein Brief Innocenz’ III. von 1199, der in einem Streitfall zwischen zwei iberischen Metropoliten die Plädoyers der beiden Parteien wiedergibt (Po. 783 = Hageneder, Register II/124); eine von ihnen berief sich auf das Konzil von Mérida aus dem Jahr 666, das nun neben anderen Konzilien im corpus canonum enthalten sei, einem Buch, welches Papst Alexander III. als „authentisch“ anerkannt habe. Hier wird es um die Collectio Hispana aus dem späten 7. Jahrhundert gegangen sein. Obwohl es sich um einen bloßen Parteivortrag gehandelt hatte, ziehen – das sei nicht verschwiegen – moderne Kanonisten den unzulässigen Schluss, beide Päpste hätten diesem Brief zufolge die Collectio Hispana als authentische Sammlung der spanischen Kirche anerkannt. IV. Von Gratian zu Bernardus Papiensis 2 Aber kehren wir zu den Dekretalen zurück. Ihre Geltung, so haben wir gesehen, hing nicht davon ab, ob sie in Sammlungen nachgesucht und gefunden worden sind; davon ist freilich – auch das sei wiederholt – der Gesichtspunkt zu unterscheiden, ob sie nicht ohne Aufnahme in Sammlungen schließlich in Vergessenheit geraten wären und so nicht dem Bestand des ius commune der Kirche hätten angehören können. Lässt sich nun, wenn die Geltung nicht von der Sammlung abhängt, die Frage sozusagen umkehren und aus der Aufnahme in
2 Neben den „Klassikern“ Schulte und Kuttner siehe besonders Walther Holtzmann, Kanonistische Ergänzungen zur Italia Pontificia, Tübingen 1959; ders. / C. R. and Mary G. Cheney, Studies in the collections of twelfth-century decretals, Vatikanstadt 1979; Charles Duggan, Twelfth-Century Decretal Collections and their importance in English history, London 1963; Peter Landau, Kanones und Dekretalen, Goldbach 1997; ders., Rechtsfortbildung im Dekretalenrecht, ZRG Kan. Abt. 86 (2000) S. 86 – 131.
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eine Sammlung auch auf ihre Geltung schließen? Dieser Zweifel hat vor allem Innocenz III. beschäftigt. Vergegenwärtigen wir uns aber zunächst in knappen Strichen den Entwicklungsgang der Dekretalen und Dekretalensammlungen, nachdem Gratian die Concordia discordantium canonum in den Jahren um 1140 abgefasst hatte. Bekanntlich war unter Papst Alexander III. (1159 – 1181) die Produktion rechtlich relevanter Briefe geradezu explodiert; in den gut zwanzig Jahren seines Pontifikats zählt man mehr als 700, in den knapp dreißig Jahren vorher (von Innocenz II. 1130 bis Hadrian IV. 1159) wenig mehr als ein viertel Hundert Dekretalen. Die Briefe waren regelmäßig an individuelle Empfänger in partibus, irgendwo in Europa, gerichtet; aber wo immer aufgeschlossene Kleriker saßen – und ihrer viele waren es vor allem in England – wurden die neuen Texte, zusammen mit älterem Material, gesammelt, zunächst in Form von Anhängen in der zur Verfügung stehenden Handschrift des corpus decretorum Gratians, dann in eigenständigen Sammlungen im noch ungegliederten Nacheinander (die sogenannten primitiven Sammlungen). Als einen ersten Schritt wissenschaftlicher Bearbeitung kann man die Einordnung der Texte unter Sachtitel oder Rubriken bezeichnen (nach dem Schema der justinianischen Kodifikation) nebst der Zerlegung von Dekretalen, wenn sie mehrere Rechtsfragen behandelten, um die so gewonnenen einzelnen Abschnitte des Textes den einschlägigen Rubriken zuzuordnen. Die auf diese Weise systematisierten Sammlungen werden dann – und dies der zweite Schritt – zum Teil mit Glossen versehen, die sich um 1190 in England zu veritablen Glossenstrecken verdichteten, welche dann sogar unter den Sammlungen ausgetauscht wurden. Jedoch mit dem schon erwähnten Breviarium extravagantium des Bernardus Papiensis, verfasst um 1190, eroberte sich sozusagen Bologna die Führung zurück. Die Bezeichnung extravagantia steht abgekürzt für capitula extra decreta (das heißt der Sammlung Gratians) vagantia, also für Texte, die nicht bei Gratian aufzufinden waren, sei es älteres Material, das man bei ihm vermisste, sei es neues Recht, ius novum, und hier außer den canones des 3. Laterankonzils von 1179 eben unsere päpstlichen Dekretalen. Der Erfolg der Kompilation des Bernardus erklärt sich einmal aus der Gliederung in Bücher und tituli, die übersichtlicher und leichter zu handhaben war als in den anderen Sammlungen, zum zweiten aber auch aus der Nähe zur Bologneser Dekretistik, die bisher nur mit Sammlungen des primitiven Typus gearbeitet hatte. Die neue Kompilation setzte sich nach und nach überall in Europa durch; um die Jahrhundertwende hatte sie auch die glossierten Sammlungen französisch-englischer Provenienz verdrängt.
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V. Der Papst und die „Schule“: Das Beispiel Innocenz III. Wie hat sich nun Innocenz III., um auf ihn zurückzukommen, gegenüber all den Dekretalensammlungen verhalten? In der modernen Forschung wird das Selbstbewusstsein des Papstes nicht zuletzt in seiner Rolle als Gesetzgeber der Kirche immer wieder herausgestellt, oft in einer gewissen einseitigen Betrachtungsweise. Denn für Innocenz III. kann man genauso gut betonen, dass er wie kein anderer Papst vor ihm die Nähe zur „Schule“ gesucht hat; er war sich bewusst, dass das Recht der Kirche nicht nur durch die verfassungsmäßigen Organe – Papst und Kurie, Konzilien und partikulare Instanzen – , sondern mit gleichem Gewicht durch die neue kanonistische Wissenschaft weiterentwickelt wird. (Wir dürfen hier an der Frage vorbeigehen, ob schon Coelestin III. in den 90er Jahren oder sogar noch frühere Päpste diese weittragende Rolle der Schule wahrgenommen haben.) Dass beide Teile, Papst und Schule, auf das ältere Recht der Kirche rekurrieren, wie es von Gratian, dann auch Bernardus Papiensis und anderen Sammlungen tradiert worden ist, wäre nicht besonders hervorzuheben. Entscheidend ist vielmehr die gemeinsame „Romanisierung“ der produzierten Texte, das heißt die bekannte Neuorientierung am römischen Recht sei es unmittelbar im Wege des Rückgriffs auf die justinianischen Texte, sei es wissenschaftlich vermittelt, also in der Gestalt, die das römische Recht in den Händen der legistae erhielt 3 : dieselbe Terminologie, dieselbe juristische Technik und Rationalität verband die beiden Rechte, und die päpstlichen Texte, das ius novum war hiervon nicht ausgeschlossen. Wir brauchen nicht das kontroverse Thema aufzugreifen, ob und wieweit die kanonistische Wissenschaft in ihren Anfängen, was die Methode (über das Trivium hinaus) angeht, neben der Frühscholastik auch von der Diktion der Digesten beeinflusst war: im Ergebnis jedenfalls hat die neue Methode auch die päpstliche Rechtsetzung erreicht und durchgehend geformt. Ein flüchtiger Blick schon in den Liber Extra – man beachte hierbei die partes decisae in der Edition Friedbergs – zeigt die intensive Rücksichtnahme der Päpste auf die Vorgänge in der Wissenschaft, besonders auf Kontroversen in bestimmten Fragen; nicht selten haben solche Kontroversen die päpstliche Dekretale sogar hervorgerufen. Und nicht nur mit kanonistischen, sondern auch legistischen Kontroversen, den dissensiones dominorum, setzten die Päpste sich auseinander. Beispiele hierfür bieten X 1.3.20 (Po. 3519), der Schlüsseltext zum Recht der Reskripte, wie das summarium treffend vermerkt; X 1.29.27 3
Pierre Legendre, La pénétration du droit romain dans le droit canonique classique de Gratien à Innocent IV, Paris 1964; Knut Wolfgang Nörr, Kontroversen legistischer Glossatoren in päpstlichen Dekretalen, Revue de Droit Canonique 29 (1979) S. 74 – 80 (= Iudicium est actus trium personarum, Goldbach 1993, S. 77* – 83*).
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(Po. 2163), wiederum eine Leitentscheidung, wie man heute sagen würde, und zwar für das Recht der Subdelegation; X 2.12.5 (Po. 1683), ein Text, von dem Odofredus ironisch bemerkte, hier habe der Papst Partei im Streit der Lehrmeinungen ergriffen und sich zum Glossator der leges erhoben. Bisweilen erwartet der Papst von der Schule, sie werde eine Streitfrage demnächst noch lösen, und er hält sich deshalb im Augenblick zurück; ein Beispiel bietet X 5.39.42 p. d. (Po. 3660): Quia vero super hoc inter scholasticos diversae sunt sententiae diversorum: nos ad praesens, nulli praeiudicare volentes, id solummodo tibi super hoc articulo respondemus, quod (...).
Vielleicht gehört hierher auch das Stück aus der bekannten consultatio „Pastoralis officii“ zuhanden des Bischofs von Ely (Po. 2350), hier X 3.30.28 p.d.: Explicari praeterea postulasti, utrum (...) Ad quod sine praeiudicio melioris sententiae respondemus, quod (...)
In anderen Fällen konnte der Papst nicht warten. In einer Dekretale aus dem ersten Pontifikatsjahr, gerichtet an den Erzbischof von Nidaros (Trontheim, Norwegen; Po. 390; X 5.39.30) hatte der Papst eine Anfrage mit einer Antwort bedacht, die nun ihrerseits Zweifel erregte: (...) ex hac nostra responsione magna quibusdam, sicut accepimus, orta est occasio disputandi,
weshalb er nun, knapp zwei Jahre später, eine Dekretale an die doctores decretorum Bononienses richtete, um durch Auslegung seiner früheren Dekretale die Zweifel zu beheben (Po. 1137; X 5.39.31). Diese Beziehung, ja Nähe des Papstes zur Schule ist im Auge zu behalten, wenn wir uns im folgenden nochmals den Dekretalensammlungen zuwenden. VI. Das Problem der Authentizität von Dekretalen Von Bologna ausgehend, hatte sich das Breviarium extravagantium die Stellung einer Standardsammlung für Wissenschaft und Praxis erworben; in dieser Funktion stand es auf derselben Stufe wie die Concordia Gratians. Und wie diese wurde nun auch das Breviar, wenn neues Material zu sammeln war, nicht mehr verdrängt, sondern ergänzt, und zwar in denselben dreifachen Schritten: zunächst wurden neue Dekretalen dem Breviar als Anhang hinzugefügt, dann entstanden „primitive“ und schließlich systematische Sammlungen. Und wie bisher war das Erstellen von Dekretalensammlungen eine Angelegenheit interessierter Kreise außerhalb Roms; Papst und Kurie kümmerten sich hierum zunächst nicht. Wenn die Echtheit oder Gültigkeit einer Dekretale aus dem ius
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novum angezweifelt wurde, dann haben zwar die Kanonisten, beispielsweise Huguccio in seiner um 1189 verfassten Summe, unter die positiven Kriterien die Feststellung gerechnet, dass die Dekretale allseits anerkannt sei (quia ab omnibus habetur): eine Einstellung, die nur möglich ist, wenn der Text in einer im Umlauf befindlichen Sammlung enthalten war; aber in Rom hat man sich, wenn wir nichts übersehen haben, mit diesem Kriterium nicht befasst. All das änderte sich unter Innocenz III. Die Sammlungen beginnen in den Blick der Päpste zu geraten. Ein Beispiel aus der Praxis findet sich in einem Abschnitt der schon erwähnten Dekretale „Pastoralis officii“ von 1204, hier X 2.22.8: Quaesivisti etiam, quibus indiciis fides habenda sit decretalibus, de quarum auctoritate iudex potest non immerito dubitare, cum plures inveniantur in compilatione scholarium et allegentur in causis, de quibus per bullam non constitit, nec ipsae per metropoles insinuatae fuerunt. Quia igitur saepe contingit, quod etiam coram nobis decretales huiusmodi proponuntur, quas esse authenticas dubitamus, fraternitati tuae benignius respondentes, auctoritate praesentium duximus statuendum, ut, cum aliqua decretalis, de qua iudex merito dubitet, allegatur, si eadem iuri communi sit consona, secundum eam non metuat iudicare, cum non tam ipsius, quam iuris communis auctoritate procedere videatur. Verum si iuri communi sit dissona, secundum ipsam non iudicet, sed superiorem consulat super ea.
Welcher Sachverhalt der Anfrage zugrunde lag, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Eine compilatio enthält natürlich immer nur Abschriften, so dass die Echtheitsmerkmale des Bleisiegels oder der Verkündung durch den Metropoliten gar nicht vorhanden sein können. Vielleicht handelte es sich um den Fall eines päpstlichen Briefes, der im „Original“ vorgelegt wurde und dessen Echtheit, weil er der genannten Merkmale mangelte, durch den Hinweis auf die Aufnahme in eine Dekretalensammlung bewiesen werden sollte. Oder die Anfrage war ungeschickt formuliert und es sollte ganz allgemein das Problem angesprochen werden, dass Dekretalen oft aus Sammlungen allegiert werden, ihre Authentizität sich aber hieraus allein noch nicht ergeben könne. Wie dem immer sei, der Papst schöpfte bei seiner Antwort aus eigener Erfahrung (etiam coram nobis decretales huiusmodi proponuntur) und traf dann eine Distinktion, für die auf den Umstand nicht abgestellt wird, ob Dekretalen aus einer Sammlung vorgetragen werden oder nicht. Unsere oben gestellte Frage, ob aus der Aufnahme in eine Sammlung auf die Geltung einer Dekretale geschlossen werden kann, hat also der Papst implizit im verneinenden Sinn beantwortet. Die Kanonisten ließen es sich freilich nicht nehmen, für Dekretalen, die in einer Sammlung enthalten sind, die Authentizität zumindest zu vermuten (beispielsweise Glossa ordinaria zu D.19 summa vers. De epistolis; zu X 2.22.8, vers. dissona).
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Als der Papst seine Erfahrung ins Spiel brachte, hatte er möglicherweise einen Fall im Auge gehabt, den wir aus einer consultatio vom vorhergehenden Jahr kennen (Po. 1830 = X 5.39.40). Die Anfrage trug zwei widerstreitende Rechtstexte vor, die dann den Papst in gewohnter Weise zur Distinktion veranlassten; eine der beiden Texte geht uns hier an: Verum ex verbis cuiusdam epistolae, quam dicunt scholastici decretalem, et a bonae memoriae Alexandro Papa praedecessore nostro emanasse proponunt (...)
Die Art und Weise der Formulierung hinterlässt den Eindruck, dass sich der Papst von der epistola zu distanzieren wünschte; weil sie aber in der von der Schule längst anerkannten Kompilation des Bernardus Papiensis ihren Platz gefunden hatte (1. Comp. 1.23.2, JL 13583), hielt er sich in der Ausdrucksweise dann doch zurück. VII. Kompilationen während der Regierungszeit Innocenz’ III. 4 Weshalb Innocenz III. eine Dekretale nicht anerkannte, konnte auf drei Gründen beruhen. Zum einen, weil der Text gefälscht war (es sei nur an den Fälscherskandal aus der Anfangszeit seines Pontifikats erinnert); zum zweiten, weil der Text zwar echt war, er aber von einem der Vorgänger und nicht von ihm selbst stammte; drittens, weil die Dekretale in ihrem normativen Gehalt vom Papst nicht mehr gebilligt worden ist. Welcher Grund im Einzelfall den Ausschlag gab, lässt sich freilich nicht immer verlässlich ermitteln. Vielfach wird die vom Papst dann zurückgewiesene Dekretale aus einer Dekretalensammlung angeführt worden sein. Wurden neue Sammlungen erstellt, dann wären daher deren Verfasser gut beraten gewesen, von vornherein zweifelhafte Texte nicht in die Sammlung aufzunehmen. Ausdrücklich in dieser Hinsicht besorgt zeigte sich, soweit wir wissen, zum ersten Mal Bernardus Compostellanus antiquus, als er eine Kompilation aus Dekretalen der ersten zehn Pontifikatsjahre Innocenz’ III. verfasste. In einem Epilog zu seiner Sammlung nennt er fünf Dekretalen, die von der Schule unter dem Namen Inno-
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Heinrich Singer, Die Dekretalensammlung des Bernardus Compostellanus antiquus, Wien 1914; Stephan Kuttner, Johannes Teutonicus, das vierte Laterankonzil und die Compilatio quarta, Miscellanea Giovanni Mercati, Band 6, Vatikanstadt 1946, S. 608 – 634; Peter Herde, Römisches und kanonisches Recht bei der Verfolgung des Fälschungsdelikts im Mittelalter, Traditio 21 (1965) S. 291 – 362; G(érard) Fransen, Les décrétales et les collections de décrétales, Turnhout 1972; Kenneth Pennington, The making of a decretal collection: the genesis of Compilatio tertia, in: Proceedings of the Fifth International Congress of Medieval Canon Law (Salamanca 1976), Vatikanstadt 1980, S. 67 – 92.
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cenz’ III. herangezogen werden – sie finden sich in den Dekretalensammlungen des Gilbertus beziehungsweise Alanus Anglicus, beide im selben Jahrzehnt unter Einschluss auch vor-innozentianischer Dekretalen verfasst –, nennt er also fünf Dekretalen, die weder im Register vorhanden noch vom Papst anerkannt worden seien, wie er aus dessen eigenem Munde erfahren habe. Doch seine Vorsicht war vergeblich: denn da er sich bewusst auf Dekretalen Innocenz’ III. beschränkt hatte, lag es für ihn nahe, sich die Sammlung vom Papst bestätigen, sozusagen absegnen zu lassen, doch gelang ihm das Vorhaben nicht (aus Gründen, über die man nur Vermutungen anstellen kann). Dass aber dem Papst die Authentizität der unter seinem Namen laufenden Texte am Herzen lag, war natürlich allenthalben bekannt, und so verwundert auch nicht, dass ein gutes Jahr später ein anderer Kanonist, diesmal aus der engsten Umgebung des Papstes, Petrus Beneventanus, einen neuen Anlauf nahm, Dekretalen Innocenz’ III. in einer Kompilation zu vereinigen und sie sich vom Papst genehmigen zu lassen: jetzt gelang der Plan, der Papst nahm sich der Sache an und gab der Sammlung einen amtlichen Charakter, indem er sie mit einer Bulle (Vestrae devotioni, 1209/10) versah und so versenden ließ (alsbald als Compilatio tertia im Gebrauch). Bezeichnend ist nun, wen Innocenz III. als Adressaten der Bulle gewählt hat: die magistri et scolares Bononiae commorantes, ein Personenkreis also, der unsere obigen Beobachtungen zum Wechselverhältnis zwischen Papst und Schule, Rom und Bologna auf eindrücklichste Weise bestätigt. Es ist die Schule, auf die der Papst angewiesen ist, wenn er wünscht, dass seine Dekretalen verbreitet und in den Bestand des kanonischen Rechts eingearbeitet werden (so wie er selbst bei Abfassung der Dekretalen von diesem Bestand profitiert hatte); und zuhanden der Schule möchte er nun eine Kompilation von zweifelsfreier Authentizität (ut eisdem – gemeint sind die Dekretalen – absque quolibet dubitationis scrupulo uti possidetis) in Umlauf setzen. Wäre er als von der Schule unabhängiger Gesetzgeber aufgetreten, dann hätte es näher gelegen, die Sammlung mit einer an die Metropoliten, Bischöfe und andere Jurisdiktionsträger gerichteten Enzyklika zu promulgieren; so aber sind es seine Erfahrungen mit der Schule und ihren Leistungen gewesen, die ihn veranlassten, die Sammlung mit seinem Stempel zu versehen. Dem Papst war also daran gelegen, der Schule diejenigen Dekretalen aus seiner bisherigen Amtszeit zu vermitteln, die er als die seinen anerkannte und von der Schule in gleicher Weise anerkannt sehen möchte. Zwecke, die darüber hinausgingen, verfolgte er nicht; er schloss beispielsweise nicht aus, dass die Schule noch weitere Dekretalen aus den Jahren, die von der Compilatio tertia abgedeckt wurden, heranziehen würde. In der Tat ist das geschehen, und als Johannes Teutonicus um 1216 eine Sammlung aus den Konstitutionen des 4. Laterankonzils und Dekretalen Innocenz’ III. erstellte – die dann als Compilatio quarta in Umlauf kam – schloss er auch über 40 Stücke aus den Pontifi-
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katsjahren vor der Compilatio tertia ein. Übrigens stellt die Sammlung, welche Johannes Teutonicus veranstaltet hatte, das bekannteste Zeugnis für die „Macht“ der Schule und des wissenschaftlichen Betriebs im Verhältnis zum Papst und der Kurie dar; denn als der Papst die Bitte des Sammlers ausschlug, die neue Kompilation nach dem Vorbild der tertia zu bestätigen, wurde die Rezeption der Sammlung durch die Schule zwar verzögert, letztlich aber doch vollzogen. Ein anderes Beispiel in diesem Zusammenhang bietet die Compilatio secunda – von Johannes Galensis als Ergänzung zur prima 1210 oder kurz danach verfasst – ; denn von ihr berichtete Tankred (im Proemium seiner Glosse zur Compilatio tertia), sie würde einige Dekretalen enthalten, die in der Kurie keine Anerkennung fänden. VIII. Zum Begriff der epistola decretalis 5 Als wir oben die Gründe nannten, weshalb der Papst eine Dekretale nicht anerkannt hat, könnte man vielleicht den Fall vermisst haben, dass zwar nicht das Schriftstück überhaupt zurückgewiesen, wohl aber seine Qualität als Dekretale verneint worden ist. Eine solche Möglichkeit hätte jedoch vorausgesetzt, dass die epistola oder littera decretalis von anderen päpstlichen Briefen genau abgegrenzt worden wäre, doch hat solches die Päpste oder Kanonisten offenbar nicht besonders beschäftigt. Nicht fündig wird man bei Gratian, der seine Darstellung in D.19 als tractatus decretalium epistularum bezeichnete (C.1, q.1, dict. p.c. 96) und in erster Linie die Position der Dekretalen in der Hierarchie der Quellen klarstellen wollte. Wenn die Dekretisten zum einleitenden dictum („summa“) der dritten Distinktion die päpstliche Dekretale definierten (vorbildlich Stephanus Tornacensis im Prolog der Dekretsumme von 1166/69): Decretalis epistula est, quam dominus apostolicus aliquo episcopo uel alii iudici ecclesiastico super aliqua causa dubitanti et ecclesiam Romanam consulenti rescribit et ei transmittit,
dann hatten sie typologisch schon eine Auswahl aus den möglichen Arten der Dekretale getroffen und den Typus der consultatio beschrieben, das heißt der Antwort des Papstes auf eine Anfrage und Bitte, einen – oder mehrere – rechtliche Zweifel zu beheben; die Definition umfasste auch die relatio im technischen Sinn, also die Antwort auf die Bitte um Rechtsbelehrung, die ein Richter im laufenden Verfahren bei Zweifeln über die Rechtslage an die höhere Instanz gerichtet hat. Aber die Definition ist unvollständig, wie wir sogleich sehen
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Jacoba J. H. M. Hanenburg, Decretals and decretal collections in the second half of the twelfth century, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 34 (1966) S. 552 – 599; Herbert Kalb, Studien zur Summa Stephans von Tournai, Innsbruck 1983.
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werden, und kann daher auch keine Abgrenzung zu anderen Erscheinungsformen päpstlicher Briefe bieten. Ähnliches ist von den Distinktionen zu sagen, denen die verschiedenen Arten der epistola decretalis unterzogen wurden, um beispielsweise die Frage einer allgemeinen Bindungswirkung (trahere ad consequentiam) zu beantworten. In diesem Punkt hat dann die Glossa ordinaria (zu D.19 summa, vers. De epistolis) von allen Distinktionen in Hinblick auf die Adressaten einer Dekretale abgesehen und jede Dekretale grundsätzlich als für jedermann geltendes Recht betrachtet (pro iure generali habenda est), soweit sie nur irgendeine rechtliche Bestimmung enthält (dummodo aliquid definiatur per eam). Hätten wir die Kanonisten fragen können, so würden sie möglicherweise an dieser Glosse angesetzt und als unterscheidendes Merkmal zwischen Dekretalen und anderen litterae des Papstes eben das Vorhandensein einer rechtlichen Festsetzung oder Verfügung herausgestellt haben. Doch sind wir auf Vermutungen angewiesen, weil die Aufmerksamkeit bereits der frühen Dekretalisten sich im Zuge der schon erwähnten Romanisierung von der Dekretale auf die Definition und Typologie des rescriptum verschoben hatte. IX. Typologie der Dekretale Bisher haben wir in der Typologie der Dekretalen von den consultationes gesprochen, also den Antworten der Päpste auf Anfragen kirchlicher Organe und Instanzen. Den zweiten Haupttypus bilden nun solche Dekretalen, die durch ein Tätigwerden rechtssuchender Parteien veranlasst wurden; in der Forschung fasst man sie mit Vorliebe unter dem Begriff des mandatum zusammen. Jedermann konnte zu jeder Zeit den Papst als allzuständigen ordentlichen Richter um Rechtsschutz angehen und in Rom eine Klage einreichen. Wird irgendwo bereits ein Rechtsstreit geführt, kann jede Partei unter bestimmten Voraussetzungen appellieren (appellatio iudicialis). Aber auch außerhalb eines Rechtsstreits kann sich jemand beschwert fühlen, beispielsweise wenn einem Kleriker vom Bischof der Besitz an seiner Kirche entzogen worden ist oder ein solcher Eingriff demnächst bevorsteht; wenn in diesen und anderen Fällen an den Papst appelliert wird, sprechen die Kanonisten von appellatio extraiudicialis. Obwohl dieser Rechtsbehelf erhebliche praktische Bedeutung besaß, ist er in der modernen Forschung eine Randerscheinung geblieben. Auf welche Weise auch immer der Papst mit einem konkreten Streitfall befasst wurde, so konnte er doch selbst nur dann die Entscheidung fällen, wenn der Sachverhalt bereits völlig geklärt und von keiner Partei bestritten vor Augen lag. Wenn es aber erforderlich wurde, den Sachverhalt durch Beweiserhebung aufzuklären und hierfür vor allem Zeugen zu vernehmen, blieb nichts anderes übrig, als den Fall einen oder mehreren Richtern, verbunden mit bestimmten Anweisungen, zu übertragen. Das Mandat konnte an den ordentlichen
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Richter, also insbesondere den Ortsbischof, oder an delegierte Richter, iudices delegati, gerichtet sein (die Delegationsgerichtsbarkeit ist übrigens ein beliebtes Thema der Historiker). In der Regel enthielt das Mandat zwei Anweisungen, zum einen den Sachverhalt zu untersuchen, zum anderen der Entscheidung des Papstes, die unter Vorbehalt der Feststellung des Sachverhalts ergeht, Folge zu leisten und gegebenenfalls zu vollstrecken. Bisweilen enthielt das Mandat eine Entscheidung in Alternativen je nach dem Ergebnis der Untersuchung des Sachverhalts. Einem dritten Typus von Dekretalen gingen irgendwelche Missstände oder Geschehnisse in einer Diözese oder Kirchenprovinz voraus, von denen der Papst erfahren hat, und die abzustellen er dann Verfügungen traf in einem Schreiben, das sich an den oder die zuständigen Amtsträger richtete. Solche etwa an den Erzbischof von Canterbury und seine Suffraganbischöfe adressierten Dekretalen nähern sich typologisch den Enzykliken, also den päpstlichen Rundschreiben mit unbestimmtem Adressatenkreis 6 . Übrigens konnten alle drei erwähnten Gattungen von Dekretalen päpstliche Äußerungen enthalten, die man als gesetzesgleich bezeichnen mag, wenn man das dort verwendete Wort statuere so verstehen will. Sie stehen dann auf gleicher Stufe mit dem echten Statut oder decretum, also Anordnungen der Päpste ohne Adresse und aus eigenem Antrieb (wenn sie auch von anderer Seite angeregt sein mochten). Sie enthalten regelmäßig das Motiv, das den Papst zum Tätigwerden veranlasst, und münden in eine dem modernen Gesetz vergleichbare generell-hypothetische Anordnung. Auch solche „Gesetze“ wurden in die Dekretalensammlungen aufgenommen, ohne sie auf irgendeine Weise, etwa durch äußeren Aufbau oder Reihenfolge der Texte, von den päpstlichen Briefen zu unterscheiden (nach dem Vorbild des Codex Justinians galt innerhalb der Titel die zeitliche Reihenfolge). Die ursprüngliche Typizität der Texte macht in gewissem Sinne einer uniformierenden Gleichstellung Platz: eine Erscheinung, auf die wir noch zurückkommen werden.
6 Zu ihnen Walther Holtzmann, Die Dekretalen Gregors VIII., Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung 58 (1950) S. 113 – 123.
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X. Dekretale und päpstliches Register7 In der Promulgationsbulle Innocenz’ III. zur Compilatio tertia ist noch ein weiteres historisches Thema angesprochen: der ausdrückliche Hinweis des Papstes nämlich, alle Dekretalen der Sammlung seien in seinen Registern enthalten (in nostris usque ad XII annum contineri registris). Am Hof der Päpste waren seit alters Register geführt worden; erhalten haben sie sich aber nur für einzelne Pontifikate, etwa für Gregor I. und Gregor VII. Aus dem 12. Jahrhundert sind uns nur Bruchstücke überliefert; ihre Zahl wird von der Überlieferung der Texte aus dem Umkreis der Empfänger weit in den Schatten gestellt. Ob nun bis heute erhalten oder nicht: mit einer vollständigen oder an genauen Auswahlkriterien orientierten Registerführung ist jedenfalls nicht zu rechnen. Das ist auch den Zeitgenossen nicht verborgen geblieben; wenn die Authentizität einer Dekretale angezweifelt wird, so führten die Dekretisten aus (zu D.19 loc. cit.), sollte im Register nachgesehen werden; man fügte aber dann weitere Ratschläge an, wenn die Suche im Register ohne Ergebnis blieb. Innocenz III. scheint eine geregeltere Registerführung angestrebt zu haben, doch großer Erfolg war ihm nicht beschieden. Nach wie vor wurden Eintragungen ins Register nicht nur von Amts wegen, sondern auch – und erst – auf Betreiben interessierter Beteiligter, etwa der Urkundenempfänger, vorgenommen; nach wie vor war die Vollständigkeit des Registers nicht gesichert. Wie konnte dann der Papst behaupten, alle Dekretalen der neuen Sammlung seien in seinen Registern enthalten? Hier half nur ein Kunstgriff: Texte, die aus früheren Dekretalensammlungen stammten, aber im Register nicht zu finden waren, wurden nun nachträglich eingetragen, dadurch also die Parallelität von Kompilation und Register hergestellt. Dieser Nachtrag ist noch heute in Form einer Sonderlage zu erkennen, die dem elften Registerjahrgang beigegeben worden ist. Die Lage umfasst 16 Stücke, von denen zwei besonders zu erwähnen sind. Eines von ihnen (Po. 3671, 3. Comp. 1.2.13 = X 1.3.23) stellt ein
7
Othmar Hageneder, Papstregister und Dekretalenrecht, in: Recht und Schrift im Mittelalter, Sigmaringen 1977, S. 319 – 347; ders., Die Register Innozenz’ III., in: Papst Innozenz III., Weichensteller der Geschichte Europas, Stuttgart 2000, S. 91 – 101; UtaRenate Blumenthal, Papal registers in the twelfth century, in: Proceedings of the Seventh International Congress of Medieval Canon Law (Cambridge 1984), Vatikanstadt 1988, S. 135 – 151; Andreas Thier, Die päpstlichen Register im Spannungsfeld zwischen Rechtswissenschaft und päpstlicher Normsetzung: Innozenz III. und die Compilatio Tertia, ZRG Kan. Abt. 88 (2002) S. 44 – 69; Peter Herde, La giurisdizione delegata pontificia nel Medioevo e nell’ Età Moderna e le lettere di giustizia della Cancellaria Apostolica, in: La diplomatica dei documenti giudiziari (dai placiti agli acta - secc. XII – XV), Rom 2004, S. 25 – 47.
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päpstliches Statut in üblicher Gestalt dar, das andere (Po. 3665, 3. Comp. 2.3.5 = X 2.6.5) fällt aus dem Rahmen: es verkörpert weder eine epistula decretalis mit irgendeiner Adresse noch ein Statut, sondern liest sich in seiner lehrhaften Ausführlichkeit wie die summula eines Bologneser Prozessualisten. Offenbar hat Innocenz III. die Zusammenstellung seiner Dekretalen zum Anlass genommen, auf Vorschlag des Petrus Beneventanus oder aus eigenem Antrieb zu einem kontroversen Thema abschließend Stellung zu nehmen. Dieses Verfahren hat dann bekanntlich Gregor IX. im Liber Extra in großem Umfang angewandt. Unsere beiden Texte lassen den Schluss zu, dass Innocenz III. nicht nur eine bereits fertige Sammlung sich zu eigen gemacht, sondern an ihrer Entstehung zwar nicht systematisch, wohl aber punktuell teilgenommen hat. Register und Kompilation sollten also übereinstimmen, und die Übereinstimmung sollte die Gewähr dafür bieten, dass alles Material, das in der Kompilation enthalten ist, authentische Texte des Papstes wiedergibt. Dieser Vorgang hat sich bei der Abfassung der Compilatio quinta nicht wiederholt. Dafür wird man weniger den Umstand verantwortlich machen, dass Honorius III. außer seinen Dekretalen noch eine Konstitution Kaiser Friedrich II. in die Sammlung aufnehmen ließ; näher liegt vielmehr die Erklärung, dass die Berufung auf das Register zu Unannehmlichkeiten führte, weil man Texte nachtragen oder schon eingetragene Dekretalen – auch das war unter Innocenz III. vorgekommen – im Register korrigieren musste, um sie einer geläuterten Rechtsauffassung anzupassen. Anders ausgedrückt, kann sich das Verfahren nicht bewähren, wenn am Ende nicht die Sammlung nach dem Register, sondern das Register nach der Sammlung sich zu richten hat. XI. Siebenfache Klassifizierung der nachgratianischen Texte im Liber Extra Wenn man eine Edition mittelalterlicher Texte in Form einer modernen Druckangabe aufschlägt, wie es etwa beim Liber Extra – dem wir uns im Folgenden noch kurz zuwenden wollen – in der Edition Friedbergs der Fall ist, dann suggeriert das Gleichmaß des sich bei der Lektüre entfaltenden Erscheinungsbildes der Texte ein Gleichmaß auch des Ursprungs und normativen Charakters dieser Texte. Die Wirklichkeit sieht natürlich anders aus und die Texte differieren in hohem Maße, wie wir an einigen Beispielen auch bereits gesehen haben. Überblickt man den Liber Extra oder die Decretales Gregorii IX als Ganzes, dann kann eine Klassifizierung von mindestens sieben Textarten herausgearbeitet werden, wobei das vorgratianische Material (das Raymund der 1. und 2. Compilatio entnommen hatte) hier außer Betracht bleiben darf. Modellartig oder „idealtypisch“, wie man zu sagen pflegt, lauten die sieben Textarten folgendermaßen:
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a) Konstitutionen oder canones päpstlicher Konzilien (Tours 1163, 3. und 4. Laterankonzil 1179 beziehungsweise 1215); b) Statuten oder decreta der Päpste; c) Theoretische oder hypothetische Rechtsaussagen der Päpste anlässlich der Erstellung der Sammlung – der 3. Comp. und des Liber X – ; soweit vorhanden, jeweils am Ende eines Titels; d) Enzykliken oder Rundschreiben „an alle“, mit unbestimmtem Empfängerkreis; e) Enzykliken oder Rundschreiben partieller Natur, das heißt mit nach Kirchenprovinz oder anderem konstitutionell-geographischem Merkmal bestimmten Empfängerkreis; f) Consultationes an Einzelempfänger; wenn der Ratsuchende einen Katalog von Fragen vorgetragen hat, wird die Antwort aufgeteilt und den Teilen jeweils ein Platz unter den einschlägigen Titeln zugeordnet; g) Mandate aufgrund gerichtlicher oder außergerichtlicher appellatio und mit der zweifachen Anordnung der Untersuchung des Falles und der eventuellen Befolgung der päpstlichen Entscheidung. Wie immer, wenn die Wirklichkeit in Modelle gekleidet wird, sind weder Mischformen noch Singularitäten ausgeschlossen; aber unsere Typologie reicht aus, um die normative Vielfalt der nachgratianischen Texte, die im Liber Extra (und zum größten Teil schon in den „alten“ Kompilationen) versammelt sind, nicht aus den Augen zu verlieren. XII. Zwischen Andersartigkeit und Gleichlauf: Auf dem Weg zur differenzierten Betrachtung gesammelter Texte Dass die Heterogenität der Texte, die der Liber Extra enthält, wahrgenommen wird und wahrgenommen werden sollte, leuchtet dem modernen Benutzer der Sammlung unmittelbar ein. Diese Forderung zielt aber noch auf einen weiteren Gesichtspunkt, den man der Wissenschafts- oder Forschungsgeschichte zuordnen kann 8 . In den Jahrhunderten der Neuzeit hat sich bekanntlich die Idee 8
Vgl. hierzu Stephan Kuttner, Quelques observations sur l’autorité des collections canoniques dans le droit classique de l’Eglise, in: Actes du Congrès de Droit canonique (Paris 1947), Paris 1950, S. 305 - 312; ders., Raymond of Penafort as editor: the ‚decretales‘ and ‚constitutiones‘ of Gregory IX, BMCL 12 (1982) S. 65 – 80; Knut Wolfgang Nörr, Päpstliche Dekretalen und römisch-kanonischer Zivilprozeß, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte (Festschrift Helmut Coing), Frankfurt am Main 1972, S. 53 –
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der Gesetzgebung im Allgemeinen und der Kodifikation im Besonderen entfaltet und durchgesetzt; und als man auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung zurückblickte und die früheren Epochen in Augenschein nahm, war die Versuchung groß, schon für damals entsprechende Phänomene festzustellen und in einer sozusagen epochenwidrigen Weise die Gestalt des Gesetzbuchs der eigenen Zeit in die Kompositionen der früheren Jahrhunderte hineinzutragen. So lässt sich, um bei unserem Beispiel zu bleiben, für das 19. und weite Strecken des 20. Jahrhunderts so etwas wie ein kanonistischer Gesetzespositivismus feststellen, in dessen Augen nun auch der Liber Extra als mehr oder weniger einheitliches Gesetzeswerk Papst Gregors IX. erschien. Gegen solche „Transporte“ neuerer Vorstellungen in ältere Formen, die zur Verkürzung und Simplifizierung führt, wandte sich schließlich die modernere Forschung; die Strukturen der Rechtssammlung Gregors IX. wurden offengelegt und ihre Andersartigkeit gegenüber einem modernen Gesetzbuch herausgearbeitet und akzentuiert. Die Verdienste um die Klärung der Struktur und Natur des Liber Extra sind natürlich unbestreitbar; sie laufen nun aber ihrerseits Gefahr, einer gewissen Einseitigkeit Vorschub zu leisten. Denn die Zusammenstellung der Texte in dem einen „Band“ ist noch aus einer anderer Perspektive zu betrachten. Hier geht es freilich nicht mehr um die erwähnte vom Gesetzespositivismus herausgeforderte forschungsgeschichtliche Fragestellung, sondern um die Frage der Wirkung der Rechtssammlung in der mittelalterlichen Kanonistik und somit in der Entwicklung des kanonischen Rechts. Denn aus diesem Blickwinkel lässt sich ein Zug zur „Uniformierung“, wenn man so sagen darf, sobald die Texte zur Sammlung vereinigt werden, nicht verkennen. Allerdings muss man in diesem Zusammenhang eine auffällige Differenzierung vornehmen. Sieht man sich nämlich die Lehre von den Rechtsquellen in den Schriften der Kanonistik an, dann kann von einer Gleichförmigkeit der Texte in dem angedeuteten Sinn keine Rede sein. Diese Lehre setzte bei der Textsammlung Gratians an und es genügt, an die bekannte Dist. 20 zu erinnern, wo Gratian im Rahmen seiner quellenhierarchischen Darstellung den Schriften der Kirchenväter in aller Deutlichkeit den zweiten Rang hinter den decretales epistolae der Päpste zugewiesen hat. Die Heterogenität der Texte, ob man nun die Concordia
65 (= Iudicium est actus trium personarum, 1993, S. 53* – 65*); Steven Horwitz, Magistri and magisterium: Saint Raymond of Penafort and the Gregoriana, Escritos del Vedat 7 (1977) S. 209 – 238; Martin Bertram, Die Dekretalen Gregors IX.: Kompilation oder Kodifikation?, in: Magister Raimundus, Atti del Convegno per il IV centenario della canonizzazione di San Raimondo de Penyafort, Rom 2002, S. 61 – 86.
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Gratians oder den Liber Extra betrachtete, blieb den Kanonisten immer lebhaft bewusst, sobald sie sich mit der Hierarchie der Quellen und ähnlichen Themen ausdrücklich befassten. Ganz anders lagen die Dinge, wenn die Kanonisten Texte aus Gratian oder der Dekretalensammlung als Beweisstücke für ihre Argumentationen herangezogen haben: und das ist schließlich ihre hauptsächliche Tätigkeit gewesen. Wir brauchen ja nur die Zitierweise zu betrachten, die sich nach Initien und Titelrubriken usw. richtete, nicht aber Herkunft und Verfasser des Textes beachtete (so bei den Kanonisten; an der Kurie mag man anders verfahren sein). Mit der Aufnahme in das Sammelwerk und ihrer argumentativen Nutzung durch die Schule mutierten gewissermaßen die Texte; sie verlieren ihre heterogene Natur und gleichen sich in Form und Bedeutung an: alle werden nun als grundsätzlich gleichberechtigte „Autoritäten“ behandelt. In der Ornamentik der Allegationen, im seriellen Gegeneinander der Argumente – ob als Stütze des Plädoyers vor Gericht oder der Disputation unter den scholares – stehen Texte der Kirchenväter und der Päpste, Texte der Bischofssynode und des ökumenischen Konzils, friedlich und nicht mehr unterscheidbar nebeneinander oder, je nachdem, sich gegenüber; und es war durchaus möglich, dass eine Kette von, sagen wir, moralischen Sätzen der Kirchenväter am Ende über die decreta von Päpsten den Sieg davon trug. Auch auf diese Weise können wir die Wendung „uti tam in iudiciis quam in scholis“ in den Übersendungsbullen zur Compilatio tertia und quinta und zum Liber Extra lesen: den Päpsten stand klar vor Augen, dass alle Texte, die in der Sammlung enthalten sind, auf gleiche Weise in Praxis und Wissenschaft beachtet werden, und dass sich nicht zuletzt ihre eigenen Entscheidungen in Elemente des allgemeinen Kirchenrechts verwandeln würden unabhängig davon, ob die Entscheidung in einem adressatlosen abstrakten decretum oder im Rahmen eines konkreten Streitfalls in einem an Einzelempfänger gerichteten Schreiben ergangen war: ja gerade solche individuellkonkreten Entscheidungen wurden in der Erwartung gefällt, dass sie dann, wenn sie zur Rechtsfortbildung beitrugen, auf dem Wege über die Sammlung und die wissenschaftliche Rezeption das Kleid des Einzelfalls abstreifen und in das Reich der für alle geltenden Normen überwechseln würden. Um noch das Ganze auf eine kurze Formel zu bringen: in der Theorie blieb die Heterogenität der Texte gewahrt, in der täglichen Anwendung und Argumentationsarbeit jedoch nahm jeder Text die Gestalt einer auf gleichartiguniversale Weise verbindlichen Rechtsnorm an.
Die soziale und schulische Situation im Amt Olm bis zur Zeit des Übergangs von der Kurmainzer zur französischen Herrschaft Von Ludolf Pelizaeus I. Stadt und Erzstift Mainz unter den Kurfürsten Im 18. Jahrhundert erlebte Mainz unter den Kurfürsten eine letzte Blüte als eine der politisch wichtigsten Städte des Heiligen Römischen Reiches. Diese Bedeutung verdankte die Stadt der Tatsache, Residenz des Kurfürsten und Reichserzkanzlers zu sein. Denn es war der Reichserzkanzler, der aufgrund seiner zentralen Funktion in der Verfassung des Alten Reiches maßgeblich am Erhalt der Institutionen des Reiches mitwirkte. 1 Zudem war es den Kurfürsten von Erthal und von Dalberg trotz der außenpolitisch schwierigen Situation der achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts geglückt, einen geschickten Kurs zwischen dem immer weniger am Reich interessierten Kaiser und dem aggressiv die Reichsverfassung ausnutzenden Preußen zu lenken. 2 Auf der anderen Seite hatten die Kurfürsten im Inneren eine Reihe von wichtigen Reformen initiiert, welche den Ideen des aufgeklärten Absolutismus verpflichtet waren. Ziel dieser Neuerungen war ein „mehr und mehr säkular ausgerichteter Wohlfahrtsstaat“, wie er gerade vom Bürgertum in Mainz gefordert wurde. 3 Die angestrebte homogene Gesellschaft vermochte man freilich schon aufgrund der starken Zersplitterung des Kurmainzer Territoriums nicht zu er1
Es sei an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Georg May für seine langjährige aktive Mitarbeit im Interdisziplinären Arbeitskreis Reichserzkanzler und die dem Kreis bewiesene Unterstützung gedankt. 2
Bernd Blisch, Erthal, Berlin / Bern / Frankfurt a. M. 2000 (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte, Bd. 16), S. 81 – 110. 3
Helmut Mathy, Die Residenz in Barock und Aufklärung (1648 – 1792), in: Franz Dumont / Ferdinand Scherf / Friedrich Schütz (Hrsg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt. Hrsg. im Auftrag der Stadt Mainz, Mainz 1998, S. 268 – 314, hier: S. 287 – 306; Gottfried Kneib, Das Kurmainzer Amt Olm, Alzey 1995 (Alzeyer Geschichtsblätter, Sonderheft 15), S. 334 – 348.
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reichen. Auch in konfessioneller Hinsicht überschritt man bisher gezogene Grenzen, allerdings ohne damit den gewünschten wirtschaftlichen Erfolg zu haben, wie das Projekt der Neustadt von Höchst zeigt. 4 Mehr Erfolg zeitigte jedoch das Bemühen um eine territoriale Integration des Umlandes der Stadt Mainz. Durch eine sehr zielstrebige Territorialpolitik gelang es den Mainzer Kurfürsten bis in die achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts mit friedlichen Mitteln, das Mainzer Umland bis auf Essenheim vollständig in das Kurfürstentum einzugliedern. Daher wurde eine administrative Neustrukturierung erforderlich, und die Orte um die Stadt wurden mit der Verwaltungsreform von 1782 dem Vizedomamt Nieder-Olm unterstellt. 5 Doch die recht ruhige und friedliche Zeit von Kurmainz wurde abrupt durch den Vormarsch französischer Truppen nach dem Ausbruch der Französischen Revolution 1789 beendet. Die Einnahme von Mainz 1792, die kurze Episode der Mainzer Republik, besonders aber die Eingliederung der Stadt ab 1797 in das Departement Donnersberg brachten für Stadt und Umland viele Veränderungen. 6 Am Beispiel von Marienborn, Ober-Olm und Klein-Winternheim, drei Orten des Amtes Olm, sollen diese Umwälzungen näher beleuchtet werden. Diese Orte wurden ausgewählt, stehen sie doch mit dem Schaffen von Georg May in Zusammenhang, da er eine umfassende Untersuchung über das Priesterhaus Marienborn im 18. Jahrhundert vorgelegt hat. 7 Durch die Verordnung vom 26. März 1798 wurden auch in den neuen französischen Departements die Feudalrechte beseitigt, die Güter von Kirche und Adel eingezogen, gleichzeitig aber auch eine Reihe französischer Neuerungen
4
Dominik Bartoschek, Die Höchster Neustadt. Eine kurmainzische Stadtgründung des 18. Jahrhunderts, in: Forschungen zu Kurmainz und dem Erzkanzler. Hrsg. von Peter C. Hartmann / Ludolf Pelizaeus, Berlin / Bern / Frankfurt a. M. 2005 (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte, Bd. 17), S. 167 – 186, hier: S. 183 – 186. 5
Kneib, Olm (Anm. 3), S. 332 – 333; Elmar Rettinger, Die Umgebung der Stadt Mainz und ihre Bevölkerung vom 17. bis 19. Jahrhundert. Ein historisch-demographischer Beitrag zur Sozialgeschichte ländlicher Regionen, Stuttgart 2002 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 53), S. 45. 6 Franz Dumont, Mayence. Das französische Mainz (1792/93 – 1814), in: Franz Dumont / Ferdinand Scherf / Friedrich Schütz (Hrsg), Mainz. Die Geschichte der Stadt. Hrsg. im Auftrag der Stadt Mainz, Mainz 1998, S. 319 – 374. 7 Georg May, Das Priesterhaus in Marienborn, Mainz 2005 (Publikationen Bistum Mainz).
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eingeführt. 8 Für die Bewohner der hier betrachteten Orte waren dabei besonders die Änderungen der administrativen Zuordnung, des Steuersystems, die Einführung des laizistischen Standesamtswesens und der allgemeinen Wehrpflicht am Wichtigsten. 9 II. Das Departement Donnersberg Werfen wir kurz einen Blick auf die administrative Zuordnung. Mainz wurde als „Mayence“ Hauptstadt des neugeschaffenen Departements Donnersberg (Mont Tonnerre), welches seinerseits in mehrere Kantone eingeteilt war. Zu dem Kanton Nieder-Olm gehörten die ehemals kurmainzischen Orte Bretzenheim, Drais, Ebersheim, Finthen, Gau-Bischofsheim, Gonsenheim, Hechtsheim, Laubenheim, Marienborn, Weisenau und Zahlbach, sowie die vormals kurpfälzischen Orte Stadecken und Essenheim, das ritterschaftliche Sörgenloch und das österreichische Harxheim. Budenheim und Mombach wurden dem Kanton Ober-Ingelheim zugeteilt. Es entstand also eine in konfessioneller wie territorialer Hinsicht vollständige Neugliederung, was einen tiefgreifenden Einschnitt in die bisherigen Lebenswelten bedeutete. Die französischen Verwaltungsreformen machten zudem auf der Ebene der Kantone nicht halt, sondern griffen auch in die jeweilige Munizipalstruktur ein. 1800 wurden Bürgermeistereien, sogenannte „Mairien“ eingerichtet. Marienborn gab der neuen Mairie „Marienborn“ den Namen, deren Verwaltung war jedoch in Bretzenheim, während Klein-Winternheim der Mairie Ober-Olm zugeschlagen wurde. Es war eine dauerhafte Neugliederung geschaffen worden, die im Kern auch in hessischer Zeit übernommen wurde. 10 Für die ländliche Bevölkerung des Mainzer Umlandes war der angesprochene Herrschaftsübergang am Nachhaltigsten in drei Bereichen spürbar: bei den Abgaben, dem Schulwesen und dem Militärwesen. Daher sollen diese Bereiche exemplarisch an den ausgewählten Orten untersucht werden, um deren Situation im ausgehenden 18. Jahrhundert zu verstehen.
8
Es darf dabei aber nicht vergessen werden, dass bereits seit 1787 der Leibeigenloskauf noch von der Kurmainzer Regierung systematisch gefördert worden war. Kneib, Olm (Anm. 3), S. 335. 9
Rettinger, Umgebung (Anm. 5), S. 46.
10
Franz Josef Becker / Klaus Lamberth, Unser Dorf während der französischen Herrschaft 1792 – 1814, in: 900 Jahre Klein-Winternheim. Beiträge zur Ortsgeschichte. Hrsg. von der Ortsgemeinde, Mainz 1999, S. 145 – 151, hier: S. 149.
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III. Zur Besitzgeschichte von (Marien)born, Klein-Winternheim und Ober-Olm Kommen wir daher zunächst zur Besitzgeschichte seit dem 16. Jahrhundert, die als Verständnisfolie für die administrative Neuordnung in französischer Zeit unabdingbar ist. In dieser Frage zeigt sich die Diversität der Orte sowohl in Hinblick auf die Dauer ihrer Zugehörigkeit zu Kurmainz wie in Hinblick auf ihre konfessionelle Prägung. Während nämlich der Olmer Bezirk mit Klein-Winternheim und Ober-Olm schon seit dem 7. Jahrhundert zur Mainzer Kirche zählte, 11 war (Marien)Born erst 1631 – also kurz vor der Besetzung von Mainz durch schwedische Truppen – von der Witwe des letzten Besitzers, des Kurmainzischen Advokaten Heinrich von Rosenthal, unter Druck an Kurmainz verkauft worden. 12 Hier in Born war zweimal ein Konfessionswechsel, verbunden mit dem Machtwechsel, eingetreten. 1554 hatten die Herren von Bolanden die Reformation eingeführt, nach 1634/35 wurde der Ort katholisch, wobei die Situation zwischenzeitlich noch dadurch kompliziert worden war, dass der Besitzer des Ortes ab 1615, Heinrich Rosenthal, persönlich sogar reformiert war. 13 So wurden die drei Orte erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts administrativ dem Amt NiederOlm zugeordnet. 14 Bei den drei Orten behielt Ober-Olm als Sitz des Landkapi-
11
Franz Staab, Die Erstnennung von Klein-Winternheim, in: 900 Jahre KleinWinternheim. Beiträge zur Ortsgeschichte. Hrsg. von der Ortsgemeinde, Mainz 1999, S. 12 – 16, hier: S. 13. Ältere Datierung (Klein-Winternheim (Wintirheim) 1189/90, Marienborn (brunnon) 1043 und Ober-Olm (superius ulme) 1189/90) noch bei: Rettinger, Umgebung (Anm. 5), S. 26 f. 12
„…dieß dörfflein Mariaeborn ahn doctor Henrich Roßenthal verkaufft. … Nach welches absterben seine hind[er]lassene wittib benebens dero kind[er] vormundern in anno 1631 ihro churf. gnad Anselmo Casimiro deß dorffs gemarckung und[er]thanen sambt allen pertinentien, jurisdiction und herrligkeiten umb und für 6000 fl. bahren gelts verkaufflich uberlaßen und eingeraumbt hat, alles nach inhalt selbig uffgerichten contracts und also dem ambt Ohlm incorporirt word[en].“ HStA D [Hessisches Staatsarchiv Darmstadt] C 2, 390 (1668), fol. 166 – 174, zit. nach: Sigrid Schmitt, Ländliche Rechtsquellen aus den kurmainzischen Ämtern Olm und Algesheim, Stuttgart 1996 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 44), S. 396 f. 13
Zur religiösen Situation in Mainz 1631 vgl.: Hermann-Dieter Müller, Der schwedische Staat in Mainz 1631 – 1636: Einnahme, Verwaltung, Absichten, Restitution, Mainz 1976 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz, 24), S. 167 – 183. 14
Friedrich Schütz, Marienborn und seine 1000jährige Geschichte, in: Stadtteil Mainz Marienborn (Hrsg.), Marienborn und seine 1000jährige Geschichte, Mainz 1995, S. 11 – 17, hier: S. 17.
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tels, dem 21 Pfarreien unterstanden, auch eine überregionale Bedeutung. 15 War nun Ober-Olm in administrativer Hinsicht wichtig, so war dies für Marienborn, wie das vormalige Born seit dem Ende des 17. Jahrhunderts genannt wurde, durch seine Funktion als Wallfahrtsort der Fall. Hier war es nämlich den Jesuiten durch ihre Missionstätigkeit in den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts gelungen, die Marienwallfahrt erneut zu beleben. Und sie hatten offenbar Erfolg: Die Bedeutung dieser Wallfahrt im Kurmainzer Vergleich lässt sich daran ablesen, dass man, als 1736 nach einem Sitz des Emeriten- und Demeritenhauses in ganz Kurmainz gesucht wurde, neben Marienborn nur noch Walldürn als ebenfalls sehr bedeutenden Wallfahrtsort in Erwägung zog, sich dann aber 1737 für Marienborn als Sitz entschied. 16 Für die dauerhafte Sicherung der Wallfahrt war aber der Neubau der Kirche erforderlich. Um einen solche Baulast schultern zu können, bedurfte die Marienborner Gemeinde jedoch finanzieller Unterstützung, die man sich vom Stift St. Viktor in Mainz erhoffte, da dieses aufgrund seines umfangreichen Grundbesitzes im Ort zahlreiche Abgaben bezog. Doch war das Verhältnis gespannt. Schon seit dem 16. Jahrhundert schwelte nämlich mit dem Stift ein Streit um die Finanzierung des Pfarrers, der 1684-1686 einen erneuten Höhepunkt erreicht hatte, als die Pfarrgemeinde das Stift St. Viktor zur dauerhaften Unterhaltung von Pfarrer und Kirche zwingen wollte. So gelang es auch 1725 nur unter erheblichen Schwierigkeiten, St. Viktor doch noch zu einer Beteiligung zu veranlassen. Damit war die Grundlage für den Neubau geschaffen, so dass 1729-1760 die barocke Kirche von Marienborn gebaut werden konnte. 17 Auch an den anderen beiden Orten finden sich für das 18. Jahrhundert zahlreiche Baumaßnahmen als Beleg für die öffentliche Förderung der dörflichen Kultur. So wurde in Klein-Winternheim 1711 die Kirche umfassend umgestaltet, ohne dass sich jedoch über die Art der Neuausstattung nähere Informationen erhalten haben. Auch in Ober-Olm wurde durch die Errichtung des Langhauses der Valentinuskapelle 1717 der Kultus gefördert. Gerade für die Zeit
15
Kneib, Olm (Anm. 3), S. 171 f. Zeitgenössische Beschreibung von KleinWinternheim und Ober-Olm bei: Schmitt, Ländliche Rechtsquellen (Anm. 12), S. 366 – 371; 466 – 472. 16 17
May, Priesterhaus (Anm. 7), S. 6 – 9.
Vgl. HStA D, E 5C alt (vernichteter Bestand). Die einzelnen Baudaten, von der Grundsteinlegung unter Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg bis zur Konsekration 1760 sind im Kern bekannt, weswegen sie hier nicht beleuchtet werden sollen. Vgl. Fritz Ahrens, Die Baugeschichte der Pfarr- und Wallfahrtskirche zu Marienborn, in: Festschrift aus Anlaß der 900 Jahrfeier von Marienborn und des 200. Jahrestages der Weihe unserer Kirche. Hrsg. von Jakob Bergmann, Mainz 1960, S. 18 – 26, hier: S. 21.
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von Lothar Franz von Schönborn und Friedrich Karl von Eltz lässt sich also eine Gottesdienstförderung, von der alle Orte profitierten, feststellen. 18 IV. Die Agrar- und Abgabensituation Um zu einem komplexen Verständnis der Situation der Bevölkerung zu gelangen, wollen wir uns nach dem Blick auf die Besitzentwicklung und die Förderung von Wallfahrt und Kultus nun der steuerlichen Situation der Einwohner in diesen Jahren zuwenden. Aufgrund des allgemeinen erheblichen Bevölkerungswachstums, das dazu führte, dass bei Erbgängen nicht mehr alle Kinder ausreichend berücksichtigt werden konnten, gab es neben dem Wohlstand einer aufstrebenden Oberschicht auch einen erheblichen Teil der Bevölkerung, der zunehmend verarmte. 19 Dieser Bevölkerungszuwachs kann auch in den hier untersuchten Orten konstatiert werden.
4500
3810
J 1600
4000
J 1700
3500
J 1800 J 1900
3000 2500 2000 1500
700
1000 500 0
614 218 337
286 100 130
900 350 444
663
1428 1166 422
200
Marienborn
Klein-Winternheim
Bretzenheim
Ober-Olm
Die Bevölkerungsentwicklung 1600 – 1900
18
Kneib, Olm (Anm. 3), S. 315. Zur Kulturförderung unter Schönborn: Georg Peter Karn, Die Mainzer Kurfürsten von Schönborn und die Kunst, in: Die Mainzer Kurfürsten des Hauses Schönborn als Reichserzkanzler und Landesherrn. Hrsg. von Peter C. Hartmann, Berlin / Bern / Frankfurt a. M. 2002 (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte, Bd. 10), S. 125 – 158, hier S. 135 – 143; Karl Härter, Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz in Kurmainz unter den Kurfürsten Johann Philipp und Lothar Franz von Schönborn, in: ebda., S. 83 – 124, hier: S. 83 f. 19
Rettinger, Umgebung (Anm. 5), S. 74 – 80.
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Für viele Bewohner des Amtes Olm stellte sich die Situation schwierig dar. Sie hatten gerade eine ausreichende Grundlage zum Überleben und dennoch lasteten nicht unerhebliche Abgaben auf ihnen. So auch in Marienborn, wie dies in einem Bericht von 1668 dargestellt wird: „… Die inwohnere deß dörffleins Mariaeborn erkennen den hochwürdigsten unsern gsten. churfürsten und herrn, den ertzbischoffen zue Mayntz für ihren rechten herrn und ein hochwürdig dhomcapitul vor ihren erbherrn. Dasselbs seint hochstged[achte] ihro chuf. g[naden] berechtiget: der landtfürstlich[en], geistlichen, criminal und vogteylicher obrig- und bottmäßigkeiten, huldigung steüer, schatzung, türckensteüer ...“ 20
Aus der landesfürstlichen Obrigkeit wurde also das Recht auf Steuer, Schatzung und die an das Reich abzuleistende „Türkensteuer“ abgeleitet. Diese in Naturalien oder Geld zu leistenden Abgaben waren einmal an den Kurfürsten, dann aber auch an die größten Grundbesitzer in Mainz und dem Umland, nämlich die Stifte und Klöster, zu entrichten. Dabei waren die Kommunen meist nicht nur durch die Abgaben, sondern auch durch erhebliche Schulden an die Klöster gebunden. Dies soll durch einen Blick auf die Listen des Grundbesitzes der Mainzer Abteien und Klöster der hier betrachteten Orte, die sich im Mainzer Stadtarchiv überliefert haben, näher beleuchtet werden. 21 Die Grundherren waren in der Stadt Mainz und der näheren Umgebung zu finden. Zunächst sind das St. Jakobskloster und die Dominikaner zu nennen. Eine zweite Gruppe machten die Frauenorden, also das Weißfrauenkloster, St. Agnes, Maria Dahlheim und das Kloster der Reuerinnen („Weißenau Nonnen“) aus. Als großer Grundbesitzer trat schließlich noch die Universität auf, die 1781 durch die Klosteraufhebungen von Altmünster, der Karthause und der Klarissen („Reichklarissen“) sowie der Ordensaufhebung der Gesellschaft Jesu 1773 in die Rechtsnachfolge mehrerer grundbesitzender Gemeinschaften getreten war. 22 Einziger auswärtiger geistlicher Grundbesitzer schließlich war das in 20 HStA D C 2, 390 (1668), fol. 166 – 174, zit. nach: Schmitt, Rechtsquellen (Anm. 12), S. 396 f. 21
Das Klein-Winternheimer Tertiarierinnenkloster war bereits unter Albrecht von Brandenburg nach Weisenau verlegt worden. Hans Jürgen Böhmelmann, Von den Franken bis zum Ende des Mittelalters, in: 900 Jahre Klein-Winternheim. Beiträge zur Ortsgeschichte. Hrsg. von der Ortsgemeinde, Mainz 1999, S. 87 – 108, hier S. 106 f. 22 Kneib, Olm (Anm. 3), S. 344; Rettinger, Umgebung (Anm. 5), S. 36, 49; HStA D E 10/6, fol. 37 Auszug vom Weistum 1521 anlässlich eines Streits von 1789. Vgl. Peter Claus Hartmann, Die Jesuiten, München 2001, S. 88 – 91; Fritz Ahrens, Kunstdenkmäler der Stadt Mainz I, München 1961, (Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz), S. 5, 173, 272; Rheinische Zisterzienser im Spiegel der Buchkunst. Hrsg. vom Landesmuseum Mainz, Wiesbaden 1998, S. 213, 225, 238.
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Ober-Olm begüterte Kloster Eberbach, welches freilich der größte Grundbesitzer im Ort überhaupt war. 23 Betrachten wir uns zunächst den Abgabemodus. Hier fällt auf, dass allein die Benediktiner von St. Jakob in Klein-Winternheim die Umstellung zu Geldabgaben eingeführt hatten, während für alle anderen geistlichen Grundherrn Naturalien zu entrichten waren. Anders hingegen sah die Situation in Ober-Olm aus. Während St. Jakob hier nämlich noch Naturalien bezahlt bekam, griffen Eberbach, Maria Dahlheim und Weissfrauen auf beide Abgabeformen, Altmünster (Universität) und die Dominikaner hingegen ausschließlich auf Geldzahlungen zurück. In Marienborn wurde nur in Naturalien an die drei Grundherren Maria Dahlheim, Weißfrauen und die Universität (für die Karmeliter und Karthause) gezahlt. Bei den Naturalien waren die Abgaben entweder in Korn oder aber in den Winzergemeinden Ober-Olm und Klein-Winternheim in Wein zu entrichten. 24 Wir können für die Agrarstruktur konstatieren, dass in den Gemeinden Äcker und Wiesen die Fläche dominierten, hinzu traten in Ober-Olm und Klein-Winternheim noch Wingerte. Die für die Naturalabgaben produzierten Agrarprodukte waren zunächst als Getreidearten Roggen, Spelz, Gerste, Hafer, selten nur fand sich Weizen. Daneben lässt sich der Anbau von Linsen, Bohnen, Kohl und Rüben nachweisen. Die Kartoffel hingegen hatte sich auch zur Mitte des 18. Jahrhunderts noch nicht durchgesetzt. 25 Die dominierende Situation der Klöster als Grundherrn lässt verständlich werden, welchen Einschnitt die französische Herrschaft bedeutete, als alle Klöster und damit auch die an sie zu leistenden Abgaben aufgehoben wurden.
23
St. Stephan, Liebfrauen, St. Peter und St. Viktor, St. Johannes und das Georgshospital hatten ebenfalls Besitzungen, sind aber in dieser Liste nicht aufgeführt. Vgl. Schmitt, Rechtsquellen (Anm. 12), S. 366 – 371; 466 – 472; Hans Jürgen Böhmelmann, Von der Reformation zur Revolution, in: 900 Jahre Klein-Winternheim. Beiträge zur Ortsgeschichte. Hrsg. von der Ortsgemeinde. Mainz 1999, S. 109 – 144, hier: S. 132. Vgl. zu Eberbach in der Umbruchsphase vom 18. in das 19. Jahrhundert: Ricarda Helm, Konflikte und Veränderungen einer Kleinstadt im Zeitalter der Säkularisation: Eltville am Übergang von der kurmainzischen zur nassauischen Zeit, in: Forschungen zu Kurmainz und dem Erzkanzler. Hrsg. von Peter C. Hartmann / Ludolf Pelizaeus, Berlin / Bern / Frankfurt a. M. 2005 (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte), S. 151 – 166, hier: S. 151 – 154. 24
Vgl. auch die genauen Abgabebestimmungen von 1590 zitiert von Böhmelmann, Reformation (Anm. 23), S. 113 – 117. 25 Rettinger, Umgebung (Anm. 5), S. 81 – 83; Böhmelmann, Reformation (Anm. 23), S. 116; Kneib, Olm (Anm. 3), S. 339.
Die soziale und schulische Situation im Amt Olm
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Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass schon in Kurmainzer Zeit die ersten Klosteraufhebungen durchgeführt worden waren, sei es zugunsten der Universität, oder, wie von Georg May untersucht, die Aufhebung des Dominikanerklosters, um ein Priesterhaus einrichten zu können. 26 Mit dem Wegfall der Klöster ab 1797 fielen aber nicht nur einfach Institutionen, die Abgaben forderten, fort, sondern vielmehr tat sich jetzt eine große Lücke durch den Wegfall der Förderer des schulischen und religiösen Lebens auf. 27 V. Die Veränderungen im Schul- und Bildungswesen Dieser Zusammenhang macht einen Blick auf die schulische Situation erforderlich. Die Schulbildung wurde von Pfarrern durchgeführt. Zwar wissen wir für Marienborn nur, dass emeritierte Pfarrer manchmal die Messe lesen oder Beichte abnehmen durften, 28 doch ist es unwahrscheinlich, dass sie auch als Lehrer eingesetzt wurden, da selbst für die Emeriten strenge Vorschriften in Bezug auf das Verlassen des Hauses galten und ein Verlassen von Marienborn nicht gewünscht wurde. Es war also Aufgabe des Ortspfarrers oder eines noch im Dienst stehenden Kaplans aus einer Nachbargemeinde, in den drei Orten Unterricht abzuhalten. Bei der Regelmäßigkeit des Unterrichts konnte Kurmainz durchaus ein hohen Standard vorweisen. Denn bereits mit der Visitation von 1548/49 waren in den Orten des Landkapitels Olm Schulen eingerichtet worden, wenngleich erst mit den Reformen unter Anselm Franz von Ingelheim (1679-1695) die Schulpflicht für alle Kinder von sechs bis zwölf Jahren eingeführt wurde. 29 Für Klein-Winternheim ist die Existenz einer Schule für 1688 nachgewiesen, hier war der Schulbesuch wohl zahlreicher als in Ober-Olm und Marienborn. Denn in letzterem Ort sind zwar 1716 ein Lehrer und eine Schule nachgewiesen, allein hatte der Lehrer nur einen Schüler. Diese Schwierigkeit, überhaupt Schüler zu gewinnen, führte dazu, dass der Unterricht aus Rücksicht auf die Landwirtschaft nur im Winter stattfand, allerdings trotzdem offenbar nur mäßig besucht wurde. In der Zeit der großen Kriege am Ende des 17. und am Anfang des 18. Jahrhunderts wurden keine wichtigen Maßnahmen zur Verbesserung der Schulbildung ergriffen. Dies geschah erst wieder zur Mitte des Jahrhunderts, als man eine Reihe von Schulreformen durchführte. Zunächst wurden 1756 wöchentli-
26
May, Priesterhaus (Anm. 7), S. 71 – 73; Kneib, Olm (Anm. 3), S. 344.
27
Dumont, Mayence (Anm. 3), S. 353.
28
May, Priesterhaus (Anm. 7), S. 43 f.
29
Kneib, Olm (Anm. 3), S. 274 f.; Rettinger, Umgebung (Anm. 5), S. 59 f.
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che Visitationen durch die Ortspfarrer eingeführt und diese 1758 auch noch einmal zur Meldung der Mängel verpflichtet. Verbunden war diese Maßnahme mit der Strafandrohung an diejenigen Eltern, die ihre sieben- bis dreizehnjährigen Kinder nicht zur Schule schickten. Dank dieser Visitationsberichte können wir uns ein Bild von der Situation in den Schulen machen. Während aus OberOlm gemeldet wurde, dass man zusätzlich eine Privatschule eingerichtet hatte30, so wurde in Klein-Winternheim vornehmlich auf die mangelnden Lateinkenntnisse verwiesen,31 während die Marienborner in allen Fächern Erfolge meldeten.32 Solche Erfolgsmeldungen darf man aber nicht überbewerten, denn wir wissen, dass die Schreib- und Lesefähigkeit auf dem Land nicht besonders entwickelt war.33 Wohl auch aus diesem Grund wurden die Reformen unter Kurfürst Breidbach-Bürresheim weiter verfolgt und der Lehrplan ausgebaut. Jetzt wurden auch Naturlehre und Naturgeschichte, mechanische Gesetze und die Verantwortung des Staates unterrichtet. An dieser Reform zeigt sich, wie bereits in kurfürstlicher Zeit begonnen wurde, die Bildung der Verantwortung der Kirche zu entziehen, denn neben der Lehrplanänderung wurden jetzt speziell Lehrer eingestellt. Langfristig war dem Vorstoß nicht der intendierte volle Erfolg beschieden. Denn schon nach dem Tod von Breidbach-Bürresheim fiel die Schulbildung vielfach wieder an die Kirche zurück.34 Da nicht überall neue Lehrer eingestellt worden waren, blieben Alter der Lehrer und Größe der Klassen völlig unterschiedlich. In Klein-Winternheim unterrichtete der Lehrer Niklas Knab mit erst 25 Jahren 28 Knaben und 32 Mädchen, während der 46jährige Lehrer Joes Nees in Ober Olm 1780 vor nicht weniger als 75 Knaben und 49 Mädchen stand und schließlich treffen wir den 64jährigen Anton Litzius in Marienborn, der mit 26 Jungens und 19 Mädchen aber wenigstens die kleinste
30 „... Hat der schuhlmeister den choral nebst lesen und schreiben gelehret, wegen dem rechnen aber würdt abens ein privat schuhl gehalten, so dan mit geringerem recompensiert worden“, zit. nach Anton Philipp Brück, Kurmainzer Schulgeschichte. Texte, Berichte, Memoranden, Wiesbaden 1960 (Mainzer Beiträge zur Pädagogik, Hist. Ab. 1), S. 34 f.; Kneib, Olm (Anm. 3), S. 341. 31
„Der choral ist nebst dem lesen und schreiben, nicht aber die lateinische sprach und rechnen gelehrt wordten, dan keine kinder niemahlen darzu geschicket worden ...“, zit. nach Brück, Schulgeschichte (Anm. 30), S. 342; Kneib, Olm (Anm. 3), S. 341. 32
„Die schuhl ist bishero zum genügen der gemeind wohl gehalten worden, und ist darinnen zugleich die lateinische sprach, der choral nebst dem lesen und schreiben, auch das rechnen gelehrt worden“, zit. nach Brück, Schulgeschichte (Anm. 30), S. 342; Kneib, Olm (Anm. 3), S. 341. 33
Rettinger, Umgebung (Anm. 5), S. 60 f.
34
Blisch, Erthal (Anm. 2), S. 52 – 54.
Die soziale und schulische Situation im Amt Olm
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Klasse zu betreuen hatte. 35 So ist es als Erfolg zu werten, dass insgesamt die schulische Lage als zufriedenstellend eingestuft werden konnte, wenngleich das Grundproblem der frühneuzeitlichen Schulbildung bestehen blieb, dass nämlich Eltern, die im landwirtschaftlichen Bereich um das Überleben kämpften, den Schulbesuch der Kinder oft nicht zulassen konnten, da sie deren Arbeitskraft brauchten. 36 Die Änderungen, die sich durch die Säkularisation und den Anfall an Frankreich ergaben, trafen auch das Schulsystem. Die Pfarrer wurden zu staatlich besoldeten Beamten, allerdings wurde die Bezahlung der kleineren Hilfspfarreien den bürgerlichen Gemeinden aufgebürdet, die aber nicht zahlten, so dass viele Pfarrer kein Einkommen erhielten. Hinzu kam, dass 1802 die verbliebenen Klöster und Stifte aufgehoben wurden und nur noch die Englischen Fräulein weiterhin unterrichten durften. In französischer Zeit wurde zwar eine Reihe von Reformen im Schulwesen durchgeführt, die jedoch nur das höhere Schulwesen, nicht aber die Ausbildung auf dem Land betrafen. 37 VI. Die Konsequenzen des veränderten Militärdienstes Blicken wir zum Schluss noch auf den letzten Bereich, der ebenfalls durch die französische Zeit eine profunde Umformung erfuhr. Hier ist zunächst die geringere Militarisierung im Mainzer Umland in der kurfürstlichen Epoche zu betonen. Denn in Kurmainzer Zeit war zwar die Bevölkerung in Listen für den Militärdienst erfasst, doch wurden die wenigsten tatsächlich eingezogen. So wurden im gesamten Amt Olm in der Liste von 1554 zwar 441 gemusterte Personen erfasst, von denen aber maximal 147 auszurücken hätten. 38 Dies änderte sich zwar im 18. Jahrhundert dahingehend, dass Kurmainz nun auch eine stärkere Militarisierung erlebte, ohne aber in gleicher Weise wie Preußen, Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt oder Baden seine Bevölkerung zum Militär einzuziehen. Kurmainz stand jedoch bei der relativen Militarisierung vor den großen weltlichen Kurfürstentümern Pfalz und Sachsen, so dass sich schon eine stärkere Präsenz militärischer Verpflichtung im Leben der einfachen Bevölke-
35
Kneib, Olm (Anm. 3), S. 343.
36
Philippe Aries, Geschichte der Kindheit, München 1992, 10. Aufl., S. 451 – 456.
37
Ferdinand Scherf, Lernen in Mainzer Schulen, in: Franz Dumont / Ferdinand Scherf / Friedrich Schütz (Hrsg), Mainz. Die Geschichte der Stadt. Hrsg. im Auftrag der Stadt Mainz, Mainz 1998, S. 733 – 769, hier S. 740 f. Barbara Nichtweiß, Es wandern die Schätze, in: Vom Kirchenfürst zum Bettelbub. Das heutige Bistum Mainz entsteht. 1792 – 1802 – 1830, Mainz 2002, S. III – 56. 38
Böhmelmann, Reformation (Anm. 23), S. 111.
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rung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts niederschlug und hier auch in militärischer Hinsicht keine Rückständigkeit festgestellt werden kann. 39 Doch blieb dies alles noch weit hinter der mit der französischen Herrschaft eingeführten allgemeinen Wehrpflicht zurück, die aber für alle Territorien in Deutschland eine Neuerung bedeutete. Diese Wehrpflichtigen wurden nicht nur erfasst, sondern auch tatsächlich eingezogen. Die vielen Feldzüge der französischen Republik und dann Napoleons Bedarf an Soldaten führten dazu, dass alle Orte des Amtes Olm ihren Beitrag leisten mussten. Viele kehrten nicht mehr zurück. Wir haben keine genauen Zahlen der Gefallenen, doch fällt zumindest die hohe Zahl von Halb- oder Vollwaisen in den Konskriptionslisten des Jahres 1804 auf. 40 In jedem Fall traf hier die Einziehung der Söhne die verbliebene Familie besonders hart. Dies umso mehr, als die vielen Requirierungsscheine für Pferde noch 1813 ein beredtes Zeugnis davon geben, wie auch die Zugtiere mit dem steigenden Bedarf des französischen Militärs eingezogen wurden. 41 Viele Bewohner des Kantons Nieder-Olm sollten ihren Heimatort nicht mehr sehen, sondern ließen ihr Leben während des Russlandfeldzuges. 42 Doch selbst nach dem Herrschaftswechsel trat für die Einwohner des Kantons Nieder-Olm kein Frieden und keine Ruhe ein. Vielmehr bedeutete der Durchzug von preußischen, russischen und großherzoglich-hessischen Truppen zum wiederholten Male erhebliche Belastungen. 43
39 Kurmainz hatte am Ende des 18. Jahrhunderts ein Verhältnis Bevölkerung – Militär von 0,83%, was ungefähr Pfalz-Bayern (0,83) oder Sachsen (0,9%), nicht aber Preußen (3,5), Hessen-Darmstadt (1,87), Baden (2,7) oder gar Hessen-Kassel (3,3 – 4,3) entsprach. Vgl. hierzu ausführlich: Ludolf Pelizaeus, Die Militarisierung im Heiligen Römischen Reich am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Hessische Militär- und Zivilgeschichte 3 (2005), S. 25 – 42, hier: S. 38 – 40. 40
Vgl. die Liste der Konskribierten in Marienborn in: StA Mz [Stadtarchiv Mainz] VOA 4, 23: Verzeichnis der Konskribierten, 29. Fruktidor 11. Vgl. Dumont, Mayence (Anm. 6), S. 372. 41
Vgl. StA Mz VOA 4, 23: Forderung von Pferden aus Marienborn, 12.10.1813.
42
Bewohner aus Marienborn dienten vornehmlich in der „Junge Garde“ oder in Linien-Infanterieregimentern, die hohe Verluste in Russland hatten. StA Mz VOA 4, 23: Liste der Konskribierten in Marienborn 1814. 43
HStA D E 8 A Nr. 369/7. Becker, Herrschaft (Anm. 10), S. 148 – 150.
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VII. Ausblick Als Mainz und damit auch das Umland 1814 zunächst unter die Verwaltung von Österreich und dann an das protestantische Großherzogtum Hessen fiel, brach eine neue Epoche an. Denn viele in französischer Zeit eingeführte Reformen wurden aufgehoben, ohne dass es eine entsprechende Kompensation für die Bevölkerung gegeben hätte. Damit ergab sich erneut eine ganze Reihe von Umwälzungen, wenngleich danach endlich wieder eine lange Periode des Friedens und der Stabilität eintrat. 44
44 Vgl. Barbara Nichtweiß, Eheprobleme, in: Vom Kirchenfürst zum Bettelbub. Das heutige Bistum Mainz entsteht. 1792 – 1802 – 1830, Mainz 2002, S. III – 89.
Franz Xaver Seppelt in Breslau und München Eine Erinnerung zum 50. Todestag Von Georg Schwaiger Meminisse iuvat – meminisse dolet. Erinnerung kann Freude und Schmerz bedeuten. In das freundlich-dankbare Gedenken an unseren Lehrer der Kirchengeschichte mischen sich Trauer und Schmerz über dessen schweres Schicksal im letzten Jahrzehnt seines Lebens. Franz Xaver Seppelt war seit 1915 (Ordinarius 1920) Professor an der Universität Breslau, nach der Vertreibung seit 1946 an der Universität München, bis zur Emeritierung 1952. Am 25. Juli 1956 ist er in München verstorben. Der Lebensgang im Überblick Bis zur gewaltsamen Vertreibung (1946) vollzog und erfüllte sich Franz Xaver Seppelts Leben in Breslau, der größten Stadt Schlesiens, dessen Oderbrückenstadt und bedeutendster Handelsplatz 1 . Die Stadt, seit dem Jahr 1000 1
Für den knappen Überblick verweise ich auf: Josef Negwer †, Erinnerungen an Franz Xaver Seppelt, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 23 (1965) 175 – 189 (mit früheren kurzen Würdigungen und Nachrufen); Bernhard Panzram, Franz Xaver Seppelt, Leben und Werk, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 25 (1967) 274 – 297 (Lit.). – Walter Dürig / Bernhard Panzram (Hrsg.), Studien zur historischen Theologie. Festgabe für Franz Xaver Seppelt: Heft 1 und 2 des Jg. 4 (1953) der Münchener Theologischen Zeitschrift, hier: Robert Samulski, Die Veröffentlichungen von Franz Xaver Seppelt, 4 (1953) 213 – 220; Festschrift zum 70. Geburtstage Franz Xaver Seppelt gewidmet, Hildesheim 1952 (= Archiv für schlesische Kirchengeschichte 10, 1952); Hubert Jedin, Zum 70. Geburtstag von Franz Xaver Seppelt, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 10 (1952) 1 – 9; ders., Franz Xaver Seppelt †, in: Theologische Revue 52 (1956) 211 – 213; LThK IX2 (1964) 676 (Hermann Tüchle); BBKL 9 (1995) 1393 – 1395 (Konrad Fuchs); LThK IX3 (2000) 473 (Georg Schwaiger). – Erich Kleineidam, Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Breslau 1811 – 1945, Köln 1961, bes. 99 – 121 , 153 f., 168; Kurt Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels im Rahmen der Diözesangeschichte vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, Hildesheim 1964. – Franz Xaver Seppelt, Geschichte
296
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auch Bischofssitz (Suffraganat von Gnesen), liegt in einer fruchtbaren Ebene zu beiden Seiten der Oder: am linken Ufer die Altstadt mit ihren engen, geradlinigen Straßen und dem Geschäftsviertel, am rechten Ufer die stille „geistliche Stadt“ mit dem Dom und anderen schönen Kirchen. Ein Leben lang hing Seppelts Herz an Breslau. Hier wurde er am 13. Januar 1883 als Sohn des Rektors der Domschule geboren. Der Vater, eine hohe, liebenswürdige Erscheinung, war der letzte Rektor der Domschule in unmittelbarer Nähe der romanischen St.-Ägidi-Kirche, des ältesten Bauwerks der Stadt. Hier verbrachte Franz Xaver Seppelt seine Jugendjahre. Der Familienname gilt als östliche Form von Sebald. Der Junge hatte eine einzige Schwester, Maria, an der er mit zärtlicher Liebe hing, die ihm später auch, unterstützt von Fräulein Anna Stöber, den Haushalt führte. Die Mutter starb bereits 1889. Der Junge besuchte das Matthias-Gymnasium, dessen Abitur er 1902 glänzend bestand. Zum Sommersemester des Jahres bezog er als Student der katholischen Theologie das Fürstbischöfliche Theologenkonvikt Collegium Georgianum am Domplatz, im Herbst 1905 das Priesterseminar in Breslau. Vom ersten Semester an war Seppelt begeistert vom Lehrer der Kirchengeschichte Max Sdralek (1855 – 1913), einem Priester aus Oberschlesien, Schüler der Professoren Hugo Laemmer und Franz Xaver Kraus. Der hochbegabte, unermüdlich arbeitende Seppelt wurde – neben dem etwas älteren Joseph Wittig (1879 – 1949) – der Lieblingsschüler Sdraleks. Seppelt zeichnet in der Rückschau seinen Lehrer: „Ein ausgezeichneter, formgewandter akademischer Lehrer, verwandte seine beste Kraft für die Förderung und methodische Schulung seiner zahlreichen Schüler in Seminarübungen und privaten Besprechungen.“ 2 Am 23. Juni 1906 wurde Seppelt in der Breslauer Kreuzkirche vom Fürstbischof Kardinal Georg Kopp zum Priester geweiht. Nach kurzer Aushilfstätigkeit in der Seelsorge konnte er schon im Herbst 1906 zum Weiterstudium nach München gehen. Hier arbeitete er im Kirchenhistorischen Seminar von Alois Knöpfler mit, benützte die reichen Bestände der Universitäts- und Staatsbibliothek und gewann freundschaftliche Verbindung zu Carl Muth und seiner begeisternden Zeitschrift „Hochland“. Seit 1907 gehörte Seppelt zu den Mitarbeitern der Zeitschrift. Ende September 1907 kehrte Seppelt nach Breslau zurück, wo er am 30. Oktober 1907 mit einer Arbeit über den Pariser Universitätsstreit zum Dr. theol. promoviert wurde (Der Kampf der Bettelorden an der Universität Paris in der Mitte des 13. Jahrhunderts. 2. Teil: Der äußere Verlauf des Kampfes. Kirchengeschichtliche Abhandlungen, hrsg. von Max Sdralek, VI, Breslau 1908, 73 – 139. Der 1. Teil war bereits in Bd. IV der Abhandlungen 1906, 149 – 179, gedruckt worden). Nach des Bistums Breslau (Real-Handbuch des Bistums Breslau, Teil 1), Breslau 1929; Werner Marschall, Geschichte des Bistums Breslau, Stuttgart 1980; Joachim Köhler, Bistum Breslau III. Neuzeit 1740 – 1945, Kehl 1997 (Lit.). 2
LThK IX1 (1937) 389 (Franz Xaver Seppelt); Kleineidam (Anm. 1) 82 – 99, 152 f.
Franz Xaver Seppelt in Breslau und München
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der Promotion wirkte Seppelt zwei Jahre als Kaplan an der Jakobikirche in Neiße, der alten Residenzstadt der Fürstbischöfe von Breslau. Im Herbst 1909 erhielt er erneut Studienurlaub, um die Habilitation vorzubereiten. Für ein knappes Jahr ging er nach Rom, wo er im deutschen Campo Santo wohnte. Das Priesterkolleg am Vatikan wurde damals vom Rektor Anton de Waal geleitet, der die jungen Leute mit bester Sachkenntnis förderte. Seppelt beschäftigte sich besonders mit dem Pontifikat des unglücklichen Coelestin V. (1294), des Einsiedlers Peter vom Morrone. Damals weilten im Kolleg die späteren Professoren Franz Joseph Dölger, Emil Göller und Engelbert Krebs, auch Peter Dörfler aus München. Die jungen Gelehrten des Campo Santo arbeiteten tagsüber in Archiv und Bibliothek des Vatikans – Präfekt war der spätere Kardinal Franz Ehrle SJ – und ließen den harten Arbeitstag gern bei einem Glas Wein und einer guten Zigarre auf der Dachterrasse des Kollegs ausklingen. Papst Pius X., der von seinen Fenstern aus dies sehen konnte, glaubte den Rektor de Waal bei einer Audienz mahnen zu müssen: I sacerdoti tedeschi sempre bevano e fumano, wie mir mein Lehrer fast ein halbes Jahrhundert später lachend erzählt hat. Am 25. Juli 1910 wurde Seppelt bei seinem Lehrer Max Sdralek in Breslau mit der Arbeit „Studien zum Pontifikat Cölestins V.“ (gedruckt in: Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, 27, Berlin/Leipzig 1911) für das Fach Kirchengeschichte habilitiert. Die zugehörigen „Monumenta Coelestiniana“ Seppelts erschienen ein Jahrzehnt später (Paderborn 1921). Als Privatdozent für Kirchengeschichte und kirchengeschichtliche Hilfswissenschaften beschäftigte sich Seppelt zunächst vor allem mit der Geschichte des Bistums Breslau, aber auch die Behandlung der Päpste des Mittelalters rückte bereits, von seinen Habilitationsstudien her, stärker in sein Arbeitsfeld. Kurz vor ihm hatte sich Joseph Wittig 3 1909 habilitiert, der zunächst Seppelts Konkurrent wurde. Als Max Sdralek 1909 einen Schlaganfall erlitt, mußte der soeben habilitierte Joseph Wittig die kirchengeschichtliche Hauptvorlesung übernehmen. Wittig war ein die Hörer begeisternder, wortgewaltiger Lehrer. Nach dem Tod Sdraleks (2. Juli 1913) sollte die Professur für Kirchengeschichte vom Inhalt her geteilt werden. Wittig konnte am 1. Januar 1915 das vorhandene Ordinariat mit dem eingeschränkten Aufgabenbereich „Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Christliche Kunstgeschichte“ übernehmen, Seppelt wurde am 19. Januar 1915 zum planmäßigen Extraordinarius für „Mittlere und Neuere Kirchengeschichte und Schlesische Diözesangeschichte“ in der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Breslau ernannt, am 13. August 1920 zum persönlichen Ordinarius bestellt.
3
Kleineidam (Anm. 1) 158; LThK X3 (2001) 1259 f. (Anthony W. Riley).
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In den Vorlesungen vollzog sich jetzt ein spürbarer Wandel. Sdralek hatte die gesamte Kirchengeschichte zu behandeln, war aber in den Vorlesungen kaum jemals über das Konzil von Konstanz (1414 – 1418) hinausgekommen. Seppelt verteilte seinen Stoff auf vier Semester: „Das Frühmittelalter, vom Eintritt der Germanen in die Kirche bis zur Mitte des elften Jahrhunderts“; „Das Hochmittelalter, von der Mitte des elften bis zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts (von Gregor VII. bis Bonifaz VIII.)“; „Das Spätmittelalter, das Avignonesische Exil des Papsttums, das Abendländische Schisma“; „Die Neuzeit, Zeitalter der Reformation und Gegenreformation“. Noch Anfang der zwanziger Jahre schlossen die beiden Paragraphen über „Das Konzil von Trient 1545/63“ und „Das Papsttum von Paul IV. bis Gregor XIII.“, die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts also, den kirchengeschichtlichen Vorlesungszyklus ab. Bald nahm aber Seppelt Kürzungen in den Anfängen der Neuzeit vor, so daß er öfter bis ins 19. Jahrhundert (Vatikanisches Konzil, Verlust des Kirchenstaates, Kulturkampf) kam. 4 In seinen Vorlesungen an der Universität München (1946 – 1952) kam Seppelt nur bis zum Einblick ins 18. Jahrhundert. Seine Manuskripte waren sorgfältig ausgearbeitet, sachlich gediegen, materialreich. Im Vortrag konnte Seppelt allerdings nach übereinstimmendem Zeugnis weder in Breslau noch in München die Hörer wirklich fesseln. In den (einstündigen) Seminarübungen war schon im ersten Jahrzehnt der Lehrtätigkeit in Breslau ein regelmäßiger Wechsel folgender Themen üblich geworden: Die Regel des heiligen Benedikt, die Briefe des heiligen Bonifatius, Quellen zur Geschichte des Investiturstreits und die Anfänge des Franziskanerordens. 5 Diese Themen behielt Seppelt auch an der Universität München bei, erweitert über die Quellen zu Luthers Lebensende. Zu letzterem Thema und zum Investiturstreit gab es kleine gedruckte Quellentexte. Über Examina bei Seppelt urteilt einer seiner Breslauer Schüler, der spätere Professor in Prag (Vertreter der Kirchengeschichte), Regensburg und Freiburg (Kirchenrecht) Bernhard Panzram (1902 – 1998): „Im Examen war er streng; an den hohen Examensdurchfallquoten der Breslauer Katholisch-Theologischen Fakultät war Seppelt wesentlich beteiligt. Er konnte grob werden (‚Quasseln Sie nicht solchen Blödsinn!‘); er liebte auch hier ironische oder boshafte Bemerkungen (‚Werden Sie bloß nicht pathetisch‘ oder: ‚Da steige ich in Ihrem Nichtwissen umher wie eine Bergziege in ödem Geklipp, um wenigstens ein einziges Hälmchen zu finden, aber es ist nichts da!‘); er nahm es aber wiederum nicht übel, wenn ihm eine schlagfertige Antwort serviert wurde (‚Wo haben Sie sich denn diese umfassenden Unkenntnisse zugezogen?‘ – ‚In Ihren Vorle-
4
Panzram (Anm. 1) 281.
5
Ebd. 282 f.; Hubert Jedin, Lebensbericht, Mainz 1984, 24 f.
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sungen, Herr Professor.‘ – Dazu Seppelt im Kollegenkreise: ‚Ich habe den Burschen seine Unverschämtheit aber nicht entgelten lassen.‘)“. 6 Die Tätigkeit Seppelts beschränkte sich frühzeitig nicht auf den wissenschaftlichen Bereich. Am 25. Juli 1925 wurde er – wie es in den katholischtheologischen Fakultäten Preußens üblich war – auf Vorschlag der Regierung in das Breslauer Domkapitel berufen. Er zog in die Kurie Domstraße 9 ein, zu der ein kleiner schöner Garten, nach der Oder hin, gehörte. 7 Hier lud er gern auch Gäste ein, die trefflich bewirtet wurden. Seit Ausgang des Ersten Weltkriegs war er bis in die dreißiger Jahre auch politisch engagiert: seit 1919 als Stadtverordneter für die Zentrumspartei im Breslauer Stadtparlament, hier starke Aktivität in der Kulturpolitik; 1925 Vorsitzender der Zentrumsfraktion des Breslauer Stadtparlaments; seit 1929 Abgeordneter des Schlesischen Provinziallandtags, bald auch im Provinzialausschuß, schließlich im Preußischen Staatsrat, wo in den Anfängen der NS-Herrschaft Hermann Göring an der Spitze stand. Alle politischen Tätigkeiten Seppelts endeten noch 1933 in den bekannten Unterdrückungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes. Auch die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Breslau bekam die NS-Gewaltherrschaft bald nach der „Machtergreifung“ hart zu spüren: das Ende der kollegialen Selbstverwaltung und schmerzliche Willkürakte. Der angesehene Patrologe Berthold Altaner wurde aus seinem Dienst entfernt und verlor seine Professur, weil er ein führendes Mitglied der katholischen Friedensbewegung gewesen war; er übernahm wieder das Amt eines einfachen Domvikars. Die beiden Privatdozenten Max Rauer und Hubert Jedin (Seppelts Schüler) verloren ihre venia legendi. „Schmerzlich war für die Fakultät die Tatsache, daß eines ihrer Mitglieder, Professor Dr. Felix Haase, selbst Nationalsozialist war. Er war von nun an der vom Staate dauernd beauftragte Dekan der Fakultät [1933 – 1945] … Die übrige Fakultät stand geschlossen gegen den ihr aufoktroyierten Dekan, so daß sich der nationalsozialistische Geist in der Fakultät nicht bemerkbar machte. In der Art der Vorlesungen änderte sich nichts gegenüber der vorhergehenden Zeit.“ 8 Mein Lehrer Seppelt hat mir öfters erzählt, daß sich die Kollegen nach den Fakultätssitzungen – ohne den Dekan – in ihrem Stammlokal „Würzburger Hofbräu“ trafen und hier alle anfallenden Geschäfte besprachen. – Nach Kriegsende kam es zur Aussöhnung mit Felix Haase, der in sich ging und eine einfache Seelsorgestelle im Bistum Augsburg übernahm. 9
6
Panzram (Anm. 1) 283. Zu Bernhard Panzram: LThK XI3 (2001) 209 (Franz Kalde).
7
Engelbert (Anm. 1) 177 – 198, 214, 432 Reg.
8
Kleineidam (Anm. 1) 115 – 121, hier 115.
9
Kommorant in Lindach bei Hohenwart, Dekanat Pfaffenhofen, 1946 – 1961. Die letzten Lebensjahre verbrachte er im Caritasheim-Altenheim Augsburg; er starb dort am
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Mit seiner reichen Tätigkeit als Universitätslehrer und wissenschaftlicher Schriftsteller verband Seppelt eine Reihe von Aufgaben, die ihm das Domkapitel übertrug. Durch das Preußische Konkordat von 1929 wurde das Fürstbistum Breslau Erzbistum mit den Bistümern Ermland (Ostpreußen) und Berlin (neu errichtet) sowie der Prälatur Schneidemühl als Suffraganen. Das Kapitel bestellte Seppelt zum Verwalter seiner umfangreichen Stiftungen, auch zum Magister fabricae der Domkirche. Seppelt sorgte umsichtig für die Paramente, die Ergänzung und Wiederherstellung der alten kostbaren Schätze, besonders des herrlichen Hessischen Ornats, der während des Zweiten Weltkrieges in Glatz ausgelagert war und dort von den Russen zerrissen wurde. Das Bistum und Erzbistum Breslau leitete von 1914 bis 1945 Kardinal Adolf Bertram. 10 Der Dom bedurfte dringend der Instandsetzung. Kardinal Bertram führte die Außenarbeiten durch, die schon sein Vorgänger Kardinal Kopp vor dem Ersten Weltkrieg begonnen hatte. Um die notwendige Innenrestaurierung der Kathedrale erwarb sich Seppelt größte Verdienste. Die gewaltige Arbeit begann 1934 und wurde 1942 glücklich vollendet. Die Metropolitankirche erstrahlte in aller Pracht – bis sie in der schrecklichen Nacht vom Ostersonntag zum Ostermontag 1945 den Angriffen zum Opfer fiel. Von den Studien über Einzelfragen des Mittelalters und der Kirchengeschichte Schlesiens wandte sich Seppelt seit 1921 der Papstgeschichte zu. Er wurde darin in drei Jahrzehnten souveräner Meister. In stillschweigender Korrektur und Ergänzung der großen papstgeschichtlichen Werke von Ludwig von Pastor, Erich Caspar und Johannes Haller schuf er kritisch und maßvoll konservativ sein wissenschaftliches Lebenswerk, die „Geschichte der Päpste“ in einem starken Band, hervorgegangen aus ursprünglich zwei kleinen Bändchen im Kösel-Verlag, und die fünf stattlichen Bände seiner „Geschichte der Päpste“, die das Papsttum von den Anfängen bis zur Französischen Revolution zeichneten. In Anerkennung seiner Verdienste wurde Seppelt am 28. Dezember 1943 zum Päpstlichen Hausprälaten ernannt. Die einbändige und die fünfbändige Geschichte der Päpste erhielten erst nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs die endgültige Gestalt. Dazu kam Seppelts umfangreiche Mitarbeit an den zehn Bänden des Lexikons für Theologie und Kirche, das Bischof Michael Buchberger von Regensburg 1930 bis 1938 herausgegeben hat; Professor Seppelt verfaßte darin weitaus die meisten Papstartikel.
25. Dezember 1965 und wurde in Lindach beerdigt, wo sein Grab (Priestergrab) erhalten ist. Bei den Leuten Lindachs steht er als „der Professor“ in sehr guter Erinnerung. 10
Erwin Gatz (Hrsg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945, Berlin 1983, 43 – 47 (Bernhard Stasiewski); Bernhard Stasiewski (Hrsg.), Adolf Kardinal Bertram. Sein Leben und Wirken auf dem Hintergrund der Geschichte seiner Zeit, Köln / Weimar/Wien 1992; LThK II3 (1994) 294 f. (Erwin Gatz).
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Die vielfachen Aufgaben als Universitätslehrer, als Schriftsteller, Politiker und Domkapitular hat Seppelt einem schwer angeschlagenen Körper abgerungen, wovon nur wenige Vertraute wußten. 1923 oder 1924 bekam er eine gefährliche Mittelohrentzündung. Die Operation ging auf Leben und Tod. Dabei stellte sich heraus, daß der Patient zuckerkrank war. Seit seinem 31. Lebensjahr mußte Seppelt, wie er selbst mir sagte, täglich Insulin spritzen, sein ganzes Leben lang. Besonders in der jahrelangen Rationierung der Lebensmittel fiel die notwendige strenge Diät manchmal recht schwer. Er litt auch jahrzehntelang an einer sehr ernsten Herzerkrankung. Jeden Sommer besuchte Seppelt einige Wochen ein Bad zum Kurgebrauch, anfangs Karlsbad, als dieses verschlossen wurde, Mergentheim, auch noch von München aus. Als ich ihn zwei Tage vor seinem Tod im Münchener Krankenhaus besuchte, sagte er mir, daß er in Zukunft nach Bad Orb im Spessart gehen werde; dies sei ihm wegen der Herzbeschwerden empfohlen worden. In den frühen fünfziger Jahren hatte sich auch die lange schon geschwächte Sehkraft fortschreitend vermindert. Zwei Operationen in der Münchener Universitätsaugenklinik brachten keinen Erfolg, so daß die letzten Lebensjahre von fast völliger Erblindung überschattet waren. 11 Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs brach die große Katastrophe über Breslau, Schlesien und ganz Ostdeutschland herein. Breslau wurde zur Festung erklärt und mußte großenteils evakuiert werden. Seppelt ging am 2. Februar 1945, nur mit wenigem Gepäck versehen, zu Verwandten nach Briesnitz bei Wartha. Seine kostbaren Manuskripte, die Vorlesungen und die Vorarbeiten zum noch ungedruckten dritten Band der Geschichte der Päpste hatte er in der südlichen Domgruft geborgen. Als er im Juli 1945 nach Breslau zurückkehrte, fand er seine Domherrnkurie zwar von einer Granate schwer getroffen, aber noch bewohnbar vor. Er begann mit seinen Hausgenossen, die Schäden zu beheben und vor allem die verwüstete umfangreiche Bibliothek zu ordnen. Zu geregelter Arbeit gab es kaum Zeit. Manchmal ging Seppelt, wie er später erzählte, in seinen kleinen Garten und sah voll Trauer und Wehmut über die Oder zur Holtei-Höhe hinüber. Dom und Dominsel, das Herz der Bischofsstadt Breslau, lagen im Greuel der Verwüstung. Die noch verbliebenen Deutschen waren völliger Rechtlosigkeit preisgegeben. 12 Am 6. Juli 1945 starb der greise Erzbischof Kardinal Adolf Bertram auf Schloß Johannesberg im tschechischen Süden des Erzbistums. Die anwesenden Mitglieder des Metropolitankapitels wählten am 16. Juli im Breslauer Ursuli-
11
Negwer (Anm. 1) 181, 184 – 186; Panzram (Anm. 1) 291 – 294.
12
Negwer (Anm. 1) 187; Panzram (Anm. 1) 294.
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nenkloster den Domdechanten Dr. Ferdinand Piontek zum Kapitelsvikar. 13 Im Ursulinenkloster hielten Seppelt und einige noch in Breslau befindliche Professoren der zersprengten Fakultät Vorlesungen für etwa zwanzig Studierende der Theologie. Georg May befand sich unter ihnen. 14 Aber die gnadenlose Entrechtung und Vertreibung der Deutschen aus den „unter polnische Verwaltung“ gestellten Ostgebieten war beschlossene Sache. Gewiß hatten das NS-Regime (und Sowjets) seit 1940 im besetzten Polen furchtbare Verbrechen begangen. Aber jetzt wurden aus den östlichen Gebieten, mit Einschluß der Tschechoslowakei, an die 16 Millionen Deutsche vertrieben, die größte Vertreibungsaktion der Weltgeschichte. Millionen kamen dabei ums Leben. Die Beteiligung von beträchtlichen Teilen der kirchlichen Hierarchie und Priesterschaft an diesen Verbrechen – auf dem Hintergrund einer ungeheueren Beraubung und Vertreibung – ist ohne Beispiel in der ganzen Kirchengeschichte. Der polnische Primas Kardinal Augustyn Hlond (1881 – 1948) war „glühender Verfechter der Polonisierung der deutschen Gebiete jenseits von Oder und Neiße, zwang ohne Wissen des Papstes, aber unter Berufung auf Pius XII. die Oberhirten in den deutschen Ostgebieten (Breslau, Ermland, Schneidemühl, Branitz, Glatz) zum Rücktritt und setzte polnische Administratoren ein.“ 15 Für die Deutschen gab es in Breslau keine Sicherheit mehr. Nach den Aussagen Seppelts waren die polnischen „Milizen“ schlimmer als die Russen. Die sich ständig wiederholenden „Kontrollen“ der polnischen „Miliz“ dienten wachsenden Schikanen, Plünderungen und allen Brutalitäten. Seppelt wurde in seiner Domherrnkurie zweimal nachts überfallen. In der Nacht vom 14. zum 15. Februar 1946 drang eine Rotte ein, trieb die Hausinsassen im kalten Treppenhaus zusammen und plünderte in allen Räumen. Als der Domherr Seppelt sich über diese Handlungsweise beschwerte, wurde er schwer mißhandelt und
13
Engelbert (Anm. 1) 253 f.; Georg May, Kapitelsvikar Ferdinand Piontek. Seine Persönlichkeit nach Begegnungen und Briefen (Distinguo 6), Siegburg 2002; Erwin Gatz (Hrsg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, Berlin 2002, 240 – 242 (Josef Pilvousek; Lit.). 14
Ein Gelehrter aus Schlesien. Autobiographische Skizze des Kirchenrechtlers Georg May, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Breslau, XLII – XLIV (2001 – 2003), 739 – 752, hier 740. 15
Rudolf Grulich, Augustyn Hlond, in: LThK V3 (1996) 172 f. (Lit.); Franz Scholz, Zwischen Staatsräson und Evangelium. Kardinal Hlond und die Tragödie der ostdeutschen Diözesen. Tatsachen, Hintergründe, Anfragen, Frankfurt a. M. 31989; ders., Kollektivschuld und Vertreibung. Kritische Bemerkungen eines Zeitzeugen, Frankfurt a. M. 1995; ders., Das Hlondheft, Lüdenscheid 1996; Georg Schwaiger, Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. Von Leo XIII. zu Johannes Paul II., München 1999, 300 f., 503 (Lit., hier auch die erschütternden Berichte des Breslauer Priesters Johannes Kaps).
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mit einer Hundepeitsche mehrfach über den Kopf (Seppelt war seit langem völlig kahl) blutig geschlagen. Mein Lehrer hat mir mehrmals darüber berichtet, auch: „Anführer der Bande war ein polnischer Priester, der gleiche, der das Mariengnadenbild im noch teilweise erhaltenen nördlichen Seitenschiff des Domes berauben wollte, dabei von der Leiter stürzte und sich die Beine brach“. Der am 1. September 1945 in Breslau eingeführte polnische Administrator Karol Milik bedauerte zwar den blutigen Überfall auf den Domherrn und Prälaten Seppelt, aber dieser wollte jetzt unbedingt fort. Als er den Ausweisungsbefehl erhielt, verließ er am 25. April 1946, „ohne sich umzusehen“ und ohne den noch unter Brandschutt verborgenen Handschriftenkoffer in der Domgruft die Heimatstadt, in einen Viehwagen gepfercht. Seine kostbare Bibliothek (über 10 000 Bände) hatte er vorher der Domkapitelsbibliothek übergeben. Franz Xaver Seppelt zählte bei seiner Ausweisung 63 Jahre. 16 Auf Umwegen – eine reguläre Post gab es noch nicht – hatte Seppelt noch in Breslau Mitteilung erhalten, daß er mit seinen Breslauer Kollegen Friedrich Stummer (Altes Testament) und Friedrich Wilhelm Maier (Neues Testament) die entsprechenden Lehrstühle der Theologischen Fakultät der Universität München übernehmen sollte. Die Theologische Fakultät in München war im Februar 1939 von der NS-Diktatur „geschlossen“ worden. Nach Kriegsende setzten sich der Erzbischof Kardinal Michael von Faulhaber (Erzbischof 1917 – 1952) und auch Weihbischof Johannes Neuhäusler, der von 1941 bis 1945 im „Konzentrationslager“ Dachau inhaftiert gewesen war, entschieden für die Wiederherstellung der Theologischen Fakultät und des mit der Universität seit seiner Stiftung (1494) eng verbundenen Herzoglichen Georgianums ein. Das Georgianum war (und ist) eine Priesterbildungsstiftung eigener Art. Am 27. Juli 1945 gab die amerikanische Militärverwaltung ihre Zustimmung zur Wiedereröffnung der Theologischen Fakultät. Wegen der schweren Bombenzerstörungen der alten Gebäude fanden Fakultät und Georgianum zunächst im Schloß Fürstenried, das dem Erzbistum gehörte, eine Unterkunft am Rande der schwer zerstörten Stadt München. Noch im Herbst 1945 begannen einige Theologieprofessoren in Fürstenried Vorlesungen zu halten. Formell wurde die Theologische Fakultät im Februar 1946 wieder eröffnet. Unter großen Schwierigkeiten konnte ein neuer, hochrangiger Lehrkörper eingerichtet werden, darunter die drei Professoren Maier, Stummer und Seppelt aus der zerstörten Breslauer Fakultät. 17
16
Engelbert (Anm. 1) 253 – 270; Negwer (Anm. 1) 187 – 189; Panzram (Anm. 1) 294 f. 17 Helmut Böhm, Die Theologische Fakultät der Universität München, in: Georg Schwaiger (Hrsg.), Das Erzbistum München und Freising in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, Bd. I, München / Zürich 1984, 684 – 738; Georg Schwaiger, Unter
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Nach längerer Irrfahrt kam Franz Xaver Seppelt am 30. April 1946 in Schloß Fürstenried an. Sofort begannen die Professoren die Vorlesungen zum Sommersemester. Ort der Lehrveranstaltungen war Schloß Fürstenried, als „Haupthörsaal“ diente in den Fürstenrieder Jahren der Fakultät das gläserne Gewächshaus der Gärtnerei, das im Winter bei eisiger Kälte ein kleiner Kanonenofen kaum zu temperieren vermochte, später ein saalartiger Raum in einem Nebengebäude des Schlosses, in dem auch die Bibliothek untergebracht war und den die Professoren frühmorgens zur Meßfeier auf Tragaltären nützten; daher kam der Name Zelebrationshalle. Mehrere Professoren der Fakultät (Georgianumsdirektor Joseph Pascher, Franz Xaver Seppelt, Friedrich Wilhelm Maier, der Moraltheologe Richard Egenter, bald auch der Fundamentaltheologe Gottlieb Söhngen) wohnten im Hauptbau oder in den Nebengebäuden des Schlosses, alle räumlich sehr beengt. Im Hauptbau war noch mehrere Jahre ein Lazarett für verwundete Soldaten untergebracht. Daneben lief die Nutzung als Exerzitienhaus des Erzbistums München und Freising. Seppelt hatte hier – neben Richard Egenter – eine Wohnung im ersten Stock des südlichen Nebengebäudes, über der Zelebrationshalle. Den kleinen Haushalt besorgte Fräulein Maria Buchborn, die schon in Breslau ihm als Sekretärin hilfreich gewesen war, für ihn die Schreibarbeiten besorgte und in Schloß Fürstenried bald zugleich als Dekanatssekretärin der Fakultät und (ehrenamtlich) in der Verwaltung des Herzoglichen Georgianums tätig wurde. Seppelt war seit 1. Mai 1946 ordentlicher öffentlicher Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit in München. Im Studienjahr 1948/49 war er Dekan der Theologischen Fakultät. 18 Da Professor Seppelt ohne seine Vorlesungs-Unterlagen nach München gekommen war, freute er sich außerordentlich, daß ihm ein alter Breslauer Schüler ein vollständig ausgearbeitetes Exemplar seines Vorlesungszyklus zur Verfügung stellen konnte. Er sagte, wie sein Schüler Professor Bernhard Panzram bezeugt: „… nicht nur, weil ich jetzt wieder auf meine bewährte Einteilung des Stoffes zurückgreifen kann, sondern weil ich sehe, daß jemand sich die Mühe gemacht hat, einmal meine Vorlesungen ganz auszuarbeiten“. Inzwischen war aber Seppelts Manuskriptkoffer in der vom Schutt freigelegten Südgruft des
der nationalsozialistischen Herrschaft, in: ders. (Hrsg.), Das Erzbistum München und Freising im 19. und 20. Jahrhundert, München 1989, 328 – 371, 354; ders., Das Herzogliche Georgianum in Ingolstadt, Landshut, München, 1494 – 1994, Regensburg 1994, 176 – 190, 245 f.; Manfred Heim, Die Theologische Fakultät der Universität München in der NS-Zeit, in: Münchener Theologische Zeitschrift 48 (1997) 371 – 387. 18
Schwaiger, Georgianum (Anm. 17) 187 f.; Todesanzeige von Rektor und Senat der Universität München im Münchner Merkur vom 27. Juli 1956 S. 7. Dazu meine persönliche Erinnerung.
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Breslauer Domes aufgefunden worden. Durch den Breslauer Weihbischof Joseph Ferche kam der Koffer nach München – „mit aufgeplatzten Schlössern, beschädigt, von geknoteten Schnüren noch einigermaßen zusammengehalten; allenthalben schauten beschriebene Blätter und Zettel heraus, aber: ‚Gott sei Dank – es fehlte nichts!‘ Mit großer Freude ging Seppelt wieder an die Arbeit.“ 19 – Im September 1947 konnte ich mit Genehmigung meines Heimatbischofs Michael Buchberger von Regensburg die nach Kriegsende an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Regensburg begonnenen Studien in München fortsetzen und bereits die theologische Promotion an der Theologischen Fakultät und im Herzoglichen Georgianum vorbereiten, damals noch im Schloß Fürstenried. Sofort nahm ich mit Professor Seppelt Verbindung auf und bat ihn um ein Dissertationsthema. Seit Wintersemester 1947/48, damals wegen der Heizungsschwierigkeiten in den Herbst vorgezogen, nahm ich an all seinen Lehrveranstaltungen teil. Noch vor der Priesterweihe wurde ich unter Professor Seppelts Betreuung am 9. Dezember 1950 – nach den hohen Anforderungen und dem feierlichen Ritus der alten Promotionsordnung – zum Dr. theol. promoviert, zusammen mit Leo Scheffczyk, dem späteren Fakultätskollegen und Kardinal. 20 Als die Vorlesungen der Theologischen Fakultät 1949 von Schloß Fürstenried wieder in die teilweise wieder hergerichtete Universität verlegt werden konnten, fand Professor Seppelt vorübergehend eine freundliche Unterkunft im Pfarrhaus von Ramersdorf. Dort hielt er auch die einstündigen Seminarübungen. Etwa ein halbes Dutzend Teilnehmer fanden sich im Pfarrhaus ein. Schließlich zog Seppelt nach Schwabing um. Er erhielt eine im Krieg unzerstörte Wohnung im vierten Stock Rambergstraße 8. Hier wohnte er in hohen, freilich etwas beengten Räumen bis zu seinem Tod. Bei ihm wohnten eine freundliche Haushälterin und das stets hilfreiche Fräulein Maria Buchborn, die zu ihm Onkel sagte. Professor Seppelt besaß nach schlimmen Jahren wieder ein eigenes Heim, ruhig und hell, von der Universität nur einige hundert Meter entfernt. Außer mir zählten damals zu seinen Doktoranden Antonius Hofmann,
19 20
Panzram (Anm. 1) 295.
Leo Scheffczyk wurde, ebenfalls unter Seppelts Betreuung, mit der Dissertation promoviert: Friedrich Leopold zu Stolbergs „Geschichte der Religion Jesu Christi“. Die Abwendung der katholischen Kirchengeschichtsschreibung von der Aufklärung und ihre Neuorientierung im Zeitalter der Romantik (gedruckt in: Münchener Theologische Studien, I. Hist. Abt. Bd. 3, München 1952). Leo Scheffczyk, geb. 21.2.1920 in Beuthen/Oberschlesien, wurde 1947 in Freising zum Priester geweiht, wirkte als akademischer Lehrer seit 1952 im Priesterseminar Königstein im Taunus; 1959 bis 1965 Professor für Dogmatik an der Universität Tübingen, 1965 bis zur Emeritierung 1985 als Nachfolger von Michael Schmaus Professor für Dogmatik an der Universität München, 2001 Kardinal, † 8.12.2005 in München.
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der spätere Bischof von Passau, und der Redemptorist P. Paul Sieweck, der nach der Promotion Kirchen- und Kunstgeschichte an der Ordenshochschule in Gars am Inn lehrte. In der Themenauswahl suchte sich Seppelt durchaus den neuen Gegebenheiten anzupassen. Ich erhielt das Thema „Kardinal Franz Wilhelm von Wartenberg als Bischof von Regensburg (1649 – 1661)“; gedruckt 1954; Antonius Hofmann arbeitete über „Beda Aschenbrenner (1756 – 1817). Letzter Abt von Oberaltaich“ (gedruckt 1964), Paul Sieweck über „Lothar Anselm Freiherr von Gebsattel, der erste Erzbischof von München und Freising“ (gedruckt 1955). Zum 1. April 1952 wurde Professor Seppelt emeritiert. Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit wurde Hermann Tüchle für die Jahre 1952 bis 1971 († 1986). In Anerkennung seiner Verdienste, gerade auch im politischen Bereich, erhielt Seppelt das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der jungen Bundesrepublik Deutschland. 21 Von Seppelts mehrbändiger Geschichte der Päpste waren in den Jahren 1931 bis 1941 die Bände I, II, IV und V im Verlag von Jakob Hegner in Leipzig veröffentlicht worden. Nun beabsichtigte Seppelt, die Darstellung in sechs Bänden bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zu führen. Der fortschreitende Verlust des Augenlichtes ermöglichte ihm eine Weiterarbeit nur noch mit Hilfe, die er in den Nachworten der Bände dankbar anerkannte. Diese Hilfe (bei Aufsuchen und Einarbeiten des neueren internationalen Schrifttums; Lesen der Korrektur) leisteten für die Bände I bis III seine Schülerin Frl. Anna Lohmer und ich (seit 1952) als Habilitand und Privatdozent. Die Neubearbeitung erschien im KöselVerlag zu München: Band I: Der Aufstieg des Papsttums. Von den Anfängen bis zum Ausgang des sechsten Jahrhunderts (21954); Band II: Die Entfaltung der päpstlichen Machtstellung im frühen Mittelalter. Von Gregor dem Großen bis zur Mitte des elften Jahrhunderts (21955); Band III: Die Vormachtstellung des Papsttums im Hochmittelalter. Von der Mitte des elften Jahrhunderts bis zu Coelestin V. (1956); dieser Band erschien erstmals. Frl. Maria Buchborn hatte das noch in Breslau handschriftlich verfaßte Konzept in Maschinenschrift übertragen. Frl. Lic. theol. Anna Lohmer und ich leisteten alle Hilfe zur endgültigen Fassung des Textes. Seppelt hielt dies im Juli 1956 im Nachwort fest. Das Erscheinen des Bandes (im Spätherbst des Jahres) hat er nicht mehr erlebt. Ich habe in einem Vierteljahr neben Texthilfen den umfangreichen Schrifttumsteil verfaßt und schließlich auch die Register erstellt, wie schon zu Band I und II. Professor Seppelt übertrug mir auch die Weiterführung seiner papstgeschichtlichen Arbeiten. So brachte ich von der „Geschichte der Päpste“ in Neubearbeitung heraus: Band IV: Das Papsttum im Spätmittelalter und in der Renaissance.
21
Neben meiner Erinnerung vgl. Panzram (wie Anm. 1) 295 – 297.
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Von Bonifaz VIII. bis zu Klemens VII. (21957); Band V: Das Papsttum im Kampf mit Staatsabsolutismus und Aufklärung. Von Paul III. bis zur Französischen Revolution (21959). – Von dem ursprünglich geplanten Band VI (19. und 20. Jahrhundert) hinterließ Seppelt nur einige Blätter in seiner schwer lesbaren, überaus kleinen Handschrift. Die einbändige „Papstgeschichte“ hatte Seppelt 1949 in fünfter Auflage herausgebracht. In seinem Auftrag erstellte ich nach seinem Tod die „Geschichte der Päpste. Von den Anfängen bis zur Gegenwart“ (Kösel-Verlag München 1964). Dazu wurde die Darstellung Seppelts auf weite Strecken völlig neu geschrieben und neu eingeteilt. In den Jahren 1952 bis 1956 kam ich in der Regel zwei- bis dreimal in der Woche vormittags zu meinem Lehrer, um gemeinsam die papstgeschichtlichen Arbeiten zu erledigen, auch um die wichtigsten Ereignisse aus der Zeitung vorzulesen. Öfters unternahm ich mit ihm kleine Spaziergänge auf dem nahegelegenen, längst aufgelassenen alten Nordfriedhof, weil er ja allein das Haus nicht mehr verlassen konnte. Dies wurde manchmal schwierig, weil er absolut keine Blindenarmbinde tragen oder sich auch nur beim Gehen zur größeren Sicherheit am Arm führen lassen wollte. Am Aschermittwoch (23. Februar) 1955 konnte ich meine Habilitation für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät abschließen, formell bei Seppelts Nachfolger Hermann Tüchle. Seppelt nahm an der abschließenden öffentlichen Probevorlesung teil. In dem vorgängigen Colloquium vor den Professoren der Fakultät hatte er für den erkrankten Professor Tüchle den Part der Kirchengeschichte übernommen. Bis zuletzt war und blieb er mein Lehrer der Kirchengeschichte. In diesen letzten Jahren gewann ich das enge Vertrauen des sonst eher verschlossenen, nicht leicht zugänglichen Mannes. Nach meiner Habilitation trug er mir auf, seine papstgeschichtlichen Werke weiterzuführen. Er übergab mir noch 1955 seine Vorlesungsmanuskripte zu treuen Händen, aber mit dem Bemerken, sie nicht zu veröffentlichen. Sie sind durchweg von Frl. Maria Buchborn um 1930 mit Maschine geschrieben und nur gelegentlich handschriftlich ergänzt. Die Abfassungszeit ergibt sich aus den maschinenschriftlichen und handschriftlich ergänzten Literaturangaben am Ende der Abschnitte. Für meine späteren Vorlesungen als Nachfolger Hermann Tüchles in der Fakultät, von 1971 bis zur Emeritierung 1993, habe ich Seppelts Manuskripte nicht herangezogen. Ich möchte aber ihren Aufbau im zweiten Teil dieser Erinnerungen publizieren. Die Festschrift für meinen Studienkollegen Georg May erscheint mir auch deswegen als der rechte Ort, weil Georg May schon nach Kriegsende in den bedrückten Verhältnissen der Deutschen in Breslau zu Seppelts Hörern gezählt hatte, weil er seine Studien nach Kriegsende in München (in der Theologischen Fakultät und im Herzoglichen Georgianum, zunächst in Schloß Fürstenried) fortsetzte und weil
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Seppelt für den mittellosen, gleich ihm aus der schlesischen Heimat vertriebenen jungen Mann den Unterhalt im Georgianum bezahlte. 22 An den bedrängten Verhältnissen, auch an den wachsenden körperlichen Gebrechen, hat Seppelt im letzten Jahrzehnt seines Lebens gewiß schwer gelitten; aber ich habe nie eine Klage aus seinem Munde gehört. Er blieb stets der nüchterne, durchaus kritische, aber stets seiner Kirche in selbstverständlicher Treue verbundene Priester. Bis zuletzt wurde er von Frl. Maria Buchborn gewissenhaft betreut. 23 Am 23. Juni 1956 konnte Professor Seppelt in kleinem Kreis noch sein Goldenes Priesterjubiläum feiern. Nach dem Gottesdienst lud er die vertrauten Gäste – ein knappes Dutzend – zum Mittagessen in das „Weinrestaurant Neuner“ in der Herzogspitalstraße ein. Ich erinnere mich, daß von der Münchener Fakultät Joseph Pascher eingeladen waren, Georg May und ich, einige Breslauer Kollegen, darunter Joseph Koch. Es war das letzte kleine Fest, das Seppelt zu feiern möglich war. Bald zwangen ihn Herzbeschwerden und Kreislaufstörungen, das Krankenhaus des III. Ordens in München-Nymphenburg aufzusuchen. Hier habe ich ihn zwei Tage vor seinem Tod noch nachmittags besucht. Am Mittwoch, den 25. Juli 1956, ist er hier früh 4.30 Uhr verschieden. Am folgenden Samstag (28. Juli) fand in der Universitätskirche St. Ludwig um 8 Uhr der Seelengottesdienst statt, am gleichen Tag um 11 Uhr die Beerdigung in der für die Priester vorgesehenen Abteilung des Münchener Waldfriedhofs. Prälat Seppelt wurde offen aufgebahrt, in der Chorkleidung des Metropolitankapitels Breslau. Das Grab ist bis heute erhalten, wie alle Priestergräber wohlgepflegt. Der herkömmliche Trauergottesdienst der Theologischen Fakultät wurde am 21. November 1956 um 8 Uhr in der Theatinerkirche von Dekan Karl Weinzierl gefeiert, weil die Ludwigskirche wegen Restaurierungsarbeiten nicht geeignet erschien. Bei seinen Schülern und bei allen, die Franz Xaver Seppelt näher kannten, bleibt die Erinnerung an einen treuen Priester und edlen Menschen.
22 23
Autobiographische Skizze G. May (Anm. 14) 740 f.
Maria Buchborn verstarb am 27.8.1965 in München und wurde im Münchener Waldfriedhof beerdigt, nicht weit von Seppelts Grab entfernt. In ihrem Testament vom 1.5.1964 trat sie alle ihr (als Erbin Professor Seppelts) beim Kösel-Verlag München zustehenden Verlagsrechte Seppelts an mich ab. Mitteilung des Amtsgerichts München, Abt. Nachlaßgericht, vom 15.11.1965.
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Die Vorlesungen Professor Seppelts in Breslau und München 24 Einleitung zum Kolleg über Kirchen- und Dogmengeschichte des Mittelalters 25 I. Frühmittelalter 26 § 1. Überblick über das Christentum bei den Germanen während der Völkerwanderung § 2. Das Christentum bei den Franken, dem Volk der Zukunft § 3. Das Christentum auf den britischen Inseln. Kelten und Angelsachsen § 4. Die Christianisierung Deutschlands § 5. Der heilige Bonifatius, der Apostel Deutschlands § 6. Das Papsttum von Gregor dem Großen bis zum Bund mit den Karolingern. Die Entstehung des Kirchenstaates § 7. Der Ausgang der Regierung Pippins. Karl der Große und die Kirche § 8. Die Ausbreitung des Christentums zur Zeit Karls des Großen § 9. Das Papsttum und die Karolinger bis auf Nikolaus I. § 10. Papst Nikolaus I. (858 – 867) § 11. Papst Nikolaus I. und die griechische Kirche. Das Schisma des Photius. Die Christianisierung der Bulgaren § 12. Die Slavenapostel Konstantin-Cyrill und Methodius § 13. Das geistige Leben in der abendländischen Kirche des 9. Jahrhunderts. Die Lehrstreitigkeiten § 14. Das Papsttum vom Tode Nikolaus’ I. bis zur Erneuerung des Kaisertums unter Otto I. § 15. Das Papsttum und die Ottonen. Die Entstehung der Fürstenmacht der Bischöfe in Deutschland § 16. Die innerkirchliche Reformbewegung des 10. Jahrhunderts § 17. Die Ausbreitung des Christentums im 9. und 10. Jahrhundert (Missionierung der nordischen Reiche; Wendenmission; Christianisierung Böhmens;
24
Die maschinenschriftlichen Texte wurden mir 1955 von Professor Seppelt übergeben.
25
Umfang: 6 Seiten.
26
Umfang: § 1 – § 19, 333 Seiten.
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Christianisierung der Polen; Bekehrung der Magyaren; Einführung des Christentums in Rußland) § 18. Papsttum und Kaisertum in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts § 19. Das griechische Schisma II. Das Hochmittelalter27 § 20. Die Vorgänger Gregors VII. § 21. Papst Gregor VII. § 22. Die Fortsetzung des Investiturstreites. Das Wormser Konkordat § 23. Der erste Kreuzzug § 24. Neue Orden und Kongregationen in der Zeit des Investiturstreites (ClunyHirsau; Orden von Grammont; Fontevrault; Karthäuserorden; Cisterzienserorden; Augustiner-Chorherrn und Prämonstratenser; Kongregation der Schottenklöster in Deutschland) § 25. Lehrstreitigkeiten und theologische Wissenschaft zur Zeit des Investiturstreites. Die Anfänge der Scholastik § 26. Papsttum und Kaisertum im Zeitalter des Bernhard von Clairvaux. Der zweite Kreuzzug § 27. Bernhard von Clairvaux und die theologischen Strömungen seiner Zeit § 28. Friedrich Barbarossa und die Päpste Hadrian IV. und Alexander III. § 29. Papsttum und Kaisertum vom Tode Alexanders III. bis zum Regierungsantritt Innocenz’ III. Der dritte Kreuzzug § 30. Die geistlichen Ritterorden (Johanniterorden; Templerorden; Deutschorden) § 31. Die Missionstätigkeit im 12. und 13. Jahrhundert (Abschluß der Wendenmission; Christianisierung von Pommern, Preußen, Livland, Finnland und Litauen) § 32. Papst Innocenz III. (1198 – 1216) § 33. Friedrich II. und die Päpste § 34. Das Papsttum vom Tode Friedrichs II. bis auf Bonifaz VIII. Der Anschluß der Päpste an Frankreich § 35. Der Ausgang der Kreuzzugsbewegung
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Umfang: § 20 – § 39, 409 Seiten.
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§ 36. Die häretischen Bewegungen des ausgehenden 12. und des 13. Jahrhunderts (Katharer; Waldenser) § 37. Die Inquisition § 38. Neue Orden: Die Mendikanten oder Bettelorden (Franziskanerorden; Dominikanerorden; Karmeliterorden; Augustiner-Eremiten; Beghinen) § 39. Scholastik und Mystik im Hochmittelalter III. Das Spätmittelalter. Von Bonifaz VIII. bis zur Reformation, 1294 – 1517 28 . 1. Abschnitt: Die Zeit des avignonesischen Exils des Papsttums und des großen abendländischen Schismas § 40. Bonifaz VIII. (1294 – 1303) § 41. Die Übersiedlung der Päpste nach Avignon (Templerprozeß; Clemens V. und Deutschland) § 42. Johann XXII. (1316 – 1334). Sein Kampf mit Ludwig von Baiern und dessen Verbündeten § 43. Der Ausgang des Kampfes der Päpste mit Ludwig dem Baiern. Die übrigen avignonesischen Päpste. Das Finanzsystem der Kurie seit der avignonesischen Zeit § 44. Scholastik und Mystik im Spätmittelalter § 45. Das große abendländische Schisma bis zum Konzil von Pisa § 46. Die englische Kirche im Spätmittelalter und Johann Wiclif 2. Abschnitt: Die Zeit der Reformkonzilien. Der Ausgang des Mittelalters § 47. Die Synoden von Pisa und Konstanz § 48. Huß und das Hussitentum § 49. Das Papsttum und die Synoden von Basel und Ferrara-Florenz § 50. Renaissance und Humanismus in ihren Beziehungen zur Kirche § 51. Die Renaissance-Päpste [bis Leo X.] § 52. Überblick über die kirchlichen Zustände vor der Reformation mit besonderer Berücksichtigung Deutschlands [mit Darstellung des Ablaßwesens] 28
Umfaßt: § 40 – § 52, 293 Seiten.
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Kirchengeschichte der neueren Zeit 29 I. Das Zeitalter der Reformation und Gegenreformation 1. Abschnitt: Geschichte der deutschen Reformation und die Reformation in der Schweiz § 1. Übersicht über Quellen und Literatur § 2. Der junge Luther. Seine Entwicklung bis 1517 § 3. Der Ablaßstreit § 4. Die Einleitung des kirchlichen Prozesses gegen Luther. Cajetan und Miltitz § 5. Die Leipziger Disputation § 6. Die sogenannten drei großen Reformationsschriften des Jahres 1520 § 7. Der endgültige Bruch mit der Kirche. Der Bann § 8. Der Wormser Reichstag § 9. Luther auf der Wartburg. Die Unruhen in Wittenberg § 10. Die Entwicklung der politischen Verhältnisse bis 1524. Die beiden Nürnberger Reichstage (1522/23, 1524). Der Regensburger Konvent § 11. Die Ausbreitung der Reformation bis 1525 § 12. Die Scheidung der Reformation von den radikalen Strömungen. Der Bauernkrieg § 13. Der Dessauer und Torgauer Bund. Der erste Speyrer Reichstag. Die politischen Verhältnisse § 14. Die ersten lutherischen Landeskirchen § 15. Vom zweiten Reichstag von Speyer bis zum Augsburger Reichstag § 16. Der Augsburger Reichstag von 1530 § 17. Zwingli und die Neuerung in der deutschen Schweiz § 18. Der Schmalkaldische Bund. Der Nürnberger Anstand von 1532 § 19. Die Fortschritte der Reformation von 1530 bis 1539 § 20. Die Katastrophe der Täuferbewegung § 21. Die Konzilsfrage und die politische Lage bis zum Frankfurter Anstand (1539). Weitere Fortschritte der Neuerung 29
Die Seiten sind bis S. 857 lückenlos durchgezählt.
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§ 22. Die Ära der Religionsgespräche. Die kirchliche und politische Lage. Die Doppelehe Philipps von Hessen § 23. Weitere Fortschritte der Reformation und Reformations-Versuche. Luthers Tod § 24. Der Schmalkaldische Krieg und das Augsburger Interim 1548 § 25. Die Fürstenrevolution und der Augsburger Religionsfriede (1555) § 26. Calvin und sein Werk in Genf § 27. Deutschland nach dem Augsburger Religionsfrieden. Weitere Fortschritte der Reformation und Anfänge der Gegenreformation § 28. Die konfessionellen Sonderbünde. Der Dreißigjährige Krieg 2. Abschnitt: Die Reformation außerhalb der Stiftungsländer § 29. Die Reformation in den skandinavischen Reichen § 30. Die kirchliche Neuerung in England § 31. Die Neuerung in Schottland und Irland § 32. Die religiöse Neuerung in Frankreich § 33. Die Neuerung in den Niederlanden § 34. Die Reformation und Gegenreformation in Polen und Ungarn 3. Abschnitt: Die innere Geschichte der katholischen Kirche im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation § 35. Die Anfänge der innerkatholischen Reformation. Neue Ordensgründungen § 36. Ignatius von Loyola und der Jesuitenorden § 37. Die kirchlichen Reformarbeiten vor dem Trienter Konzil § 38. Das Konzil von Trient (1545 – 1563) § 39. Die Päpste bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts [von Paul III. bis Innocenz X.] § 40. Die Gnadenstreitigkeiten § 41. Der Quietismus § 42. Der Gallikanismus und der Regalienstreit § 43. Der Febronianismus und die Emser Punktation (1786) § 44. Der Josephinismus und die Synode von Pistoja (1786) § 45. Das Papsttum von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Französischen Revolution
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§ 46. Die orthodoxe Kirche und das Sektenwesen in Rußland [bis ins 20. Jahrhundert] § 47. Die Aufklärung § 48. Die Französische Revolution und die katholische Kirche § 49. Pius VI. und die Revolution. Pius VII. und Napoleon I. Das französische Konkordat § 50. Die Säkularisation in Deutschland § 51. Die Neuorganisation der katholischen Kirche in Deutschland § 52. Der innere Aufschwung des deutschen Katholizismus § 53. Die katholische Kirche in Deutschland von der Restauration bis zum Kulturkampf [dazu auch: Die katholische Kirche in Österreich-Ungarn] 4. Abschnitt: Papsttum und Kirchenstaat vom Wiener Kongreß bis zum Ende des Temporale Pius IX. (1846 – 1878) 30 5. Abschnitt: Die katholische Kirche in Frankreich vom Sturz Napoleons bis zum Trennungsgesetz (1905) 31 § 6. Die katholische Kirche in Großbritannien im 19. Jahrhundert § 7. Die katholische Kirche in Holland und Belgien § 8. Die innerkirchliche Tätigkeit Pius’ IX. Das Vatikanische Konzil
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Cicero in pulpito Einblicke in die Predigtwerkstatt des Mainzer Humanisten Dietrich Gresemund d. J. Von Peter Walter I. Der Mainzer Humanist und Jurist Dietrich Gresemund d. J. Dietrich Gresemund d. J. (1477 – 1512) 1 war, trotz seiner Jugend, kein unbeschriebenes Blatt, als er 1499 anläßlich einer Mainzer Synode die Ansprache hielt, die im Folgenden ediert und analysiert werden soll. Er war ein Sohn des erzbischöflichen Leibarztes und Professors an der noch jungen Mainzer Universität Dietrich Gresemund d. Ä. (um 1444 – 1514) 2 , der ihn früh in die „studia humanitatis“ und in das Netzwerk des oberrheinischen Humanismus eingeführt hat. Immerhin hat Erasmus von Rotterdam, der ihn persönlich wohl nicht kannte, dem früh Verstorbenen kurz nach dessen Tod ein kleines literarisches Denkmal gesetzt, als er Mainz als Geburtsort des Buchdrucks würdigte. 3 1494 1
Vgl. Hans-Heinrich Fleischer, Dietrich Gresemund der Jüngere. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus in Mainz (= Beiträge zur Geschichte der Universität Mainz, Bd. 8), Wiesbaden 1967; Peter Walter, Das Stephansstift und der Humanismus: Dietrich Gresemund der Jüngere, in: 1000 Jahre St. Stephan in Mainz. Festschrift. Hrsg. von Helmut Hinkel (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, Bd. 63), Mainz 1990, S. 309 – 322. Hier finden sich für alle im Folgenden nicht eigens nachgewiesenen Sachverhalte die entsprechenden Belege. 2
Vgl. Fleischer, Gresemund (Anm. 1), S. 5 – 33; Helmut Mathy, Stadtarzt, Leibarzt, Humanist: Der Mainzer Mediziner Dietrich Gresemund der Ältere (1444 – 1514), in: Moguntia medica. Das medizinische Mainz. Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Hrsg. von Franz Dumont, Wiesbaden 2002, S. 37 – 45. Zu seiner Mitwirkung an einer Mainzer Buchzensurkommission vgl. das magistrale Werk des Jubilars: Georg May, Die Organisation von Gerichtsbarkeit und Verwaltung in der Erzdiözese Mainz vom hohen Mittelalter bis zum Ende der Reichskirche, 2 Bde. (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, Bd. 111), Mainz 2004, Bd. 1, S. 129. 3 „[…] quae [sc. Magontia] cum alio permultos omni doctrinae genere praestantissimos uiros aeditit, tum uero praecipue Theodoricum Gresmundum, hominem ab ipsa natura ad humanitatem, ad bonas literas, ad eloquentiam illam uere Atticam sculptum et
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hat der jüngere Gresemund unter dem nicht gerade originellen Titel „Lucubraciunculae“ sein erstes Werk veröffentlicht 4 , das je einen Dialog über die Vernachlässigung der Artes und der Philosophie im zeitgenössischen Bildungswesen sowie eine Rede enthält, in der Kaiser und Papst aufgefordert werden, diesem Mißstand abzuhelfen. Es sind typisch humanistische Themen, die Gresemund gewählt hat, und ebenso typische „genera litteraria“, in denen er sie behandelt. 5 Zu den Stereotypen gehört auch die Klage über die faulen Priester, denen die humanistische Bildung ebenso verhaßt sei wie deren Vertreter. 6 Das Büchlein ist dem Sponheimer Abt Johannes Trithemius (1462 – 1516) gewidmet, der dem gerade siebzehnjährigen Verfasser in seinen Schriftstellerkatalogen bereits einen Platz eingeräumt hat. 7 Origineller als die „Lucubraciunculae“ präsentiert sich der 1495 erschienene Dialog über den Karneval 8 , in dem Gresemund das Treiben an den närrischen Tagen in Speyer und Mainz gegen allzu heftige Kritik verteidigt. Im selben Jahr begab er sich nach Italien, dem Traumziel aller Humanisten, um in Padua, Bologna und Ferrara seine Studien fortzusetzen, die er 1498 an der zuletzt genannten Universität mit der Promotion zum doctor utriusque iuris abschloß. 1499 hat er sich in Heidelberg immatrikuliert, wo er am Musenhof des Wormser Bischofs und humanistischen Mäzens Johan-
factum. Huic urbi omnes bonarum literarum studiosi non parum debent, ob egregium illud ac paene diuinum inuentum, stanneis typis excudendi libros, quod illic natum affirmant“ (Omnium operum diui Eusebii Hieronymi Stridonensis tomus primus […] una cum argumentis et scholiis Des. Erasmi Roterodami […], Basel 1516, fol. 40 v). 4
Vgl. GKW Nr. 11511.
5
Vgl. die ausführliche Darstellung bei Fleischer, Gresemund (Anm. 1), S. 43 – 90.
6
Vgl. das von Fleischer, Gresemund (Anm. 1), S. 49 bei Anm. 117 angeführte Zitat.
7
Der Eintrag im „Catalogus illustrium virorum“ (Mainz 1495) lautet: „Theodericus Gresemundus iunior Moguntinus, natus ex patre Theoderico Gresemundo de Meschede, artium et Medicinae Doctore clarissimo, adolescens excellentis ingenij, qui carmine et prosa multa scribit et scripsit miranda opuscula, cuiuscumque argumenti ornatissima, Ciceronianam disertitudinem prae se ferentia, tantum sui miraculum praebet, vt velut alter Adeodatus Augustini quondam filius, suo ingenio et scribendi argumentandique promptitudine, multis (etiam doctissimis viris) sit admirationi et stupori […]“ (Ioannis Trithemii […] opera historica. Hrsg. von Marquard Freher, 2 Bde., Frankfurt am Main 1601, Nachdruck: ebd. 1966, hier Bd. 1, S. 176; vgl. auch die entsprechende Passage in „De scriptoribus ecclesiasticis“ [Basel 1494] ebd. S. 369 f.). Zu Trithemius vgl. Klaus Arnold, Johannes Trithemius (1462 – 1516) (= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, Bd. 23), Würzburg 21991. 8
Vgl. GKW Nr. 11510. Der Text ist in einer unkommentierten Leseausgabe zugänglich bei Joel Lefebvre, Les fols et la folie. Étude sur les genres du comique et la création littéraire en Allemagne pendant la Renaissance, Paris 1968, S. 393 – 401.
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nes von Dalberg (1455 – 1503) 9 verkehrte. Die Tatsache, daß Gresemund 1499 auf einer Klerusversammlung predigte, besagt nicht unbedingt, daß er zu dieser Zeit bereits Kleriker war. 10 Als solcher wird er erstmals 1501 in Siena bezeichnet, von wo aus er nach Rom reiste. Die nächsten Jahre, die bereits seine letzten Lebensjahre waren, verbrachte er in Mainz, dessen Altertümer er erforschte. 1506 wurde er hier zum „Provikar“, d. h. Stellvertreter des Generalvikars, 1508 zum Protonotar und Generalrichter am Mainzer Geistlichen Gericht ernannt. 11 1510 avancierte er zugleich zum Scholaster des Stephansstiftes, dem er spätestens seit 1505 angehörte. 1512 ist er mit erst fünfunddreißig Jahren verstorben. II. Die Synodalrede Gresemunds aus dem Jahre 1499 1. Der Anlaß Der Anlaß, bei dem die unten wiedergegebene „Oratio“ gehalten wurde, wird als „sancta synodus Maguntina“ bezeichnet. Um welche Art von Synode es sich dabei handelt, ist unklar. Die gedruckt vorliegende Synodalrede Gresemunds scheint der Grund dafür gewesen zu sein, für das Jahr 1499 eine Mainzer Provinzialsynode anzunehmen, für die aber sonst offensichtlich keine Zeugnisse existieren. 12 Die Tatsache, daß in der Überschrift nicht die zur Mainzer Kirchenprovinz gehörenden Suffraganbischöfe, sondern der „clerus Maguntinus“ genannt wird, legt nahe, daß es wohl eher eine Diözesansynode war, auf der Gresemund das Wort ergriff. 13 Solche Zusammenkünfte, die ein oder
9
Vgl. Peter Walter, „Inter nostrae tempestatis pontifices facile doctissimus“. Der Wormser Bischof Johannes von Dalberg und der Humanismus, in: Der Wormser Bischof Johann von Dalberg (1482 – 1503) und seine Zeit. Hrsg. von Gerold Bönnen / Burkard Keilmann (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, Bd. 117), Mainz 2005, S. 89 – 152. 10 Der zeitgenössische Tübinger Theologe Wendelin Steinbach (1454 – 1519) unterscheidet „orationes pro profectu vel cleri vel aliorum in gymnasijs aut conuentibus“ und „exhortationes pro profectu suorum subditorum“, die auch Nichtkleriker („viri docti“ und „alte persone“) halten können, von „publicae conciones“, die dem höheren Klerus vorbehalten sind (Gabrielis Byel Supplementum […] per Vuendelinum Stambachum Butzbachensem […], Basel: Conrad Resch 1520, fol. 25 va). 11
Vgl. May, Organisation (Anm. 2), Bd. 1, S. 150 f. 152. 154. Hier finden sich jeweils auch Informationen zu diesen Ämtern. 12 13
Vgl. Walter, Stephansstift (Anm. 1), S. 316 mit Anm. 26.
Zum Institut der Diözesansynode in der Erzdiözese Mainz hat der Jubilar umfassend das vorhandene Material gesichtet und vorgestellt. Vgl. May, Organisation (Anm. 2), Bd. 2, S. 1225 (Reg. s. v.). Allerdings bleiben gerade für das späte 15. und das
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zweimal im Jahr stattfanden, dienten der regelmäßigen Instruierung und Disziplinierung des Klerus. Ein „sermo“, der von der „allocutio“ des Bischofs unterschieden wird, gehörte spätestens seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts zum Programm einer Diözesansynode. 14 Er hatte, soweit das aus den erhaltenen Beispielen zu erschließen ist, die Aufgabe einer programmatischen theologischen Einstimmung. Der römische „Pontificalis Liber“ von 1485 wie das „Pontificale Romanum“ von 1595 wollen damit einen „vir doctus“ bzw. einen „(vir) doctus idoneus“ 15 beauftragt sehen, möglicherweise ein Zeichen für die infolge des Humanismus gestiegenen Bildungsstandards. Für die mittelrheinischen Diözesen, die wegen ihrer Diözesansynoden geradezu als vorbildlich angesehen wurden, ist für das späte 15. Jahrhundert eine Reihe von Synodalreden überliefert, deren Autoren als Humanisten bezeichnet werden können. 16 Während die meisten der bei diesen Anlässen gehaltenen Reden nur handschriftlich vorliegen, hat Gresemund seine Rede über das Priestertum bei Martin Flach in Straßburg drucken lassen. 17 Es handelt sich um ein schmuckloses Quartheft von vier Folien, das neben der „Oratio“ Gresemunds noch zwei von diesem verfaßte Gedichte enthält, auf deren Wiedergabe hier verzichtet wird. 18
frühe 16. Jahrhundert hinsichtlich Durchführung und Regelmäßigkeit von Diözesansynoden in Mainz Fragen, die aufgrund der Quellenlage kaum zu beantworten sind. 14
Vgl. Martin Klöckener, Die Liturgie der Diözesansynode. Studien zur Geschichte und Theologie des „Ordo ad Synodum“ des „Pontificale Romanum“ (= Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen, Bd. 68), Münster Westfalen 1986, S. 100. 15
Vgl. Klöckener, Liturgie (Anm. 14), S. 174. 282. 294. 300. Der Zeitpunkt, zu dem der „sermo“ zu halten ist, schwankt; es ist möglich, an jedem der drei Tage, die eine Diözesansynode in der Regel dauern soll, einen solchen anzusetzen. Vgl. ebd., S. 174. 202. 218 f. 16
Vgl. Peter Walter, Humanistische Kritik am Seelsorgeklerus und Vorschläge zu dessen Reform dargestellt am Beispiel von Ansprachen auf Diözesansynoden der mittelrheinischen Bistümer Ende des 15. Jahrhunderts, in: Bildung und Konfession. Theologenausbildung im Zeitalter der Konfessionalisierung. Hrsg. von Herman J. Selderhuis / Markus Wriedt (= Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe Bd. 27), Tübingen 2006, S. 245 – 276. 17
Oratio Theodorici gresemun ׀di ad sanctam synodum Magun ׀tinam elegantissima, o. O. u. J. [Straßburg: Martin Flach 1499].Vgl. GKW Nr. 11512. Zum Straßburger Drucker Martin Flach d. Ä. († 1500), der oft mit einem Basler Kollegen gleichen Namens verwechselt wurde, vgl. NDB Bd. 5, S. 219 f. 18
Oratio (Anm. 17), fol. 4 r – v. Das erste Gedicht handelt von den Wiesbadener Thermen, das zweite vom Wormser Stadtbrand im Jahre 1495. Vgl. dazu Fleischer, Gresemund (Anm. 1), S. 31. 114.
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2. Inhalt, Aufbau und literarische Quellen der Rede Die Rede ist einfach aufgebaut. In der Einleitung, die mit einem Ave Maria abschließt, bittet der Redner seine Zuhörer, unter denen als einziger der Kurfürst und Erzbischof Berthold von Henneberg (1484 – 1504) 19 angesprochen wird, um Aufmerksamkeit. In typischer Exordialtopik 20 legt er die Schwierigkeit seines Unterfangens dar, das ihm seine Zuhörer durch ihre Aufmerksamkeit und ihre Bereitschaft, das Gehörte in die Tat umzusetzen, erleichtern können. Weiterhin betont er, daß es ihm um die Sache, um die ungeschminkte, nackte Wahrheit und nicht um rednerischen Glanz gehe. Der Hauptteil beginnt mit der Angabe des Themas 21 : „Es ist der Mühe wert, in einer Rede zu zeigen, in welch hoher Achtung das Priestertum bei unseren Vorfahren, obwohl sie noch Heiden waren, stand, und welche Wertsteigerung es durch die christliche Religion erfahren hat“ (fol. 2 r). Dieser doppelten Thematik entsprechend ist das Folgende in zwei Abschnitte gegliedert, einen, der das heidnische und einen, der das christliche Priestertum behandelt. Für seine Schilderung des heidnischen Priestertums greift Gresemund, ohne einen Autor namentlich zu nennen, auf antike Zeugnisse zurück. Hauptgewährsmann für die Darstellung der Situation in Ägypten, Babylon, Indien 22 und Äthiopien ist Diodorus Siculus (1. Jh. v. Chr.) 23 , dessen griechisch geschriebenes Geschichtswerk seit 1472 in der lateinischen Übersetzung des Humanisten Gian Francesco Poggio Bracciolini (1380 – 1459) gedruckt vorlag, auf die Gresemund, wie die wörtlichen Zitate beweisen, ganz offensichtlich zurückgriff. 24
19
Zu ihm vgl. Friedhelm Jürgensmeier, Art. Henneberg-Römhild, Berthold Graf von (1441 – 1504), in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Ein Biographisches Lexikon. Hrsg. von Erwin Gatz unter Mitwirkung von Clemens Brodkorb, Berlin 1996, S. 283 – 285. Vgl. auch May, Organisation (Anm. 2), Bd. 1, S. 125 – 135. 147 – 149. 20
Vgl. Heinrich Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, Stuttgart 31990, S. 150 – 163, bes. S. 153 f. 21
Zur „propositio“ vgl. Lausberg, Handbuch (Anm. 20), S. 164.
22
Die Tatsache, daß Gresemund für Indien sieben Kasten angibt, führte bei der Quellensuche auf die Spur des Ethnographen Megasthenes, der von etwa 300 bis 290 v. Chr. in Indien lebte und eine u. a. bei Diodor fragmentarisch überlieferte Beschreibung von Land und Leuten verfaßte. 23 24
Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 2, Sp. 41 f.
Diodori Siculi historiarum priscarum a Poggio in Latinum traducti liber primus […], Bologna: [Baldassare Azzoguidi] 1472; GKW Nr. 8374 (Benutzt wurde das Exemplar der UB Freiburg: Ink. 4o D 1890). Zu Poggio Bracciolini, der verschiedenen Kardinälen und Päpsten als Sekretär diente und seine Anwesenheiten auf den Konzilien
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Für die gallischen Druiden dient ihm Caesars „Bellum Gallicum“ 25 , für die Germanen die „Germania“ des Tacitus 26 als Quelle. Hinsichtlich der römischen Religion greift er auf die Rede Ciceros „Über das Gutachten der Opferschauer“ 27 zurück, die ihm auch im appellativen Schlußteil, in dem Gresemund sich ermunternd und ermahnend an sein Publikum richtet, manche Hilfestellung bietet. Woher er seine Auffassung von der Identität von Priestern und Königen bei den Juden bezieht, konnte nicht festgestellt werden.28 Daß die Hohenpriester auch eine politische Rolle spielten, zeigt allerdings bereits die Lektüre der neutestamentlichen Passionserzählungen. Das jüdische Priestertum ist wohl gemeint, wenn Gresemund davon spricht, daß es von Anbeginn der Welt neben dem Götzendienst auch wahren Gottesdienst gegeben hat.
von Konstanz und Basel dazu nutzte, nach Handschriften mit Werken antiker Schriftsteller zu suchen, vgl. noch immer Ernst Walser, Poggius Florentinus. Leben und Werke (= Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance, Bd. 14), Leipzig / Berlin 1914, der den Übersetzungskünsten seines Protagonisten aus dem Griechischen freilich kritisch gegenübersteht (vgl. ebd. S. 228 – 231). Hinsichtlich der von Gresemund herangezogenen Stellen lassen sich allerdings keine groben Fehler des Übersetzers feststellen. Dies entspricht dem differenzierten Urteil von Pierre Bertrac über Pioggios Diodor-Übersetzung: Le texte de la Bibliothèque historique, in: Diodore de Sicile: Bibliothèque historique. Introduction générale par François Chamoux / Pierre Bertrac. Livre I […], Paris 1993, S. LXXVII – CLXIV, hier S. CXLIV – CXLIX. In der Edition der „Oratio“ wird Diodor mit den Stellenangaben der modernen kritischen Editionen und den Foliierungen der Übersetzung Poggios zitiert. 25
Die Editio princeps war 1469 in Rom von Conrad Sweynheym und Arnold Pannartz gedruckt worden. Vgl. GKW Nr. 5863. 26 Eine Ausgabe der „Germania“ war der von Gresemund benutzten Diodor-Übersetzung in mehreren Auflagen beigefügt (Cornelii Taciti illustrissimi historici de situ moribus et populis Germaniae libellus aureus; vgl. GKW Nr. 8374 – 8376). Zur Entdeckung der „Germania“ in einem Hersfelder Codex vgl. Ludwig Krapf, Germanenmythus und Reichsideologie. Frühhumanistische Rezeptionsweisen der taciteischen ‚Germania‘ (= Studien zur deutschen Literatur, Bd. 59), Tübingen 1979, S. 11 – 42. 27
Oratio de haruspicum responso (im Folgenden: har.). Diese Rede war im 15. Jahrhundert in mehreren Gesamtausgaben der Orationes Ciceros enthalten. Vgl. GKW 6761 – 6771. 28
Das zur Begründung angeführte Wort des 1. Petrusbriefes vom „regale sacerdotium“ ist ursprünglich nicht als Aussage über die faktische Identität von König- und Priestertum in Israel gemeint und wurde auch in der Tradition nicht so verstanden, sondern diente dazu, die Würde des Christseins metaphorisch zum Ausdruck zu bringen. Vgl. dazu Norbert Brox, Der erste Petrusbrief (= Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament, Bd. 21), Zürich u. a. / Neukirchen-Vluyn 21986, S. 102 – 106. 108 – 110.
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Mit dieser Überleitung kommt er zum christlichen Priestertum, das er nicht einfach nur sachlich beschreibend darstellt, sondern in der Absicht, die Anwesenden in der Hochschätzung ihres Amtes zu bestärken bzw. diese, sollten sie es nötig haben, zur Umkehr zu bewegen. Während der erste Abschnitt des Hauptteils mit seinen Informationen über das heidnische Priestertum mehr belehren wollte, verbindet der zweite bei der Präsentation des christlichen Priestertums mit der gleichsam objektiven sakramententheologischen Darstellung eine moralische und geistliche Perspektive. 29 Das christliche Priestertum überragt das heidnische, wie sich Sonne und Schatten, Tag und Nacht, Religion und Aberglaube, Wahrheit und leerer Schein unterscheiden. Während das heidnische dem dunklen Aberglauben diente, dient das christliche Priestertum der „Sonne der Gerechtigkeit“. Man kann hier durchaus eine Passage des 1. Petrusbriefs mithören, auf dessen Aussage vom „regale sacerdotium“ Gresemund kurz zuvor verwiesen hatte: „qui [sc. Deus] de tenebris vos vocavit in admirabile lumen suum“ (1 Petr. 2,9). 30 Die christlichen Priester, die in diesem Abschnitt immer wieder direkt angesprochen werden, haben die Binde- und Lösegewalt und dürfen das allerheiligste Sakrament berühren, was noch so hochgestellten weltlichen Persönlichkeiten – und seien es Kaiser oder Könige – nicht erlaubt ist. Ihnen ist die Seelsorge anvertraut. Sie sollen Gottes Zorn abwenden. Sie sind Betrachter der göttlichen Geheimnisse, dem Priester Christus gleichgestaltet. Gresemund beschränkt sich nicht auf die Tätigkeit der Priester, sondern streicht auch ihren Vorbildcharakter heraus. Sie stehen für alle sichtbar an erhöhtem Ort, tragen zum Zeichen ihrer königlichen Würde „Kronen“, wie die Tonsur im zeitgenössischen Sprachgebrauch bezeichnet wird, und sind dazu da, „daß die Menschen die Norm für ein tugendhaftes Leben empfangen und diesem untadeligen Beispiel des Glaubens, der Demut, der Keuschheit, der Bescheidenheit und aller übrigen Tugenden folgen“ (fol. 2 v). Er appelliert an die Anwesenden: „Betrachtet euch selbst und überlegt, wenn ihr euch betrachtet habt, ob ihr solche seid, wie ihr sie sein solltet“ (ebd.). Am Übergang zu den nun folgenden Ermahnungen greift Gresemund nochmals auf Mittel der Exor-
29
Man kann die unterschiedlichen Teile unter die Aufgaben subsumieren, die die klassische Rhetorik einer überzeugenden Rede zugeschrieben hat: „docere, delectare, movere“. Vgl. dazu Lausberg, Handbuch (Anm. 20), S. 140 – 144. 181 – 185. 30
Das Motiv des Übergangs vom Dunkel ins Licht scheint aus dem jüdischen Proselytismus zu stammen. Vgl. Brox, Petrusbrief (Anm. 28), S. 106 f. Es wurde in der Neuzeit von den unterschiedlichsten geistigen Strömungen in Anspruch genommen, um sich von der vorhergehenden Epoche abzugrenzen, so von Humanismus und Reformation gegenüber dem „dunklen Mittelalter“. Vgl. Lucie Varga, Das Schlagwort vom „finsteren Mittelalter“. (= Veröffentlichungen des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte an der Universität Wien, Bd. 8), Baden bei Wien / Brünn 1932; Nachdruck: Aalen 1978.
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dialtopik zurück 31 : Ihm stehe es aufgrund seiner Begabung (ingenium), seines Alters (aetas) und seines Charakters (mores) 32 nicht an, die Anwesenden zu tadeln. Er möchte sie auch weniger ermahnen als sich vielmehr bittend an sie als Brüder und Väter in Christus wenden. Gleichwohl führt er ihnen in drastischen Bildern vor Augen, welch verheerende Folgen für Kirche und Gesellschaft ein der Würde ihres Standes nicht entsprechendes Leben der Priester und die Vernachlässigung ihrer Aufgaben nach sich ziehen. Von Gott ist in diesem Zusammenhang vor allem als Richter die Rede, der solche Übertretungen nicht ungestraft läßt. Gresemund greift gerade hier auf die „natürliche Gotteslehre“ zurück, die Cicero in der genannten Rede entfaltet, allerdings gibt er dem Gedanken eine eigene Wendung. Während der römische Philosoph die Existenz und die Fürsorge der Götter für den römischen Staat herausstreicht, zielt Gresemund auf den Richtergott. Dieser wird zugleich als der barmherzige vor Augen gestellt, der auf Rache verzichtet, wenn die Menschen Buße tun und ihn um Erbarmen bitten. Danach nimmt Gresemund einen neuen Anlauf, seinen Zuhörern ins Gewissen zu reden. Mit kräftigen Worten entwirft er ein Szenario von den verheerenden Folgen eines Krieges, das wohl weniger, wie man zunächst annehmen könnte, auf bestimmte damalige Ereignisse Bezug nimmt, sondern den Krieg als solchen beschreibt und ganz aus Cicero-Passagen gestaltet ist. Der Krieg wird ebenso als Mittel in der Hand Gottes dargestellt, die Menschen zur Umkehr zu bewegen, wie die ägyptischen Plagen und die Christenverfolgungen der ersten Jahrhunderte, für die Gresemund auf das Geschichtswerk des Paulus Orosius († nach 418) verweist. 33 Während die verfolgten Christen der Frühzeit jedoch unschuldige Opfer tyrannischer Grausamkeit waren, müssen die schlechten Christen der Gegenwart Gottes Gericht fürchten und umkehren, solange noch Zeit ist. Denjenigen, denen Gott auf Erden größere Würden verliehen hat, drohen schwerere Strafen in der Ewigkeit. In einem Satz wenigstens verweist Gresemund auf den ewigen Lohn, den Gott denen schenkt, die in den Gefährdungen der irdischen Existenz ein gutes Leben geführt haben. Freilich sind es nur wenige, die nach stürmischer Seefahrt glücklich in den Hafen ge-
31
Die „peroratio“ als Schlußteil einer Rede hat durchaus Gemeinsamkeiten mit dem „exordium“. Vgl. Lausberg, Handbuch (Anm. 20), S. 236 – 240. 32
Ob hier das Eingeständnis mitschwingt, daß er selber gegen die christliche Moral allgemein wie die klerikale Standesmoral im besonderen verstieß, als er 1495 mit einer Magd des väterlichen Hauses ein Kind zeugte? Vgl. Walter, Stephansstift (Anm. 1), S. 314. 33
Die „Historiae adversus paganos“ des Orosius lagen seit 1471 in einem Augsburger Frühdruck vor. Vgl. Hain Nr. 12101. Zu Orosius vgl. Adolf Lippold, s. v., in: LThK3 Bd. 7, Sp. 1138 f.
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langen. 34 Seinen Zuhörern ist der Weg zum Heil bekannt, also können sie ihn nur verfehlen, wenn sie dies mutwillig wollen. 35 Mit der Führung Gottes, der hier „summi moderator olympi” genannt wird, und der Hilfe Mariens können Sie das Ziel erreichen. Mit der zuletzt genannten Bezeichnung Gottes 36 sowie mit dem Gottestitel „Deus optimus maximus“ (fol. 3 r) greift Gresemund antiken Sprachgebrauch auf, ohne freilich durchgängig in eine antikisierende Diktion zu verfallen, wie sie Erasmus in seinem „Dialogus Ciceronianus“ am Beispiel einer in Rom, in Gegenwart des Papstes, gehaltenen Karfreitagspredigt kritisiert. 37 Gewiß enthält die Rede viel humanistisches Bildungsgut und orientiert sich an antiken Vorbildern, das Aussageziel aber ist ein christliches. Ohne daß eine literarische Abhängigkeit festgestellt werden könnte, erinnern manche Passagen der Rede an patristische Mahnungen hinsichtlich negativer Folgen des Verhaltens der
34 Es fällt auf, wie häufig Gresemund nautische Metaphorik bemüht. Insgesamt dreimal, und zwar am Anfang wie am Ende der Rede, gebraucht er das Bild vom Hafen: „portus tranquillitatis“ (fol. 1 v), „portus salutis“ und „portus felicitatis“ (fol. 4 v). Die Schiffahrt zwischen den unterschiedlichen Hindernissen und Fährnissen zum bergenden Hafen versammelt alle Gefahren, die Homer im 12. Buch der „Odyssee“ aufgeboten hat, dazu die akrokeraunischen Felsen (s. Anm. 94 – 96). Zur antiken und christlichen Schiffahrtsmetaphorik vgl. Hugo Rahner, Symbole der Kirche. Die Ekklesiologie der Väter, Salzburg 1964, S. 239 – 564. 35
Gresemund läßt hier den humanistischen Bildungsoptimismus erkennen, den Erasmus in seiner theologischen Methodenlehre auf die Kurzformel bringt: „non minima negotii pars est adeundi negotii viam nosse“ (Desiderius Erasmus Roterodamus, Ausgewählte Werke. In Gemeinschaft mit Annemarie Holborn hrsg. von Hajo Holborn, München 1933; Nachdruck: ebd. 1964, S. 155. 177). 36
Die Wortkombination „moderator Olympi“ begegnet nach dem Thesaurus Linguae Latinae Bd. 8, Sp. 1210 nur einziges Mal, in der von Germanicus (15 v. Chr. – 19 n. Chr.) angefertigten Übersetzung des astronomischen Lehrgedichts „Phainomena“ des Aratos von Soloi (1. H. 3. Jh. v. Chr.): Germanici Aratea V. 32 (Poetae Latini minores. Hrsg. von Emil Baehrens, Bd. 1, Leipzig 1879, S. 149). Dieses Werk war seit 1488 in einer Venezianer Inkunabel (vgl. GKW Nr. 3131) zugänglich. Diese enthielt auch die lateinische Bearbeitung desselben Gedichts durch Festus Rufius Avienus (2. H. 4. Jh. n. Chr.), der mit „moderator Olympus“ (V. 713; Aviénus, Les phénomènes d’Aratos. Texte établi et traduit par Jean Soubiran, Paris 1981, S. 124) den Olymp selber zu vergöttlichen scheint. Zu beiden Fassungen vgl. Martin Fiedler, Kommentar zu V. 367 – 746 von Aviens Neugestaltung der Phainomena Arats (= Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 211), München / Leipzig 2004, S. 302 f. 37 Vgl. Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami, Bd. 1/2, Amsterdam 1971, S. 637 – 642.
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Hirten für die ihnen Anvertrauten. 38 Gleiches gilt für das Büchlein des Johannes Trithemius über das priesterliche Leben. 39 Es fällt auf, daß der Redner lediglich einen einzigen seiner Gewährsleute, Orosius, namentlich nennt, auf den er allerdings nur allgemein hinweist, ohne wörtlich zu zitieren, während er die Quellen, aus denen er teilweise recht ausführlich zitiert, nicht angibt. Er prunkt nicht mit seinen Kenntnissen, von denen seine Zuhörer, was die Darstellung des heidnischen Priestertums angeht, annehmen konnten, daß er sich auf historische Quellen stützt. 40 Die Anspielungen auf biblische und liturgische Wendungen mögen dem Redner wie den Zuhörern durch ihr Vorkommen in der Liturgie geläufig gewesen sein. Teilweise bediente Gresemund sich antiker Quellen, etwa der relativ ausführlich herangezogenen Cicerorede über das Gutachten der Opferschauer, als Formulierungshilfen für klassisches Latein. Verraten hat er dies seinen Zuhörern nicht. Ihm deshalb Plagiat vorzuwerfen, wäre ungerecht. Eher wird man seine Belesenheit in der antiken Literatur bewundern. Manches schließlich läßt den Blick des Juristen und Kanonisten erkennen, der sich für die Strukturen der von ihm beschriebenen antiken Gesellschaften – sei es Ägypten, sei es Indien – interessiert. Hierzu gehört auch der Vergleich des bei den Galliern üblichen gesellschaftlichen Ächtungsverfahrens mit der Exkommunikation. Schließlich sei die Bestimmung von „iustitia“ genannt, die an die Institutionen Justinians erinnert. Welche Wirkung Dietrich Gresemund mit seiner Synodalrede erzielte, ist nicht bekannt. Mag sein, daß die ihm von Zeitgenossen bescheinigte Beredsamkeit zu den Lobhudeleien gehört, mit denen die Humanisten sich gegenseitig überhäuften. Das einzige erhaltene Beispiel einer Gresemundschen Rede, das hiermit der Vergessenheit entrissen werden soll, zeigt jedoch, daß Trithemius nicht ganz falsch lag, als er von der „Ciceroniana disertitudo“ des jünge-
38 So die Passagen über die besondere Verantwortung der Hirten (Aug. serm. 46, 2; CSEL Bd. 41, S. 529 f.) und über die schlimmen Folgen ihres Versagens (serm. 46, 9; ebd., S. 535 f.). Zu letzterem vgl. auch Cypr. ep. 9, 1: „[...] quantum perniciosa res est ad sequentium lapsum ruina praepositi, in tantum contra utile est et salutare cum se episcopus per firmamentum fidei fratribus praebet imitandum“ (CSEL Bd. 3, S. 489). 39
De institutione vitae sacerdotalis, Mainz: Peter von Friedberg 1494 (Hain 15621 f.) u. ö., wiederabgedruckt in: Ioannis Trithemii […] opera pia et spiritualia. Hrsg. von Johannes Busaeus, Mainz 1605, S. 765 – 783. 40
Es fällt auf, daß der Druck der „Oratio“ nur in diesem Teil Marginalien bietet, die der Gliederung und dem Auffinden der gebotenen Informationen dienen. Da es sich lediglich um eine Wiederholung der Völkernamen aus dem fortlaufenden Text handelt, wurde auf die Wiedergabe in der Edition verzichtet.
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ren Gresemund sprach. 41 Als er dies schrieb, war die Rede zwar noch nicht gehalten, aber der Redner hat mit dem Erwerb seiner bewunderten humanistischen „eruditio“ die Grundlage dafür gelegt, dem Mainzer Klerus eines Tages mit Cicero die Leviten zu lesen. III. Edition 42 [fol. 1 r] Oratio Theodorici Gresemundi ad sanctam synodum Maguntinam elegantissima [fol. 1 v] Theodorici Gresemundi oratio habita ad clerum Maguntinum, Anno salutis nostre MCCCCXCIX, presidente reuerendissimo domino Bertholdo archiepiscopo. Quia satis frequentes satisque, vt opinor, ad audiendum paratos conuenisse vos video, reuerendissime in domino presul princepsque illustrissime et viri celeberrimi, diutius silendum non putaui. Et quamuis non ignorem, difficillimam orandi prouinciam humeris meis impositam esse, tamen eam existimabo facillimam, si vos pro humanitate vestra attenti, que dixero, audieritis, audita bene intellexeritis, intellecta opere et re ipsa diligenter exequimini, qua gratia vos hunc in locum accessisse confido. Quod si audiendi tantum animum habetis, non etiam, que audieritis, faciendi, longe decepti estis sperantes vos aliquid vel noui vel oratorij audituros. Oportebat enim circumforaneis illis prestygiatoribus aut circulatoribus magis in presentia quam mihi aures prebere voluptate aliqua demulcendas. Ego solam veritatem in medium afferam, que quoniam nuda 43 depingitur, nullis eget fucis, nullis illecebris verborum aut cincinnis oratorijs. Ideoque date veniam incompto et neglecto sermoni nostro, qui quanto minus auribus tanto magis animo conueniet. 44 Multa enim exponam medicamina, capiat quisque, quibus se egere intellexerit. Quod nisi fiat, et ego dicendi et vos audiendi operam temere perdetis. Videborque, vt est in prouer-
41
Vgl. das in Anm. 7 wiedergegebene Zitat. Erasmus spricht von attischer Beredsamkeit. Vgl. Anm. 3. 42 Der Edition zugrunde liegt das Exemplar der Bibliotheca Palatina in der Mikrofiche-Ausgabe des Verlags K. G. Saur: Bibliotheca Palatina. Druckschriften. Hrsg. von Leonard Boyle / Elmar Mittler, München u. a. 1985 – 1999, Nr. E 676. Bei der Transkription des Textes wurde der Buchstabenbestand des Originals beibehalten, die Abkürzungen wurden stillschweigend aufgelöst. Die vom Editor stammende Interpunktion soll dem leichteren Verständnis dienen. 43
Zur „nuda veritas“ vgl. Hor. c. 1, 24, 7.
44
Vokabular und Gedankengang erinnern an Cic. de orat. 3, 100.
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bio, surdis fabulam narrare. 45 Ut igitur et mihi et vobis hoc presens negocium bene cedat, ad gloriosissimam dei genitricem semper virginem Mariam matrem misericordie 46 supplices confugiamus, que me loquentem vosque audientes iuxta in portum tranquillitatis 47 perducat. Hanc igitur angelica voce salutantes dicamus: Aue Maria. [fol. 2 r] Opereprecium est oratione ostendere, quanta semper apud maiores nostros quamuis adhuc ethnicos in existimatione fuerit, quantumque per christianam religionem incrementi susceperit ordo sacerdotalis. Atque vt ab egyptijs exordium sumam, quoniam hi se primos hominum fuisse contendunt 48 , apud illos, inquam, sacerdotes secundum post reges honoris dignitatisque locum obtinebant. 49 Ad hec, cum totius egypti vectigal trifariam diuideretur, eius prima portio sacerdotum tanquam prestantiorum, secunda regis, tercia militum erat. Nec tamen ideo minus tributorum etiam immunitate gaudebant, preterea in grauibus rebus semper consilio regibus aderant, cum propter deorum curam, tum propter doctrinam. 50 In Gallia eorum hominum, qui essent honore aliquo conspicui, duo genera erant. Sacerdotum alterum, quos druides appellabant,
45
Vgl. dazu die von Erasmus von Rotterdam unter dem Stichwort „Surdo canis. Surdo fabulam narras“ gesammelten antiken Belegstellen (Adagium 387, in: Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami Bd. 2/1, Amsterdam u. a. 1993, S. 467 f.). 46
Im Mittelalter beliebte Anrede und Bezeichnung für die Gottesmutter. Am bekanntesten ist noch heute der Anfang der Antiphon „Salve regina, mater misericordiae“. Vgl. Anselm Salzer, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des Mittelalters. Mit Berücksichtigung der patristischen Literatur. Eine literar-historische Studie, Seitenstetten 1886–1894; Nachdruck: Darmstadt 1967, S. 584 f. 47 In der antiken und patristischen Schiffahrtsmetaphorik wird der Hafen, der für die Christen v. a. die Kirche und den Himmel bezeichnet, als Hort der Ruhe gesehen. Vgl. Rahner, Symbole (Anm. 34), S. 246 f. 548 – 564. In der mittelalterlichen Marienliteratur wird Maria selbst als „portus tranquillitatis“ bezeichnet. Vgl. Salzer, Sinnbilder (Anm. 46), S. 530, Z. 10. 48
„Tradunt egyptii ab orbis initio primos homines apud se creatos“ (Diod. 1, 10, 1; Poggio fol. 6 v – 7 r). Damit steht in Spannung, daß die Äthiopier von sich dasselbe behaupten (Diod. 3, 2, 1; Poggio fol. 42 r). 49
„Hi [sc. sacerdotes] omnes immunes sunt: secundumque post reges honoris dignitatisque locum tenent“ (Diod. 1, 73, 5; Poggio fol. 22 v). 50
„Egypti uectigalibus trifariam partitis, priorem portionem percipit collegium sacerdotum magna apud incolas auctoritate, tum propter deorum curam, tum propter doctrinam qua plures erudiuntur […] Adsunt enim grauibus in rebus hi semper consilio atque ope regibus. […] Altera portio ad reges peruenit […] Tertiam percipiunt milites […]“ (Diod. 1, 73, 2. 4. 6. 7; Poggio fol. 22 v).
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alterum equitum. 51 Omnibus autem druidibus preerat vnus, qui summa inter eos auctoritate fungebatur. 52 Illi vero divinis rebus intererant, sacrificia omnia tam priuata quam publica procurabant, religiones interpretabatur, iura populis reddebant. Eorum decreto, si quis non paruisset, ei sacris interdicebantur. Hec apud priscos illos poena maxima erat, 53 quem puniendi morem verisimile est ad secula nostra sub nomine excommunicationis fluxisse. Apud babylonios etiam Chaldei eum locum, quem in egypto sacerdotes tenebant. Ad cultum enim deorum deputati preterea per omnem vitam philosophabantur peritissimi diuinationum et astrologie habiti. 54 Nec Indorum antiqua in religionibus instituta preteribo. Cum enim is populus in septem tribus olim fuerit distinctus, prima sacerdotum erat, qui quamuis numero ceteris pauciores, tamen supereminebant dignitate, hi ab omni opere immunes neque seruiebant cuipiam neque imperabant. A priuatis autem et recipiebant ea, quibus sacra dijs facerent, et plurimi honores ac dona eis impendebantur. Defunctorum curam in primis gerebant, tanquam quae fierent apud inferos precipue nossent, et essent a dijs immortalibus vnice amati. 55 Ethiopes vero, qui cultum deorum a se incepisse glorian51
„In omni Gallia eorum hominum, qui aliquo sunt numero atque honore, genera sunt duo. […] sed de his duobus generibus alterum est druidum, alterum equitum“ (Caes. Gall. 6, 13, 1. 3). 52
„His autem omnibus druidibus praeest unus, qui summam inter eos habet auctoritatem“ (Caes. Gall. 6, 13, 8). 53
„Illi rebus divinis intersunt, sacrificia publica ac privata procurant, religiones interpretantur. […] nam fere de omnibus controversiis publicis privatisque constituunt, et si quod est facinus admissum, si caedes facta, si de hereditate, de finibus controversia est, idem decernunt, praemia poenasque constituunt. Si qui aut privatus aut populus eorum decreto non stetit, sacrificiis interdicunt. Haec poena apud eos est gravissima“ (Caes. Gall. 6, 13, 4 – 6). 54
„Chaldaei babyloniorum antiquissimi eum locum in sua re publica quem in egypto sacerdotes obtinuere. Per omnem uitam philosophabantur peritissimi astrologiae habiti. Multi diuinatione quadam futura predicebant“ (Diod. 2, 29, 2; Poggio fol. 35 r – v). Ursprünglich eine ethnische Bezeichnung wurde der Begriff „Chaldaei“ später auf eine Berufsklasse, die Priesterschaft babylonischer Städte, übertragen, „die sich durch hervorragende Kenntnisse in Magie, Wahrsagekunst, Astrologie und Astronomie auszeichnete“ (Der Kleine Pauly, Bd. 1, Sp. 1123 f.; hier Sp. 1124). Dieser Sprachgebrauch begegnet sowohl bei Hdt. (1, 181. 183) als auch im Alten Testament (Dan 2,2. 4). 55
„Indorum populus in tribus septem est distributus. Prima est philosophorum, qui caeteris numero pauciores supereminent dignitate. Hi ab omni opere immunes, neque seruiunt cuiquam, neque imperant, recipiuntque a priuatis et ea, quibus sacra diis faciant et curam habeant defunctorum tanquam cari diis et quae fiant apud inferos praecipue norint, propterea dona plurima honoresque eis impenduntur“ (Diod. 2, 40, 1 – 2; Poggio fol. 37 v). Gresemund hat durchaus sachgemäß die für seine Zwecke nicht sehr aussagekräftige Bezeichnung der Brahmanen als „philosophi“ in „sacerdotes“ verändert.
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tur, 56 regem ex sacerdotibus sacerdotes ipsi eligebant, 57 quo conijci potest quanto apud illos in honore ac precio ordo vester fuerit, ex quo reges eligerentur. Constat Romanos voluisse pontifices nedum religioni deorum sed etiam reipublice preesse, qui rerum bene gerendarum auctoritate, augurio, fatorum predicatione, Apollinis vatum libris portentorum explanatione, etrusca disciplina statas solemnesque cerimonias pontificum contineri putabant. 58 Qua pietate et religione sua magis quam armorum et rei [fol. 2 v] militaris peritia freti credebant se omnium gentium victores tam facile euasisse, nec enim illis resistere poterat numerus hispanorum nec robur gallorum nec poenorum calliditas nec artes grecorum nec domesticus natiuusque italorum sensus, que omnia pontificibus et cerimonijs accepta ferebant. 59 Nulli preterea dubium est, apud hebreos aut eosdem fuisse et reges et sacerdotes 60 aut principes sacerdotum reipublice gubernaculis ac rerum summa semper potitos. Hinc est, quod Petrus apostolus sacerdotium regale appellat. 61 Atque vt tandem etiam ad Germanos descendam. Apud nostros, inquam, maiores neque regi cuiquam neque duci in aliquem animaduertere licebat. Solis enim sacerdotibus et vincire et verberare permis-
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„Asserunt [sc. aethiopes] autem deorum apud eos cultum primitus adinuentum“ (Diod. 3, 2, 2; Poggio fol. 42 r). 57
Gresemund vereinfacht hier die Darstellung Diodors: „Nam sacerdotes optimos ex se ipsis seligunt. Quem uero ex eis deus more quodam bacchantium circundelatus cepit, hunc regem popolus creat. Statimque flexis genibus, quoniam sit diuina prouidentia datus, ut deum honorat“ (Diod. 3, 5, 1; Poggio fol. 42 v). 58
„Qui [sc. maiores] statas sollemnisque caerimonias pontificatu, rerum bene gerundarum auctoritates augurio, fatorum veteres praedictiones Apollinis vatum libris, portentorum expiationes Etruscorum disciplina contineri putaverunt“ (Cic. har. 9, 18; vgl. auch Val. Max. 1, 1, 1). Die von der modernen kritischen Edition abweichenden Lesarten Gresemunds sind handschriftlich gut bezeugt: „praedicationes“ bieten mehrere, „explanationes“ fast alle Handschriften. 59
„[…] nec numero Hispanos nec robore Gallos nec calliditate Poenos nec artibus Graecos nec denique hoc ipso huius gentis ac terrae domestico nativoque sensu Italos ipsos ac Latinos, sed pietate ac religione atque hac una sapientia, quod deorum numine omnia regi gubernarique perspeximus, omnis gentis nationesque superavimus“ (Cic. har. 9, 19). 60
Eine im Decretum Gratiani zitierte Passage aus Isidor von Sevilla (Isid. orig. 7, 12, 14; PL Bd. 82, Sp. 291) enthält die allgemeine, nicht auf das Judentum, sondern auf die Römer bezogene Aussage: „Ante autem pontifices et reges erant. Nam maiorum hec erat consuetudo, ut rex esset et sacerdos et pontifex“ (Friedberg Bd. 1, Sp. 68). 61 1 Petr 2,9. Auch Petrus Lombardus bezieht dieses Wort nicht auf die Christen insgesamt, sondern auf die Kleriker (Sent. 4, 24, 4, 1; ed. Quaracchi Bd. 2, S. 395).
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sum erat quasi id deo imperante facientibus.62 Quare ne plura loquar de re minime dubia, adhibete animos mentesque vestras63 et reuoluite, quanti apud priscos illos ab origine mundi fuerit ecclesiasticus ordo, qui non deo tantum, sed humani generis inimico64 per tenebras et superstitionem tunc ministrabat65. Vos vero, qui in sortem domini electi estis66, quibus ortus est sol iusticie67, qui verum religionis iter vobis dominica passione apertum ambulatis, tanto illis antiquioribus preferri decet, quanto sol vmbre, dies nocti, religio superstitioni, veritas prestat vanitati. Accedit, quod vobis collata est ligandi soluendique potestas.68 Vobis licet illudipsum tremendum venerandumque sacrificium pro salute nostra institutum offerre, quod nulli regum, nulli imperatorum quantumuis magno attingere fas est. Vobis animarum, que nullo precio appendi possunt, cura committitur. Vestrum est irati iudicis indignationem auertere a peccatrice plebecula. Vos in eo fastigio collocati estis, vt homines in vos oculos conuertentes a moribus vestris beneuiuendi normam accipiant et quasi correctissimum fidei, humilitatis, pudicicie, modestie ceterarumque virtutum exemplar sequantur. Vobis preterea sacra, cerimonie, religiones, are, templa committuntur. Vos in regij decoris emulationem et indicium coronas geritis.69 Tantoque maior spiritualis potestas terrena, quanto spiritus dignior corpore. Vos diuinorum secretorum estis contemplatores. Vos Christus, quoniam et ipse fuit sacerdos70, sibi pares esse voluit. Videte obsecro, amplissimi patres, videte, inquam, mentisque vestre oculos aperientes contueamini dignitatem, eminentiam ac honorem vestrum. Vosmetipsos cognoscite et cum cognoueritis pensitate, si tales 62 „[…] neque animadvertere neque vincire, ne verberare quidem nisi sacerdotibus permissum, non quasi in poenam nec ducis iussu sed velut deo imperante“ (Tac. Germ. 7, 1). 63
„Quare … vestras“ (Cic. har. 10, 20).
64
Bezeichnung für den Teufel. Vgl. etwa den Hymnus der Ostermatutin „O rex, aeterne, domine“: „hostis humani generis“ (PL Bd. 17, Sp. 1205). 65
Die Verbindung von „tenebrae“ und „superstitio“ zur Kennzeichnung der heidnischen Welt begegnet etwa bei Lact. inst. 1, 1 ,23 (CSEL Bd. 19, S. 5 f.). 66 Die Herleitung der Bezeichnung „clerici“ von „de sorte Domini“ durch Isidor (Isid. orig. 7, 12, 1 – 2; PL Bd. 82, Sp. 290) hat sowohl in das Decretum Gratiani (I d. 21 c. 1; Friedberg Bd. 1, Sp. 67) wie in die Sentenzen des Petrus Lombardus Eingang gefunden (Sent. 4, 24, 4, 3; ed. Quaracchi Bd. 2, S. 395 f.). 67
Vgl. Mal 3,20.
68
Vgl. Mt 18,18.
69
Vgl. Petrus Lombardus, Sent. 4, 24, 4, 1 (ed. Quaracchi Bd. 2, S. 395): „Corona regale decus significat […]“. 70 Im Hebräerbrief wird Jesus Christus in Anlehnung an Ps 2,7 als Hoherpriester bezeichnet (Hebr 5,5 f. u. ö.).
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estis, quales esse deberetis. Non fuit in hanc diem moris mei aspera et mordaci reprehensione quemquam incessere nec monere nec coarguere alios. Id enim multum abest ab ingenio, ab etate, a moribus meis.71 Quare mediocriter vobiscum agam et vos [fol. 3 r] tanquam fratres immo patres in Christo charissimos rogandos potius existimaui quam adhortandos. Consulite, queso, vobis, consulite animabus vestris et conscientie tranquillitati. Cogitetis ipsi, quantum sceleris sit sacrosanctam religionem negligi, pollui, violari72, tantum honoris gradum per flagicium inquinari seque tanta dignitate reddere indignum. Cogitate tam dicta vestra quam facta esse palam ac omnium oculis passim exposita. Cogitate, deum optimum maximumque nihil non videre, esse memorem fandi et nefandi73, justum insuper in illo die tremendo74 ac inexorabilem iudicem75 futurum. Etenim quis est tam vecors, qui, cum in celum suspexerit, aut deum esse non sentiat, aut cum deum esse intellexerit, non intelligat76 illum delictis nostris ad iracundiam concitari et meritas quandoque penas inflicturum. Si enim bonus est deus, credendum vtique est, mala nostra illi displicere. Si omnipotens, quid prohibet eum, quo minus iram suam exerceat et in nos animaduertet. Si iustus, nihil relinquet impunitum. Justicia enim est reddere vnicuique, quod suum est.77 Verum, cum idem etiam misericors sit, nonne leuius, nonne tolerabilius est, misericordiam eius quam iusticiam experiri? Quare post habitam de commissis penitentiam et satisfactionem, post confirmatum deinceps abstinendi proposi-
71
Den Hinweis auf „ingenium“ und „aetas“ als Einschränkungen des Redners hat Gresemund dem Exordium von Ciceros „Oratio pro Sex. Roscio Amerino“ (1, 1) entnehmen können. 72
„Publius, inquam, Clodius sacra et religiones neglegi violari pollui questus est“ (Cic. har. 5, 8). 73
„[…] sperate deos memores fandi atque nefandi“ (Verg. Aen. 1, 543).
74
Tag des Jüngsten Gerichts. Vgl. PL Bd. 72, Sp. 568; Bd. 89, Sp. 1093; Bd. 91, Sp. 511. 75
Vgl. Cic. Tusc. 1, 5, 10, der die Totenrichter Minos und Rhadamanthys als „inexorabiles iudices“ bezeichnet. In der Vulgata begegnet eine solche Aussage für Gott nur in Klgl 3,42: „tu inexorabilis es“. 76
„Etenim quis est tam vaecors qui aut, cum suspexit in caelum, deos esse non sentiat, et ea quae tanta mente fiunt ut vix quisquam arte ulla ordinem rerum ac necessitudinem persequi possit casu fieri putet, aut, cum deos esse intellexerit, non intellegat eorum numine hoc tantum imperium esse natum et auctum et retentum“ (Cic. har. 9, 19). 77
Dem Juristen ist dieser Grundsatz aus dem ersten Satz der Institutionen Justinians geläufig: „Iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuens“ (Cod. Iust. 1, 1, 1). Das Verb entspricht der Definition Ciceros: „iustitia [...] suum cuique reddere“ (Cic. rep. 2, 15, 24).
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tum78, exorandus est nobis altissimus, vt et preteritorum obliuiscens et futura stabiliens vltionem, si quam iuste parauerat, misericorditer auertat, et faciet vtique, mitis enim est et humilis corde.79 Miserorumque precibus flectitur, maxime, vbi in illis spem aliquam viderit emendationis, que si in nobis non apparebit, visitabit nos in virga ferrea80. Timendum et vtinam non timendum. Videte tandem, optimi patres, ne turbulenta hec tempora capitibus vestris perniciem sint allatura. Videte, obsecro, ne vos, qui iram domini debebatis auertere81, eam potius prouocetis82. Indignatur forsan Christus, et iure quidem, patrimonium suum turpiter prodigi, dissipari, dilapidari. Attolite oculos et videte, quanta tempestas excitetur, quanta impendeat procella cum furiis et facibus, cum exiciosis prodigijs, cum ipsis inquam imperij Romani pestibus bello inexpiabili suscepto.83 Huic excisionem, inflammationem, euersionem, depopulationem, vastitatem, predam, cruenta atque funesta supplicia tectis, agris mortalibusque ipsis inferri constat.84 Hi sunt obices, quos deus lasciuie nostre opponit. He admonitiones, quibus ad melioris vite frugem inuitamur. Hec flagella, quibus propter iniquitates nostras iure ac merito affligimur. Proditum est memorie egyptum, quia in ea populus dei persecutionem pateretur, decem plagis percussam.85 Constat deinde ecclesiam Christi non inhabitan [fol. 3 v] tium scelere, sed tyrannorum crudelitate totidem olim persecutionibus fuisse oppressam a Nerone vsque ad Maximiani tempora, quas omnes ex ordine Orosius
78
Über den Zusammenhang von Reue und Vorsatz vgl. Decretum Gratiani, De poen. d. 3 (Friedberg Bd. 1, Sp.1211 – 1228); Petrus Lombardus, Sent. 4, 14, 3 (Ed. Quaracchi Bd. 2, S. 318 – 321). 79
Jesus sagt von sich: „discite a me, quia mitis sum, et humilis corde“ (Mt 11,29).
80
Ein Kennzeichen der Endzeit ist, daß sowohl der Sohn Gottes als auch die, die an ihn glauben, mit eisernem Zepter (in virga ferrea) regieren (Offb 2,27; 12,5; 19,5). 81
Während Gott im Alten Testament häufig angerufen wird, seinen Zorn abzuwenden (vgl. Ps 84 [85],5), wird nur selten gesagt, daß Menschen in der Lage sind, Gottes Zorn abzuwenden (vgl. Num 25,11; Ps 105 [106],23; Jer 18,20; 1 Makk 3,8). 82
„[Deum] ad iracundiam provocare“ (Dtn 4,25; Jes 63,10).
83
„Cum his furiis et facibus, cum his, inquam, exitiosis prodigiis ac paene huius imperi pestibus bellum mihi inexpiabile dico esse susceptum […] Tum, inquam, tum vidi ac multo ante prospexi quanta tempestas excitaretur, quanta impenderet procella rei publicae“ (Cic. har. 2, 4. 3, 4). 84
„[…] excisionem, inflammationem, eversionem, depopulationem, vastitatem, ea sua cum praeda meis omnibus tectis atque agris intulerunt“ (Cic. har. 2, 3). Daran schließt sich unmittelbar der in der vorhergehenden Anm. zitierte Abschnitt an. 85
Vgl. Oros. hist. 7, 27, 3 (CSEL Bd. 5, S. 496).
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Peter Walter
hystoriographus recenset. 86 Cum autem he persecutiones, quae in sanctos dei fiebant, fuerint sanguinolente et crudelissime, quanto crudeliores eas futuras censendum est, quae in peccatores et diuinorum mysteriorum prophanatores 87 grassabuntur. Si enim isti optimi, quorum nunc martyria per ecclesiam celebramus, mortem patiebantur, quid nos pessimi meremur? Resipiscamus, obsecro, et conditionem turbulentiamque temporum nostrorum non prorsus contemnentes auertamus iram dei a nobis 88 . A facie illius fugere non possumus. 89 Eius infinite potentie resistere non valemus. Quid igitur faciendum? Nihil profecto, nisi vt preoccupemus eum in lachrymis et confessione 90 , anteaquam exardescat sicut ignis in spinis 91 , anteaquam propter obstinatam peruicacitatem nostram inexorabilis fiat, anteaquam aures misericordie sue claudat, anteaquam incipiat fulminare. Vos igitur imminentibus malis animum aduertite, non solum his transitorijs, sed etiam illis eternis, in quibus tanto duriore loco eritis, quanto in excelsiore dignitatis fastigio nunc estis collocati. 92 Preterea contemplanda vobis sunt, patres optimi, illa, quae bene viuentibus premia proponuntur, quam dulcia, quam mirifica, quam incredibilia, quam eterna. Is enim est portus salutis 93 , ad quem omnes, quotquot sub christiana religione viuimus, per multas tempestates et procellas, per scyllam et carybdim 94 , per scopulos 95 , per acroceraunia saxa 96 velificamus. Plurima vero pars vndis obruitur. Plurima retro per deuia oberrat.
86
Paulus Orosius stellt im siebten Buch seiner „Historiae adversus paganos“ zehn Christenverfolgungen „a Nerone usque ad Maximianum“ (7, 26, 9 [CSEL Bd. 5, S. 494]) den zehn ägyptischen Plagen gegenüber. Bei Maximian handelt es sich um den Mitaugustus Diokletians mit dem Beinamen Herculius († 310). 87
Dieser Satz scheint als Gegensatz zur paulinischen Aussage formuliert, die von den Verkündern des Evangeliums als „dispensatores mysteriorum Dei“ spricht (1 Kor 4,1). 88
Vgl. Anm. 81.
89
Vgl. Ps 138 (139),7: „quo a facie tua fugiam?“
90
Ps 94 (95),2: „praeoccupemus faciem eius in confessione“.
91
Ps 117 (118),12: „[omnes gentes] exarserunt sicut ignis in spinis“.
92
Ein durchaus biblischer Gedanke. Vgl. Weish 6,6; Jak 3,1.
93
Vgl. die Anm. 47 genannten Belegstellen. Vgl. auch die an Maria gerichtete Bitte: „Portum da salutis“ (Salzer, Sinnbilder [Anm. 46], S. 529, Z. 13). 94
Skylla und Charybdis (Hom. Od. 12, 73 ff. 201 ff. 426 ff.). Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 5, Sp. 238 f.; Bd. 1, Sp. 1140). 95
Möglicherweise die Symplegaden (Hom. Od. 12, 59ff.). Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 5, Sp. 447. 96 Akrokeraunia, nordwestliches Vorgebirge von Epirus, auch für andere gefährliche Örtlichkeiten gebraucht. Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 1, Sp. 222.
Cicero in pulpito
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Pauci portum felicitatis 97 attingunt. Vos vero, quibus via est notissima, nisi volentes errare non potestis. Ideo vobis ad eternam beatitudinem facilior aditus. Ad quam nos omnes intercedente gloriosissima virgine Maria aliquando perducat summi moderator olympi 98 . Dixi.
97
Zur Hafenmetaphorik vgl. Anm. 47. Vgl. auch das Gebet zur Gottesmutter „Tu felix portus es“ (Salzer, Sinnbilder [Anm. 46], S. 529, Z. 27). 98
Vgl. Anm. 36.
Der Archidiakon Lupold von Bebenburg und der Streit um die Exemtion der Kapelle in Unterebersbach Von Alfred Wendehorst I. Die staatstheoretischen Schriften des Würzburger Domherrn und späteren Bischofs von Bamberg Lupold von Bebenburg liegen seit allerjüngster Zeit erstmals in einer kritischen Neuausgabe vor: der Tractatus de iuribus regni et imperii, der Libellus de zelo christiane religionis veterum principum Germanorum und das Ritmaticum querulosum et lamentosum dictamen de modernis cursibus et defectibus regni ac imperii Romani. 1 Damit sind nicht alle Schriften Lupolds ediert, sondern, wie auch der Titel ausweist, nur die Staatsschriften, welche bisher, sieht man vom Ritmaticum ab, alle nur in älteren Drucken vorlagen. Eine wichtige Schrift Lupolds, die seit langem bekannt ist, 2 von der auch, wie es scheint, jedenfalls die meisten Handschriften nachgewiesen sind, 3 blieb bisher unveröffentlicht: der Liber privilegiorum der Würzburger Kirche, in welchem er die Kaiser- und Königsurkunden
1
Politische Schriften des Lupold von Bebenburg, hg. von Jürgen Miethke / Christoph Flüeler, MGH. Staatsschriften 4, 2004. Etwa gleichzeitig erschien von Jürgen Miethke eine Übersetzung des Tractatus: Lupold von Bebenburg, Von den Rechten an Königreich und Kaisertum der Römer (Bibliothek des deutschen Staatsdenkens), 2004. 2
Am 5. April 1727 genehmigt das Würzburger Domkapitel die Bitte des Professors P. Seyfried S. J. († 1742), der an der Universität Geschichte lehrte (vgl. Carlos Sommervogel, Bibliothèque de la Compagnie des Jésus 7, 1896, Sp. 1170 f.), die von Lupold von Bebenburg gesammelten Privilegien für die Würzburger Kirche im Druck zu veröffentlichen (Franz X. von Wegele, Geschichte der Universität Wirzburg II (Urkundenbuch), 1882, S. 323 Nr. 135). 3
Sabine Krüger, Untersuchungen zum sogenannten Liber privilegiorum des Lupold v. Bebenburg, in: DA 10 (1953/54), S. 96 – 131; Alfred Wendehorst, Zur Überlieferung und Entstehung der Fälschung D. Karol. 246 nebst Mitteilungen über zwei neu aufgefundene Handschriften von Lupold von Bebenburgs Liber privilegiorum, in: Westfalen 51 (1973), S. 1 – 5.
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Alfred Wendehorst
für die Würzburger Kirche in den Rahmen und in das Gerüst der Reichsgeschichte stellte. Eine Edition wäre heikel. Denn fast sämtliche Privilegien liegen in zum mindesten brauchbaren Editionen vor, Lupold aber hat die Originale nachweislich nicht benützt. 4 So wäre der zeitliche Aufwand einer Edition hoch und der Zuwachs an Erkenntnissen auf den ersten Blick nur als begrenzt zu veranschlagen. Erst wenn man den Liber privilegiorum für die Würzburger Kirche im Zusammenhang mit vergleichbaren Urkundensammlungen sieht, in denen Verwaltung (Besitzsicherung) und Geschichtsschreibung verbunden sind, tritt eine bisher nur in Umrissen bekannte Quellengruppe 5 in Erscheinung. Zu ihren am besten erforschten Specimina gehören der sogenannte Codex Balduineus, die der mit Lupold von Bebenburg persönlich bekannte Balduin von Luxemburg, Erzbischof und Kurfürst von Trier und zeitweise Administrator von Mainz, um das Jahr 1340 anlegen ließ. 6 Mit dem Liber privilegiorum, der Sammlung der Kaiser- und Königsurkunden für die Würzburger Kirche, hat der Domherr Lupold von Bebenburg, damals auch Archidiakon und Offizial der bischöflichen Kurie in Würzburg, im Jahre 1346 begonnen. 7 Eine etwa gleichzeitige Hand hat ihn bis 1354 fortgeführt. Es war Lupolds letztes Werk. Seit er Bischof von Bamberg geworden war – am 12. Januar 1353 vom Domkapitel gewählt und, wie um diese Zeit in der Praxis mehrfach nachzuweisen, am 15. April 1353 von Papst Innocenz VI. nach Verwerfung der Wahl mit dem Bistum providiert worden – hat er seine literarische Tätigkeit nicht mehr weitergeführt. Im Gegensatz zu seiner frühe-
4
Seine Vorlagen sind für die bereits untersuchten Urkunden der Liber albus (Staatsarchiv Würzburg, Stdb. 772) und der Liber copiarum A (ebd., Stdb. 5), beides Kopialbücher des Würzburger Domkapitels. 5
Hans Patze, Neue Typen des Geschäftsschriftgutes im 14. Jahrhundert, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert 1 (Vorträge und Forschungen 13), 1970, S. 9 – 64, bes. S. 44 – 48. 6
Richard Laufner, Untersuchungen über die Urkundensammlung des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Baldewin von Luxemburg, in: AmrhKG 2 (1950), S. 141 – 162. Weitere Hinweise bei Patze, Neue Typen des Geschäftsschriftgutes (Anm. 5) und mehrere Beiträge in: Balduin von Luxemburg. Erzbischof von Trier – Kurfürst des Reiches, unter Mitwirkung von Johannes Mötsch hg. von Franz-Josef Heyen (QAmrhKG 53), 1985. 7 Die Urschrift, nicht das Autograph, wie gelegentlich vermutet, befindet sich im Staatsarchiv Würzburg, Stdb. 2.
Lupold von Bebenburg und die Kapelle in Unterebersbach
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ren, Würzburger Zeit ist er auch in der Reichspolitik als Bischof nicht mehr sonderlich hervorgetreten. 8 Die Edition von Lupold von Bebenburgs Liber privilegiorum ist eine Aufgabe, deren Lösung nun vielleicht von der Gesellschaft für fränkische Geschichte erwartet werden kann. In unserem Beitrag geht es jedoch nicht um Lupolds Schriften, sondern um seine Tätigkeit als Würzburger Archidiakon. Lupolds Vita und Ämterlaufbahn kann seit der Biographie von Sabine Krüger (1971) 9 in allen wesentlichen Stationen als geklärt gelten. Die Verfasserin hat auch darauf hingewiesen, daß er Archidiakon eines Bezirkes war, der im 14. Jahrhundert meist nach seinem größten und als Reichsstadt bedeutendsten Ort, nämlich Schweinfurt, benannt wurde, offensichtlich auf Grund einer kurialen Quelle. 10 II. In diesem, später meist nach Münnerstadt benannten Archidiakonatsbezirk lag auch die Kirche in (Unter-)Ebersbach, einem kleinen Ort zwischen (Bad) Neustadt an der Saale und (Bad) Kissingen. (Unter-)Ebersbach gehörte zu den zahlreichen Filialen der alten, jedenfalls in die Zeit der frühen Karolinger zurückreichenden Martinskirche in Brend (heute Brendlorenzen) 11 und wird bereits am 14. März 1293 als capella exempta bezeichnet, deren Benefizium der Bischof von Würzburg zu besetzen habe. 12
8
GermSac II/1: Das Bistum Bamberg 1, bearb. von Erich Frhr. von Guttenberg, 1937, S. 216 – 223. 9
Lupold von Bebenburg, in: Fränkische Lebensbilder 4 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte VIIA/4), 1971, S. 49 – 86. Ergänzungen: Politische Schriften des Lupold von Bebenburg (Anm. 1), S. 1 – 61 (Lupolds Leben). 10
Ebd., S. 57. In einer Supplik an Papst Johannes XXII. bezeichnet Lupold den Archidiakonat in Swinswolt als zu seinen Ämtern gehörig, s. Heinrich Volbert Sauerland, Vatikanische biographische Notizen zur Geschichte des XIV. Jahrhunderts, in: JahrBuch der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde 13 (1901), S. 339. 11 Alfred Wendehorst, Der Archidiakonat Münnerstadt am Ende des Mittelalters, in: WDGBl 23 (1961), S. 14 – 21. 12
Nikolaus Reininger, Geschichte der Pfarrei Ebersbach im Landkapitel Neustadt an der Saale, in: Archiv des historischen Vereines von Unterfranken und Aschaffenburg 23 (1876), S. 120 f.
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Alfred Wendehorst
Die Exemtion dieser Kapelle von der Gewalt des Archidiakons hat, wie aus einer neu aufgefundenen Quelle hervorgeht, 13 Lupold von Bebenburg, der dem Archidiakonatsbezirk, zu welchem (Unter-)Ebersbach gehörte, vorstand, offensichtlich angefochten; nur die zeitlich letzte der Urkunden (1354 Februar 8) fällt in eine Zeit, als Lupold gerade Bischof von Bamberg geworden war. Wie der Streit, der ziemlich genau in die Amtszeit Lupolds als Archidiakon fällt, ausgegangen ist, läßt sich nur indirekt, doch mit Sicherheit erschließen: Wahrscheinlich hat bereits der Würzburger Bischof Albrecht II. (von Hohenlohe) (1345 – 1372) zugunsten der Exemtion entschieden und damit in Konsequenz gegen die iurisdictio propria der Archidiakone und zugunsten der neuen, delegierten bischöflichen Ämter (Offizialat, Generalvikariat). 14 Nach einer offenbar von Michael de Leone († 1355), Protonotar der Würzburger bischöflichen Kanzlei, angelegten Aufzeichnung gehörte die Kapelle in (Unter-)Ebersbach, die er einmal als capella parrochialis in Ebersspach prope Novam civitatem und ein anderes Mal als capella curata in Eberspach bezeichnet, zu den Benefizien, welche der Bischof selbst zu besetzen hat. 15 Die Würzburger Diözesanmatrikel von 1464/65 zählt in ihrem ersten, sozusagen ordentlichen Teil (Unter-)Ebersbach zu den Pfarreien des Landkapitels Münnerstadt, wird in einem späteren Teil aber genauer: Die capella in Eberspach curata wird aufgezählt unter den beneficia exemta ab archidyaconis etc. und nochmals unter den dignitates, ecclesias et beneficia, welche Bischof Gottfried (IV. Schenk von Limpurg) und seine Nachfolger im Amt zu verleihen hätten. 16 Nichtsdestoweniger scheint die Rechtsstellung der Kapelle in (Unter-)Ebersbach hundert Jahres später noch einmal klärungsbedürftig geworden zu sein, wie das mehrfach genannte und nun genauer vorzustellende und im Wortlaut wiederzugebende Notariatsinstrument nahelegt. Der kaiserliche Notar Johannes vom Rhein, Würzburger Kleriker, transsumiert am 15. Juli 1445 in der Kapelle des Heilig-Geist-Spitals in Münnerstadt 13 Staatsarchiv Würzburg, Würzburger Urkunde 68/59 (Notariatsinstrument), Abdruck unten. 14
Paul Hinschius, Systen des katholischen Kirchenrechts mit besonderer Rücksicht auf Deutschland, 1878 (Neudruck 1959), S. 189 – 205; Julius Krieg, Der Kampf der Bischöfe gegen die Archidiakone im Bistum Würzburg (KRA 82), 1914; Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands 5,1, 51958, S. 221 – 226; A. Amanieu, Archidiacre, in: DDC 1, 1935, Sp. 948 – 1004. 15
Anton Ruland, Die Ebracher Handschrift des Michael de Leone, in: Archiv des historischen Vereines von Unterfranken und Aschaffenburg 13, I – II (1855), S. 131. 16 Franz J. Bendel (Bearb.), Die Würzburger Diözesanmatrikel aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, in: WDGBl 2/II (1934), S. 2 Nr. 60, S. 22 Nr. 956, S. 26 Nr. 1048.
Lupold von Bebenburg und die Kapelle in Unterebersbach
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sieben Urkunden und amtliche Mitteilungen, welche in den Jahren 1325 bis 1354 ausgestellt wurden (andere Überlieferungen fehlen): 1. 1342 November 6: Der Würzburger Bischof Otto II. (von Wolfskeel) bestätigt, dass Kapelle und Kaplan in (Unter-)Ebersbach unmittelbar dem Bischof von Würzburg unterstehen und von jeder archidiakonalen Gewalt frei seien. Er befiehlt bei Strafe, die Exemtion der Kapelle zu respektieren. 2. 1354 Februar 8. Der Würzburger Bischof Albrecht II. (von Hohenlohe) bestätigt den gleichen Sachverhalt und gebietet, die Exemtion der Kapelle in (Unter-)Ebersbach zu respektieren. 3. 1327 Juni 22. Pfarrer Heinrich von Brend (heute Brendlorenzen) bestätigt, Kenntnis zu haben von Urkunden der Würzburger Bischöfe Manegold (von Neuenburg), 17 Otto II. (von Wolfskeel) und Albrecht II. (von Hohenlohe), in welchen sie die Exemtion der Kapelle in (Unter-)Ebersbach von archidiakonaler Gewalt bestätigen. 4. 1325 März 14: Der Würzburger Bischof Wolfram (von Grumbach) befiehlt dem Kaplan in (Unter-)Ebersbach, ungeachtet der Anweisungen des Pfarrers von Brend die Sakramente zu spenden. 5. 1342 Februar 9: Albrecht und Otto von Heßberg, Amtleute in Burglauer 18 , teilen Bischof Otto von Würzburg mit, dass die Kapelle in (Unter-)Ebersbach seit unvordenklichen Zeiten von archidiakonaler Gewalt frei sei und unmittelbar dem Bischof von Würzburg unterstünde, der auch das Kollationsrecht innehabe. Sie bitten, den Kaplan, Überbringer dieses Schreibens, gegen seine Feinde zu unterstützen. 6. 1342 Februar 9: Albrecht und Otto von Heßberg, Amtleute in Burglauer, teilen dem Würzburger Archidiakon (Lupold) von Bebenburg mit, dass die Kapelle in (Unter-)Ebersbach seit alters her nur dem Bischof von Würzburg unterstehe und frei von archidiaonaler Gewalt sei. Sie bitten, den Kaplan, der ein würdiges Leben führe, nicht durch Einführung von Neuerungen zu beschweren.
17
Die Urkunde Bischof Manegolds (1287 – 1303) vom 14. März 1293 war überliefert in einem Registerband des Bischöflichen Ordinariatsarchivs, der am 16. März 1945 beim Luftangriff auf Würzburg verbrannte. Doch wurde der Text bereits gedruckt von Reininger, Geschichte der Pfarrei Ebersbach (Anm. 12), S. 120 f. 18
Die Brüder Albrecht (Appel) und Otto von Heßberg, bischöfliche Amtleute in Burglauer, sind bereits 1337 in dieser Eigenschaft nachweisbar (Mon. Boica 40 S. 119 f. Nr. 58; Regg. Boica 7, 1838, S. 184).
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7. 1342 Februar 8: Hartmut von Schweinfurt, bischöflicher Steuereinnehmer, bestätigt dem Bischof von Würzburg, dass nach seiner Erinnerung und eingeholten Zeugnissen die Kapelle in (Unter-)Ebersbach exemt und von archidiakonalen Abgaben frei sei, wie der Kaplan, Überbringer dieses Schreibens, der sich eines löblichen Rufes erfreue, ihm mündlich vortragen werde. III. Das Notariatsinstrument (Staatsarchiv Würzburg, WU 68/59) 1445 Juli 15, Münnerstadt In nomine domini amen. Per hoc publicum instrumentum cunctis pateat evidenter, quod anno domini millesimo quadringentesimo quadragesimo quinto, indictione octava, die vero quintadecima mensis iulii hora nonarum vel quasi, sacro concilio Basiliensi durante necnon illustrissimo principe et domino nostro domino Friderico Romanorum rege feliciter regnante, in capella hospitalis Sancti Spiritus opidi Munerstat 19 Herbipolensis dyocesis inque mei notarii publici, testium infrascriptorum presencia personaliter constituti honesti et providi viri Johannes Rotenburg, scultetus protunc in Inferiori Ebirsbach 20 , et Leonhardus Koch, magister fabrice in Superiori Ebersbach 21 , vice et nomine totius communitatis ambarum villarum, ut asserebant, producentes et publice ostendentes quasdam literas in pergameno in latinoque conscriptas, sigillis suis integris et illesis, ut tunc apparebant bene fulcitas, non obrasas, non cancellatas nec in aliqua sui parte suspectas, sed prorsus omni vicio et suspicione carentes, allegantes et exponentes, quod predicte littere iam per longa tempora extiterunt celate et absconse, forsitan per invidiam aut per ignoranciam seu negglienciam, continentes capellam in predictis Ebirspach una cum rectore suo fore exemptam ab omni iurisdictione archidyaconatus fore liberam et soli reverendo in Christo patri et domino dyocesano Herbipolensi immediate esse subiectam, ut in predictis litteris clarius illucescit, allegantes eciam ad ostendendum rei veritatem
19 Über das Heilig-Geist-Spital in Münnerstadt: Nikolaus Reininger, Münnerstadt und seine nächste Umgebung, 1852, S. 121 – 131; Karl Dinklage, Fünfzehn Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1935, S. 51 f. Das Spital (hospitale pauperum s. Spiritus) mit seinen beiden Vikarien bestätigte Papst Gregor XI. am 21. November 1371, s. Wendehorst, Archidiakonat Münnerstadt (Anm. 11), S. 32. 20 21
Unterebersbach sw von Neustadt a. d. Saale.
Falls auf Oberebersbach zu beziehen, handelte es sich um den frühesten Beleg für eine Kirche oder Kapelle dort.
Lupold von Bebenburg und die Kapelle in Unterebersbach
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sepefatas literas comodose et sine periculo secum adducere seu ferre minime per longas locorum distancias. Quapropter ipsi exponentes michi notario publico humiliter supplicarunt ac medio iuramento22 me requisierunt, quatenus supradictas literas coram me et testibus infracsriptis ostensas productis et exhibitis videre, visas auscultare, auscultatas perlegere, perlectas examinare, examinatas in publicam formam redigerem, cui tamquam originalibus deberet et posset fides plenaria adhiberi, et transscriberem exemplando. Ego vero notarius infrascriptus prefatorum exponencium allegacionem, supplicacionem ac requisicionem iuri et racioni videns omnino fore consonans quodque iusta petenti et honesta non sit ipso iure ac ullo modo denegandus assensus predictas origenales autenticas literas ad manus meas in presencia testium infrascriptorum recepi, receptas auscultavi, auscultata perlegi, perlectas examinavi et examinata in omnibus premissis nichil sinistri aut suspicionis inveni et huic instrumento publico de verbo ad verbum nil addito vel diminuto, quod sensum variare posset vel intellectum, exemplavi et transsumpsi, cui exemplato et transsumpto tamquam originalibus sciendum foret in omnibus et credendum. Quamquidem literarum tenores secuntur unus post alterum in hec verba sequencia: Otto dei gracia episcopus Herbipolensis ad rei memoriam sempiternam. Cum capella in Ebirsbach et capellanus ibidem sicut et nonnulle alie ecclesie cum suis rectoribus nostre dyocesis dumtaxat nobis et cuilibet episcopo Herbipolensi pro tempore existenti immediate et nulli archidyacono in ecclesia nostra vel eius officiali iurisdictione ordinaria sint subiecti ac eciam ab antiquo fuerunt ac debeant a iurisdictione archidyaconali esse prorsus exempti, prout eciam notorium ac manifestum existit, nolentes igitur ius nostrum negligere, qui alios in suis iuribus confovemus huiusmodi capelle in Ebirsbach et capellani ibidem exemptorum a iurisdictione archidyaconali et subiectioni eorum nobis et successoribus nostris immediate debitam ut prefertur universis presentibus et futuris perceptoribus presencium tenore promulgamus publice ac eciam volumus et mandamus excepcionem et subiectionem easdem inconcussas seu inviolatas perpetuo observari, omnibus nichilominus et singulis nostris subditis tam clericis quam laicis cuiuscumque status vel condicionis fuerint in virtute sancte obediencie ac sub pena excommunicacionis precipiendo districtius inhibentes, ne quisquam eorum huiusmodi capelle et capellani exempcionem ac immediatam subiectionem, de quibus ut prefertur per se vel per alium seu alios, verbo aut facto, directe vel indirecte, publice vel occulte, ullo umquam tempore sive modo infringere seu violare presumat, alioquin contra presumptorem eundem ulcione canonica utique procedetur. Datum Herbipoli anno domini millesimo ccc. xlii., viii. idus novembris, pontificatus nostri anno nono.
22
Lesung nicht sicher.
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Alfred Wendehorst
Sequitur alius tenor: Albertus dei gracia episcopus Herbipolensis ad rei memoriam sempiternam. Cum capella in Ebersbach et capellanus ibidem sicut et nonnulle alie ecclesie cum suis rectoribus nostre dyocesis dumtaxat nobis et cuilibet episcopo Herbipolensi pro tempore existenti immediate et nulli archidiaycono in ecclesia nostra vel eius officiali iurisdictione ordinaria sint subiecti ac eciam ab antiquo fuerunt et debeant a iurisdictione archidyaconali esse prosus excepti, prout eciam notorium et manifestum existit, nolentes igitur ius nostrum negligere, qui alios in suis iuribus confovemus huiusmodi capelle in Ebersbach et capellani ibidem exemptorum a iurisdictione archidyaconali et subiectionem eorum nobis et successoribus nostris immediatis debitam ut prefertur, universis presentibus et futuris perceptoribus presentis tenore publice promulgamus ac eciam volumus et mandamus exempcionem et subiectionem easdem inconcussas seu inviolabiliter perpetuo observari, omnibus nichilominus et singulis nostris subditis tam clericis quam laicis cuiuscumque status vel condicionis fuerint in virtute sancte obediencie ac sub pena excommunicacionis precipiendo districtius inhibentes, quisquam eorum huiusmodi capelle et capellani exempcionem ac immediatam subiectionem, de quibus et ut prefertur ipse vel alium seu alios verbo aut facto, directe vel indirecte, publice vel occulte, ullo umquam tempore sive modo infringere seu violare presumat, alioquin contra presumptorem eundem ulcione canonica utique procedetur. Datum Herbipoli anno domini m° ccc° liiii., vi. idus februarii. In nomine domini amen. Ego Heinricus plebanus ecclesie in Brenden recognosco publice per presentes vidisse et legisse literas infratactas, integras et illesas reverendorum in Christo patrum ac dominorum videlicet quondam domini Mangoldi ac domini Ottonis necnon domini Alberti moderni episcoporum Herbipolensium sigillis appensis sigillatas, in quibus literis videlicet dominus Mangoldus episcopus Herbipolensis narrat ac scribit capellam in Ebersbach sitam Herbipolensis dyocesis exemptam fore. Item domini Otto et Albertus episcopi Herbipolenses narrant et scribunt ipsorum capellam et eius capellanum exemptos fore a iurisdictione archidyaconali et eorum subiectionem ipsis dominis episcopis et eorum successoribus debitam immediate ac eciam volunt et mandant exempcionem et subiectionem easdem inconcussas et inviolatas perpetue observari, omnibus nichilominus et singulis suis subditis tam clericis quam laicis, cuiuscumque status vel condicionis fuerint, in virtute sancte obediencie et sub pena excommunicacionis precipiendo districtius inhibicione quisquam eorum huiusmodi capelle et capellani exempcionem ac immediatam subiectionem, de quibus et ut prefertur per se vel alium seu alios, verbo aut facto, directe vel indirecte, publice vel occulte, ullo umquam tempore sive modo infringere seu violare presumant. In quarum visionis et lecture testimo-
Lupold von Bebenburg und die Kapelle in Unterebersbach
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nium presenti litere meum sigillum duxi appendendum. Datum anno domini m° ccc° xxvii. in opido Novecivitatis, x. kalendis iunii. Wolframus dei gracia episcopus Herbipolensis dilecto in Christo capellano nostro in Ebirsbach salutem in domino. Mandamus tibi precipiendo firmiter et districte, quatenus non obstante aliqua inhibicione vel mandato per plebanum in Brende facto parrochialium tuorum confessiones audias, penitencias iniungas, communionem et alia sacramenta ecclesiastica eisdem ministrare aliquatenus non obmittas, ipsos autem moneas et compellas, ut predicto plebano in hiis, in quibus ab antiquo consueverunt dumtaxat obediant et intendant. Datum Herbipoli anno domini m° ccc° xxv., pridie idus marcii. Venerabili domino domino Ottoni episcopo Herbipolensi suo domino gracioso Albertus necnon Otto dicti de Hespurg officiati in Burklure se ad omnia genera mandatorum benevolos ac paratos. Noverit vestra benigna dominacio nobis constare et constitisse evidenter necnon a nostris progenitoribus audivisse, quod capella in Ebersbach, cuius fructus exilis23 est, longe a retroactis temporibus, que in memoria hominum non fuerint, exempta fuerit ab omni iure et onere archidyaconatuum quorumcumque, ad collacionem episcopi Herbipolensis suo iure patronatus pertinens, qui tantum et nullus alter regere et corrigere ipsam habet. Unde vestra graciosa benignitas dictam capellam Dei intuitu gravari non sinat contra iusticiam, verum defendat, ut in sua libertate permaneat, quia nonnulli sunt eam in alienum ius ac obligacionem ut relatu didicimus trahere intendentes, prout capellanus dicte capelle, presentis exhibitor, vobis vive vocis exaculo24 explanabit. Pro quo et specialiter supplicamus vestre dominacioni, ut ipsum defendere dignemini contra sibi adversarios. Ipse vester exemptus capellanus est regens se laudabiliter in re vera. In predicte protestacionis, recognicionis ac peticionis evidenciam sigilli mei Alberti predicti presentibus est appensum. Datum anno domini m° ccc° xlii. sabbato ante Esto michi. Coram vobis venerabili domino de Bebenburg archidyacono Herbipolensi nos Albertus et Otto dicti de Hespurg officiati in Lure recognoscimus nos a nostris parentibus audisse, quod capella in Ebersbach pertineat solummodo ad collacionem ac correctionem episcopi Herbipolensis, a iure et onere archidyaconorum, aliorum omnium exempta penitus et soluta. Unde supplicamus, quanta possumus diligencia pro et cum capellano dicte capelle, exhibitorem presentis, ut eidem Dei intuitu parcentes, quia clericaliter et decenter se regit et sua prebenda satis exilis est et tenuis, suam capellam vel eum nolitis aliquibus novis consuetudinibus aggravare, verum ipsum suamque capellam gaudere
23
Im Sinne von geringfügig, dürftig.
24
Offenkundig verschrieben, vielleicht für oraculo.
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Alfred Wendehorst
libertate pristina et servata a retroactis temporibus faciatis. Datum anno domini millesimo ccc° xlii. sabbato ante dominicam Esto michi. Coram vobis venerabili domino episcopo Herbipolensi ego Hartmudus de Swinfurt vester collector 25 devotus recognosco publice et protestor michi constitisse et constare multorum annorum spaciis meque a fidedignis personis pluribus audivisse, quod capella in Ebersbach exempta et absoluta foret omnimodo ab omni iure, iugo ac onere archidyaconatuum quorumcumque et suo iure patronatus ad collacionem, correctionem ac iurium quorumlibet imposicionem episcopi Herbipolensis solummodo pertineret. Unde cum nonnulli sint dictam capellam sua libertate privare etiamque in alienam ius ac obligacionem trahere intendentes, prout dicte capelle capellanus, presencium exhibitor, conqueritur vobisque oretenus explicabit, peto et exhortor vos, domine venerabilis, pro et cum dicto capellano, qui bone conversacionis est et fame laudabilis, ne dictam capellam gravari vestra benignitas indebite, quia eius prebenda adeo tenuis est, quod capellanus ibidem sustenare nequiret, si gravaretur quodammodo et non gauderet pristina et servata antiquitus libertate. In cuius recognicionis evidenciam meum sigillum presentibus est appensum. Datum anno domini m° ccc° xlii., feria vi. ante dominicam Esto michi. Actum est hec, quantum ad presens transsumptum anno, indictione, mense, die, hora et loco, quibus supra, presentibus providis viris magistro Heinrico Helwig et Hermanno Gluckman, opidanis in Munerstat. Et ego Johannes de Reno, clericus Herbipolensis diocesis, publicus imperiali auctoritate notarius, quia suprascriptarum literarum productioni, ostensioni, visioni, recognicioni, auscultacioni et examinacioni omnibusque aliis et singulis, sicut ut premittitur fierent et agentur, unacum prescriptis testibus presens interfui eaque sic fieri vidi et audivi. Ideoque hoc presens publicum instrumentum manu mea propria conscriptum exinde confeci et in hanc publicam formam redegi signoque et nomine meis solitis et consuetis signavi, rogatus et requisitus in fidem et testimonium omnium et singulorum premissorum.
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Hier im Sinne von Steuereinnehmer.
Kirchenrecht
Die rechtliche Bedeutung der Assistenz bei katholisch-evangelischer Eheschließung Von Georg Bier I. Problemskizze Ein konfessionsverschiedenes Paar heiratet kirchlich. Braut und Bräutigam sind überzeugte Christen und verstehen ihre Ehe als Zeichen gelebter „konfessionsverbindender“ Ökumene. Dies soll bereits bei der Begründung der Ehe zum Ausdruck kommen. An der katholischen Trauung ist deshalb neben dem katholischen Pfarrer der Braut auch die evangelische Pfarrerin des Bräutigams beteiligt. Ein weiteres Detail unterstreicht die ökumenische Ausrichtung der Trauung: Die evangelische Pfarrerin erfragt das Jawort des Bräutigams, der katholische Pfarrer erfragt das Jawort der Braut. Ob diese eigenwillige Gestaltung der Vermählung geeignet ist, das ökumenische Anliegen zu fördern, kann dahinstehen. Zu untersuchen sind die kirchenrechtlichen Auswirkungen des gewählten Vorgehens. Ist es zulässig, die Fragen nach dem Ehewillen der Brautleute in der geschilderten Weise auf die Amtsträger zu verteilen? Oder hat dies nach den Normen des kanonischen Rechts Folgen für die Gültigkeit der Eheschließung? Die Erörterung dieser Fragen ist nicht nur von akademischem Interesse. In der jüngsten Vergangenheit sind zwei Urteile deutscher Diözesangerichte bekannt geworden, in denen sich die Richter mit der geschilderten Sachlage zu befassen hatten 1 . Weitere ähnlich gelagerte Fälle dürften existieren 2 . Katho-
1
Vgl. Diözesangericht (= DG) Münster coram Psiuk vom 26.9.2000, in: Dokumentationsstelle für Kirchliches Recht der DBK (Hg.), Entscheidungen kirchlicher Gerichte. Leitsätze 2000, n. 18; DG Köln coram Schlößer vom 25.6.2001, in: Leitsätze 2002, n. 1. 2
Die Erfahrungen des Verfassers während seiner mehrjährigen Tätigkeit als Diözesanrichter stützen diese Einschätzung. Zu bedenken ist auch: Nur ein zahlenmäßig geringer Bruchteil der Entscheidungen deutscher Diözesangerichte ist über die LeitsätzeSammlung zugänglich. Mit der Existenz weiterer einschlägiger Entscheidungen ist zu rechnen.
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Georg Bier
lische Priester, die das geschilderte Verfahren für zulässig halten, praktizieren es vermutlich häufiger, insbesondere wenn sie darin einen ökumenischen „Fortschritt“ sehen. Die Rechtslage erscheint auf den ersten Blick eindeutig: Nach c. 1108 sind Ehen formpflichtiger Katholiken nur gültig, wenn ein trauungsbevollmächtigter katholischer Amtsträger den Ehewillen beider Brautleute erfragt. Demnach ist die Ehe ungültig, wenn die Befragung teilweise durch einen nichtkatholischen Amtsträger geschieht. Der unkomplizierte Gesetzestext ist möglicherweise der Grund, weshalb die skizzierte Fragestellung in der Kanonistik selten näher thematisiert wird 3 . Die Einschätzungen fallen allerdings bemerkenswert unterschiedlich aus. Nach einer Mitteilung aus der Kongregation für die Glaubenslehre ist eine Ehe im dargestellten Fall ungültig 4 ; ein Schreiben des Sekretärs
3
Unter den ohnehin nicht zahlreichen Publikationen zu c. 1108 konnte nur eine ermittelt werden, die sich eingehend mit der hier untersuchten Frage befasst: Urbano Navarrete, Sensus verborum „exquirit“ et „recipit“ manifestationem consensus matrimonialis (c. 1108 § 2), in: PerRCan 83 (1994), S. 637 – 667. Wegen der konfessionellen Zusammensetzung der bundesdeutschen Bevölkerung könnte die Thematik für die deutschsprachige kanonistische Literatur von besonderer Bedeutung sein. Sie wird – soweit ersichtlich – nur berührt bei Heinrich J. F. Reinhardt, Die kirchliche Trauung. Ehevorbereitung, Trauung und Registrierung der Eheschließung im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz. Texte und Kommentar (MKCIC Beiheft 3), Essen 1990, S. 122, n. 229, und bei Joseph Prader, Die Ehe in der kirchlichen Rechtsordnung, in: HdbKathKR2, S. 884 – 904, hier: S. 891. Ohne Thematisierung vgl. z. B. Sabine Demel, Kirchliche Trauung – unerläßliche Pflicht für die Ehe des katholischen Christen, Stuttgart u. a. 1993, S. 108 – 126 und S. 155 – 168; Rainer Alfs, Die außerordentlichen Formen der kanonischen Eheschließung im Licht der Lehre von der Sakramentalität der Ehe (FzK 15), Würzburg 1993, S. 286 – 362; Herwald Janssen, Die juridische Form der kanonischen Eheschließung, Egelsbach u. a. 1993; Heribert Heinemann, Die konfessionsverschiedene Ehe, in: HdbKathKR2, S. 966 – 980, hier: S. 975 – 977; Klaus Lüdicke, in: MKCIC (Stand: Juli 2005) 1108, n. 5; Reinhold Sebott, Das neue kirchliche Eherecht, Frankfurt/Main 21990, S. 139; Hans Heimerl / Helmuth Pree, Kirchenrecht. Allgemeine Normen und Eherecht, Wien / New York 1983, S. 234; Hartmut Zapp, Das kanonische Eherecht, Freiburg 71988, S. 183; Joseph Prader / Heinrich J. F. Reinhardt, Das kirchliche Eherecht in der seelsorgerischen Praxis, Essen 42001, S. 188 – 189; Jürgen Olschewski, Eheassistenz, in: LKStKR 1, S. 491 – 493. 4
SC DocFid, Interpretation of Canon 1095 § 1 3o, in: The Canon Law Digest, vol. 8, hg. von James I. O’Connor, Chicago 1978, S. 820 – 821. Mitgeteilt wird lediglich der Text eines kurzen, vom Herausgeber als „privat“ qualifizierten Schreibens der Kongregation vom 28.11.1975 (Prot. N. 1765/75m). Angaben zum Unterzeichner des Schreibens fehlen.
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der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung postuliert ihre Gültigkeit 5 . Heinrich J. F. Reinhardt hält sie für ungültig 6 , nach Urbano Navarrete ist sie „ohne Zweifel“ gültig7. Von den beiden erwähnten Ehenichtigkeitsverfahren endete eines mit einem affirmativen, eines mit einem negativen Urteil8. Wer hat c. 1108 § 2 richtig verstanden? Eine authentische Interpretation zu dieser Frage ist bislang nicht ergangen und für die nächste Zukunft auch nicht zu erwarten9. Im Folgenden werden daher die einschlägigen Vorgaben und Bestimmungen sowie die dazu vertretenen Positionen einer Prüfung unterzogen. II. Kodikarischer Befund aufgrund von c. 1108 § 2 Nach der Lehre der katholischen Kirche kommt die Ehe zustande durch den übereinstimmenden Willen der Brautleute, miteinander eine Ehe einzugehen. C. 1057 § 1 formuliert die rechtlichen Konsequenzen: Ehebegründend ist allein der Ehewille der Brautleute. Ist er defizitär oder fehlt er, kommt die Ehe nicht zustande. Ein unzulänglicher Ehekonsens kann durch keine menschliche Macht ersetzt werden. In welcher Form der Ehewille kundgegeben wird, war lange Zeit rechtlich unerheblich. Eine kirchenöffentliche Eheschließungsform galt als angemessen und wurde von Synoden und Konzilien gefordert10. Gleichwohl konnte die Ehe auch durch eine formfreie Willensübereinkunft der Partner, ohne kirchliche Amtsträger oder Zeugen, rechtswirksam begründet werden. Die Existenz solcher klandestinen Ehen war im Konfliktfall schwer nachzuweisen. Wegen der
5
Vgl. die ausführliche Erörterung dieses Schreibens unten Abschnitt V.
6
Vgl. Reinhardt, Trauung (Anm. 3), S. 122, n. 259.
7
Das steht für Navarrete, Sensus (Anm. 3), S. 634, absque dubio fest. Ihm schließt sich ohne Erörterung von Argumenten an: Prader, Ehe (Anm. 3), S. 891. 8
Affirmativ: DG Münster coram Psiuk vom 26.9.2000 (Anm. 1) – negativ: DG Köln coram Schlösser vom 25.6.2001 (Anm. 1). 9
Dem PCI wurde 1999 ein entsprechendes dubium vorgelegt. Wie unten, Abschnitt 5, näher ausgeführt wird, hat das PCI nicht mit einer authentischen Interpretation geantwortet, sondern die Anfrage an die Congr. Cult weitergeleitet. Die Gründe sind nicht bekannt. Das Vorgehen des PCI lässt vermuten: Der Päpstliche Rat hält eine authentische Interpretation derzeit nicht für erforderlich. 10 Vgl. Hartmut Zapp, Eheschließungsform, in: LKStKR 1, S. 552 – 554, hier: S. 552.
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daraus resultierenden Rechtsunsicherheit beseitigte das Konzil von Trient die formlose Eheschließung und führte die Formpflicht ein 11 . Was zur Einhaltung der Eheschließungsform beachtet werden muss, ist seit dem Tridentinum mehrfach geändert worden. Nach geltendem Recht ist eine Ehe nur gültig, wenn sie unter Assistenz eines Trauungsbevollmächtigten 12 geschlossen wird (c. 1108 § 1) 13 . Eine Legaldefinition der Assistenz bietet c. 1108 § 2: Als der einer Eheschließung Assistierende wird nur verstanden (tantum intellegitur), wer – anwesend (praesens) – die Kundgabe des Konsenses der Brautleute einholt (exquirat) – und im Namen der Kirche entgegennimmt (recipit). 14
11 Konzil von Trient, Sessio XXIV (11.11.1563), Canones super reformatione circa matrimonium, caput Tametsi, in: COD3, S. 755 – 757. Die klandestinen Ehen werden explizit als Beweggrund für die Festlegung der Formpflicht benannt. 12 Als Trauungsbevollmächtigte kommen nach c. 1108 in Betracht: der Ortsordinarius oder der Ortspfarrer sowie ein von einem dieser beiden delegierter Priester oder Diakon. Innerhalb der Grenzen ihres Zuständigkeitsbereichs assistieren auch der Personalordinarius und der Personalpfarrer gültig, wenn ihnen einer der Eheschließenden untersteht. Aufgrund einer vorgängigen empfehlenden Stellungnahme der zuständigen Bischofskonferenz kann ein Diözesanbischof mit Erlaubnis des Apostolischen Stuhls auch Laien zur Eheschließungsassistenz delegieren, vgl. c. 1112 § 1. Welche der genannten Personen einer konfessionsverschiedenen Eheschließung assistiert, ist im Kontext der zu behandelnden Fragestellung ohne Bedeutung. Außerdem darf für die weiteren Überlegungen ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass die assistierende Person über die erforderliche Trauungsbefugnis verfügt. Andernfalls wäre die Ehe schon mangels Trauungsbefugnis nichtig, unabhängig von dem im Folgenden näher zu untersuchenden Vorgehen des Assistierenden bei der Konsensabgabe. 13
Für die vorliegende Untersuchung ohne Bedeutung sind die übrigen formalen Anforderungen, die c. 1108 § 1 für die Gültigkeit der Ehe nennt, nämlich die Anwesenheit zweier Zeugen und die Regeln der cc. 1109 ff. 14
Die Legaldefinition wird aufgegriffen und der Sache nach wiederholt in c. 1120. Erstellt eine Bischofskonferenz einen eigenen Eheschließungsritus, muss gewährleistet bleiben: Wer der Eheschließung assistiert, hat die Kundgabe des Ehewillens der Brautleute in persönlicher Anwesenheit zu erfragen und entgegenzunehmen.
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1. Persönliche Anwesenheit Grundlegende Voraussetzung für die Eheschließungsassistenz ist die persönliche Anwesenheit des Trauungsbevollmächtigten. Wer nicht persönlich zugegen ist, assistiert nicht. Die bloße Möglichkeit der Kommunikation mit den Brautleuten, etwa via Telefon oder Internet, genügt der rechtlichen Vorgabe ebenso wenig wie etwa eine Live-Zuschaltung über Fernsehkameras. 2. Einholen der Ehewillenserklärung Zweite Voraussetzung für die Assistenz im Sinne des c. 1108 ist jenes Handeln, das der Gesetzgeber mit exquirere umschreibt. Das Verb hat im klassischen Latein die Bedeutungen „untersuchen“, „prüfen“, „erforschen“, „erkunden“, „ermitteln“, „erfragen“15. Im kirchenamtlichen Latein wird es in demselben Sinne gebraucht16. Die Verwendung im CIC entspricht diesen Grundbedeutungen. Außerhalb des eherechtlichen Titels begegnet exquirere in acht Canones17. In allen Fällen geht es um den Vorgang des In-Erfahrung-Bringens von Positionen, Einschätzungen oder Sachverhalten18. Anhaltspunkte für eine abweichende Bedeutung des Verbs exquirere liefern Text und Kontext von c. 1108 nicht. Der Eheschließung assistiert, wer die Kundgabe des Ehekonsenses einholt. Wie das geschieht, geht aus exquirere nicht hervor. Der Ehewille kann erfragt werden, wie es die im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz erstellte deutsche Übersetzung des CIC nahe
15 Karl Ernst Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, 11. Aufl., Nachdr. der 8. verb. und verm. Aufl. von Heinrich Georges, Basel 1962, Bd. I, Sp. 2603. 16
Albert Sleumer, Kirchenlateinisches Wörterbuch, Limburg 21926, S. 321, führt als mögliche und hier in Betracht kommende Übersetzungen an: „1. aussuchen, erforschen, erfragen. 2. verlangen, erflehen“. Rudolf Köstler, Wörterbuch zum Codex Iuris Canonici, München 1927, S. 152 – 153, nennt unter anderem: „untersuchen, prüfen“, „erforschen, -gründen, ermitteln“, „sich erkundigen, fragen“. 17
Vgl. Xaverius Ochoa, Index verborum ac locutionum Codicis Iuris Canonici, Roma 1983, S. 169. 18 Überwiegend bezeichnet exquirere die Einholung eines Rates bzw. einer Zustimmung oder allgemeiner die Erkundung von Meinungen und Ansichten bestimmter Personen, vgl. cc. 127 § 1, 365 § 2, 627 § 2 (consilium exquirere), cc. 127 § 2 n. 1, 627 § 2 (consensum exquirere), c. 167 § 2 (suffragium exquirere), c. 240 § 2 (votum exquirere), cc. 365 § 2, 377 § 3 (sententiam exquirere). In c. 50 steht der Begriff für das Forschen nach notitiae et probationes; in c. 1563 für die Befragung von Zeugen.
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legt 19 . Der Assistierende kann die Brautleute einladen, ihren Ehewillen kundzugeben 20 , er kann sie dazu auffordern 21 , er kann die Kundgabe des Konsenses erbitten 22 . Kann der Trauungsbevollmächtigte zur Konsenserforschung auf eigenes Handeln auch vollständig verzichten? Nach allen Übersetzungsvarianten bezeichnet exquirere ein wie auch immer geartetes Handeln. Der durch das Verb umschriebenen rechtlichen Anforderung entspricht nur, wer aktiv tätig wird. Der Assistent hat die Kundgabe des Ehewillens in irgendeiner Weise durch sein Tun zu veranlassen. Das muss nicht durch Worte geschehen. Auch eine eindeutige und unmissverständliche Geste ist noch als ausreichend anzusehen. Sie könnte beispielsweise darin bestehen, dass der Trauungsbevollmächtigte den Brautleuten stumm das Ritualfaszikel vorlegt und sie durch eine Geste mit der Hand und/oder durch Kopfnicken auffordert, die Vermählungsworte vorzulesen. Wartet der Trauungsbevollmächtigte hingegen passiv ab, bis die Brautleute ihren Ehewillen aus eigenem Antrieb kundgeben, und verzichtet er auf jedes eigene Handeln, fehlt die geforderte Aktivität. Es geschieht nichts, was dem exquirere entspräche. In diesem Fall ist eine für die Assistenz vorgeschriebene Voraussetzung nicht erfüllt; der Trauungsbevollmächtigte kann nicht als Assistierender im Sinne des c. 1108 § 2 verstanden werden.
19
Die DBK-Übersetzung gibt exquirere in sieben Fällen mit „einholen“ (cc. 50, 127 [3x], 167, 240, 627) wieder und fünfmal mit „erfragen“ (cc. 365, 377, 1108, 1127, 1563). Für c. 1563 (Zeugenbefragung) ist die Wortwahl unmittelbar einsichtig, in allen übrigen Fällen ist der Begriff „einholen“ vorzuziehen, weil er die konkrete Vorgehensweise offen lässt. 20
Vgl. Congr. Cult., Ordo Celebrandi Matrimomium, Editio typica altera, Città del Vaticano 1991 (im Folgenden: O.CelMatr), n. 61: „(rubrum) Sacerdos eos invitat ut consensum exprimant“ [Hervorhebung GB]. 21 22
Vgl. Klaus Lüdicke, in: MKCIC 1108, 5 (Anm. 3).
Vgl. Zapp, Eherecht (Anm. 3), S. 183. – C. 1120, der die Umschreibung der Assistenz wiederholt, verwendet anstelle von exquirere das Verb requirere. Am dargelegten Befund ändert das nichts. Requirere hat eine größere Bedeutungsvielfalt und wird im CIC weitaus häufiger verwendet als exquirere, vgl. Ochoa, Index (Anm. 17), S. 379 – 380. Wie die einschlägigen Wörterbücher zeigen, sind beide Verben in Bezug auf das Wortfeld „erkunden/erfragen/erforschen“ weitgehend deckungsgleich. Requirere wird im CIC auch im Sinne von „(ein-)fordern“ verwendet (z. B. cc. 124 § 1, 378 § 1, 381 § 1), legt also gegenüber exquirere noch mehr Nachdruck auf die Aktivität des Trauungsbevollmächtigten. Vgl. Georges, Handwörterbuch, Band II (Anm. 15), Sp. 2337 – 2338; Sleumer, Wörterbuch (Anm. 16), S. 669 – 670; Köstler, Wörterbuch (Anm. 16), S. 308.
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Dieser Befund, der sich aus dem Wortlaut der Norm ergibt, wird bestätigt durch die Geschichte der Formvorschrift 23 . Nach der im Dekret Tametsi festgelegten Eheschließungsform genügte die passive Assistenz des Trauungsbevollmächtigten, das heißt seine bloße Anwesenheit 24 . Das ließ Raum für ein matrimonium ex inopinato – für eine „unvermutete Ehe“. Eine Ehe war bereits gültig, wenn es den Heiratswilligen gelang, den zuständigen Pfarrer vor Zeugen, aber ohne vorherige Ankündigung mit ihrer Ehewillenserklärung gleichsam zu überfallen 25 . Das Dekret Ne Temere aus dem Jahr 1907 unterband diese Möglichkeit, indem es festlegte: Die Trauungsbevollmächtigten assistieren nur gültig, wenn sie den Konsens der Brautleute frei von Zwang und schwerer Furcht erkunden und entgegennehmen 26 . Der CIC von 1917 übernahm diese Bestimmung weitgehend wortgleich in c. 1095 § 1 n. 3 27 . Damit war die Mög23
Sie kann hier nur in ihren Grundzügen umrissen werden, vgl. dazu ausführlicher Navarrete, Sensus (Anm. 3), S. 612 – 621. 24 Vgl. COD3, S. 756: „Qui aliter, quam presente parocho vel alio sacerdote, de ipsius parochi seu ordinarii licentia, et duobus vel tribus testibus matrimonium contrahere attentabunt: eos sancta synodus ad sic contrahendum omnino inhabiles reddit, et huiusmodi contractus irritos et nullos esse decernit, prout eos praesenti decreto irritos facit et anullat.“ 25
Durch Alessandro Manzoni ist diese Form der Eheschließung in die Weltliteratur eingegangen. Sein 1827 erschienener Roman I promessi sposi erzählt die Geschichte eines Liebespaares. Dessen Heirat verhindert ein tyrannischer Adliger, indem er den ängstlichen Ortspfarrer einschüchtert. Doch die Mutter der Braut weiß Rat. Was Manzoni ihr im 6. Kapitel des Romans in den Mund legt, ist eine Gebrauchsanweisung für das matrimonium ex inopinato (hier zitiert nach einer dt. Übersetzung, Essen / Stuttgart 1983): „Man muss zwei anstellige Zeugen haben, mit denen man einig ist, und geht mit ihnen zum Pfarrer; da handelt es sich nun darum, ihn unversehens zu erwischen, damit er nicht entwischen kann. Der Mann sagt: Herr Pfarrer, das ist mein Weib; die Frau sagt: Herr Pfarrer, das ist mein Mann. Es ist notwendig, daß es der Pfarrer hört, daß es die Zeugen hören, und die Ehe ist fertig, so unverbrüchlich, als ob sie der Papst eingesegnet hätte. Sind diese Worte gesprochen, so kann der Pfarrer schreien, toben, den Teufel tun, es nützt ihm nichts; ihr seid Mann und Frau.“ 26 SC Conc., Dekret Ne Temere vom 2.8.1907, in: ASS 40 (1907), S. 525 – 530, hier: Art. IV § 3: „Parochus et loci Ordinarius valide matrimonio adsistunt ... dummodo invitati ac rogati, et neque vi neque metu gravi constricti requirant excipiantque contrahentium consensum.“ 27
C. 1095 § 1 n. 3 CIC/1917: „Parochus et loci Ordinarius valide matrimonio assistunt: ... Dummodo neque vi neque metu gravi constricti requirant excipiantque contrahentium consensum.“ Gegenüber dem Dekret Ne Temere ist die Bitte um die Assistenz (invitati ac rogati) entfallen. Sie wurde in der Praxis als überflüssig angesehen. Wenn der Pfarrer frei von Furcht und Zwang den Konsens erkunde, dürfe er auch als eingeladen und gebeten angesehen werden, vgl. z. B. Felice M. Cappello, Tractatus canonico-
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Georg Bier
lichkeit der passiven Eheassistenz beseitigt28, die aktive Assistenz des Trauungsbevollmächtigten wurde zur Gültigkeitsvoraussetzung29. 3. Entgegennahme der Ehewillenserklärung Zur ordnungsgemäßen Assistenz ist drittens die Entgegennahme der Ehewillenserklärung im Namen der Kirche gefordert. C. 1108 § 2 bezeichnet das Gemeinte mit dem Verb recipere. Im klassischen Latein hat es eine Vielzahl von Bedeutungen30. Zwei von ihnen sind in Albert Sleumers kirchenlateinischem Wörterbuch aufgeführt: „zurücknehmen“ bzw. „(sich) zurückziehen“ und „entgegennehmen/aufnehmen“31. Aufgrund des Textzusammenhangs kommt
moralis de sacramentis, vol. V. De Matrimonio, Turin / Rom 61950, S. 652, n. 668; Franz X. Wernz / Pedro Vidal, Ius Canonicum vol. V. Ius matrimoniale, Rom 1928, S. 631, n. 537. 28 Vgl. Cappello, De matrimonio (Anm. 27), S. 651, n. 668; Honorius Hanstein, Kanonisches Eherecht, Paderborn 61958, S. 183. Vgl. auch die affirmative Antwort der Pontificia Commissio ad Codicis Canones authentice interpretandos vom 10.3.1928, in: AAS 20 (1928), S. 120, auf die Frage, ob durch den CIC/1917 die bis dahin zulässige passive Eheassistenz bei unerlaubten Eheschließungen zwischen konfessionsverschiedenen Partnern (z. B. wegen Verweigerung der Sicherheitsleistung) widerrufen sei. 29
Vgl. Navarrete, Sensus (Anm. 3), S. 621. – Durch die geforderte Freiheit von Furcht und Zwang schloss der Gesetzgeber von 1917 zudem die Gültigkeit einer Assistenz aus, bei welcher der Trauungsbevollmächtigte unfreiwillig aktiv wurde, während er dem Geschehen innerlich ablehnend gegenüberstand. Im geltenden Recht ist die Furchtund-Zwang-Klausel entfallen. Sie wurde, wie den Akten der Codexkommission zu entnehmen ist, von der Mehrheit der Konsultoren als überflüssig angesehen, vgl. Communicationes 8 (1976), S. 37. Eine Begründung für diese Einschätzung ist nicht mitgeteilt. Eine durch schwere Furcht veranlasste, jedoch den Vorgaben des c. 1108 § 2 entsprechende Assistenz tangiert mithin nach geltendem Recht die Gültigkeit der Ehe nicht. Anderer Auffassung ist Zapp, Eherecht (Anm. 3), S. 183, der die Freiwilligkeit der Assistenz in der Legaldefinition des c. 1108 enthalten sieht. Diese Position entspricht nicht der Vorgabe des c. 125. Als nicht vorgenommen gilt eine Handlung gemäß c. 125 § 1 nur dann, wenn sie aufgrund eines unwiderstehlichen Zwangs zustande kam. Wurde sie hingegen aufgrund einer schweren, widerrechtlich eingeflößten Furcht vorgenommen, ist sie nach c. 125 § 2 rechtswirksam, sofern das Recht nicht etwas anderes vorsieht. Das ist für die Eheassistenz nicht der Fall. Sie ist auch nicht gemäß c. 125 § 2 nachträglich aufhebbar, weil eine einmal gültig zustande gekommene (und vollzogene) Ehe nur durch den Tod aufgelöst wird, vgl. c. 1141. 30 31
Vgl. Georges, Handwörterbuch, Band II (Anm. 15), Sp. 2222 – 2226.
Sleumer, Wörterbuch (Anm. 16), S. 659 – 660. vgl. Köstler, Wörterbuch (Anm. 16), S. 298.
Assistenz bei katholisch-evangelischer Eheschließung
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für c. 1108 § 2 nur die zweite Bedeutung in Betracht32. Was genau ist darunter im Kontext dieser Norm zu verstehen? Nach c. 1104 § 2 haben die Brautleute ihren Ehewillen durch Worte zum Ausdruck zu bringen, ersatzweise durch gleichbedeutende Zeichen. Zur Entgegennahme der Ehewillenserklärung gehört mithin das Hören der Worte bzw. das Betrachten der Zeichenhandlung. Genügt dies? Dann erfüllte insoweit jeder die Voraussetzungen eines Trauungsassistenten, der die Worte hört oder die Zeichen sieht. Der Gesetzestext spricht jedoch von einem Handeln im Namen der Kirche. Das setzt eine entsprechende Ermächtigung voraus. Niemand kann aus sich heraus beanspruchen, im Namen der Kirche tätig zu sein. Bei einer konkreten Eheschließung handelt der Trauungsbevollmächtigte – und nur er – im Namen der Kirche, insofern er von Amts wegen oder aufgrund einer Delegation dazu bestimmt und befähigt ist, dieser Eheschließung als Vertreter der Kirche rechtswirksam zu assistieren33. Er könnte die Ehewillenserklärung der Brautleute auch zur Kenntnis nehmen, wenn er die erforderliche facultas zur Eheschließungsassistenz nicht besäße. Dies geschähe dann jedoch nicht im Namen der Kirche, weshalb er nach c. 1108 § 2 nicht als Assistierender verstanden werden könnte. Ist es für die geforderte Entgegennahme hinreichend, wenn der mit einer Trauungsbefugnis ausgestattete Vertreter der Kirche die Willenskundgabe der Brautleute hört bzw. sieht? Oder bedarf es zusätzlich einer Bestätigung der Entgegennahme? Nach dem Wortlaut des c. 1108 § 2 ist das nicht notwendig. Eine Bestätigung dient der Rechtssicherheit, insofern sie an der Entgegennahme der Ehewillenserklärung keinen Zweifel entstehen lässt. C. 1108 § 2 schreibt sie nicht vor.
32
Dies entspricht der Bedeutung des Begriffs im übrigen CIC. Besonders häufig wird er im Sakramentenrecht verwendet. Dort ist er terminus technicus für den Empfang der Sakramente bzw. für den Empfang eines bestimmten Sakraments. Für eine vollständige Übersicht über die nahezu einhundert Belegstellen vgl. Ochoa, Index (Anm. 17), S. 369 – 370. 33
Die darin zum Ausdruck kommende Mitwirkung der Kirche am Zustandekommen der Ehe ist für Matthäus Kaiser, Grundfragen des kirchlichen Eherechts, in: HdbKathKR1, S. 730 – 746, hier: S. 739 – 740, eine rechtlich äußerst bedeutsame, von der Kanonistik jedoch kaum zur Kenntnis genommene Konsequenz aus der Einführung der aktiven Eheassistenz durch das Dekret Ne Temere.
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4. Zwischenergebnis Die Interpretation gemäß der in Text und Kontext wohl erwogenen eigenen Wortbedeutung 34 des c. 1108 § 2 ergibt: Damit der Trauungsbevollmächtigte als Assistierender verstanden werden kann, muss er drei Bedingungen erfüllen: Persönliche Anwesenheit, aktives – im oben dargelegten Sinn verstandenes – Erkunden des Konsenses, Entgegennahme der Ehewillenserklärung. Nur wenn alle drei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind, ist sein Tun Assistenz im rechtlichen Sinne. Nur in diesem Fall – der Gesetzestext formuliert unmissverständlich: tantum intellegitur – kann er als der einer Eheschließung Assistierende verstanden werden. Ist eine der Bedingungen verletzt, gibt es keine Assistenz im Sinne der Norm. Das Geschehen vollzieht sich dann zwar in seinem Beisein, nicht aber unter seiner Assistenz. Diese jedoch ist nach c. 1108 § 1 zur Gültigkeit einer Ehe gefordert. Die ohne hinreichende Assistenz begründete Ehe ist wegen eines Formmangels ungültig. Für den eingangs beschriebenen Fall der katholischen Trauung eines konfessionsverschiedenen Paares ergibt sich: Erfragt der katholische Pfarrer den Konsens nur von der katholischen Braut, nicht aber vom evangelischen Bräutigam, führt er die exquisitio nicht in der geforderten Weise durch. Er erfüllt die Bedingungen aus c. 1108 § 2 nicht vollständig und kann mithin nicht als ein dieser Eheschließung Assistierender verstanden werden. Die Ehe ist ungültig 35 . III. Bestätigung aus der Trauungsliturgie 1. Ordo Celebrandi Matrimonium Der Ordo Celebrandi Matrimonium des Rituale Romanum trägt den Vorgaben des c. 1108 Rechnung. Die Praenotanda zur editio typica altera des Ordo von 1990 erinnern an die rechtlichen Bestimmungen. Die Entgegennahme des Konsenses sei Sache des Trauungsassistenten 36 . In den Hinweisen zur Anpas34
Dies entspricht den durch c. 17 verbindlich vorgeschriebenen Interpretationsregeln.
35
Das gilt natürlich nur im Fall einer katholischen Trauung des konfessionsverschiedenen Paares. Wird der katholische Partner gemäß c. 1127 § 2 von seiner Pflicht zur Einhaltung der kanonischen Form dispensiert und heiratet das Paar nach evangelischem Ritus, sind die Vorgaben des c. 1108 § 2 nicht gültigkeitsrelevant. – Eine unter den beschriebenen Umständen begründete Ehe wäre auch gültig, wenn die konfessionsverschiedenen Brautleute der katholischen und der orthodoxen Kirche angehörten. In diesem hier nicht näher zu untersuchenden Fall ist die Einhaltung der kanonischen Form nach c. 1127 § 1 nur zur Erlaubtheit gefordert. 36
Vgl. O.CelMatr (Anm. 20), n. 35.
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sung des Ordo an die örtlichen Gebräuche und Erfordernisse wird wiederholt, stets müsse der Assistierende die Konsenserklärung der Eheschließenden erfragen und entgegennehmen 37 . 1992 haben die Bischöfe des deutschen Sprachraums für ihre Zuständigkeitsbereiche unter dem Titel Die Feier der Trauung eine Anpassung des lateinischen Ordo vorgelegt 38 . In der Pastoralen Einführung dazu betonen sie, die Vermählung geschehe „in der Erklärung des Ehewillens, den der Zelebrant im Namen der Kirche erfragt und entgegennimmt“ 39 . Alle zuständigen kirchlichen Autoritäten verstehen c. 1108 § 2 im strikten Wortsinn. Die Anforderungen an die Assistenz werden nicht abgeschwächt. Der Trauungsritus ist dementsprechend ausgestaltet 40 . Für die Erklärung des Ehewillens 41 können die Brautleute zwischen zwei Formen wählen:
37 Vgl. ebd. n. 41 Ziffer 3. Dies wird übereinstimmend mit c. 1120 auch eingeschärft für den Fall eines von der Bischofskonferenz ausgearbeiteten eigenen Trauungsritus, vgl. ebd. n. 42. 38 Die Feier der Trauung in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebiets. Zweite Auflage. Hg. im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie der (Erz-)Bischöfe von Bozen-Brixen, Lüttich, Luxemburg und Straßburg. Zürich u. a. 1992 (im Folgenden: F.Trauung). Die Congr. Cult hat diese Anpassung per Dekret vom 13.2.1992 gebilligt. Das Dekret ist wiedergegeben in: F.Trauung, S. 6. 39
Ebd., S. 27, n. 27.
40
Die Trauung kann in einer Eucharistiefeier oder in einem Wortgottesdienst gefeiert werden. Für die Trauung in einem Wortgottesdienst bieten lateinische und deutsche Fassung des O.CelMatr unterschiedliche Formulare, die der Konfessions- bzw. Religionszugehörigkeit der Brautleute Rechnung tragen. Hinsichtlich der hier zu untersuchenden Frage sind die Textvarianten irrelevant. Nachfolgend wird stets nur das Formular für die Trauung in einem Wortgottesdienst als Belegstelle genannt, da die Trauungsfeier für konfessionsverschiedene Paare in der Regel außerhalb der Messe geschehen soll, vgl. O.CelMatr (Anm. 20), n. 36. 41
Der Erklärung vorgeschaltet sind Fragen des Zelebranten an die Brautleute, die wesentliche Aspekte des Ehewillens betreffen, vgl. O.CelMatr (Anm. 20), n. 94; F.Trauung (Anm. 38), S. 59 – 60, nn. 13 – 15. Gleichwohl handelt es sich dabei nicht um die ehebegründende Konsensabgabe. Vielmehr wird vorab geklärt, ob die Brautleute zu einer christlichen Ehe bereit sind. Die vorbereitenden Fragen und Antworten können nach O.CelMatr, n. 41 Ziffer 3, entfallen. Werden die Fragen gestellt, erfüllt der Fragende damit nicht die Anforderung der exquisitio gemäß c. 1108 § 2. Maßgeblich ist die Erkundung der ehebegründenden Konsensabgabe, nicht deren Vorklärung.
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– Bei der Erklärung des Ehewillens durch das Vermählungswort geschieht die exquisitio durch eine Einladung des Assistenten. Er fordert die Brautleute auf, durch das Vermählungswort die Ehe zu schließen 42 . Danach bekunden die Brautleute ihren Ehewillen durch das Vorlesen oder das auswendige Sprechen einer mehrgliedrigen Formel 43 . Die aktive Assistenz des Zelebranten ist deutlich. Er initiiert die Abgabe des Konsenses. Seine maßgebliche Rolle wird unterstrichen, wenn er – was ebenfalls zulässig ist 44 – den Vermählungsspruch wie eine Eidesformel in Absätzen vorspricht. – Bei der Vermählung durch das Ja-Wort erkundet der Zelebrant den Ehewillen, indem er beiden Brautleuten den Vermählungsspruch in Form einer Frage vorträgt 45 . Auch hier ist die aktive exquisitio des Zelebranten unverkennbar. Die Entgegennahme der Konsensabgabe geschieht nach dem Ordo Celebrandi Matrimonium durch eine Erklärung des Trauungsbevollmächtigten unmittelbar nach der Konsensabgabe. Der Ordo bezeichnet diese Erklärung als receptio consensus 46 . Demnach ist die receptio ein zweigliedriger Vorgang. Er besteht aus dem Anhören der Ehewillenserklärung und deren Bestätigung 47 42
Vgl. O.CelMatr (Anm. 20), n. 95. Die deutsche Fassung lautet: „So schließen Sie jetzt vor Gott und der Kirche den Bund der Ehe, indem Sie das Vermählungswort sprechen“: F.Trauung (Anm. 38), S. 62, n. 20. 43
In der deutschen Fassung: „N. vor Gottes Angesicht nehme ich dich an als meine Frau/meinen Mann. Ich verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet. Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens“: ebd., S. 62 – 63, nn. 21, 23. 44
Vgl. ebd., S. 61, n. 19. O.CelMatr nennt diese Möglichkeit nicht.
45
Vgl. O.CelMatr (Anm. 20), n. 97. Deutscher Text: „N., ich frage Sie vor Gottes Angesicht: Nehmen Sie Ihre Braut/Ihren Bräutigam an als Ihre Frau/Ihren Mann und versprechen Sie, ihr/ihm die Treue zu halten in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, und sie/ihn zu lieben, zu achten und zu ehren, bis der Tod Sie scheidet? (Dann sprechen Sie: Ja.)“: F.Trauung (Anm. 38), S. 64 und 65, nn. 26 und 29. 46
O.CelMatr (Anm. 20), n. 98. Die Erklärung im Wortlaut: „Hunc vestrum consensum, quem coram Ecclesia manifestatis, Dominus benigne confirmet et benedictionem suam in vobis implere dignetur. Quod deus coniungit, homo non separet.“ Für den deutschen Text vgl. F.Trauung (Anm. 38), S. 66, nn. 32 – 34. Er ist umfangreicher als der des lateinischen Ordo. 47 Als „Bestätigung der Vermählung“ ist dieser Teil des Ritus in der deutschen Fassung des Ordo bezeichnet, vgl. F.Trauung (Anm. 38), S. 66, nn. 32 – 34. In Anbetracht des rechtlichen Stellenwerts der Erklärung ist die Übersetzung als unangemessen ungenau anzusehen. Allerdings bringen die Worte des Zelebranten in der deutschen Fassung deutlicher zum Ausdruck, dass die receptio im Namen der Kirche geschieht: „Im Namen Gottes und seiner Kirche bestätige ich den Ehebund ...“
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durch den Trauungsbevollmächtigten. Dieses Verständnis von receptio geht über die Wortbedeutung hinaus 48 . Indes versteht sich der Ordo als Umsetzung der kodikarischen Vorgaben 49 . Die universalkirchlich verbindliche Ausgestaltung des Trauungsritus illustriert, was der Gesetzgeber 50 unter receptio gemäß c. 1108 § 2 versteht. Demnach wird die Eheschließungsassistenz auch dann nicht ordnungsgemäß vollzogen, wenn der Zelebrant die Ehewillenserklärung zwar anhört, die Bestätigung der Vermählung jedoch unterlässt. In diesem Fall fehlt dem Ritus das Element der receptio. Eine gültige Ehe wird nicht begründet. Insgesamt bestätigt der Ordo Celebrandi Matrimonium die Forderung einer aktiven Assistenz. Nur wer die Ehewillenserklärung der Brautleute in der geforderten Weise einholt und entgegennimmt, kann als der Eheschließung Assistierender gemäß c. 1108 § 2 verstanden werden. 2. Gemeinsame Feier der kirchlichen Trauung Die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland haben 1995 zwei Ordnungen der kirchlichen Trauung für konfessionsverschiedene Paare unter Beteiligung von Trauungsberechtigten beider Konfessionen publiziert 51 . Die Ordnung für die katholische Trauung 52 unter
48
Vgl. oben Abschnitt II. 3.
49
Vgl. das decretum der Congr. Cult zur Publikation der editio typica altera des O.CelMatr., Prot. N. CD 1068/89, abgedruckt in der lateinischen Ausgabe des Ordo (Anm. 20). 50
Papst Johannes Paul II. hat die Congr. Cult durch ein Spezialmandat autorisiert, den O.CelMatr zu publizieren. 51
DBK/Rat der EKD (Hg.), Gemeinsame Feier der kirchlichen Trauung. Ordnung der kirchlichen Trauung für konfessionsverschiedene Paare unter Beteiligung der zur Trauung Berechtigten beider Kirchen, Leipzig / Freiburg u. a. 1995. Es handelt sich um die überarbeitete Fassung einer erstmals 1971 erschienenen Ordnung. Die Überarbeitung war vor allem durch das Erscheinen der editio typica altera des O.CelMatr veranlasst, vgl. Gemeinsame Feier, S. 7. 52
Die Ordnung für die evangelische Trauung unter Beteiligung eines katholischen Pfarrers, vgl. Gemeinsame Feier (Anm. 51), S. 11 – 29, bleibt hier unberücksichtigt. Sie folgt den Agenden der evangelischen kirchlichen Gemeinschaften. Ihre Anwendung kommt nur in Betracht, wenn der katholische Partner eine Dispens von der Formpflicht erhalten hat. Die Frage nach der ordnungsgemäßen Assistenz des katholischen Amtsträgers stellt sich in diesem Fall nicht.
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Beteiligung eines evangelischen Amtsträgers entspricht weitgehend der Feier der Trauung in einem Wortgottesdienst gemäß der deutschen Fassung des lateinischen Ordo 53 . Sie legt ergänzend fest, welche Texte die evangelischen Amtsträger sprechen können 54 . Die für die Assistenz und damit für die Einhaltung der kanonischen Formpflicht relevanten Teile des Ritus sind ohne Änderungen gegenüber der deutschen Fassung des Ordo Celebrandi Matrimonium übernommen worden. Bei beiden Varianten der Ehewillenserklärung kommt es ausschließlich dem katholischen Trauungsbevollmächtigten zu, die liturgischen Texte zu sprechen 55 . Eine davon abweichende Praxis wird nicht eingeführt oder auch nur angeregt 56 .
53
Neu ist einer der beiden Texte für das Eröffnungsgebet. Für das Segensgebet über die Ringe wird zusätzlich eine Variante angeboten, die in F.Trauung nicht enthalten ist. Vgl. dazu ausführlicher Rainer Alfs, Gemeinsame Trauung? Die Ordnung der kirchlichen Trauung für konfessionsverschiedene Paare in ihren beiden Ausgaben. Vergleich und Würdigung, in: DPM 8/II (2001), S. 199 – 213; hier besonders S. 207 – 209. 54 Nach den Vorgaben der Ordnung begrüßen beide Amtsträger das Brautpaar, sie sprechen oder singen im Wechsel den Trauungssegen und erteilen gemeinsam den Schlusssegen. Darüber hinaus spricht der evangelische Amtsträger das Eröffnungsgebet, hält die Homilie und lädt zum Gebet des Herrn ein, vgl. dazu Alfs, Trauung (Anm. 53), S. 207 – 209. Diese Aufgabenzuweisung entspricht nicht den Vorgaben aus n. 158 DirOec/1993, wonach es dem nichtkatholischen Amtsträger lediglich zukommt, „Schriftlesungen vorzutragen, eine kurze Exhorte zu halten und das Brautpaar zu segnen“. Ob er ein Vorstehergebet sprechen darf, ist vor diesem Hintergrund ebenso zweifelhaft wie die Zuweisung der Homilie an ihn. Die zulässige Exhorte ist nicht einfach gleichzusetzen mit der Homilie, die nach c. 767 § 1 unter den Formen der Predigt hervorragt. Zudem betont O.CelMatr (Anm. 20), n. 23, es sei angebracht, dass derselbe Priester die Homilie halte und den Konsens entgegennehme. Aus liturgietheologischer Perspektive kann gefragt werden, ob die Aufteilung des Brautleutesegens auf mehrere Personen sinnvoll ist und ob diesen Segen auch (mit-)sprechen kann, wer das katholische Eheverständnis nicht voll und ganz teilt. – Die Gemeinsame Feier der kirchlichen Trauung ist dem Apostolischen Stuhl nicht zur Billigung vorgelegt worden. Vermutlich hielt die Deutsche Bischofskonferenz dies nicht für erforderlich, da der Ritus mit der – vom Apostolischen Stuhl gebilligten – deutschen Fassung des O.CelMatr inhaltlich übereinstimmt. Es kann jedoch gefragt werden, ob die über DirOec/1993 hinausgehenden Aufgabenzuweisungen nicht doch der Billigung des Apostolischen Stuhls bedürfen. 55
Bei der receptio consensus ist die Zuweisung an den katholischen Amtsträger weniger eindeutig. Ihm sind nur die Worte „Im Namen Gottes und seiner Kirche bestätige ich den Ehebund, den Sie geschlossen haben“ vorbehalten. Bei den anderen Passagen der Vermählungsbestätigung ist der evangelische Amtsträger bzw. die Amtsträgerin beteiligt. Das ist rechtlich nicht unproblematisch, aber gerade noch zulässig: C. 1127 § 3 verbietet die simultane Erfragung des Konsenses, nicht die zusätzliche Entgegennahme
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IV. Rückfragen 1. Weite Auslegung des c. 1108 § 2? Gibt es Argumente, die den bisher vorgetragenen Befund entkräften und eine abweichende Interpretation des c. 1108 § 2 nahe legen? Ausführlich hat sich Urbano Navarrete in einem 1994 erschienenen Aufsatz 57 mit dieser Frage befasst. Er wendet sich gegen die strikte Interpretation mancher Autoren 58 , die eine Ehe schon als ungültig ansehen, wenn die Konsensabgabe nicht durch eine Frage eingeleitet wird 59 . Der Ordo Celebrandi Matrimonium, der gewiss die kanonische Form respektiere, sehe die Möglichkeit einer bloßen invitatio ausdrücklich vor 60 . Daraus folgert Navarrete: Wenn die strikte Interpretation von exquirere im Sinne von „befragen“ nicht haltbar sei, dann impliziere exquirere nicht notwendig ein direktes Handeln des Assistenten 61 . Vielmehr genüge eine „aktive Präsenz im formal-iuridischen Sinne“, für die zu fordern sei: (1) Der Trauungsbevollmächtigte assistiert aus freien Stücken, wenn auch unwillig. (2) Er ist im Augenblick der Ehewillenserklärung anwesend und deshalb (3) in der Lage, gegenüber der Kirche ein authentisches Zeugnis abzulegen über die in seiner qualifizierten Anwesenheit geschlossene Ehe 62 .
durch Dritte. Außerdem bestätigt nur der katholische Amtsträger im Namen der Kirche die Eheschließung. 56 Anders als in den Praenotanda zum O.CelMatr und in der Pastoralen Einführung zu dessen deutscher Anpassung wird allerdings in der gesamten Publikation nirgends klargestellt, dass die Gültigkeit der Ehe von der Beachtung des c. 1108 § 2 abhängt. Ein solcher Hinweis wäre wichtig, weil hinreichende kirchenrechtliche Kenntnisse bei den evangelischen Adressaten der Ordnung nicht erwartet werden und bei einzelnen katholischen Amtsträgern verloren gegangen sein können. 57
Vgl. Anm. 3.
58
Navarrete bezieht sich dabei auf Kommentatoren des c. 1095 § 1 n. 3 CIC/1917.
59
Vgl. Navarrete, Sensus (Anm. 3), S. 624 – 625, mit weiteren Angaben.
60
Vgl. ebd., S. 625 – 626. Navarrete bezieht sich auf eine frühere Auflage des Ordo, sein Argument gilt aber auch für die editio typica altera. 61 Wörtlich heißt es ebd., S. 626: „Ideo concludendum est illam ‚exquisitionem‘ consensus non necessario implicare ut directe et materialiter testis qualificatus ex utroque sponso exquirat consensum“. 62 Vgl. ebd., S. 632: „Ad quod requiritur et sufficit ut ipse, sciens et volens, etsi forte invitus, assistere huic matrimonio, tali modo sit praesens momento quo contrahentes exprimunt consensum matrimonialem ut possit testimonium authenticum reddere coram
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Was Navarrete als „aktive Präsenz“ bezeichnet, ist nichts anderes als das tridentinische Konzept der passiven Eheschließungsassistenz, vermindert um die Möglichkeit des matrimonium ex inopinato 63 . Dies entspricht seiner Auffassung, das Dekret Ne Temere habe lediglich die unfreiwillige Eheassistenz abschaffen wollen, sei aber mit der Einfügung der exquirere-et-recipere-Klausel ungewollt über dieses Ziel hinausgeschossen 64 . Navarretes Argumentation offenbart die Problematik einer Interpretation, die nicht vom Gesetzestext ausgeht, sondern von der historisch begründbaren, aber schon für das Dekret Ne Temere nicht zwangsläufigen Annahme einer bestimmten mens legislatoris 65 . Der Wortlaut des c. 1108 § 2 ist mit Navarretes
Ecclesia de matrimonio celebrato in eius praesentia qualificata.“ Navarrete vertritt die Ansicht, gewisse Tendenzen seiner Position seien schon bei einzelnen Kommentatoren des CIC/1917 zu finden, vgl. ebd. Die von ihm zitierten Stellen, vgl. ebd., S. 628 – 629, stützen diese Auffassung nicht. Keiner der von ihm herangezogenen Autoren vertritt die Ansicht, die bloße absichtsvolle Anwesenheit des Trauungsbevollmächtigten sei für eine gültige Eheschließung regelmäßig ausreichend. 63 Die von Navarrete eingeführte Unterscheidung zwischen aktiver Präsenz im „material-physischen“ und im „formal-iuridischen“ Sinne, vgl. ebd., S. 623, erweist sich damit als terminologische Spielerei. Navarrete etikettiert neu. Er tauscht das Begriffspaar „passiv/aktiv“ gegen das Begriffspaar „aktiv formal-iuridisch/aktiv material-physisch“ aus. „Aktiv“ ist die sonst als passiv bezeichnete Assistenz bei Navarrete nur deshalb, weil er sie als „aktiv“ deklariert. 64
Vgl. ebd., S. 615 – 620. Navarrete belegt seine Position mit Entwürfen zum Dekret Ne Temere, in denen die Klausel noch nicht aufscheint, und schließt sich einer Einschätzung von Marcelino Zalba an (ebd., S. 619 – 620, mit bibliograpischem Hinweis), wonach es den Autoren des Dekrets in erster Linie um die Verhinderung des matrimonium ex inopinato ging, während die Vorschrift über die aktive Assistenz sekundär und nicht ausreichend bedacht gewesen sei. 65
Zu Beginn seiner Darlegungen konstatiert Navarrete, der Wortlaut des c. 1108 § 2 scheine zwar auf den ersten Blick eindeutig; zum rechten Verständnis der Norm sei es gleichwohl notwendig, sich ihre Ursprünge vor Augen zu führen, vgl. ebd., S. 612. Dieses Vorgehen entspricht nicht der vom Gesetzgeber vorgegebenen Interpretationsregel des c. 17, wonach kirchliche Gesetze zunächst von ihrer Wortbedeutung her zu interpretieren sind. Nur wenn diese zweifelhaft und dunkel bleibt, darf hilfsweise z. B. auf die Textgeschichte zurückgegriffen werden. Andernfalls ist dafür kein Raum. Vgl. ausführlich Hubert Socha, in: MKCIC 17, n. 7 (Anm. 3), mit weiteren Hinweisen. – Navarrete trägt außerdem vor: Da c. 1108 § 2 altes Recht wiedergebe, sei die Norm gemäß c. 6 § 2 unter Berücksichtigung der kanonistischen Tradition zu würdigen, vgl. ebd., S. 622 – 623. Soll damit der Eindruck erweckt werden, die für den CIC/1917 unterstellte mens legislatoris sei auch 1983 noch maßgeblich gewesen? Zudem gelingt es Navarrete nicht, in der kanonistischen Tradition Belege für seine Position zu finden. Zur
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Interpretation nicht vereinbar. Die Auffassung, exquirere müsse entweder im strikten Sinn von „befragen“ oder schrankenlos weit interpretiert werden, verkennt die Bedeutungsvielfalt des Begriffs 66 . In jedem Fall ist durch exquirere ein Minimum an Aktivität seitens des Trauungsbevollmächtigten gefordert. Wer bei einer Trauung lediglich anwesend ist, unterschreitet dieses Minimum. Der Assistierende hat die Kundgabe des Ehewillens einzuholen und nicht bloß ihre Einholung zu veranlassen, ihr beizuwohnen oder sie zu bezeugen. Hätte sich der Gesetzgeber damit zufrieden geben wollen, hätte er dies – ähnlich wie im Fall der Eheschließung durch Stellvertreter (c. 1105) – eigens normieren können. Das ist nicht geschehen. Hätte der Gesetzgeber es für zulässig gehalten, die für die Assistenz relevanten Handlungen von Dritten vornehmen zu lassen, hätte er im Übrigen darauf verzichten können, die Trauungsbefugnis detailliert zu regeln 67 . Was spräche in Navarretes Konzeption dagegen, den Konsens von einer Gemeindereferentin oder gar von einem Angehörigen der Brautleute erfragen zu lassen? Der Begriff des „Trauungsassistenten“ würde auf diese Weise seines Sinns beraubt. Das in c. 1108 § 2 und in den liturgischen Büchern geforderte aktive Handeln des Trauungsbevollmächtigten ist mehr als eine amtliche Zeugenschaft. Im kirchlichen Amtsträger lediglich einen testis qualificatus zu sehen 68 , wird seiner Bedeutung für das Zustandekommen der Ehe nicht gerecht. Er ist testis qualificatus, insofern er in der Lage ist, das Geschehene amtlich zu bezeugen. Darin erschöpft sich seine Bedeutung aber nicht. Er ist auch Assistierender. Als solcher hat er die für die Begründung der Ehe maßgebliche Ehewillenserklärung zu initiieren. Darin besteht sein von Rechts wegen geforderter aktiver Beitrag zum Zustandekommen einer gültigen Ehe 69 .
Erklärung dieses Befundes unterstellt er, die Autoren hätten nicht klar genug erfasst, welche Form der Aktivität vom Assistenten gefordert sei, vgl. ebd., S. 629 – 630. 66
Vgl. oben Abschnitt II. 2.
67
Vgl. cc. 1109 – 1113.
68
Vgl. Navarrete, Sensus (Anm. 3), S. 632 – 634. Diese Einschätzung entspricht dem tridentinischen Verständnis, wonach der Amtsträger durch seine passive Assistenz die Nachweisbarkeit der Eheschließung gewährleistet, vgl. ebd., S. 613 – 614. Im Ergebnis damit übereinstimmend Lüdicke, in: MKCIC 1108, n. 6 (Anm. 3), Sebott, Eherecht (Anm. 3) S. 170 – 171. 69 Zum selben Ergebnis kommen Zapp, Eherecht (Anm. 3), S. 186, Fn. 42, und Socha, in: MKCIC 144, n. 20 (Anm. 65), aufgrund von c. 144.
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2. Gegenargument aus c. 1127 § 3? C. 1127 § 3 bestimmt für konfessionsverschiedene Eheschließungen: Es ist verboten, vor oder nach der kanonischen Eheschließung [...] eine andere religiöse Feier zur Abgabe oder Erneuerung des Ehekonsenses vorzunehmen; ebenso darf nicht eine religiöse Feier stattfinden, in der ein katholischer Assistent und ein nichtkatholischer Amtsdiener zugleich, jeder nach seinem Ritus, den Konsens der Parteien erfragen.
Eine Nichtigkeitssanktion ist nicht formuliert. Die in c. 1127 § 3 beschriebene Form der Konsenserkundung wird lediglich als verboten deklariert. Ist der bisherige Befund zu revidieren? Die konfessionsverschiedene Ehe wird für beide Brautleute mit ein und demselben Akt begründet. Sie beginnt nicht für den Katholiken mit der kanonischen Eheschließung und für den nichtkatholischen Partner mit einer Feier nach dem Ritus seiner Konfession 70 . Deshalb müssen sich die Brautleute einigen, in welcher Form sie ihre Ehe begründen wollen 71 . Entscheiden sie sich für die kanonische Form, ist für weitere religiöse Trauungszeremonien vor, während oder nach der kanonischen Trauung kein Raum72 . Doppel- und Simultantrauungen sind verboten. Sie tangieren aber nicht die Gültigkeit der Ehe, denn eine Eheschließung in der kanonischen Form findet statt – wenn auch nicht exklusiv. Im Unterschied dazu ist bei einer Feier nach katholischem Ritus, bei welcher der Trauungsbevollmächtigte den Konsens nicht oder nicht vollständig ermittelt, die kanonische Form nicht gewahrt. Deshalb ist eine solche Feier nicht nur verboten. Sie hat auch die Nichtigkeit der Ehe zur Folge. 3. Supplet Ecclesia? C. 1108 § 1 verweist auf Ausnahmefälle, in denen eine gültige Ehe zustande kommt, auch wenn nicht alle Formvorschriften beachtet wurden. Eine der Ausnahmen regelt c. 144 §§ 1 und 2: Bei einem tatsächlich vorliegenden oder
70
Vgl. Klaus Lüdicke, in: MKCIC 1127, 6 (Anm. 3).
71
Vgl. Prader / Reinhardt, Eherecht (Anm. 3), S. 188.
72
Will der nichtkatholische Partner nicht auf eine Eheschließung im Ritus seiner Konfession verzichten, bleibt dem katholischen Partner nur die Möglichkeit, seinerseits auf die kanonische Eheschließung zu verzichten. Die Möglichkeit einer doppelten religiösen Feier und damit einer kanonischen Eheschließung wird ihm in diesem Fall nicht zugestanden. Vielmehr muss er eine Dispens von der Beachtung der kanonischen Form erbitten. Sie kann nach c. 1127 § 2 vom Ortsordinarius gewährt werden.
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rechtlich anzunehmenden allgemeinen Irrtum oder bei einem positiven und begründeten Rechts- oder Tatsachenzweifel ersetzt die Kirche für den äußeren wie für den inneren Bereich die fehlende Trauungsbefugnis 73 . Könnte eine Ehe demnach trotz nicht ordnungsgemäßer Eheschließungsassistenz gültig sein? Ein Trauungsbevollmächtigter, der bei der katholischen Trauung eines konfessionsverschiedenen Paares dem evangelischen Amtsträger die Konsensfragen überlässt, wird in der Regel die irrige Überzeugung hegen, sein Verhalten sei rechtlich unschädlich. Alle übrigen Beteiligten wissen es ebenfalls nicht besser. Der in c. 144 § 1 geforderte allgemeine Irrtum liegt demnach tatsächlich vor. Gleichwohl bietet c. 144 keine Grundlage für die Gültigkeit einer Ehe im Fall einer mangelhaften Assistenz. Ersetzt werden kann nach c. 144 § 2 unter bestimmten Umständen eine Trauungsbefugnis. Überlässt ein katholischer Amtsträger bei der katholischen Trauung die Konsensermittlung anderen Personen, scheitert das Zustandekommen einer gültigen Ehe jedoch nicht am Fehlen dieser Befugnis. Es scheitert, weil eine vorhandene Trauungsbefugnis nicht ordnungsgemäß wahrgenommen wird. Der Mangel in der Assistenz wird durch c. 144 nicht kompensiert. V. Ein Schreiben aus der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung 1. Vorgeschichte und Verbindlichkeit Im September 1999 legte der Erzbischof von Köln dem Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte folgende Frage vor: Genügt es, was die Assistenz angeht, zur Gültigkeit einer Ehe, die zwischen einem katholischen und einem nichtkatholischen Partner in der katholischen Kirche nach katholischem Ritus unter Beteiligung eines nichtkatholischen Amtsträgers gefeiert wird, wenn der katholische Amtsträger nur den Konsens des katholischen Partners einholt und dem nichtkatholischen Amtsträger erlaubt, den Konsens des nichtkatholischen Partners einzuholen 74 .
Der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte bearbeitete die Anfrage nicht selbst, sondern reichte sie an die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakra-
73
Zur Anwendung der Suppletion auf die Trauungsbefugnis vgl. Demel, Trauung (Anm. 3), S. 114 – 121. 74 Meine Übersetzung des in lateinischer Sprache formulierten dubium, dokumentiert in: DG Köln coram Schlößer vom 25.6.2001 (Anm. 1).
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mentenordnung weiter. Das Antwortschreiben an den Erzbischof von Köln 75 ist von Bedeutung, weil es sich um eine aktuelle Stellungnahme handelt, die zudem vergleichsweise ausführlich ausfällt 76 . Das Antwortschreiben datiert vom 29. März 2001. Es trägt den Briefkopf der Kongregation und ist mit einem Aktenzeichen versehen. Unterschrieben ist es nicht vom Präfekten der Kongregation, sondern von deren Sekretär 77 . Er ist höchster Beamter der Kongregation, nicht aber ihr Mitglied 78 . Das Antwortschreiben ist nicht amtliche Antwort der Kongregation, sondern Antwort aus der Kongregation. Formal ist sie nicht bindend. Angelegenheiten von grundlegender Bedeutung sind von den Mitgliedern eines Dikasteriums zu beraten 79 . Der Sekretär beruft sich in seinem Schreiben weder auf solche Beratungen noch auf eine Abstimmung der Antwort mit dem Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte. Entsprechende Hinweise sind in vergleichbaren Fällen üblich; als mögliches Autoritätsargument wären sie vermutlich nicht unerwähnt geblieben. Das Antwortschreiben liefert nicht eine authentische Interpretation, wie sie dem Päpstlichen Rat möglich gewesen wäre, und erhebt auch nicht diesen Anspruch. Die Antwort richtet sich nur an den Fragesteller. Der Schreiber äußert am Ende des Briefs die „Hoffnung“, die gestellte Frage beantwortet zu haben. Er stellt seine Ausführungen damit unter einen Vorbehalt. Material erweist sich das Schreiben als eine vorläufige Äußerung. Es handelt sich insgesamt um eine Auskunft in einem Einzelfall. Sie verpflichtet den anfragenden Erzbischof nicht zu einem bestimmten Handeln.
75
Congr. Cult, Prot. N. 1965/00/L. Das in deutscher Sprache verfasste Schreiben ist nicht publiziert; Kopien kursieren bei deutschen Diözesangerichten. Eine solche Fotokopie liegt den folgenden Ausführungen zugrunde. In Auszügen wird das Schreiben zitiert in: DG Köln coram Schlößer vom 25.6.2001 (Anm. 1). 76
Die oben Anm. 4 erwähnte private Antwort der SC DocFid aus dem Jahr 1975 enthält nur die knappe Begründung, zur gültigen Eheschließung sei das aktive Handeln des Assistenten gefordert. Es fehle, wenn der katholische Amtsträger bei der Trauung lediglich anwesend sei oder den Konsens nicht von beiden Brautleuten entgegennehme. 77
Ein Siegel ist auf der vorliegenden Kopie nicht erkennbar.
78
Art. 5 PastBon unterscheidet zwischen den Mitgliedern der Dikasterien einerseits und dem Sekretär und den übrigen Beamten andererseits. Nach Art. 4 PastBon unterstützen die Sekretäre die Präfekten und Präsidenten in der Leitung der Geschäfte der Dikasterien. Die rechtliche Vertretung des Dikasteriums ist allein Sache des Präfekten bzw. des Präsidenten. 79 Dies hat zu geschehen im Rahmen einer General- oder einer Vollversammlung, vgl. Art. 11 – 12 PastBon.
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2. Inhalt Folgender Argumentationsgang lässt sich dem Schreiben entnehmen: (1) Weite Teile des Schreibens befassen sich mit dem verwendeten Trauungsritus aus Gemeinsame Feier der kirchlichen Trauung. Er liege der Kongregation nicht vor 80 . Es handle sich entweder um einen bereits approbierten 81 katholischen Ritus oder um einen widerrechtlich nicht zur Approbation vorgelegten Ritus. Jedenfalls sei der Deutschen Bischofskonferenz nicht genehmigt worden, einen von der kanonischen Eheschließungsform abweichenden Ritus für die katholische Eheschließung zwischen konfessionsverschiedenen Partnern zu verwenden. (2) Für eine Eheschließung zwischen konfessionsverschiedenen Partnern in der kanonischen Form sei daher c. 1108 § 2 ohne Einschränkung zu beachten. In dieser Norm werde nur im Singular vom „Assistierenden“ gesprochen. Werde die kanonische Form gewählt, gelte: „nur der katholische Amtsträger darf und kann den Ehekonsens erfragen und entgegennehmen“. (3) Aus den vorgetragenen Erwägungen könne „die mens des Gesetzgebers abgeleitet werden, dass die Feier des Ehesakraments in ... [der] vorgestellten Form zwar unerlaubt, aber dennoch gültig ist, weil es die Eheleute sind, die sich als ‚Minister‘ das Sakrament spenden“ 82 . Die ersten beiden Argumentationsschritte sind nachvollziehbar. Die Schlussfolgerung hingegen steht im Widerspruch zu der vorher getroffenen Feststellung, wonach nur der katholische Amtsträger den Konsens einholen und entgegennehmen „darf und kann“. Wäre die Befragung des Nichtkatholiken durch den nichtkatholischen Amtsträger nur unerlaubt, dann könnte auch er den Kon80
Vgl. oben Anm. 54. Im Schreiben klingt diesbezüglich Verwunderung an. Gleichwohl hat die Congr. Cult den Trauungsritus nicht angefordert. Der Sekretär der Kongregation belässt es bei einer abstrakten Erörterung. 81
Nach c. 1120 bedarf ein von einer Bischofskonferenz erstellter eigener Ritus der recognitio, nach n. 42 der Praenotanda der probatio durch den Apostolischen Stuhl. Der Sekretär der Congr. Cult verwendet beide Begriffe nebeneinander. Der Jubilar, zu dessen Ehrung diese Studie beitragen will, hat vor einigen Jahren in einem scharfsinnigen Aufsatz die Unterschiede zwischen approbatio/probatio und recognitio aufgezeigt, vgl. Georg May, Verschiedene Arten des Partikularrechts, in: AfkKR 152 (1983), S. 31 – 45. Eine präzise Unterscheidung der Begriffe auch in Verlautbarungen der Römischen Kurie ist wünschenswert. 82
Das Schreiben verweist bezüglich der Spender des Sakraments auf n. 1623 KKK und ergänzt, eine solche Feier stelle „allerdings einen schweren liturgischen Missbrauch dar“.
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sens erkunden, er dürfte es nur nicht. Wenn hingegen allein der katholische Amtsträger den Konsens erkunden kann, dann ist dies dem Nichtkatholiken rechtlich unmöglich. Der Verzicht des katholischen Amtsträgers auf die Erkundung führt in diesem Fall zum Ausfall einer von ihm zu setzenden gültigkeitsrelevanten Handlung. Insoweit ist die behauptete mens legislatoris aus den Darlegungen des Sekretärs nicht ableitbar. Ergänzend wird am Ende des Briefs ein neues Argument ins Spiel gebracht: Weil die Brautleute einander das Sakrament spendeten, tangiere die Konsenserkundung durch einen nichtkatholischen Amtsträger nicht die Gültigkeit der Ehe. Unabhängig von der Bewertung der in Kanonistik und übriger Theologie nicht unumstrittenen Lehre von den Spendern des Ehesakramentes 83 könnte mit dieser Begründung jedweder Formmangel als rechtlich bedeutungslos deklariert werden, denn stets sind es die Brautleute, „die sich als eigentliche ‚Minister‘ das Sakrament spenden“. Die Argumentation berücksichtigt nicht ausreichend den Sinn der Formpflicht. Sie wurde eingeführt, weil der Gesetzgeber zu der Auffassung gelangte, die gültige Spendung des Ehesakraments durch die Brautleute sei nur innerhalb bestimmter „Grenzen“ möglich. Der „Grenzverlauf“ wird durch die kanonischen Formerfordernisse markiert. Wie der Sekretär der Kongregation darlegt, ist die kanonische Form nur gewahrt, wenn der katholische Amtsträger den Ehekonsens erfragt. Nur er könne und dürfe das. Daraus folgt: Lässt der katholische Amtsträger den Konsens durch andere erkunden, sind die durch die kanonische Form markierten „Grenzen“ überschritten. Auch wenn die Brautleute die „Grenzübertretung“ nicht verschuldet haben – außerhalb des zulässigen „Gebiets“ sind sie nach kirchlichem Recht nicht fähig, einander das Ehesakrament zu spenden. Der durch die ungenügende Konsenserforschung herbeigeführte Formmangel ist nicht deshalb unerheblich, weil die Brautleute Spender des Ehesakraments sind.
83
Die Diskussion kann hier nur angezeigt, nicht aber entfaltet werden. Für einen historischen Überblick über die in der Kirchenrechtsgeschichte vertretenen Positionen vgl. Frederick McManus, The Ministers of the Sacrament of Marriage in Western Tradition, in StudCan 20 (1986), S. 85 – 104. Die herrschende Meinung wird infrage gestellt von Kaiser, Grundfragen (Anm. 33), S. 739 – 741. Nach n. 1623 KKK, „ist man [in der lateinischen Kirche] allgemein der Auffassung, dass die Brautleute selbst ... einander das Ehesakrament spenden“. Die Formulierung lässt Raum für abweichende Positionen.
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3. Ergebnis Aus formalen und materialen Gründen stellt die Beantwortung der vorgelegten Frage durch den Sekretär der Kongregation nicht eine verbindliche Auslegung des c. 1108 § 2 dar. Es handelt sich um eine nicht-amtliche Auslegung 84 , um eine Interpretation unter mehreren möglichen. Ihre Bedeutung hängt nicht ab von der Autorität ihres Vertreters 85 , sondern von der Durchschlagskraft der vorgetragenen Argumente 86 . Diese sind, teils wegen ihrer inneren Widersprüchlichkeit, teils wegen ihrer Unzulänglichkeit, nicht geeignet, die Ergebnisse zu entkräften, die sich aus der lege artis durchgeführten Interpretation des c. 1108 § 2 ergeben. VI. Resümee (1) Heiratet ein katholisch-evangelisches Paar in kanonischer Form, muss der katholische Trauungsbevollmächtigte die Ehewillenserklärung beider Brautleute erkunden. Überlässt er die Befragung des evangelischen Partners oder die Befragung beider Brautleute dem evangelischen Amtsträger, ist die Ehe nichtig. Dabei ist es irrelevant, ob die so gestaltete Konsensermittlung vom Trauungsbevollmächtigten vorab veranlasst oder gebilligt wird oder ob sie sich während der Zeremonie ergibt. Erkundet der katholische Amtsträger – aus welchen Gründen auch immer – den Konsens nicht persönlich, kann er nach c. 1108 § 2 nicht als Assistierender verstanden werden, und es fehlt die
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Vgl. Socha, in: MKCIC, Einführung vor 16, n. 5 (Anm. 65).
85
Anders verhält es sich etwa bei authentischen Interpretationen des PCI. Sie beziehen ihr Gewicht allein aus der Autorität des Gesetzgebers, vgl. Kardinal Rosalio J. Castillo Lara, Die authentische Auslegung des kanonischen Rechts im Rahmen der Tätigkeit der päpstlichen Kommission für die authentische Interpretation des ius canonicum, in: ÖAKR 37 (1987/88), S. 209 – 228, hier: S. 225 – 226. Ähnlich der amtierende Präsident des PCI: Julián Herranz, Sull’interpretazione del Diritto Canonico. Spunti di riflessione, in: H. Zapp / A. Weiß / S. Korta (Hg.), Ius Canonicum in Oriente et Occidente. FS C.G. Fürst (AIC 25), Frankfurt/Main u. a. 2003, S. 61 – 75, hier: S. 66. Bezeichnenderweise wird den authentischen Interpretationen des PCI in aller Regel eine Begründung nicht beigefügt. 86
Die Ausführungen des DG Köln coram Schlößer vom 25.6.2001 (Anm. 1) lassen allerdings vermuten, dem zu Unrecht als „Antwort der Congregatio de Culto Divino et Disciplina Sacramentorum … auf ein ... vorgelegtes Dubium“ qualifizierten Schreiben werde in der Urteilsbegründung die Bedeutung einer „quasi-authentischen“ Interpretation beigemessen. Jedenfalls ist aus den auszugsweise abgedruckten Passagen des Urteils eine kanonistische Auseinandersetzung mit der einschlägigen kodikarischen Bestimmung nicht ersichtlich.
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nach c. 1108 § 1 zur Gültigkeit der Ehe erforderliche Assistenz des Trauungsbevollmächtigten. (2) Gegen diese von Rechts wegen geforderte Interpretation kann nicht geltend gemacht werden, sie sei unangemessen und stehe in keinem Verhältnis zu dem nur minimalen Verstoß gegen die liturgisch-rechtliche Ordnung. Der Gesetzgeber schreibt präzise vor, in welcher Form die Ehe zu schließen ist, und versieht seine Vorgabe in c. 1108 § 1 mit einer Nichtigkeitssanktion. Mithin ist die Form präzise einzuhalten. Auch eine geringfügige oder aus bloßer Unachtsamkeit geschehene Abweichung vom vorgeschriebenen Procedere verletzt die rechtlichen Vorgaben. „Mildernde Umstände“ und „nachsichtiges“ Übergehen vermeintlich „kleinerer“ Fehler sind im Gesetzestext nicht vorgesehen. Eine von derartigen Überlegungen beeinflusste Auslegung des c. 1108 § 2 mag Gesetzesanwenderinnen und –anwendern sympathisch und wünschbar erscheinen87. Dem Wortlaut der Norm entspricht sie nicht. (3) Es ist nachvollziehbar, aus kanonistischer Sicht jedoch problematisch, wenn der Apostolische Stuhl den Versuch unternimmt, offene Fragen zur Auslegung und Anwendung kodikarischer Bestimmungen in der hier erörterten Weise zu klären. Nachvollziehbar ist diese Vorgehensweise, weil der Verzicht auf eine verbindliche Auslegung Raum lässt für weiteres kanonistisches Nachdenken. Problematisch erscheint sie, weil Stellungnahmen aus der Römischen Kurie häufig auch dann als verbindlich betrachtet werden, wenn sie es tatsächlich nicht sind88. Wird, wie im vorliegenden Fall, dem Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte ein dubium vorgelegt, weist dies auf gravierende, mit kanonistischem Sachverstand allein nicht zu lösende Auslegungsprobleme des Fragestellers hin89. Hält der Päpstliche Rat eine authentische Interpretation gleichwohl (noch) nicht für angezeigt, ist im Interesse größtmöglicher Eindeutigkeit zu wünschen, dass dies in der Antwort erkennbar wird90. Andernfalls könnten Ver-
87
In diesem Sinne etwa Cappello, De matrimonio (Anm. 27), S. 654, n. 669, der in einem Fall von bloßer inadvertentia die Gültigkeit der Ehe nicht tangiert sehen will. Ähnlich argumentiert der Sekretär der Congr. Cult, wenn er in Diskontinuität zu seinen vorhergehenden Überlegungen vorträgt, der maßgebliche ehebegründende Akt, die Ehewillenserklärung beider Brautleute, sei schließlich vorhanden. 88 89
Vgl. oben Anm. 86.
Andernfalls müsste der Päpstliche Rat nicht bemüht werden. Die Anrufung der Autorität kann auch Ausdruck übermäßiger eigener Unsicherheit sein. Dies dürfte jedoch als Motiv für Anfragen an das PCI in der Regel nicht in Betracht kommen.
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lautbarungen aus der Römischen Kurie neue Fragen aufwerfen, wo sie Klarheit bringen wollen91. (4) Sollte in Bezug auf c. 1108 § 2 aus rechtspolitischen Gründen eine Änderung der geltenden Rechtslage erwünscht sein, kann sie herbeigeführt werden über eine Änderung des Gesetzestextes oder über eine authentische Interpretation. Der zuständige päpstliche Rat könnte durch eine authentische Interpretation erklären, dass auch die Befragung der Brautleute durch einen Nicht-Trauungsbevollmächtigten den Tatbestand der Erkundung durch den Trauungsbevollmächtigten im Sinne von c. 1108 § 2 erfüllt. Auf diese Weise würde allerdings dem Begriff exquirere eine Bedeutung beigelegt, die ihm semantisch nicht zukommt. Von daher wäre eine Neufassung des Gesetzestextes vorzuziehen. Solange es nicht zu einer dieser Maßnahmen kommt, ist an der vorgetragenen Interpretation des c. 1108 § 2 festzuhalten.
90
So hat der Päpstliche Rat im Jahr 1986 in einer (unveröffentlichten) Antwort auf eine Anfrage zu c. 1098 geantwortet, die Zeit sei noch nicht reif für eine authentische Interpretation und die Klärung solle vorerst der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten bleiben, vgl. Georg Bier, Probleme der Anwendung des „dolus“ in der Rechtsprechung, in: DPM 1 (1994), S. 135 – 201, hier: S. 196, mit weiteren Nachweisen. 91
Dies ist etwa zu beobachten im Blick auf das jüngst bekannt gewordene Schreiben des Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte zur Frage, was ein formaler Akt des Abfalls von der katholischen Kirche ist, vgl. die auszugsweise Wiedergabe des Schreibens bei Lüdicke, in: MKCIC 1086, n. 3 (Anm. 3), sowie den Beitrag von Hartmut Zapp in diesem Band. Ähnliches gilt für eine dichiarazione des PCI zu c. 915 vom 24.6.2000, in: Communicationes 32 (2000), S. 159 – 162. Trotz der unmissverständlichen Sprache dieser Verlautbarung und der Feststellung, jede von der dichiarazione abweichende Auslegung des c. 915 sei „eindeutig abwegig“, wurde die zurückgewiesene Position weiterhin vertreten. Lüdicke, in: MKCIC 915, n. 7 (nach neuer Zählung: n. 5c), begründete dies so: Einer „Erklärung“ des PCI komme nicht die Kraft zu, ein päpstliches Gesetz zu ändern; es handle sich auch nicht um eine authentische Interpretation; daher habe die dichiarazione an der Rechtslage nichts geändert. Unabhängig von der Bewertung der Sachfrage ist Lüdicke in formaler Hinsicht zuzustimmen.
Questioni ecclesiologiche, pastorali e canonistiche nel rapporto fra la vita religiosa e la Chiesa particolare Di Arturo Cattaneo I. Introduzione Dal Vaticano II in poi si è sviluppata la crescente consapevolezza che ogni realtà della Chiesa si rende presente e opera nelle Chiese particolari. Il Vaticano II ha anche sottolineato il ruolo dei vescovi diocesani riconoscendo che «sono il principio visibile e il fondamento dell’unità nelle loro Chiese particolari» (LG 23). In concomitanza con questa crescente consapevolezza, e forse anche in parte promossa da essa, si osserva nella vita religiosa la tendenza ad impegnarsi maggiormente in opere pastorali di vario tipo, come quelle educative, di animazione spirituale, di carità, di catechesi, ecc. A rendere particolarmente attuale – e delicata – la questione, va ricordato che la mancanza di clero avvertita in molte diocesi sta spingendo i vescovi a sollecitare la collaborazione dei religiosi. Benché in molti paesi il calo numerico dei sacerdoti religiosi sia ancora più accentuato di quello che si registra nel clero secolare, va pur sempre ricordato che in tutto il mondo circa un terzo dei chierici sono religiosi e in alcune diocesi importanti come Bruxelles, Londra, Manila e Nairobi essi sono più della metà. Il tema dei rapporti fra religiosi e Chiesa particolare è stato affrontato in diversi convegni e numerose sono le pubblicazioni, soprattutto a partire dalla Nota direttiva Mutuae relationes (= MR), emanata nel 1978 dalla Congregazione dei Religiosi e Istituti secolari insieme a quella dei Vescovi, documento che ha dato un importante contributo per una più cordiale e intensa collaborazione 1 . Dopo il codice non c’è più stato nessun documento dedicato in modo specifico alla questione. Essa emerge tuttavia in diversi testi magisteriali fra i quali
1 Su questo documento cf. AA. VV., XXV di «Mutuae relationes». Una rilettura a più voci, a cura di P. Vanzan / F. Volpi, Roma 2004.
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spicca l’Esortazione apostolica postsinodale Vita consecrata (= VC), pubblicata nel 1996. II. Vita religiosa e Chiesa particolare: Una sinergia con alcune difficoltà Quando si considera il rapporto fra vita religiosa e Chiesa particolare si tende spesso a vederlo in senso conflittuale. Senza negare che qualche conflitto ci possa essere – e ci ritorneremo –, mi sembra tuttavia conveniente iniziare osservando che tale rapporto costituisce in larga misura un mutuo e, direi, necessario arricchimento o, se si preferisce usare un termine di moda, una sinergia. Non si può infatti dubitare che, come ha osservato l’Esortazione ap. Vita consecrata «molto possono contribuire i carismi della vita consacrata all’edificazione della carità nella Chiesa particolare» (n. 48). Il mutuo arricchimento fra vita religiosa e Chiesa particolare si evince considerandolo alla luce del rapporto fra Chiesa universale e Chiesa particolare, che l’ecclesiologia postconciliare ha riconosciuto quale «rapporto di mutua immanenza». La presenza di istituti di vita consacrata nella Chiesa particolare costituisce, di conseguenza, uno stimolo e una verifica della cattolicità di quest’ultima, cattolicità che comporta il pieno riconoscimento della vita consacrata, dei suoi carismi, della sua natura, dell’ambito proprio della sua autonomia. La cattolicità è certamente una proprietà che appartiene alla Chiesa, ma allo stesso tempo è sempre da attuare. Sia per gli istituti, come per la Chiesa locale stessa si deve quindi riconoscere l’esistenza di «una tensione benefica tra la presenza dell’universale e del tutto in ciascuna realizzazione particolare. Qualsiasi rapporto che non si apre alla cattolicità della Chiesa rischia il particolarismo, il settarismo e tende a isterilirsi» 2 . D’altra parte la vita religiosa nasce e si svolge sempre in Chiese locali. La testimonianza offerta dai religiosi si attua necessariamente in una Chiesa locale e il loro servizio non può prescindere dalle circostanze specifiche di quella porzione del popolo di Dio che contribuiscono a edificare. Anche i religiosi 2
S. Recchi, Gli istituti di vita consacrata: segno dell’universalità nella Chiesa locale, in: Quaderni di diritto ecclesiale 9 (1996) 58 – 65, ivi 65. A proposito della vocazione all’universalità, insita in ogni forma di vita consacrata, l’autore ha rilevato che «fa parte della vocazione degli istituti essere portatori di questa apertura all’universalità delle Chiese particolari» (61). La nota di universalità, di cui sono portatori, «non è semplicemente una realtà di ordine geografico, etnico o culturale, bensì una realtà teologica, manifestazione del mistero della Chiesa» (63).
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sono chiamati a cooperare in quel processo di inculturazione, sintesi fra unità e diversità nella cattolicità, che costituisce una delle grandi sfide per la Chiesa nello svolgimento della sua missione. In tal senso, Giovanni Paolo II ha affermato: «È fuor di dubbio che il terzo millennio si profili come un rinnovato appello alla missione universale e, al tempo stesso, all’inculturazione del Vangelo da parte delle varie Chiese locali» 3 . Il problema di fondo, al quale ogni altra difficoltà può essere ricondotta, è quello di conciliare due esigenze, entrambe giuste, ma che nella pratica sono spesso contrapposte. Da un lato quella di preservare e promuovere (per il bene dei religiosi ma anche di tutta la Chiesa) l’identità del loro carisma, rispettando quindi la loro legittima autonomia anche nelle opere proprie; dall’altro l’esigenza della Chiesa locale – esigenza particolarmente sentita laddove si registra una diminuzione di sacerdoti – di far sì che i religiosi collaborino nella pastorale diocesana, operando sempre nella comunione con tutti gli altri membri della Chiesa particolare, che ha nel vescovo «il principio visibile e il fondamento dell’unità» (LG 23). Questa duplice esigenza, in termini diversi ma coincidenti nella sostanza, si trova espressa nei numerosi documenti magisteriali che si riferiscono alla partecipazione dei religiosi all’edificazione della Chiesa particolare. Anche il codice vi si riferisce in diversi canoni 4 . Si tratta quindi di trovare continuamente il giusto equilibrio fra due tipi di necessità: quelle dei religiosi e quelle della Chiesa locale. Dico «continuamente» poiché è una questione sempre aperta, che va risolta man mano che sorgono le difficoltà. Una questione che richiede l’esercizio della prudenza da parte del vescovo e dei rispettivi superiori religiosi. Va anche notato che il giusto equilibrio dipende non tanto dalle circostanze e dalle particolarità della pastorale diocesana, quanto dalle caratteristiche dell’istituto religioso. Queste caratteristiche possono variare molto da un istituto all’altro. Fra un ordine contemplativo e uno di vita attiva esiste tutta un gamma di variazioni che rendono difficile, se non impossibile, dare criteri generali 5 .
3 Giovanni Paolo II, Messaggio per la 72ª Giornata missionaria mondiale, celebrata domenica 18 ottobre 1998. 4
Riguardo alla prima esigenza (identità e autonomia) cf. cann. 586, 587 e 708, 776 e 806; riguardo alla seconda (collaborazione pastorale) cf. cann. 618, 680 e 776. 5
Un esempio eclatante è la proibizione, di cui al can. 674, riguardante gli istituti interamente dediti alla contemplazione: «Per quanto urgente sia la necessità dell’apostolato attivo, i membri di tali istituti non possono essere chiamati a prestare l’aiuto della loro opera nei diversi ministeri pastorali».
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III. Esigenze per i Vescovi (e per i presbiteri secolari) Uno degli aspetti più rilevanti del documento Mutuae relationes è probabilmente l’insistenza nel ricordare la responsabilità dei vescovi nei confronti della vita religiosa 6 . 1. Preservare e promuovere la vita religiosa Se la vita religiosa, come tanti documenti del magistero hanno sottolineato 7 , è un prezioso dono di Dio alla Chiesa, non possono esserci dubbi che un grave dovere dei vescovi è quello di preservarla, affinché essa non si deteriori fino a svanire con grave danno per la missione della Chiesa. Di conseguenza, i vescovi non possono considerare i religiosi come meri supplenti del clero diocesano, ma devono saper percepire le esigenze specifiche della vita religiosa. Appoggiandosi sull’insegnamento paolino (cf. 1 Ts 5,12 e 19 – 21), il Vaticano II ha ribadito che ai Pastori spetta il giudizio sull’autenticità dei carismi e sul loro ordinato esercizio. Il Concilio ha però anche ricordato ai Pastori la responsabilità «di non estinguere lo Spirito, ma esaminare tutto per ritenere ciò che è buono» (LG 12). Per quanto riguarda il ruolo del vescovo nella promozione della vita religiosa – oltre alla sua sollecitudine per le vocazioni alla vita consacrata e per la loro fedeltà all’osservanza religiosa – va ricordata la sua responsabilità nella fondazione di nuovi istituti religiosi. Al vescovo diocesano compete infatti «il primo
6
Fra l’altro il documento afferma: «Spetta ai vescovi, quali maestri autentici e guide di perfezione per tutti i membri della diocesi, di essere i custodi anche della fedeltà alla vocazione religiosa nello spirito di ciascun istituto» (n. 28). Più avanti si afferma che «specifico ufficio [del vescovo] difendere la vita consacrata, promuovere e animare la fedeltà e l’autenticità dei religiosi e aiutarli ad inserirsi, secondo la loro propria indole, nella comunione e nell’azione evangelizzatrice della sua Chiesa. […] A loro volta i religiosi considerino il vescovo non solo come pastore di tutta la comunità diocesana, ma anche come garante della loro fedeltà alla propria vocazione nell’adempimento del loro servizio a vantaggio della Chiesa locale» (n. 52). Sul tema cf. G. Lafont, L’ecclesiologia di «Mutuae Relationes», in: Vita consacrata 18 (1982) 172 – 185: 173. 7
Giovanni Paolo II, nell’Introduzione dell’Esortaz. ap. Vita consacrata, ha osservato che «la vita consacrata non ha svolto soltanto nel passato un ruolo di aiuto e di sostegno per la Chiesa, ma è dono prezioso e necessario anche per il presente e per il futuro del Popolo di Dio, perché appartiene intimamente alla sua vita, alla sua santità, alla sua missione» (n. 3).
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discernimento del carisma (cf. cann. 579 e 605). A lui spetta accoglierlo come dono fatto alla Chiesa universale; a lui comprendere ed esplorare il suo spirito, riconoscere le sue strutture, vigilare perché il tutto sia espresso il meglio possibile nei suoi statuti (cf. can. 595). Il vescovo di fondazione rimane responsabile dell’istituto che ha eretto, e conserva un vincolo perenne con esso»8. La sua capacità di discernimento lo porterà anche a impedire che si formino istituti inutili o senza il vigore necessario. Va anche ricordato che «l’approvazione di nuove forme di vita consacrata è riservata unicamente alla Sede Apostolica» (can. 605). 2. Comprendere le caratteristiche e le esigenze della vita religiosa Affinché il vescovo possa preservare e promuovere la vita religiosa nella sua diocesi, egli dovrà porre uno speciale impegno per comprendere le caratteristiche di ogni istituto e saper così non solo rispettarle, ma anche valorizzarle. A questo scopo egli potrà certamente avvalersi del vicario episcopale per la vita religiosa, ma non nel senso di incaricare qualcuno al fine di non dover più preoccuparsi della questione. In uno dei suoi ultimi scritti, Giovanni Paolo II ha accennato alle proprie esperienze positive circa la collaborazione degli ordini religiosi e l’aiuto che da loro ha ricevuto nella sua missione di vescovo. Tuttavia, egli ha aggiunto: «È umano che, di tanto in tanto, possa sorgere qualche problema, ma si può sempre trovare una soluzione, purché il vescovo sappia mettersi in ascolto della comunità religiosa rispettandone la legittima autonomia e purché la comunità, a sua volta, sappia fattivamente riconoscere nel vescovo il responsabile ultimo della pastorale nel territorio diocesano»9. Una delle conferenze che l’allora cardinale J. Ratzinger diede nel 1990 ai vescovi del Brasile si intitola Chiesa universale e Chiesa particolare. Il compito del vescovo10. Nella terza e ultima sezione della conferenza, egli si riferì alle conseguenze che derivano dalla struttura universale-particolare della Chiesa per il ministero episcopale. Quest’ultimo è visto come anello di una duplice congiunzione: il vescovo è «responsabile dell’unità della Chiesa locale nella sua diocesi, spetta altresì a lui mediare l’unità della sua Chiesa particolare con
8
J. Beyer, Religiosi e Chiesa locale. Da «Mutuae Relationes» al nuovo Codice, in: Vita consacrata 21 (1985) 840 – 859: 849. 9
Giovanni Paolo II, Alzatevi, andiamo!, Milano 2004, 97.
10
In: J. Ratzinger, La Chiesa. Una comunità sempre in cammino, Cinisello Balsamo 1991, 55 – 74.
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l’intera e unica Chiesa di Gesù Cristo, e vivificarla» (p. 68). Di conseguenza, «egli non tollera che la Chiesa locale si rinchiuda in se stessa, ma anzi la inserisce nel tutto, di modo che le forze vivificanti dei carismi possano affluire in essa e da essa scaturire» (p. 72). Il vescovo è quindi il principale responsabile per il fruttuoso inserimento dei religiosi nella pastorale diocesana e lo sarà nella misura in cui risponderà alla loro originalità carismatica. «La vita consacrata – ha notato A. Montan – desidera essere accolta non solo per quello che fa, ma anche, e primariamente, per quello che è»11. Ma questa responsabilità ricade anche sui presbiteri e su tutti i fedeli. Nel discorso che il lunedì 30 maggio 2005 Benedetto XVI ha rivolto in Vaticano alla 54ª Assemblea Generale della Conferenza Episcopale Italiana ha ricordato «la necessità che le parrocchie assumano un atteggiamento maggiormente missionario nella pastorale quotidiana e pertanto si aprano ad una più intensa collaborazione con tutte le forze vive di cui la Chiesa oggi dispone. È molto importante, al riguardo, che si rafforzi la comunione tra le strutture parrocchiali e le varie realtà ’carismatiche‘ sorte negli ultimi decenni e largamente presenti in Italia12, affinché la missione possa raggiungere tutti gli ambienti di vita. Al medesimo fine un contributo prezioso viene certamente dalla presenza delle comunità religiose, in Italia ancora numerose nonostante la scarsità delle vocazioni». Ciò vale in modo particolare per i sacerdoti diocesani. A volte si osserva la tendenza a considerare i loro fratelli religiosi come se fossero di «un altro mondo». Si potrebbero qui ricordare i numerosi appelli contenuti in tanti documenti magisteriali a favore della fraternità e della collaborazione sacerdotale nell’unità del presbiterio, di cui ci occuperemo più avanti. 3. Promuovere una pastorale organica, ma non rigida Giovanni Paolo II ha ricordato che «ai Vescovi è chiesto di accogliere e stimare i carismi della vita consacrata, dando loro spazio nei progetti della pastorale diocesana» (VC 48).
11 A. Montan, L’ecclesiologia di comunione tra vescovi e religiosi nelle «Mutuae Relationes», in AA. VV., XXV di «Mutuae relationes» (Anm. 1), 161 – 184: 182. 12
Sul tema dell’inserimento dei movimenti ecclesiali nelle parrocchie cf. il mio studio di prossima pubblicazione «Per un proficuo rapporto fra parrocchia e movimenti», in: Annales theologici (2005).
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Il vescovo, insegna il Vaticano II, deve moderare «tutto quanto appartiene all’ordine del culto e dell’apostolato» (LG 27/a). La sua funzione di episkopè richiede la sua vigilanza, affinché le diverse iniziative apostoliche originate dai carismi vengano svolte nella concordia e contribuiscano effettivamente all’edificazione della Chiesa. La sua potestà non va però intesa come il centro dalla cui pienezza sgorgano tutti i ministeri e le iniziative apostoliche nella sua diocesi, ma come il centro che unifica, coordina, incoraggia, promuove e modera, sempre consapevole della responsabilità di assecondare l’azione multiforme dello Spirito13. In tale prospettiva si deve leggere l’affermazione di Lumen Gentium secondo cui «vi huius potestatis Episcopi sacrum ius et coram Domino officium habent in suos subditos leges ferendi, iudicium faciendi, atque omnia, quae ad cultus apostolatusque ordinem pertinent, moderandi» (LG 27/a). Vale la pena di notare che il testo non dice «governare tutto l’apostolato», ma «moderare tutto quanto si riferisce all’ordine del culto e dell’apostolato». L’oggetto del compito di moderare non è direttamente l’apostolato, ma l’ordine dell’apostolato. Non è infatti uguale dire «moderare l’apostolato» che dire «moderare l’ordine dell’apostolato», procurare cioè che le attività apostoliche si svolgano ordinatamente. La stessa idea ricompare in altri testi conciliari che si riferiscono alla missione della gerarchia riguardo all’apostolato14. È inoltre significativo che il testo conciliare abbia usato il termine «moderare». Il senso di questa missione del vescovo viene esplicitato nel decreto conciliare sulla funzione pastorale dei vescovi nei termini di una «coordinazione e intima connessione di tutte le opere apostoliche» (CD 17/a). A tale scopo il vescovo stabilirà le grandi direttrici che serviranno ad orientare e a promuovere le diverse iniziative apostoliche e vigilerà affinché tutto (nella varietà di vocazioni e carismi) contribuisca all’edificazione della Chiesa. Ciò implica evidentemente che, se il caso lo rendesse necessario, il vescovo potrà (o dovrà) intervenire esercitando la sua potestà di governo per evitare un pluralismo dissolvente. J. Beyer ha giustamente segnalato «il pericolo di una troppo rigida pastorale d’insieme, che non può, come diceva Paolo VI, divenire una costrizione15; 13
Cf. E. Lanne, L’Évêque et les autres ministères, in: Irénikon 48 (1975), 196.
14
Nel Decreto sull’apostolato dei laici troviamo le due seguenti affermazioni: «Non minus necessaria est cooperatio inter varia apostolatus incepta, congrue ab Hierarchia ordinata» (AA 23/a); e quest’altra: «Hierarchiae est laicorum apostolatum fovere, principia et subsidia spiritualia praebere, eiusdem apostolatus exercitium ad bonum commune Ecclesiae ordinare» (AA 24/a). 15
Allocuzione dell’8 febbraio 1973, in: AAS 65 (1973) 95 – 103: 101 – 102.
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coordinare non significa unificare, livellare. La vera unità sta nell’unione di carismi diversi, tutti in un medesimo Spirito» 16 . Nel governo pastorale il vescovo diocesano deve tener conto della cattolicità della Chiesa particolare e non confondere l’unità con l’uniformismo pastorale, rendendo difficile l’inserimento fruttuoso dei diversi carismi. A volte sotto belle espressioni come «coordinazione pastorale», «pastorale d’insieme» o «pastorale organica» si celano tendenze che portano ad un eccessivo sviluppo dell’apparato burocratico della struttura diocesana. Si invade allora la Chiesa con una valanga di norme, programmi e piani pastorali, esercitando un controllo che finisce per considerare legittimo unicamente quanto viene organizzato da certi organismi diocesani 17 . Chi non si piega alle decisioni di tali organismi rischia di trovarsi estromesso da quelle che vengono paradossalmente chiamate «strutture di comunione». IV. Esigenze per i religiosi 1. Inserirsi nella Chiesa particolare, ascoltando e rispondendo alle sue necessità Ogni autentico carisma porta con sé un particolare atteggiamento di servizio e di amore alla Chiesa, così come Cristo l’ha voluta. Di conseguenza, l’essere membri di un istituto religioso non solo non farà perdere di vista la realtà della Chiesa costituita gerarchicamente e articolata in Chiese particolari, ma renderà più consapevoli della propria appartenenza ad essa e più responsabili nel contribuire alla sua edificazione. Di fatto però le caratteristiche della vita religiosa possono portare, in modo più o meno accentuato secondo i vari carismi, ad un certo isolamento dal resto della vita diocesana. La prima esigenza è perciò quella di integrarsi nella comunione della Chiesa locale, comprenderne le necessità e offrire – in virtù del proprio carisma – le risposte della fede. Che ciò non sia scontato lo illustra il seguente episodio. Qualche anno fa si presentò alla Congregazione per la Vita consacrata un tale dicendo che voleva fondare un Istituto religioso il cui carisma fosse quello di lavorare in comunione con il vescovo. Integrarsi quindi, «ascoltare» e «rispondere» alle esigenze della Chiesa particolare, ma come va attuato ciò concretamente? Qualcuno ha parlato della
16 17
Beyer, Religiosi e Chiesa locale (Anm. 8), 856.
Cf. L. Vela, Dialéctica eclesial: Carismas y derecho canónico, in: Estudios Eclesiásticos 65 (1990) 38.
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necessità di «convertirsi al territorio» 18 per cogliere i «segni dei tempi». «Per questo sono necessari – ha precisato questo autore – la lungimiranza che nasce da una grande libertà interiore, da un cuore puro, da una mente onesta e lucida, da una viva tensione tra l’obbedienza al Vangelo e quanto possiamo imparare dalla storia degli uomini (cf. GS 44)» 19 . La questione qui soggiacente è come trovare il giusto equilibrio fra «universalismo» e «localismo». Se prima del Concilio prevaleva la tendenza a sottolineare la dimensione unitaria e universale della Chiesa, nel periodo successivo al Vaticano II sembra predominare la tendenza opposta e si tende a dare maggior rilievo alla realizzazione locale della Chiesa. Sui pericoli del particolarismo si è espresso E. Chiavacci in un articolo dedicato al rapporto fra Chiesa locale e realtà sociopolitica 20 . Il punto cruciale della questione è così formulato: «Dire che l’annuncio cristiano non può sussistere concretamente che storicizzato e concettualizzato non è forse togliere all’annuncio cristiano ogni specificità di contenuto, e lasciarlo in balìa della dinamica culturale?» (p. 92). Secondo l’autore, questo timore ha le sue ragioni, che possono essere ricondotte alle due seguenti preoccupazioni. Da un lato, «la preoccupazione della perdita della trascendenza, e della riduzione dell’annuncio all’esperienza umana di un gruppo in un tempo e in un luogo (la tentazione modernista)»; dall’altro, «la preoccupazione della perdita di identità della Chiesa, in una frantumazione di situazioni di Chiesa, spazialmente e temporalmente isolate, e non riconducibili all’unità» (p. 93). In queste due preoccupazioni si riflettono «i due spettri ormai ben noti dell’orizzontalismo (perdita della trascendenza) e del sociologismo (perdita dell’identità della Chiesa)» (p. 93). L’autore risponde a queste preoccupazioni osservando: «Se si vuol combattere seriamente i rischi dell’orizzontalismo e del sociologismo occorre battere altre strade. Se, come ha rilevato GS 9, la Chiesa ha il compito di «condurre la storia a Cristo», si comprende «perché la riflessione sul sociale acquista rilevanza teologica primaria» (p. 95). Ciò è compito «della Chiesa universale – la ‘cattolica’ – che vive in esperienze concrete nella Chiesa locale. […] Non è la situazione socioculturale che determina o addirittura genera dottrina e vita della Chiesa locale, ma è la situazione socioculturale letta alla luce della fede – con una lettura che sia giudizio e profezia, condanna e annuncio – che identifica 18
M. Assenza, Le istanze del territorio alla Vita consacrata, in: AA.VV., Nel solco del territorio … per il mondo, a cura del CISM, Roma 2004, 215 – 241: 223. 19 20
Ivi: 224.
E. Chiavacci, Chiesa locale e realtà sociopolitica, in: AA.VV., La Chiesa locale. Prospettive Teologiche e Pastorali, a cura di A. Amato, Conferenze della Facoltà Teologica Salesiana, 1975 – 1976, Roma 1976, 87 – 99.
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una Chiesa locale nella sua realtà storica irripetibile, e al tempo stesso la fa essere Chiesa universale ‘situata’» (p. 97). L’autore sintetizza così il suo pensiero: «L’ascolto della parola di Dio da un lato, l’ascolto dei gemiti degli uomini dall’altro sono due ascolti correlati ed esistenzialmente inscindibili: essi sono propri di tutto il popolo, della ‘Chiesa in tutte le sue componenti’. È da questo doppio ascolto – che altro non è che la lettura di fede di una realtà umana data – che nasce la Chiesa locale, nel suo esser Chiesa universale concreta. In mancanza di questo doppio ascolto da parte di tutto il popolo di Dio non si ha Chiesa locale in senso teologico, ma si ha un dipartimento amministrativo di una Chiesa universale astratta e disincarnata» (p. 98).
F. G. Brambilla, in un articolo su La Chiesa locale come spazio in cui si concretizza la missione evangelizzatrice21, ricorda che «per vero la reazione a una cristallizzazione occidentale della figura ecclesiale, portò a sottolineare come elemento determinante e caratterizzante delle Chiese locali proprio l’elemento culturale o storico (geografico, tradizionale ecc.), parlando di Chiesa africana, orientale, riti particolari. L’affermazione se ebbe il pregio di salvare e accentuare l’esigenza giusta del pluralismo ecclesiale, condusse inevitabilmente a caratterizzare la comunità locale dal punto di vista particolare delle culture» (p. 20).
Il pericolo insito in tale processo è «quello di infeudare l’evento Chiesa a una cultura, disattendendo anche l’aspetto di novità del Cristianesimo rispetto a ogni cultura. Acquisito pertanto l’esito del pluralismo, si deve dire che, teologicamente, ciò che fa la Chiesa locale in quanto locale è l’azione dello Spirito nel gioco incrociato degli elementi costitutivi dell’essere della Chiesa, i quali suscitano, valorizzano, assumono le diversità delle culture, ma anche le modificano in un continuo dialogo dove il criterio ultimo è la fedeltà alla novità insuperabile apparsa in Cristo. […] Lo spessore storico delle Chiese locali è quindi prerichiesto e continuamente posto in essere, ma la ragione ultima del differenziarsi e dell’unificarsi dell’esperienza delle Chiese locali sta nell’azione unificante e diversificante dello Spirito, che suscita nella parola, nell’Eucaristia e nei carismi i modi più impensati di essere figli del Padre» (p. 20).
Un’insufficiente comprensione della priorità veritativa del Vangelo rispetto alle culture è stata denunciata dal cardinale Ratzinger nella presentazione della dichiarazione Dominus Iesus quando ha osservato: «Il fatto che il relativismo si presenti, all’insegna dell’incontro con le culture, come la vera filosofia dell’umanità, in grado di garantire la tolleranza e la democrazia, con-
21
In: Presenza pastorale 48 (1978) 7 – 23.
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duce a marginalizzare ulteriormente chi si ostina nella difesa della identità cristiana e nella sua pretesa di diffondere la verità universale e salvifica di Gesù Cristo» 22 .
La necessità di mantenere un giusto equilibrio fra la particolarizzazione proveniente dai diversi elementi umani e fra la necessaria comunione e unità nella fede è stata rilevata da S. Recchi 23 . Fra le conclusioni del suo studio osserva che «pur assumendo gli elementi umani, differenti secondo i paesi e le culture, le Chiese particolari dovranno pur sempre esprimere l’essenziale del mistero di Cristo, che appartiene a tutte e ne fonda la comunione. Il pluralismo nella Chiesa avrà dunque sempre delle frontiere imposte dalla necessaria comunione nella stessa fede, nella vita sacramentale e nell’unione gerarchica. Se si caratterizza troppo la Chiesa particolare, non a partire dalle sue caratteristiche teologiche essenziali, ma a partire dal suo volto socio-culturale, l’ecclesiologia della Chiesa particolare è destinata a riproporre gli stessi equivoci di quella della Chiesa universale, quelli cioè di saldare il cristianesimo, dimenticandone la trascendenza, con una cultura determinata le cui categorie, latine o occidentali, non sono meno ambigue di quelle africane o asiatiche o latinoamericane» (p. 255).
Nella ricerca del giusto equilibrio fra le due tendenze, si dovrà dunque sempre tener presente che i fattori umani e culturali sottostanno al giudizio del Vangelo da cui vengono corretti, purificati e valorizzati. Per quanto essi siano imprescindibili e meritino attenzione, non si può dimenticare che «la diversità enfatizzata rischia di nascondere ciò che sta a fondamento delle esperienze di unità che sono le Chiese» 24 . 2. … ma senza perdere la propria identità Integrarsi, inculturarsi, ma senza perdere la propria identità: ecco la sfida principale che devono continuamente affrontare i religiosi e, con particolare responsabilità, i loro superiori. L’inserimento dei religiosi nella Chiesa partico-
22 J. Ratzinger, Contesto e significato del documento, nell’Osservatore Romano, 6.IX.2000. 23
S. Recchi, Il Codice e l’inculturazione, in: AA.VV., Fondazione del diritto. Tipologia e interpretazione della norma canonica, a cura del Gruppo Italiano Docenti di Diritto canonico, Milano 2001, 235 – 256. 24
G. Canobbio, La Chiesa si realizza in un luogo: riflessione dogmatica, in: AA.VV., La parrocchia in un’ecclesiologia di comunione, a cura di N. Ciola, Bologna 1995, 85 – 107: 107.
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lare, la loro vicinanza a tutte le persone e la loro collaborazione alle diverse iniziative pastorali diocesane non deve andare a scapito della loro identità25. Al di là delle diversità di contenuti e di finalità proprie delle diverse famiglie religiose, la vita consacrata si contraddistingue per la peculiarità della sua «forma», una forma che, per se stessa, induce una tensione con la Chiesa locale. La vita religiosa costituirà sempre, in una certa misura, un contrasto con la vita degli altri fedeli, una diversità che ha un valore di segno escatologico, quanto mai necessario in una società secolarizzata26. Parte importante del segno escatologico che i religiosi sono chiamati ad offrire a tutti i fedeli è costituito, oltre che dalla fedele professione dei propri voti, dalla vita di preghiera. Non è difficile intuire che il desiderio di servire a tante impellenti necessità pastorali diocesane possa portare a trascurare la vita spirituale e, possibilmente, anche la vita fraterna nella propria comunità. Di conseguenza, la forza del proprio carisma viene stemperata o vanificata27.
25 Ciò è stato ben sintetizzato da G. Ghirlanda: «Nell’inserirsi nella diocesi con la propria attività apostolica, un istituto deve armonizzare l’esigenza fondamentale di mantenere con fedeltà la missione e le opere proprie, con le esigenze pastorali locali, che spesso richiedono prudenti e convenienti adattamenti nei mezzi, e nel non assumere opere o attività che non corrispondono al proprio carisma di fondazione»: G. Ghirlanda, Relazioni tra istituti religiosi e vescovi diocesani, in: Informationes 14 (1988) 49 – 89: 80 – 81. 26 Ciò è stato ben descritto nello Strumento di Lavoro elaborato in occasione della XLIII Assemblea Generale della CISM (3-8 novembre 2003). Il n. 10 del menzionato Strumento di Lavoro si intitola: Non avere paura di essere una “presenza scomoda”. In esso si osserva: «L’essere segno escatologico ci impone di essere nella Chiesa e nella storia presenza che porta una sana inquietudine nelle abitudini e nel già consolidato, tanto sul territorio che nelle strutture della Chiesa locale. Povertà, castità e obbedienza diventano così sfida verso una libertà dalle cose e dai ruoli che ci rende appassionati alla domanda di senso presente nell’uomo di oggi»: AA.VV., Chiesa locale, Vita Consacrata e Territorio: un dialogo aperto, a cura della Conferenza Italiana Superiori Maggiori, Roma 2004, 192. Sul «segno escatologico» quale caratteristica della vita consacrata cf. J. Famerée, Église locale et vie consacrée, in: Vie consacrée 4 (1999) 250 – 266: 265. 27 Nel n. 1 del testo appena citato si afferma: «C’è una persuasione fondamentale emersa dal dibattito di questi giorni: la nostra connessione con la Chiesa locale e con il territorio è data in prima battuta non dalle cose che possiamo fare, non dalla nostra utilizzabilità ma dalla testimonianza di santità e dalla promozione di una autentica spiritualità. La nostra vocazione specifica di consacrati, i nostri carismi sono dati innanzitutto per offrire questa testimonianza»: ibid., 182.
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La svolta ecclesiologica conciliare ha spostato il centro dell’attenzione verso la Chiesa locale, verso il ruolo del vescovo diocesano e quello del prete impegnato nella cura animarum. Tale «spostamento» è stato probabilmente necessario e proficuo, potrebbe tuttavia avere conseguenze negative qualora il presbitero religioso interpretasse questo sviluppo sentendosi «spiazzato» e volesse, di conseguenza, imitare il presbitero secolare diocesano, lasciandosi prendere da un «attivismo pastorale» 28 che lo porterebbe a dimenticare o ad alterare il proprio carisma. Giovanni Paolo II ha ricordato che «elementi importanti per un proficuo inserimento degli Istituti nel processo della nuova evangelizzazione sono la fedeltà al carisma di fondazione, la comunione con quanti nella Chiesa sono impegnati nella stessa impresa, specialmente con i Pastori, e la cooperazione con tutti gli uomini di buona volontà» (VC 81). 3. Essere promotori di comunione I religiosi, in virtù dei carismi elargiti dallo Spirito Santo per il bene di tutta la Chiesa, hanno uno speciale legame con il Romano Pontefice e sono chiamati ad essere fermento di comunione missionaria nella Chiesa universale 29 . L’Esortazione ap. Vita consecrata ha ricordato che la carità «armonizza tutte le diversità e a tutti infonde la forza del mutuo sostegno nello slancio apostolico. Proprio a questo tende il peculiare vincolo di comunione, che le varie forme di vita consacrata e le Società di vita apostolica hanno con il Successore di Pietro nel suo ministero di unità e di universalità missionaria» (n. 47). La Lettera Communionis notio (1992) della Congregazione per la Dottrina della Fede ha inoltre fatto notare che i molteplici istituti e società, «per il loro carattere sovradiocesano, radicato nel ministero petrino, sono anche elementi al servizio della comunione tra le diverse Chiese particolari» (n. 16).
28
B. Roggia, E alla fine ci rimane la koinonia! Ma i religiosi come la sviluppano nella Chiesa, in AA.VA., XXV di «Mutuae relationes»…, 233 – 242: 236. Anche la Congregazione per gli Istituti di vita consacrata e le Società di vita apostolica, nell’Istruzione “Ripartire da Cristo” (2002), ha segnalato la «tentazione dell’efficientismo e dell’attivismo» (n. 12). 29
Il can. 590 afferma: «§ 1. Gli istituti di vita consacrata, in quanto dediti in modo speciale al servizio di Dio e di tutta la Chiesa, sono per un titolo peculiare soggetti alla suprema autorità della Chiesa stessa. § 2. I singoli membri sono tenuti ad obbedire al Sommo Pontefice, come loro supremo Superiore, anche in forza del vincolo sacro di obbedienza».
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Quanto abbiamo ricordato sopra a proposito della mutua interiorità fra Chiesa universale e Chiesa particolare, spiega anche l’importanza della comunione con il vescovo locale. La giusta autonomia che viene riconosciuta ai religiosi non può andare a scapito della comunione con il vescovo. L’autonomia ha infatti la finalità di garantire ai religiosi la propria disciplina per poter conservare integro il loro patrimonio spirituale ed apostolico. Essi non possono però invocare la legittima autonomia «per giustificare scelte che di fatto contrastano con le esigenze di organica comunione poste da una sana vita ecclesiale» (VC 48). A volte i vescovi si lamentano che alcuni religiosi impegnati nei mezzi di comunicazione «trascurano il magistero sia universale sia del vescovo locale» 30 . A questo proposito si può ricordare quanto affermato da Mutuae relationes: «Peculiare e delicato dovere dei religiosi è di avere la mente attenta e l’animo docile al magistero della gerarchia e di rendere facile ai vescovi l’esercizio del ministero di ‘dottori autentici’ e di ‘testimoni della divina e cattolica verità’ (cf. LG 25) nell’impegno di responsabilità circa l’insegnamento dottrinale della fede, sia nei centri, dove se ne coltiva lo studio, sia nell’impiego dei mezzi per trasmetterla» (n. 33) 31 . Un valore speciale di segno ha inoltre la vita di comunità che caratterizza i religiosi. «Contro lo spirito di discordia e di divisione, autorità e obbedienza risplendono come un segno di quell’unica paternità che viene da Dio, della fraternità nata dallo Spirito, della libertà interiore di chi si fida di Dio nonostante i limiti umani di quanti Lo rappresentano» (VC 9). Tutto ciò ha una particolare attualità in un mondo in cui spesso predomina un esasperato individualismo. La comunità religiosa ha perciò, fra l’altro, il compito di promuovere «quella mentalità rinnovata che permette di vivere la comunione fraterna attraverso la ricchezza dei diversi doni e, nello stesso tempo, sospinge questi doni a convergere verso la fraternità e verso la corresponsabilità nel progetto apostolico» 32 .
30
La citazione è tratta da un documento redatto dall’Unione Superiori Generali quale frutto di incontri tenuti nel 1975, citato da Montan, L’ecclesiologia di comunione (Anm. 11), 165. 31 32
Cf. anche i nn. 34 e 35 di questo documento.
Congregazione per gli Istituti di vita consacrata e le Società di vita apostolica, La vita fraterna in comunità, 1994, n. 39.
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V. Alcune questioni particolari 1. Come «localizzare» i carismi della vita religiosa senza tradirne il carattere universale Indubbiamente i diversi carismi della vita religiosa si caratterizzano normalmente per la loro dimensione universale. Si tratta di un dono dello Spirito destinato non ad una determinata Chiesa, ma a tutta la Chiesa, o comunque ad un ambito più ampio di quello di una diocesi. Ciò non esime tuttavia dall’esigenza di inculturalizzare il proprio spirito in ogni Chiesa. Non nel senso di forzare il carisma per «adattarlo» ad una cultura determinata, ma nel senso di far sì che esso possa vivificare e arricchire quella cultura33. D’altra parte potrebbe sorgere una difficoltà a causa di una certa «chiusura» della Chiesa locale nei confronti di un carisma che viene considerato estraneo alla propria storia, consuetudini o tradizioni. Si dovrebbe qui ricordare il pericolo di un «localismo» che non tiene conto della necessaria connessione della Chiesa locale con quella universale. Si tratta perciò anche qui di armonizzare le due seguenti esigenze. Da un lato, la convinzione che, sebbene non sia il luogo a edificare la Chiesa, questo, se inteso come spazio umano, non può essere ritenuto esterno al farsi della Chiesa in concreto. Grazie alla Parola di Dio, ai sacramenti, ai carismi, degli uomini concreti vengono conformati a Cristo e costituiscono la Chiesa portando con sé la loro storia, che viene trascesa appunto nel momento in cui viene inserita in Cristo mediante lo Spirito. D’altra parte, va riaffermata la priorità genetica dei fattori divini. L’evento di Gesù Cristo è irriducibile al luogo; né lo si può dedurre dalla cultura dell’ambiente, né si lascia da essa imprigionare. Già nel suo momento originario, l’evento di Gesù si è presentato come una novità rispetto all’ambiente giudaico: ne ha assunto la cultura e le tradizioni, ma non vi si è lasciato rinchiudere34. 33
A tal riguardo, Mutuae relationes ha osservato: «I religiosi, anche se appartengono ad un istituto di diritto pontificio, devono sentirsi veramente partecipi della ‘famiglia diocesana’ (cf. CD 34) e assumersi l’impegno del necessario adattamento; e opportunamente favoriscano anche le vocazioni locali sia per il clero diocesano sia per la vita consacrata; inoltre quanto ai candidati delle loro congregazioni, li formino in modo che realmente vivano secondo la genuina cultura locale, ma nello stesso tempo siano attentamente vigili, affinché nessuno mai aberri sia dall’impulso missionario inerente alla stessa vocazione religiosa sia dall’unità e dall’indole propria di ciascun istituto» (n. 18). 34 Cf. B. Maggioni, La figura della chiesa locale nel Nuovo Testamento, in: Credere Oggi 41 (1987) 46.
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I condizionamenti provenienti dallo spazio umano non devono perciò compromettere la novità e la forza critica del messaggio cristiano, una novità che oltrepassa ogni luogo. Nella ricerca della giusta armonizzazione delle due menzionate esigenze, si dovrà dunque sempre tener presente che i fattori umani e culturali sottostanno al giudizio del Vangelo da cui vengono corretti, purificati e valorizzati. Per quanto essi siano imprescindibili e meritino attenzione, non si può dimenticare che «la diversità enfatizzata rischia di nascondere ciò che sta a fondamento delle esperienze di unità che sono le Chiese» 35 . 2. Autonomia o esenzione? La svolta codiciale Il significato attuale dell’esenzione, così come l’ha regolata il codice, e il suo rapporto con la legittima autonomia, richiederebbe uno studio più particolareggiato di quanto sia ora possibile. Mi limito perciò a qualche breve cenno. La storia di questo fenomeno inizia nel secolo settimo, quando il monastero di Bobbio fece ricorso al papa per difendere i propri beni dei quali il vescovo voleva appropriarsi. Con gli ordini mendicanti e i chierici regolari l’esenzione rispose prevalentemente alla finalità di rendere più agevole ed efficace la loro opera apostolica per il bene di tutta la Chiesa. L’esenzione ha costituito sempre un provvedimento del Romano Pontefice a difesa dell’autonomia di vita dei religiosi e, in modo particolare, per proteggerli dalle ingerenze del vescovo locale. Il codice ha riaffermato il principio secondo cui tutti gli istituti di vita consacrata sono soggetti nelle attività esterne di apostolato alla giurisdizione dell’Ordinario del luogo (cf. can. 678). D’altra parte il codice ha anche sottolineato in diversi canoni la legittima autonomia degli istituti religiosi e solo nel can. 591 si riferisce all’esenzione nei seguenti termini: «Per meglio provvedere al bene degli istituti e alle necessità dell’apostolato il Sommo Pontefice, in ragione del suo primato sulla Chiesa universale, può esimere gli istituti di vita consacrata dal governo degli Ordinari del luogo e sottoporli soltanto alla propria autorità, o ad altra autorità ecclesiastica, in vista di un vantaggio comune». L’esenzione costituisce quindi un provvedimento – di ampiezza non specificata dal codice – che spetta al Romano Pontefice, ma che finora non ha attuato.
35 G. Canobbio, La Chiesa si realizza in un luogo: riflessione dogmatica, in: AA.VV., La parrocchia in un’ecclesiologia di comunione, a cura di N. Ciola, Bologna 1995, 107.
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Alcuni autori, pur riconoscendo che il codice ha limitato l’esenzione dei religiosi, soprattutto per quanto riguarda la loro attività apostolica, affermano tuttavia che essa non può essere ridotta all’ordine interno degli istituti e che non è vero che essa sia ormai sostituita dalla giusta autonomia. Costoro ricordano, fra l’altro che, in base al can. 4, i privilegi concessi dalla S. Sede rimangono integri per i singoli istituti che li hanno ricevuti se non sono stati finora revocati 36 . V. De Paolis – e con lui mi sembra concordino la maggior parte degli autori –, è invece dell’opinione che «tutte le facoltà che erano concesse agli istituti esenti in forza dell’esenzione, oggi sono partecipate a tutti gli istituti clericali di diritto pontificio, in forza del principio dell’autonomia» 37 . Secondo questo autore, pur ammettendo che i privilegi concessi in forza dell’esenzione rimangono tutt’ora in vigore, «le facoltà che gli istituti esenti avevano in base al privilegio dell’esenzione oggi sono da essi possedute in forza del principio dell’autonomia» 38 . Sul tema mi sembra chiarificatrice un recente studio di Orlando Manzo. Egli conclude facendo notare che l’esenzione «può riguardare solo l’ordine esterno degli Istituti di diritto pontificio, perché quello interno è già sotto la giurisdizione del Romano Pontefice (can. 593) e non dell’Ordinario del luogo. Invece, per gli Istituti laicali, di diritto diocesano ed i monasteri sui iuris (can. 615), è possibile anche un’esenzione relativa all’ordine interno, ma solo per le specifiche competenze che il diritto attribuisce all’Ordinario del luogo, in quanto anche detti Istituti dipendono direttamente dal Romano Pontefice, a norma del can. 593, per quanto riguarda l’ordine interno» 39 .
Comunque venga intesa l’esenzione, si deve tener presente quanto ha precisato l’Esortazione Vita consecrata:
36
Cf. Ghirlanda, Relazioni (Anm. 25), 49 – 89: 70; nello stesso senso cf. anche Beyer, Religiosi e Chiesa locale (Anm. 8), 853. 37
V. De Paolis, La vita consacrata nella Chiesa, Bologna 1992, 135.
38
Ibid. Nello stesso senso si sono ad esempio espressi: G. Angelini, Vita religiosa e riforma odierna della Chiesa. Riflessione teologico-pratica conclusiva, in: AA.VV., Religiosi e Chiesa particolare, a cura della Facoltà Teologica dell’Italia Settentrionale, Torino 1986, 177 – 201: 187; J. García Martín, Elaboración e interpretación del c. 591 sobre la exención según los principios del C. Vaticano II, in: Commentarium pro religiosis et missionariis 72 (1991) 49 – 92: 90 – 92. 39
O. Manzo, L’esenzione canonica degli Istituti di vita consacrata (can. 591), Roma 2005, 140 – 141. Si tratta della Tesi di dottorato (partim edita) recentemente discussa presso la Facoltà di Diritto Canonico della Pontificia Università della Santa Croce. Dello stesso autore cf. L’esenzione degli Istituti di Vita Consacrata, in: Commentarium pro religiosis et missionariis (2005), di prossima pubblicazione.
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«Giova ricordare che, nel coordinare il servizio alla Chiesa universale con quello alla Chiesa particolare, gli Istituti non possono invocare la legittima autonomia e la stessa esenzione, di cui molti di loro godono, per giustificare scelte che di fatto contrastano con le esigenze di organica comunione poste da una sana vita ecclesiale. Occorre invece che le iniziative pastorali delle persone consacrate siano decise ed attuate sulla base di un dialogo cordiale e aperto tra Vescovi e Superiori dei vari Istituti. La speciale attenzione da parte dei Vescovi alla vocazione e missione degli Istituti e il rispetto, da parte di questi, del ministero dei Vescovi, con la pronta accoglienza delle loro concrete indicazioni pastorali per la vita diocesana, rappresentano due forme intimamente connesse di quell’unica carità ecclesiale che impegna tutti al servizio della comunione organica – carismatica e insieme gerarchicamente strutturata – dell’intero Popolo di Dio» (VC 49).
3. I pericoli che l’inserimento nella pastorale diocesana costituisce per i religiosi Uno sconsiderato inserimento nella pastorale diocesana può avere ovvie conseguenze negative circa la salvaguardia del proprio carisma, della propria specifica vocazione e missione ecclesiale. I religiosi possono infatti essere indotti – magari anche spinti da sentimenti di generosità e di zelo apostolico – a trascurare la vita di preghiera e quella di comunità, nonché l’obbedienza nei confronti dei superiori del proprio istituto. Secondo alcune informazioni che mi sono giunte, in particolare dagli USA, non è purtroppo raro il caso di religiosi che, di fatto, agiscono come esenti dall’ordinario sia religioso che locale. Unito a questo fenomeno va ricordato quello della secolarizzazione che, come per osmosi, può penetrare anche nella vita religiosa. In diversi istituti c’è inoltre la tendenza ad accentuare nella propria missione la penetrazione evangelica delle realtà temporali. A tal riguardo J. Beyer ha osservato che, dopo il Concilio, alcuni istituti religiosi hanno preteso di fare come gli istituti secolari «senza esservi chiamati; così di certi gruppi religiosi si sono fatti dei ‘cattivi istituti secolari’!» 40 . Si comprende così la raccomandazione rivolta ai religiosi, affinché siano «prudenti nel voler assumere lavori che richiedono il vivere normalmente fuori comunità e altrettanto prudenti siano i superiori nell’affidarli» 41 . Una menzione a parte richiede il tema della parrocchia affidata a religiosi.
40 41
Beyer, Religiosi e Chiesa locale (Anm. 8), 858.
Congregazione per gli Istituti di vita consacrata e le Società di vita apostolica, La vita fraterna in comunità, n. 65.
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4. La parrocchia affidata ad un istituto religioso Negli ultimi decenni, a causa soprattutto della diminuzione del numero dei sacerdoti, in molte diocesi c’è stato un aumento delle parrocchie affidate a istituti religiosi. È cresciuto anche il numero degli istituti religiosi che hanno accettato l’affidamento di parrocchie. Fra di essi ci sono anche alcuni ordini, come ad esempio i carmelitani scalzi, che hanno tolto la proibizione contenuta nelle loro costituzioni di accettare tale affidamento. I benedettini e alcuni ordini mendicanti, come i cappuccini – che da parecchio tempo accettavano l’affidamento di parrocchie – hanno incrementato tale accettazione. Secondo i dati più recenti, sembra però che, almeno in Italia, questi ultimi abbiano iniziato una controtendenza. Non so se ciò sia dovuto più al calo delle vocazioni o al verificarsi di non buone esperienze. Negli ultimi anni non sono mancati gli autori che hanno denunciato le conseguenze infauste di un eccessivo «parrocchialismo» della vita religiosa 42 . Questo affidamento pone infatti diversi problemi, soprattutto per i religiosi, ma anche per i parrocchiani. Per i religiosi i problemi derivano dalle evidenti difficoltà di conciliare la loro propria forma di vita religiosa con quella di parroco o di suo collaboratore. Il lavoro parrocchiale dei religiosi può risultare particolarmente problematico nel caso in cui «la loro presenza nelle parrocchie fosse considerata solo con un carattere di supplenza e non, invece, un’applicazione pastorale del loro carisma apostolico» 43 . Per i parrocchiani il problema può sorgere nel caso in cui la pastorale parrocchiale fosse unilateralmente impostata secondo il carisma dell’istituto 44 .
42
Cf., per esempio, S.Em.R. C. Amigó Vallejo, El despliegue de las mutuas relaciones, in: Vida religiosa 86 (1999) 193 – 200: 197. 43
Congregazione per gli Istituti di vita consacrata e le Società di vita apostolica, La vita consacrata e la sua missione nella Chiesa e nel mondo. Instrumentum laboris del Sinodo dei vescovi, IX Assemblea generale ordinaria, n. 77. 44
Ciò non toglie che i religiosi impegnati in opere non proprie – come giustamente rilevato da G. Ghirlanda – «debbono essere lasciati liberi di farlo secondo il proprio stile e il proprio metodo, e che l’impegno in tali opere non li deve distogliere dal loro legame con la propria comunità e con i propri superiori»: Ghirlanda, Relazioni (Anm. 25), 84.
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Un problema particolare sorge laddove gli ordinari di un istituto religioso emanano direttive per le parrocchie loro affidate come se fossero – o quasi – delle opere proprie dell’istituto. Circa questa problematica va anche tenuto conto che esistono diversi tipi di parrocchie. Di conseguenza, le esigenze pastorali che vanno poste in una parrocchia di una cittadina, in cui c’è solo una o poche parrocchie, sono ben diverse da quelle di una grande città, dove può risultare ragionevole che esistano anche parrocchie con caratteristiche specifiche. 5. Le opere proprie di un istituto religioso Come ha fatto notare Mutuae relationes, si deve tener presente la differenza fra le opere affidate ad un istituto dall’ordinario del luogo 45 da quelle che sono sue opere proprie. Il consenso del Vescovo diocesano per l’erezione di una casa religiosa implica il diritto «di esercitare le opere proprie dell’istituto, a norma del diritto, salve restando le condizioni apposte nell’atto del consenso» (can. 611, 2°). Il codice, sulla scia delle riflessioni conciliari, ha sottolineato la potestà del vescovo diocesano per tutto quanto appartiene all’ordine dell’apostolato che si svolge nella diocesi e quindi anche nei confronti delle opere proprie degli istituti religiosi 46 . Nell’organizzazione di tali opere il codice parla della necessità di una «reciproca intesa». Evidentemente, per quanto si cerchi di stabilire i termini di tale intesa, è inevitabile che nella pratica sorgano sempre nuove o impreviste questioni. La tendenza predominante, almeno di fatto, mi sembra essere una crescente pretesa da parte dei superiori religiosi di avere più potestà in questi ambiti. Tocchiamo qui forse uno dei punti più difficili per trovare il giusto equilibrio fra legittima autonomia per poter esercitare l’apostolato secondo il proprio 45
Il documento stabilisce alcune norme per favorire una certa stabilità della cooperazione pastorale (cf. nn. 57 – 58). 46
Ciò è particolarmente chiaro nel can. 678: «§ 1. I religiosi sono soggetti alla potestà del vescovo, ai quali devono rispetto devoto e riverenza in ciò che riguarda la cura delle anime, l’esercizio pubblico del culto divino e le altre opere di apostolato. § 2. Nell’esercizio dell’apostolato esterno i religiosi sono soggetti anche ai propri superiori e devono mantenersi fedeli alla disciplina dell’istituto; i vescovi stessi non tralascino di urgere, quando occorre, un tale obbligo. § 3. Nell’organizzare le attività apostoliche dei religiosi è necessario che i vescovi diocesani e i superiori religiosi procedano su un piano di reciproca intesa».
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carisma e la necessaria comunione con il vescovo e i presbiteri della Chiesa particolare. Per essere ancora più concreto, ricordo i problemi che spesso emergono fra parrocchie e scuole dirette da religiosi a proposito della prima Comunione e della Cresima 47 . 6. I presbiteri religiosi nell’unità del presbiterio della Chiesa particolare Sull’appartenenza dei sacerdoti religiosi al presbiterio della Chiesa particolare non tutti gli autori sono d’accordo, e anche negli statuti dei consigli presbiterali delle rispettive diocesi la loro appartenenza al presbiterio non è sempre riconosciuta, come invece sembra chiaramente affermato dai documenti del magistero postconciliare 48 . In realtà la questione non aveva trovato nei testi conciliari una risposta univoca. Il decreto Christus Dominus considera il presbiterio costituito da coloro che sono incardinati o addetti a una Chiesa particolare (cf. CD 28/a). Riconosce tuttavia che i religiosi che partecipano alla cura delle anime «vera quadam ratione» appartengono al clero della diocesi (cf. CD 34/a). Anche Presbyterorum ordinis sembra voler seguire la concezione restrittiva di CD quando afferma che i presbiteri «formano un unico presbiterio nella diocesi al cui servizio sono assegnati sotto il proprio vescovo» (PO 8/a). Nello stesso paragrafo si tende però ad ampliare l’appartenenza al presbiterio considerando che l’edificazione del corpo di Cristo esige molteplici funzioni e si conclude affermando: «Pertanto, è assai necessario che tutti i presbiteri, sia diocesani che religiosi, si aiutino a vicenda, in modo da essere cooperatori della verità» (PO 8/a). Il testo conciliare che più chiaramente include nel presbiterio anche sacerdoti non incardinati nella corrispondente Chiesa particolare si trova nella seguente affermazione del decreto Ad gentes: «I sacerdoti del luogo attendano con molto zelo all’opera di evangelizzazione nelle giovani Chiese, collaborando attivamente con i missionari stranieri, con i quali costituiscono un unico presbiterio, riunito sotto l’autorità del vescovo» (AG 20/c).
47 Va qui ricordato il can. 806 § 1: «Al Vescovo diocesano compete il diritto di vigilare e di visitare le scuole cattoliche situate nel suo territorio, anche quelle fondate o dirette da membri di istituti religiosi; a lui parimenti compete dare disposizioni che concernono l’ordinamento generale delle scuole cattoliche: e queste disposizioni hanno valore anche circa le scuole che sono dirette dai medesimi religiosi, salva però la loro autonomia sulla conduzione interna di tali scuole». 48
Sul tema cf. il mio studio “Il presbiterio della Chiesa particolare. Questioni canonistiche ed ecclesiologiche nei documenti del magistero e nel dibattito postconciliare”, Milano 1993.
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È questa la linea seguita dai successivi pronunciamenti della Santa Sede. Si è così imposta la concezione secondo la quale appartengono al presbiterio di una Chiesa particolare non solo i sacerdoti incardinati in essa, ma anche tutti quelli risiedono e/o operano pastoralmente nella stessa. In modo particolarmente esplicito si è espresso il papa nell’Esortazione ap. Pastores dabo vobis affermando: «Dell’unico presbiterio fanno parte, a titolo diverso, anche i presbiteri religiosi residenti e operanti in una Chiesa particolare. La loro presenza costituisce un arricchimento per tutti i sacerdoti e i vari carismi particolari da essi vissuti, mentre sono un richiamo perché i presbiteri crescano nella comprensione del sacerdozio stesso, contribuiscono a stimolare e ad accompagnare la formazione permanente dei sacerdoti» (n. 74/f).
Nello stesso documento si osserva anche: «I sacerdoti, che appartengono ad ordini e a congregazioni religiose, sono una ricchezza spirituale per l’intero presbiterio diocesano, al quale offrono il contributo di specifici carismi e di ministeri qualificati, stimolando con la loro presenza la Chiesa particolare a vivere più intensamente la sua apertura universale» (n. 31/d).
Più avanti si segnala che: «Da parte loro, i religiosi saranno attenti a garantire uno spirito di vera comunione ecclesiale, una partecipazione cordiale al cammino della Diocesi e alle scelte pastorali del Vescovo, mettendo volentieri a disposizione il proprio carisma per l’edificazione di tutti nella carità» (n. 74/i).
Il CIC, pur non specificando chi appartiene al presbiterio, ha offerto importanti indicazioni stabilendo chi possiede diritto attivo e passivo di elezione in ordine alla costituzione del consiglio presbiterale (che rappresenta il presbiterio). Vengono infatti inclusi i sacerdoti non incardinati che, «dimorando nella diocesi, esercitano qualche ufficio a vantaggio della medesima» (can. 498 § 1, n. 2) 49 . In merito alla formulazione di questo canone è interessante ricordare che nelle redazioni precedenti si diceva: «qui in dioecesi officium aliquod ab Episcopo dioecesano collatum exercent» 50 . La sostituzione di «uffici conferiti dal vescovo» con l’espressione «uffici in favore della diocesi» ci sembra alquanto significativa rispetto alla presa di coscienza della realtà ecclesiologica soggiacente al presbiterio.
49
Anche la Nota «Mutuae relationes» aveva indicato: «Si provveda che i religiosi sacerdoti facciano parte, in congrua presenza, dei consigli presbiterali» (n. 56). 50
In: Communicationes 14 (1982) 216.
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Giustamente si è fatto notare che «la discriminazione ancora esistente nei riguardi dei religiosi-sacerdoti potrebbe essere il sintomo di una discriminazione nei riguardi di tutti i religiosi, uomini e donne. Essi farebbero parte della diocesi, ma soltanto ‚fino a un certo punto‘» 51 .
Il motivo teologico di fondo, per cui nel presbiterio di una Chiesa particolare si debbano includere tutti i sacerdoti che contribuiscono all’edificazione di quella portio populi Dei, si trova nel riconoscimento che, in quest’ultima, la Chiesa una e cattolica «vere inest et operatur» (CD 11/a) e che la Chiesa particolare è imago della Chiesa universale (cf. LG 23/a). VI. Osservazione finale Al termine di queste pagine devo riconoscere che molte questioni avrebbero meritato un’attenzione più circostanziata e probabilmente altre non sono state nemmeno menzionate, come per esempio quelle di tipo economico o quelle riguardanti il regime dei santuari. Mi auguro comunque che queste riflessioni possano in qualche modo contribuire ad un sempre più pacifico e proficuo rapporto fra la vita religiosa e la Chiesa particolare.
51
Montan, L’ecclesiologia di comunione (Anm. 11), 167.
Charismen, geistliche Vollmacht und Leitung der Institute des geweihten Lebens Von Libero Gerosa „Quod non est in Codice, non est in mundo“ – das ist der provokative Satz, den die Kommentatoren des Codex Iuris Canonici von 1917 gerne dessen Hauptverfasser, Kardinal Pietro Gasparri zuschrieben 1 . Will man heute, im dritten Jahrtausend, die Arbeit des Kirchenrechtlers in einen ebenso provokativen Satz fassen, so könnte man folgendes Motto vorschlagen: „Canonista sine theologo, nihil“ 2 ; zum einen, weil es in der katholischen Kirche nicht mehr nur ein Gesetzbuch gibt, sondern zwei (den CIC und den CCEO), vor allem aber deshalb, weil die Konzilsväter des II. Vatikanischen Konzils ausdrücklich gefordert haben, bei der Behandlung des kanonisches Rechts den Blick auf das Mysterium der Kirche zu lenken (OT 16,4). Diese klare methodologische Richtungsweisung, die im Februar 1983 von Papst Johannes Paul II. noch einmal bestätigt wurde 3 , besagt auch, dass das Recht der Kirche sich nie ausschließlich auf einen oder mehrere Gesetzbücher beschränken lässt, sondern die Rechtsordnung einer „lebendigen Gemeinschaft“ ist 4 . Und das wird noch bedeutsamer, wenn man Wirklichkeiten charismatischen Ursprungs mit einbezieht, wie die kirchlichen Bewegungen und die verschiedenen alten und neuen Formen
1
Vgl. José Luis Gutierrez, Alcune questioni sull’interpretazione della legge, in: Apollinaris 60 (1987), S. 507 – 525, hier S. 515. 2
Ebd., S. 510.
3
Vgl. Johannes Paul II., Ansprache vom 3. Februar 1983: „Die Gesetze sind ein freigebiges Geschenk Gottes und ihre Beobachtung ist wahre Weisheit“, in: AAS 75 (1983), S. 463. 4
Gutierrez, Alcune questioni sull’interpretazione della legge (Anm. 1), S. 517. Zu der Wichtigkeit dieses und weiterer hermeneutischer Grundsätze zur Erneuerung der kanonistischen Lehre über die Interpretation kanonischer Gesetze vgl. Libero Gerosa, Grundlagen und Paradigmen der Gesetzesauslegung in der Kirche. Zukunftsperspektiven für die katholische Kanonistik, Münster / Hamburg / London 1999, S. 102 – 141, vor allem S. 109 – 111; Ludger Müller, Kirchenrecht als kommunikative Ordnung, in: AfkKR 172 (2003), S. 353 – 379.
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des geweihten Lebens sowie die unterschiedlichen Beziehungen zwischen beiden und zwischen ihnen und den institutionellen Kirchen. Das Thema ist so weit und komplex, dass sich die folgenden Überlegungen auf einen einzigen Aspekt konzentrieren müssen, der kennzeichnend ist und darum der Auslöser für weitere Untersuchungen sein kann: der Leitungsdienst, seine Natur und vor allem seine Ausübungsweisen innerhalb dieser spezifischen kirchlichen Wirklichkeiten. Zuerst ist es jedoch notwendig, sich auf die vom II. Vatikanischen Konzil festgelegten Hauptkoordinaten zu konzentrieren, innerhalb derer die verschiedenen in Frage stehenden Begriffe – Gründungscharismen, Formen des geweihten Lebens, kirchlicher Leitungsdienst – ihre authentische theologische Bedeutung erhalten. Auf diese Hauptkoordinaten hat die Arbeit des Kanonisten notwendigerweise Bezug zu nehmen. I. Ekklesiologisch-konstitutionelle Bedeutung des Begriffs Charisma 1. Die Lehre des II. Vatikanischen Konzils über Funktion und Wesen der Charismen Im I. Vatikanischen Konzil kommt der Begriff Charisma ein einziges Mal in der Bestimmung der Rolle der Hierarchie vor, nämlich in der Konstitution Pastor aeternus (1870) im Zusammenhang mit der Unfehlbarkeit des Papstes (DS 3071). In der Enzyklika Divinum illud munus Leos XIII., die allgemein als Meilenstein im Entwicklungsprozess der katholischen Pneumatologie betrachtet wird 5 , ist von Charismen ausschließlich in Bezug auf die Heiligen und auf die konkreten Heiligungsformen der Kirche die Rede (DS 3328). Beide Sachverhalte haben zweifellos dazu beigetragen, dass sich die katholische Theologie lange Zeit nicht damit abgab, die Struktur und Organisation der christlichen Urgemeinde zu studieren. Letztere stand hingegen im Zentrum der Polemik, die am Ende des 19. Jahrhunderts auf protestantischer Seite über die Rolle der Charismen und der Ämter im Leben der Kirche entbrannte. Der apologetische Ton, den das päpstliche Lehramt bei der Darlegung der Frage nach den Charismen gegenüber der protestantischen Kritik annahm, wird somit erst von der Enzyklika Mystici corporis (1943) Pius XII. zum ersten Mal überwunden. Dort ist nämlich endlich wieder die Rede von den Charismen gemäß ihrer ekklesiologischen Bedeutung, die der heilige Paulus dem griechischen Begriff gab, und nicht nur im mystischen Sinn außerordentlicher, wun5
Vgl. Alvaro Huerga, La enciclica de León XIII sobre el Espiritu Santo, in: Atti del Congresso Teologico Internazionale di Pneumatologia, Città del Vaticano 1983, Bd. I, S. 507 – 516, insbesondere S. 507.
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derbarer Gaben. In perfekter Übereinstimmung mit der paulinischen Lehre betont nämlich diese Enzyklika, dass die Charismen „... nicht so sehr der Person, sondern vornehmlich zum Nutzen und zum geistlichen Aufbau der ganzen Kirche“ 6 geschenkt werden. Die ekklesiologische Rolle der Charismen wird jedoch erst durch das II. Vatikanische Konzil deutlich gemacht. Zwar machen die Konzilstexte von den Begriffen charisma und charismaticus alles in allem nur zurückhaltend Gebrauch 7 , paradoxerweise stellt aber diese Nüchternheit die Charismen nicht in den Schatten, sondern hebt schließlich die spezifische Natur der Charismen im Vergleich mit den anderen Gaben des Heiligen Geistes und ihre entscheidende ekklesiologische Rolle stärker hervor. Bei einer aufmerksamen Lektüre von LG 12,2, eines Textes, der durch und durch von der neutestamentlichen Bedeutung des Wortes Charisma geprägt ist, erhellt klar, dass die Konzilsväter des II. Vatikanischen Konzils seine spezifische Natur durch fünf Aussagen ins rechte Licht stellen wollten: a) Die Charismen sind „besondere Gnaden“ („gratias speciales“); b) die der Heilige Geist „wie er will ... unter den Gläubigen jeglichen Standes verteilt“. c) „Durch diese macht er sie geeignet und bereit („aptos et promptos“), für die Erneuerung und den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen“. d) „Diese Gnadengaben“ können „von besonderer Leuchtkraft oder aber schlichter und allgemeiner verbreitet“ sein. e) Alle aber unterstehen in Bezug auf „ihre Echtheit und ihren geordneten Gebrauch“ dem Urteil derer, „die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen“, falls sie sich als echt erweisen.
6
Sebastian Tromp, Corpus Christi quod est Ecclesia, III, De Spiritu Christi anima, Rom 1960, S. 294. 7
Der Begriff charisma kommt elfmal vor (LG 12,2; 25,3; 30; 50,1; DV 8,2; AA 3,3 – 4; 30,11; AG 23,1; 28,1; PO 4,2; 9,3), während das davon abgeleitete Adjektiv charismaticus nur dreimal vorkommt (LG 4,1; 7,3; AG 4). Zu einer eingehenden Analyse dieser Texte vgl. Giuseppe Rambaldi, Uso e significato di „Charisma“ nel Vaticano II. Analisi e confronto di due passi conciliari sui carismi, in: Gregorianum 66 (1975), S. 141 – 162; Libero Gerosa, Il „carisma“ e l’edificazione della „communio“ secondo il Concilio Vaticano II, in: Strumento internazionale per il lavoro teologico: Communio 129 (1993), S. 102 – 106.
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In LG 4,1 wird gesagt: Der Heilige Geist „führt die Kirche in alle Wahrheit ein (vgl. Joh 16,13), einigt sie in Gemeinschaft und Dienstleistung, bereitet und lenkt sie durch die verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben ...“
Dieser Text betont, dass die geheimnisvolle Einheit der kirchlichen Gemeinschaft vom Heiligen Geist durch zwei verschiedene Arten von Gaben verwirklicht wird, die er der Kirche gleichzeitig und beständig verleiht: durch die hierarchischen und die charismatischen. Während diese dogmatische Wahrheit einerseits nicht zulässt, das Charisma dem Amt entgegenzusetzen und somit die Kirche einseitig als eine charismatische Gemeinschaft anzusehen, verwehrt sie andererseits auch, das Mysterium Kirche ebenso einseitig als eine in der Hierarchie gipfelnde pyramidenförmige Struktur zu betrachten. Sowohl die hierarchischen als auch die charismatischen Gaben kommen vom selben Geist Christi und lassen sich beide als, wenn auch je verschiedene, Strukturen oder Funktionen „ex institutione divina“ ansehen (LG 22,1 und 32,1). Wenn ein Kanonist schließlich den Text von AA 3,3 – 4 liest, fällt ihm gleich auf, welches Gewicht die Konzilsväter dem „Recht und der Pflicht jedes Glaubenden“ beimessen, das vom Heiligen Geist erhaltene Charisma auszuüben. Ohne die kanonistische Bedeutung einer solchen Aussage auch nur im geringsten abzuschwächen, ist jedoch zu bemerken, dass dieses Recht und diese Pflicht notwendige Folgerungen des von LG 12,2 anerkannten allgemeinen konstitutionellen Prinzips sind, wonach „den Gläubigen jeglichen Standes“ Charismen geschenkt werden können. Im betreffenden Abschnitt des Dekretes über das Laienapostolat wird noch mehr als in dem der dogmatischen Konstitution über die Kirche diese Interpretation dadurch als richtig bestätigt, dass darauf hingewiesen wird, dass das Recht, dem eigenen Charisma zu folgen, „in Gemeinschaft mit den Brüdern in Christus, besonders mit ihren Hirten“ auszuüben ist. Aus diesen drei Konzilstexten lassen sich ebenso viele Markierungslinien ableiten, in denen die ekklesiologisch-konstitutionelle Rolle des Charismas näher bestimmt werden kann: a) Das Charisma ist eine besondere, von Wort und Sakrament verschiedene Gabe, die aber strukturell ebenfalls auf den Aufbau der kirchlichen Communio ausgerichtet ist; b) als solches lässt sich das Charisma weder auf ein persönliches Talent noch auf eine vom Geist durch die Taufe unterschiedslos gespendete Gabe verkürzen; c) sein komplementärer Bezug zum Amt zeigt zum einen, dass das Charisma zur Konstitution der Kirche gehört; zum andern macht er deutlich, dass die
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protestantisch-romantische Entgegensetzung von Charisma und Institution falsch ist. Von diesen Prinzipien, besonders vom letzten her lässt sich leichter begreifen, weshalb es in der heutigen dogmatischen Theologie bereits als eine sichere Tatsache gelten kann, dass in der Kirche die Konstitution eine umfassendere Kategorie oder Gegebenheit ist als die Institution. In Übereinstimmung mit einer langen dogmatischen Überlieferung bezeichnet zum Beispiel der Theologe Hans Urs von Balthasar die kirchliche Institution als eine „kenotische Verfassung“, das heißt als eine kenotische Verengung des Mysteriums Kirche, um – durch die Logik des kirchlichen Gehorsams, der die Weiterdauer der memoria Christi gewährleistet – eine Privatisierung des Kircheseins verhüten zu können.8 Um die ganze kanonistische Bedeutung dieser Auffassung Balthasars über die kirchliche Institution zu ermessen ist es aber wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Identifikation von Institution und Weihesakrament falsch ist, denn jedes Sakrament und folglich auch die Taufe, die das gemeinsame Priestertum und den sensus fidei verleiht, ist in der Kirche ein institutionelles Element. Deshalb lässt sich die kirchliche Institution nicht auf das Amtspriestertum einengen. Zu ihr gehört auch das gemeinsame Priestertum, das mit dem sensus fidei die Grundlage der Teilhabe aller Gläubigen an der Sendung der Kirche in der Welt bildet. Ein unwiderlegbarer Beweis dafür ist die Tatsache, dass das Sakrament der Taufe, das von jeher als die ianua sacramentorum gilt, das Unterscheidungskriterium darstellt zwischen dem konstitutionellen Charakter der christlichen Religion – der vielen Sekten zukommt, die ausschließlich auf dem Glauben an Christus durch das Wort gründen – und dem konstitutionell-institutionellen Charakter der Kirchlichkeit, der wenigstens die sakramentale Kraft der Taufe erfordert. 9 In der Taufe nämlich tritt beispielhaft die rechtliche Bedeutung aller Sakramente und folglich auch des Wortes zutage, das, auch wenn es nicht immer im Zusammenhang mit der Feier von Sakramenten verkündet wird, wenigstens im worthaften Element, das zur Form jedes Sakraments gehört, die Funktion hat, die soteriologische und rechtlich-gesellschaftliche Wirkung des sakramentalen Symbolzeichens hervorzubringen. Wenn man unter Institution die dauerhaften konstitutiven Strukturen einer gesellschaftlichen Wirklichkeit versteht, muss man deshalb zugleich zugeben, dass der Kirche diese Struktur durch Sakrament und Wort verliehen wird, die 8 Vgl. Hans Urs von Balthasar, Pneuma und Institution. Skizzen zur Theologie IV, Einsiedeln 1974, S. 129 – 130 und S. 229 – 233. 9
Vgl. Eugenio Corecco, Taufe, in: Reinhild Ahlers / Libero Gerosa / Ludger Müller, Ecclesia a Sacramentis. Theologische Erwägungen zum Sakramentenrecht, Paderborn 1992, S. 27 – 36.
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einander durchdringen und unter anderem als kanonisches Subjekt die zentrale Gestalt des christifidelis aus sich hervorgehen lassen, die allen drei Ständen des kirchlichen Lebens und somit den Laien, Priestern und Ordensleuten zu Grunde liegt und innewohnt. Die Kirche als Institution ist deshalb nicht einfach mit der Organisation der öffentlichen Gewalten, das heißt der Autorität, identisch. Die Kirche als Institution verwirklicht sich stets rund um die beiden Pole der Taufe und der Weihe, die wie die anderen Sakramente auf die Eucharistie hingeordnet sind, in der gleichfalls das Strukturprinzip der Konstitution der Kirche zutage tritt. In der Eucharistie wird ja die ganze Kirche repräsentiert, denn dieses Sakrament ist, wie das II. Vatikanische Konzil sagt, gleichzeitig „fons et origo“ und „culmen“ des gesamten Lebens der Kirche (SC 10). In ihr vollendet sich somit der Integrationsprozess zwischen Institution und Konstitution, der in der Taufe als dem „initium et exordium“ aller Stufen der kirchlichen Gemeinschaft begann. Aus den bisherigen Überlegungen lässt sich folgender Schluss ziehen, der sowohl für die dogmatische Theologie als auch für das kanonische Recht in der Kirche gilt: In der Kirche besteht die Institution im wesentlichen in den strukturellen und rechtlichen Entwicklungen, die das gemeinsame Priestertum und auch das Amtspriestertum im Laufe der Geschichte erfuhren; die Konstitution hingegen ist keine starre Größe, denn außer mit dem Wort und dem Sakrament muss sie mit einem dritten primären Element rechnen: dem Charisma. 10 Sie umfasst also sämtliche Elemente, die zur Existenz der Kirche, zur Bestimmung ihrer Identität auch als Rechtssubjekt notwendig sind. Dieser Schluss lässt sich in seinen juristischen Konsequenzen leicht verstehen, wenn der Kanonist nicht vergisst, dass beide Aspekte der kirchlichen Wirklichkeiten, die Konstitution und die Institution, dem beständigen Einwirken des Heiligen Geistes unterstehen, dessen „opus proprium“ der Aufbau der Communio ist, in welcher der Mensch seine volle Freiheit wiederfinden kann. 11 Eben wegen dieser doppelten pneumatologischen Herkunft der Communio bereiten dem Kanonisten zwei verschiedene, einander entgegengesetzte Positionen Sorge: „Die Position, welche die kirchliche Funktion des kanonischen Rechtes leugnet und unterbewertet, um die Wichtigkeit der Charismen zu betonen, und jene, die das juris-
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Dass die Konstitution der Kirche keine starre Größe ist, wird auch dadurch bezeugt, dass sie nicht von einem obersten Gericht gewährleistet wird, sondern einfach durch den von Jesus Christus verheißenen Beistand des Heiligen Geistes; vgl. Klaus Mörsdorf, Kirchenverfassung. I. Katholische K., in: LThK, Bd. VI (Freiburg i. Br. 1961), S. 274 – 277, hier S. 274 – 275. 11
Vgl. Joseph Ratzinger, Der Heilige Geist als „communio“. Zum Verhältnis von Pneumatologie und Spiritualität bei Augustinus, in: Claus Heitmann / Heribert Mühlen (Hrsg.), Erfahrung und Theologie des Heiligen Geistes, München 1974, S. 223 – 238.
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tische Element hervorhebt, denn beide Positionen ... scheinen einseitig zu sein. Beide treffen sich schließlich darin, dass sie das Recht der Kirche als etwas auffassen, das bloß im Licht des institutionell Gegebenen Sinn hat, und den charismatischen Dynamismus als etwas betrachten, das wegen seiner Vitalität am Rande des Rechts 12 bleibt.“
Richtig gesehen ist das Rechtliche also nicht gleichbedeutend mit dem Institutionellen und haben die beiden Kategorien Institution und Konstitution in der Kirche eine andere Bedeutung als jene, die sie in der Rechtsordnung des modernen Staates erhalten haben. 13 Denkt man sodann darüber nach, dass nicht einmal die modernen Staatsverfassungen so umfassend sind, wie die liberale Rechtstradition es zu behaupten scheint, – so dass Grundrechte existieren (wie zum Beispiel das Recht auf das Leben), die, obwohl sie einen konstitutionellen Charakter haben, in den Verfassungen nicht positiv formalisiert sind – so zeigt sich: Um die Institution und die Konstitution in der Kirche besser zu definieren, muss der Kanonist davon absehen, sich beständig auf die staatlichen Modelle zu beziehen. Im Unterschied zum modernen Staat besitzt nämlich die Kirche keine formelle Konstitution; ihre materielle Konstitution aber enthält ein Strukturelement, das nicht zulässt, die Konstitution mit der Institution zu identifizieren. Dieses Strukturelement ist das Charisma. Da es vom Heiligen Geist der Kirche geschenkt wird, um durch die Schaffung des fruchtbaren Gleichgewichts der sie charakterisierenden Zweipoligkeit (Kleriker und Laien) die Communio aufzubauen, spielt es die Rolle eines ekklesiologischen „Scharniers“ zwischen Institution und Konstitution, eine Rolle, die beim Aufbau der Communio ihre ganze konstituierende Kraft zeigt. Indem es die Institution an die absolute Vorrangigkeit des Geistes erinnert und die Gewalt eines jeden Elements oder Organs der hierarchischen Konstitution der Kirche relativiert, so dass keines von ihnen absolut autark wird, belebt das Charisma die Institution und ist ihr behilflich, die Klippe des mit jeder Form von Gewalt gegebenen Machtdenkens zu überwinden, das in der Kirche stets zum Vorrang der Hierarchie über die Laien oder der Laien über die Hierarchie geführt hat.
12
Pedro Lombardia, Carismi e Chiesa istituzionale, in: Studi in onore di Pietro Agostino d’Avack, Bd. II, Mailand 1976, S. 957 – 988, hier S. 965. 13 Zu einem vergleichenden Studium der beiden Begriffe Institution und Konstitution im staatlichen und im kirchlichen Recht vgl. Libero Gerosa, Charisma und Recht. Kirchenrechtliche Überlegungen zum „Urcharisma“ der neuen Vereinigungsformen in der Kirche, Einsiedeln / Trier 1989, S. 127 – 203; ders., Movimenti ecclesiali e Chiesa istituzionale: concorrenza o co-essenzialità?, in: Nuova Umanità. Rivista bimestrale di cultura 22 (2000), S. 215 – 246.
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Vom juristischen Standpunkt aus hat diese spezifische ekklesiologische Rolle des Charismas sicherlich ein besonderes Gewicht, das sich an seiner Befähigung – zumindest in seiner vollendeten Form im sogenannten „Urcharisma“ oder „Gründungscharisma“ – ermessen lässt, zusammen mit dem Wort und dem Sakrament Ursprung von rechtlich bindenden Gemeinschaftsbeziehungen 14 zu sein. Es bleibt deshalb ein unumgänglicher Bezugspunkt auch für die Bestimmung des kanonistischen Profils der Beziehungen zwischen kirchlichen Bewegungen und Instituten des geweihten Lebens. Beide sind ihrem Wesen nach nicht „institutionell“, denn sowohl die geltenden kodikarischen Normen in diesem Bereich, wie jene, die de iure condendo die kirchlichen Bewegungen regeln sollen, haben konstitutionellen Charakter, insofern sie historisch und positiv aus einem Grundelement der Konstitution der Kirche hervorgehen: aus dem Charisma. Sie unterscheiden sich von den anderen Sektoren des kanonischen Systems, insbesondere von dem, das die kirchlichen Grundstrukturen betrifft, die sich aus der Aggregationskraft des Wortes und des Sakramentes herleiten, nicht dadurch, dass sie nicht konstitutionell sind, sondern dadurch, dass sie nicht als institutionell gelten. Hingegen bleibt die Frage nach den spezifischen Elementen offen, aufgrund derer sich die kirchlichen Vereine und Bewegungen als besondere Formen von „Eucharistiegemeinden“ mit veränderlicher Struktur und charismatischem Ursprung von den Instituten des geweihten Lebens und von den Gemeinschaften des apostolischen Lebens unterscheiden. 2. Das Charisma und die evangelischen Räte Der erste Paragraph von can. 298, mit dem die kodikarischen Normen über die Vereine eingeleitet werden, beginnt wie folgt: „In der Kirche gibt es Vereine, die sich von den Instituten des geweihten Lebens und den Gesellschaften des apostolischen Lebens unterscheiden“ 15 .
Der kirchliche Gesetzgeber weiß um die Schwierigkeiten, auf welche die Kanonistik stößt, wenn sie zwischen dem Verfassungsrecht und dem Recht, das das Vereinswesen in der Kirche betrifft, klar unterscheiden will, und er ist sich auch der enormen Vielfalt dieses Vereinswesens bewusst. Deshalb präzisiert er zu Beginn, dass er in diesem Teil des Kodex nicht beabsichtigt, das ganze komplexe Vereinswesen der Kirche erschöpfend zu regeln. Der kirchliche Gesetzgeber legt denn auch die spezifischen Normen für die consociationes mit
14 15
Vgl. dazu Gerosa, Charisma und Recht (Anm. 13), S. 94 – 105; S. 208 – 219.
Der lateinische Text lautet: „In Ecclesia habentur consociationes distinctae ab institutis vitae consecratae et societatibus vitae apostolicae.“
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Ordenscharakter erst im umfangreichen dritten Teil dar: „Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens“ in Buch II des Kodex (cann. 573 – 746). Diese erste Präzisierung des kirchlichen Gesetzgebers hat eine zweifache Wirkung: Zum einen verdeutlicht sie den gemeinsamen Hintergrund sämtlicher christlicher Lebensformen, der jede Klassifizierung fließend macht; zum andern erinnert sie an die normative und doktrinale Bedeutung der herkömmlichen Unterscheidung zwischen den beiden großen Kategorien von consociationes christifidelium: den Vereinsformen von Gläubigen, vor allem von Laien (die vom neuen Kodex mit dem allgemeinen Begriff consociationes benannt werden) und den Vereinsformen von geweihten Gläubigen, die vom neuen Kodex des kanonischen Rechts als Instituta oder Societates bezeichnet werden. 16 Die genaue Einschätzung dieser doppelten Wirkung würde eine eingehende Analyse des ganzen dritten Teils von Buch II des CIC über das Volk Gottes (cann. 573 – 745) erfordern sowie ein vergleichendes Studium des Titels XII (cann. 410 – 572) des CCEO. Hier mögen folgende Feststellungen genügen. Erstens wird die herkömmliche Unterscheidung zwischen den beiden großen Kategorien von consociationes fidelium vom neuen Kodex nicht nur übernommen, sondern unter dem Einfluss der Konzilsekklesiologie auch neu interpretiert, sodass sich die erste dieser Kategorien nicht mehr einfach in die Gesamtheit der sogenannten „religiösen Vereine“ einordnen lässt 17 . Beim ersten Typus von kirchlichen Vereinen können nämlich auch Kleriker und Ordensleute Mitglieder sein. Das ergibt sich aus den cann. 278 § 1 und 307 § 3 sowie daraus, dass der vom ersten Canon über die Vereine (can. 298) gebrauchte Begriff „Laie“ nach der in can. 207 von der hierarchischen Struktur der Kirche her vorgenommenen Unterscheidung einfach als Getaufter non in sacris, somit als Nichtgeweihter zu verstehen ist. Der zweite Typus von kirchlichen Vereinen hingegen unterscheidet sich aus wenigstens zwei Gründen ebenfalls beträchtlich von dem des früheren Kodex. Neu ist erstens, dass zu den Ordensinstituten die so genannten Säkularinstitute hinzukommen. Deren rechtliche Anerkennung geht auf 16
Trotz aller Unterschiede, die zwischen den beiden Formen ermittelt werden können, unterstreicht der Kodex selbst die Ähnlichkeit zwischen den Gesellschaften des apostolischen Lebens und den Instituten des geweihten Lebens, denn er sagt, dass die apostolischen Gesellschaften zu den Ordensinstituten „hinzukommen“ (accedunt; vgl. can. 731 § 1). Und wenn der kirchliche Gesetzgeber diese Ähnlichkeit hervorhebt, folgt er den Andeutungen des II. Vatikanischen Konzils (vgl. LG 44,1; PO 1). 17
Dieser Klassifizierungstypus, der die „religiösen Vereine oder Gesellschaften“ und die „Vereine von Laien“ als zwei Unterkategorien der umfangreicheren Kategorie „kirchliche Vereine“ ansieht, wird z. B. vorgeschlagen von: Vincenzo Del Giudice, Nozioni di Diritto Canonico, Mailand 1953, S. 123 ff.
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den 2. Februar 1947 zurück, als Papst Pius XII. mit der Apostolischen Konstitution „Provida Mater Ecclesia“ die Lex fundamentalis promulgierte. In dieser Konstitution wurde die Existenz von Säkularinstituten festgelegt und die wesentlichen Normen in Bezug auf ihre Natur und ihre Errichtung als „besondere, qualifizierte Vereine“ bestimmt. 18 Neu ist zweitens, dass neben dieser ersten Kategorie von Vereinsformen von Ordensangehörigen der kirchliche Gesetzgeber eine weitere kenntlich macht, mehr einer pragmatischen als theologischen Logik entsprechend: die der „Gesellschaften des apostolischen Lebens“. Auf diese wird nämlich zum großen Teil das Recht der Institute des geweihten Lebens angewendet, auch wenn ihre Mitglieder die evangelischen Räte nicht ut sic praktizieren, sondern lediglich als Forderungen ihres Apostolates. 19 Zweitens haben diese auf ein vollkommenes christliches Leben ausgerichteten drei Heiligungsformen oder -itinerare, zu denen noch die des „eremitischen oder anachoretischen Lebens“ (can. 603 § 1) und des sogenannten „Standes der Jungfrauen“ (can. 604 § 1) hinzukommen, trotz der erheblichen Unterschiede, die sie voneinander abheben 20 , ein gemeinsames Kennzeichen: die Lebensweihe durch das Befolgen der evangelischen Räte. Diese „Weihe“, die in theologischer Sicht ein komplexer, schwerlich genau zu definierender Begriff ist 21 , 18 Der Text der Konstitution findet sich in: AAS 39 (1947), 114 – 124. Zu der Eigenschaft von „besonderen, qualifizierten Vereinen“ der Säkularinstitute (vgl. Provida Mater Ecclesia, art. I und II § 1) vgl. die Bemerkungen von Anastasio Gutiérrez, Lo stato della vita consacrata nella Chiesa. Valori permanenti e innovazioni, in: Lo stato giuridico dei consacrati per la professione dei consigli evangelici, Città del Vaticano 1985, S. 37 – 63, hier S. 40. 19
Diese Bemerkung von Gutiérrez (vgl. ebd., S. 41) stimmt zum einen mit der Konzilslehre voll überein (vgl. dazu w. o. Anm. 83) und zum andern wird sie von zahlreichen Verweisen des Codex (vgl. z. B. die cann. 732, 734, 738 und 746) auf die Normen der Institute des geweihten Lebens bestätigt. 20 Diese Unterschiede lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die „Ordensinstitute“ bestehen aus Gläubigen, welche die Befolgung der drei evangelischen Räte in gemeinsamem Leben öffentlich geloben (vgl. cann. 607 § 2; 654; 655); die „Säkularinstitute“ aus solchen Gläubigen, die „in saeculo viventes“ (can. 710) sich durch nicht öffentliche, aber anerkannte Gelübde oder andere gleichwertige heilige Bande zu der Befolgung der evangelischen Räte verpflichten, ohne sie in der Praxis eines kanonischen gemeinsamen Lebens zum Ausdruck zu bringen (vgl. cann. 712; 714); die „Gesellschaften des apostolischen Lebens“ aus Gläubigen, die das gemeinsame Leben und sehr oft auch die evangelischen Räte praktizieren, aber ohne Ordensgelübde, sondern durch eine heilige Bindung kraft der Eingliederung in die betreffende Gesellschaft zu einem apostolischen Zweck (vgl. can. 731). Zu dieser Klassifizierung vgl. Gutiérrez, Lo stato della vita consecrata (Anm. 18), S. 43. 21
Vgl. Gutiérrez, Lo stato della vita consecrata (Anm. 18), S. 43.
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wird durch den persönlichen Entschluss verwirklicht, die evangelischen Räte zu befolgen, sei es nun einen von ihnen oder zwei oder der klassischen Dreiheit entsprechend drei, zu denen man sich auf verschiedene Weisen oder durch diverse Bindungen verpflichtet; alle lassen sich jedoch auf die theologische Wirklichkeit eines einzigen Rates zurückführen, den der „vollen kindlichen Abhängigkeit vom Vater in der Liebe, die der Heilige Geist ist“ 22 . Anders gesagt: Alle diese Formen geweihten Lebens haben ein Charisma von eminent prophetischer und eschatologischer Natur gemeinsam, das allgemeine und persönliche Charisma der so genannten evangelischen Räte. Man lebt ihm nach im Verzicht auf die Werte, auf die zu verzichten nur vernünftig ist zum Zweck, sich der Gnade eines besonderen Standes oder Modells kirchlichen Lebens zu öffnen und ihr in Gemeinschaft oder Einsamkeit, innerhalb der Welt oder in „Weltflucht“ nachzuleben. 23 Diese besondere Form des christlichen Lebens stellt, neben dem Ehe- und Klerikerstand, über die konkreten Modalitäten hinaus, in denen sie zum Ausdruck kommt, einen wahren, eigentlichen christlichen Lebensstand dar, den status perfectionis. In der Kirche, dem „Mysterium der Communio“, hat der Stand des geweihten Lebens eine Autonomie und eine Priorität von eschatologischem Charakter und unterscheidet sich deshalb – wie Papst Johannes Paul II. in Nr. 55 des Apostolischen Schreibens „Christifideles laici“ 24 klar sagt – von dem der Kleriker, der die Einheit der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen zu gewährleisten hat, und von dem der Laien, der auf die kulturelle „Rekapitulation“ aller Dinge in Christus Jesus ausgerichtet ist. Der Stand des geweihten 22
Jean B. Beyer, Dal Concilio al Codice. Il nuovo codice e le istanze del Concilio Vaticano II, Bologna 1984, S. 85. 23
Zur ekklesiologischen und kulturellen Bedeutung des „status“ der evangelischen Räte vgl. Karl Rahner, Über die evangelischen Räte, in: Schriften zur Theologie, Bd. VII (Einsiedeln / Zürich / Köln 1971) S. 404 – 434. Papst Johannes Paul II. sagt: „Der tiefste Sinn der verschiedenen Lebensstände ist nur einer und allen gemeinsam. Ihnen allen ist aufgegeben, eine Modalität darzustellen, nach der die gleiche christliche Würde und die Berufung zur Heiligkeit in der Vollkommenheit der Liebe gelebt werden. Diese Modalitäten sind zugleich verschieden und komplementär“ (in: Christifideles laici, Nr. 55). 24
Der Text des Apost. Schr. „Christifideles laici“ findet sich in: AAS 81 (1989), S. 393 – 521; in deutscher Übersetzung hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 87. In einigen Hinsichten wurde das in Nr. 55 Gesagte vorweggenommen von zwei Schweizer Theologen: Hans Urs von Balthasar, Christlicher Stand, Einsiedeln 1977, S. 294 – 314, und Eugenio Corecco, Profili istituzionali dei Movimenti nella Chiesa, in: I Movimenti nella Chiesa negli anni 80. Atti del I Congresso internazionale (Rocca di Papa 23 – 27 settembre 1981), a cura di Massimo Camisasca, Milano 1982, S. 203 – 234.
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Lebens besteht somit in einer sequela Christi, die eine „besondere“ Weise ist, die Heiligkeit zu erreichen, zu der alle Getauften berufen sind. 25 In dieser Verschiedenheit, die charismatischen Ursprungs ist, liegt der theologische Ort der Unterscheidung zwischen der assoziativen Grundkategorie der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens einerseits und der ebenfalls grundlegenden Kategorie der Vereine von Gläubigen oder der kirchlichen Bewegungen andererseits. Diese letzteren sind aus einem spezifischen Urcharisma von eminent gemeinschaftlicher und missionarischer Natur entstanden, das als solches, wenn auch gemäß verschiedenen Modalitäten, nicht nur verheiratete oder unverheiratete Laien, sondern auch Priester und Ordensleute einbeziehen kann, also Gläubige, die entweder mit dem Sakrament der heiligen Weihe oder mit dem persönlichen und allgemeinen der evangelischen Räte versehen sind. Die spezifische Verschiedenheit der beiden Grundtypen von Charismen – das persönlich-prophetische Charisma der evangelischen Räte (LG 46,2) und das gemeinschaftlich-missionarische der kirchlichen Vereine oder Bewegungen (AA 18,2) – bildet ekklesiologisch gesehen das Hauptelement, das die verschiedene normative Formalisierung der beiden entsprechenden Sektoren der kanonischen Rechtsordnung bestimmen sollte. Leider hat der kirchliche Gesetzgeber von 1983 bei dieser Formulierung von den Begriffen „Charisma“ und „kirchliche Bewegungen“ abgesehen. Deswegen kann von diesen beiden Teilen des neuen Kodex des kanonischen Rechtes der Teil, der die Formen des geweihten Lebens betrifft, sicherlich als konzilsentsprechender angesehen werden als jener, der die Vereine von Gläubigen betrifft. 26 Ja, er stellt ein wahres, eigentliches „Ferment kirchlicher Erneuerung“ dar, denn da die verschiedenen Institute, von Ordensleuten oder Laien, vor allem entsprechend einem besonderen Recht leben, „ist nicht einzusehen, wieso andere, diözesane oder regionale kirchliche Institutionen nicht eines Tages von der gleichen Möglichkeit Gebrauch machen könnten, sich ein eigenes Recht zu geben, das dem, was sie sind und dem, was sie gemäß dem Heiligen Geist in der Kirche ins Leben umsetzen, wirklich angepasst ist.“ 27 Dass eine solche Sicht sich eröffnet, ist heute dringlicher und wichtiger geworden als unmittelbar nach dem II. Vatikanischen Konzil, weil zu den verschiedenen kirchlichen Bewegungen nun zahlreiche neue Gemeinschaften hin-
25
Vgl. LG 40 – 42 und 44,3.
26
Vgl. zum Thema das Kapitel „Das Charisma und die theoretischen Grundlagen des kanonischen Rechts über die Vereinigungen in der Kirche“ in: Gerosa, Charisma und Recht (Anm. 13), S. 231 – 272, vor allem S. 249 – 255. 27
Beyer, Dal Concilio al Codice (Anm. 22), S. 83.
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zugekommen sind, aus denen oft ausgeprägter als früher neue Wege und Formen der Weihe oder des evangelischen Lebens sprießen. Wegen ihrer theologisch-rechtlichen Morphologie können einige von ihnen zu den von can. 60528 vorgesehenen neuen Formen geweihten Lebens gerechnet werden, andere hingegen finden, weil sie manchmal auf gewisse Weise auch verheiratete Personen betreffen, schwieriger eine rechtliche Gestalt. Und das „zwingt die Vereine, um ihre Anerkennung etwas zu erleichtern, nach neuen Gestalten und neuen Bindungen zu suchen, die nicht unbedingt die sind, welche die Mitglieder der Institute geweihten Lebens charakterisieren.“29 Dieser Sachverhalt schafft natürlich auf kirchenrechtlicher Ebene nicht wenige Probleme. Es ist von dem bis jetzt Gesagten her nicht objektiv zu ersehen, wieso man nicht denjenigen Autoren zustimmen soll, die diesbezüglich anregen, nicht sosehr von geweihtem Leben, sondern eher von „Lebensweihe“ zu sprechen.30 Das entspricht völlig
28
Can. 605 des CIC 1983 hat im Kodex von 1917 keinen Vorläufer, sondern ist in allem und durchgängig eine neue Norm, die viel zu diskutieren gab. Unter seinen maßgeblichsten Kommentatoren bemerkt Antonio Neri bezüglich der Quellen dieser neuen Norm des Kodex: „Offiziell nennt man als Quellen unseres Canons die dogmatische Konstitution ‚Lumen gentium‘, Kap. IV § 45, das Dekret ‚Perfectae caritatis‘ 1,19; das Dekret ‚Ad gentes‘ 18; die Instruktion ‚Renovationis causam‘, Proemium; das Dokument ‚Mutuae relationes‘ 9c, 51. Diese Quellen sind gewiss ein positives Element, denn sie halten den Gesetzgeber zum Bemühen an, sich nach dem zu richten, was das Konzil entschieden hat. Die Absicht des Gesetzgebers im can. 605 ist deshalb komplementär zur Lehre des Konzils zu verstehen. Jedoch ist zu bemerken, dass im Fall des can. 605 die offiziell angeführten Quellen den Raum, der von dem von der Norm Vorgesehenen gedeckt worden ist, nur zum Teil decken. Das ruft nach weiteren Debatten über die Natur und die Form des geweihten Lebens. Hinsichtlich des geweihten Lebens bezeugen die vorkonziliare, konziliare und nachkonziliare Lehre und die jetzigen Bestimmungen des Kodex klar die Beständigkeit seines theologischen Inhalts und die Verschiedenheit, Neuheit und Geschichtlichkeit seiner Form: die Beständigkeit des Inhalts, denn man hält sich an die Offenbarungsgegebenheit; und die Dynamik der Form, denn man hält sich an die Geschichte“ (Antonio Neri, Nuove forme di vita consacrata [can. 605 CIC], Rom 1995, S. 52). 29
Barbara Zadra, L’assunzione dei consigli evangelici a partire degli statuti delle associazioni, in: S. Recchi, Novità e tradizione nella vita consacrata. Riflessioni teologiche e prospettive giuridiche, Mailand 2004, S. 213 – 225, hier S. 214. 30
Vgl. z. B. Gianfranco Ghirlanda, Carisma e Statuto giuridico dei movimenti ecclesiali, in: Il regno documenti 42 (1988), S. 407 – 411; ders., I fedeli consacrati per la professione dei consigli evangelici, in: Fedeli, associazioni, movimenti, XXVIII Incontro di Studio a „Villa Cagnola“ – Gazzada (VA) 2 – 6 luglio 2001, a cura del Gruppo italiano Docenti di Diritto Canonico, Mailand 2002, S. 76; J. J. Echeberria, Asunción de los consejos evangélicos en les associaciones de fides y movimientos eclesiales. Investigación teológico-canonica, Rom 1998, S. 159 – 223.
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dem, was Johannes Paul II. in Nr. 62 des Apostolischen Schreibens „Vita Consecrata“ ausführt: Es „können in die besondere Kategorie des geweihten Lebens jene an sich lobenswerten Formen des Engagements nicht einbezogen werden, das einige christliche Eheleute in kirchlichen Vereinigungen oder Bewegungen zeigen, wenn sie in der Absicht, ihre Liebe, die schon ‚geweiht‘ ist, wie im Ehesakrament zur Vollkommenheit zu bringen, mit einem Gelübde die Pflicht der eigenen Keuschheit im Eheleben bestätigen und, ohne ihre Pflichten gegenüber den Kindern zu vernachlässigen, die Armut und den 31 Gehorsam geloben.“
Wenn auch vom streng kanonistischen Standpunkt aus zuzugeben ist, dass die Originalität dieser neuen Gemeinschaften – die „häufig darin besteht, dass es sich um gemischte Gruppen aus Frauen und Männern, aus Klerikern und Laien, aus Verheirateten und zölibatär Lebenden handelt, die einen besonderen Lebensstil befolgen“ 32 – ein wertvolles Charisma ist, das vom Heiligen Geist zu Beginn dieses dritten Jahrtausends der Kirche geschenkt wird, ist doch den Kanonisten recht zu geben, die in ihnen einen besonderen Typus „gemischter Institute“ sehen, das heißt solche „in einem weiteren Sinn, als er auf der Synode und im nachsynodalen Schreiben ins Auge gefasst wurde; unter den Laien würden nicht nur Männer, sondern auch Frauen verstanden. Die Frauen, die an der Spiritualität und Tätigkeit dieser Gemeinschaften, die eventuell als Form des geweihten Lebens anerkannt worden wären, teilnehmen würden, wären eher als an sie aggregiert statt als Vollmitglieder aufzufassen. Falls jedoch solche Gruppen die volle Integrierung von verheirateten Gläubigen wollten, wäre 33 die Rechtsgestalt, in die sie eintreten würden, die eines Vereins von Gläubigen.“
Alle diese Probleme und insbesondere die Unmöglichkeit, die verschiedenen Typen kirchlicher Aggregation innerhalb der Kirche, dem „Communio Mysterium“, genau auseinanderzuhalten, tauchen wieder auf im Blick auf die Strukturen und Ausübungsmodalitäten, in denen der Leitungsdienst innerhalb der besagten Gemeinschaften Rechtsgestalt annimmt, denn in diesen Strukturen und
31 Der Text des Apost. Schr. „Vita consecrata“ findet sich in: AAS 88 (1996), S. 377 – 486; auf Deutsch in: L´Osservatore Romano, deutsche Wochenausgabe, Nr. 14/15 vom 5. April 1996, S. 9 – 32. 32 33
Johannes Paul II., Apost. Schr. „Vita consecrata“, Nr. 62,2.
Gianfranco Ghirlanda, „Istituti misti“ e nuove aggregazioni, in: Recchi, Novità e tradizione nella vita consacrata (Anm. 29), S. 285 – 298, hier S. 297. Vgl. dazu auch den ganzen § 13.3 „I coniugati e la vita consecrata“ in: Neri, Nuove forme di vita consecrata (Anm. 28), S. 146 – 154.
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Modalitäten spiegelt sich stets das Urcharisma wider, aus der die Gründung einer Gemeinschaft oder eines Instituts des geweihten Lebens hervorging 34 . II. Die Autorität in der Kirche: Grundlagen, spezifische Natur und Ausübungsweise 1. Die verschiedenen Rechtsformen der kirchlichen Vollmacht Der Katechismus der katholischen Kirche (KKK) sagt in Nr. 875: „Niemand, keine Einzelperson und keine Gemeinschaft, kann sich selbst das Evangelium verkündigen ... Niemand kann sich selbst den Auftrag und die Sendung geben, das Evangelium zu verkündigen. Der vom Herrn Gesandte spricht und handelt nicht in eigener Autorität, sondern kraft der Autorität Christi“ 35 .
Das besagt, dass in der Kirche die Autorität von jeher als etwas von jedem anderen Machttypus Verschiedenes, nämlich als ein „Dienst“ aufgefasst worden ist und der mit ihr Betraute als ein „Knecht Christi“. Von Anfang an trat die Gnade, die in der Kirche Autorität verleiht, stets in zwei verschiedenen spezifischen Grundformen zutage: als sakramentale und als charismatische. 36 Letztere stand jedoch strukturell stets im Dienst der vereinenden und bindenden Kraft des Gotteswortes und der Sakramente. Johannes Paul II. sagt diesbezüglich treffend: „Die Entstehung der Körperschaft Kirche als Institution, ihre Überzeugungskraft und vereinigende Kraft wurzeln in der Dynamik der sakramentalen Gnade. Sie findet jedoch ihre Ausdrucksform, ihre Betätigungsmodalität, ihre konkrete geschichtliche Auswirkung mittels der verschiedenen Charismen, die eine persönliche Wesensart und Geschichte charakterisieren“ 37 . Methodologisch bedeutet das mindestens ein Zweifaches: a) Das Studium gleich welcher Autoritätsform in der Kirche und ihrer spezifischen Dienstmodalitäten muss stets ausgehen vom Blick auf den sakramentalen Ursprung der „sacra potestas“, das heißt, wie das II. Vatikanische Kon-
34
Das ist eine der allgemeinen Prämissen, die auch geteilt werden von: Maurizio Costa, Il governo del Superiore e il suo consiglio. Dati canonici e rilettura spirituale, in: Periodica 93 (2004), S. 189 – 221, hier S. 193 – 194. 35
Vgl. Röm 10,14 – 17.
36
Vgl. LG 4,1.
37
Johannes Paul II., Ansprache vom 12. September 1985 an die Teilnehmer eines von Comunione e Liberazione veranstalteten Exerzitienkurses für Priester, in: AAS 78 (1986), S. 254 – 257, hier S. 255.
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zil klar ermittelt hat, der Autorität desjenigen, der „in der Person Christi, des Hauptes“ handelt 38 ; b) auch die besondere Autorität des Oberen eines Instituts des geweihten Lebens, die in can. 501 § 1 des CIC 1917 als „dominativa“ definiert und heute von verschiedenen Kommentatoren des CIC 1983 lediglich als „geistlich“ 39 qualifiziert wird, ist im Licht dieser Konzilslehre und der Normen des Kodex, welche die Ausübung jeder Vollmacht in der Kirche regeln, zu interpretieren. 2. Die „persönliche“ und die „synodale“ Dimension der Autoritätsausübung in der Kirche im Licht der Konzilslehre über die „sacra potestas“ Der einheitliche Begriff „sacra potestas“ wurde vom II. Vatikanischen Konzil auf zwei Grundprinzipien gegründet: auf den sakramentalen Ursprung der kirchlichen Vollmacht und auf die Untrennbarkeit von personalem und synodalem Element dieser Vollmacht. 40 Beide Prinzipien verdeutlichen die Eigenart der kirchlichen Vollmacht, die sich von jeder anderen Machtform unterscheidet, und bestimmen so ihre verschiedenen Funktionen als unterschiedlichen Ausübungsweisen. Was diese Prinzipien im Wesentlichen besagen, wird im Folgenden hier kurz dargelegt. Was das erste Prinzip betrifft, so betont das II. Vatikanische Konzil, dass die „Repräsentation“ des Herrn durch die Bischöfe darauf beruht, „dass durch die Bischofsweihe die Fülle des Weihesakramentes übertragen wird“ (LG 21,2). Auf diese Weise wird dem Bischof „die Ganzheit des heiligen Dienstamtes“ (ebd.) und somit das dreifache Amt Christi übertragen, der zugleich Priester, Prophet und König ist. Aber diese „tria munera Christi“ sind, wie Papst Johannes Paul II. betont, nur drei Aspekte einer einzigen Sendung, drei verschiedene Weisen oder Bereiche, die eine, einzige kirchliche Vollmacht auszuüben. 41 Die Einführung dieses einheitlichen Begriffs der „sacra potestas“ hat 38
Vgl. KKK 875.
39
Im Konzilstext PO 6,1 wird indes der Begriff „potestas spiritualis“ zur Bezeichnung der spezifischen Natur der „sacra potestas“ verwendet. 40
Vgl. dazu Gerosa, Grundlagen und Paradigmen der Gesetzesauslegung in der Kirche (Anm. 4), S. 149 – 154. 41
Johannes Paul II. sagt diesbezüglich: „Beim aufmerksamen Analysieren der Konzilstexte erhellt, dass von einer dreifachen Dimension des Dienstes und der Sendung Christi zu sprechen ist, eher als von drei verschiedenen Funktionen“ („Lettera a tutti sacerdoti della Chiesa in occasione del giovedì santo 1979“, in: AAS 71 [1979], S. 393 – 417).
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außerhalb der Konzilsversammlung leidenschaftliche Debatten hervorgerufen42, und um jede theologische Diskussion darüber zu vermeiden, beschränkten sich die Konzilsväter darauf, vom „triplex munus Christi“ oder von der „sacra potestas“ zu sprechen. Damit präzisierten sie auch nicht ausdrücklich, ob das Modell der „tria munera“ an die Stelle der herkömmlichen Unterscheidung zwischen Weihegewalt und Jurisdiktionsgewalt treten solle. Jedenfalls kommen diese beiden traditionellen Begriffe im Unterschied zum Ausdruck „sacra potestas“ in den Konzilstexten nicht vor. Überdies wird der einheitliche Begriff in LG 21 einbezogen und erscheint als spezifischer Ausdruck von neuem da, wo die Konzilsväter erklären, dass die „sacra potestas“ im Dienst der „communio Ecclesiae“ steht: „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht, die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen“ (LG 41).43 Mit der Einführung des einheitlichen Begriffs „sacra potestas“ eröffnen die Konzilsväter den Theologen die Möglichkeit, hinter der klassischen Unterscheidung zwischen Weihegewalt und Jurisdiktionsgewalt nicht mehr eine objektive, sondern nur eine formale Verschiedenheit zu sehen: Es handelt sich nicht um zwei verschiedene Gewalten, sondern um zwei formal verschiedene Modalitäten der Ausübung einer einzigen Vollmacht mit ein und demselben Heilsgehalt. Die erste Modalität der „sacra potestas“ entspricht der Logik der Kommunikation in einer Geste, im „Sakrament“, die zweite hingegen der Logik der Kommunikation im Wort („iurisdictio“). Beide Modalitäten sind stets hinreichend wirkkräftig zum Aufbau der Kirche Christi, wenn sie in der „communio plena“ mit den anderen Bischöfen und dem Papst ausgeübt werden. Folglich können außerhalb der Communio die Funktionen des Lehrens und Heiligens („munera docendi et sanctificandi“) nicht voll wirksam ausgeübt werden; das gilt auch für das „munus regendi“, das nicht einfach eine Organisationsauf-
42
Vgl. dazu Klaus Mörsdorf, Heilige Gewalt, in: ders., Schriften zum kanonischen Recht, hrsg. von W. Aymans / K.-Th. Geringer / H. Schmitz, Paderborn / München / Wien / Zürich 1989, S. 203 – 215. 43
Zu den ersten Kanonisten, die über den vom II. Vatikanischen Konzil entwickelten Begriff „sacra potestas“ gearbeitet haben, gehören: Peter Krämer, Dienst und Vollmacht in der Kirche. Eine rechtstheologische Untersuchung zur „Sacra potestas“-Lehre des II. Vatikanischen Konzils, Trier 1973; Eugenio Corecco, Natur und Struktur der „Sacra potestas“ in der kanonistischen Doktrin und im neuen CIC, in: ders., Ordinatio fidei. Schriften zum kanonischen Recht, hrsg. von Libero Gerosa / Ludger Müller, Paderborn / München / Wien / Zürich 1994, S. 223 – 248; hierzu wiederum Peter Krämer, Worin gründet kirchliche Vollmacht? Das Zusammenspiel von Weihe und Sendung nach Eugenio Corecco, in: AfkKR 163 (1994), S. 74 – 84.
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gabe von rechtlichem Charakter ist. So ist beispielsweise die einem Bischof anvertraute Leitung einer Teilkirche eine natürliche Vervollständigung der sakramentalen Wirklichkeit, an der er durch seine Einfügung in den „ordo episcoporum“ teilhat, nämlich in die Gemeinschaft derer, die in der Kirche das „summum sacerdotium“, die Fülle der geistlichen Vollmacht auszuüben haben 44 . Das zweite Prinzip, womit das II. Vatikanische Konzil die Einheit und Eigenart der „sacra potestas“ erklärt, ist die enge, unauflösliche Wechselbeziehung zwischen dem personalen Element der geistlichen Vollmacht und ihrem synodalen Element. Es wäre falsch, sie einander entgegenzusetzen, da zwischen beiden stets eine wechselseitige Immanenz besteht. Der Ausdruck „Synodalität“ ist ja nicht unbedingt gleichbedeutend mit „Kollegialität“. Das abstrakte Substantiv „Kollegialität“, das als solches vom II. Vatikanischen Konzil nie verwendet wird, eignet sich nicht zum Ausdrücken der Art und Weise, in der das Communio-Prinzip die Ausübung der kirchlichen Vollmacht bestimmt. Kollegial im engen Sinn sind bloß die Akte, in denen der Wille des einzelnen in den Willen des Kollegiums als in den des verantwortlichen Subjekts integriert wird. 45 In der Kirche sind also „kollegiale“ Akte im strengen Sinn nicht unbedingt zahlreich, vor allem deshalb, weil die geistliche Vollmacht auf dem Weihesakrament beruht, das den Personen ausschließlich als einzelnen Individuen gespendet wird. Der Ausdruck „Synodalität“ hingegen hat aus mindestens zwei Gründen einen weniger begrenzten Sinn. Erstens ist die „Synodalität“ eine der „sacra potestas“ innewohnende ontologische Dimension. Die Ausübung der Vollmacht innerhalb der kirchlichen Communio wird deshalb stets durch die wechselseitige Immanenz des personalen und des synodalen Elements des kirchlichen Amtes bestimmt. Das personale Element des kirchlichen Amtes wurzelt zutiefst in der sakramentalen Struktur der „Repräsentation“: Nur eine physische Person kann das Gotteswort hören und verkünden, ein Sakrament empfangen oder spenden. Deswegen kann nur eine physische Person ex opere operato in einer Repräsentationsbeziehung zu Jesus Christus stehen, auch wenn es sich nie um eine volle „Repräsentation“ handelt. Das synodale Element hingegen wurzelt in der vielfältigen Struktur der „communio Ecclesiarum“, und diese ist stets „hierarchisch“ organisiert, da sie eng mit der „apostolischen Sukzession“ verbunden ist, worin die Zwei-Einheit Wort und Sakrament sich in rechtlich bindender Form niederschlägt. Folglich
44 45
Vgl. LG 21 und CD 2.
Zu einer Definition des kollegialen Aktes vgl. Winfried Aymans, Kollegium und kollegialer Akt im kanonischen Recht, München 1968; ders., Das synodale Element in der Kirchenverfassung, München 1970, S. 191 – 192.
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ist die Gesamtheit der Akte, mit denen, wenn auch unterschiedlich intensiv, die Leitung der Kirche ausgeübt wird, zugleich „personal“ und „synodal“. Zweitens betrifft die „Synodalität“, weil sie eine der „sacra potestas“ innewohnende ontologische Dimension ist, nicht nur die Bischöfe, denn alle Priester sind durch ihre sakramentale Teilhabe „an ein und demselben Priestertum und Amt Christi ... ihre notwendigen Helfer“ (PO 7,1). Auch die Diakone haben daran teil, wenn auch auf andere Weise und in geringerem Grad, denn sie empfangen die Handauflegung „nicht zum Priestertum, sondern zur Dienstleistung“ (LG 29,1). Diese Formel, die für die Übertragung der ersten Stufe des Weihesakraments verwendet wird, verdeutlicht zugleich die Eigenart der Funktion des Diakons und die spezifische innere Dynamik dieser Vollmacht, die als „sacra potestas“ zum Dienen von jeder anderen verschieden ist. Die „Niedrigkeit“ oder das „Dienen“ ist der spezifische Zug nicht nur des Diakonats, sondern auch „des kirchlichen Amtes, dessen Wesenszug das Dienen ist“ 46 . In diesem Sinn unterscheidet sich die nur teilweise, aber doch sakramentale Weise, auf die der Diakon am „Leitungsdienst“ der Hierarchie teilhat, von jeder anderen Form von „Mitarbeit“ der Laien und verdeutlicht die Unterschiedlichkeit der kirchlichen Vollmacht: „Als sakramentales Amt ist das Diakonat wirksames, d. h. Kirche aufbauendes Zeichen für die radikale Neuheit des Gott-Mensch-Verhältnisses in Jesus Christus, ‚der nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Le47 ben hinzugeben als Lösegeld für viele (Mk 10,45)‘“.
Dieser Unterschied wird schließlich bestätigt bei der Analyse des synodalen Elements der „sacra potestas“ in bezug auf die Mitverantwortung aller gläubigen Laien bei ihrer Ausübung. Da das gemeinsame Priestertum beim Aufbau des priesterlichen Volkes, der Kirche in bezug auf das konstitutionelle Profil primärer ist als das ministerielle, lässt sich die verschiedene Mitwirkung der Laien an der Ausübung der „sacra potestas“ schematisch so zusammenfassen: a) Die Leitungsvollmacht der Laien lässt sich zwar nicht als „pleno iure“ auffassen, doch gewährleistet der kirchliche Gesetzgeber deren „cooperatio“ bei ihrer Ausübung. Die Laien können nämlich, wie can. 129 § 2 48 betont, kraft
46
Vgl. Leo Scheffczyk, Die Verschiedenheit der Dienste: Laien – Diakone – Priester, in: IKZ Communio 25 (1996), S. 499 – 513, hier S. 507. 47 Gerhard Ludwig Müller, Der sakramentale Diakonat. Geschichtliche Entfaltung – systematische Perspektiven, in: AfkKR 166 (1997), S. 43 – 68, hier S. 68; vgl. auch den ganzen Abschnitt über „Diakonat und sacra potestas“, in: Gerosa, Grundlagen und Paradigmen der Gesetzesauslegung in der Kirche (Anm. 4), S. 192 – 195. 48
Vgl. auch can. 979 § 2 CCEO; zu einem eingehenderen Kommentar zum can. 129 § 2 vgl. Eugenio Corecco, I laici nel nuovo Codice di diritto canonico, in: Scuola Catto-
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der Sakramente der Taufe und der Firmung an der Ausübung der kirchlichen Leitungsvollmacht „mitwirken“. b) Aufgrund eines besonderen Auftrags können Laien auch Ämter übertragen werden, die einem geistlichen Zweck dienen oder mit pastoralen Aufgaben verbunden sind. 49 c) In die Ausübung der verschiedenen pastoralen Aufgaben können kraft einer spezifischen Ausbildung oder durch Anerkennung eines Charismas nicht nur Diakone und Ordensleute, sondern auch Laien (die keinem Orden angehören) einbezogen werden. 50 Kurz, wenn man, statt den Begriff „Kollegialität“ missbräuchlich zu gebrauchen, ihn durch den treffenderen Begriff „Synodalität“ ersetzt, gelingt es, nicht nur „eine besondere Verbundenheit der kirchlichen Amtsträger untereinander [...], sondern auch die Verbundenheit aller, die zur Kirche als dem wandernden Gottesvolk gehören“ deutlich zu machen. „Denn das Wort (Synodus = Zusammenweg) erinnert von seiner ursprünglichen Bedeutung her an das gemeinsame Unterwegssein und die gemeinsame Verantwortung dazu, die das Volk Gottes bilden. Die synodale Verfassung der Kirche lässt daher in einem weiteren Sinn auch an die vielen Gremien der Mitverantwortung denken, in denen die Gläubigen – Kleriker, Laien, Ordenschristen – auf pfarrlicher, diözesaner oder überdiözesaner Ebene zusammenarbeiten“ 51 . Im Unterschied zur
lica 112 (1984), S. 194 – 218; Carlo Cardia, Il governo della Chiesa, Bologna 2002, S. 59 – 62. Bei der Interpretation dieses Canons bereitet das Verständnis des Schlüsselbegriffs der „Mitwirkung“ große Schwierigkeiten; vgl. dazu Thomas A. Amann, Laien als Träger von Leitungsgewalt? Eine Untersuchung aufgrund des Codex Iuris Canonici, St. Ottilien 1996, S. 7 – 12. 49
Vgl. z. B. die cann. 145 § 1; 151; 228 § 1; 536; 874 des CIC und den Kommentar von Peter Krämer, Pastorale Dienste und Ämter. Die Untrennbarkeit der sakramentalen und rechtlichen Dimension, in: IKZ Communio 25 (1996), S. 514 – 522. 50
Vgl. dazu u. a. Heribert Schmitz, „Gemeindeleitung“ durch „Nichtpfarrer-Priester“ oder „Nichtpriester-Pfarrer“. Kanonistische Skizze zu dem neuen Modell pfarrlicher Gemeindeleitung des c. 517 § 2 CIC, in: AfkKR 161 (1992), S. 329 – 361; M. Böhnke, Pastoral in Gemeinden ohne Pfarrer. Interpretation von c. 517 § 2 CIC/1983, Essen 1994; Stephan Häring, Die Ausübung pfarrlicher Hirtensorge durch Diakone und Laien. Gesamtkirchliches Recht und partikularrechtliche Ausgestaltung, in: AfkKR 165 (1996), S. 353 – 372. 51
Peter Krämer, Bischofsamt und synodale Verfassung – Die rechtliche Struktur der Kirche nach dem II. Vatikanischen Konzil, in: Krise und Erneuerung der Kirche. Theologische Ortsbestimmungen, hrsg. von M. Lutz-Bachmann / B. Schlegelberger, Berlin / Hildesheim 1989, S. 71 – 83, hier S. 71 – 72. Zu einer vollständigeren Darlegung vgl. auch Libero Gerosa, Rechtstheologische Grundlagen der Synodalität in der Kirche. Ein-
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Kollegialität stellt also die Synodalität nicht eine „Alternative“ zur personalen Dimension des kirchlichen Dienstes dar und auch keine „Begrenzung“ des Ausübungsbereiches eines bestimmten Amtes, insbesondere des bischöflichen. Gilt das auch für die Ausübung der geistlichen Vollmacht des Oberen eines Instituts des geweihten Lebens? Das heißt: Hat die Lehre des II. Vatikanischen Konzils über die Einheit der „sacra potestas“ und deren Verschiedenheit von jeder anderen Form von Vollmacht auch bestimmte Bedeutungen für die Form, welche die Leitungsgewalt in einer Organisation charismatischen Ursprungs, wie die kirchlichen Bewegungen es sind, die neuen Gemeinschaften und die Institute des geweihten Lebens, gleich ob alt oder neu? Zur Ermittlung dieser möglichen Bedeutungen und ihrer Vereinbarkeit mit den spezifischen Elementen der Strukturationskraft des „Urcharismas“ oder des „Gründungscharismas“ können sich folgende zwei letzte allgemeine Erwägungen als hilfreich erweisen: a) Die Mitglieder der verschiedenen kirchlichen Leitungsorgane sind, auch wenn sie auf Grund „repräsentativer“ oder demokratischer Kriterien gewählt worden sind, nie Repräsentanten im parlamentarischen Sinn, sondern Gläubige, die gewählt wurden, um ihren Glauben zu bezeugen und „entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung“ (vgl. can. 212 § 3) denjenigen Gläubigen zu unterstützen, dem kraft des Weihesakramentes und der „missio canonica“ die Aufgabe anvertraut worden ist, in der betreffenden christlichen Gemeinschaft Autorität zu sein. Desgleichen hat in der Dynamik, welche die Arbeitsweisen der verschiedenen kirchlichen Räte bestimmt, auch die Unterscheidung zwischen dem entscheidenden und dem beratenden Stimmrecht nicht das gleiche spezifische Gewicht, das sie in einer staatlichen Struktur parlamentarischer Art besitzt. Weil eben in der Kirche die Vollmacht einen synodalen Charakter aufweist, geht es beim Entscheid eines bestimmten Rates, auch wenn seine Mitglieder „entscheidendes Stimmrecht“ besitzen, nicht ausschließlich um die Frage nach der Mehrheit. Dementsprechend ist das kirchliche Rechtsinstitut des „beratenden Stimmrechts“ nicht dazu da, bestimmte Gläubige vom Leitungsdienst auszuschließen. Vielmehr bildet es ein wesentliches, konstitutives Element des allgemeinen Bildungsprozesses des – lehramtlichen oder disziplinären – Urteils der kirchlichen Autorität und besitzt deshalb eine spezifische bindende Kraft, die innerhalb der kommunialen Struktur der Kirche durch den allen
leitende Erwägungen, in: Iuri Canonico Promovendo. Festschrift für Heribert Schmitz zum 65. Geburtstag, hrsg. von Winfried Aymans / Karl Theodor Geringer, Regensburg 1994, S. 35 – 55.
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Gläubigen geschenkten „sensus fidei“ erzeugt wird und durch die Charismen, die der Heilige Geist im Gottesvolk ins Leben ruft. b) Die sogenannten Beispruchsrechte, die in can. 127 allgemein formuliert sind 52 , sollten in allen Bereichen des Kirchenrechts eine umfassendere und genauere Anwendbarkeit finden. „Beispruchsrechte begründen ein Anhörungs- oder sogar ein Zustimmungsrecht bestimmter Gremien oder Einzelpersonen. Will ein Oberer einen Rechtsakt setzen, handelt er gegebenenfalls rechtsunwirksam, wenn er die Gremien nicht befragt oder ihre Zustimmung nicht einholt“ 53 . Leider hat der kirchliche Gesetzgeber, wenigstens außerhalb der Normen des CIC über die Institute des geweihten Lebens, von diesen Rechten nur sehr spärlich Gebrauch gemacht und, im Fall der Rechte auf Zustimmung, mit einer einzigen Ausnahme (can. 485) ausschließlich im Bereich des Vermögensrechts. Eine solche Beschränkung „kann theologisch sicher nicht begründet werden“ 54 , zeigt aber ebenfalls, wie wichtig und bedeutungsvoll die kanonistische Reflexion über die Leitungsorgane der Institute des geweihten Lebens sein kann. Somit ist der Moment gekommen, wenn auch auf synthetische und provozierende Weise, einige diesbezügliche Erwägungen vorzulegen. III. Problematische Aspekte der Ausübung der Leitungsvollmacht in den Gemeinschaften des geweihten Lebens: Ein Prüfstand für die Echtheit von Charismen und der Communio Die kanonistische Reflexion über verschiedene Formen der Ausübung der Autorität oder geistlichen Vollmacht des Oberen in einer Gemeinschaft des geweihten Lebens muss sich stets bewusst sein, dass, wenn auch mehr oder weniger intensiv,
52
Vgl. z. B. die cann. 515 § 2; 536 § 1; 494 § 1; 509 § 1.
53
Heribert Heinemann, Demokratisierung oder Synodalisierung? Ein Beitrag zur Diskussion, in: Kirche sein. Nachkonziliare Theologie im Dienst der Kirchenreform, Festschrift für H. J. Pottmeyer, hrsg. von W. Geerlings / M. Seckler, Freiburg / Basel / Wien 1994, S. 349 – 360, hier S. 359. Vgl. dazu auch Hubert Socha, Grundlegung von Beispruchsrechten der Laien durch das II. Vatikanische Konzil, in: Ecclesia et Ius, Festgabe für Audomar Scheuermann, hrsg. von Karl Siepen / Joseph Weitzel / Paul Wirth, München / Paderborn / Wien 1968, S. 355 – 378; Elmar Güthoff, „Consensus“ und „Consilium“ in c. 127 CIC/1983 und c. 934 CCEO. Eine kanonistische Untersuchung zur Normierung der Beispruchsrechte im Recht der Lateinischen Kirche und der Orientalischen Kirchen, Würzburg 21994. 54
Heinemann, Demokratisierung oder Synodalisierung? (Anm. 53), S. 359.
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„die Leitungsstruktur eines Instituts des geweihten Lebens ... das Gründungscharisma des Instituts widerspiegelt. An die Leitungsstruktur zu rühren oder sie zu ändern kann deshalb sehr riskant werden, weil das Charisma des Instituts dadurch verletzt werden kann. Daraus wird einsichtig, wie schwierig und heikel es für die Kirche ist, in dieser Sache Gesetze zu erlassen, und weshalb sie möglichst viel auf das Partikularrecht verschiebt. Wenn sie einerseits Unterscheidungskriterien haben muss, anhand derer sie das Gründungscharisma eines jeden Instituts gutheißen oder wahren kann, lässt sich andererseits keine allzu strenge und enge Gesetzgebung denken, die das Charisma des Instituts und damit die geistliche Entwicklung der Mitglieder und derer, die Gott zum Leben nach dieser besonderen Gnade beruft, schwächen oder dann zu einer Übertretung oder Geringschätzung der Gesetzgebung der Kirche veranlassen könnte. Dies würde immer mehr zu einem nicht nur personalen, sondern auch korporativen 55 ‚Charismatismus‘ oder ‚Subjektivismus‘ antreiben.“
Bei der Behandlung der heikelsten und aktuellsten Themen in bezug auf die Ausübung der Autorität in diesen kirchlichen Vereinigungsformen charismatischen Ursprungs 56 muß man sich deshalb nicht nur den in den vorhergehenden Abschnitten dargestellten ekklesiologischen und theologischen Horizont vor Augen halten, sondern auch den Sachverhalt, dass die Leitung des Oberen oder Moderators „ein Wirken ist, das nach bestimmten Rhythmen und Kraftlinien reift“ 57 von einigen Grundsätzen ausgehend, die in den geltenden Normen des kirchlichen Gesetzbuchs festgeschrieben sind. Hinsichtlich der neuen Formen des geweihten Lebens sind es zwei Grundfragen, die immer wiederkehren und sehr komplex sind, aber irgendwie auch in Instituten mit einer langen Tradition latent vorhanden sind: erstens die, ob Laienbrüder die Leitung eines Instituts mit der Jurisdiktion auch über die geweihten Mitglieder übernehmen dürfen; zweitens ob es angebracht ist, die Leitung eines solchen Instituts einem nicht geweihten Oberen anzuvertrauen. Was die Frage betrifft, ob Laienbrüder zu den Leitungsorganen eines Instituts des geweihten Lebens zuzulassen sind, sollte das, was über die Mitverantwortung der Gläubigen an der Ausübung der sacra potestas und über die Wich-
55
Costa, Il governo del Superiore e il suo Consiglio (Anm. 34), S. 193 – 194; der Grundgedanke ist indes schon in Nr. 62,4 des Apost. Schreibens „Vita consecrata“ enthalten. 56
Dass nicht nur die neuen Gemeinschaften des geweihten Lebens, sondern auch die älteren Institute des geweihten Lebens als ein “geistliches Ereignis“ oder eine „charismatische Wirklichkeit“ zu betrachten sind, ist nun eine faktische Gegebenheit, die von vielen Autoren anerkannt wird; vgl. Michel Dortel-Claudot, Le strutture di governo e di partecipazione delle Congregazioni religiose, in: Vita Consecrata 21 (1985), S. 771 – 792, hier S. 776. 57
Costa, Il governo del Superiore e il suo Consiglio (Anm. 34), S. 211.
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tigkeit der beratenden Stimme bei der Urteilsbildung der Autorität mehr als hinreichend sein, um im Eigenrecht jedes Instituts die Kriterien zu einer „differenzierten Beteiligung“ 58 aller seiner Mitglieder in der größtmöglichsten Entsprechung zur Natur und zur Sendung des Instituts selbst festzulegen. Ja, falls das Institut innerlich laikaler Natur ist, sollten kraft dieses Prinzips einzig die Laienbrüder zum Amt des Oberen aufsteigen, wie Johannes Paul II. sagt: „Wenn einige Mitglieder für den priesterlichen Dienst in der eigenen Ordenskommunität die heiligen Weihen empfangen“, soll das nicht von selbst mit sich bringen, dass sie zum Amt des Oberen befördert werden. Ja, der Papst rät eher davon ab, insofern, wie er sagt, dieses Amt „in besonderer Weise die Natur des Instituts widerspiegelt“ (VC 60) 59 . Dennoch muss das Generalkapitel, gerade um die spezifische Natur des Instituts vollständig zu respektieren, – wie richtigerweise bemerkt wurde – das bestimmen, „was die Mitglieder betrifft, die zur Priesterweihe vorzuschlagen sind, die Position dieser Priester innerhalb des Instituts im Verhältnis zu den Leitungsämtern und den Kapiteln; und ihre Abhängigkeit von den Oberen in der Ausübung des Amtes. Als Ordensleute können sie von Laien abhängig sein, die Obere sind …“ 60 , aber als Priester bleibt ihre Abhängigkeit von einem Laien in der Ausübung ihres priesterlichen Amtes eine Ausnahme und als solche wird sie zu behandeln sein, sowohl in den traditionellen Instituten als auch in den neuen 61 . Es ist nämlich offensichtlich, dass für sie das theologische Prinzip des Bischofs als „perfector sanctitatis“ 62 des ganzen Gottesvolkes, Ordensleute eingeschlossen, größere pastorale und konkrete Konsequenzen hat. Wenn hingegen das betreffende Institut eine innerlich priesterliche Natur hat, können, auch abgesehen davon, wie viele ihrer Mitglieder Priester sind, natürlich nur Priester zum Amt des Superiors Zutritt haben, weil eben der Obere die volle Verwirklichung des Charismas und der besonderen Sendung des Instituts zum Ausdruck bringen und gewährleisten soll.
58
Der Begriff wird auch in Nr. 68 des Apost. Schreibens „Vita consecrata“ verwendet. 59
Ebd. vgl. Ghirlanda, „Istituti misti“ e nuove aggregazoni (Anm. 33), S. 290.
60
Elio Gambari, Vita religiosa, secondo il Concilio e il nuovo diritto canonico, Roma 1985, S. 222. 61
Die Frage der Möglichkeit, konkret und rechtlich in ein und demselben „Ordensmann“ priesterliches Leben und Ordensleben zu unterscheiden ist nicht neu; z. B. hat man sich auch im Malteserorden seit den Anfängen in den sechziger Jahren die Frage gestellt, ob die Kapläne vom Großmeister oder vom Ordensprälat abhängen. 62
In diesem Zusammenhang vgl. CD 15 und den Kommentar von Jèrome Hamer, L’évêque et les religieux, in: DC (1981) 812; Daniel Bourgeois, La pastorale della Chiesa, Milano 2001 (AMATECA, Bd. 11), S. 392 – 395.
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Komplexer ist die zweite Frage, vor allem was die sogenannten „gemischten Institute“ betrifft, nämlich jene Kategorie von Instituten des geweihten Lebens, in denen – kraft des can. 588 § 1 und ihres Urcharismas – sämtliche Glieder, ob geweiht oder nicht, „als gleich anzusehen sind, mit denselben Pflichten und Rechten, mit Ausnahme derer, die sich ihrem Wesen nach von der Priesterweihe herleiten“. 63 In diesem Problem stecken zwei Fragen: a) Kann ein nichtgeweihter Bruder (Schwester), einem solchen Institut vorstehen? b) Wenn ja, welche Form von Autorität übt er (sie) auf seine Brüder (Schwestern) aus? Um Verwirrungen und unnötige Komplikationen zu vermeiden, sollen bei den Antworten zwischen zwei Ebenen oder Zeiträumen differenziert werden: dem der Gründung, in dem der Gründer oder die Gründerin des Instituts noch tätig ist, und dem der Institutionalisierung oder der Dauer. Im ersten Zeitraum versteht es sich, ohne dass man der Strukturierungskraft des Ur- oder Gründungscharismas etwas abspricht, von selbst, dass die Ausübung der geistlichen Vollmacht in Rhythmen und Modalitäten erfolgt, die anders sind als die von den geltenden Normen des CIC festgelegten. Einer der Grundzüge des Ur- oder Gründungscharismas, der von der Erfahrung der kirchlichen Bewegungen und der neuen Gemeinschaften ans Licht gehoben wird, ist eben der, dem Gründer oder der Gründerin zu erlauben, gegenüber andern Personen, glaubenden oder nicht glaubenden, „eine Beziehung der Vaterschaft oder Mutterschaft im Glauben“ auszuüben. Obwohl diese Vaterschaft oder Mutterschaft im Vergleich mit der einzigen und unteilbaren göttlichen bloß als sekundär bezeichnet werden kann, lässt sie sich doch nicht einfach auf die Erzeugung einer besonderen Lebensweise des Glaubens reduzieren. Kraft des erhaltenen Charismas wird der Gründer (die Gründerin) nämlich „ein vorzügliches Instrument zu einer stets neuen persönlichen Bindung an das Mysterium Christi“ 64 . Und obwohl es nach can. 605 dem Diözesanbischof zukommt, die Echtheit des Charismas zu prüfen und dem Gründer (der Gründerin) behilflich zu sein, es mit geeigneten Statuten zu schützen 65 , wird doch während der ganzen Gründungsperiode die charismatische Autorität des Gründers (der Gründe-
63
Ebd., S. 292.
64
Johannes Paul II., Discorso ai partecipanti a un corso di esercizi (Anm. 37), S. 256; vgl. diesbezüglich den Kommentar von Gerosa, Charisma und Recht (Anm. 13), S. 71 – 72. 65 Zu einer eingehenden Analyse der Rolle des Diözesanbischofs nach can. 605 vgl. Neri, Nuove forme di vita consacrata (Anm. 28), S. 118 – 121.
422
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rin) „de facto“ in Bezug auf alle Mitglieder der neuen kirchlichen Vereinigung, einschließlich der Priester, eine entscheidende Rolle haben. Ein wirksamer Gleichgewichtsfaktor kann die so bald als möglich erfolgende Wahl eines Generalobern (einer Generaloberin) der Gemeinschaft des geweihten Lebens sein, der (die) vom Gründer (der Gründerin) verschieden ist. Das wird auch ermöglichen, die Echtheit der durch das Ur- oder Gründungscharisma erzeugten Gemeinschaft zu prüfen, vor allem dank der Mitverantwortung, die zum guten Funktionieren des Rates des Oberen erfordert ist, dessen „Mitglied von Rechtes wegen“ der Gründer oder die Gründerin lebenslänglich sein sollte. 66 Für den zweiten Zeitraum, den der Institutionalisierung und der Konsolidierung des Weiterdauerns des Ur- oder Gründungscharismas, sind auf die beiden gestellten Fragen Antworten zu geben, die vielleicht innovativ sind, die aber doch stets den Grundprinzipien entsprechen, welche die Ausübung der Leitungsvollmacht in der Kirche regeln. Da diese Autorität eine Äußerung der einen, einzigen „sacra potestas“ ist, an deren Ausübung nach can. 129 § 2 gläubige Laien bloß „mitwirken“ können, und da die Autorität des Generalobern eines gemischten Instituts nicht nur öffentlich ist, sondern auch einen jurisdiktionellen Charakter hat, der sich auf das Leben und die pastorale Tätigkeit eines Priesters stark auswirkt, ist nicht ersichtlich, wie zu diesem Dienst auch ein Bruder bzw. eine Schwester, die bzw. der Laie ist, Zugang haben könnte. Obwohl nämlich gemäß dem can. 134 § 1 nur „die höheren Oberen klerikaler Ordensinstitute päpstlichen Rechtes“ als „Ordinarien“ gelten können, lässt sich doch nicht leugnen, dass der Generalobere eines gemischten Institutes in bezug auf das Leben und die pastorale Tätigkeit der Priester, die Mitglieder des von ihm geleiteten Instituts sind, wenigstens „de facto“ die Rolle und Autorität eines Ordinarius hat. Auch wer dem hier und andernorts über die Leitungsvollmacht als Ausdruck der einen, einzigen „sacra potestas“ Gesagten nicht zustimmt, sieht ein, dass man in Bezug auf diejenigen gemischten Institute, in denen nicht nur die Zahl der Priester, sondern auch die Bedeutung und Auswirkung ihrer pastoralen Tätigkeit groß ist, die Frage zu stellen hätte, ob nicht „wenigstens der Generalobere stets ein Priester sein sollte“ 67 . Andererseits ist offensichtlich für die Beziehung zwischen dem Oberen und den geweihten Brüdern die Mahnung des heiligen Gregors des Großen besonders bedeutsam:
66
Zum korrekten Funktionieren des Rates des Oberen vgl. neben dem angeführten Aufsatz von Costa (vgl. w. o. Anm. 34) auch Gianfranco Ghirlanda, Atto giuridico e corresponsabilità ecclesiale (c. 127 CIC), in: Periodica 90 (2001), S. 183 – 223. 67
Ghirlanda, „Istituti misti“ e nuove aggregazioni (Anm. 33), S. 296.
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„Er [der Hirt oder Vorsteher] muss lauter sein in seinen Gedanken, musterhaft im Wandel, taktvoll im Schweigen, tüchtig im Reden, gegen jedermann voll Teilnahme, mehr als alle der Betrachtung ergeben, den Guten ein demütiger Genosse, den Fehltritten der Sünder gegenüber ein unbeugsamer Eiferer für die Gerechtigkeit; er darf bei aller Beschäftigung mit den äußeren Dingen die Sorge für das Innere nicht vergessen und bei allem Eifer für das Innere die Sorge für das Äußere nicht vermissen lassen“ 68 .
Schließlich ist zu sagen: Während im Gründungszeitpunkt vor allem die Befähigung des Ur- oder Gründungscharismas, mitverantwortliche Gemeinschaft und Einheit aufzubauen, zu prüfen ist, geht es in der institutionalisierenden Periode vor allem um die Prüfung der Fähigkeit sämtlicher Glieder der Gemeinschaft des gottgeweihten Lebens, die Wahrheit zu erkennen und zu befolgen, die sich aus dem Neuen Testament ergibt und von Papst Johannes Paul II. wiederholt bekräftigt worden ist 69 : dass nämlich die Entdeckung eines echten Charismas die an ihm Beteiligten stets dazu führt, „Diener der einzigen Macht, Christi des Herrn zu werden“.
68
Hl. Gregor der Große, Buch der Pastoralregel, II, 1, in: Bibliothek der Kirchenväter, 2. Reihe, Bd. IV, 1, München 1933, S. 87. 69
Vgl. Giovanni Paolo II, Insegnamenti, Bd. VIII/2 (1985), S. 660.
Neue Akzente im „Ordensrecht“ 1 des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium Von Rudolf Henseler I. Grundlegende Fragen Im Verhältnis Westkodex (CIC) – Ostkodex (CCEO) stellen sich viele Fragen: Ist der Codex der ostkirchlichen Rituskirchen latinisiert worden? Bedeutet er eine Rückkehr zum Westkodex von 1917? Oder beweist er umgekehrt ein größeres Maß an Elastizität im Vergleich zum CIC/1983? Ist der CCEO die „Vergeltung der römischen Kurie für das Zweite Vatikanische Konzil“, weil die vom Konzil gewollte großzügige Autonomie für die orientalischen Kirchen durch den CCEO vereitelt worden sei? 2 Oder ist der CCEO eine katholische Alternative, eine Fortentwicklung, gar eine Korrektur des CIC/1983 oder viel1 Wie jeder deutschsprachige Ordensrechtler, der sich mit dem Ordensrecht befaßt und diese Kurzformel „Ordensrecht“ benutzt, so muß auch hier wieder für diese und alle anderen diesbezüglichen Publikationen daran erinnert werden, daß unter „Ordensrecht“ alle Gemeinschaften bzw. Institute inbegriffen sind, die der CIC unter den Begriff „Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens“ zusammenfaßt, ja streng genommen müssen auch Einzelpersonen noch mit ins Auge gefaßt werden, deren Status in diesem Rechtsbereich geregelt wird: der Eremit, der Jungfrauenstand und (im Recht der östlichen Rituskirchen) auch der Witwenstand. Hinzu kommt in can. 605 CIC/1983 sowie in can. 571 CCEO eine Rahmenregelung für neue Formen des geweihten Lebens. Vgl. auch die beinahe gleichen terminologischen Eingangsüberlegungen bei Bruno Primetshofer, Streiflichter zum Ordensrecht des CCEO, in: FS Richard Puza zum 60. Geburtstag, hrsg. von Andreas Weiß / Stefan Ihli, Frankfurt a. M. 2003, S. 241 – 258, hier S. 243; siehe auch Bruno Primetshofer, Ordensrecht auf der Grundlage des CIC 1983 und des CCEO unter Berücksichtigung des staatlichen Rechts der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz, 4. Aufl., Freiburg i. Br. 2003, hier S. 21, sowie die Einleitungen der Kommentarwerke von Reinhold Sebott, Ordensrecht (Frankfurt a. M. 1995), hier S. 8, und Rudolf Henseler, Ordensrecht (Essen 1998, 2. Aufl.), = Sonderdruck aus Münsterischer Kommentar (MK, Loseblattsammlung ab 1984), hier: Einleitung vor 573. 2 So Louis Rohban, Codification du droit canonique oriental, in: Apoll 65 (1992), S. 293; zit. nach Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 243.
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Rudolf Henseler
leicht ein Experimentierfeld, weil man ja zwei legislative Spielwiesen, eine westliche und eine östliche, zur Verfügung hat? Fußt das Spätere auf der Erfahrung mit dem Früheren und ist das Spätere gar ein Reflex auf die Kritik am früheren Gesetzeswerk? All dies sind bedeutsame Fragen; man kann sie freilich erst nach einer gründlichen Analyse beantworten und vor allem, so jedenfalls mein persönliches Fazit: Man kann sie präzise immer nur für die betreffende engere Rechtsmaterie beantworten, und dies ist hier diejenige des Ordensrechts. Bruno Primetshofer war der erste im deutschsprachigen Raum, der in seinem ordensrechtlichen Standardwerk einen ausführlichen und kritischvergleichenden Blick auf das Recht der katholischen Ostkirchen geworfen hat. 3 Primetshofer hat dann diesen ordensrechtlichen Ostkirchenaspekt noch einmal eigens zum Thema gemacht in seinem Beitrag zur FS für Richard Puza. 4 Das ordensrechtliche Standardwerk Primetshofers sowie sein erwähnter Artikel sind sozusagen die Pionierarbeiten einer rechtsvergleichenden Bewertung im deutschsprachigen Raum zwischen dem Ordensrecht der lateinischen Kirche und dem der unierten Rituskirchen des Ostens. Ein zweiter Blick und somit auch eine zweite Bilanz dieser beiden Codices in bezug auf die ordensrechtliche Materie, wie ich sie hier vornehme, wird dabei – wie sich zeigen wird – im großen und ganzen zu einer ähnlichen Einschätzung kommen wie bei Primetshofer, wird im einzelnen etwas anders akzentuieren und den Vergleich selbst hier und da etwas anders auswählen. Über Ost- und Westkodex im allgemeinen ist schon viel geschrieben worden, und einige der Formulierungen sind bereits Allgemeingut der kanonistischen Zunft geworden, wie das Papstwort aus der den CCEO einleitenden Apostolische Konstitution „Sacri Canones“ von den beiden Lungenflügeln und dem einen Herzen. 5 Wenn man bedenkt, daß sich der Codex der Ostkirchen streckenweise wie ein Correctivum des Westkodex liest, 6 so darf man dies auch für den Bereich des Ordensrechts vermuten. Meines Erachtens ist ein nicht geringer Grund auch in dem Umstand zu sehen, daß ein Schatten des Ordensrechtsschemas von
3
Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 1).
4
Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1).
5
Papst Johannes Paul II., Apost. Konst. „Sacri Canones“ vom 18.10.1990, in: AAS 82 (1991), S. 1034 – 1044: „ … ut ipsa (sc. Ecclesia) unico Spiritu congregata quasi duobus pulmonibus Orientis et Occidentis respiret atque uno corde quasi duos ventriculos habente in caritate Christi ardeat.“ 6
Vgl. hierzu auch Carl Gerold Fürst, Katholisch ist nicht gleich lateinisch. Der gemeinsame Kirchenrechtscodex für die katholischen Ostkirchen: Herderkorrespondenz 45 (1991), S. 136 – 140. In diesem Artikel wird der CCEO als eine wichtige Ergänzung und teilweise auch „katholische Alternative“ zum CIC/1983 bezeichnet.
Neue Akzente im „Ordensrecht“ des CCEO
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1977 7 noch über dem CIC von 1983 liegt, weil der endgültige Codex sich von diesem Schema nicht restlos gelöst hat. 8 Die gebräuchlichen Quellen und Hilfsmittel für eine Beschäftigung mit dem CCEO können hier vorausgesetzt werden. 9 Die grundlegenden Überlegungen, welche Primetshofer bezüglich des Stellenwertes einer Rechtsvergleichung sowie zu der Bedeutung der Kodifikationen im 20. Jahrhundert anstellt, brauchen hier nicht wiederholt, können und sollen vielmehr für das Verständnis des Ganzen vorausgesetzt werden. 10 II. Orden und Kongregationen In verschiedenen Publikationen habe ich stets mein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, daß der CIC/1983 die Termini ordo und congregatio (ebenso wie die Termini feierliche und einfache Gelübde) 11 nicht mehr verwendet und der neue Westkodex diese beiden Gattungen gesichtslos subsumiert unter den Begriff der instituta religiosa, letztere wiederum abgesetzt von den instituta saecularia, die aber zusammengenommen wiederum die instituta vitae consecratae bilden und als solche den societates vitae apostolicae gegenüberstehen. 12 Die Eliminierung der alten Terminologie hatte ich mit folgender Begründung kritisiert:
7
Vgl. zum Ordensrechtsschema von 1977 auch Rudolf Henseler, Zur Geschichte des nachkonziliaren Ordensrechts – Übersicht, Tendenzen und Entwicklungen, Köln 1980, bes. S. 40 – 45; auch in: OK 21 (1980), S. 257 – 310. 8
Man vgl. nur etwa die Typologie der Institute in can. 577 CIC/1983, die ursprünglich so etwas wie das Gliederungsschema des neuen Ordensrechts werden sollte. Vor allem die Unterteilung in der pars secunda des Schemas war wirklichkeitsfremd, wirkt aber noch in den CIC von 1983 hinein. 9
Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, Rom 1990; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium – Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen; Lateinisch-deutsche Ausgabe; hrsg. von Libero Gerosa / Peter Krämer, übersetzt von Gerd Ludwig und Joachim Budin, Paderborn 2000; Carl Gerold Fürst, Canones Synopse zum Codex Iuris Canonici und Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, Freiburg i. Br. 1992. 10
Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 241 – 243.
11
Can. 1192 § 2 CIC/1983 spricht zwar noch von einfachen und feierlichen Gelübden, doch im Hauptanwendungsgebiet, dem Ordensrecht, ist diese Terminologie eliminiert; sie tritt aber durch die Hintertüre der Rechtswirkungen in can. 668 wieder ein. 12
Vgl. zum ganzen Henseler: Ordensrecht (Anm.1), hier: Einleitung vor can. 573 und Terminologische Übersicht vor can. 573 (= Ordensrecht, Sonderdruck aus MK, S. 5 – 7 und 81 – 82).
428
Rudolf Henseler
1. Orden und Kongregationen sind historische Begriffe, die Momente der Entwicklung des Ordenswesens widerspiegeln. Wer diese Begriffe fallen läßt, bereitet dem Verständnis der gegenwärtigen Situation des Ordenswesens Schwierigkeiten. 2. Diese Begriffe als historische Begriffe sind zugleich Gegenwart, insofern sie im Eigenrecht der Verbände nach wie vor vorhanden sind: Orden begreifen sich als Orden, Kongregationen als Kongregationen. Kein klösterlicher Verband gebraucht die konturenlose Selbstbezeichnung „Religioseninstitut“. 13 Hinzu kommt, daß die Selbstbezeichnungen der klösterlichen Verbände sehr häufig schon den besagten Unterschied „im Wappen führen“. 14 3. Nach wie vor in Kraft sind die verschiedenen Rechtswirkungen, welche eine Profeß in einem Orden bzw. in einer Kongregation mit sich bringt, wenngleich die Rechtswirkungen der feierlichen und der einfachen Profeß in bezug auf das Ehehindernis eingeebnet und zugleich verschärft worden sind, insofern jetzt bereits jedes öffentliche und ewige Gelübde der Keuschheit in einem institutum religiosum ein solches Ehehindernis bewirkt (can. 1088 CIC/1983, anders can. 1073 CIC/1917). 15 4. Besonders nachteilig und in höchstem Maße verwirrend wirkt sich aus, daß in der offiziösen deutschen Übersetzung des CIC 16 der Begriff des institutum religiosum mit Ordensinstitut wiedergegeben wird, was zur Folge hat, daß der Begriff Orden in diesem Oberbegriff „Ordensinstitut“ 17 und ebenso dann noch einmal im Unterbegriff Orden (im historischen Gegenüber zur Kongregation) auftaucht. Obwohl ich damals nach Erscheinen der 1. Auflage des
13
Ich kann an dieser Stelle nicht näher auf den unverständlichen Umstand eingehen, daß der Begriff institutum das ganze Ordensrecht des CIC/1983 durchzieht: einen farbloseren Begriff hätten jene, die den Begriff der religio im CIC/1917 ersetzen wollten (in der deutschen Kanonistensprache hatte sich dafür „klösterlicher Verband“ durchgesetzt), wohl kaum wählen können. 14 Z. B. „Predigerorden“ (Dominikaner), Kongregation des Allerheiligsten Erlösers (Redemptoristen) usw. 15
Wo es um die verschiedenartigen Rechtswirkungen in bezug auf das Armutsgelübde geht, spricht der Gesetzestext beim Ordensangehörigen (mit feierlicher Profeß) ziemlich umständlich von demjenigen Professen, der aufgrund der Eigenart des Instituts ganz auf sein Vermögen verzichten muß bzw. verzichtet hat (vgl. can. 668 §§ 4 und 5 CIC/1983). 16
Codex Iuris Canonici - Codex des kanonischen Rechtes, Kevelaer 2001, 5. Aufl.; aber auch schon in den früheren Auflagen wurde institutum religiosum mit „Ordensinstitut“ übersetzt. 17
Siehe etwa Titel II der Sectio I „De institutis religiosis – Ordensinstitute“.
Neue Akzente im „Ordensrecht“ des CCEO
429
offiziösen deutsch-lateinischen CIC die Übersetzer auf diesen Mißstand aufmerksam machte, hat sich bis in die 5. Auflage an dieser Übersetzung nichts geändert. Zur Zeit existieren mindestens vier verschiedene Übersetzungsvorschläge: „Ordensinstitute“ (wie aufgezeigt in der offiziösen deutschen Übersetzung), „Ordensgemeinschaften“ bei Schwendenwein 18 , sodann „Religiosenverbände“ bei Aymans / Mörsdorf 19 , „Religioseninstitute“ im MK. 20 Der CCEO hat die Termini ordo und congregatio (im Plural) in Artikel III (vor can. 504 CCEO) wieder in seiner Überschrift verwendet und benutzt sie in den zu Artikel III gehörenden cann. 504 – 553, inklusive einer Definition in can. 504. Primetshofer 21 leitet nicht zuletzt aus dieser Feststellung die grundlegende Beobachtung ab, daß der CCEO (im Ordensrecht) weniger Affinitäten zu sei-
18
Hugo Schwendenwein, Das Neue Kirchenrecht, Gesamtdarstellung, Graz 1983, S. 255 – 293; auf S. 262 bemerkt Schwendenwein unter der Überschrift „Ordensgemeinschaften und Ordensleben“, daß mit dem Wegfall der Unterscheidung zwischen den Orden im engeren Sinn (Orden mit feierlichen Gelübden) und den Kongregationen (mit einfachen Gelübden) diese beiden Gruppen in einer zusammengefaßt würden. Im folgenden gebraucht er sodann für diese den Begriff „Ordensgemeinschaften“. 19
Aymans / Mörsdorf, Kanonisches Recht, Bd. II, Paderborn 1997, S. 543 und öfter. Aymans geht hier (S. 543) eigens auf die Problematik der Übersetzung des lateinischen Begriffs institutum religiosum ein und bemerkt: „Die in kirchenamtlichem Auftrag erfolgte deutsche Übersetzung des CIC bedient sich des Begriffs ‚Ordensinstitut‘. Dies war dadurch ermöglicht, daß der CIC die altkodikarische Unterscheidung von Orden (ordo: vota sollemnia) und Kongregationen (Congregatio religiosa; vota simplicia) nicht aufrechterhalten hat. Gemeinrechtlich ist der Begriff ‚Orden‘ somit frei geworden…“. Dem muß jedoch widersprochen werden. Und zwar nicht nur mit der von Aymans selbst direkt im Anschluß an die letzte Aussage getätigten einlenkenden Bemerkung, daß der Begriff Orden im Eigenrecht der Verbände als Ausdruck des traditionellen Selbstverständnisses weiterhin Verwendung findet, sondern neben anderen oben bereits genannten Argumenten auch mit dem Hinweis auf den CCEO. Meines Erachtens ist der Begriff „Orden“ niemals frei geworden. Der CCEO und seine Terminologie hat dies bestätigt. Der von Aymans letztendlich gewählte Begriff „Religiosenverband“ scheint mir freilich glücklich gewählt, weil er zum einen bewußt das blasse „institutum“ vermeidet und mit dem Terminus „Verband“ an das in der deutschen Kanonistensprache gebräuchliche „klösterlicher Verband“ als Übersetzung des lateinischen Begriffs „religio“ im Ordensrecht anknüpft. 20 Die gelegentliche Unzufriedenheit mit der erfolgten offiziösen Übersetzung und zugleich der Wunsch nach einer ziemlich wörtlichen Übersetzung waren es denn auch, was die Autoren des MK gleich zu Beginn ihres Unternehmens veranlaßte, für ihren Kommentar eine eigene Übersetzung anzubieten. 21
Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 243.
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Rudolf Henseler
nem unmittelbaren lateinischen Vorgänger, dem CIC/1983, aufweist als vielmehr zum CIC/1917 und zu „Postquam apostolicis litteris“. 22 Der CIC/1983 hat den Terminus „institutum vitae consecratae“ zum bis dahin unbekannten Zentralbegriff des Ordensrechts gemacht, während andere prägende Begriffe des Ordensrechts von 1917 – und hier zählt Primetshofer expressis verbis auch die Termini ordo und congregatio auf – nicht mehr zu finden sind. Der CCEO dagegen gebraucht in einer Linie mit dem CIC/1917 und „Postquam apostolicis litteris“ diese Begriffe wieder, während umgekehrt der neue Zentralbegriff des lateinischen Ordensrechts institutum vitae consecratae dem CCEO zwar bekannt ist, aber keine zentrale Rolle spielt. 23 Dabei bietet die ostkirchliche Definition keineswegs einfach jene des can. 488 n. 2 CIC/1917, 24 sondern es heißt: „Ein Orden ist eine von der zuständigen kirchlichen Autorität errichtete Gesellschaft, in der die Mitglieder, auch wenn sie keine Mönche sind, eine Profeß ablegen, welche der monastischen Profeß gleichgestellt ist.“ 25 Daß hier nicht – wie im Westen – auf die feierliche Profeß abgestellt wird, sondern auf die monastische, hat ein besonderes Gewicht und wird uns noch des weiteren beschäftigen. Weiter dann: „Eine Kongregation ist eine von der zuständigen kirchlichen Autorität errichtete Gesellschaft, in welcher die Mitglieder die Profeß mit den drei öffentlichen Gelübden des Gehorsams, der Keuschheit und der Armut ablegen, die jedoch nicht der monastischen Profeß gleichgestellt ist, sondern nach Norm des Rechts eine eigene Geltung besitzt. 26 Es ist nur konsequent, wenn und daß der CCEO das Ordensrecht mit den Worten „status religiosus“ eröffnet und hierin dem CIC/1917 erneut gleicht, 27 während der CIC/1983 in 22 MP „Postquam apostolicis litteris“ von 1952, was die damalige Teilkodifikation des orientalischen Rechts anging, in: AAS 44 (1952), S. 65 – 152. 23
Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 243 f.
24
Can. 488 pr und n. 2: CIC/1917: „In canonibus qui sequuntur veniunt nomine ordinis, religio, in qua vota sollemnia nuncupantur; …Congregationis religiosae vel Congregationis simpliciter (im Unterschied zur monastischen Kongregation), religio in qua vota dumtaxat simplicia sive perpetua sive temporaria emittuntur.“ 25
Can. 504 § 1 CCEO: „Ordo est societas ab auctoritate competenti ecclesiastica erecta, in qua sodales, etsi non sunt monachi, professionem emittunt, quae professioni monasticae aequiparatur.“ Zur Anlehnung dieser Definition der Ordensprofeß an jene der Mönchsprofeß siehe weiter unten. 26
Can. 504 § 2 CCEO: „Congregatio est societas ab auctoritate competenti ecclesiastica erecta, in qua sodales professionem emittunt cum tribus votis publicis oboedientiae, castitatis et paupertatis, quae tamen professioni monasticae non aequiparatur, sed propriam vim habet ad normam iuris.“ Auch hier fällt – wenn auch via negativa – der Bezug zur monastischen Profeß auf. 27
Can. 487 CIC/1917: „Status religiosus … ab omnibus in honore habendus est“, vgl. can. 574 § 1 CIC/1983 „Status eorum, qui … ab omnibus in Ecclesia fovendus et pro-
Neue Akzente im „Ordensrecht“ des CCEO
431
can. 573 folgerichtig mit seinem Lieblings- und Zentralbegriff „vita consecrata“ beginnt. Auf die erhebliche rechtliche und rechtssystematische Konsequenz, daß dieser Begriff „vita consecrata“ zum Dreh- und Angelpunkt im Ordensrecht des CIC/1983 geworden ist, habe ich an verschiedenen Stellen 28 aufmerksam gemacht, daß also unter diesem Begriff im CIC/1983 die Religioseninstitute und Säkularinstitute zusammengefaßt wurden und somit im Endergebnis eine spirituelle Wirklichkeit die juristische Klammer für Entitäten bildet, welche in der Praxis und somit auch im Rechtssystem nicht zusammenpassen wollen. Die juristische Klammer wäre richtigerweise die vita communis, welche die Orden und Kongregationen mit den societates vitae apostolicae gemeinsam haben. Bei diesen gibt es viel gemeinsamen Regelungsbedarf, wie bereits die vielen Blockverweise im Recht der Gesellschaften auf das Recht der Religiosen es beweisen. 29 Allerdings hieße es, die Perspektive zu verschieben, wenn nicht bereits an dieser Stelle betont würde, daß im CCEO Orden und Kongregationen lediglich unter „de ceteris religiosis“ genannt werden, ein wenig boshaft könnte man sagen: genannt „unter ferner liefen“; denn Modellcharakter im eigentlichen Sinne haben im kirchlichen Osten nun einmal die Mönche. Damit aber sind wir bereits beim nächsten Punkt angelangt. III. Mönche und andere Religiose (Ordensleute) Während beim CCEO zunächst die Wiedereinführung der Terminologie von Orden und Kongregationen ins Auge springt, so ist doch von der Gewichtung her etwas anderes im ostkirchlichen Ordensrecht auffallend: die besondere Betonung und Heraushebung des Mönchtums bereits bei der Definition der Orden in can. 504. 30 Es fällt auf, daß der spirituelle Maßstab schlechthin die Mönche sind, wenn es dort von den Angehörigen der Orden heißt, daß es sich hierbei um Mitglieder handelt, in welcher die Sodalen, auch wenn sie keine Mönche sind, eine Profeß ablegen, die der monastischen Profeß gleichgestellt ist. Primetshofer spricht zu Recht davon, daß hier bei der rechtlichen Beschreibung der Orden ziemlich unbekümmert die Meßlatte des Mönchtums angelegt werde und daß diese „geradezu Modellcharakter für die übrigen Formen des
movendus est.“ So auch can. 411 CCEO: „Status religiosus ab omnibus fovendus et promovendus est“, hier allerdings nicht verpackt als eine die sonstige Hauptaussage begleitende Floskel, sondern als eigenständiger Canon mit nur dieser einen Aussage, was dem ganzen ungleich mehr Gewicht verleiht. 28
Vor allem in der Kommentierung des MK.
29
Siehe meine Übersicht in MK 732 Rdn 3.
30
Text siehe Anm. 25 (aber auch 26).
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Rudolf Henseler
Ordenlebens“ hätten.31 Was die in der Definition genannte Gleichstellung (der Profeß) angeht, so geht es hierbei nicht um die Wertschätzung also solche32 – diesbezüglich nimmt das Mönchtum im Osten klar die erste Stelle ein –, wohl aber um die Rechtswirkung einer monastischen Profeß einerseits und der Profeß in einem Orden andererseits. Es ist auffallend, daß vom Mönchtum im CIC/1917 nur zweimal im Kontext der Präzedenz die Rede ist.33 Im CIC/1983 sind die Mönche nur einmal erwähnt, nämlich da, wo bestimmt wird, daß die klösterliche Niederlassung von Regularkanonikern und Mönchen unter der Leitung und Aufsicht eines eigenen Leiters („moderator“) rechtlich selbständig ist, wenn die Konstitutionen nichts anderes bestimmen.34 Wie anders dagegen der CCEO: Schon die Überschrift des Titels XII lautet: „Mönche, andere Religiose und Mitglieder weiterer Institute des geweihten Lebens“, und das Kapitel I beginnt mit „Mönche und andere Religiose“. Man wird einräumen müssen, daß mehr dahintersteckt als bloß der Widerschein der spirituellen Bedeutung, ja Vorrangstellung des Mönchtums in den ostkirchlichen Rituskirchen. Es ist im Prinzip der genauere Reflex auf die geschichtliche Entwicklung des Ordenswesens im allgemeinen. Denn über Vorläufer des Ordenswesens (Jungfrauen, Witwen, Asketen) hatten sich im Laufe der Zeit aus den Eremiten sog. Lauren entwickelt (Anachoretenvereinigungen), und über diese hatte sich das Zönobitentum entwickelt, an deren Anfang die Entstehung der monastischen Orden stand. In einer langen Entwicklung, der hier nicht nachgegangen werden kann, kamen neue Formen des Ordenslebens hinzu: die Regularkanoniker (Regulierte Chorherrn), Ritterorden, Bettelorden, Regularkleriker, Kongregationen, Gesellschaften des apostolischen Lebens (die im CIC/1917 noch Gesellschaften des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde hießen) und die Säkularinstitute bis hin zu Personalprälaturen35 und ganz neuen Formen des Ordenslebens.36 Gegenüber 31
Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 245 ff.
32
Diese Wertschätzung entspringt eindeutig einem Ideal, nicht aber einer zahlenmäßigen Gegebenheit: So zitiert Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 244 Anm. 15 einen Beitrag von Domingo Javier Andrés, in: Apoll 65 (1992), S. 141, nach dessen Angaben es im ostkirchlichen Recht 23.000 weibliche Ordensleute gibt gegenüber nur 2.200 männlichen. 33 Vgl. can. 491 § 1 CIC/1917; hier „rangieren“ in der Präzedenz immerhin die Regularkanoniker noch vor den Mönchen (wohl wegen ihres klerikalen Charakters), diese vor den übrigen Regularen (Angehörige von Orden, also Feierlichprofessen), diese wiederum vor den Kongregationen. 34
So im can. 613 § 1 CIC/1983. Der § 2 verfügt des weiteren, daß der Leiter einer solchen selbständigen Niederlassung von Rechts wegen höherer Oberer ist. 35 Deren Einordnung in das Gefüge des Codex ist bei den Autoren umstritten: Gehören sie zum Verfassungsrecht der Kirche oder doch eher in das Verbandsrecht? Man vgl. schon die Entwicklung des Opus Dei vom Säkularinstitut zur Personalprälatur (vgl.
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der überaus spannenden Geschichte der Entwicklung des christlichen Ordenslebens im kirchlichen Westen wie in den Rituskirchen des Ostens wirkt die Einteilung des CIC/1983 wie eine sterile und geschichtslose Schreibtischsystematik. Von daher ist die ostkirchliche Betonung des Mönchtums auch in historischer Sicht ein Gewinn, abgesehen von der Unterstreichung seiner vor allem spirituellen Bedeutung im Hier und Heute. IV. Die Zuordnung der beiden Formen von Gesellschaften des apostolischen Lebens sowie die Stellung der Säkularinstitute Die Zuordnung der societates vitae apostolicae im CIC/1983 stellt ein besonderes Ärgernis dar. Primetshofer hat die Gründe hierfür in seiner Abhandlung auch noch einmal aufgezählt. 37 In jeder Hinsicht war die Definition/Überschrift des CIC/1917 treffender: „Gesellschaften des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde“ 38 . Der CIC/1983 hebt die Gesellschaften zunächst einmal in der Systematik von den Instituten des geweihten Lebens ab, räumt aber in can. 731 § 2 ein, daß es unter ihnen solche Gesellschaften gibt, in denen die Mitglieder durch irgendeine in den Konstitutionen festgelegte Bindung die evangelischen Räte übernehmen. Damit wird klar, daß diese in can. 731 § 2 genannten Gesellschaften also doch zu den Instituten des geweihten Lebens gerechnet werden müßten. Schließlich erweckt die Bezeichnung Gesellschaften des apostolischen Lebens den Eindruck, „als ob das Apostolat ein diese Gruppe von Personen exklusiv kennzeichnendes Element wäre, gleichsam als ob es bei den Instituten des geweihten Lebens nicht vorhanden sei“. 39 Diesen mehrfachen Kritikpunkten ist der CCEO dadurch begegnet, daß er diese Art von Gesellschaften gemäß can. 731 § 2 CIC/1983 den Instituten des geweihten Lebens hinzurechnet: „de
meine eigene Position in dieser Frage, in: MK, Kommentierung der Personalprälaturen, 295 Rdn 6). Aymans / Mörsdorf, Kanonisches Recht, Bd. II (Anm. 19): S. 748: „… hat lange nach einer ihr passend erscheinenden kanonischen Rechtsform gesucht, diese annäherungsweise in Gestalt eines Säkularinstitutes (seit 1947) gefunden, jedoch wegen der Verbindung mit dem sog. Rätestand nicht als voll angemessen empfunden.“ 36
Vgl. hierzu Leonard Holtz, Geschichte des christlichen Ordenslebens, Zürich, 2. Aufl., 1991; für die genannten neuen Formen des Ordenslebens besitzt der CIC/1983 in can. 605 eine Rahmennorm mit einer analogen Entsprechung in can. 571 CCEO. 37
Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 247 f.; vgl. auch Henseler, MK 573, auch Überblick vor 731 sowie 731 und 732. 38 39
Vor can. 673 (Titulus XVII) CIC/1917.
Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 247; zum ganzen ferner: Rudolf Henseler, Die Gesellschaften des apostolischen Lebens, in: HdbKathKR2, S. 642 – 649.
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societatibus vitae communis ad instar religiosorum“ (vor can. 554 CCEO). Ihre Definition lautet in can. 554 § 1 CCEO: „Ein Institut, in dem die Mitglieder die evangelischen Räte durch irgendeine geistliche Bindung, aber nicht durch Ordensgelübde ablegen, und die Lebensweise des Religiosenstandes unter der Leitung von Oberen gemäß den Statuten nachahmen (imitare!), ist eine ordensähnliche Gesellschaft des gemeinsamen Lebens.“
Zur Verdeutlichung heißt es in can. 554 § 3: „Die Mitglieder der Gesellschaften werden, was die kanonischen Wirkungen angeht, den Ordensleuten gleichgestellt, wenn nicht im Recht etwas anderes vorgesehen ist oder aus der Natur der Sache feststeht.“
Es ist bemerkenswert, daß hier endlich wieder anerkannt wird, daß der Vergleichspunkt mit den Religiosen (im eigentlichen Sinne) vor allem das gemeinsame Lebens ist, das ja vor allen anderen Dingen regelungsbedürftig und somit im CIC/1983 die Ursache für die Fülle von Blockverweisen auf das Religiosenrecht ist. Daß nun die neue Definition wieder fast so lautet wie jene im CIC/1917, ist freilich kein Wunder: Sie ist einfach sachlich die Richtige. Durch das gemeinsame Leben, welches weitaus kennzeichnender, typischer und unterscheidender ist als das apostolische Wirken, haben diese Gesellschaften eine rechtliche Nähe zu den Religiosen. Die andere Art von Gesellschaften, nämlich jene „sine votis religiosis“, behandelt der CCEO als eine eigene Kategorie, diese nun in der Tat mit der Bezeichnung „Gesellschaften des apostolischen Lebens“, diesmal in dem einzigen can. 572/CCEO, der alle weiteren Regelungen den Konstitutionen und der partikularen Gesetzgebung überläßt. Der Kritik Primetshofers an der Übersetzung des „accedunt“ in can. 572 CCEO in der Übersetzung bei Ludwig/Budin schließe ich mich ausdrücklich an. 40 Durch die nicht näher spezifizierte geistliche Bindung, welche die Mitglieder eingehen und welche Socha 41 eine „implizite Rätebindung nennt“, haben sie überdies zu den Ordensleuten auch eine spirituelle Nähe. Es ist aber ein entscheidender Fehler der Gesetzgebung des CIC/1983, diese spirituelle Nähe im Begriff der vita consecrata zusammenzufassen und sodann – ausgehend von diesem neuen Zentralbegriff „instituta vitae consecratae“ – rechtlich Ungleiches miteinander zu verbinden, nämlich Religioseninstitute und Säkularinstitute.
40 Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 248 Anm. 33. Natürlich schließen sich diese nicht den Instituten des geweihten Lebens an (so die fälschliche Übersetzung bei Ludwig/Budin), sondern sie nähern sich denen an bzw. sie kommen in deren Nähe. 41 So Hubert Socha, Die Gesellschaften des apostolischen Lebens, in: HdbKathKR1, hier S. 520, worauf bereits Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 248 f. hinweist.
Neue Akzente im „Ordensrecht“ des CCEO
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Die äußerst geringe praktische Bedeutung der Säkularinstitute im Bereich der östlichen Rituskirchen findet ihren Niederschlag in der Tatsache, daß im CCEO nur 7 (cann. 563 – 569) anstatt 21 cann. im CIC/1983 (cann. 710 – 730) von ihnen handeln. Primetshofer bemerkt zu Recht, daß sie im orientalischen Recht nicht ausdrücklich als Institute des geweihten Lebens bezeichnet werden, 42 daß sie aber ohne Zweifel vom CCEO diesen Instituten zugezählt werden; 43 das ergibt sich aus dem Element des „vinculum sacrum“ und der Erwähnung der Profeß der drei evangelischen Räte in can. 563 § 1 n. 1. Andererseits heißt es in can. 563 § 1 n. 3 CCEO ausdrücklich, daß die Mitglieder die Art des Lebens der Ordensleute nicht nachahmen! V. Concelebratio oder celebratio individuali modo Die Wahlfreiheit, die der CIC dem Priester einräumt, entweder zu konzelebrieren oder aber individuali modo zu zelebrieren, beides verbunden mit bestimmten Bedingungen, 44 stellt Welt- und Ordenspriester vor verschiedenartige Situationen. Während Weltpriester – zumal heute, wo Pfarrer meist mehr als eine einzige Pfarrei zu betreuen haben – eher vor der Schwierigkeit stehen, angesichts der noch hinzukommenden Casualien mehr als einmal täglich zu zelebrieren, so steht der Ordenspriester häufig vor der Alternative, entweder in der Konventmesse zu konzelebrieren oder aber individuali modo zu zelebrieren. Diese Freiheit hat ihm der Codex von 1983 ausdrücklich eingeräumt, fußend auf der Bestimmung von Sacrosanctum Concilium, der Liturgiekonstitution des II. Vaticanums, 45 ferner der nachkonziliaren Eucharistie-Enzyklika von Papst
42
Im Unterschied zu can. 710 CIC/1983 sowie zur gesamten Systematik des Ordensrechts des CIC/1983. 43
Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 249.
44
Der Konzelebrant muß darauf achten, ob nicht der Nutzen für die Gläubigen eher eine Einzelzelebration erfordert (die Konventmesse mit ihrer Konzelebration darf also z. B. kein Vorwand sein, eine sog. „Aushilfe“ nicht anzunehmen); wer individuali modo zelebriert, hat hingegen zu beachten, daß er nicht die hl. Messe zu derselben Zeit liest, in welcher in derselben Kirche oder Kapelle eine Konzelebration stattfindet (vgl. can. 902 CIC/1983). 45
In der Liturgiekonstitution des II. Vaticanums wird ja in der Nr. 7 die Möglichkeit zur Konzelebration überhaupt erst auf verschiedene, im einzelnen aufgelistete Fälle ausgedehnt, doch des weiteren heißt es schon hier: „Jedem Priester bleibt die Freiheit, einzeln zu zelebrieren …“.
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Rudolf Henseler
Paul VI. Mysterium fidei46 und etlichen anderen Dokumenten, welche ich in einem früheren Beitrag vor allem im Hinblick auf die Entwicklung der Wahlfreiheitsgarantie des can. 902 CIC analysiert hatte.47 Es war als Ergebnis dieser historischen und systematischen Betrachtung klar, daß es eine Verpflichtung auf eine Konzelebration durch klösterliches Partikularrecht nicht geben kann und darf, weil eine solche Verpflichtung im Gegensatz nicht nur zur gegenwärtigen Gesetzeslage, sondern auch zu allen anderen vorausgegangenen kirchenamtlichen Dokumenten einschließlich der Liturgiekonstitution des II. Vaticanums und der nachkonziliaren Eucharistie-Enzyklika stünde. Dabei ist das kirchliche Eucharistierecht im CIC durch klare durchgängige Prinzipien gekennzeichnet: Der Priester handelt in persona Christi (can. 900 und öfter). Der Priester hat die Freiheit, die Zelebrationsform zu wählen (can. 902), die tägliche Zelebration wird ihm eindringlich empfohlen, auch wenn eine Teilnahme von Gläubigen nicht möglich ist (can. 904). Eucharistie ist immer eine actio Christi et Ecclesiae (can. 904), so daß es laut Mysterium fidei eine sog. Privatmesse überhaupt nicht gibt; und schließlich ist der Vollzug der Eucharistie die vornehmste Aufgabe des Priesters (can. 904). Die parallelen Canones des CCEO sind die cann. 698, 700 und 378. In can. 378 CCEO wird den Klerikern die tägliche Feier der Göttlichen Liturgie (ostkirchliche Umschreibung für die Eucharistie) eindringlich empfohlen, in can. 698 CCEO wird ebenfalls hervorgehoben, daß der Priester in der Göttlichen Liturgie in persona Christi handelt. In beiden Codices wird überdies in etlichen Canones der Opfercharakter der hl. Messe (der Göttlichen Liturgie) betont, ebenso wie in der nachkonziliaren Eucharistie-Enzyklika von Papst Paul VI. Der can. 700 § 1 CCEO unterstreicht – wie der Westkodex – die Freiheit des Priesters, singillatim (wie es hier heißt) zu zelebrieren oder aber zu konzelebrieren. Einschränkend (für die Konzelebration) wird hinzugefügt, daß auf die pastoralen Bedürfnisse der Christgläubigen geachtet werden muß. Der can. 700 § 2 CCEO wiederholt diese Wahlgarantie, erkennt aber in der Konzelebration, vor allem, wenn sie una cum Episcopo praeside gefeiert wird (hierarchische Konzelebration!), ein Zeichen der Einheit von Priestertum und Opfer. Die einzige Einschränkung der Einzelzelebration („nicht zur selben Zeit, in welcher in derselben Kirche eine Konzelebration stattfindet“) ist dieselbe wie im Westkodex.48 Auf die Bedeutung der Konzelebration mit dem Bischof und 46
Nachkonziliare Eucharistie-Enzyklika von Papst Paul VI. Mysterium fidei vom 3.9.1965, in: AAS 57 (1965), S. 753 – 774. Hier drückt der Papst sogar seine Sorge aus über eine Tendenz zur Abwertung der Einzelzelebration, ebd., S. 755. 47
Rudolf Henseler, Konzelebrationspflicht durch klösterliches Partikularrecht?, in: Ordenskorrespondenz 25 (1984), S. 193 – 198. 48
Es fehlt die Erwähnung der Kapelle wie im CIC.
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den gravierenden Unterschied zwischen einer horizontalen Konzelebration (ranggleiche Konzelebration unter Priestern mit einem celebrans principalis) und einer vertikalen Konzelebration (mit vorsitzendem Bischof und seinen Priestern) hat bereits Anna Egler in ihrem sehr erhellenden und fundierten Beitrag zur FS für Georg May zum 65. Geburtstag aufmerksam gemacht. 49 Gerade was die orientalischen Kirchen angeht, kommt Egler nach ihren historischen Studien zu einem vernichtenden Urteil in bezug auf die Neuregelung: „Die lückenhafte Erforschung und ungenügende Durchdringung der historischen Fakten wie eine unzureichende vorurteilsfreie Erhellung der Situation in den orientalischen Kirchen mußte zu falschen Schlußfolgerungen führen ... Die Regelung der Konzelebration in Art. 57 § 1 n. 2 (sc. der Liturgiekonstitution) ist weder durch die Praxis der orientalischen Kirchen noch durch die historische Kontinuität abgestützt. Es muß mit aller Deutlichkeit festgestellt werden, daß Art. 57 § 1 n. 2 eine Neuerung des Zweiten Vatikanischen Konzils darstellt, die ein Abweichen vom Usus der Kirche des Ostens wie des Westens ist“. 50 Von grundlegender Bedeutung ist sodann der Beitrag von Georg May selbst über das Recht auf Einzelzelebration. 51 Beide Autoren, Egler wie May, berufen sich übrigens zustimmend auf meinen eigenen Beitrag in dieser Frage, 52 wobei Georg May ebenfalls speziell auf die klösterliche Situation eingeht, Grund genug, diesen Aspekt – wiewohl zum Sakramentenrecht gehörend – in diesem ordensrechtlichen Beitrag mitzubeleuchten. 53 Für unseren Kontext ist nun entscheidend, daß in dieser gerade für das klösterliche Leben sehr wichtigen Frage – wenn auch mit unterschiedlichen Formulierungen – CIC und CCEO den gleichen Weg der Wahlfreiheit des Priesters bezüglich der Konzelebration 49
Anna Egler, Die Diskussion um die Neuordnung der Konzelebration auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, in: FS Georg May zum 65. Geburtstag, Regensburg 1991, S. 423 – 451, hier vor allem S. 429 f. 50
Ebd., 450 f.
51
Georg May, Das Recht auf Einzelzelebration, in: FS Winfried Schulz, Frankfurt a. M. 1999, S. 477 – 502. Abgedruckt auch in: Georg May, Schriften zum Kirchenrecht, Ausgewählte Aufsätze, Berlin 2003, S. 501 – 526. 52 53
Henseler, Konzelebrationspflicht (Anm. 47).
May, Das Recht auf Einzelzelebration, in: FS Schulz (Anm. 51), S. 496: „Der CIC/1983 spricht keine Empfehlung der Konzelebration aus; er erklärt sie lediglich unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig. Die Konzelebration ist eine Möglichkeit, keine Verpflichtung. Wo sie stattfindet, muß jedem Priester die Freiheit gewahrt bleiben, als Einzelner (individuali modo) die Zelebration vorzunehmen (can. 902). Wer die Wirklichkeit kennt, weiß, daß diese Vorschrift höchst notwendig ist, aber häufig unbeachtet bleibt. Denn die Konzelebration wird nicht selten durch sozialen Druck von seiten der Mitbrüder erzwungen … Der einzelne Priester, der sich ihr entzieht, hat in der Kommunität einen schweren Stand. Das Recht ist freilich auf seiner Seite.“
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gehen. Gerade aufgrund der historischen Gegebenheiten in den östlichen Rituskirchen, so hat Anna Egler aufgezeigt, wäre ein anderer Weg für die östlichen Rituskirchen gar nicht denkbar gewesen. Dabei muß in den Mönchsklöstern täglich die Göttliche Liturgie (Eucharistie) gefeiert werden, so can. 473 CCEO; für die Mitglieder in Orden und Kongregationen gilt dies durch Verweis des can. 538 CCEO auf can. 473 § 2 CCEO in gleicher Weise. VI. Zweiteilung oder Dreiteilung des Gottesvolkes? Welt- und Ordenspriester Trotz der mißverständlichen Dreiteilung des sog. Personenrechts des CIC/1917 in de clericis, de religiosis, de laicis kannte doch schon der CIC/1917 eine glasklare Zweiständelehre, so in seinem can. 107. Der CIC/1983 hat dies in Anlehnung an can. 107 CIC/1917 sowie an LG 10, 20, 30 – 33 und 43 – 47 ebenso deutlich formuliert, so in can. 207 und can. 574 § 1 CIC/1983. Die religiosi sind somit eine Art Klammer. In beiden Ständen, dem der Kleriker und dem der Laien, gibt es Gläubige, die sich durch die evangelischen Räte in besonderer Weise Gott weihen. Dieser Stand gehört jedoch nicht zur hierarchischen Struktur der Kirche. Demgemäß gliedert sich das Volk Gottes 54 in den – Ordensklerus (gekennzeichnet durch ordo und consecratio), – Weltklerus (gekennzeichnet durch den ordo), – Ordensbrüder und -schwestern (gekennzeichnet durch die consecratio), – die übrigen Gläubigen. Der Begriff des Laien gilt für alle, die keine Stufe des ordo empfangen haben. Kleriker wird man im CIC/1983 durch den Empfang der Diakonatsweihe, im CIC/1917 durch die erste Tonsur. Soweit – so gut, und all dies ist zur Genüge bekannt. Hat nun diesbezüglich der CCEO eine andere Sichtweise? Wenn dies auch eigentlich eine Frage des kirchlichen Verfassungsrechtes ist, so hängt sie doch sehr mit dem Ordensrecht zusammen. Ich würde jedenfalls nicht so weit gehen wie Primetshofer, der bemerkt, der CCEO gehe hinsichtlich der Einteilung des Gottesvolkes eigene Wege, er übernehme nicht die Zweiteilung des CIC, sondern gehe – gestützt auf eine Aussage von LG 31 – von einer Dreiteilung aus (Kleriker, Ordensleute, Laien). Der Unterschied bestehe darin, daß es für das orientalische Verständnis nicht nachvollziehbar wäre, Ordensper54
Vgl. Henseler, MK zu can. 574 Rdn 4 mit der Erläuterung und Skizzierung des sog. „Dammertz-Kreises“ für das Volk Gottes mit 4 Sektoren: ein Kreis mit einer horizontalen Linie (unterscheidet Kleriker und Laien mittels des ordo) und einer vertikalen Linie (unterscheidet Ordensleute von den übrigen Gläubigen mittels der consecratio).
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sonen (ohne Empfang einer der drei Stufen des ordo) einfach den Laien zuzurechnen.55 Nun kann man für diese These auch noch auf can. 411 CCEO – Stichwort „Ordensstand“ – verweisen56 und vor allem auf can. 399 CCEO: „Unter der Bezeichnung Laien werden in diesem Codex die Christgläubigen verstanden, denen der Weltcharakter in besonderer Weise eigen ist und die, indem sie in der Welt leben, an der Sendung der Kirche teilhaben und weder dem Weihestand angehören noch in den Religiosenstand aufgenommen sind.“
Diese Definition – wohlgemerkt nicht im Ordensrecht plaziert –, die mit diesem can. 399 den ersten Canon unter dem Titulus XI „de laicis“ bildet, scheint in der Tat ein Beweis für die These von Primetshofer zu sein. Nur die Umkehrung funktioniert nicht: Denn durch die heilige Weihe (ordo) unterscheiden sich die Kleriker kraft göttlicher Weisung von den übrigen Christgläubigen (can. 323 § 2 CCEO)! Und die Kleriker unterscheiden sich hinsichtlich des ordo nicht anders als im Westcodex in Bischöfe, Priester und Diakone (can. 325 CCEO.) Allenfalls ist also daraus im Sinne Primetshofers zu entnehmen, daß Kleriker der Gegenbegriff ist zu den anderen Gläubigen, diese anderen Christgläubigen aber nicht wie im Westen mit den Laien zu identifizieren sind, sondern je nach Ablegung einer professio Ordenschristen oder andere Christgläubige sind. Mit anderen Worten: In can. 399 CCEO steht der Begriff Laie expressis verbis dem Weihestand und dem Religiosenstand gegenüber, im Klerikerrecht (can. 323 § 2) stehen die Kleriker den übrigen Christgläubigen gegenüber. M. E. ist dieser scheinbare Widerspruch auf zweifache Weise auflösbar: Entweder man argumentiert wie Primetshofer mit der These einer anderen Sichtweise der Ostkirchen in dieser Frage, oder aber – und dazu neige ich – man nimmt die Definition von can. 399 CCEO als eine Arbeitsdefinition für das darauf folgende Laienrecht, während die verfassungsrechtlich relevante Aussage doch klar die von der Zweiständelehre ist. Für diese meine Interpretation spricht der Umstand, daß es in einer so grundlegenden verfassungsrechtlichen Frage der einen katholischen Kirche nicht zwei Antworten geben kann und, daß dafür im Ostcodex mit can. 323 § 2 auch ein Beleg für die These einer Zweiständelehre gegeben ist. Ein wenig kritisch sehe ich auch die Äußerung Primetshofers, wonach – im Anschluß an seine Bemerkung, die Mitglieder von Instituten des geweihten Lebens und von Gesellschaften des apostolischen Lebens gehörten zur Diözesanfamilie – die Priester und Diakone dieser Verbände (unabhängig von der
55
Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 1), S. 28 f. Primetshofer fügt hier noch eine Ausführung der Redaktionskommission des CCEO (aus Nuntia 16 [1983], S. 35 f.) an, welche diese These zu stützen scheint. 56
So Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 1), S. 29.
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Frage ihrer Inkardination) dem Diözesanklerus beizuzählen seien. 57 Gegen diese Ansicht steht CD 28, 1. Abs., wonach die Diözesanpriester in der Ausübung der Seelsorge den ersten Platz einnehmen vor den Ordenspriestern: „Sie sind ja einer Teilkirche inkardiniert oder zugewiesen … Daher bilden sie ein einziges Presbyterium und eine einzige Familie, deren Vater der Bischof ist“. Hier werden doch beide Gruppen – Welt- und Ordenspriester – nicht nur deutlich unterschieden, sondern in einer Art Präzedenz im Hinblick auf die Pastoral auch noch verschieden gewichtet. VII. Eremiten, Jungfrauen und Witwen, neue Formen des geweihten Lebens Neben den auch im Westcodex von 1983 genannten Eremiten und Jungfrauen findet im Ostcodex auch der Witwenstand Erwähnung (can. 570 CCEO). Diesen Weg geht übrigens das nachsynodale Schreiben „Vita consecrata“ noch weiter, indem dieser Stand auch auf die Männer (Witwer) ausgedehnt wird. 58 Im übrigen sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, daß es nicht nur, wie oben aufgezeigt, zwei Arten von Gesellschaften gibt, sondern auch zwei Formen von Eremiten. Da ist zunächst der Eremit als Mitglied eines eigenberechtigten Klosters, der sich ganz in der Betrachtung des Göttlichen versenkt und sich von den Menschen und der Welt gänzlich absondert (can. 481 CCEO). Can. 570 CCEO spricht sodann von Asketen, welche das eremitische Leben nachahmen. Und für die in Gegenwart und Zukunft der Kirche wichtigen neuen Formen des geweihten Lebens hält auch der CCEO – wie schon der CIC in can. 605 – in can. 571 einen eigenen Canon bereit. VIII. Sonstige Beobachtungen Ein vollständig bilanzierender Vergleich zwischen dem Ordensrecht von West und Ost kann hier in diesem Beitrag nicht geleistet werden; dies ist angesichts der Pionierarbeit von Primetshofer auch nicht notwendig. Einiges mag noch en passant erwähnt werden. So gibt es im CCEO, wie schon im can. 669 § 1 CIC/1917, eine weiterbestehende Gelübdeverpflichtung nach der Ent-
57 58
Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 1), S. 29 mit Berufung auf Christus Dominus 34.
Nachsynodales Apostolisches Schreiben „Vita consecrata“ vom 25.3.1996 Nr. 7: „Heute wird auch wieder die schon zur Zeit der Apostel bekannte (vgl. 1 Tim 5,5.9 – 10; 1 Kor 7,8) Weihe der Witwen vollzogen sowie jene der Witwer. Durch das Gelöbnis ewiger Keuschheit als Zeichen des Reiches Gottes heiligen diese Personen ihren Stand, um sich dem Gebet und dem Dienst an der Kirche zu widmen.“
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lassung, welche der can. 701 CIC/1983 abgeschafft hatte; allerdings gilt diese Verpflichtung nur bei der Entlassung ipso iure (cann. 497, 502, 553 CCEO). Überhaupt ist das Entlassungsrecht zwischen Ost- und Westkodex recht verschiedenartig geregelt. Neben der schon erwähnten Weitergeltung der Gelübdeverpflichtung bei der automatisch eintretenden Entlassung ist etwa zu erwähnen, daß es im CCEO keine pflichtmäßig vorgeschriebene Entlassung analog dem can. 695 CIC/1983 gibt. In Einzelheiten des Entlassungsrechts einzusteigen, würde hier jetzt zu weit führen. Die im Westen höchstens noch partikularrechtlich anzutreffende Mitgift besitzt im can. 454 CCEO wieder einen eigenen Canon, wonach die dos sowohl in männlichen wie in weiblichen Verbänden eingeführt werden kann. Die mögliche Ausdehnung auch auf männliche Verbände ist Neuland gegenüber jeder bisherigen gesetzlichen Regelung, die gemeinrechtliche Erwähnung der Mitgift als solche knüpft an den CIC/1917 an, die Überlassung der Einzelheiten an die sog. Typiken atmet freilich den Geist der Subsidiarität des CIC/1983. Im Ordensrecht des CCEO gibt es keine weiblichen ordensrechtlichen Attribute, woraus Primetshofer ableitet, daß daher eine Norm wie die von can. 606 CIC/1983 im CCEO überflüssig sei. Wir finden aber in can. 1505 CCEO eine analoge Sprachregelung, wenngleich nicht im Kontext des Ordensrechts, sondern in jenem Teil, der in etwa den westlichen „Normae generales“ entspricht. IX. Abschließende Bewertung Sowohl in seinem in 4. Auflage erschienenen ordensrechtlichem Standardwerk wie auch in dem Artikel „Streiflichter zum Ordensrecht des CCEO“ hat Bruno Primetshofer die wesentlichen Unterschiede im Ordensrecht zwischen CIC und CCEO aufgezeigt. Selbst wenn mein eigener Beitrag in der Auswahl für diesen Vergleich hier und da einmal eine andere Rechtsmaterie heranzog und anderes dagegen nur kursorisch behandelte und auch in einigen wenigen Detailfragen eine etwas andere Bilanz vornahm, so kann ich mich in der grundlegenden Bewertung des CCEO dem Urteil Primetshofers nur anschließen. Dieser Codex geht in der Tat eigene Wege; eine Latinisierung des Ostens stellt er mitnichten dar. Er berücksichtigt östliche Traditionen (siehe die vorrangige Bedeutung des Mönchtums) und weist insgesamt mehr Affinitäten zum CIC/1917 als zum CIC/1983 auf. Dies wurde oben im einzelnen versucht aufzuzeigen. Primetshofer geht soweit, sogar von einem „Nahverhältnis des CCEO zum CIC/1917“ zu sprechen. 59 Somit wird man feststellen dürfen, daß der CCEO sich insgesamt auf folgende Basisdokumente stützt: auf den CIC/1917, 59
Primetshofer, Streiflichter (Anm. 1), S. 244.
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auf „Postquam apostolicis litteris“, auf Texte des II. Vaticanums. Natürlich gibt es auch viele Parallelen zum CIC/1983, oft bis in die einzelne Formulierung hinein. Dennoch ist der Gesamteindruck doch der einer großen Selbständigkeit dieses Gesetzeswerkes des CCEO im ordensrechtlichen Bereich mit einem beachtlichen Sondergut im Vergleich zum CIC/1983. Aus dem Rechtsvergleich und dem Vergleich der dafür herangezogenen Quellen einerseits sowie aus einer Bewertung des echten Sonderguts des CCEO andererseits läßt sich m. E. eine Frage nur mit Zurückhaltung beantworten, nämlich die, ob der Grund für eine nicht seltene Rückkehr zu Regelungen des CIC/1917 beim CCEO zugleich eine Korrektur von Bestimmungen des CIC/1983 impliziert, oder ob es sich so darstellt, daß der CIC/1917 östliche Traditionen besser bewahrt hatte als der Westcodex von 1983 und also von daher das häufige Zurückgreifen des CCEO auf Regelungen des CIC/1917 zu erklären ist. Bleibt abschließend vielleicht doch wieder der Rückgriff auf das anschauliche Papstwort von den beiden Lungenflügeln und dem einen Herzen, welches sich nicht nur im Hinblick auf Westkodex und Ostkodex im allgemeinen als Vergleich eignet, sondern eben auch im Hinblick auf das Ordensrecht in diesen beiden Codices.
Struktur- und Satzungsfragen im Deutschen Caritasverband Von Alfred E. Hierold Rechtstexte sind in der Regel keine Highlights der Belletristik, aber als Sollens- und Mussvorschriften bringen sie manche Dinge auf den Punkt und sind sie für das Leben und das Zusammenleben einer Gemeinschaft bedeutsam. Von besonderem Interesse sind Satzungen für Vereinigungen, die Befugnisse der einzelnen Organe und damit die interne Machtverteilung sowie die Außenbeziehungen darstellen. Auf diesem Hintergrund sollen die Struktur- und Satzungsfragen im Deutschen Caritasverband (= DCV) an Hand der Satzung i.d.F. vom 16.10.2003 1 beleuchtet werden. Dabei geht es nicht darum, die ganze Satzung durchzuhecheln, sondern auf Änderungen gegenüber der geltenden Satzung und markante Punkte aufmerksam zu machen. I. Satzungsänderung Eine Satzungsänderung ist kein Selbstzweck. Der DCV will mit der Änderung seiner Satzung einerseits reagieren auf die Veränderungen in Gesellschaft, Sozialpolitik und auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege, andererseits galt es zu prüfen, ob „Organisationsformen, Strukturen ... ihrer Entstehungsidee noch dienen oder ob sie diese mittlerweile vielleicht auch behindern, weil sie durch die gesellschaftlichen Entwicklungen überholt sind“. 2 Es gilt, sich auf die Anforderungen der Zukunft einzustellen, sich richtig zu positionieren. Deshalb waren insbesondere die Entscheidungsgremien zu überdenken, ob sie noch für zügige Weichenstellungen geeignet sind, die zukünftig in einem schnelleren Tempo notwendig sein werden. Die Satzungsreform ist konkret auch das Er1 2
Abgedruckt in: neue caritas 105 (2004), S. 32 – 40.
Hellmut Puschmann, Weichen stellen – Zukunft gestalten: in: neue caritas 103 (2002), S. 19 – 22, hier: S. 20; zum Prozess der Satzungsänderung vgl. auch Georg Cremer, Durch die Satzungsreform Profil gewinnen, in: neue caritas 103 (2002), S. 27. – 34; Thomas Becker, Vertreterversammlung einig – bis auf das politische Mandat, in: neue caritas 103 (2002), S. 35 – 37.
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gebnis eines Leitbildprozesses, der 1997 zum Abschluss gekommen ist und der strukturell und satzungsmäßig abgesichert werden soll. Dies wird noch an Detailregelungen aufzuzeigen sein. Damit bin ich bereits bei den Einzelpunkten. II. Präambel Die bisherige Satzung hatte keine Präambel; der revidierten Satzung ist eine solche vorangestellt worden. Die Präambel verweist darauf, dass die Caritas neben Verkündigung und Liturgie zu den Grundvollzügen des kirchlichen Lebens gehört und darum unverzichtbar ist. Sie macht auch deutlich, dass Caritas von den einzelnen Personen, christlichen Gemeinschaften und Gemeinden und dann durch die verbandliche Arbeit getragen wird. Zugleich wird auf die pastorale Dimension verwiesen. Diese kompakten Sätze sind Frucht des Leitbildprozesses und bringen in einer Theologie der Caritas, die auf der Höhe der Zeit ist, 3 zutreffend das Selbstverständnis des DCV zum Ausdruck, das im Folgenden mit einem historischen Verweis und mit dem Hinweis auf das innerkirchliche Wirken, auf die Verantwortung für die Gesellschaft im Verbund mit den anderen Trägern der Freien Wohlfahrtspflege und auf die internationale Vernetzung weiter umschrieben wird. Da die Präambel in kürzester Form Entscheidendes über den DCV aussagt, ist sie uneingeschränkt zu akzeptieren.
3
Benedikt XVI., Enz. „Deus caritas est“ vom 25.12.2005, in: L’Osservatore Romano vom 26.01.2006; L’Osservatore Romano (deutsch) vom 27.01.2006, Nr. 4 (Dokumentation, S. IV – VIII); Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Enzyklika „Deus caritas est“ von Papst Benedikt XVI. an die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die gottgeweihten Personen und an alle Christgläubigen über die christliche Liebe, Bonn 2006 (= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 171). Dazu Ulrike Kostka, Papst stärkt die Caritas, in: neue caritas 107 (2006), S. 25 – 28. Vgl. Alfred E. Hierold, Grundfragen karitativer Diakonie, in: HdbKathKR2, S. 1028 – 1032; Heinrich Pompey, Aktuelle caritas – theologische Koordinaten und Optionen, in: caritas ’99, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg 1998, S. 35 – 49; Mario Junglas, Caritas: Lebensäußerung der Kirche, in: caritas ’99, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg 1998, S. 49 – 61; Isidor Baumgartner, Seelsorge als Markenzeichen der Caritas, in: Caritas 2004, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg 2003, S. 62 – 68; Jan Hermann, Ansätze christlicher Sozialarbeit, Freiburg 2003; Rainer Krockauer, Prophetie in der verbandlichen Caritas, in: Caritas 2006, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg 2005, S. 36 – 43.
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III. Generelle rechtliche Stellung In § 2 Abs. 1 wird eine Formulierung aus der Präambel wieder aufgegriffen und aus der bisher geltenden Satzung an gleicher Stelle wiederholt: „Der Deutsche Caritasverband ist die von den deutschen Bischöfen anerkannte institutionelle Zusammenfassung und Vertretung der katholischen Caritas in Deutschland.“ Dies ist eine Tatsachenfeststellung, die auf anerkennenden Akten seitens der deutschen Bischöfe beruht. Dies soll in der Satzung rechtlich noch konkretisiert werden. IV. Innerkirchliche Rechtsstellung § 2 Abs. 2 enthält einen Passus, der bisher in der Satzung so nicht zu finden ist: „Er ist ein privater Verein von Gläubigen im Sinne der Canones 299, 321 – 326 des Codex Iuris Canonici (Codex des kanonischen Rechts).“ Dieser Absatz umschreibt zutreffend den momentanen kirchenrechtlichen Status des DCV. Im System des geltenden kirchlichen Vereinsrechts ist der DCV als ein privater Verein von Gläubigen, von den Bischöfen anerkannt und belobigt, zu qualifizieren, der noch nicht einmal die kirchliche Rechtsfähigkeit erlangt hat. Diese Position ist bei genauerem Hinsehen nicht mehr angemessen und entspricht nicht mehr dem Selbstverständnis des DCV und seinem faktischen Wirkungsfeld. Denn zum einen ist er eine kirchliche Organisation, „Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche“, und nimmt einen wichtigen kirchlichen Auftrag wahr, zum anderen umfasst und vertritt er das gesamte kirchliche caritative Tun, privates wie amtliches. Deshalb wäre m. E. für den DCV die Organisationsform eines öffentlichen kirchlichen Vereins angemessen entsprechend den cc. 312 – 320. 4 Was bedeutete dies für den DCV?
4
Vgl. Alfred E. Hierold, Grundlegung und Organisation kirchlicher Caritas, St. Ottilien 1979, S. 171 f.; Heribert Heinemann, Die Stellung der Caritas im Verfassungsrecht der Kirche, in: Die verbandliche Caritas. Praktisch-theologische und kirchenrechtliche Aspekte. Hrsg. von Norbert Feldhoff / Alfred Dünner, Freiburg 1991, S. 150 ff.; ders., Die Rechtsstellung des Deutschen Caritasverbandes und der Diözesanverbände und ihre Einordnung in das Gesetzbuch der Kirche, in: AfkKR 158 (1989), S. 416 – 428. Zu den öffentlichen kirchlichen Vereinen vgl. Helmut Schnizer, Die privaten und öffentlichen kirchlichen Vereine, in: HdbKathKR2, S. 578 – 586.
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a) Der DCV müsste als öffentlicher Verein von der Deutschen Bischofskonferenz (= DBK) errichtet werden (c. 312 n. 2) und erhielte damit den Status einer kirchlichen juristischen Person (c. 313). b) Die Satzung des DCV, jede Überarbeitung und Änderung der Satzung bedürfte der Genehmigung der DBK (c. 314). c) An die Mitglieder sind besondere Anforderungen hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zur Kirche zu stellen (c. 316). d) Da der Präsident des DCV nach der Satzung gewählt wird, bedürfte er der Bestätigung durch die DBK (c. 317). e) Der DCV hätte alljährlich Rechenschaft gegenüber der DBK über die Verwaltung, insbesondere über die Verwendung der gesammelten Spenden und Almosen abzulegen (c. 319). f) Der DCV könnte von der DBK aus schwerwiegenden Gründen aufgelöst werden, nachdem der Präsident und die anderen Vorstandsmitglieder gehört worden sind (c. 320). Analysiert man die Satzung des DCV und die Ordnung für die Wahl des Präsidenten, dann kann man feststellen, dass die Erfordernisse des CIC weithin erfüllt sind. Trotzdem möchte man von Seiten des DCV den letzten Schritt nicht gehen aus Gründen, die ich durchaus respektabel finde: a) Der DCV ist historisch gesehen durch die Initiative von Gläubigen, insbesondere von Lorenz Werthmann, gegründet worden, nicht von kirchenamtlicher oder gar bischöflicher Seite. b) Der DCV wurde gegründet, als es in einer Reihe von Diözesen noch keine Diözesanverbände gab. c) Die Mitglieder des DCV sind fast ausnahmslos private kirchliche Vereine, insbesondere die Diözesan-Caritasverbände und die Fachverbände. d) Im DCV befürchtet man erweiterte Eingriffe von Seiten der Bischöfe und damit eine Einschränkung der verbandlichen Freiheit. e) Ferner wird angeführt, eine zu enge Anbindung an die verfasste Kirche könnte sich nachteilig für die Arbeit im Konzert der freien Wohlfahrtsverbände auswirken. Wie gesagt, die Argumente sind respektabel, aber m. E. nicht durchschlagend. Wie könnte eine Lösung aussehen? Ich möchte dafür plädieren, in Gespräche mit dem DCV einzutreten mit dem Ziel, dem DCV als öffentlichen kirchlichen Verein zu errichten.
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V. Aufsicht Wie bisher bestimmt § 2 Abs. 3, dass der DCV unter der Aufsicht der deutschen Bischöfe steht, die vom Vorsitzenden der für die Caritas zuständigen Bischöflichen Kommission wahrgenommen wird. Inhalt und Maß der Aufsicht der Bischöfe sind in der Satzung festgelegt; sie beinhaltet kein Eingriffsrecht in die Entscheidungen der Organe. In ihrem Rahmen können Entscheidungen des Verbandes nicht durch Einspruch korrigiert, beseitigt oder in ihrem Vollzug behindert werden, außer es handelte sich um Beschlüsse, die die Auflösung oder eine Änderung des Grundcharakters des DCV zur Folge haben. VI. Zweck und Aufgaben In § 6 der Satzung werden Zweck und Aufgaben des DCV viel umfangreicher und umfassender als in der bisherigen Satzung aufgeführt. Er bildet damit das weite Feld der Aktivitäten des DCV auf den verschiedenen Bereichen ab und hebt vor allem die Aufgaben der Koordinierung, der Interessenvertretung, der Qualitätsentwicklung und der Strukturentwicklung hervor, wie es einem Bundesverband und der Zeit entspricht. Jedoch sollte der kirchliche Bezug noch stärker hervortreten, z. B. bei der Koordinierung kirchlicher Hilfswerke oder der Qualitätsentwicklung im theologischen und spirituellen Bereich. VII. Mitglieder In § 7 der Satzung wird definiert, wer Mitglied des DCV ist. Die Neufassung dient dazu, den DCV deutlicher als Verband caritativer Verbände zu positionieren, und entspricht damit seinem faktischen Status. Eine Verdeutlichung bringt § 8 zu Anerkennung, Aufnahme, Austritt und Ausschluss von Mitgliedern. Jedoch bedarf es einer Darstellung der Kriterien für die Aufnahme oder den Ausschluss eines Mitglieds in der von der Delegiertenversammlung zu erlassenden Verbandsordnung (Abs. 5, 6 und 7). VIII. Organe Nach der Satzung werden die Organe des Verbandes von fünf auf vier reduziert, indem der bisherige Geschäftsführende Vorstand (Direktion) und der Zentralvorstand zusammengeführt werden. Dies dürfte für die Entscheidungsund Arbeitsabläufe vorteilhafter sein.
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IX. Präsident In § 10 werden die Funktionen des Präsidenten als obersten Repräsentanten des DCV und als Vorstandsvorsitzenden deutlicher herausgestellt. Seine Zuständigkeit als Dienstvorgesetzter aller Mitarbeiter/innen der Zentrale, der Hauptvertretungen und der verbandseigenen Einrichtungen ist aufgegeben. Die Zuständigkeit für Personalfragen soll in den Geschäftsbereichen des Vorstands geregelt werden. Diese Aufteilung bringt der Stellung des Präsidenten keinen wesentlichen Eintrag. X. Delegiertenversammlung Die bisherige Vertreterversammlung soll durch eine Delegiertenversammlung (§ 11) ersetzt werden. Diese Änderung scheint dringend notwendig, da die bisherige Vertreterversammlung 708 Mitglieder umfasste und in der Regel nur alle drei Jahre zusammentrat. Ein solch schwerfälliges Gremium ist wenig arbeitsfähig und für den Verband eher ein Hemmschuh denn ein strategisches Instrument. Die neue Delegiertenversammlung ist wesentlich kleiner, jedoch bleibt die Repräsentativität erhalten. Da die ordentliche Delegiertenversammlung jährlich stattfindet (§ 13 Abs. 1), ist die Arbeitsfähigkeit wesentlich erhöht. Zu den Aufgaben der Delegiertenversammlung (§ 12) zählt neben der Wahl des Präsidenten, der Vizepräsidenten und der Mitglieder des Caritasrates u. a. die Beratung und Entscheidung über grundlegende Fragen der Caritas sowie die Beschlussfassung über die Mitgliedsbeiträge. Sie fungiert als eine Art Aufsichtsrat gegenüber dem Präsidenten, dem Vorstand und dem Caritasrat. Da die Zusammensetzung der Vertreterversammlung so verändert worden ist, dass die Vorsitzenden und Direktoren der Diözesan-Caritasverbände nicht mehr die Mehrheit des Gremiums bilden, ist in § 13 Abs. 10 sicher gestellt, dass Beschlüsse in Grundfragen des kirchlichen Selbstverständnisses nicht gegen die Mehrheit der Stimmen des Präsidenten und der Vorsitzenden und Direktoren der Diözesan-Caritasverbände gefasst werden können. Diese haben auch die Kompetenz-Kompetenz, d. h. sie „entscheiden auch darüber, ob es sich bei den zur Abstimmung anstehenden Fragen um eine Grundfrage des kirchlichen Selbstverständnisses handelt.“ XI. Caritasrat Eine der wichtigsten Änderungen bildet die Einführung eines Caritasrates, der Funktionen teils des bisherigen Zentralvorstandes, teils des bisherigen Zentralrates übernehmen soll.
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Der Caritasrat besteht aus folgenden Mitgliedern: Präsident, Vizepräsidenten, Generalsekretär, zwölf Vorsitzenden bzw. Direktoren der DiözesanCaritasverbände, sieben Vertretern aus den Bereichen der anerkannten zentralen Fachverbände und caritativen Vereinigungen, zwei Vertretern der caritativ tätigen Orden, fünf Vertretern der caritativen Ortsebene aus dem Bereich der Diözesan-Caritasverbände, dem Vorsitzenden der Finanzkommission und zwei weiteren Persönlichkeiten (§ 14 Abs. 2). Nach langen Diskussionen hat man sich für einen Caritasrat entschieden, der als Zwischengremium zwischen Delegiertenversammlung und Vorstand teils Aufsichtsfunktionen gegenüber dem Vorstand, teils politisch-strategische Funktionen wahrnimmt. So berät und entscheidet er „über verbandliche, politische und fachliche Fragen von besonderer Bedeutung im Rahmen der von der Delegiertenversammlung beschlossenen Ordnungen, Richtlinien und Entscheidungen“ (§ 15 Abs. 1). Insbesondere obliegt dem Caritasrat u. a.: „Beratung und Entscheidung über die strategische Umsetzung der Aufgaben sowie über die Schwerpunkte der sozial-caritativen Arbeit ..., Wahl der Mitglieder des Vorstands“ außer dem Präsidenten, Beratung und Entscheidung über wirtschaftliche und finanzielle Fragen von besonderem Ausmaß, Genehmigung des Wirtschaftsplans und der Jahresrechnung und Wahl der Mitglieder der Finanzkommission (§ 15 Abs. 2). Der Caritasrat tagt in der Regel dreimal jährlich (§ 16 Abs. 1) und ist so in der Lage, seine politisch-strategische Rolle wahrzunehmen. Nach langen Diskussionen hat man sich dafür entschieden, dass der Präsident den Vorsitz im Caritasrat führt (§ 16 Abs. 5). Damit wird verhindert, dass der Verband mit mehreren Stimmen spricht oder Organe des Verbandes sogar gegeneinander operieren. Es ist gesichert, dass der Präsident seine Erst- und Alleinverantwortung, nicht zuletzt gegenüber der DBK, wahrnehmen kann. Zudem ist durch die Zusammensetzung des Caritasrates auch die Einflussnahme der Vorsitzenden und Direktoren der Diözesan-Caritasverbände in hohem Maße gewahrt. XII. Finanzkommission Damit gerade die Aufsicht im wirtschaftlichen und finanziellen Gebaren gegenüber dem Vorstand gewährleistet ist, wird vom Caritasrat eine Finanzkommission von sieben Mitgliedern gewählt (§ 17), deren Aufgaben und Arbeitsweise in einer eigenen Ordnung geregelt werden. Außerdem sind die Mitglieder des Vorstandes in Fragen über wirtschaftliche und finanzielle Fragen von besonderem Ausmaß, bei der Genehmigung des Wirtschaftsplans und der Jahresrechnung nicht stimmberechtigt (§ 16 Abs. 6).
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XIII. Vorstand Der Vorstand ist kleiner als der bisherige Geschäftsführende Vorstand konzipiert und setzt sich aus bis zu fünf Mitgliedern zusammen (§ 18), die mit Ausnahme des Präsidenten vom Caritasrat gewählt werden. Diese Verkleinerung des Vorstandes begegnet keinerlei Bedenken, zumal dem Präsidenten eine Art Vetorecht verbleibt, nämlich das Recht, einen gegen sein Votum gefassten Beschluss dem Caritasrat zur Entscheidung vorzulegen. Die Aufgaben des Vorstandes bleiben im Wesentlichen dieselben, werden in der Satzung aber differenzierter dargestellt (§ 19). XIV. Caritaskongress Anstelle der bisherigen großen Vertreterversammlung ist ein sog. Caritaskongress (§ 20) vorgesehen, der in der Regel alle drei Jahre stattfinden soll. Er hat keinerlei Befugnisse, sondern soll eine identitätsstiftende Funktion übernehmen und an ihm können alle im Verband Engagierten und alle Mitglieder teilnehmen. Insgesamt gesehen wahrt die Satzung, die der 16. Vertreterversammlung am 16.10.2003 zur endgültigen Verabschiedung vorgelegt und von der DBK am 24.11.2003 genehmigt wurde, die Anbindung an die katholische Kirche und das Profil des DCV als eines katholischen Wohlfahrtsverbandes, das sich aber teilweise in den Punkten noch schärfen ließe, die zusammenfassend angeführt seien: 1. Einführung theologischer Dimensionen in das Aufgabenspektrum, 2. Entwicklung von Kriterien für die Mitgliedschaft im DCV, 3. Festlegung des DCV als kanonischer öffentlicher Verein.
Vermögensverzicht und Gütergemeinschaft Zu einigen rechtlichen Aspekten des Armutsgelübdes im österreichischen Kontext Von Severin J. Lederhilger I. Vorbemerkung „Wisse also, dass du dich der Kirche Gottes dargebracht und übereignet hast: mit allem, was du bist, mit allem, was du weißt, mit allem, was du kannst“ – so kennzeichnet der Prämonstratenser Adamus Scotus, Abt von Dryburgh (ca. 1150 – 1214), im 12. Jahrhundert das (kanonikale) Gemeinschaftsleben unter dem Vorzeichen der Ordensprofess. 1 Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das religiöse Gemeinschaftsleben nicht bloß auf den gemeinsamen Besitz materieller Güter beschränkt ist, wenngleich dieser Aspekt einen wesentlichen Teil der vita communis und eine Herausforderung an den persönlichen Lebensstil jedes einzelnen darstellt. In den Konstitutionen des Prämonstratenserordens heißt es in Fortführung dieses Gedankens: „So legen wir nach dem Vorbild Christi Zeugnis ab, dass alles, was der Mensch besitzt, ja alles, was er selbst ist, den Menschen zur Erlangung der Glückseligkeit dienen soll, die ihnen bestimmt ist. So machen wir auch deutlich, dass das Reich Gottes, das in Christus schon begonnen hat, mehr wert ist als die geschaffenen Dinge“ (Art. 43). Konkret wird dies – unter der Augustinus-Regel – im Gelübde, ohne persönliches Eigentum zu leben und alles gemeinsam zu haben, indem der eigene Besitz in den Dienst aller gestellt wird und jedem nach seinem Bedarf zugeteilt wird. In diesem Sinne kommt der gemeinsame Besitz in einer Grundhaltung der Solidarität auch den Armen und
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Adamus Praemonstratensis, De dignitate canonicorum, de habitu et de professione regulari, de canonica regula B. Augustini, Sermo 5,7, in: PL 198, Sp. 439 – 610, hier: Sp. 484 (der zitierte Text wurde in die Konstitutionen des Prämonstratenserordens übernommen: Art. 43 über das Gelübde der Armut). – Vgl. zu Adamus Scotus: Bernard Ardura, Prémontrés. Histoire et Spiritualité, Saint-Etienne 21995, 115 – 125.
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Bedürftigen zugute und ermöglicht die nötige Gastfreundschaft. 2 „Unter Berücksichtigung der örtlichen und zeitlichen Umstände sollen die einzelnen Mitglieder, aber auch die ganze Kommunität die um des Evangeliums willen freiwillig gewählte Armut und den Geist des Dienens zum Ausdruck bringen: in ihrer Lebensweise und Wohnung, in jeglicher Arbeit, in der Erfüllung der Pflichten gegenüber Gesellschaft und Staat und nicht zuletzt in einer klugen Verwaltung der Güter“ (Art. 43). 3 Damit wird beispielhaft deutlich, wie eng im Armutsgelübde der persönliche Vermögensverzicht und die Gütergemeinschaft spirituell, aber auch in der rechtlichen Umsetzung miteinander verwoben sind. Die vita communis gilt es im Folgenden gerade unter diesem Aspekt näher zu beleuchten und die spezifischen Probleme darzustellen, die sich aus der Tatsache ergeben, dass hierbei der kirchliche und der staatliche Rechtsbereich eng aneinander grenzen und – durch manche Inkompatibilität der Normierungen – Fragen der Konkretisierung der religiösen Verbindlichkeit in der säkularen Wirklichkeit aufwerfen. Dabei beschränke ich mich vorwiegend auf die kirchenrechtlichen Problemstellungen, nicht zuletzt in Kenntnis dessen, dass in der jüngeren Geschichte gelegentlich Missverständnisse über die Bedeutung einer wechselseitig verpflichtenden Erwerbs- und Gütergemeinschaft durch die eigenwillige Handhabung der vermögensrechtlichen Stellung von Ordensleuten in manchen Gemeinschaften aufgetreten sind und zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten geführt haben. Zudem bedingt die zunehmende Zahl an bereits älteren, oft schon länger berufstätigen Kandidaten für das Ordensleben, dass man sich mit deren mitgebrachtem Vermögen mehr als früher auseinandersetzt und in angemessener Weise auf die Einhaltung entsprechender Verfügungen achtet. II. Das Armutsgelübde im kirchlichen Recht Die Selbstverpflichtung zum evangelischen Rat der Armut im Stand des gottgeweihten Lebens bedarf stets auch eines rechtlichen Rahmens, um jene institutionelle Sicherheit zu gewährleisten, die es dem Einzelnen überhaupt ermöglicht, diese Grundhaltung umfassender persönlicher Verfügbarkeit im 2
Vgl. Art. 43 Konstitutionen mit Verweis auf das Vorbild des Ordensgründers: Vita Norberti B, cap. 25 (vgl. Vita Sancti Norberti, auctore canonico Praemonstratensi coaevo, PL 170, Sp. 1253 – 1344). 3
Art. 43 Konst. mit Bezug auf das Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens des II. Vatikanum Perfectae caritatis (PC 13). – Vgl. can. 640 CIC; dazu: Roberta Richini, Commento a un canone: Testimonium caritatis et paupertatis quasi collectivum (can. 640), in: QDE 14 (2001) 51 – 76; Stefano Pasini, Il Consiglio evangelico di povertà (can. 600), in: CpR 76 (1995) 137 – 152.
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Dienst der Kirche als reale Lebensform zu verwirklichen. Es kann im Folgenden nur das universalkirchliche (Rahmen-)Recht – besonders des CIC – im Kontext der zivilen österreichischen Rechtsordnung dargestellt werden, das im jeweiligen Eigenrecht der Orden und Kongregationen 4 (sowie u. U. der Gesellschaften des Apostolischen Lebens; vgl. can. 731 § 2) auf das spezifische Gemeinschaftscharisma hin mehr oder weniger detailliert ausformuliert ist. 1. Die einfache bzw. feierliche Profess Die Profess in einem Ordensinstitut bedeutet die Übernahme der drei evangelischen Räte – egal ob sie ausdrücklich in der Professformel genannt werden oder nicht 5 – und zwar in Form von öffentlichen (kirchenamtlichen) Gelübden. Das Armutsgelübde bildet dabei nach can. 573 mit den übrigen evangelischen Räten des gottgeweihten Lebens (Keuschheit/Ehelosigkeit und Gehorsam) eine Einheit, wenngleich eine differenzierte kanonistische Betrachtungsweise bezüglich der jeweils damit verbundenen Rechtsfolgen möglich und erforderlich ist. 6 Entsprechend der allgemeinen gesetzlichen Definition ist jedes Gelübde ein Gott gegebenes Versprechen, mit dem eine Verpflichtung übernommen wird; 4
Zwar kennt der geltende CIC (zugunsten des Sammelbegriffs „Institutum religiosum“, Ordens- oder Religioseninstitut; vgl. can. 607 § 2) nicht mehr die Unterscheidung des can. 488 n. 2 CIC/1917 in „Orden“ mit feierlichen Gelübden und „Kongregationen“ mit einfachen (ewigen oder zeitlichen) Gelübden, doch besteht die Differenzierung als solche aufgrund des Eigenrechts der einzelnen Verbände weiter, worauf etwa die generelle Erwähnung von feierlichen bzw. einfachen Gelübden in can. 1192 CIC/1983 hinweist (vgl. Bruno Primetshofer, Ordensrecht, Freiburg 42003, 21 f., 74; ders., Kongregation, in: St. Haering / H. Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts, Freiburg 2004, 579 – 582; ders., Orden, Ordensinstitut, Ordensrecht, ebd., 699 – 703; jeweils mit Hinweisen auf die andere Systematik des CCEO: cc. 504 – 553). 5 Vgl. etwa die Professformeln der Benediktiner, die nach alter Tradition „Beständigkeit in der Gemeinschaft, klösterliche Lebensführung und Gehorsam nach der Regel unseres hl. Vaters Benedikt“ versprechen (vgl. Satzungen der Österreichischen Benediktinerkongregation, Rn 79; Deklarationen der Beuroner Benediktinerkongregation, 79, 2; Eigenrecht der Benediktinerkongregation von St. Ottilien, Pkt. 90). Dazu: Leopold Robert Fürst, Das Vermögensrecht der österreichischen Ordensleute, Frankfurt 2004, 30 f.; ders., Die rechtlichen Auswirkungen des Armutsgelübdes für österreichische Ordensleute (Diplomarbeit), Ms Univ. Salzburg 2002, 72 – 76, 75. – Vgl. zur „klassischen Trias“: Reinhold Sebott, Ordensrecht, Frankfurt 1995, 26. 6
So ist etwa im Blick auf die Folgen des Keuschheitsgelübdes die frühere Unterscheidung zwischen einer ewigen einfachen und einer feierlichen Profess beseitigt, da in can. 1088 nun jedes öffentliche ewige Gelübde in einem Ordensinstitut ein (trennendes) Ehehindernis darstellt.
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es ist öffentlich, wenn es im Namen der Kirche von einem rechtmäßigen Oberen entgegengenommen wird (vgl. can. 1192 § 1). Die Profess ist dem entsprechend zunächst ein religiöser Akt der Selbstübereignung, durch den sich der Gelobende in radikaler Weise Gott zur Verfügung stellt und dies in seiner Lebensform und in seinem Dienst zum Ausdruck bringt (vgl. LG 44). Durch die Professgelübde werden die Mitglieder eines Religioseninstitutes daher „durch den Dienst der Kirche Gott geweiht“ und darüber hinaus zugleich „dem Institut mit den in der Rechtsordnung vorgesehenen Rechten und Pflichten eingegliedert“ (can. 654). Über diesen Inkorporationsakt hinaus erfolgt auch der Konstitutivakt der rechtlichen Statusbegründung als Christ im Ordensstand (vgl. cc. 662 – 672). 7 War – jedenfalls bis Mitte des 19. Jahrhunderts – die endgültige und lebenszeitliche Bindung durch die feierliche Profess das Kennzeichen der Orden 8 , legte man in den Kongregationen ewige (oder wiederholte zeitliche 9 ) einfache Gelübde ab. Auch wenn das Ordensrecht des CIC/1983 diese Unterscheidung nicht mehr konsequent terminologisch aufrechterhalten hat, so definiert can. 1192 § 2 auch jetzt noch, dass ein Gelübde dann als „feierlich“ gilt, wenn es von der Kirche – entsprechend dem jeweiligen Eigenrecht der Institute – als solches anerkannt wird, andernfalls ist es ein „einfaches“ Gelübde. Gerade im Blick auf das Armutsgelübde ist – in der traditionellen Ausprägung – der Unterschied zwischen beiden Formen der Profess von erheblicher Bedeutung hinsichtlich der Konsequenzen in der Vermögensfähigkeit der Religiosen. 2. Armut „Das Teilen des Besitzes … bildet von Anbeginn an das Fundament der brüderlichen Gemeinschaft“, heißt es im Dokument über „das brüderliche und schwesterliche Leben in Gemeinschaft“ vom 2. Februar 1994 der für die Or7 Vgl. Rudolf Henseler, Ordensprofess, in: A. v. Campenhausen, I. Riedel-Spangenberger, R. Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht (LKStKR) 3, Paderborn 2004, 102 – 103; ders., MKCIC zu can. 573, in: K. Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum CIC, Essen 1984 – 2005 (39. Erg.Lfg.); Dominikus Michael Meier, Die Rechtswirkungen der klösterlichen Profess. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung der monastischen Profess und ihrer Rechtswirkungen unter Berücksichtigung des Staatskirchenrechts, Frankfurt u. a. 1993, 380 – 382; Stephan Haering, Grundfragen der Lebensgemeinschaften der evangelischen Räte, in: J. Listl / H. Schmitz (Hrsg.), Handbuch des Katholischen Kirchenrechts, Regensburg 21999, 591 – 603, 600 – 602; Ilona Riedel-Spangenberger, Gelübde (kath.), in: LKStKR 2, Paderborn 2002, 26 – 28. 8
Vgl. Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 142 – 146.
9
Vgl. Aitor Jiménez Echave, La profesion religiosa temporal, Rom 1993, bes. 19 – 47.
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denschristen zuständigen Kongregation10. Dabei wird nicht nur der individuelle Aspekt der Freiheit von jenen Sorgen, die mit persönlichem Besitz verbunden sind, angesprochen, sondern auch die Bedeutsamkeit des Armutsgelübdes für die Gemeinschaft, die sich dadurch wirksamer dem solidarischen Dienst an Gott und den Armen widmen kann.11 Dabei wird zugleich ganz klar auch der wirtschaftliche Aspekt in der Wechselbeziehung des Lebens des Einzelnen und der Kommunität herausgestellt: „Es verletzt und schwächt das brüderliche Leben, wer für sich selbst oder für die eigenen Angehörigen über Geld verfügt, als ob es das eigene wäre, und wer einen Lebensstil pflegt, der sich zu stark von jenem der Mitbrüder und von der Armut seines sozialen Umfeldes abhebt“ (Nr. 44).
In rechtlicher Hinsicht verweist der evangelische Rat der Armut im Kontext einer Ordensprofess somit in zwei Richtungen: Zum einen verpflichtet man sich in dieser Form der Nachfolge Christi zu einem tatsächlichen und auch der inneren, geistigen Haltung nach armen Leben, das in einem nach Kräften arbeitsamen und anspruchslos-bescheidenem Leben, frei von jeglicher Anhänglichkeit an irdischen Reichtum geführt wird; zum anderen verpflichtet man sich zugleich zur diesbezüglichen Abhängigkeit von seinem Oberen und zur Beschränkung im Gebrauch des Vermögens sowie in der Verfügung über die zeitlichen Güter gemäß den Bestimmungen des Eigenrechts der einzelnen Institute (vgl. can. 600).12 Gegenstand des Armutsgelübdes ist daher nicht das den 10 Vgl. im Folgenden: Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens, „Congregavit nos in unum Christi amor“, Nr. 44 (VapSt 116, 40). – Siehe auch: Johannes Paul II., „Vita consecrata“. Nachsynodales Schreiben über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt vom 25.3.1996, Nr. 89 (VapSt 125): Demnach sind die evangelischen Räte ein prophetisches Zeugnis und eine Antwort auf moderne Herausforderungen. Sie sind Zeichen des Widerspruchs gegen eine „hedonistische Kultur“, ein solidarischer Kontrapunkt wider einen „habgierigen Materialismus“, eine Botschaft hörender Freiheit gegenüber allen libertinistischen Auffassungen von Freiheit (vgl. ebd., Nr. 87 – 91). 11
Vgl. Manfred Scheuer, Die Evangelischen Räte. Strukturprinzip systematischer Theologie bei H. U. von Balthasar, K. Rahner, J. B. Metz und in der Theologie der Befreiung, Würzburg 1990, bes. 137 – 139, 261 – 265, 321 – 322, 338 – 369, 393 – 397. 12
Hier wird lediglich von den vermögensrechtlichen Beschränkungen der Mitglieder gehandelt, nicht aber von einem Institut als juristischer Person, deren Vermögensunfähigkeit in den Konstitutionen eigens enthalten sein müsste. Unabhängig davon ist der bleibende Anspruch, ein „kollektives Zeugnis der Liebe und der Armut“ zu geben und „nach Kräften aus dem eigenen Vermögen etwas bei(zu)tragen für die Erfordernisse der Kirche und den Unterhalt der Bedürftigen“ (can. 640; vgl. 634 § 2; dazu: Yuji Sugawara, La povertà evangelica nel Codice: Applicazione collectiva, in: Per 89, 2000, 45 – 77, bes. 47 – 62; A. P. H. Meijers, Het Vermogensrecht
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Ordensverbänden und ihren Teilgliederungen gehörende Kirchenvermögen 13 , sondern (zunächst) das Privatvermögen der Professen mit einfachen Gelübden, wozu nicht nur Eigentumsrechte (an Häusern, Autos, Unternehmen etc.) zählen, sondern alle geldwerten Rechte, seien sie dinglicher (Besitzrechte, Dienstbarkeiten, Nießbrauch etc.) oder schuldrechtlicher Art (Rückforderungsrechte, Ersatzansprüche, Urheberrechte etc.). 14 3. Gemeinschaft Zum „geschwisterlichen Leben“ (vita fraterna, cc. 602; 607 §2) als dem generellen Kennzeichen aller Institute und Formen des gottgeweihten Lebens tritt für die Ordensinstitute die Verpflichtung zum gemeinsamen Leben hinzu (can. 665 §1; vgl. 731 § 1), wobei es natürlich beruflich oder persönlich begründete Ausnahmen gibt. Zu berücksichtigen ist auch die unterschiedliche Ausgestaltung bei Orden mit stabilitas loci (in rechtlich selbständigen Klöstern) und bei Instituten mit einer Provinzverfassung, wo die Profess nicht auf ein bestimmtes
in het Wetboek van Canoniek Recht. De bonis temporalibus. Verwerfing, bezit, beheer en vervremding van vermogen binnen de Kerk, Leuven 2000, 235 f., 303; Jean-Pierre Schouppe, Elementi di Diritto Patrimoniale Canonico, Mailand 1997, 202 – 206). R. Jacques, Posséder en pauvreté, le droit de propriété d’une congrégation, in: PJR 3, 1986, 205 – 216, worin allerdings auch eine spirituelle Dimension in der Sorge für den eigenen Lebensunterhalt für bedeutsam gehalten wird gegenüber einer einseitigen individuellen Sorglosigkeit in materiellen Dingen. Als Kirchengut steht das klösterliche Vermögen jedenfalls unter dessen allgemeiner Zweckbestimmung, nämlich dienstbar zu sein für die geordnete Durchführung des Gottesdienstes, die Sicherstellung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter, der Ausübung des Apostolates und der Caritas, vor allem gegenüber den Armen (vgl. can. 1254 § 2). 13 Dabei sind die Mahnungen von Karl Rahner, Theologie der Armut, in: ders., Schriften zur Theologie VII, Einsiedeln u. a 1966, 435 – 478, immer noch aktuell, wonach es geradezu pharisäisch wäre, den Begriff der Armut auf das Fehlen des juridischen Verfügungsrechtes des Einzelnen zu reduzieren, während die Ordensleute de facto doch über die Güter der Gemeinschaft verfügen: „Ein reicher Orden kann keine armen Ordensleute haben“ (439). Rahner tritt gegenüber einem bloß kirchenrechtlichen Armutsbegriff für einen dynamischen und schöpferischen Armutsstil ein, bei dem die konkrete Form der Armut nicht dem Dienst und der Verfügbarkeit für die missionarische Sendung widersprechen sollte. Bei aller Differenzierung, Funktionalisierung und Relativierung wird aber ein bestimmtes Maß an konkret-realer und auch materieller Armut und Entbehrung für jeden Orden unerlässlich sein (vgl. 441; dazu: Scheuer, Die Evangelischen Räte [Anm. 11], 263 ff.). 14
Vgl. Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 153 – 156.
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Haus, sondern auf eine Provinz abgelegt wird, innerhalb der jemand frei versetzbar ist. Stets aber hat das Eigenrecht – selbst angesichts des Priester- und Pfarrermangels und der Notwendigkeit von weiter entfernten pastoralen Einsätzen 15 – für eine adäquate Verwirklichung der communio der Mitglieder zu sorgen, indem hinreichend Möglichkeiten und Verpflichtungen zur Mitgestaltung und Mitverantwortung des Gemeinschaftslebens in Spiritualität und Apostolat des Institutes festgelegt werden. Neben der primär geistlichen Zielsetzung hat die Profess auch „vertragsähnliche Bindewirkungen“ 16 zwischen dem Professen, der sich verpflichtet, seine ganze Arbeitskraft dem Verband zur Verfügung zu stellen, und dem Institut, das seinerseits für seine Mitglieder den Unterhalt sicherzustellen hat und ihnen „alles zur Verfügung stellen (muss), was gemäß den Konstitutionen zur Erreichung des Zieles ihrer Berufung erforderlich ist“ (can. 670). Letzteres beinhaltet etwa auch eine dem eigenen Apostolat angemessene Aus- und Weiterbildung. Der erwähnte Vertragscharakter der Profess darf dabei allerdings nicht als dienstrechtliches Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis missverstanden werden 17 , vielmehr ist der Professe wesentlich selbst Mitträger der Erwerbs- und Gütergemeinschaft aller der Kommunität zugehörigen Mitglieder. Dies führt dann zu jenen Konsequenzen hinsichtlich des Rechtsstatus des Einzelnen, worauf gleich näher einzugehen ist (vgl. can. 668), denn der Unterhaltspflicht des Verbandes entspricht seitens der Professen „die Pflicht, das Gesetz der ‚cassa communis‘ zu beachten, wie es der CIC … zum Ausdruck bringt“. 18
15
Vgl. Martin Felhofer, Wieviel Seelsorge verträgt ein Kloster? Zur Spannung von Gemeinschaftsbezug und pastoraler Tätigkeit, in: ThPQ 152, 2004, 131 – 136. 16
Vgl. Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 221, 221 – 225; ders., Kirchenspezifische Dienstverhältnisse III. Religiosen, in: H. Heimerl / H. Pree, Handbuch des Vermögensrechtes der katholischen Kirchen, Regensburg 1993, 711 – 741, hier: 720 f.: „Die Profess hat auch die Wirkung eines synallagmatischen, d. h. zweiseitig verbindlichen Vertrages zwischen dem Professen und seinem Verband“ (720). 17
Vgl. Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 221 mit Verweis auf das Schreiben der SCRel an den Vorsitzenden der Generaloberen in Rom vom 25.1.1974 (vgl. Ochoa, Leges V, Nr. 4262). Sebott, Ordensrecht (Anm. 5), 194; Wolfgang Koizar, Sozialrechtliche Stellung von Klerikern, Ordensangehörigen und kirchlichen Mitarbeitern, in: U. Runggaldier / B. Schinkele (Hrsg.), Arbeitsrecht und Kirche, Wien / New York 1996, 179 – 223, hier: 183 – 191; Walter Schrammel, Durch religiöse Motive bestimmte Arbeit und Arbeitsverhältnis, in: ebd., 83 – 95 („Unterhaltsvertrag“: 89 – 91); Herbert Kalb, Die „zivilistische Relevanz“ von Inkardinationsverhältnis und Professverhältnis in arbeitsrechtlicher und sozialrechtlicher Perspektive, in: Das Recht der Arbeit 45, 1995, 381 – 387. 18
Rudolf Henseler, Ordensleute als „Arbeitnehmer“ bei Kirche und weltlichen Arbeitgebern, in: OK 36, 1995, 455 – 462, 456 f.: „Mit anderen Worten: Einkünfte fließen
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III. Die Vermögensfähigkeit der Ordensleute Das Armutsgelübde als solches steht einer prinzipiellen Vermögens- und Erwerbsfähigkeit einzelner Professen nicht entgegen. Jedoch ergeben sich unterschiedliche Einschränkungen in Bezug auf die materiellen Güter, wobei hinsichtlich der Wirkungen und Verpflichtungen inhaltlich – und durch Verweis auf das Eigenrecht der Institute auch begrifflich – genau zwischen einfacher (zeitlicher bzw. ewiger) Profess sowie feierlicher Profess zu unterscheiden ist. 19 Postulanten und Oblaten fallen nicht in den engeren Geltungsbereich vermögensrechtlicher Bestimmungen von can. 668 20 , jedoch kann das Eigenrecht dafür adäquate vermögensrechtliche Bestimmungen enthalten.
in die gemeinsame Kasse, von dort werden auch die Ausgaben bestritten. Privates Geld, über das frei verfügt werden könnte, gibt es nicht. Jenseits aller Unterschiede zwischen feierlichen oder nur einfachen Gelübden bedeutet somit das Armutsgelübde: Bescheidenheit, Gütergemeinschaft, Abhängigkeit im Gebrauch der Mittel, Rechenschaftsablegung“. Vgl. Domingo J. Andrés, I religiosi. Datori di lavoro e lavoratori secondo il Codice di Diritto Canonico, in: CpR 72, 1991, 3 – 48. 19
Vgl. Hugo Schwendenwein, Die Katholische Kirche, Essen 2003, 591 – 598, bringt es auf die Kurzformel: „Der Professe mit feierlichen Gelübden ist – abgesehen von besonderen Ausnahmefällen – vermögensunfähig; der Professe mit einfachen Gelübden ist im Rahmen des ‚ius proprium‘ vermögens- und, was die Gültigkeit (nicht die Erlaubtheit) betrifft, über sein Privatvermögen in vollem Umfang dispositionsfähig“ (592); Velasio De Paolis, La vita consacrata nella Chiesa, Bologna 1992, 322 – 326; Sebott, Ordensrecht (Anm. 5), 191 – 196. 20
Vgl. Wolfgang Schumacher, Rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Postulat und Noviziat, in: OK 38, 1997, 325 – 340, 332 – 335, der can. 668 § 1 für Novizen nur analog anwendet; Evelyne Domenica Menges, Die vermögensrechtlichen Auswirkungen der Mitgliedschaft in einem kanonischen Lebensverband, in: OK 34, 1993, 171 – 194, hier: 172 f., 177 – 179, zählt hingegen neben Novizen – nicht ganz überzeugend – auch die Postulanten zu den „religiosi“ im Sinne von can. 668 § 3, da niemand beim Ausscheiden vermögensrechtliche Ansprüche gegenüber dem Verband geltend machen könne und diese daher in die Erwerbsgemeinschaft einzubeziehen seien. Da die explizite Regelung des can. 643 § 1 CIC/1917 nicht übernommen wurde, rät sie aber bezüglich der Postulanten/Novizen zur vertraglichen Sicherstellung der Unentgeltlichkeit ihrer teilberechtigten Mitgliedschaft. Heribert Hallermann, Vermögensverwaltung und Vermögensverzicht durch Ordensangehörige im Kirchenrecht und im deutschen Zivilrecht, in: OK 40, 1999, 431 – 450, hier: 441 – 444, lehnt – exemplarisch mit Bezug auf die Deklarationen der Beuroner Kongregation – jegliche Beschränkung der Erwerbs- und Vermögensfähigkeit im Noviziat (wie bei Postulanten) ab.
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1. Die vermögensrechtliche Stellung während der einfachen Profess Alle Religiosen müssen noch als Novizen 21 , nämlich vor der ersten (d. h. zeitlichen; can. 655) Profess, die Verwaltung ihres Vermögens an eine Person ihrer Wahl abtreten und haben – falls das Eigenrecht nichts Gegenteiliges bestimmt – über dessen Gebrauch und Nießbrauch in freier Weise eine Verfügung zu treffen (can. 668 § 1). Damit bleiben die Einfach-Professen mit zeitlichen (oder ewigen) Gelübden weiterhin Eigentümer ihres bisherigen Vermögens und können neues dazu erwerben. Diese Güter sind deshalb auch nicht als kirchliches (klösterliches) Vermögen anzusehen 22 , sondern unterliegen der alleinigen Dispositionsfähigkeit des Novizen 23 bzw. Einfach-Professen. In can. 580 § 1 CIC/1917 war dieser Grundsatz, dessen materielle Weitergeltung unbestritten
21 Vgl. Rudolf Henseler, MKCIC zu can. 668, Rn. 2 – 3; Jean Beyer, Le Droit de la Vie Consacrée, Paris 1988, 147 – 150; Giuseppe Di Mattia, Comentario can. 668, in: A. Marzoa u. a. (Hrsg.), Comentario exegético al Código de Derecho Canónico, Bd. II/2, Pamplona 21997, 1694 – 1697; Domingo J. Andrés, Le forme di vita consacrata. Commentario teologico-giuridico al Codice di diritto canonico, Rom 2005 (= El derecho de los religiosos, Madrid-Rom 52005), 483 – 506, der allerdings hinzufügt, die Verpflichtung „ricade formalmente solo sui membri in senso stretto“ (d. h. sie gilt formal nur für Professen), „ma materialmente devono fare la cessione prima della prima professione, valida dal giorno della sua emissione“, wobei er jedoch als Zeitpunkt wenige Monate vor der Profess anführt, wenn das Noviziat fast abgeschlossen („moralmente completato“) und der Kandidat zur Profess zugelassen („canonicamente approvato“) wurde (485 f.). – Fürst, Die rechtlichen Auswirkungen (Anm. 5), 8, meint ohne Präzisierung, Novizen würden „nicht in den Geltungsbereich von c. 668“ fallen, während can. 569 § 1 CIC/1917 noch ausdrücklich anordnete: „Ante professionem votorum simplicium sive temporariorum sive perpetuorum novitius debet, ad totum tempus quo simplicibus votis adstringetur, bonorum suorum administrationem cedere cui maluerit et, nisi constitutiones aliud ferant, de eorundem usu et usufructu libere disponere“. 22
Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 216; vgl. Schwendenwein, Kirche (Anm. 19), 591. – Deshalb finden auch nicht die Regelungen über Kirchenvermögen und eventuelle Veräußerungsverbote darauf Anwendung. – Solange ein Novize sein Vermögen noch selbst verwaltet, was grundsätzlich denkbar ist, stellt dieses kein Treuhandvermögen des Verbandes dar und wird auch nicht im Gemeinschaftsvermögen bilanziert; vgl. Menges, Auswirkungen (Anm. 20), 177. 23
Da während des Noviziates allerdings noch eine jederzeitige Aufkündigungsmöglichkeit des Mitgliedschaftsverhältnisses besteht, ist es nicht bloß eine Frage der Klugheit, allzu großzügige Dispositionen des Kandidaten zu Gunsten Dritter oder der Gemeinschaft zu unterbinden, damit nicht alle (eventuell nötigen) Brücken in die Welt abgebrochen werden (vgl. Menges, Auswirkungen [Anm. 20], 175).
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ist, noch ausdrücklich festgehalten worden24, denn jeder Mensch darf über die ihm rechtmäßig zustehenden Güter in ordnungsgemäßer Weise frei verfügen. Das Armutsgelübde fordert jedoch zwingend und indispensabel25, dass Religiosen dabei insofern Einschränkungen unterliegen, als sie sich von der Befassung mit dem (eigenen) Vermögen lösen müssen. Daher ist Folgendes zu regeln: die Vermögensverwaltung, der Gebrauch und die Nutznießung des Vermögensertrages sowie eine testamentarische Verfügung über die eigenen Güter. a) Abtretung der Vermögensverwaltung Die Mitglieder eines Institutes müssen – sinnvoller Weise gleich zu Beginn oder in der ersten Zeit des Noviziates, damit sie nicht mit Arbeiten belastet sind, die weder dem angestrebten Stand entsprechen noch ihrer Ausbildung dienen (vgl. can. 652 §5) – für ihr mitgebrachtes Privatvermögen eine Person ihres Vertrauens zum Verwalter bestellen. Dabei kann es sich um Verwandte oder Bekannte handeln, aber auch um Anwaltskanzleien, Wirtschaftstreuhänder, Banken oder auch juristische Personen, wie etwa das eigene Kloster26 (wobei jedoch Interessenskonflikte – etwa hinsichtlich anstehender Aufnahmeentscheidungen – auftreten können27 und daher jedenfalls eine klare Unterschei-
24
„Quilibet professus a votis simplicibus, sive perpetuis sive temporariis, nisi aliud in constitutionibus cautum sit, conservat proprietatem bonorum suorum et capacitatem alia bona acquirendi, salvis quae in can. 569 praescripta sunt“ (can. 580 § 1 CIC/1917). 25
Vgl. Antonio Calabrese, Istituti di Vita Consacrata e Società di Vita Apostolica, Vatikan 21997, 230. 26
Die frühere Rechtsordnung sah zumindest hinsichtlich einer späteren Abänderung zugunsten des Klosters, soweit es sich auf einen bedeutenden Teil der eigenen Güter bezog (d. h. über ein Drittel des Vermögens) ein Verbot vor (can. 580 § 3 CIC/1917; vgl. immer noch: can. 529 § 4 CCEO), es sei denn, man hatte die Erlaubnis des Apostolischen Stuhles erhalten (vgl. Erklärung der Interpretationskommission vom 15. 5. 1936: Ochoa, Leges I, 1337). Dieses Verbot bezog sich nicht darauf, hinsichtlich der Güter „auf [das] Eigentum zu verzichten“ (so irrtümlich Fürst, Vermögensrecht [Anm. 5], 147), sondern meinte ebenfalls lediglich die Verwaltungsübertragung bzw. den Gebrauch und die Nutznießung dieses Vermögens. Der Auftrag an ein anderes Mitglied des Institutes ist jedenfalls an die Voraussetzungen der Genehmigung gemäß can. 672 iVm can. 285 § 4 gebunden. 27
Vgl. Rosemary Smith, Commentary can. 668, in: J. P. Beal / J. A. Coriden / T. J. Green (Hrsg.), New Commentary on the Code of Canon Law, New York 2000, 834 – 837, 835. Andrés, Le forme (Anm. 21), 487, bezeichnet die Beauftragung des eigenen Klosters als „poco consigliabile per motivi di principio“.
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dung dieser Güter vom Gemeinschaftsvermögen zu wahren ist28). Die Verschiedenartigkeit von Vermögenswerten lässt es zudem unter Umständen geraten erscheinen, mehrere Personen für einzelne Geschäftsbereiche zu beauftragen, da ein landwirtschaftlicher Betrieb und ein risikoreiches Aktienpaket unterschiedliche Qualifikationen erfordern, die vielfach nicht schon bei einem einzigen Verwalter gegeben sind. In jedem Fall ist eine genaue vertragliche (schriftliche) Regelung ratsam, die sowohl die Aufwandsabgeltung als auch eine jederzeit mögliche Widerrufbarkeit des Vermögensverwaltungsvertrages oder dessen Beschränkung für die Zeit der Bindung an die Ordensgemeinschaft (als Postulant, Novize oder Professe) festlegt. Zumindest der Professe soll keinesfalls (mehr) durch Alltagsgeschäfte der Vermögensverwaltung belastet sein, um so frei zu werden für die mit dem Ordenseintritt angestrebten Zielsetzungen des geweihten Lebens, nämlich die Gottsuche und die spirituelle Einübung (unter anderem auch) in das Armutsgelübde.29 Bei der Verwalterbestellung muss es sich um eine echte Abtretung (cessio) der Verwaltung handeln, wobei sich der Professe keine ihm als Eigentümer zustehenden Rechtsakte vorbehalten darf. Im Regelfall einer Verwaltungsbeauftragung ist der Eigentümer nämlich weiterhin selbständig berechtigt, als „Geschäftsherr und Prinzipal“ neben dem Verwalter Entscheidungen über sein Vermögen (selbst ohne dessen Zustimmung oder Befragen) zu treffen und Verwaltungshandlungen zu setzen. Demgegenüber soll aber der Religiose gerade „nicht beschäftigt sein bspw. mit der Instandsetzung von Gebäuden, der Einziehung von Miete oder Pacht, dem Ernten von Früchten, dem Abheben von Zinsen oder anderem“30. Deshalb ist kirchenrechtlich auch explizit vorgesehen, dass Änderungen in der Verwaltungsverfügung sowie sonstige Rechtshandlun-
28
Vgl. Schumacher, Rechtliche Fragen (Anm. 20), 334, verweist zu Recht darauf, dass im Fall der Vermögensverwaltung durch eine Person des Ordens sichergestellt sein muss, dass das Privatvermögen des Postulanten/Novizen (aber auch des einfachen Professen) nicht gemeinsam mit dem Vermögen der Gemeinschaft verwaltet wird, sondern als Treuhand- oder Sondervermögen geführt und ausgewiesen wird. Die Verwaltung hat dabei im Interesse des Eigentümers zu geschehen und es ist jeder Anschein einer Güterverwaltung zu Gunsten des Ordens zu vermeiden (u. U. könnten sonst – etwa im Falle einer Trennung von der Gemeinschaft – Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden). Der Postulant/Novize (und einfache Professe) hat zudem ein Recht auf regelmäßige Information über den Stand seines Eigentums, vor allem weil vor der (zeitlichen/ewigen) Profess eventuell noch weitere kirchenrechtlich geforderte Vermögensverfügungen zu treffen sind. 29
Vgl. Menges, Auswirkungen (Anm. 20), 176; Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 217; Rudolf Henseler, MKCIC zu can. 668, Rn. 2. 30
Rudolf Henseler, MKCIC zu can. 668, Rn. 2.
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gen im Vermögensbereich durch den Religiosen – selbst bei einem (stets nötigen) gerechten Grund – immer erst der Erlaubnis des zuständigen Oberen bedürfen (can. 668 § 2). Unerlaubte Verfügungen des Religiosen als Auftraggeber sind mangels Nichtigkeitssanktion (vgl. can. 10) zwar gültig31, allerdings berühren diese unerlaubten Akte – so wie alle Zuwiderhandlungen im Bereich der Vermögensvorschriften des can. 668 – unter disziplinärem Aspekt die „Tugend der Armut und des Gehorsams“ und „können im Einzelfall auch eine Verletzung des Gelübdes bedeuten“32, was sich etwa auf die Zulassung zur ewigen Profess auswirken kann. Gelegentlich wird die Ansicht vertreten, dass für die Notwendigkeit einer Verwaltungsabtretung zumindest ein solches Vermögen vorhanden sein müsse, das einer besonderen oder steten Verwaltung bedürfe33, wobei dies sicher für Liegenschaften, Grundstücke, industrielle oder handwerkliche Unternehmen und ähnliches gelte. „Besteht jedoch das Vermögen nur aus Kapital, das in verschiedener Form angelegt ist, dann kann es sein, dass hiefür kein besonderer Verwaltungsaufwand erforderlich ist, da Banken mit Daueraufträgen die erforderlichen Schritte vornehmen. Insbesondere gilt dies bei auf einem Sparbuch liegenden Kapital, dessen Zinsen automatisch gutgeschrieben werden“, wobei allerdings zu beachten sei, „dass jedenfalls ein Teil dieser Zinsen dem Kapital zugeschlagen werden muss, um angesichts mitunter hoher Inflationsraten überhaupt den Realwert des Kapitals zu erhalten“.34 Gerade die letztgenannte Überlegung zur Substanzerhaltung läßt es jedoch fragwürdig erscheinen, ob eine derartig pragmatische Einschränkung tatsächlich aufrecht zu erhalten ist, da die Beurteilung hinsichtlich der Geringfügigkeit der Verwaltungshandlungen sehr differenziert ausfallen kann und als Kriterium im Codex jedenfalls nicht vorgesehen ist. Ein Gespräch des verantwortlichen Oberen über die konkrete Vermö-
31
Die früher geltende Nichtigkeitssanktion der cc. 568, 581 § 1 CIC/1917 wurde nicht übernommen. Unbenommen ist immer die Rechtswirksamkeit all dieser Verfügungen im zivilen Rechtsbereich! – Vgl. Hallermann, Vermögensverwaltung (Anm. 20), 447; D. M. Meier, Die rechtliche Stellung der Ordensangehörigen, in: Kirche und Recht 250, 1 – 12, 4; Primetshofer, Kirchenspezifische Dienstverhältnisse (Anm. 16), 719. 32
Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 216; ders., Kirchenspezifische Dienstverhältnisse (Anm. 16), 719; vgl. Ulrich Rothacker, Bemerkungen zum Gehorsam aus der Profess der Ordensleute, in: E. Güthoff / K.-H. Selge (Hrsg.), Adnotationes in iure canonico (FS F. X. Walter), Fredersdorf 1994, 81 – 96. 33 Vgl. Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 217; Meier, Rechtswirkungen (Anm. 7), 412: „Die Bestellung eines Vermögensverwalters ist nur erforderlich, wenn die Vermögensmasse so beschaffen ist, dass sie steter Verwaltung bedarf, …“. 34 Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 217 f., mit Verweis auf Rudolf Henseler, Ordensrecht, Essen 21998, 307 (ders., MKCIC zu can. 668, Rn. 3).
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genslage eines Kandidaten muss darüber eine Klärung herbeiführen. Lediglich das Fehlen jeglicher verwaltbarer Vermögenswerte – von persönlichen Gebrauchsgegenständen abgesehen – rechtfertigt das Unterlassen einer Verwalterbestellung, die unter Umständen in sehr schlichter Form geschehen kann. b) Verfügung über den Gebrauch und Nießbrauch Das kirchliche Gesetzbuch verpflichtet den Novizen vor der Profess auch zu einer freien Verfügung über das Gebrauchsrecht (usus) an der Vermögensmasse, wodurch jemandem das Recht eingeräumt wird, eine fremde Sache, ohne Verletzung der Substanz, zum eigenen Bedürfnis für sich zu benützen (z. B. Wohnung, Haus), sowie über dessen Nießbrauch (usus fructus, Fruchtgenuss), d. h. über die Gewährung des Rechts, eine fremde Sache ohne alle Einschränkungen zu nutzen und zu genießen (z. B. Mietzins, Pacht, Kapitalzinsen).35 Ein Vorbehalt des persönlichen Gebrauchs oder der eigenen Nutznießung seiner Vermögensgegenstände ist prinzipiell nicht zulässig36, vielmehr ist – abgesehen von den Bedingungen des can. 668 § 2 – „ein für allemal sowohl darüber zu entscheiden, wem er die Sache zum Gebrauch überlässt und wem die Erträgnisse derselben zugewendet werden sollen“37. Im Eigenrecht eines Institutes können zudem weitere Beschränkungen in der Verfügungsfreiheit vorgesehen sein38, insofern die Erträgnisse oder Einkünfte aus dem Privatvermögen bestimmten Zwecken oder Einrichtungen zugeführt oder aber dem Institut, das in dieser Zeit für den Unterhalt des Religiosen aufkommt, zugewendet werden müssen.
35
Vgl. ebd., 217, mit Bezug auf das österreichische Recht: §§ 504, 509 ABGB; Meier, Rechtswirkungen (Anm. 7), 413 Fn. 147; Andrés, Le forme (Anm. 21), 488 – 491. 36
Vgl. Fürst, Die rechtlichen Auswirkungen (Anm. 5), 12 f.: „Damit soll verhindert werden, dass es in der Gemeinschaft Mitglieder gibt, die am Oberen (und somit an der Gemeinschaft) vorbei über mehr materielle Möglichkeiten verfügen und auf diese Weise das Gemeinschaftsleben gefährden“. Auch soll jegliche Befassung mit „Vermögenszuwachs“ vermieden werden (Rudolf Henseler, MKCIC zu can. 668, Rn 3). Calabrese, Istituti (Anm. 25), 231, hält es aber doch für zulässig, sich – besonders im ererbten Elternhaus – ein dauerndes Wohnrecht zu sichern für eventuelle Besuche in der Heimat. 37 38
Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 217.
Vgl. Meier, Rechtswirkungen (Anm. 7), 413 f., mit Verweis auf die Satzungen der Benediktinerkongregation von St. Ottilien: „Wenn ein Novize nennenswerte Güter besitzt, überträgt er vor der zeitlichen Profess deren Verwaltung, wem er will. Die Zinsen fallen dem Kloster zu. Diese Verfügung gilt für die ganze Dauer der zeitlichen Profess, wenn sie nicht vorher mit Erlaubnis des Abtes ausdrücklich widerrufen oder abgeändert wird“ (Nr. 87); in ähnlicher Weise: Meijers, Het Vermogensrecht (Anm. 12), 305 (Rn. 234).
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Bezüglich der äußeren Rechtsform finden sich im Universalrecht der Kirche keine näheren Angaben, jedoch kann im Eigenrecht vorgesehen sein, dass alles in zivilrechtlich gültiger Weise zu erfolgen habe. 39 In Frage kämen dafür privatrechtliche Verträge oder beispielsweise ein entsprechender (Dauer-)Auftrag an eine Bank. Scheidet der zeitliche Professe aus dem Institut aus, sind alle (bedingten) Anordnungen über die Abtretung der Vermögensverwaltung und der Nutznießung des Vermögens hinfällig, wobei sich der Betroffene selbst mit seinem Vermögensverwalter auseinandersetzen muss. Wurde das Vermögen von der Ordensgemeinschaft verwaltet, müssen die (separaten) Vermögenswerte zurück übertragen werden (durch Änderungen der Verfügungsberechtigung über Konten und Depots, Überweisung von Geldern etc). Wird nach der Eigenart des jeweiligen Institutes letztlich kein gänzlicher Vermögensverzicht im Sinne von can. 668 §§ 4 – 5 verlangt und geleistet, bleiben die geschilderten (unbefristeten) Vermögensverfügungen und der persönliche Rechtsstatus auch beim Einfach-Professen mit ewigen Gelübden aufrecht, weshalb vor der endgültigen Bindung an das Institut keine neuerliche Verfügung und für die Folgezeit keine Abänderung der Verwalterbestellung oder der Vermögensnutzung nötig ist. 40 c) Beschränkungen der Erwerbs- und Eigentumsfähigkeit Die prinzipielle Erwerbs- und Eigentumsfähigkeit des zeitlichen und ewigen Einfach-Professen erfährt durch can. 668 § 3 jedoch noch weiter differenzierte Beschränkungen: 39
Eine generelle Regel hinsichtlich der zivilrechtlichen Form findet sich lediglich für die Testamentserrichtung (so korrekt Rudolf Henseler, MKCIC zu can. 668, Rn 3); a. A. Andrés, Le forme (Anm. 21), 489 mit Verweis auf 487: „Passata l’epoca di discussioni di scuola riguardo all’argomento, tale operazione deve essere formalizzata davanti alle autorità civili competenti. Si provvede da un notaio, si manifesta la propria volontà di cessione in forma scritta, si descrive l’entità dei beni, si nominano tassativamente gli amministratori, si firma, si pagano le tasse e si fa un documento pubblico di cessione dei propri beni, attenendosi alle conseguenze presenti e future di tale documento“. 40
Wenn Meier, Rechtswirkungen (Anm. 7), 412, davon spricht, dass die (nicht näher bedingten) Verwaltungsverfügungen nur „für die Zeit der zeitlichen Profess“ gelten, so nimmt er an, dass der einfachen Profess eine ewige bzw. feierliche Profess (416) mit völliger Vermögensentäußerung folgt, wobei er offenbar die Möglichkeit einer ewigen Einfach-Profess übersieht. – Schumacher, Rechtliche Fragen (Anm. 20), 335, geht im Blick auf Postulanten und Novizen von einem befristeten Vertragsverhältnis aus, weshalb vor der Profess eine Verlängerung oder Änderung nötig ist.
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„Was ein Ordensangehöriger durch eigenen Einsatz oder im Hinblick auf das Institut erwirbt, erwirbt er für das Institut. Was ihm aufgrund einer Pension, einer Unterstützung oder einer Versicherung irgendwie zukommt, wird für das Institut erworben, sofern im Eigenrecht nichts anderes festgelegt ist“.
Als Konsequenz aus dem Inkorporationsakt der Profess 41 , wodurch sich der Religiose mit seiner ganzen Person dem Institut übereignet, welches ihn mit allen Rechten und Pflichten aufnimmt, sowie in Anwendung des alten Rechtswortes: „Quidquid monachus acquirit, monasterio acquirit“ 42 wird nach der Gelübdeablegung bezüglich der Art des Vermögenserwerbes genauer unterschieden: Was dem Professen durch eigenen Einsatz (propria industria) oder im Hinblick auf das Institut (ratione instituti), d.h. als Zuwendung im Kontext seiner Zugehörigkeit zum Verband zukommt, erwirbt er zwingend für dieses selbst. Es handelt sich dabei ex lege um einen direkten Erwerb des Instituts, weshalb Helmut Schnizer davon spricht, dass der Religiose diesbezüglich „partiell erwerbsunfähig“ sei, da – zumindest innerhalb der kirchenrechtlichen Logik (!) – keine gesonderten Übertragungsakte mehr notwendig sind. 43 Dies betrifft zum
41
Vgl. Meier, Rechtswirkungen (Anm. 7), 412, 381 – 382.
42
Vgl. C 18 qu.1 c.1; C 19 qu.3 c.9. – H. Schnizer nennt dieses Rechtssprichwort ein „Axiom“ (vgl. Helmut Schnizer, Arbeitslohn von Ordensleuten, in: O. Martinek [Hrsg.], Arbeit, Recht und Gesellschaft [FS W. Schwarz], Wien 1991, 173 – 189, 173; nun auch in: ders., Rechtssubjekt, rechtswirksames Handeln und Organisationsstrukturen ausgewählte Aufsätze aus Kirchenrecht, Rechtsgeschichte und Staatskirchenrecht, Freiburg/Schweiz 1995, 595 – 611). 43
Vgl. Schnizer, Arbeitslohn (Anm. 42), 180 – 184: „Der eindeutige Gesetzeswortlaut, die systematische Stellung und die Entstehungsgeschichte machen evident, dass es sich hier nicht bloß um eine obligatorische Verpflichtung zu künftigen Verfügungen, nämlich Herausgabe von Arbeitslohn etc. handelt, sondern um einen essentiellen Teil der Statusänderung. Die Verlagerung des Anspruchs auf Arbeitslohn erfolgt ex lege, sie bedarf nicht einmal einer allgemeinen ausdrücklichen Verfügung, geschweige denn einer wiederholten für jeden Entgeltanspruch oder gar jede einzelne Zahlung“ (184). Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 224 f., betont innerhalb der kanonistischen Rechtslogik: „Auch der Professe mit einfachen Gelübden wird … nicht zuerst persönlich Eigentümer, der dann das Eigentum an das Institut zu übertragen hat“; „Das vom Professen Erworbene oder von ihm Hergestellte … stellt Kirchenvermögen dar … Das Institut erwirbt nämlich bezüglich des dem Professen Zukommenden entweder sofort Eigentum oder ein geldwertes Recht gegenüber einem Dritten auf Entgelt für eine vom Professen erbrachte Leistung“. Andrés, I religiosi (Anm. 18), 14: „Il religioso è tenuto a cedere all’Istituto automaticamente e senza bisogno di atto giuridico alcuno, senza eccezioni né garanzie, senza soluzione di continuità, tutto quello che acquista con il proprio lavoro o industria, intesi in senso totale“; ders., Il diritto (Anm. 21), 465. Bloß von einer Gewis-
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einen besonders die Gehaltszahlungen (z. B. als Pfarrer, Lehrer, Erzieher, Krankenpfleger), was nach Möglichkeit konkret am besten durch Gestellungsverträge 44 umsetzbar ist, aber ebenso sind die Einkünfte aus persönlichen Dienstverträgen abzuführen, etwa durch die Auszahlung des Lohnes an das Gemeinschaftskonto. Zum anderen bezieht sich dieser uneingeschränkte Institutserwerb auf alle Einkünfte aus jedweder geistigen oder körperlichen Tätigkeit oder Arbeit, die innerhalb oder außerhalb des Instituts verrichtet wird, einschließlich der wissenschaftlichen oder künstlerischen Werke. 45 Werden Dienst- und Werkverträge nach Maßgabe des Eigenrechts oder auf Weisung des zuständigen Oberen vom Professen selbst abgeschlossen, geschieht dies immer auf fremde Rechnung, nämlich zugunsten des Institutes. Bei Ordenspfarrern sind daher selbst der Priesteranteil der Stipendien für die zelebrierten Messen (ausgenommen Messen mit Applikationspflicht ‚pro populo‘) sowie der Priesteranteil sonstiger Stolgebühren abzuliefern, obwohl verbandsintern diesbezüglich meist pragmatische Sonderregelungen getroffen werden. senspflicht („questione di coscienza“) zur Weitergabe spricht Calabrese, Istituti (Anm. 25), 233 Anm. 6. - Vgl. auch: Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 149, 151 – 154; ders., Die rechtlichen Auswirkungen (Anm. 5), 18 f. 44 Henseler, Ordensleute (Anm. 18), 457, bezeichnet den Gestellungsvertrag als „Idealfall eines Arbeitsvertrages für Ordensleute“. – Rechtssystematisch korrekt findet hierbei gar kein Erwerb des Professen mehr statt, da nicht das betreffende Mitglied, sondern der Verband selbst als Vertragspartner auftritt, weshalb das Mitglied eine entgeltliche Aufgabe nicht aufgrund einer persönlichen Vertragsverpflichtung ausübt, sondern nur im Auftrag seines Verbandes bzw. Institutes (vgl. Winfried Aymans / Klaus Mörsdorf, Kanonisches Recht II, Paderborn u. a. 1997, 687; Rudolf Henseler, MKCIC zu can. 668, Rn 6; Primetshofer, Kirchenspezifische Dienstverhältnisse [Anm. 16], 712 – 716). Koizar, Sozialrechtliche Stellung (Anm. 17), 181 – 183, differenziert genauer und meint, dass sich zumindest dann ein eigenes Dienstverhältnis mit dem Professen ergibt, wenn der Gestellungsvertrag für eine bestimmte namentlich genannte Person abgeschlossen wurde, insbesondere wenn zudem ein entsprechendes Weisungsrecht des Arbeitgebers ihm gegenüber besteht. 45
Zu Recht weist Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 222 – 223, 224, darauf hin, dass es sich bei wissenschaftlichen und künstlerischen Werken um den tatsächlichen Ertrag handelt, während die Entscheidung über die Freigabe und kommerzielle Verwertung eigener Werke dem Professen selbst obliegt und ihm auch nicht unter Verweis auf die Erwerbsgemeinschaft unter dem Armutsgelübde im Gehorsam angeordnet werden kann (skeptisch: Schwendenwein, Kirche [Anm. 19], 593). Nach österreichischem und deutschem Zivilrecht ist eine Übertragung des Urheberrechtes zu Lebzeiten des Werkschöpfers nicht möglich, sondern nur vererbbar (§ 23 öUrhG; § 29 dtUrhG; anders in der Schweiz). Es besteht allerdings eine Verpflichtung dazu, durch entsprechende Verfügungen dafür zu sorgen, dass das Institut nach dem Tod auch die Urheberrechte erhält.
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In diesem Zusammenhang spricht man zuweilen von der Möglichkeit eines bescheidenen Sondervermögens des Professen in Form eines „peculium“ (Taschengeld) für seinen persönlichen Lebensunterhalt. 46 In der traditionellen Lehre differenziert man dabei ein peculium independens, das der Religiose selbständig und unabhängig von seinem Oberen gebrauchen kann, vom peculium dependens, bei dessen Gebrauch der Religiose vom Oberen abhängig ist, der es stets einschränken oder zurücknehmen darf, und dem gegenüber er dafür jederzeit rechenschaftspflichtig ist. Während das unabhängige/vollkommene Peculium als dem Armutsgelübde widersprechend verboten war und ist, gab es für das abhängige/unvollkommene Peculium zwar keine ausdrückliche Erlaubnis, doch war es zunächst auch nicht untersagt. Erst das Tridentinum hat das Peculium verboten 47 , wenngleich sich vielfach ein gegenteiliges Gewohnheitsrecht ausgebildet hat, besonders im Zusammenhang mit einer längeren (berufsbedingten) Abwesenheit vom Kloster. Der geltende Codex nimmt dazu nicht mehr ausdrücklich Stellung, sodass von den Instituten individuell adäquate Lösungen unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Lebensbedingungen und mit Blick auf die jeweiligen Aufgaben der Mitglieder zu finden sind, ohne dass aber das Armutsgelübde allzu sehr ausgehöhlt wird (etwa indem jeder Ordensmann– unter Abzug einer Gemeinschaftspauschale – sein Gehalt zur freien Verfügung bezieht 48 ). Unabhängig vom Erwerbszeitpunkt der einzelnen Ansprüche werden gemäß can. 668 § 3 grundsätzlich auch alle Einkünfte aus Rentenansprüchen (Pensionen 49 ), privaten Unterstützungsgaben oder Versicherungsleistungen zu Gunsten der gemeinsamen Kasse des eigenen Institutes erworben, allerdings kann diesbezüglich das Eigenrecht abweichende Sonderregelungen vorsehen und diese Einkünfte dem Privatvermögen des Professen zuweisen. Bruno Primetshofer
46
Geld, das bloß für Augenblicksbedürfnisse mitgegeben wird (Fahrtgeld, etc.), fällt nicht darunter. Vgl. Aymans / Mörsdorf, Kanonisches Recht I, Paderborn u. a. 1991, 684; Rudolf Henseler, Peculium, in: Lexikon des Kirchenrechts (Anm. 4), 735 (ausführlicher: Suso Mayer, Peculium, in: LThK2, 242; Friedrich Sambeth, Peculium, in: LThK1, 59 – 60). 47
Vgl. Sess. XXV c. 2 de regul.; auch: Klemens VIII., CA Nullus omnino vom 1599 und 1604. 48
Vgl. Henseler, Ordensleute (Anm. 18), 458, bezeichnet eine derartige Vorgangsweise zu Recht als völlig „unhaltbar“. – Für eine zeitgemäße größere Autonomie plädiert Bronislaw W. Zubert, Die Einkünfte der Ordensleute, in: OK 37, 1996, 428 – 446, hier: 444 ff. Calabrese, Istituti (Anm. 25), 236, bezieht sich auf die Kriterien von can. 600: eine begrenzte Summe und Abhängigkeit vom Oberen. 49 Vgl. in Österreich: Pensionsregelung für Ordensleute im kirchlichen und diözesanen Dienst (ABl ÖBK Nr. 5 vom 30.4.1991, 6 – 7).
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zählt hierzu etwa auch die Studienbeihilfen oder Leistungsstipendien 50 und Domingo Javier Andrés subsumiert (strittiger Weise) unter subventio sogar Geschenke, Spiel- und Lottogewinne sowie Preisgelder von Wettbewerben und Preisausschreiben 51 . Nicht ausdrücklich erfasst 52 von der kodikarischen Regelung ist jedenfalls der Anfall von (Privat-)Vermögen bei Einfach-Professen durch fremde Verfügungen von Todes wegen (Erbschaft, Legat), jedoch kann diese Regelungslücke unter Einbeziehung der kanonistischen Tradition (vgl. can. 6 § 2) zu Gunsten eines Vermögenserwerbs des Einfach-Professen geschlossen werden 53 , was allerdings auch bedeutet, dass nachträgliche Verwaltungs- und Ertragsverfügungen zu treffen sind. Das Ausschlagen von Vermögensübertragungen – sei es unter Lebenden (Geschenken, Gewinnen etc.) oder von Todes wegen – durch ein selbst vermögensfähiges Mitglied eines Institutes ist keine Frage der (klösterlichen) Vermögensverwaltung, weil auch die Annahme derartiger Zuwendungen nicht unbedingt und sofort kirchliches Vermögen begründet, und unterliegt deshalb auch nicht der Gehorsamspflicht des Religiosen, sondern seiner eigenverantwortlichen Entscheidung – allenfalls unter beratender Beiziehung des Oberen. Zudem ist grundsätzlich die Präsumtion von can. 1267 § 1 bei fraglichem Erwerb zu beachten, wonach Gaben, die Oberen oder Verwaltern jedweder kirchlichen juristischen Person (etwa auch Pfarrern) übergeben worden sind, als der juristischen Person selbst übereignet angesehen werden, sofern nichts anderes feststeht. 54 Die genannten Formen nachträglichen Vermögenserwerbs bedingen zugleich, dass (zumindest jetzt) eine klare Verwaltungsverfügung (auch) über dieses Vermögen getroffen wird, entweder weil vor der ersten Profess mangels 50 Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 222; ders., Kirchenspezifische Dienstverhältnisse (Anm. 16), 716 f. 51
Andrés, Le forme (Anm. 21), 501; Zubert, Einkünfte (Anm. 48), 432 f. – H. Pree und E. D. Menges zählen generell Verfügungen unter Lebenden (incl. Schenkungen) nicht dazu: Helmut Pree, Die wichtigsten Neuerungen im katholischen Kirchenrecht, in: JBl 109, 1987, 20 – 25, 90 – 97, hier: 96; Menges, Auswirkungen (Anm. 20), 178. 52 Die Generalklausel des can. 580 § 1 CIC/1917 bezüglich des weiteren Vermögenserwerbs ist entfallen. 53
So Pree, Neuerungen (Anm. 51), 96 (unter Berücksichtigung der Generalklausel des CIC/1917). 54
Vgl. Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 159 f. Fn. 234; Winfried Schulz, MKCIC zu can. 1267, Rn 4. – In ähnlicher Weise ist (wie schon nach can. 630 § 3 CIC/1917) im Zweifel, ob eine Zuwendung an den Ordenspfarrer für sein Institut oder für die Pfarre gemacht wurde, zugunsten der Pfarre zu entscheiden.
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Objekt kein Verwalter erforderlich war oder aufgrund qualitativ verschiedener Vermögensmassen nun eine andere (weitere) Person zu deren Verwaltung benötigt wird. Mittels Rechtsanalogie (can. 19) lässt sich die Vorschrift des can. 668 § 1 hinsichtlich des mitgebrachten Vermögens auch auf den vergleichbaren Fall des nachträglich erworbenen Vermögens anwenden, sodass nun sowohl eine Verwaltungsabtretung als auch eine Nutznießungsverfügung zu treffen ist, wenngleich jetzt nur mehr im Einvernehmen mit dem Oberen. 55 d) Testierpflicht Schon als Novize/Einfach-Professe, spätestens aber vor der ewigen Profess haben alle Religiosen ein nach weltlichem Recht gültiges 56 Testament zu errichten (can. 668 § 1). Der Professe ist in Bezug auf den Inhalt des Testamentes hinsichtlich seines mitgebrachten oder nachträglich erworbenen Privatvermögens frei, sodass er zum Erben einsetzen kann, wen er will, und beliebige Vermächtnisse (Legate) diesbezüglich hinzufügen darf. Die Verpflichtung zur Abfassung eines Testamentes besteht selbst dann, wenn jemand lediglich die gesetzliche Erbfolge vorsehen möchte. Allenfalls kann ein Erbverzicht zugunsten seiner Angehörigen erklärt werden, jedoch sollte dieser im Interesse des Professen die auflösende Bedingung der Mitgliedschaft im Verband vorsehen. 57 Ohne Erlaubnis des Höheren Oberen darf das Testament kirchenrechtlich später nicht mehr geändert werden, obwohl zivilrechtlich die völlige Testierfreiheit erhalten bleibt. 58
55 Anders: Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 24 – 27, der von einer verbalen Engführung („ändern“) ausgeht und von einer völligen Wahlfreiheit des Religiosen spricht, die m. E. jedoch nicht mit der Intention (ratio legis) der Veränderungsbeschränkungen des can. 668 § 2 während aufrechter Gelübdeverpflichtung des Professen in Einklang zu bringen ist. Auch der Verzicht auf eine Verwalterbestellung ist eine Entscheidung, die durch veränderte Umstände nun abgeändert werden muss. – Vgl. auch Menges, Auswirkungen (Anm. 20), 176; Andreas Sailer, Die Stellung der Ordensangehörigen im staatlichen Sozialversicherungs- und Vermögensrecht, Berlin 1996, 72. 56
Vgl. Heimerl / Pree, Vermögensrecht (Anm. 16), 568 f. – Es handelt sich bei den zivilrechtlichen Formvorschriften um leges canonizatae (can. 22), weshalb die Ordensoberen auch entsprechende Anleitungen und Informationen zur Verfügung stellen müssen. Domingo J. Andrés, El testamento de los religiosos. Una obligación canónica poco entendila y practicada, in: CpR 72, 1991, 261 – 287. 57
Vgl. Menges, Auswirkungen (Anm. 20), 179.
58
Vgl. Andrés, Le forme (Anm. 21), 491 – 493.
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Eine Testamentserrichtung ist in Österreich nun auch für alle Personen mit feierlicher Profess möglich und erforderlich, da diese seit 1974 mittels Reskript der Religiosenkongregation 59 von den Rechtswirkungen der Feierlichkeit des Armutsgelübdes dispensiert und damit diesbezüglich den Einfach-Professen gleichgestellt wurden. 60 Durch diese Vorgehensweise kommt es zur eigenwilligen Situation, dass manches Eigenrecht (entgegen der nunmehr gegebenen Testierfreiheit) Vorschriften zur verpflichtenden Erbeinsetzung des eigenen Institutes vorsieht 61 , wodurch aber eigentlich nur der völlige Vermögensverzicht (feierlicher Professen) zu Gunsten des Institutes im Sinne von can. 668 §§ 4 – 5 zivilrechtlich abgesichert und umgesetzt werden soll. 2. Die vermögensrechtliche Stellung während der feierlichen Profess Die ewige einfache und die feierliche Profess unterscheiden sich wesentlich in der damit verbundenen Erwerbs- und Eigentumsfähigkeit des Religiosen, denn mit der feierlichen ewigen Profess wird der Religiose kirchenrechtlich vermögensunfähig. Das bedeutet, dass er aufgrund einer Vermögensverzichtserklärung nicht mehr Inhaber und Eigentümer seines Privatvermögens ist und jeglichem künftigen Eigenerwerb entsagt. a) Der verbandsbedingte oder persönliche Vermögensverzicht Während der Dauer der (zeitlichen oder ewigen) Einfach-Profess bestehen die Eigentumsrechte des Religiosen an seinem Privatvermögen unverändert weiter, lediglich das freie Verfügungsrecht darüber wird den genannten Beschränkungen unterworfen. Zur Eigenart bestimmter Religiosenverbände gehört es aber, dass mit der ewigen Profess verpflichtend auch der volle Vermögensverzicht geleistet werden muss. Dies ist in der Regel bei allen Verbänden der Fall, die feierliche Gelübde ablegen.
59
Erstmals vom 8. Juli 1974, zuletzt um ein weiteres Septennium verlängert am 4. April 2004 (vgl. ON 43, 2004, H. 4, 59 – 60). Sonstige Dokumentation: Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 235 – 238. 60 61
Näheres siehe gleich unter III.2.b).
Vgl. die Deklarationen der Beuroner Kongregation (Nr. 78/6) – Zur verpflichtenden Einsetzung des Klosters als Alleinerben kritisch: Hallermann, Vermögensverwaltung (Anm. 20), 448. Rudolf Henseler, MKCIC zu can. 668, Rn. 4, schließt eine derartige Einschränkung ausdrücklich aus; ebenso: Menges, Auswirkungen (Anm. 20), 179, 185; Meier, Rechtswirkungen (Anm. 7), 415; ders., Die rechtliche Stellung (Anm. 31), 4, 8.
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Wer gemäß can. 668 § 4 aufgrund der im Eigenrecht eines Institutes festgelegten Natur ganz auf sein Vermögen verzichten muss, hat diesen Verzicht – der vom Tag der Gelübdeablegung an rechtswirksam sein soll – in einer nach Möglichkeit auch zivilrechtlich gültigen Form noch vor der ewigen (feierlichen) Profess zu leisten. 62 Mitglieder anderer Institute können einen solchen Vermögensverzicht mit Einwilligung des obersten Leiters aus eigenem Antrieb heraus ganz oder teilweise ebenfalls erklären. Mit der Rechtswirksamkeit dieser Verzichtserklärung verliert der Professe kirchenrechtlich die Erwerbs- und Besitzfähigkeit (capacitas acquirendi et possidendi) und setzt infolgedessen dem Armutsgelübde widersprechende Rechtshandlungen ungültig (can. 668 § 5). Der feierliche Professe ist – innerhalb kanonistischer Rechtslogik – demnach in Bezug auf die zeitlichen Güter nicht mehr (oder nur bedingt) rechtsfähig. Alles was ihm nach der Gelübdeablegung auf irgendeine Weise zufällt, geht nämlich gemäß dem Eigenrecht sofort an das Institut (die Niederlassung, Provinz, Gesamtverband) über, egal aus welchem Erwerbstitel ihm Vermögen zukommt (Arbeitslohn, Schenkung, Erbschaft etc.). Er übt daher – wie Bruno Primetshofer erläutert 63 – sachenrechtlich nur die Innehabung für das Institut aus, schuldrechtlich ist er in der Rolle eines Verwahrers, d. h. er hat eine fremde Sache, an der er weder Eigentum, noch Besitz, noch ein Gebrauchsrecht erwirbt, sondern es allenfalls in Obsorge behält. Der Vermögensverzicht ist im Kontext der Profess eine eigenständige Rechtshandlung. 64 Auch wenn die kanonistische Auslegung der Verpflichtun-
62
Vgl. Andrés, Le forme (Anm. 21), 503 – 506. Aus historischer Sicht: R. W. O’Brian, The Renunciation of Possessions before Solemn Profession, in: Jurist 20, 1960, 127 – 158. 63
Vgl. Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 224 f.; ders., Die Religiosenverbände, in: J. Listl / H. Schmitz, Handbuch (Anm. 7), 604 – 633, 623; ders., Kirchenspezifische Dienstverhältnisse (Anm. 16), 717. – Entgegen Richard Puza, Ordensstand und Treuhand, in: P. Leisching u. a. (Hrsg.), Ex Aequo et Bono (FS W. M. Plöchl), Innsbruck 1977, 423 – 437, übt der feierliche Professe keine Treuhand aus, denn dazu müsste er ja (verwendungsgebundenes) Eigentum an einer Sache haben und könnte wie ein sonst Berechtigter darüber verfügen, was aber bei diesen Personen eben gerade nicht der Fall ist. 64
Jedenfalls für den weltlichen Bereich kann aus der Profess keine allgemeine Verzichtserklärung bezüglich des künftigen Vermögenserwerbes abgeleitet werden. Vgl. Herbert Kalb / Richard Potz / Brigitte Schinkele, Religionsrecht, Wien 2003, 229; Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 150 – 154. Historisch trat beispielsweise nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht (ALR) von 1794 mit der ewigen Profess auch staatlich der „Klostertod“ ein, und entfaltete eine unmittelbare Wirkung: Professen waren absolut geschäfts-, vermögens- und erbunfähig (§§ 1199 – 1201 ALR). Mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch sind diese Bestimmungen am
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gen aus dem Armutsgelübde diesbezüglich eindeutig ist, muss zugleich beachtet werden, dass das Zivilrecht einen derartigen Schritt der völligen Vermögensentäußerung vielfach nicht anerkennt. So wird etwa in Österreich oder Deutschland 65 , aber auch in anderen Ländern 66 , die kirchliche Konstruktion hinsichtlich der persönlichen Erwerbs- und Vermögensfähigkeit zugunsten des eigenen Ordensinstitutes grundsätzlich nicht übernommen, da es in der bürgerlichen Rechtsordnung keine oder nur eine sehr begrenzte Anerkennung eines völligen Vermögensverzichtes (für die Zukunft) gibt. Hinsichtlich des aktuellen (also des mitgebrachten und des eventuell während der Zeit der einfachen Profess erworbenen) Privatvermögens stehen allerdings unterschiedliche Rechtsakte zur Verfügung, wodurch man dem kirchenrechtlich angestrebten Ziel auch im weltlichen Recht nachkommen kann. Dies reicht von Schenkungsverträgen, Abtretungserklärungen bis zu (notariatspflichtigen) grundbücherlichen Übertragungsakten. Zu wessen Gunsten der Religiose vor der feierlichen Profess verzichtet, steht ihm nach geltendem Recht grundsätzlich frei, sofern das Eigenrecht nichts anderes vorsieht, sodass er sein bisheriges Vermögen auch an 1.1.1900 entfallen, sodass heute in Deutschland uneingeschränkte Rechtsfähigkeit gegeben ist; vgl. Hallermann, Vermögensverwaltung (Anm. 20), 436f; Meier, Rechtswirkungen (Anm. 7), 449; W. Rüfner, Die vermögensrechtliche Stellung der Ordensleute nach dem staatlichen Recht der BRD, in: OK 15, 1974, 50 – 66, 50f; 65
Für Österreich: Nach § 944 Satz 2 ABGB ist eine Schenkung insoweit ungültig, als sie sich auf mehr als die Hälfte des zukünftigen Vermögens bezieht. Ferner ist zu beachten, dass Schenkungen ohne wirkliche Übergabe des Notariatsaktes bedürfen (§ 1 Abs. 1 lit. d NZwG). – Vgl. Andreas Kletecka, Die Erb- und Testierfähigkeit von Religiosen nach Inkrafttreten des 1. BRBG, in: ÖARR 47, 2000, 34 – 47, 40 – 44; ders., Die Erbfähigkeit von Religiosen, in: Notariatszeitung 1999, 283 – 291; Kalb u. a., Religionsrecht (Anm. 64), 234 – 235; Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 32 – 36; Meier, Rechtswirkungen (Anm. 7), 431 – 440, 438 f. Für Deutschland: Das BGB kennt und anerkennt keine Einschränkung der Rechts-, Handlungs- und Geschäftsfähigkeit und somit auch nicht der Vermögens- und Erwerbsfähigkeit von Ordenschristen durch die Ablegung der feierlichen Profess; gemäß § 310 BGB ist eine Willenserklärung über den Verzicht auf künftiges Vermögen nichtig; vgl. Hallermann, Vermögensverwaltung (Anm. 20), 434 – 437, 449 f.; Menges, Auswirkungen (Anm. 20), 183 – 185; Primetshofer, Kirchenspezifische Dienstverhältnisse (Anm. 16), 721 ff.; Rüfner, Zur vermögensrechtlichen Stellung (Anm. 64), 50 – 60. 66
Beispielsweise anerkennen die USA keinen Verzicht auf die Eigentumsfähigkeit, weshalb für jeden Vermögenserwerb eine eigene Verzichtserklärung notwendig ist; vgl. Smith, Commentary can. 668 (Anm. 27), 837 Anm. 218; P. E. Campell, The New Code of Canon Law and Religious. Some Civil Law Considerations, in: Jurist 44, 1984, 81 – 109, 94 f.: „The style of life established by joining a religious institute is not one that deprives an individual of basic constitutional freedoms“; Beyer, Le droit (Anm. 21), 149 f. Für die Niederlande und Belgien: Meijers, Het Vermogensrecht (Anm. 12), 306 f.
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Geschwister und Freunde oder aber dem Kloster geben kann. 67 Hinsichtlich des nach der Profess (zivilrechtlich) erworbenen Vermögens ist er aber aus dem Armutsgelübde unbedingt zur Weitergabe aller Güter an sein Institut verpflichtet. Die Vermögensentäußerung (renuntiatio/abrenuntiatio) bewirkt – kirchenrechtlich – eine vollständige Eigentums- und Erwerbslosigkeit, allerdings nur für seine Person selbst. Aufgrund des Inkorporationsaktes kommt ihm jedoch gleichzeitig die umfassende Unterhaltsverpflichtung seines Institutes zu, denn ein derartig einschränkender Rechtsverzicht ist nur in diesem Kontext sinnvoll und zumutbar. Im Gegenzug kann und soll der Religiose aber weiterhin Vermögenswerte für seinen Verband erwerben und konstituiert so mit den übrigen Konventualen die Erwerbsgemeinschaft aller Ordensmitglieder. 68 Damit gehört jegliches Vermögen, das aus welchem Grund immer anfällt (Geschenke, Stiftungen, Erbschaften, Arbeitslohn, Renten, Versicherungsansprüche, usw.), von Rechts wegen im Augenblick des Erwerbes dem Institut bzw. dem im Eigenrecht vorgesehenen Kloster. Somit gilt: „Die Erwerbsunfähigkeit des Religiosen und der Institutserwerb bilden eine Einheit.“ 69 Der Religiose ist demnach zwar fähig, dass ihm Vermögen zufällt, allerdings nur insofern es sofort an das Institut übergeht. Leopold R. Fürst formuliert anschaulich: „In der ‚juristischen Sekunde‘ des Vermögensanfalls wird das Institut daher Eigentümer und Berechtigter“. 70 Bedeutsam ist in dieser Konstruktion, dass der Religiose logischer Weise eben nicht völlig aus der Vermögenskette ausscheidet und jegliche Rechtsfähigkeit verliert, weil sonst auch der Institutserwerb vereitelt würde. Er stellt seine Erwerbsfähigkeit aber ausschließlich dem Verband zur Verfügung, weshalb alle Vermögenswerte aus welchem Rechtstitel immer letztlich stets dem Kloster bzw. der Provinz gehören. Das bedeutet dann natürlich auch, dass jeglicher nachträgliche Vermögenszuwachs von seiner Seite auch testamentarisch nicht mehr der freien Verfügung hinsichtlich eines Begünstigten unterliegen kann.
67
Vgl. Stephan Haering, Vermögensrechtliche Aspekte der neuen Satzungen der Österreichischen Benediktinerkongregation, in: H. Paarhammer (Hrsg.), Administrator bonorum (FS S. Ritter), Salzburg 1987, 243 – 253, 245. 68
Vgl. Meier, Rechtswirkungen (Anm. 7), 416 – 420.
69
Auch zum Folgenden: Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 151 – 154.
70
Ebd., 151; vgl. 32, 26 – 36; Andrés, I religiosi (Anm. 18), 14 f.: „… giuridicamente il professo appena riesce a diventare per un attimo titolare del proprio stipendio, giaché guadagna sempre per l’Istituto e mai per se stesso“.
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b) Die Rechtsstellung der „feierlichen“ Professen im staatlichen Recht Österreichs Im Gefolge der Amortisationsgesetzgebung, wurde durch zahlreiche bis ins 18. Jahrhundert zurückreichende Hofdekrete, die bis vor kurzem über Art. 8 Kundmachungspatent zum ABGB noch Bestandteil der österreichischen bürgerlichen Rechtsordnung waren, ein Verlust der Vermögensfähigkeit festgelegt („Klostertod“ bzw. „bürgerlicher Tod“). 71 Obwohl man durch die Konkordate 1855 und 1933 das Prinzip der Selbständigkeit der Kirche in der Verwaltung ihres Vermögens wiederherstellte und gemäß § 16 ABGB die „angeborenen Rechte“ (wozu essentiell die integre Rechtsfähigkeit zählt) als „Zentralnorm“ der Rechtsordnung und die gleiche Rechtsfähigkeit aller natürlichen Personen als „tragendes Prinzip des Privatrechts“ allgemein garantierte 72 , blieben doch manche die Rechtsfähigkeit beschränkenden zivilrechtlichen Folgen von Ordensgelübden weiterhin bestehen. So waren Ordensleute mit feierlicher Profess gemäß § 538 ABGB iVm Abs. 8 Kundmachungspatent erwerbs- und vermögensunfähig, gemäß §§ 538, 539 ABGB erbunfähig und gemäß § 573 ABGB testierunfähig. 73 Zwar bezog man sich bei diesen diskriminierenden Bestimmungen scheinbar auf die kirchenrechtlichen Vorgaben, allerdings sollte gerade der dort intendierte Erwerb des Klosters unterbunden werden. Dies führte etwa dazu, dass feierliche Professen bei der Verteilung eines ihnen zustehenden Nachlasses übergangen wurden. Eine entscheidende Änderung hinsichtlich der historisch überholten staatlichen Rechtsbeschränkungen ergab sich zum einen durch das bereits erwähnte Reskript der (in damaliger Bezeichnung) Kongregation für die Religiosen und 71
Vgl. Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 47 – 90, 58 f.; H. Kalb u. a., Religionsrecht (Anm. 64), 228 – 230; Helmuth Pree, Die Hintergründe der vermögensrechtlichen Sonderbehandlung von Klerikern und Ordensleuten im österreichischen bürgerlichen Recht, in: ÖAKR 26, 1975, 290 – 323; ders., Fragen des Vermögensrechts von Ordenspersonen und Weltpriestern, in: K. Amon / B. Primetshofer u. a. (Hrsg.), Ecclesia Peregrinans (FS J. Lenzenweger), Wien 1986, 391 – 403; Hugo Schwendenwein, Erwerbsbeschränkungen der „Toten Hand“ in Österreich, in: AkathKR 142, 1973, 455 – 462; Primetshofer, Kirchenspezifische Dienstverhältnisse (Anm. 16), 730 – 733. 72
Vgl. Kalb u. a., Religionsrecht (Anm. 64), 229 (mit Bezug u. a. auf Franz Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, Wien u. a. 1996, 139). 73 Vgl. Hugo Schwendenwein, Österreichisches Staatskirchenrecht, Essen 1992, 296 – 300; Helmuth Pree, Österreichisches Staatskirchenrecht, Wien, New York 1984, 97 – 99; Bruno Primetshofer, Ordensrechtliche Bestimmungen des Konkordats, in: J. Kremsmair / H. Pree (Hrsg.), Ars boni et aequi. Gesammelte Schriften, Berlin 1997, 641 – 658; A. Kletecka, Die Erbfähigkeit (Anm. 65), 284 – 290; Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 19 – 40.
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Säkularinstitute vom 8. Juli 1974, das auf Antrag der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften und der Vereinigung der Frauenorden und Kongregationen Österreichs erwirkt wurde. 74 Das befristete, im Frühjahr 2004 auf weitere sieben Jahre verlängerte Reskript der Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens gewährte – als innere Angelegenheit im Sinne von Art. 15 StGG – die teilweise innerkirchliche Gleichstellung der Feierlichen Professen mit den Einfach-Professen durch eine Dispens von der Feierlichkeit des Armutsgelübdes. Damit unterliegen alle Religiosen vermögensrechtlich, d. h. in Bezug auf die Rechtswirkungen des Armutsgelübdes, den Vorschriften für Professen mit ewigen einfachen Gelübden. Da das staatliche Recht formal nur auf die – von der Kirche bestimmbare – „Feierlichkeit“ als Qualifikationsmerkmal abstellt, ist einer weiteren Anwendbarkeit der staatlichen Beschränkungen der Erb- und Testierfähigkeit von Religiosen – für die Dauer der Rechtskraft des Reskriptes – die Grundlage entzogen. Dies hält auch eine deklaratorische Kundmachung des Bundesministeriums für Justiz vom 8. Jänner 1976 (BGBl 1976/50) fest. 75
74 Vgl. Kalb u. a., Religionsrecht (Anm. 64), 231 – 234; Meier, Rechtswirkungen (Anm. 7), 436 – 440; Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 4), 232 – 233; ders., Feierliches Armutsgelübde und staatliche Erbfähigkeit, in: ÖAKR 25, 1974, 274 – 279, leider mit einer unglücklichen Übersetzung des Reskripttextes hinsichtlich des Dispensgebers; so spricht noch Stefan Schima (Die religionsrechtlichen Aspekte des Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes 1999, in: ÖARR 48, 2001, 200 – 219; 49, 2002, 190 – 229, 448 – 463, hier: 199) fälschlicher Weise davon, dass „den Oberen ... die Vollmacht übertragen worden“ sei, ihre Religiosen mit feierlichen Gelübden, „von den innerkirchlichen Vorschriften über Testier- und Erbfähigkeit zu dispensieren“, wohingegen doch die Kongregation mit dem Reskript selbst die Dispens von der Feierlichkeit für die Ordensleute erteilt. 75
Die Anfragen im Zusammenhang mit dem Reskript und dessen Übersetzung können hier unterbleiben. Vgl. Kalb u. a., Religionsrecht (Anm. 64), 232 f.; Karl Spielbüchler, in: P. Rummel (Hrsg.), Kommentar zum ABGB, Bd. 1, Wien 21990, 384 („weggefallen“); Rudolf Welser, in: Kommentar zum ABGB, Bd. 1, Wien 32000, 817 f.: „Ob das Reskript der Religiosenkongregation … die absolute Erbunfähigkeit der Ordenspersonen beseitigt hatte, ist strittig …, aber zu bejahen, weil nach kanonischem Recht beurteilt werden muss, ob einfaches oder feierliches Gelübde vorliegt. … Durch die Aufhebung der … Hofdekrete muss jetzt aber wohl auch nach staatlichem Recht die Erbfähigkeit bejaht werden, weil die historische Interpretation ergibt, dass das ABGB hinsichtlich der Erbunfähigkeit nur auf die ‚politischen Vorschriften‘ verweisen wollte“; 854 (bezüglich der Testierfähigkeit): „Für die Art des Gelübdes ist die Auskunft des Ordinariates maßgeblich. … Da § 573 die Auflösung der Gelübde … für das staatliche Recht für relevant erklärt, muss dies umso mehr für die Gleichstellung der feierlichen mit den einfachen Gelübden gelten. Daher sind zur Zeit Ordenspersonen generell testierfähig, sodass § 573 keinen Anwendungsbereich hat“; ders., in: H. Koziol, R. Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts II, Wien 122001, 422; Primetshofer, Kirchenspezifische Dienstverhältnisse
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Davon unabhängig sind mögliche (zivilrechtlich relevante) Verfügungsbeschränkungen von Ordensangehörigen, denen sie sich freiwillig aufgrund der Privatautonomie und in Ausübung ihrer Religionsfreiheit unterworfen haben, sodass durch ordensinterne Normierungen beispielsweise der tatsächliche Gebrauch bestimmter Sachen allein im Einverständnis mit dem Oberen vorgeschrieben ist.76 Zwar muss nun, als Konsequenz der formellen Gleichstellung vor Ablegung der feierlichen Profess nicht (mehr) von Gesetzes wegen auf das – im Rahmen von can. 668 §§ 1 – 3 rechtmäßig ins Eigentum erworbene Vermögen verzichtet werden, allerdings kann das jeweilige Eigenrecht (weiterhin) einen solchen grundsätzlichen Verzicht vorschreiben, der nach den Möglichkeiten des staatlichen Rechtes materiell auch umzusetzen ist.77 Zum anderen wurde inzwischen vom österreichischen Gesetzgeber eine Neuordnung zu Gunsten der zivilrechtlichen Erwerbs- und Erbfähigkeit aller Religiosen getroffen, und zwar durch das 1. Bundesrechtsbereinigungsgesetz 1999 (BRBG), wodurch nach herrschender Lehre (spätestens) die bislang rele-
(Anm. 16), 731 f.; Pree, Fragen des Vermögensrechts (Anm. 71), 391 – 403, 400; Schwendenwein, Staatskirchenrecht (Anm. 73), 298 f.; Kletecka, Die Erb- und Testierfähigkeit (Anm. 65), 34 – 47; ders., Die Erbfähigkeit (Anm. 65), 290 f., wobei er auch auf das Problem aufmerksam macht, das sich aus der Dispens für „Religiosen österreichischer Orden“ ergibt, da somit die Anwendbarkeit des Reskripts für Mitglieder ausländischer Orden ebenso schwierig scheint wie für ausländische Mitglieder in österreichischen Ordensgemeinschaften (dazu ausführlich: Fürst, Vermögensrecht [Anm. 5], 155 – 175, 156 f.; Schima¸ Die religionsrechtlichen Aspekte [Anm. 74], 200 f.). 76
Vgl. Pree, Staatskirchenrecht (Anm. 73), 98: „Diese grundsätzlich … staatlich relevanten Verfügungsbeschränkungen … ändern nichts an der staatlich vorhandenen Fähigkeit Eigentum zu erwerben und zu haben; zu erben und zu testieren; sich vermögensrechtlich zu verpflichten und zu haften“. 77 Vgl. Primetshofer, Kirchenspezifische Dienstverhältnisse (Anm. 16), 732, mit Verweis auf die Konstitutionen der Zisterzienserkongregation 1988, Art. 45; die Satzungen der Österreichischen Benediktinerkongregation 1985, Nr. 77. Ebenso gilt dies für die Konstitutionen des Prämonstratenserordens 1995, Art. 167. – Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 166, 174 f., hält es für problematisch, dass zwar im Blick auf den staatlichen Anwendungsbereich eine formelle Änderung herbeigeführt worden sei, aber kirchenrechtlich die bisher üblichen Konsequenzen aus dem Armutsgelübde mit dem verpflichtenden Vermögensverzicht aufrecht bleiben. Er dürfte dabei den Umstand unterschätzen, dass die kanonischen Erwerbsbeschränkungen eben nicht mehr einfach aus der „Feierlichkeit“, sondern aus dem Selbstverständnis und dem Eigenrecht der Ordensgemeinschaften stammen. Da der österreichische Staat das Konzept einer persönlichen Erwerbslosigkeit zu Gunsten des eigenen Institutes nie akzeptierte, kann sich die kirchliche Sorge um Rechtskohärenz einer verfassungsrechtlich überholten Norm durchaus in Grenzen halten.
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vanten Hofdekrete der Monarchie endlich entfallen sind und der Verweis auf die diesbezüglichen „politischen Vorschriften“ im ABGB nunmehr ins Leere geht. 78 Allerdings erfolgt die Beschränkung der Testierfähigkeit für Ordensleute mit feierlicher Profess nicht durch eine Verweisnorm (auf die Hofdekrete), sondern ist explizit in § 573 ABGB normiert. Deshalb fällt diese Bestimmung nicht unter das BRBG, sodass diesbezüglich auch weiterhin das erwähnte kirchliche Reskript mit der Dispens von der Feierlichkeit des Armutsgelübdes zur Anwendung kommen muss, selbst wenn darüber hinaus gute juridische Gründe dafür sprechen, dass dieser letzte Rest eines „mort civile“ nach den Kriterien eines „auffallenden Wertungswiderspruchs“ und dem Vorliegen eines „eigentlichen Funktionswandels“ innerhalb der gegenwärtigen österreichischen Rechtsordnung als „völlig systemwidrig“ und damit gegenstandslos anzusehen ist. 79 Es kann nach Lehre und Rechtsprechung generell festgehalten werden, dass derzeit in Österreich alle Ordenspersonen zivilrechtlich erwerbs-, erb- und testierfähig sind, obwohl mit Blick auf die Rechtsklarheit hinsichtlich § 573 ABGB der Gesetzgeber weiterhin aufgerufen bleibt, „auch die letzten für Religiosen bestehenden Einschränkungen zu beseitigen“ 80 .
78 Vgl. Schima, Die religionsrechtlichen Aspekte (Anm. 74), 197 – 201; 449 – 451. – Die konstruierten Einwände von Fürst, Vermögensrecht (Anm. 5), 42 – 45, wonach auf Grund der Weitergeltung von Art. 8 Kundmachungspatent 1811 „nicht von einer Aufhebung der Hofnormen durch das 1. BRBG auszugehen“ sei, überzeugen nicht. Letztlich gelangt er durch die Interpretation dieser „dynamischen Verweisung“ unter Einbeziehung veränderter verfassungs- und staatskirchenrechtlicher Bestimmungen zum Ergebnis, dass die Religiosen deshalb (!) – unabhängig vom BRBG – „vermögensrechtlich unbeschränkt erwerbs-, erb- und testierfähig“ (199; vgl. 177 – 199) seien. 79
Kalb u. a., Religionsrecht (Anm. 64), 235 – 237 – mit teilweise zustimmendem Verweis auf Kletecka, Die Erb- und Testierfähigkeit (Anm. 65), hier: 44 f., der sich dabei begrifflich an Franz Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, Wien / New York 21991, 579 – 581, orientiert. Schon bei Kletecka, Die Erbfähigkeit (Anm. 65), 288 – 290, finden sich „erhebliche Bedenken“ gegenüber der Verfassungskonformität im Zusammenhang mit einer staatlichen Beschränkung der Erwerbs- und Erbfähigkeit und dem „Funktionswandel“ im Privatrecht mit normativen „Wertungswidersprüchen“; Pree, Fragen des Vermögensrechts (Anm. 71), 401 f.: „Im Kontext des heutigen Bundesverfassungsrechts ist die bürgerlich-rechtliche Sonderbehandlung von Ordenspersonen aus dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz bzw. der Gleichheit der bürgerlichen und politischen Rechte gem. Art. 2 iVm Art. 14 Abs. 2 StGG, Art. 7 B-VG, Art. 6 (2) Staatsvertrag 1955 abzulehnen“ (402). 80
Kletecka, Die Erb- und Testierfähigkeit (Anm. 65), 47 (seine Bemerkungen hinsichtlich der Bedeutsamkeit der Norm über die ausgeschlossene Testierfähigkeit und des Fehlens eines „auffallenden Wertungswiderspruchs“ bei § 573 sind allerdings nicht überzeugend; ebenso: Kalb u. a., Religionsrecht [Anm. 64], 237).
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IV. Schlussbemerkung Es finden sich natürlich noch etliche Anknüpfungspunkte im Spannungsfeld von Armutsgelübde und Gütergemeinschaft, wie etwa im Bereich des Sozialversicherungsrechtes 81 , nicht zuletzt bei Berücksichtigung des Ausscheidens eines Mitglieds aus der bisherigen Erwerbsgemeinschaft 82 . Gleiches gilt hinsichtlich der Einbeziehung von Ordenschristen in die staatlichen Pensions- oder Pflegegeldregelungen 83 , doch soll hier die bloße Erwähnung dieser komplexen Themenfelder genügen. Zusammenfassend zeigt sich angesichts der sehr unterschiedlichen Rechtssphären bürgerlicher und kirchlicher Provenienz ein anspruchsvolles Praxisfeld, um die spirituelle Intention des Armutsgelübdes im konkreten Vollzug glaubwürdig umzusetzen, selbst und gerade dann, wenn ein genereller Vermögensverzicht zivilrechtlich nicht geleistet werden kann. Es ist der Ordensmann / die Ordensfrau 84 dabei ebenso gefordert wie die jeweils zuständigen Oberen, um mit den (einzelnen) Mitgliedern der Gemeinschaft adäquate – auch zivil durchsetzbare – Regelungen zu treffen und diese von Zeit zu Zeit zu aktualisieren, ebenso wie ein kontextuell adaptiertes Eigenrecht. Vor allem aber gilt es, auf die konsequente Einforderung einer authentisch gelebten vita communis auch unter dem Aspekt der cassa communis im Rahmen des Gehorsams sowie der auszuübenden Dominativ- oder Jurisdiktionsgewalt zu achten.
81
Vgl. Primetshofer, Kirchenspezifische Dienstverhältnisse (Anm. 16), 733 – 737.
82
Vgl. Menges, Auswirkungen (Anm. 20), 185 – 194; Gisela Lauer, Ansprüche ehemaliger Ordensangehöriger nach ihrem Austritt aus der Ordensgemeinschaft, in: OK 41, 2000, 33 – 42. Helmuth Pree, Die vermögensrechtliche Lage ausgeschiedener Religiosen nach kanonischem und nach staatlichem Recht unter Berücksichtigung der 29. ASVG-Novelle, in: ÖAKR 24, 1973, 303 – 327; Walter Schrammel, Sozialversicherung und Geistliches Amt, in: ÖAKR 33, 1982, 81 – 106; Herbert Kalb, Bemerkungen zu § 5 Abs. 1 Z.7 ASVG, in: ÖAKR 35, 1985, 312 – 317; ders., Bereicherungsrecht und Überweisungsbetrag. Bemerkungen zu einer These H. Pree’s, in: ÖAKR 37, 1987/88, 52 – 57. Madeline Welch, Provisions for Departing Members. Canonical Norms, in: Bulletin on Issues of Religious Law 12, 1996, 1 – 7. 83 84
Vgl. Kalb u. a., Religionsrecht (Anm. 64), 253 – 257.
Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag, der am 25. 11. 2004 bei der Generalversammlung der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs gehalten wurde. Die männlichen Formulierungen gelten sinngemäß auch für weibliche Ordensgemeinschaften, vgl. can. 606.
Integer cultus Dei Die Sorge des Apostolischen Stuhls um die Authentizität der Liturgie der Kirche Von Christoph Ohly I. Neubesinnung auf die liturgische Frage Im Jahre 1995 veröffentlichte der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Joseph Kardinal Ratzinger, ein Buch mit dem Titel „Ein neues Lied für den Herrn“, das sich der Beziehung von Christusglaube und Liturgie widmete. Seine viel beachteten Darlegungen eröffnete der Kardinal mit folgendem Gedanken: „In den Jahren der Liturgischen Bewegung wie auch zu Beginn der konziliaren Liturgiereform mochte es vielen so scheinen, als sei das Mühen um die rechte liturgische Gestalt eine rein pragmatische Angelegenheit, eine Suche nach der den Menschen unserer Zeit am ehesten zugänglichen Form des Gottesdienstes. Inzwischen hat sich immer deutlicher gezeigt, daß es in der Liturgie um unser Verständnis Gottes und der Welt, um unser Verhältnis zu Christus, zur Kirche und zu uns selber geht: Im Umgang mit der Liturgie entscheidet sich das Geschick von Glaube und Kirche. So hat die liturgische Frage heute eine Bedeutung gewonnen, die wir früher nicht abzusehen vermochten“. 1
Die Worte des heutigen Papstes Benedikt XVI. legten vor nunmehr zehn Jahren einen entscheidenden Paradigmenwechsel im Verständnis der Liturgie der Kirche offen. Der Eindruck war entstanden, der Umsetzungsprozess der Liturgiereform sei vielfach durch eine allzu anthropozentrische Sichtweise der liturgischen Handlung, das „Sich-wiederfinden“ des Menschen im Gottesdienst, bestimmt gewesen. Die Jahre der Rezeption der Reform hätten – wenn auch in einem schwierigen Läuterungsprozess – ein erneuertes Bewusstsein für das
1
Joseph Kardinal Ratzinger, Ein neues Lied für den Herrn. Christusglaube und Liturgie in der Gegenwart, Freiburg i. Br. 1995, S. 9. Der Gedanke wird als Gewissenserforschung der Theologie bereits grundgelegt in Joseph Ratzinger, Einführung in das Christentum, Kempten Neuausgabe 2000, S. 33 – 41.
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authentische Wesen der Liturgie entstehen lassen. Liturgie sei als Gottes Reden zum und Handeln am Menschen zu verstehen, der in den Gebärden und Zeichen dieser Welt zugleich den Glauben an Gott sowie sein Verständnis von Kirche und Mensch zum Ausdruck bringe. Mit anderen Worten: Die Liturgie geht nicht vom Menschen aus, sondern ist wesenhaft „Vollzug des Priesteramtes Jesu Christi“ (Art. 7.3 VatII SC), das sich in der Verherrlichung Gottes und in der Heiligung des Menschen entfaltet. Christus ist der erste Liturge seines Leibes, der die Kirche ist und der darin herbeigeführt, gestärkt und dargestellt wird (Art. 26 – 28 VatII SC; Art. 7 VatII LG). Als ihr Haupt handelt er sakramental in ihr und durch sie und prägt ihr auf diese Weise das Charakteristikum ihres Wesens (Art. 1 VatII LG) und ihrer Sendung (Art. 8 VatII LG) ein. Jede liturgische Feier ist daher „Werk des Priesters Christus und seines mystischen Leibes, … in dem man an der Liturgie des himmlischen Jerusalem teilhat und sie im voraus verkostet“ 2 . Aus der Retrospektive betrachtet sind die Darlegungen des Präfekten der Glaubenskongregation zugleich als eröffnendes Signal für eine Vielzahl von einschlägigen Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls zu deuten. Diese waren in den letzten Jahren des Pontifikates von Papst Johannes Paul II. darum bemüht, die Authentizität der Liturgie als Mitte jener „liturgischen Frage“, von der Kardinal Ratzinger sprach, herauszustellen und sie vor den „Schatten nicht annehmbarer Lehren und Praktiken“ 3 zu schützen. Die Dokumente zeugen von einer Sorge um den „vollen Glanz“ 4 der unverbrüchlichen Liturgie der Kirche, dem sie auf vielfache Weise zur erneuerten und bleibenden Strahlkraft verhelfen wollen. Nicht zuletzt darin sieht Papst Benedikt XVI. ein Element jenes Erbes, das er von seinem Vorgänger zur Umsetzung anvertraut bekommen hat. So gilt es, die Liturgie „von ihrem inneren Anspruch und von ihrer inneren Gestalt her verstehen [zu] lernen als das vom Heiligen Geist selbst gewirkte und gelenkte Beten der Kirche, in dem Christus immerfort neu gleichzeitig wird mit uns, in unser Leben hereintritt“ 5 .
2
Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben „Spiritus et Sponsa“ v. 4. Dezember 2003, in: AAS 96 (2004), S. 419 – 427; in dt. Übersetzung: Die Tagespost, Nr. 153/154 v. 24. Dezember 2003, S. 15, Nr. 2. 3
So Johannes Paul II., Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“ v. 17. April 2003 über die Eucharistie in ihrer Beziehung zur Kirche, in: AAS 95 (2003), S. 433 – 475; in dt. Übersetzung: VApSt, Bd. 159, hier Nr. 10. 4 5
Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 10.
Joseph Kardinal Ratzinger, Der Geist der Liturgie. Eine Einführung, Freiburg i. Br. 2000, S. 7. Kardinal Ratzinger vergleicht die Liturgie dabei mit einem durch die Liturgi-
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Dieses Tun vermag schließlich ihr Wesen offenzulegen und verständlicher zu machen: Liturgie ist „nichts anderes als die gemeinsame Stimme des Heiligen Geistes und der Braut, der Heiligen Kirche, die dem Herrn Jesus zurufen: ‚Komm!‘ Ja, die Liturgie ist nichts anderes als die reine, immerwährende Quelle des ‚lebendigen Wassers‘, aus der jeder Dürstende das Geschenk Gottes unentgeltlich schöpfen kann“ 6 .
Wenn die folgenden Darlegungen sich anschicken, das Leitthema dieses zum Auftrag erwachsenen Bemühens unter kanonistischer Perspektive herauszustellen – Christus als erster Liturge seiner Kirche als geliebte Braut, die sich ihm in Glaube und Heiligkeit übereignet –, dann wollen sie zugleich Ausdruck froher und dankbarer Ehrung des Jubilars sein, der als vorbildlicher Priester und anerkannter Kanonist zu einem wahren „Cooperator Veritatis“ geworden ist und sich diesem Bemühen Zeit seines Lebens anheim gestellt hat. II. Liturgie und Kanonisches Recht 1. Aufgabe des Kanonischen Rechts Das Verhältnis „Kirche und Liturgie“ vermag Thema einer jeden theologischen Disziplin zu sein. Aus dem jeweiligen Blickwinkel heraus erhält diese Beziehung einen spezifischen Schwerpunkt und liefert dadurch einen nicht unbedeutenden Beitrag für deren ständige Verlebendigung im Glauben, in der Lehre und im Leben der Kirche. Das gilt neben der Liturgiewissenschaft insbesondere für die Kanonistik als theologischer Disziplin, die gemäß den Vorgaben des Glaubens mittels einer dadurch bestimmten rechtlichen Methode und entsprechender Instrumentarien den Anforderungen der kirchlichen Communio, ihres Glaubens und ihrer Liturgie dienlich sein will. 7 Ziel jeder kirchenrechtlichen und somit auch liturgierechtlichen Norm muss es demnach sein, das Leben der kirchlichen Gemeinschaft hinsichtlich ihres
sche Bewegung und durch das II. Vatikanische Konzil freigelegten Fresko, das inzwischen „durch klimatische Bedingungen wie auch durch mancherlei Restaurationen oder Rekonstruktionen gefährdet“ sei. Gefordert werden müsse deshalb „eine neue Ehrfurcht im Umgang damit, ein neues Verstehen seiner Aussage und seiner Wirklichkeit …, damit nicht die Wiederentdeckung zur ersten Stufe des definitiven Verlustes wird“ (ebd., S. 8). 6 7
Johannes Paul II., Spiritus et Sponsa (Anm. 2), Nr. 1.
Vgl. Winfried Aymans / Klaus Mörsdorf, Kanonisches Recht, Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici, Bd. 1, Paderborn u. a. 1991, S. 61 – 71, hier S. 70 f. Mit anderer Akzentuierung: Georg May / Anna Egler, Einführung in die kirchenrechtliche Methode, Regensburg 1986, bes. S. 17 – 22.
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christusgemäßen Wesens und ihrer im Handeln Christi gründenden Sendung zu fördern. Aus diesem Grund besitzt das Gesetzbuch der Kirche, der Codex Iuris Canonici, ein eigenes Buch zum „Heiligungsdienst der Kirche“: De Ecclesiae munere sanctificandi. In rechtstheologischer Einheit mit dem anderen Bauelement der Kirche, dem Wort Gottes, das im dritten Buch De Ecclesiae munere docendi bezüglich seiner verschiedenen Wirkbereiche normiert wird, stellen die Bestimmungen zur Liturgie gewissermaßen das Herzstück des kirchlichen Gesetzbuches dar. Als Normen zu den Sakramenten, den sonstigen gottesdienstlichen Handlungen und den Bestimmungen zu heiligen Orten und Zeiten focusieren sie das Verhältnis von Kirche und Liturgie auf jenen Bereich, den das II. Vatikanische Konzil zurecht als heilige Handlung bezeichnet, „deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche an Rang und Maß erreicht“ (Art. 7.3 VatII SC). Liturgierechtliche Bestimmungen stehen daher im Dienst am Wesen und an der Authentizität der Liturgie, in der die Kirche den Höhepunkt findet, dem ihr Tun zustrebt, als auch die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt. 8 2. Begriff „Liturgie“ Was versteht das kirchliche Gesetzbuch unter „Liturgie“ 9 ? An den Anfang der kanonischen Normen zum Heiligungsdienst der Kirche stellt der Gesetzgeber mit c. 834 CIC eine rechtstheologische Grundaussage. Sie macht zunächst deutlich, dass die Kirche den Heiligungsdienst (munus sanctificandi) „in besonderer Weise“ durch die heilige Liturgie erfüllt. Zu diesem wesentlichen Vollzug treten jedoch weitere Vollzüge der „Heiligung“ hinzu, die als Tun der ganzen Kirche sowohl die Heiligung des Menschen als auch die Gottesverehrung umfasst. 10 Dazu gehören beispielsweise die private Frömmigkeit in Gebet, 8
Art. 10.1 VatII SC: „Attamen Liturgia est culmen ad quod actio Ecclesiae tendit et simul fons unde omnis eius virtus emanat. Nam labores apostolici ad id ordinantur ut omnes, per fidem et Baptismum filii Dei facti, in unum conveniat, in medio Ecclesiae Deum laudent, Sacrificium participent et cenam dominicam manducent“. Zur Diskussion dieser Aussage in den Konzilkommissionen siehe Reiner Kaczynski, Theologischer Kommentar zur Konstitution über die heilige Liturgie „Sacrosanctum Concilium“, in: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil, hrsg. v. Peter Hünermann / Bernd Jochen Hilberath, Bd. 2, Freiburg / Basel / Wien 2004, S. 1 – 227, hier S. 73 f. Mit Blick auf die Eucharistie: Martín J. López, La Eucaristía centro de toda la vida cristiana, in: REDC 61 (2004), S. 229 – 256. 9
Zur Begriffsgeschichte siehe Emil Joseph Lengeling, Liturgie, in: HthG II, S. 75 – 97, hier S. 75 – 78. Dazu Heribert Schmitz, Liturgie, in: Lexikon des Kirchenrechts, Freiburg / Basel / Wien 2004, Sp. 644 – 646 (Lit.!). 10
So Art 7.2 VatII SC: „Reapse tanto in opere, quo Deus perfecte glorificatur, et homines sanctificantur, Christus Ecclesiam, sponsam suam dilectissimam, sibi semper
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Buße, Caritas und fromme und heilige Übungen (c. 839 CIC) ebenso wie das Bemühen der Eheleute um ein Eheleben in christlichem Geist und ihre Sorge um eine christliche Erziehung der Kinder (cc. 226 und 835 § 4 CIC). Die Liturgie umschließt gleichsam die Mitte des Heiligungsdienstes der Kirche. Gemäß c. 834 CIC zeichnet sie sich durch vier bestimmende Merkmale aus. 11 Danach ist Liturgie „Ausübung des priesterlichen Dienstes Jesu Christi“ und verfolgt mit der „Heiligung der Menschen durch sinnenhafte Zeichen“ und der Verehrung Gottes durch den „unverbrüchliche[n] amtliche[n] Gottesdienst“ ein doppeltes Ziel. Als solche wird die Liturgie stets „im Namen der Kirche“ und als „Feier der Kirche selbst“ (c. 837 § 1 CIC) „vom mystischen Leib Jesu Christi, von Haupt und Gliedern“ vollzogen, die sich „auf ihre Weise“ (c. 835 § 4 CIC) daran beteiligen. Als Voraussetzungen dafür gelten sowohl die rechtmäßige Beauftragung derer, die die Liturgie leiten oder einen anderen liturgischen Dienst versehen, als auch die Billigung der zu vollziehenden Handlungen durch die zuständige kirchliche Autorität. 3. Recht und Pflicht gegenüber der liturgischen Ordnung Aus dem zuletzt genannten Aspekt ergeben sich zahlreiche Konsequenzen, beispielsweise für die Fragen nach dem Träger der Liturgie 12 und den liturgischen Diensten 13 . In besonderer Weise gilt dies jedoch für die Ordnung der Liturgie, die alle die Liturgie berührenden Komponenten umfasst. Die Ordnung der Liturgie ist das grundlegende Prinzip ihrer Ermöglichung durch die Kirche
consociat, quae Dominum suum invocat et per ipsum Aeterno Patri cultum tribuit“. Vgl. Ludger Müller, Begriff, Träger und Ordnung der Liturgie, in: HdbKathKR2, S. 778 – 786, hier S. 779. Siehe auch Giuseppe Damizia, Rapporto tra „munus docendi“ e „munus sanctificandi“, in: MonEccl 109 (1984), S. 100 – 121. 11
Anders hingegen das Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen. „Liturgie“ ist hier rechtstheologisch und terminologisch auf die Eucharistiefeier beschränkt; als Oberbegriff dient der Terminus „Gottesdienst“ (Cultus Divinus) (vgl. cc. 668 § 2 und 698 CCEO). Gleichzeitig bringt das Gesetzbuch die doppelte Dimension des Gottesdienstes, insbesondere der Sakramente zum Ausdruck: „Per sacramenta … Dominus noster Jesus Christus homines in virtute Spiritus Sancti sanctificat, ut singulari modo Dei Patris veri adoratores fiant“ (c. 667 CCEO). 12
Vgl. Thomas Stubenrauch, Wer ist Träger der Liturgie? Zur Rezeption des II. Vatikanischen Konzils im Codex Iuris Canonici von 1983 (= TThSt, Bd. 68), Trier 2002, hier bes. S. 121 – 342. 13
Vgl. dazu: Die liturgischen Dienste. Liturgie als Handlung des ganzen Gottesvolkes, hrsg. v. Alexander Kuhne, Paderborn 1982; auch Müller, Liturgie (Anm. 10), S. 782 – 784.
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und ihre Glieder, die in ihr aufgrund göttlicher Berufung auf je eigene Weise handeln. Die Liturgie ist stets Feier der ganzen Kirche, sie ist Ausdruck des gemeinsamen Glaubens an den dreifaltigen Gott und von Christus her gestiftete Versammlung seines hierarchisch gegliederten Leibes. Christus ist als Herr der Kirche zugleich ihr erster Liturge, der seine Braut in der Kraft des Heiligen Geistes in die Herrschaft des himmlischen Vaters führt. Deshalb ist eine liturgische Ordnung angebracht, welche zugleich die Identität der liturgischen Handlung als authentische Liturgie der ganzen Kirche in Wesen und Sendung an jedem Ort der Welt sicherstellt. Zur Erfüllung dieses wesenhaften Anspruchs der Liturgie normiert der oberste Gesetzgeber im Gesetzbuch der Lateinischen Kirche die Ordnung der Liturgie in zweifacher Hinsicht. a) Gemeinrecht der Christgläubigen Grundlegend leitet der Gesetzgeber aus der für die Liturgie wesensgemäßen Notwendigkeit einer inneren und äußeren Ordnung das allen Christgläubigen zukommende kanonische Gemeinrecht ab, „den Gottesdienst gemäß den Vorschriften des eigenen, von den zuständigen Hirten der Kirche genehmigten Ritus zu feiern“ (c. 214 1. HS CIC). Das im Gemeinrechtsstatut aller Christgläubigen (Kleriker und Laien) formulierte Recht entfaltet sich nach Winfried Aymans in seiner Wirkung nach zwei Seiten. 14 Einerseits begründet es das Recht des Liturgen, den Gottesdienst im eigenen Ritus zu feiern. Dieses Recht folgt ihm an jeden Ort nach, so dass er auch außerhalb der Jurisdiktionsbezirke seiner eigenen Kirche den Gottesdienst im eigenen Ritus feiern darf. Andererseits wird das Recht jedes Christgläubigen auf die nach der Ordnung der Kirche vollzogene Feier der Liturgie bestätigt. Der Christgläubige besitzt gegenüber dem Liturgen den Anspruch, „daß dieser sich an die geltenden liturgischen Vorschriften hält“ 15 . Die strikte Einhaltung der liturgischen Ordnung wird um der Authentizität der Liturgie willen und ihrer inneren Verbindung mit der Kirche und ihrem Wesen sowie ihrer Sendung verlangt. 16 Das umfasst gemäß c. 846 § 1 i.V.m. c. 838 § 2 CIC die getreue Beachtung der genehmigten litur14
Vgl. Winfried Aymans / Klaus Mörsdorf, Kanonisches Recht, Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici, Bd. 2, Paderborn u. a. 1997, S. 70 – 125, hier S. 98 f. 15
Aymans / Mörsdorf, KanR II (Anm. 14), S. 98. Mit dem gesatzten Gemeinrecht des Christgläubigen ist zugleich sein Anspruch verbunden, unter gegebenen, unlösbar erscheinenden Umständen über einen liturgischen Missbrauch beim Diözesanbischof oder beim Apostolischen Stuhl Beschwerde einzureichen (vgl. cc. 1417 § 1 und 1419 § 1 CIC). 16 Vgl. Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 52. Vgl. auch c. 846 § 1 i.V.m. c. 838 § 2 CIC.
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gischen Bücher, die es nicht erlaubt, eigenmächtig etwas hinzuzufügen, wegzulassen und zu ändern. 17 Unbeschadet davon ist eine legitime Vielfalt im Raum der Liturgie möglich, die jedoch niemals den Gottesdienst als „Feier der Kirche selbst“ und damit die innere sakramentale Verbundenheit mit der ganzen Kirche verzerren darf. 18 b) Regelungskompetenz der zuständigen Autorität Das liturgische Recht, das neben anderen Zielen auf die Verwirklichung dieses Gemeinrechts aller Christgläubigen ausgerichtet ist, findet sich jedoch nur zu einem geringen Teil im kirchlichen Gesetzbuch. 19 Überwiegend besteht das Liturgierecht aus eigenen liturgischen Gesetzen, die zu erlassen gemäß c. 838 § 1 CIC allein der kirchlichen Autorität zukommt. 20 Darunter sind nach c. 838 §§ 1 – 4 CIC der Apostolischen Stuhl, die Bischofskonferenzen und der Diözesanbischof zu verstehen 21 . Die Rechtsaussagen verdeutlichen einen unbestreitbaren Vorrang der Kompetenz des Apostolischen Stuhls. Seine Sache ist es, die heilige Liturgie der ganzen Kirche zu ordnen, die liturgischen Bücher herauszugeben und ihre volkssprachlichen Ausgaben zu überprüfen sowie über die Einhaltung der liturgischen Ordnung zu wachen (§ 2). Die Bischofskonferenz 17 Die Aussage geht zurück auf Art. 22 § 3 VatII SC: „Quapropter nemo omnino alius, etiamsi sit sacerdos, quidquam proprio marte in Liturgia addat, demat, aut mutet“. 18
Siehe Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Instruktion „Varietates legitimae“ v. 25. Januar 1994, in: AAS 87 (1995), S. 288 – 314, in dt. Übersetzung: VApSt, Bd. 114. Vgl. dazu: Emilio Colagiovanni, La liturgia romana e la inculturazione, in: ME 121 (1996), S. 109 – 140 sowie José A. Fuentes, Disposiciones y carácter normativo de la Instrucción ‚Varietates legitimae‘ sobre la liturgia romana y la inculturación, in: IusCan 36 (1996), S. 181 – 203. 19
Wie für die gesamte kirchliche Rechtsordnung, so ist auch für den Bereich der Ordnung der Liturgie neben dem Gesetzesrecht auf das Gewohnheitsrecht zu verweisen, das durch Genehmigung einer geübten Rechtsgewohnheit im liturgischen Bereich entstehen kann. Vgl. dazu Aymans / Mörsdorf, KanR I (Anm. 7), S. 193 – 212, bes. 209 f. 20
Deshalb behalten gemäß c. 2 CIC die bis zum Inkrafttreten des Codex Iuris Canonici geltenden liturgischen Gesetze ihre Geltung, soweit sie nicht den Canones des Codex zu widerlaufen. 21
Im Bereich der katholischen Ostkirchen gelten gemäß c. 668 § 2 mit Bezug auf c. 657 und c. 199 § 1 CCEO als zuständige kirchliche Autorität: der Patriarch mit Zustimmung der Patriarchalsynode (für die Patriarchalkirche), der Metropolit mit Zustimmung des Hierarchenrates (für die Metropolitankirche), der Apostolische Stuhl (für die anderen Ecclesiae sui iuris). In den zuletzt genannten Kirchen kommt die Regelungskompetenz innerhalb der vom Apostolischen Stuhl festgesetzten Grenzen auch den Bischöfen und ihren rechtmäßig eingerichteten Versammlungen zu.
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ist – unter Beachtung weiterer Einzelkompetenzen gemäß c. 455 § 1 CIC – insbesondere für die Übersetzung der liturgischen Bücher und ihre Herausgabe nach vorheriger Recognitio durch den Apostolischen Stuhl zuständig (§ 3). Dem Diözesanbischof steht es hingegen zu, in der ihm anvertrauten Kirche innerhalb der Grenzen seiner Zuständigkeit Normen für den Bereich der Liturgie zu erlassen, an die alle gebunden sind (§ 4). Entgegen anders lautender Auffassungen22 ist in der Vorrangigkeit der Kompetenz des Apostolischen Stuhls unter gleichzeitiger Wahrung teilkirchlicher Regelungsnotwendigkeit eine sachgerechte Zuordnung von Einheit und Vielfalt zu sehen. Liturgische Vielfalt ist nur im ekklesiologisch begründeten Rahmen der umspannenden Einheit der Kirche möglich, für deren liturgische Sichtbarwerdung auch im vermeintlich als unbedeutend bezeichnetem Detail der oberste Hirte und Lehrer der Gesamtkirche Verantwortung trägt.23 4. Liturgisches Gesetzesrecht Das liturgische Gesetzesrecht entfaltet sich mit Blick auf die ganze Kirche zumeist in Apostolischen Schreiben des Papstes (insbesondere in Motuproprien), in Instruktionen und Erlassen römischer Dikasterien und nicht zuletzt in den liturgischen Büchern (vor allem in deren Praenotanda). Die Zeit nach Abschluss des II. Vatikanischen Konzils war und ist durch eine Fülle liturgierechtlicher Normierungen bestimmt gewesen, die vor allem zwei Ziele verfolgten. Zum einen sollten durch entsprechende Instruktionen die Vorgaben der Liturgiekonstitution anhand konkreter Fragestellungen zwecks Ausführung näherhin entfaltet und ordnungsgemäß durchgeführt werden.24 Zum anderen ist 22
Vgl. beispielsweise Müller, Liturgie (Anm. 10), S. 785 und Martin Klöckener, Freiheit und Ordnung im Gottesdienst – ein altes Problem mit neuer Brisanz, in: FZPhTh 43 (1996), S. 388 – 419. 23 24
Vgl. Johannes Paul II., Spiritus et Sponsa (Anm. 2), Nr. 15.
Daraus sind bis zum heutigen Zeitpunkt fünf Instruktionen entstanden: (1) Ritenkongregation, Instruktion „Inter Oecumenici“ v. 26. September 1964, in: AAS 56 (1964), S. 877 – 900; in nicht-amtlicher dt. Übersetzung der Liturgischen Institute in Trier und Freiburg in der Schweiz, Lat.-dt. Text, Regensburg 1964; (2) dies., Instruktion „Tres abhinc annos“ v. 4. Mai 1867, in: AAS 59 (1967), S. 442 – 448; in dt. Übersetzung: NKD, Bd. 5, S. 8 – 25; (3) Kongregation für den Gottesdienst, Instruktion „Liturgicae instaurationes“ v. 5. September 1970, in: AAS 62 (1970), S. 692 – 704; in dt. Übersetzung: NKD, Bd. 31, S. 9 – 53; (4) Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Instruktion „Varietates legitimae“ v. 25. Januar 1994 (Anm. 18); (5) dies., Instruktion „Liturgicam authenticam“ v. 28. März 2001, in: AAS 93 (2001), S. 685 – 726; in dt. Übersetzung: VApSt, Bd. 154.
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gemäß Art. 21 – 46 VatII SC die allgemeine Erneuerung der Liturgie umgesetzt worden, aus der zahlreiche liturgische Bücher inklusive der dazu gehörigen Vorbemerkungen (Praenotanda) erwuchsen. 25 III. Wahrung und Schutz der Authentizität der Liturgie 1. Grundanliegen Zu den angeführten liturgierechtlich relevanten Dokumenten sind unter Anwendung von c. 838 § 1 CIC seit geraumer Zeit Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls hinzugekommen, die sich in besonderer Weise mit der Authentizität der Liturgie und dem damit zusammenhängenden Gemeinrecht der Christgläubigen befassen. 26 Sie stehen in einem unverkennbaren Zusammenhang jener auf die Liturgie bezogenen Gewissenserforschung, zu der Papst Johannes Paul II. bereits in seinem Schreiben Tertio millennio adveniente zur Vorbereitung auf das Jubeljahr 2000 eingeladen hatte: „Wird die Liturgie, gemäß der Lehre von Sacrosanctum concilium, als ‚Quelle und Höhepunkt‘ des kirchlichen Lebens gelebt?“ 27 .
25
Zur Übersicht vgl. Rüdiger Althaus, in: MK, Liturgische Bücher. Anhang zu 846/1 – 10 (Stand: Juli 2005). 26
Zu nennen sind dabei vor allem: Kongregation für den Klerus u. a., Instruktion „Ecclesiae de mysterio“ zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester v. 15. August 1997, in: AAS 89 (1997), S. 852 – 877; in dt. Übersetzung: VApSt, Bd. 129; Kongregation für den Klerus, Schreiben „Der Priester, Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente und Leiter der Gemeinde für das dritte christliche Jahrtausend“ v. 19. März 1999 = VApSt, Bd. 139; Missale Romanum ex decreto Sacrosancti Oecumenici Concilii Vaticani II instauratum auctoritate Pauli PP. VI promulgatum, Ioannis Pauli PP. II cura recognitum, Editio typica tertia v. 20. April 2000, Città del Vaticano 2002, abgedruckt in: www.liturgie.de, hier: „Institutio Generalis“; Johannes Paul II., Motu Proprio „Misericordia Dei“ v. 7. April 2002, in: AAS 94 (2002), S. 452 – 459; in dt. Übersetzung: VApSt, Bd. 153; Kongregation für den Klerus, Instruktion „Der Priester, Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde“ v. 4. August 2002; in dt. Übersetzung: VApSt, Bd. 157; Johannes Paul II., Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“ (Anm. 3); Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Instruktion „Redemptionis Sacramentum“ über einige Dinge bezüglich der heiligsten Eucharistie, die einzuhalten und zu vermeiden sind v. 25. März 2004, in: AAS 96 (2004), S. 549 – 601; auch in: Comm 36.1 (2004), S. 99 – 154; in dt. Übersetzung in: VApSt, Bd. 164. 27
Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben „Tertio millennio adveniente“ v. 10. November 1994, in AAS 87 (1995), S. 5 – 41; in dt. Übersetzung in: VApSt, Bd. 119, hier Nr. 36. Von Neuem aufgenommen in: ders., Spiritus et Sponsa (Anm. 2), Nr. 6.
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Die Gewissenserforschung vermag sich dabei in zwei Richtungen auszuwirken. Positiv gelangt sie zur Einsicht, dass die wahren „Früchte“ der Liturgiereform von ihrer Klarheit und ihrer Bedeutung künden. Sie stehen für die Kraft jenes schlichten und doch vollen Glanzes der Liturgie, der sich in den erneuerten Riten der Kirche manifestieren soll. 28 Negativ muss die Gewissenserforschung zur Einsicht führen, „daß es … infolge einer falsch verstandenen Auffassung von Kreativität und Anpassung an Mißbräuchen nicht gefehlt hat, die für viele ein Grund des Leidens sind“ 29 . Die daraus erwachsene neue Liebe zu den liturgischen Normen muss deren Wesen als „konkreter Ausdruck der authentischen Kirchlichkeit“ 30 verständlich machen. Die Dokumente offenbaren als Folge jener liturgischen Gewissenserforschung vor allem das Bemühen des Apostolischen Stuhls, mit Bezug auf verschiedene liturgische Feiern Christus als den ersten Liturgen der Kirche herauszustellen und die darin grundgelegte Authentizität der kirchlichen Liturgie zu fördern. Damit ist ein, wenn nicht das entscheidende Kriterium für die Wahrhaftigkeit der Liturgie erfasst: Der Herr der Kirche ist ihr Protagonist, der ewige Herr aller Zeiten wird in der Vergänglichkeit des Augenblicks gegenwärtig und handelt an den Gliedern seiner Kirche. Die Liturgie offenbart und muss von ihrem Wesen her Christus als Ursprung, Weg und Ziel des universalen Heilssakraments, das die Kirche ist (Art. 48.2 VatII LG), offenbaren. So findet das Gemeinrecht aller Christgläubigen auf eine authentisch gefeierte Liturgie, in der Christus als solchem begegnet werden kann, in der Authentizität selbst seinen Ursprungsort. Denn sie verpflichtet die Kirche, darin ihrer Bestimmung gemäß zu handeln und das „Recht des Erlösers“ zu verwirklichen, allen Menschen aller Zeiten als Erlöser zu erscheinen. Vier bedeutsame Aspekte kirchlicher Liturgie sollen dieses Bemühen um Authentizität und Wahrung des Gemeinrechts exemplarisch verdeutlichen.
28
Vgl. Art. 21 und 25 i.V.m. Art. 34 VatII SC: „Ritus nobili simplicitate fulgeant, sint brevitate perspicui et repetitiones inutiles evitent, sint fidelium captui accomodati, neque generatim multis indigeant explanationibus“. 29 30
Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 52.
Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 52, so gemäß c. 916 CIC (c. 711 CCEO). Er bestätigt damit die Lehre des Konzils von Trient (13. Sitzung, Dekret über das Sakrament der Eucharistie, Kap. 7 und Can. 11, in: Denz 1647 und 1661). Siehe Georg May, Das Verhältnis von Gesetz und Gewissen im kanonischen Recht, dargestellt an den cc. 915/916 CIC/1983, in: FKTh 9 (1993), S. 117 – 130.
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2. Predigt und Homilie: Christus als lehrender Liturge Der Kirche ist von Christus „das Glaubensgut anvertraut, damit sie unter dem Beistand des Heiligen Geistes die geoffenbarte Wahrheit heilig bewahrt, tiefer erforscht und treu verkündigt und auslegt“ (c. 747 § 1 CIC). Das gesamte heilige Gottesvolk hat damit Anteil am prophetischen Amt Christi (Art. 12.1 VatII LG), mit dem ihr sowohl die Pflicht als auch das Recht übertragen ist, allen Völkern das Evangelium zu verkündigen. Jeder Christgläubige wirkt daran je nach der eigenen Stellung und Aufgabe mit (vgl. c. 208 i.V.m. cc. 756 – 759 CIC), so dass sich in allen Bereichen der Verkündigung die wesenhafte Communio-Struktur der Kirche abbildet: das qualitative Zusammenwirken von sakramental bevollmächtigter Autorität und Glaubenszeugnis kraft Taufe und Firmung.31 Dabei nehmen gemäß Art. 13.3 VatII CD und c. 761 CIC (c. 607 CCEO) Predigt und Katechese als Wesenselemente des Dienstes am Wort Gottes einen hervorragenden Platz ein. Die Predigt bezeichnet die liturgische Verkündigung und gilt in Übereinstimmung mit der Aussage zur „Homilie“ in Art. 52 VatII SC als „Teil der Liturgie“, die nicht lediglich als geduldetes, äußeres Tun hinzugefügt wird, sondern gleichfalls liturgische Handlung ist. Die Katechese steht demgegenüber für eine vornehmlich systematische Darstellung der christlichen Lehre und ist auf eine damit verbundene Einführung der Gläubigen in das christliche Leben ausgerichtet. Beide sind voneinander zu unterscheiden, können sich aber gegenseitig durchdringen, beispielsweise im Fall einer vornehmlich katechetisch strukturierten Predigt.32 Dem Gemeinrecht aller Christgläubigen, das Wort Gottes als geistliches Gut der Kirche zu hören (vgl. c. 213 CIC), entspricht seitens der geistlichen Amtsträger die Pflicht, „allen das Evangelium Gottes zu verkündigen“ (c. 762 CIC). In Konsequenz dazu spricht der kirchliche Gesetzgeber vom ius praedicandi der Bischöfe (c. 763 CIC) und von der facultas praedicandi der Priester und Diakone (c. 764 CIC). Laien können gemäß c. 766 CIC zur Predigt zugelassen werden (admitti possunt), „wenn das unter bestimmten Umständen notwendig oder in Einzelfällen als nützlich angeraten ist“. Die nähere Ausfaltung dieser 31
Vgl. Aymans / Mörsdorf, KanR I (Anm. 7), 205 – 212; siehe auch: Christoph Ohly, Sensus fidei fidelium. Zur Einordnung des Glaubenssinnes aller Gläubigen in die Communio-Struktur der Kirche im geschichtlichen Spiegel dogmatisch-kanonistischer Erkenntnisse und der Aussagen des II. Vaticanum (= MThSt.K, Bd. 57), St. Ottilien 2000, bes. S. 326 – 339. 32
Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben „Catechesi Tradendae“ v. 16. Oktober 1979, in: AAS 71 (1979), S. 1277 – 1340; in dt. Übersetzung in: VApSt, Nr. 12, hier Nr. 20 – 24.
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Bestimmung obliegt der Bischofskonferenz, die dazu einschlägige Vorschriften erstellen soll.33 Grundsätzlich ist damit das absolute Predigtverbot für Laien des c. 1342 § 2 CIC/1917 aufgehoben. Auch wenn das II. Vatikanische Konzil nicht ausdrücklich von der Predigtmöglichkeit von Laien spricht, so kann der Laie auf dem sakramentalen Fundament von Taufe und Firmung zur Mitwirkung an bestimmten weiterreichenden Aufgaben im Rahmen der kirchlichen Sendung berufen werden.34 Dazu gehört auch die rechtlich näherhin zu regelnde Möglichkeit liturgischer Verkündigung im Namen der Kirche. Eine diffizile Vor- und eine nicht minder schwierige Folgegeschichte der kodikarischen Bestimmungen zur Predigt von Laien haben insbesondere auf dem Gebiet der Deutschen Bischofskonferenz zu einer offenkundigen Diskrepanz von Recht und pastoraler Praxis geführt.35 Dabei hat sich im Licht eines vom Apostolischen Stuhls bis zur Promulgation des kirchlichen Gesetzbuches zugestandenen, danach jedoch abrogierten und nicht mehr erneuerten deutschen Sonderrechts eine weit verbreitete Realität der Predigt von Laien, auch in der Eucharistiefeier, entwickelt. Diesem Prozess kann an dieser Stelle nicht detailliert nachgegangen werden. Doch gilt es grundsätzlich in Übereinstimmung mit den bindenden kodikarischen Vorgaben zu beachten, dass das Gesetzbuch neben den beiden partikularrechtlich auszufaltenden Bedingungen (Notwendigkeit und Nützlichkeit) sowohl die Vorrangigkeit des Predigtdienstes durch die geweihten Amtsträger (c. 762 i.V.m. c. 766 CIC) als auch die ausdrückliche Reservation der Homilie für Priester und Diakon formuliert (c. 767 § 1 CIC). Unter der „Homilie“ als herausragender Predigtform ist im kodikarischen Kontext die Predigt in der Eucharistiefeier zu verstehen, die das Kirchenjahr hindurch die Glaubensgeheimnisse und die Normen für das christliche Leben aus 33 Siehe dazu: Die Deutschen Bischöfe, Ordnung für den Predigtdienst von Laien v. 24. Februar 1988, in: AfkKR 157 (1988), S. 192 f.; Mit anderer Akzentuierung: Österreichische Bischofskonferenz, Allgemeines Dekret über die Ordnung des Predigtdienstes von Laien v. 27. Mai 2002, in: Abl-ÖBK, Nr. 33 / 2002, 4 f., auch in: AfkKR 171 (2002), S. 200 – 202. 34 35
Vgl. Art. 33.3 VatII LG und Art. 24.5 VatII AA.
Vgl. aus der umfangreichen Literatur zu diesem Thema beispielsweise: Rüdiger Althaus, Die Rezeption des Codex Iuris Canonici von 1983 in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Voten der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (= PaThSt, Bd. 28), Paderborn u. a. 2000, bes. 729 – 759 (Lit.!); Peter Krämer, Die Ordnung des Predigtdienstes, in: Recht als Heilsdienst. Matthäus Kaiser zum 65. Geburtstag gewidmet von seinen Freunden, Kollegen und Schülern, hrsg. v. Winfried Schulz, Paderborn 1989, S. 115 – 126; Georg May, Die Laienpredigt in ihrer jüngsten Entwicklung, in: Theologisches 18 (1988) Sp. 254 – 258; Heribert Schmitz, Die Beauftragung zum Predigtdienst, in: AfkKR 149 (1980), S. 45 – 63.
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dem heiligen Text darlegt. 36 Begründet durch den untrennbaren inneren Zusammenhang von Wortgottesdienst und Eucharistiefeier als eines einzigen Kultaktes (Art. 56 VatII SC) kommt der Homilie die bedeutsame Aufgabe einer liturgischen Nahtstelle zu. Indem der Zelebrant die Homilie hält, verbindet er in seiner Person den dreifachen Dienst am Volk Gottes: den Dienst des Heiligens, der sich zugleich im Dienst der Leitung und des Lehrens verwirklicht. Die Homilie ist somit ein hoch bedeutsamer Ausdruck des dreifachen Dienstes, den der Priester durch die sakramental-ontologische Bevollmächtigung in persona Christi capitis (c. 1008 CIC) ausübt. 37 Mit anderen Worten: der geweihte Amtsträger hat die Pflicht und das Recht zur Predigt, der Laie nicht. Der Laie ist zum alltäglichen Glaubenszeugnis berufen, über das hinaus er vom Diözesanbischof zur Predigt in Wortgottesdiensten – wie das Gesetzbuch es formuliert – „zugelassen“ werden kann, wenn die spezifischen Voraussetzungen für diesen Ausnahmefall gegeben sind. Es handelt sich dabei folglich nicht um ein ihm zukommendes Recht, sondern um eine mögliche Berechtigung durch den Bischof in der Situation von Notwendigkeit und Nützlichkeit. Der Apostolische Stuhl hat in Sorge um die Authentizität der Liturgie in der vergangenen Zeit mehrfach zu dieser Problematik Stellung bezogen und die kodikarischen Normen in Erinnerung gerufen. Dabei soll deutlich werden, dass Christus der erste Liturge ist, der in der Person des geweihten Amtsträgers als lehrender und verkündigender Liturge an den Gliedern der Kirche handelt. So formuliert die Instruktion Ecclesiae de mysterio: „Es geht nämlich nicht um eine eventuell bessere Gabe der Darstellung oder ein größeres theologisches Wissen, sondern vielmehr um eine demjenigen vorbehaltene Aufgabe, der mit dem Weihesakrament ausgestattet wurde“ 38 . Deshalb ermahnt die Kongregation für den Klerus Priester und alle Glieder der Kirche: „Noch weniger dürfen die Priester ihre Verantwortlichkeit, die Aufgabe der Verkündigung persönlich wahrzunehmen, vernachlässigen, im besonderen was das Predigtamt betrifft,
36 Vgl. dazu: Ludger Müller, Codex und Konzil. Die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils als Kontext zur Interpretation kirchenrechtlicher Normen, in: AfkKR 169 (2000), S. 469 – 491, hier S. 480 f.; Emilio Signorile, La predicazione dei laici e il divieto d’omelia (= Pontificia Universitas Lateranensis. Theses ad Doctoratum in Iure Canonico), Roma 1994, hier S. 119. Anders: Reiner Kaczynski, Was ist eine Homilie? – Wer darf sie halten?, in: KlBl 69 (1989), S. 38 – 40 und Theodor Maas-Ewerd, Vom Pronaus zur Homilie. Ein Stück „Liturgie“ in jüngster Geschichte und pastoraler Gegenwart (= Extemporalia, Bd. 8), Eichstätt / Wien 1990, hier S. 74 ff. 37
Das gilt durch die Anteilhabe an der sacra potestas des apostolischen Weiheamtes zugleich für den Konzelebranten und – wenn auch auf qualitativ davon verschiedene Weise – für den Diakon. 38
Kongregation für den Klerus u. a., Ecclesiae de mysterio (Anm. 26), Art. 3, § 1.
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das weder jemandem übertragen werden darf, der nicht geweiht ist, noch leichtfertig an jemanden abgegeben werden darf, der nicht gut vorbereitet ist“ 39 . Das gilt zunächst ausnahmslos für die Homilie als Predigt in der Eucharistiefeier. Sowohl die revidierte Institutio generalis Missalis Romani aus dem Jahre 2000 als auch die Instruktion Redemptionis Sacramentum vom 25. März 2004 bestätigen: „In der Regel soll die Homilie vom zelebrierenden Priester selbst gehalten werden oder sie wird von diesem einem Konzelebranten oder gegebenenfalls auch einem Diakon, niemals jedoch einem Laien, übertragen“ 40 . Im Sinne der Vorrangigkeit des geweihten Amtsträgers für die Predigt gilt dies unter Beachtung von c. 766 CIC zunächst grundsätzlich auch für alle anderen liturgischen Feiern, in denen Christus durch den Priester oder den Diakon in der Predigt als lehrender Liturge handelt. Die Bedingungen der Notwendigkeit und Nützlichkeit verweisen diesbezüglich aber auf die Ausnahmesituation, die insbesondere beim Mangel an geistlichen Amtsträgern gegeben ist und eine Predigt von Laien ermöglicht. 41 Fazit: Authentizität der Liturgie im Hinblick auf Predigt und Homilie bedeutet unter anderem die Wahrung und den Schutz einer der hauptsächlichsten Pflichten der geweihten Amtsträger, d. h. in der Person Christi, des Hauptes der Kirche, das Evangelium liturgisch zu verkündigen und damit Christus als lehrenden Liturgen hörbar zu machen. 3. Eucharistie: Christus als opfernder Liturge In seiner letzten Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, die sich der Eucharistie in ihrer Beziehung zur Kirche widmet, hat Papst Johannes Paul II. die kirchliche Lehre über das Sakrament als Opfer im eigentlichen Sinn und als wahres
39
Kongregation für den Klerus, Der Priester (Anm. 26), II, 2.
40
Institutio generalis (Anm. 26), Nr. 66: „Homilia de more ab ipso sacerdote celebrante habeatur vel ab eo committatur sacerdoti concelebranti, vel quandoque, pro opportunitate, etiam diacono, numquam vero laico“ – Vgl. dazu die analogen Aussagen in Nr. 171 und 213 im Zusammenhang der „Messfeier mit Diakon“: „Quando celebrationi eucharisticae interest, diaconus, sacris vestibus indutus, suo ministerio fungatur. Ipse enim … Evangelium proclamat et potest, de mandato sacerdotis celebrantis, homiliam habere“ (171) – „Homiliam habet de more celebrans principalis, vel unus e concelebrationibus“ (213). Ebenso: Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Redemptionis Sacramentum (Anm. 26), Nr. 64, dazu Nr. 65. 41
Vgl. c. 1248 § 2 CIC i.V.m. Kongregation für den Gottesdienst, Direktorium „Sonntäglicher Gemeindegottesdienst ohne Priester“ Christi Ecclesia v. 2. Juni 1988, in: Notitiae 24 (1988), S. 366 – 378; in dt. Übersetzung in: VApSt, Bd. 94, hier Nr. 1 und 2.
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Mahl bestätigt: „Die Messe ist zugleich und untrennbar das Opfergedächtnis, in welchem das Kreuzesopfer für immer fortlebt, und das heilige Mahl der Kommunion mit dem Leib und dem Blut des Herrn“ 42 . Es wird dargebracht „durch die Hände des geweihten Priesters“ (Nr. 12), mit dem zusammen die ganze Kirche handelt und sich selbst dem Herrn übereignet, „indem jeder auf seine Weise gemäß der Verschiedenheit der Weihen und der liturgischen Dienste teilnimmt“ (c. 899 § 2 CIC). Das Handeln des Priesters und der versammelten Gläubigen wird darin zur sakramentalen Vergegenwärtigung des Handelns Christi im Leben, Sterben und Auferstehen, der sich zusammen mit seiner Braut, der Kirche, im Geschenk seiner Liebe und seines Gehorsams bis zur Vollendung des Lebens an den himmlischen Vater hingibt. Die Gabe des Herrn an den Vater wird durch jede Eucharistiefeier auch zu seiner beständigen Hingabe an die Kirche und an die ganze Menschheit. Diese verwirklicht sich in heilbringender Wirkung für alle, die an der Opferfeier teilnehmen, besonders dann, wenn sie in der Kommunion den Leib und das Blut des Herrn empfangen. In einer „Analogie zur Einheit des dreifaltigen Gottes“ 43 verwirklicht sich auf diese Weise eine wahrhaftige Vereinigung des Menschen mit Gott. So bereitet die Mitfeier und volle Teilnahme an der Eucharistiefeier der Kirche für den Christgläubigen den „Vorgeschmack der vollkommenen Freude, die Christus versprochen hat“ 44 . Die Eucharistiefeier selbst ist damit Erstlingsgabe und Vorausbild der Liturgie des himmlischen Jerusalem, in dessen Mitte Christus als Nahrung seines Leibes, der Kirche, steht. Die Überlegungen führen zu der glaubenden Einsicht der Kirche, dass Christus selbst der Zelebrant jeder Eucharistiefeier ist. Er ist ihr erster Liturge als der sich für die Kirche an den Vater opfernde menschgewordene Sohn Gottes. Christus ist der opfernde Liturge der Eucharistiefeier, der gemäß seinem eigenen Auftrag sakramental im geweihten Priester sichtbar wird. 45 Dieser handelt an dieser Stelle in höchster Weise in persona Christi capitis, und nur er kann durch die spezifisch sakramentale Identifizierung mit dem Erlöser in der Priesterweihe das Sakrament der Eucharistie vollziehen (Art. 10 VatII LG; c. 900 CIC). Daraus ergeben sich eine Vielzahl von liturgierechtlichen Bestimmungen, die in ihrer engen Beziehung zur Authentizität der Eucharistiefeier von der Enzyklika selbst bzw. von der ihr nachfolgenden Instruktion Redemptionis Sacramentum erneut in Erinnerung gerufen worden sind. Ihr Ziel liegt in der
42
Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 11 – 20, hier gemäß KKK, Nr. 1382. 43
Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 16.
44
Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 18.
45
Vgl. dazu Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 26 – 33.
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Hervorhebung Christi als des sich opfernden Liturgen der Messfeier, der im und durch den Priester handelt. 46 Aus ihnen sollen lediglich zwei hervorgehoben werden. Die Authentizität der Eucharistiefeier wird sichtbar und zugleich geschützt in der Bestimmung, dass das Sprechen des eucharistischen Hochgebetes, „das von seinem Wesen her gleichsam den Höhepunkt der ganzen Feier bildet“, allein dem Priester kraft seiner Weihe eigen ist. 47 Alle anderen Gläubigen nehmen dennoch aktiv teil, „im Glauben und in Stille sowie auch durch die im Laufe des eucharistischen Hochgebetes festgesetzten Einschübe …“ 48 . Daher bezeichnet es die Kirche als Missbrauch und zählt diesen zugleich zu den „schwerwiegenden Angelegenheiten“, „wenn einige Teile des eucharistischen Hochgebetes von einem Diakon, einem dienenden Laien, einem einzelnen oder allen Gläubigen zusammen vorgetragen werden“49 . Sprechen und Handeln ist in diesem innersten Kern der eucharistischen Liturgie wesensgemäße Aufgabe und Verpflichtung des Priesters. In seiner Person, die sichtbares und vernehmbares Sakrament Christi ist, spricht und handelt Christus selbst als opfernder Liturge seiner Kirche. Die Braut, versammelt in der Kraft des Heiligen Geistes, übergibt sich ihrem Bräutigam und vollzieht dies im Mitopfern, in mitvollziehender Aufmerksamkeit, in Antworten des Glaubens und der Liebe. Darin wird auf höchste Weise die Grundverfassung der Kirche als hierarchisch gegliederter Gemeinschaft der Gläubigen sichtbar. In einer qualitativ verschiedenen Zuordnung zueinander werden alle Glieder der Kirche in ihrem aufeinander bezogenen Tun zu Trägern der Liturgie, die in Einheit mit dem Haupt der Kirche vollzogen wird. Die Bestimmung zum eucharistischen Hochgebet ist deshalb keine rein disziplinäre Norm, sondern atmet in sich das unaufgebbare Abbild jener himmlischen Liturgie, in deren Mitte Christus handelt. In Übereinstimmung mit Art. 55 VatII SC und den Normen der Allgemeinen Einführung in das Messbuch 50 ruft die Instruktion Redemptionis Sacramentum
46
So c. 899 § 1 CIC: „Eucharistia celebratio actio est ipsius Christi et Ecclesiae, in qua Christus Dominus, ministerio sacerdotis, semetipsum, sub speciebus panis et vini substantialiter praesentem, Deo Patri offert atque fidelibus in sua oblatione sociatis se praebet ut cibum spiritualem“. 47 So in: Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Redemptionis Sacramentum (Anm. 26), Nr. 52 gemäß Institutio generalis (Anm. 26), Nr. 147 und Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 28. 48
Institutio generalis (Anm. 26), Nr. 147.
49
Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Redemptionis Sacramentum (Anm. 26), Nr. 52 und 173. 50
Vgl. Institutio generalis (Anm. 26), Nr. 158 – 160 sowie 243 – 246.
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ein weiteres Kriterium der Authentizität der Messfeier in Erinnerung. Danach hat der zelebrierende Priester und mögliche Konzelebranten zu kommunizieren, bevor die Gläubigen zur Kommunionausteilung gehen. 51 Christus ist als opfernder Liturge zugleich der Gastgeber des eucharistischen Mahles. Auch darin wird er im Priester sakramental gegenwärtig. Der Priester handelt an dieser Stelle in der Person Christi, macht jedoch gleichzeitig in seiner den Christgläubigen vorausgehenden Kommunion deutlich, dass er selbst als Christ und Priester der Erlösung und der vereinigenden Teilhabe am Leben des Herrn bedarf. Der Augenblick seiner Kommunion verdichtet damit die doppelte Repräsentanz, die der Priester ausübt: die repraesentatio Christi und die repraesentatio Ecclesiae. In ihr verbinden sich das Handeln im Namen des Herrn mit jener Haltung der Demut, die sich der eigenen Erlösungsbedürftigkeit und der Quelle dieses Handelns bewusst wird. Die Instruktion zählt eine Missachtung der Bestimmung nicht zu den „schwerwiegenden Angelegenheiten“. Dennoch ist sie nicht als geringfügig einzustufen, „sondern zu den anderen Missbräuchen zu rechnen, die gewissenhaft vermieden und korrigiert werden müssen“ (Nr. 174), um authentisches – und das bedeutet wahrhaft mit dem Handeln Christi übereinkommendes – liturgisches Handeln zu gewährleisten. Fazit: Die Sorge um die Authentizität der Liturgie im Hinblick auf die Eucharistiefeier offenbart sich insbesondere in dem Bemühen, Christus im Handeln des Priesters als opfernden Liturgen gegenwärtig zu machen. 4. Beichte: Christus als vergebender Liturge Mit der Eucharistie eng verbunden ist das Sakrament der Buße. Da die Eucharistie das Erlösungsopfer des Kreuzes auf sakramentale Weise vergegenwärtigt und fortsetzt, ist die Messfeier die Quelle für eine beständige Förderung zur Umkehr und zu einer persönlichen Antwort auf die Einladung zur Versöhnung. Aus dieser inneren Verbindung heraus hat Johannes Paul II. regelmäßig die Verpflichtung des Christgläubigen bekräftigt, im Falle einer schweren Sünde den Weg der Buße durch das Sakrament der Versöhnung gehen zu müssen, „um voll am eucharistischen Opfer teilnehmen zu können“ 52 . Vor allem die Bedeutung der Beichte für das „erhabenste Sakrament“ der Kirche (c. 897 CIC) begründet den das ganze Pontifikat Johannes Pauls II. prägenden Einsatz für eine Erneuerung und Belebung der Bußpraxis der Kirche. 51
Vgl. Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Redemptionis Sacramentum (Anm. 26), Nr. 97. 52 Vgl. Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 37. Vgl. dazu c. 988 § 2 CIC.
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Dabei stellt das Motuproprio Misericordia Dei aus dem Jahre 2002 gleichsam sein „rechtstheologisches Testament“ dar, das auf die Bezeugung und Bewahrung des bestimmenden Kerns des Sakraments zur Versicherung seiner Authentizität ausgerichtet ist: Christus als den vergebenden Liturgen sakramental hörbar zu machen. 53 Das Motuproprio ist von seiner Natur her ein Rechtstext und folglich durch eine begriffliche und sprachliche Nüchternheit geprägt. Gleichwohl sind die „aus eigenem Antrieb“ erfolgten Aussagen von der Persönlichkeit des Papstes durchdrungen, die eine tiefe Treue und Liebe zur Kirchlichkeit und Authentizität des Sakramentes deutlich machen. So korrespondieren mit jener Nüchternheit und Treue zahlreiche wesenhafte Grunddaten der kirchlichen Bußtheologie, die im Wissen um die pastorale Verantwortung und „im vollen Bewusstsein über die immer aktuelle Notwendigkeit und Wirksamkeit dieses Sakramentes“ 54 herausgestellt werden. Dazu gehören neben den Bestimmungen zur Zeit für die Feier der Bußsakraments (Nr. 2) insbesondere die Bestätigung des „ordentlichen“ Weges der Absolution gemäß c. 960 CIC (Nr. 1 und 3) sowie die ausführlichen Rechtsaussagen zur „Generalabsolution“ gemäß cc. 961 – 963 CIC, welche in jeder Hinsicht „den Charakter einer Ausnahme“ 55 hinsichtlich dieser liturgischen Form offenkundig machen. 56 Abgesehen von der im kirchlichen Gesetzbuch angeführten Todesgefahr sowie der im Motuproprio näherhin normierten schweren Notlage, die eine sakramentale Generalabsolution legitimieren, kommt dem persönlichen und vollständigen Bekenntnis und der Absolution die unveränderte Priorität in der Form der Sündenvergebung zu, durch die „ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde bewusst ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird“ (c. 960 CIC). Deshalb kann allein die durch das päpstliche Schreiben erfasste physische oder moralische Unmöglichkeit von der Verpflichtung entschuldigen, die göttliche Vergebung in dieser von der Kirche beständig geübten Weise (mit den konstitutiven Grundelementen Reue – Ein-
53 Vgl. José A. Fuentes, Estructura fundamental del sacramento de la penitencia. A propósito del m. pr. de Juan Pablo II „Misericordia Dei”, in: IusCan 43 (2003), S. 673 – 695 und Christoph Ohly, Das Motu proprio „Misericordia Dei“. Perspektiven und Konsequenzen, in: AfkKR 171 (2002), S. 72 – 92. 54
Johannes Paul II., Misericordia Dei (Anm. 26), Einleitung.
55
So Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben „Reconciliatio et Paenitentia“ v. 2. Dezember 1984, in: AAS 77 (1985), S. 185 – 275; in dt. Übersetzung: VApSt, Bd. 60, hier Nr. 32. 56
Vgl. dazu ausführlich: Christoph Ohly, Ein Plädoyer für die Belebung einer außerkodikarischen Form des Bußsakraments, in: AfkKR 170 (2001), S. 74 – 105, hier bes. S. 85 – 100.
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zelbekenntnis – Einzelabsolution – Wiedergutmachung) gemäß c. 989 CIC wenigstens einmal im Jahr zu empfangen 57 . Die qualitative Differenzierung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Form des Bußsakraments, die mit diesem Dokument erneut vorgenommen wird, ist maßgeblich geprägt durch die Sorge um die Authentizität des Sakraments, die auch hier mit dem Bemühen übereingeht, Christus als den ersten Liturgen erkennbar werden zu lassen. Dazu betonte Johannes Paul II. bereits in seiner ersten Enzyklika Redemptor Hominis, dass zum Recht der Gläubigen auf die ordnungsgemäße Beichte mit Einzelbekenntnis und -absolution komplementär das Recht des Erlösers in Relation stünde, dem einzelnen Gläubigen im Augenblick der Bekehrung vergebend begegnen zu dürfen: „Die Kirche verteidigt also, indem sie die jahrhundertealte Praxis des Bußsakramentes bewahrt … das besondere Recht der menschlichen Seele. Es ist das Recht zu einer mehr persönlichen Begegnung des Menschen mit dem gekreuzigten Christus, der verzeiht, mit Christus, der durch den Spender des Sakramentes der Versöhnung sagt: ‚Deine Sünden sind dir vergeben‘, ‚Geh und sündige von jetzt an nicht mehr‘. Offenkundig ist es gleichzeitig auch das Recht Christi selbst hinsichtlich eines jeden Menschen, der von ihm erlöst worden ist. Es ist das Recht, jedem von uns in jenem entscheidenden Augenblick des Lebens der Seele, nämlich dem der Bekehrung und des Verzeihens, zu begegnen“ 58 .
Die Sorge des Apostolischen Stuhls in Bezug auf die Authentizität des Bußsakraments ist demzufolge theologisch-christologisch begründet und legitimiert. Ohne diesen Ursprung bleibt die Norm unverständlich, wenn nicht sogar veränderbar. Ziel ist es aber vielmehr, Christus als den vergebenden Liturgen zu gewährleisten. Deshalb bestimmt der Rechtstext des Motuproprio die Authentizität des Sakraments maßgeblich durch den Dienst des Priesters, der in persona Christi capitis am einzelnen Gläubigen handelt und dazu verpflichtet wird. Auf diese Weise trägt der Priester in Treue gegenüber der liturgierechtlichen Norm zur Verwirklichung des Rechts des Erlösers sowie des Rechts des Gläubigen auf die personale, sakramental sich vollziehende Begegnung zwischen Christus und dem Menschen bei. Fazit: Die Authentizität der Liturgie im Hinblick auf das Bußsakrament tritt vor allem in dem Bemühen hervor, dem Recht des Erlösers zur persönlichen
57
Die Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen seitens der Gläubigen erfordert eine Beichtpastoral, die in Predigt und Katechese einen grundlegenden Beitrag zur entsprechenden Unterweisung und Vorbereitung auf den Sakramentenempfang leistet: vgl. cc. 843 § 2 i.V.m. 768 § 1, 978, 986 und 988 CIC. 58 Johannes Paul II., Enzyklika „Redemptor Hominis“, in: AAS 71 (1979), S. 257 – 324; in dt. Übersetzung: VApSt, Bd. 6, hier Nr. 54.
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Begegnung mit dem einzelnen Gläubigen zur Verwirklichung zu verhelfen und Christus im Handeln des Priesters als vergebenden Liturgen zu empfangen. 5. Krankensalbung: Christus als aufrichtender Liturge Schließlich kann die Sorge um die Authentizität der Liturgie auch für das Sakrament der Krankensalbung konstatiert werden. In Übereinstimmung mit den ekklesiologisch und christologisch ausgerichteten Aussagen des II. Vatikanischen Konzils (Art. 73 – 75 VatII SC; Art. 11 VatII LG; Art. 5 VatII PO) empfiehlt die Kirche durch die Krankensalbung „gefährlich erkrankte Gläubige dem leidenden und verherrlichten Herrn an, damit er sie aufrichte und rette“ 59 . Christus ist als Herr der Kirche der die Kranken und Sterbenden aufrichtende und rettende Liturge. Er verbindet sie im Sakrament mit seinem Leiden und führt sie zur Auferstehung aus Krankheit und Tod. Mit Blick auf den Spender des Sakraments ist es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu theoretischen Anfragen 60 und praktischen Missbräuchen 61 gekommen. Die Norm des c. 1003 § 1 CIC (c. 739 § 1 CCEO) stellt grundsätzlich fest: „Die Krankensalbung spendet gültig jeder Priester und nur er“ („... omnis et solus sacerdos“). Die seitens der geistlichen Amtsträger und der übrigen Gläubigen geübte ausnahmslose Treue zu dieser Bestimmung ist damit ein wesentlicher Baustein der Authentizität des Sakraments der Krankensalbung. Die Instruktion Ecclesia de mysterio hat diese Lehre erneut in Erinnerung gerufen und dabei auf den Zusammenhang des Sakraments mit der Sündenvergebung in der Beichte und mit dem Empfang der Kommunion in der Eucharistiefeier verwiesen. Sie konstatiert deshalb mit Recht: „Niemand sonst kann als ordentlicher oder außerordentlicher Spender des Sakraments fungie59
C. 998 CIC. Die Parallelnorm des ostkirchlichen Gesetzbuches umschreibt darüber hinaus ausführlich die Wirkung des Sakraments: „Sacramentali unctione infirmorum a sacerdote cum oratione peracta christifidelibus morbo gravi affecti cordeque contriti gratiam percipiunt, qua spe aeterni praemii roborati et a peccatis soluti ad emendationem vitae disponuntur et ad infirmitatem superandam patienterve sufferendam adiuvantur“ (c. 737 § 1 CCEO). 60
Vgl. dazu beispielsweise Gisbert Greshake, Krankensalbung. Systematisch-theologisch, in: LThK3 VI, Sp. 422 f. und Ilona Riedel-Spangenberger, Das Gewohnheitsrecht in der katholischen Kirche. Zur Spendung der Krankensalbung durch Diakone und Laien, in: TThZ 103 (1994), S. 188 – 201. 61
Siehe dazu Arturo Cattaneo, Die Institutionalisierung pastoraler Dienste der Laien. Kritische Bemerkungen zu gegenwärtigen Entwicklungen, in: AfkKR 165 (1996), S. 56 – 79, hier S. 65 – 67. Danach haben beispielsweise bis dato rund 32 % aller Laientheologen der Diözese Basel im Verlauf ihrer Tätigkeit eine „Krankensalbung“ vollzogen.
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ren; jedwede derartige Handlung stellt eine Simulation des Sakraments dar“62. Die Simulation fällt unter die Strafbestimmung des c. 1379 CIC (c. 1443 CCEO), nach der die Vortäuschung einer Sakramentenspendung mit einer gerechten Strafe belegt werden soll.63 Eine ausführliche Note der Kongregation für die Glaubenslehre aus dem Jahre 2005 hat schließlich erneut auf zahlreiche Anfragen reagiert und durch eine Darlegung der geschichtlichen Entwicklung der Lehre diese als „definitive tenenda“ beurteilt. In Konsequenz dazu heißt es: „Weder Diakone noch Laien dürfen deshalb den genannten Dienst ausüben, und jedes entgegengesetzte Handeln bedeutet eine Vortäuschung des Sakraments“64. Die exklusive Betonung des sacerdos (Bischof und Priester) als einzig gültiger Spender der Krankensalbung ist folglich nicht Gegenstand des veränderbaren ius mere ecclesiasticum; sie ist Ausdruck göttlichen Rechts und stützt sich vielmehr auf die dogmatisch unabdingbare Gegebenheit der sakramentalen Repräsentanz Christi als Haupt der Kirche durch den Priester. Der Priester macht Christus als den aufrichtenden Liturgen in Wort und Handlung auf sakramentale Weise gegenwärtig und ist als solcher weder durch den Diakon noch durch einen Laien ersetzbar. Zugleich handelt der Priester in persona Ecclesiae, indem er das Gebet der ganzen Kirche aufnimmt und zu seinem Gebet macht. Der Christgläubige hat folglich das Recht, in der Person des Priesters dem aufrichtenden Christus zu begegnen, wie umgekehrt der Erlöser das Recht besitzt, persönlich durch den Priester am Kranken zu wirken.
62
Kongregation für den Klerus u. a., „Ecclesiae de mysterio“ (Anm. 26), Art. 9, § 2.
63
Die Parallelnorm des c. 1443 CCEO geht weiter: „Qui Divinae Liturgiae vel aliorum sacramentorum celebrationem simulavit, congrua poena puniatur non exclusa excommunicatione maiore“. 64 Kongregation für die Glaubenslehre, Note bezüglich des Spenders des Sakraments der Krankensalbung v. 11. Februar 2005, abgedruckt in: OssRom (dt.) 35 (2005), Nr. 45, S. 8. Der geschichtliche Kommentar der Note nennt dabei folgende Etappen, welche die Lehre als „selbstverständliche Wahrheit“ offenbaren: Innozenz I., Brief an Bischof Decentius v. 19. März 416, in: Denz 216 – Aufnahme des Briefes in das Decretum Gratiani (D. 95 c. 3) – Einordnung eines Dekretale Alexanders III. in die Dekretalen Gregors IX. (X, 5, 40, 14) – Konzil von Florenz, Bulle „Exsultate Deo“ v. 22. November 1439, in: Denz 1325; dass., Doctrina de sacramento extremae unctionis, cap. 3, in: Denz 1697; dass., can. 4 de extrema unctione, in: Denz 1719 – Benedikt XIV., Apostolische Konstitution „Etsi pastoralis“ v. 26. Mai 1742, § 5, Nr. 3, in: Denz 2524; ders., Enzyklika „Ex quo primum“ v. 1. März 1756, in: www.intratext.com/y/ITA0244.HTM – c. 938 § 1 CIC/1917 – „Ordo unctionis infirmorum eorumque pastoralis curae“ v. 7. Dezember 1972, Editio typica, Typis Polyglottis Vaticanis 1972, hier Nr. 5.16 – 19 – c. 1003 § 1 CIC – c. 739 § 1 CCEO – KKK, Nr. 1516.
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Das Argument, dass jeder, der einen Kranken begleitet, ihm auch die Krankensalbung spenden dürfen soll, weist dagegen einen überwiegend soziologischen Charakter auf, der der christologisch-ekklesiologischen Dimension des Sakraments nicht gerecht wird. Die Krankensalbung ist nicht die Vervollkommnung einer persönlichen Beziehung, sondern das sakramentale Handeln Christi selbst in und durch die Person des Priesters. 65 Dies bezeichnet ein Wesenselement des Sakraments, das zugleich seine Authentizität als Sakrament der Krankensalbung begründet und das zu schützen und zu fördern Aufgabe des Apostolischen Stuhls ist. Fazit: Die Authentizität der Liturgie im Hinblick auf das Sakrament der Krankensalbung wird durch das Festhalten an der beständigen Lehre der Kirche gesichert, dass Christus im Priester als aufrichtender Liturge erfahrbar wird. IV. Systematisierung und Desiderate Der Blick in die einschlägigen Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls hat zweifelsohne die wachsende Sorge des obersten Gesetzgebers um die Authentizität der kirchlichen Liturgie offenkundig gemacht. Ihre Verwirklichung und ihre Wahrung verbinden sich insbesondere mit dem gemäß den einschlägigen Bestimmungen ausgeübten Dienst des Priesters bzw. der anderen geweihten Amtsträger, die auf diese Weise in ihrem Handeln Christus als den ersten Liturgen seiner Kirche vergegenwärtigen und das bedeutet, sichtbar, hörbar, erfahrbar machen. Darauf besitzt der Christgläubige ein Recht, auf dessen Wahrung und Schutz die liturgierechtlichen Bestimmungen zielen. Die Sorge des Apostolischen Stuhls um die Authentizität der Liturgie ist einerseits vom realistischen Blick auf Fehlentwicklungen geprägt; andererseits ist sie aber vielmehr bemüht, die rechtstheologischen Zusammenhänge der liturgischen Feiern für einen vertieften Zugang seitens der Christgläubigen zu verdeutlichen. So formuliert Johannes Paul II. hinsichtlich der Eucharistiefeier: „Ich verspüre deshalb die Pflicht, einen innigen Appell auszusprechen, dass die liturgischen Normen in der Eucharistiefeier mit großer Treue befolgt werden … Die Liturgie ist niemals Privatbesitz von irgend jemandem, weder vom Zelebranten noch von der Gemeinde, in der die Mysterien gefeiert werden … Der Priester, der die heilige Messe getreu nach den liturgischen Normen feiert, und die Gemeinde, die sich diesen Normen anpasst, bekunden schweigend und doch beredt ihre Liebe zur Kirche“ 66 .
65
Siehe Anton Ziegenaus, Die Frage nach dem Spender der Krankensalbung, oder: Die simulatio sacramenti, in: FKTh 12 (1996), S. 173 – 195. 66
Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (Anm. 3), Nr. 52.
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Die Wahrung der Authentizität der Liturgie durch die Beachtung ihrer notwendigen rechtlichen Normen ist somit Ausdruck der Treue gegenüber dem eigentlichen und primären Liturgen der Kirche: Christus. Sie weisen damit weit hinaus über rein pragmatisch-disziplinäre Bestimmungen in das Mysterium der Kirche, die als universales Heilssakrament im Dienst der Verherrlichung Gottes und der Heiligung des Menschen steht. Deshalb besitzt jeder Christgläubige – sei es der Laie oder der Kleriker – ein Recht auf diese authentische Liturgie der Kirche. Dieses Recht steht höher als jede Form individuell-liturgischer Kreativität, persönlicher Geschmacksrichtungen oder theologischer Ignoranz. Dem Christgläubigen kommt dadurch jedoch zugleich die gemäß seiner jeweiligen Berufung entsprechende Pflicht zu, durch die Treue zur liturgischen Ordnung ein Zeuge der Gegenwart des Erlösers zu sein, der als erster Liturge die Kirche im österlichen Erlösungsgeschehen versammelt und bestärkt. Um beiden – Recht und Pflicht – in der Verantwortung als Glied der Kirche Jesu Christi nachkommen zu können, bedarf es der Umsetzung einiger auf die Liturgie der Kirche bezogener Desiderate: • Es ist darauf zu achten, dass jedem Christgläubigen eine unmittelbare Kenntnis der einschlägigen Dokumente des Apostolischen Stuhls durch persönliches Studium möglich ist. Missbräuche gründen nicht selten in der Unkenntnis der damit verbundenen Zusammenhänge. • Ebenso ist die Beschäftigung mit den dazu gehörenden Quellentexten (II. Vatikanisches Konzil, Liturgische Bücher) zu fördern. • In Predigt und Katechese sind die notwendigen theologischen Grundlagen einzelner Dimensionen der kirchlichen Liturgie in beständiger Weise zu vermitteln. • Von den geistlichen Amtsträgern und allen anderen Trägern liturgischer Dienste sind verstärkt die Treue und der Gehorsam gegenüber den liturgischen Normen als sichtbarer Ausdruck ihres Dienstes an den Menschen einzufordern, der ihnen nicht aufgrund eigener Fähigkeit, sondern durch Bevollmächtigung bzw. durch Beauftragung zur getreuen Verwaltung übertragen ist. • Eine Notwendigkeit besteht zudem darin, in Predigt, Katechese und Vorträgen Möglichkeiten der geistlichen Durchdringung der liturgischen Feiern der Kirche zu schaffen und somit die inneren wesensgemäßen Zusammenhänge kirchlicher Liturgie zu durchdringen. • Das Bewusstsein für den Geschenkcharakter der Liturgie, der sich im Gemeinrecht aller Christgläubigen auf ihre Authentizität und Kirchlichkeit rechtlich verdichtet, ist zu fördern.
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• Gefordert ist schließlich eine Kunst der „Mystagogik“, die sich in würdevollen liturgischen Feiern gleichsam wie von selbst einen wirksamen Ausdruck verschafft. Die formulierten Desiderate eröffnen in ihrer fast interdisziplinären Komplementarität einen Blick auf das, was 40 Jahre nach der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils anstehen wird. Zusammen damit ist die Initiative von Papst Johannes Paul II. aufzugreifen: „Zu Beginn dieses Jahrtausends soll sich eine liturgische Spiritualität entwickeln, die Christus als ersten Liturgen ins Bewusstsein rückt, der nicht aufhört, in der Kirche und in der Welt kraft des ständig gefeierten Ostergeheimnisses zu handeln und sich mit der Kirche vereinigt, zur Ehre des Vaters in der Einheit mit dem Heiligen Geist“ 67 .
Eine „liturgische Spiritualität“ kann nur durch die Wahrung der Authentizität der Liturgie gewonnen werden, die mit Blick auf Christus als erstem Liturgen lebendig gehalten wird und für die die liturgierechtlichen Normen den unverzichtbaren Rahmen bieten. Sie mit einem wachen Blick für die liturgischen „Realitäten“ zugleich geschützt und gefördert zu haben, ist ein Verdienst von Papst Johannes Paul II., das für die Kirche von heute zu einem vorrangigen Auftrag wird. Denn daran entscheidet sich – so sagte es Kardinal Ratzinger – „das Geschick von Glaube und Kirche“ 68 .
67
Johannes Paul II., Spiritus et Sponsa (Anm. 2), Nr. 16. Dazu gehören u. a.: Vertiefung der Reichtümer und Möglichkeiten der liturgischen Bücher (ebd., Nr. 7), Volle Treue zur Heiligen Schrift, zur Tradition und zum Lehramt der Kirche (ebd., Nr. 7), Angemessene liturgische Ausbildung der geistlichen Amtsträger und der Gläubigen (ebd., Nr. 7), Liturgische Pastoral, die auf Hl. Schrift, Tradition und Lehramt beruht (ebd., Nr. 8), Bedeutung des Sonntags als Tag des Herrn (ebd., Nr. 9), Kunst des Gebetes: Sakramente, Sakramentalien, Volksfrömmigkeit (ebd., Nr. 10). 68
Joseph Kardinal Ratzinger, Ein neues Lied (Anm. 1), S. 9.
Das insigne Kollegiatstift Mattsee in seiner gegenwärtigen Rechtsgestalt Von Hans Paarhammer I. Allgemeine Hinführung zum Thema Im kirchlichen Gesetzbuch Codex Iuris Canonici aus dem Jahre 1983 handeln die Canones 503 – 510 unter der Überschrift „De Canonicorum Capitulis“ (Über die Kanonikerkapitel) sowohl von den Kathedralkapiteln (auch Domkapitel genannt) als auch zugleich von den Kollegiatkapiteln (auch gelegentlich als Kollgiatstifte bezeichnet).1 „Die Dom- und Stiftskapitel haben in der Kirche eine lange Tradition. Sie sind aus dem Klerus (Presbyterium) einer Bischofs(Stadt-)Kirche bzw. Landkirche hervorgegangen.“2 Von Anfang an waren solche „Stifte“3 Gemeinschaften von nach einer gemeinsamen Ordnung (canones, capitulum) lebenden Klerikern (deshalb als canonici oder auch capitulares bezeichnet), die aus den Früchten einer Vermögensmasse (Stiftung) ihren Lebensunterhalt bezogen und dafür bestimmte liturgische Aufgaben (Gebet und Gottesdienst) zu erfüllen hatten. Zur Ausgestaltung eines nach Statuten (Regel) geordneten Gemeinschaftslebens trug nachhaltig die berühmte Regel Bischof Chrodegangs von Metz bei, der im Jahre 755/56 für seinen Kathedralklerus
1 Die Bezeichnung „collegiale“ in c. 503 CIC ist unter rechtssprachlichlichen Gesichtspunkten nicht ganz richtig gewählt, weil es sich sowohl bei den Dom- als auch Stiftskapiteln um kollegiale juristische Personen handelt, deren rechtsgeschäftliches Handeln von kollegialen Akten bestimmt sein kann; deshalb wird in c. 115 § 3 CIC ausdrücklich gesagt: „Universitas personarum, quae quidem nonnisi ex tribus saltem personis constitui potest, est collegialis, si eius actionem determinant membra, in decisionibus ferendis concurrentia, sive aequali iure sive non, ad normam iuris et statutorum; secus est non collegialis“. 2
Richard Puza, Die Dom- und Stiftskapitel. In: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hg. v. Joseph Listl / Heribert Schmitz, Regensburg 21999, 475. 3 Näheres dazu bei Hans Jürgen Becker, Stift, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), 4. Bd., Berlin 1990, 1976.
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eine Gemeinschaftsordnung gegeben hatte. 4 Diese Regel wurde in karolingischer Zeit prägend für zahlreiche Klerikergemeinschaften im Dienste der Seelsorge. In den Königskapitularien und auf bedeutsamen Synoden wurde daran angeknüpft und weiter gearbeitet. Bedeutsam wurde die Synode von Aachen 816, auf der eine Scheidung zwischen Ordensgemeinschaften und Weltklerikerkommunitäten intendiert und initiiert wurde. 5 Diese Aachener Regel, welche zwar unter dem Einfluss der Chrodegangschen Weisungen konzipiert war, aber nicht allgemein als Übernahme der Regel Chrodegangs gesehen werden darf, machte den genossenschaftlichen Zusammenschluss der Kleriker im ganzen Frankenreich zur Pflicht und führte zu einem neuen Typ von Klerikergemeinschaften an historisch bedeutsamen Orten. Im Einzelnen regelte diese „Institutio Aquisgranensis“ das nach den kirchlichen Tages- und Jahreszeiten ausgerichtete Gemeinschaftsleben, welches sich innerhalb eines „claustrum“ (Kloster) abspielte und sich unter Leitung eines Propstes (praepositus) als Vorsteher befand. Für verschiedene Aufgaben und Dienste innerhalb der Gemeinschaft wurden im Laufe der Zeit unter dem kanonischen Prinzip von „necessitas“ und „utilitas“ Ämter geschaffen, die sich mehr und mehr etablierten und Vorbildfunktion für weitere neu entstehende „ecclesiae collegiatae“ erlangten. Mit dem Aufkommen des Benefizialsystems löste sich allmählich die massa communis auf in einzelne Teile, sogenannte Präbenden. 6 Zur Ausbildung des Kollegiatstiftsvermögens trugen vor allem die vielen Schenkungen und Vermächtnisse der Gläubigen bei, die gerne unter der Bezeichnung „Seelgerät“ an bestimmte Kirchen gemacht wurden. 7 Eine ganz große Rolle spielten dabei auch sogenannte „traditiones“. Darunter verstand man „in den Urkunden zunächst allge4
Hans-Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte. Die katholische Kirche. Köln / Graz 1964, 197. Dazu ausführlich auch Hans Paarhammer, Das Kollegiatstift Seekirchen. Eine Institution bischöflichen Rechts im Dienste der Gemeindeseelsorge. Thaur/Tirol 1982, 9 f. 5
Guy P. Marchal, Die Dom- und Kollegiatstifte der Schweiz. In: Helvetia Sacra, hg. v. Albert Bruckner, Abt. II/2, Die weltlichen Kollegiatstifte der deutsch- und französischsprachigen Schweiz. Bern 1977, 32. 6
Der Terminus „Präbende“ besagte zunächst die tägliche Zuteilung der zum Lebensunterhalt notwendigen Mittel durch den Bischof an einen Kanoniker; nach der Ausgliederung des Kapitelsgutes bedeutete Präbende den jedem Kanoniker zufallenden Anteil an Vermögen und Einkommen. Vgl. Rudolf Motzenbäcker, Präbende, in: LThK VIII, Freiburg i. B. 21963 ff., 658. 7
Unter „Seelgerät“ verstand man den auf den germanischen Totenteil zurückgehenden Freiteil, über welchen ein Erblasser zum eigenen Seelenheil verfügen konnte. Siehe Hans Planitz, Deutsche Rechtsgeschichte, Graz / Köln 1971, 107. – Besonders aufschlussreich Christian Greinz, Zur Geschichte des Seelenrechtes oder „Pönfalles“, in: ThpQu 56, Linz 1905, 296 – 304.
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mein die Bezeichnung für eine Übergabe (einer Sache oder einer Person), dann im besonderen die Einigung über den Eigentumsübergang an einem Grundstück“. 8 In so genannten „Traditionsbüchern“ liegen bei vielen Stiften Bayerns und Österreichs Sammelbände von Abschriften solcher Grunderwerbsgeschäfte in den Archiven und belegen für bestimmte Zeiten einen regen rechtsgeschäftlichen Verkehr über Grund und Boden, aber auch über Personen und ganze Familien. 9 Von den Seelgerätstiftungen und den Traditionen her wird in der Gegenwart verständlich, warum Stifte und Klöster oft so reich mit Grund und Boden sowie mit Leuten ausgestattet waren. Es war – modern gesprochen – eine Form der Sozialversicherung, sich mit Hab und Gut an eine Kirche oder einen Altar zu übergeben. „Traditionsbücher sind vor allem von kirchlichen Einrichtungen, insbesondere Klöstern und Stiften, angelegt worden zur Rechtsund Besitzstandssicherung; sie überliefern aus schriftarmer Zeit den weitaus überwiegenden Teil des heute bekannten Urkundenmaterials.“ 10 II. Rechtshistorische Reminiszenzen Die Anfänge des Klosters Mattsee lassen sich nicht ganz genau datieren. Lange Zeit hielt man an der Gründung eines Benediktinerklosters parallel zu Kremsmünster im Jahre 777 durch Herzog Tassilo III. fest. 11 „Das Fehlen genauerer Angaben zur Gründung des Klosters Mattsee hängt eng mit dem Schicksal Herzog Tassilos III., des letzten bayerischen Herrschers aus der Dynastie der Agilolfinger, zusammen. Der Herzog, der sich zeitweise von der Oberhoheit des Frankenreiches gelöst hatte und eine königsgleiche Herrschaft führte, wurde 787 von seinem Vetter Karl dem Großen besiegt und 788 in einem Schauprozess in der königlichen Pfalz Ingelheim am Rhein abgesetzt. Zunächst zum Tode
8
Dieter Werkmüller, Traditio, in: HRG, Bd. 5, Berlin 1998, 296 f.
9
Für Salzburg ist besonders bedeutsam und kostbar das „Salzburger Urkundenbuch“, I. Bd., Traditionscodices, gesammelt und bearbeitet von Willibald Hauthaler (hg. v. d. Gesellschaft für Landeskunde. Salzburg 1898), in welchem u. a. auch die „Traditionen von Mattsee“, 871-891, abgedruckt sind. 10 Dieter Hägermann, Traditionsbücher, in: Lexikon des Mittelalters, 8.Bd., München 1997, 929 f. 11
Siehe dazu ausführlich Wilhelm Erben (Hg.), Quellen zur Geschichte des Stiftes und der Herrschaft Mattsee. In: Fontes Rerum Austriacarum. II. Abt. Diplomataria et Acta. 49 Bd., Wien 1896, 63 f.; vgl. dazu auch Matthias Kaserer, Das weltpriesterliche Kollegiatstift Mattsee. Eine Denkschrift zur elfhundertjährigen Säkular-Feier im Jahre 1877. Salzburg 1877, 7. Ebenso Hans Spatzenegger, Zur 1200jährigen Geschichte des Stiftes Mattsee. In: 777 Mattsee 1977, Festschrift zur 1200-Jahr-Feier des Stiftes Mattsee. Salzburg 1977, 13 ff.
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verurteilt wurde er zu lebenslanger Klosterhaft begnadigt, in St. Goar zum Mönch geschoren und für seine letzten Lebensjahre in den Klöstern Lumièges und Lorsch inhaftiert. Während das Todesjahr Tassilos nicht bekannt ist und Lorsch erst als Sterbeort in einer späteren Tradition erscheint, ist der 11. Dezember als Todestag in den Necrologien bayerischer Klöster wie Frauenchiemsee, Tegernsee und Weltenburg aber auch in Kremsmünster und Mattsee verzeichnet.“ 12
Aufgrund neuerer Forschungsergebnisse wird angenommen, dass die Gründung des Klosters Mattsee schon vor 770 erfolgt sein muss; womit die Abtei zu den ersten Klostergründungen des letzten Herrschers aus dem Geschlechte der Agilolfinger zu zählen hat. 13 Dass Mattsee von Tassilo gestiftet wurde, ist in der Haustradition belegt und damit unbestreitbar. Da genauere Nachrichten über die Heimsuchungen des Klosters Mattsee durch die Ungarneinfälle fehlen, ist eine genaue Festlegung des Datums der Übergabe des Klosters in den Besitz des Passauer Bischofs nicht möglich. Es kann durchaus sein, dass schon um das Jahr 1000 eine Gemeinschaft von Weltklerikern bestanden hat oder dass der Bischof von Passau Mattsee als „Eigenkloster“ fest in seinen Händen hielt. „Ein genauer Zeitpunkt, zu dem Mattsee in ein weltliches Kollegiatstift umgewandelt wurde, ist nicht bekannt. Da unter Bischof Egilbert von Passau (1045-1065) ein Engelschalk genannt wird, ‚der damals der Kirche und den Brüdern vorstand‘, also Propst oder Dechant von Mattsee war, muss die Einrichtung als Kollegiatstift vorher erfolgt sein. Sie ist wahrscheinlich unter Bischof Berengar (1013-1045), vielleicht auch erst unter Bischof Egilbert anzusetzen. Dass in den Diplomen Kaiser Heinrichs III. 1052 und König Heinrichs IV. 1063 Mattsee noch als Abtei bezeichnet wird, spricht nicht dagegen, weil diese Partien des Urkundentextes wörtlich dem Diplom Kaiser Ottos III. aus dem Jahre 993 entnommen sind. Die Umwandlung von Mönchsklöstern in Kollegiatstifte, an denen Kanoniker als Weltgeistliche in eher lockerer Form zusammen lebten, über eigenes Vermögen, später auch über eigene Häuser verfügten und sich vor allem der Seelsorge widmeten, war damals durchaus üblich. Die Mehrzahl der von Herzog Tassilo selbst oder in seiner Regierungszeit gegründeten Klöster wie Schäftlarn, Schlehdorf, Polling, Chiemsee, Gars und Au am Inn erlebten eine Phase als Kollegiatstifte und wurden dann den Augustiner Chorherren zur Reform übergeben, Innichen, Schliersee und Mattsee hingegen blieben Kollegiatstifte.“ 14
Seit dieser Zeit hat Mattsee bis in die Gegenwart die Bedeutung eines seelsorglichen Zentrums an der Grenze des Bistums Passau (später dann seit Kaiser Josef II. des Bistums Linz) bewahrt. Das Kollegiatstift Mattsee kann für sich in
12
Heinz Dopsch, Die Anfänge des Klosters Mattsee. In: Mattsee Chronik. Mattsee 2005, 150. 13 14
Ebd., 151.
Ebd., 155. – Vgl. dazu auch Spatzenegger, Zur 1200 jährigen Geschichte des Stiftes Mattsee (Anm. 11), 18.
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Anspruch nehmen, das älteste noch bestehende Kollegiatstift in Österreich auf der Grundlage des kanonischen Rechtes zu sein. Seine derzeitige Rechtsgestalt ist in partikularrechtlicher Hinsicht eine Besonderheit im weiten Ambiente universalrechtlicher Rechtskultur. Die rechtsgeschichtliche Entwicklung von Mattsee ist seit der Umwandlung des ehemaligen Benediktinerklosters in ein weltpriesterliches Kollegiatstift nachhaltig geprägt von der Konzentrierung auf eine Priestergemeinschaft im Dienste der Seelsorge sowie auch auf eine gewisse vita communis von Geistlichen im Ruhestand, wenigstens hinsichtlich des Chorgebetes. Zudem machte die exponierte Lage des Kollegiatstiftes den Ort Mattsee „zu einem wichtigen Brückenkopf der Passauer Kirche, deren Bistumsgrenze sich in dieser Gegend bis wenige Kilometer vor die Metropole des mächtigen Salzburger Erzbischofs erstreckte.“ 15 Vom 12. bis zum 16. Jahrhundert bildete Mattsee ein Archidiakonat im westlichen Offizialat des Bistums Passau und stand als solches in fester Abhängigkeit vom Passauer Domkapitel, dem in der Regel die Archidiakone entstammten. 16 Während der Propst des Stiftes meist in Passau weilte und nur zu besonderen Anlässen nach Mattsee kam, lag die eigentliche Leitung des Kanonikerkollegiums in den Händen des Stiftsdechanten. Eine wirtschaftliche Sicherung des Kollegiatstiftes brachte eine auf einer Passauer Diözesansynode am 6. Februar 1143 ausgestellte Urkunde, in welcher Bischof Reginbert von Passau der Mattseer Kirche gestattete, von den Pfarren und Vikariaten Vöcklamarkt, Pöndorf, Straßwalchen, Lochen, Mattsee, Munderfing, Schalchen, Pischelsdorf, Feldkirchen, Eggelsberg, Kirchberg und (Ober-)Trum einen Personalzehent einzuheben. 17 Mit dieser Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen wurde die Seelsorgetätigkeit der Stiftskanoniker bzw. der von ihnen in diesen Orten angestellten Plebane und Kuraten noch fester an Mattsee gebunden. Kriegerische Ereignisse und Zerstörungen durch Brände setzten dem Kollegiatstift, vor allem dem Gotteshause und den Kanonikerwohnungen zu Beginn des 14. Jahrhunderts stark zu. Einzelne noch erhaltene Teile von früheren Statuten haben hauptsächlich Fragen und Probleme der Administration des Stif-
15
Johannes Lang, Das Kollegiatstift Mattsee. In: Mattsee Chronik. Mattsee 2005, 158.
16
Vgl. dazu Rudolf Zinnhobler, Die Passauer Bistumsmatrikeln. Das Archidiakonat Mattsee. II. Bd., München 1972, 55 ff. – Zur Geschichte des Passauer Domkapitels allgemein Josef Oswald, Das alte Passauer Domkapitel. München 1933. 17 Erben, Quellen zur Geschichte des Stiftes und der Herrschaft Mattsee (Anm. 11), 101, Nr. 4.
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tungsvermögens zum Gegenstand und offenbaren das Bemühen, zu einer Vermehrung und Sicherung des Besitzstandes zu kommen. Auch die Wahl des Kellermeisters und die Festlegung seiner Befugnisse und Verantwortungsbereiche wurde geregelt. So musste dieser regelmäßig zu den Weingütern in Mautern (unweit der Benediktinerabtei Göttweig) reisen und von dort „trinkbaren“ Wein in das Kollegiatstift Mattsee mitbringen. 18 Ein umfangreiches Statut ist aus dem Jahre 1321 erhalten, das von seinen Normen und Formulierungen her auf eine Vielzahl von disziplinären Problemen im Stifte schließen lässt. 19 Das Kanonikerkollegium setzte sich damals aus einem Propst und 12 Kanonikern zusammen. Es zeigte sich dabei schon deutlich die Herausbildung von vier Dignitäten: Propst, Dechant, Kustos und Scholasticus; ihre Rechte und Pflichten wurden in den folgenden Jahren immer wieder näher umschrieben, ergänzt und weiterentwickelt, wobei es immer davon abhing, welche Persönlichkeit gerade ein Amt bekleidete. Einer der großen Namen im 14. Jahrhundert lautet: Dechant Christian Gold. 20 Unter ihm kam es zu einem großen wirtschaftlichen Aufschwung. In seiner Amtszeit kamen mindestens 24 Güter an das Stift, allerdings weniger durch Schenkung als vielmehr durch Kauf. „Neben diesem materiellen Aufschwung, der in seinen guten Beziehungen zu Passau, Salzburg und den umwohnenden Geschlechtern mit begründet war, führte Gold in gleicher Weise eine geistige Blüte Mattsees herauf.“ 21 Stiftsdechant Gold „kann auch als Urheber, wenn nicht gar als Verfasser jener Quellenwerke des 14. Jahrhunderts angesehen werden, die in ihrer Bedeutung teilweise sogar über den engeren Bereich der Stiftsgeschichte hinausgehen, aber jedenfalls für Mattsee unverzichtbare Quellen darstellen.“ 22 Schwere Zeiten für das Stift brachen in den Jahren der sich ausbreitenden Reformation und der Bauernkriege herein. Die im Stiftsarchiv aufbewahrten 18
Spatzenegger, Zur 1200 jährigen Geschichte des Stiftes Mattsee (Anm. 11), 22.
19
Zu finden bei Dr. Ignaz Thanner, Geschichte des Stiftes Mattsee (Manuskript), 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, 3 Bände gebunden, sowie zwei Mappen mit handschriftlichen Aufzeichnungen, Tabellen und Zusammenstellungen von Übersichten. Universitätsbibliothek Salzburg unter der Signatur M III 55/1-5. Der Stiftskanoniker von Mattsee und Professor am Theologischen Lyceum in Salzburg teilt die von ihm handschriftlich vorgelegte Geschichte von Mattsee von den Anfängen bis zum Jahre 1840 (Reorganisation) in neun Perioden ein, wobei er im 5. Band (Mappe mit zahlreichen Übersichten und Tabellen) „Spezialtabellen“ der verschiedenen Perioden vorlegt. Er überschreibt sein Sammelwerk: „Geschichte des Stiftes Mattsee von dem Stiftssenior Dr. Ignaz Thanner, geistlicher Rath und Studiendirektor.“ 20
Spatzenegger, Zur 1200 jährigen Geschichte des Stiftes Mattsee (Anm. 11), 23.
21
Ebd., 23.
22
Ebd., 23.
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Notlbücher bestätigen einen ziemlich wechselvollen Verlauf von Vorgängen im Stift, von zahlreichen Resignationen von Kanonikern und einem Verfall der Kapiteldisziplin. Im Jahre 1357 waren nach mehrfacher Verpfändung durch die Passauer Bischöfe die Herrschaft und das Schloss Mattsee an Salzburg verkauft worden, das Stift mit den ihm zugehörenden Gütern sowie die beiden Kirchen verblieben allerdings unter der Passauer Jurisdiktion. Eine neue Blütezeit für das Kollegiatstift Mattsee brach in der zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts an. Unter dem Stiftsdechant Johann Sebastian Wisinger (1680 – 1713) wurden neue Statuten verfasst und beschlossen, um auf diese Weise einer gedeihlichen Weiterentwicklung der seelsorglichen und wirtschaftlichen Seite gangbare Wege zu bereiten. 23 Alle Bereiche des geistlichen und ökonomischen Lebens sollten neue Impulse und Aufschwünge erfahren. Für die Übernahme eines Kanonikates wurde neben einem einwandfreien „decorum clericale“ auch eine gediegene wissenschaftliche Bildung eingefordert; dabei wurde das „Bewandertseyn im Choral- und Figuralgesang“ eigens einer Prüfung unterzogen. Die Beobachtung der Residenzpflicht wurde eingeschärft und auf die inkorporierten Pfarren und ihre Seelsorger ein strenges Augenmerk gelenkt; dies führte nicht selten zu Spannungen zwischen den Pfarrern und der Obrigkeit im Stift; immer wieder kam es auch zu kirchlichen Prozessen und kanonischen Disziplinarmaßnahmen. 24 Die Zuweisung des Innviertels an Österreich im Jahre 1779 und die Errichtung des Bistums Linz 1785 durch Kaiser Josef II. brachten für das Kollegiatstift Mattsee eine ganz neue Situation hinsichtlich der in diesem Gebiet gelegenen Stiftspfarren und Besitzungen. Mit der Säkularisation und den Auswirkungen der Franzosenkriege kamen folgenschwere Umbrüche auf das altehrwürdige Kollegiatstift Mattsee zu. „Am 7. Dezember 1807 endete die jahrhundertelange Zugehörigkeit zur Passauer Diözese zugunsten Salzburgs.“ 25 Die Unterstellung des Kollegiatstiftes unter die königlich bayerische Finanzdirektion führte infolge der zu tragenden Kriegslasten und Kontributionen zu schweren Verlusten an Stiftskapitalien. Mangelhafte Administration der Temporalien, Kapitalverluste infolge der ständig wechselnden politischen Zugehörigkeit, drückende Patronatsverpflichtungen mit der damit verbundenen Baulast in den Stiftspfarren brachten schließlich die totale Verarmung des einst so reich dotierten Stiftes. 26
23
Konsistorialarchiv Salzburg (KAS) 5/1 Mattsee – Statuten.
24
Spatzenegger, Zur 1200 jährigen Geschichte des Stiftes Mattsee (Anm.11), 28 f.
25
Ebd., 31.
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Ebd., 31.
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Hätte das Stift in dem Domizellar und ab 1813 installierten Kanonikus Ignaz Thanner nicht einen so eifrigen Verfechter für den Weiterbestand gefunden, wäre ihm in der Zeit der „Oberadministration“ der Untergang sicher gewesen und eine Wiederherstellung nicht mehr in Aussicht gestellt worden. Ab 1815 war man bestrebt, wieder regelmäßig Kapitelsitzungen abzuhalten und das geistliche Leben im Kanonikerkollegium zu reaktivieren. Mit kaiserlichem Dekret vom 13. Oktober 1840 (Zahl 31 181) wurde das Stift in seiner früheren Verfassung wiederhergestellt. 27 Der Wunsch des Stiftsdechanten Dr. Josef Halter nach neuen Statuten wurde seitens des fürsterzbischöflichen Konsistoriums positiv zur Kenntnis genommen und das Stiftskapitel aufgefordert, sich im Sinne des kanonischen Rechts neue Statuten unter Beachtung der früheren Stiftsverhältnisse zu geben. 1850 kam es zur Bestätigung der neuen Statuten durch Fürsterzbischof Maximilian von Tarnoczy. 28 Unter der tatkräftigen Leitung von Propst Dr. Josef Halter erlangte das Kollegiatstift Mattsee sehr rasch ein hohes Ansehen. Kirchenrechtlich wurden ihm Platz und Präzedenz unmittelbar nach dem Salzburger Domkapitel eingeräumt. Fürsterzbischof Maximilian Joseph von Tarnoczy erwirkte dem Stiftspropst das Recht zum Tragen von Ring und Brustkreuz sowie den Kanonikern das Tragen einer violetten Mozetta. Mit Zustimmung von Kaiser Franz Joseph wurde 1869 die Präbende des Stiftspropstes aufgehoben und unter Beibehaltung des Titels das Amt des Stiftspropstes mit der Funktion des Stiftsdechanten vereinigt. 1877 wurde die Elfhundertjahrfeier des Stiftes in einem festlichen Triduum begangen, an welchem auch Fürsterzbischof Franz Albert Eder OSB sowie die Äbte von St. Peter in Salzburg, Kremsmünster und Michaelbeuern teilnahmen. Mit apostolischem Breve vom 6. Mai 1881 verlieh Papst Leo XIII. dem Kollegiatstift Mattsee den Ehrentitel „Collegiata insignis“. 29 Am 14. Juni 1887 verlieh Papst Leo XIII. dem Stiftspropst Joseph Dum das Recht auf den Gebrauch der Pontifikalien. Im Zuge der Rezeption des zu Pfingsten 1917 von Papst Benedikt XV. promulgierten und mit Pfingsten 1918 in Kraft gesetzten neuen kirchlichen Gesetzbuches Codex Iuris Canonici waren die Kapitularkanoniker von Mattsee 27
KAS 5/1. Statuten von 1924.
28
KAS 5/1. Statuten von 1859.
29
KAS 5/1 Mattsee, Statuten von 1924, 7, Caput II.: „Iura et privilegia capituli Collegiatae Matticensis“. Hier heißt es unter Nr. 5: „Ecclesia Collegiata inter antiquissimas et insignes numeratur ex privilegio Leonis PP. XIII. de die 6. Maji 1881. Ideoque capitulum Matticense iure et merito primum post ecclesiam Metropolitanam locum honoris obtinet.
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gemäß der ihnen kraft kirchlichen Gesetzes zustehenden Autonomie gehalten, eigene Statuten zu erarbeiten und diese dem Salzburger Fürsterzbischof zur Bestätigung vorzulegen. Am 10. Juni 1924 approbierte Fürsterzbischof Dr. Ignatius Rieder das umfangreiche Statut, gemäß welchem die 12 Stiftsmitglieder (Kanoniker) das Recht haben, Propst und Kanoniker, auch Ehrenkanoniker, in freier Wahl zu bestellen, sich eigene Kapitelsatzungen zu geben, ein eigenes Kapitelsiegel zu führen, die zeitlichen Güter des Stiftes (Temporalien) zu verwalten und sich bestimmter genannter Privilegien zu erfreuen. 30 Diese „Statuta Ecclesiae Collegiatae insignis ad Sanctum Michaelem Archangelum in Mattsee. 1924“ sind in lateinischer Sprache abgefasst, in 12 Kapitel gegliedert und eigenhändig vom Propst und sechs Kapitularkanonikern unterschrieben. Angeschlossen ist die „Approbatio Statutorum“ durch Fürsterzbischof Dr. Ignatius Rieder. Einleitend wird nach der Formel „In nomine Sanctissimae et Individuae Trinitatis: Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen!“ betont, dass im Hinblick auf die neue universalkirchliche Gesetzeslage auf ausdrückliche Weisung des Fürsterzbischofs eine Akkomodation der Statuten des insignen Kollegiatkapitels zu Mattsee notwendig geworden ist und diese nunmehr öffentlich vorgelegt werden und zur treuen und unverletzlichen Beobachtung für alle gegenwärtigen und künftigen Mitglieder des Kapitels bestimmt sind. Im 1. Kapitel wird ein rechtsgeschichtlicher Rückblick gegeben in Erinnerung an den Fundator Tassilo III., welcher im Jahre 777 zu Ehren des hl. Erzengels Michael am Mattsee eine Kirche mit einem Kloster gegründet habe. Weiters wird die dankbare Erinnerung an König Ludwig hochgehalten, der im Jahre 860 mit einer Schenkung von zwanzig Huben in Pannonien dem Kloster zu einem bedeutenden Vermögenszuwachs verholfen habe. Die wichtigsten Stationen der Stiftsgeschichte werden in kurzen Hinweisen bis in das beginnende 20. Jahrhundert herauf angesprochen. Im Caput II. geht es um die Rechte und Privilegien des Kollegiatkapitels zu Mattsee, wobei die Stellung des Propstes, das freie Wahlrecht des Kapitels und insbesondere die Statutenautonomie verankert werden. Ehrentitel der Collegiata und die Kanonikertracht finden ebenso Erwähnung. Unter der Überschrift „De Canonicis capitularibus“ wird die Zahl der Kapitularkanoniker auf zwölf festgelegt, von denen fünf eine Kanonikalpräbende erhalten und als „residierende Kanoniker“ bezeichnet werden, während die anderen sieben Kanoniker ohne Präbende als „externe Kanoniker“ zu gelten haben. Die Wahl neuer Kapitularkanoniker erfolgt gemäß den Bestimmungen 30
KAS 5/1 Statuten von 1924.
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des CIC und hat immer zum Vorteil, zur Ehre und Wohlergehen der Collegiata zu geschehen. Solange ein Kanonikat besetzt ist, kann es nicht vergeben werden. Weiters werden in diesem Caput der Modus der Installierung des Propstes und der Kanoniker behandelt und der Umfang der Aufgaben und Dienste des Kustos, des Kapitelökonoms, des Kapitelsekretärs, des Kuratkanonikers in der Pfarre Mattsee sowie des Bußkanonikers genau umschrieben. Auch wird an das Amt eines Canonicus theologus gedacht. Es kann auch „Canonici iubilati“ (Jubelkanoniker) geben, wenn diese seit vier Jahrzehnten ihren Chordienst löblich erfüllt haben. Bis zu vier Ehrenkanoniker können dem Erzbischof von Salzburg zur Ernennung vorgeschlagen werden. Diese Ehrenkanoniker dürfen die Mattseer Kanonikertracht tragen, besitzen aber sonst keine Mitwirkungsrechte im Kapitel. Das 5. Kapitel handelt über die Residenzpflicht und den Chordienst der Kapitularkanoniker. Im 6. Kapitel geht es um die Einkünfte und Präbenden der Stiftskanoniker. Im Caput VII. werden die Kapitelsitzungen bzw. Kapitelzusammenkünfte näher normiert, wann diese zu geschehen haben, von wem sie einzuberufen und zu leiten sind. Bei den ordentlichen wie außerordentlichen „Congregationes“ muss es immer um das allgemeine Wohl des Kollegiatstiftes gehen. Das 8. Kapitel hat den Amtsverzicht und den Tod eines Propstes und der Kapitularkanoniker zum Gegenstand. Im Kapitel 9 werden die Rechte und Pflichten der Pfarrer in den inkorporierten und Patronats-Pfarreien umschrieben. Kapitel 10 handelt über die Ämter und Dienste für die Kollegiatkirche, welche Idoneität die Kanoniker bei der Übernahme besitzen müssen und welchen Pflichtenkreis sie wahrzunehmen haben. Schließlich werden im 11. Kapitel noch Strafbestimmungen formuliert für pflichtvergessene, ungehorsame und unbotmäßige Kanoniker. Kapitel 12 trägt die Überschrift: „Epilogus“ und schildert den Werdegang und die Umstände, wie es zu diesem Statutenwerk gekommen ist. Ausdrücklich behalten sich Propst und Kanoniker vor, die Statuten jederzeit ändern zu können und zu dürfen, sollten die Zeitumstände oder andere drückende Probleme eine Ergänzung oder Änderung zwingend verlangen; freilich habe dies alles im Einklang mit den Gesetzen der heiligen Römischen Kirche zu geschehen. Mit der feierlichen Erklärung: „In quorum fidem haec statuta approbamus, ratificamus, nostra manu propria subsignamus et sigillo Capituli nostri firmamus. Actum capitulariter in Mattsee, prout
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supra die 22. mensis Maji, anno a Nativitate Domini nostri Jesu Christi millesimo nongentesimo vigesimo quarto.“
beschließen und unterzeichnen die Kapitularkanoniker ihr akribisch und sorgfältig erarbeitetes „opus statutorum“. Am 10. Juni 1924 wurde es vom Salzburger Fürsterzbischof mit Unterschrift und Siegel bestätigt. Die Notzeit nach dem ersten Weltkrieg und die menschenverachtende Unterdrückung durch die Nationalsozialisten setzten dem Kollegiatstift arg zu. Es war sogar gegen Ende des II. Weltkrieges noch beabsichtigt, das Stift gänzlich aufzuheben. Zwei Priester wurden in ein Konzentrationslager verschleppt, Kanonikus Leonhard Steinwender nach Buchenwald, wo er einen schweren Leidesweg gehen musste, 31 und Kooperator Josef Sumereder nach Dachau, wo er gewaltsam zu Tode kam. Das Propsteigebäude wurde von den Machthabern beschlagnahmt. „Mit der Wahl Norbert Unfrieds und unter dem Stiftsverwalter August Müller gelang eine zügige Konsolidierung der wirtschaftlichen, pfarrlichen und spirituellen Verhältnisse.“ 32 Mit dem Neubau des Kapitelhauses und der Sanierung des Zellhofes sowie mit der Renovierung des Propsteigebäudes und der Stiftskirche wurden Meilensteine für eine eindrucksvolle neue Lebensphase der alten „Collegiata Maticensis“ gesetzt. Wenngleich auch die wenigen noch bestehenden Patronatsrechte und Inkorporationen abgelöst oder aufgehoben wurden, gelangte das Stift in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu neuer Blüte und hohen Ansehen. III. Die gegenwärtige Rechtsgestalt des insignen Kollegiatstiftes Mattsee Das II. Vatikanische Konzil (1962 – 1965) schenkte den Stiftskapiteln praktisch überhaupt keine Aufmerksamkeit. Im Dekret „Christus Dominus“ über die Hirtenaufgabe der Bischöfe wurde im Hinblick auf die Domkapitel in Art. 27 knapp und nur beiläufig gesagt: „Die Domkapitel sollen, soweit es nötig ist, eine den heutigen Erfordernissen angepasste neue Ordnung erhalten.“ Im Zuge der Rezeption des neuen kirchlichen Gesetzbuches wurde auch für die Kollegiatstifte eine Adaptierung der Statuten an die Vorgaben des geltenden Kirchenrechts notwendig. Die Kapitularkanoniker von Mattsee unter ihrem damaligen Propst Konsistorialrat Karl Gebetsberger gingen behutsam und sensibel für die Werte ihrer Stiftstradition und unter Bedachtnahme auf die gegebene seelsorgliche 31
Siehe dazu sein ergreifendes Buch „Christus im Konzentrationslager: Wege der Gnade und des Opfers.“ Salzburg 1946. 32
Lang, Das Kollegiatstift Mattsee (Anm. 15), 166.
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Situation daran, ihre Statuten aus dem Jahre 1924 sorgfältig zu überdenken und ein neues Statut „capitulariter“ unter Beiziehung eines Kanonisten zu erarbeiten. Anlässlich des Michaelikapitels 1986 haben sie in einer feierlichen lateinischen Urkunde ihren einstimmig gefassten Kapitelbeschluss unterzeichnet und besiegelt, sich ein neues Statut gegeben zu haben. 33 Am 30. November 1986 war es schließlich so weit, dass Erzbischof Dr. Karl Berg die ihm vorgelegten Statuten bestätigte. 34
33
Im Wortlaut: CAPITULUM COLLEGIALE ECCLESIAE COLLEGIATAE INSIGNIS in Mattsee. Actum in Capitulo die 30. m. septembris 1986. Congregatis omnibus Canonicis Capitularibus Ecclesiae Collegiatae insignis Maticensis in Aula Capitulari tamquam in solito adunantiae loco post diligentem totius materiae inspectionem, discussionem et deliberationem CHRISTI NOMINE INVOCATO unanimiter consentientes decernimus, declaramus, statuimus et ordinamus, ut haec statuta per legitimum actum capitularem rite condita, ab omnibus ad quos pertinet personis Ecclesiae Collegiatae ad unguem observentur et adimplentur. Quae statuta ne immutentur neve abrogentur, nisi approbante Archiepiscopo Salisburgensi. Nos igitur Praepositus totumque Capitulum pro nostra nostrorumque successorum parte nos obligantes declaramus, haec statuta Capitularia vim legis habere et contravenientium conscientias onerare. Quae omnia sollemniter firmata, approbata et ratificata habere volumus, reservata tamen nobis et successoribus nostris facultate et auctoritate, omnia in praesenti declaratione vel dispositione contenta melius, quatenus opus sit, specificandi, declarandi et exsequendi omnibus iuris et facti remediis necessariis et opportunis et non aliter. Haec Capituli statuta, salvis fundationis legibus, ipsam Capituli constitutione et numerum Canonicorum determinant; definiunt quaenam a Capitulo et a singulis Canonicis ad cultum divinum necnon ad ministerium pastorale persolvendum sint peragenda; decernunt conventus in quibus Capituli negotia agantur atque condiciones statuant ad validitatem liceitatemque negotiorum requisitas. In quorum fidem has ordinationes et constitutiones a nobis approbatas et ratificatas nostra omnium manu subscribimus, subsignamus et maiori Capituli sigillo firmamus. Datum Mattsee in Aula Capitulari anno millesimo nongentesimo octogesimo sexto, die 30 m. septembris. Karl Gebetsberger, Stiftspropst; Gottfried Schwarzenbacher, Josef Hintersteininger, Franz Wesenauer, Simon Dietmann, Josef Eisl, Dr. Franz Calliari, Johann Strasser, Karl Kalchgruber, Vinzenz Baldemair, Rudolf Weinberger, Martin Walchhofer . Kapitularkanoniker. 34 Diese Statuten sind abgedruckt im Verordnungsblatt der Erzdiözese Salzburg, 70. Bd., Salzburg 1987, 20 – 27. – Siehe dazu auch die verdienstvolle Sammlung von Johann Hirnsperger, Statuten der österreichischen Domkapitel. Subsidia ad ius canoni-
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In einer Präambel werden die rechtshistorisch wichtigsten Momente und Stationen dieser für die Teilkirche von Salzburg und im Bereich der österreichischen Diözesen überhaupt einzigartigen Institution einer ungebrochen existierenden Ecclesia collegiata zusammengefasst. Ob ihrer Bedeutung und Klarheit ist diese Präambel zunächst im Wortlaut vorzustellen: Gemäß alter Überlieferung hat Bayernherzog Tassilo um das Jahr 770 am Mattsee eine Kirche zu Ehren des hl. Erzengels Michael errichtet und zugleich ein Kloster gegründet, das er so wie Kremsmünster und Mondsee Benediktinermönchen anvertraut hat. Auch wenn ein Stiftsbrief bzw. eine Fundationsurkunde fehlt, weist vieles darauf hin, dass Mattsee zu den ältesten kirchlichen Stiftungen im heutigen Österreich gehört. Die Abtei hatte ursprünglich wichtige Aufgaben in der Missionsarbeit zu erfüllen. Im Jahre 877 wurde Mattsee von König Karlmann dem Stift Altötting geschenkt; im 10. Jahrhundert kam es zusammen mit Altötting an das Bistum Passau. Dies wird durch eine Urkunde Kaiser Ottos III. vom 27. Jänner 993 bestätigt. Unter Bischof Berengar von Passau (1013-1045) wurde die Benediktinerabtei in ein weltpriesterliches Kollegiatstift mit einem Propst und Dechanten an der Spitze umgewandelt. Vom 12. bis 16. Jahrhundert war Mattsee Sitz eines Archidiakons. Statuten dieses Kollegiatstiftes sind erstmals aus dem Jahr 1321 überliefert. 1398 wurde das Stift mit allem Zubehör an den Salzburger Erzbischof verkauft, allerdings blieben die kirchlichen Rechte beim Bischof von Passau. Nach Überwindung größerer Schwierigkeiten in der Zeit der Gegenreformation erlebte das Stift zu Beginn des 18. Jahrhunderts einen neuen Aufschwung. Am 7. Dezember 1807 kam Mattsee unter die Jurisdiktion des Salzburger Erzbischofs. Schwere Schäden wurden dem Kollegiatstift durch die Säkularisation und die Franzosenkriege zugefügt, bis hin zu einer drohenden gänzlichen Auflösung. Mit kaiserlichem Dekret vom 13. Oktober 1840 wurde das Stift jedoch in seiner ursprünglichen Verfassung wiederhergestellt. 1859 erhielt das Kollegiatstift neue Statuten. Seit dem Jahre 1869 sind die Ämter des Stiftspropstes und Stiftsdechanten in einer Person vereinigt. Papst Leo XIII. verlieh mit apostolischem Breve vom 6. Mai 1881 dem Kollegiatstift Mattsee den Ehrentitel „Collegiata insignis“. Nach dem Inkrafttreten des CIC/1917 wurden die Statuten neu gefasst und von Erzbischof Dr. Ignaz Rieder am 10. Juni 1924 approbiert. Inmitten des geltenden kirchlichen Verfassungsrechtes der römisch-katholischen Kirche, wie es der von Papst Johannes Paul II. am 25. Jänner 1983 promulgierte und mit dem ersten Adventsonntag (27. November 1983) in Kraft gesetzte Codex Iuris Canonici bietet, finden sich Bestimmungen, die unter der Überschrift „Über die Kapitelskanoniker“ (cc. 503 – 510) von den Mitgliedern der Dom- und Stiftskapitel handeln.
cum vigens applicandum 3 (hg. v. Franz Kalde), Metten 1992, wo auch die Statuten des insignen Kollegiatstiftes zum hl. Erzengel Michael in Mattsee abgedruckt sind: 85 – 92.
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Der kirchliche Gesetzgeber hat in diesen wenigen allgemeinen Normen zusammengefasst, was auch künftig unter partikularrechtlichen Gesichtspunkten beim insignen Kollegiatstift Mattsee in Geltung bleibt und durch Statuten näher zu regeln ist. Durch diese neuen Statuten, die durch eine Geschäftsordnung zu ergänzen sind, werden die bisherigen Statuten aus dem Jahre 1924 außer Kraft gesetzt. 35
Eine solche Geschäftsordnung wurde am 7. Mai 1990 „einstimmig beschlossen“ und einen Tag später von Stiftspropst Karl Gebetsberger und Stiftspfarrer Vinzenz Baldemair als amtierendem Kapitelsekretär unterschrieben und mit dem Kapitelsiegel versehen. 36 Auf diese Geschäftsordnung wird im Anschluss an die Statuten noch näher einzugehen sein. IV. Derzeit bestehende Verfassung und Organisation In Anlehnung an die universalrechtliche Norm des c. 503 wird analog zu den Domkapiteln auch vom Kollegiatstift Mattsee gesagt: Gemäß can. 503 CIC ist das „insigne Stiftskapitel zum hl. Erzengel Michael in Mattsee“ ein Priesterkollegium, dem die Feier besonderer Gottesdienste in der Stiftskirche obliegt; darüber hinaus dient es der Förderung der brüderlichen Gemeinschaft unter den Priestern; insbesondere erfüllen die Kapitularkanoniker Aufgaben in der Seelsorge und andere Dienste, die ihnen vom Diözesanbischof übertragen werden oder aufgrund wohlerworbener Rechte des Kollegiatstiftes zukommen.
Ganz bewusst wird hier vom „Diözesanbischof“ gesprochen und nicht vom Erzbischof von Salzburg, weil es zur Eigentümlichkeit des Kanonikerkollegiums von Mattsee gehört, dass eine Mehrzahl der Kanoniker aus dem Presbyterium der Erzdiözese Salzburg und eine ebenfalls unbestimmte, aber geringere Zahl aus dem Presbyterium der Diözese Linz kommt. Dieses Faktum des Zusammenwirkens zweier Diözesen bei einem Kollegiatstift bildet ein „Proprium“ des Kollegiatstiftes Mattsee, weswegen es in 3.2 der geltenden Statuten heißt: Die 12 Kapitularkanoniker sind in der Mehrzahl inkardinierte Priester der Erzdiözese Salzburg, einige der Diözese Linz.
Die zwölf Kanoniker bilden das Stiftskapitel und sind als solche eine kollegiale juristische Person. Die Mitglieder des Stiftskapitels werden als „Kapitularkanoniker“ bezeichnet. Neben ihnen kann es vier Ehrenkanoniker geben, 35 36
Ebd., 20 f.
Diese Geschäftsordnung wurde maschinschriftlich allen Kapitularkanonikern übergeben, jedoch in keinem Amtsblatt veröffentlicht. „Eine Änderung oder Ergänzung ist jederzeit mit Zustimmung der Zweidrittelmehrheit der Kanoniker möglich.“ heißt es ganz am Schluss.
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„denen jedoch keine rechtserhebliche Mitgliedschaft im Kollegium zukommt“. Die früher noch bestehenden Dignitäten sind reduziert, weshalb es in 2.2 heißt: Es gibt eine Dignität, nämlich die des Stiftspropstes.
Bei der Besetzung der Kanonikate gilt der Grundsatz: Gemäß can. 509 § 1 ist der Diözesanbischof bei der Ernennung von Kapitularkanonikern frei. Entsprechend unvordenklicher Überlieferung aber schlagen die Kapitularkanoniker dem Diözesanbischof einen geeigneten Kandidaten vor und ersuchen um Ernennung desselben (3.1).
Hinsichtlich dieser geforderten Idoneität wird in Nr. 3.3 noch näher ausgeführt: Zu Kapitularkanonikern können nur Priester bestellt werden, die sich durch entsprechenden Lebenswandel und Seelsorgserfahrung sowie durch besondere Verdienste im kirchlichen Dienst auszeichnen (vgl. can. 509 § 2).
Damit ist klargestellt, dass die Berufung in das Kollegium der Kapitularkanoniker immer einen pastoralen Aspekt und Akzent hat, aber auch als eine besondere bischöfliche (diözesane) Auszeichnung gilt. Im bischöflichen Ernennungsdekret wird die Rechtswirksamkeit, mit der ein Priester zum Kapitularkanoniker bestellt wird, zum Ausdruck gebracht (3.4.1).
Um die Verbindung zum eigenen Diözesanbischof (Salzburg oder Linz) deutlich zum Ausdruck zu bringen, gilt der Grundsatz: Die Überreichung des Ernennungsdekretes nimmt der zuständige Diözesanbischof in Gegenwart des Stiftspropstes vor.
Zuständig ist somit der jeweilige Inkardinationsordinarius. Für die „Amtseinführung“ eines Kapitularkanonikers gilt die Regel, dass diese „durch den Stiftspropst während eines feierlichen Gottesdienstes in der Stiftskirche erfolgt“ (3.4.3). Die Amtseinführung eines neuen Stiftspropstes nimmt der Erzbischof von Salzburg vor (3.4.4).
Selbstverständlich kann dazu der Erzbischof auch einen Stellvertreter, wie z. B. seinen Generalvikar, beauftragen und entsenden (wie dies bei der letzten Amtseinführung des neuen Stiftspropstes der Fall war). Mit diesem Hinweis auf den Erzbischof von Salzburg wird zum Ausdruck gebracht, dass das Kollegiatstift Mattsee als eine Einrichtung im Erzbistum Salzburg anzusehen ist und gemäß dem alten kanonischen Prinzip „Locus regit actum“ rechtsgeschäftliche Handlungen in die Kompetenz des Erzbischofs von Salzburg fallen.
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Liturgische Dienste und Aufgaben: Entsprechend den allgemeinen Vorgaben des kanonischen Rechts (vgl. c. 503 CIC) pflegen die in Mattsee wohnenden Kapitularkanoniker die „Feier des Stundengebetes“, für die sie selbst eine Ordnung erstellen können. 37 Für die Feier der „Kapitelgottesdienste“ gilt die Norm: An den vom allgemeinen Kirchenrecht (can. 1246 § 1 CIC) und vom Diözesanrecht (Linz und Salzburg) gebotenen Feiertagen zelebriert der Stiftspropst oder in seinem Auftrag einer der Kapitularkanoniker einen Festgottesdienst. 38
Hier fällt auf, dass in Mattsee die jeweiligen Bistumspatrozinien (Rupert und Virgil für Salzburg am 24. September, Leopold am 15. November und Florian am 4. Mai für Linz) festlich begangen werden; damit ist auch liturgisch eine Verbindungsklammer der beiden Diözesen gegeben, aus denen die Kapitularkanoniker stammen. „Außerordentliche Kapitelgottesdienste“ werden zum Stiftspatrozinium um den 29. September (Fest des hl. Erzengels Michael) und zum Gedenken an den Stifter Tassilo (zu Beginn des Monats Mai, in letzter Zeit meist in der letzten Aprilwoche) gehalten. Diesbezüglich heißt es im Statut: Zum Michaelikapitel sowie zum Tassilokapitel feiert der Stiftspropst zusammen mit den Kapitularkanonikern in Konzelebration einen Gottesdienst für alle verstorbenen Stifter, Pröpste, Kanoniker und Wohltäter. 39
Verbunden mit diesen Festen ist jeweils eine feierliche Kapitelsitzung, für deren Einberufung und Leitung der Stiftspropst zuständig ist. 40 In dringenden Fällen oder wenn zwei Drittel der Kapitularkanoniker es verlangen, wird eine außerordentliche Sitzung gehalten. 41
In den Statuten wird der Wunsch ausgesprochen: Die Kapitelsitzungen sollen die geistliche und brüderliche Einheit der Kapitularkanoniker im Kollegium vertiefen und fördern. 42
Für die Einberufung von außerordentlichen Sitzungen werden keine näheren Anlässe oder Gründe beispielhaft genannt, es ist aber wohl zu denken an die
37
Statuten 4.1.
38
Statuten 4.2.
39
Statuten 4.3.
40
Statuten 7.1 und 7.2.
41
Statuten 7.3.
42
Statuten 7.7.
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Einberufung eines so genannten „Trauerkapitels“ beim Hinscheiden eines Propstes oder Kapitularkanonikers sowie auch an notwendig gewordene Wahlen: Wahlen erfolgen nach den Normen des kanonischen Rechts (cc. 164 ff.) 43 und bei Abstimmungen gelten die Vorschriften des can. 119. 44
Über alle Sitzungen muss ein Protokoll erstellt werden, das in der Regel vom Kapitelsekretär angefertigt und unterschrieben wird. 45 Der Kapitelsekretär wird jährlich beim Michaelikapitel vom Kollegium neu bestellt. Er steht dem Stiftspropst und im Falle der Notwendigkeit dem Kapitelsenior zur Seite. Ihm obliegt die Führung des Protokolls bei den Sitzungen des Kapitels. Zu seinen Aufgaben zählt auch die Gegenzeichnung aller wichtigen Schriftstücke und Akten des Stiftspropstes. 46
Zu den Aufgaben der Kapitularkanoniker wird in den Statuten auch die Mithilfe in der Seelsorge gerechnet. Unter dem Stichwort „Seelsorgsaushilfe“ wird gesagt: Nach Möglichkeit helfen die Kapitularkanoniker in der pfarrlichen Seelsorge von Mattsee und in Pfarrgemeinden der Diözesen Salzburg und Linz mit. 47
In der Tat sind die Kapitularkanoniker gefragte und begehrte Aushelfer in der Seelsorge zu Gottesdiensten in meist kleineren Pfarrgemeinden, die keinen Priester mehr am Ort haben. So bildet das Kollegiatstift Mattsee auch in seelsorglicher Hinsicht einen wichtigen zentralen Ort pastoraler Verbundenheit mit den ehemals inkorporierten oder patronatsmäßig verbundenen Pfarrgemeinden. Für das Erzbistum Salzburg und für die Diözese Linz ist somit Mattsee ein pastoraler Kristallisationspunkt an der Grenze zweier Teilkirchen geworden. Im Statut werden sodann noch „besondere Aufgaben der Kanoniker“ aufgezählt: Auffallenderweise steht dabei an erster Stelle der Hinweis auf das so genannte „Decorum clericale“ und das von Brüderlichkeit geprägte Miteinander und Füreinander der Stiftsgeistlichen: Die Kapitularkanoniker sind zu einem priesterlichen Lebenswandel verpflichtet und bemühen sich um brüderliche Gemeinschaft. 48
43
Statuten 7.5.
44
Statuten 7.4.
45
Statuten 7.6.
46
Statuten 6.3; und in 6.1.10 wird statuiert: Die in allen wichtigen Angelegenheiten vom Stiftspropst ausgestellten Dokumente werden vom Kapitelsekretär mitunterzeichnet. 47
Statuten 4.4.
48
Statuten 5.1.
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Dieser Appell zur Pflege der brüderlichen Gemeinschaft findet seinen Widerhall auch bei der Aufzählung diverser Pflichten des Stiftspropstes, wo betont wird: Dem Stiftspropst obliegt die Förderung der brüderlichen Gemeinschaft und des geistlichen Lebens der Kapitularkanoniker. 49
Wie bereits erwähnt sollen vor allem auch die Kapitelsitzungen „die geistliche und brüderliche Einheit der Kapitularkanoniker im Kollegium vertiefen und fördern“. 50 Eigens wird unter diesen „besonderen Aufgaben der Kanoniker“ jedem einzelnen Mitglied des Kollegiums noch eingeschärft und aufgetragen, wie diese Brüderlichkeit konkret noch erfahrbar werden soll: Jene Kanoniker, welche bestellte Pfarrseelsorger (Pfarrer, Pfarrprovisoren) sind oder in anderen diözesanen Diensten stehen, unterhalten regelmäßigen Kontakt zum Stiftspropst und den anderen Mitbrüdern im Kollegium. Sie kommen öfters zur Pflege der mitbrüderlichen Gemeinschaft nach Mattsee. Durch gemeinsames Gebet und brüderliche Tischgemeinschaft tragen sie zur Festigung der kollegialen Verbundenheit mit den in Mattsee wohnenden Kapitularkanonikern bei. 51
Es soll also keine Kluft zwischen den in Mattsee im Kapitelhaus residierenden Kanonikern und jenen in der Pfarrseelsorge vor Ort tätigen oder in diözesanen Ämtern und Diensten stehenden geistlichen Stiftsmitgliedern entstehen. Aufgrund der baulichen Neuerungen gibt es verschiedene Möglichkeiten in gemütlicher Atmosphäre im Stiftsgebäude selbst oder im nahe gelegenen Weinkeller diese brüderliche Verbundenheit zu pflegen und „hoch leben“ zu lassen. Zudem erhält jeder Kapitularkanoniker aus den Weingütern des Stiftes ein entsprechendes Weindeputat, um damit das eigene Herz zu erfreuen und auch gediegene Gastfreundschaft walten lassen zu können. Zu den „besonderen Aufgaben der Kanoniker“ wird auch die Mitwirkung bei der „Verwaltung des Stiftsvermögens“ gezählt. Diesbezüglich wird festgelegt: Zur Führung der Agenden der Verwaltung des Stiftsvermögens kann das Stiftskapitel einen Sachverständigen beauftragen, der regelmäßig einen detaillierten Wirtschaftsbericht dem Stiftspropst und dem Kapitel vorlegt. Veräußerungen und Veränderungen des Stiftsvermögens bedürfen grundsätzlich der Zustimmung des Stiftskapitels unter Beachtung der geltenden Bestimmungen des kanonischen Rechtes. 52
49
Statuten 6.3.
50
Statuten 7.7.
51
Statuten 5.3.
52
Statuten 5.2.
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Mit dieser Norm ist statutarisch festgeschrieben, dass die einschlägigen Normen des kirchlichen Vermögensrechts die notwendige Rahmenordnung bilden, die für den Vermögenserwerb (vgl. cc. 1259 – 1271 CIC), die Vermögensverwaltung (cc. 1274 – 1289 CIC) sowie für Verträge und Alienationsgeschäfte (cc.1290 – 1298 CIC) vorgegeben sind; das Partikularrecht der Erzdiözese Salzburg gibt darüber hinaus die notwendigen Ergänzungen, um unter Bedachtnahme auf das geltende Konkordatsrecht, diözesanes Eigenrecht, wohlerworbene Rechte und „consuetudines laudabiles“ eine „von der Sorgfalt des guten Hausvaters“ getragene Verwaltung des Stiftsvermögens zu besorgen und zu leisten. Das Kollegiatstift bedient sich dabei des sachverständigen Dienstes eines hervorragenden und über die Erzdiözese hinaus in kirchlichen Belangen hoch angesehenen Wirtschaftstreuhänders und Steuerberaters, der seit den Zeiten seines hoch verdienten Vaters August Müller das uneingeschränkte Vertrauen in der Salzburger Metropolitankirche genießt. Einen Schwerpunkt der Statuten bilden die Bestimmungen über „Ämter und Dienste im Kapitel“: Zuvorderst steht das Amt des „Stiftspropstes“. Das Stiftskapitel wählt aus den Reihen der Kapitularkanoniker einen Stiftspropst (can. 507 § 1) zum „praeses collegii“. Der gewählte Stiftspropst bedarf der Bestätigung durch den Erzbischof von Salzburg, der im Einvernehmen mit dem Diözesanbischof von Linz handelt, wenn es um einen Priester der Diözese Linz geht. 53
Auch wenn im Statut nur wenig gesagt wird, dass es sich bei diesem Amt um eine so genannte „Dignität“ im traditionellen Sinne handelt, ist doch die Stellung des Stiftspropstes als solche zu verstehen. Dies kommt auch im Absatz über die Rechte der Kapitularkanoniker zum Ausdruck, wo es bezüglich der traditionellen Chorkleidung ausdrücklich heißt: Der Stiftspropst trägt ein Kreuz mit Kette sowie einen Dignitärring. 54
Der Propst hat seinen Sitz in Mattsee, beruft und leitet die Kapitelsitzungen, sorgt für die Durchführung der Beschlüsse und vertritt das Stiftskapitel nach außen. 55 Er ist verantwortlich für die rechte Verwaltung des Stiftsvermögens. Im Falle seiner Verhinderung wird er durch den Kapitelsenior oder den Kapitelsekretär vertreten. Der Stiftspropst verwahrt Siegel und Akten des Stiftskapitels. Er ist zuständig für die Verwaltung des Stiftsmuseums. Er ist verpflichtet, dem Stiftskapitel anlässlich der
53
Statuten 6.1.1.
54
Statuten 8.4.
55
Statuten 6.1.2 und 4.
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Kapitelssitzungen über alle wichtigen Angelegenheiten des Stiftes Rechenschaft und Auskunft zu geben. 56
Auch wenn er auf Lebenszeit bestellt wird, hat er das Recht auf freiwilligen Amtsverzicht (Resignation), den er schriftlich dem Erzbischof von Salzburg und dem Kanonikerkollegium mitzuteilen hat. Der Verzicht bedarf der Annahme des Erzbischofs von Salzburg. 57
Mit Annahme der Resignation durch den Erzbischof gilt der aus dem Amt geschiedene Stiftspropst als „emeritierter Stiftspropst“. 58 Beim Tode oder im Falle der Resignation des Stiftspropstes übernimmt der Kapitelsenior oder bei dessen Verhinderung ein anderer vom Kapitel bestellter Kapitularkanoniker interimistisch die Leitung des Stiftes. 59
Analog zum geltenden kanonischen Recht der Universalkirche gilt auch für eine kleine Institution, wie dies ein Kollegiatstift Mattsee darstellt, der Grundsatz: „Sede vacante nihil innovetur“ (c. 428 § 1 CIC). Das zweite Amt, das in den Statuten näher umschrieben wird, ist das des „Kapitelseniors“; es handelt sich dabei um jenen Kapitularkanoniker, „der nach seiner Ernennung als der älteste gilt“. 60 Er übernimmt im Falle der Verhinderung des Stiftspropstes dessen Vertretung und im Falle von dessen Tod oder Resignation die interimistische Leitung des Stiftes, wenn nicht im Falle seiner Verhinderung das Kapitel einen anderen Kapitularkanoniker mit diesem Amt betraut. 61 Zusammen mit den Kapitularkanonikern obliegt ihm die Vorbereitung und Durchführung sowohl der Exequien für einen verstorbenen Stiftspropst als auch der Neuwahl eines Stiftspropstes. 62
Als drittes Amt wird in den Statuten noch das des Kapitelsekretärs genannt, dessen Kompetenzen und Befugnisse oben schon erwähnt wurden. 63
56
Statuten 6.1.5 – 9 und 9.: „Das Stiftskapitel besitzt ein eigenes Siegel, das der Stiftspropst führt und verwahrt.“ 57
Statuten 6.1.11 und 10.2.
58
Statuten 6.1.13.
59
Statuten 6.1.12.
60
Statuten 6.2.1.
61
Statuten 6.2.2 und 3.
62
Statuten 6.2.4.
63
Statuten 6.3 sowie 6.1.6 und 6.1.10.
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Im Abschnitt 8 der Statuten wird von den „Rechten der Kapitulare“ gehandelt. Als erstes ist statutarisch ein Wohnrecht verankert: Im Kapitelhaus stehen für Kapitularkanoniker entsprechende Wohnungen zur Verfügung. Die Vergabe der Wohnungen erfolgt durch den Propst mit Zustimmung des Kapitels. 64
Einen Anspruch auf Besoldung aus dem Stiftsvermögen haben die Kapitularkanoniker nicht. 65 Als zweites Recht wird das Tragen der „traditionellen Chorkleidung“ normiert: weinrot-violett paspelierter schwarzer Talar; Mozetta, Birett und Zingulum ebenfalls in weinrot-violetter Farbe (analog zu den Augustiner-Chorherren). Die Kapitularkanoniker tragen das Kapitelkreuz an einem weißblauen Band. 66
Die Kapitelabzeichen wie Kapitelkreuz, Dignitärring und Dignitärkreuz gehören in der Regel zum Eigentum des Kollegiatstiftes, es sei denn dass ein Kapitularkanoniker sich diese selbst angeschafft und daher in seinem Privateigentum aufbewahrt hat. 67 Ein emeritierter Stiftspropst trägt weiterhin seine Abzeichen, hat aber nicht mehr Sitz und Stimme im Kapitel. 68
Als drittes Recht der Kanoniker werden die „Exequien“ genannt: Diese werden „für einen verstorbenen Stiftspropst oder Kapitularkanoniker in der Stiftskirche gehalten.“ Jedes Mitglied des Kollegiums hat das Recht auf Beisetzung in der Kapitelgruft. 69
Zu Lebzeiten kann ein Kapitularkanoniker jederzeit auf eigenen Wunsch auf sein Kanonikat verzichten. Die Verzichtserklärung ist an den Stiftspropst einzureichen und bedarf der Annahme durch diesen. Kapitularkanoniker, welche aus dem Kollegium ausscheiden, verlieren alle im Statut verankerten Rechte. 70
64
Statuten 8.1.
65
Statuten 8.2.
66
Statuten 8.4.
67
Statuten 8.4.
68
Statuten 10.3.
69
Statuten 8.5.
70
Statuten 10.1 und 4.
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Im Kapitel 11 der Statuten wird das Verhältnis von „Stiftskapitel und Stiftspfarre“ geregelt. Unter Hinweis auf c. 510 CIC wird festgelegt: Alle Angelegenheiten der Stiftspfarre sind gemäß can. 510 CIC zu ordnen. Alle Kapitelangelegenheiten sind deshalb so zu regeln, dass sie der Förderung der Pfarrseelsorge dienen.71 Der Stiftspfarrer ist Rector Ecclesiae; er soll nach Möglichkeit Kapitularkanoniker sein; er kann zugleich Propst des Stiftskapitels sein.72 Sind die Ämter des Propstes und des Pfarrers nicht in Personalunion verbunden, ist in seelsorglichen Belangen der Propst dem Pfarrer, in Kapitelangelegenheiten der Pfarrer dem Propst zugeordnet.73 Der Stiftspropst hat darauf zu achten, dass die Kapitelagenden die Pfarrseelsorge nicht behindern, sondern fördern.74 Die Kapitularkanoniker sollen den Stiftspfarrer in allen Belangen der Pfarrseelsorge bereitwillig unterstützen, ohne ihn in seinen Rechten als Pfarrer zu beschneiden.75 Der Stiftspropst ist Mitglied des Pfarrgemeinderates von Mattsee. Ist der Stiftspropst zugleich Pfarrer, beruft der Pfarrgemeinderat einen der am Ort wohnenden Kapitularkanoniker in den Pfarrgemeinderat.76 In Streitsachen aus dem Verhältnis Kapitel und Pfarre entscheidet der Erzbischof.77 Die Besetzung der Stiftspfarre geschieht gemäß Diözesanrecht nach Anhören des Stiftspropstes durch den Erzbischof von Salzburg.78 Alle in Mattsee wohnenden und in der Seelsorge im Bereich der Erzdiözese Salzburg tätigen Kapitularkanoniker haben aktives Wahlrecht bei der Bestellung eines neuen Dechanten im Dekanat Köstendorf.79
Mit dieser Bestimmung ist im Sinne des Dechantenstatutes in der Erzdiözese Salzburg klargestellt, dass auch die Stiftspfarre Mattsee (so wie auch die Stiftspfarre Seekirchen) zum Dekanat Köstendorf gehört und kein exemtes Dasein mehr besitzt. Die letzte Norm in den Statuten hat die „Ehrenkanoniker“ zum Gegenstand, wobei es heißt:
71
Statuten 11.2.
72
Statuten 11.3.
73
Statuten 11.4.
74
Statuten 11.5.
75
Statuten 11.6.; vgl. dazu auch 4.4: „Nach Möglichkeit helfen die Kapitularkanoniker in der pfarrlichen Seelsorge von Mattsee … mit.“ 76
Statuten 11.7.
77
Statuten 11.8.
78
Statuten 11.1.
79
Statuten 11.0.
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Auf Vorschlag des Stiftskapitels kann der Erzbischof von Salzburg Priester aufgrund außerordentlicher Verdienste um die Seelsorge zu Ehrenkanonikern ernennen; ihre Zahl darf höchstens vier betragen; wenn es sich um Priester der Diözese Linz handelt, ist das Einvernehmen mit dem Bischof von Linz notwendig. Die Ernennung zum Ehrenkanoniker bedeutet eine hohe Auszeichnung mit dem Recht, Kapitelkleidung zu tragen. 80
Dieses Statut hat am 8. Mai 1990 eine „Geschäftsordnung“ als Anhang erhalten. Darin geht es zunächst um die liturgische Ordnung in der Stiftspfarre, wobei auf die „Feier des Stundengebetes“ der Kanoniker Bedacht genommen wird, an dem auch die Gläubigen der Gemeinde teilnehmen können. Die Feier der heiligsten Eucharistie als „Gipfel und Quelle allen christlichen Lebens“ soll beim Michaeli- und Tassilo-Kapitel besonders festlich sein. An bestimmten genannten Festtagen leitet der Stiftspropst den Festgottesdienst: Diese Gottesdienste sollen nach Möglichkeit levitiert oder in Konzelebration gefeiert werden.
Im Punkt II der Geschäftsordnung geht es um Details der Vermögensverwaltung, wie z. B. um die sorgfältige Trennung des Stifts- und Pfarrvermögens, um die Instandhaltung und Baulast der Stiftspfarrkirche, wobei jeweils auf gegenseitige Verständigung und Unterstützung Wert gelegt wird. Weitere Punkte der Geschäftsordnung haben einzelne Punkte der Wahlordnung vor dem Hintergrund der Bestimmungen des kanonischen Rechts zum Gegenstand. V. Förderung der kulturellen Diakonie der Kirche durch das Kollegiatstift Auf vielfältige Weise hat das Kollegium der Kapitularkanoniker das kulturelle Leben in der Gemeinde und Pfarre Mattsee inspiriert und kräftig auf innovative Weise mitgetragen. Es waren die letzten Pröpste, die diesbezüglich Meilensteine gesetzt haben. Dies gilt nicht nur für bauliche Instandsetzungen und Belebungen von Häusern und Räumen, dies wurde manifest mit der Einrichtung eines attraktiven Stiftsmuseums, durch die Bemühung um eine ansprechende Stiftsgastronomie und vor allem durch Initiativen auf den Gebieten der Musik, Kunst und Bildung. Mit der Gründung des Vereines „Freunde des Stiftes Mattsee“ kam es zu einer starken Belebung einer Vortragstätigkeit, von Ausstellungen und Bildungsfahr-
80
Statuten 12.
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ten usw. Mit der Herausgabe der „Mattseer Stiftsblätter“ wird eine ansprechende Publikation vorgelegt, die eindrucksvoll die ungebrochene Strahlkraft der kulturellen Diakonie der Kirche an diesem historisch interessanten und bedeutsamen Ort dokumentiert und manifestiert. Mit der Veranstaltung eines internationalen Symposions am 14. und 15. Mai 2004 wurde Tassilo III. von Bayern in das Rampenlicht der Öffentlichkeit gestellt. Sonderausstellungen im Stiftsmuseum Mattsee bereichern die kulturelle Vitalität des Kollegiatstiftes in einer Zeit, in der allenthalben von Sparpaketen und finanziellen Engpässen die Rede ist. Für die moderne Tourismusgemeinde Mattsee ist ihr Geschichts-, Heimat-, Gemeinschafts- und Glaubensbewusstsein ein Gütesiegel dafür, dass man darum weiß, auf welchem „goldenen Boden“ sie ihre Gegenwart gestaltet. Die Mitglieder des weltgeistlichen Kollegiatstiftes Mattsee tun dazu ihr Bestes.
Kirchenrecht in der Ökumene Von Helmuth Pree Die folgenden Überlegungen versuchen sich dem Problem zu nähern, inwieweit der Ökumenismus (auch) ein rechtliches Phänomen darstellt. 1 Damit verbunden ist eine Reihe von Fragen wie z. B.: Lässt das Fehlen einer gemeinsamen christlichen Rechtsordnung den Abschluss von rechtsverbindlichen Verträgen zwischen christlichen Kirchen bzw. Konfessionen zu? Kommt gemeinsamen Erklärungen in Lehrfragen oder einem ökumenischen Abkommen wie etwa einer „conventio circa agnitionem mutuam baptismi“ 2 Rechtscharakter zu? Um sich der Beantwortung solcher und damit zusammenhängender Fragen stellen zu können, soll zunächst nach einer möglichen gemeinsamen rechtlichen Basis zwischen den christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften (vgl. UR 16 – 22) gefragt werden. In einem zweiten Abschnitt soll eine vorläufige Antwort auf die Frage nach weiteren rechtlichen Voraussetzungen möglicher rechtsverbindlicher zwischenkirchlicher Verträge/Abkommen gefragt werden. Das Interesse gilt hier der Möglichkeit zwei- (oder mehr-)seitig verbindlicher Abkommen. Die weitere Variante der „Selbstverpflichtung als Modalität ökumenischer Beziehungen“, wie sie Dietrich Pirson anhand der Charta Oecumenica entfaltet hat, 3 bleibt hier außer Betracht. Schließlich ist ein dritter und letzter Teil diesbezüglichen Kompetenzfragen aus der Perspektive der Katholischen Kirche gewidmet.
1
Vgl. die anregende Bestandsaufnahme: Eva Maria Synek, Ökumenisches Kirchenrecht: ÖARR 49 (2002) 53 – 68. 2 3
Ökumenisches Direktorium I vom 14.5.1967: AAS 59 (1967) 574 – 592, Nr. 17.
Dietrich Pirson, Rechtliche Implikationen der Charta Oecumenica: ZevKR 50 (2005) 307 – 323. Dabei hält es der Autor für denkbar, dass im Wege der Selbstverpflichtung „ein Rechtsverhältnis mit konstitutiver Wirkung hervorgebracht wird“ (321). So bringe ein gemeinsamer Schwur eine Rechtsgemeinschaft unter denen hervor, die sich verpflichten (321). Die Charta Oecumenica-Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa wurde am 22.4.2001 von der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und vom Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) feierlich verabschiedet.
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I. Gemeinsame rechtliche Grundlagen 1. Taufe 4 Die Taufe stiftet zwischen den Getauften nicht nur ein geistliches, sondern auch ein rechtliches Band (vinculum). 5 Alle Getauften gehören zur einen Kirche Jesu Christi, mag es in dieser auch vielfältige Trennungen und Brüche ihrer grundsätzlichen Einheit iSv c. 205 CIC/c. 8 CCEO geben. Theologisch und rechtlich drängt die Taufe zur vollen Einheit (plena communio) der Kirche hin (vgl. UR 22 b) und erweist sich auf diese Weise als gemeinsame rechtliche Grundlage aller ökumenischen Bemühungen. Aus dem Blickpunkt der Katholischen Kirche ist die gemeinsame verbindliche Basis mit einer bestimmten anderen Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft umso breiter, in je größerem Umfang die drei vincula gem. c. 205 (vinculum symbolicum, vinculum liturgicum, vinculum hierarchicum) verwirklicht sind. Von besonderer Bedeutung ist dabei die gegenseitige Anerkennung der Gültigkeit des Sakraments der Weihe (vgl. UR 15, 22). Die durch die Taufe gestiftete communio 6 besteht ursprünglich in der gemeinsamen Teilhabe an den Heilsmitteln: dem Wort Gottes, den Sakramenten und den übrigen Heilsgütern. Folglich erreicht die communio in der sichtbaren Kirche ihren Gipfelpunkt in der Feier der Eucharistie (vgl. cc. 897; 899 §§ 1, 2). Auf rechtlicher Ebene impliziert die gemeinsame Teilhabe bestimmte Pflichten und Rechte, die in der Taufe selbst gründen (vgl. cc. 208 – 223 CIC, 7 – 25 CCEO) und daher prinzipiell allen Getauften zustehen, zumal sie alle die eine Kirche Jesu Christi bilden. 7 Aufgrund der bestehenden Spaltungen zwischen den Kirchen erkennen diese gegenseitig besagte fundamentale Rechte nicht bzw. nicht ohne weiteres an, speziell wenn es sich um die Ausübung dieser Rechte im Inneren der eigenen Kirche handelt, sondern bestenfalls in dem Maße, in dem die betroffenen (ande-
4
Die vorliegende Studie beschränkt sich auf den Kreis jener Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften, die gegenseitig die Gültigkeit der Taufe anerkennen. 5 „Baptismus igitur vinculum unitatis sacramentale constituit vigens inter omnes qui per illum regenerati sunt“ (UR 22 b). Vgl. cc. 96; 204 § 1; 205; 849 CIC sowie cc. 7 § 1; 8; 675 § 1 CCEO. 6 Vgl. Joachim Drumm, Art. Communio I. Systematisch-theologisch: LThK II3 (1994) 1280 – 1283; Walter Card. Kasper, Present Situation and Future of the Ecumenical Movement: United States Conference of Catholic Bishops (Hg.), The Catholic Church in Ecumenical Dialogue 2002, Washington D.C. 2002, 1 – 13, insbes. 6 – 11. 7
Winfried Aymans, Art. Communio II. Kirchenrechtlich: LThK II3 (1994) 1283 f.
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ren) Gläubigen bzw. Kirchen die eigene Lehre anerkennen (vgl. c. 844 §§ 2 – 4 CIC/c. 671 §§ 2 – 4 CCEO). Jedoch lässt sich aus der Taufe die Rechtspflicht der Getauften und ihrer Kirchen ableiten, gemeinsam die Wahrheit zu suchen (vgl. c. 748 § 1 CIC), und zwar im Wege des aufrichtigen Dialoges 8 sowie verschiedener Formen des Austausches und der Kommunikation, die ohne weiteres auch rechtliche Mittel einschließen können, um auf dem Weg zur sichtbaren und rechtlichen Einheit voranzuschreiten. 2. Allgemeine Rechtsprinzipien Als Elemente des Gerechtigkeitsbegriffs und des gemeinsamen Rechtserbes der Menschheit 9 erweisen sich die allgemein anerkannten Rechtsprinzipien auch für das Verhältnis der Kirchen untereinander unter dem Aspekt des suum cuique als unverzichtbar. Auch c. 19 CIC nimmt auf sie Bezug. Beispiele solcher Prinzipien sind etwa: impossibilium nulla est obligatio; pacta sunt servanda; das Verbot des venire contra factum proprium; das Prinzip des guten Glaubens; das Prinzip rechtlicher Gleichbehandlung; der Grundsatz nemo iudex in propria causa und die richterliche Unabhängigkeit; der Verfahrensgrundsatz audiatur et altera pars usf. 10 Angesichts der Tatsache, dass der allgemeine Charakter dieser Prinzipien unterschiedlich stark ausgeprägt ist, stellt sich im Hinblick auf die kirchenrechtliche Erfassung des Phänomens des Ökumenismus und der dabei ablaufenden Prozesse die Frage nach speziellen Prinzipien, die auf dem Weg der Einigung der Kirchen besondere Bedeutung erlangen. Folgende rechtliche Prinzipien lassen sich schon nach einer ersten Bestandsaufnahme ökumenischer Dokumente festhalten:
8
Directorium Oecumenicum 23.3.1993, Nr. 172 – 182; Enzyklika Ut unum sint: AAS 87 (1995) 921 – 982, Nrn. 28 – 32. 9
Art. 38 I Statut des Internationalen Gerichtshofs vom 26.6.1945 benennt als eine formelle Quelle des Völkerrechts, die der IGH anzuwenden hat, „die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze“, vgl. Hermann Mosler, Art. Internationaler Gerichtshof: StLex III7 (1987) 155 – 158. Vgl. Hermann Mosler, Art. Allgemeine Rechtsgrundsätze: StLex I7 (1985) 99 – 103. 10
Vgl. Charles Lefebvre, Art. Principes généraux du droit: DDC VII, 215 – 223; Helmuth Pree, Generalia Iuris Principia im CIC/1983 und ihre Bedeutung für das Kanonische Recht: AfkKR 1972 (2003) 38 – 57.
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• Verbot des Proselytismus vgl. DH 4; cc. 31, 905, 1465 CCEO; • vorbehaltlose Respektierung der Gewissensfreiheit des Dialogpartners: DH passim; AG 13; cc. 586 und 905 CCEO; c. 748 § 2 CIC; • das Dialogprinzip (c. 905 CCEO); 11 • gegenseitige Anerkennung der fundamentalen Gleichheit der Gesprächspartner als rechtliche Gleichheit (siehe im Folgenden II.2.); • gegenseitige Anerkennung der iusta autonomia der beteiligten Dialogpartner. 12 3. Ökumenismus als Rechtspflicht Die Taufe selbst fordert die Einheit der Kirche und drängt auf sie hin. Es geht um die Einheit in der Wahrheit und daraus um die Einheit der communio, wieviele Ausdrucksformen sie auch haben möge. Daher ist es eine Pflicht der Kirche Jesu Christi als solcher, d. h. der Gesamtheit aller gültig Getauften, nach Kräften alles zu tun, um diese Einheit im Wesentlichen anzustreben – und zwar nicht nur eine moralische Pflicht, sondern auch eine Rechtspflicht. Denn schon von Anfang an müssen alle ökumenischen Beziehungen zumindest darauf angelegt sein, zwischen den beteiligten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften richtige, d. h. gerechte Beziehungen herzustellen und in ihrem Rahmen den Dialog mit dem Ziel der Einheit voranzubringen. Mit anderen Worten: Es geht von vornherein darum, jeder der beteiligten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ihr suum cuique zukommen zu lassen. Das, was sich dabei die einzelnen Christen und ihre Kirchen gegenseitig rechtlich verbindlich schulden, ist die Einheit selbst, um Jesu Christi willen. Auf diese Weise ist die Einheit eine „res iusta“, ex iustitia gegenseitig geschuldet. Alle denkbaren ökumenischen Beziehungen stehen daher von Anfang an und grundsätzlich unter der Anforderung auch der Gerechtigkeit. Die konkrete Ausgestaltung dieser Rechtspflicht ist abgestuft verwirklicht: In der Katholischen Kirche sind rechtlich zur Förderung der Einheit und zur Leitung und Unterstützung des Ökumenismus verpflichtet der Apostolische Stuhl und das Kollegium der Bischöfe (c. 755 § 1 CIC, c. 902 CCEO), die Päpstlichen Gesandten (c. 364,6°), die Diözesan- bzw. Eparchialbischöfe
11 Vgl. Ökumenisches Direktorium 1993 (Anm. 8), Nrn. 172 – 181; Enzyklika Ut unum sint (Anm. 8), Nr. 28 – 39; Enzyklika Ecclesiam Suam: AAS 56 (1964) 609 – 659: insbes. 644 f., wo die Prinzipien des Dialoges (colloquium) mit den Leitworten formuliert werden: Perspicuitas, lenitas, fiducia und prudentia. 12
Vgl. DH 4 sowie das Ap. Schreiben Orientale Lumen vom 25.5.1995, Nr. 20.
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(c. 383 § 3 CIC, c. 192 § 2 CCEO), die weiteren Hirten der Kirche (c. 902 CCEO, Ökumenisches Direktorium 1993, Nr. 39) und alle Gläubigen (c. 755 § 1 CIC, c. 902 CCEO). 13 Can. 209 § 1 CIC verpflichtet jeden einzelnen Gläubigen zur Aufrechterhaltung der Einheit mit der Katholischen Kirche. Dieser Kanon, der direkt nur die Beziehung zwischen den katholischen Gläubigen und ihrer Kirche betrifft, bedarf unter ökumenischen Rücksichten einer Erweiterung seines Anwendungsbereiches mit Blick auf die ganze Kirche Jesu Christi. Denn die Einheit ist nicht nur eine Frage der Katholischen Kirche, sondern der Kirche Jesu Christi. D. h.: Die in c. 209 § 1 statuierte Pflicht muss in Wahrheit auf die Einheit der einen und ganzen Kirche Jesu Christi, über das sichtbare Gefüge der Katholischen Kirche hinaus, bezogen werden und daher auch als ökumenische Grundpflicht ausgedeutet werden. II. Weitere rechtliche Erfordernisse 1. Rechts- und Handlungsfähigkeit auf ökumenischer Ebene Die Rechtsfähigkeit der einzelnen am ökumenischen Prozess beteiligten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften hat zwei voneinander relativ unabhängige Fundamente: (1) So wie die Rechtsordnung der Katholischen Kirche den Nichtgetauften in seiner natürlichen Rechtsfähigkeit anerkennt und ihn als Rechtssubjekt behandelt, wo immer dieser in rechtliche Beziehung mit der Katholischen Kirche tritt, so muss die Kirche auch die getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften jedenfalls immer dann als rechtsfähige Subjekte anerkennen, wann immer diese in rechtlichen Kontakt mit der Katholischen Kirche treten. Eine rechtliche Grundbeziehung zwischen allen christlichen Gemeinschaften ist notwendigerweise aufgrund der Taufe und der daraus resultierenden Rechtspflicht aller Christen zum Streben nach Einheit von vornherein gegeben. Die natürliche Rechtsfähigkeit aller Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften kann gegenseitig auf dem Fundament des naturrechtlich begründeten Menschenrechts der Vereinigungsfreiheit anerkannt werden. 14 Angesichts des naturrechtlichen Fundaments dieses Rechtes kann erwartet werden, dass alle christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften dieses anerkennen.
13 Vgl. Ilona Riedel-Spangenberger, Art. Ökumene IV. Kirchenrechtlich: LThK VII3 (1998) 1024 – 1026. 14
Vgl. Enzyklika Quadragesimo anno vom 15.5.1931: AAS 23 (1931) 177 – 228; Nr. 9-11; Enzyklika Pacem in Terris vom 11.4.1963: AAS 55 (1963) 257 – 304, 262 f.; Luis Navarro, Diritto di associazione e associazioni di fedeli, Milano 1991, 7 – 18.
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(2) Das zweite Fundament liegt in der gemeinsamen Taufe, insoweit diese unveräußerliche „fundamentale“, weil unmittelbar in der Taufe wurzelnde Rechte hervorbringt. Unter diesen findet sich auch das spezifisch kirchliche Recht der Vereinigungsfreiheit (vgl. c. 215 CIC/c. 18 CCEO). Auch wenn diese Garantie nicht die Bildung (getrennter) Kirchen zum Gegenstand hat oder legitimiert, spiegelt sie doch den dem Christsein wesentlichen Gemeinschaftscharakter (vgl. LG 9) auf gewisse Weise wider. So haben kirchliche Vereinigungen auf Grundlage von c. 215 CIC/c. 18 CCEO als legitime gemeinschaftliche Entfaltungen der christlichen Existenz durchaus „kirchlichen“ Charakter, auch wenn sie nicht zur Verfassungsstruktur der Kirche gehören. Denn es handelt sich um kirchliche Vereinigungen im Inneren der Kirche und nicht außerhalb ihres sichtbaren Gefüges. Nun ist zwar den nicht-katholischen Getauften die Ausübung dieses Fundamentalrechts innerhalb der Katholischen Kirche grundsätzlich nicht gestattet (Ausnahmen sind aber z. B. bei einem interkonfessionellen Verein denkbar); das aber hindert nicht, diesen die Ausübung des Fundamentalrechts außerhalb des sichtbaren Gefüges der Katholischen Kirche nach ihrem Selbstverständnis grundsätzlich zuzuerkennen. Verbindet man diesen die kirchliche Rechtsfähigkeit eher formal begründenden Gesichtspunkt mit der Konzils-Lehre, die den nichtkatholischen Gemeinschaften in inhaltlicher Hinsicht zahlreiche Elemente des Kirche-Seins bescheinigt (LG 15; UR 3), so wird die Qualifizierung dieser Gemeinschaften als „getrennte Kirchen und kirchliche Gemeinschaften“ (iSv UR 13 – 22), die gem. DH 4 die Freiheit haben, sich gemäß ihren eigenen Normen zu leiten (dazu im Folgenden 2.), auch rechtlich nachvollziehbar. Daher erscheint es rechtlich als geboten, aus der Sicht der Katholischen Kirche den getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften Rechtssubjektivität zuzuerkennen. Die gegenseitige Anerkennung der Rechtsfähigkeit – und als Folge daraus auch der Handlungsfähigkeit im Bereich der Ökumene – verlangt von keiner Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft die Preisgabe ihrer Identität. Denn die Rechtsfähigkeit als primär formale Größe ist relativ unabhängig vom „Inhalt“, d. h. davon, ob eine bestimmte andere Kirche mit der eigenen in voller Gemeinschaft steht oder nicht. Das Vorliegen der Rechts- und Handlungsfähigkeit ist nach dem Recht jeder Kirche und kirchlichen Gemeinschaft zu beurteilen und grundsätzlich von den anderen anzuerkennen. Demnach entscheidet jede Kirche und kirchliche Gemeinschaft selbst darüber, welches Organ welche Kompetenz besitzt, rechtlich relevante Handlungen wie etwa Abkommen und Verträge im Bereich der Ökumene abzuschließen.
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2. Rechtliche Gleichheit der Dialogpartner Es liegt im Wesen des ökumenischen Dialoges und ist seine unabdingbare Voraussetzung, dass die Dialogpartner sich gegenseitig als auf rechtlich gleicher Stufe stehend anerkennen, d. h. als Rechtssubjekte mit eigener rechtlicher Identität, die gemeinsam par cum pari verhandeln. 15 Die wechselseitige Anerkennung der rechtlichen Gleichheit bedeutet auch, dass sich die Partner gegenseitig ein gewisses Ausmaß an Autonomie zusprechen. Es wird zu leicht übersehen, dass DH 4 allen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ganz allgemein die Fähigkeit zuspricht „ut secundum proprias normas sese regant“. Bekanntlich fand dieses Prinzip eine besondere Anwendung auf die getrennten orientalischen Kirchen (UR 16). 16 Das bedeutet die gegenseitige Anerkennung der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften als eigenständige Rechtssubjekte, ausgestattet mit eigenen Pflichten und Rechten. Dies nicht anzuerkennen würde darauf hinauslaufen, jeden ökumenischen Dialog seines Fundamentes zu berauben. Das Ökumenische Direktorium 1993 (Nr. 172) anerkennt das Prinzip der Gleichheit in diesem Sinne in den ökumenischen Angelegenheiten. 17 Den Begriff, das Wesen und die Bedeutung dieser Autonomie tiefer zu erforschen, wird eine der großen künftigen Herausforderungen der Kirchenrechtswissenschaft darstellen. Dabei wird die Tragweite der prinzipiellen rechtlichen Gleichheit „inter christifideles“ gem. c. 208 CIC/c. 11 CCEO auszuloten sein. Auch die Anerkennung der gegenseitigen rechtlichen Gleichheit bedeutet keinen Identitätsverlust für irgendeine der am ökumenischen Prozess beteiligten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Auch hier ist zu unterscheiden zwischen „Form“ und „Inhalt“: Die Anerkennung des Partners betrifft aus-
15
Vgl. Karl Lehmann, Notwendigkeit und Grenzen des Dialogs zwischen Theologen und Lehramt: Wolfhart Pannenberg / Theodor Schneider (Hg.), Verbindliches Zeugnis II. Schriftauslegung – Lehramt – Rezeption, Göttingen 1995, 157 – 174, 160. 16
Vgl. Orientale Lumen (Anm. 12), Nr. 20; Eva Maria Synek, „Das was uns verbindet, ist viel stärker als das, was uns trennt“ (Johannes XXIII.). Die neuen ÖkumeneDokumente der Katholischen Kirche: ÖAKR 44 (1995 – 1997) 386 – 419, 410 – 418; Carl Gerold Fürst, Taufe, Kirchengliedschaft und „Status“ der Gläubigen in kanonistischer Sicht: Richard Puza / Andreas Weiss (Hg.), Iustitia in Caritate (Rößler-FS), Frankfurt a. M. u. a. 1997, 571 – 587, 573 f.; Wolf Reinhard Wrege, Ökumenische Bewegung, VI. Rechtliche Aspekte: RGG VI4 (2003) 532 – 534, 533: „Die Ökumenische Bewegung ist Ausdruck der kirchlichen und – in den Grenzen ihres Bekenntnisses – theologischen Autonomie der Beteiligten“. 17
Vgl. auch UR 9; Karl Lehmann, Notwendigkeit und Grenzen (Anm. 15) 160; Michael Böhnke, Einheit am Ende des Weges? Zum Beitrag des differenzierten Konsenses für die Ökumene: Catholica 54 (2000) 166 – 178, 173.
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schließlich die Form, d. h. seine Rechtsfähigkeit und rechtliche Gleichheit als formale Größen. Sie bedeutet in keiner Weise die inhaltliche Identifikation eines Gesprächspartners mit der Glaubens- und Sittenlehre des anderen. Vielmehr ist die Anerkennung der inhaltlichen Verschiedenheit notwendige Voraussetzung ernsthaften Dialoges. Mit anderen Worten: Der ökumenische Dialog setzt das eigenständige Profil und die rechtliche Identität jedes Gesprächspartners voraus, anstatt diese zu verwischen. 3. Tauglicher Inhalt ökumenischer Vereinbarungen Im gegebenen Rahmen ist es nicht möglich, die breite Palette ökumenisch relevanter Handlungen auf ihren Rechtscharakter hin zu untersuchen: einseitige Erklärungen einer Kirche in Bezug auf die Anerkennung bestimmter Handlungen, Institutionen etc. einer anderen Kirche wie z. B. Anerkennung der Gültigkeit bestimmter Sakramente; gemeinsame Erklärungen der Oberhäupter zweier Kirchen über Fragen der Glaubenslehre; Gründung interkonfessioneller bzw. ökumenischer Vereine 18 , usf. Hier soll das Augenmerk lediglich auf die Möglichkeit vertraglicher Verbindlichkeit gelegt werden. Nicht jeder beliebige Inhalt kann Gegenstand eines Rechtsverhältnisses werden. Eine erste Grundvoraussetzung besteht darin, dass die Vertragspartner über diesen Inhalt eine rechtliche Dispositionsbefugnis derart besitzen, dass sie konstitutiv eine neue rechtliche Situation, aus der Rechte und Pflichten erfließen, setzen können. Insbesondere kann die Wahrheit in Glaube und Sitte nicht direkt Gegenstand von Verhandlungen und vertraglichen Bindungen werden. Denn die Wahrheit besteht unabhängig von menschlichem Willen, kann lediglich erforscht und anerkannt werden, nicht jedoch in ihrer Verbindlichkeit durch Willensübereinkunft geschaffen oder verändert werden. Die Wahrheit kann jedoch mittelbarer Gegenstand vertraglich bindender Vereinbarungen werden. Dies ist dann der Fall, wenn in Bezug auf eine bestimmte Wahrheit näher definierte Verhaltensweisen der Partner festgelegt werden. So können z. B. zwei Kirchen darin übereinkommen, dass sie gegenseitig die Gültigkeit ihrer jeweiligen Taufe anerkennen und von dieser Grundübereinstimmung aus bestimmte (rechtlich greifbare) Verhaltensweisen ableiten und verbindlich festlegen. In diesem Fall ist nicht die Gültigkeit der Taufe (als theologisches Faktum) Ergebnis oder eigentlicher Gegenstand des Vertrages, sondern die konkreten Verhaltenspflichten rund um diese Anerkennung können Gegenstand
18
Vgl. Dimitri Salachas, Dimensione ecumenica delle associazioni dei fedeli e associazioni interconfessionali: AA.VV., Le associazioni nella Chiesa, Città del Vaticano 1999 (Studi giuridici 51), 117 – 130.
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des verbindlichen Vertrages werden (z. B. bestimmte Verfahrensweisen, gegenseitige Informationspflichten usf.). Die gemeinsame verbindliche Feststellung der Übereinstimmung in der Wahrheit in einem bestimmten Punkt (wie z. B. in einer christologischen Frage) bekommt für die jeweilige Kirche mittelbar auch eine rechtliche Verbindlichkeit: insofern es sich um eine lehrmäßig verbindliche Feststellung handelt, der zuwiderzuhandeln nicht mehr erlaubt ist. Diese indirekte Rechtswirkung der übereinstimmend angenommenen Wahrheit zeitigt auch Rechtswirkungen im zwischenkirchlichen Verhältnis. Auch hier dürfen die Vertragspartner künftighin nicht mehr entgegen dieser Lehre handeln – und dies nicht nur wegen der Verbindlichkeit der Wahrheit an sich, sondern auch aufgrund des Rechtsgedankens von Treu und Glaube und wegen des Verbotes des venire contra factum proprium. Dabei wird vorausgesetzt, dass bei jeder Kirche die zuständige Autorität zur Abgabe der betreffenden theologischen Erklärung gehandelt hat. 19 Handelt nicht die für die verbindliche Erklärung einer Wahrheit zuständige Autorität, sondern etwa eine Dialogkommission, so bestimmt sich der inhaltliche Verbindlichkeitsgrad der getroffenen Übereinstimmung und Erklärung nach dem Grundsatz tantum valet quantum probat. 20 Würde in einer Frage der Wahrheit von den zuständigen Autoritäten beider Kirchen eine verbindliche gemeinsame Erklärung abgegeben, wobei bei gleichem Wortlaut die beiden Kirchen ein abweichendes inhaltliches Verständnis damit verbinden, so liegt materiell in dieser Lehre keine Übereinstimmung vor. Unproblematisch können Gegenstand rechtsverbindlicher ökumenischer Übereinkommen Vereinbarungen über Verfahrensfragen, Methoden und Formen des ökumenischen Dialogs sein. Derartige Abkommen können auch den Charakter eines „pactum de negotiando“ annehmen mit der Verpflichtung für die Gesprächspartner, den Dialog ernsthaft und aufrichtig zu führen und die vereinbarten Verfahrensweisen und Formen einzuhalten. Die allgemeinen Rechtsprinzipien, wie der Grundsatz der bona fides, verpflichten jedenfalls. 21 19
Vgl. Ökumenisches Direktorium 1993 (Anm. 8), Nr. 175. In Nr. 172 – 182 wird mit Recht die Rezeption der Ergebnisse der ökumenischen Dialoge in der Katholischen Kirche auf drei Ebenen verlangt: auf Ebene der Gemeinschaft aller Gläubigen (sensus fidelium), auf Ebene der Theologie und schließlich auf Ebene der zuständigen kirchlichen Autorität. Vgl. auch Ut unum sint (Anm. 8), Nr. 80. 20
So für die Katholische Kirche ausdrücklich: Ökumenisches Direktorium 1993 (Anm. 8), Nr. 178. 21 Vgl. Wolf Reinhard Wrege, Rechtsverbindlichkeit ökumenischer Erklärungen? ZevKR 46 (2001) 1 – 31.
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Dazu kommen mögliche Verträge über disziplinäre Fragen wie etwa die gemeinsame Benutzung von Gotteshäusern (vgl. c. 670 § 2 CCEO) 22 , über die gegenseitige Anerkennung von Amtsträgern oder bestimmter geistlicher oder rechtlicher Funktionen derselben; Vereinbarungen betreffend konfessionsübergreifende Eheschließungen oder betreffend die gegenseitige Zulassung zu einem bestimmten Sakrament 23 ; über die Einrichtung einer gemeinsamen ökumenischen Kommission oder das Betreiben eines gemeinsamen Projektes. Bei Abkommen mit derartigen Inhalten ist der Rechtscharakter nicht zu bestreiten. 24 Als Beispiel sei das Übereinkommen der Deutschen Bischofskonferenz mit der Altkatholischen Kirche in Deutschland zum Übertritt von Geistlichen vom 22. Dezember 1999 genannt. 25 4. Konstitutivelemente des Rechtsgeschäfts Ähnlich wie sich die Staatengemeinschaft in der sog. „Wiener Vertragsrechtskonvention“ vom 23.5.1969 (ergänzt durch das weitere Wiener Übereinkommen vom 21.3.1986) eine völkerrechtliche Regelung betreffend Abschluss, Anwendung, Auslegung, Änderung und Beendigung von Verträgen zwischen Staaten, zwischen Staaten und Internationalen Organisationen und zwischen Internationalen Organisationen gegeben hat 26 , könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht auch auf interkonfessioneller Ebene eine vergleichbare vertragsrechtliche Rahmenregelung für ökumenische Abkommen sinnvoll und nützlich wäre. Solange es derartiges nicht gibt, sind die Partner interkonfessioneller Verträge – von der Möglichkeit der Selbstverpflichtung (vgl. Anm. 3) abgesehen – im Wesentlichen auf die unter I. genannten gemeinsamen rechtlichen Grundlagen verwiesen sowie auf die Möglichkeit, eine Vertragsrechtsregelung zusammen mit einem Abkommen über Sachfragen interkonfessioneller Natur abzuschließen. Auszugehen ist von den Konstitutivelementen, die sich aus dem allgemeinen Vertragsbegriff ergeben. So verlangt das Zustandekommen eines Vertrages nach allgemeiner Lehre 27 das Vorliegen wenigstens zweier übereinstimmender 22
Vgl. Ökumenisches Direktorium I (Anm. 2), Nr. 52 und 61.
23
Beispiele bei Synek, Ökumenisches Kirchenrecht (Anm. 1) 63 – 68.
24
Einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten in diesem Zusammenhang zwischen Katholischer Kirche und getrennten kirchlichen Gemeinschaften: Ökumenisches Direktorium 1993 (Anm. 8) V. Kap. Nrn. 161 – 218. 25
AfkKR 168 (1999) 481 f.
26
Vgl. Meinhard Hilf, Art. Internationales Vertragsrecht: StLex III7 (1987) 173 – 176, 174. 27
Vgl. Hans Brox, Art. Vertrag: StLex V7 (1989) 723 – 728; Hilf, Internationales Vertragsrecht (Anm. 26) 173 – 176.
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auf einen rechtlichen Erfolg (hier: interkonfessionell relevante Rechtsfolgen) gerichteter Willenserklärungen rechtlich dazu befähigter Subjekte (zu letzterem und zur Frage des tauglichen Inhalts siehe vorhin II.1. und 3.). Was die Form anbelangt, ist im Falle ökumenischer Vereinbarungen vom Grundsatz der Formfreiheit auszugehen, zumal die betroffenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften keiner gemeinsamen übergreifenden Rechtsordnung, die eine solche Form vorsehen könnte, unterstehen. Es ist den Vertragspartnern jedoch unbenommen, sich freiwillig auf eine bestimmte Form zu einigen. In diesem Rahmen abgeschlossene Verträge entfalten rechtliche Bindungswirkung zwischen den beteiligten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, vorausgesetzt, dass auch ein tauglicher Vertragsinhalt gegeben ist. Je nach dem Gegenstand des Vertrages muss nicht notwendigerweise in jedem Fall die Kirche als ganze Vertragspartner sein. Die Auslegung derartiger Verträge richtet sich nach folgenden Kriterien: dem Willen der Vertragspartner, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes und schließlich nach der objektiven Absicht und Zweckrichtung des Vertrages. 28 Dabei wird man, analog zum internationalen Vertragsrecht, „rechtsgeschäftliche“ und „rechtsetzende“ Verträge unterscheiden müssen: bei ersteren ist der Wille der Vertragspartner, bei letzeren das objektiv-teleologische Element die primäre Auslegungsmaxime 29 . Einen großen Fortschritt in rechtlicher Hinsicht bedeutet es in der Ökumene, wenn sich zwei oder mehrere Partner auf die gegenseitige Anerkennung ihrer Rechtsordnungen verbindlich verständigen können. Aus dem Blickpunkt der Katholischen Kirche beurteilt, wäre die plena communio stets erst dann gegeben, wenn die gegenseitige Anerkennung auch das ius divinum und die drei vincula gem. c. 205 CIC/c. 8 CCEO umfasst. III. Zuständigkeit Abschließend soll, beschränkt auf die Perspektive des katholischen Kirchenrechts, die Frage der Zuständigkeit für den Abschluss ökumenischer Vereinbarungen angedeutet werden. Das geltende kanonische Recht enthält kein Vertragsrecht und regelt folglich auch nicht die formelle Kompetenz und auch nicht die materiellen Voraussetzungen derartiger zwischenkirchlicher Verträge. 30 Aus diesem Grunde muss die Kompetenzregelung für zwischenkirchliche 28
Wrege, Rechtsverbindlichkeit (Anm. 21) 17.
29
Hilf, Vertragsrecht (Anm. 26) 174.
30
Allerdings setzt der Codex den Begriff des Vertrages sowohl in öffentlichen Angelegenheiten (z. B. cc. 296; 520 § 2; 681 § 2: conventio) als auch in Vermögensangele-
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Verträge den allgemeinen Bestimmungen und den Normen über den Rechtsakt sowie den durch das Abkommen jeweils betroffenen Materien und schließlich grundsätzlich den bestehenden Regelungen über den Ökumenismus entnommen werden. Demnach verteilt sich in der Katholischen Kirche die Zuständigkeit auf folgende Organe und Einrichtungen: • Papst 31 , Apostolischer Stuhl (im bes. der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen), das Kollegium der Bischöfe: cc. 755 § 1 CIC; 904 § 1 CCEO; Art. 135 – 137 PB; Ökumenisches Direktorium 1993, Nr. 53 f.; • die orientalischen Ecclesiae sui iuris: cc. 902 – 908 CCEO; • die Bischofskonferenzen und die Synoden der orientalischen Kirchen: cc. 755 § 1; 844 §§ 4 und 5 CIC; c. 671 CCEO, Ökumenisches Direktorium 1993, Nr. 173; • Diözesanbischof: cc. 755 § 2; 844 §§ 2 – 4 CIC; 192 § 2 und 671 CCEO. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Kanones in beiden Codices, die direkt oder indirekt die Materie der Ökumene bzw. das Verhältnis zwischen den Kirchen betreffen, vgl. z. B. cc. 11, 1170, 1183 § 3. Soweit Normen des kanonischen Rechts vom Ökumenismus sprechen, werden keine Festlegungen betreffend Verträge gemacht, sondern es geht jeweils um die Förderung der Einheit der Kirchen (als allgemeine Pflicht), wobei spezifisch rechtliche Handlungsweisen keine Beachtung finden. Allerdings ist in der allgemeinen Pflicht und Befähigung zum Führen ökumenischer Verhandlungen gemäß der jeweiligen Zuständigkeit auch die Befugnis zum Abschluss solcher Verträge enthalten, vorausgesetzt, die betreffende Autorität handelt mit Rücksicht auf ihre hierarchische Stellung und ihren formalen (territorialen und/oder personalen) sowie materiellen Zuständigkeitsbereich (vgl. z. B. cc. 749 f., 841). So könnte z. B. keine untergeordnete Autorität einen ökumenischen Vertrag über Inhalte abschließen, die einer höheren Autorität vorbehalten sind, z. B. eine Bischofskonferenz oder ein Diözesanbischof, eine für die Katholische Kirche verbindliche interekklesiale Erklärung über die Erfordernisse der Gültigkeit bestimmter
genheiten (z. B. cc. 1284 § 2,1°; 1290-1298: contractus) voraus. Vgl. Teresa Blanco, La noción canónica de contrato. Estudio de su vigencia en el CIC de 1983, Pamplona 1997. 31
Z. B. Gemeinsame Erklärung des Papstes und des Katholikos-Patriarchen aller Armenier Karekin II. vom 27.9.2001: AAS 93 (2001) 837 – 839; Papst Pauls VI. und dem Patriarchen von Alexandrien, Sr. Heiligkeit Shenouda III. vom 10.5.1973: AAS 65 (1973) 299 – 301; Papst Johannes Pauls II. und dem Oberhaupt der RumänischOrthodoxen Kirche Teoktist vom 12.10.2002: AAS 94 (2002) 716 – 718 u. a.
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Sakramente abgeben (vgl. cc. 381 § 1, 841 CIC)32. Desgleichen ist kein Organ der Katholischen Kirche ermächtigt, ein gültiges Abkommen oder eine in irgendeiner Weise verbindliche gemeinsame Erklärung mit einem Inhalt abzuschließen, der dem authentischen Lehramt der Kirche, speziell dem höchsten Lehramt (cc. 749 – 754) oder dem übergeordneten Recht (c. 135 § 2) widerspricht. IV. Schlussbemerkung Zwischenkirchliche Abkommen stellen eine neue Herausforderung für die Kanonistik dar. Ihnen sollte man sich in Hinkunft verstärkt widmen, zumal ökumenische Beziehungen, näher betrachtet, außer der spirituellen, der doktrinellen und der pastoralen Dimension wesentlich auch eine rechtliche Dimension enthalten: ihr geht es um den richtigen Umgang der Konfessionen miteinander, die sich gegenseitig das zugestehen und gewähren müssen, was sie der jeweils anderen schulden. Das, was sie einander schulden, ist – zusammenfassend ausgedrückt – die Einheit. Auf dem Weg zu dieser werden interkonfessionelle Vereinbarungen/Verträge ein kaum zu umgehendes Mittel sein.
32
Dabei ist allerdings zu unterscheiden, ob es sich um die Gültigkeitsanforderungen allgemein handelt, oder um die Erklärung der Gültigkeit eines bestimmten gespendeten Sakraments in einem Einzelfall. Zu letzterem vgl. z. B. c. 845 CIC.
Rechtsnachfolge bei Ordensgemeinschaften Von Bruno Primetshofer I. Vorbemerkungen 1. Die gegenwärtige Situation im Bereich der katholischen Ordensgemeinschaften 1 ist durch eine stark gegenläufige Bewegung gekennzeichnet. Während auf der einen Seite in den letzten Dezennien trotz der Mahnung des II. Vatikanischen Konzils, die Notwendigkeit oder jedenfalls Nützlichkeit von Neugründungen genau abzuwägen 2 , eine erstaunlich hohe Zahl von Zulassungen neuer Ordensgemeinschaften 3 zu verzeichnen ist 4 , sehen sich andere, zum Teil 1
Darunter sind ganz allgemein die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens zu verstehen. 2
VatII PC Nr. 19: „Bei Gründung neuer Institute soll man die Notwendigkeit oder wenigstens den großen Nutzen wie auch die Aussicht auf Nachwuchs und Entfaltung reiflich erwägen, damit nicht unbedacht Institute entstehen, die bedeutungslos sind und der nötigen Lebenskraft entbehren“. 3
Die unmittelbar im Anschluss an PC 19 erstellte Prognose von Wulf, dass wegen der schweren Krise, in der sich das Ordensleben befindet, „in absehbarer Zeit kaum mit Neugründungen bisheriger Ordenstypen zu rechnen“ sei, hat sich nicht nur nicht bewahrheitet, es wurden im Gegenteil in der Zeit nach dem Konzil erstaunlich viele Neugründungen vorgenommen (vgl. folgende Fußnote), die sich beinahe ausschließlich im Rahmen der bisherigen in den Codices 1917 und 1983 vorgezeichneten Kategorien bewegen. Friedrich Wulf, in: LThK2 (1967), Konzilskommentar II, S. 302. 4
Für den Zeitraum von 1963 – 1983 vermerkt Andrés 152 Neugründungen diözesanen Rechts, davon 141 Ordensinstitute (Instituta religiosa) und 11 Säkularinstitute, ferner für denselben Zeitraum 240 Neugründungen päpstlichen Rechts, davon 235 Ordensinstitute und 5 Säkularinstitute. Domingo J. Andrés, La supresión de los institutos religiosos, in: ComRelMiss 67 (1986), S. 39. – In der Zeit von 1983 – 2004 wurden 231 bischöfliche Errichtungen und 155 päpstliche Anerkennungen von Instituten des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens vorgenommen. Vgl. L’attività della S. Sede, Città del Vaticano, 1983 – 2004. Das ergibt für die 40 Jahre seit dem II. Vatikanischen Konzil eine Gesamtzahl von 679 Neugründungen. – Die Zahlen beziehen sich ausschließlich auf die Lateinische Kirche; für die Orientalischen Kirchen liegen keine Angaben vor.
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schon seit Jahrhunderten bestehende Gemeinschaften gezwungen, eine Reihe von Niederlassungen, ja mitunter ganze Provinzen aufzugeben. Nicht selten ist infolge anhaltenden Nachwuchsmangels die Existenz des Instituts selbst gefährdet, so dass sich die Frage stellt, auf welche Weise eine Fortsetzung und zeitgemäße Anpassung des ursprünglichen Zieles und des Charismas in der Zukunft gewährleistet werden kann5. Bei der Lösung dieses Problems sind u. a. Fragen kanonistischer, zivilrechtlicher wie auch staatskirchenrechtlicher Natur zu überlegen. 2. Eine Untersuchung der Rechtsnachfolge nach Ordensgemeinschaften kann sich auch der kritischen Anfrage nicht verschließen, ob in der Vergangenheit bei der Gründung neuer Gemeinschaften eine angemessene Prüfung von Notwendigkeit oder zumindest Nützlichkeit und Angemessenheit der geplanten Gründung immer mit der nötigen Sorgfalt vorgenommen wurde. Im Laufe der Kirchengeschichte wurde die Vielzahl von Ordensgemeinschaften im Bereich der Lateinischen Kirche wiederholt als negativ angesehen, und Päpste bzw. Ökumenische Konzilien (4. Laterankozil 1215, 2. Konzil von Lyon 1274) haben Verbote in Bezug auf die Gründung neuer Orden ausgesprochen6, die sich freilich in der Folge als nicht sehr effizient ausgewirkt haben7. Auch in der Vorbereitungsphase zum Zweiten Vatikanischen Konzil fanden eingehende Befragungen über Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Status der Ordensgemeinschaften statt. Sehr nachhaltig wurde dabei von verschiedenen Seiten der Wunsch nach Zurückhaltung bei Gründung neuer Institute sowie allenfalls nach Zusammenlegung von Ordensgemeinschaften mit gleicher oder ähnlicher Zielsetzung ausgesprochen. An den Hl. Stuhl wurde die Bitte gerichtet, strengere Richtlinien bezüglich der Errichtung neuer Institute anzuwenden; an Stelle von Neugründungen möge eher an Zusammenlegungen gedacht werden8. Verständlicherweise äußern sich weder der CIC/1983 noch der CCEO zur Frage der Opportunität von Neugründungen im Rahmen der bestehenden Strukturen 5
Christine Rod, „Orden haben Zukunft, wenn…“, in: Ordensnachrichten 44 (2005), S. 9 f. 6
Neugründungen sollte es nur mehr auf der Basis von drei bereits anerkannten Ordensregeln geben, nämlich der von Basilius, Augustinus und Benedikt. Angelo Carminati, Fini della Religione, in: DIP IV (1977), Sp. 54. 7
Trotz des am 4. Laterankonzil (1215) verhängten Verbotes der Gründung neuer Orden spricht kurze Zeit später die Apostolische Konstitution „Religionum diversitatem nimiam“ Gregors X. (1274) schon wieder von einer zu beobachtenden „gleichsam ungezügelten Vielzahl“ (effrenatam quasi multitudinem) von Ordensgemeinschaften, vor allem von Mendikanten, die die Zulassung vom Hl. Stuhl mitunter direkt erpresst hätten. Andrés, Supresión (Anm. 3), S. 16, Anm. 15 und 16. 8
Andrés, Supresión, (Anm. 3), S. 27 – 30.
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des geltenden Ordensrechts. Hinsichtlich der Schaffung von neuen Formen des geweihten Lebens verweisen beide Codices auf die ausschließliche diesbezügliche Kompetenz des Hl. Stuhles, wobei aber die Diözesan-(Eparchial)bischöfe durchaus ermuntert werden, die der Kirche vom Heiligen Geist anvertrauten neuen Gaben des geweihten Lebens zu erkennen 9 und deren Verwirklichung durch geeignete Maßnahmen abzusichern (c. 605; c. 571 CCEO) 10 . 3. Beide Codices befassen sich im Bereich des Ordensrechts mit dem Tatbestand der Endigung von Instituten des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens, wobei in den betreffenden Canones (cc. 584, 732; cc. 438 §§ 2 und 4, 507 §§ 1 und 2 CCEO) nur die hoheitliche Auflösung durch die infrage kommenden Organe – im lateinischen Rechtsbereich ist dies ausschließlich der Hl. Stuhl (c. 584) 11 , im orientalischen Recht unter bestimmten Voraus-
9 Die angesprochene Möglichkeit der Schaffung neuer Formen des geweihten Lebens findet gegenwärtig ihre Verwirklichung eher in den rechtlich zumeist (noch) nicht eindeutig strukturierten geistlichen Bewegungen („movimenti spirituali“), die teilweise auch Bindungen an die drei evangelischen Räte vorsehen. Soweit es hingegen um bereits anerkannte neue Formen des geweihten Lebens geht, hat c. 605 bislang nur ein spärliches Echo gefunden. Der Annuario Pontificio 2005, S. 1706 f. erwähnt unter der Überschrift „Altri istituti di vita consacrata“ insgesamt 6 gemeinsame Institute des geweihten Lebens päpstlichen Rechts, bei denen Männer (Kleriker und Laien) und Frauen in einem einzigen Verband zusammengefasst sind. Dieselbe Struktur weist die diözesanrechtliche „Fraternità Francescana di Betania“ auf. Dazu Antonio Neri, Un unico istituto di vita consacrata composto da fratelli, sia chierici che laici e da sorelle: La Fraternità Francescana di Betania, in: ComRelMiss 81 (2000), S. 97 – 171, 255 – 308. – Zur Frage: Velasio de Paolis, Le nuove forme di vita consacrata (a norma del can. 605), in: Informationes SCRIS (Sacrae Congregationis pro Religiosis et Institutis saecularibus, 19/2 (1993), S. 72 – 93; Antonio Neri, Nuove forme di vita consacrata (can. 605), Pontificium Institutum utriusque iuris „Quaderni d’Apollinaris“ 11, Roma 1995; Emilio Sastre Santos, Las condiciones y posibilidades de nuevas formas de vida consagrada. Urbaniana University Press. Vatican City 1999; Domingo Andrés, Le forme di vita consacrata. Commentario teologico-giuridico al Codice di diritto canonico. Roma 52005, S. 802 f. 10 Im Zusammenhang mit der Zulassung neuer Institute erhebt sich wieder die schon des öfteren gestellte Frage, ob Verheirateten der Eintritt in ein Institut des geweihten Lebens eröffnet werden könnte. „Vita consecrata“ Nr. 62 erteilt derartigen Bestrebungen allerdings eine klare Absage. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Johannes Pauls II. über das geweihte Leben und seine Sendung in der Kirche, 25.3.1996; AAS 88 (1996), S. 377 – 486. Ebenso deutlich die Lineamenta für die Bischofssynode über das geweihte Leben: (1994): „…coniuges …sub categoria vitae consecratae comprehendi nequeunt.“ Sastre Santos, Las condiciones (Anm. 9), S. 287. 11
Diese Bestimmung gilt auch für Institute diözesanen Rechts.
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setzungen auch der Patriarch 12 (c. 507 § 2 CCEO) – angeführt wird, denen auch die Regelung in Bezug auf das Vermögen des aufgehobenen Instituts obliegt. Das Ordensrecht selbst enthält keine Regelung in Bezug auf das selbständige Erlöschen einer Ordensgemeinschaft. Dies ist auch entbehrlich, weil Ordensgemeinschaften öffentliche juristische Personen sind (c. 116), bezüglich derer die allgemeinen Regelungen über deren Untergang zur Anwendung kommen. Demzufolge erlischt die aus physischen Personen bestehende juristische Person (kollegiale Personengesamtheit, c. 115) von selbst, wenn sie durch einen Zeitraum von hundert Jahren zu handeln aufgehört hat, d. h. also hundert Jahre nach dem Tod oder Ausscheiden der letzten handlungsfähigen physischen Person (sog. quiescentia iuris). Solange auch nur eine handlungsfähige physische Person übrig bleibt, gehen alle körperschaftlichen Rechte auf diese über (c. 120 § 2); die Frist beginnt erst nach Eintritt von deren Tod, Ausscheiden bzw. Eintritt der Handlungsunfähigkeit zu laufen 13 . Auf vermögensrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Erlöschen der juristischen Person ist gesondert einzugehen. Neben dem von selbst eintretenden Erlöschen einer öffentlichen juristischen Person ist deren hoheitliche Auflösung durch die zuständige kirchliche Autorität zu erwähnen. Ein Selbstauflösungsrecht ist nach Maßgabe der Statuten nur für private juristische Personen vorgesehen (c. 120 § 1); sie kommt daher für unsere Frage nicht in Betracht. II. Formen der Beendigung von Ordensgemeinschaften 1. Vereinigung mit anderen Ordensgemeinschaften a) Im Folgenden werden nur jene Fälle ins Auge gefasst, bei denen Krisensituationen insbesondere im Bereich des Ordensnachwuchses nicht mehr durch Maßnahmen begegnet werden kann, die im ordensinternen Bereich, d. h. durch die zuständigen Oberen und Kapitel nach Maßgabe von c. 585 selbst gelöst werden können 14 . C. 582 fasst insgesamt vier Vorgänge ins Auge, von denen zwei für unser Thema einschlägig sind, nämlich den Zusammenschluss („fusio“) und die Vereinigung („unio“) zweier oder allenfalls mehrerer Institute 15 .
12
Clemente Pujol, La vita religiosa orientale. Commento al Codice di Diritto Canonico Orientale. Roma 1994, S. 259. 13
Helmuth Pree, c. 120, Rdnr 7, in: MK CIC (Lieferung Juni 2000).
14
Dazu Francis G. Morrisey, The Restructuring of Provinces in a Religious Institute, in: Jurist 62 (2002), S. 114 – 130. 15
Die im genannten Canon ebenfalls angesprochenen Formen der monastischen (kanonikalen) Föderation und Konföderation liegen nicht im Bereich der gegenständlichen
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Ersterer besteht darin, dass das eine Institut mit seiner Rechtspersönlichkeit vollständig im anderen aufgeht, diese also einen „Zuwachs“ erhält, ohne dass daraus eine neue Rechtspersönlichkeit entsteht 16 . Letztere hingegen bedeutet eine Verschmelzung von (mindestens) zwei Instituten, so dass in der Folge ein neues Institut mit eigener Rechtspersönlichkeit unter gleichzeitigem Erlöschen der bisherigen juristischen Personen entsteht 17 . Für den Bereich des lateinischen Rechts wird die ausschließliche diesbezügliche Kompetenz des Hl. Stuhles festgelegt (c. 582), dem es auch obliegt, die vermögensrechtlichen Folgen der Aufhebung zu regeln (c. 584). Allerdings sind dabei die Vorgaben in den Allgemeinen Normen des CIC/1983 zu beachten. b) C. 121 regelt allgemein den Zusammenschluss mehrerer öffentlicher juristischer Personen (darunter sind auch Ordensgemeinschaften zu subsumieren) zu einer neuen, die damit auch die Güter und Vermögensrechte der bisherigen juristischen Personen sowie deren Verbindlichkeiten übernimmt. Hinsichtlich der Zweckbestimmung der Güter und der Erfüllung der Verbindlichkeiten müssen der Wille der Stifter und Spender sowie wohlerworbene Rechte gewahrt bleiben. Aus dem Gesagten ergibt sich einerseits, dass, von gesondert zu treffenden Regelungen abgesehen, sämtliche Güter der bisherigen Ordensgemeinschaften in den Zusammenschluss bzw. die Vereinigung einzubringen sind. Gleiches gilt für die Verpflichtungen. Das schließt allerdings nicht aus, dass bei Gelegenheit einer „fusio“ bzw. „unio“ Teile des bisherigen Ordensvermögens ausgegliedert und in eine andere Rechtsform, etwa eine Stiftung, umgewandelt werden. Der nach c. 121 jedenfalls zu beachtende Wille der Stifter und Spender, sowie die Relevanz wohlerworbener Rechte kann in einzelnen Fällen eine solche Vorgangsweise zumindest geraten erscheinen lassen, wenn nicht sogar zwingend fordern. Dies etwa dann, wenn einer Ordensgemeinschaft eine zweckgerichtete Zuwendung für eine besondere Form der Krankenbetreuung
Problematik. – In PC 22 werden Unionen von Instituten empfohlen, insbesondere dann, „wenn sie in etwa die gleichen Konstitutionen und Gebräuche haben, …vor allem dann, wenn die Institute allzu klein sind.“ Überdies wird geraten, Zusammenschlüsse (associationes) von Instituten vorzunehmen, „wenn sie sich den gleichen oder ähnlichen äußeren Werken widmen.“ 16
VatII PC Nr. 21 hat in Bezug auf nicht mehr lebensfähige Verbände folgendes Procedere vorgesehen: „Instituten und Klöstern, die nach Rücksprache mit den zuständigen Ortsbischöfen kein fruchtbares Wirken mehr versprechen, soll verwehrt werden, noch Novizen aufzunehmen; sie sollen nach Möglichkeit einem anderen, lebenskräftigeren, dem Ziel und Geist nach verwandten Institut oder Kloster angeschlossen werden.“ 17
Bruno Primetshofer, Ordensrecht auf der Grundlage des CIC/1983 und des CCEO. Freiburg/Br. 42003, S. 48. Rose McDermott, External and Internal Reconfiguration of Religious Institutes (Canons 582 and 581 CIC), in: ComRelMiss 86 (2005), S. 59 – 72.
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(z. B. Hospiz für unheilbar Kranke) gegeben worden war. Die Fortführung dieses besonderen Stifterwillens könnte bei Zusammenschluss mit einem anderen Institut infrage gestellt sein. Die Treue zur übernommenen Verpflichtung verlangt nach einer Lösung, die nach Möglichkeit eine Fortsetzung des Stifterwillens, wenn auch in einer nach Zeit und Ort angepassten Form, gewährleistet. Die Ausgliederung eines angemessenen Teiles des Vermögens des Instituts und dessen Einbringung in einen eigenen Rechtsträger 18 könnte sich in diesem Zusammenhang als geeignetes Mittel erweisen. Diese Ausgliederung aus dem klösterlichen Stammvermögen ist als Veräußerung (Alienation) anzusehen, zu deren gültiger Vornahme der zuständige Obere der Zustimmung seiner Konsultoren bedarf. Bei Erreichung der Romgrenze ist auch eine Erlaubnis des Hl. Stuhles einzuholen (c. 638 § 3). Bei diözesanrechtlichen Verbänden und bei den rechtlich selbständigen Klöstern nach c. 615 ist überdies die schriftliche Zustimmung des Ortsordinarius 19 erforderlich (c. 638 § 4). c) Die Errichtung eines eigenen Rechtsträgers für ausgegliedertes Vermögen einer Ordensgemeinschaft fällt je nach Eigenart des Instituts in dessen autonomen Wirkungsbereich und bedarf keiner Zustimmung des Ortsordinarius. Wenn die Rechtsform der selbständigen oder unselbständigen Stiftung gewählt wird, dann ist zu deren Errichtung die schriftliche Erlaubnis des Ordinarius erforderlich (c. 1304 § 1). Darunter ist nach c. 134 § 1 auch der höhere Obere eines klerikalen Ordensinstituts päpstlichen Rechts oder einer klerikalen Gesellschaft des apostolischen Lebens päpstlichen Rechts zu subsumieren 20 . Bei allen anderen Verbänden ist unter dem Ordinarius der Ortsordinarius zu verstehen. Wird die Rechtsform des Vereins gewählt, dann ist zu unterscheiden, ob ein Verein nach kanonischem oder (ausschließlich) staatlichem Recht errichtet wird. Für die Gründung eines Vereins nach rein staatlichem Recht ist die jeweilige staat-
18
In vielen Fällen wird sich hiefür die Rechtsform der – selbständigen oder unselbständigen – frommen Stiftung (c. 1303) als geeignetes Instrument erweisen. Je nach Sachlage könnte aber auch an die Errichtung eines Vereins mit kirchlicher und staatlicher, allenfalls ausschließlich staatlicher Rechtspersönlichkeit gedacht werden, dem eine bestimmte Vermögensmasse zugewiesen wird. Dazu Christian Kuhn, Die Privatstiftung als alternativer Träger für Einrichtungen von Ordensgemeinschaften, in: Ordensnachrichten 45 (2006), in Druck. 19
Das ist im Sinne von c. 134 § 1 neben dem Diözesanbischof auch der Generalvikar und der kategorial zuständige Bischofsvikar. 20
Hans Heimerl / Helmuth Pree, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche. Regensburg 1993, S. 571.
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liche Rechtsordnung zuständig 21 . Hinsichtlich der Gründung eines Vereins nach kanonischem Recht ist u. a. auf die Bestimmung des c. 312 § 2 zu verweisen, demzufolge die vom Diözesanbischof gegebene Erlaubnis zur Errichtung der Niederlassung eines Ordensinstituts (c. 609 § 1) auch die Möglichkeit der Errichtung eines dem betreffenden Institut eigenen öffentlichen 22 Vereins in dieser Niederlassung oder der ihr angegliederten Kirche vorsieht 23 . Der Übergang der Verbindlichkeiten von dem einen Institut auf das andere bringt auch ein klagbares Recht auf Erfüllung von Rechtsansprüchen zugunsten jener mit sich, die einen einschlägigen Anspruch nachweisen können. Derartige Ansprüche kann es zugunsten physischer wie juristischer Personen geben, und sie können sowohl dinglicher wie persönlicher Natur sein. Hinsichtlich der Durchsetzbarkeit derartiger Ansprüche kommen formalrechtlich je nach Lage des Falles sowohl der (kirchliche) Gerichts- wie der Verwaltungsweg 24 , allenfalls der staatliche Rechtsweg in Betracht, wobei auch ein Anspruch auf Schadenersatz gegenüber demjenigen gegeben ist, der durch eine Rechtshandlung vorsätzlich oder fahrlässig einem anderen Schaden zugefügt hat (c. 128) 25 . d) Rechtsquelle für Verpflichtungen können das kanonische wie auch das staatliche Recht (Staatskirchenrecht) sein, woraus sich auch gegebenenfalls eine sogar ausschließliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen ergeben kann. Solche Leistungspflichten zugunsten juristischer Personen (Kirchengebäuden, Pfarreien) gibt es in Österreich in Form von anteiligen Baulasten für Kirchen (Kapellen) und kirchlichen
21
In Österreich Vereinsgesetz, BGBl 66 (2002).
22
Aus dem Kontext des c. 312 ergibt sich, dass die gemäß c. 312 § 3 durch den zuständigen Ordensoberen erfolgte Errichtung eines Vereins einen öffentlichen Verein im Auge hat. Diesem kommt zufolge c. 313 mit der Errichtung die kirchliche Rechtspersönlichkeit als öffentliche juristische Person (c. 116) zu. 23
Winfried Schulz, in: MK CIC c. 312 Rdnr. 9.
24
Letzterer etwa dann, wenn die Zusammenlegung mehrerer Institute durch Dekret erfolgte, sofern damit eine Verletzung wohlerworbener Rechte verknüpft sein sollte. In diesem Fall wäre eine Anfechtung des Dekrets bzw. von Teilen desselben auf dem Verwaltungsrechtsweg (cc. 1732 – 1739) möglich. 25 Die Schadenersatzpflicht ist einerseits unabhängig davon, ob der Rechtsakt gültig ist oder nicht, sie steht und fällt aber andererseits mit der Tatsache, dass der den Rechtsakt Setzende vorsätzlich (dolus) oder (zumindest) fahrlässig (culpa) gehandelt hat. Julio García Martín, Le norme generali del Codex Iuris Canonici. Roma 1995, S. 418 f. – Zur Frage der Unterscheidung von „culpa“ (gravis, levis, levissima) und der Schadenersatzpflicht vgl. Pree, MK CIC c. 128, Rdnr. 9.
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Zwecken dienende Gebäude (Pfarrhöfe) aufgrund von Inkorporationen 26 und noch bestehenden (Privat-)Patronaten 27 . – Bei Leistungspflichten zugunsten physischer Personen ist u. a. auf die im staatlichen Recht vorgesehenen Überweisungsbeträge zu denken, die im Fall des Ausscheidens einer Ordensperson aus dem Verband für die gesamte in der Ordensgemeinschaft verbrachte Zeit an den staatlichen Sozialversicherungsträger zu entrichten sind 28 . e) Ein besonderes Problem bei fusio und unio stellen die nach staatlichem Recht eintretenden Folgen dieser Vorgänge dar. Denn das Institut, das einem anderen angeschlossen wird bzw., das zusammen mit einem anderen eine neue rechtliche Entität bildet, hat in beinahe allen Fällen nach Maßgabe der jeweils geltenden staatlichen Bestimmungen Rechtspersönlichkeit erlangt und ist, wie immer diese Rechtspersönlichkeit im Einzelnen beschaffen sein mag 29 , als juristische Person Träger von Rechten und Pflichten geworden. All das muss nunmehr geändert und den neuen Rechtsverhältnissen angepasst werden, was sich insbesondere auf grundbücherliche Eintragungen auswirkt, die nicht unbeträchtliche finanzielle Belastungen zur Folge haben können 30 .
26
Für den Fall, dass die Vereinigung von Ordensgemeinschaften mit einer Exkorporation von Pfarreien verbunden sein sollte, kommen die diesbezüglichen Richtlinien der österreichischen Bischofskonferenz zum Tragen, die eine einvernehmliche vertragliche Regelung zwischen Inkorporationsträger und zuständigem Diözesanbischof zum Gegenstand haben. Amtsblatt der österreichischen Bischofskonferenz 7 (1992), Pkt 5, 1; vgl. Heimerl / Pree, Handbuch (Anm. 20), S. 479 f. 27
Auch nach dem von der Kleruskongregation 1971 vorgeschlagenen und in der Folge auch durchgeführten Verzicht der Patronatsinhaber auf das Patronat und dem damit verbundenen Erlöschen der bisherigen Rechte und Pflichten (dazu ÖAKR 23 [1972], S. 107) bestehen in Österreich trotzdem noch einige weltliche und geistliche Patronate. Bezüglich der Geltendmachung diesbezüglicher Leistungspflichten sieht das ZusP. zum österreichischen Konkordat Art XI § 1 vor, dass Streitigkeiten über Leistungen aus einem bestehenden Patronat von den Behörden der staatlichen Kultusverwaltung im instanzenmäßigen Verfahren entschieden werden. Auf nähere Einzelheiten in Zusammenhang mit den patronatischen Baulastpflichten und deren Rechtsgrundlagen (sog. Patronatstangenten) ist hier nicht einzugehen. Vgl. dazu Herbert Kalb / Richard Potz / Brigitte Schinkele, Religionsrecht. Wien 2003, S. 503 – 505. 28
Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 17), S. 301 – 303; ders., Religiosen, in: Heimerl / Pree, Handbuch (Anm. 20), S. 733 – 736. 29 Es kann sich dabei um die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts handeln, wie etwa in Österreich und Bayern, oder um privatrechtliche Formen, z. B. den eingetragenen Verein, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Offene Handelsgesellschaft usw. 30
Der bisweilen in jüngster Zeit bei Zusammenlegungen von mehreren Provinzen ein und derselben Ordensgemeinschaft eingeschlagene Weg, die Provinzen zwar kanonisch
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f) Der hier besprochene Vorgang des Zusammenschlusses mehrerer Ordensgemeinschaften kann u. a. bedeuten, dass von den bisherigen verschiedene Organisationsformen und Leitungsorgane mit neuem rechtlichem Sitz eingerichtet werden. Dies kann auch konkordatsrechtliche Implikationen zur Folge haben, weil für bestimmte Obere unter gewissen Voraussetzungen die Staatsbürgerschaft eines bestimmten Landes gefordert wird. So müssen dem österreichischen Konkordat (1934) zufolge auf Lebenszeit 31 bestellte Obere österreichischer Ordensniederlassungen mit stabilitas loci ihrer Mitglieder die österreichische Bundesbürgerschaft besitzen. Dasselbe gilt für die Oberen jener Provinzen, deren rechtlicher Sitz in Österreich gelegen ist (Art X §§ 2 und 3) 32 . Eine ähnliche Bestimmung enthält das Bayerische Konkordat (1924) 33 . Derartige Staatsangehörigkeitsklauseln sind allerdings mit den Freizügigkeitsrechten des EG-Vertrages nicht vereinbar. Wenngleich dessen § 307 derzeit einen Vorbehalt für die vor Inkrafttreten dieses Vertrages bereits abgeschlossenen Vereinbarungen enthält, so handelt es sich dabei nur um ein vorübergehendes Zurücktreten des Gemeinschaftsrechts, da § 307, 2 des EG-Vertrages ein Harmonisierungsgebot vorsieht 34 . g) Die im Zusatzprotokoll zu Art X § 3 des Konkordats enthaltene Absichtserklärung des Hl. Stuhles, er werde dafür Sorge tragen, „dass der Provinzverband der in Österreich bestehenden oder zu errichtenden religiösen Niederlassungen nach Tunlichkeit mit den Staatsgrenzen der Republik Österreich in Übereinstimmung gebracht wird“, könnte theoretisch bei Zusammenschlüssen von Ordensgemeinschaften eine Rolle spielen. In einem Vereinten Europa muss zusammenzulegen, für den Bereich des staatlichen Rechts aber die bisherigen Rechtspersönlichkeiten zu belassen, dürfte sich im Fall der Vereinigung mehrerer Ordensgemeinschaften nicht als gangbar erweisen. 31
Der Konkordatstext spricht den nach damaligem Recht geltenden Regelfall an, dass Äbte (Pröpste) der rechtlich selbständigen Klöster auf Lebenszeit bestellt wurden. Das ist heute kaum mehr der Fall. Trotzdem ist m. E. die Konkordatsbestimmung auf Äbte (Pröpste) anzuwenden, die nach Maßgabe des Eigenrechts nicht auf Lebenszeit bestellt wurden. Bruno Primetshofer, Ordensrechtliche Bestimmungen des Konkordats, in: Hans Paarhammer / Franz Pototschnig / Alfred Rinnerthaler (Hrsg.), 60 Jahre österreichisches Konkordat. München 1994, S. 469 f. 32
Die Bestimmung gilt allerdings nicht für Obere, die außerhalb des Bundesgebietes ihren rechtlichen Sitz haben, auch wenn sie persönlich ihren Sitz in Österreich haben sollten. Johann Haring, Kommentar zum neuen österreichischen Konkordat. Innsbruck / Wien / München 1934, S. 59. 33
Bayerisches Konkordat Art. 13 § 2. Angelo Mercati, Raccolta di Concordati. Vol. II, Città del Vaticano 1954, S. 27. 34
Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht (Anm. 27), S. 500.
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aber eine derartige Bestimmung als obsolet angesehen werden. Sie ist überdies in der Praxis durch die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Errichtung mehrerer übernationaler Ordensprovinzen, die auch das Gebiet Österreichs umfassen, insofern längst überholt worden, als das im Konkordat vorgesehene Procedere hinsichtlich der Übereinstimmung mit den Staatsgrenzen gänzlich unbeachtet geblieben ist 35 . 2. Auflösung einer bestehenden Ordensgemeinschaft a) Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass alle Ordensgemeinschaften als ganze ebenso wie deren einzelnen Teilorganisationen, nach kanonischem Recht Rechtspersönlichkeit besitzen (c. 634 § 1) und zwar in der Eigenschaft einer (kirchenrechtlich) öffentlichen juristischen Person 36 . Dies deshalb, weil sie im Namen der Kirche die ihnen im Hinblick auf das öffentliche Wohl übertragene eigene Aufgabe erfüllen (c. 116 § 1). Der Unterschied zwischen Ordensgemeinschaften päpstlichen und diözesanen Rechts spielt hier keine Rolle. Mit der Ausstellung des Errichtungsdekrets durch den Diözesanbischof (c. 579) oder allenfalls direkt durch den Hl. Stuhl (c. 589) 37 ist die Rechtspersönlichkeit als öffentliche kirchliche juristische Person automatisch mitgegeben 38 ; einer eigenen Verleihung durch einen besonderen Rechtsakt bedarf es nicht mehr.
35
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass weder der Hl. Stuhl noch der Diözesanbischof mit der Frage der Zusammenlegung von Provinzen (Vize-Provinzen und Regionen) befasst sind, da dies, auch bei einem diözesanrechtlichen Verband, eine ausschließlich institutsinterne Angelegenheit darstellt (c. 585). Nur wenn mit der Zusammenlegung von Provinzen die Aufhebung einer einzelnen Niederlassung verbunden ist, kommt dem örtlich zuständigen Diözesanbischof in Bezug auf die Aufhebung der Niederlassung ein Anhörungsrecht zu (c. 616 § 1). 36
Daraus ergibt sich noch nicht eo ipso auch eine Rechtsfolge für das staatliche Recht. In welcher Rechtsform sich eine kirchliche öffentliche juristische Person im staatlichen Bereich darstellt (öffentlich-rechtliche, privatrechtliche Rechtsstellung), ist von den Voraussetzungen des jeweiligen staatlichen Rechts abhängig. 37
Die Umwandlung eines Instituts diözesanen in ein solches päpstlichen Rechts durch Ausstellung eines päpstlichen Anerkennungsdekrets (c. 589) hat auf die Rechtspersönlichkeit des Instituts keinen Einfluss. 38
Das Ordensrecht kennt die Konstruktion einer Ordensgemeinschaft, d. h. also eines Instituts des geweihten Lebens oder einer Gesellschaft des apostolischen Lebens in der Rechtsform einer privaten juristischen Person nicht. Diese Konstruktion kann es aber durchaus bei Vorformen von Ordensgemeinschaften geben, etwa wenn eine Gruppe von Gläubigen sich (zunächst) als privater Verein (c. 299 § 1) konstituiert, seine Statuten der
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b) Für die Beendigung öffentlicher juristischer Personen, worunter auch die Ordensgemeinschaften zu subsumieren sind, enthält der CIC zwei Normbereiche: In den Allgemeinen Normen wird generell vom Erlöschen öffentlicher juristischer Personen gesprochen (c. 123), während das Ordensrecht speziell und ausschließlich auf den Tatbestand der hoheitlichen Auflösung (c. 584) abstellt. Die rechtssprachliche Terminologie ist in den beiden Fällen nicht deckungsgleich. Der in c. 123 erwähnte Erlöschenstatbestand („exstincta persona iuridica publica“) umfasst zufolge c. 120 § 1 sowohl die hoheitliche Auflösung als auch die von selbst eintretende Beendigung, wenn die juristische Person durch einen Zeitraum von 100 Jahren zu handeln aufgehört hat 39 . C. 584 spricht hingegen nur von der hoheitlichen Auflösung, so dass sich also die Frage stellt, ob das Ordensrecht als lex specialis bezüglich der Beendigung einer Ordensgemeinschaft nur den in diesem Canon angeführten Endigungstatbestand, d. h. die hoheitliche Auflösung kennt. Das würde bedeuten, dass, auch wenn die in c. 120 § 1 angeführte Voraussetzung, nämlich Aufhören der Handlungsfähigkeit durch 100 Jahre, vorliegen sollte, die Ordensgemeinschaft trotzdem so lange weiter bestehen würde, bis nicht die hoheitliche Auflösung durch die zuständige Autorität, d. h. den Hl. Stuhl (c. 584) erfolgt ist. Zwingend ergibt sich eine solche Interpretation nicht. Beide Tatbestände der Beendigung könnten in Bezug auf Ordensgemeinschaften an sich nebeneinander bestehen, d.h. es könnte sowohl den Endigungstatbestand des c. 123 (selbständiges Erlöschen) wie auch die hoheitliche Aufhebung (c. 584) geben. Schwierigkeiten bereitet allerdings der Hinweis des c. 123, dass, sofern „Recht und Statuten“ keine einschlägige Regelung vorsehen, das Vermögen der von selbst erloschenen juristischen Person der unmittelbar höheren juristischen Person zufällt. Wer ist das wenn die gesamte Ordensgemeinschaft erloschen ist, außer dem Hl. Stuhl? Somit käme dann erst wieder dessen vermögensrechtliche Entscheidungskompetenz wie im Falle der hoheitlichen Auflösung zum Tragen. c) Der Unterschied zwischen den beiden Endigungstatbeständen liegt vor allem in den vermögensrechtlichen Konsequenzen. Während c. 584 ohne jede Differenzierung die ausschließliche Kompetenz des Hl. Stuhles in Bezug auf das Vermögen der aufgehobenen Ordensgemeinschaft festlegt, enthält c. 123 eine detaillierte Regelung, die vor allem ein beachtliches Maß an Subsidiarität und Dezentralisierung aufweist. Denn die Rechtsnachfolge hinsichtlich der Güter und Vermögensrechte wie auch der Verbindlichkeiten wird durch das
zuständigen Autorität zur Prüfung vorlegt (c. 299 § 3) und nach Maßgabe von c. 322 § 2 Rechtspersönlichkeit erlangt hat. 39 „Persona iuridica…exstinguitur…si a competenti auctoritate supprimatur aut … agere desierit“ (Hervorhebungen vom Verfasser).
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einschlägige Recht und die Statuten 40 der juristischen Person selbst geregelt; erst wenn diese keine einschlägige Regelung enthalten, schafft c. 123 einen sog. „Auffangtatbestand“, d. h. Vermögen und Verbindlichkeiten fallen der unmittelbar höheren juristischen Person zu, wobei immer der Wille der Stifter und Spender sowie wohlerworbene Rechte zu beachten sind. d) C. 584 enthält für den Fall der hoheitlichen Auflösung einer Ordensgemeinschaft durch den Hl. Stuhl 41 keinen Hinweis auf die Beachtlichkeit der in c. 123 angeführten Vorgaben. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass diese Vorgaben zur Gänze außer Betracht bleiben können, wenn eine hoheitliche Auflösung durch den Hl. Stuhl erfolgt. Unter dem in c. 123 enthaltenen Hinweis auf „Recht und Statuten“ kann auch das Eigenrecht eines Ordensverbandes gemäß c. 587 gemeint sein. Sofern dieses Eigenrecht überhaupt Bestimmungen in dem in Rede stehenden Zusammenhang enthält, wäre es freilich nur in seltenen Ausnahmefällen denkbar, dass diese eine Bindewirkung für den Hl. Stuhl entfalten. Denn sie würden nur bei Vorliegen besonderer Umstände gültig sein. Dies etwa dann, wenn der betreffende Teil des Eigenrechts entweder direkt als päpstliches Gesetz erlassen oder als Beschluss des infrage kommenden (General-)Kapitels vom Papst in besonderer Form bestätigt wurde 42 . In allen anderen Fällen kommt dem Eigenrecht keine Bindewirkung gegenüber dem kodikarischen oder sonstigem universalen Recht zu, unabhängig davon, ob es vor oder nach Inkrafttreten des CIC/1983 beschlossen wurde. Bezüglich des vor dem CIC/1983 erlassenen Eigenrechts greift die derogierende Wirkung von c. 6 § 1, 1, weil in c. 584 kein Vorbehalt zugunsten partikularen Rechts enthalten ist. Nach Inkrafttreten des CIC/1983
40 Unter Recht ist sowohl das universale wie partikulare Gesetzesrecht wie auch das Gewohnheitsrecht gemeint, unter dem Begriff Statuten ist das Statutarrecht gemäß c. 94 §§ 1 – 3 angesprochen. Pree, MK CIC, c. 123 Rdnr. 3. – Hierbei ist aber zu beachten, dass es Statutarrecht (Satzungsrecht) gibt, das kraft gesetzgebender Gewalt erlassen und promulgiert wurde und das den Bestimmungen über die Gesetze unterliegt (c. 94 § 3). Aymans / Mörsdorf nennen diese Form von Satzungsrecht hoheitliches Satzungsrecht oder Satzungsgesetz. Winfried Aymans / Klaus Mörsdorf, Kanonisches Recht, I. Paderborn 1991, S. 215. – Zur Frage des Rechtscharakters des Statutarrechts bei Ordensgemeinschaften: Bruno Primetshofer, Der Rechtscharakter des Eigenrechts in Ordensgemeinschaften, in: Anzelm Szuromi (Hrsg.), Parare viam Domino. FS Polykarp Zakar zum 75. Geburtstag. Budapest 2005, S. 91 – 124; ders., Il valore giuridico del diritto proprio negli IVC e SVA, in: ComRelMiss 87 (2006), S. 171 – 188. 41
Einer Mitteilung von Andrés zufolge hat der Hl. Stuhl in der Zeit von 1963 – 1993 keine einzige Aufhebung eines Instituts vorgenommen. Domingo Javier Andrés, Il diritto dei religiosi. Roma 21996, S. 27. 42
PastBon Art. 18; RegGenCR (1999), Art. 126.
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beschlossenes Eigenrecht ist von der Bestimmung des c. 135 § 2 erfasst, d. h. ein höherem Recht widersprechendes Gesetz kann von einem untergeordneten Gesetzgeber nicht gültig erlassen werden43. Als Fazit kann festgehalten werden, dass das Eigenrecht, von den erwähnten Ausnahmefällen abgesehen, gültigerweise keine Bestimmungen über die vermögensrechtliche Nachfolge bei Auflösung der Ordensgemeinschaft festlegen kann. Das Gesagte gilt aber nicht gleichermaßen für die übrigen in c. 123 angeführten Vorbehalte, nämlich die Beachtlichkeit des Willens der Stifter und Spender und der wohlerworbenen Rechte. Hier handelt es sich nämlich um ein durchgängiges Prinzip des kirchlichen Vermögensrechts44, auch des ordensrechtlichen, das in c. 493 CIC/1917 in Bezug auf den Willen der Stifter noch ausdrücklich kodifiziert worden war45. Der Umstand, dass der CIC/1983 den Hinweis des c. 493 CIC/1917 nicht übernommen hat, bedeutet keinesfalls, dass sein Inhalt in der geltenden Rechtsordnung keinen Platz mehr hat. 3. Vermögensübertragungen a) Eine realistisch in die Zukunft blickende Ordensgemeinschaft wird sich auch die Frage stellen (müssen), wie und in welcher Rechtsform eine Fortsetzung ihrer Apostolatswerke gewährleistet werden kann, wenn sie selbst zu bestehen aufhört. Eine allenfalls vorzunehmende Vereinigung mit einer anderen Ordensgemeinschaft (unio, fusio) stellt nicht unbedingt eine Garantie dar, dass bestimmte spezifische Apostolatsaufgaben in geeigneter Form weitergeführt werden. Die Auflösung durch den Hl. Stuhl gibt diesem auch das Recht der Disposition über das Vermögen, was zwar einerseits, wie bereits erwähnt, kein völlig freies Ermessen bedeutet (oben 2. d), andererseits aber auch ein rechtlich bindendes Mitgestaltungsrecht der Ordensgemeinschaft, sei es auch nur in Form eines Anhörungsrechts, ausschließt. Für jede Ordensgemeinschaft sind die pastoralen und karitativen Zielsetzungen, und ist das besondere, zumeist stark mit der Persönlichkeit des Gründers (der Gründerin) verbundene Charisma, Teil der je eigenen Identität, des Erbgu43 Was hier von Gesetzen gesagt wird, gilt a fortiori vom Eigenrecht eines Ordensinstituts, das zum größeren Teil Statutarrecht gemäß c. 94 §§ 1 – 3 darstellt. Primetshofer, Rechtscharakter (Anm. 40), S. 97 f. 44 45
Vgl. cc. 1267 § 3, 1300.
Der CCEO hat in den cc. 438 § 4 und 507 § 1 diese Bestimmung des CIC/1917 aufgegriffen, wonach auch der Apostolische Stuhl im Falle der Aufhebung von Niederlassungen hinsichtlich der Disposition über das Vermögen angewiesen wird, den Willen der Stifter zu beachten. Pujol, Vita religiosa (Anm. 12), S. 260.
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tes, dessen getreuliche Bewahrung jedem Verband aufgetragen wird (c. 578). Das kann, ja muss auch bedeuten, dass rechtzeitig Vorsorge getroffen wird, diesem Erbgut nach Möglichkeit auch dann eine Existenzform zu sichern, wenn die Ordensgemeinschaft selbst zu bestehen aufgehört hat. Solange sie noch besteht, kann sie und möglicherweise nur sie allein, am besten entscheiden, welche Weichenstellungen für die Zukunft vorzunehmen sind. b) Verschiedene Ordensgemeinschaften bzw. einzelne ihrer Teilorganisationen (Provinzen), die Träger bisweilen umfangreicher Einrichtungen auf dem Gebiet des Unterrichts oder der Kranken- und Sozialfürsorge sind, haben in den vergangenen Jahren im Rahmen des Zivilrechts der verschiedenen Staaten eigene Formen geschaffen, die eine Ausgliederung eines Teils des bisherigen Verbandsvermögens und Eingliederung etwa in eine Holding oder in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) zum Gegenstand haben. Bei den Gesellschaften kann es sich, jedenfalls nach österreichischem Recht, um eine Gesellschaft mit nur einem einzigen Gesellschafter 46 , nämlich die betreffende Ordensgemeinschaft selbst, oder auch, was den Regelfall darstellt, mit mehreren Gesellschaftern handeln. Im letztgenannten Fall wurden auch Zusammenschlüsse mit Einrichtungen anderer Ordensgemeinschaften vorgenommen, die Aufgaben ähnlicher oder gleicher Zielsetzung (Schulen, Krankenhäuser) haben. Die Ausgliederung bestimmter Teile des Verbandsvermögens stellt eine Maßnahme der zeitgemäßen und vereinfachten Verwaltung dar, bedeutet aufgrund der reduzierten Haftpflicht eine (finanzielle) Entlastung für die Ordensgemeinschaft 47 , steht aber mit der Frage der Rechtsnachfolge in keinem unmittelbaren Zusammenhang. c) Zur Regelung speziell dieser Frage bieten sich mehrere Möglichkeiten an. Zum einen die Errichtung einer selbständigen oder unselbständigen kirchlichen 46
Kanonistisch ist bei der Errichtung einer nur aus einem einzigen Gesellschafter, nämlich der Ordensgemeinschaft selbst, bestehenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) zu beachten, dass die Übertragung der bisher im Eigentum des Instituts stehenden Vermögensmasse in die Gesellschaft zwar einen Akt der außerordentlichen Verwaltung, aber keine (konsenspflichtige) Veräußerung darstellt. Denn die Verlagerung von Ordensvermögen (Schule, Spital) in das der Gesellschaft hebt die alleinige Entscheidungsbefugnis der Ordensgemeinschaft im Rahmen der GmbH nicht auf, entlastet sie im Gegenteil insofern, als sie für Verbindlichkeiten nicht mehr als ganze, sondern nur mehr im Rahmen des Gesellschaftsrechts haftet. 47
Dabei ist allerdings auf einen Trend in der neuesten Judikatur aufmerksam zu machen. In Ausnahmefällen greift nämlich das Haftungsprivileg der GmbH nicht, und es wird eine Durchgriffshaftung auf das persönliche Vermögen der Gesellschafter bejaht. Dies insbesondere wegen Beherrschung der Gesellschaft und faktischer Geschäftsführung. Gottfried Thiery, in: Die Presse, 11.4.2005.
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Stiftung (fundatio pia autonoma bzw. non autonoma). Für alle Stiftungen ist erforderlich, dass sie zu den in c. 114 § 2 angeführten Zwecken, nämlich zu Werken der Frömmigkeit, des Apostolats oder der Caritas in geistlicher oder zeitlicher Hinsicht errichtet werden (c. 1303 § 1, 1 – 2). Bei der Errichtung einer solchen Stiftung ist zu bedenken, dass damit das Problem einer Rechtsnachfolge in Bezug auf die Ordensgemeinschaft als ganze nicht gelöst ist. Denn es kann ja nur ein Teil des Ordensvermögens in die Stiftung eingebracht werden, über das Schicksal des verbleibenden Rests wird keine Entscheidung getroffen. Des ungeachtet erweist sich die Stiftung als geeignetes Instrument, um eine Fortführung des spezifischen Apostolats der Ordensgemeinschaft für die Zukunft zu sichern. d) Hinsichtlich der Kompetenz zur Errichtung einer selbständigen Stiftung verweist der CIC auf den Ordinarius, dessen schriftliche Erlaubnis für die Gründung erforderlich ist (c. 1304 § 1). Der Begriff Ordinarius ist, wenngleich nicht erschöpfend48, in c. 134 festgelegt. Demnach ist zunächst der Ortsordinarius (Diözesanbischof, General- bzw. Bischofsvikar) angesprochen, für Ordensverbände bestimmter Kategorien ist auch der eigene höhere Obere unter dem Begriff Ordinarius49 zu subsumieren. Es handelt sich dabei um die höheren Oberen klerikaler Ordensinstitute päpstlichen Rechts sowie klerikaler Gesellschaften des apostolischen Lebens päpstlichen Rechts, soweit sie wenigstens ordentliche ausführende Gewalt besitzen (c. 134 § 1). Das sind im Einzelnen der Abt bzw. Propst eines rechtlich selbständigen Klosters gemäß c. 61350, ferner bei zentralistischen Verbänden der Provinzobere, Generalobere, sowie für alle Genannten auch deren Vikare. Sofern also der betreffende Ordensverband einen ordenseigenen Ordinarius besitzt, ist dieser auch für Errichtung einer selbständigen Stiftung zuständig. Für alle anderen Verbände, klerikale wie laikale, ist der Ortsordinarius zuständig, in dessen Gebiet entweder die
48
Der Militärbischof nach „Spirituali militum curae“ vom 21.4.1986 (AAS 78 [1986], 482 f.) und der Prälat der Personalprälatur (c. 295 § 1) sind Ordinarien, werden aber in c. 134 § 1 nicht erwähnt. Hubert Socha, in: MK CIC, c. 134, Rdnr. 3. 49 50
Er ist allerdings, mit Ausnahme des Territorialabtes (c. 368), nicht Ortsordinarius.
Die Vorsteher monastischer oder kanonikaler Föderationen und Konföderationen (c. 582), nämlich Abtpräses, Abtprimas bzw. Generalabt sind zwar Ordinarien im Sinne von c. 134, doch ist auf ihre grundsätzlich eingeschränkte Vollmacht (c. 620) zu verweisen. Unzureichend ist die Aufzählung von Hartelt, der nur den Abtprimas und Abtpräses als ordensrechtliche Ordinarien betrachtet. Konrad Hartelt, Ordinarius, in: LKStKR III, S. 112.
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Niederlassung selbst51 oder jedenfalls der Hauptsitz jenes Verbandes gelegen ist, der eine Stiftung errichten will. e) Es erhebt sich die Frage, ob die Superiorenkonferenz (c. 708 f.) eines Landes als Träger einer Stiftung infrage kommt. Die Einrichtung einer Superiorenkonferenz ist nicht verpflichtend vorgeschrieben; wenn sie aber besteht, müssen ihre Statuten vom Hl. Stuhl genehmigt werden (c. 709). Dem Hl. Stuhl obliegt auch die Entscheidung darüber, ob sie kirchliche Rechtspersönlichkeit besitzt52. Mit der Verleihung von Rechtspersönlichkeit ist der Status einer kirchlich-öffentlichen juristischen Person nach Maßgabe von c. 116 gegeben. Eine allfällige Erlangung staatlicher Rechtspersönlichkeit richtet sich nach den staatskirchenrechtlichen Gegebenheiten des betreffenden Landes53, wobei der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts gegeben sein kann. Wenngleich die Superiorenkonferenz ein reines Beratungsorgan darstellt und keine Autorität über das einzelne Ordensinstitut besitzt, so stellt die Behandlung der mehreren Ordensgemeinschaften gemeinsamen Angelegenheiten einen der Zwecke der Superiorenkonferenz dar (vgl. c. 708)54, und es wäre demnach nicht auszuschließen, dass in dem vom Hl. Stuhl approbierten Statut auch die Errichtung einer selbständigen Stiftung durch die Superiorenkonferenz vorgesehen wird. In ihrer Existenz gefährdete Ordensgemeinschaften könnten sodann zumindest Teile ihres Vermögens in diese Stiftung einbringen. Ein mit der Bischofskonferenz, bzw. mit den einzelnen Bischöfen akkordiertes Vorgehen wird schon von c. 708 empfohlen und legt sich überdies von der Natur der gegenständlichen Sache her dringend nahe.
51 Wenn es sich bei dieser Niederlassung um ein Nonnenkloster handelt, sind zwei Varianten denkbar: Es kann sich um ein Kloster handeln, das im Sinne von c. 615 keinen anderen Oberen außer dem eigenen besitzt. In diesem Fall ist es der besonderen Aufsicht des Diözesanbischofs unterstellt. Wenn das Kloster aber einer monastischen Föderation angeschlossen ist und daher nicht in die Kategorie des c. 615 fällt, hat m. E. der Abtpräses, vorbehaltlich einer besonderen Regelung durch das Eigenrecht, kraft seines Amtes nicht die Vollmacht, namens der Nonnenabtei eine selbständige Stiftung zu errichten. In beiden Fällen liegt daher die Errichtung einer Stiftung in der ausschließlichen Zuständigkeit des Ortsordinarius bzw. des Hl. Stuhles. 52
Gianfranco Ghirlanda, Natura e fini istituzionali delle conferenze dei superiori e religiosi, in: Informationes SCRIS 19/1993, II, S. 96 – 117. 53
Die Superiorenkonferenzen Österreichs, der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz besitzen staatliche Rechtspersönlichkeit. Primetshofer, Ordensrecht (Anm. 17), S. 256. 54
Francisco J. Egaña, Conferenze dei Superiori maggiori, in: NDDC, S. 216 f.
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f) Die vermögensrechtliche Verlagerung in eine selbständige Stiftung wird sich in beinahe allen Fällen auf das Stammvermögen einer Ordensgemeinschaft beziehen. Ausgehend von der Überlegung, dass die ins Auge gefasste Stiftung kirchliche öffentliche Rechtspersönlichkeit besitzt, ist demnach das in diese eingebrachte Vermögen als Kirchenvermögen anzusehen, da das in c. 1257 § 1 angesprochene Zugehörigkeitsverhältnis zu einer öffentlichen kirchlichen juristischen Person gegeben ist. Es ist aber nicht mehr Ordensvermögen und daher sind auch die Veräußerungsbestimmungen über Kirchenvermögen anzuwenden. Denn diese greifen ja auch dann Platz, wenn eine Vermögensübertragung von einer öffentlichen kirchlichen juristischen Person auf eine andere derselben Art erfolgt. Das bedeutet demnach, dass die Übertragung des Vermögens in die Stiftung, sofern diese durch von der Ordensleitung verschiedene Organe rechtsgeschäftlich verwaltet und vertreten wird, gültig nur unter Einhaltung der Bestimmungen über die Veräußerung klösterlichen Vermögens (c. 638) erfolgen kann 55 . Dazu zählt auch, dass bei Erreichen der sog. Romgrenze zu allen sonstigen Gültigkeitsvoraussetzungen auch die Erlaubnis des Hl. Stuhles einzuholen ist 56 . Dieser wiederum – in der Regel handelt es sich um die Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens 57 – legt seit neuestem Wert darauf, dass bei Gesuchen für die Romgrenze erreichende Veräußerungen von Ordensvermögen der Ortsbischof unterrichtet wird, damit er „sein Urteil darüber abgeben kann, vor allem im Blick auf einen eventuellen Erwerb für die pastoralen Notwendigkeiten seiner
55
Es könnte durchaus mit Grund die Ansicht vertreten werden, dass die Gründung einer selbständigen Stiftung, sofern diese ausschließlich von denselben Personen rechtsgeschäftlich vertreten wird wie die Ordensgemeinschaft selbst, keine Veräußerung von Ordensvermögen, sondern nur einen Akt der außerordentlichen (klösterlichen) Vermögensverwaltung darstellt. 56 Bei Transaktionen im Bereich von Grundstücken und Liegenschaften, also bei intabulationspflichtigen Rechtsgeschäften ist nach österreichischem Konkordatsrecht eine Bestätigung des zuständigen Ortsordinarius einzuholen, dass „die innerkirchlichen Gültigkeitsvoraussetzungen für das betreffende Rechtsgeschäft gegeben sind“ (ZusProt zu Art XIII des Konkordats). Diese sog. Ordinariatsklausel gibt dem Ortsordinarius aber kein zusätzliches Konsensrecht zu Veräußerungen von Ordensvermögen. Er besitzt ein solches Konsensrecht daher ausschließlich aufgrund des kodikarischen Rechts (c. 638 § 4), d. h. bei Veräußerungen von Vermögen der rechtlich selbständigen Klöster nach c. 615 und bei Verbänden diözesanen Rechts. Dazu Primetshofer, Ordensrechtliche Bestimmungen (Anm. 31), S. 478 f. 57
Je nach Lage des Falles könnte in der gegenständlichen Frage eine Zuständigkeit der Kongregation für die Orientalischen Kirchen oder eine solche der Kongregation für die Evangelisation der Völker gegeben sein. PastBon Art 56, 90.
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Diözese“ 58 . Das Schreiben der Kongregation betont zwar, dass ein solches Urteil des Ortsbischofs vom kanonischen Recht nicht vorgeschrieben sei, sondern dass die cc. 586 – 593 bzw. 634 – 638 die volle Autonomie der Institute anerkennen, die ja auch der Bischof zu wahren und zu schützen habe. Die Institute können daher über ihr Vermögen frei verfügen, immer im Rahmen der kirchlichen Gesetzgebung und der Zielsetzung des Instituts. Freilich müsse daran erinnert werden, dass jegliches Vermögen eines Instituts des geweihten Lebens oder einer Gesellschaft des apostolischen Lebens als Kirchengut anzusehen sei, weshalb für seine Verwaltung die Prinzipien und die Zielsetzungen von c. 1254 (vgl. auch c. 634 § 2 und 635 § 2) einzuhalten seien, damit gleichzeitig auch ein grundsätzlicher Geist des Gehorsams und der Armut gewahrt und bezeugt bleibe und unternehmerische und kommerzielle Zielsetzungen vermieden werden können (cc. 286 und 672). Das Schreiben des Sekretärs der Kongregation 59 räumt dem Ortsbischof zwar kein Vorkaufsrecht im strengen Sinn ein, verleiht ihm aber dennoch eine Stellung, die mit dem kodikarischen Recht nicht übereinstimmt. Ohne für den Fall einer Veräußerung von klösterlichem Vermögen die grundsätzliche Nützlichkeit einer vorausgehenden Fühlungnahme mit dem Diözesanbischof in Abrede stellen zu wollen, muss doch gesagt werden, dass in dieser Anordnung ein potentieller Konfliktherd mit der Autonomie der Ordensgemeinschaften (c. 586 §§ 1 und 2) enthalten ist. Es steht nämlich zu befürchten, dass im Falle einer geplanten Veräußerung von Ordensvermögen der Bischof versuchen könnte, diese Veräußerung an einen anderen Käufer als die Diözese zu verhindern. Das wiederum muss nicht unbedingt im Interesse der Ordensgemeinschaft liegen, zumal ja auch nicht auszuschließen ist, dass die Diözese unter günstigeren Bedingungen erwerben möchte als ein anderer potentieller Käufer. Abgesehen davon gerät die Ordensgemeinschaft möglicherweise in eine schwierige Lage, wenn für sie, aus welchen Gründen immer, die Diözese als Käufer unerwünscht sein sollte. Auf der anderen Seite ist selbstverständlich auch im Zusammenhang
58
In Fotokopien ergangenes Schreiben des Sekretärs der genannten Kongregation an die Generaloberen und Generaloberinnen vom 8. 2. 2005, Prot. Nr. 971/2004 (Archiv der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs). 59
Das Schreiben trägt nur die Unterschrift des Sekretärs, nicht auch die des Kardinalpräfekten der Kongregation. Bezüglich seines Rechtscharakters trifft es keine Festlegung. Es ist aber jedenfalls als rechtssystematisch zumindest bedenklich einzustufen, da es de facto eine neue, im CIC nicht enthaltene Verpflichtung auferlegt. Dazu fehlt aber der Kongregation, abgesehen von einer besonderen im Einzelfall zu erteilenden päpstlichen Ermächtigung (PastBon Art 18, 2), die Kompetenz. Selbst wenn das Schreiben als Instruktion zu qualifizieren wäre, könnte diese bei sonstiger Nichtigkeit keine Verpflichtung auferlegen, die mit dem Gesetz nicht in Einklang gebracht werden kann (c. 34 § 2).
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mit Veräußerungen von Vermögen die Verantwortung der Ordensgemeinschaften für die pastoralen Bedürfnisse von Gesamt- und Teilkirche zu betonen. Es hieße die geistliche Zielsetzung der Institute gründlich verkennen, wenn diese bei Veräußerung von Klostergütern nicht auch im Auge behielten, dass dabei zwar kommerzielle Kalkulierungen60 nicht von vornherein gänzlich auszuschließen sind, dass ihnen aber keine Priorität gegenüber der vorrangigen Aufgabe aller kirchlichen Güter zukommen darf, wonach diese nämlich für die Seelsorge, insbesondere für den Dienst an den Armen, bestimmt sind (vgl. c. 1254 § 2)61. Auch in diesem speziellen vermögensrechtlichen Bereich ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bischöfen und Ordensverbänden geboten. Darauf hat schon vor der Promulgation des CIC/1983 ein von der (damals so benannten) Kongregation für die Religiosen und Säkularinstitute auf der einen und der Kongregation für die Bischöfe auf der anderen Seite gemeinsam herausgegebenes Dokument „Mutuae relationes“62 mit besonderem Nachdruck hingewiesen. Das geistliche Erscheinungsbild von Teil- und Gesamtkirche liegt in der gemeinsamen Verantwortung der Bischöfe und der Ordensgemeinschaften. Die Ordensverbände müssen in angemessener Weise ihrer Verpflichtung gegenüber der Teilkirche nachkommen, und andererseits obliegt es auch den Bischöfen, die Treue gegenüber der klösterlichen Berufung zu schützen63.
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Wenn das kanonische Recht für alle Verwalter kirchlichen Vermögens als Leitbild den aus dem vorchristlichen Römischen Recht stammenden Begriff des „bonus paterfamilias“ (c. 1284 § 1) verwendet, so muss dieser „gute Hausvater“ zweifellos auch etwas vom Handwerk jeder (erfolgreichen) Vermögensverwaltung verstehen, worunter selbstverständlich auch kommerzielle Gesichtspunkte zu subsumieren sind. Auch Klostergut kann seiner eigenen Zweckbestimmung (vgl. c. 1254 § 2) nur dann nachkommen, wenn es gewinnbringend verwaltet wird. 61
Heimerl / Pree, Handbuch, (Anm. 20), S. 56 – 64; Velasio de Paolis, Beni ecclesiastici, in: NDDC S. 99 – 107, bes. IV: Importanza dei fini dei beni ecclesiastici, S. 103. 62 AAS 70 (1978), S. 473 – 506; Xaverius Ochoa, Leges Ecclesiae post Codicem Iuris Canonici editae, vol. V (1980), Nr. 4569. 63
Mutuae relationes, Nr. 28. – Die Bischöfe erfüllen ihren pastoralen Dienst u. a. in der Förderung des klösterlichen Lebens und in einem diesem nach Maßgabe des Rechts zu gewährenden Schutz. Mutuae relationes, Nr. 9, c.
Ist die Auflösung der nichtvollzogenen Ehe von Getauften noch zeitgemäß? Überlegungen zur Aktualität eines Verwaltungsverfahrens Von Nikolaus Schöch I. Einführung Im Jahr 2003 1 ergingen durch kirchliche Gerichte insgesamt 68 792 Nichtigkeitserklärungen von Ehen. Demgegenüber wurden im Jahr 2004 2 nur 684 Auflösungen zugunsten des Glaubens gewährt. Ein Schattendasein führt jedoch vor allem die Eheauflösung aufgrund von Nichtvollzug mit 344 päpstlichen Gnadenreskripten im Jahr 2003 und 305 im Jahr 2004 3 . Die Zahl der Eheauflösungen wegen Nichtvollzugs erreicht also nicht einmal die Hälfte jener zugunsten des Glaubens. Wesentlich deutlicher wird deren in der Praxis der kirchlichen Gerichte untergeordnete Rolle noch, wenn wir sie mit der Zahl der Nichtigkeitsurteile vergleichen: im Jahr 2003 wurden 200mal so viele Ehen für nichtig erklärt als wegen Nichtvollzugs aufgelöst. Während die Zahl der Nichtigkeitserklärungen weltweit zwischen 1966 und 2005 von 2 280 4 auf 68 792 und damit um das dreißigfache gestiegen ist, ist die Entwicklung bei den Eheauflösungen wegen Nichtvollzugs umgekehrt: die Zahl der gewährten Eheauflösungen ist von über 500 im Jahr des historischen Höhepunkts 1961 bis zur
1 Vgl. SecrStat: Rationarium generale, Annuarium statisticum Ecclesiae 2003, Vatikanstadt 2005, S. 468. Das Annuarium statisticum Ecclesiae 2004 war zum Zeitpunkt der Abfassung des vorliegenden Artikels noch nicht erschienen. 2 Die Glaubenskongregation hatte zur Zeit der Abfassung des Artikels bereits die Zahl für das Kalenderjahr 2004 herausgegeben: vgl. L’attività della Santa Sede nel 2004. Hrsg. von Nicola Sarale, Vatikanstadt 2005, S. 601. 3 Vgl. L’attività della Santa Sede nel 2004, a cura di Nicola Sarale, Vatikanstadt 2005, S. 644. 4
Vgl. Zenon Grocholewski, Processi di nullità matrimoniale nella realtà odierna, in: Il processo matrimoniale canonico. Hrsg. Piero Antonio Bonnet / Carlo Gullo (= Studi giuridici, Bd. 29), Vatikanstadt, S. 13.
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Gegenwart um ein Drittel gesunken und dies trotz einer Vereinfachung des Verfahrens durch den CIC/19835 und die Normen von 19866. Die Aufschlüsselung nach Kontinenten und Ländern zeigt noch deutlicher, dass sich der enorme Unterschied zwischen der Zahl der Nichtigkeitserklärungen und der Eheauflösungen stark erhöht. Aus den Vereinigten Staaten, jenem Land mit der weltweit höchsten Zahl an Ehenichtigkeitserklärungen (im Jahr 2003: 47 305, einschließlich Dokumentenverfahren)7, langten lediglich sieben (!) Gesuche um Eheauflösung wegen Nichtvollzugs ein8. Im Jahr 2003 wurden im größten katholischen Land der Welt, in Brasilien, 1 827 Ehen für nichtig erklärt und nur vier Ansuchen um Auflösung der Ehe wegen Nichtvollzugs an die zuständige Kongregation gesandt9. In Asien spielt das Nichtvollzugsverfahren lediglich in Indien (54) und Thailand (8) eine Rolle10. Eigenartig, dass aus Thailand trotz eines geringen Anteils an Christen doppelt so viele Ansuchen um Eheauflösung gestellt werden, als aus dem größten katholischen Land der Welt, aus Brasilien. Aber auch in Europa stehen die Eheauflösungen im Vergleich zu 9 598 Nichtigkeitserklärungen statistisch gesehen am Rand des Interesses. Innerhalb Europas steht an erster Stelle Italien mit 84, gefolgt von Spanien mit 36, Deutschland mit 20 und Polen mit 1411. Es ist also nicht zu leugnen, dass die Eheauflösung wegen Nichtvollzugs weltweit gegenüber den Nichtigkeitserklärungen und den ebenso leicht im Steigen begriffenen Eheauflösungen zugunsten des Glaubens12 im Alltag der kirchlichen Gerichte eine immer selten werdendere Ausnahme darstellen. Nach wie vor stellen die Gesuche um Auflösung der Ehe wegen Nichtvollzugs die wichtigste Tätigkeit des vierten Amtes der Kongregation für den Gottesdienst und die Disziplin der Sakramente dar13. Um der größeren Klarheit und Kürze willen wird im Folgenden der Ausdruck Auflösung an Stelle des genaue5
Vgl. can. 1697 – 1706.
6
Sacra Congregatio Sacramentorum, Litterae circulares, 20. 12. 1986, De processu super matrimonio rato et non consummato (Prot. N. 1400/86), in: Communicationes 20 (1988), S. 78 – 84. 7
SecrStat: Rationarium generale, Annuarium statisticum Ecclesiae (Anm. 1), S. 462.
8
SecrStat: Rationarium generale, Annuarium statisticum Ecclesiae (Anm. 1), S. 474.
9
SecrStat: Rationarium generale, Annuarium statisticum Ecclesiae (Anm. 1), S. 464.
10
SecrStat: Rationarium generale, Annuarium statisticum Ecclesiae (Anm. 1), S. 465.
11
SecrStat: Rationarium generale, Annuarium statisticum Ecclesiae (Anm. 1), S. 467 –
468. 12
L’attività della Santa Sede nel 2004 (Anm. 2), S. 601.
13
L’attività della Santa Sede nel 2004 (Anm. 2), S. 644 – 645.
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ren und in den amtlichen Dokumenten verwendeten Begriffs der Dispens vom göttlichen Gesetz der Unauflöslichkeit 14 der gültigen, aber nicht vollzogenen Ehe durch den Papst kraft seiner Vikarsgewalt verwendet: „dispensatio super matrimonio rato et non consummato“ (vgl. can. 1697). Falsch ist Auflösung nicht, sondern lediglich die Verwendung des Ausdrucks divortium, d. h. Scheidung 15 . Can. 1142 spricht von dissolvi, d. h. aufgelöst werden. Die Zuständigkeit der Kongregation ist exklusiv und erstreckt sich sowohl auf Getaufte, die der lateinischen als auch den katholischen Ostkirchen angehören sowie auf alle Länder der Erde 16 . Ansuchen, welche aus den der Kongregation für die Glaubensverbreitung oder für die Ostkirchen zugeschriebenen Ortskirchen stammen, werden an die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramente weitergeleitet. Im Folgenden soll nun versucht werden, die Bedeutung des Vollzugs für die Ehe als solche und damit die Sinnhaftigkeit und Aktualität des Nichtvollzugsverfahrens ebenso wie die Kriterien für den Nichtvollzug und damit für die Möglichkeit des Verfahrens gemäß der aktuellen Praxis der Kongregation untersucht werden. Zusätzlich werden ein paar Hinweise zu prozessrechtlichen Besonderheiten des Nichtvollzugverfahrens gegeben. Ziel der Überlegungen ist es zweifellos ein auf eine lange Tradition zurückblickendes Verfahren trotz seiner kleinen Zielgruppe nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. II. Nichtvollzug und Gattenwohl Gerade angesichts der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten, deren bekannteste HIV/AIDS ist, besteht die Gefahr, dass die Kirche wegen ihrer Ablehnung künstlicher Barrieren, die den Erguss der Samenflüssigkeit in die Scheide der Frau verhindern, ins Kreuzfeuer der Kritik gerät 17 . Es ist daher zu einem besseren Verständnis der Bedeutung des Vollzugs der Ehe erforderlich, einen klaren Begriff der ehelichen Liebe zwischen zwei Personen mit gleicher Würde vor Augen zu haben, die aber mit einer unterschiedlichen und sich ge-
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Vgl. Benedetto Marchetta, Scioglimento del matrimonio canonico per inconsumazione e clausole proibitive di nuove nozze: dottrina, procedura, giurisprudenza, Padova 1981, S. 8. Zur Frage der Unauflöslichkeit der vollzogenen Ehe unter Getauften vgl.: Georg May, Wie unauflöslich ist die Ehe?, in: AfkKR 140 (1971), S. 87. 15
Vgl. Elmar Güthoff, Das Privilegium Petrinum. Die Auflösung einer nichtsakramentalen Ehe durch päpstlichen Gnadenakt, in: DPM 9 (2002), S. 253 – 254. 16 17
L’attività della Santa Sede nel 2004 (Anm. 2), S. 641.
Vgl. Frank Sanders, AIDS als Herausforderung für die Theologie. Eine Problematik zwischen Medizin, Moral und Recht (= Beihefte zum Münsterischen Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Bd. 43), Münster 2005.
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genseitig ergänzenden Sexualität ausgestattet sind. Die eheliche Lebensgemeinschaft erfordert die psychosexuelle Integration der Partner, einen gemeinsamen Prozess der Reifung 18 . Die Verwirklichung der Gemeinschaft des Lebens und der Liebe mit der gegenseitigen psychosexuellen und zwischenmenschlichen Integration ist implizit für das Gattenwohl erforderlich (c. 1055 § 1) und Aufgabe beider Partner 19 . Der Geschlechtsverkehr ist nach katholischer Lehre auf exklusive Art der Ehe vorbehalten und bringt in der wechselseitigen Hingabe die Natur des Gattenwohls zum Ausdruck 20 . Ein Rota-Urteil von 2004 hob die Bedeutung der menschlichen Sexualität hervor, welche eine entscheidende Quelle der Freude und der gegenseitigen Bereicherung im Bereich der ehelichen Beziehung darstellt 21 . Jedes Ehepaar ist berufen, die menschlichen Liebe vereint sowohl in der geistigen als auch in der körperlichen Dimension zu leben, deren integrierender Teil die Sexualität darstellt. Die Sexualität ist ein bevorzugter Ort für die Verwirklichung der ehelichen Liebe, denn in ihr zeigt sich die radikale Verschiedenheit der Person des anderen Partners. Ihr ist eine Bewegung eigen, welche die Individualität überwindet. Die reproduktive Funktion selbst gehört nicht einer einzelnen Person, sondern beiden zusammen 22 . In der Ehe ist die Sexualität in ihrer genitalen Ausübung wenigstens potentiell gegenwärtig als qualifizierender Inhalt und Modalität der speziellen Beziehung, welche sich zwischen den Ehepartnern verwirklicht und welche eine ausdrücklich sexuelle zwischenmenschliche Beziehung ist 23 . Die Ehe kann nicht auf die Sexualität im genitalen Sinne reduziert werden. Es wäre deshalb verfehlt, eine ununterbrochene Fähigkeit zum Vollzug des Ge-
18
Vgl. RR, Urteil coram Colagiovanni vom 2. 2. 1988, in: RR Dec 80 (1988), S. 48, Nr. 6. 19 Vgl. RR, Urteil coram Stankiewicz vom 30. 4. 1998, in: RR Dec 90 (1998), S. 336, Nr. 9; RR, Urteil coram Pompedda vom 10. 12. 1998, in: RR Dec 90 (1998), S. 835, Nr. 13. 20 Vgl. Francisco Gil Hellín, Il luogo proprio dell’amore coniugale nella struttura del matrimonio, in: Il matrimonio e la vita coniugale, Vatikanstadt 1996, S. 129 ff. 21
Vgl. RR, Relazione annuale sull’anno giudiziario 2004, Rom 2005, S. 6.
22
Vgl. Gianfranco Zuanazzi, Bonum coniugum: profili socio-psicologici, in: Congresso Nazionale di Diritto Canonico XXVI (12. – 15. 9. 1994, Bressanone-Brixen), Atti del Congresso: Il ‚bonum coniugum‘ nel matrimonio canonico. Hrsg. von der Associazione Canonistica Italiana (= Studi giuridici, Bd. 40), Vatikanstadt 1996, S. 67. 23
Vgl. Juan José García Faílde, El bien de los cónyuges, in: Curso de derecho matrimonial y procesal canónico para profesionales del foro (XI): Estudios matrimoniales en homenaje al Rvdmo. Sr. D. Malaquías Zayas Cuerpo. Hrsg. Federico R. Aznar Gil (= Bibliotheca Salmanticensis. Estudios, Bd. 166), Salamanca 1994, S. 157.
Ist die Auflösung der nichtvollzogenen Ehe von Getauften noch zeitgemäß?
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schlechtsverkehrs zu verlangen, um die Gemeinschaft des Lebens und der Liebe zu verwirklichen. Das alleinige Fehlen geschlechtlicher Akte oder ganz allgemein der körperlichen Aspekte der Liebe bei diesen bringt keineswegs die Nichtigkeit der Ehe wegen der Erfüllungsunfähigkeit mit sich. Die Gemeinschaft des Lebens und der Liebe hängt nicht von der Häufigkeit der ehelichen Akte ab, als ob die häufigere geschlechtliche Vereinigung sie hervorrufen oder gar erst schaffen würde 24 . Die potentielle Vaterschaft und Mutterschaft ist Frucht der persönlichen und unveräußerlichen gegenseitigen Hingabe der Partner 25 sowie der Untrennbarkeit der vereinigenden und der auf Fortpflanzung ausgerichteten Dimension des ehelichen Aktes. Der gültige Ehekonsens verlangt die Fähigkeit, den Partner an der eigenen sexuellen Intimität durch einen vollständigen ehelichen Akt teilhaben zu lassen, welcher ein Element oder eine Wesenseigenschaft der Ehe darstellt, was hingegen für die tatsächlich erfolgte Zeugung von Nachkommenschaft nicht gilt 26 . AIDS und andere Geschlechtskrankheiten bewirken sowohl eine physische als auch eine psychische Unfähigkeit zum natürlichen ehelichen Akt und deshalb für den Vollzug der Ehe (vgl. can. 1061, § 1), mit Konsequenzen für die Vaterschaft und die Mutterschaft 27 . Das Wesenselement des bonum prolis umfasst nur die strukturelle oder potentielle Fruchtbarkeit, d. h. die Hinordnung der natürlichen Kräfte auf die Fortpflanzung, nicht jedoch die tatsächliche Zeugung von Nachkommen, welche eine Folge dieser Hinordnung darstellt 28 . Eine Enthaltung vom ehelichen Akt vom Augenblick der Eheschließung an lässt weder Raum für das Gattenwohl noch für jenes der Nachkommen 29 .
24
Vgl. RR, Urteil coram Funghini, 8. 11. 1989, in: RR Dec 81 (1989), S. 660 – 661, Nr. 4. 25
Vgl. Geraldina Boni, Aids e esclusione del bonum prolis, in: Prole e matrimonio canonico. Hrsg. Piero Antonio Bonnet und Carlo Gullo (= Studi giuridici, Bd. 62), Vatikanstadt 2003, S. 255. 26
Vgl. RR, Urteil coram Burke vom 26. 3. 1998, in: RR Dec 90 (1998), S. 274, Nr. 29 – 30. 27 Vgl. RR, Urteil coram Stankiewicz, 16. 12. 1994, in: ME 122 (1997), S. 32 – 33, Nr. 9. 28
Vgl. Tribunale Apostolico della Rota Romana, Relazione annuale sull’anno giudiziario 2004, Roma 2005, S. 11. 29
Vgl. Gianfranco Zuanazzi, AIDS: aspetti epidemiologici e clinici, in: Matrimonio canonico e AIDS. Hrsg. von Sandro Gherro und Gianfranco Zuanazzi (= Collana di Studi di Diritto canonico ed ecclesiastico: Sezione canonistica, Bd. 15), Torino 1995, S. 31.
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III. Nähere Bestimmung der Klausel humano modo durch die jüngsten Kongresse der Kongregation Gemäß der katholischen Morallehre ist der einzige legitime sexuelle Akt jener, der durch den can. 1061, § 1 CIC definiert wird. Er besteht in der körperlichen Vereinigung zweier Personen verschiedenen Geschlechts mit der Einführung des männlichen Gliedes in die Scheide der Frau 30 und die darauf folgende Ejakulation in dieselbe mit drei Charakteristiken: Es handelt sich um einen Akt, a) der als solcher zur Zeugung von Nachkommenschaft geeignet ist; b) auf den die Ehe von ihrer Natur her hingeordnet ist; und c) durch den die Ehepartner ein Fleisch werden (vgl. Gen 2,24; Mt 19,6; Mk 10,8). Der eheliche Akt ist auf die Zeugung von Nachkommen hingeordnet und ausschließlich den Ehepartnern vorbehalten, deren innigste Gemeinschaft er ausdrückt 31 . Der eheliche Akt muss grundsätzlich für die Zeugung offen sein, selbst wenn diese per accidens nicht erfolgt. Es kommt nicht auf die tatsächliche Zeugung an. Es genügt, wenn der eheliche Akt potentiell dafür offen ist. Er muss auch nicht die libido befriedigen. Es genügt der Erguss einer Flüssigkeit, welche aus den Hoden hervorgeht. Nach dem Responsum der Kongregation für die Glaubenslehre vom 13. Mai 1977 verlangt der Vollzug keine Ejakulation der Samenflüssigkeit, sondern es reicht eine aus den Prostata-Drüsen hervorgehende Flüssigkeit aus 32 .
30
Bezüglich der Penetration antwortete die Glaubenskongregation im Jahr 1941: „Utrum ad copulam perfectam et ad consummationem matrimonii requiratur et sufficiat, ut vir aliquo saltem modo, etsi imperfecte vaginam penetret atque immediate in ea seminationem saltem partialem, naturali modo, peragat an tanta vaginae penetratio requiratur, ut glans tota intra vaginam versetur. – R. Affirmative ad primam partem; negative ad secundam partem.“ (Sacra Congregatio Sancti Officii, Responsum, 1 mar. 1941, De copula perfecta et de consummatione matrimonii, in: Ochoa, Leges, Bd. I, Nr. 1599, Sp. 2050). 31
Vgl. Federico R. Aznar Gil, Derecho matrimonial canónico (= Bibliotheca Salmanticensis, Bd. 135), Salamanca 2001, Bd. I, S. 154. 32
Vgl. Congr. DocFid, Dekret vom 13. 5. 1977, circa impotentiam quae matrimonium dirimit, in: AAS 69 (1977), S. 426; Urbano Navarrete, De natura et applicatione decreti Congregationis pro Doctrina Fidei diei 13 maii 1977 circa impotentiam viri, in: PerRMCL 68 (1979), S. 305 – 326.
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Der eheliche Akt unterscheidet sich von der Kopula der Tiere. Der Mensch verleiht eine höhere Funktion und Würde dem, was bei Tieren lediglich instinktiv erfolgt 33 . So wie der Mensch nicht nur isst, weil er Hunger hat, so vollzieht er auch den ehelichen Akt nicht nur, weil ihn der Geschlechtstrieb dazu veranlasst. Der eheliche Akt verlangt, um die Wirkung des Vollzugs im kanonischen Sinn hervorzurufen, nicht alle Elemente eines humano modo vollzogenen Aktes im anthropologischen Sinn, wie ihn die Pastoralkonstitution Gaudium et spes beschreibt 34 , mit ehelicher Liebe, Gefühl, Respekt für die Würde der Person, Respekt für die Würde des männlichen Ehepartners, etc. Der eheliche Akt muss ein actus humanus sein, über den der Mensch seine eigene Herrschaft und Souveränität ausübt, dessen der Mensch nicht nur causa ist, wie im Fall eines actus hominis, sondern deren freier Grund er ist 35 . Überzogen wäre es, vom Erfordernis eines existentiellen Vollzugs zu sprechen, wie dies etwa Jean Bernhard versuchte, der meinte, ein Vollzug würde durch die Kürze des Zusammenlebens, durch Untreue von Anfang an, durch mangelndes christliches Zeugnis des Ehepaars durch die unüberwindliche Schwierigkeit, eine echte zwischenmenschliche Beziehung zu entfalten, verhindert 36 . Zurecht weist Navarrete darauf hin, dass jegliche Ehe existentiell bis zu einem gewissen Grad nicht vollzogen bleibt 37 . Für den Ehevollzug das gegenseitige psychische EinsWerden zu verlangen brächte praktisch die Leugnung einer Möglichkeit unauflöslicher Ehen mit sich. Es käme zur Identifikation zwischen der existentiellen und der der rechtlichen Dimension der Ehe 38 .
33
Vgl. Giacomo Orlandi, I „casi difficili“ nel processo super rato, Padova 1984,
S. 25. 34
Der diesbezügliche Text lautet: „Haec dilectio proprio matrimonii opere singulariter exprimitur et perficitur. Actus proinde, quibus coniuges intime et caste inter se uniuntur, honesti ac digni sunt et, modo vere humano exerciti, donationem mutuam significant et fovent, qua sese invicem laeto gratoque animo locupletant ... Deus enim, Dominus vitae, praecellens servandi vitam ministerium hominibus commisit, modo homine digno adimplendum“ (VatII GS, Nr. 49 und Nr. 51). 35
Vgl. Linda Ghisoni, La rilevanza giuridica del metus nella consumazione del matrimonio (= Tesi Gregoriana. Serie diritto canonico, Bd. 47), Rom 2000, S. 141. 36
Vgl. Jean Bernhard, Réinterprétation (existentielle et dans la foi) de la Législation canonique concernant l’indissolubilité du Mariage chrétien, in: RDC 21 (1971), S. 271. 37 „... sacramentum matrimonii prout permanet, semper esse in tendentia dynamica versus ulteriorem perfectionem, nec pervenire ideo ad ‚consummationem‘ seu ad ultimam perfectionem rei iam essentialiter constitutae“ (Urbano Navarrete, De notione et effectibus consummationis matrimonii, in: PerRMCL 59 [1970], S. 657). 38
Vgl. Navarrete, De notione (Anm. 37), S. 654.
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Die kanonische Bedeutung des technisch gewordenen Ausdrucks beschränkt sich auf die Elemente des anatomischen und physiologischen Bereichs, die von rechtlicher Relevanz sind. Die genannten Elemente des can. 1061 § 1 sind in den Begriff des ehelichen Aktes implizit eingeschlossen. In Bezug auf den Kanon beklagte Ombretta Fumagalli Carulli bereits vor der Promulgation des CIC/1983 eine mangelnde Berücksichtigung der emotionalen und willentlichen Elemente beim Geschlechtsverkehr zwischen den Partnern 39 . Theologisch stellt erst die geschlechtlich vollzogene Ehe die unauflösliche Verbindung zwischen Christus und der Kirche angemessen dar 40 . Zurecht warnt Linda Ghisoni vor der Übertragung aller Erfordernisse für den gültigen Konsens auf den Vollzug 41 . Wenn ein Partner dem anderen seine schwere Krankheit, etwa AIDS oder Syphilis verbirgt, und der andere den Geschlechtsverkehr akzeptiert, ohne um die drohende Gefahr zu wissen, dann kann zurecht gesagt werden, es handle sich nicht um einen ehelichen Akt, der humano modo vollzogen wurde. Wurde die Krankheit vor der Eheschließung erworben, so ist die Ehe wegen arglistiger Täuschung nichtig. Wurde sie erst nachher erworben, so meint Marcone dass dem Irrtum, der die Substanz des Aktes und damit des Vollzugs betrifft gemäß can. 104 CIC/1917 (vgl. can. 125 CIC/1983) eine ungültig machende Wirkung zukommt 42 . Can. 1098, der den Konsens betrifft, ist nicht auf den Vollzug anzuwenden, sondern mangels spezifischer Normen can. 125 § 2 43 . Trotz des schwerwiegenden Unrechts bringt der Vollzug rechtliche Wirkungen hervor 44 . Während niemand leugnet, dass die physische Gewalt mit einem Vollzug humano modo unvereinbar ist, diskutiert man unter den Kanonisten, ob dem aus Furcht gesetzten ehelichen Akt die Rechtswirkungen des Vollzugs zukommen
39
Vgl. Ombretta Fumagalli Carulli, Il matrimonio canonico dopo il Concilio. Capacità e consenso, Milano 1978, S. 22 – 26. 40
Vgl. Karl Heinz Selge, Ehe als Lebensbund. Die Unauflöslichkeit der Ehe als Herausforderung für den Dialog zwischen katholischer und evangelisch-lutherischer Theologie (= Adnotationes in ius canonicum, Bd. 12), Frankfurt am Main / Berlin / Bern etc. 1999, S. 276. 41
Vgl. Ghisoni, La rilevanza giuridica del metus (Anm. 35), S. 151.
42
Vgl. Giuseppe Marcone, An Matrimonium consummetur actione tantum hominis, in: ME 82 (1957), S. 656. 43
Vgl. Ghisoni, La rilevanza giuridica del metus (Anm. 35), S. 151.
44
Vgl. Ghisoni, La rilevanza giuridica del metus (Anm. 35), S. 152.
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oder nicht45. Man könnte schließen, die Erfordernisse für den ehelichen Akt entsprächen jenen für die gültige Eheschließung. Seit dem Kongress der Kongregation für den Gottesdienst und die Disziplin der Sakramente vom April 198646 ergaben sich keine die Lehre bezüglich des Begriffs humano modo betreffende Änderungen. Damit ist die Ansicht, wonach für den Vollzug allein die äußere Tatsache der vollständigen Kopula zu berücksichtigen wäre, gleich ob sie bei Bewusstsein oder ohne Bewusstsein, frei oder nur unter Schlägen zustande kam, endgültig überwunden47. Es darf die Besonderheit des ehelichen Akts als rechtlicher Handlung eigener Art nicht vergessen werden, insofern er aus dem gültigen Ehebund abgeleitet wird. Jeder Partner ist gehalten, den ehelichen Akt nicht zu verweigern, sofern er vernünftig (rationabiliter) eingefordert wird48. Wer Furcht einflößt um den widerwilligen Partner zum Vollzug zu überreden, verhindert den Vollzug humano modo nicht, insofern eine Verpflichtung zum Vollzug auf Wunsch des Partners besteht.49 Ghisoni entscheidet sich zugunsten einer Art gerechter Furcht metus iustus, da dem anderen Partner das Recht, den ehelichen Akt einzufordern, zusteht.50 Die übrigen Elemente, welche den ehelichen Akt leichter und anziehender machen, gehören nicht in die Sphäre des Rechts und können nicht zur Voraus-
45 Vgl. Navarrete, De notione (Anm. 37), S. 619 – 660; Ghisoni, La rilevanza giuridica del metus (Anm. 35), S. 125 – 181. 46
Vgl. Congr. Sacr, Plenaria vom April 1986, De „humano modo“ in can. 1061, mit päpstlicher Approbation vom 21. Juni 1986, in: Congr. Cult, Collectanea Documentorum ad causas pro dispensatione super ‚rato et non consummato‘ et a lege sacri coelibatus obtinenda inde a Codice Iuris Canonici anni 1917, Vatikanstadt 2004, S. 119. 47 Zu Recht weist Georg May darauf hin, dass bereits das berühmte Ius canonicum von Franz Xaver Wernz vom Erfordernis des „humano modo“ sprach (Georg May, Auflösbarkeit unauflöslicher Ehen, Die Mischehe in ökumenischer Sicht, in: MThZ 20 [1969], S. 234). 48
Vgl. Raffaele Melli, Breve commentarium ad Litteras Circulares „De Processu super Matrimonio rato et non consummato“ missas a Congregatione pro Sacramentis die 20 decembris 1986, in: ME 112 (1987), S. 423. 49 50
Vgl. Ghisoni, La rilevanza giuridica del metus (Anm. 35), S. 174.
Vgl. Ghisoni, La rilevanza giuridica del metus (Anm. 35), S. 181. Molina Melia spricht dem aus Furcht, Hass, Rache, Arglist oder ungewollt schmerzhaftem Geschlechtsverkehr die Qualität der vollziehenden Wirkung ab, was von der Kongregation nicht akzeptiert wurde (Antonio Molina Melia, Aspectos nuevos en el proceso de matrimonio rato y no consumado, in: Curso de derecho matrimonial y procesal canónico para profesionales del foro [VIII] [= Bibliotheca Salmanticensis. Estudios, Bd. 117], Salamanca 1989, S. 263).
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setzung für die Wirkungen der Ehe gemacht werden 51 . Die Gültigkeit der Ehe kann nicht von der Tiefe der gegenseitigen gefühlsmäßigen Durchdringung oder vom Grad der sexuellen Befriedigung abhängig gemacht werden 52 . Die mehrheitlich von der Vollversammlung der Sakramentenkongregation im April 1986 beschlossene Schlussformel lautet: „Consummatio matrimonii, ut habeatur, oportet ut actus sit humanus ex utraque parte, sed sufficit ut virtualiter voluntarius etiamsi sub metu positus dummodo non violenter exigitus (violentia quidem phyisca); cetera elementa psychologica quae actum humanum faciliorem vel amabiliorem reddunt non pertinent ad spheram iuris, nec in eadem recipi possunt“ 53 .
Voraussetzung ist also dass der eheliche Akt auf Seiten beider Partner humano modo vollzogen wurde. Zwar gewährte Papst Johannes Paul II. der Kongregation die Vollmacht, gemäß dieser Formel zu entscheiden, doch behielt er sich die Festlegung genauerer Kriterien für die einzelnen Elemente des Vollzugs und die Opportunität des Gnadenerweises für die Zukunft vor 54 . In Folge zu extensiver Interpretationen von Seiten einiger Diözesangerichte wurde die Frage der genaueren Interpretation der vom Gesetzgeber vorgesehenen Formel des humano modo bei der letzten Vollversammlung der Kongregation (26. bis 28. September 2001) in folgender Formulierung noch einmal vorgelegt: (1) „An confirmanda sit conclusio Plenariae anno 1986 habitae; (2) Quoddammodo (vel quodam aspectu) reformanda videatur“ 55 . Nach einer ausführlichen Diskussion erschien es den Teilnehmern jedoch verfrüht, eine Bestätigung der Formel von 1986 unmittelbar durch Abstimmung herbeizuführen. Sie folgten dem Vorschlag des Präfekten der Kongregation, dem Papst die Ernennung einer Kommission vorzuschlagen, in die Vertreter der Glaubenskongregation, der Römischen Rota, des Päpstlichen Rats für die Gesetzestexte und der Kongregation für den Gottesdienst und die Disziplin der
51 „Difficillimum est determinare naturam voluptatis sexualis cum ad ipsam concurrant elementa physica, psychologica et spiritualia“ (Communicationes 6 [1974], S. 190). 52
Vgl. Linda Ghisoni, La rilevanza giuridica del metus (Anm. 35), S. 160.
53
Vgl. Congr. Sacr, Plenaria vom April 1986 (Anm. 46), S. 119.
54
Im Schreiben des Staatssekretariats an die Kongregation heißt es: „... ha concesso la richiesta facoltà perché la Congregazione proceda secondo conclusioni approvate. Egli, tuttavia, si riserva di stabilire criteri più precisi sulle singole fattispecie per la non consumazione e la opportunità di concedere la dispensa“ (L’attività della Santa Sede nel 2004 [Anm. 2], S. 642). 55
L’attività della Santa Sede nel 2004 (Anm. 2), S. 642.
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Sakramente berufen werden sollten. Die Arbeit der Kommission ergab eine kaum veränderte, lediglich präzisierte neue Formulierung: „Consummatio matrimonii ut habeatur, oportet ut actus sit humanus ex utraque parte, sed sufficit ut sit virtualiter voluntarius etiamsi sub metu positus dummodo non violenter exigitus; cetera elementa psychologica, quae actum humanum faciliorem vel amabiliorem reddunt, non pertinent ad sphaeram iuris, nec in eadem recipi possunt“ 56 .
Es wurden nur die Worte violentia quidem physica gestrichen, da sie die Hauptaussage des Textes lediglich wiederholen, denn bei physischer Gewalt ist das Fehlen des actus humanus offensichtlich und der Akt nicht nur wegen can. 125 § 1 ohne Wirkung. Wegen der nur geringfügigen Veränderung wurde die Entscheidung gar nicht dem Papst persönlich vorgelegt, sondern das Staatssekretariat sandte ein Schreiben an den Präfekten der Kongregation, wonach diese ihre bisherige Praxis in der Auslegung der Formel humano modo beibehalten könne 57 . Damit ist für die Praxis die konkrete Bedeutung des humano modo in Bezug auf die vollziehende Wirkung des ehelichen Aktes geklärt: Ausgeschlossen sind die Bewusstlosigkeit 58 und die Anwendung physischer Gewalt 59 . Die Verwendung von Aphrodisiaka als solchen nimmt dem ehelichen Akt auch dann nicht die Qualität, humano modo vollzogen worden zu sein, wenn diese den Bewusstseinszustand beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass diese Medikamente ganz bewusst und frei in der Absicht eingenommen werden, den Vollzug der
56
L’attività della Santa Sede nel 2004 (Anm. 2), S. 643.
57
Vgl. SecrStat, Brief an den Präfekten der Kongregation vom 17. 2. 2003, Prot. N. 504.148, zitiert in: L’attività della Santa Sede nel 2004 (Anm. 2), S. 643. 58 Im Jahr 1949 wurde noch ausdrücklich festgestellt, der Vollzug der Ehe erfolge auch bei Fehlen des Vernunftgebrauchs durch die Geschlechtskraft fördernde Medikamente. Es ist jedoch dabei zu bedenken, dass der fehlende Vernunftgebrauch zum Vollzug des ehelichen Aktes bewusst und willentlich herbeigeführt wurde: „An matrimonium haberi debeat inconsummatum si essentialia copulae elementa posita sint a coniuge, qui ad unionem sexualem non pervenit nisi adhibitis mediis aphrodisiacis, rationis usum actu intercipientibus. – R. Negative“. (Sacra Congregatio Sancti Officii, Responsum, 2. Februar 1949, De consummatione matrimonii, in: Ochoa, Leges, Bd. II, Nr. 2024, Sp. 2565). Vgl. dazu auch in Bezug auf die Gültigkeit der Ehe in einem solchen Fall die Antwort von 1951: „Causam sub adspectu impotentiae viri pertractari iam non posse“ (Sacra Congregatio Sancti Officii, Responsum, 9. 5. 1951, De validitate matrimonii et mediis aphrodisiacis, in: Ochoa, Leges, Bd. II, Nr. 2024, Sp. 2565). 59
Vgl. Orlandi, I „casi difficili“ (Anm. 33), S. 26.
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Ehe zu erleichtern 60 . Auch die Überredung oder die Anwendung moralischen Drucks verhindert den Vollzug nicht. Zurecht weist Ghisoni darauf hin, dass am Höhepunkt des Geschlechtsaktes zwischen den Partnern eine momentane Reduktion des Vernunftgebrauchs vorkommt, die ganz natürlich ist. Man kann also nicht die volle Aufmerksamkeit voraussetzen 61 . Der Vollzug wäre verhindert, wenn ein Partner den anderen gegen dessen Willen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss setzt. Ein leichter Alkohol- oder Drogeneinfluss reicht nicht aus, selbst wenn er gegen den Willen erfolgte. Ein Irrtum hätte Folgen, wenn zwei Partner, ohne sich gut zu kennen, durch Stellvertreter (vgl. can. 1105) heirateten, einander treffen, den Geschlechtsakt vollziehen, ohne sich gegenseitig erkannt zu haben. In diesem Fall wäre das Bewusstsein, einen ehelichen Akt zu setzen, nicht gegeben 62 . IV. Sogenannte „Schwierige Fälle“ Als Beispiele für schwierige Fälle zählen die Litterae circulares von 1986 auf: onanistischer Gebrauch der Ehe, Penetration ohne Ejakulation, Empfängnis von Nachkommen durch Absorption, künstliche Befruchtung, Mangel von humano modo, Gefahr eines Ärgernisses oder gravierender materieller Nachteile für einen der Partner 63 . Kam es überhaupt zu keinem Erguss von Flüssigkeit aus den Hoden, dann muss zwar von Nichtvollzug gesprochen werden, doch ist der Nachweis äußerst schwierig 64 , weshalb mehrere übereinstimmende ärztliche Gutachten den Grund für die mangelnde Ejakulation darlegen können, denn es muss eine medizinische Unfähigkeit nachgewiesen werden. Nur in diesem Fall kann trotz Penetration die Eheauflösung wegen Nichtvollzugs gewährt 60
Vgl. Congr. DocFid, Approvazione della risposta data dalla Congregazione per i Sacramenti al Vescovo di Verona, 13. 2. 1989, in: Congr. Cult, Collectanea Documentorum (Anm. 46), S. 126: „Anche nell’ipotesi, assolutamente teorica è da escludersi alla luce della documentazione circa il caso concreto, di una totale assenza di volontarietà ‚in atto‘, la humanitas non sarebbe tolta in forza della volontarietà in causa, che è fuori dubbio quando si ricorre a farmaci precisamente per compiere l’atto coniugale“. 61
Vgl. Ghisoni, La rilevanza giuridica del metus (Anm. 35), S. 154.
62
Vgl. Ghisoni, La rilevanza giuridica del metus (Anm. 35), S. 154.
63
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 2.
64
Vgl. Congr. Cult, Plenaria, 18. 4. 1970, Proposte circa le cause ‚super rato et non consummato‘ mit Päpstlicher Approbation vom 23. 5. 1970, in: Congr. Cult, Collectanea Documentorum (Anm. 46), S. 102: „Ritengono estremamente difficile la prova di asserita mancanza di eiaculazione nonostante la penetrazione, e propongono che il singolo caso sia presentato al Santo Padre, per la dispensa, soltanto quando le perizie di più periti diano piena tranquillità.“
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werden 65 . Das gerichtliche Geständnis eines oder beider Partner, es wäre zu keiner Ejakulation gekommen, genügt gerade nach der Antwort der Glaubenskongregation vom 13. Mai 1977 66 nicht mehr, denn niemand verfügt über eine derart präzise Wahrnehmung am Höhepunkt des Geschlechtsaktes, dass er auch den Ausfluss der allergeringsten Mengen an Hodenflüssigkeit überzeugend ausschließen kann 67 . Es gilt das Prinzip: „Viro penetrationem confitenti, sed eiaculationem neganti, non creditur“. In ganz seltenen Fällen wurde eine mangelnde Ejakulation aus psychischen Gründen anerkannt und die Auflösung gewährt 68 . In Fällen des Transsexualismus und der Geschlechtsumwandlung hält sich die Kongregation für den Gottesdienst und die Disziplin der Sakramente an die von der Glaubenskongregation im Einzelfall vorgegebenen Kriterien. V. Nichtvollzug aus Angst vor Geschlechtskrankheiten Sexuelle Abstinenz außerhalb der Ehe und absolute eheliche Treue stellen die wichtigsten Regeln zur Vermeidung einer Ansteckung durch HIV/AIDS dar. Wenn einer oder beide Ehepartner infiziert sind, dann bildet der gänzliche Verzicht die einzige gültige und notwendige Option gemäß der katholischen Morallehre. Sie führt nicht zur Nichtigkeit der Ehe, sofern die Partner sich erst nach der Eheschließung dazu entschieden. Bereits die mittelalterliche Lehre über die Ehe von Lepra-Kranken empfahl die Abstinenz im Fall der nach Eheschließung erfolgten Ansteckung 69 und die klassischen Autoren betrachteten die Ablehnung geschlechtlicher Vereinigung von Seiten des gesunden Partners als moralisch gerechtfertigt. Unterschiedlich beurteilten sie das Recht des gesunden Partners, der bewusst einen kranken heiratete, die eheliche Pflicht zu verweigern 70 . 65
Vgl. Marchetta, Scioglimento del matrimonio canonico (Anm. 14), S. 136.
66
Congr. DocFid, Dekret vom 13. 5. 1977, circa impotentiam quae matrimonium dirimit, in: AAS 69 (1977), S. 426. 67
Vgl. Orlandi, I „casi difficili“ (Anm. 33), S. 120.
68
Vgl. Orlandi, I „casi difficili“ (Anm. 33), S. 122 – 138.
69
Vgl. Héctor Franceschi, AIDS e capacità matrimoniale: approccio storico al problema delle malattie infettive nel matrimonio, in: Matrimonio canonico (Anm. 29), S. 79. 70
Vgl. Agostinho Barbosa, Collectanea Doctorum in Librum IV Decretalium, Lugduni 1661, tit. VIII; c. 2: „Item leprosi si nolunt continere, possunt contrahere matrimonium si inveniant mulierem, quae illos velit, et uxor tenetur reddere debitum leproso, et e contra non enim sit separatio nisi causa fornicationis“.
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Grundsätzlich besteht sie auch bei Gefahr einer ansteckenden Krankheit, sofern sie nicht ein grobes Risiko für das Leben mit sich bringt. Da AIDS potentiell zum Tod führt, besitzt der gesunde Partner das Recht, eheliche Akte zu verweigern, sofern eine solche Entscheidung nicht bereits vor der Eheschließung auf Dauer oder als Zukunftsbedingung gegen die Unauflöslichkeit vereinbart wurde. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Ansteckung erst nach der Eheschließung etwa durch Bluttransfusion erfolgte. Niemand ist verpflichtet, sein eigenes Recht auf den Geschlechtsverkehr mit dem Partner zu nützen, welches er mit dem Ehekonsens erwarb. Er kann bereits vor der Eheschließung den Verzicht auf diese Akte planen, ohne dass die Ehe aus diesem Grund ungültig wird. Jedes Paar kann auf die Ausübung des Rechts auf die ehelichen Akte verzichten, ohne dass die Ehe deshalb nichtig wird. Jeder Partner kann dies in Bezug auf die Ausübung des eigenen Rechts tun, seine Verwirklichung hinausschieben, darf jedoch denselben Verzicht dem anderen Partner nicht gegen dessen Willen auferlegen. Eine mit einem positiven Willensakt gefällte Entscheidung, welche der Eheschließung vorausgeht, vom Partner gewünschte sexuelle Akte nicht zuzulassen, würde den Ausschluss des Rechts auf Nachkommenschaft, d. h. die Nichtigkeit der Ehe mit sich bringen 71 . Zweifellos ist klar, dass das Recht des Partners, eheliche Akte zu verlangen, nicht ein absolutes Recht bildet und nicht jederzeit und unter allen Umständen eingefordert werden kann, denn es bleibt stets durch die natürlichen Bedingungen des menschlichen Lebens, wie das Alter, die beruflichen und familiären Verpflichtungen oder die Gesundheit 72 , die Abwesenheit wegen Arbeit oder Gefangenschaft, den Besuch der eigenen Verwandten etc. eingeschränkt. Der eheliche Akt eines infizierten Partners mit einem gesunden Partner setzt ihn einer sehr ernsten Krankheit aus, die potentiell zum Tod führt, weshalb sie gegen das fünfte Gebot verstößt. Ein Akt, der strukturell ein Akt der Liebe ist, führt objektiv zu einer Gefährdung der Gesundheit und des Lebens des Partners. Die innige körperliche Gemeinschaft birgt den möglichen Tod in sich. Die Liebe verlangt jeglichen Verzicht von Seiten des infizierten Partners, um einen
71
Vgl. Heinrich Flatten, Um eine sogenannte Josephsehe, in: Trierer Theologische Zeitschrift 71 (1962), S. 374. 72
Vgl. J. Hervada / P. Lombardía, Derecho del pueblo de Dios, Pamplona 1973, Bd. III, S. 367 – 368; P. Pavanello, Impotentia coeundi et incapacitas assumendi onera: elementa analogiae et differentiae in iurisprudentia recentiori, in: PerRMCL 84 (1995), S. 389.
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Schaden für die geliebte Person zu verhindern 73 . Dem Wesenselement des Gattenwohls widerspricht derjenige, der bewusst das Risiko auf sich nimmt, die Gesundheit und das Leben seines Partners zu gefährden 74 . Die schwerwiegende Gefahr der Infektion nimmt den gesunden Partner nicht von der ehelichen Pflicht aus 75 , denn es ist ständige Lehre der Kirche, dass der von einer gravierenden ansteckenden Krankheit befallene Partner das Recht, den ehelichen Akt zu verlangen, verliert und der gesunde Partner die eheliche Pflicht nicht mehr erfüllen muss 76 . Die Unfähigkeit, den Geschlechtsverkehr im genitalen Sinn zu vollziehen, bewirkt die Impotenz, während die Unfähigkeit im geschlechtlichen Akt eine echte zwischenmenschliche Beziehung auszudrücken, die Übernahme der Verpflichtung zum bonum coniugum und zum bonum prolis verhindert 77 . Die durch HIV/AIDS hervorgerufenen psychischen Störungen können im fortgeschrittenen Stadium nacheinander auftretende psychische Abwehrmechanismen bewirken, welche die Leugnung oder die Rebellion gegen die eigene Krankheit mit sich bringen. Der Patient verhält sich dann entweder gleichgültig und nachlässig bei der Einhaltung hygienischer Normen oder begibt sich gar in sehr riskante Verhaltensweisen. Letztere zeigen sich manchmal in Formen der Rache und der Aggression, mit der ausdrücklichen Absicht, die Ansteckung anderer Personen zu bewirken 78 . Denkbar wäre ein Verfahren zur Auflösung wegen Nichtvollzugs, wenn der antragstellende Partner zum Vollzug vom infizierten Partner mit physischer Gewalt, welche das humano modo verhindert, gezwungen worden sein sollte. Angesichts der in manchen Ländern der Welt starken Zunahme von AIDS und Geschlechtskrankheiten empfehlen die Gesundheitsbehörden verschiedener 73
Vgl. Lino Ciccone, Aids: problemi etici in ambito coniugale, in: Medicina e Morale 42 (1992), S. 626. 74
Vgl. Maurizio Faggioni, Aids. Questioni disputate in ambito coniugale, S. 465.
75
Vgl. Pius XI., Litt. Enc. „Casti connubii“, 31. 12. 1930, in: AAS 22 (1930), S. 565: „Ceterum, quod ipsi privati homines in sui corporis membra dominatum alium non habeant, quam qui ad eorum naturale fines pertineant, nec possint ea destruere aut mutilare aut alia via ad naturae functiones se ineptos reddere, nisi quando bono totius corporis aliter provideri nequeat, id christiana doctrina statuit ex ipso humanae rationis lumine omnino constat“. 76
Vgl. S. Alfonso de Liguori, Theologia moralis, 4 voll., Roma 1805 – 1812, vol. IV, lib. VI, tract. VI, cap. II, dub. II, art. II, Nr. 950. 77
Vgl. Pavanello, Impotentia coeundi et incapacitas assumendi onera (Anm. 72), S. 385. 78
Vgl. Zuanazzi, AIDS: aspetti epidemiologici e clinici (Anm. 29), S. 29.
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Länder die Verwendung des Präservativs für die Prävention der Ansteckung79. Im Kontext des kanonischen Rechts ist die Verwendung des Präservativs nicht zulässig, weil es die Integrität des ehelichen Aktes verhindert, das Ein-FleischWerden durch die Ejakulation in die Scheide. Ejakuliert wird in das Präservativ, nicht in die Scheide. Es modifiziert die biologische Dynamik der Kopula und verhindert den Vollzug, durch die Bildung einer prophylaktischen Barriere, welche die unmittelbare und direkte Ejakulation in die Vagina der Frau und, in der Folge, das gänzliche Eins-Werden der Partner verhindert. Behauptet die Frau, der Partner wäre zwar in die Scheide eingedrungen, es wäre jedoch zu keinem Samenerguss gekommen, so ist diese Aussage vor allem dann völlig unglaubwürdig, wenn die Frau zugleich zugibt, empfängnisverhütende Mittel verwendet zu haben. Die Kongregation betrachtet die Gewährung der Dispens als nicht opportun, da das Gnadenreskript einer Belohnung für unmoralisches Verhalten gleichkäme: „... quasi proemium vitae inhonestae et voluntatis immoralis“80. Bei Verwendung des Präservativs werden daher drei Bedingungen gestellt: (1) mehrere ärztliche Gutachten müssen übereinstimmend die Unfähigkeit zur Ejakulation festgestellt haben; (2) es muss nicht nur die Qualität des Präservativs und die Richtigkeit der Anwendung durch Sachverständige sichergestellt werden, sondern auch dass der unschuldige Teil die Verwendung des Präservativs gegen seinen Willen duldete; (3) der schuldige Teil muss fortdauernde Reue zeigen sowie unter Eid versprechen, eine künftig einzugehende Ehe iuxta naturam et leges Ecclesiae zu leben81. Orlandi bringt das Beispiel der Auflösung einer Ehe, bei der die Frau gegen ihren Willen bei dreijährigem Zusammenleben den Geschlechtsverkehr unter ausnahmsloser Verwendung des Präservativs durch den Mann gegen ihren Willen erduldete. Im konkreten Fall schien der Ausschluss der Nachkommenschaft nicht ausreichend beweisbar. Die Ärzte hatten die Qualität und die richtige Verwendung des Präservativs attestiert. Der Mann bezeugte, es stets er-
79 Vgl. Jacques Suaudeau, Le ‚sexe sûr‘ et le préservatif face au défi du SIDA, in: Medicina e Morale 47 (1997), S. 691. 80
Vgl. Orlandi, I „casi difficili“ (Anm. 33), S. 75.
81
Vgl. Orlandi, I „casi difficili“ (Anm. 33), S. 76.
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folgreich verwendet zu haben. Die Frau bezeugte, es wäre nie zu einem Samenerguss in ihre Scheide gekommen 82 . Ertrug der antragstellende Partner gegen seinen Willen den Geschlechtsverkehr unter Verwendung des Präservativs, so wäre eine Ausnahme vom Grundsatz denkbar, wonach bei copula onanistica oder condomata keine Eheauflösung gewährt wird 83 , sofern nachgewiesen werden kann, dass das Präservativ auch im konkreten Fall vollständig jeglichen Erguss der ejakulierten Flüssigkeit verhinderte 84 , was von der Qualität und der richtigen Anwendung durch die Partner abhängt. VI. Nichtvollzug und Nachkommenschaft Selbst die Geburt von Nachkommenschaft stellt kein absolutes Hindernis für die Eheauflösung wegen Nichtvollzugs dar 85 . Hiefür wendet die Kongregation weiterhin die Kriterien der Vollversammlung vom 18. April 1970 an, die von Papst Paul VI. am 23. Mai 1970 bestätigt wurden 86 . Sie verlangen den vollen
82
Vgl. Orlandi, I „casi difficili“ (Anm. 33), S. 84 – 87.
83
Congr. Cult, Plenaria, 18. 4. 1970, Proposte circa le cause ‚super rato et non consummato‘ mit Päpstlicher Approbation vom 23. 5. 1970, in: Congr. Cult, Collectanea Documentorum (Anm. 46), S. 102: „I presenti convengono sulla inopportunità della dispensa nel caso di asserita inconsumazione per uso onanistico o sodomitico, almeno se il vizio è da entrambe le parti“. 84
Vgl. Congr. DocFid, Responsum, 3. 8. 1966, in: Ochoa, Leges, Bd. III, Nr. 3463, Sp. 5023: „Dispensatio matrimonii concedi non solet cum coniuges relationem inter se habuerunt per copulam onanisticam vel condomatam. Etenim, admissa penetratione, fere impossibilis evadit probatio de non secuta seminis effusione, saltem partiali, in vagina mulieris. Eiusdem S. Congregationis attamen erit causam considerare si certo constiterit de impossibilitate eiaculandi ex parte viri ob infirmitatem peritis confirmatam“. 85
SecrStat, Responsum vom 9. 12. 1970, in: Ochoa, Leges, Bd. II, Nr. 4632, Sp. 7550; SecrStat, Responsum, 2. März 1971, in: Ochoa, Leges Bd. II, Nr. 4634, Sp. 7551. 86
Vgl. Congr. Cult, Plenaria, 18. 4. 1970, Proposte circa le cause ‚super rato et non consummato‘ mit Päpstlicher Approbation vom 23. 5. 1970, in: Congr. Cult, Collectanea Documentorum (Anm. 46), S. 102: „1) Si plena probatio inconsummationis matrimonii habeatur sive ex solido argumento morali sive praesertim (quod ponitur ut conditio sine qua non pro concessione gratiae) ex argumento physico, sc. ex integritate hymenali mulieris perseverante, iuxta alligata testimonia peritorum, usque ad partum: quare necesse fuit chirurgicam deflorationem artificialem peragere, ut proles nasceretur; 2) si agatur de casibus exceptionalibus ac consideratione vere dignis; 3) si vere adsit iusta et gravis causa dispensationis; 4) si, ex peculiari voto ‚pro rei veritate‘ Episcopi, periculum
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Beweis des Nichtvollzugs vor allem durch das argumentum physicum, d. h. den ärztlichen Nachweis der Integrität des Hymens der Frau bis zur Geburt sowie einen besonders schwerwiegenden Grund für die Auflösung. Der Same drang in diesem Fall durch die Apposition des männlichen Organs an das ostium vaginae der Frau oder künstliche Befruchtung 87 in die Scheide ein. Dieser Vorgang gilt nicht als Vollzug der Ehe 88 . Gerade im Fall von Nachkommenschaft wird es selbst bei mit moralischer Gewissheit nachgewiesenem Nichtvollzug wegen der „ratio scandali“ zu einer Verweigerung der Auflösung kommen 89 , wobei aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall Ausnahmen gemacht und die Auflösung gewährt wird 90 . Es ist ein typisches Kennzeichen der kirchlichen Rechtsprechung, dass sie die Folgen einer Rechtshandlung nicht nur für den Antragssteller, sondern auch für die Allgemeinheit berücksichtigt. Die Kongregation für den Gottesdienst und die Disziplin der Sakramente betrachtete die Abwesenheit von Ärgernis stets als eine Grundvoraussetzung für die Gewährung der Dispens. Nicht selten wurden von der Kongregation Gesuche abgewiesen, weil die reale Gefahr eines Ärgernisses oder einer Ungerechtigkeit für den nichtantragstellenden Partner bestand 91 . In den Normen selbst wird der Diözesanbischof daran erinnert, auf die Abwesenheit von Ärgernis als Folge einer eventuellen Dispens zu achten 92 . Im Falle der Gewährung der Auflösung wird es zur Vermeidung eines Ärgernisses scandali (ad opportunitatem dispensationem concedendi quod attinet), obvenientibus ex dispensatione ob prolem natam in coniugio, nullum vel levissimum sit“. 87
Vgl. Marchetta, Scioglimento del matrimonio canonico (Anm. 14), S. 121, S. 147.
88
Vgl. Marchetta, Scioglimento del matrimonio canonico (Anm. 14), S. 22. Eine ausführliche Darlegung der Kasuistik findet sich in: Orlandi, I „casi difficili“ (Anm. 33), S. 145 – 210. 89
Vgl. RR, Urteil coram Jullien, 1. 3. 1955, in: RR Dec 47 (1955), S. 190, Nr. 2.
90
Vgl. RR, Votum Commissionis Specialis Praelatorum Auditorum vom 28. 3. 1966, in: Ochoa, Leges II, Nr. 4724, Sp. 7540: „... si è ritenuto di poter superare, nelle particolarissime contingenze del caso, la questione dello scandalo che potrebbe sorgere dalla concessione della dispensa ‚super rato‘ quando è pacifico che durante la vita coniugale è nata prole, o, quanto meno, è stata concepita“. Ein konkretes Beispiel nennt Orlandi, I „casi difficili“ (Anm. 33), S. 81 – 84. 91 Vgl. Orlandi, Recenti innovazioni nella procedura „super matrimonio rato et non consummato“, in: Il processo matrimoniale canonico. Hrsg. von Pier Antonio Bonnet / Carlo Gullo (= Studi giuridici, Bd. 17), Vatikanstadt 1988, S. 461. 92 Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 23 c); Orlandi, Recenti innovazioni (Anm. 91), S. 461.
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von Bedeutung sein, die Ehepartner entsprechend zu informieren. Der Ortspfarrer kann über ihren Sinn und ihre Bedeutung auch Eltern, Verwandte oder Ärgernis nehmende Gläubige aufklären. Kaum mehr würde gegenwärtig von den Gläubigen die Auflösung der nicht vollzogenen Ehe zugunsten des Eintritts in den Ordensstand auf der Suche nach einem vollkommeneren Leben verstanden, wie sie noch der CIC/1917 vorsah. Gemäß CIC/1983 wäre dazu zusätzlich eine Dispens nach can. 643 erforderlich, welche angesichts einer Eheauflösung wegen Nichtvollzugs wohl ohne größere Schwierigkeiten gewährt würde. VII. Auflösung der Ehe von einem katholischen und einem nichtkatholischen Partner, von zwei getauften Nichtkatholiken und von Zivilehen ausgetretener Katholiken Nicht nur in kanonischer Form geschlossene Ehen, sondern auch nur vor dem Standesbeamten zwischen zwei ausgetretenen Katholiken oder zwischen zwei Protestanten geschlossene Ehen können vom Papst aufgelöst werden 93 . Dies ist durchaus legitim, sofern die Klärung des Personenstandes für eine Eheschließung mit einem an die Formpflicht gebundenen katholischen Partner erforderlich ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob zwei einer protestantischen Kirche zugehörige Partner im Anschluss an die standesamtliche Trauung noch kirchlich heirateten 94 . Wichtig ist lediglich, dass die Ehe seit dem Zeitpunkt der standesamtlichen Eheschließung, welche für die evangelische Kirche bereits gültig ist und nach katholischer Auffassung eine sakramentale Ehe hervorbringt, keine geschlechtliche Vereinigung stattgefunden hat. Den Beweggrund stellt im Normalfall der Wunsch eines der beiden Partner dar, mit einem ledigen katholischen Partner eine gültige Ehe einzugehen. Da
93
Vgl. Congr. DocFid und Congr. Sacr, Vereinbarung vom 7. April 1987, in: Congr. Cult, Collectanea Documentorum (Anm. 46), S. 124. 94
Die standesamtliche Trauung ist nach evangelisch-lutherischem Verständnis, wie Georg May zurecht feststellt, nicht nur rechtlich vollständig, sondern auch religiös vollwertig. Die Eheschließung als rechtliche Begründung der Ehe unterliegt allein staatlichen Vorschriften (Georg May, Standesamtliche Eheschließung und kirchliche Trauung in protestantischer Sicht, in: Schriften zum Kirchenrecht. Ausgewählte Aufsätze von Georg May. Hrsg. von Anna Egler und Wilhelm Rees [= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 47], Berlin 2003, S. 574 und S. 583. Vgl. dazu auch: Georg May, Unzutreffende Ausführungen über die protestantische Trauung in den Urteilen zweier Instanzen deutscher Offizialate, in: ebd., S. 597 – 600).
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die Partner, welche die Gnade erhielten, gar nicht der katholischen Kirche angehören, ist das Risiko eines Ärgernisses in Bezug auf den künftigen katholischen Partner besonders gering. Es ist in diesem Fall sinnvoll, den katholischen Wohnsitzpfarrer bezüglich des Ärgernisses zu befragen. Im Fall der Konversion des protestantischen Pastors ist es sogar denkbar, dass dieser den Papst um Auflösung seiner zumindest standesamtlich geschlossenen Ehe bittet, sofern sie nie vollzogen wurde. Auch Katholiken, die sich vor oder nach der Eheschließung durch Formalakt von der katholischen Kirche trennten, und zum Zeitpunkt des Ansuchens konfessionslos oder Mitglieder einer anderen Religionsgemeinschaft sind, können um die Auflösung ihrer standesamtlich mit einem getauften Partner geschlossenen Ehe bitten, sofern sie einen katholischen Partner heiraten möchten, der noch der Formpflicht unterliegt. Beim Ansuchen um Auflösung nicht vollzogener Ehen zweier orthodoxer Partner95 ist darauf zu achten, dass die Ehe gemäß can. 828 § 1 CCEO mit ritus sacer, d. h. mit priesterlicher Segnung geschlossen worden sein muss um gültig zu sein. Je nach den Umständen des Falls mag katholischerseits die naturrechtlich grundgelegte Möglichkeit einer Noteheschließung im Falle einer Unmöglichkeit, einen Priester zu erreichen, wie sie in Zeiten des Kommunismus in manchen Gegenden vorkam, zu bedenken sein. Eine Eheschließung nur vor Zeugen, ja selbst eine standesamtliche Trauung wäre ausreichend, um ein matrimonium ratum hervorzubringen. Da die sakramental geschlossene Ehe Voraussetzung für die Auflösung wegen Nichtvollzugs darstellt, sind Ehen mit Kultusverschiedenheit zwischen Getauften und Ungetauften ausgeschlossen, sofern der ungetaufte Partner nicht nach der Eheschließung das Sakrament der Taufe empfing. Waren beide Partner zum Zeitpunkt der Eheschließung ungetauft, so können sie die Auflösung wegen Nichtvollzugs nur erlangen, sofern sie beide bis zur Stellung des Antrags das Sakrament der Taufe erhielten96 und für die Zeit nach der Taufe beider Partner der Nichtvollzug nachgewiesen werden konnte97.
95
Vgl. Congr. Sacr, Vereinbarung vom 7. 4. 1987, in: Congr. Cult, Collectanea Documentorum (Anm. 46), S. 124. 96
Mit Datum des 15. August 1973 ging die Kompetenz für die Auflösung der Ehe wegen Nichtvollzugs, welche zwischen einem getauften und einem ungetauften Partner oder zwischen zwei ungetauften Partnern geschlossen worden war, von der Glaubenskongregation gänzlich auf die Kongregation für die Sakramente über. Dabei wurde ausdrücklich bekräftigt, die Kongregation für die Sakramente könne einen solchen Fall erst dann zur Behandlung annehmen, wenn beide Partner getauft sind (vgl. Congr. DocFid
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VIII. Übergang vom Nichtigkeits- zum Nichtvollzugsverfahren Enthält bereits die Klageschrift Hinweise auf den möglichen Nichtvollzug, so sollen die Partner darauf aufmerksam gemacht werden. Ist erst während des Verfahrens der wohlbegründete Zweifel aufgetreten, ob die Ehe vollzogen worden ist, so kann das Gericht mit Zustimmung der Parteien und auf Antrag einer oder beider Ehepartner das Verfahren durch Dekret aussetzen 98 und das Nichtvollzugsverfahren beginnen 99 , die Beweiserhebung in Hinsicht auf die Dispens von der nicht vollzogenen Ehe ergänzen und anschließend die Akten an den Apostolischen Stuhl senden „... zusammen mit dem Bittgesuch einer oder beider Parteien um Dispens und mit dem Gutachten des Gerichtes und des Bischofs“ (can. 1681; vgl. Art. 153 § 1 der Instruktion Dignitas Connubii). Die Beweiserhebung wird in Bezug auf den Nichtvollzug ergänzt (cf. cann. 1702 – 1704, Instruktion Dignitas Connubii, Art. 153 § 2), kann allerdings erst eingeleitet werden, sobald ein Gesuch um die Einleitung des Inkonsummationsverfahrens von einer der Parteien vorliegt. Ein Nichtvollzugsverfahren kann auch gegen den Willen des anderen Partners beantragt werden 100 , sofern dieser vom Gericht gemäß Art. 153 § 4 der Instruktion Dignitas Connubii über die Folgen seines mangelnden Einverständnisses informiert wird. Ein Übergang zum Nichtvollzugsverfahren ist selbst
und Congr. Sacr, Vereinbarung vom 7. April 1987, in: Congr. Cult, Collectanea Documentorum [Anm. 46], S. 125). 97
Vgl. Sacra Congregatio Sancti Officii, Responsum vom 20. 10. 1953, Dispensatio matrimonii super rato et non consummato post baptismum, in: Ochoa, Leges, Bd. II, Nr. 2376, Sp. 3211 – 3212: „F. Jos. et R. Maria petunt a S. V. baptismum, ita ut vir novas nuptias inire valeat, et mulier verum matrimonium inire possit cum viro quo a longo tempore vivit. Ipsos post Baptismum numquam simul convixisse certum est ...“. 98
Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 7: „Quoties in instructione causae nullitatis matrimonii, quodcumque fuerit caput, dubium valde probabile emerserit de non secuta matrimonii consummatione, tribunal, praeteriendo an invaliditas matrimonii evinci possit vel non, rem cum partibus communicat et, accedente consensu utriusque, atque, exquisita ab alterutro vel utroque coniuge petitione pro dispensatione super rato et non consummato, decreto suspendit causam nullitatis, complet instructionem pro dispensatione obtinenda ac tandem acta transmittit ad Congregationem pro Sacramentis una cum dispensationis petitione, vinculi defensoris animadversionibus, voto tribunalis Episcopi.“ 99
Pontificium Consilium pro Legis Textibus, Instruktion Dignitas Connubii, 25. 1. 2005, Romae, ex Aed. Pont. Cons., Instructio servanda a tribunalibus dioecesanis et interdioecesanis in pertractandis causis nullitatis matrimoniii, Rom 2005, Art. 153, § 1. 100
Lüdicke MKCIC, Bd. V, can. 1697/2.
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dann möglich, wenn bereits ein vorausgehendes Gesuch von der Kongregation zurückgewiesen wurde 101 . Geht umgekehrt aus dem Ansuchen um Einleitung eines Nichtvollzugsverfahrens hervor, dass die Ehe wahrscheinlich nicht vollzogen wurde, ist es Aufgabe des Diözesanbischofs, den Partnern die Einleitung eines Nichtigkeitsverfahrens anzuraten oder durch Dekret zu verfügen 102 . Mit der Ernennung des delegierten Richters, des Bandverteidigers, des Notars und des eventuellen Rechtsbeistands durch den Diözesanbischof des Gerichtes beginnt das Nichtvollzugsverfahren. Dann müssen alle den Eid de munere fideliter implendo et de secreto servando gemäß can. 1454 schwören. Nach can. 1681 liegt eine Delegation ex iure zugunsten des Gerichts vor, welches den Nichtigkeitsfall behandelt, selbst wenn es nicht gemäß can. 1699 § 1 zuständig ist 103 . Der Übergang ist bei jeglichem Nichtigkeitsgrund möglich und keineswegs, wie früher, auf Impotenz beschränkt. Am leichtesten kann der Übergang erfolgen, wenn die Partner nie zusammenlebten (Verfahren per coarcata tempora), vom Gynäkologen die Jungfräulichkeit der Frau zumindest bis zum Zeitpunkt der endgültigen Trennung bestätigt wird oder Impotenz auf Seiten des Mannes vorliegt. Sollte die Inkonsummation hingegen nach dem bereits gesammelten Beweismaterial sehr zweifelhaft sein, ist es besser im Nichtigkeitsverfahren die Beweisaufnahme fortzusetzen und erst bei Ausreichen des gesammelten Beweismaterials umzustellen. Zuständig für das Gutachten bleibt der Bischof, dessen Gericht die Beweiserhebung durchführte. Sollte diese durch ein interdiözesanes Gericht erfolgt sein, so ist nach Art. 154 § 1 der Instruktion Dignitas Connubii der zum Gerichtsherrn bestellte Bischof für die Erstellung des Gutachtens zuständig. Sollte es sich dabei nicht um den Bischof des Wohnsitzes der antragstellenden Partei handeln, so muss dieser zumindest in Bezug auf die Gefahr eines Ärgernisses und die pastoralen Auswirkungen ein Gutachten vom Diözesanbischof des Wohnsitzes einholen. Durch die Umstellung auf das Nichtvollzugsverfahren wird das Nichtigkeitsverfahren nur ausgesetzt, nur vorläufig darauf verzichtet. Die Parteien können jederzeit dessen Fortsetzung beantragen.
101
Vgl. Pius XII., Responsum ex audientia, 21. 7. 1955, in: Ochoa, Leges II, Nr. 4118, Sp. 6372: „... la S. Rota è competente a trattare, subordinatamente, della inconsumazione anche nel caso in cui la S. C. dei Sacramenti si sia già pronunziata negativamente; in tali casi, però è prudente chiedere in visione gli atti esistenti presso la S. C. dei Sacramenti“. 102
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 3.
103
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 5.
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Umgekehrt kommt es nicht selten vor, dass während des Nichtvollzugsverfahrens ein begründeter Zweifel an der Gültigkeit der Ehe auftritt, etwa wegen Impotenz oder Ausschluss der Nachkommenschaft, erzwungener Eheschließung, Totalsimulation etc. Ein Übergang vom Nichtvollzugsverfahren zum Nichtigkeitsprozess hat lediglich einen Sinn, wenn die moralische Gewissheit für den Nichtvollzug fehlt. Der klassische Fall des Übergangs erfolgt nach einem negativen Urteil zur Impotenz bei gleichzeitigem Nachweis des Nichtvollzugs. In diesem Fall bedarf es keines Übergangs im eigentlichen Sinn, da das Gericht ein negatives Urteil zur Impotenz fällte, jedoch gleichzeitig erklärte, es gäbe ausreichend Elemente, um die Gnade der Dispens von der nicht vollzogenen Ehe zu erbitten. Die Entscheidung, ob das Inkonsummationsverfahren fortgesetzt oder ein Nichtigkeitsverfahren eingeleitet wird, liegt bei den Parteien. Auch die nichtantragstellende Partei kann einen Nichtigkeitsprozess fordern. Nicht bei jedem Verdacht auf Nichtigkeit muss das Eheauflösungsverfahren eingestellt und ein Nichtigkeitsverfahren eingeleitet werden, es sei denn es erscheint der Nachweis des Nichtvollzugs aufgrund des gesammelten Beweismaterials bereits als hoffnungslos. Sofern der Bittsteller sein Gnadengesuch nicht zurückzieht, wird das Verfahren fortgeführt und im Falle der Gewährung dem Dispensreskript die Klausel beigefügt: ad cautelam de nullitate matrimonii, denn eine nichtige Ehe kann natürlich nicht gelöst werden. Mit der Dispens ad cautelam im päpstlichen Reskript wird für den Fall der Nichtigkeit vom in diesem Fall nötigen Prozess dispensiert. Sie wird besonders häufig dann verwendet, wenn mit einem Nichtigkeitsprozess begonnen wurde. In der Praxis der Kongregation liegt der Sinn der Klausel darin, dass der Nichtvollzug der Ehe mit moralischer Gewissheit feststeht, während ein Zweifel bezüglich der Nichtigkeit bestehen bleibt, selbst wenn er vielleicht durch eine Beweisergänzung gelöst werden könnte. Die Kongregation legt deshalb den Fall dem Papst zur Dispens mit der Formel vor: dummodo non agatur de matrimonio nullo („sofern es sich nicht um eine nichtige Ehe handelt“). Ist die Ehe nichtig, kann sie vom Papst natürlich nicht gelöst werden. Bei Verdacht auf Urteilsunfähigkeit oder Eheführungsunfähigkeit wird der betroffenen Partei ein Eheverbot auferlegt: „Affirmative, vetito tamen viro transitu ad alias nuptias inconsulta H. Congregatione, et ad cautelam super nullitate matrimonii ob defectum discretionis iudicii eiusdem viri“. Der Papst spricht sich keinesfalls über eine eventuelle Ungültigkeit aus, nicht einmal implizit. Die Auflösung erfolgt ex nunc, die Nichtigkeitserklärung ex tunc, vorbehaltlich der Rechtswirkungen der Putativehe. Das Staatssekretariat richtete am 1. Juni 1983 ein Schreiben an das Höchstgericht der Apostolischen Signatur (Prot. n. 99510), wonach sich die Parteien frei fühlen dürfen, ohne päpstliche Erlaubnis auch nach Erlangung der Auflösung einen Nichtig-
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keitsprozess zu beginnen oder einen vor Aussetzung des Prozesses eingeleiteten fortzusetzen 104 . Umso mehr ist nach Ablehnung der Gnade ein Nichtigkeitsprozess möglich. Lediglich der Nichtigkeitsgrund der Impotenz kann bei ernsthaften Zweifeln an der Inkonsummation nicht beantragt werden. IX. Verfahrensmängel Gerade deshalb, weil die Durchführung eines Nichtvollzugsverfahrens selten ist, sind Verfahrensfehler häufiger als beim Nichtigkeitsprozess anzutreffen 105 . Das Recht auf Antragstellung steht nur den Parteien zu. Ein Nichtvollzugsverfahren kann auch gegen den Willen des anderen Partners beantragt werden. Dennoch muss ihm Gelegenheit geboten werden, auszusagen 106 . Wenn der Bischof die Bittschrift ablehnt, kann sie mit den notwendigen Verbesserungen erneut vorgelegt werden. Gegen eine erneute Ablehnung steht der Partei der Rekurs an die Kongregation offen 107 . Ein mit negativem Urteil beendeter Nichtigkeitsprozess stellt kein Hindernis für ein Ansuchen um Auflösung wegen Nichtvollzugs dar. Auch im Falle eines gescheiterten Verfahrens wegen Nichtvollzug kann es nach Anhörung des Bandverteidigers sowie unter Vorlage neuer und schwerwiegender Beweismittel und Argumente erneut gestellt werden 108 . Sollten die Parteien noch unter einem Dach wohnen, müssen sie darauf aufmerksam gemacht werden, dass vor Trennung kein Verfahren eingeleitet werden kann. Nicht notwendig ist hingegen ein kirchliches Trennungsurteil oder gar ein staatliches Scheidungsurteil, wie es immer wieder von Diözesangerichten zur Voraussetzung für die Annahme des Antrags gemacht wird, wodurch es zu einer sinnlosen Verzögerung des Verfahrens kommen kann. 104 Vgl. SecrStat, Mitteilung an die Apostolische Signatur vom 1. 6. 1983, in: Ochoa, Leges, Bd. II, Nr. 4980, Sp. 8646. 105
Nützliche Hinweise für die Durchführung des Verfahrens gibt der frühere Leiter des Vierten Amtes der Kongregation: Raffaele Melli, La Congregazione del Culto Divino e della Disciplina dei Sacramenti, in: La Curia Romana nella Cost. Ap. „Pastor Bonus“. Hrsg. von Piero Antonio Bonnet und Carlo Gullo (= Studi giuridici, Bd. 21), Vatikanstadt 1990, S. 269 – 280. 106
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 4.
107
Vgl. Oscar Buttinelli, Il procedimento di dispensa dal matrimonio rato e non consumato: la fase davanti al Vescovo diocesano, in: I procedimenti speciali nel diritto canonico (= Studi giuridici, Bd. 27), Vatikanstadt 1992, S. 114. 108
Vgl. Pius XII., Reskript vom 13. 2. 1942, Facultas Decano S. Rotae Romanae, ut quaestio de inconsummatione matrimonii semel denegata proponi iterum possit nonnullis sub condicionibus, in: Ochoa, Leges, Bd. I, Nr. 4604, Sp. 7507.
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Das Bittschreiben muss direkt an den Papst gerichtet sein, aber beim Diözesangericht abgegeben werden (can. 1698, § 2). Auf jeden Fall muss ein an den Bischof oder gar das Diözesangericht gerichteter Auflösungsantrag vermieden werden 109 . Zwar wird die Bittschrift um Einleitung des Verfahrens an den Diözesanbischof gerichtet, doch erfolgt die Lösung der Ehe durch den Papst und diese Gewalt ist nicht delegierbar 110 , weshalb das Bittschreiben stets an den Papst gerichtet sein muss. Auch beide Partner können gemeinsam einen Antrag stellen und unterschreiben. Die Ernennung eines Prozessvertreters ist nicht erlaubt, denn die Partei muss immer im eigenen Namen handeln, es sei denn, sie bedürfe eines Pflegers im Fall von Geisteskrankheit (vgl. can. 1478 – 1479). Zu beachten sind die gegenüber dem Nichtigkeitsprozess unterschiedlichen Zuständigkeitsregeln für das Eheauflösungsverfahren. Der Antrag um Einleitung des Verfahrens muss an den Bischof der Diözese des Wohnsitzes oder Quasi-Wohnsitzes des Bittstellers gerichtet sein. Der Wohnsitz des Nichtantragstellers oder der Ort der Eheschließung ist kein Zuständigkeitstitel. Sollte vom Bittsteller die Durchführung des Verfahrens an dem Ort, an welchem die meisten Beweise eingeholt werden können, gewünscht werden, so muss um Kompetenzerweiterung durch die Kongregation angesucht werden 111 . Der Diözesanbischof kann das eigene Gericht oder auch jenes einer anderen Diözese oder einen geeigneten Priester delegieren 112 . Der Bischof kann auch dem Offizial ein Spezialmandat für alle Nichtvollzugsverfahren gewähren, sodass dieser die Bittschrift annehmen und die am Verfahren beteiligten Amtsträger ernennen kann. Wichtig ist jedoch, eine Fotokopie dieses Spezialmandats zusammen mit den Akten an die Kongregation zu senden.
109
In Einzelfällen von Bischöfen gewährte Reskripte wurden für nichtig erklärt: „Exc.me Domine, pervenerunt ad hoc Supremum Tribunal litterae diei 3 decembris 1973, quibus Excellentia Tua Reverendissima petit ut Signatura Apostolica provideat exsecutioni civili dispensationis, ab Excellentia Tua concessae a matrimonio rato et non consummato,... Hoc Supremum Tribunal tamen non valet petitioni Excellentiae Tuae satisfacere, quia dispensatio a Te concessa est nulla“ (SignAp, Responsum vom 15. 1. 1974, in: Ochoa, Leges, Bd. V, Nr. 4650, Sp. 7562 – 7563). 110
Vgl. Buttinelli, Il procedimento di dispensa (Anm. 107), S. 110; zur Frage vgl. auch Janusz Kowal, Conflitto tra favor matrimonii et favor libertatis, in: PerRCan 94 (2005), S. 243 – 273. 111
Vgl. Buttinelli, Il procedimento di dispensa (Anm. 107), S. 111.
112
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 5.
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Es ist Aufgabe des Diözesanbischofs, nicht nur für die Verständigung der nichtantragstellenden Partei zu sorgen, sondern auch zu versuchen, die Partner zur Versöhnung zu bewegen 113 . In schwierigen Fällen schreiben die Litterae circulares dem Diözesanbischof vor, vor Einleitung des Verfahrens die Kongregation um Auskunft zu bitten und sich an die gegebenen Anweisungen zu halten 114 . Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass auf diese Art und Weise die Durchführung von Verfahren vermieden wird, die von vorneherein zum Scheitern verurteilt sind. Wenn eine der Parteien oder auch Zeugen nicht vor dem Richter erscheinen wollen, können sie auch von einem anderen Priester oder Laien, der vom Richter damit beauftragt wird, vernommen werden. Sie können ihr Zeugnis auch vor dem öffentlichen Notar oder brieflich ablegen, sofern die Identität feststeht. Bei Vernehmung der Frau soll ein von Amts wegen ernannter Arzt oder am besten ein Gynäkologe anwesend sein 115 . Dies wird im deutschsprachigen Raum im allgemeinen nicht beachtet. Nicht selten werden die Fragen zu allgemein gestellt, manchmal auch um dem zu vernehmenden Partner die Verlegenheit zu nehmen oder es wurde nur die Frage nach dem Nichtvollzug nicht jedoch jene nach dem gerechten Grund 116 oder dem eventuellen Ärgernis berücksichtigt. Ein scharfer Gegensatz zwischen den Partnern bezüglich der Einleitung des Verfahrens oder der Tatsache des Nichtvollzugs selbst erschwert das Erreichen der moralischen Gewissheit bezüglich des Nichtvollzugs, schließt jedoch weder die Einleitung des Verfahrens noch die Erlangung der Auflösung aus. Es kann dennoch durchgeführt werden, sofern eine Lösung des Widerspruchs gesucht wird: (1) durch eine mit sehr präzisen Fragen erfolgte Vernehmung der Parteien; (2) durch genaue Anwendung der Regeln für die Beweiswürdigung gemäß can. 1572; (3) durch Einholung ärztlicher Zeugnisse, die Befragung der behandelnden Ärzte sowie die Einholung von gynäkologischen Gutachten. Eventuell kann auch eine Zweitvernehmung der Parteien oder Zeugen zur Klärung der Widersprüche notwendig sein.
113
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 4.
114
Vgl. can. 1699 § 2; Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 2.
115
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 12.
116 Mögliche Gründe, auf die in diesem Artikel nicht eingegangen wurde, finden sich in: Orlandi, Recenti innovazioni (Anm. 91), S. 460.
Ist die Auflösung der nichtvollzogenen Ehe von Getauften noch zeitgemäß?
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Es gibt den von sieben Personen geschworenen Eid, wie ihn noch die Ordnung aus dem Jahr 1923 vorgesehen hat, 117 nicht mehr. Dennoch spielen gerade angesichts der Tatsache, dass es beim Nichtvollzug um den Intimbereich der Partner geht, von dem es naturgemäß keine Augenzeugen, sondern nur eine geringe Zahl von Zeugen vom Hörensagen gibt, da die intimen Fragen nur wenigen sehr eng vertrauten Menschen und dem Arzt geoffenbart werden, auch in der Gegenwart die Glaubwürdigkeitszeugen eine bedeutsamere Rolle als im Ehenichtigkeitsprozess. Als Glaubwürdigkeitszeugen gelten vor allem die Wohnsitzpfarrer der Parteien und Zeugen 118 , sofern ihnen die Partei überhaupt bekannt ist, was angesichts der Größe der Pfarreien in der Gegenwart und des hohen Prozentsatzes an nicht-praktizierenden Katholiken nicht immer möglich ist. Das Gesuch und die Antwortschreiben der Pfarrer müssen jedoch selbst dann den Akten beigefügt werden, wenn der Pfarrer die Parteien oder Zeugen nicht kennt bzw. nicht antwortete. Die Befragung nichtkatholischer Seelsorger bezüglich der Glaubwürdigkeit ist nicht erforderlich. Nur selten wird ein Gesuch darum so beantwortet, dass daraus ein Nutzen gezogen werden kann. Sinnvoll kann es sein, mit dem Paar gut vertraute nicht katholische Geistliche einfach als allgemeine Zeugen zu befragen. Bei Parteien, die erst in Hinblick auf die kirchliche Eheschließung das Taufsakrament empfingen, sind als Glaubwürdigkeitszeugen die sie während des Katechumenats begleitenden Seelsorger von größter Bedeutung. Im Gegensatz zum Nichtigkeitsverfahren erfolgt keine Offenlegung der Akten nach can. 1598. Sie bleiben geheim und dürfen nur unter besonderen Umständen und mit Erlaubnis der Kongregation veröffentlicht werden 119 . Wenn der Richter jedoch sieht, dass grobe Hindernisse der Annahme der Bitte des Antragsstellers oder des Gegenantrags der nichtantragstellenden Partei entgegenstehen, dann kann er dies mit Klugheit der Partei gegenüber begründen (can. 1703, § 1). Der Richter kann der Partei, die es beantragt, nach seinem klugen Ermessen Einsicht in ein Dokument oder ein Vernehmungsprotokoll gewähren. Nach Ablehnung des Reskripts durch den Apostolischen Stuhls wegen schwerwiegender Zweifel am Nichtvollzug kann der Rechtsbeistand gemäß can. 1701, § 2 Akteneinsicht beantragen. Diese kann ihm nur dann gewährt werden, wenn er einen schwerwiegenden Grund besitzt, noch einmal eine 117
Sacra Congregatio de Disciplina Sacramentorum, Dekret vom 7. 5. 1923, Regulae servandae in processibus super matrimonio rato et non consummato, in: AAS 15 (1923), 389 – 436, Art. 59: „Testimonium septimae manus, ut ipsa denominatio innuit, septem testibus ex utraque parte inductis, hoc est septem ab una et septem ab altera, constare debet“. 118
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 8.
119
Vgl. Orlandi, Recenti innovazioni (Anm. 91), S. 448.
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Auflösungsbitte zu stellen. Er kann dann alle Akten, mit Ausnahme des Gutachtens des Bischofs, einsehen 120 . Da dem eventuell beigezogenen Rechtsbeistand nicht die Rechte und Pflichten eines Parteienanwalts 121 zustehen, kommt es auch zu keinem Austausch der Schriftsätze mit dem Bandverteidiger. Der Bandverteidiger muss all das nennen, was vernünftigerweise gegen die Auflösung der Ehe vorgebracht werden kann 122 : (1) Bedenken gegen den Nichtvollzug; (2) Bedenken gegen das Vorliegen eines gerechten Grundes; (3) Bedenken wegen der Gefahr eines Ärgernisses. Tut er dies, so hilft er bei der Suche nach der objektiven Wahrheit. Der Bericht des Untersuchungsrichters über das Verfahren in can. 1704 § 1 gehört zur Vollständigkeit der nach Rom gesandten Akten, doch kommt dem Urteil des Diözesanbischofs in Bezug auf den Nichtvollzug, den gerechten Grund und die Abwesenheit von Ärgernis eine wesentlich größere Bedeutung zu. Hat sich der Diözesanbischof gemäß art. 154 § 3 der Instruktion Dignitas Connubii das votum des Untersuchungsrichter, das in can. 1704 § 1 sowie in den Litterae circulares 123 treffender als relatio bezeichnet wird, zu eigen gemacht, soll dies aus den Akten hervorgehen. Anschließend sind die Akten nach logischen Kriterien zu ordnen und mit einem Inhaltsverzeichnis zu versehen, was manchmal zum Leidwesen der Kommissäre versäumt wird. Während das Auflösungsverfahren wegen Nichtvollzug als solches wesentlich rascher durchgeführt werden kann als ein Nichtigkeitsprozess mit zwei Instanzen, kommt es leider nicht selten zur Verschleppung 124 , sodass es in der Tat länger dauert. So sind etwa die Zwischenräume zwischen den einzelnen Vernehmungen manchmal unerklärlich lang. Andere nehmen die Bittschrift an, 120
Vgl. can. 1705, § 3; Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 27.
121
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 6.
122
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 22.
123
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 21.
124
In den „Litterae circulares“ wird der Diözesanbischof ausdrücklich aufgerufen, für eine zügige Durchführung des Verfahrens zu sorgen: „Curent demum Episcopi ut in hisce magni ponderis instruendis causis, circumspecte quidem et caute, at simul naviter et, quoad fieri poterit, expedite procedatur, ne cum gravi partium detrimento inutiles interponantur morae“ (Congr. Sacr, Litterae circulares [Anm. 6], Art. 27).
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beginnen jedoch erst nach vielen Monaten oder gar nach mehr als einem Jahr unnötiger Wartezeit mit der Beweiserhebung. Unverständlich ist es auch, wenn zwischen dem Ausscheiden des Untersuchungsrichters oder des Bandverteidigers und der Ernennung des Nachfolgers Monate vergehen. Die Kongregation selbst beansprucht für das Verfahren auch in schwierigen Fällen, in denen über die Gutachten von drei Kommissaren 125 hinaus ein viertes Gutachten verlangt wird, nur selten die Frist von drei Monaten 126 . Bei kleineren Fehlern fordert die Kongregation keineswegs stets eine Ergänzung oder Korrektur der fehlenden oder fehlerhaften Akten, sondern leitet das Gesuch mit Empfehlung der Gewährung der Gnade an den Papst, sendet es dann jedoch mit einem Begleitschreiben an den Diözesanbischof zurück, in welchem das Gericht für die Zukunft über die zu vermeidenden Fehler unterwiesen wird. X. Beweisergänzung Die von der Kongregation selbst angeordnete Beweisergänzung 127 betrifft vor allem die schwierigen Fälle. Hatte sich der Diözesanbischof gemäß Art. 2 der Normen von 1986 gleich beim Auftreten der Schwierigkeiten an die Kongregation um Rat bezüglich der Vorgangsweise gewandt, ist eine Beweisergänzung selten erforderlich und eine Ablehnung des Gesuchs um Dispens vom bestehenden Eheband unwahrscheinlich. Es können auf diese Weise Verfahren, bei denen der Apostolische Stuhl ablehnend antworten müsste, ebenso vermieden werden, wie das supplementum instructorium selbst. Dies gilt vor allem für so genannte "schwierigen Fälle" wie künstliche Befruchtung, Coitus interruptus, den Gebrauch von Verhütungsmitteln, nicht humano modo erfolgter Geschlechtsverkehr oder sonstige Umstände, aufgrund welcher die Kongregation besondere Beweismittel verlangt 128 . Aber auch außerhalb der schwierigen Fällen ergibt die erste Prüfung der Akten oder die Sitzung der Kommissäre die Notwendigkeit einer Beweisergänzung. Die Sitzung der Kommissäre endet dann mit dem Votum: „Dilata et compleantur acta, iuxta instructionem dandam“. Nach dem Studium der in der Diözese erstellten Akten und Abwägung der Gutachten der drei Kommissäre ent-
125
Zum Verfahren bei der Kongregation Vgl. Heinz Meinolf Stamm, Das Verfahren zur Erlangung der Dispens von der nichtvollzogenen Ehe, in: DPM 5 (1998), S. 82 – 85. 126
Vgl. Stamm, Das Verfahren (Anm. 125), S. 85.
127
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 26.
128
Vgl. L’attività della Santa Sede nel 2004 (Anm. 2), S. 696.
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scheidet die Kongregation, erneut an den Diözesanbischof zu schreiben, damit eine Beweisergänzung vorgenommen werden kann. Wie die Beweisergänzung aussieht, wird dabei genau angegeben, z. B. erneute Einvernahme der Parteien mit speziellen Fragen über die Gründe des Nichtvollzugs, Ladung neuer Zeugen von Amts wegen, die vom Nichtvollzug zu unverdächtiger Zeit erfuhren. Nicht selten wird eine gynäkologische Untersuchung der Frau oder eine andrologische Untersuchung des Mannes durch einen von Amts wegen ernannten Sachverständigen, der dann vor Gerichte sein Gutachten zu erklären hat, verlangt. Schließlich kann die Beweisergänzung die Klärung von Unklarheiten sowie die Korrektur falscher Personen- oder Ortsnamen betreffen. Nicht selten wird bei der Beweisergänzung die unter Eid zu erfolgende Anerkenntnis der Authentizität eines gynäkologischen oder andrologischen Zeugnisses verlangt oder die Einholung weiterer ärztlicher Gutachten bzw. der Versuch, einen der beiden Partner, der bisher zu keiner Aussage bereit war, erneut dazu zu bewegen. Nicht selten wird von der Frau eine kurze gynäkologische Bestätigung der Jungfräulichkeit eingereicht. Sollte diese im konkreten Fall nicht ausreichen, muss zur Beweisergänzung der untersuchende Arzt nicht nur um Bestätigung seiner Feststellung, sondern auch um genauere Angaben, worauf seine Diagnose der Jungfräulichkeit beruht, gebeten werden. Nicht immer bringt die Beweisergänzung die Lösung der noch offenen Fragen, welche bei der Beratung in der zuständigen Kommission aufgetreten sind. Geht es um besonders schwierige Details kann eine Befragung der Frau oder beider Partner in Gegenwart einer von Amts wegen bestimmten Gynäkologin vorgeschrieben werden. Zusätzlich werden manchmal noch fehlende Dokumente wie der Taufschein eines Partners oder der zivile Trauschein für die inzwischen geschlossene Ehe angefordert. Bei einem Zweifel daran, dass es sich um ein matrimonium ratum 129 handelt, kann auch das Einholen von Taufzeugnissen erforderlich werden. Besteht ein konkreter Widerspruch, etwa über den Zeitpunkt des versuchten Vollzugs, können die Partner selbst mit der Unterschiedlichkeit der Aussagen konfrontiert werden. Es kann auch die genauere Klärung der Geschlechtskrankheit, an der einer der Partner litt oder die Angabe der Medikamente mit denen einer der Partner behandelt wurde, erforderlich sein. Für die Kommission an der Kongregation ist weiter die maschinschriftliche Transkription handgeschriebener Texte und die Ersetzung verblichener und kaum leserlicher Fotokopien wünschenswert. 129 Zur Bedeutung des Ausdrucks „matrimonium ratum“ vgl. A. N. Dacanay, Matrimonium ratum: significatio termini, in: PerRMCL 79 (1990), S. 69 – 89.
Ist die Auflösung der nichtvollzogenen Ehe von Getauften noch zeitgemäß?
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Gerade das Bemühen der Kongregation um Beweisergänzung zeigt, dass das Dispensreskript einen Gnadenakt darstellt, auf den kein Rechtsanspruch besteht, obwohl die Ablehnung der Gnade nur bei ernsthaften Bedenken gegen den Nichtvollzug, das Bestehen des gerechten Grundes oder die Abwesenheit von Ärgernis erfolgt. In der Praxis handelt die Kongregation so, als würde es sich tatsächlich um einen Rechtsanspruch handeln. Liegen sowohl Nichtvollzug, ein gerechter Grund und keine Gefahr von Ärgernis vor, dann wird die Dispens dem Papst empfohlen, der sie auch gewährt. Verstärkt wird diese Tatsache noch dadurch, dass der Gesetzgeber im Fall einer Ablehnung des Gesuchs der Partei das Recht zuspricht, die Prozessakten von einem Rechtsbeistand durchsehen und prüfen zu lassen 130 , der um ein neues Verfahren ansuchen kann, sofern er ausreichend schwerwiegende Argumente dafür entdeckt. Dann muss gemäß den Anweisungen der Kongregation, welche vom Antrag informiert wird, das Verfahren unter Verwendung der bereits bisher gesammelten Beweise neu aufgerollt und eine Beweisergänzung nach Angabe der Kongregation erfolgen. Der Bandverteidiger muss neue oder ergänzende Animadversiones verfassen, der Untersuchungsrichter einen neuen Bericht, der Diözesanbischof ein neues Gutachten 131 . XI. Widerruf des Dispensreskripts Auch ein Widerruf des Dispensreskripts durch den Papst ist möglich. Die Partner, der Bischof, der Bandverteidiger und die Kongregation selbst können ihn beantragen 132 . Dabei ist der Widerruf einer Parteien- oder Zeugenaussage zugunsten des Nichtvollzugs allein keineswegs ausreichend. Wurde die Auflösung aufgrund falscher Aussagen oder Dokumente bezüglich des Nichtvollzugs oder bei Nicht-Bestehen des gerechten Grunds gewährt, ist sie nichtig und die eventuell danach geschlossene Ehe ist aufgrund des Ehehindernisses des Ehebandes der vorausgehenden Ehe nichtig, da nur der Tod die geschlossene und vollzogene Ehe scheidet. Die Entscheidung, die Taufpfarrämter zu informieren, damit diese eine Wiederheirat verhindern, liegt bei ihr. Die Kongregation muss durch den Diözesanbischof des Gerichts, welches die Beweisaufnahme durchführte, verständigt werden. Meist verlangt sie über die Aussetzung der Vollziehung des früher gewährten Dispensreskripts hinaus noch eine ergänzende Beweisaufnahme zur Prüfung der Glaubwürdigkeit des Widerrufs. Die Parteien und die Zeugen 130
Vgl. Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Art. 27.
131
Vgl. Molina Melia, Aspectos nuevos (Anm. 50), S. 285.
132
Vgl. Orlandi, Recenti innovazioni (Anm. 91), S. 474.
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sollen vom Widerruf informiert und befragt werden, ob sie ihre Meinung geändert haben oder ihre erste Aussage zugunsten des Nichtvollzugs bestätigen. Eine große Rolle spielt die Befragung jenes Partners oder jener Zeugen, welche den Widerruf vornahmen, der dann zur vorläufigen Aussetzung der Wirkungen des Reskripts durch die Kongregation Anlass gab. Sie sollen vor allem detailliert über die Gründe Auskunft geben, aufgrund derer sie den Widerruf vornahmen. Der andere Partner, der bei seiner Aussage zugunsten des Nichtvollzugs bleibt, soll nach den Gründen für seine Aussage und seine Meinung über den Widerruf von Seiten des Partners befragt werden. Da es im Intimbereich keine Augenzeugen gibt, dürfte der Widerruf eines Zeugen nur selten die Rücknahme des Reskripts veranlassen, es sei denn, es handelt sich um den behandelnden Arzt oder den Sachverständigen. Es können auch Dokumente auftauchen wie die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungen mit gegenteiligem Ausgang. Es kommen auch böswillige Motive als Beweggrund eines Widerrufs oder die Vorlage gefälschter Dokumente zur Schädigung des Partners vor. Als positive Beweggründe werden genannt, dass eine Partei früher eine Aussage zugunsten der Auflösung machte, um dem anderen Partner einen Gefallen zu erweisen oder um den Fehler, geheiratet zu haben, oder gar den Partner zur Hochzeit überredet zu haben, wieder gut zu machen, obwohl er sich des Fehlens der Voraussetzungen für eine glückliche Ehe bewusst war. Auch Gewissenskonflikte können zum Widerruf führen. Ein alt oder krank gewordener Partner kann unter Umständen einfach seinen Seelenfrieden wiederfinden wollen und sogar kontradiktorisch darum bitten, man möge die inzwischen vom anderen Partner eingegangene Zweitehe nicht für ungültig erklären. Eine besondere Rolle spielen in diesem Fall auch die Glaubwürdigkeitszeugen des widerrufenden Partners, die damit konfrontiert und erneut befragt werden müssen. Es ist dann Aufgabe der Kongregation nach Einholung der neuen Animadversiones des Bandverteidigers der Diözese sowie des neuen Gutachtens des Bischofs zu entscheiden, ob die frühere oder die nach dem Widerruf gemachte Aussage glaubwürdiger ist. Es kann nämlich durchaus sein, dass der Widerruf nicht glaubhaft formuliert wird. Zu seiner Bewertung können die Grundsätze der Rotajudikatur bezüglich der Beweiswürdigung im Falle des Widerrufs der Parteien- oder Zeugenaussage herangezogen werden. 133
133 Vgl. Nikolaus Schöch, Der Widerruf der Parteien- oder Zeugenaussage im Eheprozess (Retractatio), in: DPM 9 (2002), S. 81 – 126.
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Die Erfahrung mit den Eheprozessen zeigt jedoch, dass die retractatio mit dem Eingeständnis, bei einer früheren Vernehmung gelogen zu haben, tatsächlich meist den Grundsatz semel mendax semper mendax bewahrheitet. Es ist Aufgabe des Vernehmungsrichters der Aussageperson ihre Wahrheitspflicht unmittelbar vor der Vernehmung nochmals einzuschärfen. Wer zugibt, trotz der in can. 1532 vorgeschriebenen Vereidigung, die zur Erinnerung und Bekräftigung der Wahrheitspflicht für die Aussageperson gedacht ist, in Bezug auf eine Tatsache gelogen zu haben, von dem kann man annehmen, er habe dies auch bezüglich anderer Tatsachen getan. Die Wahrheitspflicht und den Grundsatz von Treu und Glauben hat er jedenfalls verletzt. Je allgemeiner das für den Widerruf angegebene Motiv ist, desto weniger glaubwürdig ist es. Abstrakte Motive machen einen Widerruf nicht glaubwürdig. Handelte es sich bei der früher angeblich erfolgten Falschaussage nicht um einen Irrtum, sondern eine bewusste Falschaussage, so kommt man nicht umhin, die Glaubwürdigkeit des widerrufenden Partners einzuschränken. Immerhin handelte es sich auch vor dem kirchlichen Gericht um einen Meineid. Es stellt sich auch die Frage, ob die gegenteilige Aussage ins Detail geht, genaue Angaben macht, oder nicht. Wichtig ist beim Vergleich der früheren und der späteren Aussage nicht nur die Frage nach der Tatsache des Nichtvollzugs, sondern auch deren Begründung. Brachte die aufgrund des Widerrufs der Aussage oder eines neuen Dokuments erfolgte Beweisergänzung nicht die gewünschte Klarheit, so wird das Dispensgesuch nicht widerrufen. In einem interessanten, von Marchetta erwähnten Fall, versöhnten sich die Partner, während das Auflösungsgesuch an der Kongregation für die Sakramente diskutiert wurde und vollzogen die Ehe noch bevor das päpstliche Reskript erging, weshalb Papst Paul VI. das bereits dem Diözesanbischof, dem Taufpfarramt und den Parteien notifizierte Auflösungsreskript ausdrücklich widerrief mit den Worten: „... audita relatione sibi facta ... declaravit atque decrevit Apostolicam dispensationem, die 19 novembris 1971 datam, super matrimonio quod Titus et Caia inter se, uti supra, inierunt, deficiente prorsus essentiali conditione qua nitebatur, nullam atque irritam esse, proindeque matrimonium ipsum in suo integro et pleno robore adhuc permanere et consistere“ 134 .
134
Vgl. Marchetta, Scioglimento del matrimonio canonico (Anm. 14), S. 245.
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Nikolaus Schöch
XII. Schluss Nicht selten wird das Nichtvollzugsverfahren als ein Relikt aus ferner Vergangenheit betrachtet. Tatsächlich zeigt die Statistik, dass Anwälte kaum dazu raten, da sie daran nur als Rechtsbeistände mit sehr beschränkten Aufgaben beteiligt werden können. Weiters ist in der Gegenwart vor allem im englischsprachigen Raum die Nichtigkeitserklärung aufgrund einer der in can. 1095, Nr. 2 – 3 vorgesehenen Formen der psychischen Eheunfähigkeit so häufig, dass aus diesem Bereich Nichtvollzugsverfahren fast vollständig ausbleiben. Dass dies manchmal auch mit einer unhaltbar ausgedehnten Interpretation des can. 1095 geschieht, scheint die Partner offensichtlich wenig zu stören, sofern die ersehnte neue kirchliche Eheschließung gewährt wird. Abgesehen von der manchmal übersehenen praktischen Anwendbarkeit ist das Nichtvollzugsverfahren als solches keineswegs veraltet. Gerade die seit dem Konzil im Rahmen des christlichen Personalismus stärkere Betonung des Gattenwohls und dessen Einfügung unter die Wesenselemente der christlichen Ehe in can. 1055 § 1 verleiht auch dem Vollzug der Ehe eine neue Bedeutung. Die mangelnde Bereitschaft eines Partners oder das fehlende Einfühlungsvermögen oder psychische Gründe, die nicht so schwerwiegend sind, dass sie die Nichtigkeit der Ehe verursachen, verhindern dennoch den für das Gattenwohl und das Gut der Nachkommenschaft bedeutsamen ehelichen Akt der gegenseitigen Ganzhingabe und des Ein-Fleisch-Werdens. Die seelsorgliche Praxis zeigt, dass die nicht vollzogene Ehe fast immer zum Scheitern verurteilt ist. Der mangelnde Vollzug kompromittiert die eheliche Lebensgemeinschaft schwerwiegend. Er führt zu psychischen Komplexen und Traumen, zu im Laufe der Zeit unerträglichen Spannungen zwischen den Partnern. Manchmal fehlt es auch überhaupt an einem klaren Ehewillen und die Motivation, durch ärztliche oder psychologische Hilfe die intimen Probleme zu lösen, ist gering. Während in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Nichtvollzugsverfahren nicht selten ein Verdacht auf Ungültigkeit der Ehe wegen Impotenz auftrat, betrifft dieser Verdacht gegenwärtig häufiger den Ausschluss eines Wesenselements oder die psychische Unfähigkeit. Die Normen der Litterae circulares von 1986 und die Instruktion Dignitas Connubii von 2005 erleichtern den Übergang vom Nichtigkeits- zum Nichtvollzugsverfahren und ermöglichen ihn bei jeglichem Nichtigkeitsgrund, womit die frühere Beschränkung auf die Impotenz überwunden ist. Auch eine Aussetzung des Nichtvollzugsverfahrens und die Einleitung eines Nichtigkeitsprozesses sind ebenso möglich wie umgekehrt die Einleitung eines Nichtigkeitsprozesses im Anschluss an ein Nichtvollzugsverfahren, und zwar sowohl bei Ablehnung des Gesuchs als auch nach Auflösung der Ehe, da diese ex nunc erfolgt, während der Nichtigkeitserklärung die rückwirkende Kraft eigen ist.
Ist die Auflösung der nichtvollzogenen Ehe von Getauften noch zeitgemäß?
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Ein gesunder Partner, der noch vor dem ersten Geschlechtsverkehr von der Geschlechtskrankheit oder sonstigen schwerwiegenden ansteckenden Krankheit des Partners erfährt, besitzt die Möglichkeit die Auflösung der gültig geschlossenen Ehe zu erlangen, wobei allerdings zu bedenken bleibt, dass in diesem Fall die Nichtigkeit der Ehe wegen Eigenschaftsirrtums oder arglistiger Täuschung nahe liegt. Es tritt vereinzelt auch noch in der Gegenwart der Extremfall auf, dass es nie zu einem Zusammenleben nach der Eheschließung kam. Während das Rundschreiben der Kongregation für die Sakramente vom 20. Dezember 1986 die Bischöfe auf das durch den CIC von 1983 eingeführte Erfordernis für den Ehevollzug, das humano modo 135 aufmerksam machte: „Sedulam attentionem Episcopus praestare velit ad novum elementum requisitum pro consummatione matrimonii, scilicet quod coniuges inter se humano modo posuerunt coniugalem actum“ 136 , spielt dieses jedoch in der Praxis noch eine viel zu geringe Rolle. Sicherlich werden nicht vollzogene Ehen wegen eines Mangels an humano modo niemals häufig sein, doch sind sie als Möglichkeit nicht auszuschließen, wo Gewalt angewendet oder die Furcht so groß ist, dass sie das Bewusstsein raubt. Ein durch erzwungene Einnahme von Drogen oder Alkohol oder durch brutale und unmittelbare Drohungen erlangter Geschlechtsverkehr verhindert den Vollzug humano modo, sofern deshalb der Vernunftgebrauch fehlte. Die Einnahme von Medikamenten, Drogen oder Alkohol hingegen, welche das Bewusstsein und den Vernunftgebrauch zwar schwer beeinträchtigen oder rauben, jedoch freiwillig in der Absicht verwendet werden, den Vollzug zu erleichtern, schließen die Einleitung eines Nichtvollzugsverfahrens aus. Bei Fehlen des humano modo ist stets vom Diözesanbischof die Kongregation zu benachrichtigen, deren Anweisungen zu befolgen sind. Alle sonstigen von verschiedenen Autoren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil als mit dem Vollzug humano modo unvereinbar genannten Umstände unterbinden hingegen den erfolgreichen Abschluss Verfahrens.
135
Vgl. can. 1061 § 1.
136
Congr. Sacr, Litterae circulares (Anm. 6), Prooemium.
Profil einer hierarchischen Rechtsfigur in der Kirche Aspekte der Personalprälatur Opus Dei Von Rudolf Schunck Die Wiederentdeckung der in der Taufe begründeten allgemeinen Berufung zur Heiligkeit und zum Apostolat ist unbestritten eine der bedeutungsvollsten Erkenntnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils, zumal in seelsorglicher Hinsicht. Sie schlägt sich nieder in den zahlreichen Selig- und Heiligsprechungen, die Papst Johannes Paul II. vorgenommen hat, findet aber auch strukturell in einer Vielzahl von bereits verwirklichten bzw. in Aussicht genommenen Einrichtungen ihren Ausdruck, die eine dynamischere, dem Ideal der Evangelisierung einer globalisierten und mobilen Gesellschaft besonders angepaßte und der praktischen Förderung des christlichen Lebens angemessene Seelsorge ermöglichen sollen. Zu diesen zum Teil bereits verwirklichten und zum Teil der Verwirklichung noch harrenden Einrichtungen zählen die Personalprälaturen. I. Standortbestimmung Die vom II. Vatikanischen Konzil im Dekret Presbyterorum Ordinis angeregten Personalprälaturen haben in den Canones 294 – 297 des Codex Iuris Canonici von 1983 ihre Regelung gefunden. Dem Ursprungsanliegen gemäß – den mannigfaltigen und wechselnden Bedürfnissen des modernen Apostolates effizienter zu begegnen1 – trägt die Rechtsfigur der Personalprälatur das Prinzip der Verschiedenheit in sich. Das neue Rechtsinstitut erfüllt eine doppelte Funktion. Es ermöglicht die flexiblere Verteilung der Priester und dient der Verwirklichung besonderer Werke des Apostolates, die sich im Rahmen der herkömmlichen kirchlichen Strukturen nicht gut durchführen lassen. Wörtlich heißt es im Codex: „Um eine angemessene Verteilung der Priester zu fördern oder um besondere seelsorgliche oder missionarische Werke für verschiedene Gebiete oder unterschiedliche Sozialverbände zu verwirklichen, können vom Apostolischen Stuhl nach Anhören der betreffenden Bischofskonferenzen Personalprä1
Vgl. Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum Ordinis, Nr. 10.
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Rudolf Schunck
laturen errichtet werden“2. Der Text läßt erkennen, daß die Personalprälatur kein „eingleisiges“ Rechtsinstitut ist, sondern eher ein „Dachbegriff“ für neue, dynamischere Formen der Seelsorgeorganisation. Das Kriterium der Flexibilität liegt der pastoralen Einstellung des Konzils zugrunde. Personalprälaturen werden – nach entsprechender Prüfung – durch den Apostolischen Stuhl errichtet, der für die jeweilige Prälatur eigene Statuten erläßt3, also ein der spezifischen Aufgabe angemessenes Eigenrecht schafft, das die in den Canones 294 – 297 niedergelegten Rahmenbedingungen näher determiniert. Dieser Umstand ist von Bedeutung, denn der Unterschied zwischen den einzelnen Personalprälaturen kann, gerade aufgrund der relativen Unbestimmtheit, die diese Rechtsfigur auszeichnet, beträchtlich sein. Die einzige bis zum heutigen Tage errichtete Personalprälatur ist die „Prälatur vom Heiligen Kreuz und Opus Dei“, kurz „Opus Dei“ genannt. Wenn in den folgenden Absätzen die allgemeinen Merkmale skizziert werden, die der Codex für die Personalprälaturen festlegt, geschieht dies daher jeweils mit einem Hinweis auf die konkrete Anwendung, die sie bei der Prälatur Opus Dei gefunden haben. Dabei soll besonders der hierarchische Charakter der neuen Rechtsfigur im Auge behalten werden, in der sich – trotz der partikularen Zielsetzung der Prälaturen, die sie von den stets auf die allgemeine Seelsorge ausgerichteten Teilkirchen unterscheidet – in der Tat jene drei Elemente finden, die von Theologie und Kanonistik einhellig als für die Teilkirche konstitutiv angesehen werden4: (1) das officium capitale des Prälaten (Bischofs); (2) das Presbyterium, das ihm zur Seite steht; (3) die portio populi Dei, die seiner Obhut anvertraut ist. Was das Opus Dei betrifft, steht dieser hierarchische Charakter außer Zweifel5. 2
CIC, c. 294.
3
Vgl. CIC, c. 295 § 1.
4
Vgl. z. B. Winfried Aymans / Klaus Mörsdorf, Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici, Paderborn 1997, S. 9 – 20. 5
Er ist aus den päpstlichen Errichtungsdokumenten eindeutig ersichtlich – vgl. v. a. Ap. Konst. Ut sit, 28.11.1982, AAS 75 (1983), S. 423 – 425 –, und Papst Johannes Paul II. hat zuletzt am 17.3.2001 auf ihn hingewiesen: vgl. Osservatore Romano, deutsch, 6.04.2001, S. 11. Schon kurz nach Errichtung der Personalprälatur Opus Dei hat Pedro Rodríguez in seinem Buch „Teilkirchen und Personalprälaturen“ (Kanonistische Studien und Texte 38, Amsterdam 1987; Original: Iglesias particulares y Prelaturas personales, Pamplona 1985) das Thema „Personalprälaturen und Verfassungsstruktur der Kirche“ ausführlich dargelegt.
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An der Spitze einer Personalprälatur steht jeweils ein „Prälat als eigener Ordinarius“ 6 . Er ist der eigenberechtigte Hirt der Prälatur. Der Codex sagt nicht, daß er Bischof sein muß. Ob er die Bischofsweihe empfängt oder nicht, wird im Einzelfall von den Aufgaben abhängen, zu deren Erfüllung die Prälatur ins Leben gerufen wurde. Seit der Errichtung des Opus Dei als Personalprälatur sind seine Prälaten 7 jeweils zu Bischöfen geweiht worden. Im päpstlichen Schreiben vom 2. November 1994, in dem Johannes Paul II. dem einige Monate zuvor gewählten Prälaten des Opus Dei seine Entscheidung mitteilt, ihn zum Bischof zu ernennen, erklärt er, diese Ernennung erfolge nicht in Ansehung bestimmter Verdienste oder als persönlicher Titel, der Grund sei vielmehr ein anderer: „opportunum duximus aptius consulere praelaturae personali Sanctae Crucis et Operis Dei, quo planius prospiceretur animarum saluti illorum Christifidelium“ („wir hielten es für angebracht, für die Personalprälatur vom Heiligen Kreuz und Opus Dei angemessener Sorge zu tragen, um das geistliche Wohl dieser Gläubigen deutlicher zu fördern“) 8 . Die Bischofsweihe erweist sich angesichts der Zielsetzung, Größe und Beschaffenheit dieser Prälatur als in hohem Grad angemessen 9 . Von den Personalprälaturen heißt es allgemein, daß sie „presbyteris et diaconis cleri saecularis constent“ 10 , was unter anderem jede Gleichstellung der neuen Rechtsfigur mit den Instituten des geweihten Lebens ausschließt. Auch wenn der Codex nicht ausdrücklich die Existenz eines eigenen Presbyteriums erwähnt, setzt das von der Kleruskongregation herausgegebene „Direktorium für Dienst und Leben der Priester“ sein Vorhandensein in den Prälaturen voraus: „Die Zugehörigkeit zu einem konkreten Presbyterium erfolgt immer im
6
CIC, c. 295 § 1.
7
Alvaro del Portillo (Prälat von 1982 bis 1994) und Javier Echevarría (seit 1994).
8
Abgedruckt im Amtsblatt der Prälatur Opus Dei, Romana 20 (1995), S. 14. In diesem Amtsblatt werden wichtige das Opus Dei betreffende Ereignisse dokumentiert. Dieses Amtsblatt, das außer auf Italienisch auch in englischer und spanischer Sprache erscheint, kann von jedermann abonniert werden. 9
Über die Bischofsweihe für den Prälaten einer Personalprälatur – insbesondere auf den Titel der Prälatur selbst – vgl. Velasio de Paolis, Nota sul titulo di consacrazione episcopale, in: Ius Ecclesiae 14 (2002), S. 59 – 79. Vgl. auch Fernando Ocáriz, Personalprälaturen und Episkopat. Theologische Überlegungen zur Bischofsweihe des Prälaten des Opus Dei, in: Forum Kath. Theologie 7 (1991), S. 211 – 216. 10
CIC, c. 294. Vgl. c. 266 § 1.
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Rudolf Schunck
Bereich einer Teilkirche, eines Ordinariates oder einer Personalprälatur“ 11 . Es ist offensichtlich, daß es ein Presbyterium nur in einer hierarchisch verfaßten kirchlichen Gemeinschaft geben kann, nicht aber in einem Orden oder einer Klerikergenossenschaft usw. Die Statuten des Opus Dei behandeln das Presbyterium der Prälatur in aller gebotenen Ausführlichkeit unter dem Titel II, der mit den Worten beginnt: „Praelaturae presbyterium ab illis clericis constituitur, qui (...) Praelaturae incardinantur eiusque servitio devoventur“ 12 . Der Codex sieht ferner vor, daß Laien mit der Personalprälatur vertraglich vereinbaren können, sich ihren Apostolatswerken zu widmen, wobei der Modus dieser „organica cooperatio“ sowie die diesen Laien zustehenden Rechte und Pflichten in den jeweiligen Statuten zu regeln sind 13 . Die Frauen und Männer, die sich dem Opus Dei anschließen, werden auf der Grundlage einer wechselseitigen vertraglichen Erklärung in die Prälatur eingegliedert 14 . Sie unterstellen sich der Jurisdiktion des Prälaten, um durch die Heiligung ihrer Berufsarbeit, gestützt auf die in den Statuten vorgesehenen pastoralen Hilfen, ein konsequentes christliches Leben inmitten der Welt zu führen und dort apostolisch tätig zu sein. Die Prälatur verpflichtet sich ihrerseits, ihren Gläubigen laufend die erforderliche doktrinelle, asketische und apostolische Bildung zu erteilen 15 . Im jeweiligen Eigenrecht einer Personalprälatur ist auch ihr Verhältnis „zu den Ortsordinarien zu bestimmen, in deren Teilkirchen die Prälatur ihre seelsorglichen oder missionarischen Werke nach vorausgehender Zustimmung des Diözesanbischofs ausübt oder auszuüben beabsichtigt“ 16 . Die Statuten des
11 Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, 31.3.1994, Nr. 25 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Bonn, Nr. 113). Das Direktorium verweist an dieser Stelle auf das Dekret Presbyterorum Ordinis, Nr. 8, sowie auf CIC, c. 369 (Definition der Teilkirche), und auf cc. 498 und 499 (Priesterrat). 12
Vgl. Codex iuris particularis seu Statuta Praelaturae Sanctae Crucis et Operis Dei (im folgenden kurz „Statuta“), Nr. 36. Diese Statuten sind abgedruckt in Amadeo de Fuenmayor / Valentín Gómez-Iglesias / José Luis Illanes, Die Prälatur Opus Dei. Zur Rechtsgeschichte eines Charismas, Essen 1990 (4. Aufl.), S. 648 – 679, sowie in Pedro Rodríguez / Fernando Ocáriz / José Luis Illanes, Das Opus Dei in der Kirche. Ekklesiologische Einführung in das Leben und das Apostolat des Opus Dei, Paderborn 1997, S. 241 – 277. 13
Vgl. CIC, c. 296.
14
Statuta, Nr. 27.
15
Aus dem Annuario Pontificio 2005, S. 1047 lassen sich die aktuellen Mitgliederzahlen der Prälatur Opus Dei entnehmen: 84.541 Laien (Männer und Frauen), 1.875 Priester, 35 Neupriester und 366 Priesteramtskandidaten. 16
CIC, c. 297.
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601
Opus Dei setzen fest 17 , daß die apostolische Arbeit in einer Diözese mit der Errichtung eines Zentrums beginnt, für die der Prälat oder der für die betreffende Region bestellte Vikar die Erlaubnis des Bischofs benötigt, die in der Regel schriftlich erteilt werden soll. Was die Koordination des Wirkens des Opus Dei mit den Teilkirchen betrifft, kann am Rande angemerkt werden, daß die Prälatur eine eigene Gerichtsbarkeit besitzt 18 , die sie in 1. Instanz wahrnimmt. Das Appellationsgericht wird vom Hl. Stuhl bestimmt und ist derzeit das Gericht der 2. Instanz des Vikariates von Rom 19 . Auch für die Kanonisationsverfahren seiner Gläubigen kann die Prälatur einen Gerichtshof bilden. So wurde für den 1994 verstorbenen Nachfolger des Gründers und ersten Prälaten der Personalprälatur, Bischof Alvaro del Portillo, im Jahr 2004 die Causa der Heiligsprechung bei zwei mit den gleichen Befugnissen ausgestatteten kirchlichen Gerichtshöfen eingeleitet: am 4. März nahm das Gericht des Vikariats von Rom und am 20. März das der Personalprälatur Opus Dei seine Arbeit auf 20 . II. Inkardination in die Personalprälatur Im gegebenen Rahmen ist weder eine umfassende Behandlung der Personalprälaturen im allgemeinen noch der Prälatur Opus Dei im besonderen möglich. Die verschiedenen theologischen und kirchenrechtlichen Dimensionen sind an anderer Stelle ausführlich dargestellt worden, und darauf kann lediglich verwiesen werden. 21 Ein Aspekt des Rechtslebens der Personalprälatur Opus Dei hingegen soll etwas eingehender zur Sprache kommen, insofern er Licht auf den hierarchischen Charakter der Prälaturen wirft: die Inkardination der Kleriker.
17
Statuta, Nr. 177.
18
Am 20.12.2002 ernannte der Prälat des Opus Dei die neuen Mitglieder seines Gerichtshofes: vgl. Romana 35 (2002), S. 291. 19
Vgl. Ap. Konstitution Ecclesia in Urbe, 1.1.1989 , AAS 90 (1998), S. 177 – 193. Dort wird in Art. 40 § 1 das Appellationsgericht der Prälatur benannt. 20 21
Vgl. Romana 38 (2004), S. 80 – 81.
Vgl. z. B. Klaus Martin Becker, Eine Evangelisierung mit Zukunft. Die Personalprälaturen als reale Chance, in: Forum Kath. Theologie 18 (2002), S. 266 – 286; Arturo Cattaneo, Stichwort Personalprälatur, in: Ilona Riedel-Spangenberger (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, Bd. 3, Paderborn 2004, S. 191 – 192; De Fuenmayor / Gómez-Iglesias / Illanes, Die Prälatur Opus Dei (Anm. 12), passim; Sandro Gherro (Hrsg.), Le prelature personali nella normativa e nella vita della Chiesa, Padova 2002; Rudolf Schunck, Die Errichtung der Personalprälatur Opus Dei, in: Theologie und Glaube (1983), S. 91 – 107.
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Rudolf Schunck
Im Codex Iuris Canonici von 1917 war die Inkardination von Geistlichen in den Canones 111 – 117 geregelt. In Canon 111 § 1 hieß es: „Jeder Kleriker muß einer Diözese oder einem Orden angehören. Clerici vagi darf es unter keinen Umständen geben“. Die einschlägigen Bestimmungen waren also restriktiv: nur Diözesen und Orden verfügten über eigene Priester. Allerdings hatten schon vor dem Zweiten Vatikanum auch einige Klerikergemeinschaften die Befugnis zur Inkardination erhalten. Das Konzil hielt eine Ausweitung des Inkardinationsrechtes für angebracht und ordnete an, daß „die Normen bezüglich der Inkardination und Exkardination in der Weise überprüft werden, daß diese sehr alte Einrichtung zwar bestehen bleibt, aber doch den heutigen pastoralen Bedürfnissen besser entspricht“ 22 . Der Codex von 1983 regelt die Thematik ausführlich im Buch II („Volk Gottes“), Kapitel II: „Zugehörigkeit der Kleriker oder Inkardination“ 23 . Für unsere Untersuchungen ist besonders Canon 265 zu beachten. Im lateinischen Text heißt es: „Quemlibet clericorum oportet esse incardinatum aut alicui Ecclesiae particulari vel praelaturae personali, aut alicui instituto vitae consecratae vel societati hac facultate praeditis (...)“. Die offizielle deutsche Übersetzung 24 ist in bezug auf die Personalprälaturen nicht ganz exakt. Sie lautet: „Jeder Kleriker muß entweder einer Teilkirche oder einer Personalprälatur oder einem Institut des geweihten Lebens oder einer Gesellschaft, die diese Befugnis haben, inkardiniert sein (...).“ Im „Münsterischen Kommentar zum Codex Iuris Canonici“ 25 wird Canon 265 sprachlich genauer wiedergegeben: „Es ist notwendig, daß jeder Kleriker entweder einer Teilkirche oder einer Personalprälatur, einem Institut des geweihten Lebens oder einer Gesellschaft, die mit dieser Vollmacht ausgestattet ist, inkardiniert ist (....).“ Noch präziser könnte der Satz lauten: „Jeder Kleriker muß einer Teilkirche bzw. einer Personalprälatur oder einem Institut des geweihten Lebens bzw. einer Gesellschaft, die diese Befugnis haben, inkardiniert sein (...).“ Der Gesetzgeber hat nicht eine bloße Aufzählung gleichartiger Inkardinationsstrukturen vorgenommen, sondern durch die Konjunktion „aut ... aut“ zwei 22
Dekret Presbyterorum Ordinis, Nr. 10.
23
CIC, cc. 265 – 272. Die Kirchenrechtsfakultät der Pontificia Università della Santa Croce veranstaltete im April 2005 in Rom einen Kongreß, der sich mit dem Thema „L’istituto dell’incardinazione. Natura e prospettive“ befaßte. Die Kongreßakten werden in Kürze voraussichtlich unter diesem Titel erscheinen, hrsg. von Luis Navarro. 24 25
Codex des kanonischen Rechtes, lat.-dt. Ausgabe, 3. Auflage, Kevelaer 1989.
Vgl. Klaus Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici (Loseblattwerk), Essen seit 1984.
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verschiedene Ebenen markiert und darüber hinaus auf jeder Ebene durch die Konjunktion „vel ... vel“ jeweils eine weitere Unterscheidung getroffen. Auf der ersten Ebene sind die hierarchischen Strukturen angesiedelt, d. h. die Teilkirchen26 und die Personalprälaturen27; auf der zweiten Ebene die auf Assoziation beruhenden Verbände, d. h. die Institute des geweihten Lebens und andere Gesellschaften, die vom Heiligen Stuhl die Erlaubnis erhalten haben, Kleriker zu inkardinieren. Die redaktionsgeschichtliche Analyse des Canons läßt keinen Zweifel an der diesbezüglichen Aussageabsicht des Gesetzgebers28, abgesehen davon, daß der nachfolgende Canon 266 die Unterscheidung zwischen Inkardination in hierarchische Strukturen einerseits und in Ordensinstitute und klerikale Gesellschaften des apostolischen Lebens andererseits neuerlich in zwei voneinander abgesetzten Paragraphen verdeutlicht29. Die Thematik verdient Interesse, weil sich auch aus dieser Differenzierung unschwer der hierarchische Charakter der Personalprälaturen ablesen läßt, obwohl dieser von einigen Autoren in Frage gestellt wurde.30
26
Vgl. CIC, cc. 368 und 372.
27
Vgl. CIC, cc. 294 – 297.
28
Vgl. Communicationes 16 (1984), S. 159 ; 24 (1992), S. 290, 300 und 321 sowie 14 (1982), S. 63. 29 30
Vgl. CIC, c. 266 §§ 1 und 2.
So schreibt z. B. Michael Benz in einer Rezension des Buches von Pedro Rodríguez, Teilkirchen und Personalprälaturen. Aus dem Spanischen übersetzt von Stephan Puhl (Kanonistische Studien und Texte 38, Amsterdam 1987) in: Münchener Theologische Zeitschrift (1988), S. 218 – 219: „Der Autor behauptet, daß die Rechtsfigur der Personalprälaturen auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil immer als ‚Fortentwicklung der bereits bestehenden hierarchischen Jurisdiktionsstrukturen der Kirche‘ (S. 42) und nicht als eine Art ‚der Vereinigungen von Priestern‘ (S. 44) verstanden wurde. (...) Auf Grund der unzutreffenden Darstellung der Normen und geschichtlichen Entwicklung kann die These nicht überzeugen, die Personalprälatur sei ein Element der hierarchischen Verfassung der Kirche.“ (S. 219) Ronald Klein seinerseits schreibt in seiner Promotionsarbeit „Die Personalprälatur im Verfassungsgefüge der Kirche“, Würzburg 1995, S. 704: „Daß das Opus Dei entgegen verschiedener Selbstdarstellungen auch weiterhin als ganzes zum konsoziativen Element der Kirche zu zählen ist, zeigt sich beispielsweise schon daran, daß auch in Selbstdarstellungen anstelle von ‚Gläubigen‘ des Opus Dei immer wieder von ‚Mitgliedern‘ die Rede ist.“ Als Beweis führt Klein u. a. Romana (1985 ff.) an. In der italienischen Version des Amtsblattes werden nämlich innerhalb der Rubrik „Notizie“ etwaige päpstliche Ernennungen („Nomine pontificie di membri della Prelatura“) bekanntgegeben. Das italienische „membri“ hat hier aber offensichtlich nicht den Sinn des lateinischen „socii“. Priester und Laien sind in der Tat „Mit-Glieder“ der Prälatur, in der sie „organisch“ (also entsprechend ihrer Funktion als Glieder eines Leibes) zusammenwirken. Auch die Gläubigen einer Diözese
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Papst Johannes Paul II., oberster Gesetzgeber und somit authentischer Interpret allgemeinkirchlicher Gesetze, hat seinerseits auf die hierarchische Eigenart der Prälaturen verwiesen, als er am 17. März 2001 in einer Audienz für die Teilnehmer einer vom Opus Dei veranstalteten Tagung zum Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte erklärte: „Ihr seid hier in Vertretung aller Glieder, die die organische Struktur der Prälatur bilden, also Priester und Laien, Männer und Frauen, unter der Leitung des eigenen Prälaten. Diese hierarchische Natur des Opus Dei, die durch die Apostolische Konstitution, mit der ich die Prälatur errichtet habe, geschaffen wurde (vgl. Apostolische Konstitution Ut sit, 28.11.1982), bietet Anhaltspunkte für pastorale Überlegungen, die reich an praktischen Anwendungen sind.“ 31 Die Aufzählung der Inkardinationsverbände in Canon 265 kann im übrigen nur demonstrativ und nicht taxativ verstanden werden. Nach Inkrafttreten des CIC hat Papst Johannes Paul II. nämlich im Jahre 1986 mit der Apostolischen Konstitution Spirituali militum curae 32 die Militärseelsorge kirchenrechtlich neu geregelt. Militärordinariate, die unzweifelhaft hierarchische Institutionen sind, können nach dieser Rahmengesetzgebung für die ganze Kirche eigene Priesterseminare errichten und Priester inkardinieren 33 . Für die Sondersituation der Bundesrepublik Deutschland hat Papst Johannes Paul II. in dem Apostolischen Breve Moventibus quidem vom 23. November 1986 die „Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr“ erlassen; diese traten am 1. Januar 1990 in Kraft. In Artikel 17 heißt es: „Die Ernennung zum Militärgeistlichen hat also nicht die Exkardination aus dem eigenen Bistum zur Folge (...).“ 34 Deutsche sind als „membri del Popolo di Dio“ Glieder oder Mitglieder ihres Bistums. In den Statuten des Opus Dei wird im übrigen nicht von „membra“, sondern von „fideles“ oder „christifideles“ gesprochen. Gemeint sind damit alle Gläubigen der Prälatur, Laien wie Kleriker. Zur Arbeit von R. Klein, vgl. Antonio Viana, Die Personalprälatur im Verfassungsgefüge der Kirche, in: Forum Kath. Theologie 14 (1998), S. 293 – 302. Antoni Stankiewicz hat die Thematik ausführlich behandelt: Le prelature personali e i fenomeni associativi, in: Gherro, Le prelature personali (Anm. 21), S. 139 – 163. 31
Vgl. Quellennachweis der Ansprache von Johannes Paul II. in Anm. 5.
32
AAS 78 (1986), S. 481 – 496. Lateinisch und deutsch ist das Dokument veröffentlicht in: Päpstliche Dokumente für die Militärseelsorge in der Deutschen Bundeswehr; Sonderheft 1990 (32. Jahrg.) der Zeitschrift „Militärseelsorge“, hrsg. vom Katholischen Militärbischofsamt in Bonn. 33 34
Vgl. Ap. Konst. Spirituali militum curae, Art. VI §§ 3 und 4.
Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr, S. 17. Entnommen Päpstliche Dokumente (Anm. 32). Art. 27 der Statuten betrifft die Absprache zwischen Militärbischof und Ortsbischöfen über die
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Militärgeistliche bleiben demnach Priester ihrer jeweiligen Diözesen oder – wenn sie Ordensgeistliche sind – Angehörige ihrer Institute. Der Bamberger Kirchenrechtler Hierold sagt vom Militärordinariat, „daß der Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs zwar keine Teilkirche in ihrer rechtlichen Vollgestalt wie die Diözese, aber eine Organisationsform der Teilkirche ist, da er wesentliche Merkmale aufweist, die für das Teilkirchesein charakteristisch und notwendig sind: Er ist ein auf personaler Ebene fest abgegrenzter Teil des Gottesvolkes, dem ein Bischof mit eigenberechtigter Gewalt vorsteht, der nach Artikel VI § 1 der Apostolischen Konstitution ein eigenes Presbyterium aus den Priestern besitzt, die ein Amt im Militärordinariat wahrnehmen, auch wenn der Jurisdiktionsbereich kein eigenes Seminar unterhält und keine Kleriker in ihn inkardiniert werden.“ 35 Militärordinariate sind also hierarchisch verfaßte kirchlichen Gemeinschaften, die keine Teilkirchen sind, in denen sich aber – genauso wie in den Personalprälaturen – die drei Grundelemente der Teilkirche finden: Ordinarius, Presbyterium und Volk. III. Das Presbyterium der Prälatur Opus Dei Das Presbyterium der Prälatur Opus Dei 36 wird ausschließlich von Klerikern gebildet, die aus den Reihen seiner unverheirateten Laien hervorgehen. Sie haben dort Jahre hindurch – in manchen Fällen durch Jahrzehnte – ihrer Berufung entsprechend gelebt und waren in ihren jeweiligen Zivilberufen tätig. Das Opus Dei nimmt keiner Diözese der Kirche Priesteramtskandidaten weg. Die Statuten schließen ausdrücklich die Inkardination von Klerikern aus, die auf einen anderen Titel geweiht wurden, ja sie untersagen schon die Eingliederung von Laien, die Alumnen von Priesterseminaren waren oder sich in irgendeiner Form Instituten des geweihten Lebens angeschlossen hatten 37 . Darin kommt einerseits die Hochachtung vor den verschiedenen Wegen zum Ausdruck, über die Gott die Seelen führt, andererseits erfordert aber auch die besondere Zielsetzung der Prälatur – die Förderung des Strebens nach der Heiligkeit inmitten der Welt – einen spezifisch ausgebildeten Klerus, der – nicht zuletzt aufgrund der eigenen beruflichen Erfahrung – in der Lage ist, im organischen Zusam-
Gewinnung ausreichender und geeigneter Geistlicher. Vgl. Alfred Hierold, Die Statuten für den Jurisdiktionsbereich des katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr, in: AfkKR 159 (1990), S. 94 – 116. 35
Ebd., S. 97 – 98.
36
Vgl. Statuta, Nr. 36 – 56.
37
Vgl. Statuta, Nr. 20 §§ 2 und 3.
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menwirken mit den Laien der Prälatur unter der Leitung des Prälaten diesem pastoralen Anliegen zu dienen. Jedes Jahr führt der Prälat Priesteramtskandidaten des Opus Dei zu den Weihen. Das entspricht den Normen des Codex. In Betracht zu ziehen sind hierbei zwei Canones. Canon 266 § 1 bestimmt allgemein: „Durch den Empfang der Diakonatsweihe wird jemand Kleriker und der Teilkirche bzw. der Personalprälatur inkardiniert, für deren Dienst er geweiht wird.“ In Canon 295 § 1 erfolgt die Anwendung auf die Personalprälatur, und es wird erklärt, daß der Prälat „das Recht hat, ein nationales oder internationales Seminar zu errichten und Alumnen zu inkardinieren und sie auf den Titel des Dienstes für die Prälatur zu den Weihen zu führen.“ Die Konkretisierung für das Opus Dei findet sich in seinen Statuten 38 . Die Prälatur unterhält in Rom im Rahmen des „Römischen Kollegs vom Heiligen Kreuz“ ein solches internationales Seminar, wo Alumnen aus aller Welt studieren. Den Vorschriften der Statuten gemäß 39 schließen die Kleriker der Prälatur ihre kirchlichen Studien normalerweise mit der Promotion in einem kirchlichen Fach ab. Im Jahre 1956 berichtete der heilige Josefmaria Escrivá über die Ausbildung der ersten drei Alumnen des Opus Dei: „Als ich damals die ersten Priester des Werkes vorbereitete, übertrieb ich – wenn man so will – ihre philosophische und theologische Bildung, und zwar aus einer Reihe von Gründen; (...) immer habe ich von meinen Kindern die bestmögliche berufliche Ausbildung verlangt, da durfte es mit der religiösen nicht anders sein.“ 40 Es liegt nahe, daß das Opus Dei weiterhin bemüht ist, diese Kriterien zu befolgen. Die Aufgaben der Kleriker des Opus Dei bestehen naturgemäß im wesentlichen darin, dem Prälaten bei der Erfüllung des spezifischen Auftrags der Personalprälatur beizustehen, für deren Dienst sie ja geweiht wurden 41 . Dieser Dienst bezieht sich in erster Linie auf die übrigen Gläubigen der Prälatur, dann auf die verschiedenen Bildungstätigkeiten des Opus Dei sowie auf die apostolischen Initiativen, die von den Mitgliedern zusammen mit anderen Bürgern entfaltet werden, und nicht zuletzt auf ihre Bereitschaft, jederzeit für die Spendung der Sakramente und die Verkündigung des Wortes Gottes gerne zur Verfügung stehen. 42 Es werden nur so viele Gläubige des Opus Dei zu Priestern geweiht, 38
Vgl. Statuta, Nr. 36 – 56.
39
Vgl. Statuta, Nr. 105.
40
Salvador Bernal, Msgr. Josemaría Escrivá de Balaguer. Aufzeichnungen über den Gründer des Opus Dei, Köln 1978, S. 149. 41 42
Vgl. CIC, c. 266 § 1.
Zum Verhältnis Priester und Laien vgl. Rudolf Schunck, Amtpriestertum und allgemeines Priestertum, in: Forum Kath. Theologie 10 (1994), S. 177 – 197.
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wie notwendig sind, um diese Aufgaben zu bewältigen. Ein Großteil des vom Presbyterium der Prälatur geleisteten pastoralen Einsatzes kommt Personen zugute, die dem Opus Dei gar nicht angehören. Da die Laien der Prälatur im übrigen immer auch Gläubige der entsprechenden Bistümer bleiben, gereicht die gesamte apostolische Arbeit des Werkes zum Wohl der Diözesen. Die Priester des Opus Dei üben ihren Dienst vornehmlich im Rahmen des apostolischen Wirkens der Prälatur aus und widmen sich der pastoralen Tätigkeit, die der Prälat ihnen anvertraut. Aufgaben und Ämter außerhalb der Prälatur übernehmen sie nur in relativ seltenen Fällen und in Absprache mit dem Prälaten und den entsprechenden kirchlichen Autoritäten 43 . Dieser Ausnahmecharakter kommt im Amtsblatt der Prälatur deutlich zur Geltung. Dort werden zum Beispiel für das zweite Halbjahr 2004 sieben Priester genannt, die mit Ämtern oder Aufgaben durch den Heiligen Stuhl betraut wurden, und acht Priester, die Ämter in Diözesen bzw. im Rahmen einer Bischofskonferenz übernommen haben 44 . Was die Beteiligung an den Priesterräten anbelangt, sehen die allgemeinrechtlichen Bestimmungen des Codex das aktive und passive Wahlrecht nicht nur für die Priester der jeweiligen Diözese vor, sondern auch für „Weltpriester, die nicht in der Diözese inkardiniert sind, (...) sich in der Diözese aufhalten und zu deren Wohl irgendeine Aufgabe wahrnehmen“ 45 . Diese rechtliche Regelung, die schon vor Inkrafttreten des CIC aufgrund einer Erklärung der Kongregation für die Bischöfe vom 23. August 1982 für die Prälatur Opus Dei in Geltung stand 46 , hat sich im Laufe der Jahre bestens bewährt. Sie zeugt vom guten Miteinander der Priester der Personalprälatur mit den Mitbrüdern der jeweiligen Teilkirchen. In den Statuten des Opus Dei wird ausdrücklich erwähnt, daß der Prälat und seine Vikare sich darum bemühen, in allen Priestern der Prälatur den Geist der Gemeinschaft mit den übrigen Klerikern der Ortskirchen, in denen sie arbeiten, zu fördern. 47
43
Vgl. Statuta, Nr. 40 und 51.
44
Romana 39 (2004), S. 244 – 245.
45
CIC, c. 498, 2º. Vgl. hierzu z. B. die Regelung in der Erzdiözese Köln: In der Satzung und Wahlordnung des Priesterrates (im Amtsblatt des Erzbistums Köln 1994, Nr. 87 und 88) heißt es in Nummer 88: „§ 1 Wahlrecht: Das aktive und passive Wahlrecht besitzen die Priester (...) sofern sie (...) 3. Als Priester der Personalprälatur Opus Dei im Erzbistum Köln wohnen“. 46
Vgl. AAS 75 (1983), S. 465.
47
Vgl. Statuta, Nr. 56.
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In Sonderfällen – „nur aus gerechten Gründen darf eine Exkardination zugestanden werden“, bestimmt Canon 270 – ist auch die Exkardination eines Klerikers der Prälatur möglich, der sich dann um Inkardination in eine Diözese bemühen muß 48 . Hingegen kann, wie schon dargelegt wurde, niemals ein Kleriker, der aus seiner Teilkirche ausscheiden möchte, der Prälatur Opus Dei inkardiniert werden. Es handelt sich hier um eine Norm, die für das Opus Dei spezifisch ist; nicht in jeder denkbaren zukünftigen Prälatur müßte ein solches Verbot bestehen. Die Kleriker der Prälatur sind für die spezifische Zielsetzung des Opus Dei gut qualifiziert. Sie haben vor ihrer Weihe jahrelang die göttliche Berufung zum Opus Dei als Laien gelebt. Sie kennen also genauestens seinen Geist und sind deshalb in der Lage, ihre Aufgaben auf geeignete Weise zu erfüllen. Das mindert keineswegs Talente und Charismen von Klerikern anderer Jurisdiktionsstrukturen der Kirche; es besagt nur, daß sie die spezifische Berufung zum Opus Dei besitzen und somit die Voraussetzungen erfüllen, die Gläubigen der Prälatur und ihre Apostolate seelsorglich angemessen zu betreuen. IV. Ausblick Die Personalprälaturen – so wie sie von den Konzilsvätern und vom Codex 1983 vorgesehen sind – können, wie wir bereits ausführlich dargelegt haben, unterschiedliche Ausformungen haben. Da es derzeit nur eine formal errichtete Personalprälatur gibt, legt eine Reflexion über die ekklesiologische Natur der Prälaturen den Vergleich mit anderen ähnlichen Rechtsfiguren nahe, wie es die Militärvikariate sind. Dabei ist in die Überlegungen miteinzubeziehen, daß zukünftige Personalprälaturen, wie bereits anhand von Beispielen gezeigt wurde, Elemente enthalten können, die sich im Opus Dei nicht finden, und daß umgekehrt Elemente fehlen können, die für die Prälatur Opus Dei typisch sind. So entspräche es etwa durchaus den Normen des Codex, daß keine vertragliche Eingliederung von Laien vorgesehen ist, sondern der „coetus socialis“, um dessen seelsorgliche Betreuung es geht, bei der Errichtung der Personalprälatur durch den Apostolischen Stuhl in den Statuten direkt festgesetzt wird. Auch muß die Prälatur nicht ein internationales Wirkungsfeld haben: ihre pastorale Tätigkeit kann enger, z. B. national, umgrenzt sein. Die Statuten der jeweiligen Prälaturen können beträchtliche Unterschiede aufweisen.
48
Vgl. die allgemeinrechtlichen Normen über Inkardination und Exkardination: CIC, cc. 265 – 272; spezifisch für die Exkardination aus der Prälatur Opus Dei: Statuta, Nr. 35.
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Die Personalprälatur Opus Dei versteht sich als selbstloses Hilfsangebot – als eine Chance also – für die Weltkirche und die einzelnen Teilkirchen. Die Gläubigen des Opus Dei möchten dazu beitragen, daß der an alle ergehende Ruf Gottes zur Heiligkeit und zum Apostolat inmitten der Alltagsarbeit vernommen und gelebt wird. Der Prälat des Opus Dei besitzt zur Förderung dieses Anliegens eine weltweite Jurisdiktionsbefugnis, und er muß auf Laien und Kleriker zählen können, die in organischer Einheit zusammenwirken und darüber hinaus hoch motiviert sind. Dazu hilft die Praxis im Opus Dei, daß die religiöse und apostolische Ausund Weiterbildung für all ihre Gläubigen nie endet. Die Laien der Prälatur stehen – das soll erneut betont werden – im Opus Dei keineswegs an zweiter Stelle. Sie nehmen ihre eigene Aufgabe wahr und werden dabei durch den Prälaten und sein Presbyterium spezifisch und umfassend unterstützt. Diese harmonische und organische Zusammenarbeit zwischen Laien und Klerikern entspricht ganz der Lehre des Zweiten Vatikanums 49 . Aus dem hierarchischen Charakter der Personalprälaturen folgt, daß ihnen – analog zu den Teilkirchen 50 – kanonische Rechtspersönlichkeit zukommt. Daraus ergeben sich naturgemäß Konsequenzen für das staatliche Recht. Als den Teilkirchen und Militärordinaten vergleichbare Institutionen ist ihnen in den Rechtsordnungen der Länder, in denen sie tätig sind, grundsätzlich ein Status einzuräumen, der jener der Teilkirchen entspricht. In der Tat hat die Personalprälatur Opus Dei bisher in fast allen Ländern, in denen sie tätig ist, eine solche staatliche Anerkennung erhalten 51 .
49 Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 6 ist besonders deutlich und wegweisend: „Die Sendung der Kirche geht auf das Heil der Menschen, das im Glauben an Christus und in seiner Gnade ergriffen wird. Das Apostolat der Kirche und aller ihrer Glieder ist darum vor allem darauf ausgerichtet, die Botschaft Christi der Welt durch Wort und Tat bekanntzumachen und ihr seine Gnade mitzuteilen. Das geschieht vorzüglich durch den Dienst des Wortes und der Sakramente; dieser ist zwar in besonderer Weise dem Klerus anvertraut; an ihm haben aber auch die Laien ‚als Mitarbeiter der Wahrheit’ (3 Joh 8) ihren bedeutsamen Anteil zu erfüllen. Vornehmlich in dieser Ordnung ergänzen einander das Apostolat der Laien und der Dienst der Hirten.“ 50 51
Vgl. CIC, c. 373.
Vgl. Sebastián Urruticoechea, Reconocimiento civil de los entes eclesiásticos, Rom 2004. In Österreich beispielsweise besitzt die Prälatur Opus Dei für den staatlichen Bereich seit dem Jahre 1983 Rechtspersönlichkeit; vgl. hierzu Hans Heimerl / Helmuth Pree, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsverhältnisse in Bayern und Österreich, Regensburg 1993, S. 126, Tz. 1/290 – 291. In Italien hat der Präsident der Republik durch ein Dekret der Prälatur Opus Dei als solcher (nicht der italienischen Region) Rechtspersönlichkeit für den staat-
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Für die Bundesrepublik Deutschland würde dies etwa bedeuten, daß die Deutsche Region der Prälatur Opus Dei Anspruch auf Verleihung des Rechtsstatus als Körperschaft des Öffentlichen Rechts hat, der sich staatsrechtlich aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV und vertragsrechtlich aus Art. 13 des Reichskonkordates ergibt. Diesem Anspruch steht – anders als vereinzelte Stimmen in der Literatur anzunehmen scheinen 52 – keineswegs der Umstand entgegen, daß gegenwärtig die Deutsche Region der Prälatur in manchen zivilrechtlichen Angelegenheiten noch durch einen (Träger-)Verein handelt (Opus Dei e.V.). Schon weil dieser Verein weder in seiner Zielsetzung noch in seinem Mitgliederbestand mit der Deutschen Region der Prälatur Opus Dei identisch ist, läßt sich aus dieser aktuellen rechtlichen (Hilfs-)Konstruktion keine fehlende Teilhabe an der hierarchischen Natur ableiten. Es ist zu hoffen, daß es in absehbarer Zukunft möglich sein wird, die bestehende rechtliche Anomalie zu bereinigen und dem Opus Dei in Deutschland den seinem Wesen und seiner Aufgabe entsprechenden juristischen Status zuzuerkennen. Papst Johannes Paul II. hat in seinem Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte vom 6. Januar 2001 der Kirche für das neue Jahrtausend folgende Perspektive vorgegeben: „,Das ist es, was Gott will: eure Heiligkeit‘ (1 Thess 4,3). Dieser Auftrag betrifft nicht nur einige Christen: ‚Alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges sind zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen.‘ Wenn man diese grundlegende Wahrheit in Erinnerung ruft und als Basis für unsere pastorale Planung am Anfang des neuen Jahrtausends nimmt, könnte es auf den ersten Blick scheinen, daß es sich dabei um etwas wenig Umsetzbares handelt. Kann man Heiligkeit etwa ‚planen‘? Was kann dieses Wort in der Logik eines Pastoralplanes bedeuten? Wer eine seelsorgliche Planung unter das Zeichen der Heiligkeit stellt, trifft in der Tat eine Entscheidung mit Tragweite.“ 53 Das Opus Dei hat sich gerade dieser Aufgabe von seinem Anfang an gestellt (2. Oktober 1928, Tag der Gründung in Madrid) und durch die Errichtung als Personalprälatur seitens des Apostolischen Stuhles erneut darauf festlegen lassen. Die Treue zum Gründungscharisma und die harmonische Einbeziehung dieser Institution mit ihrem ekklesiologischen Profil in die Gesamtkirche und die Teilkirchen werden auch in Zukunft zum Wohl der Kirche und der Menschen guten Willens beitragen.
lichen Bereich verliehen. In den Statuten der Personalprälatur Opus Dei wird die zivile Rechtspersönlichkeit der Prälatur und ihrer Regionen in Nr. 129 § 1 geregelt. 52
Es verwundert einen, wenn ein Autor aufgrund der Tatsache, daß das Opus Dei in Deutschland durch einen Verein handelt, ihm seine hierarchische Natur abspricht: vgl. Klein, Die Personalprälatur (Anm. 30), S. 704, A. 83. 53
Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 150, Bonn 2001, Nr. 30 – 31.
Probleme um die disziplinäre Verantwortung im kirchlichen Dienst Zur Frage der Unterscheidung von Straf- und Disziplinarstrafrecht Von Hugo Schwendenwein Wenige Jahre nach der Promulgation des CIC/1983 hat Hans Paarhammer in einer Studie über das kirchlichen Strafrecht die Feststellung getroffen: „Obwohl es nicht an literarischen Hinweisen fehlt, ist man nie ernstlich darangegangen, das Kriminalstrafrecht und das Disziplinarstrafrecht säuberlich zu scheiden.“ 1 Dazu sei angemerkt, daß der Wiener Kirchenrechtler Alexander Dordett, der als Consultor der Codexreformkommission dem coetus „de iure poenali“ zugeordnet 2 und so in die Reform des kirchlichen Strafrechtes eingebunden war, in einem sehr frühen Stadium der Reformarbeiten bei einem Vortrag in Wien 3 seine Vorstellungen über die Erneuerung des Kirchenrechtes ausgebreitet, und dabei auch auf das staatliche österreichische Recht verwiesen hat, das rücksichtlich der Beamten ein Disziplinar- und ein Disziplinarstrafrecht, das deutlich vom allgemeinen Strafrecht abgehoben ist, kennt. Offensichtlich stand ihm damals das Anliegen, das Paarhammer nach der CIC-Reform neuerlich aufgegriffen hat, vor Augen. 4 Der CIC/1983 hat kein eigenes „caput“ über das Dis1
Vgl. H. Paarhammer, Das spezielle Strafrecht des CIC, in: Recht im Dienste des Menschen. Festschrift für H. Schwendenwein zum 60. Geburtstag, Hrsg. K. Lüdicke / H. Paarhammer / D A. Binder, Graz / Wien /Köln 1986, S. 405. 2
Vgl. Comm. I/II, 1969/70, S. 34
3
Es ging in erster Linie um die Lex Ecclesiae Fundamentalis, an der damals gearbeitet wurde, doch kamen auch Überlegungen zur CIC-Reform zum Tragen. Dordett gehörte auch dem coetus „De ordinatione systematica Codicis“ an. 4
Die Frage der Trennung von Kriminalstrafrecht und Disziplinarstrafrecht ist in der Literatur verschiedentlich angeschnitten worden. Vgl. z. B. R. A. Strigl, Das Funktionsverhältnis von kirchlicher Strafgewalt und Öffentlichkeit. Grundlagen, Wandlungen, Aufgabe (MthStkan, Bd. 21), München 1965, S. 208 ff; K. Mörsdorf, Zur Neuordnung der Systematik des Codex Iuris Canonici. Ph. Hofmeister zum 80. Geburtstag, in: AKKR 137, 1968, S. 24; H. Schmitz, Rechtsschutz und kanonisches Dienstrecht, in: Ius
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ziplinarstrafrecht gebracht, doch ist dieses Thema, wie die zitierte Wortmeldung zeigt, auch nach Promulgation des CIC nicht ganz verstummt. I. Inhalte eines staatlichen Disziplinarstrafrechtes Das Verhältnis der Beamten zum Staat ist als besonderes Dienst- und Treueverhältnis, das weit über das, was sich beim staatlichen Vertragsbediensteten aus seinem Dienstvertrag ergibt, hinausgeht, konzipiert. Der besonderen Treuepflicht des Dienstnehmers entspricht die besondere Treueverpflichtung des staatlichen Dienstgebers, die sich in der Festigkeit des Dienstverhältnisses und in einer speziellen Pensionsbehandlung äußert. Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine einseitige Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Staat nur bei entsprechend schweren Verfehlungen oder bei schwerem dienstlichem Versagen 5 des Dienstnehmers möglich. Die Palette der Disziplinarstrafen des österreichischen Beamtenrechtes reicht vom Verweis über Geldbußen, die sich an Monatsbezügen orientieren, bis hin zur Entlassung, die sich als äußerst gravierende, in das Leben einschneidende Maßnahme versteht. Beim Disziplinar- bzw. beim Disziplinarstrafrecht geht es nicht nur um Fragen, die das Gesamtverhalten des Dienstträgers, seine Loyalität gegenüber dem staatlichen Dienstgeber und die Bereitschaft zur Erfüllung seiner Aufgaben betreffen, es beinhaltet auch Regelungen, wie die dienstliche Tätigkeit auszuüben ist, bis hin zu Fragen der Amtsverschwiegenheit, der Anwesenheit am Dienstort und der Einhaltung der Dienstzeit. Durch ein derartiges Disziplinarrecht gibt es Strafmöglichkeiten im internen Bereich des Dienstes, die auch das Dienstverhältnis betreffen können. Das Disziplinarstrafrecht steht unter der Ebene des Strafrechtes. Es sanktioniert
Sacrum. Klaus Mörsdorf zum 60. Geburtstag, Hrsg. A. Scheuermann / G. May, München / Paderborn / Wien 1969, S. 761; A. Scheuermann, Das Schema 1973 für das kommende kirchliche Strafrecht, in: AKKR 143, 1974, S. 61 f.; J. Arias Gómez, El sistema penal canónico ante la reforma del C.I.C., in: Ius Canonicum 15, 1975, S. 196 ff.; W. Rees, Die Strafgewalt der Kirche. Das geltende kirchliche Strafrecht – dargestellt auf der Grundlage seiner Entwicklungsgeschichte (Kanonistische Studien und Texte, Bd. 41), Berlin 1993, S. 77 – 83. 5
Außer dem Disziplinarverfahren kennt das österreichische Recht auch ein Leistungsfeststellungsverfahren, das bei entsprechend unzureichender Leistung zum zwangsweisen Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis führen kann. Auch im Leistungsfeststellungsverfahren werden kommissionelle Entscheidungen getroffen. Es beinhaltet auch eine Verteidigungsmöglichkeit.
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Verstöße gegen die Disziplin, die vom Strafrecht nicht geahndet werden. In manchen Fällen fügt es zu strafrechtlichen Verurteilungen noch Disziplinarmaßnahmen hinzu. Es kann auch Verfehlungen gegen Dienstpflichten geben, die im allgemeinen Strafrecht geahndet werden (z. B. Amtsmißbrauch). 6 Die Rechtsordnung kann auch vorsehen, daß bestimmte strafrechtliche Verurteilungen mit der Disziplinarmaßnahme der Entlassung verbunden sind. Bei Verhängung von Disziplinarstrafen ist der rechtsstaatliche Standard dadurch gewährleistet, daß dem Betroffenen ein Parallelen zu einem Gerichtsverfahren aufweisendes Verfahren mit entsprechenden Verteidigungsmöglichkeiten und auch die Möglichkeit der Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes offenstehen. Gegenüber dem Disziplinarrecht ist das allgemeine Strafrecht das stärkere Recht. Das Disziplinarrecht ist gegenüber dem Strafrecht subsidiär (Prävalenz des allgemeinen Strafrechtes). Wenn ein Strafverfahren nicht den Verlust der beruflichen Stellung mit sich bringt, besteht gegebenenfalls Raum für ein Disziplinarverfahren. II. Kodizielle Vorschriften disziplinarrechtlicher Art für Kleriker und Laien Kleriker. Das allgemeine Kirchenrecht enthält rücksichtlich der Kleriker zahlreiche Bestimmungen, die bei Vergleich mit dem Beamtendienstrecht als disziplinarrechtlich anzusprechen sind, die aber im kirchlichen Recht zumindest zu einem beachtlichen Teil der strafgerichtlichen Ahndung unterliegen. 7 Zwar finden sich im Codex an verschiedenen Stellen Normen, die auch Bestandteil eines Laiendienstrechtes sein können, aber sie bilden, auch wenn man sie zusammenfaßt, kein geschlossenes einigermaßen vollständiges Disziplinar- und Disziplinarstrafrecht. Während rücksichtlich der Kleriker gesagt werden kann, daß der CIC zwar ein Disziplinarstrafrecht kennt, dieses aber nicht in einem eigenen Kapitel, sondern vorwiegend im Rahmen des Kriminalstrafrechtes behandelt, muß bezüglich der Laiendienstträger festgestellt werden, daß der CIC für sie nicht allzu viele Bestimmungen dieser Art enthält.
6
Dies erscheint vor allem in Fällen angebracht, in denen eine markante, als schwerer Rechtsbruch zu bezeichnende Außenwirkung gegeben ist. 7
Ungeachtet dessen, daß man bei der CIC-Reform bestrebt war, das Kriminalstrafrecht nicht in den Vordergrund des kirchlichen Lebens zu stellen, hat man kein Kapitel über das Disziplinarstrafrecht verfaßt, obwohl die Überführung einer ganzen Reihe von Normen aus dem Kriminal- in das Disziplinarstrafrecht das erstere deutlich entlastet hätte.
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Ständige Diakone. Angemerkt sei, daß die Klerikerpflichten – den Pflichten und Rechten der Kleriker ist ein eigenes Kapitel des CIC gewidmet – mit einigen Einschränkungen auch für die Ständigen Diakone gelten. Rückblickend muß man sagen, daß das Klerikerrecht für Priester, für hauptund lebensberuflich im kirchlichen Dienst Stehende geschaffen wurde, wobei natürlich auch Träger der vorausgehenden Weihen am Klerikerrecht partizipierten. Wenn es heute auch „diaconi permanentes“ gibt, so wird man unter dem uns hier interessierenden Aspekt zwischen denjenigen, die haupt- und lebensberuflich im Dienst der Kirche stehen, und den Diakonen mit Zivilberuf unterscheiden. Die ersteren hängen, ähnlich wie die Priester, in ihrer beruflichen Existenz von der Kirche ab. Im Falle der Statuierung eines eigenen KlerikerDisziplinarstrafrechtes erschiene es durchaus erwägenswert, sie diesem – mit einigen Sonderbestimmungen für Verheiratete – zu unterstellen. Bei den Diakonen mit Zivilberuf stellt sich die Frage, ob noch weitere Sonderregelungen am Platze sind, die dadurch bedingt sind, daß sie ihren Unterhalt nicht aus einem hauptberuflichen Dienstverhältnis zur Kirche, sondern aus einem anderen Arbeitsverhältnis beziehen, weil eben durch den Zivilberuf eine besondere Situation gegeben ist. 8 Bei ihnen ist die Parallele zu den Beamten nicht voll gegeben. 9 Dennoch liegt es nahe, sie im Falle der Schaffung eines eigenen Kleriker-Disziplinarstrafrechtes diesem in dem Ausmaß unterstellen, in dem sie an der Rechtsstellung der Kleriker teilhaben und an Klerikerpflichten gebunden sind. Laien. Im CIC finden sich verschiedene Regelungen disziplinärer Art enthaltende Canones, die auch für Laiendienstträger maßgeblich sind. Naturgemäß sind auch die im kodiziellen Kapitel ‚Pflichten und Rechte der Laien‘ gegebenen Normen zu beachten, aber dieses „caput“ bezieht sich auf die Laien überhaupt, nicht speziell auf die, die von der Kirche angestellt sind. Das kirchliche 8 Dies äußert sich auch im CIC/1983, insoferne im kodiziellen Kapitel über die Pflichten und Rechte der Kleriker entsprechende Ausnahmen für die ständigen Diakone vorgesehen sind. Die erwähnten Ausnahmemöglichkeiten des CIC/1983 gelten für alle ständigen Diakone, obwohl für die, die nicht von einem Zivilberuf leben, einige dieser Ausnahmenormen nicht bzw. nicht im gleichen Ausmaß nötig erscheinen. 9
Auf den ersten Blick ist man versucht, zu sagen, daß sich bei ständigen Diakonen mit Zivilberuf die Parallele nicht so sehr zur disziplinarrechtlichen Situation der Beamten sondern zu der jener freien Berufe ergibt, die am jeweiligen Berufsethos orientierten berufsinternen Disziplinar- und disziplinarstrafrechtlichen Regelungen unterliegen (z. B. Rechtsanwälte). Allerdings ergibt sich bei den ständigen Diakonen auf Grund der weiherechtlichen Verankerung ein Moment, zu dem sich dort Parallelen finden, wo lebensberufliche Bindungen vorliegen, so daß also das Beispiel des Beamtenrechtes herangezogen werden kann.
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Ämterrecht gilt, einschließlich der Normen, die sich auf einzelne Ämter oder Dienstleistungen beziehen, natürlich auch für Laien, soweit diese kirchliche Ämter oder Dienstleistungen wahrnehmen. Dies betrifft auch allfällige Strafbestimmungen, soweit solche an die genannten Normen geknüpft sind und Laien appliziert werden können. Ein beachtlicher Teil jener Bestimmungen des kodiziellen Strafrechtes, die für eine Eingliederung in ein Disziplinarstrafrecht in Frage kommen, ist primär auf Kleriker abgestellt, so daß also der CIC für Laiendienstträger weniger Regelungen als für Kleriker enthält. Im letzten ist die Normierung eines kirchlichen Dienstrechtes für Laien den partikulären kirchlichen Autoritäten überlassen. 10 Es fragt sich auch, ob es sehr sinnvoll wäre, diesbezüglich zu viele Vorgaben durch das allgemeine Kirchenrecht zu geben, weil ja getrachtet werden muß, eine Regelung im Einklang mit dem jeweiligen staatlichen Arbeitsrecht zu treffen. Auch begegnen uns nicht überall von der Kirche besoldete hauptberufliche Laiendienstträger, ihre Zahl ist nach Diözesen und Ländern sehr verschieden. Verschiedentlich finden sich in Regionen bzw. Teilkirchen mit zahlreichen kirchlichen Laienangestellten partikuläre Dienstrechtsordnungen. Auch die römische Kurie hat für ihre Dienstträger, zu denen eine nicht geringe Zahl von Laien gehört, ein eigenes Dienstrecht. Wirtschaftlich tätige Kirchenbedienstete. Der CIC enthält eine zusammenfassende Aufstellung der Pflichten, also gleichsam einen kleinen Katalog der Pflichten der kirchlichen Vermögensverwalter (can. 1282 – 1287). Zudem gibt es noch weitere Vorschriften im kirchlichen Gesetzbuch, die in der wirtschaftlichen Gebarung zu beachten sind (so z. B. cann. 1277 – 1281 und cann. 1288 – 1298 usw.). Bei diesen Bestimmungen steht in erster Linie der Umgang mit den dem betreffenden Dienstträger anvertrauten „bona temporalia“ nicht aber das Gesamt seines Dienstes und des Dienstverhältnisses im Blick. Der kodizielle Pflichtenkodex für die Vermögensverwalter läßt sich mit Regelungen vergleichen, die in einem entsprechend großen Wirtschaftsbetrieb für die Vorgangsweise bei der dort zu leistenden Arbeit aufgestellt sind (Betriebsordnung). Was Verstöße gegen die Pflichten der kirchlichen Vermögensverwalter anbelangt, muß man im Einzelfall prüfen, ob sie unter einen Tatbestand des allgemeinen Strafrechtes subsumiert werden können. Ein spezielles Disziplinarstrafrecht für diesen Bereich ist in den erwähnten Pflichtenkatalog nicht eingebaut. Selbstverständlich können die zuständigen Vorgesetz-
10
Bezüglich der Vorgaben des allgemeinen Kirchenrechtes vgl. K. Lüdicke, Zum kirchlichen Arbeitsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, in: Plenitudo legis dilectio, Hrsg. A. Debinskiego / E. Szczot, Lublin 2000, insbes. S. 864 – 866.
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ten in kirchlichen Wirtschaftsbetrieben 11 Betriebsordnungen, die nicht nur Verwalter sondern alle dort Tätigen betreffen, aufstellen und die Dienstnehmer im Dienstvertrag auf diese verpflichten. Auch angemessene Sanktionen können vorgesehen werden. 12 Aber das Anliegen der Schaffung eines Disziplinarrechtes ist nicht auf diesen Sachbereich und den davon betroffenen Personenkreis beschränkt.
III. Verfahrensrechtliche Bestimmungen – Strafsicherungsmittel und Bußen Tendenz zur Vermeidung von Strafverfahren. Im Hinblick darauf, daß der CIC Bestimmungen disziplinarrechtlicher Natur enthält, die der strafrechtlichen Ahndung unterliegen, muß auch auf die dem heutigen kanonischen Recht eigene Tendenz zur Vermeidung von Strafverfahren hingewiesen werden. 13 Primäres Anliegen ist bei der im Strafrecht vorgesehenen Vorgangsweise die Wiederherstellung oder Wahrung der kirchlichen „communio“. 14 Wenn Lüdicke vom sekundären Charakter des Strafrechtes spricht, so deshalb, weil seine Bestimmungen darauf hinzielen, daß Strafverfahren nicht allzuleicht initiiert werden, daß nach Möglichkeit versucht wird, andere Lösungen zu finden. Dem dienen vor allem die Überlegungen, die der Ordinarius vor Einleitung eines Strafprozesses im Sinne von can. 1341 anzustellen hat. Diese dem eigentlichen Strafprozeß vorgeschaltete Überprüfung soll nicht nur Klarheit über die Begehung der Straftat schaffen, sondern auch erhellen, ob nur durch ein Strafverfah-
11 Die Verwalter reiner Wirtschaftsbetriebe, die einer kirchlichen juristischen Person gehören, sind zwar nicht unmittelbar in der geistlichen Sendung der Kirche tätig, dienen dieser aber mittelbar, indem sie – und das ist ja der Sinn solcher Betriebe – Mittel für die Erfüllung des religiösen Sendungsauftrages bereitstellen. Auch wenn man im staatlichen Bereich dazu neigt, die in solchen Betrieben (z. B. im Gewerbebetrieb eines kirchlichen Rechtsträgers) Arbeitenden den in der Privatwirtschaft Tätigen gleichzustellen, so sind sie doch bei Verwaltung solcher Betriebe an die Grundsätze gebunden, die die Kirche für die Vermögensverwaltung aufstellt (z. B. bei Veräußerungen).
Für die Arbeit in einem solchen Wirtschaftsbetrieb können an sich auch Nichtkatholiken, auch Ungetaufte angestellt werden. Für diese Tätigkeit ist nicht die sakramentale Grundlage der Taufe erforderlich. 12
In der kodiziellen Aufstellung für die kirchlichen Vermögensverwalter sind nur die bei der Verwaltung zu beachtenden Pflichten genannt. 13 Vgl. hiezu A. Scheuermann, Zum Strafrecht des CIC/1983, in: Fides et Ius. Festschrift für Georg May zum 65. Geburtstag, Hrsg. W. Aymans / A. Egler / J. Listl, Regensburg 1991, S. 202: „Das geltende Strafrecht zeigt sich vor allem darum besorgt, daß es möglichst gar nicht zur Strafverhängung kommt.“ 14
Vgl. K. Lüdicke, in: MK 1341/2 – 5.
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ren oder auch auf andere Weise das Ärgernis hinreichend behoben, die Gerechtigkeit wieder hergestellt und der Täter gebessert werden kann (vgl. can. 1717 § 1 iVm can. 1341). Wenn dies auf andere Weise erzielt werden kann, darf der Ordinarius kein Strafverfahren einleiten. 15 Canon 1341 gibt auch an, welche Maßnahmen gegebenenfalls an die Stelle eines Strafprozesses treten können: die mitbrüderliche Ermahnung, der Verweis 16 oder andere Mittel des pastoralen Bemühens. Damit ist ein Hinweis für eine disziplinarrechtliche Vorgangsweise gegeben. Bei diesem Vorgang kommt dem Ermessen des Ordinarius eine wichtige Rolle zu. Selbstverständlich kann die an die Stelle eines Strafprozesses tretende disziplinäre Vorgehensweise nicht zur Verurteilung zu einschneidenden Strafen führen. Wenn es um einschneidende Strafen (wie beispielsweise um die Entlassung aus dem geistlichen Stand) geht, ist die Durchführung eines Strafprozesses verlangt. Für diese Fälle sieht der Gesetzgeber die prozessualen Mittel vor, weil sie dem Betroffenen eine angemessene Verteidigungsmöglichkeit bieten und sorgfältige Beweiserhebungen gewährleisten. Stellen der friedlichen Streitbeilegung im Verwaltungsverfahren. In den kodiziellen Normen über das Verwaltungsverfahren wird den Bischofskonferenzen die Möglichkeit eingeräumt, zu bestimmen, daß in jeder Diözese ein Amt (eine Stelle) oder ein Rat für dauernd eingerichtet wird, dem nach den von der Bischofskonferenz festzulegenden Normen die Aufgabe zukommt, für die friedliche Streitbeilegung angemessene Lösungen zu suchen und anzuraten (can. 1733 § 2, 1. Satz). 17 Der Bischof hat, wenn die Bischofskonferenz keine derartige Regelung trifft, die Möglichkeit, eine solche Einrichtung zu schaffen (can. 1733 § 2, 2. Satz). 18 Es ist natürlich denkbar, Stellen dieser Art auch im Rahmen von Disziplinarverfahren mit Aufgaben zu betrauen und gegebenenfalls sogar mit der einen oder anderen Entscheidungsbefugnis auszustatten. Von 15
2
H. Paarhammer, Das Strafverfahren, in: HdbKathKR , S. 1215.
16 Auch wenn nicht gesichert ist, daß der Gesetzgeber mit der in can. 1341 erwähnten „correptio“ das gleiche Tatbestandsbild wie bei der „correptio“ des can. 1339 (Verweis) vor Augen hatte, so muß darauf hingewiesen werden, daß die Aufzählung des can. 1341 nicht erschöpfend ist, daß der can. verlangt, zweckdienliche Schritte zu bedenken und zu gehen (vgl. K. Lüdicke, in: MK 1341/5), so daß also auch im Rahmen der Voruntersuchung des Strafverfahrens, wenn die in cann. 1339 – 1340 umschriebenen Voraussetzungen vorliegen, eine „correptio“ (Verweis) und „monitio“ (Ermahnung) im Sinne des can. 1339 erteilt werden kann. 17 18
2
V. Andriano, in: Il Diritto nel mistero della Chiesa III, Roma 1992 , S. 595.
M. Thériault, in: The Canon Law – Letter & Spirit. A practical guide to the Code of Canon Law, prepared by the Canon Law Society of Great Britain and Ireland in association with the Canadian Canon Law Society, ed. G. Sheehy and others, Dublin 1995, 3372.
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der kodiziellen Konzeption her handelt es sich bei derartigen Einrichtungen nicht um Spezifika des Disziplinarverfahrens, sie erfüllen ihren Dienst im Verwaltungsverfahren und es können auch disziplinäre Angelegenheiten Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens sein. Die Tätigkeit solcher Stellen besteht vor allem in der Schlichtung, mitunter auch in einer Schiedstätigkeit. Bei der Schlichtung wird durch die Schlichtungsstelle (Vermittler) ein Kompromiß angeboten und es liegt bei den Parteien, ob sie ihn annehmen oder nicht. Bei der Schiedstätigkeit unterwerfen sich die Parteien von vornherein dem von den Schiedsmännern zu treffenden Spruch, d. h. sie akzeptieren im Vertrauen auf die Schiedsmänner den Spruch, den diese treffen werden. Bei der im Verwaltungsrekursverfahren ins Auge gefaßten friedlichen Streitbeilegung i. S. des can. 1733 wird es „in praxi“ wohl primär auf Schlichtungsversuche ankommen. Die „transactio“ (der Vergleich). Bezüglich der Schlichtungstätigkeit der vorausgehend genannten Stellen wird mitunter auch der Ausdruck Vergleich gebraucht. Hiezu muß unter dem formalen Gesichtspunkt angemerkt werden, daß die Tätigkeit dieser Stellen bei Beilegung von hoheitliche Verwaltungsakte betreffenden Streitigkeiten zwar Ähnlichkeiten mit dem Vergleich („transactio“) der cann. 1713 ff. aufweist, aber – im streng rechtlichen Sinn – ein von diesem zu unterscheidendes Rechtsinstitut konkretisiert. Von der „transactio“ sind, „quae ad bonum publicum pertinent“, ausgeschlossen (can. 1715 § 1). Bei der friedlichen Streitbeilegung gem. can. 1733 geht es um hoheitliche Akte. In diesem Zusammenhang sei auch angemerkt, daß das kodizielle Prozeßrecht einen eigenen, die cann 1713 – 1716 umgreifenden Titel „De modis evitandi iudicia“ (‚Abwendung von Gerichtsverfahren‘) vorsieht. Dieser betrifft allerdings nicht speziell das Strafverfahren sondern das Gerichtsverfahren überhaupt. Es gibt hier Berührungspunkte mit den im Konnex des Verwaltungsverfahrens (vgl. can. 1733) gegebenen Bestimmungen über die friedliche Streitbeilegung. Die Instrumente der Streitbeilegung, die in diesem Titel angeboten werden, Vergleich und Schiedsvertrag (Vertrag über die Entscheidung durch Schiedsrichter), können in Fällen des „bonum privatum“ mitunter gute Dienste leisten, doch sind Fälle, in denen das bonum publicum im Spiele ist, in denen es um Streitsachen, über die die Streitparteien nicht frei verfügen können, geht, von der Applikation dieser Rechtsinstitute ausdrücklich ausgenommen (vgl. can. 1715 § 1). Im Disziplinarstrafrecht geht es (ebenso wie im Strafrecht) um das öffentliche Wohl, man kann also für die Entscheidung in Disziplinarstrafsachen nicht auf die zitierten cann. zurückgreifen. Wenn der kirchliche Autoritätsträger in einer Disziplinarstrafsache in einem Gespräch mit dem Betroffenen eine Lösung erzielt, die dieser akzeptiert, so ist das genau genommen nicht das Rechtsinstitut des Vergleiches (vgl. die vorausgehenden Ausführungen zu can. 1733). Die Entscheidung darüber, ob das Verfahren abgeschlossen ist, liegt allein beim Autoritätsträger, der rechtlich nicht an die Zustimmung des Betroffenen gebunden ist. Wenn die Entscheidung in Disziplinarsachen Schiedsmännern übertragen wird, so fungieren diese als Delegierte, sie entscheiden kraft delegierter Gewalt, wobei jeweils zu prüfen ist, ob und in welcher Form eine Delegation möglich
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ist. Man wird in solchen Fällen eher die Regeln über die Delegation als das Rechtsinstitut des „arbitrium“ zu Rate ziehen.
Strafverfahren im Verwaltungsweg. Nach can. 1342 § 1 kann selbst dann, wenn die Entscheidung nach den oben angegebenen Kriterien (can. 1341) für ein Strafverfahren fällt, die Strafe, wenn gerechte Gründe der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens entgegenstehen, durch außergerichtliches Dekret im Verwaltungsweg verhängt werden. Dies gilt allerdings nicht für alle Strafen, bestimmte strenge Strafen sind von dieser Möglichkeit ausgenommen. 19 Immerhin gibt es Straftaten, die nicht nur auf dem gerichtlichen sondern unter Umständen auch im Verwaltungsweg abgeurteilt werden können, wodurch man den Eindruck gewinnt, daß das in diesen Fällen abzuführende Verwaltungsverfahren als Disziplinarverfahren betrachtet werden kann. Aber Kriterium für die Anwendung des Verwaltungsweges ist nicht nur die Art oder die Schwere der Straftat, ein Dekretverfahren ist nur in Fällen möglich, in denen die Erhebungen bereits Klarheit über den Sachverhalt geschaffen haben. Im Dekretverfahren steht für die Entscheidung nur das zur Verfügung, was in der Vorermittlung erhoben worden ist. 20 Wenn nach der Vorermittlung noch nicht alles feststeht, was eine dekretmäßige Verhängung der Strafe möglich macht, kommt nicht das Verwaltungs- sondern das gerichtliche Strafverfahren in Frage. 21 Man kann also die Abführung eines Strafprozesses im Verwaltungsweg gemäß can. 1342 § 1 nicht schlechthin der Durchführung eines Disziplinarverfahrens gleichstellen, aber es ergeben sich in manchen Fällen Ähnlichkeiten mit einem Disziplinarverfahren. Strafsicherungsmittel und Bußen. Im Rahmen des Strafrechtes des CIC werden auch Bestimmungen über Strafsicherungsmittel und Bußen, die sich von den Strafen abheben, angeführt. Maßnahmen dieser Art können auch ohne Abführung des im CIC vorgesehenen Strafverfahrens getroffen werden. Dabei ist vor allem auf das Ermessen des Ordinarius abgestellt.
19 Vgl. can. 1342 § 2: Strafen für immer können durch Dekret nicht verhängt oder festgestellt werden, auch nicht Strafen, für die eine Verhängung durch Dekret in dem diese Strafen festsetzenden Gesetz oder Verwaltungsbefehl verboten ist. 20 K. Lüdicke, in: MK zu can. 1718. Siehe auch ebd.: Ein gerechter Grund zur Anwendung des Dekretverfahrens liegt nicht schon darin, daß das Dekretverfahren einfacher ist, die Beweiserhebung des Prozesses erspart und eine Belastung der Gerichte vermeidet. 21
Vgl. Paarhammer, Das Strafverfahren (Anm. 15), S. 1215.
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Strafsicherungsmittel. Der CIC 1983 nennt zwei Strafsicherungsmittel („remedia poenalia“): die Mahnung (Verwarnung) 22 und den Verweis. Sie sollen Strafen vorbeugen bzw. vermeiden oder treten an die Stelle von Strafen. Jeder Oberhirte kann 23 gegenüber ihm unterstehenden Personen bei Vorliegen der Voraussetzungen von den Strafsicherungsmitteln Gebrauch machen. Die Entscheidung für ihre Anwendung kann sowohl im Rahmen der gemäß can. 1341 vor einem Strafprozeß anzustellenden Überlegungen als auch völlig unabhängig von einem Strafprozeß oder den Vorüberlegungen zu einem solchen fallen.
Mahnung („monitio“). Die kanonische Mahnung im Sinne von can. 1339 § 1 ist nicht nur als pastoraler Hinweis, als Aufforderung zu rechtmäßigem Handeln zu verstehen 24 , sondern als formalisierter Akt, der mit der Strafgewalt des Oberen im Zusammenhang steht. 25 Nach can. 1339 § 1 kann der Oberhirte entweder selbst oder durch andere 26 denjenigen mahnen 27 , – der sich in nächster Gefahr des Straffälligwerdens befindet28, sowie denjenigen, – auf den aufgrund einer erfolgten Untersuchung ein schwerer Verdacht einer begangenen Straftat fällt (wenn nicht hinreichende Sicherheit vorliegt, daß jemand straffällig geworden ist, aber der dringende Verdacht bestehen geblieben ist 29 ). – Can. 1328 § 2 sieht im Falle des Versuches und – can. 1348 im Falle eines Freispruches die Möglichkeit, unter Umständen „remedia poenalia“ zur Anwendung zu bringen, vor.
22
A. Marzoa, in: Manual de Derecho Canónico, Ediciones Universidad de Navarra S.A., Hrsg. Instituto Martín de Azpicueta, Pamplona 21991, S. 742 – 744. 23
Eine Beschränkung auf Ortsoberhirten besteht nicht.
24
K. Lüdicke, in: MK 1339/3.
25
R. Sebott, Das kirchliche Strafrecht: Kommentar zu den Kanones 1311 – 1399 des Codex Iuris Canonici, Frankfurt 1992, zu can. 1339 § 1. 26
Es besteht Delegationsmöglichkeit.
27
Vgl. hierzu K. Lüdicke, in: MK 1339/2 und 3.
28
Wenn er sich beispielsweise in einem Personenkreis bewegt, durch den er zur Begehung des Deliktes angeregt oder provoziert wird. 29
Es erscheint äußerst delikat, um nicht zu sagen, fragwürdig, wenn jemand, von dem man nicht sicher sagen kann, daß er das Delikt begangen hat, der also möglicherweise unschuldig ist, gemahnt wird.
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Verweis („correptio“). 30 Der Oberhirte kann demjenigen, aus dessen Lebenswandel ein Ärgernis oder eine schwere Störung der Ordnung entsteht 31 , einen Verweis in einer Weise erteilen, die den besonderen Verhältnissen der Person und der Tat entspricht (can. 1339 § 2). Was den ersten der beiden eine correptio rechtfertigenden Gründe betrifft, sei angemerkt, daß ein Verweis auch neben einer Strafe erteilt werden kann, dann nämlich, wenn der Betreffende ein Strafgesetz verletzt und aus seinem Lebenswandel großes Ärgernis entsteht. Der zweite Grund für die Erteilung einer „correptio“ (wenn aus dem Lebenswandel eine schwere Störung der Ordnung entsteht) ist beispielsweise im Falle eines zwar nicht strafbaren, aber doch rechtswidrigen Verhaltens, das zur Nachahmung anregt, gegeben. Urkundlicher Nachweis. Die Erteilung einer Ermahnung oder eines Verweises muß urkundlich festgehalten werden. 32 Strafbußen („paenitentiae“), die im äußeren Rechtsbereich („in foro externo“) auferlegt werden können, bestehen in einem Werk des Glaubens, der Frömmigkeit oder der Caritas, das dem Betroffenen aufgetragen wird (can. 1340 § 1) 33 (z. B. bestimmte Gebetsverrichtungen, Wallfahrten, besonderes Fasten usw.). Es handelt sich um Genugtuungsleistungen 34 , die vielfach der Ablösung einer Strafe dienen 35 oder zur Verschärfung einer Strafe auferlegt werden (vgl. can. 1312 § 3).
30
Nach dem CCEO erfolgt die „correptio publica“ – unbeschadet des Partikularrechtes – vor einem Notar oder zwei Zeugen oder durch ein Schreiben, dessen Empfang durch ein Dokument feststeht (can. 1427 § 1). Es ist aber darauf zu achten, daß der Betroffene durch die „Correptio publica“ nicht mehr als angemessen diffamiert wird (can. 1427 § 2). 31
Marzoa, Manual (Anm. 22), S. 744.
32
Weder für den Verweis noch für die Mahnung ist Schriftlichkeit erforderlich, jedoch muß der Nachweis des Vorganges durch ein Dokument feststehen (z. B. durch ein Protokoll oder durch eine Aktennotiz, d. v. Ordinarius und einem Zeugen, allenfalls von einem Notar unterschrieben wird). Das Dokument ist im Geheimarchiv der Kurie aufzubewahren (can. 1339 § 3). 33
Der CCEO sieht für den Fall, daß im Recht keine bestimmte Strafe angedroht ist, die Möglichkeit vor, dem Betroffenen solche Werke vorzuschreiben (can. 1426 § 1). Allerdings verwendet der Canon nicht den Terminus „paenitentiae“ und hebt sie nicht von den Strafen („poenae“) ab. Nach can. 1426 § 2 sollen jene, die nicht bereit sind, die in can. 1426 § 1 genannten Strafen anzunehmen, mit anderen Strafen bestraft werden. 34
Marzoa, Manual (Anm. 22), S. 743 – 744.
35
Siehe hiezu auch J. Sanchis, in: Commentario exegético, zu 1340.
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Der Oberhirte kann – nach seinem klugen Urteil – dem Strafsicherungsmittel der Mahnung (Verwarnung) bzw. des Verweises eine Strafbuße hinzufügen (can. 1340 § 3). Daß den „paenitentiae“ auf der Ebene des Strafersatzes große Bedeutung zukommt, erhellt auch daraus, daß der CIC mehrfach dem Richter oder Ordinarius anheimgibt, „paenitentiae“ anstelle von „poenae“ zu verhängen (can. 1324 § 1, 1343, 1344, 2°) oder sie hinzuzufügen (can. 1326 § 2), eventuell auch an die Stelle einer nachgelassenen Strafe zu setzen (can. 1357 § 2, 1358 § 2). Can. 1328 § 2 sieht die Möglichkeit der selbständigen Androhung einer „paenitentia“ 36 für den Fall eines fehlgeschlagenen Versuches vor. 37
Wegen einer geheimen Übertretung darf niemals eine öffentliche Strafbuße verhängt werden (can. 1340 § 2). 38 Dies ergibt sich daraus, daß eine „paenitentia“ eine im äußeren Bereich – in beweisbarer Weise – zu beachtende Pflicht zum Vollzug der auferlegten Werke darstellt. Es handelt sich gleichsam um eine Verpflichtung in der Gemeinschaft. Vielfach lassen sich jene Werke, die für eine „paenitentia“ in Frage kommen, nicht so verrichten, daß niemand davon Notiz nimmt, auf jeden Fall aber muß in den angesprochenen Fällen der Bußcharakter verborgen bleiben. Bei der „transgressio occulta“, von der der Gesetzgeber hier spricht, geht es um den Schutz des Rufes des Täters.
Aus dem Kontext des CIC erhellt, daß Strafbußen geringere Strafen als andere sind, woraus sich ergibt, daß als Strafbußen nicht große Werke der Religion, der Frömmigkeit oder der Caritas verhängt werden dürfen. 39 Der CIC hebt die Strafbußen von den eigentlichen Strafen ab, doch werden sie von den Betroffenen als auf der Linie der Bestrafung liegende Maßnahmen empfunden. Sie sind natürlich von der sakramentalen Buße zu unterscheiden.
36 Can 1328 § 2: Wenn Handlungen oder Unterlassungen ihrer Natur nach zur Ausführung einer Straftat führen, kann der Täter einer Buße oder einem Strafsicherungsmittel unterworfen werden, wenn er nicht von sich aus von der begonnenen Ausführung der Straftat zurückgetreten ist. Ist aber Ärgernis oder anderer schwerer Schaden oder Gefahr entstanden, so kann der Täter, auch wenn er von sich aus von der Tat abläßt , mit einer gerechten Strafe belegt werden, die aber geringer sein muß als die, welche für die vollendete Straftat festgelegt ist. 37
K. Lüdicke, in: MK 1340/2.
38
J. Sanchis verweist auf den Schutz des guten Rufes, den der Grundrechtskatalog (can. 220) allen garantiert (in: Commentario exégetico, zu can. 1340). 39
Comm. 9, 1977, S. 160.
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Strafsicherungsmittel und Bußen können nicht nur kirchlichen Dienstträgern sondern auch anderen appliziert werden. Insoferne handelt es sich bei ihnen nicht um spezifische Institutionen eines Disziplinarrechtes der Kirchenbediensteten. Doch lassen sich Normen dieser Art in ein kirchliches Disziplinarrecht einarbeiten. Freilich muß beachtet werden, daß man sich herkömmlicherweise unter einem Disziplinarstrafrecht etwas anderes vorstellt. 40 Verwaltungsverfahren in speziellen Rechtsbereichen. Ergänzend darf angemerkt werden, daß es auch Verwaltungsverfahren gibt, die nicht als Ersatz für ein Strafverfahren abgeführt werden, bei denen also nicht eine Straftat Ausgangspunkt bzw. notwendiger Ausgangspunkt ist, wie die Verfahren zur Absetzung und zur Versetzung von Pfarrern. Sie knüpfen nicht immer an ein schuldmäßig zurechenbares Fehlverhalten des Betroffenen an, so daß also nicht in allen Fällen eine Parallele zu Disziplinarstrafverfahren gegeben ist. Selbstverständlich finden sich in der speziell für die Mitarbeiter der römischen Kurie gegebenen und in manchen teilkirchlichen Dienstordnungen disziplinarrechtliche und auch disziplinarstrafrechtliche Bestimmungen. IV. Die Frage nach den Adressaten des Disziplinarstrafrechtes Im Konnex unseres Themas ist auch auszuloten, wer als Adressat eines eigenen kirchlichen Disziplinar- und Disziplinarstrafrechtes in Frage kommt. Dabei stehen zunächst die Kleriker im Blickfeld. – Das Dienstverhältnis der Kleriker zur Kirche weist ebenso wie das der Beamten zum Staat weit über das hinaus, was ein Arbeitsverhältnis normalerweise beinhaltet. Die disziplinarrechtliche Sonderstellung der Beamten ist herkömmlicherweise mit ihrem definitiven Dienstverhältnis, das vom staatlichen Dienstgeber nur bei entsprechend schweren Vergehen und bei schwerem dienstlichen Versagen aufgelöst werden kann, und mit einem besonderen Pensionsrecht verbunden. Der Treue des Beamten zum Staat entspricht auch eine besondere Fürsorge des Staates für den Beamten. Der Beamte steht zum Staat und der Staat steht zum Beamten.
40
Die Warnung, keine Straftat zu begehen, kann zwar im Rahmen eines kirchlichen Disziplinarrechtes Platz haben, aber ein Disziplinarstrafrecht besteht vornehmlich aus Strafbestimmungen, die appliziert werden, wenn Verletzungen der Disziplin bewiesen sind. Insoferne ist eine Analogie des Disziplinarstrafrechtes zum Strafrecht gegeben, aus der sich auch das Anliegen vergleichbarer Verteidigungs- und Berufungsmöglichkeiten und entsprechender Anforderungen an das Beweisverfahren ergibt (vgl. auch K. Lüdicke, in: MK 1339/2).
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Das gegenseitige Verhältnis zwischen dem Kleriker und der Kirche ist von einer vergleichbaren, ja noch darüber hinausgehenden Treuebindung gekennzeichnet. Es ist unwiderruflich und sakramental begründet; die dienstliche Situation des Klerikers ist durch teilweise auch ins Detail gehenden Bestimmungen im Ius commune Ecclesiae geregelt. Doch ist man, da heute in manchen Ländern zahlreiche Laien hauptberuflich im Dienst der Kirche stehen, versucht, auch die Laiendienstträger in den Adressatenkreis eines speziellen Disziplinarrechtes einzubeziehen. Das von Dordett und Paarhammer als Beispiel für ein Disziplinarstrafrecht angezogenen österreichische Recht unterstellt dem zur Besprechung stehenden sanktionsbewehrten Disziplinarrecht nicht alle Staatsbediensten. Nur die Beamten sind diesem unterworfen, nicht jedoch die Vertragsbediensteten. Die dienstliche Situation der letzteren ist nicht durch das den Beamten kennzeichnende besondere Dienst- und Treueverhältnis zum Staat gekennzeichnet. Sie weist Ähnlichkeiten41 mit dem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis in der Privatwirtschaft auf. Es stellt sich also zunächst die Frage, ob das staatliche Recht, dessen Beispielswirkung die ein kirchliches Disziplinarstrafrecht betreffenden Erwägungen ausgelöst hat, Hinweise dafür bietet, welche kirchlichen Dienstträger außer den Klerikern in einer Situation stehen, die die Einbeziehung in ein Rechtssystem mit besonderen disziplinarrechtlichen Regelungen angemessen erscheinen läßt. – Kirchenbeamte. Die positiven Erfahrungen mit dem Berufsbeamtentum haben dazu geführt, daß man in Deutschland die Institution des Kirchenbeamten geschaffen hat, so daß uns in der katholischen Kirche Deutschlands Laiendienstträger begegnen, denen dieser Status, der dem des staatlichen Beamten nachgebildet ist, eignet. Selbstverständlich kommen die Kirchenbeamten für die Unterstellung unter ein spezielles (sanktionsbewährtes) Disziplinarrecht in Frage und es begegnen uns auch in partikulären Bereichen, in denen es Kirchenbeamte gibt, dienstrechtliche Regelungen. – Religionslehrer und Lehrer an katholischen Schulen. In Österreich steht ein großer Teil der Religionslehrer und der Lehrer an katholischen Schulen im staatlichen Beamtenverhältnis42 und unterliegt dem Disziplinar- und Diszi-
41
Das Dienstverhältnis eines staatlichen Vertragsbediensteten ist zwar nicht restlos mit dem eines Dienstnehmers in der Privatwirtschaft identisch, aber es ist diesem doch in sehr wesentlichen, den Unterschied zum Beamtenrecht akzentuierenden Punkten angenähert. 42
Traditionellerweise war es vielfach so, daß Lehrer zunächst im Vertragsverhältnis angestellt und im Laufe der Zeit bei entsprechender Bewährung in das Beamtenverhältnis übergeführt wurden.
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plinarstrafrecht der Beamten. Allerdings betrifft dies nur einen Teil der Lehrer in kirchlich relevanten Staatspositionen, ein beachtlicher Teil derselben unterliegt nicht dem Beamten-, sondern dem Vertragsbedienstetenrecht. Die heute in Österreich herrschende Tendenz zum Abbau des Berufsbeamtentums43 kann dazu führen, daß es in Zukunft immer weniger Lehrer im Beamtenverhältnis geben wird. Dazu muß festgehalten werden, daß es für Religionslehrer und Lehrer an katholischen Schulen in Österreich, gleichgültig ob sie Beamte oder Vertragsbedienstete sind, auf staatskirchenrechtlicher Grundlage Sonderbestimmungen disziplinarrechtlichen Charakters44 gibt, die auch einschneidende dienstrechtliche Maßnahmen45, die an die kirchliche Haltung und Lebensführung anknüpfen, vorsehen. D. h., die staatlichen Bestimmungen für diese Gruppen beinhalten – unabhängig vom Beamtenstatus – ein spezielles, kirchlich orientiertes Disziplinarrecht mit Sanktionsmöglichkeiten. Wenn wir bei den Erwägungen über ein Disziplinarrecht der kirchlichen Laienangestellten die bisher gebrauchte Argumentationslinie des herkömmlichen Beamtenrechtes verlassen und in erster Linie auf das Sonderdisziplinarrecht der Religionslehrer und der Lehrer an katholischen Schulen verweisen, so deshalb, weil dieses Recht auch vertragsbedienstete Lehrer betrifft, und so besser als das Beamtenrecht der dienstlichen Situation der überwiegenden Zahl der kirchlichen Laienangestellten korrespondiert. – Religionslehrer. Der Religionsunterricht gehört, insbesondere wenn er als konfessioneller geboten wird, zur spezifisch geistlichen Sendung der Kirche. Es liegt in der berechtigten Sorge der Kirche, daß das, was der Religionslehrer durch sein Leben vermittelt, nicht zu dem, was er lehrt, konträr ist. Daß das Urteil über diese Frage bei der Kirche liegt, wird vom Staat respektiert.
43
Das Beamtenrecht, das den obzit. Autoren als Beispiel für ein kirchliches Disziplinarrecht vor Augen stand, ist in Österreich zur Zeit im Abbau begriffen. Sollte dieser Trend anhalten, wird das Berufsbeamtentum in Österreich höchstens in einer sehr stark eingeschränkten Form weiterbestehen. Damit hat jedoch das herkömmliche Beamtenrecht seinen Beispielscharakter nicht verloren. Wenn Österreich durch lange Zeit als einer der bestverwalteten Staaten der Welt gegolten hat, so ist dies zu einem beachtlichen Teil dem Berufsbeamtentum zu verdanken. Angemerkt sei auch, daß die erwähnten Abbautendenzen nicht in allen Ländern, in denen es ein Berufsbeamtentum gibt, in so deutlicher Form zutage treten. 44
Religionslehrer und Lehrer an katholischen Schulen unterliegen, wenn sie im Beamtenverhältnis sind, sowohl dem staatlichen Beamtendisziplinarrecht als auch den hier zur Besprechung stehenden staatskirchenrechtlichen Sonderbestimmungen disziplinarrechtlichen Charakters. 45 Verlust der Anstellung (bei Religionslehrern) bzw. Versetzung (bei Lehrern an katholischen Schulen).
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Nach den österreichischen Rechtsvorschriften darf niemand an öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen ohne kirchliche (bzw. religionsgesellschaftliche) 46 Ermächtigung 47 Religion unterrichten. Wird die Ermächtigung von der Kirche (bzw. von der Religionsgesellschaft) entzogen, so darf der Betreffende für den Religionsunterricht nicht mehr verwendet werden. 48 Nicht nur in Österreich sondern auch in anderen Ländern, die einen konfessionellen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen kennen, hat die Kirche Einfluß auf die Bestellung der Religionslehrer 49 , wobei es nicht oder nicht nur um die fachliche Eignung sondern auch um Haltung und Leben des Lehrers geht. – Lehrer profaner Fächer. Die Ausbildung junger Menschen beschränkt sich nicht auf das Fach Religion. Can. 794 § 1, der der Kirche Erziehungskompetenz zuschreibt, hat die gesamte Erziehung und Ausbildung vor Augen. 50 In den von der katholischen Kirche geführten Bildungseinrichtungen werden auch profane Fächer vermittelt. Wenn wir uns die kirchliche Auffassung vor Augen halten, so stehen Lehrer, wie überhaupt die Erzieher und Jugendbildner, soweit sie im kirchlichen Bereich tätig sind, im Sendungsauftrag der Kirche. Nach can. 794 § 1 kommt der Kirche in besonderer Weise Pflicht und Recht der Erziehung zu; denn ihr ist es von Gott aufgetragen, den Menschen zu helfen, daß sie zur Fülle christlichen Lebens zu gelangen vermö-
46
Religionsunterricht ist im österreichischen Recht für Schüler, die gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften angehören, vorgesehen (vgl. § 1 des Bundesgesetzes vom 13. Juli 1949 betreffend den Religionsunterricht in der Schule idgF. – Religionsunterrichtsgesetz). 47
Vgl. Religionsunterrichtsgesetz § 4 Abs.2 und 3 und § 7b. Dies betrifft die vom Staat angestellten Religionslehrer. Außerdem gibt der Gesetzgeber den Kirchen und Religionsgesellschaften die Möglichkeit, Religionslehrer für den Unterricht an öffentlichen Schulen zu bestellen (§ 5). Nach § 4, Abs. 2 und § 7b ist die kirchliche (religionsgesellschaftliche) Erklärung, daß der Betreffende zur Erteilung des Religionsunterrichtes befähigt und ermächtigt ist, Voraussetzung für die Anstellung. Der Kirche (Religionsgesellschaft) kommt also auch das Urteil über die fachliche Befähigung zu. Des Näheren siehe H. Schwendenwein, Religion in der Schule. Rechtsgrundlagen, Graz / Wien / Köln 1980, S. 286 – 301. 48
Die damit verbundenen Rechtsfolgen sind je nach der rechtlichen Stellung des Betroffenen verschieden. Beamtete Religionslehrer werden pensioniert, wenn sie im pensionsfähigen Alter oder aus anderen Gründen (insbes. Krankheit) pensionsfähig sind. Bei den anderen beamteten und bei den vertragsbediensteten Religionslehrern ist mit der Rücknahme der kirchlichen Ermächtigung der Verlust der staatlichen Anstellung verbunden, soferne nicht durch ein Zweitfach (z. B. Mathematik) die Weiterverwendung möglich ist und von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. 49
Entweder wird der Religionslehrer von der Kirche entsandt (wie z. B. in Brasilien), oder es wird der Kirche bei der Bestellung eine Mitsprache zugeschrieben. 50 Vgl. auch H. Schwendenwein, Das neue Kirchenrecht, Graz / Wien / Köln 21984, S. 305.
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gen. Dahinter steht die Vorstellung, daß die Erziehungstätigkeit vom Religiösen, vom Weltanschaulichen her mitbestimmt ist und es auch auf die Bildungsinhalte und auch auf das, was der Menschenbildner den von ihm Betreuten durch sein Leben vermittelt, ankommt. Dies gilt natürlich in ganz besonderer Weise für die Religionslehrer, aber auch für die Lehrer profaner Fächer an kirchlichen Schulen 51 und für andere in der Erziehung und Jugendbildung Tätige. So gesehen kann auch für diesen Personenkreis ein kirchliches Disziplinarrecht in Erwägung gezogen werden. Auch im staatlichen Bereich wird diesem Sendungsauftrag Rechnung getragen. In Österreich erfolgt die staatliche Subventionierung katholischer Privatschulen in der Regel durch Zuweisung staatlicher Lehrer an die in den Genuß dieser Subventionierung kommenden Schulen. Nach dem Vertrag zwischen dem Heiligung Stuhl und der Republik Österreich vom 9. Juli 1962 zur Regelung von mit dem Schulwesen zusammenhängenden Fragen (Schulvertrag) 52 dürfen an katholische Schulen staatlicherseits nur solche Lehrer zugewiesen werden, deren Zuweisung der Diözesanordinarius beantragt oder gegen deren Zuweisung er keinen Einwand erhebt. 53 Die Zuweisung wird aufgehoben, wenn der Diözesanordinarius die weitere Verwendung des Lehrers an der Schule für untragbar erklärt und aus diesem Grunde die Aufhebung der Zuweisung bei der zuständigen Schulbehörde beantragt. 54 Somit kann bei Lehrern an katholischen Schulen in Österreich auch unter dem Gesichtspunkt des staatlichen Rechtes die persönliche Haltung berücksichtigt werden.
Die zuletzt angeführten staatskirchenrechtlichen Sondervorschriften, die auch für vertragsbedienstete Lehrer gelten, zeigen, daß der staatliche Bereich bei Lehrern unabhängig vom Beamtenstatus dem kirchlichen Sendungsauftrag Rechnung trägt und ein Disziplinarrecht installiert, das auch für die Berücksichtigung der Kirchlichkeit und der Lebensweise der Dienstträger und für daran anknüpfende Maßnahmen, auch für solche disziplinarstrafrechtlicher Art offen ist. Das angesprochene Sonderdienstrecht enthält nur ganz wenige Normen, aber diese gewährleisten, daß dienstrechtliche Maßnahmen, die nach dem kirchlichen Verständnis erforderlich sind, gesetzt werden können. Es setzt voraus, daß im kirchlichen Bereich Vorstellungen über die von den betroffenen
51 Katholische Schulen sollen ja der Erziehung und Bildung des jungen Menschen unter dem Aspekt des christlichen Menschenbildes dienen. Die katholische Schule soll auch Hilfestellung zur religiösen Bildung und Entfaltung bieten. Auch das Wirken und der Einfluß der Lehrer profaner Fächern darf diesem Ziel nicht entgegenstehen. 52
BGBl. Nr. 273/1962. Die Subventionierung erfolgt, wenn gewisse Qualifikationserfordernisse erfüllt sind und das Verhältnis zwischen der Zahl der Schüler und der Zahl der Lehrer der betreffenden Schule im wesentlichen jenem an öffentlichen Schulen gleicher oder vergleichbarer Art und vergleichbarer örtlicher Lage entspricht. 53
Art. II § 2 Abs.3, 2. Satz des Schulvertrages; siehe auch H. Schwendenwein, Österreichisches Staatskirchenrecht, Essen 1992, S. 476 – 478. 54
Art. II § 2 Abs.3, 3. Satz des Schulvertrages.
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Lehrern zu wahrende Disziplin und über die zur Wahrung derselben erforderlichen dienstrechtlichen Maßnahmen bestehen. 55 – Andere hauptberuflich pastoral tätige Laien. Auch, wenn wir von den bereits vorausgehend genannten Kirchenbeamten und den im kirchlichen Bereich tätigen Lehrern absehen, so begegnen uns zahlreiche Laiendienstträger, die im unmittelbaren Vollzug der kirchlichen Sendung 56 arbeiten 57 und in einem Arbeitsverhältnis zur Kirche stehen, wobei aber die Dienstverträge mit der Kirche zumeist nicht die Garantie der Dauer implizieren. Dessen ungeachtet spielt aus kirchlicher Sicht nicht nur die Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung sondern die ganze Lebensführung eine Rolle. 58 Es geht, wie wir bereits ausgeführt haben, um die persönliche Glaubwürdigkeit derer, die im Dienste des Heiles unter den Menschen wirken. Insofern besteht doch, wenngleich die Dienstverträge dieser Mitarbeiter vielfach den Verträgen in privatwirtschaftlichen Unternehmungen vergleichbar sind, ein Unterschied zu Arbeitsverhältnissen in rein wirtschaftlichen Unternehmungen. Auch rücksichtlich dieser kirchlichen Dienstträger kann darauf verwiesen werden, daß es im österreichischen Staatsdienst auch für nicht mit beamtenrechtlicher Sicherheit Ausgestattete ein an kirchlichen Erfordernissen orientiertes Sonderdisziplinarrecht gibt. Bezüglich eines kirchlichen Disziplinarrechtes für diesen Personenkreis kann man an das anknüpfen, was wir weiter oben rücksichtlich der Lehrer ausgeführt haben. – Das Beispiel berufsständischer Dienstordnungen. Ein Blick auf die österreichische Rechtsordnung zeigt, daß es auch noch weitere nicht der Beamtenschaft zugehörige Berufsgruppen gibt, für die sanktionsbewehrte, vom Berufsethos getragene Ordnungen disziplinären Charakters bestehen. Selbst bei manchen freien Berufen (z. B. bei den Rechtsanwälten) begegnen uns Regelungen disziplinarrechtlicher Art, die Sanktionen bis hin zum Verlust der Be-
55 Im österreichischen Staatskirchenrecht ist ein unterschiedliches Sonderdisziplinarrecht für Religionslehrer und für Lehrer an katholischen Schulen vorgesehen. 56
Damit sind also rein ökonomisch Tätige, insbesondere jene kirchlichen Angestellten, die in kirchlichen juristischen Personen gehörigen Wirtschaftsbetrieben arbeiten, nicht angesprochen. Auf die kirchlichen Vermögensverwalter kommen wir später noch zurück. 57 58
Z. B. Seelsorgehelfer, Pastoralassistenten, Mitarbeiter der bischöflichen Kurie usw.
Vgl. hiezu H. Schwendenwein, Die Anwendung kanonischer Vorschriften im staatlichen österreichischen Rechtsbereich, in: Winfried Schulz in memoriam. Schriften aus Kanonistik und Staatskirchenrecht, Hrsg. C. Mirabelli / G. Feliciani / C .G. Fürst / H. Pree, Frankfurt a. Main 1999, S. 706.
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rechtigung zur Berufsausübung vorsehen, obwohl ihre berufliche Existenz nicht gesichert ist, sondern vom Erfolg im Wettbewerb abhängt.59 In diesen berufsständischen Disziplinarordnungen, in denen nicht wie im Beamtenrecht die gegenseitige Treuepflicht des Dienstgebers und Dienstnehmers akzentuiert erscheint, geht es primär um die vom Berufsethos getragene Erfüllung der Berufspflichten.60 Die Frage der Lebensführung hat in diesen Ordnungen meist nicht eine vorrangige Stelle. Nun ist aber gerade bei denen, die im Rahmen der kirchlichen Sendung tätig sind, die für die von ihnen zu leistende Arbeit so wichtige Glaubwürdigkeitsfrage zutiefst mit der Frage nach der persönlichen Lebensführung verbunden. Diese Frage kann, wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, in einem Dienstrecht für Mitarbeiter in der Seelsorge oder in der kirchlichen Jugendarbeit nicht ganz ausgeklammert werden. Insoferne besteht ein Unterschied, durch den sich ein für die hier zur Besprechung stehende Personengruppe zu konzipierendes Dienstrecht von disziplinären Ordnungen, die verschiedentlich für freie Berufe gegeben werden, abhebt. Als aus der herkömmlichen österreichischen Praxis gewonnenes Vorbild eines Disziplinarrechtes für kirchenbedienstete Laiendienstträger kommt m. E. nicht so sehr das Standesrecht freier Berufe oder das pragmatische Beamtenrecht in Frage, sondern das Sonderdisziplinarrecht für Lehrer in kirchlich relevanten Positionen. Natürlich wird man eine derartige kirchliche Regelung, wie bereits ausgeführt, detaillierter als die angezogenen staatskirchenrechtlichen Bestimmungen gestalten. – Kirchliche Einstellung und Möglichkeit der Kündigung. Bei kirchlichen Angestellten, und von solchen ist ja hier die Rede, hat die Kirche bei der Einstellung die Möglichkeit, eine auch auf Lebensführung und Haltung bezogene Auswahl zu treffen. Wenn es im Zuge der Tätigkeit im kirchlichen Dienst dazu kommt, daß ein Dienstnehmer nicht mehr als tragbar erscheint, dann steht das Mittel der Kündigung zur Verfügung. Dabei können sich allerdings aus der staatlichen Rechtlage Einschränkungen ergeben, da im Arbeitsrecht mancher Länder die Kündigungsmöglichkeiten eingeschränkt sind.
59 Es gibt Berufsgruppen, die einen am Berufsethos orientierten Ehrenkodex haben, bei dessen Verletzung die Standesorganisation Maßnahmen setzen kann, deren Äußerste der Entzug der Berechtigung zur Ausübung des betreffenden Berufes darstellt (z. B. Ärzte, Rechtsanwälte). Das, was der Staat für die Beamtenschaft durch ein Disziplinarund Disziplinarstrafrecht zu erzielen sucht, wird in anderen Bereichen durch einen Ehrenkodex bzw. durch die Festlegung von Standesverpflichtungen in Verbindung mit Sanktionierungsmöglichkeiten erreicht. 60 Bei Angestellten kann die Einbindung in ein disziplinäres System in akzentuierterer Weise erfolgen als bei freien Berufen.
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– Abhebung der Judikatur von rein wirtschaftsbezogenen Arbeitsverhältnissen. Im österreichischen Arbeitsrecht und in der Praxis der österreichischen Arbeitsgerichte werden von der religiösen Sendung mitbestimmte Dienstverhältnisse von Dienstverhältnissen in rein wirtschaftlichen Unternehmungen abgehoben. Wenn in arbeitsgerichtlichen Verfahren ein sich auf den Lebenswandel beziehender Sachverhalt zwar bei einer Pastoralassistentin nicht aber bei in Wirtschaftsbetrieben Arbeitenden als Kündigungsgrund anerkannt wird, so zeigt dies, daß es in einem der spezifisch religiösen Sendung zuzuordnenden Dienst kündigungsrelevante Sachverhalte des Lebenswandels geben kann 61 , die bei rein wirtschaftsbezogenen Dienstnehmern kündigungsrechtlich irrelevant sind. Dies weist darauf hin, daß der Staat in der arbeitsgerichtlichen Praxis der besonderen Disziplin, der im Rahmen der kirchlichen Sendung arbeitende Kirchenbedienstete unterliegen, Rechnung trägt. Hier liegen Anknüpfungspunkte dafür vor, daß ein besonderes kirchliches Disziplinarrecht für Kirchenangestellte auch im staatlichen Bereich durchgesetzt werden kann. Allerdings muß man in diesem Zusammenhang auch anmerken, daß die aufgezeigte Linie in der Praxis der österreichischen Arbeitsgerichte nicht immer restlos durchgezogen wird. Beim Erziehungspersonal in kirchlichen Kindergärten haben auf die Lebensführung bezügliche Kündigungsgründe, die auf katholische Wertvorstellungen abgestellt und spezifisch für kirchliche Einrichtungen sind, wenig Chance auf Anerkennung in einem Prozeß vor dem Arbeitsgericht. Dies auch dann, wenn die Eltern der im Kindergarten zu betreuenden Kinder gemeinsam zur Ansicht kommen, daß die Betreffende für die Erziehung ihrer Kinder nicht geeignet ist. Wenn die Pfarre, da sie die betreffende Kindergärtnerin behalten muß, nach einer Lösung sucht, kann sich unter Umständen sogar die Übergabe des Kindergartens an die politische Gemeinde als Ausweg anbieten. Die Zuerkennung einer durch die religiöse Sendung bestimmten Sonderstellung kirchlicher Angestellter stößt in das Anstellungsverhältnis betreffenden arbeitsgerichtlichen Verfahren (z. B. in Kündigungsverfahren) kaum auf Schwierigkeiten, wenn es die betreffende Berufstätigkeit nur im kirchlichen und nicht auch im profanen Bereich gibt (z. B. bei Seelsorgehelferinnen). Zwar kennt das österreichische Arbeitsrecht einen „Tendenzschutz“, vermöge dessen eine spezielle weltanschauliche oder religiöse Orientierung eines Betriebes berücksichtigt wird, doch zeigt die Erfahrung, daß die Anerkennung von Kündigungsgründen im arbeitsgerichtlichen Verfah-
61 Vgl. H. Schwendenwein, Österreichisches Staatskirchenrecht (Anm. 53), S. 344: Zweifelsohne besteht im kirchlichen Dienst eine Fürsorge- und Treuepflicht, die weiter geht als in anderen Dienstverhältnissen. Sie ist durch Momente wie Treue zur Kirche, Vorbildhaftigkeit und christliche Verantwortung gekennzeichnet. Auch kann die besondere Verpflichtung im kirchlichen Dienst nach der Art der Beschäftigung oder des Betriebes abgestuft sein.
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ren, die bei Pastoralassistentinnen keinerlei Probleme aufwirft, bei Kindergärtnerinnen auf Schwierigkeiten stoßen kann. 62 Genau genommen erscheint die aufgezeigte Handhabung nicht konsequent, weil ja bei anderen in der Ausbildung junger Menschen Tätigen, wie beispielsweise bei den Lehrern profaner Fächer in katholischen Schulen durchaus eine spezielle Disziplin 63 zur Anwendung kommt. 64 M. E. ist die Beispielswirkung einer entsprechenden Lebensführung bei einer Kindergärtnerin noch stärker zu akzentuieren als beim Lehrer eines profanen Faches.
– Angestellte in kirchlichen Wirtschaftsbetrieben. Anders stellt sich die Situation in Wirtschaftsbetrieben kirchlicher Rechtsträger dar. Hier ist die Parallele zu Wirtschaftsbetrieben anderer Eigentümer unübersehbar. Zum Unterschied von den in der geistlichen Sendung der Kirche Tätigen dienen die Arbeiter der Wirtschaftsbetriebe dieser geistlichen Sendung nur mittelbar. Der Ertrag eines solchen Betriebes kommt der geistlichen Sendung zugute. Das persönliche Beispiel des Lebens ist nicht so mit der Arbeit verbunden, wie bei den Klerikern, Lehrern, Jugendbildnern und Pastoralassistenten. Auch bleibt es in verschiedenen Ländern fraglich, ob Anforderungen an die Lebensführung im Falle eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens Berücksichtigung finden. Durch Betriebsordnungen könnte man wichtige Erfordernisse der jeweiligen Arbeit klarlegen und in den jeweiligen Anstellungsverträgen auf die sich aus diesen ergebenden Verpflichtungen verweisen.
62 Was die praktische Vorgangsweise in der heutigen Situation betrifft, so besteht die Möglichkeit, ein entsprechendes Disziplinarrecht zu erlassen (z. B. auf Ebene der Diözese) und die Bestimmungen des Disziplinarrechtes in den Dienstvertrag hineinzunehmen. 63
Bei den Religionslehrern und den Lehrern an katholischen Schulen hat man, da sie zumeist Staatsbedienstete sind, auf Ebene des öffentlichen Rechtes – in Anlehnung an Bestimmungen des Vertrages der Republik Österreich mit dem Hl. Stuhl über das Schulwesen betreffende Fragen – entsprechende Regelungen getroffen. Kindergärtnerinnen in kirchlichen Einrichtungen sind in der Regel kirchliche Angestellte und so gibt es nicht wie bei den obgenannten staatskirchenrechtliche Sonderbestimmungen. Die Kirche kann die Frage der Entsprechung gegenüber der kirchlichen Disziplin selbst lösen. Dies ist bei der Anstellung möglich. Das Erziehungspersonal in kirchlichen Rechtsträgern (z. B. einer Pfarre) gehörigen Kindergärten wird regelmäßig vom betreffenden Rechtsträger bestellt, so daß dieser eine entsprechende Auswahl treffen und dabei Haltung und Lebensführung berücksichtigen kann. Wenn nach der Anstellung Schwierigkeiten rücksichtlich der kirchlichen Disziplin auftreten, dann steht als äußerstes Mittel das Instrument der Kündigung zur Verfügung, wobei sich rücksichtlich der Durchsetzbarkeit im staatlichen Bereich Probleme der aufgezeigten Art ergeben können. 64 In diesem Zusammenhang sei angemerkt, daß es noch weitere Tätigkeitsbereiche, in denen sich Fragen dieser Art ergeben können, gibt (z. B. der karitative Bereich).
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Zur Frage eines gemeinsamen Disziplinarrechtes im Ius commune Ecclesiae. Die vorausgehenden Ausführungen erweisen die Angemessenheit disziplinarrechtlicher und gegebenenfalls auch sanktionsbewehrter Regelungen für kirchliche Dienstnehmer. Dabei tritt aber auch zutage, daß die Situation nicht bei allen behandelten Gruppen gleich ist. Unter Umständen könnte man im Falle der Ausformulierung eines allgemeinen kirchlichen Dienstrechtes bei verschiedenen Punkten Abstufungen 65 oder Sonderregelungen vorsehen, so wie es im Katalog der Klerikerpflichten an einigen Stellen besondere Normen für die Ständigen Diakone gibt. Selbstverständlich wäre es auch denkbar, für verschiedene Gruppen kirchlicher Dienstträger eigene Dienstrechtskataloge zu erstellen. 66 V. Abschließende Überlegungen 1. Das staatliche Beamtenrecht kennt für Delikte dienstlicher Natur eine eigene mit Strafsanktionen ausgestatte Ordnung (Dienstrecht), die unter dem Strafrecht anzusiedeln und diesem gegenüber subsidiär ist. Die Überlegung, auch im Kirchenrecht unter der Ebene des Strafverfahrens ein Verfahren – und vielleicht auch einen Maßnahmenkatalog – zu etablieren, um in Disziplinarsachen eine andere Verfahrensweise als die im Strafrecht vorgesehene einzuschlagen, ist zunächst bestechend. Obzwar sich im CIC kein eigenes „caput“ über ein Disziplinarstrafrecht findet, so besteht dennoch die deutliche Tendenz, Strafprozesse möglichst zu vermeiden, und auf andere, auf den ersten Blick milder anmutende Vorgangsweisen auszuweichen. 2. Auf jeden Fall muß bedacht werden, daß disziplinarrechtliche Sanktionen in einer Reihe von Fällen als sehr gravierend empfunden 67 werden (z. B. die Entlassung); angesichts dessen ist das staatliche Dienstrechtsverfahren mit entsprechenden Verteidigungs- und Berufungsmöglichkeiten ausgestattet, die
65
Beispielsweise hat die Vorbildwirkung der persönlichen Lebensführung bei Religionslehrern einen höheren Stellenwert als bei Lehrern profaner Fächer an katholischen Schulen. 66
Ein Dienstrechtskatalog für Lehrer müßte natürlich mehr als die derzeitigen Bestimmungen des österreichischen Staatskirchenrechtes umfassen, es müßten Rechte und Pflichten, die Erwartungen, die man an ihn stellt, deutlich umschrieben und die Gründe aufgezeigt werden, aus denen es zu disziplinären Maßnahmen kommen kann. Insbesondere muß es für den Dienstträger klar erkennbar sein, welche Verhaltensweisen zum Verlust seiner Stellung führen können. 67 Manche Sanktionen des Kriminalstrafrechtes treffen den Betroffenen weniger schwer, wenngleich das Kriminalstrafrecht auch sehr harte Sanktionen vorsieht.
Probleme um die disziplinäre Verantwortung im kirchlichen Dienst
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Entscheidungen werden kommissionell getroffen, gegebenenfalls können auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes angerufen werden, so daß man die rechtsstaatlichen Garantien als gegeben betrachten kann. Das kirchliche Recht sieht ein disziplinäres Verfahren mit vergleichbarem Rechtsschutz nicht vor, bei disziplinären Vorgangsweisen spielt das Ermessen des kirchlichen Vorgesetzten eine sehr wesentliche Rolle. Folglich erscheint es im kirchlichen Bereich angemessen, daß man, wie dies der CIC vorsieht, dienstrechtliche Verfahren, in denen es um einschneidende Maßnahmen geht, vor die Gerichte bringt, um einen entsprechenden Rechtsschutz zu gewährleisten. 3. Ein Nachteil, den die gerichtliche Verurteilung im staatlichen Bereich nach sich zieht, ist im Zusammenhang mit der Eintragung in ein Strafregister insbesondere bei höheren Strafen dadurch gegeben, daß der Betroffene nicht mehr als unbescholten gilt. Dies gibt es im kirchlichen Bereich in dieser Form nicht. Die Abführung eines Kriminal- statt eines Disziplinarverfahrens hat also im kirchlichen Bereich nicht die gleichen Nachteile wie im staatlichen Bereich, sie hat den Vorteil, daß im kirchliche Kriminalverfahren ein besserer Rechtsschutz als im Disziplinarverfahren gegeben ist. 68 Es erscheint also gar nicht ratsam, in schwereren Disziplinarsachen vom strafgerichtlichen Verfahren abzugehen. 4. Natürlich könnte man in der kirchlichen Gesetzgebung unter der Ebene des Kriminalprozesses auch einen mit entsprechenden Rechtsschutzstandards ausgestatteten Disziplinarprozeß installieren. Sicherlich würde in einem solchen Fall, auch wenn eine Reihe von Tatbeständen zum Disziplinarstrafrecht hinüberwandert, ein Teil derselben beim Kriminalstrafrecht verbleiben. Mutmaßlich würde es in praxi gelegentlich zu Disziplinar- aber kaum zu Strafverfahren kommen. 5. Es gibt noch weitere Gründe, die zwar – für sich genommen – nicht so schwer wie die oben genannten wiegen, die aber doch die derzeitige Lösung als die praktikablere erscheinen lassen. Beispielsweise gibt es Tatbestände, die außer einer Kriminalstrafe noch eine Maßnahme, die man im Falle der Schaffung eines Disziplinarstrafrechtes diesem zuschreiben würde, vorsehen. In diesen Fällen stünde man vor der Situation, daß außer dem Kriminalverfahren unter Umständen auch noch ein zweites, nämlich ein Disziplinarverfahren durchzuführen wäre. 6. Weiters ist zu beachten, daß durch die Einbindung möglichst aller Gläubigen in den Vollzug des kirchlichen Lebens, durch die „actuosa participatio“
68 Das kirchliche Disziplinarverfahren ist rechtsschutzmäßig nicht so gut ausgestattet wie das kirchliche Kriminalverfahren.
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Hugo Schwendenwein
aller Gläubigen an der Liturgie, durch die heutige Art des „Miteinander“ aller eine exakte Grenzziehung zwischen kirchlich angestellten Seelsorgern und Beseelsorgten nicht restlos durch alle Formen kirchenamtlichen Tuns durchgezogen werden kann. Wenn verschiedene kirchenamtliche Handlungen auch von Gläubigen, die nicht in einem Dienstverhältnis zur Kirche stehen, gesetzt werden können, werden auch sie in ein kirchliches Disziplinarrecht einbezogen. Ein Kommunionhelfer ist natürlich, auch wenn er nicht in einem kirchlichen Anstellungsverhältnis steht, an die für die Kommunionspendung maßgeblichen kirchlichen Vorschriften gebunden. Unter den Normen des kodiziellen Kriminalstrafrechtes, die für die Überführung in ein Disziplinarstrafrecht in Frage kommen, sind so manche, die in erster Linie Kleriker bzw. kirchliche Dienstträger betreffen, die aber auch für andere Gläubige gelten, soferne diese einen bestimmten kirchenamtlichen Akt setzen, wobei es zumeist nicht darauf ankommt, ob sie dies als von der Kirche angestellte Laienmitarbeiter oder als Gläubige, die ohne Anstellungsverhältnis im kirchlichen Bereich mitarbeiten, tun. Man fragt sich, ob mit der Verlagerung derartiger Tatbestände in ein Disziplinarstrafrecht für kirchliche Dienstnehmer tatsächlich gedient wäre. Jedenfalls hat die derzeitige Regelung viel für sich.69 7. Wenn man die im heutigen CIC enthaltenen Bestimmungen dienstrechtlicher Art zusammennimmt, so ergibt sich aus ihnen kein vollständiges Dienstrecht für kirchliche Laiendienstträger. Es hat viel für sich, die Erstellung eines solchen partikulären Autoritäten zu überlassen und sich im allgemeinen Recht mit der einen oder anderen Norm, die natürlich auch bei partikulärer Rechtssetzung zu beachten ist, zu begnügen. Die Verhältnisse sind länderweise doch sehr verschieden, wobei unter Umständen auch die Frage der Respektierung kirchlicher Disziplinarmaßnahmen in der staatlichen Rechtsordnung70 bzw. der Umsetzung in diese eine Rolle spielen kann. In diesem Zusammenhang ist es auch von Bedeutung, ob der Adressat des Disziplinarrechtes von der Kirche oder, wie beispielsweise die Mehrzahl der Religionslehrer in Österreich, vom Staat angestellt ist.
69
Würde man freilich ein Disziplinarstrafrecht schaffen, so spräche manches dafür, es so zu konzipieren, daß es auch Mitarbeiter, die ohne Anstellungsverhältnis kirchenamtliche Handlungen, insbesondere im sakramentalen Bereich setzen, in seinen Geltungsbereich einbezieht. 70
Vgl. das weiter oben bezüglich der Anerkennung von Kündigungsgründen durch österreichische Arbeitsgerichte bei in kirchlichen Kindergärten tätigen Erzieherinnen Gesagte.
Fragen der Wirkung falscher Interpretationen kirchenrechtlicher Normen Von Wolfgang Waldstein I. Der Sachverhalt In der Ausgabe der Acta Apostolicae Sedis vom 6. Juni 1994 ist eine als „authentische Interpretation“ bezeichnete Stellungnahme des „Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten“ veröffentlicht worden. Mit einem Schreiben vom 15. März 1994 hatte die Congregatio de Cultu Divino et Disciplina Sacramentorum die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen über den Vorgang informiert, der zu dieser Stellungnahme geführt hat. Der betreffende Absatz des Schreibens lautet: „In letzter Zeit wurde an den Päpstlichen Rat für die Interpretation von Gesetzestexten die Anfrage gerichtet, ob die liturgischen Funktionen, die im Sinne des (im vorausgehenden Text zitierten) Kanons 1 Laien anvertraut werden können, in gleicher Weise von Männern und Frauen wahrgenommen werden können und ob zu diesen Funktionen in gleicher Weise wie die anderen von demselben Kanon angeführten Funktionen der Altardienst gezählt werden kann“. 2
Den ersten Teil der Frage, nämlich ob zu den in can. 230 § 2 genannten Diensten auch Frauen zugelassen sind, hatte die Kongregation selbst wiederholt klar und ausdrücklich mit ja beantwortet. Da hätte es keiner Frage mehr bedurft. Für den zweiten Teil betreffend den Altardienst war die Antwort des geltenden Kirchenrechts, die ebenfalls von der Kongregation selbst gegeben worden war, ebenso ausdrücklich und klar nein. Dies hatte die Kongregation selbst in der Institutio generalis Missalis Romani in der revidierten Fassung von 1970 klargestellt, die in Nr. 70 sagt:
1
Gemeint ist can. 230 § 2.
2
Veröffentlicht in AAS 86, 1994, S. 542.
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Wolfgang Waldstein
„Omnia ministeria infra ea quae propria sunt diaconi 3 a viris laicis etsi institutionem non receperunt, exerceri possunt. Ministeria quae extra presbyterium 4 peragantur etiam mulieribus committi possunt, iuxta prudens iudicium rectoris ecclesiae, attentis iis quae n. 66 dicuntur circa locum e quo lectiones sacrae scripturae proferendae sunt.“
Eine quasi amtliche Übersetzung dieses Textes lautet: „Alle Aufgaben, die nicht dem Diakon vorbehalten sind, können von Laien ausgeführt werden, auch wenn sie nicht eine Beauftragung erhalten haben./ Dienste, die außerhalb des Altarraumes zu leisten sind, können auch Frauen übertragen werden, wenn der Kirchenrektor es für angebracht hält“. 5
In dieser Übersetzung muss sofort auffallen, dass die viri laici auf laici reduziert sind. Die schon damals vorherrschende Tendenz der Ausweitung auf Frauen und die Manipulation des Textes, um dieses Ziel zu unterstützen, wird hier deutlich, obwohl im zweiten Absatz dann doch gesagt werden musste, welche Dienste „auch Frauen übertragen werden“ können. Die Aussage des lateinischen Textes über den Ort, von dem aus Lesungen der Hl. Schrift vorzutragen sind, wurden in der Übersetzung jedoch einfach ausgelassen. In Verbindung mit der vorausgehenden Aussage könnte das nur außerhalb des Altarraumes geschehen 6 . Auf alle Fälle kommt der Institutio generalis als der mit der Apostolischen Konstitution Missale Romanum gleichzeitig veröffentlichten „Allgemeinen Einführung in das Römische Meßbuch“ eine hochrangige normative Bedeutung zu. Sie enthält die unmittelbaren Ausführungsbestimmungen zum neuen Messbuch. Dass die Bestimmung der Nr. 70 durch eine dafür keinerlei Anhaltspunkt bietende allgemeine Aussage von can. 230 § 2 aufgehoben worden wäre, widerspricht allen Anforderungen nach can. 2 und 20 CIC. In can. 2 wird gesagt:
3 Die Form diaconi steht im lateinischen Originaltext der Ausgabe Nachkonziliare Dokumentation (ND) Nr. 19, Dokumente zum Römischen Meßbuch, 2., veränderte Auflage Trier 1974, S. 104. In der Fassung von 1969 steht in der Nr. 70 noch subdiaconi. Sonst ist der Text bis auf die in der revidierten Fassung angefügte Aussage betreffend den Ort, von dem aus die Lesungen aus der Heiligen Schrift vorzutragen sind, unverändert geblieben. 4
Hervorhebung von mir.
5
Deutsche Übers. in der Ausg. ND 19 (Anm. 3), S. 105 f.
6
So zutreffend auch Ludger Müller in seinem Beitrag „Gilt das Verbot der Ministrantinnen noch?“, in: AfkKR 155, 1986, S. 126 – 135; die betreffende Aussage dort S. 128.
Fragen der Wirkung falscher Interpretationen kirchenrechtlicher Normen
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„Der Codex legt zumeist die Riten nicht fest, die bei der Feier liturgischer Handlungen zu beachten sind; deshalb behalten die bislang geltenden liturgischen Gesetze ihre Geltung, soweit nicht eines von diesen den Canones des Codex zuwiderläuft.“ 7
Die Annahme, can. 230 § 2 habe implizite das gesamte vorausgehende Recht der Kirche aufgehoben, widerspricht auch der sachlichen Bedeutung der Frage im Hinblick auf den Zusammenhang mit dem Priestertum. Anzumerken ist, dass die Institutio generalis von 2000 nicht mehr die Präzisierung betreffend „Viri laici“ der früheren Nr. 70 und des can. 230 § 1 CIC enthält, sondern in den Nrn. 98 und 187 – 193, wo die Dienste des Akolythen im Einzelnen angeführt werden, nur von „acolythus“ in männlicher Form spricht. Zu Nr. 98 wird auch nicht can. 230 § 1 CIC zitiert, sondern nur can. 910 § 2, wo bestimmt ist: „Außerordentlicher Spender der heiligen Kommunion ist der Akolyth wie auch ein anderer Gläubiger, der nach Maßgabe des can. 230 § 3 dazu beauftragt ist“. Übrigens zeigt auch die Aufzählung der Dienste, die Laien nach can. 230 § 3 übernehmen können, dass der Dienst am Altar nicht zu diesen zählt. Ferner wird auf Art. 8 der Instructio interdicasterialis vom 15. August 1997 verwiesen, der ebenfalls von den außerordentlichen Spendern der heiligen Kommunion handelt. In der Nr. 100 wird gesagt, dass bei Fehlen eines beauftragten Akolythen, zum Dienst am Altar auch „destinari possunt ministri laici“. Auch dazu wird nur die Instructio Immensae caritatis vom 29. Januar 1973 zum Thema außerordentliche Spender der heiligen Kommunion zitiert. Auch in den folgenden Nrn. 101 – 107 wird nicht erwähnt, welche Dienste auch von Frauen wahrgenommen werden können. Soweit ich sehen konnte, ist zu den einschlägigen Bestimmungen die „authentische Interpretation“ zu can. 230 § 2 von 1994 nirgends zitiert. Vielmehr ist im Prooemium unter dem Titel: Traditio non intermissa declaratur in den Nrn. 6 – 9 ausdrücklich auf die Bedeutung der Tradition hingewiesen. Dies würde wohl dafür sprechen, dass für diese Frage die nach wie vor geltenden Normen der Kirche als geltend vorausgesetzt wurden. Diese Institutio generalis ist in die Editio typica tertia des Missale Romanum von 2002, soweit ich feststellen konnte, unverändert aufgenommen. Eine zweite wichtige Norm ist die Instructio tertia ad constitutionem de Sacra Liturgia recte exsequendam (Liturgicae instaurationes), von der Sacra
7
Can. 20 bestimmt: „Ein späteres Gesetz hebt ein früheres ganz oder teilweise auf, wenn es dies ausdrücklich sagt oder ihm unmittelbar entgegengesetzt ist oder die ganze Materie des früheren Gesetzes umfassend ordnet; ein allgemeines Gesetz hebt aber nicht im geringsten partikulares oder besonderes Recht auf, wenn nicht etwas anderes im Recht ausdrücklich vorgesehen ist.“ Im can. 21 wird noch hinzugefügt: „Im Zweifel wird der Widerruf eines früheren Gesetzes nicht vermutet, sondern spätere Gesetze sind zu früheren in Beziehung zu setzen und mit diesen nach Möglichkeit in Einklang zu bringen.“ Anders Müller, Gilt das Verbot der Ministrantinnen noch? (Anm. 6), S. 136.
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Congregatio pro Cultu Divino im Auftrag von Papst Paul VI. am 5. September 1970 veröffentlicht. 8 In der Nr. 7 dieser Instructio heißt es: „Iuxta liturgicas normas in Ecclesia traditas 9 , vetantur mulieres (puellae, nuptae, religiosae), ne in ecclesiis quidem, domibus, conventibus, collegiis, institutis muliebribus, ad altare sacerdoti inservire. Mulieribus autem licet secundum normas de his rebus latas: a) lectiones proferre, Evangelio excepto. …; b) intentiones orationis universalis proferre; c) liturgici coetus cantum moderari et organum aut instrumenta permissa pulsare“. 10
Diese Normen sind nochmals bekräftigt worden durch die von der gleichen Kongregation mit Approbation von Papst Johannes Paul II. und in seinem Auftrag am 17. April 1980 herausgegebene Instruktion Inaestimabile Donum, in deren Nr. 18 es heißt: „Bekanntlich sind die Aufgaben, die die Frau in der liturgischen Versammlung übernehmen kann, vielfältig: unter anderem die Lesung des Wortes Gottes und der Intentionen im Fürbittgebet der Gläubigen. Frauen sind jedoch nicht die Funktionen eines Akolythen (Meßdiener) gestattet“.
Dazu wird ausdrücklich die Nr. 7 der oben zitierten Instructio tertia zitiert. Die Bestimmungen des nur 3 Jahre später publizierten CIC knüpfen offensichtlich in can. 230 an diese Normen an. Der Vergleich mit der Institutio generalis Nr. 70 und den beiden Instructiones kann daran wohl keinen Zweifel lassen. Wenn in can. 230 § 2 ausdrücklich gesagt wird: „ebenso können alle Laien die Aufgaben des Kommentators, des Kantors oder andere Aufgaben nach Maßgabe des Rechtes wahrnehmen“, so kann mit diesem Recht nur das damals bestehende gemeint sein. Dies hat auch die Päpstliche Kommission für die authentische Interpretation von Gesetzestexten in einem Schreiben vom 4. Oktober 1985 ausdrücklich festgestellt. 11 Die 8
AAS 62, 1970, S. 692 – 704.
9
Damit ist wohl auf Normen verwiesen, die bereits vor der Institutio generalis diesen Gegenstand geregelt haben, wie can. 813 § 2 CIC von 1917 mit zahlreichen dort in Anm. 3 angeführten Quellen. Es ist ja in der Tat die gesamte Tradition der Kirche, an die hier angeknüpft wird. 10 S. 700. Die weiteren Einzelheiten sind hier nicht von Bedeutung. Sie sind aber wichtig für das Verständnis dessen, was in can. 230 § 2 „andere Aufgaben nach Maßgabe des Rechtes“ bedeuten können. Es sind damit offensichtlich gerade die in der Instructio tertia Nr. 7 lit. d und e angeführten „Aufgaben“, Instructio S. 701. 11
Dazu unten Anm. 15.
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hierzu gestellte Frage kann daher kaum als Auslegungsfrage zu § 2 verstanden werden. Sie zielt vielmehr auf eine Gesetzesänderung im Sinne der Aufhebung der bisher geltenden Normen und damit der Ausweitung der in § 2 genannten Funktionen auf den Altardienst, um dann die Frauen zum Altardienst zulassen zu können. In der nunmehr als „authentische Interpretation“ veröffentlichen Stellungnahme heißt es: „Patres Pontificii Consilii de Legum Textibus Interpretandis proposito, in ordinario coetu diei 30 Iunii 1992, dubio, quod sequitur, respondendum censuerunt ut infra: D. Utrum inter munera liturgica quibus laici, sive viri, sive mulieres, iuxta C.I.C. can. 230, § 2 fungi possunt, adnumerari etiam possit servitium ad altare. R. Affirmative et iuxta instructiones a Sede Apostolica dandas. Summus Pontifex Ioannes Paulus II in Audientia die 11 Iulii 1992 infrascripto impertita, de supradicta decisione certior factus, eam confirmavit et promulgari iussit“.12
Dieses leichthin erklärte „affirmative“ zur leider höchst unaufrichtigen Frage der Kongregation, die es besser wissen musste, und dem vom Päpstlichen Rat angenommenen dubium, das es bis dahin nicht gab, steht trotz dieser Erklärung im manifesten Widerspruch zum objektiven Text der Norm, der durch diese Erklärung ja nicht geändert wurde. Auch wurden dadurch alle vorausliegenden Normen und die gesamte kirchliche Tradition nicht eliminiert. Der für jeden unbefangenen Juristen klar erkennbare Sinn der Norm ist denn auch bis kurz vor dieser den Sinn verkehrenden Erklärung völlig ausser Zweifel gestanden. Ich habe dazu in einem Beitrag im Archiv für Katholisches Kirchenrecht bereits 1994 ausführlicher Stellung genommen. 13 Ich hatte den Text meines Beitrages dem damaligen Präsidenten des Päpstlichen Rates Erzbischof Vincenzo Fagiolo zukommen lassen. Er hat mir mit einem freundlichen Schreiben vom 6. Juli 1994, Prot. N. 426/94, geantwortet. In diesem Schreiben hat er an mich die Bitte gerichtet „di riflettere ancora su quanto Ella ha scritto, ricorrendo possibilmente ad esperti in materia con i quali confrontare le Sue argomentazioni ed ascoltare i loro pareri“. Ich habe ihm mit einem Schreiben vom 18. Juli 1994 geantwortet, dass ich diese Bitte bereits erfüllt hatte, bevor sie ausgesprochen wurde. Denn ich hatte meinen Text mehreren der angesehensten deutschsprachigen Kanonisten und einem italienischen, Don Dario Composta, vorgelegt, dazu zwei Bischöfen, die besonders mit den Problemen Erfahrungen gemacht haben, ferner den Cardinälen Stickler und Ratzinger. Es haben alle bis auf einen der Bischöfe, von dem ich noch keine Antwort hatte, in der Sache vollkommen zuge12
Veröffentlicht in AAS 86, 1994, S. 541.
13
AfkKR 163, 1994, S. 406 – 422.
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Wolfgang Waldstein
stimmt und meine Argumentation in jeder Hinsicht als völlig zutreffend bezeichnet. Wörtlich sagte ich: „Ich persönlich glaube nicht, daß jemand, der nicht aus anderen als juristischen Gründen einfach eine andere Lösung haben will, mit den anerkannten juristischen Auslegungsmethoden objektiv zu einem anderen Ergebnis kommen kann. Dies hat ja die frühere Pontificia Commissio Codici Iuris Canonoci authentice interpretando in einem Schreiben vom 4. Oktober 1985, Prot. N. 697/85, das ich in meinem Beitrag zitiert habe, klargestellt. Ich darf Eure Exzellenz vielleicht bitten, sich dieses Schreiben vorlegen zu lassen.“
Ich fügte dann noch hinzu: „Meine Gespräche mit angesehenen Kanonisten haben jedoch noch einen Gesichtspunkt ergeben, den ich Eurer Exzellenz doch mitteilen möchte, weil er mir für das Ansehen der Päpstlichen Kommission (irrt. statt des Päpstlichen Rates) sehr wichtig erscheint. Sollte die Publikation der authentischen Interpretation zu can. 230 § 2 CIC noch nicht so weit gediehen sein, daß sie nicht mehr rückgängig zu machen ist, wäre es sicher gut, sie noch etwas zu verschieben. Wenn nämlich der Text einmal in den AAS erschienen ist, wird er jedenfalls im deutschsprachigen Raum unter Kanonisten nicht zur Erhöhung des Ansehens der Päpstlichen Kommission beitragen. Ich habe in meinen Gesprächen teilweise sehr viel schärfere Kritik zu hören bekommen, als mein Text sie enthält. Daher würde ich Eure Exzellenz sehr herzlich bitten, vor der endgültigen Publikation, vorausgesetzt, daß sie nicht schon erfolgt ist, mit den Kardinälen Stickler und Ratzinger Rücksprache zu nehmen. Beide können Ihnen dann auch selbst sagen, was sie von meinen Argumenten halten. Cardinal Stickler sagte mir nach der Lektüre meines Textes, er stimme völlig zu und habe nichts hinzuzufügen oder wegzunehmen. Exzellenz sehen also, ich habe wirklich mich bemüht, die Sache sorgfältig zu durchdenken und auszuarbeiten und nicht einem voreiligen eigenen Urteil zu folgen.“
Ich wusste damals nicht, dass der Text zu jenem Zeitpunkt bereits publiziert war. Um die Sachlage zu verdeutlichen, will ich zwei nach der Publikation des neuen CIC ergangene offizielle kirchliche Stellungnahmen zu der Frage hier wiederholen: 1. Die von Papst Johannes Paul II. am 2. Januar 1984 eingesetzte Päpstliche Kommission für die authentische Interpretation von Gesetzestexten hat dies in dem bereits genannten Schreiben vom 4. Oktober 1985, das vom damaligen Präsidenten Cardinal Rosalio José Castillo Lara und dem Sekretär Julián Herranz Casado gezeichnet ist, selbst klargestellt. Diese Kommission war vom Papst mit der ausdrücklich betonten Aufgabe eingesetzt worden, „Um willkürliche Auslegungen des Textes des Codex zu vermeiden“. 14 Eine bereits 14
So gesagt in der Ansprache Papst Johannes Pauls II. vom 29. Januar 1993 an die Mitglieder der Rota Romana zur Eröffnung des Gerichtsjahres, AAS 85, 1993, S. 1256 – 1260, Nr. 4.
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damals aus Frankreich erfolgte Anfrage, ob nach den Bestimmungen von can. 230 § 2 auch Frauen zum Altardienst zugelassen werden könnten, hat die Kommission zunächst festgestellt: „Notre Commission Pontificale ne retient pas necessaire de donner une interprétation authentique puisqu’il s’agit plutôt d’une application de la Loi, qui est claire par elle-même.“ Es wird dann ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 2 im Zusammenhang mit § 1 gesehen werden muss. Im § 1 ist die Bestellung zum Akolythen ausdrücklich auf „Männliche Laien“ beschränkt. Im § 2 wird für Laien nur das Amt des Lektors ohne Beschränkung auf „männliche Laien“ angeführt. Die Kommission hat dazu bemerkt: Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass Frauen „ex temporanea deputatione“ zugelassen werden könnten, „le legislateur l’aurait explicitement affirmé comme il l’a fait pour le fonction de lecteur“. Hierauf stellt das Schreiben fest: „Avec une telle exclusion, qui par ailleurs ne porte pas préjudice aux autres formes de participation des femmes dans la Liturgie, le Code n’a fait que recueillir ce qui a été décrété dans les documents d’application du Concile au sujet de la réforme liturgique, surtout les instructions de la Congrégation pour le Culte Divin, Liturgicae instaurationes (5 septembre 1970, no 7) et Inaestimabile Donum (3 avril 1980, no 18)“.15
Dieses Schreiben ist leider erst im Juni 1994 veröffentlicht worden16. Aber es bestätigt genau, was sich bei objektiver Betrachtung aus dem Normsinn selbst im Zusammenhang mit anderen Normen entnehmen lässt. Dies war damals für die Pontificia Commissio so klar, dass sie meinte, es bedürfe keiner authentischen Interpretation. Damit ist aber auch zweifelsfrei klargestellt, dass can. 230 § 2 mit seiner Aufzählung tatsächlich „altes Recht“ (ius vetus) wiedergibt. In einem solchen Falle ist nach can. 6 § 2 CIC vorzugehen: „Die Canones dieses Codex sind, soweit sie altes Recht wiedergeben, auch unter Berücksichtigung der kanonischen Tradition zu würdigen“. Von einer ausdrücklichen Aufhebung der Bestimmungen dieser Instructiones ist in can. 230 § 2 keine Rede. Die Übernahme des alten Rechtes schließt aber auch ebenso eine implizite Aufhebung dieser Bestimmungen aus. Sie ist für liturgische Normen schon durch can. 2 CIC ausgeschlossen und kommt auch im Hinblick auf die eindeutige Bestimmung von can. 20 ohnedies nicht in Frage.17 Daher sind die Bestimmungen der Institutio generalis und der beiden Instructiones nach wie vor geltendes Recht. Die Gottesdienstkongregation selbst hat dies in den Jahren 1984 und 1987 in schriftlichen Stellungnahmen bestätigt.18
15
Veröffentlicht in der Una Voce France, Nr. 176, Mai – Juni 1994, S. 129 f.
16
Vgl. vorige Anm. Eine andere Veröffentlichung konnte ich nicht finden.
17
Vgl. oben in Anm. 7.
18
Vgl. Christoph Düren, Klerusblatt 70, 1990, S. 127 f. mit Nachweisen und wei-
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Wolfgang Waldstein
In einem Schreiben des damaligen Assessors im Vatikanischen Staatssekretariat, Monsignore G. B. Re, vom 11. August 1985 wurde ausgedrückt, „daß der Zulassung von Meßdienerinnen ‚eine weltweite allgemeine Regelung in der Kirche‘ entgegensteht“. 19 Was die damals, zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des neuen Codex, geltende Rechtslage war, unterlag demnach weder für die Pontificia Commissio noch für das Staatssekretariat bei Beantwortung einer an sich unangenehmen Beschwerde von Ministrantinnen an den Papst auch nur einem geringsten Zweifel. 20 II. Das Problem Das Problem, das sich aus der sogenannten „authentischen Interpretation“ ergibt, ist, dass bei weiterhin geltendem Text der speziellen Norm wie auch aller vorausgegangenen normativen Festlegungen sozusagen mit einem Federstrich der Inhalt der Norm in sein Gegenteil gekehrt wurde. Die Congregatio de Cultu Divino war, wie mir bekannt ist, schon seit längerer Zeit unter dem Druck von Bischofskonferenzen gestanden, die unbedingt die Zulassung von Mädchen als Ministrantinnen durchsetzen wollten. Eine korrekte legislative Maßnahme zur Änderung des can. 230 § 2 im erwünschten Sinne dürfte im Hinblick auf die Klarheit der Rechtslage und der Rechtstradition der Kirche nicht erreichbar erschienen sein. Daher erschien wohl der Congregatio der Weg über eine authentische Interpretation eines offenbar zur Kooperation bereiten Päpstlichen Rates gangbar. Wie immer gut die Absichten gewesen sein mögen, die zu diesem Ergebnis geführt haben, so bleibt die evidente Realität bestehen, dass es sich dabei um einen Vorgang handelt, bei dem die von Papst Johannes Paul II. in Erinnerung gerufenen hermeneutischen Grundsätze klar missachtet wurden. In der bereits oben zitierten Ansprache an die Mitglieder der Rota Romana 21 hatte der Papst gesagt:
19
Vgl. Heinrich Flatten, Das Verbot der Ministrantinnen. Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, Berlin, Essen, Hildesheim, Köln, Osnabrück, Juni 1986, S. 187. 20 Wenn Müller, Gilt das Verbot der Ministrantinnen noch? (Anm. 6), S. 136 f., gleichwohl behauptet, can. 230 § 2 habe alle früheren Bestimmungen aufgehoben, so entbehrt dies jeder objektiven Grundlage. Die Päpstliche Kommission für die authentische Interpretation von Gesetzestexten hatte das in dem oben Anm. 15 wiedergegebenen Schreiben klar ausgeschlossen. Müller war dieses Schreiben, das ein Jahr vor seiner Äußerung ergangen war, wohl nicht zugänglich. Weil die Kommission eine authentische Interpretation für nicht nötig hielt, ist das betreffende Schreiben auch nicht in den AAS publiziert worden. 21
Vgl. oben Anm.14.
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„Hier erscheint es nicht unangebracht, an einige hermeneutische Grundsätze zu erinnern, bei deren Mißachtung das kanonische Gesetz selber aufgelöst wird und als solches zu existieren aufhört – mit gefährlichen Folgen für das Leben der Kirche ...“.22
Dann sagt der Papst in derselben Nr. 5 weiter: „Wenn die kirchlichen Gesetze vor allem ‚gemäß der eigenen Bedeutung ihrer Worte‘ zu verstehen sind, ‚die im Text und Kontext zu beachten ist‘ (can. 17), so folgt daraus, daß es willkürlich, ja offenbar ungesetzlich und schwer schuldhaft wäre, den vom Gesetzgeber gewählten Worten nicht ihre ‚eigene‘ Bedeutung, sondern eine andere zu geben, die von anderen Disziplinen als der Rechtswissenschaft nahegelegt werden. /23 Man darf ferner bei der Interpretation des geltenden Codex keinen Bruch mit der Vergangenheit annehmen, als wenn im Jahre 1983 ein Sprung in eine völlig neue Wirklichkeit erfolgt wäre. Der Gesetzgeber bekräftigt ja positiv und unzweideutig die Weitergeltung der kanonischen Tradition (an)24, zumal dort, wo seine Canones auf das alte Recht Bezug nehmen (vgl. can. 6, § 2). / Gewiß wurden im geltenden Codex nicht wenige Neuerungen eingeführt. Doch es ist etwas anderes, festzustellen, daß bei nicht wenigen kanonischen Verfügungen Neuerungen eingeführt wurden, und etwas anderes, der bei der Formulierung der Canones verwendeten Sprache ungewöhnliche Bedeutungen zuschreiben zu wollen. Es muß vielmehr das ständige Bemühen des Interpreten und dessen, der das kanonische Recht anwendet, sein, die vom Gesetzgeber verwendeten Worte im Sinn jener Bedeutung zu verstehen, die sie nach langer Tradition in der rechtlichen Ordnung der Kirche aufgrund der gefestigten Lehre und Rechtswissenschaft haben. Jeder Ausdruck muß ferner im Text und Kontext der Norm betrachtet werden, in einer Gesamtsicht der kanonischen Gesetzgebung, die eine einheitliche Bewertung gestattet“ (Nr. 5).
Zu den vom Papst genannten „hermeneutischen Grundsätzen“ ist zweifellos auch eine im klassischen römischen Recht geltende Auslegungsregel zu zählen, die vom spätklassischen Juristen Iulius Paulus in den Digesten (= D.) 1, 3, 23 überliefert ist und lautet: Minime sunt mutanda, quae interpretationem certam semper habuerunt. Die neue Digestenübersetzung gibt den Text folgendermaßen wieder: „Was stets eine bestimmte Auslegung gehabt hat, sollte keinesfalls geändert werden“.25 Aber die Kriterien der Disziplin Rechtswissenschaft haben 22
Nr. 5 der in Anm. 14 zitierten Ansprache.
23
Neuer Absatz im Original.
24
Das Wörtchen „an“ dürfte in der Wiedergabe des Textes in: L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache vom 12. Februar 1993, Nr. 6, S. 10, an dieser Stelle versehentlich stehen geblieben sein. Im Abdruck des Textes im AfkKR 162, 1993, S. 146 – 149, ist es mit Recht ausgelassen; die betreffende Stelle S. 148. 25
Vgl. Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung II, Gemeinschaftlich übersetzt und herausgegeben von Okko Behrends / Rolf Knütel / Berthold Kupisch / Hans Hermann Seiler, Heidelberg 1995, S. 114. Die Digesten werden nach den Zitiernormen des Thesaurus linguae Latinae mit „dig.“ zitiert, in der romanistischen Lit. gewöhnlich mit D.
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bei dieser „authentischen Interpretation“ offensichtlich überhaupt keine Rolle gespielt. Es ging wohl aber auch nicht darum, wissenschaftliche Kriterien anzuwenden, „die von anderen Disziplinen als der Rechtswissenschaft nahegelegt werden“. Bei Würdigung des gesamten Zusammenhanges wird man nicht umhin können, erkennen zu müssen, dass hier Kriterien angewandt wurden, die zwar von einer bestimmten Ausprägung der Rechtswissenschaft nahegelegt werden, aber ihrerseits weder wissenschaftliche noch rechtliche sind. Das mit diesem Punkt gegebene Problem hängt mit dem Eindringen einer Interpretationstheorie in den kirchlichen Raum zusammen, die besonders von der „Reinen Rechtslehre“ von Hans Kelsen entwickelt wurde. Franz Bydlinski hat dieser Interpretationstheorie eine die Folgen klar aufzeigende Untersuchung gewidmet. Nach seiner logisch zwingenden Analyse „kann die wissenschaftliche Auslegung im Sinne der ‚Reinen Rechtslehre‘ für jeden einzelnen Rechtssatz nur noch aussagen, daß entweder dieser oder statt dessen das gelte, was der subjektiv-politischen Anschauung des jeweiligen Richters entspreche“. Das führt weiter „mindestens ... für die österreichische Privatrechtsordnung“ zu dem Gesamtergebnis, „daß der Richter jeden Rechtsfall entweder nach seinen subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen entscheiden darf, oder nach dem Gesetz, wobei ihm die Wahl selbst freisteht. Daraus folgt zugleich, daß wissenschaftliche Aussagen über die objektive Geltung auch nur einer einzigen Rechtsnorm in diesem Bereich nicht gemacht werden können“.26 Er weist ferner darauf hin, dass der Gesetzestext, „sobald man die Frage nach dem Sinn und Zweck der Norm abschneidet, nahezu beliebig manipulierbar ist“.27 Die Folgen dieser Theorie bestätigen genau, was Papst Johannes Paul II. über die Folgen der Missachtung der klassischen Interpretationsregeln gesagt hat. Die Interpretationstheorie der „Reinen Rechtslehre“ hat etwa sogar den österreichischen Verfassungsgerichtshof dazu geführt, die Fristenlösung als verfassungsmäßig zu erklären, obwohl sie objektiv verfassungswidrig ist. Die Folge dieser Entscheidung ist, dass die Fristenlösung und damit die Tötung von Millionen ungeborener Kinder als nicht verfassungswidrig angesehen wird.28
26
In: Gedenkschrift Franz Gschnitzer, Innsbruck 1969, S. 110.
27
Ebenda, S. 116.
28
Dazu eingehend Wolfgang Waldstein, Rechtserkenntnis und Rechtsprechung, Bemerkungen zum Erkenntnis des VfGH über die Fristenlösung, in: Das Menschenrecht zum Leben, Beiträge zu Fragen des Schutzes menschlichen Lebens (= Schriften zum Öffentlichen Recht Bd. 423), Berlin 1982, S. 26 – 66; speziell zur Interpretationstheorie der Reinen Rechtslehre S. 28 – 36. Dazu noch ausführlicher ders., Teoria generale del diritto, Dall’antichità ad oggi, Studia et Documenta, Sectio Iuris Romani et Historiae Iuris 6, Roma 2001, S. 161 – 163; allgemein zur Interpretationstheorie dort S. 145 – 193.
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Ob nun bewusst oder unbewusst die Interpretationstheorie der „Reinen Rechtslehre“ zur Anwendung kam oder nicht, das Ergebnis entspricht ihr jedenfalls genau. Es kann nicht die zu interpretierende Norm das Ergebnis bestimmt haben. Es ist vielmehr offensichtlich nach den „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen“ des Päpstlichen Rates entschieden worden. Der kirchenpolitische Druck in der Sache hat offensichtlich das Ergebnis bestimmt. Wie sehr auch die Mitglieder des Rates subjektiv der Meinung gewesen sein mögen, damit der Kirche einen Dienst erwiesen zu haben, so entspricht das Ergebnis leider doch haargenau dem, was die römischen Juristen als fraus legi facta bezeichnet haben. Paulus sagt in D. 1, 3, 29: Contra legem facit, qui id facit quod lex prohibet, in fraudem vero, qui salvis verbis legis sententiam eius circumvenit. Die deutsche Übersetzung lautet: „Gegen das Gesetz handelt, wer tut, was das Gesetz verbietet; das Gesetz umgeht dagegen, wer zwar seinen Wortlaut beachtet, aber seinem Sinn zuwiderhandelt.“ Im anschließenden Fragment 30 sagt Ulpian: Fraus enim legi fit, ubi quod fieri noluit, fieri autem non vetuit, id fit: et quod distat r`htòn avpo. dianoi,aj, hoc distat fraus ab eo, quod contra legem fit. Die deutsche Übersetzung: „Das Gesetz wird nämlich umgangen, wenn man das tut, was nach dem Willen des Gesetzes nicht getan werden soll, was zu tun das Gesetz aber nicht verbietet. Und wie das Wort sich vom Sinn unterscheidet, so unterscheidet sich die Gesetzesumgehung vom Gesetzesverstoß.“ 29
Damit trifft für dieses Ergebnis objektiv das zu, was Papst Johannes Paul II. über die Folgen der Missachtung der für die Auslegung geltenden „hermeneutischen Grundsätze“ gesagt hat, dass als deren Folge „das kanonische Gesetz selber aufgelöst wird und als solches zu existieren aufhört – mit gefährlichen Folgen für das Leben der Kirche und das Heil der Seelen, ...“, und „daß es willkürlich, ja offenbar ungesetzlich und schwer schuldhaft wäre, den vom Gesetzgeber gewählten Worten nicht ihre ‚eigene‘ Bedeutung, sondern eine andere zu geben, die von anderen Disziplinen als der Rechtswissenschaft nahegelegt werden“. 30 Wieso es zu einem solchen Vorgang überhaupt kommen konnte, ist hier nicht zu erörtern. Das objektive Faktum, dass es dazu kommen konnte, ist jedoch zweifellos ein schwerwiegendes Problem. Wenn dieses Problem einfach ungelöst bleibt und sich in weiterer Folge auf allen Gebieten kirchlicher Ordnung ausbreitet, die in der Tat in der heutigen kirchlichen Praxis faktisch bereits weitgehend durch Ignorierung aufgelöst ist, kann der Schaden für die Kirche nur immer größer werden. So erscheint es unbegreiflich, dass eine sol29
Übersetzung (dazu oben. Anm. 25) S. 114 f.
30
Nr. 5 der in der Anm. 14 zitierten Ansprache.
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che „Interpretation“ in die Instruktion Redemptionis Sacramentum eingehen konnte. Ungeachtet all dieser Tatsachen erklärt diese Instruktion in Nr. 47: „Nach dem Urteil des Diözesanbischofs und unter Beachtung der festgesetzten Normen können zu diesem Altardienst Mädchen oder Frauen zugelassen werden“. Unter den „Normen“ wird in der Anm. 122 angeführt: „Vgl. Päpstl. Rat für die Auslegung der Gesetzestexte, Responsio ad propositum dubium (11. Juli 1992): AAS 86 (1994) 541 – 542; Congr. de Cultu Div. et Disc. Sacram., Litt ad Praesides Conf. Episcoporum de servitio liturgico laicorum, diei 15 martii 1994: Notitiae 30 (1994) pp. 333 – 335, 347 – 348; Litt. ad quemdam Episcopum, diei 27 iulii 2001: Notitiae 38 (2002) pp. 46 – 54“. Wenn es in der Kirche zu einem Vorgang kommen kann, bei dem ein „Päpstlicher Rat für die Auslegung der Gesetzestexte“ derart offen die vom Papst eingemahnten „hermeneutischen Grundsätze“ und damit das geltende Recht missachten kann und dieses Ergebnis dann als „Norm“ in den AAS publiziert wird und diese Gesetzesumgehung hierauf in einer so wichtigen Instruktion wie Redemptiones Sacramentum als „Norm“ angeführt wird, dann ist klarer Weise das eingetreten, was der Papst gesagt hat, dass nämlich dann „das kanonische Gesetz selber aufgelöst wird und als solches zu existieren aufhört mit gefährlichen Folgen für das Leben der Kirche“. Zu dieser „Interpretation“ werden dann Schreiben der Kongregation zitiert, die nicht in den AAS, sondern nur in den Notitiae publiziert wurden und daher keinesfalls einen mit Instruktionen der Kongregation gleichrangigen normativen Gehalt haben. Sie konnten daher die von der Kongregation selbst herausgegebenen Instruktionen, die oben angeführt wurden, nicht aufheben. Eine manifest ungesetzliche „Interpretation“ wird dazu benützt, nicht nur diese Instruktionen, sondern die gesamte rechtliche Tradition der Kirche zu verdrängen, und das unter dem Schein des Rechtes. Gibt es denn niemand in der Päpstlichen Kurie, der erkennen kann, was dies alles bedeutet? Das Problem, dass Papst Johannes Paul II. diese Entscheidung des Päpstlichen Rates confirmavit et promulgari iussit, kann hier nicht näher erörtert werden. Wenn jedoch dem Papst von einem Rat, den er selbst zum Schutz des Rechtes der Kirche gegen willkürliche Interpretationen eingesetzt hat, eine falsche Interpretation vorgelegt wird, wird man wohl vom Papst nicht erwarten können, dass er dem Rat misstraut und die Richtigkeit der vorgelegten Interpretation erst überprüfen lässt. Die Verantwortung für diesen Vorgang liegt zweifellos beim Rat. Es gibt parallele Vorkommnisse von noch größerer Tragweite. Papst Paul VI. hat dem Consilium, dem die Ausarbeitung der neuen Liturgie anvertraut war, so sehr vertraut, dass er die „Allgemeine Einführung des Römischen Meßbuches“, wie das von Kardinal Benno Gut und dem Sekretär Ferdinand Antonelli unterzeichnete Dekret der Kongregation vom 6. April 1969 sagt, „approbierte“. Gleichwohl vermochte diese Approbation die in der Allgemeinen Einführung tatsächlich enthaltenen Fehler nicht zu beseitigen.
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Darauf wird noch bei dem nun folgenden Versuch aufzuzeigen, wie die entstandenen Probleme gelöst werden könnten, näher einzugehen sein. III. Zur Frage, wie die entstandenen Probleme gelöst werden könnten Wenn ein Vorgang, wie die so genannte „authentische Interpretation“, sich nach den von Papst Johannes Paul II. in der zitierten Ansprache festgelegten Kriterien in Wahrheit als „willkürlich, ja offenbar ungesetzlich und schwer schuldhaft“ 31 erweist, kann man zunächst fragen, was geschehen müsste, um den Vorgang auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Dazu gibt es wohl keinen anderen Weg, als can. 230 § 2 durch einen korrekten legislativen Akt dahingehend zu novellieren, dass entgegen dem bisherigen Sinn dieses Paragraphen und als Abkehr von der ganzen Rechtstradition der Kirche nunmehr Mädchen als Ministrantinnen zugelassen werden. Ich bin sicher, dass Papst Johannes Paul II., wenn er um einen solchen legislativen Akt ersucht worden wäre, einer solchen Zumutung nicht entsprochen hätte. 32 Gegenüber einer vorgelegten Interpretation beugte sich der Papst wohl der angenommenen Kompetenz des Rates, vielleicht ohne sich ein Jahr später dessen voll bewusst zu sein, dass er das bereits genehmigt hatte, was er möglicherweise nicht genehmigen wollte. 33 Das Problem der Ministrantinnen besteht ja nicht allein darin, dass gegen die gesamte Tradition der Kirche, die in den Instruktionen nach dem Konzil und der Liturgiereform klar beibehalten und im Sinne dieser Tradition im can. 230 §§ 1 und 2 geregelt wurde, Frauen nun am Altar dienen dürfen. Es ist ja von denen, die lautstark die Zulassung von Ministrantinnen forderten, ganz offen erklärt worden, dass die Einführung der Ministrantinnen als erster Schritt zur Durchsetzung des Frauenpriestertums angesehen wurde. Trotz aller klaren
31
Vgl. oben Anm. 28.
32
Dafür spricht auch ein für mich in der Richtigkeit nicht überprüfbarer, aber dennoch glaubwürdiger Bericht im ‚Ecclesia Dei Newsletter, Lent 1994‘ (Australien), S. 9, über ein Gespräch, das Mutter Teresa am 8. Dezember 1993 mit Papst Johannes Paul II. hatte. Auf die Frage von Mutter Teresa, „whether altar girls were soon to be approved“, habe der Papst geantwortet, „that he would never give his approval to such a proposal“‚ ‚Ecclesia Dei Newsletter‘ beruft sich dabei auf „a reliable source close to Mother Teresa“ und fügt hinzu: „Mother Teresa personally briefed the source about her conversations with the Pope“. Wenn der Papst ein Jahr nach der Genehmigung der ihm vorgelegten „authentischen Interpretation”, die allerdings dann wieder erst ein Jahr später in den AAS publiziert wurde, dies tatsächlich zu Mutter Teresa gesagt hat, würde das zweifellos zeigen, dass er persönlich nicht den Willen hatte, dies zu genehmigen. 33
Vgl. dazu Anm. 32.
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Erklärungen des Lehramtes geht der Druck in diese Richtung weiter. Mit dem Wachsen der Zahl von Ministrantinnen, die vielleicht Jahre, wenn nicht Jahrzehnte am Altar gedient haben, wird sich dieser Druck gewiss nicht verringern. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Papst Benedikt XVI. zu einem legislativen Akt bereit wäre, mit dem die „authentische Interpretation“ nachträglich saniert würde. Sollte sich eine gesetzliche Sanierung als nicht möglich erweisen, bleibt die Frage, was dann getan werden könnte und müsste, um diesen „ungesetzlichen“ Zustand zu beenden. Hier könnten viele Beispiele hilfreich sein. Ein Beispiel liefert eine Konstitution des Kaisers Konstantin vom 29. August 315, Cod. Theod. 1, 2, 2. Im antiken Reskriptprozess versuchten die Parteien, die von der „zunehmenden Unfähigkeit und Unzuverlässigkeit der regelmäßig zuständigen Justizorgane“ 34 sich in ihren Rechten bedroht fühlten, eine Entscheidung der Rechtsfrage durch den Kaiser zu erlangen. Die Reskripte des Kaisers wiederum galten als Gesetz. Sie wurden aber natürlich nicht vom Kaiser selbst verfasst, sondern von den Juristen in der zuständigen kaiserlichen Kanzlei. Auch hier konnte es passieren, dass auf irgendeine Weise Reskripte gegen das geltende Recht erlangt wurden. Dazu musste Kaiser Konstantin in der genannten Konstitution bestimmen: Contra ius rescribta non valeant, quocumque modo fuerint inpetrata. Und die Interpretatio dazu sagt: Quaecumque contra leges fuerint a principibus obtenta, non valeant. 35 Wenn nun der Kaiser eine solche Norm erlassen musste, die von seiner eigenen Kanzlei in seinem Namen erlangte rechtswidrige Reskripte für ungültig erklärt, kann man wohl fragen, ob nicht auch eine „authentische Interpretation“ des „Päpstlichen Rates“ im Falle der Rechtswidrigkeit für das erklärt werden müsste, was sie ist: nämlich unwirksam. Es kann sich dabei ja in Wahrheit nicht um eine „authentische Interpretation“ handeln, weil es gar nicht um eine Interpretation des wirklichen Gesetzestextes geht. Nur einer wirklichen Interpretation konnte mit der Publikation in den AAS Gesetzeskraft zukommen. Um einen das Gesetz ändernden Gesetzgebungsakt konnte es sich aber auch nicht handeln, weil für einen solchen der „Päpstliche Rat“ nicht zuständig ist. Der „Päpstliche Rat“ selbst geht mit der Formulierung iuxta instructiones a Sede Apostolica dandas offensichtlich davon aus, dass die Rechtslage, für die seine Interpretation gelten würde, erst zu schaffen ist. Wie die Rechtslage damals wirklich war und lege lata nach wie vor ist, haben zahlreiche unabhängige Fachleute übereinstimmend bestätigt. Ich kann selbst dazu sagen, dass außer den oben in meinem Schreiben an Erzbischof Fagiolo Genannten auch Prälat
34
Vgl. Max Kaser / Karl Hackl, Das römische Zivilprozeßrecht, München 21996, S. 633. 35
Cod. Theod. 1, 2, 2 mit der Interpretatio dazu.
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Prof. Dr. Winfried Aymans meiner Auffassung war. Aymans hat meinen Beitrag zu dieser Frage in das Archiv für Katholisches Kirchenrecht aufgenommen. 36 Nach objektiver Feststellung der Ungültigkeit des als „authentische Interpretation“ dargestellten Ergebnisses könnte eine Verlautbarung dieser Tatsache zweifellos sehr viel zur grundsätzlichen Stärkung der kirchlichen Ordnung beitragen. Es könnte vor allem auch obersten kirchlichen Organen klarmachen, dass auch sie an das Kirchenrecht und jene hermeneutischen Prinzipien gebunden sind, „bei deren Mißachtung das kanonische Gesetz selber aufgelöst wird und als solches zu existieren aufhört“. 37 Ein solcher Akt wäre ein in jeder Hinsicht heilsames Exempel, das auch den der Kirche ergebenen und treuen Bischöfen und Priestern neuen Mut geben könnte. Zum möglichen konkreten Vorgehen in der Sache möchte ich hier noch nichts sagen, sondern zunächst nur das Beispiel Konstantins als prinzipielle Möglichkeit erwähnen. Ein zweifellos aktuelleres und sicher auch wichtigeres Beispiel ist jedoch der Vorgang um die Publikation des 1969 gerade neu geschaffenen Römischen Messbuches. Wie bereits erwähnt, hat Papst Paul VI. dem Consilium, dem die Ausarbeitung der neuen Liturgie anvertraut war, so sehr vertraut, dass er die „Allgemeine Einführung des Römischen Meßbuches“, wie das von Kardinal Benno Gut und dem Sekretär Ferdinand Antonelli unterzeichnete Dekret der Kongregation vom 6. April 1969 sagt, „approbierte“. Die Kardinäle Ottaviani und Bacci haben daraufhin ein vom Fronleichnamsfest 1969 datiertes Breve Examen Criticum Papst Paul VI. zugeleitet. 38 In diesem Breve Examen wird die in der Allgemeinen Einführung Nr. 7 enthaltene Definition der Messe, die dort nicht mehr als „heilig“ bezeichnet wird, kritisch analysiert. 39 Die Definition lautet bekanntlich: „Cena dominica sive Missa est sacra synaxis seu congregatio populi Dei in unum convenientis, sacerdote præside, ad memoriale Domini celebrandum“.
„Sacra“ ist nach dieser Definition nur noch die „congregatio populi Dei“. Die Kardinäle zeigen dann, dass „haec omnia nec praesentiam realem implicant, nec veritatem sacrificii, nec sacramentalitatem sacerdotis consecrantis, nec valorem intrinsecum Sacrificii eucharistici, qui a praesentia coetus minime pendeat.“ Dann sagen sie: „Uno verbo, haec Cena nullum eorum ‚valorum dogmaticorum‘ Missae essentialium implicat, quae eius veram definitionem constituunt. Haec autem omissio, utpote vo-
36
Vgl. oben Anm. 13.
37
Vgl. den Text der Ansprache des Papstes oben Anm. 30.
38
Hrsg. von: Fondazione „Lumen Gentium“, via Esquilino, 38 – 00185 Roma.
39
Breve Examen S. 6 – 9.
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luntaria, aeque sonat ac valorum illorum ‚superatio‘ ideoque, saltem in praxi, eorundem negatio.“ 40
Als Papst Paul VI. diese Tatsachen erkennen musste 41 , hat er sofort eine grundlegende Korrektur angeordnet. Kardinal Stickler hat dazu als Zeuge dieser Vorgänge unter anderem festgestellt, dass die „Definition des Messopfers im ersten Druck des neuen Ordo Missae ... im letzten Augenblick durch das Schreiben der beiden Kardinäle Ottaviani und Bacci an den Papst verhindert werden“ konnte, „sie wurde eingestampft auf Befehl Pauls VI.“ 42 Man muss sich vorstellen, was das für den Papst bedeutet haben muss, dass sein Missale einen solchen Anfang erleben musste. Umso mehr ist der Mut zu bewundern, mit dem er die 1969 gerade erst gedruckte Ausgabe des neuen Messbuches einstampfen ließ, um die Wahrheit zu retten. Mit Dekret vom 26. März 1970, „Feria V in Cena Domini“, „veröffentlicht die Kongregation im Auftrag des Papstes diese neue Ausgabe des Römischen Meßbuches, das gemäß den Bestimmungen des Zweiten Vatikanischen Konzils erstellt wurde; sie erklärt die vorliegende Ausgabe für authentisch.“ 43 Ungeachtet dieser Feststellungen der Kongregation ist, wie ich von den leidvoll betroffenen Katholiken weiß, etwa in Norwegen nur die Fassung von 1969 eingeführt worden. Die Liturgiewissenschaft ist jedenfalls durch prominente Vertreter bei der Definition von 1969 geblieben. Der wohl maßgeblichste Experte der Deutschen Bischofskonferenz in Fragen der Liturgie, der auch Peritus des Consilium von 1964 – 1969 war, stellt die Dinge selbst klar. In einem Aufsatz über Tradition und Fortschritt in der Liturgie hat E. J. Lengeling 1975 zu den Dingen, die er als Fortschritt ansah, Folgendes gesagt: „Aus der Allgemeinen Einführung zum Messbuch von 1969 sei die schon in der Liturgiekonstitution (47) 44 und in der Eucharistie40
Breve Examen S. 7 f.
41
Nach Augenzeugenberichten ist er dabei in Tränen ausgebrochen.
42
Alfons Maria Kardinal Stickler, Erinnerungen und Erfahrungen eines Konzilsperitus der Liturgiekommission, in: F. Breid, Die heilige Liturgie, Referate der „Internationalen Theologischen Sommerakademie 1997“ des Linzer Priesterkreises in Aigen / M., Steyr 1997, S. 160 – 195, zitierte Aussage S. 172. 43
Dokumente zum Römischen Meßbuch, 2., veränderte Auflage, Trier 1974, S. 15; das lateinische Original S. 14. 44
Wenn E. Lengeling behauptet, bereits in Art. 47 der Liturgiekonstitution zeichne sich jene „ökumenisch tragfähige sakramentale Theologie der Meßfeier“ ab, die dann zur Definition der Messe in der „Allgemeinen Einführung“ geführt habe, so ist das ein besonders lehrreiches Beispiel für die Umdeutung des Konzils nach den Absichten der tonangebenden Reformer. Der Text selbst sagt klar etwas anderes: „Unser Erlöser hat beim letzten Abendmahl in der Nacht, da er überliefert wurde, das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes eingesetzt, um dadurch das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zu
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instruktion (1967) sich abzeichnende, ökumenisch tragfähige sakramentale Theologie der Meßfeier herausgehoben.“ 45 Die von Lengeling hier gemeinte Auffassung von der hl. Messe ist die oben angeführte Definition. Ein pikantes Detail, das die Methode der Verschleierung der wahren Absichten offenbart und die Lengeling als Kenner dieser Absichten dann aus dem Art. 47 herauslesen konnte, hat Andreas Jungmann SJ in seinem Kommentar in der Ausgabe des Lexikon für Theologie und Kirche zu Art. 47 preisgegeben. Er sagt: „Der Ausdruck sacrificium eucharisticum freilich wäre vielleicht nicht durchgedrungen, wenn nicht Salvatore Marsili erst nachträglich in seinem Kommentar zur Stelle darauf hingewiesen hätte, daß Melanchthon den Ausdruck gebraucht hat, um damit gerade den Gegensatz zu dem von ihm abgelehnten sacrificium propitiatorium zu betonen.“ 46
Hier zeigt sich beispielhaft, wie die Konzilsväter manipuliert und hinters Licht geführt wurden, um von ihnen weder gekannte noch gar beabsichtigte Konsequenzen zu ermöglichen. Nur weil Lengeling die Absicht kannte, die hinter der Formulierung stand, konnte er aus dem an sich klaren Text das herauslesen, was er für den Leser nicht bedeuten kann, der ihn im Zusammenhang der Lehre der Kirche liest. Auch Pius XII. hat in Mediator Dei 64 den Ausdruck „Eucharistisches Opfer“ gebraucht, aber in einem Zusammenhang, der eine Auslegung im Sinne Melanchthons völlig ausschließt. Gleichwohl wurde diese von Lengeling vertretene Auffassung von der Liturgiewissenschaft wohl fast ausnahmslos geteilt. So hat etwa Franz Nikolasch in Salzburg in ähnlichem Sinne gelehrt und so durch Jahrzehnte den gesamten Klerus ausgebildet. 47 Dies alles zeigt, dass auch direkte päpstliche Korrekturen einfach ignoriert wurden und werden. Immerhin zeigt dies auch, dass es grundsätzlich möglich war, überaus gravierende Fehler sogar eines der wichtigsten Dikasterien in einer so wichtigen Sache wie der Publikation der ersten Editio typica des neuen Römischen Mess-
seiner Wiederkunft fortdauern zu lassen und so der Kirche, seiner geliebten Braut, eine Gedächtnisfeier (der lateinische Text hat memoriale) seines Todes und seiner Auferstehung anzuvertrauen: das Sakrament huldvollen Erbarmens, das Zeichen der Einheit, das Band der Liebe, das Ostermahl, in dem Christus genossen, das Herz mit Gnade erfüllt und uns das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird.“ In Art. 49 ist dann ausdrücklich vom „Opfer der Messe“ (Sacrificium Missae) die Rede. 45
Liturgisches Jahrbuch 25, 1975, S. 218 f. Der Text ist in größerem Zusammenhang abgedruckt in UVK 8, 1978, S. 314. 46 47
Das Zweite Vatikanische Konzil I, Freiburg / Basel / Wien 1966, S. 51, Sp. 1.
Näher dazu in meinem Beitrag: Die Enzyklika Fides et ratio und die lex orandi, in: UVK 29, 1999, S. 337 f.
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buches Pauls VI. zu korrigieren. Dies erforderte freilich die unmittelbare Information des Papstes durch kompetente Kardinäle und dann ein direktes Eingreifen des Papstes. Die überaus schädlichen Folgen einer evidentermaßen falschen Interpretation für die Kirche, die Papst Johannes Paul II. in seiner zitierten Ansprache selbst ganz klar aufgezeigt hat und die im heute weitgehenden Verfall der kirchlichen Ordnung manifest geworden sind, könnten jetzt wohl auch nur durch ein direktes Eingreifen des Papstes behoben werden. Jeder Kanonist, der aufrichtig die Frage nach dem Inhalt des can. 230 § 2 CIC beantwortet, wird bestätigen können, dass die so genannte „authentische Interpretation“ nicht eine Interpretation des Inhalts dieser Bestimmung ist, sondern vielmehr eine Äußerung der „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen“ des Päpstlichen Rates war. Sie entspricht damit nicht den von Papst Johannes Paul II. in Erinnerung gerufenen hermeneutischen Grundsätzen, sondern folgt damit, bewusst oder unbewusst, der Interpretationstheorie der Reinen Rechtslehre. 48 Es ist gezeigt worden, dass daraus die völlige Auflösung jeder rechtlichen Ordnung folgt. Die objektive Unrichtigkeit der Aussage des Päpstlichen Rates muss, wenn sie offiziell unwidersprochen bleibt und sogar, wie in der Instruktion Redemptionis Sacramentum, als „Norm“ bestätigt wird, weiterhin der Kirche großen Schaden zufügen. Dazu kommen die sachlichen Folgen der Tatsache der Zulassung von Ministrantinnen. Papst Johannes Paul II. hat in seinem Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 2004 in der Nr. 5 unter anderem gesagt: „Priester, die von wahrer Liebe zur Eucharistie erfüllt sind, vermögen den Kindern und Jugendlichen das ‚Staunen über die Eucharistie‘ zu vermitteln“.
In der Nr. 6 wird dann Folgendes gesagt: „Gerade in diesem Licht sollt ihr, liebe Brüder im Priesteramt, der Sorge um die Ministranten neben anderen Initiativen den Vorzug geben. Diese stellen sozusagen ein ‚Gewächshaus‘ für Priesterberufungen dar. Wenn die Ministrantenschar in der Pfarrgemeinde von Euch gut geführt und begleitet wird, kann sie einen echten Weg christlichen Wachsens durchlaufen und gewissermaßen eine Art Vorseminar bilden. Erzieht die Pfarrgemeinde, die gleichsam die Familie der Familien ist, dazu, in den Ministranten ihre Kinder zu erblicken, die ‚wie junge Ölbäume rings um den Tisch‘ Christi, des Brotes des Lebens, versammelt sind (vgl. Ps 128,3).“ 49
Wenn man das liest möchte man, wenn man die Realität der Folgen der Einführung von Ministrantinnen kennt, vor Schmerz schreien. Denn ich kenne die 48
Dazu Anm. 27.
49
Abgedruckt in: Die Tagespost, Donnerstag, 8. April 2004, S. 6.
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Situationen in selbst an sich guten katholischen Landgemeinden, in denen ich es erlebt habe, dass nicht wenige Buben in der Kirche in den vordersten Bänken sitzen, am Altar aber nur Mädchen agieren. In großen Aufgeboten an Ministranten an hohen Feiertagen schwankt das Verhältnis von Buben und Mädchen. Häufig bilden aber die Mädchen die Mehrheit. Wenn man die Probleme der Seelsorger mit gemischten Ministrantengruppen kennt, ist klar, dass unter solchen Umständen die Bitte von Papst Johannes Paul II., ausgesprochen ein Jahr vor seinem Tode, praktisch unerfüllbar ist. Pfarrer haben mir geklagt, dass sie keine Ministrantenlager mehr durchführen können. Sie getrennt durchzuführen wäre nicht möglich, aber sie gemischt durchzuführen erst recht nicht. Die Schulsexualkunde hat dazu geführt, dass Ministranten mit Kondomen und Ministrantinnen mit der Pille ausgestattet ins Lager gehen. Einen „echten Weg christlichen Wachsens“ oder „ein ‚Gewächshaus‘ für Priesterberufungen“ können solche „Ministrantenscharen“ nicht mehr sein. Aber sie können die Forderungen nach Zulassung von Priesterinnen fördern. Angesichts der tatsächlichen Erfahrungen mit den Folgen der Zulassung von Ministrantinnen, die aus den Erfahrungen der Seelsorger zur Kenntnis genommen werden könnten, ist wohl das, was Papst Johannes Paul II. in diesem Schreiben den Priestern ans Herz legt, unerfüllbar. Die positiven Erfahrungen, die Seelsorger mit Ministrantinnen machen, dürften eher darin bestehen, dass der Umgang mit ihnen bequemer ist. Sie sind leichter zu haben, vielleicht auch zuverlässiger, jedenfalls nach meiner Erfahrung praktisch immer da, Buben dagegen nicht. Nach all den Jahren wird es auch sehr schwer sein, den einmal beschrittenen Weg wieder zu verlassen. Eine zunächst klärende Feststellung, dass die „authentische Interpretation“ ein Irrtum war, wäre die erste Voraussetzung für eine Umkehr in der Sache. IV. Abschließende Gedanken zu möglichen Schritten zur Lösung des Problems Welche konkreten Schritte unternommen werden könnten, um die entstandenen Probleme zu lösen, wage ich nicht einfach zu sagen. Es steht mir auch nicht zu, Ratschläge zu erteilen. Dennoch möchte ich auch nicht die Gedanken verschweigen, die mir zu einer möglichen Lösung gekommen sind. Es ist ein vielleicht wichtiges Faktum, dass der jetzige Präsident des Päpstlichen Rates, Kardinal Julián Herranz Casado, von Papst Benedikt XVI. in diesem Amt bestätigt, die zitierten Entscheidungen vom 4. Oktober 1985 50 und vom 30. Juni 1992 51 als Sekretär mitunterzeichnet hat. Daher weiß der Präsi-
50
Oben Anm. 14.
51
Oben Anm. 12.
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dent, dass zwei sich widersprechende Entscheidungen in der gleichen Sache von dem jeweils für die Interpretation von Gesetzen zuständigen Organ, zunächst von der Kommission, dann vom Rat vorliegen. Ein Grund für diesen Widerspruch könnte darin liegen, dass 1985 die hermeneutischen Grundsätze für die richtige Interpretation von Gesetzen den Mitgliedern der Kommission noch voll vertraut waren, 1992 jedoch nicht mehr den Mitgliedern des Rates. Die wichtige Ansprache des Papstes an die Rota war 1992 noch nicht gehalten. Hätte der Rat damals die hermeneutischen Grundsätze vor Augen gehabt, die der Papst 1993 in Erinnerung gerufen hat, wäre wohl die getroffene Entscheidung nicht so ohne Weiteres möglich gewesen. Nun wäre es vielleicht möglich, dass der gegenwärtige Präsident des Päpstlichen Rates, der das Zustandekommen beider Entscheidungen kennt, durch einen Hinweis des gegenwärtigen Hl. Vaters veranlasst werden könnte, die Entscheidung von 1992 an Hand der von Papst Johannes Paul II. 1993 eingemahnten hermeneutischen Grundsätze vom Rat neu überprüfen zu lassen. Wenn schon zwei sich widersprechende Entscheidungen vorliegen, von denen nicht beide richtig sein können, dann erschiene es unproblematisch zu prüfen, welche der beiden richtig ist. Bei Anwendung der von Papst Johannes Paul II. in Erinnerung gerufenen hermeneutischen Grundsätze wird sich zweifellos ergeben, dass nur die 1985 getroffene Entscheidung dem Wortlaut und Sinn des can. 230 § 2 entspricht und daher nur diese richtig sein kann. Wenn der Päpstliche Rat dies selbst feststellen könnte, wäre das wohl die einfachste und beste Lösung. Die administrativen Auswirkungen dieser Feststellung brauchte dann die Kongregation für den Gottesdienst nur durchzuführen. Die Kongregation wird dann zweifellos einen angemessenen Weg für die Rückkehr zum geltenden Kirchenrecht finden. Auf alle Fälle ist klar, dass das, was Papst Johannes Paul II. in dem zitierten Brief gleichsam als ein Vermächtnis an die Kirche gesagt hat, nur unter der Voraussetzung wieder möglich werden kann, dass die wirkliche Rechtslage wieder zur Geltung kommt. Nur auf der Grundlage des geltenden Kirchenrechts kann es jene „Ministrantenschar“ geben, die auch „sozusagen ein ‚Gewächshaus‘ für Priesterberufungen“ sein kann. Der verehrte Jubilar, dem diese Festschrift gewidmet ist, hat sich sein ganzes Leben lang mit allen Kräften für die Aufrechterhaltung der wahren Ordnung der Kirche eingesetzt, die allein dem wahren „Heil der Seelen“ dienen kann. Wie Papst Johannes Paul II. über die Missachtung der für die Auslegung geltenden „hermeneutischen Grundsätze“ sagte, hat sie gefährliche „Folgen für das Leben der Kirche und das Heil der Seelen.“ 52 Wie der Codex im letzten Canon (can. 1752) sagt, sind kirchliche Vorschriften „anzuwenden, unter Wahrung der kanonischen Billigkeit und das Heil der Seelen vor Augen, das in der Kirche 52
Vgl. Anm. 30.
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immer das oberste Gesetz sein muß“. Auch wenn die konkrete Aussage auf eine bestimmte kirchenrechtliche Regelung bezogen ist (can. 1747), so muss „das Heil der Seelen“ zweifellos ganz allgemein „in der Kirche das oberste Gesetz sein“. Um die wahre Beachtung dieses „obersten Gesetzes“ hat sich der verehrte Jubilar ganz besonders bemüht. Ich widme ihm diesen kleinen Beitrag in tief dankbarer Verbundenheit.
Potestas regiminis Kanonistische Erwägungen zur Struktur der kirchlichen Leitungsvollmacht Von Andreas Weiß Georg May beschrieb das Miteinander von Pfarrer und Pfarrgemeinderat in der Leitung der Pfarrgemeinde mit der ihm eigenen Deutlichkeit wie folgt: Der Pfarrer steht „im Mittelpunkt der Gemeinde als der, bei dem die Fäden zusammenlaufen; er weidet die ihm anvertraute Herde. Der Hirtendienst kann nur von ihm, nicht von Laien ausgesagt werden. Vor allem aber gerät eine Aufteilung der Gemeindeleitung zwischen Pfarrer und (den Laien im) Pfarrgemeinderat in unaufhebbaren Widerspruch zu der katholischen Lehre vom Priestertum und Pfarramt, wie sie das Zweite Vatikanische Konzil in glücklicher Weise neuformuliert hat. … Das Lenken und Weiden, d. h. die Führungsaufgabe, steht ihm zu (AG Art. 28; PO Art. 13; CD Art. 28, 30), dem die Gläubigen anvertraut sind (CD Art. 30; PO Art. 15). Die Laien dürfen und sollen an den amtlichen Sorgen der Priester Anteil nehmen, und ihnen durch Gebet und Mitarbeit Hilfe leisten (PO Art. 9, 6). Aber von Mitbestimmung in der Leitung der Pfarrei ist in keinem Text des Konzils die Rede. Der Priester hat die Laien zu hören und ihre Wünsche zu erwägen, ihnen Aufgaben zu übertragen und Handlungsfreiheit zu lassen (LG Art. 37, 1; PO Art. 9). Aber nirgendwo spricht das Konzil davon, dass die Leitung der Gemeinde zwischen dem Priester und einem Ratsgremium aufzuteilen sei oder auch nur aufgeteilt werden dürfe.“ 1
Und ein paar Zeilen weiter steht: Das Konzil nenne als Weisen, in denen die Verantwortung der Laien auszuüben sei, „die Erteilung von Rat, die Übernah-
1
Georg May, Das Verhältnis von Pfarrgemeinderat und Pfarrer nach gemeinem Recht und nach Mainzer Diözesanrecht, in: Diaconia et Ius. FG für Heinrich Flatten zum 65. Geburtstag, dargebracht von seinen Freunden und Schülern. Hrsg. von Heribert Heinemann / Horst Herrmann / Paul Mikat, München / Paderborn / Wien 1973, 205 – 225; erneut abgedr. in: Georg May, Schriften zum Kirchenrecht. Ausgewählte Aufsätze. Hrsg. von Anna Egler / Wilhelm Rees (Kanonistische Studien und Texte, Bd. 47), Berlin 2003, 301 – 320, Zitat 314.
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me von Aufgaben, die die Hirten ihnen übertragen, und die Entfaltung von Initiativen (LG Art. 37, 3).“ 2 Dem Jubilar zu Ehren seien folgend Überlegungen 3 zur Struktur der potestas regiminis angestellt, womit eine wissenschaftlich heftig umstrittene Frage 4 angeschnitten wird, die freilich für die Sendung der Kirche entscheidend ist und zugleich eines der bedrängendsten Verfassungsprobleme im kanonischen Recht 5 darstellt.
2
Ebd., 315.
3
Wichtige Anregungen dazu erhielt ich durch das autorisierte Vorlesungsskript „Grundfragen des Kirchenrechts und der Kirchenverfassung“ von Prof. Dr. Klaus Lüdicke, wofür ich ihm herzlich danke. 4
Helmuth Pree, Das kirchenrechtliche Profil des hierarchischen Amtes, in: Mehr als nur Nichtkleriker: Die Laien in der katholischen Kirche. Hrsg. von Sabine Demel, Regensburg 2001, 74. 5
Die Frage der Leitung wird in verschiedenen theologischen Disziplinen gestellt, im Fach Dogmatik z. B. in der Freiburger Dissertation von Andreas Rudiger, Die Leitungsund Machtfrage in der katholischen Kirche, Buttenwiesen 2002. An kanonistischen Veröffentlichungen sind allein in deutscher Sprache (in Auswahl und chronologischer Reihenfolge) zu nennen: Johannes Neumann, Die Kirche und die kirchliche Gewalt bei den deutschen Kirchenrechtlern vom Ende der Aufklärung bis zum Ersten Vatikanischen Konzil, München 1966; Peter Krämer, Dienst und Vollmacht in der Kirche. Eine rechtstheologische Untersuchung zur Sacra Potestas-Lehre des II. Vatikanischen Konzils, Trier 1973; Winfried Aymans, Laien als kirchliche Richter?, in: AfkKR 144 (1975), 3 – 20; Adam Zirkel, „Executio Potestatis“. Zur Lehre Gratians von der geistlichen Vollmacht, St. Ottilien 1975; Winfried Aymans, Apostolische Autorität im Volke Gottes. Über Grund und Grenzen geistlicher Vollmacht, in: TThZ 86 (1977), 279 – 295; ders., Mitsprache in der Kirche, Köln 1977; Klaus Lüdicke, Laien als kirchliche Richter. Über den Inhalt des kirchlichen Richteramtes, in: ÖAKR 28 (1977), 332 – 352; Rudolf Weigand, Zur Lehre von der geistlichen Gewalt im 12. Jahrhundert, in: ZRGkan 63 (1977), 318 – 327; Winfried Aymans, Die in besonderen Dienst genommenen Kirchenglieder, in: GrNKirchR (1980), 126 – 134; Eugenio Corecco, Die „sacra potestas“ und die Laien, in: FZPhTh 27 (1980), 120 – 154; Peter Gradauer, Die Ausübung der Leitungsvollmacht, in: GrNKirchR (1980), 172 – 179; Peter Krämer, Die geistliche Vollmacht, in: ebd., 166 – 172; Winfried Aymans, Die Träger kirchlicher Dienste, in: HdbKathKR (1983), 190 – 198; Peter Krämer, Die geistliche Vollmacht, in: ebd., 124 – 131; Helmuth Pree, Die Ausübung der Leitungsvollmacht, in: ebd., 131 – 141; Alfons M. Stickler, Die kirchliche Regierungsgewalt in der klassischen Kanonistik. Einheit der Träger und Unterscheidung der Funktionen, in: ZRGkan 69 (1983), 267 – 291; Eugenio Corecco, Natur und Struktur der „sacra potestas“ in der kanonistischen Doktrin und im neuen CIC, in: AfkKR 153 (1984), 354 – 383; Hubert Müller, Zur Frage nach der kirchlichen Vollmacht im CIC/1983, in: ÖAKR 35 (1985), 83 – 106; Jean B. Beyer, Die Vollmacht in der Kirche, in: Recht im Dienste des Menschen. Eine FG. Hugo Schwendenwein zum
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60. Geburtstag. Hrsg. von Klaus Lüdicke / Hans Paarhammer / Dieter A. Binder, Graz / Wien / Köln 1986, 287 – 298; Piero A. Bonnet, Die von kirchlichen Vollmachten Ausgeschlossenen, in: Conc 24 (1988), 242 – 246; Rik Torfs, Auctoritas – potestas – iurisdictio – facultas – officium – munus. Eine Begriffsanalyse, in: ebd., 209 – 215; Eugenio Corecco, Die richterliche Anwendung der „Sacra Potestas“, in: ÖAKR 39 (1990), 277 – 294; Ernst Pucher, Una Sacra Potestas in Ecclesia. Zum potestas-Begriff der Kirche, in: Pax et Iustitia. FS für Alfred Kostelecky zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Hans W. Kaluza / Hans R. Klecatsky / Heribert F. Köck / Hans Paarhammer, Berlin 1990, 267 – 283; Hubert Müller, Leitung der Pfarrgemeinden bei Priestermangel – Beteiligung von Nichtpriestern an pfarrlichen Leitungsaufgaben. Kirchenrechtliche Aspekte, in: Der Priesterrat im Erzbistum Köln. Personal- und Pastoralplanung. Bericht über die Tagung vom 26. – 28. November 1991 in Bad Honnef. Hrsg. vom Erzbischöflichen Generalvikariat Köln, Köln o. J., 25 – 39; Peter Schappert, Solidarische Pfarrseelsorge. Möglichkeit und Bewertung in der neuklassischen Kanonistik (DiKa 7), St. Ottilien 1991; Heribert Schmitz, „Gemeindeleitung“ durch „Nichtpfarrer-Priester“ oder „NichtpriesterPfarrer“. Kanonistische Skizze zu dem neuen Modell pfarrlicher Gemeindeleitung des c. 517 § 2 CIC, in: AfkKR 161 (1992), 329 – 361; Michael Böhnke, Pastoral in Gemeinden ohne Pfarrer. Interpretation von c. 517 § 2 CIC/1983 (BzMK 12), Essen 1994; Heribert Heinemann, Sonderformen der Pfarrgemeindeorganisation gemäß c. 517. Eine kritische Anfrage, in: AfkKR 163 (1994), 337 – 350; Peter Krämer, Sacra potestas im Zusammenspiel von sakramentaler Weihe und kanonischer Sendung, in: Iuri Canonico Promovendo. FS für Heribert Schmitz zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Winfried Aymans / Karl-Theodor Geringer unter Mitwirkung von Peter Krämer / Ilona Riedel-Spangenberger, Regensburg 1994, 22 – 33; Severin Lederhilger, Kooperative Seelsorge und die Frage nach dem Amt, in: ThPQ 142 (1994), 123 – 137; Adrian Loretan, Laien im pastoralen Dienst. Ein Amt in der kirchlichen Gesetzgebung: Pastoralassistent/-assistentin, Pastoralreferent/-referentin, Fribourg 1994; Michael Böhnke, Die Zukunft der „priesterlosen“ Gemeinde. Kirchenrechtliche Aspekte, in: ThG 38 (1995), 162 – 178; Thomas A. Amann, Laien als Träger von Leitungsvollmacht? Eine Untersuchung aufgrund des Codex Iuris Canonici, St. Ottilien 1996; Arturo Cattaneo, Die Institutionalisierung pastoraler Dienste der Laien. Kritische Bemerkungen zu gegenwärtigen Entwicklungen, in: AfkKR 165 (1996), 56 – 79; Sabine Demel, „Priesterlose“ Gemeindeleitung? Zur Interpretation von c. 517 § 2 CIC/1983, in: MThZ 47 (1996), 65 – 76; Stephan Haering, Die Ausübung pfarrlicher Hirtensorge durch Diakone und Laien. Gesamtkirchliches Recht und partikularrechtliche Ausgestaltung, in: AfkKR 165 (1996), 353 – 372; Peter Krämer, Pastorale Dienste und Ämter. Die Untrennbarkeit der sakramentalen und rechtlichen Dimension, in: IkaZ 25 (1996), 514 – 522; Beatrix Laukemper-Isermann, Zur Mitarbeit von Laien in der bischöflichen Verwaltung. Rechtliche Möglichkeiten der Anwendung des can. 129 § 2 CIC, Essen 1996; Wilhelm Rees, Die Mitwirkung von Laien in der Gemeindeleitung. Kritische Überlegungen zu einem kirchenrechtlichen Modell, in: FKTh 12 (1996), 1 – 15; ders., Die Pfarrei als Ort der Seelsorge und die Möglichkeit der Teilhabe von Laien an der Gemeindeleitung. Rechtliche Grundlagen einer zukunftsorientierten Pastoral, in: Deus Caritas. Jakob Mayr. FG 25 Jahre Weihbischof von Salzburg. Hrsg. von Hans Paarhammer, Thaur b. Innsbruck 1996, 393 – 406;
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Thomas Schüller, Seelsorge in Gemeinden ohne Pfarrer. Neue Wege in der Seelsorge im Bistum Limburg angesichts wachsenden Priestermangels (Limburger Texte, Bd. 21), Limburg 1996; Gerhard Fahrnberger, Priesterliche Leitung und Mitträgerschaft von Personen ohne Priesterweihe in der Pfarrseelsorge bei Priestermangel, in: Iustitia in Caritate. FG für Ernst Rößler zum 25jährigen Dienstjubiläum als Offizial der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Hrsg. von Richard Puza / Andreas Weiß (AIC 3), Frankfurt am Main 1997, 541 – 569; Thomas Schüller, Hirtensorge in Pfarreien ohne Pfarrer. Der c. 517 § 2 CIC/1983 – eine kirchenrechtliche Norm für neue Formen der Gemeindeleitung?, in: Kirchliches Recht als Freiheitsordnung. GS für Hubert Müller (FzK 27), Würzburg 1997, 169 – 195; Heribert Hallermann, Strukturen kooperativer Seelsorge im Codex Iuris Canonici, in: KuR (1998), 33 – 42 = 935, 1 – 10; Heribert Schmitz, Pfarrliche Seelsorge durch Priester-Solidargemeinschaft. Pfarrliche Seelsorge gemäß c. 517 § 1 CIC 1983, in: MThZ 49 (1998), 357 – 371; Winfried Aymans, Die Träger kirchlicher Dienste, in: HdbKathKR2, 242 – 252; Michael Böhnke, Formen der kooperativen Pastoral in verschiedenen teilkirchlichen Regionen, in: Universales und partikulares Recht in der Kirche. Konkurrierende oder integrierende Faktoren? Hrsg. von Peter Krämer / Sabine Demel / Libero Gerosa / Ludger Müller, Paderborn 1999, 181 – 198; Heribert Hallermann, Kirchliche Ämter ohne sakramentale Grundlage? Die Ämter der Pastoral- und Gemeindereferentinnen/-referenten in der kirchlichen Rechtsordnung, in: TThZ 108 (1999), 200 – 219; ders., Die Verantwortung gemeinsam tragen. Erfahrungen mit der kooperativen Pastoral im Bistum Mainz im Hinblick auf c. 517 § 2 CIC (Mainzer Perspektiven. Berichte und Texte aus dem Bistum, Bd. 13), Mainz 1999; Peter Krämer, Die geistliche Vollmacht, in: HdbKathKR2, 149 – 155; Severin Lederhilger, Die kirchenrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten von kooperativer Seelsorge in pastoralen Notsituationen, in: Gnade und Recht. Beiträge aus Ethik, Moraltheologie und Kirchenrecht. FS für Gerhard Holotik zur Vollendung des 60. Lebensjahres. Hrsg. von Stephan Haering / Josef Kandler / Raimund Sagmeister, Frankfurt am Main 1999, 405 – 437; Helmuth Pree, Die Ausübung der Leitungsvollmacht, in: HdbKathKR2, 156 – 175; Peter Stockmann, Außerordentliche Gemeindeleitung. Historischer Befund – Dogmatische Grundlegung – Kirchenrechtliche Analyse – Offene Positionen (AIC 10), Frankfurt am Main 1999; Hartmut Zapp, Kirchenrechtliche Beiträge zur „Gemeindeleitung“ bei Priestermangel nach c. 517 § 2 CIC, in: Seelsorgeeinheiten und kooperative Pastoral. Fragen und Impulse. Hrsg. von Hubert Windisch (Freiburger Texte, Bd. 38), Freiburg 1999, 45 – 60; René Löffler, Gemeindeleitung durch ein Priesterteam. Interpretation des can. 517 § 1 CIC/1983 unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Rechtslage (BzMK 31), Essen 2001; Thomas A. Amann, Der Anteil der Gläubigen an der geistlichen Vollmacht. Zur Unterscheidung der Geister und Begriffe, in: Im Dienste der Gemeinde. Wirklichkeit und Zukunftsgestalt der kirchlichen Ämter (Kirchenrechtliche Bibliothek, Bd. 5). Hrsg. von Sabine Demel / Libero Gerosa / Peter Krämer / Ludger Müller, Münster 2002, 273 – 276; Michael Böhnke, Eine Pfarrei ohne Pfarrer ist denkbar, eine Pfarrei ohne Priester nicht. Ein Literatur-, Forschungs- und Praxisbericht zu c. 517 § 2 CIC, in: Aktuelle Beiträge zum Kirchenrecht. FG für Heinrich J.F. Reinhardt zum 60. Geburtstag (AIC 24). Hrsg. von Rüdiger Althaus / Rosel Oehmen-Vieregge / Jürgen Olschewski, Frankfurt am Main 2002, 55 – 74; Konrad Hartelt, Von der Pfarrei zur Seelsorgeein-
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I. Verantwortbare Lösungen contra Pragmatismus Ohne Zweifel ist die Frage nach der Leitungsvollmacht in der Kirche von großer Aktualität. Man muss sich nur die geltenden Pastoralkonzeptionen der Diözesen im deutschen Sprachraum und die darin enthaltenen neuen Modelle zur sog. Gemeindeleitung anschauen. Wie unterschiedlich wird dort das Spannungsverhältnis zwischen der gemeinsamen Berufung aller Getauften zur aktiven Teilhabe am dreifachen Amt Christi 6 und der spezifischen Teilhabe der Kleriker daran interpretiert, wie unterschiedlich das Miteinander in der Leitungsfrage gestaltet. Man kommt sich wie in einem Irrgarten vor und steht vor der Frage, ob es sich bei can. 517 CIC selbst sowie bei den aus ihm folgenden „Organisationsformen um theologisch und kanonistisch verantwortbare oder verkürzt pragmatische Lösungen handelt.“ 7 Kein geringerer als Klaus Mörsdorf sprach bereits 1968 im Hinblick auf die theologische und kanonistische Verhältnisbestimmung der grundlegenden Bezugspunkte des Weiheamtes zueinander von „einer äußerst schwierigen ... Frage“ 8 , ein Urteil, das aufgrund der verwirrenden Begrifflichkeit und der verschlungenen geschichtlichen Entwicklungen, der unterschiedlichen Interpretationen der einschlägigen Texte des
heit? Rahmenbedingungen und Zukunftsperspektiven aus kirchenrechtlicher Sicht, in: Im Dienste der Gemeinde. Wirklichkeit und Zukunftsgestalt der kirchlichen Ämter (Kirchenrechtliche Bibliothek, Bd. 5). Hrsg. von Sabine Demel / Libero Gerosa / Peter Krämer / Ludger Müller, Münster 2002, 243 – 248; Beatrix Laukemper-Isermann, Der Anteil der Gläubigen an der geistlichen Vollmacht, in: ebd., 261 – 272; Adrian Loretan, Mit- oder Gegeneinander? Priester, Diakone und Laien im pastoralen Dienst aus kirchenrechtlicher Sicht, in: ebd., 67 – 92; Christoph Ohly, Kooperative Seelsorge. Eine kanonistische Studie zu den Veränderungen teilkirchlicher Seelsorgestrukturen in den Diözesen der Kölner Kirchenprovinz (DiKa 17), St. Ottilien 2002; Stefan Korta, Cura pastoralis im Codex Iuris Canonici, in: Flexibilitas Iuris Canonici. FS für Richard Puza zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Andreas Weiß / Stefan Ihli (AIC 28), Frankfurt am Main 2003, 203 – 221; Michael Böhnke, Geistgewirkte Vollmacht. Eine systematische Skizze zum Verhältnis von Weiheamt und Gemeindeleitung, in: Kirchenrecht aktuell. Anfragen von heute an eine Disziplin von „gestern“ (BzMK 40). Hrsg. von Reinhild Ahlers / Beatrix Laukemper-Isermann, Essen 2004, 45 – 54; Thomas Schüller, Pfarrei und Leitung der Pfarrei in der Krise – eine kritische Bilanz der kanonistischen Diskussion zur sog. „Gemeindeleitung“ auf dem Hintergrund kooperativer Seelsorgeformen in den deutschsprachigen Diözesen, in: ebd., 153 – 170. 6
LG 10 und 31; KKK 1141 und 1273; cann. 204 § 1 CIC, 7 § 1 CCEO.
7
Böhnke, Eine Pfarrei ohne Pfarrer ist denkbar (Anm. 5), 55 f.
8 Klaus Mörsdorf, De sacra potestate, Rom 1968, 4 (Nachdruck aus: Apoll 40 [1967], 41 – 58).
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Zweiten Vatikanischen Konzils sowie der geltenden Gesetzestexte und vielfältiger Positionen in systematischer Hinsicht sich bewahrheiten sollte. Vorab sei auf eine Beobachtung aufmerksam gemacht: Im CIC von 1983 ist die rechtssystematische Platzierung der Aussagen zur potestas regiminis ziemlich misslungen. Im geltenden Gesetzbuch der katholischen Kirche des Westens ist nämlich die Leitungsfunktion, die gleichrangig neben dem Verkündigungs- 9 und Heiligungsdienst 10 steht, durch die Einordnung unter die Allgemeine Normen im Buch I des CIC (cann. 129 – 144 CIC) gleichsam vor die Klammer geraten. Sie wirkt wie ein durchlaufender Aspekt allen amtlichen Handelns in der Kirche, also auch des Tuns im Verkündigungs- und Heiligungsbereich. Das hat erhebliche Folgen: Die Aussage des can. 129 CIC nämlich, dass Geweihte mögliche Träger von potestas regiminis sind und Laien an ihrer Ausübung mitwirken können, wird von nicht wenigen Stimmen in der katholischen Westkirche nicht nur auf die Leitungsvollmacht als einen Teilbereich kirchlicher Aufgaben beschränkt verstanden, sondern auf die übergeordnete Ebene der gesamten potestas ecclesiastica bezogen. Dann stehen in Konsequenz davon alle Tätigkeiten kirchlicher Mitarbeiter, also nicht nur Leitungsaufgaben, unter der Frage, wie sie sich zu der in can. 129 CIC zum Ausdruck kommenden Konzeption verhalten. Im CCEO ist das Problem anders gelöst: Hier leitet die Parallelnorm can. 979 zwar wie im CIC einen eigenständigen Titel (XXI) „De potestate regiminis“ ein, allerdings auf der obersten Gliederungsebene und rechtstechnisch gleichrangig zum munus docendi und munus sanctificandi. 11 Schon die Systematik des CCEO kann somit vor schiefen Schlussfolgerungen in der Frage der kirchlichen Leitungsvollmacht bewahren. Im Folgenden sollen sich bei der Komplexität des Problems die Überlegungen auf zwei Fragenkreise beschränken: 1. Handelt es sich bei der Unterscheidung zwischen potestas ordinis und potestas regiminis um zwei materiell verschiedene, wenn auch aufeinander bezo-
9
Im munus propheticum, der Verkündigung der Botschaft vom Reich Gottes, trägt die Kirche nach dem Tod Jesu sein Evangelium zu den Menschen weiter. Sofern die Verkündigung in Autorität geschieht, also nicht nur als persönliches Zeugnis erfolgt, unterliegt sie rechtlicher Regelung, die sich im Buch III des CIC bzw. in Titel XV des CCEO findet. 10
Das munus sacerdotale versteht sich als Fortführung des heilwirkenden Handelns Jesu am Menschen und hat Gottesverehrung und Heiligung des Menschen zugleich zum Gegenstand. Die rechtlichen Fragen dieser Grundfunktion der Kirche werden im Buch IV des CIC bzw. im Titel XVI des CCEO sowie in den liturgischen Büchern geregelt. 11 Freilich sind auch im CCEO die Aussagen zur Leitungsvollmacht deutlich von denen zum Verkündigungs- und Gottesdienst der Kirche (Titel XV und XVI) abgesetzt.
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gene Vollmachten? Oder um zwei nur formal im Übertragungsmodus verschiedene Wirkursachen der einen potestas ecclesiastica? Wie sind die beiden Pole in der Begründung und Bestimmung des Weiheamtes einander zugeordnet? 2. Können Laien potestas regiminis erlangen? II. Unterscheidung potestas ordinis – potestas regiminis Seit Gratian versuchen Theologie und Kanonistik, mit den Begriffspaaren potestas ordinis – potestas iurisdictionis 12 bzw. potestas – executio potestatis das christologisch-pneumatische und das ekklesiale Element in der potestas ecclesiastica voneinander abzugrenzen. Wie ist die Verhältnisbestimmung dieser beiden Größen zueinander zu sehen? Klar ist, dass nur jemand potestas ordinis haben kann, der die entsprechende Weihe empfangen hat. Ist es aber ebenso klar, dass die Weihe stets Voraussetzung zum Erhalt von potestas regiminis sein muss? Was sagt der CIC/1917 dazu? Das Gesetzbuch von 1917 suchte der totalen Trennung der beiden Vollmachten dadurch zu begegnen, dass es die Übertragung von Kirchenämtern nur an Kleriker für möglich erklärte. Nur sie können nach can. 118 CIC/1917 13 Weihevollmacht oder kirchliche Jurisdiktionsvollmacht erlangen. Allerdings subsumierte das damalige Recht unter den Klerikerbegriff auch Personen ohne sakramentale Weihe, die sog. niederen Kleriker. Die Grenze des Klerikerstandes war (noch) nicht sakramententheologisch festgelegt, machte doch die Tonsur den Kleriker. 14 In Konsequenz davon wurde can. 118 CIC/1917 dahingehend interpretiert, dass er Laien nicht absolut von der Übernahme von Leitungsvollmacht ausschloss. Eine zwingende sachliche Bezie-
12 So wurde die potestas regiminis vor dem 2. Vatikanum bezeichnet. Die terminologische Änderung soll keine in der Sache zum Ausdruck bringen, wie die Konsultorenkommission in der CIC-Redaktion betont hat (Comm 14 [1982], 146) und wie can. 129 § 1 CIC expressis verbis unterstreicht („Zur Übernahme von Leitungsgewalt, ... die auch Jurisdiktionsgewalt genannt wird ...“); vgl. Winfried Aymans, in: Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici. Begründet von Eduard Eichmann, fortgeführt von Klaus Mörsdorf, neu bearbeitet von Winfried Aymans, Bd. 1, Paderborn / München / Wien / Zürich 1991, 395. 13
„Soli clerici possunt potestatem sive ordinis sive iurisdictionis ecclesiasticae ... obtinere.“ 14 Can. 108 § 1 CIC/1917: „Qui divinis ministeriis per primam saltem tonsuram mancipati sunt, clerici dicuntur.“
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hung zwischen potestas ordinis und potestas iurisdictionis ist im ersten gesamtkirchlichen Gesetzbuch der katholischen Kirche jedenfalls nicht zu erkennen. Das II. Vatikanum hat sich – aus seiner grundsätzlich pastoralen Ausrichtung heraus – nicht der Erörterung kanonistischer Fachfragen angenommen, obwohl die Klärung des Verhältnisses von potestas ordinis und potestas iurisdictionis in der Vorbereitungsphase ausdrücklich gewünscht worden war. 15 Bewusst vermied das Konzil den Begriff iurisdictio 16 und gebrauchte als Synonym dafür potestas oder facultas. Explizit an drei Stellen sprach es von der einen sacra potestas, dem neuen Schlüsselbegriff der kirchlichen Vollmachtslehre. In ihm ist der Wendepunkt markiert, der in der Rückkehr zur ursprünglichen altkirchlichen Einheit der ekklesialen Vollmacht liegt. Was durch die Weihe unverlierbar übertragen wird, bezeichnet das letzte Konzil als spezifische Teilhabe am apostolischen Amt Christi, das in seiner Ganzheitlichkeit im tria-munera-Schema umschrieben wird. In der Weihe erlangt der Betreffende im Vergleich zum Laien eine ontologische und qualitativ andere Teilhabe 17 daran, aber außer der potestas ordinis 18 keine weiteren Vollmachten, insbesondere noch keinerlei Handlungsauftrag. In der Erläuternden Vorbemerkung zur Kirchenkonstitution wird als Grund für die geänderte Sprechweise angegeben: „Mit Bedacht ist der Ausdruck Ämter (munera) verwendet und nicht Vollmachten (potestates), weil das letztgenannte Wort als freigegebene Handlungsvollmacht verstanden werden könnte. Damit aber eine solche zum Handeln freie Vollmacht vorhanden ist, muss noch die kanonische, d. h. rechtliche Bestimmung (determinatio) durch die hierarchische Autorität hinzukommen.“ 19 Nach wie vor trennt also das Konzil formell zwischen dem christologischen Element in der Weihe und dem ekklesiologischen 20 in der kanonischen Sendung. Sacra potestas entspringt weder allein aus der sakramentalen Weihe, noch allein aus dem kanonischen Auftrag, sie wächst vielmehr aus diesen beiden Elementen zu einer Wirklichkeit zusammen. Die Weihe vermittelt eine spezifische Partizipa-
15
Krämer, Dienst und Vollmacht (Anm. 5), 23 f.
16
Es gebrauchte ihn insgesamt nur an neun Stellen.
17
So auch Rudiger, Leitungs- und Machtfrage (Anm. 5), 53 und 309 f.
18
Die aus der Weihe entspringende potestas ordinis umfasst beim Priester die Befähigung zur Feier der Eucharistie und beim Bischof darüber hinaus die zur Spendung des Weihesakramentes, sie ist unverlierbar und kann dem Geweihten nicht mehr entzogen, sondern nur eingeschränkt werden. 19 20
Nota explicativa praevia (NEP), Nr. 2.
NEP 2 erachtet die kanonische Sendung aus der Natur der Sache heraus für unumgänglich, „weil es sich um Ämter handelt, die von mehreren nach Christi Willen hierarchisch zusammenwirkenden Trägern ausgeübt werden müssen“.
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tion an den drei munera Christi, die determinatio canonica verleiht die Berechtigung zur Ausübung von potestas, beides zusammen ergibt beim Geweihten sacra potestas. 21 Sakramentale Weihe und rechtliche Bestimmung begründen also beim Kleriker als zwei formal 22 hinsichtlich des Übertragungsmodus zu unterscheidende Wirkursachen die eine sacra potestas. Die beiden Ursprungsfaktoren tendieren zur Einheit, können aber auch getrennt existieren. 23 III. Können Laien potestas regiminis erlangen? Am 2. Vatikanum blieb die Frage offen, ob potestas regiminis stets die Weihe voraussetzt; oder anders gefragt, ob auch Nichtgeweihte Leitungsvollmacht haben können. Zur Erhellung dieses Sachverhalts sah sich das Konzil überfordert und erklärte die theologische Forschung für zuständig. 24 Wer kann also Leitungsvollmacht in der Kirche haben? Das 2. Vatikanum schreibt zwar auch den Laien eine potestas zu, gebraucht dabei aber offensichtlich den Begriff nicht im Sinne von sacra potestas. Laien können jedoch über ihre Teilnahme am Sendungsauftrag der Kirche kraft eigener Taufe und Fir-
21 Rudiger, Leitungs- und Machtfrage (Anm. 5), 311 f. charakterisiert die sacra potestas, also nicht die ordinatio, als „persönliche, konsekratorische, und damit unverlierbar potentielle Habilität im Sinne eines absoluten Besitzes“, die munera als „ekklesiologische, ordinatorische und damit verlierbar aktuelle Habilität im Sinne einer relativen Ausübung“. Die missio canonica versteht er als rechtliche Erlaubniserteilung zur Ausübung einer bereits bei der Weihe übertragenen Vollmacht oder als per Delegation erfolgte rechtliche Übertragung einer nicht vorhandenen potestas samt der Erlaubnis zur Ausübung derselben (317 f.). Nach NEP 2 wird man jedoch festhalten müssen: Ordinatio ist die konsekratorische und damit unverlierbare Befähigung einer Person, solche Vollmachten zu erhalten, die nur in Stellvertretung Christi ausgeübt werden können. Sie ist eine Habilität zur potentiellen Trägerschaft von Leitungsvollmacht. Determinatio canonica ist demgegenüber der äußere nicht-sakramentale und widerrufliche Auftrag der kirchlichen Autorität zur Ausübung eines Dienstes, der entweder den Empfang der Weihe als persönliche Befähigung voraussetzt oder dessen nicht bedarf. Ihr Inhalt lässt sich nach den Bedürfnissen des konkreten Dienstes definieren. 22 Gleicher Ansicht Rudiger, Leitungs- und Machtfrage (Anm. 5), 198 f. und 313, der aber mit Josef Freitag, Sacramentum ordinis auf dem Konzil von Trient. Ausgeblendeter Dissens und erreichter Konsens, Innsbruck 1991, 377 darauf hinweist, dass die Trennung von potestas ordinis und potestas regiminis keine prinzipielle dogmatische Entscheidung ist. Er bezeichnet sie als „faktische Notlösung“ (216). 23
Rudiger, Leitungs- und Machtfrage (Anm. 5), 200 spricht bei Thomas von Aquin von einer „prinzipaliter postulierten Einheit“ im Sinne einer „Ursprungs- bzw. Zieleinheit“. 24
NEP (Anm. 19), Notabene.
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mung hinaus „in verschiedener Weise zu einer mehr unmittelbaren Mitarbeit mit dem Apostolat der Hierarchie berufen werden“, ja sie „haben die Fähigkeit, von der Hierarchie zu gewissen kirchlichen Ämtern herangezogen zu werden, die geistlichen Zielen dienen.“ 25 Unter Wahrung der eigenen Identität 26 können an Laien also durchaus besondere Dienste und Ämter in der Kirche übertragen werden. Da ihnen aber die Weihe fehlt, entsteht selbst aus der Übertragung eines Kirchenamtes keine sacra potestas, wohl aber potestas. Das Konzil sah zwischen der sakramental verankerten Leitungsvollmacht des Klerikers und der durch Beauftragung verliehenen des Laien keine Dualität, sondern zwei Komplementärdimensionen der einen gemeinsamen Zielsetzung, nämlich den Auftrag der Kirche realisieren zu helfen. Die CIC-Reform stellt sich in der Vollmachtsfrage weniger als ein zielstrebiger Prozess der Wahrheitsfindung dar denn als einer des kirchenpolitischen Ausbalancierens. Die Frage der Laienjurisdiktion erwies sich als der Hauptstreitpunkt. Einige der Väter des CIC wollten den Laien Leitungsvollmacht in der Kirche zugestehen, andere glaubten, dies aufgrund der sacra-potestas-Lehre des 2. Vatikanums ausschließen zu müssen. Unübersehbar ist jedoch das Faktum, dass Papst Paul VI. bereits 1971 Laien als kirchliche Richter zugelassen und sie damit für jurisdiktionsfähig erklärt hat. Der CIC kennt den Laienrichter (can. 1421 § 2) und trotz aller Einwände nach gründlicher Prüfung derselben auch der Ostkirchen-Kodex (can. 1087 § 2 CCEO). 27 Diese bewusste Entscheidung desselben Gesetzgebers, die alles andere darstellt als ein gesetzgeberisches Versehen, schließt bei der Suche nach Lösungen die Streichung des Laienrichters 28 aus; sie ist vielmehr eine verbindliche Vorgabe für die Interpretation der einschlägigen Bestimmungen in beiden Gesetzbüchern.
25
LG 33.
26
Was auch unterschiedliche Aufgaben nach sich zieht. Der Unterschied zwischen dem gemeinsamen Priestertum aller Christgläubigen und dem des Dienstes der Geweihten wurde durch Papst Johannes Paul II. in der „Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester“ vom 15.08.1997 (in: AAS 89 [1997], 852 – 877; dt. in: VApSt Nr. 129) unterstrichen und seither immer wieder eingeschärft; vgl. z. B. Johannes Paul II., Ansprache vom 21.09.2002 beim „Ad-limina“-Besuch der Bischöfe der brasilianischen Kirchenprovinzen Region West 1 und 2, in: OssRom (dt.) Nr. 45 vom 08.11.2002, 8 f. 27 Die Behauptung, dass das angesichts der Konzilslehre theologisch unmöglich sei, war bei Papst Johannes Paul II. an die Grenze der Bereitschaft gestoßen, die Entscheidung seines Amtsvorgängers von 1971 zu revidieren. 28 Bei der Forderung nach einer Änderung der cann. 1421 § 2 CIC und 1087 § 2 CCEO wird übersehen, dass auch die in cann. 596 § 1 CIC bzw. 441 § 1, 511 § 1 und 557 CCEO genannte Vollmacht bestimmter Oberer und Kapitel von Instituten des ge-
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In der Vorbereitung des CIC hat es heftige Diskussionen 29 um die Formulierung der cann. 129 und 274 gegeben. Der inhaltlich gleich in den CCEO 30 eingegangene can. 129 CIC greift das Anliegen des Konzils auf, die Einheit der sacra potestas herauszustellen, ohne den Begriff selbst zu gebrauchen – er kommt im CIC kein einziges Mal vor. Leitungsvollmacht ist nach § 1 sakramental verankert. Dessen erste – nicht bestrittene – Aussage lautet: Wer das Weihesakrament empfangen hat, ist möglicher Träger kirchlicher Leitungsvollmacht. Unklar ist aber sein § 2: Was bedeutet es, dass Laien bzw. „übrige Christgläubige“ (CCEO) bei der Ausübung derselben kooperieren können? Hier ist eine wichtige Beobachtung festzuhalten: Die in früheren Entwürfen des § 2 stehende Formulierung „partem habere“ war bei der Erarbeitung des CIC in letzter Minute durch „cooperari“ ersetzt worden. Bedeutet das, dass zwischen Anteilhabe und Mitarbeit ein substantieller Unterschied besteht? An dieser Frage scheiden sich bis heute die Geister. Während die einen 31 aus can. 129 § 2 CIC herauslesen, dass jede Teilhabe an der potestas regiminis die sakramentale Weihe voraussetzt, verstehen andere 32 cann. 129 § 2 CIC bzw. 979 § 2 CCEO als allgemeine Formel dafür, dass Laien grundsätzlich gewisse hoheitliche Aufgaben übertragen werden können. Ich halte die zweite Interpretation für plausibler und führe folgende Argumente an: • Theologisch kann es nach der paulinischen Unterscheidung zwischen apostolischem Amt und Leitungshandeln in 1 Kor 12,28 unterschiedliche Träger der Leitung in der Kirche geben. Gisbert Greshake sagt dazu pointiert: „Das Weiheamt ist ‚nur‘ die sakramentale Darstellung Christi und nicht die (einzige) Instanz, welche die Kirche leitet und gestaltet. Das Amt ist nur eine – eine zwar unabdingbare, aber doch nur eine – Weise, das kirchliche Leben im Geist des Evangeliums zu prägen.“ 33 Nach einem Schreiben der Klerusweihten Lebens, die nicht an die Klerikereigenschaft gebunden zu sein braucht, als Leitungsvollmacht zu qualifizieren ist. 29
Dazu Laukemper-Isermann, Anteil der Gläubigen (Anm. 5), 263 ff.
30
Nicht unwichtig ist freilich in can. 979 § 2 CCEO die Weitung von „christifideles laici“ (can. 129 § 2 CIC) in „ceteri christifideles“. 31
Hier sind v. a. Mitglieder der „Münchener-Schule“ und der Gruppen um Bertrams und Philips zu nennen. 32
In der Congregatio Plenaria vehement Castillo Lara (vgl. PCI, Acta et Documenta Pontificiae Commissionis Codicis Iuris Canonici Recognoscendo. Congregatio Plenaria Diebus 20 – 29 octobris 1981 habita, Typ. Pol. Vat. 1991, S. 214 f.), aber auch Beyer, Kaiser, Lüdicke, Socha, Riedel-Spangenberger, Heimerl, Pree, die wichtigsten Vertreter der spanischen Kanonistenschule von Navarra sowie der italienischen Laienkanonisten. 33 Gisbert Greshake, Priester sein in dieser Zeit. Theologie – Pastorale Praxis – Spiritualität, Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 2000, 166.
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kongregation von 1999 umfasst die Gemeindeleitung „einen ganz, ganz weiten Teil von Organisationsfaktoren, die keineswegs mit dem Weiheamt verknüpft sind.“ 34 • Die in Anmerkung 31 genannten Vertreter übersehen, dass der Begriff „cooperatio“ am Konzil wie im CIC und CCEO verwendet wird, um eine echte Teilhabe 35 zu bezeichnen oder eine Zusammenarbeit kraft kirchlicher Vollmacht in gemeinsamer Aufgabe. 36 „Cooperari“ drückt eine Mitwirkung der Laien im Leitungshandeln aus und umfasst mehr als das bloße Mittun in einzelnen Aufgaben, das z. B. can. 519 CIC mit „operam conferre“ wiedergibt. Borras 37 hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die letztgenannte Norm die Zusammenarbeit in der Hirtensorge einer Pfarrei im Auge hat, nicht deren Beschränkung. Reduziert man aber die Teilhabe an der potestas regiminis auf die geweihten Amtsträger, mutiert die konziliare Lehre von der eigenständigen Teilhabe jedes Christgläubigen am dreifachen Amt Christi „suo modo et pro sua parte“ (LG 31) im Bereich der Leitung zur Leerformel, die sich nur noch als Handlangerdienst konkretisieren 38 lässt. Die Laien wären dann durch das letzte Konzil theologisch aufgewertet worden, in der Leitungsfrage stünden sie jedoch in der Figur der participatio in exercitio wie bisher vor der Tür. 39 • Auch die Ablehnung zweier radikaler Vorschläge ist hier anzuführen, die „cooperari“ durch das Verb „adiuvare“ abschwächen bzw. den § 2 des can. 129 CIC ganz streichen wollten. • Außerdem muss cann. 228 § 1 CIC bzw. 408 § 2 CCEO beachtet werden. Dort ist von den Laien gesagt, dass sie aufgrund ihrer potestas aus Taufe
34
Kongregation für den Klerus, Der Priester. Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente, Leiter der Gemeinde, dt. in: VApSt Nr. 139, 43. 35
Z. B. LG 28 b (Teilhabe der Priester am Hirtenamt des Bischofs).
36
Z. B. cann. 519, 529 § 2 CIC. Die deutsche Übersetzung nivelliert die Unterscheidung. 37
Alphonse Borras, L’équipe pastorale de paroisse, une exclusivité du canon 517 CIC?, in: Flexibilitas Iuris Canonici. FS für Richard Puza zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Andreas Weiß / Stefan Ihli (AIC 28), Frankfurt am Main 2003, 223 – 240, hier 228. 38
Nach Aymans bringt „cooperari“ gerade das „nichtjurisdiktionelle Mitwirken“ bei der Ausübung von Leitungsvollmacht zum Ausdruck, das er in der Vorbereitung, Begleitung und in der Ausführung von Akten der potestas regiminis sieht; vgl. Aymans / Mörsdorf, Lehrbuch I (Anm. 12), 400. 39 Leo Karrer, Aufbruch der Laien in der Kirche, in: Demel, Mehr als nur Nichtkleriker (Anm. 4), 123, der dies als „kirchliche Schizophrenie“ bezeichnet (124).
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und Firmung „habiles“ sind, zu entsprechenden Ämtern („officia“) und Diensten 40 („munera“) in der Kirche herangezogen zu werden. • Schließlich kann sich die weite Interpretation auf eine lange Tradition berufen, haben doch Kirchen- und Theologiegeschichte die Bindung der Leitungsvollmacht an das Weihesakrament nie absolut gesehen. Über Jahrhunderte hinweg war sie auch in Händen von Laien. 41 Bekanntestes Beispiel in unseren Breiten ist der Fürstbischof. Er leitete allein kraft der ihm übertragenen potestas iurisdictionis seine Diözese 42 , ohne jemals irgendeine Weihe zu empfangen. 43 • Auch wenn beide Gesetzbücher bestimmte Ämter eindeutig Klerikern vorbehalten 44 , kennen sie andererseits eine Vielfalt von Ämtern und Diensten, deren Übertragung an nichtgeweihte Christgläubige möglich 45 ist. Die De-
40
Was in beiden Gesetzbücher verniedlichend mit „Aufgaben“ übersetzt wird.
41
Klaus Mörsdorf, Das neue Besetzungsrecht der bischöflichen Stühle unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung des Listenverfahrens, Bonn 1933, 4, spricht pointiert von „Laienherrschaft“. 42
Man spricht von einer „doppelten Ämterhierarchie“ (z. B. Rudiger, Leitungs- und Machtfrage [Anm. 5], 52, ähnlich 259), die dreigliedrigere hierarchia ordinis (Bischof, Priester, Diakon) und die wesentlich reicher ausgestaltete hierarchia iurisdictionis (Papst, Bischofskollegium, Kardinal, Bischof, Bischofsvikar, Generalvikar, Pfarrer etc., um nur einige zu nennen). 43 Im liturgischen Bereich ließ er sich von den sog. Weihbischöfen vertreten. Noch nach dem CIC/1917 war es möglich, im Akt der kanonischen Besitzergreifung die volle bischöfliche Leitungsvollmacht schon vor der Bischofsweihe zu erlangen. Wenn heute nach cann. 379 CIC bzw. 188 § 1 CCEO jeder zum Diözesanbischof Ernannte vor der Besitzergreifung seines Amtes die Bischofsweihe empfangen muss, so kennt doch der geltende CIC auch das Phänomen der Leitung von Teilkirchen mit bischöflicher Amtsvollmacht, aber ohne Bischofsweihe (can. 381 § 2). Auf gesamtkirchlicher Ebene ist in diesem Zusammenhang v. a. „an die Tatsache zu erinnern, dass zufolge der jahrhundertealten Tradition, die sogar vom ordentlichen päpstlichen Lehramt (Pius XII.) aufgenommen wurde, der zum Papst gewählte Laie bereits im Augenblick der Annahme der Wahl Inhaber des Jurisdiktionsprimats und nach Auffassung des Papstes selbst Träger des Charismas der Unfehlbarkeit würde“; Pree, Das kirchenrechtliche Kernprofil (Anm. 4), 84, Anm. 20. 44 45
Auflistung bei Aymans / Mörsdorf, Lehrbuch I (Anm. 12), 460.
Aufzählung bei Laukemper-Isermann, Anteil der Gläubigen (Anm. 5), 266, Anm. 19 und 267 f., Anm. 21.
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finition des Kirchenamtes in cann. 145 § 1 CIC bzw. 936 § 1 CCEO schließt eine Übertragung desselben an Laien nicht aus. 46 Nicht in Einklang zu bringen mit dieser Sicht ist freilich das „aut potestas regiminis“ in can. 274 § l CIC. Die Aporie entstand aber erst in der Schlussredaktion unter maßgebendem Einfluss des Münchner Kanonistischen Instituts, vermittelt über die Deutsche Bischofskonferenz, als nämlich diese Passage hinzugefügt wurde, was eine völlige Missachtung des Votums der Plenaria der Kodexreformkommission vom Oktober 1981 bedeutete. 47 Im CCEO fehlt bezeichnenderweise eine entsprechende Parallele zu can. 274 § 1 CIC – ein weiteres Argument für die weite Interpretation von cann. 129 § 2 CIC bzw. 979 CCEO. Die Hinzufügung „oder kirchliche Leitungsvollmacht“ wollte man in den CCEO nicht übernehmen; ohne sie wäre aber § 1 eine tautologische Aussage, die mit Recht im CCEO unterblieben ist. Würde aber can. 274 § 1 CIC göttliches Recht enthalten, wäre nur schwer erklärbar, warum man auf diese Aussage im Ostkirchengesetzbuch verzichtet hat. IV. Ausblick Das zuvor Angedachte zeigt wenigstens zwei Desiderate auf, die es anzupacken gilt: • Das Verhältnis von Weiheamt und Gemeindeleitung ist christologisch und ekklesiologisch neu zu durchdenken. Kleriker sind aufgrund der Weihe für die Leitungsvollmacht befähigt, Laien sind ebenso „habiles“, am munus regendi Christi mitzuwirken. Wenn auch eine irgendwie geartete Partizipation an der sacra potestas für Laien nicht möglich ist, können sie potestas regiminis über den Weg der Beauftragung 48 erlangen. Eine ontologische Unfä-
46
Hubert Socha, in: MK CIC, 145, 10; Jürgen Cleve, Inkompatibilität und Kumulationsverbot. Eine Untersuchung zu c. 152 CIC/1983, Frankfurt am Main 1999, 125. 47
Der dort mehrheitlich beschlossene (damalige) can. 244 lautete: „Soli clerici obtinere possunt officia ad quorum exercitium requiritur potestas ordinis, firmo praescripto can. 126.“ Can. 126 hatte in der von der Plenaria 1981 verabschiedeten Fassung folgenden Wortlaut: „Potestas regiminis, quae quidem ex divina institutione est in Ecclesia et etiam potestas iurisdictionis vocatur, ad normam praescriptorum iuris, habiles sunt, qui ordine sacro sunt insigniti; in exercitio eiusdem potestatis christifideles laici eam partem habere possunt quam singulis pro causis auctoritas Ecclesia suprema ipsis concedit.“ 48 Als weiterer Weg zur Übertragung hoheitlicher Leitungsvollmacht an Laien bietet sich neben der missio canonica und der Delegation das Rechtsinstitut der Stellvertretung an. Von ihr sagte Mörsdorf: Im kanonischen Recht gilt „der Grundsatz, dass Stellvertre-
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higkeit des Laien zur Übernahme kirchlicher Ämter mit Leitungsvollmacht lässt sich sicher nicht begründen. Leitungsvollmacht setzt nicht unter allen Umständen die sakramentale Weihe voraus. Die zu Beginn zitierten Ausführungen des Jubilars erscheinen als zu einseitig auf das agere in persona Christi capitis abgestellt, das agere in communione ecclesiae als zweiter Bezugspunkt im Amtsverständnis eines Pfarrers kommt zu kurz. • Die eingangs genannte Unterscheidung zwischen potestas ecclesiastica und potestas regiminis als einem von drei Aufgabenfeldern, in denen die kirchliche Vollmacht wirksam wird, könnte den Schlüssel dafür bieten, das Miteinander von Klerikern und Laien neu zu bestimmen, ohne in Gefahr zu geraten, die Konturen zu verwischen. Sie könnte die kirchlichen Strukturen zu durchleuchten helfen, ob sie der communio als ihrem theologischen Grund entsprechen, wie auf den verschiedenen Ebenen die Teilhabe aller Christgläubigen an den tria munera Christi konkret zum Ausdruck kommt, und ob communio eine Projektbeschreibung ist oder eine wirkungslose Zauberformel.
tung immer erlaubt ist, soweit sie nicht ausdrücklich verboten oder der inneren Natur der Rechtshandlung nach nicht unmöglich ist“ (Klaus Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts aufgrund des Codex Iuris Canonici. Begründet von Eduard Eichmann, fortgeführt von Klaus Mörsdorf, Bd. 1, München / Paderborn / Wien 111964, 221). Die kirchliche Verwaltung arbeitet mitunter mit ihr (z. B. kennen nicht wenige Diözesen das Amt des Stellvertretenden Generalvikars, gegen das keine theologischen oder rechtlichen Einwände bestehen). Im kanonischen Recht ist das Institut der Stellvertretung freilich auf Eheschließung und Prozessrecht verkümmert.
„Kirchenaustritt“ zur Vermeidung von Kirchensteuern – nun ohne kirchenrechtliche Konsequenzen Von Hartmut Zapp I. Kirchengliedschaft „Einen metaphysisch wirksamen Kirchenaustritt gibt es nicht“, betonte Georg May 1963 in seiner ausführlichen Abhandlung. 1 Zu dieser Zeit galt zum einen das altkodikarische Recht, das auf der traditionellen Ekklesiologie mit der absoluten Identifikation der Kirche Christi mit der katholischen Kirche 2 beruh-
1
Georg May, Der Kirchenaustritt in der Bundesrepublik Deutschland, in: ÖAKR 14 (1963), S. 3 – 67, hier S. 6; besonders hervorzuheben sind die Ausführungen im „Überblick über die geschichtliche Entwicklung, vor allem in Preußen“ (S. 16 – 24) und die inzwischen weithin schon historisch wertvolle Zusammenstellung über „Die geltenden Bestimmungen im Bund und in den Ländern“ (S. 32 – 67). 2
Die Frage nach der Kirchenzugehörigkeit impliziert die nach der Kirche, d. h. ihre Beantwortung setzt einen Kirchenbegriff voraus; es ist schwierig, darin auch nur den wichtigsten Kriterien gerecht zu werden. Nicht von ungefähr begnügt sich das II. Vaticanum mit den sog. Kirchenbildern und bezeichnet die Kirche in charakterisierender dreifacher Gegenüberstellung ihrer gesellschaftlich-menschlichen und spirituell-übernatürlichen Aspekte als „eine komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (Art. 8. Abs. 1 VatII LG). Überzeugend ist immer noch die Formulierung eines Kirchenbegriffs von Bernhard Panzram, Der Kirchenbegriff des kanonischen Rechts. Versuch einer methodologischen Begründung, in: MThZ 4 (1953), S. 187 – 211, hier S. 211: Man kann „die Kirche in kanonistischem Sinne definieren als die von Jesus Christus für die Menschen aller Zeiten und Länder gestiftete ständisch und hierarchisch gegliederte Heilsanstalt.“ Damit genügt er seiner eigenen Anforderung, eine „Definition der Kirche als Anstalt“ müsse „klar ausdrücken, daß die Kirche für die Menschen gegründet worden sei“ (S. 207). Zugleich fügt er hinzu: „Aber da der Charakter der Kirche als Anstalt ja in keiner Weise davon berührt wird, daß wir eine Definition der Gemeinschaft der Kirchenglieder hinzufügen, könnte man etwa sagen ... Damit hätten wir zugleich die wesentlichen Teile der Bellarminschen Kirchendefinition vor uns“ (ebd.). Zu Unrecht wird ihm von Aymans / Mörsdorf, Kanonisches Recht I, Paderborn 131991, S. 10 vorgeworfen, er hätte dabei „übersehen, daß die Kirche nicht nur für die Menschen gestiftet, sondern wesentlich eine Gemeinschaft von
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te, wie sie – notwendigerweise – ihren kanonistischen Niederschlag in der Utopie des can. 12 CIC/1917 3 gefunden hatte, d. h. es war nach dem bekannten, 1938 erschienenen Werk von August Hagen „katholisches Dogma“, daß „auch die Personen, welche nicht den katholischen Glauben bekennen, in die Heilsanstalt der katholischen Kirche einbezogen“ 4 werden. Zum andern aber war diese Tradition kaum mit der von Pius XII. in seiner Enzyklika „Mystici Corporis“ vom 29.6.1943 5 veröffentlichten Doktrin harmonisierbar. Danach seien „den Gliedern der Kirche in Wirklichkeit (reapse) nur jene zuzuzählen, die das Bad der Wiedergeburt empfingen, sich zum wahren Glauben bekennen und sich weder selbst zu ihrem Unsegen vom Zusammenhang des Leibes getrennt haben, noch wegen schwerer Verstöße durch die rechtmäßige kirchliche Obrigkeit davon ausgeschlossen worden sind“. 6 Unschwer ist hier der Einfluß der Bellarminschen Lehre 7 erkennbar, der „das Kirchenvolk vor Augen gehabt (hat), als
Menschen mit dem Herrn als Haupt ist, auf die allerdings wegen ihres stiftungsmäßigen Charakters der juristische Begriff der Körperschaft keine volle Anwendung finden kann.“ 3 Can. 12 CIC/1917: „Legibus mere ecclesiasticis non tenentur qui baptismum non receperunt, nec baptizati qui sufficienti rationis usu non gaudent, nec qui, licet rationis usum assecuti, septimum aetatis annum nondum expleverunt, nisi aliud iure expresse caveatur.“ 4
August Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft, Rottenburg a. Neckar 1938, S. 5; vgl. dort weiter: „Deshalb gehören alle Getauften zu der einen Kirche Christi. Eine Taufe – eine Kirche. Die katholische Kirche betrachtet sich als diese Kirche Christi“; schließlich S. 5 Anm. 11: „c. 87 wählt die Formulierung: in Ecclesia Christi, doch darf man sich dadurch nicht zu der Annahme verleiten lassen, als ob damit nicht die konkrete Heilsanstalt der katholischen Kirche zu verstehen sei. Die katholische Kirche ist die Ecclesia Christi.“ 5
AAS 35 (1943), S. 193 – 248.
6
Vgl. AAS 35 (1943), S. 202; weiter wird die sich sichtbar nach außen zeigende Gliedschaft veranschaulicht „durch das Bekenntnis desselben Glaubens, durch die Gemeinschaft derselben Sakramente und die Teilnahme am selben Opfer, wie auch durch die tätige Beobachtung derselben Gesetze. Zudem muß durchaus ein für die Augen aller sichtbares Oberhaupt vorhanden sein, von dem die Tätigkeit und die Zusammenarbeit aller wirksam auf die Erreichung des vorgesteckten Zieles gerichet wird: Wir meinen den Stellvertreter Jesu Christi auf Erden“ (ebd., S. 227). Zur Übersetzung vgl. Klaudius Jüssen, Über den mystischen Leib Jesu Christi, Karlsruhe 1946, S. 19 – 20 und 43. 7 Disputationum Roberti Bellarmini Politiani S. J. de controversiis christianae fidei adversus huius temporis haereticos, tom. II, lib. III, cap. 2, Neapel 1857, S. 75: „Nostra sententia est, ecclesiam unam tantum esse non duas; et illam unam et veram esse coetum hominum eiusdem christianae fidei professione, et eorundem sacramentorum communione colligatum, sub regimine legitimorum pastorum ac praecipue unius Christi in terris vicarii, romani pontificis.“
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er den Begriff der Kirche definierte. Wenn man nämlich seine Definition nicht aus dem Zusammenhange reißt, wie das gewöhnlich geschieht, sondern den Kontext weiter verfolgt, erfährt man, daß sich ‚aus dieser Definition leicht erkennen läßt, welche Menschen zur Kirche gehören und welche nicht‘“. 8 Zu Recht wird Bellarmins sog. Kirchendefinition daher als „ein Kriterium“ für die „Unterscheidung der Zugehörigkeit zur Kirche“ 9 bezeichnet. Danach waren die damals neugläubigen Christen im Sinn der Bellarminschen Definition eindeutig aus der Kirche ausgeschlossen. Diese von Pius XII. wieder aufgegriffene Sichtweise widersprach der vom Anstaltsbegriff 10 ausgehenden kanonistischen Lehre des can. 87 CIC/1917, 11 nach dem allein durch das Taufsakrament „der Mensch Person in der Kirche Christi“ wird. Der Enzyklika gemäß mußte man nichtkatholischen Christen die Zugehörigkeit zur Kirche absprechen, während nach dem Codex alle Getauften zur Kirche Christi und auf Grund der genannten Identifikationslehre zur katholischen Kirche gehörten. Nach 1943 wurde daher versucht, diesen Widerspruch durch die Unterscheidung in „zwei ver-
8
Panzram, Kirchenbegriff (Anm. 2), S. 207 – 208; vgl. Disputationum Roberti Bellarmini (Anm. 7), S. 75: „Ex qua definitione facile colligi potest, qui homines ad ecclesiam pertineant, qui vero ad eam non pertineant.“ Unmittelbar daran anschließend erklärt er: „Tres enim sunt partes huius definitionis. Professio verae fidei, sacramentorum communio et subiectio ad legitimum pastorem, Romanum Pontificem. Ratione primae partis excluduntur omnes infideles, tam qui nunquam fuerunt in ecclesia, ut Iudaei, Turcae, pagani, quam qui fuerunt et recesserunt ut haeretici et apostatae. Ratione secundae excluduntur catechumeni et excommunicati, quoniam illi non sunt admissi ad sacramentorum communionem, isti sunt dimissi. Ratione tertiae excluduntur schismatici, qui habent fidem et sacramenta, sed non subduntur legitimo pastori et ideo foris profitentur fidem et sacramenta percipiunt. Includuntur autem omnes alii, etiamsi reprobi, scelesti et impii sint.“ (Deutsche Übersetzung bei Panzram, S. 208.) 9
Panzram, Kirchenbegriff (Anm. 2), S. 208.
10
Vgl. Peter Landau, Der Begriff der Kirche aus juristischer Sicht auf dem Weg zur Ökumene. Neueste evangelische Ansätze zur Kirchenrechtstheorie, in: Festschrift für Remigius Sobánski, Katowice (Kattowitz) 2000, S. 253 – 264, hier S. 261: „Der Kirchenbegriff des Epheserbriefs steht in diametralem Gegensatz zu einem vereinsrechtlichen Verständnis der Urkirche: ‚Der Körper Christi ist keine Körperschaft‘.“ (Ebd., Anm. 71: „So die klassische Formulierung bei R. Sohm: Das altkatholische Kirchenrecht und das Dekret Gratians. In: Festschrift der Leipziger Juristenfakultät für Adolf Wach. München / Leipzig 1918 [ND Darmstadt 1967], S. 537“.) 11
Can. 87 CIC/1917: „Baptismate homo constituitur in Ecclesia Christi persona cum omnibus christianorum iuribus et officiis, nisi ad iura quod attinet, obstat obex ecclesiasticae communionis impediens vel lata ab Ecclesia censura“.
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schiedene Klassen der Mitglieder, die aktiven und die passiven“ 12 zu mildern; diese entspricht dem Versuch, zwischen der sog. tätigen – nach Pius’scher Theorie – und der konstitutionellen oder konsekratorischen Gliedschaft 13 – nach der im Codex von 1917 verankerten Lehre – zu vermitteln. Die ganz andere zweitvatikanische Ekklesiologie ist in can. 14 204 rezipiert, der in seinem wörtlich Art. 8 Abs. 2 VatII LG entnommenen zweiten Paragraphen mit dem Ersetzen des „est“ durch „subsistit“ die alte Auffassung von der absoluten Identifikation aufgibt: „Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist in der katholischen Kirche verwirklicht“. 15 Danach ist
12
Vgl. Nikolaus Hilling, Die kirchliche Mitgliedschaft nach der Enzyklika Mystici Corporis Christi und nach dem Codex Iuris Canonici, in: AfkKR 125 (1951), S. 122 –129, hier S. 129; dennoch fordert er in aller Deutlichkeit: „Um zu einer dringend notwendigen Einigung der Theologen und Kanonisten zu gelangen, erscheint es mir notwendig, daß die Theologen statt der bisherigen Versuche der Unterminierung und Aushöhlung der kanonischen Bestimmungen und Lehren sich bemühen, auf dem Wege der Konzessionen zur Aufhebung der Dissonanz zu gelangen. Qui bene distinguit, bene docet“ (ebd.). 13
Vgl. Klaus Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts I, München 111964, S. 16 – 21, 179 – 184; die Ausführungen S. 16 ff. sind bei Aymans / Mörsdorf, Kanonisches Recht I, Paderborn 131991, S. 15 – 20 bis auf die Bevorzugung von „konsekratorisch“ gegenüber „konstitutionell“ wörtlich beibehalten. Zur Kontroverse Mörsdorf – Rahner vgl. den Hinweis bei Helmut Hoping, Kirchenzugehörigkeit und Kirchengemeinschaft, in: SKZ 166 (1998), S. 102 – 104, hier S. 102 Anm. 4. 14 Canones-Angaben ohne Zusatz beziehen sich auf die Normen des kirchlichen Gesetzbuchs vom 25.1.1983, in Kraft getreten am 27.11.1983: Codex Iuris Canonici. Auctoritate Ioannis Pauli PP. II promulgatus, in: AAS 75 (1983), Pars II, XXX + 317 S. mit Corrigenda vom 22.9.1983, in: AAS 75 (1983), Pars II. Appendix, S. 321 – 324 (die drei leeren Seiten in der Codex-Ausgabe wurden mitgezählt); es handelt sich um Flüchtigkeitsfehler.
Wegen der unzulänglichen Handhabung der unvermeidlichen „Fortschreibung“ auch des CIC kritisiert Heribert Schmitz, Der Codex Iuris Canonici von 1983, in: HdbKathKR2, S. 49 – 76, hier S. 74 zu Recht den Gesetzgeber, er dürfe nicht „das Herausfinden der abgeänderten oder aufgehobenen Normen des CIC anderen“ überlassen; als einzige Ausnahme war die Einfügung des can. 750 § 2 und die entsprechende Erweiterung des can. 1371 Nr. 1 (mit Parallelnormen im Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen vom 18.10.1990) auf Grund des MP „Ad tuendam fidem“ vom 18.5.1998 zu nennen (ebd., S. 74 – 75). 15 „Haec Ecclesia, in hoc mundo ut societas constituta et ordinata, subsistit in Ecclesia catholica, a successore Petri et Episcopis in eius communione gubernata“.
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die Kirche Christi nicht identisch mit der katholischen Kirche. 16 Es gibt vielmehr weitere Konkretisierungsformen dieser Kirche Christi in getrennten „Kirchen und Kirchlichen Gemeinschaften“ 17 , so daß geradezu von einer „Selbstrelativierung der Kirche“ 18 gesprochen wird, wiewohl sich „die katholische Kirche in institutioneller Hinsicht als volle Verwirklichung der Kirche Jesu Christi“, 19 als „die am vollständigsten ausgerüstete Verwirklichung der universalen Kirche Christi“, 20 als „die Verwirklichung der Kirche Jesu Christi“ 21 versteht. Doch eröffnet diese neue Sicht die Möglichkeit der – nach ihren „Elementen der Heiligung und der Wahrheit“ 22 gestuften – Zugehörigkeit dieser anderen Kirchen und Kirchlichen Gemeinschaften zur Kirche Christi. Auch nichtkatholische Christen werden durch die Taufe in die Kirche Christi und zugleich in ihre eigene Kirche als eine der Konkretisierungsformen der Kirche Christi eingegliedert. 23 Nach langer Textgeschichte bedient sich Art. 14 Abs. 2 VatII LG für die Beschreibung der in unterschiedlicher Intensität möglichen Zugehörigkeit zur derart verstandenen katholischen Kirche der Elemente der Bellarminschen bzw.
16
Vgl. René Pahud de Mortanges, Die Erklärung des Austritts aus der römischkatholischen Kirche. Kirchenrechtliche und staatskirchenrechtliche Konsequenzen, in: SJKR [Schweiz. Jb. für KR] 8 (2003), S. 103 – 143; Abschnitt II. A, S. 106 – 111 verfaßt von Elke Pahud de Mortanges, hier S. 109: „Wenn mit dem Konzil daran festzuhalten ist, dass die Kirche Christi nicht mit der katholischen Kirche zusammenfällt, diese aber deren authentischer Träger ist, so ist es in der Folge notwendig, zwischen der Eingliederung in die Kirche Christi und der Eingliederung in die römisch-katholische Kirche zu unterscheiden.“ 17
Art. 3 und bes. Art. 19 VatII UR.
18
Felix Bernard, Die Berufung zur Kirche, in: HdbKathKR2, S. 191 – 199, hier S. 193.
19
Aymans / Mörsdorf, Kanonisches Recht I (Anm. 13), S. 23.
20
Bernard, Berufung (Anm. 18), S. 193.
21
Georg Bier, Dezentralisation in der Katholischen Kirche? Nicht-normative Steuerung im Dienst der kirchlichen Einheit, in: Nicht-normative Steuerung in dezentralen Systemen. Hrsg. von Janbernd Oebbecke, Stuttgart 2005 (Nassauer Gespräche der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft 7), S. 175 – 204, hier S. 175. 22 23
Art. 8 Abs. 2 VatII LG.
Vgl. Heinrich J. F. Reinhardt, in: MK CIC, 204 Rdnr. 5: Damit ist „je nach dem Grad der kirchenbildenden Elemente in den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, verglichen mit der plena communio in der katholischen Kirche, eine partielle Kirchengemeinschaft mit ihr gegeben“.
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Pius’schen Formel, 24 allerdings mit dem tiefgreifenden Unterschied, daß anstelle des „reapse“ der Begriff „plene“ gesetzt wird, so daß can. 205 die volle Gemeinschaft Getaufter mit der katholischen Kirche an dem dreifachen Band des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung festmachen kann. 25 Daher ist die ausschließlich durch die Taufe begründete 26 Zugehörigkeit zur Kirche Christi nicht bei allen Getauften – auch nicht innerhalb der „vollständigen“ katholischen Konkretisierung – in derselben Stufe und Intensität verwirklicht. 27 Im unzerstörbaren Taufcharakter 28 wird jedoch weiterhin die unwiderrufliche Eingliederung aller Christen in die „Heilsanstalt Christi“ gesehen, aus der es keinen Austritt oder Ausschluß gibt. Mit dieser Kirchenzugehörigkeit 29 auf Grund der von den christlichen Kirchen anerkannten einen christlichen Taufe 30 ist gleichzeitig die Gliedschaft in unterschiedlichen Kirchen-
24
Vgl. Anm. 7 und Text zu Anm. 6.
25
Vgl. can. 205: „Plene in communione Ecclesiae catholicae his in terris sunt illi baptizati, qui in eius compage visibili cum Christo iunguntur, vinculis nempe professionis fidei, sacramentorum et ecclesiastici regiminis.“ Bei dieser weithin wörtlich Art. 14 Abs. 2 VatII LG entsprechenden Formulierung wurde jedoch zu Recht die nicht justitiable Wendung „Spiritum Christi habentes“ übergangen. 26
Vgl. cc. 96, 204 § 1 und 849.
27
Vgl. Matthäus Kaiser, Zugehörigkeit zur Kirche, in: IKZ Communio 5 (1975), S. 196 – 206, hier S. 205: „Sofern die Kirche nicht nur Institution, sondern auch und vor allem Heilswirklichkeit ist, hängt die Dichte der Zugehörigkeit zur Kirche sowohl in der katholischen Kirche wie auch in den getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften davon ab, wie weit das einzelne Glied der Kirche das Heilsangebot der Kirche annimmt und in seinem Leben als Glied des Volkes Gottes verwirklicht.“ 28
Vgl. can. 845 § 1 und can. 849, der zusätzlich die Voraussetzungen der gültigen Taufspendung normiert. 29 Zur Differenzierung zwischen Kirchengliedschaft und Kirchenzugehörigkeit vgl. Georg Gänswein, Kirchengliedschaft: Vom Zweiten Vatikanischen Konzil zum Codex iuris canonici. Die Rezeption der konziliaren Aussagen über die Kirchenzugehörigkeit in das nachkonziliare Gesetzbuch der lateinischen Kirche, St. Ottilien 1995 (MthStkan 47). 30
Vgl. Heribert Hallermann, Die Vereinbarungen zur gegenseitigen Anerkennung der Taufe, in: Ökumene und Kirchenrecht – Bausteine oder Stolpersteine? Hrsg. v. Heribert Hallermann, Mainz 2000, S. 118 – 139, hier S. 120: „Dabei muß sich der Blick ... auf alle christlichen Kirchen und deren rechtmäßige Praxis der Taufspendung richten, denn mit der Taufe wird ein Mensch nicht nur seiner eigenen Kirche eingegliedert, sondern er wird durch die Taufe in der eigenen Kirche Glied der einen Kirche Jesu Christi.“ Zur „ausdrücklichen Anerkennung“ vgl. weiter Heinrich J. F. Reinhardt, Kirchengliedschaft, in: Lexikon des Kirchenrechts, Freiburg 2004, Sp. 508 – 511, hier Sp. 510.
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Konkretisierungen verbunden, die nach herrschender Lehre allein vom Willen des erwachsenen Täuflings 31 bzw. der Eltern 32 abhängt. Gemäß can. 96 33 be-
31
Nach can. 852 § 1 sind – darin kann man eine Beeinträchtigung des Elternrechts sehen – Erwachsene im Sinn des Taufrechts alle, die dem Kindesalter entwachsen den Vernunftgebrauch erlangt haben; vgl. can. 97 § 2. Unzureichend, nicht nur unter dem Aspekt des Elternrechts, ist die Zuschreibung zu einer bestimmten Kirche eigenen Rechts in den interrituellen Regelungen des Codex der lateinischen Kirche normiert; vgl. die akribischen Ausführungen zur widersprüchlichen Normierung der cc. 852 § 1 und 111 § 2 bei Carl Gerold Fürst, Taufe, Kirchengliedschaft und „Status“ der Gläubigen in kanonistischer Sicht, in: Festg. Rößler, S. 571 – 587, hier S. 579 – 581. 32 Zum Verstoß gegen diesen Grundsatz durch can. 868 § 2 („Infans parentum catholicorum, immo et non catholicorum, in periculo mortis licite baptizatur, etiam invitis parentibus.“) vgl. die fundierten kritischen Ausführungen von Alexander Hollerbach, Bemerkungen zum kanonischen Taufrecht, in: ZevKR 29 (1984), S. 145 –169, hier S. 157 – 159, zustimmend Hanns Engelhardt, Einige Gedanken zur Kirchenmitgliedschaft im kirchlichen und staatlichen Recht, in: ZevKR 41 (1996), S. 142 – 158, hier S. 148. Einer solchen Zwangstaufe müßte, führt Hollerbach ebd., S. 159 aus, „vor dem Forum des Staatskirchenrechts die Wirkung für den staatlichen Rechtsbereich versagt bleiben“. Aber auch zur „Gewissensfreiheit“ steht can. 868 § 2 in Widerspruch; als einzigen Verweis zu diesem Begriff nennt das Sachverzeichnis des Codex des kanonischen Rechtes. Lateinisch-deutsche Ausgabe, Kevelaer 52001, S. 885 can. 748 § 2 („Homines ad amplectendam fidem catholicam contra ipsorum conscientiam per coactionem adducere nemini umquam fas est.“). Vgl. Heinrich Mussinghoff, in: MK CIC, 748 Rdnr. 4, ferner Rüdiger Althaus, in: MK CIC, 868 Rdnr. 4 b. Außerdem dürfte auf Grund von can. 125 § 1 („pro infecto habetur“) die Gültigkeit der Zwangstaufe in Zweifel gezogen werden.
Zu Recht fordert Alfred Hierold, in: HdbKathKR2, S. 815 Anm. 36 im Gegensatz zu can. 868 § 1 Nr. 1 „grundsätzlich die Zustimmung beider“ Eltern, äußert sich aber nicht zur Problematik der Gültigkeit der Taufe, wenn ein Elternteil sich gegen die Taufe ausspricht. Da die elterliche Taufentscheidung für den staatlichen Bereich nach den §§ 1626 und 1631 BGB zu „ihrem Recht auf Ausübung der Personensorge“ gehört, das „sowohl in Art. 6 Abs. 2 S. 1 als auch in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG“ (Alexander Hollerbach, in: HStR VI, S. 574) geschützt ist, wird – falls nicht einem Elternteil die entsprechende Kompetenz vom Familiengericht übertragen wurde – gegen „eines der Grundprinzipien der staatlichen Rechtsordnung“ verstoßen, „die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch im Bereich der eigenen Angelegenheiten der Kirchen, deren Regelung prinzipiell den Kirchen zusteht, zu beachten sind.“ (Josef Jurina, Taufe eines gemeinsamen Kindes gegen den Willen eines Elternteils, in: KuR (Neuwied) 2003, S. 179 – 186 (= 905, S. 5 – 12, hier S. 9). 33
Zu Entstehungsgeschichte und Wertung dieser Norm ausführlicher Fürst, Taufe (Anm. 31), S. 571 – 575; zu ihrem Vergleich mit cc. 204 § 1, 205 und 849 vgl. ebd., S. 575.
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stimmt die jeweilige Stellung der „christifideles“, der Glieder der Kirche Christi im Sinn aller Getauften, 34 deren Rechte und Pflichten. 35 Es bleiben jedoch Fragen offen. Ist nicht – etwa bei konfessions- oder religionslos gewordenen Getauften 36 – die allen Christen gemeinsame Gliedschaft in der Kirche Christi auf Grund der einen Taufe von der Zugehörigkeit zu einer konkreten Verwirklichungsweise dieser Kirche zu unterscheiden? Werden bei Beeinträchtigung der Kriterien des can. 205 für die katholische Vollform des Christen bei entsprechender Schmälerung der Rechte auch seine Pflichten gemindert? Nach can. 11 unterliegen den rein kirchlichen Gesetzen all jene, die irgendwann zur katholischen Kirche gehörten, d. h. selbst wenn keine der Zugehörigkeitsvoraussetzungen zur katholischen Kirche nach can. 205 mehr besteht – die durch die Taufe bewirkte Eingliederung in die Kirche Christi bleibt unberührt –, dauert das Unterworfensein unter kirchliche Gesetze an – eine Rechtsfiktion? 37 Natürlich steht der oberste Gesetzgeber über dem II. Vatica-
34 Vgl. die schlüssige Argumentation zugunsten dieses weiten Verständnisses bei Heribert Hallermann, Die Rechtsstellung nichtkatholischer Christen im Codex von 1983, in: Ökumene (Anm. 30), S. 25 – 40; unter Hinweis auf Ausführungen von Rosalio José Castillo Lara, seinerzeit Präsident der PCI, wird der enge Zusammenhang zwischen den cc. 96 und 204 betont, die sich beide „auf die Eingliederung des Menschen durch die Taufe in die Kirche“ beziehen (ebd., S. 38 – 39 mit Anm. 46 und 48); die Problematik, daß die kanonistische Stellung der Christgläubigen auf Grund der Taufe allein nur unzureichend bestimmbar ist, berührt die zutreffende weite Auslegung nicht.
So sehr sonst generell Vorbehalte gegen Interpretationen unter Zuhilfenahme gegenseitiger Beweisführungen aus den beiden Gesetzbüchern geltend zu machen sind, zeigt der hier zulässige Vergleich des can. 844 § 3 mit can. 671 § 3 CCEO ebenfalls eindeutig, daß zu den „christifideles“ auch die Glieder anderer Kirchen zählen, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, vgl. Fürst, Taufe (Anm. 31), S. 574 – 575 mit Anm. 22. 35 Dies in wesentlicher Änderung gegenüber can. 87 CIC/1917, der bei „Sperre“ oder „Zensur“ (vgl. Anm. 11) lediglich die Rechte der Getauften minderte, nicht auch die Pflichten. 36 Auf Grund der hinter can. 12 CIC/1917 stehenden Ekklesiologie konnte Mörsdorf, Lehrbuch I (Anm. 13), S. 180 zu drei möglichen Gruppen Getaufter außerhalb der katholischen Kirche noch zu Recht ausführen: „Diese alle gehören, weil und insofern sie gültig getauft sind, als konstitutionelle Glieder der einen katholischen Kirche an.“ (Hervorhebung nicht im Original.) 37
Eine Parallele zu can. 12 CIC/1917 ist insofern nicht zu übersehen, als etwa bei einem Konfessionswechsel oder Übertritt zu einer anderen Religionsgesellschaft gegen die Realität an der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche festgehalten wird; vgl. kritisch Hubert Socha, in: MK CIC, 11 Rdnr. 12. Auch wenn der Vorbehalt des „nisi aliud iure expresse caveatur“ in can. 11 sich grammatikalisch nur auf die Vollendung des siebten
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num, doch man kann fragen, ob er mit can. 11 nicht eine kaum harmonisierbare „Spannung“ 38 zum in den cc. 96, 204 und 205 rezipierten zweitvatikanischen Kirchenverständnis verursacht hat. II. Kirchensteuer und Körperschaftsaustritt Was immer diese zweischichtige Kirchengliedschaft 39 impliziert, die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche als auch menschlich-geschichtliche societas kann je nach Verstoß gegen ihre Rechtsordnung gemäß kirchlichem Strafrecht durch Minderung der Rechte und Pflichten beeinträchtigt werden. Zu den mit der Kirchenzugehörigkeit verbundenen Verpflichtungen ist die Leistung eines entsprechenden Unterhaltsbeitrags für die Aufgaben der nach can. 204 § 2 „in dieser Welt als Gesellschaft verfaßten“ Kirche zu rechnen, eine Selbstverständlichkeit, deren Einhaltung für jede Vereinigung wesentlich und worauf diese zu achten gezwungen ist. Diesen „letztlich naturrechtlich begründeten“ 40 Grundsatz kann man in der Aufforderung des can. 222 § 1, einer Norm aus dem Katalog der „Pflichten und Rechte aller Christgläubigen“, formuliert sehen, die Kirche bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen; nähere Ausgestaltung findet diese Bestimmung in den vielfach an ihre Vorgängernormen im Codex von 1917 erinnernden cc. 1259 – 1264. Neben can. 1254 § 1, der als erster Paragraph des kirchlichen Vermögensrechts dieses charakterisiert als von der weltlichen Gewalt unabhän-
Lebensjahres beziehen mag (z. B. Socha, ebd., Rdnr. 10), erinnert er an die gleichlautende Wendung in can. 12 CIC/1917, womit die Aufhebung der Verbindlichkeit der cc. 1070 § 1 CIC/1917 und 1099 CIC/1917 für Getaufte gesetzestechnisch leicht verständlich war; es ist naheliegend, diese aus can. 12 CIC/1917 übernommene Formulierung als Hinweis auf die ebenfalls generelle Möglichkeit von Ausnahmebestimmungen zu verstehen, von der in den drei Eherechtsnormen der cc. 1086 § 1, 1117 und 1124 bereits Gebrauch gemacht wurde. 38
Vgl. Reinhardt, Kirchengliedschaft (Anm. 30), Sp. 509.
39
Vgl. die Differenzierung bei Fürst, Taufe (Anm. 31), S. 573, wonach es „vom kirchenrechtlich-organisatorischen Gesichtspunkt aus keine direkte Zugehörigkeit zu ‚der‘ Kirche, auch keine direkte Zugehörigkeit zu ‚der katholischen‘ Kirche gibt, sondern nur eine indirekte Zugehörigkeit über die direkte Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche oder Kirchlichen Gemeinschaft“. 40
Alexander Hollerbach, Kirchensteuer und Kirchenbeitrag, in: HdbkathKR2, S. 1078 – 1092, hier S. 1078; Heiner Marré, Die Kirchenfinanzierung in Kirche und Staat der Gegenwart. Unter Mitarbeit von Josef Jurina, Essen 42006 (MK CIC 4), S. 9.
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giges ius nativum, 41 ist can. 1260 unter diesem Aspekt erwähnenswert, der die aus can. 1496 CIC/1917, ebenfalls eine der zu can. 222 § 1 erwähnten Quellen, 42 stammende Formulierung 43 zusätzlich 44 als „ius nativum“ bezeichnet. Nicht zuletzt wegen der „in letzter Minute auf Betreiben der Deutschen Bischofskonferenz“ can. 1263 angefügten „clausula teutonica“ 45 kann man von „einer starken Spannung“ zwischen den cc. 1262 und 1263 46 sprechen. Das deutsche staatskirchenrechtliche Kirchenfinanzierungssystem läßt sich auf den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 zurückführen, der über die Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung das Staatskirchenrecht entscheidend beeinflußte. Die „Säkularisierungsgewinne“ hatten den Staat zu Entschädigungs-Leistungen an die Kirchen verpflichtet, die „den Hintergrund für die seit Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende staatliche Kirchensteuergesetz-
41
Unter Berücksichtigung der weiterentwickelten ekklesiologischen Begründung wird man in diesem Begriff nun eine eher deutlichere Absetzung gegenüber dem Staat zu sehen haben, insofern die katholische Kirche ihre Unabhängigkeit nicht mehr mit einer Parallelität zum Staat zu begründen versucht (societas perfecta), sondern ihre Eigenständigkeit als „Ausdruck einer grundsätzlichen theologischen und geistiggeistlichen Unabhängigkeit der Kirche von weltlichen Kategorien und Sozialgestalten“ versteht; vgl. Georg Fischer, Finanzierung der kirchlichen Sendung. Das kanonische Recht und die Kirchenfinanzierungssysteme in der Bundesrepublik Deutschland und den USA, Paderborn 2005, S. 26; zur societas perfecta vgl. Gerald Göbel, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Codex Iuris Canonici des Jahres 1983, Berlin 1993, S. 34 – 48, zu den „Iura Nativa“, S. 103 – 116; ders., Kirche und Staat nach dem CIC, in: LKStKR II, S. 460 – 462. 42
Vgl. Codex Iuris Canonici. Auctoritate Ioannis Pauli PP. II promulgatus. Fontium annotatione et indice analytico-alphabetico auctus, Vatikan 1989, S. 59. 43
Can. 1496 § 1 CIC/1917: „... exigendi a fidelibus quae ad ... fines sibi proprios sint necessaria“. 44
Es sei denn, man sieht das von der katholischen Kirche gegenüber dem Staat beanspruchte „ius nativum“ gemäß can. 1495 § 1 CIC/1917 im „ius“ des can. 1496 CIC/1917 wieder aufgegriffen. 45
Deren Vorstellung von wirkungsvolleren Rechten („potiora iura“) auf Grund partikularer Gesetze und Gewohnheiten könnte man schon mit den altehrwürdigen Quellen in den Hinweisen (vgl. die Ausgaben „Codex ... praefatione, fontium annotatione et indice analytico-alphabetico ab e.mo Petro Card. Gasparri auctus“, Vatikan 1917 u. ö.) bei can. 1502 CIC/1917 auf Zehntzahlungen und Erstlingsfrüchte in Verbindung bringen. 46
Vgl. Hollerbach, Kirchensteuer (Anm. 40), S. 1080 – 1081. Vor dem Hintergrund dieser Spannung ist die seit 1.1.1995 verbindliche „Partikularnorm zu c. 1262 CIC“ der DBK (abgedruckt ebd., S. 1081) zu interpretieren.
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gebung“ 47 bildeten. Nicht zu Unrecht sieht man als deren maßgebendes Motiv das Bestreben des Staates, „die bestehenden finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Kirche auf deren Gläubige abzuwälzen“. 48 Trotz aller Kritik an den mitunter unbefriedigenden Ergebnissen der Weimarer Reichsverfassung, 49 gerade im Kontext der Staatsleistungen und ihrer Ablösung, einer jener – so das „geflügelte“ Wort Carl Schmitts – „dilatorischen Formelkompromisse“, 50 blieben Kirchenartikel dieser Verfassung über Art. 140 GG bis heute bestimmend für das Staatskirchenrecht, aber auch, etwa am Beispiel der Staatsleistungen, 51 Quelle aktuellen Ärgernisses. 52 Neben weiteren Formen „staatlicher Mitfinanzierung kirchlicher Arbeit mit sehr günstigen Lebensbedingungen für die Kirchen – günstig, wie wohl in kei-
47
Dietrich Pirson, Die geschichtlichen Wurzeln des deutschen Staatskirchenrechts, in: HdbStKirch2 I, S. 3 – 46, hier S. 38. 48 Fischer, Finanzierung (Anm. 41) im ausführlicheren Überblick zur „Kirchenfinanzierung in Deutschland vom Reichsdeputationshauptschluß bis zur Weimarer Reichsverfassung“ (S. 176 – 185), hier S. 185. 49 Vgl. Werner Weber, Die Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften, Leipzig 1948, S. 2, wonach die WRV wiederholt „die sachliche Entscheidung einer umstrittenen Frage ohne präjudizierende Stellungnahme auf einen späteren Zeitpunkt hinausschob“. 50
Vgl. Carl Schmitt, Verfassungslehre, Berlin 1989 (7. unv. Aufl., unv. Nachdr. der 1928 erschienenen ersten Aufl.; die 8. Aufl., Berlin 1993, Neusatz auf Basis der 1928 erschienenen ersten Aufl., konnte nicht eingesehen werden), S. 32 – 33: „Die typischen Beispiele dilatorischer Formelkompromisse finden sich“... in Abschnitten, „welche das Verhältnis von Staat und Kirche und Staat und Schule regeln. Staat und Kirche sind durch die Weimarer Verfassung nicht voneinander getrennt ... Religion kann nach der Weimarer Verfassung schon deshalb nicht Privatsache sein, weil die Religionsgesellschaften Körperschaften des öffentlichen Rechts bleiben, soweit sie solche bisher waren (Art. 137 WRV).“ Vgl. dieses Zitat auch bei Weber, Ablösung (Anm. 49), S. 2 und bei Josef Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HdbStKirch2 I, S. 1009 – 1063, hier S. 1017. 51
Vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 WRV; Bestätigung fanden diese Staatsleistungen – „mit paritätischer Drittwirkung“ – durch Art. 18 RK, vgl. Alexander Hollerbach, Der verfassungsrechtliche Schutz kirchlicher Organisation, in: HStR VI (1989), S. 557 – 593, hier S. 587 Rdnr. 56. 52
Vgl. mit gewichtigen Argumenten Gerhard Czermak, Die Ablösung der historischen Staatsleistungen an die Kirchen – Hinweise zu einem vergessenen Verfassungspostulat und zur religiös-weltanschaulichen Gleichberechtigung –, in: DÖV 2004, S. 110 – 116.
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nem anderen Land sonst“, 53 ist sicherlich die Kirchensteuer gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV 54 die wichtigste kirchliche Finanzierungsquelle, die sich ihr wie allen Religionsgesellschaften eröffnet, die „öffentlichrechtliche Körperschaften sui generis“ 55 sind. Sie kann bezeichnet werden als „ein System der Finanzierung durch ihre eigenen Mitglieder“, bei dem der Staat „(bezahlte) Verwaltungshilfe leistet“. 56 Art und Höhe der Kirchensteuer legen die Religionsgesellschaften in ihren Steuerordnungen vorbehaltlich staatlicher Genehmigung selbst fest. 57 Die Kirchensteuerpflicht wird durch Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Kirche oder Religionsgesellschaft begründet, über deren Voraussetzungen diese gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV selbständig bestimmen. 58 Das Grundrecht der positiv wie negativ ausgelegten Religionsfreiheit 59 verlangt, daß eine solche staatliche Mitgliedschaft – und damit die Kirchensteuerpflicht – jederzeit beendet werden kann; diese Möglichkeit steht außerhalb jeder Einflußnahme der Kirche oder Religionsgesellschaft, welche die Zugehörigkeitsbedingung festgelegt und so die staatsrechtliche Mitgliedschaft bestimmt hatte. Dieser vom Staat ermöglichte Austritt aus Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts – oft als „Kirchenaustritt“ bezeichnet – ist die einzige Möglichkeit, nicht mehr zu Kirchensteuern herangezogen zu werden.
53
Marré / Jurina, Kirchenfinanzierung (Anm. 40), S. 60 zur „Kirchenfinanzierung im heutigen Sozial- und Kulturstaat Deutschland“ (ebd., S. 45 – 61). 54 Für die katholische Kirche vgl. weiter das Schlußprotokoll zu Art. 13 RK, für die Erzdiözese Freiburg Art. 4 Abs. 4 BadK; dabei ist auf paritätische Weiterwirkung hinzuweisen. 55 Vgl. zu dieser Bezeichnung Bernd Jeand’Heur / Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Stuttgart 2000, S. 160, innerhalb des Kapitels „Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV)“, S. 156 – 187. Die katholische Kirche zählt zu den altkorporierten oder geborenen orporierten Religionsgesellschaften. 56
Marré / Jurina, Kirchenfinanzierung (Anm. 40), S. 30; gemeint ist das Angebot der staatlichen Kirchensteuereinziehung. 57
Vgl. etwa § 2 Abs. 1 KiStG Baden-Württemberg: „Die Steuerordnung wird von der Religionsgemeinschaft erlassen und öffentlich bekannt gemacht. Sie bedarf der staatlichen Genehmigung.“ 58
Allerdings begründet nach der Schrankenklausel in eben derselben Norm z. B. eine Zwangstaufe keine staatskirchenrechtliche Mitgliedschaft, daher auch keine Kirchensteuerpflicht, vgl. Anm. 32. 59
Vgl. Art. 4 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 2 WRV.
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Es geht hier nun nicht um Für oder Wider die Kirchensteuer, 60 sondern um die Bewertung der in staatlichen Gesetzen oder Rechtsverordnungen vorgesehenen Austrittsmöglichkeit 61 aus einer dieser steuerberechtigten Körperschaften, um Form, Höhe und nicht zuletzt unbeeinflußbare Zweckbestimmung der Kirchensteuer zu umgehen. Verfassungs- und kirchenvertragsrechtlich dürfte gegen die Regelungen zur Kirchensteuer nichts einzuwenden sein. 62 Der Körperschaftsaustritt beendet für den staatlichen Bereich die Kirchenmitgliedschaft, und zwar mit ausschließlich „bürgerlicher Wirkung“. Der kirchliche Status – die beiden Rechtsordnungen sind voneinander unabhängig – wird dadurch nicht berührt, mit der Folge, daß Rechte wie Pflichten der Kirchenglieder unbeeinträchtigt bleiben; natürlich dauert auch nach einem Körperschaftsaustritt etwa die Verpflichtung weiter an, zum finanziellen Unterhalt der Kirche beizutragen. Dennoch wird aus dem bürgerlichen Akt eine innerkirchliche Konsequenz konstruiert, wonach das „katholische Kirchenrecht“, so ein Vertreter einer extremen Position, die „Erklärung des Kirchenaustritts als einen formellen Akt 63 des Abfalls von der katholischen Kirche“ 64 betrachte. Wurde ein Kirchensteuerverband zur katholischen Kirche? Hier wird unzulässigerweise die historisch-zufällige Rechtsfigur einer steuerberechtigten öffentlich-rechtlichen Körperschaft, deren Qualifikation unter den bekannten Kriterien nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV von beliebigen Religionsgesell-
60
Die fast schon unüberschaubaren Veröffentlichungen zu dieser Thematik widerspiegeln eine Vielzahl von Auffassungen. 61
Vgl. Axel Frhr. v. Campenhausen, Der Austritt aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HdbStKirch2 I, S. 777 – 785, hier S. 783: „Die Rechtsquellenlage für den Austritt aus Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts ist kompliziert“, mit einem Quellenverzeichnis als Anhang, ebd., S. 783 – 785. 62
Rudolf Körper, Fragen des Zusammenlebens von Angehörigen verschiedener Religionen in einem weltanschaulich neutralen Staat, in: KuR (Neuwied) 2005, S. 1 – 10 (= 110, S. 255 – 264), hier S. 256 stellt fest, daß „sich die religiöse Landschaft signifikant ändert“ (mit statistischen Angaben, wonach in Deutschland gegenüber ca. 26 Millionen Katholiken ca. 3.5 Millionen Muslime zu verzeichnen sind). Auch wenn fraglich ist, „ob die Kirchen wirklich den massiven Bedeutungsverlust erlitten haben, den viele unterstellen“ (ebd., S. 263), könnte die Frage nach der verfassungsrechtlichen Legitimität in den Blick kommen; vgl. ferner Gerhard Robbers, Förderung der Kirchen durch den Staat, in: HdbStKirch2 I, S. 867 – 890, hier S. 883 – 890 („Die Legitimität finanzieller Förderung der Kirchen durch den Staat“). 63
Unter Hinweis auf die Formulierung der drei eherechtlichen Ausnahmebestimmungen, vgl. Anm. 37. 64 Joseph Listl, Die Erklärung des Kirchenaustritts, in: HdbKathKR2, S. 209 – 219, hier S. 212; ähnlich lautende Wiederholung S. 216.
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schaften erworben werden kann, mit der katholischen Kirche als der Konkretisierungsform der Kirche Christi gleichgesetzt. Abgesehen davon, daß der apodiktischen Umdeutung von Körperschaftsaustritt in „Abfall von der katholischen Kirche“ nicht gefolgt werden kann, 65 ist zu fragen, ob nicht mit vorvatikanischer und altkodikarischer Ekklesiologie zu argumentieren versucht wird. Außerdem vernachlässigt die skizzierte Auffassung die möglicherweise hinter dem Austritt stehende, entscheidende Intention, am besten zu charakterisieren an Hand des durch Literatur und Rechtsprechung bekannten Begriffs des modifizierten Austritts. 66 Danach erfolgt die Erklärung des Körperschaftsaustritts unter der Bedingung, auch künftig der katholischen Kirche als Glaubensgemeinschaft angehören zu wollen. Diese oder ähnlich eindeutige zusätzliche Formulierungen – an sich „unschädliche“ Rechtsbedingungen – sind inzwischen „der Rechtsklarheit und der Neutralität des Staates“ 67 wegen zu Recht weithin nicht mehr zulässig. 68 Sofern indessen kein entsprechendes Verbot durch Gesetzgeber oder Rechtsprechung besteht, 69 ist die Beifügung eindeutiger Zusätze an die Austrittserklärung möglich, kann jedoch
65
Vgl. unter etwas anderem Aspekt anschaulich Ludwig Renck, Verfassungsprobleme des Kirchenaustritts aus kirchensteuerlichen Gründen, in: DÖV 1995, S. 373 – 375, hier S. 375: „Es ist ein Unfug, einen Kirchenaustritt zu verlangen und behördlich zu protokollieren, der kirchenrechtlich keiner ist und der staatskirchenrechtlich keiner sein kann.“ Vgl. dazu Ulf Häußler, Keine Verfassungsprobleme durch die Formalisierung des Kirchenaustritts, in: DÖV 1995, S. 985 – 989. 66
Bei Listl, Erklärung (Anm. 64), findet sich nur S. 216 Anm. 31 der Hinweis: „Zur Unbeachtlichkeit der Motivation bei der Erklärung des Kirchenaustritts und zur rechtlichen Unbeachtlichkeit sog. ‚modifizierender Zusätze zur Kirchenaustrittserklärung‘ siehe ...“ Ausführlicher zu dieser Thematik ders., Die Rechtsfolgen des Kirchenaustritts in der staatlichen und kirchlichen Rechtsordnung, in: Recht als Heilsdienst. Matthäus Kaiser zum 65. Geburtstag gewidmet. Hrsg. v. Winfried Schulz, Paderborn 1989, S. 160 – 183 (186), hier S. 176 – 179, z. B. S. 176: Unter Berufung auf eine „Realidentität“ zwischen „der katholischen Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts, als Institution des kanonischen Rechts und als Glaubensgemeinschaft“ wird „die Erkenntnis“ vorgetragen, es handle „sich bei den ‚modifizierten‘ Kirchenaustrittserklärungen um eine gekünstelte und in sich schizophrene rechtliche Konstruktion“. 67
Hollerbach, Der verfassungsrechtliche Schutz (Anm. 51), S. 575 Rdnr. 35.
68
Vgl. z. B. § 26 Abs. 1 S. 2 KiStG Baden-Württemberg: „Die Erklärung ist persönlich zur Niederschrift abzugeben oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen; sie darf keine Bedingungen oder Zusätze enthalten.“ 69
Vgl. Häußler, Keine Verfassungsprobleme (Anm. 65), S. 987.
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nicht beurkundet werden. 70 Gleichgültig, in welcher Form im Kontext von Körperschaftsaustritten zu erkennen gegeben wurde, daß damit keinesfalls die Trennung von der katholischen Kirche intendiert sei, muß – Beweis des Vorbehalts vorausgesetzt – die Interpretation als Abfallen von der Kirche außer Betracht bleiben. 71 III. Körperschaftsaustritt kein Formalakt des von der Kirche Abfallens Mit dem Codex von 1983 gewann die Frage des Körperschaftsaustritts durch die Neuformulierung „actu formali ab Ecclesia catholica deficere“ 72 in den eherechtlichen Bestimmungen der cc. 1086 § 1, 1117 und 1124 neue Aktualität. Außerdem wurde dadurch in Abweichung von dem sonst für den ganzen Codex gemäß can. 11 verbindlichen Geltungsbereich rein kirchlicher Gesetze ein – heutiger Ekklesiologie nicht widersprechender – neuer Katholiken-Begriff eingeführt und insofern vom Axiom des „semel catholicus – semper catholicus“
70 Vgl. OLG Zweibrücken v. 30. Juni 1993 (3 W 33/93), in: AfkKR 163 (1994), S. 198 – 201, hier S. 200 – 201: „Der Senat folgt ... der wohl herrschenden Auffassung, daß der Zusatz, der kirchlichen Glaubensgemeinschaft weiter angehören zu wollen, die Austrittserklärung nicht unwirksam macht. Demgegenüber erscheint die Austrittserklärung aus der ‚Steuergemeinschaft der römisch-katholischen Kirche‘ nicht klar und eindeutig genug, um wirksam zu sein. Ungeachtet der Beurteilung der Wirksamkeit der genannten Erklärungen sind Zusätze der fraglichen Art weder zu beurkunden noch gar in die Austrittsbescheinigung nach Art. 3 VI des Gesetzes vom 10. September 1878 aufzunehmen ... Der fragliche Zusatz hat lediglich die Bedeutung einer Absichtserklärung und ist Ausdruck einer religiösen Bekenntnishaltung, ändert aber für sich genommen nichts daran, daß ein nach staatlichem Recht voll wirksamer Kirchenaustritt gewollt und erklärt ist.“ 71
Vgl. schon Titus Lenherr, Der Abfall von der katholischen Kirche durch einen formalen Akt. Versuch einer Interpretation, in: AfkKR 152 (1983), S. 107 – 125, hier S. 124: „Wenn jedoch im Zusammenhang mit ihm [dem Kirchenaustritt] der Vorbehalt erklärt wird, der den ‚Austritt‘ Erklärende wolle dennoch weiter zur katholischen Kirche als ‚Glaubensgemeinschaft‘ gehören, liegt kein solcher Abfall von der katholischen Kirche durch einen formalen Akt vor. Für das Vorhandensein dieser Modifikation trägt derjenige, der sie behauptet, die Beweislast“. 72
Zur Textgeschichte vgl. im Anschluß an seine einschlägigen Beiträge in: FS Wetter (1998), S. 921 – 944 und FS Listl (1999), S. 797 – 811 Winfried Aymans, Die Defektionsklauseln im kanonischen Eherecht. Plädoyer für die Tilgung des Befreiungstatbestandes eines „actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica“ in den cc. 1086 § 1, 1117 und 1124 CIC, in: AfkKR 170 (2001), S. 402 – 440, hier S. 405 – 426.
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abgewichen. 73 Die Modalität des Körperschaftsaustritts legte es nahe, ihn als Formalakt eines Abfallens von der Kirche zu verstehen. Dessen nähere Erfordernisse jedoch, die „freie innere Entscheidung, sich von der katholischen Kirche loszusagen, und deren Äußerung bzw. Erklärung“, 74 blieben weitgehend unberücksichtigt, da zum einen die staatlichen Regelungen in wachsender Zahl zu Recht keine bekenntnisartigen Zusätze, eben die modifizierten Austrittserklärungen, mehr zuließen, zum andern vor allem die „Erklärung der Diözesanbischöfe der Bundesrepublik vom Dezember 1969 zu Fragen des kirchlichen Finanzwesens“ 75 mit ihrer Rigorosität gerade bei intendierter Umgehung der „Besteuerung“ 76 in den fast 15 Jahren bis zum Codex auch die Argumentation kanonistischer Literatur entscheidend beeinflußte; schließlich werteten von 1983 an Diözesen in eindeutigen Stellungnahmen den gegenüber staatlichen Behörden erklärten Austritt generell als actus formalis gemäß can. 1117. 77
73
Aymans, Defektionsklauseln (Anm. 72), S. 404 mit Anm. 5 sieht in der Formulierung „nisi aliud iure expresse caveatur“, identisch mit jener des can. 12 CIC/1917, wegen unterschiedlicher Satzkonstruktion (vgl. Anm. 37) keine generelle „salvatorische Klausel“ mehr, vielmehr habe „der Gesetzgeber in konkretem Zusammenhang eine Freistellung von der Rechtsbindung“ ausgesprochen. 74 Markus Walser, Der sogenannte Kirchenaustritt und die de-facto Konversion in ihren Auswirkungen auf die Formpflicht bei der Eheschließung. Probleme in der Anwendung von c. 1117, in: FS Geringer, S. 505 – 521, hier S. 510. 75 Abgedruckt in: AfkKR 138 (1969), S. 557 – 559; abgesehen von der seltsamen Formulierungsweise der Bischöfe, die sich laut Eröffnungssatz zu „einem klärenden Wort und einer Bitte“ veranlaßt sahen, lassen die Veröffentlichungsweisen in den Diözesen Fragen offen. Erinnert z. B. die der Erzdiözese Köln an die Promulgation eines Diözesangesetzes (ABl. Köln 110 [1970], S. 11: „Köln den 5. Januar 1970, Für das Erzbistum Köln: Joseph Cardinal Höffner, Erzbischof von Köln“), begnügte sich die Freiburger (ABl. Freiburg 1970, S. 2 – 3) mit einem bloßen Nachdrucken ohne Datum [Heft 1 vom 12.1.1970]). 76
Vgl. AfkKR 138 (1969), S. 558 „Der katholische Christ, der vor den staatlichen Behörden seinen Kirchenaustritt erklärt und sich auf diese Weise der Besteuerung entzieht, verletzt damit vor der Öffentlichkeit unserer Gesellschaft die gebotene Solidarität in so grober Weise, daß die kirchliche Gemeinschaft dies unter keinen Umständen hinnehmen darf. An der Gemeinschaftswidrigkeit dieses Verhaltens kann auch ein die Austrittserklärung einschränkender Zusatz nichts ändern ... Wenn also ein Katholik seinen Austritt aus der Kirche erklärt – aus welchen Gründen auch immer – so stellt dies eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft dar. Er kann daher am sakramentalen Leben erst wieder teilnehmen [!],wenn er bereit ist, seine Austrittserklärung rückgängig zu machen ...“ 77 Zu einer Aufzählung solcher kirchenbehördlicher Erlasse vgl. Listl, Erklärung (Anm. 64), S. 216.
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Auch bei grundsätzlicher Distanzierung von dieser Auffassung sind mißverständliche oder näherer Überprüfung nicht standhaltende Ausführungen festzustellen. So wurde „in der Regel“ der Austritt aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft dem Formalakt nach can. 1117 zugeordnet, zugleich aber auf das „Kriterium für den Formalakt“, die „kirchliche Öffentlichkeit“ als Adressat nämlich, verwiesen, die dann allerdings unter dem Eindruck der Praxis auch in der staatlichen Benachrichtigung der Kirchenbehörden gesehen wurde. 78 Unbeirrbar hat Klaus Lüdicke am kirchenbehördlichen Adressaten als Voraussetzung für die Qualifizierung einer Austrittserklärung als Formalakt festgehalten. 79 Gegen eine derartige kirchenamtliche Mitwirkung wurden „schwerwiegende Bedenken geltend gemacht“, da sie dem kanonischen Recht „völlig fremd“ sei. 80 Doch berechtigt die Tatsache, daß der Codex von 1983 bis dahin fremde Bestimmungen einführt, zur Annahme, es müsse sich beim actus formalis um einen kirchenexternen Akt handeln? Zunächst ist davon auszugehen, daß im kirchlichen Gesetzbuch innerkirchliche Regelungen getroffen werden, auch ohne nähere Begriffsfestlegung – keine allzu befremdliche Ausnahme, denn so manche „Legaldefinition“ bleibt zu Recht der kanonistischen Doktrin überlassen; außerdem wird der „bürgerliche“ Bezug eigens erwähnt, wenn staatliche Bereiche in den Blick kommen. 81 Auch wenn der Körperschaftsaustritt in modifizierter Form in der Regel staatlicherseits nicht angenommen werden kann, ohnehin für die Mitgliedschaftsbeendigung bedeutungslos ist und kirchliche Amtsstellen ihn schon von vornherein verwarfen, 82 wurde indessen ein entsprechender, bewiesener 83 Vor-
78
Zapp EheR7, S. 179 – 180; auch Ausführungen über den modizierten Kirchenaustritt (ebd., S. 181) sind zu revidieren. 79
Vgl. MK CIC, 1086 Rdnr. 3: Die förmliche Kundgabe ist gegeben, „wenn der Wille, der katholischen Kirche nicht mehr anzugehören, vor der kirchlichen Öffentlichkeit in beweisbarer Form zum Ausdruck gebracht worden ist. Zu denken ist an eine entsprechende eigenhändig unterzeichnete Erklärung gegenüber einem kirchlichen Amtsträger als Vertreter der kirchlichen Öffentlichkeit“ (zitiert nach Zapp EheR7, S. 178 Anm. 6). 80 Vgl. Aymans, Defektionsklauseln (Anm. 72), S. 432 – 433, hier S. 433: „Dem kanonischen Recht ist es völlig fremd, irgendein schwerwiegendes Versagen gegenüber dem Glauben oder der kirchlichen Gemeinschaft (vgl. c. 751 CIC) als empfangsbedürftigen Akt zu formalisieren“. 81
Vgl. zu den Begriffsverbindungen mit „civile“ bzw. „civilis“ Hartmut Zapp, Codex Iuris Canonici. Lemmata, Freiburg 1986, S. 119 – 120. 82 Vgl. Anm. 76; man ist geneigt, von einer obsolet gewordenen praesumptio iuris et de iure zu sprechen.
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behalt in kanonistischer Literatur zunehmend als entscheidendes Kriterium anerkannt, den Körperschaftsaustritt nicht als Formalakt des von der Kirche Abfallens zu beurteilen, 84 mitunter in Formulierungen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. 85 Schließlich verdient auch die Tatsache Erwähnung, daß die deutsche kirchenamtliche Wertung des Körperschaftsaustritts für den Kontext des can. 1117 im Ausland weithin nicht anerkannt wird. 86 Obwohl bekannt war, daß der Päpstliche Rat für Gesetzestexte (PCI) 87 schon länger über die Defektionsklauseln beriet, 88 ja in seiner Sitzung vom 4.6.1999 83 Der Nachweis dürfte dann auch die Unterscheidung in unbedingte und bedingte Austrittserklärung nach staatlichem Recht (vgl. Aymans, Defektionsklauseln [Anm. 72], S. 431 – 432) nivellieren. 84 Zu nennen ist hier v. a. Klaus Lüdicke, Wirtschaftsstrafrecht in der Kirche, Kanonistische Anmerkungen zu einem Kirchenaustritt, in: Administrator bonorum. FS für Sebastian Ritter. Hrsg. v. Hans Paarhammer, Thaur 21988, S. 271 – 282; vgl. ferner Ilona Riedel-Spangenberger, Kirchenzugehörigkeit und Kirchensteuer. Zum Verhältnis von staatlichem und kirchlichem Recht, in: Streitfall Kirchensteuer. Hrsg. v. Wolfgang Ockenfels / Bernd Kettern, Paderborn 1993, S. 109 – 129; Heribert Hallermann, Der nach staatlichem Recht geregelte Kirchenaustritt – Apostasie, Häresie oder Schisma? Fragwürdige Schlußfolgerungen aus dem Kirchenaustritt von Katholiken, in: Una sancta 53 (1998), S. 226 – 240; unter Bezugnahme auf Publikationen bes. von Josef Prader vgl. die ausführliche Argumentation bei Severin J. Lederhilger, Zur Beurteilung von Zivilehen ausgetretener Katholiken nach dem CIC/1983, in: DPM 4 (1997), S. 241 – 250. 85 Vgl. die zutreffende Zusammenfassung von Wilhelm Rees, Kirchenabfall, in: LKStKR II, S. 462 – 463: „Die Diözesanverwaltungen und die deutsche Verwaltungskanonistik sehen auch die Erklärung des Kirchenaustritts vor einer staatlichen Behörde als Kirchenabfall an. Dabei wird fälschlicherweise unterstellt, dass der staatliche Rechtsakt eine unmittelbare Wirkung im kirchlichen Rechtsbereich entfalte. Den Bezugspunkt dafür bietet die Erklärung der Diözesanbischöfe ..., die aber gegen das geltende Recht keine Geltung beanspruchen kann. Diesbezügliche Ergebnisse der wissenschaftlichen Kanonistik werden in der Verwaltungspraxis der deutschen Bistümer ignoriert“. 86
Vgl. Bruno Primetshofer, Die Formpflicht des durch formalen Akt von der Kirche abgefallenen Katholiken, in: DPM 6 (1999), S. 93 – 115, hier S. 101 Anm. 31: „Demgegenüber hat die Italienische Bischofskonferenz die Frage, ob der Kirchenaustritt (nach deutschem Staatskirchenrecht) als ‚actus formalis‘ anzusehen sei, rundweg verneint.“ Die Folge: Die nach dem Körperschaftsaustritt beider Katholiken nur standesamtlich geschlossene, in Deutschland „sakramentale“ Ehe ist in Italien ungültig. 87 Neue Bezeichnung seit dem Jahr 2000, vgl. AnPont 2000, S. 1324; früher Pontificia commissio Codici iuris canonici authentice Interpretando, vgl. MP Recognito Iuris Canonici Codice v. 2.1.1984, in: AAS 76 (1984), S. 433 – 434, danach Pontificium Consilium de legum textibus Interpretandis. 88
Vgl. die Antwort des Rates vom 21.9.1996 an den Bischof von Augsburg, in: DPM 3 (1996), S. 318 – 321, aus der hervorging, daß eine „umfassendere“ Untersu-
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deren Streichung vorgeschlagen hatte, 89 kam die Antwort seines Präsidenten vom 3. Mai 2005 auf eine entsprechende Anfrage des Bischofs von RottenburgStuttgart 90 überraschend. Diese Entscheidung betont zur Wertung als actus formalis des von der Kirche Abfallens die innere Entscheidung zur Trennung von der Kirche im Sinn des Bruches der vincula nach can. 205, die persönliche Erklärung dieser Entscheidung in einem gültigen Rechtsakt gegenüber der zuständigen kirchlichen Autorität und – als besonders hervorzuhebendes Novum – die durch Unterschrift zu bestätigende Annahme der Entscheidung durch diese Autorität. 91 Die mit rigorosen Maßnahmen verbundene Umdeutung des
chung zu den Defektionsklauseln schon im Gange war; im Februar 1997 erklärte deren Präsident in einem Gespräch, daß an einer „umfassenden Klärung“ gearbeitet würde, vgl. Lederhilger, Beurteilung (Anm. 84), S. 241. 89
Vgl. CLSN [Canon Law Society Newsletter] 127 (2001), S. 6: „Thus the Fathers of this Pontifical Council have unanimously proposed the suppression of the clause ‚nec actu formali ab ea (Ecclesia catholica) defecerit‘ as found in Canon 1086 § 1, 1117 and 1124 of the Code of Canon Law“. 90
„Pontificium Consilium de Legum Textibus. N. 9724/2005, Città del Vaticano, 3 maggio 2005. Eccellenza Reverendissima, Con lettera del 25 gennaio 2005 (Prot. N. 9724/2005), Vostra Eccellenza …“. Im einleitenden narrativen Teil wird auf die Antwort des Päpstlichen Rates an den Bischof von Augsburg (vgl. Anm. 88), auf die Behandlung des Formalaktes durch diesen Rat in seiner Vollversammlung vom Juni 1997, in der u. a. ein Beitrag der Glaubenskongregation vom 11.12.1996 zur anstehenden Thematik behandelt wurde, und schließlich auf die Plenaria des Rates vom Juni 1999 (vgl. Anm. 89) hingewiesen. 91
Unter den eingesehenen Übersetzungen wird der von Klaus Lüdicke gefolgt; vgl. seine deutsche Wiedergabe des dezisiven Teils in: MK CIC (39. Lfg. Juli 2005), 1086 Rdnr. 3 Abs. 4: „Das Verlassen der Kirche oder die Trennung von ihr muß sich, um gültig als actus formalis mit den Wirkungen des can. 1117 CIC betrachtet zu werden, in folgenden Elementen konkretisieren: a) Innere Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen. Der Inhalt des formalen Aktes muß der Bruch jener Bande der Gemeinschaft – Glaube, Sakramente, pastorale Leitung – sein, die dem Gläubigen den Empfang des Lebens der Gnade im Inneren der Kirche möglich machen. Das bedeutet, daß ein solcher Formalakt des Abfalls nicht nur einen juristisch-administrativen Charakter hat (der Austritt aus der Kirche im melderechtlichen Sinne mit den entsprechenden zivilen Wirkungen), sondern sich als eine wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen der Kirche darstellt: Er setzt daher einen Akt der Apostasie, der Häresie oder des Schismas voraus. b) Äußere Setzung und Kundmachung dieser Entscheidung. Die formelle oder materielle Häresie, das Schisma und die Apostasie stellen für sich nicht einen formalen Akt des Abfalls von der Kirche dar, wenn sie nicht äußerlich konkretisiert und der zuständigen kirchlichen Autorität in der vorgeschriebenen Weise kundgetan sind. Es muß sich also um einen gültigen Rechtsakt handeln, der von einer kanonisch fähigen Per-
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Körperschaftsaustritts als Formalakt des von der Kirche Abfallens durch deutsche Kirchenbehörden und den Großteil der Kanonisten hat mit der Entscheidung des Pontificium Consilium de Legum Textibus eine klare Zurückweisung erfahren – ein die genannten Voraussetzungen erfüllendes Verlassen der Kirche dürfte eine sehr seltene Ausnahme werden. Diese Responsio wurde am 13. März 2006 unvermutet ersetzt durch ein für die Weltkirche verbindliches Dokument von wesentlich größerem Gewicht; das Dokument ist als Nachtrag abgedruckt. IV. Körperschaftsaustritt unter strafrechtlichem Aspekt Mit dieser Definition der kirchenrechtserheblichen Trennung von der Kirche im Sinn eines Formalakts stehen auch die von der katholischen Kirche in Deutschland mit dem aus steuerlichen Gründen erfolgten Körperschaftsaustritt verbundenen – wohl nur kirchenpolitisch erklärbaren – Strafandrohungen nicht mehr zur Diskussion, da diesem Austritt lediglich ein „juristisch-administrative(r) Charakter“ bescheinigt wird und sich gerade nicht „als eine wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen der Kirche darstellt“. Besonders befremdend wirkte die unqualifizierte Argumentation mit der Tatstrafe der Exkommunikation, die dem Betroffenen – war er denn in der Lage, die schwierigen Voraussetzungen zum Vollzug der Tatstrafe zu erfüllen – den Sakramentenempfang lediglich verbot; in der Regel wurde nicht zur Kenntnis genommen,92 daß er erst mit der kirchenamtlichen Erklärung des Eintritts der Tatstrafe in foro externo als Exkommunizierter betrachtet werden konnte. Dazu wäre die Schuldfeststellung unvermeidlich gewesen – ein Aspekt, dem in der rigorosen Beurteilung des Körperschaftsaustritts so gut wie keine Beachtung geschenkt
son und in Übereinstimmung mit der kanonischen Rechtsordnung, die ihn regelt, gesetzt ist (vgl. cann. 124 – 126 CIC). Ein solcher Akt muß in persönlicher, bewußter und freier Weise gesetzt worden sein. c) Direkte Annahme dieser Entscheidung seitens der zuständigen kirchlichen Autorität. Es ist erforderlich, daß der Akt durch den Betroffenen persönlich vor der zuständigen kirchlichen Autorität (eigener Ordinarius oder Pfarrer) kundgetan wird, der allein es zusteht zu beurteilen, ob ein Willensakt gegeben ist, und ihn mit Unterschrift zu bestätigen. Folglich konstituiert nur das Zusammentreffen der beiden Elemente – theologische Bedeutung des inneren Aktes und seine Kundgabe in der so definierten Weise – den actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica im Sinne des can. 1117 CIC“. Der letzte Satz vor der Grußformel lautet: „Wer nicht durch einen solchen Formalakt von der katholischen Kirche abgefallen ist, hat die kanonische Eheschließungsform einzuhalten.“ 92
Vgl. Listl, Erklärung (Anm. 64), S. 218.
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wurde.93 Auch von Verweigerung der Sakramentenspendung kann nun keine Rede mehr sein, liegt doch der behauptete Sachverhalt großen Ärgernisses oder schwerer offenkundiger Sünde94 nicht vor. Schließlich wurde auch die im Handbuch des Katholischen Kirchenrechts vertretene Auffassung Makulatur, wonach „der Katholik, der den Austritt aus der Kirche erklärt hat, auch seinen Anspruch auf die Ehre eines kirchlichen Begräbnisses verwirkt“ haben sollte.95 Wenn nun Körperschaftsaustritt nach dem genannten Schreiben keinen Formalakt des Abfallens von der Kirche bedeutet, erübrigt sich die Frage nach der Rekonziliation, die in diözesanen Erlassen unterschiedlich geregelt war96 und in kanonistischen Veröffentlichungen mit wenigen Ausnahmen97 ähnlich wenig
93
Klaus Mörsdorfs Lehrbuch wurde gerne entnommen, daß „der Kirchenaustritt so, wie er sich in der Austrittserklärung kundgibt, ein öffentliches Lossagen von der Kirche, also in jedem Falle Trennung von der kirchlichen Einheit“ sei; ebenso gerne übersah man seine im unmittelbaren Zusammenhang wichtigste Aussage, vgl. Mörsdorf, Lehrbuch (Anm. 13), III (111979), S. 424: „... duldet der Grundsatz: Nulla poena sine culpa hier, wo es sich um die Strafe des Kirchenbannes handelt, keine Ausnahme ... Die Beweggründe zum Kirchenaustritt ... erfordern jeweils eine besondere Würdigung bei der Prüfung der Schuldfrage“. 94 Vgl. Bruno Primetshofer, Zur Frage der Rechtsfolgen eines Kirchenaustritts aus finanziellen Gründen, in: FS Kaiser (Anm.66), S. 187 – 199, hier S. 199, wonach mit der infolge einer Austrittserklärung durch nichts „zu beseitigenden Distanzierung von der Kirche das Erscheinungsbild des hartnäckigen Verharrens in der offenkundigen schweren Sünde (c. 915) gegeben“ ist, „das einen Ausschluß von der Kommunion nicht nur ermöglicht, sondern – wegen des mit einer öffentlichen Kommunionspendung unweigerlich verbundenen Ärgernisses – geradezu fordert“. Gegen solche Auffassungen vgl. z. B. Riedel-Spangenberger, Kirchenzugehörigkeit (Anm. 84), S. 121 – 122. 95
Für Heinrich J. F. Reinhardt, in: MK CIC, 1184 Rdnr. 3 Abs. 2 ist die Zuordnung Ausgetretener „zu den Begriffen des Apostaten, Häretikers, Schismatikers oder offenkundigen Sünders problematisch. Es wird auf den Grund ihres Handelns ankommen, der allerdings aus der Erklärung vor der staatlichen Stelle nicht entnommen werden kann“. Ähnlich zurückhaltend ders., in: Das kirchliche Begräbnis, in HdbKathKR2, S. 1016 – 1020, hier S. 1018 mit Anm. 9. 96 Während z. B. im ABl. des bischöflichen Ordinariats Berlin v. 1.12.1985 mit Wirkung vom 1.3.1986 alle Priester mit Beichtvollmacht delegiert wurden, die „Tatstrafe der Exkommunikation wegen Apostasie (Kirchenaustritt) zu erlassen“ und davon dem Ordinariat Meldung zu machen hatten, mußten nach dem ABl. der Erzdiözese Freiburg vom 18.6.1985 die Beichtväter in Fällen des Kirchenaustritts „für den Einzelfall formlos die Vollmacht beim Erzbischöflichen Ordinariat erbitten“. 97
Z. B. Ilona Riedel-Spangenberger, Konversion und Rekonziliation im Recht des Staates und der Kirche, in Ökumene und Kirchenrecht – Bausteine oder Stolpersteine? Hrsg. von Heribert Hallermann, Mainz 2000, S. 157 – 164.
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befriedigende Beachtung fand; diese Lücke wurde unlängst durch eine Abhandlung von Georg May geschlossen.98 Der Körperschaftsaustritt aus steuerlichen Gründen kann in erster Linie als Protest gegen die weit überhöhte deutsche Kirchensteuer verstanden werden,99 dank derer, so eine zutreffende Feststellung, die Kirchen „im zwischenkirchlichen und internationalen Vergleich ‚reich‘“100 sind. Entspricht eine derartige Überfinanzierung der Grundpflicht nach can. 222 § 1? Im Kontext der partikularrechtlich möglicherweise greifenden Zusatzbestimmung des can. 1263101 war bereits auf deren Spannung zur allgemein von den Gläubigen gemäß can. 1262 „erbetenen Unterstützung“ – die Codexreformkommission wollte eine sanktionsbewehrte Verpflichtungsanordnung ausdrücklich vermeiden102 – aufmerksam zu machen.103 Der Grundnorm des can. 222 § 1 wird dabei die Funktion zugeschrieben, sowohl die Forderung des Ausnahmerechts abzuschwächen als auch „die Grundpflicht auf angemessene [!] finanzielle Unterstützung (in welcher Form 98
Vgl. Georg May, Der Wiedereintritt in eine Religionsgemeinschaft, in: FS Listl (2004), S. 185 – 204; zu Beginn seines Beitrags stellte er fest: „Der Austritt aus einer Religionsgemeinschaft hat vielfältiges Interesse und häufigen literarischen Niederschlag gefunden. Der Wiedereintritt in eine Religionsgemeinschaft, die jemand durch Austritt verlassen hat, wird dagegen in allen einschlägigen Veröffentlichungen stiefmütterlich behandelt“. 99
Für 72 % der Körperschaftsaustritte sind diese finanziellen Aspekte entscheidend, auch wenn von den Konfessionsmitgliedern nur 4 % „die Belastung durch die Kirchensteuer als sehr groß, weitere 11 % als groß“ einstufen; vgl. Renate Köcher, Kirchenaustritte und Kirchensteuer, in: Streitfall Kirchensteuer (Anm. 84), S. 13 – 26, hier S.15 – 17. 100
Hollerbach, Kirchensteuer (Anm. 40), S. 1092.
101
Vgl. can. 1263 HS. 2: „salvis legibus et consuetudinibus particularibus quae eidem potiora iura tribuant“, in unmittelbarem Anschluß an die gemeinrechtliche Bestimmung, nur im Falle großen Notstands und unter Beachtung der in HS. 1 genannten Voraussetzungen, z. B. Anhörungsrechte, dürfe der Diözesanbischof – über die Unterstützung nach can. 1262 hinaus – eine außerordentliche und maßvolle Besteuerung (exactio) auferlegen. Mit dem Einschalten des Anhörungsrechtes sowohl des Vermögensverwaltungsrates als auch des Priesterrates sollte nach Absicht der Kodexkommission „ein unbegrenztes Besteuerungsrecht vermieden werden“, vgl. Richard Puza, Die Kirchenfinanzierung nach dem CIC/1983 und den neuen konkordatären Vereinbarungen, in: Die Kirchenfinanzen VI. Hrsg. v. Erwin Gatz, Freiburg 2000, S. 443 – 454, hier S. 448. 102
Vgl. Fischer, Finanzierung (Anm. 41), S. 86 – 87 (mit dem Hinweis auf Communicationes 5 [1973], S. 94 – 95): „Die Gläubigen als Normadressaten seien daher mehr durch Überzeugung als durch Zwang auf ihre Hilfe durch erbetene Zuwendungen (subventiones rogatae) für die Kirche ... hinzulenken“; vgl. die weiteren detaillierten Ausführungen zu Entstehung und Interpretation des can. 1263 ebd., S. 89 – 92. 103
Vgl. Anm. 45 und 46.
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auch immer) zu bekräftigen“.104 Die Diskussion um die eher nur innerkirchliche Relevanz des can. 1263 ist unergiebig, da das deutsche Kirchensteuersystem wegen seiner konkordatären Verankerung staatlich wie kirchlich begründet ist.105 Ist mit dem Körperschaftsaustritt zu vermuten, der Katholik wolle seiner klaren Verpflichtung gemäß can. 222 § 1 nicht nachkommen? Zunächst ist nur ersichtlich, daß seine Vorstellungen von gerechtem und angemessenem Beitrag nicht mit denen der die Kirchensteuer festsetzenden kirchlichen Instanzen übereinstimmen. Zur Begründung des Körperschaftsaustritts kann die Frage nach Gerechtigkeit und Angemessenheit der deutschen Kirchensteuer auf der Grundlage von can. 1259 (in Beibehaltung der Formulierung des can. 1499 § 1 CIC/1917) angegangen werden, nach der die Kirche auf jede gerechte Weise Vermögen erwerben kann. Die Hauptquelle der deutschen Kirchenfinanzierung ist bekanntermaßen die Kirchensteuer. Ist es gerecht, daß wegen des Charakters der Kirchenmitgliedsteuer als Annexsteuer – nach Aussage eines ausgewiesenen Kenners der „Kirchenfinanzen“ – gerade etwas mehr als ein Drittel der Katholiken in Deutschland überhaupt Kirchensteuer zahlt?106 Handelt es sich um eine angemessene, rechtmäßige („legitime“) Vorschrift, deren „gehorsame“ Befolgung mit einer iusta poena gemäß can. 1371 Nr. 2, eine entsprechende Rechtsgrundlage vorausgesetzt, soll erzwungen werden können?107 Ist es gerecht, von deutschen Katholiken die weitaus höchste Kirchenfinanzierungsleistung108 in der katholischen Weltkirche erzwingen zu wollen, während z. B. im „katholischen“ Italien seit dem Rahmenkonkordat von 1984 die sog. Kultursteuer „im Vergleich mit der deutschen Kirchensteuer lediglich ein Zehntel beträgt“109 – wobei diese acht vom Tausend der zu ent104
Hollerbach, Kirchensteuer (Anm. 40), S. 1081.
105
Vgl. Anm. 54.
106
Vgl. Norbert Feldhoff (von 1975 bis 2004 Generalvikar der Erzdiözese Köln, der, darf man Presseberichten glauben, nach Chicago reichsten Diözese der Welt), Kirchenfinanzen in der Krise, Köln 2004 (Kirche und Gesellschaft 315), S. 4: „Nur etwa 35 % der Katholiken zahlen Kirchensteuer, weil nur sie auch Lohn- und Einkommensteuer zahlen.“ 107 Zur Problematik vgl. Riedel-Spangenberger, Kirchenzugehörigkeit (Anm. 84), S. 120 – 121. 108
Es geht nicht um die Beseitigung des deutschen Kirchensteuersystems, über das sich wie über alle anderen Kirchenfinanzierungsmethoden diskutieren läßt, sondern um die kirchlicherseits festgelegten unvertretbar hohen Steuersätze. Zu einem ausführlichen Überblick über die nur in „Mischformen“ vorkommende Finanzierung von Religionsgesellschaften vgl. Heiner Marré, Die Systeme der Kirchenfinanzierung in den Ländern der Europäischen Union und in den USA, in: ZevKR 42 (1997), S. 338 – 352. 109
Nikolaus Schöch, Die Kultursteuer – Ausweg oder Irrweg für die Kirchenfinanzierung in Österreich? In: FS Puza, S. 751 – 801, hier S. 754.
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richtenden Einkommensteuer noch nicht einmal der Kirche zuzuwenden sind. Besonderer Betonung wert ist, daß sowohl die Italienische Bischofskonferenz als auch der Apostolische Stuhl mit der Unterzeichnung der Verträge ausdrücklich zu verstehen gaben, daß diese Vereinbarung ihrer Vorstellung von einem angemessenen Kirchenbeitrag entspricht.110 Man wird die Formulierung vertreten können, daß ein Körperschaftsaustritt zur Vermeidung der Kirchensteuer keinen Verstoß gegen die in den genannten einschlägigen kirchlichen Normen festgelegte Verpflichtung darstellt, solange die Steuersätze der katholischen Kirche in Deutschland über den durchschnittlichen Kirchenfinanzierungsaufkommen in anderen europäischen Ländern liegen – eine freiwillige Beitragsleistung in etwa deren Höhe vorausgesetzt.111 Für eine längere Übergangszeit mag dies nicht einfach sein, zumal auch der Staat dadurch betroffen wäre.112 Doch ist in anderen Ländern das wesentlich geringere Budget kein Hinderungsgrund für ein im Vergleich zu Deutschland keineswegs weniger aktives Engagement der Kirche. Außerdem kann unter Hinweis auf die Ekklesiologie des can. 204 § 2 die Kirche auch als Dienstleistungsunternehmen gesehen werden; schließlich sind ihr nach can. 1264 Nr. 1 – 2 Gebühren und Entgelte für die Spendung von Sakramenten und Sakramentalien durchaus nicht fremd. V. Eherechtliche Konsequenzen des Körperschaftsaustritts Das Verweigern der Teilnahme „am sakramentalen Leben“113 wegen Körperschaftsaustritts durch die deutschen Bischöfe wurde mit der FormalaktInterpretation des Päpstlichen Rates entschieden zurückgewiesen.114 Außerdem
110 In der Tat wurde das Budget der Diözese Rom im Jahr 1998 zu 79,34 % aus der Kultursteuer finanziert; vgl. Schöch, Kultursteuer (Anm. 109), S. 755 Anm. 23. 111
Eventuell könnte auch über dessen Verwendungszweck bestimmt werden. Zum Beweis der angemessenen Beitragsleistung ist das Einholen einer Empfangsbestätigung von der zuständigen Kirchenbehörde – in der Regel wohl dem Pfarramt – zu empfehlen, zumal der Beitrag von der Lohn- bzw. Einkommensteuer absetzbar ist. 112 Die kirchlichen Leistungen im sozialen und kulturellen Bereich werden allerdings schon jetzt zwischen 80 bis nahezu 100 % staatlicherseits subventioniert, von sonstigen Staatsleistungen und indirekten staatlichen Förderungen abgesehen. 113 114
Vgl. Anm. 76.
Für das forum internum dürfte die Verweigerung von vornherein ins Leere gegangen sein, denn ein modifizierter Körperschaftsaustritt bedeutete für die Betreffenden keinerlei Veranlassung, „sich einer schweren Sünde bewußt zu sein“ und die Konsequenzen nach can. 916 auf sich zu nehmen.
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bleibt nun durch die Ausgrenzung des Körperschaftsaustritts aus dem Sachverhalt des can. 1117 die Formpflicht unberührt, d. h. diese Katholiken können – von Dispens-Sonderfällen abgesehen – eine gültige kirchliche Ehe nur vor Trauungsberechtigten schließen, die ihrerseits die Eheassistenz nicht unter Berufung auf ein Trauungsverbot verweigern können. An der grundsätzlichen Problematik allerdings ändert sich nichts, solange die Defektionsklausel des can. 1117 besteht, also ein echtes Abfallen von der Kirche im Sinne der Trennung möglich bleibt und dadurch die Formpflicht entfällt. Ist nach einem solchen Formalakt konsequenterweise kein Sakramentenempfang mehr möglich und wird auch gar nicht angestrebt, drängt jedoch die Kirche diesen aus der „vollen Verwirklichung der Kirche Jesu Christi“ Ausgetretenen das Ehesakrament geradezu auf, sofern sie mit ebenfalls formfreien Getauften die Ehe schließen. Inkonsequent und widersprüchlich? Nur ein weiteres Fallbeispiel der durch can. 1055 § 2 bedingten Unzuträglichkeit.115 Eine andere mit can. 1117 verbundene Schwierigkeit impliziert die nähere Qualifizierung des Antwortschreibens: Hat es rückwirkende Kraft? Ist die Frage zu bejahen, waren die Körperschaftsaustritte seit Inkrafttreten des Codex im Jahre 1983 keine Formalakte im Sinne des can. 1117, berührten daher die Formpflicht nicht, so daß die danach geschlossenen Ehen mit nicht formpflichtigen Christen im Gegensatz zur Auffassung der Kirchenbehörden nichtig sind. Damit rückt die Verbindlichkeitsfrage der Interpretation in den Blick, die hier von besonderer Brisanz ist, weil sich die Deutsche Bischofskonferenz – wohl aus nicht unbegründeter Sorge um ihre ergiebigste Finanzierungsquelle – über das Responsum mit der höchst befremdenden Reaktion hinwegsetzt, „dass in den deutschen Diözesen auch nach dieser Feststellung des PCI die bisherige Präsumption[!] Geltung behält, nach der ein auf der Grundlage des weltlichen Rechts vor der staatlichen Autorität vollzogener Austritt aus der Katholischen Kirche den Tatbestand des actus formalis defectus[!] ab Ecclesia catholica erfüllt und die entsprechenden Konsequenzen (im Eherecht etc.) nach sich zieht“.116 Aus dieser Erklärung und der Absicht des Vorsitzenden der Bischofs-
115
Vgl. Hartmut Zapp, Zur „Realdistinktion“ von Ehevertrag und Sakrament, in: FS Puza, S. 341 – 367. 116
Vgl. den „Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Ständigen Rats der DBK am 22. August 2005“: „5. Der Erzbischof von Bamberg macht auf eine Antwort des Päpstlichen Rats für die Interpretation der Gesetzestexte (PCI) vom 03.05.2005 aufmerksam, die in Auslegung von c. 1117 CIC eine Definition für die rechtswirksame Trennung von der Kirche (actus formalis defectus[!] ab Ecclesia catholica) enthält. Demnach wird ein Kirchenaustritt gültig, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
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konferenz, die sich aus der Auslegung des Formalakts für den deutschen Episkopat ergebenden „Fragen in einem direkten Gespräch“ einer Klärung zuzuführen, läßt sich zumindest erahnen, welches Gewicht dem Schreiben des Rates für Gesetzestexte von den „deutschen Diözesanbischöfen“ zugemessen wird. Mit Sicherheit ist der Päpstliche Rat nach can. 16 § 1 i. V. m. Art. 154 – 158 PastBon Träger der Vollmacht zu authentischer Interpretation; nicht jede seiner Entscheidungen ist jedoch authentisch117 im Sinn des can. 16. Unterscheidet man zwischen amtlicher und nichtamtlicher Auslegung, ergeht auch die „forensische nichtauthentische Interpretation“ – ob in can. 16 § 3 erfaßt oder nicht,118
– die innere Entscheidung zur wirklichen Trennung von der Kirche, – die Ausführung und äußere Manifestation dieser Entscheidung und – die Entgegennahme der Entscheidung durch die zuständige kirchliche Autorität. Der Ständige Rat stellt hierzu fest, dass in den deutschen Diözesen auch nach dieser Feststellung des PCI die bisherige Präsumption[!] Geltung behält, nach der ein auf der Grundlage des weltlichen Rechts vor der staatlichen Autorität vollzogener Austritt aus der Katholischen Kirche den Tatbestand des actus formalis defectus[!] ab Ecclesia catholica erfüllt und die entsprechenden Konsequenzen (im Eherecht etc.) nach sich zieht. Der Vorsitzende wird diese Auffassung der deutschen Diözesanbischöfe dem PCI und anderen römischen Instanzen zur Kenntnis bringen und damit die Anregung verbinden, die mit der jüngsten Interpretation des PCI verbundenen Fragen in einem direkten Gespräch zu erörtern und zu klären. Weiterhin wird er die Konferenz der Offiziale und die Verwaltungskanonisten darüber informieren, dass die Deutsche Bischofskonferenz selbst in dieser Angelegenheit die Initiative ergriffen hat und diesbezügliche Kontakte der Konferenzen mit dem PCI gegenwärtig nicht erforderlich sind.“ 117 Vgl. Georg May / Anna Egler, Einführung in die kirchenrechtliche Methode, Regensburg 1986, S. 192 – 193: „Die authentische Interpretation verdankt ihr Gewicht nicht der Begründung, sondern der Autorität.“ 118 Zur dreigliedrigen Kontroverse über die Reichweite der authentischen Interpretation bezüglich can. 16 § 3 vgl. May / Egler, Einführung (Anm. 117), S. 193: „Der Gesetzgeber ist nicht darauf beschränkt, seine Auslegung nach Art eines Gesetzes, und das heißt immer: allgemein und für alle verbindlich, vorzunehmen; er kann sie auch ... nach Art eines Verwaltungsbescheides oder eines richterlichen Urteils ergehen lassen, wobei sie aber lediglich für diesen Fall gilt (c.16 § 3). Derartige Interpretationen bieten im allgemeinen eine sichere Regel des Handelns in ähnlich gelagerten Fällen und gelten als Klugheitsregeln. Falls sie in den Acta Apostolicae Sedis veröffentlicht werden, haben sie den Charakter einer Empfehlung. Wenn sie in den Kurialstil übergehen, stellen sie eine verpflichtende Norm dar“.
Ähnlich Hubert Socha, in: MK CIC, 16 Rdnr. 17 Abs. 1: „Die forensische Interpretation ergeht entweder nichtauthentisch oder authentisch. Beide Formen verpflichten nur die Personen, für die sie gegeben worden sind“.
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im Namen der Kirche, d. h. mit amtlichem Charakter.119 In wesentlichem Unterschied gegenüber der authentischen – gemäß can. 16 § 2 nach Art eines Gesetzes durch Promulgation zu erfolgen120 – kann die nichtauthentische Auslegung mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden. Wenig dienlich zur Bestimmung der Verpflichtungskraft einer Interpretation ist deren Bezeichnung als „privat“;121 man wird sie nicht als unverbindliche Meinung von Privatpersonen zu verstehen haben,122 sondern als nichtauthentische forensische Interpretation oder Entscheidung „nach Art eines Verwaltungsbescheides“123 werten
119 Vgl. Hubert Socha, in: MK CIC, Einführung vor 16 Rdnr. 5: „Die Auslegung der Kirchengesetze hat amtlichen Charakter, wenn sie im Namen der Kirche erfolgt; sie ist nicht-amtlich, wenn ihr diese Verbindlichkeit fehlt. Zur amtlichen Auslegung zählen die authentische Interpretation, die vom Gesetzgeber ausgeht (16 § 1); sie erfolgt in den Formen des Gesetzes (§ 2) oder des Urteils oder Verwaltungsaktes (§ 3); ... die forensische nichtauthentische Interpretation durch die kirchliche Rechtsprechung oder Verwaltung ... Von ihr ist in 16 nicht die Rede.
Die nicht-amtliche Auslegung gliedert sich in die doktrinelle Interpretation seitens der kanonistischen Wissenschaft ... und die usuelle Interpretation, soweit ihr noch nicht die Kraft eines Gesetzes zukommt“. 120 Vgl. jedoch Rosalio José Castillo Lara, Die authentische Auslegung des kanonischen Rechtes im Rahmen der Tätigkeit der Päpstlichen Kommission für die authentische Interpretation des ius canonicum, in: ÖAKR 37 (1987/88), S. 209 – 228, hier S. 227: „Der derzeitige Codex schreibt aus Gründen der juristischen Gewißheit unterschiedslos die Promulgation für alle Kategorien der authentischen Interpretation per modum legis vor. Tatsächlich sind jedoch ... nicht alle Antworten promulgiert worden. Welcher Wert ist diesen beizumessen? Haben sie als authentische Interpretationen zu gelten? Ja, davon bin ich überzeugt. Die Qualifikation authentisch entspringt nicht der Tatsache der Promulgation, sondern kraft der Vollmacht mit der die Kommission ausgestattet ist“; in lateinischer Übersetzung: De iuris canonici authentica interpretatione in actuositate Pontificiae Commissionis adimplenda, in: Communicationes 20 (1988), S. 265 – 287. 121
Vgl. Hubert Socha, in: MK CIC, 16 Rdnr. 2 Abs. 6: „Er [der Gesetzgeber] wirkt hingegen als Ausleger, wenn er sich privat oder amtlich zum Sinn eines Gesetzes äußert ... Eine authentische Interpretation liegt erst vor ...“. Vermutlich ist nichtauthentisch oder authentisch gemeint. 122
Eine selten einprägsame Bestätigung findet diese Auffassung in den beiden Fassungen des Artikels von Castillo Lara (Anm. 120); die unzutreffende „private Interpretation“ wird zur korrekten „Privatorum interpretatio“! Vgl. Castillo Lara, Die authentische Auslegung, S. 218: „Die private Interpretation, von einigen doktrinelle Interpretation genannt ...“; ders., De iuris canonici, S. 277: „Privatorum interpretationi, a quibusdam doctrinali vocatae ...“. 123
May / Egler, Einführung (Anm. 117), S. 193.
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können, die für weniger wichtige bzw. unnötige Anfragen124 oder in noch nicht entscheidungsreifen Angelegenheiten125 erteilt werden. Dennoch verbindet sich mit diesen Schreiben des Rates für Gesetzestexte der Anspruch, amtlichverbindliche Antworten für den Einzelfall zu geben. Was die Rückwirkung von Auslegungen anbelangt, bleibt die Entscheidung der Doktrin überlassen.126 Die Grundregel des can. 16 § 2 wird auch für nichtauthentische Auslegungen in Anspruch genommen werden dürfen; werden nur in sich klare Gesetzesworte erläutert, gilt die Interpretation rückwirkend.127 Schon das einfache, sicher nicht authentische Auslegungsschreiben über die Interpretation des Formalaktes nach can. 1117 legt die Präsumtion nahe, es mit der Erklärung eines nach Auffassung des Rates für Gesetzestexte klaren, an sich von jedermann zu verstehenden Gesetzestextes zu tun zu haben.128 Das Schreiben des Päpstlichen Rates an 124
Vgl. Castillo Lara, Die authentische Auslegung (Anm. 120), S. 218: „Der größte Teil der vorgebrachten Fragen ist jedoch nicht von einer Art, die es verdiente, eine offizielle Antwort zu erlangen, die mit einem langwierigen Verfahren verbunden ist. Viele Zweifel beziehen sich auf die Anwendung der Gesetze und werden den zuständigen Dikasterien ratione materiae übergeben; bei anderen Anfragen von geringer Bedeutung genügt eine Erklärung, die in Form einer privaten Antwort erteilt wird“; ders., De iuris canonici (Anm. 120), S. 276: „Problemata demum in aliis exposita minoris sunt momenti ita ut simplex sufficiat explanatio, quae privata datur responsione“. 125
Castillo Lara, Die authentische Auslegung (Anm. 120), S. 219 betont, daß „die Aktivität der auslegenden Kommission von der Sorge getragen ist, die Leistung der Forschung und der doktrinellen Entwicklung nicht durch verfrühte authentische Interpretationen zu blockieren“. In der dazugehörenden Anmerkung schreibt er: „Es wurde gebeten – um ein Beispiel anzuführen – eine Auslegung zur Natur der Norm des Dolus (c. 1098) im Ehekonsens zu geben. Die Kommission hat es für opportun gehalten, diese nicht zu geben, weil sie das Problem nicht für hinreichend von seiten der Lehre vertieft hielt“. Es geht um die Antwort der PCI an den Erzbischof von Freiburg v. 12.12.1986, in: AfkKR 155 (1986), S. 482. 126 Vgl. Castillo Lara, Die authentische Auslegung (Anm. 120), S. 226: „Unsere Kommission ... beläßt die Aufgabe die Retroaktivität festzulegen der Lehre, auch wenn dadurch praktisch normative Konsequenzen entstehen. In der Tat festzulegen, ob es sich um Retroaktivität handelt oder nicht, ist eine doktrinelle Aufgabe und keine autoritative, sie ergibt sich als logische Konsequenz aus der Natur der Antwort und nicht aus dem Willen des Auslegenden“. 127 128
Vgl. can. 16 § 2 HS. 2: „si verba legis in se certa declaret tantum, valet retrorsum“.
In der Tat läßt die wenig schmeichelhafte Beurteilung der Gesetzesadressaten durch den früheren Präsidenten der Interpretationskommission erkennen, daß zweifelhafte Gesetze für seltene Ausnahmen gehalten werden; vgl. Castillo Lara, Die authentische Auslegung (Anm. 120), S. 220 – 221: „In Wirklichkeit handelt es sich jedoch in der Mehrzahl der Fälle um einen subjektiven Zweifel, der sich fast immer auf eine oberflächliche Lektüre des Gesetzes oder auf sich widersprechende Auslegungen gründet,
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den Bischof von Rottenburg-Stuttgart über den actus formalis dürfte somit als rückwirkende nichtauthentische, amtlich-verbindliche Auslegung „nach Art eines Verwaltungsbescheides“ einzustufen sein, mit Verpflichtungs-Charakter nur für Adressaten, denen der Körperschaftsaustritt „im melderechtlichen Sinne mit den entsprechenden zivilen Wirkungen“ offensteht. Ist damit die Problematik der Defektionsklausel des can. 1117 erschöpft? Bei fortschreitenden ökumenischen Beziehungen beginnt sich die Überzeugung durchzusetzen, „daß ein Übertritt mit öffentlich-rechtlicher Wirkung auch ohne Austritt, nur auf Grund zwischenkirchlicher Vereinbarung erfolgen könne“.129 Dieser teilweise schon praktizierten Regelung müssen allerdings die betreffenden Religionsgesellschaften zustimmen; die katholische Kirche lehnt solche Vereinbarungen ab.130 Nach einhelliger Auffassung bedeutet der Wechsel zu einer anderen Glaubensgemeinschaft den Formalakt des von der katholischen Kirche Abfallens nach can. 1117. Allerdings ist diese korrekte Einstufung des Konfessionswechsels zur Feststellung des formpflichtbefreienden actus formalis für die Praxis wenig hilfreich. Der Übertritt läßt sich – da ja keine Übertrittsvereinbarung etwa mit einer evangelischen Kirche besteht – für die katholische Kirche kaum vom Körperschaftsaustritt unterscheiden. Ein Übertrittswilliger oder Übergetretener wird nicht die „zuständige Autorität“ im Sinne der Interpretation aufsuchen, um die Erklärung seiner Trennung von der katholischen Kirche annehmen und bestätigen zu lassen. Das Pfarramt dürfte daher bei Eingang der Meldung über die staatliche Austrittserklärung in der Regel annehmen müssen, es handle sich um einen der für die Formpflicht unschädlichen üblichen Körperschaftsaustritte. Ungeachtet der grundsätzlichen Problematik der Defektionsklausel und der noch verbliebenen Rest-Schwierigkeiten hat eine in der kanonistischen Theorie wie Praxis kontroverse Auffassung eine sehr beachtliche weiterführende Klärung erfahren. Dafür gebührt sowohl dem anfragenden Bischof als auch ganz besonders dem Päpstlichen Rat für Gesetzestexte Dank.
die die Kommentatoren oftmals aus einem übereilten oder nicht genügend vertieften Studium des Gesetzes vorlegen ...“. 129
Axel v. Campenhausen, Entwicklungstendenzen im kirchlichen Gliedschaftsrecht, in: ZevKR 41 (1996), S. 129 – 141, hier S. 140; ders., Austritt (Anm. 61), S. 782 – 783. 130
Vgl. Hollerbach, Der verfassungsrechtliche Schutz (Anm.51), S. 576 Rdnr. 36; Josef Jurina, Neuere Gerichtsentscheidungen zum Kirchensteuerrecht, in: KuR (Neuwied) 1999, S. 111 – 115 (= 410, S. 75 – 79), hier S. 75 – 76 mit dem Hinweis auf das Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 13.5.1998 (in: DÖV 1998, S. 1063 – 1064).
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Nachtrag In gebotener Kürze sei auf die weitere Interpretations-Geschichte zum „Formalakt des Abfalls von der Kirche“ aufmerksam gemacht. Nach Abgabe des Manuskripts erfuhr das darin behandelte Schreiben des Präsidenten des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte zur kanonistischen Wertung des Körperschaftsaustritts vom 3. Mai 2005 eine unerwartete Bekräftigung: Die authentische Erklärung zur Defektionsklausel durch den Päpstlichen Rat für Gesetzestexte vom 13. März 2006 (Prot. Nr. 10279/2006)131: Pontifical Council for Legislative Texts Vatican City, 13 March 2006 Prot. N. 10279/2006 Your Excellency: For quite some time, a considerable number of Bishops, Judicial Vicars and others working in the field of canon law have been posing to this Pontifical Council questions and requests for clarification concerning the so-called actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica mentioned in canons 1086, § 1, 1117 and 1124 of the Code of Canon Law. The concept therein presented is new to canonical legislation and is distinct from the other - rather „virtual“ (that is, deduced from behaviors) - forms of „notoriously“ or „publicly“ abandoning the faith (cfr. cann. 171, § 1, 4o; 194, § 1, 2o; 316, § 1; 694 § 1, 1o; 1071, § 1, 4o and § 2). In the latter circumstances, those who have been baptized or received into the Catholic Church continue to be bound by merely ecclesiastical laws (cfr. can. 11). The issue was carefully examined by the competent Dicasteries of the Holy See in order to identify, first of all, the theological and doctrinal components of an actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica and then in turn the requirements or juridical formalities that would be necessary so that such an action would constitute a true „formal act“ of defection. After having received the decision of the Congregation of the Doctrine of the Faith concerning the theological and doctrinal elements, and after subsequently examining the entire matter in Plenary Session, this Pontifical Council communicates the following to the Presidents of Episcopal Conferences: 1. For the abandonment of the Catholic Church to be validly configured as a true actus formalis defectionis ab Ecclesia so that the exceptions foreseen in the previously mentioned canons would apply, it is necessary that there concretely be:
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Dem Verfasser war nur die Fassung für die USA zugänglich.
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a) the internal decision to leave the Catholic Church; b) the realization and external manifestation of that decision; and c) the reception of that decision by the competent ecclesiastical authority. 2. The substance of the act of the will must be the rupture of those bonds of communion – faith, sacraments, and pastoral governance – that permit the Faithful to receive the life of grace within the Church. This means that the formal act of defection must have more than a juridical-administrative character (the removal of one’s name from a Church membership registry maintained by the government in order to produce certain civil consequences), but be configured as a true separation from the constitutive elements of the life of the Church: it supposes, therefore, an act of apostasy, heresy or schism. 3. The juridical-administrative act of abandoning the Church does not per se constitute a formal act of defection as understood in the Code, given that there could still be the will to remain in the communion of the faith. On the other hand, heresy (whether formal or material), schism and apostasy do not in themselves constitute a formal act of defection if they are not externally concretized and manifested to the ecclesiastical authority in the required manner. 4. The defection must be a valid juridical act, placed by a person who is canonically capable and in conformity with the canonical norms that regulate such matters (cfr. cann. 124 – 126). Such an act must be taken personally, consciously and freely. 5. It is required, moreover, that the act be manifested by the interested party in written form, before the competent authority of the Catholic Church: the Ordinary or proper pastor, who is uniquely qualified to make the judgment concerning the existence or non-existence of the act of the will as described above in n. 2. Consequently, only the convergence of the two elements - the theological content of the interior act and its manifestation in the manner defined above - constitutes the actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica, with the corresponding canonical penalties (cfr. can. 1344, § 1) [corr.: 1364 § 1]. 6. In such cases, the competent ecclesiastical authority mentioned above is to provide that this act be noted in the baptismal registry (cfr. can. 535, § 2) with explicit mention of the occurrence of a „defectio ab Ecclesia catholica actu formali“. 7. It remains clear, in any event, that the sacramental bond of belonging to the Body of Christ that is the Church, conferred by the baptismal character, is an ontological and permanent bond which is not lost by reason of any act or fact of defection. With the certainty that the Bishops of your Conference, conscious of the salvific dimension of ecclesiastical communion, will well understand the pastoral motivations underlying these norms, I welcome this opportunity to renew my sentiments of fraternal esteem.
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Faithfully yours in the Lord, /s/ J. Card. Herranz Julián Card. Herranz President /s/ +Bruno Bertagna, Sec. + Bruno Bertagna Secretary This notification was approved by the Supreme Pontiff, Benedict XVI, who directed that it be transmitted to all Presidents of Episcopal Conferences.
Das Dokument lehnt sich stark an die Ausführungen der Responsio von 2005 an, entspricht aber durch klarere Strukturierung, präzisere Rechtssprache und vor allem formale Ausfertigung kanonistischer Vorstellung von einem rechtsverbindlichen päpstlichen Dokument. Der außerordentlichen Bedeutung wegen soll hier der anordnende Teil in vollem Wortlaut wiedergegeben werden:132 „1. Damit das Verlassen der Katholischen Kirche rechtsverbindlich als wirklicher actus formalis defectionis ab Ecclesia [Formalakt des Abfalls von der Kirche] eingestuft werden kann, so daß die in den zuvor erwähnten canones vorgesehenen Ausnahmen Anwendung finden, ist notwendig, daß konkret vorliegen: a) die innere Entscheidung, die Katholische Kirche zu verlassen; b) und die Verwirklichung und äußere Kundgabe dieser Entscheidung; und c) die Annahme dieser Entscheidung durch die zuständige kirchliche Autorität.“
Die authentische Interpretation erklärt diese drei Voraussetzungen wie folgt: „2. Wesentlicher Inhalt des Willensaktes muß der Bruch jener Bande der Gemeinschaft – Glaube, Sakramente und pastorale Leitung – sein, die dem Gläubigen erlauben, das Leben der Gnade innerhalb der Kirche zu empfangen. Das bedeutet, daß der Formalakt des Abfalls mehr beinhalten muß als einen juristisch-verwaltungsmäßigen Charakter (Streichung des Namens aus einem Kirchenmitgliedschafts-Register, geführt von der staatlichen Verwaltung, um bestimmte staatsbürgerliche Wirkungen zu erzeugen), vielmehr stellt er sich als wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen des kirchlichen Lebens dar: er setzt daher einen Akt der Apostasie, der Häresie oder des Schismas voraus. 3. Der juristisch-verwaltungsmäßige Akt des Verlassens der Kirche bildet nicht per se [an sich] einen Formalakt des Abfalls, wie er im Codex verstanden wird, vorausgesetzt, daß noch der Wille vorhanden sein könnte, in der Gemeinschaft des Glaubens zu bleiben.
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Private Übersetzung des Verfassers.
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Andererseits bilden Häresie (ob formell oder materiell), Schisma und Apostasie nicht in sich selbst einen formalen Akt des Abfalls, wenn sie nicht äußerlich konkretisiert und der kirchlichen Autorität gegenüber in der erforderlichen Weise kundgetan sind. 4. Der Abfall muß ein gültiger Rechtsakt sein, gesetzt von einer kanonisch rechtsfähigen Person und in Übereinstimmung mit den kanonischen Normen, die solche Dinge regeln (vgl. cann. 124 – 126). Ein solcher Akt muß persönlich, bewußt und frei vorgenommen sein. 5. Darüber hinaus wird gefordert, daß der Akt von dem Betreffenden in schriftlicher Form kundgetan wird vor der zuständigen Autorität der Katholischen Kirche: Ordinarius oder Heimatpfarrer als die einzig Befähigten, über Vorhandensein oder Nichtvorhandensein des Willensakts, wie oben in Nr. 2 beschrieben, zu urteilen. Folglich bildet nur das Zusammentreffen der zwei Elemente – der theologische Inhalt des inneren Akts und seine Kundgabe in der oben festgelegten Weise – den actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica [den Formalakt des Abfalls von der katholischen Kirche] mit den entsprechenden kanonischen Strafen (vgl. can. 1344 [korrekt 1364] § 1). 6. In solchen Fällen hat die oben erwähnte zuständige kirchliche Autorität dafür Sorge zu tragen, daß dieser Akt im Taufregister (vgl. can. 535 § 2) mit ausdrücklicher Erwähnung des Vorliegens einer ‚defectio ab Ecclesia catholica actu formali‘ [eines Abfalls von der katholischen Kirche durch einen Formalakt] vermerkt wird. 7. In jedem Fall bleibt es sicher, daß das sakramentale Band der Zugehörigkeit zum Leib Christi, der die Kirche ist, verliehen durch das Prägemal der Taufe, ein ontologisches und bleibendes Band ist, das nicht auf Grund irgendeiner Handlung oder Tatsache des Abfalls verloren geht.“
Nach der Schlußformel und den Unterschriften von Präsident und Sekretär des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte folgen Approbation und Zustellungsbefehl des Papstes: „Diese Mitteilung wurde von Papst Benedikt XVI. approbiert, der anordnete, sie allen Vorsitzenden der Bischofskonferenzen zuzustellen.“
Am 24. April 2006 beschloß die Deutsche Bischofskonferenz zu dieser authentischen Interpretation eine „Erklärung“,133 die nicht nachvollziehbar ist:134 Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat am 24. April 2006 die nachstehende Erklärung beschlossen. Sie nimmt Bezug auf ein Rundschreiben des Päpstlichen Rats für die Gesetzestexte, in dem unter eherechtlichem Aspekt
133 Ein Anzeichen für ein vom Vorsitzenden der DBK laut Protokoll des Ständigen Rats vom 22.8.2005 angekündigten „direkte(s) Gespräch“ mit „römischen Instanzen“ – vgl. oben Anm. 116 – findet sich darin nicht. 134 Quelle: Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg (2006, Stück 12), S. 349: Freiburg im Breisgau, den 19. Mai 2006, Nr. 328.
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die Modalitäten und die Konsequenzen des in einem förmlichen Akt vollzogenen Abfalls von der katholischen Kirche dargelegt werden. Die Erklärung der deutschen Bischöfe wendet diese weltkirchlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung der deutschen Rechtstradition auf die deutschen Diözesen an. Sie schafft kein neues Recht, sondern hält an der geltenden Rechtslage fest und bestätigt die bewährte Praxis. Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zum Austritt aus der katholischen Kirche Mit einem Rundschreiben vom 13. März 2006 hat der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte (auf Anordnung von Papst Benedikt XVI.) den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen eine Erläuterung zu dem im kirchlichen Eherecht (cc. 1086 § 1, 1117, 1124 CIC) verwendeten Begriff actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica mitgeteilt. Diese Klarstellung berührt nicht die in der deutschen Rechtstradition stehende staatliche Regelung für den „Kirchenaustritt“. Zur Vermeidung von Missverständnissen stellt die Deutsche Bischofskonferenz deshalb – im Einklang mit der ständigen Auffassung der deutschen Bischöfe1 – Folgendes fest: 1. Durch die Erklärung des Austritts aus der katholischen Kirche vor der staatlichen Behörde2 wird mit öffentlicher Wirkung die Trennung von der Kirche vollzogen. Der Kirchenaustritt ist der öffentlich erklärte und amtlich bekundete Abfall von der Kirche und erfüllt den Tatbestand des Schismas im Sinne des c. 751 CIC. 2. Die Erklärung des Austritts vor der staatlichen Behörde wird durch die Zuleitung an die zuständige kirchliche Autorität auch kirchlich wirksam. Dies wird durch die Eintragung im Taufbuch dokumentiert. 3. Wer – aus welchen Gründen auch immer3 – den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, zieht sich die Tatstrafe der Exkommunikation4 zu, d. h. er verliert die mit der Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft (Communio) verbundenen Gliedschaftsrechte, insbesondere zum Empfang der Sakramente und zur Mitwirkung in der Kirche. Ebenso treten die im kirchlichen Eherecht vorgesehenen Rechtsfolgen5 ein. 4. Wer den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, kann nicht in einem kirchlichen Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis stehen. 5. Die Exkommunikation ist eine Beugestrafe, die zur Umkehr auffordert. Nach dem Austritt wird sich die Kirche durch den zuständigen Seelsorger um eine Versöhnung mit der betreffenden Person und um eine Wiederherstellung ihrer vollen Gemeinschaft mit der Kirche bemühen. Für das Erzbistum Freiburg gez. Robert Zollitzsch Erzbischof
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Anmerkungen: 1
Vgl. die Kanzelverkündigung der Konferenz der westdeutschen Bischöfe vom 15.02.1937 [Volk, L. (Hg.), Akten der deutschen Bischöfe über die Lage der Kirche 1933 - 1945, Bd. 4, Mainz 1981, 175]; „Erklärung der Diözesanbischöfe zu Fragen des kirchlichen Finanzwesens“ vom 22.12.1969 [AfkKR 138 (1969) 557]. Auch in den Diözesen liegen entsprechende Beschlüsse vor, vgl. Diözesansynode Köln 1954, Trier 1959, Bischöflicher Erlass Augsburg 1988. 2
Eine Ausnahme bildet die Freie und Hansestadt Bremen, wo der Kirchenaustritt vor der kirchlichen Autorität zu erklären ist. 3
Auch der Austritt wegen der Kirchensteuer stellt als Verweigerung der solidarischen Beitragspflicht für die Erfordernisse der Kirche (cc. 222 § 1; 1262 CIC i. V. m. Partikularnorm Nr. 17 der Deutschen Bischofskonferenz zu can. 1262 CIC vom 22.09.1992) eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Communio dar und mindert die Rechtsfolgen nicht. 4
cc. 751, 1318, 1321 § 2, 1364 § 1 CIC.
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cc. 1086, 1117, 1124 CIC.
Man darf auf die Stellungnahmen aus der „wissenschaftlichen Kanonistik“ gespannt sein.
Der Empfänger der Krankensalbung Von Anton Ziegenaus I. Die rechtlichen Bestimmungen der Kirche Im Hintergrund der Aussagen der Cann. 1004 – 1007 bezüglich des Empfängers der Krankensalbung steht Art. 73 der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ (= SC) des Zweiten Vatikanischen Konzils. Er lautet: „Die ‚Letzte Ölung‘ die auch – und zwar besser – ‚Krankensalbung‘ genannt werden kann, ist nicht nur das Sakrament derer, die sich in äußerster Lebensgefahr befinden (in extremae vitae discrimine versantur). Daher ist der rechte Augenblick für ihren Empfang sicher schon gegeben, wenn der Gläubige beginnt, wegen Krankheit oder Alterschwäche in Lebensgefahr zu geraten (= cum fidelis incipit esse in periculo mortis propter infirmitatem vel senium). Während can. 940 § 1 CIC/1917 noch verlangt, dass der Empfänger in Todesgefahr schweben muss, genügt nach can. 1004 CIC/1983 schon der Beginn einer Lebensgefahr wegen Krankheit oder Altersschwäche, eine wörtliche Übernahme von SC. Can. 1005 bestimmt die Spendung des Sakraments in Fällen des Zweifels, ob der Kranke den Vernunftgebrauch erlangt hat oder tatsächlich gefährlich erkrankt ist oder der Tod schon eingetreten ist, und zwar soll die Spendung absolut, d. h. nicht bedingungsweise vorgenommen werden wie es can. 941 CIC/1917 noch festgelegt hat. Dem, der „in einer offenkundigen schweren Sünde hartnäckig verharrt“, darf das Sakrament nicht gespendet werden (can. 1007). Der Vergleich von can. 940 § 2 CIC/1917 mit can. 1003 § 2 CIC/1983 zeigt, dass die Spendung auch in dem Fall wiederholt werden kann, wenn dieselbe Krankheit bedrohlicher wird. Der Codex von 1917 ließ die Wiederholung nur zu, wenn der Kranke nach einer Genesung wiederum in eine lebensbedrohliche Lage kommt. Der Unterschied zwischen den beiden Codizes des 20. Jahrhunderts liegt also in der Ausdehnung des Empfängerkreises, insofern schon zu Beginn einer lebensbedrohlichen Krankheit das Sakrament gespendet werden darf (es ist ja nach Art 73 von SC die Salbung der Kranken und nicht nur jener, qui in extremo vitae discrimine versantur), in der absoluten Spendung in Zweifelsfällen und in der Möglichkeit eines erneuten Empfangs während derselben Krankheit,
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wenn sie sich verschlimmert. Rein äußerlich betrachtet dürften diese Bestimmungen zu einer häufigeren Spendung der Krankensalbung geführt haben. Diese einzelnen Punkte sollen nun aus dogmatischer und z. T. auch aus pastoraler Sicht beurteilt werden. Die Entwicklung kann nur nach einem Rückblick über die Dogmengeschichte verstanden werden. II. Der aktuelle theologische Stand auf dem Hintergrund der Geschichte des Sakraments Die Geschichte der Krankensalbung bzw. der Letzten Ölung wird bis jetzt sehr kontrovers dargestellt. Der Grund liegt auch darin, dass die Informationen über die Salbung mit Öl äußerst spärlich sind. Erst ab dem Beginn des dritten Jahrhunderts datieren die Texte, die von der Segnung des Öles und von der Krankensalbung handeln. Erst ab Beginn des 5. Jahrhunderts wird die Salbung mit Jak 5,14 f. in Verbindung gebracht 1 . Diese Handlungen mit einem vom Bischof geweihten Öl hatten in den ersten Jahrhunderten noch keine klare Form: Das Öl konnte äußerlich (einreiben!) oder innerlich (trinken!), von Laien oder sogar vom Kranken selbst (Selbstsalbung) angewandt werden. Ziel der Spendung war die Gesundheit, nicht eine innere Gnade. Der Empfängerkreis war bei dieser Praxis – man denke nur an die Selbstsalbung – sehr weit. Nicht wenige sehen in solchen Handlungen die damalige Praxis der Spendung der Krankensalbung und leiten daraus den Grund ab, auch heute die Spendevollmacht auf Laien bzw. Nichtpriester (Diakone) auszuweiten 2 . Nur das Öl müsse vom Bischof geweiht sein. Die Festlegung der Spendung auf den Priester sei erst in der Zeit der Karolinger, sozusagen im Zuge einer Klerikalisierung des Sakraments, erfolgt; damit sei auch der Empfängerkreis auf die Schwerkranken und die Sterbenden eingeengt worden. Das geweihte Öl wurde fortan nicht mehr den Gläubigen ausgehändigt. Die kirchliche Tradition und die Dogmatik hätten diese Praxis der ersten sieben oder acht Jahrhunderte ignoriert; sie müsse aber mehr berücksichtigt werden. Die Theologie, die sich seit der Frühscholastik stärker der Klärung sakramentstheologischer Fragen zuwandte (z. B.: Siebenzahl, Struktur: Zeichenhand1
Vgl. H. Vorgrimler, Buße und Krankensalbung, HdD IV 3, Freiburg / Basel / Wien 1978, 218 f. 2
Zur Frage der Ausdehnung der Spendevollmacht vgl.: A. Ziegenaus, Die Frage nach dem Spender der Krankensalbung oder: Die simulatio sacramenti: ders., Verantworteter Glaube. Theologische Beiträge 2, Buttenwiesen 2001, 109 – 146; ders., Der Spender der Krankensalbung, in: Recht in Kirche und Staat, Joseph Listl zum 75. Geburtstag (hrsg. v. W. Rees), Berlin 2004, 543 – 550.
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lung – Wort) hat diese Bräuche bei Ölriten z. T. nicht gekannt (obwohl der – noch zu besprechende – Brief des Papstes Innozenz I. bekannt war) und sie z. T. aus sakramentstheologischen Gründen für indiskutabel gehalten: Kann man als Sakrament anerkennen, wenn Spender und Empfänger identisch sind, wenn die Bedeutung des sakramentalen Wortes und die innere Gnade als Ziel jedes Sakraments ungeklärt bzw. verwirrend sind? Man hielt diese Ölriten für ein Sakramentale, aber nicht für ein Sakrament. Bei diesem Vergleich der Praxis der ersten Jahrhunderte mit der sakramentstheologischen Klärung der Zeit der Karolinger und der Frühscholastik wird ein kanongeschichtliches Ergebnis übersehen: Im Westen war der Jakobusbrief lange nicht bekannt bzw. hatte keine theologische Bedeutung 3 . Der Kanon Momsenianus, der den Schriftkanon für die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts belegt, führt den Jakobusbrief nicht an, Hilarius († 367) erwähnt den Brief einmal, dann aber (Damasus, Hieronymus, Augustin) findet der Brief allerdings schnell kanonische Anerkennung. Im Hinblick auf das Sakrament der Krankensalbung und ihren Empfängerkreis lassen sich nun folgende Thesen aufstellen: 1. Ohne die kanonische Anerkennung des Jakobusbriefes hätte es im Westen – davon handeln wir zunächst – kein Sakrament der Krankensalbung bzw. Letzten Ölung gegeben. 2. alle früheren – spärlichen! – Hinweise auf Ölriten in Weihegebeten oder Mitteilungen über die Anwendung von Öl bei Kranken haben deshalb nichts mit dem Sakrament zu tun, sondern sind – in heutiger Terminologie – als Sakramentale einzustufen. Seine Einführung in der Kirche entsprang dem Bedürfnis, zu den heidnisch abergläubischen oder dämonischen Praktiken sich in Krankheitsfällen in den Tempeln oder bei Zauberern Öl zu holen, ein christliches Pendant zu schaffen. Auch die Christen konnten ein – vom Bischof! – geweihtes Öl bekommen! Es wurde getrunken oder eingerieben, zur Förderung der Gesundheit, bei Fremd- und Eigenanwendung. Dieses Ziel, damit heidnischen Praktiken bei Christen entgegenzuwirken, lässt sich für das 5./6. Jahrhundert belegen. Für die früheren Zeiten fehlen allerdings solche Belege 4 . In der Übergangssituation der allmählichen kanonischen Anerkennung des Jakobusbriefes hat Bischof Decentius aus der mittelitalienischen Kleinstadt Gubbio ca. 415 an Papst Innozenz I. ein Schreiben gerichtet, in dem zum ersten Mal im Westen die Salbung mit Jak 5,14 f. in Verbindung gebracht wurde. Aus dem Antwortschreiben aus Rom (vgl. DH 216) lässt sich einigermaßen das Anliegen des Bischofs von Gubbio rekonstruieren. Im Zentrum steht die Spenderfrage. Schwierigkeiten bereitete in Gubbio die Formulierung „presbyteri
3
Vgl. A. Ziegenaus, Kanon. Von der Väterzeit bis zur Gegenwart (HdD I 3a 2), Freiburg 1990, 129 – 132, 174, 26. 4
Vgl. Ziegenaus, Die Frage nach dem Spender der Krankensalbung (Anm. 2), 127 ff.
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ecclesiae“. Sie waren sich nicht bewusst, dass in neutestamentlichen Schriften „Presbyter“ meistens im Sinn des eingliedrigen Leitungsamtes auch den Bischof mit einschloss 5 , denn die dreigliedrige Ämterführung begegnet klar erst bei Ignatius von Antiochien 6 . Deshalb stellte man die Frage, ob auch ein Bischof die Krankensalbung vornehmen dürfe. Innozenz scheint das Anliegen nicht recht verstanden zu haben, denn er erklärt die Frage für „überflüssig“. Natürlich könne auch der Bischof die Kranken salben, wenn ihm dazu Zeit bleibt. Innozenz, der ganz im Sinn seiner pastoralen Tradition (also eines Sakramentale) dachte, (was durch die Wendung tangere chrismate zum Ausdruck kommt, was von DH ungenau mit „salben“ wiedergegeben wird), führt ferner aus: „Dies (= Jak, 5,14 f.) muss zweifellos von den kranken Gläubigen aufgefasst und verstanden werden, die mit dem heiligen Öl des Chrisams gesalbt werden können, das, vom Bischof geweiht, nicht nur die Priester, sondern auch alle Christen in eigener Not oder in der Not des Ihrigen zum Salben benützen dürfen.“ 7 Innozenz denkt also eindeutig im Rahmen der traditionellen Pastoral; Konsequenzen aus dem Jakobusbrief wurden nicht gezogen. Der Empfängerkreis der Ölsalbung ist unter diesen Voraussetzungen sehr weit. In der Folgezeit wird – etwa von Caesarius von Arles und Eligius von Noyon – Jak 5,14 f. zitiert, aber im Sinn von Innozenz interpretiert. Doch wird allmählich der Unterschied zwischen dem Jakobusbrief und den pastoralen Ölriten zur Abwehr abergläubischer Praktiken bewusst und deshalb die Formulierung „Presbyter der Gemeinde“ von Beda Venerabilis unterschiedlich ausgelegt: Die an medizinischer Lebenserfahrung „Älteren“ (seniores), dann „Presbyter“, die bei der Salbung auch beten sollen, wobei Beda unter Bezug auf Innozenz auch die Laienspendung kennt, und schließlich Priester (sacerdotes) als ausschließliche Spender der Sündenvergebung. Im 8./9. Jahrhundert führte die fränkische Theologie zu klaren Entscheidungen im Sinn von Jak 5,14: Der Spender ist der Priester, und die Salbung ein Sakrament 8 . Diese Klarstellungen sind keineswegs theologische Verengungen oder Folgen einer Klerikalisierung, sondern Realisierungen von Jak 5,14 f. in Anerkennung des Schriftprinzips, des Vorrangs der Bibel.
5
Vgl. – um nur ein Beispiel anzuführen: Apg 20,17.28; Tit 1,5.7.
6
Vgl. A. Ziegenaus (mit L. Scheffczyk), Die Heilsgegenwart in der Kirche. Sakramentenlehre: Kath. Dogmatik VII, Aachen 2003, 440, 474 ff. 7 8
Vgl. Ziegenaus, Die Frage nach dem Spender (Anm. 2), 133 ff.
Vgl. P. Browe, Die Letzte Ölung in der abendländischen Kirche: ZKTh 55 (1931) 518, 523 f.; M. Nicolau (La unción de los enfermos, Madrid 1975) 61 ff. bietet die Texte der Synodalentscheidungen im 9. Jahrhundert.
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Wenn ein Priester gerufen werden muss und nicht jeder privat das geweihte Öl anwenden kann, wird verständlicherweise die Salbung – ob Sakrament oder Sakramentale – seltener stattfinden. Andererseits bestanden keine Bedenken gegen die Wiederholung der Spendung innerhalb derselben Krankheit, denn im Frühmittelalter wurde die Salbung z. T. sieben Tage hindurch vorgenommen; die Wiedergenesung wurde hervorgehoben. Es handelte sich also nicht um ein Sterbesakrament. Wie kam es aber zum Sterbesakrament? Einmal ist zu bedenken, dass im ausgehenden Altertum die Rekonziliationsbuße wegen ihrer kirchenöffentlichen Elemente und der (im Vergleich zu den ersten Jahrhunderten) härteren Dauerfolgen immer mehr auf das Lebensende verschoben wurde, die Krankensalbung aber einen ausgeschlossenen Sünder erst nach der Rekonziliation gespendet werden konnte. Ferner wurde die Sündenvergebung immer mehr als Wirkung des Sakraments hervorgehoben. Diese stand auch bis zur Einführung des neuen Ritus nach dem Zweiten Vatikanum im Mittelpunkt der Salbungen, auch wenn die Gebete die körperliche und geistige Heilung genannt haben. Da aber die Beichte das eigentliche Sakrament der Sündenvergebung ist, stellte sich die Frage, welche Sünden in dem Bedingungssatz von Jak 5,15 b gemeint sind. So bildete sich die Theorie, in der Krankensalbung würden jene Sünden getilgt, deren man sich in der Beichte nicht erinnerte oder die noch im Todeskampf, also zwischen Beichte und Tod, begangen wurden oder die „Rückstände der Sünde“ (reliquias peccati), also eine Art geistlicher Schwäche. Thomas von Aquin spricht deshalb vom sacramentum exeuntium, vom Sakrament der Hinscheidenden. Diese Kennzeichnung besagt jedoch nicht, dass der Kranke schon als sicher Sterbender zu betrachten ist, denn die Letzte Ölung kann jedoch über die geistige Heilung auch zur leiblichen Gesundung beitragen. In die Richtung Sterbesakrament weisen erst die Fanziskanertheologen Bonaventura († 1274) und Duns Scotus († 1308): Das Sakrament solle erst beim Eintritt des Todes gespendet werden, aber noch nicht, solange der Kranke noch über den Gebrauch des freien Willens verfüge, damit alle Sündenreste getilgt werden. Das Konzil von Trient folgte im Wesentlichen der Auffassung des Aquinaten. Daneben begegnen noch andere Erklärungen 9 , etwa als Todesweihe, als Sakrament der Vollendung, der Auferstehung oder der Weihe des Auferstehungsleibes oder der Stärkung im Ritterkampf auf der Himmelsreise. Auch wenn manche Erklärungen „gesucht“ erscheinen, wird doch klar, dass ihnen das Modell des Sterbesakraments zugrunde liegt, selbst wenn es in Richtung Auferstehung überwunden werden soll. – Im Osten scheint vor allem in der
9
Vgl. Vorgrimler, Buße (Anm. 1), 221, 231.
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armenischen Kirche schon im 5. Jahrhundert die Vorstellung von einem Sterbesakrament geherrscht zu haben 10 . Dies ist noch wenig erforscht. III. Der Empfänger in der Sicht des Jakobusbriefes Der Zustand des Empfängers wird mit avsqenei/n (5,14: Krank-, Schwachsein) und ka,mnein (5,15: „ermüden“, „leiden“, „tot sein“; aber nicht „sterben“; doch kann ein ka,mnwn auch ein Schwerkranker sein) beschrieben 11 . Auf alle Fälle ist er bettlägerig, denn er muss die Presbyter rufen lassen. Das Wort (Er-)Retten (sw,|zein) bedeutet im Alten und Neuen Testament die Bewahrung vor dem physischen Tod und die erneute Lebensspendung durch Gott. Doch kann „Retten“ sich auch auf den ewigen, endzeitlichen Tod beziehen. „Aufrichten (evgei,rein)“ hat ebenso die doppelte Sinnrichtung: Aufrichten in einer Krankheit und auferwecken von den Toten; zudem besagt er die seelische Stärkung im Leiden. Da die beiden Verben im Futur stehen, stellt sich das Problem zugespitzt noch einmal: Zielen sie auf unmittelbare leibliche und seelische Gesundung oder auf eine eschatologische Rettung (aus dem Gericht bzw. durch die Auferstehung). Der Leserkreis oder Hörer dieser Stelle dürfte beide Bedeutungen, die unmittelbare Gesundung und die eschatologische Rettung zusammengedacht haben. Es handelt sich um die Rettung aus der Sphäre des Todes im leiblichen und im eschatologischen Sinn. Für die Klärung des Empfängerkreises dürfte nach Jak 5,15 b aufschlussreich sein: „Wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden“. Die Sündenvergebung gehört keineswegs zur zentralen Wirkung der Krankensalbung, denn die Aussage steht in einem Konditionalsatz. Ferner darf man annehmen, dass Jakobus schwere Sünden meint, denn bei leichten erübrigt sich diese Bemerkung. Es handelt sich hier um einen kombinierten Ritus von Krankensalbung und – wenn der Kranke schwere Sünden hat – Beichte. Dieses Sakrament wurde im 3. Jahrhundert – und soweit die Information ausreicht – auch im 2. Jahrhundert in der Form der Exkommunikationsbuße empfangen: Der schwere Sünder wurde ausgeschlossen bzw. (da die Sünden in der Regel im Geheimen begangen wurden) verpflichtet sich als ausgeschlossen zu betrachten und der Eucharistie fern zu bleiben. Im Fall der Reue bekannte er die Sünde – falls sie geheim war – dem Bischof und nahm die entsprechende Buße auf sich. Nach ihrer Ableistung wurde er rekonziliiert. Am Beschämendsten wurde die Verpflichtung empfunden, die Gläubigen am Eingang zum Eucharistieraum um ihr Gebet zu bitten, die Sünde selbst blieb aber geheim. Die Gemeinde bzw.
10
Vgl. Ziegenaus, Heilsgegenwart (Anm. 6), 436 f.
11
Vgl. Fr. Mußner, Der Jakobusbrief, Freiburg 31975.
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einige dafür Ausgewählte beteten bewusst für den Sünder und begleiteten ihn so auf seinem Weg zur Umkehr. Diese zweigliedrige Form von Ausschluss und Aufnahme ist in Mt 18,18 und Joh 20,22 f. klar vorgegeben (Binden, Behalten – Lösen, Nachlassen). Auch 2 Thess 3,6 ff. und 1 Kor 5,1 ff., ferner 1 Tim 1,20 verweisen auf den Ausschluss des Sünders, der aber trotzdem noch als Bruder zu betrachten ist (vgl. 2 Thess 3,15). Das Gebet der Gemeinde für den Ausgeschlossenen dürfte schon Mt 18,19 f. angedeutet sein. Wer nun die vielen Gemeinsamkeiten zwischen dem MtEv und dem Jakobusbrief bedenkt 12 , wird auch zwischen Mt 18,18 ff. und Jak 5,16 – 20 Zusammenhänge in Bezug auf den Bußvollzug entdecken: Der Kranke wird zum Bekenntnis seiner (schweren) Sünde aufgefordert und die Erhörungsgewissheit inständigen Gebets wird unterstrichen. „Wer einen Sünder von seinem Irrweg zurückbringt“, so schließt der Brief, „wird seine Seele vor dem Tode retten.“ Jak 5,14 ff. begegnet eine Rekonziliation, bei der im Hinblick auf die Krankheit eines gegebenenfalls schweren Sünders auf die normalerweise geforderte öffentliche Bußleistung verzichtet wurde. Eine Vergebung schwerer Sünden ohne die Schwierigkeiten des öffentlichen Bußverfahrens bei leichten Krankheiten wäre eine geradezu ärgerniserregende Möglichkeit gewesen, diese zu umgehen. Die Krankenrekonziliation, so lautet der Schluss, konnte deshalb nur Schwerkranken gespendet werden, die möglicherweise, aber nicht sicher auch Sterbende waren. Bei den Ölriten im Altertum war ein breiter „Spenderkreis“ möglich; die Entdeckung des Jakobusbriefes als kanonische Schrift schränkte diesen Kreis auf die Priester ein. Auch auf der Empfängerseite wurde durch die Anerkennung des Briefes der Kreis eingeschränkt, nämlich auf Bettlägerige; das Sakrament sollte in einer bedrohlichen Sphäre in leiblicher und in geistlicher Hinsicht aufrichten. Sie sind in einem Zustand, dass man glaubte, von einem öffentlichen Bußverfahren absehen zu müssen und zu dürfen, und auf das Bekenntnis hin die Vergebung gewährte. Nach dem letzten Konzil griffen manche Theologen auf die altkirchlichen Ölriten zurück, um die Spendung durch Nichtpriester zu begründen 13 ; dieser Ansatz führte auch zur Ausweitung des Empfängerkreises. Man wollte das Sakrament vom Geruch des Sterbesakraments befreien, indem man alle Bewohner 12
Vgl. Mußner, Der Jakobusbrief (Anm. 11), 51: Das Parallelmaterial findet sich „vor allem im Sondergut des Mt. – Ein Großteil des gemeinsamen Gutes findet sich im Mt-Ev innerhalb der Bergpredigt.“ 13
Vgl. Ziegenaus, Heilsgegenwart (Anm. 6), 437 ff.
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eines Altenheimes oder alle Rentner einer Pfarrei oder sogar alle älteren Teilnehmer an einem Gottesdienst anlässlich eines Diözesanfestes (die von auswärts kommen!) zum Empfang einlädt. Den vom Zweiten Vatikanum vorgeschriebenen „Beginn“ einer bedrohlichen Erkrankung legt man hier zu weit aus. Diesem Extrem der Spendung gleichsam an alle Alten und irgendwie Kranken steht das andere gegenüber, dass faktisch nach wie vor alle jene, die erst am Ende des Lebens die Sakramente wünschen, die Krankensalbung als Letzte Ölung empfangen. Ferner kommt es immer wieder vor, dass jene, die schon mehrmals die Krankensalbung bei gemeinschaftlichen Feiern empfangen haben, sich bei einer schwereren Erkrankung auffällig zurückhaltend gegenüber dem Sakrament zeigen. Sie hatten keine Probleme mit der Krankensalbung, als sie sich gesund fühlten, wohl aber, wenn sie krank sind. Eine solche Pastoral, die die Krankensalbung vom Geruch des Sterbesakraments befreien will, trägt zur Tabuisierung des Sterbens in der Gesellschaft bei und lässt häufig den bedrohlich Kranken in seinen seelischen Problemen allein 14 . IV. Klärungen der Empfängerfrage Diese pastoralen Praktiken sind nun aus dogmatischer und kanonistischer Perspektive zu prüfen. Can 1004 § 1 legt fest: „Die Krankensalbung kann dem Gläubigen gespendet werden, der nach Erlangung des Vernunftgebrauchs aufgrund von Krankheit oder Altersschwäche in Gefahr gerät (in periculo incipit versari)“. Einem Gesunden kann deshalb die Krankensalbung nicht gespendet werden. So wenig wie einem, der erklärt keine Sünden zu haben, die Lossprechung erteilt werden kann, kann ein Gesunder nicht aufgerichtet oder aus der Sphäre des Todes in die des Lebens überführt werden. Der Grund für die Empfangsunfähigkeit des Gesunden liegt letztlich darin, dass die durch die leibliche Krankheit bewirkte seelische Erschütterung fehlt. Deshalb ist ihre Heilung, die auf dem Gnadenweg „mit der Kraft des Heiligen Geistes“ (Spendeformel) geschieht und von innen her den ganzen Menschen erfasst, nicht nötig und möglich. Bei einer nicht durch eine physische Krankheit bedingten Erschütterung, etwa der Soldaten vor einem gefährlichen Einsatz oder eines Verurteilten vor der Hinrichtung hat die Kirche nie die Krankensalbung gespendet. Die im Jakobusbrief genannte Lage des Empfängers trifft auf einen Gesunden nicht zu; dort ist ein Schwerkranker gemeint. Jedoch der Be-
14
Die Deutschen Bischöfe nennen in der „Erklärung zur Krankenpastoral“ (20.11.1978) die Meinung „irrig und geeignet, den Sinn des Sakramente zu verdunkeln“, dass man jedem alten Menschen oberhalb einer Altersgrenze die Krankensalbung spenden könne; auch nicht alltägliche Altersbeschwerden berechtigen dazu.
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ginn einer gefährlichen Krankheit kann schon der rechte Augenblick für die Krankensalbung sein; z. B. kann schon die Nachricht von einem bösartigen Tumor zu einer inneren Erschütterung führen. Jede Ängstlichkeit des Priesters über die Bedrohlichkeit der Lage ist falsch am Platz. Can. 1005 legt fest, dass „im Fall eines Zweifels darüber, ob der Kranke … gefährlich erkrankt ist“, das Sakrament zu spenden ist. Wenn jedoch kein Zweifel besteht, wenn der Rentner noch rüstig ist und hohe Berge ersteigt, kann er die Krankensalbung nicht empfangen. Die Seelsorge sollte diesbezüglich gewissenhafter handeln. Der eben genannte Can. 1005 bestimmt für die Fälle des Zweifels, ob der Kranke den Vernunftgebrauch erlangt hat, gefährlich erkrankt oder schon gestorben ist, das Sakrament zu spenden. Can. 941 von Codex 1917 und auch noch der „Ordo unctionis infirmorum eorumque pastoralis curae“ von Paul VI. schreiben in diesem Fall noch eine bedingte Spendung vor. Diese ist durch den Codex 1983 abgeschafft 15 . Was dürfte der Grund für diese Änderung gewesen sein? Die bedingte Spendung schützt vor Missverständnissen, etwa dass auch (wirklich) Toten das Sakrament gegeben werden kann, lässt aber eine Unsicherheit zurück, ob das Sakrament empfangen wurde; letztlich weiß das nur Gott. Bei der absoluten Spendung wird zwar auf den belehrenden oder absichernden Zusatz verzichtet, doch kann sie nicht sicher stellen, ob die beabsichtigte Wirkung des Sakraments zustande kam, weil die Gültigkeitsvoraussetzungen seitens des Empfängers (Vernunftgebrauch, bedrohliche Lage, noch am Leben) nicht fest stehen 16 . Dem sakramentalen Geschehen von Wort und Zeichenhandlung eignet in der Regel eine hohe objektive Empfangsgewissheit. Eine solche Gewissheit wird durch eine bedingte Spendung eingeschränkt. Wenn diese Einschränkung durch die Abschaffung der bedingten Spendung zurückgenommen werden sollte, ist doch zu fragen, ob die Zweifel in den genannten Fällen durch eine absolute Spendung beseitigt werden können und die Änderung theologisch und pastoral zu bejahen ist. Was die Änderung betrifft, dass die Salbung bei einer Verschlimmerung der Krankheit wiederholt werde, ist zu sagen, dass die Krankensalbung keinen 15 Anders: Oskar Stoffel, Die Krankensalbung: J. Listl / H. Müller / H. Schmitz, Handbuch des katholischen Kirchenrechts, Regensburg 1983, 714. 16
Wenn der „Empfänger“ schon tot ist, kann er kein Sakrament empfangen, denn der Empfänger muss eine lebende Person sein. Ob diese Bedingung erfüllt ist, weiß letztlich nur Gott.
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„sakramentalen, unauslöschlichen Charakter“ einprägt und deshalb prinzipiell keine nur einmalige Spendung begründet ist. Wie kam es aber in der Geschichte zu dieser Einschränkung einer häufigen Salbung? Einmal ist an den Zusammenhang von nur einmal möglicher und deshalb auf das Lebensende verschobener Bußrekonziliation und der darauf gespendeten Krankensalbung zu erinnern. Dies führte von Anfang an zu einem seltenen Empfang. Ferner verbreitete sich die irrige, von der Kirche verworfene, aber durch den eben genannten Zusammenhang bedingte Volksmeinung, dass keine weltlichen Verrichtungen (ehelicher Verkehr, barfuss gehen: gesalbte Füße!) verrichten dürfe, wer das Sakrament empfangen habe 17 . Je näher der Empfang der Krankensalbung an den Todeseintritt herangerückt wurde, umso weniger ergab sich die Notwendigkeit eines mehrmaligen Empfangs. Theologisch ist dazu zu sagen, dass einer mehrmaligen Spendung nur eine quantifizierende Auffassung entgegensteht, die meint, ein öfterer Empfang wäre fruchtbarer und hilfreicher 18 . Sakramente des Glaubens sind keine magischen Riten! Insofern hat die Einschränkung dann doch ihre Berechtigung. Zudem sei vermerkt, dass bei den oben angemahnten pastoralen Praktiken, bei den üblichen Krankengottesdiensten allen ab einem bestimmten Alter das Sakrament anzutragen, unabhängig von Krankheitsbefund, diese Festlegungen des Codex gänzlich ignoriert werden. V. Resümee Die Änderungen, die nach dem Zweiten Vatikanum im Ritus der Krankensalbung und im Codex/1983 vorgenommen wurden, sind aus allgemeiner Sakramentstheologie und aus geschichtlicher Perspektive zu begrüßen. Die Krankensalbung ist nicht in erster Linie ein Sakrament der Sündenvergebung, wie es die im früheren Ritus gebrauchten Spendeworte nahe legen könnten, aber ebenso wenig Letzte Ölung, denn die Wirkung der Gesundung war sowohl in den Gebeten als auch in der offiziellen Lehre über das Sakrament genannt. Die Spendung schon zu Beginn einer bedrohlichen Erkrankung lässt einer solchen Entwicklung mehr Raum, ohne jedoch den Schwerkranken und Sterbenden aus der „Zuständigkeit“ dieses Sakraments herauszunehmen. Dieser Ansatz beim Beginn einer bedrohlichen Erkrankung wehrt dem Eindruck, den die Propagierung eines „Sakraments zur Gesundung“ bei Krankengottesdiensten einerseits –
17
Z. B. wurde im Ausgang der Antike der rekonziliierte Sünder mit solchen und ähnlichen Dauerfolgen belegt. 18 Vielleicht ist die Einschränkung auch eine Gegenreaktion gegen die frühmittelalterliche Praxis, das Sakrament sieben folgende Tage zu spenden.
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ist Gesundung an sich schon ein Gnaden- und Heilsgeschehen? – und die häufige Spendung an Sterbenskranke in Krankenhäusern andererseits erwecken könnte, dass es sich bei Krankensalbung und Letzter Ölung um zwei verschiedene Sakramente handelt. Dieser Ansatz entspricht auch mehr der Jak 5,14 ff. vorausgesetzten Lage des Bettlägerigen, für den um eine Errettung (aus der Sphäre des Todes) und Aufrichtung sowohl in unmittelbarer leiblicher und seelischer als auch in eschatologischer Hinsicht gebetet wird. Vom Jakobusbrief her lassen sich auch in Bezug auf Spender und Empfänger Einseitigkeiten in Geschichte und Gegenwart korrigieren, die von der Wertung der Ölriten im Westen als Sakrament herrühren. Die konkrete Seelsorge muss allerdings ihr Tun mehr von diesem Befund her überdenken: Die Frage nach der Beichte muss im Zusammenhang mit der Krankensalbung erneut gestellt werden und die ernsten und tiefen Fragen wie das Sterben dürfen nicht populistisch verdeckt werden.
Staat und Kirche
Katholisch-Theologische Fakultäten und Studium der Katholischen Theologie in der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich Von Wilhelm Rees Katholisch-Theologische Fakultäten dienen der Ausbildung der Priester der römisch-katholischen Kirche, der Laien im Pastoralen Dienst, der Religionslehrerinnen und -lehrer, der Pflege der theologischen Wissenschaft sowie der wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung von Theologinnen und Theologen. Die Katholisch-Theologischen Fakultäten in der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich stehen derzeit in einer großen Diskussion und erleben im Hinblick auf das Studium der Theologie, der Katholischen Religionspädagogik sowie der Ausbildung für das Lehramt in katholischer Religion gravierende Veränderungen. Die so genannte Bologna-Erklärung und der damit eingeleitete Prozess, der mit der Unterzeichnung der „Sorbonne“-Erklärung durch die für Hochschulbildung zuständigen Minister Deutschlands, Frankreichs, Italiens und des Vereinigten Königreichs anlässlich der 800-Jahr-Feier der Sorbonne im Mai 1998 begonnen hatte, haben eine Neuordnung der europäischen Bildungspolitik und eine Vereinheitlichung der Studien eingeleitet. Kritisch wird immer wieder die Berechtigung und der Stellenwert der Theologie an einer staatlichen Universität in Frage gestellt, nicht zuletzt auch aufgrund des Rückgangs der Zahl der Studierenden in theologischen Disziplinen1. Inneruniversitär müssen unter wirtschaftlichen Erwägungen und dem ausschließlichen 1
Vgl. Statistisches Bundesamt, Entwicklung der Zahl der Studierenden nach Fächergruppen, Studienbereichen und 1. Studienfach an allen Hochschulen in der BRD seit dem Wintersemester 1990/91; vgl. Ernst-Lüder Solte, Aktuelle Rechtsfragen der Theologenausbildung an den Universitäten des Staates, in: ZevKR 49 (2004), S. 351 – 367, hier S. 355 f., mit Anm. 14; vgl. auch die Statistiken des Deutschen KatholischTheologischen Fakultätentages; zum Fakultätentag vgl. Ilona Riedel-Spangenberger, Art. Fakultätentag, II. Kath., in: LKStKR 1 (2000), S. 677 – 679; ferner Katholische Fakultäten: Kampf um Mindeststandard, in: KNA-ID Nr. 5 / 2. Februar 2000, S. 5; insgesamt Heribert Schmitz, Zukunft katholisch-theologischer Fakultäten in Deutschland, in: MThZ 51 (2000), S. 292 – 308; abgedr. in: ders., Neue Studien zum kirchlichen Hochschulrecht (= FzK, Bd. 35), Würzburg 2005, S. 133 – 152, bes. S. 144 – 152.
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Wilhelm Rees
Blick auf Studierendenzahlen und die Zahl der Abschlüsse KatholischTheologische Fakultäten hinter den Naturwissenschaften, der Technik oder der Medizin budgetär weithin zurückstehen. Über Jahrzehnte hat sich der Jubilar mit Fragen des kirchlichen Hochschulrechts auseinandergesetzt. Dies gilt für seinen grundlegenden Beitrag „Die Hochschulen“ im Handbuch des katholischen Kirchenrechts2 ebenso wie für die Auseinandersetzung mit speziellen Fragen in den Beiträgen über die Errichtung und Erweiterung katholisch-theologischer Studieneinrichtungen an staatlichen Hochschulen3, über die Rechtsstellung akademischer Lehrer4, die Errichtung von Stiftungslehrstühlen für katholische Theologie5 bis hin zur geschichtlichen Entwicklung einzelner Fakultäten bzw. Universitäten6. Im Folgenden soll ein kurzer Blick auf die Geschichte und vor allem auf die verfassungs- und kirchenvertragsrechtlichen Normen der Katholisch-Theologischen Fakultäten in Deutschland und Österreich gerichtet werden, wobei diese zugleich als „Gemeinsame Angelegenheiten von Staat und Kirche“ her-
2
Vgl. Georg May, Die Hochschulen, in: HdbKathKR2, S. 749 – 777.
3
Georg May, Errichtung und Erweiterung katholisch-theologischer Studieneinrichtungen an staatlichen Hochschulen. Überlegungen zu einer jüngst erschienenen Studie, in: Iuri Canonico Promovendo. Festschrift für Heribert Schmitz zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Winfried Aymans / Karl-Theodor Geringer unter Mitwirkung von Peter Krämer und Ilona Riedel-Spangenberger, Regensburg 1994, S. 415 – 440. 4
Georg May, Die Rechtsstellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie und die Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden an den staatlichen Hochschulen in Bayern nach dem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern vom 4. September 1974, in: AfkKR 144 (1975), S. 402 – 444. 5
Georg May, Die Errichtung von Stiftungslehrstühlen für katholische Theologie an den Universitäten Frankfurt am Main und Giessen, in: AfkKR 144 (1975), S. 464 – 478. 6
Georg May, Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Tübingen von 1817 bis 1945. Ein Beitrag zur Ausbildung der Studierenden katholischer Theologie, zur Verwirklichung der Parität an der württembergischen Landesuniversität und zur Katholischen Bewegung (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 28), Amsterdam 1975; ders., Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Breslau von 1811 bis 1945. Ein Beitrag zum Ringen um Parität in Preußen, in: ZRG Kan. Abt. 53 (1967), S. 155 – 272; 54 (1968), S. 200 – 268; ders., Mit Katholiken zu besetzende Professuren für Philosophie und Geschichte an der Universität Freiburg nach dem Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932, in: Ius et salus animarum. Festschrift für Bernhard Panzram. Hrsg. von Ulrich Mosiek / Hartmut Zapp (= Sammlung Rombach NF., Bd. 15), Freiburg im Breisgau 1972, S. 341 – 370; vgl. auch ders., Konservatoren, Konservatoren der Universitäten und Konservatoren der Universität Erfurt im hohen und späten Mittelalter, in: ZRG Kan. Abt. 80 (1994), S. 99 – 248.
Katholische Theologie in der BRD und in Österreich
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ausgestellt werden sollen. In einem zweiten Abschnitt werden die Normen und Bestimmungen der römisch-katholischen Kirche zu den theologischen Fakultäten und vor allem zum Studium der katholischen Theologie, die für die anstehende Neuordnung des Theologiestudiums und der studienrechtlichen Bestimmungen zu beachten sind, erläutert. Im dritten Abschnitt wird der Blick vor allem auf die studienrechtliche Entwicklung in Österreich sowohl aus historischer Sicht als auch unter Berücksichtigung der neuen Gesetzgebung sowie der neu gestellten Aufgaben gerichtet. I. Katholisch-Theologische Fakultäten in Deutschland und Österreich 1. Historische Entwicklung in Deutschland Universitäten sind im 11. und 12. Jahrhundert entstanden. Seit dieser Zeit gehören die Theologischen Fakultäten neben den Philosophischen, Juristischen und Medizinischen Fakultäten zum festen und prägenden Bestandteil der Universitäten in Europa7. Zahlreiche Theologische Fakultäten wurden im 16. und 17. Jahrhundert von den Jesuiten errichtet und getragen. Wenngleich das Konzil von Trient (1563) im Blick auf eine qualifizierte Ausbildung der Priester und damit eine effizientere Seelsorge die Bischöfe zur Errichtung von Diözesanseminaren verpflichtet und sich dieses Konzil somit eher als „fakultäts- bzw. universitätsfeindlich“8 erwiesen hat, so haben diese Seminare, die vor allem der pastoralen und seelsorglichen Ausbildung der Geistlichen dienten, in Deutschland die theologischen Fakultäten nicht ersetzt. Dieser Umstand führte in der Folgezeit vielmehr dazu, dass die Ausbildung von Theologen parallel bzw. nacheinander an staatlichen und kirchlichen Einrichtungen erfolgte, ein Faktum, das bis heute die Ausbildung von Priesteramtskandidaten und ebenso von Laientheologinnen und -theologen im kirchlichen Dienst in Deutschland und Österreich prägt. Im 18. Jahrhundert wurden die Universitäten zu staatlichen Einrichtungen, eine Entwicklung, die sich seit der Reformation mehr und mehr 7
Vgl. im Einzelnen und zum Folgenden Ernst-Lüder Solte, Art. Fakultäten, Theologische, in: TRE 10 (1982), S. 788 – 795, bes. S. 788 – 791; Alexander Hollerbach, Fakultäten (II). I. Geschichtliche Entwicklung, in: LThK3, Bd. 3 (1995), Sp. 1158 f.; Karl-Heinz Fix, Art. Fakultäten, theologische, I. Kirchengeschichtlich, 1. Europa, in RGG4, Bd. 3 (2000), Sp. 7 – 10; Glenn T. Miller, Fakultäten, theologische, I. Kirchengeschichtlich, 2. Nordamerika, in: RGG4, Bd. 3 (2000), Sp. 11; Dietrich Werner, Fakultäten, theologische, I. Kirchengeschichtlich, 3. Weltweit, in: RGG4, Bd. 3 (2000), Sp. 12; Manfred Baldus, Hochschulen, kirchliche H., II. Historische Entwicklung, in: LThK3, Bd. 5 (1996), Sp. 185 – 188. 8
Vgl. Hollerbach, Fakultäten (Anm. 7), Sp. 1158.
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abzeichnete. An verschiedenen Universitäten kam es im Sinne der Parität zwischen katholischer und evangelischer Kirche zur Errichtung jeweils einer katholischen und einer evangelischen Fakultät, so 1811 in Breslau9 und 1818 in Bonn. Ernst-Lüder Solte kennzeichnet die Geschichte der katholisch-theologischen Fakultäten im 19. Jahrhundert als „Geschichte des Kampfs der Kirche um die Sicherung ihres Einflusses auf die Ausbildung der Theologen“10. So überrascht es keineswegs, dass dort, „wo eine Verständigung mit der Kirche insbesondere über den bischöflichen Einfluß auf die Personalangelegenheiten und die Lehrinhalte der Staats-Fakultät scheiterte oder der Staat von kirchenhoheitlichen Ansprüchen im geistlichen Bildungswesen keinen Gebrauch machte, … rein kirchliche Priesterausbildungsanstalten erhalten geblieben“ sind11. Die rechtliche Gleichstellung der bischöflichen Seminare mit den staatlichen Fakultäten ist, wie Manfred Baldus aufzeigt, dadurch begünstigt worden, „daß auch auf staatlicher Seite nichtuniversitäre Bildungsanstalten für den Diözesanklerus bestanden und nach Aufwertung strebten“12. Einflussrechte, die die katholische Kirche damals im Bereich der Katholisch-Theologischen Fakultäten sowohl in Bezug auf die inhaltliche Gestaltung der Studien als auch auf das wissenschaftliche Personal sichern konnte, sind bis heute erhalten geblieben. Die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 hat in Art. 149 WeimRV ausdrücklich den Fortbestand Theologischer Fakultäten an den staatlichen Universitäten garantiert („Die theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben erhalten.“), nachdem im Zuge der Reformation von 1918 / 19 deren Abschaffung diskutiert bzw. auch gefordert wurde. Trotz des klaren Bekenntnisses der Weimarer Reichsverfassung zur Trennung von Staat und Kirche (vgl. Art. 137 Abs. 1 WeimRV: „Es besteht keine Staatskirche.“) durfte diese Trennung nicht im kirchenfeindlichen bzw. laizistischen Sinn verstanden werden, so dass die Theologischen Fakultäten in diesem System ihren berechtigten Platz hatten. Im Konkordat zwischen Seiner Heiligkeit Papst Pius XI. und dem Staate Bayern vom 29. März 1924, im Vertrag des Freistaates Preußen mit dem Heiligen Stuhle vom 14. Juli 1929 und im Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Freistaate Baden vom 12. Oktober 1932 wurden die Mitwirkungsrechte der katholischen Kirche an den Katholisch-Theologischen Fakultäten der staatlichen Universitäten für diese Länder näher konkretisiert. Entsprechendes gilt für die Kirchenverträge mit den evangelischen Landeskirchen in Bayern (1924), Preußen (1931) und Baden (1932)13. Das Konkordat 9
Vgl. May, Universität Breslau (Anm. 6).
10
Solte, Fakultäten (Anm. 7), S. 790 f., hier S. 790.
11
Baldus, Hochschulen (Anm. 7), Sp. 185 f.
12
Baldus, Hochschulen (Anm. 7), Sp. 186.
13
Alle Texte bei Joseph Listl (Hrsg.), Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe für Wissenschaft und Praxis, 2 Bde., Berlin
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zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933 (RGBl. II 1933) (Reichskonkordat - RK) brachte eine ausdrückliche Bestandsgarantie der Katholisch-Theologischen Fakultäten und verwies im Einzelnen auf die bereits bestehenden Konkordate mit Bayern, Preußen und Baden (vgl. Art. 19 RK). 2. Bestand, rechtliche Grundlagen und Berechtigung von Theologischen Fakultäten Joseph Listl hat bereits darauf verwiesen, dass „die Existenz theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten … nicht selbstverständlich“ sei, „vor allem dann nicht, wenn es sich um einen Staat handelt, der sich nach seiner Verfassung zu religiöser Neutralität bekennt“. Auch würden KatholischTheologische Fakultäten an staatlichen Universitäten aus der Sicht der Gesamtkirche „nicht die realtypischen Einrichtungen für die Pflege der Wissenschaft der Theologie und für die Ausbildung von Theologen, insbesondere des geistlichen Nachwuchses“ darstellen14. Dennoch bestehen in der Bundesrepublik Deutschland an 13 staatlichen Universitäten Katholisch-Theologische Fakultäten bzw. Fachbereiche. Es sind dies Augsburg (seit 1970), Bamberg, Bochum (seit 1968), Bonn, Erfurt (seit 2002), Freiburg, Mainz (seit 1946), München, Münster, Passau, Regensburg (seit 1966), Tübingen und Würzburg. Hinzu kommen in kirchlicher Trägerschaft die Katholisch-Theologische Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt sowie (als Nachfolgeeinrichtungen der so genannten wissenschaftlichen Diözesanseminare, d. h. der PhilosophischTheologischen Hochschulen) die Katholisch-Theologischen Fakultäten in Ful1987; eine bereinigte Fassung des BayK (Stand 1987), ebd., Bd. I, S. 474 – 507; zu Preußen vgl. auch Heinz Mussinghoff, Theologische Fakultäten im Spannungsfeld von Staat und Kirche. Entstehung und Auslegung der Hochschulbestimmungen des Konkordats mit Preußen von 1929, dargelegt unter Berücksichtigung des Preußischen Statutenrechts und der Bestimmungen des Reichskonkordats (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Bd. 27), Mainz 1979, bes. S. 148 – 333. 14 Vgl. Joseph Listl, Der Theologe an der Universität als Inhaber eines staatlichen und kirchlichen Amtes. Antrittsvorlesung in der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg am 24. Oktober 1977 (Nichtveröffentlichtes Manuskript), S. 1 f.; zitiert auch bei Heribert Schmitz, Katholisch-Theologische Fakultäten im Spannungsfeld kirchlichen und staatlichen Hochschulrechts. Zur rechtlichen Relevanz des Akkommodationsdekretes von 1983 zur Apostolischen Konstitution Sapientia Christiana für die Katholisch-Theologischen Fakultäten an den deutschen staatlichen Universitäten, in: AfkKR 154 (1985), S. 433 – 451, hier S. 433, Anm. 1; vgl. auch Heribert Hallermann, Was ist eine Katholisch-Theologische Fakultät? – Versuch einer Begriffbestimmung, in: KuR 2005, S. 63 – 73 = 740, S. 33 – 43.
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da, Paderborn und Trier (bis 2002 auch das Philosophisch-Theologische Studium Erfurt) und die Philosophisch-Theologische Hochschule St. Georgen / Theologische Fakultät S. J. Frankfurt15. Zu nennen sind ferner die von Orden und Kongregationen unterhaltenen Lehranstalten bzw. Hochschulen, und zwar der Redemptoristen in Hennef / Sieg, der Kapuziner in Münster, der Pallotiner in Vallendar, der Steyler Missionsgesellschaft in St. Augustin bei Bonn und der Salesianer Don Boscos in Benediktbeuern sowie die Hochschule für Philosophie der Gesellschaft Jesu / Philosophische Fakultät in München16. Letztere verleihen ein staatlich anerkanntes Diplom und sind mit Rom affiliert, d. h. an eine dortige Fakultät bzw. Hochschule rechtlich angebunden. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 kennt keine dem Art. 149 WeimRV vergleichbare Bestimmung und damit keine explizite Bestandsgarantie für die Theologischen Fakultäten. Dennoch ist in der Bundesrepublik Deutschland, wie Ilona Riedel-Spangenberger zu Recht betont, „von einer verfassungsrechtlich allgemein begründeten Bestandsgarantie für die Theologischen Fakultäten als universitären Institutionen im Verband der übri-
15
Vgl. hierzu Rainer Himmelsbach, Die Rechtsstellung der Theologischen Fakultäten Trier, Paderborn, Frankfurt St. Georgen und Fulda (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 28), Berlin 1997; Heribert Schmitz, Katholisch-Theologische Fakultät Trier. Kanonistische Anmerkungen zur Rechtsstellung der Fakultät, ihrer Autoritäten und Lehrpersonen und zum Dienstverhältnis der Lehrpersonen, in: ders., Neue Studien (Anm. 1), S. 206 – 283; Nikolaus Hilling, Die päpstliche Errichtung und staatliche Anerkennung der Theologischen Fakultät in Trier. Ein Selbstinterview mit Aktenpublikation, in: AfkKR 125 (1951), S. 257 – 267; s. auch SC InstCath, Dekret vom 25. Januar 1975 zur Errichtung der Theologischen Fakultät in der Kirchlichen Gesamthochschule Eichstätt, in: AAS 67 (1975), S. 505 f.; abgedr. in: AfkKR 144 (1975), S. 138 f.; insgesamt auch Ingo Schröder, Philosophisch-theologische Hochschulen, in: Historisches Lexikon Bayerns, ULR: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel_44788 (09.05.2006); Manfred Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte und gegenwärtiger Rechtsstatus (= Neue Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Heft 38), Berlin 1965. 16
Zum Bestand vgl. AnPont 2004, S. 1623 – 1646; ferner auch May, Hochschulen (Anm. 2), S. 753 – 777; Mussinghoff / Kahler, Einführung vor 815, in: MK CIC, Rdnr. 11 (Stand November 2001); vgl. auch Baldus, Hochschulen (Anm. 7), I. Bestand und Zielsetzung und III. Gegenwärtige Rechtsgrundlagen, Sp. 184 f. und 188; ders., Kirchliche Hochschulen, in: HdbStKirchR2, Bd. II, S. 601 – 637; zum evangelischen Bereich bes. Ernst-Lüder Solte, Kirche, Staat und evangelische Theologie, in: Verfassung – Philosophie – Kirche. Festschrift für Alexander Hollerbach zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Joachim Bohnert / Christoph Gramm / Urs Kindhäuser / Joachim Lege / Alfred Rinken / Gerhard Robbers, Berlin 2001, S. 791 – 809; Joachim E. Christoph, Die Ev.theol. Fakultäten und das evangelische Kirchenrecht – Rechtsstellung und aktuelle Probleme, in: ZevKR 50 (2005), S. 46 – 94.
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gen Wissenschaften auszugehen, worauf das Grundgesetz (vgl. Art. 123 Abs. 1 GG iVm … Art. 19 RK) und die Verfassungen einiger Bundesländer ausdrücklich verweisen (vgl. Art 8, 85, 10 BadWV; Art 150 Abs. 2 BayV; Art 32 Abs. 4 Satz 3 BrandbV; Art 60 Abs. 2 HessV; Art. 9 Abs. 2 Satz 1 MeckVorpV; Art. 23 Abs. 1 NRWV; Art. 39 Abs. 1 Satz 3 RhPfV; Art. 35 Abs. 1 Satz 3 SaarlV; Art. 111 Abs. 2 SächsV; Art. 28 Abs. 3 Satz 2 ThürV)“17. Art. 4 Abs. 1 GG erklärt die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses für unverletzlich, Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG (vgl. § 3 HRG), dass Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind. Auch wurde Art. 137 Abs. 3 WeimRV zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht in das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland inkorporiert (vgl. Art. 140 i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WeimRV). „Wenn sodann“, worauf Alexander Hollerbach aufmerksam macht, „Art. 7 Abs. 3 den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen garantiert, so steckt darin die Pflicht (des Staates), für geeignete Ausbildungsstätten zum Erwerb der Religionsfakultas zu sorgen“18. Schließlich erklärt Art. 123 Abs. 2 GG, der die Fortgeltung der vom Deutschen Reich abgeschlossenen Staatsverträge für Bereiche, die der Landesgesetzgebung unterliegen, regelt, dass diese Verträge auch weiterhin in Geltung sind. Da sich diese Bestimmung auch auf Art. 19 RK bezieht, „wird durch Art. 19 S. 1 dieses Konkordats die Existenz von Katholisch-theologischen Fakultäten mit Verfassungsrang garantiert“19. 17
Ilona Riedel-Spangenberger, Art. Fakultäten. II. Kath., in: LKStKR 1 (2000), S. 671 – 675, hier S. 672; zu den rechtlichen Grundlagen im staatlichen Recht und zum Folgenden vgl. Alexander Hollerbach, Die rechtliche Stellung der theologischen Fakultäten in der Bundesrepublik Deutschland, in: Adrian Loretan (Hrsg.), Theologische Fakultäten an europäischen Universitäten. Rechtliche Situation und theologische Perspektiven (= Theologie Ost – West. Europäische Perspektiven, Bd. 1), Münster 2004, S. 67 – 82, hier S. 69 f.; ders., Theologische Fakultäten und staatliche Pädagogische Hochschulen, in: HdbStKirchR2, Bd. II, S. 549 – 599, bes. S. 552 – 557; Martin Heckel, Die theologischen Fakultäten im weltlichen Verfassungsstaat (= JusEccl, Bd. 31), Tübingen 1986, S. 17 – 46. 18
Hollerbach, Die rechtliche Stellung (Anm. 17), S. 69 unter Hinweis auf Christoph Link, Religionsunterricht, in: HdbStKirchR2, Bd. II, S. 439 – 509, hier S. 473; s. auch Solte, Rechtsfragen (Anm. 1), S. 357; Wilhelm Rees, Religionsunterricht in österreichischen Schulen. Rechtliche Grundlagen und aktuelle Anfragen, in: Bürgerliche Freiheit und Christliche Verantwortung. Festschrift für Christoph Link zum siebzigsten Geburtstag. Hrsg. von Heinrich de Wall / Michael German, Tübingen 2003, S. 387 – 407, hier S. 401. 19
So Joachim E. Christoph, Zur Akkreditierung theologischer Studiengänge, in: ZevKR 49 (2004), S. 253 – 271, hier S. 256 unter Hinweis auf Hollerbach, Theologische Fakultäten (Anm. 17), S. 554.
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Allgemein erteilt das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland dem Bund das Recht, Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen, näherhin auch über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 a GG). In diesem Zusammenhang bestimmt § 81 des Hochschulrahmengesetzes20 ausdrücklich, dass die Verträge mit den Kirchen durch dieses Gesetz nicht berührt werden. Die nähere Ausgestaltung des Rechts der Universitäten obliegt den einzelnen Bundesländern. Nicht selten werden in der Gesellschaft und der medialen Öffentlichkeit Bedenken gegen Katholisch-Theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten erhoben, nämlich dahingehend, dass sie im Widerspruch zu den Grundaussagen der Verfassung über das Verhältnis von Staat und Kirche stünden, so vor allem zur Religionsfreiheit, zum Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche und zur Verpflichtung des Staates, religiös und weltanschaulich neutral zu sein. Diese Bedenken können jedoch keineswegs aufrechterhalten werden, so lange sich der Staat nicht in die inhaltliche Gestaltung des theologischen Studiums einmischt bzw. sich nicht anmaßt, innerkirchliche Anforderungen an die Lehre und den Lebenswandel einzelner Universitätslehrerinnen und –lehrer zu beurteilen. „Auf keinen Fall ist“, wie Joseph Listl und Alexander Hollerbach betonen, „mit der durch das Grundgesetz konstituierten staatskirchenrechtlichen Ordnung eine ‚radikale laizistische Trennung’ im Sinne eines Verbots von Berücksichtigung, Förderung und Zusammenarbeit zu vereinbaren. Das Grundgesetz enthält im Gegenteil eine Reihe von Bestimmungen …, die eindeutig ergeben, daß Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland nicht auf eine völlige Trennung, sondern – bei Wahrung gegenseitiger Freiheit und Unabhängigkeit – auf Kooperation angelegt sind“21.
20
Vgl. Hochschulrahmengesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 19. Januar 1999 (BGBl. I S. 18). 21
Joseph Listl / Alexander Hollerbach, Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland, in: HdbKathKR2, S. 1268 – 1293, hier S. 1272 f.; vgl. auch Martin Heckel, Grundfragen der theologischen Fakultäten seit der Wende, in: FS Link (Anm. 18), S. 213 – 299, bes. S. 262 – 273; a. A. Erwin Fischer, Volkskirche ade! Trennung von Staat und Kirche. Die Gefährdung Religions- und Weltanschauungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Berlin und Aschaffenburg 1993, S. 131 – 135; zur Entkräftung der Vorwürfe im Blick auf den Religionsunterricht s. Wilhelm Rees, Der Religionsunterricht und die katechetische Unterweisung in der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung, Regensburg 1986, S. 230 – 235; vgl. auch Adrian Loretan, Haben Theologische Fakultäten eine Zukunft in den staatlichen Universitäten Europas?, in: Recht – Bürge der Freiheit. Festschrift für Johannes Mühlsteiger SJ zum 80. Geburtstag. Hrsg. von Konrad Breitsching / Wilhelm Rees (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 51), Berlin 2006, S. 1021 – 1030.
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Auch werden Zweifel erhoben, ob die Theologie an den theologischen Fakultäten, da sie doch als Glaubenswissenschaft besonderen Voraussetzungen unterliege und insbesondere an die Offenbarung und das kirchliche Lehramt gebunden sei, überhaupt in Forschung und Lehre frei sein könne oder diese nicht vielmehr im Widerspruch zu der im Grundgesetz geforderten Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (vgl. Art. 5 Abs. 3 GG) stehe22. ErnstLüder Solte gibt in diesem Zusammenhang mit Recht zu bedenken: „Wissenschaft im Sinne der Verfassung ist ein offener Begriff. Wie es dem zur religiös-weltanschaulichen Neutralität verpflichteten Staat des Grundgesetzes ganz allgemein untersagt ist, sich mit bestimmten philosophischen, weltanschaulichen oder religiösen Auffassungen zu identifizieren und deren Absolutheitsanspruch zu postulieren, so muß er auch die Offenheit und Pluralität des Wissenschaftsbegriffs respektieren. Dem Grundgesetz eine ganz bestimmte, etwa gegen die Theologie gerichtete Wissenschaftstheorie zu unterlegen, stünde im Widerspruch zur Forderung nach Selbstbescheidung, die dem Interpreten der Verfassung bei der Inhaltsbestimmung des Gegenstandes verfassungsrechtlich garantierter Freiheiten um der Freiheitlichkeit des geschützten Lebensbereichs willen auferlegt ist. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt, wenn es ausführt, daß Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz keine bestimmte Auffassung von Wissenschaft und keine bestimmte Wissenschaftstheorie schützen will (BVerfG E 35,113)“.23
22
In diesem Sinn Ludwig Renck, Wissenschaftsfreiheit und theologische Fakultäten, in: Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat. Festschrift für Wolfgang Rüfner zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Stefan Muckel, Berlin 2003, S. 711 – 725; grundsätzlich Peter Glotz, Der Beitrag der Theologischen Fakultäten an den Universitäten angesichts moderner / postmoderner Wissenschaftsverständnisse, in: Bernhard Nacke (Hrsg.), Kirche in Staat und Gesellschaft. Grundlegungen – Erfahrungen – Perspektiven, Mainz 1998, S. 200 – 205. 23
Vgl. Solte, Fakultäten (Anm. 7), S. 792; ders., Rechtsfragen (Anm. 1), S. 353; insgesamt auch ders., Theologie an der Universität. Staats- und kirchenrechtliche Probleme der theologischen Fakultäten (= JusEccl, Bd. 13), München 1971, hier S. 7 – 45; s. auch Ilona Riedel-Spangenberger, Theologie zwischen Konkordat und Wissenschaftsfreiheit. Zur Rechtsstellung katholisch-theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten, in: Albert Franz (Hrsg.), Bindung an die Kirche oder Autonomie? Theologie im gesellschaftlichen Diskurs (= QD 173), Freiburg / Basel / Wien 1999, S. 219 – 241; Adrian Loretan, Die katholisch theologischen Fakultäten im Spannungsfeld von Wissenschaftsfreiheit und Religionsfreiheit, in: ET-Bulletin 13 (2002), S. 209 – 218; ders., Die katholisch theologischen Fakultäten im Spannungsfeld von Wissenschaftsfreiheit und Religionsfreiheit, in: ders., Theologische Fakultäten (Anm. 17), S. 55 – 65; Hans-Georg Babke, Theologie in der Universität. Aus rechtlicher, theologischer und wissenschaftstheoretischer Perspektive, Frankfurt am Main u. a. 2000, bes. S. 125 – 205; Siegfried Wiedenhofer, Theologie als Wissenschaft. Eine theologische Revison, in: Franz, Bindung (Anm. 23), S. 90 – 124.
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Wie Solte weiter ausführt, erstreckt sich „der Schutz der Wissenschaftsfreiheit … vielmehr auf jede Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernster und planmäßiger Versuch der Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Hierzu gehört auch die Theologie der beiden Großkirchen, die sich auch von ihrem Selbstverständnis her als Wissenschaft begreift, mag sie sich auch wegen ihrer besonderen Voraussetzungen und Bindungen ihrer Andersartigkeit bewußt sein“24. Freiheit der Forschung wird selbst vom Kirchlichen Gesetzbuch, dem Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983, denjenigen zugesprochen, die sich theologischen Wissenschaften widmen, wobei allerdings der schuldige Gehorsam gegenüber dem Lehramt der Kirche zu wahren ist (vgl. c. 218 CIC/1983). Überzeugend weist Hans Ulrich Anke unter Aufarbeitung der einschlägigen Literatur auf, dass „die Pflege der bekenntnisgebundenen Theologie … zum Auftrag der staatlichen wissenschaftlichen Hochschulen“ gehört. Dieser Auftrag „ist als zentraler Bestandteil der staatlichen Kulturverantwortung in den Verfassungen der neuen Länder neben der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit vielfach durch einen ausdrücklichen Förderungsauftrag festgelegt“25. Etwaige Bedenken, nach denen die bekenntnisgebundene Forschung und Lehre
24
Solte, Fakultäten (Anm. 7), S. 792 f; zum Kirchenrecht als wissenschaftlichem Fach vgl. Wilhelm Rees, Kirchenrecht an der Theologischen Fakultät Innsbruck. Kirchenrechtler und Selbstverständnis des Faches in Vergangenheit und Gegenwart, in: Tradition – Wegweisung in die Zukunft. Festschrift für Johannes Mühlsteiger SJ zum 75. Geburtstag. Hrsg. von Konrad Breitsching / Wilhelm Rees (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 46), Berlin 2001, S. 317 – 341, bes. S. 333 – 335; Georg May, Kirchenrechtswissenschaft und Kirchenrechtsstudium, in: HdbKathKR2, S. 90 – 101, hier S. 90 – 95; s. auch Patrick Becker / Thomas Gerold (Hrsg.) im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Studierende der Katholischen Theologie in Deutschland (AGT), Die Theologie an der Universität. Eine Standortbestimmung. Mit Beiträgen von Reiner Kümmel, Peter Neuner, Robert Schätzle, Friederike Sittler und Andreas Speer (= Theologie und Praxis, Abt. B, Bd. 20), Münster 2005; Karl Lehmann, Der Auftrag von Theologie und Kirche in der modernen Gesellschaft. Festvortrag anläßlich der Feierlichkeiten zur Neueröffnung der renovierten „Alten Universität“, Katholisch-Theologische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck am 10. März 1999, in: Korrespondenzblatt des Canisianums. Heft 2 des Studienjahres 1998/99, 132. Jg., Innsbruck 1999, S. 12 – 19. 25
Hans Ulrich Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge. Zu den Möglichkeiten und Grenzen des staatskirchenvertraglichen Gestaltungsinstruments (= JusEccl, Bd. 62), Tübingen 2000, S. 93, mit Anm. 130 und 133, m. w. N. Anke verweist vor allem auf Art. 16 I, III MeckVVerf, Art. 11 I, III SächsV und Art 31 II SachsAVerf. Vgl. auch Heckel, Grundfragen (Anm. 21), S. 225 – 230; 231 – 239; s. auch ders., Der Rechtsstatus der theologischen Fakultäten im freiheitlichen, religiös neutralen Verfassungsstaat, in: Franz, Bindung (Anm. 23), S. 44 – 89.
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als private Glaubensbetätigung aus dem Kanon der universitären Ausbildungsfächer auszukoppeln sei, so Anke, würden hier nicht greifen. Es wäre jedoch verfehlt, wenn sich Katholisch-Theologische Fakultäten nur als Ausbildungsstätten für Priesteramtskandidaten verstehen würden. Hier hat sich rechtlich und faktisch die Situation in der Bundesrepublik Deutschland und ebenso auch in Österreich grundlegend gewandelt, da auch Theologinnen und Theologen für den kirchlichen Dienst und ebenso für Stellen des offenen Marktes, wie z. B. im Bildungsbereich, im Presse-, Rundfunk- und Fernsehwesen oder in der Ethik- und Medienberatung, an diesen Fakultäten ausgebildet werden. Auf dieses Faktum macht Georg May eindringlich aufmerksam, wenn er mit Blick auf das Kirchenrecht feststellt, dass die Weisungen und Normen, die der Heilige Stuhl über die Ausbildung im Kirchenrecht ergehen lässt, „meist an dem Mangel (kranken), daß sie lediglich auf Priesterkandidaten abstellen, während, vor allem in Deutschland, in immer stärkerem Maße Nichtpriester, Diakone und Laien, Theologie studieren und im kirchlichen Dienst tätig werden. Ihnen ist die Kenntnis des Kirchenrechts ebenfalls unentbehrlich“26. Und Kardinal Karl Lehmann stellt klar: „So wichtig … die Priesterausbildung ist …, sie allein kann nicht das Kriterium dafür sein, wie und wo heute Theologie als Wissenschaft betrieben wird“27. 3. Vereinbarungen in den Konkordaten Das Verhältnis von Staat und Kirche ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur einseitig durch staatliche Gesetze, sondern insbesondere durch vertragliche Vereinbarungen in Form von Konkordaten und Kirchenverträgen geregelt. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg zählten Katholisch-Theologische Fakultäten zu den Regelungsmaterien einzelner Länderkonkordate, näherhin in Art. 3 und 4 BayK, Art. 12 PreußK und Art. IX und X BadK. Art. 19 RK stellte eine Bestandsgarantie für alle Theologischen Fakultäten auf, wenn es heißt: „Die katholisch-theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen bleiben erhalten. Ihr Verhältnis zur kirchlichen Behörde richtet sich nach den in den einschlägigen Konkordaten und dazugehörenden Schlussprotokollen festgelegten Bestimmungen unter Beachtung der einschlägigen kirchlichen Vorschriften…“28.
26
May, Kirchenrechtswissenschaft (Anm. 24), S. 96.
27
Vgl. Karl Lehmann, Theologische Impulse für die geistige und ethische Orientierung Europas an der Bruchlinie zwischen Ost und West, in: ET-Bulletin 12 (2001), S. 147 – 162, hier S. 158. 28
Alle Texte bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge (Anm. 13); s. auch Heribert Hallermann, Wie viel Theologie schützt das Bayerische Konkordat?, in: AfkKR 172 (2003), S. 427 – 449.
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Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland kamen weitere Vereinbarungen hinzu oder wurden bestehende Vereinbarungen weitergeschrieben. So wurden im Blick auf die Neuerrichtung Katholisch-Theologischer Fakultäten u. a. die Vereinbarung vom 15. / 17. April 1946 über die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Mainz, der Vertrag vom 2. September 1966 über die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Regensburg, der Vertrag vom 9. April 1968 über die Errichtung eines Lehrstuhls für katholische Theologie an der Universität des Saarlandes, der Vertrag vom 17. September 1970 über den Katholisch-Theologischen Fachbereich der Universität Augsburg nebst Schlussprotokoll, der Vertrag vom 22. Februar 1968 über die Errichtung der Katholisch-Theologischen Abteilung der Ruhr-Universität Bochum sowie die Verträge vom 4. September 1974 und vom 7. Juli 1978 zur Änderung und Ergänzung des Bayerischen Konkordats vom 29. März 1924 geschlossen. Hinzu kamen der Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land NordrheinWestfalen vom 26. März 1984 über die Pflege der Katholischen Theologie an den wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen und die Lehrerbildung für das Unterrichtsfach Katholische Religionslehre. Außerdem wurde im Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Lande Niedersachsen vom 26. Februar 1965 an der Universität Göttingen die Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät zur gegebenen Zeit vorgesehen (vgl. Art. 4 Abs. 1 NiedersK), die jedoch bislang nicht erfolgt ist29. In den Konkordaten sieht die Kirche auch heute, wie Joseph Listl zutreffend anmerkt, „den wünschenswerten und besten Weg zur Regelung gemeinsam berührender Angelegenheiten und zur dauerhaften Lösung schwebender und umstrittener Fragen in den Beziehungen zwischen Staat und Kirche“30. Deshalb
29
Alle Texte bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge (Anm. 13); zu Mainz insbes. Georg May, Entstehung und Rechtscharakter der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz vom 15. / 17. April bzw. 5. Oktober 1946 zur Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, in: AfkKR 131 (1962), S. 15 – 66; vgl. auch Hollerbach, Theologische Fakultäten (Anm. 17), S. 557 f.; für den evangelischen Bereich, ebd., S. 559 f.; Solte, Rechtsfragen (Anm. 1), S. 357, Anm. 22; Nachweise für die Evangelisch-Theologischen Fakultäten, ebd.; s. auch Riedel-Spangenberger, Fakultäten (Anm. 17), S. 672 f. 30
So ausdrücklich Joseph Listl, Die Lehre der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: HdbKathKR2, S. 1239 – 1255, hier S. 1254; vgl. auch ders., Konkordate und Kirchenverträge, in: ders., Konkordate und Kirchenverträge (Anm. 13), Bd. I, S. 3 – 23; abgedr. in: ders., Kirche im freiheitlichen Staat. Schriften zum Staatskirchenrecht und Kirchenrecht. Hrsg. von Josef Isensee / Wolfgang Rüfner in Verbindung mit Wilhelm Rees (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 25), Berlin 1996, S. 469 – 493; ders., Konkordate aus der Sicht des Heiligen Stuhles, in: 60 Jahre Österreichisches Konkordat. Hrsg. von Hans Paarhammer / Franz Pototschnig / Alfred Rinnerthaler (= Ver-
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wundert es nicht, dass die Themen Katholisch-Theologische Fakultäten, Lehramtsstudiengänge in katholischer Religion sowie kirchliche Hochschulen und Priesterseminare auch in den nach der Wiedervereinigung Deutschlands zwischen dem Heiligen Stuhl und den Neuen Bundesländern abgeschlossenen Verträgen ihren Niederschlag gefunden haben31. Dennoch enthalten die Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Sachsen vom 2. Juli 1996 (SachsKKV), zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 1997 (MecklbVorpKKV), zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land SachsenAnhalt vom 15. Januar 1998 (SachsAnhKKV) und dem Heiligen Stuhl und dem Land Brandenburg vom 12. November 2003 (BrandenbKKV) keine bzw. nur wenige Vereinbarungen zu den Katholisch-Theologischen Fakultäten. Der Grund ist darin zu sehen, dass bei Vertragsabschluss in den Ländern Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg bisher keine katholisch-theologische Fakultät bestand und gegenwärtig eine Gründung nicht vorgesehen ist32. Im Schlussprotokoll zu Art. 11, Abs. 2 i. V. m. Schlussprotokoll zu Art. 13 Abs. 1 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem
öffentlichungen des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg. Neue Folge, Bd. 56), München 1994, S. 13 – 33; abgedr. in: ders., Schriften (Anm. 30), S. 522 – 543; s. auch Wilhelm Rees, Konkordate und Kirchenverträge als sachgerechte Form der Ausgestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche. Kirchenrechtliche Anmerkungen im Blick auf die Europäische Union, in: Fritz ReichertFacilides (Hrsg.), Recht und Europa 3. Ringvorlesung am Zentrum für Europäisches Recht, Wien 1999, S. 115 – 138. 31
Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Hermann Weber, Neue Staatskirchenverträge mit der Katholischen Kirche in den neuen Bundesländern, in: Festschrift für Martin Heckel zum siebzigsten Geburtstag. Hrsg. von Karl-Hermann Kästner / Knut Wolfgang Nörr / Klaus Schlaich, Tübingen 1999, S. 463 – 493, hier S. 489 – 493; Anke, Neubestimmung (Anm. 25), S. 95 f. 32
Art. 6 MecklbVorpKKV hält jedoch fest, dass für die Errichtung einer wissenschaftlichen Einrichtung für katholische Theologie oder Religionspädagogik eine gesonderte Vereinbarung des Landes mit dem Heiligen Stuhl erforderlich ist. Vgl. Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 1997 samt Schlussprotokoll, in: AAS 90 (1998), S. 98 – 116, hier S. 102; s. auch Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Sachsen vom 2. Juli 1996 samt Schlussprotokoll, in: AAS 89 (1997), S. 613 – 648; ferner Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Sachsen-Anhalt vom 15. Januar 1998 samt Schlussprotokoll, in: AAS 90 (1998), S. 470 – 502; Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Brandenburg vom 12. November 2003 samt Schlussprotokoll (BrandenbKKV), in: AAS 96 (2004), S. 625 – 652; abgedr. in: AfkKR 172 (2003), S. 543 – 570; zu SachsKKV s. Stefan Korta, Der katholische Kirchenvertrag Sachsen (= AIC 18), Frankfurt am Main u. a. 2001, S. 117 – 135.
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Freistaat Thüringen vom 11. Juni 1997 (ThürKKV) wird auf die beabsichtigte Neugründung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Erfurt verwiesen33, deren nähere Regelung jedoch aus dem Vertrag ausgeklammert wurde. Für den Fall der Neugründung verpflichten sich die Diözesanbischöfe, keine eigene Einrichtung für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen zu errichten oder zu unterhalten (vgl. Schlussprotokoll zu Art. 11 Abs. 2, hier Abs. 1 und 2 ThürKKV). Größeres Interesse der Verträge gilt den theologischen Studiengängen bzw. den Lehramtsstudien. So gewährleistet gemäß Art. 5 Abs. 1 SachsAnhKKV das Land „in den jeweiligen Lehramtsstudiengängen die Ausbildung im Fach Katholische Religion für die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Die Ausbildung in diesen Studiengängen entspricht der Lehre und den Grundsätzen der Katholischen Kirche“34. Zugleich wird in Art. 4 Abs. 6 SachsAnhKKV betont, dass „die Beteiligung der Katholischen Kirche an der staatlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung von Religionslehrkräften … durch besondere Vereinbarung geregelt“ wird. Gemäß Art. 5 Abs. 1 SachsKKV wird der Freistaat „an der Technischen Universität Dresden das dort eingerichtete Fach katholische Religion in Lehramtsstudiengängen und das Fach katholische Theologie in Magisterstudiengängen erhalten. Die Ausbildung in diesen Fächern entspricht der Lehre und den Grundsätzen der katholischen Kirche“. Gemäß Art. 13 Abs. 1 ThürKKV samt Schlussprotokoll gewährleistet der Freistaat Thüringen „im Rahmen des Studiums zur Erlangung der Befähigung zum Lehramt die wissenschaftliche Vorbildung in katholischer Theologie und Religionspädagogik“, wobei das Nähere besonderen Vereinbarungen vorbehalten bleibt. Die Verträge mit Sachsen und Sachsen-Anhalt haben auch die Ernennung und Beanstandung eines 33 Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen vom 11. Juni 1997 samt Schlussprotokoll, in: AAS 89 (1997), S. 756 – 795. Die KatholischTheologische Fakultät Erfurt wurde erst später errichtet. Vgl. Theologische Fakultät Erfurt: Hoffen auf Integration, in: KNA-ID Nr. 6 / 9. Februar 2000, S. 12; Ergänzungen zum Staatsvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen hinsichtlich der Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt vom 19. November 2002 (ErgThürKKV), in: AAS 95 (2003), S. 237 – 247; abgedr. in: AfkKR 171 (2002), S. 572 – 581; s. auch Konrad Hartelt, Die Anfänge des Philosophisch-Theologischen Studiums Erfurt unter rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet, in: FS Schmitz (Anm. 3), S. 455 – 475. 34
Vgl. hierzu auch Schlussprotokoll zu Art. 5 Abs. 1, hier Abs. 1 SachsAnhKKV: „Näheres wird durch besondere Vereinbarung geregelt“. Vgl. in Umsetzung des Art. 5 Abs. 1 SachsAnhKKV auch die Vereinbarung vom 24. Februar 2003 zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und dem Bistum Magdeburg über die Errichtung eines Instituts für Katholische Theologie und ihrer Didaktik an der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg, in: Abl. Magdeburg 34 (2003), S. 29 f.; abgedr. in: AfkKR 172 (2003), S. 222 – 224.
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Dozenten / einer Dozentin der Theologie und die Genehmigung bzw. Inkraftsetzung von Prüfungsordnungen zum Inhalt35. Ausdrücklich betonen die Verträge zur Errichtung der Bistümer Magdeburg, Erfurt und des Erzbistums Hamburg, dass ein vom (Erz-)Bischof gemäß kirchlichem Recht errichtetes (erz-)bischöfliches Seminar (kirchliche Hochschule und Priesterseminar) zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen als Hochschule staatlich anerkannt werden kann (Art. 6 MagdeburgBistErrV, Art. 6 ErfurtBistErrV und Art. 8 HamburgBistErrV)36. Ein solches Seminar „kann auch in der Trägerschaft mehrerer Bistümer stehen“ (Schlussprotokoll zu Art. 6 ErfurtBistErrV; vgl. auch Art. 10 und 11 ThürKKV)37. Den Grund für das Fehlen einer entsprechenden Bestimmung im Vertrag zur Errichtung der Diözese Görlitz sieht Stephan Haering darin, „weil offensichtlich die Schaffung einer solchen Hochschuleinrichtung wegen der geringen Größe des Bistums nicht in Betracht kommt“38. Ebenso spricht Art. 5 BrandenbKKV der katholischen Kirche 35
Vgl. Art. 5 Abs. 2 – 4 SachsKKV; ähnlich auch Art. 5 Abs. 2 – 4 SachsAnhKKV; dazu unten 5 b und c. 36
Vgl. Stephan Haering, Die Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und den neuen Bundesländern aus den Jahren 1994 bis 1998, in: Dem Staate, was des Staates – der Kirche, was der Kirche ist. Festschrift für Joseph Listl zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Josef Isensee / Wilhelm Rees / Wolfgang Rüfner (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 33), Berlin 1999, S. 761 – 794, hier S. 775; vgl. im Einzelnen Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und den Ländern Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Freistaat Sachsen über die Errichtung des Bistums Magdeburg vom 13. April 1994 samt Schlussprotokoll, Art. 6, in: AAS 87 (1995), S. 128 – 137, hier S. 131 f.; Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen über die Errichtung des Bistums Erfurt vom 14. Juni 1994 samt Schlussprotokoll, Art. 6, in: AAS 87 (1995), S. 145 – 154, hier S. 148; Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Land Schleswig-Holstein über die Errichtung von Erzbistum und Kirchenprovinz Hamburg vom 22. September 1994 samt Schlusprotokoll, Art. 8, in: AAS 87 (1995), S. 154 – 164, hier S. 159; abgedr. in: AfkKR 163 (1994), S. 570 – 584, hier S. 574; s. auch Anke, Neubestimmung (Anm. 25), S. 97 f.; Christian Halm, Die Errichtung des Erzbistums und der Kirchenprovinz Hamburg durch Vertrag vom 22. September 1994. Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte des Staatskirchenrechts (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 35), Berlin 2000. 37
Im Schlussprotokoll zu Art. 6 ErfurtBistErrV heißt es: „Am Regionalseminar Erfurt besteht zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Philosophisch-Theologische Studium Erfurt, das den Status einer staatlich anerkannten Hochschule erhalten hat.“ Zur Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt s. oben Anm. 33. 38
Haering, Verträge (Anm. 36), S. 775; vgl. Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Brandenburg sowie dem Freistaat Sachsen über die Errichtung des Bistums Görlitz vom 4. Mai 1994, in: AAS 87 (1995), S. 138 – 145; abgedr. in: AfkKR 163 (1994), S. 226 – 229.
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das Recht zu, Hochschulen zu errichten und zu betreiben (vgl. auch Art. 6 SachsKKV samt Schlussprotokoll). Wie Hans Ulrich Anke in diesem Zusammenhang wohl zu Recht feststellt, wird „das Recht, eigene Hochschulen zu errichten und zu betreiben, … den Kirchen vertraglich in bislang jedenfalls für die Evangelischen Kirchenverträge ungekanntem Umfang ausdrücklich zugesichert“39. 4. Theologische Fakultäten als gemeinsame Angelegenheiten von Staat und Kirche Axel Frhr. v. Campenhausen stellt zu Recht fest: „Die Theologischen Fakultäten sind einerseits staatliche Einrichtungen. Sie werden vom Staat unterhalten, unterliegen (unter dem Vorbehalt vertraglich fixierter Gewährleistungen) der staatlichen Hochschulgesetzgebung und der Universitätsverwaltung. Die Professoren sind Staatsbeamte. Der Staat verfügt über das Ernennungsrecht und führt die Dienstaufsicht. Andererseits nehmen die Theologischen Fakultäten mit der Ausbildung des kirchlichen Nachwuchses und der systematischen Entfaltung kirchlicher Lehre auch eine kirchliche Aufgabe wahr. Insofern sind sie in staatskirchenrechtlichem Sinne Kirche und haben im Blick auf die geistlich-kirchlichen Aspekte ihrer Ordnung und ihrer Tätigkeit teil an der verfassungsrechtlichen Garantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Darauf müssen der Staat, die staatliche Gesetzgebung und die Kultusverwaltung Rücksicht nehmen“40.
Theologische Fakultäten sind somit „Angelegenheiten, die in der Interessenssphäre des Staates und der jeweils zuständigen Kirche liegen“41. Sie sind, wie Georg May ausführt, „Bestandteile der staatlichen Universitäten, gehören organisatorisch, personalrechtlich und haushaltsrechtlich zum Staat. Zugleich erfüllen sie als Einrichtungen zur Pflege der Theologie in Forschung und Lehre sowie zur wissenschaftlichen Ausbildung von Priestern und Religionslehrern eine primär kirchliche Aufgabe, die durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV und Art. 4 Abs. 2 GG geschützt ist“42.
39
So Anke, Neubestimmung (Anm. 25), S. 97.
40
Axel Frhr. von Campenhausen, Die Rechtsstellung der Theologischen Fakultäten in Deutschland, in: ZevKR 47 (2002), S. 425 – 429, hier S. 426 f.; ders., Kommentar, in: Das Bonner Grundgesetz. Kommentar begründet von Hermann v. Mangoldt, fortgeführt von Friedrich Klein, Bd. 14: Artikel 136 bis 146, 3. Aufl., München 1991, Art. 140 GG / Art. 137 WRV, Rdnr. 120, S. 151; ders., Staatskirchenrecht. Ein Studienbuch (= Kurzlehrbücher für das Juristische Studium), 3. Aufl., München 1996, S. 250 f. 41 42
Riedel-Spangenberger, Fakultäten (Anm. 17), S. 673.
May, Hochschulen (Anm. 2), S. 767. Zu ergänzen sind hier auch die Laientheologinnen und -theologen.
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Theologische Fakultäten haben somit einen Doppelcharakter (Doppelstatus), gleichsam eine gewisse Sonderstellung, und gehören, wie der Religionsunterricht, die Anstaltsseelsorge, kommunale Friedhöfe u. a., in den Bereich der Gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche. Alexander Hollerbach führt hierzu treffend aus: „Der Staat stellt sich in die europäische Wissenschafts- und Universitätstradition und weist der Theologie ihren Ort im Konzert der Wissenschaften zu. Er hat ein Interesse daran, dass Geistliche, Religionslehrer und sonstige kirchliche Dienstnehmer nach akademischem Standard ausgebildet werden, dass sich Theologie in Kommunikation und Konfrontation mit anderen Wissenschaften dem Reizklima der Universität aussetzt. Zugleich verfolgt der Staat damit ein Freiheitsinteresse, sofern Wissenschaftsfreiheit ein konstitutives Element moderner freiheitlicher Staatlichkeit ist. Die Kirchen andererseits treffen sich mit dem Staat in dem Interesse an der Gewährleistung des akademischen Standards der Ausbildung, auch im Hinblick auf die Zuordnung zu der entsprechenden Schichtung in Gesellschaft und Berufswelt. Sie haben freilich ein spezifisches Interesse daran, dass Theologie als Glaubenswissenschaft nicht aus ihrem ekklesiologischen Zusammenhang gelöst wird, dass sie von glaubwürdigen, der kirchlichen Lehre und Ordnung verbundenen und sie bejahenden Persönlichkeiten gepflegt wird, kurzum, dass die Freiheit von Religion und Kirche auch und gerade innerhalb des vom Staat geschaffenen institutionell-organisatorischen Rahmens respektiert wird.“43
Die Tatsache, dass Theologische Fakultäten zu den Gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche zählen, hat zur Folge, dass einerseits das Hochschulrecht der Gesamtkirche und das der jeweiligen Teilkirchen bzw. Bischofskonferenz, andererseits aber auch jenes der Kirche und jenes des Staates in Einklang zu bringen sind. 5. Mitwirkungsrechte der Kirche Das Trennungsgebot (vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WeimRV), die Verpflichtung des Staates zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität, aber auch das in Art. 4 GG enthaltene Grundrecht der Religionsfreiheit sowie das in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WeimRV verbürgte Recht der Selbstbestimmung der Kirchen in ihren eigenen Angelegenheiten zeitigen im Bereich von Lehre und Forschung Auswirkungen auf die Theologischen Fakultäten, da der Staat hier keine inhaltliche Kompetenz für sich in Anspruch nehmen kann. Näherhin ist eine Beteiligung der jeweiligen Kirche bei der Errichtung einer Theologischen Fakultät an staatlichen Universitäten bzw. der Ein-
43
Hollerbach, Die rechtliche Stellung (Anm. 17), S. 72; vgl. auch ders., Theologische Fakultäten (Anm. 17), S. 560 f.; ähnlich Riedel-Spangenberger, Fakultäten (Anm. 17), S. 673.
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richtung eines theologischen Studienganges, eine Mitwirkung in Bezug auf das wissenschaftliche Personal sowie eine Einflussnahme bei der Gestaltung der Studien- und Prüfungsordnungen geboten und in den Konkordaten und Kirchenverträgen auch geregelt44. a) Einrichtung eines theologischen Studienganges und Errichtung einer Theologischen Fakultät Mitte der 1990er Jahre hatte die Frage, ob der Staat einen (voll)theologischen Studiengang ohne Zustimmung der Kirche einrichten kann und darf, nicht nur die Kirche beschäftigt, sondern auch den Weg sowohl zum Verwaltungsgerichtshof Kassel als auch zum Bundesverwaltungsgericht genommen. Wie das Bundesverwaltungsgericht in Leitsatz 1 seiner Entscheidung vom 18. Juli 1996 festgestellt hat, ist „die Errichtung eines Diplomstudienganges Katholische Theologie an einer staatlichen Universität, der auf die Ausbildung zum katholischen Volltheologen abzielt und mit einem theologischen Diplom abschließt, … eine gemeinsame Angelegenheit von Staat / Universität und Kirche“45. Es besteht, wie das Bundesverwaltungsgericht allgemein und grundlegend erklärt, ein „öffentliches Interesse …, die Pflege theologischer Wissenschaften im Rahmen der universitas litterarum beizubehalten…. Der zur Neutralität verpflichtete Staat hat ein legitimes Interesse daran, etwa mit Hilfe bekenntnisgebundener Studiengänge – deren Inhalte freilich allein in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften stehen – menschliche Wertorientierung zu fördern“46.
44
Vgl. hierzu und zum Folgenden im Einzelnen Hollerbach, Theologische Fakultäten (Anm. 17), S. 565 – 591; ders., Die rechtliche Stellung (Anm. 17), S. 73 – 82; Anke, Neubestimmung (Anm. 25), S. 246 – 271. 45
BVerwG, Urteil vom 18. Juli 1996 (6 C 10/94) zur staatlichen Errichtung eines Diplomstudienganges in katholischer Theologie, in: BVerwGE 101, S. 309; abgedr. in: NJW 1996, Sp. 3287 – 3290; DVBl 1996, Sp. 1375 – 1379; ZevKR 41 (1996), S. 460 – 471; KirchE 34, S. 273 – 284; AfkKR 165 (1996), S. 576 – 587, hier S. 576 f.; dazu Hollerbach, Die rechtliche Stellung (Anm. 17), S. 73, mit Anm. 13; Guido Amend, Errichtung des Diplomstudienganges Katholische Theologie an einer staatlichen Universität – ein Anwendungsfall des Verhältnisses Staat – Kirche im Hochschulbereich, in: KuR 1996, S. 239 – 248 = 740, S. 1-10; vgl. auch Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Juli 1994 (Az.: 6UE 2724/90) in dem Verwaltungsstreitverfahren des Bischofs von Limburg gegen das Land Hessen, vertreten durch das Hessische Ministerium der Wissenschaft und Kunst, beigeladen Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, vertreten durch den Präsidenten; abgedr. in: NVwZ 1995, S. 505; AfkKR 165 (1996), S. 591 f. 46
BVerwGE 101, S. 309, hier S. 316 f.; zitiert bei Listl / Hollerbach, Das Verhältnis (Anm. 21), S. 1286; vgl. auch Joseph Listl, Aktuelle Probleme des Staatskirchenrechts
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In diesem Zusammenhang hat sich Georg May mit einer 1992 erschienenen Studie von Jörg Kriewitz über die Errichtung theologischer Einrichtungen durch den Staat, die auf Überlegungen von Martin Heckel fußte, auseinandergesetzt47. Er kommt zu dem überzeugenden Ergebnis: „In den katholisch-theologischen Studienrichtungen an den staatlichen Hochschulen schafft der Staat den Organisationsrahmen für das Betreiben der Theologie. Der Inhalt, mit dem dieser Rahmen gefüllt wird, obliegt zur Gänze der Kirche… Wenn der Staat das Recht hätte, theologische Studienrichtungen ohne Einwilligung der Kirche zu errichten, dann hätte er auch die Befugnis, die Kirche zu zwingen, an der jeweiligen Stelle ihre Lebensfunktion Theologie zu betreiben, ein Ergebnis, das offensichtlich mit der Religions- und Bekenntnisfreiheit unvereinbar ist. Kein staatlicher Organisationsakt kann die Kirche nötigen, dem Betreiben von (amtlich anerkannter) Theologie an einem bestimmten Ort in einem bestimmten Umfang zuzustimmen.“48
Entsprechendes gilt für die Gründung einer Katholisch-Theologischen Fakultät. Bereits im Schlussprotokoll des Vertrags zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Freistaat Thüringen waren sich die Vertragspartner „darin einig, daß vor der vom Freistaat Thüringen beabsichtigten Neugründung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Erfurt ergänzende Vereinbarungen getroffen werden“ (Schlussprotokoll zu Art. 11 Abs. 2, hier Abs. 2 ThürKKV)49. Ebenso ist gemäß Art. 6 MecklbVorpKKV für die Errichtung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Günter Baadtke / Anton Rauscher (Hrsg.), Religion, Recht und Politik (= Kirche heute 9), Graz 1997, S. 63 – 113, hier S. 109 – 113; ferner Heckel, Die theologischen Fakultäten (Anm. 17), S. 322 – 348; Stefan Muckel, Die Rechtsstellung der Kirche bei der Errichtung eines theologischen Studienganges an einer staatlichen Universität. Bemerkungen zum Abschluß eines langjährigen Rechsstreites, in: DVBl. 1997, S. 873 – 878. 47
Vgl. May, Errichtung und Erweiterung (Anm. 3); s. auch Jörg Kriewitz, Die Errichtung theologischer Hochschuleinrichtungen durch den Staat (= JusEccl, Bd. 42), Tübingen 1992; Martin Heckel, Zur Errichtung theologischer Fakultäten und Studiengänge im Spannungsfeld von Kulturverfassungsrecht und Staatskirchenrecht, in: Rechtsstaat – Kirche – Sinnverantwortung. Festschrift für Klaus Obermayer zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Richard Bartlsperger / Dirk Ehlers / Werner Hofmann / Dietrich Pirson, München 1986, S. 181 – 191; abgedr. in: Gesammelte Schriften. Staat, Kirche, Recht, Geschichte, Bd. IV. Hrsg. von Klaus Schlaich (= JusEccl, Bd. 58), Tübingen 1997, S. 987 – 997; ders., Organisationsstrukturen der Theologie in der Universität (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 18), Berlin 1987. 48 49
May, Errichtung und Erweiterung (Anm. 3), S. 440.
Vgl. hierzu auch Anke, Neubestimmung (Anm. 25), S. 248 – 251, m. w. N.; grundlegend Richard Puza, Bestandsgarantie und Umbildung von Lehrstühlen und Professorenstellen an staatlichen Katholisch-Theologischen Fakultäten in Deutschland. Unter besonderer Bezugnahme auf die Fakultät in Tübingen, in: ZRG Kan. Abt. 88 (2002), S. 391 – 410; zur Notwendigkeit vertraglicher Vereinbarungen s. auch Art. 6 des Ver-
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einer wissenschaftlichen Einrichtung für katholische Theologie oder Religionspädagogik „eine gesonderte Vereinbarung des Landes mit dem Heiligen Stuhl“ erforderlich (vgl. auch Art. 6 BremenKKV; ebenso Art. 6 BrandenbKKV). Den genannten Verträgen liegt eine Sichtweise des Verhältnisses von Staat und Kirche zugrunde, die dem Verständnis eines modernen demokratischen Staates und dem Selbstverständnis der Kirche entspricht, zu dem Georg May einen entscheidenden Beitrag geleistet hat. b) Die Mitwirkung der Kirche beim wissenschaftlichen Personal Da die Lehrerinnen und Lehrer der Theologie an den Theologischen Fakultäten „Anteil am Lehramt der Kirche haben und ihre Lehre deshalb in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche stehen muss“50 oder anders gesagt, „der Universitätstheologe … ein konfessionelles oder kirchengebundenes Staatsamt inne (hat), das ihn berechtigt und verpflichtet, im Rahmen der staatlichen Institution Universität eine kirchliche Aufgabe wahrzunehmen“51, bedarf es bei der jeweiligen Berufung der Mitsprache der Kirche. Eine solche Mitwirkung ist im Bereich der katholischen Kirche in der Erteilung des so genannten Nihil obstat durch den zuständigen Diözesanbischof und im evangelischen Bereich im Benehmen des Staates mit der jeweiligen Kirchenleitung gegeben. Das Nihil obstat kann auch widerrufen und somit die Missio canonica entzogen werden, sofern sich ein Lehrer (ebenso auch eine Lehrerin) der Theologie „aus schwerwiegenden Gründen, die sowohl in seiner Lehre als auch in seiner sittlichen Lebensführung liegen können, nachträglich für die weitere Ausübung seiner Lehrtätigkeit als ungeeignet“ erweist52. Zutreffend macht Ilona RiedelSpangenberger darauf aufmerksam, dass es hinsichtlich dieser Mitwirkungsrechte „beachtliche sachliche und rechtliche Unterschiede“ zwischen den Evangelisch-Theologischen und den Katholisch-Theologischen Fakultäten gibt53. So verweist Heinrich De Wall darauf, dass das Recht, die Lehrbefugnis trags zwischen dem Heiligen Stuhl und der Freien Hansestadt Bremen vom 21. November 2003 samt Schlussprotokoll (BremenKKV), in: AAS 96 (2004), S. 452 – 469; abgedr. in: AfkKR 172 (2003), S. 571 – 588, hier S. 574; Art. 6 BrandenbKKV. 50
Vgl. Listl / Hollerbach, Das Verhältnis (Anm. 21), S. 1285.
51
So Hollerbach, Theologische Fakultäten (Anm. 17), S. 571; s. insgesamt ebd., S. 571 – 587; zum evangelischen Bereich, ebd., S. 587-591; Heckel, Die theologischen Fakultäten (Anm. 17), S. 47 – 83; zum evangelischen Bereich, ebd., S. 84 – 126. 52
Listl / Hollerbach, Das Verhältnis (Anm. 21), S. 1285; vgl. auch Alexander Hollerbach, Art. Nihil obstat, in: RGG4, Bd. 6 (2003), Sp. 319 f. 53 Riedel-Spangenberger, Fakultäten (Anm. 17), S. 674; dies., Art. Nihil obstat. II. Kath., in: LKStKR 3 (2004), S. 30 – 33; s. auch Rafael M. Rieger, Communiter sint sacerdotes. Standesanforderungen für Dozenten an den staatlichen Katholisch-Theolo-
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nachträglich zu entziehen, in den evangelischen Kirchenverträgen im Unterschied zu den Konkordaten nicht enthalten ist. „Da nicht der Staat, sondern nur die Kirche darüber befinden kann, ob ein Theologieprofessor ihre Lehre noch bekenntnismäßig verkündet, und weil auch nicht geduldet werden kann, daß ein staatlicher Amtsträger mit dem falschen Anspruch auftritt, die kirchliche Lehre wiederzugeben, steht dieses Recht auch den evangelischen Kir54 chen zu.“
Das Recht zur Mitwirkung der jeweiligen Kirche bei der Bestellung von Professorinnen und Professoren der Theologie ist in den Verfassungen einzelner deutschen Bundesländer verankert, näherhin wenn z. B. Art. 60 Abs. 2 S. 2 HessVerf ausdrücklich betont, dass vor der Berufung von Dozentinnen und Dozenten an theologischen Fakultäten „die Kirchen zu hören“ sind. Gemäß Art. 10 BaWüVerf erfolgt „die Besetzung der Lehrstühle der theologischen Fakultäten … unbeschadet der in Art. 8 genannten Verträge und unbeschadet abweichender Übung im Benehmen mit der Kirche“. Dozentinnen und Dozenten für Theologie und Religionspädagogik werden „im Einvernehmen mit der zuständigen Kirchenleitung berufen“ (19 Abs. 2 BaWüVerf). Entsprechende Bestimmungen zu Erteilung bzw. Widerruf des Nihil obstat finden sich auch in Art. X Abs. 1 und 2 BadK, Art. 3 §§ 2 und 3 BayK, Schlussprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 PreußK, Art. 5 Abs. 1 NiedersK, ferner auch in Art. 5 Abs. 2 und 3 SachsKKV, Art. 5 Abs. 2 und 3 SachsAnhKKV (vgl. auch Schlussprotokoll zu Art. 13 Abs. 1, hier S. 3 ThürKKV)55. „Soweit
gischen Fakultäten in Deutschland nach Kirchen- und Staatskirchenrecht (= Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Beiheft 41), Essen 2005; Konstantin v. Notz, Lebensführungspflichten im evangelischen Kirchenrecht (= Schriften zum Staatskirchenrecht, Bd. 10), Frankfurt am Main u. a. 2003. 54
Heinrich de Wall, Das Verhältnis von Gesellschaft, Staat und Kirche in Deutschland, in: Burkhard Kämper / Michael Schlagheck (Hrsg.), Zwischen nationaler Identität und europäischer Harmonisierung. Zur Grundspannung des zukünftigen Verhältnisses von Gesellschaft, Staat und Kirche in Europa (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 36), Berlin 2002, S. 85 – 100, hier S. 95, m. w. N.; s. auch Hollerbach, Fakultäten (Anm. 7), II. Theologische Fakultäten, Sp. 1159 – 1162, hier Sp. 1161; Axel Frhr. v. Campenhausen, Art. Nihil obstat. I. Ev., in: LKStKR 3 (2004), S. 28 – 30; ders., Rechtsprobleme der Berufung von Theologieprofessoren an staatlichen Fakultäten, in: FS Schmitz (Anm. 3), S. 441 – 454. 55
Zu den neueren Verträgen vgl. Haering, Verträge (Anm. 36), S. 789 f.; Anke, Neubestimmung (Anm. 25), S. 252 – 255; zu den evangelischen Verträgen, ebd., S. 256 – 266. Anke macht darauf aufmerksam, dass bei den Verhandlungen zu den Evangelischen Kirchenverträgen „die Regelung des kirchlichen Einflusses auf die Berufung von Hochschullehrern einen größeren Diskussionspunkt“ darstellte. s. ebd., S. 256, mit
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die Vorgeschlagenen nicht auf den priesterlichen Lebenswandel verpflichtet sind, ist ein Lebenswandel nach den Grundsätzen der katholischen Kirche erforderlich“ (Schlussprotokoll zu Art. 5 Abs. 2 SachsAnhKKV; ebenso Schlussprotokoll zu Art. 5 Abs. 2, hier Abs. 2 SachsKKV). Im Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Lande Niedersachsen vom 29. Oktober 1993 zur Änderung des Konkordats vom 26. Februar 196556 wird festgelegt: „Für die Besetzung der Professorenstellen für Katholische Theologie und Religionspädagogik gelten die Bestimmungen des Niedersächsischen Hochschulgesetzes mit der Maßgabe, daß die Mitglieder der Berufungskommission dem Bereich der Katholischen Theologie und Religionspädagogik angehören sollen… Das Ministerium wird, bevor die Berufung, d. h. das Angebot einer Professur ergeht, die im Schlussprotokoll zu Art. 12 Absatz 1 Satz 2 des Konkordats vom 14. Juni 1929 vorgesehene Äußerung des zuständigen Bischofs einholen.“57
Ausdrücklich wurde im Schlussprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 PreußK vereinbart, dass im Falle der Beanstandung der Staat (Minister) „unbeschadet der dem Staatsdienstverhältnis des Betreffenden entspringenden Rechte, Abhilfe (zu) leisten, insbesondere für einen dem Lehrbedürfnis entsprechenden Ersatz (zu) sorgen hat“ (Schlussprotokoll zu Art 12 Abs. 1 S. 2, hier Abs. 3 PreußK; vgl. auch Art. X Abs. 2 BadK; Art. 3 § 3 BayK). Hermann Weber macht mit Blick auf die Regelungen über die Ersatzgestellung auf die „Nuancen gegenüber dem bisherigen Konkordatsrecht“ in neueren Kirchenverträgen, wie z. B. in SachsKKV und SachsAnhKKV, aufmerksam58. Gemäß Art. 3 § 3 BayK kann die Beanstandung eines Hochschullehrers „wegen seiner Lehre oder wegen seines sittlichen Verhaltens“ erfolgen. Zu fordern ist, dass das Verfahren sowohl der Erteilung als auch des Entzuges des Nihil obstat und damit der Missio canonica „transparent und sachgemäß“ ge-
Anm. 182; grundlegend May, Hochschulen (Anm. 2), S. 772 – 777; zu Sachsen vgl. Korta, Kirchenvertrag (Anm. 32), hier S. 126 – 134. 56
Art. 5 Abs. 1 NiedersK fordert: „Bei der Besetzung der Lehrstühle für katholische Religionspädagogik und für Methodik des katholischen Religionsunterrichts an den Pädagogischen Hochschulen sind Artikel 12 Absatz 1 des Konkordats vom 14. Juni 1929 und das dazugehörige Schlussprotokoll entsprechend anzuwenden.“ 57 Vgl. Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Lande Niedersachsen vom 29. Oktober 1993 zur Änderung des Konkordats vom 26. Februar 1965, 2. § 3 der Anlage zum Konkordat erhält folgende Fassung, in: AAS 87 (1995), S. 556 – 559, hier S. 558 f. 58 Weber, Neue Staatskirchenverträge (Anm. 31), S. 490 f.; vgl. auch Haering, Verträge (Anm. 36), S. 789 f.
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staltet wird59. Schwierigkeiten liegen heute wohl nicht so sehr im rechtlichen Bereich als vielmehr in der Praxis und dem Vorgehen der Kirche60. c) Die Mitwirkung der Kirche bei der Erstellung von Studien- und Prüfungsordnungen Studien- und Prüfungsordnungen sind für die Organisation und Durchführung bzw. die Absolvierung eines Studiums unabdingbare und somit absolut notwendige Voraussetzungen. Bei der Erstellung dieser Ordnungen für das Theologiestudium und ebenso für Lehramtsstudien kommen der jeweiligen Kirche spezifische Mitwirkungs- bzw. Einspruchsrechte zu. Die grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche, das Grundrecht der Religionsfreiheit und die religiösund weltanschauliche Neutralität des Staates, aber auch die Tatsache, dass es sich bei diesen Studien um die Ausbildung von Priesteramtskandidaten, von Laientheologinnen und -theologen und von Religionslehrerinnen und -lehrern, d. h. um Personen, die in den Dienst der Kirche eintreten bzw. in ihrem Auftrag lehren wollen, handelt, lässt dies als notwendig erscheinen. Näheres ist in den Konkordaten geregelt61. So muss gemäß Art. 4 § 1 BayK in der Fassung des Änderungsvertrages vom 4. September 1974 das Lehrangebot in den Katholisch-Theologischen
59
Vgl. Hollerbach, Die rechtliche Stellung (Anm. 17), S. 77, unter Hinweis auf: Offenkundige Mängel beim Nihil obstat. Ein Brief an die zuständigen deutschen Bischöfe, in: HerKorr 56 (2002), S. 133 – 136; vgl. auch die Antwort von Kardinal Lehmann, ebd., S. 136 f.; Wilhelm Rees, Glaubensschutz durch Strafmaßnahmen und andere Rechtsinstitute. Zur neueren Entwicklung kirchlicher Bestimmungen, in: Iudicare inter fideles. Festschrift für Karl-Theodor Geringer zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Winfried Aymans / Stephan Haering / Heribert Schmitz, St. Ottilien 2002, S. 367 – 390, bes. S. 383 – 387; Ilona Riedel-Spangenberger, Kirchlicher Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Erteilung des Nihil obstat. Bedingungen und Notwendigkeiten bei Berufungen auf einen Lehrstuhl für Katholische Theologie in Deutschland, in: ET-Bulletin 5 (1994), S. 92 – 119; Heribert Schmitz, Das kirchliche Nihil obstat-Verfahren im hochschulrechtlichen Bereich. Wege zur Behebung der Mängel, in: Wort und Wahrheit 44 (2003), S. 25 – 31; abgedr. in: ders., Neue Studien (Anm. 1), S. 197 – 205. 60
Vgl. statt aller den Fall Küng und den Versuch einer Rehabilitierung; dazu ErnstLüther Solte, Theologie im Konflikt. Die Causa Küng aus staatskirchenrechtshistorischer Perspektive, in: Flexibilitas Iuris Canonici. Festschrift für Richard Puza zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Andreas Weiß / Stefan Ihli (= AIC 28), Frankfurt am Main u. a. 2003, S. 289 – 307; zur Begegnung zwischen Küng und Papst Benedikt XVI. am 24. September 2005 vgl. http://www.weltethos.org/st_2_xx/s_3220.htm. 61 Vgl. im Einzelnen Hollerbach, Theologische Fakultäten (Anm. 17), S. 568 f.; Anke, Neubestimmung (Anm. 25), S. 267 – 270.
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Fakultäten der Universitäten und an den philosophisch-theologischen Hochschulen „vornehmlich den Bedürfnissen des priesterlichen Berufes, daneben anderen seelsorgerischen Diensten nach Maßgabe der kirchlichen Vorschriften Rechnung tragen“. Bereits Art. IX S. 2 BadK fordert die Aufstellung der Studienordnungen „den kirchlichen Vorschriften gemäß und auch den Bedürfnissen der Seelsorge entsprechend im Einvernehmen mit dem Erzbischof“62. In den neueren Staatskirchenverträgen gewinnt die Genehmigung und Inkraftsetzung von Studien- und Prüfungsordnungen eine besondere Bedeutung. So dürfen diese nach Art. 5 Abs. 4 SachsKKV für Fachgebiete der katholischen Theologie erst dann durch das zuständige Staatsministerium erfolgen, „wenn zuvor durch Anfrage bei dem Diözesanbischof festgestellt worden ist, daß Einwendungen nicht erhoben werden“ (ebenso Art. 5 Abs. 4 SachsAnhKKV; Art. 7 Abs. 1 ErgThürKKV)63. Eine ähnliche Vereinbarung findet sich im Kirchenvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen: „Das zuständige Ministerium trifft seine Entscheidung über Studien- und Prüfungsordnungen zur Ausbildung der Religionslehrer im Fach katholische Religion, nachdem es sich mit dem Ziel einer freundschaftlichen Verständigung mit den Bistümern ins Benehmen gesetzt hat“ (Art. 13 Abs. 5 ThürKKV; vgl. auch Schlussprotokoll zu Art. 13 Abs. 5, hier Abs. 1 ThürKKV: „Das zuständige Ministerium wird Prüfungsordnungen für das Lehramt im Fach Katholische Religion erst erlassen, wenn durch Anfrage bei den zuständigen Diözesanbischöfen festgestellt ist, dass Einwendungen im Hinblick auf die Übereinstimmung mit den verfassungsmäßig garantierten Grundsätzen der katholischen Kirche und mit den kirchlichen Anforderungen für die Ausbildung der Religionslehrer nicht erhoben werden…“ Vgl. auch Abs. 3, ebd.). Nach dem Schlussprotokoll zu Art. 5 Abs. 4 SachsAnhKKV ist der Diözesanbischof berechtigt, „einen Vertreter als Beobachter zu den mündlichen Abschlußprüfungen in Fachgebieten der Katholischen Theologie zu entsenden. Die entsprechenden Termine sind ihm jeweils rechtzeitig im Voraus anzuzeigen“ (vgl. auch Art. 13 Abs. 2 ThürKKV; Schlussprotokoll zu Art. 5 Abs. 4 SachsKKV). Ausdrücklich wird im Schlussprotokoll zu Art. 5 SachsKKV und jenem zu Art. 5 Abs. 1, hier Abs. 2 SachsAnhKKV, auf die Apostolische Konstitution Sapientia Christiana, die Ordinationes und auf die so genannten Akkommodationsdekrete (vgl. unten 62 Unter Hinweis auf das baden-württembergische Recht betont Alexander Hollerbach im Blick auf das Studien- und Prüfungsrecht, dass eine Mitwirkung der Kirche „lediglich unter dem Gesichtspunkt des kirchlichen Amtes und der kirchlichen Lehre“ gegeben ist. Dies bedeute, „dass richtigerweise etwa die Entscheidung über Fragen des Studienaufbaus im Einzelnen und der didaktischen Zweckmäßigkeit in der allgemeinen Kompetenz der Fakultät bzw. Universität verbleibt“. Vgl. Hollerbach, Die rechtliche Stellung (Anm. 17), S. 74 f.; ders., Theologische Fakultäten (Anm. 17), S. 569. 63 Vgl. auch die Nachweise bei Solte, Rechtsfragen (Anm. 1), S. 363 f., mit Anm. 49; für Evangelisch-Theologische Fakultäten, ebd.
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II) als kirchliche Rechtsgrundlage verwiesen (vgl. auch Schlussprotokoll zu Art. 13 Abs. 5, hier Abs. 3 ThürKKV). Allgemein findet sich in Art. 5 Abs. 1 SachsAnhKKV im Blick auf die Lehramtstudiengänge der Hinweis: „Die Ausbildung in diesen Studiengängen entspricht der Lehre und den Grundsätzen der katholischen Kirche.“ Georg May ist zustimmen, wenn er betont, dass der Staat „nicht an einer irgendwie betriebenen Theologie interessiert (ist), sondern an einer solchen, die im Namen der Kirche gelehrt wird“64. 6. Katholisch-Theologische Fakultäten in Österreich Das Verhältnis von Staat und Kirche in der Republik Österreich ist gegenwärtig „einerseits durch eine institutionelle Trennung und andererseits durch eine vielfältige Kooperation zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften im Sinn eines Konkordanzsystems“ bestimmt65. Ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland garantiert Art. 17 Abs. 1 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (RGBl. Nr. 142 / 1867 = StGG), das nach wie vor in Geltung ist, das Recht der freien, wissenschaftlichen Forschung und der freien Lehre. Ferner betont Art. 15 StGG: „Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft … ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig …“ Näherhin enthält das zwischen dem Heiligen Stuhle und der Republik Österreich geschlossene Konkordat vom 5. Juni 1933, das am 1. Mai 1934 ratifiziert wurde (BGBl. II Nr. 2 / 1934 = ÖK), in Art. V zusammen mit dem Zusatzprotokoll die Grundlagen des in Österreich geltenden Rechts der KatholischTheologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten66. Gemäß Art. V § 1 64
May, Errichtung und Erweiterung (Anm. 3), S. 422.
65
So Brigitte Schinkele, Art. Kirche und Staat: Österreich, in: LKStKR 2 (2002), S. 438 – 440, hier S. 438; grundlegend: Richard Potz, Staat und Kirche in Österreich, in: Gerhard Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, Baden-Baden 1995, S. 251 – 280; ders., State and Church in Austria, in: Gerhard Robbers (ed.), State and Church in the European Union, Second Edition, Baden-Baden 2005, S. 391 – 418; Wilhelm Rees, Die Entwicklung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Deutschland und Österreich im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: Antonianum 81 (2006), S. 339 – 379 . 66
Vgl. Wilhelm Rees, Theologische Fakultäten als gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche. Kirchenrechtliche und staatskirchenrechtliche Vorgaben für die Neuordnung des theologischen Studiums, in: Hans Paarhammer / Alfred Rinnerthaler (Hrsg.), Österreich und der heilige Stuhl im 19. und 20. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Internationalen Forschungszentrums für Grundlagenforschungen der Wissenschaften Salzburg, Neue Folge, Bd. 78), Frankfurt am Main u. a. 2001, S. 443 – 469,
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Abs. 1 ÖK erfolgt die wissenschaftliche Heranbildung des Klerus „an den vom Staate erhaltenen katholisch-theologischen Fakultäten oder an den von den zuständigen kirchlichen Stellen errichteten theologischen Lehranstalten“67. Nach Art. V § 1 Abs. 3 ÖK wird „die innere Einrichtung sowie der Lehrbetrieb der vom Staate erhaltenen katholisch-theologischen Fakultäten … grundsätzlich nach Maßgabe der Apostolischen Konstitution ‚Deus Scientiarum Dominus‘ vom 14. Mai 1931 (richtig 24. Mai 1931) und der jeweiligen kirchlichen Vorschriften geregelt werden. Jene Durchführungsmaßnahmen, die sich hiebei im Hinblick auf den besonderen Charakter dieser Fakultäten beziehungsweise ihre Stellung im Universitätsverbande als notwendig erweisen, werden jeweils im Einvernehmen mit der zuständigen kirchlichen Behörde getroffen“. Der Staat hat sich somit, wie Hugo Schwendenwein betont, „verpflichtet, das Studium der Theologie den jeweiligen kirchlichen Normen gemäß zu regeln“68. Dies erfordert eine Umsetzung der kirchlichen Normen in staatliche Rechtsvorschriften. Mit dem Hinweis auf die „jeweiligen kirchlichen Vorschriften“ ist eine „dynamische Verweisung“69 erfolgt. Das bedeutet, dass im Falle einer neueren
hier S. 451 – 454; Josef Kremsmair, Der Weg zum österreichischen Konkordat von 1933 / 34 (= Dissertationen der Universität Salzburg 12), Wien 1980, bes. S. 175 – 184; Hugo Schwendenwein, Österreichisches Staatskirchenrecht (= Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Beiheft 6), Essen 1992, S. 546 – 574. 67
Wortlaut des Konkordats mit Zusatzprotokoll u. a. in: Erika Weinzierl-Fischer, Die österreichischen Konkordate von 1855 und 1933 (= Österreich Archiv), Wien 1960, S. 258 – 271; zur Entstehungsgeschichte, ebd., S. 181 – 249; Text auch in: Österreichisches Staatskirchenrecht. Gesetze, Materialien, Rechtsprechung, Bd. II. Zusammengestellt von Inge Gampl / Richard Potz / Brigitte Schinkele, Wien 1993, Nr. 33.4.1, S. 459 – 466; s. auch Herbert Kalb, Theologische Lehranstalten und staatliche theologische Fakultäten: einige staatskirchenrechtliche Aspekte des Art. V Konkordat 1933 / 34, in: Paarhammer / Pototschnig / Rinnerthaler, 60 Jahre (Anm. 30), S. 363 – 401. 68
So ausdrücklich Schwendenwein, Staatskirchenrecht (Anm. 66), S. 556 – 559, hier S. 557; vgl. auch Herbert Kalb / Richard Potz / Brigitte Schinkele, Religionsrecht, Wien 2003, S. 467 – 470; Richard Potz / Brigitte Schinkele, Religionsrecht im Überblick, Wien 2005, S. 150 f.; Rees, Theologische Fakultäten (Anm. 66), S. 466 - 469; Pius XI., Ap. Konst. „Deus scientiarum Dominus“ vom 24. Mai 1931 über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten, in: AAS 23 (1931), S. 241 – 262; abgedr. in: Ochoa, Leges I, n. 1030, Sp. 1272 – 1281; lat. / dt. in: NKD 25, Trier 1974, S. 408 – 459; ergänzt durch SC Stud, Verordnung vom 12. Juni 1931 zur richtigen Durchführung der Apostolischen Konstitution ‚Deus Scientiarum Dominus‘ über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten, in: AAS 23 (1931), S. 262 – 284; abgedr. in: Ochoa, Leges I, n. 1033, Sp. 1301 – 1312; lat. / dt. in: NKD 25, Trier 1974, S. 460 – 513; dazu Heribert Schmitz, Die Entwicklung des kirchlichen Hochschulrechts von 1917 – 1980, in: AfkKR 151 (1982), S. 424 – 478, hier S. 435 – 440; Mussinghoff, Theologische Fakultäten (Anm. 13), S. 334 – 357. 69
Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht (Anm. 68), S. 470.
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kirchlichen Gesetzgebung für das Studium der Theologie auch diese neuen Gesetze vom staatlichen Gesetzgeber zu berücksichtigen sind. Der Begriff “Lehrbetrieb“ umfasst, wie Richard Potz und Brigitte Schinkele ausdrücklich betonen, „die Ordnung des gesamten Studienbetriebes, also sämtliche Studienvorschriften“70. Gemäß Art. V § 1 Abs. 4 ÖK „besteht Einverständnis darüber, daß die theologische Fakultät der Universität Innsbruck insbesondere bezüglich der Zusammensetzung ihres Lehrkörpers in ihrer Eigenart erhalten bleibt“71. Art. V § 1 Abs. 2 ÖK hält fest, dass Priesterseminare ausschließlich der kirchlichen Oberbehörde unterstehen. Im Blick auf die Ernennung bzw. Abberufung von Lehrpersonen im Bereich der Theologie zeigt sich in der Republik Österreich eine mit der Bundesrepublik Deutschland vergleichbare Regelung72. „Die Ernennung oder Zulassung der Professoren oder Dozenten an den vom Staate erhaltenen katholischtheologischen Fakultäten wird nur nach erfolgter Zulassung der zuständigen kirchlichen Behörde erfolgen“ (Art. V § 3 ÖK). Der Begriff Zulassung weist im Unterschied zum „Nihil obstat“ auf einen Akt mit positivem Inhalt, „der das kirchliche ‚Ja‘ zum betreffenden akademischen Lehrer zum Ausdruck bringt“73. „Sollte einer der genannten Lehrer in der Folge seitens der zuständigen kirchlichen Behörde der obersten staatlichen Unterrichtsverwaltung als für die Lehrtätigkeit nicht mehr geeignet bezeichnet werden, wird er von der Ausübung der betreffenden Lehrtätigkeit enthoben. Im Falle einer solchen Enthebung wird 70
Potz / Schinkele, Überblick (Anm. 68), S. 151; vgl. auch: Gampl / Potz / Schinkele, Staatskirchenrecht (Anm. 67), Bd. I, Wien 1990, Nr. 7.1, S. 166 – 169, hier S. 167, Anm. 32. Gampl verweist darauf, dass unter Lehrbetrieb „einerseits die universitären Organisationsstrukturen und andererseits die Studienvorschriften zu verstehen“ sind. 71
Vgl. Rees, Theologische Fakultäten (Anm. 66), S. 465 f.; ders., Kirchenrecht (Anm. 24); s. auch ders., Das Schicksal der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck in der NS-Zeit, in: Dominik Burkard, Katholische Theologie im Nationalsozialismus. Strukturen – Disziplinen – Personen (im Erscheinen). 72 Vgl. Rees, Theologische Fakultäten (Anm. 66), S. 461 – 465; Bruno Primetshofer, Die Bestellung akademischer Lehrer an katholisch-theologischen Fakultäten Österreichs, in: ÖAKR 39 (1990) (= Festschrift Inge Gampl zum 60. Geburtstag), S. 153 – 161; abgedr. in: Ars boni et aequi. Gesammelte Schriften von Bruno Primetshofer. Hrsg. von Josef Kremsmair / Helmuth Pree (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 44), Berlin 1997, S. 1017 – 1027; s. auch Rudolf Thienel, Das Berufungsverfahren nach dem UOG 1993 (= Beiträge zum Universitätsrecht, Bd. 18), Wien 1996; zu den Sonderregelungen für die Theologischen Fakultäten vgl. ebd., Anm. 24, S. 10 f. 73
Vgl. Hugo Schwendenwein, Die Universität im Spannungsfeld von Kirche und Staat (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte, 516 Bd.), Wien 1988, S. 3 – 24; abgedr. in: ders., Jus et Justitia. Kirchenrechtliche und staatskirchenrechtliche Aufsätze (= Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiete von Kirche und Staat, Bd. 45), Freiburg / Schweiz 1996, S. 595 – 616, hier S. 609.
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alsbald auf andere Weise für einen entsprechenden Ersatz im Sinne des im § 3 geregelten Vorganges gesorgt werden“ (Art. V § 4 ÖK). Ein Universitätsprofessor bzw. eine Universitätsprofessorin im Bundesdienst ist entweder einer anderen Verwendung im Staatsdienst zuzuweisen oder in den Ruhestand zu versetzen (vgl. Zusatzprotokoll zu Art. V § 4)74. Hugo Schwendenwein verweist zutreffend darauf, dass die gegebenenfalls erforderliche Abberufung einer Theologieprofessorin bzw. eines Theologieprofessors „nicht als Widerspruch“ zu der in Art. 17 StGG verankerten Forschungs- und Lehrfreiheit gesehen werden kann75. Auch ist, wie Richard Potz und Brigitte Schinkele für die Republik Österreich ausdrücklich betonen, „in der staatskirchenrechtlichen Diskussion unbestritten, dass auch der zu religiösweltanschaulicher Neutralität verpflichtete säkulare Staat theologische Fakultäten errichten kann. Im Falle der Errichtung einer theologischen Fakultät ist er jedoch an eine Mitwirkung der betroffenen Kirche gebunden, da das in Art 15 StGG anerkannte Selbstbestimmungsrecht zu berücksichtigen ist“76.
Gegenwärtig bestehen in Österreich an den staatlichen Universitäten in Graz, Innsbruck, Salzburg und Wien jeweils eine Katholisch-Theologische Fakultät, an der Universität Wien auch eine Evangelisch-Theologische Fakultät77. Neben den Katholisch-Theologischen Fakultäten gibt es Katholisch-Theologische Lehranstalten, die in kirchlicher Trägerschaft stehen und im Anschluss an Priesterseminare oder Ausbildungsstätten einzelner Orden entstanden sind, wie die Theolo-
74
Vgl. dazu Hugo Schwendenwein, Die Anwendung kanonischer Vorschriften im staatlichen Österreichischen Rechtsbereich, in: Cesare Mirabelli / Giorgio Feliciani / Carl Gerold Fürst / Helmuth Pree (Hrsg.), Winfried Schulz in Memoriam. Schriften aus Kanonistik und Staatskirchenrecht (= AIC 8), Frankfurt am Main u. a. 1999, S. 697 – 715, hier S. 701; s. auch Erwin Melichar, Austritt eines Theologieprofessors aus seiner Kirche, in: ÖAKR 24 (1973), S. 356 – 361; Helmuth Pree, Kirchliche Lehraufsicht und österreichisches Bundesverfassungsrecht. Überlegungen zu Art V § 4 samt ZusProt des Österreichischen Konkordats 1933 / 34, in: ÖAKR 29 (1978), S. 82 – 115. 75 Vgl. Schwendenwein, Spannungsfeld (Anm. 73), S. 612 – 615, hier S. 613; vgl. hierzu auch Friedrich Koja, Konkordat – Wissenschaftsfreiheit – Legalitätsprinzip, in: Paarhammer / Pototschnig / Rinnerthaler, 60 Jahre (Anm. 30), S. 403 – 420; ferner Wolfgang Waldstein, Freiheit der Wissenschaft und ‚missio canonica‘, in: Scientia canonum. Festgabe für Franz Pototschnig zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Hans Paarhammer / Alfred Rinnerthaler, München 1991, S. 453 – 470. 76 77
Potz / Schinkele, Überblick (Anm. 68), S. 152.
Vgl. dazu Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht (Anm. 68), S. 558 – 560; Karl Schwarz, Die Wiener Evangelisch-Theologische Fakultät. Eine gemeinsame (!) Angelegenheit von Staat und Kirche, in: Pax et iustitia. Festschrift für Alfrecd Kostelecky zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Hans Walter Kaluza / Hans R. Klecatsky / Franz Heribert Köck / Johannes Paarhammer, Berlin 1990, S. 171 – 182.
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gische Hochschule St. Pölten, die Theologische Lehranstalt der Steyler Missionare „St. Gabriel“ in Mödling bei Wien und die Philosophisch-Theologische Hochschule im Zisterzienserstift Heiligenkreuz. Die von der Diözese getragene Einrichtung in Linz wurde im Jahre 1978 von der Kongregation für das Katholische Bildungswesen ad experimentum und im Jahre 1988 definitiv zu einer Katholisch-Theologischen Fakultät erhoben. Seit 26. Juli 2000 führt die Theologische Hochschule Linz für die Dauer der Akkreditierung gemäß UniAkkG 1999 den Namen „Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz“78. II. Kirchliche Vorgaben für katholisch-theologische Fakultäten und das Studium der katholischen Theologie Die Katholisch-Theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten Deutschlands und Österreichs zählen zu den vom Apostolischen Stuhl anerkannten Kirchlichen Fakultäten, denen das Recht zukommt, akademische Grade mit kanonischer Wirkung zu verleihen. Sie sind deshalb an die Vorgaben und Normen des Studienrechts der katholischen Kirche gebunden und dem kirchlichen Aufsichtsrecht des zuständigen Diözesanbischofs unterstellt. 1. Überblick über die derzeit geltenden kirchlichen Bestimmungen zu theologischen Studieneinrichtungen und zum theologischen Studienrecht Der Codex Iuris Canonici von 1983 enthält grundlegende Bestimmungen zum kirchlichen Hochschulwesen. Zu Recht macht Georg May in seinem Beitrag über die Hochschulen im Handbuch des katholischen Kirchenrechts darauf aufmerksam, dass der Kirchliche Gesetzgeber in den Kapiteln II und III des dritten Buches des CIC/1983 „zwischen katholischen Universitäten und Hochschulen einerseits, kirchlichen Universitäten und Fakultäten andererseits“ unterscheidet, wobei beide Gruppen in freier oder staatlicher Trägerschaft stehen
78
Vgl. zum Bestand Hugo Schwendenwein, Die rechtliche Verankerung der Theologie an der Österreichischen Universität, in: Folia Theologica 7 (1996), S. 59 – 67, hier S. 59; ders., Die Theologischen Fakultäten Österreichs – Rechtslage und Zukunftsperspektiven, in: Loretan, Theologische Fakultäten (Anm. 17), S. 83 – 95, hier S. 83 f. und 85 f.; ders., Die Theologischen Fakultäten Österreichs. Rechtslage und Zukunftsperspektiven, in: ET-Bulletin 13 (2002), S. 219 – 229, hier S. 219 f. und 221; zu Linz insbes. Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht (Anm. 68), S. 494 – 496; Herbert Kalb, Die Katholisch-Theologische Universität Linz. Von der diözesanen Lehranstalt zur Privatuniversität, in: öarr 47 (2000), S. 363 – 383; ders., Der Rechtsstatus der KatholischTheologischen Fakultät Linz – eine staatskirchenrechtliche Bestandsaufnahme (= Linzer Kanonistische Beiträge, Bd. 4), Linz 1995.
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können79. Diese Unterscheidung, die erst durch Papst Pius XI. eingeführt wurde80, sei dem CIC/1917 noch fremd gewesen. Rechtliche Normen zu der erstgenannten Gruppe, d. h. zu den katholischen Universitäten und Hochschulen, „die prinzipiell allen wissenschaftlichen Disziplinen offen stehen und in denen Forschung und Lehre in Harmonie mit dem katholischen Glauben betrieben werden“81, finden sich in den cc. 807 – 814 CIC/1983 (vgl. cc. 640 – 645 CCEO) und in der Apostolischen Konstitution „Ex corde Ecclesiae“ vom 15. August 199082, mit der Papst Johannes Paul II. erstmals ein kirchliches Hochschulrahmenrecht erlassen hat. Zu den weltweit zahlreichen Katholischen Universitäten zählt in Deutschland nur die Katholische Universität Eichstätt83. 79 May, Hochschulen (Anm. 2), S. 749; s. auch Hugo Schwendenwein, Katholische Universitäten und kirchliche Fakultäten. Begriffliche und kompetenzmäßige Klärungen in der neueren kirchlichen Rechtsentwicklung, in: Ecclesia peregrinans. Josef Lenzenweger zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Karl Amon / Bruno Primetshofer / Karl Rehberger / Gerhard Winkler / Rudolf Zinnhobler, Wien 1986, S. 379 – 389; abgedr. in: ders., Jus et Justitia (Anm. 73), S. 513 – 523. 80
Vgl. Pius XI., Deus scientiarum Dominus (Anm. 68) und SC Stud, Verordnung (Anm. 68). 81
May, Hochschulen (Anm. 2), S. 749; s. insgesamt ebd., S. 749 – 752.
82
Johannes Paul II., Ap. Konst. „Ex corde Ecclesiae“ vom 15. August 1990 über die Katholischen Universitäten, in: AAS 82 (1990), S. 1475 – 1509; dt. VApSt 99, Bonn 1999; s. auch PontConsUnit, Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus vom 25. März 1993, Nr. 89, in: AAS 85 (1993), S. 1039 – 1119, hier S. 1075 f.; dt. VApSt 110, Bonn 1993, S. 53 f.; dazu Peter Krämer, Die katholische Universität, in: AfkKR 160 (1991), S. 25 – 47, hier S. 25 – 36; Josef Ammer, Zum Recht der Katholischen Universität. Genese und Exegese der Apostolischen Konstitution „Ex corde Ecclesiae“ vom 15.8.1990 (= FzK, Bd. 17), Würzburg 1994; Mussinghoff, Einführung vor 807, in: MK CIC, Rdnr. 11 (Stand Juli 1991); Mussinghoff / Kahler, Kommentar, in: MK CIC, cc. 807 – 814 (Stand November 2000); Stefano Alberto, „Ex Corde Ecclesiae profecta“. Zur Christozentrik der Apostolischen Konstitution über die katholischen Universitäten (15.8.1990), in: Forum Katholische Theologie 8 (1992), S. 18 – 37; Joseph A. Komonchak, The Catholic University in the Church, in: John P. Langan (ed.), Catholic Universities in Church and Society: A Dialogue on Ex corde Ecclesiae, Washinghton D. C. 1993, S. 35 – 55. 83 Vgl. Mussinghoff / Kahler, Kommentar, in: MK CIC, c. 808, Rdnr. 3 (Stand November 2000); vgl. SC InstCath, Dekret über die kanonische Errichtung der „Katholischen Universität Eichstätt“, in: Abl. Eichstätt 127 (1980), S. 69 f.; abgedr. in: AfkKR 149 (1980), S. 157 f.; s. auch Notenwechsel zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern vom 1. / 5. März 1980 zu Art. 5 des Bayerischen Konkordates vom 29. März 1924 über die Umbenennung der Kirchlichen Gesamthochschule Eichstätt, in: BayGVBl. 1980, S. 150; abgedr. in: AfkKR 149 (1980), S. 296 f.; SC InstCath, Dekret vom 25.1.1975
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Im Unterschied zu den katholischen Universitäten und Fakultäten, auf deren rechtliche Normen hier nicht eingegangen wird, behandelt der Kirchliche Gesetzgeber unter dem Titel „Kirchliche Universitäten und Fakultäten“ in den cc. 815 – 821 CIC/1983 (vgl. cc. 646 – 650 CCEO) jene „Hochschuleinrichtungen, die der Erforschung der theologischen und theologieverbundenen Wissenschaften dienen“84. Die im Schlussprotokoll zu Art. 19 S. 2 RK und in Art. V § 1 Abs. 3 ÖK genannte Apostolische Konstitution „Deus scientiarum Dominus“ wurde seitens der Kirche durch die Apostolische Konstitution Papst Johannes Pauls II. „Sapientia Christiana“ vom 15. April 1979 (SapChrist)85 und die hierzu von der Kongregation für das katholische Bildungswesen mit Datum vom 29. April 1979 erlassenen Durchführungsbestimmungen (Ordinationes; OrdSapChrist)86 ersetzt. Zu den jeweiligen kirchlichen Vorschriften, die für die KatholischTheologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten in der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich im Rahmen der jeweiligen Verträge berücksichtigt werden müssen, zählen heute somit vor allem die einschlägigen Normen des Kirchlichen Gesetzbuches (cc. 815 – 821 CIC/1983), die Apostolische Konstitution „Sapientia Christiana“ mit den dazu gehörenden Durchführungsbestimmungen („Ordinationes“) und weitere Normen des universalkirchlichen Rechts, wie die von der Kongregation für das katholische Bildungswesen zur Errichtung der Theologischen Fakultät in der Kirchlichen Gesamthochschule Eichstätt, in: AAS 67 (1975), S. 505 f.; abgedr. in: AfkKR 144 (1975), S. 138 f.; Krämer, Universität (Anm. 82), S. 37 – 47; Schmitz, Entwicklung (Anm. 68), S. 467 f.; ders., Katholische Universität Eichstätt. Zu Rechtsstellung, Profil und Struktur der Katholischen Universität Eichstätt und damit verbundener Problemen, in: ders., Studien zum kirchlichen Hochschulrecht (= FzK, Bd. 8), Würzburg 1990, S. 367 – 377; Angaben zu den katholischen Universitäten in AnPont 2004, S. 1623 – 1632. 84 Mussinghoff / Kahler, Einführung vor 815, in: MK CIC, Rdnr. 1 (Stand November 2000); insgesamt May, Hochschulen (Anm. 2), S. 753 – 764. 85
Johannes Paul II., Ap. Konst. „Sapientia Christiana“ vom 15. April 1979 über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten, in: AAS 71 (1979), S. 469 – 499; abgedr. in: AfkKR 148 (1979), S. 107 – 127; dt. VApSt 9, 2. Aufl., Bonn 1983, S. 4 – 30; ÖAKR 30 (1979), S. 372 – 388; vgl. dazu Heribert Schmitz, Kirchliche Hochschulen nach der Apostolischen Konstitution Sapientia Christiana von 1979, in: AfkKR 150 (1981), S. 45 – 90; 477 – 527; alle wesentlichen Texte auch in: Katholische Theologie und Kirchliches Hochschulrecht. Kommentar zu den Akkommodationsdekreten zur Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“. Dokumentation der kirchlichen Rechtsnormen von Heribert Schmitz. Hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (= Arbeitshilfen 100), Bonn 1992. 86
SC InstCath, Verordnung vom 29. April 1979 zur richtigen Anwendung der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“, in: AAS 71 (1979), S. 500 – 521; AfkKR 148 (1979), S. 128 – 142; dt. VApSt 9, 2. Aufl., Bonn 1983, S. 32 – 49; ÖAKR 31 (1980), S. 88 – 99.
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erlassene Grundordnung für die Ausbildung der Priester87. Hinzu kommt das am 1. November 1983 von der Kongregation für das katholische Bildungswesen, jetzt Kongregation für das Katholische Bildungswesen (Kongregation für die Seminare und Studienrichtungen) (vgl. Art. 112 – 116 PastBon), erlassene Dekret zur ordnungsgemäßen Anpassung und Anwendung der Apostolischen Konstitution Sapientia Christiana samt den Ordinationes an den KatholischTheologischen Fakultäten in den staatlichen Universitäten im Bereich der Österreichischen Bischofskonferenz88. Für Deutschland ist auf ein entsprechendes Dekret über die Katholisch-Theologischen Fakultäten in den staatlichen Universitäten im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zur ordnungsgemäßen Anpassung und Anwendung der Vorschriften der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ und der ihr beigefügten „Ordinationes“ vom 1. Januar 1983 und das Akkommodationsdekret für die Theologischen Einrichtungen außerhalb Katholisch-Theologischer Fakultäten in Deutschland, ebenfalls vom 1. Januar 1983, zu verweisen89. Diese Normen, die im Folgenden darzustellen sind, bilden das gegenwärtig geltende kirchliche Recht und die Vorgaben für die Neuordnung des Theologiestudiums an den Katholisch-Theologischen Fakultäten der staatlichen Universitäten. Sie sind wesentlich vom Zweiten Vatikanischen Konzil geprägt. 87 SC InstCath, Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis vom 6. Januar 1970, in: AAS 62 (1970), S. 321 – 384 (= RFIS); lat. / dt. in: NKD 25, Trier 1974; S. 68 – 263; dazu Einleitung und Kommentar von Anton Arens, ebd., S. 5 – 66. Die an die Normen des CIC/1983 angepaßte Fassung von 1985 ist abgedr. in: Ochoa, Leges VI, n. 5110, Sp. 9069 – 9109. 88
SC InstCath, Dekret über die katholisch-theologischen Fakultäten in den staatlichen Universitäten im Bereich der Österreichischen Bischofskonferenz zur ordnungsgemäßen Anpassung und Anwendung der Vorschriften der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ und der ihr beigefügten Ordinationes vom 1. November 1983, in: AAS 76 (1984), S. 616 – 621; dt. Abl. ÖBK Nr. 2, 1. Juni 1984, S. 22 – 24; abgedr. in: ÖAKR 34 (1983 / 84), S. 355 – 359; abgedr. und kommentiert bei Schmitz, Hochschulrecht (Anm. 85), S. 179 – 228; vgl. Josef Ammer, Art. Akkommodation, in: LKStKR, Bd. 1 (2000), S. 47 – 49. 89
SC InstCath, Dekret über die Katholisch-Theologischen Fakultäten in den staatlichen Universitäten im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zur ordnungsgemäßen Anpassung und Anwendung der Vorschriften der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ und der ihr beigefügten „Ordinationes“ vom 1. Januar 1983, in: AAS 75 (1983), S. 336 – 341; abgedr. in: AfkKR 152 (1983), S. 178 – 182; dt. Verl ApSt 9, 2. Aufl., Bonn 1983, S. 50 – 55; SC InstCath, Akkommodationsdekret für die Theologischen Einrichtungen außerhalb Katholisch-Theologischer Fakultäten in Deutschland vom 1. Januar 1983, in: AAS 75 (1983), S. 341; abgedr. in: AfkKR 152 (1983), S. 183; dt. VApSt 9, 2. Aufl., Bonn 1983, S. 56; beide abgedruckt und kommentiert, in: Schmitz, Hochschulrecht (Anm. 85), S. 23 – 178; vgl. auch Schmitz, Spannungsfeld (Anm. 14); Listl, Konkordate und Kirchenverträge (Anm. 13), Bd. I, S. 56 – 58, Anm. 33, hier Ziff. 4, S. 57 f.
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2. Das Zweite Vatikanische Konzil und die Reform des kirchlichen Hochschulrechts Das Zweite Vatikanische Konzil (1. Oktober 1962 – 8. Dezember 1965) hat grundlegende Impulse für eine Neuordnung des kirchlichen Hochschulrechts und die Ausbildung der Priesteramtskandidaten gebracht. Es betont im Dekret über die christliche Erziehung „Gravissimum educationis“ ausdrücklich die besondere Sorge, die die Kirche den Hochschulen, insbesondere den Universitäten und Fakultäten widmet (Art. 10 Abs. 1 VatII GE). Näherhin erwartet das Konzil von der Tätigkeit der theologischen Fakultäten „sehr viel“. Zugleich forderte es auch eine Neugestaltung ihrer Studien (vgl. Art. 11 Abs. 1 VatII GE). Den theologischen Fakultäten vertraut die Kirche, wie das Konzil hervorhebt, „die überaus wichtige Aufgabe an, ihre Studenten nicht nur auf den priesterlichen Dienst, sondern besonders für die Tätigkeit auf den Lehrstühlen der Theologie und auf eigenständige Weiterarbeit in der Wissenschaft oder auf schwierigere Aufgaben im geistigen Apostolat vorzubereiten“. Ebenso sei es Aufgabe, „die verschiedenen Gebiete der Theologie gründlicher zu erforschen, so daß das Verständnis der göttlichen Offenbarung sich mehr und mehr vertieft, das von den Vätern überkommene Erbe christlicher Weisheit sich immer besser erschließt, das Gespräch mit den getrennten Brüdern und den Nichtchristen gepflegt wird und die durch den Fortschritt der Wissenschaft aufgeworfenen Fragen eine Antwort finden“ (Art. 11 Abs. 1 VatII GE). Die kirchlichen Fakultäten müssen daher „unter entsprechender Neugestaltung ihrer eigenen Gesetze die Theologie und die mit ihr zusammenhängenden Wissenschaften tatkräftig weiterentwickeln und durch Anwendung auch moderner Methoden und Hilfsmittel die Hörer zu tiefergehenden Studien anleiten“ (Art. 11 Abs. 2 VatII GE)90. Insbesondere wird eine verstärkte Kooperation unter den Disziplinen, Fakultäten und Universitäten gefordert (vgl. Art. 12 VatII GE). Vorrangig hebt das Dekret über den Ökumenismus „Unitatis redintegratio“ die Notwendigkeit einer theologischen Forschung mit den getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften hervor (Art. 11 Abs. 3 VatII UR). Auch in der Pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“ nimmt das Konzil Bezug auf das Studium der Theologie. Näherhin fordert die Konstitution die Zusammenarbeit zwischen theologischen Disziplinen und anderen Wissenschaften. Dabei soll sich die theologische Forschung „zugleich um eine tiefe Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheiten bemühen und die Verbindung mit der eigenen Zeit nicht vernachlässigen“, um so „zu einem 90
Vgl. dazu Roman A. Siebenrock, Theologischer Kommentar zur Erklärung über die Christliche Erziehung Gravissimum educationis, in: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Hrsg. von Peter Hünermann / Jochen Hilberath, Bd. 3, Freiburg / Basel / Wien 2005, S. 551 – 585, bes. S. 575 – 577; vgl. auch Schmitz, Entwicklung (Anm. 68), S. 451 – 454.
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umfassenderen Glaubensverständnis verhelfen zu können“. Das Konzil sieht in diesen gemeinsamen Bemühungen einen großen Nutzen für die Ausbildung der Seelsorger. Zugleich wünscht die Konstitution ausdrücklich, „dass einer großen Zahl von Laien eine hinreichende Bildung in der Theologie vermittelt werde und recht viele von ihnen die Theologie auch zum Hauptstudium machen und selber weiter fördern“ (Art. 62 Abs. 7 VatII GS). In der Konstitution über die heilige Liturgie „Sacrosanctum Concilium“ ist es dem Konzil ein Anliegen, das Fach Liturgiewissenschaft „in den Seminarien und Studienhäusern der Orden zu den notwendigen und wichtigen Fächern und an den Theologischen Fakultäten zu den Hauptfächern zu rechnen. Es ist sowohl unter theologischem und historischem wie auch unter geistlichem, seelsorgerlichem und rechtlichem Gesichtspunkt zu behandeln“ (Art. 16 Abs. 1 VatII SC). Im Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum ordinis“ werden nicht nur Impulse zum priesterlichen Amt gegeben. Vielmehr erwartet die Kirche von den Priestern, dass sie „in der Wissenschaft erfahren“ sind (Art. 19 Abs. 1 VatII PO). Die Bischöfe müssen dafür sorgen, dass sich einige Priester einem vertieften theologischen Studium widmen (Art. 19 Abs. 4 VatII PO)91. Neben den Aussagen zu den theologischen Fakultäten und dem Dienst des Priesters hat das Zweite Vatikanische Konzil „mit seinem Dekret über die Priesterausbildung ‚Optatam totius‘ unter selbstverständlicher Voraussetzung der Institution ‚Priesterseminar‘ die Inhalte der Priesterbildung von einem neu akzentuierten Priesterbild her formuliert und die Formen der Ausbildung flexibler gestaltet“92. Wünsche zur Neugestaltung des theologischen Studiums finden sich insbesondere in Art. 13 – 18 VatII OT93. So verweist Art. 13 VatII OT auf 91
Vgl. Ottmar Fuchs / Peter Hünermann, Theologischer Kommentar zum Dekret über Dienst und Leben der Presbyter Presbyterorum ordinis, in: Hünermann / Hilberath, Kommentar (Anm. 90), Bd. 4, Freiburg / Basel / Wien 2005, S. 337 – 569; vgl. auch Art. 28 VatII LG; hierzu Peter Hünermann, Theologischer Kommentar zur dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium, in: Hünermann / Hilberath, Kommentar (Anm. 90), Bd. 2, Freiburg / Basel / Wien 2004, S. 263 – 563, bes. S. 450 – 456. 92
Vgl. Rudolf Weigand, Die Ausbildung und Fortbildung der Kleriker, in: HdbKathKR2, S. 293 – 300, hier S. 293, unter Hinweis auf Hugo Schwendenwein, Priesterbildung im Umbruch des Kirchenrechts. Die „Institutio sacerdotalis“ in der vom II. Vatikanum geprägten Rechtslage (= KuR Wien, Bd. 9), Wien 1970; ders., Das Seminarrecht des CIC/1983, in: Ministerium iustitiae. Festschrift für Heribert Heinemann zur Vollendung des 60. Lebensjahres. Hrsg. von André Gabriels / Heinrich J. F. Reinhardt, Essen 1985, S. 217 – 227; abgedr. in: ders., Jus et Justitia (Anm. 73), S. 481 – 491. 93
Vgl. dazu Ottmar Fuchs / Peter Hünermann, Theologischer Kommentar zum Dekret über die Ausbildung der Priester Optatam totius, in: Hünermann / Hilberath, Kommentar (Anm. 90), S. 315 – 481, bes. Ottmar Fuchs, B. Kommentierung, S. 384 – 459, hier S. 423 - 450; vgl. auch Peter Krämer, Was ist eine Theologische Fakultät, in: TThZ 112 (2003), S. 235 – 239, bes. S. 236 – 238, unter Hinweis auf Manfred Scheuer, Spiri-
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die notwendige Kenntnis der lateinischen Sprache. Vor allem aber soll bei der Neugestaltung der kirchlichen Studien auf eine bessere Abstimmung der philosophischen und theologischen Disziplinen und auf einen „ausreichend langen Einführungskurs“ geachtet werden (Art. 14 VatII OT). Von den philosophischen Disziplinen wird erwartet, dass sie „zu einem gründlichen und zusammenhängenden Wissen über Mensch, Welt und Gott“ hinführen (Art. 15 VatII OT). „Die theologischen Fächer sollen im Licht des Glaubens unter Führung des kirchlichen Lehramtes so gelehrt werden, daß die jungen Theologen die katholische Lehre sorgfältig aus der göttlichen Offenbarung schöpfen, tief in sie eindringen, sie für ihr geistliches Leben fruchtbar machen und sie in ihrem künftigen priesterlichen Dienst verkünden, darlegen und verteidigen können…“ (Art. 16 Abs. 1 VatII OT). Für einzelne Fächer legt das Konzil die jeweiligen Studieninhalte ausdrücklich fest (vgl. Art. 16 Abs. 2 – 4 VatII OT). Vor allem wird eine vollere Kenntnis der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die vom Apostolischen Stuhl getrennt sind, und der anderen Religionen erwartet (Art. 16 Abs. 5 und 6 VatII OT). Das Konzil fordert die Überprüfung der Lehrmethoden sowohl im Blick auf die Lehrveranstaltungen als auch die Förderung des privaten Studiums und der Zusammenarbeit in kleinen Kreisen. „Großen Wert lege man auf die Einheit der Ausbildung und auf ihre Gründlichkeit; man vermeide eine zu große Vermehrung von Fächern und Vorlesungen; man lasse die Fragen aus, die kaum mehr Bedeutung haben, wie auch solche, die in die höheren akademischen Studien zu verweisen sind“ (Art. 17 VatII OT). Zur Umsetzung dieser Wünsche und Anregungen erließ die Kongregation für das katholische Bildungswesen bereits kurz nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil am 20. Mai 1968 die so genannten „Normae quaedam“ zur Revision der Apostolischen Konstitution Deus scientiarum Dominus über die kirchlichen akademischen Studien94. Die Aussagen des Konzils gilt es auch für eine tuelle Bildung und Begleitung im pastoralen Dienst, in: Sabine Demel / Libero Gerosa / Peter Krämer / Ludger Müller (Hrsg.), Im Dienst der Gemeinde. Wirklichkeit und Zukunftsgestalt der kirchlichen Ämter (= Kirchenrechtliche Bibliothek, Bd. 5), Münster 2002, S. 141 – 161; vgl. auch SC InstCath, Rundschreiben vom 6. Januar 1980 über die Einführung der Priesteramtskandidaten in das geistliche Leben; dt. VApSt 19, Bonn 1980; Johannes Paul II., Nachsynodales Schreiben „Pastores dabo vobis“ vom 25. März 1992 an die Bischöfe, Priester und Gläubigen über die Priesterbildung im Kontext der Gegenwart; dt.: VApSt 105, Bonn 1992. 94 SC InstCath, Normae quaedam vom 20. Mai 1968 zur Revision der Apostolischen Konstitution Deus scientiarum Dominus über die kirchlichen akademischen Studien, Typ. Pol. Vat. 1968; abgedr. in: Ochoa, Leges III, n. 3652, Sp. 5355 – 5368; lat. / dt. in: NKD 25, Trier 1974, S. 330 – 407; dazu ausführlich Heribert Schmitz, Einleitung und Kommentar, ebd., S. 283 – 329; ders., Revision des kirchlichen Hochschulrechts, in: AfkKR 143 (1974), S. 69 – 100; ders., Entwicklung (Anm. 68), S. 456 – 458.
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erneute Studienreform in Deutschland und Österreich im Gedächtnis zu behalten bzw. vollkommener zu berücksichtigen. 3. Die Apostolische Konstitution Papst Johannes Pauls II. „Sapientia Christiana“ vom 15. April 1979 über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten Mit der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ vom 15. April 1979 über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten95 hat Papst Johannes Paul II. ein neues gesamtkirchliches Hochschulrecht für die römischkatholische Kirche erlassen. Seine Geltung erstreckt sich auf alle Universitäten und Fakultäten, die vom Apostolischen Stuhl kanonisch errichtet oder anerkannt wurden, Theologie und mit der Theologie verbundene Wissenschaften pflegen und das Recht zur Verleihung akademischer Grade besitzen (vgl. Art. 2 und 6 SapChrist; Art. 1 OrdSapChrist; Abs. 1 Einl AkkommDekrÖ; Abs. 1 Einl AkkommDekrD). Die Katholisch-Theologischen Fakultäten der staatlichen Universitäten in der Bundesrepublik Deutschland und in der Republik Österreich zählen zu diesen Einrichtungen (vgl. Abs. 2 Einl AkkommDekrÖ; Abs. 2 Einl AkkommDekrD). Die Bestimmungen von Sapientia Christiana und den dazu ergangenen Ordinationes besitzen nach wie vor Geltung, da der Kirchliche Gesetzgeber im derzeit geltenden Kirchlichen Gesetzbuch, dem Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983, das kirchliche Hochschulrecht nur für wichtige Bereiche bzw. in grundsätzlicher Weise, jedoch nicht umfassend geregelt hat (vgl. c. 6 § 1, 4° CIC/1983). a) Allgemeine Normen (Art. 1 – 64 SapChrist; Art. 1 – 49 OrdSapChrist) aa) Natur und Aufgabe kirchlicher Hochschulen (Art 1 – 10 SapChrist; vgl. Art. 1 – 7 OrdSapChr) Art. 3 SapChrist fasst die Aufgaben kirchlicher Hochschulen zusammen: „§ 1 durch wissenschaftliche Forschung die eigenen Disziplinen zu betreiben und voranzubringen, vor allem die Kenntnis der christlichen Offenbarung und der mit ihr verbundenen Bereiche zu vertiefen, systematisch die in ihr enthaltenen Wahrheiten freizulegen, in ihrem Licht die neuen Probleme der fortschreitenden Zeit zu betrachten und sie den Menschen der Gegenwart in einer den verschiedenen Kulturen angepassten Weise darzulegen; § 2 die Studenten in ihren Disziplinen nach Maßgabe katholischer Lehre zu hoher Qualifikation heranzubilden und sie für ihre künftigen Aufgaben sinnvoll vorzubereiten sowie für eine fortdauernde Weiterbildung der Die-
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Johannes Paul II., Sapientia Christiana (Anm. 85).
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ner der Kirche zu sorgen; § 3 in enger Gemeinschaft mit dem Leitungsamt der Kirche den ihrer Natur entsprechenden wirksamen Beitrag in Zusammenarbeit mit den Ortskirchen und mit der Weltkirche beim gesamten Werk der Glaubensverkündigung zu erbringen.“
Von den Bischofskonferenzen wird angesichts der besonderen Bedeutung der kirchlichen Universitäten und Fakultäten ein besonderes Interesse an deren Leben und Fortschritt erwartet (Art. 4 SapChrist). Deutlich wird, dass die kanonische Errichtung oder Approbation kirchlicher Universitäten und Fakultäten Sache der Kongregation für das katholische Bildungswesen ist, die auch die Oberaufsicht über diese Einrichtungen führt (Art 5 SapChrist). Die Statuten der jeweiligen Universität bzw. Fakultät müssen nach den Normen von Sapientia Christiana verfasst und von der Kongregation für das katholische Bildungswesen approbiert werden (Art. 7 SapChrist). Im Blick auf den Lehrkörper (Art. 22 – 30 SapChrist; vgl. Art. 16 – 23 OrdSapChrist) soll es in jeder Fakultät „so viele – vor allem festangestellte – Dozenten geben, wie es der Bedeutung und dem Fortschritt der einzelnen Disziplinen sowie auch den Erfordernissen und dem Nutzen der Studierenden entspricht“ (Art. 22 SapChrist). Lehrende, die Fächer, die Glaube oder Sitte betreffen, unterrichten, müssen nach Ablegung des Glaubensbekenntnisses (Professio fidei) vom Großkanzler oder seinem Beauftragten die Missio canonica, andere Dozenten und Dozentinnen die Lehrerlaubnis erhalten (Art. 27 § 1 SapChrist). Art. 27 § 2 SapChrist fordert die Einholung des „‚Nihil obstat’ des Heiligen Stuhles“, „bevor ein Dozent entweder fest angestellt wird oder zur obersten Stufe der Lehrbefähigung befördert wird – oder auch in jedem dieser beiden Fälle je nach den Bestimmungen der Statuten“96. Im Blick auf die Studierenden (vgl. Art. 31 – 35 SapChrist; vgl. Art. 24 – 27 OrdSapChrist) verweist Art. 31 SapChrist ausdrücklich darauf, dass die kirchlichen Fakultäten „allen Klerikern und Laien“ offen stehen. Deutlich werden Kenntnisse der alten und modernen Sprachen gefordert (Art. 32 § 2 SapChrist).
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Zum Unterschied zwischen dem Nihil obstat des Heiligen Stuhls und dem bischöflichen vgl. Heribert Schmitz, „Nihil obstat Sanctae Sedis“. Wurzeln – Rechtsgrundlagen – Ausweitung eines Rechtsinstituts des kirchlichen Hochschulrechts, in: AfkKR 169 (2000), S. 382 – 407; abgedr. in: ders., Neue Studien (Anm. 1), S. 153 – 175; ders., Das Nihil obstat des Diözesanbischofs. Entstehung – Rechtsgrundlagen – Fortbildung eines Rechtsinstituts im hochschulrechtlichen Bereich, in: AfkKR 170 (2001), S. 51 – 73; abgedr.: ebd., S. 176 – 196; ders., Mandat und Nihil obstat des Theologieprofessors, in: ThPQ 139 (1991), S. 265 – 283; abgedr.: ebd., S. 50 – 73.
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bb) Studienordnung (Art. 38 – 45 SapChrist; vgl. Art. 29 – 33 OrdSapChrist) Mit allem Nachdruck verlangt Sapientia Christiana bei der Festlegung der Studienordnung die Beachtung der in den kirchlichen Dokumenten enthaltenen Grundsätze und Vorschriften. Zugleich soll auch den sicheren Erkenntnissen, „die sich aus dem wissenschaftlichen Fortschritt ergeben und die insbesondere zur Lösung der heute zur Diskussion stehenden Fragen beitragen“, Rechnung getragen werden (Art. 38 § 1 SapChrist). Es sollen die jeweilige „wissenschaftliche Methode“ und die „neueren Methoden der Didaktik und Pädagogik“ angewandt und genutzt werden. Dies soll den persönlichen Einsatz der Studierenden und deren aktive Beteiligung an den Studien fördern (vgl. Art. 38 § 2 SapChrist). Eine „gebührende Freiheit in Forschung und Lehre“ ist anzuerkennen (Art. 39 § 1 SapChrist). Ferner sind „die wissenschaftlichen Erfordernisse mit den pastoralen Notwendigkeiten des Volkes Gottes in Einklang zu bringen“ (Art. 39 § 2 SapChrist). Sapientia Christiana fordert, den Studiengang durch verschiedene Grade oder Zyklen zu gliedern: allgemeine Ausbildung mit einer zusammenhängenden Darstellung aller Disziplinen zusammen mit einer Einführung in die Anwendung der wissenschaftlichen Methode; vertieftes Studium in einem besonderen Bereich der Disziplinen; gründlichere Einübung in den Gebrauch der Methode wissenschaftlicher Forschung; wissenschaftliche Reife, vor allem durch eine Arbeit, die zu einem wirklichen Fortschritt der Wissenschaft beitragen soll (Art. 40 SapChrist). „Es sind Disziplinen zu bestimmen, die zur Erlangung des spezifischen Zieles der Fakultät notwendig gefordert werden, wie auch jene, die in verschiedener Weise der Erreichung dieses Zieles dienen können“ (Art. 41 § 1 SapChrist), d. h. Haupt- und Nebenfächer zu benennen. Sie sollen „eine organische Einheit bilden, zur gründlichen und harmonischen Ausbildung der Studenten dienen und die Zusammenarbeit unter den Dozenten erleichtern“ (Art. 41 § 2 SapChrist). Vor allem in der Grundausbildung müssen die Vorlesungen verpflichtend sein und von den Studierenden nach den jeweiligen Vorgaben besucht werden (Art. 42 SapChrist). Übungen und Seminare, die besonders im Zyklus der Spezialisierung angeboten werden sollen, sind regelmäßig durchzuführen und durch privates Studium und Gespräche mit den Dozentinnen und Dozenten zu ergänzen (Art. 43 SapChrist). Ausdrücklich wird in Art. 44 SapChrist die Festlegung der schriftlichen und mündlichen Prüfungen, in Art. 45 SapChrist die Anerkennung der an anderen Orten geleisteten Studien gefordert.
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cc) Akademische Grade (Art. 46 – 51 SapChrist; vgl. Art. 34 – 38 OrdSapChrist) und weitere Bereiche (Art. 52 – 64 SapChrist; vgl. Art. 39 – 49 OrdSapChrist) Sapientia Christiana fordert ausdrücklich, die jeweiligen akademischen Grade und die Voraussetzungen für deren Erlangung festzulegen (vgl. Art. 46 – 51 SapChrist; Art. 34 – 38 OrdSapChrist). Weiter werden Bestimmungen zu den Lehrmitteln (vgl. Art. 52 – 55 SapChrist; vgl. Art. 39 – 42 OrdSapChrist), den wirtschaftlichen Belangen (vgl. Art. 56 – 59 SapChrist; vgl. Art. 43 f. OrdSapChrist) und zu Planung und Zusammenarbeit der Fakultäten (vgl. Art. 60 – 64 SapChrist; vgl. Art. 45 – 49 OrdSapChrist) getroffen. b) Besondere Normen für Theologische Fakultäten (Art. 66 – 74 SapChrist; vgl. Art. 50 – 54 OrdSapChrist) Außer den allgemeinen Normen für alle kirchlichen Fakultäten werden im Zweiten Teil von Sapientia Christiana (vgl. Art. 65 – 94 SapChrist; Art. 50 – 64 OrdSapChrist) u. a. spezielle Normen für die Theologischen Fakultäten erlassen (Art. 66 – 74 SapChrist; vgl. Art. 50 – 54 OrdSapChrist). So ist es Ziel der Theologischen Fakultäten, „die katholische Lehre mit größter Sorgfalt aus der göttlichen Offenbarung zu erheben, sie nach der ihr eigenen wissenschaftlichen Methode tiefer zu durchdringen und systematisch darzulegen sowie im Lichte dieser Offenbarung sorgsam nach Lösungen für die menschlichen Probleme zu suchen“ (Art. 66 SapChrist). Das Studium der Heiligen Schrift muss „gleichsam die Seele der Theologie“ bilden (Art. 67 § 1 SapChrist). Die einzelnen theologischen Disziplinen sind derart zu lehren, dass die „Einheit der ganzen theologischen Lehre“ deutlich wird und „alle Disziplinen auf eine intensive Kenntnis des Geheimnisses Christi ausgerichtet sind“ (Art. 67 § 2 SapChrist). Deutlich wird gefordert, die geoffenbarte Wahrheit in Verbindung mit den wissenschaftlichen Ergebnissen der voranschreitenden Zeit zu betrachten und sie entsprechend dem Wesen und der Eigenart einer jeden Kultur darzulegen (Art. 68 SapChrist). Eine besondere Bedeutung muss den ökumenischen Fragen, den nichtchristlichen Religionen und den Problemen, die sich aus dem heutigen Atheismus ergeben, zukommen (Art. 69 SapChrist). Art. 70 SapChrist hebt die „Treue zum Lehramt der Kirche“ hervor. Näherhin sind für die Lehre nach Art. 71 SapChrist die Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und die jüngeren Dokumente des Heiligen Stuhls, so vor allem das Schreiben Papst Pauls VI. „Lumen ecclesiae“ über den Hl. Thomas von Aquin vom 20. November 197497 sowie die Schreiben der Kongregation für das katholische Bildungswesen über die theologische Ausbildung der künftigen Priester vom 22. Februar 197698, über das kirchenrechtliche Studium für
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die Priesteramtskandidaten vom 2. April 197599 und über den philosophischen Unterricht vom 20. Januar 1972100, verbindlich. Nach Art. 72 SapChrist muss der Studiengang der Theologischen Fakultät einen „ersten Zyklus oder einen Grundausbildungskurs“ von fünf Jahren oder 10 Semestern bzw. im Falle eines vorausgehenden zweijährigen Philosophiestudiums von drei Jahren oder 6 Semestern umfassen101. Dabei müssen – neben einer soliden philosophischen Grundlage – die theologischen Disziplinen derart gelehrt werden, „daß eine organische Darlegung der gesamten katholischen Lehre geboten wird, mit gleichzeitiger Einführung in die Methode wissenschaftlicher Forschung“. An diesen Grundausbildungskurs schließt sich ein zweiter Studienzyklus in Form eines Spezialstudiums von zwei Jahren oder vier Semestern an. „Je nach Art der Spezialisierung werden hier ausgewählte Disziplinen gelehrt und Seminare und Übungen zur Aneignung konkreter Erfahrungen in der wissenschaftlichen Forschung durchgeführt“. Den dritten Studienzyklus bildet das Doktoratsstudium. Sapientia Christiana sieht die Aufgabe einer theologischen Fakultät darin, „die wissenschaftliche theologische Ausbildung jener zu gewährleisten, die auf das Priestertum zugehen oder sich auf die Übernahme von besonderen kirchlichen Aufgaben vorbereiten“ (Art. 74 § 1 SapChrist; vgl. auch Art. 13 – 21 VatII OT)102. Daher werden spezielle Disziplinen für die Priesteramtskandidaten, ja selbst ein Pastoraljahr in der Fakultät gefordert (vgl. Art. 74 § 2 SapChrist).
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Paul VI., Ep. „Lumen ecclesiae“ ad P. Vincentium de Couesnongle Ordinis Fratrum Praedicatorum Magistrum Generalem septimo expleto saeculo ab obitu Sancti Thomae Aquinatis vom 20. November 1974, in: AAS 66 (1974), S. 673 – 702. 98
SC InstCath, Rundschreiben über die theologische Ausbildung der künftigen Priester vom 22. Februar 1976, Typ. Pol. Vat. 1976. 99 SC InstCath, Rundschreiben vom 2. April 1975 über das kirchenrechtliche Studium für die Priesteramtskandidaten (Prot.-Nr. 194 / 74); abgedr. in: Ochoa, Leges V, n. 4371, Sp. 7012 – 7016; AfkKR 144 (1975), S. 139 – 144; dt. in: ÖAKR 27 (1976), S. 189 – 191; dazu Rees, Kirchenrecht (Anm. 24), bes. S. 324 – 331. 100
SC InstCath, Rundschreiben vom 20. Januar 1972 über den philosophischen Unterricht; dt. in: Das Studium der Philosophie im Theologiestudium (= DDB 36), Bonn 1983, S. 38 – 49; s. auch Deutsche Bischofskonferenz, Das Studium der Philosophie im Theologiestudium, vom 22. September 1983, ebd., S. 7 – 37. 101
Der erste Studienzyklus schließt mit dem akademischen Grad eines Bakkalaureus ab, der aber nicht mit dem im Rahmen des Bologna-Prozesses geforderten Bachelor verwechselt werden darf, vielmehr dem bisherigen Mag. theol. bzw. Dipl.-Theol. entspricht.
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4. Die Ausführungsbestimmungen (Ordinationes) der Kongregation für das Katholische Bildungswesen vom 29. April 1979 zur richtigen Anwendung der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ Mit den Ordinationes vom 29. April 1979 legte die Kongregation für das Katholische Bildungswesen in Ausführung von Art. 10 SapChrist den kirchlichen Universitäten und Fakultäten Ausführungsbestimmungen zur richtigen Anwendung der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ vor103. a) Allgemeine Normen (Art. 1 – 49 OrdSapChrist) Die Ordinationes verweisen im ersten Teil ausdrücklich darauf, dass die späteren Aufgabenfelder, auf die sich die Studierenden vorbereiten, „rein wissenschaftlicher – wie Forschung und Lehrtätigkeit – oder beruflicher Natur“ sein können. Darauf ist bei der Erstellung der Studienordnung und bei der Festlegung der akademischen Grade Rücksicht zu nehmen (Art. 3 OrdSapChrist). Zudem wird in Art. 24 § 3 OrdSapChrist die Kenntnis der lateinischen Sprache gefordert. Eindeutig ist in den Studienordnungen festzulegen, welche Fächer (Hauptund Nebenfächer) Pflicht- oder Wahlfächer sind (Art. 29 OrdSapChrist). Ebenso sind Übungen und Seminare festzulegen, die eine persönliche Teilnahme sowie eine aktive Beteiligung und eine schriftliche Seminararbeit erfordern (Art. 30 OrdSapChrist). Vorlesungen und Übungen sind zeitlich so einzuteilen, „dass privates Studium und persönliche Arbeit die gebührende Förderung erfahren“ (Art. 31 OrdSapChrist).
102 Vgl. auch SC InstCath, Instruktion über die liturgische Ausbildung der Priesteramtskandidaten vom 3. Juni 1979; dt.: VApSt 14, Bonn 1979; SC InstCath, Leitlinien für das Studium und den Unterricht der Soziallehre der Kirche in der Priesterausbildung vom 27. Juni 1989; dt.: VApSt 91, Bonn 1989; SC InstCath, Instruktion über das Studium der Kirchenväter in der Priesterausbildung vom 10. November 1989; dt.: VApSt 96, Bonn 1989; vgl. auch PontConsUnit, Die ökumenische Dimension in der Ausbildung / Bildung derer, die in der Pastoral tätig sind von 1998; dt.: VApSt 134, Bonn 1998; dazu Wilhelm Rees, Taufe, Ökumene, Kirchenrecht. Von den Ansätzen des Zweiten Vatikanischen Konzils hin zu neueren Texten und Aussagen, in: Communio in Ecclesiae Mysterio. Festschrift für Winfried Aymans zum 65. Geburstag. Hrsg. von Karl-Theodor Geringer / Heribert Schmitz, St. Ottilien 2001, S. 481 – 502, bes. S. 497 – 501. 103 SC InstCath, Verordnung (Anm. 86). Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf dem Studienrecht.
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Art. 32 OrdSapChrist gibt Hinweise für die Erstellung der Prüfungsordnung. Art. 33 OrdSapChrist verlangt die Festlegung der Curricula und der zu verleihenden Diplome. Die Art. 34 – 38 OrdSapChrist wenden sich den Akademischen Graden zu. Näherhin müssen die Statuten die Bedingungen, die für die Ausarbeitung der Dissertation erforderlich sind, sowie die Normen für ihre Verteidigung und Veröffentlichung festlegen (vgl. Art. 35 OrdSapChrist). b) Besondere Normen zu den theologischen Fakultäten (Art. 50 – 54 OrdSapChrist) Nachdrücklich betonen die Ordinationes im Blick auf die theologischen Fakultäten, dass die theologischen Fächer so zu unterrichten sind, „dass ihr innerer Zusammenhang klar hervortritt“. Die verschiedenen Dimensionen der Lehre der Kirche, die sich vor allem in den biblischen, patristischen, historischen, liturgischen und pastoralen Fächern zeigen, müssen deutlich werden. Die Studierenden sind „zu einem tiefen Verständnis des Gegenstandes und gleichzeitig zu einer persönlichen Synthese sowie zur Kenntnis der Methoden wissenschaftlicher Forschung“ hinzuführen (Art. 50 OrdSapChrist). Art. 51 OrdSapChrist nennt als Pflichtfächer im ersten Studienzyklus: a) die für das Studium der Theologie erforderlichen philosophischen Fächer, vor allem die systematische Philosophie in ihren wichtigsten Teilen und in ihrer historischen Entwicklung; b) die theologischen Fächer, näherhin die Heilige Schrift (Einführung und Exegese); die Fundamentaltheologie unter Bezugnahme auf die Problematik des Ökumenismus, der nichtchristlichen Religionen und des Atheismus; die dogmatische Theologie; die Moraltheologie und Spiritualität; die Pastoraltheologie; die Liturgie; die Kirchengeschichte, Patristik und Archäologie; das Kirchenrecht; c) Nebenfächer, d. h. einige Zweige der Humanwissenschaften, die lateinische Sprache, die biblischen Sprachen, soweit sie für die nachfolgenden Studienzyklen erforderlich sind. Für den zweiten Studienzyklus werden Spezialfächer, die zweckmäßig in Sektionen eingeteilt sind, mit entsprechenden Übungen und Seminaren, einschließlich einer schriftlichen Arbeit gefordert. Für den dritten Studienzyklus sollen die Statuten festlegen, ob besondere Fächer unterrichtet werden sollen und welche, mit den dazugehörenden Übungen und Seminaren. Gemäß Art. 52 OrdSapChrist ist in den fünf grundlegenden Studienjahren des ersten Studienzyklus „gewissenhaft dafür Sorge zu tragen, dass alle Fächer systematisch, ausführlich und mit eigener Methode unterrichtet werden, damit sie … zu einer soliden, organischen und vollständigen theologischen Bildung der Studenten beitragen und diese somit befähigen, sowohl ihr Studium im zweiten Zyklus fortzusetzen als auch die ihnen übertragenen kirchlichen Aufgaben gut zu erfüllen“. Außer den Prüfungen in den einzelnen Fächern soll am Ende des ersten und des zweiten Studienzyklus ein Examen, das „den ganzen
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Wissensstoff“ umfasst, oder eine gleichwertige Prüfung stattfinden (Art. 53 OrdSapChrist). 5. Das Dekret der Kongregation für das Katholische Bildungswesen über die katholisch-theologischen Fakultäten in den staatlichen Universitäten im Bereich der Österreichischen Bischofskonferenz zur ordnungsgemäßen Anpassung und Anwendung der Vorschriften der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ und der ihr beigefügten „Ordinationes“ vom 1. November 1983 Das von der Kongregation für das Katholische Bildungswesen erlassene Dekret über die katholisch-theologischen Fakultäten in den staatlichen Universitäten im Bereich der Österreichischen Bischofskonferenz zur ordnungsgemäßen Anpassung und Anwendung der Vorschriften der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ und der ihr beigefügten „Ordinationes“, d. h. das sog. Akkommodationsdekret (AkkommDekrÖ), ist nach eingehender Beratung mit der Österreichischen Bischofskonferenz und nach Anhörung des Rates für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche erarbeitet worden und am 1. November 1983 in Kraft getreten. In der Einleitung wird ausdrücklich hervorgehoben, dass sich das Verhältnis der betreffenden Fakultäten zu den kirchlichen Autoritäten „sowohl nach den besonderen konkordatären Bestimmungen … als auch – ohne Beeinträchtigung des Status, der sich aus ihrer Zugehörigkeit zu staatlichen Universitäten ergibt – nach den vom Apostolischen Stuhl für die Kirchlichen Fakultäten erlassenen Normen“ richtet (Einl Abs. 3 AkkommDekrÖ). Ziel des Dekrets ist die bessere Anpassung der Normen des universalkirchlichen Hochschulrechts an diejenigen Fakultäten, die konkordatären Bestimmungen unterliegen (vgl. Einl Abs. 4 AkkommDekrÖ). Als spezielle Gesetzgebung (lex specialis) hat dieses Dekret, das am 8. Mai 1984 vom Apostolischen Stuhl der österreichischen Bundesregierung übersandt wurde, Vorrang vor den hochschulrechtlichen Vorschriften der Gesamtkirche104.
104
SC InstCath, AkkommodationsdekretÖ (Anm. 88); vgl. dazu Schmitz, Hochschulrecht (Anm. 85), S. 179 – 228; s. auch dies., Akkommodationsdekrete für Deutschland (Anm. 89); dazu Schmitz, Hochschulrecht (Anm. 85), S. 23 – 178.
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a) Der Großkanzler (Magnus Cancellarius) Nach Nr. 1 AkkommDekrÖ wird das Amt des Magnus Cancellarius (Großkanzler), auch wenn diese Bezeichnung nicht verwendet werden kann, vom Ortsordinarius wahrgenommen, es sei denn, dass etwas anderes bei der Gründung der Fakultät vorgesehen und vom Heiligen Stuhl approbiert wurde (vgl. z. B. Wien: Domprobst des Wiener Dom- und Metropolitankapitels). Seine Aufgabe ist es u. a., Leben, Tätigkeit und Einheit der Fakultät zu fördern, deren Verbindung mit der Teilkirche und der Gesamtkirche zu pflegen, das Nihil obstat und die Zustimmung zu den Studien- und Prüfungsordnungen zu erteilen. b) Die Aufgabe der Bischofskonferenz Da der Bischofskonferenz eine besondere Verpflichtung und Sorge im Bereich der kirchlichen Fakultäten zukommt (vgl. Art. 4 SapChrist), muss die Österreichische Bischofskonferenz zusammen mit dem Ortsordinarius und dem Apostolischen Stuhl vor allem „um die Kirchlichkeit der österreichischen Fakultäten, um ihre Treue gegenüber der Lehre der Kirche wie auch um all das, was in Art. 5 der ‚Ordinationes’ vorgeschrieben ist“, besorgt sein (Nr. 2 AkkommDekrÖ). Im Interesse des Austausches zwischen der Österreichischen Bischofskonferenz und den Katholisch-Theologischen Fakultäten bzw. Hochschulen in Österreich und der Klärung anstehender Fragen besteht ein so genanntes Kontaktkomitee, das sich aus den Bischöfen und Vertretern (Dekanen) der Katholisch-Theologischen Fakultäten bzw. Hochschulen zusammensetzt. Nr. 3 und 4 AkkommDekrÖ haben Wesen und Leitung der Fakultäten, Nr. 5 – 9 AkkommDekrÖ die Dozentinnen und Dozenten und damit die Erteilung bzw. den Widerruf der Missio canonica (Nihil obstat) und die Ablegung des Glaubensbekenntnisses (Professio fidei) zum Gegenstand105. Das Dekret verweist darauf, dass hinsichtlich der Dozentinnen und Dozenten, die dem Laienstand angehören, die Normen der Österreichischen Bischofskonferenz einzuhalten sind (Nr. 9 AkkommDekrÖ). In Umsetzung dieser Bestimmung hat die Österreichische Bischofskonferenz ein Dekret über die Habilitation und Berufung von Professoren an den Katholisch-Theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten Österreichs erlassen106. Grundsätzlich wird den Laien unter 105
Vgl. die vom Apostolischen Stuhl approbierte deutsche Übersetzung der Formel für Glaubensbekenntnis und Treueid, in: Abl. ÖBK Nr. 5, 30. April 1991, S. 4 f.; dazu Rees, Glaubensschutz (Anm. 59), S. 371 – 373; siehe auch Schmitz, Das kirchliche Nihil obstat-Verfahren (Anm. 59). 106
Vgl. ÖBK, Dekret über die Habilitation und Berufung von Professoren an den Katholisch-Theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten Österreichs. Beschlossen am 10. November 1994, Recognitio durch die Kongregation für die Bischöfe am 5. Juni 1995, in: Abl. ÖBK, Nr. 15, 11. August 1995, S. 2 f.; zur Frage der Habilitation vgl.
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den Grundrechten in Titel II des Buches II des CIC/1983 das Recht eingeräumt, für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen zu werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen (c. 228 § 1 CIC/1983). Zudem sind sie berechtigt, jene tiefere Kenntnis in den theologischen Wissenschaften zu erwerben, die in kirchlichen Universitäten oder Fakultäten oder in Instituten für religiöse Wissenschaften gelehrt werden, indem sie dort Vorlesungen besuchen und akademische Grade erwerben (c. 229 § 3 CIC/1983). Dennoch gibt es in Deutschland und Österreich eine Quote im Blick auf die Berufung und Anstellung von Laien als Professorinnen und Professoren107. c) Studierende Wie das Dekret betont, gelten für die Studierenden die von den staatlichen und universitären Autoritäten erlassenen Normen, „wobei die kirchlichen Normen nicht unbeachtet bleiben dürfen“ (Nr. 10 AkkommDekrÖ). Den Fakultäten steht es zu, in den Studien- und Prüfungsordnungen Kenntnisse nicht nur der lateinischen, sondern auch der griechischen und hebräischen Sprache zu fordern (Nr. 10 AkkommDekrÖ; vgl. Art. 32 § 2 SapChrist; Art. 24 § 3 SapChristOrd; Art. 13 VatII OT). Deutlich wird darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit der Fakultät den Erfordernissen der Priesteramtskandidaten zu entsprechen hat. Hierfür hat der Ortsordinarius zusammen mit dem Dekan und den Dozentinnen und Dozenten zu sorgen (Nr. 11 AkkommDekrÖ).
Herbert Kalb / Irmgard Rath-Kathrein / Karl Weber, Rechtsfragen der Habilitation an Katholisch-Theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten, in: ÖAKR 37 (1987), S. 305 – 328; dies., Habilitation an Katholisch-Theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten. Ein Nachtrag, in: ÖAKR 40 (1991), S. 125 – 130; für Deutschland s. Deutsche Bischofskonferenz, Habilitation und Berufung von Nichtpriestern an den Katholisch-Theologischen Fakultäten und Philosophisch-Theologischen Hochschulen vom 21. – 24. 2. 1972; abgedr. in: VApSt 9, 2. Aufl., Bonn 1983, S. 57 f.; Billigung durch SC InstCath, Habilitation oder Berufung von Nichtpriestern (N. 223 / 72 / 13) vom 20. April 1972, ebd., S. 59; dazu Rieger, Communiter (Anm. 53). 107 Zum prozentualen Verhältnis von Priestern und Laien im Blick auf die Berufung und den damit verbundenen Fragen vgl. Hollerbach, Die rechtliche Stellung (Anm. 17), S. 81 f.; Mussinghoff, Kommentar, in: MK CIC, c. 812, Rdnr. 13 (Stand Juli 1999); Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht (Anm. 68), S. 481 – 484; Rieger, Communiter (Anm. 53), bes. S. 87 – 94; Heribert Schmitz, Habilitation und Berufung von Nichtpriestern zu Hochschullehrern der katholischen Theologie, in: TThZ 95 (1986), S. 319 – 330.
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d) Die Ordnung der Studien In Nr. 12 AkkommDekrÖ findet sich der klare Hinweis, dass für die Ordnung der Studien außer den Normen der Apostolischen Konstitution Sapientia Christiana, der ihr beigefügten Ordinationes und den Normen des Akkommodationsdekrets auch die von der Österreichischen Bischofskonferenz mit Approbation des Apostolischen Stuhls erlassenen Bestimmungen, insbesondere die Rahmenordnung für die Ausbildung von Priestern sowie das (gegebenenfalls) vom Ortsordinarius erlassene Diözesangesetz über die Ausbildung der Kleriker, verbindlich sein müssen. Eine entsprechende Rahmenordnung für die Ausbildung von Priestern hat die Österreichische Bischofskonferenz am 27. März 1985 (ROÖBK) beschlossen. Sie ist mit Datum vom 15. Juni 1985 vom Apostolischen Stuhl für sechs Jahre rekognosziert worden und mit der Promulgation am 15. April 1989 in Kraft getreten108. Ihre Gültigkeit wurde mit Datum vom 7. Mai 1991 von der Kongregation für das Katholische Bildungswesen unbefristet verlängert109. Die Studien- und ebenso die Prüfungsordnung der Fakultät bedürfen der „Zustimmung des Ortsordinarius oder der Bischofskonferenz“ (Nr. 12 und Nr. 13 AkkommDekrÖ). Somit unterscheidet sich die Rechtslage in Deutschland und Österreich dadurch, dass in Österreich ein Zustimmungsrecht „auch der Bischofskonferenz“ zukommt110. Diese Zustimmung soll erst nach vorheriger Einholung des Urteils des Apostolischen Stuhles erteilt werden (Nr. 14 AkkommDekrÖ: nisi praehabita sententia Apostolicae Sedis). e) Akademische Grade Die Verleihung akademischer Grade setzt die Anerkennung der Fakultät durch den Apostolischen Stuhl voraus (Nr. 16 AkkommDekrÖ). Nr. 17 AkkommDekrÖ legt fest, dass der „Studiengang, durch den während fünf Jahren eine allgemeine und zusammenhängende Ausbildung in der systematischen Philosophie und in der ganzen Theologie vermittelt wird“, mit dem akademischen Grad „Magister der Theologie“ abgeschlossen wird. Die Zulassung zum 108
Vgl. ÖBK, Rahmenordnung für die Ausbildung von Priestern vom 27. März 1985, in: Abl. ÖBK, Nr. 3, 15. April 1989, S. 27 – 40; abgedr. in: ÖAKR 36 (1986), S. 71 – 93; bisher: Plan der Priesterausbildung für die Diözesen der Österreichischen Bischofskonferenz, beschlossen auf der Vollversammlung vom 4. – 6. November 1974, vom Apostolischen Stuhl am 12. Dezember 1974 erstmals rekognosziert und unter dem Datum vom 18. März 1981 für sechs Jahre verlängert. 109 110
Vgl. Abl. ÖBK Nr. 6, 9. Dezember 1991, S. 4.
So ausdrücklich Schmitz, Hochschulrecht (Anm. 85), Ö 40 und 42, S. 217 und S. 218.
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Doktorat kann nur nach einem Abschlussexamen in allen theologischen Pflichtfächern (vgl. Art. 51 OrdSapChrist) erfolgen. Eine Ausnahme ist dann gegeben, wenn sich das Rigorosum (examen rigorosum) auf alle theologischen Pflichtfächer erstreckt. Das Abschlussexamen muss den Anforderungen der Bestimmungen der Rahmenordnung für die Ausbildung von Priestern der Österreichischen Bischofskonferenz entsprechen. Auch muss der Bewerber nach Abschluss des Theologiestudiums Lehrveranstaltungen, die der Spezialisierung dienen, besucht haben (Nr. 18 AkkommDekrÖ). 6. Die Bestimmungen des Codex Iuris Canonici von 1983 Der Codex Iuris Canonici, der am 27. November 1983 in Kraft getreten ist, enthält grundsätzliche Aussagen zur Priesterausbildung (cc. 232 – 264 CIC/1983; vgl. c. 328 – 356 CCEO) und den hier interessierenden kirchlichen Hochschulen (cc. 815 – 821 CIC/1983; vgl. cc. 646 – 650 CCEO). a) Ausbildung von Priestern, Laien im kirchlichen Dienst und von Religionslehrerinnen und -lehrern Die Kirche hat nicht nur die Pflicht, Personen für die geistlichen Ämter auszubilden, sondern nimmt hierfür auch das eigene und ausschließliche Recht für sich in Anspruch (vgl. c. 232 CIC/1983). Wie Art. 2 und 18 VatII OT hält auch das Kirchliche Gesetzbuch von 1983 am Grundsatz der Seminarausbildung für Priesteramtskandidaten fest (vgl. c. 237 § 1 CIC/1983; insgesamt cc. 232 – 264 CIC/1983)111. Im Rahmen der Priesterausbildung verfolgt die wissenschaftliche Ausbildung das Ziel, den Alumnen zusammen mit der allgemeinen, den Erfordernissen des Ortes und der Zeit entsprechenden Kultur eine „umfassende und tiefe Kenntnis in den theologischen Disziplinen“ zu vermitteln (c. 248 CIC/1983). Der Kirchliche Gesetzgeber fordert ein gutes Verstehen der lateinischen Sprache und ebenso eine ausreichende Kenntnis fremder Sprachen (vgl. c. 249 CIC/1983). Die philosophischen und theologischen Studien können nacheinander oder in Verbindung miteinander erfolgen. Sie haben insgesamt wenigstens sechs Jahre zu dauern, d. h. die philosophischen Studien volle zwei Jahre, die theologischen Studien volle vier Jahre (c. 250 CIC/1983)112. Die philosophische Ausbildung ist so zu gestalten, „daß sie die menschliche Bildung der Alumnen vervollkommnet, ihren Verstand schärft und sie für die 111 112
Zum Priesterseminar vgl. Weigand, Ausbildung (Anm. 92), S. 294 – 296.
In Deutschland und Österreich umfasst die Ausbildung normalerweise sechs Jahre, wobei ein fünfjähriges Studium an einer Hochschule erfolgt und das sechste Jahr vor allem der pastoralen Einführung (so genanntes Pastoraljahr) dient. Vgl. auch ÖBK, Propädeutikum – Statut, in: Abl. ÖBK Nr. 32, 1. Februar 2002, S. 7 – 11.
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theologischen Studien fähiger macht“ (vgl. c. 251 CIC/1983). Die theologische Ausbildung hat „im Lichte des Glaubens unter Führung des Lehramtes“ zu erfolgen und muss „die ganze katholische auf göttlicher Offenbarung beruhende Lehre“ umfassen (c. 252 § 1 CIC/1983). Näherhin hat der Unterricht in der heiligen Schrift mit besonderer Sorgfalt zu erfolgen und einen Gesamtüberblick zu vermitteln (c. 252 § 2 CIC/1983). Die Vorlesungen in dogmatischer Theologie müssen sich „immer auf das geschriebene Wort Gottes zusammen mit der heiligen Tradition stützen“. Die Alumnen sollen die „Heilsgeheimnisse, vor allem unter Anleitung des hl. Thomas als Lehrer, tiefer zu durchdringen lernen.“ Ebenso sind Vorlesungen in Moraltheologie, Pastoraltheologie, Kirchenrecht, Liturgiewissenschaft, Kirchengeschichte und in Hilfs- und Spezialwissenschaften gefordert (c. 252 § 3 CIC/1983). Wie Art. 22 SapChrist verweist auch der Kirchliche Gesetzgeber darauf, dass so viele verschiedene Lehrer zu ernennen sind wie es Disziplinen gibt. Er nennt dabei ausdrücklich: Heilige Schrift, dogmatische Theologie, Moraltheologie, Liturgiewissenschaft, Philosophie, Kirchenrecht, Kirchengeschichte und andere Disziplinen, die nach ihrer eigenen Methode zu lehren sind (vgl. c. 253 § 2 CIC/1983)113. In Übereinstimmung mit den Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils fordert c. 254 § 1 CIC/1983 die „innige Einheit und Harmonie der ganzen Glaubenslehre“. Für die Alumnen soll deutlich werden, dass sie „eine einzige Wissenschaft“ lernen. Sie sollen fähig werden, „Probleme in eigenen entsprechenden Forschungen und mit wissenschaftlicher Methode zu behandeln“ (c. 254 § 2 CIC/1983). Die Ausbildung im Seminar erfordert „eine pastorale Ausbildung im engeren Sinn“ (vgl. c. 255 CIC/1983; vgl. Art. 19 – 21 VatII OT). Hier erwartet der Kirchliche Gesetzgeber einen Unterricht in dem, „was in besonderer Weise zum geistlichen Amt gehört, vor allem in der Ausübung der Katechese und der Predigt, im Gottesdienst und in besonderer Weise in der Feier der Sakramente, im Umgang mit Menschen, auch mit Nichtkatholiken und Nichtgläubigen, in der Pfarrverwaltung und in der Erfüllung der übrigen Aufgaben“ (c. 256 § 1 CIC/1983). Die Ausbildung muss die Erfordernisse der ganzen Kirche im Blick haben, damit sich die Alumnen „um die Förderung von Berufungen, um Angelegenheiten der Mission und der Ökumene und um andere drängende Nöte, auch sozialer Art, sorgen“ (c. 256 § 2 CIC/1983). Ihre Sorge muss nicht nur der eigenen Teilkirche, sondern der ganzen Kirche gelten (vgl. c. 257 CIC/1983). Ausdrücklich werden von c. 258 CIC/1983 (vgl. Art. 21 VatII OT) entsprechend vorbereitete und begleitete Praktika (z. B. in Gemeinde
113
Vgl. auch DBK, Handreichung „Kunst und Kultur in der theologischen Aus- und Fortbildung“ vom 5. Oktober 1993, in: Arbeitshilfen 115. Hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1993, S. 15 – 25; Albert Gerhards, Die Künste und die Kirche – Anmerkungen zu einem spannungsvollen Dialog, ebd., S. 9 – 14.
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und Schule) und von c. 279 CIC/1983 (vgl. Art. 20 VatII OT) eine Weiterbildung der Kleriker gefordert. Wenngleich der Kirchliche Gesetzgeber im Bereich der Priesterausbildung sehr stark das Seminar in den Vordergrund stellt, so sind die genannten Bestimmungen und Erwartungen grundsätzlich auch für die theologische Ausbildung, wie sie an den Katholisch-Theologischen Fakultäten erfolgt und in Deutschland und Österreich für Priesteramtskandidaten auch üblich ist, zugrunde zu legen. Nachdrücklich betont der Kirchliche Gesetzgeber, dass der Zugang zum Studium der Theologie nicht nur Anwärtern auf den priesterlichen Dienst, sondern auch den Laien offen steht (vgl. c. 229 §§ 1 und 2 CIC/1983; c. 811 CIC/1983; ferner auch Art. 31 f. SapChrist; Art. 24 OrdSapChrist) und diese auch in den theologischen Wissenschaften tätig sein können (vgl. c. 229 § 3 CIC/1983). Religionslehrerinnen und –lehrer müssen sich „durch Rechtgläubigkeit, durch das Zeugnis christlichen Lebens und durch pädagogisches Geschick“ auszeichnen (c. 804 § 2 CIC/1983)114. Dies setzt eine entsprechende theologische und religionspädagogische Ausbildung voraus. Für Professorinnen und Professoren der Theologie und Philosophie an Seminaren wird bei Amtsantritt die Ablegung des Glaubensbekenntnisses gefordert (c. 833, 6° CIC/1983). Entsprechendes gilt an allen Universitäten für diejenigen Dozentinnen und Dozenten, deren Disziplinen Glaube und Sitte betreffen (c. 833, 7° CIC/1983). b) Kirchliche Universitäten und Fakultäten Der Kirchliche Gesetzgeber verweist darauf, dass die Kirche kraft ihres Auftrags, die geoffenbarte Wahrheit zu verkünden, eigene Universitäten und Fakultäten zur Erforschung der theologischen oder der mit diesen verbundenen Wissenschaften und zur wissenschaftlichen Ausbildung der Studierenden dieser Wissenschaften besitzt (c. 815 CIC/1983). Diese können jedoch nur durch den Apostolischen Stuhl oder mit dessen Anerkennung eingerichtet werden. Ebenso kommt dem Apostolischen Stuhl auch deren oberste Leitung (c. 816 § 1 CIC/1983) sowie die Genehmigung der jeweiligen Statuten und der Studienordnung zu (c. 816 § 2 CIC/1983). Can. 816 CIC/1983 schließt somit ein, „daß auch Bischofskonferenz, Bischöfe, katholische Vereinigungen, der Staat u. a. theologische Hochschulen gründen können, sofern der Apostolische Stuhl die kirchliche Anerkennung ausspricht“115. Dies ist in der Bundesrepublik Deutsch-
114 Vgl. Wilhelm Rees, Der Religionsunterricht, in: HdbKathKR2, S. 734 – 747, hier S. 735 f. 115
Mussinghoff / Kahler, Einführung vor 815, in: MK CIC, Rdnr. 4 (Stand November 2000); insgesamt dies., Kommentar, ebd., cc. 815 – 821 (Stand November 2001); May, Hochschulen (Anm. 2), S. 754; Agostino Montan, L’educazione cattolica nell’Ordinamento della Chiesa (cann. 793 – 821), in: Apollinaris 68 (1995), S. 51 – 89, bes. S. 82 –
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land und der Republik Österreich für die Katholisch-Theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten geschehen. Diese Fakultäten sind somit also staatliche Einrichtungen und zugleich kirchlich anerkannte Fakultäten, die dem Aufsichtsrecht des jeweiligen Diözesanbischofs unterstehen116. Nur Universitäten oder Fakultäten, die vom Apostolischen Stuhl errichtet oder anerkannt sind, können akademische Grade mit kanonischer Wirkung verleihen (c. 817 CIC/1983). Der Kirchliche Gesetzgeber verweist darauf, dass die Vorschriften der cc. 810, 812 und 813 CIC/1983 für die katholischen Universitäten auch für die kirchlichen Universitäten und Fakultäten gelten (vgl. c. 818 CIC/1983). Es sind dies näherhin Bestimmungen zu Berufung und Abberufung der Dozentinnen und Dozenten (c. 810 CIC/1983), zur Beauftragung zur theologischen Lehre (c. 812 CIC/1983: Nihil obstat; Professio fidei) und zur Studierendenseelsorge (c. 813 CIC/1983; Art. 10 Abs. 3 VatII GE)117. So ist darauf zu achten, dass nur „Dozenten berufen werden, die sich, außer durch wissenschaftliche und pädagogische Eignung, durch Rechtgläubigkeit und untadeliges Leben auszeichnen und daß sie … aus ihrem Amt abberufen werden, wenn die geforderten Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind“ (c. 810 § 1 CIC/1983). Über die Einhaltung der Grundsätze der katholischen Lehre haben die Bischofskonferenz und die beteiligten Diözesanbischöfe zu wachen (c. 810 § 2 CIC/1983). Can. 812 CIC/1983 fordert ausdrücklich den Auftrag zur Lehre durch die zuständige Autorität, c. 820 CIC/1983 die Zusammenarbeit zwischen den Fakultäten und anderen Universitäten, d. h. vor allem interdisziplinäre und interuniversitäre Kooperation. 7. Die Rahmenordnung der Österreichischen Bischofskonferenz für die Ausbildung von Priestern Die österreichische Bischofskonferenz hat für die Ausbildung von Priestern eine Rahmenordnung verabschiedet, die auf die konkreten Erfordernisse der 89; Francisco Javier Urrutia, Ecclesiastical Universities and Faculties (Canons 815 – 821), in: Studia Canonica 23 (1989), S. 459 – 469. 116
Vgl. Mussinghoff / Kahler, Kommentar, in: MK CIC, c. 816, Rdnr. 6 (Stand November 2000). 117
Vgl. Heribert Hallermann, Präsenz der Kirche an der Hochschule. Eine kirchenrechtliche Untersuchung zur Verfasssung und zum pastoralen Auftrag der katholischen Hochschulgemeinden in Geschichte und Gegenwart, München 1996; s. auch Alfred E. Hierold, Schul- und Hochschulseelsorge, in: HdbKathKR2, S. 548 – 550, hier S. 549 f.; Kongregation für das katholische Bildungswesen / Päpstlicher Rat für die Laien / Päpstlicher Rat für die Kultur, Die Präsenz der Kirche an der Universität und in der universitären Kultur, 22. Mai 1994; dt.: VApSt 118, Bonn 1994, S. 3 – 28; vgl. auch Bericht zur Situation der Hochschulpastoral, ebd., S. 29 – 71.
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Priesterausbildung in Österreich Bezug nimmt und mit Datum vom 15. April 1989 in Kraft getreten ist118. a) Bildungsziele Als „Dimensionen der Priesterausbildung“ sieht die Rahmenordnung insbesondere „Menschliche Reifung und geistliches Leben“, „Theologische Bildung“ und „Pastorale Befähigung“ vor (vgl. II. 3 ROÖBK). b) Theologisch-wissenschaftliche Bildung Gemäß den Ausführungen der Österreichischen Bischofskonferenz ist die Theologische Bildung ein „wesentliches Element des priesterlichen Lebens und Dienstes“. Sie soll u. a. dazu befähigen, „Strömungen und Erkenntnisse heutigen Denkens in ihrer Bedeutung für den Glauben zu sehen und andererseits die Erfahrungen und Probleme der heutigen Menschen aus dem Evangelium sachgerecht zu erhellen. Die im Studium erworbene theologische Urteilsfähigkeit ist Voraussetzung für ein verantwortliches Mitwirken in Kirche und Gesellschaft“ (II. 3 b ROÖBK). So soll das Studium dem künftigen Priester vor allem „ein gediegenes und umfassendes Grundwissen in den theologischen Disziplinen vermitteln und ihn befähigen, an der wissenschaftlichen Reflexion verstehend und – entsprechend den späteren Berufsanforderungen – selbständig teilzunehmen und diese Reflexionen für das eigene geistliche Leben sowie für den pastoralen Dienst fruchtbar zu machen“ (III. 2 b ROÖBK). Näherhin werden im ersten Studienabschnitt (1. – 4. Semester) ein theologisches Studium entsprechend den Bestimmungen für die fachtheologische Studienrichtung bis zur Ablegung der ersten Diplomprüfung und für den zweiten Studienabschnitt (5. – 10. Semester) die Vollendung des zweiten Studienabschnittes und der Ab-
118
Vgl. ÖBK, Rahmenordnung (Anm. 108); für Deutschland vgl. Rahmenordnung für die Priesterbildung. Nach Überarbeitung der Fassung vom 1. Dezember 1988 verabschiedet von der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 12. März 2003, approbiert durch Dekret der Kongregation für das Katholische Bildungswesen vom 5. Juni 2003, Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 2004 (= DDB 73), Bonn 2003; bisher: Rahmenordnung für die Priesterbildung. Verabschiedet von der Deutschen Bischofskonferenz in der Vollversammlung vom 13. – 16. Februar 1978. Approbiert von der Kongregation für das katholische Bildungswesen am 9. März 1978 (= DDB 15), Bonn 1978; Rahmenordnung für die Priesterbildung, Nach Überarbeitung der Fassung vom 1. Mai 1978 verabschiedet von der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 23. Februar 1988, Rekognosziert von der Kongregation für Seminare und Studieneinrichtungen am 28. Mai 1988, Datum des Inkrafttretens: 1. Dezember 1988 (= DDB 42), Bonn 1988.
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schluss des Studiums mit der zweiten Diplomprüfung gefordert (vgl. III. 2 c ROÖBK). Ziel des ersten Studienabschnittes ist die „Einführung in das wissenschaftliche Studium“, wobei sich die Studieninhalte der einzelnen Fächer nach dem Studienplan richten (III. 3 a ROÖBK). Im zweiten Studienabschnitt soll der Studierende „die ganze Breite der Aussagen kirchlicher Glaubens- und Sittenlehre kennenlernen, Einsicht in ihre innere Einheit gewinnen und die Lehre der Kirche wie ihre theologische Ausfaltung in sein persönliches Glaubensleben integrieren“ (III. 3 c ROÖBK). Wohl zu Recht wünschen die Österreichischen Bischöfe, auch im Pastoraljahr den „Kontakt mit der wissenschaftlichen Theologie zu halten“ (III. 3 d ROÖBK). Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass sich das Studium nach den staatlich und kirchlich geregelten und anerkannten Bestimmungen für die österreichischen Katholisch-Theologischen Fakultäten richtet (V. ROÖBK). Im Rahmen der Studienordnung 1969 / 1971 erwarten die Österreichischen Bischöfe ergänzend die Vermittlung der folgenden Inhalte: Einführung in das Heilsmysterium (eindeutige Berücksichtigung der Situation der Anfänger, ihres theologischen Wissens und ihrer Glaubenssituation in der Kirche), Vollständigkeit und Koordination der dogmatischen Traktate (Ekklesiologie, dogmatische Sakramententheologie, unter besonderer Berücksichtigung des Ordo), Spirituelle Theologie, im Zuge der pastoraltheologischen, liturgischen, katechetischen Ausbildung die Vorbereitung auf Evangelisation und religiöse Erwachsenenbildung, Vorbereitung auf den Dienst der Versöhnung (Buß- und Beichtpraxis), liturgische Übungen und Gottesdienstgestaltungen, ferner Kirchengeschichte Österreichs, Konsequenzen aus der Einführung des Pädagogikums, Einführung in die kirchliche Kunst (V. ROÖBK). Wenngleich im Vorwort der Rahmenordnung festgestellt wird, dass die vorliegende „Ratio nationalis“ für die Priesterausbildung in den österreichischen Diözesen „eine Übernahme der ‚Rahmenordnung für die Priesterbildung‘, die von der Deutschen Bischofskonferenz auf ihrer Vollversammlung vom 13. – 16. Februar 1978 verabschiedet“ wurde, ist, so zählt die Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz im Unterschied zur österreichischen die Disziplinen auf, die es zu studieren und auch in der Abschlussprüfung nachzuweisen gilt. Ebenso erfolgt eine Festlegung der jeweiligen Studienziele sowie der Studien- und Prüfungsinhalte. Die Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz macht auch darauf aufmerksam, dass die Intention, bei der Vielzahl der Fächer die Einheit der Theologie zu finden, nicht allein Aufgabe der einzelnen Studierenden sein kann, sondern zusätzlich in fächerübergreifenden Lehrveranstaltungen deutlich werden muss. Erkennbar wird auch das Anliegen einer „Theologie im Dialog“ sowie jenes eines Einführungskurses zu Beginn des Studiums119.
119 Vgl. im Einzelnen Deutsche Bischofskonferenz, Rahmenordnung 1978 (Anm. 118); ebenso dies., Rahmenordnung 2003 (Anm. 118).
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Auch wenn in den kirchlichen Dokumenten die Priesterausbildung im Vordergrund steht, so müssen sich die erhobenen Forderungen weithin auch auf die universitäre Ausbildung der angehenden Theologinnen und Theologen im pastoralen Dienst sowie auf jene der Religionslehrerinnen und -lehrer120 an den Katholisch-Theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten erstrecken. III. Die Entwicklung theologischer Studien und ihrer Studienpläne in Österreich 1. Geschichtlicher Rückblick Das Studium der Theologie hat in Österreich in wechselnden Epochen durchaus unterschiedliche Entwicklungen genommen. Es wurde im 16. und 17. Jahrhundert ebenso wie in Deutschland überwiegend von den Jesuiten getragen. Unter Maria Theresia (1740 – 1780) und insbesondere unter Joseph II. (1780 – 1790) ist es staatlicherseits weitgehend „aus josephinischem Geist“ geordnet worden121. Die Universitäten verloren ihre Autonomie und wurden zu Einrichtungen des Staates. Auch im Blick auf die Theologie an den Universitäten erfolgte eine „weitreichende obrigkeitliche Reglementierung … durch zentrale staatliche Stellen“122. Näherhin erließ Maria Theresia im Rahmen der von ihr durchgeführten Universitätsreform am 25. Juni 1752 auch eine Ordnung für das Studium der Theologie123. Unzufriedenheit mit dieser Studienordnung und die 120
Vgl. Rahmenordnung für Religionslehrer der österreichischen Diözesen (c. 804 CIC), in: Abl. ÖBK Nr. 22, 20. Mai 1998, S. 10 – 13; ferner auch Anstellungsvoraussetzungen der einzelnen Diözesen; für Innsbruck: http://praktheol.uibk.ac.at/teilkirchenrecht/. 121
So Schwendenwein, Staatskirchenrecht (Anm. 66), S. 559; zum josephinischen Erbe vgl. Peter Leisching, Die römisch-katholische Kirche in Cisleithanien, in: Adam Wandruszka / Peter Urbanitsch (Hrsg.), Die Habsburger Monarchie 1848 – 1918, Bd. 4: Die Konfessionen, Wien 1985, S. 1 – 247, hier S. 3 – 15; vgl. insgesamt, Rees, Theologische Fakultäten (Anm. 66), S. 446 f.; zum Eherecht dieser Zeit vor allem Johannes Mühlsteiger, Der Geist des josephinischen Eherechtes (= Forschungen zur Kirchengeschichte Österreichs, Bd. 5, Josephinische Abteilung), Wien und München 1967. 122
Vgl. Hugo Schwendenwein, Jesuitenuniversität und Theologische Fakultät im Spannungsfeld zwischen Kirche und Staat, in: Tradition und Herausforderung. 400 Jahre Universität Graz. Hrsg. von Kurt Freisitzer / Walter Höflechner / Hans-Ludwig Holzer / Wolfgang Mantl, Graz 1985, S. 143 – 155; abgedr. in: ders., Jus et Justitia (Anm. 73), S. 427 – 463, hier S. 430. 123
Die Studienordnung ist abgedruckt bei Hermann Zschokke, Die theologischen Studien und Anstalten der katholischen Kirche in Österreich. Aus Archivalien, Wien und Leipzig 1894, S. 15 – 25; vgl. insgesamt ebd., S. 13 – 30; ferner auch Johann Haring, Das Lehramt der katholischen Theologie. Festschrift der Grazer Universität für 1926, Graz 1926, S. 23 – 25.
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mit der Aufhebung des Jesuitenordens (1773) verbundene neue Situation, die besonders auch die Theologischen Fakultäten traf, führten zu einer weiteren Reform, die in dem von Stephan Rautenstrauch konzipierten Studienplan, den Maria Theresia trotz verschiedener Einwände und Bedenken am 3. Oktober 1774 als Verfassung der theologischen Fakultäten kundgemacht hatte, ihren Ausdruck und Abschluss fand124. Joseph II. (1780 – 1790) errichtete Generalseminare, die anstelle der bischöflichen Priesterseminare und der entsprechenden Lehranstalten der Klöster die Ausbildung der Priesteramtskandidaten übernahmen125. Unter Leopold II. wurde am 7. September 1790 ein neuer Studienplan in Kraft gesetzt. „Das Studium, das unter Joseph II. auf drei Jahre, zu denen allerdings ein praktisches Seminarjahr kam, verkürzt worden war, wurde wieder auf vier Jahre ausgedehnt, wobei das praktische Seminarjahr in die vier Jahre einbezogen war“126. Infolge der Ereignisse des Jahres 1848 setzte sich, wie Hugo Schwendenwein betont, „jenes Grundprinzip durch, das die staatsfreie Sphäre der Kirche und die Autonomie der Universität wieder deutlich werden ließ“127. § 2 des kaiserlichen Patents vom 4. März 1849 (RGBl. Nr. 151), über die durch die konstitutionelle Staatsverfassung gewährleisteten politischen Rechte, in dem den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften das Recht zur Ordnung und Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten zugesprochen wurde, bildete in der Folgezeit den Ausgangspunkt für die Regelung des Studiums der katholischen Theologie und der Einrichtungen der katholisch-theologischen 124
Vgl. Haring, Lehramt (Anm. 123), S. 26 – 28; Zusammenfassung des Lehrplans, ebd., S. 27 f.; s. auch Zschokke, Studien (Anm. 123), S. 31 – 48. 125
Vgl. Inge Gampl, Staat – Kirche – Individuum in der Rechtsgeschichte Österreichs zwischen Reformation und Revolution (= Wiener Rechtsgeschichtliche Arbeiten, Bd. 15), Wien / Köln / Graz 1984, S. 80; zu Innsbruck vgl. Emerich Coreth, Die Theologische Fakultät Innsbruck. Ihre Geschichte und wissenschaftliche Arbeit von den Anfängen bis zur Gegenwart. Der Theologischen Fakultät Innsbruck zum 50-jährigen Gedenken ihrer Wiedererrichtung 1945 gewidmet (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 212), Innsbruck 1995, bes. S. 47 – 51; insgesamt Zschokke, Studien (Anm. 123), S. 48 – 66. 126
Schwendenwein, Jesuitenuniversität (Anm. 122), S. 435; für den Zeitraum von 1790 bis 1850 vgl. Zschokke, Studien (Anm. 123), S. 66 – 78; Studienplan bei Haring, Lehramt (Anm. 123), S. 30 f. 127
So Schwendenwein, Spannungsfeld (Anm. 73), S. 606. Gemäß dem Vortrag des Ministers für Cultus und Unterricht, Graf Leo Thun und Hohenstein, an den Kaiser vom 13. April 1850 sollten die Theologischen Fakultäten als Bestandteil der Universitäten nicht aus dieser Verbindung herausgelöst werden und andererseits die allgemeinen staatlichen Gesetze, besonders bei der Bestellung der Lehrpersonen, gewahrt bleiben. Vgl. Beilage zu RGBl. II Nr. 157 / 1850; Schwendenwein, Jesuitenuniversität (Anm. 122), S. 432; Zschokke, Studien (Anm. 123), S. 78 – 103.
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Lehranstalten und Fakultäten128. Die neue Entwicklung im Verhältnis von Staat und Kirche, die sich mit dem Regierungsantritt von Kaiser Franz Joseph I. am 2. Dezember 1848 abgezeichnet hatte, führte zum Abschluss des Konkordats zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl vom 25. September 1855 (RGBl. Nr. 195) (= ÖK 1855)129. Art. VI ÖK 1855 bestimmte, dass niemand Theologie, Katechetik oder Religionslehre ohne Sendung und Ermächtigung des Bischofs vortragen konnte. Sendung und Ermächtigung konnten entzogen werden, sofern der Bischof es für zweckmäßig hielt. Zudem wurden durch das Konkordat die bischöflichen Seminare aufrechterhalten (Art. XVII ÖK 1855). Die Erwartungen der österreichischen Bischöfe an das Studium der Theologie und die Priesterausbildung, die in den diesbezüglichen Beschlüssen der Wiener Bischofsversammlung des Jahres 1849 zum Ausdruck kamen, wurden in der Verordnung des Ministers für Cultus und Unterricht vom 30. Juni 1850 (RGBl. Nr. 319) veröffentlicht130. Aufgrund des Wunsches des Kaisers fand im Jahre 1856 erneut eine Versammlung der österreichischen Bischöfe statt. Die Beschlüsse, die das theologische Studium betrafen, gingen mit Blick auf das Konkordat aufgrund allerhöchster Entschließung vom 8. März 1858 in die Verordnung des Ministers für Cultus und Unterricht vom 29. März 1858 (RGBl. Nr. 50) ein131.
128
Vgl. Felix Ermacora (Hrsg.), Österreichisches Hochschulrecht (= Handausgabe österreichischer Gesetze und Verordnungen, Neue Folge, Gruppe III, Bd. 16), Wien 1956, S. 345 f. 129
Zu den einzelnen Phasen der Konkordatsverhandlungen vgl. Weinzierl-Fischer, Konkordate (Anm. 67), S. 60 – 81; Leisching, Kirche (Anm. 121), S. 25 – 34. 130
Vgl. Verordnung des Ministers für Cultus und Unterricht vom 30. Juni 1850 (RGBl. Nr. 319), die katholisch-theologischen Diözesan- und Klosterlehranstalten und Fakultäten betreffend. Die Verordnung ist abgedr. in: Johann Haring, Einführung in das Studium der Theologie, Graz 1911, S. 51 – 55; Zschokke, Studien (Anm. 123), S. 82 – 85; ebenso bei Ermacora, Hochschulrecht 1956 (Anm. 128), S. 364 – 371. Siehe zum Ganzen auch Haring, Lehramt (Anm. 123), S. 35 – 46; Leisching, Kirche (Anm. 121), S. 107 – 114; zur Wiener Bischofsversammlung von 1849 s. Leisching, Kirche (Anm. 121), S. 22 – 24; ders., Die Bischofskonferenz. Beiträge zu ihrer Rechtsgeschichte, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Entwicklung in Österreich (= Wiener Rechtsgeschichtliche Arbeiten, Bd. VII), Wien und München 1963, S. 126 – 149; vgl. auch den Erlass des Ministers für Cultus und Unterricht vom 16. September 1851 (RGBl. Nr. 216), womit die Anwendung der Allgemeinen Anordnungen vom 1. Oktober 1850 über die Fakultätsstudien auf die Studierenden der Theologie näher bestimmt ist; abgedr. in: Ermacora, Hochschulrecht 1956 (Anm. 128), S. 372 – 378. 131
Verordnung des Ministers für Cultus und Unterricht vom 29. März 1858 (RGBl. Nr. 50), die Durchführung der Artikel VI und XVII des Konkordates bezüglich der theologischen Studien betreffend; abgedr. in: Haring, Einführung (Anm. 130), S. 61 – 66; Ermacora, Hochschulrecht 1956 (Anm. 128), S. 378 – 385; vgl. Zschokke, Studien (Anm. 123), S. 91 – 95.
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Im Jahre 1870 erfolgte die einseitige Aufkündigung des Konkordats von 1855 durch Österreich. § 30 des Gesetzes vom 7. Mai 1874 (RGBl. Nr. 50) kündigte zwar für die Katholisch-theologischen Fakultäten ein besonderes Gesetz an. Eine solche Regelung ist jedoch nicht bzw., worauf Hugo Schwendenwein ausdrücklich hinweist, erst im so genannten Theologengesetz von 1969 zustande gekommen132. Auf einer Konferenz der KatholischTheologischen Fakultäten und der bischöflichen Lehranstalten, die von den österreichischen Bischöfen veranlasst wurde und am 4. Jänner 1926 in Wien stattfand, wurden Leitsätze für das vierjährige Studium der Theologie verabschiedet133. Das Konkordat zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl von 1933 / 34 wandte sich in Artikel V erneut den Theologischen Fakultäten zu134. Diese Bestimmungen wurden zwischen 1938 und 1945 weithin verdrängt135 und erst durch die 16. Kundmachung über die Aufhebung von Rechtsvorschriften des Deutschen Reiches (StGBl. Nr. 75) für den innerstaatlichen Bereich wieder in Geltung gesetzt136. 2. Neuere organisations- und studienrechtliche Entwicklung Nach Entstehen der Zweiten Republik hat das Bundesgesetz über die Organisation der wissenschaftlichen Hochschulen (Hochschul-Organisationsgesetz = H.-OG.) vom 13. Juli 1955 (BGBl. Nr. 154 / 1955) „die seit langem dringend notwendig gewordene Übersicht, Systematik und Konzentration des österreichischen Hochschulorganisationsrechtes gebracht“137. Es war, wie Harald Wal132
Vgl. Schwendenwein, Staatskirchenrecht (Anm. 66), S. 560; ders., Jesuitenuniversität (Anm. 122), S. 438, mit Anm. 65. 133 Vgl. hierzu und zu den Studienplänen der Theologischen Lehranstalten in Österreich Haring, Lehramt (Anm. 123), S. 42 – 46; vgl. auch Beschlüsse der Generalversammlung des österreichischen Episkopates zu Wien am 13. November 1901, mitgeteilt mit Erlass des Ministers für Kultus und Unterricht vom 21. März 1902, Z. 35.944; abgedr. bei Haring, Einführung (Anm. 130), S. 67 – 71. 134
Vgl. oben I.6; ferner auch Rees, Theologische Fakultäten (Anm. 66), S. 451 – 454.
135
Vgl. Klaus Scholder, Österreichisches Konkordat und nationalsozialistische Kirchenpolitik 1938 / 39, in: ZevKR 20 (1975), S. 230 – 243; ferner auch Rees, Schicksal (Anm. 71). 136 Kundmachung der Provisorischen Staatsregierung vom 20. Juli 1945 (StGBl. Nr. 75), über die Aufhebung der deutschen Rechtsvorschriften auf dem Gebiete des Hochschulwesens (16. Kundmachung über die Aufhebung von Rechtsvorschriften des Deutschen Reiches); abgedr. in: Ermacora, Hochschulrecht 1956 (Anm. 128), S. 15 – 17. 137
Ermacora, Hochschulrecht 1956 (Anm. 128), S. 17; Text des Bundesgesetzes über die Organisation der wissenschaftlichen Hochschulen (Hochschul-Organisationsgesetz)
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ser bemerkt, „im wesentlichen eine Fortschreibung des alten Gesetzes aus dem Jahr 1873 und garantierte die akademische Selbstverwaltung, Universitätsautonomie und die grundsätzliche Lehr- und Lernfreiheit“138. Die Neuordnung des Hochschulrechts in Österreich im Bundesgesetz über die Studien an wissenschaftlichen Hochschulen (= Allgemeines Hochschulstudiengesetz – AHStG) vom 15. Juli 1966 (BGBl. Nr. 177 / 1966)139, das am 1. Oktober 1966 in Kraft getreten ist, leitete eine umfassende Neuordnung der theologischen Studien in Österreich ein, die zugleich durch kirchliche Neuerungen infolge des Zweiten Vatikanischen Konzils angezeigt schien. § 45 Abs. 2 AHStG verwies mit aller Deutlichkeit darauf, dass die Bestimmungen des Konkordats über das Studium der Katholischen Theologie unberührt bleiben. Die Reformbemühungen führten zum Bundesgesetz über katholisch-theologische Studienrichtungen (Katholisch-Theologisches Studiengesetz – KathTheolStudRichtG) vom 10. Juli 1969 (BGBl. Nr. 293 / 1969)140. Aufgabe und Absicht dieses Gesetzes war es, „im Rahmen der staatlichen Rechtsordnung die Anpassung des Studiums der katholischen Theologie an das System des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes in formeller Hinsicht sowie an die im Allgemeinen Hochschulstudiengesetz niedergelegten Grundsätze und Ziele der Hochschulstudien im Sinne einer Neugestaltung des Studiums der katholischen Theologie nach modernen Grundsätzen
vom 13. Juli 1955 (BGBl. Nr. 154 / 1955) mit Kommentar, ebd., S. 20 – 78; vgl. Carl Holböck, Die Hochschulreform in Österreich, in: Ecclesia et ius. Festgabe für Audomar Scheuermann zum 60. Geburtstag. Dargebracht von seinen Freunden und Schülern. Hrsg. von Karl Siepen / Joseph Weitzel / Paul Wirth, München, Paderborn, Wien 1968, S. 727 – 743, hier S. 727 – 733. 138
Harald Walser, Schule und Universität im Bundesland Tirol, in: Handbuch zur Neueren Zeitgeschichte Tirols, Bd. 2: Zeitgeschichte. Hrsg. von Anton Pelinka / Andreas Maislinger, 2. Teil: Wirtschaft und Kultur, Innsbruck 1993, S. 405 – 441, hier S. 440. 139
Bundesgesetz über die Studien an wissenschaftlichen Hochschulen (= Allgemeines Hochschulstudiengesetz – AHStG) vom 15. Juli 1966 (BGBl. Nr. 177 / 1966); Textauszug bei Gampl / Potz / Schinkele, Staatskirchenrecht (Anm. 67), Bd. II, Nr. 33.3.1, S. 452 f.; dazu Holböck, Hochschulreform (Anm. 137), S. 733 – 742. 140
Bundesgesetz über katholisch-theologische Studienrichtungen (KatholischTheologisches Studiengesetz – KathTheolStudRichtG) vom 10. Juli 1969 (BGBl. Nr. 293 / 1969); Text in: Gampl / Potz / Schinkele, Staatskirchenrecht (Anm. 67), Bd. II, Nr. 33.4.2, S. 469 – 492; zur Neuordnung des österreichischen Theologiestudiums in den Jahren 1969 bis 1972 s. insbesondere Hugo Schwendenwein, Grundfragen der Entwicklung des Theologischen Studienrechtes in Österreich seit Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Domus Austriae. Eine Festgabe. Hermann Wiesflecker zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Walter Höflechner / Helmut J. Mezler-Andelberg / Othmar Pickl, Graz 1983, S. 371 – 380; abgedr. in: ders., Jus et Justitia (Anm. 73), S. 362 – 381, hier S. 371 – 373; ders., Staatskirchenrecht (Anm. 66), S. 562 f.; ders., Aktuelle Rechtsfragen theologischer Fakultäten in Österreich 1969 – 1993, in: FS Schmitz (Anm. 3), S. 477 – 495.
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vorzunehmen“141. Im Einzelnen gliederte sich das Studium an den KatholischTheologischen Fakultäten in Österreich in die fachtheologische Studienrichtung, die religionspädagogischen Studienrichtungen, und zwar die selbständige religionspädagogische und die kombinierte religionspädagogische Studienrichtung, sowie in die philosophische Studienrichtung (§ 1 Abs. 2 KathTheolStudRichtG). Die Verordnungen des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 18. Februar 1971 brachten für die theologischen Studienrichtungen neue Studienordnungen142. Das Bundesgesetz vom 11. April 1975 über die Organisation der Universitäten (Universitäts-Organisationsgesetz – UOG) (BGBl. Nr. 258 / 1975 = UOG 1975)143 leitete in organisatorischer Hinsicht tief greifende Veränderungen an den staatlichen Universitäten in Österreich ein. Diese betrafen die Wahl des
141
Gampl / Potz / Schinkele, Staatskirchenrecht (Anm. 67), Bd. II, S. 467.
142
Vgl. Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Verordnung vom 18. Februar 1971 über eine Studienordnung für die fachtheologische Studienrichtung und für die selbständige religionspädagogische Studienrichtung (Fachtheologische-Religionspädagogische-Studienordnung – FachTheol-RelpädStudO) (BGBl. Nr. 86 / 1971); ders., Verordnung vom 18. Februar 1971 über eine Studienordnung für die kombinierte religionspädagogische Studienrichtung (Kombinierte Religionspädagogische-Studienordnung – KomRelPädStudO) (BGBl. 87 / 1971); ders., Verordnung vom 18. Februar 1971 über eine Studienordnung für die philosophische Studienrichtung und für das Studium zur Erwerbung des Doktorats der Philosophie an katholisch-theologischen Fakultäten (Philosophisch-Theologische Studienordnung – PhilTheolStudO) (BGBl. Nr. 88 / 1971); zum Doktoratsstudium s. ders., Verordnung vom 18. Februar 1971 über eine Studienordnung für das Studium zur Erwerbung des Doktorats der Theologie an den Katholisch-Theologischen Fakultäten (Katholisch-Theologische Doktorats-Studienordnung – KathTheolDoktStudO) (BGBl. Nr. 89 / 1971); Texte bei Gampl / Potz / Schinkele, Staatskirchenrecht (Anm. 67), Bd. II, Nr. 33.4.2.1, S. 492 – 502; Nr. 33.4.2.2, S. 502 – 510; Nr. 33.4.2.3, S. 510 – 520; Nr. 33.4.2.4, S. 520 – 524; zu den katholischtheologischen Studienrichtungen und zur philosophischen Studienrichtung an katholisch-theologischen Fakultäten s. auch Schwendenwein, Das staatliche theologische Studienrecht in Österreich, in: Theologia et ius canonicum. Festgabe für Heribert Heinemann zur Vollendung seines 70. Lebensjahres. Hrsg. von Heinrich J. F. Reinhardt, Essen 1995, S. 339 – 354, hier S. 344 – 350; zum Studium der evangelischen Theologie, ebd., S. 350 – 354. 143
Bundesgesetz vom 11. April 1975 über die Organisation der Universitäten (Universitäts-Organisationsgesetz – UOG) (BGBl. Nr. 258 / 1975); Text in: Babette Klemmer / Christine Perle, Universitätsrecht (= Kodex des Österreichischen Rechts), Wien 1998, S. 1 – 76; auszugsweise bei Gampl / Potz / Schinkele, Staatskirchenrecht (Anm. 67), Bd. II, Nr. 33.2.1, S. 444 – 450; vgl. Schwendenwein, Rechtsfragen (Anm. 140), S. 487 – 491; ders., Die Theologischen Fakultäten (Anm. 78), S. 91; ders., Zukunftsperspektiven (Anm. 78), S. 225 f.
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Dekans durch das Fakultätskollegium, das sich nunmehr nicht nur aus Professoren, sondern auch aus Mitgliedern des so genannten Mittelbaus, aus Vertreterinnen und Vertretern der Studierenden und des nichtwissenschaftlichen Personals zusammensetzte. Über § 69 UOG 1975 hinaus, der betonte, dass das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich durch dieses Bundesgesetz nicht berührt werde, räumte § 114 UOG 1975 den Mitgliedern der Kollegialorgane der Katholisch-theologischen Fakultäten, soweit sie Universitätsprofessorinnen bzw. Professoren waren oder die Lehrbefugnis als Universitätsdozentinnen und Dozenten besaßen, die Befugnis zur Korrektur von Fakultätsbeschlüssen, die dem Konkordat widersprachen, ein. Erneute Veränderungen ergaben sich durch das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten vom 26. November 1993 (BGBl. 805 / 1993 = Universitätsorganisationsgesetz / UOG 93)144 (= UOG 1993). Dieses Gesetz hat, wie Hugo Schwendenwein bemerkt, „verschiedene Probleme für die theologischen Fakultäten gebracht“. Als „eine der Hauptursachen“ dieser Probleme sieht er die „Ausweitung der Autonomie der Universität“ und die „Stärkung der Position gesamtuniversitärer Organe bzw. des Rektors“145. Das UOG 1993 qualifizierte die Universitäten als Einrichtungen des Bundes, denen eine auf privatwirtschaftliche Tätigkeiten beschränkte Teilrechtsfähigkeit zukommen sollte (§§ 2 – 4 UOG 1993). Letztendlich verfolgte das UOG 1993 das Ziel, die Autonomie der Universitäten auszubauen. Aufgrund des bestehenden Konkordats betonte § 73 UOG 1993, ebenso wie bereits § 69 UOG 1975, im Blick auf die Katholisch-Theologischen Fakultäten ausdrücklich den Vorrang der konkordatären Bestimmungen. § 88 Abs. 4 UOG 1993 bot, ebenso wie bereits § 114 UOG 1975, die Möglichkeit zur Korrektur konkordatswidriger Fakultätsbeschlüsse. Erlass und Abänderung der Studienpläne wurden den jeweiligen Studienkommissionen übertragen (vgl. §§ 41 – 43 UOG 1993, hier § 41 UOG 1993). 144 Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten vom 26. November 1993 (BGBl. 805 / 1993 = Universitätsorganisationsgesetz / UOG 93); Text und Kommentar: UOG 1993 (Universitäts-Organisationsgesetz). Hrsg. von Gerald Bast (= Manzsche Gesetzesausgaben – Sonderausgabe Nr. 45 a), 2. Aufl., Wien 1998; Die Universität nach dem UOG 1993. Senat, Ressourcenverteilung, Mittelbau, Controlling, Aufsicht. Hrsg. von Rudolf Strasser (= Beiträge zum Universitätsrechts, Bd. 19), Wien 1996; UOG. Universitätsorganisationsgesetz 1993. Hrsg. von Mario Kostal, Wien 1993; Universitätsorganisationsgesetz (UOG) samt den wichtigsten Durchführungserlassen, ausführlichen Anmerkungen und Rechtsprechungsverweisen nach dem Stand vom 30. September 1984. Hrsg. von Felix Ermacora (= Manzsche Gesetzesausgaben – Sonderausgabe Nr. 45), 3. Aufl., Wien 1985; vgl. Schwendenwein, Rechtsfragen (Anm. 140), S. 492 – 495; ders., Die Theologischen Fakultäten (Anm. 78), S. 92 f.; ders., Zukunftsperspektiven (Anm. 78), S. 226 f. 145
Schwendenwein, Die Theologischen Fakultäten (Anm. 78), S. 92; ders., Zukunftsperspektiven (Anm. 78), S. 226.
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Ein neues Universitäts-Studiengesetz ist mit dem Bundesgesetz über Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz – UniStG) vom 25. April 1997 (BGBl. I Nr. 48 / 1997) (= UniStG 1997) am 1. August 1997 in Kraft getreten (vgl. § 74 Abs. 1 UniStG 1997)146. Es löste das Allgemeine Hochschulstudiengesetz aus dem Jahr 1966 und in Bezug auf die Katholisch-Theologischen Fakultäten auch das Bundesgesetz über die katholischen Studienrichtungen (KathTheolStudRichtG) ab. Es galt, neue Studienpläne zu erlassen. Näherhin bestimmte § 77 Abs. 1 und 3 UniStG 1997: „Die Studienkommissionen haben die Studienpläne auf Grund dieses Bundesgesetzes so zeitgerecht zu beschließen, dass sie spätestens mit 1. Oktober 2002 in Kraft treten… Wenn ein Studienplan nicht fristgerecht verlautbart wurde, ist die Studienrichtung an der betreffenden Universität oder Hochschule aufgelassen.“ § 13 UniStG 1997 enthielt Vorgaben für die inhaltliche Gestaltung der Studienpläne für Diplomstudiengänge. In Ausführung dieser Bestimmungen sind an den KatholischTheologischen Fakultäten der staatlichen Universitäten in der Republik Österreich neue Studienpläne erarbeitet worden und mit dem Wintersemester 2002 / 03 in Kraft getreten. Sie basieren auf der Grundlage des UOG 1993 und des UniStG 1997. Für die Katholisch-Theologische Fakultät der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck waren es die Studienpläne „Diplomstudium der katholischen Fachtheologie“, „Diplomstudium der katholischen Religionspädagogik“, „Lehramtstudium im Unterrichtsfach Katholische Religion“ und „Doktoratsstudium der Katholischen Theologie (http://www.uibk.ac.at/c/c2/theol)147. Mit diesen Studienplänen wurden die Studienrichtungen neu organisiert, eine Studieneingangsphase (STEP), in der eine Einführung in das Christentum und in die katholische Theologie in interdisziplinärer Kooperation verschiedener Fachvertreterinnen und -vertreter erfolgt, eingeführt, der 1. Studienabschnitt auf sechs Semester verlängert und dabei zugleich der 2. Studienabschnitt auf vier Semester verkürzt und ein Bakkalaureatsstudium ermöglicht. In Umsetzung dieser Möglichkeit hatte die Katholisch-Theologische Fakultät der Leopold-
146 Bundesgesetz über Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz – UniStG) vom 25. April 1997 (BGBl. I 48 / 1997); dazu Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz). Herausgegeben, zusammengestellt und mit Anmerkungen versehen von Werner Hauser / Mario Kostal, Wien 1997; UniStG (Universitäts-Studiengesetz). Hrsg. von Gerald Bast / Ewald Langeder (= Manzsche Gesetzesausgaben – Sonderausgaben Nr. 93), Wien 1997; Universitätsstudiengesetz. Bearbeitet von Babette Klemmer / Christine Perle (= Kodex des Österreichischen Rechts), Wien 1997. 147
Für Salzburg vgl. vor allem die detaillierte Abhandlung von Johann Hirnsperger, Die Studien an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Paris-Lodron-Universität Salzburg nach der jüngsten Reform des Studienrechts, in: Recht in Kirche und Staat. Joseph Listl zum 75. Geburtstag. Hrsg. von Wilhelm Rees (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 48), Berlin 2004, S. 657 – 682.
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Franzens-Universität Innsbruck als erste und damals einzige Fakultät im deutschsprachigen Raum die Umwandlung des Diplomstudiengangs der Katholischen Religionspädagogik in ein Bakkalaureatsstudium und ein darauf aufbauendes Magisterstudium der katholischen Religionspädagogik beantragt. Der Studienplan „Bakkalaureats- und Magisterstudium Katholische Religionspädagogik“ ist mit 2003 in Kraft getreten (http://www.uibk.ac.at/c/c2/theol). Mit der Einführung der neuen Studienpläne verfolgte die Katholisch-Theologische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität vier wesentliche Anliegen148: Sie wollte den heutigen Studierenden gerecht werden, die bisher angebotenen Studienrichtungen unter Beibehaltung eines gemeinsamen Grundstocks (Basisstudium) differenzieren, die Chance des Bakkalaureats nützen und trotz verkürzten Semesterwochenstunden dennoch eine große Vielfalt an Fächern und Themen anbieten. So kennzeichnen die neuen Studienpläne ein gemeinsames Basisstudium für alle Studienrichtungen (mit Ausnahme des Doktoratsstudiums), auf dem für die jeweilige Studienrichtung eine unterschiedlich gestaltete Vertiefung aufbaut, ferner die (Vertiefungs-)module, die ECTS-Punkte – European Credit Transfer System –, die den Arbeitsaufwand der Studierenden durch so genannte Creditpoints dokumentieren. Die Kongregation für die Seminare und Studieneinrichtungen hat diesen Studienplänen „ad experimentum“ auf fünf Jahre die Approbation erteilt. Eine neue Entwicklung im Blick auf Universitäten und Fakultäten zeichnet sich mit dem Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) (BGBl. I Nr. 120 / 2002 = UnivG 2002)149 ab, das am 1. Oktober 2002 in Kraft trat. Mit Abschluss des Implementierungsprozesses, d. h. gemäß Art. 121 § 1 UnivG 2002 vom 31. Dezember 2003150, sind die Bestimmungen des UOG 1993 (und des Bundesgesetzes über die Or-
148
Vgl. hierzu und zum Folgenden Józef Niewiadomski, Aufbruch in das dritte Jahrtausend. Zu den umfassenden Reformen an der Theologischen Fakultät Innsbruck, in: Korrespondenzblatt des Canisianums. Heft 1 des Studienjahres 2002 / 2003, Jahrgang 136, Innsbruck 2003, S. 2 – 7, hier S. 3; im Blick auf Veränderungen vgl. auch Andréa Belliger, eLearning – Die Zukunft der universitären Lehre. Szenarien der theologischen Aus- und Weiterbildung, in: Loretan, Theologische Fakultäten (Anm. 17), S. 173 – 190. 149 Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) (BGBl. I Nr. 120 / 2002); dazu Universitätsgesetz 2002. Gesetzestext, Materialien, Erläuterungen und Anmerkungen. Hrsg. von Martha Seböck, Wien 2002; Mario Kostal, Universitätsgesetz 2002, Wien 2002; s. auch Studienpläne 2002. Positionen und Perspektiven der Reformdiskussion. Eine Tagung der Universität Wien „Studienpläne nach UniStG“ am 20. / 21. November 1998. Hrsg. von der Universität Wien – Logistisches Zentrum und Heide Pfennigbauer, Wien 1999. 150 Dieser Termin konnte jedoch von den einzelnen Universitäten zum großen Teil nicht eingehalten werden.
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ganisation der Universitäten der Künste = KUOG; BGBl. I Nr. 130 / 1998) sowie des UniStG 1997 außer Kraft getreten. Für die gegenwärtige Weiterentwicklung der Studienpläne der Katholisch-Theologischen Fakultäten ist daher das Universitätsgesetz 2002 verbindlich. § 1 UnivG 2002 umschreibt die Ziele der Universitäten. § 54 Abs. 1 UnivG 2002 berechtigt die Universitäten, Diplom-, Bakkalaureats-, Magister- und Doktoratsstudien einzurichten. Der Arbeitsaufwand für die Bakkalureatsstudien hat 180 ECTS-Anrechnungspunkte, für Magisterstudien mindestens 120 ECTS-Anrechnungspunkte (§ 54 Abs. 3 UnivG 2002) und für Doktoratsstudien mindestens 120 ECTS-Anrechnungspunkte (§ 54 Abs. 4 UnivG 2002) zu betragen. Allgemein sind Curricula vor der Beschlussfassung dem Rektorat und dem Universitätsrat, Curricula theologischer Studien auch den zuständigen kirchlichen Stellen zur Stellungnahme zuzuleiten (§ 54 Abs. 5 UnivG 2002). Für die pädagogische und fachdidaktische Ausbildung in Lehramtsstudien wird gefordert, dass in den Curricula unbeschadet der schulpraktischen Ausbildung 20 bis 25 vH des gesamten Arbeitspensums für das jeweilige Unterrichtsfach vorzusehen sind (§ 54 Abs. 6 UnivG 2002). § 124 UnivG 2002 enthält Übergangsbestimmungen für das Studienrecht. Neben Teil II des UnivG 2002 mit dem Studienrecht beziehen sich Teil I auf die Organisation der Universitäten und Teil III auf deren Angehörige; darüber hinaus enthalten Teil IV das Personalrecht, Teil V Strafbestimmungen, Teil VI Bestimmungen zu Liegenschaften, Bauwerken, Räumlichkeiten und Teil VIII Übergans- und Schlussbestimmungen. Auffallend ist, dass die herkömmlichen Fakultätsgliederungen nicht mehr vorgesehen sind. „Doch werden“, wie Hugo Schwendenwein zu Recht betont, „die theologischen Fakultäten vom österreichischen Konkordat, das Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung ist, als Einheiten der Universitätsorganisation betrachtet“151. Von daher bestehen an allen staatlichen Universitäten die bisherigen Einrichtungen nach wie vor als Theologische Fakultäten allerdings mit neuen Instituts- bzw. Fachbereichsgliederungen fort bzw. wurden also solche (wieder)errichtet (http://uibk.ac.at/c/c2/theol). Das Habilitationsverfahren gestaltet sich nunmehr nach § 103 UnivG 2002. Zusätzlich ist Nr. 9 AkkommDekrÖ zu berücksichtigen (vgl. Art. V § 3 ÖK), wo ausdrücklich auf die von der Österreichischen Bischofskonferenz erlassenen Normen verwiesen wird. Bei Berufungsverfahren für Universitätsprofessorinnen und -professoren sind die Richtlinien des § 98 UnivG 2002 (vgl. § 41 – 44 UnivG 2002) verbindlich152. Ähnlich wie bereits die dem UnivG 2002 vorausgehende Gesetzgebung (vgl. § 45 Abs. 2 AHStG; § 18 Abs. 2 KathTheol StudRichtG; § 69 UOG 1975; § 73 UOG 1993; ferner auch Novelle zum Beamtendienstrecht, BGBl. 148/1988) verweist auch § 38 Abs. 1 UnivG 2002 auf den Vorrang des Österreichischen Konkordats: 151 Schwendenwein, Die Theologischen Fakultäten (Anm. 78), S. 94; ders., Zukunftsperspektiven (Anm. 78), S. 229. 152
Vgl. im Einzelnen Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht (Anm. 68), S. 478 – 484.
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„Die Universitäten, deren Wirkungsbereich sich auch auf Studien der Katholischen Theologie erstreckt, haben bei der Gestaltung ihrer inneren Organisation und der Studienvorschriften sowie bei der Sicherstellung des Lehr- und Forschungsbetriebs das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich, BGBl. II Nr. 2 / 1934, zu beachten. Die Verpflichtung zur Einholung der Zustimmung gemäß Art. V § 3 und zu einer allfälligen Enthebung von der Ausübung der Lehrbefugnis gemäß Art. V § 4 obliegt der Rektorin oder dem Rektor.“
Für den gegenwärtigen Rechtsstatus der Katholisch-Theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten in Österreich verdient Beachtung, was Herbert Kalb, Richard Potz und Brigitte Schinkele zu Recht hervorheben: „In einer Zusammenschau der konkordatären Vereinbarung und des staatlichen Universitätsrechts sind auch nach dem Inkrafttreten des UnivG 2002 drei Regelungsbereiche zu unterscheiden: 1. Unmittelbar anwendbar sind die Bestimmungen des Art V §§ 2 – 4 (ÖK). 2. Mit dem Begriff ‚innere Einrichtung‘ wird auf das Universitätsorganisationsrecht verwiesen, sodass dieser Bereich durch die entsprechenden staatlichen Vorschriften, nunmehr das im I. Teil des UnivG 2002 enthaltene Organisationsrecht (samt den in §§ 122 und 123 erfolgten Übergangsbestimmungen zur Organisation) sowie die Regelungen des III. Teils Angehörige der Universität begrenzt wird. Dazu kommt das im V. Teil des UnivG geregelte Personalrecht. Hinsichtlich des Dienstrechtes findet sich eine Vorbehaltsklausel zugunsten des Konkordats in der Novelle zum Beamten-DienstrechtsG 1988. Da die gemäß Art V § 1 Abs 3 zu erwartenden Durchführungsbestimmungen im organisationsrechtlichen Bereich nicht ergangen sind, enthält auch das UnivG – wie bereits die Vorgängergesetze – in einer Sonderbestimmung für die katholische Theologie eine Vorbehaltsklausel zugunsten des Konkordats… 3. Mit dem Begriff Lehrbetrieb werden die Studienvorschriften angesprochen, somit das im II. Teil des UnivG 2002 enthaltene Studienrecht, das das 153 UniStG 1997 ersetzt.“
Im September 2003 ist der Heilige Stuhl dem Bologna-Prozess beigetreten. Der im Mai 1998 initiierte Prozess strebt eine Vereinheitlichung des europäischen Hochschulwesens an. „Die gegenwärtig noch bestehende Vielfalt von Ausbildungs- und Prüfungsordnungen in den respektiven Studiengängen soll harmonisiert, durch eine gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen und Studienabschlüssen ein Wechsel von einer europäischen Universität zu einer anderen erleichtert werden. Dem soll einerseits eine sog. Modularisierung der Studieninhalte dienen, andererseits durch die grundsätzliche Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen in konsekutiver Folge eine Reduktion der ‚allgemeinen‘ akademischen Abschlüsse auf diese beiden Formen.“154.
153 154
Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht (Anm. 68), S. 469 f.
Christoph, Akkreditierung (Anm. 19), S. 257. In Deutschland hat der Bundesgesetzgeber durch die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes Voraussetzungen für die nationale Umsetzung des Bologna-Prozesses, z. B. die Einrichtung von Bachelor-
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Sowohl der Beitritt des Heiligen Stuhls zum Bologna-Prozess155 als auch das UnivG 2002 und die studienrechtlichen Satzungsbestimmungen an den einzelnen österreichischen Universitäten machen eine kirchliche Rahmenordnung zur Regelung des Studiums der Katholischen Fachtheologie an den KatholischTheologischen Fakultäten der staatlichen Universitäten in Österreich erforderlich. Eine solche Rahmenordnung wurde von der Österreichischen Bischofskonferenz erarbeitet und zur Approbation nach Rom überwiesen. Ebenso gilt es, eine entsprechende Rahmenordnung für das Studium der Katholischen Religionspädagogik zu erarbeiten und das Doktoratsstudium neu zu strukturieren (vgl. UG – Novelle 2002, BGBl. I Nr. 74 / 2006). Zu klären ist auch die Frage, ob der Staat berechtigt ist, in den Theologischen Fakultäten einseitig Bachelor- und Masterstudiengänge einzurichten bzw. ob er dies von sich aus tun kann. Wenn die Einrichtung eines theologischen Diplomstudienganges an einer staatlichen Universität zu den gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche zählt, dann ist dieser Grundsatz entsprechend auch auf die Einrichtung von Bachelor- und Masterstudiengängen anzuwenden156. Der Staat kann nur im Einvernehmen mit der katholischen Kirche einen Bachelor- und Masterstudiengang an einer Katholisch-Theologischen Fakultät einer staatlichen Universität einrichten, nicht jedoch einseitig bzw. im erklärten Gegensatz zur Kirche. Allerdings hatte der Heilige Stuhl bereits bei seinem Beitritt zum Bologna-Prozess förmlich festgestellt, dass der erste Studienzyklus des Theologischen Vollstudiums auch künftig fünf Jahre dauern wird. Im Blick auf den akademischen Grad eines Bachelors in Theologie ist zu fragen, welchen Nutzen sich die Kirche bzw. die einzelnen Diözesen von diesem Abschluss erwarten und in welchen Bereichen und Aufgabenfeldern Absolventinnen und Absolventen dieses Studienganges eingesetzt werden können. Hierzu haben sich die österreichischen Bischöfe bislang eher verhalten geäußert. Unangetastet bleiben muss wohl der Grundsatz, dass für den priesterlichen Dienst, aber auch für pastorale Dienste von Laientheologinnen und -theologen in leitenden Positionen, d. h. in Österreich für Pastoralassistentinnen und -assistenten bzw. in Deutschland für Pastoralreferentinnen und -referenten, ein
und Masterstudiengängen in § 19 HRG, geschaffen. Vgl. Christoph, ebd., S. 259, mit Anm. 36. Zum Bologna-Prozess über Prag, Berlin und Bergen und den Texten der Erklärungen: http://www.bmbkw.gv.at/europa/bp/hochschul.xml?style=text (Februar 2006); vgl. auch Vatikan unterstützt „Bologna-Prozess“ der EU mit Kongress, in: KathPress-Tagesdienst Nr. 77, 30.3.2006, S. 3. 155 Vgl. die offizielle Stellungnahme zum Beitritt des Heiligen Stuhls zum BolognaProzess: www.bologna-berlin2003.de/pdf/Holy%20Sec.pdf und die offizielle Bewertung der Bologna-Prozess-Implementierung 2003-2005: www.bologna-bergen2005.no. 156 Vgl. oben I. 5 a; für den evangelischen Bereich Christoph, Akkreditierung (Anm. 19), S. 266, mit Anm. 57; s. auch Solte, Rechtsfragen (Anm. 1), S. 362 f.
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5-jähriges (Voll-)Theologiestudium unabdingbare Voraussetzung für eine Anstellung durch die jeweilige Diözese bleiben muss. Hier gilt es im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils und der universalkirchlichen Normen zu berücksichtigen, dass gerade heute aufgrund steigender Anforderungen und Erwartungen an den Dienst von Priestern und Laien im kirchlichen Dienst eine solide und differenzierte Ausbildung dringlicher denn je ist und die diesbezüglichen Anforderungen an das Studium nicht zurückgeschraubt werden dürfen. IV. Schluss Staat und Kirche haben umfassende Vorgaben für eine Reform der Theologischen Studien in der Bundesrepublik Deutschland und in der Republik Österreich gegeben, deren Umsetzung gegenwärtig im Gange ist. So hat die Deutsche Bischofskonferenz am 25. September 2003 Kirchliche Anforderungen an die Studiengänge für das Lehramt in Katholischer Religion sowie an die Magister- und BA-/MA-Studiengänge mit katholischer Religion als Haupt- und Nebenfach erlassen157. Diese Anforderungen sind am 18. Januar 2005 von der Kongregation für die Bischöfe für fünf Jahre „ad experimentum“ rekognosziert worden und am 1. Mai 2005 in Kraft getreten. Sie werden gegenwärtig in Bayern in die LPO umgesetzt. Zudem hat die Deutsche Bischofskonferenz auf der Frühjahrsvollsammlung am 8. März 2006 Kirchliche Anforderungen an die Modularisierung des Studiums der Katholischen Theologie (Theologisches Vollstudium) im Rahmen des Bologna-Prozesses beschlossen, die von Rom zu approbieren und dann von den einzelnen Katholisch-Theologischen Fakultäten in konkrete Studienordnungen umzusetzen sind. Sie schaffen, wie es zu Beginn des Textes heißt, „auf der Grundlage der ‚Rahmenordnung für die Priesterbildung‘ vom 12. März 2003 die normativen Voraussetzungen für die Modularisierung des Studiums der Katholischen Theologie im Rahmen des BolognaProzesses“. Das fünfjährige theologische Vollstudium soll auch künftig mit dem Diplom (akademischer Grad „Diplomtheologe“) im Sinne des Art. 47 § 1 SapChrist bzw. der Kirchlichen Abschlussprüfung abgeschlossen werden. Damit ist nicht ausgeschlossen, einen Bachelor of Arts für Zwei-Fach-Studiengänge, wie z. B. Lehramtsstudiengänge, bzw. für spezielle pastorale Studiengänge mit Theologie als Haupt- oder Nebenfach einzuführen. „Die neuen ‚Kirchlichen 157
Deutsche Bischofskonferenz, Kirchliche Anforderungen an die Studiengänge für das Lehramt in Katholischer Religion sowie an die Magister- und BA-/MA-Studiengänge mit Katholischer Religion als Haupt- und Nebenfach vom 25. September 2003 (= DDB 79), Bonn 2005. Die Kirchlichen Anforderungen an die Studiengänge für das Lehramt in Katholischer Religion an Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Beruflichen Schulen beziehungsweise in der Sekundarstufe I und Sekundarstufe II vom 23. September 1982 und der Beschluss „Zur Katholischen Theologie in Magisterstudiengängen“ vom 22. September 1986 (= DDB 33), 2. Aufl., Bonn 1986, sind damit außer Kraft getreten.
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Anforderungen‘ legen“, wie es im Pressebericht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, im Anschluss an die FrühjahrsVollversammlung vom 6. bis 9. März 2006 in Berlin heißt, „die ‚Rahmenordnung für die Priesterbildung‘ (2003) zu Grunde. Sie betreffen vor allem den Aufbau des Theologischen Vollstudiums, das der Ausbildung der Priester und Pastoralreferentinnen und -referenten dient. Durch die Reform soll eine breite theologische Grundlegung gewährleistet und das Studium – bei Wahrung der Fächerstruktur der Theologie – stärker interdisziplinär ausgerichtet werden. Dies waren auch Anliegen des Katholisch-Theologischen Fakultätentages und der Deutschen Regentenkonferenz, die die Vorbereitung der ‚Kirchlichen Anforderungen‘ begleitet haben. Neu sind auch die Modularisierung des Studiums und die Einführung von Leistungspunkten. Um die internationale Vergleichbarkeit des deutschen Theologiestudiums zu gewährleisten, wird das grundständige Studium auch künftig fünf Jahre dauern. Es wird mit dem Grad des ‚Diplomtheologen’ abgeschlossen. Daneben kann es an den Katholisch-Theologischen Fakultäten und Ausbildungsstätten Bachelorund Masterstudiengänge geben, die für den Lehrerberuf oder für sonstige Berufe qualifizieren“.158
Die neu zu entwickelnden Studien- und Prüfungsordnungen müssen den staatlichen Vorgaben entsprechen; sie müssen sich aber auch an den kirchlichen Vorgaben orientieren und messen lassen. Neue Studiengänge bedürfen in der Bundesrepublik Deutschland der Akkreditierung159. „Durch die Akkreditierung von Studiengängen soll durch ein neues Qualitätssicherungssystem im Rahmen des Bologna-Prozesses europaweit eine auf einheitlichen Standards beruhende Vergleichbarkeit der respektiven akademischen Abschlüsse erreicht werden. Aufgabe des Akkreditierungsverfahrens ist dabei die Gewährleistung fachlich-inhaltlicher Mindeststandards und die Überprüfung der Berufsrelevanz der Abschlüsse. Denn das Ziel der Akkreditierung besteht darin, zur Sicherung von Qualität in Lehre und Studium durch die Feststellung von Mindeststandards beizutragen.“160
158
Vgl. Pressebericht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, im Anschluss an die Frühjahrs-Vollversammlung vom 6. bis 9. März 2006 in Berlin; zum Fakultätentag vgl. Riedel-Spangenberger, Fakultätentag (Anm. 1). 159
Vgl. für Deutschland: Konferenz der Kultusminister, Beschluss „Ländergemeinsame Strukturvorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG für die Akkreditierung von Bachelorund Masterstudiengängen“ vom 10. Oktober 2003 i. d. F. v. 23. September 2005; Konferenz der Kultusminister, Statut für ein länder- und hochschulübergreifendes Akkreditierungsverfahren. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 24. Mai 2002 i. d. F. vom 19. September 2002; Heribert Hallermann, Akkreditierung Katholisch-Theologischer Studiengänge? Eine kirchen- und staatskirchenrechtliche Problemanzeige, in: AfkKR 173 (2004), S. 92 – 118. 160
Christoph, Akkreditierung (Anm. 19), S. 258 f.
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Aufgrund der Tatsache, dass Theologische Fakultäten zu den gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche zählen, besteht „von Verfassungs wegen ein Mitwirkungsrecht der Kirche bei der Akkreditierung theologischer Studiengänge“161. Ein solches Mitwirkungsrecht ist auch in der Republik Österreich zu fordern. Veränderungen zeichnen sich in der Republik Österreich auch im Blick auf die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung ab. Die bisher in Österreich als Pädagogische Akademien bezeichneten akademischen Einrichtungen für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung werden ab dem Jahr 2007 in Pädagogische Hochschulen umgewandelt162. Gegenwärtig laufen die Vorbereitungen für die neue kirchliche Hochschule zur Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Stams (Diözese Innsbruck), an der sich die vier österreichischen Diözesen Feldkirch, Innsbruck, Klagenfurt und Salzburg beteiligen163. Im Rahmen dieses Umgestaltungsprozesses ist wohl verstärkt auf eine Kooperation mit den Katholisch-Theologischen Fakultäten hinzuarbeiten.
161
Zu diesem Ergebnis kommt Christoph, Akkreditierung (Anm. 19), S. 270.
162
Vgl. Bundesgesetz über die Studien an Akademien und über die Schaffung von Hochschulen für pädagogische Berufe (Akademien-Studiengesetz 1999 – AStG) (BGBl. I Nr. 94/1999); Text in: Hochschulrecht. Stand: 1. Jänner 2000. Hrsg. von Werner Hauser / Mario Kostal / Manfred Novak, Wien 2000, S. 395 – 420. 163 Vgl. Stams: Neue Hochschule nimmt Gestalt an, in: Tiroler Sonntag, 2. Juli 2006, S. 5; vgl. auch http://www.bmbwk.gv.at/schulen/bw/leb/Paedagogische_Akademien156 4.xml?style=print; Pädagogische Hochschulen: Kirchen weisen SP-Kritik zurück. Leiterin des Interdiözesanen Amts für Unterricht und Erziehung, Christine Mann: „Engagement der Kirchen entlastet Staat wesentlich“, in: KathPress-Tagesdienst Nr. 83, 6.4.2006, S. 3 f.; Erklärungen der Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz. Wortlaut der Presseerklärungen der Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, 14. bis 16. März 2006, Sonntagberg, in: KathPressTagesdienst Nr. 66, 17.3.2006, S. 14 – 17, hier S. 16; http://www.bischofskonferenz.at – Stichwort „Presseerklärungen“.
Die kirchliche Stiftung im liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) Von Markus Walser In den letzten Jahren machte das liechtensteinische Stiftungsrecht bzw. der praxisgemäße Umgang mit ihm von sich reden. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass es in Liechtenstein nicht nur Stiftungen zum Zwecke der Steueroder Erbschaftsoptimierung oder allenfalls der Geldwäsche 1 gibt, sondern auch teils seit Jahrhunderten bestehende kirchliche Stiftungen, die nun in Gefahr sind, ebenfalls in den Misskredit der erstgenannten Stiftungen zu geraten oder von wenig durchdachten Reformvorschlägen des Stiftungsrechts in Mitleidenschaft gezogen zu werden. In der Tat versuchte die liechtensteinische Regierung mit einem Vorschlag zur Novellierung des Stiftungsrechts den (angeschlagenen) Ruf der Stiftungen in Liechtenstein zu verbessern. 2 Ob dies gelungen ist, wurde in der Literatur bisweilen in Zweifel gezogen. 3 Seit Ablauf der Vernehmlassungsfrist ist es um den konkreten Vorschlag der Regierung jedenfalls ziemlich ruhig geworden. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Projekt der Novellierung des Stiftungsrechts noch nicht explizit aufgegeben wurde und die darin vorgesehenen, nicht unbedeutenden Änderungen für die kirchlichen Stiftungen nach wie vor im Raum stehen. Gemäß der Antwort des Justizministers Klaus Tschütscher auf eine kleine Anfrage eines Abgeordneten im liechtensteinischen Landtag ist ein neuer Entwurf in Bearbeitung und soll im Herbst 2006 in die
1
Vgl. Harald Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Bern / Wien 2005, S. 689 –
690. 2 Vgl. Vernehmlassungsbericht der Regierung zur Abänderung des Stiftungsrechts (Art. 552 – 570 des Personen- und Gesellschaftsrechts, PGR, Vaduz 15. Juni 2004. Aktenzeichen RA 2004/1460. Die Vernehmlassungsfrist lief bis 10. September 2004 und wurde bis 29. Oktober 2004 erstreckt. 3
Vgl. Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 694, 773 – 804.
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Markus Walser
Vernehmlassung gehen.4 Das Erzbistum Vaduz wurde bis Ende März 2006 nicht in die Arbeiten einbezogen oder dazu zu einer Stellungnahme gebeten. Wie später noch aufgezeigt wird, beruhen manche dieser Änderungsvorschläge betreffend der kirchlichen Stiftung wenigstens auf Unkenntnis der Natur oder des Selbstverständnisses einer kirchlichen Stiftung. Darum soll dieser Untersuchung zur kirchlichen Stiftung im Liechtensteinischen Personenund Gesellschaftsrecht eine kurze Darstellung der Natur der kirchlichen Stiftung vorangestellt werden. Es bleibt zu hoffen, dass mit den untenstehenden Ausführungen die Grenzen einer Reform des staatlichen liechtensteinischen Stiftungsrechts in Bezug auf die kirchlichen Stiftungen allgemeinverständlich aufgezeigt werden können. Im weiteren scheint diese Publikation auch dadurch gerechtfertigt, als bisher keine Abhandlung über die kirchliche Stiftung im liechtensteinischen Zivilrecht bekannt ist.5 I. Die Rechtsnatur der kirchlichen Stiftung gemäß dem kirchlichen Selbstverständnis „Stiftung bezeichnet sowohl den Rechtsakt der Widmung von Vermögenswerten (Stiftungsgut) zur dauerhaften Verfolgung eines Zweckes (Stiftungsakt, Stiftungsgeschäft) als auch die daraus entstehende rechtliche Einrichtung.“6
Kirchliche Stiftungen sind eine besondere Form der frommen Verfügungen,7 d. h. eine besondere Form einer Vermögenszuwendung zu kirchlichen Zwecken.8 Die kirchlichen Zwecke umschreibt CIC can. 1254 § 2 folgendermaßen: die geordnete Durchführung des Gottesdienstes, die Sicherstellung eines angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter, die Ausübung der Werke des Apostolats und der Caritas, vor allem gegenüber den Armen. Die katholische Kirche geht davon aus, „dass der menschlichen Person unabhängig vom staatlichen Recht die Fähigkeit zu frommen Verfügungen eignet“9. Willensverfügungen zu frommen Zwecken sind auf das sorgfältigste zu erfüllen (vgl. CIC can. 1300); das kanonische Recht legt Nachdruck auf die strikte Bindung der Kirche an den Stifterwillen, der von der Kirche rechtmäßig
4
Vgl. Liechtensteiner Volksblatt, 21. März 2006, S. 7.
5
Vgl. Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 5 Fn 30.
6
Vgl. Hans Heimerl / Helmuth Pree, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, Regensburg 1993, 5/975. 7
Vgl. Heimerl / Helmuth Pree, Handbuch des Vermögensrechts (Anm. 6), 5/904.
8
Vgl. Heimerl / Pree, Handbuch des Vermögensrechts (Anm. 6), 5/906.
9
Vgl. Heimerl / Pree, Handbuch des Vermögensrechts (Anm. 6), 5/908.
Die kirchliche Stiftung im liechtensteinischen PGR
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angenommenen frommen Willensverfügungen. Über dessen Einhaltung hat der Ordinarius 10 zu wachen (vgl. CIC cann. 1301, 1302). Fromme Verfügungen und insbesondere Stiftungen bedürfen der Annahme durch die dafür zuständige kirchliche Autorität, d. h. durch den Ortsordinarius oder kraft Sonderrechts durch den Personalordinarius, z. B. durch den nach Ordensrecht dazu Berufenen (vgl. CIC can. 1303 § 3). Die treuhänderische Übernahme von Vermögen für fromme Zwecke besteht darin, dass eine Person dieses Vermögen in Besitz nimmt, jedoch nicht, um es für sich selbst zu verwenden, sondern um es dem vom Geber bestimmten Zweck zuzuführen. Wer für fromme Zwecke treuhänderisch Vermögen angenommen hat, muss dem Ordinarius von seiner Treuhandschaft Kenntnis geben und ihm alles auf diese Weise übertragene bewegliche und unbewegliche Vermögen samt seinen Belastungen anzeigen (vgl. CIC can. 1302 § 1). Der Ordinarius des Treuhänders ergibt sich aufgrund des Wohnsitzes gemäß CIC can. 107. Die Verwaltung und Vertretung von Stiftungen ist in den Statuten zu regeln (vgl. CIC cann. 108, 1279 – 1280, 1480). Das Stiftungsgeschäft stellt im Falle einer kirchlichen Stiftung einen Innominationsakt dar. Es handelt sich um eine vom Stifter bzw. Schenker mit bestimmten Pflichten bzw. Auflagen versehene Schenkung, die seitens des zuständigen kirchlichen Organs der Annahme bedarf. Was das Wesen und die konstitutiven Elemente der kirchlichen Stiftung betrifft, verweist das kanonische Recht nicht auf das Zivilrecht, sondern regelt dies selbst. 11 Konstitutiv für die Entstehung einer kirchlichen Stiftung ist also der Wille des Stifters (Stiftungserklärung) und die Annahme der Stiftung, d. h. die Annahme der Stiftungserklärung einschließlich allfälliger Auflagen und Bedingungen wie auch des Stiftungsvermögens durch die zuständigen kirchlichen Stiftungsaufsichtsorgane. Ebenso bedürfen auch Statutenänderungen der Zustimmung der kirchlichen Stiftungsaufsicht. 12 Zum Wesen des kanonischen Stiftungsgeschäfts ge-
10
Ordinarius bezeichnet im lateinischen Kirchenrecht den Inhaber ordentlicher Jurisdiktionsvollmacht (Oberhirt, vgl. CIC can. 134). Ordinarien sind der Papst, die auf Dauer oder interimistisch bestellten Leiter von Diözesen und anderen Teilkirchen, d. h. der Diözesanbischof und die ihm rechtlich Gleichgestellten, sowie deren mit ordentlicher ausführender Gewalt ausgestatteten Stellvertreter (Generalvikar, Bischofsvikar), die höheren Oberen klerikaler Religioseninstitute und klerikaler Gesellschaften des apostolischen Lebens päpstlichen Rechts sowie deren Vikare, ferner der Prälat einer Personalprälatur. Im Unterschied zu den übrigen sind Militärbischof, Personalprälat und Verbandsobere nur Personalordinarien für die ihnen Unterstellten, nicht aber Ortsordinarien. 11 12
Vgl. Heimerl / Pree, Handbuch des Vermögensrechts (Anm. 6), 5/980. Vgl. dazu auch Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 590.
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hört auch, dass die gestiftete Vermögensmasse den in CIC cann. 114 § 2 bzw. 1254 § 2 genannten Zwecken zu dienen bestimmt ist. Grundsätzlich ist jede kirchliche Stiftung zeitlich unbegrenzt (vgl. CIC can. 120 § 1). Sie erlischt, wenn sie von der zuständigen kirchlichen Autorität rechtmäßig aufgehoben wird oder hundert Jahre lang zu handeln aufgehört hat. Ebenso endet eine Stiftung mit dem Ablauf der Zeit, der partikularrechtlich oder in den Statuten als Dauer bestimmt wurde. Somit kann festgehalten werden, dass bei der kirchlichen Stiftung gemäß dem Recht der katholischen Kirche gerade diejenigen Missstände grundsätzlich ausgeschlossen sind, die dem liechtensteinischen Stiftungsrecht oder wenigstens der entsprechenden Praxis vorgehalten werden. 13 Insbesondere geht es dabei um die mögliche Anonymität der eigentlichen Stifter und der Begünstigten im Falle einer sogenannten „hinterlegten Stiftung“, wo es einem Außenstehenden ohne zusätzliche Anknüpfungspunkte nicht möglich ist, die Stiftung und deren Vermögen dem „wirtschaftlichen Stifter“ zuzuordnen. 14 Falls die Rechtsfigur der kirchlichen Stiftung in Einzelfällen dennoch für Zwecke der Steuer- oder Erbschaftsoptimierung verwendet worden sein sollten, liegt dies daran, dass vom liechtensteinischen Öffentlichkeitsregister „kirchliche“ Stiftungen zur Eintragung oder Hinterlegung angenommen wurden, deren Statuten 13
In der Praxis soll es vorkommen, dass bei entsprechender Stiftungskonstruktion der Stifter über das Stiftungsvermögen wie über ein Bankguthaben verfügen kann. Vgl. Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 669: „Es muss daher nicht weiter wundern, dass in Finanzdienstleisterkreisen für den Kunden Vergleiche zwischen liechtensteinischer Stiftung und einem Bankkonto mit Vollmacht (!) angestellt werden.“ 14
Vgl. Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 2. Es gibt sogar einen jüngeren Gerichtsbeschluss, gemäß dem nicht einmal Begünstigte berechtigt sind, Einsicht zu nehmen in die beim Öffentlichkeitsregister hinterlegten Akten (vgl. S. 329). Dabei ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bisweilen die Rechtsstaatlichkeit den Interessen des Finanzplatzes unterordneten (vgl. S. 352). Vgl. dazu auch Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 476: „Heutzutage werden fast alle liechtensteinischen Stiftungen, zumindest diejenigen, die im Auftrag ausländischer Klienten gegründet wurden [das ist die überwältigende Mehrzahl aller liechtensteinischen Stiftungen], treuhänderisch errichtet. Ein liechtensteinisches Berufstreuhandunternehmen errichtet im fiduziarischen Auftrag seines ausländischen Klienten im eigenen Namen, aber in dessen Interesse die Stiftung. Auch die Verwaltung der Stiftung erfolgt durchwegs treuhänderisch: Das Berufstreuhandunternehmen übt die formell ihm zustehenden Stifterrechte im fiduziarischen Auftrag des ausländischen Klienten, dem sogenannten wirtschaftlichen Stifter, aus. Mit der treuhänderischen Stiftungserrichtung und -verwaltung soll die Anonymität des eigentlichen Stifters gewahrt bleiben. Aufgrund der damit verbundenen Verbergungsfunktion bildet die treuhänderische Stiftungserrichtung und -verwaltung einen geradezu klassischen Fall eines Strohmanngeschäfts.“
Die kirchliche Stiftung im liechtensteinischen PGR
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nicht von der zuständigen kirchlichen Stiftungsaufsicht approbiert wurden, denen somit aber auch ein wesentliches Element fehlte, als kirchliche Stiftung nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche zu gelten. Bezüglich der dem Ortsordinarius des Erzbistums Vaduz bekannten kirchlichen Stiftungen wird das Aufsichtsrecht bzw. die entsprechende Pflicht durch das Einfordern der Jahresrechnungen und deren Kontrolle sowie durch das Wahrnehmen der Beispruchsrechte beim Erlass und bei der Änderung von Statuten hinreichend wahrgenommen. Im Weiteren ist die kirchliche Stiftung mit der Einschränkung der möglichen Zwecke von sich aus nicht geeignet, dass sich ein Stifter zur Umgehung allfälliger Steuern in materieller Hinsicht selbst begünstigen kann. Nach wie vor werden kirchliche Stiftungen vorwiegend zum Zweck frommer Wohltaten für das Seelenheil errichtet. Zahlenmäßig sind die Messstiftungen mit großem Abstand die am häufigsten anzutreffenden kirchlichen Stiftungen im Fürstentum Liechtenstein. 15 II. Die kirchliche Stiftung im geltenden Liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) vom 20. Januar 1926 16 Der fünfte Titel des PGR handelt von den Anstalten und Stiftungen; dabei sind den Stiftungen die Artt. 552 – 570 gewidmet. Für das gesamte PGR hat das Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB) als Vorbild gedient, wobei sich durchaus auch zahlreiche eigenständige Normen im PGR finden. Hinsichtlich des Stiftungsrechts gibt es keine stiftungsrechtliche Bestimmung des ZGB, die nicht in zumindest abgewandelter Form im PGR ein entsprechendes Gegenstück hat. 17 Im ZGB sind die kirchlichen Stiftungen staatlicherseits weder aufsichts- noch eintragungspflichtig (vgl. ZGB Art. 87). Sowohl das ZGB wie das PGR kennen für die kirchlichen Stiftungen das System der (staatlichen) Errichtungsfreiheit und der Ausnahme von der (staatlichen) Stiftungsaufsicht (vgl. PGR Art. 564 Abs. 1). 18 Im Falle des ZGB ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber davon aus-
15
Zur Zeit werden in den Pfarreien des Erzbistums Vaduz jährlich etwa 100 Messstiftungen errichtet. 16
Zuletzt geändert durch LGBl. 2005 Nr. 257.
17
Vgl. Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 82.
18
Vgl. Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 103 – 105.
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ging, die kirchlichen Stiftungen würden für den Verkehr keine solche Bedeutung haben, dass sie deswegen eines Registereintrags bedurft hätten. 19 „Kirchliche Stiftungen hat der PGR-Gesetzgeber deshalb von der richterlichen Aufsicht im Rechtsfürsorgeverfahren ausgenommen, weil er bei diesen Stiftungen eine intakte kirchliche Aufsicht voraussetzen konnte.“ 20
Aus Art. 567 Abs. 1 i.V.m. Art. 244 PGR ergibt sich, dass der liechtensteinische Gesetzgeber die kirchliche Stiftung nicht schlechthin von der Aufsicht, sondern nur von der Staatsaufsicht befreit hat. „Die kirchlichen Stiftungen liechtensteinischen Rechts unterliegen demnach der kirchlichen Aufsicht. Insofern deckt sich die liechtensteinische Rechtslage mit der schweizerischen, denn die kirchlichen Stiftungen schweizerischen Rechts unterliegen ebenfalls der kirchlichen Aufsicht.“ 21 „Kontrolldefizite bestehen bei kirchlichen Stiftungen nur dann, wenn es die Registerbehörde pflichtwidrig unterlässt, die zuständi-
19
Vgl. Amtliches stenographisches Bulletin der schweizerischen Bundesversammlung (1905), S. 487. 20
Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 150. In einem gewissen Widerspruch dazu steht die von Bösch ausgehend von einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Liechtensteins vertretene Ansicht, die organische Einbindung in die Kirche sei – im Gegensatz zur Schweiz – keine zwingende Entstehungsvoraussetzung einer kirchlichen Stiftung nach liechtensteinischem Recht, indem die kirchliche Stiftung aufgrund Art. 564 Abs. 2 PGR auch privatautonom vom Stifter der Regierungsaufsicht unterstellt werden könnte. Diese Auffassung scheint jedoch in direktem Widerspruch zu Art. 37 Abs. 2 der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein zu stehen, welcher der katholischen Kirche als Landeskirche vollen Staatsschutz garantiert und nur die katholische Kirche ausdrücklich als „Kirche“ bezeichnet. Anderen Konfessionen wird keine unmittelbare Rechtspersönlichkeit zugeschrieben. Wie eine Stiftung auf diesem verfassungsmäßigen Hintergrund als kirchliche Stiftung bezeichnet werden kann, ohne eine organische Verbindung zur katholischen Kirche zu haben, ist nicht ersichtlich. Bösch verweist in diesem Zusammenhang auf das in josephinistischem Geist erlassene und inzwischen aufgehobene Gemeindegesetz von 1864, gemäss dem die Gemeinden unter anderem darüber zu wachen hatten, dass das Stiftungsvermögen für Kirche und Pfründe nur zu Stiftungszwecken verwendet wurde. Allerdings dürfte man meinen, der Josephinismus wäre mittlerweile überwunden, obwohl das tägliche Leben in Liechtenstein manchmal anderes erahnen lässt, wenn z. B. im Jahre 2005 nach Christi Geburt ein Gemeinderat (politische Gemeinde!) unter der Leitung des Gemeindevorstehers (Bürgermeisters) sich bemüßigt fühlt, darüber zu diskutieren und Beschlüsse zu fassen, in welchem Zimmer im Pfarrhaus der Pfarrer sein Haupt zu Bette legen soll und in welchem sein Büro einzurichten sei. 21
Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 225 – 226.
Die kirchliche Stiftung im liechtensteinischen PGR
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gen kirchlichen Aufsichtsgremien von der Errichtung der kirchlichen Stiftung in Kenntnis zu setzen.“ 22
Art. 552 Abs. 1 PGR definiert die Stiftung als „Widmung eines Vermögens (Stiftungsgut) für einen bestimmt bezeichneten Zweck.“ 23 Bei den möglichen Zwecken werden die „kirchlichen“ ausdrücklich erwähnt. Im Weiteren folgt die Legaldefinition: „Kirchliche Stiftungen im Sinne dieses Abschnittes sind zu kirchlichen Zwecken errichtete Stiftungen.“ (Art. 553 Abs. 1 PGR). Es ist davon auszugehen, dass aufgrund von Art. 37 Abs. 2 24 der Landesverfassung bezüglich der Umschreibung der kirchlichen Zwecke wenigstens im Falle der katholischen Kirche das Selbstverständnis letzterer staatlicherseits geschützt bzw. rezipiert wird. Im Weiteren entspricht die Legaldefinition der kirchlichen Stiftung in Art. 553 Abs. 1 PGR exakt der in der frühen schweizerischen Lehre verwendeten Umschreibung. 25 Das PGR setzt die Art und Weise der Errichtung einer Stiftung so fest: „Die Errichtung der Stiftung erfolgt in der Form einer Urkunde, in der die Unterschriften der Stifter beglaubigt sind, durch letztwillige Verfügung oder durch Erbvertrag.“ (Art. 555 Abs. 1 PGR).
Eine andere Art der Stiftungserrichtung wird nicht erwähnt. Dieses Selbstverständnis der Stiftung führt bei altrechtlichen kirchlichen Stiftungen, die teilweise schon mehrere Jahrhunderte bestehen, 26 zu Verständnisschwierigkei-
22
Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 390. Bösch erkennt diese Mitteilungspflicht auf Grundlage einer analogen Auslegung von Art. 564 Abs. 1 PGR entsprechend der Mitteilungspflicht an die Regierung bei der Regierungsaufsicht unterstehenden Stiftungen. 23 Hier ist anzumerken, dass dieses Erfordernis durch die liechtensteinische Rechtsprechung bisweilen fast bis zur Unkenntnis entstellt wurde, indem z. B. das „Verwalten von Vermögen und Ausschütten eines Ertrags“ bereits als hinreichender Stiftungszweck akzeptiert angesehen wurde, während es eigentlich nur das Mittel zum Erreichen eines Zwecks umschreibt; vgl. Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 208 – 209. 24
Art. 37 Abs. 2 der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein: „Die römischkatholische Kirche ist die Landeskirche und geniesst als solche den vollen Schutz des Staates; anderen Konfessionen ist die Betätigung ihres Bekenntnisses und die Abhaltung ihres Gottesdienstes innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung gewährleistet.“ 25 26
Vgl. Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 93.
In der Gemeinde Mauren lässt sich beispielsweise schon im 14. Jahrhundert eine Pfarrpfründe nachweisen, als urkundlich festgehalten wurde, dass im Jahre 1318 Ritter Heinrich von Schellenberg das Patronat an den Altammann Rudolf, Bürger von Feldkirch für 40 Mark Silber verkaufte. Die Pfarrpfründe besteht auch heute noch, wenngleich sie nur mehr eine Wiese und den Pfarrhof mit Garten umfasst. Vgl. N. Pahud de
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ten bzw. Konflikten, wenn die zivilen Behörden beispielsweise im Fall eines Grundbucheintrags „Pfarrkirche N.“ a priori das Vorhandensein einer kirchlichen Stiftung deswegen ausschließen, weil keine (schriftliche) Stiftungsurkunde greifbar ist. Mit Bösch ist dagegen festzuhalten: „Insgesamt dürften in Liechtenstein vor Erlassung des PGR daher eine stattliche Anzahl zumeist gemeinnütziger und kirchlicher Stiftungen existiert haben.“ 27 III. Der Vernehmlassungsbericht der Regierung des Fürstentums Liechtenstein zur Abänderung des Stiftungsrechts vom 15. Juni 2004 Die kirchliche Stiftung ist nicht Hauptgegenstand der vorgeschlagenen Novellierung des liechtensteinischen Stiftungsrechts, würde aber durchaus einschneidende Veränderungen erfahren. Erstaunlich ist, dass die Regierung ausdrücklich von einer „liechtensteinischen Stiftung“ spricht, die zwar namentlich weder im geltenden Recht noch in der Novellierung desselben vorkommt. In manchen Köpfen dürfte sie dennoch als im europäischen Vergleich singulärer Stiftungstypus herumgeistern. Der Ausgangspunkt des Novellierungsprojekts wird folgendermaßen beschrieben: „Die liechtensteinische Stiftung gemäss den Vorschriften der Art. 552 bis 570 des Personen und Gesellschaftsrechts (PGR) ist insbesondere durch ihre liberale Ausgestaltung gekennzeichnet und stellt einen der wichtigsten, wenn nicht den wichtigsten Grundpfeiler des liechtensteinischen Finanzplatzes dar. Die der Stiftung eigene Flexibilität als solche ist nichts Schlechtes, im Gegenteil ermöglicht sie dem Rechtsanwender ein größtmögliches Maß an Privatautonomie bei minimaler Einflussnahme durch den Staat. Es braucht jedoch nicht weiter begründet zu werden, dass liberal ausgestaltete Rechtsinstitute auch missbrauchsanfälliger sind. Bei der Stiftung ist – wie bei anderen Gesellschaftsformen – Missbrauch grundsätzlich auf zwei Arten denkbar: Entweder durch den Stifter selbst, indem er die Stiftung für unlautere und der Stiftung wesensfremde Zwecke nutzt, oder durch die die Stiftung verwaltenden Personen, indem sie ihre (gegebenenfalls zu weitreichenden) Kompetenzen dazu verwenden, den Zwecke der Stiftung entgegen dem Stifterwillen zu untergraben oder z. B. in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise so abändern, dass die Nutzung der Stiftung für eigene Zwecke möglich wird. Beides gilt es zu verhindern, da jeder,
Mortanges, Patronatsrechte in Liechtenstein, in: Herbert Wille / Georges Baur (Hrsg.), Staat und Kirche. Grundsätzliche und aktuelle Probleme, Vaduz 1999, S. 156 – 157. 27
Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 65.
Die kirchliche Stiftung im liechtensteinischen PGR
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wenn auch nur potentielle Missbrauch die Rechtsform ‚Stiftung‘ schwächt und ihrer Anerkennung abträglich ist.“ 28
Im Weiteren stellt die Regierung hinsichtlich der Stiftungen eine „divergierende Rechtsprechung“ fest, die „teilweise zur Aufweichung der rechtlichen Konturen der Stiftung und zu einer allgemeinen Verunsicherung sowohl bei den Finanzdienstleistern als auch bei der Kundschaft“ beitrug. 29 Als Ziel der Abänderung des Stiftungsrechts wird angegeben, „durch gesetzgeberische Klarstellungen Rechtsunsicherheiten zu beheben und allfälliges Missbrauchspotential zu beseitigen.“ 30 Auch weiterhin sollen Stiftungen mit voraussetzungsloser und unbeschränkter Ausschüttung an Begünstigte möglich sein.31 Bezüglich der kirchlichen Stiftung sind konkret folgende Änderungen vorgesehen: 1. Als erste Maßnahme der Stiftungsrechtsreform schlägt die Regierung die Unterstellung der kirchlichen Stiftungen unter die Aufsicht der Regierung vor. 32 2. Als Voraussetzung zur Erlangung der Rechtspersönlichkeit würde die Eintragung in das Öffentlichkeitsregister festgelegt. 33 Dabei stellt die Regierung fest: „Kirchliche Stiftungen sind gemeinnützig und eine Privilegierung dieses gemeinnützigen Stiftungstyps gegenüber anderen gemeinnützigen Stiftungen ist sachlich nicht gerechtfertigt.“ 34 3. Im Weiteren wird die kirchliche Stiftung neu umschrieben als Stiftung, „die der Besorgung oder Förderung der unmittelbaren Heilsaufgabe der Kirche oder insbesondere deren karitativen Diensten und anderen mittelbaren kirchlichen Zwecken dient.“ 35 4. Wie alle aufsichtspflichtigen Stiftungen wären die kirchlichen Stiftungen gezwungen, „eine unabhängige Revisionsstelle gemäss Gesetz über die
28 Vernehmlassungsbericht der Regierung zur Abänderung des Stiftungsrechts vom 15. Juni 2004, S. 3 – 4. 29
Vernehmlassungsbericht der Regierung, S. 4.
30
Vernehmlassungsbericht der Regierung, S. 4.
31
Vgl. Vernehmlassungsbericht der Regierung, S. 17.
32
Vgl. Vernehmlassungsbericht der Regierung, S. 13. Die entsprechende Ausnahmeklausel in Art. 564 PGR würde gestrichen (S. 74). 33 Vgl. Vernehmlassungsbericht der Regierung, S. 13, 28. Dementsprechend würde Art. 106 Abs. 2 PGR geändert (vgl. S. 65). 34
Vernehmlassungsbericht der Regierung, S. 28.
35
Art. 553 Abs. 1 und 3 (S. 67, vgl. Vernehmlassungsbericht der Regierung, S. 23).
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Wirtschaftsprüfer und Revisionsgesellschaften einzusetzen“ 36 , wobei die Regierung auf Antrag davon befreien könnte. Im Ergebnis würde die kirchliche Stiftung mit Ausnahme des Namens und der Legaldefinition in allen Punkten der gemeinnützigen Stiftung gleichgestellt, ohne dass jedoch der Frage nachgegangen wird, ob eine kirchliche Stiftung in diesem Sinn als „gemeinnützig“ betrachtet werden kann, insofern kirchliche Stiftungen nicht selten mit der Absicht errichtet werden, dadurch für den Stifter oder für Verstorbene besondere übernatürliche Gaben zu erwirken. In der Praxis würden die erwähnen Änderungen einen gravierenden Einschnitt in das bisher für kirchliche Stiftungen geltende staatliche Rechtsgefüge bedeuten, auf welche die unten stehende Stellungnahme des Erzbistums Vaduz vom 25. Oktober 2004 näherhin eingegangen ist. Diese von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen erstaunen umso mehr, als der gesetzliche Grundtypus der eintragungs- und aufsichtspflichtigen Stiftung in der liechtensteinischen Rechtswirklichkeit schon längst nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme bildet. Denn zum Regelfall wurde die im Öffentlichkeitsregister nicht eingetragene und unbeaufsichtigte Stiftung. 37 Auch ist nicht ersichtlich, warum die Regierung gerade im Fall der kirchlichen Stiftung von ihrem Grundsatz, ein „liberales“ Stiftungsrecht zu erlassen, eklatant abweicht. IV. Stellungnahme des Erzbistums Vaduz zur Vernehmlassungsvorlage vom 15. Juni 2004 Mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 richtete der Erzbischof von Vaduz folgende Stellungnahme an die Regierung des Fürstentums Liechtenstein: 38 „1. Vorbemerkung Aus den Landeszeitungen habe ich von der geplanten Änderung des Stiftungsrechts und von der Verlängerung der Vernehmlassungsfrist bis zum 29. Oktober 2004 erfahren und auf der Homepage der Landesverwaltung den Vernehmlassungsbericht mit der Vernehmlassungsvorlage eingesehen bzw. von dort ausgedruckt. Zudem haben uns liechtensteinische Rechtsanwälte und Treuhänder auf die für die katholische Kirche einschneidenden Änderungen aufmerksam gemacht. In diesem Zusammenhang ist es mehr als bedenklich, feststellen zu müssen, dass kein Vertreter der katholischen Kirche in die Kommission zur Revision 36
Vernehmlassungsbericht der Regierung, S. 50.
37
Vgl. Harald Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, S. 255.
38
EB Prot. Nr. 83/2004. Kopie des Schreibens in den Akten des Verf.
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des Stiftungsrechts berufen oder von derselben zu den geplanten Änderungen angehört wurde, umso mehr, als im Vernehmlassungsbericht (S. 7) behauptet wird, dass ‚die involvierten Stellen und betroffenen Berufsverbände so weit als möglich in die massgeblichen Entscheidungen‘ mit einbezogen worden sind und ‚kontroverse Punkte in offenen Gesprächsrunden‘ diskutiert wurden. Bisher fand betreffend die Revision des liechtensteinischen Stiftungsrechts keinerlei Kontaktnahme der staatlichen Stellen mit Vertretern der kirchlichen Stiftungsaufsicht statt. Auch in der von der Regierung eingesetzten Arbeitsgruppe zur Erörterung des Verhältnisses von Staat und Kirche war die Novellierung des liechtensteinischen Stiftungsrechts kein Gesprächsgegenstand. Das Fehlen bzw. die Unterlassung einer sachgerechten Aussprache zwischen staatlichen und kirchlichen Instanzen in der Frage der Revision der für die katholische Kirche massgeblichen Normen des liechtensteinischen Stiftungsrechts lässt sich meines Erachtens nicht mit dem in Art. 37 Abs. 2 der Landesverfassung genannten ‚vollen Schutz des Staates‘ für die katholische Kirche oder mit dem in Art. 38 der Landesverfassung zum Ausdruck gebrachten Prinzip der Einvernehmlichkeit vereinbaren, das – so Herbert Wille – auf alle ‚gemischten [scil. Staat und Kirche betreffenden] Belange Anwendung finden muss‘ (Herbert Wille, Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein, S. 168), wozu zweifelsfrei auch die kirchlichen Stiftungen im Fürstentum Liechtenstein zählen. Das Ausbleiben eines Bemühens um Einvernehmlichkeit erstaunt umso mehr, als die katholische Kirche eine jahrhundertealte Tradition und Erfahrung im Bereich des Stiftungswesens besitzt und über ein entwickeltes und über Jahrhunderte bewährtes Stiftungsrecht verfügt (vgl. u. a. Codex Iuris Canonici can. 1299 – 1310; Heimerl Hans, Pree Helmuth, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, Regensburg 1993, v. a. S. 553 – 593), das bisher auch im Fürstentum Liechtenstein und im Bistum Chur bzw. Erzbistum Vaduz u a. durch die Ausübung der kirchlichen Stiftungsaufsicht angewendet wurde und in der Rechtspraxis mit dem zur Zeit geltenden liechtensteinischen Stiftungsrecht (PGR) weitgehend in Einklang gebracht werden kann. Aufgrund von Art. 37 Abs. 2 und Art. 38 der Landesverfassung ist auch künftig ein Einklang zwischen staatlichem und kirchlichem Stiftungsrecht anzustreben, der im Bereich der kirchlichen Stiftung – nur um diese geht es in der vorliegenden Stellungnahme – mit dem Vernehmlassungsvorschlag arg in Mitleidenschaft gezogen würde, wie noch dargelegt wird. 2. Definition der kirchlichen Stiftung Die Definition der kirchlichen Stiftung gemäss Vernehmlassungsvorschlag PGR als ‚eine Stiftung, die der Besorgung oder Förderung der unmittelbaren Heilsaufgabe der Kirche oder insbesondere deren karitativen Diensten und anderen mittelbaren kirchlichen Zwecken dient‘ (Art. 553 Abs. 1 neu) stellt mit
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der Erwähnung der ‚Heilsaufgabe‘ der Kirche einen von der katholischen Kirche in theologischer Hinsicht sehr geschätzten Bezug auf das Seelenheil und damit verbunden auf das ewige Leben des Menschen her. Die Definition kann jedoch als Rechtstext eines Staates in inhaltlicher und logischer Hinsicht nicht überzeugen. Denn in logischer Hinsicht ist die Summe der im neuen Vorschlag genannten möglichen Zwecke – kurz gesagt also unmittelbare kirchliche oder mittelbare kirchliche Zwecke – wiederum der in Art. 553 PGR genannte ‚kirchliche‘ Zweck, nun unterteilt in einen unmittelbaren und einen mittelbaren Teilbereich. Es ist also in der gewählten Formulierung keine inhaltliche Klärung gegenüber der geltenden Fassung erreicht, sondern gewissermassen eine tautologische Ausformulierung gewählt worden. Es ist zudem fraglich, ob sich ein säkularer Staat damit auseinanderzusetzen hat, was die ‚Heilsaufgabe‘ einer Kirche ist – für einen frommen Katholiken kann es eine Gebetsnacht, für einen fanatischen Muslim könnte es aber auch das Vorbereiten und Durchführen von Selbstmordattentaten zum Töten von so genannten Ungläubigen sein. Das ‚Heil‘ im Sinne der Aufgabe einer Kirche ist ein genuin übernatürlicher bzw. innerseelischer Vorgang, der sich naturgemäss dem Staat entzieht (Glaubensund Gewissensfreiheit!). Der Staat muss sich wesensgemäss mit dem äusseren Handeln seiner Bürger befassen, was im Bereich der Religionsausübung in der Rechtssprache mit ‚Kult(us)‘ bzw. ‚Gottesdienst‘ wiedergegeben wird. Falls eine genauere Umschreibung des Zwecks einer kirchlichen Stiftung erforderlich ist, wäre folgende Formulierung, die sich an die von der katholischen Kirche aufgestellten Zwecke des kirchlichen Vermögens (vgl. Codex Iuris Canonici, can. 1254 § 2) anlehnt, aber mit den entsprechenden – Änderungen für jede anerkannte Religionsgemeinschaft zutreffend ist, sachgerechter: Art. 553 Abs. 1: Eine kirchliche Stiftung im Sinne dieses Abschnittes ist eine Stiftung, die der Durchführung des Gottesdienstes, dem Unterhalt von Kirchenbediensteten und von Kultusobjekten, der Verkündigung der kirchlichen Lehre oder karitativen Werken dient. Wenn es der Staat nicht für angezeigt hält, allen Religionsgemeinschaften die Möglichkeit zur Errichtung von Stiftungen zu gewähren, wäre ähnlich wie im Bayrischen Stiftungsgesetz vom 19. Dezember 2001 (Art. 29) – eine Einschränkung auf die den genannten Zwecken der katholischen Kirche, der evangelisch-lutherischen und der evangelisch-reformierten Glaubensgemeinschaft gewidmeten Stiftungen denkbar, allerdings müsste wohl vorgängig auf Verfassungsebene die Frage einer Anerkennung von Religionsgemeinschaften generell geregelt werden. Der Vollständigkeit halber sei die in Art. 32 des Bayrischen Stiftungsgesetzes erfolgte Ausweitung auf alle Religionsgemeinschaften, die in Bayern Körperschaften öffentlichen Rechts sind, erwähnt.
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3. Übersicht über die in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehenen Änderungen Die Vernehmlassungsvorlage bringt für die kirchlichen Stiftungen im Vergleich zur geltenden Rechtslage insbesondere folgende Änderungen: 1. Kirchliche Stiftungen würden künftig erst mit der Eintragung ins Öffentlichkeitsregister entstehen (vgl. Art. 555 neu im Vergleich zu Art. 557 Abs. 2 PGR). Eine Eintragung wäre also erforderlich (Art. 106 Abs. 2 neu). Bisher erlangen kirchliche Stiftungen ohne Eintragung ins Öffentlichkeitsregister das Recht der Persönlichkeit. 2. Kirchliche Stiftungen wären künftig nicht mehr von der Aufsicht der Regierung ausgenommen (Art. 564 neu im Vergleich zu Art. 564 Abs. 1 PGR). Daraus würde sich ergeben, dass jede kirchliche Stiftung auch eine unabhängige Revisionsstelle gemäss den gesetzlichen Vorgaben zu bestellen hätte (Art. 564 Abs. 4 neu), aber auch, dass jede Änderung des Stiftungszwecks von der Regierung genehmigt werden müsste. 3. Für die Errichtung einer kirchlichen Stiftung wäre künftig ein Treuhänder oder Rechtsanwalt beizuziehen. Faktisch würde mit diesen Änderungen die eigenständige Rechtsfigur der kirchlichen Stiftung im liechtensteinischen Zivilrecht abgeschafft. Sie würde – mit Ausnahme ihrer Definition in Art. 553 Abs. 1 – in der gemeinnützigen Stiftung aufgehen. 4. Auf die in Art. 553 Abs. 1 enthaltene geänderte Definition der kirchlichen Stiftung (‚eine Stiftung, die der Besorgung oder Förderung der unmittelbaren Heilsaufgabe der Kirche oder insbesondere deren karitativen Diensten und anderen mittelbaren kirchlichen Zwecken dient‘) wurde oben schon eingegangen. Die bisherige Definition lautet: ‚Kirchliche Stiftungen im Sinne dieses Abschnittes sind zu kirchlichen Zwecken errichtete Stiftungen‘. 4. Auswirkungen der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen im Bereich der kirchlichen Stiftungen Die Auswirkungen der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen lassen sich am besten in der Anwendung auf die häufigste kirchliche Stiftung – die Messstifung – zeigen. Indem in der vorgeschlagenen Zweckbestimmung der kirchlichen Stiftung von der ‚Heilsaufgabe‘ der Kirche die Rede ist, wird damit ein zutreffender Hinweis darauf gegeben, dass die kirchliche Stiftung nicht einfachhin als gemeinnützige Stiftung verstanden werden kann. Denn sie kann durchaus partikuläre Interessen, jedoch nicht materieller bzw. irdischer, sondern geistiger bzw. übernatürlicher Art verfolgen. Das zeigt sich besonders deutlich in der Messstiftung, deren Zweck in der Regel das Seelenheil eines Verstorbenen ist. Jährlich werden im Fürstentum Liechtenstein knapp 100 neue
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Messstiftungen, üblicherweise mit einem Kapital von je CHF 500.-- und einer Laufzeit von 25 Jahren errichtet. Die Stifter – meist sind es jene, die dies testamentarisch angeordnet haben, oder die Verwandten von Verstorbenen – bezwecken damit, dass jährlich eine hl. Messe für das Seelenheil der in der Messstiftung benannten Person(en) gefeiert wird. Die einzelnen Messstiftungen müssen vom Diözesanbischof genehmigt werden und werden in den Pfarreien in Stiftmessenfonds verwaltet. Der gemäss liechtensteinischem (Zivil-)Recht bestehende Kirchenrat sowie die kirchliche Stiftungsaufsicht (Diözesanbischof) überprüfen die Jahresrechnung. Es besteht hier – zumindest aus kirchlicher Sicht – keine Veranlassung, eine dritte Aufsichtsinstanz einzuführen, zumal im Kirchenrat bereits ein staatlich normiertes Gremium für diese Aufgabe bestellt ist. Würde der Vernehmlassungsvorschlag umgesetzt, müsste – da Liechtenstein keine Unterscheidung selbständiger und unselbständiger Stiftungen kennt – jede dieser Messstiftungen unter Beizug eines Treuhänders oder Rechtsanwalts errichtet und ins Öffentlichkeitsregister eingetragen werden. Es bräuchte eine unabhängige Revisionsstelle, wobei man aufgrund des geringen Vermögens den Antrag an die Regierung stellen könnte, von der Bestellung einer unabhängigen Revisionsstelle befreit zu werden. Der bürokratische Aufwand, der durch die Anwendung der Vernehmlassungsvorlage entstehen würde, wäre völlig unverhältnismässig, ganz abgesehen von Fragen der Glaubensfreiheit und des Persönlichkeitsschutzes: Will oder muss die Regierung oder ein Treuhänder wissen, wer eine Messstiftung errichtet oder nicht? Als Ausweg bliebe wohl nur, den Sitz der Messstiftungen ins benachbarte deutschsprachige Ausland zu verlegen, wo die kirchlichen Stiftungen von extensiven staatlichen Auflagen im Sinne des Vernehmlassungsvorschlags ausgenommen sind (vgl. Schweiz: ZGB Art. 87; Österreich: Bundes-, Stiftungs- und Fondsgesetz von 1974, § 1). Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass auch jede Änderung des Stiftungszweckes, also beispielsweise die Beifügung eines nachverstorbenen Ehepartners zu einer bestehenden Messstiftung oder die Reduktion von Messstiftungen, von der Regierung genehmigt werden müsste (aus diesem Grund sieht Art. 567 Abs. 1 PGR 39 eine Ausnahme der kirchlichen Stiftungen bei der Umwandlung vor). Ein ähnlicher Befund ergibt sich bei den kirchlichen Gebäuden auf Pfarreiebene, die als Stiftungen errichtet sind bzw. im Besitz von Stiftungen
39 Art. 567 PGR: „1) Die dauernde oder zeitweilige richterliche Aufsicht in bezug auf Anordnung der Organisation und des Zweckes über die der Aufsicht nicht unterstehenden Stiftungen, soweit es nicht kirchliche sind, und ihre Umwandlung kann auf Antrag von Beteiligten vom Richter im Rechtsfürsorgeverfahren ausgesprochen und, wenn hinreichende Gründe vorliegen, wieder aufgehoben werden; in diesem Falle kann der Richter gleich der Regierung als Aufsichtsbehörde die entsprechenden Anordnungen treffen.“
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stehen (Kirchengebäude, Pfarrhäuser – z. B. Pfarreistiftung Schaan, Kirchenstiftung Triesen). Auch hier ist eine ganz besondere Sachlage zu berücksichtigen, welcher die Änderungen bezüglich des kirchlichen Stiftungsrechts im Vernehmlassungsvorschlag nicht gerecht werden. Diese typischen kirchlichen Stiftungen zeigen, dass es nicht sachgerecht ist, die kirchliche Stiftung der gemeinnützigen Stiftung gleichzusetzen. Mit anderen Worten: Aus dem oben dargestellten Sachverhalt ergibt sich, dass es begründet war und ist, dass das jetzt geltende PGR für die kirchliche Stiftung eine von den gemeinnützigen Stiftungen teilweise abweichende rechtliche Regelung kannte und kennt. Das jetzt geltende PGR hat bei den besonderen Normen für die kirchlichen Stiftungen insbesondere die Messstiftung als mit Abstand häufigste Stiftung vor Augen. Die faktische Gleichbehandlung der kirchlichen Stiftung mit den gemeinnützigen Stiftungen im Vernehmlassungsvorschlag führt zu einer unpraktikablen Lösung für diese auch in Liechtenstein häufig vorkommende Stiftungsform. Die Beibehaltung der bisherigen materiellen Regelung ist dringend angezeigt. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass der Vernehmlassungsentwurf bezüglich der kirchlichen Stiftungen die seit Jahrhunderten gewachsene und bewährte Praxis der kirchlichen Stiftungen nicht sachgemäss bzw. überhaupt nicht beachtet, indem er sie in jedem Punkt (ausgenommen den ‚Heilsbezug‘ in der Zweckbestimmung) der gemeinnützigen Stiftung gleichstellt. Insbesondere werden die im bisherigen PGR hinsichtlich der kirchlichen Messstiftungen in sachgerechter Weise vorliegenden und auch im Stiftungsrecht der Schweiz, Österreichs und Deutschlands der Sache nach vorhandenen Eigennormen für die kirchlichen Stiftungen zur Gänze aufgehoben, und es wird eine diesbezüglich nicht praktikable Regelung vorgeschlagen. Ginge es im Vernehmlassungsvorschlag darum, einem allfälligen Missbrauch der Rechtsfigur ‚kirchliche Stiftung‘ durch nichtkirchliche Träger vorzubeugen, könnte dies in einfacher Weise dadurch erreicht werden, dass kirchliche Stiftungen nur mit Zustimmung der betreffenden Kirche im Öffentlichkeitsregister eingetragen oder hinterlegt werden können (ähnlich Art. 30 des Bayrischen Stiftungsrechts). Anhand des oben dargestellten Sachverhalts ersuche ich die Regierung, bei der Revision des Stiftungsrechts bezüglich der kirchlichen Stiftungen für die Beibehaltung der jetzt geltenden Rechtslage besorgt zu sein und die im Vernehmlassungsvorschlag getätigten Neuerungen rückgängig zu machen sowie das in der Verfassung vorgesehene Prinzip der Einvernehmlichkeit in der Regelung der gemischten Belange von Staat und Kirche auch bei der Frage einer Änderung des die kirchlichen Stiftungen betreffenden staatlichen Rechts durch entsprechende Taten zu würdigen. Es wäre mehr als befremdend, wenn gerade das Fürstentum Liechtenstein in einem Bereich, in welchem die kirchliche
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Autonomie bisher respektiert wurde und wird, eine rückschrittliche und anstössige Gesetzgebung vornehmen würde, die den Beigeschmack einer staatlichen Bevormundung hätte. Gerade die katholische Kirche kann ja stets darauf hinweisen, dass sie eine allen zugängliche Rechtsordnung besitzt und dass es innerhalb derselben bei allfälligen Missbräuchen oder Verstössen in den betreffenden Rechtsbereichen Beschwerdemöglichkeiten und Gerichtsverfahren gibt.“ V. Ergebnis Bezüglich der von der Regierung für die so genannte „liechtensteinische Stiftung“ im Vernehmlassungsbericht vom 15. Juni 2004 vorgeschlagenen Änderungen kommt Bösch zu folgendem Ergebnis: „Ein Grossteil der Entwurfsbestimmungen beruht auf Anregungen aus der Treuhandpraxis. Deren Hauptinteresse scheint darauf ausgerichtet zu sein, die bestehende Praxis so gut es geht weiter aufrechtzuerhalten. Nachdem sich die bisherige Kautelarpraxis in mehreren zentralen Fragen mit dem Gesetz nicht vereinbaren lässt, soll nun offenbar das Gesetz der Praxis angepasst werden. Der Regierungsentwurf nimmt völlig einseitig auf die Interessen derjenigen Bedacht, die es bei der Rechtsanwendung mit dem Gesetz schon bisher nicht sonderlich genau genommen haben. Damit dürfte die Regierung, wenn es dabei bleibt, den Bock zum Gärtner machen. Dass der von der Regierung vorgelegte Entwurf vom unverkennbaren Bemühen getragen ist, bislang gesetzwidrige Praktiken zu legalisieren, überrascht vor diesem Hintergrund ebenso wenig wie der Umstand, dass zahlreiche im Interesse der Rechtsklarheit und -sicherheit wirklich novellierungsbedürftige Materien nicht einmal Gegenstand der Revision sind.“ 40
Was die kirchlichen Stiftungen betrifft, wird man im Endergebnis zu keinem positiveren Resultat kommen können. Nur scheint sich hier die Regierung, die sich in wirtschaftlichen Belangen bewusst „liberal“ gibt, von offensichtlich neojosephinistischen Ideen leiten zu lassen, indem die kirchliche Stiftung letztlich der gemeinnützigen Stiftung gleichgestellt, der Staatsaufsicht unterstellt und als unabhängige Rechtsfigur abgeschafft wird. Missbräuche könnten allenfalls dahingehend aufgetreten sein, dass das Öffentlichkeitsregister in Missachtung der geltenden Rechtslage Stiftungen als kirchliche Stiftungen zur Hinterlegung oder Eintragung akzeptierte, welche die Voraussetzungen dafür nicht erfüllten und mangels Bekanntgabe an die kirchliche Stiftungsaufsicht von letzterer auch nicht beaufsichtigt werden konnten. Allerdings dürfte es sich faktisch bei diesen unbeaufsichtigten kirchlichen Stiftungen – wenn überhaupt – nur um
40
Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 828 – 829.
Die kirchliche Stiftung im liechtensteinischen PGR
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einen vernachlässigbaren Teil der Stiftungen im Fürstentum Liechtenstein handeln; denn die so genannte „liechtensteinische Stiftung“ ist im Regelfall eine hinterlegte und nicht beaufsichtigte Stiftung und sollte es auch nach der Novellierung bleiben. Es ist bezeichnend, dass es die Regierung nicht nur unterließ, sich mit den Verantwortlichen der katholischen Kirche, die gemäss der Verfassung Liechtensteins immer noch den Status einer Landeskirche und den vollen Staatsschutz genießt (Art. 37 Abs. 2), ins Einvernehmen zu setzen. Auch zeugt der Novellierungsentwurf entweder von gravierender Ignoranz der kirchlichen Stiftung, insbesondere deren häufigster Form, der Messstiftung, oder – was hoffentlich nicht der Fall ist – von nicht unbedeutender akirchlicher, wenn nicht gar antikirchlicher Handlungsmotivation. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Regierung des Fürstentums Liechtenstein auf den in Art. 38 der Verfassung ihres Landes ausgedrückten Grundsatz der Einvernehmlichkeit besinnt.
Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Prof. Dr. Georg May 1 I. Monographien 1.
Die geistliche Gerichtsbarkeit des Erzbischofs von Mainz im Thüringen des späten Mittelalters. Das Generalgericht zu Erfurt (= Erfurter Theologische Studien, Bd. 2), Leipzig 1956.
2.
Die Infamie im Strafmittelsystem des CIC, München 1957 (Masch.).
3.
Die kirchliche Ehre als Voraussetzung der Teilnahme an dem eucharistischen Mahle (= Erfurter Theologische Studien, Bd. 8), Leipzig 1960.
4.
Die kanonische Formpflicht beim Abschluß von Mischehen, Paderborn 1963.
5.
Das evangelische Mischehenrecht, Trier 1964.
6.
Katholische Kindererziehung in der Mischehe, Trier 1965.
7.
Die Stellung des deutschen Protestantismus zu Ehescheidung, Wiederverheiratung und kirchlicher Trauung Geschiedener, Paderborn 1965.
8.
Das Versprechen katholischer Kindererziehung durch einen Protestanten in der Mischehe, Speyer 1965.
9.
Das neue Mischehenrecht. Werdegang und Inhalt, Trier 1966.
10. Übertritte und Konversionen. Bemerkungen zur gegenwärtigen Lage in Deutschland, Freiburg i. Br. 1967. 11. Der Gebrauch der Volkssprache in der Liturgie nach der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Heilige Liturgie vom 4. Dezember 1963 (= Schriftenreihe der Una Voce – Deutschland, Heft 2/1969), Berlin 1969. 12. Interkonfessionalismus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Paderborn 1969.
1
Zusammengestellt von Anna Egler. – Diese wissenschaftliche Bibliographie ist eine Auswahl aus der großen Zahl der vielgestaltigen Publikationen von Georg May. Ausgeklammert wurden Darlegungen zu aktuellen Fragen der kirchlichen Situation, Veröffentlichungen von Predigten zu verschiedenen Anlässen sowie sogenannte Frömmigkeitsliteratur.
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Georg May
13. Mischehe heute. Fakten und Gedanken, Mainz 1970. 14. Demokratisierung der Kirche. Möglichkeiten und Grenzen, Wien 1971. 15. Die Prinzipien der jüngsten kirchlichen Gesetzgebung über die Aufbewahrung und die Verehrung der heiligsten Eucharistie (= Schriftenreihe der Una Voce – Deutschland, Heft 7/1971), Rheinhausen 1971. 16. Seelsorge an Mischehen in der Diözese Mainz unter Bischof Ludwig Colmar. Ein Beitrag zum Kirchenrecht und Staatskirchenrecht im Rheinland unter französischer Herrschaft (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 27), Amsterdam 1974. 17. Die alte und die neue Messe. Die Rechtslage hinsichtlich des Ordo Missae (= Schriftenreihe der Una Voce – Deutschland, Heft 8/1975), Düsseldorf 1975; 2. Aufl., Düsseldorf 1976; 3. (durchges. und mit einem Register vers.) Aufl., St. Augustin 1984; 4. (durchges.) Aufl., St. Augustin 1991. 18. Dasselbe, in: UVK 5, 1975, 309 – 340; 6, 1976, 1 – 39, 79 – 107. 19. Dasselbe, in: Entscheidung 64, 1975, 1 – 16; 65, 1975, 1 – 18. 20. Dasselbe (La vecchia e la nuova messa. La posizione di diritto nei riguardi dell’Ordo Missae (gekürzt), in: notizie. „Una Voce – Italia“ – sezione di Torino. Suppl. al n. 4/1976, Torino 1976. 21. Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Tübingen von 1817 bis 1945. Ein Beitrag zur Ausbildung der Studierenden katholischer Theologie, zur Verwirklichung der Parität an der württembergischen Landesuniversität und zur Katholischen Bewegung (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 28), Amsterdam 1975. 22. Interkonfessionalismus in der deutschen Militärseelsorge von 1933 bis 1945 (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 30), Amsterdam 1978. 23. Ludwig Kaas. Der Priester, der Politiker und der Gelehrte aus der Schule von Ulrich Stutz, 3 Bde. (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 33 – 35), Amsterdam 1981 – 1982. 24. Die deutschen Bischöfe angesichts der Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts, Wien 1983. 25. Reformation und deutsche Bischöfe. Ein unerläßlicher Beitrag zum Lutherjahr 1983, Wien 1983. 26. Notwehr, Widerstand und Notstand. Begriffliche Klärungen, Wien 1984. 27. Mit A. Egler, Einführung in die kirchenrechtliche Methode, Regensburg 1986. 28. Das Recht des Gottesdienstes in der Diözese Mainz zur Zeit von Bischof Joseph Ludwig Colmar (1802 – 1818), 2 Bde. (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 36, 37), Amsterdam 1987.
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29. Kirchenkampf oder Katholikenverfolgung? Ein Beitrag zu dem gegenseitigen Verhältnis von Nationalsozialismus und christlichen Bekenntnissen, Stein a. Rh. 1991. 30. Ego N.N. Catholicae Ecclesiae Episcopus. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung einer Unterschriftsformel im Hinblick auf den Universalepiskopat des Papstes (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 43), Berlin 1995. 31. Ausgewählte Aufsätze. Anläßlich des 70. Geburtstages des Autors neu hrsg. von H. Groll, Köln 1996. 32. Die andere Hierarchie (= Quaestiones non disputatae. Eine theologische Schriftenreihe Bd. II), Siegburg 1997; 2. Aufl., Siegburg 1998. 33. Lehrverurteilungen – kirchentrennend, hrsg. von H. Groll, Durach 1998. 34. Die kirchliche Eheschließung in der Erzdiözese Mainz seit dem Konzil von Trient (= QAmrhKG, Bd. 47), Mainz 1999. 35. Kirche und Nationalsozialismus. Kollaboration oder Widerstand? T. I, II (= Schriften des Initiativkreises katholischer Laien und Priester in der Diözese Augsburg e.V., 27, 28), Siebnach 2000. 36. Die Rechtfertigung des Sünders. Nach katholischer Lehre und in der protestantischen Auffassung, Stuttgart 2000. 37. Die Wahrheit verteidigen. Ausgewählte Schriften zum Goldenen Priesterjubiläum, hrsg. von H. Groll, Ruppichteroth 2001. 38. Kapitelsvikar Ferdinand Piontek. Seine Persönlichkeit nach Begegnungen und Briefen (= Distinguo 6), Siegburg 2002. 39. Schriften zum Kirchenrecht. Ausgewählte Aufsätze, hrsg. von A. Egler / W. Rees (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 47), Berlin 2003. 40. Die Organisation von Gerichtsbarkeit und Verwaltung in der Erzdiözese Mainz vom hohen Mittelalter bis zum Ende der Reichskirche, 2 Bde. (= QAmrhKG, Bd. 111, I und II), Mainz 2004. 41. Das Priesterhaus in Marienborn (= Publikationen Bistum Mainz), Mainz 2005. 42. Die Auseinandersetzungen zwischen den Mainzer Erzbischöfen und dem Heiligen Stuhl um die Dispensbefugnis im 18. Jahrhundert (= Adnotationes ad Ius Canonicum 40 ), Frankfurt a. M. u. a. 2006.
II. Aufsätze und Beiträge in Sammelwerken 1.
Die §§ 37 und 65 des Reichsdeputationshauptschlusses, in: ÖAKR 9, 1958, 165 – 176.
2.
Die Bestechung im CIC, in: ThGl 49, 1959, 337 – 365.
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3.
Die kirchlichen Belange im geltenden bayerischen Schulrecht der allgemeinbildenden Schulen, in: MThZ 10, 1959, 257 – 275.
4.
Rechtsfolgen schuldhaften Verhaltens ohne Strafcharakter im CIC, in: ÖAKR 10, 1959, 174 – 202.
5.
Der Religionsunterricht im Staatskirchenrecht der sowjetischen Besatzungszone, in: ThQ 139, 1959, 270 – 290.
6.
Anklage- und Zeugnisfähigkeit nach der zweiten Sitzung des Konzils zu Karthago vom Jahre 419, in: ThQ 140, 1960, 163 – 205.
7.
Can. 18 der Synode zu Mâcon vom Jahre 583, in: MThZ 11, 1960, 237 – 247.
8.
Die Infamie bei Benedikt Levita, in: ÖAKR 11, 1960, 16 – 36.
9.
Die Infamie im Decretum Gratiani, in: AfkKR 129, 1960, 389 – 408.
10. Der Kirchenaustritt in der DDR, in: ThPQ 108, 1960, 290 – 294. 11. Ludwig Link †, in: AfkKR 129, 1960, 76 f. 12. Der Schutz des Klerus vor verleumderischen Anklagen im staatlichen und kirchlichen Gericht nach zwei kaiserlichen Konstitutionen aus den Jahren 378 und 412, in: ÖAKR 11, 1960, 288 – 299. 13. Zu den staatlichen Erwerbsbeschränkungen für kirchliche juristische Personen, besonders in Preußen und seinen Nachfolgestaaten seit dem Erscheinen des BGB, in: AfkKR 129, 1960, 9 – 43. 14. Die Anfänge der Infamie im kanonischen Recht, in: ZSavRG, KA 47, 1961, 77 – 94 (= Vortrag, gehalten auf dem 13. Deutschen Rechtshistorikertag 1960 in Saarbrücken). 15. Zu den Anklagebeschränkungen, insbesondere wegen Infamie, in den Capitula Angilramni, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 72, 1961, 112 – 116. 16. Die Bedeutung der pseudo-isidorischen Sammlung für die Infamie im kanonischen Recht, in: ÖAKR 12, 1961, 87 – 113, 191 – 207. 17. Bemerkungen zu der Frage der Diffamation und der Irregularität der öffentlichen Büßer, in: MThZ 12, 1961, 252 – 268. 18. Die Infamie im Strafmittelsystem der westgotischen Kirche, in: ZKTh 83, 1961, 15 – 43. 19. Das geistliche Wesen des kanonischen Rechts, in: AfkKR 130, 1961, 1 – 30. 20. Dasselbe, in: Miscellanea Erfordiana (= Erfurter Theologische Studien, Bd. 12), Leipzig 1962, 174 – 202 (Antrittsvorlesung vom 2.2.1961). 21. Wie wird in Mainz ein neuer Bischof gewählt?, in: Glaube und Leben Nr. 25 vom 18. Juni 1961, 448.
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22. Das Verhältnis von Papst und Bischöfen auf dem Allgemeinen Konzil nach dem CIC, in: TThZ 70, 1961, 212 – 232. 23. Dasselbe, in: Theologisches Jahrbuch 1963, 61 – 79. 24. Zur Auflösung von Naturehen durch päpstlichen Gnadenerweis, in: ThGl 52, 1962, 130 – 134. 25. Der Begriff der kanonischen Auctoritas im Hinblick auf Gesetz, Gewohnheit und Sitte, in: Deutsche Landesreferate zum VI. Internationalen Kongress für Rechtsvergleichung in Hamburg 1962, Berlin / Tübingen 1962, 39 – 53. 26. Auch: La „auctoritas“ canonica en relación a la ley, la costumbre y el uso, in: Ius Canonicum 2, 1962, 559 – 576. 27. Bemerkungen zur Organisation der Finanzverwaltung der deutschen Diözesen, in: TThZ 71, 1962, 193 – 215. 28. Entstehung und Rechtscharakter der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 zur Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, in: AfkKR 131, 1962, 15 – 66. 29. Neue Anwendungsfälle des privilegium fidei, in: ThGl 52, 1962, 41 – 46. 30. Der Kirchenaustritt in der Bundesrepublik Deutschland, in: ÖAKR 14, 1963, 3 – 67. 31. Das Verhältnis der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes GutenbergUniversität in Mainz zu dem Diözesanbischof nach der Vereinbarung zwischen Kirche und Staat vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946, in: Im Dienste des Rechtes in Kirche und Staat. Festschrift zum 70. Geburtstag von Franz Arnold, hrsg. von W. M. Plöchl / I .Gampl, Wien 1963, 171 – 196. 32. Der Vertrag des Landes Rheinland-Pfalz mit den evangelischen Landeskirchen vom 31. März 1962, in: AfkKR 132, 1963, 61 – 109, 434 – 474. 33. Die Ausbildung des Weltklerus in Deutschland, in: ThQ 144, 1964, 170 – 215. 34. Die Belegung kirchlicher Vergehen mit Infamie durch den Staat im römischen und westgotischen Reiche, in: ÖAKR 15, 1964, 177 – 188. 35. Bestimmungen über die Eingehung und Behandlung von Mischehen in den Ordnungen des deutschen Protestantismus, in: TThZ 73, 1964, 22 – 44. 36. Zu Ehescheidung und Wiederverheiratung in protestantischer Sicht, in: TThZ 73, 1964, 301 – 308. 37. Seelsorgerliche Bemühungen zur Verhütung von Mischehen, in: ThGl 54, 1964, 344 – 350. 38. Standesamtliche Eheschließung und kirchliche Trauung in protestantischer Sicht, in: MThZ 15, 1964, 259 – 277.
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39. Die Beteiligung des Kirchenstiftungsrates an der Verwaltung des örtlichen Kirchenvermögens in der Diözese Mainz, in: AfkKR 134, 1965, 3 – 71. 40. Die Ehescheidung bei Helmut Thielicke, in: TThZ 74, 1965, 353 – 370. 41. Enttheologisierung des Kirchenrechts?, in: AfkKR 134, 1965, 370 – 376. 42. Evangelische und katholische Mischehenseelsorge, in: MThZ 16, 1965, 200 – 240. 43. Katholische und evangelische Richtlinien zur communicatio in sacris, in: ÖAKR 16, 1965, 309 – 349. 44. Mischehe und Abendmahl. Überlegungen zur kirchenrechtlichen Situation und Praxis in den evangelischen Landeskirchen Deutschlands, in: ThGl 55, 1965, 366 – 383. 45. Die Bischofswahl in Trier, in: Deutsche Tagespost Nr. 147 vom 13. Dezember 1966, 8. 46. Deutung und Mißdeutung des Konzils, in: AfkKR 135, 1966, 444 – 472. 47. Die Exkommunikation, in: Für die Seelsorge. Pastoralbeilage zum Oberhirtlichen Verordnungsblatt für das Bistum Speyer Nr. 2 vom Februar 1966, 23 – 30. 48. Kirchenrecht und Kirchenrechtswissenschaft, in: Was ist Theologie?, hrsg. von E. Neuhäusler / E. Gößmann, München 1966, 266 – 284. 49. Die Kontinuität im kanonischen Recht, in: AfkKR 135, 1966, 52 – 92. 50. Die Errichtung von zwei mit Katholiken zu besetzenden Professuren in der philosophischen Fakultät der Universität Straßburg im Jahre 1902/03, in: Speculum iuris et ecclesiarum. Festschrift für Willibald M. Plöchl zum 60. Geburtstag, hrsg. von H. Lentze / I. Gampl, Wien 1967, 245 – 281. 51. Gültigmachung ungültiger Mischehen durch sanatio in radice, in: TThZ 76, 1967, 32 – 54. 52. Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Breslau. Ein Beitrag zum Ringen um Parität in Preußen, in: ZSavRG, KA 53, 1967, 155 – 272; 54, 1968, 200 – 268. 53. Gekürzt, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau XLII/2001, XLIII/ 2002, XLIV/2003, 2003, 697 – 700. 54. Umfang und Grenzen des Gebrauches der Landessprache in der Liturgie nach der Gesetzgebung des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: ÖAKR 18, 1967, 16 – 94. 55. Die Aufhebung der kirchlichen Bücherverbote, in: Ecclesia et Ius. Festgabe für Audomar Scheuermann zum 60. Geburtstag, hrsg. von K. Siepen / J. Weitzel / P. Wirth, München / Paderborn / Wien 1968, 547 – 571. 56. Die Erfüllung der Feiertagspflicht des Meßbesuches am Vorabend der Sonn- und Feiertage, in: ThPQ 116, 1968, 148 – 165.
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57. Neuordnung des Ablaßwesens, in: Glaube und Leben Nr. 48 vom 1. Dezember 1968, 9. 58. Primus Conventus Internationalis Studiorum de Historia Sollicitudinis Omnium Ecclesiarum, in: ZSavRG, KA 54, 1968, 510 – 513. 59. Die Deutsche Bischofskonferenz nach ihrer Neuordnung, in: AfkKR 138, 1969, 405 – 461. 60. Fragen zum Ökumenischen Direktorium I. Teil, in: TThZ 78, 1969, 150 – 160. 61. Die Funktion der Theologie in Kirche und Gesellschaft, in: P. Neuenzeit (Hrsg.), Die Funktion der Theologie in Kirche und Gesellschaft. Beiträge zu einer notwendigen Diskussion, München 1969, 291 – 309. 62. Gemeinsame Synode der Diözesen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Deutsche Tagespost Nr. 40 vom 4./5. April 1969, 14 f. 63. Das Glaubensgesetz, in: Ius Sacrum. Klaus Mörsdorf zum 60. Geburtstag, hrsg. von A. Scheuermann / G. May, München / Paderborn / Wien 1969, 349 – 372. 64. Die Kontinuität im kanonischen Recht, in: P. Schneider / O. Saame (Hrsg.), Das Problem der Kontinuität. Mainzer Universitätsgespräche Sommersemester 1966, Mainz 1970, 16 – 27. 65. Kritische Bemerkungen zu den Ausführungsbestimmungen der Deutschen Bischofskonferenz zum Motu Proprio „Matrimonia Mixta“ vom 31. März 1970 über die rechtliche Ordnung der konfessionsverschiedenen Ehen, in: UVK 1, 1970, 54 – 58. 66. Dasselbe, in: Das Zeichen Mariens 4, 1970, 1121 f. 67. Die Mischehenfrage auf der ersten Generalversammlung der Bischofssynode, in: ÖAKR 21, 1970, 233 – 266. 68. Bemerkungen zu dem Rätesystem in der Diözese Meißen nach den Dekreten I und II der Diözesansynode des Jahres 1969, in: TThZ 80, 1971, 308 – 315. 69. Mit Katholiken zu besetzende Professuren für Philosophie und Geschichte an der Universität Freiburg nach dem Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932, in: ius et salus animarum. Festschrift für Bernhard Panzram, hrsg. von U. Mosiek / H. Zapp, Freiburg 1972, 341 – 370. 70. Die liturgische Musik in den Kathedralen, Abteikirchen und ecclesiae maiores nach dem Vaticanum II. Zur liturgisch-musikalischen Rechtslage, in: J. Overath (Hrsg.), Magna Gloria Domini. Die liturgische Musik in den Kathedralen, Abteikirchen und ecclesiae maiores nach dem Vaticanum II. Symposion der Consociatio Internationalis Musicae Sacrae vom 4. bis 8. April 1972 in Salzburg (= Veröffentlichungen der Consociatio Internationalis Musicae Sacrae Rom), Roma 1972, 13 – 39.
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71. Zur Frage der staatlichen Anerkennung eines päpstlichen Adelstitels. Gutachten im Auftrag des Amtsgerichts Kiel zu Rechtsfragen der Verleihung des päpstlichen Adels, in: AfkKR 141, 1972, 483 – 491. 72. Die Prinzipien der juengsten kirchlichen Gesetzgebung ueber die Aufbewahrung und Verehrung der heiligsten Eucharistie, in: Ius populi Dei. Miscellanea in honorem Raymundi Bidagor, Vol. II, Roma 1972, 519 – 555. 73. Bemerkungen zu der kirchlichen Gesetzgebung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil unter besonderer Berücksichtigung von Liturgie und Kirchenmusik, in: In Caritate et Veritate. Festschrift für Johannes Overath. Kirchenmusik und Liturgie 10 Jahre nach Beginn des II. Vatikanischen Konzils, 70 Jahre nach Erlaß des Motu proprio Pius’ X. Dokumentationen und Beiträge. Zur Vollendung des 60. Lebensjahres von Johannes Overath, am 15. April 1973, hrsg. von H. Lonnendonker unter Mitarbeit zahlreicher Freunde der Musica sacra, Saarbrücken 1973, 67 – 99. 74. Dasselbe, in: UVK 3, 1973, 199 – 231. 75. Dasselbe (teilweise), in: Theologisches Nr. 43, November 1973, 1031 – 1037. 76. Bemerkungen zu der Priesterfrage in der Gegenwart. Eine Ausarbeitung für den Priesterrat in Mainz, der zu Stellungnahmen aufgefordert hatte, in: Theologisches Nr. 34, Februar 1973, 736 – 740. 77. Bischof Ludwig Colmar (1802 – 1818) und die religiöse Erziehung der Kinder aus Mischehen, in: Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte in der Neuzeit. Festschrift für Anton Philipp Brück zum 60. Geburtstag, hrsg. von Fr. R. Reichert, Mainz 1973, 369 – 382. 78. „Normative Kraft des faktischen Glaubens“ als Weg zur Einheitskirche der Zukunft? Bemerkungen zu einer Vision Karl Rahners, in: AfkKR 142, 1973, 3 – 16. 79. Dasselbe, in: UVK 3, 1973, 292 – 305. 80. Das Verhältnis von Pfarrgemeinderat und Pfarrer nach gemeinem Recht und nach Mainzer Diözesanrecht, in: Diaconia et Ius. Festgabe für Heinrich Flatten zum 65. Geburtstag, dargebracht von seinen Freunden und Schülern, hrsg. von H. Heinemann / H. Herrmann / P. Mikat, München / Paderborn / Wien 1973, 205 – 225. 81. Interkonfessionalismus in Bayern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Aus Reformation und Gegenreformation. Festschrift für Theobald Freudenberger (= Würzburger Diözesangeschichtsblätter, 35. / 36. Bd.), Würzburg 1974, 431 – 478. 82. Der Domkapitular Adolf Bertram als Referent für die Theologiestudierenden des Bistums Hildesheim nach Briefen aus dem Dom- und Diözesanarchiv Mainz. Mit 2 Abbildungen, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 33, 1975, 125 – 162. 83. Die Errichtung von Stiftungslehrstühlen für katholische Theologie an den Universitäten Frankfurt am Main und Gießen, in: AfkKR 144, 1975, 464 – 478.
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84. Die Organisation der Erzdiözese Mainz unter Erzbischof Willigis, in: Willigis und sein Dom. Festschrift zur Jahrtausendfeier des Mainzer Domes 975 – 1975 (= QAmrhKG, Bd. 24), Mainz 1975, 31 – 92. 85. Die rechtliche Stellung der Einrichtungen zur Ausbildung katholischer Religionslehrer an den staatlichen Hochschulen in dem Land Hessen, in: ÖAKR 26, 1975, 55 – 89. 86. Die Rechtsstellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie und die Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden an den staatlichen Hochschulen in Bayern nach dem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern vom 4. September 1974, in: AfkKR 144, 1975, 402 – 443. 87. Die Simultankirche in Zweibrücken vornehmlich zur Zeit des Bischofs Joseph Ludwig Colmar von Mainz (1802 – 1818), T. 1, in: ZSavRG, KA 61, 1975, 258 – 323; T. 2 u. 3: ebenda 62, 1976, 279 – 346. 88. Das Steuer herumreißen, in: G. Denzler (Hrsg.), Papsttum heute und morgen. 57 Antworten auf eine Umfrage, Regensburg 1975, 119 – 122. 89. Wilhelm Ülhoff zum Gedenken, in: AfkKR 144, 1975, 119 – 124. 90. Ulrich Stutz nach seinem Briefwechsel mit Pater bzw. Abt Ildefons Herwegen von Maria Laach, in: AfkKR 145, 1976, 59 – 151. 91. Verträge deutscher Bischöfe mit der Bundesrepublik Deutschland und den deutschen Bundesländern, in: Convivium utriusque iuris. Alexander Dordett zum 60. Geburtstag, hrsg. von A. Scheuermann / R. Weiler / G. Winkler, Wien 1976, 417 – 451. 92. Das Papstwahlrecht in seiner jüngsten Entwicklung. Bemerkungen zu der Apostolischen Konstitution „Romano Pontifici eligendo“, in: Ex aequo et bono. Willibald M. Plöchl zum 70. Geburtstag, hrsg. von P. Leisching / F. Pototschnig / R. Potz, Innsbruck 1977, 231 – 262. 93. Philipp Hofmeister und Ulrich Stutz, in: AfkKR 147, 1978, 35 – 49. 94. Der CIC und die Entwicklung des Kirchenrechts bis 1974, in: Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VII: Die Weltkirche im 20. Jahrhundert, hrsg. von H. Jedin / K. Repgen, Freiburg / Basel / Wien 1979, 152 – 179. 95. Die Konkordatspolitik des Heiligen Stuhls von 1918 bis 1974, in: Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VII: Die Weltkirche im 20. Jahrhundert, hrsg. von H. Jedin / K. Repgen, Freiburg / Basel / Wien 1979, 179 – 229. 96. Grundfragen kirchlicher Gerichtsbarkeit, in: Grundriß des nachkonziliaren Kirchenrechts, hrsg. von J. Listl / H. Müller / H. Schmitz, Regensburg 1980, 778 – 784. 97. Die Hochschulen, in: Grundriß des nachkonziliaren Kirchenrechts, hrsg. von J. Listl / H. Müller / H. Schmitz, Regensburg 1980, 654 – 669. 98. Das Kirchenamt, in: Grundriß des nachkonziliaren Kirchenrechts, hrsg. von J. Listl / H. Müller / H. Schmitz, Regensburg 1980, 179 – 187.
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Georg May
99. Kirchenrechtswissenschaft und Kirchenrechtsstudium, in: Grundriß des nachkonziliaren Kirchenrechts, hrsg. von J. Listl / H. Müller / H. Schmitz, Regensburg 1980, 51 – 59. 100. Franz Gescher nach seinen Briefen an Ulrich Stutz, in: ZSavRG, KA 68, 1982, 419 – 440. 101. Grundfragen kirchlicher Gerichtsbarkeit, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hrsg. von J. Listl / H. Müller / H. Schmitz, Regensburg 1983, 953 – 961. 102. Die Hochschulen, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hrsg. von J. Listl / H. Müller / H. Schmitz, Regensburg 1983, 605 – 631. 103. Das Kirchenamt, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hrsg. von J. Listl / H. Müller / H. Schmitz, Regensburg 1983, 141 – 153. 104. Kirchenrechtswissenschaft und Kirchenrechtsstudium, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hrsg. von J. Listl / H. Müller / H. Schmitz, Regensburg 1983, 71 – 82. 105. Kritische Bemerkungen zu dem neuen Codex Iuris Canonici, in: Theologisches Nr. 158, 1983, 5240 – 5250. 106. Remarks on Ecclesiastical Legislation after the Second Vatican Council with Special Attention to Liturgy and Church Music, in: Crux et Cithara. Selected essays on liturgy and sacred music translated and edited on the occasion of the seventieth birthday of Johannes Overath by R. A. Skeris (= Musicae Sacrae Meletemata, Vol. 2), Altötting 1983, 129 – 155. 107. Verschiedene Arten des Partikularrechtes, in: AfkKR 152, 1983, 31 – 45. 108. Colmars Ringen um den katholischen Charakter der Primärschulen in der Diözese Mainz von 1808 bis 1813, in: Ministerium Iustitiae. Festschrift für Heribert Heinemann zur Vollendung des 60. Lebensjahres, hrsg. von A. Gabriels / H. J. F. Reinhardt, Essen 1985, 299 – 311. 109. Ludwig Kaas (1881 – 1952), in: Rheinische Lebensbilder, Bd. 10, Köln 1985, 223 – 235. 110. Das Recht der Mischehen in der Diözese Mainz zur Zeit von Bischof Joseph Ludwig Colmar (1802 – 1816), in: AfkKR 154, 1985, 121 – 163. 111. Zum ‚ius emigrandi‘ am Beginn des konfessionellen Zeitalters, in: AfkKR 155, 1986, 92 – 125. 112. Das Ringen zwischen Bischof Joseph Ludwig Colmar und dem Präfekten Jeanbon Saint-André um die weltanschauliche Ausgestaltung der Primärschulen in dem Departement Donnersberg in den Jahren 1805 bis 1807, in: Recht im Dienste des Menschen. Eine Festgabe Hugo Schwendenwein zum 60. Geburtstag, hrsg. von Kl. Lüdicke / H. Paarhammer / D. A. Binder, Graz 1986, 219 – 244.
Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen
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113. Mit A. Egler, Kirchenrechtswissenschaft. Frage nach ihrer Methode, in: Forschungsmagazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 1986, Heft 2, 22 – 25. 114. Bemerkungen zur Konkathedrale, in: ÖAKR 37, 1987, 39 – 51. 115. Bischof Colmars Sorge um die Wohltätigkeitsanstalten und die milden Stiftungen in der Franzosenzeit, in: Administrator Bonorum. Oeconomus tamquam paterfamilias. Sebastian Ritter zum 70. Geburtstag, hrsg. von H. Paarhammer, Thaur/ Tirol 1987, 105 – 134. 116. Die kirchlichen Vereine nach den Bestimmungen des Codex Iuris Canonici vom 25. Januar 1983, in: FKTh 3, 1987, 281 – 297. 117. Bemerkungen zu den Apostolischen Administratoren und Administrationen, in: ThGl 78, 1988, 415 – 429. 118. Die Entstehung der hauptsächlichen Bestimmungen über das ius emigrandi (Art. V §§ 30 – 43 IPO) auf dem Westfälischen Friedenskongreß, in: ZSavRG, KA 74, 1988, 436 – 494. 119. Die Erhebung von Kirchen zur Basilica Minor unter Papst Johannes Paul II., in: FKTh 4, 1988, 203 – 217. 120. Das ius emigrandi nach dem Westfälischen Friedensinstrument, in: Ecclesia militans. Studien zur Konzilien- und Reformationsgeschichte. Remigius Bäumer zum 70. Geburtstag gewidmet, hrsg. von W. Brandmüller / H. Immenkötter / E. Iserloh, Bd. II, Paderborn 1988, 607 – 636. 121. Die Laienpredigt in ihrer jüngsten Entwicklung, in: Theologisches 18, 1988, 254 – 258. 122. Der Unterhalt des Klerus der Diözese Mainz (Departement Donnersberg) unter Bischof Joseph Ludwig Colmar zur Zeit der Franzosenherrschaft, in: Kirche, Staat und katholische Wissenschaft in der Neuzeit. Festschrift für Heribert Raab zum 65. Geburtstag am 16. März 1988, hrsg. von A. Portmann-Tinguely, Paderborn 1988, 219 – 277. 123. Bemerkungen zu der Kirchenrechtswissenschaft um das Jahr 1000, in: AfkKR 158, 1989, 29 – 68. 124. Die Inkardination des Diözesanbischofs. Ein Diskussionsbeitrag, in: Recht als Heilsdienst. Matthäus Kaiser zum 65. Geburtstag gewidmet von seinen Freunden, Kollegen und Schülern, hrsg. von W. Schulz, Paderborn 1989, 105 – 114. 125. Das Lehrverfahren gegen Eutyches im November des Jahres 448. Zur Vorgeschichte des Konzils von Chalkedon, in: Annuarium Historiae Conciliorum 21, 1989, 1 – 61. 126. Die Kanonistik um das Jahr 1000, in: 1000 Jahre St. Stephan in Mainz. Festschrift, hrsg. von H. Hinkel (= QAmrhKG, Bd. 63), Mainz 1990, 113 – 157. 127. Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils. Bemerkungen eines Kirchenrechtlers, in: H. Becker / B. J. Hilberath / U. Willers (Hrsg.), Gottesdienst –
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Georg May Kirche – Gesellschaft. Interdisziplinäre und ökumenische Standortbestimmungen nach 25 Jahren Liturgiereform (= Pietas liturgica 5), St. Ottilien 1991, 77 – 116.
128. Dasselbe als Sonderdruck: Una Voce Deutschland, Köln 1992. 129. Die Anfänge des Gerichtes des Heiligen Stuhles zu Mainz, in: Festschrift Alfred Wendehorst zum 65. Geburtstag gewidmet von Kollegen, Freunden, Schülern, hrsg. von J. Schneider / G. Rechter (= Jahrbuch für fränkische Landesforschung 52), Neustadt/ Aisch 1992, 121 – 134. 130. Derogationsformeln, in: AfkKR 161, 1992, 11 – 41. 131. Die Anfänge des Generalvikars in der Erzdiözese Mainz, in: ZSavRG, KA 79, 1993, 189 – 231. 132. Das Verhältnis von Gesetz und Gewissen im kanonischen Recht, dargestellt an den cc. 915/916 CIC/1983, in: FKTh 9, 1993, 117 – 130. 133. Errichtung und Erweiterung katholisch-theologischer Studieneinrichtungen an staatlichen Hochschulen. Überlegungen zu einer jüngst erschienenen Studie, in: Iuri Canonico Promovendo. Festschrift für Heribert Schmitz zum 65. Geburtstag, hrsg. von W. Aymans / K.-Th. Geringer, Regensburg 1994, 415 – 440. 134. Konservatoren, Konservatoren der Universitäten und Konservatoren der Universität Erfurt im hohen und späten Mittelalter, in: ZSavRG, KA 80, 1994, 99 – 248. 135. Mängel im Ehevorbereitungsprotokoll der deutschen Bistümer, in: Theologisches 24, 1994, 175 – 194. 136. Das Verhältnis von Gesetz und Gewissen angesichts der kanonischen Rechtsordnung, in: Neue Positionen des Kirchenrechts, hrsg. von Kl. Lüdicke / H. Paarhammer / D. A. Binder, Graz 1994, 49 – 79. 137. Der Erzbischof von Mainz als Primas, in: AfkKR 164, 1995, 76 – 122. 138. Dasselbe, in: Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler. Funktionen, Aktivitäten, Ansprüche und Bedeutung des zweiten Mannes im alten Reich, hrsg. von P. C. Hartmann (= Geschichtliche Landeskunde, Bd. 45), Stuttgart 1997, 131 – 155. 139. Gewährung und Versagung der Zulassung zur Weihe, in: Theologia et Ius Canonicum. Festgabe für Heribert Heinemann zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, hrsg. von H. J. F. Reinhardt, Essen 1995, 371 – 384. 140. Vinum de vite als Materie des eucharistischen Opfersakramentes, in: Vorgeschmack. Ökumenische Bemühungen um die Eucharistie. Festschrift für Theodor Schneider, hrsg. von B. J. Hilberath / D. Sattler, Mainz 1995, 429 – 452. 141. Exekutoren der Provinzialstatuten im Erzbistum Mainz während des hohen und späten Mittelalters, in: De Iure Canonico Medii Aevi. Festschrift für Rudolf Weigand (= Studia Gratiana XXVII), 1996, 331 – 374. 142. Der Fiskalprokurator am Gericht des Mainzer Stuhles: Konrad von Fritzlar, in: ZSavRG, KA 82, 1996, 82 – 106.
Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen
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143. Unzutreffende Ausführungen über die protestantische Trauung in den Urteilen zweier Instanzen deutscher Offizialate, in: DPM 3, 1996, 267 – 281. 144. Behebung und Entfall von Ehehindernissen im Erzbistum Mainz in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Iustitia in caritate. Festgabe für Ernst Rößler zum 25jährigen Dienstjubiläum als Offizial der Diözese Rottenburg-Stuttgart, hrsg. von R. Puza / A. Weiß, Frankfurt 1997, 125 – 181. 145. Geistliche Ämter und kirchliche Strukturen, in: Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, hrsg. von F. Jürgensmeier, 2: Territoriale und kirchliche Strukturen, Würzburg 1997, 445 – 592. 146. Das Recht auf Einzelzelebration, in: UVK 27, 1997, 147 – 172. 147. Dasselbe, in: Winfried Schulz in memoriam. Schriften aus Kanonistik und Staatskirchenrecht, hrsg. von C. Mirabelli / G. Feliciani u.a., Frankfurt / Berlin 1999, 477 – 502. 148. Die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Erzdiözese Mainz während des 18. Jahrhunderts nach den Protokollen des Generalvikariats, in: ZSavRG, KA 115, 1998, 470 – 549. 149. Bemerkungen zum Eremitentum nach dem Codex Iuris Canonici 1983, in: Iustitia et modestia. Festschrift für Hubert Socha zur Vollendung seines 65. Lebensjahres, hrsg. von P. Boekholt / I. Riedel-Spangenberger, München 1998, 291 – 305. 150. Heiligenverehrung im Wandel, in: Heimatjahrbuch Landkreis Mainz-Bingen 42, 1998, 55 – 57. 151. Der Kanonisationsprozeß Hildegards im 13. Jahrhundert, in: 900 Jahre Hildegard von Bingen. Neuere Untersuchungen und literarische Nachweise, hrsg. von W. Podehl (= Verzeichnisse und Schriften der Hessischen Landesbibliothek Bd. 12), Wiesbaden 1998, 27 – 43. 152. Grundfragen kirchlicher Gerichtsbarkeit, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2., neubearb. Aufl., hrsg. von J. Listl / H. Schmitz, Regensburg 1999, 1153 – 1162. 153. Die Hochschulen, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2., neubearb. Aufl., hrsg. von J. Listl / H. Schmitz, Regensburg 1999, 749 – 777. 154. Das Kirchenamt, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2., neubearb. Aufl., hrsg. von J. Listl / H. Schmitz, Regensburg 1999, 175 – 187. 155. Kirchenrechtswissenschaft und Kirchenrechtsstudium, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2., neubearb. Aufl., hrsg. von J. Listl / H. Schmitz, Regensburg 1999, 90 – 101. 156. Listen von Bischofskandidaten in den deutschen Konkordaten und Kirchenverträgen, in: Dem Staate, was des Staates ist – der Kirche, was der Kirche ist. Festschrift für Joseph Listl zum 70. Geburtstag, hrsg. von J. Isensee / W. Rees / W. Rüfner, Berlin 1999, 739 – 760.
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Georg May
157. Die Bruderschaften im Recht der Kirche, in: Die Priesterbruderschaft St. Salvator zu Straubing. Studien zu ihrer Geschichte, hrsg. von P. Mai / K. Hausberger (= Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg, Beibd. 11), Regensburg 2001, 1 – 23. 158. Das „Hausrecht“ des Pfarrers bzw. des Kirchenrektors, in: Communio in ecclesiae mysterio. Festschrift für Winfried Aymans zum 65. Geburtstag, hrsg. von K.-Th. Geringer / H. Schmitz, St. Ottilien 2001, 363 – 387. 159. Der Instanzenzug in der Erzdiözese Mainz, in: Tradition – Wegweisung in die Zukunft. Festschrift für Johannes Mühlsteiger SJ zum 75. Geburtstag, hrsg. von K. Breitsching / W. Rees (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 46), Berlin 2001, 103 – 131. 160. Die Aufrechterhaltung der Disziplin im Klerus durch Bischof Joseph Ludwig Colmar (1802 – 1818), in: Zerfall und Wiederbeginn. Vom Erzbistum zum Bistum Mainz (1792/97 – 1830). Ein Vergleich. Festschrift für Friedhelm Jürgensmeier, hrsg. von W. G. Rödel / R. Schwerdtfeger (= Beiträge zur Mainzer Kirchengschichte 7), Würzburg 2002, 293 – 318. 161. Geistliche Ämter und kirchliche Strukturen im 19. und 20. Jahrhundert, in: Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, hrsg. von F. Jürgensmeier u. a., 3, 2: Neuzeit und Moderne, Würzburg 2002, 1313 – 1340. 162. Mehrheitsverhältnisse bei Papstwahlen, in: Iudicare inter fideles. Festschrift für Karl-Theodor Geringer zum 65. Geburtstag, hrsg. von W. Aymans / St. Haering / H. Schmitz, St. Ottilien 2002, 273 – 285. 163. Ein Gelehrter aus Schlesien. Autobiographische Skizze des Kirchenrechtlers Georg May, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau XLII – XLIV / 2001 – 2003, 2003, 739 – 752. 164. Das Mainzer Metropolitangericht als Berufungsinstanz der Mainzer Kirchenprovinz im17. und 18. Jahrhundert, in: „Ins Wasser geworfen und Ozeane durchquert“. Festschrift für Knut Wolfgang Nörr, hrsg. von M. Ascheri / F. Ebel / M. Heckel u. a., Köln / Weimar / Wien 2003, 523 – 560. 165. Mit H. Unverricht, May, Georg Prof. Dr., in: Liegnitzer Lebensbilder des Stadtund Landkreises, hrsg. von H. Unverricht, Bd. 2 (= Beiträge zur Liegnitzer Geschichte der Historischen Gesellschaft Liegnitz e.V. in Zusammenarbeit mit der Liegnitzer Sammlung Wuppertal, 32. Bd.), Hofheim/Taunus 2003, 18 – 23. 166. Die Ausschreibung der Pfarreien, in: ThGl 94, 2004, 369 – 383. 167. Ferdinand Piontek (1878 – 1963), in: Schlesische Lebensbilder VIII, Neustadt a. d. A. 2004, 248 – 254. 168. Der Wiedereintritt in eine Religionsgemeinschaft, in: Recht in Kirche und Staat. Joseph Listl zum 75. Geburtstag, hrsg. von W. Rees (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 48), Berlin 2004, 185 – 204.
Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen
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169. Der Ruhestand des Pfarrers, in. AfkKR 173, 2004, 7 – 41. 170. Zwei Fragen aus der Praxis zur Eheassistenz und zur Weihespendung, in: DPM 11, 2004, 111 – 116. 171. Die Amtsenthebung (amotio) von Bischöfen, in: FKTh 21, 2005, 199 – 212. 172. Das Approbationsexamen in der Erdiözese Mainz im 18. Jahrhundert, in: Recht – Bürge der Freiheit. Festschrift für Johannes Mühlsteiger SJ zum 80. Geburtstag, hrsg. von K. Breitsching / W. Rees (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 51), Berlin 2006, 481 – 519.
III. Artikel in Lexika und Nachschlagewerken 1.
Ad nutum, in: LThK I, 21957, 150.
2.
Affectio papalis, in: LThK I, 21957, 166.
3.
Akklamation, III. Kirchenrechtlich, in: LThK I, 21957, 238.
4.
Amortisationsgesetze, in: LThK I, 21957, 447.
5.
Angustia loci, in: LThK I, 21957, 560.
6.
Approbation, in: LThK I, 21957, 771 f.
7.
Beneficium competentiae, in: LThK II, 21958, 196.
8.
Cathedraticum, in: LThK II, 21958, 979.
9.
Causa, in: LThK II, 21958, 982.
10. Chorgerichte, in: LThK II, 21958, 1083. 11. Ehre, kirchliche, in: LThK III, 21959, 713 f. 12. Erfurt, in: LThK III, 21959, 984 – 986. 13. Geistlich, in: LThK IV, 21960, 618. 14. Geistliche Sachen, in: LThK IV, 21960, 626 f. 15. Geistlicher Rat, in: LThK IV, 21960, 624 f. 16. Gerichtsordnungen, in: LThK IV, 21960, 741 f. 17. Göde, Henning, in: LThK IV, 21960, 1034. 18. Hausgeistlicher, in: LThK V, 21960, 34 f. 19. Heimatvertriebene, in: LThK V, 21960, 171 f. 20. Hilten, Johannes, in: LThK V, 21960, 351. 21. Indiktion, in: LThK V, 21960, 652 f.
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22. Infamie, in: LThK V, 21960, 667. 23. Kahl, Wilhelm, in: LThK V, 21960, 1240. 24. Kommissar, Kommissariat, in: LThK VI, 21961, 407 f. 25. Konkurrenzbeiträge, in: LThK VI, 21961, 461. 26. Ordinariat, bischöfliches, in: LThK VII, 21962, 1209. 27. Permaneder, Franz Michael, in: LThK VIII, 21963, 279 f. 28. Pfalzrichter, in: LThK VIII, 21963, 396. 29. Präzedenz, in: LThK VIII, 21963, 702 f. 30. Protoscriniarius, in: LThK VIII, 21963, 838. 31. Reservation, in: LThK VIII, 21963, 1248 f. 32. Sanktion, in: LThK IX, 21964, 316. 33. Seminar, in: LThK IX, 21964, 647 – 650. 34. Senioratsprinzip, in: LThK IX, 21964, 667. 35. Spiritual, in: LThK IX, 21964, 973 f. 36. Sünder, öffentlicher, in: LThK IX, 21964, 1187. 37. Todesgefahr, in: LThK X, 21965, 228 f. 38. Tote Hand, in: LThK X, 21965, 262 f. 39. Unterhaltspflicht, in: LThK X, 21965, 529. 40. Walter, Ferdinand, in: LThK X, 21965, 950. 41. Wasserschleben, Friedr. Wilh. Hermann, in: LThK X, 21965, 968. 42. Zech, Franz Xaver, in: LThK X, 21965, 1316. 43. Benedict the Levite, in: NCE II, 1967, 282. 44. Polycarpus, in: NCE XI, 1967, 536. 45. Regino of Prüm, Collection of, in: NCE XII, 1967, 204 f. 46. Kirchenorganisation, in: Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1968, 805 – 817. 47. Kirchenrecht, in: Sacramentum Mundi II, 1968, 1226 – 1251. 48. Actus legitimi, in: Lexikon des Mittelalters I, 1980, 90. 49. Affectio papalis, in: Lexikon des Mittelalters I, 1980, 194. 50. Akklamation, in: Lexikon des Mittelalters I, 1980, 251 f.
Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen
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51. Bann, IV. Alte Kirche und Mittelalter, in: TRE V, 1980, 170 – 182. 52. Linneborn, Johannes, in: Neue Deutsche Biographie XIV, 1985, 633 f. 53. Gerichtsbarkeit, kirchliche. III. Die k. G. der kathol. Kirche, in: Evangelisches Staatslexikon I, 31987, 1089 – 1092. 54. Interdikt, in: TRE XVI, 1987, 221 – 226. 55. Kirchenrechtsquellen, in: TRE XIX, 1989, 1 – 44. 56. Ad nutum, in: LThK I, 31993, 125. 57. Affectio papalis, in: LThK I, 31993, 188. 58. Akklamation, III. Kirchenrechtlich, in: LThK I, 31993, 290. 59. Angustia loci, in: LThK I, 31993, 675. 60. Approbation, in: LThK I, 31993, 887 f. 61. Asyl, Asylrecht, III. Historisch, V. Kirchenrechtlich, in: LThK I, 31993, 1117 f., 1119. 62. Benefizium, kirchliches, III. Recht, in: LThK II, 31994, 225 f. 63. Cathedraticum, in: LThK II, 31994, 978. 64. Causa, II. Im Kirchenrecht, in: LThK II, 31994, 980. 65. Meurer, Christian, in: NDB XVII, 1994, 267 f. 66. Disziplin, II. In der kirchlichen Tradition, in: LThK III, 31995, 271 f. 67. Ehre, II. Kirchliche Ehre, in: LThK III, 31995, 506. 68. Enzyklika, in: LThK III, 31995, 697 f. 69. Forum, in: LThK III, 31995, 1368 f. 70. Geistlicher Rat, in: LThK IV, 31995, 396 f. 71. Gerichtsordnungen, in: LThK IV, 31995, 524 f. 72. Goede, Henning, in: LThK IV, 31995, 814. 73. Hausgeistlicher, in: LThK IV, 31995, 1215 f. 74. Heilige Sache, in: LThK IV, 31995, 1279 f. 75. Indiktion, in: LThK V, 31996, 470. 76. Infamie, in: LThK V, 31996, 489 f. 77. Kahl, Wilhelm, in: LThK V, 31996, 1125. 78. Kapitel (I), in: LThK V, 31996, 1214 f. 79. Kommissar, Kommissariat, in: LThK VI, 31997, 212 f.
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80. Apostat, in: RGG I, 41998, 636. 81. Barion, in: RGG I, 41998, 1108 f. 82. Meßstiftung, in: LThK VII, 31998, 185. 83. Öffentlicher Sünder, in: LThK VII, 31998, 1004. 84. Pfalzrichter, in: LThK VIII, 31999, 161. 85. Pfarrvikarie, ständ. P., in: LThK VIII, 31999, 181. 86. Pfründe, in: LThK VIII, 31999, 197 f. 87. Placet, in: LThK VIII, 31999, 338 f. 88. Präbende, in: LThK VIII, 31999, 464 f. 89. Präzedenz, in: LThK VIII, 31999, 522 f. 90. Primicerius, in: LThK VIII, 31999, 593 f. 91. Protoscriniarius, in: LThK VIII, 31999, 670. 92. Reservation, in: LThK VIII, 31999, 1120 f. 93. Römische Kurie, in: LThK VIII, 31999, 1287 – 1290. 94. Forum, in: RGG III, 42000, 204 f. 95. Gerichtsbarkeit, kirchliche, I. Katholische Kirche, in RGG III, 42000, 738 – 740. 96. Sanktion, in: LThK IX, 32000, 58. 97. Senioratsprinzip, in: LThK IX, 32000, 462. 98. Spiritual, in: LThK IX, 32000, 850 f. 99. Stutz, Ulrich, in: LThK IX, 32000, 1064. 100. Imprimatur, in: RGG IV, 42001, 77. 101. Interdikt, in: RGG IV, 42001, 192 f. 102. Kaplan II., in: RGG IV, 42001, 801. 103. Knecht, August, in: RGG IV, 42001, 1462. 104. Koeniger, Albert Michael, in: RGG IV, 42001, 1469. 105. Todesgefahr, in LThK X, 32001, 82 f. 106. Tote Hand, in: LThK X, 32001, 120 f. 107. Wasserschleben, Friedrich Wilhelm Hermann, in: LThK X, 32001, 989.
Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen
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IV. Herausgabe oder Mitherausgabe von Büchern und Zeitschriften 1.
Mit A. Scheuermann, Ius Sacrum. Klaus Mörsdorf zum 60. Geburtstag, München / Paderborn / Wien 1969.
2.
Mit R. Jud u. a., Erasmus. Speculum Scientiarum. International Bulletin of Contemporary Scholarship 1970 ff.
3.
Kanonistische Studien und Texte Bd. 36 – Bd. 46, 1987 – 2001. Mit A. Egler Bd. 39 – Bd. 46, 1992 – 2001.
V. Miszellen 1.
Zur Frage der künstlichen Insemination, in: MThZ 15, 1964, 150 – 153.
2.
Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche. Zu einem Buch von W. Conrad, in: TThZ 74, 1965, 116 – 121.
3.
Koordination von Staat und Kirche in der Demokratie, in: TThZ 75, 1966, 176 – 183.
4.
„Auflösbarkeit unauflöslicher Ehen“ und „Die Mischehe in ökumenischer Sicht“, in: MThZ 20, 1969, 230 – 241.
5.
Christoph Moufang (1817 – 1890), in: AmrhKG 22, 1970, 227 – 236.
6.
„Wie unauflöslich ist die Ehe?“, in: AfkKR 140, 1971, 74 – 105.
7.
Dasselbe, in: Theologisches Nr. 49, Mai 1974, 1208 – 1215.
8.
Zu der Frage der Weihefähigkeit der Frau, in: ZSavRG, KA 60, 1974, 375 – 393.
9.
Dasselbe, in: UVK 5, 1975, 152 – 165, 211 – 220.
10 Dasselbe (gekürzt), in: Theologisches Nr. 62, Juli 1975, 1622 – 1630. 11. Priestertum der Frau? Kritische Anmerkungen zu einem jüngst erschienenen Buch, in: TThZ 83, 1974, 181 – 186. 12. Hans Barion – Kirche und Kirchenrecht, in: Der Staat 24, 1985, 577 – 588. 13. Pastoral in Deutschland. Zu einer wichtigen Neuerscheinung, in: UVK 20, 1990, 339 – 346.
VI. Rezensionen 1.
Schoch, M., Evangelisches Kirchenrecht und biblische Weisung. Ein Beitrag zur theologischen Grundlegung des Kirchenrechts, Zürich 1954, in: MThZ 8, 1957, 77 – 79.
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2.
Delekat, Fr., Über den Begriff der Säkularisation, Heidelberg 1958, in: MThZ 9, 1958, 303.
3.
Reichling, G., Die Heimatvertriebenen im Spiegel der Statistik (= Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften N.F., Bd. 6/III. Untersuchungen zum deutschen Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem, hrsg. von B. Pfister, Erste Abt.: Grundfragen), Berlin 1958, in: MThZ 10, 1959, 171 – 173.
4.
Bader, K. S., Das mittelalterliche Dorf als Friedens- und Rechtsbereich, Weimar 1957, in: AmrhKG 12, 1960, 357.
5.
Eckhardt, W. A., Die Kapitulariensammlung Bischof Ghaerbalds von Lüttich (= Germanenrechte N.F. Deutschrechtliches Archiv, H. 5), Göttingen / Berlin / Frankfurt 1955, in: AmrhKG 12, 1960, 360.
6.
Hack, H., Der Rechtsstreit zwischen dem Fürstbischof von Würzburg und dem Fürstabt von Fulda an der Römischen Kurie um die geistliche Hoheit im Gebiet des Stifts Fulda (1688-1717) (= Quellen und Abhandlungen zur Geschichte der Abtei und der Diözese Fulda 18), Fulda 1956, in: AmrhKG 12, 1960, 360 f.
7.
(o. Verf.), Das Recht auf die Heimat. 4. Fachtagung veranstaltet vom 21. bis 23. Oktober 1959 in den Räumen des Albertus Magnus Kollegs, Königstein (Taunus). Vorträge und Ansprachen, hrsg. im Auftrag des Albertus Magnus Kollegs, Königstein, und der Evangelischen Akademie, Arnoldshain, von K. Rabl (= Studien und Gespräche über Heimat und Heimatrecht, Bd. 4), München 1960, in: AfkKR 129, 1960, 693 – 695.
8.
Schieffer, Th., Die lothringische Kanzlei um 900, Köln / Graz 1958, in: AmrhKG 12, 1960, 379.
9.
Volk, P., Die Generalkapitels-Rezesse der Bursfelder Kongregation, III. Bd.: 1645 – 1780, Siegburg 1959, in: AmrhKG 12, 1960, 383.
10. Chyang, P. B., Decennial Faculties for Ordinaries in Quasi-Dioceses (= The Catholic University of America Canon Law Studies 402), Washington 1961, in: AfkKR 130, 1961, 602 – 604. 11. De Conciliis Oecumenicis. Theses Caroli Passaglia de Conciliis deque habitu quo ad Romanos Pontifices referuntur. Ad fidem manuscripti primo edidit introductione generali necnon multiplicibus notis illustravit H. Schauf, Rom / Freiburg i. Br. / Barcelona 1961, in: AfkKR 130, 1961, 600 – 602. 12. Gossmann, F. J., Pope Urban II and Canon Law. Diss. Jur. Can. (= The Catholic University of America Canon Law Studies 403), Washington 1960, in: AfkKR 130, 1961, 613 – 617. 13. Kuttner, St. G., Harmony from Dissonance. An Interpretation of Medieval Canon Law (= Wimmer Lecture X), Latrobe 1960, in: AfkKR 130, 1961, 598 – 600.
Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen
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14. Reed, A. A., The Juridical Aspect of Incorporation into the Church of Christ – Canon 87. Diss. Jur. Can., Carthagena 1960, in: ThRv 57, 1961, 268. 15. Studia Gratiana post octava Decreti saecularia VI, VII, curantibus I. Forchielli / A. M. Stickler, Bologna 1959, in: AfkKR 130, 1961, 282 – 287. 16. Wolf, E., Ordnung der Kirche. Lehr- und Handbuch des Kirchenrechts auf ökumenischer Basis, T. I, Frankfurt 1960, in: ThRv 57, 1961, 193 – 198. 17. Munier, Ch., Les Statuta Ecclesiae Antiqua. Édition – Études critiques (= Bibliothèque de l’Institut de droit canonique de l’Université de Strasbourg 5), Paris 1960, in: ZSavRG, KA 48, 1962, 377 – 382. 18. Portugiesische Forschungen der Görresgesellschaft, hrsg. von H. Flasche. 1. Reihe: Aufsätze zur portugiesischen Kulturgeschichte 2, Münster/ W. 1961, in: AfkKR 131, 1962, 599 – 603. 19. Reber, A., Katholische und protestantische Rechtsbegründung heute, Frankfurt/ M. 1962, in: AfkKR 131, 1962, 577 – 582. 20. Schmale, F. J., Studien zum Schisma des Jahres 1130 (= Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 3), Köln / Graz 1961, in: ZSavRG, KA 48, 1962, 397 – 404. 21. Stollenwerk, A., Zur Geschichte des „Hospitals zum Heiligen Geist“ und des „Gotteshauses“ in Boppard (= Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Landesgeschichte und Volkskunde im Regierungsbezirk Koblenz 2), Boppard/ Rh. 1961, in: AfkKR 131, 1962, 595 – 599. 22. Wolf, E., Ordnung der Kirche. Lehr- und Handbuch des Kirchenrechts auf ökumenischer Basis, T. II, Frankfurt 1961, in: ThRv 58, 1962, 256 – 266. 23. Friederichs, H. F., Aschaffenburg im Spiegel der Stiftsmatrikel 1605 – 1650. Beiträge zur Geschichte und Genealogie der kurmainzischen Residenz im Dreißigjährigen Kriege (= Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg 6), Aschaffenburg 1962, in: AmrhKG 15, 1963, 515 f. 24. Kemmeren, C., Ecclesia et Ius. Analysis critica operum Josephi Klein (= Studia Antoniana 20), Rom 1963, in: AfkKR 132, 1963, 306 – 315. 25. Kittel, H., Die Behinderung des Bischofs und ihre Behebung im Altertum. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung. Diss. Jur. Can., Minden 1962, in: ZSavRG, KA 49, 1963, 460 – 465. 26. Michael, Die zwölf Urrechte des Menschen. Die Grundordnung der Gerechtigkeit, München / Solln 1963, in: AfkKR 132, 1963, 614. 27. La potestad de la Iglesia (Análisis de su aspecto jurídico). Trabajos de la VII Semana del derecho canónico (= Consejo superior de investigaciones cientifícas. Instituto San Raimundo de Peñafort, Salamanca), Barcelona / Madrid / Valencia / Lisboa 1960, in: AfkKR 132, 1963, 315 – 320.
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28. Salmon, P., L’abbé dans la tradition monastique. Contribution à l’histoire du caractère perpétuel des supérieurs religieux en Occident (= Histoire et sociologie de l’Église 2), Paris 1962, in: ZSavRG, KA 49, 1963, 465 – 474. 29. Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit (= Münsterische Beiträge zur Rechts- und Staatswissenschaft, H. 7), Berlin 1962, in: AmrhKG 15, 1963, 498 – 501. 30. Useros Carretero, M., „Statuta Ecclesiae“ y „Sacramenta Ecclesiae“ en la Eclesiología de St. Tomás de Aquino. Reflexión tomista sobre el Derecho de la Iglesia en paralelismo a la actual temática eclesiológico-canónica (= Analecta Gregoriana, Vol. 119), Roma 1962, in: ZSavRG, KA 49, 1963, 474 – 477. 31. Bühler, W., Katholisch-evangelische Mischehen in der Bundesrepublik nach dem geltenden katholischen und evangelischen Kirchenrecht (= Heidelberger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen N.F. 11), Heidelberg 1963, in: AfkKR 133, 1964, 244 f. 32. Evangelische Mischehenseelsorge. Handreichung zur Mischehenerklärung der lutherischen Bischofskonferenz, hrsg. von F. Rießbeck / H. Schmidt / H. Schnell (= Missionierende Gemeinde, H. 2), 2. Aufl., Berlin / Hamburg 1962, in: AfkKR 133, 1964, 597 – 599. 33. Harenberg, W., Mischehe und Konzil. Chancen und Grenzen einer katholischen Reform. Ein dokumentarischer Bericht, Stuttgart / Berlin 1964, in: AfkKR 133, 1964, 589 – 597. 34. Heinemann, H., Die rechtliche Stellung der nichtkatholischen Christen und ihre Wiederversöhnung mit der Kirche (= Münchener Theol. Studien. Kanonist. Abt., Bd. 20), München 1964, in: MThZ 15, 1964, 336 – 338. 35. Kaptein, R., Ehescheidung und Wiederverheiratung (Aus dem Niederländ. übersetzt von H. Stoevesandt), Göttingen 1963, in: FamRZ 11, 1964, 648 f. 36. Metz, R., Das Kirchenrecht (= Der Christ in der Welt. XII. Reihe, Bd. 1), Aschaffenburg 1963, in: TThZ 73, 1964, 125. 37. Moynihan, J. M., Papal Immunity and Liability in the Writings of the Medieval Canonists (= Analecta Gregoriana, Vol. 120), Rom 1961, in: ZSavRG, KA 50, 1964, 337 – 349. 38. Neumann, J., Der Spender der Firmung in der Kirche des Abendlandes bis zum Ende des kirchlichen Altertums. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, Meitingen 1963, in: TThZ 73, 1964, 125 f. 39. Schmidt, K., Kardinal Pietro Gasparris Einfluß auf die Spruchpraxis der Sacra Romana Rota in Ehesachen (= Freiburger Theol. Studien, H. 81), Freiburg / Basel / Wien 1963, in: TThZ 73, 1964, 317.
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40. Schüller, Br., Die Herrschaft Christi und das weltliche Recht. Die christologische Rechtsbegründung in der neueren protestantischen Theologie (= Analecta Gregoriana, Vol. 128), Rom 1963, in: TThZ 73, 1964, 127 f. 41. Siepen, K., Vermögensrecht der klösterlichen Verbände, Paderborn 1963, in: TThZ 73, 1964, 126 f. 42. Strigl, R. A., Die vicaria perpetua als Ersatzform der kanonischen Pfarrei. Eine kanonistische Untersuchung (= Münchener Theol. Studien. Kanonist. Abt., Bd. 19), München 1964, in: MThZ 15, 1964, 343 f. 43. Studia Gratiana post Octava Decreti Saecularia. Collectanea Historiae Iuris Canonici VIII, curantibus I. Forchielli / A. M. Stickler, Bologna 1962, in: AfkKR 133, 1964, 245 – 248. 44. Thielicke, H., Theologische Ethik, III. Bd., 3. T., Tübingen 1964, in: AfkKR 133, 1964, 599 – 601. 45. Weigand, R., Die bedingte Eheschließung im kanonischen Recht (= Münchener Theol. Studien. Kanonist. Abt., Bd. 16), München 1963, in: MThZ 15, 1964, 77 – 79. 46. Wilks, M., The Problem of Sovereignty in the later Middle Ages. The Papal Monarchy with Augustinus Triumphus and the Publicists (= Cambridge Studies in Medieval Life and Thought N.S., Vol. 9), Cambridge 1963, in: ZSavRG, KA 50, 1964, 349 – 362. 47. Bauer, K., Judenrecht in Köln bis zum Jahre 1424 (= Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins 26), Köln 1964, in: ZSavRG, KA 51, 1965, 298 – 306. 48. Brauß, E., Quellenstudien zum Mischehenrecht unter besonderer Berücksichtigung der spanischen und deutschen Naturrechtsdoktrin. Jur. Diss., Freiburg i. Br. 1964, in: AfkKR 134, 1965, 266. 49. Erler, A., Kirchenrecht. Ein Studienbuch (= Kurzlehrbücher für das juristische Studium), 3. verb. Aufl., München / Berlin 1965, in: AfkKR 134, 1965, 597 – 600. 50. Flatten, H., Der Häresieverdacht im Codex Iuris Canonici (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 21), Amsterdam 1963, in: ZSavRG, KA 51, 1965, 306 – 309. 51. Heckel, J., Das blinde, undeutliche Wort „Kirche“. Gesammelte Aufsätze, hrsg. von S. Grundmann, Köln / Graz 1964, in: AfkKR 134, 1965, 266. 52. Hermannus quondam Judaeus. Opusculum de Conversione sua, hrsg. von G. Niemeyer (= Monumenta Germaniae Historica. Die deutschen Geschichtsquellen des Mittelalters 500 – 1500: Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 4), Weimar 1963, in: ZSavRG, KA 51, 1965, 405 f. 53. Herrmann, E., Mischehe – heute. Ein Büchlein, das orientieren, klären und helfen möchte, Basel 1964, in: AfkKR 134, 1965, 268 – 270.
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54. Hollerbach, A., Verträge zwischen Staat und Kirche, Frankfurt a.M. 1965, in: AfkKR 134, 1965, 601 – 604. 55. Maffei, D., La donazione di Costantino nei giuristi medievali, Milano 1964, in: ZSavRG, KA 51, 1965, 282 – 297. 56. Mörsdorf, Kl., Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, I. Bd., 11., verb. u. verm. Aufl., München / Paderborn / Wien 1964, in: FamRZ 12, 1965, 107 f. 57. Panzram, B., Die Taufe und die Einheit der Christen (= Freiburger Universitätsreden. Veröffentlichungen der Albert-Ludwigs-Universität und der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Freiburg N.F. 37), Freiburg i. Br. 1964, in: ZSavRG, KA 51, 1965, 410. 58. Sonntag, F. P., Das Kollegiatstift St. Marien zu Erfurt von 1117 – 1400. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Verfassung, seiner Mitglieder und seines Wirkens (= Erfurter Theologische Studien, Bd. 13), Leipzig 1962, in: AfkKR 134, 1965, 270 – 272. 59. Wenner, J., Reichskonkordat und Länderkonkordate. Mit Einleitung und Sachverzeichnis, 7., verb. Aufl., Paderborn 1964, in: TThZ 74, 1965, 384. 60. Antón, A., Bertrams, W., Beyer, J. u. a., De Concilio Oecumenico Vaticano II – Studia, Rom 1966, in: AfkKR 135, 1966, 644 – 652. 61. Baldus, M., Die philosophisch-theologischen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte und gegenwärtiger Rechtsstatus (= Neue Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen 38), Berlin 1965, in: ZSavRG, KA 52, 1966, 470 – 477. 62. Cattaneo, E., Annullamento o scioglimento nel diritto civile svizzero del matrimonio dichiarato nullo in diritto canonico per impedimento dirimente. Jur. Diss., Lugano 1964, in: ZSavRG, KA 52, 1966, 540 f. 63. Eichmann, E. / Mörsdorf, Kl., Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, II. Bd., 10., verb. Aufl., München / Paderborn / Wien 1961; III. Bd., 10., unveränd. Aufl., Paderborn 1964, in: FamRZ 13, 1966, 520. 64. Flatten, H., Das Ärgernis der kirchlichen Eheprozesse, Paderborn 1965, in: AfkKR 135, 1966, 333. 65. Gampl, I., Die Rechtsstellung der Kirchen und ihrer Einrichtungen nach österreichischem Recht. Untersuchung auf rechtshistorischer und rechtsvergleichender Grundlage (= Kirche und Recht 5), Wien 1965, in: AfkKR 135, 1966, 328 f. 66. Motsch, R., Die Konkordatsehe in Italien. Zur Praxis und Theorie des Zusammenwirkens von Kirche und Staat bei der Eheschließung (= Schriftenreihe der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Personenstandswesen und verwandte Gebiete N.F. 6), Frankfurt a. M. / Berlin 1965, in: AfkKR 135, 1966, 329 – 333.
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Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen
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382. Schwartze, St. T., Qui tacet, consentire videtur – eine Rechtsregel im Kommentar. Vorläufer in kanonistischen Brocardasammlungen und zeitgenössische Kommentierung (= Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der GörresGesellschaft N.F. Bd. 104), Paderborn 2003, in: AfkKR 172, 2003, 642 – 644. 383. Gerosa, L. / Müller, L., Kirche ohne Recht? Stand und Aufgaben der Kirchenrechtswissenschaft heute (= Kirchenrecht im Dialog, H. 3), Paderborn 2003, in: DPM 11, 2004, 279 – 280. 384. Haering, St. / Pimmer-Jüsten, B. / Rehak, M. (Hrsg), Statuten der deutschen Domkapitel (= Subsidia ad ius canonicum vigens applicandum 6), Metten 2003, in: ThGl 94, 2004, 577 – 578. 385. Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat. Festschrift für Wolfgang Rüfner zum 70. Geburtstag, hrsg. von St. Muckel, Berlin 2003, in: DPM 11, 2004, 368 – 370. 386. Marschler, Th., Kirchenrecht im Bannkreis Carl Schmitts. Hans Barion vor und nach 1945, Bonn 2004, in: AfkKR 173, 2004, 281 – 286. 387. Traulsen, Chr., Das sakrale Asyl in der Alten Welt. Zur Schutzfunktion des Heiligen von König Salomo bis zum Codex Theodosianus (= Jus Ecclesiasticum 72), Tübingen 2004, in: AfkKR 173, 2004, 293 – 295. 388. García-Berbel Molina, A. J., La convalidación del matrimonio en la codificación de 1917 (cc. 1133 – 1141) (= Pontificia Universitas Sanctae Crucis Dissertationes Series Canonica XII), Rom 2004, in: DPM 12, 2005, 343 – 345.
Verzeichnis der Mitarbeiter Bier, Georg, Dr. theol., Lic. iur. can., Universitätsprofessor für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität Freiburg; Werthmannplatz 3, D-79089 Freiburg i. Br. Carlen, Louis, Dr. iur. utr., em. o. Professor der Rechte an der Universität Freiburg/Schweiz; Sonnenstraße 4, CH-3900 Brig. Cattaneo, Arturo, Dr. iur. can., Dr. theol., o. Professor am Istituto di Diritto Canonico San Pio X Venedig; Via Canonica 14, CH-6900 Lugano. Egler, Anna, Dr. phil., Akademische Direktorin i. R.; Rotkehlchenweg 8, D-55126 Mainz. Figura, Michael, Dr. theol. habil., Lic. phil., Pfarrer; Augustinusstraße 11, D-55411 Bingen-Dietersheim. Gerosa, Libero, Dr. theol., Professor, Rektor der Theologischen Fakultät Lugano; Facoltà di Teologia di Lugano, Via Giuseppe Buffi 13, CH-6900 Lugano. Haering, Stephan, OSB, Dr. theol., Dr. iur. can. habil, M. A., Universitätsprofessor, Ordinarius für Kirchenrecht am Klaus-Mörsdorf-Studium für Kanonistik der LudwigMaximilians-Universität München, Richter am Konsistorium und Metropolitangericht München; Geschwister-Scholl-Platz 1, D-80539 München. Hartmann, Peter Claus, Dr. Dr., pens. o. Universitätsprofessor; Böcklinstraße 4a, D-80638 München. Henseler, Rudolf, C.Ss.R., Dr. iur. can., Professor für Kirchenrecht an der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD in St. Augustin, Mitglied des Lehrkörpers am Aufbaustudium Lizentiat im Kanonischen Recht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, Diözesanrichter am Erzbischöflichen Offizialat Köln, Konsultor der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens 1995 – 2000; Kölnstraße 415, D-53117 Bonn. Hierold, Alfred E., Dr. iur. can., Universitätsprofessor, Rektor a. D.; An der Universität 2, D-96045 Bamberg. Hinkel, Helmut, Dr. theol., Pfarrer, Direktor der Martinus-Bibliothek (Wissenschaftliche Diözesanbibliothek) Mainz; Augustinerstraße 34, D-55116 Mainz. Jürgensmeier, Friedhelm, Dr. theol. habil., em. Universitätsprofessor, Leiter des Instituts für Mainzer Kirchengeschichte; Postfach 1560, D-55005 Mainz. Lederhilger, Severin J., O.Praem., Dr. iur., Dr. iur. can., Mag. theol., Universitätsprofessor für Kirchenrecht, Prorektor der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz,
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Verzeichnis der Mitarbeiter
Generalvikar der Diözese Linz, Definitor des Prämonstratenser-Chorherrenordens; Herrenstraße 19, A-4020 Linz. Nörr, Knut Wolfgang, Dr., Dres. h. c., Professor; Forschungsstelle für Internationale Privatrechtsgeschichte der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen, Wilhelmstraße 7, D-72074 Tübingen. Ohly, Christoph, Dr. theol., Lic. iur. can., Wissenschaftlicher Assistent am KlausMörsdorf-Studium für Kanonistik der Ludwig-Maximilians-Universität München (Lehrstuhl für Kirchenrecht, insbesondere theologische Grundlegung des Kirchenrechts, allgemeine Normen und Verfassungsrecht sowie für Orientalisches Kirchenrecht), Priester der Erzdiözese Köln; Geschwister-Scholl-Platz 1, D-80539 München. Paarhammer, Hans, Dr. theol., o. Universitätsprofessor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg, Prälat, Domkapitular, Offizial und Generalvikar a. D. der Erzdiözese Salzburg; Kaigasse 17, A-5020 Salzburg. Pelizaeus, Ludolf, Dr. habil., Hochschuldozent; Historisches Seminar I der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Jakob-Welderweg 18, D-55122 Mainz. Pree, Helmuth, Dr. iur., Dr. iur. can., Mag. theol., Universitätsprofessor am KlausMörsdorf-Studium für Kanonistik der Ludwig-Maximilians-Universität München, Vizepräsident der Consociatio Internationalis Studio Iuris Canonici Promovendo; Geschwister-Scholl-Platz 1, D-80539 München. Primetshofer, Bruno, C.Ss.R., Dr. iur. can., em. Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Vizeoffizial am Erzbischöflichen Metropolitan- und Diözesangericht Wien; Salvatorgasse 12, A-1010 Wien. Rees, Wilhelm, Dr. theol. habil., o. Universitätsprofessor für Kirchenrecht, Institut für Praktische Theologie, Katholisch-Theologische Fakultät der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck; Karl-Rahner-Platz 1, A-6200 Innsbruck. Reiter, Johannes, Dr. theol., Universitätsprofessor; Katholisch-Theologische Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Seminar für Moraltheologie, Saarstraße 21, D-55099 Mainz. Schöch, Nikolaus, OFM, Dr. theol. habil., Dr. iur. can., Professor für Kanonisches Recht an der Päpstlichen Universität Antonianum Rom, Privatdozent für Kirchenrecht an der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg, Zweiter Ehebandverteidiger am Höchstgericht der Apostolischen Signatur; Pontificio Università Antonianum, Via Merulana 124, I-00185 Roma. Schunck, Rudolf, Dipl.-Ing., Dr. iur. can., Diözesanrichter am Offizialat Köln; FranzLudwig-Straße 35, D-54290 Trier. Schwaiger, Georg, Dr. theol., Dr. theol. h. c., em. o. Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Katholisch-Theologischen Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München, Päpstlicher Ehrenprälat; Morgenrothstraße 22, D-81677 München. Schwendenwein, Hugo, Dr. Dr., em. Universitätsprofessor; Attemsgasse 8/II, A-8010 Graz.
Verzeichnis der Mitarbeiter
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Waldstein, Wolfgang, Dr., Dr. h. c., em. Universitätsprofessor der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg, 1996 – 1998 Ordinarius an der Zivilrechtlichen Fakultät der Pontificia Università Lateranense, Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben, Mitglied des Senats der Internationalen Akademie für Philosophie im Fürstentum Liechtenstein und in Santiago de Chile; Paris-Lodron-Straße 12, A-5020 Salzburg. Walser, Markus, Dr. iur. can., Lic. theol., B. A. phil., Dozent für Kirchenrecht an der Theologischen Hochschule Chur, General- und Gerichtsvikar des Erzbistums Vaduz, Diözesanrichter am kirchlichen Gericht Chur; Fürst-Franz-Josef-Straße 112, FL-9490 Vaduz. Walter, Peter, Dr. theol., Universitätsprofessor, Präsident der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Systematische Theologie, Werthmannplatz 3, D-79085 Freiburg i. Br. Weiß, Andreas, Dr. theol. habil., Dr. iur. can., Professor für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Diakon, Vorsitzender Richter am Diözesangericht Rottenburg-Stuttgart; Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Pater-Philipp-Jeningen-Platz 6, D-85072 Eichstätt. Wendehorst, Alfred, Dr. phil., em. o. Universitätsprofessor; Institut für Geschichte, Kochstraße 4, D-91054 Erlangen. Zapp, Hartmut, Dr., em. Professor; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Praktische Theologie, Arbeitsbereich Kirchenrecht, D-79085 Freiburg i. Br. Ziegenaus, Anton, Dr. phil., Dr. theol., Professor (Ordinarius) für Dogmatik; Heidelberger Straße 18, D-86399 Bobingen.