Die Vernetzung der Landesbanken: Eine Untersuchung über verfassungsrechtliche Bedingungen und Grenzen der Kapitalisierung und partiellen Übernahme von Landesbanken/Girozentralen sowie der Einrichtung länderübergreifender Institute [1 ed.] 9783428492244, 9783428092246

Die Vernetzung der Landesbanken/Girozentralen durch einseitigen Erwerb von Anstaltsanteilen an landesfremden Banken (&qu

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Die Vernetzung der Landesbanken: Eine Untersuchung über verfassungsrechtliche Bedingungen und Grenzen der Kapitalisierung und partiellen Übernahme von Landesbanken/Girozentralen sowie der Einrichtung länderübergreifender Institute [1 ed.]
 9783428492244, 9783428092246

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FLORIAN BECKER

Die Vernetzung der Landesbanken

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 741

Die Vernetzung der Landesbanken Eine Untersuchung über verfassungsrechtliche Bedingungen und Grenzen der Kapitalisierung und partiellen Übernahme von Landesbanken/Girozentralen sowie der Einrichtung länderübergreifender Institute

Von

Florian Becker

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Becker, Florian: Die Vernetzung der Landesbanken : eine Untersuchung über verfassungsrechtliche Bedingungen und Grenzen der Kapitalisierung und partiellen Übernahme von Landesbanken/Girozentralen sowie der Einrichtung länderübergreifender Institute / von Florian Becker. Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 741) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09224-4

Alle Rechte vorbehalten © 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09224-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier

entsprechend ISO 9706 θ

Meiner Familie

Vorwort Diese Schrift ist im Wintersemester 1996/97 der Hohen Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegt worden. Sie befindet sich auf dem Stand von Oktober 1996; nach diesem Zeitpunkt erschienene Arbeiten und Entwicklungen konnten nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. Die Untersuchung wurde von meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. Joachim Burmeister angeregt. Ihm schulde ich großen Dank fur den immer überlegenen wissenschaftlichen Rat ebenso wie für die menschliche Unterstützung, die ich in allen Phasen meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl erfahren durfte. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Klaus Stern für die so zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Aus dem Bereich der Sparkassenorganisation haben mir vor allem die Herren Hubert Sühr und Benrnhard Krumwiede (SüdwestLB), Reinhard Parthe (WestLB) und Dr. Christian Witbraad (Sparkasse Bonn) ihre Zeit zur Verfügung gestellt. Zudem haben mir alle Landesbanken/Girozentralen nach ihren Möglichkeiten Satzungs- und Archivmaterial zukommen lassen. Auch ihnen allen schulde ich Dank. Viele Freunde haben mir während Abfassung und Korrektur der Arbeit mit Rat und Tat zur Seite gestanden; stellvertretend für sie alle danke ich Herrn Robert Schallenberg. Besonderer Dank gebührt indes Frau Michaela Fischer nicht allein für ihre sehr gewissenhafte Hilfe bei der Endredaktion der Arbeit, sondern auch für ihren unermüdlichen Zuspruch während der vielen Phasen, in denen der Text nicht leicht von der Hand ging. Ich widme dieses Buch meiner Familie, meiner Mutter Brigitte Becker, meinem Vater Dr. jur. Klaus-Dieter Becker und meiner Schwester Carolin Becker. Ohne ihre großartige Unterstützung zu allen Zeiten und in allen Belangen wäre meine gesamte Ausbildung, deren sichtbares Ergebnis diese Untersuchung ist, sicherlich nicht möglich gewesen.

Bonn, im Juni 1997 Florian Becker

Inhaltsverzeichnis Einleitung

17

Erster Teil: Die Stellung der Landesbanken/Girozentralen im deutschen Kreditgewerbe und ihre länderübergreifenden Vernetzungen

21

A. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben der Landesbanken/Girozentralen im Spannungsbogen zwischen privater Kreditwirtschaft und öffentlicher Verwaltung I. Die Landesbanken/Girozentralen als Baustein der Sparkassenorganisation und Säule der deutschen Kreditwirtschaft 1. 2.

3.

Π.

Der Gruppenwettbewerb im deutschen Kreditgewerbe Die Geschichte der Sparkassenidee und ihrer Organisation a) Die historische Entwicklung der Sparkassenidee und der Sparkassenorganisation b) Die historische Entwicklung der Girozentralen Die heutigen Aufgaben- und Geschäftsfelder der Landesbanken/Girozentralen a) Girozentrale und Sparkassenzentralbank b) Staats- und Kommunalbank c) Geschäftsbank mit Universalbankcharakter

21 22 22 27 28 36 42 43 47 52

Die Landesbanken und die öffentliche Hand

53

1. 2. 3.

54 57

4.

Die Landesbanken als „öffentliche" Unternehmen Die Schichten des Landesbankenrechts Die Landesbanken als juristische Personen in der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts a) Die Anstalt des öffentlichen Rechts: Rechtssubjekt zur Wahrnehmung ausgegliederter Verwaltungsaufgaben b) Die Anstaltslast als Ausfluß von Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes Der öffentliche Auftrag der Landesbanken/Girozentralen a) Das Wesen des öffentlichen Auftrags als Hintergrund staatlicher Wettbewerbsteilnahme b) Die „gemeinwohlorientierte, kreditwirtschaftliche Versorgung des Landes, seiner Kommunen und seiner sonstigen öffentlichen Vorhabenträger sowie der im Landesgebiet tätigen Privat- und Geschäftskunden" als öffentlicher Auftrag der Landesbanken/Girozentralen

66 66 73 80 80

82

10

Inhaltsverzeichnis 5.

6. ΙΠ.

Die Tätigkeit von Landesbanken/Girozentralen als Verwaltung im materiellen Sinne: Der öffentliche Auftrag als Zuordnungskriterium a) Tafel der Verwaltungsagenden b) Die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen als Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne? aa) Die geschäftliche Annäherung an private Wettbewerber als befreiendes Moment? bb) Fördertätigkeit der Landesbanken/Girozentralen als Leistungsverwaltung cc) Die Geschäftstätigkeit der Sparkassen als Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen: Daseinsvorsorge als Verwaltung im materiellen Sinne? (1) Daseinsvorsorge nur bei Fehlen privatwirtschaftlicher Konkurrenz? (2) Die Problematik einer Gleichsetzung von Daseinsvorsorge und Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne (3) Staatliche Wettbewerbsteilnahme als Komplementärbegriff zur Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne? (4) Staatliche Wettbewerbsteilnahme als Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne dd) Ergebnis: Die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen als Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne c) Die mittelbare Beteiligung der kommunalen Gewährträger an den Landesbanken/Girozentralen als Ausfluß der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie? Die doppelte Aufsicht über Landesbanken/Girozentralen

Π.

91 91 92

93 94

98

99 104

109

110 114

Die Organverfassung der Landesbanken/Girozentralen

116

1. 2. 3.

120 121 128

Der Vorstand Der Verwaltungsrat (Aufsichtsrat) Die Gewährträgerversammlung

B. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen durch einseitige Beteiligungen und gemeinsame, länderübergreifende Anstalten I.

87 88

134

Politische und ökonomische Hintergründe der Vernetzung

134

1. 2. 3.

Die Veränderung der kreditwirtschaftlichen Rahmenbedingungen Das McKinsey-Gutachten Die Finanznot der Anstaltsträger: Bankanstalten als „Tafelsilber"

135 137 143

Das Dotationskapital als die Basis für die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen

146

Inhaltsverzeichnis 1. 2.

Die Funktionen des Eigenkapitals von Kreditinstituten aus der Sicht des Bankenaufsichtsrechts Das Dotationskapital der Landesbanken/Girozentralen und Maßnahmen zur Verbreiterung der Kapitalbasis a) Das Dotationskapital der Landesbanken/Girozentralen b) Die Rücklagenbildung aus Geschäflsgewinnen c) Die Aufnahme „stiller Gesellschafter" d) Die Einräumung von Genußrechten und Annahme nachrangigen Haftkapitals e) Die Übertragung von Förderprogrammen auf die Landesbanken (Fusionslösung) f) Die Kapitalisierung der Anstalt: Kapitalerhöhung durch Abgabe von neugeschaffenen ,Anteilen" an der Landesbank

Die länderübergreifenden Vernetzungen der Landesbanken/Girozentralen durch einseitige Beteiligungen und gemeinsame Anstalten: Bestandsaufnahme 1.

2. 3.

4.

Die Geschichte der einzelnen Landesbanken/Girozentralen vor Beginn der länderübergreifenden Vernetzungen a) Baden-Württemberg b) Bayern c) Berlin d) Bremen e) Hamburg f) Hessen g) Niedersachsen h) Nordrhein-Westfalen i) Rheinland-Pfalz j) Saarland k) Schleswig-Holstein 1) Das Gebiet der ehemaligen DDR Terminologische Vorbemerkung Die Fusionsfälle (Errichtung gemeinsamer, länderübergreifender Institute) a) Die Erweiterung der Landesbank Hessen zur „Landesbank Hessen-Thüringen-Girozentrale" b) Die Ausweitung der Nord/LB von Niedersachsen nach Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern Die Beteiligungsfälle a) Die Beteiligung der Nord/LB an der Bremer LB Kreditanstalt Oldenburg - Girozentrale b) Die Beteiligung der SüdwestLB an der SachsenLB c) Die Beteiligung der Bayerischen LB an der SaarlLB d) Die Beteiligung der WestLB und der SüdwestLB an der LB Rheinland-Pfalz

146 150 151 154 154 155 157

161

163 164 164 167 168 169 172 173 175 176 178 178 180 183 184 185 185 189 193 193 196 198 200

Inhaltsverzeichnis

12 e) f) g) IV.

Die Vernetzung der Landesbanken/Girozentralen als Verwirklichung „strategischer Allianzen" im betriebswirtschaftlichen Sinne 1. 2.

V.

Die strategische Allianz im betriebswirtschaftlichen Sinne Die Beteiligungsfälle und die Errichtung gemeinsamer, länderübergreifender Anstalten als Verwirklichung strategischer Allianzen im betriebswirtschaftlichen Sinne?

Die Rechtsgrundlagen für ken/Girozentralen 1.

2.

3. VI.

Die Beteiligung der WestLB und der SüdwestLB an der LB Schleswig-Holstein Die Beteiligung der LB Berlin und der WestLB an der Investitionsbank Brandenburg Sonderfall: Die LB Berlin als Tochter der Berliner Bankgesellschafl AG mit Beteiligung der Nord/LB

die Kapitalisierung

202 204 206 209 210

214

der Landesban-

Die Rechtsgrundlagen auf der „Nehmerseite" (Beteiligungsklauseln) a) Baden-Württemberg b) Bayern c) Berlin d) Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt e) Nordrhein-Westfalen Die Rechtsgrundlagen auf der „Geberseite" (Öffhungsklauseln) a) Berlin b) Rheinland-Pfalz c) Saarland d) Sachsen e) Schleswig-Holstein Die Rechtsgrundlagen für die Kapitalisierung der Landesbanken/Girozentralen im Lichte der Wesentlichkeitstheorie

Zusammenfassung des ersten Teils und Ausblick

216 217 218 219 219 220 221 222 222 223 225 226 227 228 239

Zweiter Teil: Die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Implikationen der Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

240

A. Inkurs: Die Terminologie als Indiz für das Selbstverständnis der Beteiligten

240

B. Die Vernetzung der Landesbanken und ihre organisationsrechtlichen Rahmenbedingungen

244

I.

Die Grenzen aus dem „Wesen" der Anstalt

244

1.

244

Der Anstaltsbegriff a) Die organisationsrechtlichen Vorgaben durch das Grundgesetz

245

Inhaltsverzeichnis b) 2. 3.

Π.

Die Entwicklung und Definition des Anstaltsbegriffs in Wissenschaft und Praxis Die Distinktion zwischen Anstaltsträger, Errichtungskörperschaft und Kapitalträger Die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer zur Ausbildung einer „Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts" a) Die „Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts" zwischen landesrechtlicher Organisationshoheit und bundesrechtlichem privaten Gesellschaftsrecht b) Die Abgrenzung der Kompetenzmaterien c) Abschied von der Figur des Kapitalträgers in der öffentlichen Anstalt des Landesrechts

Ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts veräußerbar? 1.

2.

3.

Die Landesbanken im Koordinatensystem des Staatsvermögensrechts a) Die Landesbanken und der Dualismus des Staatsvermögensrechts b) Die grundsätzlich zivilistische Ausrichtung des gesamten Staatsvermögensrechts aa) Die Zuordnungsfunktion der Widmung als einende Klammer von staatlichem Vermögens- und öffentlichem Sachenrecht bb) Die zivilrechtliche Zuordnung aller Sachen und sonstigen Vermögensgegenstände als dogmatische Basis der Widmung Die mangelnde Verkehrsfähigkeit der Anstalt des öffentlichen Rechts im privaten Rechtsverkehr a) Der Streit um das öffentliche Eigentum als Exempel für die grundsätzlich zivilistische Ausrichtung der gesamten Staatsvermögensordnung b) Die Lehre vom „öffentlichen Eigentum" als Schlüssel zu einer modernen Ordnung des Staats Vermögensrechts c) Die Fiskustheorie: Hinfälliger staatstheoretischer Hintergrund der zivilistisch konstruierten Staatsvermögensordnung d) Konsequenzen für die privatrechtliche Verkehrsfähigkeit von Anstaltsanteilen und Notwendigkeit einer öffentlichrechtlich orientierten Umdeutung der Beteiligungsfälle Der Unterschied zwischen der Stellung eines (privaten) Eigentümers einer Gesellschaft und der eines Verwaltungsträgers bei der Veräußerung eines Unternehmens

C. Die Vernetzung der Landesbanken und die bundesstaatliche Kompetenzordnung I.

246 248 254

254 260 269 271 273 273 276

276

283 284

284 286 298

302

305 309

Die Landesbankenvernetzung als Neuordnung von auf Verwaltungsaufgaben bezogenen Steuerungskompetenzen

310

1.

311

Der Gegenstand der Übertragung

Inhaltsverzeichnis

14 2. 3. 4. Π.

Die Rahmenbedingungen der bundesstaatlichen Kompetenzordnung des Grundgesetzes 1. 2.

3.

ΙΠ.

Der erste Grundsatz: Bund und Länder als Staaten im Sinne des Grundgesetzes Der zweite Grundsatz: Aufgabenkompetenz immer auch Aufgabenlast (Grundsatz der eigenständigen Aufgabenwahrnehmung) a) Die allgemeine Ausprägung des Grundsatzes der eigenständigen Aufgabenwahrnehmung b) Die Geltung des Grundsatzes der eigenständigen Aufgabenwahrnehmung auch im Verhältnis der Länder untereinander aa) Die Erhaltung der Verantwortungsräume im Verhältnis zwischen den beiden bundesstaatlichen als alleiniger Schwerpunkt der wissenschaftlichen Diskussion bb) Die Verwirklichung des Grundsatzes der eigenständigen Aufgabenwahrnehmung auch im Verhältnis der Länder untereinander als bundesstaatlich-kompetenzrechtliches Anliegen c) Die Geltung des Grundsatzes der eigenständigen Aufgabenwahrnehmung für das Verhältnis aller bundesstaatlichen Gebietskörperschaften untereinander Der dritte Grundsatz: Aufgaben, die die Leistungskraft eines Landes übersteigen, wachsen nicht praeter constitutionem dem Bund zu (faktischer und mittelbarer Zwang zur Kooperation)

Die dogmatische Analyse der Kooperationsformen in dem Bereich der Landesbanken/Girozentralen und die bundesstaatlich-kompetenzrechtlichen Grenzen der institutionalisierten Kooperation 1.

2.

3.

IV.

Der Umfang der Übertragung Die Intensität der Übertragung Die Facetten der Zuordnungsproblematik

Die Beteiligungsfalle in dem Bereich der Landesbanken/Girozentralen und die bekannten Konstellationen der Beteiligungsverwaltung Die Fusionsfalle in dem Bereich der Landesbanken/Girozentralen und die bekannten Konstellationen der gemeinsamen Aufgabenerfitflung durch Errichtung einer gemeinsamen, länderübergreifenden Anstalt Beteiligungsfalle und gemeinsame, länderübergreifende Anstalten aus dem Blickwinkel der bundesstaatlichen Kompetenzordnung im allgemeinen und der Verbandskompetenz (ultravires-Lehre) im besonderen

Ergebnis

312 313 315 326 328

329 330

332

332

334

340

341

343

346

349

358 373

Inhaltsverzeichnis D. Die Vernetzung der Landesbanken und das Erfordernis demokratischer Legitimation

375

I.

Der Gegenstand und die Formen demokratischer Legitimation

375

Π.

Die These: Verminderte Anforderungen an das Postulat demokratischer Legitimation bei wirtschaftlich relevanter Tätigkeit der Verwaltung

377

1. 2. ΠΙ.

IV.

Die Begründung der These Das Erfordernis demokratischer Legitimation der Geschäftstätigkeit von Landesbanken/Girozentralen

379 381

Die demokratische Legitimation der beiden Vernetzungskonstellationen

384

1. 2.

384 386

Die gemeinsamen, länderübergreifenden Anstalten Die Beteiligungsfälle

Ergebnis

392

Resümee

393

Literaturverzeichnis

398

Sachwortverzeichnis

412

Einleitung „Das Netz der Verflechtungen

unter den deutschen Banken wird dichter".

Diese Überschrift zu einem „Hintergrund"-Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (12. Juli 1996, S. 17) weist auf eine sich zunehmend entfaltende Konzentrationsdynamik der deutschen Kreditwirtschaft hin. Bei Beobachtung paralleler gesamteuropäischer und ausländischer Szenarien1 wird klar, daß auch der deutschen Kreditwirtschaft beträchtliche Umwälzungen bevorstehen. Der „global player" ist gefragt. Althergebrachte Strukturen werden durch die zunehmende Dynamik in der Branche aufgebrochen: Kleine Kreditinstitute werden von den Großen übernommen, andere Wettbewerber fusionieren oder werden andere Formen der Zusammenarbeit suchen, um ihre Stellung am Markt mit vereinten Kräften behaupten zu können2. Wieder andere Kreditinstitute werden - von den Veränderungen überrollt - gänzlich aus dem Markt verdrängt. Angesichts dieser unbequemen Aussichten ist allemal bei den schwächeren Instituten eine gewisse Zukunftsangst nicht zu übersehen. Unter den Bedingungen des europäischen Binnenmarktes und des Weltmarktes sind aber auch die Größeren der Branche gezwungen, sich durch wechselseitige Verbindungen für den härter werdenden internationalen Wettbewerb zu rüsten. Bündelung der Kräfte, Erzeugung von Synergieeffekten, strategische Allianzen und organisatorische Vernetzungen sind die Zeichen der Zeit. Das Interesse des öffentlichen Rechts an diesen Vorgängen überrascht zunächst. Die Probleme wechselseitiger Vernetzungen in der Kreditwirtschaft scheinen mehr in den Bereichen des Gesellschafts- oder des Wettbewerbs-

1

Als beispielhaft und wegweisend mag die Entwicklung in Großbritannien gelten: siehe FAZ v. 10. Oktober 1996, S. 23 („Gegenseitige Übernahmen und Fusionen im britischen Finanzwesen"). Erhellend auch die übrigen Artikel einer „Hintergrund"- Serie in der FAZ zu den Strukturveränderungen im europäischen Kreditgewerbe: ,3anken im Umbruch" 8. bis 12. Oktober 1996. 2 Angesichts dieser Entwicklungen ist es nicht überraschend, daß die auf Fusionen und Beteiligungen spezialisierten M&A-Banken der Londoner City für das Geschäftsjahr 1997 einen besonderen Geschäftszuwachs durch Fusionen im Bereich der deutschen Kreditwirtschaft erwarten; siehe Handelsblatt v. 3./4. Januar 1997, S. 15. 2 Becker

18

Einleitung

rechts3 angesiedelt zu sein. Neben diesen wirtschaftsrechtlichen Aspekten muß jedoch auch berücksichtigt werden, daß das Engagement des Staates, von Bund, Ländern und Gemeinden, Erscheinungsbild und Wettbewerb in der deutschen Kreditwirtschaft nicht unerheblich prägt: Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute bilden eine der drei Säulen in der Architektur der deutschen Bankenlandschaft. Als deren integrierter Bestandteil können sich auch die öffentlichen Institute den Entwicklungen, von denen die Branche erfaßt wird, nur schwer widersetzen. Auf der anderen Seite dürfen aber gerade diese Institute aufgrund ihres öffentlich-rechtlichen Charakters auch nicht ohne weiteres mit Instituten anderer Gruppen der Kreditwirtschaft auf eine Stufe gestellt werden. Die öffentlich-rechtliche Verfaßtheit und die hieraus resultierenden Bindungen öffentlicher Bankanstalten sperren sich gegen die nahtlose Imitation der Geschäftsphilosophie oder der strategischen Weichenstellungen anderer Wettbewerber. Der öffentlichen Rechtsform korrespondieren Bindungen, die jedenfalls nicht allein unter Hinweis auf eine faktische Assimilation des öffentlichen an das private Bankgeschäft außer Kraft gesetzt werden können. Die hier im Mittelpunkt der Betrachtungen stehenden Landesbanken/Girozentralen sind als Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert. Sie agieren in dieser organisationsrechtlichen Form durchweg als Sparkassenzentralbanken, Hausbanken der Länder und Geschäftsbanken mit nahezu universalem Geschäftskreis. Gerade in der letztgenannten Funktion treten sie auf den großen Märkten in Deutschland und der Welt auf und fuhren dabei mit den privaten und genossenschaftlichen Geschäftsbanken einen scharfen Konkurrenzkampf. Die organisatorische Verwurzelung der Landesbanken/Girozentralen im öffentlichen Recht fuhrt dazu, daß die Verflechtungsvorgänge innerhalb dieser Gruppe von Kreditinstituten abseits des Gesellschafts- und des Kartellrechts nicht unerhebliche Probleme verwaltungs- und verfassungsrechtlicher Art aufwerfen. Diese Probleme erstrecken sich auf Form und Inhalt der Vernetzungsvorgänge, die in der Branche unter dem Begriff der „strategischen Allianzen" populär geworden sind: Können Anstalten des öffentlichen Rechts ganz oder teilweise an andere Kreditinstitute veräußert werden? Kann eine Anstalt des öffentlichen Rechts ohne weiteres zu einer „Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts" mit verkäuflichen und übertragbaren Anstaltsanteilen umgewandelt werden? Darf sich ein Bundesland an der Anstalt eines anderen Bundeslandes durch die Übernahme von Anstaltsanteilen beteiligen? Kann das „Mitregieren" eines Landes in dem Institut eines anderen Landes vor den An-

3

Das Wettbewerbsrecht ist freilich aufgrund seiner Aufgabe, mit den hoheitlichen Mitteln von Zwang und Kontrolle in den Prozeß der Marktwirtschaft zu intervenieren, keinesfalls dem Bereich des Privatrechts zuzuordnen. Dennoch zählt es nicht zu den klassischen Materien des öffentlichen Rechts.

Einleitung

19

forderungen des Grundgesetzes an die Eigenstaatlichkeit und Eigenverantwortlichkeit der Bundesländer bestehen? Die öffentlich-rechtlichen Probleme der Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen sind vielschichtig. Umso erstaunlicher erscheint es, daß sie in der interessierten juristischen Öffentlichkeit kaum Interesse erregen konnten und daher noch weitestgehend der Aufarbeitung und der juristischen Analyse harren. Hängt diese Zurückhaltung mit der tatsächlichen Assimilation der Landesbanken/Girozentralen an die großen Geschäftsbanken zusammen, die den Gestaltungs- und Geltungsanspruch des öffentlichen Rechts in diesem Bereich verdrängt hat? Dies ist die Ausgangsfrage, von deren Beantwortung es abhängt, ob und inwieweit die Vernetzungsvorgänge bei den Landesbanken/Girozentralen das öffentliche Recht überhaupt als Richtmaß ihres Handelns zu berücksichtigen haben. Zunächst gilt es daher, Klarheit über Aufgaben und verfassungs- wie verwaltungsrechtliche Stellung der Landesbanken/Girozentralen in der Bundesrepublik Deutschland zu gewinnen. Hier liegt ein Schwerpunkt der Untersuchung. Die dogmatische Einordnung ihrer Geschäftstätigkeit in den Kanon von Staatsaufgaben und öffentlichen Handlungsinstrumentarien ist die Voraussetzung für die Analyse verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Vorgaben wechselseitiger Vernetzungen dieser Institute. Die Darstellung der vielfachen und bisweilen undurchsichtigen Vernetzungen in Form von Beteiligungsverhältnissen und gemeinsamen, länderübergreifenden Instituten bildet den zweiten Schwerpunkt der Arbeit. Anschließend erfolgt die verfassungsrechtliche Beurteilung dieser Vernetzungsvorgänge. Die Erörterung der Vernetzungen aus dem Blickwinkel der grundgesetzlichen bundestaatlichen Kompetenzordnung und des Erfordernisses demokratischer Legitimation schließt sich an, und zwar nach einer Untersuchung der vorgegebenen organisationsrechtlichen Rahmenbedingungen. Ausgespart bleibt aus der vorliegenden Untersuchung der Bereich, der sich schlagwortartig als „Privatisierungsdiskussion" bezeichnen läßt. Die Frage nach der grundsätzlichen Legitimation des Staates zur Teilnahme an dem Wettbewerb im Kreditwesen wird nur am Rande, bei der Ergründung des öffentlichen Auftrags von Landesbanken/Girozentralen, erörtert. Ebenso wird die vorgelegte Untersuchung nicht auf die Diskussion eingehen, ob bestimmte Geschäfte, die im Zusammenhang mit der Geschäftsbanktätigkeit der Landesbanken abgewickelt werden, noch mit dem normierten öffentlichen Auftrag in Einklang zu bringen sind. Grundlage aller hier angestellten Überlegungen ist insofern allein die Gesetzeslage, die den Instituten ihren öffentlichen Auftrag und die zulässigen Geschäfte vorgibt, dabei die Legitimation des Gewinnstrebens bei den Landesbanken kanalisiert und zu den übrigen Geschäftstätigkeiten in ein Spannungsverhältnis setzt. Daß dieser gesetzliche Handlungsauftrag bisweilen überdehnt und deshalb darüber diskutiert wird, ob und inwieweit 2*

Einleitung

20

sich die daseinsvorsorgende Tätigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen bis nach Hongkong ausweiten muß (so Otto Graf Lambsdorff mit Blick auf die Auslandsgeschäfte der Westdeutschen Landesbank), kann weder pauschal befürwortet noch apodiktisch als unzulässig oder rechtswidrig abgetan werden. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß die Zurückhaltung in dieser Frage gerade dort, wo die Existenzberechtigung öffentlicher Banken grundsätzlich bezweifelt wird, auf Kritik stößt. Die vorgelegte Untersuchung versucht aber einen Beitrag zu der Privatisierungsdiskussion auf ihre eigene Weise zu erbringen: Ihr Ziel ist es, die Landesbanken/Girozentralen als öffentliche Kreditinstitute „beim Wort zu nehmen" und dabei Geschäftsphilosophie und Markterschließung als Vollzug des öffentlichen Auftrags an den normativen Vorgaben zu messen. Deren Quelle kann dann aber im Verfassungsstaat nicht allein auf der Ebene des Errichtungsgesetzes gesucht werden.

4

So z.B. in ZfK 1993, S. 602.

Erster Teil

Die Stellung der Landesbanken/Girozentralen im deutschen Kreditgewerbe und ihre länderübergreifenden Vernetzungen A. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben der Landesbanken/Girozentralen im Spannungsbogen zwischen privater Kreditwirtschaft und öffentlicher Verwaltung Öffentlich-rechtliche Kreditanstalten bewegen sich in einem Marktsegment der Wirtschaftsordnung, in dem ein harter Wettbewerb unter den verschiedenartigsten Konkurrenten herrscht. Die öffentlichen Institute bedienen sich bei der Wahrnehmung ihrer Geschäfte zumeist eines privatrechtlichen Handhingsinstrumentariums. Auch aus diesem Grund ist das bankwirtschaftliche Betätigungsfeld der öffentlich-rechtlichen Institute in fast allen Bereichen kaufmännischen und banktechnischen Ordnungsgrundsätzen unterworfen. Es macht für den Durchschnittskunden im Normalfall kaum einen Unterschied, ob er sich mit seinem kreditwirtschaftlichen Anliegen statt an eine Sparkasse oder eine Landesbank/Girozentrale an eine der privaten Geschäfts- oder Genossenschaftsbanken wendet: Gebühren wie Zinsen entsprechen sich weitestgehend ebenso wie beispielsweise die Rigorosität von Bonitäts- und Risikoprüfungen. Was aber ist angesichts dieser faktischen Angleichungen in dem Geschäftsgebaren eigentlich das besondere, prägende und zugleich auch die Geschäftsphilosophie beeinflussende Element öffentlicher Kreditinstitute, das es rechtfertigt, deren Vernetzungen nicht nur - wie dies auch bei allen anderen Kreditinstituten erforderlich ist - auf Hindernisse im Bereich des Wettbewerbsrechts hin zu untersuchen, sondern ebenso die Vorgaben des öffentlichen Rechts, vor allem der Verfassung, als Prüflingsmaßstab heranzuziehen? Der erste Abschnitt dieser Untersuchung dient vor allem einer Standortbestimmung. Die gewonnenen Erkenntnisse werden dann ihrerseits die Grundlage für die weitere Beurteilung der Vernetzungsvorgänge im Bereich der Landesbanken/Girozentralen bilden.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

22

I. Die Landesbanken/Girozentralen als Baustein der Sparkassenorganisation und Säule der deutschen Kreditwirtschaft Die juristische Form der Landesbanken/Girozentralen ist ebenso wie ihre Wettbewerbsposition in dem deutschen Bankenmarkt durch eine ihnen eigentümliche Zwitterstellung geprägt: Während die Institute zum einen in ihrer Eigenschaft als Universalbank neben den privaten und genossenschaftlichen Kreditinstituten als Teilnehmer am wirtschaftlichen Wettbewerb um den Bankkunden in Erscheinung treten, empfangen sie ihr spezifisches Gepräge auch und gerade als Bestandteil des Systems öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten ein. Während sie dort - allein schon, um neben den Konkurrenten am Markt bestehen zu können - nicht selten wie private oder genossenschaftliche Wettbewerber planen und handeln, wird sich für ihre organisationsrechtliche Charakterisierung die Nähe zu der öffentlichen Hand, zu den Ländern, den Gebietskörperschaften und anderen Stellen der öffentlichen Verwaltung als zentraler Faktor erweisen.

1. Der Gruppenwettbewerb

im deutschen Kreditgewerbe

Die Ursprünge des heutigen dreigliedrigen deutschen Bankensystems reichen bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Seine Entstehung ist eng mit dem Beginn der Industrialisierung verbunden. Zu einem prägenden Merkmal der deutschen Kreditwirtschaft entwickelte sich das Prinzip der Universalbank, dem sich die meisten der heute am Wettbewerb Beteiligten nach und nach unterworfen haben1. Dieses Prinzip umschreibt den Geschäftskreis eines Kreditinstituts. Hier genügt es, zur Charakterisierung dieses Prinzips folgendes festzuhalten: Bei Universalbanken handelt es sich um Kreditinstitute, die außer dem Einlagen- und Kreditgeschäft auch die banküblichen Dienstleistungs- und Effektengeschäfte betreiben2.

1

Das Universalbankprinzip ist nicht die einzig denkbare Geschäftsausrichtung für ein Kreditinstitut. Die ältere deutsche Bankbetriebslehre orientierte sich z.B. am angelsächsischen Bankwesen, das durch eine strikte Arbeitsteilung zwischen Depositenbanken einerseits (Depositengeschäft meint nach der insofern aussagekräftigen Definition des § 1 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 KWG die Annahme fremder Gelder als Einlagen ohne Rücksicht darauf ob Zinsen vergütet werden") und Kreditbanken andererseits geprägt war und vor allem das Wertpapiergeschäft außerhalb der Geschäftsbanken im engeren Sinne angesiedelt hatte; vgl. G. Zweig, HWS IV, S. 204 ff. (205). 2 G. Zweig, HWS IV, S. 204 ff.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

23

Motor der Entwicklung zum Universalbankprinzip war der Wettbewerb um den Bankkunden, der nach allgemeiner Erfahrung nur dann als Dauerkunde an ein bestimmtes Institut zu binden ist, wenn und soweit er alle üblichen Bankleistungen „unter einem Dach" bzw. „aus einer Hand" geboten bekommt3. Der Entwicklung des Universalbankprinzips in Deutschland kam außerdem zugute, daß das (allgemeine4) deutsche Bankrecht keine generelle Beschränkung der Geschäftstätigkeit von Banken auf eine bestimmte Geschäftsart kennt und kannte. Neben dem Universalbankprinzip kennzeichnet ein weiteres, mit dem Begriff des Gruppenwettbewerbs umschriebenes Merkmal die Struktur der deutschen Kreditwirtschaft. Dieses Phänomen sucht in anderen bundesdeutschen Wirtschaftsbereichen ebenso seinesgleichen, wie in den Kreditwirtschaften des Auslands. Die deutsche Bankenlandschaft gliedert sich in drei hinsichtlich der jeweiligen Eigentümer- und Geschäftsstruktur voneinander abzuschickende Gruppen: die privaten Banken, die Genossenschaftsbanken und die öffentlichrechtlichen Kreditinstitute.

Ausdrückliche Erwähnung und Anerkennung hat das Prinzip des kreditwirtschaftlichen Gruppenwettbewerbs in dem Vertrag über die Schaffung der Währungs-, Wirtschafts-, und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik 5 vom 18. Mai 1990 gefunden. Art. 10 Abs. 4 des genannten Vertrages umfaßte als einen der Mindestinhalte des aufzubauenden marktwirtschaftlichen Kreditsystems ein ,/iach privatwirtschaftlichen Grundsätzen operierendes Geschäftsbanksystem im Wettbewerb privater, genossenschaftliche und öffentlich-rechtlicher Banken... "

Die privaten Kreditbanken wurden z.T. ausdrücklich als Finanzierungsinstitute für die sich nach 1870 stetig und dynamisch entwickelnde Industrie gegründet, wobei ihre Wurzeln noch viele Jahrhunderte weiter zurückreichen. Der Schwerpunkt ihrer gewinnorientierten Geschäftstätigkeit lag zunächst im Industriekredit- und Emissionsgeschäft. Zu überregional tätigen Geschäftsbanken mit breiterem Einlagen- und Kreditgeschäft wurden sie erst um die Jahrhundertwende. Die Gruppe der privaten Banken, deren Geschäftsstruktur der allgemeinen Entwicklung entsprechend mehrheitlich nach dem Universalbankprinzip geordnet ist, setzt sich heute aus Großbanken, Regionalbanken und Privatbankiers zusammen.

3

G. Zweig, HWS IV, S. 204 ff. (205). Beschränkungen für einzelne Banken (z.B. Sparkassen oder private Hypothekenbanken) nach Spezialgesetzen sind möglich. 5 BGBl. Π, S. 537. 4

24

1 · Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe Auch einige nicht universal tätige Spezialbanken sind dieser Gruppe zuzuordnen6: Hierzu zählen private Hypothekenbanken, Teilzahlungsbanken sowie Kreditinstitute mit Sonderaufgaben (AKA Ausfuhrkredit GmbH, Privatdiskont AG). Die Großbanken sind überregional tätig, aber zentral organisiert, während die Regionalbanken grundsätzlich besondere regionale Schwerpunkte aufweisen, überregionalen Aktivitäten aber auch nicht unbedingt vernachlässigen. Privatbankhäuser7 sind im allgemeinen auf bestimmte Bankdienstleistungen für besondere, zumeist vermögende Kundengruppen spezialisiert. Nach §§ 2 a, 32 KWG dürfen Kreditinstitute nicht in der Rechtsform des Einzelkaufmanns betrieben werden. Alle übrigen denkbaren und bekannten Rechtsformen der Personen- und Kapitalgesellschaften stehen den privaten Banken demgegenüber als organisatorischer Rahmen zur Verfügung. Während die drei privaten deutschen Großbanken (Deutsche Bank, Commerzbank, Dresdner Bank) als Aktiengesellschaften organisiert sind, agieren Privatbankiers in den Rechtsformen der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien. Ihre geschäftlichen Interessen liegen selten im Massengeschäft. Sie engagieren sich eher in der individuellen Beratung und Betreuung von Privatkunden, weswegen ihre Dienstleistung dadurch geprägt ist, daß der Bankier als geschäftsführender Gesellschafter mit persönlicher Haftung und somit unter Einsatz eigenen Kapitals arbeitet.

So ausdifferenziert Organisationsformen, Geschäftsfelder und Marktanteilsvolumina der verschiedenen Institute, die der Gruppe der privaten Banken zuzurechnen sind, sein mögen, so wird diese Vielfalt doch unter einem Aspekt auf eine Gemeinsamkeit zurückgeführt, die es rechtfertigt, trotz aller Heterogenität, die verschiedenen privaten Institute zu einer Gruppe zusammenzufassen: Ihre Geschäftstätigkeit ist Ausfluß grundrechtlicher Freiheit. Die Gründung einer privaten Bank bedarf zwar der aufsichtsbehördlichen Genehmigung nach § 32 KWG. Doch handelt es sich hierbei um ein präventives Verbot mit Erlaubnis vorbehält8. Diese Kontrolltechnik hat nur verwaltungstechnische, formelle Bedeutung. Sie dient dazu, die Ausübung des Bankgewerbes einer vorbeugenden Kontrolle zu unterwerfen, um dabei festzustellen, inwieweit der in Frage stehende Kandidat die durch das KWG umschriebenen Voraussetzungen für den Betrieb einer Bankanstalt erfüllt. Dieses Genehmigungserfordernis ändert nichts daran, daß alle Entscheidungen des Bankiers9 über Betriebsaufnahme, Geschäftsausrichtung, Marktstrategie oder Allianzen mit anderen Kreditinstituten Facetten

6

Zu den privaten Spezialbanken H. Schönle, Bankrecht, S. 412 ff. Zum Privatbankier allgemein A. Schütz / A. Fechner, ZfK 1991, S. 10 ff. 8 Zu der Kategorie siehe nur H. Maurer, Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51 ff. 9 Mit dem Begriff des Bankiers ist nicht nur der Privatbankier im oben beschriebenen Sinne gemeint. Vielmehr sollen in diesem Zusammenhang auch diejenigen Banken erfaßt sein, deren Entscheidungsfindung nicht auf eine einzelne Person, sondern auf die Tätigkeit von Organen zurückgeht, die letztlich von den Anteilseignern gewählt, kontrolliert und beeinflußt werden. 7

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit sind 10 . Der private Bankier ist damit vor allem grundsätzlich frei, sein Geschäft einzig nach erwerbswirtschaftlichen Gesichtspunkten der Gewinnmaximierung zu betreiben. Geschäftsfelder, die keinen wirtschaftlichen Erfolg versprechen, kann er von vornherein aussparen oder später fallen lassen. Auf Kunden oder Geschäfte, die ihm mißliebig sind, muß er sich nicht einlassen. Für die Erweiterung oder Beschränkung seiner geschäftlichen Tätigkeit muß er sich vor niemandem rechtfertigen. Regulierende staatliche Eingriffe in diese Freiheit müssen sich vor dem Grundrecht der Berufsfreiheit rechtfertigen lassen und auf je nach Intensität des Eingriffs mehr oder weniger gewichtigen gemeinwohlorientierten Erwägungen beruhen.

Auch die zweite der drei Bankengruppen des deutschen Kreditgewerbes bewegt sich - allerdings mit anderer Geschäftsphilosophie - in einem grundrechtlich abgeschirmten Aktionsfeld. Es handelt sich um die Gruppe der Kreditgenossenschaften. Die Genossenschaftsbanken, Volksbanken und Raiffeisenbanken wurden Mitte des 19. Jahrhunderts als Selbsthilfeeinrichtungen des gewerblichen und landwirtschaftlichen Mittelstandes gegründet. Ursprünglich wurde zwischen gewerblichen Kreditgenossenschaften („Volksbanken") einerseits und ländlichen Kreditgenossenschaften („Raiffeisenbanken") andererseits unterschieden11. Gewerbliche Kreditgenossenschaften engagieren sich daher bei der Gewährung günstiger Darlehen für ihre, insbesondere dem gewerblichen Mittelstand angehörenden Mitglieder. Die Klientel der ländlichen Kreditgenossenschaften rekrutiert sich demgegenüber in erster Linie aus der ländlichen Bevölkerung (Landwirte, Dorfhandwerker, Arbeiter). Der spezifische Kreditbedarf dieser beiden Bevölkerungsgruppen (v.a. kurz- und mittelfristige Personalkredite) war in den Anfangsjahren der Genossenschaftsidee von den zu dieser Zeit vorhandenen Kreditinstituten nur unzulänglich befriedigt worden. Die dadurch entstandene Lücke wurde von den genossenschaftlichen Instituten geschlossen. Der Idee nach handelt es sich bei den Genossenschaftsbanken um Selbsthilfeorganisationen, die sich der kreditwirtschaftlichen Versorgung ihrer Mitglieder angenommen hatten. Ihr Strukturprinzip war das der mitgliedschaftlich-wechselseitigen Selbsthilfe. Zwar wurde das ursprünglich durch § 8 Abs. 2 und 3 GenG normierte Verbot, Darlehen an Nichtmitglieder zu gewähren, im Jahre 1974 aufgehoben, dennoch verstehen sich die Genossenschaftsbanken noch bis auf den heutigen Tag in erster Linie als Einrichtungen zur wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder. Die die Geschäftstätigkeit der Genossenschaftsbanken leitende Unternehmensphilosophie

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Außer Betracht bleiben hierbei die bankenaufsichts- und kartellrechtlichen Geschäftsbeschränkungen, da diese sich ihrerseits stets vor dem in Art. 12 GG gewährleisteten Grundrecht zu rechtfertigen haben und damit nicht die Existenz grundrechtlicher Freiheit, sondern nur deren Reichweite betreffen. 11 H. Schönle, Bankrecht, S. 411.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

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kommt in der Gleichberechtigung der Mitglieder sowie deren Selbstverwaltung durch die Genossenschaftsorgane zum Ausdruck. Heute sind die Genossenschaftsinstitute darüber hinaus als Universalbanken tätig. Hier liegt der Schwerpunkt der Genossenschaftsbanken zwar nach wie vor im Einlagen- und Kreditgeschäft, der Kundenkreis wurde aber im Laufe der Zeit vornehmlich in Richtung auf den unselbständigen Mittelstand erweitert 12. Bundesweit sind die Genossenschaftsbanken in einem dreistufigen Verbundsystem organisiert: Auf regionaler und auf Bundesebene agieren genossenschaftliche Zentralbanken, deren Kapital in erster Linie von den ihnen angeschlossenen örtlichen Kreditgenossenschaften gehalten wird. Die dritte Gruppe im Gruppenwettbewerb der deutschen Banken ist die der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute 13, die neben den Instituten des Sparkassenverbundes (Sparkassen und Landesbanken/Girozentralen) auch einige Spezialbanken, v.a. auf Bundesebene umfaßt. Diesen Instituten ist ihre gesetzlich vorgegebene Aufgabenorientierung gemein. Sie haben die ihnen zugewiesenen Aufgaben zwar wirtschaftlich und mit banküblichen Instrumentarien zu erledigen, die Absicht der Gewinnerzielung darf aber hierbei nicht das oberste Gebot sein. Das zahlenmäßig stärkste und geographisch präsenteste Segment des öffentlich-rechtlichen Bankensektors ist das der kommunalen Sparkassen, die den Grundstein der Sparkassenorganisation bilden 14 . Neben den spezialisierten Instituten auf Bundesebene und einigen wenigen Großsparkassen, die auch für die privaten Großbanken eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz darstellen, sind aber die Landesbanken/Girozentralen der spektakulärste Vertreter des öffentlichen Bankenwesens. Die addierte Bilanzsumme der Landesbanken/Girozentralen hat sich 1994 um 6,7 % oder 77,3 Mrd. DM auf 1226,02 Mrd. DM e r h ö h t ^ . Der Marktanteil der Institute hat sich, gemessen an ihrer Bilanzsumme - auf der Grundlage der Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank - im Jahre 1994 weiter erhöht, und zwar von 15,7 % im Jahre 1992 über 16,2 % per Ende 1993 auf 17,8 % per Ende 1994. Für den gesamten Sparkassensektor (Sparkassen und Landesbanken) ergibt sich damit im Jahre 1994 ein Marktanteil von 38,3 % gegenüber 37,7 % (1993) bzw. 36,6 % (1992) des deutschen Bankensektors. Unter den Landesbanken hatte die WestLB im Jahre 1994 gemessen an ihrer Bilanzsumme (unter Aussparung der Konzernbilanzsumme)

12

G. Zweig, HWS IV, S. 204 ff. (206). Siehe U. Twiehaus, Kreditinstitute, passim mit einem systematischen (aber veralteteten) Überblick. 14 Die Firmenbezeichnung „Sparkasse" ist nach § 40 Abs. 1 KWG diesen Instituten exklusiv vorbehalten. 15 Siehe zu dem folgenden nur die Bilanzen und Berichte der Landesbanken/Girozentralen 1994, ZfK 1995, S. 819 ff. 13

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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mit 19,4 % des gesamten Landesbankenbilanzvolumens den größten Marktanteil (minus 0,4 %-Punkte gegenüber dem Vorjahr). Dir folgt die Bayerische Landesbank mit einem Anteil von 18,6 % (plus 0,4 %-Punkte gegenüber dem Vorjahr) und die SüdwestLB mit einem Marktanteil von 9,6 % nach 9,3 % im Vorjahr. Die drei größten Landesbanken vereinigen mit 647,302 Mrd. DM Bilanzsumme (1993: 630,776 Mrd. DM) gegenüber dem Vorjahr insofern unverändert rund die Hälfte der addierten Gesamtbilanzsumme aller Landesbanken auf sich (47,3 %). An vierter Stelle liegt die inzwischen in drei Bundesländern tätige NordLB, mit einem um 0,2 %-Punkte auf 9,3 % zurückgegangenen Anteil am addierten Gesamtumsatz der Landesbanken. Die kleinste Landesbank ist die SaarLB mit nur 1,0 % (1993: 1,1 %) Anteil an der addierten Bilanzsumme aller Landesbanken16.

Auch angesichts der von Herkommen und Geschäftsphilosophie der Institute dreigeteilten Struktur der deutschen Bankenlandschaft darf der Begriff des Gruppenwettbewerbs nicht mißverstanden werden. Mit geringen Abstrichen bei den öffentlich-rechtlichen und den genossenschaftlichen Kreditinstituten kann festgestellt werden, daß die jeweiligen Angehörigen der drei Gruppen nicht nur mit den Angehörigen der anderen Gruppen, sondern auch untereinander im Wettbewerb stehen: Die drei deutschen Großbanken - allesamt als Aktiengesellschaften organisiert - streben je für sich nach dem größtmöglichen Gewinn. Andere Geschäftsbanken sind hierbei in gleichem Maße Konkurrenten wie z.B. eine große und daher konkurrenzfähige Landesbank/Girozentrale. Die Gruppenbildung in der deutschen Kreditwirtschaft erfolgt nicht aufgrund eines ausgeprägten Zusammengehörigkeitsgefühls der Gruppenangehörigen, sondern vielmehr aufgrund einer gewissen Homogenität der einzelnen Gruppen mit Blick auf ihre jeweilige Geschäftsstruktur und Unternehmensphilosophie. Nicht ganz ohne idealisierende Verklärung kann die damit angesprochene Gemeinsamkeit bei den Genossenschaften als Selbsthilfe, bei den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten als Erfüllung eines öffentlichen Auftrags und bei den privaten Kreditinstituten als das Streben nach Gewinnmaximierung bezeichnet werden.

2. Die Geschichte der Sparkassenidee und ihrer Organisation

Einer der bekanntesten Vertreter des Sparkassenfinanzverbundes, Ludwig Poullain, hat einmal ausgeführt, daß „wer sich mit Sparkassenfragen beschäftigt und dabei nicht nur an der Oberfläche bleibt, ... zwangsläufig immer wieder dahin (kommt), daß er sich mit der Geschichte der Sparkassen vertraut

16

ZfK 1995, S. 794.

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

machen muß" 11. Dieser Satz betont die historische Bedingtheit einer jeden realen Erscheinung, die es notwendig macht, der Analyse des Gegebenen und der prognostischen Beurteilung des Zukünftigen stets eine Betrachtung der Vergangenheit vorauszuschicken. Nur so vermag das Erkannte in eine historische Dimension eingeordnet zu werden, nur auf diese Weise ist feststellbar, ob neuere Entwicklungen sich harmonisch an das Vergangene anschließen oder ob sie als heterogene Systemwidrigkeit einen Bruch mit dem Bisherigen bewirken. Die Landesbanken/Girozentralen sind der regionale Mittelbau der Sparkassenorganisation. In dieser Funktion ist das Verständnis von Herkommen, Aufgabenstellung und Verpflichtung dieser Institute entscheidend davon abhängig, welche Aufgaben der Sparkassenorganisation insgesamt zukommen und wie deren Existenz und öffentlich-rechtliche Verfaßtheit heute noch zu rechtfertigen ist. Will man Strukturen und Aufgaben der Landesbanken verstehen und richtig einschätzen, so ist es daher unabdingbar, sich die wichtigsten historischen Entwicklungslinien dieser öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute und damit der gesamten Sparkassenidee und ihrer Organisation zu vergegenwärtigen 18 . Nicht zuletzt wird die auch heute noch aktuelle Einbindung der Sparkassen und Landesbanken in die Erfüllung eines „öffentlichen Auftrags" mit allen dogmatischen Folgen im Bereich des Verfassungs- und des Verwaltungsrechts erst vor dem Hintergrund von Geschichte und Herkommen dieser Institute erklärbar.

a) Die historische Entwicklung der Sparkassenidee und der Sparkassenorganisation Die ersten Anregungen für die Idee, Sparkassen zum Nutzen der Bezieher geringer Einkommen zu gründen, werden dem Franzosen Hugues Delestre zugeschrieben, der bereits im Jahre 1611 die Notwendigkeit darlegte, Lohnarbeitern die Möglichkeit zu geben, ihre kleinen Ersparnisse zinsbringend anzulegen und dennoch verfugbar zu halten. In Deutschland wurden die ersten diesem Anspruch genügenden Institute in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch vor dem Einsetzen der industriellen Revolution gegründet. Diese

17

L. Poullain, Freie Sparkassen, S. 22 ff. (22). Siehe hierzu den Überblick bei H. Geiger, Sparkassenorganisation, S. 13 ff., auf dessen Ausführungen die folgende Darstellung in erster Linie beruht; hiemi auch G. AshauerU. Mura, HWS Π, S. 259 ff. 18

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

29

Gründungen waren Ausfluß privater Initiative 19 ; das nicht-staatliche Herkommen der ersten Sparkassen bedingte zugleich eine privatrechtliche Organisationsform 20. Hielten sich die Kommunen zunächst noch angesichts dieser privaten Initiativen bei der Gründimg von Sparkassen zurück, wurde schließlich im Anschluß an die mit der Stein'schen Städteordnung verbundene Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung eine erste kommunale Sparkasse 1801 in Göttingen errichtet. Dieser folgten ab 1815 eine Vielzahl gleichartiger Institute. Im Jahre 1836 standen den 78 „Freien" (d.h. auf private Initiative gegründeten) Sparkassen bereits 171 kommunale Institute gegenüber21. Die Zahl wuchs bis zur Jahrhundertwende auf ca. 2700 Sparkassen an 22 . Im Jahre 1913 bestanden 3130 überwiegend kommunale Institute. An diesen Zahlen wird deutlich, daß sich die kommunale Sparkassen zum Prototyp der deutschen Sparkasse entwickelt hatte23. Die rasante Entwicklung des Sparkassenwesens rief bald schon den staatlichen Gesetzgeber auf den Plan. Im Jahre 1838 wurde in Preußen die „Magna Charta" des Sparkassenrechts, das „Preußische Sparkassenreglement" erlassen; ein Beispiel, dem andere deutsche Staaten folgten 24 Die geschäftlichen Aktivitäten der Sparkassen vollzogen sich zu dieser Zeit noch vollständig und mit entsprechend geringen Volumina in den sozialen Bereichen, denen die Institute ihrer ursprünglichen Bestimmung nach gewidmet sein sollten: Viele Statuten beschränkten die Geschäftstätigkeit auf bestimmte (typischerweise nicht wohlhabende) Personenkreise; zudem wurden Einlagenhöchstbeträge festgelegt. Eine weitere Tätigkeitsgrenze errichtete das sog. Regionalprinzip, das eine räumliche Eingrenzung der Geschäftstätigkeit auf das Gebiet der Errichtungskörperschaft bewirkte. Das Aktivgeschäft der Institute konzentrierte sich in erster Linie auf den Hypothekarkredit sowie die Anlage der entgegengenommenen Gelder in öffentlichen und deshalb als besonders sicher angesehenen Titeln (Staatspapiere, Stadtobligationen, Anlagen bei Staatskassen), sonstigen Wertpapieren und Pfandbriefen. Zum Teil wurden die Spareinlagen auch zur Dotierung der bisweilen den Instituten unmittelbar an19 Die erste deutsche „Sparkasse" wurde 1778 als ,3rsparungskasse" der Allgemeinen Versorgungsanstalt von der Hamburger Patriotischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und des Unterrichts in Hamburg gegründet. 1786 folgte die „Ersparungskasse" in Oldenburg, 1796 die „Kieler Spar- und Leihkasse". 20 B. Claussen, Teilprivatisierung S. 24. 21 W. Herne / Η Schmidt, Grundzüge, S. 18. 22 W. Herne / H. Schmidt, Grundzüge, S. 40. 23 G. Ashauer / J. Mura , HWS Π, S. 259 ff. (260). 24 1843 folgte die „Königliche Sparkassenverordnung" in Bayern. 1880 erfolgte eine umfassende Regelung des Sparkassenwesens in dem Großheizogtum Baden.

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

geschlossenen städtischen Leihhäuser verwendet. Auf der Passivseite wurde das kurzfristige Kreditgeschäft in allerdings nicht nennenswertem Umfang betrieben. Bereits im Jahre 1881 wurde in Hagen mit der Gründung des Verbandes der Sparkassen in Rheinland und Westfalen 25 ein erster Schritt zu einer überörtlichen Vernetzung der Sparkassen getan. Es war die Aufgabenstellung des Sparkassenverbandes, die Belange seiner Mitgliedssparkassen zu fördern, diese zu beraten und in der Öffentlichkeit zu repräsentieren, den Erfahrungsaustausch unter den Instituten anzuregen sowie durch geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Einrichtungen der öffentlichen Sparkassen und der Belebung des Sparsinns beizutragen. Dem im Jahre 1883 gegründeten Sächsischen Sparkassenverband folgten 15 weitere Verbände, so daß die Zahl der regionalen Sparkassenverbände im Jahre 1908 auf insgesamt 17 anstieg, die zumeist in der Rechtsform des eingetragenen Vereins organisiert waren.

Demgegenüber waren die regionalen Giroverbünde Ausfluß der Bemühungen, den unbaren Überweisungsverkehr zwischen den deutschen Sparkassen zu kultivieren, nachdem das Reichsscheckgesetz im Jahre 1908 den Sparkassen die passive Scheckfähigkeit eingeräumt hatte und diese Institute eine Pionierrolle bei der Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs übernommen hatten26. Dieses Vorhaben bedingte entsprechende organisatorische und technische Voraussetzungen. In diesem Zusammenhang wurde die Notwendigkeit gesehen, neben den bereits bestehenden privatrechtlichen Sparkassenverbänden besondere öffentlich-rechtliche Verbände zu gründen, um die mit dem unbaren Überweisungsverkehr entstehenden Haftungsprobleme zu lösen. Aufgrund der vielen, zu diesem Zeitpunkt existierenden Sparkassen war die Führung gegenseitiger Konten nicht mehr möglich, so daß sich ein Zwang zur überörtlichen Vernetzung zwecks gegenseitiger Verrechnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ergab27. Die Sparkassenorganisation war für die Aufgabe, den überörtlichen Zahlungsverkehr zu forcieren, prädestiniert. Durch die in den Sparkassenverbänden bereits vorhandene überörtliche Vernetzung war sie ohne weiteres in der Lage, Giroverbände zu errichten und so die für die Abwicklung von bargeldlosem Zahlungsverkehr erforderliche reichsweite Organisation anbieten zu kön-

25

Schon 1882 erfolgte eine Umbenennung in Verband der Sparkassen in Westdeutschland mit der ohne weiteres erkennbaren Absicht, den räumlichen Wirkungskreis der Vereinigung auszudehnen. Im Jahre 1884 wurde der Verband ein weiteres Mal umgebildet. Mit dem dann entstandenen Deutsche Sparkassenverband trat der erste Spitzenverband der deutschen Sparkassenorganisation auf den Plan. 26 W. Henze / H. Schmidt, Grundzüge, S. 65 ff. 27 A. Kracht, HWS Π, S. 202 ff. (203).

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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nen 28 . Als erster Giroverband wurde daher bereits am 5. Oktober 1908 der Giroverband sächsischer Gemeinden in Dresden von 151 Kommunalvertretern 29 gegründet, der mit seiner Girozentrale am 2. Januar 1909 den Giroverkehr unter 143 Girokassen aufnahm. Dieser Verband entwickelte sich mit seinem Verfassungs- und Verwaltungsaufbau zu einem Muster für alle in den folgenden Jahren gegründeten Verbände30. Die zumeist als eingetragene Vereine errichteten Sparkassenverbände wurden ab dem Jahre 1920 mit den Giroverbänden verschmolzen oder aufgelöst. Es hatte sich erwiesen, daß das Nebeneinander von privatrechtlicher Interessenvertretung und öffentlich-rechtlich organisierter Zahlungsorganisation zu Reibungsverlusten führte, die die Vereinigung beider Funktionen auf einen (meist öffentlich-rechtlich organisierten) regionalen Sparkassen- und Giroverband nahelegte. Nach 1933 entstandene Sparkassen· und Giroverbände waren dann entweder Neugründungen oder Ergebnisse von Fusionen in der Folge territorialer Neugliederungen des Reiches31. Neben die schon „klassischen" Aufgaben, die gleichsam als Erbe der jeweiligen beiden Ursprungsverbände übernommen werden mußten, traten weitere Tätigkeitsfelder der Sparkassen- und Giroverbände: Die Haftungsfunktion für die zunächst als Abteilung der Verbände geführten Girozentralen war ebenso zu gewährleisten wie die vor- und außerparlamentarische Mitarbeit an der Neugestaltung und Weiterentwicklung des Sparkassenrechts sowie die Übernahme von Aufgaben im Bereich des Revisionswesens (Mitwirkung in der aufsichtsbehördlichen Prüfung und Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Abschlußprüfung) 32. Doch hielt die überörtliche Vernetzung der Sparkassen, die unabdingbare Grundlage zur Entwicklung einer reichsweit synchronisierten Sparkassenidee war, nicht auf regionaler Ebene ein: Eine wechselvolle Geschichte33 durchlief auch die in verschiedenen Entwicklungsstadien aus dem Verband der Sparkassen in Westdeutschland hervorgegangene (reichsweite) Zentralvereinigung der Sparkassenorganisation, der Deutsche Sparkassenverband. Dieser hatte sich im Laufe der Zeit von einem Verband der Sparkassen zu einem Verband der (Sparkassen-) Verbände entwickelt.

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Zu den Einzelheiten hinsichtlich der Aufgabe als Girozentrale siehe S. 42. Vor der rechtlichen Verselbständigung der Sparkassen im Jahre 1931 konnten diese mangels entsprechender Rechtsfähigkeit nicht selbst Verbandsmitglied sein; diese Rolle fiel den die Sparkassen tragenden Kommunen zu. 30 Siehe J. Mura , HWS Π, S. 274 ff. (275). 31 Siehe die Übersichten über die verschiedenen Gründungen und Fusionen bei J. Mura, HWS Π, S. 274 ff (274 f.). 32 J. Mura, HWS Π, S. 274 ff (276), hier auch die Aufzählung weiterer Tätigkeitsfelder der Verbände. 33 Siehe J. Mura, HWS Π, S. 274 ff. (277 ff). 29

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

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Erst 1923 erlangte die Organisation privatrechtliche Rechtsfähigkeit. Hauptaufgabenfeld war einerseits das intern wirkende Vorantreiben der Verbandsentwicklung, zum anderen aber auch die nach außen wirkende Beschäftigung mit sparkassenrechtlichen und geschäftspolitischen Fragestellungen.

Im Jahre 1916 wurde das aus den damals existierenden zwölf regionalen Giroverbänden errichtete Girosystem der Sparkassen nach langwierigen Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem Deutschen Sparkassenverband durch die Gründung des Deutschen Zentral-Giroverbandes nach oben hin abgeschlossen, dem im Jahre 1919 die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen wurden. So konnte der als Abteilung des Verbandes geführten Deutschen Girozentrale der Status der Mündelsicherheit gewährt werden. Aufgabe dieser Körperschaft war es, den bargeldlosen Zahlungsverkehr durch einheitliche Ausgestaltung und Zentralisation der vorhandenen Giroeinrichtungen zu fordern und ein vollkommenes Netz für den Verrechnungsverkehr aller angeschlossenen Kommunalverbände zu schaffen. Zweite Hauptfunktion des Öeutschen Zentralgiroverbandes wurde die geplante Zentralisierung des Geldausgleichs zwischen den regionalen Verbänden. Sichtbarer Ausdruck dieses Vorhabens war die Gründung der zunächst nur als Abteilung des Deutschen Zentralgiroverbandes gegründeten Deutschen Girozentrale im Jahre 1918. Parallel zu den Fusionsbestrebungen auf regionaler Ebene wurde der Deutsche Sparkassen- und Giroverband als Verband der Verbände schließlich am 15. März 1924 durch Verschmelzung u.a. des Deutschen Sparkassenverbandes mit dem Deutschen Zentral-Giroverband gegründet 34 . Auch dieser neue Einheitsverband erhielt die Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, um auf diese Weise die Haftungsträgerfunktion für die (noch) rechtlich unselbständige Deutsche Girozentrale übernehmen zu können. Nach dem Krieg stellte der Deutsche Sparkassen- und Giroverband seine verbandspolitischen Aktivitäten ein und beschränkte seine Aufgabe auf die Gewährträgerfunktion für die Deutsche Girozentrale. Die damit aufgegebenen Tätigkeitsfelder 35 wurden daraufhin durch den nicht nur von den einzelnen Verbänden, sondern auch von den Landesbanken/Girozentralen getragenen Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V. besetzt, der im Jahre 1953 aus der 1947 gegründeten Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände hervorgegangen war.

34

J. Mura , HWS Π, S. 274 ff. (279). Z.B. die Errichtung eines Lehr- und eines Forschungsinstituts für das kommunale Sparkassen- und Kreditwesen, die zentrale Sparkassenwerbung, im betriebswirtschaftlichen Bereich die Geschäftsanweisung für die Sparkassen sowie Arbeiten für den Ausbau des Revisionswesens, im Bereich des Giroverkehrs die Verbesserung der Zahlungstechnik, J. Mura , HWS Π, S. 274 ff. (280). 35

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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Dieser Verband fungiert heute mit seinen Tätigkeitsschwerpunkten Mitgliederberatung, Interessenvertretung und Öffentlichkeitsarbeit als Spitzenverband der deutschen Sparkassenorganisation. Ein Schwerpunkt der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten liegt dabei in der Einflußnahme auf die parlamentarische Willensbildung im Vorfeld bank- und sparkassenrechtlich relevanter Gesetzgebungsmaßnahmen.

Mit dieser sich über einige Jahrzehnte erstreckenden Entwicklung zunehmender überörtlicher, dann reichsweiter Vernetzung und Zusammenarbeit, der Herausarbeitung einer reichsweit synchronisierten „Sparkassenidee", wurden die Sparkassen aus ihrer so empfundenen „Atomisierung" gelöst und über die verschiedenen Verbände und Girozentralen miteinander in den Sparkassenverbund integriert, der heute organisatorischer Ausdruck der deutschen „Sparkasseneinheit" ist. Die Entwicklung der Sparkassen zu ernsthaften Wettbewerbsteilnehmern im Bereich der Kreditwirtschaft wurde in den Jahren 1921 und 1924 durch Ministerialerlasse verstärkt, die den kommunalen Instituten erlaubten, alle nicht im Widerspruch zu ihrem öffentlichen Auftrag stehenden Bankgeschäfte zu betreiben36. Diese Erlaubnis muß in einen Zusammenhang mit den Auswirkungen der Inflation zu Beginn der zwanziger Jahre gesehen werden, die ihren Höhepunkt 1923 erreichte. Auch die Sparkassen konnten sich den ungünstigen ökonomischen Rahmenbedingungen nicht entziehen, die die Institute zu einer in erster Linie auf Substanzerhalt gerichteten Geschäftspolitik zwangen37. So wurde mit Genehmigung der Aufsichtsbehörden versucht, solche Geschäftssparten stärker auszubauen, die diesem Ziel dienlich sein konnten. Ein preußischer Erlaß setzte die Sparkassen beispielsweise im April 1921 in den Stand, Wechsel zu beleihen, Wertpapiere für Kunden anzukaufen sowie alle sonstigen bankmäßigen Geschäfte zu betreiben. Zugleich wurden einengende Bestimmungen im Depositen- und Kontokorrentverkehr der Sparkassen beseitigt.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Sparkassen immer noch integrierter Bestandteil der kommunalen Verwaltungsorganisation, rechtlich unselbständig, insofern nichts weiter als eine „Gemeindekasse", die mit einer besonderen Aufgabe der Daseinsvorsorge betraut war. Diesem Umstand entsprach die Tatsache, daß die Sparkassen in ihrem Anfangsstadium kaum über Zweigstellen verfügten und in aller Regel nur von nebenamtlichem Personal (Rendanten) (mit)verwaltet wurden 38. Im Zusammenhang mit der Bankenkrise des Jahres 1931, die durch den Zusammenbruch der Darmstädter und Nationalbank (Danatbank) ausgelöst worden war, griff erstmals das Reich in die bis dahin 36 37 38

3 Becker

B. Claussen, Teilprivatisierung, S. 26. G. Ashauer/J. Mura , HWS Π, S. 259 ff. (261). G. Ashauer / J. Mura , HWS Π, S. 259 ff. (260).

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

ausschließliche Sparkassengesetzgebungskompetenz der Länder durch Erlaß dreier Notverordnungen ein 39 . Mit der dritten dieser Notverordnungen wurde den Ländern aufgegeben, die Sparkassen organisatorisch 40 und finanziell 41 von den Kommunen und Kreisen abzukoppeln, um auf diese Weise eine höhere, von den in Notzeiten wachsenden Begehrlichkeiten der Kommunen abgeschirmte Einlagensicherheit zu gewährleisten42. Keine Änderung erfuhr demgegenüber die rechtliche Einstandspflicht der Trägerkörperschaft für die Verbindlichkeiten der Sparkassen (Gewährträgerhaftung). Diese mußte nun aber aufgrund der rechtstechnischen Ausgliederung ausdrücklich normiert werden. Als die Sparkassen noch in Form unselbständiger Abteilungen der kommunalen Verwaltungsorganisation gefuhrt wurden, ergab sich die Haftung der Gemeinde fur die Schulden der Sparkassen selbstverständlich aus der rechtlichen Identität von Sparkasse und Kommune. Diese Sicherheit sollte den Sparkassenkunden mit der rechtlichen Verselbständigung der Sparkassen nicht genommen werden, so daß nunmehr trotz der Verselbständigung das subsidiäre Einstehenmüssen der Gemeindekasse für die Schulden der eigenen Sparkasse positivrechtlich normiert wurde. Mit dem Bericht einer Bankenenquête im Jahre 1933 wurde die bankmäßige Betätigung der Sparkassen ausdrücklich gebilligt43. Im folgenden wurden die kommunalen Institute dem im Anschluß an die Bankenenquête geschaffenen Kreditwesengesetz unterstellt. Damit trat neben die selbstverständliche Anstaltsaufsicht des Landes über die Sparkasseninstitute die wirtschaftsverwaltungsrechtliche Bankenaufsicht des Reichs,

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Verordnung des Reichspräsidenten über die Spar- und Girokassen sowie die kommunalen Giro verbände und kommunalen Kreditinstitute vom 5. August 1931 (RGBl. I S. 50); Verordnung der Reichsregierung über Sparguthaben vom 6. August 1931 (RGBl. I S. 51); Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6. Oktober 1931 (RGBl. IS. 67), Fünfter Teil Kapitel I. 40 Die kommunalen Sparkassen wurden nunmehr zu rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts, nachdem ihnen vorher lediglich der Charakter einer Abteilung der Kommunalverwaltung zukam. 41 Die Übertragung des bisherigen kommunalen Sondervermögens auf die Institute entzog dieses Vermögen dem direktem Zugriff der Kommune. 42 Zu der gesamten Entwicklung der Sparkassen von unselbständigen Abteilungen der Kommunen zu auch rechtlich selbständigen Bankanstalten der Gemeinden und Kreise siehe Walter Weber, Die Entwicklung der Sparkassen zu selbständigen Anstalten des öffentlichen Rechts. 43 G. Ashauer / J. Mura , HWS Π, S. 259 ff. (263).

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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wodurch die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute des Sparkassenverbundes in diesem Bereich den Geschäftsbanken gleichgestellt wurden 44. Die Entwicklung der Sparkassen nach dem Krieg war durch eine fortschreitende, tatsächliche Ablösung der Sparkassen von Strukturen und geschäftspolitischen Vorgaben ihrer Anfangsepoche geprägt. Das Selbstverständnis eines „modernen, marktorientierten und wettbewerbsfähigen Unternehmen(s)" 45 bedingte binnenorganisatorische Umstrukturierungen der Institute 46 . Das Auslandsgeschäft sowie Ausreichung von Konsumentenkrediten neben den klassischen, nach dem Kriege wiederentdeckten Geschäftsfeldern (z.B. private Vermögensbildung, Kredite fur den industriellen Mittelstand) rundeten Bild und Selbstverständnis der Sparkassen und Landesbanken/Girozentralen als Universalkreditinstitute ab. Diese Entwicklung mußte zu einer gegenseitigen Durchdringung der Geschäftsbereiche von privaten Großbanken einerseits und den Sparkassen (unterstützt von den jeweiligen Girozentralen) andererseits führen. Während sich die Großbanken zunehmend typischen Zielgruppen der Sparkassenorganisation und damit dem Mengengeschäft im Privatkundenbereich zuwandten, drangen die Institute der Sparkassenorganisation, angetrieben durch das eigene Wachstum und unter Hinweis auf eine verbreiterte Palette von Finanzprodukten, mehr und mehr in den Kundenkreis der privaten Banken mit dem Anspruch ein, auch größere Unternehmen und Privatkunden umfassend bedienen zu können47. Auf dem Fundament der Sparkassenorganisation, den einzelnen (kommunalen) Sparkassen, entstanden katalysiert durch die Kultivierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs - aus den Giroverbänden die regionalen Bankanstalten des Sparkassenverbundes. Mit Zahl und Größe der Sparkassen und ihrer Geschäftstätigkeit wuchsen auch die Sparkassenzentralbanken, allerdings mit einer gewissen aufgabenbedingten Phasenverschiebung48. Diese waren indes - ähnlich den Sparkassen nicht von vornherein rechtlich selbständige Institute, sondern durchliefen eine Entwicklung, deren wegweisendes Datum - wie bei den Sparkassen - die große Wirtschaftskrise zu Beginn der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts sein sollte.

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Zur Entwicklung der Sparkassen hin zu Universalbanken siehe auch G. Zweig, HWS IV, S. 204 ff. (207). 45 So die verbreitete Formel: siehe nur G. Ashauer / J. Mura , HWS Π, S. 259 ff. (263) sowie//. Geiger, Sparkassenorganisation, S. 17. 46 Siehe hierzu den Abschnitt über die Organverfassung der Landesbanken / Girozentralen, innerhalb dessen auch am Rande die entsprechenden Entwicklungen bei den Sparkassen erwähnt werden. 47 G. Ashauer / J. Mura , HWS Π, S. 259 ff. (264). 48 Zu deren Entwicklung: J. Mura , HWS Π, S. 247 ff. 3*

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

b) Die historische Entwicklung der Girozentralen Pläne zur Errichtung von Sparkassenzentralbanken existierten bereits in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Ebenso wie im Bereich der Sparkassenverbände ging auch hier die Initialzündung von den preußischen Provinzen aus. 1832 war dort mit der Westfälischen Provinz-Hülfskasse ein erster Vorläufer der Girozentralen heutiger Prägung entstanden, der bald mit den Sparkassen in Verbindung trat 49 . Als Hauptzweck dieses Instituts, nach dessen Vorbild in Preußen bald weitere Provinzhilfskassen errichtet wurden, galt die „Beförderung des heilsamen Sparkassenwesens". Ihm kam die Aufgabe zu, bei den Sparkassen angelegte Gelder zentral als verzinsliche Depositengelder entgegenzunehmen50. Die günstige Entwicklung der Kassen veranlaßte die preußische Regierung im Jahre 1847, die Errichtung derartiger Institute nach westfälischem Muster in allen Provinzen vorzuschlagen, wobei offensichtlich von vornherein an die Zuweisung von Zentralbankfunktionen gedacht war 51 . Einige dieser Kassen erweiterten sich schon in den folgenden Jahrzehnten zu Landes- bzw. Provinzialbanken. In anderen Regionen erfolgte diese Entwicklung erst später. Jedenfalls wurde mit diesen Gründungen bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Grundstein fur die heute bei den Landesbanken/Girozentralen angesiedelten Funktionselemente „Sparkassenzentralbank" und „Staatsbank" gelegt. Eine handfeste Notwendigkeit zur Einrichtung von Girozentralen entstand durch das Anwachsen des Giroverkehrs, der mit der Zuerkennung der passiven Scheckfähigkeit der Sparkassen durch das Scheckgesetz entstanden war. Der in Folge dieser gesetzgeberischen Entscheidung zu bewältigende bargeldlose Zahlungs- und Kontokorrentenverkehr bei den Sparkassen erforderte zentrale Abrechnungsstellen, da bei der Vielzahl der existierenden Sparkassen (im Jahre 1907 bereits fast 3000) eine gegenseitige Kontoführung nicht möglich war. Solche Verrechnungsstellen wurden von den nun im Bannkreis der privatrechtlichen Sparkassenverbände gegründeten Giroverbände entweder neu geschaffen oder bereits bestehenden Landes- bzw. Provinzialbanken übertragen. Girozentralen entstanden somit grundsätzlich auf zweierlei Weise52. Zum einen wurden sie als Neugründungen (Errichtungen) geschaffen. Dabei wurde eine Sparkassenzentralbank durch die verbandsmäßig organisierten Sparkas-

49 50 51 52

J. Hofmann, HkWP m, S. 775 ff. (776). J. Mura, ZfK 1979, S. 458 ff (458). J. Hofmann, HkWP m, S. 775 ff. (776). Hierzu und zum folgenden K. Fries, Girozentralen, S. 7 ff.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

37

sen einer Region gegründet, die dann die Girozentralenfünktion für die Institute des Gebietes ausübte. Die andere Alternative war die der Funktionsaufnahme, bei der ein bestehendes, bisher nicht als Girozentrale tätiges Kreditinstitut (Staatsbank, Landesbank, Provinzialbank) dazu überging, die Sparkassen seines Bezirks als Girozentrale zu betreuen. Neugründungen (Errichtungen) erfolgten im allgemeinen in der Form unselbständiger Abteilungen regionaler Giroverbände. Diese waren in der Anfangsphase regelmäßig nur Rechtsträger der Girozentralen, während die Funktionsträgerschaft bei zentralgelegenen Sparkassen lag, die als nebenamtliche Überweisungsstellen für die Sparkassen ihres Bezirks tätig wurden (so z.B. in Brandenburg, Posen, Hannover, München). Andere Verbände übertrugen in diesem Anfangsstadium die Durchführung regionaler Girozentralenaufgaben auf organisationsfremde Stellen53. Organisationsfremde Banken leisteten den Sparkassen bisweilen auch vor der Errichtung oder der vollen Funktionsfähigkeit der Girozentralen Hilfestellung bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen den Sparkassen54. Als erste eigenständige Girozentrale wurde 1909 die Girozentrale Sachsen in der Form einer unselbständigen Abteilung des Giroverbandes sächsischer Gemeinden gegründet, im Jahre 1912 folgte die Girozentrale Pommern55. Schon nach wenigen Jahren wurden diese Abteilungen zu wirtschaftlich selbständigen Bankanstalten ausgebaut. Zwischen den Jahren 1924 und 1937 wurden die Girozentralen dann entweder aufgrund der bereits erwähnten Reichsnotverordnungen oder anläßlich der Vereinigung mit regionalen Landes- oder Kommunalbanken auch in die organisationsrechtliche Selbständigkeit entlassen. Dieser historische Ablauf kann als Stufengründung 56 bezeichnet werden, da die Institute drei Gründungsetappen durchliefen. Zunächst waren sie bloße Abteilungen der gründenden Verbände („Abteilungsstadium"), dann entwickelten sie sich zu rechtlich noch unselbständigen, wirtschaftlich hingegen selbständigen Anstalten weiter („Anstaltsstadium"), bevor sie zuletzt 53

Z.B. waren die Sächsische Bank AG und die Allgemeine Deutsche Kreditanstalt AG als Girozentrale für den Giroverband Sächsischer Gemeinden, die Hessische Landeshypothekenbank AG war als Girozentrale für den Hessischen Sparkassenverband e.V. tätig; weitere Beispiele bei K. Fries, Girozentralen, S. 9. 54 Z.B. waren die Bayerische Staatsbank (damals „Königliche Bank") und die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank als Geldausgleichsstellen für die bayerischen Sparkassen und die Preußische Staatsbank als Wertpapiervermittlungsstellen für die dortigen Sparkassen tätig; siehe Fries, Girozentralen, S. 9 f. 55 Zu den weiteren Gründungen siehe die Übersicht bei J. Mura, HWS Π, S. 247 ff. (248 f.). 56 K. Fries, Girozentralen, S. 7.

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

in das sog. Rechtspersonstadium eintraten. Nach dieser Zeit gegründete Institute waren von vornherein als selbständige Anstalten konzipiert (Einheits- im Gegensatz zur Stufengründung) 57. Hier fiel die oben beschriebene Entwicklung aus; diese Girozentralen übersprangen die abgestuften Etappen einer Entwicklung bis zur rechtlichen und wirtschaftlichen Selbständigkeit, da der Errichtungsakt ihnen diesen Status sofort verlieh. Die ersten Verbandsgirozentralen 58 waren ebenso wie die ihnen folgenden mit der Aufgabe betraut, als zentrale Verrechnungsstellen der Sparkassen, den mit der Scheckfähigkeit dieser Institute entstandenen überörtlichen Zahlungsverkehr abzuwickeln. Zudem nahmen sie sich der Liquiditätshaltung und des Liquiditätsausgleichs für die Sparkassen an (Sparkassenzentralbankfunktion), um auf diese Weise Liquiditätsengpässe innerhalb des Sparkassenverbundes zu beseitigen und den angeschlossenen Sparkassen sichere und liquide Anlagemöglichkeiten zu bieten. Mit den bereits erwähnten Notverordnungen des Jahres 1931 wurde zugleich eine rechtliche Verpflichtung der Sparkassen statuiert, ihre liquiden Mittel bei den zuständigen Girozentralen zu unterhalten 59. Ab etwa 1921 vergaben die Girozentralen dann auch in eigener Regie kurzfristige Privatkredite, nachdem sie schon zuvor gemeinschaftlich mit den Sparkassen Kredite ausgereicht hatten. Auf diese Weise eröffnete sich den Girozentralen die Möglichkeit, Kassenüberschüsse optimal zu nutzen und den erhöhten Kreditbedarf der Privatwirtschaft, insbesondere des gewerblichen Mittelstandes, zu befriedigen. Auch die Funktion als Kommunalbank wurde schon früh von den Girozentralen wahrgenommen, da es aufgrund der Organisation des Kommunalkredits durch die Giroorganisation den Girozentralen schon bald möglich war, den kurzfristigen Kreditbedarf der deutschen Kommunalverbände weitgehend zu decken. Nachdem der deutsche ZentralGiroverband im Jahre 1919 eine Berechtigung zur Ausgabe langfristiger Kommunalanleihen erhalten hatte, wurde den Girozentralen auf diese Weise auch ein entsprechendes Refinanzierungsinstrument für das langfristige Kommunalkreditgeschäft an die Hand gegeben. Hierdurch konnten die Girozentralen ihre Position als Kommunalbanken weiter ausbauen. Neben die speziell gegründeten Girozentralinstitute traten auch Staats- und Landesbanken, die die Funktion einer Girozentrale zusätzlich zu den bisher betriebenen Bankgeschäften übernahmen (Funktionsaufnahme). In dieser Konstellation entfiel die „Abteilungsphase" (nur die Girozentrale Münster war

57 Zu diesen Instituten zählen z.B. die Girozentralen in Bremen (1937), Hamburg (1938), Saarbrücken (1941) oder Mainz (1958). 58 Zu der Kategorisierung der Girozentralen siehe weiter unten im Text. 59 J. Mura , HWS Π, S. 247 ff. (250).

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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von 1931 bis 1935 Girozentral-Abteilung der Provinzial-Hauptkasse Münster/Westfalen). In den Fällen der Funktionsaufnahme betreute ein bereits bestehendes, bisher auf einem anderen Gebiet (v.a. als Landesbank) tätiges Kreditinstitut von einer gewissen Zeit an die Sparkassen seines Geschäftsgebietes. Diese Variante darf nicht mit der oben beschriebenen zeitweisen Regelung verwechselt werden, nach der bestimmte Institute als Funktionsträger im Auftrag der Sparkassen- und Giroverbände als Rechtsträger vorübergehend in der Anlaufzeit der Girozentralenentwicklung die Aufgaben der Girozentralen erfüllten 60. Diese Auftragsgirozentralen wurden in fremdem Namen und Auftrag tätig, was an der oben beschriebenen Trennung von Rechts- und Funktionsträgerschaft deutlich wurde.

Demgegenüber ist der Vorgang der Funktionsaufnahme dadurch gekennzeichnet, daß die die Funktion der Girozentrale aufnehmenden Bankanstalten dies im eigenen Interesse und im Zuge ihrer eigenen Geschäftstätigkeit als originäre Aufgabe übernehmen. Rechts- und Funktionsträger sind identisch. Unter den die Girozentralenfunktion aufnehmenden Instituten befanden sich erstens Landesbanken, die vor der Funktionsübernahme typischerweise Kommunal- und Realkredite ausgaben, aber auch Geschäftsbanktätigkeiten wahrnahmen61. Des weiteren wurde die Girozentralenfunktion auch von Sparkassen62 übernommen ebenso wie von Staatsbanken, die zuvor als Staats- und Geschäftsbanken und auch Kommunal- und Realkreditinstitute tätig gewesen waren 63. Diese verschiedenen Übernahmemuster führten dazu, daß die regionalen Girozentralen, Landesbanken und Sparkassenzentralbanken nach der ersten, mit dem Ende des ersten Weltkriegs abgeschlossenen Gründungsphase ζ. T. höchst unterschiedliche Entwicklungen durchmachten und dementsprechend verallgemeinernde Feststellungen über die Landesbank/Girozentrale in organisationsrechtlicher Hinsicht nur schwer zu treffen sind: Einige Girozentralen wurden mit anderen vereinigt; dort wurden die bisherigen Träger ausgewechselt oder die Aufgaben der Organisationseinheit erweitert. Zusatzfunktionen wie z.B. Bausparkassen wurden ein- oder andernorts wieder ausgegliedert. Durchweg waren allerdings die Funktionen Girozentrale und Sparkassenzentralbank unter einem Dach vereint.

60

K. Fries, Girozentralen, S. 14. Nassauische Landesbank, Landeskreditkasse zu Kassel, Landesbank der Provinz Westfalen, Landesbank der Rheinprovinz, Landesbank der Provinz Hannover, Landesbank der Provinz Schleswig-Holstein, Provinzialhilfskasse der Provinz Brandenburg sowie die Landesbank der Provinz Sachsen, Thüringen und Anhalt. 62 Sparkasse der Stadt Berlin und Braunschweigische Landessparkasse. 63 Braunschweigische Landesstaatsbank und Staatliche Kreditanstalt Oldenburg/Staatsbank. 61

40

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

Die durch die Sparkassen- und Giroverbände errichteten Institute standen in der Trägerschaft ihrer Gründer 64, während hingegen bei denjenigen Instituten, die entweder später mit anderen staatlichen Kreditinstituten verschmolzen wurden oder aber von Beginn an eine solche Bank angehängt wurden, auch das betreffende Land Träger der (neuen) Anstalt wurde. Dabei kann im allgemeinen beobachtet werden, daß eine Abhängigkeit zwischen der Zuweisung einer Funktion an das Institut und der Repräsentation des Kompetenzträgers der dieser Funktion zugeordneten staatlichen Aufgabe besteht. Jede öffentliche Funktion des Bankprogramms (z.B. Sparkassenzentrale, Kommunalkreditbank, Staatsbank) ist dabei mit ihrem jeweiligen staatlichen Träger vertreten (Sparkassenorganisation, Kommune, Land bzw. Staat). Mit Blick auf die Trägerstruktur kann nach Fries 65 unter systematischen Gesichtspunkten somit zwischen reinen Girozentralen, Gemeinschaftsgirozentralen und Funktionsgirozentralen differenziert werden. Die reinen Girozentralen werden allein von den Gliedern der Sparkassenorganisation getragen; handele es sich hierbei um den jeweiligen Sparkassen- und Giroverband (dann Verbandsgirozentrale) oder um die einzelnen Sparkassen ohne Zwischenschaltung des regionalen Verbandes. Gemeinschaftsgirozentralen werden sowohl von organisationseigenen, wie auch von organisationsfremden Rechtssubjekten (Länder, Kommunen, Kommunalverbände) getragen. Bei den Funktionsgirozentralen steht die Sparkassenorganisation völlig außen vor, Träger der Girozentrale sind hier Länder oder Gemeinden, jeweils einzeln oder gemeinsam. Am Ende des zweiten Weltkrieges war die bundesweite Struktur der Landesbanken/Girozentralen noch einigermaßen verworren. Zu den vierzehn Gemeinschaftsgirozentralen gesellten sich sechs reine und drei Funktionsgirozentralen66. Die vereinzelten organisatorischen Änderungen, z.B. Errichtungen, Vereinigungen, Ausgliederungen, Aufgaben- oder Trägeränderungen, vollzogen sich vielfach in der Folge von Entwicklungen auf dem staatlichen Sektor. Erst gegen Ende der sechziger Jahre setzte eine Phase der Konzentration öffentlich-rechtlicher Banken in allen Bundesländern ein, die der Tendenz folgte, die verschiedenen Kreditinstitute in einen größeren Zusammenhang einzubauen und dabei vor allem die in dem Gebiet eines nun neu errich-

64

Es konnten natürlich auch die Träger der Träger (Kommunen, Provinzial- und Landschaftsverbände als Träger der einzelnen Sparkassen, die ihrerseits wiederum als Träger der Sparkassenverbände fungierten) an den Gründungen beteiligt sein. 65 Girozentralen, S. 27 ff 66 K. Fries, Girozentralen, S. 31.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

41

teten Landes tätigen Girozentralen zu fusionieren 67. Die Gründe für diese Entwicklung lagen in einer Verschärfung der Wettbewerbssituation auf dem Bankensektor, die u.a. durch die Freigabe der Zinsen und Filialgründungen, die Aufhebung eines bis 1968 geltenden Wettbewerbsabkommens für den Bankensektor und durch den Abbau von Steuervergünstigungen für den öffentlich-rechtlichen Bankensektor bedingt war. Das Vordringen des Massengeschäfts und die Einführung der Datenvereinbarung trieben die Wettbewerber auf dem Bankensektor zur Standardisierung der Betriebsvorgänge und zur Schaffimg größerer Betriebseinheiten, um auf diese Weise der Verschärfung des Wettbewerbs durch Verbesserungen in der Kostenstruktur zu begegnen68. Diese Entwicklung war in eine europaweite Konzentrationsphase eingebettet, die durch das Auftreten außereuropäischer, vornehmlich amerikanischer Wettbewerber am Bankenmarkt überschattet war. In anderen Bundesländern waren Fusionen auf dem öffentlich-rechtlichen Bankensektor in dieser Phase der Entwicklung schon überflüssig, weil in ihnen ohnehin eine bankenmäßige Monostruktur vorherrschte: Dort arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits lediglich eine öffentlich-rechtliche Kreditanstalt, die alle typischen öffentlichen Bankfunktionen in sich vereinigte. Die Landesbanken/Girozentralen in den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hamburg und Saarland hatten bereits vor dem Einsetzen der großen Fusionswelle gegen Ende der sechziger Jahre das Stadium der landesweit agierenden öffentlich-rechtlichen Universalbank mit den typischen Funktionen aller Landesbanken/Girozentralen erreicht. Das Ergebnis dieser Konzentrationsbewegung kann auf den einfachen Nenner gebracht werden, daß an ihrem Endpunkt in jedem Bundesland eine Landesbank/Girozentrale tätig war, deren Geschäftsgebiet sich mit dem Hoheitsgebiet des Landes deckte69. Hier setzten dann auch gegen Ende der achtziger Jahre die auf ein nicht veröffentlichtes Gutachten der Beratungsfirma McKinsey zurückgehenden Planungen an, die Deckungsgleichheit von Landeshoheitsgebiet und Landesbankengeschäftsgebiet zugunsten einer konzentrierteren Institutsstruktur aufzulösen, um auf diese Weise die Zahl der aktiven Landesbanken/Girozentralen zu verringern. Die im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehenden Vernetzungen der Landesbanken/Girozentralen durch gemeinsame, länderübergreifende Anstalten und einseitige Beteiligungsverhältnisse ist letztlich Ausfluß der angestellten strategischen Überlegungen.

67

Hierzu und zum folgenden K. Fries, Girozentralen, S. 48 ff. Über die Fusionen in den einzelnen Bundesländern siehe unten S. 164 ff. 68 K. Fries, ZfK 1968, S. 712 ff. (712). 69 Zu der Ausnahme der Bremer LB, deren Geschäftsgebiet z.T. in Niedersachsen liegt, siehe die späteren Ausführungen zum Verhältnis zwischen Nord/LB und der Bremer LB.

42

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

Die vorstehende Übersicht über die Entwicklungslinien der deutschen Sparkassenorganisation läßt die wechselseitige Verwiesenheit und Verbundenheit der einzelnen Bestandteile der Sparkassenorganisation deutlich werden: Die Keimzelle der Sparkassenidee und der aus ihr resultierenden Sparkasseneinheit war und ist die kommunale Sparkasse. Dieses Institut bildet mit seinen Aktivitäten das Fundament für alle größeren Organisationseinheiten des Sparkassenverbundes; seien dies die regionalen Sparkassenverbände oder die regionalen Girozentralen oder gar die Verbandseinheiten auf Bundesebene70. Entfernte man eines dieser Grundelemente aus dem Bauplan der Sparkasseneinheit, so führte dies zu einer notwendigen Umorganisation und grundsätzlichen Erschütterung des ganzen Systems.

3. Die heutigen Aufgaben- und Geschäftsfelder der Landesbanken/Girozentralen Eine Untersuchung, die sich mit den Landesbanken/Girozentralen und den verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Vorgaben für ihre Aktivitäten im intraföderalen Bereich beschäftigt, kommt nicht umhin, sich die geschäftlichen Aufgaben- und Tätigkeitsfelder dieser Institute zu vergegenwärtigen. Nur unter Berücksichtigung dieser Aufgaben- und Tätigkeitsfelder kann es gelingen, die Institute aus der juristischen Grauzone zwischen Wirtschaft und Verwaltung herauszuführen, um ihren Status und damit die Grenzen ihrer organisationsrechtlichen Möglichkeiten einer eindeutigen Klärung zuzuführen. Bei der Erörterung der Aufgaben- und Tätigkeitsfelder von Landesbanken/Girozentralen muß vorweg zweierlei festgestellt werden: Zum einen gibt es nicht den Geschäftsbereich einer Landesbank/Girozentrale. Unter dem Dach eines Instituts sind regelmäßig mehrere Geschäftsfelder zusammengefaßt, die unterschiedlichen Herkommens sind und deren Einordnung auf einer Skala mit den Endpunkten „Tätigkeit öffentlicher Verwaltung" einerseits und „Privatautonomes Handeln eines Wettbewerbers" andererseits nach einer verbreiteten Ansicht durchaus unterschiedlich ausfallen kann. Zum anderen gibt es auch nicht die Landesbank/Girozentrale. Bei aller faktischen Assimilation der verschiedenen Institute läßt schon die Entstehungsgeschichte der heute in diesem Bereich existierenden Institute erkennen, daß vielfach landestypische historische und rechtliche Besonderheiten die Entwicklung der jeweiligen

70

Mit dieser Bezeichnung ist der räumliche Bezugsrahmen umschrieben; es soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß z.B. der Deutsche Sparkassen- und Giro verband eine dem Bund zugeordnete juristische Person ist.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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Bankanstalten geprägt und dabei einen nicht unerheblichen Einfluß auf die heutige Gestalt des Instituts genommen haben. Wenn also im folgenden von der Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen die Rede ist, so dürfen diese Umstände nicht aus dem Blickfeld geraten. Typischerweise umfaßt der Tätigkeitsbereich der Landesbanken/Girozentralen drei Geschäftsfelder: Sie sind Girozentralen, Staats- bzw. Landesbanken sowie auch Geschäftsbanken mit Universalbankcharakter.

a) Girozentrale und Sparkassenzentralbank Die historische Entwicklung und die Erwähnung des Begriffs „Girozentrale" als Namensannex bei allen hier in Frage stehenden Anstalten sind ein deutlicher Hinweis auf die zentrale Bedeutung des entsprechenden Funktionskreises für die Institute. In dieser Eigenschaft fungieren die Institute heute als Bindeglied des Giroverkehrs zwischen den Sparkassen ihres jeweiligen Geschäftsbereichs. Gerade in dem Funktionselement als Girozentrale kommt die besondere Verschränkung der einzelnen öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute des Sparkassenverbundes zum Ausdruck. Die Girozentralfünktion ist dabei nur ein einzelner gewichtiger Ausschnitt aus der den Landesbanken/Girozentralen zugedachten Aufgabe als Sparkassenzentralbank. Die Landesbanken/Girozentralen verwalten in dieser Funktion nicht nur die Einlagen der Sparkassen ihrer Region, sondern vergeben auch Liquiditätskredite an die kommunalen Institute. Der Aufgabe als „Sparkassenzentralbank" entspricht es dabei, wenn die Sparkassen durch die Sparkassengesetzgebung der Länder dazu angehalten werden, ihre liquiden Mittel in der Regel bei den jeweiligen Landesbanken/Girozentralen zu unterhalten71. Nach den ursprünglichen Liquiditätsvorschriften waren die Sparkassen verpflichtet, bestimmte Teile ihrer Kundeneinlagen als Liquiditätsreserve bei ihren zuständigen Girozentralen zu halten, die ihrerseits Liquiditätsreserven bei der Deutschen Girozentrale - Deutsche Kommunalbank anzulegen hatten72. Die Deutsche Girozentrale mußte ihrerseits die Fremdgelder getrennt von ihren sonstigen Verbindlichkeiten ausweisen. Dieser straffe Liquiditätszug war Folge der Erfahrungen aus der Bankenkrise von 1931, wurde aber in seiner ursprünglichen, verbindlichen Form nach dem zweiten Weltkrieg aufgegeben. Heute ist zum einen das Volumen der bei den Landesbanken/Girozentralen anzulegenden Gelder in das geschäftspolitische Ermessen der einzelnen Sparkasse gestellt. Zum anderen ist den Sparkassen auch die Möglichkeit für anderweitige, verbundfremde Anlagemöglichkeiten eröffnet. Aller71 72

Siehe z.B. § 18 SpkVO NW. H. Geiger, Sparkassenorganisation, S. 91.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

44

dings scheint sich auch bei den Sparkassen allgemein die Ansicht durchgesetzt zu haben, daß die Anlage flüssiger Mittel bei der zuständigen Girozentrale zu beider Vorteil ist. In vielen Bundesländern wurden daher „Gentlemen's agreements"73 abgeschlossen, die den Sparkassen angesichts einer freiwilligen Selbstverpflichtung, einen nennenswerten Teil der Liquidität bei der zuständigen Girozentrale anzulegen, günstigere Konditionen bei der Überbrückung von Liquiditätsengpässen verschafft.

Die im Wege der „Gentlemen's agreements" getroffenen Verbundregelungen über den Liquiditätsausgleich eröffnen den Sparkassen damit die Möglichkeit, bei Liquiditätsengpässen auf die Reserven der Girozentralen zurückzugreifen, die ihnen entweder im Wege der Einräumung fester Kreditlinien oder durch Bereitstellung sonstiger Liquiditätshilfen (Tages- oder Termingeld) zur Seite stehen. Diese Anlagepolitik kann für Sparkassen wie für Landesbanken gleichermaßen von Vorteil sein74: Für jene ist dabei der Ausgleich möglicher regionaler Liquiditätsdefizite ebenso von Interesse, wie die Aussicht, daß gebündelte Liquidität leichter und ertragreicher am Geldmarkt unterzubringen ist. Außerdem hat durch die Zwischenschaltung der Girozentrale auch die kleinste und entlegendste Sparkasse einen indirekten Zugang zum Geldmarkt. Demgegenüber verfügen die Landesbanken/Girozentralen über die Möglichkeit, eingelegte Gelder in Form von Krediten zinsbringend weiterzureichen 75. Insgesamt führt der Liquiditätsverbund dazu, daß die Liquiditätsvorsorge der kommunalen Institute insgesamt niedriger ausfallen kann als bei einer Einzelreservehaltung, da die Sparkassen jederzeit auf ihre Girozentralen zurückgreifen können. Darüber hinaus folgt aus der regelmäßig großen Zahl am Verbund beteiligter Institute, daß sich Liquiditätsdefizite und -Überschüsse besser ausgleichen lassen76. Kaum unterschätzt werden kann auch die verbundweise Zusammenarbeit zwischen Sparkassen und Landesbanken bzw. die subsidiäre Tätigkeit der Landesbanken in den Geschäftsbereichen, die den Sparkassen aus rechtlichen 77 oder wirtschaftlichen 78 Gründen verschlossen bleiben. In diesem Zu-

73

H. Geiger, Sparkassenorganisation, S. 92. G. Dörries, Landesbanken, S. 67; U. Gilde, Geschäftspolitik, S. 84 ff. 75 G. Tremer, Sparkasse 1976, S. 196 ff. (197 f.). 76 G. Tremer, Sparkasse 1976, S. 196 ff. (197 f.). 77 Dies ist z.B. der Fall, wenn die Höhe eines nachgefragten Kredits die bankenaufsichtsrechtlich vorgegebenen Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit eines Instituts durch Überschreitung der nach § 10 KWG usf. festgelegten Kredithöchstgrenzen sprengt. 78 Eine Sparkasse verfügt nicht über die für den nachgefragten Kredit erforderliche Liquidität. 74

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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sammenhang sind die von Sparkassen und Landesbanken/Girozentralen gemeinsam ausgereichten Kredite („Gemeinschaftskredite") anzuführen. Diese Form der Zusammenarbeit ist gerade für kleinere Sparkasseninstitute die einzige Möglichkeit, trotz fehlender eigener Liquidität oder trotz des Fehlens von nach § 10 KWG erforderlichen Eigenkapitals auch großvolumige Kreditwünsche aus dem eigenen Geschäftsgebiet zu befriedigen. Auf diese Weise verbindet sich die Kapitalkraft der Landesbanken/Girozentralen mit der Kundennähe einer vor Ort aktiven Sparkasse, so daß der im Wettbewerb mit den Großbanken spezifische Vorteil des Sparkassenverbundes79 auch bei geschäftlichen Größenordnungen, in denen das die Nahtstelle zum Kunden bildende Institut allein überfordert wäre, nicht verloren geht80. In der Regel werden die Kredite als „offene" Konsortialkredite gewährt, bei denen die Sparkasse aus Gründen der Kundennähe und -bindung als Konsortialführerin auftritt, die Konsortenstellung der Girozentrale dem Kunden gegenüber indes offengelegt ist. Bisweilen tritt das Konsortialverhältnis dem Kunden gegenüber aber nicht in Erscheinung. In diesen Fällen wird von einem Metakredit gesprochen. Nur ausnahmsweise tritt die Girozentrale als Führerin eines „offenen" Konsortiums auf; Konsorte ist dann die Sparkasse81.

Im Wertpapierbereich treten die Landesbanken/Girozentralen vollständig an die Stelle der einzelnen Sparkassen82. Regelmäßig verfügen die Sparkassen aus Gründen der Rentabilität nicht über eine eigene Börsenrepräsentanz, so daß sie alle anfallenden Effektengeschäfte durch ihre Girozentralen erledigen lassen. Deren Wertpapierabteilungen sind den Sparkassen auch bei Beratung und Auswahl sowie bei der Beschaffung geeigneter Papiere behilflich. Zudem verwalten und verwahren die Girozentralen die durch die Sparkassen bzw. deren Kunden erworbenen Wertpapiere. Von dem Verbund im Bereich des Wertpapiergeschäfts profitieren aber auch die Landesbanken/Girozentralen, da die Sparkassen für die von der Girozentrale emittierten Wertpapiere ein wichtiges Vertriebsnetz darstellen83. Stellvertreterfünktion für die Sparkassen übernehmen die Landesbanken/Girozentralen auch im Auslandsgeschäft 84. Neben betriebswirtschaftlichen Gründen beruht dies auf dem Umstand, daß den Sparkassen bestimmte

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Kundennähe durch flächendeckende Präsenz vor Ort, damit verbunden die Möglichkeit kontinuierlicher Betreuung von Kunden durch dasselbe Institut. 80 Ausführlich U. Güde, Geschäftspolitik, S. 261 ff. 81 G. Tremer, Sparkasse 1976, S. 196 ff. (198). 82 Hierzu A Dick, Verflechtungen, S. 95 ff. 83 G. Tremer, Sparkasse 1976, S. 196 ff. (198). 84 Hierzu A Dick, Verflechtungen, S. 101 ff ; G. Dörries, Landesbanken, S. 69 f.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

46

Finanzierungsquellen (Eurokredite, Kredite der Ausfuhrkreditgesellschaft AKA oder der Gesellschaft zur Finanzierung von Industrieanlagen GEFI) vorenthalten bleiben. Die Landesbanken/Girozentralen sind den Sparkassen in diesem Bereich bei der Ausreichung von Auslandskrediten sowie der Abwicklung des Zahlungsverkehrs 85 behilflich. Zumindest den größeren Landesbanken/Girozentralen kommt hierbei deren inzwischen beachtliches Auslandsnetz zugute, welches Repräsentanzen und Niederlassungen an vielen bedeutenden Wirtschafts- und Finanzplätzen der Welt umfaßt. In der engen Zusammenarbeit zwischen Sparkassen und Landesbanken/Girozentralen im Wertpapier- und Auslandsgeschäft kommt die Bedeutung des arbeitsteiligen Verbundes für das Universalbankprinzip in der gesamten Sparkassenorganisation zum Ausdruck: Nur durch die Unterstützung der Landesbanken/Girozentralen ist es möglich, daß sich auch die entlegendste Sparkasse in der Lage sieht, das volle Spektrum üblicher kreditwirtschaftlicher Dienstleistungen anzubieten. Ein weiterer, ganz wesentlicher Faktor dieser verbundweisen Zusammenarbeit sind die Landesbausparkassen86, die größtenteils als unselbständige Abteilungen bzw. unselbständige Anstalten87 der Landesbanken/Girozentralen errichtet wurden. Ausnahmen bestehen in Baden-Württemberg und Hamburg, wo es sich bei den Bausparkassen um rechtlich selbständige Anstalten handelt 88 . Die Sparkassenorganisation hatte sich des Bausparens, des kollektiven Zwecksparens für die Finanzierung von Wohnungseigentum nach anfanglichen Zweifeln an der Solidität des Systems auf breiter Ebene erst 1929 auf Empfehlung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes angenommen. Die Bausparkassen der Organisation wurden auf der regionalen Ebene der Sparkassen- und Giroverbände er-

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Inkasso von Dokumenten, Auslandswechseln und Zahlungsaufträgen, Abwicklung von Akkreditiven und Zahlungsversprechen, Ankauf von Auslandsakzepten, Exportrabatten und Auslandsschecks, Handel mit Devisen und Sorten; siehe G. Dörries, Landesbanken, S. 69. 86 Hierzu H. Geiger, Sparkassenorganisation, S. 105 ff. 87 So die Bayerische Landesbausparkasse im Verhältnis zur Bayerischen Landesbank. 88 Die Trägerstruktur gliedert sich folgendermaßen: Gem. §§ 44 ff. SpkG BW ist in Baden der Badische Sparkassen- und Giroverband, in Württemberg sein dortiges Pendant Träger der jeweiligen Anstalt (Badische Landesbausparkasse, Karlsruhe, bzw. Landesbausparkasse Württemberg, Stuttgart). Träger der Hamburger Landesbausparkasse ist die Hamburgische LB.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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richtet, da einer Anbindung des Bausparens an einzelne Sparkassen die Notwendigkeit einer dauerhaft funktionsfähigen Größe des Bausparkollektivs entgegenstand89.

Mit Hilfe der bei den Landesbanken/Girozentralen angegesiedelten Bausparkassen können die Sparkassen ihren Kunden eine umfassende Baufinanzierung anbieten, die in Form eines Baukreditprogramms die Finanzierung von Bauvorhaben aus einer Hand gewährleistet. Auf diese Weise wird zugleich ein Beitrag zur Verwirklichung der Konzeption geleistet, den Bankkunden durch ein umfassendes Angebot aller Leistungen „unter einem Dach" langfristig an einen Wettbewerber zu binden.

b) Staats- und Kommunalbank Neben der Funktion einer Sparkassenzentralbank wurden auf die weitaus überwiegende Zahl der Landesbanken/Girozentralen die Aufgaben einer Staats- und Kommunalbank übertragen 90. Stoatebanken im eigentlichen Sinne sind allein solche Banken, die ausschließlich von dem Land (Staat), in dem sie tätig werden, getragen werden und außerdem (allein) von dem betreffenden Staat (Land) durch Gesetz, Verordnung oder sonstigen Hoheitsakt gegründet wurden 91. Die Begriffe Staatsbank und Landesbank meinen in der Sache dasselbe. Die unterschiedlichen Bezeichnungen spiegeln wohl allein die Divergenzen in Selbstverständnis und Fremdeinschätzung der betroffenen Länder mit Blick auf ihren verfassungsrechtlichen Status in der föderalistischen Ordnung wider. Das Wort Staat als solches ist ein politischer Faktor, es beeinflußt das Selbstbewußtsein der Bürger, Amtsträger und Institutionen92. Wo es durch den blasseren Begriff Land ersetzt wird, dürfte die Auswechslung Programm sein.

Nach der klassischen Beschreibung würden unter den Staatsbankbegriff nicht diejenigen Landesbanken/Girozentralen fallen, in deren Trägerstruktur nicht - wie etwa bei der Hamburger LB - allein das jeweilige Bundesland ver-

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H. Geiger, Sparkassenorganisation, S. 105. Die Aufgaben einer Staatsbank obliegen aber beispielsweise nicht der SüdwestLB, die in ihrer Funktion als reine Verbandsgirozentrale (ohne direkte Beteiligung des Bundeslandes) auf die Erfüllung der übrigen Funktionselemente beschränkt ist. Der SaarLB wird in ihrem Errichtungsgesetz entgegen ihrer Namensgebung weder die Funktion als Staats- noch als Landesbank zugewiesen (siehe die Aufgabenübersicht in § 34 SpkG Saarl.). 91 K. Heinevetter, SpkG NW, Erl. Nr. 3 zu § 34. 92 1 Isensee, in: HdbStR IV, § 98 Rn. 69. 90

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

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treten ist. Doch kann bei einer hier angezeigten, vornehmlich funktionell orientierten Betrachtungsweise die Trägertstruktur nicht der ausschlaggebende Punkt sein. Nur die Staatsbank-rdfrg&e/Y eines Instituts ist relevant: nicht Status oder Kapitalverteilung, sondern allein die Funktion vermag über den Begriff zu entscheiden. In ihrer Funktion als Staatsbank haben die Landesbanken/Girozentralen die sie tragenden Länder in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu unterstützen. In diesem Zusammenhang werden z.B. Staatskassengeschäfte wahrgenommen, die schwerpunktmäßig den Bankverkehr im Auftrag oder für Rechnung des Landes oder der ihm zuzuordnenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts umfassen. Wichtiger Aspekt ist auch die Gewährung von Krediten an das Land und an dessen ausgegliederte Verwaltungseinheiten. Hinzu treten Aktivitäten bei der Ausgabe und als Ersterwerber von öffentlichen Anleihen des Landes und der Landesanstalten sowie die Kurspflege dieser Papiere, bei denen es sich um Teilschuldverschreibungen 93 der entsprechenden öffentlichen Körperschaften handelt. Weiterhin nehmen die Landesbanken/Girozentralen in ihrer Funktion als Staatsbanken Auftrags- und Treuhandgeschäfte für das Land wahr 94 . Im Rahmen von Landeskreditprogrammen und der regionalen Wirtschaftsforderung können die Landesbanken/Girozentralen durch zentrale Kreditaktionen und Emissionen von Landesanleihen oder die Übernahme von Schuldscheindarlehen die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Landesregierungen wirksam fördern. Sie unterstützen die Arbeitsmarkt-, Umweltschutz·, Landwirtschafts- und Wohnungsbaupolitik des Landes durch die Vergabe von Krediten und Zuschüssen aus staatlichen Fördermitteln, die in verschiedenen einschlägigen Programmen zur Verfügung gestellt werden, beispielsweise zur Förderung der freien gemeinnützigen und kommunalen sozialen Einrichtungen (Krankenhäuser und Pflegeheime). Aber nicht nur Landesmittel, sondern auch Gelder des Bundes und der Europäischen Union werden über die Landesbanken/Girozentralen den zu fordernden Institutionen und Privatpersonen zugeleitet.

Die Motive, die zu der Ausgliederung derartiger Tätigkeiten aus der unmittelbaren Ministerialverwaltung führten, wurden im Jahre 1936 plastisch von Gustav-Adolph Salander, dem späteren Direktor der Bremer LB geschildert 95: „Noch schlimmer waren die Folgen in allen den Fällen, in denen der Staat in das privatwirtschaftliche Gefüge Bremens eingriff und zu diesem Zweck nun die bankmäßigen Transak-

93

Teilschuldverschreibungen sind Teile einer Gesamtemission von Orderschuldverschreibungen. 94 Zu den möglichen Konstellationen in diesem Bereich: C. Scholz, Kreditinstitute, S. 126 ff. 95 G. A. Salander, Wiederaufbau, S. 31.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

49

tionen zu einem großen Teil über die Staatshauptkasse leitete. Dadurch wurde ein Behörde zum Träger bankmäßiger Vorgänge, also eine Stelle, die als Verwalterin des Haushalts auf die kameralistische Buchführung eingestellt war, von der aber ein wirtschaftliches Verständnis nicht unmittelbar zu erwarten war. Vor allem fehl die bankmäßige Schulung, die der Staatshauptkasse eine selbständige Beurteilung, evtl. sogar eine kritische Prüfung der ihr aufgetragenen Transaktionen ermöglich hätte. So wurde jede Anweisung unbedenklich ausgeführt und bald war die Staatshauptkasse aus der Verwalterin öffentlicher Mittel im Rahmen des Haushalts zu e nemriesigen Bankunternehmen geworden, das neben dem Staatshaushalt über eine besondere Buchführung und eine besondere Bilanz bzw. den Versuch einer Bilanz verfügte. Wie aber dieses Nebengebiet, das zeitweise das Gebiet des Haushalts Bedeutung übertraf, aussehen mußte, ergibt sich aus der Ueberlegung heraus, da diese zweite Buchführung ohne die Garantien der doppelten Buchführung ausgestattet war, es war ein Gemisch aus kameralistischer und kaufmännischer Buchfüh rung Dieser Zustand der Staatshauptkasse entstand zwangsläufig als Folge des Fehlens eines öffentlich-rechtlichen Institutes, dessen der Staat sich zwar bedien hätte, das aber als mit eigener Verantwortung und eigenem Willen ausgestattete A stalt in der Lage gewesen wäre, die Absichten des Staates in ein richtiges wirtschaftliches Gewand zu kleiden, ja u. U. sogar die warnende Stimme zu erheben Mit der Auslagerung von Förderaktivitäten von der Ministerialbürokratie auf die Landesbanken/Girozentralen wird die effiziente und kostensparende Umsetzung der Förderpolitik des jeweiligen Bundeslandes sowie die Nutzung haushaltsentlastender Finanzierungswege angestrebt 96: Die Landesverwaltung wird von routinemäßigen Abwicklungsprozessen entlastet und kann sich der Gestaltung der ökonomischen Rahmenbedingungen sowie Fragen grundsätzlicher Art widmen. Die mit der Durchführung der öffentlichen Förderprogramme verbundenen Verwaltungskosten (z.B. Personal, EDV) fallen dabei nicht in jedem einzelnen Ministerium, sondern nur bei der Bank an. Dadurch wird eine bessere Auslastung der Kapazitäten, eine flexiblere Reaktion auf Schwankungen in einzelnen Förderbereichen sowie eine effizientere Programmbearbeitung ermöglicht. Die Länder sind berechtigt, gemäß der Aufgaben der Landesbanken/Girozentralen als Staatsbanken, die sich hieraus ergebenden Geschäfte von ihren Banken ausführen zu lassen, zumal ein großer Teil der flüs-

96

Sinn und Zweck der Förderfunktion wird beispielhaft mit Blick auf die Investitionsbank Brandenburg in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Errichtungsgesetz beschrieben (Brdbg. LT-Drucks. 1 / 627, S. 1 f., vom 10. 12. 1991). Zwar handelt es sich bei dieser Anstalt in Ermangelung der Girozentralfunktion nicht um eine Landesbank/Girozentrale mit klassischem Aufgabenzuschnitt, doch erfüllt sie durch ihren Förderauftrag für das Land Brandenburg exakt die Aufgaben, die in den anderen Bundesländern von den Landesbanken/Girozentralen wahrgenommen werden. Ihr Geschäftsfeld ist somit ein Ausschnitt aus der Gesamtheit des landesbanktypischen Aufgabenkanons. 4 Becker

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

50

sigen Mittel der Länder jeweils mit der Genehmigung des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank bei den Landesbanken/Girozentralen angelegt ist 9 7 Bei der Abwicklung von Förderprogrammen werden die Landesbanken/Girozentralen bisweilen auch als Bewilligungsinstanzen tätig. Sie prüfen die Förderungswürdigkeit des Antragstellers und müssen bei Knappheit der Mittel gegebenenfalls unter Anwendung sachgerechter Kriterien eine Auswahl unter den Kandidaten treffen. Neben den grundsätzlichen Bestimmungen in den Errichtungsgesetzen, in denen diese Förderfunktion der Anstalt als Komponenten der Staatsbankfünktion festgelegt wird, bestimmen (öffentlichrechtliche) Geschäftsbesorgungsverträge zwischen federführendem Ministerium und der Bank die Modalitäten und den Entscheidungsspielraum im Einzelfall 98. Von der Wahrnehmung dieser allgemeinen und im Einzelfall konkretisierungsbedürftigen Förderaufgaben zu trennen, ist die in einigen Bundesländern vorgenommene Übertragung von (gesetzlich errichteten) Wohnungsbauförderprogrammen auf die Landesbanken, die diese Programme in wirtschaftlich und organisatorisch eigenständigen, gegenüber den Landesbanken/Girozentralen aber rechtlich unselbständigen Anstalten des öffentlichen Rechts verwalten 99.

In ihrer Funktion als Kommunalbank decken die Landesbanken/Girozentralen den Kreditbedarf der Gemeinden und Gemeindeverbände, soweit dies nicht von den örtlichen Sparkassen geleistet werden kann oder darf. Die mit der Funktion einer „Kommunalbank" zugewiesene Aufgabe läßt sich damit als Pflege des Kommunalkredits umschreiben. In diesem Zusammenhang wird das kurzfristige Kreditgeschäft (Kassenkredit) und durch Ausgabe von kommunalen Sammelanleihen, deren Erlös einer großen Zahl von Kommunen zufließt, auch das langfristige Kreditgeschäft betrieben 100. Aufgrund der Funktion der Landesbanken/Girozentralen als Kommunalbank soll für eine ausreichende Durchführung der volkswirtschaftlich notwendigen, öffentlichen Investitionen gesorgt werden, zumal die Masse der in einem Bundesland getätigten öffentlichen Investitionen nicht vom Land, sondern von den Städten, Gemeinden und Gemeindeverbänden getragen wird 1 0 1 . Kommunalkredite

97

Κ Heinevetter, SpkG NW, Erl. Nr. 3. 2 zu § 36. Als Beispiel für diese Konstellation siehe den die LB Rheinland-Pfalz betreffenden Sachverhalt in der Entscheidung des OVG Rhl.-Pf., NVwZ 1986, S. 843. 99 Zu diesem Thema siehe S. 157 ff. 100 J. Hofmann, HkWP m, S. 775 ff. (778). 101 Für NW siehe E. Stein, Fusion, S. 25. 98

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

51

dienen außerdem der Finanzierung gemeinnütziger Investitionen, meist im Rahmen von Infrastrukturverbesserungsmaßnahmen. Vom Begriff des Kommunaldarlehens sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 HypBkG, § 8 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 ÖPG sowie § 5 Abs. 1 Nr. 1 SchiffsBkG neben an inländische Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts oder an zwischenstaatliche Einrichtungen unmittelbar gewährte Kredite auch Darlehen an private Schuldner umfaßt, wenn diese von öffentlichen Körperschaften oder Anstalten verbürgt werden („unechte Kommunaldarlehen") 102. Zu beachten ist, daß Kredite an die Gebietskörperschaften nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 KWG von den Limitierungen der §§ 13 bis 18 KWG (Regelungen für Groß- und Organkredite 103) ausgenommen sind, da diese wegen ihrer Bonität weder einer besonderen innerbetrieblichen Kontrolle, noch einer Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen bedürfen. Da die Gesamtverschuldung öffentlich-rechtlicher Kreditnehmer mit den Mitteln des Haushaltsrechts kontrolliert wird, müssen an diese Schuldner ausgereichte Kredite auch nicht bei der Deutschen Bundesbank nach § 14 KWG erfaßt werden. Bemerkenswert ist, daß die Erfordernisse des Kommunalkreditgeschäfts in der Vergangenheit die anderen Geschäftszweige der Landesbanken/Girozentralen geschäftspolitisch dominierten und ihr Volumen in der Weise beeinflußten, daß andere Bankgeschäfte (z.B. das Privatkreditgeschäft, s.u.) in der Zeit der Finanznot der Kommunen eine stärkere Einschränkung zugunsten der Finanzversorgung der Gemeinden und Gemeindeverbände erfuhren, soweit dies aufgrund der Liquiditätsverteilung geboten war 1 0 4 .

102

E.-O. Sandvoss, Kommunalwirtschaft 1974, S. 440 ff. (440). Hierbei handelt es sich um Kredite, die Geschäftsleitern oder sonstigen Personen, die im Sinne des KWG bei der Bank tätig sind bzw. solchen Personen nahestehen, gewährt werden. Eine Anzeigepflicht solcher Kredite besteht bei Überschreiten eines bestimmten, anhand von näher bestimmten Bezugsgrößen zu ermittelnden Kreditvolumens. 104 A. Kracht, HWS Π, S. 202 ff. (203). 103

*

52

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

c) Geschäftsbank mit Universalbankcharakter Alle Errichtungsgesetze erlauben den Landesbanken/Girozentralen die Vornahme von „Bankgeschäften anderer Art" oder „aller" Art 1 0 5 . Diese Begriffe dienen der Abschichtung aller bisher genannten Tätigkeitsfelder von der Universalbanktätigkeit der Institute, die damit alle Geschäfte wahrnehmen, die üblicherweise zu dem Spektrum der Bankgeschäfte gehören. Der Begriff des Bankgeschäfts, der in den Errichtungsgesetzen verwendet wird, nimmt Bezug auf § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 9 KWG und erfaßt damit Einlagen-, Kredit-, Diskont-, Effekten-, Depot-, Investment-, Revolvingkredit-, Garantie- und Girogeschäfte. Die Landesbanken/Girozentralen betreiben dabei nicht in erster Linie das grundsätzlich den Sparkassen überlassene Massengeschäft (retail banking ), sondern vielmehr das Geschäft mit Großunternehmen, institutionellen Anlegern und Gebietskörperschaften (wholesale banking ); ihre Dienstleistungsangebote sind somit auch auf die Bedürfhisse solcher Kunden zugeschnitten. Neben den konventionellen Bankdienstleistungen, die der oben genannte Katalog des KWG umfaßt, werden daher zunehmend auch beratungsintensivere Bankprodukte angeboten (corporate finance). Besonders interessant für den Kundenkreis der Landesbanken/Girozentralen sind zudem deren Auslandsaktivitäten, die sich in der Errichtung von Auslandsrepräsentanzen und in dem Aufkauf ausländischer Institute ausdrücken106. Als Kunden im Kreditgeschäft dominieren die verschiedenen öffentlichen Haushalte107; im Einlagenbereich werden Gelder von öffentlichen Stellen, größeren Unternehmen und Kapitalsammelstellen (Fonds) entgegengenommen. Eine wichtige Rolle bei den landesbanktypischen Refinanzierungsinstrumenten spielt das Emissionsgeschäft mit Pfandbriefen, Kommunalobligationen und sonstigen Schuldverschreibungen. Lebhafte Aktivitäten sind auch bei der Beteiligung der öffentlichen Institute an Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistung zu verzeichnen. Vor allem die größeren Landesbanken beteiligen sich dauerhaft und im großen Stil an Nichtbanken, wobei als Beteiligungsmotive die „Stabilisierung von Geschäfts-

105

Siehe z.B. § 41 S. 2 SpkG BW; § 36 Abs. 1 S. 2 SpkG NW; § 26 Abs. 4 S. 2 SpkG Rh.-Pf.; § 3 Abs. 2 LBankG Beri. 106 Überblick zum Auslandsgeschäft der Landesbanken/Girozentralen bei H. Geiger, Sparkassenorganisation, S. 101; im einzelnen, wenn auch nicht auf dem neuesten Stand AT. Fries, ZfK 1977, S. 112 ff, 156 f., 189 ff, 221 ff. 107 Siehe die Übersicht bei H. Geiger, Sparkassenorganisation, S. 94.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

53

Verbindungen, die Risikodiversifizierung des Geschäfts sowie die kontinuierliche Einnahmeerzielung" genannt werden 108. Alles in allem zeigt sich gerade in dem hier skizzierten Universalbankenbereich, daß die Geschäfte der Landesbanken/Girozentralen - sieht man einmal von dem großen Kundenanteil ab, den die öffentlichen Stellen ausmachen sich kaum von den geschäftlichen Aktivitäten anderer Kreditinstitute unterscheiden. Warum aber sind die Landesbanken/Girozentralen öffentlichrechtlich verfaßt? Nachdem die Institute im bisherigen Verlauf der Untersuchung als Teile der deutschen Kreditwirtschaft beschrieben wurden, gilt es nun die Perspektive zu wechseln: Durch die Herauskristallisierung spezifisch öffentlicher Funktions- und Organisationselemente sollen nunmehr die anderen, die öffentlich-rechtlichen Facetten des Erscheinungsbildes der Landesbanken/Girozentralen beleuchtet werden. Ihr Verhältnis zur organisierten Staatlichkeit und die daraus abzuleitenden verfassungsrechtlichen Folgen werden das Thema des nächsten Abschnitts sein.

II. Die Landesbanken und die öffentliche Hand

„ Vielleicht haben die Landesregierungen beziehungsweise die Landesregierungsparteien gelernt, daß das richtige Bankgeschäft kein politisches Geschäft sein kann und richtige Politiker keine Banker. Vielleicht sind unsinnige sachliche und personelle Staatseingriffe auch nur unter der Potenzdrohung der Sparkassen seltener geworden - jener schnell wachsenden Primärinstitute, die dem Staat einen Landesbankanteil alleweil abkaufen können. Vielleicht agieren die Landesbankvorstände der neunziger Jahre aber auch einfach selbstbewußt genug, um den Staat weniger als Eigentümer zu fürchten, denn als Geschäftspartner zu schätzen." 109. Angesichts solcher Aussagen drängt sich die Frage auf, inwieweit die Aktivitäten der Landesbanken/Girozentralen überhaupt noch mit den Maßstäben zu messen sind, die der Kontrolle und der Begrenzung staatlichen Handelns dienen. Haben sie sich nicht aufgrund ihres dominierenden Geschäftsbankbereichs aus dem Sektor der organisierten Staatlichkeit heraus entwickelt? Im klassischen Sinne hoheitliche Aufgaben sind jedenfalls weitestgehend aus dem Geschäftsfeld der Landesbanken/Girozentralen entschwunden. Andererseits geht die Gründung von Landesbanken/Girozentralen stets auf staatliche In-

108 109

H. Geiger, Sparkassenorganisation, S. 104. O.V, ZfK 1995, S. 590.

54

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

itiative zurück. Struktur und Verfassung dieser Institute sind nicht in einem Gesellschaftsvertrag oder einem der sonst denkbaren Gestaltungsinstrumente privatautonomer Beliebigkeit fixiert. Ihre Existenz findet Ursprung in einem Parlamentsgesetz; ihre nähere organisatorische Ausgestaltung bleibt einer Satzung vorbehalten, die ebenfalls der staatlichen Rechtsordnung zuzurechnen ist. So handelt es sich bei ihnen zwar um Unternehmen, aber nicht um solche im herkömmlichen Sinne: Sie sind vielmehr der Gruppe der öffentlichen Unternehmen zuzurechnen.

1. Die Landesbanken als „öffentliche"

Unternehmen

In den Landesbanken/Girozentralen ist ein öffentlich-rechtlicher Organisationstatus mit der Funktion eines Wirtschaftsunternehmens verschmolzen. Aus dieser Funktion resultiert nicht selten ein entsprechendes Bewußtsein der zentralen Entscheidungs- und Funktionsträger. Die strikte, bisweilen antiquiert erscheinende, jedenfalls aber nicht immer bequeme Bindung an einen gemeinwohlorientierten, öffentlichen Handlungsauftrag trifft auf „freien Unternehmergeist", der satzungsmäßig nicht selten auf eine Geschäftsführung nach bankwirtschaftlichen oder kaufmännischen Grundsätzen eingeschworen ist 1 1 0 . Diese nur schwierig zu erfassende und noch schwieriger zu verarbeitende Gemengelage von Freiheit und Bindung wurde zunächst von der Wirtschaftswissenschaft - mit gewisser zeitlicher Verzögerung auch von der Rechtswissenschaft (vor allem im Bereich des Kommunalrechts) - mit dem Begriff des öffentlichen Unternehmens beschrieben. Dieser Topos gehört inzwischen auch zum Hausgut der Verwaltungsrechtswissenschaft 1 1 ohne daß alle den Begriff betreffenden Zweifelsfragen einer einvernehmlichen Lösung zugeführt worden wären. Es erscheint zudem fraglich, inwieweit bei der Verwendung eines genuin wirtschaftswissenschaftlichen Begriffs eine bruchlose Standortbestimmungen des beschriebenen Phänomens im Spannungsfeld zwischen Staat und Gesellschaft, resp. zwischen Bindung und Freiheit zu erreichen ist, zumal der Import (zunächst) unjuristischer termini technici aus anderen Disziplinen in die Rechtssprache die Gefahr in sich trägt, auch solche Denkweisen, Interpretationsansätze und -ergebnisse nach sich zu ziehen, die dem Juristen allzu unjuristisch erscheinen. Es ist nur bei näherer Betrachtung des Begriffs der öffentlichen Unternehmung erkennbar, inwieweit dieser Terminus bei der Einordnung von Landesbanken/Girozentralen im Grenzbereich zwischen Staat und Gesellschaft, zwischen

110

Z.B. § 6 Abs. 5 Satzung WestLB. Siehe nur E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 509 ff; G. Püttner, Verwaltungslehre, S. 257 ff. 111

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

55

Verwaltung und Wirtschaft richtungsweisendsein kann oder ob es sich bei seiner Verwendung nicht vielmehr um eine Verlagerung des Problems auf eine andere begriffliche Ebene handelt.

Die Wirtschaftswissenschaft 112 erkennt in einem Unternehmen (synonym: Unternehmung) einen selbständigen, auf Erwerb gerichteten, durch sein Gewinnstreben ausgezeichneten Betrieb 113 . Die in Frage stehende Einrichtung muß (nur) ein gewisses Mindestmaß an Selbständigkeit und Organisation aufweisen und danach trachten, die wirtschaftlich bestmögliche Input-OutputKombination zu realisieren. Öffentlich ist fur die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtungsweise eine Unternehmung dann, wenn sie im Eigentum der öffentlichen Hand steht 114 . Ähnlich farblos ist die rechtswissenschaftliche Bestimmung des Unternehmensbegriffs. Einzelne Gesetze und Bestimmungen verwenden verschiedenartige Begriffe und Abgrenzungen für seine Erklärung, die auf den jeweiligen Regelungsanspruch des Gesetzeszusammenhangs zugeschnitten ist und daher nicht oder nur bedingt Grundlage für einen allgemeingültigen Begriff sein kann 115 . Im Schrifttum sind diverse, aber sich zumeist nur in Nuancen voneinander abhebende Begriffsumschreibungen anzutreffen. Jürgen Backhaus definiert (öffentliche) Unternehmen als „solche Einrichtungen und Anlagen, die im Eigentum einer öffentlichen Körperschaft stehen oder von dieser faktisch kontrolliert werden" 116 . Der Begriff des Öffentlichen wird dabei allerdings zu sehr auf die Beschreibung eines Herrschaftsverhältnisses verengt. Die Begriffsschattierungen des Öffentlichen sind eigentlich vielfaltiger 117 . Diese Vielfalt kann auch für die Aufdeckung des Öffentlichen bei öffentlichen Unternehmen kultiviert werden. Neben die Beschreibung des Herrschaftsverhältnisses tritt auch die Deutung des Öffentlichen als Chiffre für unbegrenzte physische Zugänglichkeit. Dieser Aspekt kann hier vernachlässigt werden. Das gilt aber - wie sich im folgenden zeigen wird - keineswegs auch für die dritten Aspekt des Öffentlichen: die Umschreibung der Zweckhaftigkeit eines als

112

Siehe die Darstellung bei A Schnettler, Betriebe, S. 17 ff.; H. Siedentopf Grenzen, S. 19 f.; K. Vogel, Wirtschaftseinheiten, S. 24 f. 113 Ein Betrieb ist für die Wirtschaftswissenschaft das sächliche Surrogat, ein Inbegriff von Produktionsmitteln für die Teilnahme am Wirtschaftsverkehr, er ist das Instrumentarium des Wirtschaftens, dessen Zielrichtung nicht bestimmt ist; siehe H. Siedentopf Grenzen, S. 19 f. 114 D. Bös, in: HFW Π, S. 3 ff. (4). 115 Übersicht über die Gesetzespraxis bei G. Püttner, Unternehmen, S. 23. 116 J. Backhaus, Unternehmen, S. 121. 117 Wegweisend systematisiert durch W. Martens, „Öffentlich" als Rechtsbegriff, S. 24 ff., 42 ff., 81 ff.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

56

öffentlich bezeichneten Inbegriffs, hier: des Unternehmenszwecks, der geschäftlichen Ausrichtung.

Gegenüber diesen von der deutschen Wissenschaft geprägten Bedeutungsnuancen des öffentlichen Unternehmens erkennt das die deutsche Rechtsordnung immer stärker prägende europäische Gemeinschaftsrecht nach Art. 90 Abs. 1 EUVi.V.m. Art. 2 der Transparenzrichtlinie 118 in einem öffentlichen Unternehmen jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund ihres Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann. Kennzeichen eines öffentlichen Unternehmens in diesem Sinne ist damit seine wirtschaftliche Ausrichtung und der Einfluß des Staates (oder einer seiner Untergliederungen). Von den privaten Unternehmen unterscheiden sich die öffentlichen Unternehmen insbesondere durch die Möglichkeit der öffentlichen Hand, auf die Geschäftsführung des Unternehmens einwirken zu können, ohne dabei auf hoheitliche Maßnahmen angewiesen zu sein 119 . Die europarechtliche Begriffsbestimmung des öffentlichen Unternehmens wird im allgemeinen nun auch für die deutsche Rechtsordnung zugrunde gelegt 120 . Doch verfügt diese Übereinstimmung nur über einen begrenzten Erkenntniswert. Letzten Endes entbehrt der Begriff des öffentlichen Unternehmens, der in jeder seiner rechtswissenschaftlichen Deutungsvarianten auf die Landesbanken/Girozentralen paßt, zumindest dort, wo er nicht als Gesetzesbegriff etabliert ist (Bsp. Transparenzrichtlinie), der normativen Kraft. Er beschreibt lediglich eine bestimmte, für das Wirtschaftsleben relevante Tätigkeit des Staates, die dem ersten Anschein nach die öffentliche Hand als gleichberechtigten Teilnehmer des allgemeinen Wettbewerbs auftreten läßt. Damit hat der Begriff vornehmlich heuristischen Wert, Rechtsfolgen lassen sich aus ihm nicht ableiten. Dies gilt um so mehr, als der Begriff des öffentlichen Unternehmens nicht einmal eine bestimmte Rechtsform des Trägers vorgibt: Keinesfalls sind allein öffentlich-rechtlich verfaßte Einheiten öffentliche Unternehmen in diesem Sinne; auch juristische

118

Richtlinie der Kommission vom 25. 6. 1980 (80/723/EWG), ABl. Nr. L 195/35 vom 29. 7. 1980, über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen. Die Übertragbarkeit dieser Definition auf Art. 90 Abs. 1 EGV wird in der Literatur befürwortet: L Pernice , in: E. Grabitz / M. Hilf, Rn. 16 ff. zu Art. 90. Durch Richtlinie vom 24. 7. 1985 wurde die Transparenzrichtlinie erweitert und damit auch auf Kreditinstitute für anwendbar erklärt (ABl. Nr. L 229/20). 119 120

K. Stern IM. Nierhaus, Regionalprinzip Π, S. 153. G. Püttner, Unternehmen, S. 23; M. Ronellenfitsch, in: HdbStR ΠΙ, § 84 Rn. 2.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

57

Personen des Privatrechts können ein öffentliches Unternehmen sein 121 . Die Beziehungen der öffentlichen Hand zu ihrem Unternehmen, die Bindungen, denen die betreffenden Unternehmen unterliegen, die Freiheiten, die ihnen gewährt werden dürfen - all diese Probleme bedürfen der Erörterung im Einzelfall. Die bloße Kategorisierung der Landesbanken/Girozentralen als öffentliche Unternehmen führt jedenfalls bei der Beurteilung der hier in Frage stehenden Vorgänge keinen Schritt weiter. Daher gilt es nun, nachdem die Tätigkeit der Landesbanken/Girozentralen und ihre Stellung in der deutschen Kreditwirtschaft beschrieben worden sind, die Frage zu klären, wie sich diese Institute in den Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder einfügen und ob man den Landesbanken/Girozentralen mit einer Zuordnung zu der organisierten Staatlichkeit überhaupt gerecht wird. Um diese Frage zu ergründen, setzt man sinnvollerweise bei einer Analyse normativer Vorgaben des Staates für die Landesbanken/Girozentralen an. Wie werden Landesbanken/Girozentralen konstituiert, mit welchen Instrumenten werden sie staatlicherseits gesteuert?

2. Die Schichten des Landesbankenrechts Die Errichtung der Landesbanken/Girozentralen und die abstrakt-generelle Steuerung ihrer kreditwirtschaftlichen Geschäftstätigkeit erfolgt mit den Instrumenten eines komplexen Normgefüges, dessen Tektonik aus vielfaltigen Schichten besteht. Bundes- und Landesrecht, Parlamentsgesetze und andere Normtypen bilden gemeinsam den normativen Hintergrund, der die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen prägt 122 . Eine inhaltliche Differenzierung kann dabei zunächst zwischen denjenigen Normen vorgenommen werden, die die Landesbanken/Girozentralen als Wirtschaftssubjekte, als Teilnehmer an dem kreditwirtschaftlichen Wettbewerb, als Gleiche unter Gleichen binden. Dem stehen die Vorschriften gegenüber, die sich speziell mit den Landesbanken/Girozentralen, mit deren Errichtung, Geschäften und sonstigen Rechtsverhältnissen befassen. Der ersten, hier nicht weiter relevanten Kategorie gehören beispielsweise Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG), des Handelsgesetzbuches (HGB), des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) an. Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und des Mitbestimmungsgesetzes sind aber z.B. - anders

121 122

H. J. Wolff / Ο. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht Π, § 98 Rn. 7. U. Twiehaus, Kreditanstalten, S. 41 ff.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

58

als bei der privaten Konkurrenz - auf die Landesbanken/Girozentralen nicht anwendbar.

Das Recht der Landesbanken/Girozentralen im engeren Sinne kann inhaltlich parallel zu dem Recht der Sparkassen123 (allerdings auch mit dem entsprechenden Mangel an stringenter Trennschärfe und der Gefahr stellenweiser Überlagerung der Materien) in die Bereiche des Wirtschaftsrechts (Recht der Geschäftspolitik, bankgeschäftliche Tätigkeit, Wirtschaftsführung) einerseits und des Organisationsrechts (Organisation, Aufgaben, Verwaltung) andererseits unterteilt werden. Art. 74 Nr. 11 GG weist insofern dem Bund mit der Befugnis zur Regelung des Bankenwesens eine Kompetenz zu, die Normen festzulegen, die sich auf die Banken insgesamt beziehen und den für diese typischen Geschäftsbereich regeln. Diese verfassungsrechtliche Ausgangslage hat zu der verbreiteten Ansicht geführt, das Sparkassenrecht (und damit auch das Recht der Landesbanken/Girozentralen) sei kompetenziell aufgeteilt 124: Die oben erstgenannte Materie (Recht der Geschäftspolitik) unterliege der konkurrierenden Bundesgesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 11 GG, während die Regelung des formellen Sparkassenrechts nach Art. 70 GG den jeweiligen Landesgesetzgebern aufgetragen sei 125 . Auch bei Zugrundelegung dieses Ausgangspunktes bleibt es umstritten, wie weit das Bankwesen" im Sinne dieses Kompetenztitels das Recht der Sparkassen126 und mit ihm das der Landesbanken/Girozentralen 127 umfaßt und damit dem Zugriff des Bundesgesetzgebers aussetzt. Die Abschichtung von Organisation und Geschäft ist bei der Beurteilung von Einzelfragen keineswegs immer so einleuchtend, wie dies angesichts der prägnanten Begriffe erscheinen mag. Bestimmte organisatorische Grundsatzfragen - Rechtsfähigkeit, Organeinrichtung, Gewährleistung - können die Ausrichtung der Geschäftspolitik so weit prägen, daß hier wechselseitige Ingerenzen der Materien eine zweifelsfreie Trennung nicht erlauben 128. Aus diesem Umstand wurden zwei entgegengesetzte Schlußfolgerungen gezogen. Von einer

123

Hierzu T. Brzoska, Sparkassen, S. 18 f.; B. Claussen, Teilprivatisierung, S. 27 ff ; A. Igelspacher, Bundeszuständigkeit, passim; H.-W. Rengeling, in: BK, Rn. 76 zu Art. 74 Nr. 11. 124 Wegweisend H.-E. Sprengel, DÖV 1952, S. 69 ff. (72). 125 Für das Recht der Sparkassen: T. Maunz, in: MDHS, Rn. 146 zu Art. 74; H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 12 ff., v. a. S. 20; Κ. Stern IJ. Burmeister, Sparkassen, S. 179 ff. 126 E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 158; I. v. Münch, in: ders., Rn. 48a f. zu Art. 74; F. Ossenbühl, Grundfragen, S. 85 ff.; H.-W. Rengeling, in: HdbStR IV, § 100 Rn. 179; H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 12 ff.; K. Stern! J. Burmeister, Sparkassen, S. 179 ff.; U. Twiehaus, Kreditinstitute, S. 9 ff. 127 Zu diesen speziell: G. Dörries, Landesbanken, S. 128 ff. 128 U. Twiehaus, Kreditinstitute, S. 9.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

59

Seite wurde das gesamte Sparkassenrecht (und damit auch das gesamte Recht der Landesbanken/Girozentralen) dem Kompetenztitel des Art. 74 Nr. 11 GG zugeordnet 1 2 9 . Nach anderer Ansicht sollte das Sparkassenrecht gänzlich dem Zugriff des Bundesgesetzgebers entzogen werden 130 , der dann lediglich im Sachzusammenhang mit der Reglementierung der gesamten Kreditwirtschaft sparkassenrechtliche Teilfragen aufgreifen könne.

Um festzustellen, welcher Ansicht der Vorzug zu geben ist, gilt es, den Begriff des Bankenwesens und sein Verhältnis zu dem Regelungsbereich des Sparkassenwesens zu interpretieren 131. Die den Bundesländern mit Blick auf ihre Verwaltungseinheiten verfassungsrechtlich verbürgte Organisations" hoheit 132 steht dabei einem wirtschaftsrechtlichen Kompetenztitel für das gesamten Bankenwesen, dem die Sparkassen (und damit auch die Landesbanken) ungeachtet ihrer besonderen Beziehung zu Staat und Verwaltung zuzuordnen sind, gegenüber. Das in dieser zweipoligen Kompetenzlage angelegte Spannungsverhältnis, aufgrund dessen sich die Länder daseinsvorsorgend in einem bundesrechtlich geprägten Lebensbereich bewegen, erfordert eine behutsame Auslegung und Abgrenzung der betroffenen Kompetenztitel auf beiden Seiten. Am einleuchtendsten erscheint dabei ein Verständnis des Begriffs „Bankenwesen" in Art. 74 Nr. 11 GG, das diesen Lebensbereich als einen Ausschnitt aus der Gesamtheit des Wirtschaftslebens erfaßt. In diesem bundesrechtlich geprägten Lebensbereich können sich die Länder solange und soweit bewegen, wie sie die für alle dort tätigen Wettbewerber geltenden Regeln akzeptieren. Voraussetzung für eine organisationsrechtliche Bundesvorschrift, die auch gegenüber den öffentlichen Banken der Länder und Gemeinden Geltung beanspruchen kann, ist damit deren kreditwirtschaftsrechtliche Allgemeinheit. Die Trennung zwischen Bundes- und Landesgesetzgebungskompetenz wird damit nicht mehr maßgeblich an der Nahtstelle des Organisationszum Geschäftsrecht vorgenommen. Der Vorbehaltsbereich der Bundesländer wird vielmehr dort verletzt, wo sich eine kreditwirtschaftlich relevante Norm des Bundesrechts speziell mit Organisation und Geschäftstätigkeit der Sparkassen oder Landesbanken/Girozentralen befaßt. Ein direkter Zugriff auf die Organisationsform der Landesbanken/Girozentralen durch den Bundesgesetz-

129

E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 158; U. Tmehaus, Kreditinstitute, S. 9. 130 H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 13; D. Schmidt, FS J. Bärmann, S. 837 ff. (838 f.). 131 Hierzu insgesamt A. Iglspacher, Bundeszuständigkeit. 132 K. Stern! J. Burmeister, Sparkassen, S. 185.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

60

geber ist damit nicht möglich, da dieser den verfassungskräftig verbürgten organisationsrechtlichen Spielraum der Bundesländer zu respektieren hat. Innerhalb des bisher allein aus kompetenzrechtlicher Sicht erörterten Rechts der Landesbanken im engeren Sinne sind verschiedene normative Ebenen voneinander abzuschichten: Regelmäßig speist sich das Landesbankenrecht im engeren Sinne aus einem Errichtungsgesetz und einer Satzung. Die Landesbanken sind durchweg als Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert. Während private Rechtssubjekte Rechtsgrund und Existenz aus privatautonomer Beliebigkeit ableiten und höchstens aus Gründen des Verkehrsschutzes einem besonderen staatlichen Reglement (z.B. Eintragung in ein Register) unterworfen werden, ist Existenzgrundlage von Verwaltungseinheiten stets ein aus staatlicher Organisationsgewalt fließender Organisationsakt. Die Beteiligung des Staates an der Gründung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts unterscheidet sich damit grundlegend und qualitativ von der staatlichen Beteiligung an der Entstehung juristischer Personen des Privatrechts. Während er dort nur durch Zulassungsakt (u.U. durch „Verleihung der Rechtsfähigkeit", siehe § 22 BGB für den - in der Regel rechtsfähigen - wirtschaftlichen Verein) entscheidet, ob die sich auf dem Boden der zivilistischen Rechtsordnung betätigende juristische Person des privaten Rechts mit den Anforderungen der Rechtsordnung konform geht, liegt bei der Gründung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts eine originäre staatliche Entscheidung vor. Die Rechtsverhältnisse der Landesbanken sind typischerweise in den Sparkassengesetzen der Länder geregelt 133. Auf diese Weise wird die Einbindung dieser Institute in das Sparkassenverbundsystem des Landes gesetzestechnisch unterstrichen. Eine solche Regelung durch Landesgesetz erfolgt bei den von Bundesland und Sparkassen- und Giroverband gemeinsam getragenen Gemeinschaftsgirozentralen ebenso wie bei reinen Gemeinschaftsgirozentralen. Aufgrund der Beteiligung der letztlich von den Kommunen getragenen Verbände werden einem entsprechenden Gesetzgebungsakt regelmäßig entsprechende Konsultationen vorausgehen. Die legislative Letztentscheidung und- Verantwortung liegt indes beim staatlichen Gesetzgeber.

Demgegenüber gibt es in einigen wenigen Bundesländern auch spezielle Landesbankgesetze, ohne daß hier in der Sache ein Unterschied zu erkennen

133

§ 40 Abs. 1 SpkG BW; Art. 24 Bay. SpkG; § 31 SpkG Nieders.; § 34 SpkG NW; § 26 SpkG Rh.-Pf.; § 32 SpG Saarl.; § 41 SpkG Schl.-Holst.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

61

wäre 134 . Die Errichtungsgesetze errichten dort wie hier die Anstalt als Rechtsperson, legen ihre Aufgaben fest und konstituieren die für die Aufgabenerfüllung notwendigen Organe. Regelmäßig enthalten die konstituierenden Gesetze eine Satzungsermächtigung, aufgrund derer dann die Anstaltsorganisation eine genauere Ausgestaltung erfährt 135. Erlaß und Änderung der Satzung obliegen in den meisten Fällen der Gewährträgerversammlung, also der Gesamtheit der Anstaltseigner 136 , wobei aber in einigen Fällen der Verwaltungsrat (resp. Aufsichtsrat) eine Stellungnahme zu geplanten Satzungsänderungen abgeben kann 137 . In anderen Fällen wirkt dieses Gremium sogar direkt an Satzungsänderungen mit 1 3 8 . Regelmäßig ist für die Wirksamkeit der Satzung und entsprechender Änderungen eine Beteiligung der Aufsichtsbehörde erforderlich 139. Der Inhalt der Satzungen kann nicht für alle Fälle einheitlich umschrieben werden. Je weniger Inhalt das Organisationsgesetz vorgibt, desto größer ist das Erfordernis, eine Satzung mit hoher Regelungsdichte zu erlassen. Vielfach wird aber in der Satzung nur das aufgenommen, was ohnehin schon im Gesetz ausdrücklich festgelegt, zumindest aber unausweichlich vorgezeichnet ist. Regelmäßig erfolgt aber z.B. die genaue Verteilung der Befugnisse zwischen den verschiedenen Anstaltsorganen erst auf der Ebene der Satzung. Gleiches gilt für Abstimmungsmodalitäten und die Regeln der alltäglichen Gremienarbeit, Vertretungsbefugnisse, eine genauere Umschreibung der dem Institut erlaubten Geschäfte, die Konstituierung verschiedener Ausschüsse, die Modalitäten

134

§ 1 Abs. 1 LBankG Beri.; § 1 LBankG Hamb. Siehe z.B. § 40 Abs. 2 SpkG BW; § 35 SpkG NW; § 33 SpkG Saarl.; § 41 Abs. 2 SpkG Schl.-Holst.; § 12 Abs. 2 LBankG Hamb.; kerne Satzungsgrundlage z.B. in: SpkG Rh.-Pf. (dennoch existiert eine Satzung). 136 § 21 Abs. 3 lit. (a) Satzung LB Berlin (mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde nach § 21 Abs. 4 Satzung Berlin LB); § 13 Abs. 3 Nr. 2 Satzung Bremer LB (nach Abs. 4 nur einstimmig zu beschließen); § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satzung HeLaBa; § 16 Abs. 4 lit. (k) Satzung Nord/LB (nach Abs. 5 einstimmig zu beschließen); § 4 Abs. 1 Nr. 11 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 8 Abs. 2 Nr. 3 Satzung SaarLB (mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde); § 9 Abs. 1 lit. (η) Satzung LB Schleswig-Holstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen); § 11 Nr. 1 Satzung WestLB (einstimmig zu beschließen; § 9 Abs. 5 Satzung). 137 Z.B. § 11 Abs. 7 Satzung SaarLB. 138 Z.B. § 11 Abs. 2 Nr. 9 Satzung Bayerische LB. 139 Z.B. § 40 Abs. 2 SpkG BW; § 35 SpkG NW; § 33 SpkG Saarl.; § 12 Abs. 2 LBankG Hamb.; siehe i.ü. die vorangegangenen Nachweise aus den Satzungen, die das gesetzliche Zustimmungserfordernis aufnehmen. 135

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

62

für den finanziellen Ausgleich unter mehreren Gewähr- oder Kapitalträgern im Falle von Gewinn oder Verlust der Anstalt. Die Delegation von Rechtssetzungsbefügnissen durch das Parlament an verselbständigte Verwaltungseinheiten in Form einer Satzungsermächtigung bedarf dabei stets der Rechtfertigung, wie die Existenz von Art. 80 GG und der entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Vorschriften zeigt 140 . Die Einordnung der Satzungen in den Kanon der Rechtsquellenlehre darf jedoch nicht auf begrifflicher Ebene stehen bleiben: Der Begriff der Satzung wird vielerorts verwandt und gerade deswegen lädt er zu Mißverständnissen ein. Die Satzung ist typischerweise ein Instrument zur Regelung von Selbstverwaltungsangelegenheiten. Über Satzungsgewalt verfügen daher die mit einer verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie ausgestatteten Gemeinden ebenso wie die Träger akademischer sowie wirtschafts- und berufsständischer Selbstverwaltung. Die auf der Idee der Selbstverwaltung beruhende Delegation von Normsetzungsbefügnissen von dem Parlament an Dritte findet Sinn und Rechtfertigung in dem Versuch, „gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern." 141. Die Satzung ist somit nicht Norm staatlichen Ursprungs, steht allerdings auch nicht völlig außerhalb des Kanons staatlicher Rechtssetzungsformen, wie man bei isolierter Betrachtung des soeben Wiedergegebenen annehmen könnte. Satzungen im öffentlich-rechtlichen Sinne sind nicht Ausdruck privater Beliebigkeit, wie dies bei Regelungswerken zivilrechtlichen Ursprungs der Fall ist (siehe § 25 BGB, § 23 AktG, § 6 GenG). Öffentlich-rechtliche Satzungsmacht ist staatlich verliehen. Sie existiert nur aufgrund und im Rahmen dieser (u.U. verfassungsrechtlich erzwingbaren) staatlichen Verleihung, so daß die allein dem Staat gebührende Entscheidung über Grund und Grenze der Normsetzungsbefugnisse gesellschaftlicher Subsysteme im Hintergrund fortlebt 142 .

Ohne den organisationsrechtlichen Status der Landesbanken/Girozentralen, ihre Nähe oder Distanz zur öffentlichen Verwaltung der Bundesländer hier schon weiter ausleuchten zu müssen, kann festgestellt werden, daß das Prinzip der Selbstverwaltung die Delegation einer Befugnis zum Erlaß von Satzunge an die Landesbanken/Girozentralen jedenfalls nicht rechtfertigt. Satzungsautonomie ist die typische Regelungstechnik einer partikularen Gemeinschaft 143.

140 141 142 143

J. Isensee, DB 1985, S. 2681 ff. (2684 f.). BVerfGE 33,125 (156 f.). Hierzu F. Ossenbühl, in: HdbStR ΠΙ, § 66 Rn. 1 ff. und 23 ff. m.w.N. M Kleine-Cosack, Autonomie, S. 74 ff.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

Sie setzt eine in territorial und personal radizierte engere Gemeinschaften gegliederte Ordnung des Gemeinwesens voraus. Diese Gemeinschaften sind ihrerseits in die staatliche Ordnung integriert und regeln dabei ihre eigenen Angelegenheiten (dezentralisierte Rechtssetzung)144. Diese aus Gründen der Grundrechtseffektivierung und der ,J3 etroffenen Verwaltung" eingeräumte Selbstverwaltung kommt bei den anstaltlich organisierten Landesbanken/Girozentralen nicht zum Zuge. Aber auch der Betrieb der reinen Verbandsgirozentralen (z.B. die SüdwestLB), die ausschließlich von dem territorial zuständigen Sparkassen- und Giroverband und ohne Beteiligung des Bundeslandes getragen werden, ist nicht Ausfluß der kommunalen Selbstverwaltung: Obwohl jeder Sparkassen· und Giro verband grundsätzlich! 45 (zwangsweise) von den Sparkassen getragen wird und deren Errichtung wiederum Ausfluß der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist, kann doch die Beteiligung und das Engagement der Sparkassen und / oder ihrer Gewährträger an dem jeweiligen Sparkassen- und Giro verband und an der von diesem getragenen Girozentrale - wie noch zu zeigen sein wird - nicht auch Ausfluß dieser Garantie sein 1 4 6 .

Die Satzungsermächtigungen der Errichtungsgesetze sind - zumindest soweit die auf ihrer Grundlage erlassene Satzung allein Anstaltsinterna regelt Ausfluß einer vom Parlament delegierten Organisationsgewalt147 (Dekonzentrationseffekt 148). Ohne in fremde Vorbehaltsbereiche einzugreifen könnte der Gesetzgeber auch all jene Einzelheiten, die bei den Landesbanken/Girozentralen traditionell in den Satzungen geregelt sind, aus eigener Machtvollkommenheit in dem jeweiligen Errichtungsgesetz selber vorschreiben. Indes überläßt er - nach Festlegung der „wesentlichen" organisatorischen Grundstrukturen - die Ausarbeitung der organisatorischen Feinheiten den Anstalten bzw. ihren Organen. Diese Delegation ist zum einen auf den Willen zur Selbstentlastung des Gesetzgebers in „unwesentlichen" Regelungsbereichen, zum anderen aber auch auf die Inanspruchnahme „bankspezifischen" Sachverstandes zurückzufuhren, der eher in den Organen der Landesbanken/Giro-

144

F. Ossenbühl, in: HdbStR ΙΠ, § 66 Rn. 36. Zu den einzelnen - hier nicht relevanten - Abweichungen von diesem Grundschema Sparkassen- und Giroverband - Sparkassen-Gemeinden / Kreise / Zweckverbände siehe: H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 305 ff. 146 Hierzu unten ausführlich, siehe S. 110 ff. 147 F. Ossenbühl, in: HdbStR m, § 66 Rn. 25.; U. Twiehaus, Kreditinstitute, S. 41. 148 Dieser Effekt ist eigentlich typisches Merkmal einer Delegation der Befugnis zum Erlaß von Rechtsverordnungen durch den Gesetzgeber an Stellen der Verwaltung (F. Ossenbühl, in: HdbStR ΠΙ, § 66 Rn. 36 f.). Als Rechtsverordnung können aber die Satzungen der Landesbanken/Girozentralen schon deswegen nicht gedeutet werden, weil sich die Aufgabenerfüllung dieser Institute nicht als Gesetzesvollzug im Sinne von den Art. 80 GG entsprechenden Vorschriften des Landesverfassungsrechts handelt. 145

64

1 · Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

zentralen beheimatet ist, als in dem Bereich der parlamentarischen Legislative. Die ohne weiteres diesen Anstaltsinterna zuzurechnenden Materien, deren Regelung delegierbar ist, umfassen die Organisation von Anstaltsorganen und deren Arbeitsweise. In diesen Bereichen haben die Vorschriften der Satzung nicht die Qualität einer außenwirksamen Rechtsnorm. Sie ähneln eher einer internen Organisationsvorschrift, bei der es sich um einen speziellen Typus der Verwaltungsvorschrift handelt 149 . Soweit die Satzungen darüber hinaus den Kreis der zulässigen Bankgeschäfte durch Enumeration näher eingrenzen und damit mittelbar das Wirken der Anstalt im Außenverhältnis oder ihr Auftreten im Rechtsverkehr steuern (Vertretungsregelungen, Bekanntmachungsvorschriften), kommt ihnen der Charakter einer gesetzesvertretenden bzw. gesetzeskonkretisierenden Verwaltungsvorschrift (z.B. hinsichtlich der zulässigen Bankgeschäfte) zu 1 5 0 , an deren Rechtssatzqualität heute kaum noch ein Zweifel besteht151. Soweit gegen den Erlaß solchermaßen außenwirksamer Vorschriften durch die Anstalt unter dem Gesichtspunkt des Vorbehalts des Gesetzes Einwände erhoben werden, können diese in dem konkreten Zusammenhang unter Hinweis auf die „Satzungs"ermächtigung in der Errichtungsgesetzen entkräftet werden 152. Die in den Satzungen geregelten Sachbereiche sind dabei keineswegs als so „wesentlich" im Sinne der „Wesentlichkeitstheorie"153 zu bezeichnen, daß hier eine unmittelbare Aktivität des Gesetzgebers gefordert wäre. Da das Bundesverfassungsgericht in solchermaßen untergeordneten Fällen außenwirksame Verwaltungsvorschriften sogar ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung akzeptiert 154, können rechtsstaatliche Bedenken nicht durchgreifen.

149

F. Ossenbühl, in: HdbStR ΠΙ, § 65 Rn. 15. Trotz dieser gesetzgeberischen Falschetikettierung, wird im folgenden aus Gründen des besseren Verständnisses und der Konvention nicht von Verwaltungsvorschriften, sondern nach wie vor von Satzungen die Rede sein. 150 Insgesamt ähnlich: R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 118; C. Scholz, Kreditinstitute, S. 106. 151 Siehe allein?. Lerche, MDHS, Rn. 93 zu Art. 84. 152 Zu der Frage, inwieweit Verwaltungsvorschriften überhaupt einer Ermächtigungsgrundlage bedürfen siehe F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 453 ff. 153 Zu den Grundzügen der Wesentlichkeitstheorie Η Η ν. Arnim, DVB1. 1987, S. 1241 ff. (1241 f.); F. Becker, NWVB1. 1996, S. 361 ff. (361); M Kloepfer, JZ 1984, S. 685 ff. (687 ff.). 154 BVerfGE 40, 237 (248).

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben Von dieser Aussage ausdrücklich ausgenommen sind die Vorschriften in den Satzungen, die den Organmitgliedern unmittelbare Bindungen und Verhaltenspflichten auferlegen. So bestimmen manche Satzungen, daß die Verwaltungsratsmitglieder an Weisungen nicht gebunden sind und ihre Stimme in eigener Verantwortung abzugeben haben 155 . Bei dem Verwaltungsrat handelt es sich um das zentrale Kontrollgremium der Landesbanken/Girozentralen, das nicht selten auch mit Geschäftsleitungsbefugnissen ausgestattet ist. Nicht zuletzt über dieses Organ können die staatlichen Gewährträger der Bank also ihren erforderlichen Einfluß in der Bank geltend machen. Wird diese Einflußmöglichkeit über die Abkopplung des Organmitglieds von dem inhaltlichen demokratischen Legitimationsstrang zumindest partiell entwertet, so kann eine solche Vorschrift schwerlich als „unwesentlich" eingestuft werden. Hier ist - unabhängig von allen materiell-verfassungsrechtlichen Bedenken - eine Entscheidung durch den parlamentarischen Gesetzgeber erforderlich. Unabhängig von der Rangordnung der Landesbankensatzungen innerhalb der Rechtsquellenlehre ist die Bestimmung ihrer Provenienz. Sie sind jedenfalls Bestandteil der Rechtsordnung, in die die jeweilige Landesbank integriert ist. In den Fällen einer einzigen Errichtungskörperschaft wirft die Bestimmung der Rechtsordnung keinerlei Probleme auf. In diese Kategorie fallen auch diejenigen Landesbanken, an denen über den territorial zuständigen Sparkassen- und Giroverband zusätzlich zu dem Bundesland auch die kommunalen Gewährträger beteiligt sind: Diese sind aus staatsorganisatorischer Sicht integraler Bestandteil des jeweiligen Bundeslandes und damit keinesfalls eine eigenständige Größe mit Staatsqualität 156 . Schwieriger gestaltet sich die Einordnung des von der Anstalt erlassenen Rechts dort, wo diese als Mehrländeranstalt konstituiert ist (HeLaBa, Nord/LB, Bremer LB). Ist die Satzung paralleles Landesrecht der beteiligten Länder (und damit gleich zwei- oder mehrfach existent)? Oder ist das Satzungsrecht einer gleichsam über bzw. zwischen den beteiligten Ländern schwebenden Rechtsordnung zuzurechnen? Diese Frage muß hier noch offen bleiben; sie wird sich erst beantworten lassen, nachdem Charakter und dogmatische Struktur der Mehrländerbanken ergründet wurden. Nachdem nunmehr die Rechtsgrundlagen für Existenz und Wirken der Landesbanken/Girozentralen verdeutlicht wurden, ist deren Rechtscharakter als juristische Person i n der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts zu analysieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind Grundlage für die Untersuchung des Problems, ob und inwieweit den Kreditanstalten aufgrund ihrer organisatorischen Herauslösung aus der unmittelbaren Staatsverwaltung Frei-

155

§ 18 Abs. 3 Satzung LB Berlin; § 9 Abs. 3 Satzung Bremer LB; § 13 Abs. 7 Satzung HeLaBa; § 14 Abs. 2 Satzung Nord/LB; § 11 Abs. 5 S. 3 Satzung SaarLB; § 7 Abs. 3 S. 2 Satzung Sachsen LB. 156 Siehe nur J. Isensee, in: HdbStR IV, § 98 Rn. 163 ff. 5 Becker

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

6

räume, die ihnen eine gewisse Lösung von den strengen Bindungen des öffentlichen Rechts erlauben, zugestanden werden oder zuzugestehen sind.

3. Die Landesbanken als juristische Personen in der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts a) Die Anstalt des öffentlichen Rechts: Rechtssubjekt zur Wahrnehmung ausgegliederter Verwaltungsaufgaben Landesbanken/Girozentralen sind als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, damit als „öffentliche Anstalten" konstituiert. Bei diesen handelt es sich um organisatorisch/rechtstechnisch von der unmittelbaren Verwaltung abgesetzte Einheiten, die in unterschiedlichem Maße verselbständigt sein können 157 . Entweder sind sie als „nicht rechtsfähige" Anstalten rechtstechnisch mit ihren Trägern identisch und stellen damit lediglich eine interne Ausgliederung von deren Verwaltungsorganisation dar oder aber sie besitzen in einigen Teilbereichen (etwa auf dem Gebiete des Vermögensrechts) Rechtsfähigkeit und werden dann als teilrechtsfähig bezeichnet158. Für die Errichtungskörperschaft besteht außerdem die Option, eine Anstalt als juristische Person des öffentlichen Rechts zu konstituieren und ihr damit zumindest insoweit umfassende Rechtssubjektivität zukommen zu lassen, als diese im öffentlichen Recht möglich ist 1 5 9 .

157

F. Fleiner, Institutionen, S. 322 f.; E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 412 ff., 493 ff.; Κ Jecht, Anstalt, S. 17 ff.; O. Mayer, Verwaltungsrecht Π 3 , S. 268 ff, 331 ff; W. Rüfner, Formen, S. S. 247 ff; W Weber, Körperschaften, S. passim; beachte zudem die Referate von R. Breuer (S. 211 ff.) und Κ Lange (S. 169 ff.) zum Thema „Die öffentlich-rechtliche Anstalt", VVDStRL Bd. 44 (1986), sowie die die Tagung begleitenden Aufsätze von W Berg, NJW 1985, S. 2249 ff; W Krebs, NVwZ 1985, S. 609 ff; W Löwer, DVB1. 1985, S. 928 ff; W. Rüfner, DÖV 1985, S. 605 ff. Insbesondere mit dem organisatorischen Status der Sparkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts befassen sich J. Burmeister, FS E. Pothoff, S. 225 ff; T. Brzoska, Sparkassen, S. 41 ff; H. Geiger, Kommunalwirtschaft 1978, S. 313 ff; W Weber, Entwicklung, passim. 158

Zum Phänomen der Teilrechtsfähigkeit bahnbrechend O. Bachof AöR Bd. 83 (1958), S. 208 ff. (259 ff.) Z.B. bezeichnete BVerwGE 64, 202, 205 die Bundesbahn (vor ihrer Organisationsprivatisierung) als „teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts in bundeseigener Verwaltung", da diese ein Bundessondervermögen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung bildete und im Rechtsverkehr unter eigenem Namen auftreten und klagen bzw. verklagt werden konnte. 159 Zu den Optionen siehe R. Breuer, VVDStRL Bd. 44 (1986), S. 211 ff. (224 ff).

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

67

Die Anstalt des öffentlichen Rechts wird in Anknüpfung an Otto Mayer als ,JBestand von sächlichen und persönlichen Mitteln, die in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zweck dauernd dienen bestimmt sind\ bezeichnet160. Dabei spielt es für Otto Mayer und die noch heute herrschende Ansicht 161 keine Rolle, ob und inwieweit die Anstalt rechtlich verselbständigt ist. Der Grund für diese Indifferenz liegt in der Geschichte des Anstaltsrechts begründet: Da Mayer seinen Anstaltsbegriff aus dem service public des französischen Verwaltungsrechts entwickelt hatte, richtete sich das Augenmerk der Wissenschaft auf die Tätigkeit der Anstalt und ihr Verhältnis zum „Untertan". Aus diesem Ursprung des Anstaltsbegriffs als Handlungsform heraus erklärt es sich, daß der Grad der Verselbständigung der handelnden Einheit gegenüber dem Muttergemeinwesen keine Rolle spielen konnte. Es war daher auch nicht verwunderlich, daß später sogar vorgeschlagen wurde, auch Behörden oder Privatrechtssubjekte 162 unter den Anstaltsbegriff zu fassen 163. Diese Versuche haben sich unter dem Eindruck der öffentlichen Anstalt als spezifisch öffentlich-rechtlicher Organisationsform überlebt, da die Anstalt als organisationsrechtliche Kategorie auf diese Weise weder Wesen, noch Wert gewinnen konnte. Als aus dem Muttergemeinwesen ausgegliederte Organisationsform trat die Anstalt angesichts dieser zerfahrenen Historie erst spät und mit der angesprochenen Gleichsetzung von rechtsfähigen und nichtrechtsfähigen Anstalten in Erscheinung. Dabei ist es evident, daß die Anstalt als eine von der unmittelbaren Staatsverwaltung distanzierte und damit von der Behörde abzuschichtende Organisationsform nur dann einen Sinn haben kann, wenn ihr ein Mindestmaß an rechtlicher Selbständigkeit zukommt, die sich organisationsrechtlich zumindest in der Verleihung von Teilrechtsfähigkeit manifestieren muß. Ansonsten verschwimmt der Begriff völlig 1 6 4 . Dabei darf der Begriff der Vollrechtsfahigkeit - wie er auch den Landesbanken/Girozentralen durch ihre Errichtungsgesetze zugeordnet wird - im öffentlichen Recht nicht überdehnt werden. Öffentlich-rechtliche Rechtsfähigkeit ist nie eine totale, sondern immer nur partielle Rechtsfähigkeit. Eine öffentlich-rechtliche Vollrechtsfahigkeit als Analogon zur privatrechtlichen Vollrechtsfähigkeit (die ihrerseits natürlich z.B. bei juristischen Personen natürlichen Beschränkungen unter-

160

Verwaltungsrecht Π 1 , S. 318. 161 E. Forsthoff,\ Verwaltungsrecht, S. 495; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 116; H Jecht, Anstalt, S. 29 f. 162 H Jecht, Anstalt, S. 80 ff. 163 H J. Wolff, AfK 1963, S. 149 ff. (157 f.). 164 So für den geltenden Begriff der Anstalt: J. Isensee, Diskussionsbeitrag, WDStRL Bd. 44 (1986), S. 286. 5*

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

6

liegt 1 6 5 ) gibt es nicht 1 6 6 . Das öffentliche Recht kennt keine Gesamtzuteilung einer Rechtsstellung, aus der dann einzelne öffentliche Rechte oder Pflichten entspringen können. Es kennt nur Einzelzuweisungen von auf die Verwirklichung staatlicher Aufgaben bezogenen Kompetenzen, die sich in bestimmten, dort engeren, hier weiteren Ermächtigungsgrundlagen manifestieren. Im öffentlichen Recht bestimmt sich der Umfang der Rechtsfähigkeit immer nach den konkret zugewiesenen Kompetenzen. Der Unterschied zwischen Teilrechtsfähigkeit und Vollrechtsfähigkeit in diesem Zusammenhang bezieht sich damit quantitativ nicht auf den Grad der Verselbständigung, sondern qualitativ auf die Richtung der Selbständigkeit. Der „vollrechtsfähige" öffentlich-rechtliche Verband ist gegenüber seinem Muttergemeinwesen und gegenüber Dritten rechtlich selbständiger Träger von Rechten und Pflichten. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kennzeichnet demgegenüber den teilrechtsfahigen Verband eine nur gegenüber einer der beiden Parteien bestehende Selbständigkeit 1 6 7 .

Fazit: Die Gründung einer Anstalt ist Ergebnis des Bestrebens, einen bestimmten Verwaltungskomplex aus den übrigen Funktionen des gründenden Gemeinwesens, das als Muttergemeinwesen bezeichnet wird, auszusondern. Diese Ausgliederung kann auf verschiedene Motive zurückzuführen sein 168 . Zum einen ist ein haushaltstechnischer Zweck als ein solches Motiv denkbar: Ein Verwaltungsvermögen, das bestimmten Zwecken gewidmet ist, soll aus Gründen des Gläubigerschutzes und zur Abschirmung der öffentlichen Haushalte von den allgemeinen staatlichen Mitteln abgesondert werden. Schon bei der reichsrechtlich erzwungenen Verselbständigung der kommunalen Sparkassen war der Schutz des von der Anstalt eingeworbenen Vermögens vor dem Zugriff des verschuldeten Muttergemeinwesens treibendes Motiv gewesen. In umgekehrter Richtung (Schutz des Staatsvermögens vor den Gläubigern der Anstalt) wird diese Schutzfunktion allerdings bei den Bankanstalten insofern nivelliert, als die Anstaltsträger Anstaltslast und Gewährträgerhaftung für die Institute übernommen haben. Ein anderer Grund für die Verselbständigung eines staatlichen Rechtsträgers kann der sein, daß die sachgerechte Erfüllung der diesem überantworteten Aufgabe eine gewisse räumlich-gegenständliche und auch juristische Distanz von den Stellen der unmittelbaren Staatsverwaltung erfordert (so z.B. bei der

165

So kann auch die nach § 13 Abs. 1 GmbHG vollrechtsfahige Gesellschaft mit beschränkter Haftung ζ. B. keine Ehe schließen. 166 Bachof, AöR 83 (1958), S. 208 ff. (268). 167 Dies ist z.B. der Umschreibung bei H. Maurer, Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 10 zu entnehmen. 168 R. Breuer, VVDStRL Bd. 44 (1986), S. 211 ff. (227 ff); E. Forsthoff,\ Verwaltungsrecht, S. 496 f.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

Bundesbank169). Dieses Motiv weist bei den öffentlichen Kreditanstalten zwei Facetten auf. Zum einen geht man von der Unmöglichkeit bankwirtschaftlicher Betätigung in den Strukturen unmittelbarer Staatsverwaltung aus 170 . Mit der Ausgliederung soll daher den Kreditanstalten die Möglichkeit eingeräumt werden, sich bankentypisch zu verhalten und sich damit dem Markt anzupassen. Die Anstaltsform dient der Ermöglichung einer Aufgabenerfüllung nach Sachgerechtigkeit, die sich in Einzelfragen politischen Vorgaben entzieht. Sie soll der Rahmen für eine möglichst vorgabenfreie und flexible und damit wettbewerbsorientierte Geschäftstätigkeit sein. Fachaufgaben werden der Anstalt innerhalb eines normativen Rahmens zur begrenzten, technokratischen Eigenregie übertragen. Die zweite Facette wird bei allen (freiwillig) nutzbaren Anstalten171, zu denen Landesbanken/Girozentralen zählen, relevant. Den Leistungsbeziehungen zwischen der Verwaltung und den Anstaltsnutzern soll ein juristischer Rahmen gegeben werden, innerhalb dessen sich die leistende, geldwerte Leistungen und Güter hervorbringende Verwaltung von den allgemeinen, normalen Erscheinungsformen der Verwaltung im Sinne eines hoheitlichen Handelns distanzieren kann (Ernst Forsthoff ) 1 7 2 . Die ausgegliederte Anstalt wird als ein im Vergleich zu einer Behörde adäquaterer Geschäftspartner des Bürgers angesehen. Die öffentlich-rechtliche Organisationsform weist zudem gegenüber einer gesellschaftsrechtlichen einen praktischen Vorteil auf, der sich vor allem bei der Wahrnehmung staatlicher Förderaufgaben durch eine Landesbank/Girozentrale auswirkt: Soweit ein durch ein Bundesland aufgelegtes Förderprogramm nach den Grundsät-

169

U. Twiehaus, Kreditinstitute, S. 100 ff. W. Berg, NJW 1985, S. 2294 ff. (2298); gegen die These von der Unanwendbarkeit bürokratischer Ordnungsgrundsätze auf die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand deutlich aber J. Burmeister, Gebietsreform, S. 41 ff. 171 Die Landesbanken/Girozentralen sind - um in den inzwischen etablierten Kategorien (siehe R. Breuer, VVDStRL Bd. 44 (1986), S. 211 ff. (232 f.) zu bleiben - nicht allein (nutzbare) Leistungsanstalten, sondern auch angesichts ihrer Wettbewerbskorrekturfunktion Lenkungsanstalten, die den allgemeinen kreditwirtschaftlichen Wettbewerb insgesamt in eine gemeinwohlverträgliche Richtung lenken sollen, um auf diese Weise die kreditwirtschaftliche Versorgung des Landes, seiner Kommunen und seiner sonstigen öffentlichen Vorhabenträger sicherzustellen. 172 E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 497. Allerdings darf bei dieser Aussage nicht vergessen werden, daß „die" hoheitliche Verwaltung in den Denktraditionen Forsthoffs ungeachtet der großen Verdienste, die er sich mit seinen Schriften um die „Verwaltung als Leistungsträger" erworben hat, immer noch mehr im Vordergrund stand als in der moderneren Verwaltungsrechtswissenschaft. 170

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe zen der Zweistufentheorie 173 an die Begünstigten durch Verwaltungsakt vergeben wird und die Verwaltung des Programms dem Förderbereich der heimischem Landesbank obliegt, genügt ein einfacher öffentlich-rechtlicher Vertrag, um der Landesbank die konkreten Kompetenzen zum Erlaß der erforderlichen Verwaltungsakte (Bewilligungsbescheide im Sinne der jeweiligen fbrderungsrechtlichen Bedingungen) zu übertragen 174. Wäre das Kreditinstitut demgegenüber als eine juristische Person des Privatrechts organisiert, bliebe nur die Möglichkeit einer Beleihung der Bank im Einzelfall, um ihr den Erlaß von Verwaltungsakten zu ermöglichen. Auf diese Weise wird die organisationsrechtliche Distanz zu der unmittelbaren Staatsverwaltung durch nach wie vor öffentliche-rechtliche Verfaßtheit in gewisser Weise neutralisiert.

Auch der bei manchen Anstalten relevante Gedanke der Partizipation 175 könnte als Legitimation und Motiv für die anstaltsformige rechtliche Ausgliederung der Landesbanken/Girozentralen aus dem Organisationsplan der unmittelbaren Staatsverwaltung in Betracht gezogen werden. Die meisten Landesbanken/Girozentralen werden neben dem Bundesland, dem sie zugeordnet sind, auch von dem jeweiligen Sparkassen- und Giroverband getragen 176. Dieser besteht aus den zwangsmitgliedschaftlich organisierten Sparkassen, die ihrerseits von Gemeinden, Kreisen und Zweckverbänden getragen werden. Ohne schon hier darauf eingehen zu müssen, inwieweit es sich bei diesem Engagement um eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung handelt, inwieweit der Sparkassen- und Giroverband also als Zweckverband - insbesondere durch die Trägerschaft und den Betrieb der Landesbank - derivative Selbstverwaltungsaufgaben für die Gemeinden wahrnimmt, läßt sich sagen, daß die Gemeinden an der Geschäftstätigkeit der jeweiligen Landesbank jedenfalls indirekt mitwirken: Über den Sparkassen- und Giroverband haben die Gemeinden des Landes an der Steuerung der Aufgabenerfüllung von Landesbanken einen nicht unerheblichen Einfluß. Das Zusammenwirken verschiedener Verwaltungsstufen (Land und Gemeinden) läßt sich im Rahmen einer verselbständigten Rechtsperson mit eigenen Organen und Gremien besser bewerkstelligen, als wenn die entsprechende Aufgabe von einer in den normalen Verwaltungsaufbau des Landes integrierten Behörde wahrgenommen würde, die dann die Partizipation anderer Verwaltungsstufen zu organisieren hätte.

173

Überblick über die Anwendungsbereiche und die praktische Relevanz etwa in BGH, NJW 1972, S. 210 ff. (210 ff.). 174 So OVG Rhl.-Pf., NVwZ 1986, 843 ff. 175 Hierzu R. Breuer, VVDStRL Bd. 44 (1986), S. 211 ff. (228 f.). 176 Dies gilt z.B. nicht für die Hamburger LB und die Bremer LB. Demgegenüber werden beispielsweise die HeLaBa und die SüdwestLB ausschließlich von den entsprechenden Sparkassen- und Giroverbänden getragen.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

1

Einzig das Motiv der Eröffnung eines staatsfreien Raumes für die Entfaltung gesellschaftlicher Kräfte im Rahmen einer binnenpluralistisch organisierten Rechtsperson kommt bei der Verselbständigung der Landesbanken/Girozentralen nicht zum Zuge. Anders als in den Universitäten, Rundfunkanstalten und Kirchen werden durch die Landesbanken/Girozentralen keine gesellschaftlichen, grundrechtlich abgeschirmten Aktivitäten wahrgenommen177. Selbst wenn - was im folgenden in Erwägung zu ziehen sein wird - die Landesbanken über den Sparkassen- und Giroverband vermittelte derivative Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen, so sind diese doch jedenfalls nicht grundrechtlich, sondern vielmehr kompetenzrechtlich in der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden verwurzelt: Diese sind auch in ihrer Funktion als Träger der Selbstverwaltung Bestandteil des staatlichen Verwaltungsgefüges wenn auch mit besonders zugeschnittenem Aufgabenkreis und auf spezieller Legitimationsgrundlage 1 7 8 .

Zusammenfassend kann daher folgendes festgehalten werden: Die Anstalt ist Übertragungsadresssat für bestimmte (hier: bankwirtschaftliche), aus dem Behördenapparat ausgegliederte, staatliche Aktivitäten, die im allgemeinen als nicht tauglich für eine Wahrnehmung durch solche Stellen empfunden werden, die in den unmittelbaren staatlichen Behördenaufbau integriert sind. Dabei ist zu beachten, daß die Anstalt mit ihrer Errichtung zwar von dem Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung im organisatorischen Sinne distanziert wird, sie aber dennoch weiterhin verfassungsrechtlich und organisatorisch ihrer Errichtungskörperschaft zuzurechnen ist 1 7 9 . Sie wird nicht von der Errichtungskörperschaft als solcher, sondern nur von dem engeren Bereich ihrer Verwaltung distanziert. Die Ausgliederung führt also nicht etwa dazu, daß die Anstalt per definitionem ein größeres Maß an Freiheiten innehaben kann als ihre Errichtungskörperschaft. Diese kann sich nicht durch die Ausgliederung der Wahrnehmung einer Aufgabe auf eine rechtlich selbständige Einheit irgendwelcher verfassungsrechtlichen Bindungen - handele es sich um Grundrechte oder Kompetenzvorschriften 180 - entziehen. Letztlich bestätigt sich hier der allgemeine Rechtsgrundsatz des nemo plus juris ad alium transferre potest, quam ipse habet. Die in der Eigenschaft als juristische Person des öffentlichen Rechts angelegte Rechtsfähigkeit der Bankanstalten ist damit allein

177

Zur mangelnden Grundrechtsfahigkeit der Sparkassen jüngst erst wieder BVerfGE 75, 192; ebenso schon G. Püttner, Unternehmen, S. 120; K. Grupp, ZHR 140 (1976), S. 367 ff. (379); K. Stern / J. Burmeister, Sparkassen, S. 127, 206; speziell zu den Landesbanken/Girozentralen: G. Dörries, Landesbanken, S. 103 f. 178 J. Burmeister, Selbstverwaltungsgarantie, S. 99 ff.; G. Püttner, in: HdbStR IV, § 107 Rn. 7. 179 Siehe nur. H. J. Wolff / O. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht Π, § 98 Rn. 8: ,JDie Anstalt ist Organ oder Glied ihres externen Trägers 180 J. Isensee, in: HdbStR IV, § 98 Rn. 101, 192 ff.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe rechtstechnischer Art. Die rechtsfähige Anstalt ist Träger sowie Zurechnungsendpunkt von Rechten und Pflichten. Ihr Handeln wird keiner anderen Verwaltungseinheit mehr zugerechnet. Dies vereinfacht und flexibilisiert ihr Auftreten i m Geschäftsverkehr und bietet zugleich die Basis für eine weitgehende Ausblendung der Organisationsprinzipien unmittelbarer Staatsverwaltung. Im Bauplan des Verfassungsstaates ist und bleibt die Anstalt dennoch ein Bestandteil der Errichtungskörperschaft. Nur so ist es möglich, daß sich alle staatlichen Organisationen entweder dem Bund oder einem der Länder zurechnen lassen, da keine rechtliche Einheit des verfaßten Staates freischwebend, aus eigenem Recht bestehen k a n n 1 8 1 .

Schon Otto Mayer als spiritus rector des Anstaltsbegriffs stellte für die rechtsfähige Anstalt fest, daß dieser eine Abzweigung aus der Fülle der Zuständigkeiten des Muttergemeinwesens übertragen wird. Die Macht, ein Stück öffentlicher Verwaltung zu führen, wird der Anstalt durch Loslösung aus dem Kreise der Zuständigkeiten des Muttergemeinwesens verliehen 182 . „Was abgezweigt wurde, ist ... ein Stück der Zuständigkeit, aber dieses Abgezweigte behält der Sache nach die Natur eines Teils von jenem größeren Ganzen, aus dem es stammt, und daraus fließt eine entsprechende rechtliche Zugehörigkeit und Abhängigkeit."^ Dieser Umstand rechtfertigt es im Laufe der Untersuchung, an die Kooperation der öffentlich-rechtlichen Bankanstalten des Landes X und des Landes Y die gleichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe anzulegen wie an eine Kooperation der Länder selbst. Es kann daher im folgenden bei der Untersuchung der Vernetzungsvorgänge im Bereich der Landesbanken zwischen der Kooperation zweier öffentlich-rechtlicher Unternehmen verschiedener Bundesländer und einer Kooperation ihrer jeweiligen Träger kein verfassungsrechtlicher Unterschied gemacht werden. Zwischen der unmittelbaren und der durch Anstalten des öffentlichen (Landes-)Rechts vermittelten Kooperation mögen zwar Unterschiede hinsichtlich der rechtstechnischen Ausgestaltung bestehen. Eine Umgehung der Träger durch die Einschaltung von Verwaltungstrabanten befreit jene indes nicht von deren verfassungsrechtlichen Bindungen, da die Unternehmen ihre Existenzberechtigung allein von den Trägern ableiten 1 8 4 , soweit die Anstalt - wie hier - nicht Medium für echte Selbstverwaltung in einem partizipatorischen, grundrechtlich fundierten Sinne i s t 1 8 5 .

181

J. Isensee, in: HdbStR IV, § 98 Rn. 163. K. Stern IM. Nierhaus, Regionalprinzip I, S. 30. 183 O. Mayer, Verwaltungsrecht Π 2 , S. 607 f. (Fn. 14). 184 G. Püttner, Unternehmen, S. 174. 185 R. Breuer, VVDStRL Bd. 44 (1986), S. 211 ff. (228 f.); H. Jecht, Anstalt, S. 85 ff.; W Weber, Körperschaften, S. 91 f. 182

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

Die Ausgliederung staatlicher Handlungsagenden aus der unmittelbaren Behördenstruktur zieht vielfaltige Probleme nach sich, die allesamt mit der Legitimation und der Kontrolle dieser Organisationseinheiten im Zusammenhang stehen. Solche Probleme werden unter den Stichworten des ministerialfreien Raumes186 und der Einheit der Verwaltung 187 abgehandelt. Es ist in dem vorliegenden Zusammenhang nicht erforderlich, der weit verzweigten Diskussion in diesem Bereich nachzugehen, da sie für die Beantwortung der hier zu untersuchenden Fragen nicht ergiebig ist. Eines aber ist klar und wird auch den weiteren Verlauf der Untersuchung prägen: Keinesfalls wird die ausgegliederte Verwaltungseinheit zum Rechtssubjekt mit eigener Machtvollkommenheit. In jedem Falle und unabhängig davon, wieviel an „Selbstverwaltung" bzw. Abschirmung gegenüber direkter staatlicher Ingerenz einer Anstalt gewährt wird, erhält sich doch die staatliche Herrschaft über die Rechtsperson, die durch den Zugriff auf das Errichtungsgesetz vermittelt wird. Die staatliche Verantwortung für öffentliche Bankanstalten manifestiert sich dabei nicht allein in dieser Herrschaft über die Rechts- und Existenzgrundlage der Rechtsperson, sondern auch in den Rechtsinstituten der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung, die gerade im Zusammenhang mit den Vernetzungsvorgängen eine erhebliche Bedeutung erlangen.

b) Die Anstaltslast als Ausfluß von Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes Mit der Existenz einer Anstalt des öffentlichen Rechts sind traditionell die Rechtsinstitute der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung verbunden, durch die die öffentlichen Gebietskörperschaften mit „ihren" öffentlichrechtlichen Bankanstalten finanziell verbunden sind 188 . Während die Gewährträgerhaftung in allen Sparkassen- und Landesbankgesetzen positiv-rechtlich fixiert ist, fehlen Bestimmungen über die Anstalts186

E. Klein, Ministerialfreier Raum, passim. Siehe nur Ä-O. Bryde, VVDStRL Bd. 46 (1988), S. 181 ff. 188 Bericht der Bundesregierung über die Untersuchung der Wettbewerbsverschie bungen im Kreditgewerbe und über eine Einlagensicherung (hiernach: „Wettbewerbsenquête") BT - Drucks. V / 3500, S. 47 ff; H. D. Ahlers, ZfK 1974 S. 57 ff; D. Rümker, FS E. Stiefel, S. 607 ff; H. Schlierbach, Kommunalwirtschaft 1975, S. 447 ff; D. Schmidt, ZfK 1981, S. 762 ff; U H. Schneider, FS S. Riesenfeld, S. 237 ff. (241 ff, 247 ff); Κ Stern / J. Burmeister, Sparkassen, S. 26 ff; H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 144 ff; kritisch: C. Koenig, WM 1995, S. 812 ff; J. Oebbecke, Eigenkapitalausstattung, S. 43 ff; DVB1. 1981, S. 960 ff; ders., ZfK 1982, S. 60 ff ; 187

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

4

last oftmals in den einschlägigen Gesetzen189. An diesem Umstand hat sich jüngst wieder ein lange unbeachteter Streit über Legitimation und Begründung dieses Rechtsinstituts entzündet190. Der Inhalt der Gewährträgerhaftung ist also überwiegend einheitlich durch die einschlägigen Gesetze bestimmt: Die Gewährträgerhaftung begründet das Einstehenmüssen des Gewährträgers für die Verbindlichkeiten der öffentlichrechtlichen Kreditanstalt im Außenverhältnis gegenüber deren Gläubigern. Allerdings können diese den Gewährträger erst dann in Anspruch nehmen, wenn sie ihre Ansprüche aus dem Vermögen, vor allem aus dem haftenden Eigenkapital des Kreditinstituts nicht befriedigen konnten. Es handelt sich bei der Gewährträgerhaftung mithin um eine öffentlich-rechtliche Haftungsgarantie, die der privatrechtlichen Ausfallbürgschaft ähnelt 191 . In dem Vorrang einer Eigenhaftung der Bank manifestiert sich die Subsidiarität dieser „Ausfallbürgschaft". Der Gewährträger muß mit seinem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten der Anstalt einstehen, die etwa aus den allgemeinen Sparkassengeschäften oder Ansprüchen Dritter aus Gesetz (Delikt, Kondiktion) resultieren können. Allerdings ist bei dem Vorgehen gegen den Gewährträger das Pfandungshindernis des § 882 a ZPO zu beachten. Nach dieser Vorschrift kann die Vollstreckung wegen einer Geldforderung gegen den Bund, ein Land oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht in Sachen des Verwaltungsvermögens 192 vollstreckt werden. Während die öffentlichen Bankanstalten aus Wettbewerbsgründen von diesem Privileg nach § 882 a Abs. 3 S. 2 ZPO ausdrücklich ausgenommen sind, der Gläubiger also im Erstzugriff in das gesamte Vermögen der Anstalt vollstrecken darf, errichtet das Gesetz zugunsten der Gewährträger im Ernstfall eine nicht unerhebliche Vollstreckungssperre.

Kennzeichen der Gewährträgerhaftung bei Mehrfachgewährträgerschaft (ein Land und Sparkassen- und Giroverband oder mehrere Länder als Gewährträger) ist, daß nach außen alle Gewährträger als Gesamtschuldner unbeschränkt haften. Bei alleiniger Inanspruchnahme nur eines der Gewährträger findet ein Haftungsausgleich im Innenverhältnis statt, der sich zumeist nach den relativen Kapitalanteilen der Beteiligten richtet. Das Institut der Anstaltslast umschreibt die Verpflichtung des Anstaltsträgers, seine Anstalt, solange er sie betreibt und sie seine Aufgaben wahrnimmt, für die Erfüllung ihrer Aufgaben instandzuhalten. Die Anstaltslast ist der Ge-

189 190 191 192

Ausnahme z.B. § 4 Abs. 2 LBankG Hamb. C. Koenig, WM 1995, S. 812 ff. Wettbewerbsenquête, S. 49. BVerfGE 64, 44 (44).

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

währträgerhaftung vorgelagert. Wird jene ordnungsgemäß wahrgenommen, ist diese überflüssig. Erfüllt der Anstaltsträger seine Pflichten aus der Anstaltslast rechtzeitig und umfassend, so wird eine Unterbilanz (die Passiva überschreiten die Aktiva des Instituts) bei einem öffentlich-rechtlichen Kreditinstitut am Bilanzstichtag ausgeschlossen und damit der Fall des Eintritts aufgrund der Gewährträgerhaftung verhindert 193. Die erstmalige rechtliche Begründung und Anerkennung der Anstaltslast für die Sparkassen findet sich nach allgemeiner Ansicht 194 in einer Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 195. Das Institut wurde in der Folgezeit trotz nur ganz vereinzelter Umsetzung in positives Gesetzesrecht weitestgehend akzeptiert 1 9 6 . Obschon sich bei der wissenschaftlichen Diskussion dieses Phänomens der Blick stets vornehmlich auf die kommunalen Sparkassenrichtete, sind die einschlägigen Argumente und Prinzipien doch auch ohne weiteres auf die übrigen öffentlich-rechtlichen Anstalten, die öffentlichen Kreditinstitute allemal, übertragbar 197.

Der Inhalt der Anstaltslast kann damit als öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht des Muttergemeinwesens gegenüber seiner Anstalt beschrieben werden. Im Falle einer Unterbilanz, die nicht mit den Eigenmitteln (v.a. Rücklagen) des Kreditinstituts abgewendet werden kann, ist der Träger der Anstaltslast verpflichtet, diese Unterbilanz auf angemessene Art und Weise auszugleichen. Als Ausgleichsmittel sind denkbar: Übernahme einer konkreten Ausfallbürgschaft, Barleistung, Schuldanerkenntnis, Schuldübernahme, Schuldscheinausstellung in Verbindung mit Tilgung und angemessener Verzinsung198. Neben dem Fall, in dem eine geschäftliche Krise bereits eingetreten ist, sind auch Konstellationen denkbar, in denen der mit der Anstaltslast Beschwerte tätig werden muß, ohne daß eine Unterbilanz der Anstalt schon vorläge. Zu denken wäre hierbei an den Fall, daß die Kreditanstalt durch eine normale Entwicklung ihres satzungsmäßigen Passivgeschäfts zwar in der Lage wäre, ein angemessenes Aktivgeschäft zu betreiben, sich hierzu aber in Folge der bundesrechtlichen Eigenkapitalanforderungen, die der Geschäftstätigkeit in Relation zum haftenden Eigenkapital Grenzen setzen, aus juristischen Gründen nicht imstande sieht. Hier muß der Anstaltsträger die Rentabilität

193

H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 147. H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 146; a.A. J. Oebbecke, Eigenkapitalausstattung, S. 30 ff 195 PrVBl. 1897 / 98, S. 280 ff. 196 Es existieren einige Beispiele im Bereich der Sparkassen: § 8 Abs. 6 SpkG BW; § 3 SpkG Rh.-Pf.; § 4 Abs. 1 SpkG Schl.-Holst; für die Landesbanken/Girozentralen: § 26 Abs. 2 SpkG Rh.-Pf. 197 H. Schlierbach, Kommunalwirtschaft 1975, S. 447 ff (451). 198 H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 150. 194

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

6

und Liquidität des Kreditinstituts durch Zufuhrung flüssiger Werte in Ordnung bringen 199 . Um die juristisch exakte Begründung der Anstaltslast wurde in der Geschichte des Sparkassenrechts immer wieder gerungen, obwohl ihre Existenz als solche weitestgehend akzeptiert ist 2 0 0 . Da das Rechtsinstitut zunehmend positiv-rechtlich verankert wird 2 0 1 , windet sich der Streit allein um die Frage, ob die Anstaltslast202, „unabhängig von ihrer Kodifizierung, tragfähige Kreditmerkmale öffentlicher Finanzinstitute" begründet 203. Handelt es sich bei ihr um ein ungeschriebenes Gesetz des Anstaltsrechts 204 oder ist sie lediglich „politische Maxime" 205 ? Die ganz herrschende Meinung geht von der Anstaltslast als nicht abdingbarer Grundlage des Anstaltsrechts aus, wobei die Begründungen im einzelnen differieren, zumeist aber ohne dabei über einen bloßen Begriff hinaus ausgeführt zu werden. So ist beispielsweise von einem Institut des Gewohnheitsrechts206 oder von einem ungeschriebenen Rechtsgrundsatz bzw. einem allgemeinen Prinzip des Verwaltungsrechts 207 die Rede. Die Anstaltslast soll nach allen diesen Ansätzen Ausfluß einer verwaltungsrechtlichen Aufgabenlast sein 208 : Hat eine Gebietskörperschaft eine bestimmte

199

Hierzu insgesamt auch H. Schlierbach, Kommunalwirtschaft 1975, S. 447 ff. (449 ff). 200 Im allgemeinen Anstaltsrecht wird dem Thema hingegen keine gesteigerte dogmatische Aufmerksamkeit gewidmet: Siehe die allenfalls beiläufigen Bemerkungen bei K. Lange, VVDStRL Bd. 44 (1986), S. 169 ff (201, Fn. 86); W. Löwer, DVB1. 1985, S. 928 ff. (935, Fn. 98); W. Berg, NJW 1985, S. 2294 ff. (2299). 201 Siehe nur als Beispiel den neuen § 40b Abs. 1 SpkG Schl.-Holst, geändert durch Gesetz zur Änderung des Sparkassengesetzes für das Land Schleswig-Holstein vom 8. Februar 1994 (GVB1. S. 131). 202 Und neben ihr auch die ebenfalls in die Diskussion geratene Gewährträgerhaftung. 203 So der Titel eines Aufsatzes von C. Koenig, WM 1995, S. 821 ff. 204 Dann wären die gesetzlichen Regelungen nur überflüssige Klarstellungen; so in der Tat die Gesetzesbegründung zur Normierung der Anstaltslast im rheinlandpfälzischen Sparkassengesetz (LT - Drucks. 9 / 1692, S. 22). 205 Dieser Topos erscheint im Titel des Aufsatzes von J. Oebbecke, DVB1. 1981, S. 960 ff. 206 H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 148 f.; H Schlierbach, Kommunalwirtschaft 1975, S. 447 ff. (448); U. H Schneider, FS S. Riesenfeld, S. 241 ff. (244). 207 So vor allem K. Stern / M Nierhaus, Neuordnung, S. 90; ihnen folgend D. Schmidt, ZfK 1981, S. 762 ff. (764 ff.) und ZfK 1982, S. 255. 208 D. Schmidt, ZfK 1981, S. 762 ff.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

Aufgabe zu erfüllen oder haben sich die zuständigen Organe zulässigerweise dazu entschlossen, auf eine freiwillige Aufgabe zuzugreifen und wird die Wahrnehmung dieser Aufgabe auf eine ausgegliederte Einheit übertragen, so folgt hieraus die Verpflichtung des Aufgabenträgers, die wahrnehmende Einheit mit den Mitteln auszustatten, derer sie zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung bedarf. Mit dieser Erklärung allein ist allerdings kein verfassungsrechtlich zwingender Mechanismus oder kein grundgesetzliches Prinzip angesprochen. Zweifel an dem zwingenden Gehalt der Anstaltslast werden angesichts der Unbestimmtheit ihrer Herleitung vor allem auch durch die organisationsrechtliche Konturenlosigkeit des Anstaltsbegriffs 209 verstärkt, der ein einheitliches Anstaltsrecht, dessen Bestandteil die Anstaltslast sein müßte, nicht zulasse210. Allerdings darf Konturenlosigkeit nicht mit Prinzipienlosigkeit gleichgesetzt werden. Auch dort, wo der Gesetzgeber einen sehr weiten und freien Gestaltungsspielraum hat, ist er nicht von den hier aufzuzeigenden verfassungsrechtlichen Vorgaben entbunden. Zunehmend in die Kritik geraten ist auch die auf die Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts gestützte Argumentation der Befürworter einer ungeschriebenen A n s t a l t s l a s t 2 1 1 . Selbst wenn man unterstellte, daß diese Kritik ihre historische Berechtigung findet und das Urteil des OVG tatsächlich über Jahrzehnte hinweg falsch interpretiert wurde, so kann dieser kollektive Irrtum nicht verfassungsrechtliche Axiome unserer Zeit umzustürzen.

Dabei mag am Ende sogar offenbleiben, ob und inwieweit sich die Anstaltslast inzwischen als gewohnheitsrechtlich fundierte Institute etabliert hat 2 1 2 oder ob sie als „ungeschriebene Rechtsgrundsätze des Verwaltungsrechts" auch bei fehlender einfachgesetzlicher Normierung Wirkkraft entfaltet: Der rechtliche Boden der Anstaltslast ist ein noch festerer. Das verfassungsrechtliche Prinzip, das die Anstaltslast auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung festlegt, ist der Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes. Dies kann folgendermaßen abgeleitet werden: Die Errichtung einer öffentlichen Anstalt erfolgt durch parlamentarisches Gesetz oder zumindest aufgrund eines solchen Gesetzes. In dem Errichtungsbeschluß ist der Auftrag an die ausgegliederte Verwaltungseinheit enthalten, bestimmte Aufgaben vermittels der ihr übetragenen Kompetenzen wahrzunehmen. In dieser Selbstverständlichkeit liegt der

209

Dieser Befund wurde zuletzt von?. Breuer, VVDStRL Bd. 44 (1986), S. 211 ff. (216) konstatiert. 210 C. Koenig, WM 1995, S. 821 ff (823). 211 Die Kritik wird vor allem formuliert von J. Oebbecke, Eigenkapitalausstattung, S. 30 ff. und C. Koenig, WM 1995, S. 821 ff. (824 f.). 212 H. Schlierbach, Kommunalwirtschaft 1975, S. 447 ff. (448); abl. J. Oebbecke, DVB1. 1981, S. 960 ff. (963 f.).

Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

verfassungsrechtliche Grund der Anstaltstlast. Deqenige, der eine Anstalt zur rechtlich verselbständigten Aufgabenwahrnehmung errichtet, bezweckt auch gleichzeitig deren ordnungsgemäßes und zielgerichtetes Funktionieren. Ansonsten ist der Errichtungsakt ebenso sinn- wie der Errichtungswille zielwidrig. Mit dem Errichtungsgesetz selbst ist aber die parlamentarische Entscheidung zugunsten einer ausgegliederten Aufgabenwahrnehmung gefallen. Es hieße diesen in Gesetzesform gekleideten Parlamentsbeschluß zu unterlaufen, wenn die aufgabenwahrnehmende Verwaltungseinheit nicht mit den für die Aufgabenwahrnehmung objektiv erforderlichen Mitteln ausgestattet würde. Die Wahrnehmung der so bestimmten Aufgabe kann gemäß der Rechtsparömie „lex posterior derogat priori" nur durch ein späteres Parlamentsgesetz aus dem Kanon der staatlichen Handlungsagenden eliminiert werden. Sieht das Errichtungsgesetz die Möglichkeit einer anderweitigen Auflösung unter bestimmten Bedingungen vor (Selbstauflösung, Auflösung durch die Aufsichtsbehörde), so mag zwar das Parlament an der konkreten Auflösung nicht beteiligt sein. Sein gesetzlich fixierter Wille, daß die Auflösung der Anstalt und damit die Beendigung der Aufgabenwahrnehmung nur auf einem bestimmten verfahrensmäßigen Weg (Liquidation) und nicht durch stillschweigende Erosion des sächlichen Geschäftssubstrats zu erfolgen hat, muß aber auch in einem solchen Fall, dann aber unter dem Gesichtspunkt des GesetzesVorrangs, berücksichtigt werden. Kommunale Sparkassen werden nicht durch einen Beschluß des Landesparlaments errichtet. Dennoch ist die hier vorgestellte Argumentation auch auf diese übertragbar: Die Sparkassengesetze der Länder kennen formelle und materielle Voraussetzungen, die bei der Liquidation einer Sparkasse zu beachten sind. Die stillschweigende, nicht formgerechte Liquidation einer Sparkasse durch ihren Träger würde diese parlamentsgesetzlichen Anforderungen unterlaufen. Wenn mit Blick auf die Sparkassen in der Anstaltslast eine Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ohne gesetzliche Grundlage gesehen wird 2 1 3 , so wird damit der verfassungsrechtliche Gehalt der hier vertretenen Argumentation verkannt. Die Last, die kommunalen Sparkassen auszustatten, ist nur Annex der Sparkassenerrichtung und damit Annex der den Gemeinden als „freiwillige" zugewiesene Aufgabe der Sparkassenerrichtung. Für diese Errichtung wiederum existiert eine gesetzliche Grundlage 214, auf die die Gemeinde nicht zugreifen kann, ohne die korrespondierenden Lasten mitzuübernehmen.

Erweist sich die Anstaltslast somit als unmittelbare Folge staatlicher Aufgabenwahrnehmung in öffentlich-rechtlichem Organisationsrahmen, drängt sich sofort ein weiteres Problem auf: Die umstrittene Notwendigkeit der öf-

213 214

C. Koenig, WM 1995, S. 821 ff. (825). Siehe z.B. § 1 Abs. 1 SpkG NW.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

fentlich-rechtlichen Verfaßtheit der Landesbanken/Girozentralen und Sparkassen. An die Konstituierung dieser Kreditinstitute in Anstaltsform knüpft sich die von den privaten Banken begonnene Auseinandersetzung um die Frage, worin die innere Rechtfertigung für die öffentlich-rechtliche Verfaßtheit von Bankanstalten liegt. Dieser Streit soll im folgenden nicht aufgegriffen werden. In dem vorliegenden Zusammenhang ist allein ein einzelner Aspekt der Auseinandersetzung von Interesse: Es handelt sich dabei um den öffentlichen Auftrag der Landesbanken/Girozentralen. Dieser wird in dem folgenden Abschnitt, der sich einer dogmatischen Einordnung der Geschäftstätigkeit von Landesbanken im Schnittbereich von Wirtschaft und Verwaltung widmet, eine zentrale Rolle spielen: Die Besonderheit der Organisationsform öffentlicher Bankanstalten im allgemeinen, der Sparkassen und Landesbanken/Girozentralen im besonderen, läßt sich nur vor dem Hintergrund ihres historisch gewachsenen und zeitbedingten Veränderungen unterworfenen öffentlichen Auftrags angemessen erläutern. Die Anstaltsform bringt jedenfalls und unabhängig von juristischen Erwägungen die enge Anbindung der Landesbank an den Bereich der staaÜichen Verwaltung sinnfälliger und transparenter zum Ausdruck, als dies bei einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Fall sein könnte, zumal der Landesgesetzgeber sich dort angesichts seiner Unterstellung unter die bundesrechtlichen Vorgaben einschlägiger Organisationsgesetze selber eines Teiles seiner Organisationsgewalt begeben würde und damit der ihm im öffentlich-rechtlichen Organisationsrecht zustehenden weitestgehenden Flexibilität verlustig ginge.

Es ist also besonders dieser öffentliche Auftrag, der sich als Schlüssel zur adäquaten Einordnung der Geschäftstätigkeit von Landesbanken/Girozentralen in den Kanon der staatlichen Aufgaben erweisen wird. Damit eine solche Zuordnung jedoch geleistet werden kann, muß im folgenden der normative Inhalt des öffentlichen Auftrags herausgearbeitet werden, um dessen Bedeutung für die rechtliche Stellung der Anstalten in der Gemengelage von öffentlicher Verwaltung und privater Wirtschaft würdigen zu können.

4. Der öffentliche

Auftrag der Landesbanken/Girozentralen

a) Das Wesen des öffentlichen Auftrags als Hintergrund staatlicher Wettbewerbsteilnahme Es ist ein Allgemeinplatz, daß alles staatliche Handeln und Wirken - auch das wirtschaftlich relevante 215 - durch einen öffentlichen Zweck, die Verwirk-

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

lichung einer öffentlichen Aufgabe legitimiert sein muß 216 . Den verästelten Pfaden, die zu dieser Erkenntnis fuhren, muß aber nicht weiter nachgegangen werden, da die Aussagekraft dieser Feststellung ohnehin begrenzt ist: Der Begriff des Öffentlichen ist schwierig zu fassen, sinnvariabel und damit weitestgehend offen 217 . Als Kennzeichen deijenigen Materien, die auf das Gemeinwohl bezogen sind, kann er alles das umfassen, was mit dem Gemeinwohl in Zusammenhang steht. Was aber dient dem Gemeinwohl? Der öffentliche Zweck als Rechtfertigung staatlicher Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb ist hauptsächlich eine formale Kategorie, die lediglich insoweit über einen materiellen Kerngehalt verfügt, als bestimmte Motive nicht legitimerweise „öffentlicher Zweck" oder Gegenstand eines „öffentlichen Auftrags" sein können. Dies hängt mit der Offenheit des Gemeinwohlbegriffs zusammen, dessen inhaltliche Anreicherung im Verfassungsstaat von den dafür kompetenten Stellen vorzunehmen ist. Hier ist grundsätzlich der Gesetzgeber gefordert, der aber seinerseits verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten hat. Einzelne gesetzlich fixierte öffentliche Aufträge dürfen nicht mit verfassungsrechtlichen Verboten kollidieren. Die Benennung des öffentlichen Auftrags einer staatlichen Aktionseinheit ist somit die Antwort auf ein allgemeines verfassungsrechtliches Rechtfertigungserfordernis, dem alles staatliche Handeln unterliegt, ohne dabei aus sich heraus bestimmte inhaltliche Vorgaben festzulegen. Das Rechtfertigungserfordernis zwingt die öffentliche Hand, die mit einer bestimmten wirtschaftlichen Aktivität verbundenen Gemeinwohlzwecke offenzulegen. Diese Pflicht zur Benennung eines öffentlichen Zwecks ist damit nur Erscheinungsform des allgemeinen Schemas, nach dem die Verteilung von ungebundener Freiheit gesellschaftlich verwurzelter Individuen einerseits und staatsorganisatorisch

215

J. Burmeister, Sparkassen, S. 42 f. (Fn. 45 und 47); G. Püttner, Unternehmen, S. 200 ff 216 BVerfGE 59, 216 (228); Κ Grupp, ZHR 140 (1976), S. 367 ff. (381); J. Isensee, DB 1979, S. 145 ff. (150); ders., in: HdbStR ΠΙ, § 58 Rn. 135 ff ; C. Koenig, WM 1995, S. 317 ff (320); H. Krüger, Staatslehre, S. 763 ff; A. Lauer, Spielbanken, S. 16 ff; G. Püttner, Unternehmen, S. 128 ff; M Ronellen fitsch, in: HdbStR ΠΙ, § 84 Rn. 39; Κ Stern / J. Burmeister, Sparkassen, S. 119. 217 Ausführlich hierzu J. Hidien, Gemeindliche Betätigung, S. 51 ff, 119 ff, 138 ff.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

1

verfaßter Bindung öffentlicher Gewalt andererseits zur immerwährenden Rechtfertigungsbedürftigkeit allen staatlichen Handelns führt (Rechtsstaatliches Verteilungsprinzip 218). Es ist zu beachten, daß die hier zentralen Begriffe changieren und dabei nicht selten auch der inhaltlichen Klarheit entbehren: Analysiert man den Begriff des öffentlichen Auftrags 219 der Landesbanken/Girozentralen, so ergibt sich, daß die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute beauftragt sind, öffentliche Aufgaben wahrzunehmen bzw. öffentliche Zwecke zu verfolgen. Diese Topoi sind vielerlei Deutungen zugänglich. Das Öffentliche ist gemeinwohlausgerichtet; der Begriff des Gemeinwohls wird indes mit politischen Inhalten erst durch die zuständigen Entscheidungsträger angereichert und aufgefüllt. Ein weiteres begriffliches Problem ergibt sich aus dem Umstand, daß zwischen staatlichen und öffentlichen Aufgaben zu differenzieren ist, daß diese jene mit umfassen, die staatlichen Aufgaben somit stets auch öffentliche Aufgaben darstellen220. Der Begriff der Aufgabe umschreibt dabei einen bestimmten zielorientierten Tätigkeitsbereich eines Rechtssubjekts221, der enweder frei gewählt oder (so im Falle öffentlicher Aufgabenträger) normativ vorgegeben ist. Die einzelnen Belange des Gemeinwohls, also des Bereichs, dessen sich die Gesellschaft und u.U. auch der Staat kraft seiner Verantwortung für die Freiheitsentfaltung der Bürger schützend oder fordernd annehmen darf (u.U. muß), sind öffentliche Interessen. Die Tätigkeitsbereiche, die diesen öffentlichen Interessen entsprechen, sind öffentliche Aufgaben. Abgesehen von einem schmalen Bereich zwingend staatlicher Aufgaben sind öffentliche Aufgaben von einer nur virtuellen staatlichen Allzuständigkeit geprägt: Auch der Private kann durch die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben das Gemeinwohl uneigennützig fordern. Wenn und soweit der Staat in einer seiner Erscheinungsformen - in den Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen - auf eine solche öffentliche Aufgabe zugreift, wird diese zur staat-

218

C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 126. H.G. Dehe, HWS ΠΙ, S. 210 ff; Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (Hrsg.), Öffentliche Kreditinstitute, S. 7; R. Pfeffer, Der Langfristige Kredit 1977, S. 335 ff; D. Schmidt, ZfK 1968, S. 1024 ff; B. Thode, ZfK 1994, S. 172 ff 220 W,; Brohm, Strukturen, S. 155 ff; H.P. Bull, Staatsaufgaben, S. 47 ff; J. Isensee, in: HdbStR ΙΠ, § 57 Rn. 132 ff; ders., Subsidiariätsprinzip, S. 158 ff; H.H Klein, DÖV 1965, S. 755 ff; H. Krüger, Staatslehre, S. 759 ff; H. Peters, FS H. C. Nipperdey Π, S. 877 ff (878); Κ Vogel, Wirtschaftseinheiten, S. 61 ff 221 C.H. Ulel H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rn. 1. 219

6 Becker

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

liehen Aufgabe 222. Der Begriff des öffentlichen Zwecks fordert insoweit eine gewisse Verwirrung, als er zwar (unter Bezugnahme auf die öffentliche Aufgabe, die eine staatliche sein kann, aber nicht muß) einen Bezug zu der Gemeinwohlbezogenheit einer Tätigkeit herstellt, nicht aber auf den hinter der Tätigkeit stehenden Staat aufmerksam macht: Die Landesbanken/Girozentralen erfüllen (die verfassungsrechtliche Zulässigkeit unterstellt) staatliche, nicht bloß öffentliche Aufgaben. Aus Gründen der Konvention hält sich die vorliegende Untersuchung aber an die überkommene unscharfe Terminologie und stellt damit im folgenden den „öffentlichen Auftrag" (i.S. eines Auftrages zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die streng genommen staatliche Aufgaben sind) der Landesbanken/Girozentralen dar.

Die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben, also öffentlicher Aufgaben, derer sich der Staat zulässigerweise angenommen hat, werden mit dem Mittel der Kompetenz verschiedenen staatlichen Rechtssubjekten zugeordnet, die zudem - soweit erforderlich - mit der Befugnis ausgestattet werden, in die Sphäre der Grundrechtsträger einzugreifen. Die Aufgabe umschreibt das Thema und den Sachbereich des staatlichen Tätigwerdens, die Kompetenz weist die Rechtsmacht zum Tätigwerden zu. Die einzelnen Elemente der Begriffsreihe Aufgabe-Kompetenz-Befügnis bauen somit zwar aufeinander auf, sie sind aber in ihren jeweiligen Bedeutungen strikt voneinander zu trennen. Der öffentliche Auftrag umschreibt eine Aufgabe, zu deren Erfüllung den Landesbanken/Girozentralen in den Errichtungsgesetzen bestimmte Kompetenzen zugewiesen wurden. Wie aber ist der Inhalt dieses öffentlichen Auftrags zu beschreiben?

b) Die „gemeinwohlorientierte, kreditwirtschaftliche Versorgung des Landes, seiner Kommunen und seiner sonstigen öffentlichen Vorhabenträger sowie der im Landesgebiet tätigen Privat- und Geschäftskunden" als öffentlicher Auftrag der Landesbanken/Girozentralen Der in den öffentlichen Auftrag gekleidete öffentliche Zweck, den die Landesbanken/Girozentralen zu verfolgen haben, ist kein monolithischer Block. Er umfaßt eine Vielzahl von Einzelaspekten und -aufträgen 223, die miteinander verwoben sind und aufeinander aufbauen. Es liegt dabei in der Natur der 222

Siehe die soeben genannten, v.a. H.H Klein, DÖV 1965, S. 755 ff. (758); H. Peters, FS H. C. Nipperdey Π, S. 877 ff. (880). 223 Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (Hrsg.), Öffentliche Kreditinstitute, S. 7.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

Sache, daß sich der öffentliche Auftrag dieser Kreditinstitute im Laufe der Zeit wandelt, neuen Anforderungen unterworfen wird und damit unter ständigem Anpassungsdruck steht 224 . Der öffentliche Auftrag der Landesbanken/Girozentralen ist in Teilen zunächst eng mit dem öffentlichen Auftrag der kommunalen Sparkassen verbunden und kann isoliert von diesem nicht erschlossen werden. Das manifestiert sich in der Funktionszuweisung als Sparkassenzentralbank und Girozentrale deutlich. Hier übernehmen die Landesbanken/Girozentralen eine dienende225, überörtliche, vernetzende Funktion, die ohne den durch die kommunalen Institute gebildeten Unterbau keinen Sinn macht. Die Geschäftsbankfunktion und die Förderfünktion der Landesbanken/Girozentralen lassen sich demgegenüber nicht allein mit einem Hinweis auf die Existenz der Sparkassen erläutern. Grundlage des öffentlichen Auftrags für die Landesbanken/Girozentralen im Geschäftsbereich „Sparkassenzentralbank" ist der öffentliche Auftrag der kommunalen Sparkassen226. Den Sparkassen ist nach den Landessparkassengesetzen und den jeweiligen Satzungen die Aufgabe zugewiesen, den Sparsinn in der Bevölkerung zu wecken und zu fordern sowie die örtliche Kreditversorgung unter besonderer Berücksichtigung des Mittelstandes und der finanziell schwächeren Bevölkerungskreise sicherzustellen (Förderungsfunktion). Konkretisiert wird diese Maßgabe durch die Gewährleistungsfunktion der Sparkassen, die die Verpflichtung umfaßt, eine Versorgung von privaten Haushalten sowie privaten und öffentlichen Unternehmen mit einem leistungs- und wettbewerbsfähigen Finanzierungsangebot im gesamten (u.U. teilweise strukturschwachen) Gewährträgergebiet sicherzustellen (iStruktursicherungsfunktion). Hiermit eng verbunden ist die Garantiefunktion der Sparkassen. Die Sparkassen sollen verhindern, daß sich die im Gebiet des Anstaltsträgers ansässige Bevölkerung in Zeiten allgemeiner wirtschaftlicher Anspannung oder Knappheit Kreditgebern gegenüber sieht, die ausschließlich gewinnorientiert arbeiten 227 . Die privaten Kreditinstitute 228 sind beispielsweise, im Gegensatz zu den dem öffentlichen Auftrag verpflichteten Instituten, durch keine rechtliche

224

Hierzu W. D. Becker IG. Zweig, Aufgabenwandel, S. 197 ff Teilweise werden die Landesbanken abwertend als „Mägde der Sparkassen" bezeichnet; siehe die Meldung in ZfK 1995, S. 305 zu einer Pressenotiz der Landeskreditbank Baden-Württemberg. 226 Aus der nahezu unübersehbaren Literatur siehe nur H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 118 ff; K. Stern / J. Burmeister, Sparkassen, S. 67 ff, v.a. S. 76 ff 227 H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 54. 228 Zu deren geschäftspolitischem Status siehe S. 23 ff. 225

6*

4

1 · Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

Vorgabe daran gehindert, ihr kreditwirtschaftliches Angebot den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechend nur bestimmten Bevölkerungskreisen oder nur in bestimmten Regionen (Ballungszentren) anzubieten. Von erheblicher Bedeutung ist außerdem die eng mit dem zuvor Gesagten in Verbindung stehende Wettbewerbskorrekturfunktion der Sparkassen. Diese gibt den Sparkassen auf, den Wettbewerb im Kreditgewerbe zu stimulieren und dabei eine zu große Konzentration der Bankenmacht in privater Hand zu verhindern. Neben der Konzentrationskontrolle korrigieren die öffentlichen Kreditinstitute der Sparkassenorganisation den Wettbewerb des Kreditwesens durch ihre Förderungs- und Struktursicherungsfunktion dahingehend, daß ein Wettbewerb um nicht allzu attraktive Kunden im sog. Massengeschäft und in eigentlich unattraktiven Geschäftsgebieten angeregt wird (Wettbewerbsergänzungsfunktion). Die letztgenannten Funktionen gehen systematisch zum Teil in der weiter gespannten sozialpolitischen Lenkungsfunktion der Sparkassen auf 229 . Von politischer Bedeutung ist die kommunalpolitische Hausbankfunktion der Sparkassen, die diese zu der kreditwirtschaftlichen Absicherung politischer Aufgaben ihrer Anstaltsträger verpflichtet. Alle Sparkassengesetze enthalten die Vorgabe, daß Gewinnerzielung nicht der Hauptzweck der Geschäftstätigkeit zu sein hat. Daneben tritt die Maßgabe, daß die Geschäfte der Sparkassen nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen sind 230 . Die Erzielung von Gewinnen ist somit nicht ausgeschlossen, bleibt aber dem öffentlichen Auftrag untergeordnet. Die erzielten Gewinne werden in verschiedener Hinsicht für die Ermöglichung und Refinanzierung des auftragsorientierten Geschäfts benötigt. Neben die oben dargestellten Auftragsziele tritt damit die Gewinnerwirtschaftung als Erhaltungsziel 231. Auf diese Weise wird ein Ausgleich zwischen dem Verbot rein gewinnorientierter Wettbewerbsteilnahme der öffentlichen Hand und den staatshaushaltsrechtlichen Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltungsführung gefunden 232. Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb soll den Staatshaushalt verschonen und sich selber tragen. Zudem kann die Wettbewerbskorrekturfunktion schwerlich durch das Angebot gewinnvernichtender sog. Dumpingpreise, sondern nur durch eine behutsame, nicht völlig marktfremde Geschäftspolitik gewährleistet werden. Ansonsten würde der Bankenmarkt nicht im Sinne staatlicher Gesamtverantwortung für eine soziale Marktwirtschaft korrigiert und strukturiert, sondern vielmehr zerstört. Eine

229 230 231 232

Κ Stern / J. Burmeister, Sparkassen, S. 76 f. Siehe zu dieser Differenzierung z.B. § 3 Abs. 3 S. 2 bzw. S. 1 SpkG NW. Siehe zu dieser Differenzierung A Kraft, HWS Π, S. 202 (205 ff). R. Loeser, Mischverwaltung, S. 114.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

maßvolle Gewinnmitnahme ist daher in dem öffentlichen Auftrag der Landesbanken/Girozentralen notwendigerweise mitangelegt. Im Einklang mit diesen Funktionen der kommunalen Sparkassen entwickelt sich die Interpretation des in den verschiedenen Bundesländern nahezu identischen öffentlichen Auftrags der Landesbanken/Girozentralen. Ebenso wie die Sparkassen haben die Landesbanken/Girozentralen eine Hausbank- und Gewährleistungs-, Wettbewerbskorrektur- und Wettbewerbsergänzungsfünktion sowie eine Struktursicherungsfünktion. Großflächiger und mächtiger als die Sparkassen - weil keineswegs auf einzelne Gemeinden beschränkt - können Landesbanken/Girozentralen dabei ihre Aufgabe als wettbewerbspolitisches Regulativ wahrnehmen. Es gilt hier prinzipiell das für die Sparkassen Gesagte. Darüber hinaus ergänzen die Landesbanken/Girozentralen das Angebot der Sparkassen durch die Abwicklung überörtlicher Sparkassenaufgaben im Aktiv- wie im Passivgeschäft. Insofern sind sie in den öffentlichen Auftrag der Sparkassen auf einer höheren regionalen Ebene eingebunden. Die Landesbanken/Girozentralen ergänzen und verstärken das kommunale Angebot der Sparkassen auf der Ebene eines Bundeslandes. Ihre öffentliche Aufgabe korrespondiert damit deqenigen der kommunalen Institute auf regionaler Ebene. Eine ähnliche Parallele läßt sich auch im Förderbereich ausmachen. Während die Sparkassen als Hausbanken ihrer Trägerkörperschaften agieren, leisten die Landesbanken/Girozentralen gleiches auf der Ebene des Landes. Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, daß in einigen Bundesländern z.B. die Wohnungsbauforderung in wirtschaftlicher Verselbständigung durch eine teilrechtsfähige Anstalt innerhalb der Landesbank wahrgenommen wird 2 3 3 . Verwaltungsmittel wie Entscheidungsstränge sind grundsätzlich in die Landesbank integriert, so daß trotz partieller rechtlicher Verselbständigung von einem Geschäft der Landesbank gesprochen werden kann. Insgesamt kann der öffentliche Auftrag der Landesbanken/Girozentralen dahingehend charakterisiert werden, daß die von den Sparkassen auf kommunaler Ebene wahrgenommenen Aufgaben mit entsprechend größerer wirtschaftlicher Macht und Durchschlagskraft den Landesbanken/Girozentralen auf der regionalen Ebene der Bundesländer zukommen. Sein Inhalt läßt sich als die „gemeinwohlorientierte, kreditwirtschaftliche Versorgung des Landes, seiner Kommunen und seiner sonstigen öffentlichen Vorhabenträger sowie der im Landesgebiet tätigen Privat- und Geschäftskunden" zusammenfassen. Die positiven finanziellen Effekte, die die geschäftsjährlichen Abführungen der Landesbanken/Girozentralen an die öffentlichen Haushalte der jeweiligen Gewähr233

Siehe dazu die Ausführungen auf S. 157

6

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe träger mit sich bringen, sind jedoch nicht originärer Bestandteil des öffentlichen Auftrags der Landesbanken/Girozentralen. Hier existieren durchweg Vorschriften, die den auf die Sparkassen bezogenen ähnlich sind. Auch hier ist die Gewinnerzielung nicht Hauptzweck des Betriebs, dennoch müssen die Banken ihre Geschäfte unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze führen 234 .

Die grundsätzliche verfassungsrechtliche Legitimität des in dem öffentlichen Auftrag formulierten Anliegens öffentlicher Kreditwirtschaft wird, abgesehen von einzelnen Aspekten der Geschäftstätigkeit 235, heute aus verfassungsrechtlicher Sicht kaum noch in Frage gestellt236, auch wenn die rechtspolitische Diskussion um Wesen und Wert des öffentlichen Bankensektors von Zeit zu Zeit auflebt 237. Soweit behauptet wird, die Mehrzahl der als Auftragsziele bezeichneten Funktionen werde auch durch den privatrechtlich organisierten Bereich der Geschäftsbanken abgedeckt238 bzw. sei mit Blick auf den funktionierenden Wettbewerb in der Kreditwirtschaft entbehrlich 239, so wird diesen Argumenten von Seiten der Sparkassenorganisation entgegengehalten, daß gerade die Ursache für diese Situation, in dei die öffentlichen Banken entbehrlich scheinen, in deren Existenz zu suchen sei: Ohne den Konkurrenzdruck des öffentlichen Bankensektors würden die Geschäftsbanken sich nicht „auf dem flachen Land" betätigen, Kleinkredite an finanziell schwächere Kreise ausreichen oder den Gebietskörperschaften eine günstige Versorgung mit Krediten gewährleisten240.

234

H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 324 m.w.N.; siehe exemplarisch § 4 LBankG Beri. 235 Siehe nur den Streit über die SWAP-Geschäfte der WestLB bei C. Koenig, WM 1995, S. 317 ff. und H. Schneider IT. Busch, WM 1995, S. 326 ff. 236 Paradigmen der vergangenen Diskussionen etwa bei W. Thiele, DVB1. 1970, S. 200 ff.; siehe auch Bericht der Bundesregierung über die Untersuchung der Wettbewerbsverschiebungen im Kreditgewerbe und über eine Einlagensicherung, BT Drucks. V/3500, S. 47 ff. 237 Exemplarisch: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler (Hrsg.) (teilweise auch mit verfassungsrechtlicher Argumentation), Privatisierung, passim; J. Steiner, Bankenmacht, passim. 238 So z.B. Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler (Hrsg.), Privatisierung, S. 25 ff. (Förderungsfunktion), S. 50 ff. (Hausbankfunktion), S. 60 ff. (Garantiefunktion und Struktursicherungsfunktion). 239 Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler (Hrsg.), Privatisierung, S. 69 ff. 240 Exemplarisch: J. Steiner, Bankenmacht, S. 121 ff. und passim; Κ Stern / J. Burmeister, Sparkassen, S. 76 ff.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

Wie bereits eingangs der Untersuchung angekündigt, soll diese schlagwortartig als Privatisierungsdiskussion bezeichnete Debatte über die verfassungsrechtliche, verfassungs- und wirtschaftspolitische Legitimation der Landesbanken/Girozentralen hier nicht weiter nachvollzogen werden. Die Existenz der Landesbanken/Girozentralen wird als juristisches Datum akzeptiert. Gegenstand der Untersuchung ist nicht die Existenzberechtigung der Landesbanken/Girozentralen, sondern ihre Existenzbedingungen. Als eine solche wurde bisher erkannt, daß die Landesbanken/Girozentralen ihre Geschäftstätigkeit nach einem öffentlichen Auftrag auszurichten haben, der bestimmten inhaltlichen Anforderungen genügen muß. Damit ist der Weg zu den nun folgenden Erörterungen geebnet. Wie fügt sich dieses wirtschaftlich relevante, auftragsorientierte Geschäft der Landesbanken/Girozentralen in den Kanon der staatlichen Handlungsagenden ein? Nehmen die Landesbanken/Girozentralen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinne wahr? Stellt der öffentliche Auftrag eine unausweichliche Verbindung der kreditwirtschaftlichen Betätigung zu den Ordnungsprinizipien der öffentlichen Verwaltung und damit zu den Grundsätzen des Verwaltungs- und Verfassungsrechts dar? Diese Fragen sind im folgenden zu untersuchen.

5. Die Tätigkeit von Landesbanken/Girozentralen als Verwaltung im materiellen Sinne: Der öffentliche Auftrag als Zuordnungskriterium

Der Umstand, daß die Tätigkeit der Landesbanken/Girozentralen aufgrund ihrer Wettbewerbskorrekturfünktion zumindest auch erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Aspekte umfaßt, ist geeignet, die Kategorisierung ihrer Geschäfte als „Verwaltungstätigkeit" in Zweifel zu ziehen. Die Nähe zu dem Geschäftgebaren der privaten Kreditinstitute verstärkt diese Einschätzung. „Schon lange befinden sich diese Institute in der Abwanderung aus der öffentlichen Verwaltung, der sie einstmals verhaftet waren" 241. Im folgenden soll die Berechtigung dieser Aussage überprüft werden. Dazu ist es zunächst erforderlich, sich vor Augen zu führen, was Verwaltung eigentlich ist und was ihr eigentümliches Gepräge ausmacht.

241

W. Weber, Jur. Jahrb. Bd. 8 (1967/8), S. 137 ff. (156).

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe a) Tafel der Verwaltungsagenden Stellt man sich die Frage, ob und inwieweit Landesbanken/Girozentralen materielle Verwaltungsagenden wahrnehmen, muß vorab geklärt werden 2 4 2 , welche Inhalte verwaltet werden, welche Formen von Verwaltung existieren und von welchen verschiedenen Verwaltungsbegriffen i m allgemeinen ausgegangen w i r d 2 4 3 : Verwaltung im organisatorischen Sinn meint die Verwaltungsorganisation, die aus der Gesamtheit der Verwaltungsträger, Verwaltungsorgane und sonstigen Verwaltungseinrichtungen besteht. Verwaltung im materiellen Sinn ist die Verwaltungstätigkeit, d.h. diejenige Staatstätigkeit, die die Wahrnehmung der Verwaltungsangelegenheiten zum Gegenstand hat. Verwaltung im formellen Sinne ist die gesamte, von den Verwaltungsbehörden ausgeübte Tätigkeit, ohne Rücksicht darauf, ob sie materiell verwaltender Art ist oder nicht. Der Begriff der Verwaltung im organisatorischen Sinn (und der definitorisch daran angeknüpfte Begriff der Verwaltung im funktionellen Sinn) soll hier außer Betracht bleiben. Diese Begriffe stellen allein auf die formale Organisation eines Rechtssubjekts ab, ohne dabei eine inhaltliche Aussage darüber zu treffen, was Verwaltung ist. Eine Zuordnung der Landesbanken/Girozentralen zu dem Bereich der öffentlichen Verwaltung allein aufgrund der publizistischen Organisationsform der Institute soll hier aber unterbleiben. Es mag hier insofern der Hinweis genügen, daß die Verwendung von Organisationsformen der mittelbaren Staatsverwaltung bereits ein Indikator für die Vornahme von materieller Verwaltungstätigkeit durch diese Organisation ist. Andererseits aber lassen die im allgemeinen angeführten Beispiele Kirche, Rundfünkanstalt und Universität zumindest erahnen, daß mit einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform auch Staatsdistanz verbunden sein kann. Im übrigen ist auch der Einwand denkbar, bei der öffentlich-rechtlichen Organisationsform der Landesbanken/Girozentralen handele es sich um einen Fall des staatlichen Formenmißbrauchs, da diese Anstalten keinerlei materielle Verwaltungstätigkeit wahrnähmen 244. Das Interesse muß sich auf den Begriff der Verwaltung im materiellen Sinne konzentrieren. Allein dieser kann inhaltliche Aussagen über die Verwal-

242

Der Untersuchungszusammenhang bringt es dabei mit sich, daß dieses denkbar weit gefaßte Feld, das seinerseits in Monographien, Lehrbüchern und Aufsätzen tiefgründig erforscht wurde, nicht in umfänglicher Breite aufgerollt werden kann. Es kann hier nur darum gehen, einen Überblick soweit zu gewinnen, wie es für die vorliegende Untersuchung von unbedingtem Belang ist. 243 H. Maurer, Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 2 ff; AT. Stern, Staatsrecht Π, § 41 I (S. 731 ff); natürlich ist hier Zusammenhang allein die öffentliche Verwaltung von Interesse. 244 Beispiele für diesen Vorwurf nennt C. Pestalozza, Formenmißbrauch, S. 23.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

tung als Staatstätigkeit treffen. Sein Inhalt erweist sich damit als Schlüssel zu der Frage, inwieweit ein bestimmtes Handlungsprogramm als Verwaltung bezeichnet werden und damit einem entsprechenden öffentlich-rechtlichen Rechtsregime unterworfen werden muß. Die Definitionen dessen, was Verwaltung im materiellen Sinne ist, sind zumeist derart abstrakt und weit gefaßt, daß ihr Erkenntniswert gering bleibt. Mit einer Umschreibung wie „Öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne ist also die mannigfaltige, ko ditional oder nur zweck-bestimmte, also insofern fremdbestimmte, nur teilpla nende, selbstbeteiligt entscheidend ausführende und gestaltende Wahrnehmung der Angelegenheiten von Gemeinwesen und ihrer Mitglieder als solcher durch die dafür bestellten Sachwalter des Gemeinwesens" 245 wird versucht, der Vielgestaltigkeit moderner Verwaltungsagenden gerecht zu werden. Demgegenüber existiert aber auch die resignierende Feststellung, daß Verwaltung im materiellen Sinne nicht definierbar, sondern nur beschreibbar sei 246 . Kritisiert wird auch die Definition der Verwaltung im materiellen Sinne, die sich dem Begriff nur negativ nähern und als Verwaltung alles das bezeichnen wollen, was nicht zu der Sphäre von Gesetzgebung und Rechtsprechung gehört 247 . Das Problem einer solchen Subtraktionsmethode liegt darin, daß der Begriff der Verwaltung in dem der vollziehenden Gewalt aufgeht.

Die angesichts dieser Komplikationen hilfsweise vorgenommene abstraktdeskriptive Einteilung der Verwaltungsagenden, die allesamt Bestandteil der Verwaltung im materiellen Sinne sind, besticht demgegenüber durch ihre Klarheit und Einfachheit. Herkömmlich wird die Verwaltung im materiellen Sinne in die Ordnungs-, die Leistungs- und die Lenkungsverwaltung aufgegliedert 248 . Während die Ordnungsverwaltung die Sicherheit der Bevölkerung mit grundsätzlich hoheitlich zwingenden Mitteln verfolgt, hat die Leistungsverwaltung zum einen durch gezielte Unterstützung einzelner Bedürftiger, zum anderen durch aktive Gestaltung des Lebensumfeldes aller Bürger (Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen) die Qualität der allgemeinen Lebensbedingungen aller zu gewährleisten und zu gestalten. Mit dieser Agende wird der Begriff der Daseinsvorsorge in Verbindung gebracht. Die Lenkungsverwaltung bezweckt die breiter angelegte Förderung und Steuerung ganzer Bereiche des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Neben diese drei wichtigsten Facetten öffentlicher Verwaltungstätigkeit tritt die öffentliche Bedarfsverwaltung, die aber nicht Selbstzweck ist, sondern ihre Berechtigung 245

H. J. Wolff! Ο. Bachof Verwaltungsrecht I, § 2 m (S. 17). E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 1. 247 So z.B. K. Stern, Staatsrecht Π, § 41 m 3 (S. 736 ff). 248 Siehe nur die Übersicht bei H. Faber, Verwaltungsrecht, S. 23; H. Maurer, Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 15 ff 246

1 · Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

in der Bewirtschaftung der Verwaltungsmittel findet, derer die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben (Ordnung, Leistung, Lenkung) bedarf. Zu den Ferwatoflgsagenden scheint als eigenständige Kategorie die der staatlichen Wettbewerbsteilnahme zu stoßen249. Unter diesem Begriff wird die „aktive und unmittelbare Teilhabe des Staates am Wirtschaftsablauf zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken, d.h. zur Erlangung, Produktion oder Verteilung von WirtschaftsgütenT und damit die Teilnahme der öffentlichen Hand am Wirtschaftsverkehr unter Wettbewerbsbedingungen verstanden 250. Bei Zugrundelegung dieses Begriffsverständnisses ist allerdings mit Hilfe des finalen Tatbestandsmerkmals „zw erwerbswirtschaftlichen Zwecken" das Motiv der staatlichen Wettbewerbsteilnahme auf den Bereich beschränkt, der herkömmlicherweise als „erwerbswirtschaftlich-fiskalischer" verstanden wird. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß der Staat hier „wie ein Privater" mit der Absicht der Gewinnmaximierung am Wirtschaftsleben teilnimmt, um sich Einnahmequellen zu erschließen.

Eine der genannten Kategorien spielt bei den weiteren Betrachtungen keine Rolle: Die Landesbanken/Girozentralen sind unter keinem Aspekt Bestandteile der hoheitlichen Eingriffsverwaltung ihres Bundeslandes; hoheitliche (Eingriffs-)Rechte der Landesbanken/Girozentralen gegenüber Dritten existieren nicht. Als interessante, aber keinesfalls systembildende Randnotiz kann die der Bayerischen LB nach Art. 20 ihres Errichtungsgesetzes 251 eingeräumte Möglichkeit gelten, zum Zwecke der Zwangsvollstreckung wegen ihrer privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Geldforderungen und Grundpfandrechte Vollstreckungstitel in Form eines Ausstandsverzeichnisses anzufertigen. Diese Möglichkeit, einen Zugriff auf das Vermögen eines Schuldners in eigener Regie zu schaffen, steht in der Nähe der Verwaltungsvollstreckung, die zwar ihrerseits Eingriffscharakter hat, aber in jedem Bereich verwaltender Tätigkeit zum Zuge kommen kann (z.B. bei Eintreibung von Schulden des gegenleistungspflichtigen Bürgers durch die leistende Verwaltung).

Vor dem Hintergrund dieser Übersicht über den Begriff der Verwaltung, über die hinter ihm stehenden Agenden und über die korrelierenden Organisationsformen kann untersucht werden, inwieweit es sich bei den Landesbanken/Girozentralen um Verwaltungssubjekte handelt, ob und inwieweit das

249

H. H. Klein, Teilnahme, S. 21 f. So die Definition in der heute noch maßgeblichen Monographie: H. H. Klein, Teilnahme, S. 22; siehe auch M Ronellenfitsch, in: HdbStR ΠΙ, § 84 Rn. 1 f. 251 Gesetz über die Errichtung der Bayerischen Landesbank/Girozentrale Juni 1972 (BayGVBl. S. 210). 250

vom 27.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

1

gesamte Spektrum ihrer Geschäftstätigkeit als Wahrnehmung öffentlicher Verwaltung im materiellen Sinne eingestuft werden kann.

b) Die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen als Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne? aa) Die geschäftliche Annäherung an private Wettbewerber Moment?

als befreiendes

Die besondere Schwierigkeit bei Beantwortung der Frage, ob und inwieweit das Geschäft der Landesbanken/Girozentralen Wahrnehmung von Verwaltungstätigkeit ist, liegt in dem Problem begründet, daß die Geschäfte dieser Institute ebenso vielseitig sind wie die Facetten ihres öffentlichen Auftrags 252. Die Zuordnung der Landesbanken/Girozentralen zu dem Bereich der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinne fallt damit aus zwei Gründen nicht ganz leicht. Zum einen scheint das Spektrum der Geschäftssparten zu heterogen, als daß es umfassend gültige Antworten zuließe. Es ist unproblematischer, in der Abwicklung staatlicher Förderprogramme - auch oder gerade dann, wenn sie in eigener Regie der Anstalt erfolgt - eine Agende der Leistungsverwaltung zu entdecken als in der Geschäftsbanktätigkeit der Landesbanken/Girozentralen. Zum anderen sind die Institute als wirtschaftliche Unternehmen den allgemeinen Regeln des Wettbewerbs am Bankenmarkt unterworfen. Sie verhalten sich in nahezu allen Geschäftsbereichen wie ihre privaten Wettbewerber. Hierdurch wird der Blick auf den staatsrechtlichen Gehalt ihrer Handlungen und ihre Position im Gefüge der organisierten Staatlichkeit verdeckt. Diese Entwicklung hat bei den Sparkassen schon vor längerer Zeit eingesetzt: Nicht selten wird den kommunalen Instituten die Eigenschaft als Verwaltungsträger abgesprochen, da sie aus ihrer Funktion als Spareinrichtung für die minderbemittelte Bevölkerung herausgewachsen sind und ihre Geschäftstätigkeit sich derjenigen der privaten Kreditinstitute derart angeglichen hat, daß sie mit diesen im Wettbewerb stehen253. Paul Kirchof geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er aus der Tatsache, daß sich die Sparkassen (gleiches gilt für die Landesbanken/Girozentralen) weitestgehend des Privatrechts zur Abwicklung ihrer Geschäftsbeziehungen bedienen, ablei-

252 253

Siehe hierzu die Beschreibungen auf Seite 42 ff. und Seite 82 ff. Η. H. Klein, Teilnahme, S. 212 f.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe tet, es handele sich bei den kommunalen Instituten um Rechtssubjekte mit einer Doppelnatur von öffentlicher Anstalt und privatrechtlichem Kreditinstitut 254 .

Eine solche Argumentation müßte - wäre ihr denn zu folgen - auf die Landesbanken/Girozentralen in potenzierter Form Anwendung finden: Nicht allein die WestLB ist ein ganz erheblicher Faktor in der deutschen Bankenlandschaft, auch die übrigen großen Landesbanken treten den privaten Instituten nicht ohne ein gewisses Selbstbewußtsein im Wettbewerb entgegen. Als Institute eines ganzen Bundeslandes vermögen sie wesentlich stärker in den kreditwirtschafüichen Wettbewerb einer Region einzugreifen als die (abgesehen von einigen Ausnahmen) im Bundesvergleich oder gar im europäischen Kontext doch recht kleinen kommunalen Sparkassen, die jeweils nur über einen Aktionsradius verfügen, der dem Hoheitsgebiet ihres Gewährträgers entspricht. Wären aber nicht einmal die Sparkassen Träger öffentlicher Verwaltung, so könnte erst recht nicht die die Sparkassen vernetzende Zentralbankfünktion der Landesbanken/Girozentralen als Beleg für deren Eigenschaft als Träger materieller Verwaltung herangezogen werden.

bb) Fördertätigkeit der Landesbanken/Girozentralen als Leistungsverwaltung Eine eindeutig positive Zuordnung der Landesbanken/Girozentralen zur Verwaltung im materiellen Sinne läßt sich ohne weiteres und mit allgemeiner Zustimmung zunächst nur für einen begrenzten Bereich der Geschäftstätigkeit vornehmen: Die Vergabe und Verwaltung von öffentlichen Fördermitteln ist unabhängig davon, ob diese Aufgabe (wie etwa bei der Wohnungsbauforderung) gesonderten teilrechtsfähigen Anstalten zugewiesen ist und auch unabhängig davon, ob und wieviel eigenständigen Spielraum das Institut bei der Vergabe der Mittel hat - ein klassischer Fall der Leistungsverwaltung255. Bei einer treuhänderischen Übernahme der Betreuung von Bundes- und Landesförderprogrammen werden staatliche Förderaufgaben auf die mittelbare Staatsverwaltung verlagert, die ansonsten von den zuständigen ministerialen Ressorts zu bewältigen wären 256 . Daß die Wahrnehmung von Förderaufgaben

25 4

P. Kirchof, DVB1. 1983, S. 921 ff. (921); zur Lehre von der Doppelnatur öffentlicher Unternehmen ausführlich: K. Stern / G. Püttner, Gemeindewirtschaft, S. 64. 255 Zur Kategorie ausführlich: H. Faber, Verwaltungsrecht, §§ 5 Π, 31 ff; siehe auch R. Breuer, in: HdbStR VE, § 148 Rn. 70 ff. 256 K. Heinevetter, SpkG NW, Erl. Nr. 3. 2 zu § 36; W. Rüfher, Formen, S. 171, 202 ff.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

eine Agende der Leistungsverwaltung darstellt, wird insofern, soweit ersichtlich, nicht bestritten 257.

cc) Die Geschäftstätigkeit der Sparkassen als Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen: Daseinsvorsorge als Verwaltung im materiellen Sinne? In den Geschäftsbereichen Girozentrale und Sparkassenzentralbank, die aus historischen Gründen zu den klassischen Kerngeschäften der Institute zählen, ist die Frage nach der Kategorisierung des Geschäfts als Verwaltungstätigkeit, wie oben bereits angedeutet, nur in Zusammenschau mit der Funktion der kommunalen Institute zu ergründen, denen die Landesbanken/Girozentralen im Liquiditätsverbund der Sparkassenorganisation dienen. Die kommunalen Institute werden dabei herkömmlich dem Bereich der Daseinsvorsorge 258 zugerechnet, dessen verfassungsrechtliche Verankerung im Sozialstaatsprinzip erfolgt 259 . Der Topos der Daseinsvorsorge könnte sich mithin als Schlüssel zu der adäquaten Einordnung auch der Landesbanken/Girozentralen mit Blick auf die Geschäftsbereiche Girozentrale und Sparkassenzentralbank erweisen. Die Institute könnten dabei (auch und gerade in ihrer Eigenschaft als am allgemeinen Wettbewerb beteiligte Kreditinstitute), zumindest soweit sie im Verbund mit den kommunalen Sparkassen und zu deren Unterstützung tätig werden, als Instrumente der staatlichen Daseinsvorsorge einzustufen sein. In einem zweiten Schritt wäre dann zu untersuchen, inwieweit allein aus diesem Umstand eine Einordnung als Verwaltungsträger abzuleiten ist, inwieweit der Begriff der Daseinsvorsorge also Rechtsfolgen nach sich zieht. Probleme entstehen hier allerdings auf zwei Ebenen: Zum einen könnte die Zugehörigkeit der Landesbanken/Girozentralen zu dem Bereich der staatlichen Daseinsvorsorge mit denselben Argumenten bestritten werden wie die Zugehörigkeit der Sparkassen zu dem Bereich der kommunalen Daseinsvor-

257

Auf diesen Umstand wurde auch im Fall Poullain maßgeblich abgestellt, in dem der Vorstand der WestLB als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit c eingestuft wurde: BGH NJW 1983, S. 2509 (2510 f.); ähnlich schon zuvor OLG Hamm DVB1. 1981, S. 228 ff. (229) m. abl. Anm. J. Oebbecke. 258 J. Burmeister, Sparkassen, Fn. 13; Zum Begriff: H.H. Klein, Daseinsvorsorge, Sp. 1 ff ; W. Rüfner, in: HdbStR ΠΙ, § 80 Rn. 17. 259 R. Herzog, in: MDHS Rn. 12 zu Art. 20 / Vm.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

4

sorge 2 6 0 . Zum anderen ist die Zuordnungsfunktion des Begriffs der Daseinsvorsorge umstritten. Die pauschale Gleichsetzung von Daseinsvorsorge und öffentlicher Verwaltung im materiellen Sinne wird beanstandet 261 .

(1) Daseinsvorsorge nur bei Fehlen privatwirtschaftlicher Konkurrenz? Der Begriff der Daseinsvorsorge wurde von Ernst Forsthoff entwickelt. Er kennzeichnet die unmittelbare Zuwendung von Leistungen und Vorteilen an den einzelnen durch die Verwaltung, gleichgültig in welcher Rechtsform 262. Die wissenschaftliche Durchdringung der Daseinsvorsorge diente dazu, die Ausdehnung der Staatsverwaltung auf das Gebiet der Wohlfahrtspflege nachzuvollziehen, die Folge des Umstandes war, daß der tatsächlich beherrschte Lebensraum des einzelnen im Gegensatz zum effektiven Lebensraum kontinuierlich geschrumpft war. Die Daseinsvorsorge wird indes heutzutage nur als derjenige Ausschnitt aus dem gesamten Spektrum der Wohlfahrtspflege begriffen, der sich der Sorge um den einzelnen Bürger widmet 263 . Nachdem auf die unbedingte „Lebens- oder Existenznotwendigkeit" der dargebotenen Leistungen als Kennzeichen für das Vorliegen einer daseinsvorsorgerischen Agende verzichtet wurde 2 6 4 , gilt nunmehr das Bestehen einer Konkurrenzlage zwischen staatlicher und privater Wirtschaft als negatives Tatbestandsmerkmal der Daseinsvorsorge, da der Bürger in diesem Falle nicht auf die Leistung der Verwaltung angewiesen i s t 2 6 5 . Überzeugte diese Behauptung, wäre eine Zuordnung der öffentlichen Banken (der Landesbanken/Girozentralen allemal) zu dem Bereich der Daseinsvorsorge ausgeschlos-

260

Dabei muß allerdings beachtet werden, daß auch hier die eigentliche Frage nach der dogmatisch befriedigenden Kategorisierung staatlicher Wettbewerbsteilnahme nur um eine Stufe „nach unten" verlagert wird, da die Sparkassen auf kommunaler Ebene auch als Geschäftsbanken mit öffentlichem Auftrag tätig sind. 261 Siehe nur Κ Stern / G. Püttner, Gemeindewirtschaft, S. 59 f. 262 Ausgangspunkt war die Schrift E. Forsthoffs über „Die Verwaltung als Leistungsträger", 1938, die der im Jahre 1959 erschienen Untersuchung über „Rechtsfragen der leistenden Verwaltung" ganz maßgeblich zugrundeliegt (Wiederabdruck auf den S. 22 ff.). Hierzu H. H. Klein, Teilnahme S. 16 ff.; ders., Art. „DaseinsVorsorge, Leistungsverwaltung", EvStL I; W. Rüfner, Formen, S. 139 f.; sehr kritisch V. Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 95 ff. 263 W. Rüfner, in: HdbStR ΙΠ, § 80 Rn. 3 ff. 264 So schon E. Forsthoff,\ Rechtsfragen. S. 12. 265 H. H. Klein, Teilnahme, S. 18 f. unter Hinweis aus E. Forsthoff, Rechtsfragen, S. 38.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben sen, da die öffentlichen Institute i n weiten Bereichen ihrer Geschäftstätigkeit in einem heftigen Wettbewerb mit privaten und genossenschaftlichen Banken stehen. Von einer unbedingten und aktuellen Verwiesenheit aller Bürger auf die Leistungen der öffentlichen Banken kann zur Zeit damit weder auf der kommunalen Ebene der Sparkassen noch auf der Ebene der Landesbanken/Girozentralen ernsthaft die Rede sein 2 6 6 . Die Tatsache, daß die öffentlichen Institute einen 50 %-igen Umsatzanteil an dem wettbewerbsintensiven bundesdeutschen Bankenmarkt innehaben 267 , dürfte kaum allein ihre Ursache in einem akuten Bedarf nach fordernder, aushelfender oder subventionierender Tätigkeit finden. Angesichts dieses Umstandes wäre damit nicht nur der daseinsvorsorgende Charakter des allgemeinen Geschäftsbankbereichs der Landesbanken/Girozentralen, sondern zugleich auch deren Verbundaufgaben als Sparkassenzentralbanken und Clearingstellen der kommunalen Sparkassen abzulehnen. Unterstellt, diese nähmen aufgrund der - auch auf kommunaler Ebene zu beobachtenden - privaten und genossenschaftlichen Konkurrenz keine daseinsvorsorgerischen Aufgaben (mehr) wahr, müßte sich diese Tatsache zwangsläufig auch auf die insofern notwendigerweise akzidentielle Kategorisierung der Landesbanken/Girozentralen auswirken. Aus deren Unterstützungs-, Ausgleichs- und Zentralbankfunktion gegenüber den Sparkassen, folgte dann, daß die Landesbanken/Girozentralen „erst recht" nicht mehr daseinsvorsorgerisch tätig sind. Es bestehen aber berechtigte Zweifel an dem Erfordernis der „Konkurrenzlosigkeit" als Tatbestandsmerkmal daseinsvorsorgerischer Tätigkeit des Staates 268 . Grundidee der Daseinsvorsorge ist, daß eine staatliche Verantwortlichkeit dafür besteht, Güter und Dienstleistungen zur Verfügung 266 Zu der momentanen Präsenz der Geschäfts- und Genossenschaftsbanken in den klassischen Geschäftsbereichen der Sparkassenorganisation siehe Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler (Hrsg.), Privatisierung, S. 38 und S. 60. 267 Siehe zu dem Folgenden nur die Bilanzen und Berichte der Landesbanken/Girozentralen 1994, in ZfK 1995, S. 819 ff. Unter Außerachtlassung z.B. der Institute des Bundes für den Sparkassensektor (Sparkassen und Landesbanken) ergab sich im Jahre 1994 ein Marktanteil von 38,3 % gegenüber 37,7 % (1993) bzw. 36,6 % (1992) des deutschen Bankensektors. 268 Die Befürworter dieses Tatbestandsmerkmals haben den großen Vorteil auf ihrer Seite, sich auf den „Entdecker" der Daseinsvorsorge, E. Forsthoff, berufen zu können, der erstmals in der 1959 erschienen Erweiterung seiner ursprünglichen Schrift (1938) die Komplementärfunktion der Daseinsvorsorge betont, „da die Gesellschaft heute wieder in weitem Umfang die Aufgabe übernommen hat, das individuelle Dasein zu sichern" (Rechtsfragen, S. 19 ff). Ziel dieser Einschränkung war es, daseinsvorsorgerischen Unternehmen die sog. „Marktfunktion" abzusprechen, um sie damit dem Anwendungsbereich des GWB zu entziehen (so zumindest die Ansicht von V. Emmeneh, Wirtschaftsrecht, S. 97).

6

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

zu stellen, soweit diese für den einzelnen lebens- oder existenznotwendig sind. Doch kann daseinsvorsorgerische

Tätigkeit

in dem beschriebenen Sinn nicht

auf eine Komplementärfunktion beschränkt bleiben. Dies läßt sich besonders im Bereich der Kreditwirtschaft belegen. Aufgaben und Funktionen der öffentlichen Kreditwirtschaft sind durch die Angewiesenheit der Allgemeinheit auf die kontinuierliche Existenz des staatlichen Bankenwesens gekennzeichnet, auch wenn die meisten potentiellen Bankkunden zur Zeit zwischen öffentlichen und privaten Anbietern wählen können 269 : Allein die ständige Präsenz des Staates in der Kreditwirtschaft gewährleistet die nachhaltige Verwirklichung des hierdurch angestrebten öffentlichen Zwecks - und sei es auch nur aufgrund des durch die Präsenz ausgeübten mittelbaren Drucks auf die Konkurrenz, die dann ihrerseits versuchen muß, die öffentliche Kreditwirtschaft überflüssig werden zu lassen. Insofern profitiert auch derjenige Bankkunde mittelbar von der Existenz der öffentlichen Banken und Sparkassen, der in seiner aktuellen Situation nicht auf deren Dienstleistungen angewiesen ist. Zieht sich der Staat indes aus einem ehemals von ihm gestalteten Bereich (hier: der Kreditwirtschaft) zurück, da private Konkurrenten diesen zuvor allein von der öffentlichen Hand besetzten Geschäftsbereich nunmehr auch für sich entdeckt haben, so müßte dieser Rückzug regelmäßig endgültiger Natur sein, selbst wenn ein staatliches Engagement zu einem späteren Zeitpunkt wieder erforderlich würde. Ein den Wellen der konjunkturellen Entwicklung folgendes ständiges Hin und Her der öffentlichen Hand zwischen Engagement und Zurückhaltung dürfte zum einen nicht finanzierbar, zum anderen aber auch aus vielen praktischen Gründen undurchführbar sein. Zögen sich Bund, Länder und Gemeinden aus der Kreditwirtschaft zurück, so würde sich dies in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität voraussichtlich nicht nachhaltig bemerkbar machen. Sind einzelne Bürger, private oder öffentliche Vorhabenträger aber in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten dringend auf die Bereitstellung einer umfassenden kreditwirtschaftlichen Versorgung angewiesen, so kann es den privaten Banken nicht verwehrt werden, ihre Mittel vorzugsweise dort einzusetzen, wo sich größere Renditen anbieten. Sie dürfen legitimerweise eigene wirtschaftliche Interessen über die Bedürfnisse des Gemeinwohls stellen. Angesichts der eminenten Bedeutung der Kreditwirtschaft für das Funktionieren eines modernen Staates und seiner Gesellschaft kann aber eine solche Rückzugssituation unübersehbar negative Folgen haben. Ohne verläßliche und dauerhafte Finanzierungsquelle aber kann ein modernes, staatlich organisiertes Gemeinwesen angesichts der ständig wachsenden Staatsverschuldung ebensowenig existieren wie der einzelne Bürger in seiner Abhängigkeit von der gesamtwirtschaftlichen Situation.

269

K. Stern / J. Burmeister, Sparkassen, S. 60.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

Hier ist die öffentliche Hand gefordert. Die öffentlichen Banken nehmen somit nicht zuletzt eine Reservefunktion ein. Diese hat zur Folge, daß der öffentliche Auftrag zu schwierigen Zeiten stärker in den Vordergrund der Geschäftstätigkeit rücken muß als in Zeiten funktionierender wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und reichlich vorhandener Liquidität in der Kreditwirtschaft, die es erlaubt, auch weniger attraktive Geschäftsfelder zu bedienen. Im übrigen darf nicht verkannt werden, daß die den Landesbanken/Girozentralen als Staatebanken gemachte Vorgabe, die Wirtschaftspolitik des Landes zu unterstützen 270, einer privaten Bank zu keiner Zeit zumutbar wäre. Zudem wäre es kaum wünschenswert, daß Staat und Gemeinden in eine zu feste Abhängigkeit von der privaten Kreditwirtschaft gerieten, deren Wettbewerber in erster Linie den eigenen Eigentümern und deren Gewinnerwartungen unterworfen sind. Eine Beschränkung auf „konkurrenzlose" Komplementärwirtschaft ist daher unter diesem Gesichtspunkt mit dem eigentlichen Ziel der Daseinsvorsorge, der dauerhaften Sicherung von Strukturen und Rahmenbedingungen, auf die der einzelne Bürger und das gesamte Gemeinwesen ständig angewiesen sind, nicht zu vereinbaren. Soweit ein Bankkunde zur Zeit nicht auf die unmittelbar zuwendende Leistung der öffentlichen Kreditinstitute angewiesen ist, ist es dennoch denkbar, daß er zumindest mittelbar von den strukturformenden Auswirkungen profitiert, die die Marktpräsenz des Staates nach sich zieht, soweit er nicht einem Kundenkreis angehört, der in jedem Falle eine interessante Gewinnmarge für die privaten Institute garantiert. Somit sorgt die öffentliche Kreditwirtschaft - selbst bei Fehlen unmittelbarer geschäftlicher Berührungspunkte - für den einzelnen Kunden, der potentiell auf ihre Leistungen angewiesen ist. Wird dieser Ansicht entgegengehalten, der Begriff der Daseinsvorsorge drohe konturenlos zu werden, so führt dies schon zu dem zweiten der oben genannten Einwände gegen die Daseinsvorsorge als Zuordnungsmerkmal, der von dem soeben erörterten Problem streng zu trennen ist: Können aus der Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu dem Bereich der „Daseinsvorsorge" Rechtsfolgen abgeleitet werden? Der Begriff der Daseinsvorsorge bedarf immerhin nur dann der genauen Kontur, wenn er nicht allein soziologisch oder deskriptiv verwendet wird.

270

7 Becker

Siehe z.B. § 26 Abs. 4 S. 1 SpkG Rh.-Pf.

1 · Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

(2) Die Problematik einer Gleichsetzung von Daseinsvorsorge und Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne Einige Autoren sind hinsichtlich des rechtswissenschaftlichen Wertes des Begriffs der Daseinsvorsorge skeptisch271. Ausgangspunkt dieser Zweifel ist die Feststellung, daß die Versorgung der Bevölkerung mit knappen Gütern und Dienstleistungen auch Kennzeichen privater Wirtschaftstätigkeit sein kann; das soziale, nicht auf Gewinnmaximierung fixierte Motiv ist kein Privileg der öffentlichen Hand 272 . Eine Zuordnung zu dem Bereich der öffentlichen Verwaltung über den Begriff der Daseinsvorsorge sowie allein auf der Grundlage des gesetzlich normierten Verzichts auf Gewinnmaximierung und der daraus ableitbaren Auftragsorientierung der Institute vermag also schon deswegen nicht durchzugreifen, weil das Phänomen der auftrags-, nicht gewinnorientierten Versorgungseinheit auch aus dem privaten, gesellschaftlichen Bereich geläufig ist. Im Bereich des bundesdeutschen Krankenhauswesens existiert beispielsweise das Phänomen des von Grundrechtsträgern (v.a. Kirchen) gemeinwirtschaftlich betriebenen Krankenhauses, das sich (auf freiwilliger Grundlage) primär aufgabenorientiert der unmittelbaren Bedarfsdeckung widmet, auf eine Gewinnmaximierung verzichtet und anfallende Gewinne wieder in die Aufgabenwahrnehmung investiert 273 .

Im übrigen ist selbst eine gewinnorientierte Wirtschaftsteilnahme in gewisser Weise „sozialnützlich", da auch sie menschliche und gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigt. Ihr kommt ebenfalls Versorgungsfünktion zu. Hier zeigt sich, daß der überkommene Begriff der Daseinsvorsorge allein als Beschreibung eines Motivs verwendet wird. Der Träger des Motivs, der hinter ihm stehende Akteur, erscheint austauschbar. Auf diese Weise verschwimmt der Begriff der Daseinsvorsorge tatsächlich. Rechtsfolgen, wie etwa die Zuordnung eines bestimmten Handelns zu dem Bereich der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinne, sind aus ihm nicht mehr abzuleiten. Er hat dann nur noch soziologische, schlagwortartige Bedeutung274.

271

So etwa J. Backhaus, Unternehmen, S. 104 f.; H. Fischerhof, DÖV 1960, S. 41 ff; G. Püttner, Unternehmen, S. 31 f.; K. Stern / G. Püttner, Gemeindewirtschaft, S. 58 ff; W. Rüfner, Formen, S. 138 ff; H. Siedentopf, Grenzen, S. 52 f.; von anderer Warte und mit anderer Zielsetzung auch V. Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 150 ff 27 2 K. Stern / G. Püttner, Gemeindewirtschaft, S. 59 ff 27 3 O. Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 89 ff; Hieizu allgemein K. Stern / G. Püttner, Gemeindewirtschaft, S. 60 f. 274 G. Püttner, Unternehmen, S. 31.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

Es ist daher für die Herleitung rechtlicher Schlußfolgerungen erforderlich, die Perspektive zu wechseln. Die Identität des daseinsvorsorgenden Rechtssubjekts, nicht aber seine Handlungsmotivationen oder die objektiven Erscheinungsformen seiner Handlungen, ist der entscheidende Faktor.

(3)

Staatliche Wettbewerbsteilnahme als KomplementärbegrifF zur Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne?

Damit spitzt sich die Untersuchung auf die Frage zu, ob auftragsorientierte staatliche Konkurrenzwirtschaft im Stil der Landesbanken/Girozentralen eine Tätigkeit ist, die noch als Verwaltung im materiellen Sinne bezeichnet werden kann oder ob die Einbeziehung kaufmännischer, Wettbewerbs- und damit partiell gewinnorientierter Betätigung öffentlicher Kreditinstitute insgesamt nicht zu einer zu großzügigen Handhabung dieser Kategorie führt 275 . Diese Frage läßt sich am einleuchtendsten mit einer negativen Ausgrenzung beantworten: Wenn es sich bei der hier zur Diskussion stehenden Tätigkeit der Landesbanken/Girozentralen nicht um Verwaltungstätigkeit handelte, so müßten sie einer anderen Kategorie des Staatshandelns zugeordnet werden. Als eine solche kommt allein die der staatlichen Wettbewerbsteilnahme in dem oben definierten Sinne (aktive und unmittelbare Teilhabe des Staates am Wirtschaftsablauf zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken, d.h. zur Erlangung, Produktion oder Verteilung von Wirtschaftsgütern 276) in Betracht. Die staatliche Wettbewerbsteilnahme ist damit durch eine potentielle Möglichkeit zur Gewinnermaximierung gekennzeichnet, so daß eine Unterordnung der Gewinnmaximierungsabsicht unter andere Handlungsmotive nicht ausgeschlossen ist: Soll staatliche Wettbewerbsteilnahme dadurch geprägt sein, daß der Staat „wie ein Privater" an dem allgemeinen Wirtschaftsverkehr teilnimmt, so muß ihm auch - ebenso wie dem Privaten - die Berechtigung zur Modifikation seiner Gewinnerzielungsabsicht zugestanden werden, ohne daß die Zuordnung seines Handelns zu der Kategorie der (staatlichen) Wettbewerbsteilnahme dadurch prinzipiell in Frage gestellt würde.

Dieser Topos der staatlichen Wettbewerbsteilnahme ist allerdings als Gegenbegriff zur Wahrnehmung materieller Verwaltungsagenden277 nicht un-

27 5

U. Twiehaus, Kreditinstitute, S. 134. So die Definition in der heute noch maßgeblichen Monographie: Η. H. Klein, Teilnahme, S. 22; siehe auch M Ronellenfitsch, in: HdbStR ΠΙ, § 84 Rn. 1 f. 277 So vor allem V. Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 98 ff, und passim; H.H. Klein, Teilnahme, S. 202 und passim. 276

7*

100

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

problematisch. Die verfassungsrechtliche Legitimation der Kategorie staatlicher Wettbewerbsteilnahme neben der der Verwaltung im materiellen Sinne erscheint zweifelhaft, da ihre Eigenständigkeit auf der Prämisse aufbaut, daß der Staat „wie ein Privater" mit der Absicht der Gewinnmaximierung tätig werden kann. In diesem Zusammenhang muß daher die Frage gestellt werden, ob der Staat und seine Untergliederungen überhaupt aus rein erwerbswirtschaftlichen, auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Gründen am allgemeinen Wirtschaftsverkehr teilnehmen darf. Darf das rein erwerbswirtschaftliche Motiv legitimer Inhalt des öffentlichen Auftrags sein? Dann wäre es tatsächlich recht schwierig und auch im Ergebnis nur schwer nachvollziehbar, die öffentlichen Kreditinstitute aufgrund des öffentlichen Auftrags von den privaten und genossenschaftlichen Banken abheben zu wollen. Die Möglichkeit einer Gewinnmaximierung würde den öffentlichen Auftrag als zentrales und wegweisendes Kennzeichen der Geschäftstätigkeit von Landesbanken/Girozentralen entwerten, da eine materielle Unterscheidung zwischen privater, grundrechtsgeschützer Tätigkeit und der Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb nicht mehr möglich wäre. Es kann zwar schwerlich geleugnet werden, daß es dem Gemeinwesen und seinen steuerbelasteten Einwohnern auf den ersten Blick kaum schaden würde, wenn die Gebietskörperschaften nicht allein auf Einnahmen aus den hoheitlichen Abgaben angewiesen wären, sondern ihren Haushalt auch durch Erwerbstätigkeit sanieren könnten. Während sich die Abgabenerhebung immerhin vor den Grundrechten der Abgabenschuldner behaupten muß, wird eine staatliche Wettbewerbswirtschaft demgegenüber nicht selten für grundrechtlich irrelevant gehalten278. Es ist nur schwer vertretbar, das reine Erwerbsmotiv schon auf der begrifflichen Ebene aus dem Kanon denkbarer öffentlicher Zwecke auszuschließen. Die Frage ist auch nicht, ob dieses Motiv ein öffentlicher Zweck im hier relevanten Sinne sein kann, sondern vielmehr, ob dieses Motiv ein öffentlicher Zweck im hier relevanten Sinne sein darf. Wie bei jedem anderen öffentlichen Zweck kann dies allein aus der Verfassung ermittelt werden. Auch hier muß daher die Legitimität eines öffentlichen Zwecks aus Vorschriften der Verfassung oder zumindest aus einer Gesamtschau der Verfassungsordnung ermittelt werden. Nach einer sich mehr und mehr durchsetzenden Ansicht ergibt sich aus einer solchen Analyse, daß Gewinnerzielung für sich genommen und ohne die Verfolgung anderer Zwecke, anders als die bloße Gewinnmitnahme gelegentlich sonstiger Verwaltungstätigkeit, prinzipiell kein legitimer öffentlicher

27 8

H.H. Klein, Teilnahme, S. 111 ff.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

101

Zweck sein kann 279 . Zwar läßt sich eine nach wie vor überwiegende Ansicht in Wissenschaft 280 und Rechtsprechung281 für die Zulässigkeit der rein erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit des Staates nachweisen. Diese beruft sich in erster Linie auf historische Argumente, kann zudem aber auch auf positive verfassungsrechtliche Anhaltspunkte (insbesondere in den Art. 110 und 134 f. GG) verweisen. Dennoch haben in den letzten Jahren mehr und mehr die Argumente deijenigen Autoren an Überzeugungskraft gewonnen, die der allein auf Gewinnerzielung angelegten Teilnahme des Staates an dem allgemeinen Wirtschaftsverkehr die grundgesetzliche Berechtigung prinzipiell absprechen und sie als Systemwidrigkeit auf den Status einer überkommenen Randerscheinung zurückdrängen 282. Die überkommene Ansicht von der grundsätzlichen Zulässigkeit primär gewinnorientierter staatlicher Wettbewerbstätigkeit entbehrt tatsächlich der Überzeugungskraft. Die oben genannten verfassungsrechtlichen Vorschriften erwähnen die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit allein in kompetenzrechtlichem Zusammenhang; sie erfahrt hierdurch keineswegs eine positive Regelung oder gar eine Gewährleistung. Das Grundgesetz greift in den genannten Kompetenzvorschriften lediglich vorgefundene Verwaltungsphänomene auf, die es toleriert, nicht aber sanktioniert 283. Dies hat seinen guten verfassungsrechtlichen Grund: Der Staat des Grundgesetzes ist Steuerstaat284. Der allgemeine Finanzbedarf der öffentlichen Hand wird durch Steuererhebung gedeckt. Steuern bilden die Haupteinnahmequelle des Staates und der sonstigen öffentlichen Rechtssubjekte. Andernfalls wären die ausführlichen Regelungen des Grund-

279

G. Düng, in: MDHS, Rn. 52 zu Art. 2 Abs. 1; D. Ehlers, Privatrechtsfoim, S. 93 ff.; KH Friauf, in: HdbStR IV, § 90 Rn. 47; K Grupp, ZHR 140 (1976), S. 367 ff. (38 V; H.P. Ipsen, NJW 1963, S. 2102 (2107); J. Isensee, DB 1979, S. 145 ff. (147); ders., FS H.P. Ipsen, S. 409 ff. (431 ff.); ders., in: HdbStR m, § 57 Rn. 172, Bd. IV § 98 Rn. 192; P. Kirchof, in: HdbStR IV, § 88 Rn. 309 ff.; H. Krüger, Staatslehre, S. 327 f. und 897; M. Ronellenfitsch, in: HdbStR ΠΙ, § 84 Rn. 40 ff.; KA. Schachtschneider, Staatsunternehmen, S. 321; B. Schmitz, Unterscheidung, S. 123 ff.; Κ Stern! J. Burmeister, Sparkassen, S. 136. 280 BVerfGE 39, 329 (336); BGH NJW 1974, 1333 f. (1333). 281 V. Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 86 ff.; J. Hidien, Gemeindliche Betätigungen, S. 71 Fn. 11 mit ausführlichen Literaturhinweisen; H.H. Klein, Teilnahme, S. 142; G. Püttner, Unternehmen, S. 197 ff.; W. Rüfner, Formen, S. 144 ff. und 211 ff. jew. m.w.N. 282 So die oben nachgewiesenen Autoren. 283 J. Isensee, DB 1979, S. 145 ff. (147). 284 J. Isensee, FS Η. P. Ipsen, S. 409 ff. (420 ff.); K. Vogel, in: HdbStR I, § 27 Rn. 69 ff.

102

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

gesetzes in dem Abschnitt über das Finanzwesen nicht verständlich. Ließe man eine ungezügelte erwerbswirtschaftliche Tätigkeit aller staatlichen Rechtsträger zu, könnten die sorgfaltig austarierten Vorschriften über die Erhebung, Verteilung und Verwaltung der Steuern unterlaufen werden. Deren Regelungsziel, eine angemessene, gerechte und den zugewiesenen staatlichen Aufgaben entsprechende Finanzausstattung aller Gebietskörperschaften, ließe sich angesichts einer finanziellen Selbstbedienung staatlicher Stellen durch ungezügelte Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb nicht mehr verwirklichen. Die grundsätzliche verfassungsrechtliche Exklusivität der Steuer als allgemeines Finanzierungsmittel des Staates ist auch dort bereits anerkannt, wo es gilt, der Erfindung steuerparalleler Finanzierungsmittel (Gebühren, Sonderabgaben) vorzubeugen, die die Ausgeglichenheit der Finanzverfassung zu unterlaufen drohen 285. Ein weiteres kommt hinzu: Staatliche Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb führt zu einer Okkupierung bestimmter Marktanteile durch die öffentliche Hand und damit zu einer Abschöpfung von Umsätzen, die zumindest in Teilen sonst von Privaten getätigt werden könnten 286 . Soweit die hier erzielten Gewinne in den Haushalt der wirtschaftenden Gebietskörperschaft eingestellt werden, liegt darin ein Verstoß gegen den allgemein anerkannten Grundsatz der Lastengleichheit287 bei der Finanzierung der allgemeinen Staatstätigkeit288. Werden von einer als „Marktteilnehmer" in einem bestimmten volkswirtschaftlichen Segment beschreibbaren Gruppe von Grundrechtsträgern gewisse Anteile ihres potentiellen Einkommens infolge einer konkurrierenden und verdrängenden Tätigkeit der öffentlichen Hand abgeschöpft, so wird diese Gruppe insgesamt stärker als andere gesellschaftliche Gruppen für die Finanzierung der allgemeinen Staatstätigkeit in die Pflicht genommen. Auf diese Weise werden nicht allein die kompetenziellen Grenzen der Finanzverfassung unterlaufen, sondern auch die in Art. 3 GG verwurzelten Grundsätze der Lastengerechtigkeit in Frage gestellt. Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, daß das Grundgesetz die bei seiner Entstehung vorgefundenen, rein erwerbswirtschaftlichfiskalischen Tätigkeiten der öffentlichen Hand zwar akzeptiert, sich ihrer

285

J. Burmeister ! F. Becker, DVB1. 1996, S. 651 ff. (652 f.). Dies gilt natürlich nur in den Bereichen, wo der Staat in echte Konkurrenz zu der Privatwirtschaft tritt. Nicht erfaßt sind damit Marktsegmente, in denen der Staat aktiv wird, weil sie für die Privatwirtschaft unattraktiv sind (ein Motiv, das die Geschichte der kommunalen Sparkassen geprägt hat). In diesen Fällen kann dann auch keineswegs mehr von rein erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit die Rede sein. Vielmehr schiebt sich hier vielmehr das daseinsvorsorgerische Motiv in den Vordergrund. 287 Zur Kategorie der Lastengleichheit: P. Kirchof in: HdbStR IV, § 88 Rn. 227 ff. 288 Ρ Kirchof, in: HdbStR IV, § 88 Rn. 46. 286

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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Ausdehnung aber aus guten Gründen widersetzt. Gewinnerzielung allein kann also kein legitimer Zweck staatlicher Wettbewerbsteilnahme sein. Diese Beschränkung des Motivs für staatliche Teilnahme am allgemeinen Wettbewerb ist damit das Charakteristikum des öffentlichen Auftrags, in dem sich ein fundamentaler Unterschied zwischen öffentlicher und privater Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb andeutet. Eine Teilnahme der Verwaltung am allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb um der bloßen Gewinnerzielung willen fügt sich prinzipiell nicht in das System des Grundgesetzes ein. So kann die Tätigkeit der Verwaltung zwar in dem Sinne erwerbswirtschaftlicher Art sein, daß sie in einem Marktsegment erfolgt, in dem sich auch erwerbswirtschaftlich orientierte private Konkurrenten bewegen; diese Tätigkeit kann darüber hinaus auch mit typisch erwerbswirtschaftlichen Instrumenten (Privatrecht) wahrgenommen werden. Allerdings dürfen mit dieser staatlichen Tätigkeit keine typisch erwerbswirtschaftlichen Motive (Gewinnmaximierung) verfolgt werden. Staatliche Wettbewerbsteilnähme ist nicht mit der Wettbewerbsteilnahme Privater zu vergleichen, sie muß sich aus verfassungsrechtlichen Gründen stets mit Motiven berühren, die bestimmten, nicht der bloßen Gewinnerzielung gewidmeten Verwaltungsagenden zugeordnet werden können. Hierbei kann es sich beispielsweise um daseinsvorsorgerische, struktur- oder arbeitsmarktfördernde Motive handeln. Daraus ergibt sich, daß staatliche Wettbewerbsteilnahme nicht eine besondere und eigenständige Kategorie staatlichen Handelns ist, sondern vielmehr eine Facette des Verwaltungshandelns, mit der bestimmte, über die bloße Wettbewerbsteilnahme hinausgehende Zwecke verfolgt werden müssen. Als solche kommen alle diejenigen Zwecke in Betracht, die auch mit hoheitlichen Mitteln verfolgt werden könnten: Daseinsvorsorge, Lenkung, Struktursicherung, Monopolkontrolle. Es wurde beanstandet, eine solche Argumentation führe dazu, daß es, abgesehen von verfassungsrechtlich vorgesehenen Fällen, schlechthin keine erwerbswirtschaftlich-fiskalische Tätigkeit der öffentlichen Hand mehr geben könne 289 . Diese Erkenntnis ist aber nicht nur das bedauernswerterweise hinzunehmende, sondern ist im Gegenteil das allein angestrebte Ergebnis unserer Überlegungen. Dies gilt zumindest so lange, wie unter der Chiffre „erwerbswirtschaftlich-fiskalische Tätigkeit" eine staatliche Wettbewerbsteilnahme verstanden wird, deren einziges Motiv die Sanierung des Staatshaushaltes, die Entlastung des Steuerzahlers auf Kosten eines bestimmten Wirtschaftszweiges und damit der Erwerbszweck ist.

289

So J. Oebbecke in seiner abl. Anm. zu OLG Hamm DVB1. 1981, S. 228 ff., ebda. S 231.

4

(4)

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

Staatliche Wettbewerbsteilnahme als Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne

Bei der Beantwortung der Frage, ob diese Erkenntnisse eine durchgehende Gleichsetzung staatlicher Wettbewerbsteilnahme mit der Kategorie der Verwaltung im materiellen Sinne begründen, muß folgendes in Betracht gezogen werden. Bei der Verwaltung im materiellen Sinne handelt es sich um eine Staatsfünktion. Sie ist ebensowenig wie der Staat selber dazu verpflichtet, einem überkommenen Bild zu entsprechen, um Identität und Legitimation zu bewahren. Die Anforderungen, mit denen der Staat konfrontiert wird, sind einem steten Wandel unterworfen. Die Instrumente, derer er sich zu der Bewältigung dieser Anforderungen bedient, müssen sich diesem Wandel anpassen können. Großvolumige Wirtschaftszweige lassen sich nicht allein und ohne weiteres „von oben", mit Befehl und Zwang dirigieren. Nicht selten ist der Markt stärker als der Staat. Allein die Tatsache, daß bei den Landesbanken/Girozentralen flachere Hierarchiestrukturen als in einer herkömmlichen Behörde zu beobachten sind, daß das Bankgeschäft nicht mit den Formen der Verwaltungsbürokratie, sondern nach bankwirtschaftlichen Grundsätzen mit einem kaufmännischen Rechnungswesen betrieben wird, vermag diese Institute nicht aus den Reihe der Träger materieller Verwaltungsaufgaben auszugliedern. Landesbanken/Girozentralen sind keine Behörden, Ämter oder Verwaltungsstellen im klassischen Sinne und können, schon aufgrund ihrer rechtlichen Verselbständigung, organisationsrechtlich nicht Stellen der landesunmittelbaren Verwaltung sein. Gerade aber die mittelbaren Träger der Staatsverwaltung sind bei der Wahrnehmung der ihnen staatlicherseits durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben in Durchführung und Organisation flexibler als dies der doch wenig renommierte Begriff der Verwaltung glauben läßt. Die Tätigkeit der Landesbanken/Girozentralen (unter Ausklammerung der eindeutig der Leistungsverwaltung zuzuordnenden Förderfunktion) muß dabei unter dogmatischen Gesichtspunkten in zwei Aspekte aufgespalten werden, die einander allerdings überschneiden. Der Kontakt der Landesbanken/Girozentralen mit dem privaten Kunden ist Bestandteil einer Daseinsvorsorge. Hierbei handelt es sich um eine leistungsverwaltungsrechtliche Agende. In dieser wirtschaftlichen Tätigkeit, deren Nutznießer der einzelne Bankkunde ist, liegt zugleich eine Wettbewerbs- und struktursichernde Motivation, die der Summe aller aktuellen und potentiellen Bankkunden ebenso zugute kommt wie der gesamten Volkswirtschaft. Diese beiden öffentlichen Zwecke (Versorgung und Struktursicherung) sind - obschon argumentativ voneinander zu trennen - zusammenwirkende Bestandteile des öffentlichen Auftrags der Lan-

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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desbanken/Girozentralen. Leistungsverwaltung, die allein deswegen betrieben wird, um dem Bürger direkt einen Vorteil zuzuwenden, ist nur ein einzelner Bestandteil der Nichteingriffsverwaltung 290. Dies ist der daseinsvorsorgerische Kern der Tätigkeit öffentlicher Banken, dessen Relevanz der einzelne potentiell Bedürftige nur in bestimmten Zeiten spüren wird. Bei einer staatlichen Wettbewerbsteilnahme, deren Motiv die Sicherung von Wettbewerb und Struktur in einem bestimmten Marktsegment ist, steht demgegenüber nicht die Leistung an den einzelnen (typischerweise als Daseinsvorsorge umschrieben), sondern der Bewirkungs- und Gestaltungsaspekt im Vordergrund 291. Dies wird bei den Landesbanken/Girozentralen besonders deutlich. Diese unterliegen nicht etwa einem Kontrahierungszwang zugunsten weniger bemittelter Schichten, sondern verfolgen einen kreditwirtschaftlichen Steuerungsauftrag mit marktwirtschaftlichen Instrumenten, aber ohne typisch privatwirtschaftliche Motive. Die Institute der Sparkassenorganisation nehmen Aufgaben wahr, die als „gemeinwohlorientierte, kreditwirtschaftliche Versorgung des Landes, seiner Kommunen und seiner sonstigen öffentlichen Vorhabenträger sowie der im Landesgebiet tätigen Privat- und Geschäftskunden" zusammengefaßt wurden. Aufgrund der Präsenz des Staates in diesem oben näher umschriebenen Bereich sind die privaten und genossenschaftlichen Institute gezwungen, dem Vorbild der öffentlichen Konkurrenz zu folgen. Eliminierte man den öffentlichen Bankensektor aus der deutschen Kreditwirtschaft, wäre die weitere Wahrnehmung dieser Funktionen nicht gewährleistet, da der Grundrechtsschutz der übrigen privaten Banken die Berechtigung mitumfaßt, die sachlichen und räumlichen Betätigungsfelder frei zu wählen oder fallen zu lassen. Nimmt man die auftragsorientierte Beteiligung der öffentlichen Hand in ihren mannigfachen Erscheinungsformen (Bund, Land, Gemeinden) am kreditwirtschaftlichen Wettbewerb als Beispiel, so ließe sich durchaus auch die Überlegung anstellen, ob die mit dieser Wettbewerbsteilnahme verfolgten öffentlichen Zwecke (für die Landesbanken/Girozentralen: „gemeinwohlorientierte, kreditwirtschaftliche Versorgung des Landes, seiner Kommunen und seiner sonstigen öffentlichen Vorhabenträger sowie der im Landesgebiet tätigen Privat- und Geschäftskunden") nicht auch mit anderen staatlichen Mitteln des Zwanges zu erreichen wären. Abgesehen von einzelnen regelungstechnischen Schwierigkeiten eines solchen Unterfangens ließe sich überlegen, die

290

W. Mallmann, WDStRL Bd. 19 (1961), S. 165 ff. (167). Dies im Anschluß an P. Badura, DÖV 1966, S. 624 ff. (630), der mit Recht die Unterscheidbarkeit von Lenkung und Leistung feststellt. 291

6

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

Struktursicherungsfunktion, die den Instituten der Sparkassenorganisation zukommt, durch gesetzgeberische Vorgaben an die anderen Institutsgruppen der Kreditwirtschaft zu substituieren. In erster Linie könnte dabei an eine Versorgungspflicht für bestimmte Regionen, einen bedingten Kontrahierungszwang im Aktiv- und Passivgeschäft zugunsten der öffentlichen Hand oder die Verpflichtung zur Übernahme von bisher von den Landesbanken wahrgenommenen Förderaufgaben u.ä. gedacht werden. Bei derartigen Verpflichtungen würde es sich um spürbare Grundrechtseingriffe in den Schutzbereich des Art. 12 GG handeln. Ersetzt der Staat aber, um ein bestimmtes Niveau der kreditwirtschaftlichen Versorgung des Landes, seiner Kommunen und seiner sonstigen öffentlichen Vorhabenträger sowie der im Landesgebiet tätigen Privat- und Geschäftskunden auf Dauer zu sichern, denkbare Grundrechtseingriffe durch eine Eigeninitiative und zwingt damit die private, grundrechtsgeschützte Konkurrenz zumindest in einigen Bereichen „gleichzuziehen", so kann grundrechtlichen Bedenken gegen diesen sanften Zwang keinesfalls mit dem Argument entgegengetreten werden, daß Grundrechte nicht vor Konkurrenz schützen 292 . Die Geltung dieses Satzes kann sich angesichts der Verteilung von grundrechtlicher Freiheit und rechtsstaatlicher Bindung nur auf gleichermaßen grundrechtsgeschützte Konkurrenz beziehen. Bei öffentlicher Konkurrenzwirtschaft, die in den Dienst eines öffentlichen Zweckes gestellt ist, handelt es sich aber angesichts der oben beschriebenen Lage um einen faktischen Grundrechtseingriff 293 bei den privaten Konkurrenten, der - um nicht in eine Grundrechtsverletzung umzuschlagen - vor den Kriterien des jeweiligen Schutzbereiches zu rechtfertigen ist. Dies zeigt, daß die staatliche Wettbewerbsteilnahme, die mit bestimmten strukturpolitischen Zielen verbunden ist, keineswegs als „harmlos" oder individualrechtlich irrelevant den gleichen Regeln unterstellt werden kann, wie sie für den grundrechtsgeschützten Privaten gelten würden. Sie ist „sanfter Zwang", Veränderung von gesamtwirtschaftlichen Strukturen, Regulierung mit Mitteln der Marktwirtschaft, Beeinflussung des Marktes von innen heraus. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es schon vom Ergebnis her nicht befriedigend, die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen als bloße Teilnahme des Staates am allgemeinen Wirtschaftsverkehr aus den rechtsstaatlichen Bindungen des Verwaltungsbegriffs, die vor allem in grund- und kompetenzrechtlicher Hinsicht bestehen, zu lösen. Paul Kirch of hai mit Blick auf das staatliche Finanzvermögen festgestellt, daß schon „das bloße Horten von Finanzmitteln ... zum selbständigen Instrument eines Verwaltens in der Zeit [wird], wenn der Staat die gesamtwirtschaftlich

292 BVerwGE 17, 306 (308 ff, 313); 29, 329 (336 ff); BVerwG NJW 1978, S. 1539 ff (1540). 293 So deutlich R. Breuer, in: HdbStR ΥΠ, § 148 Rn. 57 f.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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verfügbare Finanzmasse variiert, um wirtschaftliche Entwicklungen zu be schleunigen oder zu verzögern, soziale und wirtschaftliche Geschehensabläu in bestimmte Perioden zu unterteilen." 294. Um wieviel mehr muß die großvolumige staatliche Teilnahme in einer der Schlüsselbranchen des modernen Staates dann „Verwalten" sein, wenn dort mit einem gewissen, im öffentlichen Auftrag formulierten sozialen und ökonomischen Gestaltungsanspruch aufgetreten wird? Soll das Jonglieren mit Finanzmassen anderen Regeln unterworfen sein als die großvolumige staatliche Beeinflussung eines bestimmten Marktes? Hier trifft das Wort von der „Verwaltung durch Unternehmen" zu 2 9 5 . Wer sich von vornherein darauf festlegt, daß Verwaltung im materiellen Sinne nur der zwangsbewehrte staatliche Eingriff sein kann, darf die Geschäfte der Landesbanken/Girozentralen aus dem Spektrum der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinne ausschließen. Im Gegenzug greift eine solche Ansicht allerdings bei der Erfassung dessen, was Verwaltung im materiellen Sinne unter den Bedingungen des Grundgesetzes sein kann, zu kurz 2 9 6 : Der moderne Staat wirkt längst nicht mehr nur mit den Mitteln obrigkeitlichen Zwanges in den grundrechtsgeschützten Bereich der Gesellschaft hinein, sondern tritt in vielen Gestalten auch planend, gestaltend, in weitestem Sinne intervenierend auf den Plan. Dabei ist klar, daß der einseitig-hoheitliche Befehl mit dem Anspruch auf unbedingten Gehorsam am spürbarsten in die Rechtssphäre des einzelnen Bürgers eingreift und unter diesem Gesichtspunkt den Argwohn des Juristen am nachhaltigsten herausfordert. Dies kann aber im Gegenzug nicht bedeuten, daß „sanfte", kooperative oder nur auf lange Sicht strukturverändernde und -formende staatliche Maßnahmen aus dem Blickfeld des Verfassungs- und Verwaltungsrechts weichen dürfen, auch wenn sich bei diesen Maßnahmen Beeinträchtigungen grundrechtlich abgeschirmter Rechtsgüter einzelner nicht unmittelbar und sofort, sondern u.U. erst auf lange Sicht nachweisen lassen. Es ist in vielen Bereichen schon erkannt worden, daß mit der Ausweitung der Aufgaben, derer sich der Staat annimmt und mit der Verfeinerung des staatlichen Handlungsinstrumentariums, das sich nicht mehr allein aus dem Formenarsenal des hoheitlichen Zwangs bedient, auch die verfassungsrechtliche Sensibilität gegenüber derartigen staatlichen Maßnahmen

294

P. Kirchof JZ 1979, S. 153 ff. (157). Etwas weiter (S. 158) heißt es in der Untersuchung: ,f)ie Finanzausstattung des Staates folgt seinen Bewirkensbefugnissen; ist aufgabenakzessorischAuch aus dieser Aussage geht hervor, daß ein enger Zusammenhang zwischen öffentlicher Wirtschaftstätigkeit und staatlichen Bewirkensbefugnissen besteht. 295 G. Püttner, Verwaltungslehre, S. 256. 296 Dazu schon W. Rüfner, Formen, S. 129 ff.

sie

Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

1

erhöht werden muß. Diese dürfen sich nicht außerhalb der rechtsstaatlichen Grundrechts- und Kompetenzordnung bewegen. Während Instrumente und Handlungsformen für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben sich ändern können und sollen, muß der rechtsstaatliche Rahmen für das Wirken des Staates starr und weitestgehend unbeweglich bleiben. Dies ist der Sinn einer Verfassung, die auch unter veränderten Vorzeichen einmal gesetzte Maßstäbe bewahrt und diese nur unter bestimmten formalen Bedingungen (Art. 79 GG) abgeändert wissen will. Mit der Identifikation des fordernden und strukturierenden Akteurs ist zugleich über die korrekte juristische Einordnung der wirtschaftlichen Tätigkeit, der staatlichen Wettbewerbsteilnahme entschieden: Die vollständige und abschließende Verfaßtheit der Staatsgewalt unter dem Grundgesetz, wie sie Art. 20 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommt 297 , zwingt dazu, jede staatliche Handlungsagende und jede staatliche Aktivität einem der drei dort genannten Bereiche der organisierten Staatsgewalt zuzuordnen und sie damit dem Regime der Verfassung zuzuführen. Zentrales Moment für die Identifikation eines Trägers mittelbarer Staatsverwaltung ist der Charakter seines Funktionsbereichs: Er nimmt staatliche (nicht bloß öffentliche 29*) Aufgaben wahr 299 . Staatlich ist aber jede Aufgabe, auf die der Staat in einer seiner Erscheinungsformen in verfassungsmäßiger Weise Zugriff genommen hat. Diese Aufgabe kann der Staat nur „verwaltend" wahrnehmen. Damit ist keine bestimmte Wahrnehmungsform (bürokratisch, marktwirtschaftlich) angesprochen, sondern vielmehr die staatsorganisatorische Anbindung einer bestimmten Staatstätigkeit und deren Einordnung in das System des gewaltengeteilten Staates. Die Feststellung, daß organisierte Staatlichkeit außerhalb der Verfassung angesichts der vollständigen und abschließenden Verfaßtheit der Staatsgewalt unter dem Grundgesetz, wie sie in Art. 20 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommt, nicht existieren kann, ist damit zugleich eine Weichenstellung, die dazu führt, daß alles das staatliche Handeln, das nicht Rechtsprechung oder Gesetzgebung ist, „vollziehende Gewalt" sein muß. Vollziehende Gewalt und Verwaltung sind aber in weiten Teilen ihres Begriffsinhalts identische Topoi. Diese Erkenntnis berührt sich mit der oben erwähnten negativen Definition des materiellen Verwaltungsbegriffs, die durch Subtraktion von rechtsprechender und

297

J. Burmeister, Privatrechtsfähigkeit, S. 4; B. Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 37 f.; W. Mallmann, VVDStRL Bd. 19 (1961), S. 108 ff. (202); F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 252; Κ leidler, VVDStRL Bd. 19 (1961), S. 208 ff. (225). 298 Zur Unterscheidung von staatlichen und öffentlichen Aufgaben siehe S. 81. 299 E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 471.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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rechtsetzender Gewalt gewonnen wird. Sie weist zwar auch dieselben Schwierigkeiten auf, die in diesem Zusammenhang allerdings nicht von Belang sind: Die problematischen Phänomene von vollziehender Gewalt, bei denen es sich nach allgemeiner Ansicht nicht um Verwaltung im materiellen Sinne handelt (z.B. Militär, Kontrolle, Regierung i.S.e. politischen Leitung), spielen im Zusammenhang mit der wirtschaftlich relevanten Tätigkeit der öffentlichen Hand keine Rolle. Abgrenzungsprobleme können hier nicht entstehen.

Soweit also behauptet wird, die Landesbanken/Girozentralen seien in Abwanderungsbewegung aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung begriffen 300 , so trifft eine solche Behauptung allein auf die Wahrnehmungs/or/w zu (z.B. mit Blick auf bankwirtschaftliche statt verwaltungstechnische Organisation). Verfassungsrechtlichen Gehalt kann diese Aussage keinesfalls beanspruchen, da der Staat auch mit allen seinen auf speziellen Errichtungen beruhenden Untergliederungen nicht aus seinen Verfassungsbindungen abwandern kann.

dd) Ergebnis: Die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen als Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne

Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß es sich bei der gesamten Tätigkeit der Landesbanken/Girozentralen um öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne handelt. Ihre Verwaltungsaufgabe ist in dem Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs und damit in enger Nachbarschaft zu den privaten, grundrechtsberechtigten Konkurrenten angesiedelt. Dies darf aber nicht den Blick dafür verstellen, daß durch die öffentlichen Kreditinstitute die Aufgabe wahrgenommen wird, die Sozialordnung in spezifisch gemeinwohlorientierter Weise mitzugestalten. Diese Aufgabe ist trotz aller Unabhängigkeit der Anstalt gegenüber ihrer Errichtungskörperschaft integrierter Bestandteil der Landespolitik. Das Programm der Anstalt wird von den Gewährträgern vorgegeben und über die Gremien entsprechend gesteuert. Hier wird eine in einem hoch entwickelten Industriestaat dringend erforderliche Verwaltungsagende erfüllt, deren dogmatische Distanz zu der gewinnorientierten und damit in den einzelnen Geschäftsbereichen grundsätzlich labilen Aktivität der konkurrierenden Wettbewerber keinesfalls verringert werden darf. Das typisch privatwirtschaftliche Motiv der Gewinnmaximierung verbietet sich als Motiv staatlicher Wettbewerbsteilnahme ohnehin. Das in dem öffentlichen Auftrag formulierte Handlungs- und Geschäftsprogramm der Landesbanken/Girozentralen verweist deren Aktivitäten in den Lebensbereich des kreditwirtschaftlichen Wett300

W. Weber, Jur. Jahrb. Bd. 8 (1967/8), S. 137 ff. (156).

110

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

bewerbs, ohne dabei ihre zentrale und sogar allein maßgebende Funktion als Rechtssubjekte mit materiellen Verwaltungsaufgaben unerkennbar werden zu lassen oder in irgendeiner Form objektiv und nachvollziehbar zu beeinträchtigen.

c) Die mittelbare Beteiligung der kommunalen Gewährträger an den Landesbanken/Girozentralen als Ausfluß der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie? Letztes Problem bei der Charakterisierung der Landesbanken/Girozentralen als Träger öffentlicher Verwaltung im materiellen Sinne könnte allein noch der Umstand sein, daß an den gemischten Landesbanken/Girozentralen (z.B. WestLB, SaarLB, Nord/LB) und den reinen Verbandsgirozentralen (z.B. SüdwestLB, HeLaBa) die Gemeinden mittelbar über ihre Sparkassen und die Sparkassen- und Giroverbände beteiligt sind. Käme man zu dem Ergebnis, daß mit dem Engagement der Sparkassen- und Giroverbände an den Landesbanken/Girozentralen letztlich ein den Gemeinden und Gemeindeverbänden verfassungsrechtlich zugeordneter Ausschnitt aus dem Bereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wahrgenommen würde, so bewegte man sich bei der Beurteilung und Kategorisierung dessen, was die Landesbanken/Girozentralen leisten, in einer schwierigen Gemengelage: (Kommunale) SelbstVerwaltung und mittelbare Staatsverwaltung wären in einer Anstalt miteinander verschmolzen. Da eine Mischform zwischen beiden Organisationsphänomenen nicht bekannt ist, stellte sich dann die Frage, ob die verschiedenen Tätigkeitsfelder der Landesbanken/Girozentralen aufgespalten und dann entweder dem Bereich der Staatsverwaltung (so z.B. die Staatsbankeigenschaft) oder dem Bereich der Selbstverwaltung (so z.B. die Funktion als Sparkassenzentralbank) mit den jeweiligen Folgewirkungen in der rechtlichen Beurteilung zuzuweisen wären. Die verfassungsrechtliche Kategorisierung der Anstalt und ihrer Tätigkeitsfelder würde uneinheitlich, was eine insgesamt konsistente Beurteilung der anstehenden Rechtsfragen erschweren dürfte. Es ist daher zu untersuchen, ob und inwieweit man sich dieser Probleme schon im Vorfeld entledigen kann. Von der (bundes- und landes-) verfassungsrechtlich301 verankerten Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden und 301

Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist in den Verfassungen von Bund und Ländern gleichermaßen garantiert, wobei sich die jeweiligen Schutzgehalte in dem hier relevanten Bereich allerdings decken. Daher wird den folgenden Überlegungen pars pro toto der Schutzgehalt der bundesrechtlichen kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 128 Abs. 2 GG) zugrundegelegt.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

11

Gemeindeverbände sind diejenigen Aufgaben umfaßt, die als örtliche Angelegenheiten, d.h. als Angelegenheiten des jeweiligen örtlichen Wirkungskreises anzusehen sind 302 . Die Errichtung und der Betrieb von kommunalen Sparkassen wird nahezu unbestritten als eine in dem Wesensgehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wurzelnde Verwaltungsagende aufgefaßt 303. Daraus folgt, daß die örtliche Kreditversorgung und das auf das Gemeindegebiet bezogen flächendeckende Angebot von Bankdienstleistungen als örtliche Angelegenheit begriffen wird. Sie ist ein Ausschnitt aus denjenigen Bedürfnissen und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf si einen spezifischen Bezug haben", die also „den Gemeindebewohnern als solchen gemeinsam sind\ indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen" 304. Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind Selbstverwaltungsaufgaben zudem nur solche, die „von der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich und selbständig bewältigt werden können" 305. Noch anders kann als Selbstverwaltungsangelegenheit der Komplex derjenigen öffentlichen Aufgaben angesehen werden, die bestimmt und geeignet sind, die Gemeindebürger im Rahmen der lokalen Gemeinwohlverpflichtung zur politischen und sozialen Raumgemeinschaft zu integrieren 306. Betrachtet man nun die sozialstaatliche Ergänzungsbzw. Reservefunktion der Sparkassen, zu denen auch strukturpolitische Aspekte und die kommunale Hausbankfünktion der Sparkassen hinzutreten, so wird der Bezug zur örtlichen Gemeinschaft offensichtlich. Verwaltungsrechtliche Manifestation des Bezugs der Sparkassen zu ihrer örtlichen Gemeinschaft ist das Regionalprinzip, das eine feste Verbindung zwischen Institut und Gebietskörperschaft konstituiert. Es ist allerdings im nächsten Schritt der Überlegungen sehr zweifelhaft, ob dieser für das Eingreifen der Selbstverwaltungsgarantie konstituierende örtliche Bezug auch bei einer Hochzonung kooperativer Aufgabenerfüllung auf die Ebene eines ganzen Bundeslandes erhalten bleiben kann. Doch je großräumiger interkommunale Zusammenarbeit ist, desto eher geht der räumliche Bezug zu der örtlichen Gemeinschaft verloren. Die Kooperation von Gemeinden in der Form eines Zweckverbandes weist sicherlich noch einen hinreichenden 302

J. Burmeister, Selbstverwaltungsgarantie, S. 20; E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 530 f.; T. Maunz, in: MDHS, Rn. 30 zu Art. 28; K. Stern, BK (Zweitbearbeitung), Rn. 86 ff zu Art. 28. 303 VerfGH NW DÖV 1980, S. 691 ff (692); C. Koenig, GewArch. 1995, S. 353 ff (357); Κ Stern U. Burmeister, Sparkassen, S. 94. 304 BVerfGE 79,127(152). 305 BVerfGE 8, 122 (134); 52, 95 (120); 79, 127 (159). 306 K. Stern /J. Burmeister, Sparkassen, S. 54.

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

örtlichen Bezug auf. Und so steht den Kommunen nach nahezu einhelliger Ansicht die Möglichkeit offen, auf freiwilliger Basis, um der Bildung kreditwirtschaftlich leistungsfähiger Betriebsgrößen willen, für die Wahrnehmung einzelner Sachaufgaben eigenverantwortlich eine der staatlicherseits angebotenen Formen gemeinschaftlicher Aufgabenbewältigung zu wählen (z.B. Sparkassenzweckverband)307 ohne dabei den Schutzgehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu vermindern. Eine solche Form der Kooperation muß aber stets räumlich auf einige wenige Gemeinden beschränkt bleiben, damit der Raumbezug der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie durch die Delegation der örtlichen Sparkassenhoheit auf eine Gemeinschaftssparkasse noch nicht relativiert wird. Man kann hier, wenn auch schon mit Abstrichen, von einer delegierten Form der Selbstverwaltung sprechen, auch wenn der örtliche Bezug zu der einzelnen Gemeinde, also der originären Trägerin der Garantie, bereits einige seiner auf die örtliche Gemeinschaft bezogenen Konturen einbüßt. Dieser örtliche Bezug geht bei einem landesweiten Sparkassenund Giroverband bzw. einer für das gesamte Landesgebiet tätigen Landesbank/Girozentrale allerdings vollends verloren 308. Aus der Perspektive regionaler oder gar landesweit tätiger Verbände und Anstalten dominiert nicht mehr das Interesse der einzelnen Kommune bzw. Sparkasse, das in einer übersichtlichen Gruppe noch weitestgehend zur Geltung gebracht werden kann. Maßgebliche Größe ist hier vielmehr die Kommune bzw. Sparkasse als solche. Es gilt hier, die verschiedenen Interessen aller Gemeinden und Sparkassen zu vereinigen. Dabei geht durch den Zwang zu Kompromiß und Ausgleich der Bezug zu der einzelnen kommunalen Einheit naturgemäß verloren. Aus der Kategorie des örtlichen Bezugs fallt die Tätigkeit der Landesbanken/Girozentralen damit auch dann heraus, wenn diese allein als Sparkassenzentralbanken, also mit dem engsten denkbaren Bezug zu den einzelnen Gemeinden tätig würden. Die Tätigkeit als Sparkassenzentralbank zielt zwar in ihrer Funktion bei dem Liquiditätsausgleich und der Abwicklung des überörtlichen Zahlungsverkehrs auf die einzelne Sparkassen und damit auf die einzelne örtliche Gemeinschaft. Doch wird die Erfüllung dieser Aufgabe allein durch das Zusammenwirken aller im Sparkassen- und Giroverband vereinten Sparkassen und damit im Zusammenwirken aller Institute ermöglicht. Gerade diese Vereinigung aller Institute konstituiert den öfterörtlichen, ausgleichenden Bezug, der die Angelegenheit der jeweiligen örtlichen Gemeinschaft

307

B. Claus sen, Teilprivatisierung, S. 157; 0. Goennewein, Gemeinderecht, S. 391; K. Stern IM. Nierhaus, Neuordnung, S.138; a.A. J. Oebbecke, Zweckverbandsbildung, S. 61 ff. 308 Dies gilt mutatis mutandis auch für die Fälle, in denen in einem Bundesland zwei regionale Verbände tätig sind (Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg).

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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gleichwohl entrückt. Die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen ist somit nicht einmal hier teilweise derivative, für die Kommunen vollzogene Ausübung der Selbstverwaltungsgarantie. Die durch die Sparkassen bzw. den entsprechenden Sparkassen- und Giroverband vermittelte Beteiligung an einer LûWùfesbank/Girozentrale besitzt im übrigen schon per definitionem einen überörtlichen Anknüpfungspunkt: Landesbanken/Girozentralen erstrecken ihr Geschäftsgebiet (mindestens) über ein ganzes Bundesland. Die überörtliche Vernetzung der kommunalen Institute ist sparkassenpolitisch wünschenswert und unter dem Gesichtspunkt des Liquiditätsverbundes, der Metakredite oder für die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs erforderlich. Doch kann ein bankbetriebswirtschaftliches Erfordernis keinen Rechtstitel begründen, da fast alle Verwaltungseinrichtungen überörtliche Bezüge aufweisen und da fast jede Aufgabe in größeren Verwaltungseinheiten unter Nutzung der Kostendegression und professioneller Erfahrung wirkungsvoller erfüllt werden kann 309 . Bei dieser „Hochzonung" der entsprechenden Aufgaben geht der originär aufgabenbegründende örtliche Bezug verloren. Die Beteiligung der Gewährträger in den Sparkassen- und Giroverbänden und wiederum deren Beteiligung an den Landesbanken/Girozentralen ist damit nicht Ausfluß der verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie, geschweige denn Bestandteil ihres Kerngehalts 310. Aus der Tatsache, daß sich jeweils alle kommunalen Sparkassen bei ihrer örtlichen Tätigkeit auf den Schutz der Selbstverwaltungsgarantie berufen dürfen, kann nichts anderes abgeleitet werden. Ansonsten könnte auf diese Weise jede Tätigkeit, zu der sich alle Gemeinden oder Gemeindeverbände eines Landes zusammenfinden, zu einer kooperativ wahrgenommenen örtlichen Angelegenheit deklariert werden. Da jeder Teil des Landesgebietes zugleich auch Teil eines Gemeindegebietes ist, könnte jede landesweit relevante Materie durch Zusammenwirken aller Gemeinden zu einer Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft heruntergestuft werden. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie: Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten und bürgernahe Aufgabenerfüllung. Durch Verschleierung klarer Entscheidungskompetenzen und Verantwortungsstrukturen würde die politisch-partizipative und demokratische Funktion der Selbstverwaltungsgarantie ausgehebelt. 309

G. Püttner, in: HdbStR IV, § 107 Rn.17. C. Koenig (GewArch. 1995, S. 353 ff. (357)) erkennt den einzelnen Sparkassen im Verhältnis zu ihrem Sparkassen- und Giroverband ein Recht zu, sich auf die kommunale Sparkassenhoheit zu berufen und spricht damit implizit, wie die hier vertretene Meinung, den überregionalen Bausteinen der Sparkassenorganisation dieses Recht nicht zu. 310

8 Becker

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

Es bleibt somit festzuhalten, daß die Landesbanken/Girozentralen in allen ihren Geschäftsbereichen materielle Aufgaben in der Form der mittelbaren Staatsverwaltung wahrnehmen. Die über die Sparkassen und die Sparkassenund Giroverbände vermittelte Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände in den Landesbanken/Girozentralen ist nicht mehr Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und führt deshalb auch nicht mehr in den Schutzbereich der entsprechenden Verfassungsvorschriften. Eine Gemengelage von Staats- und Selbstverwaltung existiert insoweit nicht.

6. Die doppelte Aufsicht über Landesbanken/Girozentralen Plastischen Ausdruck gewinnt die Verankerung der Landesbanken/Girozentralen in der öffentlichen Verwaltung auch und sogar besonders durch das doppelte Aufsichtsverhältnis 311, dem die Institute unterworfen sind. Landesbanken/Girozentralen sind - ebenso wie die kommunalen Sparkassen - Kreditinstitute im Sinne des § 1 KWG 3 1 2 . Sie betreiben die meisten der in § 1 KWG genannten Bankgeschäfte auf eine Art, die einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern (siehe § 1 KWG). Diese Feststellung impliziert die Unterstellung der Sparkassen und Landesbanken/Girozentralen unter die bundesrechtlich geregelte allgemeine Bankenaufsicht nach dem KWG durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (§ 6 Abs. 1 KWG). Diese Aufsicht ist dem Bereich der sog. Wirtschaftsaufsicht zuzurechnen, deren Regelung sich auf die Vorschrift über die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 11 GG („das Recht der Wirtschaft (...Bank- und Börsenwesen...)" stützt. Hier findet mithin eine Gleichbehandlung aller drei Bankengruppen des deutschen Kreditgewerbes statt, da grundsätzliches jedes Kreditinstitut dieser Aufsicht unterliegt. Die Aufgaben der Bankenaufsicht auf Bundesebene erstrecken sich im Sinne einer Fachaufsicht auf die im KWG normierten Fragen des Banken- und Kreditwesens. Das Ziel dieser grundsätzlich vorbeugenden Überwachung ist die Verhütung von Schadensfallen in der Kreditwirtschaft, die - wie die jüngere und jüngste Geschichte zeigt - wegen der Schlüsselfünktion des Kreditwesens für die gesamte Wirtschaft weitgreifende Folgen haben können.

311 312

S. 68 ff.

U. Twiehaus, Kreditinstitute, S. 68 ff. T. Brzoska, Sparkassen, S. 16 f.; H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht,

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

115

Dieses Ziel wird mit verschiedenen Mitteln verfolgt. Hierzu zählen die Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, die Zulassung zum Geschäftsbetrieb (§ 32 ff. KWG), die Überprüfung des vorhandenen Eigenkapitals und der Liquidität (§§ 10 ff. KWG), die Prüfung von Bilanzen etc. (§§ 26 ff. KWG), die Meldepflicht bei besonderen Krediten.

Neben diese wirtschaftsverwaltungsrechtliche Aufsicht durch den Bund tritt die allgemeine Staatsaufsicht durch die Errichtungskörperschaft, die die Landesbanken/Girozentralen in ihrer Eigenschaft als Funktionseinheiten staatlicher Verwaltung erfaßt. Aufsichtsbehörde ist meist der Wirtschafts- 313, in anderen Fällen der Finanzminister 314 oder der Innenminister 315 des jeweiligen Bundeslandes. In den meisten Gesetzen ist ausdrücklich oder konkludent festgelegt, daß die Aufsicht reine Rechtsaufsicht ist 3 1 6 . Maßstab der Aufsicht sind damit die Vorschriften des Errichtungsgesetzes und der Satzung. Das Nebeneinander von anstaltsrechtlicher Landesaufsicht und wirtschaftsverwaltungsrechtlicher (Reichs- bzw.) Bundesaufsicht und die hierdurch ersichtliche Doppelfünktionalität der Institute des Sparkassenverbundes ist zugleich Ausdruck des grundsätzlichen Dilemmas, in dem die öffentlichrechtlichen Kreditinstitute verfangen sind. Mit Unterstellung unter das Kreditwesengesetz befinden sich die Sparkassen und Landesbanken/Girozentralen in einer gesetzestechnischen Gemengelage von Bundes- und Landesrecht, die letztlich Spiegel unterschiedlicher Einschätzungen von Stellung und Aufgaben der Institute ist: Während die Länder die Sparkassen (und Landesbanken/Girozentralen) organisationsrechtlich unverändert in eine Sonderstellung als Kreditinstitute sui generis mit öffentlichem Auftrag einstufen und diese Einschätzung durch die öffentlich-rechtliche Organisationsform dokumentieren, schätzt der Bundesgesetzgeber diese Anstalten vorrangig als Wirtschaftsund Wettbewerbsunternehmen ein, die sich in einer Bankenlandschaft bewe-

313

Z.B. § 44 Abs. 1 SpkG NW; § 28 Abs. 2 SpkG Rh.-Pf.; § 39 Abs. 1 SpkG Saarl.; § 50 Abs. 1 SpkG Schl.-Holst. 314 Art. 19 Abs. 1 S. 1 Bay. LBankG (zusammen mit dem Innenminister); § 16 Abs. 1 S. 2 Sächs. LBankG; Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Abs. StaatsV Hess.-Thür. i.V.m. § 20 Abs. 1 S. 2 SpkG Hess.; § 8 Abs. StaatsV Nieders./Meckl.Vorp./Sachs.-Anh. 315 §54 Abs. 1 S. 2 SpkG BW. 316 Art. 19 Abs. 1 S. 2 Bay. LBankG; § 54 Abs. 2 SpkG BW; Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Abs. StaatsV Hess.-Thür.; § 44 Abs. 1 S. 2 SpkG NW; § 27 S. 2 SpkG Rh.-Pf.; § 16 Abs. 1 S. 1 Sächs. LBankG; § 39 S. 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 SpkG Saarl.; § 50 Abs. 1 S. 2 SpkG Schl.-Holst. 8*

6

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

gen, in der alle Kreditinstitute als Universalbanken in der Regel die gesamte Palette banküblicher Leistungen anbieten317.

I I I . Die Organverfassung der Landesbanken/Girozentralen Die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute sind als juristische Personen des öffentlichen Rechts organisiert. Sie sind damit rechtlich verselbständigte Einheiten der organisierten Staatsgewalt. Ebensowenig wie juristische Personen des Privatrechts können die Rechtseinheiten des öffentlichen Rechts als solche aus eigener Kraft agieren. Sie sind organisierte Sach- und Personalgesamtheiten ohne eigenen, natürlichen Willen bzw. ohne die Fähigkeit, fremden, u.U. normativ vorgegebenen oder vorgezeichneten Willen selber und aus sich heraus zu vollziehen. In juristischen Personen wirkt daher stets vereinter menschlicher (u.U. normativ gesteuerter) Wille in bestimmter, durch den Zweck der Organisation vorgegebener Richtung. Wie jede juristische Person, so bedürfen somit auch die Landesbanken/Girozentralen für ihre Vertretung nach außen, wie für die interne Willensbildung, bestimmter Organe 318. Es ist eine zwar bildliche, dabei aber der Sache gerecht werdende Anschauung, die durch Organisationsvorschriften geeinte Willensmacht menschlichen Ursprungs als Willen der Organisation aufzufassen 319. Erst durch die Indienstnahme natürlicher Personen werden juristische Personen handlungsund willensfahig. Die Struktur der Organverfassung der Landesbanken/Girozentralen wird sich im folgenden als zentraler Punkt erweisen: Macht über eine juristische Person kann nur deqenige ausüben, der ihre Organe beherrscht. Ein zu vergegenwärtigender Unterschied zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts einerseits und denen des privaten Rechts andererseits ist der Umstand, daß sich in letzteren der im Rahmen der Rechtsordnung grundsätzlich freie, aus der verfassungsrechtlich gewährleisteten Privatautonomie fließende Wille von Grundrechtsträgern bündelt. Demgegenüber sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts von den normativen Vorgaben ihrer staatlichen Errichtungsakte geprägt. Nicht der freie und ungebundene Wille, sondern vielmehr die Erfüllung einer heteronom vorgegebenen, gemeinwohlorientierten Aufgabe steht hier im Vordergrund. Nicht Verwirklichung privatautonom gesetzter Zwecke, sondern treuhänderische Wahrneh317

Dieses Dilemma erläutert J. Burmeister, Sparkassen, S. 23 ff (29). Zu den Organen von öffentlichen Bankanstalten im allgemeinen: C. Scholz, Kreditinstitute, S. 108 ff ; U. Twiehaus, Kreditinstitute, S. 54 ff 319 L. Enneccerus / H.-C. Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 103 I (S. 611 ). 318

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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mung fremder Interessen ist den in die Willensbildung und -Verwirklichung der juristischen Person des öffentlichen Rechts integrierten Organwaltern aufgetragen. Die Organe und ihre Walter sind dazu berufen, das jeweils normativ vorgezeichnete Handlungsprogramm der juristischen Person unter Ausnutzung der ihnen übertragenen Steuerungskompetenzen im Innen- und im Außenverhältnis umzusetzen. Kennzeichnend für den hier relevanten Begriff des Organs ist damit die Fähigkeit des Organwalters, entweder im Innen- oder im Außenverhältnis, auf das Handlungsprogramm und die konkreten Handlungen der Anstalt durch Wahrnehmung von Steuerungskompetenzen einzuwirken. Jedes einzelne Organ trägt im Rahmen der ihm zugewiesenen Entscheidungs- und Kontrollkompetenzen seinen Teil zu der Aufgabenerfüllung der Anstalt bei. Die internen und externen Kompetenzen der Organe werden wiederum bruchteilhaft von den einzelnen, dem Organ angehörenden Waltern gesteuert. Der Umstand, daß die Landesbanken/Girozentralen als ausgegliederte Verwaltungseinheiten eines Bundeslandes in allen ihren Geschäftsbereichen materielle Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, und daß die Wahrnehmung dieser Aufgaben von den Organen bzw. den in den Organen sitzenden Waltern durch deren Entscheidungen und Handlungen gesteuert wird, macht dabei folgendes deutlich: Die Aufgabenerfüllung der Anstalt wird durch das Zusammenwirken aller auf die einzelnen Walter der verschiedenen Organe verteilten Steuerungskompetenzen gelenkt, so daß jeder einzelne Organwalter der Landesbank einen Teil der Verwaltungsaufgabe „gemeinwohlorientierte kreditwirtschaftliche Versorgung des Landes, seiner Kommunen und seiner sonstigen öffentlichen Vorhabenträger sowie der im Landesgebiet tätigen Privatund Geschäftskunden" wahrnimmt. Die innere Organisation der Landesbanken/Girozentralen wird durch das Errichtungsgesetz und die Satzung geregelt. Es ergeben sich hier im einzelnen Unterschiede hinsichtlich der gesetzlichen Regelungsdichte: Während sich z.B. das Sparkassengesetz des Landes Schleswig-Holstein mit einem bloßen Regelungsauftrag an den Satzungsgeber begnügt (§41 Abs. 2 S. 2: y yDie Satzung muß Bestimmungen über Aufgaben und Organe und deren Befugnisse enthalten"), spezifiziert § 6 Abs. 1 Nord/LB-Staatsvertrag 320 die drei zumindest einzurichtenden Organe. Ausgesprochen detaillierte Regelungen zu Einrichtung, Aufgaben und Zusammensetzung der Organe finden sich demgegenüber in den §§ 38 ff. des nordrhein-westfälischen Sparkassengesetzes. In den

320

Staatsvertrag zwischen dem Land Niedersachsen, dem Land Sachsen-Anhalt und dem Land Mecklenburg-Vorpommern vom 22V23./28. Oktober 1992 (Nieders. GVB1. S. 348).

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe meisten Fällen werden Zusammensetzung und Zuständigkeit der einzelnen Organe nur aus einer Zusammenschau von Satzung und Gesetz deutlich. Bei allen Landesbanken ist eine gewisse Assimilation an die Organverfassung von Kapitalgesellschaften festzustellen, die unter den konkurrierenden Großbanken dominieren und daher anscheinend von den Landegesetzgebern als idealtypisch für eine große banktechnische Unternehmenseinheit angesehen werden. Dies wird beispielsweise in der Gesetzesbegründung zum Errichtungsgesetz für die Sächsische Landesbank - Girozentrale - 3 2 1 offen ausgesprochen, wenn es dort heißt, die Organstruktur der Bank solle wegen einer sinnvollen Regelung der Verantwortungsbereiche zwischen Gewährträgerinteressen und berechtigten Belangen des Verwaltungsorgans der aktienrechtlichen Unternehmensverfassung angenähert werden 322 . Ob allerdings auch der Rechtsanwender diese Leitbildfunktion v.a. des Aktienrechts dahingehend verstehen darf und sollte, die Lösung offener organverfassungsrechtlicher Fragen nicht in den Grundprinzipien des öffentlichen Rechts, sondern in behutsamer Analogie zu den Vorschriften des AktG zu lösen 323 , erscheint sehr fraglich. Grundverschiedene Regelungsansprüche und die bessere Instrumentalisierbarkeit des öffentlichen Rechts zur Durchsetzung öffentlicher Interessen in den Gremien der Bank sprechen eher gegen denn für diesen Vorschlag. Regelmäßig wird eine Landesbank/Girozentrale von drei Organen geführt. Neben Gewährträgerversammlung treten der ehrenamtlich besetzte Aufsichtsbzw. Verwaltungsrat und der hauptamtliche Vorstand (bzw. das Direktorium)™. Zusätzlich zu diesen drei Organen werden zumeist, entweder durch Gesetz 325 oder erst mit der Satzung326, ein Kreditausschuß, ein Präsidialausschuß und ein Prüfungsausschuß in die Organverfassung der Landesbanken/Girozentralen eingefügt. In Hamburg besteht dieser Ausschuß ohne gesetzliche oder untergesetzliche Regelung 3 2 7 . Die Grundidee dieser Organisationsstruktur ist dem deutschen Gesellschaftsrecht entlehnt. Dort werden die eigentliche Geschäftsführung und ihre Beaufsichtigung organisatorisch getrennt, um auf diese Weise zwei existentielle Grundfunktionen wirtschaftlicher Tätigkeit (Geschäftsführung, Kontrolle) 321

Gesetz vom 19. Dezember 1991 (GVB1. S. 461). Sächs. LT-Drucks. 1 / 1005, Einzelbegründung S. 3 , vom 12. 11. 1991. 323 So der Vorschlag vonD. Rümker, FS Werner, S. 745 ff. (753). 324 Siehe dazu auch U. Twiehaus, Kreditanstalten, S. 55 ff. 325 Siehe z.B. § 43 Abs. 1 SpkG BW. 326 § 15 Satzung HeLaBa; § 13 Satzung Nord/LB; § 9 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 12 Satzung Saarl. LB; § 12 Satzung SachsenLB; § 13 Satzung WestLB. 327 H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 329. 322

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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optimal und ohne Interessenkonflikte miteinander zu einem Ausgleich zu bringen. Dies wird deutlich, wenn man sich die Organverfassung der privaten Gesellschaften vor Augen führt. Die Aktiengesellschaft verfügt über drei Organe, die ohne Über- oder Unterordnung nebeneinander wirken 3 2 8 : Dem Vorstand obliegt die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft (§§ 76 ff. AktG), wobei die Vorstandsmitglieder eigenverantwortlich handeln und daher nicht weisungsgebunden sind (arg. § 76 Abs. 1 AktG). Der Aufsichtsrat (§§ 95 ff.) kontrolliert die Geschäftsführung des Vorstands (§111 Abs. 1 AktG), den er auch bestellt und abberuft (§ 84 AktG). Er vertritt dem Vorstand gegenüber den Interessen der Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich (§112 AktG). Nach den jeweils einschlägigen Mitbestimmungsgesetzen (MitbestG, BetrVG) können zudem Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat aufzunehmen sein. Das Eignerorgan ist die Hauptversammlung (§ 118 ff. AktG). Sie ist nach § 119 AktG für die grundlegenden Weichenstellungen der Gesellschaft zuständig (Wahl des Aufsichtsrates, Satzungsänderungen, Kapitalbeschaffung, Gewinnverwendung). Über Fragen der Geschäftsführung hingegen kann sie nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt (§119 Abs. 2 AktG). Grundsätzlich ist jeder Aktionär stimmberechtigt, soweit er nicht bloß stimmrechtslose Vorzugsaktien besitzt. Das Stimmrecht bemißt sich dabei grundsätzlich nach dem Nennbetrag der Aktien (§134 AktG), wobei aber das Stimmrecht von Aktionären, die mehrere Aktien besitzen, in der Satzung durch Festlegung eines Höchstbetrages oder durch entsprechende Abstufungen beschränkt werden kann (§134 Abs. 1 S. 2 AktG). Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung verfügt über zwei, u.U. sogar drei Organe. Nach außen handelndes Organ ist der Geschäftsführer. Er ist nach außen der gesetzliche Vertreter der GmbH (§35 Abs. 1 GmbHG), im Innenverhältnis obliegt ihm die Geschäftsführung (§37 Abs. 1 GmbHG). Berufen wird der Geschäftsführer zumeist durch die Gesellschafterversammlung, die das oberste Willensbildungsorgan der GmbH darstellt. Sie kann alle Zuständigkeiten an sich ziehen, soweit dem Gesetz oder Satzung nicht entgegenstehen. Damit ist die Gesellschafterversammlung zuständig für die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers, für die Änderung des Gesellschaftsvertrages etc. Das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung bemißt sich grundsätzlich nach dem Geschäftsanteil eines Gesellschafters (§47 Abs. 2 GmbHG: je 100 DM bedeuten eine Stimme), wobei der Gesellschaftervertrag grundsätzlich abweichende Regelungen treffen kann. Ein Aufsichtsrat (Beirat) ist grundsätzlich nur dann einzurichten, wenn der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung dies vorsehen (§52 Abs. 1 GmbHG). Nur in mitbestimmten Gesellschaften muß ein Aufsichtsrat bestellt werden, dem ein Anteil von Arbeitnehmervertretern angehören muß (§77 BetrVG, § 6 MitbestG). Soweit die Satzung hier keine besonderen Regelungen trifft, gelten die Vorschriften des AktG entsprechend (§52 Abs. 1 GmbHG).

Eine zwingende Vorgabe empfangt die Regelung der Organverfassungen von Landesbanken/Girozentralen aus dem Bereich des (Bundes-) Bankenauf-

328

D. Rümker, FS Werner, S. 745 ff. (750).

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe sichtsrechts nach dem KWG. Dieses setzt den Geschäftsleiter und das Aufsichtsorgan mit genau abgegrenzten Funktionen bei jedem Kreditinstitut zwingend voraus 3 2 9 (siehe nur z.B. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3 KWG).

7. Der Vorstand Die „Vorstände", d.h. die Mitglieder des Vorstandes, sind das allgemeine, gerichtliche und außergerichtliche Vertretungsorgan der Landesbanken/Girozentralen. Von ihnen werden nur die tagtäglich anfallenden Entscheidungen getroffen. Wenn allerdings mit dieser Formulierung der Eindruck erweckt wird, bei den Vorständen handele es sich um reine und einfache Vollzieher andernorts gefaßter Entschlüsse, so genügt zu der Zerstreuung dieser Vermutung schon der Hinweis auf den Vorstandsvorsitzenden der WestLB, Friedel Neuber, der - obschon in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt - zu den mächtigsten und politisch einflußreichsten Männern des Landes Nordrhein-Westfalen gezählt wird 3 3 0 . Der Vorstand fuhrt die Geschäfte der B a n k 3 3 1 , wozu auch die gerichtliche und die außergerichtliche Vertretung der Anstalt gehört. Er ist Kollegialorgan und verfugt über einen Vorsitzenden. Die Vorstandsmitglieder werden, je nach Satzung, von der Gewährträgerversammlung 332 , von dem Verwaltungsrat 333

329

D. Rümker, FS Werner, S. 745 ff. (748). So die Beurteilung in der FAZ v. 24. Mai 1996, S. 11. 331 § 7 Abs. 1 Satzung Bayerische LB; § 8 Abs. 2 LBankG Berlin; § 7 Abs. 1 Satzung Bremer LB; § 9 Abs. 3 S. 1 Hamb. LBankG; § 17 Abs. 1 S. 1 Satzung HeLaBa; § 7 Abs. 1 S. 1 Satzung Nord/LB; § 16 Abs. 1 S. 1 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 14 Abs. 1 Satzung Sachsen LB; § 14 Abs. 2 Satzung SaarLB; § 19 Abs. 1 Satzung LB Schleswig-Holstein; § 23 Abs. 1 Satzung WestLB. 332 § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satzung HeLaBa; § 16 Abs. 4 lit. (b) Satzung Nord/LB (Zustimmung zu dem Beschluß des Aufsichtsrates; nach Abs. 5 mit einer Mehrheit von drei Vierteln zu beschließen); § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satzung LB Rheinland-Pfalz (im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat); § 9 Abs. 1 lit. (a) Satzung LB SchleswigHolstein (Einwilligung zum Beschluß der Gewährträgerversammlung; gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen). 333 § 7 Abs. 3 S. 1 Satzung Bayerische LB; § 8 Abs. 1 LBankG Berlin; § 11 Abs. 1 Satzung Bremer LB; § 10 Abs. 1 Satzung SaarLB; § 6 Abs. 4 Nr. 1 Satzung Sachsen LB; § 15 Abs. 2 Satzung WestLB. 330

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

11

oder von der Aufsichtsbehörde auf Vorschlag des Verwaltungsrates 334 bestimmt. Bei den Mitgliedern des Vorstandes handelt es sich zwar nicht um Beamte im staatsrechtlichen Sinne, da ihr Beschäftigungsverhältnis durchweg nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch einen privatrechtlichen Dienstvertrag begründet wird. Dennoch sind sie nach heute herrschender Ansicht Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB 3 3 5 , da sie „dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle ... Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen".

Der Vorstand und die Art und Weise seiner Geschäftsführung stehen unter der Aufsicht des Verwaltungsrates der Bank.

2. Der Verwaltungsrat

(Aufsichtsrat)

Das zentrale Aufsichtsgremium der Bank wird zum Teil als Verwaltungsrat 336, zum Teil auch in terminologischer Anlehnung an das Aktienrecht als Aufsichtsrat 331 bezeichnet. Seine Steuerungskompetenzen können, je nach ihrer Stoßrichtung, in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. An erster Stelle sind die Zustimmungs- und Beschlußkompetenzen des Verwaltungsrates zu nennen: Gesetz und Satzung machen die Durchführung bestimmter Geschäfte und Maßnahmen von besonderer Bedeutung durchweg davon abhängig, daß der Verwaltungsrat der Bank ihrer Durchführung zustimmt; bisweilen müssen die entsprechenden Beschlüsse unmittelbar von diesem Gremium gefaßt werden. Betroffen sind beispielsweise Geschäfte und Maßnahmen wie •

die Ausgabe von Pfandbriefen, Kommunalobligationen und sonstigen Schuldverschreibungen auf den Inhaber 338, die Ausgabe von Genußrech-

334

§ 9 Abs. 2 Hamb. LBankG. BGH NJW 1983, 2509 („Fall Poullain"); OLG Hamm, DVB1. 1918, S. 228 ff.; G. Dörries, Landesbanken, S. 182 ff; D. Schmidt, ZIP 1983, S. 1038 ff. 336 Bayerische LB, HeLaBa, LB Rheinland-Pfalz, Saarl. LB, SachsenLB, LB Schleswig-Holstein, SüdwestLB, WestLB. 337 Nord/LB, Bremer LB, Hamburgische LB, LB Berlin. 338 § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satzung WestLB. 335

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

122

ten sowie die Hereinnahme stiller Beteiligungen339 und fremder Kapitalgeber in die Landesbank340 •

den Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken oder Unternehmensbeteiligungen (unter bestimmten Bedingungen)341



die Errichtung oder Auflösung von Niederlassungen342 und selbständigen Einrichtungen 343



die Beschlußfassung über den Rahmen beabsichtigter Investitionen und Spenden344,



die Aufnahme anderer als der ohnehin gesetz- und satzungsmäßig vorgesehenen Bankgeschäfte 345.

Im übrigen ist es dem Verwaltungsrat in einigen Fällen überlassen, seinen Einfluß auf die Geschäftsführung der Bank durch Festlegung weiterer Geschäfte, deren Durchführung seiner Genehmigung bedürfen, zu erweitern 346. Nur in einer einzigen Satzung wird ausdrücklich festgelegt, daß Maßnahmen der Geschäftsführung dem Verwaltungsrat nicht übertragen werden können 347 . Nach Ansicht des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen ist sowohl bei privaten wie auch bei öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten eine gesellschaftsvertraglich bzw. normativ festgelegte, generelle Weisungsbefugnis des Aufsichtsgremiums ge-

339

§ 11 Abs. 3 Nr. 2 Satzung Bayerische LB. § 10 Abs. 7 Satzung SaarLB. 341 § 11 Abs. 3 Nr. 4 und 5 Satzung Bayerische LB; § 11 Abs. 2 Nr. 7 Satzung Bremer LB (nur Unternehmensbeteiligungen); § 3 Nr. 3 und 4 Satzung Hamburgische LB; § 12 Abs. 3 Nr. 6 und 7 Satzung HeLaBa; § 11 Abs. 2 lit. (g) Satzung Nord/LB (nur Unternehmensbeteiligungen); § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 10 Abs. 6 Nr. 5, 6 und 7 Satzung SaarLB; § 6 Abs. 4 Nr. 5 und 6 Satzung Sachsen LB; § 12 Abs. 2 lit. (e) Satzung LB Schleswig-Holstein (hier keine Erwähnung der Unternehmensbeteiligungen, dafür aber Einbeziehung von Schiffen); § 15 Abs. 3 Nr. 2 und 3 Satzung WestLB. 342 § 11 Abs. 2 Nr. 8 Satzung Bremer LB; § 10 Abs. 6 Nr. 4 Satzung SaarLB; § 15 Abs. 3 Nr. 4 Satzung WestLB. 343 § 11 Abs. 3 Nr. 4 Satzung Bayerische LB; § 12 Abs. 3 Nr. 8 Satzung HeLaBa. 344 § 11 Abs. 1 LBankG Hamb. 345 § 12 Abs. 2 lit. (d) Satzung LB Schleswig-Holstein. 346 § 11 Abs. 2 Nr. 11 und 12 Satzung Bayerische LB; § 11 Abs. 3 LBankG Hamb; § 12 Abs, 3 Nr. 10 Satzung HeLaBa; § 11 Abs. 3 Satzung Nord/LB; § 15 Abs. 2 Nr. 6 Satzung WestLB. 347 § 12 Abs. 1 S. 2 Satzung HeLaBa. 340

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

1

genüber dem Geschäftsleiter aufsichtsrechtlich nicht gestattet, weil sie mit der vom KWG vorausgesetzten, alleinigen Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters für die ordnungsgemäße Abwicklung der Bankgeschäfte nicht vereinbar erscheint 348.

Dem Verwaltungsrat sind neben den genannten Zustimmungs- und Beschlußkompetenzen durchweg auch zentrale Führungskompetenzen übertragen. Hierzu zählen •

der Erlaß einer Geschäftsordnung für den Vorstand 349



der Erlaß von Richtlinien für das Bankgeschäft 350



die Beschlußfassung hinsichtlich der Befreiung von Satzungsvorschriften im Einzelfall 351



die Ausarbeitung und Unterbreitung von Vorschlägen zur Beschlußfassung der Gewährträgerversammlung 352



die Abgabe von Stellungnahmen zu Satzungsänderungen und anderen zentralen Weichenstellungen353 oder gar die direkte Mitwirkung an Satzungsänderungen354.

Prägend für die Aufgaben des Verwaltungsrates sind außerdem die Prü~ fungs- und Überwachungsfunktionen gegenüber dem Vorstand der Bank, die

348

Schreiben abgedruckt bei F. Reischauer / J. Kleinhans, KWG, Anm. 91 zu § 1. § 11 Abs. 3 Nr. 1 Satzung Bayerische LB (nur Zustimmung); § 11 Abs. 2 Nr. 3 Satzung Bremer LB; § 11 Abs. 2 LBankG Hamb.; § 11 Abs. 2 lit. (c) Satzung Nord/LB; § 10 Abs. 5 Nr. 1 Satzung SaarLB; § 6 Abs. 2 S. 3 Satzung Sachsen LB; § 12 Abs. 2 lit. (c) Satzung LB Schleswig-Holstein; § 15 Abs. 3 Nr. 5 Satzung WestLB. 350 § 11 Abs. 1 Satzung Bayerische LB; § 14 Abs. 1 S. 1 Satzung LB Berlin; § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satzung Bremer LB; § 11 Abs. 2 LBankG Hamb.; § 12 Abs. 1 S. 1 Satzung HeLaBa („kann" Richtlinien aufstellen); § 11 Abs. 2 lit. (b) Satzung Nord/LB; § 7 Abs. 2 Nr. 2 Satzung LB Rheinland-Pfalz (allerdings unbeschadet der Berechtigung der Gewährträgerversammlung, über die Grundsätze der Geschäftspolitik zu beschließen: § 4 Abs. 1 Nr. 3 der Satzung); § 6 Abs. 2 Abs. S. 1 Satzung Sachsen LB; § 15 Abs. 2 Nr. 7 Satzung WestLB. 351 § 12 Abs. 2 lit. (h) Satzung LB Schleswig-Holstein. 352 § 12 Abs. 2 Nr. 4 Satzung HeLaBa; § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satzung WestLB. 353 § 11 Abs. 7 Satzung SaarLB. 354 § 11 Abs. 2 Nr. 9 Satzung Bayerische LB. 349

4

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

auch dessen Bestellung und Abberufung mit umfassen 355 . In diesem Bereich sind zu nennen •

die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes 356



die Festlegung von Anstellungs- und Vergütungsgrundsätzen für die Angestellten der Bank (zum Teil auf den Vorstand beschränkt 357 ).



die Vertretung des Instituts gegenüber dem Vorstand 3 5 8



die Bestimmung eines Abschlußprüfers und die Feststellung des Jahresabschlusses 359 .

Angesichts dieser bezeichnenden Steuerungskompetenzen des Verwaltungsrates erweist sich die personelle Zusammensetzung dieses Gremiums als ein entscheidender Faktor bei der Analyse von Entscheidungsstrukturen innerhalb einer Landesbank/Girozentrale. Als persönliche Voraussetzungen für die Kandidaten haben die meisten Satzungen ein gewisses Maß an Sachkunde und Erfahrung in wirtschaftlichen Fragen 360 und

355 § 11 Abs. 5 Satzung Bayerische LB; § 14 Abs. 2 lit. (a) Satzung LB Berlin; § 11 Abs. 2 Nr. 1 Satzung Bremer LB; § 12 Abs. 3 Nr. 1 Satzung HeLaBa; § 11 Abs. 2 lit. (a) Satzung Nord/LB; § 10 Abs. 1 Satzung SaarLB; § 6 Abs. 4 Nr. 1 Satzung Sachsen LB; § 12 Abs. 2 lit. (b) Satzung LB Schleswig-Holstein (mit Einwilligung der Gewährträgerversammlung); § 15 Abs. 2 Nr. 2 Satzung WestLB. 356 § 11 Abs. 1 Satzung Bayerische LB; § 14 Abs. 1 S. 2 Satzung LB Berlin; § 11 Abs. 1 Satzung Bremer LB (zudem Normierung einer ,3eratungspflicht"); § 12 Abs. 1 S. 1 Satzung HeLaBa; § 11 Abs. 1 Satzung Nord/LB; § 7 Abs. 1 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 10 Abs. 4 Satzung SaarLB; § 6 Abs. 1 S. 1 Satzung Sachsen LB; § 12 Abs. 1 Satzung LB Schleswig-Holstein; § 15 Abs. 1 Satzung WestLB. 357 § 11 Abs. 2 Nr. 6 und 8 Satzung Bayerische LB; § 14 Abs. 2 lit. (b) Satzung LB Berlin; § 3 Nr. 2 Satzung Hamburgische LB; § 12 Abs. 3 Nr. 2 Satzung HeLaBa; § 11 Abs. 2 lit. (a) und (d) Satzung Nord/LB; § 7 Abs. 2 Nr. 4 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 10 Abs. 1 Satzung SaarLB; § 12 Abs. 2 lit. (f) Satzung LB Schleswig-Holstein; § 15 Abs. 2 Nr. 3,4 und 5 Satzung WestLB. 358 § 14 Abs. 5 Satzung LB Berlin; § 6 Abs. 3 Satzung Sachsen LB. 359 § 11 Abs. 2 Nr. 1 und 4 Satzung Bayerische LB; § 14 Abs. 2 lit. (b) Satzung LB Berlin; § 11 Abs. 2 Nr. 5 und 6 Satzung Bremer LB; § 12 Abs. 2 Nr. 3 Satzung HeLaBa; § 11 Abs. 2 lit. (e) und (0 Satzung Nord/LB; § 10 Abs. 6 Nr. 1 und 3. 360 § 17 Abs. 1 Satzung LB Berlin; § 6 Abs. 4 S. 1 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 9 Abs. 5 Satzung SaarLB; § 7 Abs. 3 Satzung Sachsen LB; § 11 Abs. 5 Satzung LB Schleswig-Holstein; § 12 Abs. 3 S. 1 Satzung WestLB.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben einige Ausschließungsgründe (z.B. ungesicherte Vermögensverhältnisse 361 oder Verbindung mit einem Wettbewerber 362) normiert. Bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrates ist zunächst zwischen den aufgrund Gesetz oder Satzung durch Anstaltsträger und Kapitaleigner zu bestellenden Mitgliedern einerseits und den „Mitbestimmern", d.h. den von den Angestellten der Bank zu entsendenden Organwaltern andererseits zu differenzieren 363 . Die Letztgenannten stellen in den Verwaltungsräten nahzu aller Landesbanken/Girozentralen ein Drittel der Mitglieder 3 6 4 . Der politische und juristische Streit um Mitbestimmung in öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten war vor allem im Zusammenhang mit den Sparkassen von den Gerichten einer Lösung zugeführt worden 365 . Es sei an dieser Stelle nur angedeutet, daß die Mitbestimmung in öffentlichen Unternehmen dort in Konflikt mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes gerät, wo die Kette demokratischer Legitimation der unternehmerischen Entscheidungen durch die entscheidende Teilnahme demokratisch nicht legitimierter Beschäftigtenvertreter durchbrochen wird 3 6 6 . Unter diesem Gesichtspunkt ist die nicht-paritätische Beteiligung von Arbeitnehmervertretern insofern zunächst unproblematisch, als deren Einfluß durch die Mehrheit der demokratisch legitimierten Mitglieder im Aufsichtsrat kompensiert werden kann. Wo den „Mitbestimmern" indes eine Schlüsselposition bei der Entscheidungsfindung eingeräumt wird, bewegt sich der Gesetz- bzw. Satzungsgeber in einer heiklen verfassungsrechtlichen Grauzone. Die übrigen Verwaltungsratsmitglieder werden von den Trägern der Anstalt entsandt. Hier wirkt sich die spezifische Verbindung zwischen Anstalt und Anstaltsträger aus. Die genaue Zusammensetzung der Organwalter ist dort teilweise unmittelbar der Satzung zu entnehmen, wo einige der Entsandten „geborene" Mitglieder des Verwaltungsrates sind: Ist beispielsweise das Land an der Bank beteiligt, liegt es nahe, dem Ministerpräsidenten bzw. einem anderen Vertreter des Kabinetts einen festen Platz im Verwaltungsrat einzuräu361

Z.B. § 17 Abs. 2 lit (c) Satzung LB Berlin. Z.B. § 11 Abs. 4 Nr. 4 Satzung HeLaBa. 363 Allein die Bayerische LB kennt in ihrem Verwaltungsrat keine „Mitbestimmer". 364 § 9 Abs. 1 Nr. 2 LBankG Beri.; § 9 Abs. 1 Nr. 6 Satzung Bremer LB; § 10 Abs. 3 LBankG Hamb.; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Satzung HeLaBa; § 8 Abs. 1 Nr. 4 Satzung Nord/LB; § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 9 Abs. 3 Satzung SaarLB; § 7 Abs. 1 Nr. 4 Satzung Sachsen LB; § 11 Abs. 1 lit. (d) Satzung LB SchleswigHolstein; § 12 Abs. 1 lit. (h) Satzung WestLB. 365 Siehe hierzu v.a. VerfGH NW, Sparkasse 1986, S. 509 ff.; aus der Literatur: G. Püttner, Unternehmen, S. 139 ff.; H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 167 f.; P. J. Tettinger, Mitbestimmung, S. 1 ff. 366 Grundlegend BVerfGE 50, 258 (270); neuestens mit leichten Modifikationen: BVerfG, DÖV 1996, S. 574. 362

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe men. Der Sparkassen- und Giroverband ist dann im Gegenzug durch seinen Verbandsvorsitzenden ebenfalls aufgrund ausdrücklicher normativer Anordnung im Verwaltungsrat vertreten 367 . Neben dem die Anstalt tragenden Bundesland, dem dortigen Sparkassen- und Giroverband und den Gemeinden des Landes bestellen regelmäßig auch die neuen Kapitalträger, die im Zuge der Landesbankenvernetzung Anteile an einer landesfremden Landesbank erworben haben, nach entsprechender, durch die Beteiligungsverträge vorbereiteter Satzungsänderung, eine ihrem Kapitalanteil ungefähr entsprechenden Anzahl von Organwaltern in den Verwaltungsrat (z.B. den Vorstandsvorsitzenden des neuen Miteigentümers) 368. Neben die kraft Amtes „geborenen" treten die aufgrund einer Entsendung durch Anstalts- oder Kapitalträger „gekorenen" Mitglieder des Verwaltungsrates. Die Bestimmung der Personen i m einzelnen bleibt i n diesen Fällen den berechtigten Körperschaften überlassen 369 . Es ist auch denkbar, daß der Verwaltungsrat ausschließlich aus „gekorenen" Mitgliedern besteht. In solchen Fällen existiert als alleinige Vorgabe für die Bestellung der Organwalter die Festlegung, welcher Träger der Landesbank wieviele Vertreter i n den Verwaltungsrat entsenden d a r f 9 7 0 ; es ist auch möglich, daß die Satzung lediglich feststellt, daß die Anteilseigner bei der Zuweisung von Verwaltungsratsposten in Höhe ihrer jeweiligen Kapitalanteile zu berücksichtigen sind 3 7 1 . Eine Ausnahmestellung nimmt die Bayerische LB ein, deren Errichtungsgesetz 372 die Zusammensetzung des Verwaltungsrates detailliert vorgibt: bestimmte staatliche und kommunale Amtsträger, Vorsitzende großer bayerischer Sparkassen usf. Der Spielraum des Satzungsgebers tendiert hier gegen Null. 367

Zu den jeweiligen Einzelheiten siehe z.B. : § 8 Abs. 1 Bay. LBankG; § 9 Abs. 1 Satzung Bremer LB; § 10 Abs. 1 LBankG Hamb.; § 8 Abs. 1 Satzung Nord/LB; § 7 Abs. 1 Satzung Sachsen LB; § 12 Abs. 1 Satzung WestLB. 368 So z.B. nach § 11 Abs. 1 Satzung LB Schleswig-Holstein, die allerdings nur die Zahl der Vertreter von WestLB und SüdwestLB, den neuen Anteilseignern festlegt, nicht aber deren Zusammensetzung. In § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satzung LB Rheinland-Pfalz und § 9 Abs. 2 Satzung SaarLB werden die neuen Anteilseigner nicht ausdrücklich genannt. Es wird nur festgelegt, daß die Gewährträger den Verwaltungsrat gemäß den jeweiligen Kapitalanteilen beschicken dürfen. 369 § 8 Abs. 1 Bay. LBankG; § 9 Abs. 1 Satzung Bremer LB; § 10 Abs. 1 LBankG Hamb.; § 8 Abs. 1 Satzung Nord/LB; § 7 Abs. 1 Satzung Sachsen LB; § 12 Abs. 1 Satzung WestLB. 370 § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satzung HeLaBa; § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satzung LB RheinlandPfalz. 371 § 9 Abs. 2 Satzung SaarLB. 37 2 Gesetz über die Errichtung der Bayerischen Landesbank Girozentrale Juni 1972 (BayGVBl. S. 210).

vom 27.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

127

Die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat wird von den Gesetzen als Ehrenamt begriffen 373. Manche Satzungen legen fest, daß die Verwaltungsratsmitglieder an Weisungen nicht gebunden sind und ihre Stimme in eigener Verantwortung abzugeben haben374. Die Festlegung einer solchen Regelung auf Satzungsebene, nicht durch Parlamentsgesetz, ist angesichts der hiermit verbundenen Legitimationsprobleme aus dem Blickwinkel des demokratischen Prinzips äußerst fragwürdig. Noch zweifelhafter muß es erscheinen, wenn die Weisungsfreiheit sogar dort angenommen wird, wo sich eine entsprechende Normierung nicht einmal in der Satzung der Bank findet. Angesichts der politischen Verflechtung zwischen Organwalter und entsendender Stelle dürfte hier der offene Konflikt allerdings nur selten gesucht werden.

Die entsendende Stelle kann ein Mitglied jederzeit aus „wichtigem Grund" zurückrufen. Dies ist in einigen Satzungen normiert 375 , ergibt sich ansonsten aber auch aus Sinn und Zweck der Verwaltungsratsarbeit, die ein solides Vertrauensverhältnis zwischen Entsender und Entsandtem voraussetzt. Dieser ist nicht kraft eigenen Willens, sondern kraft delegierter Kompetenz Mitglied des Gremiums. Die Person des Verwaltungsratsvorsitzenden wird dort, wo die Satzung „geborene" Verwaltungsratsmitglieder kennt, grundsätzlich ebenso durch die Satzung bestimmt wie seine Vertreter 376. Bisweilen wird auch nur festgelegt, daß der Vorsitzende aus der Mitte des Verwaltungsrats zu bestimmen ist 3 7 7 . Angesichts der heterogenen Zusammensetzung des Verwaltungsrates aus Landes- und Kommunalpolitikern, Arbeitnehmervertretern und Wirtschaftsexperten erlangen die Abstimmungsmodalitäten eine erhebliche Bedeutung.

373

Ζ. B. § 9 Abs. 2 S. 1 Bay. LBankG. § 18 Abs. 3 Satzung LB Berlin; § 9 Abs. 3 Satzung Bremer LB; § 13 Abs. 7 Satzung HeLaBa; § 14 Abs. 2 Satzung Nord/LB; § 11 Abs. 5 S. 3 Satzung SaarLB; § 7 Abs. 3 S. 2 Satzung Sachsen LB. 375 § 18 Abs. 2 Satzung LB Berlin; § 10 Abs. 2 S. 1 LBankG Hamb.; § 8 Abs. 2 Satzung Nord/LB; § 7 Abs. 6 S. 3 Satzung Sachsen LB; § 13 Abs. 2 lit. (a) Satzung WestLB. 376 Siehe z.B. § 8 Abs. 3 Bay. LBankG; § 9 Abs. 4 Satzung Bremer LB; § 11 Abs. 2 Satzung HeLaBa (Verbandsvorsitzender, wenn der Verband niemanden anderen beruft); § 9 Abs. 1 Satzung Nord/LB; § 6 Abs. 1 S. 2 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 9 Abs. 4 Satzung SaarLB (Verbandspräsident, falls er Mitglied ist); § 7 Abs. 4 Satzung Sachsen LB (Vorsitzender der Gewährträgerversammlung); § 11 Abs. 2 Satzung LB Schleswig-Holstein; § 12 Abs. 2 Satzung WestLB. 377 § 15 Abs. 1 Satzung LB Berlin. 374

128

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

Entscheidungen werden in diesem Gremium grundsätzlich mit einfacher Mehrheit getroffen 378. Bei Stimmengleichheit entscheidet nach manchen Satzungen die Stimme des Vorsitzenden 379, nach anderen gilt ein Antrag als abgelehnt380. Für besonders gewichtige Entscheidungen kann ein höheres Quorum festgelegt sein 381 . Insgesamt kommt dem Verwaltungsrat als dem Kontroll- und (Mit-) Führungsorgan der Bank eine zentrale Stellung zu. In sachlicher wie in personeller Hinsicht werden in diesem Gremium durch Zustimmung zu den Beschlüssen anderer Organe oder durch eigenständige Entscheidungen bedeutende Weichenstellungen vorgenommen, die Kurs und Schicksal der Anstalt in entscheidender Weise prägen. Einfluß auf das „Grundprogramm" der Bankanstalt wird allerdings in erster Linie in einem anderen Organ durch die Anteilseigner ausgeübt:

3. Die Gewährträgerversammlung Verfügt eine Bankanstalt nur über einen einzigen Träger, so ist eine als eigenständiges Organ institutionalisierte Versammlung der Anstaltsträger überflüssig: Die zentralen Weichenstellungen für Existenz und Geschäftstätigkeit des Instituts kann der Anstaltsträger bereits vorab in seinen eigenen Gremien treffen und dann mit den ihm in Gesetz und Satzung eingeräumten Einflußmöglichkeiten (Initiativrechte, Zugriff auf die Satzung etc.) durchsetzen. Ein Organ der Bank, in dem verschiedene Eignerinteressen zu einem Ausgleich zu bringen sind, ist in einem solchen Fall überflüssig. Aus diesem Grunde verfügt die Hamburger LB nach § 8 Abs. 1 LandesbankG nur über einen zweigliedrigen Organaufbau (Vorstand und Aufsichtsrat): Das Stammkapital der Bank wird ausschließlich von der Hansestadt gehalten. Trotz der Beteiligung des Sparkassen- und Giroverbandes kennt auch die Bayerische LB kein ent-

378 § 10 Abs. 4 S. 1 Bay. LBankG; § 10 Abs. 4 S. 1. Hs. Satzung Bremer LB; § 13 Abs. 4 S. 1 Satzung HeLaBa; § 10 Abs. 2 Satzung Nord/LB; § 10 Abs. 4 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 11 Abs. 5 S. 1 Satzung SaarLB; § 8 Abs. 6 S. 1 Satzung Sachsen LB; § 13 Abs. 4 S. 1 Satzung LB Schleswig-Holstein; § 14 Abs. 5 Satzung WestLB. 379 § 10 Abs. 4 S. 2. Hs. Satzung Bremer LB; § 10 Abs. 2 Satzung Nord/LB; § 8 Abs. 6 S. 2 Satzung Sachsen LB; § 13 Abs. 4 S. 2 Satzung LB Schleswig-Holstein. 380 § 10 Abs. 4 S. 2 Bay. LBankG; § 13 Abs. 4 S. 2 Satzung HeLaBa; § 11 Abs. 5 S. 2 Satzung SaarLB. 381 § 11 Abs. 4 Bay. LBankG; § 11 Abs. 5 S. 1 Satzung Nord/LB; § 13 Abs. 4 S. 3 Satzung LB Schleswig-Holstein.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

129

sprechendes Organ (Art. 6 LandesbankG). Die HeLaBa verfügt demgegenüber, obwohl sie allein von einem Sparkassen- und Giroverband getragen wird, über eine Gewährträgerversammlung, da der einheitliche Verband die Sparkassen der Gemeinden zweier Länder umfaßt.

Die Übersichtlichkeit und Schlichtheit der Entscheidungsstränge muß dort einem Mechanismus des Kompromisses und des Interessenausgleichs weichen, wo u.U. divergierende Interessen mehrerer Beteiligter auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind. Je mehr Anteilseigner existieren, desto wichtiger wird ein spezielles Eignerorgan, mit dem ein Forum geschaffen wird, innerhalb dessen die grundlegenden Fragen von Existenz und geschäftlicher Ausrichtung der Bank zwischen den Beteiligten geklärt werden können. Dabei müssen die verschiedenen Anteilseigner nicht einmal aus verschiedenen Bundesländern stammen. Die WestLB, deren Träger zwei Sparkassen- und Giroverbände, zwei Landschaftsverbände und das Land Nordrhein-Westfalen sind, kennt, obwohl sie bisher noch keine landesfremden Anteilseigner in ihre Trägerstruktur aufgenommen hat, schon seit langem diese institutionalisierte Zusammenarbeit ihrer Gewährträger in einem Organ innerhalb der Anstaltsverfassung.

In Anlehnung an die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft verfügen daher die meisten Landesbanken/Girozentralen über eine Gewährträgerversammlung. Im Gegensatz zu dem Verwaltungsrat ist dieses Organ „mitbestimmungsfrei" gehalten. Die Steuerungskompetenzen der Gewährträgerversammlung sind für die Bank von existentieller Bedeutung. Teilweise stimmen sie bei den verschiedenen Landesbanken/Girozentralen überein, zum Teil weichen sie auch voneinander ab. Bisweilen steht in der einen Landesbank eine bestimmte Aufgabe der Gewährträgerversammlung zu, die in einer anderen Landesbank von dem Verwaltungsrat wahrgenommen wird. Von den Gewährträgerversammlungen werden aber typischerweise die folgenden Kompetenzen wahrgenommen: •

der Erlaß und die Änderung der Satzung382, die Zustimmung zu einem Abweichen von Satzungsvorschriften im Einzelfall 383 ,

382 § 21 Abs. 3 lit. (a) Satzung LB Berlin (mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde nach § 21 Abs. 4 Satzung Berlin LB); § 13 Abs. 3 Nr. 2 Satzung Bremer LB (nach Abs. 4 nur einstimmig zu beschließen); § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satzung HeLaBa; § 16 Abs. 4 lit. (k) Satzung Nord/LB (nach Abs. 5 einstimmig zu beschließen); § 4 Abs. 1 Nr. 11 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 8 Abs. 2 Nr. 3 Satzung SaarLB (mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde); § 9 Abs. 1 lit. (η) Satzung LB Schleswig-Holstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen); § 11 Nr. 1 Satzung WestLB (einstimmig zu beschließen; § 9 Abs. 5 Satzung). 9 Becker

130

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe



die Bestellung, die Abberufung und die Entlastung der Verwaltungsratsmitglieder 3 8 4 (wo diese nicht direkt von dem jeweiligen Gewährträger entsandt werden), die Bestellung und die Entlassung des Vorstandes 385 , die Entlastung des Vorstandes 386



der Beschluß über Gewinnverwendung und Maßnahmen zur Verlustdekk u n g 3 8 7 , die Festsetzung und die Veränderung des Grundkapitals 388



die Aufnahme anderer Kapital- und Gewährträger 389 , das Eingehen von Beteiligungen (vor allem an anderen öffentlichen Banken) 3 9 0 , die Ände-

383 § 9 Abs. 1 lit. (η) Satzung LB Schleswig-Holstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen). 384 § 21 Abs. 3 lit. (b) Satzung LB Berlin; § 9 Abs. 1 Nr. 8 Satzung HeLaBa; § 16 Abs. 4 lit. (d) Satzung Nord/LB (nach Abs. 5 mit einer Mehrheit von drei Vierteln zu beschließen); § 4 Abs. 1 Nr. 8 Satzung LB Rheinland-Pfalz (nur Entlastung); § 8 Abs. 2 Nr. 3 Satzung SaarLB (nur Entlastung); § 11 Nr. 4 Satzung WestLB (nur Entlastung). 385 § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satzung HeLaBa; § 16 Abs. 4 lit. (b) Satzung Nord/LB (Zustimmung; nach Abs. 5 mit einer Mehrheit von drei Vierteln zu beschließen); § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satzung LB Rheinland-Pfalz (im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat); § 9 Abs. 1 lit. (a) Satzung LB Schleswig-Holstein (Einwilligung; gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen). 386 § 13 Abs. 3 Nr. 6 Satzung Bremer LB; § 9 Abs. 1 Nr. 8 Satzung HeLaBa; § 16 Abs. 4 lit. (d) Satzung Nord/LB (nach Abs. 5 mit einer Mehrheit von drei Vierteln zu beschließen); § 4 Abs. 1 Nr. 8 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 9 Abs. 1 lit. (g) Satzung LB Schleswig-Holstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen); § 11 Nr. 4 Satzung WestLB. 387 § 21 Abs. 3 lit. (c) und (d) Satzung LB Berlin; S 13 Abs. 3 Nr. 5 Satzung Bremer LB; § 9 Abs. 1 Nr. 7 Satzung HeLaBa; § 19 und 20 Satzung Nord/LB; § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satzung SaarLB; § 9 Abs. 1 lit. (h) Satzung LB Schleswig-Holstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen); § 11 Nr. 3 Satzung WestLB. 388 § 21 Abs. 3 lit. (f) Satzung LB Berlin; S 13 Abs. 3 Nr. 3 Satzung Bremer LB (nach Abs. 4 einstimmig zu beschließen); § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satzung HeLaBa; § 16 Abs. 4 lit. (f) Satzung Nord/LB (nach Abs. 5 einstimmig zu beschließen); § 4 Abs. 1 Nr. 4 Satzung LB Rheinland-Pfalz (im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat); § 8 Abs. 2 Nr. 4 Satzung SaarLB; § 9 Abs. 1 lit. (i) Satzung LB Schleswig-Holstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen); § 11 Nr. 1 Satzung WestLB (mit 80% der Stimmen zu beschließen; § 9 Abs. 5 Satzung). 389 § 21 Abs. 3 lit. (g) und (i) Satzung LB Berlin (mit Zustimmung des Abgeordnetenhauses nach § 21 Abs. 4 Satzung Berlin LB); § 16 Abs. 4 lit. (i) Satzung Nord/LB (nach Abs. 5 einstimmig zu beschließen); § 8 Abs. 2 Nr. 5 Satzung SaarLB (mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde); § 11 Nr. 7 Satzung WestLB.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

131

rung der internen Beteiligungsverhältnisse 391 , der Beschluß über eine Fusion mit anderen Instituten 3 9 2 , die Umwandlung der Bank i n eine Aktiengesellschaft 393 , die Auflösung der B a n k 3 9 4 , die Zustimmung zur Errichtung von Niederlassungen und Filialen 3 9 5 •

die Bestellung des Abschlußprüfers 396



die Bestimmung allgemeiner Grundsätze der Geschäftspolitik 397 .

Wenn die Satzungen keine besonderen Bestimmungen enthalten, sind die Entscheidungen mit einfacher Mehrheit der Stimmen zu treffen. Zum Teil wird diese Maßgabe auch ausdrücklich normiert 3 9 8 . Bei einer Analyse der Entscheidungsstrukturen in der Gewährträgerversammlung sind zwei Aspekte voneinander zu trennen: zum einen die Anzahl der einem Gewährträger ein-

390

§ 9 Abs. 1 lit. (k) Satzung LB Schleswig-Holstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen); § 11 Nr. 7 Satzung WestLB. 391 § 13 Abs. 3 Nr. 4 Satzung Bremer LB (nach Abs. 4 einstimmig zu beschließen); § 16 Abs. 4 lit. (h) Satzung Nord/LB (nach Abs. 5 einstimmig zu beschließen); § 9 Abs. 1 lit. (j) Satzung LB Schleswig-Holstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen). 392 § 21 Abs. 3 lit. (h) Satzung LB Berlin (mit Zustimmung des Abgeordnetenhauses § 21 Abs. 4 Satzung Berlin LB); § 16 Abs. 4 lit. (i) Satzung Nord/LB (nach Abs. 5 einstimmig zu beschließen). 393 § 21 Abs. 3 lit. (j) Satzung LB Berlin (mit Zustimmung des Abgeordnetenhauses nach § 21 Abs. 4 Satzung Berlin LB; § 8 Abs. 2 Nr. 6 Satzung SaarLB (mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde). 394 § 8 Abs. 2 Nr. 7 Satzung SaarLB (mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde); § 9 Abs. 1 lit. (η) Satzung LB Schleswig-Holstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen); § 11 Nr. 1 Satzung WestLB (einstimmig zu beschließen; § 9 Abs. 5 Satzung). 395 § 13 Abs. 3 Nr. 7 Satzung Bremer LB; § 9 Abs. 1 Nr. 9 Satzung HeLaBa; § 16 Abs. 4 lit. (1) Satzung Nord/LB (nach Abs. 5 einstimmig zu beschließen); § 4 Abs. 1 Nr. 5 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 9 Abs. 1 lit. (m) Satzung LB Schleswig-Holstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen). 396 § 21 Abs. 3 lit. (a) Satzung LB Berlin; § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satzung HeLaBa; § 4 Abs. 1 Nr. 9 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 9 Abs. 1 lit. (f) Satzung LB SchleswigHolstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen); § 11 Nr. 5 und 6 Satzung WestLB. 397 § 13 Abs. 3 Nr. 1 Satzung Bremer LB (nach Abs. 4 einstimmig zu beschließen); § 16 Abs. 4 lit. (a) Satzung Nord/LB (nach Abs. 5 einstimmig zu beschließen); § 4 Abs. 1 Nr. 3 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 9 Abs. 1 lit. (e) Satzung LB SchleswigHolstein (gem. § 8 Abs. 3 einstimmig zu beschließen) (auf Vorschlag des Vorstands). 398 Z.B. § 9 Abs. 4 Satzung WestLB. 9»

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1 · Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

geräumten Sitze, zum andern das jeweilige Gewicht bei der Stimmverteilung. Einerseits kann die Sitzverteilung schematisch festgelegt und daher in nur unscharfer Abbildung der Kapitalverteilung bestimmt sein 399 , soweit jedes Mitglied in diesen Fällen nur eine Stimme hat. Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Gewährträgern für bestimmte Einheiten des gehaltenen Stammkapitals (etwa 100,- D M 4 0 0 ) eine Stimme zuzuordnen oder nur generell festzulegen, daß sich die Stimmverteilung nach den Kapitalanteilen richtet401. Mit einer solchen Regelung wird die Eigentümerstruktur in der Gewährträgerversammlung naturgemäß genauer abgebildet als nach dem zuerst genannten Modell. In fast allen Satzungen findet sich die Vorschrift, daß die Vertreter eines Gewährträgers ihre Stimme nur einheitlich abgeben können 402 . In inhaltlicher Anlehnung an die gesellschaftsrechtlichen Formen der Eigentümerversammlungen finden sich in den Gewährträgerversammlungen der Landesbanken, trotz einiger Abweichungen in Einzelfällen, die Steuerungskompetenzen, durch deren Ausübung das „Grundprogramm", die rechtliche Organisation, die Zusammensetzung der Eigentümerstruktur und ähnliche, für das Kreditinstitut existentielle Fragen bestimmt werden. Allerdings müssen sich auch die von der Gewährträgerversammlung getroffenen Entscheidungen wegen des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes im Rahmen der von dem Errichtungsgesetz normierten Vorgaben halten. Die Gewährträgerversammlung könnte auch durch einheitlichen Beschluß niemals die Satzung so gestalten, daß sie gegen das Errichtungs- und Aufgabengesetz der Bank verstößt. Die Darstellung der Organstruktur der Landesbanken/Girozentralen hat gezeigt, daß die Erfüllung der den Banken zugewiesenen Verwaltungsaufgabe durch drei Organe und die diesen Organen angehörenden Walter gesteuert wird. Die Zusammensetzung und die Entscheidungsstruktur der Organe sowie die ihnen zugewiesenen Aufgaben können dabei im einzelnen differieren. Während der Vorstand unter Aufsicht, Anleitung und Kontrolle des Verwaltungsrates das tägliche Geschäft der Anstalt führt, ist die Gewährträgerversammlung das Organ der verschiedenen Anstaltseigner. Die mit den Vernet399 § 16 Abs. 1 S. 1 Satzung Nord/LB; § 3 Abs. 1 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 8 Abs. 1 und 2 Satzung LB Schleswig-Holstein. 400 So nach § 5 Abs. 5 S. 3 Satzung Sachsen LB; nach § 7 Abs. 1 Satzung SaarLB erne Stimme je 100.000,-. 401 § 13 Abs. 1 S. 2 Satzung Bremer LB; § 7 Abs. 1 Satzung SaarLB „soll entsprechen" (dennoch aber durch Abs. 4 Gewichtung des Stimmrechts nach je 100.000 DM Kapitalanteil); § 9 Abs. 2 Satzung WestLB. 402 Z.B. § 13 Abs. 1 S. 3 Satzung Bremer LB; § 16 Abs. 1 S. 2 Satzung Nord/LB; § 7 Abs. 5 S. 2 Satzung SaarLB; § 5 Abs. 5 S. 4 Satzung Sachsen LB; § 9 Abs. 3 WestLB.

Α. Rechtsgrundlagen, Stellung und Aufgaben

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zungen der Landesbanken/Girozentralen einhergehenden Veränderungen in der anstaltlichen Organstruktur und bei der Zusammensetzung der Organwalter werden in der folgenden Darstellung der einzelnen Vernetzungskonstellationen eine zentrale Rolle spielen. Nachdem nunmehr dogmatische Stellung und organisationsrechtliche Struktur der Landesbanken/Girozentralen, ihre verwaltungsrechtlichen Aufgaben sowie ihre verfassungsrechtliche Legitimation ebenso wie die tatsächlichen Umstände ihrer Geschäftstätigkeit herausgearbeitet wurden, gilt es, sich im folgenden - vor einer Bestandsaufnahme der nun in den Mittelpunkt der Untersuchung rückenden Vernetzungen der einzelnen Landesbanken/Girozentralen - mit den politischen, betriebswirtschtlichen und kreditwirtschaftsrechtlichen Hintergründen der Vernetzungsvorgänge zu befassen.

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/ Girozentralen durch einseitige Beteiligung und gemeinsame, länderübergreifende Anstalten I. Politische und ökonomische Hintergründe der Vernetzung Bevor die Vernetzungen der Landesbanken/Girozentralen im einzelnen juristisch analysiert werden können, muß zunächst der ökonomische und politische Hintergrund dieser Vorgänge geklärt werden. Mehrere Faktoren, die auf ihre je spezifische Weise den partiellen „Verkauf' von Landesbanken/Girozentralen an andere öffentliche Institute bzw. die Erweiterung des Geschäftsgebietes bestehender Banken auf andere Bundesländer angeregt haben, sind zu erörtern. Zu unterscheiden sind dabei dort, wo Anteile an einer Landesbank auf landesfremde Dritte übertragen werden, die Motive der abgebenden Rechtspersonen (Bundesland, Sparkassen- und Giroverband) von den Motiven der übernehmenden Seite (landesfremde Landesbanken/Girozentralen). Auch sind die Interessen der partiell übernommenen und der partiell übernehmenden Kreditanstalten zu berücksichtigen. Zunächst manifestieren sich in den Verflechtungen der Landesbanken verbandspolitische Motive, die mit dem Wunsch nach Stärkung der Sparkassenorganisation und des in ihr verkörperten Sparkassengedankens zusammenhängen. Spätestens seit Erstellung eines Gutachtens durch die Unternehmensberatung McKinsey, dessen Inhalt im folgenden vorgestellt wird, geht man in weiten Bereichen der Sparkassenorganisation davon aus, daß das verbandspolitische Heil in der Kooperation der Landesbanken/Girozentralen liegt. Durch entsprechende Kooperations- und Fusionsmodelle sollen positive Synergien fruchtbar gemacht werden. Hinzu kommt, daß in der Vernetzungskonstellation, in der sich ein großes Institut an einer kleineren Landesbank beteiligt (Beteiligungsfälle), die abzugebenden Kapitalanteile des kleineren Instituts durch eine Kapitalerhöhung geschaffen werden können, so daß diese Anstalt in die Lage versetzt wird, ihre geschäftspolitisch erforderliche Eigenkapitalbasis ohne Unterstützung der Anstaltsträger zu verbreitern. In den Beteiligungskonstellationen spielen für die Kapitalanteile abgebende Seite (Bundesland, Sparkassen- und Giroverband) zumeistfiskalische Erwägungen eine entscheidende Rolle. Landesbanken/Girozentralen gehören in vielen Bundesländern zu

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

135

den wenigen Unternehmen der öffentlichen Hand, die trotz ihrer normativen Festlegung auf einen öffentlichen Zweck recht hohe Gewinnabführungen an den Landeshaushalt leisten. Ihr Unternehmenswert wird daher sehr hoch geschätzt und gerät so in die Gefahr, als Manövriermasse zur Deckung staatlicher Haushaltsdefizite eingesetzt zu werden. Die verschiedenen Motivationslagen auf Käufer- und Verkäuferseite sollen im folgenden näher erörtert werden, nicht ohne zuvor auch die Veränderungen der kreditwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu erhellen, die die Kooperationen und Vernetzungen aus der Sicht der Landesbanken/Girozentralen angezeigt erscheinen lassen.

1. Die Veränderung der kreditwirtschaftlichen

Rahmenbedingungen

Die Kreditwirtschaft, deren integrierter Bestandteil die Landesbanken/Girozentralen sind, ist - wie bereits in der Einleitung zu dieser Untersuchung angedeutet - in einem tiefgreifenden Wandlungsprozeß begriffen, der auch die öffentlichen Institute erfaßt und vor neue Herausforderungen stellt1. Die Globalisierung des Finanzsektors2 bedingt eine zunehmende Integration der Geldund Kapitalmärkte. Eine fortschreitende Überwindung von räumlichen und sächlichen Marktsektoren ist die Folge dieser Entwicklung. Selbst kleine und mittelständische Betriebe haben zunehmend Berührungspunkte mit ausländischen Märkten und erwarten dabei von ihrer Hausbank, daß diese sie auf die ausländischen Märkte begleitet. Die Internationalisierung der Geschäfte verbindet sich im Kreditgewerbe mit einer wachsenden Verbriefung von Geschäftsvorfällen, die früher in der Bankbilanz enthalten waren und nun ausgelagert werden. Dies wiederum hat in einem kaum vorstellbaren Umfang sogenannte neue Finanzinstrumente entstehen lassen, mit denen die verschiede-

1 Zum folgenden v.a. DSGV (Hrsg.), Strukturfragen, S. 1 f.; H. Geiger, Sparkasse 1988, S. 247 ff; O. Graf Lambsdorff, Kreditwirtschaft, S. 3 ff; schon früh W. Kapteina, Bank-Betrieb 1969, S. 172 ff; aus der Tagespresse z.B. FAZ v. 12. Juli 1996, S. 17 (,JDas Netz der Verflechtungen unter den deutschen Banken wird dichter"); 26. Oktober, S. 14 (,JDer Umbruch im Kreditgewerbe legt viele Empfindlichkeiten bloß") und die „Hintergrund"- Serie in der FAZ zu den Strukturveränderungen im europäischen Kreditgewerbe: ,3anken im Umbruch" 8. bis 12. Oktober 1996. 2 Hierzu B. Claus sen, Teilprivatisierung, S. 54 f.

136

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

nen Gruppen des deutschen Kreditgewerbes intensiv, aber unterschiedlich erfolgreich umgehen3. Auch der heimische Markt ist anspruchsvoller geworden. Der Kunde fordert umfassende Finanzdienstleistungen aus einer Hand. Diese reichen von der privaten Vermögensanlage bei Privatkunden bis hin zu großvolumigen Finanzierungen von geschäftlichen Expansionen bei gewerblichen Kunden. Neue Wettbewerber drängen auf den Markt für Finanzdienstleistungen; die Aktivitäten ausländischer, vor allem europäischer, aber auch amerikanischer Großbanken auf dem deutschen Markt nehmen zu. Kreditkartenunternehmen, Versicherungen und Bausparkassen greifen auf traditionell von der Kreditwirtschaft besetzte Marktsegmente über. Die Anbieter von Waren und Dienstleistungen kombinieren ihre Aktivitäten immer häufiger mit entsprechenden Finanzierungsangeboten. Diese Entwicklung verstärkt auch bei den Banken den Trend zum Allfinanz-Konzern, der noch weit über das traditionelle Erscheinungsbild der Universalbank hinausgreift: Neben die klassischen Bankdienstleistungen treten neue Angebote wie Bausparverträge, Lebens- und andere Versicherungen, Investmentbanking, Leasing, private und gewerblich orientierte Vermögensberatung, Vermögensverwaltung, Betreuung von privaten, gewerblichen und öffentlichen Investitionen aller Art. Auch die gemeinschaftsrechtlich initiierten Neuerungen bei den kreditwirtschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen, auf die im folgenden noch näher einzugehen sein wird, sind eher den geschäfts- und kapitalstarken als den kleineren und mittleren Instituten angepaßt. Nicht zuletzt wird die anstehende Einführung der gemeinsamen europäischen Währung „Euro" nach einer Einschätzung aus Bankenkreisen zu weiteren dramatischen Umbrüchen in der Struktur der nationalen und europäischen Kreditwirtschaften führen. Die natürliche Abschottung der Märkte durch die nationalen Währungen wird mit dem „Euro" verschwinden, der D-MarkVorteil der deutschen Banken wird entfallen. Auf den europäischen Kapitalmärkten wird den Banken nach Einführung des Euro eine außerordentlich hohe Kompetenz in der Abwicklung, der Produkt- und Preisgestaltung abverlangt werden4. Die marktbezogene wie die geographische Expansion und der Zwang, sich überall dort, wo sich die Möglichkeit einer neue Finanzdienstleistung auftut, 3

Siehe exemplarisch den Streit um die Zulässigkeit des Swap-Handels der WestLB: C. Koenig, WM 1995, S. 317 ff. contra H. Schneider / T. Busch, ebd., S. 326 ff. 4 So die Einschätzung von H. Kopper, referiert in FAZ v. 2. Oktober 1996, S. 21 ( yJCopper: Der Euro wird die Bankenlandschaft schnell verändern").

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

137

auch international zu beteiligen, um im Geschäft zu bleiben, setzt mindeste Betriebsgrößen voraus. Nicht jedes kleine Institut hat die personellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, um eine eigene Börsenvertretung, eine Investmentabteilung oder Immobilienbank, geschweige denn Auslandsniederlassungen in London, New York, Hongkong, Singapur oder anderen Brennpunkten der Weltwirtschaft zu fuhren. Aber: Wer sich nicht überall beteiligt, kann schnell geschäftliche Einbußen erleiden. Der „global player" ist gefragt. Dieser Situation waren sich auch die maßgeblichen Entscheidungsträger der Sparkassenorganisation bewußt. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband führte in seinem Geschäftsbericht zum Jahr 1987 aus, daß wettbewerbspolitische Sachzwänge für „Kooperations- und Fusionslösungen" innerhalb der Sparkassenorganisation, vor allem aber wohl mit Blick auf den Sektor der Landesbanken/Girozentralen sprächen5. Zu diesem Zeitpunkt existierten innerhalb der Organisation allerdings lediglich vage, betriebs- und volkswirtschaftlich offensichtlich nur unzureichend abgesicherte Erkenntnisse über Auswirkungen und Anforderungen des kommenden europäischen Binnenmarktes bzw. der über diesen Zeitpunkt hinausweisenden Vernetzung der internationalen Märkte auf die Verbundorganisation. Hier galt es somit, die grundlegenden Erkenntnisse und deren Bewertung aufzuarbeiten, um auf dieser Basis die Weichen für die Zukunft der Sparkassenorganisation stellen zu können.

2. Das McKinsey-Gutachten Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) erteilte nach einer Ausschreibung am 1. September 1988 an die Unternehmensberatung McKinsey den Auftrag, ein wirtschaftswissenschaftliches Gutachten über die „,Strategische Ausrichtung der Sparkassenorganisation auf den europäischen Binnenmarkt zu erstellen6. Der Schwerpunkt des Interesses lag bei einer Darstellung der durch die dynamischer werdende europäische Integration beding5

Meldung in: ZfK 1989, S. 168. Um den Inhalt des Gutachtens wurde von Seiten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes aus verschiedenen Gründen ein großes Geheimnis gemacht. Einer dieser Gründe lag wohl darin, daß die von McKinsey angestellten Erwägungen und Zielvorgaben die betriebswirtschaftlichen Anforderungen an „das" Kreditinstitut im Binnenmarkt im allgemeinen analysierten. Dies war auch für die private und genossenschaftliche Konkurrenz von Interesse. Siehe aber z.B. die Zusammenfassung des Gutachtens in der FAZ v. 8. August 1989: „Die Sparkassenorganisation bereitet sich auf Europa vor". 6

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

ten Entwicklungstendenzen der Wettbewerbssituation am deutschen Markt und deren Auswirkungen auf den Sparkassenverbund. Die Sparkassenorganisation versprach sich von dem Gutachten Vorschläge für eine künftige Geschäftspolitik sowie Anregungen für strukturpolitische Anpassungsmaßnahmen mit Blick auf den Binnenmarkt in Form eines Markterschließungsprogramms. Darüber hinaus sollten Wert und Realisierbarkeit einer Kooperation mit anderen europäischen Sparkassenorganisationen zur Stärkung der Auslandspräsenz ausgelotet werden. Die von McKinsey vorgelegte Studie gliederte sich in drei Teile: Nachdem zunächst die damals aktuelle Situation der Sparkassenorganisation, ihre Marktstellung, ihre Stärken und Schwächen analysiert wurde, entwickelte der zweite Teil Vorschläge zur künftigen Ausrichtung der Sparkassenorganisation an den deutschen Markt. Der dritte Teil befaßte sich mit Konzepten zur künftigen Ausrichtung auf den europäischen Markt. Die Unternehmensberatung erkannte in der Sparkassenorganisation eine dominierende Kraft in der deutschen Bankenlandschaft und die mit mehr als 600 Instituten und rund 265 000 Mitarbeitern größte Bankengruppe in Europa. Der Geschäftsanteil von 50 % bei den Spareinlagen, 35 % bei den Unternehmenskrediten und jeweils 40 % bei Konsumentenkrediten und bei der Wohnungsbaufinanzierung ließ sich auf die dezentrale Struktur der Organisation und die damit verbundene Kundennähe, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Geschäftsstellen, das allgemeine Vertrauen der Kunden in das Sparkassenwesen und die bisherige einwandfreie Führung des angestammten Geschäfts mit traditionellen Spar- und Kreditprodukten zurückführen. Die besondere, oft auch als Last empfundene Stärke der Sparkassen sei die sich im Regionalprinzip dokumentierende kommunale Anbindung der einzelnen Institute und das durch die aufgegliederte Struktur der Organisation bedingte Phänomen des dezentralisierten Unternehmertums. Eine gewisse Schwäche wurde der Organisation demgegenüber bei dem Geschäft mit sogenannten Provisionsprodukten sowohl im Privatkunden- (dort: Wertpapiergeschäft), wie im Firmenkundenbereich (dort: Betreuung von Auslandsgeschäften, Investmentbanking) attestiert. Angesichts dieser Diagnose mußten die für die Geschäfts- und Kundenstruktur wesentlichen Entwicklungslinien in der deutschen und europäischen Bankenlandschaft unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten einen gewissen Anpassungsdruck auslösen. Diese europäisch initialisierten Trends wurden vor allem in dem durch die soziodemographische Struktur Europas bedingten Umstand erkannt, daß in absehbarer Zeit eine nicht unerhebliche Vermögensumschichtung und -konzentration nach einer Vielzahl absehbarer Erbgänge zu erwarten sei. In der Folge dieser Entwicklung müßten daher vermehrt vermögende Privatkunden nach einem Bankinstitut suchen, das ihnen anstelle des traditionellen Sparbuchs umfassende Beratung und maßgeschneiderte Allfi-

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

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nanzkonzepte bieten kann. Insgesamt sei ein durch den Binnenmarkt verschärfter Wettbewerbsdruck im Bankensektor zu erwarten, als dessen Auswirkung vor allem ein aggressives Auftreten ausländischer Großbanken auf dem deutschen Markt erwartet wurde. Ein verstärkter Wettbewerb würde sich dabei im Privatkundengeschäft um die Spar- und Sichteinlagen vermögender Privatkunden entwickeln, für die bei konsequenter Nutzung kostengünstiger Vertriebswege (Direktmarketing, Außendienst) bessere Konditionen als bisher geboten werden könnten. Weniger attraktiv entwickeln würde sich demgegenüber das traditionelle Spargeschäft mit nichtvermögenden Kunden. Hier liegen die Verdienstmöglichkeiten nach wie vor in der Masse der Sparer. Durch die o.a. demographische Entwicklung, die eine Konzentration bisher verstreuter Vermögen bewirken werde, sei absehbar, daß modernere und interessantere Anlageformen wie Wertpapiere und Investmentfonds das Sparbuch in seiner überkommenen Form für die Banken unattraktiv erscheinen lassen werden. Für den Firmenkundenbereich erkannte das Gutachten die Herausforderungen der Zukunft vor allem in dem Erfordernis, die Kunden in das Ausland zu begleiten und dort nicht den ausländischen Instituten zu überlassen, die dann die Kunden nach einem Übergreifen auf den deutschen Markt gänzlich übernehmen könnten. Als ein weiteres gewinn- und damit wettbewerbsträchtiges Tätigkeitsfeld im Firmenkundenbereich wurde das Investmentbanking erkannt, in dem eine Schwäche der Sparkassenorganisation lag. Zudem drohte den Sparkassen ein zunehmender Wettbewerb durch die deutschen Großbanken bei der Betreuung mittelgroßer Firmenkunden, die seit je zu den traditionellen Geschäftspartnern der Sparkassenorganisation zählen. Hier hatten die Geschäftsbanken ein attraktives Geschäftsfeld entdeckt, auf dem sie Marktanteile für sich gewinnen wollten und konnten. Dieser kurze Überblick zeigt, daß die hergebrachten Geschäftsbereiche der Sparkassenorganisation entweder von Wettbewerbern angegriffen werden sollten oder aber unattraktiv zu werden drohten. Sparkassen wie Landesbanken mußten daher mit einer Schwächung rechnen. Hauptursache für diese Entwicklung der Organisation war nach Ansicht der Gutachter der hohe Margendruck und die „Zersplitterung" der Organisation, die eine fehlende Bündelung der Kräfte zur Folge hatte. Dabei wurde auch erkannt, daß die Sparkassenorganisation im Inland mehr verlieren als im Ausland gewinnen konnte. Demgegenüber galt es nach Meinung von McKinsey, die Organisation durch Reformen zu effektivieren, ohne dabei die Stärken des Sparkassenverbundes zu beeinträchtigen. Ausgangspunkt der Reformüberlegungen war insoweit die These, daß in Zeiten eines stabilen und berechenbaren politischökonomischen Umfelds eine dezentrale Entscheidungsfähigkeit genügt hatte, hingegen ein sich rasch wandelndes, labiles Umfeld eine schnelle und zentra-

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1 · Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

lisierte Entscheidungsstruktur erfordere. Nötig sei daher ein Verzicht der dezentralisierten Einheiten auf Aktivitäten in Bereichen, die von einem Institut allein nicht effizient und kostengünstig bewältigt werden können. Von Seiten einzelner Sparkassen wurde im Zuge dieser Überlegungen die Bereitschaft signalisiert, zugunsten einer allgemein erwünschten „strategischen Führung" auf bis dahin eigene und dezentral geordnete Kompetenzen zu verzichten. In den Geschäftsfeldern, in denen auch zukünftig überdurchschnittliches Wachstumspotential zu erwarten sei, nämlich bei den „Zukunftskunden" (vermögende Privatkunden, Firmenkunden, Selbständige) und den „Zukunftsprodukten" (Wertpapiere, Anlagen, Allfinanzangebote), mußte die Sparkassenorganisation verstärkte Sach- und Personalinvestitionen tätigen. Jene sollten in erster Linie im Bereich der Datenverarbeitung greifen, während diese vor allem zu der Gewinnung qualifizierteren Personals führen sollten, um dem angestrebten Kundenkreis einen unter Ausbildungsgesichtspunkten adäquaten Vermögensbetreuer anbieten zu können. Die mit der Betreuung einer anspruchsvollen Kundschaft angestrebte langfristige und umfassende Bindung dieser Kunden an die Organisation, die ζ. B. durch das Angebot von Projektbündeln im Rahmen von Allfinanzprojekten erreichbar sein sollte, machte nach Meinung der Unternehmensberater eine neuartige Struktur des Sparkassenorganisation erforderlich. Die zumeist an die Grenzen der Bundesländer gebundene Vielfalt der Landesbanken/Girozentralen wurde als Hindernis für die anzustrebende Entwicklung empfunden. Von dieser Einsicht ausgehend entwickelte McKinsey den institutionellen Kernpunkt der Studie, der auch für den weiteren Gang der Untersuchung von Bedeutung sein wird. Zwar ließen sich die Vorschläge nicht unmittelbar verwirklichen, indes forcierten sie die fortschreitende Vernetzung der Landesbanken/Girozentralen. Die „nationalen" Aufgaben der Organisation sollten auf ein bundesweit tätiges Spitzeninstitut übertragen werden und nicht mehr im Vielklang der Landesinstitute untergehen. Diesem Spitzeninstitut sollte eine Anzahl von regionalen Niederlassungen nachgeordnet werden, die vor allem die Verbundgeschäfte mit den Sparkassen abgewickelt hätten. Mit dieser Konzeption distanzierte McKinsey sich von den früheren, innerhalb der Organisation angestellten Überlegungen, in denen eine aus vier Spitzeninstituten bestehende „Führungsebene" angestrebt worden war. Die Konzentration von bisher bestehenden (Landes-) Spitzeninstituten hätte zwar auch zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit bei den vier verbleibenden Instituten geführt, hätte indes nur in einem eingeschränkten Maße zur Lösung der Strukturprobleme der Sparkassenorganisation beigetragen. Eine „Vierer"- Lösung hätte z.B. durch die parallele Aufrechterhaltung von vier Auslandsnetzen bei der Bedienung überregionaler oder internationaler Kunden sowie - allgemein - durch den fortgesetzten Wettbewerb zwischen

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

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den vier Blöcken weiterhin nicht unerhebliche Reibungsverluste innerhalb des Verbundes zur Folge gehabt7.

Die Idee, den Verbund durch ein zentrales Institut „nach oben" hin abzuschließen, bestach durch den höchstmöglich denkbaren Rationalisierungseffekt. An dieses Zentralinstitut hätte man ein einziges globales Auslandsnetz anbinden können; eine bundes- und weltweite Kundenbetreuung aus einer Hand wäre gewährleistet gewesen. Die einheitliche Bestimmung der strategischen Ausrichtung, eine uniforme internationale Selbstdarstellung der Organisation, die zügige Verwirklichung von Strukturanpassungen und eine zentrale, innovative Produktentwicklung wären durch dieses Institut erleichtert, teilweise sogar erst ermöglicht worden. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband strebte für dieses Spitzeninstitut unter Hinweis auf die vergleichbare Situation bei den Genossenschaftsbanken die Rechtsform einer öffentlichen Anstalt an. Geplant war weiterhin, die bestehende Deutsche Girozentrale gleichsam als Keimzelle für das neue Institut einzusetzen. Diese sollte nach den Planungen des DSGV durch eine Satzungsänderung ermächtigt werden, das Geschäft der Landesbanken/Girozentralen zu übernehmen. Interessierten Bundesländern sollte die Möglichkeit eröffnet werden, sich an dem neuen Institut zu beteiligen. Die Unternehmensberatung war der Ansicht, daß die Rechtsgrundlage für diese Lösung über Staatsverträge der Länder kaum zu realisieren sei, weswegen „eine besondere bundesrechtliche Verankerung" erfolgen müsse. Die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz des Bundes wurde allerdings nicht gestellt. Die regionalen Dependancen8 hätten bei Verwirklichung dieser Lösung vor allem die Aufgabe gehabt, die regional gebundene Präsenz fortzusetzen, die bisher von den Lan-

7

Ebenfalls vor der McKinsey-Studie waren innerhalb der Organisation Überlegungen angestellt worden, die auf eine Kräftebündelung durch vertikale Fusionen zwischen den Sparkassen des Landes einerseits und den Landesbanken / Girozentralen andererseits zielten. Doch auch dieses Konzept - soweit es überhaupt ernsthaft erwogen wurde - wäre den Strukturproblemen des Verbundes nicht gerecht geworden. Zum einen wäre der Wettbewerb zwischen den Landesbanken / Girozentralen nicht beendet worden, da deren Existenz nicht angetastet werden sollte. Zum anderen hätten auch die angeführten spezifischen Stärken der Organisation unter diesem Konzept gelitten, da die hohe Ortsbindung (Regionalprinzip) sowie die flächendeckende Präsenz und damit die Nähe zum Kunden zugunsten einer zentral verwalteten, landesweit tätigen Bank aufgegeben worden wäre. 8 Es liegt die Vermutung nahe, daß die bestehenden Landesbanken / Girozentralen bei der Verwirklichung dieses Konzepts die Rolle regionaler Dependancen der durch neue und bisher unbekannte Bedeutung gestärkten DGZ hätten übernehmen müssen. Sie wären somit von unabhängigen (Landes-) Anstalten des öffentlichen Rechts zu Fillialen einer bundesweit agierenden DGZ zurückgebildet worden.

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

desbanken/Girozentralen gewährleistet worden war. Als regionale Einheiten hätten sie vor allem regionale Firmenkunden zu betreuen gehabt. Des weiteren wäre ihnen die Aufgabe zugekommen, Kommunalkredite auszureichen. Sie hätten zudem für die strukturpolitischen Aufgaben der Bundesländer indienstgenommen werden können. Mittelfristiges Ziel auch dieses Konzepts war es, einige der dann ehemaligen Landesbanken/Girozentralen zu Kristallisationskernen zu entwickeln und das dezentrale Geschäft auf diese Institute zu konzentrieren. Eine andere denkbare und auch vorgeschlagene Lösung wäre die (u.U. schrittweise) Fusion der bestehenden Landesbanken/Girozentralen zu einem Spitzeninstitut gewesen. Die McKinsey-Studie löste eine rege Diskussion über die verschiedenen Vernetzungsmöglichkeiten im Landesbankenbereich aus. Inspiriert war diese Diskussion vorrangig von betriebswirtschaftlichen Überlegungen9. Verwaltungs- oder gar verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vernetzungsstrategien wurden - zumindest in der Öffentlichkeit - meist nicht geltend gemacht. Nur vereinzelt wurde, sowohl auf der Führungsebene von Landesbanken10 als auch durch die politische Führung der Bundesländer11, die Frage aufgeworfen, ob länderübergreifende Zusammenschlüsse, neben allen wünschenswerten betriebswirtschaftlichen Rationalisierungseffekten, nicht auch die Gefahr in sich bergen, daß der öffentliche Auftrag einer Landesbank - d.h. die Unterstützung des eigenen Landes in der Wirtschaftspolitik und die Förderung der heimischen Wirtschaft - zu kurz kommen könnte. In der Tat dürfte einer der Schwachpunkte der McKinsey-Studie in der zu eindimensional betriebswirtschaftlichen Ausrichtung gelegen haben, die politische Einschätzungen und verfassungs- wie verwaltungsrechtliche Bedenken gegen eine Kooperation der Landesbanken/Girozentralen völlig ausblendete. Es waren auch als politisch bezeichnete Gründe, die die Bemühungen um ein nationales Spitzeninstitut, in dem die Landesbanken/Girozentralen aufgegangen wären, scheitern ließen. Ein Befürworter des nationalen Spitzeninstituts, Helmut Geiger, mußte schon bald nach der Veröffentlichung des Gutachtens eingestehen, daß „die Bundesländer unterschiedliche bankpolitische Vorstel-

9

Siehe z.B. die Beschlüsse des DSGV-Vorstandes zur Strategiestudie, in der Dt. Sparkassenzeitung v. 5. September 1989 („Strategien zur Zukunftssicherung"). 10 So der Chef der Hamburger Landesbank, H. Fahning, zitiert nach FAZ v. 14. März 1989: „Fusion brächte für uns keinen Vorteil". 11 So die bayerische Staatsregierung angesichts der Fusions- und Beteiligungsüberlegungen der Bayerischen LB, zitiert nach der Deutschen Sparkassen Zeitung v. 6. Juni 1989: bayerische Staatsregierung reserviert gegenüber Fusionen".

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

143

lungert haben"12. Von dem einflußreichsten Vertreter der Sparkassenorganisation wurde zu der Frage des bundesweiten Spitzeninstituts nur lapidar festgestellt: ,rDieser Vorschlag, der betriebswirtschaftlich sicherlich eine sinnvolle Lösung darstellt, hat sich in der Praxis nicht umsetzen lassen" Die politische Großwetterlage und das föderalistische Prinzip, das die Harmonisierung einer Vielzahl divergierender Länderinteressen als Bedingung für die Gründung eines Spitzeninstituts erscheinen ließ, entpuppten sich als die entscheidenden Hindernisse14. Doch tat dieser Rückschlag den Kooperationsbemühungen der Landesbanken/Girozentralen keinen Abbruch. Da der große Wurf nicht gelingen konnte, beschränkte man sich auf kleine Lösungen: die partielle Übernahme kleiner Landesbanken/Girozentralen durch die Großen der Branche oder die Bildung gemeinsamer, länderübergreifender Anstalten. Der politische Vorteil dieses kooperationspolitischen Umwegs liegt auf der Hand. Die verkaufswilligen Eigner müssen nur einen oder zwei neue Partner in ihre Anstalt einbinden. Mit einer solch geringen Zahl kann man sich sowohl im Vorfeld als auch bei der dann gemeinsamen Geschäftstätigkeit politisch leichter arrangieren, als mit zwölf oder mehr Partnern. Die organisationspolitischen und betriebswirtschaftlichen Motive, die in dem McKinsey-Gutachten zum Ausdruck kommen, sind indes nur die eine Seite der Medaille. Sie wurden vor allem durch die Bildung länderübergreifender, gemeinsamer Institute umgesetzt. Ein völlig anderes Motiv herrscht bei Beteiligungskonstellationen, also dort, wo eine Landesbank Kapitalanteile einer anderen Landesbank erwirbt, vor.

3. Die Finanznot der Anstaltsträger:

Bankanstalten als „ Tafelsilber

Das staatsrechtliche Motto von einer in der Abgabenhoheit wurzelnden, unbegrenzten Finanzkraft des Staates, die lediglich an bisher nicht näher ausgeleuchteten oder gar aktualisierten grundrechtlichen Grenzen der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) endet, steht eine mittlerweile gravierend andere politische Realität gegenüber. Eine hohe Steuerlast provoziert den Unmut der Wähler, indem der wirtschaftliche Aufschwung ebenso wie die Konsumfreude des ein-

12

So die Meldung „Geiger fordert eine Sparkassenzentralbank", in FAZ v. 10. Juni

1989. 13

F. Neuber, ZfK 1991, S. 22 ff. (22); ähnlich in: Der Langfristige Kredit, 1994, S. 168 f. (168): „Keine Realisierungschance". 14 Auf weitere Schwierigkeiten wird hingewiesen von P. Millier , ZfK 1989, S. 1029 f.

"

144

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

zelnen gebremst wird. Sogar unabweisbar notwendige Zusatzbelastungen sind nur noch schwer vermittelbar (Bsp. Solidarzuschlag). Zur kurzfristigen Sanierung der öffentlichen Haushalte wird daher nicht selten das „Tafelsilber" der Gebietskörperschaften nach Verkäuflichem durchgemustert, um auf diese Weise den steuerzahlenden Wähler zu entlasten und das klaffende Schuldenloch zu stopfen. Ordnungspolitische Gesichtspunkte oder Erkenntnisse, daß sich für dieses oder jenes Staatsunternehmen der öffentliche Auftrag erledigt hat, spielen demgegenüber als Verkaufsmotiv nur selten eine Rolle. Bezogen auf die Vernetzungsvorgänge bei den Landesbanken/Girozentralen bedeutet dies, daß die Kapitalisierung der Bank und die Abgabe von Anteilen an ihr nicht notwendigerweise im Wege einer Kapitalerhöhung geschehen muß, die die bankenaufsichtsrechtlich notwendige Eigenkapitalbasis erweitert. Vielmehr ist es dort, wo es um die Veräußerung von Staatsvermögen geht, üblich, daß ein Anteil am bereits vorhandenen (und nicht erst durch Kapitalerhöhung neu zu bildenden) Kapital veräußert wird. Überblickt man einen aktuellen Lagebericht über die Privatisierungsvorhaben in den einzelnen Bundesländern, so zeigt sich, daß die Landesbanken/Girozentralen immer wieder als möglicher Veräußerungsgegenstand in das Gespräch gebracht werden 15. Die Verringerung des vom Land NordrheinWestfalen gehaltenen Anteils an der WestLB von 43,2 % auf 25,1 % war Thema des Landtagswahlkampfes ebenso wie Bestandteil der politischen Diskussion nach der Wahl 16 , stieß aber auf keine Zustimmung in der Regierungspartei, die damit das politische Potential dieser machtvollen Bankanstalt richtig eingeschätzt hatte. In Hamburg macht man sich schon seit längerem Gedanken über die Veräußerung von Anteilen an der Hamburgischen LB in Höhe von 49 % zur Bewältigung der „beträchtlichen Haushaltssorgen" der Hansestadt17. Auch die jeweiligen Landesbeteiligungen an der LB SchleswigHolstein, an der Bremer LB und der SaarLB scheinen, zumindest für manche politischen Kräfte in den jeweiligen Bundesländern, zur Disposition zu stehen. Auffällig ist angesichts der Palette der angeblich oder tatsächlich, ganz oder teilweise zur Übernahme anstehenden Landesbanken/Girozentralen, daß die ganz großen Institute nur selten als Verkaufsgegenstand in Erwägung gezogen werden. Wenn dies geschieht, dann auch nur durch die politischen Kräfte, die auf absehbare Zeit keine Aussicht auf parlamentarische Mehrheiten besitzen. Aus diesem Umstand - soweit man ihn nicht dem bloßen Zufall zuschreiben 15

Siehe die ausführliche Übersicht in der FAZ v. 24. Mai 1996 S. 10 und 11. Siehe die Meldung im Bonner GA v. 7. Februar 1996, S. 5: „CDU fordert Verkauf von Landesbeteiligungen". 17 Siehe die Meldung in der FAZ v. 30. Mäiz 1996, S. 19. 16

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

145

will - kann man ablesen, daß die großen Landesbanken/Girozentralen (v.a. Bayerische LB, HeLaBa, Nord/LB, SüdwestLB, WestLB), deren Trägerkörperschaften kaum mit geringeren Haushaltsschwierigkeiten als die übrigen Bundesländer zu kämpfen haben, als Machtfaktoren (positiv gewendet: als Unterstützer der durch die Regierung geprägten Landespolitik) verstanden werden. Auch sind die aus ihrer Ertragskraft fließenden, jährlichen Abführungen an die Trägerkörperschaften offenbar so attraktiv, daß schon allein deshalb nicht an eine partielle Veräußerung der jeweiligen Anstalt gedacht wird. In allen Fällen, in denen Landesbanken/Girozentralen oder Teile von ihnen zum Verkauf standen, waren andere Landesbanken/Girozentralen die Übernehmer. Und auch hier ist es keine Überraschung, daß schon bei den bisher abgewickelten Transaktionen die großen Institute auf der Übernehmerseite (Bayerische LB, Nord/LB, SüdwestLB, WestLB), die kleinen Institute auf der abgebenden Seite (v.a. Bremer LB, LB Rheinland-Pfalz, SaarLB, SachsenLB, LB Schleswig-Holstein) anzutreffen waren; diese Tendenz wird sich fortsetzen. Die öffentlichen Käufer von Landesbankanteilen dürften dabei von dem Bestreben nach der Erweiterung ihrer Einflußssphären in der Sparkassenorganisation leiten lassen. Sollte sich eines Tages doch noch das von McKinsey vorgeschlagene Spitzeninstitut realisieren lassen, so dürften die Banken mit der größten verbandspolitischen Macht wohl die beste Ausgangsposition einnehmen, wenn es darum geht, Besitzstandswahrung zu betreiben. Fazit Die Motive für mit den Vernetzungen der Landesbanken/Girozentralen einhergehenden Transaktionen sind auf Kapitalgeber- und -nehmerseite bzw. auf Käufer- und Verkäuferseite vielschichtig. Sie reichen von dem Wunsch nach Verbreiterung der Kapitalbasis auf Seiten einer Kapital abgebenden Anstalt, über den Wunsch nach Geschäftsfelderweiterung und Expansion bei den Übernehmern, den großen Landesbanken/Girozentralen, bis hin zu einer Aktivierung von „brachliegendem" Kapital in Zeiten haushaltswirtschaftlicher Engpässe auf der abgebenden Seite. Während die beiden letztgenannten Motive aus sich heraus verständlich sind, ist es für die Einsicht in die Relevanz des erstgenannten Motivs - des Wunsches nach Verbreiterung der Kapitalbasis auf Seiten der abgebenden Anstalt - erforderlich, auf die kreditwirtschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen einzugehen, mit denen sich die Landesbanken/Girozentralen als Teil der gesamten deutschen Kreditwirtschaft zu arrangieren haben. Es wird dabei aufzuzeigen sein, welche rechtlichen Vorgaben die Landesbanken/Girozentralen zwingen, ihre Eigenkapitalbasis zu verbreitern, wenn und soweit sie kreditwirtschaftliche Geschäfte betrieben wollen, die ihren eigenen - hohen - geschäftspolitischen Ansprüchen genügen. Daher wird nun zunächst der Zusammenhang zwischen dem Umfang des Grundkapitals und der kreditwirtschaftlichen Geschäftstätigkeit nachgezeichnet, um im Anschluß daran nach10 Becker

146

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

zuvollziehen, mit welchen Mitteln die Landesbanken/Girozentralen den zunehmend strengeren aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das haftende Eigenkapital begegnen.

II. Das Dotationskapital als die Basis für die Geschäftstätigkeit der Landesbanken/Girozentralen 1. Die Funktionen des Eigenkapitals von Kreditinstituten aus der Sicht des Bankenaufsichtsrechts Tätigkeitskreis und Geschäftsvolumen einer Bank und damit ihre Position in der nationalen wie internationalen Kreditwirtschaft werden auf rechtlicher Ebene durch die gesetzlichen Anforderungen an das Eigenkapital aller Kreditinstitute gesteuert. Die Entwicklung des Bankenaufsichtsrechts im allgemeinen und des Eigenkapitalrechts im besonderen ist dabei in den vergangenen Jahren von einer ständigen Verschärfung der gestellten Anforderungen geprägt gewesen. Der Anteil des Eigenkapitals an dem gesamten Kapital einer Bank läßt daher nicht nur Rückschlüsse über den betriebswirtschaftlichen Zustand des Instituts zu (Repräsentativfunktion 18 des Eigenkapitals), das Eigenkapital hat nach dem KWG zudem einen entscheidenden Einfluß auf den Umfang der Geschäftstätigkeit eines Kreditinstituts. Dabei ist zu beachten, daß das KWG die Mittel eines Kreditinstituts, die im Sinne des Gesetzes dem haftenden Eigenkapital zuzuschlagen sind, nicht pauschal und rechtsformübergreifend für alle Kreditinstitute festlegt. Vielmehr werden die rechtsformabhängigen Besonderheiten der verschiedenen Institute (private, genossenschaftliche, öffentliche) berücksichtigt. Die zentralen Eigenkapitalvorschriften des Bankenaufsichtsrechts sind § 10 und § 10 a KWG. Nach § 10 Abs. 1 S. 1 KWG müssen Kreditinstitute im Interesse der Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern (Einlegern), über ein „angemessenes" haftendes Eigenkapital verfügen. Diese gesetzliche Anforderung beruht auf der Garantiefunktion 19 des Eigenkapitals, das der Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber Gläubigern und der Sicherung der den Kreditinstituten anvertrauten Vermögenswerte (v.a. Einlagen) dient. In diesem Sinne legt § 12 KWG zudem eine bestimmte Relation von Anlagen zu dem haftenden Eigenkapital fest. Nach § 13 KWG dürfen darüber

18 19

J. Ο ebbecke, Eigenkapitalausstattung, S. 8. J. Ο ebbecke, Eigenkapitalausstattung, S. 5 f.

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

147

hinaus einzelne Großkredite einen bestimmten Prozentsatz des haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten. Eine zeitliche Vorwirkung dieser Garantiefunktion kommt in den §§ 32, 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG zum Ausdruck. Hiernach darf die erforderliche Erlaubnis zur Aufnahme einer bankwirtschaftlichen Tätigkeit überhaupt erst bei dem Nachweis ausreichenden Eigenkapitals erteilt werden (Gründungsfunktion 20 des Eigenkapitals).

Über das Eigenkapital werden in der Kreditwirtschaft auch (lediglich) intertemporäre Verluste ausgeglichen: Ein Unternehmen ohne jedes Eigenkapital müßte schon bei kleinen Verlusten seinen Betrieb wegen Überschuldung einstellen, auch wenn diese durch sicher in Aussicht stehende Gewinne ausgeglichen werden könnten. Das Eigenkapital kann demgegenüber Verluste bis zu seiner vollen Höhe auffangen (Pufferfunktion) 21. Wichtiges Seitenstück der Garantiefunktion ist die Begrenzungsfunktion, die in den §§ 10, 10 a KWG zum Ausdruck kommt 22 . Die Garantiefunktion ist der eigentlich geschäftssteuernde und -begrenzende Faktor, mit dem es in dem Interesse eines jeden Kreditinstituts liegt, die Eigenkapitalbasis ständig zu verbreitern, um auf diese Weise auf den steigenden Finanzbedarf der öffentlichen und privaten Nachfrager reagieren zu können. Die wichtige Aufgabe, einen genauen und fungiblen Zuschnitt des in dem zentralen § 10 KWG verwendeten offenen Rechtsbegriffes „angemessen" zu finden, wird nach §§ 10 Abs. 1 S. 2, 10 a Abs. 1 S. 2 KWG dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen übertragen, das im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank die erforderlichen „Grundsätze über das Eigenkapital" aufstellt. Zur Ergänzung der Vorschriften des § 10 KWG wurden daher die sog. Grundsätze I und Ia festgelegt. Grundsatz I bestimmt, daß Kredite (mit Ausnahme der Kredite an juristische Personen des öffentlichen Rechts, die nicht Kreditinstitute sind und der Kredite an ein Sondervermögen des Bundes) und Beteiligungen eines Kreditinstituts bzw. einer Kreditinstitutsgruppe abzüglich der Wertberichtigungen und anderer Posten das achtfache des haftenden Eigenkapitals nicht übersteigen sollen (sog. Solvabilitätskoeffizient). Das haftende Eigenkapital wird in eine Relation zurisikobehafteten Aktiva gesetzt; nicht in diese Kategorie fallende Kredite (s.o. die Ausnahmen: Von öffentlichrechtlichen juristischen Personen wird aufgrund der Möglichkeit, Steuern zu erheben bzw. durch eine steuererhebende Körperschaft ausgestattet zu werden, angenommen, sie zahlten ihre Schulden zuverlässig zurück) werden von der 20 21 22

S. 8 ff. 10*

J. Oebbecke, Eigenkapitalausstattung, S. 4 f. K. F. Hagenmüller, Bankbetrieb, S. 59. K. F. Hagenmüller, Bankbetrieb, S. 59 f.; J. Oebbecke, Eigenkapitalausstattung,

148

1 · Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

Berechnung ausgenommen. Neben Grundsatz I tritt der Grundsatz Ia, der offene Devisen- und Edelmetallpositionen (Risikopositionen) auf 42 % des haftenden Eigenkapitals begrenzt, um auf diese Weise eine Kumulation von Währungsrisiken zu limitieren. Hieran wird deutlich, daß die Geschäftstätigkeit eines Kreditinstitutes ganz maßgeblich von dem zur Verfugung stehenden Eigenkapital abhängt. Eine zu dünne Kapitalbasis kann sich in einem scharfen, international ausgerichteten Wettbewerb um Großkredite verhängnisvoll auswirken. Die §§ 10 ff. KWG normieren allerdings nach allgemeiner Ansicht nur dasjenige, was ohnehin unabdingbare Grundlage jeder soliden Geschäftsführung einer Bank ist: ein angemessenes haftendes Eigenkapital und eine ausreichende Liquidität. Diese Regelungen entbinden die Kreditinstitute nicht von ihrer Verantwortung, die Angemessenheit des haftenden Kapitals unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten selbst zu bestimmen und die Eigenmittel höher als nach diesen Grundsätzen geboten festzulegen, wenn dies betriebswirtschaftlich erforderlich scheint23.

Die entscheinde Frage aber ist, welche Bilanzposten eines Kreditinstituts als Eigenkapital, das in „angemessenem" Umfang vorhanden sein muß, zu verstehen sind. Schlüsselbegriff des Bankenaufsichtsrechts ist damit das Eigenkapital. Dabei ist scharf zwischen zwei Eigenkapitalbegrififen zu unterscheiden. Auf der einen Seite existiert der organisationsrechtliche Begriff des Eigenkapitals. Dieses kann auch als Stammkapital, Dotationskapital24 o.ä. bezeichnet werden. Im privaten Gesellschaftsrecht bildet das Stammkapital der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bzw. das Grundkapital der Aktiengesellschaft den Umfang des Mindesthaftungsfonds der Gesellschaft, der - mit einer Ausschüttungssperre versehen - der Verwirklichung des Schuldnerschutzes dient. Dem organisationsrechtlichen Eigenkapital kommt beispielsweise auch die Funktion als Bemessungsgrundlage für die Gewinnverteilung der an einer Rechtsperson Beteiligten zu. Einzelheiten sind hierbei rechtsformabhängig 25. Diese Funktion konnte bei den öffentlichen Kreditinstituten solange keine Bedeutung gewinnen, wie jedes Institut nur einen Träger und keinen weiteren zusätzlichen Anstaltsträger oder „Kapitaleigner" hatte. Soweit Mehrfachträgerschaften und die Übertragung

23

F. Reischauer/J. Kleinhans, KWG, Rn. 4 zu § 10. Zu den Begriffen siehe die entsprechenden Stichworte in E. Achterberg / K. Lanz, Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank und Börsenwesen, Band I; insbesondere zu dem Dotationskapital öffentlicher Bankanstalten: U. H. Schneider, FS S. Riesenfeld, S. 237 ff. (238). 25 Siehe für die privaten und genossenschaftlichen Banken § 60 Abs. 1 AktG, § 29 Abs. 3 GmbHG, § 19 Abs. 2 S. 1 GenG; J. Oebbecke, Eigenkapitalausstattung, S. 7 f. 24

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

149

von Anteilen an Dritte im öffentlichen Bankenwesen Einzug gehalten haben, entfaltet sich die Funktion des Eigenkapitals als Verteilungsschlüssel auch hier unter den Maßgaben und in den Dimensionen, die der öffentliche Auftrag dieser Institute zuläßt26. Das organisationsrechtliche Eigenkapital ist zudem im privaten Gesellschaftsrecht das Vehikel für die Steuerungsrechte an einer juristischen Person: Wer das Kapital übernimmt, übernimmt auch die Person.

Die an das organisationsrechtliche Eigenkapital zu stellenden Mindestanforderungen gelten für alle Rechtssubjekte, die in der entsprechenden Form organisiert sind, gleichermaßen. Demgegenüber umschreibt der aufsichtsrechtliche Eigenkapitalbegriff tes KWG die konkrete, die Bankgeschäftstätigkeit des Instituts steuernde und begrenzende Haftungsmasse. Der aufsichtsrechtliche Eigenkapitalbegriff umfaßt nicht allein das organisationsrechtlich erforderliche Kapital der Kreditanstalt (mit gewissen Abzügen), sondern auch noch andere Posten, die nach Maßgabe des KWG unter bestimmten Bedingungen und in gewissen Grenzen in die gesetzlich vorgeschriebene Haftungsmasse der Bankanstalt miteinbezogen werden können. Auf diese Weise soll ein Ausgleich zwischen den expansionshemmenden, eigenkapitalbedingten Geschäftsbeschränkungen der Kreditinstitute und den Anforderungen des Gläubigerschutzes getroffen werden. Im folgenden ist allein von dem aufsichtsrechtlichen Eigenkapital die Rede. Dessen gesetzliche Definition fällt dabei für die einzelnen Rechtsformen, in denen Kreditinstitute organisiert sein können, unterschiedlich aus (§ 10 Abs. 2 KWG). So erkennt das Gesetz nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 KWG bei Einzelkaufleuten, offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften z.B. das Geschäftskapital, die Rücklagen (soweit diese nicht aufgrund steuerlicher Vorschriften erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind, § 10 Abs. 3 S. 2 KWG), den Reingewinn und anerkanntes freies Vermögen als Eigenkapital an. Bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung bezieht § 10 Abs. 2 Nr. 2 KWG z.B. das Stamm- bzw. Grundkapital, die Rücklagen und den Reingewinn in das haftende Eigenkapital mit ein. Auch die Kreditgenossenschaften erfahren in § 10 Abs. 2 Nr. 3 KWG eine individuelle Behandlung. § 10 Abs. 2 Nr. 4 KWG erkennt bei den öffentlich-rechtlichen Sparkassen als aufsichtsrechtlich relevantes Eigenkapital allein die Rücklagen an.

Bei allen anderen öffentlichen Kreditinstituten, die keine Sparkassen sind (also v.a. die Landesbanken/Girozentralen), umfaßt das haftende Eigenkapital

26

Siehe z.B. § 21 Abs. 2 Satzung LB Rheinland-Pfalz; § 17 Abs. 2 Satzung SaarLB; § 17 Abs. 3 Satzung Sachsen LB; § 23 Satzung LB Schleswig-Holstein; bei den anderen Landesbanken/Girozentralen, die über mehrere Kapitalträger verfügen, wird der Gewinn nach Maßgabe eines Beschlusses der Gewährträgerversammlung verteilt.

150

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

nach § 10 Abs. 2 Nr. 5 KWG das (eingezahlte) Dotationskapital (hierzu sogleich) und die Rücklagen. Eine bei allen Kreditinstituten gleichermaßen vorzunehmende Unterscheidung ist die zwischen dem Kern- und dem Ergänzungskapital. Die wichtigsten Bestandteile des Kernkapitals sind das eingezahlte Kapital, offene Rücklagen und (unter bestimmten Bedingungen, § 10 Abs. 4 KWG) die Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter, § 10 Abs. 4 a S. 2 Hs. 2 KWG. Die Summe dieser Eigenkapitalbestandteile muß mindestens 4,4 % (Mindestkernkapitalquote) der nach dem Grundsatz I gewichteten Risikoaktiva betragen. Die Summe der Anteile des Ergänzungskapitals (v.a. Genußrechte, nachrangige Verbindlichkeiten, nicht realisierte Reserven) darf nach § 10 Abs. 6 b KWG die Höhe des Kernkapitals nicht überschreiten. 2. Das Dotationskapital der Landesbanken/Girozentralen Maßnahmen zur Verbreiterung der Kapitalbasis

und

Für die Bildung von betriebswirtschaftlich, bankenaufsichts- und organisationsrechtlich erforderlichem Eigenkapital sind grundsätzlich zwei Wege denkbar: Zum einen kann die Zuführung von Kapital durch einen Eigentümer bzw. von außen hinzutretende Dritte erfolgen (Fremdfinanzierung). Eine zweite Möglichkeit besteht in der Einbehaltung von Geschäftsgewinnen zur autarken Erweiterung der Kapitalbasis (Eigenfinanzierung). Während die zumeist als Aktiengesellschaft organisierten Geschäftsbanken ihre Kapitalbasis im Wege der Kapitalerhöhung auf dem Kapitalmarkt erweitern und die Genossenschaftsbanken z.B. neue Mitglieder werben können, stoßen die öffentlichen Institute in den Zeiten leerer Staatskassen bei ihren Trägern nicht auf großes Verständnis, wenn sie eine Aufstockung ihrer Kapitalbasis zu erreichen versuchen. Da der Gang zum Kapitalmarkt diesen Instituten nicht offen steht, müssen andere Wege der Kapitalbeschaffung gefunden werden. Dies gilt um so mehr, als die Anforderungen an das Eigenkapital der Banken im Zuge der zunehmenden Europäisierung des Bankenmarktes und seiner Regulierung stetig verschärft wurden, was kleine und mittlere Institute (die auch im Landesbankenbereich vertreten sind) in besonderem Maße unter Anpassungs- bzw. Expansionsdruck gesetzt hat. a) Das Dotationskapital der Landesbanken/Girozentralen Unterzieht man die Eigenkapitalbasis der Landesbanken/Girozentralen einer genaueren Betrachtung, so wird der fundamentale Unterschied zwischen

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

151

den kommunalen Sparkassen einerseits und den Landesbanken/Girozentralen andererseits deutlich: Die kommunalen Sparkassen werden nach der derzeitigen Rechtslage nicht von ihrem Gewährträger mit einem Dotations-, Gründungs-, Stamm- oder Eigenkapital (im organisationsrechtlichen Sinne) ausgestattet 27 . Die Tatsache, daß die Sparkassen nicht über einförmliches Dotationskapital verfügen, ist keine zwingende Notwendigkeit, sondern vielmehr Ergebnis der historischen Entwicklung: Da die kommunalen Institute in ihrer Anfangszeit als unselbständige Abteilungen ihrer Gemeinden mit deren sächlichen und personellen Verwaltungsmitteln betrieben wurden und anfangs praktisch ausschließlich im Passivgeschäft tätig waren, während das Aktivgeschäft nur der sicheren Anlage der hereingenommen Gelder galt, wurde die Notwendigkeit einer Kapitalbasis nicht gesehen und zu diesem Zeitpunkt auch für die (unselbständigen) Sparkassen gesetzlich nicht eingefordert. Wenn die Bilanzen der Sparkassen auch heute noch kein Dotationskapital aufweisen, sondern allein Rücklagen, so ist das Ausfluß dieser Entwicklung. Mit ihren Rücklagen haben sich die Sparkassen aus eigener Kraft die nach den Vorschriften des K W G erforderlichen Grundlagen für ihre Geschäftstätigkeit geschaffen. Diese historische Besonderheit berücksichtigt der Bundesgesetzgeber mit der Vorschrift des § 10 Abs. 2 Nr. 4 KWG, nach dem die Rücklagen der kommunalen Sparkassen als Eigenkapital im Sinne der KWGVorschriften (mithin i m aufsichtsrechtlichen Sinne) anzusehen sind 2 8 . Anders als die Sparkassen sind die Landesbanken/Girozentralen durchweg mit einem Dotationskapital ausgestattet29, das den Anstalten als sächliches Verwaltungsmittel, als Substrat für ihre Geschäftstätigkeit gewidmet ist. Das Dotationskapital ist seiner Idee nach an das aktienrechtliche Stammkapital angelehnt, obwohl es sich auch in einigen Facetten von diesem unterscheidet. Während das Recht der Aktiengesellschaft ein Mindeststammkapital von 100.000,DM (§7 AktG) und eine Aktienstückelung in einem minimalen Nominalwert von 50 DM (§8 Abs. 1 S. 1 AktG) vorschreibt, unterliegt das Stammkapital der Lan-

27 U. Güde, Geschäftspolitik, S. 147 ff.; H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 276. Dort auch der Hinweis auf die Ausnahmesituation in Schleswig-Holstein, wo die Sparkassen nach § 30 SpkG auf Dauer mit einem Dotationskapital ausgestattet werden können. 28 Zu den Möglichkeiten, die den kommunalen Instituten in den einzelnen Sparkassengesetzen eröffnet sind, um ihre Kapitalbasis zu erweitern (z.B. durch Genußrechtskapital), siehe nur H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 277 ff. 29 H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 321.

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

desbanken/Girozentralen nur insoweit einer bundesrechtlichen Normierung, als das haftende Eigenkapital eines Kreditinstituts, welches das Einlagen- oder Kreditgeschäft betreibt, mindestens 5 Millionen ECU betragen muß (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG). Diese Vorschrift ist faktisch auch für die Landesbanken/Girozentralen zwingend, da diese sich allesamt in den genannten Geschäftszweigen bewegen. Im übrigen sind die Landesgesetzgeber frei, ihre Landesbank/Girozentrale mit Kapital in dieser oder jener Höhe auszustatten. Bei der Neugründung einer Landesbank kann sich der Gesetzgeber allerdings nicht mehr - unter Hinweis auf das Werden der Sparkassen - zurückziehen und die Banken auf eine Eigenfinanzierung aus Rücklagen verweisen. Die Gründungsfunktion 30 des Eigenkapitals (§§ 32, 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG), nach der die erforderliche bundesrechtliche Erlaubnis zur Aufnahme einer bankwirtschaftlichen Tätigkeit überhaupt erst bei dem Nachweis ausreichenden Eigenkapitals erteilt werden darf, stünde einer solchen Vorgehensweise entgegen. Im Gegensatz zu den zwingenden Normierungen des privaten Gesellschaftsrechts kennt das Recht der öffentlichen Anstalt keine allgemeingültigen Vorschriften über Aufbringung und Sicherung des eingebrachten Kapitals. Die jeweiligen Landesgesetzgeber fühlen sich daher frei, diesbezügliche Regelungen in den Errichtungsgesetzen (teilweise auch in den Anstaltsatzungen) nach eigenem Gutdünken festzulegen. Als verläßliche Größe für die Gläubiger der Anstalt existieren allein die Grundsätze von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, die allerdings nicht i m Wege des Haftsummenzuschlags auf den Umfang des haftenden Eigenkapitals angerechnet werden dürfen 31 . Die Höhe des Stammkapitals einer Landesbank/Girozentrale und (im Falle mehrerer Anstalts- und/oder Kapitalträger) die anteilsmäßige Aufschlüsselung der Kapitalverteilung unter den Beteiligten ist - je nach Bundesland verschieden - dem Sparkassengesetz, dem Landesbankgesetz, der Anstaltssatzung oder in einem Einzelfall der Satzung des Trägerverbandes zu entnehmen 32 . An-

30

J. Oebbecke, Eigenkapitalausstattung, S. 4 f. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie des Rates vom 17. April 1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten, ABl. vom 5. Mai 1989, Nr. L 124/16. Hiernach sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Garantien, welche sie oder ihre Behörden den öffentlichrechtlichen Kreditinstituten gewähren, nicht in die Eigenmittel der Institute einzubeziehen. 32 Dies ist die Regelung im Falle der SüdwestLB, die mit der besonderen Trägerstruktur des Instituts erklärt werden kann. Es handelt sich bei dieser Bank um eine reine Verbandsgirozentrale ohne Landesbeteiligung. Es sind daher bei einer Entscheidung über eine Kapitalerhöhung andere Interessen als die der beteiligten Sparkassen- und Giroverbände aus juristischen Gründen nicht zu berücksichtigen. 31

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

153

stalts- und Kapitalträger der Landesbanken/Girozentralen halten sich angesichts der akuten und evidenten Finanznot der öffentlichen Kassen bei der finanziellen Ausstattung „ihrer" Landesbanken/Girozentralen zurück, so daß das für die Erweiterung der Geschäftstätigkeiten notwendige Eigenkapital mehr und mehr ohne die direkte finanzielle Mithilfe der Errichtungskörperschaften beschafft werden muß. Zwar wird in der wirtschaftspolitischen Diskussion immer wieder der Grundsatz der durch die staatliche Abgabenhoheit potentiell unbegrenzten finanziellen Ressourcen der öffentlichen Hand angeführt. Indes ist es kaum noch politisch opportun, den Steuerzahler über das heute aktuelle Maß hinaus zu belasten, zumal, wenn der Grund für die Belastung nicht in der Etablierung öffentlichkeitswirksamer Programme und Projekte, sondern in der Verbesserung der Eigenkapitalbasis eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts zufinden ist. Auch im Wettlauf um die wenigen vorhandenen Mittel wird daher eine Bankanstalt des Landes gegenüber öffentlichkeitswirksamen Ausgaben stets das Nachsehen haben.

Angesichts dieses Befundes haben die Landesbanken/Girozentralen daher gemeinsam mit den jeweiligen Gesetzgebern eine Reihe von Instrumenten zur Aufbringung von Kapital entwickelt. Mit diesen Instrumenten soll das rechtsformbedingte Defizit der Landesbanken/Girozentralen ausgeglichen werden, aufgrund dessen sich diese Institute das nötige Kapital nicht unmittelbar am Kapitalmarkt beschaffen können. Dabei ist in Fortführung der oben dargelegten Unterscheidung zwischen dem aufsichtsrechtlichen und dem organisationsrechtlichen Begriff des Eigenkapitals auch die Zulässigkeit der entsprechenden Finanzierungsform jeweils gesondert zu betrachten: Wenn das KWG gewisse Bilanzposten als Eigenkapitalersatz zuläßt, so bedeutet das nicht, daß diese Finanzierungsform auch von den Landesbanken/Girozentralen in Anspruch genommen werden kann. Die Antwort auf diese Frage ist dem einschlägigen Organisationsrecht zu entnehmen, das die Erschließung derartiger Eigenkapitalsurrogate zulassen muß. Dieses Finanzierungsrecht der Landesbanken/Girozentralen hat gerade in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung erlebt 33. Eine Darstellung der gängigsten Finanzierungsinstrumente soll dabei deutlich machen, daß die Kapitalisierung und der partielle Verkauf einer Landesbank nicht unbedingt der einzige Weg zu einer wirkungsvollen Verbreiterung der Kapitalbasis sein muß.

33

Siehe die Übersicht bei U. H. Schneider, FS S. Riesenfeld, S. 237 ff.

154

1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

b) Die Rücklagenbildung aus Geschäftsgewinnen Maßnahmen zur Förderung der Kapitalbildung sind beispielsweise diejenigen Vorschriften der Organisationsgesetze, mit denen die alljährliche Gewinnausschüttung begrenzt wird 34 . Hierdurch werden die Landesbanken/Girozentralen in die Lage versetzt, nicht abzuführende Gewinne in die Rücklagen einzusetzen, die nach § 10 Abs. 2 Nr. 5 KWG bei den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten dem haftenden Eigenkapital gleichgestellt sind. Allerdings knüpft das Gesetz einige Bedingungen an die Anerkennung zurückgelegter Gelder als haftendes Eigenkapital (§ 10 Abs. 3 KWG). Es ist aber offensichtlich, daß die durch Gewinnabführungen begünstigten Gebietskörperschaften über eine Gewinnrückhaltung zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der Anstalten nicht sehr erfreut sind und deswegen versuchen, dieses Finanzierungsmittel weitestgehend restriktiv handhaben zu lassen. Daher wurden im Laufe der letzten Jahre für die Landesbanken/Girozentralen ebenso wie für die Sparkassen weitere Finanzierungsinstrumente entwickelt, um die Abhängigkeit dieser öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute auf die Eigenkapitalerwirtschaftung durch Rücklagenbildung aus den erwirtschafteten Gewinnen zu verringern.

c) Die Aufnahme „stiller Gesellschafter" Ein denkbarer Weg zur Verbreiterung der Eigenkapitalbasis von Landesbanken/Girozentralen ist die Möglichkeit zur Aufnahme „stiller Gesellschafter" 35, die vor allem im Sparkassenbereich schon seit einiger Zeit praktiziert wird. Unabhängig von der Schaffung entsprechender sparkassenrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen für die Aufnahme stiller Gesellschafter wird den Sparkassen etwa seit 1973 im Einvernehmen mit den Aufsichtsbehörden und dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Möglichkeit gewährt, öffentlich-rechtliche stille Hafteinlagen von Sparkassenfördergesellschaften über einen Hafteinlagenvertrag zu akzeptieren. Bei diesen Sparkassenfördergesellschaften handelte es sich um EinMann-GmbHs die von den jeweils zuständigen Sparkassen- und Giro verbänden gegründet wurden. Diese Einlagen wurden unter bestimmten Voraussetzungen als haftendes Eigenkapital anerkannt 36.

34 35 36

Siehe z.B. Art. 13 Bay. LBankG; § 12 Abs. 2 Sächs. LBankG. Siehe z.B. § 15 LBankG Beri. Β. Claussen, Teilprivatisierung, S. 87.

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

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Die (typische) stille Gesellschaft entspricht nach den weitgehend dispositiven Vorschriften der §§ 230 ff. HGB einer bürgerlich-rechtlichen Innengesellschaft, mit dem naheliegenden Unterschied, daß ihr Inhalt die Beteiligung an einem Handelsgeschäft ist. Die Beteiligung des „Stillen" erfolgt in der Weise, daß er in das kaufmännische Vermögen eine Einlage leistet und dafür an dem erwirtschafteten Gewinn, aber nicht notwendigerweise auch an einem entsprechenden Verlust teilnimmt. Dem „Stillen" steht ein schuldrechtlicher Anspruch auf einen Anteil am Gewinn des Handelsgewerbes zu, so daß er - anders als bei Personengesellschaften üblich - nicht an der Wertentwicklung des Handelsgewerbes partizipiert. Weder das Anlagevermögen noch die stillen Reserven sind insofern Bezugspunkt für die Ermittlung des Gewinnanspruchs des „Stillen". Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, daß es sich bei der (typischen) stillen Gesellschaft lediglich um ein Vermögensrecht handelt, das angesichts der lediglich beschränkten Kontrollrechte nach § 233 HGB eine unternehmerische Mitwirkung des „Stillen" ebenso ausschließt wie eine (u.U. risikobehaftete) Beteiligung an der Wertentwicklung des Vermögens. Zu beachten ist aber, daß die Parteien über das Gros der gesetzlichen Regelungen insoweit disponieren können (atypische stille Gesellschaft), als dem „stillen Gesellschafter" über den § 233 HGB hinausgehende Kontrollrechte oder Mitwirkungsbefügnisse bei der Geschäftsführung eingeräumt werden können. Auch eine (schuldrechtliche) Vereinbarung über eine Partizipation an der Wertentwicklung des Unternehmens kommt in Betracht. Zu beachten ist, daß auch hier das KWG bestimmte Anforderungen an die Ausgestaltung der stillen Gesellschaft stellt, damit das eingezahlte Vermögen als haftendes Eigenkapital im Sinne dieses Gesetzes akzeptiert werden kann (§ 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 bis 5 KWG). Zentrale Bedingungen sind, daß das eingezahlte Vermögen in voller Höhe am Verlust teilnehmen (Nr. 1) und dem Institut für mindestens fünf Jahre zur Verfügung stehen muß (Nr. 3).

d) Die Einräumung von Genußrechten und Annahme nachrangigen Haftkapitals Neben der Möglichkeit einer Hereinnahme „stiller Gesellschafter" wird mit Blick auf Sparkassen und Landesbanken diskutiert 37, die Institute zur Einräumung von Genußrechten zu ermächtigen. Diese räumen ihrem Inhaber Vorteile ein (z.B. Gewinnbeteiligung, Beteiligung an einem evtl. Liquidationserlös), ohne ihm Beteiligungsrechte irgendeiner Form zuzugestehen. 37

Beri.

H. Schlierbach-G. Püttner, Sparkassenrecht, S. 275 f.; realisiert in § 15 LBankG

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

Hinsichtlich der unternehmerischen Mitwirkung eines Dritten ist bei einer Einräumung von Genußrechten eine eindeutigere Antwort als bei der „stillen Gesellschaft" insofern gegeben, als der Dritte keinerlei Inhaberrechte o.ä. geltend machen kann. Bankenaufsichtsrechtsrechtlich werden bestimmte Bedingungen für die bundesrechtliche Anerkennung des Genußrechtskapitals als haftendes Eigenkapital aufgestellt (§ 10 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 bis 5 KWG), die ungefähr den Vorschriften über die Anerkennung von Einlagen stiller Gesellschafter entsprechen. Als weitere Möglichkeit zur Erweiterung der Kapitalbasis kommt die Aufnahme „nachrangigen Haftkapitals" in Betracht 38. Hier stellen private Einleger einem Geldinstitut längerfristige Darlehen zur Verfügung und erklären sich gegen einen Zinszuschlag mit dem Rücktritt ihrer Forderungen hinter die anderen Gläubiger des Kreditinstituts bereit. Im Gegensatz zur „stillen Gesellschaft" erfolgt die Verzinsung des Kapitals unabhängig vom Geschäftserfolg des Instituts. Dabei gilt es zu erkennen, daß auch diese Form des Eigenkapitalersatzes lediglich auf schuldrechtlichen Abreden beruht und keine dinglich wirksame „unternehmerische" Beteiligung am organisationsrechtlichen Eigenkapital gewährt. Wie zu erwarten, verknüpft das KWG auch hier die Anerkennung nachrangigen Haftkapitals als haftendes Eigenkapital an erschwerende Bedingungen (§ 10 Abs. 5a S. 1 Nr. 1 bis 3 KWG). Die noch im Fluß befindliche Erschließung der drei genannten Finanzierungsmittel läßt eines ganz deutlich erkennen: Der oftmals als Allheilmittel für Eigenkapitalschwäche gepriesenen Organisationsprivatisierung öffentlichrechtlicher Bankanstalten, die die Börse als Finanzierungsquelle erschließen würde, stehen durchaus auch praktizierte außerbörsliche Finanzierungsmittel gegenüber. Finanzierungsquellen zur Erweiterung der Eigenkapitalbasis existieren somit auch ohne die notwendige Einräumung mitunternehmerischer Rechte an den Financier. Zudem ist mit den drei genannten Instrumenten das in der Praxis erprobte Finanzierungspotential für die Landesbanken/Girozentralen noch nicht ausgeschöpft. Auch die Gebietskörperschaften haben bei der Kapitalausstattung ihrer Kreditinstitute einen Handlungsbedarf erkannt. In Ermangelung flüssiger Haushaltsmittel verfiel man dabei auf eine Idee, das bankenaufsichtsrechtliche Eigenkapital der Landesbanken/Girozentralen durch eine Maßnahme zu erweitern, welche im Zusammenhang mit entspre-

38

Siehe z.B. § 15 LBankG Beri.; § 3 LBankG Hamb.; § 6 Sächs. LBankG; allgemein: D. Schmidt, ZfK 1981, S. 124 ff.

Β. Die Vernetzung von Landesbanken/Girozentralen

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chenden, i n gewisser Weise repräsentativen Vorgängen in NordrheinWestfalen als „ T r i c k " 3 9 bezeichnet wurde:

e) Die Übertragung von Förderprogrammen auf die Landesbanken (Fusionslösung) Die Wohnungsbauförderungsanstalt des Landes Nordrhein-Westfalen, eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, wurde per Landesgesetz40 auf die WestLB übertragen, um auf diese Weise das haftende Eigenkapital der Bank um ca. 4 Milliarden D M ( ! ) 4 1 zu erweitern. Allerdings wurden die Aufgaben der Wohnungsbauförderungsanstalt (WFA) ebenfalls auf die WestLB übergeleitet, die nunmehr Träger der Rechte und Pflichten der WFA ist (§ 1 S. 1 und 2 WBFG). Ähnliche Überleitungen von Verwaltungsträgern / -vermögen im Bereich der Landeswohnungsbauförderung auf Landesbanken/Girozentralen hat es auch andernorts gegeben: Bayern: Übertragung der ursprünglich dem Freistaat Bayern zustehenden (Teil-) Ansprüche aus öffentlichen Baudarlehen. Diese wurden bisher von der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt, einer unselbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts innerhalb der Bayerischen Landesbank aufgrund eines Treuhandvertrags für den Freistaat verwaltet. Übertragungsadressat war die Landesbodenkreditanstalt, die nunmehr ein Zweckvermögen innerhalb der Bayerischen Landesbank bildet. Mit dem Gesetz wird zugleich die fortwährende Zweckbindung des durch Rückflüsse anwachsenden Zweckvermögens für den sozialen Wohnungsbau festgelegt 42. Berlin: Durch eine Änderung des Landesbankengesetzes wurde die Investitionsbank Berlin, deren Aufgabe nach § 2 Abs. 1 des Errichtungsgesetzes in der Unterstützung des Landes bei Maßnahmen auf dem Gebieten des Wohnungs- und Städtebaus, der gewerblichen Wirtschaft, der Infrastruktur und des Umweltschutzes liegt, als wirt-

39 So B. Knobbe-Keuk, DB 1992, S. 563 ff; siehe zur Diskussion um die Vorgänge weiterhin U. H. Schneider, DB 1992, S. 769 ff. 40 Art. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsbauförderung vom 18. 12 . 1991 (GVB1 S. 561) hat das eigentliche Übertragungsgesetz zum Inhalt; Art. 2 des Gesetzes enthält das Wohnungsbauförderungsgesetz (WBFG). 41 Angabe nach B. Knobbe-Keuk, DB 1992, S. 563 ff (563). 42 Siehe die Gesetzesbegründung in Bay. LT-Drucks. 12 / 15851 vom 7. 6. 1994; dort auch der Wortlaut der gesetzlichen Regelung (Gesetz über die Bildung eines Zweckvermögens durch Übertragung von Treuhandforderungen des Freistaates Bay in das haftende Eigenkapital der Bayerischen Landesbank Girozentrale) vom 13. Juli 1994.

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1 Teil: Die Stellung der Landesbanken im Kreditgewerbe

schaftlich und organisatorisch selbständige nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet 43. Sie wurde der LB Berlin als besondere Abteilung eingegliedert (§ 1 Abs. 2 des Errichtungsgesetzes). Nach § 9 des Errichtungsgesetzes sind die Gewinnrücklagen der Investitionsbank als Zweckrücklagen einerseits haftendes Eigenkapital der LB Berlin, andererseits aber vorrangig für die Finanzierung der Aufgaben der Investitionsbank zu verwenden. Brandenburg: In dem Errichtungsgesetz für die Investitionsbank Brandenburg 44 ist vorgesehen, daß „