Dienst an der Hochschule: Festschrift für Dieter Leuze zum 70. Geburtstag [1 ed.] 9783428506958, 9783428106950

Grund für den vorliegenden Band ist neben der Lebensleistung Dieter Leuzes für die Universität und deren Recht die Unver

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Dienst an der Hochschule: Festschrift für Dieter Leuze zum 70. Geburtstag [1 ed.]
 9783428506958, 9783428106950

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Dienst an der Hochschule Festschrift für Dieter Leuze zum 70. Geburtstag

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 906

Dienst an der Hochschule Festschrift für Dieter Leuze zum 70. Geburtstag

Herausgegeben von Klaus Anderbrügge Volker Epping Wolfgang Löwer

Duncker & Humblot · Berlin

Diese Festschrift wurde ermöglicht durch eine großzügige Spende der Erben von Erich Brost

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10695-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Geleitwort A m 20. Februar 2003 wird Dieter Leuze 70 Jahre alt. Autoren und Herausgeber haben dies zum Anlass des vorliegenden Buches genommen. Der Grund dafür ist neben der Lebensleistung des Jubilars für die Universität und deren Recht die Unverwechselbarkeit des Profils des Jubilars, die Unüberhörbarkeit seiner Stimme i m großen Chor der Scientific Community. Als streitbarer Kanzler wie auch als noch streitbarerer Autor lässt Dieter Leuze nie Zweifel daran, dass er für die Vernunft der Politik gegenüber der Universität eintritt und für die Herrschaft der Vernunft in der Universität wirkt. Dabei verdeutlicht er mitunter, dass er das „rechte Maß" der rechtlich geprägten Vernunft kennt und dass derjenige, der davon abweicht, i m Zweifel jenes rechte Maß verfehlt. Wenn sich gleichwohl eine so stattliche Reihe von Autoren zur Ehrung von Dieter Leuze zusammenfindet, wohl wissend, dass der Jubilar auch in dieser Festschrift manches wortgewaltig zu rügende Fehlverständnis entdecken wird, zeigt das, dass es den Autoren auch darum ging, den liebenswerten Schwaben und bekennenden „Essener" zu würdigen, der sich mit seiner Einsatzbereitschaft nicht nur erfolgreich der Fortbildung von Führungskräften der Hochschulen und der Fortentwicklung des Hochschul- und Dienstrechts gewidmet hat und hoffentlich fortdauernd widmen wird, sondern auch lange Zeit mit großem Engagement als Hochschullehrer gewirkt hat. Nach 19 Jahren als (Gründungs-) Kanzler der Universität-Gesamthochschule-Essen wechselte er - für viele seiner bisherigen Amtskollegen überraschend und vielleicht nur schwer nachvollziehbar - 1991 in das zuvor aus der Sicht des Kanzlers noch zumindest kritisch beäugte ,Lager 4 der Hochschullehrer an der vormals von ihm als Verwaltungschef mitgeleiteten Hochschule. Wie erfolgreich auch diese zweite Hochschulkarriere von Dieter Leuze gewesen ist, lässt sich an der 1998 erfolgten Ernennung zum Honorarprofessor für Öffentliches Recht an der Juristischen Fakultät der RuhrUniversität Bochum ablesen. Autoren und Herausgeber entbieten mit dieser Festgabe dem Jubilar herzliche Geburtstagswünsche, die den Wunsch einschließen, dass sein auch nach der Emeritierung i m Jahre 1998 fortgesetztes fruchtbares Wirken i m „Dienst an der Hochschule " in bewährter und weiterhin engagierter Manier seinen Fortgang nimmt. In diesem Sinne: ad multos annos, lieber Dieter Leuze. Klaus Anderbrügge Volker Epping Wolfgang Löwer

Inhaltsverzeichnis Zum Verhältnis von Universität, Medizinischer Fakultät und Universitätsklinikum nach nordrhein-westfälischem Hochschulrecht Klaus Anderbrügge

1

Einige Überlegungen zum Rechnungswesen in der Wissenschaftsverwaltung RalfBartz

21

Leitungsstrukturen in Universitäten - ein Feld für Experimente? Erfahrungen in der Humboldt-Universität zu Berlin Ulrich Battis

35

Die Hochschularten im Hochschulsystem aus der Sicht des Wissenschaftsrates Winfried

Benz

47

„Vorteil" und „Vorteilsannahme" (§ 331 StGB) des beamteten Forschers Klaus Bernsmann

59

Zur Kostentragungspflicht der Dienststelle Frank Bieler

71

Sozialrechtliche Überlegungen zum Status von Lehrbeauftragten und Studenten Jürgen Brand

83

Motivation in der Universität - ein Versuch Hartwig Cremers

95

Sowas wollen wir bei uns nicht haben - Zur Entwicklung des Evaluationsgedankens im Hochschulwesen Carl Friedrich

Curtius

109

Deregulierung oder Vergessenheit? Zur Entwicklung der Mitbestimmungsfrage in den Hochschulen seit 1998 Peter Daliinger

123

Leistungsbesoldung für Professoren - Anspruch und Wirklichkeit Hubert Detmer

141

Hochschulautonomie und Hochschulplanung: Ein Widerspruch? Dorothee Dzwonnek

173

Inhaltsverzeichnis

VIII Zur Rechtsnatur des „Rufs" Volker Epping

181

Streitvermeidung in Prüfungsverfahren durch Mediation? Hermann Fahse

205

Die intranationale Harmonisierung des Stiftungsrechts und des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts Christian Flämig

221

Streitkultur - „People generally quarrel because they cannot argue" (G. K. Chesterton) Reinhard Grunwald und Marion Müller

229

Allgemeines Verwaltungsverfahrensrecht an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen Peter Hanau und Christian Pokorny

237

Die Qualifikation von Wissenschaftsadministratoren. Brauchen wir ein spezielles Bildungsangebot der deutschen Hochschulen? Jürgen Heß

253

Alter und Altersgrenzen im (Hochschul-)Recht - eine Problemskizze Wolfram

Höfling

263

Erfahrungen in der Hochschulselbstverwaltung Wolf gang Horn und Peter J. Vorpagel

275

Die Stellung des Universitätskanzlers in den Landeshochschulgesetzen Johannes Horst und Anne Bußmann

291

Humanitäre Hilfe in bewaffneten Konflikten der Gegenwart Knut Ipsen

309

Nutzung staatlich geförderter technischer Entwicklungen - insbesondere von Universitäten - durch privatwirtschaftliche Unternehmen Eberhard Körner

321

25 Jahre Fortbildungskurse für die Wissenschafts Verwaltung. Eine Initiative der Universitätskanzler Franz Letzeiter

339

Versorgungsprobleme der Hochschullehrer auf Ost-West-Wanderung - Defizitäre Pensionen als Wiedervereinigungsfolgenbewältigung Wolfgang Löwer

361

Kreativität und Innovation - Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Steuerung Peter Michael Lynen

385

Inhaltsverzeichnis

IX

Qualität der Lehre durch Akkreditierung von Studiengängen? Bernd, Markert und Rosemarie Konschak

401

Hochschule und außeruniversitäre Forschungseinrichtung - zwei Seiten einer Medaille. Ein approximativer Rechts- und Faktenvergleich Ernst-Joachim Meusel

409

„Schutz vor Gefahren" im Strafblankett §§ 328 Abs. 3 Nr. 1, 330 d Nr. 4 lit. a (1. Alt.) StGB und das Bestimmtheitserfordernis gem. Art. 103 Abs. 2 GG Klaus Peters

419

Wissenschaftsethik - Verfassungsprobleme der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis Hans Heinrich Rupp

437

Hochschulmedizin in der Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt oder Kapitalgesellschaft Georg Sandberger

449

Der bindende rechtswidrige Befehl oder: Hat Johann Friedrich Adolph von der Marwitz sich rechtmäßig verhalten? Friedrich

E. Schnapp

469

Forschungsuniversitäten in Deutschland? Η ermann-Josef Schuster

487

Bemerkungen zum Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ulrike Schwedhelm

497

Vom Gesetzgebungsstaat zur Vertragsgesellschaft Hanns Η Seidler

507

Gegenwartsfragen zum Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten Rudolf Summer

523

Verfassungsrechtliche Vorgaben für die universitäre Selbstverwaltung Peter J. Tettinger

539

Ist das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren ein „objektives" Verfahren? Klaus Vogelgesang

563

Die Rechtsstellung der Honorarprofessoren Hans-Wolfgang

Waldeyer

583

Lernmittelfreiheit an öffentlichen Schulen - dargestellt am Beispiel des Landes BadenWürttemberg Roland Wörz

615

Zuwendungen und Korruptionsproblematik aus Sicht des Dekans einer Medizinischen Fakultät Hans Grosse-Wilde

625

Tabellarischer Lebenslauf Dieter Leuze

631

Schriftenverzeichnis Dieter Leuze

633

Verzeichnis der Autoren

641

Zum Verhältnis von Universität, Medizinischer Fakultät und Universitätsklinikum nach nordrhein-westfälischem Hochschulrecht Klaus Anderbrügge

Dieter Leuze hat es an klaren Worten nie fehlen lassen, erst recht nicht, wenn es ihm darum ging, erkennbaren Fehlentwicklungen vorzubeugen und vor übereilten Patentlösungen, auch solchen des Gesetzgebers, zu warnen. Nicht nur dafür gebührt ihm Dank und Respekt. In Auseinandersetzung mit der Stellungnahme des Wissenschaftsrats zur Entwicklung der Hochschulmedizin von Januar 1995 sprach er sich in seiner Kommentierung zum damals geltenden Universitätsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen dafür aus, an der überkommenen Rechtsform eines Universitätsklinikums als einer unselbstständigen Anstalt des öffentlichen Rechts festzuhalten. „ M i t einer Überführung in eine rechtlich selbstständige Form würde . . . das Kind mit dem Bade ausgeschüttet/' Sie berge die Gefahr in sich, dass die Hochschulmedizin ein auf eine völlige Abtrennung von der Universität hinauslaufendes Eigenleben entfalte und in eine Medizinische Hochschule abdrifte. 1 Wie richtig Leuze auch mit dieser Befürchtung lag, zeigt die seither in Nordrhein-Westfalen verlaufene Entwicklung. Bis Ende 1999 entsprach das Verhältnis von Universität, Fakultät und Klinikum noch der traditionellen Organisation der Hochschulmedizin in Deutschland. Für die Universitäten in Nordrhein-Westfalen galt das Gesetz über die Universitäten des Landes NRW (Universitätsgesetz - UG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Aug. 1993, das dann i m Frühjahr 2000 durch das (1999 bereits in Vorbereitung befindliche) Gesetz über die Hochschulen des Landes N R W (Hochschulgesetz - HG) vom 14. März 2000 abgelöst werden sollte. Gemäß § 37 Abs. 1 U G bildeten die medizinischen Fachgebiete der Hochschule 2 den Fachbereich Medizin. 3 Ihm oblag nach Abs. 2 dieser Bestimmung die Pflege der Wissenschaft in 1 Leuze, in: Leuze / Bender, UG NRW-Kommentar, Vorbemerkungen zu §§ 37-45 (Stand dieser Kommentierung Juli 1996) Rn. 3. 2 Alle Medizin führenden Hochschulen in NRW waren gemäß § 1 Abs. 2 UG „Universitäten" i.S. dieses Gesetzes. Entsprechendes gilt gemäß § 1 Abs. 2 HG auch weiterhin. 3 Nach § 25 Abs. 1 UG (heute § 25 Abs. 1 HG) gliedert sich die Hochschule in Fachbereiche. Diese sind ihre „organisatorischen Grundeinheiten". Der Fachbereich Medizin trägt nach den Grundordnungen der Medizin führenden Hochschulen in NRW i.d.R. die Bezeichnung „Medizinische Fakultät".

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Klaus Anderbrügge

Forschung und Lehre in den „Medizinischen Einrichtungen". Diese wiederum umfassten entsprechend § 38 Abs. 1 U G die klinischen und medizinisch-theoretischen Einrichtungen der Hochschule zusammen mit den zentralen Dienstleistungseinrichtungen und den technischen Versorgungs- und Hilfsbetrieben sowie den Schulen für Heilhilfsberufe. Sie stellten insgesamt eine besondere Betriebseinheit der Hochschule dar ( § 3 8 Abs. 1 Satz 2 UG) und sollten sich i m Bereich der klinischen und medizinisch-theoretischen Einrichtungen in Abteilungen 4 gliedern, die i.d.R. zu medizinischen Zentren zusammengefasst werden sollten (§ 38 Abs. 2 UG). Ihre Leitung oblag den Organen des Fachbereichs Medizin und dem Klinischen Vorstand nach Maßgabe der diese betreffenden jeweiligen Vorschriften des Gesetzes (§ 38 Abs. 3 UG). Sie hatten der Forschung und Lehre sowie der Krankenversorgung und besonderen Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens zu dienen (§ 38 Abs. 4 UG). Die in den Medizinischen Einrichtungen tätigen Bediensteten waren Mitglieder des Fachbereichs Medizin ( § 3 8 Abs. 5 UG). Die einheitliche Personal- und Wirtschaftsverwaltung der Medizinischen Einrichtungen war Teil der Hochschulverwaltung (§ 38 Abs. 6 UG).

I. Die gesetzliche Neuordnung der Hochschulmedizin in Nordrhein-Westfalen Durch das Landesgesetz zur Neuordnung der Hochschulmedizin vom 14. Dez. 1999 ist deren herkömmliche Organisation auch in Nordrhein-Westfalen grundlegend verändert worden. Dieses Artikelgesetz enthält zwar zum einen eine Reihe von Änderungen zum Unterabschnitt Hochschulmedizin und zu weiteren diesen Gegenstand berührenden Bestimmungen des Universitätsgesetzes, ohne das in diesem geregelte Gefüge substanziell zu verändern, zum anderen aber fügt es als § 45 a in das Gesetz eine neue Vorschrift zur „Weiterentwicklung der Hochschulmedizin" ein, derzufolge die Medizinischen Einrichtungen der Hochschulen durch Rechtsverordnung in Anstalten des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit umgebildet werden (§ 45 a Abs. 1 Satz 1 UG). Eine Ausnahme ist nicht vorgesehen. Die Umbildungen sollten gemäß § 45 a Abs. 1 Satz 5 U G bis zum 31. Dez. 2001 erfolgt sein. Demgegenüber hatte der ursprüngliche Gesetzentwurf der Landesregierung 5 das zu lösende Problem noch darin gesehen, den als rechtlich unselbstständige besondere Betriebseinheiten der Universitäten verfassten und unter der Fachaufsicht des 4 Die auch nach der Neuordnung der Hochschulmedizin in NRW weiterhin vorgesehenen Abteilungen (vgl. § 7 der jeweiligen Verordnung über die Errichtung des Universitätsklinikums sowie § 10 der jeweils entsprechenden Satzung) wurden und werden indessen in aller Regel entweder als „Institut" (im medizinisch-theoretischen Bereich) oder als „Klinik" bezeichnet. 5 Vgl. LT - Drucksache 12/3787 vom 19. März 1999.

Universität, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum

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zuständigen Ministeriums stehenden Medizinischen Einrichtungen mehr Eigenständigkeit und Flexibilität zu gewähren, damit sie besser auf die - etwa durch das Gesundheitsstrukturgesetz und das darauf zurückgehende preisorientierte Krankenhausfinanzierungssystem - veränderten Rahmenbedingungen für die Hochschulmedizin reagieren könnten. 6 Die Lösung sollte auf zwei parallelen Wegen angegangen werden: A u f der einen Seite standen jene Änderungen, die sich auf alle Medizinischen Einrichtungen erstrecken sollten und etwa das Zusammenwirken von Fakultät und Klinischem Vorstand, dessen Verschlankung und die Stärkung des Verwaltungsdirektors betrafen, auf der anderen Seite sollte die Absicht des Gesetzgebers verwirklicht werden, Strukturen zu entwickeln, die geeignet sein könnten, die notwendige Eigenständigkeit der Wirtschaftsführung der Medizinischen Einrichtungen sicherzustellen, indem (neben den innerhalb des bisherigen Systems erfolgenden Veränderungen) durch eine Verordnungsermächtigung die Möglichkeit eröffnet wurde, modellhaft bei einzelnen Medizinischen Einrichtungen und Universitäten und in weitgehendem Einvernehmen mit ihnen weiterreichende strukturelle Änderungen vorzunehmen. Dementsprechend sollten einzelne Medizinische Einrichtungen rechtlich verselbstständigt werden und eine unternehmensähnliche Verfassung mit Aufsichtsrat und Vorstand erhalten. 7 Wegen der damit verbundenen Auswirkungen erscheine es zweckmäßiger, zunächst Lösungen an einzelnen Standorten und dann erst eine für alle Standorte geltende Regelung zu entwickeln, zumal auf die aktive Mitwirkung der jeweiligen Einrichtung nicht verzichtet werden könne. Deshalb sollten auch möglichst Standorte einbezogen werden, an denen sich die Bereitschaft zu solchen strukturellen Änderungen finde. 8 Im Verlauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens sind alle differenzierenden ursprünglichen Vorstellungen, wie sie auch von den betroffenen Universitäten ausweislich ihrer Stellungnahmen zum Referenten- wie zum Gesetzentwurf verfolgt worden waren, zugunsten einer für alle Standorte gleichermaßen verbindlichen und bis zum 31. Dez. 2001 zu realisierenden Einheitslösung verworfen worden. Die i m Rahmen eines Modellversuchs oder einer Erprobungsklausel, wie sie noch i m Referentenentwurf vorgesehen war, eröffnete Chance, i m Vergleich zwischen unterschiedlich geregelten Systemen - einschließlich der in anderen Ländern erprobten - die bestmögliche Lösung zu finden, ist trotz entsprechender Anmahnung durch die Universitäten bewusst nicht ergriffen worden. § 45 a Abs. 1 Satz 2 U G ermächtigt das zuständige Ministerium 9 , die Umbildung nach Anhörung der jeweiligen Hochschule durch Rechtsverordnung vorzunehmen und hierfür von den die Medizin regelnden Bestimmungen des Universitätsgesetzes abweichende Regelungen zu treffen. Selbst Vorschriften, die zum Teil erst durch eben das Artikelgesetz

6 Ebda, S. 1. 7 Ebda, S. 1 f., 23 f. 8 Ebda, S. 24. 9

Damals noch „Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung", heute „Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung".

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Klaus Anderbrügge

ins Universitätsgesetz neu aufgenommen oder in diesem Zusammenhang verändert wurden, laufen damit leer. Von der Herstellung weitgehenden Einvernehmens mit den betroffenen Universitäten ist i m Gesetz nicht mehr die Rede. Vielmehr ist mit der Verkürzung des Verfahrens auf eine Anhörung die schwächste aller möglichen Beteiligungsformen gesetzlich fixiert worden. Schließlich hat der Gesetzgeber auch von der i m Gesetzentwurf zu § 45 a U G noch vorgesehenen Möglichkeit, die Medizinischen Einrichtungen als öffentlich-rechtliche Anstalten der Hochschule zu führen, so z. B. die Regelung i m Land Baden-Württemberg 10 , keinen Gebrauch gemacht. Die Medizinischen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen sind äußerst konsequent aus den Universitäten herausgelöst worden.

II. Die Ausgestaltung der Neuordnung durch Verordnung und Satzung Nach Erlass des neuen Hochschulgesetzes des Landes N R W vom 14. März 2000, in das die Bestimmungen des Gesetzes zur Neuordnung der Hochschulmedizin, soweit sie die Änderung des Universitätsgesetzes betrafen, und damit auch die Vorschrift über die Weiterentwicklung der Hochschulmedizin (§ 45 a UG), abgesehen von notwendigen redaktionellen Anpassungen, unverändert übernommen worden sind - § 45 a U G entspricht jetzt § 41 H G - , hat das Land aufgrund des § 41 Abs. 1, 2 und 4 H G durch inhaltsgleiche Rechtsverordnungen der Ministerin für Schule, Wissenschaft und Forschung vom 1. Dez. 2000 mit Zustimmung des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung des Landtags und i m Einvernehmen mit dem Finanzministerium, dem Innenministerium und dem Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts die Universitätsklinika Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster errichtet (§ 1 Abs. 1 der jeweiligen Verordnung), und zwar mit Wirkung bereits zum 1. Jan. 2001. 1 1 Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 V O tritt das Universitätsklinikum an die Stelle der bisherigen Medizinischen Einrichtungen der Universität nach § 34 Abs. 1 HG. Diese Vorschrift gibt somit lediglich noch einen Hinweis darauf, welche Einrichtungen vormals zu den Medizinischen Einrichtungen gehörten, verliert aber ansonsten jegliche regelnde Wirkung und erledigt sich damit. Insbesondere sind die Medizinischen Einrichtungen nicht länger eine besondere Betriebseinheit der 10 Nach § 1 Abs. 1 Universitätsklinika-Gesetz BW (UKG) errichtet das Land die Universitätsklinika als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts der Universitäten. Allerdings komme dieser Bestimmung bei näherem Zusehen „nur deklaratorische bzw. deklamatorische Bedeutung" zu, da die bei Anstalten des öffentlichen Rechts obligatorische Gewährträgerhaftung wie die Rechtsaufsicht nicht bei der Universität, sondern beim Land lägen (§§2 und 3 UKG): Sandberger, Hochschulmedizin in der Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt oder Kapitalgesellschaft (Beitrag in dieser Festschrift), zu II 2. Die Universität sei zudem im Aufsichtsrat nicht - wie bei der Anstaltsträgerhaftung eigentlich üblich - mehrheitlich, sondern nur mit zwei von sechs (acht) Mandaten repräsentiert. 11

Vgl. § 24 der jeweiligen Verordnung und demgegenüber § 41 Abs. 1 Satz 5 HG.

Universität, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum

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Hochschule (§ 34 Abs. 1 Satz 2 HG). Die dem Aufgabenbereich der Medizinischen Einrichtungen zuzurechnenden Rechte und Pflichten des Landes und der Universität gehen vielmehr i m Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das Universitätsklinikum über (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VO). Diese Gesamtrechtsnachfolge enthält insofern ein wesentliches Problem, als damit auch alle medizinisch-theoretischen Einrichtungen der Universität einschließlich der vorklinischen Institute i m Universitätsklinikum aufgegangen sind. Es ist grotesk und aus universitärer Sicht nur schwer erträglich, dass seither etwa ein traditionsreiches Institut für Theorie und Geschichte der Medizin nicht mehr zur Universität gehört, sondern lediglich Bestandteil eines in Anstaltsform betriebenen Universitätskrankenhauses sein soll. Nun verweist § 7 der jeweiligen Verordnung darauf, dass durch vom zuständigen Ministerium zu erlassende Satzung „ i m Rahmen der Gesetze und dieser Verordnung" u. a. Näheres bestimmt wird über die Gliederung und weitere Untergliederung der Abteilungen und sonstigen Einrichtungen, ihre Aufgaben und ihre Nutzung (Satz 1 Nr. 3) sowie über die Errichtung, Änderung, Aufhebung und Leitung von Abteilungen und sonstigen Einrichtungen (Satz 1 Nr. 4). Entsprechende Satzungen sind nach einheitlichem Muster durch Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung vom 6. Febr. 2001 für jedes Universitätsklinikum i m Land erlassen worden. Nach § 10 Satz 1 dieser Satzung besteht das Universitätsklinikum aus klinischen, medizinisch-theoretischen und gemeinsamen Einrichtungen. I m Bereich der klinischen und medizinisch-theoretischen Einrichtungen gliedert es sich in Abteilungen und medizinische Zentren, die „nach dem Gesichtspunkt der fachlichen und funktionsmäßigen Zusammengehörigkeit" aus mehreren Abteilungen gebildet werden (§ 10 Satz 2). Die Zentren und Abteilungen, die Aufgaben in der Krankenversorgung haben, ergeben sich unmittelbar aus der der Satzung beigegebenen Anlage (§ 10 Satz 3), die, von unterschiedlichen Bezeichnungen abgesehen 12 , i m Wesentlichen der überkommenen Gliederung der Medizinischen Einrichtungen der jeweiligen Universität folgt. Demgegenüber sollen sich Gliederung und Aufbau der Abteilungen, die keine Aufgaben in der Krankenversorgung haben, „nach den dafür getroffenen Regelungen des Fachbereichs Medizin der Universität" richten (§ 10 Satz 4). Sie sind demgemäß in der Anlage zur Satzung auch nicht enthalten. Dies ändert indessen nichts an der letztlich durch die Verordnung insgesamt oktroyierten Eingliederung selbst der ausschließlich mit Aufgaben der Forschung und Lehre befassten theoretischen und vorklinischen Institute in das Universitätsklinikum. Hier tut sich außerdem ein zumindest potenziell beachtlicher Ziel- und Zuständigkeitskonflikt auf: Die vom zuständigen Ministerium durch den Erlass der Satzung und der dieser beigefügten Anlage wahrgenommene Befugnis, über die Errichtung und incidenter erforderlichenfalls auch über die Änderung und Aufhebung von Abteilungen und sonstigen Einrichtungen sowie durch Vorgabe von Verfah12 s. o. Fn. 4.

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Klaus Anderbrügge

rensregelungen auch über deren Leitung (§§11 und 12 der Satzung) zu bestimmen, geht bezüglich allfälliger Änderungen der Satzung einschließlich Anlage auf den Aufsichtsrat des Universitätsklinikums über, der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 V O die „betrieblichen Ziele des Universitätsklinikums" festlegt und in diesem Rahmen u. a. über die Änderung der Satzung entscheidet ( § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VO). Zwar bedürfen Änderungen der Satzung ihrerseits der Genehmigung durch das zuständige Ministerium, die nur aus rechtlichen Gründen versagt werden darf, und ist vor der Genehmigung der Universität sowie dem Vorstand des Klinikums Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 7 Satz 3 - 5 VO). Eine ausdrückliche Beteiligung der Medizinischen Fakultät an diesem Verfahren der Satzungsänderung ist aber gerade nicht vorgesehen. Vielmehr beschränkt sich die Zuständigkeit des „Fachbereichs Medizin" lediglich auf die zuvor angesprochene Regelung von „Gliederung und Aufbau der Abteilungen, die keine Aufgaben in der Krankenversorgung haben," und bleibt damit ganz generell hinter den dem Aufsichtsrat vorbehaltenen substanzielleren Befugnissen zur Errichtung und Aufhebung, aber auch der Leitung von Abteilungen zurück. So erfolgt etwa die Bestellung zur Leiterin oder zum Leiter einer Abteilung mit Aufgaben in der Krankenversorgung auf Vorschlag des Vorstandes des Klinikums durch den Aufsichtsrat, der dazu u. a. das Einvernehmen mit der Universität herstellt (§ 12 Abs. 1 Satz 2 der jeweiligen Satzung), formal also wiederum nicht mit der Fakultät. Dabei trifft selbst in diesen hier zu entscheidenden Fragen, die zwar primär die Krankenversorgung, aber doch immer zugleich auch Forschung und Lehre berühren, neben den Organen des Klinikums die Medizinische Fakultät die eigentliche Verantwortung. Ob aus der Gegenüberstellung der Bestimmungen des § 7 Satz 1 Nr. 3 und 4 der jeweiligen Verordnung und § 10 Satz 4 der Satzung nicht sogar gefolgert werden müsste, dass im Falle einer diesbezüglichen Satzungsänderung die Fakultät nicht einmal an der Entscheidung von für sie so existenziellen Fragen wie der Errichtung und Aufhebung von ausschließlich der Forschung und Lehre dienenden Abteilungen und deren Leitung zu beteiligen wäre, bleibt formal durchaus offen. Die zitierten Vorschriften sind unklar und widersprüchlich und für die auf sie verwiesenen Organe in Klinikum, Universität und Fakultät gleichermaßen unbefriedigend. Droht hier einmal mehr das in staatlichen Regelungen, soweit sie den angeblich so autonomen Hochschulbereich betreffen, zuletzt häufiger zu beobachtende Auseinanderfallen von Verantwortung und Entscheidungsbefugnis? 13 Immerhin hat der Verordnungsgeber selbst versucht, die sich abzeichnenden Widersprüche aufzulösen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 V O „dient" das Universitätsklinikum „dem Fachbereich Medizin der Universität zur Erfüllung seiner Aufgaben in Forschung und Lehre". Es gewährleistet die Verbindung der Kranken Versorgung

13 Beispielhaft erwähnt seien hier nur die gesetzlichen Entwicklungen im Bau- und Liegenschaftsbereich, die etwa den Vorschriften über die Verantwortlichkeiten bzgl. Arbeitsund Umweltschutz und Arbeitssicherheit höchst unzureichend Rechnung tragen.

Universität, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum

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mit Forschung und Lehre (§ 2 Abs. 1 Satz 3 VO). Generalklauselartig lautet endlich § 2 Abs. 2 Satz 3 VO: „Entscheidungen des Universitätsklinikums erfolgen unbeschadet der Gesamtverantwortung der Universität (§ 25 Abs. 2 Satz 1 HG) i m Einvernehmen mit dem Fachbereich Medizin, soweit der Bereich von Forschung und Lehre betroffen ist." Danach kann es kaum fraglich sein, dass in dem problematisierten Fall einer Satzungsänderung, die die Errichtung oder Aufhebung von Abteilungen regelt, die keine Aufgaben in der Krankenversorgung haben - nach dem Wortlaut von § 7 V O wäre eine solche Satzungsänderung sehr wohl denkbar - , der zuständige Aufsichtsrat des Klinikums mit Rücksicht auf die Belange von Forschung und Lehre das Einvernehmen mit der Medizinischen Fakultät herzustellen und dann sowohl der Universität wie dem Vorstand des Klinikums Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben hätte, bevor er die Genehmigung des Ministeriums einholen kann. Natürlich könnte man aus dem Umstand, dass i m Unterschied zu den Abteilungen mit Aufgaben in der Krankenversorgung diejenigen, die diese Aufgaben nicht haben, gar nicht erst in eine Anlage zur Satzung aufgenommen werden müssen 14 , den Schluss ziehen, dass deren Errichtung und gegebenenfalls Aufhebung (und erst recht deren Leitung) abschließend von der Medizinischen Fakultät i m Zusammenwirken mit der Universität, und d. h. dem Rektorat, entschieden werden kann, zumal derartige Organisationsentscheidungen i m übrigen Bereich der Universität außerhalb der Medizin mit endgültigem Wegfall der vormaligen Genehmigungspflichtigkeit nach § 108 Abs. 2 Nr. 1 U G vollständig der Autonomie der Hochschule unterfallen. 15 Dem steht allerdings wiederum der schon mehrfach zitierte Wortlaut des § 10 Satz 4 der Satzung entgegen, nach dem sich lediglich Gliederung und Aufbau der Abteilungen, die keine Aufgaben in der Krankenversorgung haben, nach den dafür getroffenen Regelungen der Fakultät richten. Schließlich dürfte zu beachten sein, dass die bisherigen Medizinischen Einrichtungen der Universität von Gesetzes wegen insgesamt im Universitätsklinikum aufgegangen sind und dass nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers ebenso wenig vorstellbar wäre, eine Änderung oder Aufhebung einer übernommenen Teileinrichtung ohne Beschluss eines Organs des Klinikums zustande kommen zu lassen, wie eine solche fachlich oder funktionell mit der Hochschulmedizin zusammenhängende Einrichtung auf der Grundlage von Beschlüssen der Fakultät und der Universität außerhalb des Universitätsklinikums neu zu errichten. Es wäre indessen gerade i m Hinblick auf die noch ausstehenden Zuständigkeitsregelungen nötig gewesen, etwa die „Grundzüge des Zusammenwirkens zwischen den Medizinischen Einrichtungen und der Hochschule", wie es § 41 Abs. 2 Nr. 6 H G verlangt, aber auch das Verhältnis von Klinikum und Fakultät in der Verordnung klar und eindeutig zu regeln. Daran fehlt es jedoch. 14

Vgl. § 10 Satz 3 i. V. m. Satz 4 der jeweiligen Satzung. Zuvor schon war durch Erlass des zuständigen Wissenschaftsministeriums vom 3. Sept. 1994 die Genehmigungsbefugnis für diese Organisationsmaßnahmen auf die Rektorate übertragen worden. 15

2 FS Leuze

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Klaus Anderbrügge

Für die betroffenen Universitäten bleibt es bei der schmerzlichen Erkenntnis, im Grunde schon durch die Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Umbildung der Medizinischen Einrichtungen in Anstalten des öffentlichen Rechts und dann vor allem durch den per Rechtsverordnung vollzogenen Ubergang aller Rechte und Pflichten auf das Universitätsklinikum um ihre Verantwortung für die Medizin gebracht worden zu sein. Erschwerend kommt hinzu, dass der in der Verordnung für den Konfliktfall vorgesehene Stichentscheid aus Sicht der Universität nicht befriedigen kann. Kommt nämlich bei Entscheidungen des Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, das nach der Generalklausel des § 2 Abs. 2 Satz 3 V O „unbeschadet der Gesamtverantwortung der Universität" herzustellende Einvernehmen mit dem Fachbereich Medizin nicht zustande, so entscheidet der Aufsichtsrat, wenn die Dekanin oder der Dekan dies beantragt (§ 2 Abs. 2 Satz 4 VO). Die Erwähnung der Gesamtverantwortung der Universität unter Hinweis auf § 25 Abs. 2 Satz 1 H G bezieht sich allein auf die zu beachtende Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen dem Fachbereich einerseits und der Zentralebene der Universität mit ihren Organen andererseits, sie erweitert den Kreis der Rechte der Universität gegenüber dem Klinikum und seinem Aufsichtsrat nicht. Der Aufsichtsrat aber verfolgt die von ihm gemäß § 4 Abs. 1 V O festgelegten betrieblichen Ziele des Universitätsklinikums, die sich mit den Interessen der Universität keineswegs zu decken brauchen. So ist es leicht vorstellbar, dass der Aufsichtsrat des Klinikums aus wirtschaftlichen Gründen die Schließung einer nur unterdurchschnittlich ausgelasteten Klinik oder eines besonders kostenintensiven Instituts ohne Aufgaben in der Krankenversorgung betreibt, obwohl Fakultät und Universität auf diese Einrichtungen etwa mit Rücksicht auf die Vollständigkeit des Lehrangebots oder auf eine besonders erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Instituten außerhalb der Medizin i m Bereich der Forschung nicht verzichten zu können glauben. Selbstverständlich werden Rektorin oder Rektor und Kanzlerin oder Kanzler der Universität, die gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 V O dem Aufsichtsrat angehören und nach Abs. 5 Satz 1 dieser Bestimmung sogar jeweils zwei Stimmen führen, für ihren Standpunkt werben, sie könnten sich aber nicht allein gegen die Mehrheit der übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats - Vertreterinnen oder Vertreter des Wissenschafts- und des Finanzministeriums (jeweils ebenfalls mit zwei Stimmen ausgestattet), des wissenschaftlichen und des nichtwissenschaftlichen Personals sowie zwei externe Sachverständige - durchsetzen, auch wenn die externen Sachverständigen aus dem Bereich der Wirtschaft bzw. der medizinischen Wissenschaft immerhin auf Vorschlag des Rektorats im Benehmen mit der Fakultät, aber auch mit dem Vorstand des Klinikums, bestellt werden. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme der den Vorsitz führenden Vertreterin oder des Vertreters des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung den Ausschlag. Man kann allerdings nicht unbedingt sagen, dass die Interessen der Universität von vornherein zum Scheitern verurteilt sind.

Universität, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum

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I I I . Die Kooperationsvereinbarung Die Absichten der Verordnungsgeberin, der Ministerin für Schule, Wissenschaft und Forschung, klingen edel: Damit das Universitätsklinikum entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 V O dem Fachbereich Medizin der Universität zur Erfüllung seiner Aufgaben in Forschung und Lehre optimal dienen kann, arbeitet es entsprechend § 2 Abs. 2 Satz 1 V O eng mit der Universität zusammen und unterstützt sie in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach § 3 HG, und zwar auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung. Es gibt guten Grund, der Universität bei der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung, Lehre und Studium (§ 3 Abs. 1 Satz 1 HG) vielfältige Unterstützung angedeihen zu lassen. Dazu kann in der Tat auch das Universitätsklinikum beitragen, nämlich z. B. durch die gezielte Förderung interdisziplinärer Forschungsvorhaben universitärer Fachbereiche unter Beteiligung nicht zuletzt auch der klinischen Medizin. Adressat solch verdienstvoller Bemühungen des Klinikums um Forschung und Lehre wird aber in erster Linie nicht die Universität i m Rahmen ihrer zentralen Aufgaben nach § 3 HG, sondern die Medizinische Fakultät, also der Fachbereich Medizin, bei der Wahrnehmung seiner besonderen Aufgaben sein, denn dem Fachbereich Medizin obliegt gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 H G die Pflege der Wissenschaft in Forschung und Lehre in den „Medizinischen Einrichtungen". Nun sind diese jedoch durch das Gesetz zur Neuordnung der Hochschulmedizin i. V. m. der Rechtsverordnung der Ministerin sämtlich in eben die jeweiligen Universitätsklinika überführt worden. 1 6 Das Universitätsklinikum unterstützt also die Wahrnehmung der Aufgaben in Forschung und Lehre i m eigenen Haus! Dies muss entgegen allem Anschein kein Zirkelschluss sein, sondern könnte sogar eine gewisse Handhabe gegen das generell zu befürchtende Supremat des Klinikums über die Fakultät bieten. Dazu passt es auch, dass das Universitätsklinikum nach der sich unmittelbar anschließenden Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 V O sicherzustellen hat, dass die Mitglieder der Universität (warum hier wieder „Hochschule"? 1 7 ), zu denen gemäß § 20 V O auch das gesamte wissenschaftliche Personal i m Universitätsklinikum gehört, die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und durch das Hochschulgesetz verbürgten Rechte wahrnehmen können. Der Erfüllung der beschriebenen Ziele des § 2 der Verordnung soll die Kooperationsvereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen Universitätsklinikum und Universität dienen. Ferner sind darin insbesondere Regelungen über das Zusammenwirken der Verwaltungen der Universität und des Klinikums sowie über den Ausgleich der Aufwendungen für Lehre, Forschung und Krankenversorgung zu treffen ( § 1 3 VO). Einer der wichtigsten Gründe für die Notwendigkeit des Ab16

Ohne dass dies bei der nachfolgenden Verabschiedung des neuen Hochschulgesetzes HG - in dessen § 33 Abs. 2 Satz 1 zu einer Änderung der überholten Fassung dieser Vorschrift aus dem bisherigen UG (§ 37 Abs. 2 Satz 1) geführt hätte. 17 Der - keineswegs zwingende - Grund dürfte in der Zitierung der entsprechenden Bestimmung aus § 41 Abs. 1 Satz 3 HG liegen. 2*

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Schlusses der Kooperationsvereinbarung ist neben dem regelungsbedürftigen Komplex der Finanzierung (§ 9 Abs. 1 Satz 2 VO) gewiss die auf die Ermächtigungsnorm des § 41 Abs. 2 Nr. 6 H G gestützte Regelung des § 2 Abs. 3 der Verordnung, nach der die den Fachbereich Medizin betreffenden Verwaltungsaufgaben einschließlich der Personal- und Wirtschaftsverwaltung in Gänze vom Universitätsk l i n i k u m 1 8 wahrgenommen werden. Die auf einen Blick kaum zu überschauenden zahlreichen Einzelheiten der jeweils einschlägigen Verwaltungsgeschäfte bedürfen ganz offensichtlich einer grundlegenden vertraglichen Übereinkunft zwischen den beteiligten Institutionen, wenn Zuständigkeitswirrwarr und Doppelarbeit vermieden, tatsächlich ein an der Erfüllung der Ziele des § 2 der Verordnung orientiertes enges und vertrauensvolles Zusammenwirken der beiden Verwaltungen garantiert und schließlich ein angemessener Ausgleich der wechselseitigen Leistungen erreicht werden sollen. Die zu regelnden Dinge sind nicht unproblematisch. Obwohl das Universitätsklinikum nach § 2 Abs. 1 Satz 1 V O gegenüber der Fakultät zum Service für Forschung und Lehre verpflichtet ist - dadurch unterscheidet es sich j a gerade von jeder anderen Krankenanstalt - , nimmt es natürlich ganz zentral Aufgaben in der Krankenversorgung einschließlich der Hochleistungsmedizin und im öffentlichen Gesundheitswesen wahr (§ 2 Abs. 1 Satz 2 VO). Und dieser Aufgabe dient eben auch die Verwaltung des Universitätsklinikums, jedenfalls soweit sie die Personalund Wirtschaftsangelegenheiten zu besorgen hat, die zum Geschäftsbereich des Kaufmännischen Direktors / der Kaufmännischen Direktorin gehören (§ 7 Abs. 3 Satz 4 der Satzung). Da kann schon die Befürchtung aufkommen, dass dieser Verwaltung primär am wirtschaftlichen Erfolg des Klinikbetriebs und erst danach am Gelingen von Forschung und Lehre in der Medizinischen Fakultät gelegen sein könnte - mit entsprechenden Konsequenzen für die Erledigung der je spezifischen Verwaltungsaufgaben, nämlich der originären und daneben der zusätzlich übertragenen. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass außerhalb der Zuständigkeiten der zentralen Universitätsverwaltung auch die Verwaltung der bisherigen Medizinischen Einrichtungen schon für die ganze Breite der Verwaltungsangelegenheiten i m Bereich der Hochschulmedizin zuständig war. Die entsprechende Erfahrung, von der sie derzeit noch geprägt ist, hat sie selbstverständlich auch in ihre Tätigkeit i m Rahmen der neuen Rechtsform eingebracht. Ihr Selbstverständnis wird sich jedoch i m Laufe der Zeit zwangsläufig wandeln. Dass demgegenüber die fortbestehende kleine Dekanatsverwaltung der Medizinischen Fakultät kein Gegengewicht darstellt, bedarf fast keiner Erwähnung, zumal auch sie i m Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das Universitätsklinikum übergegangen i s t . 1 9 18 Auch in § 41 Abs. 2 Nr. 6 HG ist insofern wieder von den „Medizinischen Einrichtungen" die Rede. S. dazu o. Fn. 16. 19 Entsprechendes gilt gemäß § 21 Abs. 1 und 2 VO auch für die Beschäftigungsverhältnisse der in diesem Bereich tätigen nichtwissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

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Wie aber kann unter solchen rechtlichen Rahmenbedingungen überhaupt noch gewährleistet werden, dass die Verwaltung des Universitätsklinikums die die Fakultät betreffenden Verwaltungsaufgaben auch tatsächlich in deren ureigenem Sinne und darüber hinaus auch i m übergeordneten Interesse der Universität erfüllt? Oder kann durch anderweitige organisatorische Vorkehrungen Abhilfe geschaffen werden? Seitens der von dieser Entwicklung mit betroffenen Universitätsleitungen hat es an Bemühungen um Einflussnahme insbesondere gegenüber dem zuständigen Wissenschaftsministerium nicht gefehlt. Fehlgeschlagen sind schon sehr frühzeitig unternommene Anstrengungen, namentlich das Dekanatspersonal samt Stellen bei der Universität zu belassen, um unabhängig vom Klinikum die ordnungsgemäße Erbringung von Leistungen in Forschung und Lehre prüfen und sicherstellen zu können, oder gar Stellen aus der Verwaltung der bisherigen Medizinischen Einrichtungen in die Universität zu verlagern, um für die Vertretung der Interessen von Universität und Fakultät bei den künftig regelmäßig erforderlichen Verhandlungen mit dem Klinikum über die Bewertung und den Ausgleich von Leistungen oder auch bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans für die Fakultät eine eigenständige, in der Zentralverwaltung bisher gar nicht vorhandene Verwaltungskompetenz aufbauen zu können. 2 0 Erfolgreich dagegen waren die Bemühungen um die unzweideutige rechtliche Qualifizierung der vom Universitätsklinikum wahrzunehmenden Verwaltungsaufgaben, soweit sie die Medizinische Fakultät betreffen, als Auftragsangelegenheiten der Universität. Entsprechende Formulierungen, wie sie von einzelnen Universitäten in die Kooperationsvereinbarung wie in Grundordnungsbestimmungen eingearbeitet und so dem zuständigen Ministerium zur Genehmigung vorgelegt worden sind, sind nach anfänglichem Widerstreben 21 inzwischen i m Kontext der jeweiligen Vereinbarung bzw. Grundordnung definitiv genehmigt worden. 2 2 Dies bedeutet, dass die Universität durch Beschlüsse ihrer Organe in den betreffenden Angelegenheiten das Universitätsklinikum bzw. dessen Verwaltung grundsätzlich binden und erforderlichenfalls auch in einem hinreichend gewichtigen Einzelfall Weisungen erteilen kann. 2 3 Ob die Weisungsbefugnis 20 Entsprechende Forderungen hatte der Rektor der Universität Münster mit Bericht vom 30. Nov. 2000 vorgetragen. Sie wurden durch Erlass des Ministeriums vom 28. Febr. 2001 u. a. unter Hinweis auf die in der Kooperationsvereinbarung liegenden Möglichkeiten zurückgewiesen. 21 Der Universität Münster liegt ein diesbezüglicher interner Vermerk des im Wissenschaftsministerium zuständigen Referats vom 4. Dez. 2001 vor. Noch ein erster Erlass des Ministeriums vom 22. Febr. 2002 zur Genehmigung der von der Universität Münster mit Bericht vom 14. Febr. 2002 vorgelegten Grundordnung erklärte die bezgl. der Aufgaben Wahrnehmung durch das Universitätsklinikum eingefügte Passage „im Wege der Auftragsverwaltung" für nicht genehmigungsfähig. 22 Vgl. Art. 77 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung (Grundordnung) der Universität Münster vom 25. März 2002 (genehmigt mit Erlass des Wissenschaftsministeriums vom 12. April 2002) sowie § 9 Abs. 1 der Kooperationsvereinbarung zwischen Universität und Universitätsklinikum Münster (genehmigt mit Erlass des Wissenschaftsministeriums vom 22. Mai 2002). 2 3 Anderer Ansicht der zitierte zweite Genehmigungserlass des Wissenschaftsministeriums zur Grundordnung der Universität Münster, in dem die eigenartige Auffassung vertre-

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außer dem Rektorat auch dem Fakultätsdekan zusteht und an wen die Weisungen ggfls. zu richten sind, etwa an den Kaufmännischen Direktor als das für die Personal- und Wirtschaftsangelegenheiten zuständige Mitglied des Vorstands, wäre entsprechend § 2 Abs. 3 Satz 2 V O in der Kooperationsvereinbarung näher zu regeln. Für die Ausgestaltung des institutionellen Verhältnisses zwischen Universität und Universitätsklinikum ist die an jedem einzelnen Standort abzuschließende Kooperationsvereinbarung ein wichtiges und durchaus geeignetes Instrument. I m günstigsten Fall vermag sie vielleicht sogar die Qualität der Beziehungen zwischen den Vertragspartnern langfristig positiv zu beeinflussen. Erfahrungen liegen bisher nicht vor, da die erste Vereinbarung überhaupt erst i m Jahre 2002 zustande gekommen ist. I m Unterschied zur Verordnung und Satzung hat sie keinem einheitlich vorgegebenen Muster zu folgen. Dementsprechend bunt und vielfältig sind die bisher bekannt gewordenen Entwürfe ausgefallen. Bei näherer Betrachtung ergibt sich, dass zumeist der Versuch unternommen wird, vorab die in § 2 der Verordnung angesprochenen Ziele weiter zu operationalisieren, sodann die Aufgaben und Pflichten des Klinikums und seiner Verwaltung einerseits und der Universität andererseits einander gegenüberzustellen, die Finanzierung und den Leistungsaustausch zu regeln, sowie schließlich auftretende Konflikte durch geeignete Schlichtungsverfahren einer Lösung zuzuführen. Tendenziell erschwert jegliche Form der Verselbstständigung der Hochschulmedizin die interdisziplinäre Forschung. Daher gilt es, i m Rahmen der Zielbeschreibung die Anreize zum Ausbau der Zusammenarbeit sowohl zwischen der klinischen und theoretischen Medizin als auch zwischen diesen und anderen Fächern der Universität zu verstärken, etwa um die besonders erfolgreiche Forschungskooperation zwischen den aufeinander angewiesenen Medizinern und Naturwissenschaftlern in grenzüberschreitenden Sonderforschungsbereichen nicht zu gefährden. I m jeweiligen Pflichtenkatalog werden über die Verordnung hinaus z. B. Regelungen getroffen über 2 4 - die Bereitstellung des wissenschaftlichen Personals durch die Universität zur Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung i m Klinikum, - die bezogen auf die jeweiligen Aufgabenbereiche einander ergänzenden Entscheidungen in Berufungsverfahren, ten wird, die genehmigte Bestimmung („Das Universitätsklinikum nimmt die Verwaltungsaufgaben für die Medizinische Fakultät ... im Wege der Auftragsverwaltung wahr.") biete keine Grundlage für Weisungen in Einzelfällen, da sie das rechtlich verselbstständigte Universitätsklinikum nicht binden könne. Lediglich der Fachbereich Medizin könne entsprechend § 15 Abs. 2 Satz 2 VO bei seinen Entscheidungen über die Verwendung der Mittel für Forschung und Lehre im Rahmen der allgemeinen Vorgaben des Rektorats (Bewirtschaftungsgrundsätze) gebunden werden. Diese Auffassung ist weder mit der durch Art. 16 Abs. 1 der Landesverfassung garantierten Hochschulselbstverwaltung noch mit dem, im Umkehrschluss aus dieser abgeleiteten, Rechtsinstitut der Auftragsverwaltung bei Übertragung entsprechender Aufgaben auf Dritte zu vereinbaren. 24 Vgl. wiederum die bereits genehmigte Kooperationsvereinbarung zwischen Universität und Universitätsklinikum Münster.

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- die Inanspruchnahme von nichtwissenschaftlichem Personal des Klinikums durch das wissenschaftliche Personal (der Universität) zum Zwecke der diesem in Forschung und Lehre obliegenden Aufgaben und die hierfür erforderlichen Weisungsrechte, - die Bereitstellung und Nutzung von Räumen und Geräten in Abstimmung auch mit der Medizinischen Fakultät, - die Ausübung des Hausrechts, - die einvernehmliche Planung und Durchführung von Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Belange von Forschung und Lehre, - die personelle Ausstattung der Dekanatsverwaltung der Medizinischen Fakultät und die Sicherstellung ihrer Verantwortlichkeit gegenüber dem Dekanat, - die Festlegung der weiterhin von der Universität wahrzunehmenden Verwaltungsaufgaben (z. B. i m Bereich der akademischen und der studentischen Angelegenheiten) und Dienstleistungen (wie der Universitätsbibliothek, des Rechenzentrums, aber auch des Auslandsamts, der Presse- oder der Transferstelle, der Energie-, Fernwärme- und Telekommunikations Versorgung) sowie umgekehrt der auch weiterhin vom Klinikum zu erbringenden Dienstleistungen (wie etwa des arbeitsmedizinischen Dienstes). Eine bemerkenswerte Bestimmung besagt, das Klinikum werde „alles unterlassen, wodurch i m Rechtsverkehr der Anschein erweckt werden könnte, dass Aufgaben nach § 3 H G vom Universitätsklinikum wahrgenommen werden" 2 5 , und versucht so das heikle Verhältnis der Regelungen in § 1 Abs. 2 V O - Übergang aller Rechte der Universität bzgl. ihrer bisherigen Medizinischen Einrichtungen i m Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das Klinikum - und in § 15 Abs. 1 Satz 1 V O - verbleibende Zuständigkeit der Universität für die Aufgaben der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung, Lehre und Studium nach § 3 HG auch i m Bereich der Medizin - durch eine Wohlverhaltensklausel zu überbrücken. A n eine solche wiederum ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 V O auch die Medizinische Fakultät gebunden, die ihre gemäß § 25 Abs. 2 H G aus der Gesamtverantwortung der Universität abgeleitete Zuständigkeit für die Erfüllung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre (§ 33 Abs. 2 HG) in enger Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum wahrzunehmen hat. Formal schließt sich also der Kreis, doch die inhaltlichen Widersprüche sind damit nicht aufgehoben.

IV. Die Trennungsrechnung Regelt die Kooperationsvereinbarung i m Allgemeinen primär die unmittelbaren Beziehungen zwischen den Vertragsparteien Klinikum und Universität, so betrifft 25 § 10 Abs. 2 der Kooperationsvereinbarung zwischen Universität und Universitätsklinikum Münster.

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der in ihr nach § 13 Satz 2 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 2 V O ebenfalls zu regelnde Ausgleich der Aufwendungen für Lehre, Forschung und Krankenversorgung in ganz besonderer Weise das Verhältnis zwischen Universitätsklinikum und Medizinischer Fakultät. Deren jeweils aufwendige Finanzierung soll mit Hilfe einer dem Grundsatz des § 34 Abs. 6 Satz 3 HG entsprechenden Trennungsrechnung transparent gemacht werden. Die Vorschrift postuliert, dass „zur Verbesserung der Leistungs- und Kostentransparenz" Methoden der Mittelbewirtschaftung zu entwickeln sind, „die die gesonderte Ausweisung der Mittel für Forschung, Lehre und Studium und der Mittel für die Krankenversorgung in der erforderlichen Differenzierung ermöglichen". Sie ist durch das Gesetz zur Neuordnung der Hochschulmedizin vom 14. Dez. 1999 in das damalige Universitätsgesetz aufgenommen und dann wortgleich in das jetzt geltende Hochschulgesetz vom 14. März 2000 übernommen worden, und zwar in die Bestimmung über die „Medizinischen Einrichtungen" und nicht in die über die „Weiterentwicklung der Hochschulmedizin". Dies bedeutet, dass die Einführung der Trennungsrechnung nicht erst durch die Verselbstständigung der Hochschulmedizin in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts erforderlich geworden wäre, sie hätte vielmehr auch in den bisherigen Medizinischen Einrichtungen durchgeführt werden müssen (und nach der Uberzeugung der für deren Wirtschaftsführung verantwortlichen Verwaltungsfachleute sehr wohl auch können). Gleichwohl ist natürlich nicht zu bestreiten, dass der rechtlichen Verselbstständigung auf der Ebene der Mittelbewirtschaftung allein die Ausweisung von getrennten Budgets für Krankenversorgung und für Forschung und Lehre entsprechen kann. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung hieß es, die über die traditionellen Bestimmungen zur Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans hinausgehenden neuen Regelungen sollten innerhalb des auch bisher schon eigenen Haushaltskapitels für die Medizinischen Einrichtungen die Voraussetzungen für getrennte Budgets für Forschung, Lehre und Studium einerseits und für die Krankenversorgung andererseits sowie für die Ausweisung von Abteilungsbudgets schaffen. Damit Sach- und Ressourcenverantwortung stärker beieinander lägen, sollten zukünftig ausschließlich der Fachbereich Medizin bzw. der (damals noch: Klinische) Vorstand über die Verteilung der für die Forschung und Lehre bzw. der für die Krankenversorgung und die Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens ausgewiesenen Stellen und Mittel entscheiden. Haushaltsaufstellung und Mittelbewirtschaftung sollten den Beauftragten für den Haushalt für ihren jeweiligen Verantwortungsbereich obliegen, „ i m Bereich der Medizinischen Einrichtungen also der Verwaltungsdirektorin oder dem Verwaltungsdirektor". 26 So sollte sichergestellt werden, dass der für die Krankenversorgung entstehende Aufwand auch nach Einführung des Gesundheitsstrukturgesetzes (mit seinem Grundsatz der von den konkreten Kosten eines Krankenhauses unabhängigen leistungsgerechten Vergütung 2 7 )

26 Vgl. LT - Drucksache 12/3787 vom 19. März 1999, S. 23. 27 Ebda, S. 21.

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grundsätzlich durch die nach dem Krankenhausfinanzierungsrecht zur Verfügung stehenden Entgelte gedeckt wird, auch wenn zur Frage der Aufteilung von „ i n den Grauzonenbereich zwischen Forschung, Lehre und Studium und Krankenversorgung fallenden Kosten" auf die jeweiligen einzelnen Budgets bundesweit noch keine für die Vorgabe allgemeiner Regelungen für die Mittelbewirtschaftung ausreichenden Erfahrungen vorlägen. Somit sei es die Aufgabe der (damals noch) Medizinischen Einrichtungen, die hierfür erforderlichen Methoden selbst zu entwickeln. 2 8 A u f der anderen Seite seien mit den Änderungen, die sich aus dem Gesetz zur Neuordnung der Hochschulmedizin und dort vor allem aus dessen Bestimmung zu ihrer Weiterentwicklung ergäben, steigende Anforderungen an die Entscheidungsfähigkeit des Fachbereichs Medizin verbunden. Daher solle die Ermächtigungsnorm des § 45 a Abs. 3 U G (jetzt § 41 Abs. 4 HG) die Anpassung der Fachbereichsorganisation an die nach Abs. 1 und 2 geänderten Strukturen ermöglichen. 2 9 Auch von dieser Ermächtigung hat die Ministerin für Schule, Wissenschaft und Forschung mit den für alle Medizinstandorte inhaltsgleichen Rechtsverordnungen vom 1. Dez. 2000 Gebrauch gemacht und in den §§ 15 bis 18 V O von den für die Fachbereiche im Übrigen sowie für das Haushaltswesen der Universität geltenden Vorschriften des Hochschulgesetzes abweichende Regelungen getroffen. Allerdings könnten die Universitäten bezüglich der die Organe der Medizinischen Fakultät und deren Aufgaben betreffenden Bestimmungen der §§ 16 bis 18 V O in ihren Grundordnungen andere Regelungen treffen. Wie auch immer: die Medizinische Fakultät ist seither auch in hochschulverfassungsrechtlicher Hinsicht nicht länger ein Fachbereich wie jeder andere. Die für sie geltenden Besonderheiten kommen namentlich in den die Finanzierung regelnden Vorschriften der Verordnung zum Ausdruck. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 V O gewährt das Land für Lehre und Forschung i m Fachbereich Medizin Mittel nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 VO, während das Universitätsklinikum, wie bereits anhand der Gesetzesbegründung erläutert, nach der grundlegenden Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 V O seine Kosten mit den für seine Leistungen vereinbarten oder festgelegten Vergütungen deckt, soweit nicht nach Maßgabe des Landeshaushalts Mittel des Landes als Festbeträge nach Satz 2 - nämlich für die Aufwendungen des Klinikums (materiell müsste es heißen: des Fachbereichs) in Forschung und Lehre - oder nach Satz 3 - für Investitionen einschließlich der Bauunterhaltung und für betriebsnotwendige Kosten - gewährt werden. Der Fachbereich Medizin verfügt nunmehr i m Landeshaushalt über ein eigenes Haushaltskapitel. In den Haushalts vermerken zu Titel 682 10 - Zuführungen für den laufenden Betrieb an den Fachbereich Medizin - heißt es (in Übereinstimmung mit § 41 Abs. 3 HG): „Die Zuführungen für den laufenden Betrieb sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Verordnung vom 1. 12. 2000 als Festbetragszuschuss direkt an das Universitätsklinikum zu leiten. Über ihre Verwendung ent28 Ebda, S. 26. 29 Ebda, S. 31.

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scheidet gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 der vorgenannten Verordnung der Fachbereich Medizin im Rahmen der vom Rektorat aufgestellten Bewirtschaftungsgrundsätze und der Festlegungen des Hochschulentwicklungsplans . . . " Und ergänzend lautet die Erläuterung zu diesem Titel: „Die ausgebrachten Zuführungen dienen der Deckung der Aufwendungen des Fachbereichs Medizin für Lehre und Forschung." Die Festbetragszuschüsse nach § 9 Abs. 1 Satz 3 V O werden in den Medizinkapiteln des Landeshaushalts in der Titelgruppe 65 veranschlagt, und zwar bei Titel 682 65 (für betriebsnotwendige Kosten) und bei Titel 891 65 (für Investitionen). Die in den Haushaltsvermerken erwähnten „Bewirtschaftungsgrundsätze des Rektorats", an die der Fachbereich gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 V O bei seinen Entscheidungen über die Verwendung der Mittel gebunden wäre 3 0 , sind übrigens eine Erfindung des Verordnungsgebers. Sie sind systematisch nur schwer in den Zusammenhang der für das Haushaitswesen einschlägigen Vorschriften der §§ 103 und 104 H G (betr. die Verteilung bzw. Bewirtschaftung der Haushaltsmittel) einzuordnen. Für die Wirtschaftsführung des Fachbereichs Medizin gelten nach § 15 Abs. 2 Satz 3 V O die Grundsätze der § § 2 6 Abs. 1 und 74 Abs. 1 L H O entsprechend, d. h. der Fachbereich wird behandelt wie ein Landesbetrieb, der einen Wirtschaftsplan aufzustellen hat, wenn und soweit ein Wirtschaften nach Einnahmen und Ausgaben des Haushaltsplans nicht zweckmäßig ist. Dementsprechend obliegt nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 V O dem Dekanat der Medizinischen Fakultät die Aufstellung des Wirtschaftsplans (und darüber hinaus des den Fachbereich Medizin betreffenden Beitrags der Universität zum Voranschlag des Landeshaushalts, des Jahresabschlusses und des Lageberichts) und nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 V O dem Fachbereichsrat die Zustimmung zum Wirtschaftsplan (sowie die Feststellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts). I m Haushaltsplan des Landes werden lediglich die Zuführungen und die Planstellen ausgewiesen. Angesichts der nahezu vollständigen Verweisung der Wirtschaftsführung des Fachbereichs Medizin in den Bereich außerhalb des Landeshaushalts bleibt zu bezweifeln, ob der Bestimmung des § 15 Abs. 2 Satz 4 VO, derzufolge die Rechte und Pflichten der Kanzlerin oder des Kanzlers als Beauftragter oder Beauftragtem für den Haushalt unberührt bleiben, noch eine substanzielle Bedeutung zukommt. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 V O sind in der Kooperationsvereinbarung die näheren Einzelheiten der Erfassung und Bemessung der Aufwendungen des Klinikums für Forschung und Lehre zu regeln. Dadurch soll ermöglicht werden, diese Aufwendungen i m Rahmen einer Trennungsrechung zu berücksichtigen, die zwischen den zuführungsrelevanten Kostenbestandteilen (für Lehre und Forschung) und den sich selbst finanzierenden Kostenbestandteilen (für die Krankenversorgung) und darüber hinaus nach Kostenarten (Personal- und Sachkosten) unterscheidet. Sie schafft damit die Voraussetzungen für einen Ausgleich der Aufwendungen i m Sinne von § 13 Satz 2 VO. Zu den zuführungsrelevanten Kosten zählen nominell 30

s. dazu o. Fn. 23.

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auch die betriebsnotwendigen Kosten solcher Einrichtungen, die sich über eigene Einnahmen nicht selbst finanzieren können, ohne aber zum Bereich von Forschung und Lehre zu gehören, z. B. die der betrieblichen Feuerwehr. Die Finanzierung erfolgt über den Festbetrag des Landes gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 VO, bedarf aber nach der Systematik dieser Vorschrift keiner näheren Regelung durch die Kooperationsvereinbarung. Die durch den Zuführungsbetrag finanzierten Kosten für Lehre und Forschung werden auf dem Weg über die Zuordnung der Gesamtkosten des Universitätsklinikums zu den jeweiligen Kostenbestandteilen bestimmt. So werden etwa die Aufwendungen für wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte zur Gänze den zuführungsrelevanten Kosten und die Aufwendungen für den Pflegedienst oder die Lebensmittel ganz den selbstfinanzierten Kosten zugeordnet. Bezogen auf Einrichtungen werden die Kosten der vorklinischen und theoretischen Institute sowie z. B. des Fakultätsdekanats oder der Bibliothek zu 100 % dem Bereich von Lehre und Forschung angelastet. Hingegen werden die Kosten der klinisch-theoretischen Institute sowie der Kliniken und Polikliniken nach bestimmten Prozentanteilen auf die Bereiche der Lehre und Forschung einerseits und der Krankenversorgung andererseits aufgeteilt. Die Prozentanteile stellen Normwerte dar, die zwar aufgrund langjähriger Erfahrung gesetzt werden, jedoch immer wieder neuer Feinabstimmung bedürfen. Die für ein konkretes Jahr vorgenommene Kostenaufteilung zwischen den Bereichen ist daher für die Folgejahre nicht festgeschrieben. Sie ist ggfls. veränderten Einnahmestrukturen anzupassen. Schließlich ist zu erwarten, dass eine noch leistungsbezogenere Vergütung und eine verbesserte Kostenträgerrechnung zu einer präziseren Kostentrennung zwischen den beiden Bereichen und ihren unterschiedlichen Kostenbestandteilen führen werden. 3 1 A m Ende dieses Prozesses dürfte eine immer exaktere Ermittlung der jeweiligen Kosten anstelle der heute noch dominierenden normativen Festlegung, aber auch ein durch vertieftes Kostenbewusstsein erheblich verändertes Verhältnis von Universitätsklinikum und Medizinischer Fakultät stehen. Ob bestehende Spannungen und Interessengegensätze i m Verlauf der künftigen Auseinandersetzungen, die vermutlich auf einen harten Kampf um die Mittel hinauslaufen, noch verstärkt oder aber auf einer höheren Ebene dialektisch aufgehoben werden, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob das Land bereit ist, einige mit der Neuordnung der Hochschulmedizin in Nordrhein-Westfalen eingeleitete Fehlentwicklungen, wie etwa die unnötig weit getriebene Herauslösung des Klinikums aus der Universität oder das faktische Supremat des Klinikums über die Fakultät, zu korrigieren, und natürlich auch davon, ob die verantwortlichen Entscheidungsträger in Universität, Fakultät und Klinikum in der Lage sind, das gemeinsam anzustrebende Ziel, nämlich die Gewährleistung höchstmöglicher Qualität sowohl in Forschung und Lehre wie in der Krankenversorgung, vor noch so verständliche Partikularinteressen zu stellen. 31 Vgl. zu den Grundsätzen einer Trennungsrechnung Anlage 2 zur Kooperationsvereinbarung zwischen Universität und Universitätsklinikum Münster.

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V. Offene Fragen und Lösungsversuche Abschließend seien nur noch kurz einige der Probleme angesprochen, die seit der Verselbstständigung der Hochschulmedizin für deren Verhältnis zur Universität in auffälliger Weise virulent geworden sind, Interessen Vertreter aller Seiten auf den Plan gerufen und Anlass zu Lösungsversuchen und zu Bemühungen um Korrekturen am geltenden Recht gegeben haben. Ausgangspunkt heftigen Streits ist einmal mehr die Regelung des § 1 Abs. 2 VO, nach der das Universitätsklinikum an die Stelle ausnahmslos aller bisherigen Medizinischen Einrichtungen der Universität nach § 34 Abs. 1 H G tritt, also der Kliniken und Polikliniken ebenso wie der medizinisch-theoretischen und der vorklinischen Institute. Damit sind diese Einrichtungen nicht länger Bestandteil von Universität und Fakultät. Namentlich die Medizinische Fakultät hat auf diese Weise ihren gesamten institutionellen Unterbau verloren. Sie ist reduziert auf den Torso eines Personalkörpers mit zwei Organen (Dekanat und Fachbereichsrat, entspr. § 16 VO). Die medizinischen Fachgebiete der Hochschule, die gemäß § 33 Abs. 1 H G den Fachbereich Medizin bilden sollen, verkörpern diesen nur noch virtuell. Mehrere der betroffenen Universitäten haben daher gegenüber dem Wissenschaftsministerium eine Ergänzung der in der Verordnung getroffenen Regelung dahingehend angeregt, dass die Rechte und Pflichten des nicht von § 34 H G erfassten Fachbereichs Medizin gemäß § 33 H G unberührt bleiben. 3 2 Das Ministerium hat zwar in der Begründung der Vorlage einer Musterverordnung zur Änderung der jeweiligen Errichtungsverordnungen erklärt, die ersten praktischen Erfahrungen mit der Selbstständigkeit der Anstalten hätten gezeigt, dass die Verordnungen in einigen Punkten geändert werden sollten 3 3 , der angesprochene Punkt gehört aber gerade nicht dazu. Insofern hatte das Ministerium vorab zu verstehen gegeben, die vorgeschlagene Ergänzung erscheine entbehrlich, weil sich schon aus dem geltenden Verordnungstext deutlich ergebe, dass der „Bestand der medizinischen Fakultäten von der Rechtsnachfolge der Kliniken für die früheren Medizinischen Einrichtungen unberührt' 4 sei. 3 4 Allerdings sind der durch die Bestimmungen des Artikels I I der Verordnung in der Tat bestätigte Bestand der Fakultät einerseits und die dieser zu garantierenden Rechte und Pflichten eines Fachbereichs i m Sinne des Hochschulgesetzes andererseits nach wie vor zwei verschiedene Dinge. Bemerkenswert ist demgegenüber das Schicksal eines zusätzlichen Anderungsvorschlags, der mit dem zuvor genannten in engem Zusammenhang steht. Danach sollte dem erwähnten, in § 1 Abs. 2 der Verordnung einzufügenden Satz als weite32 Zu entnehmen dem mit Erlass des Wissenschaftsministeriums vom 18. April 2002 übersandten Vermerk zur Vorbereitung einer Besprechung im Ministerium über die Anregungen zur Änderung der jeweiligen Verordnungen über die Errichtung der Universitätsklinika am 24. April 2002. 33 Erlass vom 12. Juli 2002 mit Anlage der Musterverordnung nebst Begründung. 34 Erlass vom 19. Juni 2002 mit Protokoll der Besprechung vom 24. April 2002.

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rer Satz angefügt werden: „Unabhängig davon gelten die Abteilungen und Einrichtungen des Universitätsklinikums, soweit Forschung und Lehre betroffen sind, nach Maßgabe des Hochschulentwicklungsplans zugleich als wissenschaftliche Abteilungen und Einrichtungen der Medizinischen Fakultät." 3 5 M i t Hilfe dieser Formulierung sollte nicht zuletzt die an allen Standorten diskutierte (und meist pragmatisch entschiedene) leidige „Kopfbogenfrage" gelöst werden, die dadurch entstanden war, dass jegliche Korrespondenz von früher zur Medizinischen Fakultät und natürlich auch zur Universität gehörenden, jetzt aber i m Universitätsklinikum aufgegangenen Einrichtungen und sogar von dort tätigen Wissenschaftlern nur unter dem Logo des als Rechtsträger allein übrig gebliebenen Klinikums geführt werden durfte, auch wenn sie Angelegenheiten von Forschung und Lehre betrafen. Einen „universitären" Kopfbogen hätten demnach lediglich die Fakultät und die in deren Namen und Auftrag auftretenden Fakultätsmitglieder führen dürfen. Das Ministerium hat der zur Abhilfe dieses Missstandes bestimmten Formel nicht widersprochen, sie aber ebenfalls nicht in den Änderungskatalog der Musterverordnung aufgenommen. Umso überraschender ist es, dass das Ministerium die Aufnahme nahezu identischer Bestimmungen in die Grundordnungen betroffener Universitäten genehmigt hat. 3 6 M i t einem solchen Formelkompromiss oder einem Kunstgriff, wie ihn die in eine Kooperationsvereinbarung aufgenommene Klausel der Vermeidung falschen Anscheins darstellt 3 7 , ist es indessen nicht getan. Rechtsklarheit kann nur durch eine eindeutige Normierung der voneinander abzugrenzenden Verantwortungsbereiche von Klinikum und Fakultät in der Verordnung oder - mit Rücksicht auf das von Verfassungs wegen geschützte Rechtsgut der Hochschulselbstverwaltung besser noch unmittelbar i m Hochschulgesetz hergestellt werden. Prüfstein für die Ernsthaftigkeit der Bereitschaft des staatlichen Normgebers zur Verbesserung des derzeitigen höchst unbefriedigenden Zustandes könnte etwa das Zugeständnis sein, dass Einrichtungen (Abteilungen), die keine Aufgaben in der Krankenversorgung haben, ausschließlich der Fakultät und eben gar nicht dem Klinikum angehören. Erst eine solche Regelung würde der immer wieder beschworenen Verantwortung von Universität und Fakultät für die Erfüllung der ihnen nach § 3 Abs. 1 bzw. § 25 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 2 H G obliegenden Aufgaben i m Bereich von Forschung, Lehre und Studium wirklich gerecht. Ein weiterer beachtlicher Streit ist um die Frage entstanden, ob das Universitätsklinikum in Angelegenheiten von Forschung und Lehre, also i m Aufgabenbereich von Universität und Fakultät, gegenüber Dritten als Vertragspartei mit eigenen Rechten und Pflichten auftreten kann oder in welcher rechtlichen Funktion sonst das Klinikum innerhalb von diesbezüglichen Leistungsverhältnissen tätig wird. 35 So der Änderungsvorschlag der Universität Düsseldorf; wie Fn. 32. 36 Vgl. § 15 Abs. 3 der Grundordnung der Universität Düsseldorf und Art. 77 Abs. 3 der Verfassung der Universität Münster. 3 7 s. o. Fn. 25.

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Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 V O dient das Universitätsklinikum dem Fachbereich Medizin der Universität zur Erfüllung seiner Aufgaben in Forschung und Lehre. Soweit dieser Bereich betroffen ist, können Entscheidungen des Klinikums entspr. § 2 Abs. 2 Satz 3 V O nur i m Einvernehmen mit dem Fachbereich Medizin erfolgen. Da das Klinikum die den Fachbereich betreffenden Verwaltungsaufgaben nach § 2 Abs. 3 V O - wie dargelegt: als Auftragsangelegenheiten! - wahrzunehmen hat, kann es i m übertragenen Bereich nicht als selbstständige Rechtsperson mit eigenen Rechten und Pflichten handeln. Die Außen Vertretung der Universität durch den Rektor gemäß § 19 Abs. 1 H G ist durch das Gesetz zur Neuordnung der Hochschulmedizin unberührt geblieben. Das Klinikum kann Dritten gegenüber in Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit von Universität und Fakultät fallen, also nicht als Vertragspartner in eigenem Namen auftreten, es hat vielmehr i m Falle eines von der Universität zugestandenen Tätigwerdens deutlich zu machen, dass es in deren Namen und Auftrag handelt. Der Regelfall bleibt jedoch die hochschulgesetzlich geregelte Außenvertretung durch den Rektor. Das Ministerium hat in dieser Frage, die an einem Standort zwischen Universität und Universitätsklinikum streitig geworden war, zugunsten der von der Universität vertretenen Rechtsauffassung, wie sie zuvor dargelegt worden ist, entschieden und darauf hingewiesen, dass nach § 2 Abs. 3 V O lediglich die den Fachbereich Medizin betreffenden Verwaltung saufgaben vom Universitätsklinikum wahrzunehmen seien und eine originäre Vertretungsbefugnis des Universitätsklinikums für den Fachbereich Medizin durch die Verordnung nicht begründet werde. 3 8 Auch in dieser Frage wäre eine eindeutigere Formulierung der Verordnungsregelung angebracht gewesen. Als Fazit bleibt nach Auffassung des Verfassers festzuhalten, dass die Hochschulmedizin in Nordrhein-Westfalen ganz unabhängig von ihrer rechtlichen Verselbstständigung derart unzureichende und zum Teil widersprüchliche rechtliche Regelungen nicht verdient hat. Angesichts ihrer enormen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung ist eine so nachlässige Behandlung existenziell wichtiger Organisationsentscheidungen durch den Gesetz- und Verordnungsgeber gefährlich, wenn nicht sogar unverantwortlich.

38 Erlass des Wissenschaftsministeriums vom 5. Sept. 2001 an die Technische Hochschule Aachen.

Einige Überlegungen zum Rechnungswesen in der Wissenschaftsverwaltung Ralf Bartz

M i t gewohnt deutlichen Worten hat Dieter Leuze i m Jahre 1990 ein Fortbildungsseminar „Die Universitätsverwaltung i m Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlichen Sachzwängen und Gesetzesflut" eröffnet: „ I n diesem Spannungsfeld vielfältigster Aufgaben, Erwartungen und Leistungsforderungen von Dritten bei denkbar restriktiver Haushaltsgesetzgebung und nur zurückhaltend erlaubten Rationalisierungsmaßnahmen kann die Leitung der Hochschulverwaltungen nicht so flexibel, wie nötig, reagieren, hat sie so gut wie keinen ökonomischen Dispositionsspielraum." 1 Die versteckte Wut dieser Zeilen war damals nicht neu und leider hat sich auch bis heute der Befund nicht prinzipiell geändert. Schon 1983 hat Dieter Leuze als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Fortbildung i m Sprecherkreis der deutschen Universitätskanzler ein Fortbildungsseminar „Aktuelle Probleme der Hochschulökonomie" 2 organisiert, in dem dieser Tenor sich ausdrückte. So hat z. B. Dieter Frackmann von der HIS-GmbH, Hannover in diesem Seminar die Entwicklungen zu einer Hochschulkostenrechnung vorgestellt und dann gesagt: „Das bedingte Plädoyer gegen die Hochschulkostenrechnung soll insofern als eine Warnung vor den Kosten der Kostenrechnung verstanden werden, denen kein entsprechender Nutzen oder keine entsprechende Notwendigkeit gegenübersteht, wohlgemerkt im gegenwärtigen System der Hochschulfinanzierung". 3 Über die heutige Debatte um Kameralistik versus kaufmännische Buchführung, um staatliche Inputversus Output-Steuerung, um Globalhaushalte und um den Sinn von Kostenstellen-, Kostenarten- und Kostenträgerrechnungen w i l l dieser Beitrag einige Überlegungen anstellen. Die Kritik an der Kameralistik insgesamt als Instrument der Steuerung öffentlicher Einrichtungen ist so breit und so allgegenwärtig, dass der Versuch einer Ehrenrettung geradezu abwegig erscheinen muss. A u f der kommunalen Ebene werden frühere Amter in Eigenbetriebe oder Kapitalgesellschaften - meist als 1 Die Universitätsverwaltung im Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlichen Sachzwängen und Gesetzesflut, Referate gehalten im Kurs О des Fortbildungsprogramms für die Wissenschafts Verwaltung,, Materialien Nr. 45, Essen, 1990, S. 10. 2 Aktuelle Probleme der Hochschulökonomie, Referate gehalten im Kurs III / 4 des Fortbildungsprogramms für die Wissenschaftsverwaltung, Materialien Nr. 12, Essen , 1983. 3 Materialien Nr. 12, S. 215.

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GmbH - überführt, sei es zur Stadtreinigung, zur Müllabfuhr oder auch zur Kulturpflege wie bei Theatern und Museen. Die Bundesländer gliedern Landesbetriebe wie etwa den früheren Staatshochbau, der auch für den Hochschulbau zuständig ist, oder den Landesstraßenbau aus. Der Bund „privatisiert" frühere öffentliche Aufgaben wie das Post- und Fernmeldewesen oder die frühere Bundesbahn - meist sogar in der Form der Aktiengesellschaft, um neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Selbst die Landesverteidigung ist von solchen Entwicklungen nicht mehr unberührt. Der Zeitpunkt mag nicht mehr allzu fern sein, dass ein besonders innovativer Wissenschaftsminister eine Landesuniversität nicht nur in eine Stiftung sondern gleich in eine Aktiengesellschaft überführt, die ihren Finanzbedarf nicht mehr durch den Landeshaushalt sondern an der Börse deckt. Die lebensbedrohliche Erkrankung eines Professors wird dann ein meldepflichtiger Vorgang an der Börse, wie es kürzlich bei einem Fußballverein war, der die Erkrankung eines Starspielers melden musste, nachdem der Verein an die Börse gegangen war. Wenn Universitäten sich von solchen Entwicklungen bedroht sehen, müssen sie sich fragen lassen, welchen Beitrag sie denn hierzu geleistet haben. Die Kritik der öffentlichen Misswirtschaft gilt auch den Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen - den wissenschaftlichen Einrichtungen insgesamt. Die Klage über die Gesetzesflut, über ministerielle Eingriffe in die Detailsteuerung und über eine dauerhafte Unterfinanzierung hat sich als unzureichende Verteidigung gegenüber dem Vorwurf der UnWirtschaftlichkeit erwiesen. Eine - wenn auch öffentlich nicht diskutierte - Ursache kann in dem Verzicht der Universitäten auf die Kameralwissenschaften liegen. In der Verwaltungspraxis hat sich das verschrobene B i l d ergeben, dass der gehobene Dienst Kameralwissenschaften - und als deren Teilgebiet die Kameralistik an den Fachhochschulen der öffentlichen Verwaltung studiert hat. Der in aller Regel mit Leitungsfunktionen beauftragte höhere Verwaltungsdienst hat Staats- und Verwaltungsrecht gelernt, aber von Finanzen und deren Verwaltung hat er nichts gehört. Nur in seltenen Ausnahmefällen hat ein Referendar eine Station in der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer verbracht und etwas mehr über Verwaltung erfahren. Auch die wachsende Branche der Unternehmensberater in der öffentlichen Verwaltung hat keine Mitarbeiter mit kameralwissenschaftlichen Ansatz. Sie beschäftigt überwiegend Volks- und Betriebswirte, die in betriebswirtschaftlichen Systemen aufgewachsen und sozialisiert sind und diese von einer Metaebene her bewusst oder unbewusst verstehen und akzeptieren. Da kann es nicht Wunder nehmen, wenn diese Unternehmensberater zu Betriebsformen raten, die sie kennen und deren Rechnungswesen intensiv i m Studium gelehrt wurde. Heutige betriebswirtschaftliche Lehrbücher zum Rechnungswesen nennen die Kameralistik weder i m Inhalts- noch i m Stichwortverzeichnis. Das lässt darauf schließen, dass auch den heutigen Lehrenden der Betriebswirtschaftslehre die Kameralistik nicht mehr vertraut ist - was sie allerdings zu der oftmals recht scharfen Kritik an der Kameralistik nicht gerade legitimiert. 4

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Für Universitätskanzler und den höheren Dienst in der Wissenschafts Verwaltung kann das Studium des Veit Ludwig von Seckendorff (1626 - 1 6 9 2 ) und seines Hauptwerkes „Teutscher Fürstenstaat 4', 1656 sehr anregend sein, zumal er kurz vor seinem Tode noch zum Gründungskanzler der Universität Halle berufen wurde. 5 Für die Staatswissenschaften ist es wohl kein Ruhmesblatt, wenn Erziehungshistoriker in Quellenschriften zur Geschichte der Einheitsschule einen unveränderten Neudruck der Ausgabe Frankfurt am Main 1665 des Begründers des Kameralismus herausbringen, der auch um das Erziehungswesen seiner Zeit große Verdienste hat. 6 Immerhin gelten seine grundsätzlichen Regeln für den Haushaltsplan bis heute für Kommunen, Länder, den Bund und auch für die Europäische Union. 7 Auch wenn heute Universitäten von ihren Landesregierungen aufgefordert werden, sich mehr um die regionale wirtschaftliche Entwicklung zu bemühen, können sie die Begründung bei von Seckendorff nachlesen. Ob die Umbrüche i m Haushaltsrecht nach der Reichsgründung, nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg und auch ob die große Reform von 1969 wesentliche Fortschritte gegenüber der höfischen Haushalts- und Wirtschaftsführung gebracht haben, wird wohl Ansichtssache bleiben. So ist 1870 der Generaletat mit dem Prinzip der Gesamtdeckung eingeführt worden, das bis heute fortgilt. Wie sich aber Nebenhaushalte, wie z. B. der Fonds „Deutsche Einheit" in das Prinzip einfügen, scheint doch politischer Opportunität zu unterliegen. Eine aktuelle technologie- und verkehrspolitische Debatte um die Magnetschwebebahn in Nordrhein-Westfalen und Bayern zeigt, dass Detaillierungen im Haushaltsrecht wie die zwingende Forderung nach Nutzen-Kosten-Untersuchungen (1969 in § 6 Haushaltsgrundsätzegesetz und in § 7 Bundeshaushaltsordnung eingeführt) einen offensichtlich sehr weiten Spielraum zur Auslegung von „Maßnahmen von erheblicher finanzieller Bedeutung" doch dann zulassen, wenn ein mächtiger politischer Wille sich ausdrückt. Die Behauptung, die Kameralistik verhindere ein innovatives Vorhaben, weil sie vorher eine Nutzen-Kosten-Untersuchung fordere, wird wohl niemand äußern. Die kameralistischen Grundregeln Jährlichkeit (seit 1969 auch als Doppelhaushalt und ergänzt um das Instrument der Verpflichtungsermächtigung), Vorherigkeit, Vollständigkeit und Einheit, Fälligkeit, Gesamtdeckung, Bruttoveranschlagung, Genauigkeit und Wahrheit, Spezialität und Klarheit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (seit 1969 Bildung von Ausgaberesten und zweckgebundene Übertragung 4 Eine kurze Gegenüberstellung ist bei Zdrowomyslaw / Wae seimann zu finden. Buchführung und Jahresabschluß; Einführung in Finanzbuchführung und die Jahresabschlußerstellung, München, 1993. 5 Brockhaus, Leipzig Mannheim 1998. 6 Veit Ludwig von Seckendorff, Teutscher Fürsten Stat, Neudruck 1976, Glashütten im Taunus. 7 Einen guten Überblick über die Entwicklung der Kameralistik und die Entstehung der Kameralwissenschaften mit einer Würdigung von Seckendorffs bietet die Dissertation Rainer J. Vrenegor Kameralistik versus Effizienz, Köln, 1996 mit weiteren Literaturhinweisen.

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in das nächste Haushaltsjahr), Ausgeglichenheit sowie Öffentlichkeit 8 bilden nach wie vor ein in sich geschlossenes System, das viele Vorzüge vereint. Es hat sich in extrem schwierigen Lagen - wie beim Wiederaufbau nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg - bewährt. Es ist schon bemerkenswert, dass die heftige Kritik erst in Zeiten eines nie da gewesenen Wohlstandes einsetzt und in der Regel mit der Staatsverschuldung begründet wird. 9 Obwohl die kameralistischen Grundregeln für die Haushalts- und Wirtschaftsführung der feudalen Höfe entwickelt wurden, sind sie heute ein ausgesprochen demokratisches Instrument, denn Parlamentarier aller Ebenen können damit umgehen und insgesamt gesehen eine wirksame Kontrolle der Legislative über die Exekutive leisten. Solange niemand die inneren demokratischen Spielregeln in der Wissenschaft in Zweifel zieht, sind sie auch geeignet, die innere Demokratie in der Sache angemessen zu handhaben. Aufgedeckte Missstände in der öffentlichen Haushalts- und Wirtschaftsführung - sei es in den Berichten der Rechnungshöfe, sei es in den Schriften des Bundes der Steuerzahler - zeigen nicht einen Mangel der kameralistischen Grundregeln sondern eben die Verstöße gegen sie. Nicht ganz so alt wie die Kameralistik sind die handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen, immerhin blicken auch sie in ihren Grundregeln auf eine etwas über hundertjährige Tradition zurück, in der einige Wirtschaftskrisen und auch Zeiten wirtschaftlicher Prosperität die Tauglichkeit der Grundregeln belegen. Erst in jüngerer Zeit wird im Hinblick auf die sich beschleunigende Globalisierung der deutschen Wirtschaftsunternehmen eine Reform mit dem Ziel der Anpassung an internationale Rechnungslegungsnormen gefordert. 10 Kern der 100-jährigen Tradition statischer Bilanztheorie ist der Gläubigerschutz, der wiederum seine Wurzel in der deutschen Tradition der Finanzierung der Wirtschaftsunternehmen durch Hausbanken hat. Die faktische Macht der Banken hat zu allen Zeiten den Vorsichtsgrundsatz, das Niederstwertprinzip und das Aktivierungsverbot für selbsterstellte immaterielle Anlagegegenstände hochhalten lassen und bilanzpolitische Färbungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Wirtschaftsunternehmens geradezu bekämpft. In deutscher Tradition ist die - vorsichtige - Handelsbilanz maßgeblich für die Steuerbilanz, wobei allerdings allerlei steuerrechtliche Maßgaben doch auf die Handelsbilanz zurückwirken. Stiller Teilhaber des Wirtschaftsunternehmens ist nicht nur die Hausbank sondern auch der Fiskus - und die Interessen dieser beiden zeigen nun mal in verschiedene Richtungen. Was das Haushaltsgrundsätzegesetz für den öffentlichen Sektor regelt, ist i m Bilanzrichtliniengesetz für die Wirtschaft festgeschrieben. Wenn nun die Wissenschaft unter den Regeln des Bilanzrichtliniengesetzes erfolgreicher wirtschaften 8 Die Aufzählung der kameralistischen Grundregeln ist entnommen aus Vrenegor, S. 56, dort mit den Rechtsgrundlagen nachgewiesen. 9 So auch Vrenegor, S. 1. 10 Reinhard Heyd, Internationale Rechnungslegungsnormen in Deutschland - erschwert das Maßgeblichkeitsprinzip ihre Anwendung, ZfB Nr. 4, April 2001, S. 371 -392.

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können soll, wie die Kritiker der Kameralistik behaupten, so sind zunächst einmal die Grundregeln des Handelsrechts unter dem Einfluss des Steuerrechts auf ihre Tauglichkeit und ihre Optionen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Wissenschaft nachzuweisen. Nicht einmal der Versuch eines solchen Nachweises ist in der Literatur zu finden. Die vielfältigen Anregungen, doch auch in den wissenschaftlichen Einrichtungen zur kaufmännischen Buchführung überzugehen, fragen nicht und begründen nicht, auf welchen Grundsätzen die Buchführung basiert sein soll. Eine Übernahme der kaufmännischen Buchführung ohne Reflektion der Grundsätze ist aber nur der Import problematischer Grundsätze mit geschlossenen Augen. Wichtigstes Vermögen der Wissenschaft ist der Intellekt, die Schöpfergabe und die Kreativität der in ihr tätigen Wissenschaftler, ausgesprochen immaterielle Werte, die zu aktivieren in Deutschland aus Überlegungen zum Gläubigerschutz bisher verboten ist. Dass das prinzipiell nicht so sein muss und eine wirtschaftliche Bewertung dieser Potentiale durchaus möglich ist, zeigt die manchmal traumhafte Bewertung von - nach unseren Kriterien substanzlosen - Unternehmen des Neuen Marktes an US-amerikanischen Börsen. Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen können sich durchaus der kaufmännischen Buchführung, auch durch Übernahme ausgefeilter datentechnischer Systeme bedienen, der Wert der wissenschaftlichen Einrichtung wird sich jedoch nicht ermitteln lassen. Nun ist der wirtschaftliche Wert der wissenschaftlichen Einrichtung in aller Regel auch nicht das zentrale Erkenntnisinteresse, viel interessanter ist der wissenschaftliche Wert. Entscheidungen über die Vergabe von Forschungsaufträgen und die Wahl von Studienfach und -ort werden nicht anhand der wirtschaftlichen Lage, soweit möglich aber wohl doch anhand der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit getroffen. Allerdings muss hier eingeräumt werden, dass auch mit den Methoden der Kameralistik keine Aussagen zum wissenschaftlichen Wert gewonnen werden. Ob denn US-amerikanische Rechnungslegungsnormen, die eine monetäre Bewertung immaterieller Werte zulassen, zu besseren Bildern führen würden, konnte nicht erprobt werden und wird erst weiter diskutiert werden können, wenn für die deutsche Wirtschaft die Übernahme internationaler Normen in der praktischen Politik eine größere Rolle spielt. Ein Zwischenschritt könnte die Einführung einer Bilanzposition „Sondervermögen Wissenschaft" als besonderes Anlagevermögen sein, deren Wert anhand eines überwiegend qualitativen Kriterienkataloges getrennt zu ermitteln wäre. Das würde zwar über das Bilanzrichtliniengesetz hinausführen, würde aber der Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens in den wissenschaftlichen Einrichtungen etwas Sinn geben können. Ein Studium des Rechnungswesens amerikanischer Universitäten hilft hier nicht weiter, denn deren Rechnungswesen ist kameralistisch basiert. 11 Es muss also auf einer Sekundärebene - jenseits der Bewertung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage - Vorteile für die Entwicklung der Wissenschaften geben, 11 Asa S. Knowles, Handbook of College and University Administration, 1970, McGrawHill, New York.

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wenn so hartnäckig die Abkehr von der Kameralistik und die Übernahme der kaufmännischen Buchführung gefordert wird. Es könnte sein, dass nicht die Kameralistik, wohl aber ihre konkrete verwaltungstechnische Ausgestaltung in den Vorläufigen Verwaltungsvorschriften (VorlVV) zur Bundes- und zu den Landeshaushaltsordnungen eine solche Belastung für die Wissenschaft darstellt, das die Übernahme eines systemfremden Rechnungswesens i m Saldo noch Vorteile bietet. Die Verwaltungsvorschriften sind seit 1969 vorläufig, weil bis heute die Zeit nicht gereicht hat, eine Rechtseinheitlichkeit unter den Ländern und mit dem Bund abzustimmen, die Ziel sein sollte, wenn die an sich gebotene Rechtsförmlichkeit als Gesetz zu einer Verfestigung führt. Als vorläufige Regeln können sie durch einfachen Erlass aus dem Finanzministerium sehr flexibel hantiert werden. 1 2 A n den Vorläufigen Verwaltungsvorschriften ist allerdings heftige Kritik geboten, denn die oben dargestellten grundsätzlichen Vorzüge der Kameralistik werden durch die VorlVV vielfältig pervertiert. So hat z. B. das Phänomen des Dezemberfiebers eine relativ schlichte Struktur. Da ist einmal die Detaillierung der Zweckbestimmungen, die Ausdruck des ministeriellen Willens zur Detailsteuerung sind, und da ist zum anderen die Praxis der Haushaltsveranschlagung am vorvorjährigen Mittelabfluss. Beides sind Dokumente eines sehr prinzipiellen Misstrauens in den Ministerien gegenüber dem wirtschaftlichen Sachverstand in den nachgeordneten wirtschaftenden Einrichtungen. Plausibles Verhalten an der Basis zwingt die obere Ebene zu weiterer Detaillierung, die sich zunächst in den Erläuterungen (also auf der rechten Seite der Haushaltspläne), zunehmend aber auch in einer Hyper-Detaillierung der Zweckbestimmungen ausdrückte. Die Eskalation dieser Prozesse über die Jahre hat einen bürokratischen Sozialismus bewirkt, der der Sowjet-Union würdig ist. Die Unfähigkeit zu Innovationen ist ein unmittelbares Ergebnis dieser Verwaltungspraxis, die mit den Vorläufigen Verwaltungsvorschriften von 1969 erst einsetzte. 13 Systemkonforme Strategien der Vermeidung des Dezemberfiebers sind nicht unbekannt. Da gäbe es die Möglichkeit, bis zum 28. Februar des nachfolgenden Jahres zu Lasten des Haushaltsjahres zu buchen, was allerdings die obersten Behörden sich vorbehalten haben und nicht einmal in Ausnahmefällen delegieren. Die zu Fehlern und vor allem zu Verstößen gegenüber den Vergabeordnungen führende Hektik eines Buchungsabschlusses oftmals noch vor Weihnachten wird so ganz einfach durch einen zusätzlichen 2-Monats-Swing vermieden. Die Praxis der Ministerien, Zentralmittel kurz vor Jahresschluss noch zuzuweisen, bringt die 12

Vrenegor, S. 55. !3 Der Verfasser hatte das Vergnügen und das Missvergnügen seit 1964 im Dienst der nordrhein-westfälischen Wissenschaftsverwaltung, zunächst beim Aufbau der Ruhr-Universität Bochum, die Entwicklung zu erleben und zu erleiden. Das vertrauensvolle Klima und der unbürokratische Stil zwischen den ersten Verwaltungsmitarbeitern in Bochum und den Vertretern des damaligen Kultus- und des Finanzministeriums ließ sich später nicht mehr beobachten.

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untere Ebene in besondere Bedrängnis. Mindestens für diese Mittel müsste die Abrechnung bis zum 28. Februar die Regel sein. Warum die Übertragbarkeit von Haushaltsresten in das nachfolgende Haushaltsjahr, die bei einer sachbezogen begründeten Veranschlagungspraxis nur konsequent wäre, auf so große Vorbehalte stößt, lässt sich wohl nur aus dem Kalkül von Finanzministerien erklären, mit erzwungenen Haushaltsresten einen insgesamt ausgeglichenen Jahresabschluss vorzulegen. Es ist schon eine erhebliche Engstirnigkeit, für diesen schlichten Vorteil das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu opfern. Die Übertragbarkeit von 1 oder 2 vom Hundert des Haushaltsvolumens ist angesichts der langen Planungsläufe der Haushaltsaufstellung ein Kompromiss, der den Finanzministerien nicht viel zumutet, der unteren Ebene aber doch aus allerlei Schwierigkeiten helfen kann. Der nur zögerliche Gebrauch der Deckungsfähigkeit - Mehrausgaben bei einer Zweckbestimmung durch Minderausgaben bei einer anderen Zweckbestimmung auszugleichen - steht nur in einem mittelbaren Zusammenhang mit dem Dezemberfieber. Bei den langen Planungsvorläufen des mehrstufigen Verfahrens der Aufstellung der Haushaltspläne würde eine Rückkehr zu breiter gefassten Zweckbestimmungen oder zu größeren Deckungskreisen eine dynamischere Bewirtschaftung erlauben und damit indirekt das Dezemberfieber vermeiden. Ob ein Stellenhaushalt oder ein Personalbudget in die Deckungsfähigkeit mit dem Sachhaushalt einbezogen wird, spricht nur vordergründig für das Personalbudget. Allein diese Frage zeigt aber, dass auch im Rahmen eines kaufmännischen Rechnungswesens auch in weiterer Zukunft kamerale Denkweisen zur Deckungsfähigkeit die Wirtschaftsführung recht stark beeinflussen werden. Das Dezemberfieber ist nicht das zentrale Problem der gegenwärtigen Handhabung der Kameralistik. Weil es aber von fast allen Kritikern der Kameralistik herangezogen w i r d 1 4 , war an diesem Beispiel zu zeigen, dass beklagte Missstände nicht in den Grundregeln der Kameralistik, sondern in deren gegenwärtiger Handhabung liegen. Der Kameralistik ein „Ökonomisches Prinzip" gegenüberzustell e n 1 5 , ist schlicht falsch. Die Erzielung eines bestimmten Ergebnisses bei minimalem Einsatz an Finanzmitteln oder die Erzielung eines maximalen Ergebnisses auf der Basis eines bestimmten Finanzbudgets war über Jahrhunderte das Bestreben kameraler Haushaltsführung und ist es auch heute noch. Und dass Bilanzrichtlinien, kaufmännische Buchführung, Shareholder-Value und mit Bankenvertretern besetzte Aufsichtsräte die Wirtschaftsunternehmen nicht vor Milliardenverlusten schützen, ist täglich i m Wirtschaftsteil der Tageszeitungen zu lesen. Bis vor etwa zehn Jahren hat auch die externe Rechnungskontrolle - sowohl durch die Vorprüfstellen wie auch durch den Rechnungshof - den Schwerpunkt auf die formale Korrektheit gelegt und die kameralistische Grundregel der Spar-

14 Vrenegor, S. 134. 15 Vrenegor, S. 131.

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samkeit und Wirtschaftlichkeit weniger zum Prüfmaßstab genommen. 1 6 Formale Korrektheit muss sein, zumal sie Verwaltungsmitarbeitern und ihren Vorgesetzten Sicherheit gibt. Wenn die formalen Regeln jedoch so engmaschig werden, dass auch wirtschaftlich vernünftige Rationalisierungsmaßnahmen am engen Regelungswerk scheitern, ist die Wut und nachfolgend die Resignation der Verwaltungsmitarbeiter zwingend. 1 7 Es ist sicher Zufall, dass i m Jahr der Einführung der Vorläufigen Verwaltungsvorschriften zu den Haushaltsordnungen die Studentenproteste gegen den restaurativen Staat die Politik zur Demokratisierung der Hochschulen zwangen. Die Ministerien entwickelten dazu tief sitzende Zweifel in die Funktionstüchtigkeit der demokratisierten Hochschule und beschnitten die bis dahin gegebene Hochschulautonomie bis hin zu unselbständigen nachgeordneten Behörden, wo immer es ihnen möglich war, ohne den Kern der grundgesetzlich geschützten Wissenschaftsfreiheit zu verletzen. Nicht mehr die Institutionen der Wissenschaft genossen die Wissenschaftsfreiheit, sondern die einzelnen Wissenschaftler. Neben dem engen Netz haushaltsrechtlicher Vorschriften wurden ebenso enge Netze von misstrauenden Vorschriften zum Personalwesen, zum Hochschulzugang, zu den Studienstrukturen und weiteren ehemals i m Autonomiebereich liegenden Gebieten verordnet. Dass auch i m Personalwesen der wissenschaftlichen Einrichtungen mehr Leistungsförderung angebracht ist, hat gerade zu neuen Regeln für die Besoldung der Professoren und des wissenschaftlichen Nachwuchses geführt. Der Versuch von Universitätskanzlern, Leistungsförderung auch für das nichtwissenschaftliche Personal zu diskutieren, ist von den Arbeitgebervertretern der Länder energisch abgeblockt worden. 1 8 16

Die Rechnungshöfe haben vor den Ministerien erkannt, dass die Uberbetonung der Ordnungsmäßigkeit zu Lasten der Wirtschaftlichkeit geht. In welchem Umfang sogar Impulse von den Rechnungshöfen für neue Verfahren der Steuerung und Kontrolle der Universitäten ausgingen, ist dokumentiert in „Universität und Rechnungshof im Umbruch: Steuerung und Kontrolle der Universität zur Jahrtausendwende", Materialien Nr. 77 des Fortbildungsprogramms für die Wissenschaftsverwaltung, Weimar, 2001. 17 Eine solche Wut ist in Nordrhein-Westfalen entstanden. Eine Unternehmensberatung hatte die Hochschulverwaltungen untersucht und empfohlen, die Wertgrenze zur Inventarisierung kurzlebiger Wirtschaftsgüter von 150 DM auf 2000 DM anzuheben. Als das vom Finanzministerium abgelehnt wurde, schlugen die Hochschulen die steuerrechtliche Wertgrenze von 800 DM vor, womit auch die Übernahme steuerrechtlicher AfA-Tabellen für zu inventarisierende Wirtschaftsgüter eröffnet worden wäre. Nach langen Auseinandersetzungen wurde die Wertgrenze auf 500 DM angehoben. Es wurde ein nur geringfügiger Rationalisierungseffekt erreicht. Die von der Unterehmensberatung errechnete Personaleinsparung durch ihre Empfehlung wurde voll realisiert. 18 Es ist schon eine bedauerliche Verkehrung der Fronten, wenn sondierende Gespräche mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes über eine sachgerechte Anwendung der Überlegungen des Bundesgesetzgebers zum wissenschaftlichen Personal auch auf das nichtwissenschaftliche Personal eine grundsätzliche Offenheit erbrachten. In der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) scheint es aber schon deswegen ein Denkverbot zu geben, weil die Impulse zur Leistungsorientierung von der Bundesebene kommen. Diese Verweigerungshaltung der TdL verschärft nun den Druck der Hochschulen in Richtung auf eine eigene Dienstherrenschaft und Tariffähigkeit, obwohl in den Hochschulen zunächst die Zweifel überwogen.

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Der Slogan „Kameralistik versus Effizienz" beschreibt also nicht die Problemlage 1 9 . Die kaufmännische Buchführung in den Einrichtungen der Wissenschaft ist möglich und sie könnte ebenso wie die kamerale Buchführung Daten für eine wirtschaftliche Führung der Einrichtungen liefern. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen, die auch von handelsrechtlich verfassten Einrichtungen die Einhaltung der detaillierten haushaltsrechtlichen Vorschriften verlangen, führt es nur zu parallelen Buchführungssystemen - der Verwaltungsaufwand wird mehr als nur verdoppelt. Die Abstimmung beider Systeme ist hoch aufwendig und verstärkt eher Unsicherheiten, denn nun muss noch abgeschätzt werden, welches System für welche Entscheidung die besseren Daten liefern kann. Seit drei Jahrzehnten liegen Empfehlungen vor, die kamerale Haushaltsrechnung um eine Kostenrechnung zu erweitern. Doch auch wenn ein Ministervorwort den Sinn einer Kostenrechnung begründete, zeigten die Ministerien kein Interesse. Nicht einmal eine Erprobung wurde von dem Ministerium veranlasst, das seinen Minister schreiben ließ: „Die bisher von den Hochschulen ebenso wie von allen anderen staatlichen Behörden angewandte so genannte Kameralrechnung kann aber keine Auskunft darüber geben, ob die Hochschulen auch wirtschaftlich arbeiten. In den großen Dienstleistungsbetrieben der Gesellschaft, zu denen die Hochschulen sich entwickelt haben, genügt es nicht mehr, nur zu wissen, wofür das Geld verwendet worden ist, sondern es muss auch nachgeprüft werden können, ob die Mittel nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll eingesetzt worden sind. Die Betriebswirtschaftslehre hat seit langem Verfahren entwickelt, die es ermöglichen, das wirtschaftliche Verhalten einer Hochschule so aufzuschlüsseln, dass sinnvolle Vergleiche von Hochschule zu Hochschule und innerhalb der einzelnen Hochschulen möglich sind. Damit können auch Fragen beantwortet werden, die jeden Steuerzahler interessieren müssten, zum Beispiel, was die Ausbildung eines Studenten kostet oder wie wirtschaftlich das Rechenzentrum einer Hochschule arbeitet." 2 0 Die Kosten der Kostenrechnung sind sicherlich ein beachtliches Gegenargument, eine neue Verwaltungsaufgabe den Hochschulen aufzuerlegen, und vielleicht auch die Erklärung, warum die damals noch relativ autonomen Hochschulen nicht von sich aus Kostenrechnungssysteme einführten. Dennoch scheint das Kostenargument nicht hinreichend Widerstand und Desinteresse zu erklären. Den Versuch einer Erklärung unternimmt Wedekind, der das Fehlen wirtschaftswissenschaftlicher Grundkenntnisse in den Verwaltungen beklagt und auch weitere Ursachen vermutet: „ Z u m anderen dürften sich psychologische Widerstände auch 19

Die Dissertation von Vrenegor „Kameralistik versus Effizienz" beschreibt kenntnisreich die Mängel im Verwaltungsverfahren des Bundes und des Landes NRW am Beispiel des Forschungszentrums Jülich. Dabei unterscheidet er allerdings nicht, was auf kameralistische Grundregeln und was auf durchaus überprüfbare und verbesserungsfähige Verwaltungsverfahren zurückzuführen ist. 20 Kostenrechnung in Hochschulen, WIBERA-Projektgruppe Hochschulkostenrechnung, Bolsenkötter, Meinhold, Berlin, Weber, veröffentlicht vom Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 1972. Das Zitat stammt aus dem Geleitwort von Johannes Rau, Minister für Wissenschaft und Forschung NRW.

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aus der Angst vor den gegenüber dem bisherigen Zustand nachweislich erreichbaren Verbesserungen und den damit ermöglichten Vorwürfen ergeben, warum nicht rechtzeitiger rationalisiert wurde; ein Zustand der durch eine bewusste Annäherung von staatshoheitlichem Denken und ökonomischem Denken, wenn auch vielleicht nicht über Nacht, so doch sicherlich i m Laufe der Zeit und unter Aufbringung von etwas Geduld abgestellt werden könnte." 2 1 M i t der Geduld von drei Jahrzehnten beschäftigen sich nun Ministerien und Hochschulen mit der Kostenrechnung im Hochschulbereich, wobei allerdings immer noch nicht zu sehen ist, für welche Zwecke denn Kosteninformationen dienen sollen. 2 2 Wenn die Ministerien ihre detail steuernden Entscheidungen ökonomisch besser begründen wollen oder wenn ökonomisches Denken Maxime von Hochschulleitungsentscheidungen sein soll, müsste die konkrete Ausgestaltung der Kostenrechnungssysteme sich daran orientieren. Enge ministerielle Vorgaben zu Kostenstellen-, Kostenarten- und Kostenträgerplänen lassen vermuten, dass mindestens gegenwärtig nicht die Informationen für die Hochschulleitung im Vordergrund des Interesses stehen. Nun können Kosteninformationen nicht nur planungsrelevant sondern auch verhaltensbeeinflussend sein, worauf Küpper besonders hinweist. 2 3 Das Phänomen der Verschwendung vermeintlich freier Güter ist kein Spezifikum wissenschaftlicher Einrichtungen sondern in allen größeren Organisationen bekannt. Die Verhaltenssteuerung muss dann allerdings die Kosten in den Vordergrund stellen, die durch das Verhalten einzelner Mitarbeiter beeinflussbar sind. Wenn z. B. Sparsamkeit beim Bürobedarf eines Lehrstuhls mit erweiterten Reisemöglichkeiten korreliert wäre, was ein Kostenrechnungssystem bei gegebener Deckungsfähigkeit darstellen könnte, könnte auf die Ausgaben für Bürobedarf sicherlich massiv Einfluss genommen werden. Wenn die Verhaltensbeeinflussung i m Vordergrund steht, können betriebswirtschaftliche Differenzierungen zwischen Auszahlungen, Ausgaben, Aufwand und Kosten in den Hintergrund treten. Die kameral gebuchten Ausgaben können als betriebswirtschaftliche Kosten betrachtet werden. Erfolgreich wird die Verhaltensbeeinflussung nur sein, wenn Informationen über Ausgaben / Kosten auf Handlungsspielräume beim einzelnen Mitarbeiter stoßen. Eine primitive Zurechnung von Ausgaben (Kostenarten) zu Verantwortungsbereichen (Kostenstellen) mit entsprechend geringem Verwaltungsaufwand könnte schon erfolgreich sein, wenn die Haushaltsplangestaltung globalisierte Haushaltstitel oder weite Deckungsfähigkeiten zulässt. Diese Abhängigkeit der möglichen Erfolge einer Hochschulkostenrechnung von den Rahmenbedingungen der Hochschulfinanzierung dürfte das 21 Jörg Wedekind, Kostenermittlung und Kostenauswertung im Hochschulbereich, Opladen, 1971, S. 28. 22 So unklar § 5 Abs. 2 des Hochschulgesetzes NRW vom 14. März 2000. Ohne Erprobungsphase führen die NRW-Hochschulen nun ein Kostenrechnungssystem nach ministeriellen Vorgaben ein. 23 Hans-Ulrich Küpper, Kaufmännische Buchführung und Kameralistik, Materialien Nr. 77, S. 160.

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wirkliche Hindernis einer frühzeitigeren Einführung von Kostenrechnungssystemen gewesen sein. Komplexere Entscheidungen, wie etwa die Entscheidung eines Institutes, ob es sein Investitionsbudget für eine Erweiterung der Laborflächen um 50 qm oder die Erneuerung eines Elektronenmiskroskops einsetzt, könnten mit Kosteninformationen aus einer komplexeren Kostenrechnung unterstützt werden. Doch auch hier zeigt sich sehr schnell, dass Zuständigkeitsverteilungen und Verfahrensregeln so geordnet sind, dass auch Informationen einer ausgefeilten Kostenrechnung, die wirklich Raum- und Bewirtschaftungskosten sowie Gerätekosten aus den Anschaffungs-, Abschreibungs- und Unterhaltskosten nachweist, nicht in die Entscheidungsfindung einfließen. Angelegenheiten der Errichtung und Unterhaltung der Hochschulbauten sind nicht Angelegenheit der Hochschulen sondern die der Staatshochbauämter oder von Landesliegenschaftsbetrieben, die ihr Vermögen den Hochschulen kostenfrei oder für Mieten überlassen, die speziell - und nicht deckungsfähig mit anderen Zweckbestimmungen - den Hochschulen i m Landeshaushalt zugewiesen werden. Großgeräteinvestitionen unterliegen einem Begutachtungsverfahren durch den Wissenschaftsrat, der sich wiederum der Deutschen Forschungsgemeinschaft bedient. Obwohl Hochschulbauten und Großgeräte nach den gleichen Regeln des Hochschulbauförderungsgesetzes vom Bund und dem betroffenen Land finanziert werden, sind die Verfahren doch so unterschiedlich ausgestaltet, dass eine Hochschule immer gut beraten ist, zunächst beide Projekte zu verfolgen. Wenn aber Kosteninformationen bei kostenträchtigen Entscheidungen nicht berücksichtigt werden können, ist wirklich zu fragen, ob der Aufwand eines komplexen, betriebswirtschaftlichen Ansprüchen genügenden Kostenrechnungswesens vertretbar ist. Nun ist aber schon überraschend, wie wenig Erfahrungstransfer in Fragen des Rechnungswesens von den Großforschungseinrichtungen und von den - auch kaufmännisch rechnenden - Universitätskliniken zu den Hochschulen stattfindet. Ganz offensichtlich genießen Großforschungseinrichtungen und Universitätskliniken mehr staatliches Vertrauen und i m Ergebnis mehr Autonomie als die Hochschulen. Zur Selbststeuerung und zur öffentlichen Rechenschaft haben sie ihr Rechnungswesen weiter ausgebaut als die Hochschulen und haben auch eine Parallelität von Kameralistik und kaufmännischem Rechnungswesen hingenommen. Es mag die Frage sein, ob erst die Henne oder erst das Ei da war - zwischen dem Ausbau des Rechnungswesens und der Kompetenz zur Selbststeuerung besteht ein innerer Zusammenhang. Wenn denn die Hochschulen wieder mehr Autonomie erhielten, was sicherlich auch ein Uberdenken der Leitungsstruktur erfordert, wären sie gezwungen, ihr Rechnungswesen auszubauen. Würden die Hochschulen ihr Rechnungswesen zum Instrument der Selbststeuerung ausbauen, könnten ihre Autonomieforderungen mehr Gewicht erhalten. 24 24 Willi BlümeU Ignaz Bender (Hrsg.), Flexibilität der Hochschulhaushalte, Auswertungsseminar am 14./ 15. Oktober 1993, Speyerer Forschungsberichte 131. Mehrere Referate und Diskussionsbeiträge verweisen auf diesen Zusammenhang.

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Die Diskussion über die Alternative Kameralistik versus kaufmännisches Rechnungswesen und radikale Vorschläge zum Systemwechsel 25 helfen nicht weiter und „saubere" Lösungen in dem einen oder anderen Sinne wird es nicht geben. Wissenschaftliche Einrichtungen mit kaufmännischem Rechnungswesen werden wegen der überwiegenden oder ausschließlichen staatlichen Finanzierung einerseits auch dann ihre Rechenschaftspflicht gegenüber dem Haushaltsgesetzgeber nicht aufgeben, wenn sie von den Haushaltsordnungen und den dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften befreit würden, andererseits brauchen sie zur Sicherstellung der Liquidität eine Finanzbuchhaltung, die Soll und Ist vergleicht und Festlegungen ihrem Zweck nach registriert. Eine mindestens rudimentäre Kameralistik ist auch dann erforderlich. Ohne eigenes Vermögen können sie auch keine aussagefähigen Bilanzen erstellen. Nach dem nicht bilanzierungsfähigen wissenschaftlichen Personal sind der zweitwichtigste wissenschaftliche Produktionsfaktor die Liegenschaften, die in aller Regel nicht i m Dispositionsbereich der wissenschaftlichen Einrichtung liegen und damit nicht als Vermögen darstellbar sind. Nur die langlebigen Wirtschaftsgüter, die aus laufenden Sachmitteln beschafft wurden, als Vermögen darzustellen, ergibt ein wirtschaftlich irreführendes Bild. Das Instrumentarium der Wirtschaftsunternehmen ist immer an die konkrete finanzwirtschaftliche Autonomie der wissenschaftlichen Einrichtungen anzupassen. Umgekehrt erweitern kameral rechnende Einrichtungen ihr Rechnungswesen um sachgerechte Elemente des betrieblichen Rechnungswesens 26 . Die bekannteste Erweiterung ist die Gebührenkalkulation, wenn sie das betriebswirtschaftliche Verursachungsprinzip aufnimmt. 2 7 A u f Entscheidungssituationen bezogene KostenNutzen-Analysen mögen aufwendig sein, wenn sie häufig angewandt werden. Gegenüber einer flächendeckenden Kostenrechnung haben spezielle Kosten-NutzenAnalysen den Vorteil, dass die zu betrachtenden Daten in der für den Einzelfall angemessenen Tiefe erhoben werden können. Ein punktuelles Controlling entschiedener Maßnahmen kann sowohl die Anwendung von Kosten-Nutzen-Analysen perfektionieren wie auch breit in einer Hochschule ein Bewusstsein für kostenrelevantes Entscheiden entwickeln. In Kombination mit Performance Indikatoren 2 8 kann dem weit verbreiteten Vorurteil entgegengetreten werden, nicht-geldliche Dimensionen seien so nicht erfassbar. Küpper entwickelt mit weitgehend nichtmonetären Mengengrößen des Outputs der Hochschulen das Modell einer Hoch25 Horst Günther Hisam, Modernes Management in der öffentlichen Verwaltung, Berlin, 1993, Heft 5 der Schriftenreihe der Europa Management Akademie GmbH. 26 Wilhelm Bornhalm, Das staatliche Rechnungswesen - Möglichkeiten und Probleme einer zielgerechten Gestaltung, Bad Bentheim-Gildehaus, 1986. 27 Dagegen sind „pädogogische" Gebühren, wie etwa die Verspätungsgebühren der NRWVerordnung über die Gebührensätze nach dem Hochschulbibliotheksgebührengesetzes ein typisches Beispiel öffentlicher Verschwendung, weil nur ein Bruchteil der Verwaltungskosten der Gebührenerhebung eingenommen wird. 28 Karl Alewell, Autonomie mit Augenmaß, Vorschläge für eine Stärkung der Eigenverantwortung der Universitäten, Göttingen, 1993, S. 161.

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schulerfolgsrechnung 29 , wobei er sich ausdrücklich für die Basis eines zahlungsorientierten Rechnungswesens ausspricht. Hoch entwickelte und gezielt erweiterte Kameralistiken können durchaus mehr und bessere Informationen für die Selbststeuerung liefern als die Übernahme von Systemen, die für andere Fragestellungen entwickelt wurden. Inwieweit betriebswirtschaftliche Informationen überhaupt zur Steuerung von Hochschulen dienen, hängt entscheidend davon ab, ob die Steuernden solche Informationen zur Kenntnis nehmen, nutzen können und nutzen wollen. Ein noch so ausgefeiltes Rechnungswesen einer Hochschule nutzt nichts, wenn die Detailsteuerung i m Ministerium stattfindet. Die Globalisierung der Hochschulhaushalte und damit die Verlagerung von Entscheidungen in die Hochschulen bietet erst die Chance, betriebswirtschaftliche Informationen wirksam werden zu lassen. Ob innerhalb der Hochschulen die Chance wahrgenommen wird, hängt von der Leitungsstruktur und von der Kompetenz der Leitenden ab, mit diesen Informationen umzugehen Mittelfristig ist wohl auch noch ein akademischen Controlling zu entwickeln, mit dem in der Breite der Hochschule das Bewusstsein für wirtschaftliches Entscheiden wachsen kann. Nicht der Globalhaushalt, wohl aber eine schrittweise Globalisierung der Hochschulhaushalte, bei der die Haushaltspolitik und die inneren und äußeren Rahmenbedingungen in abgestimmten Schritten entwickelt werden, wird wieder mehr Wirtschaftlichkeit in den wissenschaftlichen Einrichtungen bringen. 3 0 Wenn die hochschulpolitische Aufmerksamkeit gegenwärtig auf die äußeren Rahmenbedingungen gerichtet ist, droht dabei verloren zu gehen, dass die Aktivierung innerer Reserven nur auf der dezentralen Ebene Erfolg verspricht. Seidler begründet bei seiner Beschreibung der Elemente eines neuen Hochschulrechnungswesens - wobei er an Küpper anschließt - die Notwendigkeit neuer binnenuniversitärer Beziehungen: „Eine Ersetzung der staatlichen zentralen Finanzlenkung durch eine zentrale universitäre Lenkung würde keinen wirklichen Fortschritt darstellen". 3 1 Neben die technischen Anforderungen an das Rechnungswesen tritt damit die Forderung, das es auch in der Breite der Hochschule verstanden werden muss. Es wurde schon betont, dass Anreize nur wirken können, wenn sie auf Handlungskompetenzen stoßen. Anders als in den meisten Wirtschaftsbetrieben ent29 Hans-Ulrich Küpper, Kaufmännische Buchführung und Kameralistik, Materialien Nr. 77, S. 171. 30 Thomas Behrens, Globalisierung der Hochschulhaushalte - Grundlagen, Ziele, Erscheinungsformen und Rahmenbedingungen, Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1996. Die Dissertation von Behrens sollte Pflichtlektüre in Ministerien und Hochschulen sein, weil sie wirklich von den Grundlagen des Hochschulhaushaltsrechts bis zu den Rahmenbedingungen die Zusammenhänge darstellt. 31 Hanns H. Seidler, Tendenzen eines neuen Hochschulrechnungswesens in Deutschland, Bayerisches Staatsinstitut für Hochschulforschung und -planung, Beiträge zur Hochschulforschung 1- 2001, S. 73.

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scheiden in der Hochschule eine Vielzahl von Menschen unterschiedlichster Disziplinen über die Optimierung von Faktorkombinationen beim Ressourcen verbrauch. Deren disziplinarer Sachverstand ist nicht ersetzbar. Obwohl es nicht zwingend ist, wird in diesem Kontext diskutiert, zu einer outputorientierten Hochschulfinanzierung überzugehen, was dann auch noch um Stichworte wie Leistungsauftrag, Zielvereinbarung oder Leistungsvereinbarung 32 erweitert wird. Auch die Pläne einer Hochschulfinanzierung auf der Grundlage leistungsorientierter Kennziffern sind schon relativ alt. 3 3 Dabei wird sowohl der Mechanismus der Mittelzuweisung an die Hochschulen wie auch die Mittel Verteilung innerhalb der Hochschulen betrachtet. Käme es wirklich zu Zielvereinbarungen einer Hochschulleitung mit einem Fachbereich über definierte Leistungen in Forschung, Lehre und Weiterbildung sowie Dienstleistungen, könnten die i m Voraus zugewiesenen Mittel für Personal, Sachmittel (einschließlich der Raum- und Bewirtschaftungsmittel) und Investitionen als Kredit betrachtet und gebucht werden. M i t der Leistungserbringung erwirbt der Fachbereich einen Zahlungsanspruch gegenüber der Hochschulleitung, mit dem der Kredit getilgt wird. Bildlich gesprochen ist die Hochschulleitung zunächst die Hausbank des Fachbereiches, später dann der Käufer der Leistungen des Fachbereiches. Minderleistungen des Fachbereiches führen zur Verschuldung und letztlich zum Konkurs - Mehrleistungen des Fachbereiches führen zur Zahlungsunfähigkeit und zum Konkurs der Hochschulleitung, es sei denn, sie könnte auf einem externen Markt für akademische Produkte diese Mehrleistungen absetzen. Diese Finanzbeziehungen lassen sich kameralistisch nicht mehr darstellen. Bis dahin werden die Hochschulen noch Zeit haben. Bis zum wirklichen Globalhaushalt, einem wirtschaftlichen Wettbewerb der Hochschulen und einem Leistungsdruck vergleichbar konkurrierender Wirtschaftsunternehmen scheint in Deutschland noch ein sehr weiter Weg zu sein. Vielleicht besinnen sich die Hochschulen auf die Kameralwissenschaften und konzipieren Theorien und Modelle, die zu einem geordneten Wettbewerb wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Leistungen führen und nicht in einem puren Kapitalismus enden.

32 Leistungsauftrag und LeistungsVereinbarung zwischen Trägerschaft und Universität, Referate gehalten im Kurs U des Fortbildungsprogramms für die Wissenschaftsverwaltung, Materialien Nr. 68, Münster, 2001. 33 Beckerhoff, Hamma, Heier, Meine, Worch, Hochschulfinanzierung auf der Grundlage leistungsorientierter Kennziffern, Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Schriftenreihe Hochschule 33, 1980.

Leitungsstrukturen in Universitäten ein Feld für Experimente? Erfahrungen in der Humboldt-Universität zu Berlin* Ulrich Battis

I. Angesichts der „deutlichen Symptome einer Erosion des Vertrauens, das in Staat und Gesellschaft den Hochschulen entgegengebracht wird", 1 werden Reformvorschläge immer dringlicher. Neben der Einführung von Experimentierklauseln in die Hochschulgesetze, der Installierung von Hochschulräten, der Einführung von Globalhaushalten und Zielvereinbarungen, der Bereitstellung von öffentlich-rechtlichen Stiftungen als Träger der Körperschaft Hochschule (§§ 5 0 - 5 9 NHG-Entwurf) bis hin zur Beschwörung von Vertrauen als Grundlage erfolgreicher Hochschulentwicklung spielt die Neukonzeption der Leitungsmodelle der Hochschulen eine herausragende Rolle. Insofern ist die Göttinger Tagung der A G Fortbildung i m Sprecherkreis der Universitätskanzler, der der verehrte Jubilar schon aus seiner früheren Tätigkeit als Universitätskanzler aber auch in seiner Rolle als Vorsitzender des Vereins zur Förderung des deutschen und internationalen Wissenschaftsrechts, des Kooperationspartners der A G Fortbildung seit langem verbunden ist, durchaus symptomatisch. Weniger symptomatisch für den Zeitgeist ist, dass der Obertitel „Leitungsmodelle großer Organisationen als Vorbild für Universitäten" mit einem Fragezeichen versehen wird. Entspricht es doch dem Zeitgeist, die Hochschulen i m Außenverhältnis den Regeln des „(Bildungs-)Marktes" zu unterwerfen und i m Innenverhältnis die traditionelle dezentrale Steuerung der Selbstverwaltungskörperschaft Universität durch hierarchische Koordination entgegenzuwirken. Vorbild für letzteres sind die Leitungsstrukturen der Wirtschaft in Deutschland, Vorstand und Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften, wiewohl innerhalb der * Ergänzte Fassung eines Vortrags, gehalten am 10. 11. 2001 auf der von der Arbeitsgruppe Fortbildung im Sprecherkreis der Universitätskanzler veranstalteten Tagung „RegimeShopping: Leitungsmodelle großer Organisationen als Vorbild für Universitäten?" 1 So Pressemitt. des CHE v. 7. / 8. 2. 2002 zur „Berliner Erklärung" des Symposiums „Gesellschaft - Staat - Hochschule: Vertrauen als Grundlage erfolgreicher Hochschulentwicklung": http://www.che.de / htm / body_symposium_vertrauen.htm

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Wirtschaft das deutsche Modell zunehmend in Frage gestellt wird, wie nicht zuletzt die Regierungskommission Corporate Governance belegt; innerhalb des Hochschulverbandes beschäftigt sich eine Kommission „Leitungsstrukturen der Universitäten" kritisch mit der vorherrschenden Entwicklung. 2 Die mir als Thema gestellte Frage: „Leitungsstrukturen in Universitäten - ein Feld für Experimente?" ist zu bejahen. Leitungsstrukturen in Universitäten sind nicht erst in jüngster Zeit ein Feld für Experimente. Die Zeiten, dass der Rektor i m Wesentlichen der Träger der Amtskette war und nach einem akademischen Jahr neu gewählt wurde, sind lange vorbei. Nordrhein-Westfalen z. B. hat schon lange, nämlich seit Einführung der vierjährigen Amtszeit des Rektors, eine verkappte Präsidialverfassung. Die Wahl des Kanzlers auf Zeit ist heute Standard. Die Doppelspitze besteht also nur noch auf Zeit. Wenn ich mich trotz alledem nach kurzem Zögern dazu entschieden habe, den Vortrag zu übernehmen, so deshalb, weil ich meine, dass die Diskussion um die richtige Leitungsstruktur von Hochschulen an einem „Strukturmangel" leidet. Sie wird ziemlich abgehoben von der Praxis, fast schon ideologisch bestimmt, nach vorgefassten Standpunkten geführt. Zumindest kann die Aufbereitung konkreter Erfahrungen nicht schaden. Über Erfahrungen an der Humboldt-Universität in Berlin zu sprechen, ist für mich heikel, da ich nur schlichtes Hochschulmitglied bin. Zeitweilig war ich Dekan, bin es aber nicht mehr. Zudem spreche ich öffentlich über meine eigene Universität. Das ist doppelt heikel. Hinzu kommt, dass die Zahl der Personen, die unmittelbar von den von mir zu behandelnden Organisationsfragen betroffen sind, klein ist. I m Kern sind es fünf bis zwölf Personen. Es geht mir aber gerade nicht um Personen, es geht um Organisation. Mein Thema ist die Organisation der universitären Leitungsstruktur. Solange die handelnden Personen harmonisch kooperieren, sind Organisationsregelungen letztlich nachrangig. Dazu ein persönliches Erlebnis. Der Gründungskanzler der Fernuniversität, Ralf Bartz, und ich bildeten die Doppelspitze in Hagen. Die Doppelspitze wird allgemein als wenig effektiv bezeichnet. Ralf Bartz hat dazu einmal unnachahmlich gesagt: „Wissen Sie, wenn wir beide uns einmal streiten" - und das kam gelegentlich vor bei unserem Naturell - „ehe die anderen das mitbekommen haben, haben wir uns längst wieder vertragen". Und deshalb hat die Doppelspitze in unserer Zeit ganz gut funktioniert. Ich weiß aber auch, dass es zu dieser Zeit Doppelspitzen in Nordrhein-Westfalen gab, die überhaupt nicht funktioniert haben. Das Beispiel „Hagen" belegt die nachrangige Bedeutung von Organisationsregelungen bei gutem persönlichen Einverständnis der Akteure. Die Gegenbeispiele sind aber eher ein Argument dafür, dass die Organisation der Doppelspitze zu Patt-Situationen führen kann, die es i m Interesse der Hochschule nicht geben sollte. 2 Vgl. auch Rechtsgutachten von Prof. Dr. Geis, Zur Rechtmäßigkeit der Leitungsstrukturen und der Mitbestimmungsregelungen im neuen Niedersächsischen Hochschulgesetz, 2001.

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Mein Unterthema lautet: „Erfahrungen an der Humboldt-Universität". Das können natürlich nur allererste Erfahrungen sein. Denn das neue Modell wird erst seit dem 1. 9. 2000 praktiziert. Es hat eine Selbsteinschätzung des Präsidiums nach einem Jahr gegeben. Die lautet: „Das neu gestaltete Leitungssystem hat sich weitestgehend bewährt." Es hat auch eine erste externe Evaluation gegeben. Der Präsident hatte mir vor ihrer Fertigstellung von sich aus angeboten, sie mir auszuhändigen. Nach Fertigstellung der Evaluation sah sich der Präsident gezwungen, aus Gründen der Vertraulichkeit auf die Aushändigung zu verzichten. Ich kann also den externen Bericht nicht kommentieren. Ich weiß aber, dass es zwei Kritikpunkte gibt. Der eine ist, dass die Kommunikation innerhalb der Universität nicht optimal sei. Der zweite ist wohl der, dass die Verunsicherung in der Verwaltung noch anhalte. Letzteres würde ich prinzipiell eher positiv sehen. Gehört es doch zur Zielsetzung jeder organisatorischen Reform, dass vertraute, eingefahrene Prozeduren aufgebrochen und durch neue ersetzt werden. Eine Bewertung des Berichts durch das Kuratorium, das auf Grund der von der Humboldt-Universität angewandten Experimentierklausel die Zusammensetzung und Funktion eines Hochschulrates neuer Art hat, hat es meines Wissens bisher auch noch nicht gegeben. Ich werde in einem ersten Teil zunächst das „Konzept Meyer" vorstellen, dann die „Umsetzung Mlynekdann die Kritik, die es zu Beginn gegeben hat. A m Ende des ersten Teils folgt eine kurze Stellungnahme. In einem zweiten Teil werde ich sodann i m Detail anhand von insgesamt sechs Punkten noch einmal auf Einzelheiten eingehen.

II. Das „Konzept Meyer" war vom Abschied von der Doppelspitze gekennzeichnet. Der Abschied von der Doppelspitze bedeutet auch die Aufgabe der Trennung von akademischen und administrativen Angelegenheiten. Geschaffen wird eine „Einheitsverwaltung" in einer Hand. Das bedeutet die Abschaffung des Kanzlers herkömmlicher Art, also des Kanzlers als historischer Erbe des Kurators. 3 Ein Präsident und drei oder vier Vizepräsidenten verwalten die Hochschule. Sie werden hauptberuflich in ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis berufen - der Präsident auf fünf Jahre, die Vizepräsidenten wahlweise, soweit sie aus dem akademischen Sektor kommen, auf drei Jahre. Das war das Modell des Juristen Meyer. Zur „Umsetzung MlynekWenn ich die Namen verwende, dann ist das nicht auf die Person als solche bezogen, sondern es geht hier eben um Organisation. A l 3 So Heß, WissR 2000, 332/341.

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so, zur „Umsetzung Mlynekeinem Präsidenten, der von „außen" kommt. Er ist aber kein Manager, sondern ein glänzend ausgewiesener Physikprofessor, der insoweit über Managementerfahrung verfügt, als er einer von acht Vizepräsidenten der DFG war und über Erfahrung mit der Einwerbung und Verwaltung von über 10 Mio. Euro Drittmitteln verfügt. Zum Zuständigkeitsbereich des Präsidenten gehören Grundsatz- und Strukturfragen, strategische Entwicklung und Planung, das Gremienreferat, die Rechtsstelle, die Frauenbeauftragte und der Datenschutzbeauftragte. Hinzu kommen vier Vizepräsidenten mit folgender Ressortverteilung: Der Vizepräsident für Lehre und Studium ist zuständig für die Allgemeine Studienberatung, das Studentensekretariat, das Praktikum für das Lehramt, das Career-Center, die Zentraleinrichtung Sprachenzentrum und die Zentraleinrichtung Hochschulsport. Also, man sieht, der klassische Vizepräsident für Studium und Lehre ohne große Veränderungen. Einziges weibliches Mitglied ist die Vizepräsidentin für Internationales und Öffentlichkeitsarbeit. Ihr sind zugeordnet: das Akademische Auslandsamt, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die Zentraleinrichtung Museum für Naturkunde. Letzteres ist ein international renommiertes Museum, das aber quer zu allen sonstigen Organisationen liegt und sehr wohl verselbständigt sein könnte. Gerade für die Öffentlichkeitsarbeit eröffnet das Haus mit seinen Exponaten spektakuläre Möglichkeiten, die auch genutzt werden. Der Vizepräsident für Forschung ist zuständig für die Forschungsabteilung, die Zentraleinrichtung Rechenzentrum und die Universitätsbibliothek. Schließlich der Vizepräsident für Haushalt, Personal und Technik. Ihm sind die Personalabteilung, die Haushaltsabteilung und die Technische Abteilung zugeordnet. Für das Verständnis des Modells ist es ganz wesentlich, sich noch einmal die „Herkunft" dieses akademischen Leitungspersonals vor Augen zu führen. Hinsichtlich des Präsidenten verweise ich auf das soeben Festgestellte. Der Vizepräsident für Lehre und Studium ist ein Kollege der Humboldt-Universität, der auch schon i m Präsidium Meyer in diesem A m t tätig war. Die Vizepräsidentin für Internationales und Öffentlichkeitsarbeit ist die zweite Persönlichkeit, die von „außen" kommt. Sie kommt vom „dritten Sektor", wenn sie so wollen. Vor ihrem Amtsantritt war sie für die Fulbright-Foundation tätig. Der Vizepräsident für Forschung ist wieder von „innen". Er ist ein Informatiker, der jüngste i m Präsidium. Der Vizepräsident für Haushalt und Personal und Technik war Mitglied des Trägers dieser Veranstaltung, des Kanzlerkreises. Er war vor der Reform in der Universität als stellvertretender, dann als amtierender Kanzler tätig und ist aus dieser Position heraus zum Vizepräsidenten gewählt worden. So viel zur Ressortverteilung. Nun zur Vorabkritik. Sie lautete, es gibt keinen Kanzler in diesem Modell. Das ist richtig, wenn sie an dem Begriff festhalten.

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Wenn sie genauer hinschauen, gibt es einen umbenannten Kanzler, dem einige Ressorts abhanden gekommen sind und der auf fünf Jahre gewählt ist. Die Vorabkritik etwa von Benz lautete: „ E i n Kanzler mit Verwaltungserfahrung und Management ist unverzichtbar und kann auch nicht durch einen Professor ersetzt werden." 4 Diese modellbezogene Kritik ist richtig. Sie trifft zwar i m konkreten Fall nicht zu. Aber das A m t hätte auch personell anders besetzt werden können, dann wäre der Kritikpunkt einschlägig. Die weiter gehende Kritik von Benz lautete, man solle nicht einen Vizepräsidenten nur für Finanzen einrichten, der die Personalverwaltung abgibt. Das wäre nach dem Modell Meyer möglich gewesen, ist aber nicht umgesetzt worden. Wieder trifft diese Kritik nicht das konkrete Gremium. Allerdings muss ich einräumen, dass Hans Meyer gerade dies vorhatte. Der dritte Kritikpunkt war - das habe ich seinerzeit vorgetragen - , 5 die Richtlinienkompetenz des Präsidenten. Ich habe damals gesagt, es ist eine Verbrämung eines exekutiven Weisungsrechts des Präsidenten gegenüber der gesamten Universität. Für eine Hochschule ist das vollkommen inadäquat, auch wenn nunmehr § 34 Abs. 1 ndsHG-Entwurf dies ebenfalls vorsieht. Dieser eklatante Fall einer hochschul- und wissenschaftsfremden Hierarchisierung hat zu Recht scharfe Kritik erfahren. 6 De jure halte ich meine Kritik weiterhin für zutreffend. Aber de facto trifft sie nicht zu. Die Begründung kann man auf den einen ganz simplen Satz bringen: Mlynek ist nicht Meyer Der jetzige Präsident hat eine andere Persönlichkeit, er „führt" eben anders. Bei Herrn Meyer bin ich sicher, hätte meine Kritik auch de facto ins Schwarze getroffen; bei Herrn Mlynek eben nicht. Ein Artikel in der Zeitung „Die Z e i t " 7 schildert anschaulich die unterschiedliche Persönlichkeitsstruktur und deren Auswirkung auf die Führung der Universität, durchaus nicht zum Nachteil des amtierenden Präsidenten. Der vierte Kritikpunkt umfasst einen Vorwurf, den ich ebenfalls bei der Vorstellung des Modells geäußert habe. Es wird keine Profis auf den VizepräsidentenPosten geben. Das ist zum Teil richtig, zum Teil ist es falsch. Zwei Vizepräsidenten kommen aus der Universität. Sie sind also Professoren. Der eine hat, wie gesagt, schon in einem Teil der vorangegangenen Legislaturperiode dieses A m t innegehabt. Fachlich ist er sicherlich sehr ausgewiesen. Der andere hat von vornherein erklärt, nur drei Jahre amtieren zu wollen. Das ist sicherlich ein strukturelles Manko, eine selbst verschuldete Selbstschwächung der eigenen Position und der Verwaltung. Bis jetzt ist offen, ob der Vizepräsident bereit ist, seine Amtszeit auf fünf Jahre zu verlängern. Die Vizepräsidentin kommt als einzige Stellvertreterin von „außen". Sie war bei der Fulbright Foundation wissenschaftsnah tätig. Der Vizepräsident für Haushalt, Personal und Technik ist unzweifelhaft ein „interner Profi". 4 DUZ 13/1999, S. 14. 5 DUZ 13/1999, S. 13. 6 Vgl. LT-Drs. 14/2541 S. 82; ausführlich Geis, Rechtsgutachten zur Rechtmäßigkeit der Leitungsstrukturen und der Mitbestimmungsregelungen im neuen Nds. HochschulG, 2001. ι Die Zeit 18/2001 „Coach für die erste Liga", Rubrik Wissen. 4 FS Leuze

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Der fünfte und letzte Kritikpunkt war: „Dezernenten werden Großfürsten der Bürokratie", so hat es Ralf Bartz formuliert. Das hat sich auch nicht ganz bewahrheitet. Auch hier fällt das Bild sehr viel differenzierter aus. Ich werde das gleich i m Detail ausführen. Zuvor noch eine Vorbemerkung zur „Methode". Ich habe mit drei Vizepräsidenten gesprochen, mit dem Präsidenten, mit dem früheren Präsidenten und mit der Vizepräsidentin, aber mit ihr erst nach dem Vortrag. Ich habe mit Dezernenten gesprochen, nicht mit allen. Ich habe mit Dekanen gesprochen, längst nicht mit allen. Ich war selber ein halbes Jahr lang unter dem neuen Regime Dekan. M i t einigen Mitarbeitern aus diesem Bereich habe ich auch gesprochen. Also eine sehr schmale Datenbasis. Insofern ist das natürlich keine valide sozialwissenschaftliche Erhebung, aber diesen Anspruch habe ich als „schlichter" Jurist nicht.

III. Den ersten Kritikpunkt habe ich auch mit Herrn Mlynek und auch mit Herrn Meyer sehr konkret durchgesprochen. Es liegt eine ungleichgewichtige und folglich nicht gelungene Ressortverteilung vor. Das betrifft das A m t der Vizepräsidentin. Sie leistet persönlich, und das möchte ich deutlich sagen, wunderbare Arbeit, etwa hinsichtlich ihrer Internationalisierungsstrategie oder des neuen HumboldtUniversitäts-Stipendiums. Sie ist als Persönlichkeit eine große Bereicherung für die Hochschulleitung. Aber sie hat einfach ein Ressort, das nicht funktionieren kann. Sie verfügt über die Pressestelle, das Auslandsamt und ein Museum, das aber ohnehin autonom ist, einen eigenen Direktor und eigene Probleme hat. De jure verfügt sie also über die Pressestelle und das Auslandsamt. Ihre besondere Aufgabe ist das Sponsoring. Ich habe das auch dem Präsidenten gesagt: „Das kann doch schwerlich funktionieren." Denn die Pressestelle ist das wichtigste Instrument, über das der Präsident/Rektor verfügen muss. Das war selbst in der Universitätsleitung alter Art so. Die Leitungsverantwortung für die Pressestelle darf der Präsident nicht delegieren. Es kam der Einwand, man habe hinsichtlich der Pressestelle eine Doppelzuständigkeit vereinbart. Der Präsident habe jederzeit Zugriff auf die Pressestelle. Doch gerade dieses Eingeständnis ist nichts anderes als eine Kapitulationserklärung. Gerade diese Doppelzuständigkeit und das jederzeitige Zugriffsrecht zeigen doch, dass die Organisation mangelhaft ist. Der Eindruck von anderen, die der konkreten Verwaltungspraxis nahe stehen, widerspricht nicht meiner Feststellung. Der Einwand der Vizepräsidentin, nur wegen des besonders guten Einverständnisses zwischen dem Präsidenten und ihr sei sie bereit die Doppelzuständigkeit zu akzeptieren, widerlegt m.E. den grundsätzlichen organisationsbezogenen Einwand nicht. Solange bestes Einvernehmen besteht, ist jede Organisationsregelung von geringer Bedeutung. Zum Zweiten, das Sponsoring. Sponsoring zu leisten, ist eine von den drei wichtigsten Funktionen, die ein aktiver Präsident in den USA hat. Der Präsident muss

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das Geld beschaffen. Dazu hat er dann eine Stabsabteilung. So müsste das sein. Aber ein Vizepräsident praktisch mit zwei Stabsabteilungen, der auch noch eine falsche Rolle hat, weil er eben Vizepräsident ist, das ist eine Fehlkonstruktion. Deshalb die harte Aussage: Dieses Ressort ist überflüssig. Zur Klarstellung: Nicht die Aufgaben sind überflüssig, und die Vizepräsidentin macht persönlich das Beste aus der Sache. Ich glaube, mit dieser Erkenntnis bin ich nicht in einer allzu extremen Minderheitsrolle. Zweitens: Es gibt eine neue Rolle des Präsidiums. Das Präsidium ist ganz i m Gegenteil zu dem, was wahrscheinlich mit der Richtlinien-Kompetenz des Präsidenten angedeutet war, ein ausgesprochenes Kollegialorgan geworden. Die Konflikte zwischen den Verwaltungsressorts werden seltener als früher beim Kanzler innerhalb der Verwaltung ausgetragen und dann vom Kanzler entschieden oder nicht entschieden. Vielmehr werden diese Konflikte häufiger als früher i m Präsidium ausgetragen. Die Vizepräsidenten sind nicht mehr neutral, sondern sie sind Partei. U m zwei Mitglieder der Hochschulleitung zu zitieren: „Es gibt doch eine gewisse Schrebergartenmentalität". Dies lässt auf eine deutliche Veränderung in dem Verhalten innerhalb des Präsidiums schließen. Von „außen" betrachtet, entzieht sich dies allerdings einer endgültigen Beurteilung. Letztlich handelt es sich um eine Frage der Effizienz, die von der Führungskompetenz des Präsidenten abhängt. Was ich aber sehr wohl aus der Außenperspektive konstatieren kann, ist die unglückliche Regelung der Vertretung des Präsidenten. Sie geht nämlich reihum wie ein „Wanderpokal". Es gibt keinen ersten Vertreter. Aus meiner Sicht ist dies nicht sehr effizient. So kann man eine so große Universität einfach nicht professionell führen. Dafür ist der Präsident notwendigerweise viel zu viel abwesend. Aber ich bin gern bereit, mich da belehren zu lassen. Drittens: Die neue Rolle der Vizepräsidenten. Diese war ja an sich das Interessanteste an dem Modell. Die Vizepräsidenten verstehen sich als Vertreter ihrer Ressorts, also z. B. für Lehre und Forschung. Aber wir haben ein Grundproblem. Zwei der Vizepräsidenten bleiben Professoren und wollen auch auf Dauer in der Wissenschaft bleiben. Das ist ein Geburtsfehler des Meyerschen Modells. Ich persönlich würde sagen, das ist gut so. Aber das Meyersche Modell ist anders. Das Meyersche Modell sieht j a vor, dass die Vizepräsidenten wie in den USA auf Dauer Karriere in der Hochschulleitung machen. Man ist Dean und schließlich wird man irgendwann Präsident einer anderen berühmten Universität. Eine solche Universitätskarriere ist in Deutschland nicht absehbar. Der eine der beiden Vizepräsidenten w i l l ja wahrscheinlich nach drei Jahren wieder ganz zurück in die Informatik. Er hat einen großen Lehrstuhl. Er hat bisher überhaupt kein Interesse an der anderen Karriererichtung gezeigt. Das muss man so deutlich sagen. Insoweit ist die Voraussage, die einige vorher gemacht haben, voll eingetreten. Es sind eben nicht Manager, die von „außen" kommen, sondern es sind Professoren, die ungeheuer belastet sind. Dies bestätigen die beiden professoralen aus der Universität kommenden Vizeprä4*

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sidenten. Auch der eine, der vorher schon in der Hochschulleitung tätig war, sagt, er habe nicht erwartet, dass das nach einem Jahr immer noch so wahnsinnig viel Arbeit ist, ohne dass eine Entlastung absehbar wäre. In der Sache handelt es sich um nichts anderes als um Selbstausbeutung. Die Vizepräsidenten versuchen zwei Dingen gerecht zu werden, Wissenschaft und Verwaltung. Sie identifizieren sich ungeheuer mit ihrem jeweiligen Ressort. Auch die Rückantwort, die man aus der Verwaltung bekommt, ist überwiegend deutlich positiv. Das einzige Problem, was es insoweit gibt, sie könnten besser miteinander kommunizieren. Doch das hat wieder etwas mit konkreten Personen zu tun. Das ist unglücklich, aber bei Professoren normal. Man kann es nicht dem Modell vorwerfen. Wichtiger ist, dass sie letzten Endes in ihrem Ressort außerordentlich sachverständig sind, und so werden sie auch von der Verwaltung gesehen. Damit bin ich bei dem vierten Punkt: Der neuen Rolle der Verwaltung. Es herrscht jetzt überwiegend eine stärkere Identifikation mit dem jeweiligen Vizepräsidenten als früher. Deutlich stärker ist die Vorstellung verbreitet, „das ist unser Mann/unsere Frau". Wenn ich jetzt von Vizepräsidenten spreche, meine ich immer nur die professoralen. Denn für den ehemaligen Kanzler stellt sich diese Frage nicht. Für die Stabsstellen-Vizepräsidenten-Stellen stellt sich die Frage allerdings nur eingeschränkt. Festzuhalten ist also, es herrscht eine stärkere Identifikation der Verwaltung mit dem jeweiligen Vizepräsidenten und seiner Politik. Zum Teil führt das auch zu mehr Ruhe in der eigenen Verwaltung. Zum Teil wird seitens der Verwaltung aber auch ein Freiheitsverlust konstatiert. Früher war der Kanzler überlastet und konnte sich nicht um alle Details kümmern. I m Gegensatz zum Verdikt von den „Großfürsten der Bürokratie" sind die Vizepräsidenten oft aus der Sicht der Verwaltung lästiger, weil sie sich mehr engagieren. Innerhalb der Verwaltung wird eher als Nachteil konstatiert, dass man nunmehr zwei Ebenen über sich hat. Früher hatte man nur eine Verwaltungsebene über sich, den Kanzler. Da wurden die Dinge glatt gezogen. Da kam es zu Lösungen. Jetzt hat man den Vizepräsidenten über sich. Den muss man erst einmal gewinnen. Und dann muss er mit dem Anliegen noch ins Präsidium. Also, insofern sind die Entscheidungsprozesse komplizierter geworden. Ich würde das nicht unbedingt als Vorteil sehen. Gleichwohl insgesamt positiv ist - trotz einiger Ambivalenzen das, was ich zu diesem Bereich sagen möchte. Sehr positiv ist ein weiterer Befund: Die Kommissionen, das Kommissionsunwesen, sind deutlich geschwächt worden. Früher hat die Verwaltung vielfach die Kommissionen regiert und instrumentalisiert. Das hat abgenommen. Man muss sich jetzt mehr um „seinen" Vizepräsidenten kümmern. Dies führt dann eben auch dazu, dass die Konflikte, die früher mehr in den Kommissionen ausgetragen wurden, ins Präsidium verlagert werden. Fünfter Punkt: Es fehlt die zweite Hälfte der Reform, und nach meiner Ansicht, die wichtigere Hälfte der Reform. Sie ist bisher überhaupt nicht angepackt worden. Die Rede ist von der Reform der Fakultäten. Die Dekanate und der Dekan sind

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unzureichend ausgestattet. Die Befugnisse der Dekane sind völlig unverändert. Ich bin auf zwei Jahre gewählt worden, aber wie das bei uns Juristen üblich ist, wir treten nach einem Jahr zurück, und ich war froh darüber. Ich meine, ich habe das Amt durchaus gerne ausgeübt. Gelegentlich hatte ich den Eindruck, manche Kollegen waren auch ganz froh, dass wieder ein Wechsel anstand. M i c h hat das A m t auch nicht sosehr belastet. So viel Arbeit, wie das oft gesagt wird, ist das zumindest in einer funktionierenden und selbstbewussten Fakultät nicht. Aber ich w i l l einen Dekan zitieren, und das ist vielleicht interessant, einen Dekan, der die Humboldt-Universität schon aus den Zeiten vor der Wende kennt. Der hat gesagt, „die Reform hat, wenn man es böse sagt, einen Wasserkopf geschaffen, aber das Rückgrat, nämlich die Fakultäten, sind zu schwach". Ich würde mir das mit dem „Wasserkopf nicht zu Eigen machen, aber die zweite Hälfte der Aussage ist absolut zutreffend. Der Kollege sagte auch: „Die Vizepräsidenten mit ihrem Stab verlangen mehr Zuarbeit von uns." Das ist einsichtig. Wenn da Leute sind, die ein A m t haben, und noch dazu ein gut ausgestattetes Amt, die suchen sich Arbeit und finden neue Aufgaben. Nicht zuletzt dadurch kann es geschehen, dass sie den Dekanen nahezu lästig fallen, wobei dies durchaus nicht in jedem Fall gegen die Hochschulleitung sprechen muss. Ich weiß aus meiner persönlichen Erfahrung als Dekan, dass es die eine oder die andere Auseinandersetzung zwischen den Dekanen und der Hochschulleitung gegeben hat. Das ist unvermeidlich und Beleg für einen lebendigen Austausch zwischen Hochschulleitung und Fakultäten. Allerdings haben wir immer noch das strukturelle Problem der unzureichenden Ausstattung der Dekanate. Die Serviceanforderungen an die Fakultäten haben zu Recht enorm zugenommen. Aber die professionelle Zuarbeit für den Dekan ist suboptimal. Ich meine das nicht ad personam, sondern strukturell. Daher kann es schon passieren, wie ich es als Dekan selbst erlebt habe, dass es zu Missstimmungen zwischen Hochschulleitung und Dekanen kommt, wenn erstere den Eindruck hatte, dass ihre Aktivitäten folgenlos verhallen. Konkret, dass ihre Rundschreiben und Anfragen schlicht abgeheftet werden, wenn auch an bevorzugter Stelle, wie Verwaltung eben agiert, nicht aus bösem Willen, sondern wegen Uberforderung mangels zureichender Ausstattung. Interessant für das Verhalten der Fakultäten und der Hochschulleitung ist auch, dass die Freundesgesellschaft der Wirtschaftswissenschaftler oder die der Juristischen Fakultäten eine echte Konkurrenz für die Freundesgesellschaft der Gesamtuniversität sind. Also, auch das sagt etwas über Stärken und Schwächen und über die Bedeutung von Universitätsleitungen aus. Unsere Wirtschaftswissenschaften haben sechs Stiftungsprofessuren eingeworben. Auch dies könnte als Indikator dafür herangezogen werden, dass die Bedeutung der Universitätsleitung überschätzt werden kann. Ich komme zur Hauptkritik, und die lautet ganz anders, als nach der Kritik, die bei der Vorstellung des Modells geübt worden ist, wohl zu erwarten war.

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IV. Wenn man sich das Meyersche Modell anschaut und die Umsetzung dagegenhält, dann muss man schlicht und einfach sagen: Es ist eine stecken gebliebene Reform. Stecken geblieben ist die Reform der Fakultäten. Da ist gar nichts passiert. Das kann man aber jetzt niemandem vorwerfen. Dieser Teil der Reform muss noch stattfinden. Aber ich bin der Meinung, auch innerhalb der Hochschulleitung ist diese Reform nicht konsequent umgesetzt worden. Ich habe mich vorher kritisch zu dem Modell geäußert, darum geht es mir jetzt nicht. Wenn ich hier sage, das Modell ist unvollständig umgesetzt worden, dann heißt das nicht, dass ich der Meinung bin, man hätte das unbedingt so machen müssen. Ich sage damit auch nicht, dass man ein anderes Modell hätte nehmen müssen. Vielmehr versuche ich, die Umsetzung des Modells an seinen eigenen Ansprüchen zu messen. Ich bin der Meinung, die Rolle des ehemaligen Kanzlers, der nicht erster Vizepräsident ist, aber weiterhin Beauftragter für den Haushalt und damit die Gesamtverantwortung hat, ist unvollendet. Er ist gegenüber den Fakultäten weiterhin so stark wie jeder Kanzler war. Insoweit hat sich überhaupt nichts geändert. Der Vizepräsident für Haushalt, Personal und Technik ist auch deutlich stärker gegenüber den anderen Vizepräsidenten. Es gibt sehr hohe Reibungsverluste. Die anderen Vizepräsidenten haben keine eigene Ressourcen Verantwortung. Jeder Vizepräsident muss stets, wenn es um Personal, wenn es um Mittel geht, antreten, antichambrieren oder freundlicher formuliert, Uberzeugungsarbeit leisten. Letztlich muss er den ehemaligen Kanzler für das gewinnen, was er selbst für richtig hält. Es gibt Ausnahmen. Wir haben einen Innovationspool. Da ist jetzt so ein bisschen Geld in einen Topf gekommen. Da haben die Vizepräsidenten für Forschung und Lehre einen eigenen Anteil, über den sie verfügen können. Aber gemeinhin ist es wie der Vizepräsident für Forschung sagt. Ich bin für Adlershof zuständig, insgesamt für diesen Wissenschaftspark, aber die Technische Abteilung macht natürlich die Bauten. M i t anderen Worten, es gibt eine Doppelzuständigkeit. Die von Meyer angekündigte Einheitsverwaltung gibt es eben an der Humboldt-Universität nicht. Jetzt gibt es eher ein Mittelding. Nicht anders ist es etwa beim Vizepräsidenten für Lehre und Studium. Er muss, wenn er auch nur eine halbe Hilfskraftstelle haben will, zwei Türen weitergehen und muss beim ehemaligen Kanzler nachfragen. Diese Konstellation ist, denke ich, so nicht richtig. Man hätte hier das M a r s c h e Konzept einführen müssen, das eine volle Ressortverantwortung für Personal und Haushalt bei jedem Vizepräsidenten vorsah. Der ehemalige Kanzler und Beauftragte für den Haushalt wäre dann für Finanzen zuständig wie ein Finanzminister in einem Kabinett. Das ist aber, um das deutlich in Erinnerung zu rufen, genau das Modell, das Wolfgang Benz kritisiert hat. 8 So ein 8 DUZ 13/1999, S. 14.

Leitungsstrukturen in Universitäten

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Finanzvizepräsident werde sich dann wie ein Finanzminister verhalten. Den Finanzminister interessiert immer nur eins, der Haushalt muss glatt sein, das ist das Α und O. Wirtschaftlichkeit, würde ich sagen, ist j a i m Finanzministerium nicht immer unbedingt so ganz ausgeprägt. Entscheidend ist, dass die Zahlen ausgeglichen sind. Das ist der Vorwurf von Benz gegen dieses Modell. Ich lasse das hier so stehen. Aber die jetzige Zuständigkeitsverteilung an der Humboldt-Universität ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Ein Mitglied der Hochschulleitung hat zu mir, und das finde ich unglaublich mutig, gesagt: „Ich frage mich nach einem Jahr, sind wir unser Geld wert? Spielen wir die Kosten wieder ein? Wir haben vier hauptamtliche Vizepräsidenten, vier Persönliche Referenten, vier Vorzimmer." Das sind Mehrkosten von rd. 500 000 Euro i m Jahr. Ich kann die Frage nicht beantworten. Das Mitglied der Hochschulleitung hat mir nur gesagt, es habe Zweifel, ob die Hochschulleitung i m Moment schon die Mehrausgaben wieder einspielt. Damit bin ich beim letzten Punkt. Ich meine, die Frage nach Alternativen. Beispielsweise das Kölner Modell. Ich habe in der Arbeitsgruppe Fortbildung schon einmal gesagt, und sage es immer noch, die Universität ist älter als der Staat und die Universität ist älter als das kapitalistische Unternehmen. Das schließt nicht aus, dass man Wirtschaftlichkeits-Gesichtspunkte stärker gewichtet. Aber man soll das Essentiale nicht untergewichten. Eine Alternative wäre die, noch radikaler vorzugehen als in Berlin, also nicht nur eine Beschränkung der Vizepräsidenten und echte Ressortverantwortung. Eine wirkliche Alternative könnte lauten: ein Präsident oder Rektor und ein Vizepräsident, der auf jeden Fall aus der Universität kommt, und dann nur noch vier Abteilungsleiter oder fünf. Oder aber, was ich persönlich präferieren würde, ein Präsident, der u.U. nicht aus dem Universitätsbereich kommt, obwohl das auch in den USA selten der Fall ist, ein Vizepräsident, der die neue Rolle des Kanzlers, also die des kaufmännischen Direktors 9 ausfüllt und die entsprechenden Erfahrungen hat und ein weiterer Vizepräsident, der aus der Wissenschaft kommen muss. Nur die drei und dann eben die Universitätsverwaltung. Aber darüber wird man lange reden. Zum Schluss noch eine Lesefrucht: Reformen auf Friedhöfen und in Hochschulen haben eines gemeinsam, sie lassen die Betroffenen vollkommen kalt. Natürlich ist das übertrieben, aber es relativiert den Stellenwert von Organisationsfragen. A n einer Universität sind Fragen des Stils, der persönlichen Ansprache, das Uberzeugen und Gewinnen von Menschen i m Gespräch zumindest genauso wichtig. Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass die Universität gerade kein Unternehmen ist, das allein von einem relativ großen Vorstand gesteuert wird. In Unternehmen gibt es keine akademische Selbstverwaltung durch Fakultäten und Senat. Fakultäten und Senat haben gerade nicht nur operative Aufgaben. Deshalb 9 Heß, WissR 2000, 332/341.

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muss eine andere Verteilung zwischen Hochschulleitung (= Vorstand) und Fakultäten bestehen als zwischen Unternehmensleitung und operativen Einheiten, von der Ausrichtung des Kuratoriums (= Aufsichtsrat) auf Hochschulleitung und Fakultäten ganz zu schweigen.

Die Hochschularten im Hochschulsystem aus der Sicht des Wissenschaftsrates* Winfried

Benz

I. Das differenzierte Hochschulsystem I m Juli 2002 1 kommentiert eine überregionale deutsche Tageszeitung in ihrem Feuilleton die vorgesehene Fusion der ehemaligen Gesamthochschulen Duisburg und Essen unter der Überschrift „Verschmelzen statt Schließen" als Zeichen der Zeit, nach den Zechen würden jetzt die Gesamthochschulen sterben. Durch chronischen Geldmangel und fehlende Mittelbaustellen geschwächt, dienten sie als „Probiersteine für ein auf Synergien zielendes Wirtschaftlichkeitsdenken", wobei zunächst offen bleibe, ob die Zusammenführung mehr sei als „eine gut getarnte Schließung". Der Nekrolog wird auf Hochschuleinrichtungen gehalten, mit deren Errichtung die Hochschulpolitik vor allem i m Land Nordrhein-Westfalen vor gut 30 Jahren die Zielsetzung verband, durch weitere Differenzierung des Hochschulsystems die immer stärker werdende Nachfrage nach einem Hochschulstudium in wirksamer Weise zu kanalisieren. Unter einem Dach sollten die Gesamthochschulen den Interessenten die Wahl zwischen berufsorientiertem und daher kürzerem oder forschungsorientiertem und daher längerem Studium ermöglichen. Damals trug der Wissenschaftsrat die Idee der Gesamthochschule mit. Die inhaltlich differenzierte, aber organisatorisch integrierte Gesamthochschule stelle die Organisationsform dar, die in Zukunft den zu erwartenden Anforderungen durch breite Differenzierung der Studiengänge, neue Studiengänge und gesteigertes Bildungsstreben der Bevölkerung gerecht zu werden vermöge 2 . Das Schwergewicht des Ausbaus der Gesamthochschuleinrichtungen müsse auf die Entwicklung entsprechender praxisnaher Studiengänge gelegt werden. Die Beziehung zur Forschung sei dabei für sämtliche Studiengänge unabdingbar und reiche von der Vermittlung von Forschungsergebnissen bis zur selbständigen Teilnahme an der Forschung 3 . Schon bald, als die Gesamthochschule in die politische Auseinandersetzung geriet, zog er * Unter besonderer Berücksichtigung seiner „Empfehlungen zur Einführung neuer Studienstrukturen und -abschlüsse (Bakkalaureus/Bachelor-Magister/Master) in Deutschland", ι FAZ vom 24. 07. 2002. 2 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau des Bildungswesens im Hochschulbereich nach 1970, Band 1 Empfehlungen, Bonn 1970, S. 25/114. 3 А. а. O. S. 22.

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sich, auch wegen des Erfordernisses der Zweidrittelmehrheit seiner Beschlüsse an seine Grenzen stoßend, aus diesem Feld zurück. Anfang der neunziger Jahre stellte er lapidar wie ein neutraler Beobachter fest, das Modell habe sich in der Bundesrepublik Deutschland nicht durchsetzen können 4 . Nicht durchgesetzt hatte sich damit auch der Versuch, Universitäten und Fachhochschulen neben den bestehenden Hochschulen in den neu zu gründenden Gesamthochschulen als ergänzende Hochschulart in einem Haus zu integrieren. Als der Wissenschaftsrat i m Jahr 1991 „Empfehlungen zur Entwicklung der Fachhochschulen in den 90er Jahren" vorlegte, machte er sich damit zum Anwalt dieser Hochschulart. Zwar konnte er deren weitgehende Konsolidierung in den 70er Jahren feststellen, auf deren wachsende hochschulpolitische Bedeutung als Alternative zu den Universitäten mit einem deutlichen Schwerpunkt in der Lehre hinweisen und die Eigenständigkeit ihres Bildungsauftrags als Grundvoraussetzung ihrer Existenz und damit für die angestrebte Differenzierung des Hochschulsystems betonen 5 . Bereits zehn Jahre zuvor hatte er empfohlen, dass „ . . . die verschiedenen Hochschularten weder eine Hierarchie bilden sollen noch auf Einheitlichkeit angelegt sind" 6 . Aber er musste auch registrieren, dass das Wachstum der Fachhochschulen sich längst verlangsamt hatte oder zum Stillstand gekommen war, sie bisher nicht die ursprünglich angestrebte bildungspolitische Bedeutung erlangt hatten und inzwischen deshalb fast flächendeckend Zulassungsbeschränkungen vor den Toren der Fachhochschulen errichtet waren. Deshalb wiederholte er seine mittelfristige Zielvorgabe aus dem Jahr 1989, die Fachhochschulen von 140.000 auf 200.000 flächenbezogene Studienplätze auszubauen 7 . Überproportional habe der Fachhochschulausbau zu erfolgen, da die Universitäten nicht nur bisher für alle Vorschläge in Richtung Kurzstudiengänge und konsekutiv aufgebaute Studiengänge taube Ohren hätten, sondern, i m Gegenteil, früher kürzere Studiengänge wie Wirtschaftswissenschaften oder Pharmazie sich verlängerten. M i t dem Ausbau der Fachhochschulen würde auch den Interessen der Universitäten gedient, weil er entlastend zu einem spürbaren Rückgang der Studentenzahlen an den Universitäten führen könne. Ressourcenverschiebungen entsprechend den Studentenströmen wurden als „wirklichkeitsfremde Problemstellung" bezeichnet, solange aus Höchstlast bestenfalls Normallast für die Universitäten werde 8 . Die von ihm bereits im Jahr 1981 getroffene Feststellung „andersartig (als die Universitäten), aber gleichwertig" seien die Fachhochschulen, bleibe auch weiterhin bestimmend für die Fachhochschulentwicklung. Die Fachhochschulen seien Bestandteil eines horizontal gegliederten, differenzierten Hochschulsystems, in dem beide Hoch4 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Entwicklung der Fachhochschulen in den 90er Jahren, Köln 1991, S. 10. 5 Wissenschaftsrat (wie Anmerkung 4), S. 11. 6 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zu Aufgaben und Stellung der Fachhochschulen, Köln 1981, S. 25. 7 Wissenschaftsrat (wie Anmerkung 4), S. 70 f. 8 Wissenschaftsrat (wie Anmerkung 4), S. 69.

Die Hochschularten im Hochschulsystem

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Schularten ihr jeweils eigenes Profil und ihre jeweils eigenen Aufgaben hätten 9 . Die Fachhochschulen sollten den Ausbau auch zur Erweiterung ihres Fächerspektrums nutzen und in Felder vorstoßen, die bislang Monopol der Universitäten seien. Die massiven Arbeitsmarktprobleme der Absolventen der universitären sprach-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Diplom- und Magisterstudiengänge offenbarten Abstimmungsdefizite zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem, zu deren Reduzierung die Fachhochschulen mit arbeitsmarktgerechten neuen berufsorientierten Studiengängen in diesen Fächern, die auf Tätigkeiten in der Wirtschaft vorbereiten, beitragen könnten. Wettbewerb zwischen den Hochschularten um neue Studiengänge empfahl der Wissenschaftsrat, in den die Fachhochschulen ihr Profil der Praxis- und Berufsorientierung einbringen sollten; eine Festschreibung des status quo, „nicht wechselseitig mit neuen Studienangeboten in anerkannte Wirkungsbereiche der jeweils anderen Hochschulart einzudringen", wie in der Westdeutschen Rektorenkonferenz erwogen worden war, lehnte er nachdrücklich ab 1 0 . A n diese Empfehlungen zur Entwicklung der Fachhochschulen anknüpfend hat der Wissenschaftsrat schon zwei Jahre später mit seinen „10 Thesen zur Hochschulpolitik" 1 1 in einigen Punkten kräftig nachgelegt. Vor allem hat er seine noch aus dem Jahr 1975 stammende Ausbauzielzahl von insgesamt 850.000 flächenbezogenen Studienplätzen wegen der gesteigerten Bildungsnachfrage und insbesondere der deutschen Einigung auf 1.250.000 Studienplätze angehoben und dabei die Zahl der Fachhochschulstudienplätze mit 350.000 innerhalb relativ kurzer Zeit ein zweites Mal, diesmal sogar um 65%, vergrößert 12 . Die Kapazität der Fachhochschulen müsse um mehr als die Hälfte erhöht werden, allerdings sollten Zielzahl und jeweiliger Anteil der Hochschularten an dieser Zielzahl wegen der unsicheren Entwicklung auf der Nachfrageseite regelmäßig überprüft werden. Damit fand seine Auffassung, dass ein differenziertes Hochschulsystem i m Hinblick auf die neuen Herausforderungen dem bisherigen einheitlichen, universitätsgeprägten überlegen sei, ihren konkreten Niederschlag. Dem Fachhochschulausbau räumte er Priorität ein, verbunden mit dem erneuten Hinweis, dass die Fachhochschulen nur dann wesentlich mehr Studierende ausbilden könnten, wenn sie neue berufsorientierte Studiengänge gerade auch dort entwickelten, wo bisher mehr oder weniger nur die Universitäten Studienangebote gemacht hatten 1 3 . Den Universitäten schreibt der Wissenschaftsrat ins Stammbuch, sie müssten (endlich) zwischen berufsbefähigendem Studium und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses unterscheiden. Ersteres dürfe nicht länger als acht bis neun Semester, nur in begründeten Ausnahmefällen zehn Semester dauern 1 4 . Die These klingt wie ein 9

Wissenschaftsrat (wie Anmerkung 4), S. 65. Wissenschaftsrat (wie Anmerkung 4), S. 77. и Köln 1993. 12 These 2 und These 4. 13 These 3. 10

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These 6.

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ceterum censeo, hatte der Wissenschaftsrat doch bereits 1986 Entsprechendes in seinen „Empfehlungen zur Struktur des Studiums" 1 5 gesagt und 1991, fast etwas resignierend, für den gezielten Fachhochschulausbau argumentiert, er müsse erfolgen, „solange nur die Fachhochschulen kürzere, berufsorientierte Studiengänge anbieten" 1 6 Zur Kooperation zwischen den Hochschularten machen die Empfehlungen des Jahres 1991 noch keine Ausführungen, zur Durchlässigkeit des Hochschulsystems und zur Promotion von Fachhochschulabsolventen finden sich knapp zwei Seiten 1 7 . Beim Wechsel der Studierenden von einer Hochschulart in die andere unter Beibehaltung des Fachs sollten sich die aufnehmenden Hochschulen großzügig zeigen, wenn es um die Anerkennung von Vorleistungen geht. Besonders befähigten Fachhochschulabsolventen sollten die Universitäten die Zulassung zur Promotion ermöglichen, ohne dass zuvor ein Universitätsdiplom nachgeholt werden müsse. Dafür bekräftigt er, dass i m differenzierten Hochschulsystem auch künftig ausschließlich die Universitäten das Promotionsrecht haben sollten.

II. Das labile Verhältnis zwischen den Hochschularten Universität und Fachhochschule Das Verhältnis zwischen Universitäten und Fachhochschulen ist unaufgeräumt, hochgradig sensibel und weitgehend noch am Anfang einer Entwicklung, mit der die tragfähige Basis für eine fruchtbare gegenseitige Ergänzung und für Kooperation geschaffen wird. Bemerkenswert nüchtern wurde dies auf der Jahrestagung des Bad Wiesseer Kreises 1999 zum Ausdruck gebracht 18 . Die Realitäten würden die „Gleichwertigkeitsthese" des Wissenschaftsrates als reine Fiktion entlarven. Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Einleitung und Realisierung von Strukturveränderungen der Fachhochschulen seien bisher entweder kaum befolgt worden oder weitgehend folgenlos geblieben. Die Fachhochschulen seien lediglich mit dem Markt mitgewachsen, ohne dass es zu bemerkenswerten Umleitungen des Studentenstroms von den Universitäten in die Fachhochschulen gekommen sei. Gesetzgeber und Rechtsprechung würden den Fachhochschulen und ihren Professorinnen und Professoren zwar einen eigenständigen Bereich zuerkennen, die Eigenständigkeit werde aber mit dem hohen „Preis einer statusrechtlichen Abwertung und damit einer zunehmenden Hierarchisierung des Hochschulbereichs" bezahlt. 15 Köln 1986. 16

Wissenschaftsrat (wie Anmerkung 4), S. 69. Wissenschaftsrat (wie Anmerkung 4), S. 95-97. 18 C. Klockner, Gedankenspiele zur Zukunft der Fachhochschulen in: Hochschulrektorenkonferenz, Universitäten und Fachhochschulen-Wettbewerb und Kooperation, Beiträge zur Hochschulpolitik 9/ 1999, Bonn 1999, S. 63 ff., hier S. 63, 64. 17

Die Hochschularten im Hochschulsystem

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Diese Feststellung findet von rechtswissenschaftlicher Seite her bestätigt, wer das „Handbuch des Wissenschaftsrechts", ein Standardwerk, aufschlägt und i m Beitrag „Grundtypen der Hochschulen" 1 9 erfährt: „Permanente Frustration" erwecke „die von den . . . Absolventen und Lehrern der Fachhochschule - oft in gutem Glauben - angenommene Gleichstellung mit den Absolventen bzw. Hochschullehrern der wissenschaftlichen Hochschulen, die ihnen nach ihrem Empfinden nur von „böswilligen und von Standesdünkel getragenen Richtern und Rechtswissenschaftlern zu Unrecht nicht gewährt wird". Obwohl das Hochschulrahmengesetz den Begriff „wissenschaftliche Hochschule" nicht verwendet, wird er in diesem Beitrag zur Gralsburg hochstilisiert, in der sich exklusiv die Universitäten versammeln. Selbst zum Umfeld der Burg, mit „wissenschaftlichen Hochschulen i m weiteren Sinne" umschrieben, in dem pädagogische Hochschulen, Kunst- und Musikhochschulen sowie Gesamthochschulen wandeln, ist den Fachhochschulen der Zutritt verwehrt. Dies ist umso bemerkenswerter, als anwendungsorientierte Forschung und/oder Entwicklung in den 90er Jahren nach und nach durch die Hochschulgesetze sämtlicher Länder gesetzliche Aufgabe der Fachhochschulen geworden sind. In seinen „Thesen zur Forschung in den Hochschulen" aus genau dem Jahr 1996, in dem die 2. Auflage des Handbuchs erschienen ist, hat der Wissenschaftsrat diese Entwicklung ausdrücklich begrüßt und es als „entscheidend" bezeichnet, den in den letzten Jahren geschaffenen gesetzlichen Rahmen jetzt materiell auszufüllen 20 . Selbst die H R K , in deren Plenum alle Universitäten mit Sitz und Stimme und die Fachhochschulen durch 36 Repräsentanten mit Kuriatstimme vertreten sind, kann das nach wie vor massiv gestörte Verhältnis nicht völlig verbergen. Nachdem die Mitgliedsgruppe „Universitäten" und die Mitgliedsgruppe „Fachhochschulen" jeweils getrennt und ohne wechselseitige Einflussnahme „typenbildende Merkmale" definiert hatten, hat das Plenum die unverbunden aneinandergereihten „Profilelemente von Universitäten und Fachhochschulen" 21 1997 zustimmend zur Kenntnis genommen; die notwendige Abstimmung zwischen den Mitgliedsgruppen - damals als „Herausforderung" bezeichnet - ist bis heute nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, weshalb die „Empfehlungen zur Einführung neuer Studienstrukturen und -abschlüsse (Bakkalaureus/Bachelor - Magister/Master) in Deutschland" 2 2 , die der Wissenschaftsrat zu Beginn des Jahres 2000 verabschiedet hat, unter dem Aspekt Hochschulsystem teils freudig begrüßt, teils eher reserviert als zumindest missverständlich aufgenommen wurden. Formulierungen 19

H. Krüger, Grundtypen der Hochschulen in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage 1996, S. 207 ff., hier S. 221. 20 Wissenschaftsrat „Thesen zur Forschung in den Hochschulen" in: Empfehlungen und Stellungnahmen 1996, Band I S. 12 und 39. 21 Hochschulrektorenkonferenz: Profilelemente von Universitäten und Fachhochschulen Beiträge zur Hochschulpolitik 3/1997, Bonn 1997. 22 In Wissenschaftsrat: Beschäftigungssystem - Hochschulausbildung - Studienreform: Stellungnahme und Empfehlungen, Köln 2000, S. 99 ff.

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wie „einzelne Magister / Master-Studiengänge sollten nicht definitorisch einer Hochschulart vorbehalten und ihr zugeordnet werden" 2 3 oder „die Prozesse der Profilbildung und der Differenzierung von Studienangeboten und Abschlussstrukturen verändern die bisherige Aufgabentrennung zwischen den beiden Hochschularten . . . " ; die institutionellen Differenzierungen würden „zukünftig stärker durch die Profile der Studienangebote als durch externe institutionelle Standardzuschreibungen bestimmt sein" 2 4 , konnten so verstanden werden, als gebe der Wissenschaftsrat sein Bekenntnis zu einem gegliederten und differenzierten Hochschulsystem mit der Einführung der neuen Studienstrukturen allmählich auf. Hatte doch der Vorsitzende des Wissenschaftsrates schon acht Monate zuvor ganz i m Sinne dieses Verständnisses auf der bereits erwähnten Jahrestagung des Bad Wiesseer Kreises davon gesprochen, dass sich das Hochschulsystem insgesamt von zugeschriebenen, zum Teil verrechtlichten Standardaufgaben für einzelne Hochschularten und ihren Studienangeboten wegbewege hin zu einem System, in dem der Status der einzelnen Hochschule durch spezifische Angebots- und Leistungsprofile i m Wettbewerb mit anderen Hochschulen bestimmt werde 2 5 . Dementsprechend definieren die Empfehlungen hochschulartenübergreifend „die intellektuelle Bildung durch Wissenschaft, die wissenschaftlich basierte Beschäftigungsfähigkeit und die Persönlichkeitsentw i c k l u n g " 2 6 als Ziel des Bachelor-Studiums und sehen ebenso hochschulartenübergreifend für dieses Studium eine Dauer von mindestens drei oder höchstens vier Jahren v o r 2 7 . Insoweit werden an dieser Stelle bisherige Charakteristika eines differenzierten Hochschulsystems verschwommen oder verschwinden. Der Wissenschaftsrat hat allerdings in seinen Empfehlungen zur Einführung der neuen Studienstrukturen durchaus auch deutliche Markierungszeichen gesetzt, mit denen er auf den Zusammenhang der Empfehlungen mit seiner grundsätzlichen Position zum gegliederten Hochschulsystem hinweist. So empfiehlt er speziell für die Gestaltung der Bakkalaureus- / Bachelor-Studiengänge an Fachhochschulen, deren ausgeprägten Praxisbezug „ i n den Studieninhalten wie in den Vermittlungsformen" zu erhalten 28 , allgemein für die neuen Studienangebote, „die Fachhochschulen sollten ihre besondere Qualität i m anwendungsorientierten Bereich bewahren" 2 9 . In den mehr forschungsorientierten Magister-/ Master-Studiengängen sollten forschungsorientierte und dafür geeignete Studierende ihre theoretisch-analytischen Fähigkeiten entfalten können und systematisch auf eine spätere forschungsbezogene Tätigkeit vorbereitet werden 3 0 . I m Unterschied zu den Fachhochschulen müssen 23 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 22), S. 122. 24 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 22), S. 126. 25 W. Schulze, Profilbildung und Differenzierung - Die Hochschulen auf dem Weg ins 21. Jahrhundert, in: Hochschulrektorenkonferenz (wie Fußnote 19), S. 21 ff., hier S. 26. 26 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 22), S. 117. 27 Wie Fußnote 27. 28 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 22), S. 120. 29 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 22), S. 126. 30 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 22), S. 122.

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die Universitäten hier einiges tun, wenn sie i m Sinne eines spezifischen Profils neben der Fach- und Methodenkompetenz der Ubergangsfähigkeit in den Beruf künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollen. Erste überzeugende curricula sind aufgetaucht. Schlecht beraten wären die Universitäten allerdings, wenn sie - voraussichtlich erfolglos - versuchten, in puncto Praxisbezug des Bachelor-Studiums den Fachhochschulen den Rang abzulaufen. Umgekehrt sind die Empfehlungen auch ein wohl gemeinter Hinweis an die Fachhochschulen, nicht der Versuchung zu erliegen, durch Zurückdrängen des Praxisbezugs näher an die Universitäten heranrücken zu wollen.

I I I . Der Beitrag des Wissenschaftsrates zur notwendigen grundsätzlichen bildungs- und forschungspolitischen Diskussion Die neuen Studienstrukturen bieten nicht erstmals und sind nicht der einzige Anlass, über nachlassende Profilschärfe der Hochschularten zu sprechen. Sie verstärken allerdings den Druck, sich der Profilfrage anzunehmen, den vor allem auch fließende Übergänge in der Bandbreite von Grundlagenforschung bis produktorientierter Anwendungsforschung und zu beobachtende Überlappungen in Studiengängen an Universitäten und Fachhochschulen erzeugen. Der Wissenschaftsrat hat mit seinem Beitrag zu dieser Grundsatzdebatte nicht lange nach der Veröffentlichung seiner Überlegungen zu den neuen Studienstrukturen auf sich warten lassen. M i t den i m Sommer 2000 beschlossenen „Thesen zur künftigen Entwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland 4 ' 31 zeigt er auf, wie sich nach seiner Vorstellung auch in der Zukunft die Grundprofile von Universität und Fachhochschule i m Interesse des gesamten Wissenschaftssystems deutlich voneinander unterscheiden sollten. Es kommt also nicht zu einem Bruch zwischen seiner bisherigen Position und seiner Sicht des künftigen Hochschulsystems, vielmehr wird an die i m Zusammenhang mit den neuen Studienstrukturen erwarteten Veränderungen der Profilbildung i m Hochschulsystem durch Bedeutungsrückgang formaler externer Definition und Stärkung der individuellen Eigenausformung angeknüpft. Der Wissenschaftsrat spricht von der „gegenwärtigen Überbetonung allgemeiner institutioneller Funktions- und Statuszuweisungen" mit der Folge, dass unter Vernachlässigung der tatsächlichen Tätigkeits- und Leistungsprofile Ressourcen „nicht selten" statt der Exzellenz leistungsschwachen Bereichen zufließen 3 2 . Aufgabe der Hochschulen und der Forschungseinrichtungen sei es, ihr Stärken- / Schwächenprofil zu entwickeln und daraus Konsequenzen für Mittelverteilung und Planung zu ziehen. Bei der Profil schärfung der Ausbildungs- und Bildungsaufgaben sieht er „den langfristigen Prozess der Differenzierung" blockiert 3 3 . Dass die Fachhochschulen 31 Köln 2000. 32 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 31), S. 34.

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ihre Rolle nicht in dem notwendigen und sachgerechten Umfang wahrnehmen könnten, sondern die Universitäten nach wie vor den überwiegenden Teil der Studieninteressierten aufnehmen müssen, liege am zu engen Fächerspektrum der Fachhochschulen, an deren eingeschränktem spezifischen Zugang zu Forschung und Entwicklung und an der mit Statusproblemen der Fachhochschulen umschriebenen Besoldungsproblematik ihrer Absolventen i m öffentlichen Dienst. „Offensichtlich" könne der gordische Knoten nur durch einen „ordnungspolitischen Eing r i f f des Staates durchschlagen werden, der zu einer deutlichen Erweiterung des begrenzten Fächerspektrums der Fachhochschulen und zu entsprechenden Ressourcenverlagerungen führe. Dabei gehe es nicht um einen einmaligen Kraftakt, sondern um einen allmählichen Entwicklungsprozess, der mit dem weiteren Ausbau der Fachhochschulen eine zunehmend stärkere Konzentration der Universitäten auf ihre spezifischen Aufgaben verbinde. Zulassungsbedingungen dürften i m künftigen Wissenschaftssystem nicht wie heute dazu führen, dass an die Universität ausweichen müsse, wer an der Fachhochschule studieren möchte. Es müsse zu einer Neuaufteilung der Anteile von Universitäten und Fachhochschulen an der Zahl der Studierenden kommen. Das quantitative Schwergewicht müsse künftig eindeutig i m Bereich der praxisorientierten, wissenschaftsbasierten Berufsausbildung liegen. Die Universitäten sollten sich mehr und mehr auf die Lehre i m Zusammenhang mit Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Grundlagenforschung konzentrieren. Der Schlüssel zum Wandel liegt für den Wissenschaftsrat, wie seit 1991 nachdrücklich und immer wieder von ihm geltend gemacht, in der überfälligen Ausweitung des Fächerspektrums. Erstmals geht der Wissenschaftsrat mit seinen Verlagerungsempfehlungen in Fächer hinein, die für die Universitäten zu quantitativ erheblicher Entlastung in der Lehre führen können. Nach dem Beispiel der Ingenieurwissenschaften sollten die Fachhochschulen in solchen Fächern den überwiegenden Teil der Ausbildung tragen, bei denen die curricula wie bei Betriebswirtschaftslehre und Architektur an beiden Hochschularten weitgehend identisch sind. Das Studium der Fächer, die zwar traditionell an der Universität plaziert sind, aber weder am Arbeitsmarktbedarf orientiert noch nachhaltig mit der Forschung verknüpft sind, sollte in Teilbereichen an Fachhochschulen abwandern; beispielhaft werden Rechtswissenschaften, Lehramt oder angewandte Naturwissenschaften wie zum Beispiel Pharmazie genannt. Teilbereiche auch deshalb, weil der wissenschaftliche Nachwuchs, etwa im Fach Pharmazie, auch künftig seine Pflege und Ausbildung an den Universitäten erhalten soll. Für den Wissenschaftsrat kommt die Fachhochschule nicht für sämtliche an den Universitäten vertretenen Fächer als Ausbildungsstätte in Frage, insbesondere nicht für solche mit maßgeblicher und prägender Forschungsorientierung 34 . Beispielhaft werden die Geisteswissenschaften genannt, ohne dass damit die Empfehlung an die Fachhochschulen aus dem Jahre 1991, neue, auf Berufe in der Wirtschaft vorbereitende sprach-, kultur- und sozialwissenschaftliche Studiengänge zu etablieren, tangiert 33 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 31), S. 17. 34 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 31), S. 20.

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oder obsolet wird. In derartigen Monopolfächern hätten die Universitäten für die Studierenden und Absolventen umso mehr Verantwortung für eine rechtzeitige Berufsorientierung. Kern des künftigen Bildungsauftrags der Universitäten sei die Pflege des wissenschaftlichen Nachwuchses - ausschließlich den Universitäten solle auch künftig das Promotionsrecht zustehen - und die forschungsorientierte Ausbildung für berufliche Tätigkeiten außerhalb von Forschung und Lehre. Der Arbeitsmarkt habe, wie sich bei den Diplomingenieuren zeige, die zu rund zwei Drittel an den Fachhochschulen und zu rund einem Drittel an den Technischen Hochschulen / Universitäten ausgebildet werden, einen spezifischen, begrenzten Bedarf an Absolventen forschungsorientierter Studiengänge. Die Universitäten dürften trotz ihrer Ausrichtung auf die Forschung den Kontakt zur Berufspraxis schon deshalb und vor allem in ihren Studienangeboten bis zum ersten berufsbefähigenden Abschluss nicht vernachlässigen, weil sich die Studierenden häufig erst i m Verlauf des Studiums für einen mehr praxisorientierten oder mehr wissenschaftsorientierten Hochabschluss entschieden. Damit die bisher ziemlich mühsame Durchlässigkeit zwischen den Hochschularten, vor allem für Fachhochschulabsolventen mit Promotionsabsicht, offen werde, dürfe künftig für die Aufnahme in einen Graduiertenstudiengang nicht mehr maßgebend sein, welchen Hochschulabschluss Bewerber vorzuweisen haben, sondern ob sie „definierte fachliche Voraussetzungen" erfüllen 3 5 . Flankierende Maßnahmen hält der Wissenschaftsrat i m Zusammenhang mit der Profilschärfung des Bildungsauftrags von Universitäten und Fachhochschulen für notwendig 3 6 . Zum einen müsse Schluss sein mit der finanziellen Diskriminierung der Fachhochschulabsolventen im öffentlichen Dienst, tätigkeits- und leistungsbezogen habe die Besoldung / Vergütung zu erfolgen. Zum anderen macht er geltend: „Die Allokationsmechanismen der staatlichen Ressourcen für die unterschiedlichen Hochschultypen sind so zu gestalten, dass deren Mission angemessen Ausdruck findet". Dies bedeute für das gesamte Hochschulsystem auch Ressourcenentzug bei Schlechtleistung. Eine besonders bedeutsame Rahmenbedingung ist für den Wissenschaftsrat die Besoldung/Vergütung der Professorinnen und Professoren an den Fachhochschulen. Weil mit dem künftigen Ausbau der Fachhochschulen ein entsprechend erheblich größerer Bedarf an Fachhochschullehrerinnen und -lehrern entstehen werde, müssten die Gehälter / Vergütungen so attraktiv sein, dass der Arbeitsmarkt entsprechend positiv reagiere. Schließlich sollte das künftige Hochschulsystem den Fachhochschulen zur Akzeptanzverbesserung Wahlmöglichkeiten bei der eigenen Firmierung einräumen. I m Bereich der Forschung sieht der Wissenschaftsrat auch i m künftigen Wissenschaftssystem die Aufgabe der Universitäten in der erkenntnis- und anwendungsorientierten Grundlagenforschung 37 . Letztere muss nach seiner Auffassung aller35

Wissenschaftsrat (wie Fußnote 31). Wissenschaftsrat (wie Fußnote 31), S. 21. 37 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 31), S. 12. 36

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dings deutlich gestärkt werden, ohne erstere zu vernachlässigen. Starre institutionelle Zuschreibungen von Forschungsarten lehnt er ab, Verflechtungen zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung müssten gestärkt und dürften administrativ nicht getrennt werden. Die Universitäten hätten die Aufgabe, die Einheit von Forschung und Lehre zeitgemäß zu erneuern. Als Mitte des Wissenschaftssystems seien sie der richtige Platz hierfür 3 8 . Auch an den Fachhochschulen müssten Forschung und Entwicklung ständig ihren aktuellen Niederschlag in der Lehre finden. Die Forschung an den Fachhochschulen habe sich als wirtschaftsnahe Auftragsforschung etabliert und sei in ihrer Bedeutung für mittelständische Unternehmen nicht mehr hinweg zu denken. Kostenintensive Forschungsinvestitionen an den Fachhochschulen hätten hinter der Kooperation der Fachhochschulen i m Bereich Forschung und Entwicklung mit Wirtschaft und Industrie , mit Universitäten und mit außeruniversitären staatlich finanzierten Forschungseinrichtungen zurückzustehen. Je mehr die Wirtschaft von Forschung und Entwicklung der Fachhochschulen profitiere, desto kräftiger sei der Drittmittelzufluss 3 9 .

IV. Ausblick Der Wissenschaftsrat hat seine „Thesen zur künftigen Entwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland" mit einer Realisierungsperspektive von 10 bis 15 Jahren vorgelegt. Die notwendigen Veränderungen werden sich nur allmählich vollziehen lassen, zumal sie zum Teil zusätzliches Geld kosten 4 0 . Das ist für diejenigen, die mit der heutigen Hochschulsituation unzufrieden sind, eine harte Geduldsprobe, der Weg soll nicht zum Ziel werden 4 1 . U m so wichtiger ist es, möglichst rasch mit den Veränderungen zu beginnen. In diesem Sinn hat der Wissenschaftsrat i m Januar 2002 erneut „Empfehlungen zur Entwicklung der Fachhochschulen" vorgelegt 4 2 . Ein wirksames Veränderungsinstrument sind Kooperationen zwischen Universitäten und Fachhochschulen. In den Thesen zum künftigen Wissenschaftssystem betont der Wissenschaftsrat, Differen38 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 31); S. 48. 39 Wissenschaftsrat (wie Fußnote 31), S. 18 f. 40 Siehe C. Prußky, Grenzgänge im Kalkül, DUZ 3/2002 S. 10 /11. 41 Die Mitgliedergruppe „Fachhochschulen" in der Hochschulrektorenkonferenz ist im Herbst des vergangenen Jahres in Darmstadt mit einer Kranichsteiner Erklärung zur „Wettbewerbsfähigkeit der Fachhochschulen" an die Öffentlichkeit getreten. Darin wird die Definition von Hochschularten mit definierten spezifischen Bildungsaufträgen als Hemmschuh für die Selbständigkeit jeder Hochschule „in der Profilierung und Strategieentwicklung ihrer Lehr- und Forschungsangebote" ausgemacht. Die Mitgliedergruppe votiert deshalb für die Ablösung der institutionellen Profildefinition durch Einzelprofilbildung auf der Basis einer zeitlich befristeten Zielvereinbarung mit dem Hochschulträger. 42 Köln 2002.

Die Hochschularten im Hochschulsystem

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zierung als Stärke des deutschen Wissenschaftssystems sei nur dann zukunftsfähig, wenn sie gleichzeitig zu einem hohen Maß an Flexibilität in der praktischen Zusammenarbeit der Teile, zur Bündelung der unterschiedlichen Kompetenzen fähig sei 4 3 . Für den Hochschulbereich regt er die Einrichtung gemeinsam von Universität und Fachhochschule getragener Studiengänge, die zu einem ersten berufsbefähigenden Abschluss führen, an 4 4 . Ausdrücklich erwähnt er als Beispiel die gemeinsame Bildung eines auch international wahrgenommenen Centre of Excellence durch eine Universität und eine oder mehrere Fachhochschulen. Die Vernetzung der vorhandenen Lehrpotenziale könnte ein Studienangebot entstehen lassen, das „fachlich und nach Ausbildungszielen viel stärker differenziert sein könnte als das Angebot jeder einzelnen Einrichtung" 4 5 .Wer sich in der Hochschullandschaft umsieht, entdeckt hoffnungsvolle und ermutigende Ansätze 4 6 . Je häufiger und selbstverständlicher Kooperationen werden, desto mehr werden dogmatische Engstirnigkeit und Ressentiments abgebaut werden. Wenn mit den Thesen zum künftigen Wissenschaftssystem ernst gemacht wird und die Fachhochschulen in der Zukunft den größeren Teil der Studierenden ausbilden werden, könnte an geeigneten HochschulStandorten bei frei werdenden Raumkapazitäten in den Universitäten doch noch etwas aus der Idee, Fachhochschule und Universität unter einem Dach zusammen zu führen, werden; nicht als Versuch, der gescheiterten Gesamthochschule zur Auferstehung zu verhelfen, sondern etwa in Form eines Hochschulzentrums unter Wahrung der Selbständigkeit und des spezifischen Profils miteinander kooperierender unterschiedlicher Hochschularten.

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Wissenschaftsrat Wissenschaftsrat Wissenschaftsrat Zur Kooperation

(wie Fußnote 31), S. 12. (wie Fußnote 31), S. 20. (wie Fußnote 31), S. 43. in der Lehre: Wissenschaftsrat (wie Fußnote 42), S. 48 ff.

„Vorteil" und „Vorteilsannahme" (§ 331 StGB) des beamteten Forschers Klaus Bernsmann

I. Eine der ansonsten - glücklicherweise - nicht allzu zahlreichen Schnittstellen des dem verehrten Jubilar so am Herzen liegenden Wissenschaftsrechts mit dem Strafrecht ist die sog. Drittmittelforschung. Letztere hat nämlich - das lehrt vor allem die Praxis - eine recht intensive Affinität zum Korruptionsstrafrecht. Davon können vor allem zahlreiche, mehr oder weniger verwunderte Mediziner berichten: Wenig verwundert wahrscheinlich die Mitarbeiter von Universitätskliniken und (sonstige) als „Amtsträger" i.S. von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu betrachtende Krankenhausärzte, die z. B. durch einseitige Auftrags vergaben und daraus folgender persönlicher Bereicherung bundesweit zum sog. Herzklappenskandal beigetragen haben. 1 Verwundert und meist empört dagegen solche Wissenschaftler, die mit Hilfe von eingeworbenen Drittmitteln Studien (z. B. zur Beobachtung eines zur Markteinführung vorgesehenen Produkts oder Vergleichsstudien) durchführten und sich trotz vermeintlicher Absicherung durch das MedizinproduktG bzw. das ArzneimittelG mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konfrontiert sahen. In der Praxis sind (bislang) zwar zumeist Ärzte betroffen 2 , grundsätzlich gefährdet sind aber bei ihrer jeweiligen Tätigkeit in gleichem Maße aber auch alle anderen beamteten Universitätsangehörigen, die (auch) Mittel einsetzen, die von dritter, nicht-staatlicher Seite stammen. Sieht man von den erstgenannten eindeutigen Korruptionsfällen ab, in denen („Schmier"-)Geld oder/und andere, in der Regel geldwerte Vorteile einem Amtsträger zugewendet werden, um Einfluss etwa auf Beschaffungsentscheidungen zu nehmen oder getroffene Entscheidungen zu honorieren, so gibt das Korruptions1 Vgl. dazu hier nur Göben MedR 1999, 345; ders. MedR 2000, 194; auch BGH MedR 2000, 193 f. 2 Vgl. die Beispiele aus der Gerichtspraxis bei Dieners/Taschke, Pharma-Recht 2000, 309; Günter MedR 2001, 457, 458 ff.; auch: Bernsmann WissR 2002, 1 ff.

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Klaus Bernsmann

strafrecht in seiner Anwendung auf wissenschaftsfördernde Drittmittel in der Tat allen Anlass zur Kritik. 3 Für viele grenzt es jedenfalls ans Absurde, wenn einerseits das H R G und Länderhochschulgesetze Universitäts- und andere beamtete Wissenschaftler dazu anhalten, Forschungsvorhaben an sich zu ziehen, die nicht aus staatlichen Töpfen, sondern durch staatsexterne Dritte - in erster Linie also Unternehmen der Privatwirtschaft - finanziert werden und andererseits genau diese Mittelakquisition forschende Amtsträger der - immer häufiger auch realisierten - Gefahr aussetzen, wegen eines Korruptionsdeliktes (§§ 331 ff. StGB) strafrechtlich verfolgt zu werden. Zu diesem in Ansehung mancher obergerichtlicher, die Strafbarkeit drittmittelannehmender Amtsträger bejahender Entscheidungen 4 kaum anders als „schizophren" zu bezeichnenden staatlichen Umgang mit drittmittelverwendenden Hochschulmitgliedern wurde zu Recht schon viel Kritisches 5 gesagt. Vor einem, sich derzeit erst ganz allmählich ankündigenden 53 Kurswechsel der Justiz bzw. - noch besser - einem klärenden, Strafrecht und Drittmittel-Forschung in unmissverständlicher Weise versöhnenden Einschreiten des Gesetzgebers, bleibt die Frage zu klären, ob die lex lata einer forschungsfreundlicheren Interpretation der Voraussetzungen der §§ 331 ff. StGB wirklich so unüberwindlich entgegensteht, wie es in Ansehung des justiziellen Umgangs mit ihr den Anschein hat. Dies soll hier an dem auf den ersten Blick sicher nicht sonderlich ergiebig erscheinenden Merkmals des „Vorteils", das nicht nur für die Vorschrift des § 331 StGB sondern für alle Korruptionsdelikte zentral ist, untersucht werden. Von vornherein hoffnungslos ist dieses Unterfangen nicht: Sollen denn z. B. die unentgeltliche Überlassung medizinischer Geräte 6 oder die von einem privaten Auftraggeber adäquat bezahlte Forschung eines Amtsträgers 7 auf Seiten des Forschers wirklich ein „Vorteil" sein (können), der „für die Dienstausübung" gewährt wurde? Was sollte einem Amtsträger, der auf die Zuwendung in beiden Fällen mit eigenen Leistungen reagiert, hier einen odiösen Vorteil gebracht haben?

3 Bernsmann а. а. O. m. w. N.; Zieschang WissR 1999, 111 ff.; a.A. allerdings z. B. Arzt in: Arzt /Weber, StrafR BT (2000), § 49 Rn. 55: eine " . . . gelungene gesetzgeberische Leistung". 4 Vgl. hier nur OLG Karlsruhe StV 2001, 288, OLG Köln,... 5 Etwa: Lüderssen, JZ 1997, 112; ders., StV 1997, 322 ff.; Daubler, NStZ 1999, 63; St. Walter, ZRP 1999, 292; Zieschang , WissR 1999, 111; Bernsmann, WissR 2002, 1; apologetisch dagegen: Haeser, MedR 2002,55; Günter а. а. O. 5a Vgl. BGH Urt. vom 23. 5. 2002 - 1 StR 372/01. 6 Vgl. OLG Karlsruhe StV 2001, 288. 7 Zu dieser Fallkonstellation: Lüderssen JZ 1997, 112, 114 f.; Zieschang а. а. O., S. 114; Dieners JZ 1998, 181 ff.; auch: Volk, Verhandlungen des 61. DJT Bd. 11 / 1 L 44 ff.

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II. Natürlich entscheidet über die Strafbarkeit des Forschers nicht allein, ob ihm oder einem Dritten (d. h. üblicherweise der Anstellungskörperschaft) ein „Vorteil" zugewendet wurde. Immer muss dies zumindest auch „für die Dienstausübung" 8 (§ 331 StGB) geschehen sein. Der betroffene Amtsträger könnte auch eine Genehmigung der „zuständigen Behörde" einholen; das würde den Tatbestand des § 331 StGB, ebenfalls ausschließen bzw. die „Vorteilsannahme" zumindest rechtfertigen. 9 Soweit allerdings schon kein „Vorteil" gegeben wäre, wäre man nicht allen sonstigen Unwägbarkeiten der insbesondere mit Blick auf die Vorteilsannahme nach § 331 StGB ( " .. .für die Dienstausübung . . . " ) vom Gesetz äußerst vage umschriebenen „Unrechtsvereinbarung" ausgeliefert und müsste den Forscher auch nicht auf den objektiv nicht selten mühsam begehbaren und auch subjektiv manchmal als wenig attraktiv empfundenen bürokratische Weg der Genehmigung 1 0 verweisen. Bei näherem Zusehen stellt sich allerdings schnell heraus, dass (auch) der Vorteilsbegriff alles andere als mühelos forschungsfreundlich interpretierbar ist: Als „Vorteil" i m Sinne der Korruptionsdelikte gilt allgemein jede, ggf. nur vorübergehende Zuwendung materieller oder immaterieller Art, auf die der Empfänger keinen Anspruch hat. 1 1 Wenn „Vorteil" bloß durch „Zuwendung" definiert ist, und zudem Empfänger der Zuwendungen der Amtsträger selbst aber auch ein Dritter sein kann, fragt sich natürlich, was einem (forschenden) Amtsträger zu Forschungs- oder sonst mit seiner dienstlichen Tätigkeit zusammenhängenden Zwecken zur Verfügung gestellt, verschafft oder versprochen werden können soll, ohne dass diese Gabe ihm (oder einem Dritten) einen „Vorteil" bringen könnte? Die obige Definition kann daher schon auf Grund ihrer kaum zu überbietenden Weite (eigentlich) nicht strafrechtstauglich sein; nähme man sie wirklich beim Wort, würde das (ausgerechnet) in Zeiten relativ ungezügelter Privatisierung, Deregulierung und Globalisierung zu einer grotesk antizyklischen Isolierung (und Verarmung) staatlicher Forschungs-Institutionen und damit zu einer drastischen Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten nicht-staatlicher Forschungseinrichtungen beitragen. 8 Zu der sich hinter diesem Begriff (immer noch) verbergenden sog. „Unrechtsvereinbarung" vgl. hier nur S / S-Cramer § 331, Rn. 26 ff.; Lackner/Kühl, § 331, Rn. 10 f. 9 Zum Streit darüber, ob eine Genehmigung nicht entgegen der h. M. (BGHSt 31, 264, 285; LK-Jescheck, § 331, Rn 16; SK-Rudolphi, § 331, Rn. 40) bereits den Tatbestand ausschließt ausführlich und letzteres bejahend Bernsmann а. а. O., S. 19 f. 10 Dazu ausführlich Bernsmann а. а. O.; Gribl, Der Vorteilsbegriff bei den Bestechungsdelikten, 1993, S. 114 ff. и Vgl. hierzu nur: BGHSt 31, 264, 279 f.; BGHSt 33, 336 (339); LK-Jescheck, § 331, Rn. 7; S/S-Cramer, § 331, Rn 17; T/F, § 331, Rn. 11.

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1. Soweit ist man noch nicht; zumindest eine Einschränkung wird immerhin (fast) allgemein gemacht: Zuwendungen, die lediglich eine bestimmte Forschungs-Tätigkeit des Amtsträgers ermöglichen, sollen keine „Vorteile" im Sinne der §§ 331 ff. StGB darstellen. 1 2 Ob das wirklich so ohne weiteres aus der oben mitgeteilten Definition folgt, kann dahinstehen. Was immer z. B. ein forschender Amtsträger von dritter Seite zur Durchführung seiner Arbeit erhält, ist jedenfalls keine Leistung, die in einem Austauschverhältnis zu der noch gar nicht erbrachten (dienstlichen) Tätigkeit steht. Diese Tätigkeit soll j a erst noch aufgenommen werden. In ein Austauschverhältnis i m Sinne einer Unrechtsvereinbarung- „für die Dienstausübung" - kann daher erst bzw. allenfalls der „Ertrag" der Tätigkeit eingestellt werden. So gesehen dürfte es in diesen Fällen weniger am „Vorteil" - der an Forschung und Ergebnissen interessierte Amtsträger steht natürlich besser da, wenn er,statt mittel- und damit weitgehend tatenlos ggf. fremde Forschungsergebnisse zur Kenntnis nehmen muss, „forschen" kann - als an einer Leistung fehlen, die i.S. des § 331 StGB „für" die Dienstausübung gewährt wurde. 1 3 Dabei ist die Lozierung des Problems und der Ort seiner Lösung von durchaus praktischer Relevanz: Die ausschließlich altruistische Ermöglichung von Forschung etwa durch die Zur-Verfügung-Stellung von (neueren) Geräten dürfte wenn überhaupt - eher selten vorkommen 1 4 , häufiger (bzw. ausschließlich) werden die Geräte vielmehr von einem Unternehmen stammen bzw. finanziert werden, mit denen die Institution, der die Geräte nutzende Amtsträger angehört, in Geschäftsbeziehungen steht. Ist der Forscher dann auch noch mit Beschaffungsentscheidungen befasst, von denen das „spendende" Unternehmen i. w. S. „profitieren" könnte, lässt sich schnell über eine „Unrechtsvereinbarung" munkeln bzw. ein gediegener Anfangsverdacht bejahen. 15 Fehlt es dagegen bereits an einem spendenbedingten „Vorteil", sind Vorteilsannahme (§ 331 StGB) auf Seiten des „Nehmers" und die (spiegelbildliche) Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) auf Seiten des „Gebers" von Vornherein „erledigt". Aus dieser kriminalpolitisch-pragmatischen Perspektive ist die Verneinung eines Vorteils in den genannten Fällen mithin die deutlich forschungsfreundlichere Perspektive; sie unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen, fällt allerdings nicht ganz leicht.

12 Vgl. OLG Zweibrücken JR 1982, 381 mit insoweit zustimmender Anmerkung Geerds; T/F, § 331, Rn. 11; Lackner / Kühl, § 331, Rn. 5; Zieschang, WissR 32 (1999), 111, 178; ders. StV 2001,292. '3 Vgl. dazu hier nur T/F, § 331, Rn. 21 ff. 14 Aus staatsanwaltschaftlicher Perspektive wird sie sogar ganz ausgeschlossen, weil „Forschung als Selbstzweck" nicht „Ziel eines Unternehmens" sein kann (Haeser а. а. O., 55) eine recht pessimistische Sicht unternehmerischer Beiträge zum Gemeinwohl. 15 Vgl. Haeser а. а. O.

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2. Aber selbst dann, wenn Mittel zur Verfügung gestellt werden, die ausschließlich der Forschung dienen und zwischen Forscher und Spender sonst keinerlei Beziehung besteht, könnte ein Vorteil, der aus der forschenden Tätigkeit rührt, den der Forschende also „für" die Dienstausübung erhielte, immer noch in der Befriedigung der Eitelkeit und/oder des Ehrgeizes und /oder in der Verbesserung von Karrierechancen z. B. auf Grund der Möglichkeit, Forschungsergebnisse etc. zu veröffentlichen und damit auf den - angeblich - karrierefördernden „citation index" zumindest quantitativ einzuwirken, liegen. Angesprochen ist damit die Frage, ob auch Vorteile immaterieller Art als „Objekte" einer Vorteilsgewährung nach §§ 331 ff. StGB in Betracht kommen. Rechtsprechung und h. M . haben das spätestens seit den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dem Grundsatz nach bejaht. 1 6 Eine solche Öffnung des Vorteilsbegriffs macht natürlich i m Wissenschaftsbereich, in dem es - wer wollte das bestreiten - häufig auch um die Befriedigung von Eitelkeit, die Mehrung von „Ruhm" und - soweit das noch möglich ist - die „Karriere" geht, alle Mühen um eine Tatbestandsrestriktion zur Makulatur. Dies gilt umso mehr, als die Befriedigung von Eitelkeit oder die Verbesserung von Karrierechancen forensisch überhaupt nicht auslotbar und daher dem Spiel justizieller Zuschreibungen möglicherweise hilflos ausgeliefert sein könnten. Schon deswegen sollte der Vorteilsbegriff frei bleiben von allen immateriellen Konnotationen. Entsprechende Bestrebungen sind nicht neu; die Protagonisten dürfen sich bester Gesellschaft erfreuen: Eb. Schmidt hat sich in seiner groß angelegten Arbeit zu den Bestechungsdelikten bereits i m Jahre 1960 vehement gegen die Einbeziehung immaterieller Vorteile in die §§ 331 ff. gewandt. 1 7 Er weist u. a. nach, dass die Feuerbachsche (Vorteils-) Formel von der „Befriedigung des Ehrgeizes, der Eitelkeit und des Geltungsbedürfnisses" 18 , die offenbar die Quelle des extensiven Vorteilsbegriffs ist, polizeistaatlicher Provenienz ist und von Feuerbach selbst später aufgegeben wurde. 1 9 Abgesehen davon könne „kein Zweifel" daran sein, „dass kein Strafsenat vor 1933 sich . . . von allen rechtsstaatlichen Hemmungen" würde freigezeichnet haben und das mit der Anerkennung immaterieller Vorteile verbundene „reine Gesinnungsstrafrecht" würde praktiziert haben 2 0 ; die notorische Berufung auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts sei daher kein sonderlich starkes Argument. 16 Vgl. etwa RGSt 71, 396; RGSt 77, 177; RG DR 1943, 76; RGHRR 1940, Nr. 872; BGHSt 14, 123, 128; BGH NJW 1985, 2656; OLG Karlsruhe StV 2001, 288, 289; vgl. auch: Bauchchrowitz, Der immaterielle Vorteilsbegriff der Bestechungsdelikte im StGB, 1988, S. 145 ff.; Kirschbaum/Schmitz GA 1960, 322 ff. 17 Eb. Schmidt, Die Bestechungstatbestände in der höchstrichterlichen Rechtsprechung von 1879 bis 1959, S. 4 ff. 18 Vgl. Feuerbach, Themis oder Beiträge zur Gesetzgebung, 1812, S .210. Vgl. Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 11. Auflage, 1832, § 479 c.

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Hinzu kommt noch Folgendes: Der Streit um die (immaterielle Vorteile mitumfassende) sog. subjektive Vorteilsauffassung hat sich in seiner forensisch-praktischen Dimension in erster Linie um den Vorteilscharakter der Duldung sexueller Handlungen oder der Gewährung von Geschlechtsverkehr als „Gegenleistung" für erstrebte Diensthandlungen eines Amtsträgers gedreht. 21 Für die vorliegende Fragestellung sind derartige „Vorteile" ohne Bedeutung. In den oben angesprochenen Fällen - Steigerung des Ansehens, Befriedigung von Eitelkeit bzw. Ehrgeiz, Verbesserung von Karrierechancen etc. - hing die den Bestimmtheitsgrundsatz tangierende, wenn nicht verletzende Ausweitung des Vorteilsbegriffs vielmehr mit der i m Verhältnis zum geltenden Recht erheblich engeren, den sog. Drittvorteil nicht unmittelbar ergreifenden Fassung der § § 3 3 1 ff. a. F. StGB zusammen: I m alten Recht war eine Zuwendung an einen Amtsträger nur dann korruptionsträchtig, wenn sie letzterem selbst einen Vorteil brachte bzw. bringen sollte. Zuwendungen an Dritte, seien es Angehörige des Amtsträgers oder Vereine, Parteien etc. waren unmittelbar nicht einschlägig. Solange der Eigennutz des Amtsträgers konstitutives Unrechtselement der §§ 331 ff. StGB war, war eine Drittbegünstigung nur dann als Korruptionsdelikt fassbar, wenn sich die Drittfinanzierung als mittelbarer, dann in der Regel immaterieller Vorteil des unmittelbar nicht profitierenden Amtsträgers darstellen ließ. Die (frühere) Rechtsprechung ist diesen Weg gegangen - der weitaus größte Teil der höchst- und obergerichtlichen, sich mit den genannten immateriellen Vorteilen beschäftigenden Judikate hatte Fallkonstellationen zum Gegenstand, in denen es (lediglich) um den immateriellen Reflex eines an sich, d. h. in natura einem Dritten zugedachten Vorteiles geht. 2 2 Durch das am 20. 8. 1997 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Korruption (KorrBG), das den (vorläufigen) Abschluss einer 1974 beginnenden, dauernden Verschärfung der Bestechungstatbestände bildet, wurde nunmehr auch der Fall ausdrücklich poenalisiert, in dem der Amtsträger einen Vorteil nicht für sich, sondern für einen Dritten anstrebt. Den letzten Ausschlag für diese Gesetzesänderung mag die in Bezug auf den reinen Altruismus (z. B. das Geheimbleiben des „Spendensammlers") zumindest programmatisch standfeste Rechtsprechung 23 gegeben haben. Darüber hinaus dürfte die alle denkbaren Möglichkeiten der Vorteilsgewährung erfassende Verschärfung der Korruptionsdelikte kriminal-politisch überfällig gewesen sein, nachdem der „Umweltkriminalität", dem „Terrorismus" und der „Organisierten Kriminalität" bereits mit neuen, verschärften Strafgesetzen legislatorisch ein immer unnachgiebiger werdender harter, aus kritischer Perspek20 Eb. Schmidt а. а. O., S. 9; i. E. ebenso: Klug JZ 1960, 724; Geerds, Über den Unrechtsgehalt der Bestechungsdelikte, 1961, S. 67. 21 Vgl. Gribl, Der Vorteilsbegriff bei den Bestechungsdelikten, 1992, S. 7 f. 22 Vgl. die Rechtsprechungsanalysen bei Bauchrowitz а. а. O., S. 31 ff.; Gribl а. а. O., S. 19 ff. 23 Vgl. BGHSt 35, 128, 133.

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tive gleichwohl ein eher symbolischer, weil weitgehend ineffektiver Kampf angesagt worden war. 2 4 Wie auch bei der sonstigen, in den letzten Jahrzehnten deutlich mehr von der Tages- als von einer rationalen Kriminalpolitik dominierten Straf-Gesetzgebung sind in der Praxis auch in das Visier des neuen Korruptionsstrafrechts weniger bzw. nicht nur die angezielten angeblich massenhaft mafiosen Verstrickungen von Wirtschaft und Verwaltung, als vielmehr auch Fallkonstellationen geraten, deren generelle Strafwürdigkeit füglich bezweifelt werden kann. 2 5 Schon wegen ihrer immens hohen Zahl - allein i m Zuge des Herzklappenskandals gab bzw. gibt es in den letzten 10 Jahren fast 2000 Ermittlungsverfahren - gehören auch die zur Diskussion stehenden Fälle der durch Drittmittel geförderten Forschung in diesen Kontext: Wo früher noch die Eitelkeit und die Karrieresucht des Forschers ggf. hätte zitiert werden müssen, genügt es heute, dass die eingeworbenen Mittel an einen Dritten, z. B. die Institution, an der der Amtsträger seiner wissenschaftlichen Tätigkeit nachgeht, gelangen. Das muss umgekehrt allerdings die Frage erlauben, ob der immaterielle Vorteil überhaupt noch eine Existenzberechtigung i m Gefüge der §§ 331 ff. StGB hat, oder ob nicht das KorrBG hinreichenden Grund gibt, unbestimmbare, d. h. injustiziable Größen wie Karrierechancen, Befriedigung von Eitelkeit, Verbesserung des Arbeitsklimas etc. endgültig aus dem Kanon der korruptiv erlangbaren„Vorteile" herauszunehmen. Die Rechtsprechung ist offenbar (noch) nicht bereit, der insoweit schon von Eb. Schmidt 2 6 eingeklagten Rechtsstaatlichkeit Tribut zu zollen. Das O L G Karlsruhe hat jedenfalls noch kürzlich 2 7 in der Verbesserung von Karrierechancen einen Vorteil i.S. des § 332 (!) StGB gesehen. 28 Gegen die Beschränkung des „Vorteils" auf eine materielle, d. h. vor allem eindeutig objektivierbare Besserstellung des Amtsträgers bzw., soweit dieser umfassend altruistisch gehandelt hat, eines Dritten 2 9 lässt sich kaum vorbringen, dass (auch) die In-Aussicht-Stellung bzw. Gewährung immaterieller Vorteile zu korrupten Verhalten verleiten könnten. Dass „Ruhmsucht" ebenso wie auf materielle Güter bezogene Begehrlichkeit menschliches Handeln motivieren kann, ist unbestreitbar. Zu beachten ist aber, dass die Vergabe z. B. eines umfänglichen Forschungs24 Zur Kritik am KorrBG vgl. hier nur Hettinger, NJW 1996, 2263. 25 Zur vergleichbaren Situation bei der Geldwäsche (§ 261 StGB), die weniger - wie beabsichtigt - die Organisierte Kriminalität, dafür v. a. aber die Strafverteidigung existentiell bedroht vgl. Bernsmann, StV 2000, 40. 26 Deutlich kritisch zu „unmateriellen Vorteilen" in Zusammenhang mit der Steigerung wissenschaftlicher Repulation neuerdings: BGH a.a.O. Fn. 5a. 27 OLG Karlsruhe StV 2001, 288. 28 Vgl. auch OLG Köln Beschl. v. 21. 9. 2001 - 2WS 170/01. 29 Auch Institutionen können immateriell besser gestellt werden, wenn z. B. durch Auftragsvergaben an sie ihr Ruhm vermehrt wird.

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auftrages allenfalls die Chance zur Positionsverbesserung in sich trägt. Anders als etwa bei zugewendetem Geld beherrschen weder der Geber noch der Empfänger den Eintritt des entsprechenden „Erfolgs". Wer aber den Eintritt eines „Vorteils" nicht beherrscht, kann weder aktiv noch passiv Täter eines Bestechungsdeliktes sein. Wenn immer die Rechtsprechung zum immateriellen Vorteil in erster Linie dem kriminalpolitischem Kalkül entsprungen ist, die Gewährung von Drittvorteilen bzw. deren Empfangnahme (doch noch) zu pönalisieren, so hat das KorrBG durch die Einbeziehung der Drittmittel diese Lücke durch die unmittelbare Einbeziehung von Drittvorteilen ausreichend gefüllt. Was die hier nicht zur Diskussion stehende Erfüllung sexueller Begehrlichkeiten angeht, so durfte es sich bei zunehmend verrechtlichter Kommerzialisierung dieser Sphäre aus heutiger Sicht i m Übrigen auch insoweit kaum noch um „immaterielle" Vorteile handeln. Unter diesen gewandelten Voraussetzungen kann sich das Korruptionsstrafrecht ohne Not endgültig vom immateriellen Vorteil verabschieden 30 - ansonsten wird demnächst auch noch über immaterielle Drittvorteile nachgedacht werden müssen! 3. Aber damit wäre den zunehmend auf Drittmittel angewiesenen Universitätsangehörigen noch längst nicht umfassend geholfen. Für sie kommt es vielmehr entscheidend darauf an, ob von dritter Seite bezahlte Arbeit sie in Korruptionsverdacht bringen kann - sei es, dass der für Dritte forschende (arbeitende) Amtsträger für seine Tätigkeit eine Vergütung erhielte, sei es, dass ein Dritter der Universität Mittel zur Verfügung stellt, die in der Regel über eine drittmittelverwaltende Stelle zurück zu dem Amtsträger fließen, der - unter welchen Vorzeichen auch immer - mit dem Vertragspartner (Spender, Sponsor) in Beziehung stehen mag. Hier geht es eindeutig um messbare materielle Besserstellungen des Amtsträgers bzw. eines Dritten; die Zuwendungen gehen zudem über die bloße Ermöglichung einer Dienstausübung bzw. -handlung hinaus 3 1 , so dass eine Strafbarkeit nach §§ 331 ff. StGB jedenfalls auf den ersten Blick nicht am Merkmal des „Vorteils" zu scheitern scheint. Diese Betrachtung ließe allerdings außer Betracht, dass die Zuwendungen an den Amtsträger oder/und den Dritten in der Regel bzw. ausnahmslos auf Grund eines zwischen den jeweiligen Beteiligten geschlossenen Vertrages erfolgen. Insoweit scheint es keinesfalls unplausibel, wenn die Vertreter eines schlagwortartig als „Vertragslösung" zu bezeichnenden Konzepts einen „Vorteil" i.S. der §§ 331 ff. StGB ablehnen, weil bzw. soweit ein wirksamer Anspruch auf die Leistung bestehe. 32 30 So im Ergebnis auch LG Bonn StV 2001, 292; in der Tendenz ähnlich etwa: SK-Rudolphi, §331,Rn. 21. 31 Zu der insoweit möglichen Tatbestandsrestriktion vgl. oben. 32 Vgl. Lüderssen JZ 1997, 112, 114 f., Zieschang WissR 1999, 111 (118 ff.); ders. StV 2001, 290, 291; wohl auch Tröndle/Fischer, § 331, Rn. 11.

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So sehr diese Lösung den auf Drittmittel angewiesenen Universitäten und Hochschulen in ihrem berechtigen Anliegen, vor störenden justiziellen Zugriffen weitestmöglich bewahrt zu werden, auch entgegenkommt, sie muss sich gegen Widerspruch von höchster Stelle zur Wehr setzen: Für den B G H ändert ein noch so ausgewogenes Vertragsverhältnis, das einen Anspruch des Amtsträgers, seiner Anstellungskörperschaft oder einer anderen Rechtspersönlichkeit begründet, nichts am Vorliegen eines „Vorteils", weil dieser „bereits i m Abschluss eines Vertrages liegen kann, der Leistungen an den Amtsträger zur Folge hat, und zwar selbst dann, wenn dieser nur das angemessene Entgelt für die von ihm selbst aufgrund des Vertrags geschuldeten Leistungen sind . . . " Anderenfalls könnten die Bestechungstatbestände „stets durch die Vereinbarung eines Vertragsverhältnisses zwischen Amtsträger und Leistungsgeber ausgeschlossen" werden. 3 3 Diese Sichtweise überzeugt nicht: Dass ein durchgeführter Vertrag kein „Vorteil" ist, weil der Leistung eine Gegenleistung gegenübersteht, wohl aber der bloße Abschluss eines solchen Vertrages, ist wenig einsichtig. Aus strafrechtlicher Perspektive steht der mit Abschluss des Vertrages eröffneten „Exspektanz" als Äquivalent die „Gefahr" gegenüber, entsprechend der Vereinbarung tätig werden zu müssen. Das (Aus)Tauschverhältnis ist keine Funktion der Zeitachse: einer Leistung entspricht eine Gegenleistung, einer Leistungserwartung die Erwartung einer Gegenleistung. Auch die mafiös-konspirative Beziehungen und Verstrickungen unterstellende Umgehungsbefürchtung des B G H wirkt recht konstruiert: Immerhin könnten zivilrechtliche Nichtigkeitsgründe und das Kriterium des angemessenen Preis-Leistungsverhältnisses als Korrektive einer sich dann auch strafrechtlich behauptenden Vereinbarung in Betracht kommen. 3 4 Letzterer Einwand gegen die Argumentation des B G H kann allerdings auch nicht sonderlich überzeugen: Zum einen würde der vorgeschlagene Rekurs auf die zivilrechtlichen Nichtigkeitsgründe notwendig zu der Frage führen, ob der in Rede stehende Vertrag etwa gegen § 134 BGB verstößt; ein wesentlicher Nichtigkeitsgrund ist aber insoweit der Verstoß gegen ein Strafgesetz (sowie der Versuch der Umgehung eines solchen Verbots) 35 und als ein solches Verbotsgesetz kommen u. a. die §§ 331 ff. StGB in Betracht. A u f diese Weise bekommt die „Lösung" inversiven Charakter. Abgesehen davon wird man zugestehen müssen, dass die Annahme, nur der angemessene Preis nehme einer Leistung ihren Vorteilscharakter, keinen Gewinn an Rechtssicherheit darstellt. Insbesondere das Untreuestrafrecht lehrt in diesem Zusammenhang, dass die Justiz schon deshalb gerade nicht zur Preiskontrolle taugt, weil ihr die Realität des Wirtschaftslebens eher fern liegt. Für den Wissenschaftsbetrieb dürfte Ähnliches gelten. Hier wird es den Unternehmen, die Dritt33 BGHSt 31, 264, 279 f.; HansOLG Hamburg StV 2001, 284, 285; vgl. auch SK-Rudolphi, § 331, Rn. 20. 34 So etwa: Zieschang StV 2001, 241. 35 Palandt-Heinrichs, § 134 BGB, Rn. 23, 29.

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mittel vergeben, häufig, wenn nicht in der Regel um die Zusammenarbeit mit besonders befähigten und/oder besonders spezialisierten Amtsträgern gehen. Für deren Leistungen gibt es aber dann keinen Markt, der als Orientierungspunkt für angemessene Preise fungieren könnte. I m Gegenteil ist es gerade Kennzeichen eines solchen Marktes, dass ein „Monopolist" (fast) jeden Preis verlangen kann. Wie wollen aber die Vertreter der „Vertragstheorie" und - falls sich ihr Vorschlag in der Praxis durchsetzen sollte - die Justiz „angemessene" Preise bestimmen? Ob der Bundesgerichtshof auf seiner Definition des „Vorteils" in den Vorschriften der § § 3 3 1 ff. StGB beharren wird, muss sich noch zeigen. Immerhin ging es zum einen in der bislang noch als leading case zum Vorteilsbegriff geltenden Entscheidung des B G H nicht um einen forschenden Amtsträger, sondern um den Vorstand einer Landesbank 3 6 und zum anderen hat der B G H immerhin an anderer Stelle eine ausschließlich „private" Vereinbarung dann nicht als für den Amtsträger nachteilhaft angesehen, wenn Leistung und Gegenleistung in einem marktgerecht ausgewogenen Verhältnis stehen 37 . Eine andere, durch das KorrBG möglicherweise indirekt gelöste Frage ist, ob Zuwendungen, die nicht unmittelbar an den für das externe Unternehmen arbeitenden Amtsträger, sondern an die Institutionen gehen, in der bzw. für die er seine Dienste versieht, wirklich an einen „Dritten" gehen und als sog. Drittvorteil dann prinzipiell den Zugriff auf die §§331 ff. StGB eröffnen. Insoweit herrscht denkbar große Rechtsunsicherheit: Als Anknüpfungspunkte einer fast durchweg für geboten erachteten restriktiven Auslegung kommen der Begriff des „Vorteils" 3 8 oder des „ D r i t t e n " 3 9 in Betracht und es wird sogar eine (übergesetzliche) Rechtfertigung bemüht. 4 0 Richtig dürfte in diesen Fällen die Annahme sein, dass ein „Vorteil", der einer Institution der Öffentlichen Verwaltung in der dafür erforderlichen Form, d. h. v.a. unter Beachtung der Gebote der Transparenz und Dokumentation, 4 1 zugewendet wird, nicht an einen „Dritten" i. S. d. §§ 331 ff. geht. Der Wortlaut des Gesetzes streitet nicht für diese Sichtweise; er steht ihm allerdings auch nicht entgegen. Ein Blick in die Gesetzesmaterialien ist ebenfalls unergiebig - allenfalls wird deutlich, dass der Gesetzgeber (dem auf dem Felde der Strafgesetzgebung in den letzten Jahrzehnten ohnehin größere Sorgfalt nicht nach36 Vgl. BGHSt 31, 279. 37 Vgl. BGH Urt. v. 3. 2. 1991-2 StR 132/91; dazu auch Zieschang WissR 1999, 119 f. Zu Optimus Veranlassung gibt insoweit die neueste Entscheidung des BGH (a.a.O. Fn. 5a), die - salopp - als „Genehmigungslösung" bezeichnet werden konnte - dazu auch schon Bernsmann, WissR 2002, S. 1 ff. Vgl. T / F § 331, Rn 27. 39 LG Bonn StV 2001, 292. 40 Schönke-Schröder-Cramer 38

§ 331 Rn 536; Cramer, FS Roxin 2001, 945.

41 Vgl. dazu auch: Dieners/Lembeck/Taschke, S. 17 ff.

PharmR 1999, 156; Bernsmann a. а. О.,

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gesagt werden kann) nicht daran gedacht hat, dass auch die Anstellungskörperschaft des Amtsträgers „Dritter" sein könnte. 4 2 Was dann üblicherweise bleibt, ist der notorische Rückgriff auf den Gesetzeszweck 4 3 Dabei gleicht der Norminterpret dem Zauberer, der - zum Staunen aller einen Hasen aus dem Hut „zaubert", den er allerdings zuvor dort deponiert haben muss. Ohne an dieser Stelle auf den Streit um die konkrete Bestimmung des Rechtsgutes der §§ 331 ff. StGB, der bei einigen Protagonisten nicht ganz frei von Realitätsferne und/oder Heuchelei sein und die „Präventivwirkung des Nicht-Wissens" (Popitz) zu gering schätzen könnte, näher einzugehen, spricht ein starkes, teleologisch-wissenschaftspolitisch angereichertes systematisches Argument dafür, jedenfalls in Zusammenhang mit §§ 331, 333 StGB die Anstellungskörperschaft des Amtsträger-Forschers, d. h. regelmäßig die Hochschule, nicht als „Dritten" zu betrachten: Staatliche Hochschulen und die dort arbeitenden Forscher müssen nicht nur untereinander konkurrieren, sie konkurrieren auch mit den verschiedensten nichtstaatlichen nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen. Werde letztere, z. B. eine private Universität von Seiten der Industrie für ihre Forschung bezahlt, wird niemand auf die Idee kommen, das Ansehen dieser Universität würde beeinträchtigt, weil mit dem Auftraggeber auch sonst geschäftliche Beziehungen bestehen. I m Gegenteil - wie bei staatlichen Hochschulen wird die eingeworbene Drittmittelforschung als Indikator der Bedeutung der Forschungseinrichtung beansprucht werden. Dieser privaten Forschung setzt das Strafrecht keine den §§ 331, 333 entsprechende Grenzen: § 299 StGB greift (allenfalls) dann, wenn eine „unlautere Bevorzugung" des Auftraggebers sich mit der Übernahme seines Auftrags verknüpft. Die §§ 331, 333 stehen dagegen schon an, wenn der (Dritt-)Vorteil „irgendwie" mit der (nicht-pflichtwidrigen) Dienstausübung in Zusammenhang gebracht werden kann. M i t dieser Bedrohung des staatlichen Forschens durch das Korruptionsstrafrecht verbindet sich mithin eine massive Behinderung bzw. Benachteiligung des forschenden Amtsträgers i m Verhältnis zu seinem privat beschäftigen Konkurrenten. Warum der eine bei gleichem Sachverhalt ein Ermittlungsverfahren fürchten muss, während der andere stolz sein darf auf seine nach Außen gedrungene wissenschaftliche Bedeutung, ist unerfindlich. Eine Möglichkeit, strafrechtliche Chancengleichheit herbeizuführen, ist, zumindest in den §§ 331, 333 StGB die Anstellungskörperschaft des Amtsträgers nicht als „Dritten" zu betrachten. Ob das wirklich ein Weg zur Erzielung eines kaum bestreitbar wünschenswerten Ergebnisses ist, muss gewiss noch näher untersucht werden. Das Strafrecht sollte sich dem Sektor der Wissenschaft allerdings grundsätzlich nicht nur wegen des durch Art. 5 Abs. 3 GG abgesicherten besonderen Status wesentlich sensibler nä42 Bgl. BT-Drucks. 13/3353; BR-Drucks. 553/967. 43 Vgl. dazu hier nur: Lackner/Kühl § 331 Rn 1.

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hern, als das mit dem beim Wort genommenen viel zu grobschlächtigen §§ 331 ff. möglich ist. Das Wissenschaftsrecht, das dem Jubilar so viel verdankt, scheint die Besonderheiten und die besondere Bedeutung dieses Sektors der Gesellschaft schon längst erkannt zu haben.

Zur Kostentragungspflicht der Dienststelle Frank Bieler

I. Ausgangssituation Wenn sich Kostenfragen i m Personalvertretungsrecht stellen, werden gleichsam einleitend die leeren Kassen der öffentlichen Haushalte, die haushaltsrechtlichen Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und die Frage der Notwendigkeit der Ausgabe beschworen 1 . M i t diesen Begriffen werden nach weitgehend übereinstimmender Auffassung die Determinanten von Ausgaben definiert, wobei die Frage danach, wie weit die Begriffe Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit zu spannen sind, unterschiedlichen Auffassungen zugänglich sind. Diesen tatsächlichen und rechtlichen Aspekten ist auch der hier zu Ehrende bereits 1985 2 , 1989 3 und in der fortlaufenden Kommentierung des Personalvertretungsrechts in Baden - Württemberg 4 nachgegangen und hat dazu Stellung bezogen. Bei der Betrachtung der Entwicklung über den hier angesprochenen Zeitraum hinweg zeigt sich einerseits, dass die determinierenden Aspekte nach wie vor Maßstab der Kostentragungspflicht der Dienststelle geblieben sind. Einzelne Landesgesetzgeber haben die haushaltsrechtliche Grenze ausdrücklich in den Wortlaut der entsprechenden Kostentragungs-Vorschrift aufgenommen 5 und damit auftretende Zweifelsfragen geklärt. Andererseits haben aber auch die zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen der Technologien und Kommunikation sowie in der Verwaltung selbst neue Notwendigkeiten mit sich gebracht. Denen Rechnung zu tragen, erfordert neue Ansätze und Interpretationen und verlangt die Anpassung überkommenen Verständnisses.

1 So schon Verf. 1979: Welche Kosten der Personal Vertretung trägt die Dienststelle?, PersV 1979, 177. 2 Leuze, Dieter, Zur Kostentragungspflicht der Dienststelle, PersV 1985, 105. 3 Leuze, Dieter, Anmerkungen zum Recht des Personalrates auf Herausgabe eines Informationsblattes, ZTR 1989, 468; dslb., § 45 in: Widmaier/ Leuze / Wörz, Das Personalvertretungsrecht in Baden - Württemberg, Kommentar, Bielefeld, 1. Erg.-Lief. Oktober 1989. 4 Weitere Bearbeitung des § 45 in (jetzt): Leuze /Wörz/Bieler, Das Personal Vertretungsrecht in Baden - Württemberg. 5 So z. B. § 37 des niedersächsischen Personal Vertretungsgesetzes von 1994.

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II. Haushaltsrechtliche Grenzen Gewisse Anzeichen für eine solche Anpassungsentwicklung lassen sich z.T. in der Rechtsprechung nachweisen, indem etwa das Bundesarbeits- und das Bundesverwaltungsgericht ihr Verständnis bei der Auslegung gleich lautender Tatbestände i m Betriebsverfassungs- und i m Personalvertretungsrecht einander annähern 6 . Bezüglich der Kosten, die von Arbeitnehmervertretungen - gleich auf welcher rechtlichen Grundlage - verursacht werden, bestehen indes Unterschiede. In allen Gesetzen wird die Kostentragungspflicht auf die notwendigen Kosten beschränkt 7 . Während jedoch die privatrechtlich wirksame Regelung des Betriebsverfassungsrechts in ihrer Auswirkung auf einen ent- oder belastenden Interessenausgleich zwischen den Positionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern beschränkt wird, bleibt die Haushaltsbindung ein spezifisch öffentlich-rechtlicher Tatbestand und korrespondiert mit dem Budgetrecht des Haushaltsgesetzgebers, der allerdings auch ein Satzungsgeber, etwa bei den Kommunen oder den anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, sein kann. In allen Fällen stellt sich diese Eingrenzung aber als eine politisch vorgegebene und demokratisch legitimierte Determinante dar.

1. Haushaltsbindung Aus der Eigenschaft der Haushaltsbindung der Ausgaben folgt für die Personalräte mithin die Begrenzung der Höhe möglicher Ausgaben auf die Höhe der eingeplanten Mittel. Betrachtet man aber die Tatsache, dass die Personalräte selbst nicht rechtsfähig sind 8 , so stellt sich die Frage danach, wer denn die Mittel ausgibt. Nach den jeweiligen personalvertretungsrechtlichen Vorschriften ist dies i m Regelfall die Dienststelle. Alternativ besteht in einigen Bundesländern 9 die ausdrückliche gesetzliche Möglichkeit, der Personalvertretung die Mittel auch zur Eigenbewirtschaftung zuzuweisen; dann dürfte in der Zuweisung die Ermächtigung zu sehen sein, als Personalrat eigenständig ausgabewirksam zu handeln 1 0 . Da der Personalrat als Teil der Dienststelle auch Teil der Verwaltung ist, greifen die Bindungen ihn unmittelbar und er hat die Aufgabe, seine Ausgaben gemäß dem Haushaltsrecht vorzunehmen. Er ist dann also selbst für die Einhaltung der Haushaltsgrundsätze verantwortlich, ohne allerdings die Dienststelle von ihrer Kontrollfunktion zu befreien. 6

Vgl. dazu auf die Arbeitnehmermitbestimmung und die Begrifflichkeiten: Edenfeld, Stefan, Arbeitnehmerbeteiligung im Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht, Köln 2000, 219 ff., 339 f. 7 Vgl. Verf., § 42 Rdnr. 1 in: Bieler /Plassmann/ Vogelgesang / Schröder-Printzen, Landespersonalvertretungsgesetz Sachsen - Anhalt, Berlin 1993, Stand Dezember 2001. 8 Leuze, Dieter, in: Leuze/Wörz/Bieler, § 45 Rdnr. 2. 9 Vgl. z. B. § 35 Abs. 4 PersVG Mecklenburg - Vorpommern. 10 Verf. in: Bieler/Plassmann/Vogelgesang/Schröder-Printzen, § 42 Rdnr. 18.

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Da sich aus haushaltsrechtlichen Verstößen dann mangels Rechtsfähigkeit keine Konsequenzen herleiten lassen, käme allenfalls die Rückgriffshaftung für einzelne Personalratsmitglieder in Betracht. Dies lässt sich jedoch nur dann realisieren, wenn Ansprüche Einzelner betroffen sind, wie z. B. Reise- oder Schulungskosten, bei einer auf Mehrheitsbeschluss des Personalrates beruhenden Ausgabe wäre die Verantwortlichkeit schon mangels Nachweises der Beschließenden kaum möglich. Nicht unproblematisch bleibt bei Übertragung der Bewirtschaftung auch die Kontrolle deshalb, weil die überwachende Zugriffsmöglichkeit für die Dienststelle fehlt. Geht man von der normalerweise korrekten Bewirtschaftung der Mittel aus, so ist auch die Verantwortung dafür, mit den Mitteln auszukommen, auf den Personalrat übertragen, während bei Bewirtschaftung durch die Dienststelle dieser aufzugeben wäre, den Personalrat davon zu informieren, wenn die Mittel sich erschöpfen sollten 1 1 . Dies darf allerdings nicht dahin verstanden werden, dass jede nur erdenklich weitere Ausgabe letztlich bei Ausschöpfung der Mittel von vorn herein ausgeschlossen wäre. Das Haushaltsrecht selbst eröffnet die Möglichkeit zu über- oder außerplanmäßigen Ausgaben und sie sind deshalb auch als grundsätzlich möglich anzusehen, sofern die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen 1 2 , anderenfalls müssen der Personalrat oder das einzelne Mitglied i m Personalrat die Mittel selbst aufbringen, wenn sie trotz der Erschöpfung der Deckungsmittel ausgabewirksam handeln 1 3 . Bei einer solchen Konstellation erübrigt sich die Frage einer Vorschussgewährung nahezu 1 4 . Gleichwohl kann eine dahin gehende Forderung erhoben werden, wenn etwa Kosten für eine Schulung bereits mit Anmeldung zu entrichten sind und ein Personalratsmitglied auf Beschluss des Personalrates an einer solchen teilnehmen soll. Hier die Vorschusszahlung, bzw. die Entrichtung der Kosten vor Beginn der Schulung zu verweigern, hieße letztlich die Personalratsarbeit zu behindern. In möglichen anderen Fällen dürfte allerdings die Sicherheit des „Schuldners" Dienststelle eine Vorschussgewährung nicht erforderlich machen, zumal von einer Personal Vertretung beauftragte Rechtsanwälte oder Sachverständige ausreichend sachkundig sein müssten, um Notwendigkeit der Tätigkeit bzw. die Rechtsnatur der Personalvertretung einschätzen zu können.

2. Keine Behinderung Auch bei Erschöpfung der Haushaltsmittel ist nicht davon auszugehen, dass der Dienststellenleiter ohne weiteres befugt ist, deshalb jede weitere Ausgabe abzuleh11 BVerwG, Beschl.v. 24. 11. 1986-6 Ρ 32.85 - PersV 1987, 422. 12 BVerwG, Fn. 11. 13 BVerwG, Beschl.v. 4. 2. 1988-6 Ρ 23.85 - PersV 1988, 501 (502). 14 Vgl. dazu ausführlich: Dieter Leuze in Leuze / Wörz / Bieler, § 45 Rdnr. 3. 6*

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nen. Denkbar sind unvorhersehbare, insbesondere unvermeidbare Ausgaben, für deren Deckung dann um Nachbewilligung nachgesucht werden muss. Erst wenn diese Bemühungen erfolglos bleiben, kommt eine endgültige Ablehnung in Betracht 1 5 . Angesichts der Verpflichtung zu vertrauensvollen Zusammenarbeit kann insoweit nicht übersehen werden, dass unterlassene Bemühungen um eine solche Deckung des Bedarfs gegenüber der Personalvertretung nicht als vertrauensfördernde Maßnahme anzusehen wäre, sondern das Verhalten als unzulässige Behinderung der Personalratstätigkeit bewertet werden müsste. Eine Behinderung der Personalratstätigkeit läge auch dann vor, wenn die Dienststelle von einer übergeordneten Dienststelle keine Mittel für ihre Personalvertretung zugewiesen erhält. I m Sinne des Verständnisses von Rechtsmäßigkeit und Einheit der Verwaltung und angesichts der hierarchischen Strukturen wäre die generelle Verweigerung durch die übergeordnete Dienststelle dem Dienststellenleiter der unterstellten Behörde unmittelbar zuzuordnen und verlangte von ihm alle möglichen Bemühungen, um den Personalrat mit den notwendigen Mittel auszustatten. Nach Auffassung des O V G B e r l i n 1 6 hat der Dienststellenleiter des „Not leidenden" Personalrates dann für die Bewilligung der Mittel einzustehen. Wie dies allerdings zu realisieren wäre, steht dahin. Eine Verpflichtung des Dienststellenleiters kann sich dann nur auf Kostentragung aus den Titeln der allgemeinen Dienststellenmittel beziehen. Damit tritt ggf. jedoch ein Konflikt zur Aufgabenerledigung auf, der angesichts der Verpflichtung zu dieser kaum durch Optimierung gelöst werden kann. Auch wenn diese Folge zunächst schwer nachvollziehbar erscheint, ist doch zu berücksichtigen, das die Ausstattung von Dienststellen mit Haushaltsmittel einen internen Vorlauf hat, der den Interessen aller gerecht werden muss. Dem Einsatz von Mitteln in den Haushaltsplan geht regelmäßig und nach dem Annuitätsprinzip auch jährlich ein Ermittlungsvorgang voraus, in dem der notwendige Mittelbedarf angemeldet und weiter gegeben werden soll und muss. I m Pflichtenkanon des personalvertretungsrechtlichen Miteinanders muss deshalb auch eine dementsprechende Abstimmung zwischen Personalrat und Dienststellenleiter enthalten sein, in der der voraussichtliche notwendige Mittelbedarf vollständig ermittelt und in die Aufstellung des Haushaltsplanes einzubringen i s t 1 7 . Soweit dies den gesetzgeberischen Bereich betrifft, scheint eine Lösung wegen der allumfassenden Kompetenz der Parlamente fast unproblematisch, schließlich hat es der Gesetzgeber dann auch in der Hand, den Kostenrahmen für die von ihm durch Gesetz festgelegten Aufgaben zu bestimmen und dem Verlangen Ausdruck zu geben, in bestimmten Bereichen zu reduzieren. So wird die Begrenzung jedenfalls dort möglich sein, wo nicht - wie etwa i m Freistaat Sachsen - die Mitbestimmung durch Personalräte verfassungsrechtlich vorgegeben ist und damit die Ausstattung der Personalvertretungen mit 15 OVG Berlin, Beschl.v. 3. 4. 2001 - 7 0 PV 1.99 - ZfPR 2001, 266. 16 Beschl.v. 3.4. 2001-Fn 15. 17 VG Koblenz, Beschl.v. 1. 3. 2001 - PK 2877/00 КО - PersV 2001, 462.

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den Mitteln, die sie zur Erfüllung eben dieser Aufgaben benötigen, auch von Verfassungs wegen zur Verfügung zu stellen sind. Eine andere Betrachtung wäre jedoch dann gerechtfertigt, wenn Budgetierungen vorgenommen werden. Der Trend zur Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente in der Verwaltung hat - vornehmlich in den kommunalen Gebietskörperschaften - zur Budgetierung von Amtern, Fachbereichen, Funktionsgruppen und auch von Personalräten geführt. Die Mittel werden mithin in einem festen, i m Regelfall allerdings auch vorher vereinbarten Rahmen zur eigenständigen und i m Sinne einer rechtmäßigen Verwendung eigenverantwortlichen Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt. In einem damit geschaffenen Rahmen ist der Personalrat allerdings nicht als frei zu betrachten, auch hier bleiben die rechtlichen Bindungen an Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit bestehen und unterliegen der Prüfung durch den Dienststellenleiter oder das Rechnungsprüfungsamt. Eine Reduzierung der Tätigkeit von Personalvertretungen durch Mittelkürzung vornehmen zu wollen, bleibt demgegenüber bei den anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts durchaus denkbar. Obwohl eine korrekte Ermittlung und Anmeldung erfolgt ist, bleibt es nicht ausgeschlossen, dass der demokratisch legitimierte Haushaltssatzungsgeber in der Vielzahl der Kommunen und anderen juristischen Personen den Anmeldungen nicht entspricht. Ebenso bleibt es auch denkbar, dass übergeordnete Behörden, die Regierungsgewalt i.S. des § 104 BPersVG ausüben, Mittel sperren. In beiden Fällen entschieden Gremien der Exekutive und grenzten die Ausübung der gesetzlich vorgesehenen Personalratstätigkeit ein. Dies erscheint zunächst fragwürdig, weil ein gesetzlicher Auftrag reduziert würde. Zu berücksichtigen bleibt dabei jedoch, dass die Mittelverwendung jedenfalls in den kommunalen Gebietskörperschaften und den anderen als Verwaltungsträger tätigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts einem ebenfalls demokratisch gewählten Entscheidungsträger überlassen bleibt, so dass es auch legitim erscheinen muss, dass dieser Entscheidungsträger die Mittelbewirtschaftung vorgibt und damit auch Grenzen zu ziehen vermag. Allerdings wird dabei darauf zu achten sein, dass die Begrenzung die Tätigkeit als solche weder unmöglich macht noch zur Bedeutungslosigkeit diminuiert. Aus dem Etatrecht der einzelnen Beschlussgremien folgt demzufolge keine allgemeine Berechtigung zur Wahl, welche Aufgaben erfüllt werden und welche liegen zu bleiben haben. Die Entscheidungskompetenz findet ihre Grenze in der unverzichtbaren Mindestausstattung mit finanziellen Mitteln zur Erfüllung der Grundaufgaben der Personalvertretung 18 . Demgegenüber wird die Verpflichtung, die Kosten zu tragen, innerhalb eines Organisationsstranges der Verwaltung nicht zur Disposition einer übergeordneten Behörde gestellt. Hier kann nur, wie das O V G Berlin zutreffend entschieden hat, der Dienststellenleiter sich die mangelhafte Mittelausstattung zurechnen lassen müssen. Es kann andererseits aber keinem Zweifel unterliegen, dass die Personal18 Verf., § 37 Rdnr. 10, in: Bieler/Müller-Fritzsche, Niedersächsisches Personalvertretungsgesetz (NPVG), 10. Auflage, Wiesbaden 2000.

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Vertretungen an den allgemeinen Haushaltskürzungen ebenso teilhaben müssen, wie an globalen Minderausgaben oder Haushaltssperren. Nur eine exekutive, eigenmächtige Kürzung von Mitteln zum Nachteil der Personalvertretungen steht außerhalb des gesetzlich Zulässigen; der Vollzug des Haushaltsgesetzes mit den in diesem enthaltenen Ermächtigungen zur Mitteleinsparung bleibt hingegen zulässig.

I I I . Notwendigkeit Gesetzlich in den Personalvertretungsgesetzen ist vorgegeben, dass die Mittel für notwendige Ausgaben zu erstatten sind. Dass dies sich zunächst auf die gesetzlichen Aufgaben der Personal Vertretungen bezieht, steht außer Frage; freiwillige oder nicht gesetzlich vorgesehene Aufgaben scheiden von der Kostenerstattung aus 1 9 . Die eingangs angesprochenen Veränderungen haben jedoch auch hinsichtlich einer als notwendig zu erachtenden Ausstattung der Personalvertretungen neue Aspekte mit sich gebracht.

1. Ausstattungsstandard Moderne Kommunikationsmittel sind in der Mehrzahl der Dienststellen Standardausstattung. Dementsprechend scheint nicht vertretbar, sie den Personalvertretungen als nicht notwendig vorzuenthalten, soweit sie der Personalratsarbeit nützlich und dienlich sind, indem sie etwa Arbeitszeit oder Aufwand ersparen. Maßgeblich ist hierbei auch der Umstand, dass die Gesetzgeber, soweit sie in den letzten zehn Jahren die Gesetze novelliert haben, vielfach mit ihren Bemessungen von Freistellungen haben deutlich werden lassen, dass sie den Kanon der gesetzlichen Aufgaben zugrunde legen, zugleich aber auch an die technologischen Fortschritte gedacht haben, die die Arbeit der Personalräte beschleunigen und verkürzen. Gleichwohl kann der Personalrat demgegenüber nicht beanspruchen 20 , eine Ausstattung zu erhalten, die der des Dienststellenleiters vergleichbar ist. Dies folgt schon aus der unterschiedlichen Aufgabenstellung - ist der Dienststellenleiter als oberster Funktionsträger der Dienststelle zugleich auch deren Repräsentant 21 , so ist der Personalrat ein ausschließlich nach innen wirksames Gremium ohne Außenkontakte oder Repräsentationsaufgaben, die eine aufwendigere Ausstattung rechtfertigen könnten 2 2 . Soweit allerdings der Dienststellenleiter i m Hinblick auf Ausstattungsforderungen geltend macht, ihm selbst stehe eine entsprechende Ausstat19 Vgl. dazu: Leuze, Dieter, § 45 PersVG В - W, Rdnrn. 10 ff.; Verf., § 42 PersVG - LSA, Rdnrn. 23 ff. 20 Für das BetrVG: BAG, Beschl.v. 11.3. 1998-7 ABR 59/96 - BB 1998, 1690. 21 Leuze, Dieter, Fragen zu § 25 Abs. 1 LPVG NRW, in: PersV 2001, 544 (550). 22 Verf., PersV 1979,177 (182).

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tung auch nicht zur Verfügung, ist dies kein Maßstab dafür, eine notwendige Ausstattung, wie etwa einen Kommentar zum einschlägigen Personalvertretungsgesetz zu verweigern 2 3 , denn die Rechtsgrundlage für das personalratliche Handeln ist in Form einer Kommentierung unentbehrliches Rüstzeug für die Personalvertretung 2 4 .

2. Ausstattungsmaßstäbe Zu bedenken bleibt unter Notwendigkeitsgesichtspunkten allerdings immer die Frage, in welcher Form den Personalräten bestimmte Materialien zur Verfügung stehen müssen. Der Begriff der Notwendigkeit schließt an eine effektive und wirtschaftliche Arbeitsweise an. Der Personalrat muss mithin mit dem Geschäftsbedarf und den Materialien ausgestattet sein, die die Arbeit erfordert. Er kann nicht darauf verwiesen werden, sich Unterlagen, Fachzeitschriften oder Kommentierungen, einen Tisch, ein Telefon o.ä. erst dann zu besorgen, wenn er es benötigt. Grundlage seiner Ausstattung ist es, zügig und ohne Störungen arbeiten und dabei auf das zurückgreifen zu können, dessen Vorhanden-Sein die Arbeit erfordert. Dies ist indes nicht in allen Dienststellen dasselbe. Unabhängig von der jeweiligen Sachmaterie ist die Frage nach der einfachen oder umständlichen Erreichbarkeit von Ausstattung maßgeblicher Aspekt, also spielen Größe der Dienststelle und Anzahl der Personalratsmitglieder für eine richtige Auslegung des Begriffs der Notwendigkeit eine gewichtige R o l l e 2 5 . Notwendig ist deshalb das, was alle Mitglieder der Personalvertretung für ihre Arbeit und für eine zeitnahe und damit auch noch verwertbare Fachinformation benötigen. Notwendig ist andererseits nur das, was diesem Bedürfnis entspricht. Dass alle Personalratsmitglieder sich in die Arbeit einzubringen haben, steht außer Frage; denn es ist nicht Aufgabe der Personalrats wähl einzelne Beschäftigte einer Dienststelle in die Verantwortung hineinzuwählen, nur um ihnen den besonderen Schutz des Personalvertretungsrechts für Personalratsmitglieder zu gewähren. Der Schutz hat ausschließlich die Funktion, die Tätigkeit ohne Furcht vor Nachteilen oder Beeinträchtigungen zu ermöglichen. Die notwendige Ausstattung und die notwendige Information ist aber regelmäßig an der jeweiligen Erreichbarkeit zu messen. Diese folgt aus der Einbindung in die Arbeit und ist bei dem / der Vorsitzenden oder dem Vorstand anders zu sehen als bei Personalratsmitgliedern, die nicht laufende Geschäfte führen, in Arbeitsgruppen eingebunden sind oder Spezialaufgaben wahrnehmen, sondern ihre Arbeit auf die Teilnahme an Sitzungen und deren Vorbereitung beschränken. Wenn - so gesehen - ein wesentlich aktuelleres Informationsbedürfnis bei den Funktions-

23 Zum BetrVG: LAG Bremen, Beschl.v.3. 5. 1996-4 Та BV 20/96 - BB 1996, 2303. 24 NdsOVG, Beschl.v. 17.5. 1989-17 OVG В 9/88. 25 So zu Recht: Dieter Leuze, § 45 LPersVG В - W, Rdnr. 42; vgl. auch Verf., § 37 NPVG Rdnr. 40.

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trägem anzuerkennen ist, ist andererseits auch eine zeitliche Verzögerung bei den Nicht-Funktionsträgern hinnehmbar. Damit ist auf die Größe des Personalrats z. B. bei der Fachliteratur oder bei einer Fachzeitschrift abzustellen. In kleineren Dienststellen ist es deshalb möglich und hinzunehmen, dass derartiges Material i m Umlaufverfahren zur Kenntnis gegeben und genommen wird, soweit die Information nicht erst dann erfolgt, wenn die nächste bereits vorliegt. Ist hingegen in größeren Dienststellen mit einem entsprechend größeren Personalrat bei einem Umlaufverfahren davon auszugehen, dass die aktuellen Informationen erst dann die letzten Informationsempfänger erreichen, wenn die nächste oder die nächsten aktuellen Informationen sich bereits wieder im Umlaufverfahren befinden, besteht zweifelsfrei die Notwendigkeit für ein zweites Informationsexemplar, das dann allerdings dem Personalrat zur Eigeninformation und zum Verbleib zur Verfügung zu stellen wäre.

3. Auswahlkompetenzen Unter Notwendigkeitsgesichtspunkten ist auch die Art der Information zu sehen, die Frage danach, welche Fachzeitschrift, welcher Kommentar oder welche Literatur zu beschaffen ist. Ein dahin gehender Meinungsstreit ist von Leuze 2 6 dargestellt und i m Sinne der Entscheidungsgewalt des Dienststellenleiters entschieden worden. Dies erscheint zwischenzeitlich nicht mehr ausreichend begründbar. Personalrat und Dienststelle haben sich im vertrauensvollen Miteinander zu bewegen, wie dies alle Personalvertretungsgesetze als zwingende Forderung vorschreiben. Dem würde die einseitige Festsetzung der Informationsquellen durch den Dienststellenleiter widersprechen. Darüber hinaus würde eine Meinungsbildung der Personalvertretung beengt. Jede Informationsquelle birgt die redaktionelle Meinung in sich, gleich ob es sich dabei um eine bewusst neutrale, eine Dienststellen freundliche oder eine gewerkschaftliche Zeitschrift oder einen entsprechenden Kommentar handeln würde. Alle Institutionen stehen indes gleich berechtigt nebeneinander und z. B. die vom Jubilar kritisierten Gewerkschaften nehmen in der Gesellschaft und in den Arbeitnehmervertretungsrecht fest institutionalisierte Aufgaben wahr. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits 1979 zu dieser Funktion ausgeführt 27 : „ . . . die Gewerkschaften (bieten) als die berufenen Vertreter der dienst-, arbeitsund sozialrechtlichen Belange der Beschäftigten in jeder Hinsicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Schulung" und akzeptiert damit auch die Möglichkeit und Praxis einer verbandsnahen Information und ggf. Beeinflussung. Verfassungsrechtlich betrachtet, ist dies auch das Recht der Institutionen die den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG genießen, ohne dass dadurch der Wert der Information Schaden nähme. So betrachtet ergeben sich aus den gesellschaftlichen Veränderungen zusätzlich verstärkte Einbindungen der Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen und Be26 § 45 PersVG B-W Rdnrn. 43, 45. 2v Beschl.v. 27. 4. 1979-6 Ρ 45.78 - PersV 1980, 19(23).

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rufsverbände in das Personal Vertretungsrecht 28 . Auch wenn damit der Interessenkonflikt der Koalitionen zusätzlich in das Personalvertretungsrecht hinein getragen wird, wo er nach der gesetzlichen Formulierung der vertrauensvollen Zusammenarbeit keinen Platz hat 2 9 , schließt dies die Wahl derartiger Informationen über gewerkschaftsnahe Zeitschriften oder Kommentare weder aus, noch stellt es sie in Frage. Informationen, soweit sie die Weitergabe von Äußerungen anderer, wie etwa der gerichtlicher Entscheidungen darstellen, sind verbandsideologisch als wertfrei zu betrachten. Geht man von einzelnen Abhandlungen aus, so mögen diese interessenbezogen formuliert sein, damit unterliegen sie allerdings noch nicht der Zensur durch den Dienststellenleiter, die dieser ausübte, könnte er der Personalvertretung die Informationsquellen vorschreiben. Notwendigkeit kann damit ausschließlich als einschränkender Tatbestand betrachtet werden, wenn die Personalvertretung sachfremde, unqualifizierte und ausschließlich interessenbezogene Informationsquellen von der Dienststelle gestellt verlangen würde. Soweit es sich indes um sachgerechte Publikationen handelt, ist eine Einschränkung des Bezuges i m Hinblick auf Notwendigkeitsüberlegungen nur dann in Betracht zu ziehen, wenn es sich um die Inanspruchnahme doppelter Informationsquellen handeln könnte.

IV. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Doppelte Informationsquellen stellen sich zudem als ein Verstoß gegen Sparsamkeits- und Wirtschaftlichkeitsprinzipien dar. In einer langen Kette von Entscheidungen hat die Rechtsprechung zu den Überlegungen der Sparsamkeit insbesondere bei Inanspruchnahme von Schulungen dahin gehende Grundsätze entwikk e l t 3 0 . Sachverstand in speziellen Fragen benötigt eine Personalvertretung nur einmal, also nur verkörpert in der Person eines Mitgliedes, so dass die Schulung mehrerer Mitglieder in Spezialfragen oder speziellen Rechtsgebieten ausscheidet, demgegenüber steht es selbstverständlich außer Frage, dass alle Personalratsmitglieder die Grundkenntnis der Rechtsgrundlagen ihres Handelns benötigen und deshalb eine ausführliche Grundschulung i m Personalvertretungsrecht beanspruchen können 3 1 . Die Sparsamkeitserfordernisse bedingen damit Eingrenzungen für die Personalvertretungen beim kostenwirksamen Erwerb weiteren Sachverstandes. Diese Überlegungen sind auf andere Tatbestände übertragbar. 28 Vgl. z. B. ausdrücklich § 3 Abs. 1 NPVG. 29 Vgl. dazu: Verf., Motive und Entwicklungslinien personalvertretungsrechtlicher Mitbestimmung, in: Franke /Summer /Weiß (Hrg.),Öffentliches Dienstrecht im Wandel, Festschrift für Walther Fürst zum 90. Geburtstag, Berlin 2002, S. 89 (94). 30 Statt der h.M. und vieler Autoren s. dazu die Ausführungen von Dieter Leuze, in: § 45 PersVG В - W Rdnrn. 19 ff. 31 BVerwG, Beschl.v. 27. 4. 1979-6 Ρ 45.78 - PersV 1980, 19; BVerwG, Beschl.v. 14. 11. 1990-6 Ρ 4.89 - PersV 1991,274.

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1. Kosten der Rechts Verfolgung Sofern innerhalb der Dienststelle rechtliche Meinungsverschiedenheiten auftreten, die sich nicht beilegen lassen, ist es für die Partner des personalvertretungsrechtlichen Miteinanders unerlässlich, diese gerichtlich klären zu lassen, um eine sichere Grundlage für die Zusammenarbeit zu haben. Zu den notwendigen Kosten i m Sinne der Kostentragungspflicht der Dienststelle gehören auch die Kosten einer anwaltlichen Vertretung in diesem Beschlussverfahren aus Anlass der Durchsetzung, Klärung und Wahrung der dem Personalrat zustehenden personalvertretungsrechtlichen Befugnisse und Rechte 3 2 . Diesem i m Kern richtigen Grundsatz liegt die Annahme zugrunde, dass Personalratsmitglieder in der Regel juristische Laien sind und daher die personalvertretungsrechtlichen Rechtsprobleme auch nur bedingt sachkundig beurteilen können. Dies gilt mit Einschränkung sogar auch für Anwälte, für die das Personal Vertretungsrecht eine „abseitige und nicht evident lösbare" Spezialmaterie i s t 3 3 . Bedenkt man in diesem Zusammenhang aber Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, so kann dieser Anspruch sich ausschließlich auf ein Verfahren richten, in dem auch effektiver Rechtsschutz gewährt wird und die Chance besteht, die eigene Auffassung bestätigt zu erhalten. Allgemein wird aus diesen Gründen zu Recht die Kostenerstattung für solche Verfahren abgelehnt, die mutwillig oder von vorn herein erkennbar aussichtslos sind 3 4 . Davon ist unter dem Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten auszugehen, wenn es für den Personalrat offensichtlich ist, dass vor Gericht kein Erfolg erwartet werden kann, die Rechtsverfolgung also bei verständiger Würdigung als aussichtslos erscheinen musste 3 5 . Hierfür wird von der Betrachtung eines außen stehenden normalen Beteiligten auszugehen sein, der für die Kosten selbst einzustehen hätte. Dem Personalrat kann damit nicht jede Bereitschaft zu einem Prozessrisiko untersagt werden, aber dieses muss sich in einem normalen Rahmen halten, anderenfalls handelt die Personalvertretung m u t w i l l i g 3 6 . Eine einschränkende Betrachtung erscheint allerdings auch noch aus weiteren Gründen gerechtfertigt. In das personalvertretungsrechtliche Miteinander sind zwar nicht i m Sinne einer Beteiligung an den innerdienstlichen organisatorischen, sozialen oder personellen Fragen, wohl aber - mit dem Ziel der Beratung der Beteiligten die Gewerkschaften, Berufsverbände und Arbeitgebervereinigungen eingebunden und den Personalvertretungen und den Dienststellen ist das Recht eingeräumt, diese unmittelbar anzusprechen 37 . Ebenso kann innerhalb des hierarchischen Aufbaus der Verwaltung auf übergeordnete Behörden oder Aufsichtsbehör32 33 34 35 36 37

OVG NW, Beschl.v. 29. 11. 2000-1 A 5865/98.PVL - PersV 2001, 419. BayVGH, Beschl.v. 16. 12. 1996-17 Ρ 97.450 - n.v. BVerwG, Beschl.v. 9. 3. 1992-6 Ρ 11.90 - PersV 1992,429. BayVGH, Beschl.v. 14. 2. 2001 - 1 7 Ρ 00.123 - n.n.v. s. hierzu auch: Dieter Leuze, § 45 PersVG В - W Rdnrn. 16 ff. Vgl. dazu insbesondere: § 3 Abs. 1 NPVG; § 1 Abs. 2 'MBG Schi. - H.

Zur Kostentragungspflicht der Dienststelle

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den zurück gegriffen werden. Mithin: bevor der Rechtsweg unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts beschritten wird, kann ggf. der Personalvertretung abverlangt werden, aus Sparsamkeitsgründen den in den Gewerkschaften und anderen Verbänden oder den übergeordneten Behörden vorhandenen Sachverstand abzufragen und rechtskundigen Rat kostengünstiger zu erhalten 38 . Dies schließt allerdings nicht generell die Inanspruchnahme anwaltlichen Rates aus. Immerhin ist in der hierarchischen Verbindung auch eine Interessen verflochtene zu berücksichtigen, die es ausschließen kann, von außen stehenden Behördenmitgliedern Rechtsrat einzuholen. Es kann auch unter Sparsamkeitsgesichtspunkten einer Personal Vertretung nicht zugemutet werden, Rat dort einzuholen, wo aufgrund einer Interessen bezogenen Verflechtung keine objektive Auskunft zu erwarten ist. Sparsamkeitsüberlegungen müssen mithin ihre Grenze dort finden, wo nach der objektiven und von außen an den Fall heran getragenen Betrachtung eine objektive Beratung „sine ira et studio" nicht zu erwarten ist oder zumindest nicht wahrscheinlich erscheint. Diesbezüglich ist auch eine weitere Überlegung anzustellen. Streitfragen ergaben sich in der Vergangenheit vornehmlich um die Frage der anwaltlichen Kosten eines Beschluss Verfahrens. Nur selten waren Kostenfragen zu entscheiden, die sich auf „vorprozessualen" Rat bezogen. Dieter Leuze hat dazu sehr dezidiert und ablehnend Stellung bezogen, indem er dies aus Sparsamkeitsgründen für „ein Fass ohne Boden" hält und eine Kampfparität in Abrede stellt 3 9 . Diese Argumentation ist z.T. berechtigt, innerhalb der personalvertretungsrechtlichen Partnerschaft 40 bestehen keine Ansatzpunkte für „Waffengleichheit" oder Kampf - Positionen. Angesichts einer unterschiedlichen rechtlichen Bewertung ist es indes durchaus denkbar, dass mit dem Ziel, ein Beschlussverfahren einzuleiten, ein Rechtsanwalt angesprochen wird, dieser aber von einem solchen Verfahren abrät. Die dafür entstehenden Kosten sind außergerichtliche, haben aber - betrachtet man sie vor dem Hintergrund der Kosten eines Beschlussverfahrens - zu einer erheblichen Einsparung von Kosten beigetragen, so dass in einem solchen Falle gerade die Erstattung der Kosten dem Grundsatz der Sparsamkeit entspricht und vorzunehmen ist.

2. Kosten sachverständigen Rates In den gleichen Zusammenhang der Sparsamkeitsüberlegungen sind auch die Kosten zu stellen, die entstehen, wenn Personalvertretungen sachverständigen Rat benötigen oder zu benötigen glauben. Abgesehen von einzelnen Vorschriften in den Personalvertretungsgesetzen, die ausdrücklich für kostenwirksame Auskünfte zuvor das Einvernehmen mit der Dienststelle verlangen 4 1 , lässt sich die Frage nach der Kostenerstattung nicht ohne weitere Überlegungen lösen. 38 Verf., § 37 NPVG Rdnr. 50 m.w.Nachw. auf die Rspr. des VGH В - Wund des BayVGH. 39 Leuze, § 45 PersVG В - W Rdnr. 18. 40

Vgl. dazu Verf., § 2 NPVG Rdnrn. 5, 11; Verf., Vertrauensvolle Zusammenarbeit und Erweiterung der Mitbestimmung, in: DÖD 1993, 121 (122).

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Formell ist der Personalrat mangels Rechtsfähigkeit nicht in der Lage, einen Sachverständigen zu beauftragen, sondern er kann dies nur durch eine entsprechende Handlung der Dienststelle erreichen. In diesem Moment kann durch die der Dienststelle obliegende Kostenkontrolle bereits eine einvernehmliche Regelung erzielt oder eine gerichtliche Klärung der Berechtigung oder des Unterlassens herbeigeführt werden. Fraglich bleibt die Antwort aber i m Hinblick auf die materiellen Voraussetzungen. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verlangen den vorsichtigen Umgang mit der Ressource Geld. Sachverständiger Rat, der kostengünstiger zu erhalten ist, genießt mithin Vorrang vor anderem. Daraus ist für die Inanspruchnahme abzuleiten, dass zunächst entsprechender Rat intern zu suchen ist und erst, wenn alle internen Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft s i n d 4 2 an externen Rat zu denken ist. Dies kann dann allerdings auch nur der Fall sein, wenn dann immer noch Fragen offen stehen, die vom Personalrat berechtigt gestellt sind und von der Dienststelle nicht beantwortet werden können, obwohl ihr Erkenntnisprozess abgeschlossen i s t 4 3 . W i l l man daraus eine maßgebliche Konsequenz ziehen, so ist festzustellen, dass der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit dazu zwingt, alle geeigneten internen Mittel auszuschöpfen, bevor externe, kostenwirksame Möglichkeiten bedacht werden - eine Überlegung, die heute i m öffentlichen Bereich leider nur zu wenig Beachtung findet.

V. Fazit Überlegungen zur Kostenerstattung oder Kostentragung für Personalräte müssen sich den veränderten Bedingungen stellen. Das Verständnis einer sparsamen Verwaltung ist heute nicht mehr an den sog. Preußischen Maßstäben zu allein zu messen. Die Entwicklung in der Verwaltung zwingt in gewissen Bereichen der Ausstattung zu höheren Ausgaben. Durch die schnelleren Informationsflüsse und stärkere Einbindung außen stehender Institutionen ist andererseits durchaus Sachverstand verfügbar, der es obsolet macht, Kosten dafür aufzuwenden. Eines bleibt allerdings unveränderbar: Wenn Personalräte in der öffentlichen Verwaltung gewählt werden müssen und tätig werden sollen, so muss man auch bereit sein, für eine sinnvolle Tätigkeit angemessene Kosten zu übernehmen.

41 Z. B. § 30 Abs. 4 NPVG. 42

Verf., Rechte und Aufgaben des Dienststellenleiters hinsichtlich der Personal Versammlung, in: RiA 1989, 119(123). 43 BVerwG, Beschl.v. 8. 11. 1989-6 Ρ 7.87 - PersV 1990, 342.

Sozialrechtliche Überlegungen zum Status von Lehrbeauftragten und Studenten Jürgen Brand

I. Allgemeines Hochschulen und Universitäten sind Orte von Lehre und Forschung! Aus sozialrechtlicher Sicht können sie aber in Teilbereichen durchaus auch als interessante Objekte von Forschung und Lehre gelten; das betrifft - vielfach in Unkenntnis, vielleicht auch aus Interesselosigkeit der handelnden Personen - insbesondere die Angehörigen der Hochschulen und Universitäten und deren sozialrechtlichen Status bzw. ihre Rechte und Pflichten i m Sozialrecht.

II. Professoren Der sozialrechtliche Status ist für die Professoren in ihrem Hauptberuf ganz überwiegend unproblematisch, weil sie als Beamte i m Allgemeinen in den verschiedenen Zweigen der deutschen Sozialversicherung versicherungsfrei sind. Bei Nebentätigkeit können aber auch hier erhebliche Probleme auftreten, wie die Diskussion über die generelle Rentenversicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V I zeigt.

III. Lehrbeauftragte 1. Abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit Erstaunlich einheitlich und damit unproblematisch wird der sozialrechtliche Status der Lehrbeauftragten gesehen. Grundsätzlich hält die ständige Rechtsprechung seit 1980 Lehrbeauftragte an Hochschulen und Universitäten, die semesterweise mit Lehrverpflichtungen für sachlich und thematisch eng begrenzte Gebiete betraut werden und eine Vergütung nur für tatsächlich durchgeführte Lehrveranstaltungen

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erhalten, für selbstständig Tätige, weil diese Personen nicht in einem versicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis stehen 1 . Liest man die v. g. Urteile, wird aber deutlich, dass es durchaus auch Lehrbeauftragte gibt, die in einem Angestelltenverhältnis stehen können. Das Bundessozialgericht hat eine selbständige Tätigkeit anstelle einer abhängigen Beschäftigung nämlich nur deswegen angenommen, weil Lehrbeauftragte i m konkreten Fall mit von vornherein zeitlich beschränkten Lehrverpflichtungen betraut wurden und gegenüber beamteten Hochschullehrern einen geringeren mitgliedschaftsrechtlichen Status besaßen, darüber hinaus auch nur für ein sachlich und thematisch eng begrenztes Unterrichtsgebiet zuständig waren. Hätten sie weitere Pflichten, wie insbesondere die Teilnahme an Forschung und akademischer Selbstverwaltung, rückte ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis näher. Dies umso mehr, wenn sie eine Vergütung nicht nur für tatsächlich erbrachte Leistungen, sondern einen Anspruch auf ein Mindest-Einkommen oder auch auf Lohnfortzahlung i m Krankheitsfall besäßen. In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es i m Sozialrecht nicht von Bedeutung ist, wie die Tätigkeit i m Vertrag bezeichnet wird. Es steht nämlich nicht in der Macht der Beteiligten an einem Rechtsverhältnis, dieses nach ihrem Willen in seinen Einzelheiten so auszugestalten, dass es sich objektiv als abhängige Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausweist 2 . Ob ein Lehrbeauftragter selbständig tätig oder abhängig beschäftigt ist, richtet sich demnach nicht nach der Bezeichnung, sondern danach, ob der Lehrauftrag die von der Rechtsprechung der Sozialgerichte entwickelten Merkmale einer persönlich abhängigen Beschäftigung als Angestellter oder einer selbständigen Tätigkeit beinhaltet 3 . Eine persönliche Abhängigkeit nimmt die Rechtsprechung an, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet 4 . Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

ι BSG v. 25. 9. 1981-12 RK 5/80, BB 1982, 806 in Fortführung der Rechtsprechung vom 27. 03. 1980- 12 RK 26/79, SozR 2200 § 165 Nr. 45 (Lehrbeauftragte an Fachhochschulen); zuletzt LSG Niedersachsen v. 19. 12. 2000 - L 4 Kr 174/98-; HVGB-INFO 2001, 2992. Siehe auch BAG, NZA 1994, 381 mwN und BAG, NZA 2002, 168. 2 BSGE 35, 20. 3 Brand, ZfS 1996,401. 4

Brand, Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, RdNr. 188-209.

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Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag 5 . Dass Lehrbeauftragte i m Einzelfall durchaus als abhängig beschäftigte Arbeitnehmer begriffen werden können, ergibt sich nicht zuletzt aus den Entscheidungen des BSG. Interessanterweise werten die Sozialleistungsträger eine abschnittsweise Erteilung eines Auftrages z. B. i m Bereich der kurzzeitigen Beschäftigungen anders als bei der semesterweisen Erteilung eines Lehrauftrages. Die Spitzendenverbände und die Bundesanstalt für Arbeit haben bereits am 16./17. 11. 1999 6 die Abgrenzung einer geringfügig entlohnten Beschäftigung von einer kurzfristigen Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB I V und § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB I V ) an dem Begriff der Regelmäßigkeit ausgerichtet. Eine Beschäftigung wird danach regelmäßig ausgeübt, wenn sie von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet ist und über einen längeren Zeitraum ausgeübt werden soll. Dies soll der Fall sein, wenn ein über ein Jahr hinausgehender Rahmenarbeitsvertrag geschlossen wird, und zwar auch dann, wenn dieser Vertrag maximal nur Arbeitseinsätze von 50 Arbeitstagen innerhalb eines Jahres vorsieht. Wird der Rahmenarbeitsvertrag zunächst auf ein Jahr begrenzt und für dieses Jahr Arbeitseinsätze von maximal 50 Arbeitstagen vereinbart, bleibt der Arbeitnehmer zunächst gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB I V als kurzfristig Beschäftigter versicherungsfrei. In diesem Fall müssen keine Beiträge entrichtet werden, wohingegen bei einer geringfügig entlohnten versicherungsfreien Beschäftigung pauschale Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung vom Arbeitgeber zu zahlen sind. Sofern aber der zunächst auf ein Jahr oder weniger befristete Rahmenarbeitsvertrag mit Arbeitseinsätzen bis zu maximal 50 Arbeitstagen auf eine Dauer von über einem Jahr verlängert wird, sieht die Verwaltungspraxis vom Zeitpunkt der Vereinbarung der Verlängerung an eine regelmäßige Beschäftigung, d. h. keine kurzzeitige, sondern allenfalls eine geringfügige Beschäftigung als gegeben an. Dies soll auch gelten, wenn ein Rahmenarbeitsvertrag zunächst auf ein Jahr begrenzt und i m unmittelbaren Anschluss daran ein neuer Rahmenarbeitsvertrag abgeschlossen wird. Die Verwaltungspraxis fordert einen Mindestzeitraum zwischen den beiden Rahmenarbeitsverträgen von zwei Monaten. Die Geringfügigkeit oder Kurzzeitigkeit ihrer Tätigkeit wird Lehrbeauftragte möglicherweise nicht vor dem Zugriff der Sozialkassen schützen, wenn erst die „Selbständigkeit" verneint worden ist.

2. Rentenversicherungspflicht Die bisher auch an Universitäten weit verbreitete Auffassung, die Lehrbeauftragten seien durch die Selbständigkeit ihrer Tätigkeit von sozialrechtlichen Rechten und Pflichten weitgehend verschont, gilt zwar für die Bereiche der Kranken-, 5 BSGE45, 199; BSG SozR 3-2400 §7 Nr. 13. 6 Die Sozialversicherung 2000, 29.

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Pflege- und Arbeitslosenversicherung, nicht aber für den Bereich der Rentenversicherung! Nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB V I sind selbständig tätige Lehrer und Erzieher - und hierzu zählen Lehrbeauftragte, weil die Begriffe des Lehrers und Erziehers entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch in einem weiten Sinne zu verstehen sind - rentenversicherungspflichtig. Die Tätigkeit des Lehrers umfasst nach h M 7 jede Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, ohne besondere Anforderungen an seine Vorkenntnisse, seine pädagogischen Fähigkeiten oder die Art der Vermittlung dieser Fähigkeiten. Dementsprechend unterfallen dem Begriff nicht nur Lehrer an jeder Art schulischer Einrichtung oder Unternehmung, Nachhilfelehrer, Repetitoren, sondern u. a. auch Fitnesstrainer, Fahrschullehrer usw. Abzugrenzen sind die Begriffe lediglich von reinen Überwachungstätigkeiten und technischen Anleitungen, z. B. zur Benutzung eines Fitnessstudios, bei geführten Exkursionen, gemeinsamen Meditationen usw. Die Renten-Versicherungspflicht tritt lediglich nicht ein, wenn die Lehrbeauftragten im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Nicht problematisch dürfte bei Lehrbeauftragten die häufig übersehene, der Norm immanente Tatbestandsvoraussetzung des § 2 S. 1 Nr. 1 SGB V I sein, dass die Tätigkeit auf Dauer angelegt ist und der Erzielung von Arbeitseinkommen gemäß § 15 SGB I V dient. In dem Verhältnis muss eine gewisse Kontinuität gewährleistet sein 8 . Dies ergibt sich auch aus § 4 Abs. 2 S. 1 SGB V I , der den selbstständig Tätigen, die nicht nach § 2 SGB V I versicherungspflichtig sind, die Pflichtversicherung auf Antrag ermöglicht, sofern sie nicht nur vorübergehend selbstständig tätig sind. Hieraus folgt, dass eine nur vorübergehende selbstständige Tätigkeit weder eine Antragspflichtversicherung nach § 4 SGB V I noch eine Pflichtversicherung nach § 2 SGB V I nach sich ziehen kann. Lehrbeauftragten stehen damit zwar rentenrechtliche Ansprüche zu, sie haben aber i m Gegenzug - gegenwärtig - 19,1% ihres Einkommens aus der selbstständigen Lehrbeauftragten-Tätigkeit - bis zur Beitragsbemessungsgrenze - an den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung abzuführen, sofern kein Ausnahmetatbestand vorliegt, § 169 SGB V I . I m Regelfall richten sich die Beiträge nach der Höhe der Bezugsgröße (2002: 28.140 €/Jahr in den alten, 23.520 €/Jahr in den neuen Bundesländern). Weist der Lehrbeauftragte ein niedrigeres oder höheres Arbeitseinkommen nach, sind diese Einnahmen der Beitragspflicht zu Grunde zu legen. Allerdings kann er bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ein Arbeitseinkommen in Höhe von 50% der Bezugsgröße (s. o.) zu Grunde legen, wenn er dies ausdrücklich beim Träger der Rentenversicherung beantragt (§ 165 Abs. 1 S. 2 SGB VI). 7

Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht § 2 RdNr. 8 mwN. 8 BSGE 54, 219.

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Stünde der Lehrbeauftragte demgegenüber in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis als Angestellter, hätte er zwar einen geringfügig höheren Beitrag (etwa 20,5%) zu tragen - die andere Hälfte zahlt der Arbeitgeber - , er wäre aber auf allen Gebieten der Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) und nicht nur in der Rentenversicherung abgesichert. Von erheblicher Bedeutung ist § 2 SGB V I für Lehrbeauftragte, die i m Nebenberuf tätig sind, d. h. im Allgemeinen über ihren Hauptberuf abgesichert sind und die nun zusätzlich Beiträge von fast einem Fünftel des Einkommens aus dem Nebenberuf an die Rentenkasse abführen müssen, ohne dafür eine ins Gewicht fallende Gegenleistung zu erhalten.

3. Befreiungsmöglichkeiten von der Rentenversicherungspflicht Da die Befreiungsmöglichkeit gemäß § 231 Abs. 6 SGB V I zum 30. 9. 2001 ausgelaufen ist, bliebe lediglich eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB V I gemäß § 5 SGB V I . Allerdings kann sich der Lehrbeauftragte - auch nicht derjenige, der den Lehrauftrag i m Nebenamt ausübt - nicht auf § 5 Abs. 1 SGB V I berufen, nach dessen Nr. 1 Beamte und Richter auf Lebenszeit usw. versicherungsfrei sind, weil sich diese Versicherungsfreiheit nach dem Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich nur auf diese Beschäftigung und auf weitere Beschäftigungen, auf die die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft erstreckt wird, bezieht. Versicherungsfreiheit kann allerdings nach § 5 Abs. 2 SGB V I eintreten. Dann müsste der Lehrauftrag eine geringfügige selbständige Tätigkeit nach § 8 Abs. 3 SGB I V darstellen, die genauso wie eine geringfügige (abhängige) Beschäftigung zu behandeln ist. Durch das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse von 1999 ist die Versicherungsfreiheit in diesem Bereich völlig neu geregelt worden. Zu unterscheiden ist die geringfügige Nebenbeschäftigung mit einem Entgelt bis zu 325 Euro i m Monat neben einem sozialversicherungspflichtigen Haupterwerb sowie die geringfügige, auf Dauer angelegte Alleinbeschäftigung mit einem Monatsentgelt von insgesamt regelmäßig nicht mehr als 325 Euro. Beide Tätigkeiten sind nur versicherungsfrei, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird. Dies wird bei Lehrbeauftragten i m allgemeinen der Fall sein. Auch die Entgeltgrenze von 325 Euro dürfte in vielen Fällen nicht überschritten werden. Die Konsequenz hieraus ist für die Lehrbeauftragten, die außer der geringfügigen Tätigkeit keiner weiteren Beschäftigung nachgehen, dass sie in allen Versicherungszweigen versicherungsfrei sind, der Arbeitgeber aber einen Pauschalbeitrag von 12% zur Rentenversicherung und 10% zur Krankenversicherung zahlt, falls 7 FS Leuze

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der Lehrbeauftragte bereits in der Krankenversicherung versichert ist. A u f die Möglichkeit, den 12-prozentigen Pauschalbeitrag des Arbeitgebers durch einen gegenwärtig (2002) 7,1-prozentigen Beitrag, d. h. bis zur Höhe des „Normalbeitrags", aufzustocken, wird hingewiesen. Falls der Lehrbeauftragte keine anderen Einkünfte besitzt, sind die Einkünfte aus dem Lehrauftrag auch steuerfrei. Übt der Lehrbeauftragte seine Tätigkeit - wie häufig anzutreffen - i m Nebenberuf aus, ist er - mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung - in der Renten- und Krankenversicherung versicherungspflichtig, weil eine Zusammenrechnung der Zeiten und Entgelte aus der ersten Beschäftigung (Hauptberuf) stattfindet, sofern diese Hauptbeschäftigung versicherungspflichtig ist. Ist der Lehrbeauftragte demgegenüber im Hauptberuf Beamter oder in einem ähnlichen Status, findet eine Zusammenrechnung nicht statt, d. h. der Lehrbeauftragte ist in allen Gebieten des Sozialversicherungsrechts versicherungsfrei; der Arbeitgeber hat aber einen 12-prozentigen Pauschalbeitrag (mit Aufstockungsoption) zu leisten. Das gleiche gilt, wenn der Lehrbeauftragte i m Hauptberuf selbstständig ist. Auch in diesem Fall findet eine Zusammenrechnung nach § 8 SGB I V nicht statt. I m Gegensatz zum vorherigen Fall sind zusätzlich aber möglicherweise 10% Pauschalbeitrag ohne Aufstockungsoption zu entrichten, falls der Lehrbeauftragte bereits in seinem Hauptberuf in der Krankenversicherung versichert ist. Von diesen Fallgestaltungen sind diejenigen zu unterscheiden, in denen die Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB I V als „kurzfristig" gilt. Dies ist der Fall, wenn der Lehrbeauftragte innerhalb eines Jahres (gemeint ist nicht das Kalenderjahr) längstens zwei Monate oder höchstens 50 Arbeitstage tätig ist. I m Gegensatz zu den vorherigen Fallgestaltungen besteht in allen Versicherungsbereichen Versicherungsfreiheit, auch der Arbeitgeber hat keinerlei Beiträge zu entrichten. A u f die Probleme der kurzfristigen Beschäftigung wurde bereits oben hingewiesen. Lehrbeauftragte unterfallen dieser Regelung, wenn sie z. B. bei einem eintägigen Einsatz innerhalb einer Woche i m Jahr etwa 28 bis 30 Arbeitstage ihrem Auftrag nachkommen. Sofern der Lehrauftrag nach zwei Semestern für das 3. Semester verlängert wird, müsste ebenfalls noch Versicherungsfreiheit anzunehmen sein. Ab dem 4. Semester ununterbrochener Lehrtätigkeit dürfte von einer regelmäßigen Tätigkeit gesprochen werden und vom Zeitpunkt der Vereinbarung der Verlängerung über das 3. Semester hinaus keine Versicherungsfreiheit wegen einer kurzfristigen Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, möglicherweise aber wegen einer geringfügigen Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IVangenommen werden können. In diesem Zusammenhang sei dringlich darauf hinzuweisen, dass ein Splitting von Lehraufträgen nicht zu dem möglicherweise gewünschten Ziel der Versicherungsfreiheit führen wird, da verschiedene geringfügige Tätigkeiten durch Zusammenrechnung - ebenso wie die Zusammenrechnung mit versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigungen - versicherungspflichtig werden können (§ 8 Abs. 2 SGB IV). Die Fallkonstellationen sind sehr unterschiedlich und seit der Neuregelung

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der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse 9 außerordentlich unübersichtlich geworden. Die Befreiungsregelungen nach § 6 SGB V I und § 231 Abs. 5 SGB V I greifen nicht Platz, weil sie entweder nur für die Tätigkeit gelten, wegen der der Betreffende Mitglied einer berufständischen Versorgungseinrichtung geworden ist (§ 6 Abs. 1 SGB IV), oder weil der Lehrbeauftragte nicht zu dem von der Vorschrift erfassten Personenkreis gehört, da die Lehrtätigkeit allgemein schon vor dem 31. 12. 1998 nach dem Gesetz versicherungspflichtig (§ 231 Abs. 5 SGB V I ) war.

IV. Studenten 1. Allgemeines Neben den Lehrbeauftragten ist sozialrechtlich auch die versicherungsrechtliche Bewertung der Beschäftigungsverhältnisse von Studenten von großer Bedeutung. Nach den Erfahrungen der Betriebsprüfdienste der Renten versicherungsträger aus den letzten Jahren führt dies nicht selten sowohl für die Studenten als auch für die akademischen Arbeitgeber zu Problemen.

2. Studentenpflichtversicherung Studenten sind gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Dies setzt voraus, dass sie als Student an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eingeschrieben sind und die Fachstudienzeit von 14 Semestern und/oder die Altersgrenze von 30 Jahren nicht überschritten haben. Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten, sind gem. § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V versicherungspflichtig. Gemäß § 5 Abs. 7 SGB V ist als Student nicht versicherungspflichtig, wer nach Abs. 1 Nr. 1 bis 8, 11 oder 12 der Vorschrift versicherungspflichtig ist. Die Studenten-Krankenversicherung ist demnach subsidiär.

3. Versicherung der Werkstudenten Studenten, die eine Beschäftigung neben dem Studium ausüben, sind in dieser Beschäftigung in der Krankenversicherung (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V), Pflegever9

7*

s. Übersicht des BMA, www.bma.de.

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Sicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 SGB X I ) und Arbeitslosenversicherung (§ 27 Abs. 4 SGB III) nur versicherungsfrei, wenn die wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt und das Studium nicht aus der Beschäftigung heraus aufgenommen wurde. In allen anderen Fällen sind sie wie normale Arbeitnehmer versicherungspflichtig. Die Eigenschaft als Student erhält jemand nicht allein durch die Immatrikulation oder Rückmeldung, sondern dadurch, dass er nach Immatrikulation ordentlich studiert, d. h. an einer Hochschule mit dem Ziel eines akademischen Abschlusses wissenschaftlich arbeitet 1 0 . Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Studenten, die während ihrer Ausbildung eine Beschäftigung ausüben, nur versicherungsfrei sein, wenn sie ihrem Erscheinungsbild nach weiterhin Student sind 1 1 bzw. der Beschäftigung neben dem Studium keine prägende Bedeutung zukommt. Nach ständiger Rechtsprechung 12 können Studenten während des Studiums aber nur gegen Entgelt beschäftigt sein und trotzdem versicherungsfrei bleiben, wenn sie während der Vorlesungszeit wöchentlich nicht mehr als 20 Stunden arbeiten oder ihre Beschäftigung i m voraus auf höchsten zwei Monate bzw. 50 Arbeitstage begrenzt ist. Die 1996 eingeführte Versicherungspflicht von Studenten zur gesetzlichen Rentenversicherung, indem § 5 Abs. 3 SGB V I gestrichen wurde, hat nur Auswirkungen in diesem Bereich, nicht aber auf die übrigen Gebiete der gesetzlichen Sozialversicherung! Versicherungsfreiheit kann ausnahmsweise aber auch bestehen, obwohl der Student mehr als 20 Stunden in der Woche arbeitet. Zwar sieht die Rechtsprechung 13 eine Überschreitung der 20 Stunden-Grenze als wesentliches Indiz für die Versicherungspflicht eines Studenten an. Die Rechtsprechung lehnt aber eine starre Grenze ab. Die Dauer der wöchentlichen Arbeitsbelastung soll nicht allein für die Frage der Versicherungspflicht entscheidend sein. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalles zu werten. Dementsprechend unterliegt die betriebliche Tätigkeit einer Studentin, die allein der Erstellung der für den Studienabschluss erforderlichen Diplomarbeit dient, regelmäßig nicht der Versicherungspflicht 14 . Vor allem während der durch studienbedingte Anforderungen nicht belasteten Semesterferien ist generell eine zeitlich und finanziell unbegrenzte Beschäftigung bei Fortdauer der Versicherungsfreiheit möglich! Daraus folgt, dass die beruflichen Arbeiten während des Semesters und während der Semesterferien getrennt zu beurteilen sind. Allerdings gilt dies nicht ausnahmslos. Geht die Beschäftigung nämlich nur in geringem Umfang über das Ende der io Niedersächsisches LSG, 25. 10. 1991 - L 4 Kr 130/90. и 12 13 14

BT-Drucksache 11/3603 S. 12. BSG SozR 2200 § 172 Nr. 14. BSG, Die Beiträge 1979, 124. BSG SozR 3-4100 § 169 b Nr. 1.

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Semesterferien hinaus, ist dies für die Fortdauer der Versicherungsfreiheit nicht erheblich 1 5 . Jedoch bedarf es in diesen Fällen der Feststellung besonderer Umstände, wenn trotz einer Beschäftigung, die in die Vorlesungszeit hineinreicht, noch das Erscheinungsbild eines Studenten bestehen soll. Ob jemand seinem gesamten Erscheinungsbild nach Student oder Arbeitnehmer ist, ist nach einer auf den Beginn der Beschäftigung abzustellenden vorausschauenden Betrachtungsweise zu beurteilen 1 6 . Doktoranden, d. h. Personen, die in der Regel über einen Hochschulabschluss verfügen bzw. eine Staatsprüfung abgelegt haben, jedoch wegen ihrer Promotion weiterhin an der Hochschule eingeschrieben sind, befinden sich nicht mehr in einer wissenschaftlichen Ausbildung. Ihre Beschäftigungen unterfallen nicht der Versicherungsfreiheit. Das gleiche gilt für Hochschulassistenten und wissenschaftliche Mitarbeiter. Demgegenüber sind Studenten, die ein in ihrer Studien- oder Prüfungsordnung vorgeschriebenes Praktikum ableisten, ohne Rücksicht auf die Höhe des erzielten Entgelts versicherungsfrei. Das gleiche gilt, wenn Studenten ein nach der Studienordnung nicht vorgeschriebenes Praktikum ableisten, allerdings nur, wenn sie kein Arbeitsentgelt oder ein nur geringfügiges Arbeitsentgelt erhalten, das regelmäßig im Monat 1 / 7 der monatlichen Bezugsgröße (2002: 2.345 € in den alten und 1.960 € / M o n a t in den neuen Bundesländern) nicht übersteigt. Die Versicherungsfreiheit erstreckt sich allein auf sog. Zwischenpraktika. Vor- und Anerkennungspraktika sind nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V I rentenversicherungspflichtig. M i t einer Aufsehen erregenden Entscheidung vom 10. 12. 1998 hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts 17 entschieden, dass für Arbeitnehmer, die ein Studium aus ihrem Beruf heraus aufnehmen, mit der Aufnahme des Studiums Versicherungsfreiheit nicht eintritt, selbst wenn das Arbeitsverhältnis vom Umfang her den Erfordernissen des Studiums angepasst wird. Der Senat hat seine bisherige Rechtsprechung zur 20-Stunden-Grenze für diese Fälle ausdrücklich aufgegeben, es sogar offengelassen, ob an dieser Grenze in den Fällen festgehalten wird, in denen das Beschäftigungsverhältnis eines Studenten erst nach dessen Immatrikulation begonnen w i r d 1 8 . Umstritten war lange Zeit, ob Studenten das „Werkstudenten-Privileg" nur in den Fällen für sich beanspruchen können, wenn sie gleichzeitig als Student pflichtversichert sind. Studenten sind nämlich nur bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V versicherungspflichtig. Danach

15 BSG SozR 2200 § 172 Nr. 19 und 20 im Falle einer etwa zwei Wochen in das Semester hineinreichenden Beschäftigung. 16 BSG SozR 2200 § 172 Nr. 19 und 20. 17 В 12 KR 12/97 R, NZS 1998, 576. is BSG SozR 3-2500, § 6 Nr. 16 S. 57.

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nur noch, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe die Überschreitung der Altersgrenze oder eine längere Fachstudienzeit rechtfertigen. Hierzu hat das Bundessozialgericht am 23. 9. 1999 1 9 entschieden, dass in diesen Fällen die Betroffenen auf eine freiwillige Versicherung zu verweisen sind und die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse über einen Nebenjob nicht erhalten werden kann. Aus all dem folgt, dass für Studenten, die ihre Nebenbeschäftigung nach der Immatrikulation aufnehmen, Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege und Arbeitslosenversicherung bestehen kann, für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherungsfreiheit aber nur eintreten kann, wenn sie geringfügig bzw. kurzzeitig gemäß § 8 SGB I V beschäftigt werden (§ 5 Abs. 2 SGB VI).

4. Befreiung von der Rentenversicherungspflicht Studenten, die i m allgemeinen ohne Hauptbeschäftigung sind, können eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB I V versicherungsfrei auf allen Gebieten des Sozialversicherungsrechts ausüben. Allerdings hat der Arbeitgeber einen 12-prozentigen Pauschalbeitrag mit einer Aufstockungsoption des Studenten zur gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten und - falls der Student bereits in der Krankenversicherung versichert ist, was i m allgemeinem anzunehmen ist einen 10-prozentigen Pauschalbeitrag ohne Aufstockungsoption des Studenten zu entrichten. Die Einkünfte sind steuerfrei, wenn keine anderen Einkünfte erzielt werden. Aber selbst wenn wegen anderweitiger geringfügiger Einkünfte Steuerpflicht eintreten sollte, dürfte sich trotzdem bei der Wahl des Lohnsteuerabzugsverfahrens mit Lohnsteuerkarte i m Regelfall keine Steuerbelastung ergeben. Solange nämlich das Entgelt aus der geringfügigen Beschäftigung insbesondere wegen des Abzugs des Arbeitnehmerpauschbetrages, der Vorsorgepauschale usw. unter dem Grundfreibetrag (2002: 7.206 Euro) bleibt, führt auch die Einkommenssteuerveranlagung zu keiner Steuerbelastung. Auch bei einer kurzfristig geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB I V (Einsatz für zwei Monate bzw. 50 Arbeitstage i m Jahr) ergibt sich in allen Bereichen Versicherungsfreiheit. Der Arbeitgeber hat bei kurzfristigen Beschäftigungen i m Gegensatz zu geringfügigen Beschäftigungen keine Pauschalbeiträge zu entrichten! Demgegenüber besteht für den Studenten Steuerpflicht. Allerdings ist die Besteuerung pauschalierungsfähig, soweit die Voraussetzungen des § 40 a Einkommenssteuergesetz vorliegen. Durch die Pauschalsteuer ist die Besteuerung des Arbeitslohnes in vollem Umfang abgeschlossen. Sie bleibt bei der individuellen Einkommenssteuerveranlagung außer Betracht.

19 Soziale Sicherheit 2000, 207.

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Eine weitere Ausnahme von der grundsätzlichen Rentenversicherungspflicht von Studenten in ihren Beschäftigungen ab 1. 10. 1996 sieht § 230 Abs. 4 S. 1 SGB V I vor. Nach dieser Vorschrift sind Personen, die am 30. 09. 1996 in einer Beschäftigung als ordentliche Studierende einer Fachschule oder Hochschule rentenversicherungsfrei waren, in dieser Beschäftigung auch weiterhin rentenversicherungsfrei. Diese Besitzstandsregelung gilt aber nur für Studenten, die bereits vor dem 1. 10. 1996 eine Beschäftigung aufgenommen haben und aufgrund dieser Beschäftigung am 30. 09. 1996 nach der bis dahin geltenden Fassung des § 5 Abs. 3 SGB V I rentenversicherungsfrei waren, und zwar auch nur für die Dauer des fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses. Jede Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses von mehr als einem Monat lässt die Privilegierung entfallen und Versicherungs- und damit Beitragspflicht eintreten.

5. Geringfügige Beschäftigung und Anspruch auf Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld Der Wegfall des Werkstudentenprivilegs i m Recht der gesetzlichen Rentenversicherung hat dazu geführt, dass Studenten von den Hochschulen in großem Umfang geringfügig oder kurzzeitig beschäftigt werden. Dies kann aber weitere Probleme mit sich bringen, wie die Prüfpraxis der Rentenversicherung aus letzter Zeit zeigt. Studenten werden i m Allgemeinen in diesen Fällen nach dem „ B A T " entlohnt. Dieser sieht für Vollzeitbeschäftigte aber einen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld vor, das den Teilzeitkräften i m Allgemeinen nicht gewährt wird. Teilzeitbeschäftigte dürfen jedoch nicht schlechter stehen als Vollzeitbeschäftigte. Durch die Streichung des § 3 Buchst, η BAT sind ab dem 1.1. 2002 auch geringfügig Beschäftigte i m Sinne des § 8 BAT in den Geltungsbereich des BAT sowie der ergänzenden Tarifverträge (ζ. B. Urlaubsgeldtarifvertrag) aufgenommen worden. Das bedeutet, dass Studenten auch ein anteiliger Urlaubs- und Weihnachtsgeldanspruch zusteht. Obwohl Studenten von den Hochschulen das Arbeitsentgelt i m Allgemeinen nicht in dieser Höhe erhalten, könnten die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gleichwohl die Beiträge aus geschuldetem Arbeitentgelt in voller Höhe (vom Arbeitgeber!) einfordern und sich darauf berufen, dass im Beitragsrecht mit Inkrafttreten des SGB I V am 1. 7. 1977 das sog. Entstehungs- oder Anspruchsprinzip eingeführt worden ist. Während i m Steuerrecht der tatsächliche Zufluss des Entgelts (Zufluss-Prinzip) ausschlaggebend ist, ist die Entstehung des Beitragsanspruchs im Sozialversicherungsrecht nicht davon abhängig, dass das dem Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsentgelt auch tatsächlich ausgezahlt wurde, es also zugeflossen ist. Vielmehr - so die Renten Versicherer - hänge die Rechtmäßigkeit der Beitragsberechnung davon ab, ob das Arbeitsentgelt schon während der Zeit,

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für welche die Beiträge verlangt wurden, geschuldet wurde, der Entgeltanspruch also bestand. Sie berufen sich dabei vor allem auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 26. 10. 1982 2 0 . Das bedeutet, dass mit dem 1. Cent des Weihnachts- oder Urlaubsgeldes die Tätigkeit des als „325 €-Kraft" beschäftigten Studenten nicht mehr versicherungsfrei, sondern möglicherweise im vollen Umfang versicherungspflichtig geworden ist. Diese Verwaltungspraxis der Rentenversicherungsträger ist nicht unproblematisch: Sie trifft nämlich in der Regel nur den Arbeitgeber (§ 28 g Satz 3 SGB IV), weil es sich i m Allgemeinen um Beiträge handelt, die längere Zeit zurückliegen; private Arbeitgeber können durch Rückforderungen i m erheblichen Umfang in die Insolvenz getrieben werden. Darüber hinaus ist fraglich, ob Beiträge aus geschuldetem Arbeitsentgelt erhoben werden dürfen, wenn das Arbeitsentgelt selbst nicht mehr gezahlt wird und deswegen Leistungen in den meisten Sozialversicherungsbereichen nicht beansprucht werden können. A u f die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 1995 und 2000 zur sozialrechtlichen Problematik von Einmalzahlungen wird verwiesen 2 1 . Allerdings haben sich die Rentenversicherungsträger - weniger aus dogmatischen als aus praktischen Gründen - entschlossen, eine Beitragsberechnung aufgrund eines bloßen Lohnanspruchs gegenwärtig nur bei Vorliegen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages durchzuführen. Dies vor allem deswegen, weil die Rentenversicherungsträger faktisch und rechtlich nicht in der Lage sind, die Tarifgebundenheit der Beschäftigten nach § 3 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz zu prüfen. Dadurch können für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge in Betriebsprüfungen nicht zur Bestimmung des beitragspflichtigen Entgelts herangezogen werden, sofern sie nicht durch Bezugnahme Inhalt des Individualarbeitsvertrages geworden sind. A u f die Hochschulen kämen bei Beibehaltung dieser Verwaltungspraxis keine Beitragsnachforderungen aus „fiktivem Lohn" zu, weil der BAT nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden ist.

V. Resümee Allein diese Kurzbeschreibung der sozialrechtlichen Situation von zwei universitären Personengruppen verdeutlicht, dass der soziale Status einer Person einem nicht unerheblichen - zum Teil aber unerwarteten - Wandel durch Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis unterworfen ist, somit Aufmerksamkeit dringend geboten ist und eine pauschalierende Betrachtung in vielen Fällen Probleme - vor allem finanzieller Art - mit sich bringen wird. 20 12 RK 8/81, BSGE 54, 136. 21 NZS 1995, 312 und NJW 2000, 2264.

Motivation in der Universität - ein Versuch Hartwig Cremers

I. 1. Was geschieht an den deutschen Universitäten „wirklich"? Sind sie nun leistungsfähig oder bewegt sich gar nichts? Sind sie „ i m Kern verrottet" oder gehören sie zu den weltweit führenden Einrichtungen von Forschung und Lehre? Sind sie eine Last für den Steuerzahler ohne dieser entsprechenden Nutzen oder gehören sie zur „besten und wichtigsten Investition in unsere Zukunft" 1 ? Sind die Professoren „faul" oder arbeiten sie über 70 Stunden in der Woche? Ob nun viel oder wenig, Sinnvolles oder Unergiebiges geschieht, lässt sich einfach und nichtssagend beantworten: Es kommt alles vor. Mehr soll auch i m Folgenden zu dieser Frage nicht gesagt werden. 2. Vielmehr soll gefragt werden: Was für ein Verhalten fordert und fördert „das System"? Was belohnt es, was bestraft es? Welche „Vorteile" und Befriedigungen gibt dies Verhalten oder jenes? Damit soll dann keinesfalls gesagt sein, die Universitäten verhielten sich tatsächlich danach und folgten nur Druck und Zug. Vielmehr widerstehen viele Universitätsmitglieder den „Forderungen" und „Zwängen" von Lohn und Strafe, die das System bereit hält. Es gibt zuhauf „Idealismus", Getriebensein von der Sache, Einsatz, wo auch beim besten Willen kein Vorteil für den sich Mühenden zu erkennen ist. Ein schönes Beispiel dafür ist der Jubilar, der „an allen Fronten" als Lenker einer Universität, als Verwalter, als Autor und zuletzt auch als Hochschullehrer ganz offenbar aus der Sache motiviert war. Für die Frage, wie eine Entwicklung weiter gehen könnte und sollte, ist aber trotzdem ein Ansatz: Könnte und sollte Erwünschtes besser belohnt, Unerwünschtes mehr mit Nachteilen versehen werden? Dazu muss geklärt werden, was erwünscht ist, was die Universität soll. Dann muss aber geklärt werden, was als Belohnung „ankommt", was also motiviert. „Gewährung von Anreizen" ist eine ständige Forderung an jede Hochschulorganisation 2 . Aber was reizt eigentlich an? Ob hierzu systematische sozialpsy1 Rede Bundespräsident Johannes Rau auf dem „Ersten Kongress des Forum Bildung" am 14. 7. 2000.

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chologische Untersuchungen möglich sind, müssen Andere beantworten. Bekannt sind sie mir nicht. Hier sind Beobachtungen niedergelegt von einem, der, wie der Jubilar, den größten Teil seines Berufslebens vom Rande der akademischen Welt aber doch aus der Nähe - beobachten und Schlüsse ziehen konnte, ohne selbst direkt betroffen zu sein. 3. Was das Erwünschte, das Ziel der Universitäten ist, soll vorweg knapp vergegenwärtigt werden. Eine Zielbeschreibung ist merkwürdigerweise rar in der Diskussion. Wohl gibt es Aufgabenbeschreibungen: „Forschung und Lehre" etwa, auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Entwicklung der Region durch Technologietransfer und Anhebung der kulturellen Infrastruktur. Auch die Förderung der Frauen wird als eigene Aufgabe beschrieben. Sogar die Leitbilder, die viele Universitäten sich gegeben haben, beschreiben kaum messbare Ziele. Eine Beschreibung, die es erlaubte, auch den Grad des Erfolges zu beschreiben, ist allenfalls für Teilziele zu finden. Diese Beschreibung kann auch hier nicht geleistet werden. Vielmehr sei kurz, lapidar und angreifbar gesagt: Die Ziele sind kluge Köpfe und neue wichtige Erkenntnisse. Leute zu befähigen, eben dies zu erreichen, also die „Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses" mag als eigenständiges Ziel genannt werden. Was das im einzelnen heißt, was für „kluge Köpfe" man anstrebt, ist eine Frage, die von den Universitäten nicht allein definiert wird: Hier spielen die Abnehmer dieser Leistung, also die Gesellschaft, der Staat, der „Arbeitsmarkt" eine wichtige Rolle. Die Universität hat hier zunächst die Aufgabe, zu sichern, dass die Ziele „wissenschaftlich" sind. Es sollen wissenschaftlich gebildete Köpfe sein. Sie sollen also befähigt sein, die Probleme von morgen zu erkennen und zu bearbeiten. Dazu sollen sie die Grundlagen an Wissen, Neugier und Verantwortungsbewusstsein haben. Es zeigt sich, dass bei der Frage, was die zu wissenden Grundlagen konkret seien, die Partner der Universität in Wirtschaft und Gesellschaft oft doch im A l l gemeinen bleiben, so dass schließlich die Hauptlast der Zieldefinition bei der Universität selbst bleibt. Die möglichen Ziele „wichtige neue Erkenntnisse" wird die Universität ebenso stark bestimmen. Ebenso wie in der Definition des Ziels der Lehre wird die Universität hier die möglichen Ziele selbst benennen. Hier wird von „außen" zum einen global Wünschbares genannt oder auf der anderen Seite speziell Anwendbares. Die Universität hat also vorab die Aufgabe, beizutragen zu dem ständigen Prozess der Definition ihrer eigenen Ziele. Von wohl allen anderen Einrichtungen des Staates unterscheidet sie sich dadurch, dass Staat und Gesellschaft nicht in der Lage sind, genau zu sagen, was sie denn von ihr wollen. Die Universitäten sind auch dazu eingerichtet, damit sie dem Staat sagen, was er wohl von ihnen verlan2 Statt Vieler: Karl Alewell „Autonomie mit Augenmaß" Göttingen 1993 S. 28.

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gen könnte - ganz anders, als ein Landgericht, ein Schwimmbad oder ein Sozialamt. Deren Aufgaben hat sich der Staat erdacht, bevor er diese Einrichtungen eben für diese Aufgaben schuf. 4. Die Frage nach den Zielen stellt sich im ganzen Prozess, vor allem aber an zwei Stellen: Einmal - wie dargestellt - vorneweg, wenn man sich überlegt, was zu tun ist. Dann soll die Universität versuchen, die Ziele zu erreichen mit den Ressourcen, die ihr zugestanden sind. Noch einmal stellt sich die Frage nach den Zielen hinterher, wenn man sich überlegt, ob das Erreichen gut gelungen ist. Die Feststellung, ob das Gewünschte gut erreicht ist, obliegt überwiegend auch den Universitäten. Sie prüfen die Ergebnisse der Studien. Sie allenfalls sind in der Lage wenigstens den wissenschaftlichen Wert der Forschung zu ermessen. Wenn die Leistungen der Universitäten auch zunehmend Gegenstand der öffentlichen Erörterung und Bewertung sind, so ist dabei doch letztlich meist darauf verzichtet, den Erfolg der Forschung oder der Lehre von außen zu bewerten. 5. Also: Die Universität beschreibt ihre Ziele selbst. Sie versucht, sie zu erreichen. Sie entscheidet selbst, ob und wie weit das gelungen ist. Was bewegt die Universität, daran mitzuwirken, ihre Ziele zu beschreiben? Was bewegt sie, zu der Erreichung der Ziele dann auch beizutragen? Was sollte sie bewegen, Erfolg und Misserfolg zu bewerten und daraus Konsequenzen zu ziehen? Die Frage ist: Welche „Sanktionen" - positive und negative - hält das heutige Hochschulsystem bereit und an welche wäre zu denken? 6. Vorab ist noch dies zu sagen: Die Universität ist eine Ansammlung von Menschen mit großer persönlicher Freiheit - wenigstens gilt diese nach der Rechtslage für die Professoren, in der Tradition und als Konsequenz der Struktur aber auch für wenigstens einen guten Teil der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Diese Freiheit ergibt sich nicht nur aus dem geltenden Recht, der Freiheit von Forschung und Lehre, sondern auch aus der Sache: Der fachkundige Vorgesetzte, der anordnet, die Arbeitsergebnisse abnimmt, prüft und bewertet, existiert oft gar nicht. Die Fachkunde liegt lediglich beim Wissenschaftler selbst. Da z. B. ein Ministerium schon bei der Zieldefinition auf die Wissenschaftler angewiesen ist, wäre die Prüfung der Zielerreichung noch schwieriger, wenn das Ministerium als vorgesetzte Behörde konzipiert wäre. Damit entfallen weitgehend Motivationen, die sich in einer Behördenstruktur ergeben: Anerkennung und Tadel durch den Vorgesetzten mit dienstlichen Konsequenzen, Aufstieg oder Neuverteilung der Aufgaben etc. Die Mechanismen des Disziplinarrechts funktionieren allenfalls in äußersten Missbrauchsfällen, ebenso das Recht der persönlichen Haftung. Soweit Wissenschaftler eine Daueranstellung erreicht haben, sind sie gegen solchen direkten Druck praktisch unempfindlich.

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U m es extrem zu sagen: Der Professor, der seine Lehrpflicht von 8 Semesterwochenstunden in Blockveranstaltungen auf 2 Monate i m Jahr verteilt und dort die von seinen Assistenten vorbereitete Wissenschaft von gestern vor„liest", erfüllt seine Pflicht. Der Inhalt der Lehre ist frei. Die Forschung muss auch über Jahre keinerlei Ergebnis sichtbar werden lassen. Hier sei nachdrücklich wiederholt: Dies ist nicht die Realität. Die Realität ist erst recht nicht der hier und da in der Presse erwähnte Fall, dass auch diese Lehre noch von den Assistenten angeboten wird, oder dass auch die Nichterfüllung der Lehrpflicht erst nach vielen Jahren Konsequenzen nach sich zieht. Wer der Realität der Forschung und der Lehre auf die Spur kommen will, mag die Verzeichnisse der Wissenschaftler in den Vorlesungsverzeichnissen mit den Publikationsverzeichnissen der Hochschulen vergleichen, die Studenten befragen oder sonst eine Methode versuchen. Hier aber ist von der Realität nicht die Rede. Das Beispiel dient hier nur dazu, zu erläutern, wie weit die rechtlich begründete und vom Staat und Dienstherrn durchsetz- und einklagbare Pflicht geht, und ab wann man auf die Suche nach anderen Motivationen der Leistung gehen muss. Aus der beschriebenen Freiheit der einzelnen Wissenschaftler ergibt sich auch die Notwendigkeit, nach der Motivation jedes einzelnen Wissenschaftlers zu fragen. Man kann sich nicht auf die Frage nach der Motivation der gesamten Körperschaft oder der „politischen" Führung beschränken. Man erkennt aber vor allem: Schon eine minimale Leistung bedarf anderer Triebkräfte, als der der „Dienstpflichterfüllung". 7. Auch die Universität hat Teile mit „Behördenstruktur", die auf die Mechanismen der Kontrolle und „Pflichterfüllung" setzen. Auch in diese dringt aber - nach meiner Beobachtung von der Wissenschaft her - vielfach die Haltung ein, dass die „Pflicht", also der Druck, die Aussicht, Rechenschaft legen zu müssen - Ende befristeter Arbeitsverhältnisse etc. nicht „zieht" und auch nicht ernsthaft eingesetzt wird, wohl auch aus der Erfahrung, dass dieser Druck oft gar nicht das erwünschte Verhalten erzeugt, sondern dass ihm - intelligent - ausgewichen wird. I m Folgenden soll allerdings der Frage der Motivation der Wissenschaftler nachgegangen werden. Die weitere Motivation der Mitarbeiter, soweit sie dann nicht doch Lob und Tadel folgt, ist den Wissenschaftlern und ihrem Eigeninteresse überlassen. Zwar gehört Führungskunst nicht zu den Hauptmerkmalen, auf die bei der Berufung von Professoren geachtet wird, jedoch dringen verstärkt Techniken und Künste der Menschenführung auch in den Bereich der Wissenschaft ein 3 .

3 Zuletzt: Christiane Krüger „Sprung ins kalte Wasser" DUZ v. 14.120.2001 S. 10 ff.

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II. 1. Zunächst hat die Universität mehr Glück, als die meisten anderen Lebensbereiche: Ihr Geschäft ist oft aus der Sache heraus spannend. Die Sache fesselt, und die Begeisterten vergessen die Frage nach weiterem Nutzen und sonstigen Motivationen. Eine Randbedingung ist Zeit - „Muße" - und Freiheit, lange in bestimmte Probleme eindringen zu können. Diese Fähigkeit, für Sachen zu begeistern, ist eine wichtige Produktivkraft der Hochschulen, die sie sich selbst erneuert. Gerade bei den Nachwachsenden - Doktoranden, Diplomanden - ist sie vielfach zu beobachten. Sie ist ein wesentliches Strukturmerkmal der Universitäten. Dies Motiv kann nur unterstützt werden, indem die Universität die Arbeitsbedingungen verbessert. Hiervon macht die deutsche Universität weitgehend Gebrauch. Zusatzmittel aus Fonds für Ausstattungen, für Personal werden an den Universitäten über viele Wege verteilt. 2. a) Ein weiteres Motiv ist Ehrgeiz. Ehrgeiz und Eitelkeit sind vielleicht die wichtigsten Produktivkräfte der Universitäten. Das Streben nach Anerkennung dürfte in kaum einem Berufszweig so ausgeprägt sein, wie hier. Hauptsächlich wirkt i m Universitätssystem der Anreiz der wissenschaftlichen Reputation. Zur Erzeugung von Reputation kennt das Universitätssystem viele und wirksame Mechanismen. Sie beziehen sich fast alle auf die Erreichung des Universitätsziels „wichtige neue Erkenntnisse", kaum auf die des Zieles „kluge Köpfe". Gelegenheit, Reputation zu erwerben - und auch zu verlieren - bietet die wissenschaftliche Welt vielfältig, denn sie ist weitgehend wettbewerblich strukturiert. Die Forschungsleistung stellt sich der wissenschaftlichen Öffentlichkeit in Zeitschriften, sonstigen Publikationen und auf Kongressen. Die Reputation bedarf ständiger Pflege: „Publish or perish'" gilt i m deutschen Universitätssystem nicht, wie teilweise in den USA, für die Existenz, aber für die Reputation. Dafür reicht publish aber nicht aus, sondern es kommt durchaus auch auf den Inhalt an. Zahlreiche Wettbewerbsveranstaltungen, die die Hochschulwelt abhält, vor allem wissenschaftliche Kongresse, dienen dazu, Reputationsgewinn zu ermöglichen. Die Abstinenz von Forschern von der Teilnahme an solchen Veranstaltungen vor allem mit eigenen Beiträgen, aber auch zum „gesehen werden" - ist ein Indiz, dass das Motiv des Reputationserwerbs nicht mehr stark ist, ähnlich wie bei einem Läufer, der nicht mehr zum Athletikfest kommt. Dies sei auch den Politikern und Administratoren gesagt, die vom „Wissenschaftstourismus" sprechen, den es auch geben mag. Die Möglichkeit der Universität, ihre eigenen Mitglieder durch Reputationsvergabe zu Leistungen zu motivieren, ist sehr gering. Die universitätseigenen Preise „Beste Dissertation" etc. - sind allenfalls ein Zusatz zur Motivation, Reputation in der Fachwelt zu finden. Sie dienen aber mehr der außeruniversitären Karriere.

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Der Grund für diese Unmöglichkeit der Reputationsvergabe bei der Forschungsleistung ist, dass die Universität die Forschungsleistung gar nicht beurteilen kann, dass sie sie auch nicht abnimmt und bewertet, sondern dies kann nur die Fachwelt. Die Reputation hat die scientific community des eigenen Fachs zu vergeben, nicht die eigene Universität. Allenfalls kommen die dort vorhandenen Fachvertreter in Betracht, also die eigene Fakultät. Deren Eignung ist allerdings dadurch geschmälert, dass eine größere Nähe zu dem Bewerteten vermutet wird. Soweit die Universität eigenen Mitgliedern sonst Reputation zu verleihen versucht - was selten der Fall ist - etwa durch die Würde des Ehrensenators - geschieht dies i.d.R. nicht für Leistungen in Forschung und Lehre. b) Zeichen der Reputation, die ebenfalls verteilt werden von den Repräsentanten der eigenen scientific community, den Fakultäten, sind an den Universitäten auch noch Titel. Die wissenschaftliche Welt dürfte die einzige sein, die als solches Zeichen noch Titel verleiht - wenn auch keine Talare mehr - und Amtsbezeichnungen pflegt. Dies kann man so werten, dass dieser Lebensbereich der Wissenschaft noch nicht ganz vom Geld beherrscht sei. Allerdings kommt auch zum Ausdruck, dass Geld nicht ausreichend vorhanden ist, um die Leistungen durch Bezahlung zu würdigen. Jedoch sinkt auch hier der „Kurs" dieser „Währung". Reputation wird auch durch direkte wissenschaftliche Auszeichnung erworben. Es gibt wohl keinen Lebensbereich - vielleicht mit Ausnahme der Kunst - , in dem für Leistungen so viele Preise und Auszeichnungen winken, wie in der Wissenschaft. c) Zeichen der Reputation sind auch Besoldungsgruppen - auch sie letztlich durch den Berufungsvorschlag von der eigenen scientific community verteilt. Wie in anderen Berufszweigen sind sie Ausdruck einer Rangordnung, weniger wesentlich sind die damit verbundenen Einkommen. Ein Professor der Orientalistik der durch sonstige Indikatoren als hervorragend ausgewiesen ist, hat mehr Reputation als ein durchschnittlicher Professor der Chirurgie, auch wenn das Einkommen des Letzteren ein Vielfaches ist. Die bisherige Verteilung auf Besoldungsgruppen C3 und C4 ist sozial viel wichtiger, weil bekannt, als die „unsichtbaren" aber viel größeren Unterschiede innerhalb der Besoldungsgruppe C4. 3. Das Motiv des eigenen Erwerbs konnte die Universität i m bisherigen System kaum aktivieren, jedenfalls nicht zur Erreichung ihrer Kernziele. Lediglich bei der Berufung auf eine Professur ließ das Besoldungsrecht geringe Verhandlungsmöglichkeit, allerdings durch vorgegebene Schlüssel so gering, dass dies kaum eine Rolle spielte. Der Glanz, den diese wirtschaftliche Erwerbsverbesserung verleiht oft wichtiger, als die materiellen Möglichkeiten, die sie gibt - war dadurch verdeckt, dass der Mehrerwerb sich nicht wie bei anderen Besoldungsordnungen in Besoldungsziffern ausdrückte, sondern unter dem „Dach" der Besoldungsgruppe „ C 4 " mit „Sonderzuschüssen" und dergleichen versteckte. Damit waren Einkommen möglich, die etwa in der analogen Besoldungsordnung В zwischen B4 und

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В11 liegen - aber man konnte das kaum bekannt machen, und daher damit praktisch nicht „glänzen". Mehrleistung im Kerngebiet der universitären Zielsetzung mit Mehrverdienst zu verbinden, war also i m Ergebnis nicht üblich. Vielmehr ist in Deutschland das Motiv des Erwerbs in das Gebiet der Nebentätigkeit abgedrängt. Die großen Möglichkeiten für Nebeneinnahmen: Patientenversorgung in der Klinik, Patentnutzung, Anwalts- und Architektenleistungen und Gutachten in einigen Fachgebieten, dürften von den Kernzielen der Universitäten „wichtige neue Erkenntnisse" und „kluge Köpfe" eher ablenken. Auch wenn die Notwendigkeit des Praxisbezugs nicht bestritten werden soll, so besteht doch zwischen der Belohnung der Leistung in Forschung und Lehre und der Belohnung des „Erhalts des Praxisbezugs" oft ein grobes Missverhältnis. 4. Schließlich sind auch die Wissenschaftler den Motivationen von sonstigem sozialem Druck ausgesetzt: Trotz Freiheit ergibt sich für viele Wissenschaftler ein der Situation der abhängigen Bediensteten analoger Motivationsdruck: Der Gesichtspunkt der Laufbahn bis zum Professor - bisher - C4. Dies Ziel steht jedem Wissenschaftler vor Augen. Für die, die es noch nicht erreicht haben, ist es ein wichtiger Antrieb. In manchen Fällen ist darüber hinaus Ziel, einen Ruf an eine bekanntere Fakultät zu erhalten, eine bedeutendere Professur, eine bessere Ausstattung zu erhalten, vielleicht auch an den aus anderen Gründen bevorzugten Ort zu kommen. Dies dürfte ein starkes Motiv zu wissenschaftlicher Leistung sein. Dies Motiv wird durch die Organisation des deutschen Universitätswesens gut genutzt. Es wird auch relativ gut in Einklang gehalten mit einer optimalen Zielerreichung der Universitäten. Das w i l l sagen: Der Wettbewerb zwischen den Universitäten um gute Professoren geht wirklich um die Frage der wissenschaftlichen Qualität. Er ist intensiv - manchmal ruinös. „Kartelle" zwischen den um Professoren konkurrierenden Fakultäten mögen vorkommen. Aber die Auswahl ist weitgehend durchschaubar, die Verfahren sind offen, die Prüfung nach wissenschaftlichen Kriterien strikt. Versuche, diese Regeln zu unterlaufen, die es immer gibt, sind in diesem Bereich schwieriger und daher vermutlich seltener erfolgreich, als in anderen Lebensbereichen. Anderslautende Gerüchte bestätigen m.E. nur, dass eine sehr hohe Transparenz besteht. Auch „Schulen" (und daraus folgende „Seilschaften") müssen sich noch fachlich legitimieren, so dass sie nur so lange wirken können, wie auch die fachliche Überlegenheit einer Schule zur Uberzeugung der Mehrheit besteht. Hier existieren also Mechanismen, die es dem Einzelnen lohnend und erfolgversprechend erscheinen lassen, sich durch Leistung zu bemühen. Diese Motivation kann nicht bestehen bei den Wissenschaftlern, die das Ziel der ihnen am meisten zusagenden Professur erreicht oder aufgegeben haben. Das letztere kann viel Gründe haben: Erkenntnis, dass man es nicht schaffen wird (angesichts der Marktlage in vielen Fächern durchaus nicht Eingeständnis des

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Versagens, sondern oft mit höherer Leistung verbunden, als viele andere Berufe sie fordern - auch wenn in diesen Fällen oft entlastende Erklärungen gesucht werden: Feindschaft von Kollegen, angebliche oder wirkliche Regelverstöße etc.), aber auch familiäre und sonstige außerberufliche Gründe. Letztlich wohl für die Mehrheit der Professoren besteht also die Motivation, einen Ruf zu erhalten, nicht.

III. 1. Ein guter Ansatz für Überlegungen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Universität könnte nun sein: Was stärkt die Mechanismen, die den Wissenschaftler zu Leistungen für die Ziele der Universität motivieren? Die Fragen wären: Wie verstärkt man vorhandene Motivationen? Wie verhindert man Demotivationen und baut vorhandene ab? Können neue Motivationen eingesetzt werden? Vorab scheint klar: Reglementierungen wie Anwesenheitspflichten, erhöhte Lehrdeputate, Berichtspflichten und andere bürokratische Mittel führen zu Frustration und Unwillen. Dies gilt auch für zwischenzeitliche Erfolgskontrollen 4 . Ihnen ist anzumerken, dass sie auf das wenig leistungsfähige Pferd „Pflichterfüllung" setzen in der Weise, dass die Pflichten vorgeschrieben und ihre Erfüllung kontrolliert und sanktioniert wird. Intelligentes Ausweichen dürfte weiter die Folge sein. 2. Auch an die Reform Vorschläge kann diese Frage gestellt werden, vor allem an die in der Umsetzung befindliche Dienstrechtsreform, deren Kernstück die „leistungsgerechte Besoldung", also die Bewertung der Leistungen durch den Dienstherrn, ist. I m Gegensatz zu den meisten anderen Organisationen bewertet die einzelne Universität allerdings, wie oben В 2 dargelegt, die Leistungen ihrer Mitglieder bisher nicht. Dies geschieht in der „Fachwelt". Die Fachwelt hat oft ein sicheres Urteil über die Qualität eines Professors. Dem eigenen Dienstherrn oder der eigenen Universität wird nichts übrig bleiben, als an messbare Reflexe der Urteile von außen anzuknüpfen. Wie werden diese Urteile Entscheidungsgrundlage für die eigene Universität ohne dass dies als kollegiale Unterstützung oder böswilliges Gerücht erscheint? Solches Anknüpfen an Reflexe ist auch heute schon teilweise verwirklicht, also interne zusätzliche Belohnungen für Anerkennungen von außen, zu denen gehören: Preise, Humboldtstipendiaten als Gäste etc. 4

Hierzu z. B. Klaus Fischer „Die Universität zwischen Kreativität und Steuerung" in Forschung und Lehre 5/2002 S. 240 ff.

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Meist wird beim internen Anknüpfen an externe Bewertungen nicht an die erwiesene Leistung gedacht. Beispiel sei die „Einwerbung von Drittmitteln' 4 als Leistungsindikator. Drittmittel sind Input und nicht der eigentlich zu bewertende Output. Die Vergabe von Drittmitteln erfolgt vor einem Projekt, nicht danach. Sie ist also eine „Belohnung" für eine gutes Vorhaben, nicht für dessen gute Durchführung. Sie sind nicht der Ertrag oder die Gegenleistung für die Forschung, wie es manche Minister meinen - vor allem, wenn sie für die Steuern zuständig sind. In die Beurteilung des Projekts fließt allerdings auch das Urteil ein, ob der Antragsteller in der Lage sein dürfte, das Projekt zu verwirklichen - insoweit also auch ein Urteil über erbrachte Leistungen. Wie stark dies im Sinne des Zieles „wichtige neue Erkenntnisse" zu werten ist, hängt von Verfahren und Ziel des Drittmittelgebers ab. Von den wissenschaftlichen Interessen - etwa der DFG über die zielgesteuerten wissenschaftlichen Interessen - etwa der letztlich politisch motivierten Ressortforschung - bis zu den Zielen, die vielleicht gar keines wissenschaftlichen Aufwandes bedürfen - etwa der Industrie - reicht die Bandbreite, wobei das letztere immerhin das Urteil impliziert, dass der Bedachte das Ziel wird erreichen können, bekräftigt mit dem Risiko des eigenen Geldes und nicht nur dem Risiko vielleicht lockerer sitzender Steuermittel, und meist verbunden mit einer klarer messbaren Erfolgsdefinition. Eine soziale Tatsache ist, dass schon das bloße Einwerben von Drittmitteln in der Universität Reputation verleiht, unabhängig von den Ergebnissen der mit diesen Mitteln geleisteten Forschung. An solche von außen kommenden Bewertungen knüpfen die Universitäten an, um danach etwa zusätzliche Mittel zu verteilen. Das Motiv des eigenen Erwerbs sprechen sie allerdings damit bisher nicht an, sondern lediglich die Motive der Freude an der Sache und der Reputation - eventuell einer eigenen Reputation, die sich daraus ergibt, von der eigenen Universität bevorzugt bedacht zu sein. Das soll sich nun ändern. 3. Etwas Vergleichbares könnte man sich vorstellen bei der Lehre. Diese systematisch zu erheben hat sich die deutsche Universität lange Zeit standhaft geweigert. Neue Versuche der Lehrevaluation durch Peer Review gibt es im Anschluss an Entwicklungen in den Niederlanden an einzelnen Orten. Ob daran ein Anreizsystem für die Verbesserung der Lehre geknüpft werden kann, ist zweifelhaft. Die Lehre spielt für die Reputation fast keine Rolle. Die scheinbar gegenteiligen Behauptungen ergeben nur, dass die Lehre als Zusatzqualität geschätzt wird, also die Reputation eines wegen seiner Forschungsleistungen angesehenen Wissenschaftlers erhöhen kann. Die Reputation als begnadeter Hochschullehrer, die lediglich aus der Lehre kommt, gibt es an deutschen Universitäten bisher kaum. Etwa studentische Preise für die „beste Lehre" werden gerne Lehrbeauftragten oder M i t arbeitern überlassen. Auch die jährliche Verleihung an die selben Personen zeigt, dass sie keine besonders motivierende Kraft haben, unabhängig von der Frage nach der Aussagefähigkeit studentischer Qualitätsbewertungen 5 . Eine Belohnung für 8 FS Leuze

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gute Lehre für einen nicht als Forscher anerkannten Wissenschaftler würde diesem den Stempel des „Studienrats" aufdrücken und seine Reputation damit zugleich wenigstens ebenso schädigen wie eventuell heben. Die Evaluation der Ergebnisse der Lehre geschieht in den Prüfungen. I m Übrigen besorgt sie der Arbeitsmarkt allerdings ohne Rückwirkung auf die Wissenschaftler, die ihre Produkte, die „klugen Köpfe" auf den Arbeitsmarkt entlassen. Versuche der Evaluation gibt es von der Presse, die mit zunehmender Aufmerksamkeit registriert werden und daher solche Rückwirkungen mittelfristig haben könnten. Dies könnte sich nachhaltig ändern, wenn die Urteile der Studierenden damit verknüpft werden, dass sie die Universität wechseln und damit auch ihren finanziellen Beitrag abziehen. Wenn bei negativen Urteilen den Universitäten nicht nur der Studierende - oft eher eine Last - sondern auch ein Teil der finanziellen Basis entzogen würde, würde das einige Motivationsketten in Gang setzen. Dagegen eher fatal könnte sich auswirken, die Erfolge der Lehre rein quantitativ zu messen und danach zu belohnen, wie dies die „Indikatoren" der Mittelverteilung bei einigen „indikatorengesteuerten Mittelverteilungsmodellen" versuchen. Auch der Erfolg der Lehre ist ein qualitativer Faktor, nicht ein quantitativer. Die reine Zahl der Absolventen als Erfolg der Lehre zu betrachten ist noch weniger rational, als die Methode, die Bedeutung der Forschung an der Zahl der Publikationen zu messen. Während Untersuchungen zu belegen scheinen, dass ein Forscher mit der Zahl seiner Publikationen auch den Wert steigert, quantitative und qualitative Fruchtbarkeit also positiv korrelieren, dürfte bei der Zahl der Absolventen die umgekehrte Beziehung nahe liegen. A n solche Leistungen knüpft die Universität bisher selten an. Zu ihnen zu motivieren war weniger wichtig. Auch dies soll sich nun ändern. Es soll das Motiv des eigenen Erwerbs angesprochen werden - insoweit eine Teilrückkehr zum Hörergeld. 4. Dies führt zu einem wichtigen Aspekt. Zunehmend vergleichen sich Wissenschaftler an den Universitäten auch mit Angehörigen anderer Berufe, vor allem in der Wirtschaft. Sie erkennen, dass auf vielen Fachgebieten ihre Fähigkeiten und Leistungen dort erheblich höher bezahlt würden. Dies hat in vielen Fällen auch zu Abwanderungen in die Wirtschaft geführt, i m Ergebnis aber doch erstaunlich wenig. Grund dürfte sein, dass die höhere Bezahlung in der Wirtschaft oft erkauft ist mit dem Verlust - wenigstens der Erschwerung - der Möglichkeit, i m Fach weitere 5 Eher skeptisch: Helmut Kromrey „Studierendenbefragung als Evaluation der Lehre" und Uwe Engel, Gaby Krekeler „Studienqualität - über studentische Bewertungen und Rankings von Studienfächern einer Universität" in Uwe Engel „Hochschul-Ranking" Ffm 2001 S. 11 ff. und S.121 ff., dagegen: „Es ist erstaunlich, wie oft die Studierenden kritische Schwachstellen im System mit hoher Präzision wahrnehmen." („Medizinische Ausbildung in Baden - Württemberg - Bericht der Sachverständigenkommission zur Beurteilung der medizinischen Ausbildung" Stuttgart 2001 S. 10).

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Reputation zu erwerben, und dass das Einkommen als solches als Vehikel von Reputation bisher jedenfalls in Deutschland in der Wissenschaft - anders als in der Wirtschaft - nicht anerkannt ist, also i m Wesentlichen ausfällt und die geringere Reputation nicht kompensieren kann. Die Dienstrechtsreform, die i m Augenblick in Umsetzung ist, setzt darauf, dem wichtigsten Motiv unserer Zeit, der wirtschaftliche Belohnung, auch in der Universität zum Durchbruch zu verhelfen. Sie macht nur Sinn, wenn man glaubt, höhere Einkommen motivierten zu höheren Leistungen. Es mag sein, dass es dieser Reform gelingt, die bisherige wichtigste „Währung", in der das System zu Leistungen motivierte und Belohnungen bereit stellte, also die wissenschaftliche Reputation, durch die Währung „Geld" zu ersetzen. Dies wird gewöhnlich unter dem Stichwort „Anreiz" diskutiert, ohne dass feststeht, was wirklich anreizt. Zur Wirksamkeit eines Anreizes ist Voraussetzung, dass er ein wichtiges Motiv der Handlung anspricht. Dies hängt ganz wesentlich auch von den Traditionen ab. Mindestvoraussetzung der Wirksamkeit dürfte sein, dass die Einkünfte - entsprechend der Tradition in den USA und entgegen unseren Gewohnheiten - bekannt werden. Ein sicherer Nachteil für eine zielgenaue Wirkung ist, dass diese Währung nicht von der unmittelbar fachkundigen scientific community verteilt werden kann, sondern von den Dienstherren allenfalls unter Berücksichtigung von deren Urteil. Fraglich ist allerdings auch, ob die Länder, die Träger unserer Universitäten sind, von dieser neuen Währung ausreichend aufbringen werden 6 . 5. Sind also die Motive, die sich unter das Stichwort „ Z u g " subsumieren lassen, nur gering ansprechbar, so könnte anderes gelten für die Motivgruppe „Druck". Dabei erscheint nur erfolgversprechend der von den Wissenschaftlern sich selbst erzeugte Druck. Nicht die von hoher Hand auferlegte Verpflichtung motiviert, wie dargelegt, nicht die Drohung mit irgendwelchen Übeln, eher die Erinnerung an eigene Versprechen verbunden mit der Aussicht, dass durch Veröffentlichung das Ergebnis in die Reputation einfließt. Diesen Mechanismus nutzen z. B. Drittmittelgeber. Sie treffen für Projekte Absprachen, stattet diese Projekte mit Ressourcen aus und verlangen nach Ablauf der festgesetzten Zeit Rechenschaft. Der Druck aus Selbstverpflichtung wäre durchaus auch vom Dienstherrn aus möglich. Wichtig ist, daß die Rechenschaft vorher nach Inhalt, Zeit, „abnehmender Instanz" und positiven oder negativen Folgen festgelegt und nachher ernst genommen wird. 6 „Leistung kann über ein System gesteuert werden, in dem Geld die zentrale Motivationsgröße ist" wird als „unzutreffende und nicht haltbare Annahme" bezeichnet von Dudo von Eckardstein, Walter A. Oechsler, Christian Scholz, „Personalmanagement und Dienstrechtsreform" in Forschung und Lehre 4/2001 S. 192 f. Auch: „Lassen Sie sich um keinen Preis durch extrinsische Motivation (z. B. In Form von Geld) als Entschädigung für kreative Leistungen bestechen - Geld korrumpiert.": Joachim Funke „Förderung kreativen Denkens" Forschung und Lehre 5/2001 S. 248.

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Hier ist auch die notwendige Entsprechung zur Autonomie, die darin besteht, Verantwortung zu tragen für das Erreichen eines Ziels, für dessen Definition der Forscher weitgehend auch selbst verantwortlich ist. Die deutschen Universitäten haben das Motiv „Druck wegen eigener Versprechen" nicht immer eingesetzt. Dies ist verständlich, denn niemand begibt sich gern freiwillig in eine Drucksituation 7 . Hier allerdings liegt die Möglichkeit der Geldgeber, also der Länder, die Universitäten zur Definition ihrer Ziele anzuhalten, sie zu deren Erreichung auszustatten und danach Rechenschaft zu verlangen. Das könnte die meisten bürokratischen und wohlmeinenden Eingriffe erübrigen, die die Wissenschaftler meist behindern, in jedem Fall ihnen die Ablehnung der Verantwortung für die Ergebnisse ermöglichen. Bei der Drittmittelforschung wird dies i m Ansatz geleistet. Auch für die Lehre wäre es möglich. In solche „Zielvereinbarungen" müssen allerdings die einzelnen Wissenschaftler einbezogen werden. Die Versprechen der Universitäten reichen nicht, weil die einzelnen Wissenschaftler sich daran nicht gebunden fühlen müssen, und die Mittel zur Durchsetzung, die für die Universitätsleitungen oder andere „Vorgesetzte" „Stärkung der Dekane" - geschaffen werden müssten, den selben Bedenken begegneten, wie die jetzigen des Staates. Es kann aber auch nicht verkannt werden, dass Erfahrungen mit den Wirkungen solcher Zielvereinbarungen, also empirische Aussagen zu der Frage, ob der Druck der eigenen Versprechung wirklich motiviert, noch nicht vorliegen. Zwar sind offenbar schon viele Zielvereinbarungen abgeschlossen, jedoch genügen sie vielfach nicht den oben genannten Bedingungen. Und Evaluationen der Zielerreichung sind aus Deutschland noch wenig bekannt geworden. 6. Nur am Rande sei erwähnt: Die Motivation der Studierenden ist ein genau so wichtiges, aber eigenständiges Thema. Studierende kommen mit vielfältigen Vorstellungen und Zielen an die Universität, die auch Gegenstand von Untersuchungen waren. Hier interessiert: Wie können sie motiviert werden, zu leisten. Studentische Leistung ist eine wesentlicher Teil der Leistung der Universität. Die Betrachtung, Studierende seien Abnehmer oder Objekte der Universität, die dort sich etwas für ihren privaten Nutzen schenken ließen, ist falsch. Falsch ist auch die Betrachtung, sie seien „Kunden", auf deren Bedienung es dem Unternehmen Universität ankomme, weil dies Unternehmen von ihnen oder für sie lebe und da sei. Richtig ist, dass auch ein sinnvolles Lernen ein wichtiger Teil der Aufgaben der Universität ist, der - nicht nur aber vor allem - den Studierenden obliegt. Dass sie damit zum Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens beitragen. Daher ist die Aufgabe, Studierende zu gewinnen und zu motivieren so wichtig, wie die Motivation der 7 Volkmar Liebig „Organisatorische, rechtliche und psychologische Aspekte von Evaluationsprozessen in Hochschulen" in „Im Aufbruch - Evaluation an Hochschulen" Beiträge zur Hochschulpolitik 9/2000 Bonn, S. 15 ff. (20 ff.).

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Lehrenden. Grundlage kann nur sein, dass die Studierenden als vollwertige und voll verantwortliche Partner betrachtet werden, dass sie die Sicherheit voller Zugehörigkeit haben, und auch die Verantwortung 8 . Auch hier könnte der Gedanke der Zielvereinbarung, also der ausdrücklichen Selbstbindung, fruchtbar sein. 7. Die Frage nach den Motivationen stellt sich vielfältig i m Universitätsbereich, nicht zuletzt an der Stelle: Was sollte die Universitätsmitglieder veranlassen, über die Reform der Universität nachzudenken und bei welchem Ziel des Nachdenkens - und Handelns - wird das „System" sie belohnen? Wie steht es mit der Motivation der Gestaltungsmöglichkeit - etwa für das Amt eines Dekans? Reputation wird dies A m t noch lange nicht bringen, aber wenn Geld die neue Währung ist, vielleicht dies? Dieser Frage weiter nachzugehen lohnt sich mehr, als zuvörderst Ziele und Messverfahren zu optimieren und die Ziele der Universität zu „operationalisieren". Letztere Verfahren zielen meist darauf, in Befehle verschiedener Sorte umgesetzt zu werden - für Manche die einzige Instrumentenart, die ihre Phantasie anbietet auch wenn diese Verfahren meist in Aporie enden, was dann wieder für andere der erwünschte Erfolg ist, dass sich nichts ändert. Ein Mehr an Motivation bringt Erfolg und die Instrumente zur Messung des schon sichtbaren Erfolgs zu entwickeln macht Spaß. Das könnte dann auch gelingen. Eins aber kann man vorweg sagen: Reputation bringt diese Tätigkeit keine. Selbst Humboldt wurde offenbar erst über 60 Jahre nach seinem Tode als Universitätsreformer bekannt 9 .

8 Statt mancher anderen Beispiele: Witten / Herdeke http://www.uni-wh.de/aboutUniWH/; dazu auch mein Beitrag „Die Gruppenuniversität muss abgeschafft werden" HSW 2000 S. 83 ff. (86 f.). 9 Vgl. Hermann-Josef Schuster „Modelle und ihr Schicksal betrachtet am Beispiel der Freien Universität Berlin und der Universität des Saarlandes" Wiss. R. 2001 S. 113 ff. (114) m. w. N.

Sowas wollen wir bei uns nicht haben Zur Entwicklung des Evaluationsgedankens im Hochschulwesen Carl Friedrich

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Es muß im Jahr 1968 gewesen sein, als ich dem Jubilar zum ersten Mal begegnete. Der junge Referent des baden-württembergischen Kultusministeriums besuchte i m Auftrage des Ministers auch den Rektor der Universität, der ich damals als Erster Verwaltungsbeamter diente, um mit uns über Fragen der Anwendung eines studentischen Ordnungsrechts zu sprechen. Als wir uns Jahre später in Nordrhein-Westfalen als Kanzler benachbarter Universitäten wieder trafen, erzählte er schmunzelnd, ich hätte seinerzeit nicht gerade erfreut über den ministeriellen Besuch gewirkt, was er aber heute, auf der anderen Seite stehend, nachempfinden könne. Sein Eindruck mag zutreffend gewesen sein, denn ich litt zu jener Zeit unter den täglichen Auswirkungen und Belastungen der studentischen Revolte. Gerade damals konnte ich aber auch beginnen, mir eine andere Quelle der Erfahrung zu eröffnen, die mich einerseits von den deutschen Ereignissen etwas ablenkte und mir andererseits Erkenntnisse darüber einbrachte, wie jener Krisensituation besser begegnet werden könne. Ich meine die Beschäftigung mit dem nordamerikanischen Hochschulwesen, das ich seither genauer kennen lernen wollte und konnte. Hieran anknüpfend möchte ich i m folgenden Beitrag anhand eigener Erinnerungen und zeitgeschichtlicher Beobachtungen die Entwicklung des Evaluationsgedankens i m Hochschulwesen behandeln. Dabei werde ich eingangs über meine frühe Beeindruckung durch Evaluationsvorgänge bei amerikanischen Universitäten berichten (I). Sodann erinnere ich mich an enttäuschende Erlebnisse nach Veröffentlichung eines dieses Thema behandelnden Übersichtsartikels i m Jahr 1981 (II). Diesem Abschnitt ist die Uberschrift über meinen jetzigen Beitrag entnommen. Anschließend beschreibe ich in kurzen Zügen die Entwicklung, die nichtsdestotrotz auch in Deutschland bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts unaufhaltsam zur Durchsetzung des Evaluationsprinzips führen sollte (III). Eine kurze Diskussion dieses Vorgangs steht am Schluß (IV).

I. Hochschulevaluation in den USA Meine Eindrücke von der amerikanischen Hochschulwelt stammen i m wesentlichen von drei jeweils zweimonatigen Studienreisen. 1966 wurde ich aufgrund

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einer Absprache zwischen dem Rektor meiner damaligen Universität und dem Präsidenten der uns verbundenen University of Wisconsin als „project associate in international studies and programs" nach Madison eingeladen. Dass mich der dortige Erste Vizepräsident, ein jüngerer Ökonomieprofessor, in seinen Stab aufnahm, vermittelte mir unmittelbar praktische Eindrücke vom Wesen und Wirken sowie von staatsweiter Ausbreitung einer der besten amerikanischen Universitäten. 1973 und wieder 1980 war ich als Fulbright-Stipendiat i m Programm für Bildungsexperten drüben. A u f diesen beiden Reisen konnte ich zahlreiche Hochschulen nach von mir selbst gegebenen Zielsetzungen und Ortswünschen aufsuchen. Ich habe über die drei Reisen jeweils eingehend in der „Deutschen Universitätszeitung" (DUZ) berichtet. Bereits auf den ersten beiden Erkundungsreisen war mir ein die amerikanische Universität besonders kennzeichnendes Merkmal in den Blick gekommen: Als beherrschender Eindruck blieb das im anderen System evidente ständige Ringen um die eigene Qualität verbunden mit der präzisen Ermittlung des status quo und der Möglichkeiten seiner fortlaufenden Verbesserung. Dies zeigte sich von Besuch zu Besuch mit wachsender Intensität und in deutlichem Gegensatz zur heimatlichen Szene, in der noch lange die präzeptorale These von der im Kern gesunden Universität vorherrschend blieb. Fasziniert stellte ich schon 1967 in der D U Z das ständige „Denken über sich selbst" der amerikanischen Universität, ihrer Leader, Lehrer und Spitzenverwalter heraus, demgegenüber bei uns ein Buch wie Schelskys „Einsamkeit und Freiheit" von 1961 selber recht einsam dastand. Nach der Reise von 1973 hatte sich dies für mich in einer sogar organisierten Stufe konkretisiert, nämlich in Gestalt des „institutional research" (auch „university self-study" genannt), jener angewandten Wissenschaft vom Hochschulbetrieb, die eine umfangreiche Fachliteratur hervorgebracht und sich in besonderen Stabsabteilungen der Hochschulorganisation strukturiert hatte. Hierüber handelte ich in D U Z 1977, wobei auch schon der Begriff „Evaluation" am Rande vorkam. Denn institutional research war und blieb Vorläufer und Vor-Arbeiter der Evaluation von heute. Solche Bemühungen waren integrierender Bestandteil einer sich drüben unter den Erfordernissen des immensen Hochschulausbaus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg vollziehenden Loslösung universitärer Entscheidungsfindung von bloßer Intuition und Empirie. So kam es zur Ausbildung besonderer Methoden der Datensammlung und -analyse zwecks Vorbereitung der Entschließung, was wiederum für den Beginn einer Entwicklung steht, die zur Anwendung des Evaluationsgedankens auch i m Hochschulbereich führte. Daneben ist institutional research aber auch Bestandteil einer universitären Verwaltungslehre, genannt „higher education", auf deren Grundlage in ebenso benannten Fachbereichen vieler guter Universitäten Nachwuchs für die Hochschulverwaltung bis hin zum Doktorgrad ausgebildet wird (s. D U Z 1974). Die beobachtete Entwicklung verfolgte ich in amerikanischer Fachliteratur und der Zeitschrift „The Chronical of Higher Education" daheim weiter. Dabei wurde

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mein Interesse für „evaluation" umso mehr verstärkt, als sich gegen Ende der Siebzigerjahre auch bei uns eine bescheidene Bewegung in diese Richtung anzudeuten schien. In anderen Fachgebieten, etwa der Psychologie oder den Sozial- und Verwaltungswissenschaften, gab es Vorläufer. Aber auch Erfolgsberichte einzelner Bildungsinstitutionen schmückten sich gelegentlich schon mit einem häufig nichtssagenden Schlußkapitel „Evaluation". Der erste Versuch einer Forschungsbewertung aufgrund ausschließlicher Auswertung des science citation index aus der Universität U l m fand wenig Anklang. Aber das „Wort" war jetzt da, noch ohne inhaltliche Ausfüllung. Ich wollte mehr davon wissen und fand mit einem hierauf gerichteten Stipendienantrag bei der Fulbright-Kommission Anklang. Nach gründlichen Vorinformationen konnte ich 1980 in den Staaten eine Reihe von führenden Evaluationsfachleuten, die durch einschlägige Buchveröffentlichungen ausgewiesen waren, in ihren Universitäten sprechen. Ein eingehender Besuch galt z. B. dem „Center for the study of evaluation" der University of California in Los Angeles, das damals aufgrund von Drittmitteln des National Institute for Education rund 50 Mitarbeiter beschäftigte. Ebenso hilfreich war mir in San Francisco der Kontakt zu dem bedeutenden Wissenschaftsverleger Allen Jossey-Bass, der mir das reichhaltige diesbezügliche Schrifttum seines Verlages zur Verfügung stellte, nachdem ich 1979 in der D U Z seine in ihrer Art einmalige zehnbändige „International Encyclopedia of Higher Education" rezensiert und damit für die Bundesrepublik bekannt gemacht hatte. Aus den gewonnenen Eindrücken ergab sich das B i l d einer Erfolgsgeschichte der Hochschulevaluation in den USA, die wie gesagt 1945 eingesetzt hatte, als der breite Ausbau für die heimkehrenden Soldaten eine begleitende Erfolgskontrolle der in Erprobung befindlichen Modelle veranlasste. Unter Beeinflussung durch die Gesetzgeber, die Programmbewertungen bald verbindlich vorschrieben, und Berücksichtigung einer allgemein anerkannten „accountability", einer Art von Rechenschaftslegung im weitesten Sinne, waren die Hochschulen zu einer fortlaufenden Bewertung nahezu allen universitären Handelns gelangt, die den deutschen Beobachter nachhaltig beeindrucken mußte. Hinzu war in Zeiten knappen Geldes der verbreitete Zweifel der Geldgeber an der Erzielung bestmöglicher Wirkungsbreite des Hochschulbetriebs getreten, sodass schließlich kaum eine Planung, Funktion, Person oder Institution der Hochschulszene übrig blieb, die sich einer strukturierten Bewertung zu entziehen vermocht hätte. Dabei hatte naturgemäß auch das unter marktwirtschaftlichen Bedingungen also wettbewerbsorientiert angelegte System seine Rolle gespielt. Infolgedessen hatten sich mehrere typische Anwendungsgebiete der Evaluation herausgebildet, die man zu unterscheiden hat, wenn man nicht einer aus der späteren innerdeutschen Diskussion über die Evaluations welle sattsam bekannten einseitigen Beurteilung des pro et contra verfallen will. Ich nenne: Zulassungsverfahren, Lernverhalten und Prüfungswesen der Studierenden, Universitätsprogramme

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jedweder Art, leistungsorientierte Mittelverteilung, Lehrkörperverhalten, Verwalterverhalten sowie Bewertung der angewendeten Evaluationsmethodik selbst. Auch aufgrund des letztgenannten Ansatzes hatte sich bereits in den Siebzigern eine Evaluationstheorie entwickelt, die in Büchern und Fachzeitschriften breit erörtert wurde. Aus der Typik von deren Begriffswelt nenne ich beispielsweise die Unterscheidung zwischen formativer und summativer Evaluation, die besonders die Programmevaluation prägte: Während Erstere die Bewertung einer Planung (etwa neuer Studiengänge) benennt, befasst sich die letztere mit bereits laufenden Vorhaben, etwa i m Hinblick auf Zielerreichung, Fortführung, Modifikation oder Ersatz eines Studienangebots. M i t Rücksicht auf die nicht stets gegebene Durchschlagskraft ursprünglich gesetzter Ziele kam damals gerade der Begriff einer „goalfree evaluation" ins Gespräch, die auch qualitativ akzeptable Zielabweichungen aufzugreifen erlaubt. Eindrucksvoll wirkte ferner, dass sich inzwischen infolge jener breiten Anerkennung von Evaluation i m Bildungswesen und der ausgefeilten Theorienbildung eine vielfältige Durchdringung der Gesellschaft mit organisierten Einrichtungen, eine Art von Evaluationsindustrie, beobachten ließ. Ich meine damit keineswegs nur Universitätsinstitute sondern auch viele private auf Hochschulevaluation spezialisierte Unternehmen. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang bekanntlich aber auch den schon seit dem 19. Jahrhundert an Hochschulgründungen regelmäßig beteiligten Akkreditierungsinstanzen zu.

II. Ein Lieblingswort unseres Kanzlers Die vorstehend nur kurz umrissene Thematik stellte ich 1981 unter der Uberschrift „Evaluation i m Hochschulwesen - Modewort oder Methode von morgen?" in einem größeren Übersichtsartikel vor ( D U Z 1981, Heft 1, S. 1 7 - 2 1 ) , auf den ich wegen Einzelheiten, Orts-, Namens- und Literaturangaben verweisen kann. Aus der Natur der Sache kamen darin auch angreifbare oder immerhin für den Einzelnen „unangenehme" Erscheinungsformen der Evaluation zur Sprache. Ich meine etwa die an allen amerikanischen Universitäten seit Jahrzehnten übliche, sei es freiwillig erhobene oder verpflichtend auferlegte Beurteilung der Lehrleistungen der Hochschullehrer durch ihre Studenten oder auch die problematische Reihung der Rangfolge ganzer Universitäten nach deren wissenschaftlicher Anerkennung. Ich legte jedoch Wert auf eine differenzierte, nicht etwa kritiklose Vorstellung. So betonte ich die Notwendigkeit, dass die Beurteilung von Lehrpersonen natürlich nicht auf dem erwähnten „einen Bein" der studentischen Bewertung stehen dürfe sondern von „peer evaluation" (durch Fachexperten) begleitet sein müsse. Ich stellte heraus , dass sich drüben nicht nur Professoren sondern auch Hochschulleiter und Administratoren häufig genug evaluieren lassen müssen, und begrüßte dies. Ich umschrieb das Hochschulranking, wenn es sich nicht an Fachbereichen

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oder Fächern festmache, als „ranking game". Ich legte besonderen Wert darauf, dass bei der beschriebenen Praxis häufig eine Selbstevaluation am Anfang stehe, bei der es in geeigneten Fällen sein Bewenden haben könne. Und ich bezweifelte grundsätzlich, ob die sprachliche Übernahme des Wortes „Evaluation" als Anglizismus angebracht sei, oder ob man nicht bei uns schlicht von Bewertung oder auch Messung (wie assessment oder measurement) reden könne, ganz zu schweigen von dem sprachmischenden Wortungetüm „Evaluierung". Bei Wiederlektüre fällt mir auf, dass ich bereits bei Niederschrift mit allerlei unsanften Reaktionen aus meiner beruflichen Umwelt gerechnet zu haben schien. Und so kam es denn auch! Der letzte Rektor (und nunmehr Prorektor) am Ort äußerte i m Kreise von Kollegen und in meiner Anwesenheit in kernig-kraftvoller Sprache: „Sowas, was Herr C. da vorschlägt, wollen wir bei uns nicht haben!" Und der Dekan der Philosophischen Fakultät (und demnächst Dauerrektor) meinte in ähnlichem Kreise: „ E i n Lieblingswort unseres Kanzlers heißt: Evaluation", was ebenso süffisant wie falsch war (siehe vorstehend). Womöglich meinten beide, dem Irrweg „ihres" Kanzlers sogleich eine Abfuhr erteilen zu sollen, nachdem der wohlmeinend-ahnungslose professorale Redakteur des laufenden Universitätsjahrbuches den DUZ-Artikel vollständig nachgedruckt hatte, so dass er jedem Angehörigen des Lehrkörpers gratis et franko auf den Schreibtisch gelangt war. Aber auch von auswärts kam fast nur kritische Resonanz. Ein bekannter Politologe lobte zwar die „dicht geschriebene" Arbeit, fuhr dann aber fort: „Ich finde den Gedanken, ehrlich gesagt, ziemlich schrecklich und glaube auch nicht, dass eine solche zischelnde Schlange unter unseren nicht mehr vorhandenen Talaren viel bewirken würde." Ein mir seit langem gewogener Philosoph, Remigrant aus den USA und deshalb vielleicht eher aufgeschlossen, empfand den Gedanken für Deutschland als „überhaupt nicht sympathisch", berief sich aber freundlich darauf, dass er wohl „ i m Herzen ein Romantiker" geblieben sei. Ein juristischer Ordinarius sah durch die von mir vorausgesagten Entwicklungen die Gefahr hoheitlicher Eingriffe verstärkt und damit die Bürokratie vergrößert. Wirkungsvoll könnten derartige „Kontrollmaßnahmen" (!) nur eingefühlt werden, wenn sie von der akademischen Selbstverwaltung getragen seien. Jener habe man aber in den Siebzigern das Rückgrat gebrochen. Selbst ein mir in hochschulpolitischen Auffassungen stets nahe gewesener nordrhein-westfälischer Kanzlerkollege meinte zu meiner Schlussfolgerung, es müsse auch bei uns etwas auf diesem Gebiet geschehen: „Nein und nochmals nein!" Er sah sich wahrscheinlich durch vorausgegangene andersartige „Reformen" schon genügend gebeutelt. Die meisten meiner Kollegen blieben damals schweigsam. Auch bei öffentlichen oder halböffentlichen Instanzen blieben Interesse oder gar Wirkungen aus. Was ich hörte, konnte man an der Hand aufzählen. Der eine oder andere Hochschulreferent aus den Ländern sprach mich an. Einer hatte den Artikel dem Minister nebst Aktenvermerk und Vorschlag vorgelegt; der kam kommentarlos abgezeichnet zurück. Bei zwei auf Hochschulberatung ganz oder teilweise kon-

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zentrierten Beratungsunternehmen meinte ich eine gewisse Wirkung zu spüren. Die HIS GmbH schickte einen Mitarbeiter nach drüben, der sich vorher Adressen und Material bei mir besorgte. Er veröffentlichte anschließend eine Broschüre mit ähnlichen Ergebnissen. Die W I B E R A Wirtschaftsberatungs-AG in Düsseldorf kam wenigstens publizistisch auf mich zurück. Die Fulbright-Kommission, mein „Sponsor", schrieb in ihrem nächsten Programm für Bildungsexperten das Thema gesondert aus. Weshalb musste wohl meine nüchterne Auflistung amerikanischen Evaluationsgeschehens im Jahr 1981 derart befremdlich auf die Hochschullehrer wirken? Sie hatten aus der Breite verschiedener Evaluationsobjekte einseitig die Lehrbeurteilung herausgegriffen, die begreiflicherweise zunächst als unsympathisch empfunden wurde. Außerdem wurde wohl vor allem die vergleichende Bewertung von Institutionen in den kritischen Blick genommen, weil man noch unverrückbar an der gleichen Qualität der Universitäten festhielt, obwohl jene doch längst durch die Fülle der Neugründungen widerlegt war und auch der „Bericht über deutsche Universitäten" des International Council on the Future of the University schon 1978 die Fiktion der Gleichheit ad absurdum geführt hatte. Man kann wohl konstatieren, dass die ganze Richtung damals nicht mit dem noch ungebrochenen Beharrungsvermögen der wissenschaftlichen Hochschulen übereinstimmte. Für mich war die Thematik meiner letzten USA-Erkundung bald in den Hintergrund getreten. Ich beobachtete jedoch die weitere Entwicklung in meinem letzten Berufsjahrzehnt und darüber hinaus vom Rande her und blieb bei der Voraussage, dass die Wogen der Evaluationsbegeisterung früher oder später auch die Bildungssysteme Europas erreichen würden. Ich greife voraus: Aus heutiger Sicht mag die Frage erlaubt sein, ob ich seinerzeit das richtige Wort nur zur falschen Zeit oder am falschen Ort oder gar nur in der falschen Funktion gesagt hatte, weil ein nicht unmittelbar am Wissenschaftsprozess beteiligter Verwalter „Sowas" nicht verlautbaren durfte. Ich lasse diese Frage unbeantwortet, verschweige aber nicht, dass mir der spätere Ablauf der Ereignisse eine gewisse Befriedigung vermittelte. Ausdrücklich betont sei aber auch, dass ich meiner Äußerung von 1981 keine Bedeutung i m Sinne einer Mitverursachung beimesse. Sie war allenfalls ein winziger Mosaikstein i m weiten Kreis der Gründe und Kräfte, die auch bei uns zur Durchsetzung des Evaluationsgedankens im Hochschulwesen führen sollten.

I I I . Die Durchsetzung des Evaluationsprinzips in Deutschland Doch wie kam es zu dieser Entwicklung noch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts?

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Für die Beantwortung mag bedeutsam sein, was auf der Suche nach größeren „Abschnitten" in der deutschen Bildungspolitik der Nachkriegszeit festgestellt wurde: Dass nämlich auf die durch Schlagworte wie „Demokratisierung" (der Binnenstruktur der Universität) und „Reglementierung" (durch schädlich vereinheitlichende Hochschulrahmengesetzgebung) geprägten Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts in den Achtzigern langsam eine Wendezeit einsetzte, in der neben berechtigter Kritik an bürokratischer Unbeweglichkeit und Unselbständigkeit der Hochschulen allmählich die Hoffnung auf Deregulierung und Wettbewerb zur Leistungssteigerung in Forschung und Lehre an Boden gewann, um sich in den Neunzigern unter Abschiednahme von der Gleichheitsidee zu einer kräftigen Triebfeder der Hochschulpolitik zu entwickeln. Auswirkungen dieses Wandels auf die Einstellung zu dem aus den USA her bekannten, inzwischen auch in Großbritannien, den Niederlanden und Skandinavien arrivierten Evaluationsgedanken konnten kaum ausbleiben, sodass schließlich auch bei uns das Wort „Evaluation" zu einem gängigen, freilich vielfach ungeliebten Zauberwort wurde. Freilich darf man nicht übersehen, daß die Begriffs Verwendung bald auf alle möglichen „bewertenden" Vorgehensweisen ausgedehnt wurde, die es naturgemäß gerade i m Bildungswesen schon immer gegeben hatte. So bieten sich heute allzu viele Felder an, auf denen nach neuerem Sprachgebrauch „evaluiert" wird. Die gelegentlich sogar zu beobachtende synonyme Verwendung des anders angelegten Begriffs „Controlling" muß irreführend und kontraproduktiv wirken. Demgegenüber bezieht sich die folgende Entwicklungsskizze nur auf das, was man als systematische oder formelle Evaluation bezeichnen mag. Wie erwähnt hatte bei uns in den Siebzigern eine Diskussion über „Messung" von Forschungsleistungen eingesetzt, die zunächst ausschließlich auf Zitierhäufigkeiten abstellte. Die Anwendung des Evaluationsprinzips setzte also ausgerechnet bei dem wohl am schwersten zu bewertenden Bereich der Forschung ein, was zumal bei anfangs angreifbarer Methodik kaum zu seiner raschen Durchsetzung beitragen konnte. Es verwundert deshalb nicht, dass der Begriff der Evaluation i m autoritativen Handbuch des Wissenschaftsrechts von 1982 nicht einmal im Index auftauchte. I m Gegenteil wurde dort jede Kontrolle der Forschungseffizienz verneint (S. 439), umgekehrt jedoch euphemistisch angenommen, der Einsatz der vorhandenen Ressourcen einschließlich der persönlichen Arbeitsleistung der Hochschullehrer sei in der deutschen Universität von jeher überwacht worden (S. 244). Indessen setzte sich die Diskussion um die erkennbare Einseitigkeit der ersten Bewertungsansätze lebhaft fort und gelangte sogar zu eigenem wissenschaftlichen Niveau, wobei sich ein differenziertes Bild von „Wissenschaftsindikatoren" abzeichnete. Übertrug man diese Begriffswelt auf den gesamten Hochschulbetrieb, so gelangte man zu Stichworten wie „Kennzahlen" oder gar „Leistungskennzahlen", die fortan nicht mehr zu überhören waren. Auch die Jahrestagungen und Kolloquien der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK) konnten sich dem nachgerade nicht verschließen, womit ein jahrelanger,

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mitunter hinhaltender Entwicklungsprozess in Gang kam. Erste Ansätze finden sich in einem Effizienz-Kolloquium vom Herbst 1979, das unter Einfluss der bekannten WIBERA-Untersuchung über die „Ökonomie der Hochschule" zwar in erster Linie nach Wirtschaftlichkeit i m streng ökonomischen Sinne fragte, aber doch auch schon nach genereller Differenzierung und Bewertung von Hochschulleistungen, ohne dass der Begriff der Evaluation herangezogen wurde. Die Bedeutung amerikanischer Bewertungsmethoden wurde in die sozusagen amtliche Universitätswelt erst durch die Wettbewerbsempfehlungen des Wissenschaftsrats von 1985 eingeführt, die eine starke Wirkung ausübten. Bereits 1986 kam es zu einer Stellungnahme der W R K zur Beurteilung und Entwicklung der Ansätze zu einer Leistungsbewertung und -messung von Hochschulen, in der nun erstmalig von Evaluation gesprochen und einzelne Methoden wie das Ranking und sogar „subjektive Einschätzungen durch Studierende" in einer „Indikatorenliste" angetippt, freilich durchweg eher problematisiert als begrüßt wurden. Eine deutlichere Annäherung an die Evaluationsthematik erbrachte dann ein gut vorbereitetes und dokumentiertes WRK-Symposium von 1988 über „Leistungsbeurteilung und Leistungsvergleich i m Hochschulbereich", auf dem die verschiedenen Felder der Evaluation abgeklopft wurden. Selbst bisherige Kritiker waren nun fleißig dabei, nach den richtigen Indikatoren zu fahnden, darunter auch jener Dekan (und nunmehr Rektor), den damals das „Lieblingswort unseres Kanzlers" amüsiert hatte. Die untergründigen Vorbehalte vieler Teilnehmer blieben noch deutlich spürbar. Forscher des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung konstatierten dementsprechend nüchtern, die Wettbewerbsempfehlungen träfen bei Traditionalisten auf Misstrauen und Widerstand, weil sie befürchteten, hinter dem Plädoyer für „ M o dernisierung" verberge sich die Gefahr einer eindimensionalen Funktionierung der Hochschulen unter Beschränkung der akademischen Freiheit. Immerhin blieb das Thema auf den Agenden; naturgemäß nicht nur in den offiziellen Gremien. Denn jene hätten sich kaum damit abgegeben, wenn ihnen nicht beachtliche motivierende Kräfte aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor- und nachbereitend korrespondiert hätten. Dabei spielte die große Presse eine wichtige Rolle. Die „Zeit" stellte beispielsweise 1983 eine erste Rangliste der juristischen Fachbereiche vor. Leitartikler der „Frankfurter Allgemeinen" sorgten in durchaus zustimmenden Sinne für mehr Aufmerksamkeit auf Evaluationsvorhaben wie das Ranking und die studentische Lehrbeurteilung. Ablehnende Leserbrieftiraden blieben nicht aus. Die Wirtschaft, selber bereits um organisierte Qualitätsmessung intensiv bemüht, griff die Hochschuldiskussion begleitend auf, wie man aus Äußerungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft von 1989 oder etwa einer Tagung der Bertelsmann-Stiftung von 1990 entnehmen kann, auf der auch der Bundesbildungsminister für standardisierte Vorlesungskritik und Ranking-Listen eintrat. Daneben gaben auch halbamtliche Repräsentationsorgane der deutschen Wissenschaft dem Evaluationsgedanken jetzt Raum. Der Bund Freiheit der Wissenschaft, zwei Jahrzehnte vorher eigentlich zur Bewahrung der Tradition ins Leben

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gerufen, erwies sich unter Beiziehung ausländischer Experten mit Tagungen von 1987 und 1989 fast als ein Schrittmacher, wobei unter anderem die aufgeschlossene Haltung von zwei Generationen Kölner Soziologie Pate gestanden haben mochte. Dagegen spielte der Deutsche Hochschulverband seine Rolle als Hemmschuh perfekt, wie man aus seinen Mitteilungsblättern jener Tage entnehmen kann, in denen etwa die Lehrbeurteilung schließlich sogar mit verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten als staatliche „Lehrzucht" abqualifiziert wurde. Allerdings darf i m Rückblick auf diesen kontroversen Entwicklungsprozess nicht verschwiegen werden, dass damals verschiedene Ansätze, um nicht zu sagen Experimente, zur Einführung von Bewertungspraktiken in miserablen Kinderschuhen daherkamen. Das gilt etwa für die Rangliste des „Spiegel" von 1990, obschon sie akademisch begleitet war, aber auch für andere absurde Listen ähnlicher Zielsetzung. Desgleichen musste die Simplizität von Fragebögen zur studentischen Beurteilung der Lehrqualität beanstandet werden, die von einzelnen Ministerien reformfreudig durch Erlass herausgegeben wurden. Bei mehr Beachtung der ausgefeilten amerikanischen Modelle hätte dies vermieden werden können. Das vorstehend angedeutete Zusammenspiel der verschiedenen Kräfte setzte sich in den Neunzigerjahren in verstärktem Umfang fort. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass auch die Universitätskanzler in ihren Fortbildungstagungen, um deren Pflege sich bekanntlich der Jubilar besonders verdient gemacht hat, den Fragenkreis 1995 unter dem etwas anspruchsvollen Thema „Evaluation der Evaluation" aufgriffen. Bestätigt wurde hier vor allem die Erfahrung, dass von der Heranziehung von Firmen der allgemeinen Wirtschaftsberatung wenig für den Universitätsbereich zu erwarten ist, weil sie das innere Feld nicht kennen und verstehen. Wenn übrigens der die Teilnehmer begrüßende örtliche Rektor das gewählte Thema für „ein bisschen komisch" hielt, so war er in diesem Zeitpunkt schon kaum mehr up to date. Denn schon 1993 hatte auf einem vorwärtsgreifenden Villa-Hügel-Gespräch des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft der damalige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) unumwunden erklärt, die Frage, ob es zu einer Evaluation kommen werde, sei nicht mehr offen sondern entschieden. Tatsächlich entwickelte sich seither auch in der Bundesrepublik Deutschland eine Praxis der Anwendung der verschiedenen Arten von Hochschulevaluation. M i t der studentischen Lehrevaluation wurde alsbald an vielen Hochschulen begonnen, wie von Wissenschaftsrat, Ministerien, j a sogar Parteiprogrammen eingefordert. Örtliche Universitätszeitungen stellen inzwischen landauf, landab entsprechende Anwendungen an ihrer Hochschule rühmend ins Licht. Die vergleichende Hochschulevaluation durch Ranking verbesserte sich merklich und wuchs über den Charakter bloßer kaufmännischer Verlagsprodukte in Magazinen hinaus, wenn sie von Experten beraten oder geführt wurde, wie beispielsweise durch das „Centrum für Hochschulentwicklung", 1994 von Bertelsmann-Stiftung und H R K gegründet, für den „Stern". A u f diesem Teilgebiet der

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Evaluation entwickelte sich sogar ein gegenüber den USA neuartiger Stil, insofern als er differenzierte Antworten hervorbringt, spezielle studentische Belange ausdrücklich einbezieht und sich nicht mehr an ganzen Hochschulen, sondern an einzelnen Fächern oder Fachbereichen festmacht. Auch hier ist es inzwischen gang und gäbe, dass man sich von der einzelnen Hochschule aus stolz auf für sie günstige Ergebnisse beruft; womöglich selbst dann, wenn man an sich der Evaluationswelle noch skeptisch begegnet. Die Bewertung einzelner Institute oder Gruppen von Instituten durch Experten (peers) erfuhr eine zwangsläufige Initialzündung durch Notwendigkeiten, die sich aus der Herstellung der deutschen Einheit ergaben. Nachdem die Evaluierungscampagne in den neuen Bundesländern abgeschlossen war, wurden gegen Ende des Jahrhunderts unter anderen auch sämtliche Institute der von Bund und Ländern geförderten „Blauen Liste" systematisch durch Expertenkommissionen des Wissenschaftsrats bewertet, wodurch nun auch jener Altrektor, der 1981 „Sowas" bei uns nicht haben wollte, die Evaluation seines medizinischen Großinstituts „an" der Universität mit keinem günstigen Ergebnis erleben musste. Auch die großen Forschungsförderungseinrichtungen ließen sich nun selber bewerten, was öfters Änderungen ihrer Organisation hervorbrachte, etwa die Einrichtung eigener Evaluationsabteilungen, entsprechender Stabsstellen oder sogar Institute, wie bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der H R K oder der Fraunhofer-Gesellschaft. Infolge der Einrichtung hunderter neuer Studiengänge und vieler kleiner privater Spartenhochschulen entstanden auch bei uns Akkreditierungsagenturen halbamtlicher oder privater Natur, die Programmevaluation betreiben. Über ihnen thront ein von H R K und Kultusministerkonferenz gemeinsam installierter „Akkreditierungsrat" als Aufsichtsinstanz. Generell ist die von drüben her bekannte Strukturierung des Evaluationsgeschehens in Gang gekommen. Bestehende Einrichtungen, wie die HIS GmbH, haben sich schwerpunktmäßig hierauf eingestellt. Neue Institute für Wissenschaftsberatung erscheinen mit einschlägiger Zielsetzung auf der Bildfläche. Die Deutsche Gesellschaft für Evaluation hat bereits einen Arbeitskreis „Hochschulevaluation" eingesetzt. „Leitfäden" oder gar „Handbüchern" zur Hochschulevaluation folgt unterdes eine i m Entstehen begriffene wissenschaftliche Literatur, die den juristischen Blickwinkel schon erreicht hat - für Deutschland im Unterschied zu den USA typisch. So hat denn auch das Handbuch des Wissenschaftsrechts in seiner zweiten Auflage von 1996 wenigstens das „anstößige" Thema der Lehrevaluation aufgegriffen. In hochschulverbandsnahen Rechtsausführungen wird sie dort allerdings in Bedeutung und Wirkung enorm eingeengt. Insgesamt wird schließlich konstatiert, die Lehrevaluation sei ein Irrweg (S. 321) - eine angesichts ihres internationalen Erfolgsweges merkwürdige und kaum zukunftsträchtige Aussage. Die in den Staaten übliche individuelle Evaluation von am Wissenschaftsleben beteiligten Personen steht bei uns zwar noch zurück, wenn man von Zügen des traditionellen Berufungsverfahrens absieht. M i t der Einführung der problematischen Figur des Junior-

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professors und auch infolge von Änderungen bei der Hochschullehrerbesoldung, die an besondere Leistungsmerkmale anknüpfen wollen, dürfte sich das ändern. Von einer systematischen Evaluation von Hochschulleitern oder Leitungsmitgliedern hat man noch nichts vernommen. Demgegenüber sind bekanntlich in der Wirtschaft Begutachtung und Bewertung von Führungskräften schon durchaus gebräuchlich. Wenn erst einmal die i m Zuge der tendenziell angestrebten Verselbständigung unserer Hochschulen zu erwartende Selbstauswahl aller Studienbewerber Platz greifen sollte, dürfte auch in Deutschland das aus den USA bekannte „testing business" einen entwicklungsträchtigen Teilbereich universitärer Evaluation hervorbringen. Aus ähnlicher Veranlassung könnte solches auch im Hinblick auf die mit regelmäßiger Evaluation verbundene inneruniversitäre Verteilung der durch Blockzuweisung erhaltenen Haushaltsmittel gelten. Ansätze zur besonderen Förderung evaluierter Forschungsprojekte gibt es bereits an verschiedenen Hochschulen. Nach alledem verwundert es in unseren Landen nicht, dass die Thematik der Hochschulevaluation inzwischen sogar in den Gesetzesrang erhoben wurde. Dies geschah mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes im Jahr 1998. Sein § 6 verordnet nun in einer Sollbestimmung „Bewertung" in einem umfassenden Ansatz, hinsichtlich der Bewertung der Lehre unter Beteiligung der Studierenden. In der Begründung der Novelle heißt man dies unverblümt: „Evaluation". Dementsprechende Hochschulgesetze der Länder folgten. In ihnen werden Aufträge an die Hochschulen zur näheren Regelung des Bewertungsverfahrens erteilt, sodass deren Satzungsgeber über Evaluationsordnungen brüten müssen. 1999 äußerte der nunmehr amtierende Präsident der H R K auf einer europäischen Tagung in Weimar, er rechne mit dem Aufbau eines flächendeckenden Evaluationsverfahrens innerhalb der kommenden fünf Jahre. Wenn diese Annahme von kompetenter Seite zutrifft, dann befindet sich das hochschulbezogene Evaluationsgeschehen rund zwanzig Jahre nach dem von mir in diesem Beitrag gewählten Ausgangspunkt in voller Entfaltung. So kann es denn heute geradezu vorkommen, dass eine ehrwürdige geisteswissenschaftliche Fakultät sich inneruniversitär gegenüber anderen Fakultäten um Chancen gebracht sieht, weil sie vom Rektorat bislang noch nicht zur gezielten Evaluation vorgesehen wurde! I m übrigen ist das Universitätswesen hierbei durchaus im Einklang mit seiner nichtakademischen Umwelt, in der das nah verwandte Thema „Qualitätssicherung" inzwischen allenthalben groß geschrieben wird.

IV. Ausblick Die vorstehend skizzierte Entwicklungsgeschichte der Evaluation i m Hochschulwesen der Bundesrepublik Deutschland weist Züge auf, die zum Lachen wie zum Weinen Anlass geben könnten. Allerdings sind Statements von Gegnern wie 9 FS Leuze

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der Vergleich der Evaluation mit einem „Zirkus, weil mit viel Schau und Umherreisen verbunden", oder gar einem „neuen Furor", der uns auf den Weg führe, „ein Volk von Evaluierern zu werden", wenig hilfreich, mögen sie auch von geistreichen Präzeptoren der deutschen Universität von heute stammen. Sie lassen eher eine individuell verschiedene, doch wohl nicht berufsspezifische Abneigung gegenüber kritischer Betrachtung der eigenen Person oder Institution durch Dritte vermuten. Indessen wirkt bedrückend, dass sich die aufgezeigte Entwicklung des Evaluationsprinzips zu einem unübersehbaren Schlüsselbegriff auch des deutschen Hochschullebens vor dem Hintergrund einer nie geahnten, scheinbar grenzenlosen Amerikanisierung unserer tertiären Bildung vollzieht, sodass man sich sorgen muss, ob die traditionelle deutsche Universität zum Auslaufmodell werden könnte. Einen vergleichbaren Traditionsbruch hatte es bekanntlich unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg in Japan gegeben. Dem Ausmaß dieses keineswegs in jeder Hinsicht überzeugenden Reformmusters kann hier nicht nachgegangen werden. Jenen fast übermächtig erscheinenden Einflüssen können aber die typischen Elemente systematischer Evaluation geradezu objektivierend und, wo erforderlich, hemmend entgegentreten, wenn sie nämlich in die Bewertung von Übernahmevorhaben auch jene Grundtatsache einfließen lassen, dass es je besondere Grenzen der Transplantation ausländischer Modelle gibt, die sich aus der inländischen Gesamtlage herleiten. Dies habe ich in der Festgabe für einen älteren Hochschulverwalter früher näher zu analysieren versucht (Beiheft 3 zur Zeitschrift „Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung" von 1969). Darüber hinaus ist kaum zu übersehen, dass uns zahlreiche Um- und Irrwege zweifelhafter Reformen sowie niemals auch nur annähernd hochgerechnete Kosten erspart geblieben wären, wenn man bei Einführung neuer Programme oder sogar Gründungsvorhaben schon früher systematische Eingangsevaluation betrieben hätte, bevor man von zeitgeistgetriebener Hochschulpolitik beeinflusste Pläne durch tüchtige und zudem willige Ministeriale zügig in die Praxis umsetzen ließ. Ich denke hierbei etwa an die Einführung von Kurzstudiengängen, die trotz von vorneherein begründeter Zweifel an ihrer „Abnahme" durch die Studienbewerber wahlweise neben traditionelle Studiengänge gesetzt wurden anstatt sie konsekutiv gestuft in das vorhandene System einzubauen. Das Scheitern dieser einstmals hoch gepriesenen Teilreform wurde bekanntlich erst in jüngster Zeit durch Aufgabe der ursprünglichen Gesamthochschulideen besiegelt. Aus dem weiteren Bereich des Bildungswesens muss man zudem unwillkürlich an das unsägliche Hin und Her i m gesamten Schulbereich denken, das jenen zu einer ständigen Auf- und Abbruchbaustelle werden ließ, was ebenfalls durch formative Programmevaluation i m Vorhinein hätte weitgehend vermieden werden können. Derartige Ausstellungen sind aber auch i m Hinblick auf unterbliebene begleitende Evaluation bereits bestehender Studiengänge oder anderer universitärer Funktionsabläufe bis hin zur administrativen Dienstleistung begründet. Beispielsweise

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hätte das ohne maßgebliche Schuld der Fakultäten seit Jahrzehnten weltweit gesunkene Ansehen der deutschen Medizinerausbildung schon vor langer Zeit zwingender Anlass für eine schonungslose Bewertung zwecks Aufdeckung und Beseitigung der Gründe sein müssen; waren doch sämtliche palliativen Verbesserungsversuche gegenüber dem durch extensive Verfassungsauslegung verursachten qualitätsstörenden Massenzugang ohne Erfolg geblieben. Gewiss stellt Evaluation kein Allheilmittel dar. Auch Expertenanalysen können Fehler enthalten, was die besondere Frage nach den richtigen „Evaluatoren" aufwerfen heißt. Einzuräumen ist ferner, dass eine gewisse Evaluationsbürokratie in Kauf genommen werden muss, die schon wegen der unabdingbaren Gewährleistung von Gleichförmigkeit und damit Verfahrensgerechtigkeit erforderlich ist. Was man über sogenannte Querschnittsevaluationen aus manchen Bundesländern hören kann, klingt noch verbesserungsbedürftig. Dass es über die Zweckmäßigkeit der jeweils beschrittenen Verfahrenswege Meinungsverschiedenheiten geben wird, liegt auf der Hand. Keinesfalls wird jedoch diese Quelle neuer Fragebogen-, Sitzungs- und Antwortaktivitäten auch nur annähernd jenes Ausmaß an Bürokratisierungszuwachs erreichen, das der deutschen Universität - und dies in bedauerlichem Unterschied zu den Verhältnissen in den USA - seit drei Jahrzehnten durch Überstülpung eines doppelten Repräsentationssystems organisierter Gruppeninteressen beschert worden ist und das von den meisten Beteiligten längst widerspruchslos praktiziert wird. I m Übrigen sollte der evaluationsbedingte Zuwachs an Bürokratisierung durch Privatisierung von Hilfsfunktionen in Grenzen gehalten werden. Er könnte schließlich durch Abschmelzung von Bürokratie an anderer Stelle, etwa bei den traditionellen Aufsichtsinstanzen, wenigstens teilweise wieder wettgemacht werden. Sicher scheint, dass der Drang der öffentlichen wie privaten Geldgeber auf Nachweis von Qualität und Effizienz ebenso unaufhaltsam zunehmen wird wie der Wettbewerb der Hochschulen untereinander. Infolgedessen ist anzunehmen, dass die beschriebene Anerkennung des Evaluationsprinzips keine vorübergehende Modeerscheinung darstellt, dass es sich vielmehr nun auch i m Wirkungsgefüge der deutschen Universität einen festen Platz erobert hat. M i t dieser Verortung wird andererseits seine stete Wandelbarkeit deutlich. Wenn die Anwendung des Evaluationsgedankens gerade beim deutschen Ansatz ihren regelmäßigen Ausgangspunkt bei der internen Evaluation (Selbstevaluation) nehmen wird, dann könnten und sollten sich damit auch jene Hochschullehrer arrangieren, die in Hochschulevaluation heute noch einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit erblicken.

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Deregulierung oder Vergessenheit? Zur Entwicklung der Mitbestimmungsfrage in den Hochschulen seit 1998 Peter Dallinger

I. Einführung Dieter Leuze hat in seiner Abhandlung „Mitwirkungsrechte der Mitglieder' 4 , die i m Handbuch des Wissenschaftsrechts erschienen ist, 1 die damals bestehende Rechtslage der Hochschulen i m Bereich der Mitbestimmung richtig dargestellt. Er beschrieb vor allem den Drang zur Gruppenuniversität, der seit Ende der 60er Jahre entstanden war. Die Gruppenuniversität knüpft zwar äußerlich an ältere Darstellungen über den Körperschaftscharakter der Hochschulen an; Leuze verweist insbesondere auf Wende 2 und Köttgen. 3 Die Gruppenuniversität hatte aber andere Grundlagen. Hinter ihr stand nach Leuze „ein kaum verhüllter massiver politischer Machtanspruch", „der mit allen denkbaren Formen und Raffinessen eines politischen Machtkampfes ausgetragen wurde". Nicht die Ordinarienuniversität habe eine Erschütterung in den Grundfesten der Hochschule bewirkt, sondern „radikale studentische Forderungen", die bei einem großen Teil der Assistenten, einer Reihe von Professoren und einigen nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern „auf große Zustimmung" stießen. 4 Leuzes Kritik galt auch dem Bundesverfassungsgericht. Es hatte in seinem Hochschulurteil vom 29. Mai 1973 den Grundgedanken der Gruppenuniversität, nach dem die Angelegenheiten der Universität als einer Körperschaft der Lehrenden und der Lernenden grundsätzlich in die Beratungs- und Entscheidungskompetenz aller ihrer Mitglieder fallen, nicht in Frage gestellt. „Das organisatorische System der Gruppenuniversität ist als solches mit Artikel 5 Abs. 3 GG vereinbar." 5 Das Bundesverfassungsgericht betonte allerdings, dass sich aus Artikel 5 Abs. 3 GG bei der Mitbestimmungsfrage auch Einschränkungen ergeben. Die Gesetzgebung hat diese Einschränkungen sogar enger gezogen, als es nach der Verfassung ι HdbWissR, Berlin, Heidelberg, New York 1996, S. 859 f. Wende, Erich, Grundlagen des Preußischen Hochschulrechts, Berlin 1930, S. 78.

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Köttgen, Arnold, Deutsches Universitätsrecht, Tübingen, 1933, S. 48. 4 Leuze { Fn. 1), S. 863. 5 BVerfGE 35, 79, 124, 125, Leitsatz 5.

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gefordert war; so auch i m Hochschulrahmengesetz, und zwar schon in seiner Urfassung vom 26. Januar 1976: Wahrend nach der Verfassung Artikel 5 Abs. 3 GG schon erfüllt ist, wenn bei Entscheidungen, die unmittelbar die Lehre betreffen, den Hochschullehrern ein „maßgebender Einfluss" vorbehalten ist 6 , forderte das HRG, dass die Professoren hier über die absolute Mehrheit der Stimmen verfügen müssen 7 - also über die gleiche Mehrheit wie bei den Entscheidungen von Fragen der Forschung und bei Berufungsangelegenheiten. In späteren Novellen, insbesondere i m 3. HRGAndG von 1985, gab es, wie noch zu zeigen ist, weitere Einschnitte in die Gruppenuniversität. Die Darstellung von Leuze ist, wie noch dargelegt wird (unter II), insofern unrichtig, wenn er meint, die „Chancen für einen Neuanfang" seien nach dem Hochschulurteil „vergeben" worden. 8 Es schien so, als ob die Mitbestimmungsfrage an den Hochschulen sich damit erledigt habe. Diese Annahme war verfehlt. Unter dem Stichwort „Deregulierung" hat die Bundesregierung i m Jahr 1997 begonnen, sie erneut aufzurollen. M i t „Deregulierung" wurden nicht nur Probleme angesprochen, bei denen eine Freistellung von Regelungen die Hochschulen in der Tat zu mehr Wettbewerb und mehr Profilbildung veranlassen könnte, sondern auch die Mitbestimmungsfrage, wo die Hochschulen sich seit je mit einer Selbstregelung überfordert sahen. I m Entwurf der Bundesregierung für ein 4. HRGAndG wurde 1997 „ein weitgehender Verzicht auf Regelungen zur inneren und äußeren Organisation und Verwaltung der Hochschulen" vorgesehen. 9 Vorgesehen wurde vor allem die Streichung der §§38 bis 40 und § § 6 0 bis 66. Dabei wurde übersehen, dass die Mitbestimmungsfrage einer der Gründe war, die 1969 dazu geführt hatten, dem Bund überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz einzuräumen. Man erinnere sich: Die Probleme, denen sich 1968 die Ordinarien, aber weit über die Hochschule hinaus auch andere Personen unter Berufung auf „Demokratisierungstendenzen" ausgesetzt sahen, haben zu einer inneren Krise ihrer Institutionen geführt. Die damalige Bewegung war, wie spätere Kritiker sie nannten, eine „Kulturrevolution". Der Angriff ging weitgehend von Marxisten aus, die alle Amtswalter dazu aufriefen, die „Lebenslüge des Systems" zu verlassen und aus eigener Machtvollkommenheit die Gesellschaft umzugestalten nach der Maxime sozialistischer Parteilichkeit. Ideologische Schubkraft boten emanzipatorische Verheißungen rätedemokratischer und syndikalistischer Ideale. 1 0 Es war offensichtlich, dass die Länder sich in den 60er Jahren diesen Tendenzen nicht allein entgegenstellen konnten. Der Ruf nach einer Grundgesetzänderung richtete sich damals an eine Große Koalition, die seit Ende 1966 in Bonn regierte. 6 BVerfGE 35, 79, Leitsatz 8 b. 7 § 38 Abs. 3 Satz 2 HRG vom 26. 1. 1976 (BGBl. I S. 185). 8 HdbWissRS. 865, 881. 9 Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes, BT-Drucks. 13/8796, S. 14 und 25. 10 Vgl. etwa Isensee, Affekte gegen Institutionen - Überlebt das Berufsbeamtentum? in: Verantwortung und Leistung, Heft 34/1998, S. 4.

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Es ist erstaunlich, dass 28 Jahre später die Gründe für diese Verfassungsänderung nicht mehr gesehen wurden. Die C D U und die F.D.P., die i m Jahre 1997 die Bundesregierung bildeten, hätten in allen möglichen Fragen den Ruf nach einer Deregulierung aufnehmen können, nur nicht in der Frage der Mitbestimmung. Die Äußerung, die die damalige Bundesregierung zur Deregulierung gerade in dieser Frage gemacht hat, lässt erkennen, dass sie ihre Verantwortung überhaupt nicht gesehen oder jedenfalls nicht wahrgenommen hat. Sie hat sich damit zu einer Spätvollzieherin der 68er-Bewegung gemacht, in dem sie die Einschränkung der M i t bestimmung ihren Gegnern ohne jede Veranlassung vor die Füße warf. Hatte Minister Rüttgers die Rolle früherer Bildungsminister einfach vergessen, oder wollte er sich ihnen bewusst entgegenstellen? Waren ihm die Leistungen von Dohnanyi und von Frau Wilms nicht mehr gegenwärtig? Diese konnten doch nicht in den Papierkorb der Deregulierung geworfen werden. Die einzige Standesvertretung, die 1997 sich gegen eine Entfernung der Vorschriften, die die Mitbestimmung einschränkten, aus dem Bundesrecht äußerte, war der Deutsche Hochschulverband. 11 I m Folgenden werden i m Einzelnen die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften dargestellt, die 1998 durch das 4. HRGÄndG aus dem Bundesrecht entfernt wurden. Es folgt die Beschreibung einer neuen mitbestimmungsrechtlichen Vorschrift i m Zusammenhang mit der Einführung der Juniorprofessur, die mit dem 5. HRGÄndG eingefügt wurde. Sodann wird dargestellt, wie die Länder versuchten, durch die Einrichtung von Hochschulräten oder Kuratorien Probleme in den Griff zu bekommen, die durch ein Zuviel an Mitbestimmung entstanden waren. Neueste Gesetze, die die Mitbestimmungsfrage durch die Einführung von Stiftungshochschulen neu bestimmen, konnten nicht mehr berücksichtigt w e r d e n . l l a

II. Entfernung mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften aus dem HRG und Einfügung einer Neuregelung 1. Gestrichen wurde durch das 4. HRGÄndG von 1998 1 2 vor allem der § 38 HRG. Diese Vorschrift enthielt gewiss einige Regelungen, die für eine Deregulierung in Frage kamen, insbesondere in seinem Absatz 4. Dort war festgelegt, welche Gremienmitglieder an bestimmten Entscheidungen mit Stimmrecht mitwirken können. Einen Teil der alten Vorschrift hat freilich das 4. HRGÄndG auch in den neuen § 37 Abs. 1 Satz 3 2. HS übernommen; danach müssen „alle Mitgliedergruppen . . . vertreten sein und wirken nach Maßgabe des Satzes 2 grundsätzlich stimmberechtigt an Entscheidungen mit". Es ist unklar, wieso die Bundesregierung ge11

Resolution des Präsidiums des Deutschen Hochschulverbandes vom 4. 7. 1997, Forschung und Lehre 1997, S. 413. lla Zum Gesetz zur Hochschulreform in Niedersachsen vgl. Geis, Rechtsgutachten, Forum Deutscher Hochschulverband Deg. 2001, S. 1 - 95. 12 BGBl. I S. 2190.

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rade diese Bestimmung im Bundesrecht stehen ließ; sie gehört, wollte man den § 3 8 deregulieren, gewiss nicht zu den Vorschriften, die besonders erhaltenswert waren. Stattdessen wurden aber folgende Bestimmungen beseitigt: a) Gestrichen wurde der Grundsatz, dass die Professoren „ i n allen Gremien mit Entscheidungsbefugnissen in Angelegenheiten, die Forschung, künstlerische Entwicklungsvorhaben, Lehre oder die Berufung von Professoren berühren", „über die absolute Mehrheit der Sitze und der Stimmen" verfügen müssen ( § 3 8 Abs. 3 Satz 5 des 3. HRGAndG). Ein Teil dieses Grundsatzes wurde, freilich in starker Verkürzung, auch in den neuen § 37 Abs. 1 Satz 4 übernommen: Bei Fragen, „die die Forschung, künstlerische Entwicklungsvorhaben oder die Berufung von Professoren unmittelbar betreffen", verbleibt es bei der bisherigen Mehrheitsregelung. Entscheidend aber ist, dass jetzt eine Änderung bei Fragen der Lehre vorgenommen wird: Hier wird nicht mehr eine Mehrheit der Stimmen verlangt, sondern in § 37 Abs. 1 Satz 4 nur noch „mindestens die Hälfte der Stimmen". Politisch ist nicht einzusehen, wieso bei Lehrfragen die alte Mehrheitsregelung geopfert wurde. Sie ist aber auch verfassungsrechtlich nicht zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Hochschulurteil 1 3 zwar im Leitsatz 8 Buchstabe b Satz 2 festgestellt, dass es bei Angelegenheiten der Lehre genüge, wenn die Gruppe der Hochschullehrer „über die Hälfte der Stimmen verfügt". Dieser Leitsatz ist aber durch das Hochschulurteil des Gerichts nicht abgedeckt. Das Gericht hat vielmehr im Tenor dieses Urteils und in der Begründung beanstandet, dass i m niedersächsischen VorschaltG in den Fachbereichsräten bei Fragen der Lehre „keine Vorkehrungen gegen eine Gefährdung ihrer Funktionsfähigkeit für den Fall getroffen (werde), dass es aus gruppenspezifischen Gründen zu einer Stimmengleichheit kommt" . . . „Der Gesetzgeber muß diese Gefahr ernstnehmen." . . . „Der Gesetzgeber muß daher organisatorische Vorkehrungen zur Abwehr einer solchen Gefahr treffen". Es seien „verschiedene rechtliche Möglichkeiten der Abhilfe denkbar, z. В.: Stichentscheid durch den Vorsitzenden des Gremiums, Verpflichtung zur erneuten Beratung mit veränderter Stimmgewichtung oder die Beteiligung des Staates als Schlichter und Vertreter der Allgemeininteressen". I m Tenor wird deshalb dargelegt, dass „das Vorschaltgesetz . . . mit Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Satz 1 des Grundgesetzes unvereinbar" sei, „soweit i m Fakultäts- und i m Fachbereichsrat . . . bei Abstimmungen, die unmittelbar Fragen der Lehre betreffen, für den Fall der Stimmengleichheit . . . eine Regelung fehlt, die eine Entscheidung ermöglicht". 1 4 Dieser Aussage des Tenors haben die Verfasser des 4. HRGÄndG nicht Folge geleistet. Dass sie dabei einem Fehler aufgesessen sind, den das Bundesverfassungsgericht bei der Abfassung seines Leitsatzes 8b im Satz 2 selbst begangen hat, mag als ein gewisser Trost empfunden werden. A m Ergebnis der Verfassungswidrigkeit des § 37 Abs. 1 Satz 4 des 4. HRGÄndG ändert sich damit aber nichts. 13 BVerfGE 35, 79. 14 BVerfGE 35, 79, 80, 81, 142, 143.

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Gegen diese verfassungsrechtlich gebotene Ergänzung wird eingewandt, sie brauche nicht vom Bundesgesetzgeber, sondern könne auch vom Landesgesetzgeber vorgenommen werden. Theoretisch ist das richtig. Es ist aber gleichwohl ein schwerer Fehler des Rahmengesetzgebers, wenn er sich darauf verlässt, die verfassungsrechtlich gebotene Ergänzung sei Sache des Landesgesetzgebers. Der Bundesgesetzgeber muss sich zur Zusammensetzung von Entscheidungsgremien der Hochschule gar nicht äußern. Tut er es aber, wie es in § 37 Abs. 1 Satz 4 des 4. HRG-AndG geschieht, dann muss man von ihm auch verlangen, dass er eine insgesamt mit Artikel 5 Abs. 3 GG vereinbare Norm schafft. 15 Ein Blick in die neuen Landesgesetze zeigt, dass einige Länder, die sich mit der Hälfte der Stimmen bei der Lehre begnügen, selbst nicht die verfassungsrechtlich geforderte Ergänzung vorgenommen haben, vgl. etwa das Nordr.-Westf. Hochschulgesetz vom 14. März 2000 1 6 : Hier ist in § 13 Abs. 2 Satz 3 in Fragen der Lehre wörtlich die gleiche Bestimmung vorgesehen worden wie i m neuen HRG, also ohne die gebotene Ergänzung. Für diejenigen, die sich nur für eine Ergänzung des Landesrechts einsetzen, ist diese Entdeckung unerfreulich. In anderen Ländern, die in Fragen der Lehre nach wie vor die Mehrheit der Stimmen für die Professoren vorsehen, entfällt diese Verfassungswidrigkeit. 17 b) In der Neufassung des § 37 Abs. 1 Satz 4 des 4. HRGÄndg ist ferner folgende Einschränkung enthalten: Die Hälfte der Stimmen für die Professoren sei nicht erforderlich bei „der Bewertung der Lehre". Damit wird eine Auffassung zur Regelung gemacht, die verfassungsrechtlich umstritten ist. Das Bundesverfassungsgericht hat sich bisher nicht zu dieser Frage geäußert. Es ist möglich, dass Fragen der Lehrevaluation von ihm anders bewertet werden als Fragen der Lehre - es ist aber auch möglich, dass für die Lehrevaluation genau das Gleiche gilt wie für Lehrfragen. Meines Erachtens sprechen folgende Gründe dafür, dass das Bundesverfassungsgericht die zweite Lösung wählt. In seinem Hochschulurteil wird ein größerer Abschnitt den sog. wissenschaftsrelevanten Fragen gewidmet. 1 8 Dazu gehört beispielsweise „das Aufstellen von Lehrprogrammen, die Planung des Lehrangebots und die Festlegung . . . von Studienordnungen". Es ist m. E. schwer vorstellbar, dass für die Bewertung einer Lehrveranstaltung etwas Anderes gelten soll als für das „Aufstellen von Lehrprogrammen" oder für die „Festlegung von Studienordnungen". In beiden Fällen fließen doch Urteile auch über die Bewertung einer Lehrveranstaltung mit ein. Wenn ein Gremium findet, eine Lehrveranstaltung passe nicht in ein Lehrprogramm, dann doch in erster Linie, weil man schon abstrakt der Auffassung ist, sie sei für die Erreichung des Studienziels überflüssig oder nicht notwendig. Ein Urteil über eine Lehrveranstaltung wird also schon bei der „Aufstellung von Lehrprogrammen" mit abgegeben. 19 Hieraus folgt, dass auch 15 16 17 is

Verf. , Forschung und Lehre 1998, S. 27. GV NRW 2000, S. 189 f. Vgl. etwa 106 Abs. 4 UG Baden-Württemberg vom 1. 2. 2000, GBl S. 208. BVerfGE 35, 79, 123.

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die Bewertung der Lehre Teil des „Aufstellens von Lehrprogrammen" ist, die nach dem Bundesverfassungsgericht zu den wissenschaftsrelevanten Fragen gehört. c) In der Neufassung des § 37 ist in Absatz 1 Satz 3 ferner vorgesehen, dass in den Gremien, in denen Gruppenvertreter sitzen, „alle Mitgliedergruppen . . . vertreten sein" müssen. Verfassungsrechtlich ist dieser Satz in Ordnung, er kann aber nicht gewollt sein. Der Satz besagt, dass in jedem Gremium, das nach Mitgliedergruppen besetzt ist, jede Gruppe vertreten sein muss. Ein solche Ausdehnung des Gruppenprinzips war im alten HRG nicht enthalten und wird auch für die Zukunft von niemandem gefordert. Die Landesgesetze sollten zahlreiche Ausschüsse des Senats oder des Fachbereichs, in denen nicht alle Mitgliedergruppen vertreten sind, beibehalten können. Der Satz stellt eine hoffnungslose Übertreibung der Gruppenhochschule dar. d) Ersatzlos gestrichen wurde i m 4. HRGÄndG § 38 Abs. 6. Die dortige Forschungs- und Berufungsklausel enthielt ein doppeltes Mehrheitserfordernis: Danach bedurften Entscheidungen, die die Forschung und Berufung unmittelbar berührten, neben der Mehrheit des Gremiums auch noch der Mehrheit der Professoren, die dem Gremium angehören. Auch diese Klausel ging über das verfassungsrechtlich geforderte Mindestmaß nach dem Hochschulurteil hinaus. Auch hier ist unverständlich, wieso die CDU-geführte Bundesregierung diese Klausel gestrichen hat; auch das Erfordernis der doppelten Mehrheit bedeutet eine Zurückdrängung der Gruppenhochschule. Es hat in der Praxis des Hochschulalltags verhindert, dass die nichtprofessoralen Gruppen mit Hilfe einer Minderheit von Professoren forschungsrelevante Entscheidungen treffen konnten. Sie war von der Expertenkommission zur Untersuchung der Auswertungen des HRG, die 1984 ihren Bericht abgeschlossen hat, untersucht und für gut befunden worden. 2 0 Die landesrechtliche Umsetzung der früheren HRG-Vorschrift ist auch künftig möglich. Sie besteht etwa in Baden-Württemberg, in Bayern und in Sachsen. 21 e) Ersatzlos gestrichen wurde mit dem 4. HRGÄndG ferner die Vorschrift, nach der die Fachbereichsprecher (Dekane) kraft Amtes dem zentralen Kollegialorgan angehören, das i m Landesrecht Senat heißt (§ 38 Abs. 3 Satz 2). Deren Amtsmitgliedschaft war ein besonders wirksames Mittel gegen die Vorherrschaft der Gruppenuniversität. Die Tatsache, dass die Dekane neben den Gruppenvertretern i m Senat sitzen, bewirkte, dass i m Senat auch die Belange der Fachbereiche zu Wort kamen. Die Dekane konnten i m Senat die Kommunikation und Kooperation ihrer Fachbereiche so am wirkungsvollsten fördern. Dies war besonders dort der Fall,

19 Vgl. auch Hufen , Rechtsfragen der Evaluation, Forum Deutscher Hochschul verband 1995, S. 14. 20 Vgl. den Bericht dieser Kommission in: „Grundlagen Perspektiven" 1984, S. 100. 21 § 106 Abs. 6 UG Baden-Württemberg vom 1. 2. 2000, GBl S. 208; Artikel 51 Abs. 3 BayHSchG vom 2. 10. 1998, GVB1 S. 740, geändert durch Gesetz vom 25. 7. 2000 GVB1 S. 481; § 67 Abs. 5 SächHG vom 11. 6. 1999, SächsGVBl S. 293.

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wo sie i m Senat mit Stimmrecht saßen; der Regierungsentwurf zum alten § 38 Abs. 3 Satz 2 2 2 hatte die stimmberechtigte Mitwirkung sogar vorgeschlagen. In Baden-Württemberg und in Sachsen ist die stimmberechtigte Mitwirkung der Dekane i m Senat weiterhin vorgesehen, in Bayern wenigstens die Mitwirkung der Dekane ohne Stimmrecht. f) Ersatzlos gestrichen wurde mit dem 4. HRGÄndG ferner eine Vorschrift, nach der alle einem Fachbereich angehörigen Professoren in einigen Grundfragen neben den Gruppen Vertretern mitbestimmen können: Nach dem alten § 38 Abs. 5 hatten sie Stimmrecht bei Berufungsvorschlägen, bei Habilitationen und beim Erlass von Habilitations- und Promotionsordnungen. Auch diese Vorschrift diente dazu, dass der dominierende Einfluss der Gruppenvertreter zu Gunsten einer persönlichen Mitentscheidung aller Professoren des Fachbereichs zurückgedrängt wurde. Insoweit konnte man sogar von einer Abschaffung der Gruppenuniversität sprechen. Auch hier hat die Streichung nur die Wirkung, dass die gestrichene Vorschrift weiterhin i m Landesrecht umgesetzt werden kann. Eine landesrechtliche Umsetzung besteht etwa in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen. 23 2. Neben den Vorschriften des § 38 sind i m 4. HRGÄndG noch weitere Vorschriften gestrichen worden, die für die Mitbestimmung Bedeutung haben. Dies gilt vor allem für das Kollegialorgan, das für die Wahl des Rektors bzw. Präsidenten zuständig ist. Hier hatte das alte H R G in § 63 Abs. 1 Satz 2 angeordnet, dass auch in diesem Gremium die Professoren über die absolute Mehrheit der Stimmen und Sitze verfügen müssen. Diese Mehrheit wurde auch aus verfassungsrechtlichen Gründen getroffen: Die Hochschulleitung hatte nach dem HRG - und hat sie auch heute noch - auch wissenschaftsrelevante Aufgaben. Sie leitet die Hochschule „ i n eigener Zuständigkeit", ist also auch für Fragen mit wissenschaftsrelevanter Relevanz zuständig. Das 4. HRGÄndG enthält keine Vorschrift mehr über die Leitung der Hochschule und über ihre Wahl. Es ist hier nicht der Raum, die Regelungen darzustellen, die die Länder seither für die Wahl des Rektors oder des Präsidenten getroffen haben. I m Hinblick auf ihre Kompetenz auch für wissenschaftsrelevante Angelegenheiten ist es aber erforderlich, dass diese Wahlgremien eine Professorenmehrheit haben müssen. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, nach denen der Rektor keine wissenschaftsrelevanten Fragen zu entscheiden hatte, sind i m Hinblick darauf, dass die Hochschulleitung jetzt auch für wissenschaftsrelevante Fragen zuständig ist, nicht mehr anwendbar. 24

22 BT-Drucks. 10/2883 S. 7. 23 § 23 Abs. 3 UG Bad.-Württ.; danach unterliegen noch mehr Fälle der persönlichen Mitbestimmung der Professoren, als es das HRG vorsah; Artikel 40 Abs. 3 BayHSchG vom 2. 10. 1998; § 85 Abs. 2 SächsHG vom 11. 6. 1999. 24 BVerfGE 35, 79, 140; 47, 327,403; 61, 260, 282.

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3. Ersatzlos gestrichen wurde durch das 4. HRGÄndG ferner die Vorschrift, nach der Angehörige des Personalrats nicht einem Selbstverwaltungsgremium angehören dürfen, das für Personalangelegenheiten zuständig ist (§ 37 Abs. 1 Satz 3 HRG). Dieses Verbot für Angehörige des Personalrats, Mitglied auch in einem Selbstverwaltungsgremium zu sein, in dem die Hochschule Arbeitgeberinteressen vertritt, lag nahe. Es wäre durchaus zu überlegen gewesen, auch in den Personalvertretungsgesetzen generell einen Ausschluss der Mitbestimmung der Personalräte in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten vorzusehen, wie es Leuze vorgeschlagen hat. 2 5 Stattdessen hat der Gesetzgeber auch i m HRG das Verbot gleichzeitiger Mitgliedschaft i m Personalrat und in der Selbstverwaltung wieder zurückgenommen. Die Begründung des 4. HRG-ÄndG spricht hier nicht nur von Deregulierung, sondern davon, dass die alte Vorschrift „entbehrlich" sei. 2 6 Eine so scharfe Ablehnung hatte die alte Vorschrift gewiss nicht verdient. Die Ablehnung zeigt, dass die Bundesregierung offenbar nicht begriffen hat, dass eine Mitgliedschaft in einem Gremium, in dem die Arbeitgeberinteressen der Hochschule formuliert werden, kaum vereinbar ist mit der gleichzeitigen Mitgliedschaft i m Personalrat. „Entbehrlich" ist diese Vorschrift mitnichten. 4. Gestrichen wurde durch das 4. HRG-ÄndG schließlich die Vorschrift, dass als Leiter einer wissenschaftlichen Einrichtung nur ein ihr angehöriger Professor gewählt oder bestellt werden kann (§ 66 Abs. 3 Satz 2). Wer sich an die Kämpfe erinnert, die über die Leitung der Institute in manchen Ländern in den 60er Jahren stattgefunden haben, wird auch heute noch eine Regelung dieser Auseinandersetzung für notwendig halten. Die Errichtung einer eigenen Institutsleitung lag ursprünglich in ganz verschiedenen Händen: eines Institutsrats, des Fakultätsrats oder des Kultusministers. Eine Vorschrift, die die Bestellung und auch die Amtsdauer des Institutsleiters - § 66 sah hier eine befristete oder eine kollegiale Leitung vor - war geboten. Die Beschränkung der Wählbarkeit bzw. Bestellbarkeit auf die Professoren des Instituts war ein wichtiger Vorstoß gegen die Gruppenuniversität. Nach dem Wegfall dieser Vorschrift beginnen nun die alten Kämpfe wieder neu. Es ist schwer verständlich, wieso man diese Frage den Landtagen oder gar den Hochschulen überlassen konnte. Eine halbwegs vertretbare Lösung enthält das HochschulG NRW vom 14. 3. 2000. Danach wird in § 29 Abs. 3 nur vorgesehen, dass „der Leitung einer wissenschaftlichen Einrichtung . . . mehrheitlich an ihr tätige Vertreterinnen oder Vertreter der Gruppe der Professorinnen und Professoren angehören" müssen. Eine Beschränkung der Wählbarkeit der Institutsleitung auf Professoren des Instituts wird also nicht mehr verlangt. 5. Einige der bisher dargestellten Verkürzungen sind i m 5. HRGÄndG vom 16. 2. 2002 an eine andere Stelle gerückt worden: Wegen der Einfügung eines neuen Satzes 4 in § 37 Abs. 1, der die mitgliedschaftliche Stellung der Doktoranden 25 Personalvertretung, HdbWissR 1996, S. 493, 506; vgl. auch Reich, Die hochschulrechtlichen Inkompatibilitätsregelungen der Länder, PersV 1992, S. 206 f. 2 6 BT-Drucks. 13/8796, S. 25.

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und der Funktionsärzte betrifft, wird der bisherige Satz 4 nun zu Satz 5. In diesem neuen Satz 5 wird das Wort „Professoren" durch die Worte „Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer" ersetzt. Damit erhält dieser Satz auch inhaltlich eine neue, die mitbestimmungsrechtliche Lage der Professoren verschlechternde Bedeutung. Sie hängt zusammen mit der Einführung der Juniorprofessur im dienstrechtlichen Teil des 5. HRGÄndG (§§ 42 ff., insbesondere 4 6 - 4 8 ) , aber auch mit der Beseitigung von Ämtern, die bisher noch nicht Hochschullehrer waren (Oberassistent und Oberingenieur, §§ 48a, 48b). Der Juniorprofessor wird vom HRG in seiner Dienstaufgabe und seiner Qualifikation so geregelt, dass das Gesetz glaubt, ihn in § 42 als Hochschullehrer behandeln zu können. Zwar werden seine Dienstaufgaben genau so beschrieben, wie sie bisher den Professoren vorbehalten waren: als „selbständig" wahrzunehmende Aufgaben in Forschung und Lehre. Bei der Beschreibung der Qualifikation gibt es aber große Unterschiede: Zum Juniorprofessor kann schon berufen werden, wer neben einem Hochschulstudium und pädagogischer Eignung eine besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit „ i n der Regel durch die herausragende Qualifikation einer Promotion" nachweist (§ 47 Nr. 3). Für den Professor verlangt das Gesetz hingegen „zusätzliche wissenschaftliche Leistungen", die „ i n der Regel i m Rahmen einer Juniorprofessur" erbracht werden (§ 44 Abs. 1 Nr. 4 Buchst, a, Abs. 2 S. 1). Diese Anforderungen liegen also weit über denen, die für den Juniorprofessor gefordert werden: sie schließen den erfolgreichen Abschluss der Juniorprofessur sogar mit ein. Ganz unklar, ist, wo der als Juniorprofessor zu Berufende seine Qualifikation für die Lehre erwerben soll; von einer vorangehenden Unterrichtstätigkeit etwa i m Promotionsstudium sagt das Gesetz nichts - obwohl eine solche Beteiligung an der Lehre Als Voraussetzung bei der Berufung zum Assistant-Professor in den USA gefordert wird. Diese und andere Fragen der Zuordnung des Juniorprofessors zu den Hochschullehrern sollen hier nicht geklärt werden (vergl. u. a. Epping, Konstruktionsprobleme des Juniorprofessors, WissR 2000, S. 281, 286). Ein besonderes Problem ist die Abschaffung der Oberassistenten und der Oberingenieure. Ganz ungeklärt ist, wieso deren Lage vom Gesetzgeber nicht erkannt wurde. Es handelt sich um Wartezeitpositionen, die für den häufigen Fall gedacht sind, dass nach der Habilitation (bei den Oberingenieuren der Promotion) eine besetzbare C4- oder C3-Stelle noch nicht vorhanden ist. Eine solche Wartezeitposition, von der auch die Berufungschancen beobachtet werden, ist auch in der Zukunft dringend erforderlich. Aber auch diese dienstrechtliche Frage soll hier nicht geklärt werden. Hier wird vielmehr unterstellt, dass die Frage der Zuordnung der Juniorprofessoren als Hochschullehrer verfassungsrechtlich in Ordnung ist. Geht man hiervon aus, so bleibt aber unklar, wieso diesen Hochschullehrern durch den neuen § 37 Abs. 1 S. 5 in der Mitbestimmung nur die gleichen Rechte zugesichert werden, die bis dahin den Professoren vorbehalten waren. Nirgends wird die Gleichstellung be-

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gründet. Die Ausführungen in der Begründung der Bundesregierung lassen dazu jede Auskunft vermissen; dort wird nur gesagt, die Änderungen i m neuen Satz 5 trügen dem Umstand Rechnung, „dass entsprechend der Klammerdefinition in § 42 Satz 1 und der Regelung des Satzes 3" zur Gruppe der Hochschullehrer auch die Juniorprofessoren zählen. 2 6 a Die Begründung enthält aber an einer anderen Stelle eine Darlegung, die dafür spricht, in § 37 Abs. 1 Satz 5 der neuen Gruppe von Hochschullehrern mehr Mitbestimmungsrechte einzuräumen, als es das Gesetz jetzt tut. Es ist danach geplant, mittelfristig etwa 6.000 Stellen für Juniorprofessuren einzurichten. Der derzeitige Stand von Professuren an den Universitäten betrage etwa 20.000. Die Stellen für Juniorprofessuren sollten in erster Linie aus der Umwandlung der bisher für wissenschaftliche Assistenten vorgesehenen С1-Stellen sowie der C2-Stellen für Oberassistenten und Oberingenieure gewonnen werden. 2 6 b Danach ist also eine erhebliche Vermehrung der neuen Hochschullehrerstellen geplant. Es ist unerfindlich, wieso bei der Regelung der Mitbestimmung dies keine Konsequenzen haben soll. Es hätten für die neue, verstärkte Hochschullehrergruppe in Satz 5 doch mehr Rechte eingeräumt werden müssen. Es wäre eine Sache des Gesetzgebers gewesen, eine neue Mitbestimmungsformel zu finden; infrage käme bei der Lehre etwa, der neuen Gruppe die absolute Mehrheit der Stimmen zu geben, die bis zum Jahre 1998 den Professoren allein zustand. Es muss als eine schwerer Fehler angesehen werden, bei dem Neuzuschnitt der Hochschullehrer in der Mitbestimmungsfrage so zu tun, als habe keine Vermehrung der Stellen stattgefunden. Ein möglicher Einwand könnte daraus hergeleitet werden, dass das H R G in § 37 Abs. 1 Satz 5 die Mitbestimmungsrechte der Hochschullehrer nur als Mindestrechte formuliert habe, die der Landesgesetzgeber überschreiten könne. Man muss abwarten, ob die Landesgesetzgeber die hier sich bietende Möglichkeit überhaupt nutzen. Entscheidend ist, dass der Bundesgesetzgeber sich mit der von ihm eingeräumten Mindestlösung schon zufrieden gibt; er hat darauf verzichtet, der neuen Gruppe ein Mehr an Mitbestimmung einzuräumen.

III. Die Einführung von Hochschulräten In mehreren Landesgesetzen sind in neuerer Zeit Veränderungen vorgenommen worden, die einen Hochschulrat oder ein Kuratorium vorsehen. Hinter ihnen steckt der Gedanke, dass die Gruppenhochschule in weiteren Bereichen versagt habe. Zugleich wird die Frage relevant, ob und inwieweit Externe an den Entscheidungen der Hochschule beteiligt werden können. A n amerikanischen Hochschulen ist es 26a 26b

BT Drs 14/6853 S. 24. BT Drs 14/6853 S. 16/17.

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üblich, dass ein „Board of Trustees" an der Spitze einer Hochschule steht, das sich weitgehend aus Externen zusammensetzt. Dabei wird auch eine Öffnung der Hochschule zur Wirtschaft und Gesellschaft gefordert. 27 1. Die Übertragung dieser Vorstellungen auf deutsche Hochschulen wird auch mit einer Zurückdrängung der Gremien verbunden, nach der die Gruppen in der Hochschule mitwirken. Den deutlichsten Weg in dieser Richtung ist NordrheinWestfalen gegangen, wo auf der zentralen Hochschulebene nur noch ein Senat mit sehr begrenzen Kompetenzen vorgesehen wurde; nur in Fällen des Beschlusses über die Grundordnung wird von einem erweiterten Senat gesprochen. 28 Ein in NRW vorgesehenes „Kuratorium" hat aber nur sehr beschränkte Befugnisse, so dass auf dieses Gremium hier nicht weiter eingegangen wird. Weitere Kompetenzen hat der Senat i m neuen Hessischen HSchG behalten; auch hier sind aber wichtige zentrale Gremien verschwunden, insbesondere die früheren Ständigen Ausschüsse. 29 Die Befugnisse des dortigen „Hochschulrats" sind ebenfalls auf Empfehlungen und Stellungnahmen begrenzt 30 , so dass auch auf ihn nicht eingegangen wird. 2. Von besonderem Interesse sind die Veränderungen des Landesrechts in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und Sachsen. In diesen Ländern sind Hochschulräte bzw. Kuratorien eingerichtet worden, die ganz oder teilweise externe Mitglieder haben: Nicht behandelt wird i m Folgenden der Hochschulrat nach brandenburgischem Recht; er ist z.Zt. der Abfassung des Manuskripts Gegenstand einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen. In Bayern besteht der Hochschulrat aus fünf externen Mitgliedern, in Sachsen aus bis zu zwölf externen Mitgliedern und in Baden-Württemberg aus sieben internen und sechs externen Mitgliedern (an den Universitäten). 31 Während die Einführung dieser Gremien in Bayern und Sachsen nicht zu Neuerungen in der Mitbestimmung geführt hat, ist dies in Baden-Württemberg sehr wohl geschehen: Dort wurde der bisherige Verwaltungsrat abgeschafft, ebenso der bisherige Große Senat. Das „Board of Trustees" in den USA muss sich nicht an Normen des deutschen Verfassungsrechts messen lassen. Dagegen bestehen folgende Maßstäbe für die Einführung der deutschen Hochschulräte: a) Entspricht die Einführung der Hochschulräte dem Grundsatz der Selbstverwaltung für die Hochschulen?

27 Vgl. dazu etwa Herberger, Das Hochschulrecht in Bad.-Württ., 2001, Abschnitt »Rechtsstellung und Organisation der Hochschulen" Rdnr. 353. 2 8 § 22 Abs. 1 HSchG NRW (Fn. 16). 29 §§ 39, 41 HessHSchG i.d.F. vom 31. 7. 2000, GVB1 S. 374 f. 30 § 48 des HessHSchG.

31 Artikel 26 BayHSchG, § 97 SächsHG, § 18 UG Bad.-Württ.

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b) Werden mit der Einführung der Hochschulräte die Prinzipien beachtet, die sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Artikel 5 Abs. 3 GG ergeben? Zu a) In Baden-Württemberg sieht das Landesverfassungsrecht vor, dass die Hochschule unbeschadet der staatlichen Aufsicht das Recht auf eine ihrem besonderen Charakter entsprechenden Selbstverwaltung i m Rahmen der Gesetze und ihrer staatlich anerkannten Satzungen hat. 3 2 M i t fast den gleichen Worten beschreibt auch die Sächsische Verfassung die Selbstverwaltungsgarantie für die Hochschulen, fügt freilich hinzu, dass an ihr „auch die Studenten zu beteiligen" sind. 3 3 Bayern enthält die Einschränkungen von Baden-Württemberg und Sachsen nicht; hier heißt es nur: „Die Hochschulen haben das Recht der Selbstverwaltung". Ein Satz über die Beteiligung der Studenten ist angefügt. 34 Neben dem Landesverfassungsrecht ist auch das Prinzip der Selbstverwaltung maßgebend, das heute in § 58 Abs. 1 Satz 3 H R G enthalten ist. 3 5 Die Vorschrift lautet: „Sie (die Hochschulen) haben das Recht der Selbstverwaltung i m Rahmen der Gesetze". Damit gilt die Einschränkung „ i m Rahmen der Gesetze" heute auch in Bayern; das Bundesrecht hat nach Artikel 31 GG Vorrang auch vor dem Landesverfassungsrecht. 36 „ I m Rahmen der Gesetze" i m Recht der Landesverfassung bedeutet zunächst, dass i m Landesrecht Bundesgesetze zu beachten sind, etwa das Bundesbesoldungsgesetz und das Beamtenrechtsrahmengesetz, aber auch das HRG. Einen engeren Rahmen bilden die Landesgesetze, etwa die Landesverfassung und das Landesbeamtengesetz - auch sie schränken die Selbstverwaltung der Hochschulen ein. Ein Landesgesetz hat diese Wirkung freilich nicht - nämlich das Landeshochschulgesetz selbst. Würde man auch dieses zu den Gesetzen zählen, die den „Rahmen" bilden, so könnte das Landeshochschulgesetz j a die Selbstverwaltung beliebig einschränken oder gar abschaffen. Eine so weit gehende Einschränkung kann keine Landesverfassung zulassen, weil sie sonst selbst inhaltslos würde (teleologische Auslegung der Landesverfassung). Gemessen hieran sind jedenfalls diejenigen Bestimmungen verfassungswidrig, die als Hochschulorgan einen Hochschulrat vorsehen, der ausschließlich aus externen Mitgliedern besteht, und dessen Kompetenzen so weit reichen, dass andere Hochschulorgane an sie gebunden sind. Ein solcher Eingriff in die Selbstverwaltung der Hochschule durch Außenstehende würde den Grundgedanken jeder 32 Verfassung des Landes Bad.-Württ. vom 11.11. 1953, GBl S. 173. 33 Artikel 110 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27. 5. 1992, GVB1 S. 243. 34 Artikel 138 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. 12. 1946, BayRS S. 100-1 S. 35 In der Fassung des 5. ÄndG vom 16. 2. 2002 (BGBl. I S. 693). 36 Löwer, in Löwer - Tettinger, Kommentar zur Landesverfassung NRW, 2002, Art. 16 Rdnr. 17; Herberger (Fn. 27) Rdnr. 167.

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Selbstverwaltung aufgeben, nach der jedenfalls die Hauptorgane einer Einrichtung durch Vertreter der Verwaltenden selbst zu bilden s i n d . 3 6 a aa) In Bayern hat der dortige Hochschulrat hat nach Artikel 26 BayHSchG nur fünf externe Mitglieder. Sie haben neben einer Reihe von Befugnissen zu Empfehlungen und Stellungnahmen folgende „Mitwirkungskompetenzen": Sie wirken mit - bei der Beschlussfassung des Senats über den Entwicklungsplan der Hochschule - bei der Beschlussfassung des Senats über Vorschläge zur Gliederung der Hochschule in Fachbereiche und zur Errichtung von Einrichtungen - bei der Beschlussfassung des Senats über Vorschläge von Studiengängen - bei den Grundsatzfragen und Schwerpunkten, die die Leitung in ihrem Haushaltsvoranschlag beschließt. Alle diese Fälle der Mitwirkung sind „Zustimmungen" des Hochschulrates; ohne diese Zustimmungen kann der Senat bzw. das Leitungsgremium nicht handeln. Eine solche Regelung bedeutet einen schweren Eingriff in die Selbstverwaltung. Das BayHSchG hat damit gegen Artikel 138 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung verstoßen. Berchem, der Präsident der Universität Würzburg, hat diese Regelung als „eine grobe Einmischung in alle bisher gültigen Prinzipien der Eigenverwaltung der Universität" bezeichnet. Der Verstoß besteht auch dann, wenn man in die Bayerische Verfassung noch die Worte „nach Maßgabe der Gesetze" hineinliest, was nach § 58 HRG geboten ist. 3 7 Die Schwere des Eingriffs wird daran deutlich, dass der Hochschulrat in Bayern mitnichten ein Mittel ist, durch das der Einfluss der Hochschule gegenüber der Staatsverwaltung gestärkt würde. Das Gegenteil ist der Fall; die Rechte des Staates werden durch den Hochschulrat gerade nicht eingeschränkt: Die Gliederung in Fakultäten und in die zentralen und sonstigen Einrichtungen nimmt nach Artikel 19 Abs. 3 Satz 1 BayHSchG das Staatsministerium nur „ i m Benehmen mit der Hochschule" vor; hieran ändert eine Zustimmung des Hochschulrats zum Senat gar nichts. Ähnlich dürftig ist die Lage der Hochschule bei der Entscheidung neuer Studiengänge; deren Einrichtung fällt zwar in die Kompetenz der Hochschule, sie kann sie aber nur i m „Einvernehmen mit dem Staatsministerium" ausüben (Artikel 71 Abs. 9 Satz 2). Über die Aufhebung von Studiengängen entscheidet das Staatsministerium wieder selbst, nur „ i m Benehmen mit der Hochschule"

36a Wolff - Bachof - Stober, Verwaltungsrecht II, § 84 IV 1 Rdnr. 34; Löwer (Fn. 36) Rdnr. 31, 34. 37 Berchem, Streitfall Hochschulrat, Forum Deutscher Hochschulverband 1998, S. 83, 85. Verf., Freiheit der Wissenschaft 1998 Nr. 3 S. 8, 10; Detmer, Die Novelle des Hochschulrahmengesetzes, NVwZ 1999, S. 828, 833; im Prinzip schon Fittschen, Wider die Einführung von Hochschulräten WissR 1997, S. 325; Krüger, Der Hochschulrat aus verfassungsrechtlicher Sicht, Streitfall Hochschulrat 1998, S. 69; Löwer, (Fn. 36) Rdnr. 33.

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(Artikel 71 Abs. 9 Satz 3). Man muss schon die Frage stellen, wozu es bei dieser Lage noch einer Zustimmung des Hochschulrats bedarf. bb) Anders liegen die Dinge in Sachsen: Auch dort besteht zwar ein Hochschulrat („Kuratorium") als Hochschulorgan, auch dort sind in ihm nur externe Mitglieder tätig, auch dort bestehen weit reichende Kompetenzen dieses Rats, die den Kompetenzen des bayerischen Hochschulrats ähnlich sind (§ 97 SächsHG). I m Unterschied zu Bayern ist aber vorgesehen, dass bei den Fällen, in denen das Kuratorium zustimmen muss, die endgültige Entscheidung dann das andere Hochschulorgan trifft (§ 97 Abs. 4 Satz 5 SächsHG). Die anderen Hochschulorgane, also der Senat oder das Rektoratskollegium, können sich also gegenüber dem Kuratorium am Ende durchsetzen. Die Selbstverwaltung der Hochschule bleibt so gewahrt. cc) A m schwierigsten ist zu beurteilen, ob in Baden-Württemberg die Selbstverwaltung tangiert ist. Dort besteht an den Universitäten der Hochschulrat aus 13 Personen, davon sechs, die keine Mitglieder der Universität sind. Insofern ist der Grad einer „Fremdbestimmung" der anderen Hochschulorgane geringer als in Bayern und in Sachsen. 38 Der baden württembergische Hochschulrat hat aber stärkere Kompetenzen, die auf das Modell des Aufsichtsrats zurückgehen: „Er beaufsichtigt die Geschäftsführung des Rektorats" (§ 18 Abs. 1 Satz 2 UG). Er wirkt auch bei der Bestellung der Rektoratsmitglieder dadurch mit, dass er zusammen mit dem Senat einen Auswahlausschuss bildet (§§18 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, 13 Abs. 5) u. a. In der Literatur wird dies als „unternehmerische Steuerung der Hochschule" qualifiziert. 3 9 A n dieser Stelle beginnen die Zweifel: Selbstverwaltung bedeutet stets, dass die Aufsicht über die Körperschaft oder Anstalt beim Staat liegt; dies gilt zumal dann, wenn, wie in Baden-Württemberg, die Hochschulen „Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen" sind (§ 5 Abs. 1 UG). Überall wird bei der Definition der Selbstverwaltung verlangt, dass zwar die „eigenverantwortliche, fachweisungsfreie Wahrnehmung der Aufgaben durch eigene Organe" erfolgt, dass aber „die Hochschulen grundsätzlich der staatlichen Rechtsaufsicht unterliegen". 4 0 Wollte man diese Rechtsaufsicht des Staates auf ein Hochschulorgan übertragen, so würde das nur die Folge haben, dass der Staat auch selbst weiterhin die Aufsicht wahrnehmen muss. „Die Hochschule hätte ein zusätzliches Organ . . . zu finanzieren. Welcher wirtschaftliche Vorteil darin läge, ist nicht ersichtl i c h . " 4 1 In Baden-Württemberg kommt hinzu, dass die Landesverfassung in Artikel 20 Abs. 2 ein Selbstverwaltungsrecht der Hochschule nur „unbeschadet der staat38

Mit Recht führt Herberger an, die Berufung von externen Mitgliedern in ein Hochschulorgan sei dann, wenn ihnen vom Staat oder von der Hochschule eine bestimmte Hochschulaufgabe übertragen werde, legitim (Fn. 27) Rdnr. 198. 39 Herberger (Fn. 27) Rdnr. 198. 40 Kickartz in: Wolf - Bachof - Stoiber (Fn. 36a), § 93, Rdnr. 48; Oppermann: Hdb. WissR 1996, S. 1107, 1109. 41 Fitschen (Fn. 37) S. 343; zustimmend Krüger (Fn. 37) S. 70.

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liehen Aufsicht" gewährt. Selbstverwaltung gibt es dort also nur dann, wenn die staatliche Aufsicht eingehalten i s t . 4 2 Bei dieser Lage ist es nicht verständlich, dass durch § 18 i m Hochschulrat noch ein weiteres Aufsichtsorgan geschaffen wird. Nach § 124 U G unterstehen die Universitäten der Rechtsaufsicht und in bestimmten Fällen auch der Fachaufsicht des Ministeriums. Nicht überzeugen kann daher die Verteidigung des § 18 Abs. 1 Satz 3: „ M i t der Verfassung eines echten Kontrollorgans innerhalb der Hochschule . . . ist eine wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen, die Aufsichtsmöglichkeiten des Staates zurückzunehmen, und sie der hochschulinternen Kontrolle des Hochschulrats anzuvertrauen." 43 Das widerspricht schon der Bestimmung über die Rechts- und Fachaufsicht i m gleichen Gesetz. Ferner wurde übersehen, dass das Modell des Aufsichtsrats, wie er bei den Kapitalgesellschaften existiert, bei den Hochschulen nicht dazu führen darf, dass der Staat auf seine Aufsichtspflicht verzichtet. Das folgt nicht daraus, dass i m Hochschulrecht „eine zu einseitige Auslegung des Artikel 5 Abs. 3 G G " herrscht 44 , sondern aus den Grundsätzen über die Selbstverwaltung der Hochschulen, die in Baden-Württemberg sogar in der Landesverfassung verankert sind. Zu b) Werden mit der Einführung der Hochschulräte die Prinzipien beachtet, die sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Artikel 5 Abs. 3 GG ergeben? In allen drei Ländern sind als Aufgaben der Hochschulräte auch solche vorgesehen, die unmittelbare Folgen für die wissenschaftliche Arbeit haben und darum dem Wirkungsbereich des Artikel 5 Abs. 3 GG unterfallen. aa) A m deutlichsten wird das in Baden-Württemberg an der Aufgabe „Zustimmung zur Bildung, Veränderung, Aufhebung und Zuordnung von Universitätseinrichtungen" (§ 18 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 UG). In Bayern wird diese Aufgabe wie folgt beschrieben: Zustimmung zur „Beschlussfassung über Vorschläge zur Gliederung der Hochschule einschließlich der Gliederung in Fachbereiche sowie in zentrale und sonstige Einrichtungen" (Artikel 21 Abs. 1 Satz 2 BayHSchG). Hier wird neben den Einrichtungen auch die Gliederung der Hochschulen genannt, insbesondere in Fakultäten. In Sachsen werden beide wie folgt genannt: „Beschlüsse (des Senats) über die Gliederung der Hochschule in Fakultäten und zentrale Einrichtungen . . . bedürfen der Zustimmung des Kuratoriums" (§ 97 Abs. 4 Nr. 1 SächsHG). I m Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichts werden Aufgaben, die die Forschung und Lehre unmittelbar berühren, beispielhaft aufgezählt. Hierbei wer42

Die Formel „unbeschadet der staatlichen Aufsicht" ist auch mit § 58 Abs. 1 Satz 2 HRG vereinbar: Die Landesverfassung nimmt Teil an dem „Rahmen der Gesetze"; sie sieht bundesrechtlich in zulässiger Weise vor, dass in Baden-Württemberg der Selbstverwaltungsgrundsatz bei den Hochschulen nur „unbeschadet der staatlichen Aufsicht" besteht. 43 Herberger (Fn. 27), Rdnr. 356. 44 Herberger (Fn. 27), Rdnr. 356. 10*

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den auch „die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen" genannt. 45 Es sind dies Anforderungen des Gerichts, die es nach seinen eigenen Worten in einer späteren Entscheidung „ i m Hinblick auf Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 GG für die Gremien der Gruppenuniversität aufgestellt h a t " . 4 6 Diese Anforderungen gelten für jedes Hochschulorgan; es kann nicht bezweifelt werden, dass die Hochschulräte auch hierunter fallen. Die Hochschulräte bzw. Kuratorien sind in Bayern und Sachsen aber nicht nach den Prinzipien zusammengesetzt, die das Bundesverfassungsgericht für Gremien aufstellt, die über „die Errichtung von wissenschaftlichen Einrichtungen" zu beschließen haben. Sie entsprechen daher nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. In Baden-Württemberg ist im U G die Zusammensetzung nur zahlenmäßig geregelt ( § 1 8 Abs. 3 Satz 1 UG). Die Frage, wer in den Hochschulrat gewählt wird, bleibt i m Gesetz offen. Man muss hier zur Ergänzung die Wahlen heranziehen. Die Universität Heidelberg benutzt in ihrer neuen Grundordnung neben vier beamteten Professoren auch je ein Mitglied aus der Gruppe des wissenschaftlichen Dienstes, der Studierenden und der sonstigen Mitarbeiter als interne Mitglieder ihres Hochschulrats. Unter den sechs externen Mitgliedern dieses Hochschulrats sind nur zwei Professoren (beide keine Universitätsprofessoren) 47 Bei dieser Sachlage erfüllt der Hochschulrat der Universität Heidelberg die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht. bb) In Baden-Württemberg gehört zur Aufgabe der Hochschulräte auch „die Beschlussfassung über die Funktionsbeschreibung von Professorenstellen" (§ 18 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 UG). I m Hochschulurteil wird diese Aufgabe als Beispielsfall für die wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten nicht aufgezählt. Allerdings können die dort genannten „Personalentscheidungen in Angelegenheiten der Hochschullehrer" in einer Weise ausgelegt werden, dass hierunter auch die Funktionsbeschreibungen fallen: Die Festlegung der Funktionsbeschreibung kann jedenfalls i m Falle einer Veränderung durchaus die wissenschaftliche Arbeit des betroffenen Professors berühren. Einzelheiten über die Funktionsbeschreibung einer Stelle werden in § 64 Abs. 3 U G geregelt; vgl. etwa die Regelung, dass bei der Funktionsbeschreibung von Stellen für Professoren der Besoldungsgruppe С 4 eine angemessene Breite der zu betreuenden Fächer vorzusehen ist. Insgesamt überwiegen die Gesichtspunkte, nach der die Beschlussfassung über die Funktionsbeschreibung dem Artikel 5 Abs. 3 GG unterfällt. cc) Nicht eindeutig ist, ob die Hochschulräte sich auch bei ihrer Aufgabe, sich zur Einrichtung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen zu äußern, an die 45 BVerfGE 35, 79, 123; ebenso 61, 260, 279. 46 BVerfGE 54, 363, 387. 47 Vgl. Besetzungsliste, Forschung und Lehre, S. 424 und Aufsatz von Hufeid, 421.

S. 420,

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Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts halten müssen. Auch hier liegt nahe, die Einführung, aber noch mehr die Aufhebung von Studiengängen als Fragen zu behandeln, die wissenschaftsrelevant sind. Die Beispiele i m Hochschulurteil sind aber hier nicht einschlägig. dd) Insgesamt ist es aber unrichtig, wenn der Hochschulrat als ein Organ bezeichnet wird, „das nicht für akademische Angelegenheiten zuständig" ist, „so daß die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Besetzung von Organen . . . nicht zum Zuge kommen". Unrichtig ist es auch, „dass der Hochschulrat keine Entscheidungen zu treffen hat, die unmittelbar Fragen von Forschung und Lehre oder die Berufung von Professoren berühren" 4 8 Streitig kann nur sein, ob die Hochschulräte i m Hinblick auf ihre sonstigen Aufgaben bei typischer Betrachtungsweise noch den Anforderungen des Artikel 5 Abs. 3 GG unterfallen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20. 10. 1982 zum Konvent nach dem nordrhein-westfälischen Hochschulrecht ausgeführt, dass er ihn nicht zu den Gremien zähle, die über Forschung und Lehre unmittelbar betreffenden Fragen entscheiden 4 9 Man kann, wenn man die Landesgesetze beim Hochschulrat verteidigen will, nur hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht den Hochschulräten eine ähnlich großzügige Behandlung zuteil werden lässt, wie es beim damaligen Konvent in Nordrhein-Westfalen geschehen ist. 3. Die Schlussfrage lautet, ob es gelungen ist, Probleme der Gruppenuniversität durch die Einrichtung von Hochschulräten zu lösen. Die Antwort lautet: Nein. Soweit Hochschulräte überhaupt mit wichtigen Kompetenzen ausgestattet werden, verstoßen sie zunächst gegen das den Hochschulen gewährte Selbstverwaltungsrecht; eine Ausnahme bilden hier die sächsischen Regelungen. Überdies liegt es nahe, dass mit der Errichtung von Hochschulräten auch ein Verstoß gegen die Wissenschaftsfreiheit vorliegt, wie sie das Bundesverfassungsgericht interpretiert hat. Der Versuch, mit Hilfe der Hochschulräte Probleme der Gruppenuniversität zu beseitigen, ist als gescheitert anzusehen.

48 Herberger (Fn. 27), Rdnr. 199 und 258. 49 BVerfGE 61, 260, 282 bis 288.

Leistungsbesoldung für Professoren Anspruch und Wirklichkeit* Hubert Detmer

I. Einleitung Wäre die Besoldung der Beamten die Gegenleistung für getane Arbeit, so würde folgende Feststellung zu Recht mehr Zustimmung als Ablehnung erfahren: M i t Einzelfallgerechtigkeit hat die Besoldung von Beamten häufig nur wenig zu tun. Schließlich gibt es faule, schlechte, gute und fleißige Regierungsdirektoren; Universitätskanzler, die ihr Geld doppelt und dreifach wert sind und solche, die ihren Beruf verfehlt haben; brillante, mittelmäßige und unfähige Universitätsprofessoren. Diese banale Erkenntnis spiegelt sich i m Besoldungsrecht nur höchst unvollkommen wider: A u f die Regierungsdirektoren trifft diese Einsicht in tatsächlicher und juristischen Hinsicht beinahe uneingeschränkt zu, sieht man einmal von dem bescheidenen Prämien- und Leistungssystem 1 der Α-Besoldung ab. Der fleißige Regierungsdirektor kann sich i m Übrigen nur damit trösten, i m Laufbahnsystem vielleicht bessere Chancen zu haben als seine weniger fleißigen „Mitkonkurrenten". Wo es hingegen normative Differenzierungskriterien gibt, müssen diese nicht immer gerecht sein oder sich gar leistungssteigernd auswirken. Hierfür ist die Besoldung der Hochschulkanzler ein besonders schönes Beispiel: Wer eine mitgliederstarke, aber von ihm selbst heruntergewirtschaftete und auch sonst schlecht reputierte Hochschule leitet, verdient mehr als sein Kollege an einer kleinen, aber feinen Universität 2 . Dies zeigt auch: Quantitative Differenzierung (Größe der Hochschule) bedeutet nicht immer und erst recht nicht zwingend Besoldungsgerechtigkeit.

* Der Beitrag basiert auf der Sach- und Rechtslage, wie sie sich im März 2002 dargestellt hat. 1 Leistungsprämien- und -Zulagenverordnung - LPZV - vom 1. Juli 1997 (BGBl. I, S. 1598); Leistungsstufenverordnung - LStuV - vom 1. Juli 1997 (BGBl. I, S. 1600), zuletzt geändert durch VO vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I, S. 2785). 2 Vgl. bspw.: Anlage I Nr. 20 zum BBesG und die Landesbesoldungsordnungen B.

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Lässt man das Attribut „quantitativ" einmal beiseite, kommt man rasch zu dem Ergebnis, dass auch jedwelche andere - abstraktnormative - Differenzierung mit individueller Besoldungsgerechtigkeit häufig wenig zu tun hat. Dies gilt selbst für die bisherige Professorenbesoldung, da durchaus - bis zum Beweis des Gegenteils - die Annahme richtig ist, dass es in Deutschland zumindest einen nach С 3 besoldeten Professor 3 gibt, der eigentlich mehr verdiente als der schlechteste derjenigen Professoren, deren Grundgehalt sich nach der Besoldungsgruppe С 4 bemisst. So weit, so banal! Weniger banal ist für eine Annäherung an das neue System der Leistungsbesoldung für Professoren der Hinweis auf das herkömmliche Berufungssystem, das für die C-Besoldung die Funktion des Beförderungs- und Laufbahnsystems übernimmt. Wer nun denkt, der Autor werde es seiner beruflichen Herkunft wegen dabei belassen, diesem Berufungssystem zu huldigen, zumindest im Sinne des Optimums eines leistungsorientierten Besoldungssystems (wenn so etwas überhaupt machbar sein sollte), darf getrost enttäuscht sein. A u f der einen Seite ist zwar die Feststellung richtig, dass das Berufungssystem in Kombination mit der konkreten Gestalt der Bundesbesoldungsordnung С bislang dafür gesorgt hat, dass sich die Professorenbesoldung zumindest i m Vergleich zu anderen Besoldungssystemen als außerordentlich leistungsorientiert darstellt, auf der anderen Seite haften ihm aber erhebliche Schwächen an, die hier nur schlagwortartig erwähnt werden sollen: Berufungsaltersgrenzen 4 , unterschiedliche Marktchancen (Berufungsmärkte), keine Besoldungsflexibilität für С 2- und С 3-Professoren, kartellähnliche Vereinbarungen wie die sog. Drei-Jahres-Sperre der Kultusministerkonferenz 5 , standardisierte Berufungsgewinne 6 und allgemeine Systemschwächen (Stichwort: Scheinbewerbungen). Auch stimmt es nachdenklich, dass die Leistung von Professoren besoldungsrechtlich ausschließlich anlässlich eines Berufungsverfahrens honoriert werden können soll. Diese Auflistung ist beileibe kein stichhaltiger Beweis für die objektive Verbesserungsfähigkeit dieses Besoldungssystems. Gleichwohl hätten diese Schwachstellen eigentlich genügen müssen, um dem Plan des Gesetzgebers, für Professoren ein besseres Besoldungssystem (Professorenbesoldungsreformgesetz) zu schaffen, von Beginn an optimistisch und erwartungsfroh entgegenzufiebern. Doch weit 3

Professoren der Besoldungsgruppe С 3 haben keine Möglichkeit, über Zuschüsse und Sonderzuschüsse zum Grundgehalt zu verhandeln; vgl. Vorbemerkungen zur Bundesbesoldungsordnung C. 4

Vgl. hierzu: Detmer, Einstellungsaltersgrenzen und Versorgungslastenteilung, in: F & L 1997, S. 363 ff. 5 KMK-Vereinbarung über die Besetzung von Professorinnen- oder Professorenstellen an den Hochschulen (Beschl. vom 10. 11. 1978 i.d.F. vom 30. 1. 1998); vgl. hierzu: Detmer, Die „Drei-Jahres-Sperre" - ein Kartell zu Lasten von С 4-Professoren, in: Gedächtnisschrift für Hartmut Krüger, 2001, S. 47 ff. 6 Vorbemerkungen zur Bundesbesoldungsordnung C, Nr. 1 (Zuschüsse zum Grundgehalt bei Berufungen oder Bleibeverhandlungen).

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gefehlt. Ein Blick auf die Genese des am 23. Februar 2002 in Kraft getretenen Professorenbesoldungsreformgesetzes 7 zeigt, dass selbst die hochschulpolitischen Initiatoren dieses Besoldungssystems, als der Tag der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes näherrückte, sich von dem Vorhaben in seiner konkreten Gestalt distanzierten und ihm letztlich die Gefolgschaft verweigerten 8 . Angesichts des Umstandes, dass sich die objektivierbaren Inhalte einer leistungsorientierteren Besoldung für Professoren von der Geburtsstunde der Idee bis zum Inkrafttreten des Gesetzes nur marginal geändert haben, hat dieses Abrücken zwar weniger mit Inhalten zu tun als mit der mangelnden Sachkompetenz der Initiatoren oder auch mit deren politischem Kalkül, doch ist zumindest den blauäugigen unter den Befürwortern der ersten Stunde zuzubilligen, dass ihnen i m Laufe der Entwicklungsgeschichte des Professorenbesoldungsreformgesetzes gedämmert haben wird, was sie angerichtet hatten. Dabei hätten aber auch sie schon zu Beginn des Prozesses schlauer sein müssen. Sie hätten sich nur mit den Argumenten der Gegner der ersten Stunde auseinandersetzen müssen. Zwar hatten auch diese kritischen Stimmen von Beginn an für ein noch leistungsorientierteres Besoldungssystem für Professoren plädiert 9 , jedoch für jeden hörbar und nachlesbar gemahnt, der Teufel stecke i m Detail, und schließlich - als sich die Pläne verdichteten und konkretisierten - auch öffentlich nachgewiesen, das Gesetz werde in seiner konkreten Gestalt seine Ziele verfehlen 1 0 . Ausweislich des nun in Kraft getretenen Professorenbesoldungsreformgesetzes bestätigen sich die schlimmsten Befürchtungen. Der Gesetzgeber wird sein vermeintliches Ziel, Professoren in Zukunft leistungsorientierter

7

Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung (ProfBesReformG) vom 16. Februar 2002, BGBl. 2002 I, S. 686 ff. 8 Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) darf sich damit schmücken, der hochschulpolitische Initiator der „Reform" gewesen zu sein; vgl. „Empfehlungen zum Dienst- und Tarif-, Besoldungs- und Vergütungsrecht sowie zur Personalstruktur in den Hochschulen", Entschließung des 186. Plenums vom 2. 11. 1998. Beinahe exakt drei Jahre später heißt es in der Entschließung des Plenums vom 6. 11. 2001 wörtlich: „Die HRK wird das Gesetzesvorhaben zur Besoldungsreform nicht länger unterstützen, solange eindeutige Zusicherungen der Länder nicht vorliegen, zusätzliche Personalmittel zumindest für eine mehrjährige Einführungsphase bereitzustellen ... Die HRK hat in der Vergangenheit die Ziele der Reform unterstützt, dies jedoch stets an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft. Für sie ist es unabdingbar, dass die Ziele der Reform durch eine entsprechende Umsetzung in den Ländern von den Hochschulen auch tatsächlich erreichbar sind. Mit einer strikten Kostenneutralität ist das nicht möglich." - Vgl. hierzu pointiert: Hartmer, Bulmahn'scher Dreisatz und Gesetz der Halbschwangerschaft, in: F & L 2001, S. 646 ff.; Zu den Reaktionen auf die HRK-Empfehlungen von 1998: F & L 1999, S. 188 ff. 9 Vgl. hierzu nur: „Leistungsorientierte Besoldung", Resolution des 48. Hochschulverbandstages 1998; „Zum Bericht der Expertenkommission zur Reform des Dienstrechts und zur leistungsorientierten Besoldung von Hochschullehrern", Positionspapier des Deutschen Hochschul Verbandes, Bonn, 5. 6. 2000. 10 Stellungnahme des Deutschen Hochschul Verbandes für den Innenausschuss des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Professorenbesoldung (ProfBesReformG) - BT-Drs. 14/6852 - Bonn, 2001; Hartmer, Professorenbesoldungs Einsparungsgesetz (ProfBesEinspG), in: F & L 2001, S. 356 ff.

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zu erreichen, so jedenfalls nicht erreichen können. Das neue Besoldungssystem beruht auf „Konstruktionsfehlern", die nicht nur unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen, sondern neue Krankheitsbilder erzeugen (hierzu: Teil IL 1. und 2.). Des Weiteren werden mit maximalem Aufwand marginale oder aber fragwürdige Besoldungsnovitäten betrieben (hierzu : Teil II. 3.). Wettbewerbs Verzerrungen werden billigend in Kauf genommen {hierzu: Teil III.). Erkämpft werden diese „Vorteile" mit einem Verfassungsbruch gegenüber den Ländern (hierzu: Teil IV.) und signifikanten Verstößen gegen das Alimentationsprinzip (hierzu: Teil V.). Schlussendlich: Das unfertige Professorenbesoldungsreformgesetz erteilt den Ländern einen Auftrag, an dessen Umsetzung diese de facto und de iure zerbrechen müssen (hierzu: Teil VI.). Dieter Leuze ist scharfzüngig und weitsichtig: Sich abzeichnenden Unsinn erkennt er rasch und bezeichnet ihn auch als solchen. Dieter Leuze belässt es aber nicht dabei, ihm geht es immer auch um praktische Lösungen. Dies unterscheidet ihn von vielen. Nicht nur deshalb belässt es dieser Beitrag nicht beim Wehklagen, sondern liefert eine Skizze dafür, wie sich das Leistungsprinzip in der Professorenbesoldung - selbst unter dem Zwang der „Kostenneutralität" - ggf. noch stärker verankern ließe als dies bereits heute der Fall ist (Teil VIII. 2.).

II. Die „Konstruktionsfehler" des Professorenbesoldungsreformgesetzes 1. Der Konstruktionsfehler „Kostenneutralität" Der banalste und mit dem Satz „Mehr Geld gibt es nicht!" auch am leichtesten beiseite zu wischende Konstruktionsfehler ist die Kostenneutralität des neuen Besoldungssystems. Gleichwohl darf er wegen seines außerordentlich hohen Wirkungsgrades nicht unerwähnt bleiben. Die Einführung einer neuen Professorenbesoldung soll - cum grano salis kostenneutral 11 durchgeführt werden. Dies ist bereits ausweislich der zumindest in vielen Disziplinen mangelnden Konkurrenzfähigkeit auch der bisherigen Besoldung der Professoren i m Vergleich zu den in der freien Marktwirtschaft gezahlten Vergütungen ein merkwürdiger Ansatz. Die These, die Prämisse der Kostenneutralität sei falsch, sollte gerade in einer Zeit einleuchten, in der allenthalben die immense Bedeutung der Faktoren Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung für die Bundesrepublik Deutschland hervorgehoben wird. Würden Sonntagsreden ernst genommen, müsste ein Gesetzgebungsvorhaben, das unter dem Titel der Einführung einer leistungsorientierteren Besoldung firmiert, vor allem das Ziel verfolgen, die besten aller für den Professorenberuf potentiell in Betracht kommenden Kandidaten für die deutschen Hochschulen zu gewinnen. Den Zusammenhang zwischen einer Erhöhung des Vergütungsbudgets einerseits und der Ein11

s. hierzu: § 34 BBesG (Vergaberahmen).

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führung einer noch leistungsorientierteren Besoldung andererseits haben Politik und Gesetzgeber jedoch beharrlich negiert. Dabei hatte bereits i m Jahre 2000 die Kienbaum-Vergütungsberatung ein Gutachten vorgelegt, das diesen Denkfehler verdeutlicht hat. Nicht nur sei es in der Wirtschaftspraxis üblich, die Einführung eines leistungsorientierten Vergütungssystems mit einer Erhöhung des Vergütungsvolumens zu verknüpfen (was i m Falle der Professoren-Besoldung besonders notwendig sei, weil bereits gegenwärtig die Hochschulen gegenüber der Wirtschaft ein erhebliches „Vergütungsdefizit" aufweisen würden). Vielmehr sei die grundsätzliche „Deckelung" des Vergütungsvolumens geeignet, sogar paradoxe Effekte zu zeitigen: „ H a t unter diesen Bedingungen (der Kostenneutralität; Anmerkung des Verfassers) eine Fakultät eine erfolgreiche Berufungspolitik betrieben und durchweg hochleistungsfähige Wissenschaftler rekrutiert, so stehen für den einzelnen Professor geringere Prämien zur Verfügung, als wenn er sich in einer Fakultät mit insgesamt durchschnittlicher oder unterdurchschnittlicher Leistungsfähigkeit befände. Unter diesen Bedingungen erscheint es für die leistungsfähigen Professoren einer Fakultät zweckmäßig, künftig gezielt weniger leistungsfähige Kollegen zu berufen, um auf diese Weise ihre variablen Vergütungen zu steigern. " l 2

2. Der Konstruktionsfehler „Leistungsbezüge" Bekanntlich können gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) Professoren der Besoldungsgruppen W 2 und W 3 neben dem Grundgehalt variable Leistungsbezüge gewährt werden. Dies kann aus Anlass von Berufungs- und Bleibeverhandlungen, aber auch für besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Kunst, Weiterbildung und Nachwuchsförderung und schließlich für die Wahrnehmung von Funktionen oder besonderen Aufgaben i m Rahmen der Hochschulselbstverwaltung oder der Hochschulleitung geschehen. Leistungsbezüge können befristet oder unbefristet sowie als Einmalzahlung vergeben werden. Leistungsbezüge für die Wahrnehmung besonderer Funktionen oder besonderer Aufgaben werden für die Dauer der Wahrnehmung der Funktion oder Aufgabe gewährt. a) „ Funktionszulagen " Dem Grunde nach offenbart bereits der Vergleich zwischen der einheitlichen Vokabel „Leistungsbezüge" und den äußerst heterogenen Tatbeständen, für die diese (vermeintlichen) Leistungsbezüge gewährt werden können, eine partielle Inkongruenz. Während § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBesG explizit davon spricht, dass 12 Anlage zur Presseerklärung der Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Fakultätentage vom 18. 9. 2000, S. 7. Vgl. zur Kostenneutralität auch: Erhardt, Heterogenie der Wirkungen, in: F & L 2001, S. 290 ff. (290). Vgl. hierzu auch: Kopp, Leistungsabhängige Professorengehälter, in: F & L 2002, S. 187 f.

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variable Bezüge für „besondere Leistungen" gewährt werden können, handelt es sich ersichtlich bei der variablen Besoldung für die Übernahme bestimmter Funktionen und besonderer Aufgaben (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBesG) nicht um Leistungsbezüge i m eigentlichen Sinne, sondern um Funktionszulagen. Derartige Zulagen sind dem Grunde nach nicht neu und haben mit der Schaffung von Leistungsanreizen durch Geld für Forschung und Lehre nichts zu t u n 1 3 .

b) „ Berufungszulagen " Auch nicht neu ist die Gewährung variabler Leistungsbezüge aus Anlass von Berufungs- und Bleibeverhandlungen. Diese einen Besoldungszugewinn auslösenden Tatbestände sind integraler Bestandteil der bisherigen Professorenbesoldung 14 . Das bisherige System der Professorenbesoldung zeichnet sich durch eine untrennbare Verknüpfung zwischen dem Besoldungsrecht und dem Berufungsverfahren aus: Eine Berufung führt zu einem Besoldungsgewinn. Wenngleich es richtig ist, dass man sich auch i m traditionellen System Rufe verdienen musste, die mehrfache Berufung also ein Zeichen der Anerkennung einer besonderen Leistungsfähigkeit des Berufenen innerhalb seiner Scientific Community darstellt, führt dies aber nicht zwingend zu der Annahme, durch die Gewährung eines solchen Leistungsbezuges werde der zu gewinnende Hochschullehrer auch pro futuro zu einem Mehr an Leistung angestachelt. Nachhaltig beeinträchtigt wird der besoldungsrechtliche Anreiz „Berufung" i m herkömmlichen System in den Fällen, in denen sich der Betroffene aus Altersgründen keine Chancen mehr auf dem Berufungsmarkt ausrechnet. A m Rande sei erwähnt, dass dieser Schwachpunkt aber keine immanente Schwäche des bisherigen Berufungs- und Besoldungssystems darstellt, sondern sich vornehmlich auf die Praxis der Berufungsaltersgrenzen zurückführen lässt. Darüber hinaus ist sowohl mit Blick auf das herkömmliche als auch auf das neue System die Feststellung zutreffend, dass es sich häufig genug bei der Gewährung von Zuschüssen und Sonderzuschüssen anlässlich von Berufungsverhandlungen nicht um Leistungs-, sondern um Gewinnungszulagen handelt. Dies wird deutlich in der Konstellation, in der ein hoch dotierter Bewerber aus dem Ausland oder aus der Industrie für eine Professur gewonnen werden s o l l 1 5 . Orientiert sich das ihm unterbreitete Besoldungsangebot nicht an seinen bisherigen Einkünften, wird die13 Vgl. nur die Hochschulleitungs-Stellenzulagenverordnung. Die dortigen Sätze sind freilich zugegebenermaßen anachronistisch. 14 Vgl. Vorbemerkungen zur Bundesbesoldungsordnung C. Freilich kommen nur Professoren der Besoldungsgruppe С 4 in den Genuss von Zuschüssen und Sonderzuschüssen. Interessant in diesem Zusammenhang: Sowohl die Kultusministerkonferenz - Diskussionspapier vom 22. 10. 1999 - vgl. hierzu: Hartmer, Grundgehälter wie Oberstudiendirektoren, in: F & L 1999, S. 637 f. - als auch die HRK haben ursprünglich versucht, das Wort „Berufung" im Zusammenhang mit der Vergabe von Leistungszulagen zu vermeiden. 15

Vgl. Vorbemerkungen (ebda.), Nr. 2.

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ser Bewerber nicht gewonnen werden können. Hiermit werden jedenfalls nicht vornehmlich Anreize für die in dem A m t noch zu erbringende Leistung geschaffen. Dies gilt zumindest dann, wenn die aus Gewinnungsgründen zu gewährende, über dem Besoldungsstandard hinausgehende Besoldung unbefristet gewährt werden muss, weil die Absage des potentiellen Kandidaten andernfalls vorprogrammiert wäre. Letzteres hat zuallererst etwas mit unterschiedlichen Berufungsmärkten zu tun. Muss aus Gründen des Faches für eine wichtige Professur der Hochschullehrer in spe aus der freien Marktwirtschaft gewonnen werden, so wird ihm beinahe zwangsläufig ein mehr oder minder hoher und auch unbefristeter Berufungszuschuss gewährt werden müssen. Insoweit könnte man sowohl dem herkömmlichen als auch dem neuen Besoldungssystem entgegenhalten, dass zumindest bei Erstberufungen die Gewährung einer Besoldung jenseits des Grundgehaltes nicht immer etwas mit einer individuellen Leistung und einer retrospektiv ausgerichteten Leistungsbewertung (im Berufungsverfahren) zu tun haben muss, sondern das konkrete Besoldungsangebot häufig eine profane Folge der Marktlage ist. Diese beiden Systemen anhaftende Zwangsläufigkeit kann unter dem Stichwort „Gemeinsamkeiten" der Bundesbesoldungsordnung С und der Bundesbesoldungsordnung W verbucht werden. Auch insoweit hat die Bundesbesoldungsordnung W trotz der vollmundigen Vokabel „Leistungsbezüge" keine wirklichen Neuigkeiten gegenüber der Bundesbesoldungsordnung С zu bieten. Tatsächlich neu ist i m Hinblick auf die Vergabe von Leistungsbezügen aus Anlass von Berufungs- und Bleibeverhandlungen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG) aber das Missverhältnis von Grundgehalt zu potentiellem Leistungsbezug ]6. Berücksichtigt man dieses Missverhältnis i m neuen Recht, wird der eigentliche Unterschied zur Bundesbesoldungsordnung С markant. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG ist insoweit neu, als hierdurch ein marktorientiertes Vergütungssystem ohne Korrektiv eingeführt wird. Da die Grundgehälter in der Besoldungsordnung W i m Vergleich zur Bundesbesoldungsordnung С deutlich abgesenkt sind, um Spielräume 1 7 für die Vergabe von Leistungsbezügen zu schaffen, wird die Besoldung der Professoren - dem vermeintlich ökonomischen Wert der Disziplin und mithin der Marktlage entsprechend - deshalb in Zukunft schon bei Erstberufungen in einem weitaus größeren Maße als bisher auseinander driften. Zur Verdeutlichung: Ist in einem sog. Orchideenfach der Berufungsmarkt zusammengebrochen, wird einem herausragenden - jedoch über keinen außeruniversitären Arbeitsmarkt verfügenden - Wissenschaftler, obwohl er nach Ansicht der für ihn zuständigen Scientific Community außerordentlich leistungsfähig ist, kein variabler sog. Leistungs16 Grundgehälter: W 2 : 3.724 €, W 3 : 4.522 € / C 3 : 4.476,62 €, С 4 : 5.253,82 € (С jeweils bei Zugrundelegung der Dienstaltersstufe 11 (41 Jahre) von insgesamt 15). •7 Regelfall: Differenz W 3 und В 10 (5.017,79 €); gemäß § 33 Abs. 2 BBesG sind jedoch in besonderen Fällen auch höhere Leistungsbeziige möglich. Kritisch zu marktorientierten Besoldungssystemen auch: Summer, Modernisierung der Besoldungstechniken?, in: ZBR 2000, S. 298 ff. (300).

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bezug aus Anlass von Berufungsverhandlungen gewährt werden müssen; eine sorgfältig wirtschaftende und der Sparsamkeit verpflichtete Hochschulleitung dürfte sie dem zu Berufenden eigentlich gar nicht gewähren. Noch greifbarer wird diese Befürchtung, wenn berücksichtigt wird, dass bereits aus Gründen der praktischen Umsetzbarkeit 18 des neuen Besoldungssystems aller Voraussicht nach für jede Hochschule ein gesonderter Vergaberahmen definiert werden muss 1 9 . Dies wird mit einem ebenso hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zur Folge haben, dass den einzelnen Fachbereichen - ihrem unterschiedlichen ökonomischen „Wert" entsprechend - höchst unterschiedliche Besoldungsbudgets zur Verfügung stehen werden. Alternativ und / oder kumulativ hinzukommen könnte noch der von der KienbaumVergütungsberatung bereits hervorgehobene Missgriff, dass unter dem Gesichtspunkt der Kostenneutralität jedes exponierte Besoldungsangebot - bekanntlich eröffnet das Professorenbesoldungsreformgesetz selbst Möglichkeiten jenseits В 10 - zwangsläufig zu einer konkreten Reduzierung der für die anderen Professoren potentiell zur Verfügung stehenden Leistungsbezüge führen muss. Festzuhalten bleibt, dass das neue Besoldungssystem selbst dort, wo es die alte Besoldungssystematik zitiert (Zuschüsse anlässlich von Berufungs- und Bleibeverhandlungen), nicht wie behauptet leistungsorientierter, sondern, was die individuelle Besoldungsgerechtigkeit anbetrifft, zumindest für viele Professoren weniger leistungsorientiert als die bisherige Bundesbesoldungsordnung С ausgestaltet ist. Nicht die individuelle Leistungsstärke des zu Berufenden ist für die Besoldungsentscheidung maßgeblich, sondern in verstärktem Maße das Fach und der ökonomische Wert der zu besetzenden Professur. Damit bricht der Gesetzgeber en passant mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Disziplinen speziell innerhalb der Universitäten. Dieses den Gesetzen des Marktes Tür und Tor öffnende System hat mit der Einführung einer leistungsorientierten Besoldung nichts zu tun, weil es für die unterschiedlichen Disziplinen zum Teil überhaupt keinen, aber jedenfalls keinen einheitlichen außeruniversitären Markt gibt.

c) „Leistungszulagen

"

Neuartig i m besoldungsstrukturellen Sinne ist daher letztlich nur die Vergabe von Leistungsbezügen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr 2 BBesG. Hier drohen jedoch Systemverwerfungen, die die angestrebte Zielerreichung - die Schaffung einer leistungsorientierten Besoldung - konterkarieren. Unterstellt, Hochschulen sind auch in Zukunft daran interessiert, die möglichst besten Bewerber für vakante Professuren zu gewinnen, wird das Gros des Budgets, das für die Vergabe variabler Leistungsbezüge an einer Hochschule zur Verfügung steht, aus Anlass von Beru-

18

Vgl. hierzu: § 2 Abs. 2 des 1. Rohentwurfs einer Leistungsbezugsverordnung Nds. (LBVO), Stand: 15. 11. 2001; s. auch: § 34 Abs. 4 BBesG. •9 LBVO, ebda, § 12 Abs. 2 S. 2, 3.

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fungs- und Bleibeverhandlungen vergeben werden müssen. Ist dies der Fall, bleibt für die eigentlichen und tatsächlich „neuen" Leistungsbezüge nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BBesG nur ein bescheidenes Restbudget. Dies führt zwangsläufig zu der Feststellung, dass für besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Kunst, Weiterbildung und Nachwuchsförderung sich viele Professoren die Krümel eines bereits beinahe aufgegessenen Kuchens teilen müssten. Schon deshalb wird das Professorenbesoldungsreformgesetz sein zentrales Ziel, Leistungsanreize in Forschung und Lehre durch Geld zu schaffen, verfehlen. Niemand hat so überzeugend wie Schüren 20 dargelegt, weshalb man mit kleiner Münze die angestrebte Wirkung der Leistungssteigerung in Hochschulen zwangsläufig nicht erreichen können wird: „ Der erste Fehler ist es, die Wirkungen von kleinem Geld völlig zu überschätzen. Es ist kindisch, zu erwarten, dass jemand z. B. besonders engagiert ein Dekanat verwaltet, weil man ihm 500 oder gar 800 DM im Monat dafür gibt. " Dies ist erst recht der Fall, wenn man sich vorstellt, ein Professor solle für 250 € dazu angestachelt werden, „besonders innovative" Forschung zu betreiben 21 . Ob Professoren bereits per se vornehmlich intrinsisch motiviert sind, kann bei einem derartigen Beispiel getrost dahingestellt bleiben. Aber selbst beachtliche Leistungsbezüge für besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Kunst, Weiterbildung und Nachwuchsförderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBesG) werden häufig nicht geeignet sein, Leistungssteigerungen herbeizuführen: Dies hängt auch damit zusammen, dass der Leistungsbezug einerseits so vergeben werden muss, dass er geeignet ist, einen spürbaren Belohnungs- oder einen spürbaren Anreizeffekt zu schaffen, er auf der anderen Seite aber auch ökonomisch sinnhaft vergeben werden muss. Anreizeffekte (Leistungsbezug i m Vorhinein) können am ehesten mit einer Einmalzahlung oder aber mit der Vergabe eines befristeten Leistungsbezuges erreicht werden (in Erwartung einer konkret vereinbarten Leistung). Dabei ist nicht nur aus wissenschaftsimmanenten Gründen bei Vereinbarungen, die sich auf zukünftig zu erbringende Leistungen beziehen, vor allem an quantitative, zumindest aber „nachprüfbare" Leistungen zu denken (z. В.: erhöhtes Lehrdeputat oder Konzeption eines neues Studiengangs), weniger jedoch an qualitative Lehr- und Forschungsleistungen. Ansonsten gelangte man rasch in einen verfassungsrechtlich problematischen Bereich der Leistungssteuerung in Forschung und Lehre; auch wären Zielerreichungen, wenn es sich um qualitative Leistungssteigerungen handelte, kaum justitiabel 2 2 . 20 Schüren, Kleine Münze - Große Leistungen? in: F & L 2000, S. 232 ff. (234); vgl. auch: von Eckardstein/Oechsler/Scholz, Personalmanagement und Dienstrechtsreform, in: F & L 2001, S. 192 ff.; vgl. auch: Oechsler, Ist Leistung objektiv messbar, in: ZBR 1996, 202 ff. 21

Vgl. hierzu auch: Thieme, Leistungsbezahlungen für Hochschullehrer, in: Festschrift für Hartmut Schiedermair, 2001, S. 595 ff. 22 Vgl. hierzu: Detmer, Zielvereinbarungen und Leistungsverträge mit Hochschullehrern oder: Wieviel Vertragsfreiheit verträgt das Amt des Universitätsprofessors?, in: Festschrift für Hartmut Schiedermair, 2001, S. 605 ff. (619 f.): Das traditionelle Besoldungssystem für

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Im Nachhinein ist der Belohnungscharakter durch eine Einmalzahlung am ehesten wissenschaftsadäquat (z. B. nach Erhalt eines bedeutenden Wissenschaftspreises). Auch ist i m Nachhinein noch die Gewährung eines befristeten Leistungsbezuges vorstellbar. A l l diesen „Vergabeformen 4 ' ist jedoch gemein, dass diese Leistungsbezüge unter Beachtung der schon aus Wirtschaftlichkeitsgründen gebotenen „ökonomischen Sinnhaftigkeit" nicht unbefristet vergeben werden. Dies bedeutet, dass sie grundsätzlich nicht ruhegehaltfähig sind 2 3 , was ihre Attraktivität signifikant schmälert. Dem könnte entgegengehalten werden, hierbei handele es sich lediglich um eine Hypothese, doch ist die Vergabe eines unbefristeten Leistungsbezuges für besondere Leistungen in Forschung und Lehre tatsächlich kaum vorstellbar. Wird ein Leistungsbezug im Vorhinein vergeben, kommen bereits per se qualitative, dementsprechend ungewisse und nicht justitiable Leistungssteigerungen kaum in Betracht 2 4 ; darüber hinaus würde die unbefristete Vergabe den Anreizcharakter, ein bestimmtes Ziel in bestimmter Zeit auch zu erreichen (z. В.: Konzeption eines neuen Studiengangs) naturgemäß konterkarieren. Im Nachhinein besteht aber überhaupt kein Motiv, für eine in der Vergangenheit bereits erbrachte besondere Leistung in Forschung und Lehre einen unbefristeten Leistungsbezug zu vergeben; dies wäre aus Sicht einer Hochschulleitung ökonomisch nicht sinnhaft. Es ist daher damit zu rechnen, dass der Leistungsbezug i. S. v. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBesG regelmäßig i m Gegensatz zu der Gewährung einer „Gewinnungszulage" i. S. v. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG befristet oder als Einmalzuschlag ausgestaltet wird, was dem systematischen Ansatz des Professorenbesoldungsreformgesetzes einen weiteren immanenten Attraktivitätsverlust beschert. Unterstützt wird dieses Ergebnis noch durch die bereits gewonnene Erkenntnis, dass das Gros der zur Verfügung stehenden Leistungsbezüge für Zulagen i. S. v. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG vergeben werden muss. Zudem darf die psychologisch mehr als problematische Komponente, dass gerade i m Bereich befristeter Leistungsbezüge die Wegnahme von Besoldung - bei Ablauf der Frist - nicht nur droht, sondern vielfach auch realisiert werden wird, hier nicht unerwähnt bleiben 2 5 . Der Entzug eines ggf. erheblichen Vergütungsteils Professoren zeigt „ein unverzichtbares Wesensmerkmal der leistungsorientierten Besoldung von Hochschullehrern auf: die retrospektive Betrachtungsweise. Andernfalls müssten eine noch zu erbringende wissenschaftliche Leistung ... ex ante ... bestimmt werden. Wenn wissenschaftliche Leistung honoriert werden soll, muss sie beurteilt werden. Bereits deshalb verbieten sich zukunftsorientierte Besoldungsgeschäfte jedenfalls mit wissenschaftlichen Vertragsinhalten ... Von daher kann prinzipiell im Rahmen zukunftsorientierter Zielvereinbarungen nur die Übernahme bestimmter Funktionen oder Belastungen zu einer individuellen Besoldungszulage führen." 23 Vgl. § 33 Abs. 3 S. 1 BBesG. 24 Eine Hochschulleitung, die sich die nicht einklagbare besondere Forschungsleistung versprechen ließe, um hierfür im Gegenzug einen unwiderruflichen Leistungsbezug zu gewähren, wäre geradezu töricht. Vgl. hierzu: Detmer (Fn. 22), S. 614.

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ist selbst i m internationalen Vergleich eher ungewöhnlich 2 6 . Die „innere Emigration" eines Hochschullehrers, dem eine befristete „Zulage" für eine bestimmte Leistung gewährt worden ist, ist vorgezeichnet, wenn diese „Zulage", nachdem die Leistung erbracht worden ist, nicht entfristet wird. Weshalb aber sollte eine Hochschulleitung derart altruistisch und unwirtschaftlich verfahren, wenn der betroffene Hochschullehrer i m Zeitpunkt des Ablaufs des Vergabezeitraumes bspw. aus Altersgründen keine Wechseloption mehr hat und auch i m Übrigen an seiner Heimathochschule nicht mehr als Garant für die Erfüllung zukünftiger Ziele angesehen wird, weil in der Zwischenzeit jüngere Kollegen berufen und verpflichtet worden sind, neue, aktuell fokussierte Ziele zu erreichen? Einer altruistisch handelnden Hochschulleitung würde sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, sie agiere nicht ökonomisch sinnhaft, sondern allein um des Betriebsfriedens w i l l e n 2 7 .

d) Zwischenergebnis Festzuhalten bleibt, dass jedenfalls das Gros der Leistungsbezüge i. S. v. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG (Berufungs- oder Gewinnungszuschuss) unbefristet vergeben werden muss, während ebenso regelmäßig das bereits insofern nur noch geringe Budget, das für Leistungsanreize und -belohnungen in Forschung, Lehre und Kunst zur Verfügung steht (Nr. 2), befristet vergeben werden wird. „Echte" Leistungsanreize und Belohnungseffekte in der Wissenschaft werden durch die W-Besoldung deshalb nur in sehr eingeschränktem Maße verwirklicht werden können. Das Professorenbesoldungsreformgesetz hat einen wesentlich geringeren „Leistungscharakter" als vom Gesetzgeber behauptet. Die tatsächlich „neuartigen" Leistungselemente i. S. v. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBesG werden zudem mit potentiell leistungsfeindlichen Neuerungen im Bereich der „Berufungszuschüsse" erkauft.

e) Besondere Leistung als Definitionsproblem Der wichtigste Konstruktionsfehler der Grundidee der „klassischen" Leistungsbezüge gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBesG liegt jedoch darin, dass dieser An25

Die Befristung von Leistungsbezügen gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BBesG gemäß S. 2 erfolgt nicht ohne Grund. Einer der Gründe hierfür dürfte sein, dass befristete Leistungsbezüge erst dann, wenn sie wiederholt vergeben werden, für ruhegehaltfähig erklärt werden können (§ 33 Abs. 3 S. 1 BBesG). 26 Vgl. hierzu: Böhm, Demotivierende Wirkung - Monetäre Leistungsanreize im internationalen Vergleich, in: F & L 2000, S. 128 ff.; dies., in: ZBR 2000, S. 154 ff. (Langfassung); zu den gravierenden Konsequenzen eines Systems, das „winner" und „loser" etabliert: Löwer, Zwei aktuelle Fragen der Hochschulreformdebatte, in: WissR 33 (2000), S. 302 ff. (324 f.). 27 Zu einer anderen praktischen Verwerfung in Bezug auf Alter oder Krankheit vgl. Thieme (Fn. 21), S. 599. 11 FS Leuze

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satz voraussetzt, wissenschaftliche Leistung zum Zwecke besoldungsrechtlicher Differenzierung auch definieren zu müssen 28 . Dieser Zwang wird, wenn die Vergabeentscheidung gerichtsfest sein soll (was sie sein muss), notgedrungen dazu führen, mit zweifelhaften oder gar inadäquaten, da vornehmlich quantifizierbaren Faktoren zu operieren 29 . Dabei ist die Erkenntnis, dass in diesem Beritt (Forschung, Lehre, Kunst) dem Grunde nach qualitative Leistung den Ausschlag geben müsste , unbestritten 30 . Die Definition qualitativer Leistungen in Forschung und Lehre ist jedoch in einem von der Wissenschaftsfreiheit durchdrungenen Bereich dem Gesetzgeber schwerlich möglich; er würde an dieser Aufgabe nicht nur rechtlich - wenn er sich ihr annehmen wollte (was bislang nicht der Fall ist) - , sondern auch faktisch zerbrechen 31 . Vor diesem Hintergrund ergeben sich zwei Problemfelder: Dort, wo an Qualität angeknüpft würde (was dem Grunde nach bei der Definition wissenschaftlicher Leistung die adäquate Option wäre), käme die Frage der Justitiabilität zwangsläufig ins Spiel. Man kann sich vorstellen, dass Fragen der Gesetzesbindung der Besoldung 3 2 , der Tauglichkeit der Leistungskriterien 33 und insbesondere auch die Frage, wer überhaupt bewerten darf 3 4 , bereits heute darauf harren, verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterzogen zu werden. Würde aber die quantitativ orientierte Definition von Leistung schlicht das Abzählen von Leistungen nahe legen, führte die Erwartung und die Kenntnis der Betroffenen, dass quantitativ beurteilt wird, zu i m Wissenschaftsbereich besonders nachhaltig wirkenden disfunktionalen Fehlsteuerungen 35. Banal: Es käme nicht mehr auf die Qualität der Promotion, sondern auf die Anzahl der Promotionen an. 28 Hartmer, Zur leistungsorientierten Besoldung der Professoren - Wünsche, Pläne und Grenzen, in: ZBR 1999, S. 217 ff. (223 f.). 29 Speziell hierzu: Thieme (Fn. 21), S. 598: „Die sozialistische Tonnenideologie, die die Qualität als Leistungsmerkmal vernachlässigt hat, ist das bekannteste Beispiel für derartige Systeme"; Detmer (Fn. 22), S. 619: „Den existenten Vorschlägen für Leistungskriterien mit Bezug auf Forschung und Lehre ist doch eine Merkwürdigkeit gemein: der quantitative Aspekt. Das, was leistungsorientiert tituliert wird, ist deshalb nur das Abzählen von Produkten ... Hinter jedem dieser Produkte (z. B. Diplome, Promotionen, Habilitationen) steht eine wissenschaftliche Leistung, nur in dem einen Fall eine größere und in dem anderen Fall eine kleinere." 30 Vgl. Resolution des 48. Hochschulverbandstages 1998 „Leistungsorientierte Besoldung", Bamberg, 28. März 1998; Detmer (Fn. 22), S. 619; Hartmer (Fn. 28). S. 221; Kutzelnigg, Kann man wissenschaftliche Leistung messen?, in: Nachr. Chem. Tech. Lab. 1998, S. 826 ff.: Pobell, Die Meßlatte der Wissenschaft, S. 2 vom 9. November 1999 („Es geht also um Bewerten, nicht um Zählen"); Thieme (Fn. 21), S. 598. 31 Vgl. hierzu: 1. Rohentwurf LBVO (Fn. 18). 32 Vgl. hierzu: unten Abschnitt VI. 33 Vgl. hierzu: unten Abschnitt VI. 1. 34 Vgl. hierzu: unten Abschnitt VI. 2. 35 Hierzu Nachweise in Fn. 28-30; femer: Löwer (Fn. 26), S. 326 ff.

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A l l dies ist i m Laufe der Genese des Professorenbesoldungsreformgesetzes vorgetragen, von den Entscheidungsträgern jedoch allenfalls zur Kenntnis genommen worden 3 6 . Selbstredend entstehen derartige Fehlsteuerungen auch durch die Selektion (und mithin Nicht-Nennung) bestimmter Leistungskriterien oder infolge ihrer Gewichtung. Dazu passt, dass sich das Professorenbesoldungsreformgesetz dieser wichtigsten Fragen einer leistungsorientierteren Besoldung bis zuletzt nicht angenommen hat 3 7 , obwohl exakt dies von Beginn an angemahnt worden w a r 3 8 . Für Kenner der Materie ist es nicht überraschend, dass der Bundesgesetzgeber es i m Professorenbesoldungsreformgesetz den Ländern überlassen hat, das Nähere zur Gewährung der Leistungsbezüge durch Landesrecht zu regeln, insbesondere die Bestimmungen über das Vergabeverfahren, die Zuständigkeiten für die Vergabe sowie die Voraussetzungen und die Kriterien der Vergabe (§ 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BBesG). Warum hätte auch ausgerechnet der Bundesgesetzgeber an dem Versuch der Quadratur des Kreises zerbrechen sollen? Es zeichnet sich bereits heute ab, dass die Länder die letztlich unlösbare Aufgabe, abstrakt-normative Kriterien für die Gewährung von Leistungsbezügen festzulegen, allein den Hochschulen überantworten wollen. In einem ersten Rohentwurf einer Leistungsbezugsverordnung ( L B V O ) des Landes Niedersachsen 39 heißt es, dass die Hochschulen in einer Verordnung auch die Kriterien für die Gewährung von Leistungszuschlägen festzulegen haben, wobei das jeweilige Profil der Hochschule und ihre Entwicklungsziele zu berücksichtigen sei. Der „Schwarze Peter" für die Lösung unlösbarer Probleme ist damit folgerichtig nach unten durchgereicht worden. Warum der Gesetzgeber sich gerade den komplexen Raum von Forschung und Lehre für einen Paradigmenwechsel der Beamtenbesoldung ausgesucht hat, ist rational kaum zu begründen. Ersichtlich ist, dass er hiermit nicht nur den Professoren, sondern auch den Verwaltungen und nicht zuletzt sich selbst einen Tort antut. Wie groß muss der Sozialneid ob der dienstrechtlichen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit und das Misstrauen gegenüber Professoren sein, um sehenden Auges ein derart gesetzliches Unglück zu produzieren.

36 Erhellend ist die lapidare Anmerkung der „Expertenkommission", die jegliche Substantiierung vermissen lässt: „Bei der Anwendung der Kriterien sollte ein großer Spielraum bestehen, jedoch muß qualitativen Gesichtspunkten ausreichend Rechnung getragen werden." (Bericht der Expertenkommission, Bonn, 2000, S. 47). 37 Vgl. § 33 Abs. 4 BBesG. 38 Hartmer (Fn. 28), S. 223; Stellungnahme des Präsidenten des DHV, Hartmut Schiedermair, zu seinem Austritt aus der Expertenkommission: „Wenn man wissenschaftliche Leistungen durch Zulagen honorieren will, muß man bei zwei Kernfragen Farbe bekennen: Was sind die Kriterien für eine wissenschaftliche Leistung, und wer entscheidet über die Kriterien?", in: F & L 2000, S. 231. 39 s. Fn. 18. 11*

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3. Der Konstruktionsfehler „Verfahrensaufwand" Soll das Professorenbesoldungsreformgesetz mit Leben gefüllt werden, müssen variable Leistungsbezüge auch außerhalb von Berufungs- und Bleibeverhandlungen gewährt werden (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBesG). Hier handelt es sich um die eigentliche „Leistungszulage" i m engeren Sinne. Unstreitig ist, dass die Vergabeverfahren in den Händen derjenigen liegen müssen, die befähigt sind, die notwendigen Bewertungen vorzunehmen 40 . Dies sind vornehmlich die Professoren selbst 41 . Berücksichtigt man des Weiteren, dass derartige Verfahren kumulativ neben die herkömmlichen Berufungs- und auch Bleibeverhandlungen treten, so führt das neue Gesetz auf operativer Ebene zu einer Vermehrung von Bewertungsentscheidungen, die allesamt in kollegialen, der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegenden Verfahren getroffen werden müssen. Das B M B F selbst spricht in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die Empfehlungen der Expertenkommission davon, Bewertungen i m Abstand von fünf bis sieben Jahren durchzuführen und darüber hinaus auf Antrag zu ermöglichen 4 2 . Nicht zu leugnen ist aber, dass derart starre Karenzzeiten bis zur nächsten Bewertungsentscheidung dem individuellen und leistungsorientierten Charakter des Leistungsbezuges nicht gerecht würden. Deshalb wird das alternative Antragsverfahren, wenn man den Ansatz der individuellen Leistungszulage nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBesG ernst nehmen will, in der Praxis eine wesentliche Bedeutung spielen müssen. Dann aber werden sich die in inhaltlicher, aber auch verfahrensrechtlicher Sicht notgedrungen aufwendigen Вewertungsverfahren zur Vergabe von Leistungsbezügen i. S. v. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BBesG in einem ungeahnten Maße und mit der Folge vervielfachen, dass die zentralen Dienstaufgaben der heranzuziehenden Gutachter, also der Professoren, zwangsläufig in Mitleidenschaft gezogen werden müssen 43 .

I I I . Praktische Verwerfung: Immobilität Neben diesen auf Irrtümern beruhenden Konstruktionsfehlern ist das Professorenbesoldungsreformgesetz jedoch auch mit einem wichtigen Systemfehler behaftet, den der Gesetzgeber zumindest billigend in Kauf genommen hat. 40 Vgl. hierzu z. В.: Hartmer (Fn. 28), S. 224 ff. 41 Ebda. 42 Bericht der Expertenkommission „Reform des Hochschullehrerdienstrechts", Bonn, 2000, S. 51. 43 Vgl. hierzu bspw. auch: Thieme (Fn. 21), S. 600 f. Deshalb ist die Reform auch keineswegs „kostenneutral". Man darf gespannt sein, ob sich die HRK in fünf Jahren des Themas „Verhältnis der Verwaltungskosten zum Ergebnis des Verwaltungshandelns" annimmt; vgl. hierzu auch: Summer, Leistungsanreize / Unleistungssanktionen, in: ZBR 1995, S. 125 ff. (131).

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Bekanntlich sieht das Gesetz einen eingeschränkten Besitzstandsschutz für Professoren vor, die bereits ein A m t der Besoldungsgruppen С 2, С 3 und С 4 innehaben. Dieser Besitzstandsschutz zeichnet sich dadurch aus, dass die bei Inkrafttreten der nach Maßgabe von § 33 Abs. 4 BBesG noch zu treffenden Landesregelungen vorhandenen Amtsinhaber in ihrem nach Maßgabe der Bundesbesoldungsordnung С besoldeten A m t verbleiben können 4 4 . Eingeschränkt ist der Besitzstandsschutz aber deshalb, weil auch diese Professoren bei einem späteren Wechsel der Hochschule, aber auch bei hiermit zusammenhängenden В leibe Verhandlungen, gezwungen sind, in ein nach Maßgabe der Bundesbesoldungsordnung W vergütetes Amt zu wechseln 4 5 . Angesichts der deutlichen Absenkung der Grundgehälter und des Umstandes, dass die Dauerhaftigkeit und Ruhegehaltfähigkeit von Leistungsbezügen ungewiss ist und diese Ungewissheit von den Betroffenen antizipiert wird, legt diese Systementscheidung die Befürchtung nahe, dass zumindest das Gros der Stelleninhaber einer Professur der Besoldungsgruppe С 4 sich an Berufungsverfahren für Professuren der Besoldungsgruppe W 3 nicht beteiligen wird (Vergleichbares ist anzunehmen für die Konstellation С 3 / W 2). Damit tritt i m Hinblick auf einen bestimmten, bislang vorhandenen potentiellen Bewerberkreis eine im Wissenschaftsbereich nicht gerade leistungssteigernde Immobilität ein. Ausgehend von der Annahme, dass auch das bisherige System Leistung - durch Berufung und Besoldungsgewinne - honoriert hat, bezieht sich die Befürchtung der Immobilität demzufolge gerade auch auf potentiell leistungsstarke Hochschullehrer. Dieser Nebeneffekt konterkariert geradezu die Einführung einer vermeintlich leistungsorientierteren Professorenbesoldung. Angesichts der Offensichtlichkeit dieser negativen Wirkung ist es jedoch nahe liegend, dass der Gesetzgeber diese Begleiterscheinung in Kauf genommen hat. Zugegebenermaßen spekulativ ist hingegen die Annahme, der Gesetzgeber kalkuliere sogar mit diesem Nebeneffekt. Fern liegend ist aber selbst diese Annahme nicht, da die Ausschaltung eines freien Wettbewerbs, an dem auch die „teuersten" Professoren teilnehmen würden, für eine möglichst rasche Installierung der W-Besoldung eine günstige Ausgangsposition schafft. Gerade in Disziplinen, die über keinen nennenswerten außeruniversitären Arbeitsmarkt verfügen, wird, sofern sich keine С 3- und С 4Professoren auf vakante W 2- und W 3-Professuren bewerben, die Besetzung der vakanten Stellen mit „preiswerten" Bewerbern bei einer derartigen Wettbewerbsverzerrung eher leichter.

IV. Das untaugliche Instrument „Vergaberahmen" Das neue Besoldungssystem führt jedoch nicht nur zu praktischen Verwerfungen in einer Übergangsphase, es ist nicht nur eine „Mogelpackung", was seine ver44 § 77 Abs. 2 S. 1 BBesG. 45 § 77 Abs. 2 S. 1 а. E., S. 2 BBesG.

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meintliche Leistungsorientiertheit anbetrifft - es basiert auch auf einem Konstrukt, das der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhält 46 . Ein zentrales Element des Professorenbesoldungsreformgesetzes ist der sog. Vergaberahmen (§ 34 BBesG). M i t diesem i m Besoldungsrecht einzigartigen Instrument w i l l der Gesetzgeber sicherstellen, dass das Professorenbesoldungsreformgesetz nicht zum Anlass dafür genommen wird, das Besoldungsaufkommen für Professoren in einem Bundesland (und beim Bund) zu reduzieren. Was die Details anbetrifft, war § 34 BBesG i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens von Beginn an umstritten. Dieser Streit spiegelt sich wieder in den unterschiedlichen Fassungen des Vergaberahmens, wobei i m Verhältnis zur endgültigen, vom Vermittlungsausschuss erarbeiteten Fassung hier nur die Fassungen der Bundesregierung und die Beschlussfassung des Bundesrates erwähnt werden sollen. § 34 Abs. 1 des Regierungsentwurfes 47 lautete wie folgt: „ D e r Gesamtbetrag der Leistungsbezüge eines Dienstherrn ist so zu bemessen, dass die jährlichen Besoldungsausgaben für Professoren sowie hauptberufliche Leiter und Mitglieder von Leitungsgremien an Hochschulen der Besoldungsgruppen С 2 bis С 4 sowie W 2 und W 3 den Besoldungsausgaben aus diesen Besoldungsgruppen im vorherigen Haushaltsjahr, geteilt durch die Anzahl der im vorherigen Haushaltsjahr vorhandenen Planstellen, vervielfältigt mit der Anzahl der im laufenden Haushaltsjahr veranschlagten Planstellen, entsprechen (Vergaberahmen); Uberschreitungen des Vergaberahmens sind in der Höhe von durchschnittlich von 2 v. H. zulässig." Darüber hinaus hieß es i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erstmalig i m Regierungsentwurf - weshalb auch diese Regelung der Erwähnung wert ist: „ Veränderungen in der Stellenstruktur sind zu berücksichtigen . . . " ( § 34 Abs. 2 Satz 2). Dies war eine erste Abkehr von einem „puristischen" Vergaberahmen, da diese Regelung die Möglichkeit eröffnet, freiwerdende С 4-Professuren nicht nur als Professuren der Besoldungsgruppe W 3, sondern auch als Professuren der Besoldungsgruppe W 2 wiederzubesetzen, womit auf diesem Wege Einsparungen i m Bereich der Professorenbesoldung auch ohne Verletzung des Vergaberahmens realisiert werden könnten. Nicht überraschend ist, dass diese Einschränkung sich i m verabschiedeten Gesetz wiederfindet. I m weiteren Gesetzgebungsverfahren verloren die Bundesländer die Übersicht. Während der Freistaat Bayern i m Bundesrat darlegte, dass es durch nicht besetzte Planstellen ruinöse Besoldungszuwächse i m zweistelligen Prozentbereich geben werde, wenn der Vergaberahmen, so wie von der Bundesregierung vorgeschlagen, Gesetz würde 4 8 , gab es auch Stimmen, die exakt das Gegenteil befürchteten. In dieser - wie Hartmer 49 zutreffend schreibt - von Konfusion beherrschten Debatte 46 Grundlegend hierzu: Lecheler, Rechtsgutachten zur Hochschullehrerdienstrechtsreform, Forum des DHV, 2001, S. 26 ff. 4 7 BT-Drs. 14/6852, S. 8. 48

Die „Modelrechnung" in BR-Drs. 900/01 beruhte auf Überlegungen des Freistaates Bayern.

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war nur klar, dass der Vergaberahmen neu formuliert werden müsse. Der dem Vermittlungsausschuss vom Bundesrat 5 0 vorgelegte Vorschlag konterkarierte die Idee des Vergaberahmens allerdings vollständig: „ D e r Gesamtbetrag der Leistungsbezüge ist in einem Land und beim Bund so zu gestalten, daß die durchschnittlichen Besoldungsausgaben der in den Besoldungsgruppen W 2 und W 3 eingestuften Amtsträger (einschließlich der in Abs. 3 genannten Personen) die durchschnittlichen Besoldungsausgaben für die in Abs. 3 genannten Personen im Jahr... (einsetzen: Jahr vor Inkrafttreten des Gesetzes) ... (Besoldungsdurchschnitt) nicht übersteigen (Vergaberahmen). Der Besoldungsdurchschnitt kann nach Maßgabe des Landesrechts um bis zu 10 v. H. überschritten werden, soweit zu diesem Zweck Haushaltsmittel bereitgestellt sind. Der jeweils maßgebliche Besoldungsdurchschnitt kann durch Landesrecht abweichend von Satz 1 auch auf höherem Niveau festgesetzt werden, höchstens jedoch auf den höchsten Durchschnitt eines Dienstherrn im Geltungsbereich dieses Gesetzes." Der Vorschlag, die Besoldungsaufwendungen für Professoren dürften insgesamt in einem Bundesland die des Vorjahres „nicht übersteigenhätte dazu geführt, dass ein Bundesland sein tatsächliches Besoldungsaufkommen bei fortschreitender Einführung der W-Besoldung hätte reduzieren können bis auf die tatsächlich garantierten Besoldungsbestandteile (Grundgehälter). Angesichts dieser eklatanten Divergenz ist es kaum nachvollziehbar, weshalb der vom Vermittlungsausschuss erarbeitete Vergaberahmen 51 , der die ursprüngliche Idee der Garantenstellung des Vergaberahmens für das Verbot einer Besoldungsreduktion wieder aufnimmt, schließlich vom Bundesrat akzeptiert worden ist. Die endgültige und am 23. Februar 2002 in Kraft getretene Fassung von § 34 Abs. 1 BBesG lautet wie folgt: „ D e r Gesamtbetrag der Leistungsbezüge (Vergaberahmen) ist in einem Land und beim Bund so zu bemessen, daß die durchschnittlichen Besoldungsausgaben für die in den Besoldungsgruppen W 2 und W 3 sowie С 2 bis С 4 eingestuften Professoren den durchschnittlichen Besoldungsausgaben für diesen Personenkreis im Jahr 2001 (Besoldungsdurchschnitt) entsprechen. Der jeweils maßgebliche Besoldungsdurchschnitt kann durch Landesrecht sowie beim Bund durch Bundesrecht abweichend von Satz 1 auch auf höherem Niveau festgesetzt werden, höchstens jedoch auf den höchsten Besoldungsdurchschnitt in einem Land oder beim Bund. Der Besoldungsdurchschnitt kann nach Maßgabe des Landesrechts sowie beim Bund jährlich um durchschnittlich 2 v. #., insgesamt höchstens um bis zu 10 v. H. überschritten werden, soweit zu diesem Zweck Haushaltsmittel bereitgestellt sind." Durch die Verwendung des Wortes „ entsprechen" ist grundsätzlich fixiert, dass Besoldungsreduktionen aus Anlass der Einführung der W-Besoldung nicht statthaft sind. Dies ist zu begrüßen. Positiv ist auch, dass über die ursprünglich allein vorge49 Hartmer, Dienstrechtsreform und frühes Leid, in: F & L 2002, S. 83 ff. 50 BR-Drs. 900/01 vom 3. 12. 2001. 51 BT-Drs. 14/7777 vom 11. 12. 2001.

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sehene zweiprozentige Steigerung hinaus eine höhere Flexibilität eingeräumt wird, die insbesondere von den Bundesländern genutzt werden kann, die sich bislang was die Professorenbesoldung anbetrifft - eher enthaltsam gezeigt haben. Ob freilich diese „armen" Bundesländer überhaupt, was die Haushaltsmittel anbetrifft, in die Lage versetzt werden, tatsächlich Positives im Bereich der Professorenbesoldung zu bewegen, bleibt zweifelhaft, zumal auch unter der Ägide der Bundesbesoldungsordnung С bislang kein Bundesland die gesetzlich möglichen Besoldungsbudgets haushaltsrechtlich ausgeschöpft hat 5 2 . Wenngleich der in diesem Sinne endgültig fixierte Vergaberahmen insofern eine Garantiefunktion gegen Sparmaßnahmen übernimmt, ist zu berücksichtigen, dass eine Unterschreitung des Besoldungsdurchschnitts des Vorjahres nicht sanktioniert werden kann und vor allem dem Einzelnen keine Rechtsansprüche vermittelt 5 3 ; ganz zu schweigen davon, dass bereits die operative Umsetzung und ein Controlling der sich aus § 34 BBesG ergebenden Ausgabenverpflichtung sowohl die Landes- als auch die Hochschulverwaltung vor komplexe Probleme stellen wird. Damit bleibt der Vergaberahmen vor allem eine politische Willenserklärung, mit der den Gegnern des Professorenbesoldungsreformgesetzes dargelegt werden soll, die Neugestaltung der Professorenbesoldung werde sich nicht zu einem „Sparpaket" entwickeln. Auch ist das Instrument des Vergaberahmens verfassungsrechtlich mehr als bedenklich. Der Vergaberahmen, der den Bundesländern vorschreibt, im nachfolgenden Haushaltsjahr das Besoldungsaufkommen für Professoren - gemessen an den Ausgaben des vorausgegangenen Haushaltsjahres - nicht zu unterschreiten, ist etwas anderes als die - herkömmliche - haushaltsrechtliche Wirkung, die jede besoldungsrechtliche Regelung des Bundes gegenüber den Ländern entfaltet. Vergleicht man das System der Bundesbesoldungsordnung С mit dem System der W-Besoldung, wird dieser Aliudcharakter schon dadurch deutlich, dass kein Land die Besoldungsvariablen „Zuschüsse und Sonderzuschüsse zum Grundgehalt der Professoren der Besoldungsgruppe С 4 " bislang ausschöpfen musste (und dies auch in keinem Bundesland - soweit ersichtlich - bislang geschehen ist). Die Verpflichtung der Länder, sich am jeweiligen Besoldungsdurchschnitt des Vorjahres nicht nur zu orientieren, sondern diesen nicht zu unterschreiten, stellt i m Vergleich zu den normativen Vorgaben eines Besoldungsgesetzes ein rechtliches A l i u d dar. Trotz des besoldungsrechtlichen Motivs des Gesetzgebers, Spareingriffe zu Lasten der neu eingeführten variablen Besoldungsbestandteile an Hochschulen nicht zuzulassen, ist das Mittel, mit dem der Gesetzgeber dieses Motiv verfolgt, allein der Haushaltswirtschaft zuzuordnen 54 . Hierfür kann nicht auf die Besoldungskompetenz rekurriert werden; die Haushalts Wirtschaft hat vielmehr in Art. 109 Grundgesetz eine spezielle Regelung erfahren. Zutreffend formuliert Lecheler: „Der Bund 52

Ein „Länderranking Professorenbesoldung" ist veröffentlicht in: F & L 2002, S. 85. 53 Hartmer (Fn. 10), S. 359. 54 Lecheler (Fn. 46), S. 28.

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begrenzt insoweit die Ausgabehoheit der Länder über ihre eigenen Mittel" Diese Aussage betrifft nicht nur das Verbot der Einsparung, sondern auch das Gebot, sich - was potentielle Besoldungssteigerungen anbetrifft - an dem tatsächlichen Besoldungsaufkommen anderer Bundesländer orientieren zu müssen. Art. 109 Abs. 4 Nr. 1 Grundgesetz normiert für derartige Eingriffe des Bundes in die Länderkompetenz die Voraussetzung der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Diese Voraussetzung liegt aber bei der zudem ansonsten rudimentären Festlegung der zukünftigen Professorenbesoldung offensichtlich nicht vor.

V. Die Systemwidrigkeit der W-Besoldung Art. 3 Abs. 1,33 Abs. 5 Grundgesetz Die W-Besoldung ist darüber hinaus auch mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums in vielfacher Hinsicht nicht zu vereinbaren. Zur Verdeutlichung zunächst einige Fallbeispiele: - Ein Professor, der für das Fach Elektrotechnik an eine Fachhochschule berufen worden ist, erhält ein Grundgehalt der Besoldungsgruppe W 3 (4.522 €). Ein ebenfalls i m Fachgebiet Elektrotechnik berufener Universitätsprofessor der Besoldungsgruppe W 2 erhält ein Grundgehalt von 3.724 €. Beide Hochschullehrer erhalten keine Leistungsbezüge (Fall 1). - Ein Professor der Besoldungsgruppe W 3 erhält lediglich ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 4.522 €. Ein ebenfalls nach W 3 besoldeter Hochschullehrer der Informatik, der aus der Industrie gewonnen wurde, erhält anlässlich seiner ersten Berufung in ein Amt der Besoldungsgruppe W 3 neben seinem Grundgehalt einen unbefristeten Leistungsbezug von 8.000 € (Fall 2). - Ein Professor der Besoldungsgruppe W 2, dem anlässlich seiner Berufung ein unbefristeter Leistungsbezug von mtl. 2.500 € vergeben wird, verfügt über eine höhere Besoldung als sein in W 3 eingruppierter Fachkollege, der keine Leistungsbezüge erhält (Fall 3).

1. Amtsangemessene und funktionsgerechte Besoldung Die Systematik der Bundesbesoldungsordnung W unterscheidet sich von der Bundesbesoldungsordnung С nicht nur dadurch, dass Ämter der Besoldungsgruppen W 2 und W 3 unterschiedslos für die beiden hier fokussierten Hochschultypen Universität und Fachhochschule eingerichtet werden können 5 5 - das bisherige Besoldungssystem sah lediglich eine Schnittmenge i m Bereich der Amter der Besoldungsgruppe С 3 vor - , die Bundesbesoldungsordnung W lässt es darüber hinaus 55

s. Anlage II zum BBesG (Bundesbesoldungsordnung W).

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zu, Professuren an Fachhochschulen mit der Wertigkeit W 3 auszubringen, Professuren an Universitäten aber mit der Wertigkeit W 2 anzusetzen. Hiermit verstößt der Gesetzgeber gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. I m sog. Amtsbezeichnungsurteil vom 29. Juni 1983 5 6 ist ausgeführt, der Bundesgesetzgeber habe dem Unterschied zwischen den Ämtern des С 4-Professors an wissenschaftlichen Hochschulen und den Ämtern С 2 / C 3 i m Fachhochschulbereich bei der besoldungsrechtlichen Einstufung dieser Ämter Rechnung getragen. Das Bundesverfassungsgericht hat es i m Übrigen, was die Unterschiedlichkeit des Aufgabenprofils der Fachhochschulen und der Universitäten anbetrifft, nicht bei seiner Rechtsprechung von 1983 belassen, sondern auch in den 90er-Jahren diese Linie weiter verfolgt. Selbst i m Hinblick auf die in sog. integrierten Studiengängen tätigen Professoren an Gesamthochschulen hat das Bundesverfassungsgericht noch 1993 5 7 festgestellt, bei einem solchen Hochschullehrer überwögen die Lehraufgaben bei weitem seine Forschungsaufgaben, weshalb ein Professor mit einer vorwiegend praxisorientierten Ausbildung nicht ohne weiteres an Promotionsverfahren teilnehmen könne 5 8 . Diese Feststellung ist auch heute noch richtig; die gravierend unterschiedlichen Regellehrdeputate der Universitätsprofessoren und der Professoren an einer Fachhochschule sprechen eine deutliche Sprache. Außerordentlich luzide hat Braun nachgewiesen, dass die unterschiedlichen Profile der Hochschultypen sich aus Rechtsunterschiedlichkeiten ergeben müssen. Wenn der Gesetzgeber den Fachhochschulen universitäre Aufgaben übertrage, werde aus der Fachhochschule eine Universität 5 9 . Insofern lohnt der Blick in die Lehrverpflichtungsverordnungen auch i m Hinblick auf die hier interessierende Frage der amtsangemessenen Besoldung. Wenngleich die Forschungsaufgabe inzwischen in einer Reihe von Ländern den Fachhochschulen als Pflichtzuweisung qua Gesetz übertragen ist, ist sie keine Primäraufgabe der Fachhochschullehrer, was sich in den jeweiligen LehrverpflichtungsVerordnungen auch widerspiegelt. I m Gegensatz zu Universitätsprofessoren, die eine Lehrverpflichtung von acht Semesterwochenstunden (SWS) haben, „müssen Fachhochschulprofessoren ein Lehrdeputat von 18 SWS bewältigen" 60. Insofern ist der Beurteilung von Epping zuzustimmen, dass der Ausbildungsinhalt und das Ausbildungsziel der Fachhochschule (da die Forschung dort immer nur ein Annex der Lehre sein kann) auch heute noch i m Einklang mit der maßgeblichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Oktober 1982 6 1 „auch von der Aufgabenstellung nicht mit dem wissenschaftlich intensiveren Universitätsstudium vergleichbar" ist. Konkret

56 BVerfGE 64, 323 (353 ff.). 57 BVerfGE 88, 129 ff. 58 Ebda.; vgl. zur Funktionsunterschiedlichkeit auch: BVerfGE 61, 210 (24 ff.). 59 Braun, Promotionsrecht für Fachhochschulen in Sachsen-Anhalt, in: WissR 32 (1999), S. 226 ff. (228 f.). 60 Epping, in: Hailbronner-Geis, HRG-Kommentar, § 2 Rn. 8. 61 BVerfGE 61, 210 ff.

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hatte das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „ Während bei wissenschaftlichen Hochschulen die Pflege und Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung, Lehre und Studium an erster Stelle steht ..., bereiten die Fachhochschulen ... durch anwendungsbezogene Lehre auf berufliche Tätigkeiten vor, welche der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden oder die Fähigkeit zur künstlerischen Gestaltung erfordern. Nur in diesem Rahmen nehmen Fachhochschulen Forschungs- und Entwicklungsaufgaben und künstlerisch-gestalterische Aufgaben wahr, die zur wissenschaftlichen und künstlerischen Grundlegung und Weiterentwicklung von Lehre und Studium erforderlich sind... Hingegen dient die an wissenschaftlichen Hochschulen betriebene Forschung - neben der wissenschaftlichen Grundlegung und Weiterentwicklung von Lehre und Studium - ganz allgemein der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse " 62. Auch heute ist mithin noch von einer gravierenden Funktionsunterschiedlichkeit der Ämter der Fachhochschulprofessoren und Universitätsprofessoren auszugehen. Zumindest der Umstand, dass Universitätsprofessoren in einem niedriger bewerteten A m t (W 2) als manche Fachhochschulprofessoren eingestellt werden können, verstößt infolgedessen gegen das Gebot der amtsangemessenen Besoldung (Fall 1). Vergleichbares gilt i m Hinblick auf den Umstand, dass an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen kein A m t ausgebracht werden kann, das höher bewertet ist als das an Fachhochschulen und Universitäten gleichermaßen auszubringende A m t der Besoldungsgruppe W 3.

2. Verfassungswidrige Besoldungsasymmetrie In einem vor seiner Tätigkeit für die sog. Expertenkommission erstellten Rechtsgutachten „Möglichkeiten und Grenzen leistungsdifferenzierender Besoldung von Universitätsprofessoren" 63 hat Battis deutliche Worte i m Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Besoldungssymmetrie - speziell anhand eines Vergleichs der Professorenbesoldung mit den Besoldungsordnungen Α und В - gefunden 64 . Untersuchungsgegenstand waren damals die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe 6 5 sowie die Vorstellungen der Hochschulrektorenkonferenz 66 . Der Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sah in der Besoldungsgruppe С 3 ein garantiertes Grundgehalt von D M 6.590 vor, i m Bereich С 4 einen Betrag von D M 7.980 (Stand 1998). Der Vorschlag der Hochschulrektorenkonferenz („Modell B") sah für den Bereich der Universitäten ein „Basisgrundgehalt" in Höhe der Dienstalters-

62 BVerfGE 61, 210 (244). 63 Battis, Möglichkeiten und Grenzen leistungsdifferenzierender Besoldung von Universitätsprofessoren, Forum des Deutschen Hochschulverbandes, Heft 66, 1999. 64 Ebda. S. 27 ff. 65 Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 24. März 1998. 66 s. Fn. 8.

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stufe 6 der Besoldungsgruppe С 4 an Universitäten und С 3 an Fachhochschulen vor (Stand 1998). 1998 betrugen die Grundgehälter in der 6. Dienstaltersstufe in der Besoldungsgruppe С 3 D M 6.687,05 und in der Besoldungsgruppe С 4 D M 8.099,08. Die W-Besoldung sieht demgegenüber in der Besoldungsgruppe W 2 ein monatliches Grundgehalt i. H. v. 3.724 €, in der Besoldungsgruppe W 3 i. Η . v. 4.522 € vor. Damit liegen die in der W-Besoldung normierten Grundgehaltssätze über den 1998 untersuchten „Mindest- oder Basisgrundgehältern' 4 . Letzteren hatte Battis aus verfassungsrechtlicher Sicht eine deutliche Abfuhr erteilt. Wörtlich führt Battis aus: „ Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, die sowohl vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz und dem daraus resultierenden Willkürverbot, als auch vor dem Hintergrund des mit der Lebensleistung des Beamten kollidierenden Gebots amtsangemessener Alimentation zu verfassungswidrigen Regelungen führen würden, verbleibt dem Gesetzgeber damit, solange er nicht zu einer prinzipiell zulässigen, alle Besoldungsordnungen umfassenden Neuordnungen des Besoldungsrechts greift, nur ein sehr viel geringerer Spielraum bei der Bewertung der funktionsgerechten Besoldung der Hochschullehrer aus ihrem Amt. Nach dem derzeitigen Besoldungsgefüge kommt eine Festbesoldung nur für das Amt des С 4-Professors in Frage. Diese müßte sich dann aber im Horizontalvergleich wohl zumindest an der Besoldungsgruppe В 2 orientieren, um für die Besoldungsgruppen С 2 und С 3 noch angemessenen Spielraum im Vertikalvergleich der Besoldungsordnung C, wie im Horizontalvergleich - dann mit der Besoldungsordnung Α im höheren Dienst - zu bewahren. Die mit diesen Maßgaben unvereinbaren Besoldungsreformvorschläge sind danach wegen Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verfassungswidrig ". 67 Dieses verfassungsrechtliche Ergebnis lässt sich trotz der nachgebesserten Grundgehaltssätze der W-Besoldung gegenüber den Plänen von 1998 auf das Professorenbesoldungsreformgesetz übertragen. Selbst wenn man nicht den bisherigen Vergleichsmaßstab für die Amter der Besoldungsgruppe С 4 (В 3) heranzieht, sondern den von Battis als gerade noch tauglich erachteten Vergleichsmaßstab der Besoldungsgruppe В 2, ist festzuhalten, dass das Grundgehalt der Besoldungsgruppe W 3 hinter dieser Vergleichsgröße um mehr als 400 € monatlich zurückbleibt. Ebenso verheerend fällt der horizontale Vergleich der Besoldungsgruppe W 2 (3.724 €) mit der Α-Besoldung aus. Dieser Grundgehaltssatz bleibt hinter dem Endgrundgehalt selbst der Besoldungsgruppe А 14 zurück (3.744,94 €). Hinzu kommt, dass sowohl die Besoldungsgruppen W 2 als auch W 3 i m Grundgehalt eine Festbesoldung, mithin kein Aufrücken in den Dienstaltersstufen vorsehen, was nach Battis wegen der zu geringen Höhe der diesbezüglichen Grundgehälter bei einem horizontalen Vergleich (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) ebenfalls einer amtsangemessenen Besoldung widerspricht. 67 Battis (Fn. 63), S. 29 ff.

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Noch deutlicher fällt die Bewertung von Lecheler 68 aus, der mit Blick auf die Motive des Gesetzgebers bei der Richterbesoldung nachweist, dass unterhalb eines Grundbetrages von ca. D M 11.000 monatlich variable Gehaltsbestandteile nicht in die Bewertung, ob ein A m t asymmetrisch oder sonst nicht sachgerecht besoldet ist, einfließen dürfen 6 9 . M i t anderen Worten: Dem Vorwurf, das Professorenbesoldungsreformgesetz verletze Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, kann nicht entgegengehalten werden, die jeweiligen Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen W 2 und W 3 könnten durch Leistungsbezüge aufgestockt werden. Die Feststellungen von Lecheler führen also zu zwei Ergebnissen: Das in W 2 und W 3 vorgesehene Grundgehalt verstößt sowohl der Höhe nach - wobei Lecheler speziell einen Vergleich zur Richterbesoldung und zur Besoldungsordnung Α aufstellt - „als auch in seiner Struktur als festes Grundgehalt gegen das aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz folgende Gebot, die Professorenbesoldung sachgerecht in das vorhandene Besoldungsgefüge einzufügen. Die Richterbesoldung belegt, daß der Besoldungsgesetzgeber der Auffassung ist, daß erst ab einem Betrag von ca. DM 11.000 auf weitere Gehaltszuwächse verzichtet werden kann. Unterhalb dieser Grenze ergibt sich die amtsangemessene Besoldung aus einem Grundgehalt und im Laufe des Beamtenlebens hinzukommenden weiteren Gehaltssteigerung, auf die bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht." Da ein Rechtsanspruch auf die Vergabe von Leistungsbezügen aber gerade nicht besteht und auch ein Aufrücken in Dienstaltersstufen nicht vorgesehen ist, bleibt festzuhalten, dass das Professorenbesoldungsreformgesetz sowohl gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz als auch gegen Art. 33 Abs. 5 i. V. m. § 18 BBesG - Gebot der amtsangemessenen Besoldung und der funktionsgerechten Ämterbewertung - verstößt. Dieses Ergebnis kann unschwer auch darauf gestützt werden, dass der Gesetzgeber i m Professorenbesoldungsreformgesetz das verfassungsrechtlich zulässige Verhältnis von Leistungsbezügen (variable Besoldungsbestandteile) und Grundgehältern ersichtlich aus den Angeln gehoben hat. I m Bereich der Α-Besoldung hat der Gesetzgeber sieben Prozent des Anfangsgrundgehalts als Obergrenze für Zulagen (variable Besoldungsbestandteile) als möglich angesehen 70 . Da selbst Professoren der Besoldungsgruppe W 2 in den Genuss von Leistungsbezügen in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Besoldungsgruppen W 3 und В 10 kommen dürften (Differenzbetrag: 5.017,79 €), könnte bereits in Standardfällen der Leistungsbezug die Höhe des Grundgehaltes (W 2: 3.724 €) weit übersteigen. Dabei ist gemäß § 33 Abs. 2 BBesG selbst die Gewährung noch höherer Leistungsbezüge

68 Lecheler (Fn. 46). 69 Ebda., S. 74 ff. Ferner: Selbstredend darf auch nicht die in § 35 BBesG angesprochene Möglichkeit, aus Drittmitteln (!) eine Forschungs- oder Lehrzulage gewähren zu können, in die Prüfung, ob die Besoldung amtsangemessen ist, einfließen. Vgl. hierzu auch: Lecheler (Fn. 46), S. 59 ff. 70 Hartmer (Fn. 28), S. 224.

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möglich, wenn dies erforderlich ist, um den Professor aus dem Bereich außerhalb der deutschen Hochschulen zu gewinnen oder um die Abwanderung des Professors in den Bereich außerhalb der deutschen Hochschulen abzuwenden. Das so entstehende Missverhältnis zwischen garantiertem Grundgehalt und etwaigem Leistungsbezug ist mit dem Grundsatz der amtsangemessenen Besoldung nicht mehr vereinbar 71 (Fall 2). Auch entstehen so zwangsläufig Probleme i m Hinblick auf die gebotene Gesetzesbindung der Besoldung. Ebenso ist anerkannt, dass variable Besoldungsbestandteile auch i m vertikalen Besoldungsvergleich (innerhalb einer Besoldungsordnung) das Laufbahnprinzip oder das Ämtergefüge nicht stören dürfen 7 2 . Dies ist jedoch der Fall, wenn durch Vergabe von Leistungsbezügen ein in ein A m t der Besoldungsgruppe W 2 berufener Professor eine höhere Besoldung erhält als sein in der Besoldungsgruppe W 3 vergüteter Kollege (Fall 3). Von einer amtsangemessenen Besoldung kann hier nicht mehr die Rede sein.

VI. Professorenbesoldung: Wissenschaftsfreiheit vs. Gesetzesbindung der Besoldung Nachdem i m ersten Teil dieses Beitrags die Problematik einer „wissenschaftsadäquaten" Vergabeentscheidung für besondere Leistungen speziell gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBesG in tatsächlicher Hinsicht bereits näher untersucht worden ist, stellt sich die Frage nach der rechtlichen Qualität besoldungsrechtlicher Entscheidungen, die auf der Bewertung besonderer wissenschaftlicher Leistungen beruhen. Infolge der Gesetzesbindung der Besoldung 7 3 muss sich auch der variable Leistungsbezug sowohl nach Grund und Höhe aus einem materiellen Gesetz ergeben 74 . Dabei ist freilich anerkannt, dass im Beamtenrecht besoldungsrechtliche Ermessensentscheidungen möglich sein müssen. Hierunter fällt bspw. die Möglichkeit, anlässlich von Berufungs- und Bleibeverhandlungen Zuschüsse und Sonderzuschüsse zum Grundgehalt der Professoren der Besoldungsgruppe С 4 gewähren zu können. Auch wird man nicht jeden Anlass und jeden (möglichen) Umfang der „Leistungsbesoldung" gesetzlich regeln müssen; dies wäre „angesichts der Vielfäl71

Hartmer, ebd., S. 224; vgl. auch: Battis, Berufsbeamtentum und Leistungsprinzip, in: ZBR 1996, S. 193 ff. (195): Besoldung muss nicht „blind" sein für qualitative Leistungsunterschiede, solange ein Ämtergefüge gewahrt ist. So auch: Summer (Fn. 43), S. 134, der den Spielraum für Leistungsbezüge „zwischen" den Ämtern bei max. 85% der Differenz ansetzt, die „halbe Differenz" aber als psychologisch zweckmäßiger ansieht. 72 Hartmer, ebda. 7 3 § 2 Abs. 1 BbesG. 74 Hartmer, ebd. S. 223; Schnellenbach, Leistungsprämien und Leistungszulagen, DVBL, 1995, S. 1153 ff. (1155).

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tigkeit der tatsächlichen Verhältnisse auch kaum möglich" 15. Erforderlich ist es jedoch, „daß für die Gewährung von Ermessensleistungen eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird und daß hinsichtlich der sachlichen und formellen Voraussetzungen für die Gewährung oder den Entzug leistungsbezogener Besoldungsbestandteile eine möglichst intensive Regelungsdichte erzielt wird, so dass unsachliche und unkontrollierbare Entscheidungen weitgehend vermieden werden " 76.

1. Materielle Regelungen Dem Prinzip der Gesetzesbindung der Besoldung scheint der Bundesgesetzgeber Rechnung tragen zu wollen, wenn er es in § 33 Abs. 4 BBesG den Ländern aufgibt, das Nähere zur Gewährung der Leistungsbezüge i m Landesrecht zu regeln. Insbesondere seien Bestimmungen über das Vergabe verfahren, die Zuständigkeiten für die Vergabe sowie die Voraussetzungen und die Kriterien der Vergabe zu treffen. Speziell die erwähnten „Kriterien der Vergabe" sind als sachliche Voraussetzung für die Gewährung leistungsbezogener Besoldungsbestandteile zu verstehen. Sie unterliegen mithin der erwähnten Gesetzesbindung. Dies bedeutet, dass die Länder Bestimmungen über die Vergabekriterien in einem Gesetz bzw. in einer gesetzlich abgesicherten Rechtsverordnung zumindest ansatzweise normieren müssen. Auch wenn vorhersehbar ist, dass die Gesetzgeber sich an einer gesetzlichen Fixierung insbesondere der für besondere Leistungen in der Forschung maßgeblichen Leistungskriterien überheben werden, führt das nicht dazu, sie aus dieser Falle entlassen zu können. Einmal unterstellt, die Landesgesetzgeber nehmen sich dieses Auftrags an, ist bereits heute unschwer vorauszusagen, dass sie sich i m Rahmen ihrer abstrakt-normativen Möglichkeiten mit weitgehend inhaltsleeren Vorgaben begnügen werden (müssen). Bereits die sog. Expertenkommission hatte in ihren Empfehlungen höchst kryptisch auf Kriterienfelder zurückgegriffen, „die sich in den Hochschulen in letzter Zeit bei Evaluierungen und bei der Aushandlung von Zielvereinbarungen bewährt haben: Lehrleistungen f Drittmitteleinwerbung, Publikationen, internationales Eingebundensein, Wissenschaftstransfer und weiteres Bildungsengagement, Kooperationsbereitschaft gegenüber anderen Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft. " Ί Ί . Ebenso vorhersehbar ist, dass die Landesgesetzgeber sich im Rahmen ihrer abstrakt-normativen Möglichkeiten jeglicher Aussagen enthalten werden, was i m qualitativen Sinne eine besondere Leistung in der Forschung (Gleiches gilt abgeschwächt auch für den Bereich der Lehre) sein könnte. Dabei ist dem Gesetzgeber durchaus einzugestehen, dass diese Enthaltsamkeit rechtlich in weiten Bereichen sogar geboten ist. Die Beurteilung, was eine besonders gute Leistung in der Forschung ist, kann bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen vom Gesetzgeber nicht abschließend und 75

Clemens/Millack, 76 Ebda. 77

Komm, zum BBesG, § 2 Rn. 2.

Bericht der Expertenkommission (Fn. 36), S. 48.

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abstrakt-normativ gesteuert werden, da sie von der Scientific Community vorzunehmen i s t 7 8 . Die Verknüpfung der Vorgaben, dass der Gesetzgeber auf der einen Seite nur wenig Aussagekräftiges i m Hinblick auf die Leistungskriterien im Bereich der Forschung (und der Lehre) abstrakt-normativ regeln kann, er auf der anderen Seite aber der Gesetzesbindung der Besoldung verpflichtet ist, verdeutlicht nur das juristisch umfängliche Dilemma des Professorenbesoldungsreformgesetzes. Erzeugt wird dieses Dilemma dadurch, dass die Landesgesetzgeber es hier nicht mit einem marginalen Prämien- und Leistungsbesoldungssystem zu tun haben, sondern Regelungen treffen müssen i m Hinblick auf Besoldungsbestandteile, die i m Einzelfall die Höhe des Grundgehaltes übersteigen könnten. Angesichts des Umstandes, das derartige Leistungsbezüge sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht die Besoldung des Einzelnen nachhaltig prägen können, müssen an die Voraussetzungen und an die Kriterien für die Vergabe derartiger Leistungsbezüge wesentlich strengere Anforderungen gestellt werden als dies i m Bereich des bekannten und sich i m Vergleich zum Professorenbesoldungsreformgesetz außerordentlich bescheiden ausnehmenden Leistungs- und Prämiensystems der Α-Besoldung der Fall i s t 7 9 . Wie umfassend die Landesgesetzgeber an ihrer diesbezüglichen Aufgabe scheitern könnten, offenbart der vorliegende Rohentwurf einer Leistungsbezugsverordnung in Niedersachsen. In § 4 (Leistungszuschlag) werden keine Hinweise dafür gegeben, was besondere Leistungen in Forschung und Lehre sein könnten. Systematisch alles andere als überzeugend werden an eine bloße, redundante Erwähnung der „ besonderen Leistungen im Bereich der Lehre " bspw. Hinweise dafür gegeben, dass diese Leistungen „ insbesondere durch Auswertung der im Rahmen der Lehrevaluation und Lehrveranstaltungskritik gewonnenen Erkenntnisse festgestellt werden Dabei handelt es sich aber nur um eine reine - und zudem verfassungsrechtlich problematische - Vorgabe für die Leistungsbewertung. Skurril wird es, wenn in § 7 desselben Verordnungsentwurfs dann - dem diametral widersprechend - festgelegt wird, dass die Hochschulen die Kriterien für die Gewährung der Leistungszuschläge unter Berücksichtigung ihrer Profile festlegen sollen. Letzteres basiert auf dem insoweit nur unausgegoren zu nennenden Vorschlag der Expertenkommission 8 0 , der anscheinend bereits richtungsweisenden Charakter entwickelt hat. Konkret greifbar wird hier die Hilflosigkeit, Kriterien für besondere Leistungen in der Forschung und in der Lehre auch nur annähernd zu definieren. Nur in dem bereits problematisierten Bereich der quantifizierbaren wissenschaftlichen Leistung traut sich der Verordnungsgeber ansatzweise, die besondere Leistung zu 78

Völlig zu Recht sieht Battis (Fn. 63) die untrennbare Verknüpfung zwischen Leistungskriterium und Leistungsbewertung (S. 44 f.). Jede Benennung bzw. Nicht-Benennung eines Kriteriums hat unmittelbaren Einfluss auf den wissenschaftsimmanenten „Bewertungsvorgang"! So prinzipiell auch: Löwer (Fn. 26), S. 325 ff. 79 Vgl.: Hanau, Der Bericht „Reform des Hochschuldienstrechts", in: Gedächtnisschrift für Hartmut Krüger, 2001, S. 157 ff. (167) mit zahlr. Nachw. aus der Lit. 80 Bericht der Expertenkommission (Fn. 36), S. 49.

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definieren. Dieser Mut führt aber nur zu Aussagen wie derjenigen, dass Lehrtätigkeiten, die über die Lehrverpflichtung hinaus geleistet werden, bei der Feststellung besonderer Leistungen im Bereich der Lehre angemessen berücksichtigt werden sollen 8 1 . Vor diesem Hintergrund liegt die Befürchtung nahe, dass nach der Bankrotterklärung des Bundesgesetzgebers auch die Landesgesetzgeber daran scheitern werden, das Prinzip der Gesetzesbindung der Besoldung auch i m Zusammenhang mit den Leistungsbezügen für besondere Leistungen i m Bereich der Forschung und Lehre zu befrieden, wenn man nicht andererseits gewillt ist, abstrakt-normativ in wissenschaftsimmanente Beurteilungsvorgänge einzugreifen. Weil letzteres dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen grundsätzlich verwehrt ist, besteht exakt an diesem zentralen Knotenpunkt für das neue Besoldungsrecht nicht nur ein Problem, sondern ein unauflösbares Dilemma. Praktisch lässt sich dieses Dilemma anhand eines Beispielfalles veranschaulichen: Haben zwei Hochschullehrer desselben Faches an unterschiedlichen Hochschulstandorten jeweils 500.000 € Drittmittel der DFG eingeworben und führte dieser insoweit identische Tatbestand aus Gründen des fachwissenschaftlichen Beurteilungsvorrechts der Scientific Community, das jedenfalls für Leistungsbewertungen in der Forschung unbestritten sein dürfte, zu konträren besoldungsrechtlichen Entscheidungen, die beide mit dem Besoldungsgesetz in Einklang stünden, so kann das diesen Besoldungsentscheidungen gleichermaßen zugrundeliegende Besoldungsgesetz seinerseits nicht i m Einklang stehen mit dem Prinzip der Gesetzesbindung der Besoldung. Zur Verdeutlichung: Eigentlich müsste der Gesetzgeber als Leistungskriterium nicht neutral „Drittmittel" vorgeben, sondern definieren, was aus seiner Sicht eine besondere Leistung in der Forschung ist. Diesem Auftrag käme er prinzipiell nach, wenn er bspw. auf die „Höhe der Drittmittel" abstellte. Damit würde er jedoch bereits in das Beurteilungsvorrecht der Beurteilenden eingreifen und zudem disfunktionalen Fehlsteuerungen Vorschub leisten 8 2 . Gleiches gilt i m Hinblick auf andere potentielle Leistungskriterien wie z. B. „Publikationen", „Nachwuchspflege" oder „Internationalität". Formuliert der Gesetzgeber die Kriterien derart offen, ist dies zwar auch ein hochschulfreundlicher Akt, aber zu allererst ein Verstoß gegen die erforderliche Gesetzesbindung der Besoldung. Je konkreter hingegen der Gesetzgeber würde - je ernster er also die Gesetzesbindung nähme - , umso gravierender würde der Eingriff in das erwähnte Beurteilungsvorrecht ausfallen. Man stellte sich bspw. vor, der Gesetzgeber gäbe vor, eine beson81 En passant: Auch dies ist selbstredend nicht neu: Von den Möglichkeiten, die § 50 BBesG (Lehrzulagen für erhöhte Lehrleistung) bot, ist freilich nie Gebrauch gemacht worden; vgl. hierzu: Summer, Trend der Besoldungspolitik zu leistungsbezogenen Differenzierungen und Auswirkungen auf Hochschullehrer, in: ZBR 1997, S. 260 ff. (262). Ironie der Hochschulgeschichte: Belastungsorientierte, leicht quantifizierbare Kenngrößen (so: Löwer (Fn. 26), S. 330) wären unproblematische Faktoren einer Besoldungsdifferenzierung. Diese werden aber in den letzten Jahren verstärkt abgeschafft (z. B. Prüfungsvergütungen). 82 Vgl. hierzu auch: Summer (Fn. 81), S. 264.

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dere Leistung in der Lehre liege vor, wenn binnen Jahresfrist die Studienabbrecherquote um 10% gesenkt sei. Oder: Besondere Leistungen in der Forschung seien zu bejahen, wenn pro Semester zumindest ein Aufsatz in einer international renommierten Fachzeitschrift publiziert werde. U m nicht missverstanden zu werden: Die Gesetzgeber werden diesen Versuch einer konturierten gesetzlichen Vorgabe nicht unternehmen (allerdings nicht aus Respekt vor der notwendigen Offenheit wissenschaftlicher Prozesse). Belassen sie es aber bei der notwendigen Neutralität, öffnen sie damit Tür und Tor für intransparente Entscheidungsprozesse. Keine andere Bewertung träfe auf folgendes Szenario zu, in dem es nicht unmittelbar um das genannte Beurteilungsvorrecht geht: Ein Professor erhält - dem „Profil" seiner Universität entsprechend - für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Gentechnologie (eine Publikation in einem weltweit anerkannten Journal hat zu beträchtlichen Forschungsaufträgen geführt) eine befristete Leistungszulage in Höhe von 1.000 € monatlich. Bereits zwei Jahre später ist ein weitgehend drittmittelfinanzierter Arbeitsschwerpunkt von internationalem Rang institutionalisiert. In der Folgezeit erhält die Universität ein neues „Profil" unter dem Titel „Mehr Macht der Lehre". I m Zuge dessen beschließt der Senat, Leistungsbezüge vornehmlich für Maßnahmen zur Verkürzung der Studienzeiten zu vergeben. Als die Entscheidung über die erneute Vergabe einer Leistungszulage für den Gentechniker ansteht, wird diese - obwohl entsprechende Mittel zur Verfügung stehen und ein DFG-Antrag, der die Fortführung des Schwerpunktes für die nächsten fünf Jahre gewährleistet, gerade bewilligt worden ist - , auf 200 € reduziert. Der Einwand des Betroffenen, seine Leistungen seien i m Vergleich zur Erstbewilligung eher noch gestiegen, keineswegs aber hätten sie nachgelassen, bleibt unwidersprochen. Seitens der Rechtsabteilung seiner Universität erhält er auf Nachfrage eine Begründung für die ihn belastende Entscheidung: Die Universität könne die wenigen Kriterien für die Vergabe von Leistungsbezügen selbstredend gewichten. Dieses ernüchternde Ergebnis ist keineswegs überraschend. I m Gegenteil: Es war von Beginn an gewollt. I m Bericht der sog. Expertenkommission ist nachzulesen: „Es ist Aufgabe jeder einzelnen Hochschule, ihrem Profil entsprechend einen Kriterienkatalog zu erarbeiten." Der Umstand, dass diese Aussage als außerordentlich hochschulfreundlich, profil- und wettbewerbsfördernd verstanden werden mag, ändert nichts daran, dass der dahinter stehende Ansatz mit der Besoldung von Beamten unvereinbar ist, wenn es - wie hier - nicht um ein eher marginales Zulagensystem, sondern um einen paradigmatischen Systemwechsel geht, der darauf abzielt, in Einzelfällen die Besoldung nicht mehr vornehmlich aus dem Amt, sondern aufgrund (vermeintlicher) Leistungsstärke zu gewähren. Für den Bundesgesetzgeber und die Hochschulpolitik mag es betrüblich sein: Bereits die einfachgesetzliche Umsetzung des Professorenbesoldungsgesetzes durch die Länder wird an der unlösbaren Aufgabe scheitern, bei der Fixierung der Leistungskriterien der Gesetzesbindung der Besoldung gerecht werden zu müssen, ohne in das verfassungsrechtlich geschützte ВeurteilungsVorrecht der Urteilenden eingreifen zu dürfen 8 3 .

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2. Wissenschaftsadäquate Verfahren Ausweislich dieses Ergebnisses ist die Erinnerung an das Gebot, die Vergabe von Leistungsbezügen müsse in wissenschaftsadäquaten Verfahren geregelt werden, schon beinahe theoretischer Natur. Vorausgeschickt sei, dass das Dienstrecht der Professoren zwar von Art. 5 Abs. 3 GG durchdrungen und geprägt i s t 8 4 . Dies bedeutet jedoch nicht, dass besondere Leistungen i m Bereich von Forschung und Lehre nicht - auch mit besoldungsrechtlicher Konsequenz - beurteilt werden dürften. Gleichwohl muss man sich erst dann, wenn man unterstellt, dem Gesetzgeber würde es gelingen, besondere Leistungen in Forschung, Lehre und Kunst einerseits wissenschaftsadäquat, andererseits aber abstrakt-normativ zu definieren, mit der Frage beschäftigen, in welchen Verfahren Leistungsbezüge vergeben werden könnten. Die Antwort hierauf fällt leicht und ist von Hartmer auf den Punkt gebracht worden: „Soll die wissenschaftliche Leistung von Professoren beurteilt werden, kann diese Bewertung nur von den dazu in gleicher Weise Befähigten vorgenommen werden. Der Staat hat sich auf diese Leistungsbewertung zu stützen, er darf sie aber nicht dadurch ersetzen, daß er sie selbst vornimmt. Insofern kann für die Beurteilung über die Erfüllung von Leistungskriterien als Grundlage über die Vergabe von Leistungszulagen nichts anderes gelten, als für die von einer Berufungskommission vorzunehmende Auswahl unter mehreren Kandidaten"* 5. Für den Bereich der Forschung ist dies unstreitig. Ob dieser Ansatz vorbehaltlos auch für die Bewertung besonderer Leistungen in der Lehre u.ä. übertragen werden müsste, kann dahingestellt bleiben. Wer aber pauschal ein größeres Mitspracherecht beispielsweise der Studierenden fordert oder es bei einem vordergründigen Rückgriff auf Evaluationsverfahren bei der leistungsorientierten Mittel vergäbe belässt, sei jedoch daran erinnert, worum es hier geht: U m die Besoldung von Beamten. Entscheidungen über die Beamtenbesoldung unterliegen anderen verfassungsrechtlichen Anforderungen als die „leistungsorientierte" Mittelvergabe 8 6 .

83

So ist Summer (Fn. 81) S. 264, Recht zu geben, der 1997 gemutmaßt hat: „Die unmodifizierte Einführung von Leistungszulagen für Hochschullehrer unter Bewertung der Leistungen in Lehre und Forschung muß ... zum dienstrechtspolitischen Offenbarungseid treiben und zwar völlig gleichgültig, ob Professoren Beamte oder Angestellte sind." 84 Vgl. hierzu bspw: Detmer (Fn. 22), S. 611 ff. mit zahlr. Nachw. aus Rspr. u. Lit. 8 5 Hartmer, (Fn. 28) S. 225. 86 Battis (Fn. 63), S. 46; Hufen, Rechtsfragen der Lehrevaluation an wissenschaftlichen Hochschulen, Forum des DHV, 1995, S. 42 f.; Summer (Fn. 81) in: ZBR 1997, S. 260 ff. (263); Hanau (Fn. 79), S. 165. 1

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V I I . Intelligente Strategien Zuletzt könnte es aber der Klugheit der „Opfer" des Professorenbesoldungsreformgesetzes zu verdanken sein, wenn sich diese rechtlichen Bedenken zwar nicht de jure, aber doch zumindest de facto weitgehend in Luft auflösten. Richtig angepackt könnte das Modell eine Besoldungspraxis tragen, die sich von der nach Maßgabe der Bundesbesoldungsordnung С nicht wesentlich unterscheiden würde. Einen klugen Landesgesetzgeber vorausgesetzt, könnte das hoch problematische (neue) Segment der Leistungsbezüge gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BBesG in tatsächlicher Bedeutungslosigkeit versinken, wenn den Hochschulen das Recht eingeräumt würde, den Fakultäten die Entscheidung zu überlassen, wie viele Leistungsbezüge aus Anlass von Berufungs- und Bleibeverhandlungen vergeben werden können. Würden beispielsweise bereits 90% der variablen Mittel anlässlich von Berufungs- und Bleibeverhandlungen (unbefristet) vergeben, entschärfte sich infolgedessen auch das Problem, für die „echten" Leistungsbezüge keine normativen Grundlagen vorgeben zu können. De facto, nicht aber de jure handelte es sich dann bei § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BBesG um ein marginales Leistungs- und Prämiensystem.

V I I I . Ergebnisse 1. Das Professorenbesoldungsreformgesetz ist rückgängig zu machen. Gründe hierfür gibt es viele. a) Das Professorenbesoldungsreformgesetz ist weniger leistungsorientiert als es vorgibt zu sein. Seine prinzipiell kostenneutrale Umsetzung und die mangelhafte, zum Teil in sich widersprüchliche Ausgestaltung der „Leistungsbezüge" führt nicht zu den erwünschten Anreiz- und auch Belohnungseffekten. b) Insbesondere durch das Absenken der Grundgehälter führt das Professorenbesoldungsreformgesetz ein marktorientiertes Vergütungssystem ohne Korrektiv ein. Nachwuchswissenschaftler und Professoren ohne außeruniversitären Markt werden die Verlierer eines vorgeblich auf individuelle Leistung abstellenden Besoldungsrechts sein. c) Die Notwendigkeit, besondere Leistungen in Forschung und Lehre mit besoldungsrechtlicher Konsequenz anhand bestimmter Leistungskriterien zu bewerten, legt die Befürchtung disfunktionaler und in der Wissenschaft besonders gefährlicher Fehlsteuerungen nahe. d) Die konsequente Umsetzung des Professorenbesoldungsreformgesetzes in den Hochschulen führt für Hochschulen und Professoren zu einem in diesem Maße noch nicht gekannten Verfahrensmehraufwand.

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e) Der nur eingeschränkte Besitzstandsschutz für nach С besoldete Professoren führt in einer langjährigen Übergangs- und Implementierungsphase zu einer leistungsfeindlichen Wettbewerbsverzerrung. f) Das hochschulpolitisch zu begrüßende Instrument „Vergaberahmen" ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich, da ohne Not in die Haushaltswirtschaft der Länder eingegriffen wird. g) Das Professorenbesoldungsreformgesetz verstößt wegen zu niedriger Grundgehälter gegen das Gebot der amtsangemessenen Besoldung. Die Amter W 2 und W 3 halten einem horizontalen Vergleich mit anderen Besoldungsordnungen nicht stand. Auch vertikal besteht eine Besoldungsasymmetrie, die sich auch dem Missverhältnis zwischen Grundgehalt und (potentiellen) Leistungsbezügen ergibt. h) Das neue Besoldungssystem wird die Vorgaben der Gesetzesbindung der Besoldung nicht erfüllen können. Es besteht ein unauflösbares Dilemma zwischen dieser Vorgabe und der Vorgabe, dass über besondere Leistungen in Forschung (und Lehre) nur wissenschaftsimmanent entschieden werden kann. 2. Vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse böte sich selbst unter der ärgerlichen Prämisse der Kostenneutralität folgendes Alternativmodell an: a) Schaffung eines jeweils einheitlichen Professorenamtes für Universitäten und gleichgestellte Hochschulen (U) sowie für Fachhochschulen (F). b) Fixierung eines (Mindest-)Grundgehaltes für U und F. Orientierung an der Bundesbesoldungsordnung С in der 7. Dienstaltersstufe (33 Jahre) der Besoldungsgruppen С 4 (U) bzw. in der 5. Dienstaltersstufe С 3 (F): (Mindest-)Grundgehalt U : 4.597,33 €, (Mindest-)Grundgehalt F: 3.497,04 €. Die Festlegung des (Mindest-)Grundgehalts nach unterschiedlichen Dienstaltersstufen ist vor dem Hintergrund unterschiedlich langer Qualifikationszeiten für Universitätsprofessoren und Professoren an Fachhochschulen sachlich gerechtfertigt. c) Neuzuschnitt der Dienstaltersstufen nach Maßgabe der Α-Besoldung (zeitliche Streckung des altersbedingten Aufstiegs). Keine Abschaffung des Lebensaltersprinzips. Dies bedeutet: „ Automatisches " Vorrücken im Regelfall. d) Verhandlungsmöglichkeit über die Vorweggewährung von Dienstaltersstufen bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen (auch bei Erstberufung) bis zum jeweiligen Endgrundgehalt U : 5.910,29 € (= С 4, 15. Dienstaltersstufe); Endgrundgehalt F: 5.129,68 € (= С 3, 15. Dienstaltersstufe) = „Bandbreiten-Regelung". e) Unabhängig von Berufungs- und Bleibeverhandlungen Ermöglichung eines beschleunigten Vorrückens in den Dienstaltersstufen nach Maßgabe verfassungsrechtlich unproblematischer und valider retrospektiver Bewertung (,berufungsVerfahrens gleich) besonderer wissenschaftlicher Leistungen in Forschung und Lehre sowie i m Vorhinein bei Übernahme besonderer Belastungen und Funktionen (maximal begrenzt auf zwei Dienstaltersstufen).

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f) Verzögerung des altersbedingten Aufstiegs in den Dienstaltersstufen bei (teilweiser) Nicht- oder Schlechterfüllung von Dienstaufgaben - maximal begrenzt auf eine Dienstaltersstufe. Die Beurteilung „Schlechterfüllung" ist ein Werturteil, das wiederum nur berufungsverfahrensgleich ermittelt werden kann. g) Nutzung des Budgets der bisherigen Besoldungsvariablen (Zuschüsse zum С 4-Grundgehalt) und des i m Rahmen der „Bandbreiten-Regelung" nicht ausgeschöpften Besoldungsrahmens für Berufungs- und Bleibeverhandlungen an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen. A n Fachhochschulen: Ermöglichung zusätzlicher Berufungs- und В leibe Verhandlungsgewinne (im Rahmen der nach Maßgabe der „Bandbreiten-Regelung" zur Verfügung stehenden Mittel) in Höhe der „halben Differenz" zwischen dem Endgrundgehalt U und dem Endgrundgehalt F. h) Verzicht auf standardisierte Berufungsgewinne (auch und insbesondere i m Bereich g. = Zuschüsse zum Grundgehalt U). Verzicht auf „Obergrenze" (B 10) i m begründeten Ausnahmefall. Reduktion potentieller Bleibeverhandlungsgewinne auf 50% des potentiellen Gewinns bei Rufannahme. i) Abbau aller Wettbewerbshemmnisse i m Berufungs verfahren: insbesondere Verzicht auf sog. „Drei-Jahres-Sperre" und Einstellungsaltersgrenzen. Die Vorteile dieses Modells gegenüber dem Professorenbesoldungsgesetz - zum Teil aber auch gegenüber der Bundesbesoldungsordnung С - sind evident: Schaffung eines jeweils einheitlichen Professorenamtes, Berufung als Leitgröße für eine leistungsorientierte Besoldung, Einführung neuer Leistungskomponenten in verfassungsrechtlich unproblematischer Gestalt bei gleichzeitiger Relativierung, nicht aber Abschaffung des Lebensaltersprinzips, Abbau von Wettbewerbshemmnissen, keine Verwerfungen i m Hinblick auf amtsangemessene Alimentation und Amtersymmetrie, Sanktion der Nicht- oder Schlechterfüllung von Dienstaufgaben, Schaffung zusätzlicher Mobilitätsanreize (Reduktion der Bleibegewinne). Allerdings haften diesem Modell gegenüber der Besoldungsordnung С auch zwei Schwächen an: Der Verwaltungsmehraufwand und die Notwendigkeit, rechtliche Garantien dafür mitliefern zu müssen, dass das für Universitäten und Fachhochschulen separat zu berechnende aktuelle Besoldungsaufkommen für Professoren nicht abgesenkt wird.. Welche Schlussfolgerungen hieraus zu ziehen sind, bleibt der hochschulpolitischen Diskussion überlassen.

Hochschulautonomie und Hochschulplanung: Ein Widerspruch? Dorothee Dzwonnek

I. Kaum ein gesellschaftlicher Bereich erfreut sich so vieler wohlmeinender Ratschläge für eine Reform an Haupt und Gliedern wie der Bildungsbereich allgemein und Schule und Hochschule i m besonderen. Dabei ist die Sorge um unser Bildungssystem - und das hat die PISA-Studie verdeutlicht - in vielen Fällen ernsthaft und nachvollziehbar. Andererseits zeigen gerade die Diskussionen um die Zukunft des deutschen Hochschulwesens, dass Ratschläge und Auseinandersetzungen nicht zuletzt auch von den handfesten Interessen derjenigen geprägt werden, die vorgeben, sich um die Zukunftsfähigkeit von Universitäten und Fachhochschulen zu sorgen. Es liegt auf der Hand, dass Empfehlungen der Arbeitgeberverbände nach ihrer Motivation und Zielrichtung anderes i m Sinn haben, als die von Gewerkschaften und von der Community nahestehenden Akteuren. Und so verwundert fast das Einvernehmen, mit dem alle „guten Ratgeber' 4 sich darin einig sind, dass die Hochschulen künftig nur dann erfolgreich und zukunftsorientiert arbeiten können, wenn sie die volle Autonomie erhalten. Hier allerdings endet der Konsens. Die Frage, was Autonomie konkret bedeutet, wie weit die Abnabelung vom Staat und seiner (finanziellen) Gängelung gehen soll, wie sehr sich die Hochschulen i m Markt bewegen können und dürfen, darüber herrschen äußerst unterschiedliche Auffassungen. Diese Meinungsgegensätze werden verschärft durch die offenkundige und sicher auch zukünftig anhaltende Krise der öffentlichen Finanzen. Sie entsprechen der Tendenz der Wirtschaft, den Hochschulen Leistungen etwa i m Rahmen von Projektaufträgen ohne Anerkennung eines Overheads abzuverlangen, die früher von den zwischenzeitlich geschlossenen, abgemagerten oder verlagerten Forschungsabteilungen der Unternehmen erbracht wurden. 1. Das Spannungsfeld zwischen der Enge der Ressourcen, eigenverantwortlichem und wirtschaftlichem Verhalten, dem zunehmenden Wettbewerb zwischen Hochschulen in einer sich immer mehr vernetzenden und auch internationalen Hochschullandschaft stellt den Hintergrund für die hier aufgestellte These dar, dass

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auch in einer weitgehenden Hochschulautonomie auf eine übergeordnete Hochschulstrukturplanung nicht verzichtet werden kann. Es geht nicht um den Verlust einer inhaltlichen Definitionsmacht, sondern um den Gewinn von Freiraum für eine strategische Bewertung und beratende Steuerung eines eigenständigen, dynamischen Systems. a) Autonomie wird von vielen oberflächlich als Ausgrenzung des Staates aus den Hochschulen verstanden. Es wird dabei in Frage gestellt, ob sich der Staat, zumeist vertreten durch die Wissenschaftsministerien, überhaupt noch in strukturelle Entscheidungen der Hochschulen einmischen und wie weit z. B. Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers nach wie vor in die Angebotsstrukturen der Hochschulen einwirken dürfen. Die Befürworter der radikalen Autonomie haben - und das kommt immer gut an - Wilhelm von Humboldt auf ihrer Seite, der festgestellt hat, „dass der Staat immer hinderlich sei, wenn er sich einmische und dass die Sache ohne ihn unendlich viel besser gehen würde". Andererseits hat sich die deutsche Hochschullandschaft trotz Humboldt anders entwickelt und in einer staatsnahen Tradition zumindest über ein dreiviertel Jahrhundert überaus erfolgreich gearbeitet. „Die Universität besteht durch den Staat. Ihr Dasein ist politisch abhängig. Sie kann nur leben, wo und wie der Staat es will. Der Staat ermöglicht die Universität und schützt sie" beschreibt Karl Jaspers in seiner berühmten Universitätsschrift Standort und Einbindung der deutschen Hochschule. Letztlich sind es noch immer diese beiden Grundpositionen, die als These und Antithese zur Wechselwirkung zwischen Staat und Politik auch die heutige aktuelle hochschulpolitische Diskussion beherrschen. b) Dabei ist nicht zu verkennen, dass sich hinter manchem, was im Kleide der Autonomie von oben herunterrieselt, durchaus stringente Vorgaben verbergen, mögen diese auch, wie etwa im Falle der Juniorprofessuren, mit finanziellen Dotationen des eigentlich hochschulfernsten Akteurs „Bund", verbunden sein. Es ist auffällig, dass gerade in einer Zeit, in der der Autonomiegedanke im Vordergrund steht, lenkende Eingriffe in das bisherige System sozusagen „ i m Fortsetzungszusammenhang" stattfinden. Gravierende Veränderungen werden durch die Umstellung auf konsekutive Studiengänge einschließlich der Implementierung des angelsächsischen Akkreditierungssystems in Deutschland, konkrete Vorgaben zu neuen Leitungsstrukturen, Einführung von Finanzierungsparametern (Stichwort Frauenanteil) in vielen Hochschulgesetzen der Länder festgeschrieben. Bezogen auf den besonders wichtigen Bereich der Mittel und Mittelverteilung sollen die Hochschulen zunehmend Techniken und Verfahrensweisen anwenden, die von der Betriebswirtschaftslehre für gewinnorientierte Unternehmen entwickelt worden sind. Kaufmännische Buchführung, Gewinn- und Verlustrechnung, Ausgründung von Teilbereichen, möglichst schneller, ja oft ausschließlicher Anwendungsbezug in den Forschungsthemen, schnelles Reagieren auf den jeweiligen „Bilanzstichtag": all dies wird von wichtigen Akteuren aus Politik und Wirtschaft als wesentliche Vorausset-

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zung für die Zukunftsfähigkeit unserer Hochschulen gefordert und auch zum Maßstab künftiger Mittelgewährung erhoben. Schamhaft verschwiegen werden dabei die nach wie vor bestehenden, zum Teil in neuerer Zeit verfestigten politischen Dogmen, die trotz vieler Flexibilisierungen Hochschulalltag und Betrieb im Einzelfall entscheidend prägen. Ohne Wertung seien hier genannt der „Offnungsbeschluss" und die bürokratischen Vorgaben der Kapazitätsverordnung, das „Verbot von Hochschulgebühren' 4 sowie der erhebliche politische Einfluss, den die Regionalpolitik i m Umfeld der jeweiligen Hochschulen auf Planung und Strukturen immer noch ausübt. c) Wo also steht die Hochschule heute in diesem letztlich offenen Spannungsverhältnis zwischen übergeordneten staatlichen Vorgaben - zu denen schizophrener Weise gerade und auch die Autonomie gehört - und der Notwendigkeit, sich in einer zunehmend vom Wettbewerb um Studierende, Drittmittel und andere Ressourcen beherrschten Hochschulrealität zu behaupten? Wo ist die neue Qualität durch Autonomie und wie verträgt sie sich mit den Ansprüchen von Politik und Wirtschaft? Wie lassen sich die offenkundigen Konflikte zwischen den Zielen regionaler Akteure, denen i m Interesse der Standortattraktivität an einem möglichst umfassenden ortsnahen Angebot für Studierende liegt, und den wirtschaftlichen Notwendigkeiten einer Hochschule in Einklang bringen? Nach wie vor gibt es viele Beispiele, in denen es trotz nachvollziehbarer Vorgaben von Expertenräten und Hochschulstrukturkommissionen nicht gelungen ist, sozusagen „studierendenfreie 4 ' Zonen an bestimmten Standorten zu beseitigen. Die schwierige Aufgabe künftiger Hochschulplanung wird es sein, ungeachtet dieser auf absehbare Zeit wohl kaum änderbaren Konstellationen i m Einvernehmen mit den Hochschulen Wege für eine standortübergreifende Strukturplanung zu entwickeln, die allein es ermöglichen kann, auf der Basis der vorhandenen Ressourcen den heutigen wissenschaftlichen Stand nicht nur zu halten, sondern zu verbessern. 2. Welches sind nun die Voraussetzungen und Instrumente, mit denen diese „Überlebensstrategie" unserer Hochschulen erfolgreich umgesetzt werden kann? a) Grundvoraussetzung sind zunächst einmal durchsetzungsfähige Leitungsorgane, d. h. ein starkes Rektorat bzw. Präsidium, das inneruniversitär über durchgreifende Planungs- und Finanzkompetenzen verfügt. In fast allen Hochschulgesetzen der Länder sind hier die i m Hochschulrahmenrecht niedergelegten Tendenzen aufgegriffen worden, ohne dass jedoch der dann offen liegende Konflikt mit den hergebrachten partizipativen Mitwirkungsrechten aller Hochschulmitglieder beseitigt worden wäre. Ohne steuernde Vorgaben durchsetzungsfähiger Rektorate werden jedenfalls die künftigen Aufgaben nur schwer zu bewältigen sein, wird letztlich gestaltende Planung aus der Hochschule heraus durch allgemeinpolitische Vorgaben, höchstwahrscheinlich der Finanzpolitik ersetzt werden.

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Ein weiteres wesentliches Element der Autonomie stellt die Einführung von Globalbudgets dar, die allerdings nur dann einen Sinn machen, wenn an die Stelle staatlich vorgegebener Mittelverteilung ein inneruniversitäres System der Mittelzuweisung auf der Basis einer hochschulinternen Kostenstellenrechnung sowie eines Bündels von hochschulinternen Qualitätssicherungsverfahren tritt. Ohne Kenntnisse über den entstehenden Aufwand bis herunter auf die Ebene der Professur ohne Kostenvergleiche sind auch die weit wichtigeren, wenn auch schwierigeren Qualitätssicherungsverfahren bis zur überaus schwierigen Bemessung etwa des Forschungsoutputs nicht umsetzbar. Beide Planungsinstrumente beinhalten wesentliche Elemente des Benchmarking und sollten zumindest für essentielle Strukturverfahren durch den zwar aufwendigen, aber immer noch wissenschaftsadäquatesten Weg der sogenannten „informed peer reviews" ergänzt werden. Ein weiteres z.Z. überaus modisches neues Steuerungsmittel zur mittelfristigen Festschreibung von Planungszielen ist der Abschluss von Zielvereinbarungen, die mehr und mehr das bisherige hoheitliche Handeln in Erlassform ersetzen sollen. b) Wo, könnte man nun fragen, bleiben in Anbetracht des aufgezählten Arsenals von hochschulinternen Steuerungsinstrumenten nun noch Platz und Notwendigkeit für eine übergeordnete Rahmenplanung. Welchen Wert haben allgemeine strukturelle Überlegungen der Wissenschaftsministerien? Oder sind diese, wie es auf Hochschulseite gern gesehen wird, insgesamt überflüssig? U m mit dem letzteren zu beginnen: Bei dieser Bewertung verkennen die Hochschulen, dass sich i m Kontext von Landespolitik und insbesondere i m Landeshaushalt nun einmal nicht alles um den überaus wichtigen Bereich von Wissenschaft und Forschung dreht, sondern dass es darüber hinaus für den Bürger ebenso bedeutsame Themen wie Kindergärten, Gesundheitspolitik, Schule und regionale Strukturpolitik gibt. Wichtigste Aufgabe der Wissenschaftsministerien ist es, den Wissenschaftsbereich i m Streit zwischen den Ressorts um gesetzgeberisches Wohlverhalten und um Mittel in gebührender Weise zu platzieren. Bildung ist der Markt der Zukunft; unsere Hochschulen sind die Zukunftswerkstätten. Diese Position gilt es i m Widerstreit von verschiedenen Politikschwerpunkten deutlich zu machen und so die Rahmenbedingungen für den individuellen Standorterfolg zu schaffen. Ohne die angemessene Vertretung von übergeordneter Hochschulplanung i m Rahmen der konkurrierenden Gesamtplanung der Ressorts blieben die Hochschulen in kurzer Zeit auf der Strecke, ja würden mit Sicherheit zwischen den verschiedenenartigen politischen Interessen zerrieben und aufgeteilt (Stichworte: Angewandte Forschung, Technologie, Gesundheitspolitik i m Spannungsverhältnis zur Hochschulmedizin, Hochschuldienstrecht, Besoldungs- und Laufbahnrecht im Verhältnis zum allgemeinen Dienst- und Besoldungsrecht). I m wachsenden internationalen Wettbewerb kann es darüber hinaus trotz national unterschiedlicher Ansätze auch erforderlich werden, gemeinsam, kooperativ, aufzutreten. Schon dafür ist eine koordinierende Hochschulstrukturplanung des

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Landes hilfreich. Die wachsende Autonomie der Hochschulen jedoch birgt die Gefahr der Vereinzelung. c) Uber jene „Prozessvertretungen" hinaus gibt es verschiedene überregionale Planungsakteure, so etwa auf der Bundesebene den Planungsausschuss für den Hochschulbau nach § 7 HBFG, die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung ( B L K ) und den Wissenschaftsrat. Weil die B L K oft genug nicht nur mit der Vielzahl der von ihr besetzten Themenkreise, sondern auch der Kompetenzkonkurrenz zwischen Bund und Ländern beschäftigt ist, hat der Wissenschaftsrat als zentrale Planungsinstitution auf Bundesseite in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen. Er dürfte die einzige objektive Einrichtung sein, die sich nahezu aller wesentlichen Querschnittsthemen aus dem Hochschulbereich intensiv angenommen und zumindest bis heute die schwierige Balance zwischen Bundes- und Länderinteressen gewahrt hat. Wesentlichen Einfluss auf übergeordnete Planungsentscheidungen haben neben der Kultusminister- und Hochschulrektorenkonferenz zum Leidwesen der Wissenschaftsministerien auch die Finanzministerien. Sie sind aufgrund ihrer verfassungsrechtlich hervorgehobenen Stellung bei wesentlichen Planungsfragen mit finanzwirtschaftlichen Auswirkungen zu beteiligen und setzen oft genug einen Kontrapunkt zu den Vorstellungen der Bildungsseite. In den Ländern selbst ist Hochschulplanung bis heute ein Thema der Wissenschaftsministerien und nicht zuletzt der Hochschulen selber, die gesetzlich verpflichtet sind, Hochschulentwicklungspläne aufzustellen. d) Anlässlich meiner Amtseinführung als Kanzlerin der Universität Dortmund habe ich darauf hingewiesen, dass jeder Schritt in den Hochschulen ein Schritt i m verminten Gelände ist. Jeder, der sich einmal an der Erarbeitung eines Hochschulstrukturplanes beteiligt hat, macht die Erfahrung, dass dessen Abstimmung bis in die letzte Einzelheit mit nahezu unüberwindlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Wohl nicht zuletzt aus diesen Gründen haben verschiedene Länder, um Bewegung in die Hochschulszene zu bringen und festgefügte Strukturen aufzubrechen, ein neues Planungsinstrument eingesetzt und unabhängige Gutachter, i m wesentlichen aus dem Wissenschaftsbereich, mit landesübergreifenden Querschnittsuntersuchungen der Hochschullandschaft beauftragt. Der Solidarpakt in Baden-Württemberg, der Qualitätspakt in Nordrhein-Westfalen haben gezeigt, dass es möglich ist, mit wissenschaftsadäquaten Methoden zu übergreifenden planerischen Vorgaben zu kommen. Das es schwierig sein würde, die jeweiligen Empfehlungen umzusetzen, da diese dem Trend der Zeit entsprechend auch mit Einsparungen verbunden sind, hat weniger überrascht als die Hartnäckigkeit, mit der Politik und Regionen an manchen Orten auch auf offenkundig überholten, j a im Gesamtkontext ihrer Hochschule eher schädlichen Strukturen beharren.

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II. Wie sieht nun die Bewertung des dargestellten Szenarios aus? Zumindest vom dogmatischen Ansatz her beinhalten die i m Vorstehenden unter dem Stichwort „Autonomie" dargestellten Planungsinstrumente den Zwang zu einem Mehr an Delegation, Dezentralisierung und Eigenverantwortung für die Hochschulen vor Ort. Uber die Notwendigkeit starker Leitungsstrukturen zu reden, ist weitaus einfacher als diese zu installieren, setzt letzteres doch nicht nur die rechtlichen Voraussetzungen, sondern zudem entsprechende Persönlichkeiten voraus, die sich nicht nur zur Wahl stellen, sondern schließlich auch die Mehrheit erhalten müssen. Starke Fachbereiche werden immer Probleme damit haben, Befugnisse an ein zentrales Leitungsorgan abzugeben und so liegt die Gefahr nahe, dass man sich in jeder Hinsicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. In diesen Fällen ist zu hoffen, dass der zunehmende Wettbewerb der Standorte untereinander, die Notwendigkeit, schnell und flexibel auf Entwicklungen reagieren zu können, in Verbindung mit der andauernden angespannten Finanzsituation entsprechende Strukturen erzwingen wird. 1. Der Globalhaushalt, von vielen als Befreiung von ministeriellen Zwängen und Fesseln angesehen, verlagert die finanzielle Verantwortung auf die Hochschule selbst und ermöglicht es der Finanzpolitik, zum einen unter Hinweis auf den Finanzdeckel finanzielle Nachforderungen rigoros zurückzuweisen und zum anderen pauschale Kürzungen durchzusetzen. Entsprechend gewinnen die bislang äußerst mager entwickelten Instrumentarien der inneruniversitären Bewirtschaftungspraxis erheblich an Bedeutung. Der Globalhaushalt setzt ferner eine über das bisherige Maß hinausgehende Kostentransparenz voraus und macht letztlich nur dann Sinn, wenn er mit einem permanenten hochschulinternen Qualitätssicherungs- und Controllingsystem verknüpft wird, das je nach den Ergebnissen auch zu nachhaltigen finanziellen Umverteilungen führen muss. Voraussetzung hierfür ist eine funktionierende, auf hochschulspezifische Besonderheiten ausgerichtete Kosten- und Leistungsrechnung, an die sich die Entwicklung einer formelgebundenen, quantitativ wie qualitativ orientierten Mittelverteilung anschließen sollte. Entsprechend den Empfehlungen des Expertenrats in Nordrhein-Westfalen sollte darüber hinaus dem Rektorat zur Umsetzung übergeordneter Planungs- und Strukturentscheidungen ein auskömmlich ausgestatteter Zentralfonds zur Verfügung stehen. 2. Das Instrument der Zielvereinbarung schränkt vorbehaltlich der Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers die Freiheit des Staates ein, ein einmal erlassenes Gesetz später zu ändern. Die Rechtfertigung für den Abschluss eines Vertrages zwischen dem Staat und einem staatsgeschaffenen Verwaltungsträger beruht auf Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz, der den Hochschulen eine grundrechtlich gesicherte Eigenständigkeit gegenüber dem Staat gewährleistet. Letztlich beruht die Bindungswirkung der Zielvereinbarung aber vor allem auf ihrer politischen Aussage-

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kraft, weil zumindest die Kompetenz des Haushaltsgesetzgebers durch entsprechende Vereinbarungen nicht eingeschränkt werden kann. Der baden-württembergische oder nordrhein-westfälische Weg der Beauftragung externer Sachverständiger mit einer Begutachtung der Hochschullandschaft stellt den Versuch dar, die Hochschulen sozusagen durch die Verwendung des hochschulgerechten Instrumentariums in den Planungsprozess mitzunehmen. Durch die Unterschrift von Ministerpräsident, Wissenschafts- und Finanzminister einerseits, der Hochschulrektoren andererseits, sind beide Seiten eine Selbstverpflichtung eingegangen, um dem Hochschulbereich in den nächsten Jahren die notwendige Planungssicherheit zu geben. Sind die Hochschulen zunächst davon ausgegangen, dass sie bei den jeweiligen Pakten die „Genötigten" waren, so zeigt sich unter dem Einfluss der zunehmenden finanziellen Enge bereits jetzt, dass die Finanzpolitik des Staates mehr und mehr versucht, aus den Bindungen der jeweiligen Vereinbarungen herauszukommen, um den personalintensiven Hochschulbereich in allgemeine Sparüberlegungen einbeziehen zu können. Insoweit dürfte insbesondere der Qualitätspakt in NordrheinWestfalen ein Schutzwall für die Hochschulen sein. Sollte er eingerissen werden, wird dies nicht ohne Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Hochschulen und Landesregierung bleiben. 3. Die Entlassung der Hochschulen aus ihrer traditionellen Einbindung in die anderen staatlichen Verwaltungsbereiche setzt nicht nur ein neues Arsenal an Steuerungsinstrumentarien, sondern insbesondere ein Umdenken im Verhältnis Staat zu Hochschulen voraus. „Der Staat paktiert nicht", hat Otto Maier, einer der Väter des Deutschen Verwaltungsrechts, gesagt und so stand der öffentlich-rechtliche Vertrag lange in der „Schmuddelecke des öffentlichen Rechts". Das neue „partnerschaftliche" Verhältnis entbindet den Staat und seine Organe nicht von der Verantwortung für die Verwendung von Haushaltsmitteln und der Definition übergeordneter politischer Zielsetzungen. Es geht in Zukunft nicht um die Bereitstellung und Anordnung, sondern um die Gewährleistung von Rahmenbedingungen, die geeignet sind, die Plattform für den jeweiligen Standorterfolg zu bilden. Problematisch und für viele unverständlich ist dabei die Tatsache, dass eine große Zahl der aus der Wirtschaft abgeleiteten Leistungs- und Wirkungskontrollen, etwa das New Public Management, für den Wissenschaftsbereich unmittelbar nicht anwendbar sind. Die Wirkungen von Forschung und Lehre können nun einmal oft erst weit außerhalb des für die Politik wesentlichen „Bilanzstichtags", nämlich des jeweiligen Wahltermins, ausgewertet werden. Viele wesentliche qualitative Elemente (etwa Erfolg i m Beruf) sind überhaupt sehr schwer messbar. 4. Ob mit Hilfe von Zielvereinbarungen und Globalbudgets ein grundlegend neues Verhältnis zwischen Hochschulen und Staat eingeleitet und entwickelt werden kann, hängt davon ab, ob Hochschulleitungen und Ministerien einen Weg finden, gemeinsam wesentliche Prozesse und Indikatoren für die Qualitätsbewertung

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zu entwickeln. Ferner müssen sie i m Wege eines strategischen Foresightprozesses die Themen- und Handlungsfelder ausloten, die für eine kreative Strukturentwicklung ausgebaut werden müssen. Planung kann nicht bedeuten, dass jede Hochschule ihr Lehrangebot ohne Rücksicht auf die Angebote an anderen Standorten und strukturelle Notwendigkeiten auf kostengünstige Fächer fokussiert. Die Notwendigkeit etwa zur Erhaltung der kleinen geistes- oder kulturwissenschaftlichen Fächer ist unbestritten und Aufgabe staatlicher Kulturpolitik; sie kann allerdings nur i m Wege einer abgestimmten Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Standorten sichergestellt werden. Planung bedeutet also aus der Sicht des Staates, für die notwendige Balance von Lehrund Forschungsschwerpunkten im Land zu sorgen und dabei die Besonderheiten einzelner Standorte gebührend zu berücksichtigen. Wohlverstandene Hochschulplanung sollte in den einzelnen Hochschulen entwickelte Ansätze aufnehmen und in ein landesübergreifendes Schwerpunktkonzept einbringen. Dass dies nicht gegen die Hochschulen, sondern nur auf der Grundlage ihrer autonomen Entscheidungen erfolgreich sein wird, versteht sich von selbst.

Zur Rechtsnatur des „Rufs" Volker Epping

Der Jubilar war in seiner Funktion als Kanzler der Universität-GHS-Essen schon von Amts wegen über Jahrzehnte in Berufungsverfahren seiner Hochschule involviert. Diese berufliche Befassung mit einem - wie es Waibel 1 treffend ausdrückte - „Zentralproblem des deutschen Hochschulrechts' 4 , das sich daraus ergibt, dass mit der Berufung eine Doppelstellung des planmäßigen Professors als staatlicher Beamter in der Regel auf Lebenszeit und gleichzeitiges Mitglied der autonomen Hochschulkorporation begründet wird, hat Dieter Leuze - wen wundert es auch veranlasst, zur Feder zu greifen. So hat er in dem von ihm 1981 begründeten und herausgegebenen Kommentar zum Gesetz über die Wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (später zum Gesetz über die Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen), dem „Leuze / Bender", die Kommentierung der Vorschriften zur Berufung und zum Berufungsverfahren (§§ 50, 51 WissHG N W / U G N W ) übernommen und sie auch nach der erneuten, durch die Zusammenführung der Universitäten und Fachhochschulen unter das gemeinsame gesetzliche Dach des Hochschulgesetzes Nordrhein-Westfalen (HG N W ) bedingten Umfirmierung des Gesetzes i m „Leuze / Epping 44 , dem Nachfolger des „Leuze / Bender 44 , für die erste Ergänzungslieferung erneut kommentiert. Nach seiner „Konvertierung", d. h. seinem Wechsel in die Hochschullehrerschaft i m Jahre 1991, hat Dieter Leuze aber keineswegs die Praxis in diesem Bereich aus dem Auge verloren. Zum einen war er als Universitätsprofessor von seinen Dienstaufgaben her fakultäts- und hochschulintern mit Berufungs verfahren seiner Fakultät befasst. Zum anderen wurde aber auch sein sachkundiger Rat in Berufungsverfahren nicht nur in der eigenen Fakultät und Hochschule stets gesucht. So war er u. a. auch als Prozessvertreter in einer berufungsrechtlichen Streitigkeit vor dem V G Wiesbaden tätig, die, was für eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht selbstverständlich ist, wissenschaftliche Beachtung fand 2 . Im April 2000 hat Dieter Leuze zudem einer Bitte Kay Hailbronners entsprochen und i m Hailbronner / Geis den § 45 H R G - Berufung von Professoren - kommentiert, der durch den allzu frühen Tod seines Freundes Hartmut Krüger ,freigeworden' war und angesichts der grundlegenden Novel1

W. Waibel, Die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Hochschulrechts seit 1945, 1966, S. 86. 2 s. einerseits V. Epping, WissR 28 (1995), 211 ff., und andererseits H. Detmer, WissR 30 (1997), 192 (210 ff.).

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Volker Epping

lierung des HRG vom 16. August 1998 der Neubearbeitung bedurfte. Damit hat Dieter Leuze zugleich kommentierungsmäßig das Feld der Berufung von Professoren in Deutschland maßgeblich besetzt. In seiner unnachahmlichen Art hat er sich - wie sonst auch - in diesen Kommentierungen sehr deutlich und ohne in seiner ihm eigenen Diktion ein „Blatt vor dem Mund zu nehmen" stets an Auffassungen gerieben, die ihn nicht überzeugen konnten. Dies bedeutet indes keineswegs, dass Dieter Leuze sich guten Argumenten verschlossen hat bzw. verschließt. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. So hat der Verfasser dieses Beitrags schon frühzeitig die Auffassung vertreten, der Ruf sei als Verwaltungsakt i.S. des § 35 S. 1 V w V f G zu qualifizieren 3 , während Dieter Leuze die Ruferteilung seinerzeit (1990) zunächst als bloße invitatio ad offerendum, in die Berufungsverhandlungen einzutreten, deutete 4 . Diesen Rechtsstandpunkt hat Dieter Leuze, wie schon seine Kommentierung zum Nordrhein-Westfälischen Hochschulrecht i m ,Hailbronner' aus dem Jahre 1995 offenbart, indes revidiert, indem er sich explizit von seiner bisherigen Auffassung distanzierte 5 . Aber nicht nur das: Der Beitrag des Verfassers veranlasste den Jubilar nicht nur sehr direkt, d. h. per Telefon, das Gespräch mit dem Verfasser zu suchen, sondern ihm auch - trotz eines anderen Rechtsstandpunktes die Mitarbeit i m Leuze /Bender anzubieten, was entscheidend dazu beitrug, dass das wissenschaftliche Interesse des Verfassers auch auf das Wissenschaftsrecht gelenkt wurde. Vor diesem Hintergrund bietet es sich daher an, insbesondere anhand der sehr apodiktischen und i m Schrifttum bislang allenfalls en passant gewürdigten Entscheidung 6 des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 19. Februar 1998 zur Rechtsnatur des Rufes 7 dieser Frage noch einmal vertieft nachzugehen. Einbezogen wird schließlich auch das thematisch ebenfalls einschlägige, die Entscheidung des BVerwG stützende 8 Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 9. Juli 1997 9 .

3 V. Epping, WissR 25 (1992), 166 (179). 4 D. Leuze, in: Leuze / Bender, WissHG N W / U G NW, § 50 (Stand dieser Kommentierung Januar 1990) Rn. 5. 5 D. Leuze, Nordrhein-Westfalen (Stand dieser Kommentierung: Mai 1995), in: Hailbronner, HRG-Kommentar, Band 2, Rn. 69, S. 35 f.; s. auch ders ., in Leuze/Bender, WissHG/ UG NW, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 5; ders., in: Hailbronner/ Geis, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: April 2000) Rn. 46. 6 S. Hobe, JA 1999, 18-20; D. Leuze, in: Leuze/Bender, WissHG/UG NW, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 5; ders., in: Hailbronner/Geis, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: April 2000) Rn. 46. 7 BVerwG, Urteil vom 19. 2. 1998 - Az: 2 С 14.97 BVerwGE 106, 187-191. 8 Das BVerwG beruft sich explizit auf die Entscheidung des BAG, s. BVerwGE 106, 187 (190). 9 BAG, Urteil vom 9. 7. 1997 - Az: 7 AZR 424/96 ZTR 1998, 92 f.

Zur Rechtsnatur des „Rufs"

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I. Die Entscheidung des BVerwG vom 19. Februar 1998 1. Der Streitgegenstand I m streitgegenständlichen Verfahren hatte das zuständige Ministerium der Klägerin per Schreiben mitgeteilt, dass es beabsichtige, die Klägerin „entsprechend dem Vorschlag des Senats . . . , Sie auf die Planstelle einer Professorin der Besoldungsgruppe С 4 . . . zu berufen. In ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit können Sie nur bei Vorliegen der beamtenrechtlichen Voraussetzungen berufen werden. Ich bitte um Mitteilung, ob Sie bereit und in der Lage sind, dem Ruf nachzukommen." Nachdem die Klägerin in den darauffolgenden Verhandlungen mehrfach die Forderung erhoben und begründet hatte, als Professorin im Beamtenverhältnis beschäftigt zu werden, teilte ihr das Ministerium nach elf Monaten mit, dass ihre Berufung in das Beamtenverhältnis nicht möglich sei, weil sie die gesetzliche Altersgrenze überschritten habe. Darüber hinaus enthielt das Schreiben die Erklärung: „ D a Sie bis heute Ihre Rufannahme von einer Verbeamtung abhängig gemacht haben, ziehe ich mit diesem Schreiben das Rufangebot . . . mit sofortiger Wirkung zurück. Daraufhin erwiderte die Klägerin, es müsse ein Missverständnis vorliegen; sie habe die Verbeamtung nie zu einer Bedingung für die Annahme des Rufs gemacht und sei auch bereit, die Professur i m Angestelltenverhältnis zu übernehmen. Die Klage auf Aufhebung des „Bescheides des Beklagten . . . " , hilfsweise auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zurücknahme des Rufangebots und der Beendigung der Verhandlungen blieb in allen Instanzen erfolglos.

2. Rechtliche Würdigung Das BVerwG spricht der Ruferteilung sowohl den Rechtscharakter eines Verwaltungsaktes als auch den Rechtscharakter einer Zusicherung ab. Der zunächst analog § 133 BGB zu ermittelnde Inhalt der Ruferteilung bezeuge die bloße Erklärung der Absicht, die Bewerberin in ein Professorenamt berufen zu wollen. In der Sache sei die dem Angebot zugrundeliegende Auswahlentscheidung ein notwendiger, rechtlich unselbständiger (Zwischen-)Schritt in dem Stellenbesetzungsverfahren. Die Mitteilung hierüber kennzeichne den bisher erreichten Verfahrensstand, ohne einen Anhalt dafür zu geben, dass hieraus bereits eine gesicherte Rechtsstellung - sei es auch nur als Anwartschaftsrecht - erwachsen solle 1 0 . Nach dem einer revisionsrechtlichen Würdigung zugänglichen Hochschulrahmenrecht (HRG) werde dem Ruf keine unmittelbar rechtsgestaltende und rechtsfeststellende Wirkung beigelegt. M i t dem Ruf bekunde die nach Landesrecht zuständige Stelle ihre Bereitschaft, mit dem Adressaten in Berufungs Verhandlungen einzutreten, und erkunde

io BVerwGE 106, 187(189). 13 FS Leuze

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zugleich, ob der Adressat - noch - bereit sei, die Professur zu übernehmen. Damit erweist sich der Ruf nach Auffassung des BVerwG als eine unselbständige Vorbereitungshandlung mit verfahrensrechtlichem Charakter 11 . Auch finde die Auffassung, dass die Ruferteilung gegenüber dem Bewerber eine verbindliche Zusicherung der Anstellung 4 sei, i m Bundesrecht keine Stütze. Das Institut des Rufes sei i m Hochschulrahmengesetz nicht ausgestaltet; dessen Regelungen sei auch nicht zu entnehmen, dass bereits der Ruf eine einseitige Verpflichtung begründe, den Adressaten als Professor einzustellen 12 .

II. Zur Tragfähigkeit der Begründung des BVerwG M i t der höchstrichterlichen Entscheidung des BVerwG vom 19. Februar 1998 scheint die bislang in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend geklärte Frage nach Rechtsnatur und Inhalt des hochschulrechtlichen Instituts des ,Rufs 4 1 3 einer autoritativen Lösung zugeführt worden zu sein, zumal bereits kurz zuvor das B A G in einem Urteil vom 9. Juli 1997 noch apodiktischer judiziert hatte, dass nach „der allgemeinen Auffassung zum Erklärungswert einer Ruferteilung bei der Besetzung von Professorenstellen 44 diese „nach ihrem Inhalt . . . auf eine Anfrage zur grundsätzlichen Bereitschaft eines Bewerbers auf Übernahme einer bestimmten Professorenstelle 44 beschränkt sei 1 4 . Diese beiden höchstrichterlichen Entscheidungen stehen freilich konträr zur überwiegenden und keineswegs nur i m Schrifttum vertretenen Auffassung, die den an einen Bewerber ergehenden Ruf als rechtlich verbindlich ansieht 1 5 . Da aber weder das BVerwG noch das B A G sich mit dieser π BVerwGE 106, 187 (189 f.). 12 BVerwGE 106, 187 (190 f.). 13 Das hochschulrechtliche Institut des ,Rufs' ist die einem Bewerber in der Regel durch ein Berufungsschreiben gegenüber ausgesprochene Berufung auf eine Professur (s. die Beispiele in Fn. 26 und unter oben unter 1.1.). 14 BAG, ZTR 1998, 92 (93). 15 OVG Lüneburg, NJW 1984, S. 1639 ff. =WissR 16 (1983), 181 ff.; L. Brocker, RiA 1993, S. 271 (276 f.); H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (12, 14); ders., WissR 30 (1997), 193 (210, 213); V: Epping, WissR 25 (1992), 166 (179); ders., WissR 28 (1995), 211 (212 ff.); S. Hobe, JA 1999, 18(19 f.); A. Kehler, in: Denninger, Kommentar zum HRG, 1984, § 45 Rn. 34; H. Krüger, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: Mai 1995) Rn. 48; D. Leuze, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, Teil 3: Landeshochschulrecht, Nordrhein-Westfalen (Stand dieser Kommentierung: Mai 1995), Rn. 69 unter Aufgabe seiner bisherigen, auf OVG Berlin, KMKHSchR 1980, 613 f., gestützten Auffassung, der Ruf sei nicht mehr als eine unverbindliche invitatio ad offerendum (so noch in: Leuze/Bender, WissHG NW-Kommentar, § 50 [Stand dieser Kommentierung: Januar 1990] Rn. 5); ders., in: Leuze/ Bender, WissHG/UG NW, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 5; ders., in: Hailbronner /Geis, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: April 2000) Rn. 46; J. Lüthje, in: Denninger, Kommentar zum HRG, 1984, § 60 Rn. 14; A. Reich, Kommentar zum HRG, 7. Aufl. 2000, § 45 Rn. 3; auch BVerwG, DVB1. 1985, 1233 (1234).

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zutreffend als „ h . M . " gekennzeichneten Auffassung 1 6 und ihren tragenden Argumenten auseinandersetzen, wird die Frontstellung des Schrifttums gegen diese Auffassung weiter bestehen bleiben.

1. Allgemeine „handwerkliche" Kritik Namentlich dem B A G muss man in handwerklicher Hinsicht den Vorwurf machen, sich nicht einmal peripher mit der Problematik vertraut gemacht zu haben 1 7 , geschweige denn die für die „allgemeine Auffassung zum Erklärungsweit einer Ruferteilung bei der Besetzung von Professorenstellen" angeführten beiden Schrifttumsnachweise überhaupt zur Kenntnis genommen zu haben. Denn die zum einen als Beleg angeführte Äußerung von Hartmut Krüger i m HRG-Kommentar von Kay Hailbronner aus dem Jahre 1990 (!) beschränkt sich keineswegs allein darauf, inhaltlich in der Ruferteilung allein eine Anfrage zur grundsätzlichen Bereitschaft eines Bewerbers auf Übernahme einer bestimmten Professorenstelle zu sehen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, denn Krüger führt explizit aus, dass „die Berufung . . . gegenüber dem Bewerber eine verbindliche Zusicherung der Anstellung" i s t 1 8 . Entsprechendes gilt für die zweite Zitatstelle des B A G , die ebenso wie das vorgenannte Zitat von Krüger wiederum aus dem Zusammenhang gerissen ist. Denn Werner Thieme führt in seinem in zweiter Auflage erschienenen „Deutschen Hochschulrecht" aus dem Jahre 1986 (!) i m Anschluss an die Feststellung, dass der Bewerber gefragt werde, ob er bereit sei, die Professur zu übernehmen, aus, dass „der Berufene . . . mit der Berufung in ein Rechtsverhältnis zu dem Land [tritt], das die Berufung ausgesprochen hat." Auch wenn Thieme i m Gegensatz zu Krüger der Auffassung ist, dass der Berufene mit der Ruferteilung „grundsätzlich noch keinen Anspruch auf Ernennung zum Professor und Übertragung des Amtes" hat, erlangt der Berufene auch nach Ansicht von Thieme bereits eine gesicherte Rechtsposition, wie der vorzitierte Begriff „grundsätzlich" bereits andeutet. Soweit i m Rahmen des Berufungsverfahrens Ermessensentscheidungen zu treffen seien - so Thieme - könne der Dienstherr i m Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens auch Entscheidungen treffen, die schließlich zur Nichternennung des Betroffenen führten. Allerdings sei „gerade das Berufungsverfahren ein typisches Beispiel für die i m Verwaltungsrecht immer wieder beschriebene Situation der Einengung des Ermessensspielraums ,auf Null'. Daher kann sich der [dem Berufenen gegenüber dem Land zukommende] Anspruch auf sachgerechte Durchführung des Verfahrens zu einem materiellen Anspruch auf Übertragung des Amtes und auf Ernennung

16 H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (210). 17

Milder, aber ebenfalls deutlich in seiner Bewertung D. Leuze, in: Leuze / Bender, WissHG/UG NW, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 5, der dem BAG vorwirft „ohne sich mit der Problematik mehr als peripher vertraut zu machen." H. Krüger, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung August 1990) Rn. 48. 1

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Volker Epping

zum Professor verdichten." 1 9 Stellt man die maßgebliche Beteiligung der Hochschulen an dem Berufungsverfahren ein, die auch das BVerwG konstatiert 2 0 , wird man eine solche Verdichtung schon bei einem fehlerfrei zustandegekommenen Berufungsvorschlag anzunehmen haben, sofern personalrechtliche Gründe nicht entgegenstehen. Da der Ruf aber erst nach Prüfung der beamtenrechtlichen Ernennungsvoraussetzungen erteilt w i r d 2 1 , werden sich nach Ruferteilung in der Regel keine in das pflichtgemäße Ermessen einzustellende Gründe mehr finden lassen, die seitens des Ministeriums ein Abrücken von der Übertragung des Amtes und der Ernennung zum Professor erlauben 22 . Wie ,fremd' die Thematik für das B A G anscheinend gewesen sein muss, zeigt sich auch an der sich an die zuvor kritisierte Feststellung unmittelbar anschließende Behauptung des B A G , „erst mit Annahme des Rufes" würden „Verhandlungen eingeleitet, in denen eine Einigung der Parteien über den konkreten Inhalt eines künftigen Rechtsverhältnisses angestrebt wird." Zum einen ist diese Behauptung insofern widersprüchlich, als das B A G den Ruf nach seinem Inhalt doch allein auf die Anfrage beschränkt sieht, die grundsätzliche Bereitschaft eines Bewerbers auf Übernahme einer bestimmten Professorenstelle zu erfragen. Daher wird der Berufene auch zunächst lediglich mitteilen, dass er grundsätzlich zur Annahme des Rufes bereit ist und dann die Berufungsverhandlungen aufnehmen. Erst am Schluss der Berufungsverhandlungen wird der Berufene dann entweder den Ruf annehmen oder ablehnen. Sollte der Berufene - so das B A G - tatsächlich den Ruf sofort nach der Ruferteilung annehmen, würde sich der Berufene der Möglichkeit begeben, Berufungs Verhandlungen zu führen. Eine wahrlich realitätsferne Vorstellung! Realitätsferne und den naheliegenden Vorwurf von sog. ,Blindzitaten' wird man indes nicht gegenüber dem BVerwG erheben können, das namentlich die vorzitierte Äußerung von Krüger zutreffend der Gegenauffassung zuordnete 23 . Allerdings ist es ärgerlich, dass nicht nur das B A G , sondern auch das BVerwG nicht den aktuellen Stand in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage reflektieren 24 : die angeführten Zitate sind acht bis 12 Jahre alt und negieren die zentralen und sich vertiefter mit dieser Problemstellung auseinandersetzenden Beiträge zur Rechtsnatur des Rufes aus den Jahren 1992-1997. Bezeichnend hierfür ist, dass das BVerwG sich maßgeblich auf die nicht mehr aktuelle Auffassung von Dieter Leuze aus dem Jahre 1990 stützt, die dieser - wie bereits angesprochen - bereits 1995 ausdrücklich revidiert hat 2 5 .

19 W. Thieme , Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, Rn. 455 (S. 505). 20 BVerwGE 106, 187 (190). 21 H. Krüger, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung August 1990) Rn. 4, 48; S. Metzger, Die Berufungsvereinbarung, Diss. iur. Bonn 1993, S. 216. 22 S. Metzger, Die Berufungsvereinbarung, Diss. iur. Bonn 1993, S. 216 f. 23 s. BVerwGE 106, 187 (190). 24 s. hierzu die Nachweise in Fn. 15.

Zur Rechtsnatur des „Rufs"

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2. Inhaltliche Kritik Für die Auffassung des BVerwG und des B A G , dass in dem Rufschreiben, dem sog. „ R u f , eine unselbständige Vorbereitungshandlung mit verfahrensrechtlichem Charakter zu erblicken ist, lässt sich allenfalls anführen, dass das Ministerium in dem vom BVerwG entschiedenen Fall zum einen explizit lediglich zum Ausdruck brachte, dass es „beabsichtige", die Klägerin „zu berufen", und zum anderen ebenfalls ausdrücklich um die Mitteilung bat, ob die Klägerin „bereit und in der Lage" sei, „dem Ruf nachzukommen" 2 6 . Das BVerwG schließt sich dabei - worauf soeben schon hingewiesen wurde - der überholten Auffassung Dieter Leuzes an, qualifiziert also den Ruf als bloße invitatio ad offerendum. Zieht man aber die zivilrechtlichen Überlegungen zur invitatio ad offerendum heran, wird man zunächst konstatieren müssen, dass die Berufung ein klares „ M e h r " gegenüber der bloßen Aufforderung zur Abgabe von Angeboten i s t 2 7 . Denn mit dem Ruf erklärt die zuständige staatliche Stelle, dass sie sich - sofern sie dem Vorschlag der Hochschule folgt - die Auswahlentscheidung der Hochschule final zu eigen macht und/oder den Bewerber für die Besetzung der Stelle ausgewählt hat und den Auserwählten auch ernennen w i l l 2 8 . Vor diesem Hintergrund wäre es vorschnell, mit der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung in dem Rufschreiben nur eine unselbständige Vorbereitungshandlung mit lediglich verfahrensrechtlichem Charakter - wohl i.S. des § 44a V w G O - zu sehen. Dies läuft nämlich letztlich darauf hinaus, dass allein der Ernennung eine regelnde und damit den Staat bindende Bedeutung zugemessen wird. Dabei wird aber verkannt, dass das Berufungsverfahren auch vom Gesetz her mehrstufig konzipiert ist und durch die deutliche Zuordnung bestimmter Teilentscheidungen zu bestimmten Entscheidungsträgern gekennzeichnet ist:

25 D. Leuze, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, Teil 3: Landeshochschulrecht, NordrheinWestfalen (Stand dieser Kommentierung: Mai 1995), Rn. 69 unter Aufgabe seiner bisherigen, auf OVG Berlin, KMKHSchR 1980, 613 f., gestützten Auffassung, der Ruf sei nicht mehr als eine unverbindliche invitatio ad offerendum (so noch in: Leuze / Bender, WissHG NW-Kommentar, § 50 [Stand dieser Kommentierung: Januar 1990] Rn. 5). 26 Ähnliche oder gleichlautende Formulierungen werden auch in den anderen Bundesländern verwandt (so z. B. NW: „Ich beabsichtige, Sie auf Vorschlag der Hochschule als Universitätsprofessor für das Fach ... an die Universität... zu berufen. ... Für eine baldige Mitteilung, ob Sie grundsätzlich bereit sind, dem Ruf zu folgen, wäre ich dankbar."; in Nds: „Die Universität hat Sie für die Berufung auf die Universitätsprofessorenstelle ... vorgeschlagen. Ich freue mich, Ihnen hiermit den Ruf auf diese Stelle erteilen zu können. ... Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass ich mir die endgültige Entscheidung über Ihre Ernennung bis zum Abschluss der Gespräche vorbehalten möchte."). 27 H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (13). 2 8 H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (213).

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Volker Epping α) Das zweistufige

Berufungsverfahren

Die Professorinnen und Professoren werden aufgrund eines Berufungsvorschlags der Hochschule berufen (§ 45 Abs. 2 S. 1 HRG; § 47 Abs. 1 S. 1 H G N W ) . Das zur Einstellung eines Professors führende sog. Berufungsverfahren, das den Zeitraum von der Ausschreibung der Professorenstelle bis zur Aushändigung der Ernennungsurkunde umfasst, ist ein Auswahlverfahren, das zwar die Letztentscheidung dem Staat vorbehält, in welchem aber die Hochschule kraft ihres Vorschlagsrechts und einer insgesamt gesehen bewährten und langen Tradition vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die dominierende Rolle spielt 2 9 . Denn wie das BVerfG i m Hochschulurteil zutreffend iudizierte, bestimmt „dieses Auswahlverfahren . . . die eigentlichen Träger der freien Forschung und Lehre innerhalb der Universität und ist deshalb mit der Garantie der Wissenschaftsfreiheit besonders eng verknüpft. Sachfremde Einflüsse bei der Auswahl dieser für den Wissenschaftsbetrieb in der Universität in erster Linie verantwortlichen Grundrechtsträger können unmittelbare Gefahren für eine freie Ausübung von wissenschaftlicher Lehre und Forschung mit sich bringen." 3 0 Die Berufung eines Professors unterscheidet sich daher essentiell von der ,Berufung 4 eines sonstigen Beamten auf einen Dienstposten.

b) Die staatliche Auswahlentscheidung die Bindung des staatlichen Auswahlermessens Auch wenn die zuständige staatliche Stelle sowohl nach den meisten Landeshochschulgesetzen als auch nach der Rechtsprechung 31 nicht an den Berufungs Vorschlag der Hochschule gebunden i s t 3 2 , ist die Auswahlentscheidung keineswegs in

29 OVG Lüneburg, NJW 1984, 1639 (1640); H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (11 f.); ders., WissR 30 (1997), 193 (197 ff., 210); К Epping, WissR 25 (1992), 166 (175 ff.); ders., WissR 28 (1995), 211 (213); A. Kehler, in: Denninger, Kommentar zum HRG, 1984, § 45 Rn. 34; H. Krüger, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: August 1990) Rn. 48; D. Leuze, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, Teil 3: Landeshochschulrecht, Nordrhein-Westfalen (Stand dieser Kommentierung: Mai 1995), Rn. 69 unter Aufgabe seiner bisherigen, auf OVG Berlin, KMKHSchR 1980, 613 f., gestützten Auffassung, der Ruf sei nicht mehr als eine unverbindliche invitatio ad offerendum (so noch in: Leuze / Bender, WissHG NW-Kommentar, § 50 [Stand dieser Kommentierung: Januar 1990] Rn. 5); ders., in: Leuze / Bender, WissHG/UG NW-Kommentar, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 5; ders., in: Hailbronner/Geis, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: April 2000) Rn. 46. 30 BVerfGE 35, 79 (133 f.). 31 BVerwG, DVB1. 1985, 1233 (1236); BVerwGE 52, 313 (318 f.); BVerwG, KMK HSchR 1982, 86 ff.; BayVGH, DVB1. 1998, 1354 f. 32 So wird teilweise explizit betont, dass die staatlich zuständige Stelle nicht an die Reihenfolge des Berufungs Vorschlags der Hochschule gebunden ist (z. B. § 66 Abs. 3 S. 3 UG BW; § 101 Abs. 4 S. 1 BerlinHG; § 39 Abs. 4 S. 2 BrandHG; § 72 Abs. 2 S. 3 HHG), wäh-

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das ,freie Belieben' der staatlichen Stelle gestellt 3 3 . Sie ist vielmehr stets an die Erfordernisse des Rechtsstaates gebunden, insbesondere an den Gleichheitssatz und an den u. a. in § 40 V w V f G zum Ausdruck kommenden Grundsatz, dass von jeder Ermächtigung nur i m Sinne des Gesetzeszwecks Gebrauch gemacht werden darf. Unter Einstellung der auch vom BVerfG hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Garantie der Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG stellt daher der Berufungsvorschlag einen bzw. den maßgeblichen Gesichtspunkt bei der Auswahl der bzw. des zu Berufenen auch für die zuständige staatliche Stelle dar. Denn die Auswahl ist, wie das BVerwG zugesteht, „nach pflichtgemäßem Ermessen für den Bewerber zu treffen, der nach Auffassung der staatlichen Hochschulverwaltung am besten geeignet erscheint, den sich ihm stellenden Aufgaben nach Art und Umfang gerecht zu werden, und unter Hinweis darauf sind die anderen Bewerber abzulehn e n . " 3 4 Das BVerwG verlangt somit ausdrücklich, dass auch dann, wenn der Wortlaut der entsprechenden landesrechtlichen Regelung ausdrücklich kein Ermessen („kann") einräumt, dass die Berufungsentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen der zuständigen staatlichen Stelle zu erfolgen hat 3 5 . Da das Berufungsverfahren die eigentlichen Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG bestimmt, können sachfremde Einflüsse wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gewährleistung der grundrechtlich garantierten Wissenschaftsfreiheit keinen Einfluss auf die Berufungsentscheidung haben. Daher ist die Behandlung der fachlichen Qualifikation der Bewerber i m Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Zusammenwirkens zwischen Hochschule und Staat der Hochschule zugeordnet, wie sich dies durch das auch gesetzlich zugestandene Vorschlagsrecht der Hochschule ausdrückt. Überdies ist der Staat schon aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage, die Qualifikation der Bewerber zu beurteilen. Dies lässt sich auch an den Hochschulgesetzen ablesen, die sehr dezidiert das auch verfahrensmäßig sehr komplexe hochschulinterne Berufungsverfahren regeln. Dies beginnt regelmäßig mit der Ausschreibungsentscheidung und der Einsetzung einer Berufungskommission mit dem Ziel der Erarbeitung eines Berufungsvorschlags für die Fakultät und umfasst ferner die Behandlung der Ergebnisse der Berufungskommission mit Beschlussfassung durch die Fakultät sowie die Weiterleitung an die universitäre Zentralebene zur endgültigen Herausbildung des Berufungsvorschlags der Hochschule. In jedem Stadium dieser hochschulinternen Entscheidungsfindung kommt den Professoren der durch die Berufung letztlich betroffenen Fakultät schon aufgrund ihres Sachverstands zwangsläufig der ausschlaggebende Einfluss auf den Berufungsvor-

rend andere Landeshochschulgesetze bestimmen, dass die staatlich zuständige Stelle von der Reihenfolge des Berufungsvorschlags abweichen kann (§ 47 Abs. 1 S. 2 HG NW; § 54 Abs. 1 S. 2 NHG; § 18 Abs. 2 S. 3 BremHG). Keine Aussage hinsichtlich der Frage der Listenbindung bzw. Listenabweichung enthält z. B. das HG SA (vgl. § 43). 33 So aber OVG Lüneburg, WissR 16 (1983), 181 (184). 34 BVerwG, NVwZ 1986, 374 (376). 35 у Epping, WissR 25 (1992), 166 (174); J. Lüthje, in: Denninger, HRG-Kommentar, 1984, § 60 Rn. 14.

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schlag z u 3 6 . Der Berufungsvorschlag der Fakultät kann daher durchaus als kollektives Sachverständigengutachten' qualifiziert werden 3 7 , da sowohl in der Berufungskommission wie auch im Fakultätsrat die eigentliche Auswahl nach der Qualität der Bewerber durch die schon in der Hochschule zumeist allein sachverständigen Professoren der entsprechenden Fakultät stattfindet und auch nur stattfinden kann. Ebenso verlangt der in § 15 Abs. 4 H R G niedergelegte allgemeine, hier analog heranzuziehende prüfungsrechtliche Grundsatz 38 , dass Bewertungen - als solche sind auch Auswahlentscheidungen in Berufungs verfahren zu qualifizieren nur von solchen Personen vorgenommen werden dürfen, die selbst mindestens die durch die Prüfung festzustellende oder eine gleichwertige Qualifikation besitzen 39 . Diesem vom Sachverstand her determinierten Befund trägt das HRG auch dadurch Rechnung, dass in § 37 Abs. 1 S. 4 HRG festgelegt ist, dass in den nach Mitgliedsgruppen zusammengesetzten Entscheidungsgremien die Professoren über die Mehrheit der Stimmen verfügen, sofern Angelegenheiten in Rede stehen, die die Berufung von Professoren unmittelbar betreffen. Da die Hochschulgesetze für die Vorlage des Berufungsvorschlags bei der zuständigen staatlichen Stelle vielfach auch noch die Beifügung von Gutachten von auswärtigen sachverständigen Professoren zur Bestätigung der fachlichen Qualifikation der Vorgeschlagenen verlangen 4 0 , findet dieses schon in dem Berufungsvorschlag enthaltene sachverständige Urteil der Hochschule überdies eine weitere sachverständige Beurteilung, die eine staatliche Stelle - auch durch die zuweilen anzutreffende rechtlich bedenkliche „Obergutachtenpraxis" 41 - nicht zu leisten in der Lage ist. Dem entsprechend 36 BVerwGE 51, 369 (381); 35, 79 (134); V: Epping, WissR 25 (1992), 166 (176); W Waibel, Die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Hochschulrechts seit 1945, 1966, S. 88. 37 V. Epping, ebd. 38 Von einem „Quasi-Prüfungsverfahren" in diesem Kontext sprechend OVG Lüneburg, KMK-HSchR 1986, 1450 (1451 f.); H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (2, 8, 17, 21). 39 H. Krüger, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: August 1990) Rn. 45 Rn. 43; V Epping, WissR 25 (1992), 166 (178); W Waibel, Die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Hochschulrechts seit 1945, 1966, S. 88 unter wörtlicher Bezugnahme auf eine unveröffentlichte Entscheidung des VG München. 40 s. z. B. § 66 Abs. 4 S. 1 UG BW; § 72 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 HHG; § 52 Abs. 8 NHG; § 48 Abs. 3 S. 2, 3 HG NW; § 43 Abs. 5 S. 2 SA HG. 41 So weist H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (8), darauf hin, dass laut Schreiben des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Wissenschaft und Forschung vom 19. 3. 1993 das Ministerium unabhängig von der Hochschule vergleichende Gutachten einholt, wenn Hausberufungen mit Vorrang vor externen Bewerbern oder Frauen an zweiter oder dritter Stelle der Berufungsliste plaziert sind oder Sondervoten bzw. Eingaben entsprechende Hinweise auf Benachteiligungen von Bewerbern oder Bewerberinnen enthalten. Da schon das Gesetz in § 48 Abs. 3 S. 2 HG NW verlangt, dass einem Berufungsvorschlag zwei vergleichende Gutachten auswärtiger Professorinnen oder Professoren beigefügt werden, erscheint diese Praxis schon contra legem (ähnlich wohl H. Detmer, ebd.). I.ü. wird damit das gesetzlich vorgeschriebene aufwendige Berufungsverfahren an den Hochschulen ad absurdum geführt, verkommt es doch damit faktisch zu bloßen Anregungen (so H. Detmer, WissR 30 [1997], 193 [198 f.]) und negiert somit die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG. Überdies zeigen die gesetzlichen Regelungen eine klare Zweiteilung des

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räumt auch das BVerwG der Hochschule - richtigerweise müsste man hier von der Fakultät sprechen, da nur sie zu einem sachverständigen Urteil in der Lage sein wird - grundsätzlich einen verfassungsrechtlich geschützten Beurteilungsspielraum über die Qualifikation der Bewerber ein. Sie ist als Kernstück des über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG überdies verfassungsrechtlich garantierten Mitwirkungsrechts der Hochschulen grundsätzlich der staatlichen Bestimmung verschlossen. Die zuständige staatliche Stelle hat also die in dem Berufungsvorschlag enthaltene fachliche Feststellung über die fachliche Qualifikation als grundsätzlich gegeben hinzunehm e n 4 2 . Der vorschlagenden Fakultät und Hochschule kommt daher auch nach der neueren Judikatur namentlich des BVerfG zum Beurteilungsspielraum 43 nur ein begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum 44 z u 4 5 . Die Nachprüfung der zuständigen staatlichen Stelle ist daher auf die Rechtmäßigkeit in dem Sinne beschränkt, dass die Hochschule die Verfahrensvorschriften eingehalten hat, dass sie von dem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, dass sie allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe beachtet und sich von keinen sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat 4 6 . Insofern ist es zutreffend, wenn etwa der B a y V G H i m Einklang mit entsprechenden Ausführungen des B V e r w G 4 7 feststellt, „dass traditionell i m deutschen Hochschulrecht bei der Berufung dem Vorschlagsrecht der Universität ein entsprechend begrenztes Auswahlrecht des zuständigen Kultusministers korrespondiert." 48 Aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG folgt daher grundsätzlich eine Befolgungspflicht der staatlichen Stelle in fachlicher Hinsicht 4 9 . Die zuständige staatliche Stelle kann demnach die Ablehnung der Berufung eines von der Hochschule vorgeschlagenen Bewerbers bei einem verfahrensrechtlich wie auch inhaltlich lege artis erarbeiteten Berufungsvorschlag der Hochschule grundsätzlich nur auf „personalrechtliche Gründe" stützen 50 . Berufungsverfahrens, wobei den Hochschulen die fachliche Beurteilung zugewiesen wird. Diese klare gesetzliche Zuordnung wird mit der Obergutachtenpraxis negiert (s. auch H. Detmer, ebd.). 42 V. Epping, WissR 25 (1992), 166 (177). 43

BVerfGE 84, 34 ff.; 59 ff.; s. hierzu im Überblick und mit umfassenden Nachweisen z. B. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 7 Rn. 36 ff. 44 Siehe hierzu m. w. N. H. Maurer, ebd., § 7 Rn. 36 i.V. mit Rn. 38, 44 i.V. mit 43. 45 BVerwGE 16, 50 (52); BVerwG, NVwZ 1986, 374 (376); H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (197 ff.); V: Epping, WissR 25 (1992), 166 (178); ders., WissR 28 (1995), 211 (213). 46 Vgl. nur H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 7 Rn. 43. 47 BVerwGE 52, 313 (318 f.); 55, 73 (77). 48 BayVGH, KMK-HSchR 1983, 267 (278 f.). 49 L. Brocker, RiA 1993, 271 ff.; H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (11 ff.); ders., WissR 30 (1997), 193 (198); V: Epping, WissR 25 (1992), 166, 178; ders., WissR 28 (1995), 211 (213). so BVerwGE 52, 313 (319); BVerwG, NVwZ 1986, 374 (375); L. Brocker, RiA 1993, 271 (272, 273); H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (203 f., 212; zugleich dezidiert und überzeugend argumentierend gegen andere Entscheidungskriterien [Altersgrenzen; Drei-JahresSperre; Verfügbarkeit, Frauenförderung,) S. 202 ff. V: Epping, WissR 25 (1992), 166 (174);

192

Volker Epping Exkurs: Die Bindungswirkung des Berufungsvorschlags im Verhältnis der vorschlagenden Fakultät zu der Zentralebene der Hochschule

Aus der Betrachtung weithin ausgenommen ist überdies die Frage, welche Rechtsposition der Bewerber erlangt, wenn er von der Fakultät lege artis, also verfahrensrechtlich wie fachlich in nicht zu beanstandender Weise primo loco gesetzt wurde. Unter entsprechender Heranziehung der obigen Ausführungen zur grundsätzlichen Bindungswirkung des Berufungsvorschlags der Hochschule wird man auch gegenüber der Zentralebene, also auch gegenüber einem mit weitgehenden Kompetenzen ausgestatteten Präsidenten eine ВindungsWirkung annehmen müssen. Sollte etwa ein ordnungsgemäßer Berufungsvorschlag der Fakultät von Organen der Zentralebene angehalten werden, könnte die Fakultät dies i m Rahmen eines Interorganstreits einer verwaltungsgerichtlichen Uberprüfung zuführen. Abgesehen von diesem verfahrensrechtlichen Aspekt hat der von der das Berufungsverfahren durchführenden Fakultät auf den ersten Listenplatz gesetzte Bewerber bereits die „erste Hürde" des Berufungsverfahrens genommen. Unabhängig von einer Verlautbarung der Fakultät an den Bewerber hat diese Plazierung durch die Fakultät jedenfalls noch keine rechtliche Bindungswirkung. Weder die Aufnahme in einen Berufungsvorschlag noch der Berufungsvorschlag selbst ist ein Verwaltungsakt i.S. des § 35 S. 1 V w V f G 5 1 . Berufen werden die Professoren gem. § 45 Abs. 2 S. 1 H R G auf Vorschlag der zuständigen Hochschule von der nach Landesrecht zuständigen Stelle. Der Berufungsvorschlag der Fakultät und der Hochschule hat daher für die in Rede stehende Frage nur rein verwaltungsinterne Bedeutung. Das Auswahlverfahren ist erst mit der Auswahlentscheidung durch die staatlich zuständige Stelle, die sich in dem ,Ruf' an den ausgewählten Bewerber artikuliert, beendet. Sieht man entgegen der Auffassung des BVerwG in dem Ruf die nach außen an den Berufenen verlautbarte Auswahlentscheidung einen Verwaltungsakt i.S. des § 35 S. 1 V w V f G , wird man diesen angesichts der gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkung von Fakultät und Hochschule daher als sog. mehrstufigen Verwaltungsakt qualifizieren können 5 2 .

ders., WissR 28 (1995), 211 (213 f.); D. Leuze, in: ders./Bender, WissHG NW-Kommentar, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Januar 1990) Rn. 4; H. Siekmann, DÖV 1979, 82 (86); s. auch BayVGH, DVB1. 1998, 1354: „In der Rspr. ist anerkannt, dass personalpolitische Gesichtspunkte (Verfassungstreue - vgl. BVerwGE 52, 313) und wissenschaftspolitische Gesichtspunkte (Verhinderung von Querberufungen - vgl. BVerwG in Buchholz 421.20 Hochschulpersonalrecht Nr. 38) Abweichungen vom Berufungs Vorschlag rechtfertigen können." 51 OVG NW, DUZ 1974, 279; H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (22); D. Leuze, in: Leuze/ Bender, WissHG/UG NW-Kommentar, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 5a m. w. N. 52 Zum mehrstufigen Verwaltungsakt allgemein: H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 9 Rn 30.

Zur Rechtsnatur des „Rufs" c) Regelungscharakter

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des Rufes

Da die zuständige staatliche Stelle mit dem Ruf nach außen sichtbar das Auswahlverfahren zugunsten des Bewerbers beendet, erlangt der Berufene dann unabhängig von den noch nachfolgend anzusprechenden Berufungsverhandlungen (s.u. d) einen - so die gängige, zuweilen auch apodiktische Aussage 53 - „Anspruch auf Anstellung" 5 4 . Dabei stellt sich freilich die Frage, was sich hinter dieser plakativen Aussage rechtlich genau verbirgt. I m Hinblick auf die Bindungswirkung steht dabei konkret die Frage i m Raum, ob der gegenüber dem Bewerber ausgesprochene Ruf selbst Verwaltungsakt i.S. des § 35 S. 1 V w V f G i s t 5 5 . Problematisch ist insoweit allein die Frage, ob der Ruf Regelungscharakter hat. Eine Regelung ist nach der geläufigen Definition eine rechtsverbindliche Anordnung, eine Willenserklärung, die auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Die Rechtsfolge besteht darin, dass Rechte und / oder Pflichten begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden 5 6 . Wie dargelegt, wird mit dem Ruf nicht nur der Auswahlprozess beendet, sondern quasi eine Anwartschaft' auf die ausgeschriebene Professur begründet, die sich durch die Erklärung des Berufenen, zur Rufannahme grundsätzlich bereit zu sein, weiter verdichtet. Somit ist fraglich, ob in der mit dem Ruf einhergehenden Rechtserweiterung bereits eine Regelung zu sehen ist. Der Ruf ist jedenfalls nicht als bloße - keinen Regelungscharakter aufweisende vorläufige Maßnahme zu qualifizieren, die die Rechtslage einstweilig sicherstellt oder ändert. Das in der Ruferteilung vielleicht zu erblickende ,Vorläufigkeitselement' beruht angesichts der darin liegenden nach außen tretenden Auswahlentscheidung nämlich nicht wie bei vorläufigen Maßnahmen darauf, dass es an einer abschließenden Sachverhaltsermittlung fehlt und die Maßnahme unter dem Vorbehalt späterer Nachprüfung und endgültiger Entscheidung ergeht 5 7 . Ebenso ist der Ruf auch kein Vorbereitungsakt, dem ebenfalls kein Regelungscharakter zugemessen w i r d 5 8 . Denn angesichts der mit dem Ruf getroffenen definitiven Entscheidung für den Bewerber, mit ihm die Professur zu besetzen, kann der Ruf auch nicht mehr

53 V Epping, WissR 25 (1992), 166 (179); ders., WissR 28 (1995), 211 (216 ff.); H. Krüger, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: August 1990) Rn. 48; A. Reich, HRG-Kommentar, 7. Aufl. 2000, § 45 Rn. 3. 54 OVG Lüneburg, NJW 1984, 1639; L. Brocker, RiA 1993, 271 (276). 55 So OVG Lüneburg, NJW 1984, 1639 (1640); L. Brocker, RiA 1993, 271 (276 f.); H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (14); WissR 30 (1997), 193 (210); V. Epping, WissR 28 (1995), 211 (216 ff.); A. Kehler, in: Denninger, HRG-Kommentar, 1984, § 45 Rn. 34; D. Leuze, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, Teil 3: Landeshochschulrecht, Nordrhein-Westfalen (Stand dieser Kommentierung: Mai 1995), Rn. 69; ders., in: Leuze / Bender, WissHG/UG NW, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 9; ders., in: Hailbronner/Geis, HRGKommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: April 2000) Rn. 46. 56 Vgl. nur H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 9 Rn. 6. 57 Vgl. BVerwGE 67, 99; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 9 Rn. 63b m. w. N. 58

Vgl. nur H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 9 Rn. 9.

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der Vorbereitung einer endgültigen Entscheidung dienen. Die endgültige hoheitliche Entscheidung ist bereits der Ruf, die damit auch Bindungswirkung auslöst 59 . I m übrigen wird selbst i m allgemeinen Beamtenrecht mit guten Gründen die Auffassung vertreten, dass die verlautbarte und regelnde Auswahlentscheidung einen Verwaltungsakt darstellt 6 0 . Schließlich wäre es wenig überzeugend, wenn der in der Ruferteilung liegenden gleichzeitigen Absage gegenüber dem Nichtberufenen Verwaltungsaktsqualität eingeräumt w i r d 6 1 , der Berufung als regelnde und verlautbarte Auswahl diese Qualität jedoch verweigert würde 6 2 . Indes ist das weiter zur Stützung der Verwaltungsaktseigenschaft des Rufes vorgetragene Argument nicht haltbar, die Berufung müsse Verwaltungsakt sein, weil die an die nicht berücksichtigten Bewerber gerichtete Mitteilung über die Auswahlentscheidung als Verwaltungsakt angesehen werden müsse 6 3 . Wie Hubert Detmer zutreffend eingewandt hat, kann die Entscheidung, ob die Berufung als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Mitbewerber - wie verfassungsrechtlich gefordert (Art. 33 Abs. 2 GG i.V. mit Art. 19 I V G G ) 6 4 - benachrichtigt werden.

d) Berufungsverhandlungen Über den Zeitraum, in dem nach der Mitteilung des Berufenen, zu der Rufannahme grundsätzlich bereit zu sein, die sog. Berufungsverhandlungen geführt werden, enthalten das HRG wie auch die Landeshochschulgesetze keine Regelungen, was möglicherweise auch ein Grund für die irrigen und widersprüchlichen Annahmen des B A G ist. Lediglich § 33 BBesG n.F. 6 5 (vormals die Bundesbesoldungsordnung С als Anlage I I zum BBesG) weist auf das Institut der Berufungsverhandlungen hin. Einer (weiteren) Regelung bedarf es aber auch nicht. Berufungsverhandlungen sind, jedenfalls sofern der Bewerber zum Beamten ernannt werden soll, keine auf die Begründung des Professoren Verhältnisses gerichteten ,Vertrags59 H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (12, 14); V. Epping, WissR 28 (1995), 211 (214). 60 BVerwGE 80, 127 (129); H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (14); V Epping, WissR 28 (1995), 211 (218); H. Günther, ZBR 1990, 284 (286). 61 BVerwG DVB1. 1985, 1233 (1234); OVG Lüneburg, NJW 1984, 1639 (1640); VG Bremen, WissR 16 (1983), 178 (180); L. Brocker, RiA 1993, 271 (276 f.); H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (13 ff.); V Epping, WissR 25 (1992), 166 (179); ders., WissR 28 (1995), 211 (218); A. Kehler, in: Denninger, HRG-Kommentar, 1984, § 45 Rn. 34; H. Krüger, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: August 1990) Rn. 48; Л. Reich, HRG-Kommentar, 7. Aufl. 2000, § 45 Rn. 3. 62 H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (14); vgl. auch C.-D. Bracher, ZBR 1989, 139; H. Günther, ZBR 1990, 284 (288). 63 So: OVG Lüneburg, NJW 1984, 1639 (1640). 64 BVerfG, NJW 1990, 501; Я. Günther, ZBR 1990, 284 (286). 65 In der Fassung des Gesetzes zur Reform der Professorenbesoldung v. 16. 2. 2002, BGBl. I, S. 686.

Zur Rechtsnatur des „Rufs"

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Verhandlungen4, wovon aber das B A G in seiner Entscheidung vom 9. Juli 1997 auszugehen scheint, wenn es judiziert, dass „Berufungsverhandlungen . . . mit dem Abschluss einer Berufungs Vereinbarung beendet werden [können], die Grundlage [sie!] der sich anschließenden Ernennung des Bewerbers zum Beamten oder für den Abschluss eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages ist. 4 ' 6 6 Berufungsverhandlungen sind nämlich keineswegs unabdingbare Voraussetzung des Entstehens eines beamteten Professorenverhältnisses 67 , das allein durch den beamtenrechtlichen Ernennungsakt begründet wird. Sie dienen lediglich dazu, gewisse Modalitäten der Tätigkeit in dem künftigen Amt, wie etwa die persönlichen Bezüge, die sächliche und persönliche Ausstattung der Professur bzw. des Lehrstuhls, Forschungsfreisemester etc. zu regeln. Der durch beamtenrechtliche Normen bestimmte Amtsinhalt kann durch die Berufungsverhandlungen weder verändert noch ergänzt werden. Berufungsverhandlungen sollen den Bewerbern, die als Wissenschaftler und Hochschullehrer bereits einen gefestigten Ruf besitzen, in die Lage versetzen, ihre solche Modalitäten betreffenden Forderungen vorzutragen und i m Falle des Scheiterns ihre Bewerbung - die Beamtenernennung ist ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt 6 8 - zurückzuziehen. Dem O V G Lüneburg ist daher in seiner für die rechtliche Qualifikation des Rufes rechtsgrundsätzlichen Entscheidung vom 11. August 1982 6 9 uneingeschränkt zuzustimmen, dass in Anbetracht dieser hinsichtlich der Ernennung nicht essentiellen, sondern nur akzidentiellen Bedeutung der Berufungsverhandlungen schon der erste Teil des ministeriellen Berufungsverfahrens, nämlich die Entscheidung, eine Professur mit einem bestimmten Bewerber zu besetzen, keine bloße Aufforderung ist, in Berufungsverhandlungen einzutreten, sondern ein wesentlicher, rechtlich relevanter Akt. Auch wenn Berufungsverhandlungen in unmittelbarem tatsächlichen Zusammenhang mit der Berufung stehen, sind sie rechtstechnisch von der Berufung zu trennen, da sie lediglich anlässlich der Berufung geführt werden 7 0 . Dies zeigt sich auch daran, dass selbst wenn nach langwierigen Berufungsverhandlungen erhebliche Divergenzen zwischen den Wünschen des Berufenen und dem Angebot des Landes sowie der Universität bestehen, es dem Berufenen frei steht, sogar ohne eine Berufungsvereinbarung den Ruf definitiv, also nicht nur grundsätzlich anzunehmen. Dies hat nur zur Folge, dass der Berufene mit dem von vornherein und unabhängig von irgendwelchen Berufungsverhandlungen gesetzlich bestimmten Amtsinhalt ernannt w i r d 7 1 . In der Regel wird der Berufene freilich erst dann der Berufung auf die Professur

66 BAG, ZTR 1998, 92 (93). 67 So aber explizit VG Wiesbaden, Urteil v. 20. 3. 1995-8/V Ε 844/93 (nicht veröffentlicht), S. 10 f. 68 Vgl. dazu P. Stelkens/U. Stelkens, in Stelkens/Вопк/Sachs, VwVfG-Kommentar, 6. Aufl. 2001, §35 Rn. 153 ff. 69 OVG Lüneburg, NJW 1984, 1639 f. 70 H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (14); S. Metzger, Die Berufungsvereinbarung, Diss. iur. Bonn 1993, S. 214 f. mit Fn. 11. 71 OVG Lüneburg, NJW 1984, 1639 (1640); H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (14).

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zustimmen, wenn eine Berufungsvereinbarung zustandekommt. - Dass vom Ruf die Berufungs Verhandlungen und deren Ergebnis, die Berufungsvereinbarung, zu trennen sind, ergibt sich schließlich auch daraus, dass nach inzwischen gefestigter Rechtsauffassung die Berufungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag anzusehen i s t 7 2 .

e) Die beamtenrechtliche

Ernennung

I m Gegensatz zum allgemeinen Beamtenrecht steht - was das anscheinend allein auf das allgemeine Beamtenrecht fixierte BVerwG verkennt - bei der Besetzung einer Professur nicht die Ernennung i m Mittelpunkt 7 3 , sondern vielmehr die auch rechtlich von der Ernennung getrennte 74 Berufung auf die Professur. Das HRG bringt dies (auch) dadurch zum Ausdruck, dass ausdrücklich nicht auf die Ernennung, sondern auch auf die Berufung abgestellt wird: Gem. § 45 Abs. 2 S. 1 HRG werden die Professoren auf Vorschlag der Hochschule von der nach dem Landesrecht zuständigen Stelle berufen. A n diese Berufung lediglich anknüpfend formuliert § 46 H R G dann, dass die Professoren, soweit sie in das Beamtenverhältnis berufen werden, zu Beamten auf Lebenszeit oder Zeit ernannt werden. Da der Begriff der Berufung i m Zusammenhang mit der Begründung des Professorenverhältnisses nicht neben anderen Begriffen wie Einstellung' oder ,Ernennung', sondern ausschließlich gebraucht wird, muss davon ausgegangen werden, dass die Ruferteilung die Entscheidung umfasst, eine Professur mit einem bestimmten Bewerber zu besetzen mit der beamtenrechtlichen Ernennung als bloße Folge, sofern eine Berufung in das Beamten Verhältnis erfolgt 7 5 . Dies ist auch zwingende Konsequenz des § 46 HRG, der es j a durchaus zulässt, dass Professoren nicht in den Regelstatus des Professors, das Beamtenverhältnis 76 , berufen werden (s. auch § 50 Abs. 4

72 Umfassend: W. Löwer, WissR 26 (1993), 233 ff. m. w. N. und S. Metzger, Die Berufungsvereinbarung, Diss. iur. Bonn 1993, S. 77 ff. m.w.N. in Fn. 18; s. auch H. Detmer, MittHV 1990, 267; D. Leuze, in: ders./Bender, WissHG/UG NW-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 9; ders, in: ders. / Bender, WissHG-Kommentar, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Januar 1990) Rn. 9, spricht insofern von einer nach den bahnbrechenden Arbeiten von V. Grellert (WissR, Beiheft 3 [1969], 126 ff. und WissR, Beiheft 4 [1970], 61 ff.) von einem vorwiegend akademisch gewordenen Charakter dieser Streitfrage; ders., in: Hailbronner/Geis, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: April 2000) Rn. 48 unter Verweis auch auf VGH BW, VB1BW 1999, 378 ff.; ebenso H. Krüger, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: August 1990) Rn. 50. 73 Vgl. zum allgemeinen Beamtenrecht nur H. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2001, Rn 1 ff., 66; W. Wiese, Beamtenrecht, 3. Aufl. 1988, S. 81 f. 74 H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (15). 75 Ähnlich OVG Lüneburg, NJW 1984, 1639. 76 U. Battis/ К J. Grigoleit, Zulässigkeit und Grenzen der Ausbringung von Professorenämtern auf Zeit (Rechtsgutachten, 1996) S. 30; V: Epping, ZBR 1997, 383 (386); H. Walter,

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HRG). Wird der Professor in das Angestellten Verhältnis berufen, entfällt zwangsläufig die Ernennung als Folge. In diesem Falle bleibt es bei der Berufung auf die Professur, was belegt, dass zwischen Berufung und Ernennung zwingend zu differenzieren ist. I m Hinblick auf die mit dem Ruf intendierte Regelung, die Besetzung der Professur mit dem Berufenen, ist diese Regelung quasi aufschiebend bedingt' bis zur definitiven Annahme des Rufs, die regelmäßig erst nach Durchführung der Berufungsverhandlungen erfolgt und in der Ernennung mündet. Die Ernennung ist also i m Hinblick auf die Stellenbesetzung ein typischer Fall des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts 77 , bei dem der Betroffene zwar auf die Wirksamkeit oder Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes Einfluss nehmen kann, der Inhalt des Verwaltungsaktes aber seinem rechtsgeschäftlichen Bindungswillen entzogen i s t 7 8 . Insofern hat der Berufene lediglich die Möglichkeit, durch Verweigerung der Zustimmung den Erlass der Regelung - die Ernennung - zu verhindern. Verwunderung muss daher zwangsläufig auch die zur Stützung seiner Entscheidung herangezogene Feststellung des BVerwG hervorrufen, dass „das Institut des ,Rufes' . . . i m Hochschulrahmengesetz nicht ausgestaltet" sei 7 9 . Dem BVerwG sei insofern nochmals § 45 H R G in Erinnerung gerufen, der auch nach seiner amtlichen Überschrift von nichts anderem handelt als der Berufung von Professoren. § 45 Abs. 2 S. 1 HRG bringt es auf den Punkt: „Die Professoren werden auf Vorschlag der Hochschule von der nach Landesrecht zuständigen Stelle berufen." Dies aber kann sich doch auch rechtstatsächlich nur durch eine gegenüber einem Bewerber ausgesprochene Berufung - in der Regel durch ein Berufungsschreiben - , also den ,Ruf' vollziehen. Wie diese Berufung rechtlich zu qualifizieren ist und welche Folgerungen sich daraus ergeben, ergibt sich in der Tat nicht explizit aus dem HRG. Dies gilt aber ebenso für die Baugenehmigung und die OrdnungsVerfügung. Beide sind Beispiele für klassische Verwaltungsakte, obgleich die maßgeblichen Normen der Bauordnungen und Polizei- und Ordnungsgesetze in der Regel diese beiden Akte expressis verbis nicht als Verwaltungsakte qualifizieren. „Dreh- und Angelpunkt" hierfür ist § 35 V w V f G , den freilich auch das BVerwG an anderer Stelle in Bezug auf den Ruf durchaus in den Blick n i m m t 8 0 . Diesen Punkt abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass dieses durch zwei Verwaltungsakte - Ruf und Ernennung - gekennzeichnete Verfahren keineswegs eine Besonderheit i m Verwaltungsrecht ist. Ein vorausgehender A k t muss keineswegs zwangsläufig eine bloße Vorbereitungshandlung sein - was zumindest unterschwellig in den beiden höchstrichterlichen Entscheidungen anklingt - , auch wenn in: Hailbronner/Geis, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: Juli 1989) Rn. 2, 4. 77 H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (14); У Epping, WissR 28 (1995), 211 (217). 78 Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 14 Rn. 19. 79 BVerwGE 106, 187(191). so BVerwGE 106, 187 (188, 189).

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in diesem ersten A k t ,nur' eine Absicht zum Ausdruck gebracht wird. So ist der Betrieb eine Handwerksgewerbes ,zulassungsbedürftig'; nach der Handwerksordnung setzt der Betrieb die Eintragung in die Handwerksrolle voraus, § 1 Abs. 1 S. 1 HandwO. Die Genehmigung ist dabei zweistufig: Als erstes erfolgt die Mitteilung über die Absicht der Eintragung, § 11 HandwO. Die zweite Stufe ist die Eintragung. Sowohl die Mitteilung über die Absicht der Eintragung wie auch die Eintragung selbst werden als Verwaltungsakte i.S. des § 35 S. 1 V w V f G qualifiziert. Die Mitteilung dient nicht lediglich, wie der Wortlaut - so auch i m Falle des Rufes (s.o.) - nahezulegen scheint, der Information des Betroffenen (in diesem Beispiel des Gewerbetreibenden über die beabsichtige Eintragung). Vielmehr stellt sie für den konkreten Fall die Eintragungsbedürftigkeit fest und beinhaltet deswegen eine Regelung mit Außenwirkung 8 1 .

f) Bindungswirkung

des Rufes

Wie Hubert Detmer es jüngst treffend ausdrückte, realisiert sich der Regelungsgehalt des Rufes darin, dass der Staat dem Rufinhaber gegenüber i m Regelfall erklärt, sich die Auswahlentscheidung der Hochschule final zu eigen gemacht zu haben und den Auserwählten auch ernennen zu w o l l e n 8 2 . Inhaltlich bewirkt dieser Verwaltungsakt keine absolute Ernennungssicherheit, wie die §§ 48 und 49 V w V f G nachdrücklich belegen 8 3 . Der potentielle Dienstherr hat mit den Worten des Jubilars daher nicht das Recht, „den Ruf als rechtliches Nullum zu betrachten und sich nach seinem Gutdünken von ihm sang- und klanglos zu verabschieden." 84 Insofern befindet sich der Verfasser durchaus i m Einklang mit der Auffassung von Hubert Detmer 8 5 und Dieter Leuze 8 6 , die augenscheinlich dem vielleicht missverständlichen Terminus „Zusicherung der Ernennung" ein ,mehr' gegenüber der Qualifikation des Rufes als Verwaltungsakt in dem Sinne unterlegen, als könne sich der Staat dann nicht mehr von dem Ruf lösen („vorbehaltslose Zusicherung der Einstellung oder Ernennung" 8 7 ; „Ernennungssicherheit" 88 ). Dies ist aber keiD. Ehlers, in. Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, 1990, Kapitel 1/2, Rn. 282 f.; M. Locher, in: H.D. Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl. 1997, S. 294. 82 H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (213). 83 Zu den tragfähigen Gründen für eine Aufhebung des Rufes s. H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (213 f.); D. Leuze, in: Leuze/Bender, WissHG/UG NW-Kommentar, § 50 (Stand dieser Bearbeitung: Dezember 1998) Rn. 5. 84 D. Leuze, ebd. 85 Ebd. 86 Zumindest zurückhaltend bzw. sich nicht entscheidend: D. Leuze, in: Leuze / Bender, WissHG/UG NW-Kommentar, § 50 (Stand dieser Bearbeitung: Dezember 1998) Rn. 5; ders., in: Hailbronner/Geis, HRG-Kommentar, § 45 (Stand dieser Kommentierung: April 2000) Rn. 46. 8v H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (210). 88 H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (213).

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neswegs der Fall: Soll der Bewerber in das Beamten Verhältnis berufen werden, enthält die Ruferteilung gleichzeitig die gesetzliche Zusicherung bzw. Zusage der Ernennung. Diese mit der Ruferteilung einhergehende gesetzliche Zusicherung ist Konsequenz des § 46 HRG, der an die Berufung, die mit der Ruferteilung ausgesprochen wird, die Ernennung als bloße Folge anhängt 89 . Aber selbst wenn man diese Zusicherung von der die zentrale Regelung des Rufes ausmachenden Auswahlentscheidung abkoppelt, wie es zuweilen i m Schrifttum angedacht w i r d 9 0 , wird man auf die Regelung des § 38 V w V f G verwiesen 9 1 . Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob die Zusicherung als Verwaltungsakt zu qualifizieren i s t 9 2 , erlaubt die Zusicherung eine Entziehung des Rufes, wie der Blick in § 38 Abs. 3 V w V f G - eine spezialgesetzliche Regelung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (clausula rebus sie stantibus) - nachdrücklich bestätigt: Ändert sich nach Abgabe der Zusage die Sach- und Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist bei Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden. Zwar gelten die für die Bestandskraft von Verwaltungsakten betreffenden Vorschriften gem. § 38 Abs. 2 V w V f G entsprechend für die Zusicherung, aber eben nur unter dem Vorbehalt der gleichbleibenden Sach- und Rechtslage. Aus der in § 38 Abs. 2 V w V f G angeordneten analogen Anwendung der Vorschriften über den Verwaltungsakt ergibt sich daher sogar, dass eine rechtswidrige Zusicherung rechtswirksam und verbindlich wird. Voraussetzung für die Verbindlichkeit ist gem. § 38 V w V f G (zunächst) nur, dass die Zusicherung von der zuständigen Behörde in schriftlicher Form abgegeben wurde und kein Nichtigkeitsgrund vorliegt. Die rechtswidrige Zusicherung kann aber nach der entsprechend anwendbaren Rücknahmeregelung des § 48 V w V f G aufgehoben werden, freilich nur unter Beachtung des in § 48 V w V f G explizit geregelten Vertrauensschutzes (s. § 48 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 - 4 V w V f G ) . Dasselbe gilt für die ebenfalls gem. § 38 Abs. 2 V w V f G entsprechend anwendbare Widerrufsregelung des § 49 V w V f G . Dabei ist freilich zu beachten, dass die Verbindlichkeit der Zusicherung gem. § 38 Abs. 3 V w V f G jedenfalls nach dem Wortlaut dieser Bestimmung und vielfach vertretenen 9 3 , aber vehement bestrittenen Leseweise 9 4 i m Gegensatz zu der Regelung des 89 Angesichts der gern. § 46 HRG akzessorischen Ernennung ist es sicherlich vorschnell, wenn H. Detmer, WissR 28 (1995), 1 (15 a.E. unter Verweis auf H. Günther, ZBR 1990, 284 [289]), der Auffassung ist, dass der Statusakt nicht der Legitimation des Auswahlaktes bedürfe auch wenn eine Einstellung als Form der Ernennung ohne Rücksicht auf die Verleihung eines Amtes erfolgen kann (so G. Hilg, Beamtenrecht, 3. Aufl. 1990, S. 109). 90 s. etwa S. Hobe, JA 1999, 18 (19 f.), und D. Leuze, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, Landesrecht Nordrhein-Westfalen (Stand dieser Kommentierung: Mai 1995) Rn. 69. 91 So zutreffend bereits D. Leuze, in: Hailbronner, HRG-Kommentar, Landesrecht Nordrhein-Westfalen (Stand dieser Kommentierung: Mai 1995) Rn. 69 unter Verweis auf § 38 Abs. 3 und § 28 Abs. 2 i.V. mit § 49 VwVfG; S. Hobe, JA 1999, 18 (19). 92 s. hierzu etwa H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 9 Rn. 60. 93 BVerwGE 97, 323 ff.; S. Hobe, JA 1996, 102 (105); K. Lange, WiVerw 1979, 15 (30); Р. Stelkens/U. Stelkens, in Stelkens/Вопк/Sachs, VwVfG-Kommentar, 6. Aufl. 2001, 14 FS Leuze

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§ 49 Abs. 2 Nr. 3 - 5 i.V. mit Abs. 6 V w V f G entschädigungslos und damit unter vollständiger Verdrängung von Vertrauensschutzgesichtspunkten entfällt, wenn sich die ihr zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage ändert. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass der i m Ruf verlautbarten Auswahlentscheidung Regelungscharakter zukommt und der Ruf daher als Verwaltungsakt i.S. des § 35 S. 1 V w V f G zu qualifizieren ist, wird man es gleichwohl der zuständigen staatlichen Stelle zugestehen müssen, dem Ruf gem. § 36 Abs. 2 V w V f G eine Nebenbestimmung 95 , namentlich einen Widerrufs vorbehält i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 3 V w V f G beizufügen. Selbst wenn die entsprechende gesetzliche Bestimmung eine gebundene Entscheidung vom Wortlaut her nahezulegen scheint, wird der zuständigen staatlichen Stelle - wie ausgeführt - insofern ein Auswahlermessen zugestanden 96 , mithin ihr also auch der Bereich des § 36 Abs. 2 V w V f G eröffnet. Angesichts der grundsätzlichen Bindungswirkung an den Berufungsvorschlag der Hochschule in fachlicher Hinsicht ist das Auswahlermessen folglich in der Regel auf „personalrechtliche" Gründe begrenzt 97 . Dem entsprechend wird man den Vorbehalt lediglich auf den dem Staat zugestandenen Bereich, also den personalrechtlichen Bereich, namentlich die persönlichen Voraussetzungen für die Begründung eines Beamten- oder Angestelltenverhältnisses, erstrecken können, sofern nicht diese Frage bis zur Ruferteilung gänzlich geklärt sein sollten. So kann etwa die Zusicherung der (beamtenrechtlichen) Ernennung 4 unter den Vorbehalt der Erfüllung der beamtenrechtlichen Voraussetzungen in der Person des Berufenen gestellt werden. Sollte eine Ernennung zum Beamten nicht in Betracht kommen, wäre - bei Vorliegen einer entsprechenden gesetzlichen Option - dann aber immer noch eine Beschäftigung i m Angestelltenverhältnis möglich. Erst wenn auch eine solche Anstellung aus personalrechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt, kann der Widerrufsvorbehalt auf die Auswahlentscheidung durchschlagen' und eine Aufhebung des Rufes nach sich ziehen.

g) Verwaltungsakt

mit ,Dreifachwirkung'

Wie ausgeführt, steht bei dem Rufschreiben i m Vordergrund zunächst die verlautbarte Auswahlentscheidung, der Regelungscharakter zukommt. Der Ruf ist daher als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Wenn insofern von einem typischen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung gesprochen w i r d 9 8 , ist dies von der Typisierung

§ 38 Rn. 72a; C. Η. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl. 1995, § 49 Rn. 11. 94 R Baumeister, DÖV 1997, 229 ff.; F.O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG-Kommentar, 7. Aufl. 2000, § 38 Rn. 45. 95 In diese Richtung gehend auch S. Hobe, JA 1999, 18 (19 f.). 96 s.o. unter II. 2. b). 97 Ebd.; s.o. insbes. Fn. 50.

Zur Rechtsnatur des „Rufs"

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sicherlich zutreffend, wenngleich richtigerweise von einem Verwaltungsakt mit ,Dreifachwirkung' gesprochen werden müsste: Zwar sind weder die Hochschule noch die Konkurrenten Adressaten des Verwaltungsaktes, sondern ausschließlich der Berufene. Für die Konkurrenten beinhaltet die Ruferteilung an den Mitbewerber aber zugleich die Entscheidung der zuständigen staatlichen Stelle, sie bei der Besetzung der Professur nicht zu berücksichtigen, weshalb der für den Berufenen begünstigende Verwaltungsakt zugleich eine belastende Drittwirkung hat. Drittwirkung entfaltet der Ruf aber auch gegenüber der Hochschule. Denn in jedem Fall handelt es sich hierbei auch um eine Entscheidung über den Vorschlag einer Hochschule, durch den diese i m Rahmen der akademischen Selbstverwaltung mitgewirkt h a t " und die in letzter Konsequenz die Aufnahme in die Hochschulkorporation zur Folge h a t 1 0 0 . Die Drittwirkung gegenüber der Hochschule ist dann belastend, wenn die Berufung abweichend von der Reihenfolge des Berufungsvorschlags der Hochschule erfolgt 1 0 1 .

h) Einstellungsaltersgrenzen Anzusprechen bleibt schließlich noch die i m streitgegenständlichen bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Ministerium ausgesprochene Rückziehung des Rufangebots. Hochschul- und haushaltsrechtliche Einstellungsaltersgrenzen sowie die personalrechtlichen Ernennungsvoraussetzungen sind i m Berufungsverfahren staatlicherseits auf ihre Einschlägigkeit hin zu überprüfen. Sind wie i m streitgegenständlichen F a l l 1 0 2 Einstellungsaltersgrenzen überschritten, besteht regelmäßig die Möglichkeit, Professoren auch in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis anzustellen 1 0 3 . Diese Option ist letztlich nicht genutzt worden. Sieht man in dem Ruf eine Zusicherung der Ernennung / Anstellung, könnte der Rückzug des Rufes seine Rechtfertigung durch § 38 Abs. 3 V w V f G finden, sofern das Lebensalter der Bewerberin als nachträgliche Änderung qualifiziert werden könnte. Dies dürfte indes nicht möglich sein, da sich aus dem Berufungsvorschlag und den beigefügten Bewerbungsunterlagen das Lebensalter ergeben müsste, es dem Ministerium also auch bekannt gewesen sein musste. In Betracht käme dann 98 H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (213); D. Leuze, in: Leuze/Bender, WissHG/UG NW-Kommentar, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 5; so bereits schon Ii Epping, WissR 25 (1992), 166 (179). 99 BVerwGE 52,313 (316 f.); VG Bremen, WissR 11 (1978), 178 (180); VG Berlin, WissR 9 (1976), 273; VG Hamburg, Demokratie und Recht 1973, 314 (318 ff.); H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (213); V: Epping, WissR 25 (1992), 166 (179); D. Leuze, in: Leuze/Bender, WissHG / UG NW-Kommentar, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 5. 100 V. Epping, ebd. ιοί Ebd. юг Daraufweist S. Hobe, JA 1999, 18 (19) hin. юз s. z. B. § 46 HRG; § 67 Abs. 1, 5 UG BW; § 12 Abs. 3 BayHSchLG; § 49 Abs. 2 HG NW. 14*

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Volker Epping

aber eine Aufhebung der Zusicherung (s. § 38 Abs. 2 V w V f G ) bzw. des Rufes gem. § 49 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 V w V f G 1 0 4 . In dem Rufschreiben hatte das Ministerium nämlich darauf hingewiesen, dass die Bewerberin in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nur berufen werden könne, wenn die beamtenrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Das Ministerium hatte also die Berufung in ein Beamten Verhältnis - und nur diese - unter den Vorbehalt gestellt, dass die Bewerberin die beamtenrechtlichen Voraussetzungen, zu denen auch die Einstellungsaltersgrenzen gehören, erfüllt. Das Ministerium konnte daher gem. § 49 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 V w V f G die Zusicherung bzw. den Ruf zudem entschädigungslos (s. § 49 Abs. 6 V w V f G ) widerrufen, sofern die Bewerberin auf die Verbeamtung als conditio sine qua non für die Rufannahme beharrte. Sollte dies nicht der Fall gewesen s e i n 1 0 5 , worauf immerhin die Erwiderung der Berufenen (auf die Zurückziehung des Rufes) hindeutet „es müsse ein Missverständnis vorliegen; sie habe die Verbeamtung nie zu einer Bedingung für die Annahme des Rufes gemacht und sei auch bereit, die Professur i m Angestellten Verhältnis zu übernehmen 4 ' 1 0 6 , wäre die Zurückziehung des Rufes nach der hier vertretenen Rechtsnatur des Rufes jedenfalls nicht entschädigungslos möglich gewesen, sofern auch eine Beschäftigung i m Angestelltenverhältnis gesetzlich zugelassen ist.

III. Resümee M i t diesen beiden höchstrichterlichen Entscheidungen ist für die Praxis die Frage der Rechtsnatur des Rufes als geklärt anzusehen, bedauerlicherweise freilich in einer Weise, die nicht zu überzeugen vermag. Denn die vom BVerwG i m Einklang mit dem B A G explizit vorgenommene Herabstufung des Rufes zu einer „unselbständigen Vorbereitungshandlung mit verfahrensrechtlichen Charakter" 1 0 7 bedeutet - Dieter Leuze zitierend - „ i m Klartext, dass ein Ruf kaum das Papier wert ist, auf dem er geschrieben ist. Obwohl das mehrstufige Berufungs verfahren durch deutliche Zuordnung bestimmter Teilentscheidungen zu bestimmten Entscheidungsträgern gekennzeichnet ist', entwertet das BVerwG diese i m Prinzip unstreitige Aufgabenverteilung zwischen Hochschule und Staat und lässt den Berufungsvorschlag der Hochschule zur bloßen Anregung verkommen." 1 0 8 Dieser zutreffend vom Jubilar in seiner ihm eigenen prägnanten Diktion auf den Punkt gebrachten 104

A.a. insofern S. Hobe, JA 1999, 18 (20), der von einer Auflage ausgeht. Der vom BVerwG mitgeteilte Sachverhalt ergibt aber insofern keinen Aufschluss. Eine Sachverhaltsaufklärung in diesem Punkt war nach der Rechtsauffassung des BVerwG aber auch für die Streitentscheidung entbehrlich. 106 BVerwGE 106, 187. 105

107 BVerwGE 106, 187 (190). los D. Leuze, in: Leuze / Bender, WissHG/UG NW-Kommentar, § 50 (Stand dieser Kommentierung: Dezember 1998) Rn. 5, unter Berufung auf H. Detmer, WissR 30 (1997), 193 (199, 213 ff.).

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Bewertung ist nicht viel hinzuzufügen. Überspitzt wird man allenfalls noch die Frage stellen können bzw. müssen, warum denn die Hochschulgesetze angefangen vom H R G dann solche komplexen und z.T. bis in die Einzelheiten gesetzlich geregelten (Berufungs-)Verfahren in der Hochschule vorschreiben.

Streitvermeidung in Prüfungsverfahren durch Mediation? Hermann Fahse

I. Ein Studium hat einen gewissen Selbstzweck: I m Idealfall macht es Freude, die Lehrveranstaltungen zu besuchen; man lernt etwas, kann vieles, z. B. den Ablauf des Tages, weithin selbst bestimmen. Letztlich aber wollen die Studierenden doch einen Abschluss (folgend für alle Fälle: ein „ D i p l o m " ) erreichen. Dies auch deswegen, weil deren bis dahin meist einzige Prüfung das Abitur ist; und das ist kein berufsqualifizierender Abschluss, sondern befähigt allein zur Aufnahme eines Studiums als Hochschulzugangsberechtigung. I m Studium mag zuweilen Unmut aufkommen über zu frühe Vorlesungen oder deren Ausfall sowie über langweiligen, unsystematischen Vortrag o.ä. Eigentlichen Arger aber gibt es beim Scheitern in Prüfungen, sei es in Form von Abschluss- oder Vorprüfungen, vorgeschriebenen Leistungsnachweisen am Ende einer Lehrveranstaltung (durch Vergabe von Leistungspunkten), benoteten Übungen usw. Da Scheitern in derartigen Prüfungen einen erfolgreichen Studienabschluss verhindert oder verzögert, ist verständlich, dass daraus Streitigkeiten entstehen können, die äußerstenfalls durch Entscheidungen der (Verwaltungs-)Gerichte beendet werden. Dies ist jedoch wenig sinnvoll. Studierende wie auch die Professoren - die hier als einzige Gruppe der Prüfer betrachtet werden - sind Mitglieder derselben Hochschule (§ 36 Abs. 1 HRG), stehen als solche in einer Lehr- und Lerngemeinschaft, einer Beziehung also, die durch solche Streitigkeiten stark belastet, vielleicht sogar gefährdet wird. Weil die Studierenden ihr Studium i m Regelfall innerhalb einer bestimmten Zeit erfolgreich abschließen wollen oder müssen, ist die Verzögerung durch eine möglicherweise länger dauernde gerichtliche Auseinandersetzung für sie besonders störend. Vielen Streitigkeiten vor Gericht ist gemeinsam, dass die endgültige, rechtskräftige Streiterledigung viel Zeit kostet. Insbesondere i m Bereich der Wirtschaft mit ständig kürzeren Produktzyklen sind fünf oder mehr Jahre eine zu lange Zeit, um eine endgültige Entscheidung abzuwarten. Zugleich werden Produkte technisch immer komplizierter, so dass sie dem Verständnis der urteilenden Juristen oft nur schwer zugänglich sind. Das Schiedsverfahrensrecht (§§ 1025 ff. ZPO) mit dem Grundsatz des „Vorrangs der Privatautonomie und des Parteiwillens" ist diesem Bedürfnis gefolgt und bezweckt u. a. ein jedenfalls zeitlich straffes Verfahren der

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Streiterledigung zur Entlastung der staatlichen Justiz; Ähnliches gilt für die Schlichtung in tariflichen Auseinandersetzungen im kollektiven Arbeitsrecht 1 oder für die Einrichtung von Schlichtungsstellen in Arzthaftungsstreitigkeiten 2 . Es verwundert also nicht, dass i m Bereich solcher Streitigkeiten die Idee entstand, derartige Auseinandersetzungen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens einvernehmlich mit Hilfe eines sachverständigen neutralen Dritten zu lösen, jedenfalls gemeinsam zu beenden. Der hier tätige „neutrale Dritte", der Mediator (Vermittler, Schlichter) muss dazu bei beiden Streitparteien eine möglichst große Glaubwürdigkeit besitzen, da sonst eine oder gar beide Parteien aus dem Mediationsverfahren „aussteigen" und die weitere Auseinandersetzung vor Gericht suchen werden. Wesentlich trägt zur Vertrauensbildung bei, dass der Mediator genügend - mindestens fachbezogene - (Rechts-) Kenntnisse hat, um während des Schlichtungsverfahrens den Parteien (auch) zu vermitteln, dass - falls eine spätere gerichtliche Streitlösung in Gang gesetzt werden sollte - ein Gericht in der rechtlichen Betrachtung des Streits nach den nämlichen Kriterien urteilen wird, die der Mediator angelegt hat. 3 Welchen „Vorteil" hat dann noch die Mediation? Ohne dies hier weiter zu vertiefen: Es gibt in Deutschland - jedenfalls derzeit - noch keine Verfahrensvorschriften für Mediation (zum Schlichtungsverfahren s. unten). Diese Freiheit erlaubt es im Mediationsverfahren mehr als dies normalerweise einem Gericht möglich, pädagogische, zeitliche, wirtschaftliche, psychologische usw. Elemente in die Lösung des Konflikts einzubringen. Ein Vorteil, der unmittelbar einsichtig ist, wenn Streitigkeiten zu schlichten sind, etwa bei familiären oder geschäftlichen Beziehungen, insbesondere bei länger andauernden, wie Miete 4 oder nachbarschaftliche Verhältnisse usw. Die Erwartungen an den Mediator als Streitschlichter sind dann sicher auch, dass möglichst nicht eine der Parteien als Verliererin dasteht, weil dies ganz natürliche Revanchegefühle auslösen würde, was offensichtlich in die Zukunft hinein störend wirkt. Weiter hat der Mediator - ohne meist starre Bindungen an ein vorgesehenes Verfahren - auch die Möglichkeit, den Streit in erheblich kürzerer Zeit zu beenden 5 , schon weil er z. B. auf Zeugenvernehmungen oder die Einholung von

1 Dazu Prutting , Streitschlichtung und Mediation im Arbeitsrecht, Festschrift Hanau, 1999, S. 743 und Lembke, Mediation im Arbeitsrecht, 2001. 2 Dazu auch Kilian , Alternative Streitschlichtung in Arzthaftungsstreitigkeiten, VersR 2000, 942. 3 Auf denkbare Probleme insoweit mit dem Rechtsberatungsgesetz (Vorbehalt auch der außergerichtlichen Rechtsberatung für Rechtsanwälte) soll hier nicht eingegangen werden; es wird derzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft. 4 Der Haus- und Grundbesitzerverein München schlichtet durch seine Rechtsabteilung Streitigkeiten zwischen Haus- und Wohnungseigentümern, Mietern, Handwerkern, Hausverwaltungen, Nachbarn und Behörden und erledigt nach eigenen Angaben 98 Prozent der Konfliktfälle außergerichtlich (Süddeutsche Zeitung vom 2. 9. 2000); Mietstreitigkeiten allein machen etwa 15 Prozent der streitigen Zivilverfahren aus, vgl. Wagner JZ 1998, 836, 846 Fußnote 113.

Streitvermeidung in Prüfungsverfahren durch Mediation?

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Sachverständigengutachten verzichten kann. Zudem ist „rechtskräftige" Streiterledigung nach längerer Zeit ungünstig, weil ein erfolgreiches, konfliktfreies oder konfliktarmes Zusammenleben fast nicht vorstellbar ist, solange zwischen den Parteien noch ein Streitverfahren schwebt. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Menschen in einem gewissen engen Kontakt zueinander stehen. Gerade dann aber stellt sich - i m Hinblick auf das zukünftige Zusammenleben - die Aufgabe, Konflikte einvernehmlich zu lösen, besser diese möglichst nicht entstehen zu lassen. Es verwundert somit nicht, dass in weiten Bereichen der oben angesprochenen Gebiete von erfolgreicher Mediation berichtet wird bzw. gar der Gesetzgeber eingreift und den Versuch gütlicher Einigung vorschreibt, bevor der Weg zum Gericht gesucht werden kann. 6 Dieser Schritt ist den Parteien vor der gerichtlichen Auseinandersetzung auferlegt; der Streit aber ist dann bereits entstanden. Gemeinhin versteht man unter Mediation die Schlichtung eines - bereits entstandenen - Streits. Wünschenswert wäre es, bereits i m Vorhinein so auf die Parteien einzuwirken, dass „Ärgernisse", die sich zu einem Streit ausweiten können, gar nicht erst entstehen. Auch solche vorbeugenden Aktivitäten rechne ich zu den Aufgaben eines Mediators 7 ; und ich glaube, dass er hier - insbesondere wenn noch Einvernehmen zwischen den Parteien herrscht - mit mehr Erfolg tätig werden kann, als wenn der Frieden bereits gestört ist. Vielleicht sollte man daher allgemeiner von „außergerichtlicher Konfliktregelung" sprechen. 8 Auch ist i m Hinblick auf eine Streitbeilegung zu beachten, dass in den „Alles oder Nichts-Entscheidungen" - z. B. ob eine Kündigung wirksam ausgesprochen ist oder nicht - eine einverständliche Schlichtung schwer vorstellbar ist. Viele Fälle jedoch betreffen eher die Reichweite von Rechten und Pflichten - etwa bei fortbestehenden (z. B. Miet-) Rechtsverhältnissen - , in denen gerade wegen der weiterbestehenden rechtlichen und tatsächlichen Bindungen große Bereitschaft zur Schlichtung besteht. Anzustreben ist, vorbeugend einzuwirken, so dass ein Streit, der zu schlichten wäre, erst gar nicht entsteht. Solches Einwirken erscheint i m Rahmen eines eher flüchtigen Kontakts in Austauschverträgen schwieriger als in länger dauernden

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Zum Zweck eines möglichst rechtzeitigen „Überdenkens" der Prüfungsentscheidungen möglichst zeitnah zur Prüfung vgl. auch BVerfG 24. 02. 1993 NVwZ 1993, 681 = DVB1. 1993, 842. 6 Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung v. 15. 12. 1999, BGBl. I S. 2400 Art. 1; vgl. auch zu Schlichtungsgesetzen der Länder Schönfelder Anmerkung zu § 15a EG ZPO. Zur Schlichtungsstelle in „engen Beziehungen" s. auch §§ 36 f. UrhG (Fassung des AnderungsG v. 22. 3. 2002, BGBl. I 1155) betr. gemeinsame Vergütungsregeln zwischen Urheber und Werknutzer bzw. den jeweiligen Vereinigungen. 7 Dazu Wagner, Einsatzmöglichkeiten notarieller Streitvermeidung und Streitentscheidung, NJW 2001,2128. 8 So auch Schiffer, Mediative Elemente in modernen Schiedsverfahren, JurBüro 2000, 188, 235.

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vertraglichen Kontakten oder in besonderen Verhältnissen zwischen den Parteien, die eine frühzeitige Einflussnahme ermöglichen. Andererseits ist in Prüfungsstreitigkeiten i m Fall des Scheiterns, des endgültigen Nichtbestehens, eine streitige Auseinandersetzung mit Widerspruchsverfahren und anschließendem Prozess wohl die Regel, weil Mängel, denen i m Widerspruchsverfahren abgeholfen werden kann/muss, die absolute Ausnahme bilden und dann sofern nicht abgeholfen wird - auch wenig Chancen für eine Mediation erkennbar sind. Jedenfalls für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens sind kaum nennenswerte zeitliche Verzögerungen zu erwarten; solche ergeben sich erst durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Anders ist allerdings die Situation dann, wenn es um Notenverbesserung und besonders dort, wo es um Streitvermeidung geht.

II. I m Bereich der Hochschulausbildung mit einer erheblichen Zahl von Studierenden werden jährlich sehr viele Prüfungen abgenommen. 9 Insbesondere durch den „Nachweis von Studien- und Prüfungsleistungen" durch ein „Leistungspunktsyst e m " 1 0 werden Studierende auch mehr Wert legen auf einzelne studienbegleitend abgenommene Prüfungen, denen so genannte Leistungspunkte zugewiesen sind. Es bedarf keiner Phantasie, dass es auch hier „Verlierer", ferner, dass es dabei Fehler geben wird, etwa indem formale Verfahrensvorschriften nicht eingehalten werden, Beurteilungen des Prüfers fehlerhaft sind, der Grundsatz der Gleichbehandl u n g 1 1 verletzt ist o.ä.. Aber auch in solchen Prüfungsfällen ist Ursache für die Streitigkeit meistens weniger eine Rechtsfrage, vielmehr sind es menschliche Konflikte, mangelnde Information oder Beziehungsstreit. Aber auch dann, wenn die Prüfer-Entscheidung durchaus zutrifft, sowohl beim Scheitern oder in der Qualität der Note, ist als Nebeneffekt zu beachten, dass diese Entscheidung meist nicht allein den Prüfling selbst berührt, sondern auch dessen Beziehungen zum „Umfeld", wie z. B. Kommilitonen, Mitbewohner in Wohnheimen oder Wohngemeinschaften, Freunde und Familie, die oft das Studium finanziert und denen der Prüfling das Scheitern oder die mäßige Note „erklären" muss. M i t anderen Worten: Es können Konflikte entstehen, die nicht Ursache der gerichtlichen Auseinandersetzungen sind. Besteht in solchen Fällen die Chance einer Streitschlichtung für einen „neutralen Dritten", für einen „Mediator"? 1 2 Wenden wir uns zunächst dem Fall zu, dass die 9 2000 an Universitäten etwa 1.1 Mio. Studierende; Prüfungen - Abschluss-Diplom etwa 100.000; hinzukommen „Einzelfach-Prüfungen" in vielfacher Höhe. 10 HRG § 15 Abs. 3 i. d. F. vom 20. 8. 1998, BGBl. I S. 2190. и BVerfG 17.4. 1991 BVerfGE 84, 34, 52: Nach dem Grundsatz der Chancengleichheit... müssen für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten.

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Prüfung bereits mit negativem Ergebnis abgelegt worden ist. Prüfungsentscheidungen waren hinsichtlich des Inhalts des Prüfungsstoffes weitgehend geschützt und konnten insoweit nur erschwert erfolgreich angegriffen werden. Heute wird weniger die Entscheidung oder Festlegung des einzelnen Prüfers betrachtet, sondern (jedenfalls bei berufsbezogenen Prüfungen) die verfassungsrechtlich gebotene Aufgabe des Gesetzgebers (GG Art. 12 Abs. 1 und 20 Abs. 3), die Ziele und den Zweck der Prüfung anzugeben und deren Ausfüllung (meist) einer Rechtsverordnung zu überlassen. 13 Jedoch wird wegen des Gebots der Chancengleichheit auf die notwendige formale Seite eines Prüfungsverfahrens weiterhin Gewicht gelegt: Vom äußeren Rahmen der Raumausstattung, der Lärmbelästigung, störender Einflüsse i m Allgemeinen, der verfügbaren Zeit und der zulässigen Hilfsmittel usw. herrührende Fehler sind hier grundsätzlich ein Aufhebungsgrund. Dies auch deshalb, weil derartige „äußere" Bedingungen anders als bei den Prüfungsinhalten konkreter beurteilbar sind. Die Prüfungsentscheidung ist ihrem Inhalt nach (schriftlich) so zu begründen, dass der Prüfling Einwände gegen die Note wirksam vorbringen kann; die für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkte müssen erkennbar sein. 1 4 In solchen Fragen, zu diesen Beanstandungen hat der in seinen Rechten vorgeblich verletzte Prüfling Widerspruch einzulegen und zu begründen. Nach Stellungnahme der Prüfer, deren Bewertung angegriffen wird, und des für die Prüfung zuständigen Prüfungsamts wird eine Entscheidung i m Allgemeinen entweder dahingehend getroffen, dass nach Abwägung sowohl der Rechtmäßigkeit als auch der Zweckmäßigkeit die Prüfungsentscheidung aufrechterhalten oder dass dem Widerspruch abgeholfen wird. Anknüpfungspunkt solcher Auseinandersetzung ist bei schriftlichen Prüfungen das Prüfervotum und bei mündlichen Prüfungen zunächst das Protokoll, das den Gang des Prüfungsverfahrens darstellt und auch zu Beweiszwecken dient. In diesen Konfliktfeldern lassen sich vorbeugend Fehlerquellen aufspüren und abstellen. Solche Fälle sind somit der Streitvermeidung durch Mediatoren zugänglich. Eine streitschlichtende Wirkung hat grundsätzlich auch das Vorverfahren in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten. Bevor es zu den eher unerwünschten Folgen einer gerichtlichen Entscheidung kommt, erhält die Behörde Gelegenheit, den Streit 12 Streitschlichtung an Hochschulen durch einen Mediator hält ausdrücklich für möglich Gottwald, Modelle der freiwilligen Streitschlichtung unter besonderer Berücksichtigung der Mediation, W M 1998, 1257. Einen „Ombudsmann" als unmittelbaren Ansprechpartner für Beschwerden und Anregungen der Studierenden hat die Universität Frankfurt/M. bestimmt (JuS 2002, XXXIV). 13 BVerfG 17. 4. 1991, BVerfGE 84, 34 = NJW 1991, 2005. 14 BVerwG 9. 12. 1992-6 С 3/92 BVerwGE 91, 262 = DÖV 1993, 480 = NVwZ 1993, 677. Die tatsächliche Wirkung solcher Begründungspflicht ist jedenfalls auch, dass dem Prüfer die möglichen Mängel seiner Prüfung bewusst werden. Zur Begründungspflicht einer mündlichen Prüfungsleistung vgl. die Beschränkungen in BVerwG 6. 9. 1995 BVerwGE 99, 185 = NJW 1996, 2670.

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und die Entscheidung nochmals zu überdenken, und zwar sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch in Betracht einer (nur) zweckmäßigen Entscheidung. 15 Da in diesem Stadium eines prüfungsrechtlichen Verfahrens schon der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung zu beachten ist, können hier Überlegungen einfließen, die der Mediation zugänglich sind. Auch im Hinblick darauf, dass die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle von Prüfungsentscheidungen begrenzt ist, weil „der Bewertungsvorgang von zahlreichen Unwägbarkeiten bestimmt i s t " , 1 6 kommt dem Vorverfahren eine erhebliche Bedeutung schon deswegen zu, weil durch Beteiligung eben dieser Prüfer am Vorverfahren der bei ihnen verbleibende „Entscheidungsspielraum bei prüfungsspezifischen Wertungen" berücksichtigt werden kann, somit die Begrenztheit der Rechtmäßigkeitskontrolle von Prüfungsentscheidungen ein Stück weit aufgehoben ist. Vernachlässigt man einmal, dass auch der Prüfer, dessen Entscheidung aufgehoben wird, betroffen ist, so wird der Prüfling jedenfalls bei Bestätigung der Prüfungsentscheidung, also wenn der Widerspruch abgewiesen ist, ungleich schärfer reagieren, weil diese Niederlage sich für ihn nachteiliger auf sein berufliches Fortkommen auswirkt als die „gegen den Prüfer" gerichtete Entscheidung. Es kommt folglich sehr darauf an, dass die Entscheidung dem Prüfling in der Begründung des Widerspruchs möglichst so überzeugend dargelegt wird, dass er die Ablehnung akzeptieren kann und von einer Klage absieht. Dies ist weitgehend eine Frage der rechtlichen Begründung, die grundsätzlich von jeder „zuständigen Stelle" mit identischer Sorgfalt erstellt werden kann. Welche „Verbesserung" wäre hier durch Erfahrungen aus der Mediation zu erwarten? Wenn auch grundsätzlich beide - der Professor als Prüfer und der Studierende als Prüfling - Mitglieder derselben Hochschule sind, stehen sie sich doch in der Prüfung nicht partnerschaftlich, sondern eher in einem Uber- und Unterordnungsverhältnis gegenüber, ob es nun um das Bestehen oder Scheitern der Prüfung oder die Qualität der Note geht. Je näher die Stelle, welche die Begründung zur Ablehnung des Widerspruchs fertigt, dem Professor steht, desto geringer wird die Akzeptanz der Entscheidung beim Prüfling sein. Ein außenstehender Mediator hätte sehr wahrscheinlich auch große Schwierigkeiten bei der Vermittlung zwischen - immerhin - Mitgliedern derselben Hochschule. Ein zentrales Prüfungsamt, eine zentrale Entscheidungsstelle hat vermutlich höhere Glaubwürdigkeit für eine objektive Entscheidung als eine fachbereichsinterne, prüfernahe Stelle; und ihr würden von den Beteiligten hauptsächlich Kenntnisse und Erfahrungen in Prüfungsschwierigkeiten zugetraut. Allerdings wird ein solcher vermeintlicher Vorteil teilweise dadurch aufgehoben, dass einer zentralen (Verwaltungs-!)Stelle auch vom Studierenden weniger Kompetenz in Wissenschaftsfragen in den so unterschiedlichen Feldern der Prüfungsgebiete einer Hochschule zuerkannt wird. A m 15 Das Ziel dieses förmlichen Verfahrens ist nicht nur Fehler festzustellen, sondern Mängel zu beseitigen. 16 BVerwG 24. 2. 1993 NVwZ 1993, 680 = DVB1. 1993, 842.

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ehesten noch wird man sie in Prüfungsangelegenheiten in formalen Fragen für sachverständig erachten. Es wird entscheidend darauf ankommen, ob derartiges Vertrauen in Begleitung des Studiums bereits aufgebaut worden ist: Durch intensive Beratung in der Studienplanung (es ist j a oft nicht so, dass nach einem feststehenden Kanon an Lehrveranstaltungen teilzunehmen ist; oder dass die Teilnahme an Übungen und Labors nur in einem bestimmten Semester möglich ist; oder welche Wahlfächer am besten und wann zu belegen sind usw.) können solche Kompetenzen aus Erfahrungen entstehen, die auch den Studierenden vermittelt werden können; dann erscheint es eher zweitrangig, wie fachnahe ein Vermittler ist oder nicht. Zu berücksichtigen ist hier jedoch, dass eine solche (amtliche) Stelle zwar keine „neutrale Stelle" i m Verständnis der Mediation ist und dass sie wohl die Formalien eines Prüfungsverfahrens, aber weniger deren Inhalte beurteilen kann, weil hierzu jedenfalls generell die „Prüfervoraussetzung", also adäquate, durch entsprechende Prüfungen nachgewiesene Qualifikation (HRG § 15 Abs. 4) fehlen wird. Aber genauso wie heute den Gerichten eine solche Beurteilungsfähigkeit in gewissem Rahmen zuerkannt wird (notfalls mit Zuziehung eines Sachverständigen), sollte die Möglichkeit der Beurteilung einer „amtlichen Stelle" nicht zu eng gesehen werden. Auch ist zu beachten, dass es nicht um den Erlass einer Prüfungsentscheidung geht, sondern um Streitschlichtung und Streitvermeidung, und somit ein Mediator durchaus ohne formale Qualifikation vorstellbar bleibt. Muss dies nicht erst recht für einen neutralen Mediator gelten, der weder dem Professor als Prüfer noch der Hochschule als Organisation angehört oder nahe steht? Soweit es in der Begründung einer (Widerspruchs-) Entscheidung darum geht, diese dem Widersprechenden verständlich zu machen, sind Überlegungen aus dem Bereich Mediation anwendbar; ein Vergleich im Sinne eines „gegenseitigen Nachgebens" in Richtung einer „einverständlichen Entscheidung beider Seiten" ist i m Prüfungsrecht nicht brauchbar, ohne dass dies hier begründet wird. „ L o h n t " es sich dann, solchen Überlegungen nachzugehen? Es erscheint möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass die Anzahl der Schlichtungsfälle eher steigt, wenn Prüfungsentscheidungen ohne Einschaltung eines Gerichts angegriffen werden können. I m Hinblick auf die aus den Beanstandungen sich ergebenden Erkenntnisse für zukünftige Prüfungsverfahren ist jedoch zu erwarten, dass die Streitfälle mittelfristig abnehmen werden. 1 7 Außerdem beschränkt sich in formellen Prüfungsverfahren der Streit auf Rechtsfragen, weil nur hier eine Chance für einen erfolgreichen Widerspruch gesehen wird, obwohl der „eigentliche Ärger" andere Ursachen hat. 1 8 Es muss nicht besonders dargestellt werden, dass (auch) Prüfungsbeurteilungen die Gefahr fehlerhafter Entscheidungen bergen können. Sind von der beurteilenden Behörde Fehler früher oder besser zu erkennen als von den Prüflingen, „so müssen 17 Aus dem Bereich Ausbildungsförderung ergeben sich ähnliche Beobachtungen bei zunächst aufwendiger Beratung der Antragsteller. 18 Hierzu vgl. oben Ende I.

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die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur vorbeugenden Fehlervermeidung genutzt werden"; 1 9 und dies hat sicher streitvermeidende Wirkung. Wenn mehrere Prüfer beteiligt sind 2 0 , können unterschiedliche (Noten-) Bewertungen entstehen, wobei nach Meinung des BVerfG 2 1 bei größeren Abweichungen „die Prüfer eine Einigung anstreben sollen"; darin ist auch eine „ausgleichende" Wirkung zu sehen, wenn auch nicht unmittelbar zwischen Prüfer und Prüfling. Schon i m Hinblick darauf, dass zwischen den „Parteien", Prüfer und Prüfling, bereits eine drohende Auseinandersetzung zu „zurückhaltender Information" (dazu weiter unten) führt, erscheint hier die Einschaltung eines Mediators, eventuell vertreten durch das Prüfungsamt, sinnvoll.

III. Beispiele für den weiten Rahmen, aus dem Prüfungsprobleme entstehen können, sind vielfältig. Die Fähigkeit, sich in die Situation des Prüflings versetzen zu können, wird dort größer sein, wo sich bereits in der Ausbildung, während des Studiums ein Verhältnis gegenseitigen Vertrauens zwischen Prüfer und Prüfling aufbaut. 2 2 Dies wird in so genannten Massenfächern bzw. in nahezu „anonymen" AusbildungsVerhältnissen kaum der Fall sein. Häufig wird es z. B. an einer gewissen Fairness in den Prüfungen fehlen, was vielleicht nur deswegen nicht zu Streitigkeiten führt, weil es sich um Grenzfallsituationen handelt, die für den Betroffenen schlecht beweisbar, oft kaum darstellbar sind. Es gibt etwa „Gruppenprüfungen" in dem Sinne, dass vier Prüfer aus unterschiedlichen Gebieten desselben Studiengangs - bei Rechtswissenschaften beispielsweise Zivil-, Straf-, Verwaltungsund Handelsrechtler - gleichzeitig anwesend sind, wenn mehrere Kandidaten geprüft werden. Der Strafrechtler wird die Fachfragen zum Handelsrecht - vielleicht - auch nicht „prüfungsgenügend" beantworten und somit auch die Antworten des Prüflings nicht zutreffend beurteilen können. Aber allemal kann er sehr wohl einschätzen, ob fair geprüft w i r d . 2 3 Dies ist bei Anwesenheit nur eines Prüfers, sogar noch mit dessen wissenschaftlichem Mitarbeiter als „protokollierendem Beisitzer" keinesfalls in demselben Grad gewährleistet. Wegen der „Einzelprüfer-Prüfungen" ist es möglich, dass Professoren desselben Fachbereichs noch nie der Prüfung eines 19 BVerfG 17. 4. 1991 1 Β ν R 1529/84 BVerfGE 84, 59, 73 = NJW 1991, 2008 betr. zentrale Prüfungen für Studierende der Medizin in der Form des Antwort-Wahl-Verfahrens. 20 Meist im Landesrecht verankertes „Prinzip der Kollegialprüfungen", etwa Art. 80 IX BayHochschG, § 33 Abs. 1 Berliner HochschG, § 95 NWHochschG. 2 1 Vgl. BVerfG 17. 4. 1991 BVerfGE 84, 34. 22 Dazu Buchwald, Stress gemeinsam bewältigen - dyadisches Coping in mündlichen Prüfungen, Habil-Schrift Düsseldorf 2001 S. 289. 23 Zur Relation zwischen „Inhalts- und Beziehungsaspekt" (Der Inhaltsaspekt vermittelt die „Daten", der Beziehungsaspekt weist an, wie diese Daten aufzufassen sind.) vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson, Menschliche Kommunikation, 4. Aufl., 1974 S. 55.

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ihrer Kollegen beigewohnt haben; so vermittelt sich keine Prüfer-Erfahrung. 24 Prüfungsbeanstandungen, die aus solchen Beobachtungen an den Prüfungsausschuss/ das Prüfungsamt oder den Fachbereich zurücklaufen, erscheinen besonders geeignet für eine „gruppenunmittelbare" vorbeugende Streitvermeidung. Darin ist wohl auch ein Grund zu sehen, weshalb über den tatsächlichen Ablauf der Prüfungen der verschiedenen Prüfer in den (zentralen) Prüfungsämtern mehr Informationen angesammelt werden als in der Kollegenschaft eines Fachbereichs. Auch ist zu beobachten, dass - jedenfalls nach dem subjektiven Empfinden des Prüflings - bei einer für ihn negativen Prüfung, sei es ein Scheitern oder ein nicht herausragendes Ergebnis, der „Informationsfluss" aus dem Einflussbereich des Prüfers stark reduziert wird. Dies belastet das Vertrauen in das Prüfungsverfahren. Dies gilt auch dort, wo ein Fachbereich Prüfungen für „seine" Studierenden durchführt - z. B. für angehende Diplom-Mathematiker - und zugleich als Dienstleistung die Ausbildung und Prüfung für Studierende anderer Fachbereiche - etwa Mathematik für Ingenieure - übernimmt. Die ingenieurwissenschaftlichen Studierenden empfinden sich deutlich nachlässiger beraten und auf die Prüfung vorbereitet. Entsprechende vorbeugende Fehlervermeidung scheitert meist schon daran, dass die Kritik nicht dorthin gelangt, wo Fehler abgestellt werden können. Darüber hinaus haben streitvermeidende vorbeugende Maßnahmen meist generelle Wirkung, präventiv nicht nur für einen aktuellen konkreten Fall, sondern für eine unbekannte Zahl künftiger Fälle. I m Sinne „vorbeugender Streitvermeidung" läge es, wenn derartige Kenntnisse und Erfahrungen den Prüfern übermittelt würden, etwa durch regelmäßige Prüferbesprechungen mit Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch oder durch (evtl. schriftliche) Informationen der Prüfungsämter über rechtlich korrektes Prüfen, z. B. durch Mitteilen neuer Gerichtsentscheidungen o.ä. Es ist allerdings zu beachten, dass nicht nur über „Inhalte, Aufbau und Anforderungen eines Studiums" zu unterrichten ist, sondern auch über die Prüfungen zu informieren ist. 2 5 Es ist erstaunlich, wie viel für die Studierenden hilfreiche Kenntnisse an derartigen „Nahtstellen" wie in den zentralen Prüfungsämtern vorhanden sind, 2 6 die aber nur selten von den entscheidenden Stellen der Hochschule abgefragt werden. Für eine streitvermeidende, in die Zukunft wirkende Beratung ist dieses Wissen eine weitgehend ungenutzte Quelle.

24 Es ist sehr fraglich, ob die Annahme des BVerwG (6. 9. 1995 - BverwGE 99, 185, 193 = NJW 1996, 2670, 2672), die Prüfung finde „in aller Regel" vor einem Prüferkollegium statt, zutrifft. In „Ansätzen besser" scheint dann schon die Regelung, dass die (Teil-) Prüfung nach Fachgebieten erfolgt, in denen die an den entsprechenden Vorlesungen beteiligten Professoren in der nämlichen Prüfung beteiligt sind, evtl. wechselseitig als Beisitzer. 25 Begründung zu HRG § 14, Entwurf v. 20. 10. 1997, Drucks. 13/8796. 26 Betrachtet man die weit verbreitete „Einzel-Prüfer"-Situation, so erstaunt es kaum, dass Prüfungserfahrungen - positive oder negative - eher den Mitarbeitern eines zentralen Prüfungsamtes als den Wissenschaftlern des Fachbereiches geschildert werden.

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Eine Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Studiengängen und -abschlüssen (und wohl auch zwischen den verschiedenen Hochschulen) 2 7 ist ohnehin kaum gegeben. Man muss nur beachten, dass es eine andere (Prüfungs-) Situation ist, wenn der Dozent der Lehrveranstaltung zugleich auch der Prüfer ist oder nicht; wenn der Prüfungsstoff konkret beschrieben oder allgemein angegeben ist („Grundzüge . . . " ) ; wenn in einem Fachgebiet „gut" eine hervorragende Note ist, die in einem anderen eher den Durchschnitt beschreibt usw. 2 8 . Prüfungsentscheidungen sind meist nicht das Ergebnis einer einzigen punktuellen Leistungsfeststellung mit einem positiven oder negativen Ergebnis. Häufig gehen dem Einzel- und Teilentscheidungen voraus, die oft schon eine Prognose in Richtung auf das endgültige Ergebnis erkennen lassen. Wäre hier nicht das Tätigwerden eines Mediators nützlich i m Sinne künftiger Streitvermeidung, etwa wenn absehbar wird, dass jedenfalls in der gewählten Studienrichtung nicht von einem erfolgreichen Abschluss ausgegangen werden kann? In Studienfächern, die neben der theoretischen Ausbildung eine starke „praktische" Komponente haben, wie z. B. in den Ingenieurwissenschaften, scheitern viele Studierende in den eher theoretischen (Grundlagen-)Fächern i m Grundstudium. Eine hier erfolgende gezielte Studienberatung hat sicher „streitvermeidende Wirkung", ohne dass dies einer Begründung bedarf. Professoren, die ihre Aufgabe primär in der Forschung, eher weniger in der Lehre, also der Ausbildung der Studierenden, sehen, sind für die durchaus aufwendige studienbegleitende Betreuung von einzelnen Studierenden oder Studentengruppen oder (Studien-)Jahrgängen meist weniger zu begeistern, weil der Aufwand hierfür erheblich ist, insbesondere je mehr der Studierende sich terminlich den Prüfungen nähert, also meist auch je länger er bereits studiert hat. Die Verantwortlichkeit für eine optimale, jedenfalls ausreichende Prüfungsvorbereitung wird dem Studierenden überlassen. Häufig beruft man sich insoweit auf dessen „Selbständigkeit, die i m späteren Berufsleben auch vorhanden sein muss". Allerdings wird dem Studierenden jedenfalls i m Grundstudium nur begrenzt die Selbständigkeit gewährt, entsprechende Schwerpunkte in der Auswahl des Studien- oder Prüfungsstoffes zu setzen.

27 Eine ähnliche Problematik liegt der modifizierten „Bayrischen Formel" (KMK-Beschluss vom 15. 3. 1991, i. d. F. vom 17. 6. 1994) zugrunde, wenn Noten aus ausländischen Hochschulzugangsberechtigungen in deutsche Auswahlkriterien in studienplatzbeschränkten Fächern eingegliedert werden sollen. Zur Sachkunde für die Beurteilung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Ausbildungsstandes vgl. BVerwG NJW 2002, 455. 28 Auch die Vorgabe des HRG (§ 2 Abs. 1 Satz 2, § 7), die Studenten „auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorzubereiten", hat nicht dazu geführt, dass die Studiengänge mit einem identischen Studienabschluss (Diplom-Chemiker, Dipl.-Ing. Maschinenbau o.ä.) inhaltlich zu identischen Berufsfeldern vorbereiten. „Mit Auszeichnung bestanden" erhält im Studiengang Maschinenbau, wer die „Gesamtnote besser als 1,2" hat (evtl. noch bei „mehrfacher Gewichtung" der Diplom-Arbeit) und in Biologie, wessen Diplom-Arbeit und sämtliche Einzelprüfungen mit 1,0 beurteilt sind.

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Es gibt Fächer, in denen die „Diplom-Arbeit" einen hohen Stellenwert besitzt und darüber hinaus - etwa in einem Fach, das auf eine Industrietätigkeit vorbereitet - sehr praxisnah angelegt sein sollte; und dies geschieht zweckmäßig durch Bearbeitung eines Problems aus einem (meist umfangreicheren) Drittmittel-Projekt. 2 9 Dort einzubinden ist allerdings nur eine „richtige" Lösung, keine ausreichende oder befriedigende usw. Folglich wird die Anfertigung der Diplom-Arbeit regelmäßig betreut und begleitet von einem Wissenschaftlichen Mitarbeiter. Die Arbeit wird also besser und besser, bis sie „sehr gut" ist. Das ist didaktisch unter dem Blickwinkel der Ausbildung geradezu erstrebenswert, einer objektiveren Bewertung als Prüfungsnote (mit gar noch hoher Gewichtung) ist die Arbeit weniger zugänglich. Entsprechend der mehr oder weniger intensiven Betreuung entstehen dann ungleiche Noten zwischen den Prüflingen, die jedenfalls in der Notenqualität als gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßend empfunden werden. Die nachzuweisende berufliche Qualifikation ist in Deutschland oft gebunden an den Studienabschluss, regelmäßig also an das Diplom. Auch die Arbeitgeber suchen primär nicht einen Mitarbeiter für ein bestimmtes Problemfeld, ein ganz konkretes Aufgabengebiet, sondern einen „Diplom-Ingenieur", einen „DiplomChemiker", einen „Diplom-Informatiker" o.ä. 3 0 Solange dies so ist, ist man ohne formalen Abschluss in Deutschland i m Studium gescheitert und hat eben keinen „berufsqualifizierenden Abschluss". Wie lange wird sich dies tatsächlich noch halten? Wenn man dem Bundesverwaltungsgericht glauben darf, dann ist das (einmal begonnene) Prüfungsverfahren darauf angelegt, in angemessener Zeit zu einem Abschluss durch - positive oder negative - Prüfungsentscheidung zu führen. 31 Dann ist es kein Wunder, dass es hartnäckige, auch gerichtliche Auseinandersetzungen „bis zum bitteren Ende" um das Abschlussexamen geben wird. Länger dauernde Rechtsstreitigkeiten sind aber gerade i m Lebensabschnitt der Prüflinge äußerst schädlich, weil ein langer - meist zu langer - Zeitraum der kreativen, aktiven Lebensarbeitszeit beeinträchtigt, jedenfalls nicht zweckmäßig genutzt wird. Daher erscheint jede Aktivität sinnvoll, die hier i m positiven Sinne eingreift. 3 2 Hier werden sich streitvorbeugende Maßnahmen in der Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens grundsätzlich positiv auswirken. Das Leistungspunktesystem zur Bewertung einzelner Fächer, „erste berufsqualifizierende Prüfungen", wie Bache-

29 Das Problemfeld der Diplomarbeit ist auch für den späteren Arbeitgeber meist durchaus interessant. 30 Anders z. B. teilweise in skandinavischen Ländern, in denen eher das Aufgabengebiet beschrieben wird und sich Interessenten mit entsprechender Qualifikation bewerben, die nicht oder selten durch ein Diplom, sondern durch dem Problemfeld / Aufgabengebiet entsprechende Prüfungen (Credits / Leistungspunkte) nachgewiesen werden. 31 BVerwG 14.6. 1982-7 С 74.78 - DVB1. 1983,89. 32 Wenn im Bereich der Wirtschaft Zeiträume von sieben bis acht Jahren als zu lang empfunden werden, dann ist für ein generell etwa fünf bis sechs Jahre dauerndes Studium ein Zeitraum von nur einem Jahr nicht akzeptabel. 15 FS Leuze

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lor oder Master-Examen, werden in diesem Zusammenhang in vielen Fächern positive Wirkungen haben.

IV. Welche positiven Einflüsse auf den Ablauf von Prüfungsverfahren sind von der Mediation zu erwarten? Wenn man nur den im Prüfungsverfahren besonders bedeutsamen Grundsatz der Gleichbehandlung betrachtet, dann erscheinen die Möglichkeiten einvernehmlicher Streitschlichtung gering. Andererseits ist sich der Gesetzgeber offenbar auch bewusst, dass der gewöhnliche Abschluss eines Gerichtsverfahrens mit einem Urteil und damit grundsätzlich einem Gewinner und einem Verlierer nicht den künftigen Rechtsfrieden zwischen den Streitparteien sichert oder mindestens fördert. Deshalb ist ein Vergleich mit dem gegenseitigen Nachgeben erwünscht; 3 3 ein Vergleich kennt also nicht den Sieger und den Besiegten. Es gibt somit keinen Vergleich durch „einseitiges" Nachgeben. Dies schränkt die Möglichkeit einer vergleichsweisen Erledigung eines Prüfungsstreits für die Hochschule / die Fakultät jedenfalls dort stark ein, wo feste Regeln des Prüfungsverfahrens, z. B. etwa der Gleichbehandlungsgrundsatz in Frage stehen. Das Urteil als grundsätzlicher Abschluss des Gerichtsverfahrens muss sowohl den „Tatbestand", also den konkreten Sachverhalt, enthalten, welcher der rechtlichen Würdigung zugrunde liegt, als auch die „Entscheidungsgründe" darlegen, die das Gericht zu seiner Entscheidung geführt haben. Je überzeugender diese für den Verlierer des Verfahrens sind, desto mehr wird er davon ausgehen, dass auch eine höhere Instanz zu einem dementsprechenden Ergebnis kommt, und von einer weiteren Verfolgung absehen. Es kann also wieder Rechtsfrieden einkehren. 34 Ein derartiger „Vorgriff' auf die rechtliche Würdigung einer eventuellen künftigen Entscheidung lässt sich wohl auch in das Mediationsverfahren einbeziehen, neben anderen Überlegungen eher pädagogischer oder psychologischer Art; einbezogen werden können aber auch künftige Berufsqualifikationen und entsprechende Chancen. 35 Diese Fragen sind i m Prüfungsverfahren nicht zuletzt deswegen von Bedeutung, weil Prüfer und Prüfling Mitglieder derselben Hochschule sind mit Rechten und Pflichten, die nicht zuletzt jedenfalls für die Dauer der gemeinsamen 33

Das Gericht wird bei Abschluss eines Vergleichs dadurch „belohnt", dass wohl das Ergebnis protokolliert wird, aber die bei einem Urteil notwendige - oft sehr aufwendige - Begründung entbehrlich ist. 34 Dass dies im Hinblick auf die Rechtsschutzversicherungen möglicherweise allzu idealistisch betrachtet ist, kann an dem Grundsatz nichts ändern. 35 Wobei das eher ängstlich gehütete Auskunftsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit hier vernachlässigt werden soll; es ist schließlich ein Zusammenwirken mit den für die Berufsberatung zuständigen Stellen vorgesehen, HRG § 14 Satz 4.

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Mitgliedschaft geachtet sein wollen. Darüber hinaus besteht für unser Thema ein zu beachtendes besonderes „Prüfungsverhältnis" zwischen Prüfling und Hochschule. 3 6 Wenn ein Studierender das Studienfach wechselt, etwa weil er erkennt, dass er für die Ausbildung in Mathematik nicht das von ihm selbst erwartete Interesse aufbringt oder weil er sich einer eher praktischen Ausbildung etwa in den Ingenieurwissenschaften zuwenden möchte, so wird dieser oft sinnvolle Wechsel von den Hochschulen (in gewissem Zeitrahmen) ohne weiteres akzeptiert und ist sogar ohne Schaden (bei verständiger Begründung) für eine evtl. Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz möglich. 3 7 § 14 H R G zeigt, dass es als ganz selbstverständlich angesehen wird, den anfangs gewählten Studiengang zu wechseln. Es soll durch die vorgesehene Beratung jedoch gewährleistet sein, dass Fachwechsel bzw. sogar Studienabbrüche reduziert werden. 3 8 Ist Beratung hierzu auch ein Feld der Mediation? So wenig klar dies erscheinen mag, Beratungen i m Sinne eines Studienfachwechsels greifen sehr wohl für den neuen Studiengang, das neue Fach, in die Zukunft. Und solche - letztlich streitvermeidenden - Beratungen sind ein sinnvolles und wohl auch notwendiges Aufgabengebiet. Ist dies i m Hinblick auf das Thema Mediation i m Prüfungsrecht (noch) Mediation? Die Antwort ist abhängig von einer mehr oder weniger engen begrifflichen Festlegung und i m Blick auf den gewünschten Erfolg eine eher müßige Fragestellung. Jedenfalls ist es ein Vorzug der Mediation, um den Erhalt der „Parteibeziehungen" bemüht zu sein. Wer wegen des angestrebten „endgültigen" Studienerfolgs (Diplom) nur die Hälfte des vorgesehenen Stoffes bewältigt und in der anderen Hälfte versagt, scheitert am Studienerfolg „ D i p l o m " ; aber er erreicht, gemessen am Ausgangsstand eine erhöhte Qualifikation. In dieses B i l d fügen sich zunehmend Berichte ein, dass Studierende, um überhaupt für das Berufsleben qualifiziert zu sein, heute mehr vorweisen müssen als ein Diplom (einen Hochschulabschluss), ζ. В. etwa Praxiserfahrungen, Teamfähigkeit, soziale Kompetenz, einen „Master of Business Administration", Sprachdiplome o.ä.. Möglicherweise werden in Arbeitsfeldern mit einem Uberangebot an Bewerbern offenbar die Absolventen nicht (nur) wegen des Diploms eingestellt, sondern weil i m Laufe des Studiums bestimmte für den Arbeitgeber für die Einstellung entscheidende (oft zusätzliche) Schlüsselqualifikationen erworben wurden, die für entsprechende berufliche Weiterbildung geeignet sind. Solche „Einzelgebiet-Zeugnisse" sind wohl auch grundsätzlich die raschere, 36

Dazu Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Aufl. § 6. Bei einem Wechsel zwischen Universität und Fachhochschule wird dies wohl immer noch sehr viel misstrauischer behandelt, offenbar weil noch nicht durchweg akzeptiert wird, dass die verschiedene Ausbildung zwar anders aber gleichwertig ist. 38 Soweit studienbegleitende Leistungsnachweise bereits in diesem Zeitraum fallen, muss sichergestellt sein, dass dies nicht - wegen des Grundsatzes des BVerwG (vgl. Fußnote 22: " ... eine einmal begonnene Prüfung ist zu Ende zu führen") als „endgültiges Scheitern" gilt. 37

15=

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schnellere Möglichkeit, über Neuerungen qualifizierte Bescheinigungen zu erhalten, weil es zwar ständige Aufgabe der Hochschulen ist, die Studieninhalte im Hinblick auf die Entwicklungen der Wissenschaft, die Bedürfnisse der beruflichen Praxis und die notwendigen Veränderungen der Berufswelt zu entwickeln (HRG § 8), aber deren Umsetzung in die entsprechenden Studien- und Prüfungsordnungen geschieht jedenfalls mit einer wohl kaum vermeidbaren Verzögerung. Auch die Einbeziehung des „Studierens i m Team" in die Prüfungserfahrung ist noch nicht gelungen. 3 9 Es bedarf keiner weiteren Darstellung, dass bei Aufnahme solcher „weiteren Qualifikationen" in die Zeugnisse über die berufliche Befähigung von Absolventen das Konfliktfeld sich so ausdehnt, dass ein Blick auf Erfahrungen der Mediation angezeigt erscheint. Es ist also wünschenswert, wenn solche „streitvermeidenden" Überlegungen in die Ausbildung bzw. die Organisation des Studiums und der Prüfungen aufgenommen werden, um ein Scheitern i m Studium möglichst zu vermeiden oder frühzeitig einen Wechsel der Studienrichtung vorzunehmen. Damit kein Missverständnis aufkommt: Es geht nicht darum, die Anforderungen einer Qualifikation herabzusetzen, sondern es geht darum, das Scheitern möglichst nur vom mangelnden Können abhängig zu machen; und dort, wo das spezielle Können nicht ausreicht, diese Entscheidung so rechtzeitig zu treffen, dass nicht ein zu großer Teil der kreativen Lebensarbeitszeit verloren geht. Noch besser ist es, diese „Entscheidung" einvernehmlich zu treffen, das heißt in Zusammenwirken mit dem Prüfling, damit rechtzeitig eine für ihn sinnvolle Planung für seine Zukunft getroffen wird. Wie ist dies der Hochschule möglich? I m Zuge des sogen. Massenstudiums mit hohen Studierendenzahlen ist in vielen Fächern bedauerlicherweise der enge Kontakt zwischen Professor und Studierenden verloren gegangen. Mag sich der Zustand auch in einigen Fächern entkrampfen, eine intensive Betreuung, die Beratung in solchen Lebens- und Berufsperspektiven beeinflussenden Studienentscheidungen erlaubte, ist wohl nicht durchführbar. Mehr erscheint möglich durch eine eher „generelle" Betreuung durch einen (damit beauftragten) Professor, der für einen Studienjahrgang beratend, jedenfalls als Ansprechpartner tätig wird, auch wenn dies sicher zeitaufwendig ist und möglicherweise nicht mit einer entsprechenden Entlastung in der Lehrverpflichtung einhergeht. Ein Prüfungsverfahren mit wenig Konflikten wird also von unterschiedlichen Seiten beeinflusst. Selbstverständlich kann es für so viele hunderte von Studienabschlüssen kein einheitliches Verfahren geben; jedoch können die Grundzüge in den Prüfungsordnungen wenigstens so gestaltet werden, dass die sich aus dem Fach ergebenden Besonderheiten einsichtig sind, i m Übrigen aber eine faire Vergleichbarkeit gegeben ist, denn in vielen Berufsfeldern stehen nicht nur Absolventen desselben Studiengangs in Konkurrenz. Auch durch die Studienberatung - vom Einstieg in das Studium, die studienbegleitende Betreuung und insbesondere die Beratung während der Dauer des Prüfungs Verfahrens - können sich mögliche Konflikte ver39 Vgl. für Erfahrungen an der Wirtschaftsuniversität Wien DUZ 2001, 23.

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meiden oder mindern lassen. Hier, insbesondere in der streitvermeidenden Ausgestaltung können die von Mediatoren gewonnenen Erfahrungen hilfreich sein. Da derartige Entscheidungen ohnehin „übergreifend" zu erfolgen haben und nicht auf das eher enge Fachgebiet eines einzelnen Professors bezogen sind, erscheint hierzu eine „Ansprechperson", die mindestens ähnlich dem Mediator, vorbeugend aktiv werden kann, zweckmäßig und erfolgversprechend. Dieser „ A n sprechpartner" sollte - wie ein Mediator - neutral sein, das heißt, nicht der einen oder anderen Seite „untergeordnet" sein, und seine „Entscheidungen" sollten nicht „letztentscheidend" sein, sondern fundierte eigene Entscheidungen des Betroffenen ermöglichen. Er sollte dort, wo i m engeren Sinne fachbezogene Fragen anstehen, den Kontakt zu den Fachleuten (Institutsleitern, Fachvertretern) halten. A u f diese Weise können Schwachstellen oder auch nur Kritikpunkte, also Ursachen künftiger Streitigkeiten aufgedeckt und können möglicherweise „neutraler" abgestellt werden, als dies durch unmittelbar Beteiligte möglich ist, da der Studierende (als künftiger Prüfling) stets in Verdacht stehen wird, die Anforderungen an die Prüfung herabsetzen zu wollen und umgekehrt der Professor (als künftiger Prüfer) „verdächtig" ist, den „Wert" gerade seines Fachs durch (zu) strenge Anforderungen erhöhen zu wollen. Einen i m Sinne der Mediation wirkenden „Ansprechpartner" sehe ich ohne begriffliche Einengung auf einen „Mediator" durchaus auch in einem entsprechend geschulten Studienberater, am zweckmäßigsten wohl aus dem Prüfungsamt. 40

V. Diese Überlegungen stehen der Mediation auf den ersten Blick eher fern. Wenn man sie jedoch so versteht, dass es in „Personenverbänden", die ein enges persönliches Verhältnis beinhalten, wichtig ist, dass Streitentscheidungen möglichst nicht Sieger und Besiegte hinterlassen, besser noch, dass künftige Streitigkeiten vorbeugend vermieden werden, so ergibt sich doch ein Bezug zur Mediation, zur vorbeugenden Streitvermeidung. Ein Konflikt ist meist nicht statisch, sondern ein dynamisches Geschehen, dessen Chancen für kooperative Lösungen durch frühzeitige Schlichtungsbemühungen sicher steigen. Zur Vermeidung von Prüfungsstreitigkeiten gerade auch an Hochschulen gibt es weit gehende Möglichkeiten, weshalb hier auf eine vermutlich einengende begriffliche Festlegung von Mediation bewusst verzichtet wird. Das Aufgabenfeld, welches es zu beackern, jedenfalls zu verbessern gilt, ist dabei offensichtlich weit gefasst: - Sinnvoll erscheint die Information bereits der Schüler an den Gymnasien, bevor eine Entscheidung über Schwerpunkte und deren Fächerwahl oder -abwahl 4 1 ge40

Einen „spezifisch fachkompetenten Mediator" mahnt auch Schiffer

an, vgl. Fußnote 8.

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troffen wird, um bewusst zu machen, dass damit auch eine Entscheidung über die spätere Studienfachwahl und damit auch über ein späteres Berufsfeld getroffen, eventuell auch erschwert wird; - die Information der Abiturienten über die für ein bestimmtes Studienfach oder eine bestimmte Fächergruppe notwendigen oder jedenfalls förderlichen Vorkenntnisse; - die Einrichtung von Vorkursen oder Zusatzkursen für Studienanfänger zum Ausgleich von Defiziten i m Studium aus der (oft unüberlegten) Schwerpunktbildung der schulischen Ausbildung; 4 2 - die Beratung über die Organisation des Studiums und der Prüfungen; -

usw.

Je besser diese Aufgaben wahrgenommen werden, desto günstiger erscheinen die Chancen eines erfolgreichen Studiums und - wenn das Studium scheitern sollte - die negative Entscheidung so überzeugend zu begründen, dass von einer streitigen Auseinandersetzung vor Gericht abgesehen wird. Bedeutsam wird dabei sein, welche Personen diese vorbeugende Schlichtung vornehmen; das Aufgabengebiet wird kaum von einem Einzelnen wahrgenommen werden können. Wichtig ist, dass die Aufgaben vollständig abgedeckt werden und dass eine Person verantwortlich erscheint, die letztlich auch die notwendige Entscheidung zu vertreten hat. Und doch ist hier auch vor „zu viel Entscheidungsmacht" zu warnen, die entsteht, wenn - wie häufig in Gruppen - eine Einzelperson gebündelt alle Kompetenzen auf sich vereinigt und die übrigen - eigentlich auch Zuständigen - i m Hinblick auf die aufwendige Arbeit des Kollegen alles akzeptieren, auch wenn sie erkennen, dass manches auch anders hätte entschieden werden können. Jeder Eingeweihte kennt diese Fälle. Die Erfahrung zeigt, dass Streitvermeidung dort am wirksamsten praktiziert wird, wo genügend enge Beziehungen der Studierenden als künftige Prüflinge zu Professoren / Ansprechpartnern vorhanden sind. Ist dies noch - oder schon - Mediation? Darüber möchte ich nicht streiten; gewiss aber handelt es sich um Maßnahmen vorbeugender Streitvermeidung. Wichtig in Studium und Lehre, insbesondere aber auch in den Prüfungen, ist Klarheit und Berechenbarkeit. - Dafür steht der Jubilar insbesondere.

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Ein Schüler am Ende der Mittelstufe, der bestimmte Fächer (Mathematik, Englisch usw.) „abwählen" kann, ist sich kaum darüber klar, dass er eine Entscheidung trifft, die „berufsqualifizierend" ist, da ein erfolgreiches Studium, in denen gerade diese Kenntnisse benötigt werden, mindestens sehr erschwert ist - trotz späterer „Allgemeiner Hochschulreife". § 14 Satz 1 HRG: „Die Hochschule unterrichtet Studierende und Studienbewerber ..." erreicht diese Gruppe nicht. 42

Dies erscheint wohl besonders in Fächern notwendig, für die in Gymnasien kaum „Ansprechpartner" zur Verfügung stehen, wie z. B. in Ingenieur-Fächern o.ä.

Die intranationale Harmonisierung des Stiftungsrechts und des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts Christian

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I. Einleitung Lässt man die literarischen Äußerungen über das Stiftungswesen und die stiftungspolitischen Diskussionen Revue passieren, dann ist es nicht überraschend, registrieren zu müssen, dass nahezu alle sich in einer Grundposition einig sind, nämlich in der Klage über die diskriminierende Wirkung des Steuerrechts auf die Stiftungen 1 . Auch die vom 44. Deutschen Juristentag eingesetzte Studienkommission hat - obwohl die Erörterung steuerrechtlicher Fragen außerhalb ihres Auftrages lag - in das Klagelied eingestimmt 2 . Selbst die „Interministerielle Arbeitsgruppe Stiftungsrecht", deren Auftrag ebenfalls nicht die steuerrechtliche Problematik umfasste, hat - wenn auch vorsichtig - auf die prohibitive Wirkung des Steuerrechts hingewiesen 3 . In der Tat ist das Steuerrecht das zentrale Hindernis, das der Entfaltung eines prosperierenden Stiftungswesens entgegensteht 4 . Unbeschadet des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen vom 14. 07. 2000 (BGBl. I, 1034) stellt sich daher in der stiftungsreformpolitischen Diskussion weiterhin die Frage nach einer Synchronisierung des Stiftungsrechts mit dem Steuerrecht 5 . Die Gründe für den Gesetzgeber, dem intranationalen Harmonisierungsauftrag des Stiftungsrechts und des Steuerrechts nachzukommen, sind evident. Denn der Gesetzgeber setzt sich zu seiner eigenen Grundentschei1

Vgl. Seifart, in: von Campenhausen (Hrsg.), Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Aufl., München 1999, S. 88 f. 2 Vorschläge zur Reform des Stiftungsrechts. Bericht der Studienkommission des Deutschen Juristentages, München 1968, S. 15 f. 3 Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht" zu Fragen der Neugestaltung des Stiftungsrechts, abgedruckt in: Deutsches Stiftungswesen 1966-1976, hrsg. von R. Hauer u. a., Tübingen 1977, S. 361 (409). 4 Vgl. Unabhängige Sachverständigenkommission zur Überprüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, BMF-Schriftenreihe Heft Nr. 40, Bonn 1988, passim. 5 Gather, Umrisse eines Bundesstiftungsgesetzes, in: Offene Welt Nr. 97/98 (1968), S. 352 (356 ff.); Flämig, Aktivierung des stiftungspolitischen Bewusstseins, in: Offene Welt Nr. 104 (1978), S. 57 (61 f.); derselbe, Der Zerfall der Leistungskraft von Wissenschaftsstiftungen, in: Deutsches Stiftungswesen 1966-1976 (FN 3), S. 185 (217 f.).

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dung in Widerspruch, wenn er seine Entscheidung, durch die Installierung eines stiftungsrechtlichen Rahmenwerkes Stiftungsinitiativen zu fördern und bestehende Stiftungen zu pflegen, mittels des Steuerrechts unterläuft. Diese Feststellung ist auch von rechtlicher und sogar von verfassungsrechtlicher Relevanz. Denn auch das Steuerrecht ist Teil der Gesamtrechtsordnung. Die Gesamtrechtsordnung darf keine Wertungswidersprüche enthalten. Wenn der Gesetzgeber sich in einem Teil der Rechtsordnung für eine bestimmte an der Gerechtigkeit orientierte Grundwertung entscheidet, dann muss er diese Wertung auch in anderen Teilen der Rechtsordnung durchhalten. Das Steuerrecht darf solche Grundwertungen nicht durchkreuzen oder unterlaufen 6 . Dieses gemeinhin als Gebot der Wahrung der Einheit der Rechtsordnung an den Gesetzgeber gerichtete Postulat erfährt für den Bereich der Stiftung noch eine zusätzliche Aufwertung, da die Stiftung als juristische Person 7 gemäss Art. 19 Abs. 3 GG für sich Grundrechtschutz in Anspruch nehmen kann. So verwehrt es Art. 2 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber, den Stiftungen mittels der Ausgestaltung des Stiftungsrechts Entfaltungsfreiheit zu geben und ihnen mittels der i m Steuerrecht angelegten Restriktionen diese Freiheit wieder zu nehmen. Wenn nun dennoch der (Steuer-)Gesetzgeber die Entscheidung des (Stiftungs-) Gesetzgebers für die Stiftung als Rechtsinstitut und für ihre Entfaltungsfreiheit unterläuft, kann dies nicht mit einem intellektuellen Defizit der Akteure auf der Bühne der gesetzgebenden Organe erklärt werden. Der Widerstand, mitunter geradezu die Aversion des (Steuer-)Gesetzgebers gegenüber der Stiftung hat tiefergehende Gründe. Dies kann selbstverständlich schon i m allgemeinen Stiftungssteuerrecht belegt werden, so etwa am Sonderstiftungsrecht für Familienstiftungen mit dem Wertungswiderspruch der Begünstigung einerseits (bei der Errichtung gem. § 15 ErbStG) und der Benachteiligung andererseits (bei der laufenden Besteuerung gem. § 1 Abs. Nr. 4 ErbStG) 8 . A m besten lässt sich jedoch die These vom Wertungswiderspruch am steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht belegen und analytisch vertiefen.

II. Struktur des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts Stiftungen können sich - unter Einsatz ihres Vermögens für den vom jeweiligen Stifter gesetzten Zweck - nur dann voll entfalten, wenn sie nach Maßgabe der in den einzelnen Steuergesetzen enthaltenen Vorschriften von den Finanzbehörden 6 Vgl. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, Heidelberg / Hamburg 1980, S. 199 ff. m.w. Nachw. 7 BVerwG-Urt. vom 22. 09. 1972, BVerwGE 40, 347; vgl. auch BVerfG-Beschl. vom 08. 03. 1983, BVerfGE 63, 312; grundlegend siehe Hof, in: von Campenhausen (FN 1), S. 41 ff. 8

Flämig, Unternehmensnachfolge mittels stiftungshafter Gebilde, in: Der Betrieb 1978, Anlage zu Heft 41, vom 13. 10. 1978. Pöllath, in: von Campenhausen (FN 1), S. 427 und 429.

Stiftungsrecht und Gemeinnützigkeitsrecht

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als gemeinnützig anerkannt worden sind. Der das Wirken der Stiftungen diskriminierende Charakter des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts wird allerdings i m Schrifttum regelmäßig nur anhand bestimmter Problemfelder (so etwa i m Bereich der Selbstlosigkeit oder der Abgrenzung zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb) aufgezeigt 9 . Nicht hingegen wird das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht einer grundsätzlichen Kritik unterzogen. M i t dieser Bemerkung sollen keineswegs die in den einzelnen Vorschriften der §§ 51 ff. A O enthaltenen Friktionen bagatellisiert werden. Dennoch wird zu wenig erkannt, dass sich die auf das gemeinnützige Stiftungswesen deformierend auswirkende Struktur des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts in der vom (Steuer-)Gesetzgeber gewählten Ausgestaltung der Gemeinnützigkeitsvorschriften in den einzelnen Steuergesetzen als eine „Steuerbefreiung" offenbart. M i t Hilfe dieses steuertechnischen Kunstgriffs wird nämlich - das ist die generelle Assoziation gegenüber Steuerbefreiungen - der Eindruck einer den Stiftungen (widerwillig) erwiesenen „staatlichen Wohltat" erweckt, als gäbe der Träger der staatlichen Steuergewalt eine an sich ihm zustehende Steuerquelle preis bzw. verzichte er auf die steuerstaatliche Inanspruchnahme der in einem besteuerungswürdigen Gut enthaltenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Diese üblicherweise in der Kommentarliteratur zu den §§ 51 ff. A O niedergelegte Auffassung von der Qualifikation des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts als einer steuerstaatlichen Begünstigung 1 0 verkennt den Sinngehalt des steuerlichen Zugriffs auf das Einkommen und das Vermögen der Bürger und damit auch des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts. Es wäre zu vordergründig gedacht (und auch verfassungsrechtlich nicht zulässig), den Steuergesetzen nur die Funktion zuzuweisen, den Konflikt zwischen dem Interesse der öffentlichen Hand an möglichst hohen Einnahmen und dem Interesse des einzelnen Staatsbürgers, nämlich möglichst wenig Steuern zahlen zu müssen, zu entscheiden 11 . Denn das Interesse des Staates an einem möglichst hohen Steuervolumen ist nicht Selbstzweck; die Steuern dienen - so bestimmt es § 3 Abs. 1 S. 1 A O - in erster Linie der Finanzbedarfsdeckung zur Erfüllung von staatlichen und anderen öffentlichen Aufgaben. I m Gegensatz zu den staatlichen Aufgaben kann der Staat für die Gesamtheit der öffentlichen Aufgaben kein Monopol für die Aufgabenerfüllung in Anspruch nehmen. Ob sich diese Auffassung auf eine verfassungsrechtliche Verankerung des 9

Pars pro toto Brandmüller, Steuerliche Hemmnisse bei der Eigenkapitalbildung gemeinnütziger Körperschaften, Der Betriebs-Berater 1978, 542 ff. Mitunter wird das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht nicht einmal kritisch analysiert, siehe Pues / Scheerbarth, Gemeinnützige Stiftungen im Zivil- und Steuerrecht, München 2001, S. 93 ff. 10 Vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 11. Auflage, Köln 1983 ff., Tz. 1 Vor § 51 AO; differenzierend Pöllath, in: von Campenhausen (FN 1) S. 700 ff. π Kruse, Steuerrecht, I. Allg. Teil, 3. Aufl., München 1973, S. 94.

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Subsidiaritätsprinzips stützen kann, sei dahingestellt. Selbst wenn man der Ansicht derer folgt, die für das Subsidiaritätsprinzip einen verfassungsrechtlichen Geltungsgrund verneinen 1 2 , ergibt sich aus den freiheitsschützenden Funktionen der Grundrechte die Legitimation der Bürger, auch öffentliche Aufgaben wahrzunehmen. Das Grundgesetz setzt nämlich voraus, dass der Grossteil der Leistungen, auf die das Gemeinwesen angewiesen ist, von den freien Kräften der Gesellschaft, den Grundrechtsträgern selbst erbracht w i r d 1 3 . Wenn dies richtig ist, dann muss den Bürgern, die sich um die Erfüllung gemeinwohlorientierter Aufgaben bemühen, die Verfügungsmacht über die an sich besteuerungswürdigen Güter verbleiben; die staatliche Steuergewalt verliert dann ihre Berechtigung, über die für öffentliche Aufgaben eingesetzten Güter - und sei es auch nur partiell - zu verfügen. Damit wird zugleich Sinn und Zweck des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts offengelegt. Für den Fall, dass von Bürgern und von diesen hierfür eigens geschaffenen Organisationen - wie den Stiftungen - öffentliche Aufgaben wahrgenommen werden, ist es dem Staat als Träger der Steuergewalt prinzipiell verwehrt, das von diesen hierfür eigens eingesetzte Einkommen oder Vermögen als besteuerungswürdiges Gut ganz (so über eine Enteignung) oder partiell (so über die Steuer) zu okkupieren. Damit wird den Bürgern und ihren privatrechtlich strukturierten Organisationen seitens des Staates keineswegs ein Privileg gewährt; denn die Bürger haben ihre Sorge um sich selbst aus eigener Kraft organisiert, so dass sie hinsichtlich der Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben auf die staatliche (Für-)Sorge nicht angewiesen sind. Insoweit ist es nicht gerechtfertigt, die „Anerkennung" einer öffentlichen Aufgaben wahrnehmenden Tätigkeit als ein gemeinnütziges Engagement mit dem pejorativen Ausdruck einer „Steuerbefreiung" zu belegen. Vielmehr liegt es in der Konsequenz einer Befreiung des Staates von einer öffentlichen Aufgabe diesem dann den Zugriff auf das Steuergut zu verwehren 1 4 - mit der (nach der Logik dieser Gedankengänge) nicht mehr überraschenden Konsequenz, dass die gemeinnützigen Stiftungen dann von vornherein nicht mehr als steuerpflichtiges Subjekt anzusehen wären.

I I I . Deformation des gemeinnützigen Stiftungswesens durch das Steuerrecht Vor dem Hintergrund der Ausdeutung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechtes als einer notwendigen Konsequenz der Befreiung des Staates von der Wahrneh12

Zu der Frage, ob dem GG ein Subsidiaritätsprinzip zugrunde liegt, siehe Stern, Bonner Kommentar, Hamburg 1955 ff., Art. 28 Rdnr. 2; ferner Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, Berlin 1968, passim. 13 Vgl. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Festschrift für H. P. Ipsen, Tübingen 1977, S. 409 (422). 14 Flämig, Die Erhaltung der Leistungskraft von gemeinnützigen Stiftungen, Materialien aus dem Stiftungszentrum Heft 16, Essen 1984, S. 27.

Stiftungsrecht und Gemeinnützigkeitsrecht

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mung öffentlicher Aufgaben sollen - als Paradigmen verstanden - zwei auf die gemeinnützigen Stiftungen einwirkende Verwerfungen herausgestellt werden. Obwohl der Staat bei der Wahrnehmung der von ihm in Anspruch genommenen öffentlichen Aufgaben selbst bei wohlwollender Einstellung nicht immer darauf ausgerichtet i s t 1 5 , „die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern" (vgl. § 52 Abs. 1 S. 1 A O ) 1 6 , hat der Gesetzgeber diese für ideologische Verzerrungen anfällige Zielsetzung zur Messlatte für die Anerkennung des Wirkens einer Stiftung als gemeinnützig erklärt. Da aber in einer „pluralistischen Gesellschaft" mit höchst unterschiedlichen Wertesystemen für Teilaspekte die Interessen der Allgemeinheit sozial differenziert und politisch kontrovers sind und daher - in Aufnahme der Gedanken von Peter Häberle - als nicht vorgegebene, letztlich nicht von oben bestimmte, impermeable Größe nur in einem öffentlichen Prozess ihrer Herausbildung entschieden werden können 1 7 , wird die Entfaltung von Stiftungsinitiativen über das in § 52 A O enthaltene staatliche Dekret von gemeinnützigen Zwecken 1 8 in nicht hinzunehmender Weise behindert. Der potentielle Stifter, der u. U. mit „seiner" Stiftung gemeinwohlverträgliche Ziele verfolgen will, muss regelmäßig befürchten, dass die beabsichtigte Zwecksetzung in das Prokrustesbett staatlich diktierter Gemeinwohlvorstellungen gepresst wird, weil immer noch die Einstellung vorherrscht, dass nicht der Staat am Gemeinwohl, sondern das Gemeinwohl am Staat zu messen i s t 1 9 . Dieser Gefahr ist ein Stifter umso mehr ausgesetzt, weil regelmäßig die Frage der Gemeinwohlorientierung einer Stiftung von der untersten Finanzbehörde i. S. eines von ihr allein beanspruchten Definitionsmonopols entschieden w i r d 2 0 . Der aufgeklärte Absolutismus des Finanzamtes, das die Vorstellungen eines Stifters in die phantasiearmen Formen staatlicherseits vorgegebener Mustersatzungen für Stiftungen zu zwingen versucht, ist sicherlich ein entscheidender Grund dafür, dass bei Stiftungen als Emanation der Privatrechtsgesellschaft bis in die heutige Zeit hinein eine Denkund Werthaltung erzeugt worden ist, wie sich insbesondere in der Vorstellung der milden Stiftung i. S. des § 53 A O als dem Idealtypus der Stiftung dokumentiert. Obwohl der Staat bei Betrachtung der vermeintlich i m „öffentlichen Interesse" erbrachten Leistungen nicht nur allein aus der Sicht des „Bundes der Steuerzahler" hin und wieder die Note „mangelhaft" verdient, ihm deshalb aber der „gemeinnüt15

Vgl. W. Haubrichs, Die Verschwendung - Der Missbrauch unserer Steuergelder, München 1979, passim. 16 Vgl. Pues/Scheerbarth (FN 9), S. 96 ff. 17 Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, Bad Homburg v.d.H. 1970, S. 200 ff. 18 Eine „Kostprobe" der in sich z. T. widersprüchlichen Kasuistik bietet der Überblick von Pöllath, in: von Campenhausen (FN 1), S. 770 ff. 19 Ρ ross, Gemeinnützige Aktivitäten sind kein Privileg der öffentlichen Hand, in: Offene Welt Nr. 94/1977, 20 (20). 20 Nur selten wird diese Frage einer finanzgerichtlichen Prüfung unterzogen, vgl. jedoch В FH-Urteil vom 13. 12. 1978, BStBl. 1979 II, 482.

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zige Status" nicht aberkannt wird, zeichnet sich das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht gegenüber Stiftungen durch einen besonderen moralischen Rigorismus aus. Angesichts des von der Finanzbehörde beanspruchten Alleinvertretungsanspruchs bei der Bestimmung des „Gemeinwohls" werden die Stiftungen und ihre „nützlichen Aktivitäten" einem ständigen Rechtfertigungsdruck unterworfen, von dem die staatlichen Institutionen mit Rücksicht auf das von ihnen behauptete „Faktum universaler Präsenz" befreit zu sein glauben. Deshalb kann ein einziger oftmals lange Jahre zurückliegender „Fehltritt" einer Stiftung (etwa die Bildung einer Rücklage außerhalb des Rahmen wertes des § 58 Nr. 7 A O ) 2 1 zum „Verlust" der Gemeinnützigkeit führen und dann eine sämtliche Aktivitäten der gemeinnützigen Stiftung umfassende subjektive und objektive Steuerpflicht auslösen 22 . Gemeinnützige Stiftungen müssen sich somit bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben immer auf der „sicheren Seite" bewegen. A u f diese Weise wird bei den Mitgliedern der Stiftungsorgane eine etatistische Geisteshaltung erzeugt, die den gemeinnützigen Stiftungen als „gesellschaftliche Laboratorien", als Sauerteig der Privatrechtsgesellschaft für öffentliche Aufgaben, eben gerade nicht zukommen sollte.

IV. Gemeinnützige Stiftungen als Fremdkörper im sozialen Steuerstaat der Gegenwart Der aufgezeigte Befund, dass das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht die Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Stiftung unterläuft, kann sich nicht mit der Erklärung von der mangelnden Einsicht bei den Trägern der steuerpolitischen Willensbildung oder eines fehlenden guten Willens bei den Entscheidungsträgern der Finanzverwaltung begnügen. Die in weiten Bereichen der Legislative und Exekutive mitunter unverhohlen bekundete ideologische Aversion gegenüber dem gemeinnützigen Stiftungswesen dürfte vielmehr ihre Erklärung in der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu einem omnipotenten sozialen Steuerstaat finden, demgegenüber das gemeinnützige Stiftungswesen als ein Fremdkörper empfunden w i r d 2 3 . Denn die den gemeinnützigen Stiftungen widerwillig „zugestandene" Steuerschonung entzieht dem Steuerstaat nicht nur Finanzmittel, vielmehr gibt der soziale Steuerstaat damit zugleich ein ihn konstituierendes Strukturmerkmal auf. Denn i m Verständnis des modernen Steuerstaates hängt die Steuerschuld nicht (mehr) von einer Gegenleistung des sozialen Steuerstaates als Steuergläubiger und Zuwendungsgeber ab. Die einst vorgegebenen Bindungen der Steuer an einen spe21 Vgl. Pues/Scheerbarth 22

(FN 9), S. 130.

Dieser Gefahr war die Stiftung Volkswagenwerk, als sie eine Leistungserhaltungsrücklage in ihrer Jahresrechnung geltend machte, lange Zeit ausgesetzt, vgl. Bericht der Stiftung Volkswagenwerk 1981/ 82. 23 Flämig, Der Fiskus straft die Wohltäter, in: Deutsche Universitätszeitung 1981, S. 330 f.

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zifizierten Ausgabenzweck, an Gegenseitigkeit und Äquivalenz hat der Steuerstaat schon längst abgestreift. Vielmehr bestimmt der soziale Steuerstaat selbst über seine Ziele, für die sich Finanzmittel einzusetzen lohnen 2 4 . Der in der „Steuerbefreiung" der gemeinnützigen Stiftungen sich dokumentierende Verzicht auf die sich in der Steuer manifestierende einzigartige und heute mehr denn je spürbare Befehls- und Entscheidungsmacht fordert daher den sozialen Leistungsstaat heraus, der seinen i m Wege kollektiver Willensbildungsprozesse entstandenen Alleinvertretungsanspruch der Herstellung sozialer Gerechtigkeit mit den aus privater Initiative entstandenen gemeinnützigen Stiftungen teilen muss. Angesichts der Tendenz des sozialen Steuerstaates der Gegenwart zu einer alle Lebensbereiche umgreifenden Omnipotenz und damit universalen Präsenz müssen gemeinnützige Stiftungen, die als eine „ A r t privater Nebenregierung" öffentliche Zwecke aber nach eigener Wahl der Bürger verfechten, wie der Pfahl i m Fleische wirken. Damit ist die Frage nach den Dissonanzen zwischen Stiftungsrecht und Stiftungssteuerrecht bzw. nach einer Anerkennung der in Stiftungen institutionalisierten Gemeinwohlinitiativen durch den sozialen Steuerstaat letztlich eine Frage nach dem Verhältnis des Staates zur Gesellschaft. U m von vornherein nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich wird die heute tatsächlich bestehende „Verzahnung" („Osmose" nach Ernst Forsthoff; „Durchdringung" nach Konrad Hesse) von Staat und Gesellschaft nicht in Abrede gestellt. Von daher kann es auch nicht (mehr) um die grundsätzliche Frage einer absoluten Trennung von Staat und Gesellschaft gehen, die sich zudem verfassungsgeschichtlich nicht einmal für das 18. und 19. Jahrhundert belegen lässt. Vielmehr stellt sich allein die Frage, ob die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft heute noch als verfassungstheoretisches Ordnungsprinzip Geltung beanspruchen kann. Angesichts des fortschreitenden Ubergreifens staatlichen Einflusses in Bereiche, die früher autonomer gesellschaftlicher Regelung - wie etwa der Krankenpflege durch die Wohltätigkeitsstiftungen des Mittelalters - überlassen waren, mündet dies in die Frage, ob das Prinzip der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft eine die Freiheit der Bürger und damit auch „ihrer" Stiftungen sichernde Funktion hat. In dem von Ernst W. Böckenförde herausgearbeiteten institutionellen Staatsmodell wird das Verhältnis von Staat und Gesellschaft unter Rückbesinnung auf die zukunftsweisende Analyse von Lorenz von Stein in seiner „Geschichte der sozialen Bewegung Frankreichs seit 1789" als dialektisches, stets vorhandenes Beziehungsverhältnis verstanden 25 . In konkreten Institutionen - so auch in Stiftungen verwirklicht sich hiernach das wechselseitige Beziehungsverhältnis zwischen beiden, ohne dass aber die Gesellschaft in dem Staat („Vergesellschaftung der Gesellschaft") oder umgekehrt („Vergesellschaftung des Staates") aufgeht. Vor allem wegen der ansonsten nicht auszuschließenden Gefahr eines Umschlagens in ein totalitäres System sieht Ernst W. Böckenförde in der Unterscheidung von Staat und 24 Isensee (FN 13), S. 416. 25 Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, Frankfurt a. Μ. 1976, S. 185 ff.

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Gesellschaft ein die individuelle Freiheit sicherndes Postulat, das um der Freiheit willen nicht aufgegeben werden dürfe. Nicht zuletzt aus Sorge um das (gemeinnützige) Stiftungswesen muss daher entgegen mancherorts als communis opinio verkündeten „Homogenisierung von Staat und Gesellschaft" (Helmut Ridder) - am Dualismus von Staat und Gesellschaft festgehalten werden. Denn dieses Ordnungsprinzip erfüllt eine wichtige Ausgrenzungsfunktion: Es verhindert, dass der Staat „als gesellschaftliches Gebilde mit besonderen Funktionen" und damit als übermächtiger Wettbewerber auf dem Feld der Gemeinwohlinitiativen in Konkurrenz zu anderen gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen tritt und hierdurch die Gesellschaft nicht nur durchstaatlicht, sondern in dem Staat aufgeht, in dem der Bürger und seine gesellschaftlichen Veranstaltungen - wie die Stiftungen - nur noch zum Objekt sozialstaatlichen Geschehens degradiert werden. In dem nach dem institutionellen Staatsmodell strukturierten Staat beschränkt sich dieser - nicht um seiner selbst willen, sondern um den Individuen bessere Entfaltungsmöglichkeiten zu geben - auf die ihm zustehende, von der Gesellschaft durch besondere Merkmale abgehobene öffentliche Gewalt, die sich letztlich nur in einer Schiedsrichterfunktion gegenüber der Gesellschaft zeigt.

V. Schlussbemerkung Bei der eben aufgezeigten Begrenzung des Staates auf ordnungspolitische Funktionen würde den Stiftungen i m Bereich der Gemeinwohlinitiation eine zentrale Bedeutung zukommen. I m Stiftungsrecht des BGB und in den Stiftungsgesetzen der Länder sind - cum grano salis gesprochen - die Voraussetzungen für eine Entfaltung von gemeinnützigen Stiftungsinitiativen weitgehend angelegt. Nur das Steuerrecht müsste noch den Stiftungen einen nicht von Bevormundung und Neid gehemmten und begrenzten Rang institutionalisierter Gemeinwohlinitiativen einräumen. Hierzu bedarf es neben der Detailarbeit der Harmonisierung stiftungs- und steuerrechtlicher Vorschriften einer grundsätzlichen Neuorientierung in der Frage der Entscheidungsinstanz über die Gemeinnützigkeit von Stiftungen 2 6 . Die Harmonisierung von Stiftungs- und Steuerrecht wird sich an der Kernfrage entscheiden, ob die Finanzverwaltung - i m Gleichklang mit der politpädagogischen Zuversicht, Gemeinwohl definieren zu können - weiterhin allein über die Ubereinstimmung der aus personalen Impulsen stammenden Stiftungsinitiativen, die von der Sicherung eines Unternehmens mittels Unternehmensträgerstiftungen bis hin zur Entfaltung eines freien Geisteslebens über Funktionsträgerstiftungen reichen, mit dem Gemeinwohl entscheiden darf. 26 Dieser grundsätzlichen Frage hat sich die „Unabhängige Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts" (FN 4) leider nicht gestellt.

Streitkultur „People generally quarrel because they cannot argue" (G. K. Chesterton) Reinhard Grunwald und Marion

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Jeder tut es; nicht jeder kann es; es ist zeitlos und ubiquitär; in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Politik ebenso anzutreffen wie in der Bibel, in der Kunst und Literatur - ein basales Anthropologicum, wenn auch ein eher unbeliebtes. Die Rede ist vom Streiten. Streiten ist i m besten Fall eine Kunst, i m schlechtesten eine Qual. Streiten w i l l gelernt sein, Streiten braucht Kultur, um erträglich zu sein. Dass Streitkultur in Deutschland wenig ausgeprägt bis defizitär ist, zeigen Alltagserfahrungen ebenso wie wissenschaftliche Untersuchungen; 1 und so nimmt es nicht wunder, dass auch der Begriff selbst noch nicht hinreichend definiert ist. I m rechtlichen Raum finden wir eine formalisierte und institutionalisierte Streitkultur vom Zivilprozess bis hin zum Kriegs Völkerrecht. I m umgangssprachlichen Kontext erscheint der Begriff zunächst geradezu als contradictio in terminis: Streit ist nichts, was der Kultur ( > colere pflegen, verehren), der Pflege oder gar der Verehrung bedarf, ist nichts, was sorgsam betrieben, verfeinert oder gar mit Engagement und Ehrgeiz verfolgenswert erscheint. Streit ist in unserer Sprache eher negativ konnotiert und wird i m Widerspruch gesehen zu Kultivierung und Verfeinerung. I m Streit wird nicht selten der Boden der Rationalität weitgehend verlassen und bricht sich ungezähmte Emotionalität Bahn. Streit bedeutet Sprengsatz für Beziehungen, Streit stört das Arbeitsklima und gefährdet den Frieden. Analoges gilt für die Mitglieder und Idiome aus der Wortfamilie: Streithansel, Streithähne, Streithennen, Leute, die einen Streit vom Zaun brechen, sind schwierig und nicht sehr 1

Vgl. z. B. Sarcinelli, Ullrich (Hrsg.), Demokratische Streitkultur. Theoretische Grundpositionen und Handlungsalternativen in Politikfeldern, Opladen: Westdeutscher Verlag 1990, darin bes.: Sarcinelli, Ulrich „Auf dem Weg in eine kommunikative Demokratie? Demokratische Streitkultur als Element politischer Kultur", 29-51; Claus Leggewie, „Bloß kein Streit! Uber deutsche Sehnsucht nach Harmonie und die anhaltenden Schwierigkeiten demokratischer Streitkultur", 52-62. Andrian Kreyes Bericht über Peter Sloterdijks Besuch in L.A. - „Die Schwelle der Macht" - zufolge hat der deutsche Philosoph und Kulturkritiker im Vorfeld eines vom Goethe-Institut und der University of California (UCLA) veranstalteten Symposions „Enhancing the Human - Genomics, Science Fiction and Ethics collide" gesagt: „In Deutschland gibt es keine Streikultur... In den USA werden Argumente ausgetauscht, in Deutschland nur Standpunkte. Das führt zu keinem Ergebnis, sondern zur Erschöpfung." (http://users.rcn.com/akreye/sloterdijk.html ).

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beliebt. Streit ist bitterer Ernst, man streitet bei uns nicht aus Spaß. Beim Streit geht es nicht selten um Macht, ihre Konsolidierung oder Ausdehnung. Streit versucht man zu gewinnen oder ganz zu vermeiden. Streit aber ist wichtig und richtig. Der Mensch ist Individuum und zoon politikon. Das menschliche Zusammenleben ebenso wie die inneren Widersprüche jedes Einzelnen sind ohne Konflikte und deren Bewältigung nicht möglich. Streit ist produktiv, er birgt Chancen und neue Lösungen. Er darf, wie die inzwischen fast einhundert Jahre alte Konflikttheorie Georg Simmeis besagt, nicht als bloßes soziologisches Passivum und negative Instanz gesehen werden, 2 vielmehr braucht die Gesellschaft „irgendein quantitatives Verhältnis von Harmonie und Disharmonie, Assoziation und Konkurrenz, Gunst und Missgunst, um zu einer bestimmten Gestaltung zu gelangen." 3 Dahrendorf vertritt gar die Auffassung, dass i m Konflikt nicht nur der „schöpferische Kern aller Gesellschaft" sondern auch die „Chance der Freiheit" 4 liegt und sieht eine Gesinnung der Konkurrenz als essentiell für Innovation und Fortschritt.

I . Begriffliches Chestertons bereits i m Titel zitierte Feststellung „people generally quarrel because they can not argue" liefert Diagnose und zugleich Erklärung für das deutsche Symptom'. Eine linguistische Betrachtung des Wortes „Streit" i m vergleichenden Kontext der englischen Sprache bietet weiteren Aufschluss. Das Grimmsche Wörterbuch leitet die Herkunft des Wortes Streit aus den west- und nordgermanischen Sprachen her (ahd. mhd. strit; as. strid; afrs. strid . . . ) und führt als die ursprüngliche Bedeutung „Kummer, Bedrängnis, K a m p f an. Das persönlich-emotionale Element, das bis heute beim Streiten eine wesentliche Rolle spielt, ist also bereits in den etymologischen Anfängen präsent. Als allgemeine Bezeichnung des physischen Kampfes hält sich das Wort bis ins Mittelhochdeutsche. Erst seit dem 18. Jh. erstarken die Bedeutungsnuancen des „Meinungsstreits i m Wortwechsel". Während also der Begriff „Streit" im Deutschen den Konflikt schon impliziert, das kämpferische Aufeinanderstoßen ( > lat.: confligere) gewissermaßen mitdenkt, die persönlich-emotionale Befindlichkeit und Streitobjekt oft verquickt und daher die Grenzziehung zwischen ad rem und ad personam verwischt, kann die englische Sprache einen entscheidenden Aspekt, nämlich den diskursiven, kommunikativen Charakter des Streites akzentuieren. Das Trennende, Scharfe des mittelhochdeutschen strit ist in to stride raumgreifend zum Ausschreiten, nicht zur Auseinander2

Simmel, Georg, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Berlin: Duncker & Humblot 1908, 187. 3 Ibidem. 4 Dahrendorf, Ralf, Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart, München: R. Piper 1961, 235.

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Setzung geworden. To argue vom Lateinischen arguere heißt in der Grundbedeutung nichts anderes als to make clear, to prove , to assert, to demonstrate und unterstreicht die verbale Komponente des Streits als Meinungsaustausch und kontroverse Erörterung. Das davon zu unterscheidende to quarrel hingegen integriert die emotionale Komponente, bezeichnet es doch den angry dispute und wird synonym verwendet mit to content violently, fall out, break off friendly relations, become inimical or hostile , und interessanterweise ist oben erwähnter Streithansel oder streitsüchtige Person im Englischen ein quarrel picker oder quarrelsome person. Vor dem Hintergrund eines diskursiven Streitbegriffs ergibt sich auch für das Phänomen der Streitkultur oder das Fehlen derselben eine andere Dimension. Die nachmittäglichen Talkshows oder ihre seriöseren Pendants zur abendlichen prime time legen beredt Zeugnis ab. Mehr quarrel als argument könnte die Manifestation defizitärer bis non-existenter Streitkultur kaum besser sein: vermeintliche Diskussionspartner fallen sich ins Wort, fahren einander über den Mund, schreien sich nieder und hören einander nicht zu. Chestertons Differenzierung zwischen quarrel und argument impliziert die zentrale Aussage, dass die Kultivierung von Streit, die Entwicklung von Streitkultur untrennbar mit Kommunikation und deren Mitteln, insbesondere der Verwendung von Sprache verknüpft ist. Bändigung von Streit, die Beherrschung auch wilder Pferde unabhängig von dem einer Konfliktsituation zugrundeliegenden Sachverhalt meint die Einhaltung bestimmter Spiel- und Fairnessregeln, vor allem die Achtung des Anderen und läuft primär über Sprache. Erfolgreicher Streit muss deshalb ergebnisoffener aber ergebnisorientierter Dialog sein.

I I . Erscheinungsformen des Streits Vom Widerstreit der Gefühle sprechen wir, wenn es um schwierige intrapersonale Entscheidungssituationen geht. Hin und her gerissen zwischen der Aussicht auf schnellen Tod, aber ewigen Ruhm einerseits, Schmach, aber Hinausschieben des Todes andererseits, wägt Achilles bereits i m klassischen Schulbeispiel der Rhetorik (Ilias , I X ) ab. A u f der anderen Seite steht Streit für physischen Kampf: von der Auseinandersetzung zwischen Einzelnen bis hin zum Völkerstreit i m Krieg. Dazwischen liegt die ganze Bandbreite interpersonaler Auseinandersetzungen, vom Meinungsstreit bis zu Streitfällen zwischen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, religiösen und staatlichen Gruppierungen. Allen Formen des Streits gemeinsam ist, dass ihnen unterschiedliche Auffassungen über Tatsachen, Wertungen oder Handlungsmöglichkeiten zugrunde liegen. Von Streit kann erst dann gesprochen werden, wenn in den davor stattfindenden Auseinandersetzungen keine Einigung erzielt werden konnte. Streit setzt die Bereitschaft voraus, sich in einem Gegensatz zum Widerpart nicht nur zu sehen und zu empfinden, sich vielmehr bis hin zu emotionalem Engagement durchsetzen zu wollen. 16 FS Leuze

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Streit wird schließlich durch ein potentielles Eskalationsmuster geprägt, das zumindest Gefahr läuft, bei wachsender Emotionalität rationale Gesichtspunkte zunehmend in den Hintergrund zu drängen und ohne wirksame Schlichtung bzw. Deeskalation einen Ausweg aus der Streitsituation nur noch über Sieg oder Niederlage zu suchen.

I I I . Erkenntnis und Wertung als Entscheidungsgrundlagen Wie lässt sich Auseinandersetzung rational führen, Streit vermeiden oder so bändigen, dass das Streitende Frieden bringt? Zwischen Tatsachen und Anschauungen, Erkenntnis und Wertung spielt sich das Ringen um die beste Lösung ab. Erkenntnisse und Wertungen können sich auf in der Vergangenheit Abgeschlossenes oder auf Zukünftiges beziehen. So misst der Richter Tatbestände, die in der Vergangenheit passiert sind, an Regeln. Logisch gesehen arbeitet er dabei deduktiv in einem Schlussvorgang vom allgemeinen, der Regel, zum besonderen, dem Einzelfall. Anders gelagert ist die politische, in die Zukunft reichende Entscheidung, besonders deutlich am Beispiel des Gesetzgebers. Ausgehend von Entwicklungen, die er beeinflussen w i l l und in evolutionärer Fortschreibung bestehender Regeln und Wertungen oder aber in revolutionärer Änderung bestehender Wertungen und Regeln, setzt er die zukünftig zu beachtenden Maßstäbe. Hierbei geht er regelmäßig sowohl deduktiv vor, nämlich ausgehend von höherrangigem Recht als auch induktiv, nämlich von der Vielzahl der erwarteten Einzelfälle hin auf die gewollte Regelung.

IV. Rhetorik als Entscheidungsmethode Als Werkzeug für die Auseinandersetzung um die richtige Erkenntnis bzw. Wertung hat sich seit der Antike die Rhetorik bewährt. Aristoteles entwickelt seine Rhetorik am Beispiel der Bürgerversammlungen der griechischen Polis. Die Topoi der Diskussion sind daher besonders Finanzen, Krieg und Frieden, Verteidigung, Außenhandel und Gesetzgebung. Als Ziel aller Überlegungen und Abwägungen werden die Förderung von Glück und Wohlfahrt der Gemeinschaft gesehen. Bereits früh stehen die Bewahrung der guten Dinge, der Erwerb von Gütern, die wir nicht haben, die Abwehr bestehenden Übels oder die Verhinderung von Schäden, die zu erwarten wären - modern gesprochen Gefahrenabwehr und Daseinsvorsorge - i m Mittelpunkt des Interesses. Betont wird daneben das Ehrbare als vorrangiger Gesichtspunkt. So sehen Aristoteles und Cicero ausdrücklich Ehre vor Daseinsvorsorge. Andere Gesichtspunkte, insbesondere Legalität und praktischer Nutzen, also Opportunität, werden bereits von Aristoteles als wichtige Gesichtspunkte aufgeführt.

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V. Fakten, Definitionen, Wertungen, Zuständigkeiten Ausgangspunkt aller Abwägungen sind für den guten Rhetor Fakten. Da mihi facta, dabo tibi ius. ,Gib mir die Tatsachen, dann gebe ich dir das Recht' galt nicht erst für den römischen Prätor, ist vielmehr bis heute Grundlage jeder Rechtsprechung und klugen Gesetzgebung. A u f der nächsten Ebene geht es um Definitionen. Sie spielten in der griechischen Rhetorik eine eher größere Rolle als etwa in der Gedankenwelt Ciceros als Rhetor und Jurist. Definitionen sichern die gemeinsame Sprache, dass unter Begriffen Einheitliches, Kommunizierbares gemeint und verstanden wird. A u f der dritten Ebene geht es um Wertungen. Hier setzt regelmäßig der Streit ein; um Fakten lässt sich vielleicht ansatzweise trefflich streiten, dennoch gibt es in der realen Welt eher unterschiedliche Anschauungen als Fakten. A u f der vierten Ebene schließlich geht es um die Handlungsmöglichkeiten, Funktionen und Zuständigkeiten. Neben der Wertungsebene ist dies die zweite wirklich konfliktträchtige Ebene. Bereits die frühesten Überlieferungen zeigen den Mensch in seinen Konflikten: Ob das Adam und Eva in ihrer Wahl zwischen Gehorsam und Ungehorsam waren, Achill in der Wahl zwischen Ruhm und frühem Tod oder ruhmlos langem Leben, oder die Auseinandersetzung zwischen Griechen und Trojanern: Die Notwendigkeit, zwischen einander ausschließenden Handlungsmöglichkeiten auszuwählen, begleiten den Menschen als Individuum und als Gemeinschaftswesen. Besonders die Entwicklung der Staatlichkeit zeigte in unserem Kulturkreis einen zunächst immer stärker werdenden Staat, der in immer mehr Bereiche auch des individuellen Lebens eingriff. I m absolutistischen Staat sind Konflikt und Konfliktbeherrschung Staatsmonopol. Die in schweren Auseinandersetzungen bis hin zu zwei Weltkriegen und dem Untergang imperialer und diktatorischer Herrschaftsformen gewachsene Staatsform des demokratischen sozialen Rechtsstaats setzt auf Konfliktbeherrschung in dezentralen Regelkreisen einerseits, andererseits vor der Klammer stehende staatliche Daseinsvorsorge und Gefahrenabwehr bis hin zum militärischem Gewalteinsatz nach außen und der Sicherung und Durchsetzung der Rechtsordnung nach innen.

V I . Streitkultur Der Begriff der Streitkultur müsste, wollte er die Bandbreite des Streits vom inner-persönlichen Konflikt bis zum Weltkrieg erfassen, daher sehr allgemein sein, etwa: Sicherung des Friedens durch diskursive Konfliktlösung, - insbesondere durch Moderation oder Schlichtung von Streit, zumindest Verhinderung weiterer Streiteskalation, vielmehr Deeskalation, 16*

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- durch die Sicherung von Regeln, - durch die Achtung des anderen und - durch die Eingrenzung des jeweiligen Schadenspotentials - zur Bewahrung des Friedens bzw. der Möglichkeit des friedlichen Zusammenlebens nach Streitende. Der Soziologe Georg Simmel stellte eine Konflikttheorie auf, in der dem Interessenwiderstreit und der Verbindung von Personen zu Kleingruppen bis hin zu Großgruppen gesehen Konfliktpotential mit gruppen-dynamischen Effekten korreliert wurde. 5 Demgegenüber ging Carl Schmitt von einem Freund-Feind-Schema aus und korrelierte dies mit Gut und Böse. Danach war nicht nur der Konkurrent bzw. private Gegner ein Feind, sondern kategorisch identisch der öffentliche und der politische Feind. Für ihn war Konflikt daher Kampf bis hin zur Vernichtung des Gegners oder der eigenen Vernichtung. 6 Die moderne Betrachtung leitet Max Weber ein. Kampf um die Macht charakterisiert für ihn menschliche Beziehungen. Differenziert werden die Sache, um die gekämpft wird, die angewendeten Mittel, Kämpfer und die Regeln des Kampfes. Vom ökonomischen Kampf um Märkte, Güter, Rohstoffe und Geld über den sozialen Kampf zwischen Ständen und Statusgruppen bis hin zum politischen Machtkampf politischer Parteien reicht seine Betrachtung. 7 Ralf Dahrendorf schließlich geht aus von den Rollen der Akteure und den damit verbundenen Handlungsmustern. Sozialer Wandel entwickelt sich für ihn unter folgenden Voraussetzungen: - dem permanentem Wandel jeder Gesellschaft, - den in der Gesellschaft unvermeidlichen Konflikten, - den Beiträgen der Gesellschaftsmitglieder dazu und - der Herrschaft, auf der jede Gesellschaft aufgebaut ist. Für ihn sind Konflikte „ein Lebenselement der Gesellschaft". „Wo Konflikte anerkannt und geregelt werden", so Dahrendorf, „bleibt der Prozeß des Wandels als allmähliche Entwicklung erhalten. Immer aber liegt in sozialen Konflikten eine hervorragende schöpferische Kraft von Gesellschaften." Es gibt Institutionen, die es erlauben Nein zu sagen und die Regierenden abzulösen. 8

5 Simmel, Georg, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Berlin: Duncker & Humblot 1908, insbes. Kap. IV, „Der Streit", (186 - 255), 209 - 21. 6 Schmitt, Carl, Der Begriff des Politischen, Berlin: Duncker & Humblot 1995, 28 ff. 7

Vgl. Weber, Max, Potsdamer Internet Ausgabe, http://www.uni-potsdam.de/u/paed/pia/ index.htm, darin bes.: Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik: „Die Börse", 316; Gesammelte Politische Schriften: „Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland", 166; ibidem: „Politik als Beriuf \ 398. 8 Dahrendorf, Ralf, Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart, München: Piper 1961, 124.

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Lange etablierte Demokratien haben dieses B i l d einer offenen Gesellschaft, das Dahrendorf entwirft, deutlicher geprägt als unsere deutsche Gesellschaft. Die Erfahrung einzelner streitiger Abstimmungen - in überschaubaren direkten Demokratien erhalten, etwa in der Schweiz - oder die Tradition von debating societies , etwa an englischen oder amerikanischen Schulen und Universitäten geben dieses Verfahren von der Tatsachenerhebung über das Finden einer gemeinsamen Sprache, über die Wertung bis hin zur Konfliktbereinigung auf möglichst niedriger Stufe wieder. Der andere wird viel besser in seiner Argumentation verstanden, wenn der Zwang dazu besteht, i m moot court- Verfahren an anglo-amerikanischen Universitäten einen Rollenwechsel vom Kläger zum Beklagten oder vom Ankläger zum Verteidiger bzw. zum Richter zu erleben. In Deutschland hingegen ist eher die Streitlust mit dem Ziel des Beiseiteräumens des Gegners als der Auseinandersetzung mit ihm bzw. die Bereitschaft oder gar Fähigkeit zum Kompromiss ausgeprägt. Wer sich die Statistik der Nachbarstreitigkeiten ansieht, mit höchst kostenträchtigem Streit um Petitessen, bekommt dafür Anschauungsunterricht. Recht haben geht in Deutschland über fast alles. Argumente werden zum einen auf die Wertungs- oder Zuständigkeitsebene gezogen, dem Gegner Ahnungslosigkeit, böser Wille, jedenfalls fehlende Bildung, Geschichts- bis hin zu Gottlosigkeit vorgeworfen. Wir haben zum anderen Individualität nicht zuletzt als Reaktion auf den totalitären Staat mit seiner Verachtung des Einzelnen so weit getrieben, dass die Solidarität gegenüber der Gemeinschaft in den Hintergrund gedrängt wird. In der Auseinandersetzung der Interessen des Einzelnen gegenüber den Gesamtinteressen werden wir jedoch in wichtigen Einzelbereichen von der Abwägung zwischen den Interessen von A l t und Jung über die Interessen von A r m und Reich, die der Deutschen und der Fremden bis hin zu den Interessen i m Gesundheitssystem immer wieder neu justieren müssen. Hier wird es nicht ohne Auseinandersetzung bis hin zum Streit gehen. Gesellschaftssysteme, die sehr viel stärker auf Solidarität und emotionaler Bindung des Einzelnen an die Gemeinschaft beruhen, kommen hier zu anderen Betrachtungen und haben andere Verfahren entwickelt. So berichtet Guntram Rahn in einer kulturvergleichenden Analyse rechtlicher und wirtschaftlicher Gepflogenheiten in Japan und Deutschland, dass die japanische Gesellschaft sich von der kleinen Dorfgemeinschaft aus entwickelte und für Jahrhunderte ohne Kontakt mit Fremden lebte. 9 Neben dieser vielbeschriebenen Abschottung der japanischen Gesellschaft in der Edo-Zeit beeinflussten weitere Aspekte die Ausprägung eines anderen Sozialsystems. So waren beispielsweise die landwirtschaftlichen Produktionsleistungen, insbesondere beim Reisbau, nur in kollektiver Anstrengung zu erbringen und setzten gemeinschaftliches Planen und konsensuelles Handeln voraus. Empathie und Nonverbales sind charakteristisch für japanische Kommunikationsformen, und es ist mitunter mehr die diplomatische Verhüllungskraft als die 9 Rahn, Guntram. Cultural differences in doing business in Europe and Japan, http:// www.kclc.or.jp / english / sympo / EUDialogue / rahn.htm

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Reinhard Grunwald und Marion Müller

Exaktheit der Begrifflichkeit, die der Sprache zum Ausdruck verhilft. Der öffentlichen Debatte widerstreitender Interessen wird traditionell das entscheidungsvorbereitende Vieraugen-Gespräch vorgezogen. Der Entwicklung der persönlichen Autonomie steht so die Einbindung des Einzelnen in die Gemeinschaft und seine Beziehung zu anderen in anders tarierter Balance gegenüber.

V I I . Zusammenfassung So wie der Mensch immer wieder mit sich einander ausschließenden Entscheidungen konfrontiert wird, so wie er i m Widerstreit eigener und fremder Interessen steht und als Teil einer kleineren oder größeren Gruppe in Entscheidungs- und Handlungsgänge eingebunden ist, so wichtig ist, dass Tatsachen, gemeinsame Sprache, Wertungen und Handlungszuständigkeiten klar angesprochen und entwickelt werden. Grundlage jeder offenen Gesellschaft ist daher der offene, geregelte, kreative Konflikt. Voraussetzung wiederum dafür sind Menschen, die konfliktfähig und konfliktbereit sind. Sie sind keine Streithansel, vielmehr streitlustig i m Sinne des Respekts vor dem anderen und der anderen Meinung, aber bereit, für die eigene Meinung zu kämpfen. Nicht die Vernichtung des Gegners, vielmehr seine Uberzeugung ist Ziel der Auseinandersetzung. Sie setzt eben so die Bereitschaft voraus, sich überzeugen zu lassen und nicht aus jedem Disput als Sieger hervorzugehen. Nur so lässt sich die Friedensfunktion des beendeten Streits entwickeln. Möge unserem streitbaren Jubilar Kampfeslust und Gesundheit noch lange erhalten bleiben. A u f dass ihm die Argumente nie ausgehen!

Allgemeines Verwaltungsverfahrensrecht an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen Peter Hanau und Christian

Рокоту

I . Einführung Das Hochschulrecht ist zu einem großen Teil Verwaltungsrecht. Es handelt sich um einen normativ dicht geregelten Bereich. Die Arbeit der Hochschulen und insbesondere der Hochschul Verwaltungen, mit welcher Dieter Leuze durch langjährige Praxis sowie fundierte theoretische Durchdringung wie kaum ein anderer vertraut ist, ist durch den Umgang mit einer Fülle von speziellen hochschulrechtlichen Vorschriften geprägt. Neben den besonders wichtigen Landeshochschulgesetzen sind diverse weitere Gesetze, Verordnungen und Satzungen zu beachten. Angesichts dessen ist es kaum verwunderlich, dass die Bedeutung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts für die Verfahren i m Hochschulbereich nur teilweise und unter Einzelaspekten in den Fokus wissenschaftlicher Betrachtung gelangt ist. Insbesondere die Verwaltungsverfahrensgesetze führen, zumal sie ihre Anwendbarkeit nur anordnen, „soweit nicht Rechtsvorschriften. .. inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten", als Teil des Hochschulrechts ein Schattendasein. Der folgende Beitrag behandelt das Verwaltungsverfahrensrecht für den Bereich nordrhein-westfälischer Hochschulen. Nach allgemeiner Erörterung der Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes Nordrhein-Westfalen ( V w V f G N R W ) 1 auf den Hochschulbereich wird ein Blick auf das besondere Problem der „Identifizierung" von Verwaltungsverfahren an Hochschulen geworfen. Sodann wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die oftmals Ausdruck unabdingbarer Minimalanforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren sind, entsprechende Anwendung auf solche Hochschulverfahren finden können und müssen, die keine Verwaltungsverfahren darstellen. A u f der gefundenen Grundlage der direkten und mittelbaren Anwendbarkeit sollen die Auswirkungen einzelner Verwaltungsverfahrensregelungen auf exemplarisch ausgewählte Hochschul verfahren skizziert werden.

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Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. 11. 1999, GV NW S. 602.

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I I . Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes 1. Die Eröffnung des Anwendungsbereichs nach § 1 VwVfG NRW Das VerwaltungsVerfahrensgesetz N R W gilt nach seinem § 1 Abs. 1 „für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden . . . der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts". Damit ist klar, dass das Gesetz grundsätzlich auf die nach § 2 Abs. 1 S. 1 H G N R W 2 zumindest auch körperschaftlich organisierten nordrhein-westfälischen Hochschulen Anwendung findet. Aussagen zu Art und Umfang der Anwendbarkeit bedürfen allerdings näherer Untersuchung. Nur „öffentlich-rechtliche" Tätigkeit unterfällt dem Verwaltungsverfahrensrecht. Damit scheidet privatrechtliches Handeln der Hochschulen aus. Dieses prägt weite Bereiche der Bewirtschaftung der Haushaltsmittel z. B. durch Abschluss von Miet- oder Kaufverträgen. Das Verhältnis der Studierenden zur Hochschule ist grundsätzlich öffentlich-rechtlich; nach § 90 H G NRW steht es den Hochschulen allerdings frei, weiterbildende Studien auf privatrechtlicher Grundlage anzubieten. Durch das Inkrafttreten des 5. H R G Ä n d G 3 wurde der grundsätzliche Beamtenstatus der Hochschullehrer unberührt gelassen; insoweit hat der Gesetzgeber das vertraute öffentliche Dienstrecht einer „Flucht in das Arbeitsrecht" vorgezogen. M i t dem Inkrafttreten des B L B G N R W 4 ist die Bau- und Liegenschaftsverwaltung der Hochschulliegenschaften auf den Bau- und Liegenschaftsbetrieb übergegangen, die dieser nach einem „Mieter / Vermieter - Modell" - also privatrechtlich - wahrnehmen kann. Die durch das B L B G bewirkte, auch verfassungsrechtlich bedenkliche 5 Einschränkung der Beteiligung der Hochschulen an der Liegenschaftsverwaltung kann nicht durch die Anwendung des Verwaltungsverfahrensrechts ausgeglichen werden, es sei denn, man käme über die Anwendung der allerdings zunehmend abgelehnten 6 Zweistufentheorie doch zum öffentlichen Recht. Eine wichtige Einschränkung liegt in dem Begriff „ Verwaltungstätigkeitdenn dieser umfasst jedenfalls nicht den Kernbereich wissenschaftlicher Tätigkeit. Wissen wird in diesem Bereich geschaffen, nicht verwaltet. Der Forderung des Bun2 Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG) vom 14. 3. 2000, GV NW S. 190. 3 Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und anderer Vorschriften vom 16. 2. 2002, BGBl. I S. 693. 4 Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Bau und Liegenschaftsbetrieb NRW" und zum Erlass personalvertretungsrechtlicher Regelungen vom 12. 12. 2000, GV NW S. 754. 5 Grundlegend Oebbecke, Rechtsgutachten zu verfassungsrechtlichen Fragen des Gesetzes zur Errichtung des Bau- und Liegenschaftsbetriebes NRW, Dez. 2001- nicht veröffentlicht. 6 Vgl. die Kritik bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., München 1999, § 17 Rn. 14 ff.

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desverfassungsgerichts, dass der Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung der Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers vorbehalten bleiben muss 7 , wird damit einfachgesetzlich entsprochen. Das Hauptproblem des Kernbereichs wird allerdings seine Unbestimmbarkeit bleiben. Bedeutsam ist die Frage nach „Behörden " i m Hochschulbereich, da nur auf deren Tätigkeit das Verwaltungsverfahrensgesetz anwendbar ist. Hochschulen sind nicht selbst Behörde, sondern sie haben Behörden 8 . § 1 Abs. 2 V w V f G NRW definiert die Behörde als „jede Stelle , die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmtNach wohl herrschender, aber bestrittener 9 Ansicht ist zudem eine „Außenzuständigkeit" zu verlangen 1 0 . Eine solche kommt jedenfalls dem Rektorat als Leitungsorgan der Hochschule 11 und dem Rektor zu, der die Hochschule gem. § 19 Abs. 1 H G NRW nach außen vertritt. Es unterlag einer regen hochschulrechtlichen Diskussion, die maßgeblich von Dieter Leuze mitgestaltet wurde 1 2 , in welchem Verhältnis Rektor und Kanzler zueinander stehen, insbesondere ob und inwieweit auch dem Kanzler eine Außenvertretungskompetenz zukommt 1 3 . Aber es wäre vorschnell, in Rektorat, Rektor und ggf. i m Kanzler die einzigen Behörden der Hochschule zu sehen, denn Aufgaben der öffentlichen Verwaltung werden auch unterhalb der Zentralebene wahrgenommen: So ist z. B. das Promotions- und Habilitationsrecht Angelegenheit der zumindest teilrechtsfähigen Fachbereiche; insoweit tritt regelmäßig der Dekan als Behörde nach außen auf. Leistungsnachweise werden regelmäßig von den Hochschullehrern als Inhaber eines Lehrstuhls (oder eines Lehrauftrags etc.) ausgestellt. Als Behörden anzusehen sind somit auch Lehrstuhlinhaber 14, aber auch sonstige Hochschullehrer sowie Prüfungsaus7 Vgl. BVerfG 29. 5. 1973, BVerfGE 35, 79 (1. LS, 112 ff., 115). 8 Vgl. Quaritsch, JuS 1968, 471, 474. 9 Kritik an der h. M. bei KoppISchenke, VwGO, 12. Aufl., München 2000, Anh. § 42 Rn. 22; Meyer/Borgs, VwVfG, 2. Aufl., Frankfurt a. M., § 1 Rn. 30; Lerche, Strukturfragen des verwaltungsgerichtlichen Organstreits, in: Merten u. a. (Hg.), Der Verwaltungsstaat im Wandel, Festschrift für Franz Knöpfle, S. 171 (181 dort Fn. 33); Herbert, DÖV 1994, 108, 113; Bäumler, DVB1. 1978, 492, 494. 10 Vgl. OVG NW 8. 9. 1966, NJW 1967, 949; 9. 8. 1974, OVGE 30, 21; 3. 4. 1975, WissR 8 (1975), 270 f.; 14. 5. 1985, NVwZ 1986, 761; KoppIRamsauer, VwVfG, 7. Aufl., München 2000, § 1 Rn. 52; Leuze, in: Leuze / Bender, Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen, Bielefeld, Stand: 14. Lfg. (Dez. 1998), Vorbem. zu §§ 90 ff. Rn. 23; Wolff / Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2, 6. Aufl., München 2000, § 45 Rn. 20; Maurer (Fn. 6) § 21 Rn. 32 f. и Vgl. Oldiges, Hochschulleitung und Hochschulverwaltung, in: Becker u. a. (Hg.), Festschrift für Werner Thieme, Köln u. a., 1993, S. 663 (668). 12 Leuze, WissR 8 (1975), 30 ff.; ders., PersV 1989, 212 ff.; ders., DÖD 1989, 118 ff.; ders., DÖD 1993, 217 ff.; ders., in: Leuze/Bender (Fn. 10), § 19 Rn. 5; ders., Die Stellung des Rektors im nordrhein-westfälischen Hochschulrecht, in: Epping u. a. (Hg.), Brücken bauen und begehen, Festschrift für Knut Ipsen, München 2000, S. 449 ff. 13 s. auch OVG NW 6. 2. 1987, NWVB1. 1987, 15 f. = WissR 20 (1987), 271 f.; Oldiges (Fn. 11) S. 663 (666 ff.). и So Quaritsch, JuS 1968, 471, 474; ähnlich Roellecke, WissR 9 (1976), 1, 13.

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schüsse 15. Der AStA ist Behörde der Studierendenschaft 16 , die ihrerseits rechtsfähige Gliedkörperschaft der Hochschule i s t 1 7 . Die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 1 V w V f G N R W bestimmt den Vorrang von „Rechtsvorschriften des LandesDiese Formulierung bezieht sich nur auf Gesetze - wie insbesondere das Hochschulgesetz - und Verordnungen des Landes, nicht auf Verordnungen und Satzungen sonstiger Rechtsträger des Landesrechts 18 . Das V w V f G N R W ist gegenüber den Hochschulsatzungen mithin nicht subsidiär; es entfaltet sich eine Sperrwirkung gegenüber abweichender Regelung des Verwaltungsverfahrens durch Hochschulsatzungen.

2. Die Ausnahmen vom Anwendungsbereich nach § 2 VwVfG NRW Es ist schwer, Regeln aufzustellen, die für sämtliche Maßnahmen der Verwaltung „passen 4 ' 19 . § 2 Abs. 3 Nr. 3 V w V f G N R W enthält daher Klauseln, welche die direkte Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes „für die Tätigkeit der Hochschulen" und verschärft für „Beurteilungen wissenschaftlicher oder künstlerischer Art von Personen durch Hochschulen " beschränken. Diese Klauseln sollen die Hochschulen i m Interesse ihrer Autonomie von verfahrensrechtlichen Überregulierungen entlasten. Der Eigengesetzlichkeit der Hochschulen sowie der korporativen Verbundenheit der Hochschulmitglieder soll Rechnung getragen werden. Die Beschränkung bezieht sich - wie bereits die weite Formulierung zeigt - nicht nur auf den Unterrichts- und Prüfungsbereich 20 . § 2 Abs. 3 Nr. 2 V w V f G NRW weist ähnliche Klauseln für die Behördentätigkeit bei „Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen" und der „Besetzung von Professorenstellen" auf. M i t der Ausnahme bestimmter Vorschriften bei Prüfungen hat der Gesetzgeber seinen Willen bekundet, die Höchstpersönlichkeit der Prüfungen zu wahren 2 1 . >5 Vgl. OVG NW 8. 9. 1966, NJW 1967, 949 ff.; 6. 2. 1987, NWVB1. 1987, 15. 16 Vgl. OVG Lüneburg 23. 3. 1971, WissR 6 (1973), 176, 178. 17 Siehe § 72 Abs. 1 S. 2 HG NRW is Vgl. NW LT-Drucks. 8/1396, S. 66; Schmidt-Aßmann, Der Anwendungsbereich des neuen Verwaltungsverfahrensrechts, Städte- und Gemeindebund 1977, 9, 15; Finkelnburg/ Lässig, Kommentar zum VwVfG, Düsseldorf, 1. Lfg. 1979, Einl. Rn. 88; Reich, Hochschulgesetz Sachsen-Anhalt, Bad Honnef 1996, § 125 Rn. 1; Kopp I Ramsauer (Fn. 10) § 1 Rn. 31; entsprechend für das BVwVfG: MeyerI Borgs, VwVfG, 2. Aufl., Frankfurt a. Μ., § 1 Rn. 17; vgl. auch Maurer, in: Flämig u. a. (Hg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts (HdbWissR), Bd. I, 2. Aufl., Berlin u. a. 1986, S. 753 (761). 19 Eingehend Laubinger, Der Verfahrensgedanke im Verwaltungsrecht, in: König u. a. (Hg.), Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit - Symposium zum Gedächtnis an Carl Hermann Ule, Berlin 2000, S. 47 (49 ff.). 20 Für den Schulbereich offengelassen von OVG NW 22. 1. 2001, NVwZ-RR 2001, 384, 385.

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Die Autonomie der Hochschulen wird durch solche Klauseln gestärkt, da die Sperrwirkung des Verwaltungsverfahrensgesetzes entfällt, soweit die Beschränkung reicht, und eine abweichende Ausgestaltung der Verwaltungsverfahren durch Satzung möglich wird.

3. Verwaltungsverfahren nach § 9 VwVfG NRW Dieter Leuze hat darauf hingewiesen, dass Rechtsfolgen von Amtshandlungen i m Hochschulbereich, die unter § 9 V w V f G fallen, sich nach dem V w V f G und nur nach ihm richten 2 2 . M i t § 9 V w V f G NRW, der den Begriff des „ Verwaltungsverfahrens " definiert, ist die wichtigste Anwendungshürde für die meisten Vorschriften des V w V f G NRW genannt. Allerdings knüpfen verschiedene Normen des Verwaltungsverfahrensgesetzes weder begrifflich noch nach ihrer systematischen Stellung an ein „Verwaltungsverfahren" i. S. v. § 9 V w V f G N R W an. Diese Normen sind auf alle hochschulbehördlichen Verfahren , auch wenn es sich nicht um Verwaltungsverfahren handelt, anwendbar. Zu ihnen zählen das Geheimhaltungsgebot des § 3a sowie die Amtshilfevorschriften der § § 4 - 8 V w V f G NRW. § 3a V w V f G erlangt eine besondere Bedeutung dadurch, dass durch ihn die Verpflichtung der Hochschulmitglieder zur Verschwiegenheit aus § 12 Abs. 3 H G N R W konkretisiert wird. Auch wenn in § 3a V w V f G N R W ein Offenbarungsverbot nur für Behörden ausdrücklich statuiert wird, ergibt daraus jedenfalls die Vertraulichkeit personenbezogener Daten sowie der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Alle Hochschulbehörden unterliegen den Amtshilfevorschriften. Sofern man auch die Hochschullehrer als Behörden ansieht, ist es gut vorstellbar, dass - beschränkt auf Einzelfälle - Amtshilfe durch Überlassung von Räumlichkeiten, Korrekturassistenten oder sonst fehlender „Dienstkräfte oder Einrichtungen" i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 V w V f G N R W für Verwaltungshandlungen wie Prüfungen etc. zu gewähren ist. Die direkte Anwendbarkeit der §§ 9 ff. V w V f G ist indes von dem Vorliegen eines „Verwaltungsverfahrens" i. S. v. § 9 V w V f G NRW abhängig. Nur „die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist", fällt unter diesen Begriff. U m die Hochschulverwaltungsverfahren zu identifizieren, ist es somit erforderlich, die Verwaltungsakte und Verwaltungsverträge i m Hochschulbereich aufzufinden.

21 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf v. 18. 7. 1973, NW LT-Drucks. 7/310, S. 36; BVerwG 28. 4. 1981, BVerwGE 62, 169 (173); Kopp / Ramsauer (Fn. 10) § 2 Rn. 42; Finkelnburg/Lässig (Rn. 18) § 2 Rn. 55. 22 Leuze, in: Leuze / Bender, (Fn. 10) § 15 Rn. 13.

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I I I . Die Identifizierung von Hochschulverwaltungsverfahren Ob ein Verwaltungsverfahren vorliegt, hängt von dessen Außenwirksamkeit sowie von der teilweise diffizilen Einordnung ab, ob ein bestimmter Akt, auf den das jeweilige Verfahren gerichtet ist, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i m Sinne der § § 5 4 ff. V w V f G NRW oder einen Verwaltungsakt i m Sinne von § 35 V w V f G NRW darstellt. Insbesondere der Verwaltungsakt als „jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist" (§ 35 S. 1 V w V f G NRW) führt traditionell zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Die i m folgenden aufgeführten und qualifizierten Verfahren stellen nur einen kleinen Teil der vielfältigen Verfahren i m Hochschulbereich dar. Es würde den gesetzten Rahmen sprengen, auf die vielen sich stellenden Einzelfragen einzugehen und die im Einzelfall erforderliche Begründungsarbeit zu leisten 2 3 . Vielmehr sollen lediglich Anregungen zur Abgrenzung i m Einzelfall gegeben werden: Relativ gesichert ist, dass folgende - beispielhaft aufgeführte - Maßnahmen Verwaltungsakte darstellen: Hausverbote 24, Akte der Rektors im Rahmen der Rechtsaufsicht gem. § 72 Abs. 4 S. 1 H G NRW über die Studierendenschaft 25 , Immatrikulation 26, Exmatrikulation 21, Entscheidung über eine HochschulabschlussОЙ ·« OO тл лι prüfung sowie über eine Zwischenprüfung , Prüfungszulassung , Promotion , 23

Ein entsprechender Versuch wird unternommen bei Pokorny, Die Bedeutung der Verwaltungsverfahrensgesetze für die wissenschaftlichen Hochschulen (Diss. iur. Köln), Frankfurt a. M. u. a. 2002, § 3. 24 OLG Karlsruhe 28. 4. 1977, NJW 1978, 116 f.; Leuze, in: Leuze/Bender, (Fn. 10) § 19 Rn. 7, differenzierend BVerwG 13. 3. 1970, BVerwGE 35, 103 (105). 25 Entsprechend für andere Länder: VG Braunschweig 3. 12. 1982, KMK-HSchR 1984, 105, 106; OVG Koblenz 18. 6. 1999, WissR 33 (2000), 74, 75; Pietzcker, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Komm., Stand: 4. Lfg (März 1999) § 42 Abs. 1 Rn. 58; a. M. VGH BW 27. 10. 1977, DVB1. 1978, 275, 276. 26 Kopp!Schenke (Fn. 9) Anh. zu § 42 Rn. 73; Kimminich, Wissenschaft, in: von Münch (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Berlin u. a. 1988, 11. Abschn., S. 835 (862); ders., DÖV 1968, 376, 380; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl., Köln u. a. 1986, Rn. 535; Pietzcker, in: Schoch u. a. (Fn. 25) § 42 Abs. 1 Rn. 54. 27 Horst, in: Leuze/Bender, (Fn. 10) § 69 Rn. 1 m. w. N. ; Kopp! Schenke (Fn. 9) Anh. zu § 42 Rn. 73; eingehend Gehrke, Die Exmatrikulation, Frankfurt a. M. 1996, S. 247 ff., insbes. S. 248, 273. 28 Leuze, in: Leuze/Bender, (Fn. 10) Vorbem. zu §§ 90 ff. Rn. 19; Salzwedel, HdbWissR I (Fn. 18) S. 731 (746). 29 Thieme (Fn. 26) Rn. 333.

in:

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0 Salzwedel, in: Hdb WissR I (Fn. 18) S. 731 (732).

31 Kopp!Schenke (Fn. 9) Anh. zu § 42 Rn. 73; Fertig, DVB1. 1960, 881, 885; Pietzcker, in: Schoch u. a. (Fn. 25) § 42 Abs. 1 Rn. 54.

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Habilitation 32, Erteilung von Lehrerlaubnis 33 oder Lehrauftrag 34 sowie die Anerkennung eines privat getragenen „An-Instituts" gem. § 32 H G N R W 3 5 . Berufungsvereinbarungen sind nach h. M . Verwaltungsverträge 36 . Gestritten wird um die Rechtsnatur der Akte zwischen Gremien und Organen im Hochschulbinnenbereich 37 . Die Funktionen und Charakteristika des Verwaltungsakts wie beispielsweise Bestandskraft, eingeschränkte Aufhebbarkeit, die Pflicht zur Beteiligung aller unmittelbar Betroffenen sowie der Suspensiveffekt der Rechtsmittel können dem Bedürfnis nach einem funktionsgerechten Ablauf i m Hochschulbereich und dem Konzept des Hochschulgesetzes entgegenstehen. I m Interesse der Funktionsfähigkeit der Hochschulen, die auch verfassungsrechtlich geboten i s t 3 8 , sollte damit i m Ergebnis der h. M . gefolgt werden, die eine Verwaltungsaktseigenschaft von Organakten grundsätzlich ablehnt. Allenfalls diskutabel ist der Verwaltungsaktscharakter der Entscheidung über die Schließung oder Neugliederung von Fachbereichen 39, obwohl sie nach § 20 Abs. 1 S. 2 H G dem Hochschulorgan Rektorat obliegt, sofern man trotz der Einbettung der Fachbereiche in die Hochschule diesen Teilrechtsfähigkeit zuerkennt 4 0 . Dem Funktionsinteresse der Einrichtung dient letztlich auch die Abgrenzung von Grund- und Betriebsverhältnis 41 , die auch für das Beamten- und das Studentenverhältnis brauchbar erscheint 42 . Nicht in Verwaltungsverfahren ergehen grundsätzlich die Akte i m studentischen Betriebsverhältnis wie z. B. die Ankündigung von Lehrveranstaltungen* 3, deren zeitliche Festlegung 44, Abhaltung 45 und die Zulassung dazu 4 6 . Die Erteilung von Leistungsnachweisen, den sog. Scheinen, enthält 32 OVG NW 14. 9. 1992, NWVB1. 1993, 256. 33 BVerwG 23. 9. 1992, BVerwGE 91, 24 (27). 34 OVG NW 29. 11. 1954, OVGE 12, 30 (31). 35 So Thieme (Fn. 26) Rn. 259; alternativ dürfte die Anerkennung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag möglich sein. 36 OVG NW 27. 11. 1996, NVwZ-RR 1997, 475; Kloepfer, JZ 1999, 161 f.; anders Reich, HRG, Komm., 7. Aufl., Bad Honnef, 2000, § 43 Rn. 3: Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten; Hufen, Rechtsfragen der Lehrevaluation an wissenschaftlichen Hochschulen, DHV Forum, Heft 62, Bonn 1995, S. 52 dort Fn. 93: Zusicherungen; differenzierend Fiedler, WissR 7 (1974), 134, 137 f. 37 Gegen Verwaltungsakte (h. M.): Kopp / Ramsauer (Fn. 10) § 35 Rn. 90 m. w. N.; Lerche (Fn. 9) S. 171 (178); a. M. Kopp/Schenke (Fn. 9) Anh. zu § 42 Rn. 86 f. m. w. N. 38 Grundlegend BVerfG 29. 5. 1973, BVerfGE 35, 79 (114 ff.).

39 Für Verwaltungsakte: Kopp!Schenke (Fn. 9) Anh. zu § 42 Rn. 55 m. w. N. 40 So Maurer, WissR 10 (1977), 193 ff. 41 Dazu grundlegend Ule, Das besondere Gewaltverhältnis, VVDStRL 15 (1957), 133 ff.; ders., Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl., München 1987, Anh. zu § 32 V (S. 190 ff.). 42 Vgl. Kopp /Schenke (Fn. 9) Anh. zu § 42 Rn. 67. 43 Vgl. VG Köln 4. 12. 1973, WissR 8 (1975), 275. 44 Kopp/Schenke (Fn. 9) Anh. zu § 42 Rn. 73. 45 So Laubinger (Fn. 19) S. 47 (50).

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trotz mittelbarer Außenwirksamkeit wohl grundsätzlich keine unmittelbare Regelung 4 7 . Die Rechtsnatur der Entscheidung über Remonstrationen von Studierenden, mit denen diese einen zunächst verweigerten Schein oder eine Notenverbesserung begehren, folgt der Rechtsnatur der Scheinerteilung. Hingegen werden Studiengebühren mittels Verwaltungsakt erhoben; dies wird insbesondere bei der Planung der sog. „Studienkontenmodelle" zu berücksichtigen sein, nach denen bei Erschöpfung eines Bildungsguthabens eine Gebühr anfallen soll. Dem Betriebs Verhältnis der Hochschullehrer sind u. a. Maßnahmen der innerhochschulischen Raumverteilung und der Art und Weise der Wahrnehmung der Prüferpflichten 48 zuzurechnen. Allerdings dürfte für Professoren als Träger des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit häufiger eine Außenwirkung anzunehmen sein als i m allgemeinen Beamtenrecht, so dass ζ. В . auch Umsetzungendie Konkretisierung der Lehrverpflichtung 50 und die Bestellung als Prüfer 51 wegen der Wissenschaftsrelevanz als Verwaltungsakte anzusehen sind. Ein Ruf ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nur eine unselbständige Vorbereitungshandlung mit verfahrensrechtlichem Charakter 52 , was i m Gegensatz zu einer verbreiteten Ansicht in der Literatur steht, die überwiegend einen Verwaltungsakt oder eine Zusicherung annimmt 5 3 . Die Literaturansicht stärkt das Selbstbestimmungsrecht der Hochschulen, da die Einordnung eines Rufes als Verwaltungsakt verhindert, dass der Berufungsvorschlag der Hochschule zur bloßen Anregung verkommt 5 4 . Die innerhochschulische Mittelverteilung kann einzelne Hochschullehrer wegen ihres verfassungsrechtlichen Grundausstattungsanspruchs zwar in einer Außenrechtsposition betreffen, sie ist aber regelmäßig nicht darauf „gerichtet" i. S. v. § 35 V w V f G NRW. Bewertungen in einem Evaluationsverfahren nach § 6 H G NRW treffen noch keine unmittelbare rechtliche Regelung. Rechtsfolgen werden erst in eigenständigen Verfahren an das Ergebnis der Evaluation geknüpft. 46 А. M. BayVGH 29. 4. 1992, NVwZ-RR 1993, 190: Verwaltungsakt. 47 R Stelkens / U. Stelkens, in: Stelkens/Вопк/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2001, § 35 Rn. 128; а. M. Kopp!Schenke (Fn. 9) Anh. zu § 42 Rn. 73; Reich (Fn. 36) § 15 Rn. 3 a.E.; Cirsovius, NVwZ 2002, 39, 40: Verwaltungsakte. 48 Vgl. OVG RP 26. 2. 1999, NVwZ-RR 2000, 371. 49 Scheven, in: HdbWissR I (Fn. 18), S. 325 (365). so VGH Kassel 24. 1. 1986, WissR 20 (1987), 72 f.; 6. 2. 1986, WissR 20 (1987), 74. 51 VG Arnsberg 21. 1. 1982, KMK-HSchR 1983, 240, 244 f. 52 BVerwG 19. 2. 1998, BVerwGE 106, 187 (188). 53 Epping, WissR 28 (1995), 211, 216 ff.; Detmer, WissR 30 (1997), 193, 213; Leuze, in: Leuze/Bender (Fn. 10), § 50 Rn. 5 (anders noch in der Bearbeitung 1 /1990); für Zusicherung: Hobe, JA 1999, 18, 19. 54 Vgl. Leuze, in: Leuze/Bender (Fn. 10) § 50 Rn. 5; Gedanke bereits bei Detmer, WissR 30(1997), 193, 199.

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Die Festsetzung der variablen Leistungsbezüge für Professoren nach dem neuen Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung (ProfBesRefG) 55 dürfte - wie alle Gehaltsfestsetzungen 56 - durch Verwaltungsakt erfolgen 5 7 . Über die Qualität wissenschaftlicher Leistungen, die mit den Leistungsbezügen honoriert werden soll, kann nur wissenschaftlich geurteilt werden 5 8 . Daher kann eine nicht mit Experten besetzte Vergabebehörde eigenständig nur nach rein quantitativen Kriterien urteilen. Damit lässt sich allerdings schwer die Qualität wissenschaftlicher Arbeit messen 59 . Es wird somit geboten sein, in das Vergabeverwaltungsverfahren eine Evaluation durch Experten einzubeziehen. Es bietet sich die Gestaltung der Entscheidung als zweistufiger Verwaltungsakt an. Bei der Identifizierung von Verwaltungsverfahren bleiben jedoch regelmäßig Unsicherheiten i m Einzelfall. In Zweifelsfällen sollte nach einer wissenschaftsadäquaten Einordnung gesucht werden. Insbesondere sollte das Merkmal der Außenwirkung i m Interesse der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsbetriebs Hochschule restriktiv ausgelegt werden.

IV. Entsprechende Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensrechts auf Nicht-Verwaltungsverfahren Wie gezeigt wurde, ist die Feststellung Dieter Leuzes richtig, dass die meisten der innerhalb der Hochschule ablaufenden Entscheidungsprozesse nicht den Charakter von Verwaltungsverfahren haben, da es an dem notwendigen Merkmal der „Außenwirkung" fehlt 6 0 . Da auf solche Verfahren die §§ 9 ff. V w V f G NRW zumindest nicht direkt anwendbar sind, ist für die Hochschulen die Frage von besonderer Bedeutung, ob den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW oder den darin kodifizierten allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts zumindest eine mittelbare Bedeutung zukommt.

55 Vom 16. 2. 2002, BGBl. I S. 686. 56 Kopp / Ramsauer (Fn. 10) § 35 Rn. 86. 57 Thieme , Leistungsbezahlung für Hochschullehrer, in: Dörr u. a. (Hg.), Die Macht des Geistes, Festschrift für H. Schiedermair, Heidelberg 2001, S. 595 (601). 58 Vgl. Battis / Grigoleit, Möglichkeit und Grenzen leistungsdifferenzierender Besoldung von Universitätsprofessoren, DHV Forum, Heft 66, Bonn Feb. 1999, S. 45; dies., Forschung & Lehre 1999, 130 f.; Seidler, in: Hailbronner/Geis, HRG, Komm., Heidelberg, Stand: 26. Lfg. Mai 2001, § 6 Rn. 35. 59 Vgl. dazu Hanau, MittHV 1992, 861, 864. 60 Leuze, in: Leuze/Bender (Rn. 10) § 15 Rn. 9.

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1. Entsprechende Anwendung kraft Satzung Hatte noch das inzwischen aufgehobene Universitätsgesetz N R W 6 1 auf die Ausschluss· und Befangenheitsvorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW verwiesen 6 2 , so ist i m Hochschulgesetz NRW weitgehend auf Detailregelungen der Nicht-Verwaltungsverfahren verzichtet worden. Die Gesetzesbegründung verweist auf die Möglichkeit, in der Grundordnung die analoge Geltung von V w V f G Bestimmungen anzuordnen 63 . Damit wird die Autonomie der Hochschulen gestärkt, welche befugt sind, das Verfahren entsprechend den Eigengesetzlichkeiten der Hochschulen selbst zu gestalten. Freilich darf die satzungsmäßige Ausgestaltung der Verfahren nicht der Ratio des Gesetzgebers widersprechen, die dieser mit der Festlegung der Ausnahmeklauseln des § 2 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 V w V f G NRW verfolgt hat.

2. Entsprechende Anwendung kraft Rechtsfortbildung Sofern und soweit eine Hochschule versäumt, die essentiellen Regelungen für ihre Nicht-Verwaltungs verfahren durch Satzung zu treffen, kommt eine entsprechende Anwendung der i m Verwaltungsverfahrensgesetz positivierten allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts in Betracht. Die Hochschulautonomie steht einer solchen Rechtsfortbildung nicht entgegen, da es den Hochschulen offen steht, jederzeit i m Rahmen der Verfassung durch Satzung abweichende Verfahrensregelungen zu bestimmen. Für die grundsätzliche Möglichkeit der entsprechenden Anwendung sprechen noch weitere Argumente: Die Beschränkung des Verwaltungsverfahrensbegriffs auf Verfahren mit nur zwei Handlungszielen sowie die Vernachlässigung des Entscheidungsprozesses hat die verwaltungswissenschaftliche Kritik herausgefordert 6 4 ; denn auch Verfahren außerhalb dieses engen Bereichs benötigen Regelungen, wie sie in ausgewogener Weise bereits i m Verwaltungsverfahrensgesetz vorhanden sind. Gerade Aspekte wie Information und Vertrauensschutz der Betroffenen i m Verfahren treten in ähnlicher Weise hervor. Die Verwaltungsverfahrensgesetze sollen der Vereinheitlichung des Verfahrensrechts dienen. Bereits der Gesetzgeber des Verwaltungs Verfahrensgesetzes ist für den Fall des Ausschlusses 61 Vom 3. 8. 1993, GV NW S. 532. 62 Vgl. § 15 Abs. 5 S. 1 UG NRW. 63 Siehe Einzelbegründung des Regierungsentwurfs zu § 15 HG NW, LT-Drucks. 12/ 4243, S. 164. 64

Vgl. Pitschas, Entwicklung der Handlungsformen im Verwaltungsrecht - Vom Formendualismus des Verwaltungs Verfahrens zur Ausdifferenzierung der Handlungsformen, in: Blümel/Pitschas, Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, Berlin 1994, S. 229 (232 ff.); Pietzcker, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, VVDSTRL41 (1983), 193 (215); Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21 (50).

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verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften davon ausgegangen, dass über die Heranziehung allgemeiner Verfahrensgrundsätze die in dem Gesetz verankerten Grundsätze doch zur Anwendung kommen 6 5 . Es gibt auch keine Norm, welche die analoge Anwendung von Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder deren Rechtsgedanken auf andersartige Verfahren der Verwaltung verbietet 6 6 . Wie gezeigt, lässt sich über die Frage, ob i m konkreten Einzelfall ein Verwaltungsverfahren vorliegt oder nicht, mitunter trefflich streiten. Die Unsicherheiten in der Abgrenzung dürfen nicht zu Lasten schutzwürdiger Betroffener gehen, die ein Beteiligungsinteresse haben. Freilich ist der gesetzgeberische Wille nicht nur Grund, sondern auch Grenze der Rechtsfortbildung. Sofern sich aus den Eigenarten des Verfahrens oder der Intention des Anwendungsausschlusses eine planvolle Unvollständigkeit der Verfahrensregelungen ergibt, ist die Heranziehung der allgemeinen Verwaltungsgrundsätze versperrt. Bei Fehleinschätzungen des Gesetzgebers sollen Verfahrensrechte insoweit unmittelbar aus der Verfassung, insbesondere den Grundrechten abgeleitet werden 6 7 .

V. Auswirkungen einzelner Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts auf Verfahren an Hochschulen I m folgenden wird schlaglichtartig dargestellt, wie sich einzelne Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die nach den zuvor dargestellten Grundsätzen unmittelbar oder zumindest mittelbar über die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts anzuwenden sind, auf einzelne Verfahren an nordrhein-westfälischen Hochschulen auswirken. Die grundsätzliche Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens sowie das Gebot zur zweckmäßigen Durchführung gem. § 10 V w V f G bieten Raum zur wissenschaftsadäquaten Ausgestaltung der Verwaltungsverfahren an den Hochschulen. Beteiligtenfähig nach § 11 V w V f G NRW sind beispielsweise die Hochschule selbst (Nr. 1), die Fachbereiche (sofern man sie als teilrechtsfähig ansieht, streit i g 6 8 ) , die Hochschulmitglieder als natürliche Personen (Nr. 1) oder als Inhaber organschaftlicher Rechte (Nr. 2 analog), die Studierendenschaft (Nr. 2 ) 6 9 sowie 65 Vgl. NW LT-Drucks. 8/1396, S. 67 sowie BT-Drucks. 7/910, S. 33. 66 So Laubinger (Fn. 19) S. 47 (49). 67 BVerwG 9. 12. 1992, BVerwGE 91, 262 (264 f.); 6. 9. 1995, BVerwGE 99, 185 (189 ff.); HessVGH 14. 10. 1996, DVB1. 1997, 621; kritisch Laubinger (Fn. 19) S. 47 (60 f.). 68 Uberblick über den Streitstand bei Knemeyer, Die Fachbereche / Fakultäten im Hochschulbinnenrecht, in: Dörr u. a. (Hg.), Die Macht des Geistes, Festschrift für H. Schiedermair, Heidelberg 2001, S. 539 (546 f., 554 f.). 69 Horst, in: Leuze/Bender (Rn. 10) § 79 Rn. 9; Leuze, NWVB1. 2000, 478, 479. 17 FS Leuze

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die Hochschulbehörden (Nr. 3). Für die Fachschaften ist die Beteiligtenfähigkeit streitig 7 0 . Handlungsfähig nach § 12 V w V f G NRW ist der Rektor für die Hochschule gem. § 19 Abs. 1 H G NRW, der Dekan für den Fachbereich innerhalb der Hochschule gem. § 27 Abs. 1 S. 1 H G NRW, die Hochschulmitglieder grundsätzlich für sich selbst, der AStA für die Studierendenschaft gem. § 76 Abs. 1 S. 1 H G NRW. Für die Verfahrensgestaltung entscheidend ist die Vorschrift des § 13 V w V f G NRW, der die Beteiligten und die Hinzuzuziehenden zu entnehmen sind. Nur bei rechtsgestaltender Wirkung für Dritte sind diese nach § 13 Abs. 2 S. 2 V w V f G N R W notwendig hinzuzuziehen, so z. B. die Studierenden bei der Schließung ihres Fachbereichs oder Studiengangs. Nicht notwendig hinzuzuziehen sind die bereits zugelassenen Studierenden i m Verfahren zur Zulassung in einem numerus claususFach 7 1 . Ob bei der Vergabe von Leistungsbezügen nach dem ProfBesRefG alle Professoren zu beteiligen sind, weil sie potentielle Verwaltungsaktsadressaten sind oder weil aufgrund der Limitierung des Gesamtbetrags der Leistungsbezüge 72 jede Vergabe die verbleibenden Mittel für die übrigen schmälert, wird sich erst nach der landesrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens 73 letztendlich klären lassen. Die Möglichkeit nach § 14 Abs. 1 und Abs. 4 V w V f G NRW Bevollmächtigte zu beauftragen und mit Beiständen zu Verhandlungen und Besprechungen zu erscheinen, ist durch § 2 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 V w V f G NRW bei „Prüfungen", „bei der Besetzung von Professorenstellen" sowie „für die Tätigkeit der Hochschulen" ausgeschlossen. A u f außerhalb von Verwaltungsverfahren stattfindende Verhandlungen mit engerem Wissenschafts- oder Korporationsbezug wie insbesondere Sitzungen von Hochschulgremien ist der Rechtsgedanke des § 14 nicht entsprechend anwendbar. Eine entsprechende Heranziehung verbietet sich auch für prüfungsähnliche Nicht-Verwaltungsverfahren wie Leistungskontrollen nach der Ratio des Ausschlusses, die Höchstpersönlichkeit zu wahren. Wie sich aus dem Nichtausschluss von § 80 Abs. 2 V w V f G NRW ergibt, ist die Zuziehung eines Rechtsbeistands i m verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren möglich 7 4 . Die ebenfalls ausgeschlossenen §§ 15 f. V w V f G NRW (Empfangsbevollmächtigte, Vertreter von Amts wegen) sind nicht Ausdruck allgemeiner Verwaltungsgrundsätze 75 und schon deswegen nicht analogiefähig.

70 Bejahend: Müller, Die rechtliche Stellung der Fachschaften, Münster 1997, S. 91 ff.; verneinend: Leuze, NWVB1. 2000, 478, 479 m. w. N. So Kopp /Ramsauer (Fn. 10) § 13 Rn. 43 m. w. N. 72 Vgl. § 34 BBG n. F. 73 Vgl. § 33 Abs. 4 BBG n. F. 74 OVG NW 22. 1. 2001, NVwZ-RR 2001, 384, 385. 75 Vgl. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Вопк/Sachs (Fn. 47) § 1 Rn. 280; Kopp / Ramsauer (Fn. 10) § 15 Rn. 2.

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Die Vorschriften über Massenverfahren in den §§ 1 7 - 1 9 V w V f G NRW sind auch i m nordrhein-westfälischen Hochschulbereich anwendbar. Bei Verfahren wie der Schließung von Studiengängen etc. kann so die Beteiligung der betroffenen Studierenden, sofern sie hinzugezogen werden, kanalisiert werden. Wichtig sind die Vorschriften über den Ausschluss von Personen sowie über Befangenheit in den §§ 20 f. V w V f G . Insbesondere i m Prüfungsrecht sind sie unentbehrlich 7 6 . A u f Nicht-Verwaltungsverfahren mit Entscheidungscharakter sind sie grundsätzlich entsprechend anwendbar. So darf z. B. ein Hochschullehrer wegen § 20 Abs. 1 Nr. 2 V w V f G N R W nicht über die Erteilung von Leistungsnachweise für seine Angehörigen entscheiden. Die akademische Unterrichtung eines Angehörigen ist hingegen unbedenklich. Das Gebot der deutschen Amtssprache des § 23 Abs. 1 V w V f G bezieht sich lediglich auf amtliche Mitteilungen, Entscheidungen, Bescheide usw. 7 7 . Prüfungen und Lehrveranstaltungen dürfen ansonsten nach pflichtgemäßem Ermessen auch in einer fremden Sprache abgehalten werden. Der Untersuchungsgrundsatz des § 24 V w V f G N R W gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz in allen Verfahren. Es ist vor dem Hintergrund des § 24 Abs. 1 V w V f G N R W bedenklich, wenn eine Begründung zur Zulässigkeitsanforderung der Remonstration erhoben wird. Auch eine ohne Begründung eingereichte Remonstration muss materiell auf Bewertungsfehler überprüft werden. Dass eine Begründung das Auffinden von Bewertungsfehlern erleichtert, steht auf einem anderen Blatt. Die von der Rechtsprechung einhellig anerkannte Pflicht eines Prüflings zur unverzüglichen Rüge von Störungen i m Prüfungsablauf 78 ist, sofern nicht ausdrücklich gesetzlich verankert, angesichts des Untersuchungsgrundsatzes zumindest zweifelhaft. Auskünfte und Beratungen in Verfahrensangelegenheiten erfolgen nach § 25 V w V f G NRW. Für die Studierenden dürfte die Vorschrift neben der umfassenden Studienberatung nach § 83 H G N R W nur Ergänzungsfunktion haben. Eine Prüfungsbehörde muss jedenfalls auf Rügeobliegenheiten hinweisen. Nach § 26 V w V f G bedient sich die Behörde der Beweismittel die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält. I m Prüfungsrecht darf allerdings aus Gründen der Chancengleichheit nur die Prüfung selbst Entscheidungsgrundlage sein. Die grundsätzliche Anhörungspflicht des § 28 V w V f G NRW ist weder auf die „Besetzung von Professorenstellen" noch auf „Prüfungen" noch auf „Leistungsbeurteilungen von Personen durch Hochschulen" anwendbar, vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 2 76 Vgl. Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Aufl., Köln 2001, Rn. 193 ff. zur Befangenheitsregelung. 77 Vgl. Kopp / Ramsauer (Fn. 10) § 23 Rn. 5. 78 Vgl. z. B. BVerwG 17. 2. 1984, BVerwGE 69, 46 ff.; Lampe, Gerechtere Prüfungsentscheidungen (Diss. iur. Bochum), Berlin 1999, S. 136 ff. 17*

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und Nr. 3 V w V f G NRW. Eine formelle Anhörung passt nicht zu einer Beurteil u n g 7 9 . Zudem erhält der Beteiligte in solchen Вewertungsverfahren ohnehin Gelegenheit zur Äußerung oder zur Präsentation. Es besteht damit kein Bedarf für eine formelle Anhörung. Für Nicht-Verwaltungsverfahren ohne Beurteilungscharakter kann im Einzelfall eine Analogie sachgerecht sein, wie z. B. beim Verfahren der Verteilung von Haushaltsmitteln. I m Regelfall könnten jedoch zusätzliche Anhörungsrechte von Organen und Amtsträgern i m Hochschulinnenbereich eine funktionswidrige Störung der innerhochschulischen Kompetenzverteilung, durch die Beteiligungsrechte im Einzelnen festgelegt sind, bedeuten. Der Anspruch auf Akteneinsicht in § 29 V w V f G NRW wird durch § 48 Abs. 5 H G NRW für das Berufungs verfahren eingeschränkt. Gutachten über die fachliche Eignung sollen nicht eingesehen werden. Dieser punktuell offenbarte Wille des Gesetzgebers wird sich verallgemeinern lassen, so dass z. B. auch Akteneinsichtsansprüche in Gutachten i m Rahmen der Festsetzung von Leistungsbezügen nach dem ProfBesRefG ausscheiden. Andernfalls müssten die Gutachtenverfasser wohl zu einer verbrämenden Geheimsprache greifen, wie man sie aus Arbeitszeugnissen kennt, um das „Betriebsklima" der Hochschule nicht „zu vergiften". Ohnehin besteht nur ein Anspruch auf Einsicht in eigene Akten. Außerhalb von Verwaltungsverfahren besteht ein Anspruch auf Akteneinsicht nach dem Ermessen der Behörde. Die Festsetzung oder Verlängerung von Fristen wie Rückmeide-, Anmelde, Prüfungsmelde-, Rückgabe- und Remonstarionsfristen richtet sich nach § 31 V w V f G . Einmal gesetzte Fristen müssen ausdrücklich verlängert werden, vgl. § 31 Abs. 7 S. 1 V w V f G . Fristverkürzungen zum Nachteil von Studierenden sind nur unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes entsprechend der §§ 48, 49 V w V f G möglich. Der Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 V w V f G NRW ist bei Prüfungen so zu handhaben, dass die Chancengleichheit gewahrt bleibt. So wird die verspätete Abgabe einer Hausarbeit ohne Verschulden des Prüflings nicht mit einer Fristverlängerung, sondern allenfalls mit einer Wiederholungsmöglichkeit zu quittieren sein. Für Nebenbestimmungen gilt § 36 V w V f G NRW. Insbesondere sind gebundene Entscheidungen wie z. B. Exmatrikulationen grundsätzlich nach § 36 Abs. 1 V w V f G NRW nebenbestimmungsfeindlich, es sei denn eine Rechtsvorschrift lässt es zu oder es dient der Sicherung der gesetzlichen Voraussetzungen. § 33 Abs. 1 S. 2 B B G in der Fassung des ProfBesRefG hat den Weg zur Befristung von Leistungsbezügen für Professoren über § 36 Abs. 1 V w V f G frei gemacht; durch Befristungen kann dem anreizfeindlichen Gießkannenprinzip entgegengewirkt und eine gezielte und aktuelle Honorierung besonderer Leistungen erreicht werden 8 0 .

79 So EVwVerfG 1963, 2. Aufl., Köln 1968, S. 68; Stelkens / Schmitz, in: Stelkens/Вопк/ Sachs (Fn. 47) § 2 Rn. 127.

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Verwaltungsakte i m Hochschulbereich haben gem. § 37 Abs. 1 V w V f G NRW hinreichend bestimmt zu sein. Mündliche Akte sind auf Verlangen nach § 37 Abs. 2 S. 2 V w V f G NRW schriftlich zu bestätigen. Die Begründungspflicht des § 39 V w V f G NRW gilt grundsätzlich auch für Verwaltungsverfahren an Hochschulen. Lediglich bei „Leistungsbeurteilungen von Personen durch Hochschulen" sowie bei der „Besetzung von Professorenstellen" und „Prüfungen" ist sie gesetzlich ausgeschlossen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 V w V f G NRW). Herrschend ist die Ansicht, für Prüfungen ein verfassungsrechtliches Begründungserfordernis dem Grundrecht der Berufsfreiheit zu entnehmen 81 . Dieses kann aber flexibel gehandhabt werden, so dass z. B. ausführliche Korrekturanmerkungen in der Regel ausreichend sein dürften. Eine Begründung der letztendlichen Prüfungsentscheidung ist dann nicht mehr erforderlich. Die Wirksamkeit von Verwaltungsakten richtet sich nach § 43 V w V f G . Damit kann bei Hochschulprüfungen bereits die mündliche Verkündung des Ergebnisses zur Wirksamkeit der Prüfungsentscheidung führen; ein anschließend erteiltes schriftliches Zeugnis wirkt dann lediglich als Bestätigung. Umdeutungen rechtswidriger Verwaltungsakte sind nach § 47 V w V f G NRW grundsätzlich möglich, sofern das materielle Recht nicht entgegensteht. Letzteres ist bei der Umdeutung einer rechtswidrigen Exmatrikulation in den Widerruf der Immatrikulation der Fall, da neben den geregelten Fällen der Exmatrikulation kein Raum für einen selbständigen Beendigungsgrund durch Widerruf der Immatrikulation i s t 8 2 . Die §§ 5 4 - 6 2 V w V f G über den öffentlich-rechtlichen Vertrag sind durch § 2 Abs. 3 Nr. 2 (Prüfungen, Besetzung von Professorenstellen) und Nr. 3 (Tätigkeit der Hochschulen) V w V f G NRW ausgeschlossen. Der Ausschluss individuell auszuhandelnder vertraglicher Vereinbarungen bei Prüfungen dient dem Grundsatz der Chancengleichheit und darf nicht dadurch konterkariert werden, dass die § § 5 4 ff. V w V f G durch Hochschulsatzung für entsprechend anwendbar erklärt werden. Bei der Heranziehung der allgemeinen Verwaltungsgrundsätze über den öffentlich-rechtlichen Vertrag ist Vorsicht geboten. Keinesfalls darf die verbindlich i m H G NRW vorgegebene innerhochschulische Machtbalance durch Vereinbarungen gestört werden, was gerade auch durch § 2 Abs. 3 Nr. 3 V w V f G NRW verhindert werden soll. Dagegen bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Heranziehung der Verwaltungsgrundsätze für Berufungsvereinbarungen mit der Hochschule 8 3 , sofern man diese als öffentlich-rechtliche Verträge ansieht. Zwar ist die in § 56 V w V f G NRW niedergelegte Schriftform kein allgemeiner Verwaltungs80

Vgl. Hanau / Poeche, Grundlagen wissenschaftsadäquater Arbeitsbedingungen, in: Dörr u. a. (Hg.), Die Macht des Geistes, Festschrift für H. Schiedermair, Heidelberg 2001, S. 523 (537 f.). s. die Nachweise in Fn. 67. 82 So OVG Berlin 19. 11. 1976, WissR 12 (1979), 268, 269; VG Gießen 9. 12. 1992, NVwZ 1994,815.

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grundsatz 84 ; wegen der verbleibenden Unsicherheit hinsichtlich der Rechtsnatur von Berufungsvereinbarungen und Beweisproblemen muss jedoch dringend zum schriftlichen Abschluss geraten werden. Kraft gesetzlicher Anordnung in § 9 S. 3 H G NRW sind die § § 5 4 ff. V w V f G auf die zum neuen hochschulpolitischen Instrumentarium zählenden Zielvereinbarungen zwischen Hochschulen und Staat entsprechend anwendbar. Nach Aufhebung der § 28 Abs. 3 S. 1 H R G a. F. und § 69 Abs. 7 S. 5 U G NRW müssen Ordnungsverfahren nicht mehr als förmliche Verwaltungsverfahren nach den §§ 63 ff. V w V f G N R W durchgeführt werden. Den Hochschulen steht aber weiterhin die Anordnung von förmlichen Verwaltungsverfahren durch „Rechtsvorschrift" i. S. v. § 63 Abs. 1 V w V f G NRW - also auch durch Satzung - frei. Wenn dies nicht geschieht, muss den Beteiligten wenigstens entsprechend § 66 Abs. 1 V w V f G NRW Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden.

VI. Fazit Das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht hat trotz der dichten spezialgesetzlichen Regelungen des Hochschulrechts eine wichtige Ergänzungsfunktion. Auch wenn die meisten Hochschulverfahren keine Verwaltungsverfahren darstellen und somit die wichtigsten Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht direkt anwendbar sind, können die teilweise i m V w V f G positivierten allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts von Bedeutung sein.

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Regelmäßig werden zwei Berufungsvereinbarungen abgeschlossen: einerseits mit der Hochschule und andererseits mit dem dienstvorgesetzten Ministerium; vgl. Metzger, Die Berufungsvereinbarung, Diss. iur. Bonn 1995, S. 193 - These 5; Kloepfer, JZ 1999, 161. S4 OVG NW 27. 3. 1986, NVwZ 1986, 779 f.

Die Qualifikation von Wissenschaftsadministratoren Brauchen wir ein spezielles Bildungsangebot der deutschen Hochschulen? Jürgen Heß

Wer wie der Verfasser über viele Jahre Verantwortung i m Bereich der Selbstverwaltung der Hochschulen übernommen hat, wird für manche Mühsal und für die unvermeidlichen Enttäuschungen reichlich belohnt durch die Begegnung mit großartigen Gelehrten und durch die freundschaftliche Verbundenheit mit Repräsentanten des Wissenschaftssystems, das naturgemäß neugierige, kreative und positiv herausfordernde Persönlichkeiten anzieht. In dem großen Kreis solcher Persönlichkeiten, die mich fachlich und menschlich bereichert haben, nimmt Dieter Leuze einen besonderen Platz ein. Als ich zu Beginn der 80er Jahre aus einer durchaus interessanten Justizlaufbahn heraus gewissermaßen einem spontanem Impuls folgend und das berühmte Hesse-Wort vor Augen, wonach jedem Neuanfang ein Zauber innewohne, zunächst als stellvertretender Universitätskanzler in die Atmosphäre der Hochschule (als Arbeitsplatz) eintauchte, gehörte ich jener Spezies an, die von manchen heute noch als das Ergebnis eines darwinistischen Selektionsprinzips idealisiert wird. In der Tat ist die Zahl der leitenden Bildungsadministratoren groß, die bei ihrer Ausbildungs- und Berufsplanung keineswegs die Wissenschaftsverwaltung i m Auge haben, sondern sich zunächst einmal in anderen Berufsbereichen wie etwa i m Anwaltsberuf, in der Innenverwaltung oder eben auch i m Justizdienst bewegt haben, um dann ohne eine spezifische Ausbildung vorzuweisen, lediglich gestützt auf ihre Fähigkeit, sich rasch in neue Sachverhalte und Problemstellungen einarbeiten zu können, den Sprung ins kalte Wasser gewagt und eine leitende Funktion in der Wissenschaftsverwaltung übernommen haben. Ob dieses darwinistische Qualifikationsmodell eine ausschließlich positive Bewertung verdient, darf bezweifelt werden. Für meine Person bin ich wie gesagt dieses Wagnis eingegangen und war nun darauf angewiesen gleichzeitig zu lernen und (zumindest auf einer zweiten Stufe) zu leiten. Lernen musste ich vor allem - und dies auch sehr schnell- dass die Wissenschaft in ihrer ungestümen Kreativität in einer permanenten Spannung zu dem normativ kleinmaschigen Verwaltungssystem steht. Es galt gewissermaßen neben der Ordnungsstruktur des Verwaltungsrechts und der öffentlich-rechtlichen Finanzvorschriften eine Art Wissenschaftssoziologie zu verstehen, zu akzeptieren und sie

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gleichsam mit Instrumenten staatlichen Handelns zu versöhnen. Die Leistung dieses Spagates war nun offenkundig nicht nur mein Problem, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren trotz aller Gelehrsamkeit gerade in diesem Punkt, wo es um die Uberwindung einer tief angelegten Antinomie geht, nicht übermäßig hellsichtig. Sie ritualisierten viel lieber ihre Leidensfähigkeit ob der unsensiblen Arroganz des stattlichen Ordnungsdenkens, was i m Übrigen - davon war schon die Rede - den Aufbau von menschlich warmherzigen Beziehungen zwischen solchermaßen Leidgeprüften und mir nicht ausschloss. In dieser sowohl fachtheoretisch wie auch psychologisch nicht ganz einfachen Situation wurde mir großartige Hilfe zuteil durch Dieter Leuze und dem von ihm geleiteten Arbeitskreis Fortbildung i m Sprecherkreis der deutschen Universitätskanzler. In den 80er Jahren war dies nach meiner Erinnerung das einzige Forum, auf dem der Versuch gemacht wurde, die Wirkungsmechanismen des Wissenschaftsbetriebes und dessen möglichst effiziente Organisation aus der Sphäre der subjektiven Erfahrung der Wissenschaftsadministratoren in eine theoretisch fundierte und systematisch durchgestaltete Struktur zu bringen. Dieter Leuze hat auf dem soliden Fundament seines Vorgängers Hermann Joseph Schuster aufbauend mit seinem ungewöhnlich starken Gestaltungswillen den Charakter dieser Veranstaltungen weit über einen puren Seminartypus hinausentwickelt. Ganz ohne rechtliche Hülle und ohne einen betrieblichen Apparat ist eine Art Bildungsinstitution entstanden, die auf wunderbare Weise den Nachwuchskräften das Erlernen wissenschaftsadäquater Steuerungsprozesse ermöglichte und den erfahrenen Routinees einen dialogischen Raum zur Verfügung stellte, in dem durch kollegialen Disput (gelegentlich auch mit größter Leidenschaftlichkeit) Lösungskonzepte erarbeitet oder geschärft wurden. Uber die Jahre hinweg haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sofern sie die fachliche Breite des Angebotes nutzten, in modularisierte Form das gesamte Gebäude der Wissenschaftsverwaltung bzw. des Wissenschaftsmanagements erarbeiten können. Da ich an dieser Stelle mit großer persönlicher Dankbarkeit gegenüber dem Jubilar den Qualifikations- und Bildungswert des Arbeitskreises Fortbildung in Erinnerung rufe, mag es paradox wirken, wenn ich nun mich dem eigentlichen Thema zuwendend die Frage stelle, ob ein solcher gewissermaßen in Selbstverwaltung geschaffener Qualifikationsrahmen in der Zukunft noch ausreicht. Wir wollen der Frage nachgehen, in welcher Weise sich die Wirkungsmechanismen der Organisation des Wissenschaftsbetriebes verändert haben und ob sich daraus die Notwendigkeit einer spezifischen Qualifikation i m Bereich von grundständigen oder weiterführenden Studiengängen ergeben. Als ich vor mehr als zwei Jahrzehnten Leitungsverantwortung in der Universität übernommen habe, traf ich auf eine zutiefst staatlich geprägte Institution, die ganz in der Tradition hoheitlichen Verwaltungsvollzuges und kameralistischer Planwirtschaft administriert wurde. Die Phantasie des Kanzlers und seiner Verwaltung wurde in erheblichem Umfang dafür gebraucht, in einem täglichen Ringen mit der

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Ministerialbürokratie und mit dem Rechnungshof kleinste Spielräume für bessere Rahmenbedingungen zu erstreiten. Die Hebung einer technischen Angestelltenstelle i m Hinblick auf etwa zusätzlich notwendige EDV-Kompetenzen hat sich leicht über zwei volle Haushaltsjahre mit mehreren Antrags Verhandlungen erstreckt; jeder Einzelvorgang hat gewiss ein bis zwei Leitz-Ordner gefüllt. Die Mittelbewirtschaftung wurde für den Kanzler und seine Haushaltsabteilung zu einem kniffligen Spiel, das irgendwo zwischen Schach und Mühle anzusiedeln war. Die wenigen Deckungsvermerke wurden zu kunstvoll vernetzten Ringtauschkreisläufen und Verschiebebahnhöfen genützt. Und natürlich hat man nicht etwa i m Dezember, sondern bereits i m September darauf geachtet, dass die Haushaltstitel abgeräumt werden, da man i m Oktober mit Sicherheit die Haushaltssperre erwarten durfte, eine Übertragung sowieso nicht in Betracht kam und es umso mehr galt, die Notwendigkeit aller Titelansätze unter Beweis zu stellen. Bei Kanzlerseminaren viele von Dieter Leuze geleitet - hat man sich in der Kaffeepause die jeweils neuesten Tricks im Bereich der kreativen Kameralistik zugerufen, ebenso die Information, welche Spielfelder vom Rechnungshof derzeit unter die Lupe genommen werden. I m Rückblick mag das heiter klingen, bei Lichte betrachtet steckte eine groteske Philosophie und Mentalität hinter dieser Verwaltungskultur. Von Forschungs- und Lehrqualität war in dieser bizarren Regelungs- und Erlasswelt nicht die Rede. Ob die Lehre gut, schlecht oder gar nicht gehalten wurde, hat das M i nisterium jedenfalls den Rektor oder andere Funktionsträger nie gefragt, sie hätten dazu auch nur subjektive Eindrücke wiedergeben können, denn irgendein Instrument zur Erfassung einer solchen Frage gab es nicht. Die Dinge änderten sich Ende der 80er Jahre zunächst schrittweise, in den 90er Jahren mit einer zuvor nicht bekannten Geschwindigkeit und Schubkraft. Die deutsche Hochschulreform, über die man jahrzehntelang nur in endlosen Diskussionen redete, hat alle Bereiche der Hochschule und damit auch die Verwaltung erfasst. Die einzelnen Etappen der Entwicklungsgeschichte darzustellen, wäre reizvoll. Für die Zwecke dieser Darstellung muss aber der Blick auf das nunmehr Erreichte genügen. „Leistung und Wettbewerb" oder vielleicht besser „Leistung durch Wettbewerb" sind die Schlüsselworte einer neuen Hochschulkultur. Das Ringen um Drittmittel der Forschung ist nicht nur wichtig für die Ergänzung der eigenen Forschungsmittel, es bildet gleichzeitig einen Indikator für Forschungsintensität und Forschungsexzellenz (und damit auch einen Vorzug bei der staatlichen leistungsbezogenen Mittel Verteilung). Wissensgenerierung soll nicht in der Universität verborgen bleiben; Hochschulen können und sollen durch Patentverwertung Geld und Ansehen erwerben. In der Lehre hält eine Art Kundenorientierung auch ohne Studiengebühren Einzug, insgesamt werden Leistung und Kosten durch betrieblich orientierte Rechnungswesen transparent gemacht. Das Instrument der Akkreditierung ersetzt überkommene Rahmenprüfungsordnungen. Evaluation sichert nicht nur Qualität, sondern zeigt auch den Weg zu neuen Form der Rechenschaftsablegung. Leistungsbezogene Mittelverteilung und nach Leistung bezahlte Vergütungen werfen

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die Frage nach dem Maßstab auf. Die Internationalisierung der Hochschule sorgt für eine weltweite Kooperation der Wissenschaftler; das sogenannte internationale Marketing soll dringend benötigte junge ausländische Begabungen nach Deutschland bringen. Der vielversprechende Weiterbildungsmarkt soll mehr als bisher für die Hochschulen erschlossen werden, in enger Verbindung damit stehen virtuelle Lehrangebote. Schließlich soll über all diesem Geschehen ein Leitungsorgan stehen, das i m Gegensatz zu dem von endlosen Debatten geprägten Gremienwesen rasch, effektiv und effizient handeln kann. Das ist natürlich eine andere Hochschule, als ich sie eingangs beschrieben habe. Welche Rolle spielt hierbei nun der neue Typ der Bildungsverwaltung. Lassen wir einmal zunächst die terminologische Frage beiseite, ob der Gattungsbegriff „Verwaltung" überhaupt zutrifft. Es soll hier mit eher groben Pinselstrichen der Versuch gemacht werden, so etwas wie das B i l d eines idealen Hochschuladministrators alias Hochschulmanagers zu malen, um dann die Frage zu klären, in welcher Annäherung man diesem B i l d gerecht wird. Bevor wir uns über die Art des Qualifizierungsweges verständigen, unternehmen wir zunächst den Versuch, die Elemente der gewünschten und notwendigen Kompetenz stichwortartig zu erfassen. Bei einem solchen Kompetenzprofil w i l l ich i m Sinne einer gestuften Kompetenz zwei Ebenen unterscheiden: Die erste nenne ich Basisstufe, die zweite bezeichne ich als „besondere Qualifizierungsstufe". Zur Basisstufe: Die klassische, breite und dogmatisch fundierte Juristenausbildung, die zum Richteramt befähigt, hat zumindest als dominierende Ausbildung für die Hochschulverwaltung ausgedient. U m Missverständnisse zu vermeiden, füge ich sofort hinzu, dass auf der international anerkannten hohen Qualität der deutschen Juristenausbildung auch zukünftig herausragende Administratoren für Hochschulen heranwachsen können. Nur müssen dann zur juristischen Kompetenz noch eine Reihe zusätzlicher Kenntnisse hinzu kommen. Wenn ich hier die Sonderstellung der Juristenausbildung relativiere, w i l l ich keineswegs das Kind mit dem Bade ausschütten. In einer Zeit, in der alle Bereiche der Gesellschaft und insbesondere der Bereich der Arbeitswelt von einem dichten Normengeflecht durchdrungen sind, bleiben Kenntnisse in wesentlichen Teilen des Rechts unverzichtbar. I m Vordergrund steht dabei das Arbeitsrecht, das öffentliche Dienstrecht- und das Personalvertretungsrecht, natürlich auch stabile Kenntnisse des Staats- und Verwaltungsrechts. Eine das Recht eher noch übertreffende Bedeutung kommt dem Finanz- und Haushaltswesen zu. In einer autonomen und sich von staatlicher Vormundschaft befreienden Hochschule ist eine janusköpfige Finanzkompetenz gefragt, die zum einen mit dem kameralen Ausgangspunkt des Hochschulhaushaltes umgehen kann, zum anderen aber auch in der Lage ist, das Finanzgeschehen in einem differenzierteren kaufmännischen Rechnungswesen (verbunden mit den viel zitierten und häufig kaum verstandenen neuen Steuerungsinstrumenten) abzubilden.

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Solange es noch verbindliche Stellenpläne gibt - und davon muss man leider noch für einige Zeit ausgehen - muss auch die Fähigkeit bestehen, eine phantasievolle Bewirtschaftung des Personalhaushaltes vorzunehmen. In der von mir angedachten Basisstufe treten neben die beiden Hauptblöcke Recht- und Finanzwesen eine für den Wissenschaftsbereich relevante Institutionenkunde sowie praktisch-orientierte Kenntnisse des Organisationswesens und der damit in Verbindung stehen Organisations- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Die häufig erwähnten „Softskills" wie Gesprächs- und Verhandlungsleitung, Kommunikationsfähigkeit, Führungsverhalten, Mitarbeitergespräche u.ä. lasse ich an dieser Stelle außen vor. Dies keineswegs aus Geringschätzung, da der berufliche Erfolg von solchen Fähigkeiten eher noch mehr als von der reinen Fachkompetenz abhängt. Ich w i l l ganz einfach die von mir überlegte Basisstufe nicht überfrachten um bei der Umsetzungsfrage nicht dem Vorwurf der Realitätsferne ausgesetzt zu sein. Bei dem Teil, den ich „besondere Qualifizierungsstufe" genannt habe, denke ich an den administrativen Nachwuchs der zukünftigen Leitungsebene, also insbesondere an die Hochschulkanzler, administrativen Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer und deren Stellvertreter. Vor allem von den zukünftigen Funktionsträgern in den Hochschulen erwarte ich, dass sie den grundlegenden Umbau der Hochschule von einer „staatliche Veranstaltung" (ein Begriff aus dem preußischen Staatsrecht) in eine selbstbewusste und selbständige, qualitäts- und ergebnisorientierte und international wettbewerbsfähige Hochschule nicht nur mental nachvollziehen, sondern vor allem mit dem hierzu erforderlichen Instrumentarium umgehen können. Ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit sind folgende Felder von besonderer Bedeutung - Budgetierung unter Einbeziehung von Leistungsverrechnungen - leistungs- und belastungsbezogene Parametrisierung - Kosten- und Leistungs-Rechnung -

Zielvereinbarung

- steuerlich relevante Handlungen einer Wissenschaftseinrichtung -

Stiftungsrecht und Stiftungssteuerrecht

- Fundraising und Sponsoring sowie sonstige alternative Finanzierungsquellen - Konzeption und Durchführung des Technologietransfers - Outsourcing von Dienstleistungen - Controlling für die Wissenschaft - Projektmanagement, insb. Projektplanung, -Überwachung, -organisation und -erlöse

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- wissenschaftsrelevantes Marketing - gute wissenschaftliche Praxis - EDV-Einsatz in der Verwaltung, Bürokommunikation und Medieneinsatz in der Präsentation - Qualitätssicherung in der Wissenschaft: Evaluation, Akkreditierung und Benchmarking - Studienstrukturen i m tertiären Bereich, national und international - Informationsmanagement und -Versorgung einschließlich der Kooperation von Bibliothek und Rechenzentrum) -

Staatliches Hochbauverfahren einschließlich alternativer Bauverfahren.

Wenn man sich diese ausdifferenzierten Ebenen anschaut, so kommt man rasch zu dem Ergebnis, dass es sich bei den einzelnen Modulen nicht um Geheimdisziplinen handelt. Die Schwierigkeit besteht darin, diese außerordentlich breite Spreizung in eine in sich stimmige Ausbildung zu integrieren. Aber wo ist die Ausbildungssituation, die diesen Strauß in passenden Gebinden anbietet? Der Blick auf die Hochschulszene ist ernüchternd. Dort wird offenbar über alles geforscht und gelehrt, nur nicht über die Hochschule selbst. In dem Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz finden sich zwölf grundständige und acht weiterführende Studiengänge i m Bereich Verwaltungsmanagement, die allerdings keine Fokussierung auf die Hochschulverwaltung aufweisen. Dem Vernehmen nach ist die Fachhochschule Bremen seit einiger Zeit dabei, einen Studiengang für Hochschulmanagement vorzubereiten, der Startschuss ist wohl noch nicht gefallen. A n der Universität Erfurt gibt es einen verwaltungswissenschaftlichen Studiengang, der immerhin einen Schwerpunkt Bildungsverwaltung enthält. Auch der von der Universität Koblenz - Landau angebotene Master-Studiengang „Bildungsmanagement 4 ' hat eher den schulischen Bereich i m Blick. Der derzeit (Stand Frühjahr 2002) i m Sinn der obigen Überlegungen relevanteste Neuanfang ist von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer zu erwarten. I m Zusammenhang mit einer von vielen Wissenschaftsorganisationen getragenen Forschungsstelle „Wissenschaftsmanagement' 4 soll ein Aufbaustudium angeboten werden, an dem neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Speyerer Hochschule auch zahlreiche Praktiker mitwirken werden. Damit wäre eine enge Verzahnung zwischen Theorie und Praxis gewährleistet. Bei der Bestimmung des eigenen Standorts darf der Blick über die nationalen Grenzen nicht fehlen. Leider drängt sich i m internationalen Vergleich die Vermutung auf, dass Deutschland auf dem hier beschriebenen Feld einen hinteren Tabellenplatz einnimmt. Es verwundert nicht, dass angesichts der Marktstrukturen von „Higher Education" in den USA über 170 Master- und Promotionstudiengänge i m Bereich „Higher Education Management" angeboten werden, die teilweise nach Schwerpunkten ausdifferenziert sind. Aber auch in Europa ist man andernorts wei-

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ter. In unserem Nachbarland Österreich wird in Klagenfurt ein „Universitätslehrgang in Organisationsentwicklung i m Bildungsbereich" mit dem Abschlusszertifikat „akademischer Organisationsberater i m Bildungsbereich" angeboten. In Großbritannien bietet die Open University in Milton Keynes einen Master-Studiengang „Education" und einen Promotionsstudiengang „Higher Education Management" an, der offenbar auch i m Ausland Anklang findet. Bei einem Blick auf den transnationalen Gesichtspunkt ist auch ein Zufallsfund zu erwähnen: M i r wurde berichtet, dass brasilianische Hochschul Verwalter in nicht unerheblichen Umfang in Kanada qualifiziert werden. Wenn es den deutschen Hochschulen gelänge, die beschriebenen Qualifikationswege nicht nur für unsere eigenen Nachwuchsfachleute zu implementieren, sondern auch ausländische Bildungsverwalter zu qualifizieren, so wäre dieses auch für die internationale Vernetzung unserer Wissenschaft hilfreich. Zurück zur nationalen Ausbildung. So enttäuschend der Befund bezogen auf grundständige Studiengänge und Aufbaustudiengänge ist, so wirkt die Fortbildungsszene recht versöhnlich. Die Grundlage dafür, dies wurde eingangs berichtet, hat der Arbeitskreis Fortbildung i m Sprecherkreis der deutschen Universitätskanzler gelegt. In eine ähnliche Richtung gehen die Seminare des Vereins für Wissenschaftsrecht. Seit ca. zwei Jahren bietet auch das Centrum für Hochschulentwicklung ein- bis zweitägige Seminare an, die nicht nur für die Leitungsebene der klassischen Hochschulverwaltung gedacht sind, sondern verdienstvollerweise auch akademisch geprägte Leitungspersönlichkeiten wie Dekane, Prorektoren und Vizepräsidenten bzw. Personen, die ein solches A m t antreten wollen, erfassen. Weitere durchaus wertvolle Fortbildungsprogramme werden auf Landesebene mit der Zielgruppe höhere und gehobenen Dienst angeboten. So sehr also die außerhalb der Hochschulen stattfindende Fortbildung dazu beigetragen hat, dass der aufgezeigte tief greifende Wandel der deutschen Hochschule nicht nur in den Köpfen der Reformer und auch nicht nur auf gedrucktem, geduldigen Papier stattfindet, sondern gewissermaßen auf die tägliche Praxis des Hochschullebens heruntergebrochen wird, so liegt doch offenkundig in der Verlegung wichtiger Ausbildungsinhalte auf spätere berufsbegleitende und naturgemäß fragmentarische Fortbildungsangebote ein absolut unplausiblere Verzicht auf frühzeitige Kompetenz und Effizienz. Wer etwa nach dem Abschluss der zweiten juristischen Staatsprüfung oder mit einem in einer anderen Fachdisziplin angesiedelten geeigneten Hochschulabschluss in die Hochschulverwaltung eintritt und dann häufig dem Ende des dritten Lebensjahrzehnts schon recht nahe ist - eventuelle andere Vortätigkeiten nicht berücksichtigt - , muss sich nicht nur in die atypische Mentalität und Organisationsstruktur einer Hochschule einfinden, sondern dann noch neben einer in aller Regel großen Arbeitslast die oben beschriebenen Zusatzkompetenzen erwerben; dies alles noch in der richtigen Vernetzung, da die erwähnten Bausteine in einer hochkomplexen Struktur miteinander in Verbindung stehen.

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Die hier angestellte Analyse führt nun zu folgendem Vorschlag: Der Übergang in die neue zweistufige Studienstruktur mit einem dreijährigen berufsqualifizierenden Bakkalaureus- bzw. Bachelor-Studiengang und einem einbis zweijährigen vertiefenden Magister- bzw. Master-Studiengang legt die Erfassung der oben genannten zwei Stufen in einer solchen Struktur sehr nahe. Ich füge sofort hinzu, dass ich mir eine solche zweistufige Ausbildung „Wissenschaftsmanagement'4 sowohl i m universitären Bereich wie auch i m Fachhochschulbereich vorstellen könnte, wobei selbstverständlich die Profile auf jeder Seite unterschiedliche Akzente und Schwerpunkte setzen können und müssen. So wäre es etwa denkbar, dass ein universitärer Studiengang vor allem als Master/Magister - Studiengang wichtige Schwerpunkte i m Bereich Evaluation und Akkreditierung setzten könnte, auf der Fachhochschulseite könnte die Berücksichtigung der so genannten neuen Steuerungsinstrumente profilbildend sein. In beiden Fällen ist ganz wichtig, dass die verschiedenen Fachgebiete und Fachdisziplinen in ihrer Verknüpfung und ihrer Wechselwirkung erarbeitet und dargestellt werden. Es ist j a gerade der außerordentliche Charme einer Aufgabe i m Steuern und Betreuen von Hochschulen und insbesondere von akademisch geprägten Persönlichkeiten, dass eine zu lösende Fragestellung nie nur juristisch oder nur finanziell oder nur wissenschaftspolitisch gelöst werden kann, sondern es immer um eine Art Gesamtkunstwerk geht, bei dem die Rahmenbedingungen und die Impulse aufeinander bezogen sind. Nur am Rande sei erwähnt, dass der von mir gedachte Beitrag von beiden Hochschularten, also der Universität auf der einen und der Fachhochschule auf der anderen Seite , natürlich auch ein Verzicht auf das Laufbahnprinzip beinhaltet. In welche Besoldungsgruppe eine Bewerberin bzw. ein Bewerber einzuordnen ist oder welche Tarifgruppe in Betracht kommt, bemisst sich ausschließlich nach der Frage, welche Kenntnisse und Fähigkeiten für die Hochschule wichtig sind und welche Person diese Fähigkeit glaubhaft nachweisen oder darlegen kann. Bei meinem Modell bleibt schließlich noch die Frage offen, ob der Markt wirklich so ergiebig ist, um entsprechend qualifizierte Absolventinnen und Absolventen fachadäquat aufzunehmen. Diese Frage erscheint unproblematisch. Wir haben in Deutschland j a nicht nur weit über 300 Hochschulen, wobei ich von einem weiteren und kontinuierlichen Anstieg der Zahl der privaten Hochschulen ausgehe, wir haben auch zahlreiche Großforschungseinrichtungen und sonstige große und kleine Forschungsinstitutionen. Weiterhin gibt es einen Kreis von wissenschaftsfördernden Organisationen und schließlich finden auch umfangreiche wissenschaftliche Aktivitäten i m unternehmerischen Bereich, in dem die von mir beschriebenen Kompetenzen ebenso erwünscht und notwendig sind, statt. Davon abgesehen bin ich mir sicher, dass der in meiner Ausbildungsidee enthaltene Brückenschlag zwischen Kultur und Wissenschaft auf der einen Seite und der unternehmerischen Prägung wissenschaftlicher Einrichtungen auf der anderen Seite eine besondere Leistung darstellt, die auch von ganz anderen Funktionsbereichen in Staat, Gesell-

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schaft und Wirtschaft gebraucht wird. Die Zuwendung zu Bildung und Kultur und deren Verbindung mit sensibler Organisationstechnik und Effizienz ist i m Kern eine conditio sine qua non für alle Leitungsaufgaben in der Gesellschaft.

Alter und Altersgrenzen im (Hochschul-)Recht - eine Problemskizze Wolfram

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I. Man zögert vielleicht zunächst, wenn man in einer zum 70. Geburtstag des Jubilars erscheinenden Festschrift das Thema „Alter und Altersgrenzen i m (Hochschul-)Recht" als Anknüpfungspunkt einiger Überlegungen wählt. Wenn aber der zu Ehrende so jung geblieben ist wie Dieter Leuze und nach seinem Ausscheiden aus dem Professorenamt seine Schaffenskraft als Anwalt und wissenschaftlicher Autor immer wieder aufs Neue eindrucksvoll unter Beweis stellt, so verliert sich die Scheu schnell. Berührt das Thema dann auch noch Referenzgebiete wie das Beamten- und das Hochschulrecht, dem der Jubilar zahlreiche wichtige Beiträge gewidmet hat, 1 so mag dies zusätzlich die getroffene Wahl rechtfertigen. I m Übrigen steht die eminente Bedeutung des Alters und des Alterns - ja: ihre „dramatische Aktualität" 2 - (nicht nur, aber akzentuiert) für die deutsche Gesellschaft außer Frage: Das sog. double aging, 3 d. h. die Kombination sinkender Fertilität mit einhergehender Verengung der Bevölkerungsbasis einerseits und Verschiebung der Altersstruktur durch steigende Lebenserwartung in Richtung zu höheren und höchsten Altersklassen andererseits betrifft nahezu alle Lebensbereiche. Alterung von unten plus Alterung von oben führen dazu, dass die noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer Pyramide ähnelnde Bevölkerungsstruktur sich bis zum Jahre 2004 in einen „Bevölkerungspilz" wandeln wird. Diese Entwicklung ist weitgehend unstrittig, da sie von Kohorten bestimmt wird, die heute bereits geboren sind und den demographischen Wandel vergleichsweise genau prognostizieren lassen. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf Arbeits-, Güter- und Finanzmärkte. Die ökonomischen Konsequenzen des hier nur skizzierten demographischen Wandels 1 Siehe nur Leuze/Bender (Hrsg.), Gesetz über die Universitäten des Landes NordrheinWestfalen; Widmaier/Leuze/Lindenberg-Wendler/Wörz, Das Personal Vertretungsrecht in Baden-Württemberg; vgl. ferner die Beiträge im Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Aufl. 1996, sowie in Hailbronner / Geis (Hrsg.), Kommentar zum Hochschulrahmengesetz. 2 So zu Recht Peter Häberle, Altern und Alter des Menschen als Verfassungsproblem, in: Festschrift für Lerche, 1993, S. 189 (189 f.). 3 A. Börsch-Supran, Aging Population, in: Economic Policy, Vol. 6 (1), 1991, S. 103 ff. (103). 18 FS Leuze

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betreffen sowohl die Einnahmeseite als auch die Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte. A u f der Einnahmeseite ergeben sich zum Teil gravierende Änderungen i m Steueraufkommen und damit veränderte Finanzierungsmöglichkeiten i m Blick auf öffentliche Güter. A u f der anderen Seite wird die Ausgabenseite durch die steigende Zahl und den steigenden Anteil älterer Menschen, die nicht mehr in den Produktionsprozess integriert sind, vor allem die sozialen Haushalte vor enorme Belastungsproben stellen. 4

II. Die sich hieraus ergebenden Herausforderungen für die Problemverarbeitungskapazität von Politik und Recht können nicht überschätzt werden. Sie sind bislang allerdings nur unzureichend angenommen worden. Die Rechtsordnung erweist sich insoweit als weitgehend „blind". Damit kontrastieren nur vordergründig die zahlreichen Rechtstexte, in denen das Alter Erwähnung findet. 5 Eine „Lebensalter-Tafel" könnte z. B. vom 7. Lebensjahr (§ 106 BGB: beschränkte Geschäftsfähigkeit) über das 10. (Anhörungsrecht zum Bekenntniswechsel gem. §§ 2, 3 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung) und das 14. Lebensjahr (bedingte strafrechtliche Verantwortung gem. § § 1 , 3 JGG) bis zum 18. Lebensjahr (Erreichen der Volljährigkeit [§ 2 BGB], Wahlrecht zum Deutschen Bundestag 6 ), von hier über das 25. Lebensjahr (Mindestalter für Adoption und das Schöffenamt) über das 40. Lebensjahr (dessen Vollendung Voraussetzung für das A m t eines Richters des Bundesverfassungsgerichts [§ 3 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG] und des Bundespräsidenten [Art. 54 Abs. 1 Satz 2 GG] ist), das bis zu zahlreichen Ruhestands- und Pensionsregelungen zum 65. Lebensjahr reicht. 7 Solche und ähnliche Regelungen widmen sich aber überwiegend bereichsspezifischen Aspekten; ihre Funktionslogik zielt auf technisch-prozedurale Bewältigung von Problemen des jeweiligen Subsystems. Doch selbst diese Art der normativen Reflexion auf das Alter, die jene soeben skizzierten großen Strukturprobleme gar nicht oder nur kaum in den Blick zu nehmen versucht, ist oftmals unterkomplex. Das einschlägige Recht und seine interpretative und gelebte Praxis thematisieren nur selten die immanente Zentralfrage und hierum soll es in den nachfolgenden Überlegungen gehen - , ob der Anknüpfung an ein bestimmtes Alter bzw. der altersbezogenen Grenzziehung wirklich tragfähige und verfassungskonforme Gründe zugrunde liegen. Altersgrenzen sind 4

Zum ganzen vgl. den Überblicksband von Winfried Schmäl/Volker Ulrich (Hrsg.), Soziale Sicherungssysteme und demographische Herausforderungen, 2001, mit Einzelstudien zu den Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Krankenversicherung, auf die Pflegeversicherung und die Rentenversicherung. 5 Zu einem Überblick über ausländische Verfassungstexte siehe Häberle, а. а. O., S. 192 ff. 6 Vgl. Markus Maria Gross-Wölting, Altersgrenzen im Wahlrecht, 1993. ι Siehe auch Häberle, a. а. О., S. 197.

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- wenn überhaupt - in vielen Rechtsgebieten in der Tat ein „spät entdecktes Problem". 8 Dies gilt, in eingeschränktem Maße, auch für das Recht des Öffentlichen Dienstes i m Allgemeinen und das Hochschulrecht i m Besonderen. Es kennt eine Fülle von Altersgrenzenregelungen. Als Beispiel aus dem nordrhein-westfälischen Recht seien etwa genannt: § 9 Abs. 1 Nr. 2 L B G NW, der als Mindestaltersgrenze für die Ernennung von Beamten auf Lebenszeit die Vollendung des 27. Lebensjahres festlegt, sowie die sog. Pensionsaltersgrenze gemäß § 44 Abs. 1 L B G (Vollendung des 65. Lebensjahres). Darüber hinaus ermächtigt § 5 Abs. 1 L B G den Rechtsordnungsgeber zur Festlegung von Mindest- und Höchstaltersgrenzen für die Einstellung. Das Haushaltsrecht spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Rolle. Nach § 48 Abs. 1 L H O bedarf die Einstellung und Versetzung von Beamten in den Landesdienst der Einwilligung des Finanzministeriums, wenn der Bewerber oder die Bewerberin ein von der Landesregierung allgemein festzusetzendes Lebensalter überschritten hat. 9 Umfangreiche Festlegungen von Höchstaltersgrenzen 10 finden sich in der Laufbahn Verordnung (LVO NW). So knüpft § 6 Abs. 1 L V O die Einstellung oder Übernahme von Laufbahnbewerbern in das Beamtenverhältnis auf Probe an die in den speziellen Vorschriften der L V O festgelegten Höchstaltersgrenzen. Diese finden sich für den einfachen Dienst in § 18 Abs. 1 L V O (Vollendung des 30. Lebensjahres), für den Mittleren Dienst in §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 L V O (jeweils Vollendung des 30. Lebensjahres), für den gehobenen Dienst in §§ 29 Abs. 1 lit a) und b), 35 Abs. 1 L V O (Vollendung des 30. Lebensjahres für den gehobenen nichttechnischen Dienst, Vollendung des 32. Lebensjahres für den gehobenen technischen Dienst, Vollendung des 32. Lebensjahres für Beamte besonderer Fachrichtungen) und für den höheren Dienst in §§ 39 Abs. 1, 44 Abs. 1 L V O (Vollendung des 35. Lebensjahres, ebenso für Beamte besonderer Fachrichtungen). Die Höchstaltersgrenze der Laufbahnbewerber für Lehrer an Schulen sowie für wissenschaftliche Mitarbeiter und Lehrkräfte für besondere Aufgaben an Schulen wird in § 52 Abs. 1 L V O festgelegt (Vollendung des 35. Lebensjahres). Amter der Laufbahn des höheren Dienstes derselben Fachrichtung dürfen Beamten des gehobenen Dienstes gemäß § 40 Nr. 4 L V O nur verliehen werden, wenn sie das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Nach § 10 Abs. 2 lit. с) L V O ist eine Beförderung innerhalb von zwei Jahren vor Erreichen der Pensionsaltersgrenze nicht zulässig.

8 So Spiros Simitis, Die Altersgrenze - ein spät entdecktes Problem, RdA 1994, 257 ff.; zu den Altersgrenzen in Tarifverträgen siehe etwa W. Gitter/D. Doerner, RdA 1990, 129 ff. und H.-D. Steinmeier, RdA 1992, 6 ff. 9 Vgl. hierzu etwa Püttner, DVB1. 1997, 259 (259). 10 Höchstaltersgrenzen schließen mit Erreichen eines bestimmten Lebensalters eine Ernennung, Berufung usw. aus; Mindestaltersgrenzen legen als Voraussetzung einer Einstellung bzw. Ernennung ein bestimmtes Lebensalter fest; zu dieser Terminologie vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 LVO NW; ferner auch Epping, in: Leuze/Benda, Hochschulgesetz NW, vor §§ 48-63 Rdnr. 17 (Stand: Dezember 1998). 18=

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Im Hochschulbereich finden sich demgegenüber Altersgrenzen i m Wesentlichen nur in niederrangigen Rechtssätzen. So sind etwa in Nordrhein-Westfalen durch Runderlass Höchstaltersgrenzen für die Ernennung von Beamten auf Zeit festgelegt worden. Die Höchstaltersgrenze für wissenschaftliche Assistenten beträgt danach grundsätzlich 32 Jahre, für Oberassistenten 40 Jahre. 11 Für die Berufung von beamteten Hochschullehrern wurden Höchstaltersgrenzen zwischen dem vollendeten 50. und 55. Lebensjahr festgelegt. 12 Die Legitimität solcher Altersgrenzen ist in Rechtsprechung und Literatur gelegentlich thematisiert worden, wenngleich eher auf einem Niveau schwach ausgeprägter Problemsensibilität. So hat das Bundesverwaltungsgericht exekutive Regelungen auf der Grundlage von § 48 B H O über Altersgrenzen für die Berufung in das Beamtenverhältnis akzeptiert und damit dem Anwendungsbereich des Parlamentsvorbehalts entzogen. 13 Für Ruhestandsregelungen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, Art. 33 Abs. 5 GG fordere weder eine auf ein bestimmtes Lebensalter gerichtete noch eine für alle Beamten einheitliche Festsetzung der Altersgrenze. Deshalb begegne es jedenfalls i m Blick auf diese Verfassungsnorm keinen Bedenken, dass ein Landesgesetzgeber die Altersgrenze für Lehrer abweichend von der Regelaltersgrenze festsetze. 14 Zwar greift das Bundesverfassungsgericht auf Art. 3 Abs. 1 GG als zusätzliche Maßstabsnorm zurück, reduziert dabei aber die Reichweite seiner Kontrollkompetenz in hohem Maße. Für die Altersgrenze reiche ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund. Das Bundesverfassungsgericht könne „nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit" nachprüfen. 15 Die Arbeitsmarktlage für den Nachwuchs, schulorganisatorische und pädagogische Notwendigkeiten und andere seien jedenfalls ausreichende Gründe. 1 6 Hier ergeben sich indes durchaus Friktionen i m Blick auf die neuere Judikatur zum allgemeinen Gleichheitssatz. Danach gilt für bestimmte Fallkonstellationen die sog. neue Form e l . 1 7 In dieser Deutung ist Art. 3 Abs. 1 GG „dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten i m Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könn11

Vgl. hierzu mit Nachweisen Epping, in: Leuze/Benda, а. а. O., vor §§ 48-63 Rdnr. 17. Einzelheiten bei Hartmer, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1996, S. 516 f. 13 Siehe BVerwG bei Buchholz 2.3.2, § 15 BBG Nr. 11. - Anders im Blick auf die Bestellung zum Anwaltsnotar BVerfGE 80, 257 ff.: Die generelle Bestimmung eines Höchstalters für die Bestellung zum Anwaltsnotar bedürfe im Blick auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Entscheidung durch die Normgeber und könne nicht durch Allgemeine Verfügung der Landesjustizverwaltung geregelt werden (S. 265). и BVerfGE 71, 255 (270). 15 BVerfGE 71, 255 (271). 16 А. а. O., S. 271 f. 17 Dazu die Leitentscheidung BVerfGE 55, 72 (88 ff.). 12

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t e n " . 1 8 Durch diesen verschärften Maßstab wird gleichsam die Argumentationslast umgekehrt. Während eine Regelung gegenüber der „normalen" Gleichheitsprüfung i m Zweifel standhält, soweit nicht ihre S ach Widrigkeit festgestellt werden kann, sind nach der sog. neuen Formel gerade umgekehrt die erfassten Ungleichbehandlungen prinzipiell fragwürdig und können nur durch überzeugende Sachgründe legitimiert werden. 1 9 Der Anwendungsbereich der sog. neuen Formel erstreckt sich dabei jedenfalls auf solche Konstellationen, wo eine Ungleichbehandlung an personenbezogene Aspekte anknüpft. Dies gilt ohne Zweifel auch für das genannte j a auch noch unentrinnbare! - Kriterium des Alters. Auch i m Blick auf die grundrechtliche Maßstabsnorm des Art. 12 Abs. 1 GG, der prinzipiell auch für staatliche Berufe g i l t , 2 0 ist die recht „großzügige" Rechtsprechung und Literatur, die Festsetzungen von Altersgrenzen als subjektive Zulassungsvoraussetzung für die Freiheit der Berufswahl 2 1 weitgehend rechtfertigen, 22 kritisch zu betrachten. Starre Altersgrenzen jedenfalls lassen sich als schwere Eingriffe in die Berufsfreiheit verfassungsrechtlich nur legitimieren, wenn dies - der verfassungstextlichen Garantie der Berufs wahlfreiheit als vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht gemäß - zum Schutze von Verfassungsrechtsgütern erforderlich ist. 2 3

III. Auch i m Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG erweist sich das Alterskriterium als ein mehrschichtiges Problem. 2 4 Die Berücksichtigung des Alters bei Personalentscheidungen von Dienstherren kann gänzlich unterschiedlich motiviert sein: Das Alter kann (1) ein eignungsimmanenter Aspekt, (2) ein eignungsergänzendes Hilfskriterium oder (3) ein eignungsfremdes Regelungsziel sein. 2 5 Diese unterschiedlichen Funktionen von Altersbegrenzungen i m öffentlichen Dienstrecht werden in Rechtsprechung und Literatur nicht immer hinreichend beachtet; ihre is Ebda. 19 So zu Recht Michael Sachs, Verfassungsrecht II. Grundrechte, 2000, S. 225 f. 20 Siehe BVerfGE 7, 377 (397 f.); 73, 301 (315); 84, 133 (147); a.A. BVerwGE 2, 85 (86); 4, 250 (254). 21 Kritisch dazu aus neuerer Zeit etwa Friedhelm Hufen, NJW 1994, 2913 (2921), der die strengen Kriterien objektiver Berufswahlgrenzen zugrundelegen will. 22 Siehe etwa BVerfGE 1, 265 (274 f.); 9, 338 (344 ff.); 64, 72 (82). 23 In diesem Sinne auch Hufen, NJW 1994, 2913 (2921 f.); ders., MedR 1996, 394 (402). 24 Zum folgenden Wolfram Höfling, in: Bonner Kommentar, Art. 33 Abs. 1 - 3 Rdnr. 122 ff. (Stand: August 1998). 25 Die Unterscheidung von eignungsimmanentem Altersaspekt und altersfremdem Altersregelungszweck kann sich anlehnen an die neuere Dogmatik zum allgemeinen Gleichheitssatz, die zwischen (internen) Rechten und (externen) Zielen differenziert; dazu grundlegend Stefan Huster, Rechte und Ziele 1993, insbes. S. 174 ff.

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differenzierte Verarbeitung ist indes für eine adäquate Dogmatik der verfassungsrechtlichen Zugangsgleichheit unentbehrlich. 1. Das Lebensalter fungiert als verfassungsrechtlich unbedenkliches eignungsimmanentes Entscheidungskriterium, wenn es als (aussagekräftiger) Indikator für die Fähigkeit steht, amtangemessene, funktionsgerechte Leistungen zu erbringen. 26 Entsprechendes gilt für das Dienstalter. 27 In diesen Kontext gehört auch die Berücksichtigung des Alters als Nachweis einer bestimmten Berufs- oder Lebenserfahrung. 2 8 Wie das Zugangskriterium der Eignung i m Allgemeinen ist auch das Alter als eignungsimmanenter Auswahlaspekt funktional, d. h. i m Blick auf das zu besetzende A m t zu deuten. Deshalb ist ein Bewerber, der zum Beamten auf Zeit ernannt werden will, nicht geeignet, wenn er vor Zeitablauf wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand treten würde. 2 9 2. Eine in der Praxis wichtigere Funktion gewinnt das Lebensalter, das (Beförderungs-)Dienstalter oder das Besoldungsdienstalter 30 als - mit der ersten Fallgruppe zusammenhängendes - eignungsergänzendes Hilfskriterium bei der Selektion von Bewerbungen um ein öffentliches A m t . 3 1 Das Bundesverwaltungsgericht hat es unter bestimmten Voraussetzungen als rechtmäßig angesehen, wenn die Einstellungsbehörde einem Bewerber mit der Begründung den Vorzug gibt, dieser sei „erheblich lebensälter und auch dienstälter": „Das Lebensalter und das Dienstalter können bei einer individuellen Auswahlentscheidung jedenfalls unter Beamten, die nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung i m Wesentlichen gleich beurteilt sind, entscheidend mit herangezogen werden. Die Berücksichtigung des Lebens- und Dienstalters ist insoweit mit dem Leistungsgrundsatz vereinbar 3 2 und geht davon aus, dass die von einem lebens- und dienstälteren Beamten typischerweise mitgebrachte umfassendere praktische Berufserfahrung für die nunmehr i m Beförderungsamt zu erfüllenden Aufgaben i m Rahmen der Leistungsbeurteilung berücksichtigt werden können". 3 3 M i t der letzten Formulierung stellt das Bundes26 Siehe Roellecke, VB1BW 1995, 1 f., 1. 27 BVerwG, Buchholz 237.6 § 8 Nds LBG Nr. 6; BVerwG, NJW 1989, 538 ff., 538. 28 Vgl. auch die Formulierung bei HessVGH, NVwZ-RR 1994, 347, 349: Berücksichtigung von Dienst- und Lebensalter „außerhalb der im Rahmen der Beurteilung einzubeziehenden Aspekte der Berufs- und Lebenserfahrung". 29 In diesem Sinne OVG Lüneburg, ZBR 1965, 209, 211; Schütz, Kommentar zum Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 7 Rdnr. 4 (Stand: Januar 1990). 30 Siehe BVerwG, Buchholz 237.6 § 8 Nds LBG Nr. 6. 31 Aus der Rechtsprechung vgl. z. B. BVerwGE 80, 123 (126); BVerwG, Buchholz 232 3 8 BBG Nr. 50; HessVGH, NVwZ-RR 1994, 347 (348 f.) und ZBR 1995, 109 f.; SchleswigHolsteinisches OVG, DÖD 1996, 168 (169 f.). 32 Unter Bezugnahme auf Fürst, GKÖD I., Teil 1, К § 8 Rdnr. 21 und Urteil vom 23. Oktober 1980 - BVerwG 2 С 22.79 - (Buchholz 238.4 § 37 Nr. 2); HessVGH, HessVGRspr. 1995, 7 f. (7), spricht aber im Blick auf das allgemeine Dienstalter von einem „leistungsfremde(n) Hilfskriterium"; s. a. HessVGH, HessVGRspr. 1996, 17 ff. 33 So BVerwGE 80, 123 (126); ähnlich OVG SH, DÖD 1996, 168 (170); siehe ferner etwa Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 33 Rdnr. 18.

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Verwaltungsgericht allerdings einen engen Zusammenhang zwischen dem eignungsergänzenden Hilfskriterium und dem Alter als eigentlichem Eignungsaspekt her. 3 4 A u f Hilfskriterien darf indes erst dann abgestellt werden, wenn sich der Dienstherr zuvor bemüht hat, mit Hilfe hinreichend differenzierter Beurteilungen eine Bestenauslese vorzunehmen. Einstellungen oder Beförderungen, die allein 3 5 oder aufgrund der Struktur der Beurteilungsrichtlinien regelmäßig auf das Alter gestützt werden, sind mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar. Die Personalrekrutierung nach Maßgabe von Altershilfskritierien darf also nicht zur Regel werden. 3 6 3. Wenn und soweit der Dienstherr seine Personalentscheidung zulässigerweise auf altersabhängige Hilfskriterien stützt, liegt eine Durchbrechung des (objektivrechtlichen) Leistungsprinzips bzw. des (subjektiv-rechtlichen) Anspruchs auf gleichen Zugang zu den öffentlichen Ämtern nicht vor. Dies ändert sich, wenn die Normierung von Altersgrenzen einem eignungsfremden Ziel dient. Die Nichtberücksichtigung (eigentlich) geeigneter Bewerber allein wegen ihres Alters erfolgt hier, um externe - d. h. außerhalb des Prinzips der Bestenauslese liegende Zwecke zu realisieren. Solche Durchbrechungen des Verfassungsgebots des Art. 33 Abs. 2 GG bedürfen der Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht. Dieser strukturelle und dogmatisch relevante Unterschied zu den oben behandelten eignungsimmanenten bzw. eignungsergänzenden Alterskriterien wird jedenfalls der Sache nach auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausdruck gebracht. Aus dem in Art. 33 Abs. 5 GG verorteten beamtenrechtlichen Lebenszeitprinzip 37 folgert das Gericht (ohne weiteres) die Befugnis des Gesetzgebers, eine angemessene Mindestverweildauer i m öffentlichen Dienst durch die Festlegung von Einstellungshöchstaltersgrenzen sicherzustellen. Art. 33 Abs. 2 GG steht nämlich nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts „der Versagung des Zugangs zu einem öffentlichen Amte aus sachlichen Gründen jedenfalls dann

34 Vgl. auch BVerwG, DVB1. 1986, 1156, 157; Plog/Wiedow/Beck, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, § 8 Rdnr. 14 (Stand: Juli 1996); vgl. ferner auch Maunz, in: Maunz/ Dürig, Art. 33 Rdnr. 18. 35 Siehe Ule, in: Bettermann /Nipperdey, Die Grundrechte IV 2, 2. Aufl. 1972; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 33 Rdnr. 18 Fußn. 2. 36 So ausdrücklich im Blick auf unterschiedliche Alterskriterien: HessVGH, NVwZ-RR 1994, 347 ff. und ZBR 1995, 109 f.; siehe auch VG Kassel, NVwZ-RR 1994, 347 (349); als fehlerhaft ist beispielsweise eine beamtenrechtliche Auswahlentscheidung eingestuft worden, bei der allein die letzte dienstliche Beurteilung zugrunde gelegt und sodann ohne weitere Eignungserwägungen auf das Hilfskriterium des allgemeinen Dienstalters abgestellt wurde; HessVGH, ZBR 1995, 109 f. (109). - „Großzügiger" demgegenüber OVG NRW, NWVB1. 2001, 305 (306): „Dieses dem Dienstherrn bei der Auswahl der maßgeblichen Hilfskriterien zukommende Ermessen ist nicht dahin eingeschränkt, dass (angeblich) stärker am Leistungsgrundsatz orientierten Hilfskriterien, wie etwa der Leistungsentwicklung notwendig der Vorrang vor (angeblich) leistungsferneren bzw. -fremderen Hilfskriterien wie dem Dienst- und Lebensalter eingeräumt werden muß". 37 Hierauf rekurriert zur Rechtfertigung von Altersbegrenzungen auch Roellecke, VB1BW 1995, 1 f., 1.

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nicht entgegen, wenn diese Gründe - mögen sie i m Einzelfall auch nicht den Art. 33 Abs. 2 GG verwendeten Begriffen „Eignung, Befähigung und fachliche Leistung" zuzuordnen sein - sich aus dem Bekenntnis des Art. 33 Abs. 5 GG zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums ergeben. Hieraus folgt zwangsläufig, dass der gleiche Zugang „zu jedem öffentlichen A m t " , den Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistet, unter dem Vorbehalt der hier im Streit befindlichen allgemeinen Einschränkung steht. Die durch diesen Vorbehalt dem Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, Einstellungs-Höchstaltersgrenzen zu bestimmen, dient auch der Wahrung des zur ordnungsgemäßen Erfüllung des öffentlichen Dienstes gebotenen Mindestmaßes an Kontinuität in der Besetzung der einzelnen Dienstposten". 38 Diesem Begründungsansatz wird man indes in seiner Pauschalität nicht zustimmen können. Art. 33 Abs. 2 GG steht nicht unter dem Vorbehalt einer „allgemeinen Einschränkung" mehr oder weniger sinnvoller Altersgrenzen. Wenn und soweit diese sich als Durchbrechungen der Verfassungsvorschrift erweisen, bedürfen sie vielmehr ihrerseits der verfassungsrechtlichen Legitimation. Völlig zu Recht hat deshalb das V G Bayreuth hervorgehoben, dass eine Einstellungsbehörde, die unter Hinweis auf den Ausschreibungstext „jüngere/ η Beamten/in" mit dessen Lebensalter begründet, grundsätzlich gegen das Prinzip der Bestenauslese verstößt. „Dieses mit Verfassungsrang ausgestattete Prinzip ist eindeutig vorrangig gegenüber dem Bestreben um Verbesserung der Altersstruktur". 3 9

IV. Ob und inwieweit sich solche Durchbrechungen des verfassungskräftigen Eignungsgrundsatzes in Art. 33 Abs. 2 GG i m Blick auf ein spezielles Referenzgebiet tatsächlich begründen lassen, soll Gegenstand der abschließenden Überlegungen sein. Das gewählte Problembeispiel betrifft Altershöchstgrenzen i m universitären Berufungsverfahren, wie sie offen und verdeckt vielfach praktiziert werden. Gerd Roellecke hat vor einigen Jahren folgende für das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Baden-Württemberg gutachtlich zu behandelnde Fallkonstellation geschildert: 40 Eine baden-württembergische Universität hatte drei 38 So BVerwG, Buchholz 23.2. § 15 BBG Nr. 7; siehe ferner etwa BVewG, Buchholz 23.8.4 § 37 SG Nr. 2, wo allerdings - verfassungsrechtlich bedenklich (siehe auch unten Rdnr. 228) - eine gesetzliche Regelung für entbehrlich gehalten und eine Höchstaltersbegrenzung durch Verwaltungsvorschrift für zulässig angesehen wird. 39 So VG Bayreuth - Beschluss vom 25. 9. 2000, UA, S. 12; insoweit nicht abgedruckt in VG Bayreuth, BayVBl. 2001, 221 f., dort aber der Leitsatz: „Die mit Hinweis auf das Lebensalter begründete Ablehnung eines Bewerbers verstößt grundsätzlich gegen das mit Verfassungsrang ausgestattete Prinzip der Bestenauslese und kann auch nicht mit dem Bestreben um Verbesserung der Altersstruktur einer Behörde bzw. Abteilung gerechtfertigt werden" (Leitsatz 5). 40 Siehe Gerd Roellecke, Altersgrenzen in Berufungsverfahren, VB1BW 1995, S. 1 f.

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neu eingerichtete Zivil-Professuren i m Fach Informatik zu besetzen; auf die Ausschreibung der Stellen gingen 187 Bewerbungen ein. Von vornherein schied die Berufungskommission alle Bewerber aus, die vor 1950 geboren waren. Begründet wurde diese Alterskappung mit der Überalterung der betroffenen Fakultät sowie der schnellen Entwicklung des Faches. Hält ein solches Vorgehen einer Berufungskommission wirklich verfassungsrechtlichen Maßstäben stand? Zunächst erscheinen mir alle die Frage bejahenden Begründungsversuche als unzureichend, die gleichsam über eine normimmanente Relativierung des Art. 33 Abs. 2 GG dessen Maßstabsfunktion minimieren wollen. Zwar hat die Verfassungsbestimmung zweifelsohne eine multifunktionelle Bedeutung. 41 Neben dem grundrechtsgleichen Zugangsrecht stehen objektivrechtliche Dimensionen des Art. 33 Abs. 2. Diese sich wechselseitig überlagernden Bedeutungsschichten der Verfassungsnorm lassen sich indes nicht einseitig zu Lasten des jeweiligen Bewerbers um ein öffentliches A m t verschieben. Deshalb ist es unzutreffend, wenn etwa Roellecke formuliert: „Wenn man die Standpunkte überhaupt gewichten will, hat der Standpunkt des Einzelnen sogar das geringste Gewicht. Denn Art. 33 Abs. 2 GG gewährt grundsätzlich keinen Anspruch auf Übernahme in ein öffentliches Amt' 4 4 2 Eine solche Deutung ist indes nicht vereinbar mit Wortlaut und Teleologie des Art. 33 Abs. 2 GG. Die Norm lässt mitnichten einen Prioritätsanspruch des objektivrechtlichen Gehaltes gegenüber der subjektivrechtlichen Gewährleistungsebene erkennen. Die subjektivrechtliche Normdimension ist keineswegs bloßer Annex des staatsorganisationsrechtlichen Gehalts 4 3 Sie gilt nicht nur, wenn und soweit es zugleich der Durchsetzung des öffentlichen Interesses einer funktionstüchtigen Verwaltung oder Rechtsprechung nützt. Der Verfassungsbestimmung ist deswegen auch nicht schon dann genügt, wenn die Leistungsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes im Ganzen nicht angetastet wird 4 4 Angesichts des eindeutig auf den Individualschutz zugeschnittenen Normtextes der Vorschrift geht es in Art. 33 Abs. 2 GG vielmehr primär um den personalen Status des einzelnen Bewerbers 4 5 Es bleibt somit die Notwendigkeit, verfassungskräftige Gegengründe zu benennen, um die Durchbrechung des Art. 33 Abs. 2 GG zu rechtfertigen. Das Ziel, die 41 Dazu etwa Josef Isensee, Der Zugang zum Öffentlichen Dienst. Objektive Erfordernisse des öffentlichen Amtes und subjektiver Rechtsstatus des Bewerbers, in: Festgabe Bundesverwaltungsgericht, 1987, S. 337 ff.; ferner Höfling, Bonner Kommentar, Art. 33 Abs. 1 - 3 Rdnr. 47 ff. 42 So Roellecke, VB1BW 1995, 1 f. (1); ähnlich Isensee, Festgabe Bundesverwaltungsgericht, а. а. O., S. 337 (341), wonach Art. 33 Abs. 2 GG lediglich „in zweiter Linie" dem Interesse des einzelnen Bewerbers diene. 43

So zutreffend schon Walter Leisner, Grundlagen des Berufsbeamtentums, 1971, S. 73 f. So zu Recht Eberhard Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und soziale Gesichtspunkte bei der Regelung des Zugangs zum Beamtenverhältnis, NJW 1980, 16(17). 45 Dazu schon Höfling, in: Bonner Kommentar, Art. 33 Abs. 1 - 3 Rdnr. 58. 44

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Überalterung einer Fakultät zu verhindern, stellt für sich genommen dabei noch kein Argument von Verfassungsrang dar. Das gilt selbst dann, wenn der besondere Bedarf an einem jüngeren Hochschullehrer i m Einzelfall - beispielsweise wegen seiner höheren Innovationskraft - dargelegt werden kann. 4 6 Relevanz können solche Überlegungen jedoch dann erlangen, wenn sie zugleich Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertung sind. Insoweit könnte an die durch Art. 5 Abs. 3 garantierte Wissenschaftsfreiheit gedacht werden, deren Träger neben den Universitäten auch ihre Fakultäten und Fachbereiche sind, weil diese eigenständige Funktionen in Forschung und Lehre wahrnehmen. 47 Ausfluss der Wissenschaftsfreiheit ist in Bezug auf die korporative Seite des Grundrechts auch die akademische Selbstverwaltung 4 8 Deren grundgesetzliche Garantie wird ergänzt durch die landesverfassungsrechtlichen Verbürgungen der Hochschulautonomie. 49 Organisatorische und personelle Entscheidungen von Organen der Universität bzw. ihrer Fachbereiche oder Fakultäten fallen zumindest dann in den sachlichen Gewährleistungsbereich der Wissenschaftsfreiheit, wenn sie einen unmittelbaren Bezug zu Forschung und Lehre haben. Als verfassungsrechtlicher Gegengrund kann sich Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG in Bezug auf die Anwendung oder Festsetzung einer Altersgrenze gegen das Eignungskriterium des Art. 33 Abs. 2 GG indes nur durchsetzen, wenn das entscheidende Hochschulgremium i m Rahmen der Abwägung der Verfassungspositionen die besondere Bedeutung des Alterskriteriums für die ausgeschriebene Stelle darlegen kann. Die Bedeutung des Bewerberalters kann sich zum einen i m Hinblick auf die Gewährleistung der personellen Kontinuität einer Fakultät ergeben. 50 Eine Mischung der vertretenen Altersstufen trägt insbesondere zu einer langfristigen Sicherung des Lehrangebotes bei, während eine unausgewogene Alterszusammensetzung angesichts oftmals längerer Berufungs verfahren und entsprechender Lehrstuhlvakanzen mehrjährige Engpässe entstehen lassen könnte. Eine Fakultät, die dem durch eine Altersmischung vorbeugt, handelt i m Rahmen ihrer akademischen Selbstverwaltung und zur langfristigen Förderung der (personellen Rahmenbedingungen der) Lehre. Diese Überlegung vermag indes nicht generell Höchstaltersgrenzen zu rechtfertigen, da unter Umständen gerade ein höheres Alterssegment in einem Lehrkörper un- oder unterbesetzt sein kann, während andererseits bei einer Massierung von Neuberufungen niedrigere Jahrgänge zu dicht besetzt sein können. Neben dem Kontinuitätsaspekt, der sich v.a. auf die Lehre bezieht, kann die Festlegung von Höchstaltersgrenzen auch der Forschungsfreiheit dienen. Die Berufung jüngerer Lehrer fördert die Entwicklung des Faches, weil sich jede Wissen46 Siehe auch Püttner, DVB1. 1997, 259 (261). 47 Dazu siehe etwa Scholz, in: Maunz/Diirig, Grundgesetz, Art. 5 Abs. 3 Rdnr. 124 (Stand: Mai 1977); ferner Leuze, in: ders./Bender, Hochschulgesetz NW, § 25 Rdnr. 4. 48 Kimminich, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Aufl. 1996, S. 121 (145). 49 Siehe etwa Art. 16 Abs. 1 Verfassung NW. so Auf diesen Aspekt weist Roellecke, VB1BW 1995, 1 (2), hin.

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schaft auch in ihren grundlegenden Argumentationsmustern allmählich verändert, wobei jüngere Wissenschaftler i.d.R. verstärkt neue Argumentationsmuster mitbringen. 5 1 Folgt man dieser Annahme, dann kann - so die Hoffnung - durch die Berufung jüngerer Bewerber eine raschere und konsequentere Öffnung der Fächer für neue Inhalte erreicht werden. Auch dieses Öffnungsargument ist allerdings kein Freibrief zur beliebigen Setzung von Altersgrenzen, sondern muss sich einer Abwägung i m Rahmen der praktischen Konkordanz bzw. Verhältnismäßigkeit mit den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG stellen. Abgesehen davon ist Folgendes zu beachten: Art. 33 Abs. 2 GG als grundrechtsgleiches Recht verlangt bei einer Einschränkung eine gesetzliche Grundlage. 52 Das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage wendet sich aber dann gegen die Inanspruchnahme grundrechtlicher Freiheit, wenn die Setzung einer Altersgrenze gerade Ausfluss der akademischen Selbstverwaltung bzw. der Wissenschaftsfreiheit des universitären Entscheidungsgremiums ist. Hier kollidieren Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und die aus Art. 33 Abs. 2 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes. Diese Kollisionslage erfordert eine legislatorische Auflösung. Die Verfassungspositionen lassen sich in Konkordanz bringen, wenn man den Landesgesetzgeber als verpflichtet betrachtet, allgemeine Regeln für die Setzung von Altersgrenzen bei der Berufung von Professoren aufzustellen. Die Entscheidung i m konkreten Bewerbungsverfahren verbliebe damit bei der Universität bzw. Fakultät, dem Gesetzes vorbehält wäre aber genüge getan.

51 Vgl. Roellecke, VB1BW 1995, 1 (2). 52 Höfling, in: Bonner Kommentar, Art. 33 Abs. 1 - 3 Rn. 228 (Stand: August 1998); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 33 Rn. 16; wohl auch Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG II, 1998, Art. 33 Rdnr. 49. Ebenso Püttner, DVB1. 1997, 259 (261), der alternativ jedoch auch „im einzelnen zu belegende Gründe des Altersaufbaus einer Behörde . . . , die eine Altersbegrenzung ... jedenfalls besonders dringlich erscheinen lassen", genügen lassen will.

Erfahrungen in der Hochschulselbstverwaltung Wolf gang Horn und Peter J. Vorpagel

In der gegenwärtigen Diskussion um die Zukunft der Universitäten spielt die Autonomie der Hochschulen eine große Rolle. Die Hochschulautonomie, das ehrwürdige Prinzip der Gelehrtenrepublik, ist heute ein hochschulpolitischer Integrationsbegriff, um den sich alle Mitglieder der Universität mit ihren Wünschen und Befürchtungen versammeln können. Doch was alle verteidigen und stärken wollen, ist längst zu einem wohlfeilen Etikett geworden, das auf die unterschiedlichsten Inhalte aufgeklebt wird. Detlef Müller-Böling hat deshalb die Autonomie der Hochschule eine „Leerformel" genannt und von einer „hochschulpolitischen Hülse" gesprochen, die wieder mit greifbaren Inhalten gefüllt werden müsse. Er hält eine doppelte Perspektive für nötig. Zum einen gehe es um das Verhältnis zwischen Staat und Wissenschaft und um neue Formen der staatlichen Steuerung des Hochschulsystems, zum anderen um die korporative Komponente der Autonomie, um die Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Universität nach innen. Letzteres erfordere Veränderungen der Führungsstruktur der Hochschulen und ihrer internen Organisation. 1 Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich nur mit dem zweiten Aspekt, mit Fragen der inneren Organisation der Hochschule, und auch dies nur mit Blick auf die derzeitige Form der akademischen Selbstverwaltung, also auf das, was in der Literatur als Gremien- und Gruppenuniversität behandelt und häufig genug in Bausch und Bogen verurteilt wird. Der Beitrag ist ein Versuch, Erfahrungen der Autoren in der akademischen Selbstverwaltung der Universität Essen systematisch zu ordnen. Der erstgenannte Verfasser war dort langjähriger Prorektor für Planung und Finanzen und mehrfach Mitglied eines Fachbereichsrats, der zweitgenannte Geschäftsführer der Ständigen Senats- und Rektoratskommissionen. Während dieser Zeit war auch der Jubilar als Kanzler der Universität verantwortlich in der Hochschulselbstverwaltung tätig. Publizistisch hat sich Dieter Leuze in diesem Zusammenhang immer wieder und vor allem mit Rechtsfragen der Rektoratsverfassung beschäftigt, 2 in der Praxis des Hochschullebens hat er stets auch Alltagsprobleme der akademischen Selbstverwaltung ernst genommen. Deshalb mögen ι Detlef Müller-Böling, Die entfesselte Hochschule, Gütersloh 2000, S. 37 f. Vgl. zuletzt: Dieter Leuze, Die Stellung des Rektors im nordrhein-westfälischen Hochschulrecht, in: Volker Epping u. a. (Hrsg.), Brücken bauen und begehen, Festschrift für Knut Ipsen zum 65. Geburtstag, München 2000, S. 449 ff. 2

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ihn auch die folgenden Überlegungen interessieren, die rechtliche Fragen außer Acht lassen und sich auf einige tatsächliche Funktionsprobleme der Hochschulselbstverwaltung beschränken. Die Darlegungen plädieren dafür, die Leistungsfähigkeit der akademischen Selbstverwaltung differenziert zu beurteilen. Sie gehen in drei Schritten vor. Zunächst werden die wichtigsten Argumente gegen Arbeitsweise und Leistungsfähigkeit der Selbstverwaltung zusammengetragen (I.), sodann werden politiktheoretische Überlegungen zur Funktionsweise von Gremien vorgestellt (II.), und abschließend wird versucht, Leistungen und Leistungsgrenzen der Hochschulselbstverwaltung zu bestimmen (III.). Den Erfahrungen der Verfasser entsprechend konzentriert sich dieser Versuch vor allem auf die Ständigen Kommissionen, die die Beschlüsse der Zentralen Entscheidungsorgane, Rektorat und Senat, vorbereiten; er nimmt aber auch diese Organe selbst und auch die Fachbereichsebene in den Blick.

I. Die akademische Selbstverwaltung genießt heute keinen guten Ruf. Sie gilt, nachdem sie seit den siebziger Jahren i m Zuge der Demokratisierungsprojekte der Hochschulpolitik durch rechtliche Vorgaben und politische Zwänge kontinuierlich ausgeweitet worden ist, inzwischen als weitgehend ungeeignet, notwendige Reformen, die dem Hochschulsystem abverlangt werden, auf den Weg bringen und durchsetzen zu können. Auch bei einer nur flüchtigen Durchsicht der einschlägigen Literatur fiele es leicht, viele Seiten mit kritischen Meinungen über die Hochschulselbstverwaltung zu füllen. Doch es empfiehlt sich, unterschiedliche Ausgangspunkte und Anlässe der Kritik zu unterscheiden, weil dies für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Hochschulselbstverwaltung wichtig ist. Es gibt Kritik an den tradierten Strukturen der klassischen deutschen Universität, Kritik an der Gruppenuniversität, Vorbehalte gegen die gegenwärtige Gremienuniversität überhaupt und schließlich Einwände gegen die Etablierung eines Beauftragtenwesens für die Vertretung spezifischer Interessen innerhalb der Hochschule. Die klassische deutsche Universität war durch das Nebeneinander und die weit gehende Unabhängigkeit von Instituten und Fakultäten bestimmt. Als Ganzes war sie ein von individuellen Autonomieansprüchen geprägtes institutionelles Gebilde, das nur die unbedingt notwendigen Koordinationsleistungen zu erbringen hatte, i m Übrigen aber die Eigenverantwortlichkeit ihrer Mitglieder unbehelligt ließ. Karl Jaspers hat dieses Gefüge vor mehr als 50 Jahren mit einem einprägsamen B i l d beschrieben: „ M a n hat das Verhalten von Fakultätsmitgliedern verglichen mit dem der Affen auf den Palmen i m heiligen Hain von Benares: A u f jeder Kokospalme sitzt ein Affe, alle scheinen sehr friedlich und kümmern sich gar nicht umeinander. Wenn aber ein Affe auf die Palme des anderen klettern möchte, so gibt es eine

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wilde Abwehr durch Werfen mit Kokosnüssen." 3 Nun wird niemand bestreiten, dass dieses B i l d heute nur noch eine schöne Karikatur ist, weil vor allem das dichte Netz staatlicher Vorschriften, das sich über die Hochschulen gelegt hat, einen hohen Koordinations- und Abstimmungsbedarf innerhalb der Hochschulen erzeugt hat, dem sich niemand mehr entziehen kann. Doch auch die Karikatur hat ihren wahren Kern. Geblieben ist das Kollegialitätsprinzip auf Gegenseitigkeit, das sich in der wechselseitigen Abgrenzung von Einflussbereichen ausdrückt, und dem entspricht ein Verständnis der Universität als Dienstleistungsbetrieb, der Ressourcen bereitstellt und für Infrastrukturen zuständig ist, aber sich in die eigentlichen Aufgaben der Wissenschaft, Forschung und Lehre, wenig einmischt. Das Kollegialitätsprinzip wird als untauglich für gemeinsames Handeln kritisiert, weil es korporative Werte und Zielvorstellungen voraussetze, die angesichts der Heterogenität der Werte und Ziele unter den Hochschulmitgliedern nicht gegeben seien. 4 I m Kern läuft die Kritik am Kollegialitätsprinzip darauf hinaus, es bewirke als Grundlage der akademischen Selbstverwaltung gerade deren Blockade. Die Umstellung der Hochschulselbstverwaltung vom Kollegialitätsprinzip der Ordinarienuniversität auf das Mitbestimmungsmodell der Gruppenuniversität, die von heftigen politischen Friktionen und rechtlichen Auseinandersetzungen begleitet war, machte die akademische Selbstverwaltung komplizierter. Ziel der Gruppenuniversität hatte sein sollen, die Professorenmacht der traditionellen deutschen Universität durch gestufte Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrechte der übrigen Hochschulmitglieder zu begrenzen. Es entstanden die Statusgruppen als neue Grundlage der Selbstverwaltung. Die Gruppenuniversität, die nach allgemeiner Einschätzung zwar weder die hochgespannten Erwartungen ihrer Anhänger noch die oftmals bizarren Befürchtungen ihrer Gegner erfüllt hat, wird drei Jahrzehnte nach ihrer Einführung ganz überwiegend kritisch beurteilt. 5 Die wichtigsten Argumente gegen die Gruppenuniversität lassen sich unter drei Gesichtspunkten zusammenfassen: Sie erzeuge erst die Konflikte, zu deren vermeintlicher Entschärfung sie erfunden worden sei; sie fördere die Selbstbedienungsmentalität der Hochschulmitglieder; und sie beruhe auf einem der Universität nicht angemessenen Repräsentationsprinzip. Das Argument, das auf die Konflikthaftigkeit der Gruppenuniversität abhebt, nimmt eine Fraktionierung der Selbstverwaltung unter statuspolitischen, wenn nicht gar parteipolitischen Vorzeichen an. Zwar sei das Einflusspotential der Sta3

Karl Jaspers, Die Idee der Universität, Berlin 1946, S. 68 f. Detlef Müller-Böling /Tilman Küchler, Zwischen gesetzlicher Fixierung und gestalterischem Freiraum: Leitungsstrukturen für Hochschulen, in: Detlef Müller-Böling / Jutta Fedrowitz (Hrsg.): Leitungsstrukturen für autonome Hochschulen, Gütersloh 1998, S. 13 ff., S. 28. 5 Vgl. die Zusammenstellung der Argumente bei Frank Nullmeier, Moderne Organisationsmodelle und die Zukunft der Hochschulen, in: Anke Hanft (Hrsg.), Hochschulen managen; Zur Reformierbarkeit der Hochschulen nach Managementprinzipien, Neuwied 2000, S. 99 ff. 4

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tusgruppen der wissenschaftlichen Mitarbeiter, der Studenten und der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter nicht groß genug, um sich gegen die Professoren durchzusetzen, doch reiche es aus, um die Entscheidungsfähigkeit der Selbstverwaltung weiter einzuengen. Die gruppenspezifische Zusammensetzung der Selbstverwaltungsgremien garantiere zwar die offene Diskussion, verhindere aber deshalb zugleich die Artikulation unterschiedlicher Meinungen innerhalb der Professorenschaft selbst. 6 Die Gruppenuniversität, die mit dem Anspruch auf mehr Transparenz aufgetreten sei, verstärke, darauf läuft das Argument hinaus, eher noch die Mängel des klassischen Kollegialitätsprinzips. Damit hängt die Kritik zusammen, in der Gruppenuniversität diene die Selbstverwaltung in erster Linie den Gruppeninteressen, sie legitimiere die Ausbeutung der Einrichtungen der Universität für j e eigene Zwecke: „ U n d wie für die Professoren gilt für die anderen Statusgruppen auch: Wer nicht im Sinne eigener Vorstellungen umzugestalten vermag, verlegt sich dann darauf, zumindest die eigenen Besitzstände zu wahren." 7 Das Argument schließlich, die Gruppenuniversität folge einem falschen Repräsentationsprinzip, hebt zunächst auf die unterschiedlich hohe, bei den Studenten in der Regel sehr niedrige Beteilung an der Wahl der Selbstverwaltungsgremien ab und bestreitet damit die Repräsentativität dieser Gremien. Von den Professoren abgesehen handelten in den Gremien nicht Repräsentanten als Sachwalter für die Belange der Statusgruppen, sondern Funktionäre kraft Minderheitenrechts. Des Weiteren werden die Mängel der statusbezogenen Partizipation darin gesehen, dass sie das Recht auf Mitwirkung an Entscheidungen der universitären Selbstverwaltung nicht an die Betroffenheit durch ebendiese Entscheidungen binde. Wer, wie die Studenten, nur kurze Zeit an der Universität verweile oder, wie die große Mehrheit der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter, von den Entscheidungen der Selbstverwaltung überhaupt nicht betroffen sei, könne schwerlich die gleichen Mitwirkungsrechte beanspruchen wie die Professoren. Da aber die Gruppenuniversität auf solche Unterschiede keine Rücksicht nehme, konterkariere sich das Prinzip demokratischer akademischer Selbstverwaltung selbst. In dem Maße, in dem die grundsätzlichen Konflikte um die Gruppenuniversität abgeflaut sind, ist die Gremienuniversität als solche in die Kritik geraten. Kritisiert wird nicht mehr so sehr die Beteiligung der Statusgruppen an Entscheidungen der Hochschulselbstverwaltung, kritisiert werden vielmehr die Entscheidungsverfahren selbst. Das Gremienwesen scheint politische Verfahren auf die Universität zu übertragen, ohne diese jedoch zu befähigen, eigenverantwortliche hochschulpolitische Entscheidungen zu treffen. Die Kritik hebt darauf ab, die Gremienuniversität sei 6 Friedrich-Wilhelm Siburg, Überforderungen durch Autonomie? Eine kritische Bestandsaufnahme akademischer Selbstverwaltung, in: Die Universitätsverwaltung im Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlichen Sachzwängen und Gesetzesflut, Essen 1990, S. 69 ff., S. 85. 7 Uwe Schimank, Festgefahrene Gemischtwarenläden - Die deutschen Hochschulen als erfolgreich scheiternde Organisationen, in: Erhard Stölting/Uwe Schimank (Hrsg.), Die Krise der Universitäten, Wiesbaden 2001, S. 223 ff., S. 234.

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nicht in der Lage, die in einer autonom handelnden Hochschule notwendigen Entscheidungen zu treffen: „Denn Gremien neigen in der Regel zu Konsens auf kleinstem gemeinsamen Nenner, tendieren zu Negativkonsensen und zur Blockierung von Beschlüssen. 4 ' 8 In dieser Sicht hat die Gremienuniversität die Zurückhaltung auf Gegenseitigkeit, welche die alte Universität geprägt hatte, auf das Niveau des Erbsenzählens heruntergewirtschaftet. Die Gremien seien zu Sammelstellen von Individualbedürfnissen geworden und nähmen deshalb zunehmend die Aufgaben von Interessenvertretungen wahr. Dieser Funktion entspreche eine institutionalisierte Verantwortungslosigkeit, die sich in anonymen Mehrheitsentscheidungen ausdrücke. Arnd Morkel, langjähriger Präsident der Universität Trier, hat dieses Problem so formuliert: „Schließlich wird in den Gremien mehrheitlich und vielfach anonym abgestimmt. Es ist fraglich, inwieweit die Mitglieder der Gremien für ihre Entscheidungen überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden können ( . . . ) . Man mache nur einmal die Probe und spreche Gremienmitglieder auf eine problematische Entscheidung an: Selten w i l l es jemand gewesen sein, oft weiß man sich nicht mehr zu erinnern wie der Beschluss zustande kam, oder man redet sich darauf hinaus, es habe sich um ein Kompensationsgeschäft gehandelt, zu dem allerdings hinterher niemand mehr stehen mag." 9 Hinzu tritt die Kritik am Leerlauf akademischer Selbstverwaltung. A u f den Tagesordnungen der Gremien vermischten sich die Verhandlungsgegenstände zu einem untrennbaren Gemisch von Wichtigem und Unwichtigem. Seit den achtziger Jahren werden die Strukturen der akademischen Selbstverwaltung von einem neuen Typ der Interessenvertretung überlagert, die von Beauftragten für spezifische gesellschaftspolitische Belange wahrgenommen werden. A m wichtigsten sind hier bisher die Frauenbeauftragten. Sie können sich auf politischen Rückhalt von außen und auf prozessuale Vorschriften stützen, die ihnen Macht- und Vetopositionen verschaffen. Die Kritik am Beauftragtenwesen und an der damit verbundenen Etablierung neuer Gremien betont vor allem, es handele sich bei diesen Einrichtungen um systemfremde Eingriffe in die Struktur der Selbstverwaltung.

II. Die Gremien der Hochschulselbstverwaltung sind hinsichtlich ihrer rechtlich geordneten Zusammensetzung und der rechtlichen Vorgaben für ihre Arbeitsweise eigentümliche Gebilde. Ihre Zusammensetzung folgt eher den Prinzipien ständischer Repräsentation, ihre Arbeitsweise eher demokratisch-parlamentarischen Verfahren, insofern sie gehalten sind, ihre Entscheidungen mehrheitlich zu treffen. 8

Müller-Böling, Die entfesselte Hochschule, S. 42. Arnd Morkel, Erinnerung an die Universität, Ein Bericht, Vierow bei Greifswald 1995, S. 52 f. 9

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Tatsächlich sind sie aber weder kleine Ständeversammlungen noch kleine Parlamente. Sie entsprechen ihrer Struktur und Arbeitsweise nach eher dem Modell des „Ausschusses", wie es in der Demokratietheorie entwickelt worden i s t . 1 0 Die Eigenschaften von Ausschüssen sind durch drei Merkmale bestimmt. Ein Ausschuss ist zunächst definiert als eine kleine interagierende Gruppe mit persönlichem Kontakt der Mitglieder untereinander. Diese Bestimmung lässt unterschiedliche Größen von Ausschüssen zu, doch setzt das Merkmal des persönlichen Kontakts der Mitgliederzahl Grenzen. Weiterhin sind Ausschüsse dauerhafte und institutionalisierte Gruppen. Institutionalisierung bedeutet, dass der Gruppe bestimmte Aufgaben zur Erledigung zugewiesen sind; und dies setzt voraus, dass die Gruppe dauerhaft ist. Die Dauerhaftigkeit der Gruppe deckt sich allerdings nicht notwendigerweise mit der wirklichen Dauer der Zugehörigkeit ihrer Mitglieder. Denn erfahrungsgemäß übernimmt jeder, der als Mitglied in eine institutionalisierte Gruppe eintritt, i m Allgemeinen deren Zeitperspektive. Unabhängig von ihrer tatsächlichen Fluktuation ist also eine Gruppe dauerhaft, wenn sich ihre Mitglieder so verhalten, als wären sie Dauermitglieder. Natürlich wird die Dauerhaftigkeit der Institution durch tatsächlich stabile Mitgliedschaften gestärkt. Die dritte konstitutive Eigenschaft eines Ausschusses besteht darin, dass er keine einmaligen Entscheidungen zu treffen, sondern eine Kette von Aufgaben zu bearbeiten und eine Abfolge von Beschlüssen zu fassen hat. Ausschüsse handeln in kontinuierlichen Entscheidungskontexten. Sie dienen in den politischen Zusammenhängen, in denen sie eingerichtet werden, häufig der Vorbereitung verbindlicher Entscheidungen durch übergeordnete Instanzen, faktisch treffen sie oft diese Entscheidungen selbst. Ausschüsse arbeiten nicht auf der Grundlage der Mehrheitsregel. Gewöhnlich wird über Entscheidungen nicht abgestimmt, und wenn dies doch geschieht, dann nur als formale Notwendigkeit. Beschlüsse von Ausschüssen werden meistens einmütig gefasst. Zu einmütigen Entscheidungen kommt es in der Regel deshalb, weil jedes Mitglied oder auch jede Gruppe von Mitgliedern erwartet, dass ihr Entgegenkommen in einer Angelegenheit bei einer anderen honoriert wird. Dies ist das Arbeitsprinzip von Ausschüssen. Begriffe wie Tauschgeschäft, Kompromiss oder wechselseitige Anpassung berühren dieses Arbeitsprinzip, aber sie bezeichnen nicht seinen Kern. Ein Kompromiss bedeutet, dass sich die Vertreter unterschiedlicher Meinungen und Interessen irgendwo in der Mitte treffen, häufig nach schwierigen Auseinandersetzungen. Dies gibt es auch in Ausschüssen. Doch das Besondere liegt darin, dass die Mitglieder von Ausschüssen Tauschgeschäfte über die Zeit hinweg, in die Zukunft hinein, tätigen. Ausschüsse arbeiten nach einem „Mechanismus der zeitverschobenen gegenseitigen Kompensation." 1 1 Dieser 10

Die folgenden Ausführungen greifen in vereinfachter Form auf Überlegungen zurück, die von Giovanni Sartori, Demokratietheorie, Darmstadt 1992, S. 212 ff., ausgearbeitet worden sind. 11 Sartori, Demokratietheorie, S. 229.

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Mechanismus verhindert auch in der Regel Blockaden der Ausschussarbeit durch einzelne Mitglieder, Vetorechte gibt es nicht. Ausschüsse können die Mehrheitsregel vermeiden und nach einmütigen Lösungen suchen, weil sie i m Unterschied zu institutionalisierten Versammlungen, die wegen ihrer Größe auf die Anwendung des Mehrheitsprinzips als Entscheidungsregel angewiesen sind, die ungleiche Intensität verschiedener Präferenzen berücksichtigen können. Versammlungen wenden die Mehrheitsregel an, weil ihre M i t glieder unterschiedliche Präferenzen haben und Entscheidungen nur möglich sind, wenn sich das von der größeren Anzahl Gewollte durchsetzt. Die Intensität der Präferenzen aller Beteiligten bleibt außer Betracht. Ausschüsse dagegen können zu einmütigen Ergebnissen gelangen, wenn sich die Intensität der Präferenzen ihrer Mitglieder von einer Frage zur anderen ändern kann. Diejenigen, die an einer Sache weniger stark interessiert sind, können nachgeben, vorausgesetzt, die Erwartungen an das Arbeitsprinzip des Ausschusses werden i m Strom kontinuierlich zu treffender Entscheidungen bestätigt. Mehrheiten entscheiden nach Präferenzen, Ausschussentscheidungen ermöglichen Präferenzordnungen. Ausschussentscheidungen sind Positivsummenentscheidungen: i m Prinzip können alle gewinnen. Dies erklärt, warum es in Ausschüssen nicht oder nur selten zu dauerhaften Koalitionen und Gegnerschaften kommt. Es gibt vorübergehende Bündnisse, aber keine stabilen Fronten. Denn stabile Gewinnerkoalitionen würden dauerhaft enttäuschte Minderheiten als Verlierer zur Folge haben, die die Ausschussarbeit durch Obstruktion behindern und lahm legen könnten. Damit wären aber langfristig die Vorteile der Ausschüsse für alle verspielt. Auch wenn alle diese Annahmen zutreffen, ist damit natürlich nicht gesagt, die Arbeit von Ausschüssen sei ein konfliktfreies Unternehmen. Konflikte können vor allem aus zwei Gründen auftreten. Erstens verteilt sich die Intensität von Präferenzen nicht gleichmäßig auf die Mitglieder des Ausschusses, und zweitens, damit zusammenhängend, gleichen sich die Gewinne der Ausschussmitglieder untereinander nur selten wirklich aus. In Ausschüssen kann es dann zu krisenhaften Situationen kommen, was bedeutet, dass sie ihr Arbeitsprinzip aufgeben und nach Mehrheit entscheiden müssen. Entscheidend ist aber, dass dies nicht zur Regel wird, weil sonst ein Ausschuss aufhörte, ein Ausschuss zu sein. Deshalb kann man durchaus sagen, dass die Anwendung oder Nichtanwendung der Mehrheitsregel die Trennlinie zwischen arbeitsfähigen und nicht arbeitsfähigen Ausschüssen ist.

III. Diese Überlegungen zum Ausschussprinzip scheinen auf den ersten Blick wesentliche Gesichtspunkte der Kritik an der Hochschulselbstverwaltung zu bestätigen. Demgegenüber wird i m Folgenden argumentiert, dass auf der Grundlage 19*

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dieses idealtypischen Modells die Erfahrungen mit der Selbstverwaltung durchaus differenziert beurteilt und ihre Leistungen wie auch ihre Leistungsgrenzen verstanden werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kritik an der gegenwärtigen Form der Hochschulselbstverwaltung häufig auch Vorbehalte gegen institutionalisierte Verfahren und Partizipationsansprüche überhaupt zum Ausdruck bringt. Oft genug überzeichnet die Kritik ihr B i l d von der akademischen Selbstverwaltung und wird damit selbst zur Karikatur. Die Erfahrung zeigt, dass die Selbstverwaltung von Gremien bestimmt wird, in denen das klassische Kollegialitätsprinzip noch wirksam ist, in denen aber die Unterscheidung von Statusgruppen keine nennenswerte Rolle mehr spielt. Jedenfalls gibt es kaum Frontlinien entlang von Statusgrenzen. Eine auf Konfrontation angelegte Interessenvertretung durch studentische Gremienmitglieder gibt es punktuell allenfalls noch i m Senat, und auch dort zumeist nur, wenn es um hochschulpolitische Profilierungen geht. Für die Willensbildung des Gremiums ist sie ohne Belang. Die grundsätzlichen Vorbehalte gegen die Mitwirkung nichtwissenschaftlicher Mitarbeiter in der akademischen Selbstverwaltung mag man teilen oder nicht; in der Praxis sind Mitglieder aus dieser Gruppe nicht meinungsbildend. Dies alles besagt, dass sich die Kritik an der Gruppenuniversität überlebt hat und heute weitgehend ins Leere läuft. Sie braucht nicht berücksichtigt zu werden, wenn es um die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Selbstverwaltung geht. Die Gremien und Organe der Selbstverwaltung sind Ausschüsse i m Sinne des skizzierten Modells. Das gilt ohne Abstriche für die Fachbereichsräte an der Basis der Selbstverwaltung und die zentralen Kommissionen als entscheidungsvorbereitende Gremien für Rektorat und Senat. Auch das Rektorat ist seiner Arbeitsweise nach ein Ausschuss, auch wenn es zugleich das höchste Leitungsorgan der Hochschule ist. A u f den Senat trifft dies nur mit Einschränkungen zu. I m Leitungsorgan der Hochschule ist die Einmütigkeit von Entscheidungen die Regel und angesichts seiner Kompetenzen und Verantwortung eine funktionelle Notwendigkeit. In den etwa 150 Sitzungen des Rektorats, die der erstgenannte Verfasser als ehemaliges Rektoratsmitglied überblickt, hat es nur zweimal förmliche Abstimmungen gegeben, in denen sich Mehrheit und Minderheit gegenüberstanden. Dass strittige Entscheidungen hier ganz seltene Ausnahmen sind und sein müssen, wird auch von dem langjährigen Bochumer Rektor Knut Ipsen bestätigt: „Dieser wichtigste Grundsatz der Arbeit des kollegialen Leitungsorgans folgt nicht etwa aus einer Sehnsucht nach stetiger Harmonie, sondern aus dem ebenfalls aus Erfahrung resultierenden Befund, dass die Autorität eines Rektorats steht und fällt mit der Selbstidentifikation eines jeden seiner Mitglieder mit jeder getroffenen Entscheidung." 1 2 Ganz abwegig wäre es zu unterstellen, einhellige Rektorats12 Knut Ipsen, Das Rektorat nach nordrhein-westfälischem Hochschulrecht - ein funktionsgerechtes Organ der Hochschulverwaltung?, in: Die Universitätsverwaltung im Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlichen Sachzwängen und Gesetzesflut, Essen 1990, S. 53 ff., S. 58.

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entscheidungen seien Entscheidungen auf kleinstem gemeinsamen Nenner. Gerade umgekehrt führt der faktische Zwang zur Einmütigkeit dazu, dass nach den jeweils besten Lösungen für anstehende Fragen gesucht wird. Es gibt Beispiele dafür, dass Rektorate funktionsuntüchtig werden und auseinander fallen, wenn sie keine Einmütigkeit mehr erzielen können und stattdessen auf Mehrheitsentscheidungen angewiesen sind. Die Kritik an der Hochschulselbstverwaltung betrifft nun allerdings auch weniger die Leitungsebene als die übrigen Selbstverwaltungsgremien. Es ist angezeigt, darauf nicht pauschal einzugehen, sondern die verschiedenen Gremien auf den beiden Ebenen der Selbstverwaltung, den Fachbereichen und der Zentralebene, in ihrer jeweiligen Besonderheit zu betrachten. Außerdem sind anschließend verschiedene Typen von Aufgaben und Entscheidungen zu unterscheiden, die die Gremien der Selbstverwaltung zu bearbeiten und zu treffen haben. Die Art der Aufgaben ist mitentscheidend für die Leistungsfähigkeit der Selbstverwaltung, denn die unterschiedliche Intensität von Präferenzen, die ein Merkmal der Arbeit von Ausschüssen ist, verteilt sich nicht nur ungleich auf die Mitglieder, sondern sie hat auch mit der Art der Entscheidungen zu tun, die zu treffen sind. Gremien der Fachbereiche sind Ausschüsse in jeder Hinsicht des Modells. Sie sind kleine Gruppen, deren Mitglieder sich über einen langen Zeitraum hinweg kennen und auch außerhalb der Gremienarbeit persönliche oder wissenschaftliche Kontakte zueinander haben. Daraus folgt zwangsläufig, dass sie dauerhafte Institutionen sind. Wahlen zum Fachbereichsrat erfolgen in aller Regel auf Grund vorheriger Absprachen. Die Mitgliedschaft dauert häufig länger als eine Wahlperiode; die Mitglieder identifizieren sich mit dem Gremium, weil dessen Entscheidungen ihre eigene Arbeit an der Hochschule berühren und weil sie damit rechnen können, dem Fachbereichsrat nach ihrem Ausscheiden später wieder einmal anzugehören. Und schließlich stehen die Mitglieder in einem kontinuierlichen Diskussions- und Entscheidungszusammenhang. Der Fachbereichsrat entscheidet nicht über isolierte Einzelfälle, er verknüpft Themen miteinander. Das Bewusstsein, über die Behandlung aktueller Fragen hinaus Kontinuität zu verbürgen, prägt in der Regel das Selbstverständnis dieses Gremiums und trägt zum Zusammenhalt seiner Mitglieder bei. Für Ausschüsse, die der Fachbereichsrat bildet, gilt dies alles in gleicher Weise. In größeren Fachbereichen, namentlich in solchen, die ihrer Fächerstruktur nach heterogen sind, gibt es ständig eine Vielzahl von Entscheidungen, die nach dem Modell des Tauschgeschäfts über die Zeit hinweg getroffen werden und auch gar nicht anders getroffen werden könnten. Häufig geht es um Belange einzelner Fächer, die andere Fächer oder den Fachbereich i m Ganzen nicht berühren und nur auf Grund rechtlicher Vorschriften überhaupt i m Fachbereichsrat behandelt werden müssen. Dies betrifft etwa Studienordnungen, die nur ein einzelnes Fach betreffen, oder fachspezifische Widmungen bei der Ausschreibung von Professorenstellen. Meistens allerdings verhandelt der Fachbereichsrat über Angelegenheiten, die den

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Fachbereich insgesamt betreffen, wenn auch mit fächerspezifischen Unterschieden. Dazu gehören die Struktur von Studiengängen, an denen mehrerer Fächer oder Fachrichtungen des Fachbereichs beteiligt sind, die Prioritätensetzung bei der Weiterleitung von Anträgen an zentrale Gremien der Hochschule oder die Verteilung der dem Fachbereich zugewiesenen Haushaltsmittel. Auch Beschlüsse über solche Angelegenheiten werden, wenn häufig auch erst nach langen Diskussionen, in der Regel einmütig gefasst. Von Selbstbedienung, welche die Kritik den Mitgliedern der Gremien gern unterstellt, kann in der Praxis schon deshalb keine Rede sein, weil knappe Ressourcen nicht nur finanzieller Art dem entgegenstehen. Gerade bei der internen Verteilung der Haushaltsmittel ist festzustellen, dass Fachbereiche sehr wohl in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen, die ihre jeweiligen Prioritäten berücksichtigen, ohne dabei auf die Gießkanne angewiesen zu sein. Das hängt auch damit zusammen, dass ein Fachbereich i m Wettbewerb mit anderen Fachbereichen steht und sich innerhalb der Hochschule profilieren muss. Allerdings gibt es auch Angelegenheiten, die die Fachbereiche in eigener Verantwortung nicht entscheiden können. A u f der zentralen Selbstverwaltungsebene haben die Verfasser acht Jahre lang in der Kommission für Planung und Finanzen zusammengearbeitet. Die Planungskommission (die an der Universität Essen später geteilt worden ist, um die Zahl der Prorektoren zu vergrößern), war während dieser Zeit die zentrale Kommission mit den meisten Zuständigkeiten. Ihr oblagen vor allem die Beratung aller Strukturfragen der Hochschule einschließlich der Einrichtung neuer Studiengänge, die Erarbeitung von Entscheidungsvorschlägen in Haushaltsangelegenheiten und die Bearbeitung aller Satzungen und Ordnungen der Hochschule. Diese Kommission war mit elf Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden ein kleiner und, wie sich über die Jahre hinweg gezeigt hat, besonders arbeitsfähiger Ausschuss. Ihre Mitglieder, die von den Vertretern der Statusgruppen i m Senat, bei den Professoren unter Berücksichtigung der Vertretung der Fachbereiche, zumeist einvernehmlich gewählt wurden, verstanden sich als Repräsentanten der ganzen Hochschule; jedenfalls ist es in ungefähr hundert Sitzungen nur ganz selten vorgekommen, dass enge Fachbereichsinteressen gegen die Belange des Ganzen standen. Auch in diesem Gremium wurden Beschlüsse ganz überwiegend einvernehmlich gefasst, nur ausnahmsweise gab es knappe Abstimmungsergebnisse und damit die Unterscheidung von Mehrheit und Minderheit i m hier gemeinten Sinne. Immer hat sich die Kommission in der Lage gesehen, entscheidungsreife Empfehlungen für Beschlüsse des Rektorats und des Senats abzugeben. Und nur in wenigen Fällen sind diese von den Entscheidungsvorlagen der Kommission abgewichen oder haben sie zurückgegeben. Dies traf, nebenbei bemerkt, auch für die anderen zentralen Kommission zu, die nicht eigens erwähnt werden. Die Arbeitsfähigkeit der Kommission wurde gestärkt durch ihr breites Aufgabenspektrum, das immer wieder oder in periodischen Abständen gleiche oder

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vergleichbare Arbeitsthemen auf ihre Tagesordnung brachte: die Ausschreibung oder Umwidmung von Professorenstellen, den Beitrag der Hochschule zum Haushaltsvoranschlag, die Verteilung der Haushaltsmittel auf die Fachbereiche, die Gründung von Instituten, den Erlass von Hochschulordnungen, die Einrichtung von Studiengängen oder Stellungnahmen der Hochschule zu Änderungen des Hochschulrechts. Diese Kontinuität von Themen ermöglichte es, für die Bearbeitung einzelner wiederkehrender Aufgaben Kriterien zu entwickeln, nach denen entschieden werden und auf die sich die Mitglieder der Kommission einstellen konnten. M i t der Erarbeitung nachvollziehbarer und i m Einzelfall angewendeter Entscheidungskriterien stärkt ein Ausschuss seine Position i m Gremien verbünd. I m Falle der Kommission für Planung und Finanzen während des Erfahrungszeitraums der Verfasser kam hinzu, dass auch die Mitgliedschaft in der Kommission verhältnismäßig stabil gewesen ist und es keine abrupten Veränderungen ihrer Zusammensetzung i m Zuge von Neuwahlen gegeben hat. Eine wichtige Voraussetzung für die Arbeitsfähigkeit von Ausschüssen ist wechselseitiges Vertrauen. Vertraulichkeit muss gewährleistet sein, und zugleich muss erwartet werden können, dass die Mitglieder offen miteinander umgehen. I m Rektorat ist dies, vielleicht nicht immer faktisch, aber als Funktionsprinzip, selbstverständlich. Es hat sich sehr bewährt, dass sich auch die Kommissionsarbeit daran gehalten hat. Die Kommission hat grundsätzlich nichtöffentlich verhandelt und entschieden, jedoch den Dekanen der Fachbereiche Gelegenheit gegeben, an der Beratung der sie betreffenden Tagesordnungspunkte teilzunehmen. Wenn alle Fachbereiche betroffen waren, hat sie gelegentlich auch Anhörungen durchgeführt. Die Fachbereiche haben Protokollauszüge für die sie betreffenden Angelegenheiten erhalten; ansonsten waren die Kommissionsprotokolle nur dem Rektorat zugänglich. Der Senat erhielt die Entscheidungsvorlagen, über die er zu beschließen hatte, und wurde i m Übrigen mündlich vom Vorsitzenden der Kommission unterrichtet. Die Kommission hat sich mit Erfolg stets den Wünschen der Fachbereiche widersetzt, auch ihnen die Beratungsprotokolle zur Verfügung zu stellen. A u f den Senat treffen Merkmale und Arbeitsweise von Ausschüssen nur bedingt zu. Angesichts seiner größeren Mitgliederzahl erfüllt er eigentlich das Gebot der Repräsentativität besser als kleinere Gremien. Aber einmütige Entscheidungen sind sehr viel weniger häufig. Der Senat verhandelt, von Personalangelegenheiten abgesehen, jedenfalls der Möglichkeit nach öffentlich und seine Mitglieder stehen deshalb unter einem größeren Erwartungsdruck von außen. Das einzelne Senatsmitglied kann es sich eher leisten, die Belange seines eigenen Fachbereichs oder sonstige Partikularinteressen zu vertreten, weil sein individueller Beitrag zum Ganzen geringer ist. Auch die personelle Fluktuation ist i m Senat nach Wahlen häufiger und wirkt sich auf seine Arbeit aus. Nach aller Erfahrung fällt es neugewählten Senatsmitgliedern, wenn sie zahlreich sind, am Anfang nicht leicht, sich in die Kontinuität der Institution zu stellen. Zu groß ist oft der Wunsch, die Hochschule neu zu erfinden.

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Das nach früherem Hochschulrecht neben Rektorat und Senat noch vorhandene dritte zentrale Organ, der Konvent, erfüllte die Merkmale eines Ausschusses überhaupt nicht. Die Zahl seiner Mitglieder war so groß, dass sich viele untereinander nicht kannten, und die Zahl der Aufgaben, die er zu erfüllen hatte, war so klein, dass von einem Gremium, das in Entscheidungszusammenhängen arbeitet, keine Rede sein konnte. Der Konvent konnte deshalb nicht nach den Funktionsregeln der Hochschulselbstverwaltung handeln; seine Entscheidungen waren in der Tat das, was häufig der Selbstverwaltung i m Ganzen vorgeworfen wird, nämlich anonyme Entscheidungen zufälliger Mehrheiten. Das machte ihn allerdings nicht bedeutungslos, er war eher Sand im Getriebe der Selbstverwaltung. 13 Es wäre freilich unangemessen, dies seinen Mitgliedern persönlich vorzuwerfen. Sie hatten angesichts der Strukturfehler des Organs überhaupt nicht die Möglichkeit, als Ausschuss der Selbstverwaltung tätig zu sein. Nicht nur die Summe dieser Fehler machte den Konvent handlungsunfähig, schon ein Einzelner konnte dafür verantwortlich sein. So hat der zweitgenannte Verfasser als verantwortlicher Mitarbeiter des Satzungskonvents der Essener Universität, der nach dem Ende der Gründungsphase der Hochschule die Aufgabe hatte, eine Grundordnung für die Universität zu erarbeiten, die Erfahrung gemacht, dass das Gremium nach Ablauf der rechtlich vorgesehenen Frist unverrichteter Dinge auseinander ging. Die Mitglieder hatten sich zwar in vielen Sitzungen kennen gelernt, aber die Größe des Gremiums verhinderte letztlich ein positives Ergebnis. Spätere Konvente, in denen es auch die Erfahrung des Wiedersehens nicht mehr gab, hatten dann überhaupt keine Chance, Tauschgeschäfte über die Zeit hinweg abzuschließen. Sie waren nur noch Störfaktoren in der Selbstverwaltung. Die vorangegangenen Überlegungen sollten verdeutlichen, dass die Struktur und die Arbeitsweise der Gremien darüber bestimmt, ob und inwieweit sie in der Lage sind, ihre Aufgaben in der Selbstverwaltung zu erfüllen. Ihre Leistungsfähigkeit hängt aber auch von der Art der Entscheidungen ab, die sie zu treffen haben. Dabei wird daran erinnert, dass sich die verschiedenen Präferenzen, die an die Gremien der Selbstverwaltung herangetragen werden, nicht nur in der Sache, sondern auch hinsichtlich ihrer Intensität unterscheiden. Es ist zweckmäßig, vier Typen von Entscheidungen auseinander zu halten, auch wenn es i m Alltag der Selbstverwaltung Überschneidungen gibt. Es gibt erstens Angelegenheiten, die nach Frage ,Mehr oder weniger 4 zu entscheiden sind und zweitens Fragen, bei denen es um die Alternative ,Ja oder nein 4 geht. Der dritte Typ von Entscheidungen betrifft Fragen symbolischer Politik, 1 4 und schließlich können grundsätzliche Entscheidungen über die Struktur der Hochschule anstehen. Bei der ersten Gruppe von Entscheidungen geht es um die Verteilung von M i t teln. Sie müssen als Entscheidungen über ,Mehr oder weniger 4 getroffen werden. 13

Das bestätigt auch Ipsen, Das Rektorat, S. 61 f. Zum Begriff der symbolischen Politik vgl. die schon klassische Abhandlung von Murray Edelman, Politik als Ritual, Die symbolische Funktion staatlicher Institutionen und politischen Handelns, Frankfurt 1976. 14

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Gerade hier müssten sich, träfen sie denn zu, die Vorbehalte gegen die Gremienhochschule bestätigen. Demgegenüber zeigt die Erfahrung, dass funktionierende Ausschüsse sehr wohl in der Lage sind, bei der Lösung von Verteilungsproblemen auch unter der Bedingung knapper Mittel sachgerechte Kompromisse zu erreichen. Das trifft, wie schon erwähnt, auf die Fachbereichsebene zu und gilt erst recht für zentrale Gremien, die noch besser in der Lage sind, ihre Entscheidungen nach verallgemeinerbaren Kriterien zu treffen. Der Kommission für Planung und Finanzen ist es nach oft schwierigen Diskussionen stets gelungen, bei der Erarbeitung und Änderung der Schlüssel für die Verteilung der Haushaltsmittel Einvernehmen zu erzielen und dies auch gegen partikulare Interessen einzelner Fachbereiche zu verteidigen. So ist es beispielsweise möglich gewesen, den Anstieg der Studentenzahlen, der die Fachbereiche nicht gleichmäßig betraf, durch entsprechende Änderungen des Schlüssels zu berücksichtigen und auf diese Weise Haushaltsmittel umzuschichten. Die Erwartung zeitverschobener gegenseitiger Kompensation, von der oben gesprochen wurde, bewirkte, dass dem auch Kommissionsmitglieder zustimmen konnten, deren eigene Fachbereiche von solchen Änderungen zunächst negativ betroffen waren. Gleichermaßen gelang es schon zu einem frühen Zeitpunkt, als das Thema noch nicht allgemein auf der Tagesordnung der hochschulpolitischen Diskussion stand, einen Teil der Mittel nach Leistungskriterien zu verteilen. Auch als das Volumen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel zu schrumpfen begann, konnten einfache lineare Kürzungen vermieden werden. Das Rektorat hat sich die Empfehlungen der Kommission zur Mittelverteilung regelmäßig zu Eigen gemacht. I m Senat, der allerdings nur die Kompetenz zur Stellungnahme hatte, ist es dagegen häufig zu knappen Voten gekommen. Beim zweiten Typ von Entscheidungen geht es um ,Ja oder nein 4 . Ob ein neuer Studiengang eingerichtet, ein Fachbereichsinstitut gegründet, eine freie Professorenstelle wieder ausgeschrieben oder umgewidmet werden oder welche Regelungen die Wahlordnung treffen soll - auf Fragen dieser Art kann nicht mit Kompromissen geantwortet werden. Sie können aber auch dann einvernehmlich entschieden werden, wenn es sich um strittige Probleme und nicht nur um Routineangelegenheiten handelt. Eine Voraussetzung dafür ist, dass es gelingt, vorausschauend Kriterien für die Bearbeitung erwartbarer Fälle zu entwickeln. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: In einer ganzen Reihe von Fachbereichen gab es Initiativen, so genannte „An-Institute" zu gründen, häufig ohne finanziell dauerhafte Perspektiven. U m die Tragfähigkeit der Strukturen solcher Gründungen zu gewährleisten, entwickelte die Kommission für Planung und Finanzen i m Auftrag des Rektorats einen Katalog von Bedingungen, die erfüllt sein mussten, ehe an eine positive Entscheidung gedacht werden konnte. A u f diese Weise war es möglich, unausgereifte Anträge einvernehmlich zurückzuweisen. A u f der Ebene des einzelnen Fachbereichs ist es erfahrungsgemäß viel schwieriger, strittige Entscheidungen dieser Art zu treffen. Die einen, die direkt Betroffenen, wollen etwas sehr intensiv, die anderen, die nicht oder weniger Betroffenen, verhalten sich neutral oder schwach ablehnend. Nicht selten waren Fälle, in denen Fachbereiche einmütige Entscheidungen

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nur um der internen Konfliktvermeidung willen trafen, von der Zentralebene aber Korrekturen erwarteten. Viel schwerer zu treffen sind Entscheidungen in Angelegenheiten, die eher Probleme symbolischer Politik betreffen, als dass sie materiell bedeutsam wären. Entscheidungen dieses Typs sind selten; aber sie sind deshalb so schwierig, weil sie sich mit Konflikten befassen müssen, in denen sich die Interessen der Beteiligten mit gleicher Intensität gegenüberstehen. Das ist vorwiegend dann der Fall, wenn es um die Selbstdefinition Einzelner oder von Gruppen innerhalb der Institution Hochschule geht, also bei Statusfragen. Zwei Beispiele können das illustrieren: Nach früherem Hochschulrecht konnte die Grundordnung vorsehen, dass wissenschaftliche Mitarbeiter mit beratender Stimme an der Leitung wissenschaftlicher Einrichtungen der Fachbereiche beteiligt wurden. Dieses Problem hatte keine nennenswerte Bedeutung für die Praxis, konnte aber dennoch erst nach langwierigen Diskussionen gelöst werden. Der andere Fall betraf eine Besonderheit der nordrhein-westfälischen Gesamthochschulen, nämlich die Unterscheidung von zwei Gruppen von Professoren, die entsprechend dem Qualifikationsprofil, nach dem sie berufen worden waren, als ,a'- und ,b'-Professoren bezeichnet wurden. In dem Konflikt, der hier als Beispiel steht, ging es um Fragen der Denomination von Kategorien des Schlüssels für die Mittelverteilung, deren praktische Auswirkungen gering war, die aber gleichwohl nicht einvernehmlich entschieden werden konnten. Grundsätzliche Strukturentscheidungen schließlich, die die Organisation der Hochschule, ihre wissenschaftliche Schwerpunktbildung und ihre Profilierung nach außen betreffen, können i m Rahmen der Selbstverwaltung, die j a i m Kern eine Ausbalancierung von Initiativen von unten und Steuerung von oben ist, nicht getroffen werden. Dies belegen alle Erfahrungen. Nicht zufällig hat die gegenwärtige Diskussion um Reformen des Hochschulwesens einen ihrer Schwerpunkte in der Debatte um neue Steuerungskonzepte und Leitungsstrukturen. 15 Darauf soll hier nicht eingegangen werden. Wenn aus den Erfahrungen langjähriger Tätigkeit in der Hochschulselbstverwaltung einige verallgemeinernde Folgerungen gezogen werden können, dann sind es die folgenden: Gremien der Hochschulselbstverwaltung arbeiten i m Rahmen gegebener Strukturen. Notwendigerweise neigen sie deshalb insgesamt gesehen dazu, den Status quo zu bestätigen. Das bestimmt ihre Leistungsgrenzen. Doch innerhalb dieser Grenzen sind sie durchaus in der Lage, den langsamen und kontrollierten Wandel zu befördern. Dies ist nicht wenig, denn grundlegende Strukturveränderungen durch Entscheidungen der Hochschulleitung oder übergeordneter politischer Institutionen können nur die Ausnahme, nicht die Regel sein. I m Alltag der Hochschule sind regelmäßig zahlreiche Routineentscheidungen zu treffen, die notwendig sind, um das komplexe Gebilde Hochschule am Leben zu erhalten. Dafür sind funktionierende Ausschüsse der Selbstverwaltung unverzichtbar. Sie müssen aller15

Vgl. aus der Fülle der Literatur neuestens: Werner Hoffacker, Die Universität des 21. Jahrhunderts, Dienstleistungsunternehmen oder öffentliche Einrichtung?, Neuwied 2000.

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dings auch in der Lage sein, ihre Aufgaben zu erfüllen. Es spricht sehr viel dafür, die Zahl der Mitglieder der Selbstverwaltungsgremien möglichst klein zu halten, weil diese nur dann effektiv arbeiten können. Auch die Zahl der Gremien selbst sollte möglichst klein sein. Denn das einzelne Gremium ist Teil eines Gremienverbunds, und zwischen den Gremien gibt es Abstimmungsprobleme. In diesem Zusammenhang ist es auch mehr als fraglich, ob das hochschulrechtlich vorgeschriebene Beauftragtenwesen mit den Funktionsbedingungen der Selbstverwaltung verträglich ist. Die Frauenbeauftragte zum Beispiel, die versucht, über die Förderung von Frauenbelangen hinaus die Einfügung von gender studies in möglichst alle Studiengänge zu betreiben, ist ein Störfaktor in der akademischen Selbstverwaltung. Die Leistungsfähigkeit der Selbstverwaltungsgremien hängt auch von der Leistungsbereitschaft ihrer Mitglieder ab. Diese Feststellung ist keineswegs trivial. Denn nach aller Erfahrung steigt die Motivation, in einem Ausschuss mitzuarbeiten und Sachverstand zu erwerben, mit der Chance, Einfluss nehmen zu können. Dies würde es nahe legen, die Beratungsgegenstände der Gremien auf wirklich materiell entscheidungsbedürftige Punkte zu beschränken und die Bearbeitung aller übrigen Fragen ihren Vorsitzenden zu überlassen. Schließlich bleibt festzuhalten, dass vieles dafür spricht, die Kompetenzen der Zentralebene gegenüber den Fachbereichen zu verstärken. Zwar sind die Gremien der Fachbereiche in der Lage, ihre internen Angelegenheiten, etwa die Verteilung der Haushaltsmittel, sachgerecht zu bearbeiten. Aber sobald es um das Zusammenwirken von Fachbereichen bei der Lösung gemeinsamer Probleme oder um die Einordnung von Fachbereichsentscheidungen in größere Zusammenhänge geht, bedarf es des Eingreifens zentraler Gremien. Größere Sachnähe bedeutet keinesfalls größere Entscheidungsrationalität. Die Überlegungen dieses Beitrags sind nicht auf die Zusammenarbeit zwischen den Gremien der akademischen Selbstverwaltung und der professionellen Hochschulverwaltung eingegangen. Über sie ist schon viel gesagt worden, aber sie ist noch wenig untersucht. Die Selbstverwaltung ist gehalten, auf den in der Hochschulverwaltung versammelten Sachverstand zurückzugreifen, und die Verwaltung muss diesen Sachverstand zur Verfügung stellen. Über eine Legitimation zur Durchsetzung eigener Vorstellungen verfügt sie nicht. Dies ist rechtlich ganz eindeutig, aber nicht immer selbstverständlich. Dieter Leuze hat in seiner Zeit als Kanzler stets dafür gesorgt, dass die Hochschulverwaltung unter seiner Leitung sachlich kompetent war und mit ihrem Sachverstand die akademische Selbstverwaltung unterstützte. Dies war nicht sein geringster Beitrag zur Entwicklung der Essener Universität.

Die Stellung des Universitätskanzlers in den Landeshochschulgesetzen Johannes Horst und Anne Bußmann

Die Stellung des Kanzlers 1 als leitender Beamter der Hochschulverwaltung ist ein Thema, mit dem Leuze sich vielfach auseinandergesetzt hat. 2 Dabei hat er mit der ihm eigenen Leidenschaft immer für einen „starken Kanzler" plädiert, der seiner Ansicht nach mehr sein sollte, als nur ein „überdimensionaler Tintenbube". 3 Was liegt daher näher, als dem Jubilar in einer ihm zugeeigneten Festschrift mit einem Beitrag zur Figur des Kanzlers ein Geburtstagsgeschenk zu machen.

I. Die vierte HRG-Novelle Seitdem Ludwig i m Jahre 1984 „Die Stellung des Kanzlers an den wissenschaftlichen Hochschulen" umfassend beschrieb, verglich und analysierte 4 , hat sich in der deutschen Hochschullandschaft einiges getan: M i t den neuen Ländern kamen fünf weitere Hochschulgesetze hinzu und ergänzten die bereits bunte Palette der westdeutschen Kanzlerprofile. Vor allem aber wurden i m Zuge des Trends zur Deregulierung und zur Verstärkung der Hochschulautonomie mittlerweile nahezu sämtliche Vorschriften des Hochschulrahmengesetzes zur Hochschulorganisation und -Verwaltung gestrichen. 5 Das Hochschulrahmengesetz regelt inzwischen nur 1

Wenn im Folgenden die männliche Form verwendet wird, ist selbstverständlich auch die weibliche Form gemeint und erfasst. 2 Vgl. Leuze, in: Leuze / Bender, WissHG NRW, § 47; ders., Der Kanzler in der Verantwortung, DÖD 1993, S. 217; ders., Nochmals „Der Kanzler und seine Hochschule", DÖD 1989, S. 118; ders., Das Vorschlagsrecht der Hochschule zur Ernennung des Kanzlers, Die Personalvertretung 1988, S. 218; ders., Fragen des Haushalts und der Verteilung der Mittel - Der Kanzler als Beauftragter für den Haushalt, MittHV 1981, S. 5; ders., Bemerkungen zu der Rechtsstellung des Kanzlers nach nordrhein-westfälischem Hochschulrecht unter besonderer Berücksichtigung der Rektoratsverfassung, WissR 1975, S. 30. 3 Leuze, Leitungsprobleme innerhalb der Hochschulverwaltung, MittHV 1981, S. 147, 150; ders., WissR 1975, S. 30, 34. 4 Ludwig, Die Stellung des Kanzlers an den wissenschaftlichen Hochschulen, WissR 1984, S. 24. 5 Viertes Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 20. 8. 1998 (BGBl. I S. 2190).

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noch die Rechtsform, § 58 Abs. 1 S. 1, 2 HRG, das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen, § 58 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 HRG, und die Existenz von Rechts- und Fachaufsicht, § 59 HRG. Demzufolge besteht für die Landesgesetzgeber keinerlei rahmenrechtliche Vorgabe mehr hinsichtlich Wahl und Ausgestaltung von Rektorats- und Präsidialverfassung wie sie § 62 HRG a.F. beinhaltete. 6 M i t der Abschaffung dieser Bestimmung zur Hochschulleitung schwanden auch die beiden einzigen rahmenrechtlichen Erwähnungen des „leitenden Verwaltungsbeamten" in § 62 Abs. 4 und 6 H R G a.F.. Des Weiteren wurde die Pflicht zur Einheitsverwaltung in § 58 Abs. 3 H R G a.F. abgeschafft, so dass die Zusammenfassung der Verwaltung von akademischen und staatlichen Angelegenheiten innerhalb eines einheitlichen Verwaltungskörpers 7 hochschulrahmenrechtlich nicht mehr zwingend vorgegeben ist. Der den Ländern durch die vierte Novelle des Hochschulrahmengesetzes eröffnete Gestaltungsspielraum ist groß. Detmer beobachtet als Folge eine „Welle von Novellierungen der Landeshochschulgesetze", die deutlich mache, dass die Länder den gewonnenen Freiraum nutzen und ihre Hochschulen vor allem in einen Wettbewerb der unterschiedlichen Organisationsmodelle und disparater Leitungsstrukturen führen. 8 Dieser rahmenrechtliche Freibrief lässt sogar die vollständige Abschaffung des Kanzleramtes zu. Ein niedersächsischer Gesetzentwurf 9 und ein Modellversuch an der H U Berlin weisen in diese Richtung. Umgekehrt wäre auch die Wiedereinführung des Kurators hochschulrahmenrechtlich gedeckt 1 0 , woran natürlich keiner ernsthaft denkt. Der Frage, wie die Länder die Stellung des Universitätskanzlers in ihren aktuellen Hochschulgesetzen 11 geregelt haben, soll i m Rahmen dieses Beitrags nachgegangen werden.

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Vgl. Hochschulrahmengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. April 1987 (BGBl. IS. 1170). ι Thieme , Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, Rn 408. 8 Detmer, Die Novelle des Hochschulrahmengesetzes - auch eine „Rolle rückwärts", NVwZ 1999, S. 828, 832. 9

Vgl. §§ 33-35 des Gesetzentwurfs der Landesregierung Niedersachsen und die Begründung zu § 33 des Gesetzentwurfs: „Die Amter der Kanzlerinnen und Kanzler werden durch Ämter für Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten ersetzt, www.nhg.niedersachsen.de. 10 Reich, in: HRG-Kommentar, 7. Aufl. 2000, § 58 Rn 1. 11 Baden-Württemberg: UG, Stand: 19. 12. 2000, GBl. S. 750; Bayern: BayHschG, Stand: 24. 12. 2001, GVB1. S. 991; Berlin: BerlHG, Stand: 9. 7. 1999, GVB1. S. 367; Brandenburg: BbgHG, Stand: 28. 6. 2000, GVB1.1 S. 90; Bremen: BremHG, Stand: 5. 8. 1999, GBl. S. 183; Hamburg: HmbHG, Stand: 25. 5. 1999, GVB1. S. 95; Hessen: HHG, Stand: 31. 7. 2000, GVB1. I S. 374; Mecklenburg-Vorpommern: MVHG, Stand: 9. 2. 1994, GVB1. S. 293; Niedersachsen: NHG, Stand: 18. 12. 2001, GVB1. S. 806; Rheinland-Pfalz: RPfUG, Stand: 22. 12. 1999, GVB1. S. 467; Saarland: SaUG, Stand: 23. 6. 1999, ABl. S. 982; Sachsen: SächsHG, Stand: 28. 6. 2001, GVB1. S. 426; Sachsen-Anhalt: SAHG, Stand: 3. 4. 2001, GVB1. S. 141; Schleswig-Holstein: SHHG, Stand: 4. 5. 2000, GVB1. S. 416; Thüringen: ThürHG, Stand: 19. 12. 2000, GVB1. S. 416.

Die Stellung des Universitätskanzlers

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II. Das Amt des Universitätskanzlers Bevor jedoch eine aktualisierte Bestandsaufnahme von Aufgaben, Status und Funktion des leitenden Verwaltungsbeamten in den Hochschulgesetzen der Länder vorgenommen w i r d , 1 2 soll für ein besseres Verständnis zunächst in einem kurz gerafften Rückblick das A m t des Kanzlers in seiner herkömmlichen Ausgestaltung grob skizziert werden: 1 3 Historisch wird der Kanzler oft als Nachfolger des Kurators bezeichnet. 14 Traditionell sind dem Kanzler daher neben der bereits erwähnten Leitung der Verwaltung als Hauptaufgabe, weitere Zuständigkeiten i m Bereich der Haushaltsangelegenheiten und als Dienstvorgesetzter zugewiesen. Wird die Hochschule kollegial durch ein Rektorat oder Präsidium geleitet, so ist der Kanzler regelmäßig vollwertiges Mitglied des Leitungsgremiums. Häufig vertritt er auch in bestimmten Bereichen den Hochschulleiter. Vom Status her war der Kanzler meist Beamter auf Lebenszeit, teilweise auch Beamter auf Zeit mit einer Amtszeit von mindestens acht Jahren. 15 Als berufliche Vorbildung des leitenden Verwaltungsbeamten war bisher das Zweite Juristische Staatsexamen oder die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst erforderlich, teilweise zusätzlich einschlägige Berufserfahrung. 16 Die tradierte Position des Kanzlers lässt sich schlagwortartig durch die Begriffe „Kontinuität, Sachverstand und Unabhängigkeit" charakterisieren: 17 Für ersteres stand der Kanzler aufgrund seiner i m Vergleich zu den übrigen Leitungsmitgliedern langen Amtszeit. A u f der hieraus erwachsenden Erfahrung und vor allem auf seiner beruflichen Vorbildung beruhte der dem Kanzler attestierte „Sachverstand". Aus seiner Nichtzugehörigkeit zum Bereich von Forschung und Lehre folgten schließlich Neutralität und Unabhängigkeit. Anders ausgedrückt lässt sich das A m t des Kanzlers in der herkömmlichen Form auch als komplementäres Element zur der politisch verantwortlichen Hochschulspitze und als dessen ideale Ergänzung beschreiben. Der Kanzler brachte also genau das mit, was den übrigen Leitungsmitgliedern fehlte (und umgekehrt) und war dadurch wichtiger Ausgleichsfaktor und Garant des rechtlichen und verwaltungsmäßigen Sachverstands innerhalb der Hochschulorganisation. Diese ausgleichende Funktion des Kanzleramtes wird umso bedeutender, je mehr Autonomie den Hochschulen zugestanden wird. Der Rück-

12 s. u. Teil III. 13 Vgl. ausführlich zum Sachstand im Jahre 1984 bzw. 1993: Ludwig, WissR 1984, S. 24; Epping, Die Stellung des Kanzlers in der kollegialen Hochschulleitung, WissR 1993, S. 161. 14 Leuze, in: Leuze / Bender, WissHG NRW, § 47 Rn 1; vgl. zur historischen Entwicklung im Einzelnen: Heß, Die Geschichte des Universitätskanzlers im Spannungsfeld zwischen Staatsaufsicht und Hochschulautonomie, WissR 2000, S. 332. 15 Ludwig, WissR 1984, S. 24, 25. 16 Ludwig, WissR, 1984, S. 24, 24. 17 Vgl. Scheven/Pelzner, Hochschulrechtliche Aspekte der Gesamthochschulen in Nordrhein-Westfalen, WissR 1973, S. 44, 52; Epping, WissR 1993, 161, 186.

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zug der ministerialen Ebene geht insofern für die Hochschulen mit einem Zuwachs gerade an rechts- und verwaltungsmäßigen Aufgaben und Entscheidungsbefugnissen einher, zu deren Bewältigung der besondere Sachverstand des Kanzlers und dessen unabhängiges Urteil unbedingt erforderlich sind.

I I I . Der Universitätskanzler in den einzelnen Landeshochschulgesetzen Die folgende Bestandsaufnahme von Aufgaben, Status und Funktion des leitenden Verwaltungsbeamten in den Landeshochschulgesetzen gliedert sich in vier Abschnitte: Ausgangspunkt ist die Mitgliedschaft des Kanzlers in den Hochschulgremien, wobei das Hauptaugenmerk auf der Zugehörigkeit zum Leitungsgremium liegt. I m zweiten Abschnitt geht es um die eigenständigen Befugnisse des Kanzlers, zu denen in erster Linie die Leitung der Verwaltung, die Verantwortlichkeit für Haushaltsangelegenheiten, die Dienstvorgesetzteneigenschaft für das nichtwissenschaftliche Personal und die Vertretung des Rektors, bzw. Präsidenten zählen. Der dritte Abschnitt ist den Grenzen dieser Befugnisse gewidmet. Als derartige Faktoren sind Status und Amtsdauer, Vorschlag und Ernennung, Kontrolle und Vertretung des Kanzlers zu untersuchen. Gegenstand des vierten Abschnitts ist schließlich die für das Kanzleramt vorausgesetzte, berufliche Qualifikation.

1. Der Kanzler als Gremienmitglied a) U m die Position des Kanzlers i m System eines Hochschulgesetzes beschreiben zu können, ist zunächst die Frage von Bedeutung, welchen Gremien der Kanzler angehört und ob er lediglich beratend oder mit Stimmrecht an den Sitzungen teilnimmt. (aa) Von besonderem Interesse ist hierbei, ob der Kanzler Mitglied der Hochschulleitung ist. Wird die Hochschule kollegial - also durch Rektorat oder Präsidium - geleitet, so ist der Kanzler in den betreffenden Bundesländern kraft Amtes Mitglied des Leitungsgremiums. Bis auf Berlin kennen alle Hochschulgesetze ein solches kollegiales Leitungssystem. 18 Dabei gibt es in einigen Bundesländern keine durch die Grundordnung wählbare Alternative zum Leitungskollegium, so dass der Kanzler in diesen Ländern immer der Hochschulleitung angehört. 19 In den übrigen Hochschulgesetzen besteht eine Wahlmöglichkeit, wobei die kolle18

Berlin: Rektor an Fachhochschulen, Präsident an übrigen Hochschulen, § 52 BerlHG. w Bayern: Rektorat oder Präsidium, Art. 20, 21 BayHSchG; Bremen: Rektorat, § 81 BremHG; Hessen: Präsidium, § 42 HHG; Nordrhein-Westfalen: Rektorat oder Präsidium, §§ 18, 20, 21 HG; Saarland: „Universitätsleitung" § 16 SaUG; Sachsen: Rektorat, § 94 SächsHG; Schleswig-Holstein: Rektorat, §§ 44, 45 SHHG.

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giale Leitung entweder gesetzlicher Regelfall 2 0 oder erst durch die Grundordnung wählbare Option i s t 2 1 . (bb) Des weiteren ist ein Blick auf die genaue Zusammensetzung des Leitungsgremiums aufschlussreich. Neben dem Rektor/Präsident als Vorsitzendem und dem Kanzler gehören diesem regelmäßig zwischen einem und vier Prorektoren / Vizepräsidenten an, z.T. ist auch gesetzlich keine Höchstzahl vorgegeben. 22 Eine Besonderheit weist Brandenburg auf, wo neben dem Kanzler und den Vizepräsidenten auch die Dekane Mitglieder des Präsidiums sind. 2 3 Es liegt auf der Hand, dass die Einflussmöglichkeiten des Kanzlers auf die Hochschulleitung in einem Gremium mit insgesamt nur drei Mitgliedern, d. h. bei nur einem Prorektor/Vizepräsidenten, nicht zu unterschätzen sind. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn dem Vorsitzenden des Gremiums i m Vergleich zu den anderen Mitgliedern keine besonderen Stimmrechte eingeräumt werden. In vielen Bundesländern gibt allerdings die Stimme des Vorsitzenden bei Stimmengleichheit den Ausschlag 2 4 oder er kann nicht überstimmt werden 2 5 . (cc) Nach nahezu allen Hochschulgesetzen ist der Kanzler beratendes Mitglied des Hochschulsenats, 26 teilweise ist er hier sogar stimmberechtigt 27 . Hinsichtlich 20 Baden-Württemberg: Rektorat, § 12 UG (Option: Präsident, § 15 UG); MecklenburgVorpommern: Rektorat, § 80 MVHG (Option: Rektor, § 80 Abs. 7 MVHG); Sachsen-Anhalt: Rektorat, § 79 SAHG (Option: Präsidium, Präsident oder Rektor, § 81 SAHG). 21 Brandenburg: Präsident, § 65 BbgHG (Option: Präsidium, § 66 BbgHG, Kanzler auf Wunsch des Präsidenten Mitglied); Hamburg: Präsident, § 80 HmbHG (Option: Rektorat, § 83 HmbHG); Niedersachsen: Rektorat, Präsidium, Rektor oder Präsident als Optionen, §§ 84, 89 ff. NHG; Rheinland-Pfalz: Präsident, § 74 RPfUG (Option: Präsidium, § 78 a RPfUG); Thüringen: Rektor, § 74 ThürHG (Optionen: Rektorat, Präsidium oder Präsident, §§ 74, 77 ThürHG). 22 Baden-Württemberg: Rektorat mit drei (vier) Prorektoren, § 12 UG; Bayern: Rektorat oder Präsidium mit zwei (einem oder drei) Prorektoren oder Vizepräsidenten; Brandenburg: Präsidium mit Dekanen (!) und bis zu drei Vizepräsidenten, § 66 BayHSchG; Bremen: Rektorat mit ein bis drei Konrektoren, § 81 BremHG; Hamburg: Rektorat mit unbestimmter Anzahl an Prorektoren, § 83 HmbHG; Hessen: Präsidium mit bis zu zwei Vizepräsidenten, § 46 HHG; Mecklenburg-Vorpommern: Rektorat mit bis zu drei Prorektoren, § 80 MVHG; Niedersachsen: Rektorat oder Präsidium mit Prorektoren / Vizepräsidenten § 91 NHG; Nordrhein-Westfalen Rektorat oder Präsidium mit einem oder mehreren Prorektoren / Vizepräsidenten, §§ 20, 21 HG; Rheinland-Pfalz: Präsidium mit zwei (einem) Vizepräsidenten, § 78 a RPfUG; Saarland: Universitätsleitung mit drei Vizepräsidenten, § 16 SaUG; Sachsen: Rektorat mit bis zu drei Prorektoren, § 94 SächsHG; Sachsen-Anhalt, Rektorat mit bis zu vier Prorektoren, § 79 SAHG; Schleswig-Holstein, Rektorat mit bis zu drei Prorektoren, § 45 SHHG; Thüringen: Rektorat oder Präsidium mit einem (zwei oder drei) Prorektoren / Vizepräsidenten, § 77 ThürHG. 23 Brandenburg: § 66 BbgHG. 24 Baden-Württemberg: § 12 Abs. 1 UG; Bayern: Art. 21 Abs. 8 i.V.m. Art. 48 Abs. 3 S. 4 BayHSchG; Mecklenburg-Vorpommern: § 80 MVHG; Niedersachsen (Präsidium): § 91 NHG; Sachsen-Anhalt: § 79 SAHG. 25 Brandenburg: § 66 BbgHG; Nordrhein-Westfalen (Präsidium): § 21 HG; Saarland: § 16 SaUG. 20 FS Leuze

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der übrigen Hochschulgremien wird vielfach eine Klausel vorgesehen, nach der der Kanzler als solcher oder als Mitglied des Leitungsgremiums berechtigt ist, an deren Sitzungen teilzunehmen. 28 Darüber hinaus ist der Kanzler nach einigen Hochschulgesetzen Mitglied in weiteren Gremien, die für das Zusammenwirken von Hochschule und Gesellschaft oder Staat verantwortlich sind, wie beispielsweise Kuratorien, Landeshochschulräte oder die Organe des Studentenwerks wie in Bayern und Sachsen. 29 b) Weiterhin ist bei der Analyse des Kompetenzrahmens entscheidend, welche Bedeutung den Gremien, denen der Kanzler angehört, i m Vergleich zu anderen Hochschulgremien und i m Verhältnis zum Ministerium und zu der dezentralen Ebene zukommt. Da eine eingehende Würdigung dieses Aspekts den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde, soll lediglich beispielhaft auf das nordrheinwestfälische Hochschulgesetz eingegangen werden. Dieses sieht eine kollegiale Leitung in der Form des Rektorats oder Präsidiums vor, das aus Rektor (Präsident), Kanzler und mehreren Prorektoren (Vizepräsidenten) besteht. 30 Der Senat ist das komplementäre und einzig weitere zentrale Organ, dem der Kanzler - wie auch die übrigen Mitglieder des Leitungsgremiums - ohne Stimmberechtigung angehört. 31 Die Zuständigkeiten des Senats wurden i m Zuge der jüngsten Gesetzesreform 32 großenteils auf das Rektorat (Präsidium) übertragen. 33 Gleichzeitig wurde die Hochschulautonomie u. a. durch Verzicht auf staatliche Genehmigungsvorbehalte erweitert. 3 4 Die Folge dieser beiden Maßnahmen ist eine Konzentration der Befugnisse beim Leitungsgremium oder anders ausgedrückt eine Stärkung des Rektorats (Präsidiums). 26 Baden-Württemberg (Präsident): § 19 Abs. 2 UG; Bremen: § 80 Abs. 8 BremHG; Hamburg (nur „Teilnahme"): § 85 Abs. 3 HmbHG; Hessen: § 39 Abs. 4 HHG; Mecklenburg-Vorpommern: § 83 Abs. 4 MVHG; Niedersachsen: § 97 Abs. 2 NHG; Nordrhein-Westfalen: § 22 Abs. 3 HG; Rheinland-Pfalz: § 72 Abs. 1 RPfUG; Sachsen: § 92 Abs. 1 SächsHG; SachsenAnhalt: § 77 Abs. 1 SAHG; Schleswig-Holstein: § 40 Abs. 1 SHHG; Thüringen (zusätzlich Antragsrecht): § 79 Abs. 5 ThürHG. 27 Baden-Württemberg (Rektorat): § 19 Abs. 2 UG; Bayern: Art. 28 Abs. 2 BayHSchG. 28 „Beratend": Bayern: Art. 44 Abs. 2 BayHSchG; Bremen: § 81 Abs. 2 HG; Mecklenburg-Vorpommern (zusätzlich jederzeitiges Informationsrecht über die Gremienarbeit): § 80 Abs. 5 MVHG; Niedersachsen: § 92 Abs. 2 NHG; Rheinland-Pfalz: § 78 Abs. 1 RPfUG; Sachsen: § 96 Abs. 4 SächsHG; Thüringen: § 76 Abs. 2 ThürHG. „TeilnahmeSaarland: § 16 Abs. 4 SaUG; Sachsen-Anhalt: § 79 Abs. 3 SAHG. 29 Bayern: Art. 102 Abs. 2 BayHSchG; Sachsen: § 119 Abs. 2 SächsHG. 30 Nordrhein-Westfalen: §§ 18-21 HG. 31 Nordrhein-Westfalen: § 22 Abs. 3 HG. 32 Gesetz über die Hochschulen des Landes NRW vom 14. März 2000, GV. NRW S. 190. 33 Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen, LT-Drs. 12/4243 vom 23. August 1999, zu § 22 HG. 34 Die parallel durchgeführte Kompetenzerweiterung der Fachbereichsleitung ist bei weitem nicht so groß wie die Stärkung der Hochschulleitung, vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen, LT-Drs. 12/ 4243 vom 23. August 1999, zu § 27 HG.

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2. Eigenständige Befugnisse des Kanzlers Der klassische Aufgabenbereich des Kanzlers umfasst neben der oben dargelegten Beteiligung an der kollegialen Hochschulleitung in erster Linie vier Bereiche: Die Leitung der Hochschulverwaltung, Haushaltsangelegenheiten, Dienstvorgesetzteneigenschaft und die Vertretung des Rektors.

a) Leitung der Verwaltung Die Hochschulgesetze überantworten dem Kanzler entweder die „Leitung der Verwaltung" 3 5 oder die „Führung der Geschäfte der laufenden Verwaltung" 3 6 als Hauptaufgabe. Teilweise besteht eine Beschränkung der Zuständigkeit auf die zentrale Verwaltung, 3 7 teilweise explizit eine Einbeziehung der medizinischen Einrichtungen38. „Hochschulverwaltung" wird in der Regel in einem sehr weiten Sinne verstanden: Der Begriff umfasst dann die Erledigung aller äußeren Angelegenheiten, mittels deren die materiellen Voraussetzungen für Forschung und Lehre geschaffen werden. 3 9 Außerdem weist der Terminus eine doppelte Bedeutung auf: Einerseits meint er „Verwaltung i m funktionellen Sinne", die sich auf das Verwaltungshandeln und seine Gegenstände bezieht, andererseits bezieht er sich auf den Verwaltungsapparat und bedeutet demgemäß auch „Verwaltung i m institutionellen Sinne". 4 0 I m nordrhein-westfälischen Hochschulgesetz wird „Verwaltung" legaldefiniert als Planung, Verwaltung und Rechtsangelegenheiten, sowie die Verwaltungsangelegenheiten der Organe und Gremien sowie die Unterstützung der Dekane bei ihren Aufgaben. 4 1 Nach dem saarländischen Universitätsgesetz ist die „zentrale Verwaltung" zuständig für die Rechts-, Haushalts-, Wirtschafts- und Per35 Bayern: „leitender Beamter der Hochschulverwaltung", Art. 44 Abs. 1 BayHSchG; Brandenburg: § 68 Abs. 1 BbgHG; Bremen: § 85 Abs. 1 BremHG; Hamburg (Rektorat): „leitender Verwaltungsbeamter", § 83 Abs. 5, 80 Abs. 2 HmbHG; Hessen: § 47 Abs. 1 HHG; Mecklenburg-Vorpommern: § 85 Abs. 1 MVHG; Nordrhein-Westfalen: § 44 Abs. 1 HG; Rheinland-Pfalz: „leitender Beamter der Hochschulverwaltung", § 78 Abs. 1 RPfUG; Saarland: § 22 Abs. 1 SaUG; Sachsen: § 96 Abs. 3 SächsHG; Sachsen-Anhalt: „Kanzler führt die Geschäfte der Verwaltung", § 82 Abs. 1 SAHG; Schleswig-Holstein: § 49 Abs. 1 SHHG; Thüringen: „leitender Beamter der Hochschulverwaltung", § 76 Abs. 1 ThürHG. 3 6 Baden-Württemberg: § 12 Abs. 2 UG (Geschäfte der laufenden Wirtschafts- und Personalverwaltung); Berlin: § 58 Abs. 1 BerlHG; Niedersachsen: § 92 Abs. 1 NHG. 37 Bayern: Art. 44 Abs. 1 i.V.m 43 Abs. 2 BayHSchG; Saarland: § 22 Abs. 2 SaUG; Schleswig-Holstein: § 49 Abs. 1 SHHG. 38

Nordrhein-Westfalen: § 44 Abs. 1 HG; Mecklenburg-Vorpommern: § 85 Abs. 1 MVHG. 3 9 Schuster, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Aufl. 1996, S. 853. 40 Schuster, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Aufl. 1996, S. 853. 41 Nordrhein-Westfalen: § 43 HG. 20*

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sonalangelegenheiten der Universität sowie für sonstige der Universität obliegende Verwaltungsaufgaben sowie die Unterstützung der Organe der Universität, der Verwaltung der Fakultäten und der universitären Einrichtungen bei der Erledigung ihrer Aufgaben. 4 2 Damit bleibt der Begriff der „Geschäfte der laufenden Verwaltung" zu definieren, der - wie oben bereits erwähnt - in einigen Bundesländern der Aufgabenbeschreibung des Kanzlers dient. Hierunter sind solche Geschäfte zu verstehen, deren Erledigung eine besondere (politische) Entscheidung der Lenkungs- bzw. Leitungsorgane nicht oder nicht mehr erfordern, weil sie entweder bereits gesetzlich vorbestimmt sind oder weil eine grundsätzliche Vorentscheidung eines Lenkungsbzw. Leitungsorgans bereits vorliegt oder weil eine sachgerechte Entscheidung innerhalb des vom Gesetz und von Vorentscheidungen gelassenen Beurteilungs- und Ermessensspielraum von Verwaltungsfachleuten selbständig getroffen werden kann. 4 3 Die „Hochschulverwaltung" ist ein abgeleiteter Teilbereich des Aufgabengebiets „Hochschulleitung", 4 4 das in den Hochschulgesetzen originär dem zentralen Leitungsorgan zugewiesen ist. 4 5 Zumeist ist daher die leitende Verwaltungszuständigkeit des Kanzlers nicht völlig autonom, sondern gewissen Einwirkungsmöglichkeiten von Seiten der Hochschulleitung unterworfen. Dabei lassen sich i m Vergleich der Hochschulgesetze Unterschiede ausmachen, die von der Aussage, der Kanzler leite die Verwaltung „als Mitglied des Rektorats" 4 6 über seine Bindung an allgemeine Richtlinien bis hin zur Maßgeblichkeit konkreter Beschlüsse reichen 4 7 Das 42 Saarland: § 22 Abs. 1 SaUG. 43 44

Schuster, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Aufl. 1996, S. 854. Oldiges, Hochschulleitung und Hochschulverwaltung, in: FS Thieme (1993), S. 647,

656. 4 5 Baden-Württemberg: § 12 Abs. 1 UG; Bayern: Art. 20 BayHSchG; Berlin: § 51 Abs. 1 BerlHG; Brandenburg: § 65 Abs. 1 BbgHG; Bremen: § 81 Abs. 2 BremHG; Hamburg: § 80 Abs. 1 HmbHG; Hessen: § 42 Abs. 1 HHG; Mecklenburg-Vorpommern: § 80 Abs. 1 MVHG; Niedersachsen: § 86 Abs. 1 NHG; Nordrhein-Westfalen: § 20 Abs. 1 HG; Rheinland-Pfalz: § 74 Abs. 1 RPfUG; Saarland: § 16 SaUG; Sachsen: § 95 Abs. 1 SächsHG; Sachsen-Anhalt: § 79 Abs. 1 SAHG; Thüringen: § 74 Abs. 1 ThürHG. 4

6 Bremen: § 85 Abs. 1 BremHG; Hamburg: § 83 Abs. 5 HmbHG; Nordrhein-Westfalen: § 44 Abs. 1 HG; Saarland: § 22 Abs. 2 SaUG; Schleswig-Holstein: „im Rahmen der Gesamtleitung des Rektorats", § 49 Abs. 1 SHHG. 4

? Baden-Württemberg: Rektor legt Richtlinien fest, § 12 Abs. 2 UG; Berlin: Kanzler führt die Geschäfte der laufenden Verwaltung und ist dabei „an die Richtlinien des Leiters der Hochschule gebunden", § 58 Abs. 1 BerlHG; Brandenburg: „Verwaltungsleitung unter der Verantwortung des Präsidenten", § 68 Abs. 1 BbgHG; Hessen: „Verwaltungsleitung nach den Richtlinien des Präsidiums" und „Haushalts-, Personal- und Rechtsangelegenheiten nach Maßgabe der Beschlussfassung des Präsidiums", § 47 Abs. 1 HHG; Mecklenburg-Vorpommern: „Verwaltungsleitung im Rahmen von Grundsatzentscheidungen des Senats und Rektorats in eigener Verantwortung", § 85 Abs. 1 MVHG; Niedersachsen: Kanzler führt die Geschäfte der laufenden Verwaltung „unter Beachtung von Richtlinien und Einzelfallentscheidungen der Leitung", § 92 Abs. 1 NHG; Rheinland-Pfalz: Kanzler ist leitender Verwaltungs-

Die Stellung des Universitätskanzlers

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nordrhein-westfälische Hochschulgesetz nimmt in diesem Punkt eine Sonderstellung ein, denn es koppelt die Verwaltungszuständigkeit des Kanzlers von der der Hochschulleitung nahezu vollständig ab: „Als Mitglied des Rektorats leitet der Kanzler die Hochschulverwaltung [ . . . ]. In Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung kann das Rektorat entscheiden." 48 Aus dem zweiten Satz wird abgeleitet, dass der Kanzler für sämtliche Verwaltungsangelegenheiten einschließlich solcher von grundsätzlicher Bedeutung zuständig ist und das Rektorat lediglich letztere (wieder) an sich ziehen kann 4 9 Neben der Leitung der Hochschulverwaltung, bzw. Führung der laufenden Geschäfte der Verwaltung heben einige Bundesländer die Unterstützung der Hochschulleitung als weitere Aufgabe des Kanzlers hervor. 5 0

b) Beauftragter für den Haushalt Der Kanzler verfügt in Haushaltsangelegenheiten über weit reichende Zuständigkeiten. Abgesehen von Hamburg ist der Kanzler nach allen Hochschulgesetzen Beauftragter für den Haushalt. 51 In dieser Funktion ist er weitestgehend unabhäng i g . 5 2 Einige Hochschulgesetze bestimmen explizit, dass der Kanzler als Haushaltsbeauftragter an Weisungen der Leitung nicht gebunden ist, 5 3 bzw. dass er in dieser Funktion ein Widerspruchsrecht hat 5 4 . Andere Hochschulgesetze sehen lediglich ein aufschiebendes Widerspruchsrecht des Kanzlers gegen Haushaltsentbeamter und führt die Geschäfte der laufenden Verwaltung „nach Richtlinien und im Auftrag des Präsidenten", § 78 Abs. 1 RPfUG; Thüringen: Kanzler ist leitender Verwaltungsbeamter und führt die Geschäfte der laufenden Verwaltung „in Übereinstimmung mit dem Rektor", § 76 Abs. 1 ThürHG. 48 Nordrhein-Westfalen: § 44 Abs. 1 HG; vgl. hierzu auch: Neese, Die Stellung des Kanzlers in der Hochschulleitung, WissR 1999, S. 11, 21 ;Röken, Kompetenzprobleme in der nordrhein-westfälischen Hochschulleitung, WissR 1989, S. 49, 52. 4 9 Epping, WissR 1993, S. 161, 178. 50 Bayern: „Kanzler steht der Leitung in Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten zur Seite", Art. 44 Abs. 1 BayHSchG; Berlin: „Kanzler unterstützt den Leiter der Hochschule bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben", § 58 Abs. 1 BerlHG; Niedersachsen: „Kanzler unterstützt die Leitung der Hochschule", § 92 Abs. 1 NHG; Thüringen: „Kanzler steht dem Rektor zur Seite", § 76 Abs. 1 ThürHG. 51 Bayern: Art. 44 Abs. 1 BayHSchG; Baden-Württemberg: § 17 Abs. 1 UG; Berlin: § 58 Abs. 1 BerlHG; Brandenburg: § 68 Abs. 1 BbgHG; Bremen: § 85 Abs. 2 BremHG; Hessen: § 47 Abs. 1 HHG; Mecklenburg-Vorpommern: § 85 Abs. 1 MVHG; Niedersachsen: § 92 Abs. 3 NHG; Nordrhein-Westfalen: § 44 Abs. 2 HG; Rheinland-Pfalz: § 78 Abs. 1 RPfUG; Saarland: § 22 Abs. 2 SaUG; Sachsen: § 96 Abs. 4 SächsHG; Sachsen-Anhalt: § 82 Abs. 1 SAHG; Schleswig-Holstein: § 49 Abs. 1 SHHG; Thüringen: § 76 Abs. 1 ThürHG. 52 Epping, WissR 1993, S. 161, 185 m. w. N. 53 Bayern: Art. 44 Abs. 1 BayHSchG; Mecklenburg-Vorpommern: § 85 Abs. 1 MVHG; Saarland: § 22 Abs. 2 SaUG. 54 Baden-Württemberg: § 12 Abs. 1 UG; Sachsen-Anhalt: § 79 Abs. 1 SAHG.

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Scheidungen vor und übertragen i m Konfliktfall die Letztentscheidungskompetenz auf die Ebene des Ministeriums. 5 5 Mecklenburg-Vorpommern gibt dem Kanzler ein Einspruchsrecht gegen die Verteilung der Haushaltsmittel, wegen Verletzung der Grundsätze von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. 5 6 Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen erwähnen zudem die Zuständigkeit des Kanzlers für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel. 57

c) Der Kanzler als Dienstvorgesetzter

58

Die meisten Hochschulgesetze sehen für den Kanzler Befugnisse als Dienstvorgesetzter v o r . 5 9 In Baden-Württemberg ist er sogar Dienstvorgesetzter der Beamten, ausgenommen der Hochschuldozenten und Professoren, falls der Rektor kein Beamter i s t . 6 0

d) Vertretung

des Rektors bzw. Präsidenten

61

Nach dem überwiegenden Teil der Hochschulgesetze wird der Vorsitzende des Leitungsgremiums in einem Teilbereich, meist den „Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten", durch den Kanzler vertreten. 62 55 Bremen: § 85 Abs. 2 BremHG; Niedersachsen: § 92 Abs. 3 NHG; Nordrhein-Westfalen: § 44 Abs. 2 HG; Sachsen: § 96 Abs. 5 SächsHG. 56 Mecklenburg-Vorpommern: § 110 MVHG. 57 Mecklenburg-Vorpommern: Kanzler kann die Bewirtschaftung auf die Fachbereiche und zentralen Einrichtungen übertragen, § 111 MVHG; Nordrhein-Westfalen: Kanzler kann die Bewirtschaftung auf die Fachbereiche, zentralen Einrichtungen und zentrale Betriebseinheiten übertragen, § 104 Abs. 1 HG; Thüringen: Kanzler soll die Bewirtschaftung im Rahmen des Möglichen auf die Einrichtungen der Hochschule übertragen, § 105 Abs. 3 ThürHG. 58 Horst, Der Hochschulkanzler als Dienstvorgesetzter des nichtwissenschaftlichen Personals gem. § 63 Satz 3 UG bzw. § 42 Satz 3 FHG, Die Personalvertretung, 1996, S. 60. 59 Baden-Württemberg: Dienstvorgesetzter der Gruppe der sonstigen Mitarbeiter, § 121 UG; Bayern: Dienstvorgesetzter der an der Hochschule tätigen Bediensteten des Freistaates Bayern sowie der im Dienst der Hochschule stehenden Angestellten und Arbeiter, Art. 44 Abs. 1 BayHSchG; Bremen: „Dienstaufsicht über Bedienstete des Dienstleistungsbereichs", §§ 85 Abs. 1, 30 BremHG; Mecklenburg-Vorpommern: Dienstvorgesetzter der weiteren Mitarbeiter und der studentischen Hilfskräfte, § 85 Abs. 1 MVHG; Niedersachsen (nur bei Rektoratsverfassung): Dienstvorgesetzter des übrigen Personals, §§93 Abs. 1, 82 Abs. 1 NHG; Nordrhein-Westfalen: § 64 HG; Sachsen: § 58 Abs. 2 SächsHG; Sachsen-Anhalt: §§ 82 Abs. 1, 114 SAHG; Thüringen: § 57 Abs. 2 ThürHG. 60 Baden-Württemberg: § 121 UG. 61 Horst, Zur Frage der Außen Vertretung der Hochschule durch den Kanzler in Rechtsund Verwaltungsangelegenheiten nach nordrhein-westfälischem Hochschulrecht, DÖD 1997, S. 241. 62 Baden-Württemberg: Wirtschafts- und Personalverwaltung, § 13 Abs. 1 UG; Bayern: Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten einschließlich Haushalts-, Bau- und Personalange-

Die Stellung des Universitätskanzlers

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3. Beginn, Ende und Kontrolle der Kanzlerfunktion a) Status und Amtsdauer Der Status des Kanzlers als Beamter auf Lebenszeit befindet sich auf dem Rückzug. 6 3 Elf Bundesländer sehen den Status als Beamter auf Zeit vor, wobei Niedersachsen und Sachsen-Anhalt den Lebenszeitbeamten noch als weitere Möglichkeit kennen. Insgesamt ist eine Amtsdauer von acht Jahren vorherrschend. 64 Vereinzelt gibt es auch kürzere Amtszeiten von sechs Jahren 65 oder längere von 10 Jahren 66 . Zumeist sehen die Hochschulgesetze die Möglichkeit der Wiederernennung, bzw. -bestellung vor. 6 7 Das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz enthält darüber hinaus sogar die Verpflichtung des Kanzlers, das A m t aufgrund eines zweiten oder dritten Ernennungsvorschlags der Hochschule weiterzuführen 6 8 In Sachsen und Schleswig-Holstein kann die Amtszeit des Kanzlers auch vorzeitig durch Abberufung beendet werden. 6 9 Auch in Bayern, wo der Kanzler Beamter auf Lebenszeit ist, besteht eine gesetzliche Regelung über die Möglichkeit der Abberufung. 7 0 Die Zuständigkeit hierfür liegt beim Staatsminister. Das erforderliche Benehmen setzt voraus, dass der Hochschulsenat vom Ministerium rechtzeitig informiert wird und Stellung nehmen kann. 7 1 Daneben ist erwähnenswert, dass die Aufgaben des Kanzlers nunmehr teilweise auch i m öffentlich-rechtlichen Angestelltenverhältnis 72 oder sogar i m privatrechtlichen Dienstverhältnis 73 ausgeführt werden können. legenheiten, Art. 24 Abs. 6 BayHSchG; Brandenburg: Grundordnung kann Vertretung in Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten vorsehen, § 66 Abs. 1 BbgHG; Mecklenburg-Vorpommern: § 81 Abs. 1 MVHG; Niedersachsen: § 92 Abs. 1 NHG; Nordrhein-Westfalen: § 19 Abs. 2 HG; Saarland: im Rahmen des Zuständigkeitsbereichs des Kanzlers, § 22 Abs. 2 SaUG; Sachsen-Anhalt: § 82 Abs. 1 SAHG; Schleswig-Holstein: Landesaufgaben, § 46 Abs. 3 SHHG; Thüringen: Personal-, Rechts-, Hochschulplanungs- und Haushaltsangelegenheiten, wobei Kanzler im Benehmen mit dem den Rektor vertretenden Prorektor handelt, § 74 Abs. 5 ThürHG. 63 Vgl. zur umgekehrten Situation im Jahre 1984, Ludwig, WissR 1984, S. 24, 25. 64 Baden-Württemberg: § 17 Abs. 1 UG; Nordrhein-Westfalen: § 44 Abs. 3 HG; Rheinland-Pfalz: § 78 Abs. 3 RPfHG; Saarland: § 22 Abs. 3 SaUG; Sachsen: § 96 Abs. 2 SächsHG; Sachsen-Anhalt: § 82 Abs. 4 SAHG; Thüringen: § 76 Abs. 4 ThürHG. 65 Brandenburg: § 68 Abs. 2 BbgHG; Niedersachsen: §§ 92 Abs. 5 i.V.m. 91 Abs. 2 S. 4 NHG; Schleswig-Holstein: § 49 Abs. 2 SHHG. 66 Berlin: § 58 Abs. 3 BerlHG. 67 Baden-Württemberg: § 17 Abs. 1 UG; Brandenburg: § 68 Abs. 2 BbgHG; Niedersachsen: § 92 Abs. 5 NHG; Nordrhein-Westfalen: § 44 Abs. 3 HG; Rheinland-Pfalz: § 78 Abs. 3 RPfUG; Saarland: § 22 Abs. 3 SaUG; Sachsen: § 96 Abs. 2 SächsHG; Sachsen-Anhalt: § 82 Abs. 4 SaHG; Thüringen: § 76 Abs. 4 ThürHG. 68 Nordrhein-Westfalen: § 44 Abs. 3 HG. 69 Sachsen: § 96 Abs. 6 SächsHG; Schleswig-Holstein: § 50 a Abs. 1 SHHG. 70 Bayern: Art. 44 Abs. 3 BayHSchG. 71 Reich, in: Bayerisches Hochschulgesetz (Kommentar), 4. Aufl. 1999, § 44 Rn 10.

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Johannes Horst und Anne Bußmann b) Vorschlag und Ernennung

Das Auswahlverfahren bis zur Ernennung, bzw. Bestellung des Kanzlers variiert naturgemäß von Hochschulgesetz zu Hochschulgesetz. 74 In den meisten Bundesländern wirken staatliche Stellen - zumindest i m gesetzlichen Regelfall - lediglich am Ende des Verfahrens bei der Ernennung, bzw. Bestellung des von der Hochschule nominierten Kandidaten m i t . 7 5 Für die Erstellung des Kandidatenvorschlags sind Hochschulleitung und /oder Senat zuständig. Hierbei lassen sich vier Formen des Zusammenwirkens unterscheiden: - gemeinsamer Vorschlag von Leitung und Senat, 76 - Vorschlag der Leitung, über den der Senat beschließt, 77 - Vorschlag der L e i t u n g 7 8 und - Vorschlag des Senats. 79 In einigen Bundesländern ist ein mehrere (meist drei) Kandidaten umfassender Vorschlag der Hochschule vorgeschrieben oder möglich. 8 0 In anderen Ländern ist

72 Brandenburg: sechs Jahre, § 68 Abs. 2 BbgHG; Sachsen-Anhalt: acht Jahre, § 82 Abs. 4 SAHG; Berlin: öffentlich-rechtlicher Vertrag über öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis, fünf Jahre, § 58 Abs. 4 BerlHG. 73 Sachsen: acht Jahre, § 96 Abs. 2 SächsHG. 74 Horst, Das Vorschlagsrecht der Hochschule für die Bestellung des Kanzlers, NWVB1. 1996, S. 201; ders.: Personenbezogene Vorschlagsrechte im Hochschulbereich (1995). 75 Zur Frage der ВindungsWirkung des Vorschlags der Hochschule für die Ernennungsentscheidung des Ministeriums: Horst, а. а. O., S. 78 ff.; Reich, in: Bayerisches Hochschulgesetz (Kommentar), 4. Aufl. 1999, § 44 Rn 7. 76 Hessen: Vorschlag des Präsidenten im Benehmen mit dem Senat, § 47 Abs. 2 HHG; Rheinland-Pfalz: Kanzler wird im Benehmen mit dem Senat und dem Präsidenten bestellt, § 78 Abs. 2 RPfUG; Saarland: Vorschlag der Universitätsleitung im Einvernehmen mit dem Senat, § 22 Abs. 3 SaUG. 77 Bayern: Art. 44 Abs. 3 BayHSchG, Reich, weist jedoch darauf hin, dass dies nur der Regelfall der Kandidatur sei und der Senat an die Vorschläge der Leitung nicht gebunden sei, Bayerisches Hochschulgesetz (Kommentar), 4. Aufl. 1999, § 44 Rn 8; Mecklenburg-Vorpommern: §§85 Abs. 3 i.V.m. 83 Abs. 1 MVHG; Niedersachsen: § 92 Abs. 6 NHG (falls keine Mehrheit im Senat, beschließt dieser aufgrund eines eigenen Vorschlags). 78 Brandenburg: Präsident bestellt den Kanzler, § 68 Abs. 2 BbgHG; Sachsen: Vorschlag des Rektorats mit anschließender Anhörung des Senats und des Kuratoriums, §§96 Abs. 1, 93 SächsHG. 79 Bremen: § 80 Abs. 2, 85 Abs. 3 BremHG; Hamburg: § 83 Abs. 3 HmbHG; Niedersachsen: nachdem Senat einen ersten Vorschlag der Leitung abgelehnt hat, § 92 Abs. 6 NHG; Nordrhein-Westfalen: § 22 Abs. 1 HG; Sachsen-Anhalt: § 82 Abs. 2 SAHG; Thüringen: § 76 Abs. 3 ThürHG. 80 Bayern: Art. 44 Abs. 3 BayHSchG, vgl. auch Reich, Bayerisches Hochschulgesetz (Kommentar), 4. Aufl. 1999, § 44 Rn 8; Bremen: § 85 Abs. 3 BremHG; Hessen: Ministerium kann Dreiervorschlag verlangen, § 47 Abs. 2 HHG; Niedersachsen: Ministerium kann Dreiervorschlag verlangen, 92 Abs. 4 NHG.

Die Stellung des Universitätskanzlers

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die staatliche Ebene bereits in früheren Phasen des ВewerbungsVerfahrens beteiligt: Beispielsweise ist in Berlin das Kuratorium als Gremium, dem vorwiegend Mitglieder des Berliner Senats, Abgeordnetenhauses, Gewerkschaften etc. angehören, für die Erstellung des Vorschlags zuständig. 81 In Baden-Württemberg 82 bildet der Vorsitzende des Hochschulrats - als Gremium aus überwiegend Hochschulexternen - zur Vorbereitung der Ernennung einen Auswahlausschuss, dem Mitglieder des Hochschulrats und des Senats angehören. Nach öffentlicher Ausschreibung der Stelle erarbeitet der Ausschuss i m Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium einen Ernennungsvorschlag, der in der Regel drei geeignete Bewerber enthält und legt diesen dem Senat vor. Dieser bestimmt aus dem Ernennungsvorschlag den Bewerber, der dem Ministerpräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen werden soll. Kommt ein gemeinsamer Vorschlag nicht zustande, so entscheidet die Landesregierung nach Anhörung des Vorsitzenden des Auswahlausschusses. In SchleswigHolstein erstellt der Senat i m Einvernehmen mit dem Ministerium einen Dreiervorschlag, § 49 Abs. 2 SHHG. Das Konsistorium - das nach § 38 Abs. 1 SHHG aus Hochschulmitgliedern besteht - wählt die Mitglieder des Rektorats, § 45 Abs. 2 SHHG. Kommt innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Bewerbungsfrist ein Vorschlag nicht zustande, macht das Ministerium dem Konsistorium unverzüglich den Vorschlag. Ist hiernach innerhalb von weiteren zwei Monaten kein Kanzler gewählt, so bestellt das Ministerium vorübergehend bis zur Wahl einen Kanzler, § 49 Abs. 5 SHHG.

c) Kontrolle (Dienstvorgesetzter

und Weisungsrechte)

(aa) Dienstvorgesetzter des Kanzlers ist entweder das Ministerium, bzw. der zuständige Minister 8 3 oder der Vorsitzende des Leitungsgremiums. 84 Dabei kann die letztgenannte Konstellation eine empfindliche Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Kanzlers innerhalb der Hochschulleitung bedeuten. 85 Dies wird deutlich am Beispiel Nordrhein-Westfalens, wo bei Präsidialverfasssung die Zuerkennung der Dienstvorgesetzteneigenschaft über das gesamte Hochschulpersonal, mithin 8· Berlin: §§ 58 Abs. 1, 64 Abs. 1 BerlHG. 82 Baden-Württemberg: §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 UG. 83 Baden-Württemberg: Wissenschaftsminister, § 121 UG; Hamburg: Präses der zuständigen Behörde, § 7 Abs. 2 HmbHG; Mecklenburg-Vorpommern: Kultusministerin, § 32 MVHG; Niedersachsen: Ministerium, § 93 Abs. 1 NHG; Nordrhein-Westfalen (Rektorat): Ministerium, § 64 HG; Rheinland-Pfalz: Ministerium, § 41 RPfUG; Saarland: Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft, § 8 Abs. 1 SaUG; Sachsen: Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, § 58 Abs. 2 SächsHG; Sachsen-Anhalt: Minister, § 114 SAHG. 84 Bayern: Vorsitzender des Leitungsgremiums, Art. 24 Abs. 3 BayHSchG; Brandenburg: Präsident, § 32 Abs. 2 BbgHG; Bremen: Rektor, § 15 Abs. 4 BremHG; Nordrhein-Westfalen (Präsidium): § 21 Abs. 2 HG; Saarland, falls dem Präsidenten die Befugnisse vom Minister übertragen wurden, § 8 Abs. 1 SaUG; Thüringen: Rektor, § 57 Abs. 2 ThürHG. 85 Vgl. zur Situation in Bayern; Leuze, in: Leuze / Bender, WissHG NRW, § 47 Rn 4.

304

Johannes Horst und Anne Bußmann

auch den Kanzler, vom Gesetzgeber bewusst zur Stärkung des Präsidenten genutzt wird.86 (bb) Einige Hochschulgesetze enthalten Bestimmungen, wonach der Kanzler in Haushaltsangelegenheiten und als Dienstvorgesetzter an Weisungen der Hochschulleitung nicht gebunden ist. 8 7 Dies bedeutet i m Umkehrschluss, dass er in diesen Ländern i m Übrigen weisungsgebunden ist. 8 8

d) Vertretung

des Kanzlers

Einige Hochschulgesetze treffen besondere Bestimmungen über die Vertretung des Kanzlers. 8 9 Oft dienen solche Vertretungsregeln vor allem dazu, die Anwesenheit eines Volljuristen in der Hochschulverwaltung zu sichern, falls der Kanzler nicht über diese Qualifikation verfügt. 9 0 Unter Umständen kann sich die Anwesenheit eines Vertreters, der als Volljurist fachlich besser qualifiziert ist als der Kanzler selbst, schwächend auf dessen Position auswirken. Aufschlussreich ist auch ein Blick auf das Verfahren für die Bestellung des Vertreters: Teilweise ist dieses weitestgehend parallel zu dem der Ernennung des Kanzlers selbst ausgestaltet, 91 teilweise beinhaltet es jedoch auch ein stärkeres Mitbestimmungsrecht des Ministeriums, was i m Widerspruch zu den Regeln über die Bestellung des Kanzlers steht. 92 86 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen, LT-Drs. 12/4243 vom 23. August 1999, zu § 21 HG. 87 Bayern: Art. 44 Abs. 1 BayHSchG; Mecklenburg-Vorpommern: § 85 Abs. 1 MVHG; Saarland: ausdrückliche Weisungsfreiheit bzgl. Haushaltsangelegenheiten, § 22 Abs. 2 SaUG. 88 So auch für Bayern, Reich , in: Bayerisches Hochschulgesetz (Kommentar), 4. Aufl. 1999, §44 Rn 4 a.E. 89 Baden-Württemberg: § 17 Abs. 4 UG; Bayern, Art. 44 Abs. 4 BayHSchG; Mecklenburg-Vorpommern: § 85 Abs. 4 MVHG; Rheinland-Pfalz: § 78 Abs. 4 RPfUG; Saarland: § 22 Abs. 5 UG; Schleswig-Holstein: § 46 Abs. 3 SHHG.

90 Zu den Qualifikationsanforderungen an den Kanzler im Einzelnen, s.u. Abschnitt 4; Baden· Württemberg: entweder Kanzler oder sein Vertreter muss Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst haben, § 17 Abs. 4 UG; Bayern: Vertreter muss in der Regel die Befähigung zum Richteramt haben, Art. 44 Abs. 4 BayHSchG; beim Kanzler ist hingegen eine abgeschlossene Hochschulausbildung mit Berufserfahrung ausreichend, Art. 44 Abs. 3BayHSchG; Mecklenburg-Vorpommern: Kanzler oder sein Vertreter muss die Befähigung zum Richteramt haben, § 85 Abs. 4 MVHG; Saarland: Kanzler oder sein Vertreter muss die Befähigung zum Richteramt haben, § 22 Abs. 5 SaUG. 9· Baden-Württemberg: Vertreter wird im Benehmen mit dem Senat und dem Hochschulrat vom Wissenschaftsministerium bestellt, § 17 Abs. 4 UG; Bayern: Hochschule bestellt ständigen Vertreter des Kanzlers, ansonsten gleiches Verfahren wie bei Ernennung des Kanzlers, Art. 44 Abs. 4 BayHSchG; Mecklenburg-Vorpommern: gleiches Verfahren wie bei Ernennung des Kanzlers, § 85 Abs. 4 MVHG. 92 Rheinland-Pfalz: Die Vertretung bestimmt das fachlich zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem Präsidenten, § 78 Abs. 4 RPfUG; Schleswig-Holstein: grundsätzlich soll der Kanzler durch den Rektor vertreten werden, das Ministerium kann für den Bereich der

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I m Saarland wiederum ist die Universitätsleitung allein für die Bestellung des Kanzlervertreters zuständig. 93

4. Qualifikation Wer kann überhaupt Kanzler werden? Die Anforderungen haben sich innerhalb der letzten Jahre gewandelt, wobei vor allem eine stärkere Berücksichtigung von Berufserfahrung zu verzeichnen ist. So verlangen die meisten Länder nunmehr neben einer bestimmten Vorbildung zusätzlich einschlägige Berufserfahrung. 94 Sachsen und Sachsen-Anhalt begnügen sich sogar insgesamt mit einer „ i n Wissenschaft oder Wirtschaft und Verwaltung erfahrenen Persönlichkeit, die mit dem Hochschulwesen vertraut ist" ohne weitere Vorbildungsnachweise zu verlangen 9 5 Wer die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzt, erfüllt nach wie vor in den meisten Bundesländern das Anforderungsprofil 9 6 Neuerdings sind jedoch auch ein wirtschaftswissenschaftlicher Hochschulabschluss 97 oder eine abgeschlossene Hochschulausbildung gleich welcher Fachrichtung 9 8 ausreichende Qualifikationen.

IV. Bewertung und Ausblick Wie eingangs bereits dargelegt, steht der Kanzler für Kontinuität, Sachverstand und Unabhängigkeit in der Hochschulleitung. 9 9 Darüber, ob diese Merkmale unbedingt durch einen leitenden Verwaltungsbeamten nach Art des herkömmlichen Kanzlers in die Hochschulleitung eingebracht werden müssen, kann man mit SiLandesaufgaben nach Anhörung des Senats einen ständigen Vertreter bestellen, § 46 Abs. 3 SHHG. 93 Saarland: § 22 Abs. 5 SaUG. 94 Baden-Württemberg: § 17 Abs. 1 UG; Bayern: § 44 Abs. 3 BayHSchG; Brandenburg: § 68 Abs. 3 BbgHG; Hessen: § 47 Abs. 2 HHG; Rheinland-Pfalz: § 78 Abs. 2 RPfUG; Saarland: § 22 Abs. 4 SaUG; Schleswig-Holstein: § 49 Abs. 3 SHHG; Thüringen: § 76 Abs. 3 ThürHG. 95 Sachsen: § 96 Abs. 1 SächsHG; Sachsen-Anhalt: § 82 Abs. 2 SAHG. 96 Baden-Württemberg: § 17 Abs. 1 UG; Brandenburg: auch eine dem höheren Verwaltungsdienst gleichwertige Qualifikation ist ausreichend, § 68 Abs. 3 BbgHG; Hamburg: nur Befähigung zum Richteramt möglich, § 83 Abs. 3 HmbHG; Mecklenburg-Vorpommern: § 85 Abs. 3 MVHG; Nordrhein-Westfalen: auch eine andere geeignete Laufbahn des höheren Dienstes ist ausreichend, § 44 Abs. 3 HG; Rheinland-Pfalz: § 78 Abs. 2 RPfUG; Thüringen: § 76 Abs. 3 ThürHG. 97 Baden-Württemberg: § 17 Abs. 1 UG. 98 Bayern: Art. 44 Abs. 3 BayHSchG; Hessen: § 47 Abs. 2 HHG; Rheinland-Pfalz: § 78 Abs. 2 RPfUG; Saarland: § 22 Abs. 4 SaUG; Schleswig-Holstein: § 49 Abs. 3 SHHG. 99 s. o. Teil II.

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Johannes Horst und Anne Bußmann

cherheit diskutieren. 1 0 0 Fest steht aber, dass diese Elemente in irgendeiner Form auch in modernisierten Leitungsorganisationen vorhanden sein müssen. Dies gilt umso mehr, desto größer die Selbständigkeit der Hochschulen wird. I m Ergebnis ist festzustellen, dass die aktuell geltenden Hochschulgesetze i m Großen und Ganzen an dem „Kanzler" als solchem festhalten. Für die Zukunft weisen der niedersächsische Gesetzentwurf und das neue Leitungsmodell der H U Berlin hingegen die Tendenz auf, das A m t des Universitätskanzlers auf einen Vizepräsidenten zu übertragen. 101 Der den Ländern durch die vierte HRG-Reform eröffnete Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Hochschulverwaltung und -organisation hat also bisher (noch) nicht zur völligen Abschaffung des leitenden Verwaltungsbeamten gefühlt. Gleichwohl sind „Rückzugstendenzen" zu beobachten und Modifizierungen von Status, Amtszeit und Qualifikation des Kanzlers zu verzeichnen: Aus dem Lebenszeitbeamten ist vielfach ein Beamter auf Zeit - z.T. sogar nur Angestellter oder i m privatrechtlichen Dienstverhältnis Beschäftigter - mit einer durchschnittlichen Amtszeit von sechs bis acht Jahren geworden. Als Qualifikationsanforderungen sind die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst nicht mehr unabdingbare Einstellungsvoraussetzung; mitunter sind eine abgeschlossene Hochschulausbildung verbunden mit einschlägiger Berufserfahrung oder die „ i m Hochschulwesen erfahrene Persönlichkeit" ausreichende Qualifikationsmerkmale. In Anbetracht dieser Wandlungen wird man vielleicht einerseits die Auffassung vertreten können, dass der Status als Beamter auf Zeit mit der Möglichkeit der Wiederernennung auch positive Aspekte gegenüber dem Lebenszeitbeamten aufzuweisen vermag. 1 0 2 Andererseits gefährdet eine kurze Amtszeit des Kanzlers aber doch grundsätzlich Kontinuität und Unabhängigkeit innerhalb der Hochschulleitung. Eine Amtsdauer von acht Jahren stellt daher die äußerste Untergrenze dar und sollte nicht unterschritten werden. Auch sollte das Beamtenverhältnis als solches beim Kanzler keinesfalls aufgegeben werden, um die notwendige „Amtsautorität" sowie die mit der Verbeamtung verbundene Loyalität und Unabhängigkeit weiterhin zu sichern. Anders lautende gesetzgeberische Tendenzen in Berlin, Bran-

100

So hat man an der HU Berlin unter Anwendung der Erprobungsklausel des BerlHG seit anderthalb Jahren ein neues Leitungsmodell eingeführt, bei dem ein Vizekanzler die Funktionen des Kanzlers wahrnimmt, und dabei offenbar positive Erfahrungen gemacht. Andererseits ist die Aussagekraft dieses Modellversuchs fraglich, da die Aufgaben des neuen Vizepräsidenten für Haushalt, Personal und Technik von dem früheren Kanzler der HU ausgeübt wurden, so dass sich nach Auffassung des Bundessprechers der deutschen Universitätskanzler, Thomas A.H. Schock"im Prinzip nichts geändert hat", vgl. Budde, DUZ 6/2002, S. 15. 101 Vgl. § 33 Abs. 4 des Gesetzentwurfs der Landesregierung: „Die Aufgaben Verwaltung und Finanzen sind im Präsidium hauptamtlich wahrzunehmen" und die Gesetzesbegründung zu § 33 des Gesetzentwurfs der Landesregierung, www.nhg.niedersachsen.de; zur Situation an der HU Berlin vgl. vorige Fn. 102 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen, LT-Drs. 12/4243 vom 23. August 1999, zu § 44 HG.

Die Stellung des Universitätskanzlers

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denburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind insofern ausgesprochen bedenklich. Die Lockerung der Qualifikationsanforderungen, durch die der bisherige, formelle Nachweis von rechts- und verwaltungsmäßigen Sachverstand (entsprechende Vorbildung) durch einschlägige Berufserfahrung substituiert werden kann, birgt Gefahren in sich. Dieses Manko kann auch nicht durch einschlägige Kenntnisse beim Vertreter des Kanzlers aufgefangen werden. Vielmehr ist u.U. eine derartige fachliche Überlegenheit des Vertreters geeignet, die Position des Kanzlers selbst zu schwächen. Die jüngste Reform des nordrhein-westfälischen Hochschulgesetzes zeigt, dass die Beibehaltung der bewährten Figur des Universitätskanzlers in keiner Weise i m Widerspruch stehen muss zur vielfach geforderten Entstaatlichung der Hochschulen und Profilierung der Leitungsstrukturen. 103 Leitungsmodelle, bei denen der Kanzler vollwertiges Mitglied eines starken Rektorats an einer weitgehend autonomen Hochschule ist, beinhalten die optimale Verbindung aller entscheidenden Gesichtspunkte. Hingegen erweist sich vor diesem Hintergrund die von Horstkotte 1 0 4 auf den Kanzler bezogene Forderung: „ A b ins Museum!" als journalistischer Missgriff und wenig fruchtbringend. Es ist notwendig insoweit die niedersächsischen Reformpläne besonders in den Blick zu nehmen, die den Kanzler als solchen nicht mehr vorsehen. Bei einer Präsidialverfassung begegnet die anvisierte Integration der Kanzlerfunktionen in das A m t eines hauptamtlichen Vizepräsidenten ohne Verlust an Befugnissen an sich noch keinen Bedenken. 1 0 5 I m Hinblick auf die hier geforderte „Kontinuität" ist es aber ausgesprochen problematisch, wenn die Amtszeiten aller Präsidiumsmitglieder parallel beginnen und enden und zudem - i m gesetzlichen Regelfall - nur sechs Jahre betragen. Die zudem vorgesehene Möglichkeit, die Präsidiumsmitglieder i m Angestelltenverhältnis zu beschäftigen, birgt keine Vorteile gegenüber dem Beamtenstatus auf Zeit, sondern schwächt eher das Ansehen dieser F u n k t i o n . 1 0 6 Die für das Verwaltungs- Präsidiumsmitglied vorgesehenen Qualifikationsmerkmale müssen zudem als vollkommen unzureichend eingestuft werden. Insoweit wird lediglich eine abgeschlossene Hochschulausbildung ohne jedwede Berufserfahrung (!) vorausgesetzt. 107 Es fragt sich, wie das Präsidium ohne einen Juristen oder zumindest höheren Verwaltungsbeamten die ihm übertragene Aufgabe der Rechtsaufsicht über die Organe der Hochschule und der Studentenschaft ausüben 103 S.o. Teil III. l.b. 104 Horstkotte, Ab ins Museum! Kanzler/Die autonome Universität verlangt die staatsfeme Führungskraft, Rheinischer Merkur, 3.3. 2000. 105 Vgl. § 33 Ab s > 4 des Gesetzentwurfs der Landesregierung: „Die Aufgaben Verwaltung und Finanzen sind im Präsidium hauptamtlich wahrzunehmen" und die Gesetzesbegründung zu § 33, www.nhg.niedersachsen.de. 106

§ 34 Abs. 3 (i.V.m. § 35 ) des Gesetzentwurfs der Landesregierung, www.nhg.niedersachsen.de. 107 Vgl. § 34 Abs. 2 S. 6 (i.V.m. § 35 S. 1) des Gesetzentwurfs der Landesregierung, www.nhg.niedersachsen.de.

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s o l l . 1 0 8 Kontinuität, Sachverstand und Unabhängigkeit, an die Person des Kanzlers geknüpft, sollten unbedingt weiterhin ihren Platz in der Hochschulleitung haben. Der Gesetzentwurf kann insofern wohl kaum als Glücksgriff angesehen werden.

108 V g l . § 3 3 A b s . 3 des G e s e t z e n t w u r f s d e r L a n d e s r e g i e r u n g , w w w . n h g . n i e d e r s a c h s e n . d e .

Humanitäre Hilfe in bewaffneten Konflikten der Gegenwart Knut Ipsen

Als der Jubilar und ich vor mehr als zwanzig Jahren erstmals zusammentrafen, ging es auf einer Tagung praktischer und theoretischer Hochschulexperten unter anderem um das Verhältnis zwischen Rektor und Kanzler. Der - durchaus berechtigten - Forderung des Jubilars, die Universität dürfe ihren Kanzler nicht in die Rolle des überdimensionalen Tintenbuben abdrängen, hielt ich damals entgegen, die Universitätsverwaltung dürfe ebenso wenig den Rektor auf die Funktion des Kettenschleppers bei akademischen Festakten reduzieren. Abgesehen von dieser Kontroverse stellten die Tagungsteilnehmer einen erstaunlichen Übereinstimmungsgrad in den Darlegungen und Bewertungen des damaligen Kanzlers Leuze und des seinerzeitigen Rektors Ipsen fest. Dieser Konsens hat sich über Jahrzehnte in vielen Begegnungen auf vielen Feldern gemeinsamer Interessen immer wieder gezeigt. Deshalb ist es mir ein besonderes Anliegen, dem Fakultätskollegen und Freund einen Beitrag zu widmen, der das widerspiegelt, was für unser Zusammenwirken über Jahre hinaus immer wieder bestimmend war: Die Abgleichung der eigenen praktischen Erfahrung mit der Wissenschaft. Hierfür sei ein Gebiet gewählt, das zu beurteilen ebenso wie der Werdegang des Jubilars den Ansatz über das breite Feld praktischer Erfahrung verlangt. Dass die Fülle der bewaffneten Konflikte der Gegenwart immer wieder humanitäre Hilfe für die Opfer verlangt, wird uns anders als in früheren Zeiten täglich über die Medien vermittelt. Welche neuartigen Schwierigkeiten mit dieser großen Aufgabe verbunden sind, erschließt sich allerdings nur einer Untersuchung, die Grundstrukturen bewaffneter Konflikte mit ihren neuartigen Erscheinungsformen zu verbinden weiß. Jeder bewaffnete Konflikt hat zwei oder mehrere Beteiligte, die für sich wiederum höchst unterschiedlich strukturiert sind - von der Kleingruppe bis hin zum Staat oder zur Staatenkoalition. Für die humanitäre Hilfe i m Konflikt stellt sich somit zuallererst die Frage, wie sich die Konfliktbeteiligten zu dem Gebot humanitärer Hilfe oder zu ihrer Wahrnehmung durch Dritte verhalten. Insbesondere geht es hierbei um die Bereitschaft der Beteiligten, von vornherein festgelegte Verhaltensmuster zu akzeptieren. Von dieser Grundfrage ausgehend, seien den weiteren Erörterungen drei Thesen vorangestellt, die den Gesamtbefund humanitärer Hilfe in bewaffneten Konflikten der Gegenwart kennzeichnen:

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1. Die mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikte der Gegenwart sind weitaus überwiegend nicht mehr diejenigen, auf die unser geltendes Volkerrecht abgestellt ist. Das hat unkorrigierbare Defizite der Rechtsanwendung und -beachtung zur Folge. 2. Humanitäre Einsätze gewinnen angesichts der Eigenart moderner bewaffneter Konflikte durchweg eine bisher nicht gekannte Verbindung von Streitkräfteeinsatz und humanitärer Hilfeleistung für die konfliktbetroffenen Opfer. Zum Teil geht diese Verbindung so weit, dass i m öffentlichen Sprachgebrauch der Streitkräfteeinsatz als humanitärer Einsatz bezeichnet wird. 3. Das heutige Konfliktbild stellt der Staatenwelt Probleme, für die es zum Teil vorerst nur Lösungsansätze gibt. Damit sind humanitäre Einsätze in gleicher Weise problematisch geworden.

I. Die Eigenart der gegenwärtig mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikte Einige Zahlen mögen als Indizien für die Eigenart des gegenwärtigen Konfliktbilds dienen: Von 1990- 1995 beispielsweise wurden auf den Hoheitsgebieten von gut einem Drittel der Staaten dieser Welt Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen. So wurde auf den Territorien von 70 der gegenwärtig 194 existenten Staaten dieser Welt in sehr unterschiedlichen Dimensionen mit Waffengewalt gekämpft. Insgesamt handelte es sich in diesem Zeitraum um 93 einzelne bewaffnete Konflikte. In diesen Konflikten haben rund 5,5 Millionen Menschen den Tod gefunden, davon etwa 1 M i l l i o n Kinder. 75% dieser 5,5 Millionen Toten waren Zivilpersonen. Von diesen 93 innerhalb von 5 Jahren zu verzeichnenden Konflikten waren nur noch 18 Konflikte solche, in denen beide Konfliktparteien Staaten i m Sinne des Volkerrechts darstellten. 75 Konflikte und damit die weitaus größte Menge stellten nichtinternationale bewaffnete Konflikte dar, für welche das geltende Völkerrecht nur einen bescheidenen Bestand von Regeln bereithält, oder aber es handelte sich um interne bewaffnete Konflikte, die in noch geringerem Maße vom Völkerrecht erfasst werden. Die insgesamt 93 Konflikte hatten weltweit Fluchtbewegungen ausgelöst, die mit 50 Millionen Flüchtlingen die Einwohnerzahl eines europäischen Staates mittlerer Größe wie beispielsweise Polens bereits übersteigt. Was die aktiven „Kombattanten" anbetrifft - dieser Begriff sei hier nicht i m völkerrechtlichen Sinne gebraucht - so umfassen die weltweit verfügbaren, in den verschiedensten Organisationsformen vorhandenen bewaffneten Kräfte rund 23 Millionen, davon (im Wesentlichen auf dem afrikanischen Kontinent) rund 200.000 „Kindersoldaten", d. h. Jugendliche i m Alter bis zu 15 Jahren. Die Vereinten Nationen haben beispielsweise seit 1995 zur Friedenssicherung mehr Operationen mit Streitkräfteeinsatz durchgeführt als in den gesamten 45 Jahren zuvor.

Humanitäre Hilfe in bewaffneten Konflikten

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Dies ist der mit nüchternem Zahlenwerk wiederzugebende Befund. Diese Sachlage sei i m weiteren hinsichtlich ihrer Ursachen und Auswirkungen in fünf Punkten gekennzeichnet: 1. Die Hauptursache dieser tatsächlichen Situation liegt in der weltweiten Relativierung der Ordnungsfunktion des Staates. Carl Jaspers hat in seinem geschichtsphilosophischem Werk „Vom Ursprung und Ziel der Geschichte" nachzuweisen versucht, dass die Geschichte der Menschheit in großen, sich zum Teil überschneidenden Wellenbewegungen verlaufe. Diese Entwicklung in Wellenbewegungen brächte es mit sich, dass bestimmte Institutionen - wie beispielsweise das mittelalterliche Königtum i m europäischen Bereich - aufgrund einer jahrhundertelangen Entwicklung zu einem Höhepunkt gelangen, um sodann, häufig in einem vergleichbaren Zeitraum, wieder zu zerfallen. Möglicherweise ist es in der Tat so, dass wir in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts den Höhepunkt des Staates als Ordnungsverbund menschlichen Lebens zu verzeichnen gehabt haben und dass wir schon in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine abwärtsführende Entwicklung gegenüber diesem Höhepunkt zu verzeichnen hatten. Dies gilt übrigens selbst für so hoch entwickelte Staaten wie die mitteleuropäischen, zu denen wir gehören. Auch wir werden immer wieder Zeugen von Vorgängen, die uns sehr nachhaltig vor Augen führen, dass der Staat nicht mehr das leisten kann, was von ihm in seiner Gestaltungs- und Ordnungsfunktion erwartet wird. Nehmen wir in diesem Zusammenhang als Beispiele die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, nehmen wir die Erhaltung des sozialen Friedens, oder nehmen wir die gerade uns gegenwärtig betreffende Notwendigkeit, durch ein gerechtes System der Besteuerung die Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an den Kosten des Gemeinwesens zu beteiligen, eine Notwendigkeit, der nach Meinungsumfragen dieser Staat nach dem Urteil der ganz überwiegenden Mehrheit seiner Bürger nicht mehr gerecht zu werden vermag. Schauen wir auf die Entwicklungsländer, die in der Masse ihre Unabhängigkeit erst während der vier vergangenen Jahrzehnte erhalten haben. Dort, wo auf ihren Territorien bewaffnete Konflikte ausgetragen werden, zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass sie die Gestaltungs- und Ordnungsfunktion des Staates entweder gar nicht haben entwickeln können oder aber in der Zwischenzeit verbraucht haben. Gerade dort, wo nicht-internationale bewaffnete Konflikte oder interne bewaffnete Konflikte ausgetragen werden, haben wir es nicht mehr mit stabilen, auf die Zukunft ausgerichteten und mit Hoffnung erfüllten Staaten zu tun. Wir treffen vielmehr auf zerbröckelnde Staatsstrukturen. Dieser Vorgang führt zwangsläufig zur Entstehung eines Vakuums, das ebenso zwangsläufig durch andere Kräfte ausgefüllt wird. 2. Es wäre verfehlt zu meinen, dass sich die neuen bewaffneten Konflikte primär aus einer Renaissance ethnischer, religiös-fundamentalistischer oder schlicht krimineller Konfliktpotentiale ergeben. Diese Potentiale waren latent natürlich immer vorhanden. Dies gilt insbesondere für die ethnischen und die religiös-fundamenta21 FS Leuze

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listischen Konfliktpotentiale. Diese Potentiale gelangen indessen jetzt verstärkt zur Wirkung, weil sie in das Vakuum eindringen, das die Auflösung staatlicher Ordnungsfunktionen allenthalben hat entstehen lassen. Hinzutritt noch ein subjektiver Befund: Je mehr nämlich die Erwartungen, die Menschen an eine Institution stellen, enttäuscht werden, desto schneller zerfällt die betreffende Institution. Den Beweis für eine derartig zwangsläufige Entwicklung hat die Geschichte in der Tat immer wieder erbracht, übrigens erst vor einem Dutzend Jahren mit dem Zusammenbruch des sozialistischen Staatensystems. 3. Die bewaffneten Konflikte, die aufgrund jenes Vakuums staatlicher Ordnungsfunktionen entstanden sind, weisen - wie wir immer wieder erkennen können - eine punktuell gesteigerte Intensität gegenüber früheren Konflikten auf. Die typischen bewaffneten zwischenstaatlichen Konflikte des 18., des 19. und auch noch der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren „Kriege", die ganz i m Sinne der Grundkonzeption des Carl von Clausewitz geführt worden sind. Nach dieser Grundkonzeption, später übrigens explizit von Lenin übernommen, war Krieg die Fortführung der Politik mit anderen, nämlich gewaltsamen Mitteln. Mithin beinhaltete das Kriegsziel stets die Korrektur oder Brechung des politischen Widerstandes des Gegners. War dieser Widerstand gebrochen, dann hatte der Krieg seinen Zweck erfüllt. Andere Erscheinungen waren eher die Ausnahme, und der unselige „Weltanschauungskampf 4 Hitlers gegen die Sowjetunion war das schlimmste Beispiel dieser Ausnahmen i m vergangenen Jahrhundert. In den weitaus meisten der gegenwärtig geführten bewaffneten Konflikte aber ist das Konfliktziel nicht mehr die Brechung des Widerstandes des Gegners und somit die Brechung seines politischen Willens. Vielmehr haben die heutigen bewaffneten Konflikte überwiegend eine absolute Zielsetzung. Konfliktziel ist die physische Auslöschung des Gegners. Der Balkankonflikt hat uns dies in ebenso schrecklicher Deutlichkeit wie der Ruandakonflikt vor Augen geführt. 4. In den neuzeitlichen nicht-internationalen oder internen Konflikten haben wir häufig eine langwährende Konfliktdauer auf gleichzeitigem niedrigen Erschöpfungsniveau der Kräfte zu verzeichnen. Was bedeutet dies? Es sei anhand dreier Beispiele verdeutlicht. So dauert der Nah-Ost-Konflikt nunmehr über mehr als fünf Jahrzehnte. Er verlief zeitweise auf durchaus niedrigem Erschöpfungsniveau, d. h. bewaffnete Kräfte wurden nicht massiv und in militärischen Operationen eingesetzt, sie wurden vielmehr punktuell und dosiert verwendet - natürlich mit langfristig verheerenden Wirkungen. Das zweite Beispiel ist die bis zum Inkrafttreten des Dayton-Vertrags gegebene Sarajewo-Situation, in der man über vier Jahre hinweg eine Belagerungssituation zu verzeichnen hatte, wie sie in klassischen bewaffneten Konflikten gar nicht bekannt war. Eine in einem Bergkessel gelegene Stadt wurde von den umliegenden Höhenzügen immer wieder mit begrenzter Waffengewalt angegriffen, vorwiegend mit Infanteriewaffen. Strategisch war das Ziel ganz offensichtlich die langfristig erreichbare psychische Zerrüttung der Belagerten durch allmähliche Erschöpfung ihrer Kräfte. Wer diese Situation selbst hat

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erleben können, der weiß um ihre verheerende Wirkung. Zuletzt hat der 11. September 2001 mit dem Terrorangriff auf das World Trade Center in New York die Möglichkeiten der psychischen und physischen Massivschädigung durch einen verdeckt agierenden Feind deutlich gemacht. 5. Schließlich ist die für die langfristige Einschätzung bewaffneter Konflikte Folgendes entscheidend: Recht - befreit von seinem stets vorhandenen geistigideologischen Urgrund oder Untergrund - stellt nichts anderes dar als Verhaltensmuster für Menschen. Das i m bewaffneten Konflikt anzuwendende Völkerrecht, das humanitäre Völkerrecht, weist in Bezug auf seine Eignung, einen Beitrag zur Bewältigung moderner bewaffneter Konflikte zu leisten, in dreifacher Hinsicht erhebliche Defizite auf: a) Zum einen ist für jede Rechtsordnung ganz entscheidend, an welche Beteiligten, an welche Rechtssubjekte, Verhaltensgebote gerichtet sind. Das humanitäre Völkerrecht ist bislang von Beteiligten und damit Verhaltensverpflichteten ausgegangen, wie wir sie in modernen bewaffneten Konflikten gerade nicht mehr finden. Das humanitäre Völkerrecht geht i m Regelfall davon aus, dass sich in einem bewaffneten Konflikt mindestens zwei Parteien, zwei Völkerrechtssubjekte, gegenüberstehen, bei denen es sich um Staaten handelt. Heute haben wir dagegen Konfliktsituationen, in denen bisweilen allenfalls noch die eine der beiden Konfliktparteien eine staatliche Konfliktpartei ist, in denen häufig aber gar keine Konfliktparteien vorhanden sind, die als staatliche Organisation erfasst oder überhaupt erfassbar sind. Solche Konflikte gehen eben damit einher, dass der Staat zerbröckelt ist und Waffengewalt i m Rahmen diffuser Selbstorganisation der Bevölkerung angewendet wird. Das geltende humanitäre Völkerrecht ist auf solche Konflikte nicht abgestellt. Es gibt einfach nicht mehr die Verbandseinheit, an die rechtliche Verhaltensmuster mit Verbindlichkeit gerichtet werden können. b) Das zweite Defizit wiegt noch schwerer. In einem bewaffneten Konflikt zwischen zwei Staaten hat bisher stets ein Moment auf die Einhaltung des Völkerrechts hingewirkt, das wir in modernen Konflikten häufig nicht mehr finden, nämlich die so genannte Gegenseitigkeitserwartung. Wir als Rechtsgenossen einer hoch entwickelten staatlichen Rechtsordnung sind uns der Gegenseitigkeitserwartung als wirksamstes Element der Rechtsbeachtung gar nicht mehr bewusst - vielleicht noch dann, wenn wir mit unserem Kraftfahrzeug die rechte Straßenseite einhalten, nämlich in der Gegenseitigkeitserwartung, dass der entgegenkommende Kraftfahrer dasselbe tut und deshalb mit uns nicht kollidiert. I m Bereich des humanitären Völkerrechts war die Gegenseitigkeitserwartung, wie in umfangreichen Untersuchungen nachgewiesen, über mehr als ein Jahrhundert hinweg eine entscheidende Garantie für seine Einhaltung. Man hielt sich an rechtliche Verhaltensgebote, weil man erwartete, auch der Gegner würde diese Verhaltensgebote beachten. Die historische Entwicklung des Kombattanten- und Kriegsgefangenenrechts ist in typischer Weise von diesem Befund geprägt. Genau dies ist in den modernen bewaffneten Konflikten nicht mehr oder aber in sehr viel geringerem Maße gege21*

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ben. Verfolgt nämlich die eine Seite in einem bewaffneten Konflikt das Ziel, den Feind physisch zu vernichten, Menschen auszulöschen, dann kann diese Gegenseitigkeitserwartung, auf der die Einhaltung des humanitären Völkerrechts beruht hat, einfach nicht mehr wirksam sein. Damit ist also ein ganz wesentlicher Grund für die Effektivität des humanitären Völkerrechts verschwunden. c) Das letzte Defizit wiegt ebenfalls schwer. Die ratio legis des humanitären Völkerrechts war stets die Bewahrung eines Rests von Menschlichkeit auch i m bewaffneten Konflikt. Hierüber bestand jahrzehntelang Einvernehmen. Wo dieses Einvernehmen gebrochen wurde, kam es zu Sanktionen, wie beispielsweise die Aburteilungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gerade nach dem Zweiten Weltkrieg bewiesen haben. Ist ein bewaffneter Konflikt dagegen vor allem auf die Vernichtung von Menschen ausgerichtet, dann schwindet auch die Beachtung eines Minimums an Menschlichkeit, die gerade durch das humanitäre Völkerrecht gewährleistet sein sollte. Zusammenfassend sei Folgendes festgehalten: Recht - auch Völkerrecht, auch humanitäres Völkerrecht - ist immer ein Kulturelement gewesen. Dies gilt seit dem Zwölf-Tafel-Gesetz der Römer, um in unserem Kulturkreis zu bleiben. Recht ist immer ein wesentlicher Bestandteil von Klein- und Großkulturen gewesen, denn sowohl staatliche wie auch zwischenstaatliche Großorganisationen können gar nicht anders geordnet werden als auf der Basis von Verhaltensmustern. In diese Verhaltensmuster fließt die Kultur der Beteiligten als Gesamtheit ihrer Lebensgestaltung mit ein. Die Wahrung eines Rests von Menschlichkeit auch i m bewaffneten Konflikt gehörte lange Zeit zu einer menschlichen Kultur, deren Element auch das humanitäre Völkerrecht war. Was gegenwärtig geschieht, ist daher ein Kulturbruch, dessen Ausmaß bislang noch nicht einmal jeder Verantwortungsträger hinreichend wahrnimmt.

II. Humanitäre Einsätze vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Konfliktbilds Wie sind nun humanitäre Einsätze vor diesem Hintergrund zu beurteilen? Die in dieser Hinsicht feststellbaren völkerrechtlichen und politischen Befunde sind in sechs Komplexen zusammenzufassen: 1. Wenn Einsätze überhaupt als „humanitär" gekennzeichnet werden sollen, dann hat der Opferschutz stets ihr Hauptziel zu sein. Ist aber der Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte, wie ihn das humanitäre Völkerrecht zum Hauptziel hat, heute noch zu gewährleisten? Das i m Vorigen dargelegte moderne Konfliktbild zeigt, dass die Erreichung dieses Hauptzwecks ungemein erschwert ist. Der Schutzzweck des humanitären Völkerrechts war stets i m Kern darauf gerichtet, den Wehrlosen gegen Waffengewalt zu schützen. Selbst i m Zweiten Weltkrieg galt der gewohnheitsrechtliche Grundsatz, dass sogar der Kombattant, also der Angehörige

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der Streitkräfte, von dem Augenblick an den Schutz des humanitären Völkerrechts genoss, in dem er sich „hors de combat" befand, d. h. wehrlos war. Selbstverständlich waren in erster Linie Zivilpersonen vor der Anwendung von Waffengewalt geschützt, sofern es sich nicht um Kollateralschäden handelte, und gerade Verstöße gegen das Gebot des Schutzes von Zivilpersonen sind in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Kriegsverbrecherprozessen immer wieder aufgearbeitet worden und werden es gegenwärtig wieder in Den Haag und Arusha. In den heutigen bewaffneten Konflikten ist augenscheinlich der Konsens verloren gegangen, dass eine wehrlose Person nicht angegriffen werden darf. Zum anderen geht mit diesem Verlust oder zumindest mit dieser Relativierung des Schutzzwecks Hand in Hand, dass humanitäre Einsätze zum Zwecke des Opferschutzes nicht mehr als neutrale Aufgabe angesehen werden. Dies zeigen zahlreiche Angriffe auf die mit dem Opferschutz betrauten Hilfsorganisationen. 2. In den heutigen bewaffneten Konflikten wird humanitäre Hilfe als Opferschutz nicht selten geradezu als Parteinahme für die jeweilige Gegenpartei des Konfliktes betrachtet. Dies sei an einem Beispiel deutlich gemacht: Vor einiger Zeit berichtete ein deutscher Medizinprofessor, der einer Hilfsorganisation angehört, ihm sei in einem ausländischen Staat von einem Repräsentanten der dortigen Rothalbmond-Gesellschaft berichtet worden, das Deutsche Rote Kreuz statte die Kurden i m Nordirak mit Waffen aus. Sofort angestellte Nachforschungen ergaben folgendes: Das Deutsche Rote Kreuz hatte - völkerrechtlich korrekt auf Ersuchen der U N O i m Mandat des I K R K - in den Schutzzonen des Nordiraks Wasseraufbereitungsanlagen für die dort ansässige kurdische Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Doch schon die Versorgung dieser Bevölkerung mit Wasser, also mit dem Grundstoff des Lebens überhaupt, wurde von der Gegenpartei des schwelenden Konflikts als Parteinahme für die kurdische Bevölkerung angesehen. Und so, wie man zuweilen Vorwürfe wahrheitswidrig verstärkt, wenn man sie mit der erhofften nachdrücklichen Wirkung versehen w i l l , wurde schließlich kolportiert, das Deutsche Rote Kreuz helfe den Kurden nicht mit Wasser, sondern mit Waffenversorgung. Durch das D R K in Genf unmittelbar angesprochen, geriet das Präsidium der betreffenden Rothalbmond-Gesellschaft in unverkennbare Peinlichkeit, aus der es sich mit einer Flut von Entschuldigungen zu retten versuchte. Unbeschadet dessen lehrt uns dies, dass humanitäre Hilfe, selbst wenn sie sich nur auf den wichtigsten Grundstoff für wehrlose Menschen bezieht, nicht mehr unangefochten bleibt, weil sie als Parteinahme betrachtet wird. 3. Wenn also weder hinsichtlich des Opferschutzes noch der Unparteilichkeit der frühere Konsens fortbesteht, so gilt dies logischerweise auch in Bezug auf den Schutz der Personen, welche die humanitäre Hilfe leisten. Ein gewohnheitsrechtlich geltender und i m Genfer Vertragsrecht kodifizierter Grundsatz besagt, dass das Personal von Hilfsorganisationen von den Konfliktparteien unter allen Umständen zu schonen und zu schützen ist. Wenn aber in vielen der heutigen Konflikte das Ziel ist, auch und gerade den wehrlosen Gegner physisch zu vernichten, dann richtet sich die Gewalt zugleich häufig gegen diejenigen, die den Wehrlosen

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schützen wollen. Die heimtückische Ermordung von sechs Rotkreuzhelfern in Tschetschenien vor einigen Jahren ist eins von mehreren tragischen Indizien dieser Entwicklung. So stehen Hilfsorganisationen heute immer wieder vor der Frage, ob sie humanitäre Einsätze durchführen, und zwar ohne jeden bewaffneten Schutz wie in früheren Zeiten, oder aber, ob sie bewaffneten Schutz in Anspruch nehmen. Dies hat beispielsweise zu dem durchaus fragwürdigen Verfahren in Somalia geführt, wo Rotkreuz-Teams so genannte „technical assistance groups", d. h. jeweils vier mit einem Jeep und einem aufmontierten Maschinengewehr ausgestattete Somalis, „anheuerten", um einen unmittelbaren Schutz sicherzustellen. Dies kann nicht der Schutz der Zukunft sein. Doch bleibt vorerst festzuhalten: Ebenso wie der Opferschutz relativiert worden ist, hat die Entwicklung des modernen Konflikts den Schutz des Hilfspersonals relativiert. 4. Ungeachtet der festgestellten Negativa ist es zu einer exponentiell wachsenden Eskalation von Nichtregierungsorganisationen gekommen, die sich an humanitären Einsätzen beteiligten. Während in Somalia noch 47 NGOs Hilfe zu leisten versuchten, sind es i m Bereich des früheren Jugoslawiens zeitweilig bis zu 438 NGOs gewesen. Dies trägt nicht nur zur Unübersichtlichkeit der humanitären Hilfe, sondern zugleich zur Zersetzung der Rechtslage bei. Während beispielsweise das Internationale Komitee vom Roten Kreuz eindeutig fixierte völkerrechtliche Rechte und Pflichten hat, trifft dies auf die Bürgerinitiative des deutschen Dorfes X , die lobenswerterweise der Bevölkerung des Dorfes Y i m Kosovo helfen will, nicht zu. Die U N O versucht sich immer wieder in der Koordination humanitärer Hilfsaktionen. Es wird eine „leading agency" bestimmt, dies ist zumeist der UNHCR. Bei aller Notwendigkeit einer Koordination bleibt auch dies ein fragwürdiges Verfahren. Gerade die durch das humanitäre Völkerrecht mit einer eindeutigen rechtlichen Sonderposition ausgestatteten Hilfsorganisationen geraten damit rechtlich und tatsächlich in die Nähe der UN-Operationen und nehmen an allen ihren Belastungen teil. Hier ist also ein weiteres Problemfeld gegeben. 5. So anerkennenswert die menschliche Hilfsbereitschaft ist, die sich in einer derartigen Vielzahl von NGOs dokumentiert, so darf doch nicht die unheilvolle Zersplitterung verschwiegen werden, die damit zwangsläufig verbunden ist. Die Presse tut das ihre, um dem landläufigen Vorurteil Raum zu geben, das besagt, kleine und Kleinstorganisatoren könnten viel effizienter und unmittelbarer helfen, weil die Großorganisationen einen erklecklichen Mittelanteil für ihren „overhead" abzweigen müssten. Hierbei wird völlig übersehen, dass ein effizienter Einsatz der für humanitäre Hilfe verfügbaren Mittel nur dann gewährleistet ist, wenn auch am Ort der Hilfsbedürftigkeit eine effektive Organisation vorhanden ist. Ich habe mit eigenen Augen i m kroatischen Split Hilfsgüter gesehen, die von hoch anerkennenswerten Initiativen in Deutschland gesammelt worden waren, jedoch mangels einer Verteilungsorganisation vor Ort gar nicht ihre Zweckbestimmung erreichen konnten. 6. A m schwersten wiegt jedoch die Begriffsverwirrung i m politischen wie auch i m völkerrechtlichen Bereich, die in Bezug auf den humanitären Einsatz entstan-

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den ist. So hat beispielsweise die langjährige Verfassungsposition mehrerer Bundesregierungen, die erfreulicherweise inzwischen auf der Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Einsatzes der Bundeswehr i m Rahmen von UN-Operationen vom 12. Juli 1994 korrigiert worden ist, Erkleckliches zu der Unschärfe des Einsatzbegriffs beigetragen. Ein Einsatz eines Minenräumverbandes der Bundesmarine i m Frühjahr 1991 i m Persischen Golf, also ein kriegsmäßiger Einsatz in einem international bewaffneten Konflikt zum Zwecke der Beseitigung eines einsatzbereiten Waffensystems, nämlich von Seeminen, wurde, um über die selbstgesetzte Barriere der verfassungsrechtlichen Fehlinterpretation hinwegzugelangen, verschämt und verfälscht als „humanitärer Einsatz" gekennzeichnet. Aber auch die Völkerrechtswissenschaft selbst ist nicht unschuldig an der Begriffsverwirrung: Völkerrechtler aus aller Welt werden seit Jahrzehnten nicht müde, über die Zulässigkeit der so genannten „humanitären Intervention" zu streiten, nämlich über das Problem, ob ein Staat zur Erstanwendung von Waffengewalt gegenüber einem anderen Staat schreiten darf, wenn er damit Leib und Leben seiner eigenen Staatsangehörigen auf dem Hoheitsgebiet jenes anderen Staates schützen will. Vom Entebbe-Fall über den Teheraner Geisel-Fall bis zum Tirana-Fall, haben tatsächliche Vorkommnisse immer wieder Anlass zu diesem Streit geboten. Hierzu sei Folgendes in der gebotenen Kürze festgehalten: • Das unbestrittene absolute Verbot der Erstanwendung von Waffengewalt durch den Staat verbietet, so die herrschende Auffassung, auch die bewaffnete Intervention des Staates zu humanitären Zwecken ohne Gestattung des Staates, auf dessen Hoheitsgebiet der Einsatz erfolgen soll (im Tirana-Fall lag immerhin eine nachfolgende Gestattung vor). Gibt es aber keine effektive Staatsgewalt mehr, die dergleichen gestatten kann, dann ist der Weg frei für die humanitäre Intervention. • Das Eingreifen mit Streitkräften aus humanitären Gründen, so beispielsweise wegen massiver Menschenrechtsverletzungen, obliegt den Vereinten Nationen, und zwar aufgrund einer Entscheidung des Sicherheitsrats, sofern dieser in den Vorkommnissen eine Gefährdung des Friedens sieht. Dies ist spätestens seit der berühmten Nord-Irak-Resolution 688 des Sicherheitsrats vom März 1991 die Rechtsposition der UNO. Man sollte deshalb vermeiden, beim Einsatz von Streitkräften von „humanitären Einsätzen" zu reden. Das Völkerrecht hat den Begriff des „Humanitären" für das so genannte Genfer Recht besetzt. Das humanitäre Völkerrecht ist eindeutig diejenige Rechtsmasse des Völkerrechts, welche die Beschränkung des Waffeneinsatzes zum Schutze der Opfer bewaffneter Konflikte zu regeln bestimmt ist. Humanitäre Einsätze und die mit ihnen erbrachte humanitäre Hilfe sind die Domäne der in den Genfer Konventionen und ihren Zusatzprotokollen explizit vermerkten Rotkreuzund Rothalbmond-Hilfsorganisationen. Leisten Streitkräfte humanitäre Hilfe, verfolgen sie einen anerkennenswerten Nebenzweck, nicht aber ihren Hauptzweck.

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III. Möglichkeiten der Problembewältigung Wie lassen sich nun jene i m Vorigen aufgezeichneten Problemfelder bewältigen? Eins sei vorab festgestellt: Der neue Typus des bewaffneten Konflikts wird in absehbarer Zeit nicht verschwinden, sondern sich eher ausbreiten. Alle Anzeichen sprechen dafür. Namentlich jüngste Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent zeigen dies in unheilvoller Weise. 1. Wie können wir wieder zu einem Mindestmaß an Opferschutz gelangen und diesen Schutz vom Odium der Parteinahme befreien? Es gibt einen Weg, der durch das Genfer Recht vorgezeichnet worden ist, den aber die meisten Staaten in Vergessenheit geraten lassen. Von den 194 Staaten dieser Welt sind 189 Staaten an die Genfer Konventionen gebunden. Sie sind damit zugleich ausdrücklich verpflichtet, die Grundsätze des humanitären Völkerrechts in ihrem Hoheitsgebiet zu vermitteln und zu verbreiten. Die Erfüllung dieser Pflicht erschöpft sich zumeist darin, dass die jeweiligen Streitkräfte über humanitäres Völkerrecht unterrichtet werden. Das reicht bei weitem nicht aus. Effiziente Verbreitungsarbeit zu leisten, heißt, deutlich zu machen, dass das humanitäre Völkerrecht wie jedes Recht ein Kulturelement, ein Element der kulturellen Basis der Menschheit ist. Verbreitungsarbeit aber kann sich nicht in wohlmeinenden Appellen erschöpfen. Gerade der Umstand, dass in den meisten Staaten dieser Welt Rotkreuz- oder Rothalbmond-Gesellschaften und andere Hilfsorganisationen existieren, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben die Verbreitung der Kenntnisse über humanitäres Völkerrecht gehört, schafft eine hervorragende Basis für das, was in der modernen Fort- und Weiterbildung unter dem Begriff des „institutional learning" erfasst wird. Was bedeutet dies? Eine Organisation, die, wie beispielsweise die Rotkreuz-Bewegung, über weltweite Erfahrungen verfügt, muss ihre eigenen Aktivitäten in einer Weise evaluieren, dass eine ständige Wechselwirkung zwischen diesen Aktivitäten und der Ausbildung, Fort- und Weiterbildung erreicht wird. Werden die Möglichkeiten des institutional learning genutzt, dann bietet sich vielleicht eine Möglichkeit, dem Verfall des Konsenses über den erstrangigen Opferschutz und über die Unparteilichkeit dieses Opferschutzes Einhalt zu gebieten. 2. Was den Schutz des Personals bei humanitären Einsätzen anbetrifft, so soll er über eine Konvention zur Sicherheit und zum Schutz von UN-Personal und assoziiertem Personal erreicht werden, die am 5. 12. 1995 unterzeichnet worden ist, die inzwischen auch die Bundesrepublik ratifiziert hat und die 1999 in Kraft getreten ist. Eingeschlossen in den persönlichen Schutzbereich dieser Konvention sind ausdrücklich die militärischen, polizeilichen und zivilen Komponenten einer UN-Operation, ebenso wie andere Bedienstete und Experten der U N O und ihrer Sonderorganisationen, die an einer derartigen Operation teilnehmen. Das für humanitäre Einsätze so wichtige „assoziierte" oder „beigeordnete" Personal schließt sämtliche Personen ein, die von einer humanitären Nichtregierungsorganisation oder Institution auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der U N O an der betreffenden UN-

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Operation teilnehmen. Was den sachlichen Schutzbereich dieser Konvention anbetrifft, so ist als „UN-Operation" eine Aktivität zu verstehen, die unter der Autorität eines zuständigen UN-Organs durchgeführt wird und dies mit dem Ziel, Frieden und Sicherheit aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Ausdrücklich eingeschlossene humanitäre Operationen in Notstandssituationen werden wohl kaum von allen Konfliktbeteiligten respektiert. Diese Konvention schafft daher mehr Probleme, als dass sie solche löst. Man hat hier einen Vertrag über Situationen geschlossen, die man gerade nicht beherrscht. Dem humanitären Völkerrecht liegt, wie oben (I) deutlich geworden, eine Annahme zugrunde, die für die vermehrt zu verzeichnenden Konflikte der Gegenwart gerade nicht gilt: Die durch das humanitäre Völkerrecht gebundenen Völkerrechtssubjekte standen bisher auf der Basis der Rechtsgleichheit unter präzisen Schutzverpflichtungen gegenüber den konfliktbetroffenen Opfern. Sie standen ferner unter Rechtsgleichheit hinsichtlich ihrer beiderseitigen Streitkräfte. So oblag beiden Parteien eines internationalen bewaffneten Konflikts die inhaltsgleiche Pflicht, beispielsweise die Zivilbevölkerung in den von ihnen besetzten Gebieten zu versorgen, unter Umständen externe Hilfsaktionen zuzulassen und das ausführende Personal zu schonen und zu schützen. Fraglos kann dies auch militärischen Schutz bedeuten, wenn der jeweilige Gegner das Personal humanitärer Hilfsorganisationen angreift. Dies hat bislang noch niemand in Frage gestellt. In der heutigen Situation bewaffneter Konflikte ist indessen die beiderseitige Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts nicht mehr gegeben, da wir es mit dem Zusammenbruch der Staatsgewalt und mit der Handlungsunfähigkeit der betroffenen Völkerrechts Subjekte zu tun haben, ganz abgesehen von den Fällen, wo dieses Recht - wie ausgeführt - den Hauptzielvorstellungen einer Konfliktpartei oder beider Konfliktparteien geradezu entgegensteht. Hier ist es unerlässlich, dass fehlende oder nicht mehr effektive Staatsgewalt, w i l l man überhaupt an den Zielen des humanitären Völkerrechts festhalten, durch die Ordnungsmacht der Vereinten Nationen oder einer effizienten Regionalorganisation substituiert wird. Soweit eine humanitäre Hilfsorganisation den UN-Schutz in Anspruch nimmt, sind keine Völkerrechtsgründe ersichtlich, die dies verbieten könnten. Wer gleichwohl der Idee von der stets militärisch ungeschützten humanitären Hilfsaktion nachhängt - wofür gute, wenn auch nur außerrechtliche Gründe angeführt werden könnten - , der muss eben eine Abwägung zwischen dieser Position der reinen Lehre einerseits und dem Risiko für das Hilfspersonal andererseits vornehmen. Völkerrechtlich - das sei nochmals betont - ist der militärische Schutz humanitärer Hilfsaktionen im Rahmen von UN-Operationen nicht ausgeschlossen. 3. Die Koordination der vielen auf einem Konfliktschauplatz tätigen kleinen und großen humanitären Hilfsorganisationen sollte keineswegs erst auf dem Konfliktschauplatz, sondern außerhalb stattfinden. Dass sich, wie im ehemaligen Jugoslawien, über 400 Hilfsorganisationen auf einem Konfliktschauplatz tummeln, macht humanitäre Einsätze ineffizient, macht sie anfällig für Missbrauch, denaturiert schließlich ihren eigentlichen Zweck. A u f einem Konfliktschauplatz sollten nur

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diejenigen Hilfsorganisationen zugelassen werden, für die es eine völkerrechtliche Basis gibt. Ihnen bliebe es unbenommen, weitere zu beteiligen. 4. Der Streitkräfteeinsatz sollte, entsprechend der geltenden Völkerrechtsterminologie, grundsätzlich nicht als humanitärer Einsatz bezeichnet werden. I m Übrigen ist auch die materielle Völkerrechtslage insoweit eindeutig: Ein Staat darf seine Streitkräfte aus eigener Entscheidung nur einsetzen, wenn dies zur individuellen oder kollektiven Verteidigung gem. Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen erfolgt. Dies ist ohnehin die ultima ratio. Werden Streitkräfte nach Kapitel V I I oder Kapitel V I I I der UN-Charta eingesetzt, nämlich entweder auf Beschluss des Sicherheitsrats oder aber i m Rahmen einer regionalen Abmachung mit Gestattung des Sicherheitsrats, dann handelt es sich je nach Konfliktsituation um friedenssichernde oder den Frieden wiederherstellende Einsätze, deren Beweggrund zwar ein humanitärer gewesen sein mag, so etwa die Beendigung massiver Menschenrechtsverletzungen, deren Funktion aber stets darin besteht, die Leistungen einer Ordnungsmacht zu erbringen, weil der oder die eigentlich zuständigen Staaten dazu nicht oder nicht mehr in der Lage sind. Die nach wie vor umstrittene „humanitäre Intervention" des einzelnen Staates auf fremdem Hoheitsgebiet zum Schutze eigener Staatsangehöriger ist ein Ausnahmefall, der vielleicht die Entwicklung eines völkerrechtlichen Notwehrrechts über das Selbstverteidigungsrecht hinaus darstellt. Noch ist dies nicht völkerrechtliches Gemeingut. 5. So bleiben humanitäre Einsätze politisch und völkerrechtlich auf das beschränkt, was von den i m Genfer Recht aufgeführten Hilfsorganisationen zum Schutze der Konfliktopfer geleistet wird - mit staatlicher Hilfe oder ohne eine solche. Hierfür gilt Folgendes: • Humanitäre Einsätze zum Opferschutz müssen stets eine Soforthilfe sein, die allein nach dem Grundsatz der Menschlichkeit, d. h. allein auf die Abhilfe in den Fällen höchster Not ausgerichtet ist. Sie darf in keinem Falle politisch konditioniert sein, sollte der Einsatz nicht der Qualität benommen werden, „humanitär" zu sein. • Humanitäre Hilfe kann indessen auch eine präventive Komponente aufweisen. Präventive humanitäre Hilfe besteht darin, dass in potentiellen Konfliktregionen Strukturen humanitärer Hilfsorganisationen aufgebaut oder, soweit vorhanden, ausgebaut werden. Damit wird gleich zweierlei gewonnen: Sollte ein Konflikt ausbrechen, dann ist vor Ort ein leistungsfähiger Partner für humanitäre Einsätze vorhanden. Darüber hinaus aber könnte dadurch auch das Wertedefizit abgebaut werden, das eingangs erwähnt worden ist. Die Verbreitung humanitärer Schutzgrundsätze wird nämlich nur dann gelingen, wenn sie nicht als Fremdimport erfolgt, sondern von Gruppierungen in den einzelnen Staaten und ihren Gesellschaften gefördert wird. Sollte es gelingen, diese Forderungen weltweit programmatisch umzusetzen, besteht vielleicht doch noch eine Chance, die eingangs gekennzeichnete unheilvolle Entwicklung einzudämmen.

Nutzung staatlich geförderter technischer Entwicklungen - insbesondere von Universitäten durch privatwirtschaftliche Unternehmen Eberhard Körner

I. Problemstellung Der technische Fortschritt ist ein ureigenes Gebiet der Privatwirtschaft. Eine staatliche Eigenforschung tritt demgegenüber stark in den Hintergrund und beschränkt sich weitgehend auf kritische Sektoren wie die Verteidigung. Forschung und Entwicklung ist außerordentlich kostspielig und daher oft von der Privatwirtschaft vor allem i m mittelständischen Sektor nicht zu erbringen. Hier setzt das Interesse der Allgemeinheit ein, da nur durch Forschung und Entwicklung dem internationalen Wettbewerbsdruck auf dem industriellen Sektor Pari geboten werden kann. Dies begründet ein starkes öffentliches Interesse vor allem an staatlicher Förderung der Forschung und Entwicklung, die sich in zwei Richtungen manifestiert:

1. Projektbezogene Förderung Hierbei handelt es sich um die finanzielle Projektförderung für ein einzelnes abgegrenztes Forschungsvorhaben des jeweiligen Förderungsempfängers 1 . Das zu fördernde Forschungsvorhaben wird i m Zuwendungsbescheid genau umschrieben 2 . Als Förderungsempfänger kommt die gesamte Bandbreite der forschungtreibenden Institutionen in Betracht, angefangen von privatwirtschaftlichen Unternehmen über spezielle Forschungsinstitute bis hin zu Fachhochschulen und Universitäten. Gleichgültig, ob die Forschungsergebnisse vom Forschungsempfänger selbst verwertet werden, wie bei privatwirtschaftlichen Unternehmen, oder aber an Drittunternehmen weitergegeben werden sollen, so besteht in allen Fällen aufgrund

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Vgl. Meusel, Außeruniversitäre Forschung im Wissenschaftsrecht, 315. Es handelt sich um eine Zweckfestlegung i. S. d. § 49 (3) VwVfG, vgl. Stelkens /Вопк/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl., § 49, Rdn. 95. 2

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der mit Mitteln der Allgemeinheit finanzierten Ergebnisse das berechtigte Interesse der Allgemeinheit daran, dass diese auch der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.

2. Institutionelle Förderung Bei der institutionellen Förderung handelt es sich um die staatliche finanzielle Förderung, welche die gesamten Ausgaben oder einen nicht abgegrenzten Teil der Ausgaben des jeweiligen Förderungsempfängers deckt 3 . Die institutionelle Förderung erfolgt üblicherweise aus dem allgemeinen Haushalt der die Förderung gewährenden Institution, d. h. in der Regel des Staates. Als Förderungsempfänger kommen für diese Art der Förderung nur Institutionen in Frage, die entweder eine allgemeine staatliche Aufgabe erfüllen, wie die Universitäten den staatlichen Bildungsauftrag, oder solche, deren Forschungsgebiete i m allgemeinen öffentlichen Interesse liegen oder aus Gründen der Wirtschaftsstruktur einer gesicherten staatlichen Bezuschussung bedürfen, wie etwa spezielle Forschungsinstitute in bestimmten Fachbereichen, etwa der Textilwirtschaft, oder die auf ein jeweiliges Fachgebiet zugeschnittenen Max-Planck-Institute. Für diese institutionelle Förderung kommen daher i m wesentlichen nur öffentlich-rechtliche oder aber gemeinnützige Institute in Frage, welche in der Regel auch keine Möglichkeit der Eigen Verwertung durch Eigenproduktion haben. Auch an den Forschungsergebnissen der institutionell geförderten Institutionen besteht ein Interesse der Allgemeinheit am Zugang zu diesen Ergebnissen 4 , allerdings hier gegenüber der projektbezogenen Förderung in abgestufter Weise.

II. Projektbezogene Förderung Bei der projektbezogenen Förderung besteht das legitime Postulat, dass alles, was mit Mitteln der Allgemeinheit finanziert wurde, auch der Allgemeinheit zur Verfügung stehen muss 5 . Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die die Entwicklung treibende Institution zur Erzielung des Ergebnisses trotz aller projektbezogenen Förderung eine Vorleistung für die Allgemeinheit zu erbringen hat, für die in keiner Weise gewährleistet ist, dass diese sich, sei es durch Eigenverwertung, sei es durch Verwertung durch Dritte, für die entwickelnde Institution amortisiert. 3 Vgl. Meusel (Fn. 1); Ullrich, Privatrechtsfragen der Forschungsförderung in der Bundesrepublik Deutschland, 266. 4 Vgl. Ohly, Bericht über ein Kolloquium des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, GRUR Int. 1994, 879, daselbst Ullrich, 885. 5 So Ullrich (Fn. 3), 269; Ohly (Fn. 4), daselbst Bodewig, 884.

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Das Interesse der Allgemeinheit am Zugang zu den Entwicklungsergebnissen geht in zweierlei Richtung, nämlich einmal in Richtung auf die Veröffentlichung der Entwicklungsergebnisse 6 , sodann aber auch in Richtung auf die Gewährung von Nutzungsrechten 7 . Das Amortisationsinteresse des Förderungsempfängers geht dahin, bei Verwertung des Entwicklungsergebnisses die finanziellen Nutzungen hieraus ziehen zu können 8 . Die Praxis der projektbezogenen Förderung hat i m Laufe der Zeit eine Lösung entwickelt, die sich als ein fairer, wenn auch nicht in allen Punkten befriedigender Kompromiss zwischen diesen beiderseitigen Interessen darstellt.

1. Veröffentlichung der Forschungsergebnisse Sehr früh hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Ergebnisse projektbezogener staatlicher Förderung in dem Sinne der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden müssen, dass diese aufbauend auf diesen Erkenntnissen keine doppelte Forschungstätigkeit für das identische Ergebnis ausführen muss. M i t h i n sind die Ergebnisse projektbezogener Förderung nach Sicherung von Patentschutz für die schutzfähigen Teile des Ergebnisses und vorbehaltlich besonderer Betriebsgeheimnisse möglichst umfassend zu veröffentlichen, wie dies in Ziffer 11.4 der Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ( N K B F 98) 9 und in Ziffer 6.4 der Besonderen Nebenbestimmungen für Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Projektförderung auf Ausgabenbasis (BNBest-BMBF 9 8 ) 1 0 vorgesehen ist. Damit ist gewährleistet, dass der Kenntnisstand aufgrund der geförderten Entwicklung allgemein zugänglich und bekannt ist. Aufgrund des vorrangig zu sichernden Patentschutzes und des Vorbehalts des Betriebsgeheimnisses 11 bestehen insoweit auch keine Bedenken von Seiten des Amortisationsinteresses des Förderungsempfängers. 6 Vgl. zu diesem Aspekt Friedrich in Ergänzenden Bemerkungen zu den Empfehlungen des Sachverständigenkreises (Fn. 12), 353; Ullrich (Fn. 3), 255. 7 So vor allem Bodewig in Ohly (Fn. 5). 8 So im Sinne eines „Transfer-Entgelts" unter Berücksichtigung der öffentlichen Förderung Ullrich (Fn. 3), 338/339. 9 Diese Bestimmung lautet: „Der ZE (Zuwendungsempfänger) ist unter Beachtung des Grundsatzes nach Nr. 11.1 verpflichtet, das Ergebnis - mindestens im sachlichen Gehalt des Schlussberichts - innerhalb von neun Monaten nach Abschluss des Vorhabens auf geeignete Weise den fachlich interessierten Stellen in der Bundesrepublik Deutschland zugänglich zu machen (z. B. auf Fachkongressen) oder in anderer angemessener Weise zu veröffentlichen (z. B. in Fachzeitschriften). Von der Veröffentlichung sind dem BMBF drei gedruckte Freistücke zuzuleiten." 10 Diese Bestimmung stimmt wörtlich mit Ziff. 11.4 NKBF 98 (Fn. 9) überein.

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2. Nutzungsrechte Wesentlich kritischer ist die Frage zu beurteilen, inwieweit die geförderten Entwicklungsergebnisse der Allgemeinheit zur Nutzung zur Verfügung stehen müssen. Hier prallt das Interesse der die Entwicklung betreibenden Institution an Amortisierung der trotz der Förderung an ihr hängen bleibenden Kosten und Risiken auf das Interesse der Allgemeinheit an möglichst umfassender Nutzung der mit Mitteln der Allgemeinheit finanzierten Entwicklungsergebnisse. Z u m Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen gingen die in den 70iger Jahren veröffentlichten Empfehlungen des Sachverständigenkreises „Patente und Lizenzen bei öffentlich geförderter Forschung und Entwicklung" des Bundesministers für Forschung und Technologie 1 2 dahin, dass allen Interessierten die gleiche Chance des Zugangs zur Verwertung der Forschungsergebnisse eröffnet werden muss. Dies setzt voraus, dass eine allgemein zugängliche und für Interessenten verständliche Informationsmöglichkeit über das Lizenzangebot der staatlich geförderten Forschungseinrichtungen besteht. Diesen Grundsatz der Chancengleichheit entspricht die Vergabe einfacher Lizenzen zu angemessenen Bedingungen. A u f diese Weise erhält die interessierte Allgemeinheit die Nutzungsmöglichkeit und die die Forschung betreibende Institution die Einnahmen aus der Lizenzvergabe, wodurch ihrem Amortisationsinteresse Rechnung getragen w i r d 1 3 . Allerdings konnte sich der Sachverständigenkreis der Erkenntnis nicht verschließen, dass die Umsetzung der gewonnenen Forschungsergebnisse und die Vermarktung derselben weitere Vorlaufkosten erfordert, zu deren Erbringung entweder das Forschungsinstitut oder aber ein dritter Lizenznehmer nur dann bereit sein wird, wenn ihm in der Produktion oder in der Vermarktung eine Exklusivität eingeräumt wird. U m dieser Tatsache Rechnung zu tragen, empfahl der Sachverständigenkreis auch die Gewährung exklusiver Lizenzen unter bestimmten i m einzelnen aufgelisteten Bedingungen, zu denen gehören vor allem die mangelnde Produktionsreife, die vorwiegend mittelständische Struktur der Interessentenkreise, die ungeklärte Schutzrechtslage und das besonders hohe Risiko langfristiger Investitionen. Allerdings empfahl der Sachverständigenkreis für den Fall der Einräumung 11 Vgl. hierzu Ziff. 11.1 NKBF 98, welcher wie folgt lautet: „Vor Veröffentlichung ist das Ergebnis des Vorhabens durch Anmeldung gewerblicher Schutzrechte zu sichern." Vgl. ferner Ziff. 11.3.2 NKBF 98, welcher wie folgt lautet: „Binnen eines Monats nach Empfang des Zuwendungsbescheids muss der ZE den ZG (Zuwendungsgeber) benachrichtigen, wenn seines Wissens durch eine Bekanntgabe des Vorhabens Rechte oder Interessen Dritter beeinträchtigt werden können oder der Gegenstand des Vorhabens der Geheimhaltung unterliegt." Hiermit stimmen wörtlich überein Ziff. 6.1 und Ziff. 6.3, 2. Spiegelstrich BNBest-BMBF 98. 12 GRUR 1978,349,351. 13

Die Erträgnisse aus solchen Lizenzvergaben sollen zu einem wesentlichen Teil bei der betreffenden Forschungseinrichtung verbleiben, vgl. die Empfehlungen des Sachverständigenkreises (Fn. 12), 351/352.

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einer ausschließlichen Lizenz eine gegenständliche Begrenzung, die andere Verwertungsmöglichkeiten der Erfindung nicht ausschließt und/oder aber eine zeitliche Befristung der Ausschließlichkeit oder aber die Auferlegung einer Verpflichtung an den Lizenznehmer, Unterlizenzen zu erteilen 1 4 . Zusätzlich zu diesen Anforderungen wurde auch das Postulat aufgestellt, dass die die Forschung betreibende Institution vor Gewährung einer ausschließlichen Lizenz auch anderen Dritten die Möglichkeit gegeben haben muss, eine einfache Lizenz zu erwerben 1 5 , ein Postulat, das in der Praxis nur schwer realisierbar ist, da man der die Forschung betreibenden Institution schwerlich die Kenntnis aller in Frage kommenden Interessenten an einer einfachen Lizenz wird auferlegen können. Immerhin haben die Empfehlungen des Sachverständigenkreises den richtigen Ansatz für einen fairen Interessenausgleich aufgezeigt, der von den eine staatliche Förderung gewährenden Institutionen aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. Beispielhaft seien hierfür i m folgenden die Förderungsbedingungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (vormals Bundesministerium für Forschung und Technologie) erörtert. Eine ältere Regelung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie in Form der Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des Bundesministers für Forschung und Technologie an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ( N K F T 88) vom 1. 10. 1988 und der für öffentlich-rechtliche Forschungsinstitute geltenden Allgemeinen und Besonderen Nebenbestimmungen für Zuwendungen des Bundesministeriums für Forschung und Technologie zur Projektförderung auf Ausgabenbasis (ANBest-PB M F T ) vom 1. 2. 1993 beruhte gemäß Ziffer 13.1 N K F T 8 8 1 6 und Ziffer 10 a.2.1 A N B e s t - P - B M F T 1 7 auf der Gewährung eines unwiderruflichen, unentgeltlichen und nicht ausschließlichen Benutzungsrechts an den Bund sowie gemäß Ziffer 14.1 N K F T 8 8 1 8 und Ziffer 10 a.3 A N B e s t - P - B M F T 1 9 auf der Einräumung einer 14

Empfehlungen des Sachverständigenkreises (Fn. 12), 351. So Ullrich (Fn. 3), 269, der außerdem die vorherige Zustimmung des Zuwendungsgebers verlangt. 16 Diese Bestimmung lautet wie folgt: „Der ZE hat dem ZG am Ergebnis und den in- und ausländischen Rechten am Ergebnis ein unwiderrufliches, unentgeltliches und nichtausschließliches Benutzungs- bzw. Nutzungsrecht zu erteilen. Hinsichtlich der urheberrechtlich geschützten Teile des Ergebnisses umfasst das unbeschränkte Nutzungsrecht des ZG unter Ausschluss der Vorbehalte des § 37 Abs. 1 und 3 UrhG alle Nutzungsarten (insbesondere die nach §§ 15 und 88 UrhG sowie die Umgestaltung). Zur Förderung von Wissenschaft und Technik, auch im Rahmen internationaler Zusammenarbeit, für den eigenen Bedarf und für öffentliche Aufträge ist der ZG berechtigt, nach Anhörung des ZE von diesem Benutzungs- oder Nutzungsrecht nichtübertragbare Unterbenutzungs- oder -nutzungsrechte an Dritte zu vergeben." 15

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Diese Bestimmung stimmt inhaltlich mit Ziff. 13.1 NKFT 88 überein. Diese Bestimmung lautet wie folgt: „Der ZE hat Dritten auf Verlangen an den Rechten am Ergebnis und an den urheberrechtlich geschützten Teilen des Ergebnisses zu branchenüblichen Bedingungen ein nichtausschließliches und nichtübertragbares Benutzungs- bzw. Nutzungsrecht zur Benutzung im In18

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Option auf Gewährung einer nicht ausschließlichen, nicht übertragbaren Lizenz zu angemessenen Bedingungen an einen eine solche verlangenden Dritten. Nur in besonderen Fällen konnte der Bund dem die Forschung betreibenden Unternehmen gemäß Ziffer 15 N K F T 8 8 2 0 auf Antrag gestatten, das Entwicklungsergebnis für einen befristeten Zeitraum ausschließlich selbst zu nutzen oder von einem Dritten nutzen zu lassen, und dies nur gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung. Auch für das nicht gewerbliche Forschungsinstitut war die Gewährung einer ausschließlichen Lizenz gemäß Ziffer 10 a.3 ANBest-P-BMFT 2 1 an die schriftliche Zustimmung des Bundes gebunden, allerdings ggf. auch ohne zeitliche Befristung und ohne Gegenleistung. Mithin war nach diesen Bestimmungen die Gewährung einer ausschließlichen Lizenz auf besondere Fälle beschränkt. Ein weiteres Prinzip dieser älteren Regelung war gemäß Ziffer 17 N K F T 8 8 2 2 und gemäß Ziffer 11 a. 1 A N B e s t - P - B M F T 2 3 das Prinzip der Beteiligung des Bunland zu erteilen. Auf Wunsch des Dritten hat der ZE das Benutzungs- oder Nutzungsrecht auf den Vertrieb von im Inland unter Ausnutzung des Benutzungs- oder Nutzungsrechts hergestellten Gegenständen in bestimmte Länder zu erstrecken, es sei denn, der ZE weist nach, dass er in einem der gewünschten Länder um Patente nachgesucht hat oder über solche verfügt, und macht glaubhaft, dass er ein wesentliches Interesse an einer eigenen Verwertung (unmittelbar oder über Lizenzvergabe) hat. Weist der Dritte nach, dass er ein Benutzungs- bzw. Nutzungsrecht nicht in angemessener Frist zu angemessenen Bedingungen erhalten kann, ist der ZG berechtigt, nach Anhörung des ZE dem Dritten aus dem ihm gemäß Nr. 13.1 Satz 1 und 2 erteilten Benutzungs- oder Nutzungsrecht ein Unterbenutzungs- oder -nutzungsrecht zu erteilen, wobei der ZE von dem Dritten ein branchenübliches Entgelt zu erhalten hat." 19 Diese sachlich mit Ziff. 14.1 NKFT 88 übereinstimmende, aber speziell auf die öffentlich-rechtlichen, keine Eigenverwertung betreibenden Forschungsinstitute zugeschnittene Bestimmung hat folgenden Wortlaut: „Auf Verlangen Dritter mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat der Zuwendungsempfänger diesen an den in Nr. 10a.2.1 bezeichneten Arbeitsergebnissen zu angemessenen Bedingungen ein nichtausschließliches, nichtübertragbares Benutzungs- bzw. Nutzungsrecht für die Benutzung im Inland einzuräumen. Bei der Bemessung des Entgelts hierfür ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitsergebnisse ganz oder teilweise auf mit öffentlichen Mitteln finanzierten Arbeiten beruhen. Will der Zuwendungsempfänger ein Benutzungs- bzw. Nutzungsrecht an einen Dritten ausschließlich, oder an einen Dritten mit Sitz im Ausland übertragen, so ist die vorherige schriftliche Zustimmung der Bewilligungsbehörde einzuholen." 20 Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut: „In besonderen Fällen kann der ZG dem ZE auf Antrag gestatten, gegen angemessene Vergütung das Ergebnis für einen befristeten Zeitraum ausschließlich selbst zu nutzen oder von einem Dritten nutzen zu lassen." 21 Vgl. Ziff. lOa.3, Absatz 2 ANBest-P-MBFT (Fn. 19). 22

Ziff. 17.1 bis 17.4 NKFT 88 haben folgenden Wortlaut: „17.1. Erzielt der ZE Einnahmen durch den Abschluss von Verträgen, die die Verwertung des Ergebnisses oder Teilen davon zum Gegenstand haben, z. B. durch eine Übertragung von Schutzrechten, die Vergabe von Lizenzen, eine Übertragung von Know-how, sonstigen Kenntnissen oder Unterlagen, so hat er den ZG hieran, außer bei vollständiger Rückzahlung nach Nr. 16, nach Maßgabe der Nr. 17.2 und Nr. 17.3 zu beteiligen. 17.2. Die Beteiligung erfolgt von den Bruttoeinnahmen (ohne USt.) und beträgt 40 v.H. des im Zuwendungsbescheid festgelegten Fördersatzes. Einnahmen bis zu 1 Mio. DM bleiben außer Ansatz. Einnahmen über 1 Mio. DM bis zu 2 Mio. DM werden zur Hälfte angesetzt.

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des an den Einnahmen aus der Verwertung des Entwicklungsergebnisses und zwar bis zur Höhe der Zuwendung einschließlich der Zinsen. Diese Regelung verkürzte nicht unwesentlich das Amortisationsinteresse des die Forschung betreibenden Instituts und erwies sich daher in vielen Fällen als unangemessen, so dass als Folge dieses vernachlässigten Amortisationsinteresses das überwiegende Interesse der Allgemeinheit am Zugang zu den Entwicklungsergebnissen in Frage gestellt war. Diese Regelung wurde daher in der Folge aufgegeben. Die neuere Regelung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung passte daher die oben aufgeführte Vorläuferregelung einmal an die Tatsache an, dass die Wirkung eines staatlichen Zuschusses i m Rahmen des Entwicklungsergebnisses auch dann fortdauert, wenn i m Einzelfall einmal eine Rückzahlung des Zuschusses vereinbart w a r 2 4 , sodann wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass auch bei Gewährung eines Zuschusses weitere Anlaufkosten von dem die Forschung betreibenden Institut zu tragen sind, die letztlich nur über eine wenigstens zeitlich beschränkte Exklusivität der Nutzungsbefugnis amortisiert werden können. Diese Grundsätze fanden ihren Niederschlag in den Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ( N K B F 98) und in den für nicht gewerbliche Forschungsinstitute geltenden Besonderen Nebenbestimmungen für Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Projektförderung auf Ausgabenbasis (BNBest-BMBF 98).

17.3. Die Beteiligung ist auf die Einnahmen begrenzt, die dem ZE während des Bewilligungszeitraums und innerhalb von zwölf Jahren danach zufließen. Die Beteiligung ist ferner auf die Höhe der Zuwendung begrenzt. 17.4. Der ZE hat innerhalb von drei Monaten nach Ablauf jedes Kalenderjahres die im Vorjahr zugeflossenen Einnahmen mitzuteilen, wenn der kumulierte Betrag der Einnahmen aus allen Vorjahren 1 Mio. DM erreicht hat. Innerhalb dieses Dreimonatszeitraums sind die auf den ZG entfallenden Beträge an die Bundeskasse Bonn, Postgiroamt Köln (BLZ 370 100 50), Konto-Nr. 119 00-505, unter Angabe des Förderkennzeichens zugunsten der Verbuchungsstelle 30 01 /119 99 zu überweisen. Erfolgt die Überweisung nicht rechtzeitig, so sind die Beträge mit 6 v.H. für das Jahr zu verzinsen." 23 Die analoge Regelung der Ziff. 11 a.l ANBest-P-BMFT hat folgenden Wortlaut: „Erzielt der Zuwendungsempfänger aus der Verwertung des Arbeitsergebnisses oder Teilen davon durch Übertragung von Schutzrechten, Vergabe von Lizenzen, Abschluss von Knowhow-Verträgen und Veräußerung sonstiger Kenntnisse und Unterlagen Einnahmen, so ist die Bewilligungsbehörde daran bis zur Höhe der Zuwendung ggf. einschließlich Zinsen zu beteiligen. Das Maß der Beteiligung wird von der Bewilligungsbehörde nach Anhörung des Zuwendungsempfängers festgesetzt, und zwar insbesondere unter Berücksichtigung des Verhältnisses der Zuwendung zum Gesamtaufwand (unter Einbeziehung von Vorlaufausgaben und nicht erstatteten Mehrausgaben), der zu den Einnahmen geführt hat. Die Beteiligung ist in der Regel auf die Einnahmen beschränkt, die bis zum Ablauf des auf die Vorlage des Verwendungsnachweises folgenden achten Kalenderjahres entstehen." 24 Dies ist nach Ziff. 14 NKBF 98 vorgesehen. 22 FS Leuze

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Die neue Regelung geht nach Ziffer 12.1 N K B F 9 8 2 5 und nach Ziffer 7.1 BNBest-BMBF 9 8 2 6 aus von einem ausschließlichen Benutzungsrecht des die Forschung betreibenden Instituts mit der Folge, dass es diesem Institut freisteht, ob es Lizenzen an Dritte gewähren w i l l oder nicht 2 7 . Folgende Einschränkungen dieses ausschließlichen Nutzungsrechts sind jedoch vorgesehen: Nach Ziffer 12.2 N K B F 9 8 2 8 und Ziffer 7.2 BNBest-BMBF 9 8 2 9 behält das die Forschung betreibende Institut nur ein nicht ausschließliches Nutzungsrecht, wenn die ausschließliche Nutzung zu einer wettbewerbswidrigen Stellung führen würde, mithin zu einem unerwünschten Monopol. Gleichwohl kann in einem solchen Fall der Bund dem Forschungsinstitut die weitere ausschließliche Nutzung gestatten, dies aber nur gegen Zahlung eines marktüblichen Entgelts bis zur Höhe der Zuwendung. Diese letztere Regelung der Aufrechterhaltung einer wettbewerbswidrigen Stellung gegen Bezahlung ist unter wettbewerbspolitischen Aspekten verunglückt. Eine weitere Einschränkung der Exklusivität ergibt sich aus Ziffer 13.2 N K B F 9 8 3 0 und Ziffer 8.2 BNBest-BMBF 9 8 3 1 , wonach dem Bund in Fällen eines besonderen öffentlichen Interesses an den Ergebnissen und den urheberrechtlich geschützten Teilen der Ergebnisse ein nicht ausschließliches und übertragbares Nutzungsrecht zusteht. Dies bedeutet, dass in Folge der Ubertragbarkeit dieses Nutzungsrechts der Bund Unterlizenzen am Entwicklungsergebnis an Dritte gewähren kann. Diese Regelung stellt sich dar als eine erleichterte Form der Zwangslizenz ähnlich § 24 PatG. Das entscheidende Korrelat zur Gewährung der Ausschließlichkeit an das Forschungsinstitut ist die in Ziffer 9.2 N K B F 9 8 3 2 und Ziffer 4.2 BNBest-BMBF 9 8 3 3 25 Ziff. 12.1 und 12.2 NKBF 98 haben folgenden Wortlaut: „12.1 Der ZE hat das Recht auf ausschließliche Nutzung des Ergebnisses. 12.2 Der ZE behält ein nicht ausschließliches Nutzungsrecht, wenn die ausschließliche Nutzung zu einer wettbewerbswidrigen Stellung führen würde. In diesem Fall kann der ZG dem ZE aber gegen Zahlung eines marktüblichen Entgelts bis zur Höhe der Zuwendung die ausschließliche Nutzung gestatten." 26 Ziff. 7.1 und 7.2 BNBest-BMBF 98 stimmen wörtlich mit Ziff. 12.1 und 12.2 NKBF 98 (Fn. 25) überein. 27 Dem ausschließlichen Nutzungsberechtigten steht von Hause aus das Recht zur Vergabe von Lizenzen zu, vgl. für den ausschließlichen Lizenznehmer Benkard/Ullman, Patentgesetz, 9. Aufl., § 15 Rdn. 53; Busse, Patentgesetz, 5. Aufl., § 15, Rdn. 75. 28 Siehe (Fn. 25). 29 Siehe (Fn. 26). 30

Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut: „Der ZG hat in Fällen eines besonderen öffentlichen Interesses an den Ergebnissen und den urheberechtlich geschützten Teilen der Ergebnisse ein nicht ausschließliches, übertragbares Benutzungs- und Nutzungsrecht." 31 Diese Bestimmung stimmt wörtlich mit Ziff. 13.2 NKBF 98 (Fn. 30) überein. 32 Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut: „Die Ergebnisse gehören dem ZE. Sie sind zu Innovationen zu nutzen; der ZE hat eine Ausübungs- bzw. Verwertungspflicht." 33 Diese Bestimmung stimmt wörtlich mit Ziff. 9.2 NKBF 98 (Fn. 32) überein.

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statuierte Ausübungs- und Verwertungspflicht des Forschungsinstituts. Sofern das Forschungsinstitut dieser Verwertungspflicht innerhalb der i m Verwertungsplan festgelegten Zeit, bzw. mangels Festlegung innerhalb von zwei Jahren ab Beendigung des Vorhabens nicht nachkommt, erlischt nach Ziffer 18.1 N K B F 9 8 3 4 und Ziffer 12.1 BNBest-BMBF 9 8 3 5 das Recht der ausschließlichen Nutzung, wobei aber selbstverständlich das Recht der nicht ausschließlichen Nutzung fortbesteht. Nach Wegfall der Exklusivität hat das Forschungsinstitut gemäß Ziffer 18.2. N K B F 9 8 3 6 und Ziffer 12.2 BNBest-BMBF 9 8 3 7 jedem Drittinteressenten auf Verlangen ein nicht ausschließliches und nicht übertragbares Benutzungsrecht am Forschungsergebnis einzuräumen und zwar zu branchenüblichen Bedingungen. Eine wesentliche Verbesserung gegenüber der älteren Regelung stellt sich dar, dass außer i m Falle der Vereinbarung der Rückzahlbarkeit gemäß Ziffer 14 N K B F 98 alle Einnahmen aus der Verwertung der Ergebnisse gemäß Ziffer 15 N K B F 9 8 3 8 und gemäß Ziffer 9 BNBest-BMBF 9 8 3 9 beim Forschungsinstitut verbleiben. M i t dieser Neuregelung ist dem Amortisationsinteresse des Forschungsinstituts in fairer Weise Rechnung getragen, wobei die Gewährung der zeitlich befristeten Exklusivität für die Allgemeinheit um deswillen hinnehmbar ist, weil i m Falle des überwiegenden öffentlichen Interesses der Zugriff des Bundes auf das Entwicklungsergebnis gewährleistet ist.

34 Ziff. 18.1 und 18.2 NKBF 98 haben folgenden Wortlaut: „18.1 Kommt der ZE seiner Verwertungspflicht innerhalb einer angemessenen Zeit - soweit im Verwertungsplan nicht anderes festgelegt: 2 Jahre - nach Beendigung des Vorhabens ohne ausreichende Gründe nicht nach, erlischt das Recht der ausschließlichen Nutzung. 18.2 In diesem Fall hat der ZE Dritten auf Verlangen ein nicht ausschließliches und nicht übertragbares Benutzungs- bzw. Nutzungsrecht für das Inland am Ergebnis (Schlussbericht Anlage 2), an den Rechten am Ergebnis und an den urheberrechtlich geschützten Teilen des Ergebnisses zu erteilen, und zwar zu branchenüblichen Bedingungen. Auf Wunsch des Dritten hat der ZE das Benutzungs- oder Nutzungsrecht zu erstrecken auf den Vertrieb solcher Gegenstände, die im Inland unter Ausnutzung des Benutzungs- oder Nutzungsrechts hergestellt werden, in bestimmte Länder. Dies gilt nicht, wenn der ZE nachweist, dass er in einem dieser Länder um Patente nachgesucht hat oder über solche verfügt, und glaubhaft macht, dass er ein wesentliches Interesse an einer eigenen Verwertung hat (unmittelbar oder über Lizenzvergabe)." 35 Ziff. 12.1 und 12.2 BNBest-BMBF 98 stimmen wörtlich mit Ziff. 181 und 18.2 NKBF 98 überein. 36 Siehe (Fn. 34). 37 Siehe (Fn. 35). 38 Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut: „Einnahmen des ZE durch den Abschluss von Verträgen, die die Verwertung des Ergebnisses oder Teilen davon zum Gegenstand haben, z. B. durch Übertragung von Schutzrechten und /oder Know-how, die Vergabe von Lizenzen, von sonstigen Kenntnissen oder Unterlagen, verbleiben beim ZE." 39 Diese Bestimmung stimmt wörtlich mit Ziff. 15 NKBF 98 überein. 22*

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Diese Regelung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung kann daher als beispielhaft für die Behandlung der projektbezogenen Förderung gelten.

3. Projektbezogene Förderung von Forschungen der Hochschulen Die neuere Regelung der projektbezogenen Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung beruht auf dem nahezu selbstverständlichen Grundsatz, dass gemäß Ziffer 10 N K B F 9 8 4 0 und Ziffer 5.1 BNBest-BMBF 9 8 4 1 das Forschungsinstitut Arbeitnehmererfindungen nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz unbeschränkt in Anspruch zu nehmen hat. Dieser Grundsatz geriet und gerät auch weiterhin für alle bis zum 6. 2. 2002 gemachten Erfindungen i m Falle der geförderten Hochschulforschung in Konflikt 40 Ziff. 10.1 bis 10.5 NKBF 98 lauten wie folgt: „10.1 Der ZE hat vor der Veröffentlichung bei der Durchführung des Vorhabens gemachte Erfindungen seiner Arbeitnehmer, die für das Ergebnis bedeutsam sein können, nach dem ArbEG unbeschränkt in Anspruch zu nehmen und sie sowie eigene Erfindungen zur Erteilung eines Schutzrechts für das Inland anzumelden. Zusammen mit der Patentanmeldung hat der ZE einen Antrag auf Sofortrecherche und auf Lieferung von Ablichtungen der ermittelten Druckschriften zu stellen. Ausnahmen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung des ZG. Soweit der ZE weder aufgrund des ArbEG noch aufgrund von Arbeits-, Dienst- oder Werkverträgen ein Schutzrecht oder ein übertragbares, umfassendes Benutzungsrecht erwirbt, hat er sicherzustellen, dass er seine Verpflichtungen nach Nr. 13 erfüllen kann. Die notwendigen Kosten i.S. von Nr. 5.6.1 werden bei KMU als zuwendungsfähig anerkannt. 10.2 Gegen Erstattung der dem ZE entstehenden Kosten, Auslagen und Arbeitnehmererfindervergütungen kann der ZG verlangen, dass der ZE nach Verweigerung der Zustimmung gem. Nr. 10.1 Satz 3 um Schutzrechte nachsucht, bestehende Schutzrechte aufrechterhält und verteidigt oder nicht beabsichtigte Auslandsanmeldungen vornimmt und diese Rechte auf den ZG überträgt. Stellt der ZG kein solches Verlangen, so ist der ZE nicht zur Anmeldung nach Nr. 10.1 verpflichtet. 10.3 Der ZE hat dem Deutschen Patentamt das Formblatt „Mitteilung des Förderkennzeichens bei Schutzrechtsanmeldungen" (Anlage zum Zuwendungsbescheid) bei nationalen deutschen Schutzrechtsanmeldungen zusammen mit der Anmeldung zu übersenden. Bei allen anderen Schutzrechtsanmeldungen mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ist das Formblatt ebenfalls beim Deutschen Patentamt nach deren Veröffentlichung unverzüglich unter Angabe des entsprechenden amtlichen Aktenzeichens einzureichen. Auf Verlangen des ZG oder seines Beauftragten hat der ZE Durchschriften sämtlicher Anmeldungen sowie je ein Exemplar der patentamtlichen Druckschriften (insbesondere Offenlegungs- und Patentschrift, Gebrauchsmusterurkunde) zu übersenden. 10.4 Will der ZE Schutzrechte nicht aufrechterhalten oder verteidigen, so hat der ZE spätestens acht Wochen vor Ablauf bestehender Fristen dies dem ZG schriftlich mitzuteilen. Dem ZG stehen die Rechte aus Nr. 10.2 zu. 10.5 Hinsichtlich in sonstiger Weise (insbesondere urheberrechtlich) geschützter Teile des Ergebnisses hat der ZE entsprechend Nr. 10.1 sicherzustellen, dass er seine Verpflichtungen nach Nr. 13 erfüllen kann. Die notwendigen Kosten i.S. der Nr. 5.6.1 werden bei KMU als zuwendungsfähig anerkannt." 41 Ziff. 5.1 sowie 5.3 bis 5.6 BNBest-BMBF 98 entsprechen inhaltlich den Ziff. 10.1 bis 10.5 NKBF 98 (Fn. 40).

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mit dem Hochschulprivileg des § 42 ArbEG in der bis 6. 2. 2002 geltenden Fassung (a.F.) 42 , wonach alle Erfindungen von Professoren, Dozenten und wissenschaftlichen Assistenten bei den wissenschaftlichen Hochschulen freie Erfindungen sind und daher nicht der unbeschränkten Inanspruchnahme unterliegen. Lediglich i m Falle der Erzielung von Einnahmen ist nach § 42 (2) ArbEG a.F. die Hochschule bei Aufwendung besonderer Mittel, wozu auch Fördermittel gehören 4 3 , an den Erträgen zu beteiligen. Damit aber wäre die Hochschule nicht i m Besitz eines Nutzungsrechts an diesen Erfindungen und könnte daher den Verpflichtungen aus den auch für sie geltenden BNBest-BMBF 98, vor allem der Verwertungspflicht, nicht nachkommen. Dieser Tatsache trägt Ziffer 5.2 der BNBest-BMBF 9 8 ^ in der Weise Rechnung, dass die Hochschule sich von den privilegierten Personen des § 42 (1) ArbEG a.F. entweder alle Rechte an den bei der Durchführung des Vorhabens gemachten Erfindungen abtreten oder sich ein umfassendes übertragbares Benutzungsrecht einräumen lassen muss. Eine solche Übertragung oder Rechtseinräumung auf rechtsgeschäftlicher Basis ist aufgrund der Abdingbarkeit der Regelung des § 42 ArbEG a.F. möglich 4 5 . Gelingt eine solche Abtretung oder Rechtseinräumung nicht, so ist die nach § 42 (1) ArbEG a.F. privilegierte Person zu verpflichten, alle Verpflichtungen aus dem BNBest-BMBF 98 persönlich zu übernehmen, wobei dann die Rechte zur ausschließlichen Nutzung und zum Einbehalt aller Erträgnisse bei der nach § 42 (1) ArbEG a.F. privilegierten Person verbleiben. Diese Grundsätze gelten auch für das wichtige Gebiet von Computerprogrammen, da die Regelung des § 69 b UrhG für die von den privilegierten Personen entwickelten Computerprogramme nicht g i l t 4 6 . Das Hochschulprivileg hat für alle nach dem 6. 2. 2002 gemachten Erfindungen eine wesentliche Änderung erfahren durch die Neufassung von § 42 ArbEG gemäß Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen vom 18. 1. 2002: 42 Diese Regelung gilt nach § 43 ArbEG vom 18. 1. 2002 BGBl. I, 414 (ArbEG n.F.) weiter für alle bis zum 6. 2. 2002 gemachten Erfindungen, was noch für etliche Jahre von Bedeutung sein wird. 43 Vgl. Reimer / Schade / Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 7. Aufl., § 42, Rdn. 22. 44 Diese Bestimmung lautet wie folgt: „Ist der Zuwendungsempfänger eine Hochschule und wird das Vorhaben von einer dem § 42 ArbEG unterfallenden Person durchgeführt, so kann sich der Zuwendungsempfänger von dieser Person die Rechte an den bei der Durchführung des Vorhabens gemachten Erfindungen oder ein umfassendes, übertragbares Benutzungsrecht hieran rechtsgeschäftlich übertragen lassen. Erfolgt eine solche Rechtsübertragung nicht, dann muss die das Vorhaben durchführende Person alle auf das Ergebnis bezogenen Verpflichtungen (insb. die Verwertungspflicht) aus dem Zuwendungsbescheid für sich und seine Rechtsnachfolger übernehmen. Ist diese Verpflichtungsübertragung vollständig erfolgt, erhält diese Person vom Zuwendungsgeber die Rechte nach den Nrm. 7.1 und 9." 45 Vgl. Reimer/Schade/Schippel (Fn. 42), § 42, Rdn. 18. 46 Vgl. Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Aufl., § 69 b, Rdn. 6.

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Danach sind die Erfindungen der an einer Hochschule Beschäftigten nicht mehr freie Erfindungen, sondern Diensterfindungen. Das Hochschulprivileg beschränkt sich nach § 42 Ziff. 1 und Ziff. 2 ArbEG n.F. auf die Freiheit des Erfinders, seine i m Rahmen seiner Lehr- und Forschungstätigkeit gemachte Diensterfindung zu offenbaren oder auch nicht. Nur wenn er seine Erfindung offenbaren w i l l , hat er dies der Hochschule rechtzeitig vorher anzuzeigen. W i l l er seine Erfindung nicht offenbaren, so entfällt sogar die Meldepflicht. I m Falle einer Meldung gilt das Recht der Hochschule auf Inanspruchnahme der Diensterfindung, wobei dem Erfinder ein nicht ausschließliches Recht zur Benutzung der Diensterfindung i m Rahmen seiner Lehr- und Forschungstätigkeit verbleibt und er i m Falle der Verwertung seiner Erfindung mit 30% an den Einnahmen zu beteiligen ist. Die i m Falle der projektbezogenen Förderung nach Ziff. 5.2 der BNBest-BMBF 9 8 4 7 bestehende Verpflichtung der Hochschule reduziert sich deshalb auf die Vereinbarung einer Offenbarungs- und Meldepflicht gegenüber der Hochschule, so dass diese die Diensterfindung in Anspruch nehmen kann. Dies allerdings ist nur dann möglich, wenn man von der Abdingbarkeit der Regelung des § 42 Ziff. 1 und Ziff. 2 ArbEG n.F. für die projektbezogene Förderung ausgeht, was aufgrund der Treuepflicht der an der Hochschule Beschäftigten anzunehmen ist, der Hochschule eine projektbezogene Förderung zu ermöglichen. Besser wäre allerdings gewesen, die § 42 (1) ArbEG a.F. vorgesehene Nichtanwendbarkeit des § 22 ArbEG beizubehalten. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass sich für die projektbezogene Förderung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Amortisationsinteresse des Forschungsinstituts und dem freien Zugang der Allgemeinheit herausgebildet hat, welches auch die Hochschulforschung einbezieht. Die Lizenzoption interessierter Dritter ist in den aufgeführten Regelungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung als Auflage i m Sinne einer Nebenbestimmung zum Zuwendungsbescheid nach § 36 V w V f G ausgestaltet mit der Folge, dass bei Weigerung des Förderungsempfängers, dem begünstigten Dritten eine Lizenz zu angemessenen Bedingungen einzuräumen, die Förderung widerrufen werden kann 4 8 .

47 Siehe Fn. 43. 48 Dies folgt aus § 49 (2) Satz 1 Ziff. 2 VerwVfG, vgl. Stelkens /Вопк/ Sachs (Fn. 2), § 49, Rdn 48 ff. Als Druckmittel für die Erfüllung der Auflage dient einmal die Fristsetzung nach § 49 (2) Satz 1 Ziff. 2 VerwVfG, vgl. Stelkens /Вопк/ Sachs (Fn. 2), § 49, Rdn. 54; sodann wäre nach Ablauf der Exklusivität ein Schutzrecht gegen den Begünstigten vorbehaltlich des Angebots und der Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr nach § 242 BGB nicht durchsetzbar, was im Prozessfall im Wege der Einrede geltend gemacht werden könnte.

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I I I . Institutionelle Förderung Die institutionelle Förderung i m Sinne einer Deckung der gesamten Ausgaben oder eines nicht abgegrenzten Teils der Ausgaben der jeweiligen Forschungseinrichtung kommt ihrer Natur nach nur für öffentlich-rechtliche oder gemeinnützige Institutionen in Frage. Der Grund und die Zielrichtung der institutionellen Förderung ist je nach der geförderten Institution sehr unterschiedlich. Der in der Literat u r 4 9 vereinzelt vertretenen Auffassung, dass Forschungsergebnisse von institutionell geförderten Institutionen wie bei der projektbezogenen Förderung allgemein zugänglich sein müssen, kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Vielmehr ist hier zu differenzieren nach dem Grund und der Zielrichtung der institutionellen Förderung, wobei i m wesentlichen zwischen zwei Kategorien institutionell geförderter Institutionen zu unterscheiden ist.

1. Institutionell geförderte Institutionen, die eine allgemeine gesellschaftliche oder Staatsaufgabe erfüllen Zu dieser Kategorie von Institutionen gehören in erster Linie alle Institutionen des Bildungswesens, mithin vor allem die Hochschulen. Die den Hochschulen notwendigerweise zuteil werdende institutionelle Förderung dient der Sicherstellung des Bildungsziels und der in diesem Rahmen gleichfalls erfolgenden Forschung und Entwicklung auf dem breit gefächerten Gebiet des universitären Auftrags 5 0 . Eine irgendwie geartete Zweckbindung der institutionellen Fördermittel an bestimmte Forschungsaufgaben erfolgt nicht, vielmehr unterliegt die Mittelverwendung i m Rahmen haushaltsrechtlicher Vorgaben der Disposition der Hochschulen. Soweit i m Rahmen des allgemeinen Bildungsauftrags wirtschaftlich verwertbare Forschungsergebnisse erzielt werden, stehen diese den Universitäten und i m Rahmen des Hochschulprivilegs für alle bis 6. 2. 2002 gemachten Erfindungen nach § 42 ArbEG a.F. den daselbst privilegierten Personen in vollem Umfange zu. Für alle nach dem 6. 2. 2002 gemachten Erfindungen gilt § 42 ArbEG n.F. uneingeschränkt. Weder besteht eine Lizenz des fördernden Staates an derartigen Entwicklungsergebnissen, noch besteht ein Anspruch von Drittinteressenten auf Einräumung irgendwelcher Nutzungsrechte. Diese müssen somit mit den jeweiligen Rechtsinhabern (Universität oder Professoren usw.) rechtsgeschäftlich ausgehandelt werden. Allerdings ist für alle nach dem 6. 2. 2002 gemachten Erfindungen zu beachten, dass nach § 42 Ziff. 3 ArbEG n.F. ein M i t benutzungsrecht der an einer Hochschule Beschäftigten im Rahmen ihrer Lehr- und 49

In dieser Richtung Meusel (Fn. 1), 315. Vgl. zum Bildungsauftrag und die sich hieran orientierende staatliche Finanzierung §§ 2, 5 HRG. 50

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Forschungstätigkeit besteht und insoweit die Vereinbarung einer ausschließlichen Lizenz zugunsten des Staates oder eines Drittinteressenten eingeschränkt ist. Dies ist eine zwingende Folge der diesbezüglichen institutionellen Förderung, bei der keine zweckgebundenen Mittel zur Erzielung eines bestimmten Forschungsergebnisses zur Verfügung gestellt werden, sondern bei der es sich um die Finanzierung einer allgemeinen gesellschaftlichen oder Staatsaufgabe handelt. Selbstverständlich ist - wie oben ausgeführt wurde - auch eine projektbezogene Förderung von Forschungsprojekten an Hochschulen möglich mit der Folge, dass die oben dargestellten Grundsätze der projektbezogenen Förderung zur Anwendung gelangen. Aus der allgemeinen institutionellen Förderung aber kann etwa die Einräumung von Nutzungsrechten an den Staat oder Drittinteressenten nicht hergeleitet werden.

2. Institutionelle Förderung fachspezifisch ausgerichteter Forschungsinstitute Fachspezifisch ausgerichtete Forschungsinstitute, meistens in der Rechtsform öffentlich rechtlicher Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen, zuweilen aber auch in der Rechtsform des eingetragenen Vereins, bestehen auf zahlreichen technischen Fachgebieten und genießen aus Gründen des allgemeinen oder staatlichen Interesses an der Forschung und Entwicklung auf diesen Fachgebieten eine institutionelle Förderung verschiedener öffentlicher Träger, zumeist des Staates. Derartige fachspezifisch ausgerichtete Forschungsinstitute bestehen oft in eigener Regie, wie die Max-Planck-Institute oder die Fraunhofer Institute der verschiedenen Fachrichtungen 51 . Häufig sind diese fachspezifisch ausgerichteten Forschungsinstitute trotz eigener Rechtspersönlichkeit jedoch Universitäten angegliedert. A l l diesen fachspezifisch ausgerichteten Forschungsinstituten ist jedoch gemeinsam, dass sich ihre Aufgabe und ihre Tätigkeit auf die Forschung und Entwicklung auf dem jeweiligen Fachgebiet beschränkt. Ohne die staatliche institutionelle Förderung jedoch wäre der Fortbestand dieser Forschungsinstitute nicht gewährleistet, selbst wenn diese erhebliche Eigenmittel aus privaten Forschungsaufträgen erzielen mögen 5 2 . Die Förderung der öffentlichen Hand stellt sich trotz der Ausrichtung der Forschung und Entwicklung auf ein bestimmtes Fachgebiet als institutionelle Förderung dar, da diese Mittel aus dem allgemeinen Haushalt aufgebracht werden 5 3 und ihre Verwendung nicht strickt an einzelne Forschungsprojekte gebunden ist. Gleichwohl kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die institutionelle Förderung zugunsten derartiger fachspezifisch ausgerichteter Forschungsinstitute der 51 Vgl. insbes. Ullrich (Fn. 3), 266 ff. 52 Dies trifft vor allem für die Fraunhofer Institute zu. 53 Es handelt sich um Zuwendungen i.S. d. §§ 23, 44 BHO.

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Funktion einer projektbezogenen Förderung sehr nahe kommt, dies insbesondere auch um deswillen, weil die diesbezügliche institutionelle Förderung speziell der Forschung und Entwicklung auf dem spezifisch umrissenen Fachgebiet dient und nach den Satzungen dieser Forschungsinstitute die Ergebnisse der Verwertung zugeführt werden sollen, was wiederum in der Regel nur durch die Privatindustrie erfolgen kann. Die fachspezifisch erfolgende institutionelle Förderung ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Forschungsergebnisse in der Tat den Wirtschaftszweigen zugeführt werden, für welche die Notwendigkeit dieser geförderten Forschung und Entwicklung anerkannt ist. Diese in aller Regel in den Satzungen dieser Forschungsinstitute festgelegte Verwertungsaufgabe 54 stellt sich mithin als eine Drittbegünstigung der interessierten Unternehmen dar, welche kraft des Verwendungsnachweises gegenüber dem Staat die weitere Förderung des Forschungsinstituts von der zweckentsprechenden Verwendung der Zuwendung abhängig macht und damit die Realisierung der Drittbegünstigung sicherstellt. Sofern keine speziellen Auflagen des jeweiligen Förderungsgebers erfolgen was bei dieser Art der institutionellen Förderung in aller Regel nicht der Fall i s t 5 5 - gilt in Bezug auf die Forschungsergebnisse dieser fachspezifisch ausgerichteten Forschungsinstitute folgendes: Wie bei der projektbezogenen Förderung sind die Ergebnisse nach der Sicherung möglichen Patentschutzes zu veröffentlichen, was namentlich in Forschungsberichten und ggf. auch in Fachzeitschriften zu erfolgen hat. Eine Lizenz der fördernden Institution, etwa des Staates, an den Forschungsergebnissen besteht nicht. Dies rechtfertigt sich aus der mangelnden Zweckbindung der Förderung mit Bezug auf das Forschungsergebnis. Hingegen besteht eine Lizenzoption der begünstigten interessierten Unternehmen auf Einräumung einer nicht ausschließlichen Lizenz zu angemessenen Bedingungen. Alle Einnahmen aus einer derartigen Lizenzierung verbleiben beim Forschungsinstitut bei angemessener Beteiligung der Mitarbeiter in Zweifel nach den Vorschriften des ArbEG. M i t dem i m Interesse der Allgemeinheit geförderten Forschungsziel i m Widerspruch steht die Vergabe ausschließlicher Lizenzen. Eine solche ist daher nur dann zuzulassen, wenn diese von der fördernden Institution i m Einzelfall genehmigt

54 Vgl. beispielhaft § 2 (1) a der Satzung der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Stuttgart, einer Stiftung des öffentlichen Rechts, wo es wörtlich heißt: „Aufgaben der Institute sind: Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Fasern und Textilien in Bezug auf Herstellung, Aufbau und Verarbeitung, die Prüfung von Fasern und Textilien sowie die wissenschaftliche Ergründung der bei der Fabrikation von Textilien und deren Veredlung ablaufenden Prozesse in chemischer, physikalischer und mechanisch-technologischer Hinsicht; Durchführung von Maßnahmen zur Umsetzung der Ergebnisse von Forschung und Entwicklung in der Praxis." 55 Bei Vorliegen spezieller Auflagen finden die Möglichkeiten des § 49 (2) Satz 1 Ziff. 2 VerwVfG entsprechende Anwendung, siehe Fn. 46.

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wird, was wiederum nur unter bestimmten Voraussetzungen geschehen darf, etwa wenn das Forschungsinstitut den Nachweis erbringt, dass anders ein Lizenznehmer nicht gefunden werden kann, und vor allem dann, wenn i m Rahmen der fachspezifischen Forschung ein privater entgeltlicher Forschungsauftrag erteilt wurde und der private Auftraggeber i m Gegenzug auf der Einräumung einer ausschließlichen Lizenz besteht. A u f jeden Fall ist die Ausschließlichkeit zu befristen, oder ist bei Aufkommen eines überwiegenden öffentlichen Interesses eine Beendigungsmöglichkeit mit Bezug auf die Exklusivität vorzusehen 56 .

3. Institutionelle Förderung der Fachhochschulen Eine Zwitterstellung zwischen den Universitäten und den fachspezifisch ausgerichteten Forschungsinstituten nehmen die Fachhochschulen ein. Aufgrund ihrer Fachausrichtung kommen sie den fachspezifisch ausgerichteten Forschungsinstituten sehr nahe. Doch darf umgekehrt nicht außer Acht gelassen werden, dass den Fachhochschulen in erster Linie eine Bildungsaufgabe zukommt, wenn auch auf dem speziellen Fachbereich 57 . Auch bei den Fachhochschulen steht die Bildungsaufgabe i m Vordergrund, welche sich wiederum als eine allgemeine Staatsaufgabe darstellt. Aus diesem Grunde erscheint es gerechtfertigt, in Bezug auf die Verwertung von Forschungsergebnissen die Fachhochschulen den Universitäten gleich zu stellen 5 8 mit der Folge, dass eine Lizenz des Staates und eine Lizenzoption der am jeweiligen Forschungsergebnis interessierten Wirtschaftskreise nicht besteht.

IV. Zusammenfassung Jede Form von staatlicher Förderung der Forschung und Entwicklung darf die Innovationsfreude und den Erfindergeist bei den geförderten Institutionen nicht lähmen, weshalb grundsätzlich alle Erträgnisse aus der Verwertung dieser Forschungsergebnisse bei den geförderten Institutionen oder ihren Mitarbeitern zu verbleiben haben. Umgekehrt aber ist dem Interesse der Allgemeinheit am Zugang zu den Forschungsergebnissen und an deren Verwertung durch möglichst weit gespannte 56

In dieser Richtung bereits die Empfehlungen des Sachverständigenkreises, vgl. Fn. 14. 57 Vgl. beispielhaft § 3 FHG Baden-Württemberg i.d.F.v. 1. 2. 2000. 58 Für die ähnlich gelagerte Gleichstellung von Universitätsprofessoren und Professoren an Fachhochschulen zutreffend Leuze, Urheberrechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und in den Hochschulen, 123. In diesem Sinne auch Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen vom 17. 8. 2001, BRDrucks. 583/01, 7 (zu Art. 1 Nr. 2, § 42).

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Lizenzoptionen Rechnung zu tragen, wobei die Gewährung einer Ausschließlichkeit auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss. Alle aufgrund dieser Lizenzoptionen gewählten Lizenzen erfolgen grundsätzlich gegen Entgelt, wie dies auch i m privaten Lizenzverkehr der Fall ist.

25 Jahre Fortbildungskurse für die Wissenschaftsverwaltung Eine Initiative der Universitätskanzler Franz Letzeiter*

Es ist schlimm genug, dass man jetzt nichts mehr für sein ganzes Leben lernen kann. Unsere Vorfahren hielten sich an den Unterricht, den sie in ihrer Jugend empfangen; wir aber müssen jetzt alle fünf Jahre umlernen, wenn wir nicht ganz aus der Mode kommen wollen. J. W. von Goethe, Wahlverwandtschaften 1969 stellte Helmut Schelsky in seiner programmatischen und aufrüttelnden Schrift „Abschied von der Hochschulpolitik", die den anklagenden Untertitel „Die Universität im Fadenkreuz des Versagens" trägt, fest: „Bisher ist, was bei * Die Fortbildungsseminare, die eine Gruppe der Universitätskanzler im Frühjahr 1977 in der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer begründete, wurden bald nach Anfang mit ihren Referaten in Materialienbänden dokumentiert, die im Selbstverlag herausgegeben wurden. Es erschien reizvoll nach 25 Jahren unter Auswertung der 77 bisher erschienenen Bände, die in den Kursen (meist vier pro Jahr; einer davon immer im Ausland) gehaltenen Vorträge sich in Auswahl wieder einmal vorzunehmen und in Erinnerung zu rufen, quasi eine Chronologie zu versuchen. Bilden sie doch ein Spiegelbild der Entwicklung der Verwaltungen in den Universitäten, Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen in diesen nicht nur rechtlich so Wechsel vollen Jahren mit all ihren Problemen. Die Kurse wurden von einer Arbeitsgruppe der Kanzler geplant und gesteuert, der der Verfasser ab initio bis zum Sommer 2001 angehörte. Die nachfolgende Darstellung soll auch das Wirken der Protagonisten, der Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Fortbildung zeigen und würdigen: Hermann Josef Schuster (1977-1981), Dieter Leuze (1981-1995), Hermann Fahse (1995-1997), Klaus Anderbrügge (seit 1997). Dazu gehören aus der Schweiz: Hans E. Brülhart (Fribourg), Peter Mürner (Bern), und Mathias Stauffacher (Basel / Bern) und aus Österreich: Raoul Kneucker (Wien), Othmar Köckinger (Linz), Friedrich Auer (Graz) und Arnulf Longin (Klagenfurt), aus den Niederlanden: Ruud Bleijerveld (Amsterdam). Dieter Leuze, zu dessen 70. Geburtstag die diesen Beitrag enthaltende Festschrift erscheint, sei für sein langjähriges, kraftvolles Wirken in der Leitung der Arbeitsgruppe gedankt. Nicht vergessen seien Gert Elstermann (Saarbrücken, später Berlin) und ab 1983 Peter Vorpagel (Essen, später Münster), die Leiter der one man-Geschäftsstelle, ohne deren Einsatz,

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anderen staatlichen Verwaltungen schon der Fall und bei privatwirtschaftlichen Unternehmen durchaus Brauch ist, eine systematische Information oder gar Fortbildung der Beamten der Hochschulverwaltungen in den Problemen und internationalen Maßnahmen der Hochschul- und Wissenschaftsförderung fast ganz unterblieben". 1 Der angesehene Soziologe und Analytiker der Hochschulszene schrieb diese Beobachtungen in einer hochschulbewegten Zeit nieder. Die rapide Vergrößerung aller Wissenschaftseinrichtungen, die rasch steigenden Studentenzahlen mit der dadurch notwendig gewordenen Zwangsbewirtschaftung (Urteile des Bundesverfassungsgerichtes), „die von den Gerichten vorangetriebene, rechtliche Egalisierung unter dem sozialen Gesichtspunkt von Anspruch und Teilhabe" 2 , darüber hinaus die zunehmende Verrechtlichung der Hochschulverwaltung und der Hochschulpolitik mit Staatsverträgen und Hochschulgesetzen, nicht zu vergessen die Studentenunruhen mit „teilweise chaotischen Zuständen . . . ließen üppig neue Gremien, Ausschüsse, Kommissionen, Institutsräte und Beratungskörper aus dem Boden schießen, die jede ordnungsgemäße Verwaltung blockierten und umfunktionierten". 3 In dieser unruhigen Zeit lief zudem eine aufgeregte Bürokratisierungsdebatte. Prominente Hochschullehrer und erfahrene Administratoren beklagten die zunehmende Bürokratisierung der Hochschulen und der Forschung. Es sei an die Attacken von Flämig Seel, Meusel 4 , Meier-Leibnitz und Lobkowicz erinnert, denen aus dem bayerischen Ministerium entgegen gehalten wurde: „Die Massenuniversität und der Traum von der Gelehrtenrepublik". 5 Insider wie Ernst-Joachim Meusel beschrieben den „guten Wissenschaftsverwalter" „ i m Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Verwaltung" 6 und Eberhard Böning den „Wissenschaftsbeamten", beide den Ursachen der Bürokratisierung der Wissenschaft nachspürend. 7 das durchaus unbürokratisch aufgebaute und arbeitende Unternehmen kaum 25 Jahre floriert hätte. Der Beitrag bezieht den Vortrag des Verfassers „10 Jahre Fortbildungskurse für die Wissenschaftsadministration" ein, gehalten auf dem Seminar „Die Selbstverwaltungsrechte der Wissenschaft" am 9.7. 1987 in Berlin; veröffentlicht in WissR 1987, S. 243 ff. und im Materialienband Nr. 31 (Essen 1987). ι Schelsky , Helmut, а. а. O. S. 87. 2 Maier, Hans, in DIE WELT v. 15. 12. 01. 3 Rupp, Hans-Heinrich, Deutsches Hochschulwesen der Gegenwart, in Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd. I, S. 37 ff. (48); vgl. auch Letzeiter, Franz, Die wissenschaftlichen Hochschulen und ihre Verwaltung, in Deutsche Verwaltungsgeschichte, 1981, hrg. von Kurt G.A. Jeserich, Hans Pohl, Georg-Christoph von Unruh, Bd. V, S. 654 ff. (662). 4 Zerwaltung der Forschung, in WissR 1977, S. 118 ff. 5 Bächler, Dieter, in Süddeutsche Zeitung v. 2/3. 4. 1977. 6 DUZ 1977 (20), S. 649. 7 DUZ 1977(15), S. 470.

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In seinen Verbesserungsvorschlägen fordert Böning, „Wissenschaftsbeamte sollten durch ein besonderes Programm der Weiterbildung konkreter an die Probleme der wissenschaftlichen Einrichtungen herangeführt und auf diese Art und Weise auch damit vertraut werden, welche Folgen Uberbürokratisierung für die Aufgabe wissenschaftlicher Einrichtungen hat". 8 Die Universitätskanzler befassten sich schon einige Jahre mit dem Thema eines Ausbildungsprogramms in der Wissenschaftsverwaltung. Hermann Josef Schuster, damals Kanzler der Universität des Saarlandes, referierte i m März 1969 auf der Kanzlertagung in seiner Universität und entwickelte Ideen für die Ausbildung von Fachleuten für die Wissenschaftsverwaltung. Hier seien zwei wegweisende Aufsätze erwähnt. Der Tübinger Offentlichrechtler Otto Bachof legte 1964 „Überlegungen zu einer Verwaltungsreform der deutschen Hochschulen" vor, 9 wo er herausarbeitet, wie sehr die akademische Selbstverwaltung eine Komplementärfunktion von Forschung und Lehre ist, die daher auch den Verwaltungsstil der Hochschule bestimmt". Richtunggebend wurde dann 1968 ein Aufsatz der Kanzler Schuster und Graf Stenbock (Aachen) „Überlegungen zur Eigenart der Hochschulverwaltung" i m ersten Heft der neuen Zeitschrift „Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung". Hochschulverwaltung bedient sich zwar der Formen der staatlichen Verwaltung, dient aber „einem dem Staatswillen entzogenen, verfassungsrechtlich geschützten Sachbereich". 10 Die Wissenschaftsverwaltung sei als besonderer Teil der Verwaltungswissenschaft anzuerkennen und erfordere eine Ausbildung sui generis. Frucht dieser Überlegungen war das „Modell einer Managementausbildung für Hochschuladministratoren" das 1974 vorgelegt wurde. I m gleichen Jahr publizierte der Düsseldorfer Kanzler Carl Friedrich Curtius einen größeren Aufsatz „Studiengänge für Hochschulverwalter - das Beispiel U S A " 1 1 , der Erfahrungen mehrerer Studienreisen auswertete. Der ausführliche Bericht bringt eine gründliche Analyse der amerikanischen Ausbildung von Hochschulverwaltern, auf der Basis „der Notwendigkeit systematischen Wissenserwerbs als Grundlage modernen Hochschulverwaltungshandelns". Dies wurde in USA deutlicher erkannt. Sowohl Schuster als auch Curtius warfen die Frage der Übertragbarkeit der amerikanischen Modelle auf. 1 2 Es stellte sich bald heraus, das die meist zweijährigen grundständigen Studiengänge amerikanischer Provenienz in der Bundesrepublik nicht zu etablieren sind, sondern möglicherweise Aufbaustudiengänge in Frage

8 Wie Fn. 6. 9 FS-Jahrreiss, 1964, Sonderdruck S. 7. 10 WissR 1968, S. 24 ff. (30). π DUZ 1974 (10), S. 416 ff. 12 Siehe dazu Curtius , Carl Friedrich, Zur Verwendung ausländischer Hochschulmodelle, Möglichkeiten und Grenzen, in WissR 1969, Beiheft 3, S. 29.

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kämen. M i t der Übernahme von bloßen Begriffen und „Versatzstücken" 13 sei es nicht getan und vor „bruchstückhaften Transplantationen" 14 zu warnen. Zum zeitlichen Rahmen, zur Abkömmlichkeit der Führungskräfte der Hochschulverwaltung zeigte sich, dass sie „ i n der Regel nur zwei bis drei Tage für Aus-, Fort- und Weiterbildung aufbringen können". 1 5 Den sich zuspitzenden, aktuellen Managementproblemen in den mehr und mehr überfüllten Hochschulen plante man mit einem Kursprogramm zu begegnen, das Mitte der siebziger Jahre publiziert wurde. 1 6 Vorher gingen Umfragen, eingehende Beratungen der Kanzler, Analysen auch anderer ausländischer Modelle. Die für die Entwicklung des Programms verantwortliche Arbeitsgruppe verschaffte sich zunächst Klarheit über den quantitativen Bedarf. Etwa 1000 Administratoren mit wissenschaftlicher Vorbildung waren seinerzeit in Hochschulen und Forschungseinrichtungen beschäftigt. Dazu kamen ca. 500 weitere Angehörige des höheren Dienstes in den Hochschulabteilungen der Länderministerien, in den beiden Bundesministerien und anderen mit Angelegenheiten des Hochschulwesens und der Wissenschaftsverwaltung und Förderung befassten Einrichtungen. Das Programm wurde als Beitrag der deutschen Mitgliedsinstitutionen i m Hochschulverwaltungsprogramm der OECD entwickelt. Es beruhte auf der Überlegung, „dass der schnelle Wechsel in der Aufgabenstellung die Anforderungen an die Administratoren in Universitäten, Einrichtungen der Großforschung und in wissenschaftsfördernden Behörden und Organisationen ständig verändert". 1 7 Intendiert war für die in der Wissenschaftsverwaltung Tätigen eine „Anpassungsfortbildung", um den Besonderheiten der Wissenschafts Verwaltung Rechnung zu tragen. Man sprach damals von „drei- bis fünftägigen Trainingskursen", verlangte „Überblicksinformationen allgemein interessierenden Inhalts aus den Bereichen Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsökonomie und Wissenschaftspoliиг.·8 Die Arbeitsgruppe der Universitätskanzler unter Leitung des Saarbrücker Kanzlers, der wie dargestellt seit Jahren sich Fragen der Fortbildung, der Wissenschaftsadministratoren widmete, knüpfte den Kontakt mit der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Zusammen mit Kanzlerkollegen wie dem Aachener Burkhart Müller, dem Augsburger Dieter Köhler, dem Göttinger Hans-Ludwig 13

Hennis, Wilhelm, Die deutsche Unruhe, Studien zur Hochschulpolitik, Hamburg 1969,

S. 96. 14

Curtius, wie Fn. 12. Graeper, Norbert, Hammer, Ulrich, Keller, Arno, Vorüberlegungen zu einer planungsorientierten Verwaltungsausbildung im Hochschulbereich, in DUZ 1974, S. 282 f. 16 Schuster, Hermann Josef, Fortbildungsprogramm für die Wissenschaftsverwaltung, in WissR 1978, S. 164 ff. 17 Schuster, Hermann Josef, in Fn. 16. 18 Fortbildungsprogramm, 1. Bericht, November 1977, hg. von der Arbeitsgruppe Fortbildung, S. 5. 15

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Schneider und dem Verfasser wurde am 28. Februar 1977 das erste Seminar in Speyer gestartet. Thema war „Das Rechnungswesen in wissenschaftlichen Einrichtungen". Der Betriebswirt Heinrich Reinermann hatte die wissenschaftliche Leitung übernommen. Die Starthilfe des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft erleichterte den Anfang. Eine Publikation der Vorträge fand zunächst nicht statt, wiewohl das brisante Thema viele Kollegen anlockte, darunter leitende Beamte der Rechnungshöfe. Man war sich i m Veranstalterteam von Anfang an einig, dass die regelmäßige Teilnahme von Kollegen aus den Rechnungshöfen wichtig sei und sachliche Auseinandersetzungen in den geplanten Seminaren viel zum gegenseitigen Verständnis beitragen könnten. Ebenso legten wir Wert darauf, dass ab ovo Kollegen aus den deutschsprachigen Nachbarländern Österreich und Schweiz (später kamen die Niederlande dazu) zu jedem Seminar einzuladen seien und jährlich ein Sonderseminar im Ausland veranstaltet werden sollte. M i t frischem Schwung wurde noch i m September des gleichen Jahres an der T U Wien das erste größere Sonderseminar „Die Rolle der Forschung in wissenschaftlichen Hochschulen" ins Werk gesetzt. Die eindrucksvolle Veranstaltung mit hochrangigen Referenten, deren Teilnehmerkreis neben leitenden deutschen, österreichischen und schweizer Universitätsverwaltungsbeamten, Hochschulabteilungsleitern, Geschäftsführern von Großforschungseinrichtungen, Rektoren, Generalsekretären (von DFG, Wissenschaftsrat, Schweizer Nationalfonds und Rektorenkonferenz Österreichs), Präsidenten von Akademien der Wissenschaften (Niederlande und Österreich) umfasste, fand ihren Niederschlag in einem Beiheft der Zeitschrift „Wissenschaftsrecht" 19 mit den Referaten samt Diskussionen. In dem Seminar sah Schuster „einen grundsätzlichen Beitrag zum Selbstverständnis der Wissenschaftsadministration". 20 Zu diesem vielbeachteten, das Fortbildungsprogramm über Insider hinaus bekannt machende, internationale Seminar sei noch auf einen ausführlichen Bericht des Verfassers hingewiesen. 21 Nach drei weiteren Seminaren 1977/78 in Speyer und Göttingen führte das zweite internationale Sonderseminar i m Herbst 1978 an der Ε Τ Η Zürich zu fesselnden Diskussionen über das Thema „Die Zukunft des wissenschaftlichen Personals". Die bedrückende Feststellung, das es um die Zukunft junger Wissenschaftler nicht gut bestellt sei, da die Struktur der Planstellen und der Altersaufbau der Stelleninhaber in den wissenschaftlichen Einrichtungen in vielen europäischen Ländern unausgewogen sei, „so dass in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen die Zukunftschancen auch der besten Köpfe gegen Null tendieren" 2 2 , war der Anlass zur aktuellen Themenwahl. 19

Die Rolle der Forschung in wissenschaftlichen Hochschulen, in WissR, Beiheft 7, März 1979. 20 WieFn. 19, Vorworts. III. 21 Letzelter, Franz, Bürokratisierte Wissenschaftsverwaltung? Administrativer Wandel und ein Fortbildungsprogramm, in DUZ 1977 (21), S. 682-685. 23 FS Leuze

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In ergötzlicher Erinnerung blieb des Augsburger Anglisten Thomas Finkenstaedts pointiertes Referat zu den „absurden Alters- und Anciennitäts-Strukturen und dem „Fluch des A 13 als Eingangsstufe" mit dem Resümee: „Die Fakten sagen, dass etwas geschehen muss". Er zitierte dazu u. a. einen Autor von 1768 (!), der die Notwendigkeit forderte, auch Universitäten eingehen zu lassen 23 . . . Die im gleichen Jahr i m Bonner Wissenschaftszentrum durchgeführte Fortbildungsveranstaltung „Das B i l d der Wissenschaft in der Öffentlichkeit" führte schon in der Vorbereitungsphase zu aufgeregten Erörterungen. Es gab Stirnrunzeln bei der W R K und den Präsidenten der Förderorganisationen mit der Frage: Ist dieses wissenschaftspolitische Thema eigentlich Sache der Kanzlerfortbildung? Es gelang dem Verfasser das Seminar mit hochrangigen Referenten wie Hermann Lübbe, Reimut Jochimsen, Malte Buschbeck und dem Londoner Germanisten Peter Stern zu besetzen. Der Präsident der W R K , der u. a. am Züricher Seminar teilgenommen hatte, konnte sich überzeugen, dass die Kurse „nicht in fremden Revieren wilderten". Nach der Intention der Gründer sollten die Seminare (oft zu eng „Kanzlerseminare" genannt) die gesamte Breite der Wissenschaftsadministration ansprechen; insofern wurde die Teilnahme des Präsidenten ausdrücklich begrüßt. Die Arbeitsgruppe beabsichtigte die Seminarergebnisse möglichst komplett in Materialienbänden festzuhalten. Nachdem das Wiener Sonderseminar i m Beiheft von „WissenschaftsRecht" publiziert worden war, konnte mit dem o.g. Seminar eine Publikationsreihe (Materialienbände) eröffnet werden, die bis heute besteht und regelmäßig die Seminarreferate publiziert. 2 4 Noch 1978 zog Schuster eine Zwischenbilanz, wobei er die Seminare als „Beitrag der deutschen Mitgliedsorganisationen i m Hochschulverwaltungsprogramm der O E C D " herausstellte. 25 Er betonte, dass die Seminare mit durchschnittlich dreitägiger Dauer keine berufliche Spezialisierung bezweckten. Vertiefte Spezialkenntnisse sollten durch spezielle Schulungskurse vermittelt werden. Die Fortbildungsseminare seien darauf angelegt, Angehörigen der vielfältigen Wissenschaftsverwaltungen mit unterschiedlicher Vorbildung und unterschiedlichen Spezialaufgaben (Adressaten: Angehörige des höheren Dienstes) eine gewinnversprechende Teilnahme zu ermöglichen. Die ersten Kurse hatten überwiegend Juristen, aber auch etwa ein Viertel Wirtschaftswissenschaftler angezogen. „Themen und Referenten wurden so gewählt, dass vor allem Juristen und Ökonomen in einen fruchtbaren Gedankenaustausch treten und wechselseitig ihren Blick für Begriffswelt 22 Schuster, Hermann Josef, im Vorwort zum Materialienband Nr. 2 des Seminars, Saarbrücken 1979. 23 Wie Fn. 22, S. 67. 24 Das Bild der Wissenschaft in der Öffentlichkeit, Fortbildungsprogramm für die Wissenschaftsverwaltung, Materialienband Nr. 1, Saarbrücken 1978; Bis 2000 erschienen 75 Bände, ein reiches, oft unbekanntes, noch gar nicht erschlossenes Kompendium vieler Nuancen und Probleme der Wissenschaftsadministration. 2 5 WissR 1978, S. 164.

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und Problemsicht der jeweils anderen Disziplin schärfen können". 2 6 Ferner unterstrich Schuster ausdrücklich, wie vorteilhaft sich die Zusammenarbeit mit der Speyrer Hochschule für die inhaltliche Realisierung der Programme und die organisatorische Abwicklung erwiesen habe; vier der sieben Seminare fanden bis dato in Speyer statt. Auch Eberhard Böning, seinerzeit Leiter der Abteilung Hochschulen, Wissenschaftspolitik i m Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft ( B M B W ) , bewertete 1979 das besondere Verdienst der Kanzler und leitenden Verwaltungsbeamten positiv, sich der „Fortbildungslücke" angenommen und dabei erkannt zu haben, das es sich hierbei um ein in allen vergleichbaren Staaten ähnliches Problem handelt, das die OECD mit einem eigenen Programm angeht. " Es gibt wenige vergleichbare Beispiele für eine gute Kombination von privater Initiative, Knowhow und Regie durch wissenschaftliche Einrichtungen, internationaler Unterstützung und doch privater sowie öffentlicher finanzieller Hilfe, wie es in diesem Programm zum Ausdruck gekommen ist . . . Das Beispiel, das die Kanzler deutscher Hochschulen gegeben haben, verdient Anerkennung und Nachahmung. Es stellt i m besten Sinne des Wortes einen Akt der Selbstverwaltung dar. Es ist zugleich ein Beweis ihrer Aufgeschlossenheit, wenn sie sich dieser Aufgabe nicht in provinzieller oder auch nur nationaler Begrenzung, sondern von vorneherein mit einem Blick für die Entwicklung i m Ausland angenommen haben", schrieb Böning. 2 7 Die belobigte Offenheit für den internationalen Austausch mit den benachbarten Kollegen wurde 1980 mit dem Seminar „Internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit und Wissenschaftsadministration" in der belgischen Universität Löw e n 2 8 und 1981 i m Europarat in Straßburg mit dem Thema „Wissenstransformation, Technologietransfer, Bildungsdokumentation" 2 9 fortgesetzt. „ W i l l man Administration bei internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit nicht nur auf Zufallstreffer beschränken, muss man fortdauernd um Wissen, um den Partner, über seine Universität und über sein Land bemüht sein", 3 0 bilanzierte Burkhart Müller das Löwener Seminar. 1981 wechselte der Vorsitz in der die Kurse steuernden Arbeitsgruppe Fortbildung. Hermann Josef Schuster war in Berlin zu Wissenschaftssenator Prof. Kewenigs Staatssekretär berufen worden und der von Anfang an in der Arbeitsgruppe stark beteiligte Essener Kanzler Dieter Leuze übernahm die Nachfolge. Er wurde künftig zu einem engagierten Promotor der Veranstaltungen und lud jährlich zu einem Seminar nach Essen ein. Schon 1980 hatte er sich mit der Planung und Betreuung eines größeren Seminars in seiner Hochschule hervorgetan. Die Ankündigung des Themas „Neues Personalrecht an den Hochschulen unter besonderer 26 Wie Fn. 25, S. 168. 27 WissR 1981, S. 67 ff. (69,70). 28 Materialienband Nr. 6, Saarbrücken 1981. 29 Materialienband Nr. 15, Essen 1984. 30 Materialienband Nr. 6, Vorwort S. IV. 2

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Berücksichtigung des wissenschaftlichen Nachwuchses und des Mittelbaus" fand ein überaus breites Interesse. 31 Dies veranlasste die Veranstalter erstmals mehr als die üblichen dreißig Teilnehmer zuzulassen. Damit änderte sich der Charakter der anfangs klein gedachten Seminare. Später wurde immer wieder einmal über die Teilnehmerzahl nachgedacht. 32 Attraktive Themen und Orte lockten manchmal 100 und mehr Kollegen an. Die Arbeitsgruppe vermied es aber, einen numerus clausus zu verhängen, war sich bewusst, dass gerade die internationalen Sonderseminare an den ausgesuchten, von der amoenitas loci begünstigten Orten auch Repräsentationstagungen sind, die mehr dem Gedankenaustausch und Kennen lernen dienen, als eine reine FortbildungsVeranstaltung. Die Themen Personalrecht und Personalvertretungsrecht wurden zu Leuzes Spezialthemen, zu denen er in der juristischen Fachliteratur viel beisteuerte, auch manche Urteile kritisch kommentierte. 3 3 Die von ihm initiierten Seminare in Essen boten durchweg mit renommierten Referenten in den kommenden Jahren reichen Informations-, Lern- und Diskussionsstoff. I m genannten, von Leuze mit Schuster vorbereiteten und betreuten, größeren Seminar, das „Neue Personalrecht" blieb das breit angelegte Referat von Christian Millack, dem Düsseldorfer Besoldungsexperten aus dem Finanzministerium, in Erinnerung. Er gab eine Darstellung „Besoldungsrecht an deutschen Hochschulen" von Humboldt über Althoff , die Reichsbesoldungsreform von 1909, die Neuordnung 1964 bis zu weiteren Reformbestrebungen, die er kritisch würdigte. „Die veränderten Bedingungen einer hochindustrialisierten, arbeitsteiligen Gesellschaft werden die Bedeutung der bisherigen Formal-Hierarchien des Bildungssystems vermindern. Es wird weniger darauf ankommen, welche formalen Bildungsabschlüsse der einzelne vorweist, als was er aufgrund seiner Bildung in der Berufswelt leistet. Aus der Sicht des Bezahlungssystems ist diese bildungspolitische vielleicht diskutable Prognose, aber höchst problematisch . . . Ich wage die Prognose, dass die Kongruenz zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem erhalten bleiben muss und wird, weil sich andernfalls das Bildungssystem selbst ad absurdum führen würde. Klassenkämpferische Akzente sind hier höchst unangebracht". 3 4 Nach zwei Seminaren in Hannover und Erlangen, mit dem Versuch einer Zwischenbilanz zum immer wichtiger werdenden Thema „Datenverarbeitung in der Wissenschaftsadministration" 35 , das schon 1967 bei der Jahrestagung der Universi31 32

Materialienband Nr. 3, Saarbrücken 1980. WissR 1978, S. 251.

33 Hier ist u. a. auf den gründlichen Beitrag von Leuze „Personalvertretung" im Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd. I, S. 493-508, 2. Auflage 1996, hinzuweisen, der das „von gewerkschaftlichen und politischen Interessen durchzogene, schwer handhabbare, komplizierte Rechtsgebiet" (S. 494) mit seinen Kontroversen ausführlich darstellt. 34 Materialienband Nr. 3, Saarbrücken 1980, S. 88-112 (109/111). 35

Materialienband Nr. 4, Saarbrücken 1980.

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tätskanzler in Göttingen auf der Agenda stand, organisierten Leuze und Schuster in Essen „Das neue Personalrecht an den Hochschulen I I unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten". Als besonderes Problem stellte sich heraus, dass die unklaren rechtlichen Vorgaben der Hochschulgesetze und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Hochschulen i m Bereich des wissenschaftlichen Mittelbaus mit Dauerarbeitsplätzen versieht und damit die Flexibilität der Hochschulen zur Förderung des akademischen Nachwuchses weiter einschränkt. Die Kanzler gaben zu bedenken, „dass die Arbeitsgerichte, die Hochschulen in der gleichen Weise behandeln wie private Arbeitgeber, ohne zu berücksichtigen, dass das Ziel der Tätigkeit in Hochschulen die Erfüllung eines gesetzlichen Auftrages Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sei". 3 6 Die beiden personalrechtlichen Seminare, die großen Anklang gefunden hatten, ließen den einhelligen Wunsch nach einer Fortsetzungsveranstaltung mit personalvertretungsrechtlichem Schwerpunkt aufkommen. I m Januar 1982 leitete Leuze in seiner Essener Hochschule das von ihm konzipierte Seminar „Personalvertretungsrecht an wissenschaftlichen Hochschulen" mit wieder prominenten Referenten aus den Bereichen Universitäten, Verwaltungsgerichte und aus Ministerien. Peter Hanau (Köln) arbeitete die Strukturverschiedenheiten zwischen personalvertretungsrechtlicher und hochschul-rechtlicher Mitbestimmung heraus. Carl Friedrich Curtius beleuchtete anhand von vierzehn vorgetragenen Fällen die Problematik des personalvertretungsrechtlichen Einflusses auf die Organisation der Verwaltung der Hochschule. Zusammenfassend stellte Curtius fest, „dass das Personal Vertretungsrecht nach gegenwärtigem Stand einen mittleren Weg zwischen der Anerkennung der verfassungsrechtlich gebotenen Organisationsgewalt des Dienstherrn und dem unsere Zeit kennzeichnenden Mitbestimmungsprinzip beschritten h a t " . 3 7 Aber es blieb nach Durchsicht der Referate festzuhalten, dass das Spannungsverhältnis zwischen grundgesetzlich verbriefter Freiheit von Forschung und Lehre und der Schutzfunktion des Personalvertretungsrechts - in diesem Seminar aus verschiedener Sicht dargestellt - mit den immer ausgedehnteren Mitbestimmungsregelungen verschärft wird und zu wachsenden Schwierigkeiten in unseren Universitäten führt. Das Personalvertretungsrecht beschäftigte auch in späteren Jahren unter Berücksichtigung neuer Landespersonalvertretungsgesetze den Kreis der die Seminare besuchenden Wissenschaftsadministratoren, ζ. В. 1986 3 8 und 1989 3 9 , beide Male wiederum in Essen unter Leitung von Dieter Leuze. Man kann in den Referaten dieser Materialienbände die Entwicklung von einem „relativ spannungsfreien K l i ma der Zusammenarbeit" zur „Überziehung der Universität mit einem personalvertretungsrechtlichen Kunstbegriff bürokratischer Herkunft, dem der Dienststelle" 36 Materialienband Nr. 5, Essen 1981, S. 237. 37 Materialienband Nr. 7, Essen 1982, S. 96. 38 Materialienband Nr. 27, Essen 1986. 39 Materialienband Nr. 40, Personalvertretungsrecht III, Essen 1989.

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studieren, dies „ m i t weitreichenden Folgen für die Erfüllung des Universitätsauftrages in Forschung und L e h r e " . 4 0 Dem Leitmotiv der Arbeitsgruppe „Weiterbildung" waren zwei Seminare gewidmet. 1981 lud Dieter Köhler nach Augsburg zum Seminar mit dem Thema „Das weiterbildende Studium als neue Aufgabe der Hochschule" ein. Der Augsburger Kanzler überzeugte die Arbeitsgruppe, „Das Thema bedarf keiner Rechtfertigung, denn was läge für ein Fortbildungsprogramm der Wissenschaftsverwaltung näher, als sich mit Weiterbildungsaufgaben der Institution zu befassen, die i m Mittelpunkt der Arbeit der Wissenschafts Verwaltung steht?" 4 1 Zwei Jahre später legte der Wissenschaftsrat 1983 seine „Empfehlungen zur Weiterbildung an den Hochschulen" vor. In der Begründung wird ausgeführt, „die Diskussion um Fragen der Weiterbildung, gerade auch der Weiterbildung an Hochschulen, hat in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit, bei den Trägern der Weiterbildung und auch in den Hochschulen zugenommen". 4 2 Das Beratungsgremium zieht u. a. das H R G von 1976 heran, dass den Hochschulen ausdrücklich den Auftrag zur Weiterbildung erteilt habe, da ein hohes Ausbildungsniveau auf Dauer nur durch Weiterbildung gesichert werden könne. Nach der Vorlage dieser Empfehlung des Wissenschaftsrates, die er ausdrücklich „als erste Vorschläge, kein Gesamtkonzept" deklarierte, wurde das Thema 1987 nochmals auf einem internationalen Seminar in Graz von der Arbeitsgruppe mit der Betonung der „Rolle der Hochschuladministration bei der Weiterbildung als Universitätsaufgabe" aufgegriffen 4 3 Der Kanzler der Fernuniversität Hagen Ralf Bartz, der das sehr gut besuchte Seminar mit den unten genannten Kollegen geplant und betreut hatte, resümierte: „Die Hochschuladministration wird in den nächsten Jahren Phantasie und Kreativität zeigen müssen, wenn die Weiterbildung als Universitätsaufgabe die Bedeutung erreichen soll, die ihr heute von der Politik zugewiesen wird. Dazu hat das Seminar brauchbare Grundlagen geliefert". 4 4 Nach den Intentionen der Gründer der Fortbildungsseminare sollte die Trias Wissenschaftsrecht, Ökonomie und Wissenschaftspolitik den Grundstock der Veranstaltungen bilden. Die reichen Facetten des Wissenschaftsrechts mit seinen Nebengebieten nahmen, insbesondere in Folge der ständigen Novellierungen in Bund und Ländern, einen breiten Raum ein. Es sei hier daran erinnert, dass eine Regelung der Materie durch Gesetze bis Ende der 50er Jahre die Ausnahme bildete 4 5 Alexander Kluge bemerkte noch 1958: „Es ist auffällig, dass es in Deutsch40 Curtius, Personalräte in der Universität, in Politik, Philosophie, Praxis, Festschrift für Wilhelm Hennis zum 65. Geburtstag, hg. v. Hans Maier, Ulrich Matz, Kurt Sontheimer, PaulLudwig Weinacht, 1988, S. 587. 41 Materialienband Nr. 8, Augsburg 1982, S. 3. 42

Wissenschaftsrat, Empfehlung zur Weiterbildung an den Hochschulen, Köln 1983, S. 5. Materialienband Nr. 32, Essen 1987, Das Seminar wurde für die Arbeitsgruppe von Rolf Bartz, Hermann Becke, Othmar Köckinger, Franz Letzeiter und Burkhart Müller organisiert. 44 Wie Fn. 43. 43

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land fast keine Universitätsgesetze gibt. Die für unser Universitätsrecht charakteristische Rechtsquelle sind die Statuten der einzelnen Universitäten". 4 6 Hans Gerber stellte seinerzeit die Frage: „Inwieweit in der heutigen staatlichen Verfassungslage ein Hochschulgesetz zweckmäßig, vielleicht sogar notwendig ist, worauf es aber zu beschränken ist und in welcher Beziehung es zu den autonomen Grundordnungen der Hochschulen zu stehen h a t " . 4 7 Hochschulgesetze wurden dann in Berlin (1956), i m Saarland (1957), 4 8 und in Rheinland-Pfalz (1961 ) 4 9 erlassen. Die neugegründeten Universitäten brauchten eine Rechtsgrundlage. Zur Wiederherstellung der Universität Gießen beschloss der hessische Landtag 1957 ein Universitätsgesetz. Seit 1921 existierte in Hamburg schon ein Universitätsgesetz. Das erste Seminar, das sich (von den o.g. über Personalrecht und Personalvertretungsrecht abgesehen) explizit mit dem Thema „Wissenschaftsrecht" befasste, fand i m Sommer 1983 in Bad Honnef statt („Wissenschaftsrecht in Wandel?") 5 0 . Der Bonner Universitätskanzler Wilhelm Wahlers hatte zusammen mit Ernst Joachim Meusel, dem Geschäftsführer des Garchinger Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP), ein ausgesuchtes Programm mit vorzüglichen Sachkennern ausgearbeitet, das als Versuch geplant war, nach Inkrafttreten des HRG „Die Gesamtproblematik des Wissenschaftsrechts zu durchleuchten", wobei deutlich wurde, „dass Bundes- und ins besonders einzelne Landesgesetzgeber nicht unbedingt eine glückliche Hand bei der Regelung des Hochschulrechts gehabt haben und kein Hochschulgesetz ein Jahrhundertwerk geworden i s t " . 5 1 Wahlers warf zu Beginn der Tagung die öfter gestellte Frage auf, „ob nicht dem Hochschulen am ehesten gedient wäre, wenn das H R G als Ganzes aufgehoben und der Bund auf seine Gesetzgebungskompetenz verzichten würde . . . Sachverhalte, wie die Hochschulorganisation und Hochschulverwaltung sind keineswegs von so entscheidender Bedeutung, dass sie unbedingt ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers voraussetzen". 52 Im gleichen Sinne verurteilte Thomas Oppermann die „immense Verrechtlichung i m Hochschulwesen, die nach 1968 durch den Erlass der zahlreichen Landeshochschulgesetze eingeleitete wurde und seither, nicht zuletzt über die Umsetzung des HRG auf Landesebene immer weiter vorangetrieben wurde". Er forderte, „das wirklich Wesentliche von der akzidentellen Regelung zu unterscheiden, ohne 45

Vgl. dazu Werner Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 1. Auflage 1956, S. 27. Kluge, Alexander, Die Universitätsselbstverwaltung, 1958, S. 213. 4 ? Gerber, Hans, Verwaltungs-Archiv 48 (1957), S. 180 ff. (183). 48 Vgl. dazu Letzeiter, Franz, Das saarländische Universitätsgesetz von 1957 und seine Neufassung, eine Darstellung von Fragen des gegenwärtigen Hochschulrechts, in DUZ 1963, Heft 11 und 12. 49 Vgl. dazu Wegner, Otto in DUZ 1961, S. 3 ff. 50 Materialienband Nr. 11 (Essen 1983). 46

51 Wie Fn. 50, Vorwort S. 3. 52 Wie Fn. 51, Vorwort S. 4/5.

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welche die Universitäten in jahrzehnte-, j a jahrhundert langer Praxis nicht nur ausgekommen, sondern sogar meist gut gefahren sind". 5 3 Jürgen Salzwedel untersuchte in seinem Referat „Das Wissenschaftsrecht im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts". Er kritisierte die einseitige Sicht des Art. 12, Abs. 1 GG: „Das Hauptproblem der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfte darin liegen, dass die Grundrechtskollision zwischen Art. 12, Abs. 1 GG und Art. 5, Abs. 3 GG überhaupt nicht berücksichtigt worden ist. Dem Grundrecht der Studienbewerber muss die Wissenschaftsfreiheit gleichrangig gegenüber gestellt bleiben". 5 4 Dies wurde auch von Oppermann vertreten, der ebenda die „folgenschwere Übertragung der für den Wirtschaftsbereich entwickelten extrem liberalen Sicht der Berufsfreiheit auf die Ausbildungsfreiheit i m Sinne der NumerusClausus-Rechtsprechung " als Ursache der heutigen Massenuniversität ansah. 55 In zwiespältiger Erinnerung blieb auf dieser Tagung Eberhard Bönings - damals maßgeblicher Abteilungsleiter i m B M B W für das Hochschulrecht - Verteidigung des HRG, dem man „nahezu alle Beeinträchtigungen des Hochschulsystems der letzten Jahre angelastet" habe. Es handle sich um ein „höchstem Maße politisches Gesetz", „ u m den ausgeprägten Wunsch nach politischer Gestaltung" 5 6 Böning illustrierte dies u. a. mit dem Thema Gesamthochschule, die, wie die späteren Erfahrungen zeigen, Wahlers Skepsis von der wenig glücklichen Hand des Gesetzgebers wohl rechtfertigt. Zwei Jahre später griff die Arbeitsgruppe auf Vorschlag von Dieter Leuze wiederum ein wissenschaftsrechtliches Thema auf, das in Essen das alte Spannungsverhältnis Staat-Hochschule beleuchtet: „Rechtsaufsicht - Fachaufsicht. Zusammenwirken Staat - Hochschule", mit ersten Fachleuten wie Kay Hailbronner, Gerd Roellecke, Manfred Erhardt, Hans-Uwe Erichsen und Heribert Röken. Autonomieanspruch der Hochschulen einerseits und Abhängigkeit vom Staat als ihrem Träger anderseits führten wieder zu Erörterungen, der Frage nach Grenzen einer Kontrolle, der Abwehr der Hochschule gegen Übergriffe, den Versuchen einer Lösung oft unausweichlicher Konflikte. Hailbronners Resümee: „Aus der Eigenart der wissenschaftlichen Forschung und Lehre als mit Grundrechten geschützter Amtstätigkeit ergibt sich eine nie ganz auflösbare Antinomie zwischen wissenschaftlichem Freiraum und staatlichem Effizienzbedürfnis". 57 Die universitäre Selbstverwaltung als Ausfluss einer Machtbalance zwischen Staat und wissenschaftlichen Hochschulen war eben immer ein labiles Gebilde.

53 Materialienband Nr. 11, S. 85/86. 54 Ebenda, S. 35; so auch Salzwedel, Jürgen in WissR , Beiheft 6 (1978), S. 235 ff. (245). 55 Ebenda, S. 88; vgl. dazu auch Kay Hailbronners Neues Gutachten zur ZVS, in dem er die Grundlagen der alten Numerus-Clausus-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für überholt ansieht, in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. 11. 01 und den Leserbrief des Verfassers in der FAZ vom 4. 9. 1996. 56 Materialienband Nr. 11, S. 110. 57 Materialienband Nr. 22 (Essen 1985), S. 72.

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Den Selbstverwaltungsrechten der Wissenschaft war 1978 ein weiteres Seminar gewidmet. Die planende und steuernde Arbeitsgruppe nahm auf Vorschlag des Verfassers das zehnjährige Bestehen der Fortbildungskurse zum Anlass in Berlin eine weitere Bilanz zu versuchen und damit die fast 50 Seminarveranstaltungen in der Bundesrepublik, in Osterreich, der Schweiz, Frankreich und Belgien von 1977 bis 1987 zu resümieren. Die in diesen Jahren oft überstürzte Hochschulgesetzgebung legte eine Bestandsaufnahme über die Selbstverwaltungsrechte der Wissenschaft als weit gefasstes Thema nahe. 5 8 M i t Schiedermair, Hailbronner und dem Schweizer Förderaiismusexperten Thomas Fleiner (Fribourg) konnten erneut prominente Staatsrechtslehrer verpflichtet werden, denen sachkundige Referate der Praktiker-Kollegen Köckinger (Linz / Österreich), Schuster (Berlin), Schneider (Göttingen), Wex (Berlin), Meusel (Garching) und Blasius (Düsseldorf) gegenübergestellt wurden. Dem Rückblick waren zwei Referate von Heribert Röken, dem Dortmunder Kanzler und von dem Verfasser gewidmet, die sich die Retrospektive geteilt hatten. Röken verdeutlichte in einem allgemeinen Teil die Notwendigkeit der Weiterbildung. Letzeiter fungierte als Chronist und unterzog dabei die Seminare einer rückblickenden Bewertung. Hartmut Schiedermairs, des Präsidenten des Deutschen Hochschulverbandes, einführendes Referat sei herausgegriffen. Er untersuchte die Universität als Selbstverwaltungskörperschaft und stellte die Frage, ob nicht in der Massenuniversität deren körperschaftliche Verfassung nur noch ein Anachronismus sei. In seiner weitgespannten Analyse der Körperschaftsautonomie in der deutschen Universitätstradition von der mittelalterlichen Universitas bis zu ihrer Verfassung im freiheitlichen Staat des GG kam er zu dem Ergebnis: „Nach Art. 20, Abs. 2 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Dies gilt auch für die Universität, die sich der demokratisch legitimierten Staatsgewalt nicht entziehen kann . . . Alle Autonomie, alle Selbstverwaltung ist damit unter den Vorbehalt des Gesetzes gestellt. Auch in der Universität muss diese Rechtslage zur Kenntnis genommen werden. M i t dem Gesetzesvorbehalt ist jeder Versuch, Staatsferne i m Sinne ständischer Selbstausgrenzung zu erreichen, von vornherein erledigt": 5 9 In Schiedermairs Betrachtung der Wissenschaftsverwaltung blieb der Kernsatz: „Die Verwaltung der Universität soll nicht in die Verwaltungsgeschichte eingehen, sondern in die Wissenschaftsgeschichte" 60 in Erinnerung. Zum anzustrebenden Gleichgewicht von Wissenschaft und Administration plädierte Schiedermair für ein „System der Gewaltenteilung" und votierte für die Rektoratsverfassung. Das Ideal des Gleichgewichts hat die besten Chancen auf Verwirklichung, „wenn der

58 Materialienband Nr. 31 (Essen 1987). 59 Materialienband Nr. 31 (Essen 1987), S. 19. 60 Materialienband Nr. 31 (Essen 1987), S. 31.

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Rektor die Karte der Wissenschaft spielt, der Kanzler die der Verwaltung, und so i m Rektorat ein Gleichgewicht angestrebt w i r d " . 6 1 Die rückblickenden Referate von Röken und Letzeiter führten zu einer anschließenden Generaldebatte, die manche Anregungen für die weitere Arbeit brachten, z. B. i m Zuge der stärkeren europäischen Verflechtung alle zwei bis drei Jahre ein Europa-Seminar zu veranstalten 62 , Übergabe der Materialienband-Reihe an einen renommierten Verlag zur besseren Zitierfähigkeit und wissenschaftlichen Auswertung, kleinere Spezialseminare zur Erörterung von Rechtsproblemen wie Steuerrecht 6 3 , Urheberrecht 64 , Nebentätigkeitsproblemen, Drittmittelfragen 6 5 , Rechtsfragen der Teilzeitarbeit. Auch die Frage der optimalen Teilnehmerzahl wurde diskutiert samt der Dauer der einzelnen Seminare, schließlich die Zusammensetzung der die Kurse steuernden Arbeitsgruppe der Universitätskanzler. Die Novellierung des HRG i m Jahre 1985 6 6 , die die „überspitzte Regelung des Gesetzes in der Fassung von 1976 zurücknahm" 6 7 , machte die Novellierung der Landeshochschulgesetze notwendig. Dies veranlasste Dieter Leuze mit der Arbeitsgruppe ein weiteres Seminar zum Bereich Wissenschaftsrecht zu planen. Im Juni 1990 startete in Essen der Kurs „Die Novellierung der Landeshochschulgesetze auf der Basis der Änderung des HRG", mit den Öffentlichrechtlern Knut Ipsen und Hartmut Krüger, dem Arbeitsrechtler Peter Hanau und den Kollegen Sandberger, Schultz-Gerstein, Hanfried Walter, Andreas Reich und dem Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes Gerth Dorff. In der bewertenden Zusammenfassung von Leuze heißt es: „Die Diskussionen haben gezeigt, dass sich die HRG-Novelle in den jeweiligen Landesgesetzen an sehr verschiedenen Stellen ausgewirkt, aber zu nahezu gleichförmigen Änderungen bei den landesgesetzlichen Bestimmungen zur Personal struktur geführt hat. Die Teilnehmer haben jedoch das durch die zweite Neuregelung kaum noch überschaubare Nebeneinander verschiedener Personalstrukturen bedauert... Positiv bewertet worden ist die durch die Novellierung gestärkte Stellung der Professoren . . . Die früheren Drittel- oder Viertelparitäten sind als überholt angesehen worden" 6 8 61 Ebenda S. 31. 62 Dem wurde 1992 und 1999 in der Villa Vigoni in Menaggio am Comersee entsprochen, 1992: „Probleme und Profile einer modernen Selbstverwaltung der Hochschulen in Europa", Materialienband Nr. 52; 1999: „Unterwegs zu einer europäischen Universität? - die Herausforderung für die Hochschulverwaltung", Materialienband Nr. 76. 63 Siehe Materialienband Nr. 46, Seminar „Steuerrechtliche Behandlung der Forschungstätigkeit an Hochschulen", Mainz 1991. 64 Siehe Materialienband Nr. 21, Seminar „Patent- und Urheberrecht, Arbeitnehmererfindungs- und Veröffentlichungsrecht", München 1985, und Materialienband Nr. 49 „Patentund Urheberrecht" II", Neuherberg 1991. 65 Siehe Materialienband Nr. 34, Seminar „Drittmittelforschung und Nebentätigkeit", Essen 1988. 66 BGBl. 1985,1, 2090. 67

Leuze, Dieter im Vorwort zum Materialienband Nr. 44 (Essen 1990).

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Die Kanzlerjahrestagung i m Oktober 1991 in Hamburg hielt ein Sonderseminar über die „Steuerliche Behandlung der Forschungstätigkeit an Hochschulen" für vordringlich, weil gleichlautende Erlasse der obersten Bundes- und Landesfinanzbehörden i m Jahre 1990 eine Zuordnung der entgeltlichen Forschungstätigkeit der Hochschulen zum hoheitlichen Betrieb oder gewerblichen Betrieb zu regeln versucht hatten, „die nach Ansicht aller Teilnehmer der Kanzlertagung nicht hinnehmbar i s t " . 6 9 Der Mainzer Kanzler Dieter Vogel-Arnoldi organisierte darauf hin i m März 1991 in seiner Universität ein Sonderseminar. Die Tagung führte durch Steuerrechtler in die der Hochschulverwaltung weniger bekannte Problematik der Körperschafts- und Umsatzbesteuerung der Drittmittelforschung ein und ließ einen Überblick über die Sachverhalte gewinnen, „deren Besteuerung zwischen Hochschulen und Finanzbehörden gegenwärtig strittig i s t " . 7 0 I m Zuge der notwendigen Erörterung i m weiteren Bereich des Wissenschaftsrechts beschloss die Arbeitsgruppe auf Anregung von Ernst-Joachim Meusel ein Seminar zum Urheberrecht. Zusammen mit Dieter Leuze vertraten beide die Meinung, „dass Urheber- und Patentrecht ebenso wie Arbeitnehmererfindungs- und Veröffentlichtungsrecht in den Hochschulen und Großforschungseinrichtungen schon jetzt eine beachtliche Rolle spielen und - Stichwort Technologietransfer künftig eine zunehmend größere Rolle spielen werden". 7 1 Sie organisierten in der Münchener Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung ein glänzend, mit Experten wie Ballhaus, Beier, Hubmann, Kimminich, Schrieker besetztes Seminar, das zeigte, wie die beiden Rechtsgebiete Patentrecht und Urheberrecht in den weit ausladenden Bereich der Wissenschaftsverwaltung hinein wirken. 1991 wurde in Neuherberg bei München ein weiteres Seminar zum Urheberrecht veranstaltet. 72 I m zweiten Sektor der seinerzeit zu Grunde gelegten und i m großen und ganzen durchgehaltenen Trias Wissenschaftsrecht, Ökonomie und Wissenschaftspolitik nahm der Bereich Ökonomie einen breiten Raum ein. Schon bei der Rückschau 1987 musste der Verfasser feststellen, dass die vergangenen zehn Jahre den Umschwung von der Planungs- und Expansionseuphorie zur oft nur noch nostalgischen Mängelverwaltung brachten". 7 3 Es begann i m ersten Kurs in Speyer mit dem Rechnungswesen („Rechnungswesen in wissenschaftlichen Einrichtungen"). Die Ausführungen wurden damals noch nicht festgehalten, da die Materialienbände erst später aufgelegt wurden. 68 Wie Fn. 67. 69 Materialienband Nr. 46 (Mainz 1991), Vorwort. 70 Wie Fn. 69. 71 Materialienband Nr. 21 (Essen 1985), Vorwort. 72 Materialienband Nr. 49 (Essen 1991). 73 WissR 1978, S. 250.

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1983 war das Thema in Essen „Haushalts- und Wirtschaftsführung im Bereich der Wissenschaftsverwaltung", geplant und betreut wiederum von Dieter Leuze. ErnstJoachim Meusel setzte sich in einem gründlichen Vortrag mit dem „Wissenschaftsadministrator als Haushaltsbeauftragten" auseinander; ferner wurden Haushaltsaufstellung, Budgetierungsprozess und Ansätze zur Weiterentwicklung des Haushaltsrechts von Praktikern und Wissenschaftlern (K. H. Friauf, Köln und G. Püttner, Tübingen) traktiert. I m Ergebnis zeigte sich generaliter, dass die schwieriger gewordenem Haushaltssituation in den Hochschulen die ohnehin von Natur aus gegebene Spannung zwischen akademischer Selbstverwaltung und Staatsverwaltung verschärfte, „da die beschränkten Ressourcen einen stärkeren Verteilungskampf provozieren und gleichzeitig den staatlichen Geldgeber zu kleinlicheren Eingriffen ermuntern". 7 4 Das Thema blieb weiter aktuell. So initiierten i m gleichen Jahr der Verfasser zusammen mit Gert Elstermann, damals als Senatsrat Leiter des Referates Hochschulökonomie beim Berliner Wissenschaftssenator, und dem TU-Kanzler Michael Höbig ein Seminar „Aktuelle Probleme der Hochschulökonomie" in Berlin. Zur Hochschulfinanzierung referierten deutsche, schweizer, österreichische und dänische Kollegen, zusammen mit Sachverständigen des Europarates in Straßburg, wodurch das Seminar den Charakter einer veritablen internationalen Fortbildungsveranstaltung bekam. Ulrich van Lith (Köln) und Malte Buschbeck (München) befassten sich mit dem seither nicht mehr zur Ruhe gekommenen Thema Studiengebühren. Des letzteren Mahnung verdient festgehalten zu werden: „Nur eine Neuregelung, die von einer Koalition der Verantwortlichen und der Betroffenen getragen wird, bietet die Gewähr dafür, dass eine Reform mit Aussicht auf Bestand gelingt, die nicht bei der allernächsten Gelegenheit wieder zurückreformiert wird und erneut den sozialen und gesellschaftspolitischen Frieden belastet. Das ist eine Aufgabe der politischen Vernunft. Und die sollte bekanntlich über den Sachverstand hinausweisen". 75 Die nächsten beiden Seminare, die sich mit wirtschaftlichen Problemen befassten, fanden 1985 in Innsbruck und 1986 in Bern statt, getreu dem anfangs gefassten Vorsatz, von den vier pro Jahr abgehaltenen Veranstaltungen, eine immer i m benachbarten Ausland zu organisieren, wobei sich von gelegentlichen Ausnahmen in anderen Ländern wie Belgien, Niederlande, Luxemburg, Italien abgesehen, regelmäßig die Schweiz und Österreich abwechselten. In Innsbruck ging es wieder einmal um die „Wirtschaftlichkeitskontrolle an Hochschulen", einem stets aktuellen Stoff, dessen Bearbeitung von den Kanzlern von Aachen (B. Müller ), Linz (O. Köckinger ) und Innsbruck (A. Pittracher ) vorbereitet wurde. Hervorgehoben sei Ulrich Karpens (Hamburg) breit angelegtes Referat mit der Gegenüberstellung „Fremdkontrolle-Selbstkontrolle", mit den Merksätzen „Art. 5, Abs. 3 GG ist als verfassungsrechtliche Schranke des EffiziNr. 10 ( E s s e n 1983), S. 160. 75 Materialienband Nr. 12 (Essen 1983), S. 53. 74 M a t e r i a l i e n b a n d

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enzprinzips zu beachten . . . die für die anderen Bereiche der öffentlichen Verwaltung entwickelten Kriterien und Maßstäbe können auf die Hochschule allenfalls modifiziert, aufgabenangepasst angewandt werden." 7 6 Es war übrigens das Seminar, bei dem der unvergessene, später so tragisch bei einem Flugzeugabsturz in Asien mit seinen Studenten tödlich verunglückte Innsbrucker Finanzwissenschaftler Clemens Andreae referierte („Anwendung der Nutzen-Kosten-Analyse an Universitäten" 7 7 . In Bern lautete i m Herbst 1986 „Wissenschaft und Wirtschaft" das Thema, „Beiträge der Verwaltung zu neuen Formen der Zusammenarbeit". Die schweizer Kollegen Kohler und Köchli aus Bern waren zusammen mit dem Mannheimer Kanzler Winfried Benz und dem Verfasser die Inspiratoren des Seminars. Durch eine vielbeachtete Empfehlung des Wissenschaftsrates vom Frühsommer des gleichen Jahres, die über die Betonung der Kooperation hinaus konkrete Einzelfragen anschnitt, wie neue Organisationsformen der Zusammenarbeit postulierte, erhielt das internationale Seminar eine besondere Aktualität. „Das Seminar war notwendig, weil mit der Verstärkung der Zusammenarbeit immer mehr Hochschulen und staatliche Forschungseinrichtungen i m Alltag erkennen, dass die gängige Verwaltungspraxis zur sachgerechten Förderung der Zusammenarbeit nicht immer ausreicht, sondern Phantasie und M u t zu Neuem gefragt sind . . . Bern hat auch deutlich gemacht, dass der Wissenstransfer für die Hochschul- und Forschungsadministration in den nächsten Jahren ein wichtiges Thema bleiben w i r d . " 7 8 Nach einem Marketing-Seminar in Essen im Sommer 1987 7 9 diskutierte man auf dem internationalen Seminar 1990 in Salzburg „Die Hochschulverwaltung i m Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlichen Sachzwängen und Gesetzesflut". Dieter Köhler und Dieter Leuze hatten zusammen mit österreichischen Kollegen das Thema präpariert, „ein Thema, dass einen Lebensnerv der Hochschule berührt", führte Leuze aus; „es ist ein Zustand eingetreten, der für die Anforderungen der 90er Jahre zu großer Besorgnis Anlass gibt. Die Konzentration der Hoffnung auf weitere Effizienzsteigerungen muss fehl gehen!" 8 0 Gefordert wurde eine Reduzierung der Gesetzesflut zugunsten des Kräfteeinsatzes für elementare Aufgaben. Ein skurril zu nennendes Beispiel der zunehmend hypertrophen Bürokratie nannte Manfred Erhardt (damals Ministerialdirektor i m Stuttgarter Wissenschaftsministerium) in seinem Referat: „Aus 279 Wörtern bestehen die Zehn Gebote; aus

76 Materialienband Nr. 23 (Essen 1985), S. 96/97. 77 Materialienband Nr. 23 (Essen 1985), S. 283 ff.; zu Clemens Andreae, siehe auch den Nachruf des Verfassers in „Recordatio 1991", in DUZ 1992, 1 - 2 , S. 22. 78 Benz, Winfried in Materialienband Nr. 28 (Essen 1986), S. 2. 79 Materialienband Nr. 30 (Essen 1987). so Materialienband Nr. 45 (Essen 1990), S. 9 f.

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300 Wörtern die Unabhängigkeitserklärung der USA; aus 25.611 Wörtern die EGVerordnung zur Einführung von Karamel-Bonbons". 8 1 Die zunehmend enger werdende wirtschaftliche Situation der Hochschulen erforderte neue Instrumente zur Bewältigung des akademischen Alltags. Inzwischen erschienen neben „Planung und Koordination" die Begriffe „Evaluation" und noch etwas weniger häufig „Controlling" regelmäßig auf Traktandenlisten und Tagungsprogrammen, bemerkte der Basler Rektor Luzius Wildhaber zu Beginn eines internationalen Seminars in der alten schweizer Universität, das der Verfasser mit dem Freiburger Kanzler Friedrich-Wilhelm Siburg und den schweizer Kollegen Peter Mürner (Bern) und Mathias Stauffacher (Basel) i m Oktober 1992 ausrichtete. Controlling war das neue Zauberwort, das hoffnungsfroh aber auch kritisch hinterfragt wurde. Die Organisatoren vertrauten dem seit Gründungstagen 1977 den Fortbildungsveranstaltungen der Kanzler zugetanen Speyrer Rektor, dem Betriebswirtschaftler Heinrich Reinermann das programmatische Einleitungsreferat „ Z u m Controlling an Hochschulen" an. „Der Grundansatz des Controlling hat vieles für sich: Führungskräfte zur systematischen Auseinandersetzung mit der Funktionalität ihres Aufgabenkreises anzuhalten, sei die Grundlage eine regelmäßige Erhebung von Kosten- und Leistungsindikatoren oder Expertisen von Fall zu Fall und sei die Datenbasis beweiskräftig oder auf Grund ihrer kontroversen Interpretationen nur als anregender Anstoß verwendbar". 8 2 1995 folgten zunächst Hermann Fahse (Kaiserslautern) und dann 1997 Klaus Anderbrügge, der Münsteraner Kanzler i m Vorsitz der Arbeitsgruppe Dieter Leuze, der einen ehrenvollen Ruf auf einen Lehrstuhl für Verwaltungsrecht an seiner Universität Essen angenommen hatte. Leuze blieb auch weiterhin der Fortbildungsarbeit der Kanzler verbunden, gründete einen e.V. zur Förderung des Deutschen und Internationalen Wissenschaftsrechts, der in Abstimmung mit der Arbeitsgruppe und ihrem neuen Vorsitzenden hochschulpolitische Veranstaltungen anbot. Die kommenden Jahre bis heute standen und stehen ganz unter dem vifen Elan von Klaus Anderbrügge, dessen starker persönlicher Einsatz Stil und Programme der Arbeitsgruppe prägten und dem es auch gelang, mit einer Mischfinanzierung die Geschäftsstelle mit Peter Vorpagel von Essen nach Münster zu holen. 1998 wurden noch einmal Probleme einer leistungsbezogenen Mittel Verteilung in Speyer in einem hochkarätig besetzten Seminar mit dem Basler Rektor Ulrich Gäbler, dem Darmstädter Uni-Präsidenten Johann-Dietrich Wörner, den Generalsekretären der VW-Stiftung und des Wissenschaftsrates, dem Präsidenten der H R K , dem Geschäftsführer des CHE und Kanzlerkollegen als Referenten angegangen. Der Verfasser hatte mit dem Speyrer Sozialwissenschaftler Rudolf Fisch und Jürgen Hess die Planung und Durchführung übernommen. 83

si Wie Fn. 80, S. 25. 82 Materialienband Nr. 53 (Essen 1992), S. 16. 83 Materialienband Nr. 70 (in Vorbereitung).

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Die wirtschaftlichen Probleme, vor allem die Unterfinanzierung ließen die Universitäten bis in die jüngste Zeit nicht mehr los. Man hielt mehr und mehr Ausschau nach alternativen Finanzierungsquellen. Diesem Thema diente i m Sommer 1999 ein weitausgreifendes Seminar „Stiftungs- und Sponsoringmodelle, Alumni und private Förderkonzepte 4 ', das an der Bauhausuniversität in Weimar unter Federführung des dortigen Kanzlers Heiko Schultz und Mithilfe der Kollegin Marina Frost (Göttingen), des Kollegen August Friedrich (Passau) und des Abteilungsleiters i m Stifterverband Ekkehard Winter, zumal i m Goethejahr einen breiten Kreis anzog. Spenden, Stiftungen, Fördervereine, Sponsoring als Leistungsaustausch zwischen Hochschule und Wirtschaft, Heidelberger Alumni, Basler Stiftung zur Flexibilisierung universitärer Strukturen - ein bunter Strauß von Anregungen zu alternativen Finanzierungsquellen. „Die Hochschulen müssen sich in Zukunft verstärkt um gemeinnützige Mittel bemühen, auf einem Markt der erschlossen und gestaltet werden muss. Voraussetzung für den Erfolg sind klare Profile, professionelle Methoden und gutes Management", zog Hans-Henning Pistor sein Resümee. 84 Das vorläufig letzte Seminar in rebus oeconomicis unter Einbeziehung der Rechnungshöfe lief i m November 1999 in der Universität Karlsruhe. Der langjährige TH-Kanzler Gerhard Selmayr konnte mit Kollegen aus Osnabrück (Christoph Ehrenberg) Düsseldorf ( U l f Pallme König) und Chemnitz (Peter Rehling) nach fast 30 Jahren eine Fortsetzung des großen Seminars von 1981 in Speyer auf die Beine stellen. Seinerzeit hatten der Verfasser zusammen mit Heinrich Reinermann erstmals ein Seminar „Wissenschaft, Forschung und Rechnungshöfe - Wirtschaftlichkeit und ihre Kontrolle" 8 5 veranstaltet, das angesichts von Missverständnissen und „einer z.T. offenkundigen Gegnerschaft zwischen Universitäten und Rechnungshöfen das Gespräch zwischen beiden in Gang bringen" sollte. 8 6 Das Karlsruher Seminar von 1999 sah „Universität und Rechnungshof i m Umbruch" und visierte mutig „Steuerung und Kontrolle der Universität zur Jahrtausendwende" an. 8 7 Ungemein sorgfältig dokumentiert bezog es neben deutschen Experten- auch Erfahrungsberichte aus der Schweiz (Mathias Stauffacher, Markus Kocher) und aus den Niederlanden (Kees Baker, Henk van der Veen) ein. Darüber hinaus enthält der Band einen breit ausgearbeiteten, mit vielen Anmerkungen versehenen Bericht des Niedersachsen Dierk Fittschen, des veritablen Rechnungshofprotagonisten, den Kursen seit Jahren verbunden, zum Thema „Umbruch": Müssen die Prüfungen künftig dem Wirtschaftsprüfer übertragen werden? Aber noch „existieren Rech84 Materialienband Nr. 75 (Weimar 1999), S. 21. 85 Letzeiter, Franz/Reinermann, Heinrich, „Wissenschaft, Forschung und Rechnungshöfe, Wirtschaftlichkeit und ihre Kontrolle", Bd. 85 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, 1981. 86 Materialienband Nr. 77 (Weimar 2001), S. 007. 87 Ebenda.

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nungshöfe von Verfassungs wegen und gewinnunabhängig fort", kommt Fittschen zum Schluss. 88 Der Vollständigkeit halber ist noch ein Blick auf „Spezialseminare" zu werfen, die sich unter anderem mit den medizinischen Fakultäten und den Universitätsbibliotheken samt deren Probleme befassten. Zu vielen unserer Volluniversitäten gehören medizinische Fakultäten. Wachsende Finanz- und Strukturierungsprobleme der Hochschulklinika veranlassten die Arbeitsgruppe 1984 Dieter Leuze zu bitten, ein Seminar „Organisations- und Rechtsfragen der medizinischen Einrichtungen unter Berücksichtigung der neuen Landeshochschulgesetze" in Essen zu planen und zu betreuen. Neben Plädoyers für die Beibehaltung einer engen Verzahnung von Forschung, Lehre und Krankenversorgung zeichneten sich in den Referaten schon damals Bestrebungen ab, die eindeutig in Richtung einer Herauslösung der Medizin aus der Universität hinaus liefen. Deutlich wurde, „dass auch jenseits des weiteren Bemühens um mehr Wirtschaftlichkeit ein ungedeckter Aufwand für Leistungen der Spitzen Versorgung zwangsläufig bleiben w i r d " . 8 9 Das gut aufgenommene Seminar wurde 1991 themengleich von Dieter Leuze und dem Hannoveraner Kanzler der dortigen Medizinischen Hochschule, Wolfgang Franke-Stehmann in Essen fortgesetzt. Wieder blieb wie 1984 das informative Referat „Zielkonflikte bei Universitätsklinika und ihre Lösung" des Tübinger Kanzlers, Georg Sandberger, eines ausgewiesenen Experten für Fragen der Hochschulmedizin, ihrer Verwaltung und Finanzierung in Erinnerung. 9 0 In hohem Grade machte die stürmische Entwicklung der Medizin, die sich vor allem in den Universitätsklinika als Krankenhäusern der Maximalversorgung niederschlug, weitere Überlegungen notwendig. Die wirtschaftliche Größenordnung moderner Universitätsklinika, deren Budget oft um das Doppelte größer ist als das des Restes der Universität, d. h. 1 Mrd. D M und mehr umfasst, ließ die schon früher angestellten Überlegungen über neue Organisationsformen um sich greifen. So kam eine wirtschaftliche Verselbstständlichung der Kliniken immer stärker ins Gespräch. Das „dabei die Auswirkung auf die Einheit von Forschung, Lehre und Krankenversorgung, zugleich aber auch das Verhältnis von Klinikum, Fakultät und Universität zu bedenken" ist, legte einprägsam Georg Sandberger auf dem dritten Medizinseminar „Hochschulmedizin i m Wandel" 1997 in Erlangen dar, das von ihm zusammen mit den Kanzlern Wolf-Dieter von Detmering (Lübeck) und Thomas A. H. Schock (Erlangen-Nürnberg) mit prominenten Medizinern und Verwaltungsexperten gelungen ins Werk gesetzt wurde. 9 1 88 Auch ebenda S. 254. 89 Materialienband Nr. 18 (Essen 1984), S. 245. 90 Materialienband Nr. 48 (Essen 1991), S. 9 ff.

25 Jahre Fortbildungskurse für die Wissenschaftsverwaltung

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Das Gründungsmitglied der Arbeitsgruppe, der Augsburger Kanzler Dieter Köhler, nahm sich der besonderen Probleme der Universitätsbibliotheken an. 1984, 1989 und 1998 organisierte er jeweils an seiner Universität Seminare, die „das Bibliothekswesen der wissenschaftlichen Hochschulen unter rechtlichen, organisatorischen und ökonomischen Aspekten" abhandelten. 92 I m zweiten Seminar lag der Schwerpunkt auf der „Bibliothekstechnologie" 9 3 und i m letzten wurde „Die Bibliothek als führendes Informationssystem der wissenschaftlichen Hochschulen" herausgestellt. 94 Es bleibt das Verdienst Dieter Köhlers durch „seine" Seminare den Wissenschaftsadministratoren Einblick in die Probleme der wissenschaftlichen Bibliotheken vermittelt zu haben. Dem weitgespannten Arbeitsfeld der Kanzler entsprechend wurden gelegentlich Seminare mit Spezialthemen veranstaltet, so z. B. zum Arbeitsschutz (1982 in Karlsruhe) 9 5 , zum Strahlenschutz (1988 in Freiburg) 9 6 , ein Bau-Seminar („Bauen und В au Verwaltung" 1989 in St. Gallen) 9 7 , eines über die Bewirtschaftung von hochschuleigenen Gästehäusern (1999 in Riezlern) 9 8 . Die Bedeutung der internationalen Kontakte und des Erfahrungsaustauschs wurde oben schon angesprochen. Die jährlich einmal i m benachbarten Ausland stattfindenden Seminare, meist abwechselnd in der Schweiz oder in Österreich, zuweilen auch in B E N E L U X , trugen viel zum Ruf und Ansehen der Kurse bei. Als Höhepunkte können die vom Verfasser angeregten und organisierten beiden großen Meetings in der deutsch-italienischen Stiftung Villa Vigoni in Menaggio am Comer-See angesehen werden, 1992 mit dem weitgespannten Thema „Probleme und Profile einer modernen Selbstverwaltung der Hochschulen in Europa", 9 9 und 1999 „Unterwegs zu einer europäischen Universität ? Die Herausforderung für die Hochschulverwaltung". 1 0 0 Rückblickend ziehen viele Treffen an Orten mit bereichernden Begegnungen am geistigen Auge vorüber, von Speyer 1977 bis Luzern 2001, darunter Höhepunkte, wobei naturgemäß die Auslandsseminare besonders haften blieben: Wien und Zürich noch gleich 1978, dann Straßburg, Innsbruck, Luxemburg, Fribourg, Linz, Löwen, Graz, Amsterdam, Basel, Nijmegen, Bern, Salzburg, St. Gallen, Klagen-

Materialienband Nr. 67 (Münster 2001); vgl. dazu auch das DUZ-FORUM „Amputierte Universität - Hochschule ohne Medizin?" in DUZ 1997, Heft 1, S. 10-17. 92 Materialienband Nr. 19 (Essen 1984). 93 Materialienband Nr. 38 (Essen 1989). 94 Materialienband Nr. 65 (Münster 2001). 95 Materialienband Nr. 13 (Essen 1983). 96 Materialienband Nr. 36 (Essen 1988). 97 Materialienband Nr. 41 (Essen 1989). 98

Materialienband Nr. 74 (in Vorbereitung). 99 Materialienband Nr. 52 (Essen 1992). 100 Materialienband Nr. 76 (Weimar 2001). 24 FS Leuze

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fürt, Uppsala; 1987 Zehnjahresrückblick in Berlin, die regelmäßigen Kurse in Essen, zweimal Villa Vigoni. Hier darf auch die vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gewährte Starthilfe und die spätere Ausfallbürgschaft nicht unerwähnt bleiben. Die Kurse standen bald auf einer soliden Selbstfinanzierung und die bescheidenen Referentenhonorare und Reisekosten tragen sich nach wie vor aus den Teilnehmerbeiträgen. Hermann Josef Schuster, Dieter Leuze, Hermann Fahse und Klaus Anderbrügge haben mit Hilfe der Arbeitsgruppe unser Kind Fortbildung gut gepflegt und stark werden lassen. Wenn sich in den 25 Jahren, seit die Fortbildungsseminare betrieben werden, ein Berufsbild des Wissenschaftsadministrators, auch ein gewisser Esprit de Corps entwickelt hat, haben sicher die Kurse daran ihren Anteil. Sie dienen auch künftig der Schaffung der notwendigen Voraussetzung, „dass - wie es Thomas Nipperdey formulierte - Universität wieder mehr g l ü c k t " . 1 0 1 Die Wissenschaftsadministration hat ihren wichtigen Anteil daran, wobei des berühmten Heidelberg/Basler Philosophen Karl Jaspers erfahrenes Wort Leitgedanke sein soll: „Verwaltung der Universität ist ein hoher Beruf. Wem Universitäten anvertraut sind, hat seinen Sinn für geistigen Rang, die Gesinnung und Pflege der schaffenden Menschen. Er ordnet sich innerlich unter die geistige Lebendigkeit, die nicht zu machen, nur zu finden und zu pflegen ist, bereit bei Wirksamkeit unsachlicher Motive diesen auch entgegen wirken zu k ö n n e n " . 1 0 2

101

Nipperdey, Thomas, Hochschule zwischen Politik und Wahrheit, Zürich 1981, S. 13; vgl. auch Mittelstrass, Jürgen, Die unzeitgemäße Universität, Frankfurt / Main 1994 und Luhmann, Niklas , Universität als Milieu, Bielefeld 1992. 102 Jaspars, Karl /Rossmann, Kurt, Die Idee der Universität, Berlin 1961, S. 151.

Versorgungsprobleme der Hochschullehrer auf Ost-West-Wanderung - Defizitäre Pensionen als Wiedervereinigungsfolgenbewältigung Wolf gang Low er*

I. Einführung Das Ruhegehalt eines Beamten berechnet sich gemäß § 4 Abs. 3 BeamtVG auf der Grundlage seiner ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und seiner ruhegehaltfähigen Dienstzeit. M i t jedem Jahr ruhegehaltfähiger Zeiten erhöht sich sein Versorgungsanspruch gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG um 1,875 v.H. der Dienstbezüge. Der einheitliche Steigerungssatz ist daran orientiert, dass das Höchstruhegehalt von 75 v.H. regelmäßig nach 40 Dienstjahren erreicht werden kann (75 v.H.: 40 Jahre = 1,875 v.H. pro Jahr) 1 . Welche Zeiten ruhegehaltfähig sind, regeln die §§ 6 bis 12b BeamtVG. Der gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG grundsätzlich ruhegehaltfähigen Dienstzeit, die der Beamte vom Tage seiner ersten Berufung an i m Beamten Verhältnis zurücklegt, werden durch die §§ 6 bis 10 BeamtVG verschiedene amtsförderliche Zeiten in anderen Berufen gleichgestellt. Gleichwohl hätte ein Beamter, für dessen Amt eine längerdauernde Ausbildung vorgeschrieben ist, aufgrund seines vorgerückten Ersternennungsalters vielfach keine Chance, bis zur Pensionierung ein Versorgungsdienstalter von 40 Jahren zu erreichen. Das gilt in besonderem Maße für Hochschullehrer, die durchschnittlich erst mit etwa 40 Jahren verbeamtet werden und daher bis zur Pensionierung nur 25 ruhegehaltfähige Dienstjahre ansammeln können. U m ihnen und vergleichbaren Beamten gleichwohl zu ermöglichen, den Versorgungshöchstsatz zu erreichen, können nach § 12 BeamtVG für die Beamtenstelle vorgeschriebene Ausbildungszeiten als ruhegehaltfähige Zeiten anerkannt und der Betroffene letztlich so gestellt werden, als wenn er sich während seiner Ausbildungszeit bereits i m Beamtenverhältnis befunden hätte 2 . Aus demselben Grunde sollen nach § 67 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG Vordienstzeiten von Hochschullehrern als ruhegehaltfähig berücksich* Der Verfasser ist Prozessbevollmächtigter des betroffenen Hochschullehrers in dem zugrunde liegenden Verfahren (s. Fn. 5). Gegen die Gerichtsentscheidungen und die zugrundeliegenden Bescheide ist Verfassungsbeschwerde erhoben, über die bisher noch nicht entschieden ist. 1 Siehe dazu Schachel, in: Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil D, § 14 BeamtVG Rn. 1, 5. 24*

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tigt werden, in denen sie besondere Fachkenntnisse erworben haben, die für Amt förderlich sind.

ihr

II. Problemaufriss: § 12b Abs. 1 BeamtVG Eine Störung dieses Versorgungssystems bewirkt § 12b Abs. 1 BeamtVG, demzufolge bestimmte i m Beitrittsgebiet verbrachte Zeiten abweichend von der grundsätzlichen Systematik des BeamtVG für die Versorgung nicht anerkannt werden, sofern sie rentenrechtlich berücksichtigungsfähig sind und die allgemeine Wartezeit für die gesetzliche Rentenversicherung erfüllt ist 3 . Ohne diese Regelung richtete sich die erreichbare ruhegehaltfähige Dienstzeit eines aus Ostdeutschland stammenden Hochschullehrers von seiner Ernennung bis zur Versetzung in den Ruhestand mit der Vollendung des 65. Lebensjahres nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG. Dazu kämen mit bis zu zwei Jahren die Promotionszeit gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG und eventuell weitere amtsförderliche Vordienstzeiten i m Sinne von § 67 Abs. 2 BeamtVG, die bis zu fünf Jahren in vollem Umfang und darüber hinaus bis zur Hälfte als ruhegehaltsfähig anerkannt werden könnten. Weiterhin wären das Studium sowie die Habilitationszeit gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG mit jeweils drei Jahren ruhegehaltfähiger Zeiten berücksichtigungsfähig 4 . Angenommen der Betroffene schöpfte diese Zeiträume aus, käme er auf einen Versorgungssatz von 71,25 v.H. nach 38 ruhegehaltfähigen Jah2 Vgl. Schachel, in: Schütz (Fn. 1); s. für § 116a BBG a.F. BVerwGE 66, 65 (66) unter Hinweis auf BVerwGE 27, 275 (279) und Urteile v. 12. Februar 1971 - BVerwG 6 С 126.67 - [Buchholz 232 § 116 BBG Nr. 14] und v. 11. Februar 1982 - BVerwG 2 С 9.81 und BVerwG С 18.81; für § 12 BeamtVG siehe BVerwG, Urteil v. 6. Mai 1981 - BVerwG 6 С 106.78 [Buchholz 232 § 12 BeamtVG Nr. 3]; Zweck der Vorschrift ist es danach, „einen Ausgleich in der unterschiedlichen Ausgangslage der Beamten in den verschiedenen Laufbahnen wegen der unterschiedlich langen Dauer der Vorbildung herbeizuführen". 3 Siehe die §§ 50 ff. und 54 ff. SGB VI. Die Vorschrift lautet: § 12 b Zeiten in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet. (1) Wehrdienstzeiten und vergleichbare Zeiten nach den §§8 und 9, Beschäftigungszeiten nach § 10 und sonstige Zeiten nach den §§ 11, 66 Abs. 9 und § 67 Abs. 2, die der Beamte vor dem 3. Oktober 1990 in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet zurückgelegt hat, werden nicht als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt, sofern die allgemeine Wartezeit für die gesetzliche Rentenversicherung erfüllt ist und diese Zeiten als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigungsfähig sind; Ausbildungszeiten nach den §§12 und 66 Abs. 9 sind nicht ruhegehaltfähig, soweit die allgemeine Wartezeit für die gesetzliche Rentenversicherung erfüllt ist. Rentenrechtliche Zeiten sind auch solche im Sinne des Artikels 2 des Renten-Überleitungsgesetzes. (2) Sofern die allgemeine Wartezeit für die gesetzliche Rentenversicherung nicht erfüllt ist, können die in Absatz 1 genannten Zeiten im Rahmen der dort genannten Vorschriften insgesamt höchstens bis zu fünf Jahren als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden. 4 Die Habilitationszeit wird als Ausbildungszeit i. S. von § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG angesehen, siehe Brockhaus, in: Schütz (Fn. 1), § 67 BeamtVG Rn. 4.

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ren (25 Dienstjahre ab dem 40. Lebensjahr, davor je drei Jahre Habilitation und Studium, zwei Jahre Promotionsvorbereitung, 5 Jahre Mitarbeiterzeit oder andere amtsförderliche Vordienstzeiten). Zusätzlich mit der übergeleiteten DDR-Altersrente, die der Betroffene mit den in der D D R zurückgelegten Zeiten erworben hätte, hätte er aus Pension und Rente gemeinsam wenigstens eine Altersversorgung von 75 v.H. seiner letzten Dienstbezüge zu erwarten, wobei die Versorgungsbezüge wegen § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nur bis zu einer Höchstgrenze von i m Grundsatz bis 75 v.H. neben der Rente gezahlt würden. Ohne § 12b Abs. 1 BeamtVG käme ein vor der Wende in der D D R ausgebildeter Hochschullehrer also ebenso wie der überwiegende Teil der С 4-Professoren, die ihre Ausbildung i m „alten" Bundesgebiet oder i m Ausland absolviert haben, auf die gesetzliche Regelversorgung. Dagegen führt § 12b Abs. 1 BeamtVG dazu, dass den Betroffenen letztlich erheblich geringere Alterssicherungsansprüche zukommen als vergleichbaren Beamten aus dem Westen oder aus dem Ausland: Sowohl ihre i m Beitrittsgebiet verbrachten Vordienstzeiten nach § 67 Abs. 2 BeamtVG als auch die Zeiten ihrer Ausbildung sind wegen § 12b BeamtVG nicht ruhegehaltfähig, sondern werden ausschließlich rentenrechtlich berücksichtigt. In unserem Rechenexempel gingen damit 13 ruhegehaltfähige Jahre verloren, wodurch sich das Ruhegehalt von 71,25 v.H. um 24,37 v.H. auf 46,88 v.H. der Dienstbezüge verminderte. Einen übergeleiteten Rentenanspruch von etwa 600,- Euro monatlich unterstellt führte das bei nur noch 20 Dienstjahren zu einer Differenz von ca. 1.100,- Euro. Die Beamten Versorgung allein brächte dem Betroffene nicht einmal Dreiviertel des gesetzlichen Regelversorgungsgehalts, das С 4-Professoren erhalten, die bei ansonsten gleichem Lebenslauf ihre Ausbildung i m „alten" Bundesgebiet oder i m Ausland absolviert haben. Selbst unter Berücksichtigung der Rentenzahlungen betrügen die Gesamtbezüge i m Ruhestand nur etwas mehr als das Ruhegeld nach einer С 1 Besoldung (zwischen С 1 und С 2)! Fände dagegen auch auf Fälle der vorliegenden Art ausschließlich § 55 BeamtVG Anwendung, wären die wegen § 12b BeamtVG nicht als ruhegehaltfähige Dienstzeiten anrechenbaren Vordienstzeiten, in denen der Beamte die für sein A m t erforderlichen Eingangsqualifikationen erworben hat, versorgungsrechtlich berücksichtigungsfähig. Wie jeder Westkollege müsste sich der aus dem Beitrittsgebiet stammende Beamte nur die über den Höchstruhegehaltsbetrag hinausgehende, zusätzliche Rente nach § 55 BeamtVG anrechnen lassen, so dass er trotz seiner DDR-Ausbildung annähernd dasselbe Höchstruhegeld wie mit einer reinen WestArbeits-Vita erreichen könnte.

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I I I . Kritik der bisherigen Rechtsprechung, zu § 12b BeamtVG Rechtsprechung zu diesem Komplex gibt es bislang für die akademischen Laufbahnen, um die es hier geht, nur zu einem Einzelfall: Das VG Braunschweig, das OVG Lüneburg und das BVerwG 5 erteilten einem Bescheid des NdsLVA, durch den der Betroffene unter Anwendung von § 12b BeamtVG auf seine Rentenansprüche verwiesen wurde, die einfach- und vor allem auch die verfassungsrechtliche Absolution 6 ; der betroffene Hochschullehrer hat dagegen Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben. Bevor auf die Verfassungswidrigkeit von § 12b Abs. 1 BeamtVG näher einzugehen ist, seien zunächst die Inkonsistenzen der Urteile des OVG Lüneburg und des Bundesverwaltungsgerichts aufgewiesen, die dazu führen, dass beide Gerichte das verfassungsrechtliche Problem des § 12b BeamtVG in seiner Tragweite nicht richtig erkennen.

1. Oberverwaltungsgericht Lüneburg, NdsRpf 2000,43 ff. Bei dem Urteil des OVG Lüneburg 7 beginnt dies mit der Auswahl der Obersätze zum Alimentationsgrundsatz des Art. 33 Abs. 5 GG aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 55 BeamtVG 8 , mit der die weiteren Entscheidungsgründe von vorne herein in ein „falsches Fahrwasser" geraten. Dort befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit der Anrechnung rentenrechtlicher Versorgungsansprüche auf Pensionen durch § 55 BeamtVG, die dazu dient, eine übermäßige und deswegen verfassungsrechtlich nicht geschuldete Versorgung („Doppelversorgung") des Beamten aus öffentlichen Kassen zu verhindern. Eine solche 5 Siehe VG Braunschweig, Urteil vom 3. Dezember 1996, 7 A 7064/96; OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000, 43 ff.; BVerwG, DVB1. 2001, 735 ff. = DÖD 2001, 87 = LKV 2001, 170 = ZBR 2001, 210. Dem Urteil des BVerwG hat sich - soweit ersichtlich - bereits das VG Meiningen, Urteil vom 5. Februar 1998, 1 К 588/97 angeschlossen. 6 Die Klägerin im Fall VG Meiningen, Urteil vom 5. Februar 1998, Az.: 1 К 588/97.Me, war zunächst bei einem Außenhandelsbetrieb der DDR (AHB) beschäftigt und wurde danach als Hauptreferentin in die Abteilung Finanzkontrolle im Ministerium für Außenhandel der DDR übernommen. Nachdem sie zwischenzeitlich Hausfrau geworden war, wurde sie als Haushaltsbearbeiterin bei einem Gemeinderat tätig. Nach einer weiteren Hausfrauenzeit wurde sie als Zivilangestellte im Personalwesen der NVA verwendet. Nach der Wiedervereinigung wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis zur Regierungsinspektorin z.A. ernannt und als Materialbewirtschaftungsbearbeiterin in der Besoldungsgruppe А9/10 verwendet und schließlich als Regierungsoberinspektorin als Sachgebietsleiterin beim Kreiswehrersatzamt tätig. Bei der Klägerin im Fall des VG Meiningen ging es um die Berücksichtigung ihrer im „öffentlichen Dienst" der DDR verbrachten Arbeitszeit, nicht um die Frage der Berücksichtigung amtsförderlicher Zeiten für die Ruhegeldberechnung. Insofern ist der Fall nicht vergleichbar. 7 OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000,43 f. 8 BVerfGE 76, 256 ff., insbesondere S. 295 ff.

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„Überversorgung" konnte vor Erlass des § 55 BeamtVG entstehen, wenn der summierte Ertrag aus Rente und Ruhegehalt höher war als das höchsterreichbare Ruhegeld in Bezug auf das zuletzt innegehabte Amt - i m Vergleich zur Versorgung eines „Nur-Beamten" konnte die aufgeteilte Arbeitsvita spürbare monetäre Vorteile verschaffen 9 . Das Oberverwaltungsgericht setzt nun § 12b und § 55 BeamtVG in Parallele und zieht daraus den Schluss, wenn Renten nach der einen Vorschrift anrechnungsfähig seien, müsse doch dasselbe für die andere Regelung gelten 1 0 . Dabei wird vernachlässigt, dass beiden Normen ein völlig anderer Regelungsgehalt zugrunde liegt: Während § 55 BeamtVG bestimmt, dass Versorgungsbezüge neben Renten nur bis einer Höchstgrenze des Beamtenrechts gezahlt werden, sollen auf der Grundlage des § 12b BeamtVG bestimmte Zeiten für Beamte aus den neuen Bundesländern überhaupt nicht als ruhegehaltfähige Vordienstzeiten anerkannt werden. § 55 BeamtVG zieht der Alimentation des Beamten eine staatsnützliche Obergrenze. Der Staat schuldet nie mehr Zahlungen aus „Ruhegehalt-Kassen" als i m beamtlichen A m t erdient werden können. § 12b BeamtVG privilegiert den Staat unterhalb dieser Linie (ohne auch nur darauf zu schauen, ob die Alimentation i m Alter so sichergestellt ist): I m Vergleich der West-Vita, die keine Übermaßwtrsorgung kennt (§ 55 BeamtVG), erreicht die Ost-Vita nur eine Untermaßwersorg u n g 1 1 ! Wer sein gesplittetes Arbeitsleben also in den alten Bundesländern zwischen Privatwirtschaft und Beamtenstatus verbracht hat, muss grundsätzlich wegen § 55 BeamtVG „nur" mit einer Kappung seiner summierten Altersbezüge auf das Höchstniveau der beamtenrechtlichen Ruhegeldbezüge rechnen. Derjenige, dessen gesplittete Arbeitsbiographie sich zwischen D D R und wiedervereinigtem Deutschland abspielt, hat wegen § 12b BeamtVG dagegen regelmäßig nicht einmal eine Chance, dieses Niveau überhaupt zu erreichen, selbst wenn er dieselbe Zeit i m Lebenszeitamt verbracht haben sollte, wie sein aus den alten Bundesländern stammender Kollege. Die finanziellen Erwägungen, die das Oberverwaltungsgericht zur Rechtfertigung der Versorgungsunterschiede herbeizitiert 1 2 , finden sich zwar auch in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, gelten dort aber wegen des gesetzlichen Beschwerdegegenstandes „§ 55 BeamtVG" nur der Kürzung der die Ruhegeldobergrenze übersteigenden zusammengesetzten Altersbezüge 13 und rechtfertigen so ausschließlich die Abwehr einer Zahlungsüberlast aus mehreren öffentlichen Kassen, die von Verfassungs wegen nicht geschuldet ist: Der Staat soll sparen dürfen, was der Ruhegeldempfänger unter dem Gesichtspunkt der amtsangemessenen Alimentation nicht braucht und was auch nicht - in der Sprache des 19. Jahrhunderts - als wohlerworbenes Recht geschützt i s t 1 4 . Dass Sparen andererseits zur

9 Vgl. BVerfGE 76, 256 (295, 311 ff.). 10 OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000, 43 ff. и Dazu bereits unten II. 12 OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000,43. 13 BVerfGE 76, 256 (297, 315 und insbesondere S. 317 f.).

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Unterversorgung führen dürfte, steht in der Entscheidung nicht. Tatsächlich geht es § 12b BeamtVG entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts 15 überhaupt nicht darum, übermäßige Versorgungslasten wegzukürzen. Neben der Anrechnungsregelung des § 55 BeamtVG wäre doch keine weitere Vorschrift identischer Zielrichtung erforderlich, § 12b BeamtVG deshalb letztlich überflüssig. Die Anrechnung der in der D D R verbrachten Berufszeiten betrifft vielmehr die Frage, wie ein Beamter mit akademischer Vorbildung - regelmäßig wird es wohl um diese gehen - zu einem angemessenen und gleichheitsgerechten Ruhegeldanspruch kommen kann. Ist § 12b BeamtVG aber nicht wie § 55 Beamtenanrechnungsvorschrift zur Abwehr einer Überversorgung 16 , ist es wenig hilfreich, wenn das Oberverwaltungsgericht § 12b und § 55 BeamtVG in ein Stufenverhältnis der Eingriffsintensität stellt oder für den Gesetzgeber „Gestaltungsfreiheit 4 ' reklamiert, „ i n welcher Weise er eine mögliche Überversorgung ausschließt" 17 . Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu den §§ 2, 4 2. B e s Ü V 1 8 , die das Oberverwaltungsgericht weiter zitiert, soll offenbar bezeugen, dass Ungleichbehandlungen von Beamten aus der ehemaligen D D R gegenüber solchen aus den alten Ländern gleichheitsrechtlich nur geringen Rechtfertigungsbedarf aufwerfen. Die Zuschussregelung, mit der sich die herangezogene Entscheidung zu befassen hatte, diente der Personalgewinnung aus dem alten Bundesgebiet, um in den neuen Ländern wiedervereinigungsbedingt auftretende Rekrutierungsprobleme zu bewältigen 1 9 . Wie unser Fall deutlich macht, geht es § 12b BeamtVG aber gerade nicht um Anreizsituationen des West-Ost-Arbeitskräftetransfers, sondern darum, wie sich Personen, die nach jahrelanger Ausbildung in der D D R jetzt ein entsprechend qualifiziertes A m t i m Gebiet der Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung innehaben, einen angemessenen Unterhaltsanspruch erarbeiten können. Auch die Anknüpfung daran, dass Versorgungsbezüge verfassungsrechtlich nicht in bestimmter Höhe, sondern nur in ihrem Kernbereich geschützt seien 2 0 , hilft nicht weiter: Gerade wenn man eine Leitentscheidung in Bezug nimmt, nach der sich Beamte mit Kindern „annähernd das gleiche müssen leisten können" wie Beamte ohne K i n d e r 2 1 , drängt sich doch die Frage auf, ob das nicht auch gleichermaßen für Beamte mit West- und Ost-Vita gelten muss. Der „doppelversorgte" Beamte 14 Freilich hat BVerfGE 3, 58 (160) ausgesprochen, dass der formell verfassungsrechtliche Schutz der wohlerworbenen Beamtenrechte gemeinsam mit Art. 129 Abs. 1 S. 3 WRV sein Ende fand. 15 OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000, 43 (43, 44). »6 Nachdrücklich so BVerwGE 66, 65 (67) zu § 55 BeamtVG. 17 So aber OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000, 43 (43, 44). ι» BVerwGE 101, 116 ff. 19 Vgl. a.a.O. S. 122 f. 20 OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000, 43 unter Inbezugnahme von BVerfGE 44, 249 und BVerwG, ZBR 1970, 391. 21 BVerfGE 44, 249 (Ls. 3 und S. 267 f.) unter Hinweis auf Art. 6 GG; BVerfGE 81, 363 (376); ähnlich Jachmann, in: v. Mangoldt/ Klein / Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 50.

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mit Rentenanspruch aus einem begonnenen DDR-Arbeitslohn und Ruhegehalt nach 25 Beamtenjahren sollte jedenfalls nach seinem Arbeitsleben besser keine unterhaltsberechtigten Kinder mehr haben. Er könnte sich dann gar nichts mehr leisten! Auch der weitere Einwand, es gehe j a gar nicht um das verfassungsrechtlich geschützte, „erdiente" Ruhegehalt, sondern „nur" um Vordienstzeiten 22 , verfängt nicht. Sie vernachlässigt vielmehr den Gesetzeszweck der Vorschrift; diese w i l l bestimmte Vbrdienstzeiten aus Gleichheitsgründen wie Dienstzeiten behandeln: Es soll „hinsichtlich der ruhegehaltfähigen Dienstzeit für die Beamten aller Laufbahnen und Laufbahngruppen eine annähernd gleiche Ausgangslage . . . " geschaffen werden 2 3 . § 12b BeamtVG bricht mit dem Systemelement, dass unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen zu den Laufbahnen, die einen differenzierenden Zeitbedarf für den Zugang bedingen, sich nicht auf die Höhe des Ruhegeldes auswirken sollen. Anders wären amtsbezogen relativ gleiche Ruhegelder der verschiedenen Amter in den Laufbahngruppen nicht zu gewährleisten. Dem würde § 12b BeamtVG nur gerecht, wenn die Summation der aus DDRRecht übergeleiteten Rentenansprüche und der bundesrepublikanischen Beamtenversorgungsansprüche zu einem rechnerisch in etwa gleichen Ergebnis führte. Das ist aber - wenigstens bei den akademischen Laufbahnen - schon typischerweise nicht der Fall. Das Rechtsinstitut der Emeritierung hatte früher durch die Fortzahlung der Dienstbezüge ebenfalls eine angemessene (aber teuere) Regelung gefunden. Sie brauchte die Frage nach den Vordienstzeiten nicht zu stellen. Die gleichen Erwägungen wie zu Art. 33 Abs. 5 GG stellt das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG an. Wiederum ist zu beanstanden, dass das Gericht nicht sieht, dass es § 12b BeamtVG eben nicht um die Vermeidung einer Doppelversorgung geht 2 4 - das ist und bleibt Thema des § 55 BeamtVG - , sondern um die Nichtanerkennung amtsförderlicher Ausbildungszeiten für die Berechnung des Ruhegeldes. Diese Zeiten sollen nicht etwa „zusätzlich" berücksichtigt werden, sondern sollten richtigerweise wenigstens überhaupt und damit wie bei jedem anderen Bewerber „berücksichtigt" werden, der die erforderliche persönliche Eignung (Art. 33 Abs. 2 GG) durch amtsförderliche Ausbildung erworben hat und deshalb - auf sein Erwerbsleben bezogen - erst relativ spät ein A m t erreichen kann. I m Übrigen würde es keinen Deut weiterhelfen, diente § 12b Abs. 1 BeamtVG tatsächlich dazu, eine Doppel- oder Überversorgung zu vermeiden: Rentenrechtlich erhebliche Vordienst- und Ausbildungszeiten sind - wie der vergleichsweise vorteilhaftere § 55 BeamtVG belegt - eben keine Besonderheit der 22 Siehe die (für diesen Gedanken übrigens nicht hilfreiche) Inbezugnahme von OVG Koblenz, ZBR 1997, 298 durch OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000, 43; der Fall ist schon deshalb nicht einschlägig, weil es auch dort um eine Anrechnung von Einkommen auf das Ruhegeld geht. § 12b BeamtVG ist aber keine Anrechnungsvorschrift. 2 3 Siehe zunächst nur Schachel, in: Schütz (Fn. 1),D, § 12b BeamtVG Rn. 1. 24

So aber wiederum OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000, 43 (43, 44).

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neuen Länder. Selbst wenn § 12b Abs. 1 BeamtVG der Verhinderung einer übermäßigen Versorgung diente, wäre damit immer noch nicht begründet, warum dieses Ziel für Betroffene mit Vordienstzeiten i m Beitrittsgebiet mit einer nachteiligeren Regelung erreicht werden muss als für Beamte aus den Alt-Bundesländern. Gerade darin, dass § 12b BeamtVG für amtsförderliche Ausbildungszeiten eines Beamten aus den neuen Ländern andere Anrechnungsmechanismen kreiert, als sie § 55 BeamtVG für einen Beamten aus den alten Ländern vorsieht, besteht das eigentliche verfassungsrechtliche Problem! Das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Problematik also i m Ergebnis nicht gerecht. Es werden lauter vermeintliche Parallelfälle aufgezeigt, die in Wahrheit mit der in § 12b BeamtVG geregelten normativen Situation überhaupt nichts zu schaffen haben. So liegen beispielsweise Erwägungen darüber, ob Versorgungsbezüge gekürzt werden können, wenn in der Person des Dienstnehmers Problemfälle wie Scheidungsfolgen aufkommen 2 5 , außerhalb des relevanten Problemkonzertes. Die Besoldungsabsenkung in den neuen Ländern, auf die das Gericht zusätzlich rekurriert 2 6 , hat ihre spezifische Legitimation in den aktuellen Lebensverhältnissen der neuen Bundesländer. A u f die hier anstehende Alimentierung bei einer Ost-West-Migration lassen sich diese Rechtfertigungserwägungen gewiss nicht übertragen.

2. Bundesverwaltungsgericht (DVB1.2001,735) Auch die Überlegungen des Bundesverwaltungsgericht treffen die verfassungsrechtliche Problematik des § 12b BeamtVG nicht. Dies gilt zunächst für die Ausklammerung der ruhegehaltsfähigen Ausbildungs- und sonstigen förderlichen Vordienstzeiten aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums 27 . Das mag so zutreffen, hilft aber nicht weiter: Die fragliche Berücksichtigung amtsförderlicher Vordienstzeiten ist lediglich die Regelungstechnik, die der Gesetzgeber in Erfüllung seiner verfassungsunmittelbaren Pflicht gewählt hat, den Beamten eine amtsangemessene Versorgung zu ermöglichen, deren A m t eine erheblich längere Ausbildung erforderlich macht als allgemein üblich. Würden nur die tatsächlichen Dienstzeiten berücksichtigt, hätten etwa die wegen ihrer langen Qualifikationsphase erst spät zum Lebenszeitbeamten ernannten Hochschullehrer angesichts einer jährlichen Steigerung von nur 1,875 v.H. apriorisch keine Chance, den gesetzlichen Regelsatz von 75 v.H. zu erreichen. Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts geht daher an der Sache vorbei: Nicht die konkret gewählte Regelungstechnik, wie eine amtsangemessene Versorgung sichergestellt wird, gehört als RegelungsziW unzweifelhaft doch zu den hergebrachten Grundsätzen des

25 Siehe OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000, 43 (44). 26 OVG Lüneburg, NdsRpfl 2000, 43 (44). 27 BVerwG, DVB1. 2001,735 (736).

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Berufsbeamtentums, sondern die Tatsache, dass der Gesetzgeber zu ihrer Herstellung überhaupt verpflichtet i s t 2 8 . Hat sich der Gesetzgeber zu diesem Zweck für eine Gleichstellung von Dienst- und bestimmten Vordienstzeiten entschieden, ist das ökonomisch typische Ergebnis dieses Systems freilich wiederum an Art. 33 Abs. 5 GG zu messen 29 . Darüber hinaus besitzt das Gebot amtsangemessener Versorgung eine gleichheitsrechtliche Komponente: Inhaber gleicher Amter mit gleichen ruhegehaltfähigen Zeiten sind grundsätzlich gleich zu versorgen. Dieser mit den strengeren Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG qualifizierte Gleichheitssatz gehört ebenfalls zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums 30 . Dagegen begründet das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung, Art. 33 Abs. 5 GG verlange keine einheitliche Versorgung innerhalb bestimmter Beamtengruppen, damit, dass schon die zwingend erforderliche Anknüpfung an das zuletzt innegehabte A m t oder die i m Beamtenverhältnis verbrachte Dienstzeit zwangsläufig Unterschiede ermöglichten, die von Verfassungs wegen nicht beanstandet werden könnten 3 1 . Das ist aber schon argumentativ nicht schlüssig, weil die Anknüpfung an das zuletzt innegehabte A m t vielmehr dafür spricht, dass Beamte mit identischem A m t eben auch i m Grundsatz gleiche Versorgungsbezüge erhalten müssen. Der Hinweis auf die Differenzierung nach der Amtszeit geht an der maßgeblichen gleichheitsrechtlichen Fragestellung vorbei: Dass der Versorgungsgesetzgeber Beamten mit unterschiedlichen Dienstzeiten unterschiedliche Versorgungsbezüge zusprechen darf, ist i m System des Beamtenversorgungsgesetzes eine Selbstverständlichkeit, die keineswegs indiziert, dass er auch innerhalb einer insoweit homogenen Gruppe allein nach der Herkunft des Beamten differenzieren dürfte. Das Bundesverwaltungsgericht weist somit einerseits auf legitime Anknüpfungspunkte hin, um die es i m vorliegenden Fall überhaupt nicht geht, und lässt andererseits die Frage völlig offen, welche Anknüpfungspunkte außer Dienstzeiten und zuletzt innegehabtem A m t denn eine Ungleichbehandlung vor Art. 33 Abs. 5 GG noch rechtfertigen könnten. Auch die gleichheitsrechtliche Prüfung, die das Bundesverwaltungsgericht in Art. 3 Abs. 1 GG verortet, geht vom Grundansatz her fehl: Das Gericht sieht als tragenden Differenzierungsgrund an, dass die in Frage stehenden Vordienstzeiten bereits rentenrechtlich berücksichtigt seien 3 2 . Dabei übersieht der Zweite Senat offenbar, dass dieser vermeintliche sachliche Rechtfertigungsgrund in Wahrheit ein Aspekt der rechtfertigungsbedürftigen Regelung der Versorgungsbezüge ist; gerade die Tatsache, dass die in der ehemaligen D D R verbrachten Ausbildungs- und die 28 Dazu unter D.I. Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums, S. 371 f. 29 Dafür spricht auch das gleichheitsrechtliche Gebot der Systemgerechtigkeit. Allgemein dazu Osterloh, in: Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 98 bis 103 m.N. aus der Rspr. des BVerfG. 30 Siehe S. 372 f.

31 BVerwG, DVB1. 2001, 735 (736). 32 BVerwG, DVB1. 2001, 735 (736 f.).

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amtsförderlichen Vordienstzeiten rentenrechtlich berücksichtigt werden, führt zu der Schlechterstellung der Betroffenen gegenüber ihren i m Westen ausgebildeten Kollegen. Es geht gerade darum, einen sachlichen Grund für die versorgungsrechtliche Nichtberücksichtigung der i m Beitrittsgebiet vor der Wiedervereinigung verbrachten Zeiten zu finden, die grundsätzlich vom System her als ruhegehaltfähige Zeiten anerkannt würden und die daraus erwachsenden Ruhegeldansprüche allein i m Fall einer Überversorgung gemäß § 55 Abs. 1 BeamtVG gekürzt würden. U m den einmal gewählten Differenzierungsgrund mit zusätzlicher „Sachsubstanz" anzufüttern, führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass in der D D R die Altersrente die alleinige Altersversorgungsform sämtlicher Beschäftigter einschließlich derjenigen des „öffentlichen Sektors" gewesen sei und den Rentenversicherungsträgern aus dem Bundeshaushalt wegen der Überleitung der Anwartschaften aus diesem Versorgungssystem erhebliche Zuschüsse gewährt worden seien. Daraus ergebe sich, dass das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis, in das die erst nach dem Beitritt verbeamteten Personen mit Beginn ihres Berufslebens in der D D R eingetreten waren, insofern ßr ihr gesamtes Arbeitsleben den rechtlichen Rahmen festlege 33 . Hinter dieser etwas kryptischen Wendung steht wohl folgende Überlegung: Die Bundesrepublik hat alle Arbeitnehmer der D D R gleichsam „nachversichert", indem die DDR-Rentenkasse gefüllt worden ist resp. ratierlich gefüllt werden muss. Das erklärt aber nicht, dass daraus der Dienstherr, der seinen Beamten angemessenes Ruhegeld schuldet, bevorteilt werden soll. Ausreichenden „Investitionsschutz" erhält der Bund für das zur Überleitung der OstRentenanwartschaften gewährte Vermögen durch § 55 BeamtVG, der eine nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG geschuldete Überversorgung i m System des Beamtenversorgungsgesetz verhindert. Mehr als aus dem Beamtenverhältnis (unter Einschluss der Vordienstzeiten) erwächst, schuldet der Dienstherr in keinem Fall. Die öffentlichen Kassen werden nicht doppelt belastet. Soweit das Bundesverwaltungsgericht nicht an eine sachspezifische Besonderheit, sondern an eine einmal angelegte, rechtliche Regelung anzuknüpfen versucht, wäre seine Argumentation - ungeachtet der Tatsache, dass der vermeintliche sachliche Grund seinerseits an sich nur ein rechtfertigungsbedürftiger Regelungsteil ist - nur tragfähig, wenn die Überleitung der Rentenansprüche einerseits und die Anerkennung amtsförderlicher Vordienstzeiten andererseits völlig anderen Ordnungsbereichen angehörten und als Vergleichsfälle ausschieden 34 . Das ist aber gerade nicht der Fall, weil die rentenrechtliche Berücksichtigung von Vordienstzeiten eben kein spezifischer Wiedervereinigungstatbestand ist, sondern regelmäßig auch bei Beamten mit reiner West-Vita erfolgt. Die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung durch § 12b BeamtVG liegt gerade darin, dass in den neuen Ländern ausgebildete Professoren Renten- und Versorgungsbezüge erhalten werden, die jeden Monat erheblich 3 5 unter dem Versorgungsniveau anderer Hochschullehrer mit 33 BVerwG, DVB1. 2001, 735 (737). 34 Vgl. BVerfGE 11, 283 (293); BVerfGE 40, 121 (139 f.); BVerfGE 75, 78 (108).

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identischer Qualifikation und Lebensleistung liegen werden, deren Gesamtversorgung aus teilweise zeitlich parallel erworbener Rente- und Pension nur gemäß § 55 BeamtVG vermindert wird.

IV. Verfassungsrechtliche Beurteilung des § 12b BeamtVG und der rentenrechtlichen Regelung § 12b BeamtVG ist bei genauerer Untersuchung i m Ergebnis verfassungswidrig. Wie bereits deutlich gemacht, kann die Vorschrift allerdings nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss in das Gesamtsystem der Altersversorgung für Beamte eingeordnet werden. Das ist der Tribut, den die verfassungsrechtliche Überprüfung dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum schuldet; dem Gesetzgeber stand es selbstverständlich frei, seine verfassungsrechtliche Pflicht zu amtsangemessener und gleichheitsgerechter Altersalimentation durch ein Zusammenspiel beamtenversorgungs- und rentenrechtlicher Vorschriften zu erfüllen. Erst das damit insgesamt erreichbare Versorgungsniveau kann an den materiell-verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG gemessen bzw. mit der Versorgung der maßgeblichen Vergleichsgruppe - also den bei ansonsten gleichem Lebensweg aus dem Westen oder aus dem Ausland stammenden Hochschullehrern - verglichen werden.

1. Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums Das Recht des öffentlichen Dienstes ist gemäß Art. 33 Abs. 5 GG unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln, denen die zusätzlich in Art. 33 Abs. 4 GG festgeschriebene Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis entspricht 36 . Dieser Charakterisierung entspricht es, dass der Beamte seinem Dienstherrn i m Grundsatz seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und der Dienstherr den Beamten und dessen Familie dafür lebenslang zu alimentieren hat 3 7 . Diese A l i mentation dient der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Beamten 35 So erkennt das BVerwG erst im Streitwertbeschluss, worüber es eigentlich zu entscheiden hatte: Eine erste Feststellung zur Höhe der Differenz der Versorgungsbezüge, die pauschal für zwei Jahre mit 58.000,- DM angesetzt wird, findet sich erst dort; die Prüfung in der Sache hing also insoweit gleichsam in der Luft, weil sich über die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung doch wohl erst nachdenken lässt, wenn deren konkretes Ausmaß vollständig feststeht (vgl. BVerfGE 51, 1 (28); BVerfGE 72, 141 (140)), das aber in den Entscheidungsgründen überhaupt keine Rolle spielt. 36 Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 44. 37 Lübbe-Wolff, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 1998, Bd. II, Art. 33 Rn. 80; BVerfGE 76, 256 (298, 312, 316); BVerfGE 44, 249 (264); BVerfGE 39, 196 (200 f.); BVerfGE 37, 167 (178 f.).

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und honoriert zugleich seinen vollständigen persönlichen Einsatz 3 8 . Ihre Höhe bemisst sich folglich nicht nach den konkreten geleisteten Diensten des Beamten, sondern nach der Bedeutung des ihm übertragenen A m t s 3 9 ; sie unterscheiden sich wesensmäßig von Leistung und Gegenleistung in einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis 4 0 Die so verstandene „Amtsangemessenheit" gewährleistet eine bestimmte absolute Höhe der Bezüge, verpflichtet den Gesetzgeber aber zugleich, den verschiedenen Beamtengruppen ihre Dienstbezüge anhand der konkreten Bedeutung des Amtes differenziert zu gewähren 41 . Diese Grundsätze amtsangemessener A l i mentation gelten auch für die Ruhestandsversorgung 42 . Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Schranken zur Kürzung von Versorgungsansprüchen bereits Ende 1953 „ i n der Gewährung des standesgemäßen Unterhalts, wie er für die einzelnen Beamtengruppen - selbstverständlich unter Berücksichtigung des allgemeinen Lebensstandards - jeweils besonders zu bemessen i s t " 4 3 , gesehen.

a) Gleichheitsgehalte

des Alimentations grundsatzes

Uber diese Gewährleistungen hinaus - und darum geht es hier - lässt sich Art. 33 Abs. 5 GG aber auch ein spezieller Gleichheitssatz entnehmen, der es nicht erlaubt, für zwei Beamte mit identischem A m t und identischer Lebensarbeitszeit dennoch unterschiedliche Alimentationshöhen festzusetzen. Differenzierungen sind verfassungsrechtlich nur statthaft, wenn wenigstens hinsichtlich eines dieser Bezugsbegriffe keine Identität besteht; Räume gesetzgeberischer Gestaltung eröffnen sich erst bei faktischen Unterschieden dieser Faktoren. Die verfassungsrechtliche Pflicht zur gleichen Alimentation ergibt sich i m Umkehrschluss bereits aus dem Abstands- und Differenzierungsgebot des Alimentationsgrundsatzes: Dürfen „ungleiche" Stellen nicht „gleich" besoldet werden, bedeutet das zugleich, dass „gleiche" Ämter nicht „ungleich" besoldet werden dürfen 4 4 .

38 BVerfGE 49, 249 (265); BVerfGE 39, 196 (200 f.); Jachmann, in: v. Mangoldt/ Klein / Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 50. 39 BVerfGE 71, 39 (63); BVerfGE 55, 207 (241); BVerfGE 37, 167 (178 f.); Lübbe-Wolff, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 1998, Bd. II, Art. 33 Rn. 80; Jachmann, in: v. Mangoldt /Klein /Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 50, 51. 40 BVerfGE 71, 39 (63); BVerfGE 44, 249 (264); Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 46: Keine synallagmatischen Pflichten. 41 Jachmann, in: v. Mangoldt/ Klein / Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 50; Lübbe-Wolff, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 1998, Bd. II, Art. 33 Rn. 80. Siehe BVerfGE 44, 249 (265); BVerfGE 8, 1 (14); BVerfGE 4, 115 (135). 42 BVerfGE 76, 256 (298, 347); BVerfGE 3, 58 (160); st.Rspr. Aus der Kommentarliteratur etwa Lübbe-Wolff, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 1998, Bd. II, Art. 33 Rn. 80; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 51. 43 BVerfGE 3, 58 (160) - Hervorhebungen nur hier.

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Damit nimmt Art. 33 Abs. 5 GG den Gesetzgeber entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts 45 sehr wohl in die Pflicht, den Inhabern gleicher Ä m ter grundsätzlich gleiche Versorgungsbezüge zuzumessen, und stellt so die gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG vorrangig zu berücksichtigende, spezielle Gleichheitsgewähr bereit. Wenn das Bundesverwaltungsgericht dagegen darauf hinweist, dass auch die mit der Anknüpfung an das zuletzt innegehabte A m t und die i m Beamtenverhältnis verbrachte Dienstzeit zwangsläufig Unterschiede ermöglichten, die mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar seien 4 6 , zeigt es zwar zweifellos legitime (und selbstverständliche) Differenzierungskriterien auf, die aber Fälle der vorliegenden Art überhaupt nicht berühren. Die Anerkennung notwendiger Ausbildungs- oder amtsförderlicher Vordienstzeiten lässt sich auch nicht, wie das OVG Lüneburg 47 und das Bundesverwaltungsgericht 48 meinen, aus dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG ausnehmen, weil keine „erdienten" Zeiten betroffen seien. Mögen notwendige Ausbildungs- und amtsförderliche Vordienstzeiten auch einfachrechtlich nicht als Dienstzeiten im Sinne von § 6 BeamtVG gelten, werden sie i m System des BeamtVG gleichwohl grundsätzlich wie solche behandelt, um - wie bereits dargelegt 49 - eine dem A m t angemessene Ruhestandsversorgung überhaupt zu ermöglichen. Nicht der Regelungsmodws sondern das Erreichen des verfolgten Regelungsziels ist den Betroffenen aber wegen Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich geschuldet! M i t der zugrunde liegenden, legitimen Systementscheidung hat sich der Gesetzgeber für die weitere Ausgestaltung festgelegt, so dass jede Ungleichbehandlung, die mit dem einmal gewählten Regelungsmodell bricht, sich an Art. 33 Abs. 5 GG messen lassen muss. Genau besehen bestärkt der Wortlaut des Art. 33 Abs. 2 GG sogar noch die Annahme eines Gebotes gleicher Besoldung innerhalb einer homogenen Beamtengruppe: Indem er dem Geeigneten gleichen Zugang verspricht, ist damit doch offenbar - mag die kommentierende Literatur dazu schweigen - auch gemeint, dass für alle Bewerber gleiche Zutrittskriterien gelten müssen, dass ihnen mit anderen Worten also auch dieselben Alimentationsgrundlagen für die Entwicklung ihres Lebenszeitamtes angeboten werden müssen, um ihre Zutrittsentscheidung nicht mit ungleichen Wettbewerbsbedingungen zu belasten. Damit geht Art. 33 Abs. 2 GG über die Differenzierungsverbote hinaus, die in den Anknüpfungsmerkmalen des Art. 33 Abs. 2 GG stecken. Hält man diesen Weg für nicht gangbar, ist der Satz von der Gleichheit der Zutrittskriterien jedenfalls wenigstens wegen sei-

44 Dieser Umkehrschluss ist bereits von Art. 3 Abs. 1 GG geläufig, der insofern nicht nur Gleichbehandlungs-, sondern ebenso Differenzierungsgebote erzeugen kann. Siehe für das Besoldungs- und Versorgungsrecht BVerfGE 76, 256 (329). 4 5 BVerwG, DVB1. 2001, 735 (736). 4 6 BVerwG, DVB1. 2001, 735 (736). 4 7 OVG Lüneburg, NdsRpfl 2001, 43. 4 8 BVerwG, DVB1. 2001, 735 (736). 49

Siehe S. 368.

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ner Verwurzelung i m Leistungsprinzip 5 0 auch ein hergebrachter Grundsatz des Beruf sbeamtentums, den es wegen Art. 33 Abs. 5 GG zu beachten gilt.

aa) Rechtfertigung von § 12b BeamtVG vor Art. 33 Abs. 5 GG Angesichts einer Schlechterstellung von jährlich etwa 15.000 E u r o 5 1 lässt sich auch nicht annähernd mehr von einer „gleichen" Alimentation reden. Diese Ungleichbehandlung der Beamten, die ihre sonst anrechnungsfähigen Zeiten i m Beitrittsgebiet zurückgelegt haben, durch § 12b BeamtVG müsste sich vor Art. 33 Abs. 5 GG rechtfertigen lassen. Gründe dafür sind aber nicht ersichtlich.

(1) Uberversorgung aus öffentlichen

Kassen

Zwar führt das Oberverwaltungsgericht zutreffend aus, i m Beamtenrecht seien finanzielle Erwägungen und das Bemühen, Ausgaben zu sparen, allein keine ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung 52 . Hinzu kommen müssen vielmehr weitere Gründe, die i m Bereich der Altersversorgung liegen und die Kürzung von Versorgungsbezügen auch sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen. Zutreffend sucht das Oberverwaltungsgericht daher nach einem spezifisch besoldungsrechtlichen Gesichtspunkt, der die Regelung in § 12b Abs. 1 BeamtVG als sachgerecht erscheinen lässt, erblickt einen solchen dann aber zu Unrecht in dem gesetzgeberischen Bemühen 5 3 , eine Überversorgung derjenigen Beamten zu vermeiden, die neben dem auf dem Alimentationsprinzip beruhenden Anspruch auf Altersversorgung einen aus dem Alterssicherungssystem der ehemaligen D D R überführten Rentenanspruch besitzen 54 . Obwohl es sich redlich müht, die Vermeidung einer Überversorgung aus öffentlichen Kassen als Differenzierungsziel herauszuarbeiten, so dass die tatsächlich erreichte Ungleichbehandlung als legitime Differenzierungsfolge erscheint 55 , müssen diese Mühen bei genauerer Betrachtung fehlgehen: Schon der allgemeine „Gleichheitssatz verlangt, dass für die ( u n g l e i che Behandlung von Sachverhalten und die Auswahl der Anknüpfungskriterien bezogen auf die Eigenarten des in Rede stehenden Sachbereichs, und unter besonderer Berücksichtigung von Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung - vernünftige und einleuchtende Gründe bestehen. So lässt er Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt werden" 5 6 . Für das speziellere Gebot gleicher so Dazu Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 13, 45 und zu den historischen Wurzeln dies., а. а. O. Rn. 11. 51 s. oben Fn. 35. 52 OVG Lüneburg, NdsRpfl 2001, 43. 53 Vgl. dazu die Entstehungsgeschichte unten S. 377. 54 OVG Lüneburg, NdsRpfl 2001, 43. 55 OVG Lüneburg, NdsRpfl 2001, 43 ff. 56 Siehe nur BVerfGE 76, 256 (329 f.) m. w. N. aus der Rspr. des BVerfG.

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Besoldung aus Art. 33 Abs. 2 bzw. Abs. 5 GG können keine geringeren Anforderungen gelten. Tatsächlich begegnet aber bereits § 55 BeamtVG jeder Uberversorgung bereits auf wirkungsvolle Weise: Vor seinem Erlass erhielten Beamte, die zuvor in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis gestanden hatten, durch die Kombination von Renten- und Versorgungsansprüchen vielfach eine Altersversorgung, die deutlich über den „rein" versorgungsrechtlich erreichbaren 75 v.H. der Besoldungsendstufe lag. Kamen sie sogar auf eine Versorgungshöhe von über 100 v.H., standen sie als Ruheständler besser da als i m aktiven Dienst. Eine solche „Überversorgung", über die nach dem Beamtenversorgungsgesetz grundsätzlich vorgesehene Höhe der Altersversorgung hinaus, wollte der Gesetzgeber mit § 55 Abs. 1 BeamtVG ausschließen 57 : Versorgungsbezüge werden jetzt neben Renten nur noch bis zu einer Höchstgrenze gezahlt; ein etwaiger Mehrbetrag ruht. Diese Höchstgrenze ist grundsätzlich der Betrag, der sich als Ruhegehalt ergeben würde, wenn der Berechnung bei den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen die Endstufe der Besoldungsgruppe und als ruhegehaltfähige Dienstzeit die Zeit vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum Eintritt des Versorgungsfalles zugrunde gelegt würden. Das gilt unabhängig davon, ob diese Zeit tatsächlich vollständig durch renten- oder versorgungsrechtliche Zeiten abgedeckt ist oder nicht 5 8 . I m Regelfall der Alterspensionierung mit 65 Jahren liegt die Höchstgrenze damit bei der Regelversorgung von 75 v.H. der Besoldungsendstufe. Indem § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. b) BeamtVG für die Ermittlung der Höchstgrenze auf den Zeitpunkt des Versorgungsfalles abstellt, ist sichergestellt, dass es selbst bei einem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand nicht zu einer Gesamtversorgung aus Renten- und Versorgungsansprüchen kommen kann, die höher läge als die „rein" versorgungsrechtliche Lösung. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Ausschluss einer „Überversorgung" als legitimen Regelungszweck i m Rahmen des Art. 33 Abs. 5 GG angesehen und die Regelung auch ansonsten verfassungsrechtlich nicht beanstandet 59 . Tatsächlich genügt § 55 BeamtVG dem Grundsatz einer „amtsangemessenen" Altersversorgung, indem das effektive Versorgungshöchstmaß für alle Beamten einer Laufbahn gleich ist und der Ruhestandsbeamte - unabhängig von seiner vorherigen Tätigkeit - Bezüge in derselben Höhe erhält, als wenn er die gesamte Zeit in einem beamtenrechtlichen Dienstverhältnis gestanden hätte. Der Gesetzgeber darf dabei den Versorgungsberechtigten auf Einkünfte aus anderen öffentlichen Kassen verweisen, sofern diese ebenfalls seiner und der Existenzsicherung seiner Familie zu dienen bestimmt sind 6 0 . Dagegen dient § 12b Abs. 1 BeamtVG dem Ausschluss von 57 Siehe dazu Kümmel, Anrechnung von Renten auf die Beamtenversorgung zur Vermeidung einer Doppelversorgung, ZBR 1982, S. 232 ff. und BVerfGE 76, 256 (311 ff.). 58 Siehe Punkt 55.2.4.1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BeamtVG, abgedruckt in Schütz, (Fn. 1), Teil D, § 55 BeamtVG vor Rn. 1; ferner Schachel, ebenda, § 55 Rn. 5. 59 BVerfGE 76, 256 ff. 60 BVerfGE 81, 363 (379); BVerfGE 76, 256 (298 ff.); Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 51. 25 FS Leuze

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„Doppelbemessungszeiten", indem die i m Beitrittsgebiet verbrachten Ausbildungszeiten versorgungsrechtlich unberücksichtigt bleiben, soweit sie rentenrechtlich berücksichtigt werden. Aber selbst § 12b Abs. 1 BeamtVG hinweggedacht, könnte die Berücksichtigung dieser Zeiten schon allein wegen § 55 BeamtVG überhaupt nicht zu der von den Gerichten besorgten Überversorgung führen! Der Gesetzgeber hatte folglich nicht die Wahl, eine Überversorgung für Beamte, die ihre Ausbildung und förderliche Tätigkeiten in der ehemaligen DDR absolviert haben, entweder nach § 55 BeamtVG oder durch den Erlass von § 12b Abs. 1 BeamtVG auszuschließen 61 . U m der Gefahr einer Überversorgung zu begegnen ist diese Vorschrift schlichtweg ungeeignet; dieser spezifisch besoldungsrechtliche Gesichtspunkt, den die Urteile heranziehen, um die Regelung in § 12b Abs. 1 sachgerecht erscheinen zu lassen, kommt überhaupt nicht zum Tragen.

(2) Rentenrechtliche Berücksichtigung von Vordienstzeiten als rechtfertigende Identitätsstörungen Das Bundesverwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht sehen als tragenden Differenzierungsgrund an, dass die in Frage stehenden Vordienstzeiten bereits rentenrechtlich berücksichtigt würden 6 2 . Dabei handelt es sich jedoch, wie bereits angemerkt 6 3 , nicht um einen rechtfertigenden sachlichen Grund, sondern gerade um einen Teil der Regelung, die ihrerseits gleichheitsrechtlich rechtfertigungsbedürftig ist. Die parallele renten- und versorgungsrechtliche Berücksichtigungsfähigkeit von Vordienstzeiten ist eben kein Spezifikum der durch § 12b BeamtVG abweichend von den allgemeinen Grundsätzen geregelten Fallgruppe. Dieselbe Situation kann sich in einer Vielzahl von Fällen - übrigens auch und gerade bei Hochschullehrern, die häufig mehrere Jahre als wissenschaftliche Angestellte etwa in der Wirtschaft verbracht haben, - auch in den alten Bundesländern ergeben. Das rechnerische Ergebnis der Rentenansprüche mag unterschiedlich sein; dabei darf man aber nicht übersehen, dass auch i m Rentenrecht der alten Bundesrepublik Ausbildungszeiten nicht etwa irrelevant sind 6 4 . Es ist in diesem Zusammenhang deshalb gerade die Aufgabe von § 55 BeamtVG, die Lebensarbeitszeit (unter Einschluss der amtsförderlichen Ausbildungszeiten) einheitlich entsprechend dem zuletzt innegehabten A m t zu bewerten. Weshalb der Anknüpfungspunkt DDR-Rente hier eine Ausnahme (DDR-Rente als „Identitätsstörung") darstellen soll, ist nicht recht (oder nur fiskalisch) begreiflich: Die amtsförderliche Ausbildung hat zur Eignung geführt, der Geeignete hat seine Lebensarbeitszeit i m 61 Darauf laufen aber die Entscheidung des OVG Lüneburg, NdsRpfl 2001, 43 (43, 44) und des BVerwG, DVB1. 2001, 735 (736) hinaus, die auf die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bei der Verfolgung des legitimen Zwecks „Uberversorgung" rekurrieren. 62 BVerwG, DVB1. 2001, 735 (736 f.) und OVG Lüneburg, NdsRpfl 2001, 43 (44). 63 Siehe oben S. 367. 64 s. dazu Eckhard Kreßel / Michael Wollenschläger, Leitfaden zum Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 1996, § 109 Rz. 119 ff.

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Wesentlichen i m Öffentlichen Dienst verbracht. Jetzt muss dem Beamten ein das Abstandsgebot zu den Ämtern anderer Laufbahnen wahrendes Ruhegeld zustehen. Für § 12b BeamtVG mit seinem vermutlich rein fiskalischen Hintergrund ist eine Rechtfertigung verfassungsmäßig nicht erkennbar.

(3) Entstehungsgeschichte Auch die Entstehungsgeschichte von § 12b Abs. 1 BeamtVG gibt keinen Fingerzeig auf einen die Differenzierung rechtfertigenden Belang: In der Tat wollte der Gesetzgeber mit der Vorschrift eine doppelte Berücksichtigung der Ausbildungsund anderen förderlichen Zeiten ausschließen. Über die damit bewirkten Unterschiede der Versorgungshöhe hat er sich dabei keine Rechenschaft abgelegt; es findet sich in den Materialien nicht einmal ein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber die Folgen seines Sondermodells für die aus den neuen Bundesländern stammenden Beamten überhaupt gesehen hätte. Unmittelbare Vorgängerregelung des § 12b BeamtVG ist § 2 Nr. 6 Hs. 2 der Beamtenversorgungs-Übergangsverordnung i.d. Fassung der 2. Verordnung zur Änderung beamten- und versorgungsrechtlicher Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands vom 22. Dezember 1992 (BeamtVÜV). In der amtlichen Begründung dazu führt die Bundesregierung aus, dass es - wegen der in Ostdeutschland erworbenen und in bundesrepublikanisches Recht überführten Rentenanwartschaften - keiner „zusätzlichen Berücksichtigung dieser Zeiten [seil.: der i m Beitrittsgebiet zurückgelegten Ausbildungs- und amtsförderlichen Vordienstzeiten] in der Beamten Versorgung" bedürfe. „Lediglich für die Fälle, in denen . . . die rentenrechtliche Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt ist, können solche Vordienstzeiten . . . als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden" 6 5 . Immerhin sollten also die i m Beitrittsgebiet verbrachten Zeiten - vermutlich aus gleichheitsrechtlichen Gründen - überhaupt bei der Alterssicherung berücksichtigt werden. Die Aussage, einer „zusätzlichen" versorgungsrechtlichen Berücksichtigung „bedürfe" es nicht, bringt dabei klar zum Ausdruck, dass die Bundesregierung davon ausgegangen ist, die nach der Regelung erzielbare Alterssicherung sei auch der Höhe nach verfassungsrechtlich unbedenklich; irgendwelche Erwägungen dazu bleibt sie uns dagegen schuldig. Ebenso wenig wie die Regierung hat der Bundesrat diese Probleme gesehen und die Regierungsvorlage insoweit kommentarlos gebilligt 6 6 . Diese Regelung ist mit § 12b BeamtVG zwar weitgehend textgleich, aber doch mit zwei wesentlichen inhaltlichen Änderungen in das Beamtenversorgungsgesetz 65 Siehe die Amtliche Begründung der Bundesregierung zu der Verordnung zur Änderung beamten- und soldatenversorgungsrechtlicher Ubergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands v. 4. Juni 1992, BR-Drs. 407/92, S. 10 zu § 2 Nr. 3 bis 6. 66 Siehe den Beschluss des Bundesrates zur Verordnung zur Änderung beamten- und soldatenversorgungsrechtlicher Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands v. 25. September 1992, BR-Drs. 407/92, S. 3, 7. 25*

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übernommen worden. Durch die unbefristete (Neu-)Regelung ging mit dem Übergangscharakter der Vorgängervorschrift zugleich deren Rechtfertigung verloren: § 2 Nr. 6 Hs. 2 BeamtVÜV beruhte auf der mit „Überleitungsregelungen 4 ' überschriebenen Verordnungsermächtigung in § 107a Abs. 1 B e a m t V G 6 7 ; die Vorschrift ermächtigte der ausdrücklich nur dazu, „Übergangsregelungen" zu bestimmen, die „den besonderen Verhältnissen i m Beitrittsgebiet Rechnung tragen 44 . Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Ermächtigung und des auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungsrechts wurde darin gesehen, für eine Übergangszeit Unterschiede zuzulassen, die sich bei einer stufenweisen Angleichung der Verhältnisse i m Beitrittsgebiet an diejenigen i m alten Bundesgebiet zwangsläufig ergäben 68 . Für die Versorgungsdifferenzen, die § 12b Abs. 1 BeamtVG ohne irgendeine zeitliche Befristung jetzt endgültig bewirkt, versagt der entsprechende Rechtfertigungsmechanismus freilich. Die zweite bedeutende Änderung betrifft den persönlichen Anwendungsbereich. Galt die BeamtVÜV wegen ihres § 1 Abs. 1 Satz 2 noch nur für Beamte und Richter, die nach Inkrafttreten des Einigungsvertrags von ihrer ersten Ernennung oder Wiederernennung an in den neuen Bundesländern verwendet oder dorthin versetzt worden waren 6 9 , betrifft § 12b Abs. 1 BeamtVG alle Beamten und Richter i m gesamten Bundesgebiet, sofern sie ihre Ausbildung in der ehemaligen D D R absolviert haben. Während die Vorgängervorschrift also zu den Regelungen zählte, die übergangsweise eine geringere Lohn- und Gehaltshöhe in den neuen Bundesländern vorsahen und auf diese Weise ermöglichten, die Alimentation bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse den niedrigeren Lebenshaltungskosten i m Beitrittsgebiet anzupassen, ist bei der Anwendung von § 12b BeamtVG jeder tatsächliche persönliche Bezug zu diesen Belangen rein zufällig: Der Ausbildungsort präformiert schließlich nicht zwangsläufig den späteren räumlichen Lebensmittelpunkt. Der Gesetzgeber hat sich bei der Einfügung von § 12b Abs. 1 in das BeamtVG jedenfalls weder über die etwaigen Defizite in der Alterssicherung der Gruppe noch über die Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereiches Rechenschaft abgelegt und stattdessen i m Wesentlichen die Begründung zu § 2 Nr. 6 Hs. 2 BeamtVÜV übernommen 7 0 . Ebenso hat der Bundesrat die Änderungen in 67

§ 107a Überleitungsregelungen aus Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands. (1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die bis zum 31. Dezember 2005 zu erlassen ist, mit Zustimmung des Bundesrates für die Beamtenversorgung Übergangsregelungen zu bestimmen, die den besonderen Verhältnissen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Rechnung tragen. Diese Verordnungsermächtigung erstreckt sich insbesondere auf Berechnungsgrundlagen, Höhe von Versorgungsleistungen und Ruhensregelungen abweichend von diesem Gesetz. 68 Stadler, in: GKöD, Abschn. O, § 107a BeamtVG Rn. 2. 69 Vgl. im Einzelnen Stadler, in: GKöD, Abschn. O, § 107a BeamtVG Rn. 8. 70 Die Erwägungen der Bundesregierung zu der Höhe der Rentenansprüche, die aufgrund von Ausbildungszeiten in der ehemaligen DDR erworben wurden, beschränken sich erneut darauf, dass diese grundsätzlich als Pflichtbeitragszeiten berücksichtigt würden. Einen Vergleich der Höhe der Ansprüche mit den versorgungsrechtlichen Ansprüchen stellt sie auch

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§ 12b Abs. 1 BeamtVG gegenüber § 2 Nr. 6 Hs. 2 BeamtVÜV in seiner Stellungnahme nicht eigens erwähnt 7 1 ; i m weiteren Gesetzgebungsverfahren haben sie keinerlei Rolle gespielt 7 2 . Die Entstehungsgeschichte ergibt also, dass der Gesetzgeber eine versorgungsrechtliche Berücksichtigung nicht für erforderlich hielt, weil er, ohne sich der konkreten Folgen bewusst zu werden, zu Unrecht davon ausgegangen ist, gemeinsam mit der Rente komme der Betroffene zu einer angemessenen Ruhestandsalimentation. Die sich zukünftig realisierenden Gefahren einer gleichheitswidrigen Versorgungsdifferenz wurden dabei entweder übersehen oder verschwiegen.

bb) Ergebnis Was verbleibt dann noch an Rechtfertigung, die dem aus Art. 33 Abs. 5 GG gewonnenen Maßstab der identischen Alimentation bei Identität von A m t und Lebensarbeitszeit (unter Einschluss amtsförderlicher Ausbildung) genügen könnte? Es bleibt als fiskalischer Hintergrund gewiss die (Versorgungs-)Entlastung der öffentlichen Kassen des Bundes, insbesondere (aber nicht nur) der neuen Länder und ihrer Gemeinden. Beamte der betroffenen Fallgruppe sind als Ruhestandsbeamte, also auch in allen anderen Versorgungsfällen, deutlich billiger als Beamte aus den alten Bundesländern. Das Fragwürdige wird sofort evident in der Situation der Ost-West-Wanderung: In dem behandelten Fall nimmt Niedersachsen die Lebensleistung i m Lebenszeitbeamtenverhältnis entgegen. Anders als i m Regelfall muss Niedersachsen aber nicht über das Ruhegehalt für die amtförderlichen, eignungsvermittelnden Vordienstjahre einstehen, obwohl es die Eignung lebenszeitig für sich nutzt. Warum soll dem Land der Zufall der DDR-Vita zu Gute kommen? Fiskalische Erwägungen reichen aber allein gewiss nicht aus, um die getroffene Regelung zu rechtfertigen 73 . Eine versorgungsrechtliche Differenzierung darf wegen Art. 33 Abs. 5 GG in seiner gleichheitsrechtlichen Dimension und unter Berücksichtigung der legitimen gesetzgeberischen Grundentscheidung für das Versorhier nicht an, sondern kommt wiederum zu dem Schluss: „Einer zusätzlichen Berücksichtigung aller dieser Zeiten in der Beamtenversorgung bedarf es daher nicht". Siehe die Amtliche Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des BeamtVG, des Soldatengesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG) vom 21. Oktober 1993, BT-Drs. 12/5919, S. 17 zu Nr. 9 (§ 12b BeamtVG) (Hervorhebungen nur hier). 71 Siehe die Stellungnahme des Bundesrates, Anl. 2 zu BT-Drs. 12/5919, S. 25 ff. 72 Siehe die Beschlussempfehlung und den Bericht des (federführenden) Innenausschusses, BT-Drs. 12/7547, S. 6, mit Bericht der Abg. Regenspurger, Körper und Dr. Hirsch, S. 34 ff., sowie den Bericht des Haushaltsausschusses, BT-Drs. 12/7548; der Bundestag hat das Gesetz ohne Aussprache beschlossen, siehe PIPr. 12/ 135 22.010.93 S. 11742 В - С. 73 BVerfGE 44, 249 (264) stellt insofern klar, dass die von Verfassungs wegen geschuldete Alimentierung keine dem Umfang nach beliebige Größe sei, die sich nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand richte.

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gungssystem des Beamtenversorgungsgesetzes ausschließlich an drei Kriterien anknüpfen: Das sind die Bedeutung des Amtes, die zurückgelegten Dienst- 7 4 sowie diejenigen Vordienstzeiten, die für die Erlangung der vorgeschriebenen Amtseignung (Art. 33 Abs. 2 GG) erforderlich sind oder sonstwie in concreto amtsförderlich waren.

b) Grundsatz laufbahnadäquater

Besoldung

I m Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG bedeutet amtsangemessene Alimentation (im Ruhestand) auch laufbahnadäquale Alimentation 7 5 . Der Laufbahngesichtswinkel macht schließlich den Blick für das Problem frei, das in den unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen der einzelnen Laufbahnen trotz des identisch fixierten Endes der Lebensarbeitszeit begründet liegt: Akademische Berufe absorbieren für den Erwerb der Amtseignung einen guten Teil der - für die Berechnung des Ruhegehaltes maßgeblichen (!) - Lebensarbeitszeit, der in anderen Laufbahnen mit weniger anspruchsvollen Einstiegsvoraussetzungen als voll ruhegehaltfähige Dienstzeit verbracht würde. Besonders signifikantes Beispiel ist in diesem Zusammenhang eben aber gerade der Beruf des Hochschullehrers, der mit der Habilitation bzw. einer gleichwertigen wissenschaftlichen Leistung i m Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 4 lit. a), Abs. 2 H R G - wenigstens bislang 7 6 - mit beachtlichem Zeitaufwand einen singulären weiteren Qualifikationsschritt verlangt. Gerade diesen Aspekt verkennt die Behauptung des Bundesverwaltungsgerichts schon wegen der geltenden Höchstaltersgrenzen habe jede rentenversicherungspflichtige Vorbeschäftigung eines späteren Beamten in der Regel nur vorübergehenden Charakter, so dass seine Beamtendienstzeit auf jeden Fall den überwiegenden Teil der ruhegehaltsfähigen Zeiten ausmache 77 . Zu dem hergebrachten Grundsatz amtsangemessener Alimentation zählt aber gerade auch die angemessene Berücksichtigung der amtsnotwendigen Ausbildung 7 8 .

c) Besoldungsrechtliches

Abstandsgebot

Das amtsbezogene Ruhegeld muss gerade bei hoch qualifizierten Ämtern, bei denen die gebotene, längere Vorbereitungszeit auf Kosten der kürzeren Lebensarbeitszeit i m Beamtenverhältnis geht, dem Abstandsgebot gegenüber anderen LaufBVerfGE 76, 256 (322). 75 Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 52. 74 A u s d r ü c k l i c h 76

Die „Reform" des HRG sieht vor, dass an die Stelle der Habilitation eine „Juniorprofessur" steht. Die dort zurückgelegte sechsjährige Dienstzeit wäre ihrerseits gemäß nach Beamtenversorgungsrecht (selbstverständlich) ruhegehaltfähig. 77 BVerwG, DVB1. 2001, 735 (737). 7 8 Vgl. BVerfGE 44, 249 (265).

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bahnen und deren Ämtern genügen 79 . Insofern gibt es sicherlich mehrere denkbare Regelungsmodelle, zwischen denen der Gesetzgeber die Wahl hat: So könnte man zum Beispiel für höher qualifizierte Ämter den Multiplikator für die i m Amt verbrachten Jahre steigern oder mit einer den Gleichheitsanforderungen vermutlich relativ perfekt genügenden Fiktionslösung helfen, die grundsätzlich das geltende Recht verwirklicht: Bestimmte typisierte Zeiten der Ausbildung könnten wegen ihrer Amtsförderlichkeit wie Dienstjahre gelten. Wegen des amtsbezogenen Abstandsgebotes ist irgendeine dieser bzw. der sonst denkbaren Modell-Lösungen (Fortzahlung der letzten Dienstbezüge an den Emeritus) jedenfalls verfassungsrechtlich zwingend. Aufgrund dessen wird die durch den Versorgungsgesetzgeber mit der Anerkennung von Vordienstzeiten gewählte Lösung durch den verfassungsrechtlichen Alimentationanspruch aus Art. 33 Abs. 5 GG abgedeckt. Nur die Anrechnung sichert nach dem System der lex lata die amtsdifferenzierten Ruhegelder, indem die für die Laufbahngruppen unterschiedlichen Ausbildungszeiten, die zu Lasten der ruhegehaltfähigen Lebensdienstzeit gehen, durch ihre Anrechnung versorgungsrechtlich neutralisiert werden. Stattdessen verfehlt § 12b BeamtVG die verfassungsrechtlich gebotene Differenzierung nach der Amtsbedeutung, wenn ein aus Ostdeutschland stammender Hochschullehrer, der zuletzt wie jeder Kollege aus dem Westen oder aus dem Ausland 20 Jahre das A m t eines С 4-Professors innehatte, aufgrund von § 12b BeamtVG nicht einmal die Möglichkeit erhält, die vollständigen Regelversorgungsleistungen zu erreichen, die einem С 2-Beamten zuständen.

2. Allgemeiner Gleichheitssatz: Inländerdiskriminierungsverbot Auch EU-Staatsangehörige können nach Maßgabe der Verfassung und des Beamtenrechts als Hochschullehrer in Beamtenverhältnisse auf Lebenszeit berufen werden, weil diese Tätigkeit grundsätzlich nicht unter den Vorbehalt hoheitlicher Amtsausübung i m Sinne von Art. 39 Abs. 4 E G V 8 0 fällt. A u f sie findet folglich das Inländergleichbehandlungsgebot des Art. 39 Abs. 2 EGV mit der Konsequenz Anwendung, dass sie einem deutschen Hochschullehrer in jeder Hinsicht, somit auch i m Hinblick auf die Versorgungsbezüge, gleichzustellen sind. Der Europäische Gerichtshof hat insoweit festgestellt, dass Beschäftigungszeiten i m öffentlichen Dienst anderer Mitgliedstaaten bei der Eingruppierung in Vergütungsstufen grundsätzlich zu berücksichtigen sind 8 1 . Das dahinter stehende allgemeine Bestreben, Mobilitätshindernisse i m Bereich der „Wanderarbeit" nach Möglichkeit zu beseitigen 82 , macht es überaus wahrscheinlich, dass der Europäische Gerichtshof 79

Siehe dazu S. 371 f. und die Nachweise in Fn. 41. so Art. 48 Abs. 4 EGV a.F. «ι EuGH, Urteil vom 15. 1. 1998 - Rs. C-15/96, Slg. 1998-1. 82 Zu diesem Aspekt vgl. v. Danwitz, JZ 1998, 563.

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eine Alimentation aus der E U stammender Hochschullehrer, die sich nicht an der Regelversorgung eines deutschen Hochschullehrers orientierte, als mit Art. 39 EGV unvereinbar kassieren würde. Bei der Berücksichtigung von Ausbildungszeiten käme also auch aus diesem Grunde die Regelvorschrift des § 12 BeamtVG und nicht die Ausnahmebestimmung des § 12b BeamtVG zur Anwendung. Die sich hieraus ergebende Schlechterstellung eines Inländers gegenüber einem EU-Staatsangehörigen ist zwar kein Anwendungsfall des EG-rechtlichen Diskriminierungsverbots (Art. 12, 39 EGV), da sich der EG-Vertrag insoweit nicht auf rein inländische Sachverhalte bezieht. Wohl aber kann eine solche „Inländerdiskriminierung" ein Anwendungsfall des Art. 3 Abs. 1 GG sein 8 3 . Die aus Ostdeutschland stammenden Betroffenen werden gegenüber EU-Staatsangehörigen durch § 12b Abs. 1 BeamtVG benachteiligt, obwohl die Angehörigen beider Vergleichsgruppen ihre Ausbildungs- und Vordienstzeiten nicht in der Altbundesrepublik zurückgelegt haben! Ein legitimierender Grund für diese Ungleichbehandlung ist - ebenso wie schon für die Vergleichsgruppe „Westprofessoren" - nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich nicht mit dem (kleinen) „Mengenargument" 8 4 operieren, seit die Berufung von EU-Staatsangehörigen als Hochschullehrer eine signifikante Größe geworden ist. Insbesondere in den Bereichen der Sprachwissenschaften, aber auch bei sonstigen Fächern mit „grenzüberschreitender" Tendenz, wie z. B. den Naturwissenschaften, der Medizin oder der Ökonomie sind EU-Staatsangehörige keineswegs mehr „exotisch". Die durch das Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründe tragen nicht: Ob sich Sicherheit und „Höhe [der] . . . Rentenansprüche [von EU-Ausländern] zum Teil, wenn überhaupt, nur mit großem Ermittlungsaufwand verlässlich feststellen lassen" 8 5 , ist angesichts der dichten Kooperation der Verwaltungen und Sozialversicherungsträger in diesem Rechtsbereich erstens fragwürdig, zweitens eine Frage, die bei § 55 BeamtVG zu verorten wäre, und drittens überhaupt kein tragfähiger Differenzierungsgrund. Es kann wohl kaum unterstellt werden, dass der Europäische Gerichtshof für den Fall, dass sich die Ansprüche „verlässlich" feststellen ließen, die Anwendung einer EU-Staatler diskriminierenden und § 12b BeamtVG entsprechenden Regelung zuließe. Dass für ihre Rentenansprüche keine Mittel aus dem Bundeshaushalt aufgewendet worden sind 8 6 , rechtfertigt ihre Besserstellung ebensowenig: Durch die Mittelaufwendung sind die Rentenansprüche der ehemaligen DDR-Bediensteten denjenigen der übrigen Bürger der B R D auch grosso modo wertmäßig gleichgestellt worden, und von diesem Plafond muss für die Frage einer Gleichbehandlung ausgegangen werden. аз Vgl. Osterloh, in: Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 71; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, 4. Aufl. 1999, Art. 3 Abs. 1 Rn. 213 jeweils m. w. N. Vgl. aus der Rspr. nur BVerwG, Beschluss ν. 27. Mai 1998 - 1 В 51.98 - , GewArch 1998, 470. 84 Generell ablehnend zu diesem Argument Schilling, JZ 1994, 8 (17). 85 BVerwG, DVB1. 2001,735 (737). 86 Vgl. BVerwG, DVB1. 2001, 735 (737).

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Letztlich verdeutlicht der Vergleich mit EU-Staatsangehörigen nur ein weiteres Mal, dass es sich bei § 12b BeamtVG um eine gleichheitswidrige Norm handelt. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Überlegung, dass jedem Betroffenen unzweifelhaft ein Anspruch auf Anrechung der Ausbildungszeiten nach § 12 BeamtVG zustünde, wenn er sich zuvor um einen Ruf in das EU-Ausland bemüht und einen solchen angenommen hätte. Bei seiner Rückkehr müsste er dann - was sich insofern zwingend aus Art. 39 Abs. 2 EGV ergäbe - als „Wanderarbeitnehmer' 4 versorgungsrechtlich nach dem Regel- und nicht nach dem Ausnahmetatbestand behandelt werden.

3. Vertrauensschutz und Rückwirkungsverbot Zusätzlich bedeutet die Anwendung von § 12b BeamtVG entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgericht 87 ein verfassungsrechtliches Rückwirkungsproblem, sofern der Betroffene vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift am 1. Oktober 1994 8 8 ernannt wurde, weil die Vorgängerregelung des § 2 Nr. 6 Hs. 2 BeamtVÜV gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BeamtVÜV nur für Beamte und Richter galt, die in den neuen Bundesländern Verwendung fanden. Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes wird also wiederum der speziellere Art. 33 Abs. 5 GG betroffen 89 . Über die Ruhegehaltsfähigkeit von Zeiten nach den §§ 12 und 67 Abs. 2 soll gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG in der Regel bei der Berufung in das Beamtenverhältnis entschieden werden. Der Betroffene hat damit schon zum Zeitpunkt seiner Berufung einen Anspruch auf die Anerkennung seiner Vordienstzeiten. Bei öffentlich-rechtlichen Anspruchsnormen liegt eine „echte", durch das Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich verbotene und daher besonders rechtfertigungsbedürftige 90 Rückwirkung aber bereits vor, wenn i m Zeitpunkt ihrer Verkündung die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren; ein bestätigender Bewilligungsbescheid ist unnötig 9 1 . Zwar hat der Gesetzgeber versucht, sich mit § 67 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG ein Schlupfloch offen zu halten, und angeordnet, dass diese Entscheidungen unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der ihnen zugrunde liegenden Rechtslage stehen. M i t einer rein einfachgesetzlichen Klausel kann er sich aber selbstverständlich nicht von seinen verfassungsrechtlichen Bindungen lossagen. Zudem ist nicht geklärt, in welchem Verhältnis die frühere Norm des § 67 Abs. 3 87 BVerwG, DVB1. 2001, 735 (737). 88 Vgl. Art. 12 Abs. 1 BeamtVGÄndG 1993. 89 Zur Verortung des Vertrauensschutzes für Beamte in Art. 33 Abs. 5 GG als lex specialis BVerfGE 76, 256 (347); BVerfGE 55, 370 (396); BVerfGE 52, 303 (345) m.z.w.N. aus der Rspr. und insofern zutreffend BVerwG, DVB1. 2001, 735 (737). Aus dem Schrifttum etwa Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn. 41; Battis, in: Sachs, 2. Aufl. 1999, Art. 33 Rn. 66. 90 Vgl. BVerfGE 13, 261 (272); BVerfGE 45, 142 (173). 91 Vgl. BVerfGE 30, 367 (386 f.).

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Satz 2 BeamtVG unter dem Gesichtspunkt der lex-posterior-Regel zu der späteren Regelung in Art. 12 BeamtVGÄndG 1993 steht, die das Datum des Inkrafttretens von § 12b BeamtVG regelt und deren Abs. 2 immerhin für bestimmte Vorschriften des BeamtVGÄndG eine Rückwirkung ausdrücklich anordnet. Die Betroffenen brauchten mit einer entsprechenden Regelung auch dann nicht zu rechnen, wenn der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Zeitpunkt ihrer Ernennung zum Lebenszeitbeamten bereits eingebracht gewesen ist. Den Schwerpunkt der Beratungen stellte schließlich die „Verlängerung" der Ubergangsverordnung nach der BeamtVÜV dar, während die allein relevante Erweiterung des Adressatenkreises weder i m Gesetzgebungsverfahren, noch in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielte.

V. Schlussbemerkung Der „wirkliche" Grund für die Aufrechterhaltung der Regelung dürfte darin liegen, dass ohne § 12b BeamtVG insbesondere in den neuen Bundesländern insgesamt erhebliche Mehrkosten auf die öffentlichen Kassen zukämen. Diese Mehrkosten lassen sich bei einem Festhalten an einer bundeseinheitlichen Besoldungsregelung (die gemäß Art. 74a GG aber keineswegs zwingend ist) auch anders nicht vermeiden. Es wird damit zusätzlich zu dem 10-v.H.-Abschlag auf die Besoldung in den neuen Bundesländern ein weiterer Spareffekt erzielt, der sich zwar schwerpunktmäßig in den neuen Bundesländern auswirkt, aber, wie der hier diskutierte Fall zeigt, keineswegs auf diese beschränkt bleibt. Einsparungen sollen dabei nicht durch die Anknüpfung an den gegenwärtigen Lebensmittelpunkt, sondern allein unter Rückgriff auf den Ausbildungsort bewirkt werden. Wohlgemerkt: Dabei geht es nicht um die Qualität der Ausbildung, bei der typisierend auf den Ausbildungsort abgestellt wird, weil jeder Deutsche nach seiner Eignung gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern hat (Art. 33 Abs. 2 GG). Damit gerät die Regelung des § 12b BeamtVG, w i l l man sie wie die Gerichte schon an Art. 3 GG messen, in bedenkliche Nähe zu einer Benachteiligung aufgrund der Herkunft, die Art. 3 Abs. 3 GG ausdrücklich inkriminiert.

Kreativität und Innovation - Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Steuerung Peter Michael Lynen

I. Einleitung Die Titulierung dieses Beitrags ist kein kreativer A k t des Verfassers. Der deutsche Hochschulverband hat bereits auf seinem 51. Verbandstag in Saarbrücken am 27. M a i 2001 eine Podiumsdiskussion unter diesem Titel stattfinden lassen 1 . Gute Diskussionen können nicht das Ende von Überlegungen sein, sondern sollten anregend wirken und weitere Betrachtungen zum Thema auslösen 2 . Der hier zu ehrende Dieter Leuze als ehemaliger Universitätskanzler und als Universitätsprofessor hat ein Buch mit den Sätzen begonnen 3 „Wenn man den Beamten etwas nicht zutraut, dann das Erschaffen urheberrechtlich geschützter Werke. Derartige Werke sind schöpferische Leistungen, die Kreativität voraussetzen. Als kreativ gelten Beamte aber i m allgemeinen nicht". Schon i m Hinblick auf Dieter Leuze als Hochschulverwalter, Beamter und Wissenschaftler mit einem kreativen und innovativen Werk erscheint mir, angemessen zu sein, das Thema des Hochschulverbandstags noch einmal aufzugreifen und zu vertiefen. A n dieser Stelle soll es aber nicht um die unbestreitbare Kreativität von Beamten gehen, sondern darüber hinausgehend um die sich befremdlich gegenüber stehenden Begriffspaare Kreativität und Innovation einerseits sowie Staat und Steuerung anderseits. Ein solcher Titel als Untersuchungsprogramm umschreibt die zentrale Problematik öffentlicher Kulturbetriebe i m Allgemeinen und der Hochschulen i m Besonderen, die als spezifische und heute in aller Regel staatliche kulturelle Institutionen anzusehen sind. Die Diskussionen um Aufgaben und Ziele, den „Nutzen" und „Erfolg", die Profile und den Status, die Organisation, das Management, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Finanzierung sowie die Qualität und Ergebnisse staatlicher Tätigkeit und staatlich getragener Einrichtungen für Wissenschaft und Kunst werden nach wie 1 Unter der Moderation von Frau Prof. G. Höhler waren Diskutanten die Herren Prof. J. Funke, Prof. F. Hufen, Prof. N. Walter, Dr. J. Rüttgers und der Verfasser als „Ersatzmann" für Prof. L. Colani. 2 Der Hochschul verband selber hat Heft 5/2001 von Forschung&Lehre, S. 230 - 249 unter den Titel Innovation in Wissenschaft und Kunst gestellt. 3 D. Leuze, Urheberrechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und in den Hochschulen, Berlin 1999, S. 13.

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vor sämtlich von dieser Problematik beeinflusst, wenn nicht beherrscht 4 . Dies bleibt freilich oft unausgesprochen oder wird nicht erkannt, verdeckt oder weggeschoben. Das ausgewogene Verhältnis zwischen staatlicher Steuerung und „ i n Ruhe lassen" solcher Institutionen muss immer wieder neu definiert werden, i m Wechsel der Zeiten und i m Wechsel der Personen. Neue Besen kehren nicht aus sich heraus gut, sondern es muss ersichtlich sein, wie und wo überhaupt gekehrt werden muss. Insoweit beziehen sich diese Ausführungen besonders auf die aktuelle Situation. Dabei gibt es zwischen Wissenschaft und Kunst erhebliche Gemeinsamkeiten, wie rechtlich bereits der gemeinsame Ansatz in Art 5 Abs. 3 Satz 1 GG zeigt 5 . Es gibt aber auch deutlich unterschiedliche Akzentsetzungen und Sensibilitäten. Insbesondere sehen Künstler das Thema der Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Steuerung von Kreativität und Innovation häufig mit besonders kritischen Augen und aus der Distanz der Individualisten und Einzelkämpfer. Als ebenso scharf 6 wie brillant-ungerecht formuliertes Beispiel für diese Haltung sei Gottfried Benn zitiert, dem sicherlich auch eigene Erfahrungen mit staatlicher Kunstförderung die Feder geführt haben 7 : „ Hohenzollern oder Republik, das ist Jacke wie Hose. Günther, Hölderlin, Heine, Nietzsche, Kleist, Rilke oder die Lasker-Schüler - der Staat hat nie etwas für die Kunst getan. Kein Staat. Phidias starb im Kerker an Gift, sein Denunziant erhielt vom Volk Steuerfreiheit. Vergil, Dante, Petrarca - die Verbannten unter Cäsaren oder Demokratien. Der Staat, immer bereit zu dem Geschwätz, dass die Nation sich aus inneren Kräften erneuere, hat der Kunst gegenüber keine andere Geste als die, die vom Fehlgriff lebt. Er beruft eine Akademie: zwei oder drei Konzessionslose, die unübersehbar sind, dann aber die Masse der Schieber, die flüssigen Epiker, die Rülpser des Anektotenschleims, die psychologischen Stauer von Mittelstandsvorfällen, Schund und Schmutz, nicht harmlos erotisch, aber produktiv verderbt... - ach, wie sie alle kämpfen auf ihren Lehrstühlen, bei ihren Witwenpensionen, auf ihren bankettdurchwürzten Kongressen und die Ministerialräte mit Festreden immer obenan. Mögen sie es tun, aber wenn der § 142 der deutschen Reichsverfassung lautet: „Die Kunst und die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil" - so sollte der zweite Satz lieber heißen: er gewährt nicht ihnen Schutz, sondern ihren Surrogaten, da sie der Industrie Anregungen und den Ministern ihre Redensarten liefern..." 4 Auch in dem hier nicht zur Debatte stehenden Bereich „Schule und Bildung" zeigen die jüngsten Debatten nach Erscheinen der „Pisa-Studie" die Aktualität und Brisanz dieser Thematik. 5 Auf den insbesondere F. Hufen häufig, zuletzt in Forschung & Lehre, 2002, Heft 6, S. 290 hingewiesen hat. 6 Es gibt also durchaus Autoren, die zu noch schärferen Formulierungen geneigt sind, als sie Dieter Leuze zu finden imstande ist. 7 Gottfried Benn, Kunst und Staat, 1927. Benn betont dabei, dass er ausschließlich von einem gewerblich erworbenen Einkommen lebe, „meine künstlerischen Arbeiten haben mir, wie ich gelegentlich meines vierzigsten Geburtstages berechnete, im Monat durchschnittlich vier Mark fünfzig, während eines Zeitraumes von fünfzehn Jahren eingebracht."

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Wissenschaftler sind an dieser Stelle milder und vielleicht objektiver, beides aus beruflicher Prägung und aus wissenschaftsimmanenten Gründen. Wissenschaft verlangt Objektivität und ist ohne staatliche Förderung und organisiertes Zusammenwirken kaum möglich. Insbesondere die wissenschaftliche Karriere verläuft nahezu ausnahmslos in der und über die (in Deutschland fast immer staatliche) Institution Hochschule, die auch über das Monopol 8 für akademische Grade und Titel verfügt. Man kann soweit gehen zu sagen, dass es keine in der Wissenschaft kreativ und innovativ wirkenden und erfolgreichen Personen gibt, die nicht den wesentlichen Teil ihrer Ausbildungszeit und meist auch ihrer beruflichen Tätigkeit in den Universitäten bzw. anderen - staatlich geförderten - Einrichtungen verbracht haben und dadurch geprägt wurden. Auch die in der Industrie und anderen privaten Einrichtungen oder freiberuflich tätigen Wissenschaftler blicken mindestens auf solche Ausbildungs- und Berufszeiten zurück oder pflegen intensive Wechselbeziehungen und Kontakte mit den staatlichen Einrichtungen der Wissenschaft. Dies reicht weit in den Bereich der sogenannten Praktiker und deren Bemühungen und Erfolge um Kreativität und Innovation. Demzufolge sind Äußerungen aus Sicht der Wissenschaft zu dieser Thematik zwar ebenfalls nicht unkritisch, beruhen aber herkömmlich und meist auf einer positiveren Grundhaltung, wie bereits aus Schleiermachers „ Gelegentlichen Gedanken über Universitäten im deutschen Sinn " aus dem Jahre 1808 hervorgeht: „ Aber freilich je mehr sie 9 sich ausbilden , um desto mehr erfordern sie Hilfsmittel, Werkzeuge mancher Art, Befugnis der Verbundenen, auch als solche mit anderen auf eine rechtsbeständige Art zu verkehren. Dies alles kann freilich nur durch den Staat erlangt werden, und daher ergeht an ihn die Anmutung, diejenigen, die sich zum Behuf der Wissenschaft miteinander verbunden haben, wie wir uns ausdrücken, als eine moralische Person anzuerkennen, zu dulden und zu schützen. Bei deutschen Völkerschaften und Verfassungen kann diese Zumutung am wenigsten befremdlich sein, da wir bei ihnen beständig eine Menge freier Vereinigungen zu allerlei Zwecken bestehen und entstehen sehen, die der Staat nicht nur duldet, so lange sie sich als unverdächtig ausweisen, so dass man ihnen, um Verfolgung gegen sie zu erregen, immer etwas Unbürgerliches, Staatszerstörendes erweisen muss, sondern denen er auch Vorrechte mancher Art einräumet, wie sie zusammengesetzten Personen, die ja doch größer sind als einzelne, wohl geziemen mögen." Die beiden Zitate von Benn und Schleiermacher umreißen das Spannungsfeld zwischen Einfluss, Lenkung, Förderung, Begrenzung und dem Einräumen von „geziemenden Vorrechten" 1 0 , auf das i m Folgenden besonders i m Hinblick auf die aktuelle Problematik von Steuerung (auch als Uber-, Unter- und Fehlsteuerung)

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Die gelegentlichen - meist zweifelhaften und nicht anerkennungsweiten - Verleihungen solcher Grade durch Dritte widerlegen dieses Monopol nicht, sondern unterstreichen es; denn immer dort, wo es Monopole gibt, gibt es auch Bestrebungen, sie zu durchbrechen. 9 Mit „sie" sind die „Veranstaltungen" für Unterricht und Wissenschaft gemeint. 10 Bezeichnend ist, dass für „Vorrechte" heute eher die abwertend gemeinte Ubersetzung „Privilegien" gebraucht wird, denen man das „Geziemende" nicht oder nur widerwillig zugesteht.

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von Kunst und Wissenschaft durch den Staat und seine Instanzen näher eingegangen werden soll.

II. Steuerungslegitimationen und ihre Grenzen Die Auffassung Schleiermachers zur Förderungspflicht des Staates gegenüber der Wissenschaft und ihren Einrichtungen ist heute verfassungsrechtlich verbürgtes Allgemeingut, etwa nach der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts 11 dahingehend, dass der Staat „funktionsfähige Institutionen für einen freien Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung zu stellen" habe, dem deswegen besondere Bedeutung zukomme, „weil ohne eine geeignete Organisation und ohne entsprechende finanzielle Mittel, über die im wesentlichen nur noch der Staat verfügt, heute in weiten Bereichen der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften, keine unabhängige Forschung und Lehre mehr betrieben werden kann." Vergleichbares lässt sich i m Ergebnis für die Kunst sagen, obwohl der Grad der Anbindung an den Staat als notwendigen Mäzen hier einen anderen Stellenwert hat. Die ebenfalls aus Art 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgende Kunstfreiheit, verstanden nicht nur als individuelles Freiheitsrecht in Bezug auf den breiten Werk- und Wirkbereich der Kunst, sondern auch als objektive Wertentscheidung 12 (wertentscheidende Grundsatznorm), stellt für den modernen Staat, der sich i m Sinne einer Staatszielbestimmung auch als Kulturstaat versteht, zugleich die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern. Damit ergibt sich eine - auf den Bund, die Länder und die Gemeinden nach den Regeln des Föderalismus 13 verteilte und mit breiten Gestaltungsspielräumen versehene - Förderungspflicht des Staates, die sich nicht zuletzt auf die Organisation und Unterhaltung von künstlerischen Institutionen und Kulturbetrieben bezieht. Dies dürfte auch in Zeiten noch unstreitig sein, in denen der Staat und seine Amtsträger mehr und mehr die Verantwortung (und Finanzierung!) Privater für Kunst und Kultur und damit den bereits vorher bestehenden Dualismus in der Kunstförderung 14 besonders hervorheben sowie lieber von „Kulturmanagement" als von „Kunstverwaltung" sprechen. Damit ist freilich noch nicht viel zur Ausgangsfrage nach den „Steuerungs"möglichkeiten und -grenzen von Innovation und Kreativität durch den Staat gesagt, jedenfalls dann nicht, wenn man „fördern" und „steuern" als unterschiedliche Tätigkeiten begreift. Dass beide Tätigkeiten sich weder definitorisch noch aus der Sicht и BVerfGE 35, 79, 115. 12 BVerfGE 36, 331; 81, 116. 13 Der weit mehr ist als nur „Verfassungsfolklore", wie M. Naumann in der Wochenzeitung „Die Zeit" behauptete. 14 Mit den drei Bereichen: staatliche (inkl. kommunale) Kunstförderung, private Kunstförderung und dem sog „Dritten Sektor" als gemeinsamem Mischbereich mit zunehmender Bedeutung.

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der Praxis trennscharf voneinander abgrenzen lassen, illustriert das schöne Wort „Chauffeur". Es bedeutet j a eigentlich „Heizer", gemeint ist aber meist „Lenker" (oder „Kraftfahrzeugführer"). Den Staat als Institution, die Kunst und Wissenschaft beheizt, ihnen insbesondere - um i m Bild zu bleiben - den notwendigen Sprit (Kohle) gibt und den Motor (Kessel) pflegt, wartet und notfalls repariert und frisiert, kann man sich gut - und wenig streitanfällig - vorstellen. Als denjenigen, der die Richtung, das Tempo, die Fahrzeit, die Strecke und das Ziel der Reise bestimmt, mag man ihn nicht sehen, völlig zu Recht. Totalitäre Systeme versuchen dies regelmäßig und fahren Kunst und Wissenschaft - gerade i m Hinblick auf Kreativität und Innovation - vor die Wand. Kreativität und Innovation in Kunst und Wissenschaft blühen dann - wenn überhaupt - in vom Staat nicht ausgeleuchteten Nischen und „trotz" und nicht „wegen" der staatlichen Steuerung, oft mit unterstellter oder wirklicher „subversiver" Tendenz. Speziell in Deutschland hat man i m soeben vergangenen Jahrhundert entsprechende Erfahrungen mit zwei nur scheinbar entgegengesetzten Systemen dieser Art gemacht 1 5 . So gesehen ist der Staat als steuernder Chauffeur von Innovation und Kreativität in Wissenschaft und Kunst eine Fehlbesetzung. Dabei befriedigt viele Amtsträger und Politiker auch heute die Rolle als Tankwart und Mechaniker wenig. Sie wollen wenigstens Konstrukteure und Designer der Vehikel von Kunst und Wissenschaft sein, wenn sie schon nicht selbst hauptberuflich fahren dürfen. Im demokratischen Rechtsstaat ist die Wissenschafts- und Kunstfreiheit insoweit eine wertvolle Münze, die auf der einen Seite den Kulturauftrag des Staates und auf der anderen Seite die Freiheitsgarantie von Wissenschaft und Kunst trägt. Trennt man beide Seiten voneinander, zerstört man die Münze und vernichtet deren Wert. Dies ist der tiefere Grund dafür, dass Wissenschaftler und Künstler und deren Vertreter - auch Hochschulkanzler, die j a nun selber dem Verwaltungsapparat angehören - bei Auseinandersetzungen mit dem Staat und seinen Repräsentanten „immer gleich mit dem schweren Geschütz des Art 5 Abs. 3 GG aufwarten". Das Stirnrunzeln der Gesprächspartner darüber mag manchmal berechtigt sein, ist es oft aber nicht. Denn das einfachgesetzliche oder administrative Problem verbirgt tatsächlich häufig die Grundsatzfrage, wie viel Steuerung und Fremdbestimmung i m Zusammenhang mit staatlicher Förderung und Betreuung stehen darf. Dabei zeigen sich vor allem die folgenden drei Problembereiche:

1. Verantwortung Es ist unbestreitbar, dass die Verantwortung des „ K r e a t i v e n " 1 6 für sein Tun der Kontrolle und der Steuerung bedarf und nicht nur der Selbstkontrolle unterliegen

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Aus der Fülle der Literatur hierüber finde ich den selbstbiographischen literarischen Bericht des Schriftstellers E. Loest: Durch die Erde ein Riß, ein Lebenslauf, Fassung von 1981, besonders eindringlich.

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kann. Kreativität kann egozentrische und asoziale Züge annehmen und nicht hinnehmbare gemeinschaftsschädliche Folgen zeitigen. Darüber hinaus ist der Kreative häufig gar nicht in der Lage, alle möglichen Folgen seines Werks abzuschätzen, insbesondere weil er sich oft auf andere Fragen konzentriert und auch konzentrieren muss. Zu einer verlässlichen Folgenein&hätzung sind aber auch der steuernde Staat und seine handelnden Repräsentanten selten hinreichend befähigt. Die kreative und göttliche Eigenschaft der Prophetie wird nicht nach Ämtern verteilt, auch nicht nach Wahlergebnissen oder gesellschaftlichen Kräfteverteilungen. Insofern sind die Steuerungsmotive, die Verteilung der Steuerungszuständigkeiten und die Steuerungsverfahren i m Bezug auf Kreativität und Innovation durchaus zu differenzieren. Wenn das Steuerungsmotiv für Verantwortungskontrolle aus der Abwehr akuter oder wenigstens mit hinreichender Sicherheit voraussehbarer Gefahren für schützenswerte Güter resultiert, muss dies einen deutlich anderen Stellenwert haben, als es bei der Durchsetzung politischer oder gesellschaftlich erwünschter Zielvorgaben und Planungsvorstellungen der Fall ist. Der ordnungspolitische Ansatz muss ein anderer sein als der gestalterische. Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen müssen voneinander getrennt beurteilt werden. Solche wichtigen Differenzierungen, die nicht nur aus (verfassungsrechtlichen Gründen zu fordern sind, sondern auch aus dem Wesen der Förderung von Kreativität und Innovation folgen - denn Kreativität und Innovation betreffen j a gerade das Ungeplante, Unplanbare, Unvorhergesehene und den Zufall - , werden aber in der heutigen Diskussion um Zielvorgaben, Zielvereinbarungen und Steuerung von Wissenschaft und Kunst nach Gesichtspunkten der Nützlichkeit und Effizienz gern verwischt. Es mangelt oft an der notwendigen Behutsamkeit. Die Einsicht, dass Wissenschaft und Kunst - gerade i m Bezug auf Kreativität und Innovation - staatlich wenig planbar sind und sein sollten, sieht sich einer Art von Wellenbewegung und manchmal hoher See ausgesetzt. Nachdem der Ansatz der 70er Jahre mit Hochschulentwicklungsplänen und Reformkommissionen wenig - gerade aus der Sicht der Protagonisten dieser Instrumentarien - erbracht hat und in der Praxis trotz normativer Vorgaben verkümmerte und weitgehend eine Scheinexistenz führte, entwickelte sich seit den 90er Jahren das Instrumentarium des New Public Managements, das die herkömmlichen Steuerungsmöglichkeiten des Staates bisher nicht ersetzte, sondern überlagerte. Der Fünf-Jahresplan als Vertragslösung schwebt vielen Verfechtern der neuen Steuerungselemente - mehr oder weniger deutlich artikuliert - als Leitbild vor. Manchmal muss man höchst unheilige Allianzen aus kapitalistischen und sozialistischen Instrumentarien feststellen; das „Plan-Soll" und der Zielverwirklichungsprozess sind in Bezug auf Kreativität und Innovation in Kunst und Wissenschaft so verschieden nicht, weil sie - zumindest teilweise - auf Fremdsteuerung setzen und die Eigengesetzlichkeiten von Wissenschaft und Kunst gefährden können. Auch ist es der Wissenschaft und der Kunst nicht gelungen, den gerade im Bezug auf Kreativität und Innovation verfehlten Satz „Vertrauen ist gut, 16

Der Begriff ist ein scheußliches Modewort, soll aber auch hier der Einfachheit halber verwendet werden.

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Kontrolle ist besser" umzudrehen in „Kontrolle mag richtig und angemessen sein, Vertrauen ist grundsätzlich besser" 17 . Die Normgebung i m Hochschulbereich geht dabei zu häufig von - sicherlich vorkommenden - Missbrauchstatbeständen durch einzelne aus, aus denen Kontrollmechanismen gegenüber allen hergeleitet werden. Dies ist gegenüber den ohnehin Gutwilligen nicht sehr motivationsfördernd, bei den „schwarzen Schafen" fördert es deren Kreativität im Negativen heraus. Hochschulen und deren Mitglieder können „Meister i m Unterlaufen" sein 1 8 .

2. Dienstherren- und Vorgesetzteneigenschaften „Wes' Brot ich ess, des' Lied ich sing" ist eine nicht von der Hand zu weisende Lebensweisheit, die sich leider auch in Bezug auf Kreativität und Innovation von Wissenschaftlern und Künstlern unter staatlichem Einfluss bewahrheitet hat. Über den M u t und die Zivilcourage von Wissenschaftlern und Künstlern gegenüber den sie alimentierenden staatlichen Einrichtungen und deren Repräsentanten kann man durchaus kritische historische Anmerkungen machen und belegen; diese Eigenschaften und die Kreativität sind nicht notwendigerweise miteinander verwachsen. Dennoch oder gerade deswegen muss - gerade aus Hochschulsicht - konstatiert werden, dass die Konstrukte des öffentlichen Dienstrechts und dabei besonders des Beamtenrechts für Hochschullehrer mit der damit verbundenen spezifischen M i schung aus allgemeinem und besonderem Status, die sich in Deutschland nach 1945 herausgebildet hat, erhebliche Freiheitsgarantien und Spielräume gewährleisteten, welche auch deutlich genutzt wurden und werden. So widersprüchlich dies klingt: Gerade der Beamtenstatus mit seiner materiellen Grundabsicherung und seinen wenigen und seltenen inhaltlichen Einflussnahmen und Weisungsbefugnissen in den Bereichen von Wissenschaft und Kunst war besonders freiheitsgewährend und innovationsfördernd. Die Fragen, inwieweit dieser Status verfassungsmäßig verbürgt und für den Staat und seine Einrichtungen verpflichtend ist, sollen hier dahinstehen. Jedenfalls ist auffällig, dass der Ruf nach einer Abschaffung oder grundlegenden Revision dieses Status außer aus fiskalischen Erwägungen („zu teuer für den Staat") vor allem damit begründet wird, dass dieser Status die Beurteilung von Leistung im Wettbewerb zu wenig ermögliche und vor allem, dass daraus zu wenig Konsequen17 Hierzu jüngst K.U. Mayer, Misstrauen im Reformprozeß, Ist das Vertrauen zwischen Hochschule und Gesellschaft zerrüttet, in Forschung & Lehre, 2002, S. 299. 18 Auf den Schulbereich bezogen hat dies Frau Ministerin G. Behler in einem Interview in der Wochenzeitung „Die Zeit" vom 13. 12. 01 zur Pisa-Studie in schöner Offenheit formuliert: „Schulen sind resistent gegenüber verordneten Veränderungen. Das musste auch die Politik erst lernen. Wir können Schule und Unterricht mit Richtlinien und Anweisungen nicht von oben ändern. Da kann ich noch so viele Erlasse verkünden, den Alltag in der Schule berührt das nur marginal." Für den Hochschulbereich mit seinem besonderen - und verfassungsrechtlich verbürgten - Autonomieanspruch dürfte hier ein „erst-recht-Schluß" angebracht sein. 26 FS Leuze

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zen gezogen würden. Die politischen Arbeitgeber hätten gern etwas mehr Kontrolle, jedenfalls Rechenschaftslegung. Dabei war dieser Status vor allem durch zwei Prinzipien geprägt. Zum einen durch die idealtypische Trennung von Staat und Markt. Zum anderen durch die spezifische Doppelnatur des Wissenschaftsbeamten als Dienstnehmer und Grundrechtsträger. Die idealtypische Trennung von Staat und Markt bedeutete im deutschen Hochschulbereich, dass der wirtschaftliche Marktwert eines Wissenschaftlers und Künstlers i m Hochschulsystem zwar nicht keine, aber doch nur eine untergeordnete Rolle spielte, die sich i m wesentlichen durch Ausnahmetatbestände artikulierte. Dies betraf sowohl das Dienstverhältnis als Ganzes als auch die Besoldung / Vergütung als Teilbereich. I m Ganzen ging man von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Disziplinen und ihrer Vertreter aus (natürlich waren in der Hochschulpraxis immer schon einige „gleicher"). Bei der Besoldung/Vergütung ging man von ziemlich eingeschränkt variablen Sätzen aus (bis Besoldungsgruppe C3 völlig starr, für С 4 mit Bandbreite), die zwar Elemente des Leistungsbezugs und der amtsangemessenen Alimentation enthielten und damit zu unterschiedlichen Gehältern der einzelnen Dienstnehmer führten, insgesamt aber bundesweit und fächerübergreifend doch als sehr homogen anzusehen waren: Die Gleichheit der Gemeinschaft der Lehrenden i m (durch den Staat maßvoll - Alimentationsprinzip - gefüllten) Geldbeutel. Wer mehr verdienen wollte, musste entweder die Hochschule verlassen und sich ganz auf den Markt begeben oder die Möglichkeiten (und Risiken) des Nebentätigkeitsrechts nutzen und sich insoweit zusätzlich auf den Markt begeben. Jedenfalls gab sich das Hochschulsystem in seiner Besoldungsgestaltung insgesamt weitgehend marktunabhängig. Diese idealtypische Haltung wird nun aufgegeben, und der Wettbewerbsgedanke bezieht sich nicht nur auf die Hochschulen untereinander, sondern auch auf die Hochschulen einerseits und den Beschäftigungsmarkt anderseits. Das wird zu deutlicher unterschiedlichen Gehältern und größeren Ungleichheiten der Lehrenden innerhalb des Hochschulsystems führen und dann, wenn man den Grundsatz der Kostenneutralität aufgibt, auch zu höheren Kosten für den Staat (bei teilweise gleichen Leistungen bzw. dem gleichen Personenkreis 19 ). Die spezifische Doppelnatur des Wissenschaftsbeamten als Dienstnehmer und Grundrechtsträger bedeutete , dass ein besonderes Verhältnis von Rechten und Pflichten konstituiert war, das durchaus Spannungsfelder und in Einklang zu bringende Interessen des einzelnen und der Gemeinschaft mit gewissen Unverträglichkeiten und Egoismen enthielt. Diese Spannungsfelder bezogen sich auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber Staat und Arbeitnehmer Wissenschaftler einerseits, 19 Nicht überall, aber in einzelnen Hochschulen und Fachbereichen kann die Öffnung der bisherigen Gehaltsgrenzen und die Zunahme der Berufungsverhandlungen zu „Gagenspiralen" führen, d. h. der Staat muss künftig marktgerecht zahlen, obwohl er bisher die gleichen Leute zu „seinen" Tarifen beschäftigen konnte. Die Zeche wird der Steuerzahler zahlen müssen.

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anderseits aber auch auf das Verhältnis der Wissenschaftler untereinander (vor allem auf den Gebieten der Selbstverwaltung). Beim ersten Thema (Staat und Markt) wird nun deutlich eine Hereinnahme von Marktbedingungen unter dem Schlagwort „Wettbewerb" in die Institutionen des staatlichen Wissenschaftsbetriebs angestrebt. Der Markt wird die Hochschule stärker beeinflussen als bisher. Beim zweiten Thema (Doppelnatur der staatlich beschäftigten Wissenschaftler) ist das - vor allem rechtliche - Bollwerk gegen deutliche Verschiebungen der beiden Teile stärker, aber auch hier sind die hergebrachten Prinzipien auf dem Rückzug. Der staatlich alimentierte Wissenschaftler oder Künstler gerät deutlicher unter den Rechtfertigungsdruck, seinen Nutzen - auf jeden Fall seine Leistungen für die Gesellschaft - unter Beweis zu stellen. Was solche Verschiebungen der beiden Teile dieser Doppelnatur für Kreativität und Innovation zu bedeuten haben, ist schwer vorauszusagen. Wenn man unter Druck gerät, kann dies Kreativität fördern, aber auch lähmen oder in unerwünschte Richtungen lenken. Die Befürworter dieser Veränderungen nehmen ohne weiteres positive Auswirkungen an und verweisen dabei auf das Leistungsprinzip, das unbestreitbar auch für Beamte und staatliche Angestellte gilt. Es ist aber kein Zufall, dass Künstler an dieser Stelle (z. B. bei den Forderungen nach ständiger Evaluation) empfindlicher reagieren als Wissenschaftler, weil die Utilität der Kunst und deren Messbarkeit noch heiklere Themen sind, als dies bei der Wissenschaft der Fall ist. Auch der Verweis darauf, dass die Nützlichkeit weitgehend durch die Gemeinschaft der Wissenschaftler selber nach wissenschaftsbezogenen Maßstäben und in wissenschaftsadäquaten Verfahren festgestellt werden soll, muss Bedenken begegnen. Denn erstens wird dies um so problematischer, je stärker es um Konkurrenzverhältnisse von Betroffenen geht. Rechtlich steht dem der Grundsatz entgegen, dass niemand an einem Verwaltungsverfahren mitwirken soll, das ihm selber Vor- oder Nachteile bringen kann. Faktisch können solche Verfahren zu leistungsdisfunktionalen Ergebnissen (Gießkanne, Selbstbedienung, do-ut-des-Mechanismen) führen 2 0 . Überlässt man die Beurteilung nicht betroffenen Dritten (Dekanen, Rektoraten, Ministern, Kuratorien) stellen sich Fragen nach der Kompetenz und der Zulässigkeit von Vorgesetztenverhältnissen mit ebenfalls erheblichen rechtlichen und faktischen Problemen. Zweitens gibt es diese wissenschaftsbezogenen Maßstäbe und Verfahren allenfalls ansatzweise 21 . Hier hilft sich die Praxis mit formalisierten Verfahren (Kennzahlen) oder Beurteilungsspielräumen, um Streitanfälligkeit zu ver20 Solche Phänomene sind ja z. B. auch in der Wirtschaft bei den Gehältern und Abfindungen der Vorstandsmitglieder festzustellen. 21 Dies wurde in den Referaten und Diskussionen der Tagung des Vereins zur Förderung des Deutschen und Internationalen Wissenschaftsrechts e.V. vom 27. - 29. Mai 2002 in der Universität Tübingen, mit dem Thema „Hochschuldienstrechtsreform und die Umsetzung in Landesrecht" deutlich, insbesondere im Referat von W.Löwer, zu verfassungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Dienstrechtsnovelle. Informationen über www.uni-tuebingen.de „Aktuelles" erhältlich. 26*

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ringern und Rechtssicherheit zu erhöhen. Von wissenschaftlichen Analysen kann in beiden Fällen kaum die Rede sein.

3. Finanzierung „Wer zahlt, schafft an". Diesen bissigen Satz haben die staatlichen Institutionen der Wissenschaft und der Kunst unter Berufung auf Art 5 Abs. 3 Satz 1 GG weitgehend erfolgreich durchbrochen. Man kann vom Grundsatz der Staatsferne von Wissenschaft und Kunst bei staatsnaher Finanzierung und Organisation ausgehen. Trotz dieser paradox erscheinenden Formulierung funktionierte das System der Hochschulfinanzierung erstaunlich inhaltsneutral und mit nur ausnahmsweise vorkommenden „operativen" Steuerungen. Insbesondere war das Verhältnis zwischen den Finanzgebern (vor allem den Ländern und ihren Behörden) und den Finanznehmern (vor allem den Hochschulen, ihren Einrichtungen und Mitgliedern) insoweit „ausgekämpft", als die Einflussnahme auf die Inhalte teilweise kanalisiert und teilweise auf den informellen Bereich abgedrängt war. Kanalisiert war sie etwa i m Bereich der Prüfungs- und Studienordnungen und der projektbezogenen Forschungsförderung. Eher informell war sie bei Planungsentscheidungen, Haushaltsberatungen und der Vergabe von Sondermitteln. Dazwischen gab es aber den großen und die Hochschulen tragenden Bereich der institutionsbezogenen Förderung, der als Grundbedarf zu gelten hat, ohne dass der Bedarfsfrage i m Detail und inhaltsbezogen nachgegangen worden ist. Diese bedarfsorientierte Finanzierung soll nun auf eine leistungsorientierte Mittelverteilung mit einem Paradigmenwechsel umgeschaltet werden 2 2 . Hinzu kommt, dass sich die Entscheidungsfindung nicht mehr auf das Verhältnis Staat-Hochschule einerseits und die hochschulinternen Mechanismen anderseits beschränkt, sondern dass auch hier Wirtschaft und Gesellschaft - allerdings in den Ländern sehr unterschiedlich - vor allem in der Gestalt von Kuratorien und Hochschulräten einbezogen werden sollen. Gleichzeitig vollzieht sich die Stagnation oder sogar der Rücklauf der staatlichen Grundfinanzierung, die immer unzureichender zu werden droht, verbunden mit dem Wunsch der Einwerbung von Drittmitteln sowie der Zunahme von auftragsbezogener Forschung und des Technologietransfers. Der Hochschulbereich gerät in eine Art von kulturellem Dualismus, der in Deutschland bisher der Kunstförderung (s.o.) und dem Rundfunk vorbehalten waren. Von einigen wird ein solches dualistisches System auch i m Hochschulwesen - vor allem unter Verweis auf das Ausland, insbesondere die USA - gerade beabsichtigt 23 . Das wäre sicherlich eine grundsätzlich 22 Vgl. z. B. §§ 5, 103 HG NW im Vergleich zum früheren § 103 UG NW, dazu P. Lynen, in: Leuze/Epping, Kommentar zum HG NW, § 5 Rdnr. 17 unter Hinweisen auf die frühere Kommentierung von Leuze. 23 Dies wurde zuletzt deutlich auf der von der Botschaft der USA, dem DAAD, der Fulbright-Kommission, der HRK und dem Veranstaltungsforum der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck gemeinsam am 6. 6. 2002 im Wissenschaftszentrum Bonn veranstalteten Tagung „Universities of the Future".

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statthafte Entscheidung mit möglicherweise positiven Auswirkungen auf Kreativität und Innovation, weil Alternativen und Gestaltungsräume geschaffen werden könnten. Abgesehen von den unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in Deutschland und anderen Ländern muss aber zweierlei besonders beachtet werden. Zum einen muss der Kulturauftrag des Staates gewahrt bleiben. Zum anderen muss das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Kunst mit ihren Selbstbestimmungsrechten einerseits und der Wirtschaft und den gesellschaftlichen Kräften anderseits geklärt werden. Dies ist bislang keineswegs so „ausgekämpft" wie das mit dem Staat und seinen Instanzen. Der Staat war deutlich auf die Rechtslage und damit verbundene Zuständigkeitsverteilungen verwiesen, auf welche die Hochschulen und ihre Vertreter besonders selbstbewusst pochten. Man kann auch feststellen, dass der Staat gezielte Steuerungen von Kreativität und Innovation durch die Zuweisung (oder den Entzug) von Finanzen bisher behutsam und eher nach dem Zufallsprinzip gestaltet hat. Das Zufallsprinzip wird bei der Steuerung durch Wirtschaft und Gesellschaft vermutlich nicht aufgehoben, die Behutsamkeit wird dabei möglicherweise auch unter das Zufallsprinzip fallen, die Kompetenzverteilung muss erst erstritten werden. Insbesondere erwartet die Wirtschaft eher eine Gegenleistung als der Staat, was man am Beispiel des Begriffspaars Sponsoring und Zuwendung verdeutlichen kann. Sponsoring ist ein gegenseitiger Vertrag mit Leistungsverpflichtungen des Empfängers gegenüber dem Sponsor. Die staatliche Zuwendung verpflichtet dagegen nur zu einem ordnungsgemäßen Mitteleinsatz, wobei der Zuwendungsgeber allerdings Vorgaben zu dieser Verwendung machen kann. Der Staat ist insoweit eher ein Mäzen als ein Sponsor. Sicherlich ermöglicht beides Kreativität und Innovation, es gibt aber unterschiedlich starke Bindungen, Kanalisierungen und Erfolgszwänge mit Auswirkungen auf Kreativität und Innovation. Ein Blick auf das heutige duale Rundfunksystem und dessen Auswirkungen auf Qualität, Kreativität und Innovation (auch auf die Kosten) mit den Veränderungen gegenüber dem alten System des rein öffentlichen Rundfunks mag diese Aussichten erhellen.

III. Schlussfolgerungen Das Schöne an der staatlichen Steuerung von Kreativität und Innovation ist, dass keiner so recht weiß, wie dies gehen soll. Innerhalb Deutschlands ist sicher das föderative System mit den drei Ebenen Bund, Länder und Gemeinden ein gewisser Garant für Vielfalt bei bisher vergleichbaren Rahmenbedingungen. Föderalismus ist darüber hinaus institutionalisierte Verankerung von Wettbewerb und i m Parteienstaat demokratiefördernd 24 . I m Verhältnis zwischen Bund und Ländern sowie der Länder untereinander wird abwechselnd beklagt, dass zu viel und dass zu wenig gesteuert wird. A u f den Hochschulbereich bezogen ist festzustellen, dass trotz 24 Besonders kritisch zum Parteienstaat, H. von Arnim, Wer kümmert sich um das Gemeinwohl?, in ZRP 2002, S. 223.

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der (enormen) Vielzahl unterschiedlicher Gesetze und Einzelregelungen eine im internationalen Vergleich große Homogenität des tertiären Bildungsbereichs in Deutschland auf ansehnlichem Niveau besteht. Einige beklagen hier Nivellierungstendenzen, zu wenig Vielfalt und „Breite ohne Spitze", andere sehen gegenteilig bereits zu starke Unvergleichbarkeiten mit Anerkennungs- und Freizügigkeitsproblemen innerhalb der Bundesrepublik sowie Etikettenschwindel und Begriffsverwirrungen (gleiche oder ähnliche Begriffe mit unterschiedlichen Bedeutungsinhalten 2 5 ). Solche Streitfragen sollen hier nicht beurteilt werden. Man kann an dieser Stelle nur festhalten, dass staatliche Steuerung von Kreativität und Innovation je nach Blickwinkel und Problemfeld als „Unter-" und „Über-" Steuerung bewertet werden kann. Es ist auch sicherlich richtig, dass Untersteuerungen und Übersteuerungen in Teilbereichen nebeneinander stehen können. Die Kulturpolitik und die Verwaltungsreform außerhalb und innerhalb der Hochschulen werden derzeit insoweit durch eine Reihe von Gegenläufigkeiten beeinflusst 26 . Skizzenhaft sind zum Abschluss noch drei Themenbereiche in Bezug auf die staatliche Steuerung von Kreativität und Innovation in Wissenschaft und Kunst besonders hervorzuheben:

1. Autonomie Der Hochschulbereich in Deutschland war besonders dadurch geprägt, dass Autonomie in den akademischen Angelegenheiten , den sog. Selbstverwaltungsangelegenheiten (vor allem in Bezug auf Forschung und Lehre unmittelbar) ziemlich weitgehend durchgesetzt war, während die sog. staatlichen Angelegenheiten (vor allem Haushalt- und Personalwesen) den grundsätzlich (bereits mit Ausnahmen) gleichen Regeln unterlag, wie es in anderen staatlichen Institutionen der Fall war. Charakteristisch für das Hochschulwesen war ein besonders wichtiger Bereich des Zusammenwirkens zwischen diesen beiden Teilen, beispielsweise bei der Rekrutierung und Verwaltung des Personals (besonders, aber nicht nur der Professoren), bei dem sich eine spezifische und nicht unkomplizierte Mischform von Selbstverwaltung und staatlicher Verwaltung herausbildete. Dabei zeigte sich deutlich die Tendenz und der berechtigte Wunsch der Hochschulen zu mehr Autonomie in Richtung der staatlichen Angelegenheiten. Diesem Wunsch wird nun endlich grundsätzlich nachgegeben, wobei die Motive dafür nicht nur wissenschafts- und kunstfreundlich sind. Die Hochschulen und ihre Vertreter sind ihrerseits grundsätzlich (sicherlich örtlich sehr unterschiedlich) bereit, die mit zunehmender Autonomie i m bisherigen Bereich der staatlichen Verwaltung verbundenen Verantwortungen und Risiken zu übernehmen. Diese beziehen sich einerseits auf die Finanz25 Die Bezeichnung „Professor" führte bekanntlich zu einem Rechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Ausspruch eines Differenzierungsgebots. 26 Ausführlicher dazu P. Lynen, Öffentliche Verwaltung in der Postmoderne, in: GS für H. Krüger, HG. P. Hanau, D. Leuze, W. Löwer, H. Schiedermair, Berlin, 2001, S. 251.

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knappheit (globalisierte Haushalte mit Deckelungen und der zunehmenden Notwendigkeit, alternative Finanzquellen zu erschließen), anderseits darauf, organisatorische und inhaltliche Gestaltungsspielräume kreativ und innovativ wahrzunehmen. Bezüglich der „EntSteuerung" durch den Staat ist aber dessen Bereitschaft beim ersten Thema, nämlich der Befugnis, den finanziellen Mangel von den Hochschulen selber verwalten zu lassen, viel größer als das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Hochschulen und die Erteilung von Vertrauensvorschüssen zur Wahrnehmung eigenverantwortlicher Gestaltungsräume an die Hochschulen. Derzeit werden die bisherigen Aufsicht- und Eingriffsbefugnisse nicht in dem Maße aufgehoben, in dem neue Steuerungsinstrumente gesetzlich verankert und faktisch eingeführt werden. Insbesondere gibt der Staat autonomiebeschränkende Eingriffsbefugnisse oft nicht einfach ab oder an die Hochschulen weiter, sondern schaltet als dritte Ebene neue Institutionen bzw. Organe (z. B. Hochschulräte, Akkreditierungsagenturen) dazwischen. Selbstverwaltung, nun in einem umfassenderen Sinne als vorher verstanden als Wissenschafts- und Kulturmanagement, wird den Hochschulen und ihren Vertretern wenig zugetraut, und es wird schlicht unterstellt, sie bräuchten notwendigerweise ein professionelles Management von außen. Obwohl dies den Autonomiegedanken teilweise konterkariert, ist die Entrüstung hiergegen aus den Hochschulen bislang erstaunlich mäßig 2 7 . Hinzu kommt, dass die bisherige - rechtlich scharf gezogene und faktisch ziemlich eingehaltene - Grenze zwischen Fach- und Rechtsaufsicht i m Verhältnis zu diesen neuen Steuerungen, Organen und Institutionen i m Detail noch definiert und erprobt werden muss. Auch hier sind die Kompetenzverteilungen zwischen Hochschulen und ihren veränderten Partnern keineswegs so „ausgekämpft" wie i m bisherigen Verhältnis zwischen Hochschulen und Staat, was von vielen Hochschulvertretern kaum artikuliert wird. Diese Problemstellung enthält aber Kernfragen der Eigengesetzlichkeit und des Selbstbestimmungsrechts von Wissenschaft und Kunst, weil es um die Grenze von bloßer Rechtmäßigkeits- und darüber hinausgehender gestaltender Zweckmäßigkeitskontrolle und damit um Inhalte und Grenzen von Autonomie geht. Stärker als in den letzten Jahrzehnten kann hier der Selbstverwaltungsbereich der akademischen Angelegenheiten betroffen sein. I m Bezug auf Kreativität und Innovation von Wissenschaft und Kunst sind daher gleichermaßen erhebliche Chancen wie Risiken bei den derzeitigen Entsteuerungstendenzen durch den Staat auszumachen, deren Verhältnis noch nicht als ausgemacht anzusehen ist.

27 Vermutlich wegen der Ermüdungserscheinungen, welche die bisherigen Erscheinungsformen der hochschulinternen Selbstverwaltung (Gruppenuniversität) mit sich gebracht haben. An der Basis hat man auch „andere Sorgen". Das Hochschulreformthema ist bislang weitgehend ein Thema von Hochschulleitungen, Politikern und einigen Interessierten geblieben. In der öffentlichen Diskussion wird mit sehr schlichten oder sehr unscharfen Begriffen (mehr Qualität, mehr Leistung) operiert.

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2. Staatlich gesetzte Rahmenbedingungen Das leitet auf die Frage nach Notwendigkeit und Inhalt von staatlich gesetzten Rahmenbedingungen als Steuerungsmechanismen zur Förderung von Kreativität und Innovation in Kunst und Wissenschaft über. Dabei ist eine Binsenweisheit, dass solche Rahmenbedingungen dies ermöglichen, aber auch behindern können. Im Hinblick darauf, dass Kreativität und Innovation naturgemäß das bisherige Denken erweitern und damit „rahmensprengend 4 ' wirken können, sollten Rahmenbedingungen i m Bereich von Wissenschaft und Kunst besonders auf Regel-Ausnahme-Verhältnisse abstellen und nicht der deutschen Sucht unterliegen, alle „Eventualitäten" vorab regeln zu wollen. Trotz der bisherigen Dichte des seit den 70er Jahren „durchnormierten" deutschen Hochschulrechts bestehen immer noch deutliche Freiräume für alternative Lösungsansätze, Kreativität und Innovation. Die derzeitige Gesetzgebungswelle mit einer Fülle neuer Normen und einem dementsprechendem „Umsetzungsaufwand" ist dabei besonders unter dem Motto „Deregulierung" angetreten. Auch war ein wesentlicher Ansatz der Reform, die bisherigen normativen „ex-ante-Steuerungen" (aufgrund von Gesetzen, Verordnungen und Satzungen) durch Kontraktmanagement (Zielvereinbarungen, Verträge) und qualitätsbezogene „ex-post-Steuerungen" (Evaluation, leistungsbezogene Mittelverteilung) zu ersetzen. Die Behauptung, dass dies zu flexibleren und wissenschaftsadäquateren Rahmenbedingungen führen wird, hat eine gewisse Plausibilität für sich, muss aber noch auf den Prüfstand der Praxis gestellt werden. Dass dieser Beweis bereits erbracht wäre, darf nicht unterstellt werden.

3. Anreize Hiermit ist - last but not least - der schwierige Bereich der Motivation von „Kreativen 44 angesprochen. Hier pendeln Beurteilungen zwischen drei Extremen, die sich alle mit Einzelerfolgen belegen lassen. Erstens die eher zynische Haltung ä la Parkinson 2 8 , schlechte Arbeitsbedingungen könnten die Kreativität steigern, zu gute Arbeitsbedingungen führten dagegen häufig zur Verwaltung des gesicherten Eigenbestandes und wirkten tendenziell innovationshemmend. Zweitens die eher passive Einstellung, dass Kreativität hauptsächlich intrinsisch motiviert sei und „das Genie" immer seinen Weg finde. Drittens die allgemein arbeitspsychologische Einstellung, dass positive (Belohnung) und notfalls auch negative (Bestrafung) Anreize nutzbringend seien. Folgt der Staat bei der Suche nach Steuerungsmöglichkeiten dem dritten Ansatz, sollte er sich stärker als in der letzten Zeit darauf besinnen, dass in Bezug auf Wissenschaft und Kunst und deren staatliche 28 C.N. Parkinson , Parkinsons Gesetz und andere Untersuchungen über die Verwaltung, 1957, hier VI. Vorgeplante Mausoleen: „So lebendig und produktiv die genannten Institutionen sein mögen, sie gedeihen offenbar am besten in derart schäbigen, provisorischen Unterkünften. "

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Institutionen Geld in Form von Honorarerhöhungen oder -Verringerungen nur ein - relativ unbedeutender - Baustein sein kann, der in Relation zu anderen Bausteinen zu setzen i s t 2 9 . Der zweite Baustein sind Ausstattung und Arbeitsbedingungen, welche Hochschule und Staat (z. B. anlässlich der Berufungsverhandlungen) i m Rahmen des Möglichen beeinflussen können. Hier ist das Problem der „Rahmen des Möglichen", nicht nur des finanziell Möglichen, sondern etwa auch der Forschungs- und Studienbedingungen. Diesen Rahmen kann man erweitern, und auf diesem Feld kann der Staat erhebliches bewirken 3 0 . Der dritte Baustein ist das hochschulinterne (fakultätsinterne) Klima, zu dem auch gehört, dass erstklassige Leute andere erstklassige Personen anziehen, die Zweitklassigen aber Drittklassige holen, damit sie im eigenen Hause erstklassig bleiben. Dies ist aber vom Staat viel weniger steuerbar, als er möchte (allenfalls indirekt über den ersten und zweiten Baustein). In diesen Zusammenhang gehören stärker die Maßnahmen zur Profilbildung und Stärkung der corporate identity. Der vierte - damit zusammenhängende - Baustein sind Ehrungen, Ruhm und die Anerkennung des Selbstwertgefühls. Die Wirksamkeit des alten preußischen Grundsatzes, dass sich Geld durch Ehre ersetzen lässt, wird heute unterschätzt. I m Gegenteil w i l l man nun verstärkt Ehre durch Geld ersetzen, indem man aufwendige Verfahren installiert, damit ein Hochschulangehöriger ein paar Hundert Euro mehr verdient als ein anderer, der dies nach den Geboten von Transparenz und Konkurrenz auch tunlichst wissen und sich „ins Stammbuch schreiben" soll. Ob die unbestreitbare Eitelkeit von Wissenschaftlern und Künstlern ein Wert oder ein Mangel ist, sei dahingestellt, jedenfalls gibt sie ebenso die Möglichkeit von Anreizen, wie ihre Verletzung die Gefahr von Demotivierung und Klimastürzen innerhalb der Hochschulen mit sich bringen kann. M i t dem Begriff „Anreizsystem" ist nicht notwendigerweise Funktionalität verbunden, wie dies in der politischen Debatte und der öffentlichen Berichterstattung gelegentlich unterstellt wird. Man sollte bedenken, dass viele „Kreative" bislang häufig in den Institutionen von Wissenschaft und Kunst (hier vor allem den Hochschulen) bleiben, weil sie das Umfeld als anregend (in der Skala von „sehr" bis „noch") empfinden und sie dort besondere Möglichkeiten sehen, kreative Spielräume eigenverantwortlich wahrzunehmen.

29 Dies ist bei der Hochschullehrerbesoldungsreform abgesehen von den Umsetzungsschwierigkeiten dieser Reform und der Vermischung zwischen Staat und Markt m.E. zu wenig berücksichtigt worden. 30 Ein Teil der Debatten um die Hochschulreform bezieht sich deshalb darauf, z. B. die Diskussion um den Hochschulzugang und mögliche „Aufnahmeprüfungen". Dies zeigt den untrennbaren Zusammenhang zwischen den Rahmenbedingungen mit den Anreizen.

Qualität der Lehre durch Akkreditierung von Studiengängen? Bernd Markert und Rosemarie Konschak

Prof. Leuze lehrt seit Gründung des Internationalen Hochschulinstitutes jeweils zum Ende des Wintersemesters im Studiengang Umwelttechnik das Fach „Umweltrecht" als einwöchige Blockveranstaltung. Hierbei werden insbesondere von unseren in- und ausländischen Studenten häufig Fragen zur Qualität von Daten, deren Richtigkeit und Reproduzierbarkeit, bzw. ihrer Verlässlichkeit und Übertragbarkeit in unsere Nachbarländer nach Polen und Tschechien aufgeworfen. Mit diesem Artikel möchten wir unserem Freund und Förderer Prof. Dieter Leuze Danke für diese außerordentlichen und für unsere kleine Institution so wichtigen Beiträge sagen.

I . Einleitung Theodor Heuss' Überzeugung, dass „Qualität immer noch das Anständige ist", dürfte auch weit in unser neues Jahrhundert hinein von vielen gerade in unterschiedlichsten Ausbildungsbereichen Tätigen uneingeschränkt zu unterschreiben sein. Neben der Förderung von Intelligenz und Kreativität muss gerade ein hoher Qualitätsanspruch in unterschiedlichsten Lebensbereichen Leitelement jeglicher gesellschaftlicher Zieldefinition i m Bildungssektor darstellen. Das Hochschulrahmengesetz ermöglicht seit 1998 die Einführung neuer Studiengänge mit dem Abschluss Bakkalaureus / Bachelor (BA) und Magister /Master ( M A ) . Grundlage für die Beurteilung von Studiengängen mit dem Ziel der Akkreditierung sind dabei klare und verlässliche Angaben zu den neuen Studiengängen. Hierbei muss ausdrücklich betont werden, dass eine Qualitätssteigerung bzw. Qualitätssicherung nicht explizit als primäres Ziel betrachtet werden kann, das mit der Einführung der neuen Abschlüsse verfolgt werden soll. Vielmehr stehen Fragen der internationalen Kompatibilität der Studienprogramme und Abschlüsse und die internationale Konkurrenzfähigkeit unserer Absolventen i m Vordergrund 1 . Trotzdem gilt, dass der Akkreditierungsprozess neben den Prämissen • Studierbarkeit nachzuweisen, 1 Wörner, J.D., 2000: Akkreditierung - freiwilliger Akt der Hochschule, Forschung und Lehre, 10/2000,510-511.

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Bernd Markert und Rosemarie Konschak

• Vielfalt zu ermöglichen und • Transparenz zu schaffen insbesondere auch den unbedingten Willen, Qualität zu sichern, grundsätzlich implementiert 2 . Bei diesen Prozessen wird letztendlich davon ausgegangen, dass ein oder mehrere Akkreditierungsverfahren zwangsläufig zu einer Qualitätssteigerung bzw. Qualitätssicherung, letztendlich zu einem Qualitätsgewinn führen müssen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass per definitionem der Begriff Qualität zunächst einmal etwas über die Beschaffenheit einer Sache oder eines Vorganges (aus dem lateinischen „qualis" („wie beschaffen"), bzw. „qualitas" als Beschaffenheit oder charakteristische Eigenschaft definiert), auch in Richtung geringere bzw. schlechtere Qualität nach Akkreditierung „ausschlagen" kann. Insofern geht es bei Einführung von Akkreditierungsverfahren generell auch um die Frage, wie eine Verbesserung bzw. auch eine mögliche Verschlechterung der Qualität nach Akkreditierung der jeweiligen Studiengänge einzuschätzen ist. Letztendlich muss der Frage nachgegangen werden, ob akkreditierte Studiengänge qualitativ besser sind als nichtakkreditierte Studiengänge. Hierzu liegen den Autoren aus dem deutschsprachigem Bereich der Hochschulen keine genügend aussagekräftige Ergebnisse vor 3 , langjährige Akkreditierungsvorhaben aus dem angloamerikanischen Raum sind hierzu ebenfalls nur gering oder gar nicht aufgearbeitet 4 . Wir möchten deshalb von den vielschichtigen Bemühungen berichten, die sich aus der Akkreditierung und Qualitätssicherung in der Analytischen Chemie ergaben, da es auf diesem Fachgebiet etwa seit Mitte der 70-er Jahre langjährige und häufig mühsame Erfahrungen gibt, richtig und reproduzierbar zu messen, europäische Messverfahren miteinander zu harmonisieren, und schlussendlich über die Akkreditierung von analytisch ausgerichteten Laboratorien qualitativ wertvolle (sprich richtige) Messergebnisse zu liefern. Aus dem Vergleich akkreditierter und nichtakkreditierter Messlaboratorien kann eine mögliche Qualitätseinschätzung von akkreditierten und nichtakkreditierten Studiengängen abgeleitet werden.

2

Akkreditierungsrat, 1999: Verbesserung von Qualität in Lehre und Studium durch Akkreditierungsverfahren: Mindeststandards und Kriterien verabschiedet, Pressemitteilung, Bonn, 7. Dezember 1999. 3 Kultusministerkonferenz (KMK) und Hochschulrektorenkonferenz (HRK), 1999: Neue Studiengänge und Akkreditierung, Bonn, 80 S. 4 Meyers, R.S./Frankel, Ы.С./Reed, K.M. / Waugaman, P.G., 1998: Die Akkreditierung amerikanischer Hochschulen, in: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, 1998, Bonn, 46 S.

Qualität der Lehre

403

I I . Qualitätskontrolle in der Analytischen Chemie In der Analytische Chemie ist unter Akkreditierung eine durch Normung geregelte Kompetenzbestätigung zu verstehen 5 , oder vereinfacht ausgedrückt; ein Labor misst einen bestimmten Parameter (z. B. Blei) in einer Messprobe (ζ. В . Wasser) eher richtig oder eben eher falsch. Nach Durchlauf eines Akkreditierungsprozesses sollte davon ausgegangen werden, dass akkreditierte Labore durchaus bessere, sprich richtigere 6 Analysenergebnisse liefern und somit einen wichtigen Wettbewerbsvorteil aufweisen. U m der Annahme einer Qualitätssteigerung durch Akkreditierung in der Analytischen Chemie näher zu kommen, ist zunächst der Begriff der Richtigkeit (im juristischen Sinne wohl am ehesten dem Begriff der Wahrheit entsprechend) eindeutig zu definieren und vom Begriff der Reproduzierbarkeit, also vom bloßen Wiederholen eines (häufig sehr ähnlichen) Messwertes (Beschaffenheit, Vorgang, Aussage), also seiner Reproduzierbarkeit, abzugrenzen.

1. Richtigkeit („Wahrheit") und Reproduzierbarkeit („Wiederholbarkeit") in der Analytischen Chemie Eine Unterscheidung der Begriffe Richtigkeit und Reproduzierbarkeit wird in dieser Abhandlung mit Hilfe eines einfachen und in dieser Form schon frühzeitig vom Kollegen Günther Tölg 7 (1976) eingeführten Zielscheibenbeispiels verdeutlicht. Die als Zielscheiben dargestellten Messergebnisse stellen mögliche Abweichungen verschiedener Messungen des gleichen Parameters in ein- und derselben Probe dar, z. B. die Bleibestimmung i m Wasser. Der richtige (wahre) Wert liegt dabei wie beim Zielscheibenschießen auf dem Schützenfest in der Mitte der Zielscheibe. Alle Schüsse (Messungen) außerhalb des direkten Zentrums sind somit mit einer gewissen quantifizierbaren Schwankung (Standardabweichung) vom Mittelwert versehen. Je geringer die Summe der Standardabweichungen ist, umso mehr Einzelmessergebnisse liegen i m anzunehmenden Richtigkeitsbereich. I m Fallszenario b der Abb. 1 würde sich aufgrund der hohen Wiederholbarkeit von Einzelwerten eine mittlere Bleikonzentration von etwa 3 Zielscheibeneinheiten (ZE) i m Trinkwasser 5 Günzler, H., (Hrsg.), 1994: Akkreditierung und Qualitätssicherung in der Analytischen Chemie, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York. 6 Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es faktisch eine Steigerung der Wörter richtig bzw. wahr im deutschen Sprachgebrauch nicht gibt. Entweder ist etwas richtig, wahr, oder eben falsch, bzw. unwahr. Statistisch wird der Wahrheitsgehalt häufig mit einer sogenannnten Standardabweichung belegt, der die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit ausdrückt, mit der eine bestimmte Eigenschaft, Aussage oder Vorgang als richtig bzw. wahr einzustufen ist. 7 Tolg, G., 1976: Spurenanalyse der Elemente - Zahlenlotto oder exakte Wissenschaft?, Naturwissenschaften, 63, 99-110.

404

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Abb. 1: Veranschaulichung der Begriffe Richtigkeit (Wahrheit) und Reproduzierbarkeit (Wiederholbarkeit) in der analytischen Chemie (verändert nach Tölg, 1976). Der richtige analytische Wert liegt in der Mitte der Zielscheibe. Die Szenarien a, b, c, und d zeichnen sich durch eine unterschiedliche Wichtung der Begriffe Richtigkeit und Reproduzierbarkeit aus. Der für den „guten" Analytiker anzustrebende Fall d (hohe Richtigkeit und hohe Reproduzierbarkeit) kann durch Fall b „gefährlich" überlagert werden, da einzig eine hohe Wiederholbarkeit eine („Quasi"-) Richtigkeit vortäuscht. Insbesondere Anfänger und unerfahrene Studenten sehen in einer Wiederholbarkeit ihrer Messergebnisse auch häufig den Automatismus der Richtigkeiten als gegeben an. χ = Mittelwert, v r = relativer Variationskoeffizient

ergeben. Der wahre, also i m Zentrum der Zielscheibe liegende Pb-Wert liegt aber bei 10 Zielscheibeneinheiten, so dass hier trotz hoher Wiederholbarkeit von Einzeldaten bei jeder durchgeführten Einzelmessung ein falsches Ergebnis produziert wird. Als mögliche Ursachen für diese falschen Messdaten sind häufig systematische Fehler verantwortlich zu machen (fehlerhaftes Ansetzen von Kalibrierlösungen, Rechenfehler bei der Transformierung der Ergebnisse auf SI-Einheiten und vieles mehr). Hingegen können in Ausnahmefällen (Szenario l c ) sogar noch Messergebnisse mit sehr hoher Standardabweichung zufällig nach Mittelwertbildung das richtige Ergebnis liefern. U m all den Negativszenarien ( l a - l c ) i m Labor zu begegnen, werden heute sogenannte Standardreferenzmaterialien bzw. unabhängige analytische Methoden eingesetzt 8 , die es ermöglichen, nach 25 Jahren intensiver Fehlerdiskussion richtige Ergebnisse mit hohen Wahrscheinlichkeiten zu erzeugen.

8

Es soll an dieser Stelle nicht auf heute gängige Qualitätskontrollverfahren in der Analytischen Chemie eingegangen werden. Diese sind in den gängigen Lehrbüchern der Analytischen Chemie ausführlich beschrieben.

Qualität der Lehre

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Festzuhalten bleibt: Richtige Analysenergebnisse können nicht durch „demokratische Mehrheiten" einer Vielzahl ähnlicher Messergebnisse erzielt werden 9 , sondern unterliegen strengen Kontrollmethoden (Standardreferenzmaterialien, unabhängige Messverfahren), die die Richtigkeit und Wahrheit von erzielten Messergebnissen sehr wahrscheinlich machen.

2. Akkreditierung Akkreditierungsprozesse haben in vielen Gesellschaftsbereichen heute Einzug gehalten. Dabei kommt der Zertifizierungspolitik der Europäischen Union eine Schlüsselfunktion beim Aufbau des europäischen Binnenmarktes zu. Die Zertifizierungspolitik ist einmal Bestandteil der Harmonisierungspolitik, das heißt die EU-Rechtsangleichung mittels EU-Harmonisierungsrichtlinien. Die Richtlinien enthalten daher neben einheitlichen Beschaffenheitsanforderungen auch einheitliche Zertifizierungsverfahren. Die europäische Zertifizierungspolitik geht aber über die Harmonisierung hinaus, weil sie auch den freiwilligen, rechtlich nicht geregelten Bereich erfasst 10 . Ziel der europäischen Zertifizierungs- und Akkreditierungspolitik ist es, die gegenseitige Anerkennung von Prüfungen und Bescheinigungen zu erleichtern und damit kostspielige Mehrfachprüfungen zu ersparen. Dazu bedarf es vertrauensbildender Maßnahmen mit einem höchsten Grad an Transparenz 11 . I m Hochschulbereich scheint durch „Akkreditierung von Studiengängen" ein Instrument gefunden zu sein, dass durch regelmäßig durchgeführte und in zumutbaren Abständen überprüfte Akkreditierungsverfahren zwangsläufig zu einer Aufrechterhaltung bzw. Steigerung der „qualitativen Leistung" einzelner Studiengänge führt. I m folgenden soll allerdings an einem Beispiel aus der internationalen analytischen Chemie verdeutlicht werden, dass selbst ein Akkreditierungsprozess nicht automatisch ein Garant für ein besseres oder richtigeres Ergebnis sein muss. In Abb. 2 ist hierzu ein aufschlussreiches internationales Experiment der Arbeitsgruppe um Paul de Bievre vom „Institute for Reference Materials and Measurements" der E U in Geel dargestellt. In dieser Untersuchung wurden i m Rahmen des IMEP6 Experimentes (IMEP-6: the International Measurement Evaluation Programme „Trace elements in water") 165 Laboratorien aus 29 Nationen weltweit ein natürli9 Griepink, В., 1990: Preface, in Lieth, H. and Markert, В., (Hrsg.), 1990, Element Concentration Cadasters in Ecosystems - Methods of Assessment and Evaluation, VCH VerlagsgesellschaftmbH, Weinheim, New York, Tokyo. 10 Berghaus, Η., 1994: Bedeutung von Zertifizierung und Akkreditierung im europäischen Markt, in Günzler, H., (Hrsg.): Akkreditierung und Qualitätssicherung in der Analytischen Chemie, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1-15. 11

Berghaus, H., 1994: Bedeutung von Zertifizierung und Akkreditierung im europäischen Markt, in Günzler, H., (Hrsg.): Akkreditierung und Qualitätssicherung in der Analytischen Chemie, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1-15.

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406

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NATURAL RIVER WAT ER, Clear Creek, Colorado, US

IMEP-6

reference vdue 0.133 *0,003 H

"Non-cxxjedtec^oertifiec^authaized" Icboratories (self-dedcration)

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cüdrtond vdues с u,(d dw.(%) Ο Ο .ΟβΟ 00 .003 -94 00 .460 00 .07 -66 02 .03 0.004 53 •from V. 43 in: BayVBl. 1995, 545/549 f. (vgl. Fußn. 38). 44

Vgl. Sandmann (Fußn. 3) S. 125. Man denke nur an das Geschäft der staatlichen Spielbanken! 4 6 (Fußn. 3) S. 141 ff. 47 (Fußn. 3) S 141. 45

48

(Fußn. 3)S. 141. Dem kann auch nicht das Bild der franziskanischen Bewegung entgegengestellt werden. Das Leitbild der Armut dieser Bewegung war nicht mit Untätigkeit verbunden, sondern mit Dienstleistungen auf dem religiösen Sektor. 49

534

Rudolf Summer

muss sich in der Interpretation sowohl der arbeitsrechtlichen wie auch der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht wiederfinden. 4. Stellt man mit Sandmann 50 mit einer Obliegenheit Schadensvorsorgepflicht im Arbeitsrecht auf die Fürsorgepflicht ab, so sind die Gründe, im Beamtenrecht bei existenzbedrohenden Schäden die Haftungseinschränkung mit der Fürsorgepflicht zu begründen, noch überzeugender. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber Beamten ist mit Art. 33 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich abgesichert, ist also rechtlich stärker als die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht 51. Es genügt aber für dieses Ergebnis die Fürsorgepflicht des einfachen Gesetzes, also des § 78 Abs. 1 BBG; am Gedanken eines Rückgriffs auf die Fürsorgepflicht als Verfassungsnorm 52 hält der Verfasser nicht mehr fest 53 . Die Begründung der Haftungseinschränkung bei existenzbedrohender Schadenshöhe mit der Fürsorgepflicht vermeidet die Verweisung des Beamten auf Billigkeitsmaßnahmen nach Haushaltsrecht und gibt ihm eine angemessene Rechtsposition. Man muss sich andererseits aber darüber im klaren sein, dass wegen der tatbestandlichen Regelung des § 78 BBG für die weitere Haftungseinschränkung über die Fürsorgepflicht nur Raum ist, wenn und soweit eine einschränkungslose Anwendung der Norm nach neuem Rechtsverständnis zu unvertretbaren Ergebnissen führt. Die Heranziehung der Fürsorgepflicht muss daher eine seltene Ausnahme bleiben und es ist auch sachgerecht, den Beamten in anderen als allgemein anerkannten Sonderfällen weiter auf die Erlassmöglichkeiten des Haushaltsrechts zu verweisen. Bei existenzbedrohender Schadenshöhe ist heute eine Anerkennung des über die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht abzuwickelnden Ausnahmefalls anzuerkennen.

so Vgl. oben Abschnitt VI/3. 51 Die herrschende Auffassung stellt die Fürsorgepflicht über Art. 33 Abs. 5 GG und nicht unmittelbar über Art. 33 Abs. 4 GG auf die Ebene des Verfassungsrecht (BVerfGE 8, 332 / 356; BVerfGE 43, 154; Battis in: Sachs, Grundgesetz, 1996, Art. 33 Rn. 73; Jachmann in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Aufl. 2000, Art. 33 Rn.. 49; Kunig in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl. Bd. 2 Art. 33 Rn 63; Lecheler in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 33 Rn. 74; Lübbe-Woljf m\ Dreier, Grundgesetz, 1998, Bd. 2 Art. 33 Rn. 79; Reich in: Magdeburger Kommentar zum Grundgesetz, Art. 33 Rn. 6). Die vom Verfasser vertretene Meinung, Treue- und Fürsorgepflicht seien unmittelbar bereits in Art. 33 Abs. 4 GG in Verfassungsrang erhoben (in: Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums - ein Torso, ZBR 1992, 1/5) fand im Schrifttum bisher keine Gefolgschaft. Der Verfasser hält nach wie vor den unmittelbaren Zugriff auf den Begriff des Dienst- und Treueverhältnisses und damit auf Art. 33 Abs. 4 GG für günstiger, die Fürsorgepflicht jeweils zeitgerecht auszulegen und nicht auf einem Stand in der Zeit der Weimarer Republik aufsetzen zu müssen. Für die hier abzuhandelnde Frage ist aber der Standort ohne Belang. 52 In: BayVBl. 1995, 545/549 f. (Fußn. 38). 53 Der Gedanke stand im Zusammenhang mit der unmittelbaren Ableitung der Haftungseinschränkung aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG. Mit der Abkehr von der unmittelbaren Ableitung der Haftungseinschränkung aus Verfassungsrecht im Arbeitsrecht ist die Stützung der Haftungseinschränkung auf die einfachgesetzliche Fürsorgepflicht kein Problem mehr.

Schadensersatzanspruch des Dienstherrn

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VII. Der Leistungsbescheid/Die Aufrechnung 1. Eine breite Meinung in der Rechtsprechung und in den Kommentaren zu den Beamtengesetzen bejaht das Recht des Dienstherrn, den Schadensersatzanspruch gegen den Beamten durch Leistungsbescheid geltend zu machen54. Kritisiert wird diese Rechtsmeinung aber nach wie vor von Autoren mit Schwerpunkten auch im Staatsrecht und allgemeinen Verwaltungsrecht 55 mit dem Argument, es gäbe in den strittigen Fällen keine gesetzliche Grundlage für ein Handeln durch Verwaltungsakt, die gesetzliche Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses reiche nicht aus. Die Einwendungen sind teilweise durch die Ausgangssicht des Beamtenverhältnisses als besonders Gewaltverhältnis geprägt, die - jedenfalls in der Ableitung von Grundrechtseinschränkungen - heute überholt ist. Es stehen sich in der Frage der Zulässigkeit von Leistungsbescheiden im Beamtenrecht heute die Meinungen wie Weltanschauungen gegenüber. Die Kommentare tendieren weit überwiegend ohne größere Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung dazu, die Rechtsprechung zu akzeptieren und dies ist bei der Absicht der Kommentatoren, der Kommentarnutzern Handreichungen für ein rationelles, gerichtsfestes Handeln zu geben, auch naheliegend. Die Chancen, den Gesetzgeber zur Lösung einer juristischen Streitfrage zu motivieren, die die Praxis mit Billigung der Verwaltungsgerichtsbarkeit elegant gelöst hat, sind gering. 2. Nach Auffassung des Verfassers gäbe es aber im Zusammenhang mit der Aufrechnung des Dienstherrn gegen den Besoldungsanspruch nach § 11 Abs. 2 BBesG eine Chance, die Klärung der strittigen Rechtsfrage der Zulässigkeit des Leistungsbescheides mittelbar herbeizuführen. Die schlichte Aufrechnung ist unstreitig ein rechtlicher Weg, den Anspruch des Dienstherrn gegen seinen Beamten zu realisieren 56 . Den Verfasser stört die Diskrepanz beim Einschätzen von rechtlichen Beden54 Vgl. BVerwGE 18, 283/284 ff.; BVerwGE 19, 243/245; BVerwGE 27, 245/250; BVerwG Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 9; BVerwG Buchholz 232 § 78 Nr. 13; BVerwGE 52, 70/72; BVerwGE 81, 301/303; Beckmann (Fußn. 4) S. 293 ff.; Günther, Zur Handlungsform des beamtenrechtlichen Leistungsbescheides, DÖD 1991, 159; Grabendorff/Arend, Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz, § 86 Erl. 7а/ /aa; Hilg, Beamtenrecht, 3. Aufl. 1990, § 31 IV 3; Juncker, Saarl. Beamtengesetz, § 93 Erl. 10; Kümmel, Beamtenrecht, § 86 Rn. 32; Maiwald in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 84 Rn. 86; Mühl in: Fürst, GKÖD I К § 78 Rn. 42; Plog /Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG, § 78 Rn. 61; Scheerbarth/ Höffken/Bauschke/Schmidt (Fußn. 40) § 18 III 5e; Schnellenbach а. а. O. (Fußn. 33) Rn. 346; Simianer а. а. O. (Fußn. 15) S. 35; Wagner, Beamtenrecht, 5. Aufl. 1997 Rn. 233; Wand//Schimana/Wichmann, Öffentliches Dienstrecht, 4. Aufl. 1998, S. 262 f.; Weiß/Niedermaier/Summer, Bayer. Beamtengesetz, Art. 85 Erl. 27a; Woydera / Huber, Sachs. Beamtengesetz § 97 Erl. 26. 55 Vgl. z. B. Battis, BBG, § 78 Rn. 18; Kunig in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, 6. Abschnitt Rn. 147; von Roetteken in: von Roetteken / Rothländer, Hess. Bedienstetenrecht, § 91 Rn. 163 f. mit Hinweisen auf weiteres Schrifttum der Jahre vor 1970; Wolff/ Bachof/Stober, Bd. II, 6. Aufl. 2000, § 115 III Rn. 22. 56 Vgl. BVerwGE 29, 310/313 f.; Battis, § 78 Rn. 14, § 84 Rn. 6,7; Grabendorff/Arend, Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz, § 86 Erl. 7a/dd; Hilg а. а. O. (Fußn. 20) § 31 IV 1; 35 FS Leuze

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ken zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches durch Leistungsbescheid einerseits und der schlichten Akzeptierung der Realisierung des Schadensersatzanspruchs über die Aufrechnung. Realisiert der Dienstherr seinen Schadensersatzanspruch durch Aufrechnung, steht der Beamte verfahrensmäßig deutlich ungünstiger als beim Erlaß eines Leistungsbescheides. Hat der Dienstherr die Aufrechnung erklärt, muss sich der Beamte mit der Leistungsklage auf seine ungekürzte Besoldung zur Wehr setzen. Zwar wird in der Regel die Verwaltung dem Beamten die Fakten mitgeteilt haben, aus denen sie einen Schadensersatzanspruch gegen den Beamten herleiten will und sie wird ihn angehört haben. Wie macht aber der Beamte das Unterbleiben der Anhörung im nachfolgenden Prozess um Besoldung geltend? Es könnte im Einzelfall die zuständige Verwaltung die „schnelle" Aufrechnung ohne langen Schriftverkehr im Sinne eines „schlanken Staates" als wünschenswert ansehen. Der Verfasser hat daher in Kommentierungen bereits den Rat gegeben, auch bei Realisierung des Schadensersatzanspruchs durch Aufrechnung die Frage der Schadensersatzpflicht durch einen Leistungsbescheid zu klären 57 . Wer natürlich den Leistungsbescheid schlechthin ablehnt, kann den Rat nicht befolgen. Man sollte nach Auffassung des Verfassers darüber nachdenken, in der Regelung des § 11 Abs. 2 BBesG die Aufrechnung davon abhängig zu machen, dass zu den Dienstherrenansprüchen ein vollziehbarer Leistungsbescheid ergangen ist. Man muss dann aber auch noch darüber nachdenken, ob es andere Zahlungsansprüche des Dienstherrn gegen den Beamten gibt, bei denen die Klärung der Zahlungspflicht vor Aufrechnung als wünschenswert anzusehen ist. 3. Nach Auffassung des Verfassers könnte die Ergänzung des § 11 Abs. 2 BBesG wie folgt lauten: In § 11 Absatz 2 wird folgender neuer Satz 3 angefügt: „Mit Schadensersatzansprüchen, Ansprüchen auf Rückforderung von rechtswidrig gewährten Geldleistungen des Dienstherrn und Ansprüchen des Dienstherrn gegen den Beamten auf Geldleistungen nach Nebentätigkeitsrecht kann der Dienstherr nur auf Grund eines vollziehbaren Leistungsbescheides aufrechnen." Der Vorteil der Ergänzung wäre, dass einerseits mit ihr der Gesetzgeber mittelbar über die Zulässigkeit des dienstrechtlichen Leistungsbescheides entschieden hätte und andererseits die Probleme einer Überraschungsaufrechnung entschärft wären. Die Rechtsgestaltungsformen des Zivilrechts der Aufrechnung und des ZuJuncker, Saarl. Beamtengesetz, § 93 Erl. lo; Kümmel, Beamtenrecht, § 86 Rn. 31; Maiwald in: Schütz / Maiwald,, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 84Rn. 101; Mühl in Fürst, GKÖD I К § 78 Rn. 40; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG, § 78 Rn. 58; von Roetteken in: von Roetteken / Rothländer, Hessisches Bedienstetenrecht, § 91 Rn. 154; Scheerbarth/ Höffken/Bauschke/Schmidt (Fußn.40 ) § 18 III 5b; Wagner а. а. O. (Fußn. 54) Rn. 233; Wand/Schimana/Wichmann (Fußn. 54) S. 262; Weiß/Niedermaier/ Summer, Bayer. Beamtengesetz, Art. 85 Erl.. 30a; Woydera/Huber, Sachs. Beamtengesetz, § 97 Erl. 29a. 57 Vgl. Weiß/Niedermaier/Summer, Bayer. Beamtengesetz, Art. 85 Erl. 30b. Dem Vorschlag sind Grabendorff/Arend, Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz § 86 Erl.7a/dd und Woydera/Huber, Sächs. Beamtengesetz, § 97 Erl.29b gefolgt.

Schadensersatzanspruch des Dienstherrn

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rückbehaltungsrechts, die mit guten Gründen für die Abwicklung von Besoldungsund Versorgungsansprüchen durch ausdrückliche gesetzliche Regelung übernommen sind 58 , haben im Vergleich zur Rechtsgestaltung durch Verwaltungsakt verfahrensmäßige Defizite. Diese könnten durch Vorschalten eines Leistungsbescheides beseitigt werden.

VIII. Zusammenfassung Nach Auffassung des Verfassers sollten zum Schadensersatzrecht nach § 78 Abs. 1 BBG und nach den entsprechenden Landesbeamtengesetzen Verbesserungen erzielt werden durch 1. eine ergänzende gesetzliche Regelung über Schäden anderer Dienstherren und Einrichtungen, 2. Anerkennung einer Haftungseinschränkung bei existenzbedrohender Schadenshöhe aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht und 3. Bindung der Aufrechnung an den vorherigen Leistungsbescheid durch Gesetzesergänzung.

58 § 11 Abs. 2 BBesG, § 51 Abs. 2 BeamtVG. 35*

Verfassungsrechtliche Vorgaben für die universitäre Selbstverwaltung* Peter J. Tettinger

Bei der einer klassischen Institution geltenden juristischen Exegese sollte sinnvollerweise ruhig erst einmal in Erinnerung gerufen werden, welches die primären Funktionszwecke dieser Institution sind und inwieweit die zu registrierenden Organisationsvorgaben diesen Zielen überhaupt zu genügen geeignet sind. Hier wären dann eigentlich bereits vorab gewisse Zweifel an der Tauglichkeit des traditionellen (verfassungs)rechtswissenschaftlichen Rüstzeugs anzumelden, wenn man an das zentrale und im Trend liegende, Defizite bisheriger Aktivitäten signalisierende Thema der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Universitäten im europäischen und globalen Vergleich denkt.1 Nachdenkenswerte Anstöße könnten dabei von einem Referat ausgehen, das Gerhard Casper, emeritierter Präsident der Stanford University, am 1. März 2001 zum Thema „Erfolgsfaktoren von Spitzenuniversitäten" gehalten hat2. Casper begann mit einem Zitat von Friedrich Schleiermacher aus dem Jahre 1808, das ich auch hier wiedergeben möchte: „Die Universität hat es also vorzüglich mit der Einleitung eines Prozesses, mit der Aufsicht über seine ersten Entwicklungen zu tun. Aber nichts geringeres ist dies als ein ganz neuer geistiger Lebensprozeß." Es wird als das „Geschäft der Universität" apostrophiert, die Idee der Wissenschaft in den Studierenden zu erwecken, „daß sie lernen, in jedem Denken sich der Grundgesetze der Wissenschaft bewußt zu werden, und eben dadurch das Vermögen selbst zu forschen, zu erfinden und darzustellen, allmählich in sich herausarbeiten ..." 3

* Überarbeitetes Manuskript eines Vortrages am 2. April 2001 an der Sporthochschule Köln im Rahmen einer der von Dieter Leuze höchst verdienstvoll initiierten Tagungen zur Kanzlerfortbildung. 1 Eine treffliche Analyse der aktuellen Aporien findet sich bei W. Loschelder, Das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre - identischer Wortlaut bei ausgewechseltem Substrat?, in: Festschrift für K. Ipsen, 2000, S. 467 ff. m. w. N. 2 Symposium der Hanns Martin Schleyer-Stiftung, der Heinz Nixdorf-Stiftung und der Technischen Universität München, „Wie gestaltet man Spitzenuniversitäten? - Antworten auf internationale Herausforderungen", Bd. 56 der Veröffentlichungen der Hanns Martin Schleyer-Stiftung, 2001, S. 26 ff. 3 F. Schleiermacher, Gelegentliche Gedanken über Universitäten im deutschen Sinn, 1808, in: E. Spranger (Hrsg.), Über das Wesen der Universität, 1919, S. 105 ff. (126).

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Peter J. Tettinger

Casper führte dann weiter aus, die Diskussion über die Humboldt ' sehe Einheit von Forschung und Lehre 4 - dies diejenigen klassischen Elemente der Wissenschaft, die ja in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich aufgeführt sind - rechtfertige diese Einheit in der Regel mit dem Argument, dass die junge Generation von den praktizierenden Wissenschaftlern lernen solle, die selbst aktiv forschten und „auf dem neusten Stand" seien. Dagegen sei nichts einzuwenden, nur sei dies nicht genug. Auf Dauer könne Wissenschaft ohne die frühzeitige und aktive Beteiligung der Studierenden und ihre Selbsttätigkeit nicht auskommen. Zu denjenigen Elementen, die gute amerikanische Universitäten auszeichneten, zähle der Faktor, dass sie selbst den jüngeren Studenten Chancen gäben, mitzumachen und nicht nur dazusitzen. Daher werde in den Vereinigten Staaten selten allein auf „Forschung und Lehre" Bezug genommen, sondern man spreche stattdessen von „teaching, learning and research". 5 Immerhin insofern lernfähig zeigten sich deutsche Gesetzgeber, so auch der nordrhein-westfälische, wenn in § 3 Abs. 1 Satz 1 des geltenden Hochschulgesetzes vom 14. 3. 2000 - wie auch schon im WissHG 1979 - verankert ist: „Die Hochschulen dienen der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung, Lehre und Studium."

Casper betonte in München weiter, die Qualität eines Landes als „Wissenschaftsstandort" wie die Qualität seiner Universitäten hänge davon ab, dass die zukünftigen Forscher Studienbedingungen vorfänden, die Mit- und Selbsttätigkeit erleichterten. 6 Aus diesen Überlegungen ergibt sich dann, ohne dass man über die hierzulande beliebte Festtagsthematik der Elitenbildung zu räsonieren hätte, nahtlos das von Casper formulierte Postulat, man müsse den Universitäten das Recht geben, ihre Studenten mehr oder minder frei auszuwählen. Gute Studenten streben zu guten Universitäten, die daher gute Professoren haben müssen, welche wiederum solche Universitäten vorziehen, an denen die Studenten gut sind, ein funktionaler Regelkreislauf, der in der Tat in der Lage wäre, den allseits gewünschten Wettbewerbsdruck zu forcieren. 7 Aber, und jetzt kommt ein aber, das den ursprünglich tosenden Beifall bei den Vertretern der Kultusbürokratien eher zu einem Rinnsal werden ließ, und auch hier im wörtlichen Zitat:

4 Zur Einheit von Forschung und Lehre siehe namentlich Bd.Wtt. StGH , ESVGH 24, 12 (13 f.). 5 А. а. O., S. 26 f. 6 А. а. O., S. 28, unter Bezugnahme auf Heinz Maier-Leibnitz: „Was wir tun müssen, ist, die zu fördern, die etwas können, und von denen müssen wir sehr viel verlangen, nur so wird etwas aus ihnen." , zitiert nach G. Casper, in: P. Kienle (Hrsg.), Wie kommt man auf Einfaches Neues?, 1991, S. 137 ff. (138). ι So G. Casper, in: Schleyer-Stiftung, 2001, a. a. О., S. 29.

Vorgaben für die universitäre Selbstverwaltung

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- „Um in einem Wettbewerb zu bestehen, um sich zu profilieren, brauchen Universitäten das Recht, und natürlich die Bereitschaft, autonom (im wahrsten Sinne des Wortes) Entscheidungen zu treffen." 8 - Was die Leitungsstrukturen der amerikanischen Universitäten aus seiner Sicht betrachtenswert macht, „ist eine Form der universitären Selbstverwaltung, die staatliche Vormundschaft, natürlich mit Ausnahme der allgemeinen Rechtsvorschriften, im großen und ganzen auf ein Minimum beschränkt. Es wäre ein begrüßenswerter Anfang der System Veränderung in der Bundesrepublik, wenn man sich dazu durchringen könnte, die Hochschulabteilungen der Kultusministerien zu schließen."9

Im Auditorium war die Bereitschaft des in imposanter Stärke versammelten deutschen Bildungsestablishments zum Applaus hier merklich verhaltener als im Übrigen. Nach diesem verfassungsrechtspolitischen Ausflug unter dem Aspekt der internationalen Konkurrenzfähigkeit der deutschen Hochschulen, gewissermaßen einem Inkurs, zurück in die Niederungen der hiesigen Hochschullandschaft und den dieser Prägung gebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben.

I. Gesicherte Interpretationsergebnisse zu Art. 5 Abs. 3 GG Wie bereits vorhin erwähnt, sind Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG frei. Das Bundesverfassungsgericht hat es in diversen Judikaten, die der Landeshochschulgesetzgebung galten, vom Urteil zum niedersächsischen Vorschaltgesetz 1971 im Jahre 197310 bis zum Beschluss zur Novellierung des nordrhein-westfälischen Universitätsgesetzes 1993 im Jahre 1995,11 unternommen, diese Garantie näher zur Entfaltung zu bringen. Sehen Sie es mir nach, wenn ich in diesem Kreise weniger auf Details eingehe12 als darauf achte, Grundlinien herauszustellen, welche für aktuelle Erwägungen relevant sein können. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes gewährleistet zunächst in der klassischen Funktion eines staatsgerichteten Abwehrrechts jedem einzelnen, der in Wissenschaft, Forschung und Lehre tätig ist oder werden will, ein Grundrecht auf freie 8 А. а. O., S. 29. 9 G. Casper, а. а. О., S. 30 f. ю BVerfGE 35, 79 ff. и BVerfGE 93, 85 ff. ι 2 Dazu namentlich Chr. Starck, in : v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Komm., 4. Aufl., Bd. 1, 1999, Art. 5 Abs. 3 Rn. 266 ff.; K. Hillermann, Die Durchsetzung des Hochschulselbstverwaltungsrechts vor dem Bundesverfassungsgericht und den Landes Verfassungsgerichten, 2000.

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wissenschaftliche Betätigung.13 Die Norm gewährleistet dem Wissenschaftler damit einen gegen Eingriffe des Staates vorbehaltlos geschützten Freiraum, der vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei dem Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe umfasst. 14 Später wurde dies wie folgt präzisiert: „Damit sich die Wissenschaft ungehindert an dem für sie kennzeichnenden Bemühen um Wahrheit ausrichten kann, ist sie zu einem von staatlicher Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung erklärt worden (vgl. BVerfGE 35, 79 [112 f.]; 47, 327 [367 f.]). Jeder, der wissenschaftlich tätig ist, genießt daher Schutz vor staatlichen Einwirkungen auf den Prozeß der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse."15

Neben die subjektiv-rechtliche Gewährleistung in Gestalt eines Abwehrrechts tritt die aus Art. 5 Abs. 3 GG gleichfalls eruierte objektiv-rechtliche Wertentscheidung zugunsten der freien Wisssenschaft, die auf ihrer Schlüsselfunktion sowohl für die Selbstverwirklichung des Einzelnen als auch für die gesellschaftliche Entwicklung basiere. 16 Aus diesem Verständnis der Verfassungsbestimmung als einer das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat regelnden wertentscheidenden Grundsatznorm wurde die Folgerung gezogen, dass der Staat im Bereich des mit öffentlichen Mitteln eingerichteten und unterhaltenen Wissenschaftsbetriebes durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen hat, dass das Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung insoweit unangetastet bleibt, wie dies unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist. 17 In einem weiteren Gedankenschritt sieht das Bundesverfassungsgericht die Geltungskraft des in Art. 5 Abs. 3 GG verankerten Freiheitsrechts durch die vorgenannte Wertentscheidung in Richtung auf Teilhabeberechtigungen verstärkt. So erwachse dem einzelnen Grundrechtsträger ein Recht auf solche staatliche Maßnahmen auch organisatorischer Art, die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich seien, weil sie ihm freie wissenschaftliche Betätigung überhaupt erst ermöglichten. 18 Dies wurde später wie folgt präzisiert: „Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantiert den im Rahmen des wissenschaftlichen Betriebs einer Hochschule tätigen Trägern dieses Grundrechts ... auch die zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit erforderlichen Mitwirkungsrechte und Einflußmöglichkeiten in den Organen der Hochschulverwaltung ... . " I 9

13 14 15 16

BVerfGE 15, 256 (263 f.). So BVerfGE 35, 79 (112 f.). BVerfGE 90, 1 (11 f.). BVerfGE 47, 327 (367 f.).

17

So grundlegend BVerfGE 35,79 (Leitsatz 2 und S. 114 f.) als Basis einer ständigen Rspr. 18 BVerfGE 35, 79 (115 f.). u BVerfGE 95, 193 (209 f.) unter Bezugnahme auf frühere Rspr.

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Bislang blieb in dieser Judikatur des Bundesverfassungsgerichts freilich offen, ob Art. 5 Abs. 3 GG - wie dies in der Lehre durchweg betont wird - Universitäten und Fakultäten ein selbständiges Grundrecht vermittelt 20 ; jedenfalls könne nicht von Bundes wegen das Maximum dessen garantiert sein, was vom Idealbild einer Universität her gesehen erwünscht wäre. Vielmehr ist - so das Gericht 1963 - „davon auszugehen, dass durch Art. 5 Abs. 3 GG auf einem den Ländern nach dem Grundgesetz überlassenen Gebiete nicht mehr als dasjenige geschützt werden sollte, was sich im Laufe der geschichtlichen Entwicklungen in den einzelnen Ländern als unerlässlich für eine freie Betätigung der Universitäten in Wissenschaft, Forschung und Lehre herausgebildet hatte." 21 Ein unbeschränktes Recht der akademischen Selbstverwaltung im Sinne eines reinen Kooptationsrechts habe den deutschen Universitäten niemals zugestanden. Bei der Besetzung von Lehrstühlen seien das Vorschlagsrecht der Fakultäten einerseits und das staatliche Berufungsrecht andererseits miteinander verbunden. Hieran habe das Grundgesetz nichts ändern wollen. 22 Mehrfach hatte sich das Bundesverfassungsgericht in der Folgezeit mit der Struktur der akademischen Selbstverwaltung zu befassen, grundlegend im bereits erwähnten Urteil vom 29. 5. 1973 zum niedersächsischen Vorschaltgesetz, einem Judikat, dessen Einzelaussagen nach wie vor sorgfältige Beachtung verdienen. Danach hat die Garantie der Wissenschaftsfreiheit weder das überlieferte Strukturmodell der deutschen Universität zur Grundlage, noch schreibt sie überhaupt eine bestimmte Organisationsform des Wissenschaftsbetriebs an den Hochschulen vor. Auch wenn man in Art. 5 Abs. 3 GG eine Garantie der akademischen Selbstverwaltung sehe, sei der Gesetzgeber frei, andere Modelle der Hochschulselbstverwaltung zu entwickeln: „Kriterium für eine verfassungsgemäße Hochschulorganisation kann hier nur sein, ob mit ihr,freie' Wissenschaft möglich ist und ungefährdet betrieben werden kann. Wenn dies der Fall ist, stehen die Einzelregelungen der akademischen Selbstverwaltung zur Disposition des Gesetzgebers, der nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, den Wissenschaftsbetrieb an den Hochschulen den Zeitbedürfnissen gemäß zu gestalten." 2 3

Art. 5 Abs. 3 GG setze der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers freilich Grenzen im „wissenschaftlich relevanten", d. h. die Forschung und Lehre unmittelbar berührenden „Organisationsbereich", und zwar unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten: „In positiver Hinsicht ist den Trägern des Individualrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG durch geeignete freiheitliche Strukturen der Universität soviel Freiheit in ihrer wissenschaftlichen Betätigung zu gewähren, wie dies unter Berücksichtigung der Aufgaben der Universität und der Belange der verschiedenen in der Universität agierenden Grundrechtsträger möglich ist. 20 Siehe zuletzt auch den Kammerbeschluss vom 8. 8. 2000, NJW 2000, 3635 zu einer Verfassungsbeschwerde der Universität Gießen. 21 So bereits BVerfGE 15, 256 (264); vgl. auch BVerfGE 51, 369 (381); 67, 202 (207). 22 BVerfGE 15, 256 (264 f.). 23 BVerfGE 35, 79 (116 f.).

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Negativ gesehen verbietet Art. 5 Abs. 3 GG dem Gesetzgeber, einen Wissenschaftsbetrieb organisatorisch so zu gestalten, daß die Gefahr der Funktionsunfähigkeit oder der Beeinträchtigung des für die wissenschafliche Betätigung der Mitglieder erforderlichen Freiheitsraumes herbeigeführt wird." 2 4

Dem organisatorischen System der sog. „Gruppenuniversität" wurde als solchem Vereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 3 GG attestiert, soweit der herausgehobenen Stellung der Hochschullehrer im Bereich von Forschung und Lehre jeweils hinreichend Rechnung getragen werde. 25 Diese herausgehobene Stellung der Hochschullehrer hindere den Gesetzgeber freilich nicht, auch für sie bei der Gruppenmitwirkung in den Kollegialorganen das Repräsentationssystem einzuführen, wenn nur sichergestellt sei, dass der einzelne Hochschullehrer bei der Beratung über Fragen seines Fachs in geeigneter Form zu Gehör kommen könne. 26 Dies könne in der repräsentativ organisierten Selbstverwaltung der modernen Massenuniversität dadurch geschehen, dass er sich im Rahmen einer Vorberatung zu den anstehenden Fragen gegenüber einem Fachkollegen äußere, der dann unter Berücksichtigung der von allen Professoren des Fachgebiets in der Vorberatung dargelegten Meinungen vor dem Entscheidungsgremium seine Stellungnahme abgebe.27 Festgehalten sei immerhin auch noch die Aussage, dass bloße nachträgliche Kontroll- und Aufsichtsbefugnisse gegenüber Beschlüssen von Kollegialorganen nicht als ausreichend angesehen werden, um diejenige freiheitliche Sphäre zu schaffen, die der Wissenschaftler für seine Arbeit von vornherein benötige. Als nicht ausreichend in diesem Sinne wird dabei beispielhaft eine auf Nachprüfung der Rechtmäßigkeit beschränkte Rechtsaufsicht oder auch die bloße Eröffnung eines Rechtswegs bezeichnet.28 Was die zeitliche Dimension des Schutzes wissenschaftlicher Institutionen angeht, so hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Auflösung entsprechender Organisationseinheiten in der ehemaligen DDR klargestellt, dass wissenschaftliche Einrichtungen für ihren eigenen Fortbestand grundsätzlich keinen Grundrechtsschutz in Anspruch nehmen können: „Einrichtungen, die Zwecken der Wissenschaft dienen, ist Autonomie nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgabe verliehen. Diese Aufgabe setzt freiheitliche Strukturen voraus, die in einem von unmittelbaren staatlichen Eingriffen geschützten Bereich Entfaltungsmöglichkeiten eröffnen. Die eigenverantwortliche Bewahrung dieser Strukturen gehört zur Aufgabe wissenschaftlicher Einrichtungen. Ihre Autonomie ist auf die funktionsgerechte Wahrnehmung dieser Aufgabe beschränkt und von deren Fortbestand abhängig. Sie kann deshalb nicht die Aufrechterhaltung der Aufgabenzuweisung selbst sichern." 2 9

24 25 26 27 28 29

BVerfGE 35, 79 (123 f.). BVerfGE 35, 79 (124 ff.). BVerfGE 43, 242 (268) unter Bezugnahme auf BVerfGE 35, 79 (128 f.). So BVerfGE 55, 37 (71). So BVerfGE 35, 79 (135). So BVerfGE 85, 360 (385); siehe auch BVerfGE 86, 81 (89).

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Gleichwohl wird man hier zu ventilieren haben, inwieweit nicht die in der Rechtsprechung zu kommunalen Neugliederungsmaßnahmen anerkannten verfahrensrechtlichen Sicherungen und Abwägungsvorgaben auch im vorliegenden Kontext der akademischen Selbstverwaltung zumindest ansatzweise im Sinne eines Willkürverbots Beachtung verdienen. Immerhin ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass die Freiheitsverbürgung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG „als objektive Grundsatzentscheidung" die Verpflichtung des Staates einschließt, schützend und fördernd einer Aushöhlung dieser Freiheitsgarantie vorzubeugen. 30 Was die modischen Trends einer organisatorischen Umgestaltung der Hochschulen in Richtung auf eine verstärkte Orientierung an Wirtschaftlichkeitserwägungen - Ökonomisierung - und intensivierte Bemühungen um professionelleres Management - andere sprechen schlicht von Kommandowirtschaft - angeht, so empfiehlt es sich, im Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 31.5. 1995 nachzulesen, mit dem ja - sehr zum Erstaunen einiger prominenter Vertreter der Staatsrechtslehre, von anderen insbesondere in Kenntnis der Person des Berichterstatters nicht anders erwartet - einigen Vorschriften des seinerzeit novellierten nordrhein-westfälischen Universitätsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. 8. 1993 (GVB1. S. 532) Vereinbarkeit mit der Wissenschaftsfreiheit attestiert worden ist. 31 Dort wurde zunächst konzediert, dass der Landesgesetzgeber bei der Regelung der akademischen Selbstverwaltung einen weiten Gestaltungsraum besitze; er könne die Organisation der Hochschulen nach seinem Ermessen ordnen, solange gewährleistet sei, dass der Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung der Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers vorbehalten bleibe. Eine Verstärkung des monokratischen Elements in der Verwaltung des Fachbereiches, wie sie in der Einräumung zusätzlicher Befugnisse für den Dekan resp. die Dekanin zum Ausdruck komme, sei nicht von vornherein mit Art. 5 Abs. 3 GG unvereinbar. Das Kollegialitätsprinzip sei ungeachtet seiner Bedeutung für die Wahrung der Wissenschaftsfreiheit des einzelnen Hochschullehrers nicht im vollen Umfang verfassungsrechtlich vorgegeben. Und weiter: „Der Zuweisung der Kompetenzen für Entscheidungen mit überwiegend ausführendem oder technischem Charakter an eine Einzelperson steht Art. 5 Abs. 3 GG jedenfalls nicht entgegen." 3 2

Durch die gesetzlich dem Dekan eingeräumten Befugnisse zu Eingriffen in die Lehrfreiheit sei ihm nur die Pflicht übertragen worden, bestehende Vorgaben durchzusetzen. Mit der Übertragung der Aufgabe der Sicherstellung eines ord30 BVerfGE 85, 360 (384). 31 BVerfGE 93, 85 ff. = DVB1. 1995, 1076 ff.; siehe dazu auch die Anmerkungen von V: Epping in NWVB1. 1997, 92 ff. 32 BVerfGE 93, 85 (96); siehe in diesem Kontext unlängst auch einen Kammerbeschluss vom 7. 5. 2001-1 BvR 2206/00 - zur schl. h. Strukturreform-Novelle v. 23. 11. 1999 (GVOB1. S. 380), DVB1. 2001, 1137 ff., sowie Berl. VerfGH, LKV 2001, 268 ff.

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nungsgemäßen und vollständigen Lehrangebots auf den Dekan werde keine unzulässige Beeinträchtigung der Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer vorgenommen, da die betreffende Vorgabe der in Art. 12 Abs. 1 GG vorausgesetzten Ausbildungsaufgabe der Universitäten und Hochschulen diene.33 Auch durch die Festlegung der Amtszeit des Dekans auf vier Jahre habe der Landesgesetzgeber von seiner organisatorischen Gestaltungsfreiheit im Hochschulwesen in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Seine Einschätzung, dass eine solche vierjährige Amtszeit die Effizienz der autonomen Hochschulverwaltung steigere und letztlich zu einer Stärkung der Selbstverwaltungsfähigkeit der Hochschulen führe, sei vertretbar. Es habe von jeher zu den Aufgaben eines Hochschullehrers gehört, einen Teil seiner Arbeitskraft der Selbstverwaltung der Hochschule zur Verfügung zu stellen. Von der Pflicht, das Dekansamt wahrzunehmen, seien schließlich alle Hochschullehrer betroffen. Unzuträglichkeiten im Einzelfall werde durch die Möglichkeit Rechnung getragen, aus wichtigem Grund die Übernahme des Amtes abzulehnen oder zurückzutreten. 34 In einem Kammerbeschluss aus dem Jahre 1997 wurde schließlich noch herausgestellt, auch der Hochschullehrer sei in die Institution der Universität eingebunden und müsse sich, bedingt durch das Zusammenwirken mit den anderen Grundrechtsträgern und mit Rücksicht auf den Ausbildungszweck der Universität, Einschränkungen gefallen lassen; die Interessen der verschiedenen Hochschulangehörigen, der Wissenschaftler, ihrer Mitarbeiter und der Studenten sowie der übrigen Bediensteten müssten daher miteinander abgestimmt und koodiniert werden. 35 Was die eingangs thematisierte, aus amerikanischen Erfahrungen abgeleitete und bereits auf richtungweisende Einschätzungen von Schleiermacher zurückgehende Forderung nach Erstreckung der Autonomie auf die universitäre Auswahl ihrer Studierenden angeht, so ist hier allerdings - kaum überraschend - Fehlanzeige zu vermelden. Tröstlich erscheint immerhin, dass in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine gewisse Akzentuierung in dieser Richtung vermeldet werden kann, wenn bemerkenswerterweise bereits 1980 auf Verfassungsbeschwerden gegen das bremische Hochschulgesetz hin betont wurde: „Der Student ist jedenfalls kein Schüler und nicht bloßes Objekt der Wissenschaftsvermittlung, sondern er soll ein selbständig mitarbeitendes, an der wissenschaftlichen Erörterung beteiligtes Mitglied der Hochschule sein; das Studium an der Universität ist auf aktive Teilnahme am Wissenschaftsprozeß hin angelegt ... Zumindest soweit der Student bereit und in der Lage ist, in diesem Sinne an der wissenschaftlichen Lehre teilzunehmen, kann auch ihm das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zustehen. Aktive Beteiligung der Studenten an wissenschaftlichen Lehrveranstaltungen kann nur verwirklicht werden, wenn die Studenten - wie dies im Bereich von Seminaren, Kolloquien und Übungen ohnehin zumeist üblich ist - soweit wie möglich in den Ablauf der Lehr33 BVerfG, а. а. O., S. 98. 34 BVerfG, а. а. O., S. 98 f. 35 So BVerfG, BayVBl. 1998, 591 (592).

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Veranstaltung einbezogen werden; ein wichtiges, wohl das entscheidende Mittel der studentischen Beteiligung liegt darin, daß Gelegenheit gegeben wird, Fragen zum Thema zu stellen und sich zu den vertretenen Lehrmeinungen zu äußern." 36

II. Einbeziehung auch landesverfassungsrechtlicher Garantien Vor dem Hintergrund des bundesverfassungsgerichtlichen Verständnisses des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als einer funktionalen Mindestgarantie für die in der näheren Ausgestaltung landesgesetzgeberischer Formung überantwortete Strukturierung der Wissenschaftsfreiheit ist es angezeigt, nach potentiellen landesverfassungsrechtlichen Konturierungen und Ergänzungen zu fahnden. Dies geschieht allerdings trotz einer in vielen Bereichen erkennbaren Revitalisierung des Landesverfassungsrechts in der Literatur viel zu wenig 37 . Auch das verdienstvolle, in 2. Auflage 1996 erschienene Handbuch des Wissenschaftsrechts weist diesbezüglich Defizite auf.

1. Überblick über die landesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen In den deutschen Landesverfassungen sind nämlich umfängliche Absicherungen der akademischen Freiheit zu registrieren. Dabei lassen sich vor allem zwei gewichtige Gewährleistungsansätze verfolgen. Zum einen wird - vergleichbar dem Text des Art. 5 Abs. 3 GG, teilweise in wörtlicher Übernahme - die Freiheit der Wissenschaft, der Forschung und Lehre grundrechtlich garantiert. 38 Insoweit gelten die zur grundgesetzlichen Gewährleistung gewonnenen Interpretationsergebnisse spiegelbildlich. Ergänzend werden hier z.T. aber auch noch ausdrücklich dem Land, manchmal auch den Kommunen, Schutz- und Förderungsverpflichtungen im Hinblick auf die Wissenschaft auferlegt (vgl. Art. 140 bay. Verf., Art. 11 Abs. 2 brem. Verf., Art. 60 Abs. 1 Satz 1 hess. Verf., Art. 16 Abs. 1 u. 3 m.-v. Verf., Art. 18 Abs. 1 Verf. NRW, Art. 9 Abs. 3 schl.h. Verf.). Auch dabei dürfte es sich nicht lediglich um Programmsätze handeln, sondern um Staatsziele benennende, verpflichtend wirkende Verfassungsnor-

36 BVerfGE 55, 37 (67 f.). 37 Zutreffend J.-D. Kühne , DÖV 1997, 1 ff.: „ein unentfaltetes Autonomiepotential". 38 So geschieht dies in Art. 108 bay. Verf., Art. 20 Abs. 1 bd.wtt. Verf., Art. 21 berl. Verf., Art. 31 Abs. 3 brandenb. Verf., Art. 11 Abs. 1 brem. Verf., Art. 10 hess. Verf., Art. 7 Abs. 1 m.-v. Verf., Art. 5 nds. Verf., Art. 9 Abs. 1 und 39 Abs. 1 Satz 2 rh.pf. Verf., Art. 5 Abs. 2 saarl. Verf., Art. 10 Abs. 3 s.anh. Verf., Art. 21 u. 107 Abs. 1 sächs. Verf., Art. 9 Abs. 1 schl.h. Verf., Art. 27 thür. Verf.

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men, ohne dass ihnen jedoch nach gängiger Einschätzung subjektive Rechte zugeordnet wären. 39 Zum anderen wird in einigen Landesverfassungen komplementär die Wissenschaftsinstitution selbst in Gestalt einer objektiv-rechtlichen Gewährleistung in den Blick genommen und in Ansehung der im Laufe der historischen Entwicklung erreichten Standards zum Zwecke der organisationsrechtlichen Abstützung der grundrechtlichen Gewährleistung, insoweit als Spezifizierung und weiterführende Konturierung des Art. 5 Abs. 3 GG 4 0 , die Hochschulautonomie als solche besonders hervorgehoben. So haben die Hochschulen gemäß Art. 20 Abs. 2 bd.wtt. Verf., als deren Vorbild Art. 16 Abs. 1 Verf. NRW gilt, 41 unbeschadet der staatlichen Aufsicht das Recht auf eine ihrem besonderen Charakter entsprechende Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze und ihrer staatlich anerkannten Satzungen. Ahnlich ist dies in Art. 60 Abs. 1 hess. Verf., Art. 5 Abs. 3 nds. Verf., Art. 32 Abs. 1 brandenb. Verf., Art. 107 Abs. 2 sächs. Verf. und Art. 31 Abs. 2 s.anh. Verf. ausgedrückt. Knapper, aber sinnidentisch, wurde dies in Art. 138 Abs. 2 bay. Verf., Art. 33 Abs. 2 saarl. Verf., Art. 28 Abs. 1 Satz 2 thür. Verf., sowie in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 rh.pf. Verf. normiert, dort jeweils mit der Ergänzung, dass die Studierenden, soweit es sich um ihre Angelegenheiten handelt, an der Selbstverwaltung zu beteiligen sind. Durch solche landesverfassungsrechtliche Garantien des Selbstverwaltungsrechts der Hochschulen erweist sich für die Praxis die vom Bundesverfassungsgericht offen gelassene Frage nach dem Bestehen einer korporativen Verfassungsgarantie unter Zugrundelegung des Grundgesetzes für das betreffende Land als „nur noch von nachgeordneter Bedeutung".42 Die entsprechende landesverfassungsrechtliche institutionelle Garantie gibt der Hochschule eine „zusätzliche Gewähr", 43 die angesichts des Art. 142 GG ihre volle Wirkkraft entfalten kann. In Art. 20 Abs. 3 bd.wtt. Verf. und Art. 107 Abs. 3 sächs. Verf. wird den Hochschulen überdies eine Mitwirkung bei der Ergänzung ihres Lehrkörpers durch Ausübung ihres Vorschlagsrechts ausdrücklich garantiert. Daneben finden sich vereinzelt noch Aussagen zur prinzipiellen staatlichen Trägerschaft für Hochschulen (so in Art. 138 Abs. 1 bay. Verf. und Art. 34 Satz 1 brem. Verf.), zur Länderkoopera39 So zu Art. 140 bay. Verf. Th. Meder, Komm., 4. Aufl. 1992, Art. 108 Rn. 4; zu Art. 21 sächs. Verf. H.-H. Trute, in: Degenhart/Meißner (Hrsg.), Hdb. d. Verf. des Freitstaats Sachsen, 1997, § 8 Rn. 60; zu Art. 7 Abs. 1 der früheren schl.h. Landessatzung (nunmehr Art. 9 Abs. 1 schl.h. Verf.) Barschel / Gebel, Landessatzung für Schleswig-Holstein, Komm., 1976, Art. 7 Anm. С I. 40

Zur Diskussion um die objektiv-rechtliche Komponente des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG prägnant W. Weber, in: Festschrift für W. Felgentraeger, 1969, S. 227 ff.; O. Kimmenich, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, 1. Aufl. 1982, Bd. 1, S. 61 ff. Dazu К Braun, Komm, zur Bd.wtt. Verf., 1984, Art. 20 Rn. 16; Р. Feuchte (Hrsg.), Bd.wtt. Verf., Komm., 1987, Art. 20 Rn. 2. 4 2 So К Braun, а. а. O., Rn. 11. 4 3 So R Feuchte, а. а. O., Art. 20 Rn. 19.

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tion bei der Errichtung und Unterhaltung von Hochschulen (so Art. 34 Satz 2 brem. Verf.) bzw. zum Recht auf Errichtung von Hochschulen in freier Trägerschaft (so in Art. 32 Abs. 2 brandenb. Verf., in Art. 16 Abs. 3 Satz 2 m.-v. Verf., in Art. 107 Abs. 4 sächs. Verf., in Art. 31 Abs. 1 Satz 2 s.anh. Verf. und in Art. 28 Abs. 2 thür. Verf.). Trotz dieser umfänglichen Gewährleistungen hat die diesbezügliche Judikatur der Landesverfassungsgerichte, die bereits Anfang der 80er Jahre einmal unter den Chiffren 1. Garantie der Forschungs- und Lehrfreiheit, 2. Ausstrahlungen im Sinne einer Lernfreiheit, 3. Staatliche Hochschulträgerschaft und akademische Selbstverwaltung sowie 4. Studentische Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung zusammengestellt werden konnte 44 , bislang, wie bereits angedeutet, nicht die eigentlich nahe liegende Beachtung in den Hochschulen des jeweiligen Landes und in der wissenschaftsrechtlichen Literatur gefunden.

2. Hinweise zur Judikatur der Landesverfassungsgerichte a) Aus der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre abgeleitet wurde so etwa seitens des Bayerischen VerfGH ein Verbot für die staatliche Kultusverwaltung, den an der Hochschule tätigen Lehrkräften Vorschriften oder Weisungen bezüglich des Inhalts ihrer Lehrmeinungen oder ihrer Lehrmethoden zu erteilen. 45 Dagegen soll kein Verstoß gegen die Freiheit der Wissenschaft vorliegen, wenn die staatliche Kultusverwaltung Einfluss, etwa durch die Vorgabe struktureller und quantitativer Eckdaten im Sinne von Mindestanforderungen für Studiengänge und Abschlussprüfungen, auf die Prüfungs- und Studienordnungen einer Hochschule ausübt und dies durch Zusammenwirken von Staat und Hochschule geschieht 46 b) Das Grundrecht der Freiheit der Lehre kommt innerhalb des staatlichen Bildungswesens freilich nur den an wissenschaftlichen Hochschulen tätigen Lehrern zu 4 7 und ist nicht etwa im Sinne einer allgemeinen Unterrichtsfreiheit zu verstehen,48 was bereits verfassungssystematisch in Ansehung unterschiedlicher Verankerung von Regelungen über die wissenschaftlichen Hochschulen einerseits und über das allgemeine Schulwesen andererseits nahe liegt. 49

44 Vgl. PJ. Tettinger, in: Starck/Stern (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Bd. III, 1983, S. 271 ff. 45 BayVerfGHE 20, 191 (202); 24, 1 (25). 46 BayVerfGHE 50, 129(143). 47 BayVerfGHE 23, 32 (41). 48 BayVerfGHE 20, 191 (202).

49 Vgl. dazu P. J. Tettinger, Das Unterrichtswesen, in: Wissenschaftsrecht im Umbruch, Gedächnisschrift für H. Krüger, 2001, S. 339 ff. - Anders insoweit das spanische Verfassungsrecht; vgl. dazu C. Vidal, WissR 32 (1999), S. 303 ff.; ausführlich ders., La libertad de cätedra: un estudio comparado, 2001.

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c) Es soll im gesetzgeberischen Ermessen liegen, ob die Hochschulstruktur in weitgehender Orientierung an traditionellen Modellen festgelegt oder ob sie in Anpassung an möglicherweise veränderte gesellschaftliche und wissenschaftssoziologische Gegebenheiten modifiziert wird, 50 wobei allerdings Art. 108 bay. Verf. ebenso wie parallele Bestimmungen in anderen Landesverfassungen - zugleich als eine das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm im Interesse der gesamten Hochschule und aller dort in Gruppen zusammengefassten Mitglieder verstanden wird, 51 aus der sich nachhaltige organisatorische Direktiven ergeben. So billigte der Bremische Staatsgerichtshof 1977 bei der Beurteilung von Organisationsregelungen für die Universität Bremen 52 in Ansehung des Art. 11 Abs. 1 brem. Verf. - er wird als inhaltsgleich mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verstanden - im Anschluss an die Judikatur des BVerfG 53 zunächst jedem, der im Bereich der Wissenschaft tätig ist oder werden will, einen gegen staatliche Eingriffe geschützten Freiraum zu, der unantastbar bleiben muss, soweit dies unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte anderer Beteiligter möglich ist. Dieser Rechtsprechung schloss sich der Berliner Verfassungsgerichthof 1996 an, als er über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung eines Studiengangs an der Freien Universität Berlin zu entscheiden hatte.54 Zugleich soll aber den einzelnen Grundrechtsträgern auf der Basis dieser wertentscheidenden Grundsatznorm ein Recht auf die zum Schutz jenes Freiraums unerlässlichen staatlichen Organisationsmaßnahmen zustehen. Ebenso wie der BremStGH hat der BayVerfGH dabei die grundlegende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bis in Einzelheiten hinein übernommen und konsequent weitergeführt. 55 d) Aussagen in Landesverfassungen, wonach die Errichtung und Verwaltung der Hochschulen als Sache des Staates bezeichnet (so in Art. 138 Abs. 1 bay. Verf. 56 ), andererseits aber die akademische Selbstverwaltung garantiert wird (so in Art. 138 Abs. 2 Satz 1 bay. Verf. und den eingangs benannten Parallelbestimmungen), stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander, das jeweils in concreto der funktionsgerechten Auflösung bedarf. Wenn die Errichtung und Verwaltung der Hochschulen als staatliche Aufgabe apostrophiert wird, so trägt dies der klassischen Gestaltungsform öffentlich-recht50 BayVerfGHE 24, 199 (217); 29, 53 (57); 30, 126 (133). 51 BayVerfGHE 30, 126 (135); vgl. auch Bd.Wtt.StGH, ESVGH 24, 12 (13 f.); zu Art. 21 berl. Verf. Berl. VerfGH, LVerfGE 5, 37 (44); Berl. VerfGH, LKV 1998, 19 (20). 52 BremStGHE 3 (1977-1979), 41 (59 f.). 53 BVerfGE 35, 79 ff.; 43, 242 ff. 54 Berl. VerfGH, LVerfGE 5, 37 (45). 55 Vgl. BayVerfGH, BayVBl. 1998, 590 f. zur Einbindung eines Professors in ein neuerrichtetes Hochschulinstitut. 56 Diese Bestimmung steht mit Art. 5 Abs. 3 GG nicht in Widerspruch; so BayVerfGHE 24, 119 (216) gegen U. v. Lübtow, Autonomie oder Heteronomie der Universitäten, 1966, S. 39.

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licher Körperschaften 57 Rechnung, die Teil des staatlichen Gefüges sind 58 und nach allgemeinen staatsorganisationsrechtlichen Regeln ohnehin nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes errichtet werden können.59 Schließlich kommt es prinzipiell dem Legislativorgan kraft seiner unmittelbaren demokratischen Legitimation zu, substantielle Grundentscheidungen wie die über die Hochschulstruktur eines Landes zu treffen. 60 Inhalt und Grenzen staatlicher Befugnisse sind aber bei der Errichtung neuer Hochschulen, wo es auf ein Zusammenwirken von Staat und Gründungsgremien ankommt, weiter gesteckt als bei der Einflussnahme auf bestehende Hochschulen. Als „Domäne des Staates" wurden etwa neben dem eigentlichen Gründungsakt Maßnahmen wie Standortwahl, Bereitstellung von Haushaltsmitteln, organisatorische Planung sowie die Konstituierung vorbereitender Gründungsausschüsse bezeichnet.61 Bei den status quo verändernden wissenschaftsrelevanten Organisationsentscheidungen, wie etwa der Aufhebung eines Studiengangs, muss der Gesetzgeber die durch die Verfassung gewährte akademische Selbstverwaltung und Wissenschaftsfreiheit der Betroffenen beachten. Die sich daraus ergebenden Teilhaberechte sowohl der betroffenen Hochschullehrer als auch der betroffenen Hochschulen, Fachbereiche und Fakultäten müssen durch deren Mitwirkung an wissenschaftsrelevanten Organisationsmaßnahmen gewährleistet werden 62. Ein Einvernehmen der Beteiligten über eine Organisationsmaßnahme ist freilich nicht notwendig. Vielmehr reicht es aus, wenn in gemeinsamen Beratungen die Belange von Wissenschaft, Forschung und Lehre hinreichend sorgfältig ermittelt werden und die vom Staat beabsichtigten Maßnahmen mit ihnen in Einklang gebracht werden 63. Auch die Auflösung von Hochschulen ist Sache des Staates. Aus der Garantie akademischer Selbstverwaltung folge jedenfalls keine absolute Bestandsgarantie für die bestehenden Hochschulen.64 Der grundlegende Unterschied zwischen aka57 Diese sollen jedoch auch anstaltsrechtliche Elemente aufweisen; vgl. BayVerfGHE 17, 30 (36 f.); Th. Meder, а. а. O., Art. 138 Rn. 3 (a.E.). 58 BayVerfGHE 17, 30 (37); 24, 199 (217) m. w. N. 59 Vgl. BayVerfGHE 24, 199 (213, 217) m. w. N. 60 BayVerfGHE 24, 199 (217); 29, 53 (57); 30, 126 (133, 136); siehe auch Bd.Wtt.StGH, NVwZ 1982, 32 (33 f.).

61 BayVerfGHE 24, 199 (218) im Anschluss an Th. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 348. 62 Berl. VerfGH, LVerfGE 5, 37 (45 f.). 63 Berl. VerfGH, LVerfGE 5, 37 (47). 64 So Bd.Wtt. StGH, NVwZ 1982, 32 zur Auflösung der Pädagogischen Hochschulen Esslingen und Lörrach; vgl. auch BVerfGE 51, 369 (382 f.). - Die spezielle Bestandsgarantie des Art. 85 bd.wtt.Verf. - eine Ausnahmeerscheinung im Landesverfassungsrecht - gilt nur für die „alten", d. h. beim Inkrafttreten der Verfassung vorhandenen Universitäten und Hochschulen mit Promotionsrecht (vgl. Bd.Wtt. StGH, ESVGH 24, 12 [26]; R. Spreng/U. Birn-R 36 FS Leuze

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demischer und kommunaler Selbstverwaltung - dort Betonung der örtlichen Verankerung und räumlichen Integration, hier zweckbestimmte (Forschung und Lehre), ortsunabhängige Funktionssicherung - schließe es auch aus, den den Gemeinden zugebilligten, aus ihrer verfassungsrechtlichen Stellung abgeleiteten beschränkten Bestandsschutz im Wege der Analogie auf die Hochschulen zu erstrecken. 65 Schranken für eine Hochschulauflösung enthalte allerdings das auf dem Gleichheitssatz basierende Willkürverbot. Die diesbezügliche verfassungsgerichtliche Kontrolle schließe jedoch nicht die Prüfung mit ein, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste - die lateinische Sprachbasis tapfer ignorierend, neudeutsch: die optimalste - Lösung gewählt hat; einschlägige gesetzgeberische Prognosen seien nur auf eindeutige Widerlegbarkeit hin zu überprüfen. 66 Die institutionelle Verbürgung der akademischen Selbstverwaltung in den genannten Landesverfassungen ist vor diesem Hintergrund aus der Sicht des BayVerfGH nicht als inhaltlich unbeschränkte, sondern nur als partikulare zu verstehen, 67 und zwar bezogen auf die Aufgaben der Wissenschaftspflege, während der Staat bei typischen, den Hochschulen übertragenen äußeren Verwaltungsfunktionen 68 in Erfüllung seiner Obhutspflicht auf Direktions- bzw. Mitwirkungsrechte nicht verzichten kann. 69 Eine exakte Abgrenzung der beiden Sphären bereitet vielfach Schwierigkeiten. 70 Als wissenschaftsbezogene Angelegenheiten wurden etwa die Wahl eigener Hochschulorgane, die Einrichtung des Lehr- und Forschungsbetriebes, die Mitwirkung bei Berufungen, die Regelung der Immatrikulation, der Promotion und der Habilitation 71 - hier namentlich die Festsetzung von Habilitationsvoraussetzungen72 - und die Verwaltung hochschuleigenen Vermögens 73, demgegenüber als staatliche, nicht der Selbstverwaltungssphäre zuzurechnende Aufgabe neben der Festlegung der Hochschulstruktur des Landes gerade auch die Regelung des Hochschulzugangs (Stichwort: numerus clausus)74 bewertet, wähFeuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württenberg, Komm., 1954, Art. 85 Anm. 2). Sie verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz; Bd.Wtt.StGH, NVwZ 1982, 33. 65 Bd.Wtt. StGH, а. а. O., S. 32 f. 66 Ebda. (Leitsatz 2 und S. 33). 67 Siehe 771. Meder, Art. 138 Rn. 8 unter Bezugnahme auf Bay VerfGHE 17, 30 (37); 24, 1 (18); 24, 199 (217); vgl. auch BVerfGE 15, 256 (264 f.); zum Umfang und Inhalt der akademischen Selbstverwaltung siehe auch D. Leuze, in: Leuze / Bender, WissHG NW, § 2 Rn. 4 ff.; H.-U. Gallwas, WissR 2, 1969, S. 116 ff. 68 Vgl. BayVerfGHE 23, 32 (43); 24, 199 (217 f.). 69 Zudem setzt diese Gewährleistung auch die Existenz und Funktionsfähigkeit geeigneter Hochschulorgane voraus, was im Gründungsstadium verstärkte staatliche Einwirkungsmöglichkeiten bedeutet; BayVerfGHE 24, 199 (219). 70

Dazu Th. Meder, а. а. O. m. w. N.; Th. Oppermann, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Aufl., Bd. 1, 1996, S. 1022 ff.; siehe auch D. Leuze, DÖD 1993, 1 (2 f.). 7 1 BayVerfGHE 24, 199 (217). Zum Promotionsrecht siehe ausdrücklich Art. 85 bd.wtt. Verf. 72 BayVerfGHE 30, 109(115). 7

3 BayVerfGHE 17, 30 (37).

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rend bei Ausbildungsordnungen und im Prüfungswesen - mit der Ausbildung der Studierenden erfüllen die Hochschulen schließlich zugleich eine in Art. 12 GG thematisierte staatliche Aufgabe - ggfls. infolge eines Doppelcharakters (Studienplan und -abschluss identisch mit staatlicher Ausbildungsordnung und Staatsexamen) ein Zusammenwirken als geboten angesehen wurde. 75 Auch der Bd.Wtt.StGH hat zwischen beiden Bereichen deutlich unterschieden. Das den Hochschulen in Art. 20 Abs. 2 bd.wtt. Verf. zugebilligte Selbstverwaltungsrecht bedeute keine absolute Bindungsfreiheit der Universität. Die akademische Selbstverwaltung sei vielmehr verfassungsrechtlich nur innerhalb der Hochschulzweckbestimmung abgesichert. Demgemäß müsse nur ein bestimmter, aus der historischen Entwicklung zu erschließender Kernbereich akademischer Selbstverwaltung von staatlichen Eingriffen freigehalten werden. 76 Zum klassischen Erscheinungsbild der akademischen Selbstverwaltung wurde die Satzungsautonomie gezählt,77 wie diese denn auch in Art. 16 Abs. 1 Verf. NRW, in Art. 20 Abs. 2 bd.wtt. Verf. und in Art. 107 Abs. 2 sächs. Verf. ihre Bekräftigung gefunden hat. 78 e) Eine gewisse Widersprüchlichkeit in der Diskussion tritt jedoch darin zutage, dass einerseits die Regelung der Immatrikulation zu dem Kernbereich akademischer Selbstverwaltung gezählt wird, andererseits die Regelung des Hochschulzugangs vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG als staatliche Aufgabe figurieren soll. Hierzu werden in der Literatur unterschiedliche Stellungnahmen abgegeben. So heißt es etwa im Kommentar von Meder zur Bayerischen Verfassung lapidar, die Regelung des Zugangs zur Hochschule sei staatliche Aufgabe und nicht Gegenstand der Hochschulautonomie.79 Demgegenüber findet sich eine differenziertere Stellungnahme von Oppermann; danach gehört auch das Immatrikulations- und Exmatrikulationswesen zu den traditionellen Zuständigkeiten der Universität, die jedoch in Kollision zu den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG sub specie freie Wahl des Berufes und der Arbeitsstätte stünden. Dies führe zu einer Lösung praktischer Konkordanz derart, dass dem Staat neben der Hochschule gleichrangige, kooperative Kompetenzen zufielen. 80 In der Tat dürften der Berufsfreiheit in diesem Kontext materielle Anforderungen zu entnehmen sein,81 eine 74 BayVerfGHE 24, 1 (18); 28, 143 (159); noch offen lassend 17, 30 (38). 75 Siehe etwa BayVerfGHE 23, 32 (43); 24, 199 (223); 26, 18 (23); 50, 129 (143); siehe zu diesem Komplex auch H.- J. Strauch, Staatliche und akademische Prüfungsordnungen, 1978, S. 108 ff. 76 ESVGH 24, 12 (14 ff.). Dazu K. Kühler u. W. Zeller, DÖV 1974, 624 ff., 626 ff. 77 BayVerfGHE 24, 1 (18); 30, 109 (115); zur Satzungsautonomie siehe auch D. Leuze, DÖD 1993, S. 1 (2 ff.). 78 Solche Satzungen bedürfen freilich als Rechtsnormen zur Erlangung der Geltungskraft der Bekanntgabe. Vgl. BayVerfGHE 8, 38 (43); siehe auch BayVerfGHE 24, 199 (214 f.). 79 A.a. O., Art. 138 Rn. 8. 80 Th. Oppermann, a. a. О., S. 1022 unter Bezugnahme auf A. Theis, Ausbildungs- und Wissenschaftsfreiheit, 1986. 36*

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kompetentielle Zuordnung zur staatlichen Sphäre ist angesichts der eingangs betrachteten wissenschaftsimmanenten Anforderungen aber nicht zwingend, sondern im Gegenteil eher als schädlich anzusehen. f) Der Staat wird schlussendlich gemäß Art. 138 Abs. 2 Satz 1 bay. Verf. als verpflichtet angesehen, die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eine neu errichtete Hochschule die ihr im akademischen Selbstverwaltungsbereich zustehenden Aufgaben eigenständig wahrnehmen kann, wozu eben auch der Erlass von Satzungen zur autonomen Regelung von Angelegenheiten der wissenschaftlichen Forschung und Lehre gehört. 82

3. Spezielle Akzente in Art. 16 Abs. 1 Verf. NRW Spezielle Akzente zur verfassungsrechtlichen Diskussion um die akademische Selbstverwaltung sind in Art. 16 Abs. 1 Verf. NRW gesetzt, wenn dort zum Einen als Begünstigte dieser Verfassungsnorm „die Universitäten und diejenigen Hochschulen, die ihnen als Stätten der Forschung und der Lehre gleichstehen", apostrophiert sind, wenn dort zum Zweiten diesen „Stätten der Forschung und der Lehre" ein näher konturiertes Recht zugebilligt wird, nämlich „das Recht auf eine ihrem besonderen Charakter entsprechende Selbstverwaltung", und wenn dort zum Dritten dieses Recht gewährleistet ist im Rahmen der Gesetze und ihrer staatlich anerkannten Satzungen.83 a) Bemerkenswert ist zunächst, dass die nordrhein-westfälische Landesverfassung die klassischen Stätten der Forschung und Lehre hierzulande, nämlich die Universitäten, als solche ausdrücklich benennt84 und damit zugleich vor dem sichtbaren Hintergrund des Bestehens traditionsreicher Universitäten in Köln (gegründet 1388), Münster (gegründet 1780), Bonn (gegründet 1818) und Aachen (gegründet 1870) eine Idee herausstellt, die in der deutschen Geistesgeschichte prägend gewirkt hat und trotz aller Irrungen und Wirrungen, etwa in dem Papier des sog. Expertenrates in NRW, mit guten Gründen weiterwirkt, selbst wenn der Landesgesetzgeber der Gegenwart augenscheinlich durch Integration der bisherigen Bestimmungen des Universitätsgesetzes einerseits und des Fachhochschulgesetzes andererseits in ein übergreifendes, einheitlich wirkendes Hochschulgesetz Grenzziehungen eher zu verwischen bestrebt zu sein scheint. Die nordrhein-westfälische Landesverfassung signalisiert jedenfalls einen besonderen Stellenwert der Universitäten und sodann eine Ausdehnung der akademischen Selbstverwaltung über si Siehe dazu etwa P. J. Tettinger, in: Sachs (Hrsg.), GG, Komm., 2. Aufl. 1999, Art. 12 Rn. 67 ff., 131 ff. 82 BayVerfGHE 24, 199(217). 83 Dazu näher jetzt W. Löwer, in: Löwer/Tettinger, Verf. NRW, Komm., 2002, Erläuterungen zu Art. 16. 84 Dies geschieht übrigens auch in Art. 85 bd.wtt. Verf.; zu dieser Bestimmung oben Fn. 64.

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diese Universitäten hinaus, freilich nur für diejenigen Hochschulen, die ihnen aufgrund einer materiellen Einschätzung als Stätten der Forschung und der Lehre gleichstehen. Als entscheidendes Merkmal für diese verfassungskräftige Ausdehnung der Hochschulautonomie über die klassischen Universitäten hinaus wird mithin in Art. 16 Abs. 1 der Verfassung des Landes NRW ausdrücklich auf den spezifischen Funktionskreis, nämlich Stätten der Forschung und der Lehre zu sein, abgestellt, eine Gewährleistung, in die, wie der Baden-Württembergische Staatsgerichtshof für die Pädagogischen Hochschulen in jenem Land Anfang der 80er Jahre festgestellt hat, diese „hineingewachsen" sind. 85 Ganz auf dieser Linie liegt übrigens auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, wonach gemäß einem Beschluss aus dem Jahre 1982 zur integrierten Gesamthochschule nach nordrhein-westfälischem Recht allein die Bezeichnung einer Hochschule als wissenschaftlich für ihre Einordnung nicht maßgebend ist: Danach „kann es auf die formelle Benennung nicht entscheidend ankommen. Ein Federstrich des Landesgesetzgebers' genügt nicht, die Merkmale einer Hochschule als wissenschaftlich zu bestimmen."86

b) In der Judikatur des Münsteraner Verfassungsgerichtshofes für das Land NRW führt die akademische Selbstverwaltung freilich nur ein Schattendasein, was allerdings keineswegs überraschen kann angesichts des Verzichts auf das Instrument der Individualverfassungsbeschwerde im nordrhein-westfälischen Landesverfassungsrecht. Immerhin findet sich im Urteil vom 25. 1. 2000 zu den Grenzen des politischen Mandats der Studierendenschaft ein Hinweis darauf, dass Art. 4 Abs. 1 der Landesverfassung i.V.m. Art. 5 Abs. 3 GG jedem, der im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre tätig ist, ein individuelles Freiheitsrecht gewährt, das als Abwehrrecht die wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe schützt. Zu den Schranken der Wissenschaftsfreiheit wird dort festgehalten: „Die Wissenschaftsfreiheit ist ... nicht schrankenlos gewährt. Zwar sind Begrenzungen durch Gesetz ausgeschlossen. Die Wissenschaftsfreiheit unterliegt aber verfassungsimmanenten Schranken. Konflikte zwischen der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit und dem Schutz anderer verfassungsrechtlich garantierter Rechtsgüter müssen nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Weitordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses Wertsystems durch Verfassungsauslegung gelöst werden. ... Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendige Grenzziehung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden." 87

Dahingestellt bleibt hingegen auch in diesem Judikat die Frage, inwieweit der wissenschaftlichen Hochschule als solcher durch Art. 4 Abs. 1 Verf. NRW, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ein Recht auf Wissenschaftsfreiheit, insbesondere im Hinblick 85 So Bd.Wtt. StGH, NVwZ 1982, 32. - Zur Einordnung der Bayerischen Beamtenfachhochschule siehe BayVerfGHE 28, 184 ff. 86 So BVerfGE 61, 210 (237) unter Bezugnahme auf W Weber, Die Rechtsstellung des deutschen Hochschullehrers, 1952, S. 21 und Th. Oppermann, JZ 1973, 433 (437). 87 VerfGH NRW, NWVB1. 2000, 168.

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auf die akademische Selbstverwaltung gewährleistet ist, da ein solcher Grundrechtsschutz jedenfalls nicht weiter reiche als bei den einzelnen Forschern. 88 Art. 16 Abs. 1 Verf. NRW wird ausdrücklich erwähnt; in dieser Bestimmung wird - was die wissenschaftliche Forschung betrifft - eine landesverfassungsrechtliche Ausformung des Art. 5 Abs. 3 GG gesehen, die keinen weiter gehenden Schutz gewähre als dessen hier bereits knapp skizzierte verfassungsrechtliche Anforderungen. 89 Demgegenüber hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hierzulande Art. 16 Abs. 1 Verf. NRW durchaus mehrfach als Prüfungsmaßstab herangezogen. Schon in einem Urteil aus dem Jahre 1954 hatte das OVG in Münster betont, aus der Bindung der Universität an die Gesetze ergebe sich, dass Universitätsorgane rechtlich nicht in der Lage seien, für den Bereich einer einzelnen Universität das deutsche Hochschulrecht abzuändern. Gesetz im Sinne von Art. 16 Verf. NRW bedeute „materielles" Gesetz, ein Begriff, unter den auch das Gewohnheitsrecht falle. Der gewohnheitsrechtliche Begriff der akademischen Freiheit, ursprünglich dem gemeinen deutschen Recht zuzuordnen, rechne seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes zum Landesrecht. 90 In den 60er Jahren war seitens des OVG des Weiteren herausgestellt worden, dass die soziale Fürsorge für die Studierenden dem besonderen Charakter der Universitäten des Landes NRW im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Verf. NRW entspreche: „Für die Beantwortung der Frage, welche Bereiche mit diesem Tatbestandsmerkmal erfaßt werden, muß, wie bei der Abgrenzung des Kernbereichs der Selbstverwaltung im engeren Sinne ... auf die besondere Entwicklung der Universitäten des ehemals preußischen Rechtskreises ... zurückgegriffen werden. An diesen »vorhandenen Bestand' wollte der Verfassungsgeber in Art. 16 Abs. 1 ersichtlich anknüpfen und hiernach den ,besonderen Charakter' der Universität bestimmt wissen."91

Zur funktionalen Einordnung der Verfassungsbestimmung hieß es in diesem Judikat mit bemerkenswerter Klarheit: „Daß dieser Verfassungsartikel in enger gedanklicher Verbindung mit der Grundrechtsverbürgung des Art. 5 Abs. 3 GG eine institutionelle Garantie, d. h. eine Bestandsgarantie für die Institution der wissenschaftlichen Hochschule ausspricht, ist allgemein anerkannt ... Dasselbe gilt angesichts der eindeutigen Wortfassung des Art. 16 Abs. 1 LV für die Satzungsautonomie ungeachtet des Meinungsstreites über ihren Bezug zum Selbstverwaltungsrecht im engeren Sinne." 9 2

In einem Rechtsstreit um die Rechtsstellung einer Fakultät innerhalb universitärer Satzungsverfahren wird 1984 konstatiert: 88 VerfGH NRW, а. а. O., S. 169. 89 VerfGH NRW, а. а. O., S. 170. 90 Vgl. OVG NRW, OVGE 8, 136 (166 f.). 91 OVG NRW, DVB1. 1967, 160 (161). 92 So OVG NRW, а. а. O.

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„Auch Art. 16 Satz 1 der Landesverfassung NRW gebietet nicht, daß der Fakultät ein Recht auf Erlaß der Prüfungsordnung eingeräumt werden muß. Er garantiert die Hochschulselbstverwaltung, läßt deren Struktur aber offen." 9 3

In einem weiteren Judikat aus dem gleichen Jahr zur Aufhebung von Studiengängen durch Rechtsverordnung wird zu einer haushaltsrechtlichen Bestimmung, wonach eine Entscheidung im Benehmen mit „den Hochschulen" zu treffen sei, betont, damit seien die Hochschulen als Gesamtkörperschaften gemeint, nicht jedoch ihre organisatorischen Grundeinheiten, die Fakultäten bzw. Fachbereiche. Ein Abwehrrecht als Ausfluss autonomer Selbstverwaltung sei auch nicht aus Art. 16 Verf. NRW ableitbar, da ein solches nur den Hochschulen als Gesamtkörperschaft, nicht aber ihren organisatorischen Grundeinheiten zustehe.94 In einem Rechtsstreit um Mitwirkungsrechte einer Hochschule bei einer an diese gerichteten ministeriellen Anordnung, bestimmte Stellen so zu bewirtschaften, dass sie zum Ende des Haushaltsjahres gestrichen werden könnten, betonte das Gericht in einem Urteil aus dem Jahre 1985, ein entsprechendes Mitwirkungsrecht könne nicht aus Art. 16 Verf. NRW und Art. 5 Abs. 3 GG hergeleitet werden: „Zwar können sich aus diesen Gewährleistungen nicht nur materielle Abwehrrechte, sondern auch verfahrensrechtliche Garantien ergeben. Diesen Garantien ist aber im Bereich der Haushalts- und Wirtschaftsangelegenheiten durch das geltende Hochschulrecht genügt. Das Recht auf Selbstverwaltung wird von Art. 16 Verf. NRW nur dem »besonderen Charakter' der Hochschulen entsprechend gewährt. Es schließt daher die den Hochschulen traditionell nicht zukommende Finanzautonomie nicht ein ... Art. 16 Verf. NRW schützt nicht die ,Unbeschwertheit' der Hochschule von jeglichen Vorgaben, die Bestandteil der dem Selbstverwaltungsrecht vorgegebenen Situation sind ... Zu diesen Vorgaben gehört angesichts der fehlenden Finanzautonomie der Hochschulen auch die Abhängigkeit von den Zwecksetzungen des Landeshaushaltes und des die Entscheidungen des Landtags vorbereitenden Ressortministers. Das Grundrecht auf Art. 5 Abs. 3 GG vermittelt ebenfalls keine weitergehenden Rech-

I I I . Zur Verankerung der akademischen Freiheit im europäischen Gemeinschaftsrecht Noch kurz von der Ebene des nationalen Verfassungsrechts zum Europäischen Gemeinschaftsrecht und hier dann noch zur aktuellen Verankerung der akademischen Freiheit in der Europäischen Grundrechte-Charta.

93 OVG NRW, WissR 1984, 295 (297 f.). 94 OVG NRW, WissR 1984, 298 (300 f.). 95 So OVG NRW, OVGE 38, 177 (185).

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1. Durch den Vertrag von Maastricht wurden der Europäischen Gemeinschaft Aufgaben im Bereich der Bildungspolitik zugewiesen. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. η EGV sind Forschung und technologische Entwicklung zu fördern und gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. q EGV ist ein Beitrag zu einer qualitativ hoch stehenden allgemeinen und beruflichen Bildung zu leisten. Diese Grundsätze wurden durch Art. 149 und 150 EGV im Bezug auf die allgemeine und berufliche Bildung und Art. 163 EGV im Bezug auf die Forschung und technologische Entwicklung näher strukturiert. Die Hochschulen fallen unter diese Regelungen, da sie von der Gemeinschaft bezüglich der an ihnen stattfindenden Lehre als Ausbildungsstätten angesehen werden 96 . Das geltende Gemeinschaftsrecht enthält aber keine die akademische Selbstverwaltung gesondert heraushebenden Normen. Die Betrachtung der Hochschulen innerhalb der Gemeinschaft hat damit einen überwiegend funktionalen Charakter 97. Dass im EG-Vertrag die akademische Selbstverwaltung keine Erwähnung findet, liegt schon daran, dass der Europäischen Gemeinschaft durch die Art. 149, 150, 163 EGV zwar punktuelle Zuständigkeiten im Bereich der Bildung zugewiesen werden, dies aber gleichzeitig dem Einfluss der Gemeinschaft auf die Bildungspolitik der Mitgliedstaaten bewusst Grenzen setzen soll und auch hinreichend deutlich setzt98. Mehr als Förderung und Zusammenarbeit mit den einzelnen Mitgliedstaaten war nicht gewollt. Die Gestaltung der einzelnen Bildungssysteme einschließlich des Hochschulwesens bleibt strikt in deren Verantwortungsbereich und somit eine Domäne der einzelnen Mitgliedstaaten99. Die Entscheidung, ob eine Hochschule sich selbst verwaltet oder nur unter starkem staatlichen Einfluss zu agieren vermag, liegt daher außerhalb des Zuständigkeitssektors der Gemeinschaft; das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 EGV ist in diesem Zusammenhang besonders nachhaltig spürbar 100. Ebenso ist der Europäischen Menschenrechtskonvention der Gedanke der akademische Selbstverwaltung fremd geblieben; geschützt werden durch Art. 9 EMRK allgemein die Gedanken-, Religions- und Gewissensfreiheit sowie durch Art. 10 EMRK die freie Meinungsäußerung 101. % EuGH, EuGRZ 1985, 307 - Gravier/Stadt Lüttich; EuGH, Slg. 1988, 1-3237 (3242); EuGH, Slg. 1988,1-5383 (5387); P. Badura, Die Universität in Europa, in: Die Macht des Geistes, Festschrift für H. Schiedermair, 2001, S. 465 (471); U. Fink, EuGRZ 2001,193 ff. m. w. N. 97

C. H. Klostermann, Die akademische Selbstverwaltung in der Europäischen Union, 1997, S.131. 98 Siehe aber die sog. Fremdsprachenlektoren-Rechtsprechung des EuGH, in der dieser sich über die Autonomie der wissenschaftlichen Hochschulen und die von ihnen wahrzunehmenden wissenschaftlichen Interessen rücksichtslos hinwegsetzt: EuGH, Slg. 1989,1-1591 - Allue I; EuGH, Slg. 1993,1-4309 - Allue II; EuGH, Slg. 1993,1-5185 - Spotti / Freistaat Bayern; zuletzt wieder EuGH, Urteil v. 29. 1. 2002 (NRW./. B.P-M), EuZW 2002, 374. - Vgl. demgegenüber immerhin die eleganten Formulierungen in BVerfGE 94, 268 (291 f.), welche dem Frontalkonflikt mit dem EuGH ausweichen, gleichwohl die Spannungslage keineswegs verdecken. 99 EuGH, EuGRZ 1975, 326 - Casagrande; Th. Oppermann, Europarecht, 1999, S. 830; P. Badura, а. а. O., S. 465 (472). 100 Th. Oppermann, а. а. O., S. 830; C. H. Klostermann, а. а. O., S. 140.

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Es bleibt damit festzuhalten, dass die akademische Selbstverwaltung bislang auf dem Gebiet des geltenden Gemeinschaftsrechts ebenso wenig wie andere Selbstverwaltungssphären, namentlich die kommunale, die ihnen eigentlich gebührende positive Würdigung gefunden haben. 2. Auch wenn sich derzeit noch nicht absehen lässt, ob die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union'4, die am 7. 12. 2000 in Nizza feierlich verabschiedet worden ist, lediglich eine feierliche Deklaration bleibt oder im Rahmen einer Vertragsrevision zum integralen Bestandteil des europäischen Primärrechts formiert wird, kann festgehalten werden, dass der Europäische Rat auf dem Kölner Gipfel im Juni 1999 in der Wahrung der Grundrechte ein Gründungsprinzip der Europäischen Union und eine unerlässliche Voraussetzung für ihre Legitimität gesehen hatte. 102 Zumindest dürfte diese kompakte Auflistung einen deutlichen Impetus für die weitere Grundrechtsjudikatur des EuGH bedeuten, dem ja in Art. 220 EGV ganz allgemein die „Wahrung des Rechts" aufgetragen ist und der auch Art. 6 Abs. 2 EUV zu respektieren hat, wonach die Union die Grundrechte achtet, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Insofern kommt Art. 5 Abs. 3 GG und parallelen Gewährleistungen in den mitgliedstaatlichen Verfassungen (wie § 13 Abs. 3 der finnischen Regierungsform, Art. 16 Abs. 1 der griechischen Verfassung, Art. 33 Abs. 1 der italienischen Verfassung, Art. 42 Abs. 1 und 43 Abs. 1 der portugiesischen Verfassung) auch auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts Wirkkraft zu. 1 0 3 Dabei stellt die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, wie sie nunmehr auch in Art. 13 Satz 1 der Europäischen Grundrechte-Charta gewährleistet ist, einen europäischen Kulturfaktor ersten Ranges dar. Die nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamteuropäischen Tradition enge Verbindungslinie der Forschung zur wissenschaftlichen Lehre blieb in diesem Text aber zunächst noch eher im Diffusen, wenn dort lediglich in Art. 14 separat ein Recht auf Bildung sowie auf Zugang zur beruflichen Ausbildung und daneben noch die frankophon klingende Freiheit zur Gründung von „Lehranstalten" statuiert worden war. Durch die erst in einem späten Stadium der Arbeiten des Konvents gelungene ergänzende Einfügung der Gewährleistung in Gestalt eines Satzes 2 des Art. 13 mit der Formulierung: „Die akademische Freiheit wird geachtet." hat jedoch die klassische Universitätsidee, 104 die hierzulande auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 3 GG ihre ausdrücklichen Gewährleistungen in Landesverfasioi Vgl. dazu J. Frowein/W. Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl. 1996, Art. 9 Rn. 1 ff., Art. 10 Rn. 1 ff.; U. Fink, а. а. O., S. 198. ι 0 2 Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Anhang IV, abgedr. in: Bulletin der EU 6/1999, S. 39 f. юз Allzu zurückhaltend U. Fink, а. а. O., S. 199 f. ι 0 4 Zum Verständnis dieser Idee der akademischen Freiheit in grundlegenden Werken der deutschen Lit. siehe insbes. A. Röttgen, Das Grundrecht der deutschen Universität, 1959;

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sungen und in anderen europäischen Staaten in Verfassungstexten wie in Art. 16 Abs. 5 Satz 1 der griechischen Verfassung („Die Hochschulbildung wird ausschließlich durch Anstalten gewährt, die juristische Personen des öffentlichen Rechts sind und volle Selbstverwaltung genießen."), Art. 33 Abs. 5 der italienischen Verfassung („Die Hochschulen, Universitäten und Akademien haben das Recht, sich im Rahmen der gesetzlich festgelegten Grenzen autonome Ordnungen zu geben."), Art. 76 Abs. 2 der portugiesischen Verfassung („Die Universitäten genießen, nach Maßgabe des Gesetzes, satzungsmäßige, wissenschaftliche, pädagogische, verwaltungsmäßige und finanzielle Autonomie.") und Art. 27 Abs. 10 der spanischen Verfassung („Die Autonomie der Universitäten wird im Rahmen der Gesetze anerkannt.") zugleich eine organisatorische Schutzkomponente im Sinne der Selbstverwaltungsgarantie aufweist, der Sache nach immerhin eine begrüßenswerte Anerkennung und Aktualisierung erfahren. Dass es im Text der Charta nicht „gewährleistet", sondern nur „geachtet" heißt, beruht lediglich darauf, dass eine vorsichtigere Formulierung gewählt wurde, die deutlich signalisiert, dass auf diesem Felde nicht - gewissermaßen durch die Hintertür - originäre gemeinschaftsrechtliche Kompetenzen kreiert werden sollten.

IV. Folgerungen Mit allem Nachdruck bleibt nach alledem auf eklatante Defizite hierzulande bei der freiheitlichen, nicht planwirtschaftlich torpedierten Suche nach leistungsfähigen und leistungsbereiten Studierenden hinzuweisen. Ein Perspektivenwechsel hic et nunc ist angezeigt: Das auf Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip abgestützte Teilhaberecht des Abiturzeugnis-Inhabers am staatlicherseits vorgehaltenen Ausbildungsangebot bedarf der näheren Konturierung und Spezifizierung nach Maßgabe der durch die Wissenschaftlichkeit als funktionaler Wertentscheidung geprägten, mithin gleichfalls verfassungsrechtlich fundierten Eignungsanforderungen. Der Zugang zum Hochschulstudium soll nach wie vor jedem offen stehen, der die Hochschulreife besitzt, wie dies in Art. 32 Abs. 3 Satz 1 der Brandenburgischen Verfassung ausdrücklich postuliert ist; dies impliziert in einer bewusst zunehmend wettbewerblich strukturierten Hochschullandschaft aber nicht das Recht auf einen Studienplatz in einem bestimmten Studiengang an einer bestimmten Hochschule. Diesbezüglich ist dann konsequenterweise zu ventilieren, wie auch bei diesem zentralen Themenkreis die akademische Selbstverwaltung gestärkt und staatliche Vorgaben zurückgestutzt werden können. Einrichtungen wie die ZVS gehören eigentlich auf die Abfallhalde eines um internationales Renommee bemühten Wissenschaftsstandorts. Auch wenn dieser KomW. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, S. 63 ff.; dezidiert bereits R. Smend, Das Recht der freien Meinungsäußerung (1928), in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. Aufl. 1968, S. 89 (102 f.). Dazu jüngst R Badura, а. а. O., S. 465 ff. m. w. N.

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plex nach herkömmlicher Lehre nicht zum klassischen Arsenal der akademischen Selbstverwaltung in Deutschland gezählt werden kann: weiter gehende Autonomie bei der Auswahl der Studierenden ist - Casper hat Recht - ein funktionsimmanentes Postulat, dessen rechtliche Absicherung eine beachtliche Herausforderung darstellen dürfte. Im Übrigen ist - daran sei hier erinnert - der Gesetzgeber ohnedies nicht daran gehindert, über Verfassungsgarantien hinaus selbstverwaltungsfreundlichere Grundsätze zu verfolgen, wie dies ja gerade auch der Jubilar bereits mit Nachdruck betont hat 1 0 5 .

юз Vgl. etwa zum Kammerrecht: D. Leuze, in: Festschrift für H. Schippel, 1996, S. 696 ff.

Ist das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren ein „objektives Verfahren"? Klaus Vogelgesang

I. Problemdarstellung Der Begriff des „objektiven Verfahrens" ist in der personalvertretungsrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden und berührt, wie nachstehend darzulegen sein wird, ein grundsätzliches Problem im Verhältnis zwischen Personalrat und Dienststelle. Es geht darum, ob die Personalvertretung in einer beteiligungspflichtigen Angelegenheit die Dienststelle durch Gerichtsbeschluss zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen verpflichten und sie im Weigerungsfall sogar mittels einer Zwangsmaßnahme dazu zwingen kann. Auf den ersten Blick mag dies unproblematisch sein, denn das ArbGG, das nach dem BPersVG (§ 83 Abs. 2) und den meisten LPersVG auch im personalvertretungsrechtlichen Beschluss verfahren entsprechend anzuwenden ist, lässt in § 85 Abs. 1 Satz 1 die Zwangsvollstreckung aus rechtskräftigen Beschlüssen der Arbeitsgerichte oder gerichtlichen Vergleichen zu. Andererseits können die Rechtsbeziehungen, die zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bestehen, nicht ohne weiteres auf den öffentlichen Dienst übertragen werden. Die Verwaltung ist gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden, sodass es ihr schon aus diesem Grund verwehrt ist, eine gerichtliche Entscheidung zu missachten1. Vergleichbare verfassungsrechtliche Verpflichtungen gibt es im privaten Beschäftigungsbereich nicht.

II. Wesen des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens 1. Frühere Auffassung In der Rechtsprechung und im Schrifttum bestand lange Zeit Einvernehmen, dass das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren ein „objektives Verfahren" sei. Dessen Charakteristikum und Eigenart wurde darin gesehen, dass es - abgesehen von wenigen Ausnahmen (z. B. Geltendmachung von Weiterbeschäfti1 BVerwG v. 15. 3. 1995-6 Ρ 28.93 - JurPC 1996, 79 = DokBer В 1996, 8 (LS).

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gungsansprüchen nach § 9 BPersVG oder von materiellen Sachansprüchen der Personalvertretungen, etwa Ersatz der Kosten für die Teilnahme von Personalratsmitgliedern an Schulungsveranstaltungen) - nicht der Verfolgung von Individualrechtsansprüchen diene2, sondern die Klärung und Feststellung von Zuständigkeiten, von personalvertretungsrechtlich festgelegten Befugnissen und Pflichten sowie gestaltende Entscheidungen bei Wahlanfechtung, Auflösung des Personalrats oder Ausschluss eines Personalratsmitglieds zum Inhalt habe3. Begründet wurde dies damit, dass das Personalvertretungsrecht den Personalvertretungen nur Beteiligungsrechte an den verwaltungsinternen Entscheidungsprozessen bezogen auf die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zugestehe. Aufgabe des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens sei es, vorwiegend Streitfragen zwischen Dienststelle und Personalvertretung zu klären, die die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Personalvertretung betreffen 4. Diese Auffassung wurde auch von der personalvertretungsrechtlichen Literatur geteilt5. Sie wurde damit begründet, dass das BPersVG (ebenso wie die LPersVG) den Personal Vertretungen im gerichtlichen Beschlussverfahren nicht das Recht einräume, den Dienststellen die Durchführung bestimmter, der Mitbestimmung unterliegender Maßnahmen zu untersagen. Hierbei wurde auf grundsätzliche Unterschiede zum Betriebsverfassungsrecht hingewiesen, wonach der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen können, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen mit der Folge, dass im Falle der Zuwiderhandlung der Arbeitgeber nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld verurteilt werden könne (§§ 23 Abs. 3, 101 BetrVG). Derartige Möglichkeiten kenne das Personalvertretungsrecht nicht. Die Notwendigkeit, entsprechende Zwangsmaßnahmen vorzusehen, wurde für das Verhältnis zwischen öffentlichem Arbeitgeber und Personalvertretung auch verneint, weil der Staat, die öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts selbst im Wege der Dienstaufsicht und notfalls durch disziplinäre Maßnahmen sicherstellen könnten und müssten, dass dem Gesetz Genüge getan werde 6. Ausgehend von die2 BVerwG v. 6. 12. 1963-7 Ρ 17.62 - BVerwGE 17, 250, 252. 3 BVerwG v. 24. 10. 1975-7 Ρ 11.73 - BVerwGE 49, 259, 264 u. v. 15. 12. 1978-6 Ρ 13.78 - ZBR 1980, 59, 61; vgl. dazu schon Walter Grabendorff, Die Folgen fehlender oder fehlerhafter Beteiligung der Personalvertretungen, ZBR 1960, 97. 4 BVerwG v. 24. 10. 1975 (FN 3), 265. 5 Ζ. B. Grabendorff / Ilbertz / Widmaier, BPersVG, 9. Aufl., § 83, Rdnr. 24: im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren gehe es in der Regel nicht um die Durchsetzung von Ansprüchen oder um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechtsverhältnissen, sondern um die Klärung und Feststellung von Zuständigkeiten; die Personal Vertretung könne nicht die gerichtliche Verurteilung zur Unterlassung einer ohne die erforderliche Beteiligung beabsichtigten Maßnahme erreichen. 6 BVerwG v. 15. 12. 1978 (FN 3), 61, 62 u. ν 15. 3. 1995-6 Ρ 31.93 - BVerwGE 98, 77 = Buchholz 251.7 § 66 NW PersVG Nr. 4, 3, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass

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ser Grundsatzposition hat das BVerwG in seiner früheren Rechtsprechung die Durchsetzung von personalvertretungsrechtlichen Ansprüchen im personalvertretungsrechtlichen Gerichtsverfahren generell abgelehnt. Damit bestand eine eindeutige Zuständigkeitsabgrenzung: - In Angelegenheiten, in denen die Personalvertretung ein Mitbestimmungs- und die Einigungsstelle das Letztentscheidungsrecht hat, konnte der Inhalt dieser Maßnahme nicht im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren überprüft werden. Die Gerichte waren nur zur Rechtskontrolle befugt, d. h. sie durften nur überprüfen, ob die Einigungsstelle Gesetz und Recht, insbesondere die Haushaltsgesetze und die auf Grund der Gesetze erlassenen Rechtsvorschriften beachtet hatte7. - War eine Maßnahme unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts durchgefühlt worden, so war sie wegen dieses Rechtsverstoßes zwar wegen Rechtswidrigkeit rückgängig zu machen und der Dienstherr musste eine neue fehlerfreie Entscheidung unter ordnungsgemäßer Beteiligung der Personalvertretung treffen. Die gerichtliche Durchsetzung konnte aber nur der von der Maßnahme betroffene Beschäftigte im Verwaltungsstreitverfahren (Beamter) oder im arbeitsgerichtlichen Verfahren (Angestellter oder Arbeiter) erzwingen 8. - Im personalvertretungsrechtlichen Beschluss verfahren konnte, abgesehen von den gesetzlich festgelegten Ausnahmen (z. B. Wahlanfechtung, Ausschluss eines Personalratsmitglieds, Auflösung des Personalrats; Ersatz von Schulungskosten eines Personalratsmitglieds) lediglich festgestellt werden, ob die Beteiligungsrechte der Personal Vertretung verletzt worden waren. Eine gerichtliche Durchsetzung mittels eines Leistungsantrags und einem entsprechenden Urteil war nicht möglich; auch hatte die Personal Vertretung nicht die Möglichkeit, gegenüber dem Dienststellenleiter die Unterlassung oder Rückgängigmachung einer unter Verletzung der Beteiligungsrechte getroffenen Maßnahme gerichtlich durchzusetzen.

eine Zwangsdurchsetzung personalvertretungsrechtlicher Beteiligungsverhältnisse mit Hilfe einer Gerichtsentscheidung im Beschlussverfahren nicht zulässig sei; zur Rspr. des BAG vgl. BAGv. 22. 2. 1983-1 ABR 27/81 - BAGE 42, 11 u. v. 18. 4. 1985-6 ABR 19/84 - В AGE 48, 246, 251. 7 BVerwG v. 21. 10. 1983-6 Ρ 24.81 - BVerwGE 68, 116 u. v. 28. 6. 2000-6 Ρ 1.00 BVerwGE 111,259, 262. 8 BVerwG v. 13. 11. 1986-2 С 20.84 - BVerwGE 75, 138; in diesem Sinne auch BVerwG v. 29. 10. 1991-6 PB 19.91 - PersR 1992, 24; ebenso Grabendorff {FN 3), 97 ff. mit zahlreichen Hinweisen auf die frühere Rechtsprechung und das Schrifttum.

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2. Wandel in der Rechtsprechung des BVerwG Von diesen Überlegungen hat sich das BVerwG - zuerst vorsichtig - in einem sog. obiter dictum, d. h. in einer Passage der Begründung, die für die Entscheidung des Falles nicht erheblich war, in dem Beschluss vom 27. 7. 19909, dann aber in späteren Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung10 entfernt. Es hat nicht mehr in allen Fällen die gerichtliche Durchsetzung personalvertretungsrechtlicher Ansprüche verneint, sondern es hat nunmehr den Beteiligten des personalvertretungsrechtlichen Verfahrens in den Beteiligungsrechten wurzelnde gerichtlich durchsetzbare verfahrensrechtliche Erfüllungsansprüche zuerkannt. Dies wurde damit begründet, dass zur Verwirklichung und Durchsetzung des Rechts der Personalvertretungen auf Teilhabe am verwaltungsinternen Entscheidungsverfahren mit dem personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ein besonderer gerichtlicher Verfahrens weg eröffnet worden sei. Hier gehe es - abgesehen von der Ausnahme des § 9 BPersVG - typischerweise nicht um die individuellen Rechtsbeziehungen der Beschäftigten zum öffentlichen Arbeitgeber oder um sonstige materielle Rechte, sondern in erster Linie um das Innenrecht in Gestalt der Beteiligungsrechte des Personalrats. Dieser Eigenart des Personalvertretungsrechts entspreche es, dass hier selbständig geltend zu machende Verfahrensansprüche anerkannt werden könnten. In dem Beschluss vom 28. 6. 2000 ist das BVerwG noch weiter gegangen und hat u. a. im Zusammenhang mit der Erörterung der (nicht bestrittenen) Zulässigkeit, rechtswidrige Beschlüsse der Einigungsstelle „kassatorisch zu beseitigen", ausgeführt, das (personalvertretungsrechtliche) Beschlussverfahren diene u. a. auch der Durchsetzung konkreter Rechtspositionen des sog. Innenrechts und nicht nur der Klärung von Zuständigkeiten. So gesehen sei das Beschlussverfahren kein sog. „objektives Verfahren" 11.

3. Folgen der gewandelten Rechtsprechung des BVerwG Diese neue Bewertung des Inhalts des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens hatte folgende nicht unerhebliche praktische Auswirkungen für die gesamte personalvertretungsrechtliche Rechtsprechung: 9 6 PB 12.89 - ZBR 1990, 354 m. Anm. Hartmut Albers, ZBR 1990, 356; ders., PersV 1993,487. 10 BVerwG v. 20. 1. 1993-6 Ρ 18.90 - Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr. 14, v. 18. 5. 1994-6 Ρ 27.92 - Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr. 16, v. 19. 7. 1994-6 Ρ 33.92 - Buchholz 251.9 § 80 SaarPersVG Nr. 1, v. 16. 9. 1994-6 Ρ 32.93 - ZfPR 1995, 5, v. 22. 12. 1994-6 Ρ 12.93 - Buchholz 250 § 46 BPersVG Nr. 26, v. 28. 12. 1994-6 Ρ 35.93 Buchholz 250 § 69 BPersVG Nr. 28 u.v.15. 3. 1995 (FN 6). и BVerwG (FN 7), 262; das BVerwG stützt sich bei dieser Rechtsauffassung aber unzutreffend auf seinen Beschl. v. 15. 3. 1995 (FN 6), denn darin ist nicht die Aussage enthalten, das Beschlussverfahren sei kein „objektives Verfahren".

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a) Einstweilige Verfügungen im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren Hatten bis zu dem Beschluss vom 27. 7. 1990 die Verwaltungsgerichte den Erlass einstweiliger Verfügungen im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren unter Hinweis auf das objektive Verfahren, das grundsätzlich nur auf eine nachträgliche Feststellung gerichtet sei, fast einhellig abgelehnt12, werden jetzt durchweg einstweilige Verfügungen verfahrensrechtlichen Inhalts anerkannt und auch erlassen13. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung wird hauptsächlich in den Fällen relevant, in denen der Dienststellenleiter das Mitbestimmungsverfahren abgebrochen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ist der Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens durch den Dienststellenleiter (nur) dann zulässig, wenn der Personalrat seine Zustimmung mit einer Begründung verweigert, die offensichtlich so außerhalb des Rahmens des einschlägigen Mitbestimmungstatbestands liegt, dass sich die Verweigerung der Zustimmung als Rechtsmissbrauch darstellt 14. Diese Rechtsprechung hat manche Dienststellenleiter zu einer allzu großzügigen Auslegung und Anwendung dieses Instruments verleitet, so dass sie das Mitbestimmungsverfahren abgebrochen haben, obwohl der Ausnahmetatbestand des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs durch die Personalvertretung nicht gegeben war 15 . Wollte sich die Personalvertretung gegen den Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens zur Wehr setzen, so blieb ihr meist nichts übrig, als den zeitraubenden Weg des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens zu beschreiten, was dann im günstigsten Fall nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abbruchs des Mitbestimmungsverfahrens durch Gerichtsbeschluss ohne weitere Konsequenzen für den Dienststellenleiter zur Folge hatte, weil der Personalrat die Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens nicht erzwingen konnte. Da das Verfahren über drei Instanzen geht, waren bis zum Abschluss in der Regel bereits vollendete Tatsachen geschaffen und die streitige Maßnahme war vollzogen. Damit ging der Zweck dieses Gerichtsverfahrens, das der Klärung einer Streitfrage dienen soll, ins Leere. Durch die dargestellte neuere Rechtsprechung wird es nunmehr der Personalvertretung ermöglicht, durch eine einstweilige Verfügung den Dienststellenleiter zu 12 Statt vieler BayVGH v. 26. 3. 1990-18 PC 90.00861 - PersR 1990, 236; OVG Saarlouis v. 12. 7. 1989-4 W 1 /89 - PersR 1990, 15, 16; HessVGH v. 2. 12. 1987 - HPVTL 3351/87-ZBR 1989, 252. 13 OVG Berlin v. 18. 7. 1991 - OVG PV Bin 9.91 - PersR 1991, 422; BayVGH v. 5. 6. 1991 - 1 8 PE 91.00603 - PersR 1991, 420; OVG Bremen v. 31. 7. 1991 - OVG PV-B 4/91-PersR 1991, 355; OVG Schleswig v. 12. 11. 1993-12 Μ 2/93 - PersR 1994, 136 u. OVG Lüneburg v. 24. 2. 1993-18 Μ 6302/92 - PersR 1994, 30. 14 Zur Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung des Personalrats im Zusammenhang mit dem Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens vgl. ζ. B. BVerwG v. 12. 3. 1986-6 Ρ 5.85 - BVerwGE 74, 100 u.v. 17. 8. 1998-6 PB 4.98 - DokBer B. 1999, 10. 15 Vgl. dazu Willy Ilbertz, ZfPR 1998, 191. 37 FS Leuze

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verpflichten, das Beteiligungsverfahren einzuleiten oder ihm einstweiligen Fortgang zu geben, wenn dies zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes erforderlich ist und die Maßnahme tatsächlich und rechtlich rücknehmbar ist 16 . Voraussetzung ist allerdings, dass ein Obsiegen im Hauptprozess mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Ist die Mitbestimmung einer Maßnahme im Streit, muss aus der Sicht des Gerichts, das über den Antrag auf einstweilige Verfügung zu entscheiden hat, nahezu eine Gewissheit über die Mitbestimmungspflichtigkeit der Maßnahme bestehen. Auch im Falle des Abbruchs des Mitbestimmungsverfahrens ist Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, dass das Gericht zu der Erkenntnis gelangt, dass die Voraussetzungen für einen derartigen Abbruch nicht gegeben sind 17 . Aber auch in anderen Fällen, z. B. bei Pflichtverletzungen eines einzelnen Personalratsmitglieds wird die vorläufige Untersagung der Amtsausübung durch einstweilige Verfügung anerkannt, wenn die Pflichtverletzung von solcher Schwere ist, dass es dem Personalratsplenum nicht - auch nicht vorübergehend - zugemutet werden kann, eine weitere Betätigung des Personalratsmitglieds, insbesondere die Teilnahme an Sitzungen, hinzunehmen18.

b) Anspruch auf Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens Umstritten war lange Zeit auch die Frage, ob die Personalvertretung aus einer für sie günstigen Gerichtsentscheidung, mit der festgestellt wird, dass der Dienststellenleiter bei einer Maßnahme Beteiligungsrechte des Personalrats verletzt hat, daraus Ansprüche gegen den Dienststellenleiter herleiten kann. In der früheren Rechtsprechung des BVerwG wurde dies überwiegend aus den vorstehend dargelegten Gründen (I, 1) verneint 19. Dem folgte auch die übrige Rechtsprechung und die Literatur 20 . Das hat in nicht seltenen Fällen zu dem unbefriedigenden Ergebnis geführt, dass zwar die Personalvertretung im Gerichtsverfahren Recht bekommen, aber faktisch nicht Recht erhalten hat, denn in der Regel ist die beanstandete Maßnahme wegen des zeitaufwendigen Verfahrens nach der rechtskräftigen Gerichtsentscheidung längst vollzogen. Das BVerwG hat in seiner neueren Rechtsprechung diese Auffassung modifiziert und den Personalvertretungen nunmehr das Recht zugestanden, im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren die gerichtliche Feststellung zu erreichen, 16 BVerwG v. 27. 7. 1990 (FN 9) u.v. 15. 3. 1995 (FN 6). 17 OVG Berlin v. 27. 7. 1998-60 PV 7.98 - PersV 1999, 306. ι» OVG Lüneburg v. 15. 12. 1997-18 Μ 4676/97 - ZfPR 1998, 122. 19 BVerwG v. 8.7. 1959-6 С 288.57 - DVB1. 1959, 747 u.v. 13. 11. 1986 (FN 8). 20 VGH BaWü v. 2. 12. 1986-15 S 2499/86 -ZBR 1987, 224; ebenso Grabendorff/ Ilbertz / Widmaier (FN 5), § 83, Rdnr. 24; zweifelnd schon damals Grabendorff (FN 3), 103, der die Auffassung vertrat, die Dienststelle müsse eine unterbliebene Mitbestimmung nachholen und im Falle begründeter Verweigerung der Zustimmung die Maßnahme, wenn überhaupt möglich, zurücknehmen und die Folgen beseitigen.

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dass der Dienststellenleiter verpflichtet ist, die nachträgliche Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens und eine vollständige Unterrichtung des Personalrats zu verlangen, wenn das Beteiligungsverfahren zu Unrecht nicht durchgeführt worden ist. Voraussetzung ist allerdings, dass die zugrundeliegende Maßnahme tatsächlich und rechtlich noch rücknehmbar ist 2 1 . Dieses Ergebnis ist konsequent, wenn man der Rechtsauffassung des BVerwG folgt, dass das personalvertretungsrechtliche Gerichtsverfahren der Durchsetzung verfahrensrechtlicher Ansprüche der Personalvertretung dient. Voraussetzung ist, dass ein entsprechender Antrag gestellt wird, der darauf abzielt, festzustellen, dass der Dienststellenleiter verpflichtet ist, die Personalvertretung aus Anlass einer beabsichtigten Maßnahme in einer bestimmten Form zu unterrichten 2 2 , oder bei einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme, die ohne Beteiligung des Personalrats durchgeführt worden ist, das Mitbestimmungsverfahren nachträglich einzuleiten und ihn diesbezüglich vollständig zu unterrich-

I I I . Weitere Entwicklung 1. Wandel in der Rechtsprechung des BAG Das BAG hat in seiner neueren Rechtsprechung einen tief greifenden systematischen Wandel vollzogen. Es hatte früher die Auffassung vertreten, nur dann, wenn ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus dem BetrVG vorliege, könne der Betriebsrat nach § 23 Abs. 3 BetrVG die Unterlassung mitbestimmungswidriger Handlungen des Arbeitgebers verlangen. Darüber hinaus kenne das Betriebsverfassungsrecht keinen allgemeinen Anspruch des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung von Handlungen, die gegen Mitbestimmungsund Mitwirkungsrechte des Betriebsrates verstoßen 24. Von dieser Rechtsprechung hat sich das BAG in seinem Beschluss vom 3. 5. 1994 gelöst. Danach soll dem Betriebsrat bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 BetrVG auch dann ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zustehen, wenn ihr keine grobe Pflichtverletzung vorausgeht. Will der Arbeitgeber eine gemäß § 87 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme vornehmen, ohne vorher den Betriebsrat zu beteiligen oder bricht er unberechtigterweise das Mitbestimmungsverfahren ab, so kann dieser nach der neueren Rechtsprechung unabhängig von der Intensität des Verstoßes des Arbeitgebers auf Unterlassung der Maßnahme klagen, bis der mitbestimmungswidrige Zustand beseitigt ist, bis also das Mitbestimmungsverfahren durchgeführt ist. 21 22 23 24

BVerwG v. 15. 3. 1995 (FN 6). BVerwG v. 26. 1. 1994-6 Ρ 21.92 - BVerwGE 95,73. BVerwG v.l5. 3. 1995 (FN 6). BAGv. 22. 2. 1983 (FN 6).

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Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts auferlegten Verpflichtung, die mitbestimmungswidrige Maßnahme zu unterlassen, zuwider, können dann gegen ihn die für grobe Verstöße gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 und 3 BetrVG vorgesehenen Sanktionen (Ordnungsgeld, Zwangsgeld) verhängt werden. Begründet wird diese Änderung der Rechtsprechung im Wesentlichen damit, die besondere Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat billige dem Betriebsrat einen selbständigen Nebenleistungsanspruch zu, eine mitbestimmungswidrige Maßnahme zu unterlassen25.

2. Forderungen auf Übernahme der Grundsätze des BAG In der Literatur ist, nicht zuletzt unter Berufung auf die gewandelte Rechtsprechung des BAG, gefordert worden, die vorgenannten Grundsätze auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren anzuwenden. So wird insbesondere in den Fällen, in denen der Dienststellenleiter das Mitbestimmungsverfahren zu Unrecht abbricht, die Forderung erhoben, der Personalvertretung die Möglichkeit einzuräumen, ein gerichtliches Stillhaltegebot (Unterlassungsgebot) zu erreichen. Darüber hinaus soll der Personalvertretung, wenn die Maßnahme getroffen, aber noch nicht vollzogen ist, ein gerichtliches Rücknahmegebot und, falls die Maßnahme vollzogen ist, ein gerichtliches Rückgängigmachungsgebot zugestanden werden. Diese Möglichkeit soll der Personalvertretung nicht nur für das Verfahren der einstweiligen Verfügung, sondern auch für das Verfahren in der Hauptsache eingeräumt werden 26.

IV. Bewertung 1. Rechtlicher Charakter des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens Eine Antwort auf die Frage, welchen Charakter das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren hat und welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, setzt seine systematische Einordnung in das Gefüge der rechtlich zulässigen Antragsarten und Gerichtsverfahren voraus. Das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren unterscheidet sich grundsätzlich von den arbeits- und verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren. Obwohl der Personalrat der Vertreter und Wahrer der kollektiven Interessen der Beschäftigten ist, ist Gegenstand dieses Verfahrens nicht die 25 BAG v. 3. 5. 1994-1 ABR 24/93 - NJW 1995, 1044. 26 Dieter Bosch, Abbruch des Mitbestimmungs Verfahrens: Bewegt sich die Rechtsprechung doch?, ZfPR 2000, 121 ff.

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Durchsetzung individueller Ansprüche einzelner Beschäftigter gegen die Dienststelle. Diese Streitfragen entscheiden allein die Arbeitsgerichte bei Klagen der Arbeiter und Angestellten und die Verwaltungsgerichte bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis (§ 126 BRRG). Die Besonderheit des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens besteht darin, dass auch nicht - wie im Verwaltungsprozess eine natürliche oder juristische Person gegenüber dem Staat Ansprüche aus subjektiv-öffentlichen Rechten geltend macht. Aufgabe des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist es vielmehr, sicherzustellen, dass die gesetzlich garantierte Beteiligung der Personalvertretungen an den in den Personalvertretungsgesetzen im Einzelnen aufgeführten personellen, organisatorischen und sozialen Entscheidungen der Dienststelle gewährleistet und nicht verhindert oder konterkariert wird. Durch das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren soll demnach sichergestellt werden, dass das gesetzlich geregelte Beteiligungsverfahren (Mitbestimmung, Mitwirkung, Anhörung) korrekt durchgeführt wird. Der Inhalt der jeweiligen Maßnahme, an der der Personalrat beteiligt wird, ist dagegen nicht Gegenstand des Verfahrens. Hierüber entscheidet allein eine besondere Schiedsstelle, die Einigungsstelle, die je nach der rechtlichen Zuordnung der Maßnahme ein Letztentscheidungs- oder nur ein Empfehlungsrecht hat 27 . Nur in den wenigen gesetzlich festgelegten Ausnahmefällen (vgl. z. В.: Auflösungsanspruch eines Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber: § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG, Wahlanfechtung: § 25 BPersVG; Ausschluss aus dem Personalrat und Auflösung: § 28 BPersVG sowie Schutz der Mitglieder des Personalrats vor außerordentlichen Kündigungen: § 47 Abs. 1 BPersVG) und bei Kostenerstattungsansprüchen der Personal Vertretungen (§ 44 BPersVG) ist Gegenstand des personalvertretungsrechtlichen Beschluss Verfahrens die Durchsetzung

bestimmter aus dem Personalvertretungsrecht erwachsener Ansprüche. Das sind jedoch nur scheinbare Ausnahmen, denn diese Rechte sind „Hilfsfunktionen' 4 für die Ausübung der Beteiligungsrechte als „Kernstück der Interessenvertretung" zugunsten der Beschäftigten 28. Sie sollen die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Personalratstätigkeit gewährleisten. Die Möglichkeit, rechtswidrige Entscheidungen der Einigungsstelle im personalvertretungsrechtlichen Beschluss verfahren zu „kassieren" 29 , dient gleichfalls der Sicherung des Beteiligungsverfahrens, weil alle Partner des Personalvertretungsrechts einen Anspruch darauf haben, dass auch von der Einigungsstelle rechtmäßige Entscheidungen getroffen werden. 27 Zur Besetzung der Einigungsstelle und zur rechtlichen Einordnung der unterschiedenen Fallgruppen, über die sie entscheidet („soziale und innerdienstliche Maßnahmen ohne Außenwirkung", „innerdienstliche Maßnahmen, die den Amtsauftrag nur unerheblich berühren" und „innerdienstliche Maßnahmen, die schwerpunktmäßig die Erfüllung von Amtsaufgaben betreffen, unvermeidlich aber auch die Interessen der Beschäftigten berühren") vgl. BVerfGE 93, 37, 65 ff. 28 BVerwG v. 15. 3. 1995 (FN 6), 81. 29 BVerwG v. 13. 2. 1976-7 Ρ 4.75 - BVerwGE 50, 186, 198, v. 19. 12. 1990-6 Ρ 24.88 - Buchholz 251.2 § 86 Bin PersVG Nr. 1 u. v. 28. 6. 2000 (FN 7), 262.

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2. Vergleichbarkeit mit anderen Organstreitverfahren Zur rechtlichen Einordnung des personalvertretungsrechtlichen Beschluss Verfahrens lohnt sich ein Blick über den Zaun des Personal Vertretungsrechts. Rechtsdogmatisch gesehen ist das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren ein Organstreitverfahren. Kennzeichen dieser Verfahren ist es, dass sich in einem Innen-Rechtsstreit zwei gleichberechtigte Organe gegenüberstehen30, die über die ihnen zustehenden gegenseitigen Rechte oder Pflichten streiten. Das ist auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren der Fall. Die miteinander im Streit liegenden Organe des Personalvertretungsrechts, die Dienststelle und die Personalvertretung, sind gleichwertig und gleichberechtigt, denn auch die Personalvertretung ist eine Institution des öffentlichen Rechts und als solche Teil der Verwaltung. Ihr ist durch die Personalvertretungsgesetze die Teilhabe am öffentlich-rechtlichen Willensbildungsprozess durch Beteiligung an den Entscheidungen der Dienststelle garantiert 31. Die Streitfrage, ob Organklagen Verfahren sui generis oder In-Sich-Prozesse zwischen zwei gleichberechtigten Organen der Verwaltung sind 32 , kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Auch wenn dieses Verfahren als In-Sich-Prozess zu qualifizieren wäre, wäre es auf jeden Fall zulässig, weil diese Verfahrensart durch die Personalvertretungsgesetze, etwa durch § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG, wonach Gegenstand des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens Zuständigkeit, Geschäftsführung und Rechtsstellung der Personalvertretungen ist, ausdrücklich zugelassen ist 33 . Insoweit besteht eine Vergleichbarkeit mit den Kommunalverfassungsstreitigkeiten 34 . Diese Verfahren zielen ebenfalls auf die Überprüfung der Richtigkeit des organschaftlichen Funktionsablaufs in den Selbstverwaltungskörperschaften und nicht der Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung nach materiellem Recht ab. Gegenstand dieser Verfahren ist ebenso wie im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht die inhaltliche Kontrolle des Organhandelns, sondern die Klärung und Verteidigung organschaftlicher Rechte. Das sind die Rechtspositionen, die den Organen oder Organteilen des Kommunalrechts (z. B. Gemeindever30

Alexander Herbert, Die Klagebefugnis von Gremien, DÖV 1994, 108, 111 m.w. Nachw. 31 BVerfGE 93, 37, 69; BVerwG v. 12. 3. 1986-6 Ρ 5.85 - BVerwGE 74, 100, 106. 32 Zum Streitstand vgl. Herbert (FN 30), 109 f. 33 Zur Zulässigkeit von In-Sich-Prozessen und zur Frage der Zulässigkeit derartiger Klagen aufgrund gesetzlich eingeräumter Rechte vgl. BVerwG v. 14. 2. 1969-4 С 215.65 BVerwGE 31, 263, 267; v. 21. 6. 1974-4 С 17.72-BVerwGE45, 207, 209 u.v. 6. 11. 19918 С 10.90-NJW 1992, 927. 34 Vgl. dazu Herbert Bethge, Grundfragen innerorganisatonsrechtlichen Rechtsschutzes, DVB1. 1980, 309; Werner Hoppe, Die Regelung der verwaltungsrechtlichen Organstreitigkeiten - eine Aufgabe des Gesetzgebers, NJW 1980, 1017; Hans-Jürgen Papier, Die verwaltungsgerichtliche Organklage, DÖV 1980, 292; Wilderich Fehrmann, Kommunalverwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DÖV 1983, 311 mit zahlr. Nachw.; Herbert (FN 30); Dirk Ehlers, Die Klagearten und besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen im Kommunalverfassungsstreitverfahren, NVwZ 1990, 105.

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tretung, Fraktionen der Gemeindevertretung, Mitglied einer Gemeindevertretung) gegenüber den Kommunen oder gegenüber staatlichen Stellen durch die jeweiligen Kommunalverfassungen eingeräumt worden sind 35 . Durch sie werden im Binnenbereich der Gemeinden die zu beachtenden demokratischen Spielregeln garantiert 36 . Es handelt sich hierbei hauptsächlich um Informations-, Anhörungs-, Widerspruchs- und Entscheidungsrechte oder Rechte, wonach eine Behörde Entscheidungen nur im Einvernehmen mit diesen Gremien treffen darf 37 . Vergleichbare Rechte stehen auch den Personal Vertretungen mit den Mitbestimmungs-, Mitwirkungs- und Anhörungsrechten zu. Sowohl im Kommunalverfassungsstreit wie im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren wird daher im Wesentlichen um die Wahrung und Durchsetzung von Beteiligungsrechten an Entscheidungen der beteiligten Behörden im Binnenbereich gestritten 38.

V. Gerichtliche Geltendmachung der Beteilungsrechte 1. Grenzen der Geltendmachung Ebenso wie im kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahren muss im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren darauf geachtet werden, dass die Verwaltungsgerichte nicht das Gewaltenteilungsprinzip aufweichen und sich in den inhaltlichen Entscheidungsspielraum der Dienststelle einmischen39. Die Einschränkung, dass bei Entscheidungen von Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrags die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verantwortungsträgers gesichert sein muss40, gilt auch für die Verwaltungsgerichte. Hinzu kommt, dass der Personalrat Organ der Personalverfassung und nicht Vertreter oder Bevollmächtigter der einzelnen Beschäftigten ist und (nur) die kollektiven Interessen der Beschäftigten zu vertreten hat, sodass Gegenstand des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens nicht die individuellen Rechtsbeziehungen der Beschäftigten zum öffentlichen Arbeitgeber sein können41. Ein solcher „Außenrechtsstreit" wäre mit dem Charakter des personalvertretungsrechtlichen Beschluss Verfahrens als „Binnenrechtsstreit" zwischen Personal Vertretung und Dienststelle nicht zu vereinbaren. Deshalb kann die Personalvertretung im perso35 Zur Qualifikation der Kommunalverfassungsstreitverfahren und der organschaftlichen Rechte näher Rainer Wahl in Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Vorb. § 42 Abs. 2, Rdnrn. 118 ff.; Wahl/Schütz, ebenda, § 42 Abs. 2, Rdnrn. 91 ff. 36 Fehrmann (FN 34), 316. 37 Weitere Nachw.: Herbert (FN 30), 112. 38 Herbert (FN 30), 110 ff.; Kopp, VwGO, § 42, Rdnr. 44; Wahl/Schütz (FN 35), § 42 Abs. 2, Rdnrn. 91 ff. 39 Fehrmann (FN 34), 316. 40 BVerfGE 93, 37, 2. LS. 41 BVerwG v. 13. 2. 1976 (FN 29), 196 u. v. 15. 3. 1995 (FN 6), 81.

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nalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht die Durchsetzung von Einzelmaßnahmen der Dienststelle, die von Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrags sind, erzwingen oder der Dienststelle aufgeben, solche Maßnahmen zu unterlassen. Das kann im Falle der Rechtswidrigkeit nur der betroffene Beschäftigte selbst. Entsprechendes gilt auch für die Einzelmaßnahmen, die in ihrem Schwergewicht die Beschäftigten in ihrem Beschäftigungsverhältnis betreffen, die typischerweise nicht oder nur unerheblich die Wahrnehmung von Amtsaufgaben gegenüber dem Bürger berühren (etwa die meisten der in § 75 Abs. 3 BPersVG aufgeführten sozialen und innerorganisatorischen Maßnahmen). Diese rein innerdienstlichen Maßnahmen fallen auch nach der Rechtsprechung des BVerfG in die Zuständigkeit der Einigungsstelle42. In deren Befugnisse dürfen die Personalvertretungen und folglich auch die Verwaltungsgerichte nicht eingreifen. Sie haben nur die Befugnis, einen Beschluss der Einigungsstelle auf seine Rechtmäßigkeit, hingegen nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen 43.

2. Möglichkeiten der gerichtlichen Geltendmachung Daraus folgt, dass nicht nur im Kommunalverfassungsstreit, sondern auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nur Rechtspositionen gerichtlich geltend gemacht werden können, die sich aus der Teilhabe am Entscheidungsprozess im Innenverhältnis herleiten 44. Wird eine derartige Rechtsposition von der Dienststelle in der Weise in Frage gestellt, dass sie das Beteiligungsrecht der Personalvertretung bestreitet oder missachtet, so muss sich die Personalvertretung nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen gegen die Verletzung der ihr gesetzlich eingeräumten Rechte, wenn eine Einigung mit der Dienststelle nicht erzielt werden kann, gerichtlich zur Wehr zu setzen dürfen. Die Antwort auf die Frage, welche rechtlichen Instrumente ihr hierbei zur Verfügung stehen, ergibt sich aus dem jeweils anzuwendenden Gerichtsgesetz und aus der Systematik des Personalvertretungsrechts. Erst im nächsten Schritt ist darüber zu befinden, ob und in welcher Weise gegebenenfalls eine Gerichtsentscheidung gegenüber der Dienststelle durchgesetzt werden kann. Im Bund und in den Ländern mit Ausnahme von Rheinland - Pfalz, wo die VwGO gilt (§121 LPersVG), ist die gerichtliche Verfahrensordnung für das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren nicht die VwGO, sondern das ArbGG, das wiederum in § 46 auf die Klagearten der ZPO verweist. Klagearten sind nicht die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, sondern die Leistungs- und Feststellungsklage (§§ 253 ff. ZPO), die aber auch nach der VwGO zulässige Klagearten 42 BVerfGE 93, 37, 71. 43 BVerwG v. 13. 2. 1976 (FN 29), 198, v. 21. 10. 1983-6 Ρ 24. 81 - BVerwGE 68, 116, 118 u.v. 28. 6. 2000 (FN 7), 262. 44 Herbert{ FN 30), 110.

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sind (§ 43 VwGO). Gemäß § 83 Abs. 1 ArbGG gilt für das Beschlussverfahren die Besonderheit, dass es ein Antragsverfahren ist, bei dem es keine Kläger und Beklagte, sondern Verfahrensbeteiligte gibt. Im Übrigen kommen aber weitgehend die Vorschriften des Urteilsverfahrens zur Anwendung, sodass auch im Beschlussverfahren die wichtigsten Antragsarten der Feststellungs- und der Leistungsantrag sind. Daneben gibt es noch zwei weitere Antragsmöglichkeiten, die aber für die hier erörterte Thematik uninteressant sind, weil es sich um gesetzlich festgelegte Sonderfälle handelt. Es sind dies der Gestaltungsantrag (z. B. Wahlanfechtung, Auflösung des Personalrats und Ausschluss eines Personalratsmitglieds) und der Auflösungsantrag (§ 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG: Antrag des öffentlichen Arbeitgebers auf Auflösung eines Arbeitsverhältnisses eines Auszubildenden, das gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG begründet worden ist). Der Leistungsantrag dient der Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Anspruchs, mit dem der Antragsteller von einem anderen Verfahrensbeteiligten ein Tun oder Unterlassen fordert. Mit dem Feststellungsantrag wird die Klärung einer umstrittenen konkreten Rechtsfrage erstrebt. Unbestritten ist, dass Leistungsanträge zur Durchsetzung von materiell-rechtlichen Ansprüchen der Personalvertretungen gestellt werden können, etwa, wenn sie damit vom Dienststellenleiter Ersatz von Aufwendungen verlangen, die ihnen oder einem ihrer Mitglieder im Zusammenhang mit der Personalratstätigkeit erwachsen sind (z. B. § 44 BPersVG) oder wenn es um den Ersatz von Schulungskosten von Personalratsmitgliedern geht (§ 46 Abs. 6, 7 BPersVG). Auch im Kommunalverfassungsstreit wird die Zulässigkeit von Leistungsklagen im Innenrechtsstreit grundsätzlich anerkannt 45. Fraglich ist, ob im Personalvertretungsrecht andere Grundsätze gelten, die in einem Beteiligungsstreit Leistungsanträge ausschließen. Der Wortlaut der gerichtlichen Zuständigkeitsregelungen in den Personalvertretungsgesetzen ist neutral und sagt nichts darüber aus, mit welcher Antragsart Beteiligungsrechte geltend gemacht werden können (z. B. § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG, wonach die Verwaltungsgerichte über die Zuständigkeit, Geschäftsführung und Rechtsstellung der Personalvertretungen entscheiden). Entscheidend ist demnach, welche Anträge nach der Systematik des Personalvertretungsrechts zulässig sind. Nach der oben dargestellten früheren Rechtsprechung und der Auffassung vom personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren als einem „objektiven Verfahren" 46 wurde grundsätzlich nur der Feststellungsantrag mit dem Ziel der gerichtlichen Klärung beteiligungsrechtlicher Rechtspositionen zugelassen.

45 BVerwG v. 7. 3. 1980-7 В 58.79 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 179; Fehrmann (FN 34), 314; Papier (FN 34), 298; Herbert (FN 30), 113 m. zahlreichen Nachw. aus der Rspr. 46 Vgl. oben II 1.

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3. Klärungsbedürftige Fragen Auch nach der neueren Rechtsprechung, wonach auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren einstweilige Verfügungen zugelassen und unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens zugelassen worden ist 47 , bleiben insbesondere noch folgende Fragen offen: 1. Kann die Personalvertretung nicht nur im einstweiligen Verfügungsverfahren, sondern auch im Hauptsacheverfahren mit einem Unterlassungsantrag ein gerichtliches Stillhaltegebot des Inhalts erreichen, dass der Dienststelle die Durchführung einer Maßnahme untersagt wird, bis das Beteiligungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist? 2. Kann der Personalrat weiter mit einem Leistungsantrag sicherstellen, dass eine Maßnahme rückgängig gemacht wird, wenn sie ohne Beteiligung der Personalvertretung erlassen worden ist, wobei zu unterscheiden ist, ob die Maßnahme bereits vollzogen ist oder nicht? 3. Steht dem Personalrat ein Initiativrecht zu, mit dem er den Dienststellenleiter zur Einleitung eines bestimmten Mitbestimmungsverfahrens gegebenenfalls gerichtlich zwingen kann?

Frage 1 - Unterlassungsanspruch des Personalrats? Die Antwort auf die erste Frage muss m.E. positiv ausfallen. Ergibt sich aus dem Personalvertretungsrecht, dass eine bestimmte Maßnahme nur mit Zustimmung des Personalrats getroffen werden darf und verstößt der Dienststellenleiter dagegen, indem er den Personalrat nicht beteiligt, so entsteht eine „personalvertretungsrechtswidrige" Lage. Dass der Gesetzgeber diese auch nur zeitweise dulden und einen Unterlassungsanspruch ausschließen wollte, ist nicht ersichtlich 48. Wenn die Personalvertretung in diesen Fällen mit einem Leistungsantrag erreichen will, dass der Dienststellenleiter sie beteiligt oder mit einem Unterlassungsantrag verhindern will, dass er vollendete Tatsachen schafft, ehe er ihre Zustimmung zu der Maßnahme eingeholt hat, so nimmt sie auch nicht in unzulässiger Weise auf den Inhalt der Maßnahme Einfluss, denn sie verhindert mit ihrem Antrag nur den sofortigen Vollzug der Maßnahme, weil der Dienststellenleiter nunmehr gezwungen wird, das abgebrochene oder nicht eingeleitete Beteiligungsverfahren durchzuführen, wenn er die beabsichtigte Maßnahme umsetzen will. Das entspricht Sinn und Zweck des Beteiligungsverfahrens 49. Dagegen könnte allerdings eingewandt werden, dass mit einer Gerichtsentscheidung, wonach es dem Dienststellenleiter auf47 Vgl. oben II 3 b). 48 So BAG v. 3. 5. 1994 (FN 25), 1046 zum BetrVG; die Rechtslage unterscheidet sich insoweit nicht von der des Personal Vertretungsrechts. 49 In diesem Sinne BAG ν. 3. 5. 1994 (FN 25), 1046.

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gegeben wird, eine Maßnahme nicht zu treffen, bis das Beteiligungsverfahren durchgeführt worden ist, eine nicht unerhebliche Verfahrensverzögerung eintreten kann mit dem Ergebnis, dass der Dienststellenleiter zumindest zeitweise in seiner Entscheidungsbefugnis eingeschränkt ist. Auf der anderen Seite würden die Beteiligungsrechte der Personalvertretungen konterkariert, wenn der Dienststellenleiter diese ohne jegliche Sanktion verletzen dürfte. Wenn nach der neueren Rechtsprechung der Dienststellenleiter im Wege einer einstweiligen Verfügung verpflichtet werden kann, das Beteiligungsverfahren einzuleiten oder ihm einstweiligen Fortgang zu geben50, so müssen diese Grundsätze auch für das Hauptsacheverfahren gelten, zumal nach dieser Rechtsprechung einstweilige Verfügungen nur dann zulässig sind, wenn ein Obsiegen im Hauptprozess mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Frage 2 - Anspruch auf Rückgängigmachung einer ohne Beteiligung der Personalvertretung erlassenen Maßnahme? Bei Frage 2 sind zwei Varianten zu unterscheiden: Ist die Maßnahme noch nicht vollzogen, so kann die Personalvertretung die Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens erzwingen. Aus denselben Gründen wie bei der ersten Fallgestaltung muss es dem Personalrat erlaubt sein, gerichtlich einen mitbestimmungswidrigen Zustand zu beseitigen. Mit einem derartigen Antrag bleibt die Personalvertretung auch noch im Rahmen ihrer Zuständigkeit, denn sie greift nicht in den Inhalt der Maßnahme ein. Zu diesem Ergebnis ist auch das BVerwG in der oben zitierten Rechtsprechung gekommen51. Allerdings hat es hier als zulässige Antragsart den Feststellungsantrag mit der Begründung zugelassen, dies ergebe sich unmittelbar aus den Personal Vertretungsgesetzen. Ein Feststellungsantrag könne auch dann zur Anwendung kommen, wenn eine Leistung begehrt werde und zwar dann, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führe. In diesem Fall werde von den Behörden, öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts erwartet, dass sie sich schon einem Feststellungsurteil beugen52. Mit anderen Worten hat das Gericht damit einen Leistungsantrag als die richtige Antragsart anerkannt, aber auch einen Feststellungsantrag für zulässig erachtet, weil damit im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren dasselbe Ergebnis erreicht werde. Problematisch ist Variante 2, wenn nämlich der Dienststellenleiter die Maßnahme bereits vollzogen hat, ohne dass die Personalvertretung beteiligt worden ist, obwohl es sich um einen Fall der Mitbestimmung handelte. Hier wird zwar wie in 50 Vgl. vorstehend II 3a). 51 Vgl. vorstehend II 3b). 52 BVerwG v. 15. 3. 1995 (FN 6).

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den anderen vorstehend erörterten Fällen das Beteiligungsrecht der Personalvertretung verletzt, sodass ein mitbestimmungswidriger Zustand besteht. Anders als bei Variante 1, wo die Maßnahme noch nicht vollzogen ist, kann hier der Dienststellenleiter aber nicht gezwungen werden, das Mitbestimmungsverfahren nachzuholen. Dies ergäbe nur dann einen Sinn, wenn gleichzeitig die Maßnahme aufgehoben und erneut unter Beteiligung des Personalrats entschieden würde, wie es im Falle einer Klage des betroffenen Beschäftigten zulässig ist 53 . Damit würde aber in den Inhalt der vollzogenen Maßnahme eingegriffen. Das ist aber mit den vorstehend dargelegten Grundsätzen, dass im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nur über Beteiligungsrechte und nicht über den Inhalt der zugrundeliegenden Maßnahme gestritten und entschieden werden darf, nicht zu vereinbaren. Das mag zwar aus der Sicht der Personal Vertretungen unbefriedigend sein, weil der Verstoß des Dienststellenleiters gegen ihre Beteiligungsrechte ohne Sanktion bleibt. Dieses Ergebnis muss aber hingenommen werden, weil ansonsten die Grenzen des „Innenrechtsstreits" überschritten und das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren zum „Außenrechtsstreit" über den Inhalt der dem Beteiligungsverfahren zugrundeliegenden Einzelmaßnahme gemacht würde.

Frage 3 - Initiativantrag

der Personalvertretung

Zur Frage 3 ist Folgendes zu bemerken: Macht der Personalrat von seinem Initiativrecht Gebrauch und beantragt er eine Maßnahme, die seiner Mitbestimmung unterliegt (z. B. gemäß § 70 Abs. 1 BPersVG), so darf dieser Antrag nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG nicht auf eine konkrete Maßnahme abzielen, sondern er muss sich darauf beschränken, die Dienststelle zu veranlassen, eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme einzuleiten. Diese Beschränkung wird mit der bereits dargelegten Erwägung begründet, der Personalrat sei nicht Vertreter und Sachwalter des einzelnen Beschäftigten 54. Diese Auffassung entspricht dem Wesen des organschaftlichen Binnenrechtsstreits, in dem nur über Beteiligungsrechte und nicht über den Inhalt von Einzelansprüchen entschieden werden kann. Aus denselben Gründen wie bei Frage 1 kann die Personalvertretung ihren Initiativantrag auch mit einem Leistungsantrag geltend machen. Allerdings zeigt die Entscheidung v. 11.7. 199555, dass die Grenze zwischen zulässiger Geltendmachung eines Beteiligungsrechts und unzulässigem Abzielen auf eine konkrete Maßnahme nicht einfach zu ziehen ist. Das BVerwG hat darin einen Initiativantrag der Personalver53 BVerwG v. 13. 11. 1986 (FN 8). 54 BVerwG v. 13. 2. 1976-7 Ρ 9.74 - BVerwGE 50, 176, 183, v. 13. 2. 1976 (FN 29), 196, v. 25. 10. 1983-6 Ρ 22.82 - BVerwGE 68, 137 u.v. 11. 7. 1995-6 Ρ 22.93 - BVerwGE 99, 69,71. 55 (FN 54), 69; in diesem Sinne auch BVerwG v. 24. 10. 2001 - 6P 13.00 - PersV 2002, 260, wonach das Initiativrecht des Personalrats (nach § 66 Abs. 4 NWPersVG) auch dazu berechtigen soll, beim Dienststellenleiter personelle Maßnahmen zu Gunsten einzelner, namentlich benannter Beschäftigter zu beantragen.

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tretung, mit dem sie darauf hinwirkte, dass die Dienststelle vorhandene freie Stellen nicht ohne rechtlichen oder tatsächlichen Grund unbesetzt lässt, für zulässig gehalten. Es hat zwar ausdrücklich klargestellt, dass der Personalrat nicht die Beförderung bestimmter Beamter verlangen könne. Das ist aber meist Theorie, weil in der Regel feststeht, welche Beamten für diese Maßnahme in Betracht kommen. Mit einem derartigen Antrag wird die Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters nicht unerheblich eingeschränkt, weil er damit faktisch gezwungen wird, das Mitbestimmungsverfahren bezüglich der in Frage kommenden Kandidaten für die Beförderung einzuleiten.

4. Durchsetzung der Gerichtsentscheidungen? Letztlich entscheidend für die Charakterisierung des organschaftlichen Streitverfahrens ist die Frage, ob die Personalvertretung einen Leistungsanspruch, den sie gegen die Dienststelle in einem der vorgenannt dargestellten Punkten erstritten hat, auch gegen die Dienststelle gegebenenfalls zwangsweise durchsetzen kann. Das ist schon deshalb fraglich, weil die PersVG anders als das BetrVG (§§23 Abs. 3, 101 ) 5 6 keine Sanktionsmöglichkeiten gegen den Dienststellenleiter vorsehen, mit dem sie diesen zur Vornahme einer unterlassenen Beteiligung durch die Personalvertretung zwingen können. Andererseits lässt § 85 ArbGG, der entsprechend im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren zur Anwendung kommt, eine Zwangsvollstreckung nach dem Beschluss verfahren durchaus zu 57 . Einer zwangsweisen Durchsetzung eines Beteiligungsanspruchs steht jedoch entgegen, dass die Dienststellen, anders als die privaten Arbeitgeber kraft Amtspflicht und auf Grund der spezifischen Bindungen des Art. 20 Abs. 3 GG auch ohne dahinter stehenden Vollstreckungsdruck gehalten sind, gerichtliche Entscheidungen zu respektieren, sodass eine Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung eines Beteiligungsrecht gegen sie nicht in Betracht kommen kann 58 . Diese Auffassung wird auch in der Literatur geteilt, wobei allerdings eine Zwangsvollstreckung, die das Ziel hat, bewegliche Sachen herauszugeben oder Zahlungen zu erzwingen (z. B. für eine Personalratstätigkeit gemäß § 44 BPersVG), für zulässig gehalten wird 5 9 . Aber auch in diesen Fällen ist eine Zwangsvollstreckung problematisch, weil die Dienststelle bei einem auf Zahlung oder Herausgabe lautenden rechtskräftigen Ti56 Vgl. oben II 1. 57 In diesem Sinne wohl Bosch (FN 26), 122. 58 St. Rspr. vgl. BVerwG v. 27. 10. 1970-6 С 8.69 - BVerwGE 36, 179, 181 u.v 15. 3. 1995 (FN 6); BAG ν. 14. 7. 1954- 1 AZR 89/54 - BAGE 1, 60, 62, v. 5. 3. 1958-4 AZR 501/55 - BAGE 6, 140, 142, v. 20. 1. 1960-4 AZR 501 /57 - BAGE 8, 333, 335 u. v. 23. 2. 1962-1 AZR 25/61 - BAGE 12, 290, 292, die aus diesen Gründen an Stelle einer Leistungsklage auch eine Feststellungsklage zulassen. 59 Fischer/Goeres BPersVG, Komm., § 83, Anh. 7 zu § 83 ArbGG, Rdnrn., 3, 4; Ulrich Widmaier, Zwangsvollstreckung aus Beschlüssen der Fachgerichte in Personalvertretungsangelegenheiten, ZfPR 2000, 124 ff.

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tel in gleicher Weise zu dessen Befolgung verpflichtet ist wie bei einem Streit über ein Beteiligungsrecht. Es ist auch kaum vorstellbar und wäre auch schwerlich mit dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu vereinbaren, wenn der Personalrat etwaige Geldforderungen gegenüber der Dienststelle durch einen Gerichtsvollzieher eintreiben lassen würde. Dasselbe gilt für gestaltende Entscheidungen wie die Erklärung der Ungültigkeit einer Personalrats wähl, die Auflösung des Personalrats oder der Ausschluss eines Personalratsmitglieds aus dem Personalrat. Auch sie sind nicht vollstreckungsfähig 60.

VI. Zusammenfassung Nachdem die Rechtsprechung und in ihrem Gefolge auch die Literatur ihre früher vertretene Auffassung, im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren seien einstweilige Verfügungen zur Durchsetzung von Beteiligungsrechten der Personalvertretung nicht zulässig, aufgegeben hat, ist auch die materielle Begründung dafür, dass das Beschlussverfahren ein „objektives Verfahren" sei, das abgesehen von wenigen Ausnahmen, (nur) der Klärung von Zuständigkeiten und von personalvertretungsrechtlichen Befugnissen diene und gestaltende Entscheidungen bei Wahlanfechtung, Auflösung des Personalrats oder Ausschluss eines Personalratsmitglieds zum Inhalt habe, entfallen. Die damit verbundene Konsequenz, dass bei Streitigkeiten über Beteiligungsrechte nur eine Feststellung des jeweiligen Rechts in Betracht kommt, findet in den verfahrensrechtlichen Vorschriften des ArbGG und der VwGO keine Grundlage. Auch in anderen Organstreitigkeiten, die innerhalb der Verwaltung stattfinden wie beispielsweise im Kommunalstreitverfahren ist die Leistungsklage als Klageart zugelassen61. Deshalb kann neben dem Feststellungsantrag auch im Beteiligungsrechtsstreit in den vorstehend dargestellten Fällen 62 das Ziel auch mit einem Leistungs- oder Unterlassungsantrag erreicht werden. Damit kann nicht mehr von einem „objektiven Verfahren" in dem Sinne gesprochen werden, dass nur Feststellungsanträge mit klärendem Inhalt gestellt werden dürfen. Im Ergebnis ist es aber ohne praktischen Belang und mehr oder weniger ein semantischer Streit, ob in derartigen Streitigkeiten nur Feststellungs- oder auch Leistungs- bzw. Unterlassungsanträge zugelassen werden sollen, weil eine Zwangsvollstreckung aus Titeln, die in diesen Verfahren erstritten werden, gegen die Behörden, die kraft ihres Amtsauftrags dazu verpflichtet sind, rechtskräftige Gerichtsentscheidungen zu respektieren, nicht zulässig ist. Unabhängig davon ändert sich aber nichts an dem Grundsatz, dass diese Verfahren nicht der Durchsetzung individueller Ansprüche einzelner Beschäftigter dienen. Es bleibt nach 60 Fischer/Goeres 61 Fischer/Goeres 62 Oben V 3.

(FN 59), § 83, Anh. 7 zu § 83 ArbGG, Rdnr. 4. (FN 59), § 83, Anh. 7 zu § 83 ArbGG, Rdnr. 52.

Personalvertretungsrechtliches Beschluss verfahren - ein „objektives Verfahren"?

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wie vor Aufgabe des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens, sicherzustellen, die in den Personal Vertretungsgesetzen garantierte Beteiligung der Personalvertretungen an den in diesen Gesetzen im Einzelnen aufgeführten personellen, organisatorischen und sozialen Entscheidungen der Dienststelle zu gewährleisten, ohne dass der Inhalt der jeweiligen Maßnahme Gegenstand des Verfahren ist.

Die Rechtsstellung der Honorarprofessoren Hans-Wolfgang

Waldeyer

I. Einleitung Der Jubilar hat sich nicht nur als Kanzler und Universitätsprofessor einen Namen gemacht, sondern ihm wurde auch im Januar 1999 von der Ruhr-Universität Bochum wegen seiner hervorragenden Leistungen in der beruflichen Praxis, Lehre und Forschung die akademische Bezeichnung „Honorarprofessor" verliehen. Der besondere Rang dieser Auszeichnung wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass im Jahre 1999 nur 752 Honorarprofessoren an den deutschen Universitäten lehrten.1 Da es zur Rechtsstellung der Honorarprofessoren nur wenige Gerichtsentscheidungen und Publikationen gibt, stellt Thieme 2 zutreffend fest, dass „für alle einschlägigen Rechtsfragen viele Unsicherheiten" bestehen. Diese zumindest teilweise zu klären, soll im Rahmen des vorliegenden Beitrags versucht werden.

II. Zugehörigkeit der Honorarprofessoren zum nebenberuflich tätigen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal 1. Rahmenrechtliche Vorgabe Die nebenberufliche Tätigkeit der Honorarprofessoren ergibt sich aus § 42 Satz 1 HRG. In dieser Vorschrift werden sie nicht dem hauptberuflich tätigen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal der Hochschule zugerechnet. Hieraus kann im Wege des Umkehrschlusses gefolgert werden, dass die Honorarprofessoren zum nebenberuflich tätigen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal der Hochschule gehören. Dies bedeutet, dass der Umfang ihrer Lehrtätigkeit insgesamt die Hälfte des Umfangs vergleichbarer hauptberuflich tätiger Professoren nicht erreichen darf. 3 1

Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, R 4.4, 1999. 2 Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, Rdnr. 521. 38 FS Leuze

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Hans-Wolfgang Waldeyer

2. Umsetzung in Landesrecht In Übereinstimmung mit dem HRG wird in den Hochschulgesetzen der Länder die nebenberufliche Tätigkeit der Honorarprofessoren festgelegt. Die geschieht zum Teil expressiv verbis im Rahmen der Regelung ihrer Rechtsstellung,4 zum Teil durch die Zuordnung der Honorarprofessoren zur Rubrik der nebenberuflich wissenschaftlich und künstlerisch Tätigen.5 In einigen Hochschulgesetzen ergibt sich die nebenberufliche Wahrnehmung der Honorarprofessur aus der Regelung des zeitlichen Umfangs der Lehrtätigkeit. 6 In den Hochschulgesetzen von Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen ist der nebenberufliche Charakter der Honorarprofessur nicht festgelegt. Die einschlägigen landesgesetzlichen Regelungen7 sind aber hochschulrahmengesetzkonform dahingehend auszulegen, dass die Honorarprofessur nur nebenberuflich wahrgenommen werden kann.

III. Bestellungsvoraussetzungen Die Voraussetzungen für die Bestellung zum Honorarprofessor sind in zwölf Ländern für alle Hochschularten einheitlich geregelt.8 Hochschulartspezifische Bestellungsvoraussetzungen gibt es lediglich in Baden-Württemberg, 9 Bayern, 10 Rheinland-Pfalz 11 und im Saarland. 12 Festzustellen ist, dass in allen Ländern auch den Fachhochschulen und Kunsthochschulen die Möglichkeit der Honorarprofessur eingeräumt worden ist. Hiervon ist aber an diesen Hochschulen nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht worden. An den Fachhochschulen gab es im Jahre 1999 106 und an den Kunsthochschulen 116 Honorarprofessoren. 13 Die Be3 Vgl. Dellian, in: Dallinger, Hochschulrahmengesetz, 1978, § 42 Rdnr. 4; Hauck, in: Denninger, HRG, § 42 Rdnr. 10 und 11. 4 §§ 50 Abs. 1 RPfFGH, 55 Abs. 1 Satz 1 SHG, 56 Abs. 1 Satz 1 SAHG,100 Abs. 1 Satz 1 SHHG. 5 §§ 78 BWUG, 43 Abs. 2 BWPHG, Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayHSchLG, §§ 114 Nr. 1 BerlHG, 51 BbgHG, 47 Abs. 2 NHG, 31 Abs. 1 und 2 MVHG, 58 RPfUG, 40 Abs. 2 Nr. 1 SAHG. 6 §§ 25 Abs. 2 Satz 2 BremHG, 56 Abs. 2 Satz 1 SaUG, 40 Abs. 2 Satz 1 SaFHG, 60 Abs. 1 Satz 3 ThürHG. 7 §§ 17 HmbHG, 88 HeHG, 53 NWHG. 8 §§ 116 Abs. 1 BerlHG, 52 Abs. 1 BbgHG, 25 Abs. 1 BremHG, 17 Abs. 1 HmbHG, 88 Abs. 1 HeHG,52 Abs. 1 Satz 1 MVGH, 73 Abs. 1 Satz 1 NHG, 53 Abs. 2 NWHG, 33 Abs. 3 NWKHG, 55 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SHG, 56 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SAHG, 100 Abs. 1 Satz 1 SHHG, 60 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ThürHG.

9 §§ 79 Abs. 1 BWUG, 50 Abs. 2 Satz 1 BWFHG, 54 Abs. 2 Satz 1 BWPHG, 56 Abs. 3 Satz 1 BWKHG. 10 Art. 28 Abs. 1 und 2 BayHSchLG. и §§58 Abs. 1 Satz 1 RPfUG, 50 Abs. 1 RPfFHG. 12 §§ 56 Abs. 1 Satz 1 SaUG, 40 Abs. 1 Satz 1 SaFHG, 49 Abs. 2 Satz 1 SaMHG.

Die Rechtsstellung der Honorarprofessoren

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hauptung von Evers, 14 dass durch die Erstreckung der Honorarprofessur auf Fachund Kunsthochschulen die mit ihr verbundene Ehrung an Glanz verloren habe, trifft daher nicht zu.

1. Wissenschaftliche oder künstlerische Qualifikation a) Deckungsgleichheit mit der Qualifikation

der Professoren

In einigen Hochschulgesetzen wird vorausgesetzt, dass die Honorarprofessoren die Einstellungsvoraussetzungen für Professoren in vollem Umfang erfüllen müssen.15 Dies bedeutet in Bezug auf die Honorarprofessoren der Universität jedoch nicht, dass sie eine Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen vorweisen müssen. Es reichen auch besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer mindestens fünfjährigen beruflichen Praxis aus, von der mindestens drei Jahres außerhalb des Hochschulbereichs ausgeübt worden sein müssen.16 Soweit es der Eigenart des Faches entspricht, kann auch an Universitäten zum Honorarprofessor bestellt werden, wer hervorragende fachbezogene Leistungen in der Praxis und pädagogische Eignung nachweist.17

b) Vergleichbarkeit

mit der Qualifikation

der Professoren

In den Hochschulgesetzen der Länder wird bei der Bestellung zum Honorarprofessor überwiegend eine Qualifikation vorausgesetzt, die zwar nicht in jeder Hinsicht den Einstellungsvoraussetzungen für Professoren entspricht, aber mit der Qualifikation der Professoren vergleichbar ist. Zum Honorarprofessor kann bestellt werden, wer wissenschaftliche, berufspraktische oder künstlerische Leistungen vorweisen kann, die den Anforderungen entsprechen, die an Professoren gestellt werden. 18 Eine Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen sind lediglich in Bezug auf die Honorarprofessoren an den bayerischen Universitäten 13 Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, R4.4, 1999. 14 HdbWissR, 1. Aufl. 1982, S. 472. 15 §§ 79 Abs. 1 BWUG, 58 Abs. 1 Satz 1 RPfUG, 50 Abs. 1 RPfFHG, 49 Abs. 1 Satz 1 SaMGH, 55 Abs. 2 Satz 1 SHG, 56 Abs. 2 Satz 1 SAHG. 16 §§ 79 Abs. 1 i.V.m. 65 Abs. 1 Nr. 4 b BWUG, 55 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 40 Abs. 2 Nr. 4 b SHG, 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 42 Abs. 2 Nr. 4 b SAHG. 17 §§ 79 Abs. 1 i.V.m. 65 Abs. 4 BWUG, 58 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 46 Abs. 3 RPfUG, 55 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 40 Abs. 6 SHG. 18 Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BayHSchLG, §§ 116 Abs. 1 Satz 1 BerlHG, 52 Abs. 1 Satz 1 BbgHG, 25 Abs. 1 BremHG, 17 Abs. 1 HmbHG, 88 Abs. 1 HeHG, 52 Abs. 1 Satz 1 MVHG, 73 Abs. 1 Satz 1 NHG, 53 Abs. 2 NWHG, 33 Abs. 3 NWKHG, 56 Abs. 1 Satz 1 SaUG, 40 Abs. 1 Satz 1 SaFHG, 100 Abs. 1 Satz 1 SHHG, 60 Abs. 1 Satz 1 ThürHG. 3

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eine unverzichtbare Bestellungsvoraussetzung.19 In anderen Ländern kommen als Alternative zur Habilitation auch besondere wissenschaftsbezogene berufspraktische Leistungen in Betracht. 20 Besonders betont werden die hervorragenden wissenschaftsbezogenen berufspraktischen Leistungen, die bei der Bestellung zum Honorarprofessor vorausgesetzt werden, in den Hochschulgesetzen von Hessen,21 Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Auf eine Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen wird dagegen in den Hochschulgesetzen dieser Länder bei der Bestellung der Honorarprofessoren verzichtet. In Nordrhein-Westfalen 25 kann die Bezeichnung „Honorarprofessor" auch Personen verliehen werden, die hervorragende Leistungen in Forschung, Kunst und Lehre erbringen, die den Anforderungen für hauptberufliche Professoren entsprechen. Wie eine Person gleichzeitig hervorragende Leistungen in Forschung und Kunst erbringen kann, bleibt das Geheimnis des nordrhein-westfälischen Gesetzgebers.

c) Qualifikation

eines Lehrbeauftragten

An den Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen Baden-Württembergs 26 kann Lehrbeauftragten, die über einen längeren Zeitraum erfolgreich tätig waren, die Bezeichnung „Honorarprofessor" verliehen werden. Dies bedeutet, dass für eine Honorarprofessur die Qualifikation eines Lehrbeauftragten ausreicht. In Baden-Württemberg können Lehraufträge an Personen erteilt werden, die nach Vorbildung, Fähigkeit und fachlicher Leistung dem für sie vorgesehenen Aufgabengebiet entsprechen.27 Lehrbeauftragte müssen somit nicht die Qualifikationsvoraussetzungen für Professoren erfüllen. 28 Die Regelungen der §§54 Abs. 2 Satz 1 BWPHG, 50 Abs. 2 Satz 1 BWFHG sind daher als verfehlt anzusehen. Es stellt 19 Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayHSchLG. 20 §§ 116 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 100 Abs. 1 Nr. 4 b BerlHG, 52 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 38 Abs. 1 Nr. 4 b BbgHG, 17 Abs. 1 i.V.m. 15 Abs. 1 Nr. 4 b HmbHG, 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 51 Abs. 1 Nr. 4 b NHG, 56 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 43 Abs. 1 Nr. 4 b SaUG, 100 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 94 Abs. 1 Nr. 4 b SHHG. 21 § 88 Abs. 1 HeHG. 22 § 52 Abs. 1 Satz 1 MVHG. 23 § 53 Abs. 2 NWHG. 24 § 60 Abs. 1 Satz 1 ThürHG. 25 § 53 Abs. 2 NWHG. 26 §§54 Abs. 2 Satz 1 BWPHG, 50 Abs. 2 Satz 1 BWFHG. 27 §§ 82 Satz 1 BWUG, 54 Abs. 1 Satz 1 BWPHG, 56 Abs. 1 Satz 1 BWKHG, 50 Abs. 1 Satz 1 BWFHG. 28 Wiedmann, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2001, Rdnr. 1092; Waldeyer, in: Hailbronner/Geis, HRG, Stand: Juli 2001, § 55 Rdnr. 13; ders., Die neue Hochschule, 3-4/2001, 39; anderer Meinung: Messer, in: Haug, Das Hochschulrecht in BadenWürttemberg, 2001, Rdnr. 1237.

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einen Etikettenschwindel dar, wenn Personen mit der Qualifikation eines Lehrbeauftragten die Bezeichnung „Honorarprofessor" verliehen wird.

2. Vorausgegangene Lehrtätigkeit Zusätzlich zu der unter III. 1. a) und b) aufgezeigten Qualifikation wird in acht Hochschulgesetzen verlangt, dass der Bestellung zum Honorarprofessor eine mehrjährige Lehrtätigkeit an einer Hochschule vorausgegangen ist, 29 deren Dauer in Mecklenburg-Vorpommern 30 und Nordrhein-Westfalen 31 sogar in der Regel fünf Jahre dauern soll. Die Lehrtätigkeit wird in den Hochschulgesetzen überwiegend mit dem Wort „selbständig" charakterisiert. Dies bedeutet, dass sie als Hochschullehrer 32 oder Lehrbeauftragter 33 ausgeübt worden sein muss und dass die Wahrnehmung von Unterrichtsaufgaben, wie sie in der Regel den wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern sowie den Lehrkräften für besondere Aufgaben 34 obliegen, nicht ausreicht. Einschränkend ist aber anzumerken, dass auch den wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern in begründeten Fällen die selbständige Wahrnehmung von Lehraufgaben übertragen werden kann. 35 Eine solche Lehrtätigkeit wird aber in der Praxis der Honorarprofessur nur sehr selten vorausgehen. Im Regelfall wird der Honorarprofessor zuvor als Lehrbeauftragter tätig gewesen sein. Hervorragend qualifizierte Personen werden die Hochschulen nämlich für die Übernahme eines Lehrauftrags häufig nur gewinnen können, wenn sie ihnen die spätere Bestellung zum Honorarprofessor in Aussicht stellen, da die geringe Lehrauftragsvergütung 36 als Anreiz nicht ausreicht.

3. Außerhalb der Hochschule hauptberuflich tätige Person In den Hochschulgesetzen von sieben Ländern wird zusätzlich bestimmt, dass zum Honorarprofessor nicht bestellt werden kann, wer an der betreffenden Hochschule hauptberuflich tätig ist. 37 Dieses Verbot soll die Objektivität der Entschei29 Art. 28 Abs. 2 Satz 1 BayHSchLG, §§ 116 Abs. 1 Satz 2 BerlHG, 52 Abs. 1 Satz 2 BbgHG, 17 Abs. 1 HmbHG, 52 Abs. 1 Satz 1 MVHG, 53 Abs. 3 Satz 2 NWHG, 40 Abs. 1 Satz 1 SaFHG, 60 Abs. 1 Satz 1 ThürHG. 30 § 52 Abs. 1 Satz 1 MVHG. 31 § 53 Abs. 3 Satz 2 NWHG. 32 Vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 HRG. 33 Vgl. § 55 Satz 3 HRG. 34 Vgl. § 56 HRG. 35 § 53 Abs. 1 Satz 4 HRG und § 53 Abs. 4 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 4 HRG. 36 Vgl. hierzu Waldeyer (o. Fn. 28), § 55 Rdnr. 45. 37 §§ 116 Abs. 1 Satz 3 BerlHG, 52 Abs. 1 Satz 4 BbgHG, 73 Abs. 1 Satz 1 NHG, 58 Abs. 1 Satz 1 RPfUG, 50 Abs. 1 RPfFHG, 55 Abs. 2 Satz 3 SHG, 56 Abs. 2 Satz 2 SAHG, 60 Abs. 1 Satz 2 ThürHG.

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dungsfindung sichern und eine Begünstigung von hochschulinternen Personen aufgrund persönlicher Bekanntschaft und kollegialen Wohlwollens verhindern. Vor allem aber soll hierdurch erreicht werden, dass das Lehrangebot der Hochschule durch exzellente Persönlichkeiten, die außerhalb der betreffenden Hochschule hauptberuflich tätig sind, bereichert wird. Hierbei kann es sich auch um Professoren anderer Hochschulen handeln. Dies gilt allerdings nicht für Bayern, 38 Mecklenburg-^Vorpommern 39 und Schleswig-Holstein.40 In Bayern kann jedoch ein an einer staatlich anerkannten Hochschule hauptberuflich tätiger Professor zum Honorarprofessor an einer staatlichen Hochschule bestellt werden 4 1

4. Wesentlicher Beitrag zur Ergänzung des Lehrangebots In einigen Ländern darf die Bestellung zum Honorarprofessor nur erfolgen, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Ergänzung des Lehrangebots erwarten lässt 4 2 Während gemäß § 55 Satz 1 HRG die Ergänzung des Lehrangebots Zweck des Lehrauftrags ist, wird mit der Honorarprofessur ein wesentlicher Beitrag zur Ergänzung des Lehrangebots angestrebt. Dieser unterschiedliche Zweck hängt damit zusammen, dass der Gesetzgeber bei dem Honorarprofessor eine höhere Qualifikation voraussetzt als bei dem Lehrbeauftragten.

5. Zusammenfassung Die aufgezeigten Bestellungsvoraussetzungen machen deutlich, dass der Honorarprofessor heute nicht mehr als „Gelehrter" bezeichnet werden kann 4 3 Vielmehr kommen bei den Honorarprofessoren fünf verschiedene Qualifikationen vor: 1. Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen, 2. besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer mehrjährigen beruflichen Praxis außerhalb des Hochschulbereichs, 3. hervorragende fachbezogene Leistungen in der beruflichen Praxis, 4. besondere künstlerische Leistungen, 5. langjährige erfolgreiche Tätigkeit als Lehrbeauftragter. 38 Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayHSchLG. 39 § 52 Abs. 2 i.V. mit § 51 Abs. 2 Satz 1 MVHG. 40 § 100 Abs. 1 Satz 1 SHHG. 41 Vgl. Reich, Bayerisches Hochschullehrergesetz, 2. Auflage, 2000, Art. 28 Rdnr. 2. 42 Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayHSchLG, §§ 52 Abs. 1 Satz 1 MVHG, 60 Abs. 1 Satz 1 ThürHG. 43 So aber Krüger, HdbWissR, 2. Auflage, 1996, S. 212.

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Die Honorarprofessoren der Universität und der Fachhochschule besitzen in der Regel die unter 2. aufgezeigte wissenschaftsbezogene berufspraktische Qualifikation. 44 Daher können sie dazu beitragen, den auch für die universitäre Lehre gebotenen Praxisbezug45 zu fördern und die Hochschule bei der Aufgabe des Wissensund Technologietransfers 46 zu unterstützen. Scheven 47 weist deshalb zutreffend darauf hin, dass der Honorarprofessor für die Hochschule ein wichtiges Bindeglied zur Praxis ist.

IV. Bestellungsverfahren 1. Zuständige Stelle Die Bestellung des Honorarprofessors wurde bisher dem Bereich des Zusammenwirkens von Staat und Hochschule zugeordnet. 48 Einerseits sei die Bestellung des Honorarprofessors eine Angelegenheit der Wissenschaftspflege, die in den akademischen Bereich falle. Andererseits rechtfertige die Verleihung des Titels „Professor" und die damit verbundene Ehrung die staatliche Zuständigkeit für die Bestellung des Honorarprofessors 4 9 Insoweit hat sich aber in der neueren Hochschulgesetzgebung ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Die Hochschulgesetze der Länder weisen die Zuständigkeit für die Bestellung zum Honorarprofessor überwiegend der Hochschule zu. Zuständig ist der Leiter oder die Leitung der Hochschule,50 der Senat der Hochschule,51 oder der zuständige Fachbereich. 52 In diesen Ländern gehört somit die Bestellung zum Honorarprofessor zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten der Hochschule. Diese Zuordnung ist als Autonomiegewinn für die Hochschulen zu begrüßen.53 Sie ist sachlich gerechtfertigt, da mit 44 Vgl. Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 389; Scheven, HdbWissR, 2. Auflage, 1996, S. 370. 45 Vgl. §§ 2 Abs. 1 Satz 2, 7, 8, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Sätze 1 und 3 HRG. 46 Vgl. § 2 Abs. 7 HRG. 47 HdbWissR, 2. Auflage, 1996, S. 370. 48 Gerber, Das Recht der wissenschaftlichen Hochschulen in der jüngsten Rechtsentwicklung, 1965, S. 136; Satow, Die Rechtsstellung der Honorarprofessoren im Lande NordrheinWestfalen, 1967, S. 27 f.; Thieme (o. Fn. 2), Rdnr. 521; Scheven, HdbWissR, 2. Auflage, 1996, S. 370. 49 Gerber, S. 136; Satow, S. 27 f. 50 §§ 116 Abs. 2 Satz 1 BerlHG, 52 Abs. 2 Satz 1 BbgHG, 17 Abs. 1 i.V.m. 79 Abs. 2 Satz 2 HmbHG, 88 Abs. 1 HeHG, 73 Abs. 1 Satz 1 NHG, 56 Abs. 3 Satz 1 SaUG, 40 Abs. 3 Satz 1 SaFHG, 55 Abs. 2 Satz 2 SHG. 51 §§ 79 Abs. 3 Satz 1 BWUG, 50 Abs. 2 Satz 1 BWFHG, 54 Abs. 2 Satz 1 BWPHG. 52 §§ 53 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 25 Abs. 2 Satz 1 NWHG, vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 1995, 667. 53 Detmer, in: Leuze / Bender, NWUG, Stand: Dezember 1998, § 54 Rdnr. 11; kritisch dagegen Scheven, HdbWissR, 2. Auflage, 1996, S. 370 Fn. 297.

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der Bestellung zum Honorarprofessor weder die Begründung eines Beamten- oder Angestelltenverhältnisses54 noch eine Vergütungspflicht aus sonstigen Gründen verbunden ist, so dass staatliche Interessen weit weniger berührt sind als bei der Berufung von Professoren. In einigen Ländern erfolgt die Bestellung zum Honorarprofessor weiterhin durch den Ministerpräsidenten 55 oder den zuständigen Minister oder Senator.56 Diese sind aber aufgrund von Art. 5 Abs. 3 GG in allen wissenschaftsrelevanten Fragen an den Vorschlag der Hochschule gebunden. Dies gilt insbesondere für die Beurteilung der fachlichen und pädagogischen Qualifikation der vorgeschlagenen Person, aber auch hinsichtlich der Frage, ob die Bestellung zum Honorarprofessor einen wesentlichen Beitrag zur Ergänzung des Lehrangebots erwarten lässt.

2. Vorschlag des Fachbereichs In den Hochschulgesetzen der Länder wird überwiegend bestimmt, dass die Bestellung zum Honorarprofessor auf Vorschlag des Fachbereichs erfolgt, 57 für den insoweit der Fachbereichsrat handelt. Mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt58 ist bei der Bestellung zum Honorarprofessor die Durchführung eines förmlichen Berufungsverfahrens, wie es für die Berufung der hauptberuflich tätigen Professoren vorgesehen ist, nicht erforderlich. Dem Vorschlag des Fachbereichs muss aber eine Würdigung der fachlichen, pädagogischen und persönlichen Eignung des Vorgeschlagenen beigefügt sein. 59 Hierfür sollen Gutachten von Professoren des betreffenden Fachs eingeholt werden. 60 Die Gutachten sind dem Vorschlag des Fachbereichs beizufügen 61.

54 Vgl. unter VIII. 2. 55 §§ 58 Abs. 1 Satz 1 RPfUG, 50 Abs. 1 RPfFHG, 100 Abs. 1 Satz 1 SHHG. 56 Art. 28 Abs. 3 Satz 1 BayHSchLG, §§ 25 Abs. 1 BremHG, 52 Abs. 1 Satz 1 MVHG, 56 Abs. 7 SAHG, 60 Abs. 1 Satz 1 ThürHG. 57 §§ 79 Abs. 3 Satz 1 BWUG, 50 Abs. 2 Satz 1 BWFHG, 54 Abs. 2 Satz 1 BWPHG, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 BayHSchG, §§ 116 Abs. 2 Satz 1 BerlHG, 52 Abs. 2 Satz 1 BbgHG, 87 Satz 1 Nr. 6 BremHG, 88 Abs. 1 HeHG, 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 MVHG, 73 Abs. 1 Satz 1 NHG, 80 Abs. 2 Nr. 10 RPfUG, 72 Abs. 2 Nr. 8 RPfFHG, 56 Abs. 3 Satz 1 SaUG, 40 Abs. 3 Satz 1 SaFHG, 55 Abs. 2 Satz 2 SHG, 77 Abs. 3 Nr. 3 SAHG, 100 Abs. 1 Satz 2 SHHG, 60 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. 49 Abs. 2 Satz 2 ThürHG. 58 § 56 Abs. 2 Satz 1 SAHG; vgl. dazu Reich, Hochschulgesetz Sachsen-Anhalt, 1996, § 56 Rdnr. 3. 59 § 79 Abs. 3 Satz 2 BWUG, Art. 28 Abs. 3 Satz 2 BayHSchLG, §§ 56 Abs. 3 Satz 2 SaUG, 40 Abs. 3 Satz 2 SaFHG, 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 49 Abs. 1 Satz 3 SaMHG. 60 § 79 Abs. 3 Satz 3 BWUG, Art. 28 Abs. 3 Satz 3 BayHSchLG, §§ 52 Abs. 1 Satz 2 MVHG, 56 Abs. 3 Satz 2 SaUG, 40 Abs. 3 Satz 3 SaFHG, 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 49 Abs. 1 Satz 4 SaMHG, 60 Abs. 2 Satz 1 ThürHG. 1§ Abs. Satz UG, A . Abs. Satz a H G .

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3. Mitwirkung des Senats In einzelnen Hochschulgesetzen ist vorgesehen, dass die Bestellung zum Honorarprofessor auf Vorschlag des Senats62 bzw. des Hochschulsenats63 erfolgt. Dagegen entfällt in den Hochschulgesetzen von Brandenburg, Bremen und NordrheinWestfalen eine Mitwirkung des Senats. In der Regel bestimmt das Landesrecht, dass der Senat zum Vorschlag des Fachbereichs eine Stellungnahme abgibt 6 4 Die Hochschulgesetze von Bayern 65 und Sachsen-Anhalt66 räumen dem Senat ein Recht zur Beschlussfassung über den Vorschlag des Fachbereichs ein, in Schleswig-Holstein 67 ist sogar die Zustimmung des Senats erforderlich. Aber auch in diesen Ländern sind die Gewichte zwischen Fachbereichsrat und Senat nicht gleichmäßig verteilt. Da die Bestellung zum Honorarprofessor eine wissenschaftsrelevante Angelegenheit darstellt, gebietet es Art. 5 Abs. 3 GG, das diesbezügliche hochschulinterne Entscheidungsverfahren wissenschaftsgerecht auszugestalten. Dies bedeutet, dass bei der Bestellung zum Honorarprofessor alle wissenschaftsrelevanten Beurteilungsaspekte in den Zuständigkeitsbereich des Fachbereichs fallen. Mit Art. 5 Abs. 3 GG ist es nämlich nicht vereinbar, dass wissenschaftsrelevante Entscheidungen wissenschaftsfremd getroffen werden. 68 Dies ist aber der Fall, wenn auf der Ebene des Senats fachspezifische Fragen von Hochschulmitgliedern ohne einschlägige wissenschaftliche Qualifikation entschieden werden. Der Senat hat daher nur das Recht, sich zu den nicht fachspezifischen Bestellungsvoraussetzungen zu äußern und Verfahrensfehler zu rügen.

V. Ermessensentscheidung Die Bestellung zum Honorarprofessor stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt dar, dessen Erlass im Ermessen der zuständigen Stelle liegt. 69 Dies wird in den Hochschulgesetzen durch das Wort „kann" zum Ausdruck gebracht. 70 62 § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 Satz 2 SaMGH. 63 § 84 Abs. 1 Nr. 8 HmbHG. 64 §§ 88 Abs. 1 i.V.m. 38 Abs. 2 Nr. 9 HeHG, 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 MVHG, 73 Abs. 1 Satz 2 NHG, 71 Abs. 2 Nr. 11 RPfUG, 63 Abs. 2 Nr. 11 RPfFHG, 56 Abs. 3 Satz 1 SaUG, 40 Abs. 3 Satz 1 SaFHG, 55 Abs. 2 Satz 2 SHG, 60 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. 49 Abs. 2 Satz 2 ThürHG. 65 Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 BayHSchG. 66 § 77 Abs. 3 Nr. 3 SAHG. 67 § 100 Abs. 1 Satz 2 SHHG. 68 Vgl. BVerwG, Buchholz 421.2 Nr. 107, S. 70. 69 Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 397. 70 Vgl. §§ 79 Abs. 1 BWUG, 54 Abs. 2 Satz 1 BWPHG, 50 Abs. 2 Satz 1 BWFHG, 56 Abs. 3 Satz 1 BWKHG, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayHSchLG, §§ 116 Abs. 1 Satz 1 BerlHG, 52 Abs. 1 Satz 1 BbgHG, 25 Abs. 1 BremHG, 17 Abs. 1 HmbHG, 88 Abs. 1 HeHG, 52 Abs. 1

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1. Zuständigkeit des Staates Soweit eine staatliche Behörde für die Bestellung zum Honorarprofessor zuständig ist, 71 kann sie im Rahmen der Ermessensausübung nur staatliche Belange geltend machen. Für die Beurteilung der wissenschaftlichen und pädagogischen Qualifikation der vorgeschlagenen Person ist auf Grund von Art. 5 Abs. 3 GG allein der Fachbereich kompetent. Der staatliche Ermessensspielraum wird auch dadurch eingeengt, dass der Honorarprofessor für seine Tätigkeit keine Vergütung erhält, 72 so dass finanzielle Interessen des Staates nicht berührt werden. In den staatlichen Verantwortungsbereich fällt aber die Verleihung von Titeln. 73 Der Staat hat ein berechtigtes Interesse daran, dass von ihm verliehene Titel nicht durch eine zu häufige Verleihung entwertet werden. Soweit er sich an diesem Interesse orientiert, handelt er ermessensfehlerfrei. Wird dagegen aus einem anderen Grunde der Vorschlag der Hochschule im Rahmen der Ermessensausübung abgelehnt, kann die Hochschule erfolgreich im Wege der Verpflichtungsklage erreichen, dass die von ihr vorgeschlagene Person zum Honorarprofessor bestellt wird. Diese kann jedoch gegen den Ablehnungsbescheid keine Verpflichtungsklage erheben, da sie hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt wird. 74 Die landesgesetzlichen Vorschriften über die Verleihung der Honorarprofessur sind nämlich nicht auch im Interesse der von der Hochschule vorgeschlagenen Person geschaffen worden.

2. Zuständigkeit der Hochschule Auch soweit für die Bestellung zum Honorarprofessor der Leiter bzw. die Leitung oder der Senat der Hochschule zuständig ist, 75 ist der Ermessensspielraum dieser Stellen durch Art. 5 Abs. 3 GG erheblich eingeschränkt. Diese verfassungsrechtliche Wertentscheidung gebietet nämlich, dass sich im hochschulinternen Entscheidungsverfahren der wissenschaftliche Sachverstand des Fachbereichs notfalls im Wege des Organstreitverfahrens durchsetzen kann. Die zentralen Hochschulorgane sind daher in Bezug auf die wissenschaftliche und pädagogische Qualifikation der vorgeschlagenen Person an die Beurteilung des Fachbereichs gebunden. Dies gilt auch für die Frage, ob die Honorarprofessur einen wesentlichen Beitrag zur Ergänzung des Lehrangebots erwarten lässt.76 Die entscheidungsbefugten zenSatz 1 MVHG, 73 Abs. 1 Satz 1 NHG, 53 Abs. 2 Satz 1 NWHG, 58 Abs. 1 Satz 1 RPfUG, 50 Abs. 1 RPfFHG, 56 Abs. 1 Satz 1 SaUG, 40 Abs. 1 Satz 1 SaFHG, 49 Abs. 2 Satz 1 SaMHG, 55 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 40 Abs. 1 SHG, 55 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 42 Abs. 2 SAHG, 100 Abs. 1 Satz 1 SHHG, 60 Abs. 1 Satz 1 ThürHG. 71 Vgl. unter IV. 1. 72 Vgl. unter VII. l.c). 73 Schmidt, WissR 1978, 261 ff., 263. 74 Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 397. 75 Vgl. unter IV. 1. 76 Vgl. unter III. 4.

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tralen Hochschulorgane dürfen dagegen die Bestellung zum Honorarprofessor ablehnen, wenn sich der Fachbereich bei seinem Vorschlag von sachwidrigen Erwägungen hat leiten lassen oder ihm - gemessen an den Standards der anderen Fachbereiche - ein evidenter Fehlgriff unterlaufen ist. Im Rahmen der Ermessensausübung kommt somit dem entscheidungsbefugten zentralen Hochschulorgan lediglich eine Kontrollfunktion zu.

VI. Bezeichnung, Titel, Würde 1. Bezeichnung oder Titel „Honorarprofessor" In neun Ländern ist der Honorarprofessor zur Führung der Bezeichnung bzw. des Titels „Honorarprofessor" befugt. 77 Auch wenn dies in den Hochschulgesetzen nicht expressis verbis zum Ausdruck kommt, handelt es sich bei der Bezeichnung bzw. den Titel um eine akademische Würde. 78 Diese weist Ähnlichkeit mit dem akademischen Grad auf. 79 Dem Inhaber der akademischen Würde „Honorarprofessor" wird mit deren Verleihung eine besondere Anerkennung für hervorragende wissenschaftliche oder künstlerische Leistungen ausgesprochen. Im Schrifttum 80 wird die Meinung vertreten, dass auch in den Ländern, in denen dem Honorarprofessor die Bezeichnung „Honorarprofessor" verliehen worden sei, dieser gewohnheitsrechtlich ebenfalls die Bezeichnung „Professor" oder „Universitätsprofessor" führen dürfe. Diese Meinung kann nicht überzeugen. „Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird". 81 Zwar ist nach allgemeiner Rechtsauffassung auch auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts die Bildung von Gewohnheitsrecht möglich, diese bedarf aber einer erheblichen Zeitspanne, namentlich wenn sich das Gewohnheitsrecht gegen eine bestehende gesetzliche Regelung durchsetzen soll. 82 Diese Voraussetzung des Gewohnheitsrechts ist vorliegend nicht erfüllt, da die angeführten Landesgesetze erst in den letzten Jahren novelliert worden sind und dabei an der Bezeichnung „Honorarprofessor" festgehalten haben.

77 §§ 79 Abs. 7 BWUG, 54 Abs. 2 Satz 1 BWPHG, 50 Abs. 2 Satz 1 BWFHG, 52 Abs. 2 Satz 2 BbgHG, 88 Abs. 1 HeHG, 52 Abs. 1 Satz 1 MVHG, 73 Abs. 4 Satz 1 NHG, 53 Abs. 2 NWHG, 56 Abs. 5 SAHG, 100 Abs. 1 Satz 1 SHHG, 60 Abs. 3 Satz 1 ThürHG. 78 Thieme (о. Fn. 2), Rdnrn. 361, 435, 521. 79 OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 551 f.; Lerche/Lorenz, WissR 1968, 193 ff., 200. so Vgl. Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 398. 81 BVerfGE 34, 303 f. 82 BVerwGE 8, 321.

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2. Bezeichnung oder Titel „Professor" In sieben Ländern sind die Honorarprofessoren befugt, die Bezeichnung bzw. den Titel „Professor" zu führen. 83 Hierbei handelt es sich ebenfalls, auch wenn dies nur in Art. 29 Abs. 1 Satz 3 BayHSchLG ausdrücklich erwähnt wird, um eine akademische Würde. 84 Bei einer Stellungnahme zu diesen landesrechtlichen Regelungen ist zu beachten, dass in den Hochschulgesetzen von zehn Ländern auch den hauptberuflich tätigen Professoren sämtlicher Hochschularten die akademische Bezeichnung „Professor" als akademische Würde zugewiesen wird. 85 Außerdem wird bundesrechtlich bestimmt, dass die Professoren der Fachhochschule die Amtsbezeichnung „Professor" führen. 86 In sieben Ländern besteht somit eine Verwechslungsgefahr zwischen der Amtsbezeichnung der Professoren der Fachhochschule und der akademischen Bezeichnung „Professor" der Honorarprofessoren. Daher ist die landesgesetzliche Zuweisung der Bezeichnung „Professor" an die Honorarprofessoren als verfehlt anzusehen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil sich diese Bezeichnung in zehn Ländern nicht von der akademischen Bezeichnung „Professor" für die hauptberuflich tätigen Professoren sämtlicher Hochschularten unterscheidet, obwohl zwischen hauptberuflich tätigen Professoren und Honorarprofessoren in Bezug auf die Rechtsstellung und Aufgaben gravierende Unterschiede bestehen.87

3. Titel „Ordinarius" An den Universitäten Baden-Württembergs kann Honorarprofessoren, denen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 4 BWUG die korporationsrechtliche Stellung eines beamteten Professors übertragen worden ist, auf Vorschlag der Universität vom Wissenschaftsminister der Titel „Ordinarius" verliehen werden. 88

83 § 56 Abs. 3 Satz 1 BWKHG, Art. 29 Abs. 1 Satz 3 BayHSchLG, 116 Abs. 2 Satz 3 BerlHG, §§17 Abs. 1 Satz 1 BremHG, 17 Abs. 1 HmbHG, 56 Abs. 1 Satz 2 SaUG, 40 Abs. 1 Satz 2 SaFHG, 49 Abs. 2 Satz 1 SaMHG, 55 Abs. 4 Satz 1 SHG. 84 Thieme (o. Fn. 2), Rdnr. 361, 435, 521. 85 §§67 Abs. 7 Satz 1 BWUG, 50 Abs. 6 Satz 1 BWPHG, 48 Abs. 6 Satz 1 BWFHG, 48 Abs. 7 Satz 1 BWKHG, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BaySchLG, §§ 103 Abs. 2 BerlHG, 41 BbgHG, 17 Abs. 1 Satz 1 BremHG, 17 Abs. 3 HmbHG, 75 Abs.. 6 Satz 2 HeHG, 38 Abs. 1 Satz 1 MVHG, 39 Abs. 2 SHG, 98 Abs. 2 Satz 1 SHHG. 86 Anlage II Nr. 7 Bundesbesoldungsgesetz. 87 Kritisch insoweit auch Detmer (o. Fn. 53), § 54 Rdnr. 9. 88 § 67 Abs. 6 Satz 2 BWUG.

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VII. Aufgaben 1. Lehre a) Recht, Pflicht,

Obliegenheit

Die Honorarprofessoren sind berechtigt, an der Hochschule zu lehren. 89 In acht Ländern sind sie auch zur Lehre verpflichtet. 90 Hierbei handelt es sich aber nicht um eine echte Rechtspflicht, so dass der Hochschule weder ein Leistungsanspruch noch eine Klage- und Vollstreckungsmöglichkeit noch ein Schadensersatzanspruch bei schuldhafter Unterlassung der Lehre zusteht. Vielmehr stellt die sog. „Pflicht" zur Lehre eine Obliegenheit im rechtstechnischen Sinne dar, die dem Honorarprofessor lediglich im eigenen Interesse auferlegt ist. 91 Dieser läuft lediglich Gefahr, dass er seine Rechtsstellung als Honorarprofessor verliert, wenn er während eines in den Hochschulgesetzen näher angegebenen Zeitraums seiner Lehrtätigkeit nicht nachkommt.92 Der Widerruf der Bestellung zum Honorarprofessor bei schuldhafter Nichtausübung der Lehrtätigkeit ist in der Regel auch in den Landesgesetzen vorgesehen, die dem Honorarprofessor lediglich ein Recht zur Lehre einräumen. 93 Somit wird auch das Recht zur Lehre um eine Obliegenheit im rechtstechnischen Sinne ergänzt. Diese dogmatische Einordnung findet sich expressis verbis in § 49 Abs. 2 Satz 1 SaMHG. Durch den drohenden Verlust seiner Rechtsstellung wird der obliegenheitsbelastete Honorarprofessor indirekt dazu angehalten, seiner Lehrtätigkeit nachzukommen. Auf die Statuierung einer Obliegenheit zur Lehre verzichtet das Niedersächsische Hochschulgesetz.94 Dieses sieht die Abhaltung von Lehrveranstaltungen als nobile officium des Honorarprofessors an. 95

89 Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayHSchLG, §§ 73 Abs. 2 Satz 1 NHG, 58 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 57 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 RPfUG, 50 Abs. 2 Satz 1 RPfFHG, 100 Abs. 2 Satz 1 SHHG. 90 §§ 79 Abs. 2 Satz 1 BWUG, 117 Abs. 1 Satz 2 BerlHG, 52 Abs. 3 Satz 2 BbgHG, 25 Abs. 2 Satz 1 BremHG, 88 Abs. 2 Halbsatz 1 HeHG, 56 Abs. 2 Satz 1 SaUG, 40 Abs. 2 Satz 1 SaFHG, 55 Abs. 1 Satz 1 SHG, 60 Abs. 1 Satz 3 ThürHG. 91 BVerwG, NVwZ 1995, 489 ff., 491 zu § 117 Abs. 1 BerlHG, VG Gelsenkirchen, KMKHSchR 1985, 1123 ff., 1124; Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 400. 92 Vgl. §§ 79 Abs. 6 Nr. 1 BWUG, 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BerlHG, 25 Abs. 3 Satz 3 BremHG, 88 Abs. 2 Halbsatz 2 i.V.m. 31 Abs. 2 Satz 4 HeHG, 60 Abs. 2 Satz 3 ThürHG. 93 Vgl. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 BayHSchLG, §§ 58 Abs. 2 i.V.m. 57 Abs. 2 Satz 2 RPfUG, 50 Abs. 3 Satz 2 RPfFHG, 100 Abs. 3 Satz 2 SHHG. 94 Vgl. § 73 Abs. 4 Satz 2 NHG. 95 Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 403.

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b) Zeitlicher Umfang Der zeitliche Umfang der Lehrtätigkeit des Honorarprofessors ist nur in einigen Landesgesetzen geregelt. In diesen Fällen gehen die Gesetzgeber in der Regel von einer Lehrtätigkeit im Umfang von zwei Semesterwochenstunden,96 in Thüringen von mindestens zwei Semesterwochenstunden aus 9 7 Im Saarland sollen die Honorarprofessoren der Fachhochschule im Umfang von vier Semesterwochenstunden Lehrveranstaltungen durchführen, 98 die der Universität dagegen nur im Umfang von zwei Semesterwochenstunden.99 Bei dieser Differenzierung orientiert sich der saarländische Gesetzgeber offensichtlich an der unterschiedlichen Lehrverpflichtung der hauptberuflich tätigen Universitätsprofessoren einerseits und der Professoren der Fachhochschule andererseits. Diese hat ihren Grund darin, dass bei den Dienstaufgaben der Professoren der Fachhochschule der Lehre gegenüber der Forschung der Vorrang zukommt, 100 während die Universitätsprofessoren Lehre und Forschung gleichgewichtig wahrzunehmen haben. Im Saarland obliegen aber den Honorarprofessoren weder an der Universität noch an der Fachhochschule Forschungsaufgaben. Daher gibt es keinen sachlichen Grund dafür, den Honorarprofessoren der Fachhochschule eine doppelt so hohe Lehrverpflichtung aufzuerlegen wie den Honorarprofessoren der Universität. Die Regelung von § 40 Abs. 2 Satz 1 SaFHG verstößt daher in Bezug auf den zeitlichen Umfang der Lehrverpflichtung gegen Art. 3 Abs. 1 GG. In Berlin 101 und Brandenburg 102 regelt der Leiter der Hochschule den Umfang der Lehrverpflichtung der Honorarprofessoren. Da dieser bei seiner Entscheidung den nebenberuflichen Charakter der Honorarprofessur beachten muss, bestehen gegen die angeführten Regelungen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.103 Zweckmäßiger wäre es jedoch, den zeitlichen Umfang der Lehrtätigkeit des Honorarprofessors in der Grundordnung zu regeln. 104 Dieser Weg sollte auch in den Ländern beschritten werden, deren Hochschulgesetze insoweit keine gesetzlichen Vorgaben enthalten.

96 §§79 Abs. 2 Satz 1 BWUG, 25 Abs. 2 Satz 2 BremHG, 56 Abs. 2 Satz 1 SaUG. 9v § 60 Abs. 1 Satz 3 ThürHG. 98 § 40 Abs. 2 Satz 1 SaFHG. 99 § 56 Abs. 2 Satz 1 SaUG. 100 Waldeyer, Das Recht der Fachhochschulen, 2000, Rdnrn. 21, 22. ιοί 102 юз 104

§ 117 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BerlHG. § 52 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BbgHG. Vgl. BVerwG, NVwZ 1995, 489 ff., 491. Vgl. §§ 17 Abs. 4 HmbHG, 56 Abs. 2 Satz 4 SAHG.

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c) Vergütung Wahrend der Lehrbeauftragte gemäß § 55 Satz 4 HRG und den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen in der Regel einen Anspruch auf eine Vergütung hat, 105 wird im Landesrecht dem Honorarprofessor kein Vergütungsanspruch zugebilligt. Eine Ausnahme macht lediglich das Bayerische Hochschullehrergesetz. Gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayHSchLG wird dem Honorarprofessor für Lehrveranstaltungen, die zur Vollständigkeit des Lehrangebots erforderlich sind, eine Lehrvergütung gewährt. 106 In fünf Landesgesetzen wird dagegen dem Honorarprofessor ausdrücklich ein Vergütungsanspruch verweigert. 107 Überwiegend fehlt in den Landesgesetzen eine Vergütungsregelung. Insoweit liegt jedoch keine Regelungslücke vor, die in der Grundordnung der Hochschule ausgefüllt werden kann. Vielmehr wird durch das Fehlen einer Vergütungsregelung zum Ausdruck gebracht, dass dem Honorarprofessor für seine Lehrtätigkeit kein Vergütungsanspruch zustehen soll. 1 0 8 Für diese Auslegung spricht, dass den Lehrbeauftragten im Gegensatz zu den Honorarprofessoren in den Hochschulgesetzen grundsätzlich ein Vergütungsanspruch gewährt wird. Die Honorarprofessoren sind daher ebenso wie die Privatdozenten zu unentgeltlicher Titellehre verpflichtet. In Bezug auf die Privatdozenten hat das Bundesverwaltungsgericht 109 entschieden, dass die Verpflichtung zur unentgeltlichen Titellehre verhältnismäßig ist, solange diese eine Semesterwochenstunde nicht überschreitet und andere vergleichbare Lehrtätigkeiten des Privatdozenten an der Hochschule auf sie angerechnet werden. Diese Rechtsprechung lässt sich auf die Honorarprofessoren nicht übertragen. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich die Regelung in § 118 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 2 BerlHG zutreffend am Maßstab von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gemessen, weil die Verpflichtung zur unentgeltlichen Titellehre bei den Privatdozenten ein Zugangshindernis auf dem Weg zum Beruf eines Hochschullehrers darstellt. Honorarprofessoren befinden sich dagegen nicht auf dem Weg zum hauptberuflichen Hochschullehrer. Die Honorarprofessur ist auch kein Beruf i.S.v. Art. 12 Abs. 1 GG, da sie keine der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung ist. Für die verfassungsrechtliche Würdigung der Obliegenheit des Honorarprofessors zur unentgeltlichen Titellehre ist daher Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einschlägig. Die Ausgestaltung der Honorarprofessur als nebenberufliche unentgeltliche Tätigkeit zwingt den Inhaber dieses Amtes dazu, seinen Lebensunterhalt auf andere Weise zu verdienen. Daher muss sichergestellt sein, dass ihm die weit überwiegende Ar-

105 Vgl. hierzu Waldeyer (o. Fn. 28), § 55 Rdnrn. 41-50. 106 Vgl. hierzu Reich (o. Fn. 41), Art. 29 Rdnrn. 6, 7. 107 §§ 79 Abs. 2 Satz 2 BWUG, 88 Abs. 2 Halbsatz 2 i.V.m. 31 Abs. 2 Satz 3 HeHG, 56 Abs. 2 Satz 2 SaUG, 40 Abs. 2 Satz 2 SaFHG, 60 Abs. 1 Satz 3 ThürHG. los VG Gelsenkirchen, KMK-HSchR 1985, 1123 ff., 1127. 109 NVwZ 1995, 489 ff.

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beitszeit zu seiner eigenverantwortlichen Verfügung verbleibt. Daher darf die Obliegenheit zur unentgeltlichen Titellehre bei dem Honorarprofessor die Obergrenze von zwei Semesterwochenstunden nicht überschreiten. Die Regelung von § 60 Abs. 1 Satz 3 ThürHG ist somit in diesem Sinne verfassungskonform auszulegen, während die Regelung von § 40 Abs. 2 Satz 1 SaFHG, nach der die Honorarprofessoren an der Fachhochschule des Saarlandes im Umfang von vier Semesterwochenstunden Lehrveranstaltungen durchführen sollen, nicht nur wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG, 1 1 0 sondern auch wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verfassungswidrig ist. Es ist zulässig, dass dem Honorarprofessor ein Lehrauftrag erteilt wird. 111 In diesem Fall ergibt sich sein Vergütungsanspruch aus dem Lehrauftragsverhältnis, nicht jedoch aus dem der Honorarprofessur zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. 1 1 2 Anzumerken ist aber insoweit, dass der Honorarprofessor keinen Anspruch auf Erteilung eines Lehrauftrags hat. 113

d) Selbständigkeit Erstaunlich ist, dass nur im rheinland-pfälzischen Hochschulrecht ausdrücklich erwähnt wird, dass die Honorarprofessoren selbständig lehren. Dort wird aber insoweit die Einschränkung gemacht, dass dadurch die Bereitstellung des erforderlichen Lehrangebots nicht beeinträchtigt werden darf. 114 Aus dem Fehlen eines Hinweises auf die eigenverantwortliche Tätigkeit des Honorarprofessors in den Hochschulgesetzen der übrigen Länder darf aber nicht gefolgert werden, dass die Honorarprofessoren unselbständig lehren. Wenn gemäß § 55 Satz 3 HRG und den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen die Lehrbeauftragten die ihnen übertragenen Lehraufgaben selbständig wahrnehmen, 115 so folgt daraus (argumentum a minore ad maius), dass auch die Honorarprofessoren selbständig lehren. Ihre Lehrfreiheit ist sogar weiter als die der Lehrbeauftragten. Während diesen in § 55 Satz 3 HRG Selbständigkeit nur in Bezug auf die ihnen übertragenen Lehraufgaben eingeräumt wird, bestimmen die Honorarprofessoren den Gegenstand ihrer Lehrveranstaltungen selbst. Die Lehrfreiheit der hauptberuflich tätigen Hochschullehrer ist aber umfassender als die der Honorarprofessoren, weil jenen in § 43 Abs. 1 Satz 1 HRG selbstiio Vgl. unter VII. l.b). in Thieme (o. Fn. 2), Rdnr. 521; Satow (o. Fn. 48), S. 30 ff. 112 Vgl. VG Gelsenkirchen, KMK-HSchR 1985, 1123 ff.; VG Frankfurt, KMK-HSchR 1985,581 ff. из VG Gelsenkirchen, KMK-HSchR 1985, 1123 ff., 1127; Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 400. 114 §§ 58 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 57 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 RPfUG, 50 Abs. 2 Satz 1 RPfFHG. 115 Vgl. hierzu Waldeyer (o. Fn. 28), § 55 Rdnrn. 25-31.

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ständige Lehre in Bezug auf ihr Fach zugewiesen wird, während bei diesen die Lehrbefugnis auf das Fachgebiet beschränkt ist, für das sie bestellt sind. 116 Das Fachgebiet ist ein Teil eines Faches i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1 HRG. Innerhalb seines Fachgebiets kann sich der Honorarprofessor auf die in Art. 5 Abs. 3 GG verbürgte Lehrfreiheit berufen, unbeschadet der Pflicht, seine Lehrtätigkeit an den Vorgaben der Studien- und Prüfungsordnungen auszurichten. 117 2. Prüfungen a) Prüfungsbefugnis In den Landesgesetzen wird den Honorarprofessoren überwiegend die Befugnis eingeräumt, an Hochschulprüfungen mitzuwirken. 118 Soweit die Landesgesetze den Honorarprofessoren nicht ausdrücklich die Prüfungsbefugnis zuweisen, kann ihnen diese Befugnis zustehen, wenn sie zu den in der beruflichen Praxis und Ausbildung erfahrenen Personen gehören. 119 In Hessen können Honorarprofessoren nur dann Prüfungen abnehmen, wenn ihnen ein Lehrauftrag erteilt worden ist. 1 2 0 Im Gegensatz zu den hauptberuflich tätigen Hochschullehrern 121 sind die Honorarprofessoren aber nicht zur Abnahme von Prüfungen verpflichtet. Nur in Berlin besteht für die Honorarprofessoren eine eingeschränkte Obliegenheit zur Mitwirkung an Prüfungen. 122 Die Honorarprofessoren haben im Gegensatz zu den hauptberuflich tätigen Hochschullehrern auch kein Recht darauf, in angemessenem Umfang an Prüfungen beteiligt zu werden. 123 b) Qualifikation Gemäß § 15 Abs. 4 HRG dürfen Prüfungsleistungen nur von Personen bewertet werden, die selbst mindestens die durch die Prüfung festzustellende oder eine gleichwertige Qualifikation besitzen. 124 Diese rahmenrechtliche Vorgabe gilt auch Π6 Vgl. § 79 Abs. 2 Satz 1 BWUG, Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayHSchLG, §§ 56 Abs. 2 Satz 1 SaUG, 40 Abs. 2 Satz 1 SaFHG, 100 Abs. 2 Satz 1 SHHG, 60 Abs. 1 Satz 3 ThürHG. 117 Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 400; Gerber, in: Haug (Fn. 28), Rdnr. 1153. us § 79 Abs. 2 Satz 3 BWUG, Art. 80 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BayHLSchG i.V.m. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BayHSchLG, §§ 117 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. 99 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BerlHG, 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BremHG, 73 Abs. 2 Satz 2 NHG, 95 Abs. 1 Satz 1 NWHG, 24 Abs. 3 Satz 1 RPfUG, 19 Abs. 3 Satz 1 RPfFHG, 56 Abs. 2 Satz 3 SaUG, 40 Abs. 2 Satz 3 SaFHG, 55 Abs. 3 SHG, 100 Abs. 2 Satz 2 SHHG, 60 Abs. 1 Satz 4 ThürHG. 119 §§ 37 Abs. 4 Satz 3 BWFHG, 14 Abs. 4 Satz 1 MVHG, 16 Abs. 4 Satz 1 SAHG. 120 § 22 Abs. 3 Satz 1 HeHG. 121 Vgl. insoweit § 43 Abs. 1 Satz 2 HRG. 122 § 117 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. 99 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BerlHG. 123 Vgl. Waldeyer, NVwZ 2001, 891 ff., 892; ders. (o. Fn. 28), § 15 Rdnr. 51; a.A. Thieme (o. Fn. 2), Rdnr. 327. 39 FS Leuze

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für Promotionen und Habilitationen, da es sich bei ihnen um Hochschulprüfungen handelt. 125 Es ist daher nicht haltbar, wenn im Schrifttum 126 Honorarprofessoren uneingeschränkt die Prüfungsbefugnis in Bezug auf Promotionen zugesprochen wird. Zwar ist es zutreffend, dass auch eine höherwertige Qualifikation die Voraussetzungen von § 15 Abs. 4 HRG erfüllt, diese ist aber bei Honorarprofessoren nicht immer gegeben. Wenn z. B. in Baden-Württemberg Lehrbeauftragten, die über einen längeren Zeitraum erfolgreich an der Pädagogischen Hochschule tätig waren, die Bezeichnung „Honorarprofessor" verliehen werden kann, 127 liegt eine der Promotion gleichwertige Qualifikation nicht immer vor, 1 2 8 so dass gemäß § 15 Abs. 4 HRG eine Prüfertätigkeit im Promotionsverfahren unter Umständen unzulässig ist. Dieser rahmenrechtlichen Vorgabe trägt der Gesetzgeber in § 54 Abs. 2 Satz 4 BWUG Rechnung. Danach können im Promotionsverfahren als Prüfer nur Professoren der Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen sowie Hochschul- und Privatdozenten bestellt werden, so dass insoweit die Honorarprofessoren als Prüfer ausscheiden, obwohl ihnen in Bezug auf andere Hochschulprüfungen die Prüfungsbefugnis zugesprochen wird. 1 2 9 Nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung 130 können die Habilitationsordnungen vorsehen, dass Honorarprofessoren im Habilitations verfahre η als Prüfer mitwirken, auch wenn sie nicht habilitiert sind. Auch insoweit wird die rahmenrechtliche Vorgabe von § 15 Abs. 4 HRG nicht beachtet. Nur wenige Honorarprofessoren können eine Habilitation oder gleichwertige Leistungen vorweisen. 131 Daher kommt die bewertende Mitwirkung von Honorarprofessoren im Habilitationsverfahren in der Regel nicht in Betracht. Der mit § 15 Abs. 4 HRG verfolgte Zweck, den Prüfling vor nicht sachverständiger Bewertung zu schützen, trifft nämlich insbesondere bei so lebenswegentscheidenden Beschlüssen wie der Annahme oder Ablehnung der Habilitation zu.

3. Forschung Nur in vier Ländern wird den Honorarprofessoren ein Recht zur Forschung eingeräumt. 132 In Rheinland-Pfalz kann die Grundordnung vorsehen, dass die Hono124 Vgl. hierzu Waldeyer (o. Fn. 28), § 15 Rdnrn. 41 -49. 125 Bode, in: Dallinger, HRG, 1978, § 15 Rdnr. 3; Karpen, HdbWissR, 1. Auflage 1982, S. 859 Fn. 25; BVerfGE 88, 142; BVerwGE 95, 237 ff., 242, 244; OVG Münster, WissR 1993, 148 ff., 150. 126 Thieme (o. Fn. 2), Rdnr. 521; Schmidt, WissR 1978, 261 ff., 268 f.; Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 401. 127 § 54 Abs. 2 Satz 1 BWPHG. 128 Vgl. unter III. l.c). 129 Vgl. § 79 Abs. 2 Satz 3 BWUG. 130 Schmidt, WissR 1978, 261 ff., 269; Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 401. 131 Vgl. unter III. 1.

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rarprofessoren auch selbständig forschen können, soweit die Ausstattung der Hochschule dies zulässt.133 In Berlin können die Honorarprofessoren in angemessenem Umfang auch zu den Forschungsaufgaben der Hochschule herangezogen werden. 134 Der Forschungstätigkeit der Honorarprofessoren sind aber dadurch enge Grenzen gesetzt, dass sie nebenberuflich an der Hochschule tätig sind und ihnen akademische und sonstige Mitarbeiter nicht zugeordnet sind. 135 Etwas anderes gilt allerdings in den Fällen, in denen leitende Mitarbeiter außerhochschulischer Forschungseinrichtungen, die mit der Hochschule arbeitsteilig oder ergänzend zusammenarbeiten, zu Honorarprofessoren bestellt werden. 136

VIII. Rechtsnatur der Honorarprofessur 1. Zuordnung zum öffentlichen Recht Lediglich in Niedersachsen wird die Honorarprofessur ausdrücklich dem öffentlichen Recht zugeordnet. Gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 NHG stehen die Honorarprofessoren in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zur Hochschule. Auch in den übrigen Ländern stellt die Honorarprofessur ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis dar. Dies wird überwiegend durch das Verb „bestellen" oder das Substantiv „Bestellung" zum Ausdruck gebracht. 137 Durch diese Formulierung wird deutlich, dass die Honorarprofessur durch eine einseitige hoheitliche Regelung zustande kommt und folglich ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis darstellt. Auch in den Landesgesetzen, in denen davon gesprochen wird, dass der Staat oder die Hochschule die Bezeichnung „Honorarprofessor" bzw. „Professor" verleihen kann, 138 wird die Zuordnung der Honorarprofessur zum öffentlichen Recht und die Begründung des Rechtsverhältnisses durch Verwaltungsakt sichtbar. Die verwaltungsrechtlichen Begriffe „Widerruf und „Rücknahme", die in den Landesgesetzen in Zusammenhang mit der Entziehung der Honorarprofessur verwendet werden, 139 machen ebenfalls deutlich, dass die Honorarprofessur ein öffentlich-recht132 §§ 25 Abs. 2 Satz 3 BremHG, 73 Abs. 2 Satz 2 NHG, 55 Abs. 3 SHG, 100 Abs. 2 Satz 3 SHHG. 133 §§ 58 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 57 Abs. 1 Satz 2 RPfUG, 50 Abs. 2 Satz 2 RPfFHG. 134 §§ 117 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. 99 Abs. 1 BerlHG. 135 Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 401. 136 Vgl. §§ 79 Abs. 2 Satz 4 BWUG, 56 Abs. 6 SAHG. 137 § 79 Abs. 1 BWUG; Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 BayHSchLG, §§ 116 Abs. 1 Satz 1 BerlHG, 52 Abs. 1 Satz 1 BbgHG, 25 Abs. 1 BremHG, 58 Abs. 1 Satz 1 RPfUG, 50 Abs. 1 RPfFHG, 56 Abs. 1 Satz 1 SaUG, 40 Abs. 1 Satz 1 SaFHG, 55 Abs. 2 SHG, 56 Abs. 2 SAHG, 60 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ThürHG.

138 §§54 Abs. 2 Satz 1 BWPHG, 50 Abs. 2 Satz 1 BWFHG, 56 Abs. 3 Satz 1 BWKHG, 17 Abs. 1 HmbHG, 88 Abs. 1 Halbsatz 1 HeHG, 52 Abs. 1 Satz 1 MVHG, 53 Abs. 2 NWHG, 49 Abs. 2 Satz 1 SaMHG, 100 Abs. 1 Satz 1 SHHG. 39

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liches Rechtsverhältnis darstellt. Dies ist bemerkenswert, weil bei dem hauptberuflich tätigen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal der Hochschulen rahmenrechtlich sowohl ein öffentlich-rechtliches Beamten- als auch ein privatrechtliches Angestelltenverhältnis zulässig ist und auch das Lehrauftrags Verhältnis in vier Ländern als privatrechtliches Rechtsverhältnis begründet werden kann. 140 2. Kein Beamten- oder Angestelltenverhältnis Bereits in seinem Urteil vom 22. Juli 1965 hat das Bundesverwaltungsgericht 141 festgestellt, dass durch die Bestellung zum Honorarprofessor kein Dienstverhältnis zum Staat oder zur Hochschule und auch kein einem Dienstverhältnis vergleichbares Rechtsverhältnis begründet wird. Diese Feststellung findet sich auch in einigen Landesgesetzen.142 Soweit in den Landesgesetzen eine diesbezügliche Feststellung fehlt, wird durch die Bestellung zum Honorarprofessor ebenfalls kein Beamtenoder Angestelltenverhältnis begründet. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Honorarprofessor keinen Anspruch auf Dienstbezüge und auch nicht auf eine sonstige Vergütung hat. 143 In einigen Landesgesetzen wird präzisierend hinzugefügt, dass dem Honorarprofessor auch kein Anspruch bzw. keine Anwartschaft auf Begründung eines Dienstverhältnisses zusteht. 144 Trotz des Ausschlusses eines Beamtenverhältnisses werden in einigen Landesgesetzen einzelne Vorschriften des Beamtenrechts auf die Honorarprofessur für entsprechend anwendbar erklärt, um diese Rechtsfigur zu präzisieren. 145 3. Kein öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis Für Thieme 146 ist die Rechtsfigur des Honorarprofessors verwandt mit der des Lehrbeauftragten. Das Lehrauftragsverhältnis ist für ihn ein „öffentlich-rechtliches 139 § 79 Abs. 6 und 7 BWUG, Art. 30 BayHSchLG, §§ 25 Abs. 3 BremHG, 52 Abs. 2 i.V.m. 51 Abs. 3 i.V.m. 50 Abs. 3 Satz 1 MVHG, 73 Abs. 4 NHG, 53 Abs. 4 Satz 2 NWHG, 58 Abs. 2 RPfUG, 50 Abs. 3 RPfFHG, 56 Abs. 1 Satz 3 SaUG, 40 Abs. 1 Satz 3 SaFHG, 49 Abs. 4 SaMHG, 55 Abs. 4 Satz 2 SHG, 56 Abs. 4 SAHG, 100 Abs. 3 SHHG, 60 Abs. 3 Satz 2 ThürHG. 140 Vgl. Waldeyer (o. Fn. 28), § 55 Rdnr. 33. πι NJW 1965, 2020 f. 142 § 79 Abs. 4 Halbsatz 2 BWUG, Art. 29 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BayHSchLG, §§ 117 Abs. 1 Satz 1 BerlHG, 52 Abs. 3 Satz 1 BbgHG, 88 Abs. 2 Halbsatz 2 i.V.m. 31 Abs. 2 Satz 3 HeHG, 52 Abs. 2 i.V.m. 51 Abs. 2 Satz 2 MVHG, 53 Abs. 3 Satz 4 NWHG, 56 Abs. 1 Satz 2 SAHG. 143 Vgl. unter V I I . l . c ) .

144 Art. 29 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayHSchLG, §§ 52 Abs. 2 i.V.m. 51 Abs. 2 Satz 2 MVHG, 53 Abs. 3 Satz 4 NWHG. 145 Vgl. § 79 Abs. 2 Satz 5 BWUG, Art. 29 Abs. 3 BayHSchLG, §§ 73 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. 70 Abs. 3 Satz 2 NHG.

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Auftragsverhältnis eigener Art". 1 4 7 Diese Kategorisierung trifft weder für das Lehrauftrags Verhältnis 148 noch für die Honorarprofessur zu. Entscheidend gegen die rechtliche Qualifizierung der Honorarprofessur als öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis eigener Art spricht, dass der Beauftragte grundsätzlich an die Weisungen des Auftraggebers gebunden ist, 1 4 9 während die Tätigkeit des Honorarprofessors durch das Funktionsmerkmal der Selbständigkeit gekennzeichnet ist. 1 5 0 Auch die Regelung von § 671 Abs. 1 BGB, nach welcher der Auftrag von dem Auftraggeber jederzeit widerrufen werden kann, ist mit der hochschulrechtlichen Ausgestaltung der Honorarprofessur, nach der ein Widerruf nur ausnahmsweise in Betracht kommt, 151 nicht vereinbar.

4. Öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis eigener Art In Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht 152 und einer im Schrifttum 153 vertretenen Meinung ist die Honorarprofessur als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis eigener Art einzuordnen. Etwas anderes gilt nur in Bayern in dem Fall, dass den Honorarprofessoren für Lehrveranstaltungen, die zur Vollständigkeit des Lehrangebots erforderlich sind, eine Lehrvergütung gewährt wird. 1 5 4 Insoweit stellt die Honorarprofessur ein selbständiges Dienstverhältnis des öffentlichen Rechts dar. 155 Dieses Dienstverhältnis besteht, obwohl es durch das Ministerium begründet wird, 1 5 6 gemäß Art. 2 Abs. 4 Satz 1 BayHSchLG zwischen der Hochschule und dem Honorarprofessor. 157

146 147 148 149

(O. Fn. 2), Rdnr. 521. Thieme (o. Fn. 2), Rdnr. 519. Vgl. insoweit Waldeyer (o. Fn. 28), § 55 Rdnr. 35. Vgl. § 665 BGB.

150 Vgl. unter V I I . l . d ) .

151 Vgl. unter X. l.b). 152 NJW 1965, 2020. 153 Hillmann, VerwArch 1988, 369 ff., 398. 154 Vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayHSchLG. 155 Vgl. Reich (o. Fn. 41), Art. 29 Rdnr. 6. 156 Vgl. Art. 28 Abs. 3 Satz 1 BayHSchLG. 157 Reich (o. Fn. 41) Art. 29 Rdnr. 6.

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IX. Mitgliedschaftliche Stellung 1. Fehlende rahmenrechtliche Vorgaben Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 HRG regelt das Landesrecht die mitgliedschaftliche Stellung der nebenberuflich an der Hochschule tätigen Personen. Hierzu gehören auch die Honorarprofessoren. 158 Bei der Ausgestaltung der mitgliedschaftlichen Stellung der Honorarprofessoren hat der Landesgesetzgeber einen großen Freiraum, der ihm sogar ermöglicht, ihnen die Mitgliedschaft völlig zu verweigern. Er kann auch auf eine Regelung der mitgliedschaftlichen Stellung verzichten und diese der Grundordnung der Hochschule überlassen.

2. Landesrechtliche Regelungen Das Bundesverwaltungsgericht 159 hat im Jahre 1965 die Meinung vertreten, dass der Honorarprofessor in die Korporation der Hochschule eingegliedert sei und deshalb korporationsrechtliche Rechte und Pflichten habe. Auch Thieme 160 ist der Auffassung, dass die Würde des Honorarprofessors eine Mitgliedschaft in der Hochschule bedeute. Diese pauschalierenden Aussagen werden der großen Variationsbreite des Landesrechts in der Ausgestaltung der mitgliedschaftlichen Stellung der Honorarprofessoren nicht gerecht. Die landesrechtliche Palette reicht von der Einräumung des vollen Mitgliedsstatus über geminderte Mitgliedsrechte bis zur Vorenthaltung der Mitgliedschaft.

a) Mitgliedsstatus

mit aktivem und passivem Wahlrecht

Nur in Berlin 1 6 1 sind sämtliche Honorarprofessoren Mitglieder der Hochschule mit aktivem und passivem Wahlrecht. Sie gehören mitgliedschaftsrechtlich zur Gruppe der Professoren. 162 Ob diese Zuordnung verfassungsrechtlich zulässig ist, wird später erörtert. 163 Arbeiten in Baden-Württemberg außeruniversitäre wissenschaftliche Einrichtungen arbeitsteilig oder ergänzend mit der Universität zusammen, so kann den dort leitenden Wissenschaftlern mit der Bestellung zum Honorarprofessor für die Dauer dieser Tätigkeit auch die korporationsrechtliche Stellung eines beamteten Profes158 Vgl. unter II.

159 NJW 1965, 2020 f. 160 (O. Fn. 2), Rdnr. 361. 161 § 43 Abs. 1 Nr. 3 BerlHG. 162 § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BerlHG. 163 Vgl. unter IX. 3.

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sors übertragen werden mit Ausnahme des Rechts der Bekleidung eines Amtes als Rektor oder Prorektor. 164 Eine weitgehend inhaltsgleiche Regelung gibt es auch in Sachsen-Anhalt.165 Zwei Unterschiede sind allerdings bemerkenswert. Einmal gilt die sachsen-anhaltinische Regelung auch für die Fachhochschulen, zum anderen ist dort die Übertragung der korporationsrechtlichen Stellung eines beamteten Professors nur möglich, wenn dies in der Grundordnung vorgesehen ist. Auch an den Kunsthochschulen Baden-Württembergs sind die Lehrbeauftragten, denen die Bezeichnung „Professor" verliehen worden ist, Mitglieder der Hochschule mit aktivem und passivem Wahlrecht. 166 Sie gehören aber mitgliedschaftsrechtlich zur Gruppe der Lehrbeauftragten. 167 Diese Zuordnung ist verfassungsrechtlich durch Art. 5 Abs. 3 GG geboten, da die Lehrbeauftragten, welche die Bezeichnung „Professor" führen dürfen, lediglich die Qualifikation eines Lehrbeauftragten besitzen,168 obwohl sie eine Tätigkeit ausüben, die ihrer Art nach bei einer hauptberuflich tätigen Person die Einstellungsvoraussetzungen eines hauptberuflichen Professors erfordern würde. In Hamburg 169 und Rheinland-Pfalz 170 regelt die Grundordnung die mitgliedschaftliche Stellung der Honorarprofessoren. Sie kann die Honorarprofessoren als Mitglieder der Hochschule mit aktivem und passivem Wahlrecht ausweisen. Ob auch ihre mitgliedschaftsrechtliche Zuordnung zur Hochschullehrergruppe verfassungsrechtlich zulässig ist, wird später erörtert. 171

b) Mitgliedsstatus

mit aktivem Wahlrecht

In Mecklenburg-Vorpommern sind die Honorarprofessoren Mitglieder der Hochschule mit aktivem Wahlrecht. 172 Ihre Zuordnung zu den Mitgliedergruppen regeln die Grundordnungen der Hochschulen.173

164 § 79 Abs. 2 Satz 4 BWUG. 165 § 56 Abs. 6 SAHG. 166 § 56 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BWKHG. 167 168 169 по

§ 73 Abs. 2 Nr. 4 BWKHG. § 56 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 56 Abs. 1 Satz 1 BWKHG. § 8 Abs. 1 Satz 2 HmbHG. §§ 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 RPfUG, 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 RPfFHG.

171 Vgl. unter IX. 3. 172 § 69 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 2 MVHG. 173 §71 Abs. 2 Satz 2 MVHG.

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с) Mitgliedschaft

ohne aktives und passives Wahlrecht

In Bayern 174 und Baden-Württemberg 175 sind die Honorarprofessoren zwar Mitglieder der Hochschule, sie sind jedoch im Rahmen der Hochschulselbstverwaltung nicht wahlberechtigt und nicht wählbar. In Schleswig-Holstein176 sind die Honorarprofessoren den Mitgliedern der Hochschule gleichgestellt, soweit es im Hochschulgesetz oder der Verfassung der Hochschule bestimmt ist. Das aktive und passive Wahlrecht steht ihnen aber nur zu, wenn dies im Hochschulgesetz vorgesehen ist. 1 7 7

d) Fehlender Mitgliedsstatus Überwiegend werden im Landesrecht die Honorarprofessoren nur den Angehörigen der Hochschule zugeordnet, die weder aktives noch passives Wahlrecht haben. 178

3. Verfassungsrechtliche Würdigung des Landesrechts a) Mitgliedsstatus

verfassungsrechtlich

nicht geboten

Das Landesrecht hat den Honorarprofessoren überwiegend keinen Mitgliedsstatus mit aktivem und passivem Wahlrecht eingeräumt. Dies ist mit Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar. Der Honorarprofessor ist zwar Träger des Grundrechts der Lehrfreiheit, 1 7 9 daraus folgt aber nicht ein verfassungsverbürgter Anspruch auf Mitwirkung in den Kollegialorganen der Hochschule, da die Gewährung eines Teilhaberechts zum Schutze seines grundrechtlich gesicherten Freiraums nicht unerlässlich ist, weil sie ihm eine freie wissenschaftliche Betätigung überhaupt erst ermöglicht. 180

174 Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayHSchLG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Nr. 8 und Abs. 2 Satz 3 BayHSchG. 175 §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BWUG, 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 BWFHG; Ausnahme in § 56 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BWKHG. 176 § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SHHG. 177 § 23 Abs. 3 Satz 2 SHHG. 178 §§ 58 Abs. 2 BbgHG, 5 Abs. 5 Satz 1 BremHG, 7 Abs. 6 HeHG, 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 NHG, 11 Abs. 4 Satz 1 NWHG, 6 Abs. 3 Satz 1 NWKHG, 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SaUG, 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SaFHG, 65 Abs. 3 Satz 1 SHG, 67 Abs. 3 SAHG, 38 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ThürHG. 179 Vgl. unter VII. 1. d). •so BVerfGE 35, 116.

Die Rechtsstellung der Honorarprofessoren

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b) Verfassungswidrigkeit der uneingeschränkten Zuordnung zur Hochschullehrergruppe Fraglich ist, ob die mitgliedschaftsrechtliche Zuordnung der Honorarprofessoren zur Gruppe der Hochschullehrer im Sinne von § 37 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 HRG mit dem vom Bundesverfassungsgericht im „Hochschulurteil" entwickelten materiellen Hochschullehrerbegriff 181 vereinbar ist. Danach ist an den Universitäten unter Hochschullehrer „der akademische Forscher und Lehrer zu verstehen, der aufgrund der Habilitation oder eines sonstigen Qualifikationsbeweises mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung 182 und Lehre betraut ist." Der Honorarprofessor hat zwar in einigen Ländern ein Recht zur Forschung,183 er ist aber in keinem Land mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in der Forschung betraut. Auch trägt er aufgrund seiner nebenberuflichen Tätigkeit 184 und seiner fehlenden dienstrechtlichen Einbindung in den Wissenschaftsbetrieb der Hochschule185 nicht kraft seines Amtes und Auftrages erhöhte Verantwortung für die Funktionsfähigkeit und den wissenschaftlichen Rang der Universität. 186 Daher erfüllt der Honorarprofessor nicht die Voraussetzungen des materiellen Hochschullehrerbegriffs, so dass an den Universitäten die mitgliedschaftsrechtliche Zuordnung zur Gruppe der Hochschullehrer mit Art. 5 Abs. 3 GG nicht vereinbar ist. Zu untersuchen ist, ob dies auch für die an den Fachhochschulen tätigen Honorarprofessoren gilt. Insoweit ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 187 die ausschließlich in Fachhochschulstudiengängen der Gesamthochschulen tätigen Professoren nicht als „Hochschullehrer in dem auf wissenschaftliche Hochschulen bezogenen (materiellen) Sinne" angesehen werden können. Da aber die Fachhochschulen und ihre Professoren nach Maßgabe ihrer Aufgaben in den Geltungsbereich von Art. 5 Abs. 3 GG einbezogen sind, 188 gibt es auch einen auf Fachhochschulen bezogenen materiellen Hochschullehrerbegriff. 1 8 9 Danach ist Hochschullehrer im materiellen Sinne der akademische Forscher und Lehrer, der auf Grund seiner Qualifikation gemäß § 44 Abs. 1 i.V.m. § 44 Abs. 3 Satz 2 HRG mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in anwendungsbezogener Forschung und Lehre betraut ist. Diese Voraussetzungen werden von den an den Fachhochschulen tätigen Honorarprofessoren nicht 181 BVerfGE 35, 79 ff., 126 f. 182 Hervorhebungen vom Verfasser. 183 Vgl. unter VII. 3. 184 Vgl. unter II. 185 Vgl. unter VIII. 2. 186 Vgl. insoweit BVerfGE 35, 79 ff., 127. 187 BVerfGE 61, 210 ff., 242 ff. iss Vgl. Waldeyer (o. Fn. 100), Rdnr. 210-225. 189 Vgl. Hailbronner, in: Festschrift für Faller, 1984, 249 ff., 262 f.; OVG Berlin, OVGE 14, 132 ff.

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erfüllt, da ihnen lediglich ein Recht zur Forschung und dies auch nur in einigen Landesgesetzen eingeräumt worden ist. 1 9 0 Auch tragen sie wegen ihrer nebenberuflichen Tätigkeit und der fehlenden dienstrechtlichen Einbindung kraft ihres Amtes und Auftrages keine erhöhte Verantwortung für die Funktionsfähigkeit und den wissenschaftlichen Rang der Fachhochschule. Daher ist auch an den Fachhochschulen die uneingeschränkte mitgliedschaftsrechtliche Zuordnung der Honorarprofessoren zur Hochschullehrergruppe verfassungswidrig.

c) Verfassungsmäßigkeit

der Gewährung des aktiven Wahlrechts

Ein aktives Wahlrecht der Honorarprofessoren, wie es im Hochschulgesetz von Mecklenburg-Vorpommern vorgesehen ist, 1 9 1 dürfte auch bei ihrer Zuordnung zur Hochschullehrergruppe noch mit Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar sein. Die Honorarprofessoren müssen nämlich gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 MVHG hervorragende Leistungen in der beruflichen Praxis aufweisen, die den Anforderungen an die Berufung als Professor entsprechen. Außerdem ist bei der Gewährung lediglich des aktiven Wahlrechts die mitgliedschaftsrechtliche Gruppe der Hochschullehrer in den Gremien homogen zusammengesetzt. Auch ist in diesem Fall gewährleistet, dass der Hochschullehrergruppe bei Entscheidungen, die unmittelbar die Lehre betreffen, ein maßgebender Einfluss verbleibt und bei Entscheidungen, die unmittelbar Fragen der Forschung und des Berufungsverfahrens betreffen, ein ausschlaggebender Einfluss zukommt.

X. Beendigung der Bestellung 1. Hochschulgesetzliche Regelungen Die Beendigung der Bestellung zum Honorarprofessor durch Erlöschen, Widerruf oder Rücknahme ist entgegen der Ansicht von Thieme 192 überwiegend in den Hochschulgesetzen geregelt. 193

190 Vgl. unter V I I . 3.

191 Vgl. unter IX. 2. b). 192 (o. Fn. 2), Rdnr. 521. 193 §§ 79 Abs. 5 bis Abs. 7 BWUG, 54 Abs. 2 Satz 2 BWPHG, 50 Abs. 2 Satz 2 BWFHG, Art. 30 Bay HSchLG, §§ 117 Abs. 2 BerlHG, 25 Abs. 3 BremHG, 52 Abs. 2 i.V.m. 51 Abs. 3 i.V.m. 50 Abs. 3 MVHG, 73 Abs. 4 NHG, 58 Abs. 2 RPfUG, 50 Abs. 3 RPfFHG, 49 Abs. 3 und 4 SaMHG, 56 Abs. 3 und 4 SAHG, 100 Abs. 3 SHHG, 60 Abs. 2 Sätze 2 und 3 und Abs. 3 Satz 2 ThürHG.

Die Rechtsstellung der Honorarprofessoren

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a) Erlöschen Die Bestellung zum Honorarprofessor erlischt • durch schriftlichen Verzicht gegenüber dem zuständigen Ministerium bzw. dem Hochschulleiter, 194 • durch Einweisung in eine Planstelle derselben Universität als Professor, 195 • durch Bestellung zum Honorarprofessor oder mit dem Erwerb einer vergleichbaren Rechtsstellung an einer anderen Hochschule,196 • durch Bestellung zum Privatdozenten oder Universitätsprofessor oder mit dem Erwerb einer vergleichbaren Rechtsstellung an einer Hochschule,197 • durch die Verurteilung in einem ordentlichen Strafverfahren durch ein deutsches Gericht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, wenn dieses Urteil bei einem Beamten den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hätte, 198 • durch Widerruf der Mitgliedschaft als ordnungsrechtliche Maßnahme.199 Das Erlöschen der Bestellung zum Honorarprofessor tritt automatisch kraft Gesetzes ein, ein Tätigwerden der Hochschule oder des zuständigen Ministeriums erübrigt sich daher. Ein etwa erlassener Bescheid über das Erlöschen hat daher nur deklaratorische Bedeutung. In diesem Fall sind Widerspruch und Klage zwar möglich, können aber keine aufschiebende Wirkung entfalten. 200

b) Widerruf Die Bestellung zum Honorarprofessor kann widerrufen werden, wenn • er aus Gründen, die er zu vertreten hat, zwei Jahre keine Lehrtätigkeit ausgeübt hat, es sei denn, er hat das 63. Lebensjahr schon vollendet, 201 • die Lehrbefugnis ohne hinreichenden Grund länger als zwei Semester nicht wahrgenommen wird, 2 0 2 194 Vgl. § 79 Abs. 5 Nr. 1 BWUG, Art. 30 Abs. 1 Nr. 3 BayHSchLG, §§ 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BerlHG, 25 Abs. 3 Satz 1 BremHG, 49 Abs. 3 Nr. 1 SaMHG, 56 Abs. 3 Nr. 1 SAHG. 195

Vgl. §§ 79 Abs. 5 Nr. 1 BWUG, 56 Abs. 3 Nr. 2 SAHG. 196 Art. 30 Abs. 1 Nr. 1 BayHSchLG. 197 Vgl. Art. 30 Abs. 1 Nr. 2 BayHSchLG, §§ 52 Abs. 2 i.V.m. 51 Abs. 3 i.V.m. 50 Abs. 3 Satz 2 MVHG, 49 Abs. 3 Nr. 2 SaMHG. 198 Vgl. § 79 Abs. 5 Nr. 3 BWUG, Art. 30 Abs. 1 Nr. 4 BayHSchLG, §§ 49 Abs. 3 Nr. 3 SaMHG, 56 Abs. 3 Nr. 3 SAHG. 199 § 79 Abs. 5 Nr. 4 i.V.m. § 98 Abs. 3 BWUG. 200 Reich (o. Fn. 41), Art. 30 Rdnr. 1. 201 Vgl. § 79 Abs. 6 Nr. 1 BWUG, Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 BayHSchLG, §§ 52 Abs. 2 i.V.m. 51 Abs. 3 i.V.m. 50 Abs. 3 Satz 1 MVHG, 49 Abs. 4 Nr. 2 SaMHG, 56 Abs. 4 Nr. 1 SAHG.

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• der Honorarprofessor vor Erreichung des 65. Lebensjahres ohne hinreichenden Grund unangemessen lange von seiner Lehrbefugnis keinen Gebrauch gemacht hat, 203 • er eine Handlung begeht, die bei einem Beamten eine Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte, die nur im förmlichen Disziplinarverfahren verhängt werden kann, 204 • ein Grund vorliegt, der bei einem Beamten die Rücknahme der Ernennung zum Beamten rechtfertigen würde, 205 • Gründe in seiner Person vorliegen, die bei einem Beamten zur Entfernung aus dem Dienst führen, 206 • der Honorarprofessor gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen hat, 2 0 7 • er sich ihrer als nicht würdig erweist. 208 Der Widerruf der Bestellung zum Honorarprofessor stellt einen Verwaltungsakt dar, der nur mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen werden darf. Er steht in den angefühlten Regelungen im Ermessen der zuständigen Behörde, wie die Formulierung „kann" deutlich macht. 209 Das Ermessen ist mit großer Sorgfalt auszuüben, denn auch heute gilt noch, was Laband im Jahre 1907 festgestellt hat: „Die Verleihung eines Titels hebt den dadurch Ausgezeichneten in der allgemeinen Achtung bei weitem nicht in dem Grade, wie ihn die Entziehung des Titels herabsetzt." 210 Die angeführten hochschulgesetzlichen Widerrufsgründe stellen abschließende Regelungen dar, so dass ein Rückgriff auf die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen in § 49 Abs. 2 VwVfG ausgeschlossen ist. Die für den Widerruf zuständige Behörde ist nur in einzelnen Hochschulgesetzen ausdrücklich genannt.211 Soweit eine Zuständigkeitsregelung fehlt, entscheidet über den Widerruf die für die Bestellung zum Honorarprofessor zuständige Behörde. 212 Mit dem Widerruf der Bestellung zum Honorarprofessor erlischt auch 202 § 60 Abs. 2 Satz 3 ThürHG. 203 §§ 58 Abs. 2 i.V.m. 57 Abs. 2 Satz 2 RPfUG, 50 Abs. 3 Satz 2 RPfFHG, 100 Abs. 3 Satz 2 SHHG. 204 Vgl. § 79 Abs. 6 Nr. 2 BWUG, Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 BayHSchLG, §§49 Abs. 4 Nr. 2 SaMHG, 56 Abs. 4 Nr. 2 SAHG. 205

Vgl. §§ 79 Abs. 6 Nr. 3 BWUG, §§ 49 Abs. 4 Nr. 3 SaMHG, 56 Abs. 4 Nr. 3 SAHG. 206 Vgl. §§ 52 Abs. 2 i.V.m. 51 Abs. 3 i.V.m. 50 Abs. 3 Satz 1 MVHG, 58 Abs. 2 i.V.m. 57 Abs. 2 Satz 1 RPfUG, 50 Abs. 3 Satz 1 RPfFHG. 207 Art. 30 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 5 BayHSchLG. 208 § 79 Abs. 6 Nr. 4 BWUG. 209 A.A. Reich (o. Fn. 41), Art. 30 Rdnr. 8; ders., Hochschulgesetz Sachsen-Anhalt, 1996, §56 Rdnr. 11. 210 DJZ 1907, Sp. 201 ff., 206. 211 Art. 30 Abs. 2 BayHSchLG, § 73 Abs. 4 Satz 3 NHG. 212 Vgl. unter IV. 1.

Die Rechtsstellung der Honorarprofessoren

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die Befugnis zur Führung der Bezeichnung „Honorarprofessor" bzw. „Profes-

c) Verabschiedung Unter Abweichung von der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Terminologie sprechen das Berliner 214 und das Brandenburgische Hochschulgesetz215 von der Verabschiedung des Honorarprofessors. Die Verabschiedungsgründe sind aber nur im Berliner Hochschulgesetz216 im Einzelnen geregelt. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass mit der Verabschiedung des Honorarprofessors der Widerruf der Bestellung zum Honorarprofessor gemeint ist. Die Besonderheit besteht aber darin, dass die Verabschiedung unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen auszusprechen ist und nicht im Ermessen der zuständigen Behörde steht. 217

d) Rücknahme Einige Hochschulgesetze sehen auch die Rücknahme der Bestellung zum Honorarprofessor vor. In Bayern kann das zuständige Ministerium im Benehmen mit der Hochschule die Bestellung zum Honorarprofessor zurücknehmen, wenn ein Grund vorliegt, der bei einem Beamten die Rücknahme der Ernennung zum Beamten rechtfertigen würde. 218 Die Rücknahme kann mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit ausgesprochen werden. 219 Im Universitätsgesetz von BadenWürttemberg wird die Rücknahme der Bestellung zum Honorarprofessor zwar erwähnt, es werden aber die Voraussetzungen der Rücknahme nicht geregelt. 220 Diese Regelungslücke ist durch Rückgriff auf § 48 VwVfG zu schließen. Das Bremische Hochschulgesetz spricht zwar von der Rücknahme der Bestellung zum Honorarprofessor, 221 gemeint ist damit aber, wie die Regelung der Rücknahmegründe 222 deutlich macht, der Widerruf der Bestellung.

213 § 79 Abs. 7 BWUG, Art. 30 Abs. 4 BayHSchLG, §§ 56 Abs. 8 SAHG, 60 Abs. 3 Satz 2 ThürHG. 214 § 117 Abs. 2 BerlHG. 215 § 52 Abs. 2 Sätze 1 und 4 BbgHG. 216 § 117 Abs. 2 Satz 1 BerlHG. 217 § 117 Abs. 2 Satz 1 BerlHG. 218 Art. 30 Abs. 3 BayHSchLG i.V.m. Art. 15 BayBG. 219 Reich (o. Fn. 41), Art. 30 Rdnr. 12. 220 § 79 Abs. 7 BWUG. 221 § 25 Abs. 3 Satz 4 BremHG. 222 § 25 Abs. 3 Satz 3 BremHG.

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2. Fehlen hochschulgesetzlicher Regelungen In einigen Hochschulgesetzen sind der Widerruf und die Rücknahme der Bestellung zum Honorarprofessor nicht gesetzlich im Einzelnen geregelt. 223 In Hamburg, 2 2 4 Nordrhein-Westfalen 225 und im Saarland 226 wird vielmehr gesetzlich ausdrücklich bestimmt, dass die Hochschulen das Nähere regeln. Dies bedeutet, dass die Hochschulen in diesen Ländern die diesbezüglichen Regelungen in der Grundordnung oder einer sonstigen Satzung zu treffen haben. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Hochschulen bei der satzungsmäßigen Regelung des Widerrufs und der Rücknahme der Bestellung zum Honorarprofessor an die gesetzlichen Vorgaben der §§ 48 ff. VwVfG gebunden sind. Insoweit ist zu beachten, dass die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Hochschulen nur gelten, soweit nicht Rechtsvorschriften des Landes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. 227 Rechtsvorschriften des Landes in diesem Sinne sind seine Verfassung, die formellen und materiellen Landesgesetze und die Rechts Verordnungen. 228 Zu den Rechtsvorschriften des Landes gehören dagegen nicht Satzungen der Gemeinden, Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, da diese nur ihnen, nicht aber dem Land zugerechnet werden können. 229 In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass die angeführten hochschulgesetzlichen Ermächtigungen, welche die Regelung des Widerrufs und der Rücknahme der Bestellung zum Honorarprofessor den Hochschulen zuweisen, vorrangige spezialgesetzliche Vorschriften des Landes i.S.v. § 1 Abs. 1 VwVfG darstellen. Daher sind die Hochschulen, wenn sie die diesbezüglichen Regelungen im Wege der Satzung treffen, an die gesetzlichen Vorgaben der §§ 48 ff. VwVfG nicht gebunden. Soweit die einschlägigen Satzungen aber Regelungslücken enthalten, können diese durch die subsidiäre Anwendung der §§ 48 ff. VwVfG geschlossen werden.

XI. Schlussbemerkungen Honorarprofessoren, die in einem Fachgebiet der Rechtswissenschaft lehren, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 230 und der einhelli223

Vgl. §§ 17 HmbHG, 88 HeHG, 53 NWHG, 56 SaUG, 40 SaFHG, 55 SHG. 224 § 17 Abs. 4 HmbHG. 225 § 53 Abs. 4 Satz 2 NWHG. 226 § 56 Abs. 1 Satz 3 SaUG, 40 Abs. 1 Satz 3 SaFHG. 227 Vgl. z. B. § 1 Abs. 1 NWVwVfG. 228 Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Вопк/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage, 2001, § 1 Rdnr. 206. 229 Bonk/Schmitz (o. Fn. 228), § 1 Rdnr. 191, 206. 230 BVerwGE 52, 161 ff.

Die Rechtsstellung der Honorarprofessoren

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gen Meinung im Schrifttum 231 Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule i.S.v. § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies überrascht, da die Honorarprofessoren die Voraussetzungen des materiellen Hochschullehrerbegriffs nicht erfüllen. 232 Die Überraschung wird noch größer, wenn man sich vergegenwärtigt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 233 und der h.M. im Schrifttum 234 hauptberuflich tätige Professoren, die an einer Fachhochschule das Fach Rechtswissenschaft in Lehre und anwendungsbezogener Forschung vertreten, bisher nicht als Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule i.S.v. § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO angesehen wurden, obwohl sie die gleiche wissenschaftsbezogene berufspraktische Qualifikation 235 aufweisen, wie sie im Regelfall bei einem Honorarprofessor gegeben ist, 2 3 6 und der Grundsatz der Gleichwertigkeit der Hochschularten seit dem Jahre 1985 sogar im HRG verankert ist. 2 3 7 Der Jubilar hat an der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits vor Jahrzehnten vehement Kritik geübt 238 und zutreffend darauf hingewiesen, dass die Professoren der Fachhochschule in noch stärkerem Maße als Universitätsprofessoren auf die mit § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO bezweckte Verbindung zur Praxis angewiesen sind. Zusammen mit dem Autor dieses Beitrags wird sich daher der Jubilar darüber freuen, dass seine Kritik inzwischen auch den Gesetzgeber überzeugt hat. Durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 239 wurde § 67 Ab. 1 Satz 1 VwGO dahingehend geändert, dass jetzt auch die Professoren der Fachhochschule, die das Fach Rechtswissenschaft in der Lehre vertreten, vor dem Bundesverwaltungsgericht und den Oberverwaltungsgerichten postulationsfähig sind. Diese Gesetzesänderung ist nicht zuletzt auch das Verdienst des Jubilars.

231

Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Auflage, 2000, § 67 Rdnr. 2; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage, 2000, § 67 Rdnr. 5; Schmidt, in: Eyermann /Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Auflage, 1998, § 67 Rdnr. 5; Meissner, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Januar 2001, § 67 Rdnr. 26. 232 Vgl. unter IX. 3. b). 233 NJW 1975, 1899; BVerwGE 56, 336; NJW 1997, 2399. 234 Redeker/von Oertzen (o. Fn. 231), § 67 Rdnr. 2; Kopp/Schenke (o. Fn. 231), § 67 Rdnr. 5; Schmidt (o. Fn. 231), § 67 Rdnr. 5; Meissner (o. Fn. 231); § 67 Rdnr. 26; a.A. Waldeyer(o. Fn. 100), Rdnr. 195-197 mit weiteren Schrifttumsnachweisen. 235 Vgl. § 44 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 HRG. 236 Vgl. unter III. 1. 237 Vgl. Waldeyer (o. Fn. 100), Rdnr. 209. 238 Leuze, DUZ 1976, 136 und DUZ 1978, 664. 239 BGBl. I S. 3987.

Lernmittelfreiheit an öffentlichen Schulen - dargestellt am Beispiel des Landes Baden-Württemberg 1 Roland Wörz

I. Verfassungsrechtliche Grundlagen Artikel 14 Abs. 2 Satz 1, 2 und 5 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV) 2 lautet: „Unterricht und Lernmittel an öffentlichen Schulen sind unentgeltlich. Die Unentgeltlichkeit wird stufenweise verwirklicht ... Das Nähere regelt ein Gesetz."3

Mit der Gewährung der Schulgeld- und Lernmittelfreiheit wurde in Baden-Württemberg eine bedeutsame bildungs- und sozialpolitische Entscheidung getroffen. Der in Artikel 11 Abs. 1 LVals „soziales" Grundrecht 4 statuierte Anspruch auf Bildung wurde damit in einem Teilbereich verwirklicht („Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung"). Nach Artikel 14 Abs. 3 LV hat das Land den Gemeinden und Gemeindeverbänden „den durch die Schulgeld- und Lernmittelfreiheit entstehenden Ausfall und Mehraufwand zu ersetzen ... Näheres regelt ein Gesetz". Die Kosten für die Lernmittelfreiheit hat der Schulträger zu übernehmen. Als Schulträger gilt, wer die sächlichen Kosten der Schule trägt. Dies sind nach § 28 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg (SchG)5 die Gemeinden bzw. die Land1

Die Lernmittelfreiheit gilt prinzipiell in allen Bundesländern. Allerdings bestehen zwischen den Ländern teilweise erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Kreises der Anspruchsberechtigten, der Art der Durchführung, des Umfangs und der Finanzierung. Eine Zusammenstellung der Rechtsgrundlagen in den einzelnen Ländern findet sich bei Avenarius/ Heckel Schulrechtskunde 7. Auflage S. 586 Fn. 72. 2 Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953 (GBl. S. 173). 3 Artikel 11 Abs. 2 Satz 3 und 4 schließt unter bestimmten Voraussetzungen private Schulen in die Lernmittelfreiheit ein. Die privaten Schulen sollen bei den folgenden Erörterungen ausgeklammert bleiben. 4 R Feuchte (Hrsg.) Verfassung des Landes Baden-Württemberg 1986 RdNr. 10 zu Art. 11 LV. 5 Schulgesetz für Baden-Württemberg i.d.F. vom 1. August 1983 (GBl. S. 397). 40 FS Leuze

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kreise. Nach § 17 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) 6 erhalten die Schulträger für die Schüler der öffentlichen Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien, Kollegs, Berufsschulen, Berufsfachschulen, Berufskollegs, Berufsoberschulen und Sonderschulen (also nicht Grundschulen und Fachschulen) einen jährlichen Sachkostenbeitrag für jeden Schüler.7

II. Die gesetzlichen Grundlagen Mit dem „Gesetz über die Schulgeld- und Lernmittelfreiheit und Erziehungshilfen" vom 31. Januar 1955 (GBl. S. 38) wurde zum Beginn des Schuljahres 1958/59 die Schulgeld- und Lernmittelfreiheit eingeführt. Dabei wurde bei der Schulgeldfreiheit noch nach Schularten differenziert. Der Unterricht an öffentlichen Volks- und Berufsschulen war mit Beginn des Schuljahres 1954/55 unentgeltlich; für den Besuch der öffentlichen Mittelschulen, Höheren Schulen und Berufsfachschulen musste vom Schuljahr 1954/55 bis zum Schuljahr 1956/57 noch ein jährlich stufenweise reduziertes Schulgeld entrichtet werden.8 Ähnlich war die Umsetzung der Lernmittelfreiheit geregelt. An den öffentlichen Volks- und Berufsschulen hatte der Träger der sächlichen Schulkosten alle notwendigen Lernmittel deren Kosten im Einzelfall mehr als 1 DM betrugen, leihweise zu überlassen. An den Mittelschulen, den Höheren Schulen und den Berufsfachschulen sollte die Lernmittelfreiheit stufenweise innerhalb 10 Jahren (ab Schuljahr 1954/55) verwirklicht werden.9 Der nächste Schritt erfolgte im Gesetz zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesen (SchVOG) 10 . Nach § 62 SchVOG waren alle Lernmittel an den öffentlichen Grundschulen, Hauptschulen, Mittelschulen, Gymnasien, Berufsschulen, Berufsfachschulen, Berufsoberschulen und Sonderschulen vom Schulträger den Schülern leihweise zu überlassen, deren Kosten im Einzelfall mehr als 1 DM betrugen. Das Kultusministerium wurde ermächtigt durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche Lernmittel notwendig waren.

6

Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich i.d.F. vom 1. Januar 2000 (GBl. S. 14). Die Höhe des Sachkostenbeitrags wird jährlich in der Schullastenverordnung neu festgesetzt - die Schullastenverordnung vom 2. Februar 2000 sieht z. B. für den Schüler einer Hauptschule einen Sachkostenbeitrag von DM 1355,- vor. 8 §§1,2 des Gesetzes über Schulgeld- und Lernmittelfreiheit und Erziehungsbeihilfen. 9 §§9, 10 des Gesetzes über Schulgeld- und Lernmittelfreiheit und Erziehungsbeihilfen; die Lernmittelfreiheit an öffentlichen Volks- und Berufsschulen war schon durch das württemberg-badische Gesetz Nr. 400 vom 2. August 1951 (GBl. S. 61) für die nördlichen Landesteile verwirklicht. 10 Gesetz zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens vom 5. Mai 1964 (GBl. S. 235). 7

Lernmittelfreiheit an öffentlichen Schulen

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Mit Wirkung vom Ol. 08. 1976 wurde das Gesetz zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens vom Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchG) abgelöst. 11 Die Vorschrift über die Lernmittelfreiheit (§ 62 SchVOG) blieb in ihren wesentlichen Aussagen als § 62 SchG erhalten, wurde aber durch die wichtige zusätzliche Regelung ergänzt, dass nämlich Lernmittel - ausnahmsweise - nicht nur leihweise, sondern auch zum Verbrauch überlassen werden. Das Kultusministerium wurde ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche Lernmittel notwendig und welche zum Verbrauch zu überlassen sind. Mit der Neufassung des Schulgesetzes12 wurde auch eine Veränderung bei der Vorschrift über die Lernmittelfreiheit vorgenommen. Der neugefasste § 94 SchG hob - unter Beibehaltung der früheren Regelungen - die Grenze für die vom Schulträger leihweise zu überlassenden Lernmittel auf einen Betrag von mehr als 5 DM im Einzelfall (sog. Bagatellgrenze). Im Rahmen der allgemeinen Sparzwänge, die auch ihre Auswirkungen auf die Finanzierung des Bildungswesens hatten, wurde § 94 Abs. 1 SchG so geändert, dass alle „Lernmittel von geringem Wert" von den Erziehungsberechtigten bzw. den Schülern selbst bezahlt werden müssen, und dass weiterhin solche Gegenstände, die auch außerhalb des Unterrichts gebräuchlich sind, nicht mehr als Lernmittel gelten.13 Diese letzte Gesetzesänderung wurde heftig kritisiert, da als ihr einziges Ziel die Entlastung der kommunalen Haushalte gesehen wurde. Die Gesetzesänderung wirft aber auch rechtliche Fragen auf. Durch die Herausnahme der Gegenstände aus der Lernmittelfreiheit, die auch außerhalb des Unterrichts gebräuchlich sind, ergibt sich die Frage, inwieweit diese Einschränkung noch mit A 14 Abs. 2 LV vereinbar ist. Des weiteren ergibt sich die Fragestellung, wer darüber zu entscheiden hat, was unter „Gegenständen geringen Wertes" zu verstehen ist und in welchen Rahmen eine solche Entscheidung eingebunden ist.

III. Tatsächlicher Umfang der Lernmittelfreiheit Artikel 14 Abs. 2 LV S. 1 sieht von seinem Wortlaut her keine Einschränkung der Lernmittelfreiheit vor. Insbesondere ist dort nicht vorgesehen, dass bestimmte Gegenstände, die auch außerhalb der Schule gebräuchlich sind (zu denken ist an 11 Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens vom 10. Februar 1976 (GBl. S. 126). 12 Bekanntmachung der Neufassung des Schulgesetzes vom 1. August 1983 (GBl. S. 397). 13 Die Änderung von § 94 SchG erfolgte durch das Erste Gesetz zur strukturellen Entlastung der Gemeindehaushalte und zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 16. Dezember 1996 - Haushaltsstrukturgesetz - (GBl. S. 781).

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Schreibgeräte, Zirkel u.ä.) von der Lernmittelfreiheit ausgenommen sind. Die Frage ist allerdings, ob Artikel 14 Abs. 2 S. 5 LV („Das Nähere regelt ein Gesetz") eine Einschränkungsmöglichkeit offen lässt. Diese Frage muss verneint werden. Artikel 14 Abs. 2 S. 5 LV kann nur so interpretiert werden, dass durch ein Gesetz die nötigen Bestimmungen zur Umsetzung und näheren Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben getroffen werden können. Insofern darf der Gesetzgeber die Lernmittelfreiheit nur konkretisieren und für ihre verwaltungsmäßige Durchführung sorgen, eine Befugnis, den Grundsatz der Unentgeltlichkeit einzuschränken, enthält diese Vorschrift nicht. 14 Ebenso wenig lässt sich aus dem Wortlaut von Artikel 14 Abs. 2 LV herleiten, dass der Verfassungsgeber den Gewährleistungsumfang einschränken wollte. Nach der allgemein gültigen Definition sind Lernmittel für die Hand des Schülers bestimmte Arbeitsmittel, die er zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht benötigt. Hierzu zählen Schulbücher und ergänzende Druckwerke wie Quellenhefte und Textsammlungen und Lernmaterialen (Schreibmaterial, Schreibhefte, Zeichengeräte, Zirkelkasten u.ä.).15 Keine Lernmittel sind hingegen solche Gegenstände, die nicht spezifisch dem Schulbesuch und der Teilnahme am Unterricht dienen. Hierzu zählt z. B. die Bekleidung der Schüler und die Nahrungsmittel, die der Schüler im Laufe eines Schultages benötigt. Fraglich bleiben all die Gegenstände, die in der Schule gebraucht, aber auch außerhalb der Schule gebräuchlich sind (hier ist z. B. an Taschenrechner, Bade- und Sportbekleidung zu denken). Angesichts des weitreichenden Schutzbereichs von Artikel 14 Abs. 2 LV kann es bei der Abwägung nicht darauf ankommen, ob es sich um Gegenstände handelt, die „auch außerhalb des Unterrichts gebräuchlich" sind, sondern allein darauf, ob diese Gegenstände von den Schülern außerhalb des Unterrichts tatsächlich verwendet werden können. Des weiteren wird es darauf ankommen, ob die privaten Verwendungsmöglichkeiten im Verhältnis zur Nutzung im Schulbetrieb ein gewisses Gewicht haben. Die Regelung von § 94 Abs. 1 SchG sieht zwar vom Wortlaut her eine solche Differenzierung nicht vor, im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung kann eine Differenzierung vorgenommen werden, dass solche Gegenstände, die von einem hinreichend großen Teil der Schüler in erheblichem Maße auch außerhalb der Schule genutzt werden, von der Lernmittelfreiheit ausgenommen werden. 16

14

Braun Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg 1984 RdNr. 11 zu Artikel 14; ebenso Feuchte (Hrsg.) Verfassung des Landes Baden-Württemberg 1986 RdNr. 11 zu Artikel 14. 15 Avenarius / Heckel Schulrechtskunde 7. Auflage S. 586. •6 So auch Rux „Lernmittelfreiheit und Sozialhilfe" in VB1BW 1997 S. 371; Rux hält die Verfassungsmäßigkeit von § 94 Abs. 1 S. 2 SchG für „in höchstem Maße zweifelhaft" sieht aber dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Bestimmung verfassungkonform im obigen Sinne ausgelegt wird.

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IV. „Gegenstände geringen Wertes" Wie oben II. dargestellt wurde, enthielten die Vorschriften über die Lernmittelfreiheit von Anfang an die Einschränkung, dass nur die Lernmittelkosten vom Schulträger übernommen werden mussten, die im Einzelfall einen bestimmten Betrag überschritten. Bis 1983 galt als sog. Bagatellgrenze der Betrag von 1 DM, danach wurde die Bagatellgrenze auf 5 DM angehoben; seit 1997 ist kein DM-Betrag mehr genannt, vielmehr werden „Gegenstände geringen Wertes" nicht mehr leihweise überlassen. Seit dem Wegfall einer zahlenmäßig festgelegten Bagatellgrenze hat sich in der Praxis bald eine uneinheitliche Entwicklung bei den einzelnen Schulträgern gezeigt. Offenbar wurde der unbestimmte Rechtsbegriff „Gegenstände geringen Wertes" je nach Kassenlage des Schulträgers anders ausgelegt. So konnte es nicht ausbleiben, dass sich die Verwaltungsgerichte mit der Frage befassen mussten, wie der Begriff „Gegenstände geringen Wertes" unter Berücksichtigung der verfassungsmäßigen Vorgaben über die Lernmittelfreiheit auszulegen ist. Ausgangspunkt war die Anschaffung einer Schullektüre für den Deutschunterricht zum Preis von 9,90 DM. Die Lektüre war im Lehrplan vorgesehen und insofern ein notwendiges Lernmittel. Die kostenlose Zurverfügungstellung dieser Lektüre hatte der Schulträger mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um einen „Gegenstand geringeren Wertes", der von den Erziehungsberechtigten oder den Schülern zu beschaffen sei. Die auf Rückerstattung 17 des Kaufpreises gegen den Schulträger gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Verwaltungsgericht Freiburg 18 und in der Berufung der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) 1 9 sahen in der Ablehnung des Schulträgers, die Kosten für diese Lektüre zu übernehmen, einen Verstoß gegen die verfassungsmäßig garantierte Lernmittelfreiheit. Der V G H 2 0 definierte in seiner Entscheidung Lernmittel als Gegenstände, die für den Unterricht nach Anordnung der Schulverwaltung notwendig und zur Nutzung durch den einzelnen Schüler bestimmt sind. Damit ergibt sich einmal eine Abgrenzung zu den Lehrmitteln, welche zur Nutzung durch die Lehrer bestimmt sind und zu solchen Gegenständen, deren Verwendung im Schulbetrieb freigestellt sind (z. B. Schulranzen, Mäppchen u.ä.). 17 Die Kläger hatten die Lektüre, nachdem der Schulträger die Anschaffung abgelehnt hatte, selbst bezahlt. Sie sind gewissermaßen in Vorlage getreten und verlangten Aufwendungsersatz. is Urteil vom 11. 8. 1999-2 Κ 237/98-.

19 Urteil vom 23. 1. 2001-9 S 331 /00 - VB1BW 2001, S. 217 ff. - DÖV 2001 S. 387 ff. 20 VGH а. а. O. Fn. 18.

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Inwieweit neben den Schulbüchern sonstige Druckwerke (Lektüren, Arbeitshefte, Lexika . . . ) oder andere Lern- und Arbeitsmaterialen - seien sie verbrauchbar wie z. B. Werkstoffe, Kochgut) oder nicht - zu den notwendigen Lernmitteln gehören, bestimmt die Schul Verwaltung. 21 Das Kultusministerium hat von dieser Ermächtigung durch Erlass einer Rechtsverordnung über die notwendigen Lernmittel Gebrauch gemacht.22 Nach § 1 Abs. 2 der Lernmittel Verordnung - LMVO - zählen Ganzschriften (Lektüren) zu den notwendigen Lernmitteln. Doch selbst ohne diese Festlegung wäre die Lektüre zu den notwendigen Lernmitteln zu zählen, weil der Fachlehrer diese Lektüre zum Gegenstand seines Unterrichts gemacht hat und damit klar war, dass jeder Schüler diese Lektüre zur Verfügung haben muss.23 Die Lektüre zählt also zu den notwendigen Lernmitteln. 24 Danach stellte der VGH fest, dass der Gesetzesbegriff „Gegenstände geringen Wertes" gerichtlich voll nachprüfbar ist und dem Schulträger insoweit kein Beurteilungsspielraum zusteht. Zu orientieren hat sich die Auslegung danach, dass „§ 94 SchG der Verwirklichung des Artikels 14 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg dient." Artikel 14 Abs. 2 Satz 5 LV ermächtigt den Gesetzgeber, die Lernmittelfreiheit stufenweise zu verwirklichen. Diese stufenweise Verwirklichung ist aber nicht umkehrbar, d. h. eine einmal erreichte Stufe der Unentgeltlichkeit darf nicht wieder zurückgenommen werden. Damit war klargestellt, dass sich die Auslegung des Begriffes „Gegenstände geringen Wertes" an dem mindestens zuvor erreichten Stand der Unentgeltlichkeit - also dem Bagatellbetrag von 1 DM - ausrichten muss.25 Darüber hinaus lässt Artikel 14 Abs. 2 LV keine Auslegung von § 94 Abs. 1 Satz 1 SchG zu, nach der die Begrenzung der Lernmittelfreiheit zum Zweck der Entlastung der kommunalen Schulträger zu Lasten der Eltern und Schüler zulässig 21

§ 94 Abs. 2 SchG als Ermächtigung durch Rechtsverordnung zu bestimmen, „welche Lernmittel notwendig und welche davon zum Verbrauch zu überlassen sind." 22 Zum Zeitpunkt der Entscheidung des VGH Lernmittelverordnung - LMVO - vom 8. 1. 1998 - GBl. S. 85. 23 Zur Bedeutung des Bestimmungsrechts des Fachlehrers über die Notwendigkeit eines Lernmittels siehe schon VGH Urteil vom 24. 4. 1980 - X I 1133/78 - Holfelder / Bosse Schulrecht Baden-Württemberg, Rechtsprechung, § 94 SchG Ε 3. 24 Es ist nach Feststellung des VGH nicht von Bedeutung, dass bei den in der LMVO nicht einzeln genannten Lernmitteln eine Begrenzung auf einen Pauschbetrag vorgesehen ist. Die Begrenzung auf einen Pauschbetrag entfaltet lediglich Rechtswirkungen im Verhältnis Schule / Schulträger; nicht im Außenverhältnis zu den Erziehungsberechtigten / Schülern. 25 Entscheidend ist der Geldwert des Jahres 1976. In diesem Jahr hat der Gesetzgeber letztmalig die Bagatellgrenze von 1 DM festgelegt. Die Zugrundelegung der Preise und Einkommen des Jahres 1976 wurde bei einer Hochrechnung heute eine Bagatellgrenze von 2 DM oder 1 € ergeben.

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wäre. Wenn eine finanzielle Entlastung der Kommunen erforderlich ist, dann hat die Entlastung durch das Land zu erfolgen und nicht durch die Eltern oder Schüler. 26 Letztlich hat der VGH doch eine Einschränkung der Unentgeltlichkeit von Lernmitteln - und damit eine einschränkende Auslegung des Begriffes „Gegenstände geringen Wertes" - zugelassen. Zwei Rechtfertigungen für die Begrenzung der Lernmittelfreiheit lässt der VGH zu: Einmal dort, wo ein Missbrauch in Form der Verschwendung von Lernmitteln zu befürchten ist. Dies könnte der Fall sein bei Schreib- und Malgeräten, Heften, Ordnern u.ä. Zum andern darf der Schulträger solche Gegenstände von der Lernmittelfreiheit ausnehmen, deren Beschaffung und deren Kostenerstattung einen Verwaltungsaufwand verursacht, der in keinem Verhältnis mehr zum Zweck der Lernmittelfreiheit steht, der darin besteht, jedem Schüler ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage den Zugang zum öffentlichen Schulwesen zu eröffnen.

V. Konsequenzen aus der Entscheidung des VGH Mit seiner Entscheidung hat der VGH die Vorschrift des § 94 Abs. 1 Satz 1 SchG zwar nicht für verfassungswidrig erklärt, er hat aber ihre Auslegung in Bezug auf den Begriff „Gegenstände geringen Wertes" - wie sie sich in der Praxis der Schulträger ergeben hat - für nicht mit der Verfassung vereinbar angesehen. Eine gesetzgeberische Konsequenz etwa der Art, dass die im Jahre 1976 geltende Bagatellgrenze auf den heutigen Geldwert hochgerechnet wurde, erfolgte nicht. Die Beteiligten sind sich aber im Klaren darüber, dass die Auslegung des Begriffes „Gegenstände geringen Wertes" sich an einem so hochgerechneten Betrag orientieren muss. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber heute die Bagatellgrenze bei 1 € festlegen könnte.27 Damit fallen die meisten der kleinen Verbrauchmaterialien aus der Lernmittelfreiheit heraus. Angepasst wurde allerdings die Lernmittelverordnung, die durch zwei wesentliche Punkte ergänzt wurde. Zum einen wurde aufgenommen, „dass Lernmittel, bei denen die Möglichkeit des nicht zweckentsprechenden Gebrauchs besteht oder deren Beschaffung oder Kostenerstattung einen Kostenaufwand verursacht, der in keinem Verhältnis zu dem Zweck der Lernmittelfreiheit steht", vom Schulträger von der Lernmittelfreiheit ausgenommen werden können. Zum anderen wurde festgelegt, dass „gewöhnliche Eigenausstattungsgegenstände der Schüler keine Lernmittel" sind. 28 26

Die rechtlichen Möglichkeiten hierzu ergeben sich nach § 17 des Finanzausgleichsgesetzes durch Anhebung der Sachkostenbeiträge in § 2 der Schullastenverordnung. 27 Der Preisindex lag 1977 bei 56,8 Punkten und stieg bis 1998 auf 104,3 Punkte. Das entspricht einer Steigerung von 180%.

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Auch die Erläuterungen zum Lernmittel Verzeichnis 29 wurden entsprechend geändert, insbesondere wurde der Passus eingefügt, dass wegen der „zusätzlichen Problematik im Zusammenhang mit Ganzschriften und Arbeitsheften, die in aller Regel nicht von den Schülern bzw. Eltern zu beschaffen sind", die im Lernmittelverzeichnis festgesetzten Pauschbeträge einer Uberprüfung bedürfen und - so ausdrücklich - eine künftige Änderung dieser Pauschbeträge möglich ist. In diesem Zusammenhang ist nur eine Erhöhung der Pauschbeträge denkbar.

V I . Ausblick Die Änderung in § 94 SchG, die durch das Haushaltsstrukturgesetz vom 16. Dezember 199630 veranlasst wurde, musste wegen der Entscheidung des VGH in ihrer Auswirkung im Wesentlichen zurückgefahren werden. Der damals mit den kommunalen Landesverbänden gefundene Kompromiss, der vom Gedanken getragen war, Einsparungen zu erzielen, aber auch dem Anliegen der Eltern und Schülern gerecht zu werden, dass eine solche Ausstattung mit Lernmittel erfolgt, die die Verwirklichung der Bildungspläne ermöglicht, war von kurzer Lebensdauer. Mit der oben dargestellten Umsetzung durch die Lernmittelverordnung und die Erläuterungen zum Lernmittelverzeichnis und der Empfehlung des Städtetags an seine Mitglieder, als Bagatellgrenze von einem Betrag von 1 € auszugehen, sind jedoch nicht alle Probleme gelöst. Leider hat es die Schulverwaltung versäumt, durch klare und eindeutige Aussagen festzulegen, was alles zu den Lernmitteln gehört und wo die Grenzen zu ziehen sind. Die bloße Übernahme der vom VGH für zulässig erachteten Einschränkungen der Lernmittelfreiheit in die Lernmittelverordnung und die Erläuterungen zum Lernmittelverzeichnis beantwortet wichtige Fragen nicht. Welches sollen die Lernmittel sein, bei denen die Möglichkeit des nicht zweckentsprechenden Gebrauchs besteht? Können hier vorbeugende Maßnahmen getroffen werden, etwa durch Überlassung einer Grundausstattung? Und zum anderen ist es selbstverständlich, dass Schüler für schuldhaft verursachte Schäden haften. 31 Welches sollen die Lernmittel sein, deren Beschaffung oder Kostenerstattung einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verursachen? Sicherlich ist die 28 § 1 Abs. 3 und 4 LMVO vom 11. Dezember 2001 - GBl. 2002 S. 1 - . 29 Rechtsgrundlage für das Lernmittelverzeichnis ist § 1 Abs. 1 LMVO. 30 Siehe Fn. 12. 31 Durch die Überlassung von Lernmitteln entsteht ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis, auf das die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Leihe entsprechend anzuwenden sind. Der Schulträger kann seinen Schadensersatz durch Leistungsbescheid oder im Wege der Leistungsklage geltend machen - so im Ergebnis auch Rux in RdJB 1998 S. 362 - a.A. OVG Lüneburg in NJW 1996 S. 2947.

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Beschaffung, Lagerung und Verteilung von Lernmitteln mit Kosten verbunden. Den Mehraufwand könnte der Schulträger aber durch entsprechenden Großeinkauf ausgleichen. Daneben steht zu befürchten, dass wegen der steigenden Mehrbelastung der Schulträger das Lernmittelverzeichnis „ausgedünnt" wird, oder dass der Schulträger an anderer Stelle Einsparungen durchsetzen muss, die letztlich auch zu Beeinträchtigungen des Bildungsanspruches werden können. So scheint sicher, dass die oben besprochene Entscheidung des VGH nicht die letzte verwaltungsgerichtliche Klärung der Fragen um die Lernmittelfreiheit in Baden-Württemberg war.

Zuwendungen und Korruptionsproblematik aus Sicht des Dekans einer Medizinischen Fakultät Hans Grosse-Wilde

Im März 2002 führte der Verein zur Förderung des Deutschen und Internationalen Wissenschaftsrechts im Rahmen seines Fortbildungsangebots für Wissenschaft und Wissenschaftsverwaltung eine zweitägige Veranstaltung zum Thema „Korruptionsprobleme im Zuwendungsbereich von Hochschulen" an der Deutschen Sporthochschule Köln durch. Planung und Betreuung dieses Fortbildungsseminars oblagen dem Kanzler der Deutschen Sporthochschule Köln, Johannes Horst, und Dieter Leuze, dem 1. Vorsitzenden des Vereins zur Förderung des Deutschen und Internationalen Wissenschaftsrechts. Auf dessen Initiative hatte der Verfasser es übernommen, bei dieser Gelegenheit einen Vortrag über die Zuwendung von Mitteln Dritter und das Problem der Korruption zu halten. Da sich Dieter Leuze nicht nur als Kanzler der Universität-Gesamthochschule Essen sondern auch als Universitätsprofessor der Hochschulmedizin und ihren Fragestellungen nie verschlossen gezeigt und in zahlreichen Publikationen deren Rechtsfragen aufgegriffen hat, dürften die nachfolgenden Anmerkungen, die seinerzeit Grundlage für den Kölner Vortrag gewesen sind, als kurzer Abriss zur Korruptionsproblematik sicherlich für ihn als Jubilar von Interesse sein. Dabei geht der Verfasser davon aus, dass ihn der Zusatz „aus Sicht des Dekans einer Medizinischen Fakultät" als Fachfremden unter der kompakten Macht der rechtskundigen Verfasser der übrigen Beiträge in dieser Festschrift ausreichend qualifiziert. Seit Anfang 2001 ist der Verfasser erneut Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Essen, und zwar in der neuen durch Rechtsverordnung geschaffenen Konstruktion eines Dekanats als Vorstand des Fachbereichs Medizin. Die Medizinische Fakultät in Essen besteht seit 1963, zunächst als ein Teil der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, dann als Fakultät der neugegründeten Ruhr-Universität Bochum und mit Gründung der Gesamthochschule Essen als deren Fachbereich Medizin bzw. deren Medizinische Einrichtungen; in der Zeit der damaligen Hochschulreformbestrebungen eine riesiger Schritt nach vorn: die einzige Gesamthochschule in Deutschland mit Medizinerausbildung. Die Fakultät wird also im Jahr 2003 ihren 40. Geburtstag feiern können. Mit einer jährlichen

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Ausbildungskapazität von 165 Studieranfängern (eine Zahnmedizinische Ausbildung wird in Essen nicht angeboten) ist sie allerdings die kleinste Medizinische Ausbildungsstätte in Nordrhein-Westfalen (natürlich abgesehen von der Privaten Universität Witten / Herdecke, die über ca. 40 Studienplätze pro Jahr verfügt). Im Laufe dieser Jahre sind Strukturüberlegungen und -bestrebungen für die Ausbildungsstätte Essen nicht immer positiv verlaufen. Die kürzlich wieder einmal geplante Schließung der vorklinischen Ausbildung konnte jedoch auf Druck des Fachbereichs und der Hochschulleitung abgewendet werden. In den letzten 20 Jahren wurden von der Fakultät nach intensiver und zum Teil kontroverser Diskussion die Forschungsschwerpunkte „Herz-Kreislauf, „Onkologie" und „Transplantation" herausgearbeitet und unter Anderem zum Maßstab für strukturelle Entscheidungen inklusive der Berufungspolitik gemacht. Wie zu erwarten, prägen diese Forschungsschwerpunkte maßgeblich auch das klinische Profil des Universitätsklinikum Essen, das ca. 1.200 Plan-Betten und einschließlich vorklinischer und theoretischer Institute ca. 50 wissenschaftliche Abteilungen umfasst. Uberregionale Ausstrahlung besitzt das Universitätsklinikum durch das Westdeutsche Tumorzentrum, das Transplantantionszentrum Essen, inklusive der in Europa führenden Klinik für Knochenmarktransplantation, sowie das in 2003 bezugsfertige Herzzentrum Essen. Die finanzielle Dimension des akademischen und klinischen Standorts Essen lässt sich wie folgt skizzieren - soweit diese einem Dekan bekannt bzw. verständlich ist. Das Gesamtbudget des Universitätsklinikum Essen betrug für das Jahr 2001 ca. 600 Mio. DM, darin eingeschlossen sind die „Zuführungen für den laufenden Betrieb an den Fachbereich Medizin" mit einem Betrag von ca. 150 Mio. DM. Diese Zuführungen sind für die Aufgaben in Forschung und Lehre zu verwenden und in Essen zu ca. 60% (d. h. 90 Mio. DM) durch Personalaufwendungen langfristig gebunden. Generell decken diese Zuführungen nicht die Bedarfe insbesondere für die Forschung in naturwissenschaftlich ausgerichteten Fächern wie der Medizin, so dass den Hochschulmitgliedern der Weg eröffnet ist (§101 HG NRW), von außen, d. h. von Dritten, solche Finanzmittel einzuwerben. Dies tun auch die ca. 750 wissenschaftlich Tätigen der Essener Fakultät (einschließlich der 75 C4/C3 Professorinnen und Professoren), indem sie pro Jahr ca. 30 Mio. DM an Drittmitteln für Forschungsprojekte akquirieren. Ein solches Drittmittelaufkommen von einem Fünftel oder 20% zusätzlich zum Zuführungsbetrag hat nicht nur einen monetären Aspekt, sondern hat auch als Qualitäts- oder Leistungsparameter Eingang in das heute beliebte akademische Bench-Marking von Medizinischen Fakultäten oder wissenschaftlichen Einrichtungen generell gefunden.

Zuwendungen und Korruptionsproblematik

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Ergänzt sei, dass andere Medizinische Fakultäten in Abhängigkeit von ihrer Größe und ihrem wissenschaftlichen Umfeld erheblich höhere Beträge an Drittmittelzuwendungen aufzuweisen haben. In Nordrhein-Westfalen mit insgesamt sieben Medizinischen Fakultäten ist man nun dazu übergegangen, die oben genannten Zuführungen für den laufenden Betrieb in einem Anteil von derzeit 10% (über die Jahre ab 2003 ist eine Steigerung auf 30% geplant) „leistungsbezogen", d. h. Parameter-gesteuert pro Standort zu allozieren. Konkret werden von der Gesamtsumme in Höhe von ca. 1.1 Mrd. DM, die für diese sieben Fakultäten als Zuführungsbeträge budgetiert sind, 110 Mio. DM - das sind die vorgenannten 10% - nach individuellen Forschungs- und Lehrleistungen (Gewichtung 75 % zu 25 %) umverteilt. Als Parameter der Forschungsleistung gelten die über drei Jahre von der jeweiligen Medizinischen Fakultät verausgabten (!) Drittmittel. Die Meldung dieser Beträge erfolgt von der jeweiligen Klinikumsverwaltung an das Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung in Düsseldorf. Um die Umverteilung der Zuführungsbeträge „leistungsgerechter" zu gestalten, werden die Drittmittelbeträge gewichtet: Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft werden mit dem Faktor 1,0, Drittmittel von Institutionen mit einer Begutachtung (Peer Review) mit dem Faktor 0,7 und sonstige Drittmittel mit dem Faktor 0,3 multipliziert. Aus dieser komplexen Verbindung zwischen Zuführungsbeträgen und Drittmittelzuwendungen entwickelte sich zwar keine Korruptionsproblematik, aber eine Problematik der präzisen Drittmittel-Meldung: Unschärfen des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung in der Definition der oben genannten Drittmittel-Quellen und den darauf basierten Angaben führten - in medizinischer Terminologie - „physiologischerweise" zu einer Schieflage der Umverteilung zum finanziellen Nachteil von drei Fakultäten, darunter auch der Essener. Seit 2001 bemüht sich nun die Fakultät um eine Korrektur bzw. Rückführung dieser - nach ihren Recherchen - falsch, d. h. nicht nach Essen allozierten 1,2 Mio. DM; leider bisher ohne Erfolg. Die Einwerbung von Mitteln aus der Industrie für Forschungsprojekte wurde über einen langen Zeitraum als kritisch angesehen, da solch ein Geldgeber in unzulässiger Weise auf die Ergebnisse der von ihm in Auftrag gegebenen Forschung Einfluss nehmen und somit die Freiheit der Wissenschaft gefährden kann. Es wurden solche Vorhaben nicht selten als „willfährige Industrieforschung" oder „reine Auftragsforschung" abqualifiziert. Hier hat sich ein erstaunlicher Paradigmenwechsel ergeben; vom Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen wird im Kontext mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz ausdrücklich festgestellt (Erlass vom 22. September 2000):

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„Die Forschung mit Mitteln Dritter gehört zu den dienstlichen Aufgaben der in der Forschung tätigen Hochschulmitglieder (§ 101 HG). Sie stellt deshalb grundsätzlich kein strafbares Verhalten dar. Die Einwerbung von Drittmitteln wird vom Land Nordrhein-Westfalen ausdrücklich gewünscht. Mit Drittmitteln aus der Wirtschaft soll u. a. der Wissens- und Technologietransfer gefördert werden (vgl. § 3 Abs. 5 HG). Eingeworbene Drittmittel werden als Leistungsindikator bei der Finanzierung der Hochschulen herangezogen." Diese hier angesprochenen „Drittmittel aus der Wirtschaft" sind „die" Kandidaten für eine weitere Betrachtung hinsichtlich der Auslösung einer „Korruptionsproblematik". Weniger grundlagenorientiert und damit auf zeitnahe Anwendung (Transfer) orientiert zielen in der Hochschulmedizin solche durch die Wirtschaft bzw. die Pharmaindustrie finanzierten Forschungsvorhaben im Bereich der Arzneimittelentwicklung und der Validierung von Medizinprodukten (so genannte Klinische Prüfungen). Erkenntnisse solcher Prüfungen bedürfen der raschen Verbreitung in der Medizinischen Fachwelt, um dadurch eine Optimierung der Patientenversorgung zu realisieren. Es ist trivial festzustellen, dass solch ein Wissenstransfer am besten durch gut organisierte und platzierte Fortbildungs- und Kongressveranstaltungen erreicht werden kann. Im Bereich der Hochschulmedizin bewegt man sich auf einem kompetitiven, zumeist internationalen Niveau, somit erwartet eine die klinische Forschung unterstützende Wirtschaft die Präsenz der deutschen Mediziner auch auf internationalen hochrangigen Kongressen. Zwar verfügt die Medizinische Fakultät Essen über einen Reisemitteletat für Kongresse und Fortbildungs Veranstaltungen; diese beläuft sich aber auf ganze 20.000 EUR jährlich, also gut 25 EUR pro Essener Hochschulmediziner! Der Dekan muss also die Nutzung von Industriemitteln für die Teilnahme der Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter an Kongressveranstaltungen im In- und Ausland für unverzichtbar erklären; Gleiches gilt für die Organisation und Abhaltung solcher Veranstaltungen vor Ort. Weiterhin zwingt die durch Rechtsverordnung den Universitätsklinika (als Anstalten des öffentlichen Rechts) auferlegte zusätzliche Aufgabe der Fort- und Weiterbildung für Ärzte - leider ohne finanzielle Kompensation im Landeshaushalt regelhaft die Fakultät auf Finanzierung durch Drittmittel auszuweichen. Ein zusätzliches Problem ist die leihweise Überlassung von relativ teuren Medizingeräten im Rahmen der klinischen Forschung. Wegen der Trägheit des Systems ist man an der Beschaffung (HBFG-Verfahren) solcher Geräte gar nicht so sehr interessiert. Aus strategischen Gründen, d. h. um rasch auf methodische Entwicklungen insbesondere im diagnostischen Medizinproduktebereich reagieren zu können, ist die Nutzung von Leihgeräten attraktiver.

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Weiterhin erscheint für einen Dekan nicht auflösbar die vom Staat nunmehr zur Dienstaufgabe gemachte Forschung mit Mitteln Dritter, deren Nutzung als ein Leistungsparameter für finanzielle Zuführungen an die Hochschulen und deren Fachbereiche bis hin zur künftigen Besoldung der Professoren einerseits und die damit verbundene, strafrechtlich relevante Problematik der „immateriellen" Vorteilsannahme andererseits. Natürlich erzielen nach Annahme der Drittmittel und mit diesen forschende Hochschulmitglieder einen möglichen Karrierevorteil für später hoffentlich folgende Berufungsverfahren, da heute ausdrücklich qualitativ und quantitativ nach der Einwerbung von Drittmitteln gefragt wird. Aus Sicht des Dekans einer Medizinischen Fakultät, eines juristischen Laien, kann es doch nicht gewollt sein, dass die klinische Forschung und die ärztliche Fort- und Weiterbildung grundsätzlich nur noch unter Begehung von Straftaten durchführbar werden. Um hier Schaden von der Fakultät abzuwenden, hat es in Essen schon im Jahre 2000 dank der Initiative des Justitiariates des Klinikums schriftliche und mündliche Aufklärungsaktionen in der Sache gegeben. Inzwischen - und hier kann die Justiziarin zitiert werden - wird im Universitätsklinikum Essen kein Drittmittelvertrag mehr geschlossen, ohne dass dieser eine Klausel enthält, durch die beide Parteien erklären, dass der Vertragsabschluss in keinem Zusammenhang mit bereits erfolgten oder künftigen Beschaffungen steht. Alle eingeworbenen Drittmittel werden nach den Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen verwaltet. Bei einer beabsichtigten Spende wird verlangt, dass diese an das Universitätsklinikum Essen gerichtet ist, wobei ein unverbindlicher Verwendungsvorschlag gemacht und gleichzeitig erklärt werden muss, dass die Spende in keinem Zusammenhang mit bereits erfolgten oder künftigen Beschaffungen steht. Bei Kongressförderung wird nach Möglichkeit ein „Sponsoring"-Vertrag geschlossen, durch den eine Mietfläche zur Verfügung gestellt und das Mietentgelt dann für die Kongresszwecke verwendet wird. Die Teilnahme an Reisen und Kongressen wird der Rektorin / dem Rektor zur Genehmigung vorgelegt. Aufgrund der bisherigen Rechtssprechung verbleibt aber weiterhin das unangenehme Gefühl, dass - unabhängig von diesen sehr zeit- und arbeitsaufwendigen Formalien - eine nicht erkannte Strafbarkeit von Handlungen im Kontext mit der Einwerbung und Nutzung von Drittmittelzuwendungen im Hintergrund lauern könnte. Schließlich ist nicht zu bestreiten, dass jedem Wissenschaftler, aber auch der Universitätsverwaltung bekannt ist, dass Wirtschaftsunternehmen nicht uneigennützig agieren und deren Zuwendungen eindeutig eine Absatzvermehrung oder einen anderen Vorteil zum Ziel haben.

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Andererseits lässt sich auch nicht von der Hand weisen, dass jeder Mediziner in seinem Bereich - sei es unmittelbar oder mittelbar - die Möglichkeit hat, Einfluss auf die Bestellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten zu nehmen. Aus Sicht des Dekans einer Medizinischen Fakultät wäre es dringend wünschenswert, dass eine gesetzliche Klarstellung erfolgt, die das Zusammenarbeiten zwischen Wirtschaftsunternehmen und Mitgliedern der Medizinischen Fakultäten bzw. der Universitätsklinika auf eine unangreifbare rechtliche Basis stellt.

Nachtrag Die Relevanz von zusätzlichen Finanzeinnahmen einer Medizinischen Fakultät durch Zuwendungen Dritter für Forschungsvorhaben wird akzentuiert durch die aktuelle Berichterstattung. So beschreibt die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 02./03. März 2002 die Finanznot der nordrhein-westfälischen Universitätskliniken als „Reif für die Intensivstation", wo auf der einen Seite durch eine „globale Minderausgabe" die Zuführungsbeträge für die Medizinischen Fakultäten in diesem Jahr um ca. 5.5 Mio. EUR reduziert werden, auf der anderen Seite aber „Zielvereinbarungen" zwischen dem Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung und den Medizinischen Fakultäten geschlossen worden sind bzw. werden sollen mit der Maßgabe, dass der jeweilige Zuführungsbetrag über fünf Jahre konstant gehalten wird und damit Planungssicherheit besteht. Wäre man Zyniker und nicht Dekan, käme man zum Fazit: Offensichtlich besteht für Medizinische Fakultäten in Nordrhein-Westfalen derzeit weder eine finanzielle noch rechtliche Planungssicherheit.

Tabellarischer Lebenslauf Dieter Leuze 20. 02. 1933

Geburt in Heilbronn

Februar 1953

Abitur in Aalen

1953 bis 1957

Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Tübingen und München

Juni 1957

Erste Juristische Staatsprüfung in Tübingen

anschließend

Vorbereitungsdienst als Gerichtsreferendar, hauptsächlich an Tübinger Gerichten und Behörden; Verwaltungsstation im Landratsamt Aalen und der Gemeinde Oberkochen

Juli 1960

Promotion zum Dr. iur., anschließend wissenschaftlicher Assistent an der Universität Tübingen; Beschäftigung am Lehrstuhl für Bürgerliches Handelsrecht und Römisches Recht von Prof. Dr. Georg Eisser

Februar 1962

Zweite Juristische Staatsprüfung in Stuttgart

ab April 1962

Regierungsassessor im Geschäftsbereich des Arbeits- und Sozialministeriums Baden-Württemberg, dort zunächst am Landesversorgungsamt Baden-Württemberg Leiter des Dezernats allgemeine Rechtsangelegenheiten

September 1963 bis Ende Februar 1964

Rechtsanwalt in Balingen

anschließend

Regierungsassessor im Arbeits- und Sozialministerium BadenWürttemberg, dort zunächst Hilfsreferent, später Referent in der Personalabteilung

April 1965

Ernennung zum Regierungsrat

August 1966

Versetzung zum Kultusministerium Baden-Württemberg (damals für Schulen und Hochschulen gleichermaßen zuständig); dort Tätigkeit in verschiedenen Abteilungen

ab Februar 1967

Pressereferent des damaligen Kultusministers Prof. Dr. Hahn

ab Juni 1968

Leiter des Referats „Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten" in der Abteilung „Lehrerbildung"; zu dieser Abteilung gehörten u. a. die pädagogischen Hochschulen Baden-Württembergs und die Berufspädagogische Hochschule Stuttgart; im Kultusministerium Baden-Württemberg zunächst Mitglied, später Vorsitzender des Personalrats; Beförderung zum Oberregierungsrat und zum Regierungsdirektor

März 1971

Ernennung zum Vizepräsidenten des Oberschulamtes Südbaden mit Sitz in Freiburg

FS Leuze

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Tabellarischer Lebenslauf Dieter Leuze

August 1972 bis Ende August 1991

Kanzler der neugegründeten Universität-Gesamthochschule Essen; während dieser Tätigkeit mehrere Jahre Sprecher der nordrheinwestfälischen Universitätskanzler und nahezu zwei Jahrzehnte Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „Fortbildung" im Sprecherkreis der Universitätskanzler

Ende August 1991

Ernennung zum ordentlichen Professor mit dem Schwerpunkt Verwaltungsrecht an der Universität-Gesamthochschule Essen

Seit 1993

Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Deutschen und Internationalen Wissenschaftsrechts e.V. mit Sitz in Köln

12.01. 1998

Auf Vorschlag der juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum Ernennung zum Honorarprofessor an dieser Universität

Ende Februar 1998

Emeritierung an der Universität-Gesamthochschule Essen

Ende September 1998

Endgültiges Ausscheiden nach voriger Vertretung des Lehrstuhl im Sommersemester 1998

Seit Oktober 1998

Rechtsanwalt in der Sozietät Buse Heberer Fromm in Essen

Schriftenverzeichnis Dieter Leuze Selbständige Schriften Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jahrhundert - zugleich ein Beitrag zum Verhältnis allgemeines Persönlichkeitsrecht - Rechtsfähigkeit, Bielefeld 1962 Urheberrechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und in den Hochschulen, Berlin 1999

Herausgebertätigkeit / Fachzeitschriften Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Siebeck, Tübingen

Wissenschaftsförderung

(WissR),

Mohr

Zeitschrift für Tarifrecht (ZTR), Verlagsgruppe Jehle-Rehm, München Der Öffentliche Dienst (DÖD), Carl Heymanns, Köln Kommentar zum Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes NordrheinWestfalen (zusammen mit Gisela Bender),Loseblatt, Bielefeld 1981 (Stand 1998), ab 2002 zusammen mit Volker Epping mit dem neuen Titel: Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG) unter besonderer Berücksichtigung des Hochschulrahmengesetzes des Bundes und der Hochschulgesetze der einzelnen Länder Kommentar zum Landespersonalvertretungsgesetz des Landes Baden-Württemberg (zusammen mit Roland Wörz und Frank Bieler), Loseblatt, Bielefeld, fertiggestellt September 2001 Kommentar zum Gesetz über Arbeitnehmererfindungen, zusammen mit Eduard Reimer, Hans Schade, Helmut Schippel, Gernot Kaube, 7. Auflage, Berlin 2000 Wissenschaftsrecht im Umbruch, Gedächtnisschrift für Hartmut Krüger, zusammen mit Peter Hanau, Wolfgang Löwer, Hartmut Schiedermair, Berlin 2001

Abhandlungen und Beiträge in Sammelwerken Wann ist der Beamte verpflichtet, strafbare Handlungen anzuzeigen? in: Die Verwaltungspraxis 1959, S. 270-273 Bemerkungen über Rechtsverhältnisses an den alten württembergischen Mühlkanälen in: Die Verwaltungspraxis 1960, S. 249-250

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Schriftenverzeichnis Dieter Leuze

Schmerzensgeld für seelische Unlustgefühle in: Versicherungsrecht (VersR) 1961, S. 779782 Die Ersatzansprüche der Versorgungsverwaltung gegen „Wiederaufgetauchte Verschollene" in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 1963, S. 157-163 Arbeitsverhältnisse zwischen Familienangehörigen (zusammen mit Claus Ott) in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 1965, S. 15-25 Nochmals Ersatzansprüche gegen „Wiederaufgetauchte Verschollene" in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 1965, S. 544-547 Zur Aufsichtspflicht des Lehrers, Informationen in: Philologenverband Baden-Württemberg, Nr. 4 1972, S. 7 - 9 Sucht- und Halluzinogenprobleme bei Schülern, Schulen und Schulträgern in: Zeitschrift für Allgemeinmedizin, Der Landarzt, Heft 5 1972, S. 224-228 Bemerkungen zu der Rechtsstellung des Kanzlers nach nordrhein-westfälischem Hochschulrecht unter besonderer Berücksichtigung der Rektorats Verfassung in: Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung (WissR) 1975, S. 30-36; Der Betriebswirt - Zeitschrift für angewandte Wirtschaftswissenschaften in Studium und Beruf 1975, S. 129-131 Ziele und Entwicklung der nordrhein-westfälischen Gesamthochschulen, dargestellt am Beispiel der Gesamthochschule Essen in: Der Betriebswirt - Zeitschrift für angewandte Wirtschaftswissenschaften in Studium und Beruf, Beilage „Humanisierung der Arbeitswelt", 1975 (Heft 2), S. II-XI Sind Fachhochschullehrer Rechtslehrer an deutschen Hochschulen? in: Die Deutsche Universitätszeitung vereinigt mit Hochschuldienst (DUZ HD) 1976, S. 136- 138 Die nordrhein-westfälischen Gesamthochschulen im Zeichen unsachlicher Angriffe in: Die neue Hochschule - Zeitschrift für anwendungsbezogene Studiengänge 1977, Heft 4, S. 36 Die Gesamthochschule aus der Sicht des Kanzlers in: Broschüre des Ministers für Wissenschaft und Forschung, Fünf Jahre Gesamthochschulen in Nordrhein-Westfalen - Bilanz der Gründungsphase, August 1977 Demokratische Verwaltung in der Gesamthochschule? (mit Alfred Post) in: Recht der Jugend und des Bildungswesens 1977, S. 50-59 Nochmals: Sind Fachhochschullehrer Rechtslehrer an deutschen Hochschulen? in: Die Deutsche Universitätszeitung vereinigt mit Hochschuldienst (DUZ HD) 1978, S. 664-665 Das künftige Hochschulgesetz NRW - Bemerkungen zum Gesetzentwurf der nordrhein-westfälischen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen in: Renovatio. Zeitschrift für das Interdisziplinäre Gespräch, I. Teil 1979 Heft 3, II. Teil 1979 Heft 4 Das Hochschulgesetz von Nordrhein-Westfalen - Gesamthochschulen, Gruppenuniversität und Geltungsbereich in: Mitteilungen des Hochschulverbandes, 1980, S. 31 - 41 Probleme des Vollzugs der Personalvertretungsgesetze im Hochschulbereich (zusammen mit Karl-Heinrich Hall) in: Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung (WissR) 1980, S. 60-73

Schriftenverzeichnis Dieter Leuze Fragen des Haushalts und Verteilung der Mittel - Der Kanzler als Beauftragter für den Haushalt in: Mitteilungen des Hochschulverbandes, 1981, S. 5 - 10 Leitungsprobleme innerhalb der Hochschulverwaltung in: Mitteilungen des Hochschulverbandes, 1981, S. 147-153 Die Stellung der Hochschulmedizin in den Landeshochschulgesetzen unter besonderer Berücksichtigung des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die wissenschaftlichen Hochschulen in: Hochschulreform - und was nun? Hrsg. von Horst Albert Glaser, Frankfurt/ Main 1982 Die Mitwirkung des Senats beim Erlass der Grundordnung, (zusammen mit Joachim Schmittgen) in: Mitteilungen des Hochschulverbandes, 1981, S. 156-158 Freie Schule muss bleiben (zusammen mit Angelika Bleser) in: Renovatio. Zeitschrift für das Interdisziplinäre Gespräch 1982, S. 17-33 Mitbestimmung im Hochschulbereich unter besonderer Berücksichtigung des Gedankens der Gruppenuniversität in: Mitteilungen des Hochschul Verbandes 1982, S. 176-181 Gewerkschaften und Personalvertretung - zwei Fälle aus dem Hochschulbereich in: Die Personalvertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1983, S. 185-191 Die Gesamthochschule als Ziel - die Rechtslage der Gesamthochschulen heute in: Recht der Jugend und des Bildungswesens 1985, S. 24-37; nachgedruckt in Mitteilungen des Hochschulverbandes 1985, S. 87-98 Zur Kostentragungspflicht der Dienststelle in: Die Personal Vertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1985, S. 105-112 Das Anrufen außenstehender Stellen in: Die Personal Vertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1985, S. 453-462 Zur Mitbestimmung des Personalrats bei Versetzungen und Umsetzungen in: Die Personalvertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1986, S. 187-192 Personalratsminderheit gegen Personalratsmehrheit in: Die Personal Vertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1987, S. 1 - 6 Die Pflichten des Personalrats Vorsitzenden vor und während der Personal Versammlung in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1987, S. 70-74 Die Verhaltenspflichten der Personalratsmitglieder in: Die Personal Vertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1988, S. 55-60 Neues Hochschulrecht in Nordrhein-Westfalen Auswirkungen auf Gruppenuniversität und Gesamthochschule in: Mitteilungen des Hochschulverbandes, 1988, S. 87-96 Das Vorschlagsrecht der Hochschule zur Ernennung des Kanzlers; zugleich eine Anmerkung zu dem Beschluss des OVG Münster vom 21. 12. 1987 in: Die Personalvertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1988, S. 218-227

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Unterliegt das an die Bediensteten einer Behörde gerichtete Verbot, während der Dienstzeit Rundfunksendungen zu hören, der Mitbestimmung des Personalrats? Zugleich eine Anmerkung zu dem Beschluss des BVerwG vom 30.12. 12. 1987 in: Recht im Amt 1988, S. 177-180 Zur Information des Personalrats bei der Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen (zusammen mit Adelheid Schönlebe) in: Die Personal Vertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1988, S. 378-382 Nochmals: „Der Kanzler und seine Hochschule" in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVB1.) 1989, S. 128-129 Zur Außenvertretung des Rektors nach nordrhein-westfälischem Hochschulrecht in: Die Personalvertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1989, S. 212-215 Anmerkungen zum Wegfall des Antragsrechts des Dienststellenleiters auf Auflösung des Personalrats oder auf Ausschluss eines Mitglieds des Personalrats im nordrhein-westfälischen Personalvertretungsrecht in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1989, S. 225-230 Anmerkungen zum Recht des Personalrats auf Herausgabe eines Informationsblattes in: Zeitschrift für Tarifrecht (ZTR) 1989, S. 468-472 Bemerkungen zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und zu seinen Einschränkungen in: Zeitschrift für Tarifrecht (ZTR) 1990, S. 267-277 Dienststellenleiter und Personalvertretung in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1990, S. 209213 Aktuelle Probleme der Personalvertretung in den Hochschulen in: Die Personalvertretung Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1991, S. 369-381 Bemerkungen zum Anrufen außenstehender Stellen in: Zeitschrift für Tarifrecht (ZTR) 1992, S. 359-362 Die wissenschaftlichen Hochschulen Nordrhein-Westfalens zwischen Autonomie und staatlichen Eingriffen in: Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung (WissR) 1992, S. 1 - 1 6 Probleme aus der Personalversammlung in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1992, S. 73-82 Bemerkungen zum Inhalt und zu den Grenzen der Hochschulautonomie in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1993, S. 1 - 1 8 Zur Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen in: Recht der Arbeit - Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des gesamten Arbeitsrechts (RdA) 1993, S. 16-24 Der Kanzler in der Verantwortung in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1993, S. 217-225 Die Anforderungen an arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen Betriebsrats- und Personalratsmitglieder in: Der Betrieb (DB) 1993, S. 2590-2598 Der richtige Dienststellenleiter in den Medizinischen Einrichtungen der nordrhein-westfälischen Universitäten in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1994, S. 11 - 1 4 Die politischen Pflichten des Beamten in Theorie und Praxis in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1994, S. 125-136

Schriftenverzeichnis Dieter Leuze Erfindungen und technische Verbesserungsvorschläge von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) 1994, S. 415-425 Nochmals: Braucht die Republik einen Präsidenten? in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1994, S. 1768-1769 Hierarchie, Gehorsams- und Remonstrationspflicht des Beamten in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1995, S. 1 - 9 und 1995, S. 281-282 (Erwiderung auf Thieme, Beamtentum und Hierarchie, in: Der Öffentliche Dienst [DÖD] 1995, S. 176- 179) Nichtwissenschaftliche Mitarbeiter (S. 429-441), Personalvertretung (S. 493-508), Mitwirkungsrechte der Mitglieder (S. 859-881) in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, Christian Flämig u. a. (Hrsg.), 2. Auflage, Berlin u. a. 1996 Anmerkungen zu der Rechtsstellung und zu den Aufgaben der berufsständischen Kammern in: Festschrift für Helmut Schippel, München 1996, S. 697-727 Die „vertrauensvolle Zusammenarbeit" zwischen Dienststellenleiter und Personalrat in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1996, S. 141 - 142 Aktuelle hochschulrechtliche Probleme in Nordrhein-Westfalen in: Die Personal Vertretung Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1996, S. 8 - 1 8 Verfassungswidriges im nordrhein-westfälischen Personal Vertretungsgesetz in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1996, S. 103-111 Die derzeitigen und künftigen Leitungsstrukturen in der Hochschulmedizin unter besonderer Berücksichtigung der Stellung des Verwaltungsdirektors in: Medizinrecht (MedR) 1996, S. 493-497 Diensterfindungen von Beamten unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung der Universitätsprofessoren in: Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖB1) 1997, S. 3 - 1 0 Urheberrechte im Beamtenverhältnis in: Zeitschrift für Beamtenrecht (ZBR) 1997, S. 37-45 Anmerkungen zur Schweigepflicht im Personal Vertretungsrecht in: Die Personal Vertretung Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 1998, S. 71-81 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beamten in: Zeitschrift für Beamtenrecht (ZBR) 1998, S. 187-196 Muss bei der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates eine Einigungsstelle gebildet werden? in: Die Personal Vertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personal wesens für Personal Vertretungen und Dienststellen 1999, S. 290-295 Der Professor im Arbeitnehmererfindungsrecht unter Berücksichtigung der Rechtslage in Österreich in: Gedächtnisschrift für Otto Kimminich, Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung (WissR) 1999, Beiheft 13, S. 43-53 Anmerkungen zum Inkrafttreten der Berufsordnung für Rechtsanwälte in: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 1999, S. 463-466

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Kommentierung der §§ 41 (Studentenschaft, 21. Lfg., Juni 1999) und 45 (Berufung von Professoren, 23. Lfg., April 2000) HRG, Darstellung des Hochschulrechts in NordrheinWestfalen in 2 Auflagen in: Kommentar zum Hochschulrahmengesetz (HRG), Hailbronner, Kay/Geis, Max-Emanuel, Heidelberg 2001 (Stand 27. Lfg.) Die Stellung des Rektors in im nordrhein-westfälischen Hochschulrecht in: Brücken bauen und begehen, Festschrift für Knut Ipsen zum, 65. Geburtstag, München 2000, S. 449-465 Praktischer Fall - Öffentliches Recht - Die eifrigen Studierenden vertretener - in: NordrheinWestfälische Verwaltungsblätter (NWVB1.) 2000, S. 478-481 Erläuterung der §§40 (Arbeitnehmererfindungen), 41 (Beamte, Soldaten), 42 (Besondere Bestimmungen für Erfindungen von Hochschullehrern und Hochschulassistenten) des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen in: Kommentar zum Gesetz über Arbeitnehmererfindungen, Reimer, Eduard / Schade, Hans / Schippel, Helmut / Kaube, Gernot/Leuze, Dieter (Hrsg.), 7. Auflage, Berlin 2000 Betriebsversammlung und Personal Versammlung - Gemeinsamkeiten und Unterschiede in: Zeitschrift für Tarifrecht (ZTR) 2000, Teil I, S. 206, Teil II, S. 247-252 Kanzler im Freistaat Sachsen - eine gefahrengeneigte Tätigkeit! in: Wissenschaftsrecht im Umbruch, Gedächtnisschrift für Hartmut Krüger, Berlin 2001, S. 197-203 Umsetzung innerhalb einer in mehrere Dienststellen aufgeteilten Behörde in: Die Personalvertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 2001, S. 402-404 Die urheberrechtliche Stellung des Professors, insbesondere dargestellt am Beispiel Wissenschaftlicher Sprachwerke in: Wissenschaftsrecht, Wissenschafts Verwaltung, Wissenschaftsförderung (WissR) 2001, S. 156-181 Fragen zu § 25 Abs. 1 LPVG NRW, Mitgliederausschluss Personalratsauflösung in: Die Personalvertretung - Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 2001, S. 544-551 Gewerkschaftsrechte in der Dienststelle in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 2001, S. 293-296 Erläuterung des Art. 101 GG (Ausnahmegerichte) in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Friauf, Karl Heinrich / Höfling, Wolfram (Hrsg.), Berlin 2001 Bemerkungen zu der Dienstaufsicht über Richter und zur richterlichen Befangenheit in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 2002, S. 133-136 Vier Bemerkungen zum missbräuchlichen Anrufen einer Rechtsanwaltskammer in: KammerReport Hamm 2002, S. 8 - 10

Anmerkungen Anmerkung zum Urteil des OLG Karlsruhe vom 03.05.1962 in: Versicherungsrecht (VersR) 1962, S. 722-724 Anmerkung zum Urteil des BGH vom 08. 03. 1963 in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 1963, S. 352-356

Schriftenverzeichnis Dieter Leuze Anmerkung zum Urteil des BGH vom 19. 09. 1963 in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 1964, S. 132-135 Anmerkung zum Beschluss des BverfG vom 19. 12. 1994 in: Juristenzeitung (JZ) 1995, S. 1014-1015 Anmerkung zum Beschluss des BVErfG vom 31. 05. 1995 in: Der Öffentliche Dienst (DÖD) 1997, S. 31-33

Verzeichnis der Autoren Anderbrügge, Klaus, Dr. iur., Kanzler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Bartz, Ralf, Kanzler a. D. der FernUniversität - Gesamthochschule - in Hagen Battis, Ulrich, Prof. Dr. iur., Humboldt Universität zu Berlin Benz, Winfried, Dr. iur., Generalsekretär des Wissenschaftsrates a.D., Köln Bernsmann, Klaus, Prof. Dr. iur., Ruhr-Universität Bochum Bieler, Frank, Prof. Dr. iur., Hochschule Harz, Wernigerode Brand, Jürgen, Dr. iur., Präsident des Landessozialgerichts Essen Bußmann, Anne, Assesorin iur. an der Universität zu Köln Cremers, Hartwig, Dr. iur., Kanzler der Universität des Saarlands, Saarbrücken Curtius, Carl Friedrich, Dr. iur., Kanzler a.D. der Universität Düsseldorf Daliinger, Peter, Dr. iur., Ministerialdirektor a. D., Wachtberg-Niederbachem Detmer, Hubert, Dr. iur., Rechtsanwalt, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes, Bonn Dzwonnek, Dorothee, Ministerialdirigentin, Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung NRW, Düsseldorf Epping, Volker, Prof. Dr. iur., Universität Hannover Fahse, Hermann, Prof. Dr. iur., Kanzler a. D. der Universität Kaiserslautern Flämig, Christian, Prof. Dr. iur., Philipps-Universität Marburg, Direktor bei der Merck KGaA i.R., Rottach-Egern Grosse-Wilde, Hans, Prof. Dr. med., Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Essen, Universitätsklinikum Essen Grunwald, Reinhard, Dr. iur., Generalsekretär der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn Hanau, Peter, Prof. em. Dr. iur. Dr. h.c. mult., Universität zu Kölnx Heß, Jürgen, Dr. iur., Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz, Bonn Höfling, Wolfram, Prof. Dr. iur., Universität zu Köln Horn, Wolfgang, Prof. Dr. phil., Universität - Gesamthochschule - Essen Horst, Johannes, Dr. iur., Kanzler der Deutschen Sporthochschule, Köln Ipsen, Knut, Prof. em. Dr. iur. Dr. h.c. mult., Ruhr-Universität Bochum, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes Konschak, Rosemarie, Dr. ing., Regierungsdirektorin, Verwaltungsleiterin des Internationalen Hochschulinstituts Zittau

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Verzeichnis der Autoren

Körner, Eberhard, Dr. iur., Rechtsanwalt, Stuttgart Letzeiter, Franz, Dr. iur., Ministerialdirektor a. D., Bonn Löwer, Wolfgang, Prof. Dr. iur., Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Lynen, Peter Michael, Dr. iur. Dr. h.c., Kanzler der Kunstakademie Düsseldorf Markert,

Bernd, Prof. Dr. rer. nat., Direktor des Internationalen Hochschulinstituts Zittau

Meusel, Ernst-Joachim, Dr. iur., Rechtsanwalt, ehemalger Geschäftsführer und Mitglied des Direktoriums des Max-Plank-Instituts für Plasmaphysik, Garching bei München Müller, Marion, Dr. iur., Vorstandsreferentin, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn Peters, Klaus, Dr. iur., Kanzler a. D. der Bergischen Universität - Gesamthochschule Wuppertal Рокоту, Christian, Assessor Dr. iur., Bedburg/Erft Rupp, Hans Heinrich, Prof. em. Dr. iur., Universität Mainz Sandberger, Georg, Prof. Dr. iur., Kanzler der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Schnapp, Friedrich E., Prof. Dr. iur., Ruhr-Universität Bochum Schuster, Hermann Josef, Dr. iur., Staatssekretär a. D., Mitglied des Präsidiums der GuardiniStiftung, Berlin Schwedhelm, Ulrike, Prof. Dr. iur., Universität - Gesamthochschule - Essen Seidler, Hanns H., Prof. Dr. iur., Kanzler der Technischen Universität Darmstadt Summer, Rudolf, Prof. Dr. iur., Präsident der Bezirksfinanzdirektion München a. D. Tettinger,

Peter J., Prof. Dr. iur., Universität zu Köln

Vogelgesang, Klaus, Dr. iur., Vorsitzender Richter am BVerwG a. D., Bonn Vorpagel, Peter J., Westfälische Wilhelms-Universität Münster Waldeyer,

Hans-Wolfgang, Prof. Dr. iur., Fachhochschule Münster

Wörz, Roland, Leitender Regierungsdirektor, Stuttgart