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German Pages 223 Year 2005
Schriften zum Strafrecht Heft 169
Die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte und das Tatbestandsmodell der „actio libera in causa“ im Lichte verfassungsrechtlicher Schranken
Von
Henning Leupold
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
HENNING LEUPOLD
Die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte und das Tatbestandsmodell der „actio libera in causa“ im Lichte verfassungsrechtlicher Schranken
Schriften zum Strafrecht Heft 169
Die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte und das Tatbestandsmodell der „actio libera in causa“ im Lichte verfassungsrechtlicher Schranken
Von
Henning Leupold
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 739 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-11914-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
„It [is] my conviction that, if our civilization is to survive, we must break with the habit of deference to great men.“ Karl Popper, The Open Society and its Enemies (1943)
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juni 2004 fertig gestellt und im März 2005 von der Juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung berücksichtigt werden. Mein aufrichtiger und herzlicher Dank gilt zuallererst Prof. Dr. Werner Beulke, der nicht nur diese Arbeit als äußerst offener und warmherziger Doktorvater geduldig und unter Einräumung aller erdenklichen Freiheiten betreut hat, sondern der mich auch ansonsten in vielerlei Hinsicht gefördert und unterstützt hat. Zudem danke ich Prof. Dr. Martin Fincke für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und sein genuines Interesse an meinen Gedanken. Herzlichen Dank schulde ich auch all denjenigen, die mich auf dem langen und nicht immer einfachen Weg während meiner Promotionszeit begleitet haben: Florian Kusznier, Tom Kirchmaier und Giorgio Monti von der London School of Economics dafür, dass sie meinen Geist geschärft haben. Fabian Baumann und Philip Wolters für ihre tiefe Freundschaft und ihre Bereitschaft, stets als Gesprächspartner für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zur Verfügung zu stehen. Der größte Dank gebührt jedoch meinen Eltern und meiner Frau Stephanie, denen dieses Buch gewidmet ist. Meine Eltern haben mich seit jeher mit Engelsgeduld mehr als großzügig unterstützt und mir immer Glauben an meine Fähigkeiten gegeben. Steffi war und ist mein größter Rückhalt – nicht bloß in menschlicher, sondern auch in akademischer Hinsicht. Ihre bewundernswerte Ausdauer im Ertragen meiner Launen, ihr beeindruckend klarer Verstand, ihre Motivation, ihre Inspiration und ihre Liebe haben die Vollendung dieser Arbeit erst möglich gemacht. Frankfurt am Main, im Mai 2005
Henning Leupold
Inhaltsübersicht Einleitung
15
§ 1 Einführung in den Untersuchungsgegenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1. Teil Vorsatzdelikte § 3 Tathandlungsbestimmung und alic in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Tatbestandsmodell der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleich von Tathandlungsbestimmung und Tatbestandsmodell . . . . . . .
24 24 24 26 32
§ 4 Kritik an der Methodik der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. „Alic-spezifische“ Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Kritik an der Äquivalenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 § 5 Die Korrektur der Ergebnisse der Äquivalenztheorie durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 § 6 Alternative Ansätze der Literatur zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Theorie der gesetzmäßigen Bedingung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Adäquanztheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Relevanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 IV. Lehre von der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 V. Regressverbot und „starker Ursachenbegriff“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 VI. Schlussfolgerungen zur Tathandlungsbestimmung bei den reinen Erfolgsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 § 7 Konsequenzen für das Tatbestandsmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
2. Teil Fahrlässigkeitsdelikte
196
§ 8 Die „Überflüssigkeitsthese“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
10
Inhaltsübersicht Schlussbetrachtung
§9
200
Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
§ 10 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Inhaltsverzeichnis Einleitung
15
§ 1 Einführung in den Untersuchungsgegenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1. Teil Vorsatzdelikte
24
§ 3 Tathandlungsbestimmung und alic in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Tatbestandsmodell der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleich von Tathandlungsbestimmung und Tatbestandsmodell . . . . . . . 1. Das Sichbetrinken als Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit . . . . . . . . . . 2. Der Entschluss zum Weitertrinken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Planung der Tat im schuldfähigen Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 24 26 26 28 31 32 32 38 39 39
§ 4 Kritik an der Methodik der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Alic-spezifische“ Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sichbetrinken ist straflose Vorbereitungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sichbetrinken ist noch keine Versuchshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritik an der Äquivalenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unkenntnis entsprechender Kausalgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Enge der Äquivalenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weite der Äquivalenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unmöglichkeit der Verantwortungszuschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Undifferenzierte Verantwortungszuschreibung und verfassungsrechtliche Vorgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Undifferenzierte Verantwortungszuschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeit einer differenzierten Verantwortungszuschreibung . . . c) Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine differenzierte Verantwortungszuschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 40 40 41 44 44 45 46 47 49 49 50 52 52
12
Inhaltsverzeichnis bb) Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eingeschränkte Handlungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Differenzierte Handlungsverbote für verschiedene Beteiligungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Art. 3 Abs. 1 GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfassungskonforme Auslegung des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auslegung der Tatbestände des Besonderen Teils . . . . . . . . . . bb) Auslegung der §§ 25 ff.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58 58 60 61 66 66 70 71
§ 5 Die Korrektur der Ergebnisse der Äquivalenztheorie durch die Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 § 6 Alternative Ansätze der Literatur zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Theorie der gesetzmäßigen Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Relevanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lehre von der objektiven Zurechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lehre von der objektiven Zurechnung als „allgemeine Zurechnungslehre“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der objektiven Zurechnungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Kritik an der objektiven Zurechnungslehre. . . . . . . . . . . . . a) Überblick über kritische Ansatzpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unzulässiger Vorgriff auf die Rechtswidrigkeitsebene . . . . . . . . . . . c) Vermischung subjektiver und objektiver Kriterien . . . . . . . . . . . . . . d) Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die methodische Kritik von Frisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kritik an den einzelnen Fallgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzzweck der Sorgfaltsnorm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzzweck der Strafnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weit vom Erfolg entfernt liegende Bedingungen, allgemeines Lebensrisiko, erlaubtes Risiko und unbeherrschbare Kausalverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Prinzip der Eigenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beteiligung an einer frei verantwortlichen Selbstschädigung oder Selbstgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einverständliche Fremdgefährdung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Risikoverringerung und Risikoneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Risikozusammenhang und atypische Kausalverläufe . . . . . . . . . . . . f) Pflichtwidrigkeitszusammenhang und Risikoerhöhungslehre . . . . . g) Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch Dazwischentreten eines Dritten oder des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abgrenzung von Verantwortungsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . .
74 75 78 80 81 81 81 83 83 85 85 87 89 98 98 98 102
104 108 109 120 124 127 131 133 135
Inhaltsverzeichnis
13
(1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (2) Konkrete Anhaltspunkte für die Begehung einer Vorsatztat (Rudolphi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (3) Rein deliktischer Sinn der Ersthandlung (Jakobs) . . . . . . . 136 (4) Förderung erkennbarer Tatgeneigtheit (Roxin) . . . . . . . . . . 137 (5) Kritik am Einheitstäterbegriff bzw. extensiven Täterbegriff bei Fahrlässigkeitsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (6) Steuerbarkeit des Geschehens (Otto) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (7) Fahrlässige mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (8) Generelle Einwände gegen das Verantwortungsprinzip als maßgebliches Kriterium der Tathandlungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Normatives Regressverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (1) Zum Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (2) Naucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (3) Renzikowski. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 V. Regressverbot und „starker Ursachenbegriff“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Die Auffassung von Hruschka. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Kurzdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Freiheitsperspektive und naturalistische Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Der zu Grunde liegende Ursachenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 d) Der verwendete Begriff der Freiheit und die Auswirkungen auf die Bestimmung der Tathandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 aa) Darstellung von Hruschkas Freiheitsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . 167 bb) Auswirkungen auf die Bestimmung der Tathandlung . . . . . . . . 170 cc) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (1) Alleinige Maßgeblichkeit der Handlungsfähigkeit . . . . . . . 173 (2) Keine außerordentliche Zurechnung auf Handlungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (3) Unmittelbare Täterschaft bei Handlungsunfähigkeit des Vordermanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (4) Unterschiedliche Strukturen von unmittelbarer und mittelbarer Täterschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (5) Exklusionsverhältnis zwischen unmittelbarer und mittelbarer Täterschaft sowie der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 VI. Schlussfolgerungen zur Tathandlungsbestimmung bei den reinen Erfolgsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 § 7 Konsequenzen für das Tatbestandsmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
14
Inhaltsverzeichnis 2. Teil Fahrlässigkeitsdelikte
§8
Die „Überflüssigkeitsthese“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Schlussbetrachtung
§9
196
200
Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
§ 10 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Einleitung § 1 Einführung in den Untersuchungsgegenstand Übersetzt man den lateinischen Begriff „actio libera in causa“ ins Deutsche, so ist darunter eine in ihrem Ursprung freie Handlung zu verstehen, d.h. eine Handlung, die zwar im Zustand der Unfreiheit vorgenommen wurde, die aber auf Grund des die Unfreiheit herbeiführenden Vorverhaltens, der „actio praecedens“, als freie Handlung angesehen wird.1 Allerdings wird der Ausdruck „actio libera in causa“, kurz: „alic“, in der deutschen Strafrechtslehre häufig in einem weiteren Sinne verstanden, indem darunter der gesamte Komplex aus zur Schuldunfähigkeit führendem Vorverhalten und Handlung im Rauschzustand gefasst wird. Der Begriff „alic“ beschreibt nach dieser Lesart eine Situation, in welcher der Täter im Zustand durch Rauschmittel bedingter Schuldunfähigkeit eine rechtswidrige Tat – beispielsweise einen vorsätzlichen Totschlag – begeht, für die er aus dem verwirklichten Tatbestand und nicht aus § 323a StGB2 bestraft werden soll.3 Darüber hinaus wird die alic nicht auf die durch Rauschmittel selbst verschuldete Schuldunfähigkeit beschränkt, sondern auch auf weitere Fälle des Vorverschuldens wie der selbst verschuldeten Handlungsunfähigkeit, der verschuldeten Notwehr- oder Notstandslage und der verschuldeten verminderten Schuldfähigkeit übertragen.4 1
Vgl. dazu eingehend Hruschka, JuS 1968, 554 (555); ders., SchwZStR 90 (1974), 48 (55 ff.); ders., ZStW 96 (1984), 661 (665 ff.); ders., JZ 1989, 310 (310 ff.); ders., JZ 1996, 64 (64 ff.); ders., Strafrecht, S. 343 ff.; Hettinger, GA 1989, 1 (2); Otto, Jura 1986, 426 (429); Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 1; Stühler, S. 15. 2 §§ ohne Gesetzesangabe sind im Folgenden solche des StGB. 3 Vgl. RGSt 73, 177 (182); BGHSt 2, 14 (17); 17, 333 (335); Baier, GA 1999, 272 (277 f.); Bloy, GA 1990, 77 (77), Hettinger, GA 1989, 1 (3, 5); Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (561) m. w. N. 4 In diesem Sinne Baumann/Weber/Mitsch, § 19, Rn. 36 f.; Krause, FS Mayer, S. 308 ff., 315; ders., Jura 1980, 169 (170 f., 172 f.); Maurach, JuS 1961, 373 (373 f.); Maurach/Zipf, § 36, Rn. 55; Otto, Jura 1986, 426 (434); Puppe, JuS 1980, 346 (347); Rudolphi, in: SK, § 20, Rn. 29a; mit Einschränkungen Hruschka, Strafrecht, S. 311 ff.; ders., JZ 1989, 310 (313, 316); ders., JZ 1996, 64 (65 f., Fn. 16); ders., FS Gössel, S. 148; anders noch in Hruschka, SchwZStR 90 (1974), 48 (75 ff.), wo er für eine Beschränkung des Begriffs „actio libera in causa“ auf die Schuldebene eintrat. Die Verwendung des Ausdrucks „actio libera in causa“ auch
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Einleitung
Begrifflich wird zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger actio libera in causa unterschieden. Von vorsätzlicher alic spricht man, wenn sich der noch schuldfähige Täter vorsätzlich bis zur Schuldunfähigkeit berauscht, um in diesem Zustand eine bestimmte Vorsatztat zu begehen, wozu es dann auch kommt. Dabei ist es erforderlich, dass sich der Vorsatz des Täters bei Vornahme der actio praecedens sowohl auf die Berauschung bis zur Schuldfähigkeit, als auch auf die später begangene Rauschtat einschließlich des eingetretenen Erfolgs bezieht. Auch die Rauschtat muss dann – wenngleich im Zustand der Schuldunfähigkeit – vorsätzlich begangen werden.5 Gleichwohl sind diese Voraussetzungen auch unter den Befürwortern der alic nicht unumstritten. So gibt es beispielsweise Stimmen in der Literatur, die auf ein Vorsatzerfordernis in Bezug auf das Sichbetrinken verzichten und es genügen lassen, wenn zum Zeitpunkt der Rauschtat Vorsatz vorliegt.6 Von fahrlässiger alic wird immer dann gesprochen, wenn die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit fahrlässig erfolgt und der Täter bei der Defektherbeiführung im Hinblick auf die spätere Rauschtat nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig handelt, unabhängig davon, ob der Täter dann bei Vornahme der Rauschtat vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Von fahrlässiger alic ist zudem die Rede, wenn die Defektherbeiführung zwar vorsätzlich erfolgt, der Täter aber zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf die spätere Vornahme der Rauschtat nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig handelt, wobei wiederum unerheblich ist, ob die Rauschtat selbst vorsätzlich oder fahrlässig begangen wird. Auch der umgekehrte Fall wird als fahrlässige alic angesehen: Wenn der Täter bei der Berauschung Vorsatz hinsichtlich einer bestimmten Rauschtat hat, die Schuldunfähigkeit aber lediglich fahrlässig herbeiführt. Dabei kommt es auch hier nicht darauf an, ob der Täter bei Vornahme der Rauschtat vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Zudem kommt stets dann keine vorsätzliche, sondern eine fahrlässige alic in Betracht, für eine dem Grund nach rechtswidrige Handlung, wie von Maurach, JuS 1961, 373 (373) vorgeschlagen, sei nicht geboten, denn auf Rechtswidrigkeitsebene passe es nicht, von Freiheit zu sprechen. Dort sei der Begriff „actio illicita in causa“ angebracht; vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 50, 274 f. 5 Zur vorsätzlichen alic und ihren Voraussetzungen vgl. RGSt 73, 177 (182); BGHSt 2, 14 (17); 17, 259 (262); BGH NJW 1977, 590 (590); BGH NStZ 2002, 28 (28); Behrendt, S. 68 ff.; Hettinger, GA 1989, 1 (3 f.); Horn, GA 1969, 289 (292 ff.); Jakobs, AT, 17/65 ff.; Jescheck/Weigend, § 40 VI 2 (S. 447); Krause, Jura 1980, 169 (173 ff.); Oehler, JZ 1970, 380 (380 ff.); Otto, Jura 1986, 426 (431); Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 32 ff., 37; Puppe, JuS 1980, 346 (348); Ranft, JA 1983, 193 (195); Rath, JuS 1995, 405 (406); Rönnau, JA 1997, 599 (601 f.); Rudolphi, in: SK, § 20, Rn. 30; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (562); Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 20, Rn. 36 f.; Spendel, in: LK, § 323a, Rn. 38; Stühler, S. 15 f.; Tröndle/Fischer, § 20, Rn. 50; Wessels/Beulke, Rn. 417 ff. 6 Cramer, JZ 1968, 273 (274); ders., JZ 1971, 766 (766); Jähnke, in: LK, § 20, Rn. 79 ff.; Maurach, JuS 1961, 373 (376); Ziegert, S. 211 f.
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wenn der Täter im Zustand der Schuldunfähigkeit eine Fahrlässigkeitstat begeht. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass immer dann eine fahrlässige alic in Frage kommt, wenn statt einem der drei für die vorsätzliche alic erforderlichen Vorsätze bei dem Täter nur Fahrlässigkeit vorliegt.7 Jahre lang war die hinter dem Schlagwort actio libera in causa versteckte Problematik der Strafbarkeit trotz rauschbedingter Schuldunfähigkeit nur angesichts ihrer dogmatischen Begründung umstritten. Obwohl § 20 als Strafbarkeitsvoraussetzung ausdrücklich die Schuldfähigkeit des Täters „bei Begehung der Tat“ verlangt, bestand im Ergebnis Einigkeit, dass ein Täter, der seine Schuldunfähigkeit vorwerfbar herbei geführt hatte und schon bei der Berauschung eine vorwerfbare innere Beziehung zur späteren Tat hatte, aus dem jeweils verwirklichten Straftatbestand zu bestrafen sei, auch wenn er im Zeitpunkt der Vornahme der unmittelbaren Verletzungshandlung schuldunfähig war. Literatur und Rechtsprechung haben hierzu verschiedene Konstruktionen entwickelt. Auf der einen Seite stehen die so genannten Vereinbarkeitsmodelle, insbesondere das Tatbestandsmodell8, die Konstruktion über die mittelbare Täterschaft sowie verschiedene Unrechts- und Schuldausdehnungsmodelle, welche die „Rechtsfigur“ der actio libera in causa für mit § 20 vereinbar halten. Das auch Vorverlegungstheorie genannte Tatbestandsmodell wird regelmäßig so beschrieben, dass es schon das Sichberauschen als tatbestandsmäßige Handlung9 z. B. eines Totschlags bzw. als deren Beginn10 ansieht. Von Seiten der Rechtsprechung wird vertreten, dass der schuldunfähige Täter bestraft werden könne, weil er durch die Herbeiführung des die Schuld ausschließenden Zustandes die entscheidende Ursache für die spätere Rauschtat gesetzt habe. Das Tatbestandsmodell arbeitet somit innerhalb des § 20 mit einem weiten Begriff der „Tat“. Die frühe Rechtsprechung des Reichsgerichts und ein beachtlicher Teil der Literatur sehen in der actio libera in causa einen Fall der mittelbaren Täterschaft oder halten die alic für mit dieser vergleichbar, denn der Täter verwandle sich durch die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit quasi in ein Werkzeug seiner selbst.11 Über dieses Zurechnungsmodell könne der Täter 7
Zum Begriff der fahrlässigen alic vgl. RGSt 22, 413 (415); 70, 85 (87 f.); BGHSt 2, 14 (18); 17, 333 (335); Hettinger, GA 1989, 1 (4); Jähnke, in: LK, § 20, Rn. 83; Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 47; Rath, JuS 1995, 405 (406); Rönnau, JA 1997, 599 (602); Tröndle/Fischer, § 20, Rn. 51; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (562); Stühler, S. 16; Wessels/Beulke, Rn. 420 f. 8 Dazu eingehend unten S. 26 ff. und 194 ff. 9 In diesem Sinne BGHSt 17, 333 (335); Baumann/Weber/Mitsch, § 19, Rn. 35 ff. 10 Horn, GA 1969, 289 (292 ff., 301, 305); Maurach, JuS 1961, 373 (374); Puppe, JuS 1980, 346 (347 ff.); Wolter, FS Leferenz, S. 554 ff.
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für die im Zustand der Schuldunfähigkeit vorgenommene Tat verantwortlich gemacht werden. Ebenfalls zur Vereinbarkeit der alic mit § 20 kommt das „Unrechtsmodell“, welches für die Ausfüllung des Merkmals „Begehung der Tat“ die formale Einordnung einer Handlung entweder als tatbestandlich erfasstes Unrecht oder als Vorbereitungshandlung ablehnt und stattdessen nach dem materialen Unwert der Handlung fragt.12 Auch eine Handlung im Vorbereitungsstadium könne bereits einen solchen materialen Unwert enthalten, der es rechtfertige, dieses Verhalten als „Tat“ i. S. d. § 20 zu qualifizieren.13 Eine andere Auffassung tritt für eine extensive Auslegung des Begriffs „Begehung der Tat“ bei § 20 dergestalt ein, dass sich die Schuld auch auf Handlungen im Vorbereitungsstadium beziehe, wenn es bei ex post Betrachtung zur Tatbestandsverwirklichung oder zumindest zum Versuch gekommen sei.14 Da die actio praecedens und die Rauschtat als einheitliches Ganzes zu betrachten seien, werde das Sichbetrinken, das an sich eine straflose Vorbereitungshandlung darstelle, zur „Begehung der Tat“ i. S. d. § 20, ohne dass dies zu einer Einordnung der actio praecedens als unmittelbares Ansetzen i. S. d. § 22 führe.15 Im Unterschied zum „Unrechtsmodell“ betrachten Spendel und Herzberg eine Vorbereitungshandlung nicht als Teil des Unrechtstatbestands, sondern lediglich als Bezugspunkt für den Schuldvorwurf. Sie verzichten demnach auf eine völlige zeitliche Koinzidenz von tatbestandlicher Handlung und Schuld. Dem ähnelt das „Ausdehnungsmodell“, das ebenfalls keine vollkommene zeitliche Übereinstimmung von Schuld und Tathandlung für erforderlich hält.16 Vielmehr komme es bei funktionaler Betrachtungsweise darauf an, inwieweit die Tatbestandsverwirklichung auf eine Auflehnung des Täters gegen die Rechtsordnung zurück zu führen sei. Könne eine solche Auflehnung festgestellt werden, sei aus Selbststabilisierungsbedürfnissen der Mitbürger Strafe notwendig. Daher sei eine das Gesamtgeschehen erfassende Betrach11 RGSt 22, 413 (415); Hirsch, NStZ 1997, 230 (231); ders., FS Nishihara, S. 95 ff.; Jakobs, AT, 17/64 ff.; ders., FS Nishihara, S. 105 ff.; Roxin, FS Lackner, S. 308, 311 ff.; ders., AT 1, § 20, Rn. 58 ff.; Rudolphi, in: SK, § 20, Rn. 28d, e; Schlüchter, FS Hirsch, S. 352 ff.; ähnlich Schild, in: AK, §§ 20, 21, Rn. 83; ders., FS Triffterer, S. 204 ff. 12 Schmidhäuser, alic, S. 25. 13 Schmidhäuser, alic, S. 40 ff. 14 Herzberg, FS Spendel, S. 203; Spendel, in: LK, § 323a, Rn. 21 ff.; ders., JR 1997, 133 (133 ff.); ders., FS Hirsch, S. 379 ff.; dahin tendierend Lackner/Kühl, § 20, Rn. 25. 15 Herzberg, FS Spendel, S. 205 ff.; Spendel, in: LK, § 323a, Rn. 32 ff.; ders., FS Hirsch, S. 383. 16 Streng, ZStW 101 (1989), 273 (273 ff.); ders., JZ 1994, 709 (712).
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tungsweise erforderlich, bei der, wenn es zum Versuch gekommen sei, Vorbereitungshandlungen nicht außer Acht bleiben könnten, da auch solche auf eine Kontinuität rechtsbrecherischen Handelns hindeuten könnten.17 Habe der Täter seine Schuldunfähigkeit zu verantworten, zeige dies dessen Aufbegehren gegen die Rechtsordnung, weshalb ihm ein Schuldvorwurf gemacht werden könne. Der Tatbegriff des § 20 müsse demnach extensiv ausgelegt werden, wovon dann auch eine vom Täter zu verantwortende Selbstberauschung erfasst werde.18 Da der Täter im Zeitpunkt der actio praecedens noch schuldfähig ist, stünde § 20 seiner Bestrafung nicht entgegen. Die „Relationstheorie“ verlangt ebenfalls keine zeitliche Parallelität von Tathandlung und Schuld. Da das Schuldprinzip keine Entscheidung über etwaige konkrete Formen der Zurechnung treffe, sei ein normativer Zusammenhang zwischen Tat und Schuld ausreichend. Dieser werde dadurch hergestellt, indem man in § 20 „bei Begehung der Tat“ als „bezüglich der Begehung der Tat“ verstehe. Dies stelle keine Ausnahme von § 20 dar, sondern lediglich einen im Wege zulässiger Auslegung gewonnenen Zurechnungsmodus.19 Diesen Vereinbarkeitsmodellen stehen die Auffassungen gegenüber, die sich gegen eine Vereinbarkeit der alic mit § 20 aussprechen, da der Tatbegriff dieser Norm eng ausgelegt werden müsse. „Tat“ i. S. d. § 20 sei nur die Handlung im Rauschzustand, nicht jedoch die Herbeiführung des Defektzustandes.20 Darin könne auch nicht der Beginn der Tathandlung gesehen werden. Hinsichtlich der Zulässigkeit der actio libera in causa kommen diese Autoren allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Vertreter der Ausnahme- oder Surrogationsmodelle erkennen zwar an, dass eine Bestrafung des Rauschtäters nach den „Grundsätzen der actio libera in causa“ wegen der Schuldunfähigkeit zum Zeitpunkt der (Rausch-)Tat nicht mit dem Wortlaut des § 20 in Einklang steht. Daher müsse eine echte Ausnahme von der Regelung des § 20 gemacht werden. Einige Autoren wollen dies mit einer teleologischen Reduktion dieser Norm lösen,21 andere wiederum postulieren, dass in Fällen der alic eine Ausnahme von § 20 gewohnheits- oder richterrechtlich zulässig sei.22 Es wird auch vertreten, dass 17
Streng, ZStW 101 (1989), 273 (273 ff.; 310, 332 f.). Streng, ZStW 101 (1989), 273 (310 ff.); ders., JZ 1994, 709 (712). 19 Jerouschek, JuS 1997, 385 (388); ders., FS Hirsch, S. 257 f. 20 Hettinger, alic, S. 436 ff., 450 ff.; Hruschka, JZ 1997, 22 (22 ff.); Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513 (516 ff.); Jähnke, in: LK, § 20, Rn. 77; Jescheck/Weigend, § 40 VI 1 (S. 446); Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 20, Rn. 35; Neumann, Zurechnung, S. 32 ff.; Otto, Jura 1986, 426 (431); Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (563 ff.). 21 Hruschka, JuS 1968, 554 (558), der allerdings auch auf Gewohnheitsrecht zurückgriff; Kühl, AT, § 11, Rn. 9 ff., 18. 18
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sich ein Täter, der seine Schuldunfähigkeit schuldhaft herbeiführe, auf Grund des Rechtsmissbrauchsgedankens oder Schändlichkeitsgrundsatzes nicht auf die für ihn günstige Norm des § 20 berufen könne.23 Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurden erstmals Stimmen laut, die eine Strafbarkeit solcher Taten mit Hinweis auf den Wortlaut des § 20 und den in Art. 103 Abs. 2 GG festgeschriebenen „nullum crimen sine lege“Grundsatz gänzlich ablehnten und auf § 323a verwiesen.24 Anders liegt es schon seit geraumer Zeit bei den fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten. Für diese Deliktsart wird mehrheitlich vertreten, dass die alic überflüssig sei, da sich die Strafbarkeit des Rauschtäters auch mittels der allgemeinen Fahrlässigkeitsdogmatik erreichen lasse. Angesichts der Offenheit dieser Tatbestände könne die Strafbarkeit an jeder sorgfaltswidrigen Handlung des Täters anknüpfen. Es bestehe keine Notwendigkeit, stets auf die dem Erfolg zeitlich nächste Handlung zu rekurrieren.25 Einen echten Paukenschlag und Wendepunkt in der aktuellen Diskussion über die actio libera in causa setzte der 4. Strafsenat des BGH mit seinem viel beachteten Urteil vom 22. August 1996, in dem er entgegen seiner früheren Rechtsprechung die Anwendbarkeit „der Grundsätze der actio libera in causa“ auf § 21 StVG und § 315c, zwei verhaltensgebundene Delikte, ablehnte.26 Das Urteil des 4. Strafsenats wurde in der Literatur ausgiebig diskutiert27 und schon von so manchem als das Ende der alic propagiert.28 22 Jähnke, in: LK, § 20, Rn. 78; Jescheck/Weigend, § 40 VI 1 (S. 445); Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 20, Rn. 35; in diesem Sinne auch Wessels/ Beulke, Rn. 415. 23 Otto, Jura 1986, 426 (431); angedacht auch von Neumann, FS Arthur Kaufmann, S. 590, der diesen Gedanken in StV 1997, 23 (25) jedoch wieder verwirft und eine Positivierung der Regeln der actio libera in causa durch den Gesetzgeber fordert. 24 Hettinger, alic, S. 436 ff., 450 ff.; Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513 (516 ff.), der allerdings die Fahrlässigkeitsvariante der alic für überflüssig hält und aus dem Fahrlässigkeitsdelikt bestrafen will; Neumann, Zurechnung, S. 41 ff.; später Salger/ Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (563 ff.); vgl. auch Köhler, S. 397. Auch Hruschka geht mittlerweile von der Unzulässigkeit einer Ausnahme von § 20 aus und hat den Gesetzgeber zur Schaffung einer Ausnahmeregel in § 20 aufgefordert, vgl. Hruschka, JZ 1996, 64 (69); ders., JZ 1989, 310 (312); ders., Strafrecht, S. 43. 25 BGHSt 42, 235 (236 f.); Fahnenschmidt/Klumpe, DRiZ 1997, 77 (80 f.); Jescheck/Weigend, § 40 VI 2 (S. 448); Küper, Notstand, S. 50; Krause, Jura 1980, 169 (180); Otto, Jura 1986, 426 (433); Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513 (524 ff.); ders., in: NK, vor § 323a, Rn. 49; Puppe, JuS 1980, 346 (350); Ranft, JA 1983, 1993 (1995); früher ebenso Horn, GA 1969, 289 (289 f.); Hruschka, SchwZStR 90 (1974), 48 (69 f.). 26 BGHSt 42, 235 (Leitsatz und 238 ff.). 27 Vgl. nur die Beiträge von Ambos, NJW 1997, 2296; Fahnenschmidt/Klumpe, DRiZ 1997, 77; Gottwald, DAR 1997, 302; Hardtung, NZV 1997, 97; Hirsch, NStZ
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Diese Interpretation war jedoch etwas vorschnell, denn der BGH hatte in dieser Entscheidung explizit offen gelassen, ob das Tatbestandsmodell der alic bei vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikten nicht weiterhin eine tragfähige Grundlage für die Strafbarkeit eines Rauschtäters sein könnte.29 Zudem stellte der 3. Strafsenat bereits kurze Zeit später durch einen Beschluss vom 19. Februar 199730 klar, dass sich das Urteil des 4. Strafsenats nur auf die Delikte der Straßenverkehrsgefährdung und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis beziehe, also auf Delikte, deren Tatbestände die möglichen Tathandlungen exakt umschreiben. Darüber hinaus halte der BGH an seiner ständigen Rechtsprechung und somit an der Rechtsfigur der actio libera in causa fest.31 Diese Tendenz hat der BGH seither in mehreren Entscheidungen bekräftigt.32 Trotz der sich aus diesen Widersprüchlichkeiten der verschiedenen Strafsenate des BGH ergebenden Unsicherheiten lässt sich die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung zur actio libera in causa zumindest auf folgenden gemeinsamen Nenner bringen: Die actio libera in causa kann bei vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikten weiterhin heran gezogen werden – aber nur in Gestalt des Tatbestandsmodells, denn alle anderen dogmatischen Begründungsmodelle wurden vom 4. Strafsenat verworfen und von den anderen Senaten, die bislang stets dem Tatbestandsmodell anhingen, auch nicht „wieder belebt“. Bei fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten ist die actio libera in causa als Sonderkonstruktion überflüssig. Dieser „Grundkonsens“ der Rechtsprechung stellt den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit dar, denn er ist es, der die „Grundsätze der actio libera in causa“ am Leben erhält. Es wird im Folgenden darum gehen, ob das Tatbestandsmodell in seiner Ausgestaltung durch die Rechtsprechung im Einklang mit den Vorgaben des Grundgesetzes und des StGB steht. Die anderen Theorien zur Begründung der alic sollen demgegenüber außen vor bleiben, da sie auf Grund der eindeutigen Entscheidung des 1997, 230; ders., FS Nishihara, S. 88; Horn, StV 1997, 264; Hruschka, JZ 1997, 22; Jakobs, FS Nishihara, S. 105; Jerouschek, JuS 1997, 385; Martin, JuS 1997, 277; Mutzbauer, JA 1997, 97; Neumann, StV 1997, 23; Otto, Jura 1999, 217; Rönnau, JA 1997, 599; Spendel, JR 1997, 133 und Wolff, NJW 1997, 2032. Vgl. auch die Arbeiten von Stühler und von Sydow. 28 Horn, StV 1997, 264 (264 ff.); Neumann, StV 1997, 23 (23). 29 BGHSt 42, 235 (239). Der BGH sprach von „anderen Delikten“ – damit können nach dem Inhalt der Entscheidung nur die vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikte gemeint sein; so auch Hardtung, NZV 1997, 97 (102). 30 BGH JR 1997, 391. 31 Vgl. zu dieser Entscheidung Hirsch, JR 1997, 391. 32 BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 28; BGH NStZ 1999, 448 (448 f.); BGH NStZ 2000, 584 (584 f.); BGH NStZ 2002, 28.
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4. Strafsenats in der Rechtswirklichkeit – zu Recht – keine Rolle mehr spielen. Die Untersuchung beschränkt sich zudem auf die reinen Erfolgsdelikte, da der Konsens in der Rechtsprechung hinsichtlich der Anwendbarkeit der alic sich auf diese Deliktsart begrenzt. Zudem wird kritisch zu hinterfragen sein, ob die Begründung zur Überflüssigkeit der actio libera in causa bei den fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten stichhaltig ist. Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen ist § 20, der Schuldfähigkeit „bei Begehung der Tat“ fordert. Mit „Tat“ ist, wie sich auch aus §§ 8 und 15 ergibt, die Tathandlung gemeint, der Zeitpunkt des Eintritts des Erfolgs ist für das Vorliegen der Schuldfähigkeit irrelevant.33 Dadurch zeigt sich, dass die Thematik der actio libera in causa nicht nur eine isoliert zu betrachtende Randerscheinung des Strafrechts ist, sondern direkt ins Zentrum dieser Wissenschaft führt – zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte. Durch die Beschäftigung mit dem Tatbestandsmodell drängen sich mehrere Fragen auf, von denen an dieser Stelle nur einige exemplarisch genannt werden sollen: Kann im Sichbetrinken bereits die Tathandlung eines Totschlags gesehen werden? Genügt es zur Bejahung des objektiven Tatbestands eines solchen Delikts bereits, dass der Täter durch die actio praecedens eine notwendige Bedingung für die spätere Rauschtat oder den Erfolg gesetzt hat? Wenn nein, an Hand welcher Kriterien wird die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte dann bestimmt? Bewegt sich das Tatbestandsmodell innerhalb allgemeiner tatbestandlicher Zurechnungsstrukturen oder handelt es sich um eine davon abweichende Sonderkonstruktion? Inwieweit ließe sich eine solche rechtfertigen?
§ 2 Gang der Untersuchung Um diese Fragen zu beantworten, werden zunächst die Methodik der Rechtsprechung zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte34 und das Tatbestandsmodell der Rechtsprechung dargestellt und miteinander verglichen. Durch dieses Vorgehen lässt sich klären, ob es sich bei dem Tatbestandsmodell aus dem Blickwinkel der Rechtsprechung um die Anwendung ihres „normalen“ Tathandlungsbegriffs unter einem terminus technicus oder um eine davon abweichende Sonderkonstruktion handelt. Sollte die Rechtsprechung mit dem Tatbestandsmodell von ihren herkömmlichen Zurechnungsgrundsätzen abweichen, bedeutet das jedoch nicht automatisch einen Gesetzesverstoß. Ein solcher läge nur dann vor, wenn der 33
Einhellige Meinung; vgl. nur Baier, GA 1999, 272, 280 f.; Jähnke, in: LK, § 20, Rn. 75; Otto, Jura 1986, 426 (426); Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 20, Rn. 32; Stühler, S. 53, Fn. 14 m.w.N; Tröndle/Fischer, § 20, Rn. 48. 34 Im Folgenden auch: „Tathandlungsbegriff der Rechtsprechung“.
§ 2 Gang der Untersuchung
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Tathandlungsbegriff der Rechtsprechung überhaupt den gesetzlichen Zurechnungsstrukturen entspricht. Mit anderen Worten: Die von der Rechtsprechung zur Tathandlungsbestimmung angewandte Methode kann nur dann ein Gradmesser für die Rechtmäßigkeit des Tatbestandsmodells sein, wenn sie selbst im Einklang mit den Vorgaben des Grundgesetzes – wie dem Bestimmtheitsgrundsatz, dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie dem Analogieverbot – und des StGB steht. Nichts anderes würde bei Übereinstimmung des Tathandlungsbegriffs der Rechtsprechung mit dem Tatbestandsmodell gelten, denn auch in einem solchen Fall beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der actio libera in causa danach, ob dieser Tathandlungsbegriff mit den Vorschriften des Verfassungsrechts und des StGB vereinbar ist. Ziel dieser Arbeit ist es demnach, die für die Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte maßgeblichen gesetzlichen Tatbestands- und Zurechnungsstrukturen herauszuarbeiten. Dazu wird zunächst der Tathandlungsbegriff der Rechtsprechung, der von der Äquivalenztheorie geprägt ist, einer kritischen Betrachtung unterzogen. Danach werden die alternativen Ansätze der Literatur, insbesondere die Lehre von der objektiven Zurechnung und das Regressverbot analysiert. Besonderes Augenmerk soll darauf gelegt werden, inwieweit die verschiedenen Modelle in der Lage sind, differenziert Verantwortung zuzuschreiben. Parallel dazu wird die eigene Auffassung zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte entwickelt. An diesem Tathandlungsbegriff wird schließlich das Tatbestandsmodell gemessen werden. Dabei werden Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikte getrennt behandelt, da diese Deliktsarten auch von der Rechtsprechung im Hinblick auf die den Tatbestand verwirklichende Handlung und die Sichtweise zur alic unterschiedlich gehandhabt werden. Bei den fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten geht die Rechtsprechung davon aus, dass es der Konstruktion der actio libera in causa nicht bedürfe, um die Strafbarkeit am Sichbetrinken anknüpfen zu können. Ob diese Unterscheidungen gerechtfertigt sind oder ob etwa auf der Ebene des objektiven Tatbestands und damit bei der Bestimmung der Tathandlung keine strukturellen und inhaltlichen Unterschiede zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten bestehen, wird die nachgehende Untersuchung zeigen.
1. Teil
Vorsatzdelikte § 3 Tathandlungsbestimmung und alic in der Rechtsprechung I. Die Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte Reine Erfolgsdelikte wie § 2121 sind dadurch gekennzeichnet, dass der Täter durch eine strafrechtlich relevante Handlung2 einen bestimmten, vom Tatbestand der Norm pönalisierten Erfolg herbeiführen muss.3 Die genauen Modalitäten der tatbestandlichen Handlung werden bei dieser Deliktsart nicht in allen Einzelheiten beschrieben, sodass eine Vielzahl verschiedener Handlungen den Tatbestand erfüllen kann. Für die Tatbestandserfüllung ist weiter notwendig, dass der Erfolg auf der jeweiligen Handlung beruht, d.h. der Erfolg der Handlung zuzurechnen ist. Die Rechtsprechung greift dafür auf die auch Bedingungstheorie genannte Äquivalenztheorie zurück. Danach liegt ein hinreichender Zurechnungszusammenhang vor, wenn die Handlung eine notwendige Bedingung für den Erfolg darstellt.4 Um zu klären, ob eine Handlung diese Qualität aufweist, greift die Rechtsprechung auf die Conditio-sine-qua-non-Formel zurück, wonach eine Handlung dann für den Erfolg kausal ist, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.5 Da die Äquivalenztheorie nicht wertend zwischen den verschiedenen notwendigen Bedin1 Für die vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikte soll im Folgenden stets § 212 als Beispielsnorm dienen, auch wenn dies im Einzelfall nicht explizit erwähnt wird. 2 Im Rahmen dieser Arbeit wird unter „Handlung“ jedes willensgetragene menschliche Verhalten unter Ausschluss von Reflexen oder durch vis absoluta erzwungenen oder im Zustand der Bewusstlosigkeit vorgenommenen Körperbewegungen verstanden. So auch Baumann/Weber/Mitsch, § 13, Rn. 96. 3 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 1; dies entspricht der allgemeinen Meinung. 4 Ständige Rechtsprechung seit RGSt 1, 373 (374) und BGHSt 1, 332 (333); vgl. BGHSt 2, 20 (24); 3, 62 (63); 7, 112 (114); 14, 193 (194); 24, 31 (34); BGH NStZ 2001, 29 (30). Ebenso Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 1 ff., 100. 5 So schon RGSt 1, 373 (374); BGHSt 1, 332 (333); vgl. auch Baumann/Weber/ Mitsch, § 14, Rn. 19; Jescheck/Weigend, § 28 II (S. 279 ff.); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 5; Wessels/Beulke, Rn. 156.
§ 3 Tathandlungsbestimmung und alic in der Rechtsprechung
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gungen unterscheidet, sondern alle diese Bedingungen grundsätzlich als gleichwertig erachtet, gäbe es regelmäßig mehrere für den Erfolg kausale Handlungen einer oder mehrerer Personen. Das hat in folgendem Beispiel zur Folge, dass bei bloßer Anwendung der Conditio-sine-qua-non-Formel nicht nur T, der O mit einem Messer ersticht, sondern auch V, der das Messer zuvor an T verkaufte, eine notwendige Bedingung für den Tod des O gesetzt und damit den objektiven Tatbestand des § 212 erfüllt hat6: Hätte T nicht zugestochen, so wäre O nicht an jenem konkreten Messerstich gestorben. Gleiches lässt sich über den Verkauf des Messers sagen: Hätte V das Messer nicht an T verkauft, so hätte dieser damit nicht den O erstechen können. O wäre dann nicht an dem konkreten Stich gestorben. Dass T möglicherweise eine andere Waffe für seine Tat gebraucht hätte und O durch deren Verwendung gestorben wäre, bleibt im Rahmen der Äquivalenztheorie außer Betracht, denn diese so genannten „Reserveursachen“ hätten nicht zum selben Erfolg in seiner konkreten Gestalt, sondern nur zu einem ähnlichen Erfolg geführt.7 Die Berücksichtigung kontrafaktischer oder hypothetischer Geschehensabläufe würde zudem dazu führen, dass sich jeder Mörder damit entlasten könnte, dass sein Opfer eines Tages sowieso gestorben wäre.8 Da die Äquivalenztheorie bei der Tathandlungsbestimmung einen Rückgriff „ad infinitum“9 erlaubt, ist offenkundig, dass bei ausschließlicher Zugrundelegung dieser Kausalitätslehre eine wahre Flut von den Erfolg notwendig bedingenden Handlungen vorliegen wird, die jeweils den Tatbestand eines reinen Erfolgsdelikts erfüllen. Die Rechtsprechung lehnt dennoch eine Eindämmung der Ergebnisse der Äquivalenztheorie im objektiven Tatbestand ab10 und unternimmt stattdessen bei Vorsatztaten eine Korrektur an Hand des Irrtums über den Kausalverlauf.11 Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts ist somit nach der Rechtsprechung jede für den Erfolg äquivalent kausale Handlung.12 6
Beispiel von Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 20. RGSt 66, 181 (184); 69, 44 (47); BGHSt 2, 20 (24); 10, 369 (370); 13, 13 (14 f.). 8 Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 13, 17. 9 Jescheck/Weigend, § 23 II 2 (S. 220). 10 Lediglich in einigen wenigen Entscheidungen hat der BGH bereits auf der Ebene des objektiven Tatbestandes die Zurechenbarkeit von für den Erfolg kausalen Handlungen an Hand normativer Kriterien begrenzt, vgl. BGHSt 11, 1 (7); 21, 59 (61); 32, 262 (263 ff.); 33, 61 (64 ff.); BGH NJW 1971, 152 (152); BGH NStZ 1985, 25 (26). Dies bedeutet insbesondere keine Hinwendung zur Lehre der objektiven Zurechnung, es handelt sich vielmehr um eine Eingrenzung der Fahrlässigkeit. 11 BGHSt 7, 325 (329); 14, 193 (194); 23, 133 (135); 38, 32 (34); BGH GA 1955, 123 (125); BGH NStZ 2001, 29 (30). Vgl. dazu unten S. 72. 12 Ebenso Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 1 ff., 100. 7
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II. Das Tatbestandsmodell der Rechtsprechung In seinem Urteil vom 22. August 1996 beschrieb der 4. Strafsenat des BGH das Tatbestandsmodell in dem Sinne, dass „wenn der Alkoholkonsum zur Schuldunfähigkeit führt, bereits das Sichbetrinken die eigentliche Tatbestandshandlung darstellt“13 und verwies dabei auf eine frühere Entscheidung desselben Senats aus dem Jahre 196214. Wenn man die Entwicklung der Rechtsprechung zur actio libera in causa betrachtet fällt auf, dass das RG und der BGH in der Mehrzahl ihrer zur actio libera in causa ergangenen Entscheidungen das Sichbetrinken nicht explizit als Tathandlung bezeichneten.15 Insbesondere der BGH beschrieb die actio libera in causa meist als „verantwortliches Ingangsetzen einer Ursachenreihe“, an deren Ende die Rauschtat, bei Erfolgsdelikten demnach der tatbestandliche Erfolg steht.16 Ob dies einen Unterschied in der Sache oder nur in der Terminologie bedeutet, wird im Folgenden analysiert. 1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts Der ersten Entscheidung des RG, die eine vorsätzliche actio libera in causa anerkannte, lag eine Fahrlässigkeitstat zu Grunde.17 Beinahe beiläufig erwähnte das RG am Ende dieses Urteils, dass in der Form der actio libera in causa neben fahrlässigen auch vorsätzliche Taten denkbar seien. Als dogmatische Begründung führte das RG aus, dass über die Figur der actio libera in causa zu bestrafen sei, wer bei der Vornahme der eigentlichen Verletzungshandlung zwar schuldunfähig gewesen sei, aber den Erfolg dadurch herbei geführt habe, dass er „im Zustande der Zurechnungsfähigkeit die Ursache [für den] Erfolg setzte“.18 Das RG verwies auf seine „MilchfahrerEntscheidung“19 aus dem Jahre 1892, in der es sich mit dem Fall eines sinnlos betrunkenen Kutschers, der einen Straßenarbeiter überfuhr und verletzte, zu beschäftigten hatte. Nach dieser Entscheidung stellte das Sichver13
BGHSt 42, 235 (239); Hervorhebung vom Verfasser. BGHSt 17, 333 (335). 15 Eine eingehende geschichtliche Aufarbeitung der actio libera in causa findet sich bei Hettinger, alic, S. 57 ff.; kürzer: Stühler, S. 28 ff., zur Rechtsprechung S. 39 ff.; vgl. auch Hruschka, ZStW 96 (1984), 661 (661 ff.); ders., JZ 1989, 310 (310 ff.); Joerden, S. 30 ff.; Krause, FS Mayer, S. 306 f., ders., Jura 1980, 169 (170 f.). 16 Vgl. BGHSt 17, 259 (261); 17, 333 (334); 21, 381 (381); 34, 29 (33); BGH NStZ 1999, 448 (448). 17 RG JW 1930, 909 Nr. 7. Frühere Entscheidungen des RG, wie der bekannte Milchfahrer-Fall aus dem Jahre 1892 (RGSt 22, 413) ergingen zur fahrlässigen alic. 18 RG JW 1930, 909 Nr. 7 (910). 19 RGSt 22, 413 (415). Vgl. dazu Fahl, JA 1999, 842. 14
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setzen in den Rauschzustand eine solche „im Zustand der Zurechnungsfähigkeit“ gesetzte, erfolgsrelevante Ursache dar. Das RG sah den Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit der vorsätzlichen alic somit im schuldhaften Sichbetrinken im noch schuldfähigen Zustand, wenn die Berauschung für den späteren Erfolg äquivalent-kausal wurde. Im Jahre 1935 befasste sich das RG wiederum mit der Problematik der vorsätzlichen actio libera in causa.20 Erstmals nahm es zu der Frage Stellung, unter welchen Voraussetzungen eine vorsätzliche alic angenommen werden könne. Das RG forderte, dass sich der Täter vorsätzlich in den Zustand der Schuldunfähigkeit begeben und dabei zudem den mindestens bedingten Vorsatz haben müsse, im Rauschzustand eine strafbare Handlung zu begehen, wobei der Täter diese Rechtsverletzung dann auch im Zustand der Schuldunfähigkeit vornehmen müsse. Das RG sah jedoch im Gegensatz zu früheren Entscheidungen21 davon ab, die Anwendung der alic im Urteil dogmatisch zu begründen. Mit anderen Worten: Das RG äußerte sich nicht mehr dazu, warum die alic zur Strafbarkeit eines bei Vornahme der eigentlichen Verletzungshandlung Schuldunfähigen führen könne, sondern nur noch dazu, unter welchen Voraussetzungen dies geschehen könne. Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit der alic blieb das schuldhafte Sichbetrinken. Einige Zeit später, im Jahre 1939, bezeichnete das RG die alic als „von der Rechtsprechung aufgestellte Grundsätze“, nach denen ein bei der Rauschtat schuldunfähiger Täter dann zu bestrafen sei, wenn er sich „vorsätzlich und mit Überlegung in einen Rauschzustand versetzt habe in der Absicht, in diesem Zustand die Tat auszuführen“.22 Damit wiederholte das RG die von ihm schon zuvor angewandten Voraussetzungen der alic. Das Interessante an dieser Entscheidung ist, dass das RG die alic offensichtlich als richterrechtliche Abweichung von der herkömmlichen gesetzlichen Tatbestandsstruktur und Zurechnungsdogmatik betrachtete. Die nächste zur vorsätzlichen alic ergangene Entscheidung des RG23, die ebenfalls 1939 erging, skizzierte ebenfalls nur noch deren unveränderte Tatbestandsvoraussetzungen, ohne die Anwendung der Grundsätze der actio libera in causa dogmatisch zu rechtfertigen. Aus dem Umstand, dass das RG eine Begründung der alic abermals für entbehrlich hielt, lässt sich schließen, dass die alic als solche zu diesem Zeitpunkt nicht mehr hinterfragt wurde, sondern absolut anerkannt war.
20 21 22 23
RG JW 1936, 514, Nr. 17. Vgl. RGSt 22, 413 (415) zur fahrlässigen alic. RG HRR 1939, Nr. 1316. RGSt 73, 177 (182).
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2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Die ersten Entscheidungen des BGH zur vorsätzlichen actio libera in causa24 brachten ebenfalls keine Veränderungen zu deren dogmatischer Grundlage und Voraussetzungen. Der BGH führte die Rechtsprechung des RG fort und nannte die actio libera in causa nunmehr einen besonderen „Haftungsgrund“25. Zudem beschrieb der BGH den Strafgrund der alic als das „verantwortliche Ingangsetzen des Kausalverlaufs“26 bzw. als das „verantwortliche Ingangsetzen des Geschehensablaufs“27, an dessen Ende die Rauschtat, bei Erfolgsdelikten letztlich der tatbestandliche Erfolg steht. Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit blieb jedoch stets, dass sich der Täter schuldhaft berauschte. Im Jahre 1962 nahm der 4. Strafsenat des BGH erstmals etwas detaillierter zur alic Stellung.28 Er bezeichnete die alic als „das verantwortliche Ingangsetzen von Straftaten“.29 Der Täter werde nicht wegen der im Zustand der Schuldunfähigkeit verübten, mit Strafe bedrohten Handlungen bestraft, da das Schuldstrafrecht nur schuldhaft begangene Taten mit Strafe bedrohe. Deshalb beziehe sich im Rahmen der alic der Schuldvorwurf auch auf das Sichversetzen in den Rauschzustand. Die alic sei daher eine besondere Haftung für das „zielgerichtete“ Sichbetrinken.30 Die Rauschtat selbst werde – obwohl im schuldunfähigen Zustand begangen – in den strafrechtlichen Vorwurf mit einbezogen, da der Täter bereits im noch verantwortlichen Zustand eine vorwerfbare innere Beziehung zu ihr hergestellt habe. Jedenfalls dann, wenn der Alkoholkonsum zur Schuldunfähigkeit führe, stelle das Sichbetrinken die eigentliche Tathandlung dar.31 Diese Entscheidung darf nicht als Hinwendung zum Ausnahmemodell missverstanden werden. Die Formulierung, dass sich der Schuldvorwurf auch auf das Sichversetzen in Rauschzustand beziehe, könnte dies auf den 24
BGHSt 2, 14 (17 f.); 10, 247 (251). BGH NJW 1955, 1037 (1037). Es ist nicht unbedenklich, im Rahmen eines Tatschuldstrafrechts von „Haftung“ zu sprechen, denn es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen „Haftung“ und strafrechtlicher Verantwortung. „Haftung“ bedeutet das Aufkommenmüssen für einen herbeigeführten Erfolg. Dies setzt, wie ein Blick auf die zivilrechtliche Gefährdungshaftung verdeutlicht, nicht notwendig Schuld voraus. Für strafrechtliche Verantwortlichkeit kommt es aber stets auf einen schuldhaften Verstoß gegen eine Verhaltensnorm an. Vgl. dazu Hirsch, FS Lenckner, S. 131. 26 BGH VRS 21, 263 (264) zu einer fahrlässigen alic. 27 BGHSt 17, 259 (261) zu einer vorsätzlichen alic. 28 BGHSt 17, 333. 29 BGHSt 17, 333 (334). 30 BGHSt 17, 333 (334). 31 BGHSt 17, 333 (335). 25
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ersten Blick vermuten lassen. Der BGH zog jedoch auch in dieser Entscheidung das Sichbetrinken schon auf tatbestandlicher Ebene als strafrechtlichen Anknüpfungspunkt für die alic heran. Entsprechend des in § 20 niedergelegten Koinzidenzprinzips – welches das gleichzeitige Vorliegen von tatbestandlicher Handlung und Schuld verlangt32 – muss sich, wenn die Strafbarkeit an der actio praecedens anknüpfen soll, auch der Schuldvorwurf auf diese beziehen und zum Zeitpunkt der Vornahme der actio praecedens vorliegen. Nichts anderes wollte der BGH damit, dass sich der Schuldvorwurf auf das Sichberauschen beziehen müsse, zum Ausdruck bringen. Gegen eine Abkehr von der Tatbestandslösung spricht auch, dass der BGH die alic ähnlich wie in den Entscheidungen zuvor, die allesamt das Tatbestandsmodell heranzogen, als „verantwortliches Ingangsetzen von Straftaten“ bezeichnete. Zudem wurde im Jahre 1962 ein Schuldausnahmemodell als alternative dogmatische Konstruktion der alic noch gar nicht diskutiert. Eine solche Diskussion wurde erst 1968 durch einen Aufsatz von Hruschka ausgelöst.33 Hätte der BGH sich vom Tatbestandsmodell abwenden und sich einer Schuldlösung anschließen wollen, so hätte dies wohl eine eingehende Begründung der neuen Vorgehensweise nach sich gezogen. Auch der BGH war in seiner Entscheidung vom 22. August 199634, in der er sich umfassend mit der alic befasste, nicht der Auffassung, dass der BGH jemals ein Schuldmodell zur alic vertreten habe. Vielmehr zog er die hier diskutierte Entscheidung als ein Paradebeispiel für das Tatbestandsmodell heran, weil in ihr die Rede davon war, dass im Rahmen der alic bereits das Sichbetrinken die „eigentliche“ Tatbestandshandlung darstelle.35 Kurze Zeit später hatte der BGH wieder über eine actio libera in causa zu entscheiden.36 Die alic wurde diesmal als „verantwortliches Ingangsetzen einer Ursachenreihe“ bezeichnet.37 Bemerkenswert ist allerdings, dass der BGH den Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit mittels der Grundsätze 32 Zum Koinzidenzprinzip vgl. Hirsch, FS Lüderssen, S. 262 ff. m. w. N.; Armin Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. 166; Krümpelmann, ZStW 88 (1976), 6 (13); ders., ZStW 99 (1987), 191 (213 f., 221 ff.); Horn, GA 1969, 289 (293); Hruschka, Strafrecht, S. 4 ff., 341 ff., der von Simultaneitäts- und Referenzprinzip spricht – Referenzprinzip bedeutet, dass sich Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld nicht nur in zeitlicher, sondern auch in sachlicher Hinsicht aufeinander beziehen müssen; Neumann, ZStW 99 (1987), 567 (574 ff.); Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 2; Rönnau, JA 1997, 599 (604); kritisch Jerouschek, JuS 1997, 385 (388 f.); ders., FS Hirsch, S. 257 f.; Jerouschek/Kölbel, JuS 2001, 417 (417 ff.). 33 Hruschka, JuS 1968, 554. 34 BGHSt 42, 235. 35 BGHSt 17, 333 (335). 36 BGH VRS 23, 438. 37 BGH VRS 23, 438 (439).
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der actio libera in causa nicht im Sichbetrinken sah. Der BGH stellte vielmehr darauf ab, dass der Täter eine Ursache für den späteren Erfolg gesetzt habe, indem er sich zu einem Zeitpunkt, als seine Schuldfähigkeit noch nicht erheblich herab gesetzt war, zum Weitertrinken entschloss.38 Strafgrund der alic war somit nicht mehr das Trinken selbst, sondern der Entschluss zum Weitertrinken. Demgemäß wurde das Sichbetrinken auch nicht mehr als eigentliche Tatbestandshandlung bezeichnet. Eine Begründung, weshalb abweichend von früheren Entscheidungen nunmehr auf den Entschluss zum Weitertrinken abgestellt wurde, lieferte der BGH nicht. In den darauf folgenden Urteilen zur alic änderte sich der Blickwinkel der Rechtsprechung erneut. Zwar blieb der BGH seiner Betrachtung der alic als „verantwortliches Ingangsetzen einer Ursachenreihe“ treu. Der Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit wurde aber von der Fassung des Entschlusses zum Sichbetrinken auf die Fassung des Vorsatzes zur Begehung der Rauschtat im schuldfähigen Zustand verlegt. Für die Veränderung des strafrechtlichen Anknüpfungspunktes der actio libera in causa gab der BGH wiederum keine Begründung. Der BGH führte lediglich aus, dass der Täter bereits durch die Planung der Rauschtat im noch verantwortlichen Zustand die „entscheidende Ursache“ für die spätere Ausführung gesetzt habe.39 Diese Feststellung ist überraschend und irritierend zugleich, da nach dem sich allein an der Äquivalenztheorie orientierenden Kausalverständnis des BGH alle Bedingungen gleichwertig sein müssten und es danach keine „entscheidende Ursache“ geben dürfte. In der Folgezeit entwickelte sich keine einheitliche Linie der Rechtsprechung zur actio libera in causa. In einem Urteil aus dem Jahre 1976 erblickte der BGH zwischenzeitlich wieder das Sichbetrinken als den im Rahmen der alic relevanten Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit.40 Entscheidungen aus den Jahren 198641 und 199742 sprachen wiederum von „vorverlagerter Schuld“ oder „Vorverlagerung des Schuldvorwurfs“, ohne dass dadurch eine Abkehr vom Tatbestandsmodell und die Zuwendung zu einem Schuldmodell gemeint waren.43 38
BGH VRS 23, 438 (440). BGHSt 21, 381 (381); 34, 29 (33); BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung, Nr. 28; BGH NStZ 1999, 448 (448 f.); NStZ 2000, 584 (584). 40 BGH NJW 1977, 590. 41 BGHSt 34, 29 (33). 42 BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung, Nr. 28. 43 Vgl. dazu die obigen Ausführungen zu BGHSt 17, 333. Dafür spricht auch, dass der BGH in seinem Urteil vom 22. August 1996 (BGHSt 42, 235 (240 f.)) sämtliche Schuldmodelle strikt ablehnte. Eine Abkehr von dieser Rechtsprechung nur kurze Zeit später und von der ständigen Anwendung des Tatbestandsmodells wäre vom BGH sicher ausführlich begründet worden. 39
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Das schon mehrmals angesprochene Urteil des 4. Strafsenats vom 22. August 199644 lehnte zwar die alic für verhaltensgebundene Delikte mit der Begründung ab, dass das Verursachen der Tathandlung nicht mit der Vornahme der Tathandlung gleichgestellt werden könne. Der Tatbestand des § 315c, der das „Führen eines Fahrzeugs“ verlange, sei nicht schon durch die „Verursachung der Bewegung“ des Fahrzeugs erfüllt. Darüber hinaus hielt der 4. Strafsenat das Tatbestandsmodell aber für eine tragfähige Grundlage zur Begründung der alic bei reinen Erfolgsdelikten. Allen anderen zur alic vertretenen Modellen wurde vom BGH eine Absage erteilt. Nachfolgende Entscheidungen anderer Senate des BGH bekräftigten zumindest für die reinen Erfolgsdelikte, dass die alic in der Rechtsprechung ihre angestammte Rolle behalten würde.45 3. Zusammenfassung Das Tatbestandsmodell der Rechtsprechung in seiner aktuellen Fassung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die alic stellt sich als schuldhaftes Ingangsetzen eines Geschehensablaufs dar, an dessen Ende die Rauschtat, bei Erfolgsdelikten demnach der tatbestandliche Erfolg steht. Als strafrechtlich relevanten Anknüpfungspunkt zieht der BGH meist das Sichberauschen, teils aber auch den Entschluss zum Sichberauschen oder die Planung der Rauschtat im noch schuldfähigen Zustand heran. Nur in einer einzigen Entscheidung ging der BGH soweit, im Rahmen der Heranziehung der Grundsätze der alic bereits das Sichbetrinken explizit als „Tatbestandshandlung“ zu bezeichnen.46 Voraussetzung einer Bestrafung nach den Grundsätzen der vorsätzlichen actio libera in causa ist nach der Rechtsprechung, dass der Täter bereits bei der actio praecedens, bei der er noch schuldfähig sein muss, sowohl Vorsatz hinsichtlich der Herbeiführung der Schuldunfähigkeit, als auch hinsichtlich der Durchführung einer bestimmten Straftat hatte und dann diese Tat entsprechend seines zum Zeitpunkt der actio praecedens vorliegenden Vorsatzes im Zustand der Schuldunfähigkeit vorsätzlich begeht.
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BGHSt 42, 235 (239). BGH NStZ 1997, 230; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 28; BGH NStZ 1999, 448 (448 f.); BGH NStZ 2000, 584 (584 f.); BGH NStZ 2002, 28. 46 BGHSt 17, 333 (335). 45
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III. Vergleich von Tathandlungsbestimmung und Tatbestandsmodell Wenn man die Tathandlungsbestimmung der reinen Erfolgsdelikte durch die Rechtsprechung mit ihrem Tatbestandsmodell vergleicht, drängt sich die Frage auf, inwieweit die alic überhaupt eine strafbarkeitserweiternde Sonderkonstruktion darstellt oder ob sich das Tatbestandsmodell nicht vielmehr in der Anwendung der Äquivalenztheorie erschöpft und demnach – wenngleich unter Verwendung eines terminus technicus – nur deklaratorische Wirkung beansprucht. Dazu wird untersucht, ob die von der Rechtsprechung im Rahmen des Tatbestandsmodells herangezogenen Anknüpfungspunkte der Strafbarkeit – das Sichbetrinken47, der Entschluss zum Weitertrinken48 oder die Planung der Tat im schuldfähigen Zustand49 – auch bei bloßer Anwendung der Äquivalenztheorie die Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts darstellen würden. Zur Veranschaulichung soll folgender Beispielsfall dienen: Da ihn seine Frau F ständig mit anderen Männern betrügt, möchte T sich ihrer entledigen. Da seine Hemmschwelle, F zu töten sehr hoch ist, beschließt T, diese mittels des Genusses großer Mengen alkoholischer Getränke zu senken. Als F wiederum den Abend „mit einer Freundin“ verbringen möchte, plant T, sich im Wohnzimmer der gemeinsamen Wohnung „voll laufen zu lassen“ und die F nach ihrer Rückkehr mit einer bereit gelegten Pistole zu erschießen. Kurz nachdem F das Haus verlassen hat, legt sich T die Waffe auf den Wohnzimmertisch und beginnt mit dem Konsum der alkoholischen Getränke. Als F am frühen Morgen zurückkehrt, ist T bis zur Schuldunfähigkeit betrunken. Wie geplant nimmt T die Pistole und schießt F in den Kopf, woran diese stirbt. 1. Das Sichbetrinken als Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit Das Sichbetrinken durch T wäre nach der Äquivalenztheorie dann Tathandlung eines Totschlags, wenn es eine notwendige Bedingung für den Erfolg darstellt, d.h. wenn es nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Tod der F in seiner konkreten Gestalt entfiele.50 Der BGH scheint an 47 RG JW 1930, 909, Nr. 7; JW 1936, 514, Nr. 17; RGSt 73, 177 (182); BGHSt 2, 14 (17 f.); 10, 247 (251); 17, 259 (261); BGH NJW 1977, 590 (590). 48 BGH VRS 23, 438 (439 f.). 49 BGHSt 21, 381 (381); 34, 29 (33); BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung, Nr. 28; BGH NStZ 1999, 448 (448 f.); NStZ 2000, 584 (584). 50 Vgl. nur RGSt 1, 373 (374); BGHSt 1, 332 (333); so. auch Baumann/Weber/ Mitsch, § 14, Rn. 19; Jescheck/Weigend, § 28 II (S. 279 ff.); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 5; Wessels/Beulke, Rn. 156.
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der Möglichkeit eines solchen äquivalenten Kausalzusammenhangs zwischen dem Sichbetrinken und dem Erfolg nicht zu zweifeln. In der Literatur wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass das Sichbetrinken bzw. die Herbeiführung des Defektzustandes auch auf der Basis der Äquivalenztheorie nicht für den Erfolg kausal sei.51 Hruschka ist der Auffassung, das Sichbetrinken sei zwar für den Rauschzustand des Täters äquivalent-kausal, nicht aber für die Rauschtat selbst.52 Eine Begründung dafür lässt er allerdings vermissen.53 Wenn man davon ausgeht, dass das Sichbetrinken äquivalent-kausal für den Rauschzustand war, wäre in diesem Zusammenhang weiter zu klären gewesen, ob auch der Rauschzustand für die Rauschtat äquivalent-kausal wurde. Denn wäre das Sichbetrinken eine notwendige Bedingung für den Rauschzustand und dieser wiederum eine notwendige Bedingung für die Rauschtat, so ergäbe sich daraus ein äquivalenter Kausalzusammenhang zwischen dem Sichbetrinken und der Rauschtat. Dies erklärt sich aus der Transitivität der Kausalrelation,54 die schon im 12. Jahrhundert von Nikolaus von Amiens55 wie folgt beschrieben wurde: „Quidquid est causa causae, est causa causati“ – „Was auch immer die Ursache der Ursache ist, ist (auch) die Ursache des Verursachten“.56 Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser These auf die fragliche Kausalität zwischen Sichbetrinken und Rauschtat ist jedoch, dass menschliche Handlungen überhaupt „verursacht“ werden können. Ohne an dieser Stelle späteren Abschnitten vorgreifen zu wollen, kann bereits festgestellt werden, dass jedenfalls bei Anwendung der Äquivalenztheorie an der Kausalität des Rauschzustandes für die Rauschtat nicht zu zweifeln wäre – obgleich auch dies von Teilen der Literatur in Abrede gestellt wird.57 Da51 Ambos, NJW 1997, 2296 (2297); Hruschka, JZ 1996, 64 (67); ders., JZ 1997, 22 (22); Kindhäuser, S. 124 ff.; Neumann, Zurechnung, S. 26 ff.; ders., FS Arthur Kaufmann, S. 583 f.; Otto, Jura 1986, 426 (427 f.); Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 6, 30 f.; Rath, JuS 1995, 405 (408); Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (564). 52 Hruschka, JZ 1996, 64 (67); ders., JZ 1997, 22 (22). 53 Eine Begründung lässt sich jedoch seinem späteren Beitrag in ZStW 110 (1998), 581 entnehmen. Dort entwickelt Hruschka einen von der Äquivalenztheorie abweichenden, stärkeren Ursachenbegriff. Vgl. dazu eingehend unten S. 158 ff. 54 Joerden, S. 19. 55 Nikolaus von Amiens lebte um 1200 und gilt als Schüler der so genannten Schule von Chartres. 56 Nikolaus von Amiens, De arte, Liber Primus, I., Sp. 473 ff. Vgl. dazu eingehend Joerden, S. 17 ff. m. w. N., der darauf hinweist, dass nicht Alanus de Insulis (1120–1203) der Autor dieser Schrift ist, sondern Nikolaus von Amiens. Besser bekannt ist wohl der Lehrsatz für die Transitivität der Kausalrelation von Christian Wolff (1679–1754), Ontologia, § 928: „Causa causae est etiam causa causati“ – „Die Ursache der Ursache ist auch Ursache des Verursachten“. 57 Ambos, NJW 1997, 2296 (2297); Kindhäuser, S. 124 ff.; Neumann, Zurechnung, S. 26 ff.; ders., FS Arthur Kaufmann, S. 583 f.; Otto, Jura 1986, 426 (427 f.);
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bei wird vorgebracht, dass der Nachweis, der Täter hätte die Rauschtat nicht auch in nüchternem Zustand begangen, nicht möglich sei.58 Es fehlten verlässliche, empirisch untermauerte Naturgesetze, die den Unterschied menschlichen Handelns im defektfreien und im Defektzustand erklären könnten.59 Allenfalls bei der Persönlichkeit des Täters extrem fern liegenden (Rausch-)Taten könne hinreichend nachgewiesen werden, dass der Täter die Tat nicht auch in verantwortlichem Zustand begangen hätte.60 Auch Puppe sieht Schwierigkeiten bei dem Nachweis der äquivalenten Kausalität des Rausches für die Rauschtat.61 Sie schlägt deshalb vor, diese einfach zu postulieren. Dies sei möglich, da auf dem gleichen Postulat auch die Entschuldigung des Täters wegen Schuldunfähigkeit beruhe: Eine Entscheidung, die ein Mensch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte treffe, werde als „frei“ bezeichnet. Eine im schuldunfähigen Zustand getroffene Entscheidung sei „unfrei“, was nichts anderes bedeute, als dass diese Entscheidung anderen Gesetzen gehorche, als eine freie.62 Wer bewirke, dass sein späteres Verhalten anderen Gesetzen folge als im freien Zustande, der setze damit eine Ursache für dieses spätere Verhalten. Deshalb sei eine Selbstberauschung kausal für jede Tat, die im Rausch begangen werde.63 Zurecht wendet Neumann dagegen ein, dass die Voraussetzungen der Tatbestandsmäßigkeit einer Handlung, zu denen auch die Kausalität gehöre, nicht einfach postuliert werden dürften, selbst wenn auf dem selben Postulat eine eventuelle Entschuldigung des Täters beruhe.64 Es ist zutreffend, dass zu Gunsten des Täters wirkende, strafbegrenzende Faktoren nicht gesondert nachgewiesen werden müssen, weshalb gegen ein Postulat, das zur Entschuldigung des Täters führt, prinzipiell nichts einzuwenden ist. Gleichwohl darf dieses Postulat nicht auch zur Strafbegründung herangezogen werden. Strafbegründende Tatbestandsmerkmale müssen dem Täter nachgewiesen werden. Dies ergibt sich aus der auf dem Rechtsstaatsprinzip i. V. m. Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 6, 30 f.; Rath, JuS 1995, 405 (408); Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (564). 58 Neumann, Zurechnung, S. 26 f.; Kindhäuser, S. 124; Ambos, NJW 1997, 2296 (2297); Otto, Jura 1980, 426 (427 f); Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 6, 30; Rath, JuS 1995, 405 (408). 59 Kindhäuser, S. 124; Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 6, 30; Puppe, JuS 1980, 346 (348). 60 Neumann, Zurechnung, S. 26; Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 30. 61 Puppe, JuS 1980, 346 (348). 62 Puppe, JuS 1980, 346 (348); so auch Roxin, FS Lackner, S. 313: „Davon kann sich jeder durch Augenschein überzeugen“. 63 Puppe, JuS 1980, 346 (348); so im Ergebnis auch Joerden, S. 41 f., Fn. 97, der postuliert, dass der Täter im verantwortlichen Zustand rechtmäßig gehandelt hätte. 64 Neumann, Zurechnung, S. 27.
§ 3 Tathandlungsbestimmung und alic in der Rechtsprechung
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Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 2 EMRK beruhenden Unschuldsvermutung.65 Dass auf dem gleichen Postulat auch die Entschuldigung des Täters beruhen könnte, ändert an der Nachweispflicht zur Strafbegründung nichts. Roxin ist der Auffassung, die äquivalente Kausalität des Sichbetrinkens für den tatbestandlichen Erfolg werde augenscheinlich in den Fällen, in denen sich der Täter Mut antrinkt, um die Tat im Rauschzustand zu begehen. Gerade daraus werde deutlich, dass der Täter die Tat im nüchternen Zustand nicht begangen hätte. Aber auch, wenn der Täter mit dolus eventualis in Kauf nehme, sich auf Grund der rauschbedingten Enthemmung zu einem bestimmten Delikt verleiten zu lassen, impliziere das, dass ein nüchterner Täter die Tat eben nicht begangen hätte.66 Neumann tritt dem entgegen und bestreitet, dass das Handeln im Rauschzustand grundsätzlich anderen Gesetzen folge. Dies entspreche auch der Sichtweise des Gesetzgebers, der die Möglichkeit eines freiwilligen Rücktritts im Zustand der Volltrunkenheit anerkenne.67 Für die äquivalente Kausalität des Rauschzustandes sei nicht danach zu fragen, ob der Täter die Tat auch im nüchternen Zustand begangen hätte, relevant sei vielmehr, ob der Täter die Tat auch im Rauschzustand knapp unterhalb der Schwelle der Schuldunfähigkeit begangen hätte. Dieser Nachweis sei nicht zu erbringen.68 Neumanns Einwände gegen die äquivalente Kausalität des Rauschzustandes – und damit des Sichbetrinkens – für den Erfolg vermögen letztlich nicht zu überzeugen. Zwar spricht die Möglichkeit des freiwilligen Rücktritts Schuldunfähiger gegen die vollkommene Unterschiedlichkeit der Geschehensabläufe bei Handlungen Schuldunfähiger und Schuldfähiger. Das ist jedoch, genau wie der Einwand, dass statt eines Vergleichsverhaltens im nüchternen Zustand ein Verhalten im Zustand der stark verminderten Schuldfähigkeit heranzuziehen sei, für die Frage einer sich allein nach der Äquivalenztheorie bestimmenden Kausalität des Sichbetrinkens nicht entscheidend. Dabei sollte man sich auf den genauen (und sehr begrenzten) Inhalt der Conditio-sine-qua-non-Formel besinnen: Danach ist jede Handlung äquivalent-kausal für den Erfolg, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.69 Das 65 Vgl. dazu BVerfGE 19, 342 (347); 22, 254 (265); 38, 105 (115); 82, 106 (114); Jarass/Pieroth, Art. 20, Rn. 100. 66 Roxin, FS Lackner, S. 313. 67 Neumann, Zurechnung, S. 27 f. m. w. N. 68 Neumann, FS Arthur Kaufmann, S. 584. 69 Vgl. RGSt 1, 373 (374); BGHSt 1, 332 (333); Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 19; Jescheck/Weigend, § 28 II (S. 279 ff.); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 5; Wessels/ Beulke, Rn. 156.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
bedeutet, dass eine Handlung schon dann eine notwendige Bedingung für den Erfolg darstellt, wenn bei ihrer gedachten Nichtvornahme bzw. einer andersartigen, wenn auch nur zeitlich früheren oder späteren Vornahme, nicht der konkret eingetretene, sondern ein anderer, wenn auch ähnlicher Erfolg eingetreten wäre. Dies trifft regelmäßig auf das Sichbetrinken zu – unabhängig davon, ob man auf den ersten Schluck im noch nüchternen Zustand oder den unmittelbar zur Schuldunfähigkeit führenden Schluck im Zustand der stark verminderten Schuldfähigkeit abstellt. Denn ohne diese Handlung(en) und den daraus resultierenden Rauschzustand wäre der Erfolg nicht genauso eingetreten, wie er eingetreten ist. Somit kann bereits bei Abweichungen im Detail nicht mehr von demselben Erfolg gesprochen werden.70 Mit anderen Worten: Für Kausalität nach der Äquivalenztheorie genügt jede noch so geringe Erfolgsmodifizierung, wie z. B. eine zeitliche Verzögerung des Erfolgseintritts – und sei es nur um Sekundenbruchteile.71 Mehr verlangt die Äquivalenztheorie zur Feststellung der Kausalität nicht. Ob oder dass höchstwahrscheinlich ein ähnlicher, fast identischer Erfolg eingetreten wäre, wenn der Täter nüchtern bzw. vermindert schuldfähig geblieben wäre, ist für die Bejahung der äquivalenten Kausalität irrelevant, denn solche „Reserveursachen“ finden im Rahmen der Äquivalenztheorie keine Berücksichtigung.72 Die äquivalente Kausalität des Rauschzustandes und des Sichbetrinkens für den tatbestandlichen Erfolg kann somit nicht in Abrede gestellt werden.73 Das Sichbetrinken könnte demnach auf der Basis der Äquivalenztheorie als Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts bezeichnet werden. Trotzdem scheut sich der BGH regelmäßig davor, diese Konsequenz zu ziehen und verwendet nur für die im Zustand der Schuldunfähigkeit vorgenommene Rauschhandlung den Begriff der „eigentlichen Tathandlung“74. Zur Anknüpfung der Strafbarkeit an das Sichbetrinken greift der BGH stattdessen auch bei vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikten auf die Grundsätze der actio libera in causa zurück und stellt darauf ab, ob das Sichbetrinken einen Geschehensablauf in Gang gesetzt hat, an dessen Ende die Rauschtat und damit letztlich der tatbestandliche Erfolg steht. Dies bedeutet bei reinen Erfolgsdelikten jedoch keinen Unterschied in der Sache – hinter dem Ausdruck „Tatbestandsmodell“ versteckt sich nichts anderes als die Anwendung der Äquivalenztheorie. 70
Roxin, FS Lackner, S. 313; Stühler, S. 51. So treffend Roxin, AT 1, § 11, Rn. 20. 72 RGSt 66, 181 (184); 69, 44 (47); BGHSt 2, 20 (24); 10, 369 (370); 13, 13 (14 f.); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 22. 73 So auch Baier, GA 1999, 272 (281); Roxin, AT 1, § 20, Rn. 59; ders., FS Lackner, S. 313; Herzberg, FS Spendel, S. 217; Stühler, S. 49 ff. 74 Vgl. BGHSt 23, 133 (135); 23, 356 (357 f.); 42, 235 (239). 71
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Sowohl für die Tathandlungsbestimmung mittels der Äquivalenztheorie als auch bei der Anwendung des Tatbestandsmodells ist jeweils entscheidend, ob das Sichbetrinken eine notwendige Bedingung für den Erfolg darstellt. Die Beschreibung des Tatbestandsmodells als „verantwortliches Ingangsetzen des Geschehensablaufs an dessen Ende der tatbestandliche Erfolg steht“ erweckt zwar auf den ersten Blick den Eindruck, als wollte der BGH die strafrechtliche Verantwortung für die Rauschtat an eine Handlung, die gerade nicht die Tathandlung ist anknüpfen und den Täter nicht dafür bestrafen, dass er durch die actio praecedens eine bestimmte Tat begangen hat, sondern dafür, dass er die Begehung einer späteren (Rausch-)Tat notwendig bedingt hat. Auf der Basis der Conditio-sine-qua-non-Formel spielt es für die Qualifizierung einer Bedingung als für den Erfolg „notwendig“ und damit für die Begehung der Tathandlung keine Rolle, ob sie den Erfolg unmittelbar oder nur mittelbar über eine Kette weiterer für den Erfolg äquivalent-kausaler Handlungen herbeigeführt hat. Genauso liegt es beim Tatbestandsmodell der Rechtsprechung: Der Täter muss durch die – allerdings zur Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit75 führende (ansonsten ergäben sich auch keine Probleme mit § 20 oder 21 und die alic würde nicht bemüht) – Berauschung eine Kausalkette in Gang gesetzt haben, an deren Ende der tatbestandliche Erfolg steht.76 Das Tatbestandsmodell der Rechtsprechung enthält somit gegenüber einer Tathandlungsbestimmung an Hand der Äquivalenztheorie keinerlei Abweichungen und stellt bei reinen Erfolgsdelikten keine strafbarkeitserweiternde Sonderkonstruktion dar, sondern hat bloß deklaratorische Bedeutung. Es stellt sich die Frage, weshalb der BGH dennoch den Umweg über die actio libera in causa geht. Darüber können nur Vermutungen angestellt werden. Es spricht einiges dafür, dass der BGH dadurch eine Parallelisierung seiner Vorgehensweisen bei reinen Erfolgsdelikten und verhaltensgebundenen Delikten erreichen wollte. Der BGH hat unabhängig davon, ob reine Erfolgsdelikte oder verhaltensgebundene Delikte im Raume standen, vor dem Urteil des 4. Strafsenats aus dem Jahre 1996 stets auf die alic zurückgegriffen, wenn der Täter bei der Vornahme der unmittelbar den Erfolg herbeiführenden Handlung schuldunfähig war.77 Anders als bei den reinen Erfolgsdelikten hätte der BGH die Tathandlungsqualität des Sichbetrinkens 75 Die Rechtsprechung wendet die actio libera in causa auch bei verminderter Schuldfähigkeit an, vgl. BGH VRS 21, 45 (47); 23, 438 (439 f.); NJW 1977, 590 (590); BGHSt 34, 29 (33); BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung Nr. 28; BGH NStZ 2000, 584 (584 f.). 76 RG JW 1930, 909, Nr. 7; JW 1936, 514, Nr. 17; RGSt 73, 177 (182); BGHSt 2, 14 (17 f.); 10, 247 (251); 17, 259 (261); BGH NJW 1977, 590 (590). 77 Ein Beispiel für ein reines Erfolgsdelikt wäre BGHSt 17, 259 (261), für ein verhaltensgebundenes Delikt BGH VRS 23, 438 (439).
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1. Teil: Vorsatzdelikte
bei den verhaltensgebundenen Delikten nicht bereits auf der Basis der Äquivalenztheorie begründen können. Bei solchen Delikten konnte wohl auch nach Ansicht des BGH das notwendige Bedingen der Tathandlung nicht mit der Vornahme der Tathandlung gleichgesetzt werden. Um dennoch zu einer Strafbarkeit desjenigen, der im Zustand der Schuldunfähigkeit ein verhaltensgebundenes Delikt verwirklicht zu gelangen und um diese an dem der Rauschtat vorangehenden Sichbetrinken anknüpfen zu lassen, wurde die alic als strafbarkeitserweiternde Sonderkonstruktion herangezogen. Die Beschreibung der alic als „Ingangsetzen des Geschehensablaufs“ sollte dazu dienen, auch bei verhaltensgebundenen Delikten das notwendige Bedingen der Rauschtat – und damit des Erfolgs – durch das Sichbetrinken bestrafen zu können, ohne dazu gezwungen zu sein, das Sichbetrinken als Tathandlung solcher Delikte zu bezeichnen. Damit sollte offenbar ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vermieden werden. Dabei wurde allerdings ignoriert, dass gerade der Rückgriff auf eine gesetzlich nicht positivierte, strafbarkeitserweiternde Sonderkonstruktion einen Verstoß gegen eben diese Verfassungsvorschrift nach sich zieht.78 2. Der Entschluss zum Weitertrinken Im Gegensatz zum Sichbetrinken könnte der Entschluss zum Weitertrinken79 im noch schuldfähigen Zustand bei bloßer Anwendung der Äquivalenztheorie nicht als Tathandlung eines reinen Erfolgsdeliktes betrachtet werden. Der Grund dafür liegt nicht darin, dass der Entschluss zum Weitertrinken keine notwendige Bedingung für den Erfolg darstellt, sondern weil es sich dabei um keine Handlung im strafrechtlichen Sinne handelt. Unabhängig von den einzelnen zum Handlungsbegriff vertretenen Theorien80 setzt eine Handlung zumindest ein nach außen tretendes, willensgesteuertes Verhalten voraus, worunter keine rein inneren Vorgänge wie eine Entschlussfassung gefasst werden können.81 Böse Gesinnungen genügen zur Bejahung des objektiven Tatbestandes eines reinen Erfolgsdeliktes nicht82, denn Grund der Bestrafung eines vollendeten Delikts ist nicht die Vorsatz78
BGHSt 42, 235 (239 f.). Dazu auch unten S. 194 ff. Vgl. BGH VRS 23, 438 (439 f.). 80 Vgl. dazu Roxin, AT 1, § 8; Wessels/Beulke, Rn. 80 ff. m. w. N. 81 Roxin, AT 1, § 8, Rn. 63. Eine Ausnahme gilt insoweit für das Unterlassen, das aber unter den Voraussetzungen des § 13 einer Handlung gleichgestellt wird. 82 Baumann/Weber/Mitsch, § 13, Rn. 2 ff.; Hettinger, alic, S. 443; in diesem Sinne auch Neumann, Zurechnung, S. 26; anders Hruschka, JuS 1968, 554 (557), der einem Internum der Deliktsplanung offenbar Handlungsqualität zukommen lassen will, dann aber die Tatbestandsmäßigkeit trotz äquivalenter Kausalität als nicht gegeben ansieht; vgl. Roxin, AT 1, § 8, Rn. 48. 79
§ 4 Kritik an der Methodik der Rechtsprechung
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fassung, sondern die Betätigung des Tatentschlusses.83 Ein Tatbestandsmodell, welches die Strafbarkeit des Rauschtäters dennoch an der Entschlussfassung zum Weitertrinken anknüpft, stellt demnach eine strafbarkeitserweiternde Sonderkonstruktion dar. 3. Die Planung der Tat im schuldfähigen Zustand Auch die Planung der Tat im schuldfähigen Zustand84 kann auf der Grundlage der Äquivalenztheorie nicht als Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts angesehen werden, denn es mangelt an der Handlungsqualität der Tatplanung.85 Ein Tatbestandsmodell, welches die Strafbarkeit des Rauschtäters an der Tatplanung anknüpfen lässt, stellt demnach ebenfalls eine strafbarkeitserweiternde Sonderkonstruktion dar. 4. Zusammenfassung Vergleicht man die herkömmliche Vorgehensweise der Rechtsprechung zur Tathandlungsbestimmung mit ihrem Tatbestandsmodell, so zeigt sich bei den reinen Erfolgsdelikten kein Unterschied zu den Ergebnissen der Äquivalenztheorie, soweit das Sichbetrinken als actio praecedens herangezogen wird. In diesem Fall kommt der actio libera in causa nur deklaratorische Funktion zu. Anders liegt es, wenn die Rechtsprechung auf den Entschluss zum Weitertrinken oder die Planung der Tat im schuldfähigen Zustand abstellt. Das Tatbestandsmodell führt dann zu einer Ausdehnung der Strafbarkeit über die Grenzen der Äquivalenztheorie hinaus, da auf das Erfordernis einer strafrechtlich relevanten Handlung als Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit verzichtet wird.
§ 4 Kritik an der Methodik der Rechtsprechung Trotz der äquivalenten Erfolgskausalität des zur Schuldunfähigkeit führenden Sichbetrinkens stimmt ein beträchtlicher Teil der Literatur nicht damit überein, dass es sich dabei um die Tathandlung eines vorsätzlichen reinen Erfolgsdeliktes, im obigen Beispielsfall86 eines Totschlages, handeln könne.87 Die gegen dieses Ergebnis gerichtete Kritik wendet sich teils gegen das Tatbestandsmodell, teils gegen die Äquivalenztheorie selbst. Im 83
Horn, GA 1969, 289 (293). Vgl. BGHSt 21, 381 (381); 34, 29 (33); BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung, Nr. 28; BGH NStZ 1999, 448 (448 f.); NStZ 2000, 584 (584). 85 Roxin, AT 1, § 8, Rn. 63. 86 Vgl. S. 32. 84
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1. Teil: Vorsatzdelikte
Folgenden wird diese Unterteilung beibehalten, wobei nicht vergessen werden sollte, dass sich Tatbestandsmodell und Äquivalenztheorie bei den reinen Erfolgsdelikten entsprechen. Die Kritik gegen das Tatbestandsmodell müsste somit eigentlich bereits gegen die herkömmliche Tathandlungsbestimmung durch die Rechtsprechung gerichtet werden. Zunächst werden diese „alic-spezifischen“ Ansichten dargestellt und kritisiert. Danach soll das Augenmerk auf die allgemeine, von der alic losgelöste Kritik an der Äquivalenztheorie gelenkt werden.
I. „Alic-spezifische“ Kritik 1. Sichbetrinken ist straflose Vorbereitungshandlung Hruschka meint, die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit durch das Sichbetrinken verwirkliche nicht den Tatbestand eines vorsätzlichen reinen Erfolgsdeliktes, da sie lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung darstelle.88 Über die bloße Kausalität nach der Conditio-sine-qua-non-Formel – und einer von Hruschka früher geforderten Finalität der Handlung89 – hinaus bedürfe es zur Bejahung der Tathandlungsqualität noch weiterer Momente. Ohne diese „weiteren Momente“ zu spezifizieren, führte Hruschka in früheren Beiträgen aus, dass dem Sichbetrinken die für eine Einordnung als Tathandlung erforderlichen Konturen fehlten.90 Reine Interna der Deliktsplanung, bei denen es lediglich um den Deliktsplan selbst, mithin um dessen Formierung, Konkretisierung oder Verfestigung, nicht aber um dessen Realisierung gehe, fielen als straflose Vorbereitungshandlungen nicht unter den Deliktstatbestand. So wie die Ausarbeitung eines Tatplanes oder die Verabredung mehrerer Beteiligter trotz Kausalität für den Erfolg noch nicht tatbestandsmäßig seien, stelle auch die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit nicht die Realisierung des Deliktsplanes, sondern nur einen Teil der Innenseite der Tat dar. Das zur Schuldunfähigkeit führende Sichbetrinken könne daher nicht Tathandlung sein.91 87 Im Folgenden wird das zur Schuldunfähigkeit führende Sichbetrinken im Mittelpunkt stehen. Auf den Entschluss zum Weitertrinken oder die Tatplanung im schuldfähigen Zustand wird nicht näher eingegangen werden, da sich die Kritik der Literatur stets am Sichbetrinken festmacht. Wenn von „actio praecedens“ gesprochen wird, ist demnach das Sichbetrinken gemeint. 88 Hruschka, JuS 1968, 554 (557); ders., SchwZStR 90 (1974), 48 (64 f.); ders., JZ 1997, 22 (22 f.). 89 Hruschka, Strafrecht, S. 1 f. 90 Mittlerweile hat Hruschka aber dezidiert zu den Anforderungen an einen Ursachenzusammenhang bei vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikten Stellung genommen, vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581. Darauf wird später noch vertieft eingegangen, vgl. dazu S. 158 ff.
§ 4 Kritik an der Methodik der Rechtsprechung
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Diese Begründung vermag nicht zu überzeugen, denn Hruschka vermengt den Begriff der Handlung mit dem der Tathandlung. Wenn er ausführt, die actio praecedens sei lediglich ein Internum, dann negiert er statt ihrer Tathandlungsqualität bereits ihre Handlungsqualität. Das kann aber nicht richtig sein, denn das Sichbetrinken stellt als willensgetragenes, nach außen hervortretendes Verhalten eine Handlung dar. Ob diese Handlung auch tatbestandsmäßig ist, ist eine andere Frage. Diese kann nicht mittels einer Abgrenzung von Internum und Handlung beantwortet werden, dazu müssten Kriterien zur Abgrenzung von Vorbereitungs- und Tathandlung entwickelt werden. Die Unterscheidung zwischen „Konstituierung des Deliktsplanes“ (Vorbereitungshandlung) und „Realisierung des Deliktsplanes“ (Tathandlung) sind trotz der Richtigkeit ihrer Stoßrichtung zu unscharf. So soll das Sichbetrinken unter „Konstituierung“ fallen. Genauso gut ließe sich vertreten, die actio praecedens sei Beginn der „Realisierung“ des Deliktsplanes, wenn diese für den Täter einen notwendigen Bestandteil seiner Tatausführung darstellt. Darüber hinaus ließ Hruschka weitere Fragen offen: Soll jede Handlung, die der Realisierung des Deliktsplanes gilt, Tathandlung sein? Welche Handlungen stellen dann eine strafbare Teilnahme dar?92 2. Sichbetrinken ist noch keine Versuchshandlung Als einer der häufigsten Einwände gegen das Tatbestandsmodell wird vorgebracht, das Sichbetrinken sei keine Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts, da es – den Erfolg hinweg gedacht – schon keinen Versuch darstelle93. Der Bereich strafbaren Verhaltens beginne erst mit der Überschreitung der Versuchsschwelle des § 22, d.h. mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung. Davor liegende Handlungen seien als Vorbereitungshandlungen strafrechtlich irrelevant.94 91
Hruschka, JuS 1968, 554 (557); ders., SchwZStR 90 (1974), 48 (64 f.); ders., JZ 1997, 22 (22 f.). 92 Auch diese Fragen hat Hruschka nunmehr beantwortet, vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581. Vgl. dazu unten S. 163 ff. 93 Fahnenschmidt/Klumpe, DRiZ 1997, 77 (79 f.); Hettinger, alic, S. 415, 430 f., 439, 462; Hirsch, FS Lenckner, S. 133 ff.; Horn, GA 1969, 289 (298); ders., StV 1997, 264 (264); Hruschka, SchwZStR 90 (1974), 48 (54, 64 f.); Katzenstein, S. 61; Küper, FS Leferenz, S. 582 ff., 585; ders., Notstand, S. 61 ff.; Neumann, Zurechnung, S. 37; Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513 (516 f.); Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 6, 29 ff.; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (563 m. w. N. in Fn. 38 und 39); Stühler, S. 52 ff. m. w. N. in Fn. 16. 94 Auch diese Argumente müssten sich wegen der Deckungsgleichheit von Tatbestandsmodell und Äquivalenztheorie beim Sichbetrinken als actio praecedens richtigerweise schon gegen die Bestimmung der Tathandlung allein an Hand der Äquivalenztheorie richten und werden deshalb bereits an dieser Stelle behandelt. Nur
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1. Teil: Vorsatzdelikte
Vordergründig scheint gegen diese Argumentation nichts einzuwenden zu sein, führt sie doch zu einer verständlichen Trennung von strafbaren und straflosen Handlungen. Es entspricht logischen Erwägungen, dass die Tathandlung nicht vor ihrem Anfang, dem Versuchsbeginn liegen kann.95 Man kann keinen Menschen töten, bevor man beginnt, dies zu tun. Gleichwohl ist mit dieser Erkenntnis nicht viel gewonnen, denn sie ermöglicht es nicht, die Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts zu bestimmen. Macht man die Probe aufs Exempel, so wird die Untauglichkeit dieses Denkmodells zur Bestimmung der Tathandlung einer Vollendungstat evident, denn es setzt bereits die Kenntnis dessen voraus, was eigentlich erst ermittelt werden soll: die Tathandlung. Dazu soll auf den obigen Beispielsfall96 zurückgegriffen werden. Will man feststellen, ob im Sichberauschen des T bereits die Tathandlung eines vollendeten Tötungsdelikts liegt, wäre zunächst zu untersuchen, ob die Defektbegründungshandlung einen Totschlagsversuch darstellt. Gemäß § 22 liegt eine Versuchshandlung vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes ansetzt. Ein Versuch ist demnach stets dann gegeben, wenn der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, bei einaktigen Delikten mithin die Tathandlung begeht.97 Wurde noch kein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, so kann ein Verhalten in der „Vorzone“ der tatbestandlichen (Vollendungs-)Handlung dennoch einen Versuch darstellen, wenn der Täter zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt hat.98 Ein unmittelbares Ansetzen liegt dann vor, wenn eine der Tathandlung vorgelagerte Handlung nach dem Tatplan im Falle eines ungestörten Fortgangs des Geschehens ohne wesentliche weitere Zwischenakte im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in die Tatbestandsverwirklichung, d.h. in die Tathandlung unmittelbar einmünden soll und dadurch das angegriffene Rechtsgut nach der Vorstellung des Täters bereits unmittelbar gefährdet ist.99 Darauf, ob eine Gefährdung des geschützten Rechtsguts tatsächlich eintritt, kommt es nicht an, denn nach § 22 ist insoweit allein die Tätervorstellung maßgeblich.100 Hirsch, FS Lenckner, S. 133 ff. zieht diese Argumentation schon bei der Bestimmung der Tathandlung außerhalb der Problematik der alic heran. 95 So auch Renzikowski, Täterbegriff, S. 222; a. A. Freund, in: MüKo-StGB, vor §§ 13 ff., Rn. 256; Herzberg, FS Spendel, S. 210 ff. 96 Vgl. S. 32. 97 Eser, in: Schönke/Schröder, § 22, Rn. 37; Tröndle/Fischer, § 22, Rn. 9; Wessels/Beulke, Rn. 599. 98 Eser, in: Schönke/Schröder, § 22, Rn. 39; Tröndle/Fischer, § 22, Rn. 10; Wessels/Beulke, Rn. 599 ff. 99 Vgl. zum Versuchsbeginn m. w. N. Eser, in: Schönke/Schröder, § 22, Rn. 40 ff.; Tröndle/Fischer, § 22, Rn. 10; Wessels/Beulke, Rn. 600 f.
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Prüft man anhand der obigen Definition, ob die actio praecedens eine Versuchshandlung und damit „potenziell“ die Tathandlung eines vollendeten Tötungsdelikts darstellt, wird deutlich, dass ein solches Vorgehen nicht zur Bestimmung der Tathandlung führen kann. Zur Beantwortung der Frage nach dem Versuchsbeginn ist stets bereits die Kenntnis der Tathandlung der Vollendungstat erforderlich – die ja erst über den Versuchsbeginn ermittelt werden soll. Kennt man die Tathandlung nicht, so lassen sich auch keine Aussagen über Versuchshandlungen treffen. Besonders deutlich wird dies bei der Art von Versuchen, bei denen bereits die tatbestandliche Handlung vorgenommen wurde, diese aber nicht zum Erfolg führte, wie z. B. die Täuschungshandlung eines versuchten Betruges, die nicht zu einem Vermögensschaden führte. Eine Aussage über die Versuchsqualität solcher Handlungen lässt sich nur machen, wenn man bereits weiß, dass die Täuschungshandlung (im Falle des Eintritts eines Vermögensschadens) Tathandlung eines vollendeten Betrugsdeliktes wäre. Wäre das Trinken im Beispielsfall bereits Tathandlung eines vollendeten Tötungsdelikts (so die Äquivalenztheorie), so wäre darin folglich auch eine Versuchshandlung zu sehen, wenn der Erfolg nicht eintritt.101 Genauso liegt es bei Versuchshandlungen, die noch kein Tatbestandsmerkmal einer vollendeten Tat verwirklichen. Auch hier ist es nicht möglich, die Tathandlung der Vollendungstat mittels der zeitlichen Grenze des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung zu bestimmen. Wiederum wäre zunächst die Kenntnis der tatbestandlichen Handlung – und nicht etwa nur des Erfolgs – notwendig, um eine Auskunft über die unmittelbare Vorzone dieser Handlung geben zu können. Wie soll man feststellen können, ob eine Handlung bei ungestörtem Fortgang im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang ohne weitere Zwischenschritte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden würde, wenn nicht bekannt ist, durch welche Handlung der Tatbestand verwirklicht wird? Früher wurde der Versuch in § 43 a. F. als „Anfang der Ausführungshandlung“ bezeichnet. Auch das macht nur zu deutlich, dass man erst die Ausführungshandlung selbst kennen muss, bevor man deren Beginn festlegen kann. So wenig die Argumentation der hier abgelehnten Auffassung zu überzeugen vermag, so richtig ist der dahinter steckende Gedanke: Wenn schon eine Versuchshandlung nur strafbar ist, wenn sie – zwar aus Sicht des Täters – das angegriffene Rechtsgut bereits unmittelbar gefährdet, dann muss dies erst recht für das vollendete Delikt gelten: Von einer Tathandlung kann daher nur gesprochen werden, wenn die Handlung des Täters das ge100 Eser, in: Schönke/Schröder, § 22, Rn. 42; Tröndle/Fischer, § 22, Rn. 10 m. w. N. 101 So auch Hettinger, alic, S. 193.
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schützte Rechtsgut – diesmal aber aus objektiver Betrachtungsweise – unmittelbar in Gefahr bringt. Es wäre paradox, im Rahmen des maßgeblich von der Tätervorstellung abhängigen und deshalb möglicherweise objektiv völlig ungefährlichen Versuchs für die Strafbarkeit ein Mehr an Nähe der Handlung zum Erfolg zu verlangen, als dies bei der vollendeten Tat der Fall wäre.
II. Kritik an der Äquivalenztheorie Auch unabhängig von der Problematik der alic ist die Äquivalenztheorie in der Literatur heftiger Kritik ausgesetzt. So bezeichnet sie Jakobs als „verwirrend, das Kausalproblem verfälschend und restlos überflüssig“.102 Sie sei „ein Vehikel der Zurechnung ohne Eigenwert“.103 Oft wird auch der Vorwurf erhoben, die Bedingungstheorie sei „einerseits zu eng, andererseits zu weit“ und ermögliche bei Unkenntnis entsprechender Naturgesetze gar keine Aussage über den Kausalzusammenhang.104 Die gegen sie erhobenen Vorwürfe werden im Folgenden dargestellt und dabei einer kritischen Würdigung unterzogen. Zudem werden die verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben entwickelt, an denen die Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte zu messen ist. 1. Unkenntnis entsprechender Kausalgesetze Nach der Conditio-sine-qua-non-Formel ist eine Handlung dann kausal für einen Erfolg, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.105 Die Kausalität wird somit an Hand von Naturgesetzen oder empirischen Erfahrungssätzen bestimmt.106 Gegen die Bedingungstheorie wird der Einwand erhoben, sie nützte nichts oder sei gar überflüssig, wenn die entsprechenden Kausalgesetze nicht bekannt sind. Die Äquivalenztheorie könne daher zur Ermittlung der Kausalität nichts beitragen, denn die Formel vom Hinwegdenken setzte bereits die Kenntnis dessen voraus, was durch sie ermittelt werden soll. Mit anderen Worten, man müsse bereits vorher wissen, ob eine Bedingung kausal ist oder nicht.107 Beispielhaft werden häufig die Contergan-Fälle ge102
Jakobs, AT, 7/8. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 (6). 104 So z. B. Otto, Jura 1992, 90 (92). 105 RGSt 1, 373 (374); BGHSt 1, 332 (333); vgl. auch Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 19; Jescheck/Weigend, § 28 II (S. 279 ff.); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 5; Wessels/Beulke, Rn. 156. 106 Vgl. Frisch, FS Gössel, S. 64 ff., der die Erfahrungssätze für weit wichtiger hält als die Naturgesetze. 103
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nannt, in denen es darum ging, ob die Einnahme dieses Medikaments während der Schwangerschaft zu Missbildungen bei Neugeborenen führte.108 Über die Wirkungsweise von Contergan bestanden in der Naturwissenschaft keine gesicherten Erkenntnisse. Das Hinwegdenken der Einnahme von Contergan konnte somit nicht zu dem zweifelsfreien Ergebnis führen, dass die Neugeborenen dann ohne Missbildungen zur Welt gekommen wären. Die Äquivalenztheorie habe daher lediglich eine kontrollierende Bedeutung.109 Dem ist entgegen zu halten, dass die Äquivalenztheorie gar nicht antritt, um einen Kausalzusammenhang selbst zu bestimmen; sie möchte nur sagen, dass die Feststellung der Kausalität auch im Strafrecht nach naturwissenschaftlichen bzw. empirischen Kriterien zu erfolgen habe und dass jede für den Erfolg notwendige Bedingung eine Ursache im Sinne des Strafrechts sei. Konsequenz dieses Verweises auf die Naturwissenschaften ist die Überantwortung der Kausalitätsfrage auf diese Disziplinen und die Akzeptanz der daraus resultierenden Ergebnisse. Kann die Naturwissenschaft die ihr gestellte Aufgabe nicht lösen und keine Kausalität feststellen, so muss die Kausalität auch im Strafrecht verneint werden. Dies ist keine Schwäche der Bedingungstheorie, sondern ein Beweisproblem, das die Äquivalenztheorie als solche nicht in Frage stellen kann.110 Es ist nicht recht nachvollziehbar, weshalb es problematisch sein soll, strafrechtliche Kausalität abzulehnen, wenn sie nicht nachgewiesen werden kann. Auch bei Anwendung anderer Kausalitäts- oder Zurechnungstheorien müsste gefordert werden, dass der Zurechnungszusammenhang als strafbegründendes Tatbestandsmerkmal für eine Verurteilung nachgewiesen wird. Ist dies nicht möglich, so hat nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ ein Freispruch zu erfolgen. Es ist aber nicht die Aufgabe materiell-rechtlicher Zurechnungstheorien, die tatsächliche Beweisbarkeit der Täterschaft zu gewährleisten.111 2. Enge der Äquivalenztheorie Darüber hinaus wird beklagt, die Äquivalenztheorie sei zu eng und könne die Strafbarkeit von Strafwürdigem nicht gewährleisten. So versage die Conditio-sine-qua-non-Formel bei so genannter „alternativer Kausalität“, 107 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (563); Engisch, S. 16; Jakobs, AT, 7/9; Jescheck/ Weigend, § 28 II 3, 4 (S. 280 f.); Maiwald, JuS 1984, 439 (440); Otto, Jura 1992, 90 (92); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 11; Schmidhäuser, AT, 8/59; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff.; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 40; Stratenwerth, AT, § 8, Rn. 18; Wessels/Beulke, Rn. 156. 108 Vgl. LG Aachen, JZ 1971, 507; Otto, Jura 1992, 90 (93). 109 Engisch, S. 16; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 40. 110 Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 168. 111 So auch Puppe, in: NK, vor §§ 13 ff., Rn. 87.
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denn bei strikter Anwendung der Bedingungstheorie müsste in einem solchen Fall das Vorliegen von Kausalität verneint werden. Mischen A und B beispielsweise unabhängig voneinander jeweils eine tödliche Menge Gift in das Essen des O, woran der O stirbt,112 so beruhe der Erfolg auf der Beibringung beider Gifte. Dennoch wäre der O auch gestorben, wenn entweder nur A oder B jeweils ihre Dosis Gift dem O verabreicht hätten. Der Tatbeitrag des A oder des B könne demnach hinweg gedacht werden, ohne dass der (Gift-)Tod des O entfiele. Dennoch sei an der Kausalität in diesen Fällen nicht zu zweifeln.113 Die Vertreter der Äquivalenztheorie zerstreuen diese Bedenken, indem sie die Conditio-sine-qua-non-Formel für die Fälle der alternativen Kausalität wie folgt modifizieren: Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweg gedacht werden können, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele, sei jede für den Erfolg kausal.114 Dies gelte für den Fall, dass die verschiedenen Handlungen gleichzeitig den Erfolg herbeigeführt haben, d.h. wenn im Beispielsfall die von A und B verabreichten Gifte ihre Wirkung exakt zum gleichen Zeitpunkt entfaltet haben. Einer so angepassten Bedingungstheorie lässt sich kein zu enger Anwendungsbereich vorwerfen. 3. Weite der Äquivalenztheorie Die Äquivalenztheorie ist auch dem gegenteiligen Vorwurf, sie sei zu weit, ausgesetzt. Das ist zutreffend, denn ihre Anwendung liefert uferlose Ergebnisse und führt letztlich ins Unendliche, da jede notwendige Bedingung als Tathandlung gilt, unabhängig davon, wie weit sie vom Erfolg entfernt liegt.115 Da im Rahmen der Bedingungstheorie auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt abgestellt wird (um einer möglichen Exkulpation durch Berufung auf „Reserveursachen“ vorzubeugen), führt bereits die bloße Veränderung von Begleitumständen zur Kausalität für den Erfolg, 112
Beispiel von Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (568). Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (568); Jakobs, AT, 7/10; Jescheck/Weigend, § 28 II 4 (S. 281 f.); Otto, Jura 1992, 90 (92); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 12; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 74; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 40; Wessels/Beulke, Rn. 157. 114 Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 41; Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (568); Wessels/Beulke, Rn. 157; Frisch, FS Gössel, S. 56 ff., 64 weist darauf hin, dass dies eine normative Korrektur der Äquivalenztheorie darstellt. 115 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (568, 575); Jescheck/Weigend, § 28, III 1 (S. 284); Koriath, Kausalität, S. 119; Otto, Jura 1992, 90 (92); Puppe, in: NK, vor § 13, Rn. 83; Renzikowski, Täterbegriff, S. 59; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 84; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 52; Tröndle/Fischer, vor § 13, Rn. 16; Wessels/Beulke, Rn. 156. 113
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denn dieser wird in seiner konkreten Ausformung modifiziert. Danach hätte eine Krankenschwester, die ein vergiftetes Opfer kurz vor dessen Tod von Bett A in Bett B umbettet, ohne dass dies von Einfluss auf den Verlauf der Vergiftung wäre,116 objektiv eine Tötungshandlung begangen, denn durch das Umbetten ist das Opfer an einem anderen Ort gestorben, als es ohne das Umbetten gestorben wäre. Die Krankenschwester hätte den Erfolg in seiner konkreten Gestalt (Sterben in Bett B) notwendig bedingt, denn ohne ihr Handeln wäre das Opfer einen – wenn auch marginal – anderen Tod (in Bett A) gestorben. Dagegen wird eingewandt, die Änderung von Begleitumständen sei schon keine notwendige Bedingung für den Erfolg, da durch solche Handlungen kein zusätzliches Risiko geschaffen werde, in dem sich der Erfolg realisiere. Es handle sich lediglich um Variationen eines bereits bestehenden Risikos, welche keine Erfolgskausalität zu begründen vermögen.117 Es ist sicher zutreffend, dass Handlungen, die keine Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut schaffen, keine strafbare Tathandlung eines vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikts sein können. Jedoch ändert dies nichts an der Erfolgskausalität der Änderung von Begleitumständen nach der Äquivalenztheorie. Das obige Beispiel macht jedoch deutlich, weshalb in weiten Teilen der Literatur Einigkeit herrscht, dass die Bedingungstheorie eines die Strafbarkeit begrenzenden „Korrektivs“ bedürfe.118 Wie dieses „Korrektiv“ aussehen könnte – sei es, wie die Rechtsprechung vorschlägt, eine Einschränkung der Strafbarkeit auf Vorsatzebene mittels des Irrtums über den Kausalverlauf, sei es durch die Heranziehung normativer Kriterien im objektiven Tatbestand – oder ob die Äquivalenztheorie möglicherweise derart verfehlt ist, dass sie gänzlich verworfen werden und durch einen anderen Verursachungsbegriff ersetzt werden muss, wird im Fortgang dieser Arbeit nachgegangen werden. 4. Unmöglichkeit der Verantwortungszuschreibung Die Äquivalenztheorie ist noch weiteren Einwänden ausgesetzt. Joerden ist der Auffassung, bloße Konditionalität i. S. d. Äquivalenztheorie könne nicht zur Zuschreibung von Verantwortlichkeit für einen Erfolg führen.119 Da nach der Conditio-sine-qua-non-Formel per definitionem jede Bedin116
Beispiel von Jakobs, AT, 7/14. Jakobs, AT, 7/13 ff.; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 44. 118 Vgl. nur Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (562, 569); Otto, Jura 1992, 90 (92, 96); Wessels/Beulke, Rn. 176 ff. 119 Joerden, S. 26 ff.; zustimmend Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (588, Fn. 13, 594) und Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (427). 117
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gung von einer vorangegangenen Bedingung verursacht werde, müssten spätere Bedingungen durch die früheren determiniert sein. Diese Determinierung führe bei dem Versuch einer Verantwortungszuschreibung dazu, dass sich jede Bedingung auf den Standpunkt stellen könne, selbst verursacht worden zu sein, ohne dafür verantwortlich zu sein. Dadurch sei wiederum ihre Verantwortung für den Erfolg ausgeschlossen. Ausgehend vom Erfolg käme es zu einem Regress, bis letztlich eine für den Erfolg verantwortliche Erstursache gefunden werde.120 Von Erstursache könne aber nur bei einer unverursachten, d.h. sich selbst verursachenden Bedingung gesprochen werden. Jedoch könne eine Ursache nicht Ursache ihrer selbst sein.121 Somit gäbe es kein natürliches Ende eines Bedingungszusammenhangs und damit auch keine Verantwortlichkeit.122 Das Ergebnis sei ein infiniter Regress, der genau wie eine unverursachte Erstursache denkunmöglich sei.123 Obwohl den dargestellten Konsequenzen des Determinismus nicht widersprochen werden kann, ist entgegen der Ansicht Joerdens bei Anwendung der Conditio-sine-qua-non-Formel eine – wenn auch undifferenzierte und damit letztlich wertlose – Verantwortungszuschreibung möglich. Die Äquivalenztheorie greift nicht ausschließlich auf einen deterministischen Ursachenbegriff zurück. Der „Ursachenbegriff“ der Äquivalenztheorie ist weit schwächer, sodass aus dem Umstand, dass eine Reihe von Bedingungen im Einzelfall zu einem bestimmten Erfolg geführt hat, nicht geschlossen werden kann, dass diese stets notwendigerweise zu einem solchen Erfolg führen muss. Deutlich wird dies bei der psychischen Kausalität. Selbst wenn ein Täter von einem Anstifter zu seiner Tat „bestimmt“ wird, heißt das nicht, dass die Tat naturgesetzlich determiniert auf der Anstiftung beruht – obwohl die Anstiftung nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass die Tat entfiele. Der Täter hätte sich auf Grund seiner Willensfreiheit auch gegen die Tat entscheiden können. Entscheidet sich der Täter wegen der Anstiftung aber für die Begehung der Tat, so war die Anstiftung dafür conditio sine qua non, denn die Anstiftungshandlung kann nicht weggedacht werden, ohne dass die Haupttat entfiele. Eine solche Kausalität lässt sich nur als Motivationszusammenhang begreifen, nicht als determinierte Naturgesetzlichkeit.124 Die Konsequenz des nicht deterministischen Kausalbegriffs der Äquivalenztheorie bei der psychischen Kausalität ist, dass die Verantwortung für einen Erfolg nicht nur der Erstursache, sondern auch jeder spä120 121 122 123 124
Joerden, S. 27. Joerden, S. 28. Joerden, S. 27. Joerden, S. 17, 26. Vgl. Otto, Jura 1992, 90 (95); Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 42d m. w. N.
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teren daraus resultierenden Bedingung zugeschrieben wird, die nicht naturgesetzlich mit der Erstursache verbunden ist. Eine der Erstursache nachfolgende notwendige Bedingung kann daher nicht stets Verantwortlichkeit für den Erfolg mit dem Argument von sich weisen, selbst von einer voran gegangenen Bedingung determiniert worden zu sein und deshalb für die eigene Existenz und die eigene Erfolgsursächlichkeit „nichts zu können“. Mit anderen Worten, die Äquivalenztheorie erlaubt keine Exkulpation unter Berufung auf Determinierung bei psychischer Kausalität. 5. Undifferenzierte Verantwortungszuschreibung und verfassungsrechtliche Vorgaben a) Undifferenzierte Verantwortungszuschreibung Die Bedingungstheorie zieht aus dem Umstand, dass jede Bedingung wieder von einer vorangegangenen Bedingung verursacht wurde, einen ganz anderen Schluss als Joerden. Anstatt gar keine Verantwortung zuzuschreiben, ist jede notwendige Bedingung gleichsam für den Erfolg verantwortlich, unabhängig davon, wie weit sie vom Erfolg entfernt liegt. Das erscheint in mehrfacher Hinsicht problematisch: Zum einen gibt es dadurch stets eine immense Anzahl von Verantwortlichen für einen Erfolg, zum anderen ist es nicht möglich, die Verantwortung den einzelnen Bedingungen differenziert zuzuschreiben, d.h. eine Unterscheidung zwischen Täterschaft, Teilnahme und straflosem Verhalten zu treffen.125 Hat jede notwendige Bedingung den Erfolg herbeigeführt, so muss jede dieser Bedingungen das gleiche Maß an Verantwortung für den Erfolg tragen. Die Konsequenz gleicher Verantwortung müsste die Verwirklichung gleichen Unrechts sein. Dann bleibt kein Raum mehr für die Feststellung, dass der Erfolg letztlich auf eine bestimmte, besonders eng mit ihm verbundene Bedingung zurückzuführen ist und andere, weiter entfernt liegende Bedingungen nur als Beiwerk zu betrachten sind. Bei gleicher Verantwortung wäre es willkürlich, bestimmte Bedingungen mehr, andere wiederum weniger durch das Strafgesetz zu pönalisieren und zu sanktionieren. Stimmen in der Literatur führen an, dass eine solche, auf das bloße Bedingen abstellende Strafbarkeit der Funktion des Strafrechts schlichtweg zuwider laufen würde.126 Wenn ein rechtlich missbilligter Erfolg eintritt, sei es Aufgabe des Strafrechts herauszufinden, welche Person dafür zur Verant125 Otto, Jura 1992, 90 (96); ders., FS E.A. Wolff, S. 396 f.; ders., FS Lampe, S. 494; Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (594). 126 Stratenwerth, AT, § 8, Rn. 20.
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wortung zu ziehen ist. Die Zielsetzung des Strafrechts sei nicht nur die Klärung eines sich durch notwendige Bedingung und Wirkung ausdrückenden Zusammenhangs. Darüber hinaus müsse die rechtlich-soziale Frage beantwortet werden, welche Art von Unrecht eine Person objektiv begangen hat und inwieweit sie dafür sowie für den daraus resultierenden schädlichen Erfolg die Verantwortung zu tragen hat.127 Dies könne nicht an Hand der Conditio-sine-qua-non-Formel, die alle Bedingungen als für den Erfolg gleichwertig behandelt, beantwortet werden.128 Nachdem festgestellt wurde, dass die Äquivalenztheorie nicht im Stande ist, Verantwortung differenziert zuzuschreiben, soll im Folgenden untersucht werden, ob und inwieweit dies im Strafrecht überhaupt erforderlich ist und worin die Gründe dafür liegen [dazu unten c)]. Warum ist es, wie von der Literatur vorgebracht wird, nicht nur Zielsetzung des Strafrechts herauszufinden, wer für einen strafrechtlichen relevanten Erfolg zur Verantwortung zu ziehen ist, sondern auch inwieweit? Diese Fragen stellen sich allerdings nur, wenn eine differenzierte Verantwortungszuschreibung überhaupt möglich ist [dazu unten b)]. b) Möglichkeit einer differenzierten Verantwortungszuschreibung Eine differenzierte Verantwortungszuschreibung für einen Erfolg ist im alltäglichen Leben nicht nur möglich, sondern entspricht der Normalität. In der Gesellschaft wird regelmäßig nicht nur danach gefragt, ob jemand für etwas verantwortlich ist, sondern auch inwieweit. Bei mehreren Beteiligten wird man sich häufig einig sein, dass ein Beteiligter den Hauptteil der Verantwortung zu tragen hat und dass den Anderen weniger oder gar keine Verantwortung zukommt.129 Das gilt für positive wie auch für schädliche Erfolge. Beispielsweise wird einem Tennisspieler, der ein großes Turnier gewinnt, regelmäßig mehr Ruhm und Ehre zuteil werden als seinem Trainer oder demjenigen, der seine Schläger bespannt. Freilich wird fast niemand bezweifeln, dass auch der Trainer und der Servicemann ihren Anteil am Turniererfolg hatten. Das ändert aber nichts daran, dass als Hauptverantwortlicher für den Sieg immer noch der Spieler, der den Gegner auf dem Platz niedergerungen hat, gelten wird. Dem Turnierdirektor, der das Turnier ins Leben gerufen und organisiert hat, wird man gar keinen Anteil am Erfolg einräumen, obwohl es ohne dessen Beitrag kein Turnier und letztlich auch keinen Sieg des Spielers gegeben hätte. 127 128 129
Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (569); Wessels/Beulke, Rn. 176. Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (569). Otto, FS Spendel, S. 271.
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Gleiches gilt für schädliche Erfolge. Regelmäßig gibt es eine Vielzahl von notwendigen Bedingungen für einen Erfolg. Erschießt beispielsweise der T den O, so stellt das Abdrücken des Abzugs der Waffe eine conditio sine qua non für den Tod des O dar. Aber auch derjenige, der dem T die Waffe beschafft hat, hat eine notwendige Bedingung für den Tod des O gesetzt – genauso wie derjenige, der den T auf die Idee gebracht hat, den O zu erschießen. Gleiches gilt für die Mutter des T, da sie diesen geboren hat. Auch hier würde wohl niemand der Idee verfallen, jeder der Personen, die eine notwendige Bedingung für den Tod des O geleitet haben, das gleiche Maß an Verantwortung für den Tod des O zuschreiben zu wollen. Es entspricht vielmehr einer natürlichen Betrachtungsweise, den T als Hauptverantwortlichen für den Tod des O anzusehen und demjenigen, der dem T die Tatwaffe beschafft hat, ein geringeres Maß an Verantwortung zuzuschreiben. A, der den T überhaupt erst auf die Idee brachte, den O zu töten, wird man zwar für weniger verantwortlich als T halten, ihm aber mehr Verantwortung zuschreiben, als B, der die Waffe beschafft hat. Die Mutter würde niemand als für den Tod des O verantwortlich bezeichnen. Gleiches gilt für denjenigen, der das Erz, aus dem später das Rohmaterial für die Waffe gewonnen wurde, abgebaut hat. Der Grund für die unterschiedliche Verantwortungszuschreibung liegt primär in der Enge oder Weite des Erfolgsbezugs der jeweiligen Handlung. Je enger die Beziehung zwischen Handlung und Erfolg, desto mehr Verantwortung ist man zuzuschreiben geneigt. Freilich ist das nur ein erster Schritt der Verantwortungszuschreibung. Man wird die Verantwortung des T anders beurteilen, wenn T geisteskrank ist. Das Maß der Verantwortung des A kann man als gesteigert betrachten, wenn dieser von der Geisteskrankheit des T und dessen damit verbundener leichter Beeinflussbarkeit wusste und den T somit bewusst für seine eigenen Zwecke manipulierte. Auch im Strafrecht ist eine differenzierte Verantwortungszuschreibung möglich. So kann der Gesetzgeber nicht nur zwischen strafbarem und straflosem Verhalten unterscheiden oder verschiedene Unrechtstatbestände schaffen, um dadurch unterschiedliche Rechtsgüter schützen. Er kann außerdem verschiedene Beteiligungsformen schaffen, die bei mehreren Beteiligten das unterschiedliche Maß an Verantwortlichkeit für einen Erfolg ausdrücken, wodurch manche als Täter und andere als Teilnehmer bezeichnet werden. Darüber hinaus kann der Strafgesetzgeber Defekte in der Person des Handelnden berücksichtigen. Es stellt sich nun die Frage, ob eine differenzierte Verantwortungszuschreibung im Strafrecht nur erwünscht oder ob sie zwingend erforderlich ist und welche Gründe dafür angeführt werden können.
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c) Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine differenzierte Verantwortungszuschreibung Eine differenzierte Verantwortungszuschreibung durch die strafrechtlichen Unrechtstatbestände könnte auf Grund des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG, des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geboten sein. Die Folge daraus wäre ein restriktiver Täterbegriff. aa) Art. 103 Abs. 2 GG Indem die Äquivalenztheorie versucht, jede den Erfolg irgendwie bedingende Handlung als gleichwertiges, strafrechtlich relevantes Unrecht zu begreifen, führt sie zu einem unüberschaubaren Anwendungsbereich der strafrechtlichen Verantwortungszuschreibung. Im Strafrecht schreibt der Gesetzgeber Verantwortung für einen Erfolg primär durch die Beschreibungen des Unrechts in den strafrechtlichen Tatbeständen zu.130 Gegen die Äquivalenztheorie wird vorgebracht, dass ihre Weite gerade unter dem Gesichtspunkt strafrechtlicher Sanktionsandrohungen eine recht abwegige Vorstellung sei.131 Dieses Unbehagen ist berechtigt, denn die Bestimmung der Tathandlung bzw. eine strafrechtliche Erfolgszurechnung nach der Conditio-sinequa-non-Formel käme unweigerlich mit dem in § 1 einfachgesetzlich verankerten Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG in Konflikt. Danach kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Art. 103 Abs. 2 GG ist Teil des Rechtsstaatsprinzips und zudem Ausfluss des in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltenen Willkürverbotes. Darüber hinaus stellt Art. 103 Abs. 2 GG eine Konsequenz des Demokratieprinzips und der Gewaltenteilung, sowie des dem Schutze der Menschenwürde verpflichteten Schuldprinzips dar. Der aus Art. 103 Abs. 2 GG folgende Schutz des Bürgers unterliegt keinem Schrankenvorbehalt und garantiert die Bestimmtheit der staatlichen Strafgesetze, sowie deren restriktive Anwendung.132 Aus Art. 103 Abs. 2 GG lassen sich mehrere verfassungsrechtliche Einzelgewährleistungen ableiten: das Bestimmtheitsgebot, das Analogieverbot, das Verbot rückwirkender Strafge130 Die Verantwortung kann natürlich trotz Vornahme einer objektiv tatbestandsmäßigen Handlung ausgeschlossen oder gemindert sein, wenn z. B. ein Defekt auf der Ebene des subjektiven Tatbestands oder der Schuld vorliegt. Ausgangspunkt ist dennoch die Vorstellung, dass derjenige, der objektiv Unrecht begeht auch die Verantwortung dafür zu tragen hat. 131 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (563). 132 Vgl. zu den Hintergründen des Gesetzlichkeitsprinzips eingehend Kunig, in: GGK III, Art. 103, Rn. 16 ff.
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setze und das Verbot von Gewohnheitsrecht zu Lasten des Bürgers.133 Während sich das Analogieverbot an die Rechtsprechung wendet, ist der Gesetzgeber Adressat des Bestimmtheitsgebots. Teil des Gesetzlichkeitsprinzips ist ein strenger Gesetzesvorbehalt, der sicherstellen soll, dass nur der Gesetzgeber – und nicht die Exekutive oder Judikative – über die Voraussetzungen der Strafbarkeit entscheidet.134 Art. 103 Abs. 2 GG stellt somit ein überragend wichtiges Prinzip rechtsstaatlicher Strafrechtspflege dar.135 Der Gesetzgeber könnte den reinen Erfolgsdelikten nicht die Struktur einer reinen Bedingungsstrafbarkeit i. S. d. Äquivalenztheorie zu Grunde legen, denn eine solche würde gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen.136 Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot bezieht sich auf die generelle Strafbarkeit, die strafrechtlichen Tatbestände, sowie deren Rechtsfolgen. Dabei sind grundsätzlich strengere Maßstäbe anzulegen, als beim allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz.137 Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot dient neben dem allgemeinen Vertrauensschutz des Bürgers und der Vermeidung von Willkür vor allem der Gewährleistung von Rechtssicherheit.138 Wegen der Intensität der möglichen staatlichen Eingriffe durch das Strafrecht in Freiheit, Eigentum und Vermögen müssen für den Bürger die Voraussetzungen solcher Eingriffe stets berechenbar sein. Dies kann nur sichergestellt werden, wenn bereits aus der gesetzlichen Unrechtsbeschreibung der Tatbestände erkennbar ist, ob und wie ein Verhalten strafrechtlich sanktioniert wird.139 Dadurch kann freilich nicht ausgeschlossen werden, dass in Einzelfällen die Tatbestandsmäßigkeit eines bestimmten Verhaltens zweifelhaft ist. Jedenfalls im Regelfall muss für den Bürger bereits aus dem objektiven Tatbestand einer Norm selbst erkennbar sein, welchem Risiko einer Bestrafung er sich aussetzt.140 Dies 133
Roxin, AT 1, § 5, Rn. 7, 26 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 103, Rn. 163 ff. 134 Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 47, 109 (120); 71, 108 (114); 75, 329 (341); 78, 374 (382); 87, 363 (391); 92, 1 (12). 135 So die treffende Formulierung von Tröndle/Fischer, § 1, Rn. 2; vgl. dazu auch Hassemer, in: NK, § 1, Rn. 1 ff. 136 Vgl. Hettinger, alic, S. 439. 137 Kunig, in: GGK III, Art 103, Rn. 27; ders., Rechtsstaatsprinzip, S. 401 f.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 103, Rn. 167, 185. 138 BVerfGE 78, 374 (382); Hassemer, in: NK, § 1, Rn. 14; Kunig, in: GGK III, Art. 103, Rn. 28; Rudolphi, in: SK, § 1, Rn. 2, 11; Wessels/Beulke, Rn. 44. 139 BVerfGE 25, 269 (285); BVerfGE 37, 201 (207); 47, 109 (120); 64, 389 (393 f.); 71, 109 (115); 85, 69 (73); BGHSt 23, 167 (171); 37, 226 (230); SchmidtAßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 103, Rn. 178; Rudolphi, in: SK, § 1, Rn. 11; Tröndle/Fischer, § 1, Rn. 5; vor § 13, Rn. 6; Wessels/Beulke, Rn. 47. 140 BVerfGE 71, 109 (115); 92, 1 (12); Tröndle/Fischer, § 1, Rn. 5; Eser, in: Schönke/Schröder, § 1, Rn. 20.
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gilt nach der Rechtsprechung des BVerfG umso mehr, je höher die Strafandrohung ist.141 Wegen der hohen Strafandrohung des § 212 beansprucht das Bestimmtheitsgebot im Rahmen dieser Vorschrift eine erhöhte Beachtung. Neben der Begrenzungsfunktion der Tatbestände kommt dem Bestimmtheitsgebot und somit auch den sich daran orientierenden strafrechtlichen Normen die Funktion zu, das Verhalten der Normadressaten zu steuern und diese von rechtlich missbilligtem Verhalten abzuhalten.142 Die Bürger sollen durch die strafrechtlichen Tatbestände nicht nur erfahren, was im Rahmen der Rechtsordnung Recht und Unrecht darstellt, sie werden darüber hinaus durch die Strafandrohung auch zu rechtmäßigem Verhalten angehalten. Das Bestimmtheitsgebot gewährleistet über die Steuerungsfunktion des Strafrechts neben Rechtssicherheit auch materielle Gerechtigkeit. Beides zusammen ist kein Widerspruch, denn es entspricht sowohl der Rechtssicherheit als auch Gerechtigkeitserwägungen, dass diejenigen bestraft werden, die sich nicht normativ zu rechtmäßigem Verhalten motivieren lassen und diejenigen straffrei bleiben, die sich an die bestimmten Vorgaben der Rechtsordnung halten. Sollte sich materielle Gerechtigkeit nicht an den geschriebenen Strafnormen messen und erkennen lassen können, sondern bloß an außerrechtlichen, ungeschriebenen Ethiken, so hätte das Strafrecht seinen Zweck, das Verhalten der Bürger in rechtmäßige Bahnen zu lenken und auf Übertretungen mit Sanktionen zu reagieren, verfehlt. Folglich wären dann auch die damit verbundenen staatlichen Eingriffsmöglichkeiten verfassungsrechtlich nicht haltbar. Die Konsequenz der Äquivalenztheorie ist ein Einheitstäterbegriff oder ein extensiver Täterbegriff. Der Einheitstäterbegriff trifft keine Unterscheidung zwischen Täterschaft, Teilnahme und Tatvorbereitung und behandelt demnach jeden, der einen notwendigen Beitrag zum Erfolg leistet, auf der Ebene des objektiven Tatbestands als Täter. Der Frage, welche Relevanz einem Tatbeitrag für den Erfolg zukommt, misst der Einheitstäterbegriff erst im Bereich der Strafzumessung Bedeutung zu.143 Ein extensiver Täterbegriff unterscheidet zwar letztlich zwischen Täterschaft und Teilnahme. Dennoch ist nach dem extensiven Täterbegriff jeder, der einen notwendigen Beitrag zum Erfolg leistet, „an sich“ Täter. Anstiftung und Beihilfe werden 141 BVerfGE 14, 245 (251); 26, 41 (43); 41, 314 (320); 75, 329 (342); SchmidtAßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 103, Rn. 186; Jarass/Pieroth, Art. 103, Rn. 48; Eser, in: Schönke/Schröder, § 1, Rn. 20; Rudolphi, in: SK, § 1, Rn. 13 – obwohl sich diese Anforderung nicht dem Art. 103 Abs. 2 GG entnehmen lässt, vgl. die Kritik von Kunig, in: GGK III, Art. 103, Rn. 29. 142 Puppe, in: NK, vor § 13, Rn. 21; Eser, in: Schönke/Schröder, § 1, Rn. 17. 143 Kienapfel, JuS 1974, 1 (1 ff.) m. w. N.; vgl. auch Joecks, in: MüKo-StGB, vor §§ 25 ff., Rn. 4 ff.; Roxin, in: LK, vor § 25, Rn. 3 ff.; Jescheck/Weigend, § 61 II 1 (S. 645).
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lediglich kraft Gesetzes, d.h. durch die Strafbarkeit einschränkende Normen wieder aus dem Bereich der Täterschaft herausgenommen und als Teilnahme behandelt.144 Der Einheitstäterbegriff und der extensive Täterbegriff verstoßen gleichsam gegen den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Beim Einheitstäterbegriff ist sowohl die mangelnde Unterscheidung zwischen den einzelnen notwendigen Bedingungen für den Erfolg auf der Ebene des objektiven Unrechtstatbestandes, als auch die Behandlung von eventuell doch bestehenden Unterschieden allein im Rahmen der Strafzumessung nicht mit Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang zu bringen. Bei Zugrundelegen der Äquivalenztheorie als alleiniges Strukturmerkmal der reinen Erfolgsdelikte wären die vom Gesetzgeber verbotenen Verhaltensweisen selbst nicht mehr aus dem objektiven Tatbestand einer Vorschrift erkennbar. Der Normbefehl der reinen Erfolgsdelikte wäre unklar und könnte nicht befolgt werden, den strafrechtlichen Tatbeständen käme keine Berechenbarkeitsund Steuerungsfunktion zu.145 Damit wären sowohl Sinn und Zweck, als auch die Berechtigung der reinen Erfolgsdelikte als staatliche Sanktionsbefugnisse gänzlich in Frage gestellt. Strafrechtsnormen wollen das Verhalten ihrer Adressaten bestimmen und damit die Vermeidung steuerbarer wie auch voraussehbarer Erfolge gebieten. Das könnten schlichte Bedingungsverbote i. S. d. Äquivalenztheorie nicht leisten, da sie auf Grund der unübersehbaren Zusammenhänge menschlichen Handelns unerfüllbar wären.146 Ihr Inhalt wäre: „Unterlasse alles, was auf irgendeine Art und Weise eine notwendige Bedingung für einen strafrechtlich relevanten Erfolg werden könnte.“ Dann wüsste niemand mehr, was zu tun und was zu lassen ist, denn es ist häufig nicht voraussehbar, was passiert, wenn man eine beliebige, auf den ersten Blick „neutrale“ Handlung vornimmt und somit unklar, für welche Erfolge diese Handlung noch eine notwendige Bedingung werden wird. Im Grunde kann jedes Verhalten bei Hinzukommen weiterer Umstände – insbesondere weiterer menschlicher Handlungen – zu irgendwelchen Rechtsgutsbeeinträchtigungen führen.147 Wenn aber bei Vornahme einer Handlung nicht erkennbar ist, ob diese zu einer notwendigen Bedingung für einen bestimmten strafrechtlich relevanten Erfolg werden wird und daher zu unterlassen ist, so kann die Vornahme dieser Handlung nicht als Unrecht bezeichnet werden, da zu diesem Zeitpunkt auch keine rechtmäßige Handlungsalternative erkennbar ist.148 144 BGHSt 3, 4 (5); Baumann, NJW 1962, 374 (375); Mezger, ZStW 52 (1932), 529 (537). 145 Vgl. Tröndle/Fischer, Vor § 13, Rn. 5 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 118 ff. 146 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (569); Kühl, AT, § 4, Rn. 39; Freund, in: MüKoStGB, vor §§ 13 ff., Rn. 162; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 92. 147 Frisch, FS Roxin, S. 222.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
Folgendes Beispiel soll dies kurz veranschaulichen: T kommt in das Geschäft des V, um ein Küchenmesser zu kaufen. Verkauft V das Messer an T und tötet dieser damit O, so hat V eine notwendige Bedingung für den Tod des O geleistet, mithin nach der Äquivalenztheorie den objektiven Tatbestand des § 212 erfüllt. Der konkrete Normbefehl des § 212 hätte hier also gelautet: „Verkaufe kein Messer an T.“ Aber die Dinge hätten sich auch ganz anders entwickeln können: Hätte V sich entschlossen, dem T kein Messer zu verkaufen und hätte das bei T derartige Aggressionen ausgelöst, dass er nach dem Verlassen des Geschäftes den ahnungslosen O erschlagen hätte, so hätte V wiederum eine notwendige Bedingung für den Tod des O geleistet und dadurch eine Totschlagshandlung begangen, diesmal durch die Weigerung, das Messer zu verkaufen. Der Normbefehl des § 212 wäre dann gewesen: „Verkaufe T ein Messer.“ In beiden Fällen war es V auf Grund der Unvorhersehbarkeit zukünftiger Ereignisse unmöglich, dem Normbefehl des § 212 nachzukommen. V konnte nicht wissen, welche Verhaltensweise Recht und welche Unrecht darstellen würde. Der Inhalt der Strafnormen kann daher auch bei reinen Erfolgsdelikten stets nur ein Ge- oder Verbot bestimmter Handlungen sein.149 Ohne bestimmte Handlungsverbote wäre das Verhalten der Normadressaten nicht steuerbar und diese hätten keine rechtlich verbindliche Orientierung, um Recht- oder Unrechtmäßigkeit ihres Verhaltens zu erkennen. Auch die Bewertung der strafrechtlichen Relevanz eines Tatbeitrags für den Erfolg allein im Rahmen der Strafzumessung ist nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang zu bringen. Konsequenz des aus der Äquivalenztheorie folgenden Einheitstäterbegriffs ist, dass eine Vielzahl von Handlungen unter den objektiven Tatbestand eines reinen Erfolgsdelikts fallen, die als nicht strafwürdig erscheinen, wie z. B. Vorbereitungshandlungen. Die Vertreter des Einheitstäterbegriffs müssen sich damit behelfen, eine Bestrafung solcher Handlungen im Rahmen der Strafzumessung ausschließen und auf diese Weise Straffreiheit für nicht Strafwürdiges zu erreichen. Ein solches Vorgehen widerspricht dem strengen Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG. Danach obliegt es allein dem Gesetzgeber, durch das materielle Strafrecht die Grenzen und Tragweite der Strafbarkeit festzulegen.150 Bei der „Strafzumessungslösung“ des Einheitstäterbegriffs trifft nicht mehr der Gesetzgeber die Entscheidung 148 Vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 311 ff.; Roxin, AT 1, § 5, Rn. 67 ist der Auffassung, dass unbestimmte Gesetze keine Grundlage für einen Schuldvorwurf darstellen können. 149 Frisch, Tatbestand, S. 33 ff., 70 ff.; Freund, AT, § 2, Rn. 9; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 53; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 92. 150 Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 47, 109 (120); 71, 108 (114); 75, 329 (341); 87, 363 (391); 92, 1 (12).
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über das „ob“ der Strafbarkeit, sondern der Richter.151 Durch das Unvermögen der Äquivalenztheorie, gewisse notwendige Bedingungen als tatbestandslos zu erkennen und die gleichzeitige regelmäßige Nichtbestrafung dieser Handlungen wird auch das Bestimmtheitsgebot verletzt, denn die Fassung der Gesetze wäre weiter als ihr praktischer Anwendungsbereich, d.h. die wahre Reichweite der Strafnormen wäre nicht aus ihren Unrechtsumschreibungen in den Tatbeständen erkennbar.152 Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot verlangt daher vom Gesetzgeber bereits die Unterscheidung der verschiedenen, für einen Erfolg notwendigen Beiträge auf der Ebene der objektiven Unrechtsbeschreibung. Dies bezieht sich nicht nur auf eine Unterscheidung zwischen strafbaren und straflosen Handlungen, sondern erfordert darüber hinaus eine Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme. Das Bestimmtheitsgebot gewährleistet nicht nur, dass der Normadressat die generelle Strafbarkeit seines Verhalten aus den Normen des Strafgesetzes erkennen kann, er muss darüber hinaus von der jeweiligen Norm über die strafrechtliche Tragweite seines Verhaltens informiert werden.153 Auch ein extensiver Täterbegriff würde dem nicht Genüge tun. Gegen ein solches Tatbestandsverständnis ergeben sich im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot unüberwindliche Bedenken, denn dem extensiven Täterbegriff liegen ebenfalls rein konditionalistische Handlungsverbote zu Grunde.154 So gelten alle Handlungen, die eine notwendige Bedingung für einen Erfolg darstellen, zunächst als gleichwertiges täterschaftliches Unrecht. Das erlaubt es nicht, auf der Ebene des objektiven Unrechtstatbestands einige solcher Handlungen als straflos bzw. als Teilnahme zu erkennen. Daran vermag die spätere Herausnahme von Anstiftung und Beihilfe aus dem Bereich der Täterschaft nichts zu ändern, denn die ursprüngliche, unüberschaubare Weite der den Unrechtsumschreibungen der Tatbestände immanenten täterschaftlichen Handlungsverbote bleibt dadurch unberührt. Das Bestimmtheitsgebot, das verlangt, dass der Norm151
Roxin, in: LK, vor § 25, Rn. 6. Vgl. Sommer, Sondervotum zu BVerfGE 90, 145 (224 f.) zu dem ähnlich gelagerten Fall der Einschränkung zu weiter Strafnormen durch die Auflockerungen des Legalitätsprinzips in §§ 153 ff. StPO, 29 Abs. 5 und 31a BtMG. Sommer vertritt die zutreffende Auffassung, dass es verfassungsrechtlich einen Unterschied mache, ob sich die Straflosigkeit eines Verhaltens bereits aus der Nichterfüllung eines Tatbestandes oder erst aus der Einstellung eines Strafverfahrens ergebe. Ein zu weit gefasster Tatbestand verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Dies könne nicht durch eine Auflockerung des Verfolgungszwangs im Einzelfall kompensiert werden. 153 In diesem Sinne wohl auch Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 8. 154 Roxin, in: LK, vor § 25, Rn. 11; Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 8. 152
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adressat in der Lage sein muss, aus einem bestimmten Unrechtstatbestand selbst zu erkennen, welches Verhalten dessen Handlungsverbot verletzt und welches nicht, wäre bei Zugrundelegung des extensiven Täterbegriffs genauso wenig gewahrt wie beim Einheitstäterbegriff.155 bb) Verhältnismäßigkeitsprinzip Eine rein konditionalistische Unrechtsbeschreibung würde aber nicht nur wegen eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG mit der Verfassung in Widerspruch treten, sondern auch mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in Konflikt geraten. Die reinen Erfolgsdelikte pönalisieren nicht einzig die Verwirklichung von Erfolgsunrecht. Auch diesen Delikten liegen bestimmte Handlungsverbote zu Grunde, welche die Verwirklichung von Handlungsunrecht erfassen. Durch das Aussprechen eines Handlungsverbots – noch dazu mit strafrechtlicher Sanktionsandrohung – greift der Gesetzgeber in die gem. Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger ein, sodass es einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der gesetzlichen Maßnahmen bedarf. Eine solche Rechtfertigung setzt aber voraus, dass die mit der Missbilligung der bestimmten Verhaltensweisen und der Sanktionierung verbundene Beschränkung der Handlungsfreiheit für einen effektiven Rechtsgüterschutz verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen ist.156 Dabei bezieht sich das Übermaßverbot nicht nur auf die Frage des „Ob“ eines Handlungsverbotes, d.h. darauf, was verboten wird, sondern auch auf das „Wie“, d.h. der konkreten Ausgestaltung des Handlungsverbotes. (1) Eingeschränkte Handlungsverbote Obwohl dem Gesetzgeber bei der Schaffung und insbesondere bei der konkreten Fassung der Unrechtstatbestände seiner Strafnormen ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum zukommt,157 wäre ein aus der bloßen Anwendung der Bedingungstheorie resultierendes umfassendes Handlungsverbot unverhältnismäßig und würde einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit bedeuten. Einer reinen Bedingungsstrafbarkeit wären das Verbot und die 155 Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 8. Zur Kritik aus der älteren Literatur, vgl. Bruns, S. 56. 156 BVerfGE 90, 145 (172 ff.); Frisch, Tatbestand, S. 33 ff., 70 ff.; ders., FS Roxin, S. 222, 225; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 12 ff. Vgl. dazu unten S. 89 ff. Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip vgl. von Münch, in: GGK I, vor Art. 1–19, Rn. 55 und Kunig, in: GGK I, Art. 2, Rn. 24, jeweils m. w. N. 157 BVerfGE 90, 145 (173).
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strafrechtliche Sanktionsandrohung aller den Erfolg i. S. d. Äquivalenztheorie notwendig bedingenden Handlungen immanent. Im Rahmen des § 212 wäre zum Schutze fremden Lebens die Zeugung von Menschen verboten, da die Geburt des Totschlägers notwendige Bedingung für den Tod seines Opfers ist. Gleiches würde für die Verarbeitung von Metallen gelten, die auch zur Herstellung von Schusswaffen verwendet werden, da die Verarbeitung dieses Materials eine notwendige Bedingung für den durch den Einsatz der Waffe herbeigeführten Tod des Opfers wäre. Zwar wären derartige, weite Handlungsverbote für einen effektiven Rechtsgüterschutz durchaus geeignet, gleichwohl sind sie dafür nicht erforderlich, denn sie stellen nicht das mildeste Mittel zum Schutze des Lebens anderer Menschen dar. So kann der Gesetzgeber genauso effektiv den Rechtsgüterschutz gewährleisten, wenn er seine strafrechtlichen Handlungsverbote auf spätere, enger mit dem zu verhindernden Erfolg verbundene Handlungen beschränkt.158 Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist allerdings nicht schon dann Genüge getan, wenn sich die strafrechtlichen Verbote darauf beschränken, Handlungen zu untersagen, die zu dem Erfolg in einer hinreichend engen Beziehung stehen. Darüber hinaus erfordert das Verhältnismäßigkeitsprinzip noch eine weitere, bereits auf einer dem Erfolgszusammenhang vorgelagerten Stufe ansetzende Einschränkung der Reichweite der strafrechtlichen Handlungsverbote. Manche Handlungen können trotz eines hinreichenden Erfolgsbezuges – wie auch immer ein solcher aussehen mag – nicht verboten sein, da ihr Verbot für einen effektiven Rechtsgüterschutz ungeeignet wäre. Es entspricht dem Sinn und Zweck des Strafrechts, solche Verhaltensweisen als Tathandlungen auszuschließen. Ein Beispiel dafür wäre die Behandlung eines unheilbar Kranken durch einen Arzt, woran der Patient stirbt, wobei dieser ohne die ärztliche Behandlung bereits früher an seiner Krankheit gestorben wäre. Hier hat der Arzt den Tod des Patienten unmittelbar durch die von ihm verabreichten Medikamente herbeigeführt, dadurch aber gleichzeitig das Leben des Patienten verlängert. Die Handlung des Arztes und der Erfolg sind demnach nicht nur lose miteinander verknüpft, die Beziehung zwischen Handlung und Erfolg geht in ihrer Intensität weit über einen notwendigen Bedingungszusammenhang hinaus. Dennoch wäre ein Verbot der vom Arzt angewandten lebensverlängernden, letztlich aber tödlich wirkenden Behandlung unverhältnismäßig, denn ein solches Handlungsverbot wäre nicht geeignet, das Leben des Patienten zu schützen. Dieser wäre ohne die Behandlung noch früher gestorben. Die Äquivalenztheorie, die versucht, die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte allein – und verfrüht – über den zwischen Handlung und Erfolg bestehenden Zusammenhang zu bestimmen, vermag es nicht, Handlungen wie die des Arztes als tatbestandslos zu er158
Frisch, FS Roxin, S. 222. Vgl. dazu unten S. 92 f.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
kennen und setzt sich dadurch ebenfalls in Widerspruch zum Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Handlungsverbote der Strafnormen begrenzen demnach bereits die Auswahl der Handlungen, deren Erfolgsrelevanz in Frage steht. Fallen gewisse Handlungen schon deshalb nicht unter ein tatbestandliches Handlungsverbot, weil ihre Untersagung für einen effektiven Rechtsgüterschutz nicht geeignet ist, so stellt sich die Frage nach dem hinreichenden Erfolgsbezug dieser Handlungen nicht mehr.159 Man könnte also sagen, solche Handlungen seien schon keine „potenziellen“ oder „möglichen Tathandlungen“. Mit anderen Worten: Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg muss man erst stellen, wenn die vorliegenden Handlungen „potenzielle Tathandlungen“ darstellen, d.h. Handlungen, deren Vornahme der Gesetzgeber im Falle eines hinreichenden Erfolgsbezugs verbieten kann. Diese Begrenzungsfunktion der Handlungsverbote ist freilich nur ein grober Filter, der nicht darüber hinweg täuschen darf, dass noch immer eine Vielzahl wie auch immer gearteter Handlungen den Tatbestand eines reinen Erfolgsdelikts erfüllen kann. Die Frage, welche Handlung den Tatbestand im Einzelfall erfüllt hat ist eine ganz andere, die sich nicht allein an Hand des äußersten Rahmens der Handlungsverbote, sondern nur unter gleichzeitiger Heranziehung des relevanten Erfolgszusammenhangs beantworten lässt.160 (2) Differenzierte Handlungsverbote für verschiedene Beteiligungsformen Der Gesetzgeber könnte dem StGB auf Grund des Verhältnismäßigkeitsprinzips kein System zu Grunde legen, das Täterschaft und Teilnahme in den Tatbeständen formell gleich behandelt und in dem Unterschiede zwischen verschiedenen Tatbeiträgen erst auf einer späteren Stufe des Deliktsaufbaus oder im Rahmen der Strafzumessung Beachtung fänden. Ist eine Person für einen Erfolg weniger verantwortlich als eine andere, so entspricht deren Verhalten ein geringerer materieller Unrechtsgehalt. Der daraus resultierende wertungsmäßige Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme erfordert, dass das StGB eine Unterscheidung zwischen der „entscheidenden Ursache“ – der Tathandlung – und der Teilnahme und damit eine differenzierte Zuschreibung der Verantwortlichkeit für den Erfolg 159 Frisch, Tatbestand, S. 50 ff., 509 ff., zur parallelen Problematik bei der objektiven Zurechnung des Erfolgs. In diesem Sinne auch Freund, in: MüKo-StGB, vor §§ 13 ff., Rn. 324. 160 Darauf soll später im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Ansicht Frischs zurückgekommen werden, vgl. unten S. 92 ff.
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bei mehreren Handelnden vornimmt. Bereits die Pönalisierung eines Verhaltens durch den Gesetzgeber ist im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützten Freiheitsrechte rechtfertigungsbedürftig, denn durch die Bezeichnung eines Verhaltens als strafbar wird dieses bereits prima facie mit dem Makel der Ungesetzlichkeit belegt – gleichgültig ob die Strafbarkeit letztlich aus anderen wieder Gründen entfällt.161 Dies muss auch für das „wie“ der Pönalisierung gelten. Es ist für die einem effektiven Rechtsgüterschutz verpflichtete Verhinderung von Beihilfehandlungen nicht erforderlich, solche in den gesetzlichen Unrechtsumschreibungen als täterschaftliche Handlungen zu bezeichnen. Das Maß der erforderlichen Pönalisierung wäre überschritten, wenn derjenige, der einen relativ unbedeutenden Beitrag zu einem Mord leistet, ohne irgendwelchen Einfluss auf das eigentliche Tatgeschehen zu haben, vom Gesetz als „Mörder“ bezeichnet würde und nicht als „Helfer“ – auch wenn letztlich die Beihilfehandlung wieder aus dem Tatbestand herausgenommen würde, wie dies beim extensiven Täterbegriff geschieht. Denn bereits durch die gesetzliche Aussage, dass der zu einem Mord Hilfe leistende „an sich“ Mörder sei, wäre die Grenze erforderlicher und damit verfassungsrechtlich zulässiger Pönalisierung überschritten. Demnach gebietet das Verhältnismäßigkeitsprinzip, dass der Gesetzgeber bereits in der objektiven Unrechtsbeschreibung dem aus dem unterschiedlichen Maß an Verantwortung für den Erfolg folgenden unterschiedlichen materiellen Unrechtsgehalt von Täterschaft und Teilnahme Ausdruck verleiht. Dem entspricht es, die verschiedenen Beiträge im Hinblick auf den Grad der Verantwortlichkeit für den Erfolg objektiv differenziert zu gewichten und Teilnahmehandlungen von Anfang an nicht unter die Tatbestände der Normen des Besonderen Teils zu fassen. Der Einheitstäterbegriff sowie der extensive Täterbegriff mit ihrem rein konditionalistischen Tatverständnis vermögen dies nicht zu leisten. Eine allein an der Äquivalenztheorie orientierte Tatbestandsstruktur wäre somit auf Grund ihres Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. cc) Art. 3 Abs. 1 GG Der Gesetzgeber könnte auch durch Art. 3 Abs. 1 GG daran gehindert sein, den reinen Erfolgsdelikten eine Bedingungsstrafbarkeit i. S. d. Äquivalenztheorie zu Grunde zu legen. Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistet neben der Gleichheit vor dem Gesetz auch die Gleichheit des Gesetzes.162 Der Gleichheitssatz verbietet es dem Gesetzgeber nicht nur, ohne Rechtfertigung wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln, sondern enthält auch das Verbot, 161 162
Sommer, Sondervotum zu BVerfGE 90, 145 (225). Pieroth/Schlink, Rn. 428.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln.163 Die Anforderungen an das Maß der Rechtfertigung differieren. Abhängig von Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen der staatlichen Maßnahme reicht der Maßstab des zulässigen Differenzierungs- oder Gleichbehandlungsgrundes von einem reinen Willkürverbot bis hin zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse.164 Das BVerfG stellt bei der Frage, welcher Maßstab an einen sachlichen Grund im Rahmen des Gleichheitssatzes anzulegen ist insbesondere darauf ab, wie intensiv ein Betroffener von der Ungleich- bzw. Gleichbehandlung beeinträchtigt wird.165 Mit zunehmender Intensität eines Eingriffs steigen auch die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung.166 Die Intensität bestimmt sich insbesondere danach, inwieweit sich ein Rechtsakt nachteilig auf die Ausübung von grundrechtlich geschützten Freiheitsrechten auswirken kann.167 Bei geringer Intensität der Auswirkungen des gesetzgeberischen Verhaltens bleibt es bei einem reinen Willkürverbot.168 Das Vorliegen von Willkür ist an objektiven Kriterien zu messen, die Erwägungen des Gesetzgebers treten dabei in den Hintergrund.169 Im Rahmen der Willkürprüfung wird nur gefragt, ob die äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit eingehalten wurden.170 Demnach liegt Willkür vor, wenn sich für eine Ungleich- oder Gleichbehandlung überhaupt kein sachlicher Grund finden lässt171 oder wenn die Ungleichheit der gleich geregelten Sachverhalte derart bedeutsam ist, dass eine Gleichbehandlung schlichtweg gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt.172 Bei Eingriffen von größerer Intensität bedarf es zur Rechtfertigung eines hinreichend gewichtigen sachlichen Grundes.173 Insbesondere bei schwer wiegenden Eingriffen in ein anderes Grundrecht sind an den zur Rechtfertigung herangezogenen sachlichen Grund besonders strenge Maßstäbe anzulegen.174 Darüber hinaus 163
BVerfGE 49, 148 (165); 72, 141 (159); 84, 133 (158); 98, 365 (385). BVerfGE 89, 15 (22); 92, 365 (407); 95, 267 (316); 99, 367 (388). 165 BVerfGE 88, 87 (96); 91, 389 (401); 95, 267 (326 f.). 166 Pieroth/Schlink, Rn. 438. 167 BVerfGE 74, 9 (24); 88, 87 (96); 89, 69 (89); 91, 346 (363); Herzog, in: Maunz/Dürig, Anh. zu Art. 3, Rn. 69; Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 21; Pieroth/ Schlink, Rn. 438; vgl. auch BVerfGE 60, 123 (124); 82, 126 (146). 168 BVerfGE 80, 109 (118). 169 BVerfGE 51, 1 (17); 80, 48 (51); 86, 59 (63); Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 26. 170 BVerfGE 18, 121 (124); 50, 57 (77); 74, 182 (200). 171 BVerfGE 76, 256 (329); 83, 1 (23); 90, 226 (239); 91, 118 (123); 97, 271 (291). 172 BVerfGE 52, 256 (263); 86, 81 (87); 98, 365 (385). 173 BVerfGE 100, 138 (174). 164
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verlangt das BVerfG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Eine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten muss demnach einen legitimen Zweck verfolgen und darüber hinaus zum Erreichen dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein.175 Die Rechtsprechung des BVerfG hat den Gleichheitssatz auf dem Gebiet des Strafrechts nur äußerst zögerlich angewandt und hat Art. 3 Abs. 1 GG dabei bislang als reines Willkürverbot ausgelegt.176 Dadurch hat das BVerfG dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Strafrechts einen weiten Gestaltungsrahmen zuerkannt.177 Auch im Rahmen der Rechtfertigung einer Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte hat sich das BVerfG regelmäßig in Zurückhaltung geübt und den Prüfungsmaßstab eher einem Willkürverbot zugeordnet.178 Im Hinblick auf eine strafrechtliche Gleichbehandlung wesentlich ungleichartiger Sachverhalte ist die vom BVerfG vorgenommene Beschränkung des Prüfungsmaßstabes auf ein reines Willkürverbot nicht überzeugend. Das strafrechtliche Verbot eines Verhaltens und die damit verbundene Sanktionsmöglichkeit stellen einen der denkbar intensivsten Eingriffe in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit dar. Weshalb gerade dann, wenn der Staat die persönliche Freiheit der Bürger durch die Mittel des Strafrechts weit reichend einschränkt, den Befugnissen des Staates die geringsten Schranken entgegen gesetzt werden, ist nicht nachvollziehbar. Gerade im Strafrecht wäre es nach den vom BVerfG aufgestellten Kriterien eigentlich geboten, einen besonders strengen Maßstab an eine etwaige Rechtfertigung im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG anzulegen. Eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem kann demnach im Strafrecht nicht allein durch das Vorliegen irgendeines vernünftigen sachlichen Grundes gerechtfertigt werden. Vielmehr muss der Gesetzgeber für die Gleichbehandlung einen wichtigen sachlichen Grund anführen können. Zudem darf die Gleichbehandlung im Hinblick auf den damit verfolgten gesetzgeberischen Zweck nicht unverhältnismäßig sein. Konsequenz daraus ist ein eingeschränkter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Strafrecht. Im Folgenden soll zunächst die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Gleichbehandlung aller für einen Erfolg notwendigen Bedingungen durch 174
BVerfGE 88, 87 (96); 99, 367 (388). BVerfGE 102, 68 (87); Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 27; Pieroth/Schlink, Rn. 440. 176 So BVerfGE 41, 121 (125) zur unterschiedlichen Behandlung von Tatbestands- und Verbotsirrtum in §§ 16 und 17; Osterloh, in: Sachs, Art. 3, Rn. 213 m. w. N. 177 BVerfGE 35, 121 (125); vgl. auch BVerfGE 90, 145 (198). 178 Vgl. Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 28. 175
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den Strafgesetzgeber untersucht werden. Daraufhin soll sich der Frage zugewandt werden, ob eine Gleichbehandlung von Täterschaft und Teilnahme mit dem Gleichheitssatz vereinbar wäre. Die strafrechtliche Gleichbehandlung einer weit vom Erfolg entfernt liegenden Handlung, die mit diesem nur über zahlreiche weitere Handlungen anderer Menschen in einem losen Bedingungszusammenhang steht mit einer unmittelbar den Erfolg herbeiführenden Handlung würde gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Zwar stellen beide Handlungen jeweils eine notwendige Bedingung für den Erfolg dar. Dennoch ziehen zwei auf so verschiedene Weise mit dem Erfolg verbundene Handlungen – wie beispielsweise der Abbau eines Rohstoffs für eine Waffe und die Verwendung derselben, um einem Anderen eine Kugel in den Kopf zu jagen – bei Weitem nicht das gleiche Maß an Verantwortung für den Erfolg nach sich. Sie stellen demnach wesentlich ungleiche Sachverhalte dar, für deren Behandlung als strafrechtlich äquivalentes Unrecht der Gesetzgeber keinen wichtigen sachlichen Grund anführen könnte. Eine alleinige Anwendung der Äquivalenztheorie zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte und die damit verbundene Gleichbehandlung aller für den Erfolg notwendigen Bedingungen verstießen gegen das Übermaßverbot. Zur Erreichung des legitimen Zwecks eines effektiven Rechtsgüterschutzes wäre eine derart weit reichende Gleichbehandlung von auf verschiedenste Weise mit dem Erfolg verbundenen und für diesen auf unterschiedlichste Weise verantwortlichen Handlungen zwar regelmäßig geeignet, aber nicht erforderlich. Ein milderes, ebenso effektiven Rechtsgüterschutz gewährleistendes Mittel wäre eine genauere Differenzierung der verschiedenen Handlungen im Hinblick auf die Nähe oder Weite ihres Erfolgsbezugs. Das Ziel effektiven Rechtsgüterschutzes würde nicht dadurch kompromittiert, wenn man darauf verzichtet, weit vom Erfolg entfernt liegende, mit diesem nur lose verbundene Handlungen einer Pönalisierung durch das Strafrecht zu unterziehen und die strafrechtlichen Handlungsverbote auf mit dem Erfolg in engerer Beziehung stehende Handlungen zu beschränken. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet demnach eine gesetzliche Unrechtsbeschreibung allein an Hand der Äquivalenztheorie und eine damit verbundene ausufernde, undifferenzierte Verantwortungszuschreibung. Selbst wenn man den Gleichheitssatz im Strafrecht als reines Willkürverbot betrachten wollte, gelangt man zu keinem anderen Ergebnis, denn für eine derart weit reichende Gleichbehandlung von auf unterschiedlichste Weise mit dem Erfolg verbundenen Handlungen kann nicht nur kein wichtiger, sondern überhaupt kein vernünftiger und einleuchtender sachlicher Grund angeführt werden. Die strafrechtliche Gleichbehandlung beispielsweise der Herstellung einer Waffe und der unmittelbaren Herbeiführung des Todes eines anderen Menschen durch Zufügen einer tödlichen Schuss-
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verletzung wäre vollkommen willkürlich und demnach nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang zu bringen. Es wäre mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise unvereinbar, wenn der Gesetzgeber solche in ihrem Unwert höchst unterschiedliche Verhaltensformen mit der gleichen gesetzlichen Verantwortungszuschreibung belegen und jeweils als „Mord“ bezeichnen würde. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bei der Rechtsetzung gewisse Generalisierungen und Typisierungen vornehmen darf und muss.179 Sein Gestaltungsspielraum erlaubt es ihm dabei, unwesentlich Ungleiches gleich zu behandeln und nicht wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln. Demnach würde es im Gegensatz zu obigem Beispiel nicht notwendigerweise einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz darstellen, wenn sich der Gesetzgeber entschließen würde, nicht mehr zwischen Anstiftung und Beihilfe zu unterscheiden und beides künftig als eine Teilnahmeform zu behandeln. Zwischen Anstiftung und (psychischer) Beihilfe bestehen durchaus Unterschiede, denn der Anstifter ruft den Tatentschluss des Haupttäters erst hervor, während der psychisch Hilfe Leistende einen bereits zur Tat Entschlossenen motiviert. Dennoch könnte der Gesetzgeber sich auf den Standpunkt stellen, diese Unterschiede als unwesentlich zu betrachten und beide Kategorien gleich zu behandeln. Dadurch würden in bedauernswerter Weise mögliche Differenzierungen außer Acht gelassen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG läge aber nicht vor. Allerdings könnte der Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht Täterschaft und Teilnahme in den objektiven Tatbeständen der Vorschriften des Besonderen Teils gleich behandeln, sich also dem Einheitstäterbegriff oder dem extensiven Täterbegriff im Strafrecht anschließen. Derjenige, der einen schädlichen Erfolg durch sein Handeln unmittelbar herbeiführt und derjenige, der ihm dazu Hilfe leistet, tragen ein unterschiedliches Maß an Verantwortung für den Erfolg.180 Diese Unterschiede zu negieren und beide gleichsam als Täter zu bezeichnen, würde gegen das Übermaßverbot verstoßen und wäre durch keinen wichtigen sachlichen Grund zu rechtfertigen. Für einen effektiven Rechtsgüterschutz ist eine Gleichbehandlung von Täterschaft und Teilnahme nicht erforderlich, denn auch eine differenzierte Behandlung der beiden Beteiligungsformen erlaubt eine angemessene Pönalisierung von strafwürdigem Verhalten. Ein effektiver Rechtsgüterschutz erleidet keine Einbußen, wenn der Gesetzgeber denjenigen, der einem Mörder Hilfe leistet, nicht gleichsam als „Mörder“, sondern als „Hilfe Leistenden“ bezeichnet und bestraft. 179 Vgl. dazu Herzog, in: Maunz/Dürig, Anh. zu Art. 3, Rn. 25 ff.; Osterloh, in: Sachs, Art. 3, Rn. 104 ff. 180 Vgl. dazu S. 50 ff.
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Auch wenn man die äußerst restriktive Rechtsprechung des BVerfG zur Anwendung des Gleichheitssatzes im Strafrecht zu Grunde legt und Art. 3 Abs. 1 GG als bloßes Willkürverbot betrachtet, würde eine Gleichbehandlung von Täterschaft und Teilnahme den dann bestehenden weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sprengen. Würde der Gesetzgeber denjenigen, der einem Mörder bei seiner Tat hilft, selbst als „Mörder“ bezeichnen, so wäre das mit einer an Gerechtigkeitserwägungen orientierten Betrachtungsweise nicht mehr in Einklang zu bringen – auch, weil der Gesetzgeber als Rechtsfolge eines Mordes zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht. Eine Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte allein anhand der Äquivalenztheorie verstößt nicht nur gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot und das im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit Berücksichtigung findende Verhältnismäßigkeitsprinzip, sondern auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber muss demnach bereits bei seinen tatbestandlichen Unrechtsbeschreibungen und nicht erst im Rahmen der Strafzumessung zwischen den verschiedenen für einen Erfolg notwendigen Bedingungen unterscheiden. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben gehen so weit, dass sie den Gesetzgeber verpflichten, auf der Ebene des objektiven Tatbestandes zwischen Täterschaft und Teilnahme zu trennen. Teilnahmehandlungen werden demnach nicht vom täterschaftlichen Handlungsverbot erfasst. Dies entspricht einem restriktiven Täterbegriff. Da es nur dieser erlaubt, in verfassungskonformer Weise differenziert Verantwortung zuzuschreiben, muss er dem StGB zu Grunde gelegt sein. d) Verfassungskonforme Auslegung des StGB Der Gesetzgeber ist diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nachgekommen und hat dem StGB einen restriktiven Täterbegriff zu Grunde gelegt. Dies ergibt sich sowohl aus einer Auslegung der Tatbestände des Besonderen Teils als auch aus der Beteiligungssystematik der §§ 25 ff. aa) Auslegung der Tatbestände des Besonderen Teils Der Wortlaut der reinen Erfolgsdelikte spricht regelmäßig gegen eine Verwirklichung des objektiven Tatbestands beim bloßen Setzen einer notwendigen Bedingung für den Erfolg. Art. 103 Abs. 2 GG verbietet eine die Wortbedeutung eines Tatbestandsmerkmals erweiternde Auslegung von Strafnormen zu Lasten des Täters, sog. Analogieverbot.181 Damit ist klarge181 BVerfGE 71, 108 (115); 73, 206 (235); 92, 1 (12); vgl. dazu eingehend Hassemer, in: NK, § 1, Rn. 70 mit zahlreichen w.N; Jarass/Pieroth, Art. 103, Rn. 47; Roxin, AT 1, § 5, Rn. 26 ff.
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stellt, dass die bestehenden strafrechtlichen Normen eine abschließende Regelung des Gesetzgebers darstellen. Sollten die dadurch erlangten Ergebnisse „das Rechtsgefühl nicht befriedigen“, muss das von Rechtsprechung und Literatur de lege lata hingenommen werden.182 Abhilfe kann nur der einzig dazu berufene Gesetzgeber schaffen, die Strafgerichte sind auf die Anwendung des geltenden Rechts beschränkt.183 Eine verbotene Analogie beginnt daher stets dort, wo die tatsächliche Wortbedeutung eines Tatbestandsmerkmals endet.184 Der Wortsinn wird dabei an Hand des realen allgemeinen Sprachgebrauchs bestimmt, denn nur an diesem können sich die Bürger, d.h. die Normadressaten, orientieren.185 Auslegung hält sich somit immer im begrifflichen Rahmen des Tatbestandes auf, während Analogie das Gesetz auf einen von diesem nicht geregelten Fall ausdehnt.186 Freilich lassen sich erlaubte Auslegung und verbotene Analogie nicht immer klar voneinander abgrenzen. Diese Anwendungsschwierigkeiten im Detail ändern aber nichts an der verfassungsmäßigen Gültigkeit des Analogieverbots und können folglich nicht dazu führen, dieses „aufzugeben“ oder nicht zu beachten. Zudem ist es regelmäßig möglich, die alltagssprachliche Wortbedeutung einzelner, in strafrechtlichen Tatbeständen verwendeter Begriffe zumindest in ihren groben Umrissen zu erfassen und dem gemäß in einer Vielzahl von Fällen zu erkennen, wann deren Inhalt durch eine bestimmte Auslegung unzulässig überdehnt wird. Wäre dem nicht so, wäre Sprache generell unverständlich und jede Art der Kommunikation unmöglich.187 Zudem ist eine Wortlautauslegung stets nur die erste Stufe der Gesetzesinterpretation, die einen äußeren, nicht übertretbaren Rahmen absteckt. Unklarheiten können mittels einer systematischen und teleologischen Auslegung beseitigt werden, wobei diese Methoden die durch die Wortlautauslegung ermittelten Grenzen der Wortbedeutung nicht erweitern dürfen. Das Ziel systematischer und teleologischer Auslegung kann im Strafrecht demnach nur eine konkretisierende Einschränkung der Ergebnisse der Wortlautauslegung sein. 182
BVerfGE 73, 206 (236); 92, 1 (12). BVerfGE 92, 1 (13); Kunig, in: GGK III, Art. 103, Rn. 26. 184 BVerfGE 71, 108 (115 f.); 73, 206 (236); 82, 236 (269); 87, 209 (224); BVerfG NJW 1995, 3050 (3051); Krey, ZStW 101 (1989), 838 (843); Hassemer, in: NK, § 1, Rn. 80; Kunig, in: GGK III, Art. 103, Rn. 26; Roxin, AT 1, § 5, Rn. 28 ff. 185 BVerfGE 71, 108 (116); 73, 206 (236); 82, 236 (269); 87, 209 (224); 92, 1 (12); Baumann/Weber/Mitsch, § 9, Rn. 84 f.; Jarass/Pieroth, Art. 103, Rn. 47; Kirchhof, NJW 2002, 2760 (2760); Kunig, in: GGK III, Art. 103, Rn. 26; Roxin, AT 1, § 5, Rn. 28 ff.; Eser, in: Schönke/Schröder, § 1, Rn. 20, 37; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 103, Rn. 179, 185, 227 m. w. N. 186 Roxin, AT 1, § 5, Rn. 28; Eser, in: Schönke/Schröder, § 1, Rn. 55. 187 Vgl. auch Roxin, AT 1, § 5, Rn. 37. 183
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Bei einer Auslegung des Tatbestandsmerkmals „töten“ als „den Tod notwendig bedingen“ wird die tatsächliche Wortbedeutung des Begriffs „töten“ verlassen.188 Zur Bestimmung der im maßgeblichen Alltagssprachgebrauch üblichen Wortbedeutung eines Begriffs können insbesondere gängige Wörterbücher herangezogen werden. „Töten“ bedeutet demnach „jemanden ums Leben bringen“189 bzw. „jemandem das Leben nehmen“190. Diesen beiden Definitionen lässt sich entnehmen, dass eine Tötungshandlung das Leben eines Anderen verkürzen muss.191 Nicht allen Verhaltensweisen, die von der Äquivalenztheorie erfasst werden, kommt eine derartige Qualität zu. Zu denken wäre hier nicht nur an die Geburt des Mörders durch seine Mutter, sondern auch an die lebensverlängernde Behandlung des Arztes, die letzten Endes zum Tode des Patienten führt, wobei dieser ohne die Behandlung bereits früher gestorben wäre.192 Ein anderes Wörterbuch definiert „töten“ als „den Tod [. . .] verursachen“.193 Dies wirft natürlich sofort die Frage auf, was unter „verursachen“ zu verstehen ist, ob damit das Setzen einer notwendigen Bedingung gemeint sein kann194 und ob ein solches Verständnis mit dem Alltagssprachgebrauch vereinbar wäre. Daran lässt sich leicht zweifeln, wenn man sich in Erinnerung ruft, welche Mühen bisweilen aufgebracht werden müssen, die Äquivalenztheorie in einer Anfängerübung im Strafrecht zu erklären. Regelmäßig ist den Studenten ein solcher Verursachungsbegriff in ihren ersten zwanzig Lebensjahren völlig unbekannt geblieben, was darauf schließen lässt, dass „verursachen“ im Alltagssprachgebrauch nicht i. S. d. Äquivalenztheorie verwendet wird.195 Mit „töten“ bzw. „den Tod verursachen“ ist nach dem maßgeblichen Alltagsverständnis mehr als die bloß äquivalent kausale Erfolgsherbeiführung gemeint.196 „Töten“ drückt eine besondere Verantwortlichkeit für den Tod eines Anderen aus. Die Schaffung einer Gelegenheit zum Töten oder die 188 So auch Otto, FS Lampe, S. 494; vgl. auch Hart/Honoré, S. 460; Ling, S. 234 ff. 189 Brockhaus Wahrig, Band 6, S. 258. 190 Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 655. 191 Vgl. Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 254. Dass eine Tötungshandlung im strafrechtlichen Sinne ein Leben verkürzen muss, ergibt sich auch aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip; vgl. dazu bereits oben S. 59 ff. Eine verfassungskonforme Auslegung verlangt demnach, dass „töten“ i. S. d. § 212 nur Handlungen erfasst, die das Leben eines anderen Menschen verkürzen. 192 Oben. S. 59 ff. 193 Duden, Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 6, S. 2607. So auch z. B. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (594); vgl. auch Koriath, Zurechnung, S. 536. 194 In diesem Sinne Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 2 ff.; Spendel, JR 1997, 133 (135); Tröndle/Fischer, vor § 211, Rn. 10. 195 Beispiel von Hruschka ZStW 110 (1998), 581 (594) und Ling, S. 230 f.
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Unterstützung beim Töten ist nicht mit dem Töten selbst gleich zu setzen, obwohl all diese Handlungen notwendige Bedingungen für den Erfolg sind.197 Das Verb „töten“ kann nur bei einer durch besondere Dichte gekennzeichneten Beziehung zwischen Handlung und Erfolg verwendet werden. Wenn jemand dem Täter die spätere Tatwaffe verkauft, würde bei Anwendung des allgemeinen Sprachgebrauchs niemand auf die Idee kommen zu behaupten, der Verkäufer hätte das Opfer „getötet“, obwohl der Verkäufer einen für den Tod des Opfers äquivalent kausalen Beitrag leistet. Als „Täter“ würde zunächst derjenige bezeichnet werden, der dem Opfer die tödlichen Schüsse zugefügt hat.198 Dem Verkäufer würde man allenfalls vorwerfen, dem Täter „geholfen“ zu haben. Eine rein konditionalistische Betrachtung des Begriffs „töten“ sprengt somit dessen semantische Bedeutung und verstößt gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG.199 Auf Grund der alltagssprachlichen Wortbedeutung des Ausdrucks „töten“ kann keine Rede davon sein, dass all diejenigen, die eine notwendige Bedingung für den Todeserfolg gesetzt haben, „Tötungshandlungen“ begangen haben. Letztlich darf nicht übersehen werden, dass man einen Menschen nach der Natur der Dinge nur einmal „töten“ kann. Davon zu sprechen, dass mehrere Beteiligte nacheinander – die Mittäterschaft und die mittelbare Täterschaft als gesetzlich geregelte Sonderfälle seien hier einmal außen vorgelassen – durch ihre verschiedenen, den Tod notwendig bedingenden Handlungen das Opfer „getötet“ haben, ist somit semantisch nicht nachvollziehbar.200 Selbstverständlich hat der Gesetzgeber die Freiheit, Begriffe anders als im Alltagssprachgebrauch zu verwenden. Weicht der Gesetzgeber bei der Fassung der strafrechtlichen Tatbestände vom normalen Sprachgebrauch ab, so muss er dies den Normadressaten allerdings deutlich machen, damit das Gesetz befolgt werden kann.201 Im Sinne der Rechtssicherheit sowie der Bestimmbarkeit und Verständlichkeit von gesetzlichen Normen obliegt es dem Gesetzgeber selbst, die von ihm gegenüber der Alltagssprache abwei196 Otto, Jura 1999, 217 (218); ders. FS Lampe, S. 494; vgl. auch Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (589). 197 Ling, S. 235; Otto, FS Lampe, S. 494. 198 Ähnliche Beispiele bei Küpper, S. 140 f.; Ling, S. 235 f.; Otto, FS E.A. Wolff, S. 397; Renzikowski, Täterbegriff, S. 61; Roxin, AT 2, § 25, Rn. 3. 199 Ling, S. 235; Otto, FS E.A. Wolff, S. 397; vgl. auch Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (592, 594). 200 Hruschka, Strafrecht, S. 29, 67. 201 Darüber hinaus müsste der Gesetzgeber natürlich auch die verfassungsrechtlichen Schranken wie das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten.
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chend gebrauchten Begriffe gesetzlich zu definieren. Er kann diese Aufgabe nicht der Auslegung durch Literatur und Rechtsprechung überlassen. Da der Gesetzgeber im StGB von einer den normalen Sprachgebrauch modifizierenden Legaldefinition des Begriffs „töten“ abgesehen hat, kann „töten“ i. S. d. § 212 keine vom Alltagssprachgebrauch abweichende Bedeutung haben. Ein rein konditionalistisches Verständnis dieses Tatbestandsmerkmals ist daher schon im Hinblick auf das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht möglich. bb) Auslegung der §§ 25 ff. Auch die §§ 25 ff. zeigen, dass der Gesetzgeber dem aus der Äquivalenztheorie folgenden Einheitstäterbegriff ein klare Absage erteilt hat. In diesen Vorschriften unterscheidet er explizit zwischen Täterschaft und Teilnahme und macht dadurch deutlich, dass das StGB durch die strafrechtlichen Unrechtstatbestände differenziert Verantwortung zuschreiben möchte. Die in den §§ 25 ff. enthaltene Beteiligungssystematik kann auch nicht im Sinne eines extensiven Täterbegriffs verstanden werden. Danach wäre jeder, der eine notwendige Bedingung für einen strafrechtlichen Erfolg gesetzt hat, „an sich“ Täter. Die Handlungen des Anstifters und des Beihilfe Leistenden sollen jedoch durch eine in §§ 26 und 27 zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Entscheidung aus dem Bereich der Täterschaft herausgenommen sein. Dass sich eine solche Sichtweise schon im Lichte des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht aufrechterhalten ließe, wurde bereits dargelegt.202 Schon deshalb gebietet es eine verfassungskonforme Auslegung des Beteiligungssystems des StGB, die §§ 26 und 27 im Sinne eines restriktiven Täterbegriffs als strafbarkeitserweiternde Vorschriften zu begreifen.203 Darüber hinaus würde ein extensiver Täterbegriff das Analogieverbot verletzen. Im Rahmen des extensiven Täterbegriffs würden Teilnahmehandlungen „an sich“ unter die Handlungsverbote der Normen des Besonderen Teils fallen, von denen sie nach dem maßgeblichen alltäglichen Sprachgebrauch gerade nicht erfasst sind. Dies stellt einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG dar, der auch nicht durch die nachträgliche „Herausnahme“ der Teilnahmehandlungen aus dem Bereich der Täterschaft geheilt werden kann, denn ein solches Vorgehen ließe die den Wortsinn sprengende Auslegung der Vorschrift des Besonderen Teils gerade unberührt. Darüber hinaus spricht auch der Wortlaut des § 25 Abs. 1, 1. Alt. gegen einen extensiven Täterbegriff im StGB. Nach dieser Vorschrift ist unmittelbarer Täter, wer 202 203
Vgl. dazu bereits oben S. 52 ff. und 60 ff. In diesem Sinne auch Otto, FS Spendel, S. 272.
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die Tat selbst „begeht“. Ein „Begehen“ liegt nach dem maßgeblichen Alltagssprachgebrauch nicht bereits beim Leisten eines jeden notwendigen Beitrags für den Erfolg vor, auch nicht bei einer Teilnahmehandlung.204 Schließlich würde ein extensiver Täterbegriff bei den Sonderdelikten an seine Grenzen gelangen. Bei solchen Delikten kann nur derjenige Täter sein, der gegen eine bestimmte Sonderpflicht verstößt bzw. besondere Eigenschaften aufweist. Demnach müsste auch der Teilnehmer die für die Täterschaft notwendigen Voraussetzungen erfüllen, da er ja „an sich“ Täter ist. Teilnahme wäre demnach nur bei Vorliegen der vom Tatbestand geforderten besonderen persönlichen Tätermerkmale auch in der Person des Teilnehmers strafbar. Dies zu verlangen stünde jedoch im Widerspruch zu § 28 Abs. 1, nach dem die Strafe des Teilnehmers lediglich zu mildern ist, wenn bei ihm die Strafbarkeit des Täters begründende besondere persönliche Merkmale nicht vorliegen. Mit anderen Worten: § 28 Abs. 1 lässt die Strafbarkeit des Teilnehmers als solche bei Fehlen besonderer persönlicher Merkmale unberührt.205 §§ 26 und 27 erstrecken demnach die Strafbarkeit auf das nicht von den Handlungsverboten der Vorschriften des Besonderen Teils erfasste Verhalten des Teilnehmers und sind Ausdruck für die Geltung eines restriktiven Täterbegriffs im StGB.206 6. Zusammenfassung Die Äquivalenztheorie ist für die Bestimmung der Tathandlung der vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikte nicht hinreichend.207 Der Grund dafür liegt aber nicht darin, dass einige Naturgesetze bislang unbekannt geblieben sind oder dass man die Reichweite der Bedingungstheorie als zu eng oder zu weit „empfindet“. Es sind vielmehr verfassungsrechtliche Aspekte, die zu dem Ergebnis führen, dass die Struktur der objektiven Tatbestände der reinen Erfolgsdelikte nicht der einer Bedingungsstrafbarkeit i. S. d. Äquivalenztheorie entsprechen kann. Nach der Äquivalenztheorie ist eine differenzierte Verantwortungszuschreibung unmöglich. Eine solche ist jedoch auf Grund des strafrecht204
Roxin, in: LK, vor § 25, Rn. 10; ders., AT 2, § 25, Rn. 4. Roxin, in: LK, vor § 25, Rn. 10; Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 8; vgl. auch Renzikowski, Täterbegriff, S. 14. 206 Roxin, in: LK, vor § 25, Rn. 9, 12; Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 3; Otto, FS Spendel, S. 272. 207 So auch die hM, vgl. Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (562); Hettinger, alic, S. 202, 439; Hruschka, JuS 1968, 554 (557); Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 31; Puppe, JuS 1980, 346 (348, Fn. 13); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 10, 16; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 92; Wessels/Beulke, Rn. 159. 205
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1. Teil: Vorsatzdelikte
lichen Bestimmtheitsgebots, des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des allgemeinen Gleichheitssatzes in der Form eines restriktiven Täterbegriffs verfassungsrechtlich geboten. Darüber hinaus ermöglicht es die alleinige Bestimmung der Tathandlung an Hand der Äquivalenztheorie nicht, in verfassungskonformer Weise Handlungen, die unabhängig von ihrem Erfolgsbezug nicht unter ein tatbestandliches Handlungsverbot fallen können (da ihr Verbot für einen effektiven Rechtsgüterschutz ungeeignet wäre), als Tathandlungen auszuschließen. Der Wortlaut der Tatbestände der reinen Erfolgsdelikte sowie die Struktur der Beteiligungssystematik des StGB machen deutlich, dass der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Vorgaben nachgekommen ist und dem Strafgesetz einen restriktiven Täterbegriff zu Grunde gelegt hat. Nur kurz angemerkt sei, dass die Äquivalenztheorie auch von ihren Vertretern nicht konsequent durchgehalten wird: Warum sind Vorbereitungshandlungen straflos, obwohl sie conditio sine qua non für den Erfolg sind, vorsätzlich und ohne Irrtum über den Kausalverlauf vorgenommen wurden?208 Dass die Abgrenzung von Vorbereitungs- und Tathandlung eines vollendeten Delikts nicht an Hand der Versuchsstrafbarkeit erfolgen kann, wurde bereits erörtert.209 Und warum verwendet der BGH den – eher nach den in weiten Teilen der Strafrechtswissenschaft heutzutage verpönten individualisierenden Kausalitätstheorien210 klingenden – Begriff der „eigentlichen Tathandlung“211, wenn doch jede für den Erfolg äquivalent-kausale Handlung Tathandlung eines reinen Erfolgsdeliktes sein soll? Womit lässt sich eine Unterscheidung zwischen der „eigentlichen Tathandlung“ und allen anderen notwendigen Bedingungen rechtfertigen?
§ 5 Die Korrektur der Ergebnisse der Äquivalenztheorie durch die Rechtsprechung Die Rechtsprechung ist der Auffassung, die Ergebnisse der Äquivalenztheorie bedürften keiner die Strafbarkeit einschränkenden Korrektur im objektiven Tatbestand, sondern würden im Rahmen des Vorsatzes hinreichend 208
Vgl. Hettinger, alic, S. 439; Renzikowski, Täterbegriff, S. 62. Vgl. dazu oben S. 41 ff. 210 Die individualisierenden Kausalitätstheorien (auf unterschiedliche Art und Weise vertreten z. B. von Ortmann, GA 23 (1875), 268 (268 ff.) und Binding, Band II, 1. Hälfte, S. 492) versuchten durch eine auf den Einzelfall abstellende Betrachtung eine „causa efficiens“ zu ermitteln, mit der Konsequenz, dass alle anderen Handlungen schon nicht kausal für den Erfolg sein können, vgl. kurz Engisch, S. 38. Auch das von Hruschka vertretene Regressverbot (dazu Hruschka, ZStW 110 (1998), 581) könnte man hier einordnen, vgl. dazu eingehend unten S. 158 ff. 211 Vgl. BGHSt 17, 333 (335); 42, 235 (239). 209
§ 5 Die Korrektur der Ergebnisse der Äquivalenztheorie
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eingegrenzt.212 Eine den Erfolg notwendig bedingende Handlung wäre danach nicht strafbar, wenn der Täter den Erfolg oder den zum Erfolg führenden Geschehensablauf nicht in seinen wesentlichen Zügen vorausgesehen hat, sog. Irrtum über den Kausalverlauf.213 Der von der Rechtsprechung beschrittene Weg ist nicht überzeugend. Eine auf der Vorsatzebene angesiedelte Korrektur der Ergebnisse der Äquivalenztheorie kann nichts mehr an deren Unvereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG und der fehlenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigung unverhältnismäßiger Handlungsverbote ändern. Das Bestimmtheitsgebot verlangt vom Gesetzgeber eine hinreichend bestimmte Fassung der objektiven Tatbestände, um das Verhalten der Normadressaten steuern zu können. Zudem muss der Bürger aus den objektiven Tatbeständen verbindlich erkennen können, welches Verhalten strafbar ist.214 Werden Steuerungs- oder Berechenbarkeitsfunktion strafrechtlicher Normen nicht durch den Gesetzgeber gewährleistet, so sind solche Vorschriften wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig. Ein etwaiges Korrektiv auf Vorsatzebene, sowie die Einschätzung, dass dadurch in den meisten Fällen der täglichen Praxis befriedigende Ergebnisse erreicht werden können,215 vermag dieses Verdikt nicht mehr zu ändern und könnte den Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgebots weder wahren, noch wieder herstellen. Die Fassung der objektiven Tatbestände der reinen Erfolgsdelikte bliebe weiterhin unbestimmt. Auch die fehlende verfassungsrechtliche Rechtfertigung der aus der Äquivalenztheorie resultierenden unverhältnismäßigen Handlungsverbote kann über Korrekturen auf Vorsatzebene nicht mehr geheilt werden. Ebenso wenig könnte ein derartiges Vorgehen etwas an dem Verstoß rein konditionalistischer Handlungsverbote gegen das Analogieverbot ändern. Wenn unter „töten“ im Rahmen des objektiven Tatbestandes des § 212 „einen notwendigen Beitrag zum Tod leisten“216 verstanden wird, so steht das 212 RGSt 61, 318 (320); BGHSt 7, 325 (329); 14, 193 (194); 23, 133 (135); 38, 32 (34); ebenso Hirsch, FS Köln, S. 404 ff.; Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 261 ff.; Samson, ZStW 99 (1987), 617 (633); Schlüchter, JuS 1976, 312 (314); Struensee, GA 1987, 97 (99, 105); ders., JZ 1987, 53 (63); vgl. auch Jescheck/Weigend, § 28 III 1 (S. 284), die diesen Weg für „zur Not gangbar“ halten. Ähnlich Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 100, § 20, Rn. 23 ff., die eine Korrektur auf der Rechtswidrigkeitsebene vertreten. 213 BGHSt 7, 325 (329); 14, 193 (194); 23, 133 (135); 38, 32 (34); BGH NStZ 2001, 29 (30); Baumann/Weber/Mitsch, § 20, Rn. 23 f.; Wessels/Beulke, Rn. 258 ff. 214 BVerfGE 71, 108 (116); 73, 206 (236); 82, 236 (269); 92, 1 (12); Kunig, in: GGK III, Art. 103, Rn. 26; Eser, in: Schönke/Schröder, § 1, Rn. 20, 37; SchmidtAßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 103, Rn. 179, 185, 227 m. w. N.; vgl. auch oben S. 52 ff. 215 Vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 85. 216 Vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (590).
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1. Teil: Vorsatzdelikte
zu dem für das Analogieverbot maßgeblichen Alltagssprachgebrauch im Widerspruch.217 Eine auf subjektiven Gesichtspunkten beruhende Einschränkung der Strafbarkeit erlaubt keine andere Bewertung, denn bei einem solchem Korrektiv bliebe es dabei, dass jede notwendige Bedingung zum Tod eines Menschen objektiv-tatbestandliches Unrecht i. S. d. § 212 darstellen würde.218 Das Analogieverbot verbietet aber, Handlungen, die nicht unter den objektiven Tatbestand einer Strafnorm subsumiert werden können, als tatbestandliches Unrecht zu bezeichnen, selbst wenn sie letztlich aus Vorsatz-, Rechtswidrigkeits- oder Schulderwägungen straflos bleiben. Ein laxer Umgang mit dem Analogieverbot in den objektiven Tatbeständen ist selbst dann verfassungsrechtlich nicht möglich, wenn die so erzielten Ergebnisse durch anderweitige Korrektive wieder eingeengt werden. Damit ist das Urteil über die alleinige Anwendung der Äquivalenztheorie zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte endgültig gesprochen: Ein solches Vorgehen verstößt gegen Art. 103 Abs. 2 GG und die damit verbundenen umfassenden Handlungsverbote stellen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende, unverhältnismäßige Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger dar, selbst wenn die so erzielten ausufernden Ergebnisse im Rahmen der Vorsatzprüfung wieder begrenzt werden. Daraus resultiert dennoch nicht die Nichtigkeit der entsprechenden strafrechtlichen Normen wie § 212, denn diese können verfassungskonform ausgelegt werden. Diese Auslegung muss bereits bei den objektiven Tatbeständen ansetzen. Wie eine solche Auslegung auszusehen hat, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit untersucht.
§ 6 Alternative Ansätze der Literatur zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte Nachdem (negativ) festgestellt wurde, dass die Tathandlung eines vorsätzlichen reinen Erfolgsdeliktes nicht bloß an Hand der Äquivalenztheorie bestimmt werden kann, stellt sich die Frage, wie dies (positiv) zu geschehen hat. Dabei ist von besonderem Interesse, ob sich allgemeine Strukturen erkennen lassen, die zur Bestimmung der Tathandlung aller reinen Erfolgs217
Dazu bereits oben S. 66 ff. Vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 85; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 53. Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (417, Fn. 27) weist zutreffend darauf hin, dass eine Einschränkung der Ergebnisse der Äquivalenztheorie erst im subjektiven Tatbestand oder der Schuld auch zu einem nicht zu rechtfertigenden Ausmaß der Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden und damit zu einem bedenklichen Anwachsen von staatlicher Machtfülle führen würde, da Ermittlungen bereits bei Vorliegen eines Verdachts, der objektive Tatbestand einer Norm sei erfüllt, aufgenommen würden. 218
§ 6 Ansätze zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte
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delikte herangezogen werden können oder ob sich die Tathandlung stets nur aus der Auslegung der einzelnen Tatbestände des Besonderen Teils ergibt. Dazu werden verschiedene Ansätze der Literatur untersucht und aus den dabei gewonnen Ergebnissen die eigene Auffassung zur Tathandlungsbestimmung bei den reinen Erfolgsdelikten entwickelt.
I. Theorie der gesetzmäßigen Bedingung Die von Engisch entwickelte Theorie der gesetzmäßigen Bedingung wendet sich gegen die Methodik der Äquivalenztheorie. Nach der Theorie der gesetzmäßigen Bedingung erweist sich eine Handlung dann als ursächlich für einen nach einem bestimmten strafgesetzlichen Tatbestand abgegrenzten konkreten Erfolg, wenn sich dieser Handlung zeitlich nachfolgende Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen haben, die mit der Handlung nach bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden waren und sich als tatbestandsmäßiger Erfolg darstellen.219 Danach ist für die Frage, ob eine Handlung ursächlich für einen Erfolg wurde, nicht maßgeblich, „was geschehen wäre, wenn . . ., sondern allein, was tatsächlich geschehen ist“.220 Die Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung stellt somit nicht die hypothetische Frage, ob der Erfolg auch ohne die Handlung eingetreten wäre, sondern bejaht Kausalität dann, wenn der konkrete Erfolg durch die Ursache naturgesetzlich determiniert war. Um eine Aussage über die Kausalität im Einzelfall treffen zu können, ist daher die Kenntnis eines Naturgesetzes oder empirischen Erfahrungswissens notwendig.221 Engisch geht von einer Gleichwertigkeit aller Bedingungen für den Erfolg aus.222 Das bedeutet für ihn allerdings nicht, dass all diese Bedingungen selbst die Ursache des Erfolgs sind. Die Einzelbedingungen seien Teil einer Gesamtursache, daher sei jede Bedingung nur unter der Voraussetzung der übrigen für den Erfolg ursächlich.223 Dies erlaube es, zwischen jeder Bedingung, die in naturgesetzlichem Zusammenhang mit dem konkreten Erfolg stehe und diesem Erfolg einen Ursachenzusammenhang i. S. d. Gesetzes zu sehen.224 Auch die Fälle der psychischen Kausalität könnten durch die Theorie der gesetzmäßigen Bedingung gelöst werden.225 219 Engisch, S. 21, 25 ff.; vgl. auch Jescheck/Weigend, § 28 II 4 (S. 283); Jakobs, AT, 7/12; Otto, Jura 1986, 426 (427); ders., Jura 2001, 275 (276); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 14; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 41 ff.; Stratenwerth, AT, § 8, Rn. 19; Struensee, GA 1987, 97 (105). 220 Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 74 (Hervorhebungen im Original). 221 Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 42. 222 Vgl. auch Wessels/Beulke, Rn. 168a. 223 Engisch, S. 34.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
Letzteres ist in der Literatur nicht unwidersprochen geblieben. Der Theorie der gesetzmäßigen Bedingung wird häufig vorgeworfen, sie habe den entscheidenden Nachteil, dass sie psychische Kausalität nicht richtig zu erklären vermöge.226 Dem ist zuzustimmen. So kann bei einem Betrug nicht die Rede davon sein, dass Irrtum und Vermögensverfügung des Opfers naturgesetzlich auf einer Täuschung des Täters beruhen. Wenn der Täter eine Täuschungshandlung vornimmt, ist damit noch nicht ausgemacht, dass das Opfer dem Glauben schenken wird. Ein Irrtum hängt vielmehr vom Vorwissen des einzelnen Opfers ab, auch empirische Erfahrungssätze können hier nicht weiter helfen. Gleiches gilt für den Kausalzusammenhang zwischen Irrtum und Vermögensverfügung. Allein durch die Erregung eines Irrtums beim Opfer steht noch nicht fest, ob es auch zu einer Vermögensverfügung kommen wird, denn diese ist noch von einer Willensentscheidung des Opfers abhängig. Wie diese Willensentscheidung aussehen wird, ist nicht durch Naturgesetze bestimmt und kann nicht an Hand von empirischen Erfahrungssätzen vorausgesehen werden. Selbst wenn das Opfer in Folge des Irrtums eine Vermögensverfügung getroffen hat, kann angesichts der vorangegangenen Willensentscheidung nicht davon gesprochen werden, dass die Vermögensverfügung naturgesetzlich auf dem Irrtum beruhte. Das Opfer hätte sich trotz seines Irrtums – aus welchen Gründen auch immer – gegen die Vermögensverfügung entscheiden können. Es gibt keine Naturgesetze oder empirischen Erfahrungssätze (jedenfalls sind solche bislang nicht bekannt), nach denen sich innere Willensvorgänge und psychische Kausalität erklären ließen.227 Freie menschliche Willensentscheidungen sind auch bei begrenztem Handlungsspielraum nie determiniert und können daher nicht naturgesetzliche Wirkung einer vorangegangenen Ursache sein, denn der freie Wille hat stets das Bestehen einer Handlungsalternative zur Konsequenz.228 224
Engisch, S. 34. Engisch, S. 28. 226 Koriath, Kausalität, S. 224; Otto, Jura 1992, 90 (95) m. w. N.; das gibt auch Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 75 zu, der aber dennoch an der Theorie der gesetzmäßigen Bedingung als Zurechnungsminimum festhält. 227 Otto, Jura 1992, 90 (95); Ling, S. 132. Anders Mill, Logik, Band 3, Buch VI, Kap. II, § 2, S. 235 f., der davon ausgeht, dass nach allgemeiner empirischer Erfahrung menschliche Willensentscheidungen vorhersehbar seien, wenn nur die Entscheidungsgrundlage, auf der sie getroffen werden und die Persönlichkeit des Handelnden in allen Einzelheiten bekannt sind (sog. Lehre von der philosophischen Notwendigkeit). Daraus schließt Mill, dass menschliche Handlungen naturgesetzlich bedingt sein können. 228 Eine Abrechnung mit dem Determinismus bei menschlichen Handlungen findet sich bei Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (585 ff.). Eine eingehende Auseinandersetzung mit Hruschkas Auffassung folgt unten S. 158 ff. Anders wiederum Mill, Logik, Band 3, Buch VI, Kap. II, § 2, S. 236, der auf Grundlage der Lehre von der philosophischen Notwendigkeit der Ansicht ist, dass ein naturgesetzlicher Zusam225
§ 6 Ansätze zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte
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Erfolgt im Betrugsbeispiel die Vermögensverfügung „auf Grund“ des Irrtums, so besteht – juristisch – zwischen beiden dennoch ein Zusammenhang. Dieser kann aber nur als Motivationszusammenhang verstanden werden.229 Von psychischer Kausalität kann daher gesprochen werden, wenn eine Person von einer anderen motiviert wird, etwas zu tun und dann auf Grund dieser Motivation die gewünschte Handlung vornimmt. Mit den Worten der Äquivalenztheorie: Psychische Kausalität ist dann gegeben, wenn die Motivationshandlung nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass die in Frage stehende spätere Handlung entfiele. Mit Naturgesetzlichkeit und Determinierung hat dies aber nichts zu tun.230 Das Unvermögen der Theorie der gesetzmäßigen Bedingung, psychische Kausalität zu erklären, stellt jedoch keinen „Nachteil“ dar, es handelt sich vielmehr um die Folge der unterschiedlichen Anforderungen verschiedener gesetzlicher Tatbestände. Manche Normen mögen eine Art naturgesetzlichen Zusammenhang zwischen potenzieller Tathandlung und Erfolg fordern, andere wiederum verlangen einen Motivationszusammenhang. Anzuerkennen, dass diese verschiedenen Zusammenhänge nicht von ein und derselben, auf Naturgesetzlichkeit beruhenden Theorie erklärt werden können und von dem Versuch abzusehen, die außerhalb ihrer Reichweite liegende psychische Kausalität zu erklären, würde für die Theorie der gesetzmäßigen Bedingung keinen Wertverlust oder Nachteil bedeuten, sondern einen Schritt in die richtige Richtung. Eine Schwäche der Theorie der gesetzmäßigen Bedingung liegt demnach darin, nicht zu erkennen, dass psychische Kausalität anders zu bewerten ist als Naturkausalität. Darüber hinaus wäre die Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung als alleiniges Kriterium zur Bestimmung der Tathandlung (neben dem Vorliegen einer Handlung und des Erfolgs) nicht hinreichend.231 Genau wie die menhang zwischen einer Bedingung und einer Handlung nicht gegen die Anerkennung menschlicher Willensfreiheit spreche, denn „wir können frei sein und doch kann ein anderer Gewißheit darüber haben, wie wir unsere Freiheit gebrauchen“. 229 Koriath, Kausalität, S. 224, der auch Prinzipien aufstellt, wie ein solcher Motivationszusammenhang zu bestimmen ist; Otto, Jura 1992, 90 (95); Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 75; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 42d, als Ausnahme zur Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung. 230 Vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (591) zu Kausalität und fehlender Determinierung bei der Anstiftung. Zu den Konsequenzen für die Verantwortungszuschreibung im Falle der Determinierung menschlichen Verhaltens vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (586) und Joerden, S. 24, 26 ff. 231 Die Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung stellt für ihre Vertreter regelmäßig nur ein Zurechnungsminimum dar, da diese zusätzlich noch auf die Lehre von der objektiven Zurechnung zurückgreifen. Anders Struensee, GA 1987, 97 (105), der die Lehre von der objektiven Zurechnung ablehnt. Engisch hat zwar den Begriff „objektive Zurechenbarkeit“ für unzweckmäßig erklärt, der Sache nach lässt
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1. Teil: Vorsatzdelikte
Äquivalenztheorie wäre sie dem Einwand, gegen Art. 103 Abs. 2 GG zu verstoßen ausgesetzt. Da für sie alle Handlungen, die als Teil der Gesamtursache in gesetzmäßigem Zusammenhang mit dem Erfolg stehen, Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts wären, hätte dies unter Verstoß gegen das Analogieverbot, das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip und unter Verkennung der begrenzten Handlungsverbote der Normen des StGB sowie der gesetzlichen Beteiligungssystematik eine unzulängliche Unrechtsbeschreibung zur Folge.232 Bei § 212 würde dem Tatbestandsmerkmal „töten“ durch Sprengung der Grenzen seines Wortsinns wiederum die Bedeutung „einen irgendwie gearteten (gesetzmäßigen) Beitrag zum Tod leisten“ verliehen. Die Konsequenz daraus wäre, dass auf der Ebene des objektiven Tatbestands – auch wegen der Gleichbehandlung von physischer und psychischer Kausalität – eine differenzierte Verantwortungszuschreibung unmöglich wäre und somit keine Unterscheidung zwischen straflosem Verhalten, Teilnahme und den verschiedenen Formen der Täterschaft getroffen werden könnte.233 Dies erkannte auch Engisch, jedoch hielt er eine solche Unterscheidung an jener Stelle nicht für erforderlich.234
II. Adäquanztheorie Die strafrechtlichen Anhänger der auf von Kries235 zurückgehenden Adäquanztheorie verlangen neben einem äquivalenten auch einen adäquaten Kausalzusammenhang.236 Als Tathandlung sei nicht jede notwendige Bedingung des Erfolgs, sondern nur eine nach der Lebenserfahrung generell für die Herbeiführung eines solchen Erfolgs geeignete, d.h. typische Bedingung anzusehen. Das Adäquanzurteil wird dabei an Hand einer nachträglichen Prognose eines einsichtigen Menschen in der Lage des Täters gefällt. Dabei sei ein etwaiges Sonderwissen des Täters mit einzubeziehen. Eine Bedingung sei somit dann adäquat, wenn durch sie die Möglichkeit des Eintritts des Erfolgs nicht unerheblich erhöht werde, d.h. wenn es nicht schlechthin unwahrscheinlich sei, dass die Handlung einen derartigen Erfolg nach sich ziehe.237 sich dennoch eine Nähe seiner Ausführungen zu dem, was heute unter objektiver Zurechnung verstanden wird, ausmachen; vgl. dazu Engisch, S. 59, Fn. 1, S. 61 ff.; Schünemann, GA 1999, 207 (210 f.). 232 Vgl. oben S. 60 ff. 233 Vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (592, 594), der zutreffend darauf hinweist, dass eine Gleichbehandlung von naturalistischer Kausalität und Motivationszusammenhang auch dem allgemeinen Sprachgebrauch widerspricht. 234 Engisch, S. 27. 235 Von Kries, ZStW 9 (1889), 528. 236 Zuletzt Bockelmann/Volk, § 13 A V 4.
§ 6 Ansätze zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte
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Die Adäquanztheorie möchte die Äquivalenztheorie nicht widerlegen. Sie setzt deren Ergebnisse voraus und möchte aus der großen Anzahl notwendiger Bedingungen diejenigen aussondern, die für die strafrechtliche Beurteilung relevant sind.238 Dadurch werden sowohl der infinite Regress der Äquivalenztheorie als auch eine Zurechnung „abenteuerlicher Kausalverläufe“ vermieden.239 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit reiche dadurch nicht weiter als die menschliche Fähigkeit, Geschehensabläufe zu steuern und zu beherrschen.240 So richtig die Intention der Adäquanztheorie ist, so falsch ist ihre Methode. Zunächst ist es dogmatisch zweifelhaft, auf der Ebene des objektiven Unrechtstatbestandes im Rahmen der Adäquanz subjektives Sonderwissen des Täters zu berücksichtigen.241 Darüber hinaus konkretisiert die Adäquanztheorie nicht, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit vorliegen muss, um von einer adäquaten und damit zurechenbaren Bedingung sprechen zu können.242 Zudem führt ihre Beschränkung strafbaren Verhaltens lediglich zu einem Ausschluss der Zurechnung bei ungewöhnlichen Kausalverläufen.243 Das ist für eine sich an Art. 103 Abs. 2 GG orientierende verfassungskonforme Auslegung der Tatbestände der reinen Erfolgsdelikte nicht ausreichend. Denn Tathandlung eines Totschlags wäre nunmehr jede adäquate notwendige Bedingung. „Töten“ i. S. d. der Adäquanztheorie würde danach „einen adäquaten notwendigen Beitrag zum Tod leisten“ bedeuten. Das übersteigt immer noch den Wortsinn des Tatbestandsmerkmals „töten“, denn es sind viele adäquate notwendige Bedingungen für den Tod eines Menschen denkbar, die kein „töten“ i. S. d. normalen Sprachgebrauchs darstellen. Man denke hier nur an die Produktion von Kraftfahrzeugen. Für jeden Autounfall mit tödlichem Ausgang hat der jeweilige Hersteller des Unfallwagens einen notwendigen Beitrag geleistet. Zudem ist für einen objektiven Dritten in der Position eines Kfz-Herstellers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorhersehbar, dass mit einigen der von ihm hergestellten Wagen Menschen zu Tode kommen werden. Bei gemeinsamer Heranziehung von Äquivalenz- und Adäquanztheorie hätte der Autoproduzent durch die Herstellung des Unfallwagens den Tatbestand des § 212 erfüllt. Dieses Er237 Vgl. dazu Engisch, S. 41 ff.; Jescheck/Weigend, § 28 III 2 (S. 286); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 35. 238 Bockelmann/Volk, § 13 A V 4. 239 Otto, Jura 1992, 90 (93); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 34. 240 Stratenwerth, AT, § 8, Rn. 21. 241 Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 58; vgl. auch zur Berücksichtigung von Sonderwissen des Täters bei der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung bei Fahrlässigkeitsdelikten, Struensee, JZ 1987, 53 (53, insb. Fn. 6) m. w. N. 242 Jakobs, AT, 7/32; Stratenwerth, AT, § 8, Rn. 22. 243 Otto, Jura 1992, 90 (93); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 37.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
gebnis ist mit dem Analogieverbot nicht vereinbar, denn der Autohersteller hat bei Zugrundelegung des maßgeblichen Alltagssprachgebrauchs trotz seines notwendigen Beitrags nicht den Unfallopfern das Leben genommen.244 Die zusätzliche Heranziehung der Adäquanztheorie führt daher schon wegen eines Verstoßes gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG zu verfassungswidrigen Ergebnissen und kann deshalb nicht zur Tathandlungsbestimmung bei den reinen Erfolgsdelikte heran gezogen werden.
III. Relevanztheorie Die Relevanztheorie versucht, bei der Bestimmung der Tathandlung zwischen der Kausalitätsfrage und der Zurechnungsfrage zu unterscheiden. Nach Feststellung eines notwendigen Bedingungszusammenhangs an Hand der Äquivalenztheorie schränkt sie deren Ergebnisse ein, indem sie nach der rechtlichen Relevanz einer kausalen Handlung im Hinblick auf den eingetretenen Erfolg fragt. Wann eine Handlung für einen bestimmten Erfolg strafrechtlich relevant ist, dürfe nicht allein mittels Erfahrungs- und Wahrscheinlichkeitssätzen, sondern müsse auch an Hand von Sinn und Zweck der jeweiligen Strafnorm durch Auslegung ermittelt werden.245 Damit erinnert die Relevanztheorie stark an die Lehre von der objektiven Zurechnung. Im Grunde kann man ihrer Aussage, dass die Tathandlungen der reinen Erfolgsdelikte durch die anerkannten Auslegungsmethoden zu bestimmen seien, auch nicht widersprechen. Jedoch beschränkt sich die Relevanztheorie auf die programmatische Anweisung, die Tatbestände des Besonderen Teils im Einzelfall auszulegen. Sie versucht gar nicht erst, allgemeingültige Aussagen über die Strukturen der Erfolgsdelikte zu treffen.246 Bei der Relevanztheorie handelt es sich demnach gar nicht um eine allgemeine Tatbestands- bzw. Zurechnungslehre.247
244
Im Ergebnis ebenso Schünemann, GA 1999, 207 (213), der die Herstellung von Kraftfahrzeugen wegen ihrer Sozialadäquanz aus dem Tatbestand des § 212 heraus nimmt. Auch an dieser Stelle soll nochmals daran erinnert werden, dass man einen Menschen nur einmal „töten“ kann und schon deshalb die Annahme mehrerer vollendeter Tötungshandlungen bei einem Opfer nicht denkbar ist. Zum Analogieverbot vgl. bereits oben S. 67 ff. 245 Blei, § 28 IV, V. 246 Vgl. Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 270 f. 247 Jescheck/Weigend, § 28 III 3 (S. 286); Otto, Jura 1992, 90 (93); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 38; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 90; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 56; Wolter, GA 1977, 257 (262).
§ 6 Ansätze zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte
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IV. Lehre von der objektiven Zurechnung 1. Die Lehre von der objektiven Zurechnung als „allgemeine Zurechnungslehre“ Anders als die Relevanztheorie erhebt die Lehre von der objektiven Zurechnung den Anspruch, eine „allgemeine Zurechnungslehre“ zu sein bzw. sich in der Entwicklung zu einer solchen zu befinden.248 Von „allgemeiner Zurechnungslehre“ wird gesprochen, wenn über einen einzelnen Tatbestand des Besonderen Teils hinaus abstrakte Strukturen, die für alle Tatbestände der jeweiligen Deliktskategorie gelten, herauskristallisiert und nutzbar gemacht werden. Die auf Honig249 zurückgehende, später von Roxin wieder aufgegriffene250 und maßgeblich weiter entwickelte Lehre von der objektiven Zurechnung versucht durch Heranziehung normativer Kriterien solche Strukturen zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte zu entwickeln.251 Als „allgemeine Zurechnungslehre“ muss sich die objektive Zurechnung somit daran messen lassen, ob sie tatsächlich in der Lage ist, an Hand abstrakter Kriterien die Tathandlung bei reinen Erfolgsdelikten stets korrekt zu bestimmen, ohne dabei gegen übergeordnete Rechtssätze zu verstoßen. Eine „allgemeine Zurechnungslehre“ muss insbesondere in sich schlüssig sein und in der Lage sein, im Einklang mit dem Grundgesetz und dem StGB differenziert Verantwortung zuzuschreiben. Im Folgenden soll die Lehre von der objektiven Zurechnung sowie die gegen sie vorgebrachte Kritik dargestellt und einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Zunächst wird der Blick auf das Grundkonzept dieser Lehre (unten 2.) und die dagegen geäußerte Kritik gelenkt (unten 3.), danach werden die einzelnen Fallgruppen näher betrachtet und analysiert (unten 4.). 2. Inhalt der objektiven Zurechnungslehre Die selbst gesteckte Aufgabe der Lehre von der objektiven Zurechnung liegt darin, die uferlosen Ergebnisse der Äquivalenztheorie bereits auf der 248 Regelmäßig weisen die Vertreter der Lehre von der objektiven Zurechnung darauf hin, dass hier vieles noch „im Fluss“ sei und von einer abgeschlossenen Entwicklung noch nicht die Rede sein könne; vgl. Roxin, AT 1, § 11, Rn. 41; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 91; Wessels/Beulke, Rn. 178. Einen guten Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Lehre von der objektiven Zurechnung geben Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 251 ff., Schünemann, GA 1999, 207 (208 ff.) und Frisch, GA 2003, 719 (720 ff.). 249 Honig, Frank-Festgabe I, S. 174 ff. 250 Roxin, FS Honig, S. 133 ff. 251 Vgl. Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 57 a. E.
82
1. Teil: Vorsatzdelikte
Ebene des objektiven Tatbestandes teleologisch zu reduzieren. Die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte könne nicht lediglich danach bestimmt werden, ob die Handlung eine notwendige Bedingung für den Erfolg darstelle, vielmehr seien dabei auch Sinn und Zweck der jeweiligen Strafnormen zu berücksichtigen. Nur so könne die Frage beantwortet werden, ob der Erfolg dem Täter als „sein Werk“ zugerechnet werden kann.252 Erst dies ermögliche eine Unterscheidung zwischen Unrecht und Unglück.253 Obwohl sich die Ansätze der einzelnen Vertreter der Lehre von der objektiven Zurechnung im Detail unterscheiden, ist es dennoch möglich, diese auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. In der Literatur hat sich eine „Grundformel“ herausgebildet, wonach ein Erfolg dann objektiv zurechenbar sein soll, wenn der Täter durch seine äquivalent kausale Handlung eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat.254 Die Lehre von der objektiven Zurechnung möchte die Äquivalenztheorie nicht ersetzen, sondern knüpft daran an. Die Tathandlung der vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikte soll daher in zwei Schritten zu bestimmen sein: Zunächst ist festzustellen, ob die Handlung eine notwendige Bedingung für den Erfolg darstellt, danach ist/sind anhand der wertenden Kriterien der Lehre von der objektiven Zurechnung die Tathandlung(en) aus den äquivalent kausalen Handlungen herauszufiltern.255 252 Honig, Frank-Festgabe I, S. 175, 181; Roxin, FS Honig, S. 133, 135; Ebert/ Kühl, Jura 1979, 561 (562, 569); Otto, Jura 1992, 90 (91, 96); Wessels/Beulke, Rn. 176 ff. Schon Kant, Metaphysik der Sitten, S. 227 Z. 21, begriff die Zurechnung als „Urtheil, wodurch jemand als Urheber (causa libera) einer Handlung, die alsdann That (factum) heißt . . . angesehen wird.“ Obgleich es bei Kant um die Handlungs- und nicht um die Erfolgszurechnung ging, wird aus diesen Äußerungen die Aufgabe der Zurechnung deutlich: Es geht darum, den „eigentlichen“ Urheber eines Ereignisses – sei dieses eine Handlung oder ein Erfolg – herauszufinden; vgl. dazu m. w. N. Hruschka, Strukturen, S. 13 f., 30 f. Zur Geschichte der Entwicklung des Zurechnungsbegriffs der praktischen Philosophie und Jurisprudenz seit Pufendorf, vgl. eingehend Hruschka, ZStW 96 (1984), 661. 253 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (562); Wessels/Beulke, Rn. 180. 254 Wessels/Beulke, Rn. 179. Ähnlich Jescheck/Weigend, § 28 IV (S. 287); Kühl, AT, § 4, Rn. 43; Lackner/Kühl, vor § 13, Rn. 14; Otto, Jura 1992, 90 (97), bei dem die objektive Zurechnung maßgeblich von der Steuerbarkeit und Beherrschbarkeit des Geschehens durch den Handelnden abhängt; vgl. dazu auch ders., FS E.A. Wolff, S. 404 ff.; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 42; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 92; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 57; Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (673). Freilich wird auch diese Grundformel von den einzelnen Autoren stets etwas anders formuliert: So wird z. T. von „rechtswidrig geschaffener“ bzw. „rechtlich missbilligter“ Gefahr gesprochen, vgl. Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (573); Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 57, 62. Ein kurzer Überblick über die gesamte Variationsbreite der verwendeten Begrifflichkeiten findet sich bei Kühl, AT, § 4, Rn. 43. 255 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (576); Wessels/Beulke, Rn. 154 f.
§ 6 Ansätze zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte
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Bei der Problematik der Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr geht es insbesondere um die Fragen nach dem Schutzzweck der Norm, der Reichweite von allgemeinem Lebensrisiko und erlaubtem Risiko, dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit bei der Beteiligung an einer frei verantwortlichen Selbstschädigung oder Selbstgefährdung und bei einverständlicher Fremdgefährdung, nach den Auswirkungen des Dazwischentretens eines Dritten oder des Opfers in den Geschehensablauf und nach der Risikoverringerung bzw. der Nichterhöhung des Risikos durch eine Handlung, die eine notwendige Bedingung für den Erfolg darstellt.256 Im Rahmen der Gefahrrealisierung stehen die Aspekte des atypischen Kausalverlaufs und des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs im Vordergrund.257 Die Zuordnung der einzelnen Fallgruppen zu den „Tatbestandsmerkmalen“ der Grundformel der objektiven Zurechnung wird von den verschiedenen Autoren nicht einheitlich vorgenommen.258 Die Unterscheidung zwischen fehlender Gefahrschaffung und Gefahrrealisierung ist jedoch nicht nur von rein akademischem Wert, sondern soll auch Auswirkungen auf die Strafbarkeit des Handelnden haben: Hat dieser bereits keine rechtlich relevante Gefahr geschaffen, führe dies zur Straflosigkeit. Dem gegenüber ziehe die mangelnde Gefahrrealisierung nur das Entfallen der Vollendungstat nach sich, sodass bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine Bestrafung wegen Versuchs in Betracht komme.259 Das Hauptaugenmerk soll jedoch nicht auf die Folgen des Fehlens der objektiven Zurechnungsvoraussetzungen gelegt werden, sondern auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein objektiver Zurechnungszusammenhang zwischen Handlung und Erfolg vorliegt. Es besteht weit gehende Einigkeit darüber, dass die oben genannten Kriterien innerhalb des objektiven Tatbestandes der reinen Erfolgsdelikte Beachtung finden sollen, sodass an dieser Stelle darauf verzichtet werden kann, die jeweiligen Zuordnungen zu den Begriffen „Gefahrschaffung“ bzw. „Gefahrrealisierung“ im Einzelnen nachzuzeichnen. 3. Allgemeine Kritik an der objektiven Zurechnungslehre a) Überblick über kritische Ansatzpunkte Obwohl sich die Lehre von der objektiven Zurechnung in der strafrechtlichen Literatur weitest gehend durchgesetzt hat,260 sind auch kritische Stimmen zu vernehmen, häufig aus dem finalistischen Lager. So wird der 256 257 258 259
Wessels/Beulke, Rn. 179. Wessels/Beulke, Rn. 179. Vgl. z. B. Kühl, AT, § 4, Rn. 46 ff.; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 47 ff. Roxin, AT 1, § 11, Rn. 42.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
objektiven Zurechnung vorgeworfen, sie entfalte „den Effekt eines den gesamten objektiven Tatbestand an sich reißenden und in sich ertränkenden Strudels“.261 Bisweilen wird sie auch als „riesige Krake mit zahllosen Tentakeln“ bezeichnet, die „immer mehr Anwendungsbereiche erfasst, die in ontologischer und normativer Hinsicht höchst heterogen sind“.262 Hinsichtlich ihrer Anwendung bei den Vorsatzdelikten wird der Vorwurf erhoben, sie ziehe Vorsatz- und Rechtswidrigkeitsprobleme systemwidrig in den objektiven Tatbestand.263 Von einigen Autoren wird die Frage aufgeworfen, ob die Lehre von der objektiven Zurechnung bei Vorsatzdelikten überhaupt relevant sei, denn schon der Grundformel sei „die Herkunft aus dem fahrlässigen Delikt auf die Stirn geschrieben“.264 Darüber hinaus werde im Rahmen der objektiven Zurechnung nicht nur gefragt, ob ein bestimmter Erfolg „Werk“ des Täters sei, sondern auch danach, wie dieses Werk strafrechtlich zu bewerten sei. Das sei aber eine nachrangige Problematik, die von der objektiven Zurechnung zu unterscheiden sei.265 Es stelle sich daher die Frage, ob nicht die Gesichtspunkte, die bei den Fahrlässigkeitsdelikten im Bereich der objektiven Zurechnung behandelt werden, besser an einer anderen Stelle des Verbrechensaufbaus, z. B. bei der Sorgfaltspflichtverletzung, aufgehoben wären.266 Letztlich leide die Lehre von der objektiven Zurechnung darunter, dass sie sich allzu schnell auf allgemeine Wertungsformeln zurückziehe.267 Konsequenz dieses „akzentuierten Normativismus“ sei neben erheblichen dogmatischen Verwerfungen auch eine bedenkliche Relativierung der Tatbestandsbestimmtheit.268 Inwieweit diese und andere Kritikpunkte gerechtfertigt sind, soll im Folgenden geprüft werden. Dazu werden zunächst generelle Einwendungen gegen die Lehre von der objektiven Zurechnung, insbesondere gegen die Grundformel, untersucht. 260
So die Einschätzung von Kühl, AT, § 4, Rn. 38 und Schünemann, GA 1999, 207 (212). 261 Struensee, GA 1987, 97 (97). 262 Schünemann, GA 1999, 207 (207). 263 Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 65 ff., 100; Hirsch, FS Köln, S. 404 f.; Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 258; Koriath, Zurechnung, S. 525; Samson, ZStW 99 (1987), 617 (633). 264 Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 258; so auch Hirsch, FS Köln, S. 406; ders., FS Lenckner, S. 138; Koriath, Zurechnung, S. 536; Küpper, S. 91. 265 Maiwald, JuS 1984, 439 (442, Fn. 22 f.); ders., FS Miyazawa, S. 465 ff., 474 ff. 266 Hirsch, FS Lenckner, S. 140; Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 258; Küpper, S. 91. 267 Puppe, ZStW 99 (1987), 595 (616). 268 Hirsch, FS Lenckner, S. 141; Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 259; Küpper, S. 84.
§ 6 Ansätze zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte
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b) Unzulässiger Vorgriff auf die Rechtswidrigkeitsebene Soweit manche Autoren im Rahmen der Grundformel die Schaffung einer „rechtlich missbilligten“269 oder „rechtlich verbotenen“270 Gefahr fordern, deutet dies auf einen unzulässigen Vorgriff auf die Rechtswidrigkeitsebene im Bereich des objektiven Tatbestands hin.271 Zur Bestimmung der Tathandlung ist es nur erforderlich, eine strafrechtlich relevante Verknüpfung von Handlung und Erfolg herzustellen. Auf der dafür allein maßgeblichen Tatbestandsebene ist die Frage nach der rechtlichen Missbilligung nicht von Bedeutung. Auch durch Notwehr gerechtfertigte Handlungen erfüllen den Tatbestand einer Strafnorm, obwohl sie gerade keine rechtswidrige Gefahr geschaffen haben.272 Die Rechtmäßigkeit einer Handlung ist somit nicht von Einfluss auf die objektive Zurechenbarkeit des Erfolgs.273 c) Vermischung subjektiver und objektiver Kriterien Gegen die Lehre von der objektiven Zurechnung wird eingewandt, sie operiere nicht – wie ihre Bezeichnung vorgibt – allein im objektiven Tatbestand. Die Schaffung einer Gefahr könne niemals nur an Hand objektiver Kriterien bestimmt werden, sondern stets nur relativ zu einer bestimmten Wissenssituation.274 Dies akzeptierten die Vertreter der objektiven Zurechnung prinzipiell auch, da sie bei der Frage der Gefahrschaffung subjektives Sonderwissen des Täters berücksichtigen. Dies werde im „Erbonkel-Fall“ deutlich.275 Dort überredet der Neffe seinen Erbonkel zu einer Flugreise, in der Hoffnung, die Maschine werde abstürzen und der Onkel dabei zu Tode kommen, was dann auch geschieht. Die Gefährlichkeit der Handlung des Neffen und die Erfüllung des Tatbestandes beurteilten sich danach, ob der Neffe – anders als der Onkel – von einem technischen Defekt des Flugzeuges bzw. von einer darin versteckten Bombe wusste oder nicht.276 Diese Problematik stelle sich als Vorsatzfrage und werde erst im subjektiven Tatbestand entschieden.277 Die Lehre von der objektiven Zurechnung führe da269
Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 57, 62. Jescheck/Weigend, § 28 IV 4 (S. 287). 271 Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 258; Maiwald, FS Miyazawa, S. 477 f. 272 Hirsch, FS Lenckner, S. 136; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 92. 273 Kritisch Frisch, FS Roxin, S. 224 f. 274 Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 260; Koriath, Zurechnung, S. 535. 275 Beispiel u. a. bei Jescheck/Weigend, § 28 IV 1 (S. 287); Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 93; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 62; Wessels/Beulke, Rn. 184. 276 Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 184, 187. 270
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her zu einer systemwidrigen und überflüssigen Vermischung objektiver und subjektiver Tatbestandselemente.278 Denn wenn der Vorsatz fehle, sei die „vorherige Spekulation“ über die objektive Zurechnung „in einer schon qualvollen Weise überflüssig“ gewesen.279 Dem wird entgegen gehalten, dass die Frage der Gefahrschaffung trotz ihrer subjektiven Einfärbung den objektiven Tatbestand betreffe. Die Berücksichtigung von Sonderwissen führe nicht dazu, dass man sich im Bereich des subjektiven Tatbestands bewege, denn es werde nicht auf Umstände abgestellt, die sich der Täter bei der Tat denkt, sondern auf solche, die er hätte bedenken müssen. Die dem Täter bekannten Umstände seien real und objektiv. Der Blick auf das individuelle Wissen habe nur den Zweck, aus der Vielzahl der zur Zeit der Handlung vorliegenden, dem Täter meist unbekannten Umstände, diejenigen herauszufiltern, die bei der Beurteilung der Schaffung der missbilligten Gefahr zu berücksichtigen sind.280 Es sei zwar zutreffend, dass bei der auf objektiven Umständen begründeten und nach objektiven Maßstäben erfolgenden Beurteilung der Gefahr die Notwendigkeit eines Vorgriffs auf dem Täter vorbehaltene Kenntnisse und Erfahrungen bestehen könne. Dies führe dazu, dass sich die Beurteilung der Gefahrschaffung nicht bruchlos in ein streng nach objektivem und subjektivem Tatbestand unterscheidendes Schema pressen lasse. Dies stelle aber keine Systemwidrigkeit dar und spreche nicht gegen die Richtigkeit der von der objektiven Zurechnungslehre ins Feld geführten Sachvoraussetzungen, denn eine hermetische schematische Trennung von objektivem und subjektivem Tatbestand sei weder nötig noch zur adäquaten Unrechtserfassung geeignet, da beide Ebenen des Tatbestandes letztlich die Festlegung von Recht und Unrecht zur Aufgabe hätten.281 Obgleich die letztgenannte Auffassung zutreffender erscheint, kann die Streitfrage letztlich offen bleiben, wenn die Kriterien der Gefahrschaffung und Gefahrrealisierung für sich genommen bei der Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte keine entscheidende Rolle spielen. Bedenken ergeben sich insbesondere im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG.
277 Hirsch, FS Köln, S. 405; Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 260 ff.; Koriath, Zurechnung, S. 535; Struensee, GA 1987, 97 (99). 278 Struensee, JZ 1987, 53 (53). 279 Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 261; in diesem Sinne auch Koriath, Zurechnung, S. 535. 280 Frisch, FS Roxin, S. 230; vgl. auch ders., Tatbestand, S. 41 f., Fn. 158; ders., GA 2003, 719 (732 f.). 281 Frisch, FS Roxin, S. 231; Roxin, GS Armin Kaufmann, S. 251.
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d) Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG Die Lehre von der objektiven Zurechnung betrachtet die Struktur der reinen Erfolgsdelikte folgendermaßen: Als Ausgangspunkt bedürfe es einer Handlung, eines Erfolgs und eines notwendigen Bedingungszusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg. Einschränkend müsse die äquivalent kausale Handlung eine rechtlich relevante Gefahr für das geschützte Rechtsgut schaffen und diese Gefahr müsse sich im Erfolg realisieren. Liegen diese Voraussetzungen vor, habe man die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte bestimmt.282 Diese Sichtweise ist im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot problematisch. Die Lehre von der objektiven Zurechnung rückt in ihrer Grundformel den Gefahrbegriff in den Vordergrund. Zeitweise ist dabei sogar vom „Zentralbegriff“ der Erfolgsdelikte die Rede.283 Könnte man unter „töten“ ohne Verstoß gegen das Analogieverbot „das Schaffen einer rechtlich relevanten Gefahr für das Leben eines Anderen, die sich im Tod dieser Person realisiert“ verstehen, läge den reinen Erfolgsdelikten nicht primär das Verbot der Verletzung eines Rechtsguts zu Grunde, vielmehr wäre bereits die Gefährdung des Rechtsguts verboten.284 Das damit verbundene Handlungsverbot der reinen Erfolgsdelikte würde dann lauten: „Tue nichts, was für das geschützte Rechtsgut gefährlich ist“. Unabhängig davon, dass die Umdeutung der reinen Erfolgsdelikte in Gefährdungsverbote deren Deliktsstruktur widerspricht, da der Erfolg als essentieller Bestandteil der Erfolgsdelikte dadurch völlig an den Rand gedrängt würde,285 geht von der Grundformel der objektiven Zurechnung insbesondere wegen der Normativität des Gefahrbegriffs eine „Gefahr für die Tatbestandsbestimmtheit“ aus.286 Das Tatbestandsmerkmal „töten“ verliert bei einer Auslegung im Sinne der Grundformel wegen der Unbestimmtheit des Gefahrbegriffs jegliche Konturen. Bei „Gefahr“ handelt es sich nicht um einen gesetzlichen, sondern um einen maßgeblich von der Wissenschaft geprägten, in höchstem Maße normativen Begriff. Gleichwohl haben es die Vertreter der objektiven Zurech282 Vgl. Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (573); Jescheck/Weigend, § 28 IV (S. 287); Kühl, AT, § 4, Rn. 43; Lackner/Kühl, vor § 13, Rn. 14; Otto, Jura 1992, 90 (97); ders., FS E.A. Wolff, S. 404 ff.; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 42; Lenckner, in: Schönke/ Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 92; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 57; Wessels/Beulke, Rn. 179; Wolter, ZStW 89 (1977), 649 (673). 283 Otto, FS Maurach, S. 101 m. w. N. 284 Wolter, Zurechnung, S. 33. 285 Küpper, S. 84. 286 So die Formulierung von Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 259; ebenso Hirsch, FS Lenckner, S. 141; Küpper, S. 84; Puppe, GA 1994, 297 (308 ff., 318). Zum Bestimmtheitsgebot vgl. oben. S. 52 ff.
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nung bislang unterlassen, eine greifbare, allgemeine Definition des Gefahrbegriffs zu liefern. „Gefahr“ stellt auf den Erfolgsbezug eines Verhaltens ab, es geht dabei um die Frage, wie hoch die Erfolgseintrittswahrscheinlichkeit bei Vornahme einer bestimmten Handlung ist bzw. inwieweit diese erhöht wird. Deshalb bleiben viele Fragen offen: Wie hoch muss die Schadensgeneigtheit eines Verhaltens sein, damit man von der Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr sprechen kann? Genügt bereits die Schaffung einer abstrakten Gefahr oder ist eine konkrete Gefahr erforderlich? Selbst wenn man auf eine konkrete Gefahr abstellt, arbeitet man immer noch mit einem unscharfen Begriff, der weiterer Klärung bedarf. Soll man etwa von einer konkreten Gefahr nur dann sprechen können, wenn eine häufig zu Beeinträchtigungen führende Handlung gerade gegenüber einem bestimmten geschützten Rechtsgut vorgenommen wird?287 Es sind genau diese Unklarheiten, die es erlauben, den Inhalt des Gefahrbegriffs fast schon beliebig zu variieren, ihn je nach gewünschtem Ergebnis mal enger und mal weiter zu fassen.288 So wird zu Recht eingewandt, das Kriterium der Gefahrrealisierung könne beliebig sowohl zur Bejahung als auch zur Verneinung der objektiven Zurechnung herangezogen werden.289 Die Tragfähigkeit der Lehre von der objektiven Zurechnung hängt demnach nicht unwesentlich davon ab, wann sich eine geschaffene Gefahr im Erfolg „realisiert“. Gleiches gilt für das Merkmal der Gefahrschaffung. Die Grundformel der Lehre von der objektiven Zurechnung ermöglicht es nicht, die genaue Reichweite des sich auf die Gefahrschaffung konzentrierenden tatbestandlichen Handlungsverbots einer Norm zu bestimmen. Den Tatbeständen kommt dann keine Begrenzungsfunktion zu und sie können auch keine Steuerungsfunktion im Hinblick auf das Verhalten der Normadressaten entwickeln. Dies widerspricht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafbarkeitsvoraussetzungen. Die Grundformel stellt somit, wie Puppe zu Recht einwendet, bloß eine Leerformel dar.290 Ob sich diese Bewertung durch die Heranziehung der einzelnen Fallgruppen ändern kann und ob dies zu einem Mehr an Bestimmtheit und damit zur Vereinbarkeit der Lehre von der objektiven Zurechnung mit Art. 103 Abs. 2 GG führen kann, wird sich erst nach der Prüfung dieser Fallgruppen zeigen.291 Zuvor soll sich jedoch noch mit der von Frisch an der Konzeption der objektiven Zurechnungslehre geäußerten Kritik auseinandergesetzt werden. 287
Vgl. Frisch, Tatbestand, S. 74 m. w. N. zur Diskussion über Inhalt und Voraussetzungen einer „konkreten Gefahr“. 288 Puppe, GA 1994, 297 (309). 289 Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn 100; Puppe, GA 1994, 297 (308 ff., 318). 290 Puppe, GA 1994, 297 (318). 291 Vgl. dazu unten S. 98 ff.
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e) Die methodische Kritik von Frisch Einen kritischen Ansatz gegenüber der Lehre von der objektiven Zurechnung verfolgt auch Frisch292, der beklagt, dass es sich dabei mittlerweile um eine fragwürdige, aufgeblähte „Superkategorie“ handele.293 Dem weiten Anwendungsbereich der objektiven Zurechnungslehre möchte er mit einer genauen Trennung zwischen dem „tatbestandsmäßigen Verhalten“ und der Zurechnung des Erfolgs entgegen treten.294 Die Schaffung eines missbilligten Risikos stellt für Frisch den Kernbereich des tatbestandlichen Verhaltens dar.295 Die objektive Zurechnung des Erfolgs hingegen betreffe nur den „Realisierungszusammenhang“ zwischen dem tatbestandsmäßigen Verhalten und dem Erfolgseintritt.296 Nach seiner Auffassung könnten nur besonders geartete Handlungen den Tatbestand einer Strafnorm erfüllen, denn hinter strafrechtlichen Verhaltensnormen stecke stets ein Verbot bestimmter Handlungen. Ein solches Handlungsverbot – wie auch dessen Durchsetzung mit den Mitteln des Strafrechts – könne der Gesetzgeber aber auf Grund verfassungsrechtlicher Vorgaben nur aussprechen, wenn die mit der Missbilligung gefährlicher Verhaltensweisen verbundene Beschränkung der Handlungsfreiheit zum Schutz bestimmter Güter geeignet, erforderlich und angemessen, d.h. verhältnismäßig sei.297 Nur bestimmte, typischerweise für das geschützte Rechtsgut gefährliche Handlungen, die diese Voraussetzungen erfüllen, könnten tatbestandsmäßiges Verhalten darstellen.298 Die Frage der objektiven Zurechnung des Erfolgs könne erst nach der Feststellung des tatbestandsmäßigen Verhaltens beantwortet werden.299 Dem wird entgegen gehalten, dass es bei den Erfolgsdelikten nicht möglich sei, das tatbestandsmäßige Verhalten vollständig vom eingetretenen Erfolg zu lösen.300 Bei Erfolgsdelikten gehe es sowohl um die Verwirklichung von Handlungs- als auch von Erfolgsunrecht. Erst beides zusammen erfülle den Tatbestand und könne daher nicht isoliert voneinander betrachtet wer292
Diesem Ansatz sehr ähnlich ist der von Freund, vgl. AT, § 2. Frisch, Tatbestand, S. 22 f., 31. 294 Ebenso Freund, AT, z. B. § 2. 295 Frisch, Tatbestand, S. 33 ff., 36 ff., 59 ff., 70 ff.; ders., FS Roxin, S. 232. 296 Frisch, Tatbestand, S. 23 ff., 66 f., 507 ff.; ders., FS Roxin, S. 225 f., 231 ff.; ders., GA 2003, 719 (734 f.); ähnlich Freund, in: MüKo-StGB, vor §§ 13 ff., Rn. 329, 331; vgl. auch Jakobs, FS Hirsch, S. 45, 63. 297 Frisch, FS Roxin, S. 222. 298 Frisch, Tatbestand, S. 33 ff., 40 f., 70 ff.; ders., FS Roxin, S. 222; ders., GA 2003, 719 (733 ff., 743); Freund, AT, § 2, Rn. 8 ff. 299 Frisch, Tatbestand, S. 50 ff., 509 ff.; ders., GA 2003, 719 (733 ff., 743). 300 Roxin, AT 1, § 11, Rn. 46; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 92 a. E.; kritisch dazu auch Küpper, S. 115 f.; Wolter, GA 1991, 531 (550). 293
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1. Teil: Vorsatzdelikte
den.301 Es lässt sich argumentieren, dass, solange kein Tötungserfolg vorliege oder nicht geklärt sei, auf welcher Handlung dieser beruhe, auch von einer vollendeten Tötungshandlung, d.h. von einem objektiv tatbestandsmäßigen Verhalten i. S. d. § 212 nicht die Rede sein könne. Bei den Erfolgsdelikten liegt das tatbestandsmäßige Verhalten nicht allein in der Schaffung einer missbilligten Gefahr, denn die Verwirklichung dieser Gefahr, d.h. die Verletzung des geschützten Rechtsguts ist integraler Bestandteil der Tatbestandserfüllung. Das (objektiv) tatbestandsmäßige Verhalten eines vorsätzlichen Erfolgsdelikts besteht somit aus einer verbotenen Handlung und ihrer zurechenbaren Verknüpfung mit dem Erfolg.302 Die vorstehende Kritik erkennt auch Frisch an. Unlängst hat er deshalb Klarheit über den von ihm verwendeten Begriff des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“ geschaffen und dadurch verdeutlicht, dass die daran geäußerte Kritik in erster Linie auf einem terminologischen Missverständnis beruht. Frisch wendet sich dagegen, den Begriff des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“ mit der Erfüllung des gesamten objektiven Tatbestands gleich zu setzen. Für Letzteres sei bei vollendeten Erfolgsdelikten sicherlich erforderlich, dass das Verhalten auch zu einem zurechenbaren Erfolg geführt habe. Beim „tatbestandsmäßigen Verhalten“ gehe es vielmehr um die Frage der generellen Eignung eines Verhaltens, bestimmte Erfolge herbeizuführen und um die verfassungsrechtliche Möglichkeit eines strafrechtlichen Verbots dieser Handlung.303 Frisch möchte gewisse Handlungen bereits unabhängig von ihrem Erfolgsbezug als Tathandlungen ausschließen. Frischs „tatbestandsmäßiges Verhalten“ beinhaltet daher, was im Rahmen dieser Arbeit bereits als „potenzielle Tathandlung“ bezeichnet wurde.304 Dabei handelt es sich um Fallkonstellationen, in denen ein Handlungsverbot durch den Gesetzgeber nicht geeignet ist, ein bestimmtes Rechtsgut effektiv zu schützen.305 Ein solches Handlungsverbot würde gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen und zu einem nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die allgemeine 301
Hirsch, FS Lenckner, S. 142, Fn. 66 a. E.; ders., ZStW 94 (1982), 239 (240 ff.); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 46; Schünemann, GA 1999, 207 (216); Welzel, S. 62. 302 Die Begriffe „Tathandlung“ und „tatbestandsmäßiges Verhalten“ entsprechen sich daher bei Vorsatzdelikten. Bei Fahrlässigkeitsdelikten muss zur Tathandlung noch eine Sorgfaltspflichtverletzung hinzukommen, damit von einem „tatbestandsmäßigen Verhalten“ gesprochen werden kann. 303 Frisch, FS Roxin, S. 234 ff. Die von Freund synonym verwendeten Begriffe des „spezifischen Handlungsunrechts“ bzw. des „spezifischen Verhaltensnormverstoßes“ führen zu mehr Klarheit; vgl. Freund, AT, § 2, Rn. 4 ff. Bisweilen verwendet aber auch Freund den etwas missverständlichen Begriff des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“, vgl. Freund, in: MüKo-StGB, vor §§ 13 ff., Rn. 118 ff. 304 Siehe dazu oben S. 59 f.
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Handlungsfreiheit führen. Frisch fasst jedoch weit mehr unter seine Kategorie des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“. Eine Handlung soll auch dann ohne Rücksicht auf ihre ex-post zu bestimmende Erfolgsrelevanz nicht von einem strafrechtlichen Handlungsverbot erfasst sein, wenn sie aus ex-ante Sicht nicht generell geeignet ist, den verbotenen Erfolg herbeizuführen und ihr Verbot demnach verfassungsrechtlich nicht möglich sei.306 Anders als bei der ersten Fallgruppe, bei der es an der Geeignetheit eines strafrechtlichen Handlungsverbots zum effektiven Rechtsgüterschutz mangelte, scheitert die Strafbarkeit bei der zweiten Fallgruppe an der fehlenden Erforderlichkeit des Handlungsverbots, denn ausreichend wäre das Verbot von mit dem Erfolg in engerem Bezug stehenden Handlungen. Für Frisch gibt es bei den reinen Erfolgsdelikten demnach vier Komponenten, die eine Strafbarkeit ausschließen können: einerseits das Nichtvorliegen einer Handlung oder eines vom Tatbestand umfassten Erfolgs, andererseits, wenn die Handlung kein „tatbestandsmäßiges Verhalten“ darstellt oder wenn der Erfolg dem verbotenen Verhalten nicht im Sinne eines Realisierungszusammenhangs objektiv zurechenbar ist. Ein Realisierungszusammenhang soll nicht vorliegen, wenn der Erfolg keine spezifische Folge des tatbestandsmäßigen Verhaltens ist, sondern sich als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos darstellt oder der Erfolg auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre.307 Frischs Konzeption vom „tatbestandsmäßigen Verhalten“ und von der Erfolgszurechnung kann nicht zugestimmt werden. Es ist nicht zutreffend, dass bei der letztgenannten Fallgruppe der fehlenden Erforderlichkeit des Handlungsverbots die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens unabhängig von der Erfolgszurechnung entfällt. Im Unterschied zur ersten Fallgruppe (mangelnde Geeignetheit eines strafrechtlichen Handlungsverbots zum effektiven Rechtsgüterschutz) entfällt die Tatbestandsmäßigkeit hier gerade wegen ihres fehlenden bzw. nicht hinreichenden Erfolgsbezugs. Bei dem Merkmal der „Eignung“ für die Erfolgsherbeiführung geht es um nichts anderes als um die maßgebliche Beziehung zwischen Handlung und Erfolg. Dass Frisch hierzu eine ex-ante Sicht anlegt ändert nichts daran, dass dieser Erfolgsbezug zentraler Bestandteil seines angeblich von der Erfolgszurechnung unabhängigen „tatbestandsmäßigen Verhaltens“ ist und dass die Handlungsverbote der reinen Erfolgsdelikte somit regelmäßig nicht ohne Rekurs auf den Erfolg bestimmt werden können. Im Gegenteil: Der Erfolgszusam305 Man denke hier an das Beispiel der lebensverlängernden Behandlung eines unheilbar Kranken durch einen Arzt, an welcher der Patient letztendlich stirbt, wobei er ohne die Behandlung schon früher gestorben wäre. 306 Frisch, FS Roxin, S. 222 ff., 231 ff.; ders., GA 2003, 719 (734, Fn. 73). 307 Frisch, FS Roxin, S. 225 f. m. w. N.; ders., GA 2003, 719 (724).
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1. Teil: Vorsatzdelikte
menhang eines Verhaltens ist der wichtigste Faktor bei der Auslegung der Reichweite der Handlungsverbote der reinen Erfolgsdelikte. Im Rahmen der Erfolgsdelikte wird ein Verhalten stets nur wegen seines Erfolgsbezugs verboten, ansonsten läge ein Gefährdungsdelikt vor. Die Möglichkeiten des Ausschlusses einer Tathandlung (neben dem Nichtvorliegen einer Handlung oder eines vom Tatbestand erfassten Erfolgs) stellen sich bei den reinen Erfolgsdelikten demnach abstrakt richtigerweise wie folgt dar: Einerseits kann das Handlungsunrecht unabhängig von einem eventuellen Erfolgsbezug der Handlung fehlen (im Folgenden: „Fallgruppe 1“), andererseits kann das Handlungsunrecht gerade wegen des fehlenden Erfolgsbezugs und damit wegen des fehlenden Erfolgsunrechts entfallen („Fallgruppe 2“). Darüber hinaus kann das Erfolgsunrecht trotz bestehenden Handlungsunrechts entfallen („Fallgruppe 3“). Fallgruppe 1 umfasst die Fälle, in denen ein Handlungsverbot wegen mangelnder Geeignetheit für einen effektiven Rechtsgüterschutz am Verhältnismäßigkeitsprinzip scheitern und demnach einen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit darstellen würde. Ein Beispiel hierfür wäre die bereits erwähnte lebensverlängernde Behandlung eines unheilbar Kranken durch einen Arzt, an welcher der Patient letztlich stirbt, wobei dieser ohne die Behandlung bereits früher an der Krankheit gestorben wäre.308 In diesem Fall liegt unabhängig davon, dass die Behandlung den Tod des Patienten herbeigeführt hat, kein Verstoß gegen ein strafrechtliches Handlungsverbot vor, denn ein solches könnte das Leben des Patienten nicht schützen, sondern würde vielmehr dazu führen, dass dessen Leben nicht verlängert werden könnte. Dem entsprechend ist das Handlungsunrecht unabhängig vom Erfolgsbezug der Handlung des Arztes ausgeschlossen, das Erfolgsunrecht entfällt hier wegen des fehlenden Handlungsunrechts. Zudem kommt eine Versuchsstrafbarkeit des Arztes auch bei Tötungsvorsatz nicht in Betracht.309 Fallgruppe 2 bezieht sich auf Konstellationen, in denen ein Handlungsverbot wegen mangelnder Erforderlichkeit für einen effektiven Rechtsgüterschutz gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen würde. Ein Beispiel für diese Fallgruppe ist die Herstellung eines Messers, mit dem ein Anderer sein Opfer ersticht oder die Geburt des Mörders. Die Erforderlichkeit eines Handlungsverbots bestimmt sich bei den Erfolgsdelikten insbesondere danach, inwieweit ein an späteren Handlungen anknüpfendes Handlungsverbot die maßgeblichen Rechtsgüter genauso effektiv schützen könnte.310 Zentra308
Vgl. dazu bereits oben S. 59 f. Zum Ausschluss der Versuchsstrafbarkeit Frisch, FS Roxin, S. 234; ders., GA 2003, 719 (736). 310 So auch Frisch, FS Roxin, S. 223. 309
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les Kriterium der Erforderlichkeit eines Handlungsverbots ist demnach die Nähe oder Weite des Erfolgsbezugs eines Verhaltens, d.h. dessen Eignung, den Erfolg herbeizuführen. Dabei handelt es sich zunächst um einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg.311 Ist dieser Erfolgsbezug nicht eng genug, so kann wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Handlung nicht strafrechtlich verboten sein und demnach auch kein Handlungsverbotsverstoß vorliegen. Der Unterschied zur Fallgruppe 1 besteht somit darin, dass hier die unzureichende Qualität des Zusammenhangs zwischen der Handlung und dem tatbestandsmäßigen Erfolg den Ausschlag für die Verneinung eines verbotenen Verhaltens gibt. Handlungs- und Erfolgsunrecht verhalten sich demnach reziprok zu Fallgruppe 1, denn das Handlungsunrecht entfällt in Fallgruppe 2 wegen des fehlenden Erfolgsunrechts.312 Auch hier ist bei Nichteintritt des Erfolgs keine Versuchsstrafbarkeit möglich.313 Fallgruppe 3 ist gekennzeichnet durch fehlendes Erfolgsunrecht trotz bestehenden Handlungsunrechts. Hier ist z. B. an eine frei verantwortliche Verweigerung der lebensrettenden Behandlung durch das Opfer eines Mordanschlags zu denken, wonach das Opfer an den zugefügten Schussverletzungen stirbt. Hier liegt ein Handlungsverbotsverstoß des Schützen, d.h. ein rechtlich missbilligtes Fehlverhalten vor. Insbesondere besteht ein hinreichend enger tatsächlicher Zusammenhang zwischen dem Abfeuern des Schusses und dem Tod des Opfers.314 Jedoch entfällt die rechtliche Relevanz dieses Zusammenhangs aus normativen Erwägungen, da die Verantwortung für den Tod letztlich das Opfer selbst trifft.315 In einem solchen Fall wäre eine Bestrafung des Schützen für ein vollendetes Tötungsdelikt unverhältnismäßig. Eine Strafbarkeit wegen Versuchs bliebe indessen unberührt. Frisch vermengt demnach Fallgruppe 1 und 2 zu seinem „tatbestandsmäßigen Verhalten“ und geht dadurch über das bei den beiden Konstellationen unterschiedliche Wechselspiel von Handlungs- und Erfolgsunrecht hinweg. Für ihn gibt es nur einen von der Erfolgszurechnung unabhängigen 311 Wie dieser Zusammenhang genau aussieht, wird an späterer Stelle im Rahmen des Regressverbots erörtert werden, vgl. dazu unten. S. 158 ff., 184 ff., 187 ff. 312 Anders Frisch, FS Roxin, S. 224, der auch hier davon ausgeht, dass das Erfolgsunrecht wegen des fehlenden Handlungsunrechts ausgeschlossen sei. 313 Frisch, FS Roxin, S. 234; ders., GA 2003, 719 (736). 314 Zwischen der Handlung und dem Erfolg besteht hier ein Unmittelbarkeitszusammenhang. Dies ist der denkbar engste tatsächliche Zusammenhang, der zwischen Handlung und Erfolg bestehen kann. Ein solcher tatsächlicher Erfolgsbezug genügt daher auf jeden Fall der Erforderlichkeitskomponente im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 315 Vgl. dazu unten S. 118 ff., S. 184 ff. und S. 187 ff.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
Ausschluss der Strafbarkeit wegen fehlenden Handlungsunrechts oder wegen fehlenden Erfolgsunrechts. Die obige Differenzierung zwischen den Gründen, weshalb das Handlungsunrecht entfallen kann, nimmt er nicht vor. Wie Fallgruppe 1 zeigt, ist es durchaus richtig, dass auch bei reinen Erfolgsdelikten gewisse Handlungen unabhängig von ihrem Erfolgsbezug nicht unter den Tatbestand fallen. Dabei handelt es sich aber um Ausnahmefälle. Viel häufiger wird die Strafbarkeit wegen Nichtvorliegens eines hinreichenden Erfolgsbezugs der Handlung entfallen. Durch die Gleichbehandlung von Fallgruppe 1 und 2 unter dem Topos des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“ entsteht der unzutreffende Eindruck, dass bei Erfolgsdelikten das verbotene Verhalten stets unabhängig von der Beziehung zwischen Handlung und Erfolg bestimmt werden könnte. Eine solche Schlussfolgerung ist, wie Fallgruppe 2 zeigt, mit dem Wesen der Erfolgsdelikte nicht zu vereinbaren. Um nicht späteren Erörterungen vorzugreifen, sei hier nur am Rande darauf hingewiesen, dass die Fallgruppen, die Frisch für den Ausschluss des Realisierungszusammenhangs heranzieht, nichts mit der objektiven Zurechnung des Erfolgs, d.h. mit der Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte, zu tun haben. Die Problematik des allgemeinen Lebensrisikos und des rechtmäßigen Alternativverhaltens betreffen nicht den Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg, sondern die Beziehung zwischen Fahrlässigkeit und Erfolg. Dabei handelt es sich um eine spezielle Fahrlässigkeitsproblematik, die sich aus den Tatbeständen der Fahrlässigkeitsdelikte ergibt und der Bestimmung der Tathandlung logisch nachrangig ist.316 Zudem ergeben sich im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot Bedenken gegen die von Frisch vorgenommene inhaltliche Ausgestaltung seines „tatbestandsmäßigen Verhaltens“. Wenn er darunter ein in Richtung auf ein geschütztes Rechtsgut typischerweise gefährliches, im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Handlungsfreiheit zulässigerweise verbotenes und unter Strafe gestelltes Verhalten versteht,317 so erscheint, wie Frisch selbst einräumt, „diese Leitlinie dem, der holzschnittartig-klare Aussagen liebt, möglicherweise vage“.318 Im Mittelpunkt der Bestimmung der Reichweite der Handlungsverbote stehen somit folgende Fragen, die im Einklang mit dem Bestimmtheitsgrundsatz beantwortet werden müssen: Welches Verhalten kann – auch auf Grund seines Erfolgsbezugs – zulässigerweise verboten werden? Wie sieht ein hinreichender Erfolgszusammenhang aus? Wann ist ein Verhalten zur Erfolgsherbeiführung geeignet? Frisch führt aus, dass bei Gegebensein oder Hinzukommen bestimmter Bedingungen im Grunde jedes 316 317 318
Vgl. dazu detaillierter unten S. 104 ff. und 131 ff. Frisch, Tatbestand, S. 33 ff., 40 f., 70 ff.; ders., FS Roxin, S. 222. Frisch, Tatbestand, S. 80.
§ 6 Ansätze zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte
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Verhalten irgendwelche Güterbeeinträchtigungen nach sich ziehen könne. Die bloße Möglichkeit eines Erfolgseintritts könne demnach noch keinen Grund für eine Freiheitsbeschränkung darstellen, da dem Eintritt des schädlichen Erfolgs regelmäßig später noch entgegen getreten werden könne.319 Die erforderliche Schadenseignung ist nach Frisch nicht an Hand von Wahrscheinlichkeitsgraden hinsichtlich des Erfolgseintritts zu bestimmen, sondern mittels rechtlicher, normativer Entscheidungen.320 Relevant seien dabei insbesondere bestimmte, die Möglichkeit des Erfolgseintritts definierende Umstände wie die Unmöglichkeit, bestimmten Verläufen später Rechnung zu tragen, das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für bestimmte risikoerhöhende Umstände oder die Unabhängigkeit der Risikoverwirklichung von weiterem Handeln vernünftiger Personen.321 Ein Handlungsverbot komme nicht in Betracht, wenn davon auch eine Vielzahl nur gering risikobehafteter Handlungen erfasst wäre oder bei Eigenverantwortlichkeit des Opfers.322 Gerade der letzte Punkt erscheint zu pauschal und zweifelhaft. So lässt die Eigenverantwortlichkeit des Opfers in dem in Fallgruppe 3 genannten Beispielsfall (frei verantwortliche Verweigerung der lebensrettenden Behandlung durch das Opfer eines Mordanschlags) den Handlungsverbotsverstoß des Schützen gerade unberührt. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso das Verhalten des Schützen nicht mehr von der Rechtsordnung missbilligt sein sollte, nur weil das Opfer sich im Nachhinein gegen eine sein Leben rettende Behandlung entscheidet. Allein die rechtliche Relevanz der Handlung des Schützen wird auf Grund der Eigenverantwortlichkeit des Opfers anders bewertet, mit dem Ergebnis, dass der Erfolg dem Schützen nicht mehr objektiv zugerechnet wird. Sicherlich ist es richtig, dass die Verantwortlichkeit eines später Handelnden für den Erfolg das Verbotensein einer früheren Handlung ausschließen kann.323 Jedoch genügt es nicht, wie das oben genannte Beispiel zeigt, sich schlicht auf „Eigenverantwortlichkeit“ zu berufen, um bereits den Handlungsverbotsverstoß eines früher Handelnden auszuschließen. Auch darüber hinaus ist Frischs Vorgehensweise zu unbestimmt. Frisch verfügt über kein abstraktes Instrumentarium zur Bestimmung seines „tatbestandsmäßigen Verhaltens“. Er begnügt sich vielmehr mit dem Verweis auf bestimmte Fallgruppen, um zu verdeutlichen, wann kein Handlungverbotsverstoß vorliegt. Es ist ein wenig ironisch, dass diese Kritik genau dem 319 320 321 322 323
Frisch, FS Roxin, S. 222; ders., GA 2003, 719 (737). Frisch, GA 2003, 719 (737 f.). Frisch, FS Roxin, S. 223. Frisch, GA 2003, 719 (738). Vgl. dazu unten S. 191 ff.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
entspricht, was Frisch den Vertretern der objektiven Zurechnung vorwirft.324 Es wäre hier geboten gewesen, präzise darzulegen, unter welchen abstrakten Voraussetzungen eine hinreichende Eignung eines Verhaltens zur Erfolgsherbeiführung vorliegt. Diesem Erfordernis ist Frisch nicht im Sinne des Bestimmtheitsgrundsatzes nachgekommen. Beispielsfälle mögen zwar ein grobes Bild von dem erforderlichen Erfolgsbezug zeichnen, dem Bestimmtheitsgrundsatz können sie jedoch nicht Genüge tun, denn sie haben nur fragmentarischen Charakter und können auf Grund ihrer Unvollständigkeit keinen berechenbaren Leitfaden vermitteln, an dem die Bürger ihr Verhalten ausrichten. Demgemäß hätten die Handlungsverbote, anders als dies von Art. 103 Abs. 2 GG vorgesehen ist, keine Steuerungsfunktion.325 Die mangelnde Bestimmtheit der zur Bestimmung der Handlungsverbote herangezogenen Gesichtspunkte und die Inadäquität der von Frisch im Rahmen des Realisierungszusammenhangs verwendeten Kriterien führen dazu, dass keine differenzierte Verantwortungszuschreibung mehr möglich ist. Frischs Vorgehen erlaubt de lege lata keine Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im objektiven Tatbestand einer strafrechtlichen Norm.326 Er steckt nur die Grenzen dafür ab, welches Verhalten der Gesetzgeber im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut maximal strafrechtlich verbieten könnte – sei es als Täterschaft oder als Teilnahme. Da Frisch allein darauf abstellt, ob der Gesetzgeber ein Verhalten zulässigerweise verbieten könnte, bleibt die Frage nach dem „wie“ der Strafbarkeit – d.h. als Täter oder als Teilnehmer – unbeantwortet. Dass Teilnahmehandlungen bereits im objektiven Tatbestand von täterschaftlichen Handlungen abgegrenzt werden müssen, entspricht verfassungsrechtlichen Vorgaben wie dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot und dem allgemeinen Gleichheitssatz, die eine differenzierte Verantwortungszuschreibung im Strafrecht gebieten.327 Letzten Endes wären nach Frischs Definition des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“ zum Schutz gewisser Rechtsgüter alle Handlungen verboten, die unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Grenzen verboten sein könnten. Dass dies gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt, ist offensichtlich.328 Wenn tatbestandsmäßig ist, was tatbestandsmäßig sein könnte, dann wäre der Normadressat nicht mehr in der Lage, aus den strafrechtlichen Vorschriften selbst zu ersehen, welches Verhalten zu unterlassen ist. Man müsste stets Rechtsrat einholen, um sicherzustellen, dass eine geplante 324 325 326 327 328
Vgl. nur Frisch, GA 2003, 719 (737 f.). Siehe dazu oben S. 52 ff. So auch Renzikowski, Täterbegriff, S. 121. Siehe dazu oben S. 52 ff. Vgl. Küpper, S. 116.
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Handlung nicht mit den Mitteln des Strafrechts verboten werden könnte. Zudem wäre ein solcher Schluss von den möglichen auf die aktuellen Handlungsverbote verfehlt, da der Gesetzgeber weder gezwungen ist, seine Normsetzungsbefugnis stets vollends zu nutzen, noch bislang alle Möglichkeiten zur Schaffung strafrechtlich sanktionierter Handlungsverbote ausgeschöpft hat. So bestehen etwa keine gesetzlichen Regelungen für die Strafbarkeit der fahrlässigen Teilnahme. Gleichwohl könnte der Gesetzgeber auch solche Handlungen unter Strafe stellen. Dennoch hat Frisch durch seine Arbeit den Blick dafür geschärft, dass es auch bei den reinen Erfolgsdelikten um die Verwirklichung von Handlungsunrecht und nicht nur um die Herbeiführung von Erfolgsunrecht geht. Manche Handlungen können demnach schon unabhängig von ihrem Erfolgsbezug mangels Geeignetheit ihres Verbots für einen effektiven Rechtsgüterschutz keine Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts darstellen. Indem man so schon vor der objektiven Erfolgszurechnung einige Handlungen als mögliche Tathandlungen ausschließt, stellen sich manche „Zurechnungsprobleme“ letztlich nicht mehr als solche dar, sondern werden bereits zuvor bei der Auslegung des Wortlauts des Tatbestandes und des Handlungsverbots einer Strafnorm relevant.329 Frischs Verdienst liegt vor allem darin, das Augenmerk auf die bei den reinen Erfolgsdelikten bislang zu wenig beachtete, von ihm missverständlich als „tatbestandsmäßiges Verhalten“ bezeichnete Kategorie der strafrechtlichen Handlungsverbote und deren verfassungsrechtliche Legitimation gelenkt zu haben. Dabei gilt es vor allem, die dem Strafgesetzgeber gesetzten verfassungsrechtlichen Grenzen wieder ernster zu nehmen und Handlungen, die auf Grund der verfehlten Prämissen der Äquivalenztheorie und des zu weiten und zu unbestimmten Gefahrbegriffs der objektiven Zurechnungslehre vorschnell zu Tathandlungen eines reinen Erfolgsdelikts gemacht werden, trotz ihrer Eigenschaft als notwendige Bedingung für den Erfolg als nicht tatbestandlich anzuerkennen. Dies verdeutlicht, dass es terminologisch nicht ganz richtig ist, Methoden zur Bestimmung der Tathandlung als „allgemeine Zurechnungslehre“ zu bezeichnen, denn erstere dürfen sich nicht nur mit der Zurechnung des Erfolgs beschäftigen, sondern müssen auch die Reichweite der von den Tatbeständen ausgesprochenen Handlungsverbote abstecken. Man sollte, falls man solche Schlagworte überhaupt für notwendig hält, treffender von „allgemeiner Tatbestands- und Zurechnungslehre“ sprechen.
329
In diesem Sinne auch Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 255.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
4. Kritik an den einzelnen Fallgruppen Die Grundformel der Lehre von der objektiven Zurechnung stellt insbesondere wegen ihrer Unbestimmtheit keine taugliche Methode zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte dar.330 Im Folgenden wird analysiert, inwieweit sich diese Bewertung durch Heranziehung von die Grundformel konkretisierenden Fallgruppen ändern kann. a) Schutzzweck der Norm Unter dem Stichwort „Schutzzweck der Norm“ werden in der Literatur sowohl der Schutzzweck der Sorgfaltsnorm als auch der Schutzzweck der Strafnorm behandelt. Beides gilt es zu unterscheiden und getrennt zu behandeln.331 aa) Schutzzweck der Sorgfaltsnorm Die objektive Zurechnung soll mangels Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr entfallen, wenn der eingetretene Erfolg nicht vom Schutzzweck der verletzten Sorgfaltsnorm verhindert werden sollte, d.h. diese nicht dem Schutz des verletzten Rechtsguts zu dienen bestimmt war.332 So entspreche es allein dem Schutzzweck verkehrsrechtlicher Geschwindigkeitsbegrenzungen, Gefahren, die auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sind, am Ort der Begrenzung zu vermeiden. Nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst würden demgegenüber Rechtsgutsverletzungen, die dadurch entstehen, 330
Vgl. dazu oben S. 83 ff. In der Literatur wird keine einheitliche Terminologie verwendet. Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 63 f., stellt unter dem Gesichtspunkt „Schutzzweck der Norm“ auf die strafrechtliche Norm ab und behandelt den Schutzzweck der Sorgfaltsnorm unter dem Stichwort „Risikozusammenhang“, d.h. im Rahmen der Gefahrrealisierung. Roxin, AT 1, § 11, Rn. 75, 90 ff., trennt strikt zwischen dem Schutzzweck der verletzten Sorgfaltsnorm und dem Schutzzweck des Tatbestandes der Strafrechtsnorm: Ersteres behandelt er im Rahmen der Gefahrrealisierung, letzteres in einer eigenen Kategorie „Reichweite des Tatbestandes“, worunter er die Mitwirkung an einer vorsätzlichen Selbstgefährdung, die einverständliche Fremdgefährdung und die Zurechnung des Erfolgs zu einem fremden Verantwortungsbereich fasst. Ähnlich Wolter, Zurechnung, S. 341 ff.; vgl. auch Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (574). Wessels/Beulke, Rn. 182, versteht unter „Schutzzweck der Norm“ den Schutzzweck der Sorgfaltsnorm. 332 So auch Jescheck/Weigend, § 28 IV 3 (S. 288); Kühl, AT, § 4, Rn. 74; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 72 ff., die allerdings den Schutzzweckgedanken der Gefahrrealisierung zuschreiben; Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (565, 574 f.); Lenckner, in: Schönke/ Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 95/96; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 63; Wessels/ Beulke, Rn. 182. 331
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dass ein Kraftfahrer in Folge zu schnellen Fahrens früher als bei Einhalten der zulässigen Geschwindigkeit einen anderen Ort erreicht, wo es ohne weiteres Fehlverhalten des Fahrers zu einem tödlichen Unfall mit einem Fußgänger kommt. Zwar wäre der Unfall sicher vermieden worden, wenn sich der Fahrer zuvor an die zulässige Höchstgeschwindigkeit gehalten hätte – denn dann wäre er später am Unfallort angekommen und hätte dort nicht mehr auf den Fußgänger treffen können. Geschwindigkeitsbegrenzungen bezweckten aber nicht, die Ankunft der Verkehrsteilnehmer an bestimmten Orten zu verzögern,333 sodass der Tod des Fußgängers dem Autofahrer nicht objektiv zuzurechnen sei. Gegen die Lehre vom Schutzzweck der Norm wird eingewandt, sie sei auf Grund ihrer generalklauselartigen Weite eine Leerformel.334 Insbesondere außerhalb spezifischer Sorgfaltsnormen sei der Schutzzweck schwer zu ermitteln, sodass sich jedes von vornherein gewünschte Ergebnis leicht mit dem Schutzzweckargument begründen lasse.335 Diese Kritik verdeutlicht die mit der Normativität bestimmter Tatbestandsmerkmale regelmäßig verbundene rechtliche Unsicherheit. Bei den Sorgfaltspflichten und deren Verletzung handelt es sich um stark normativ geprägte Begriffe. Greift man darauf in der Rechtsanwendung zurück – und das muss man, z. B. bei der Fahrlässigkeit –, dann spricht letztlich nichts gegen eine (ebenso normative) Eindämmung der damit verbundenen Unsicherheiten an Hand der Frage nach dem Schutzzweck der Sorgfaltspflicht. Bedenklicher als das Zurückgreifen auf diese normative Strafbarkeitseinschränkung erscheint vielmehr die Konstruktion von Sorgfaltspflichten außerhalb geschriebener Sorgfaltsnormen. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass Sorgfaltspflichten zur Begründung der Strafbarkeit herangezogen werden und sich daher gemäß Art. 103 Abs. 2 GG am geschriebenen Recht zu orientieren haben. Aber auch im Rahmen geschriebener Sorgfaltsnormen ist es richtig, eine genaue Bestimmung des Inhalts der Sorgfaltspflicht vorzunehmen, indem man deren Sinn eruiert.336 Es widerspräche rechtsstaatlichen Prinzipien wie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Strafnormen unabhängig von ihrem Schutzgut anzuwenden. Trotz ihrer inhaltlichen Berechtigung handelt es sich bei der Fallgruppe des Schutzzwecks der Sorgfaltsnorm nicht um eine Frage der objektiven Zurechnung des Erfolgs. Weber ist der Auffassung, die Lehre vom Schutzzweck der Norm überfrachte den objektiven Tatbestand mit Wertungen, die 333 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (574 f.); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 69; Wessels/ Beulke, Rn. 182; Wolter, Zurechnung, S. 342. 334 Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 96; Küpper, S. 104. 335 Küpper, S. 104. 336 In diesem Sinne auch Küpper, S. 108.
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zur Rechtswidrigkeitsebene gehören.337 So entfalle die Strafbarkeit im obigen Fall des Überfahrens des Fußgängers nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung deshalb, weil der Fahrer den Unfall vor Ort nicht habe verhindern können, d.h. es greife der Rechtfertigungsgrund der Unvermeidbarkeit.338 Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Frage des Schutzzwecks der Sorgfaltsnorm ist vielmehr bereits bei der Sorgfaltspflichtverletzung, d.h. auf Tatbestandsebene zu behandeln. Dadurch wird diese Fallgruppe aber noch nicht automatisch zu einem Bestandteil der objektiven Zurechnung. Das wird deutlich, wenn man auf die Aufgabe der Zurechnung im Rahmen des objektiven Tatbestands rekurriert. Diese soll eine Verknüpfung von Handlung und Erfolg herstellen und auf diese Weise der Bestimmung der Tathandlung dienen. Davon strikt zu trennen ist die rechtliche Bewertung der Tathandlung, d.h. ob diese vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen wurde.339 Man hat im Rahmen des Tatbestandes daher zwischen dem Gegenstand der rechtlichen Bewertung – der Tathandlung – und dem Maßstab der Bewertung bzw. der Bewertung selbst – Vorsatz oder Fahrlässigkeit – zu unterscheiden.340 Die Frage nach dem Schutzzweck der Sorgfaltsnorm ist nicht Teil der dem Gegenstand der Bewertung zuzuordnenden objektiven Zurechnung, sondern gehört zur Bewertung selbst. Es handelt sich dabei um ein spezifisches Fahrlässigkeitsproblem, das sich aus dem Wesen und dem Wortlaut der fahrlässigen reinen Erfolgsdelikte ergibt.341 Im Rahmen der Vorsatzdelikte gibt es für den Schutzzweck der Sorgfaltsnorm keinen korrespondierenden Anwendungsbereich, geht es doch dort nicht um die Verletzung von Sorgfaltsnormen und deren Reichweite, sondern um eine bewusste und ge337
Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 89. Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 90. 339 So insbesondere Maiwald, JuS 1984, 439 (442, Fn. 23 f.); ders., FS Miyazawa, S. 470 ff.; vgl. auch Küpper, S. 116, der zutreffend darauf hinweist, dass einer strafrechtlichen Wertung immer stets die davon zu trennende Bestimmung des Substrats der Wertung voran zu gehen hat; so vormals auch Roxin, GS Armin Kaufmann, S. 239: „Eine davon unabhängige Frage ist es dann, ob die Tatbestandshandlung fahrlässig oder vorsätzlich ist“; nunmehr a. A. Roxin, AT 1, § 11, Rn. 44, wonach objektive Zurechnung gleichbedeutend sei mit fahrlässiger Erfolgsherbeiführung. Neben der objektiven Zurechnung sei daher keine gesonderte Sorgfaltspflichtverletzung mehr zu prüfen. Dies spreche nicht gegen eine Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung auch bei Vorsatzdelikten, da in jedem Vorsatzdelikt auch ein Fahrlässigkeitsdelikt stecke. Zur Unterscheidung von Sorgfaltspflichtverletzung und Tathandlung vgl. aber Hruschka, JZ 1997, 22 (25 ff.). 340 Maiwald, JuS 1984, 439 (442, Fn. 23 f.); ders., FS Miyazawa, S. 470 ff.; vgl. auch Hruschka, JZ 1997, 22 (25 ff.), der von „Gegenstand der Zurechnung“ und „Grund der Zurechnung“ spricht, damit aber dasselbe meint. 341 Hirsch, FS Köln, S. 406; ders., FS Lenckner, S. 128; Küpper, S. 106 ff.; Maiwald, FS Miyazawa, S. 470. 338
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wollte Tatbegehung. Daraus wird ersichtlich, dass es keine strukturellen Verschiedenheiten bei der Bestimmung der Tathandlung von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten gibt,342 denn Tathandlung kann in beiden Fällen nur eine zulässigerweise verbotene und demnach mit dem Erfolg in hinreichend engem Bezug stehende Handlung sein.343 Die Reichweite von Sorgfaltsnormen sowie die Beziehung zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und Erfolg – die bei Fahrlässigkeitsdelikten zusätzlich für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes erforderlich ist344 – sind davon, ebenso wie der Vorsatz bei Vorsatzdelikten, getrennt zu behandeln. Dies verdeutlicht wiederum, dass die Sorgfaltspflichtverletzung bei Fahrlässigkeitstaten ein Surrogat für den fehlenden Vorsatz darstellt.345 Für die Bestimmung der Tathandlung bedeutet das, dass hierfür nur Kriterien herangezogen werden können, die gleichermaßen bei beiden Deliktsarten Anwendung finden. Unterschiede bestehen nur beim Maßstab der strafrechtlichen Bewertung der Tathandlung. Die Fallgruppe des Schutzzwecks der Norm zeigt damit exemplarisch, dass es durch die Lehre von der objektiven Zurechnung zu einer dogmatisch verfehlten Vermischung von Tathandlungsbestimmung und Fahrlässigkeitskriterien kommt.346 Übertragen auf den obigen Fall der Geschwindigkeitsüberschreitung ergibt sich folgendes Bild: Der Autofahrer hat durch das Überfahren des Fußgängers die Tathandlung eines Tötungsdelikts begangen. Der Tod des Fußgängers war objektiv das „Werk“ des Autofahrers. Damit ist aber noch nichts über die rechtliche Bewertung dieser Tathandlung gesagt, d.h. darüber, ob der Autofahrer vorsätzlich oder fahrlässig handelte. Hier kann dem Autofahrer weder eine vorsätzliche noch eine fahrlässige Tatbegehung angelastet werden. Letzteres deshalb nicht, weil Zweck der Geschwindigkeitsbegrenzung nur die Vermeidung von Gefahren durch überhöhte Geschwindigkeit am Ort der Begrenzung ist. Dort kam es aber nicht zu dem tödlichen Unfall. Da dem Fahrer am Unfallort selbst kein Fehlverhalten 342 Baumann/Weber/Mitsch, § 13, Rn. 78; Hettinger, GA 1989, 1 (15 f.); Horn, StV 1997, 264; Lackner/Kühl, § 222, Rn. 2; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 44, § 24, Rn. 10 ff., der allerdings die Bestimmung der Tathandlung mit Fahrlässigkeitskriterien vermischt; Spendel, in: LK, § 323a, Rn. 35; ders., JR 1997, 13 (135); Stühler, S. 118 f. 343 Ob allerdings die objektiven Tatbestände von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten unabhängig von ihrer übereinstimmenden Tathandlungsstruktur inhaltlich unterschiedlich weite Handlungsverbote haben können (man denke wiederum an §§ 212 und 222), ist eine ganz andere Frage, die an dieser Stelle noch nicht beantwortet zu werden braucht. Vgl. dazu unten S. 137 ff. 344 § 222 spricht davon, dass der Tod durch Fahrlässigkeit verursacht sein muss. 345 Hruschka, JZ 1997, 22 (25); ders., Strafrecht, S. 187 ff., 325 ff. 346 Hirsch, FS Lenckner, S. 125; Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 258; Küpper, S. 96 ff.; Maiwald, FS Miyazawa, S. 469 f.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
vorgeworfen werden kann, kann seine Tötungshandlung nicht als fahrlässig angesehen werden. Der Autofahrer hat den Fußgänger getötet, aber nicht durch Fahrlässigkeit. Die Fallgruppe des Schutzzwecks der Sorgfaltsnorm ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil zur Bestimmung der Fahrlässigkeit des Täterverhaltens. Mit der objektiven Zurechnung des Erfolgs und der Bestimmung der Tathandlung hat sie indes weder bei Vorsatz- noch bei Fahrlässigkeitsdelikten etwas zu tun. bb) Schutzzweck der Strafnorm Auch der Schutzzweck der Strafnorm soll im Rahmen der objektiven Zurechnung Beachtung finden.347 So soll der Tod eines durch einen mit Tötungsvorsatz abgegebenen Schuss Verletzten, der auf dem Weg ins Krankenhaus bei einem Verkehrsunfall stirbt, nicht vom Schutzzweck des § 212 erfasst sein. Diese Norm wolle nicht vor den allgemeinen Gefahren des Straßenverkehrs bei der Rettung durch Tötungsversuche Verletzter schützen.348 Es ist im Ergebnis zutreffend, dass derjenige, der den Schuss abgefeuert hat, keine vollendete Tathandlung eines Tötungsdelikts begangen hat, wenn das Opfer an den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen stirbt und nicht auf Grund der unfallbedingten Verzögerung der Einlieferung ins Krankenhaus an den Schussverletzungen. Eine auf den Schutzzweck der Strafnorm abstellende Begründung ist hingegen nicht überzeugend, denn sie verdunkelt die für die Bestimmung der Tathandlung relevanten Fragestellungen mehr, als sie tragfähige Antworten dafür findet. Bei der Debatte über den Schutzzweck der Strafnormen geht es um nichts anderes als die Auslegung der Reichweite der tatbestandlichen Handlungsverbote und dabei insbesondere um die Frage nach dem für das Erforderlichkeitskriterium des Verhältnismäßigkeitsprinzips hinreichenden Erfolgsbezug einer Handlung.349 Die Lehre vom Schutzzweck der Strafnorm beantwortet jedoch nicht, wie diese Beziehung zwischen Handlung und Erfolg bestimmt werden soll, sondern operiert vor allem mit bildhaften Beispielsfällen wie dem obigen. Ein alleiniger Rekurs auf den einer Norm immanenten Schutzzweck enthält keine über den Einzelfall hinausgehende abstrakte Aussage darüber, wie genau der den Handlungsverboten der reinen Erfolgsdelikte zu Grunde gelegte hinreichende Zusammenhang 347 Beulke/Schröder, NStZ 1991, 393 (393); Jescheck/Weigend, § 28 IV 3 (S. 288); Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 64; vgl. auch Roxin, AT 1, § 11, Rn. 90 ff. 348 Beispiel bei Jescheck/Weigend, § 28 IV 3 (S. 288); vgl. BGHSt 1, 332 (334). 349 So auch Roxin, AT 1, § 11, Rn. 90, der dies allerdings unter den Begriff „objektive Zurechnung“ fasst. Vgl. auch Freund, AT, § 2, Fn. 12. Zum Erforderlichkeitskriterium siehe bereits oben S. 92 unter „Fallgruppe 2“.
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zwischen Handlung und Erfolg aussehen soll. Sich hierbei schlicht auf einen von Fall zu Fall unterschiedlich auslegbaren, allein an Hand normativer Kriterien zu ermittelnden Schutzzweck zu beziehen, lässt sich nicht mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbaren. Ein solches Vorgehen würde es, wie Küpper zu Recht kritisiert, ohne Schwierigkeiten ermöglichen, jedes von vornherein gewünschte Ergebnis mit dem Schutzzweckgedanken zu begründen.350 Es soll hier nicht in Abrede gestellt werden, dass die Frage nach dem Sinn und Zweck einer Strafnorm bei der Ermittlung der Reichweite ihres Handlungsverbots von Bedeutung ist. Die Antwort daraus darf jedoch nicht – wie von der Lehre des Schutzzwecks der Strafnorm ermöglicht – willkürlich ausfallen, sondern muss an Hand bestimmter rechtlicher Kriterien über den Einzelfall hinaus gegeben werden. Dazu gehört die abstrakte Bestimmung der Enge oder Weite des erforderlichen Zusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg bei den reinen Erfolgsdelikten. Die Lehre vom Schutzzweck der Strafnorm bietet nicht das dafür erforderliche Instrumentarium. Wenn nun im Beispielsfall das Opfer nicht an den Schussverletzungen stirbt, sondern an den bei dem Verkehrsunfall im Krankenwagen erlittenen Verletzungen, so liegt der Ausschluss der Vollendungsstrafbarkeit desjenigen, der den Schuss abgefeuert hat nicht daran, dass das Handlungsverbot des § 212 nicht vor den von seiner Handlung (dem Schießen) ausgehenden Gefahren schützen wollte. Vielmehr wird er deshalb nicht wegen eines vorsätzlichen Totschlags bestraft, weil sich die dem Schuss immanente Tötungseignung nicht spezifisch im Tod des Opfers verwirklichen konnte, da eine andere Ursache (der Unfall) den Tod schon zuvor unmittelbar herbeigeführt hatte. Demnach fehlt hier – anders als bei der Fallgruppe des Schutzzwecks der Sorgfaltsnorm – ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen Schießen und Erfolg. Dabei machen die oben verwendeten – alltagssprachlich gebräuchlichen – Begriffe „an den Schussverletzungen gestorben“ bzw. „an den bei dem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen gestorben“ deutlich, dass der vom Verhältnismäßigkeitsprinzip geforderte, hinreichend enge Erfolgsbezug nicht bloß eine normative, sondern in erster Linie eine faktische, d.h. tatsächliche und damit dem Beweis zugängliche Verknüpfung von Handlung und Erfolg darstellt, die dazu dient, die für den Erfolgseintritt entscheidende Handlung zu bestimmen.
350
Küpper, S. 104.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
b) Weit vom Erfolg entfernt liegende Bedingungen, allgemeines Lebensrisiko, erlaubtes Risiko und unbeherrschbare Kausalverläufe Keine Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr soll auch bei vom Erfolg weit entfernt liegenden Bedingungen und unbeherrschbaren Kausalverläufen vorliegen, da hier auf Grund der Geringfügigkeit der Gefährdung regelmäßig das allgemeine Lebensrisiko nicht überstiegen werde bzw. trotz Signifikanz der Gefährdung der Rahmen des erlaubten Risikos nicht verlassen werde.351 Eine strafrechtlich irrelevante, vom Erfolg weit entfernte Bedingung liege beispielsweise bei der Zeugung des späteren Mörders vor.352 Ein Fall des die objektive Zurechnung ausschließenden unbeherrschbaren Kausalverlaufs wird angenommen, wenn jemand einen Anderen in der Hoffnung, dieser werde vom Blitz erschlagen, in den Wald schickt, was dann auch geschieht.353 Eng damit verwandt ist der Ausschluss der objektiven Erfolgszurechnung unter dem Gesichtspunkt des erlaubten Risikos bzw. der sozialen Adäquanz. Ein erlaubtes Risiko sollen regelmäßig solche Handlungen darstellen, die trotz der von ihnen ausgehenden Gefahren einen sozialen Nutzen haben. Dazu gehöre insbesondere die Teilnahme am Straßenverkehr unter Einhaltung der dort geltenden Regeln.354 So soll das Überfahren eines Menschen keine tatbestandsmäßige Tötungshandlung sein, wenn der Autofahrer dabei keine Verkehrsregeln verletzt hat, denn dann habe er kein verbotenes, sondern ein erlaubtes Risiko geschaffen.355 Die im Rahmen des erlaubten Risikos behandelten Probleme sind keine solchen der objektiven Erfolgszurechnung. Es geht hier nicht um die Verknüpfung von Handlung und Erfolg zur Bestimmung der Tathandlung. Der Tatbestand der fahrlässigen Tötung ist allein deshalb nicht erfüllt, weil der Autofahrer auf Grund der Einhaltung der Verkehrsregeln nicht sorgfaltswidrig und damit nicht fahrlässig handelte.356 Der Autofahrer hat den Tod des Fußgängers verursacht, aber eben nicht „durch Fahrlässigkeit“, wie § 222 351 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (569); Jescheck/Weigend, § 28 IV 1 (S. 287); Kühl, AT, § 4, Rn. 46 ff.; Otto, Jura 1992, 90 (97); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 49 ff., 59 ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 93; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 62 m. w. N.; Wessels/Beulke, Rn. 183. 352 Wessels/Beulke, Rn. 183; vgl. auch Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (569); Kühl, AT, § 4, Rn. 46. 353 Beispiel bei Jescheck/Weigend, § 28 IV 1 (S. 287); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 39; ders., GS Armin Kaufmann, S. 238; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 62; Welzel, S. 66; Wessels/Beulke, Rn. 183. 354 Kühl, AT, § 4, Rn. 48; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 60; Wessels/Beulke, Rn. 184. 355 Roxin, AT 1, § 11, Rn. 60. 356 Vgl. Maiwald, JuS 1984, 439 (442); a. A. Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 80 ff.: Es greife der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens.
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dies fordert. Es gilt hier wieder, zwischen dem Gegenstand der Bewertung – der Tathandlung – und dem Maßstab der Bewertung zu unterscheiden. Die Einhaltung der Sorgfaltsregeln und die damit verbundene Schaffung eines erlaubten Risikos gehört zur Frage der Bewertung der Tathandlung als fahrlässig, ist aber für die vorgelagerte Bestimmung der Tathandlung nicht relevant.357 Der Befund, dass der Täter weder vorsätzlich noch fahrlässig handelte, vermag deshalb nichts daran zu ändern, dass ein bestimmter Erfolg das „Werk“ des Täters ist und diesem im Rahmen des objektiven Tatbestands zugerechnet werden kann.358 Die Fallgruppen der weit vom Erfolg entfernt liegenden Bedingung und des allgemeinen Lebensrisikos betreffen demgegenüber den Erfolgsbezug einer Handlung. Dennoch vermag die von der objektiven Zurechnungslehre angebotene Lösung nicht zu überzeugen. Im Ergebnis ist es natürlich zutreffend, dass die Zeugung eines späteren Totschlägers trotz äquivalenter Kausalität für den Tod des späteren Opfers keine Tathandlung i. S. d. § 212 darstellt. Es ist auch richtig, dass zwischen dem Tod des Opfers und der Zeugung des Täters ein zu loser Zusammenhang besteht, der es mangels Erforderlichkeit im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips verwehrt, die Zeugung des Täters als vom Handlungsverbot des § 212 erfasst anzusehen.359 Jedoch geben die Vertreter der Lehre von der objektiven Zurechnung nur ein Beispiel dafür, wann eine notwendige Bedingung zu weit vom Erfolg entfernt liegt, mithin dafür, wann kein hinreichender tatsächlicher Erfolgsbezug einer Handlung vorliegt. Das lässt jedoch die für eine allgemeine Tatbestands- und Zurechnungslehre maßgebliche Frage unbeantwortet, wann und unter welchen genauen Voraussetzungen ein solcher für die Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte hinreichender Erfolgszusammenhang vorliegt. Durch ein allein an Beispielsfällen ausgerichtetes Vorgehen, das sich noch dazu darauf beschränkt, gewisse Konstellationen als hinreichenden Erfolgsbezug auszuschließen, kann man die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte nicht im Einklang mit dem Bestimmtheitsgrundsatz ermitteln.360 Die Vertreter der objektiven Zurechnung erhellen nicht in abstrakt-genereller Art und Weise, wie weit man bei der Bestimmung der Tathandlung zurückgehen darf, ohne mit dem Erforderlichkeitskriterium des Verhältnismäßigkeitsprinzips in Konflikt zu geraten, d.h. ab 357
Maiwald, JuS 1984, 439 (442, Fn. 22); ders., FS Miyazawa, S. 470 ff. Maiwald, JuS 1984, 439 (442); ders., FS Miyazawa, S. 470. 359 Vgl. dazu bereits oben. S. 58 ff. und 92 ff.; ähnlich Armin Kaufmann, FS Jescheck, S. 254 f., 265, der bei Handlungen, die das Leben verlängern, ebenfalls nicht auf die objektive Erfolgszurechnung zurückgreift, sondern die Nichterfüllung des Tatbestands damit begründet, dass schon kein „tatbestandsmäßiger Erfolg“ eingetreten sei. 360 Frisch, GA 2003, 719 (737). 358
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wann das Verbot einer Handlung im Hinblick auf seine Nähe zum Erfolg erforderlich ist.361 Auch im Gewitter-Fall wird argumentiert, dass keine unter § 212 fallende Tathandlung vorliege, denn der Tod des Opfers stelle sich unter Berücksichtigung des unbeherrschbaren Kausalverlaufs als Zufall dar, da die von den Blitzen entfalteten Naturkräfte unbeherrschbar seien.362 Zunächst sollte der Gewitter-Fall, wie von Schünemann vorgeschlagen,363 abgewandelt werden, denn das Überreden eines eigenverantwortlichen Menschen, bei Gewitter einen Waldspaziergang zu unternehmen, stellt lediglich eine straflose Anstiftung zu einer tatbestandslosen Selbstgefährdung dar.364 In dem abgewandelten Gewitter-Fall fesselt der Täter sein Opfer bei herannahendem Gewitter auf einer Bergkuppe und setzt es schutzlos den Blitzen aus, wobei das Opfer dann wie vom Täter gewünscht durch einen Blitzschlag getötet wird. Es stellt sich die Frage, weshalb hier der Erfolg dem Täter nicht zugerechnet werden sollte, denn schließlich ist es im Anschluss an das Verhalten des Täters genau zu der Rechtsgutsverletzung gekommen, die er geplant hatte.365 Die mangelnde Beherrschbarkeit des zum Tod des Opfers führenden Geschehens erscheint angesichts der im konkreten Fall tatsächlich realisierten Erfolgsgeeignetheit des Verhaltens des Täters nicht als überzeugendes Argument gegen eine Zurechnung des Erfolgs. Dass sich der vom Täter verfolgte Plan im Regelfall nicht verwirklichen ließe, ändert nichts daran, dass er sich im konkreten Fall gerade doch verwirklicht hat. Zudem ist es nichts Ungewöhnliches, jemandem, der sich zur Herbeifüh361
Vgl. zum Erforderlichkeitskriterium bereits oben S. 92 unter „Fallgruppe 2“. Wessels/Beulke, Rn. 183; ähnlich Küpper, S. 93, der hier allerdings die Tatherrschaft verneint, da niemand durch Blitze töten könne. Auch Hirsch, FS Lenckner, S. 122 ff., 131 ff., lehnt unter Aufgabe seiner früheren Auffassung (FS Köln, S. 405: Vorsatzproblem) hier nunmehr bereits den objektiven Tatbestand eines Tötungsdelikts ab. Dies begründet er damit, dass es an einer objektiven Tötungshandlung fehle, wobei er die Betonung aus finalistischer Sicht auf den Handlungsbegriff legt. Nicht jede äquivalent kausale Bedingung reiche zur Tatbestandserfüllung bei reinen Erfolgsdelikten aus. Erst solche Handlungen, die nach Versuchsbeginn vorgenommen würden, stellten eine Tathandlung dar. Der Versuchsbeginn sei an Hand des unmittelbaren Ansetzens zu bestimmen. Danach wäre das In-den-Wald-schicken mangels Beherrschbarkeit kein unmittelbares Ansetzen zu einer Tötungshandlung, denn ist der Erfolg dem Zufall überlassen, liege keine auf eine Erfolgsherbeiführung gerichtete Handlung vor (S. 135). Hirschs Begründung vermag nicht zu überzeugen, denn die Tathandlung eines vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikts kann nicht über die „Grenze des Versuchsbeginns“ bestimmt werden. Für die Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens muss zunächst die Tathandlung des vollendeten Delikts bekannt sein. Vgl. dazu bereits eingehend oben. S. 41 ff. 363 Schünemann, GA 1999, 207 (220). 364 Vgl. zu diesem Themenkomplex sogleich unten S. 108 ff. 365 Ähnlich Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 70 f. 362
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rung eines Erfolgs unbeherrschbare Naturkräfte zu Nutze macht, den daraus resultierenden Erfolg zuzurechnen und dessen Handlung damit als Tathandlung zu bezeichnen. Man denke hier an einen Täter, der sein Opfer einem Löwen zum Fraß vorwirft. Auch hier wird ex ante nicht feststehen, ob der Löwe das Opfer tatsächlich fressen wird. Obwohl der Löwe die Mahlzeit wohl im Regelfall nicht verschmähen wird, besteht doch die Möglichkeit, dass dies im Einzelfall anders sein mag, weil der Löwe gerade satt ist. Freilich besteht zwischen beiden Beispielen der Unterschied, dass die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs im Gewitter-Fall geringer ist als im Löwen-Fall. Das rechtfertigt jedoch keine unterschiedliche Behandlung, wenn feststeht, dass der Erfolg genau wie geplant eingetreten ist – auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür aus ex ante-Perspektive gering war. Von einer „Zufallshaftung“ kann dennoch keine Rede sein. Unabhängig davon, dass man im Gewitter-Fall wohl kaum von „Zufall“ sprechen kann, da mit gewisser Regelmäßigkeit Menschen im Gebirge vom Blitz erschlagen werden, wird die strafrechtliche Haftung des Handelnden hinreichend auf Vorsatz- bzw. Fahrlässigkeitsebene begrenzt. Bei den meisten unbeherrschbaren Erfolgseintritten wird der Täter ohnehin unvorsätzlich gehandelt haben. Handelte der Täter jedoch vorsätzlich, so hat er genau das erreicht, was er wollte und es besteht kein Anlass, ihn nicht wegen Totschlags zu bestrafen. Wollte der Täter nicht den Tod des Opfers herbeiführen, sondern setzte er dieses bei herannahendem Gewitter nur deshalb gefesselt auf einer Bergkuppe aus, um ihm Angst einzujagen, so kann dem Täter Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, wenn das Opfer durch einen Blitzschlag getötet wird. Gegen eine Haftungsbegrenzung im objektiven Tatbestand spricht auch die Wertung des Gesetzes, den untauglichen Versuch grundsätzlich unter Strafe zu stellen. Wenn nun beim untauglichen Versuch sogar ein Verhalten strafbar ist, das objektiv nicht zur Erfolgsherbeiführung geeignet ist und deshalb den geplanten Erfolg nicht herbeiführte, so muss erst recht eine Handlung strafbar sein, deren Erfolgsgeeignetheit aus ex ante Sicht zwar gegen null tendierte, im konkreten Fall aber dennoch den Erfolg herbeiführte. Es wäre paradox, das ungefährliche, den Erfolg nicht herbeiführende Verhalten unter Strafe zu stellen und gleichzeitig das Gefahr verwirklichende Verhalten von der (Vollendungs-)Strafbarkeit auszunehmen. Die Herbeiführung des Erfolgs durch unbeherrschbare Kausalverläufe bedarf daher keiner Einschränkung der Strafbarkeit im Rahmen der objektiven Erfolgszurechnung, sondern findet ihre Lösung auf der Ebene des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit.
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c) Prinzip der Eigenverantwortlichkeit Ein weiteres Fragment der Lehre von der objektiven Zurechnung stellt das so genannte Prinzip der Eigenverantwortlichkeit dar, welches auch Verantwortungsprinzip genannt wird. Danach soll jeder nur für eigenes Verhalten und nicht für das Verhalten Anderer verantwortlich sein, soweit das Gesetz die Verantwortung nicht ausdehnt.366 Herangezogen wird dieses Prinzip bei der Beteiligung an einer frei verantwortlichen Selbstschädigung oder Selbstgefährdung und im Rahmen einer einverständlichen Fremdgefährdung, wenn die Selbst- oder Fremdgefährdung in eine ungewollte Rechtsgutsverletzung umschlägt. Es geht dabei darum, Verantwortungsbereiche abzugrenzen und zu klären, wessen „Werk“ der Erfolgseintritt ist.367 Demnach soll die Beteiligung an einer frei verantwortlichen Selbstschädigung oder Selbstgefährdung keine objektive Zurechnung des Erfolgs nach sich ziehen, wenn sich der Beitrag als bloße Teilnahmehandlung darstellt.368 Der Schutzzweck der Strafnormen ende dort, wo der freie Verantwortungsbereich des Betroffenen beginne, denn der Schutz der Rechtsgüter sei gegenüber ihrem Träger weder möglich noch sinnvoll, sodass die strafgesetzlichen Vorschriften nicht die Aufgabe haben könnten, Selbstschädigungen oder Selbstgefährdungen des Opfers zu vermeiden.369 Diesen Erwägungen folgend könne dem an einer Selbstverletzung oder -gefährdung beteiligten Dritten der eingetretene Erfolg trotz äquivalenter Kausalität seines Beitrags nicht objektiv zugerechnet werden. Im Folgenden soll zunächst die Beteiligung an einer frei verantwortlichen Selbstschädigung oder Selbstgefährdung untersucht werden [unten aa)], danach wird sich der Problematik der einverständlichen Fremdgefährdung zugewandt [unten bb)].
366 Vgl. dazu Geppert, Jura 2001, 490 (491 ff.); Jescheck/Weigend, § 28 IV 4 (S. 288); Kühl, AT, § 4, Rn. 72, 83 ff.; Lenckner, FS Engisch, S. 506; ders., in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 92a, 101/101a; Lenckner/Perron, in: Schönke/ Schröder, vor §§ 32 ff., Rn. 102, 107 ff.; Neumann, JA 1987, 244 (248 ff.); Otto, FS Spendel, S. 276; ders., FS E.A. Wolff, S. 401; Renzikowski, Täterbegriff, S. 68 ff., 74 ff.; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 72; Welp, S. 274 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 185 ff.; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 90 ff., der diese Thematik unter dem Stichpunkt „Reichweite des Tatbestandes“ behandelt. 367 Kühl, AT, § 4, Rn. 83; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 92a. 368 Otto, FS Spendel, S. 276; Wessels/Beulke, Rn. 186. 369 Schünemann, GA 1999, 207 (222); Wessels/Beulke, Rn. 186; unter dem Stichwort „Reichweite des Tatbestandes“ auch auf den Schutzzweck der Strafnorm abstellend Roxin, AT 1, § 11, Rn. 90 ff.
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aa) Beteiligung an einer frei verantwortlichen Selbstschädigung oder Selbstgefährdung Praktische Relevanz erlangt das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit beispielsweise bei der Frage, ob sich der mit dolus eventualis handelnde Dealer eines Drogenkonsumenten, der sich durch Selbstinjektion von Rauschgift getötet hat, als Täter eines Tötungsdelikts zu verantworten hat.370 Nach der Lehre von der objektiven Zurechnung soll der Verantwortungsbereich des Dealers ausnahmsweise dann betroffen sein, wenn dieser hinsichtlich der von ihm verabreichten Mittel über ein dem Konsumenten überlegenes Wissen verfüge und daher die in eine Selbstschädigung umschlagende Selbstgefährdung des Opfers nicht mehr als frei verantwortlich gelten könne. Dann soll der Tod des Opfers der Handlung des Dealers objektiv zugerechnet werden können371 und der Dealer demnach eine Tötungshandlung begangen haben. Ansonsten liege eine frei verantwortliche Selbstschädigung des Opfers vor, die eine Zurechnung des Erfolgs zu der Handlung des Dealers ausschließe.372 Ein weiteres in diesem Zusammenhang oft genanntes Beispiel ist, dass sich ein von einem Anderen durch einen Messerstich verletztes Opfer im Krankenhaus der rettenden Operation widersetzt und daran stirbt.373 Auch hier soll die objektive Zurechnung des Erfolgs wegen der Eigenverantwortlichkeit des Opfers ausgeschlossen sein. Im Ausgangspunkt kann dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit nicht widersprochen werden. Dessen Kernaussage, dass bei Beteiligung an einer frei verantwortlichen Selbstgefährdung der Erfolg nicht objektiv zugerechnet werden könne, wenn sich der Beitrag als bloße Teilnahmehandlung darstellt, bestätigt den dem StGB zu Grunde liegenden restriktiven Täterbegriff,374 der besagt, dass der Teilnehmer nicht Täter ist.375 Auch die zweite Maxime des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit ist zutreffend: Nur derjenige kann als Täter bestraft werden, der für den Eintritt des Erfolgs verantwortlich ist. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit steht demnach im Einklang mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Erfordernis ei370 Beispiel bei Roxin, AT 1, § 11, Rn. 94 und Wessels/Beulke, Rn. 186. Vgl. auch BGHSt 32, 262. 371 Roxin, AT 1, § 11, Rn. 97; Hellmann, FS Roxin, S. 283; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 79; Wessels/Beulke, Rn. 187. 372 Beulke/Schröder, NStZ 1991, 393 (393) m. w. N. 373 Jescheck/Weigend, § 28 IV 4 (S. 288); Otto, FS E.A. Wolff, S. 398; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 102; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 72a; Wessels/Beulke, Rn. 187; a. A. BGH NStZ 1994, 394 (394). 374 Vgl. Renzikowski, JR 2001, 248 (249). Zur verfassungsrechtlichen Gebotenheit des restriktiven Täterbegriffs im Strafrecht siehe bereits eingehend oben S. 52 ff. 375 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (593).
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ner differenzierten Verantwortungszuschreibung, welche bereits im objektiven Tatbestand zwischen den verschiedenen Beteiligungsformen unterscheidet.376 Die Verantwortung für den Erfolg ist der Leitfaden für den Gesetzgeber bei der Unrechtsbeschreibung. Dem ist der Gesetzgeber im StGB auch gefolgt, wie sich einerseits aus dem Wortlaut der Tatbestände des Besonderen Teils und andererseits aus dem differenzierten Beteiligungssystem der §§ 25 ff. ergibt.377 Dennoch kann die Lehre von der objektiven Zurechnung allein durch den Rückgriff auf das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit und die Zuweisung von Verantwortungsbereichen nicht zutreffend beantworten, wie die Tathandlung der unmittelbaren Täterschaft bei den reinen Erfolgsdelikten zu bestimmen ist und wie Täterschaft und Teilnahme nach Maßgabe des StGB voneinander abzugrenzen sind. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit zeigt zwar in groben Zügen gesetzgeberische Wertungen auf, die im Rahmen des Beteiligungssystems des StGB eine Rolle spielen, bestimmt aber die Tathandlung nicht genau. Mit anderen Worten: Das „Wie“ der vom StGB vorgenommenen differenzierten Verantwortungszuschreibung wird nicht zutreffend wiedergegeben. Obwohl regelmäßig Erfolgsverantwortung und Begehung der Tathandlung korrespondieren, ist es keinesfalls so, dass derjenige, der für den Eintritt eines Erfolgs verantwortlich ist, stets notwendigerweise auch die Tathandlung im Sinne von unmittelbarer Täterschaft begangen hat. Umgekehrt muss auch derjenige, der die Tathandlung begangen hat, nicht zwingend für den Erfolg verantwortlich sein. Eine sich nur am Verantwortungsprinzip ausrichtende Bestimmung der Tathandlung, d.h. eine Begründung der Strafbarkeit allein an Hand des Verantwortungsprinzips, ist weder mit dem Wortlaut der Tatbestände des Besonderen Teils, noch mit der Struktur des Beteiligungssystems des StGB in Einklang zu bringen. „Töten“ i. S. d. § 212 kann schon nach dem maßgeblichen Alltagssprachgebrauch nicht als „eine notwendige Bedingung für den Tod setzen und für den Tod (haupt-)verantwortlich sein“ verstanden werden.378 Dies würde gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. „Töten“ bedeutet „jemandem das Leben nehmen“ oder „den Tod verursachen“ (wobei verursachen nicht als notwendig bedingen i. S. d. Äquivalenztheorie missverstanden werden darf). Die Tötungshandlung selbst muss das Leben verkürzen.379 „Töten“ enthält neben einer Verantwortungszuschreibung auch eine Beschreibung des Vorgangs der Beendigung des Le376 Zum Erfordernis einer differenzierten Verantwortungszuschreibung vgl. oben S. 52 ff. 377 Vgl. dazu bereits oben S. 66 ff. 378 In diesem Sinne aber Otto, FS Lampe, S. 497. 379 Vgl. zu alldem bereits oben S. 68 ff.
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bens eines Anderen. Bei Zugrundelegung des Alltagssprachgebrauchs wird ersichtlich, dass für ein „töten“ ein spezifischer, enger tatsächlicher Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg bestehen muss. Auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip erfordert einen engen, faktischen Erfolgsbezug der Handlung.380 Diesen Zusammenhang zu beschreiben, gelingt der Lehre von der objektiven Zurechnung nicht, denn sie hält mit der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen nur ein normatives Instrumentarium zur Bestimmung der Tathandlung bereit. Dabei übersieht sie die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Wortlaut der Tatbestände ergebende Bedeutung der tatsächlichen Komponente des Zusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg. Dieses tatsächliche Element kann nicht lediglich durch einen Rückgriff auf die Äquivalenztheorie beschrieben werden.381 Gegen die alleinige Heranziehung des Verantwortungsprinzips zur Bestimmung der Tathandlung spricht zudem, dass eine solche Vorgehensweise bei nur einem Handelnden versagt. Hat eine Person in Bezug auf den Erfolg mehrfach gehandelt, kann es nicht um die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme oder die Zuweisung von Verantwortungsbereichen zu verschiedenen Beteiligten gehen, denn es steht bereits fest, wer für den Erfolg verantwortlich ist. Unbeantwortet bleibt hingegen, mit welcher Handlung der Verantwortliche den Tatbestand erfüllt hat. Das ist jedoch die entscheidende Frage, die eine allgemeine Tatbestands- und Zurechnungslehre beantworten muss, denn das Gesetz bestraft immer nur bestimmte Handlungen im Hinblick auf ihren Erfolgsbezug. Die Kenntnis der genauen Tathandlung ist darüber hinaus bei einem eventuellen Schuldausschluss wegen des in § 20 niedergelegten Koinzidenzprinzips, welches das Vorliegen von Schuld im Zeitpunkt der Tathandlung verlangt, von entscheidender Bedeutung.382 Da das Prinzip der Eigenverantwortung allein nicht erhellen kann, welche von mehreren Handlungen einer Person die Tathandlung darstellt, ist es als Methode zur Bestimmung der Tathandlung ungeeignet. Die Unzulänglichkeiten des Prinzips der Eigenverantwortung für die Tathandlungsbestimmung sollen am obigen Heroin-Fall383 verdeutlicht werden. Dabei kommt eine Strafbarkeit des Dealers wegen unmittelbarer täter380
Vgl. dazu oben S. 58 ff. und 92 ff. Vgl. dazu eingehend oben S. 52 ff. 382 Zum Koinzidenzprinzip vgl. Hirsch, FS Lüderssen, S. 262 ff. m. w. N.; Armin Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. 166; Krümpelmann, ZStW 88 (1976), 6 (13); ders., ZStW 99 (1987), 191 (213 f., 221 ff.); Horn, GA 1969, 289 (293); Hruschka, Strafrecht, S. 4 ff., 341 ff.; Neumann, ZStW 99 (1987), 567 (574 ff.); Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 2; Rönnau, JA 1997, 599 (604); kritisch Jerouschek, JuS 1997, 385 (388 f.); ders., FS Hirsch, S. 257 f.; Jerouschek/Kölbel, JuS 2001, 417 (417 ff.). 383 Vgl. oben S. 109. 381
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schaftlicher Begehung eines Tötungsdelikts nicht in Betracht. Dies lässt sich jedoch nicht primär auf das normative Kriterium der fehlenden Verantwortlichkeit des Verkäufers der Drogen stützen. Der Dealer hat durch den Verkauf der Drogen trotz des Todes des Opfers nicht gegen das Handlungsverbot des § 212 verstoßen. Der Grund dafür liegt im Fehlen eines hinreichend engen tatsächlichen Zusammenhangs zwischen der Übergabe der Drogen an das Opfer und dessen Tod. § 212 verbietet es, einen anderen Menschen zu „töten“. Nach dem maßgeblichen Alltagssprachgebrauch erstreckt sich dieses Verbot nicht darauf, einem anderen Menschen bei dessen Selbsttötung Hilfe zu leisten. Dem liegt eine klare Unterscheidung zwischen Fremd- und Selbstverletzung zu Grunde, die auch von den Vertretern der objektiven Zurechnungslehre danach getroffen wird, wer die unmittelbar das Rechtsgut verletzende Handlung ausführt.384 Nicht bereits der Verkauf, sondern erst die spätere Injektion des Heroins konnte den Tod als spezifische Folge nach sich ziehen und somit als die das Leben des Opfers beendende Handlung angesehen werden. Nicht der Dealer hat dem Konsumenten das Leben genommen, der Konsument hat sich durch die Injektion des Rauschgifts selbst getötet. Da demnach schon auf Grund des Fehlens eines hinreichend engen tatsächlichen Zusammenhangs zwischen dem Verkauf der Drogen und dem Tod des Opfers keine Tötungshandlung des Dealers vorliegt, stellt sich im Rahmen der unmittelbaren Täterschaft die normative Frage nach der Verantwortung des Dealers für den Tod des Opfers nicht mehr. Die volle Eigenverantwortlichkeit des Opfers schließt hier aber eine mittelbare Täterschaft des Dealers aus, da ein Tatmittler bei voller Verantwortlichkeit nicht gleichzeitig „Werkzeug“ eines anderen sein kann.385 Eine Strafbarkeit des Dealers wegen Teilnahme an der in eine Selbsttötung umschlagenden Selbstgefährdung des Drogenkonsumenten scheidet ebenfalls aus. Der Grund dafür ergibt sich schlichtweg aus der Systematik der strafgesetzlichen Teilnahmevorschriften. Das StGB stellt die Beteiligung von Dritten an einer vorsätzlichen eigenverantwortlichen Selbstverletzung oder gar Selbsttötung nicht unter Strafe. Dies resultiert aus dem Fehlen einer auf Grund der Akzessorietät der Teilnahmestrafbarkeit für diese notwendigen vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat, denn ein Suizid ist straflos, da § 212 die Tötung eines anderen Menschen verlangt.386 Wenn nun schon die Teilnahme an einer vorsätzlichen Selbsttötung oder Selbstverletzung straflos ist, dann kann auch – a maiore ad minus – die Unterstützung einer vorsätz384 Roxin, AT 1, § 11, Rn. 105 ff.; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 81a; Wessels/ Beulke, Rn. 190 ff. 385 Jescheck/Weigend, § 62 I 2 (S. 664). 386 Vgl. nur Amelung, Coimbra-Symposium, S. 247; Dölling, GA 1984, 71 (76); Freund, AT, § 10, Rn. 94; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 91; Wessels/Beulke, Rn. 551.
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lichen eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, die ungewollt zu einer Selbstverletzung oder Selbsttötung führt, nicht strafbar sein.387 Weder die Straflosigkeit der Beteiligung an einer frei verantwortlichen Selbstgefährdung noch die Verneinung der Teilnahmestrafbarkeit aus Gründen der Systematik der Teilnahmevorschriften negieren die Berechtigung und Bedeutung des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit im Strafrecht. Zwar kann dieses Prinzip nicht eigenständig, quasi „frei schwebend“ zur Begründung der Strafbarkeit oder zur Bestimmung der Tathandlung herangezogen werden, sondern nur soweit es Eingang in die gesetzlichen Regelungen gefunden hat. Die positiv-rechtliche Ausgestaltung des Beteiligungssystems des StGB und der Wortlaut der Tatbestände des Besonderen Teils machen aber deutlich, dass dem Gesetz die Wertungen des Prinzips der Eigenverantwortung immanent sind. Das StGB trägt der Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von Gefährdetem und Gefährdendem dadurch Rechnung, dass es die Strafbarkeit der Teilnahme vom Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Verwirklichung tatbestandlichen Unrechts durch einen Anderen abhängig macht und eine Selbstverletzung bzw. Selbstgefährdung nicht zu tatbestandlichem Unrecht ausgeformt hat.388 Darüber hinaus hat sich das Prinzip der Eigenverantwortung insoweit im Gesetz manifestiert, als dass die Teilnahme an einer Selbstverletzung oder Selbstgefährdung nicht eigenständig verboten und unter Strafe gestellt ist, wie dies beispielsweise im schweizerischen oder österreichischen Recht der Fall ist.389 Aber auch bei der Frage nach der Verwirklichung täterschaftlichen Unrechts durch die Beteiligung an einer Selbstgefährdung oder Selbstverlet387 Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 75; Beulke/Mayer, JuS 1987, 125 (126); Hirsch, FS Lenckner, S. 126; Lackner/Kühl, vor § 211, Rn. 12 m. w. N.; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 91; Eser, in: Schönke/Schröder, vor §§ 211 ff., Rn. 35 f. m. w. N.; Schünemann, NStZ 1982, 60 (62); BGHSt 32, 262 (264); gegen dieses so genannte „Teilnahmeargument“ Geilen, JZ 1974, 145 (145 ff.); Hellmann, FS Roxin, S. 281 f.; Neumann, JA 1987, 244 (245 ff.); kritisch auch Frisch, Tatbestand, S. 154 ff., 159, allerdings im Hinblick auf eine Heranziehung zur Begründung des Ausschlusses unmittelbarer Täterschaft – dafür ist das „Teilnahmeargument“ in der Tat nicht zu gebrauchen. 388 Eine Ausnahme stellt insoweit § 109 dar, der die Selbstverstümmelung und einverständliche Fremdverstümmelung eines Wehrpflichtigen verbietet. Schutzgut dieser Norm ist allerdings die Erhaltung der personellen Verteidigungskraft der Streitkräfte, vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, § 109, Rn. 1. Ob es darüber hinaus verfassungsrechtlich überhaupt möglich wäre, Selbstverletzungen oder Selbstgefährdungen strafrechtlich zu verbieten, ist zweifelhaft, bedarf aber angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers, dies nicht zu tun, hier keiner Klärung. In England war bis zum Suicide Act 1961 der Versuch eines Selbstmordes strafbar, vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, vor §§ 211 ff., Rn. 33. 389 Vgl. dazu Art. 115 StGB-Schweiz und § 78 StGB-Österreich.
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zung erlangt das Verantwortungsprinzip Relevanz – allerdings nicht mit dem Resultat einer unmittelbaren Täterschaft des Beteiligten. Im Rahmen der unmittelbaren Täterschaft spielt es – so lange noch eine Handlung im strafrechtlichen Sinne, d.h. ein im Zustand der Handlungsfähigkeit vorgenommenes, gewillkürtes Verhalten vorliegt – keine Rolle, ob der sich selbst Verletzende frei verantwortlich handelt, denn die Bestimmung der unmittelbaren Tathandlung erfolgt allein nach objektiven Kriterien und ist nicht von inneren Vorgängen des Handelnden abhängig. Etwaige Defizite im Bereich des subjektiven Tatbestands oder der Schuld können keinerlei Auswirkungen auf die Bestimmung der Tathandlung, die auf die Ebene des objektiven Tatbestands begrenzt ist, haben. Der sich selbst Verletzende begeht somit unabhängig von seiner Verantwortlichkeit für den Erfolg stets die unmittelbare „Tathandlung“, die freilich keiner Strafnorm unterliegt. Liegt eine nicht frei verantwortliche Selbstverletzung oder Selbstgefährdung vor, so kann eine Täterschaft des mittelbar beteiligten, für den Erfolg verantwortlichen Hintermanns demnach nur über die Heranziehung einer strafbarkeitsausdehnenden Norm begründet werden. Eine solche Norm stellt § 25 in seinen Abs. 1, 2. Alt, und 2 dar.390 Bei Beteiligung an einer nicht frei verantwortlichen Selbstverletzung oder Selbstgefährdung kommt eine Bestrafung des Hintermanns wegen mittelbarer Täterschaft in Betracht,391 wenn der Hintermann und nicht der sich selbst Verletzende oder Gefährdende die Tatherrschaft über das Geschehen hatte. Genau diese Tatherrschaft und die damit verbundene gesteigerte Verantwortung des Hintermanns rechtfertigen es, dass das Gesetz einen solchermaßen Beteiligten als (mittelbaren) Täter und nicht als Teilnehmer behandelt.392 Er begeht die Straftat durch einen Anderen und lässt nicht nur – wie der Teilnehmer – die Tat von einem Anderen begehen.393 „Durch einen Anderen“ kann eine Tat nur begehen, wer auf das Geschehen und insbesondere auf den eingesetzten Vordermann einen beherrschenden, dessen Verantwortlichkeit reduzierenden Einfluss hat.394 Im Rahmen der mittelbaren Täterschaft kann bei Fremdschädigun390
Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 9 ff., 15; Beulke/Bachmann, JuS 1992, 737 (743); Dencker, Kausalität, S. 138, 144; Diel, S. 330; Herzberg, Täterschaft, S. 60 f.; Joecks, in: MüKo-StGB, vor §§ 25 ff., Rn. 9 ff., 15; Renzikowski, Täterbegriff, S. 71; Küper, Versuchsbeginn, S. 60; Wohlers, ZStW 108 (1996), 61 (81). 391 Amelung, Coimbra-Symposium, S. 247; Charalambakis, GA 1986, 485 (495 ff.); Renzikowski, Täterbegriff, S. 63, 94 ff.; Eser, in: Schönke/Schröder, vor §§ 211, Rn. 37. 392 Auf die Bedeutung des Verantwortungsprinzips für die Begründung der mittelbaren Täterschaft weisen auch hin: Bloy, GA 1996, 424 (437); Roxin, Täterschaft, S. 143 ff.; ders., in: LK, § 25, Rn. 61; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, vor §§ 25 ff, Rn. 76. Zur unterschiedlichen Struktur von mittelbarer Täterschaft und Teilnahme vgl. unten S. 180 ff. 393 Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, vor §§ 25 ff., Rn. 72.
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gen durch den Vordermann von Tatherrschaft des Hintermanns gesprochen werden, wenn dieser das Tatgeschehen und damit auch den unmittelbar handelnden Vordermann kraft überlegenen Willens (Nötigungsherrschaft), überlegenen Wissens (Irrtumsherrschaft) oder durch Ausnutzung der konstitutionellen Nichtverantwortlichkeit des Handelnden beherrscht.395 Dies gilt prinzipiell auch bei Selbstschädigungen des Vordermanns.396 Bei der mittelbaren Täterschaft – wie auch bei der Mittäterschaft – ergibt sich die täterschaftliche Strafbarkeit nicht bereits aus den Tatbeständen der Strafnormen des Besonderen Teils selbst, sie beruht vielmehr konstitutiv auf § 25 Abs. 1, 2. Alt.,397 der eine gesetzliche Erweiterung der Handlungsverbote der Normen des Besonderen Teils und damit des tatbestandlichen Unrechts sowie der Erfolgszurechnung bewirkt.398 Der mittelbare Täter „tötet“ das Opfer gerade nicht i. S. d. § 212, obwohl er durch das Einwirken auf den Tatmittler eine notwendige Bedingung für den Erfolg gesetzt hat und für den Tod des Opfers verantwortlich ist. Dem widerspricht die Tatherrschaftslehre, die es für die Tatbestandserfüllung ausreichen lässt, wenn ein Beteiligter tatherrschaftlich an der Erfolgsherbeiführung mitwirkt.399 Das Merkmal der Tatherrschaft soll in jede Norm des Besonderen Teils hinein zu lesen sein. Für diese Ansicht hat § 25 in all seinen Varianten nur deklaratorische Bedeutung, da sich die einzelnen Täterschaftsformen bereits unmittelbar aus den Normen des Besonderen Teils ergäben.400 Die Tatherr394 Bloy, GA 1996, 424 (437); Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, vor §§ 25 ff., Rn. 72. 395 Amelung, Coimbra-Symposium, S. 248; Bottke, Coimbra-Symposium, S. 246; Roxin, Täterschaft, S. 142 ff., 527 f.; ders., in: LK, § 25, Rn. 61 ff.; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, § 25, Rn. 9 ff.; Hoyer, in: SK, § 25, Rn. 41 ff.; Wessels/ Beulke, Rn. 535 ff. 396 Amelung, Coimbra-Symposium, S. 248. 397 Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 9 ff., 15; Diel, S. 330; Renzikowski, Täterbegriff, S. 71; Wohlers, ZStW 108 (1996), 61 (81). Die Vorschrift des § 25 Abs. 1, 1. Alt. hat dem gegenüber nur deklaratorischen Charakter, da sich die unmittelbare Alleintäterschaft bereits aus den Vorschriften des Besonderen Teils ergibt. So auch Hoyer, in: SK, § 25, Rn. 2; Wohlers, ZStW 108 (1996), 61 (81). 398 Vgl. Hoyer, in: SK, § 25, Rn. 40 a. E. Da die Vorschriften über die mittelbare Täterschaft und über die Mittäterschaft neben der Erfolgszurechnung auch die Handlungsverbote erweitern, greift es inhaltlich zu kurz, diese Normen als „Zurechnungsnormen“ zu bezeichnen; vgl. Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 9. So aber Bloy, GA 1996, 424 (437); Dencker, Kausalität, S. 137 f.; Küper, GA 1997, 301 (311); vgl. auch Jakobs, GA 1997, 553 (553): „Mittelbare Täterschaft ist also eine der Formen objektiver Zurechenbarkeit“. 399 Vgl. vor allem Roxin, Täterschaft, S. 328, 641; ders., in: LK, § 25, Rn. 12, 34; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, vor §§ 25 ff., Rn. 74. 400 So auch Blei, § 71 II 1; Frisch, Tatbestand, S. 155 f., Fn. 16; Schild, Täterschaft, S. 24; differenzierend Freund, AT, § 10, Rn. 3 f., 52 ff.
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schaftslehre drängt demnach die geschriebenen Tatbestandsmerkmale der Strafvorschriften in den Hintergrund und macht die Tatherrschaft zum allein maßgeblichen Kriterium täterschaftlicher Strafbarkeit. Insoweit verkennt die Tatherrschaftslehre allerdings die begrenzte Reichweite der Handlungsverbote und die Bedeutung des Wortlauts der Normen des Besonderen Teils, die insbesondere im Lichte des Analogieverbots des Art 103 Abs. 2 GG und des danach maßgeblichen Alltagssprachgebrauchs nicht die Handlungen eines mittelbaren Täters als Tathandlungen erfassen. Der mittelbare Täter verstößt durch sein Einwirken auf das sich selbst tötende Opfer unabhängig von seiner Tatherrschaft nicht gegen das Handlungsverbot des § 212 und begeht daher keine Tötungshandlung.401 Gegen eine bloß deklaratorische Wirkung des § 25 Abs. 1, 2. Alt. spricht zudem, dass der mittelbare Täter verglichen mit dem unmittelbaren Täter ein Defizit an Tatherrschaft aufweist, denn dem mittelbaren Täter fehlt die unmittelbare Kontrolle über den Geschehensablauf am Tatort, er kann trotz seines herrschenden Einflusses über den Vordermann nicht die letzte Willensentscheidung über die Begehung der Tat treffen.402 Diese eingeschränkte Tatherrschaft kann allein deshalb zu einer Gleichstellung mit der unmittelbaren Täterschaft führen, weil der Gesetzgeber in § 25 Abs. 1, 2. Alt. die legislative Wertentscheidung getroffen hat, sich mit dieser eingeschränkten Form der Tatherrschaft zur Begründung täterschaftlicher Strafbarkeit zu begnügen.403 Diese Norm dient daher auch als Ausgleich für den Mangel des mittelbaren Täters an Tatherrschaft gegenüber der unmittelbaren Täterschaft.404 Die mittelbare Täterschaft ist gekennzeichnet von einem „Weniger“ an Verantwortlichkeit des Vordermanns, die zu einem „Mehr“ an Verantwortlichkeit des Hintermanns führt. Bei der mittelbaren Täterschaft fallen die Erfüllung des objektiv-tatbestandlichen Unrechts und die regelmäßig damit korrespondierende Verantwortungszuschreibung auseinander: Der objektive Tatbestand wird vom Vordermann erfüllt, die Verantwortung dafür trifft den Hintermann. Dies lässt die Heranziehung des Verantwortungsprinzips zur Begründung der mittelbaren Täterschaft bei den Selbstschädigungsfällen auf den ersten Blick als zweifelhaft erscheinen, denn der sich selbst Verletzende wird hier schon wegen der Tatbestandslosigkeit seines Verhaltens nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Es erscheint deshalb proble401
Ähnlich zur Mittäterschaft Dencker, Kausalität, S. 144. Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 12, 14; Wohlers, ZStW 108 (1996), 61 (81). 403 Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 14; Joecks, in: MüKo-StGB, vor §§ 25 ff., Rn. 15; Wohlers, ZStW 108 (1996), 61 (81). 404 Dencker, Kausalität, S. 136 f.; Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 14; Wohlers, ZStW 108 (1996), 61 (81) m. w. N. 402
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matisch, dessen von Anfang an nicht bestehende strafrechtliche Verantwortlichkeit auf den Hintermann zu übertragen.405 Allerdings würde eine solche Sichtweise das Verantwortungsprinzip auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit reduzieren, die sich als tatbestandliches Unrecht ausdrückt. Man kann aber nicht nur für strafrechtlich relevante, sondern auch für strafrechtlich neutrale oder gar positive Geschehnisse „verantwortlich“ sein.406 Verantwortlichkeit besteht unabhängig von ihrer strafrechtlichen Relevanz, es handelt sich dabei um ein dem Strafrecht vorgelagertes Phänomen. So ist der sich frei verantwortlich selbst Schädigende, wie sich schon aus der verwendeten Terminologie ergibt, auch dann für die Folgen seines Tuns verantwortlich, wenn sein Verhalten mangels Tatbestandsmäßigkeit keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen kann. Wirkt der Hintermann allerdings auf eine Art und Weise auf den Vordermann ein, die dessen Verhalten als nicht mehr frei verantwortlich erscheinen lässt, kann die Verantwortung für den Schaden des Vordermannes auf den Hintermann übergehen. Genau wie das Entstehen von Verantwortlichkeit erfolgt auch ihr Übergang unabhängig von der Frage nach ihrer strafrechtlichen Relevanz. Strafrechtlich bedeutsam wird die Verantwortlichkeit nur dort, wo sie von einer Strafnorm erfasst wird. Positiv-rechtlich führt dies zu folgendem Ergebnis: Unabhängig von der Tatbestandslosigkeit des Verhaltens des sich selbst gefährdenden oder verletzenden Vordermanns kann der Hintermann, für den dieses Privileg der Tatbestandslosigkeit nicht gilt, auf Grund des § 25 Abs. 1, 2. Alt. als mittelbarer Täter bestraft werden. Wäre die mittelbare Täterschaft nicht im StGB geregelt, so könnte und würde das nicht etwa den Übergang der Verantwortung als solcher vom Vorder- zum Hintermann ausschließen, sondern nur die Strafbarkeit des verantwortlichen Hintermanns. Für den für den Erfolg verantwortlichen mittelbaren Täter stellt die für das Opfer tatbestandslose, nicht frei verantwortliche Selbstverletzung daher eine eigene, wenn auch mittelbare Fremdverletzung und damit strafrechtlich relevantes Unrecht dar. Überträgt man die vorstehenden Ergebnisse auf den Heroin-Fall, so kommen eine Tatherrschaft und mittelbare Täterschaft des Dealers dann in Betracht, wenn dieser im Hinblick auf die Schädlichkeit oder Gefährlichkeit der verkauften Drogen über ein dem Konsumenten überlegenes Sachwissen verfügte und der Konsument daher die wirkliche Risikohöhe seines Verhaltens verkannte.407 Dies wäre der Fall, wenn der Dealer dem Konsumenten abweichend von früheren „Geschäften“ Heroin mit einem höheren Rein405 Vgl. dazu die eingehende Darstellung der Problematik bei Hoyer, in: SK, § 25, Rn. 42, 52 ff. m. w. N. 406 Zur Verantwortung für positive Geschehnisse vgl. bereits oben S. 50 f.
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heitsgrad verkaufte, welches schon in einer viel geringeren Dosis tödlich wirkt.408 Handelte der Dealer in Bezug auf den Tod des Konsumenten zumindest bedingt vorsätzlich, so hat er sich – Rechtswidrigkeit und Schuld unterstellt – wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft strafbar gemacht. Trotz seiner Verantwortlichkeit für den Tod des Opfers kann dem Dealer der Erfolg jedoch nicht im Wege der unmittelbaren Täterschaft objektiv zugerechnet werden. Obwohl die Verantwortung für den Erfolg demnach allein zur Begründung täterschaftlichen Unrechts nicht ausreicht, kann die Eigenverantwortlichkeit des Opfers dazu führen, dass die Unrechtsverwirklichung durch den Täter ausgeschlossen wird. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit kann daher als solches zwar keine strafbegründende, wohl aber strafausschließende Wirkung haben. Hierzu muss auf das Verhältnis von Unrecht und Verantwortung rekurriert werden. Im Strafrecht können Verhaltensweisen nur dann als Unrecht bestraft werden, wenn der Handelnde Verantwortung für den Erfolg trägt.409 Zwischen tatbestandlichem Unrecht und Verantwortung besteht eine Wechselbeziehung, die erfordert, dass beides stets ein Gleichgewicht bildet. Das Vorliegen von nur einer der beiden Komponenten genügt für eine Strafbarkeit nicht: Weder Unrecht ohne Verantwortung, noch Verantwortung ohne Erfüllung des tatbestandlichen Unrechts können demnach zu einer Bestrafung führen. Liegt ein Ungleichgewicht zwischen strafgesetzlichem Unrecht und Verantwortung vor, sind verschiedene Konsequenzen denkbar. Einerseits kann die Strafbarkeit mangels Unrechts oder mangels Verantwortung entfallen. Andererseits kann eine Strafbarkeit begründet werden, indem der Gesetzgeber einen Ausgleich für das fehlende Element schafft. So verhält es sich bei der mittelbaren Täterschaft. Hier trifft den mittelbaren Täter die Verantwortung für den Erfolg. Er erfüllt jedoch nicht den Tatbestand einer Norm des Besonderen Teils410 und wäre demnach trotz seiner Verantwortung für den Erfolg straflos. Deshalb findet sich im Gesetz die Vorschrift des § 25 Abs. 1, 2. Alt., die eine die Strafbarkeit und die Zurechnung erweiternde Norm darstellt.411 Die Einschränkung der Strafbarkeit durch die 407 BGHSt 32, 262 (265); Roxin, in: LK, § 25, Rn. 115, 117; Hoyer, in: SK, § 25, Rn. 81 f.; Wessels/Beulke, Rn. 187. Insoweit kommen sowohl die herkömmliche Auffassung als auch die Einwilligungslösung zum Ausschluss der Verantwortlichkeit des Konsumenten. 408 Renzikowski, Täterbegriff, S. 275. 409 Zum Erfordernis einer differenzierten Verantwortungszuschreibung durch die strafrechtlichen Tatbestände siehe oben S. 52 ff. 410 Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 9 ff., 15; Diel, S. 330; Renzikowski, Täterbegriff, S. 71; Wohlers, ZStW 108 (1996), 61 (81). Dazu bereits oben S. 115. 411 Hoyer, in: SK, § 25, Rn. 40 a. E. Dazu bereits oben S. 115.
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objektive Zurechnung betrifft den umgekehrten Fall. Hier erfüllt der Handelnde bei reiner Wortlautauslegung den Tatbestand einer Norm des Besonderen Teils, obwohl ein Anderer für den Erfolg verantwortlich ist. In den meisten Fällen würde sich die Verantwortlichkeit des Anderen durch dessen Verstoß gegen eine Strafnorm als strafrechtliches Unrecht ausdrücken. Das muss aber nicht so sein, denn Verantwortlichkeit für einen Erfolg zieht nicht immer strafrechtliche Verantwortlichkeit nach sich.412 Die Lehre von der objektiven Zurechnung wird daher dort relevant, wo der Handelnde nach dem reinen Wortlaut einer Strafnorm deren objektiven Tatbestand erfüllt, jedoch ein Anderer, der für die Erfolgsherbeiführung nicht strafrechtlich belangt werden kann (regelmäßig das Opfer), die Verantwortung für den Erfolg trägt. Ein solcher Ausschluss der Strafbarkeit kann durch folgenden Fall illustriert werden: T sticht dem O mit dem Messer ins Herz. O, der noch lebend ins Krankenhaus eingeliefert wird, verweigert dort bewusst und in Kenntnis der Folgen die ärztliche Behandlung, obwohl sein Leben dadurch gerettet werden würde. Kurz darauf stirbt O an den ihm von T beigebrachten Stichverletzungen. Hier trägt O die Verantwortung für sein Ableben trotz des vorherigen – letztlich tödlichen – Messerangriffs des T, da O durch seinen freien Entschluss gegen eine Behandlung die letzte Entscheidung über sein Leben getroffen hat, die von den Ärzten respektiert werden musste.413 Das Entstehen der Verantwortung des O bedeutet gleichzeitig das Entfallen der Verantwortlichkeit des T für den Tod des O.414 Die Verantwortung des T ausschließende Mechanismen des Gesetzes (wie z. B. § 20) erfassen diesen Fall jedoch nicht. Dennoch muss das Gesetz aus verfassungsrechtlichen Gründen – eine Bestrafung des T wäre wegen der Autonomie des O unverhältnismäßig – auf das eigenverantwortliche Verhalten des O mit einem Ausschluss des von T verwirklichten Unrechts reagieren und kann die Lösung nicht erst auf die Ebene der Strafzumessung delegieren.415 Dies geschieht an Hand der objektiven Zurechnung, die zwar die Reichweite der Handlungsverbote der Strafnormen unberührt lässt, jedoch die rechtliche Relevanz des Handelns des T auf Grund der Verantwortlichkeit des O im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Tatbestände, d.h. einer teleologischen Reduktion, ausschließt.416 Das Handlungsverbot des § 212 412
Vgl. S. 116 f. Otto, FS Lampe, S. 510. 414 So auch Otto, FS E.A. Wolff, S. 410; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 117 f.; einschränkend Renzikowski, Täterbegriff, S. 111 f. 415 Vgl. dazu bereits oben S. 60 f.; in diesem Sinne auch Sommer, Sondervotum zu BVerfGE 90, 145 (225). 416 Vgl. dazu bereits oben S. 93 f. Anders Frisch, NStZ 1992, 1 (5), der hier einen Handlungsverbotsverstoß verneint. 413
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bleibt dadurch unberührt, da die Eigenverantwortlichkeit des O nicht dazu führt, dass es dem T erlaubt gewesen wäre, Handlungen vorzunehmen, die unmittelbar417 den Tod des O herbeiführen, d.h. dem O die tödlichen Messerstiche beizufügen. Jedoch ändert sich die rechtliche Bewertung des Verhaltens des T angesichts der Eigenverantwortlichkeit des O. Die Handlung des T kann aus normativen Gründen nicht objektiv zugerechnet werden, mit der Konsequenz, dass T kein strafrechtlich relevantes Unrecht begangen hat.418 Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit ist demnach bei der Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung oder Selbstschädigung ein maßgeblicher Bestandteil der objektiven Erfolgszurechnung. Gleichwohl kommt ihm ein begrenzterer Einsatzbereich zu, als die Vertreter der Lehre von der objektiven Zurechnung annehmen. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit beschränkt sich, soweit es nicht ohnehin Eingang in die Vorschriften des StGB gefunden hat, darauf, die Unrechtsverwirklichung auszuschließen, wenn nicht der Handelnde, sondern das Opfer die Verantwortung für den Eintritt des Erfolgs trägt. bb) Einverständliche Fremdgefährdung Die von der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung zu unterscheidende einverständliche Fremdgefährdung wird ebenfalls im Rahmen der objektiven Zurechnung behandelt.419 Die Abgrenzung zwischen Selbst- und Fremdgefährdung soll danach erfolgen, wer das Geschehen beherrscht, d.h. wer die das Rechtsgut gefährdende und letztlich den Erfolg herbeiführende Handlung ausführt.420 Ist dies das Opfer, so liege eine Selbstgefährdung vor, bei Beherrschung des Geschehens durch einen Anderen handele es sich um eine Fremdgefährdung. Dass die Unterscheidung im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen kann, liegt auf der Hand, man denke 417 Unmittelbar den Tod herbeiführende Handlungen sind auf jeden Fall vom Handlungsverbot des § 212 erfasst, da ein Unmittelbarkeitszusammenhang der engste mögliche tatsächliche Zusammenhang ist. 418 Vgl. auch Otto, FS E.A. Wolff, S. 410; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 117 f. 419 Roxin, FS Gallas, S. 249 ff.; ders., AT 1, § 11, Rn. 105 ff.; Hellmann, FS Roxin, S. 271 ff.; Geppert, Jura 2001, 490 (493); Otto, FS Tröndle, S. 174 f. 420 Vgl. Roxin, AT 1, § 11, Rn. 105 ff., der diese Fallgruppe wieder unter dem Topos „Reichweite des Tatbestandes“ behandelt; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 81a; Wessels/Beulke, Rn. 190 ff.; a. A. Otto, FS Tröndle, S. 175, der Selbst- und Fremdgefährdung danach voneinander abgrenzt, ob das Opfer oder Dritte über besseres Sachwissen hinsichtlich der Gefahrensituation verfügen. Schünemann, JA 1975, 715 (722 f.) hält eine Abgrenzung zwischen eigenverantwortlicher Selbst- und einverständlicher Fremdgefährdung für überflüssig, da beide Konstellationen straflos seien.
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nur an die Übertragung des HI-Virus durch einverständliche ungeschützte Sexualkontakte.421 Charakteristisch für die Fälle der einvernehmlichen Fremdgefährdung ist, dass das Opfer zwar in eine Gefährdung, aber nicht in eine Verletzung seiner Rechtsgüter durch einen Anderen eingewilligt hat.422 Relevant wird diese Fallgruppe somit regelmäßig, wenn es über die Gefährdung hinaus auch zu einer unvorsätzlichen Verletzung der Rechtsgüter des Opfers kommt. Ein Beispiel dafür wäre, dass T dem O auf dessen Wunsch hin Heroin injiziert, woran O stirbt. O war sich bei der Injektion durch T zwar der Gefährlichkeit dieses Tuns bewusst, vertraute aber darauf, dass nichts passieren würde. Ein anderes Beispiel wäre der vom Reichsgericht entschiedene „Memel-Fährmann-Fall“, in dem ein Reisender einen Fährmann trotz Sturms und Hochwassers überredete, ihn ans andere Ufer zu bringen. Der Fährmann riet zunächst wegen der damit verbundenen Lebensgefahr von dem Unterfangen ab, unternahm die Überfahrt dann aber wegen der Beharrlichkeit des Reisenden doch. Obwohl der Fährmann während der Überfahrt keinen Fehler beging, kenterte das Boot und der Reisende ertrank in den Fluten.423 Für die rechtliche Behandlung derartiger Fälle hat sich in der Rechtswissenschaft noch keine allgemeine Überzeugung gebildet. Dennoch besteht Einigkeit darüber, dass bei der Suche nach einer Lösung zwei Punkte von Bedeutung sind: Einerseits die Ähnlichkeit von eigenverantwortlicher Selbstgefährdung und einvernehmlicher Fremdgefährdung, denn hier bestehen teils nur schwer zu erkennende graduelle Unterschiede. Dies könnte dafür sprechen, beides wertungsmäßig gleich zu behandeln, d.h. die einvernehmliche Fremdgefährdung wie die Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung nicht zu bestrafen. Auf der anderen Seite gilt es jedoch, die gesetzgeberischen Wertungen der §§ 216 und 228, die der rechtfertigenden Wirkung einer Einwilligung in eine Fremdverletzung bei Eingriffen in die körperliche Integrität bzw. das Leben enge Grenzen ziehen, nicht aus den Augen zu verlieren.424 Diese Vorschriften deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber zwischen Selbst- und Fremdgefährdung unterscheidet und beides verschiedenen Regeln unterwerfen will.425 421 Vgl. dazu Roxin, AT 1, § 11, Rn. 108, der dies mit überzeugenden Argumenten der einverständlichen Fremdgefährdung zuordnet; so auch Hellmann, FS Roxin, S. 273; Helgerth, NStZ 1988, 261 (262); a. A. Kühl, AT, § 4, Rn. 89 m. w. N.; Otto, FS Tröndle, S. 166 f.; Lackner/Kühl, vor § 211, Rn. 12a m. w. N., die Sexualkontakte mit Aids-Risiko regelmäßig als Selbstgefährdungen bzw. Selbstverletzungen ansehen, wenn die beteiligten Partner mit gleichem Gefahrwissen handeln; ebenso Wessels/Beulke, Rn. 191 a. E. 422 Roxin, AT 1, § 11, Rn. 105. 423 RGSt 57, 172. 424 Wessels/Beulke, Rn. 190.
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Roxin und Hellmann versuchen, das Problem der einverständlichen Fremdgefährdung über die objektive Erfolgszurechnung zu lösen.426 So soll bereits der objektive Tatbestand nicht erfüllt sein, wenn die einverständliche Fremdgefährdung einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung in jeder Hinsicht gleichsteht.427 Nach Roxin kommt eine Gleichstellung nicht generell in Betracht, da derjenige, der sich gefährden lasse, dem Geschehen mehr ausgeliefert sei, als derjenige, der sich selbst gefährde.428 Anders sei dies nur, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: Der Schaden müsse einerseits die Folge des eingegangenen Risikos und nicht eines weiteren hinzu kommenden Fehlers sein. Andererseits müsse der Gefährdete für das gemeinsame Tun die gleiche Verantwortung tragen wie der Gefährdende.429 Nach Hellmann soll allein die Eigenverantwortlichkeit des Gefährdeten das maßgebliche Zurechnungskriterium darstellen, denn die erste von Roxin genannte Voraussetzung zur Gleichstellung von Selbst- und Fremdgefährdung erschöpfe sich in der Beschreibung der Situation der einverständlichen Fremdgefährdung.430 Hellmanns Kritik an Roxins erster Gleichstellungsvoraussetzung ist zuzustimmen. Demnach wird im Folgenden nur untersucht, inwieweit die Eigenverantwortlichkeit des Opfers die objektive Zurechnung des Erfolgs zur Handlung des Gefährdenden bei einverständlichen Fremdgefährdungen ausschließen kann. Wie im Rahmen der Erörterungen zum wechselseitigen Verhältnis von Unrecht und Verantwortung bereits dargelegt, kann die Lehre von der objektiven Zurechnung zum Ausschluss des tatbestandlichen Unrechts bei Eigenverantwortlichkeit des Opfers herangezogen werden431 und „passt“ demnach prinzipiell auf die Konstellation der einverständlichen Fremdgefährdung. Trotz dieser grundsätzlichen Übereinstimmung mit Roxin und Hellmann kann deren Auffassung zur Lösung dieser Problematik nicht zugestimmt werden. Der Grund dafür liegt darin, dass bei einer einverständlichen Fremdgefährdung nicht letztlich das Opfer die Verantwortung für den Erfolg trägt. Vielmehr trifft Gefährdenden und Gefährdeten allenfalls das gleiche Maß an Verantwortung für das Verhalten des Ersteren und den Erfolg. Eine derartige Verantwortungsverteilung kann nicht dazu führen, die 425 Roxin, FS Gallas, S. 252; a. A. Schünemann, JA 1975, 715 (723), der keine Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremdgefährdung trifft, da er eine solche für überflüssig hält. 426 Roxin, FS Gallas, S. 252; ders., AT 1, § 11, Rn. 107; Hellmann, FS Roxin, S. 282 ff. 427 Roxin, FS Gallas, S. 252; ders., AT 1, § 11, Rn. 107. 428 Roxin, AT 1, § 11, Rn. 107. 429 Roxin, AT 1, § 11, Rn. 107. 430 Hellmann, FS Roxin, S. 281 ff. 431 Oben S. 118 ff.
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Zurechnung des Erfolgs zur Handlung des Gefährdenden aus normativen Gründen auszuschließen. Der Gefährdende hat im Unterschied zum Gefährdeten das Geschehen in der Hand. Daraus erwächst seine Verantwortung für den Erfolg. Dass auch der Gefährdete durch gleiche Gefahrkenntnis und sein Einverständnis in die Gefährdung Verantwortung für seine Verletzung hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Jedoch reicht das von ihm verwirklichte Maß an Verantwortung nicht aus, um den Unrechtsvorwurf gegenüber dem Gefährdenden auf Grund wertender Gesichtspunkte maßgeblich zu entkräften. Dazu hätte es einer überwiegenden Verantwortung des Opfers bedurft. Eine solche ist jedoch in Anbetracht dessen, dass die Kontrolle über die gefährliche Situation beim Gefährdenden liegt, nur denkbar, wenn die Verantwortung des Gefährdenden aus den im Gesetz genannten Gründen entfällt oder reduziert ist – beispielsweise, weil dieser im Gegensatz zum Gefährdeten bei seiner Handlung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war. Dann regelt sich der Verantwortungsausschluss und die daran anknüpfende Straflosigkeit oder eingeschränkte Strafbarkeit des Gefährdenden aber nach den im Gesetz vorgesehenen Regeln und nicht nach der objektiven Zurechnung. Die Situation bei der einverständlichen Fremdgefährdung ist insoweit nicht mit der Verweigerung der lebensrettenden Behandlung durch das Opfer vergleichbar. Dort hat das Opfer das weitere Geschehen bis zum Erfolgseintritt auf Grund seiner zu respektierenden eigenverantwortlichen Entscheidung gegen die den Erfolgseintritt verhindernde Behandlung selbst in der Hand. Bei den Fällen der einverständlichen Fremdgefährdung, wie beispielsweise im „Memel-Fährmann-Fall“, begibt das Opfer sein Schicksal nach seiner Entscheidung für die Gefährdung in die Hand des Gefährdenden. Daraus resultiert einerseits ein geringeres Maß an Eigenverantwortung des Opfers als in den Selbstgefährdungsfällen, andererseits zeigt sich, dass das Opfer einer einverständlichen Fremdgefährdung stets weniger Verantwortung für den Erfolg trägt, als der Gefährdende. Dieses geringere Maß an Verantwortung des Opfers vermag die rechtliche Relevanz der tatsächlichen Erfolgsherbeiführung durch den Gefährdenden nicht normativ auszuschließen. Im Rahmen der einverständlichen Fremdgefährdung kommt demnach ein Ausschluss der Unrechtsverwirklichung durch den Gefährdenden (des Täters) und damit von dessen Strafbarkeit mangels objektiver Zurechenbarkeit des Erfolgs nicht in Betracht. Ob die Strafbarkeit des Gefährdenden möglicherweise durch eine rechtfertigende Einwilligung des Verletzten in die Fremdgefährdung432 oder die 432 So Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 74; Dölling, GA 1984, 71 (83 ff.); Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 32, Rn. 102 ff.; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 81a m. w. N.; Wessels/Beulke, Rn. 191.
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Verneinung der Sorgfaltspflichtverletzung433 des Gefährdenden entfallen könnte oder ob keiner dieser Ansätze zur Straflosigkeit des Gefährdenden führen würde, braucht an dieser Stelle – wo es nur um die Auswirkungen der Lehre von der objektiven Zurechnung auf die Bestimmung der Tathandlung geht – nicht vertieft und entschieden zu werden. d) Risikoverringerung und Risikoneutralität Ein Erfolg soll mangels Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr auch dann nicht objektiv zugerechnet werden, wenn ein äquivalent kausales Verhalten ein bereits für das geschützte Rechtsgut bestehendes Risiko nicht erhöht oder sogar vermindert hat.434 Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Strafnormen sei nicht jeder Eingriff in ein Rechtsgut verboten, sondern nur solche Handlungen, die ein Rechtsgut negativ beeinträchtigen.435 Im Rahmen dieser Fallgruppe gelte es abzugrenzen, wann eine Handlung, häufig eine Rettungshandlung, schon nicht tatbestandsmäßig und wann sie möglicherweise gerechtfertigt ist.436 Die objektive Erfolgszurechnung entfalle nur dann, wenn von der Handlung keine über die Ausgangsgefahr hinaus gehende weitere oder andersartige Gefahr für das geschützte Rechtsgut geschaffen wurde. Dies sei z. B. dann der Fall, wenn T dem O mit einem Baseball-Schläger auf den Kopf schlagen will und D, der dies bemerkt, den Schlag des T, um O vor Schlimmerem zu bewahren, vom Kopf auf den Oberarm des O ablenkt, wodurch der Oberarm des O gebrochen wird. Hier werde der Körperverletzungserfolg nicht der äquivalent kausalen Handlung des D, sondern der des T zugerechnet, denn D habe nur die Auswirkungen der Handlung des T abgeschwächt und nicht selbst ein Rechtsgut des O verletzt.437 Anders liege es, wenn T, der erfahren hat, dass A dem O auflauern und diesen erschießen will, den O, um ihn vor dem Tod zu bewahren, nieder433 Vgl. RGSt 57, 172 (173 f.); BGHSt 4, 88 (93); 7, 112 (114 f.); P. Frisch, S. 118 ff.; Geppert, ZStW 83 (1971), 947 (991 ff.); Puppe, in: NK, vor § 13, Rn. 164 ff. 434 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (570); Jescheck/Weigend, § 28 IV 2 (S. 287 f.); Kühl, AT, § 4, Rn. 53 ff.; Otto, NJW 1980, 417 (422); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 47 ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 94; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 58; Wessels/Beulke, Rn. 193; E.A. Wolff, S. 17, 23; Wolter, Zurechnung, S. 32. 435 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (570); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 47; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 58. 436 Anders Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 69 und Küpper, S. 94 f., die hier nicht differenzieren und die Lösung solcher Fälle stets auf der Rechtfertigungsebene suchen. 437 Beispiel nach Wessels/Beulke, Rn. 194.
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schlägt, damit O nicht mehr in den Hinterhalt des A geraten kann.438 In diesem Fall stelle sich der eingetretene Erfolg nicht mehr als Werk des A, sondern allein des T dar, da T durch das Niederschlagen des O für diesen eine neue selbständige, von der auf A zurückgehenden unterscheidbare, rechtlich relevante Gefahr geschaffen habe.439 Im Unterschied zum vorangegangenen Fall habe T nicht lediglich die Wirkungen einer fremden Gefahr für O abgemildert, sondern selbst die Tathandlung einer Körperverletzung begangen. Die Zurechnung der Handlung des T könne nicht mit der Begründung unterbleiben, dass mit A ein Ersatztäter bereit stand, der „beim Ausfall“ des T eine Rechtsgutsverletzung bei O begangen hätte.440 Die Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr könne nicht deshalb verneint werden, weil sich argumentieren ließe, das geschützte Rechtsgut sei bereits wegen eines anderen zur Tat Bereiten gefährdet gewesen. Die Rechtsordnung könne nicht auf die Beachtung und Durchsetzung ihrer Verbote verzichten, nur weil mehrere zu deren Übertretung bereit sind.441 Im Beispielsfall bliebe allerdings zu prüfen, ob die Körperverletzung rechtswidrig war, denn T könnte nach § 34 oder auf Grund einer mutmaßlichen Einwilligung des O gerechtfertigt sein.442 In diesem Zusammenhang werden auch all die äquivalent kausalen Handlungen genannt, die zwar eine bereits bestehende, rechtlich relevante Gefahr nicht vermindern, aber das Risiko für das Opfer auch nicht erhöhen, denn auch hier entfalle bereits die Zurechnung des Erfolgs auf der Ebene des objektiven Tatbestandes.443 Zur Veranschaulichung kann das Schulbeispiel dienen, in dem die Krankenschwester durch das Umbetten des Opfers eines tödlichen Giftanschlags eine notwendige Bedingung für den Erfolg in seiner konkreten Gestalt (den Tod des Opfers in dem Bett, in das ihn die Krankenschwester umbettete) setzte, da sie die Umstände des Todesortes des Opfers veränderte.444 Wenn die Ortsveränderung jedoch keine negativen Auswirkungen auf den tödlichen Verlauf der Vergiftung, d.h. deren Geschwindigkeit oder Intensität hatte, so hätte die Krankenschwester nach der 438
Beispiel nach Wessels/Beulke, Rn. 195. Jescheck/Weigend, § 28 IV 2 (S. 287 f.); Otto, NJW 1980, 417 (422); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 48; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 94; Wessels/Beulke, Rn. 195. 440 Roxin, AT 1, § 11, Rn. 52. 441 Roxin, AT 1, § 11, Rn. 53. 442 Jescheck/Weigend, § 28 IV 2 (S. 288); Kühl, AT, § 4, Rn. 55; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 48; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 94; Wessels/ Beulke, Rn. 195. 443 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (570). 444 Beispiel von Jakobs, AT, 7/14; zur Kausalität der Handlung der Krankenschwester nach der Äquivalenztheorie vgl. oben S. 47. 439
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Lehre von der objektiven Zurechnung durch ihr Handeln keine rechtlich relevante Gefahr für das Opfer geschaffen, sondern lediglich die Begleitumstände des Todes modifiziert. Der Tod des Opfers soll dann der Handlung der Krankenschwester nicht objektiv zugerechnet werden können. Im Folgenden sollen nur die Fallgruppen der Risikoverringerung, in der keine über die Ausgangsgefahr hinaus gehende oder andersartige Gefahr für das geschützte Rechtsgut geschaffen wird sowie die der risikoneutralen Handlungen beleuchtet werden, da nur bei ihnen eine Lösung an Hand der Lehre von der objektiven Zurechnung vertreten wird. Im Ergebnis ist es zutreffend, dass bei Risikoverringerungen oder Risikoneutralität eine Strafbarkeit des Handelnden wegen eines vollendeten Erfolgsdelikts nicht in Betracht kommt. Die Begründung, dass dies unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Strafnormen an der mangelnden objektiven Zurechenbarkeit des Erfolgs liege, ist jedoch nicht überzeugend. Die Strafbarkeit entfällt nicht etwa erst, weil der Handelnde trotz formaler Unrechtsbewirkung nicht für den Erfolg verantwortlich ist und daher die rechtliche Relevanz seines Handlungsverbotsverstoßes (und damit die Wertung, dass er verantwortlich Unrecht begangen hat) entfällt. Ein Risiko verringerndes bzw. nicht erhöhendes Verhalten stellt vielmehr schon deshalb kein Unrecht dar, weil es unabhängig von seiner Beziehung zum Erfolg (die zumindest durch äquivalente Kausalität gekennzeichnet ist) nicht von den Handlungsverboten der reinen Erfolgsdelikte erfasst wird.445 Ein derartig weit reichendes Verbot wäre für einen effektiven Rechtsgüterschutz nicht geeignet, da es auch Handlungen, die der Verhinderung schwerer wiegender Verletzungen geschützter Rechtsgüter dienen – wie die Ablenkung des Schlags vom Kopf auf den Oberarm –, erfassen würde. Dadurch würde das Ziel eines effektiven Rechtsgüterschutzes schlichtweg konterkariert. Aber auch ein Verbot von risikoneutralen Handlungen, wie dem Umbetten durch die Krankenschwester, würde nicht dem Schutz des Lebens des sterbenden Opfers dienen. Demnach würde ein sich auf Risikoverringerungen oder das Risiko nicht erhöhende Handlungen erstreckendes strafrechtliches Verbot wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit darstellen. Es ist somit bereits das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung des Inhalts und der Reichweite der strafrechtlichen Handlungsverbote und keine normative Einschränkung der rechtlichen Relevanz eines Handlungsverbotsverstoßes mangels Verantwortung für den Erfolg, dass risikoverringernde oder nicht erhöhende Handlungen nicht unter die Tatbestandsmerkmale der reinen Erfolgsdelikte fallen.446 445
So auch Frisch, FS Roxin, S. 232.
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e) Risikozusammenhang und atypische Kausalverläufe Anders als bei den bereits erörterten Fallgruppen soll bei atypischen Kausalverläufen zwar die Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr vorliegen, dieses Risiko soll sich aber nicht mehr in dem eingetretenen Erfolg niedergeschlagen haben.447 Mit anderen Worten: Zwischen der gefahrschaffenden Handlung und dem Erfolg bestehe kein Risiko- bzw. Realisierungszusammenhang.448 Ein atypischer Kausalverlauf liege dann vor, wenn der zum Erfolg führende Geschehensablauf unter Adäquanzgesichtspunkten bzw. nach der allgemeinen Lebenserfahrung völlig ungewöhnlich und unvorhersehbar erscheint.449 Dies sei z. B. dann der Fall, wenn das Opfer eines durch Messerstiche des V begangenen Mordversuchs nicht an den durch die Stiche zugefügten Verletzungen, sondern während seiner Rekonvaleszenz an einem Krankenhausbrand stirbt.450 Ein weiterer, in dieser Fallgruppe oft erwähnter Beispielsfall betrifft eine „abnorme Konstitution“ des Opfers. So soll die objektive Zurechnung des Erfolgs ausgeschlossen sein, wenn ein leichter Faustschlag auf die Nase eines Bluters zu dessen Tod durch Verbluten führt, da sich hier nicht das einem Faustschlag immanente Risiko, sondern ein erhöhtes, im Opfer angelegtes Risiko realisiert habe.451 Der Grund für den Ausschluss der objektiven Zurechnung soll in diesen Fällen darin liegen, dass der Erfolg unter normativen Gesichtspunkten letztlich nicht mehr als Werk des Handelnden, sondern als Zufall anzusehen ist. Der Zusammenhang zwischen dem atypischen Erfolg und der kausalen Handlung sei nicht eng genug, um noch von einer strafbares Unrecht darstellenden Verknüpfung sprechen zu können.452 Die Abgrenzung zwischen solchen Unglücksfällen und Straftaten könne nur anhand normativer Kriterien erfolgen, wobei es letztlich darauf ankomme, ob der Täter die Gefahr 446 Zur Unterscheidung dieser beiden Möglichkeiten zum Ausschluss der Tathandlungsqualität vgl. oben S. 92 ff. Risikoverringernde bzw. risikoneutrale Handlungen fallen im Sinne der dort verwendeten Terminologie unter „Fallgruppe 1“ und nicht, wie es einem Ausschluss der Tathandlungsqualität auf Grund fehlender objektiver Zurechenbarkeit des Erfolgs entspräche, unter „Fallgruppe 3“. 447 Vgl. Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (569); Jescheck/Weigend, § 28 IV 3 (S. 287); Kühl, AT, § 4, Rn. 61 ff.; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 64; Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 95/96; Wessels/Beulke, Rn. 196. 448 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (573 f.); Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 95/96; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 63 f. 449 Wessels/Beulke, Rn. 196; Kühl, AT, § 4, Rn. 61 ff. 450 Beispiel bei Roxin, AT 1, § 11, Rn. 40, 42, 63; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 75. 451 Samson, in: SK, Anhang zu § 16, Rn. 30; zweifelnd Kühl, AT, § 4, Rn. 65 und Wessels/Beulke, Rn. 196. 452 Wessels/Beulke, Rn. 196.
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des Eintritts des konkreten Erfolgs in rechtlich messbarer Weise erhöht habe.453 Dazu genüge aber die bloße Schaffung einer Möglichkeit zur Realisierung des Erfolgs noch nicht. Die unter dem Stichwort „atypische Kausalverläufe“ zusammengefassten Beispielsfälle sind höchst heterogen und lassen sich nicht lediglich an Hand normativer Kriterien durch den Ausschluss der objektiven Erfolgszurechnung lösen. Unterstellt man beim Krankenhausbrand-Fall, dass der Brand von T gelegt wurde, ist es durchaus richtig, dass sich im Tod des Opfers nicht die den vorangegangenen Messerstichen des V immanente Gefahr realisiert hat, sondern eine andere, nämlich die von der Brandstiftung des T ausgehende Gefahr. Es ist auch zutreffend, dass die Messerstiche des V deshalb keine vollendete Unrechtsverwirklichung darstellen, da letztlich der Brandstifter T für den Tod des Opfers verantwortlich ist. Dennoch ist eine vollendete Unrechtsverwirklichung des V nicht allein auf Grund normativer Kriterien ausgeschlossen. V hat bereits deshalb kein vollendetes Tötungsdelikt verwirklicht, da zwischen seinen Messerstichen und dem Tod des Opfers kein hinreichend enger tatsächlicher Zusammenhang besteht. Die von den Messerstichen des V ausgehenden Wirkungen haben sich nicht erst bei wertender Betrachtung, sondern rein tatsächlich nicht im Todeserfolg entfaltet, denn das Opfer ist an den Folgen des von T gelegten Brandes und nicht an den Messerstichen des V gestorben. Eines Rückgriffs auf die objektive Zurechnungslehre bedarf es demnach zum Ausschluss der Vollendungsstrafbarkeit des V gar nicht. Ein Entfallen der Unrechtsverwirklichung durch einen normativen Ausschluss der objektiven Zurechnung des Erfolgs käme nur in Betracht, wenn der vom Wortlaut der Tatbestände des Besonderen Teils stets geforderte tatsächliche – dem Beweis zugängliche –, hinreichend enge Erfolgsbezug bestünde und dennoch ein Anderer oder niemand für den Tod des Opfers verantwortlich wäre. Da die Lehre von der objektiven Zurechnung einen tatsächlichen Zusammenhang aus einem rein normativen Blickwinkel betrachtet, ist sie nicht in der Lage, im Rahmen der Tathandlungsbestimmung die Strukturen des verfassungsrechtlich gebotenen engen tatsächlichen Erfolgsbezugs454 einer Handlung im Lichte der Vorgaben des StGB zu erhellen. Genau das wäre aber die Aufgabe einer allgemeinen Tatbestands- und Zurechnungslehre. Die Unfähigkeit, den maßgeblichen tatsächlichen Erfolgszusammenhang, bei dessen Vorliegen von einem „Töten“ i. S. d. § 212 gesprochen werden 453 Otto, Jura 2001, 275 (276); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 63; Wessels/Beulke, Rn. 196. 454 Zum verfassungsrechtlichen Erfordernis eines hinreichend engen tatsächlichen Zusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg im Rahmen der Tatbestände der reinen Erfolgsdelikte vgl. bereits oben S. 52 ff. und S. 92 unter „Fallgruppe 2“.
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kann, zu bestimmen, bezieht sich nicht nur auf die Grundformel der Lehre von der objektiven Zurechnung, die Fallgruppen des Schutzzwecks der Strafnorm, der weit vom Erfolg liegenden Bedingung und des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit, sondern auch auf die in der hier untersuchten Fallgruppe angeführten Kriterien. Die objektive Zurechnungslehre bietet als Lösung zur Bestimmung des tatsächlichen Erfolgszusammenhangs eine Kombination aus Äquivalenztheorie und einschränkenden normativen Kriterien wie „Adäquanz“ und „allgemeines Lebensrisiko“ an. Ein solches Vorgehen vermag den hinreichend engen tatsächlichen Zusammenhang zwischen einer Handlung und dem Erfolg jedoch nicht im Einklang mit dem Bestimmtheitsgebot zu beschreiben. Grundvoraussetzung für einen tatsächlichen Erfolgszusammenhang ist nach der Lehre von der objektiven Zurechnung das Vorliegen einer notwendigen Bedingung. Dass die Äquivalenztheorie als alleiniges Mittel zur Tathandlungsbestimmung auf Grund zahlreicher Verfassungsverstöße unhaltbar wäre, wurde bereits detailliert dargelegt.455 Der Versuch der Lehre von der objektiven Zurechnung, diesem Urteil durch wertende Kriterien abzuhelfen, ist nicht ausreichend und vermag keinen Zugewinn an Bestimmtheit herbeizuführen. Kriterien wie „Adäquanz“ oder „allgemeines Lebensrisiko“ können auf Grund ihrer Generalklauselartigkeit und geradezu beliebigen Ausfüllbarkeit durch den Rechtsanwender keine verlässliche Richtschnur für das Verhalten der Normadressaten darstellen und entfalten daher nicht die vom strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot gewährleistete Steuerungsfunktion für das Verhalten der Bürger.456 Die Fälle „abnormer Konstitution“ des Opfers stellen keine Problematik der objektiven Zurechenbarkeit des Erfolgs dar, sondern sind auf Vorsatzebene zu lösen.457 Wenn ein Täter einen Bluter leicht verletzt und der Bluter an dieser Verletzung wegen des nicht zu stoppenden Blutverlustes stirbt, ist nicht von der Hand zu weisen, dass zwischen der Handlung des Täters und dem Tod des Opfers ein Unmittelbarkeitszusammenhang besteht. Ein derartiger Erfolgszusammenhang genügt stets den Anforderungen der Erforderlichkeitskomponente des Verhältnismäßigkeitsprinzips an die Handlungsverbote der Strafnormen, da es sich dabei um den denkbar engsten tatsächlichen Erfolgsbezug handelt. An späteren Handlungen könnte ein dem Rechtsgüterschutz verpflichtetes strafrechtliches Verbot nicht genauso effektiv anknüpfen. Dadurch steht fest, dass der Täter gegen das Handlungsver455 Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Tathandlungsbestimmung allein an Hand der Äquivalenztheorie vgl. oben S. 52 ff. 456 Zur Steuerungsfunktion des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots vgl. bereits oben S. 54. 457 Für eine Vorsatzlösung der unter dem Topos „atypischer Kausalverlauf“ zusammengefassten Fälle Küpper, S. 96 ff.; ebenso Hirsch, FS Köln, S. 404; ders., aber einschränkend, FS Lenckner, S. 124 f.
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bot des § 212 verstoßen hat, was zunächst für die Verwirklichung vollendeten Tötungsunrechts spricht. Etwas anderes würde sich nur ergeben, wenn das objektiv-tatbestandliche Unrecht wegen mangelnder objektiver Zurechenbarkeit des Erfolgs zur Handlung des Täters ausgeschlossen wäre. Die Aufgabe der objektiven Erfolgszurechnung besteht darin, bei einem Ungleichgewicht zwischen formaler Unrechtsbegehung und Erfolgsverantwortlichkeit einen Ausgleich durch Ausschluss des Unrechts zu schaffen. Sie kommt insbesondere zum Tragen, wenn derjenige, der bei reiner Wortlautauslegung eine unter einen Straftatbestand fallende Handlung begeht, aber nicht für den Erfolg verantwortlich ist, ohne dass die Verantwortlichkeit bereits durch gesetzliche Vorschriften ausgeschlossen wäre und derjenige, den die Verantwortung für den Erfolg trifft, kein strafrechtliches Unrecht begangen hat. In solchen Situationen kann der Erfolg dem Täter nicht objektiv zugerechnet werden, mit der Konsequenz, dass die rechtliche Relevanz seiner Handlung und damit die Verwirklichung objektiv-tatbestandlichen Unrechts entfallen.458 Entscheidend für die Frage, ob sich in Fällen „abnormer Konstitutionen“ des Opfers die Straflosigkeit des Täters aus der fehlenden objektiven Zurechenbarkeit des Erfolgs ergibt ist demnach, ob die Verantwortlichkeit des Täters für den Erfolgseintritt ausgeschlossen ist. Das erscheint zweifelhaft. Zunächst entfällt die Verantwortlichkeit des Täters nicht deshalb, weil ein Anderer oder das Opfer für den Erfolgseintritt verantwortlich sind. Obwohl die Blutereigenschaft in dem Opfer selbst angelegt ist, kann dies nicht dazu führen, das Opfer für die schlimmeren Folgen einer Verletzung, die auf diese Krankheit zurückzuführen sind, verantwortlich zu machen. Darüber hinaus stellt es keinen Zufall dar, wenn ein Bluter nach einer leichten Verletzung wegen übermäßigen, unkontrollierten Blutverlustes stirbt. Trotz geringer Verbreitung der Blutereigenschaft in der Bevölkerung ist es nicht völlig unwahrscheinlich, dass ein Opfer Bluter ist. Von Zufall könnte aber nur bei an Sicherheit grenzender Unwahrscheinlichkeit die Rede sein. Da somit die Verantwortung des Täters für den Tod des Bluters nicht ausgeschlossen ist, besteht für das Korrektiv der objektiven Zurechnung kein Raum. Die Lösung ist auf Vorsatzebene zu finden. Wenn der Täter die Blutereigenschaft seines Opfers nicht in sein Vorstellungsbild mit aufnimmt, scheidet eine Strafbarkeit wegen mangelnden Vorsatzes aus. Sollte der Vorsatz des Täters allerdings die „abnorme Konstitution“ des Opfers umfassen, so steht einer Bestrafung wegen vorsätzlicher Tötung nichts im Wege. Dies wäre bei einem Ausschluss der objektiven Zurechnung des Erfolgs nicht möglich. Würde man die Strafbarkeit des Täters bereits im objektiven Tat458
Vgl. zum Wechselspiel von Unrecht und Verantwortung bereits oben S. 118 ff.
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bestand ausschließen, wäre es nicht möglich, einen Bluter durch leichte Verletzungen i. S. d. § 212 zu „töten“ – selbst wenn der Täter von der Blutereigenschaft des Opfers wusste und diese mit in seinen Tatplan einbezog. Die untragbare Konsequenz daraus wäre, dass das Leben eines Bluters durch das Strafrecht nicht mehr geschützt wäre. f) Pflichtwidrigkeitszusammenhang und Risikoerhöhungslehre Eine weitere Fallgruppe der Lehre von der objektiven Zurechnung stellt die Problematik des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs dar, bei dessen Fehlen die Erfolgszurechnung mangels Gefahrrealisierung entfallen soll.459 Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang wird nur bei Fahrlässigkeitsdelikten relevant460 und soll nach dem Sinn der Strafnormen vorliegen, wenn der Eintritt des Erfolgs auf der Verletzung einer einschlägigen Verhaltens- oder Sorgfaltspflicht beruht und nicht bereits, wenn der Handelnde bei Gelegenheit der Erfolgsherbeiführung gegen eine solche Pflicht verstößt.461 Das geschaffene Risiko verwirkliche sich dann nicht im Erfolg, wenn dieser auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten des Handelnden auf Grund konkreter Anhaltspunkte mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre.462 Hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitsurteils müsse der Grundsatz „in dubio pro reo“ zur Anwendung gebracht werden. So soll der Pflichtwidrigkeitszusammenhang in folgendem Beispiel fehlen und die objektive Zurechenbarkeit des Erfolgs ausschließen:463 Ein Lastwagenfahrer überholt einen Radfahrer mit zu geringem Seitenabstand. Dabei kommt der Radfahrer unter die Räder des LKW und zieht sich tödliche Verletzungen zu. Jedoch stand der Radfahrer unter erheblichem Alkoholeinfluss, sodass es als gut denkbar erscheint, dass der Radfahrer auch bei Einhalten des Sicherheitsabstandes 459 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (571); Kühl, AT, § 4, Rn. 73; Frisch, FS Roxin, S. 226; ders., GA 2003, 719 (724); Jescheck/Weigend, § 28 IV 5 (S. 288 f.); Mitsch, JuS 2001, 105 (108); Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 99 f. m. w. N., der allerdings bereits eine über das erlaubte Risiko hinaus gehende Gefahrschaffung ablehnt; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 15, Rn. 173 ff. m. w. N.; Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 65 m. w. N.; Samson, in: SK, Anhang zu § 16, Rn. 26; Wessels/Beulke, Rn. 197. Vgl. dazu auch die Rechtsprechung in BGHSt 11, 1 (7); 24, 31 (34); 33, 61 (63). 460 Darauf weist auch Kühl, AT, § 4, Rn. 73 hin. Der Vollständigkeit halber soll auch diese Komponente der Lehre von der objektiven Zurechnung bereits hier und nicht erst im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte dargestellt werden. Mitsch, JuS 2001, 105 (108) hält den Pflichtwidrigkeitszusammenhang auch bei Vorsatzdelikten für relevant und bezeichnet ihn dort als „Vorsätzlichkeitszusammenhang“. 461 Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (571); Mitsch, JuS 2001, 105 (108). 462 Mitsch, JuS 2001, 105 (108); Wessels/Beulke, Rn. 197. 463 Vgl. BGHSt 11, 1.
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durch den Lastwagenfahrer unter den LKW geraten und überfahren worden wäre. Der bei Zweifeln heranzuziehende Grundsatz „in dubio pro reo“ führe hier dazu, keinen Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen dem Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes und dem Tod des Radfahrers anzunehmen und die Zurechenbarkeit des Erfolgs zur Handlung des Lastwagenfahrers auszuschließen. Zu einem anderen Ergebnis kommt die so genannte Risikoerhöhungslehre.464 Auch ihre Vertreter wollen die objektive Zurechnung des Erfolgs entfallen lassen, wenn das pflichtgemäße Alternativverhalten mit Sicherheit zum selben Erfolg geführt hätte. Ansonsten würde der Handelnde für die Nichterfüllung einer Pflicht bestraft werden, deren Einhaltung nutzlos gewesen wäre.465 Jedoch soll die Zurechnung erfolgen, wenn ein pflichtgemäßes Alternativverhalten nur wahrscheinlich oder möglicherweise den Eintritt des Erfolgs verhindert hätte bzw. das normwidrige Verhalten im Vergleich zum pflichtgemäßen die Chance des Erfolgseintritts erhöht hat.466 Im obigen Radfahrer-Fall käme die Risikoerhöhungslehre demnach auch bei Zweifeln über das hypothetische Geschehen zur Zurechnung des Erfolgs zum Verhalten des Lastwagenfahrers, denn das Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes würde als ein das Risiko steigernder Faktor ausreichen.467 Prima facie spricht Vieles gegen die Risikoerhöhungslehre, etwa dass sie de facto Verletzungsdelikte in Gefährdungsdelikte umdeutet und den Grundsatz „in dubio pro reo“ zu stark einschränkt.468 Dennoch braucht der Streit, ob die Risikoerhöhungslehre im Rahmen des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs Anwendung finden kann, an dieser Stelle nicht vertieft und entschieden zu werden, denn es handelt sich dabei nicht um eine Frage der objektiven Erfolgszurechnung, sondern um ein spezielles Fahrlässigkeitsproblem.469 Das Erfordernis eines Pflichtwidrigkeitszusammenhangs ergibt sich 464
Vgl. Ebert/Kühl, Jura 1979, 561 (571 f.); Jescheck/Weigend, § 28 IV 5 (S. 288 f.) und § 55 II 2 b aa (S. 584 f.); Lackner/Kühl, § 15, Rn. 44 m. w. N.; Puppe, in: NK, vor § 13, Rn. 205 f.; Otto, FS Maurach, S. 103 f.; ders., NJW 1980, 417 (423); Roxin, AT 1, § 11, Rn. 76 ff. m. w. N.; ders., FS Honig, S. 138 ff.; Schünemann, GA 1999, 207 (226 f.); Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 65 ff.; Stratenwerth, AT, § 8, Rn. 36 f.; Wolter, Zurechnung, S. 334 ff. 465 Roxin, AT 1, § 11, Rn. 68. 466 Vgl. nur Roxin, AT 1, § 11, Rn. 68, 76. 467 Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 198. 468 Kritik an der Risikoerhöhungslehre äußern Baumann/Weber/Mitsch, § 14, Rn. 86 f.; Fincke, S. 60 ff., 70 ff.; Freund, AT, § 2, Rn. 49; Frisch, Tatbestand, S. 537 ff.; Jakobs, AT, 7/98 ff.; Koriath, Zurechnung, S. 491, 525; Küpper, S. 101 ff.; Puppe, in: NK, vor 13, Rn. 97 ff.; Samson, FS Lüderssen, S. 587 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 199. 469 Hirsch, FS Köln, S. 406; ders., FS Lenckner, S. 127; Küpper, S. 100; Maiwald, JuS 1984, 439 (442, Fn. 23); ders., FS Miyazawa, S. 469, 479; Welzel, S. 136.
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aus dem Wesen der Fahrlässigkeitsdelikte und hat positiv-rechtlich Eingang in das Strafgesetz gefunden.470 So fordert § 222, dass der Tod des Opfers durch Fahrlässigkeit verursacht sein müsse. Diese als Pflichtwidrigkeitszusammenhang bezeichnete Beziehung betrifft aber nicht den für die Tathandlungsbestimmung maßgeblichen Zusammenhang zwischen dem verbotenen Verhalten und dem Erfolg, sondern das Verhältnis zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung – die auch vor der Tathandlung liegen kann – und dem Erfolg.471 Dem liegt eine Unterscheidung zwischen dem Gegenstand und dem Maßstab der strafrechtlichen Bewertung zu Grunde. Bei der Erfolgszurechnung geht es um die Bestimmung des Gegenstandes strafrechtlicher Zurechnung, der Tathandlung. Bei der Frage nach Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie deren Beziehung zum Erfolg, d.h. beim Pflichtwidrigkeitszusammenhang, geht es dem gegenüber um die Bewertung der zuvor bestimmten Tathandlung.472 Für den Radfahrer-Fall bedeutet das, dass der Lastwagenfahrer, auch wenn der Erfolg bei Einhalten des Sicherheitsabstandes, d.h. bei sorgfaltsgemäßem Alternativverhalten genauso eingetreten wäre, die Tathandlung eines Tötungsdelikts begangen hat.473 Zwischen seiner Handlung und dem Tod des Radfahrers besteht ein unmittelbarer tatsächlicher Zusammenhang und darüber hinaus gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Verantwortung des Lastwagensfahrers insbesondere wegen der Verantwortung eines Anderen oder des Opfers ausgeschlossen wäre. Ein hypothetischer Erfolgseintritt bei sorgfaltsgemäßem Alternativverhalten würde allerdings die Fahrlässigkeit des Lastwagenfahrers ausschließen. g) Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch Dazwischentreten eines Dritten oder des Opfers Die bislang untersuchten Fallgruppen konnten nicht über die Unzulänglichkeit der Grundformel der Lehre von der objektiven Zurechnung, die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte zu bestimmen, hinweg helfen. Es bleibt zu prüfen, ob die letzte Fallgruppe der „Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs“ dazu in der Lage ist. Diese widmet sich der Frage, ob und inwieweit das vorsätzliche Dazwischentreten eines Dritten oder des 470
Hirsch, FS Köln, S. 406; ders., FS Lenckner, S. 127; Küpper, S. 100. Zur Unterscheidung zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung und der Tathandlung eingehend Hruschka, JZ 1997, 22 (25 ff.). 472 Maiwald, JuS 1984, 439 (442, Fn. 23 f.); ders., FS Miyazawa, S. 470 ff.; vgl. auch Küpper, S. 116. Dazu bereits oben im Rahmen der Fallgruppe des Schutzzwecks der Norm, S. 100 f. 473 Maiwald, JuS 1984, 439 (442). 471
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1. Teil: Vorsatzdelikte
Opfers in den Geschehensablauf den Zurechnungszusammenhang zwischen der fahrlässigen Ersthandlung und dem Erfolg unterbricht. Nur wenige Autoren fassen die Problematik etwas weiter und beschränken sich nicht auf eine Kombination von fahrlässiger Ersthandlung und vorsätzlicher Zweithandlung, sondern beziehen vorsätzliche Ersthandlungen bzw. fahrlässige Zweithandlungen in ihre Überlegungen mit ein.474 Es ist deshalb sinnvoll, diese Fallgruppe im Rahmen der Vorsatzdelikte zu behandeln, zumal dies auch von Teilen der Literatur so gehandhabt wird.475 Es wird sich zeigen, dass die Strukturen der Tathandlung bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten sowie die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzlichen Handlungsverbote bei beiden Deliktsarten ohnehin keine Unterschiede aufweisen.476 Die Feststellung von vorsätzlicher oder fahrlässiger Begehung ist kein Teil der Tathandlungsbestimmung, d.h. sie betrifft nicht den Gegenstand der strafrechtlichen Bewertung, sondern stellt den Maßstab der Bewertung der Tathandlung selbst dar.477 Vorsatz und Fahrlässigkeit sind daher ohne Einfluss auf die Methode zur Bestimmung der Tathandlung. Im Rahmen der Fallgruppe der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs werden häufig folgende Beispielsfälle genannt: Der verheiratete T bekommt von seiner Geliebten E ein Gift überreicht, mit dem T seine Ehefrau O tötet. Hier stellt sich die Frage, ob E, wenn sie nicht vorsätzlich in Bezug auf die Tötung der O handelte, wegen fahrlässiger Tötung strafbar ist. Das Reichsgericht hatte dies bejaht.478 In einer weiteren Entscheidung hatte das Reichsgericht festgestellt, dass der Vermieter einer feuergefährlichen Wohnung wegen fahrlässiger Tötung strafbar sein kann, wenn dieser gegen Brandschutzbestimmungen verstößt und ein Dritter die Wohnung vorsätzlich in Brand setzt, wodurch die Bewohner zu Tode kommen.479 Die enge Verwandtschaft dieser Fallgruppe mit der oben bereits untersuchten Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bzw. einer einverständlichen Fremdgefährdung480 ist offensichtlich, geht es doch jeweils um Situationen, in denen mehrere Personen nacheinander eine notwendige Bedingung für den Erfolg setzen und um die damit verbundene Frage, welche dieser Handlungen die Tathandlung darstellt. Die Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung ist gewissermaßen ein 474
So z. B. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 (26); ders., AT, 24/21. Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 192. 476 Vgl. dazu und insbesondere zur Reichweite der Handlungsverbote der fahrlässigen Erfolgsdelikte unten S. 137 ff. 477 Maiwald, JuS 1984, 439 (442, Fn. 23 f.); ders., FS Miyazawa, S. 470 ff; vgl. auch Küpper, S. 116. Dazu bereits oben S. 100. 478 RGSt 64, 370 (372 ff.). 479 RGSt 61, 318 (321 f.). 480 Oben S. 108 ff. 475
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Spezialfall der übergeordneten Fallgruppe des Dazwischentretens eines Dritten oder des Opfers. Im Wesentlichen haben sich zwei Meinungen zur Behandlung dieser Fallgruppe auf der Ebene der normativen objektiven Zurechnung herausgebildet: Die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen und ein normatives Regressverbot. Diese Ansichten sollen im Folgenden dargestellt und kritisch untersucht werden. Es sollte nicht verwundern, dass hier Parallelen zur Problematik der Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung erkennbar werden. Dies gilt sowohl für den Inhalt der Lösungsvorschläge, als auch für deren Schwächen. aa) Abgrenzung von Verantwortungsbereichen (1) Allgemeines Nach dieser Auffassung ist dem Ersthandelnden, der eine notwendige Bedingung gesetzt hat, der Erfolg dann objektiv zuzurechnen, wenn er für den Erfolgseintritt trotz der späteren äquivalent kausalen Handlung eines Dritten oder des Opfers verantwortlich ist. Besondere Relevanz kommt demnach dem Zuschnitt der jeweiligen Verantwortungsbereiche zu.481 Der Verantwortungsbereich des Täters müsse gegen den anderer Personen abgegrenzt werden.482 Wie genau diese Abgrenzung zu erfolgen hat, ist freilich unter den Vertretern der Lehre von der objektiven Zurechnung umstritten. Weit gehende Einigkeit besteht nur darüber, dass zunächst jeder nur für die Folgen seines eigenen, nicht aber für die fremden Verhaltens verantwortlich ist,483 woraus ein Teil der Literatur folgert, dass man demnach darauf vertrauen darf, dass Andere sich rechtmäßig verhalten und keine Straftaten begehen, sog. Vertrauensgrundsatz.484 Etwas Anderes soll nur gelten, wenn das Vertrauen auf die Rechtstreue eines Anderen nicht gerechtfertigt erscheint. Dann werde der Vertrauensgrundsatz außer Kraft gesetzt und der Ersthandelnde sei für den Erfolg mit verantwortlich, sodass ihm dieser objektiv zugerechnet werden könne.
481
Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 (15). Otto, FS Lampe, S. 497; ders., FS Spendel, S. 277; ders., Jura 1992, 90 (97); Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 72. 483 Otto, FS E.A. Wolff, S. 401; ders., FS Tröndle, S. 157; Lenckner, FS Engisch, S. 506; Schumann, S. 19 ff.; Welp, S. 274 ff., 314 f. 484 Roxin, FS Tröndle, S. 186 f.; Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 (13 ff.); Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 72; Stratenwerth, AT, § 15, Rn. 65 ff.; kritisch zum Vertrauensgrundsatz: Otto, FS E.A. Wolff, S. 404 f.; Puppe, in: NK, vor § 13, Rn. 151; Renzikowski, Täterbegriff, S. 183. 482
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(2) Konkrete Anhaltspunkte für die Begehung einer Vorsatztat (Rudolphi) Rudolphi stellt zur Bestimmung der Verantwortung des Ersthandelnden für den Erfolg darauf ab, ob dieser konkrete Anhaltspunkte für die Begehung einer Vorsatztat durch einen Dritten hatte.485 Es bleibt aber unklar, wann solche konkreten Anhaltspunkte vorliegen sollen, die es rechtfertigen, dem Ersthandelnden den durch den Dritten herbeigeführten Erfolg objektiv zuzurechnen.486 Im Hinblick auf die Begehung von späteren Vorsatzdelikten wird es regelmäßig schwer möglich sein, aus ex ante-Sicht eine verlässliche Auskunft darüber zu geben, wann eine bestimmte Vorsatztat bevorsteht. Viele „verdächtige“ Verhaltensweisen wie der Kauf eines Messers können letztlich harmlos sein, genau wie auf den ersten Blick unverfängliche Umstände die Vorbereitung einer Straftat darstellen können, wie z. B. der Kauf eines Kuchens, um diesen vergiftet zu servieren. Das Kriterium der „konkreten Anhaltspunkte“ für eine fremde Vorsatztat kann demnach auf Grund seiner Unbestimmtheit nicht zur Verantwortungszuschreibung und Zurechnung des Erfolgs zur Ersthandlung dienen. (3) Rein deliktischer Sinn der Ersthandlung (Jakobs) Für Jakobs ist für die objektive Erfolgszurechnung zum Ersthandelnden maßgeblich, ob der objektive Sinn der Ersthandlung nur in der Durchführung einer Straftat durch einen Dritten liegen kann.487 Dem Ersthandelnden wird die Verantwortung für den Erfolg nur dann abgesprochen und ihm dieser nicht objektiv zugerechnet, wenn die Ersthandlung auch ohne die darauf folgende Tat eines Anderen noch sinnvoll gewesen wäre. Diese Auffassung ist nicht überzeugend. Ihre Schwächen treten offen zu Tage, wenn man sich bewusst macht, dass es schlechterdings fast keine Handlungen gibt, die nur deliktisch sinnvoll sein können. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass „selbst das giftigste Gift . . . nichtdeliktische Verwendungszwecke [hat]“.488 Überreicht jemand einem Waffensammler eine Pistole, womit dieser sein Opfer erschießt, so könnte demjenigen, der die Pistole übergeben hat, keine Verantwortung für den Tod des Opfers zugeschrieben werden, da der Täter die Waffe auch zu einem nichtdeliktschen Zweck, der Hinzufügung zu seiner Sammlung, hätte verwenden können. Jakobs Versuch der 485
Rudolphi, in: SK, vor § 1, Rn. 72. Diel, S. 216 f.; Frisch, Tatbestand, S. 275; Roxin, FS Tröndle, S. 188 f.; Welp, S. 288. 487 Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 (23 ff.); ders., AT, 24/15. 488 Wehrle, S. 74; Roxin, FS Tröndle, S. 190. 486
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Verantwortungszuschreibung entpuppt sich demnach als zu starr und nicht sachgerecht. (4) Förderung erkennbarer Tatgeneigtheit (Roxin) Roxin rekurriert zur Begründung der Verantwortung des Ersthandelnden für den Erfolg darauf, ob dessen Beitrag die erkennbare Tatgeneigtheit des dazwischentretenden Dritten gefördert hat.489 Auch diese Ansicht kann nicht im Einklang mit dem Bestimmtheitsgrundsatz die Tathandlung reiner Erfolgsdelikte bestimmen. Bei der Tatgeneigtheit des Dritten handelt es sich um einen inneren Vorgang, der aus ex ante-Sicht regelmäßig nicht mit Sicherheit durch einen außen Stehenden erkennbar sein wird. Die damit notwendigerweise verbundenen Unsicherheiten über die Motivationslage des Dritten können keine sichere Grundlage für eine Strafbarkeit des Ersthandelnden darstellen, was das von Roxin verwendete Kriterium auf Grund der daraus folgenden willkürlichen Ergebnisse als strafrechtliche Haftungsgrundlage unbrauchbar macht.490 Darüber hinaus geht es bei der Frage, ob die Tatgeneigtheit des Dritten für den Ersthandelnden erkennbar war, gar nicht um die Bestimmung der Tathandlung, sondern darum, ob die Ersthandlung sorgfaltswidrig war. Die Erkennbarkeit der Tatgeneigtheit des Dritten gibt keine Auskunft über den Erfolgsbezug der Ersthandlung, sondern versucht zu erhellen, ob die Ersthandlung als fahrlässig zu bewerten ist. Es geht also nicht um die Bestimmung des Gegenstands der strafrechtlichen Bewertung, sondern um den daran anzulegenden Maßstab der strafrechtlichen Bewertung.491 Auch deshalb kann die Erkennbarkeit der Tatgeneigtheit des Dritten kein Kriterium zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte darstellen. (5) Kritik am Einheitstäterbegriff bzw. extensiven Täterbegriff bei Fahrlässigkeitsdelikten Die gerade dargestellten Ansichten leiden aber noch an einem schwerer wiegenden Mangel: Sie gehen allesamt von der Geltung eines Einheitstäterbegriffs bzw. extensiven Täterbegriffs bei den fahrlässigen Erfolgsdelikten aus. Wenn man bereits von einer täterschaftlichen Verwirklichung eines fahrlässigen Erfolgsdelikts sprechen könnte, sobald ein Beteiligter eine notwendige Bedingung für den Erfolg setzt und für den Erfolg Verantwortung 489
Roxin, FS Tröndle, S. 190 ff. Diel, S. 220 f. 491 Vgl. dazu bereits oben S. 100 f. und Maiwald, JuS 1984, 439 (442, Fn. 23 f.); ders., FS Miyazawa, S. 470 ff.; vgl. auch Küpper, S. 116. 490
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trägt, dann würde das zu einer einheitlichen, undifferenzierten Verantwortungszuschreibung im Fahrlässigkeitsbereich führen, die das Gewicht des einzelnen Tatbeitrags für den Erfolg unbeachtet lässt. Dadurch würde negiert, dass auch im Fahrlässigkeitsbereich unterschiedliche Handlungen ein unterschiedliches Maß an Verantwortung für den Erfolg bewirken können. Fahrlässige Handlungen am Rande des Tatgeschehens – die, wären sie vorsätzlich begangen, stets als Beihilfe angesehen würden – würden zu täterschaftlichen Handlungen umgemünzt. Diese undifferenzierte Verantwortungszuschreibung führt zur verfassungsrechtlichen Unhaltbarkeit des Einheitstäterbegriffs und des extensiven Täterbegriffs, da sie insbesondere gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, den allgemeinen Gleichheitssatz und das Analogieverbot verstoßen.492 Es gibt keinen Grund, dieses Urteil und den daraus zwingend folgenden restriktiven Täterbegriff auf Vorsatztaten zu beschränken und nicht auf den Bereich der Fahrlässigkeitstaten zu erstrecken.493 Darüber hinaus stellt der Versuch, einen Einheitstäterbegriff bzw. einen extensiven Täterbegriff im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte zu installieren, eine Umgehung der gesetzgeberischen Wertentscheidung dar, durch §§ 26 und 27 nur vorsätzliche Teilnahmehandlungen unter Strafe zu stellen und fahrlässige Teilnahme straflos zu lassen. Das wird freilich von weiten Teilen der Literatur bestritten.494 So führt Roxin aus, eine Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme sei bei Fahrlässigkeitstaten nicht möglich, denn Tatherrschaft – das maßgebliche Abgrenzungskriterium für Täterschaft und Teilnahme im Vorsatzbereich – sei bei Fahrlässigkeitsdelikten nicht denkbar.495 Darüber hinaus ergebe sich aus dem Wortlaut des § 222, dass der Gesetzgeber bei den Fahrlässigkeitsdelikten bereits die Verursachung des Erfolgs unter Strafe stelle und nirgends erkennen lasse, dass er bestimmte fahrlässige Verursachungen unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ausnehmen wolle.496 492
Vgl. dazu oben S. 52 ff. So auch Renzikowski, Täterbegriff, S. 14, 226, 259 ff.; ders., JR 2001, 248 (249); Diel, S. 319 ff.; Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (610); Luzón/Díaz y García, FS Roxin, S. 598 ff., 603; Zimmerl, ZStW 49 (1929), 39 (46 f.); ähnlich Lesch, GA 1994, 112 (116, 119 ff.). 494 Baumann/Weber/Mitsch, § 28, Rn. 13; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, vor §§ 25 ff., Rn. 117; Frisch, Tatbestand, S. 303 f.; Herzberg, Täterschaft, S. 99 f.; Jakobs, AT, 21/111 f.; Jescheck/Weigend, § 61 VI (S. 654 f.), allerdings nur für die unbewusste Fahrlässigkeit; Kühl, AT, § 20, Rn. 10; Küper, Notstand, S. 68; Küpper, S. 138; Lackner/Kühl, vor § 25, Rn. 2; Puppe, in: NK, vor § 13, Rn. 163; Roxin, in: LK, § 25, Rn. 217; ders., FS Tröndle, S. 178; ders., AT 1, § 24, Rn. 27; Stratenwerth, AT, § 16, Rn. 78; Wessels/Beulke, Rn. 659. 495 Roxin, in: LK, § 25, Rn. 218; ders., FS Tröndle, S. 178. 493
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Diese Argumente sind nicht überzeugend. Eine Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme, d.h. zwischen der täterschaftlichen Herbeiführung und der Ermöglichung oder Förderung der Herbeiführung des Erfolgs durch einen Anderen ist bei Fahrlässigkeitsdelikten ebenso möglich wie bei Vorsatztaten.497 Dabei kommt es nicht, wie Roxin meint, in erster Linie auf das Kriterium der Tatherrschaft an. Es wurde bereits dargelegt, dass die Tatherrschaft nicht die geschriebenen Tatbestandsmerkmale der Vorschriften des Besonderen Teils ersetzten kann.498 Für die Bestimmung der Tathandlung des unmittelbaren Täters kommt es bei den reinen Erfolgsdelikten insbesondere auf einen hinreichend engen tatsächlichen Erfolgsbezug der Handlung an.499 Darüber hinaus wäre es möglich, das Kriterium der Tatherrschaft auch auf Fahrlässigkeitstaten zu übertragen und als Mittel zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme heran zu ziehen. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen: Der Theatergast E gibt seinen Mantel, in dem sich eine geladene Pistole befindet, an der Garderobe ab. Der Logenschließer T findet die Pistole und hält sie dem an der Garderobe arbeitenden O zum Scherz an die Schläfe. Da T die Waffe für ungeladen hält, drückt er ab. Durch den sich lösenden Schuss wird O getötet.500 Hier können die Tatbeiträge von E und T durchaus an Hand der Tatherrschaft in Täterschaft und Teilnahme unterschieden werden, obwohl beide sorgfaltswidrig handeln. Während T das zum Erfolg führende Geschehen in den Händen hält, tut E dies gerade nicht. T kommt deshalb Tatherrschaft zu, weil er es war, der die Pistole an die Schläfe des O gehalten und abgedrückt hat und dadurch den Tod des O unmittelbar herbeigeführt hat. Dass T nicht an die Erfolgsgeeignetheit seines Tuns glaubte, ändert daran nichts. Dadurch wird lediglich sein Tatherrschaftswille, d.h. der Vorsatz bzgl. seiner Tatherrschaft ausgeschlossen, nicht die Tatherrschaft selbst. E hingegen hatte das zum Tode des O führende Geschehen nicht in der Hand. Durch die Abgabe seines Mantels an der Garderobe mit der Pistole in der Tasche hat es E dem T lediglich ermöglicht, den Tod des O herbeiführen zu können. E hatte jedoch keinerlei Kontrolle über das eigentliche Tatgeschehen und die Handlung des T. Die Tatbeiträge von T und E haben demnach ein unterschiedliches Gewicht für den Erfolg, was sich in einer unterschiedlichen Verantwortungszuschreibung niederschlagen muss, die sich durch eine Abstufung der Tatbeiträge in Täterschaft und Teilnahme ausdrückt. Dafür, dass eine Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme im Fahrläs496
Roxin, FS Tröndle, S. 178; Herzberg, Täterschaft, S. 100. Otto, FS Spendel, S. 272 f.; so auch Spendel, JuS 1974, 749 (752 ff.), der allerdings selbst von einem extensiven Täterbegriff ausgeht. 498 Dazu oben S. 115 f. 499 Dazu oben S. 52 ff. 500 RGSt 34, 91. 497
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sigkeitsbereich prinzipiell möglich ist, spricht auch, dass der Gesetzgeber im Kriegswaffenkontrollgesetz fahrlässige Teilnahme eigenständig unter Strafe gestellt hat.501 Darüber hinaus lässt sich aus dem Wortlaut des § 222 kein weites Handlungsverbot i. S. d. Einheitstäterbegriffs bzw. des extensiven Täterbegriffs für die fahrlässigen Erfolgsdelikte ableiten. Zwar verbietet es § 222, den Tod eines anderen „zu verursachen“, während es § 212 untersagt, einen anderen Menschen „zu töten“. Damit ist jedoch kein Unterschied in der Sache verbunden. Die unterschiedlichen tatbestandlichen Formulierungen in §§ 212 und 222 resultieren daraus, dass der Gesetzgeber mit „töten“ das Vorsatzelement des Handelnden zum Ausdruck bringen und mit „den Tod verursachen“ dem Fehlen der subjektiven Erfolgsgerichtetheit des Handelnden Rechnung tragen wollte.502 Darüber hinaus bedeutet „Töten“ ohnehin nichts anderes als „den Tod verursachen“,503 wobei nach dem maßgeblichen Alltagssprachgebrauch mit „verursachen“ nicht bloß „eine notwendige Bedingung setzen“ gemeint ist.504 Die objektiven Tatbestände der §§ 212 und 222 enthalten demnach inhaltlich übereinstimmende, begrenzte Handlungsverbote.505 Ob diese vorsätzlich oder fahrlässig übertreten werden, vermag an ihrer Reichweite nichts zu ändern.506 Auch neuere Strafnormen wie § 315c, bei denen der Gesetzgeber die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit schlicht in einem zusätzlichen Absatz beigefügt hat, sprechen dafür, dass den Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten stets identische Handlungsverbote zu Grunde liegen. Diese Delikte verzichten auf eine Erweiterung der Handlungsverbote für die Fahrlässigkeitsvariante und verdeutlichen daher die Identität der Handlungsverbote im Vorsatz- und Fahrlässigkeitsbereich sowie den bewussten Verzicht des Gesetzgebers auf eine Pönalisierung von Teilnahmehandlungen im Fahrlässigkeitsbereich – sei es als Täterschaft oder als Teilnahme. Der Gesetzgeber hätte den Fahrlässigkeitsdelikten auch keinen Einheitstäterbegriff bzw. extensiven Täterbegriff zu Grunde legen können, da dann 501 Vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3, 3. Var. Kriegswaffenkontrollgesetz. Darauf weist auch Otto, FS Spendel, S. 275 hin. 502 So schon Goltdammer, GA 15 (1867), 15 (17); Diel, S. 326 f.; Engisch, S. 85, Fn. 5; Otto, FS Spendel, S. 275; Schumann, S. 111 f.; zu den historischen Hintergründen des § 222 vgl. Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (432 ff.); Renzikowski, Täterbegriff, S. 173 m. w. N. 503 Duden, Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 6, S. 2607. So auch z. B. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (594); vgl. auch Koriath, Zurechnung, S. 536; Spendel, in: LK, § 323a, Rn. 35. Dazu bereits oben S. 68 ff. 504 So auch Otto, FS Lampe, S. 494; vgl. auch Hart/Honoré, S. 460; Ling, S. 234 ff. Dazu bereits oben S. 68 f. 505 So auch Renzikowski, Täterbegriff, S. 226, 259; ders., JR 2001, 248 (249). 506 Renzikowski, Täterbegriff, S. 226; Zimmerl, ZStW 49 (1929), 39 (46 f.).
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keine differenzierte Verantwortungszuschreibung durch die von den objektiven Tatbeständen ausgesprochenen Handlungsverbote gewährleistet wäre. Täterschaft und Teilnahme wären gleichermaßen verboten und würden trotz ihres qualitativ unterschiedlichen Erfolgsbezugs gleich behandelt. Derartig weite, undifferenzierte Handlungsverbote, die nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme unterscheiden, würden gegen verfassungsrechtliche Vorgaben wie den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen.507 Wollte der Gesetzgeber durch § 222 dennoch ein Handlungsverbot aussprechen, das gleichermaßen alle notwendigen Bedingungen unabhängig von ihrem Gewicht für den Erfolg erfasst, so würde das zur Verfassungswidrigkeit bzw. zu einer verfassungskonformen Einschränkung dieser Norm führen. Es ist demnach, anders als Roxin meint, gar nicht notwendig, dass der Gesetzgeber „erkennen lässt“, dass er fahrlässige Verursachungen aus der fahrlässigen Täterschaft unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme herausnimmt,508 denn die verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, differenziert Verantwortung zuzuschreiben, erlaubt es diesem gar nicht, fahrlässige Teilnahmehandlungen in die fahrlässige Täterschaft mit einzubeziehen. Selbstverständlich vermag die subjektive Einstellung des Täters nichts an den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine differenzierte Verantwortungszuschreibung durch das Strafgesetz zu ändern. Von ihr kann daher nicht abhängen, ob der restriktive Täterbegriff oder der Einheitstäterbegriff bzw. der extensive Täterbegriff maßgeblich ist.509 Für die Frage, ob Täterschaft oder Teilnahme vorliegt, fallen die Würfel somit allein im von subjektiven Merkmalen unbeeinflussbaren objektiven Tatbestand, wobei die objektiven Tatbestände von vorsätzlichen und fahrlässigen Erfolgsdelikten strukturell und inhaltlich identisch sind. Mit anderen Worten: Fahrlässigkeit kann nicht dazu führen, dass eine Teilnahmehandlung zu einer täterschaftlichen Handlung gemacht wird. Derjenige, der dem Täter die Mordwaffe gibt, ist nicht Täter, sondern Teilnehmer, unabhängig davon, ob er irrtümlich darauf vertraut, dass der Täter die Waffe nicht zu einer Straftat einsetzt oder ob es ihm schlichtweg egal ist, falls der Täter die Waffe später zu einem Mord benutzt. Im ersten Fall liegt fahrlässige, im letzten Fall vorsätzliche Beihilfe vor, wobei die fahrlässige Beihilfe nach der geltenden Gesetzeslage nicht strafbar ist. Dieses Ergebnis kann nicht dadurch umgangen werden, indem man die straflose fahrlässige Beihilfe kurzer Hand zur strafbaren fahrlässigen Täterschaft erklärt. 507
Dazu bereits eingehend oben S. 52 ff. Roxin, FS Tröndle, S. 178. 509 Renzikowski, S. 226; Lesch, GA 1994, 112 (116); Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (610). 508
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(6) Steuerbarkeit des Geschehens (Otto) Auch Otto sieht in der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen das maßgebliche Kriterium für die objektive Zurechnung des Erfolgs.510 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit einer Person ende grundsätzlich dort, wo ein verantwortlich handelnder Dritter oder das verantwortlich handelnde Opfer nach dem Ersthandelnden eine neue Gefahr begründet, die sich dann allein im Erfolg verwirklicht.511 In einem solchen Fall stelle sich der Erfolg allein als Werk des Dritten dar, ein Zurückgreifen auf das Verhalten des Ersthandelnden als Tathandlung sei nicht möglich. Dies bedeute jedoch nicht, dass stets nur dem zuletzt Handelnden Verantwortung für den Erfolg zukomme.512 Vielmehr sei die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche im Einzelfall wertend zu ermitteln.513 So sei eine objektive Zurechnung zum Ersthandelnden dann nicht ausgeschlossen, wenn dieser Sicherheitsvorschriften verletzt hat, die gerade vor Straftaten Dritter schützen sollten und deren Nichtbeachtung die Tat des Dritten ermöglichte, denn dann trage auch der Ersthandelnde Verantwortung für den Erfolg.514 So sollen Brandschutzvorschriften, die die Verwendung nur schwer entflammbarer Baumaterialien vorschreiben, die Bewohner der Räume auch vor den von vorsätzlichen Brandstiftungen Dritter ausgehenden Gefahren schützen.515 Überdies sei der Erfolg der Ersthandlung zuzurechnen, wenn die Handlung des Dritten typischerweise derart eng mit der auf die Ersthandlung zurückzuführenden Gefahr verbunden sei, dass sich die Dritthandlung bereits als Realisierung dieser (Erst-)Gefahr ansehen lasse.516 Dies sei beispielsweise bei einem durch den Ersthandelnden schwer verletzten Opfer der Fall, das von einem Arzt operiert wird und durch die Operation zu Tode kommt.517 Hier sei der Todeserfolg sowohl dem Arzt als auch dem Ersthandelnden objektiv zuzurechnen.518 510
Otto, FS Lampe, S. 497; ders., Jura 1992, 90 (91, 97). Otto, FS Lampe, S. 498 f.; ders., Jura 1992, 90 (97 f.); so auch Wessels/ Beulke, Rn. 192. 512 Otto, FS Lampe, S. 499; ders., FS E.A. Wolff, S. 399 f., 405; ders., FS Spendel, S. 279; ders., Jura 1992, 90 (97). 513 Otto, FS E.A. Wolff, S. 400, 405; ders., FS Spendel, S. 280; ders., Jura 1992, 90 (98). 514 Vgl. Otto, FS E.A. Wolff, S. 399, 412 ff.; so auch Schünemann, GA 1999, 207 (224); Wessels/Beulke, Rn. 192; als Beispiele werden häufig Brandschutzvorschriften oder die rechtlichen Regelungen über die Verwahrung von spaltbarem Material in § 5 AtomG genannt. 515 Otto, FS E.A. Wolff, S. 412 f. 516 Otto, FS Lampe, S. 500, 507 f.; ders., FS Spendel, S. 278; ders., Jura 1992, 90 (98); so auch Wessels/Beulke, Rn. 192. 517 Otto, FS Lampe, S. 508; ders., FS E.A. Wolff, S. 405, 407 ff. 511
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Die Grundlage der Verantwortungszuweisung sieht Otto im Gedanken der Steuerbarkeit: Nur derjenige, der das Geschehen steuern kann, sei für einen Erfolg verantwortlich.519 Steuerbarkeit bedeutet für Otto Rückführbarkeit eines Geschehens auf eine Person als Subjekt des Geschehens und stellt für ihn mehr dar, als die Vorhersehbarkeit und die Möglichkeit, einen Erfolg herbeizuführen oder zu vermeiden.520 Die Steuerbarkeit des Geschehens durch den Ersttäter finde deshalb nicht stets durch das Dazwischentreten eines Dritten seine Grenze, da es Situationen gebe, in denen der Ersthandelnde den Dritten quasi dazu „zwinge“ dazwischenzutreten, wie der Ersthandelnde den Arzt im obigen Beispiel.521 Obwohl Ottos Argumentation nicht auf einem Einheitstäterbegriff bzw. einem extensiven Täterbegriff aufbaut, geht er von unterschiedlich weiten Verantwortungsbereichen aus, je nach dem, ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Während die Verantwortung im Vorsatzbereich auf das vom Täter gesteuerte Verhalten begrenzt sei, hafte der Fahrlässigkeitstäter darüber hinaus für das von ihm steuerbare Geschehen.522 Fahrlässigkeitsdelikte hätten demnach weitere Handlungsverbote als Vorsatzdelikte. Dem kann nicht gefolgt werden. Es überzeugt nicht, dass eine objektive Zurechnung des Erfolgs zum Ersthandelnden erfolgen soll, wenn dieser gegen Sicherheitsvorschriften verstößt, die auch dem Schutz des Opfers vor vorsätzlichen Straftaten Dritter dienen. So soll derjenige, der eine entgegen brandschutzrechtlicher Vorschriften aus leicht entflammbaren Material errichtete Wohnung vermietet, wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen sein, wenn ein Dritter diese Wohnung vorsätzlich in Brand setzt und die Mieter durch das Feuer sterben.523 Unabhängig davon, dass bisweilen bezweifelt wird, dass Brandschutzvorschriften überhaupt die Begehung von vorsätzlichen Brandstiftungen verhindern wollen,524 liegt dem eine Vermischung von Tathandlung und Sorgfaltspflichtverletzung, mithin von Gegenstand und Maßstab der strafrechtlichen Bewertung, zu Grunde. Der Vermieter, der seine unter Verstoß gegen brandschutzrechtliche Vorschriften errichtete Wohnung vermietete, handelte sorgfaltswidrig, den Tod des Mieters hat er aber nicht im Sinne des § 222 verursacht. Das hat allein der Brandstifter getan. Der Vermieter hat demnach keine Tathandlung eines Tötungsdelikts 518
Otto, FS E.A. Wolff, S. 410; ders., Jura 1992, 90 (98). Otto, FS E.A. Wolff, S. 404 f., 407; ders., FS Spendel, S. 277; ders., Jura 1992, 90 (97). 520 Otto, Jura 1992, 90 (97). 521 Otto, FS E.A. Wolff, S. 407. 522 Otto, FS Lampe, S. 499 f. 523 Otto, FS E.A. Wolff, S. 399, 412 ff.; so auch Schünemann, GA 1999, 207 (224); Wessels/Beulke, Rn. 192. 524 Bindokat, JZ 1986, 421 (423). 519
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begangen, die ihm wegen seiner Sorgfaltspflichtverletzung als fahrlässig zugerechnet werden könnte. Der Verstoß gegen die Brandschutzvorschriften könnte für den Vermieter nur dann strafrechtliche Relevanz erlangen, wenn das Nichtbeachten dieser Vorschriften selbst strafrechtlich bewehrt wäre.525 Ist dies nicht der Fall, bleibt der Vermieter straflos und kann allein der Brandstifter wegen des Todes der Mieter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Der Bereich täterschaftlicher Verantwortlichkeit ist bei Fahrlässigkeitstaten nicht weiter zu fassen als bei Vorsatztaten, da der Gesetzgeber den Vorsatz- und den Fahrlässigkeitsdelikten inhaltlich identische Handlungsverbote zu Grunde gelegt hat und auf diese Weise die täterschaftlichen Verantwortungsbereiche im Rahmen der Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikte gleich zugeschnitten hat. Es ist demnach nicht zutreffend, dass die Fahrlässigkeitsdelikte auch Ersthandlungen unter Strafe stellen, die sich erst durch ein Anknüpfen eines Dritten im Erfolg realisieren, auch wenn der Erfolgseintritt bereits in der Ersthandlung „angelegt“ war. Zum einen bedarf es der Präzisierung, was es bedeutet, dass ein Erfolg bereits in der Ersthandlung „angelegt“ war. Dieser Begriff ist völlig unbestimmt und kann daher im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG keine strafrechtliche Haftungsgrundlage darstellen. Zum anderen verbietet § 222 nicht lediglich das Setzen einer notwendigen Bedingung, die Verantwortung für den Tod eines anderen Menschen auslöst. Die von §§ 212 und 222 ausgesprochenen Handlungsverbote sind enger gefasst und verbieten die Verkürzung und Beendigung des Lebens des Opfers unabhängig davon, ob derjenige, der den Tod des Opfers herbeiführt, letztlich dafür verantwortlich ist. Freilich geht der Gesetzgeber zunächst einmal von der Verantwortung desjenigen aus, der das Leben des Opfers verkürzt und beendet. Gleichwohl bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass die Verantwortung für den Tod bei einem Anderen als dem unmittelbar Handelnden liegen kann. Daher sieht das Gesetz durch die mittelbare Täterschaft eine Strafbarkeitsausweitung auf nicht selbst handelnde, aber dennoch für den Erfolg verantwortliche Hintermänner aus und schränkt zugleich die Verantwortung des unmittelbar Handelnden durch Normen wie §§ 20 und 35 ein. Allein die Verantwortung für den Erfolg reicht somit nicht zur Begründung unmittelbar täterschaftlichen Handelns aus.526 Auch wenn der Erfolg bereits in der Ersthandlung „angelegt“ ist – wann auch immer das genau der Fall sein mag –, verkürzt und beendet doch erst die Zweithandlung das Leben des Opfers. Man denke hier nur an den Beispielsfall, in dem der Ersthandelnde das Opfer lebensgefährlich verletzt und dieses dann durch die anschließende Notoperation stirbt. Hier 525 526
In diesem Sinne wohl auch Bindokat, JZ 1986, 412 (425). Vgl. dazu bereits oben S. 110 ff.
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kann die Verantwortung des Ersthandelnden für den Erfolg nicht geleugnet werden. Diese wird nur nicht als unmittelbare Täterschaft einer fahrlässigen Tötung strafrechtlich relevant. Das mag kriminalpolitisch unerwünscht sein, entspricht aber der geltenden Gesetzeslage. (7) Fahrlässige mittelbare Täterschaft Es soll an dieser Stelle nur kurz angerissen werden, wie die Verantwortung des Ersthandelnden für den Erfolg angemessen strafrechtlich erfasst werden könnte. Eine denkbare Grundlage wäre die mittelbare Täterschaft. Diese könnte Situationen erfassen, in denen eine nicht voll verantwortliche Person durch einen Hintermann fahrlässig zu einer vorhersehbaren Rechtsgutsverletzung veranlasst wird, obwohl die mangelnde Verantwortung dieser Person erkennbar oder bekannt war.527 Mittelbare Täterschaft ist auch bei fahrlässigen Delikten möglich.528 Anders als die Anstiftung und die Beihilfe ist die mittelbare Täterschaft nicht auf Vorsatzdelikte beschränkt, denn der Wortlaut des § 25 Abs. 1, 2. Alt. schließt im Gegensatz zu §§ 26 und 27 ihre Anwendbarkeit auf Fahrlässigkeitsdelikte nicht explizit aus.529 Der mittelbaren Täterschaft käme auch im Fahrlässigkeitsbereich wegen der Identität der Reichweite der Handlungsverbote von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten keine rein deklaratorische, sondern eine konstitutive, strafbarkeitserweiternde Funktion zu. Durch die mittelbare Täterschaft werden die begrenzten Handlungsverbote der Normen des Besonderen Teils erweitert und die strafrechtliche Verantwortung auf bestimmte Personen, die nicht unmittelbare Täter sind, erstreckt. Die Möglichkeit der Erweiterung eines strafrechtlichen Handlungsverbots besteht unabhängig davon, ob gegen dieses erweiterte Handlungsverbot vorsätzlich oder fahrlässig verstoßen wird. Dies entspricht der Trennung zwischen dem Gegenstand der Bewertung – der vom Handlungsverbot erfassten Handlung – und dem Maßstab der Bewertung – der Einordnung des Handlungsverbotsverstoßes als vorsätzlich oder fahrlässig: Wie der Gegenstand der Bewertung selbst ist auch dessen Erweiterung unabhängig vom Maßstab der Bewertung. Mittelbare Täter527
Otto, Jura 1998, 409 (413). Für die Anwendbarkeit der mittelbaren Täterschaft auch im Fahrlässigkeitsbereich spricht sich – mit überzeugenden Argumenten – insbesondere Renzikowski, Täterbegriff, S. 262 ff. aus. So auch Hoyer, in: SK, § 25, Rn. 81; ähnlich Otto, FS Spendel, S. 286 ff.; ders., Jura 1998, 409 (412 f.), der allerdings die kriminalpolitischen Bedürfnisse für eine solche Konstruktion in Frage stellt. Für prinzipiell möglich, aber überflüssig halten eine fahrlässige mittelbare Täterschaft Freund, AT, § 10, Rn. 95; Roxin, in: LK, § 25, Rn. 220; ders., Täterschaft, S. 225; Cramer/ Heine, in: Schönke/Schröder, vor §§ 25 ff., Rn. 144; gänzlich ablehnend Baumann, JuS 1963, 85 (92, 94); Diel, S. 249 f., 335; Lampe, ZStW 71 (1959), 579 (615). 529 Renzikowski, Täterbegriff, S. 277. 528
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schaft ist bei den Fahrlässigkeitsdelikten auch dann konstruktiv möglich, wenn man für die Täterschaft stets Tatherrschaft fordert. So stellt sich die Tatherrschaft bei der fahrlässigen mittelbaren Täterschaft als „überlegene Vermeidemacht“ hinsichtlich des Erfolgs dar, die sich insbesondere aus überlegenem Wissen des Hintermanns ergeben kann.530 Aber genau wie bei der mittelbaren Täterschaft im Vorsatzbereich gilt auch bei der fahrlässigen Variante, dass Grundvoraussetzung für die Annahme mittelbarer Täterschaft des Hintermanns stets ein nicht voll deliktisches Handeln des Vordermanns ist.531 Dafür genügt es, wenn der Vordermann nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig handelt. Besteht beim Vordermann kein Strafbarkeitsdefizit, so kommt nur fahrlässige Teilnahme des Hintermanns in Betracht, die der Gesetzgeber jedoch bislang nicht unter Strafe gestellt hat. Außerhalb der zugegebenermaßen recht engen Grenzen der fahrlässigen mittelbaren Täterschaft besteht indes keine Möglichkeit einer Erfolgszurechnung zu einem Ersthandelnden, auch wenn in seiner Handlung bereits der durch die Zweithandlung bewirkte Erfolg „angelegt“ war. (8) Generelle Einwände gegen das Verantwortungsprinzip als maßgebliches Kriterium der Tathandlungsbestimmung Letztlich zeigt sich aus einem weiteren Grund, dass die auf das Verantwortungsprinzip rekurrierende Fallgruppe des Dazwischentretens eines Dritten nicht zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte geeignet ist: Sie versagt immer dann, wenn eine Person mehrfach erfolgsbezogen handelt.532 In einem solchen Fall hilft die Frage nach dem Verantwortlichen nicht weiter, denn es steht bereits fest, wer für den Erfolg verantwortlich ist. Was zu klären bleibt ist, auf Grund welcher konkreten Handlung der Täter für den Erfolg verantwortlich ist. Hierauf gibt die Lehre von der objektiven Zurechnung keine Antwort. Stattdessen legt sie, wie ihre Vertreter bisweilen selbst konstatieren, den Fokus darauf, den „Verantwortungsbereich der Person als Täter gegen den Verantwortungsbereich anderer Personen abzugrenzen“.533 Es wird die Frage gestellt, wessen Werk der Erfolg ist – nicht, welche Handlung den Erfolg zurechenbar verursacht hat. Diese übersteigerte Täterbezogenheit und mangelnde Tatbezogenheit, die es ihr unmöglich machen, Vorbereitungshandlungen von der Tathandlung abzugrenzen, stellen demnach ein großes Manko der Lehre von der objektiven Zurechnung dar. Die exakte Abgrenzung von Vorbereitungs- und Tathandlung ist insbeson530 531 532 533
Dazu im Einzelnen Renzikowski, Täterbegriff, S. 272 ff. So auch Otto, FS Spendel, S. 287. Vgl. dazu bereits oben S. 146 f. Otto, FS Lampe, S. 497. Hervorhebungen im Original.
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dere in den alic-Fällen bedeutend, wenn der Täter bei einer Handlung – dem Sichbetrinken – schuldfähig war und bei einer anderen – dem Abgeben des tödlichen Schusses – nicht. Eine allein auf das Verantwortungsprinzip abstellende objektive Zurechnungslehre findet keine Antwort darauf, ob in den alic-Fällen die actio praecedens bereits den objektiven Tatbestand eines Tötungsdelikts erfüllt und ist demnach als allgemeine Tatbestands- und Zurechnungslehre untauglich. Es bleibt zu klären, ob dies bei Heranziehung eines normativen Regressverbots anders ist und inwieweit ein solches dazu dienen kann, die Tathandlung reiner Erfolgsdelikte zu bestimmen. bb) Normatives Regressverbot (1) Zum Begriff Der Begriff „Regressverbot“ wurde erstmals von Frank durch die im Jahre 1924 erschienene 15. Auflage seines Lehrbuchs in die Rechtswissenschaft eingeführt. Frank beschrieb das Regressverbot wie folgt: Es gebe „Bedingungen, die keine Ursachen sind und demnach keine Täterhaftung begründen. Denn die Äquivalenztheorie ist durch folgende Sätze einzuschränken: Es gilt ein Regreßverbot in dem Sinne, daß Bedingungen, die jenseits einer bestimmten Stelle liegen, nicht als Ursachen angesehen werden dürfen: Keine Ursachen sind die Vorbedingungen einer Bedingung, die frei und bewußt (vorsätzlich und schuldhaft) auf Herbeiführung eines Erfolgs gerichtet war“.534
Obwohl der Begriff „Regressverbot“ neu war, wurde das zu Grunde liegende Problem schon zuvor sowohl in der juristischen als auch in der philosophischen Literatur unter den Stichworten „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ und „psychische Kausalität“ diskutiert.535 Das Regressverbot entfachte eine polarisierende Wirkung und scharte sowohl glühende Verfechter als auch erbitterte Gegner um sich.536 Unter „Regressverbot“ ist heute kein homogenes Konzept mehr zu verstehen, darunter werden sich in Inhalt, Ansatz und Begründung unterscheidende Ansichten gefasst. Hinsichtlich des Inhalts des Regressverbots lässt sich beispielsweise danach differenzieren, ob sich die Vertreter generell der Problematik des Dazwischentretens eines frei handelnden Dritten zuwenden oder ob sie nur die speziellere Fragestellung behandeln, ob das vorsätzliche und voll deliktische spätere Handeln eines Dritten einen Rückgriff auf vo534
Frank, S. 15. Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 126 ff.; Diel, S. 29 ff.; Ling, S. 43 ff.; Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (421 ff.); Renzikowski, Täterbegriff, S. 112 ff.; Wehrle, S. 20 ff. Eine guten Überblick aus älterer Zeit bietet auch Pomp, S. 3 ff. 536 Vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 130. 535
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rangegangene fahrlässige Handlungen verbieten kann.537 Des Weiteren unterscheiden sich die Spielarten des Regressverbots dadurch, wo ihre Vertreter den richtigen Ansatzpunkt im Deliktsaufbau sehen: bei der Kausalität oder erst nachgelagert beim Zurechnungszusammenhang, d.h. auf normativer Ebene.538 An dieser Stelle soll nur eine Auseinandersetzung mit solchen Ansichten, die das Regressverbot als rein normative Problematik begreifen, stattfinden.539 Dabei soll die Untersuchung auf zwei Vertreter dieser Linie, Naucke – der die Debatte um das Regressverbot wieder belebt hat – und Renzikowski – der die jüngste Stellungnahme für ein normatives Regressverbot abgegeben hat – beschränkt werden.540 (2) Naucke Die neuere Diskussion um das Regressverbot geht auf Naucke zurück. Er hatte 1964 die gemeinhin anerkannte Lösung, dass eine fahrlässige Täterschaft des Ersthandelnden trotz nachfolgender Vorsatztat eines Anderen nicht schlechterdings ausgeschlossen sei, in Frage gestellt.541 Dabei beschränkt Naucke seine Ausführungen explizit auf die Fallgruppe von fahrlässiger Ersthandlung und vorsätzlicher Zweithandlung.542 Naucke stützt seine Argumentation auf kriminalpolitische, rechtsphilosophische und positiv-rechtliche Erwägungen. 537
Vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 130. Vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 77, 100 ff.; Wessels/ Beulke, Rn. 166, 192. 539 Zum Regressverbot bei Anwendung eines von der Äquivalenztheorie abweichenden Ursachenbegriffs vgl. sogleich unten S. 158 ff. 540 Auf die Regressverbotskonstruktionen von Welp und Wehrle, die keine Anhängerschaft gefunden haben, soll hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. dazu Welp, S. 274 ff., 314 ff., der sich mit der Frage auseinandersetzt, ob eine fahrlässige Ersthandlung bei nachfolgender vorsätzlicher Zweittat zu einer Garantenstellung des Ersthandelnden aus Ingerenz führen kann. Welp verneint dies und folgert daraus, dass die Ersthandlung demnach auch keine fahrlässige Begehungstat darstellen könne, wodurch die Geltung eines Regressverbots deutlich werde. Zur Kritik vgl. Diel, S. 261 f.; Roxin, FS Tröndle, S. 179 ff.; Wehrle, S. 81 ff. Wehrle leitet sein Regressverbot aus einem zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit bestehenden „Unwertgefälle“ ab. Wenn schon die vorsätzliche Veranlassung von Vorsatztaten keine vorsätzliche Täterschaft, sondern nur Teilnahme sei, so dürfe auch die fahrlässige Veranlassung von Vorsatztaten nicht als fahrlässige Täterschaft bestraft werden, sondern müsse wegen der geringeren Strafwürdigkeit von Fahrlässigkeitstaten straflos bleiben. Anders sei dies allerdings, wenn der Ersthandelnde eine Garantenstellung innehabe. Zur Kritik vgl. Diel, S. 262 ff. und, allerdings nicht immer überzeugend, Roxin, FS Tröndle, S. 183 ff. 541 Naucke, ZStW 76 (1964), 409; vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 137. 542 Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (410). 538
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In kriminalpolitischer Hinsicht führt er an, dass wegen der Vorsatzstrafbarkeit des Zweithandelnden schon kein Bedürfnis für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Ersthandelnden bestehe.543 Auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit sei keine Strafbarkeit des Ersthandelnden notwendig.544 Im Hinblick auf die Strafzwecke der General- und der Spezialprävention sei eine Strafbarkeit des Ersthandelnden überdies zwecklos, weil die Ersthandlungen regelmäßig so weit vom Erfolg entfernt lägen, dass niemand auf die Idee käme, dass sie als Verursachung des Todes bei Strafe verboten seien.545 Dieses Argument hat Gewicht. Jedoch erscheint es im Rahmen der Strafzwecke weniger relevant als bei der Frage nach der Steuerungsfunktion der strafrechtlichen Tatbestände. Diese ist nicht gewahrt, wenn eine Norm eine Vielzahl von weit vom Erfolg entfernt liegenden Handlungen verbietet, deren Verbotensein der Normadressat nicht erkennen kann.546 Zudem können kriminalpolitische Argumente allein nicht die Geltung eines Regressverbots im Strafrecht beweisen. Sie mögen dafür sprechen, dass dem Strafrecht ein Regressverbot zu Grunde liegen sollte, de lege lata sind sie jedoch nicht maßgeblich. Des Weiteren stützt Naucke sein Regressverbot auf rechtsphilosophische Argumente, die er bisweilen „dogmatische Argumente“ nennt.547 Ein Ziel des Strafrechts sei es herausfinden, für welche Handlungen und Folgen ein Mensch verantwortlich ist.548 Die Äquivalenztheorie sei dieser Aufgabe nicht gewachsen.549 Nur einer Handlung – die als vom Willen beherrschbares Tun verstanden werden müsse – könne Verantwortung zugewiesen werden. Daraus folge, dass ein Mensch nur Verantwortung für Erfolge trage, die sich als Wirkungen menschlichen Handelns darstellen.550 Die Erfolgsherbeiführung durch den Vorsatztäter sei allein dessen Willenstat und demgemäß vom Willen des Ersthandelnden unabhängig, da sie von diesem nicht beherrschbar sei.551 Nauckes Ausführungen bauen auf der Rechtsphilosophie des deutschen Idealismus auf und lassen sich insbesondere auf die strafrechtliche Hegel-Schule zurückführen.552 Nach dem Personenbegriff 543
Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (424); so auch H. Mayer, S. 138. Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (425). 545 Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (426). 546 Vgl. dazu bereits oben S. 54 ff. 547 Vgl. Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (411). 548 Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (426). 549 Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (427). 550 Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (428). 551 Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (428); H. Mayer, S. 138 f. 552 Naucke, ZStW 76 (1964), 409 (430) m. w. N.; vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 137. Zu Hegels Philosophie vgl. Larenz, Zurechnung, S. 30 ff., 50 ff., 60 ff.; ders., NJW 1955, 1009 (1011); H. Mayer, S. 32; Diel, S. 293 ff. 544
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des deutschen Idealismus sei der Mensch fähig, durch seinen Willen Kausalverläufe zu beherrschen. An dem Punkt, wo die Beherrschbarkeit ende, ende auch die Verantwortung dieser Person.553 Der Ersttäter sei demnach nicht für den vom Zweittäter herbeigeführten Erfolg verantwortlich. Obwohl diese philosophischen Überlegungen auf den ersten Blick überzeugend scheinen, lässt Naucke wichtige Fragen ungeklärt. Wie genau ist der Begriff der „Beherrschbarkeit“ auszufüllen? Und welches Maß an Beherrschbarkeit muss für eine Verantwortungszuschreibung vorliegen? Des Weiteren erscheint fraglich, ob eine vollkommene Beherrschbarkeit des Geschehens bis zum Erfolgseintritt überhaupt vorstellbar ist. Um überhaupt rechtliche Relevanz zu entfalten, müsste das StGB das von Naucke propagierte Regressverbot adaptiert haben, d.h. es müsste sich dabei um geltendes Recht und nicht „nur“ um philosophisches Gedankengut handeln. Naucke verweist hier auf die in Art. 1 ff. GG betonten Werte, die ohne einen idealistischen Handlungs- und Personenbegriff nicht denkbar wären. Allein daraus werde sichtbar, dass diese Begriffe im Recht „gelten“ und mit ihm auch das daraus folgende Regressverbot im Strafrecht.554 Diese Argumentation hält auch Naucke nicht für ausreichend, um sein Regressverbot nur darauf zu stützen. Er ist der Auffassung, dass es für den Nachweis der Geltung des Regressverbots im Strafrecht nicht genüge, auf die Straflosigkeit der fahrlässigen Teilnahme hinzuweisen. Darüber hinaus müsse gezeigt werden, dass die objektiven Tatbestände der Fahrlässigkeitsdelikte nicht die Strafbarkeit der fahrlässigen Teilnahme als fahrlässige Täterschaft zuließen.555 Auf den Lebenssprachgebrauch könne bei der hierzu erforderlichen Auslegung der Normen des Besonderen Teils nicht zurückgegriffen werden, da dieser ständigen Änderungen unterliege.556 Stattdessen versucht Naucke, den Nachweis der strafrechtlichen Maßgeblichkeit des Regressverbots im Wege einer historischen Auslegung des § 222 zu führen. So sei der Gesetzgeber bei der Fixierung des Vorgängers dieses Tatbestands im Preußischen StGB von 1851 eindeutig von einem Regressverbot ausgegangen.557 Nachfolgende Gesetze und auch das StGB von 1871 seien nicht ausdrücklich von diesem Standpunkt abgewichen.558 Somit liege auch dem heutigen § 222 noch immer ein Regressverbot zu Grunde, woraus folge, dass derjenige, der eine vorsätzliche Tötung nur ermögliche, nicht den Tod des Opfers im Sinne des Gesetzes verursache.559 553 554 555 556 557 558 559
Naucke, Naucke, Naucke, Naucke, Naucke, Naucke, Naucke,
ZStW ZStW ZStW ZStW ZStW ZStW ZStW
76 76 76 76 76 76 76
(1964), (1964), (1964), (1964), (1964), (1964), (1964),
409 409 409 409 409 409 409
(430). (431). (432). (432). (432 ff.). (435 ff., 438). (439).
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Nauckes Ansicht ist – abgesehen von den philosophischen Überlegungen – nicht überzeugend. Zwar ist ihm zuzustimmen, dass für die Frage, ob ein Regressverbot anzuerkennen ist, eine Auslegung der Normen des Besonderen Teils unerlässlich ist. Ihm ist es jedoch nicht gelungen darzulegen, dass die hinter dem Regressverbot stehenden philosophischen Überlegungen des deutschen Idealismus auch den Handlungsverboten des StGB zu Grunde liegen. Ein alleiniges Abstellen auf eine historische Auslegung lässt keine brauchbaren Rückschlüsse auf den Inhalt des heute geltenden StGB zu.560 Bei der Gesetzesauslegung ist vielmehr stets, anders als Naucke meint, zunächst auf den Wortlaut der Norm abzustellen, der an Hand des Lebenssprachgebrauchs zu interpretieren ist, denn nur an diesem können sich die Normadressaten, d.h. die Bürger, orientieren.561 Andernfalls käme den Strafnormen keine Steuerungsfunktion zu. Dass der Alltagssprachgebrauch Schwankungen unterliegt, ist dabei unschädlich und muss hingenommen werden, denn solche Veränderungen entsprechen der sozialen Realität, in deren Kontext die Handlungsverbote strafrechtlicher Normen existieren. Natürlich ist es mit einer bloßen Wortlautauslegung nicht getan. Diese ist immer nur ein erster Schritt, der den äußersten Rahmen der möglichen Interpretation der Tatbestandsmerkmale absteckt. Zur Konkretisierung müssen immer noch eine systematische und eine teleologische Auslegung hinzukommen, die durch eine historische Auslegung unterstützt werden können. Die isolierte Anwendung nur einer dieser Auslegungsmechanismen ist nie hinreichend. Darüber hinaus ist Nauckes Regressverbot nicht in der Lage, die Tathandlung bei nur einem Handelnden zu bestimmen, d.h. Vorbereitungshandlungen von der Tathandlung abzugrenzen. Zugegebenermaßen war das auch nicht Nauckes Intention. Eine allgemeine Zurechnungslehre müsste dies aber dennoch leisten. (3) Renzikowski Auch Renzikowski hat sich jüngst für ein Regressverbot stark gemacht.562 Dabei geht es ihm darum, die Verantwortung der einzelnen Tat560
So auch Roxin, FS Tröndle, S. 179, Fn. 9. BVerfGE 71, 108 (116); 73, 206 (236); 82, 236 (269); 87, 209 (224); 92, 1 (12); Baumann/Weber/Mitsch, § 9, Rn. 84 f.; Jarass/Pieroth, Art. 103, Rn. 47; Kirchhof, NJW 2002, 2760 (2760); Kunig, in: GGK III, Art. 103, Rn. 26; Roxin, AT 1, § 5, Rn. 28 ff.; Eser, in: Schönke/Schröder, § 1, Rn. 20, 37; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 103, Rn. 179, 185, 227 m. w. N. Vgl. dazu bereits oben S. 67 ff. 562 Renzikowski, Täterbegriff, S. 50 ff., 154 ff., 261 ff. Obwohl Renzikowski sein Regressverbot nicht notwendigerweise als Problem der objektiven Zurechnung ver561
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beteiligten zu bestimmen und die für den Erfolg Verantwortlichen zu individualisieren.563 Er beschränkt seine Überlegungen nicht auf die Kombination von fahrlässiger Ersthandlung und vorsätzlicher Zweithandlung. Das Regressverbot folgt für ihn aus dem restriktiven Täterbegriff, der sowohl den Vorsatz- als auch den Fahrlässigkeitsdelikten zu Grunde liege.564 Der restriktive Täterbegriff und das aus ihm folgende, zwischen Täterschaft und Teilnahme differenzierende Beteiligungssystem beruhe auf drei „Bausteinen“: Dem Menschenbild des Grundgesetzes, der personalen Rechtsgutslehre und dem Inhalt der Verhaltensnormen.565 Das Menschenbild des Grundgesetzes gehe von Freiheit und Selbstverantwortung des Individuums aus. Dadurch könne sich der Mensch von Einflüssen der Natur und anderer Menschen emanzipieren und eigene Entscheidungen treffen. Dies ermögliche die Individualisierung des Urhebers eines Geschehens.566 Nach der personalen Rechtsgutslehre werde jedem Menschen ein rechtlich garantierter Freiheitsbereich zugewiesen, in dem er eigenverantwortlich agieren könne. Kehrseite dieser Freiheit zur Selbstbestimmung sei die Verantwortung für die Folgen, die aus der Freiheitswahrnehmung resultieren.567 Da der Rechtsgutsinhaber nur für den Bereich seiner Freiheit verantwortlich sei, müssten sich die Verhaltensnormen, d.h. die strafrechtlichen Handlungsverbote, auf die Ausübung dieser Freiheit beschränken. Der restriktive Täterbegriff beruhe demnach auf dem Prinzip der Selbstverantwortung als Gegenstück der Handlungsfreiheit.568 Jeder sei nur für die Organisation seines eigenen Rechtskreises zuständig, was einer Überwälzung der Verantwortlichkeit auf Andere grundsätzlich entgegenstehe.569 Den Leitgedanken der Zurechnung stellt für Renzikowski die „Autonomie“ des Handelnden, d.h. die Freiheit zu eigenverantwortlicher sittlicher Entscheidung, dar. Autonomie hat für ihn unter Anlehnung an Hruschka und Joerden zwei Aspekte: Einerseits das Vorliegen von Handlungsfähigkeit und Tatbewusstsein, andererseits die Fähigkeit einer Person, ihr Verhalten an rechtlichen Maßstäben zu messen und nach dieser Einsicht auszurichsteht, spricht er doch davon, dass eine Rechtsgutsverletzung jemandem als „sein Werk zugerechnet“ werde sowie von einer Unterbrechung des objektiven Zurechnungszusammenhangs durch das Regressverbot, vgl. Täterbegriff, S. 77 und 81. Dies rechtfertigt es, Renzikowskis Auffassung zum Regressverbot innerhalb der Lehre von der objektiven Zurechnung zu behandeln. 563 Renzikowski, Täterbegriff, S. 34, 67. 564 Renzikowski, Täterbegriff, S. 67 ff., 259. 565 Renzikowski, Täterbegriff, S. 67 f. 566 Renzikowski, Täterbegriff, S. 67. 567 Renzikowski, Täterbegriff, S. 68. 568 Renzikowski, Täterbegriff, S. 68 f. 569 Renzikowski, Täterbegriff, S. 71.
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ten.570 Bei einem restriktiven Täterbegriff folge aus dem Autonomieprinzip ein Regressverbot, denn eine Rechtsgutsverletzung könne nur demjenigen als sein Werk zugerechnet werden, „der in der unendlichen Ursachenkette als letztes autonom handelndes Glied erscheint. Autonomes Handeln begründet demnach ein Regressverbot.“571 Gleichwohl will Renzikowski sein Regressverbot nicht mit der formal-objektiven Täterlehre verwechselt wissen, denn für ihn genügt die eigenhändige Vornahme des rechtsgutsverletzenden Akts allein nicht zur Begründung eines Regressverbots.572 Renzikowskis auf dem Autonomieprinzip aufbauendes Regressverbot liefert keine überzeugende Lösung zur Ermittlung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte. So scheint Renzikowski für die Bestimmung der Täterschaft mehr Autonomie zu verlangen als das Gesetz es vorsieht. Wie §§ 26 und 27 verdeutlichen, kennt das Gesetz auch die schuldlose Täterschaft, an der sogar Teilnahme möglich ist. Dies entspricht einer Trennung der verschiedenen Stufen des Deliktsaufbaus in Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld, die von einander unabhängig sind: Das Vorliegen oder Fehlen einer Deliktsstufe hat keine Auswirkungen auf die anderen Stufen. Auch Renzikowski räumt die Richtigkeit dieser Kritik ein und entgegnet, dass Autonomie ein komplexerer Begriff als Täterschaft sei. „Täterschaft verlangt somit kein autonomes Handeln, sondern ist bereits eine Frage des Unrechts.“573 Die Autonomie sei vielmehr zur Abgrenzung von Verantwortungsbereichen beim Zusammenwirken mehrerer erforderlich.574 Dadurch lässt Renzikowski aber entscheidende Fragen offen, die er hätte beantworten müssen: Wie ist das Unrecht zu bestimmen? Welche Handlung verwirklicht das Unrecht? Mit anderen Worten: Wie wird die unmittelbare Täterschaft bestimmt? Er gibt nur den Hinweis darauf, dass die formal-objektive Täterlehre keine Antwort auf diese Fragen gebe. Auffällig an Renzikowskis Argumentation ist, dass sie durchgängig täterund nicht tatbezogen geprägt ist. Er sucht den Täter, nicht die Tathandlung. Dies wird beispielsweise deutlich, wenn Renzikowski davon spricht, dass die Rechtsgutsverletzung „nur demjenigen als sein Werk zugerechnet wird, der in der unendlichen Ursachenkette als letztes autonom handelndes Glied erscheint.“575 Oder: „Aus dem Autonomieprinzip folgt, dass grundsätzlich jedem, der als letztes Glied in einer Ursachenkette durch autonomes Han570 Renzikowski, Täterbegriff, S. 72; vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (600 ff.); Joerden, S. 31 ff. 571 Renzikowski, Täterbegriff, S. 73. 572 Renzikowski, Täterbegriff, S. 77. 573 Renzikowski, Täterbegriff, S. 76 f. 574 Renzikowski, Täterbegriff, S. 77. 575 Renzikowski, Täterbegriff, S. 73.
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deln eine Rechtsgutsverletzung bewirkt, diese Rechtsgutsverletzung als Täter zugerechnet werden kann.“576 Diese Täterbezogenheit mag eine Konsequenz seines personalen Rechtsgutsbegriffs sein. Sie verstellt jedoch den Blick auf die Tathandlung. Diese ist es, die letztlich bestraft wird und die den Grund dafür darstellt, weshalb eine Person überhaupt „Täter“ genannt wird. Renzikowski trifft daher die gleiche Kritik, die schon gegen die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche und gegen Nauckes Regressverbot geäußert wurde: Sein Regressverbot erlaubt es zwar, Täterschaft und Teilnahme voneinander abzugrenzen, ermöglicht aber keine Unterscheidung mehrerer Handlungen des Täters in Vorbereitungshandlungen und die Tathandlung. Dass eine solche Differenzierung aber unabdingbar ist und es demnach nicht genügt zu wissen, wer für einen Erfolg verantwortlich ist, wird insbesondere an Hand der alic-Fälle deutlich, bei denen manche Handlungen des Täters im Zustand der Schuldunfähigkeit und andere Handlungen noch im schuldfähigen Zustand vorgenommen werden. Wegen des Koinzidenzprinzips – das ein zeitgleiches Vorliegen von Tathandlung und Schuld verlangt – kommt es hier darauf an zu bestimmen, welche genaue Handlung des Täters die Tathandlung darstellt und welche Handlungen bloß Vorbereitungshandlungen sind. In diesem Zusammenhang sei nur am Rande angemerkt, dass die Rede vom „restriktiven Täterbegriff“ nicht ganz unproblematisch ist, denn dadurch wird implizit die Frage nach der Differenzierung zwischen Vorbereitungshandlungen und der Tathandlung ausgeklammert. Es wäre demnach besser, von einem „restriktiven Tatbegriff“ zu sprechen. Trotz der vorstehenden Kritik an Nauckes und Renzikowskis Ausführungen soll nicht der Stab über dem Regressverbot gebrochen werden. Es wird sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit zeigen, dass das Regressverbot den richtigen Ausgangspunkt für die Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte darstellt. Festzuhalten bleibt allerdings, dass die im Rahmen der Fallgruppe von der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch Dazwischentreten eines Dritten untersuchten Ansichten allesamt nicht in der Lage sind, die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte zu bestimmen. 5. Fazit Die Lehre von der objektiven Zurechnung wird ihrem eigenen Anspruch, eine „allgemeine Zurechnungslehre“ zu sein, nicht gerecht. Sie ist nicht in der Lage, die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte stets korrekt zu bestimmen. Weder die Grundformel noch die einzelnen Fallgruppen der Lehre von der objektiven Zurechnung können restlos überzeugen. So greift die Grund576
Renzikowski, Täterbegriff, S. 79.
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formel in manchen Fassungen unzulässig auf die Rechtswidrigkeitsebene vor, indem sie auf eine „rechtlich missbilligte“ oder eine „rechtlich verbotene“ Gefahr abstellt. Darüber hinaus ist der Gefahrbegriff der Grundformel zu unbestimmt, um ein verfassungskonformes Kriterium zur strafrechtlichen Tathandlungsbestimmung darstellen zu können. Auch die Bestimmung des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“ durch Frisch vermag nicht zu überzeugen, da er in Konflikt mit dem Bestimmtheitsgebot gerät und letztendlich einen verfassungsrechtlich nicht haltbaren Einheitstäterbegriff bzw. extensiven Täterbegriff verwendet. Die von den Vertretern der objektiven Zurechnung herangezogenen Fallgruppen können an den Unzulänglichkeiten dieser Lehre nichts ändern. Die Fallgruppen des Schutzzwecks der Sorgfaltsnorm, des erlaubten Risikos und des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs beschäftigen sich gar nicht mit der Problematik der objektiven Erfolgszurechnung, sondern behandeln Fragen der Fahrlässigkeit. Dabei geht es nicht um die Bestimmung der Tathandlung, sondern um deren Bewertung nach Maßgabe der subjektiven Einstellung des Täters zu seiner Handlung und dem Erfolg. Andere Fallgruppen, wie die des Schutzzwecks der Strafnorm, der weit vom Erfolg entfernt liegenden Bedingung oder des unbeherrschbaren Kausalverlaufs versuchen zwar die Reichweite der Handlungsverbote der reinen Erfolgsdelikte und damit die Tathandlung zu bestimmen, kommen aber nicht zu Ergebnissen, die mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar sind. Regelmäßig wird nur eine Aussage darüber getroffen, wann kein hinreichender Erfolgsbezug einer Handlung vorliegt, statt darzulegen, wie ein solcher Zusammenhang abstrakt zu bestimmen ist. Darüber hinaus genügt die bloße Unbeherrschbarkeit des Kausalverlaufs nicht, um die Erforderlichkeit eines strafrechtlichen Handlungsverbots in Frage zu stellen. Nur bei hinzu kommender völliger Unwahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts wird ein Verhalten nicht mehr von der Reichweite des tatbestandlichen Handlungsverbots eines reinen Erfolgsdelikts erfasst. Bei risikoverringerndem Verhalten entfällt die Strafbarkeit nicht wegen mangelnder objektiver Zurechenbarkeit des Erfolgs, sondern auf Grund der fehlenden Geeignetheit eines entsprechenden Handlungsverbots zum effektiven Rechtsgüterschutz. Risikoverringerungen sind demnach unabhängig von ihrem Erfolgsbezug nicht strafrechtlich verboten. Bei atypischen Kausalverläufen ist die Lösung nicht im objektiven Tatbestand, sondern auf der Vorsatzebene zu suchen. Bei der Fallgruppe des Risikozusammenhangs geht es nicht um einen Ausschluss des normativen Zusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg, vielmehr besteht schon kein hinreichend enger tatsächlicher Erfolgsbezug. Diesen kann – und will – die Lehre von der objektiven Zurechnung nicht bestimmen. Das im Rahmen der Fallgruppe der Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung herangezogene Prinzip der Eigenverantwortlichkeit
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ist zwar Leitbild der gesetzlichen Unrechtsbeschreibung, kann aber wegen des Analogieverbots die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der Vorschriften des Besonderen Teils nicht ersetzen. Das bloße Vorliegen von Verantwortung genügt nicht zur Begründung des tatbestandlichen Unrechts. Unrecht und Verantwortung stehen in einer Wechselbeziehung: Nur derjenige, der einen gesetzlichen Tatbestand erfüllt, begeht strafrechtliches Unrecht. Aber nur demjenigen, der für den Erfolg verantwortlich ist, darf ein strafrechtlicher Unrechtsvorwurf gemacht werden. Das Prinzip der Eigenverantwortung findet sich einerseits in der Beteiligungssystematik der §§ 25 ff. wieder, wo beispielsweise die Strafbarkeit auf den mittelbaren Täter, der zwar keinen Tatbestand des Besonderen Teils erfüllt, aber dennoch für den Erfolg verantwortlich ist, ausgeweitet wird. Andererseits kann das Prinzip der Eigenverantwortung im Wege einer teleologischen Reduktion der Tatbestände zur Einschränkung der Strafbarkeit herangezogen werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Handelnde dem Wortlaut einer Strafvorschrift nach Unrecht begeht, aber keine Verantwortung für den Erfolg trägt, die Verantwortung des Handelnden nicht bereits auf Grund gesetzlicher Vorschriften ausgeschlossen ist und dass letztlich das Opfer, das für den Erfolg nicht strafrechtlich belangt werden kann, weil es kein tatbestandliches Unrecht begeht, für den Erfolgseintritt verantwortlich ist. Obwohl die Lehre von der objektiven Zurechnung demnach zum Ausschluss der Unrechtsbegehung des Handelnden bei Eigenverantwortlichkeit des Opfers herangezogen werden kann, entfällt bei einer einverständlichen Fremdgefährdung, die ungewollt zu einer Verletzung des Gefährdeten führt, nicht die objektive Zurechenbarkeit des Erfolgs zur Handlung des Gefährdenden. Der Gefährdende trägt in einer solchen Konstellation stets mehr Verantwortung für den Erfolg als der Gefährdete, sodass ein Ausschluss der Strafbarkeit wegen des Prinzips der Eigenverantwortung nicht in Betracht kommt. Die im Rahmen der Fallgruppe der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs geäußerten Auffassungen bieten keine befriedigende Lösung zur Tathandlungsbestimmung. Der Ansatz über die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen unterliegt der gleichen Kritik wie das Prinzip der Eigenverantwortung bei der Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung. Zudem führen die Abgrenzungsversuche zeitweise zu unbestimmten Ergebnissen, teils vermengen sie Tathandlung und Sorgfaltspflichtverletzung. Meist wird – insbesondere bei Fahrlässigkeitsdelikten – auf einen Einheitstäterbegriff oder einen extensiven Täterbegriff zurückgegriffen, die mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine differenzierte Verantwortungszuweisung nicht im Einklang stehen und die daher nicht vom Gesetzgeber den reinen Erfolgsdelikten zu Grunde gelegt sein können. Auch bei Heranziehung eines restriktiven Täterbegriffs kann nicht argumentiert wer-
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den, dass der Verantwortungsbereich des Täters bei Fahrlässigkeitsdelikten weiter sei als bei Vorsatzdelikten. Beide Deliktsarten sprechen inhaltlich gleiche Handlungsverbote aus. Die größte Schwäche des Verantwortungsprinzips liegt allerdings darin, dass es stets dann versagt, wenn – wie bei der actio libera in causa – nur eine Person mehrfach mit Erfolgsbezug handelt. Das Verantwortungsprinzip erlaubt es in solchen Fällen nicht, zwischen Vorbereitungs- und Tathandlung zu unterscheiden. Eine allgemeine Zurechnungslehre müsste jedoch dazu in der Lage sein und dürfte nicht nur bei mehreren Beteiligten eine Tathandlungsbestimmung ermöglichen. Die untersuchten Begründungen für ein normatives Regressverbot vermögen ebenfalls nicht zu überzeugen. Allein eine historische Auslegung des § 222 kann nicht die Geltung des Regressverbots im Strafrecht beweisen. Darüber hinaus werden zum Teil subjektive Aspekte bei der für die Tathandlungsbestimmung maßgeblichen Freiheit herangezogen, obwohl solche auf der Ebene des objektiven Tatbestands keine Rolle spielen können. Letztlich wird die Frage, wie die Tathandlung zu bestimmen ist, gar nicht beantwortet. Es wird nur versucht zu klären, wer der Täter ist. Damit beendet man die Suche nach der Tathandlung auf halbem Weg, denn diese Täterbezogenheit erlaubt es nicht, bei einem mehrfach handelnden Täter Vorbereitungshandlungen von der Tathandlung abzugrenzen. Zwar verfolgt die Lehre von der objektiven Zurechnung ein veritables Ziel, nämlich die Eingrenzung der Strafbarkeit an Hand wertender Gesichtspunkte. Dies ist aber nur eine von mehreren Komponenten zur Bestimmung der Tathandlung. Der bei reinen Erfolgsdelikten relevante Zurechnungszusammenhang besteht aus einem tatsächlichen und einem normativen Bestandteil. Die Grenzen des Unrechts müssen zunächst an Hand des von den Tatbeständen beschriebenen typischen Unrechts festgelegt werden. Dafür ist stets ein hinreichend enger tatsächlicher Erfolgsbezug erforderlich. Nur bei einem Auseinanderfallen von Unrechtsverwirklichung und Verantwortung kann die normative Lehre von der objektiven Zurechnung strafbarkeitseinschränkend herangezogen werden. Für die Frage, wie das tatbestandliche Unrecht, insbesondere die tatsächliche Komponente des Zurechnungszusammenhangs bestimmt werden soll, greift die Lehre von der objektiven Zurechnung auf die Äquivalenztheorie zurück und begibt sich dadurch schon in ihrem Ausgangspunkt auf einen falschen Weg. Dadurch werden tatsächliche Zusammenhänge künstlich normativiert und die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine differenzierte Verantwortungszuschreibung sowie das Analogieverbot erleiden nicht hinnehmbare Einbußen.
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V. Regressverbot und „starker Ursachenbegriff“ 1. Allgemeines Es hat sich gezeigt, dass den Schwächen der Äquivalenztheorie nicht durch eine normative Einschränkung ihrer ausufernden, nicht verfassungsgemäßen Ergebnisse beizukommen ist. Deshalb stellt sich die Frage, ob bei der Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte im Rahmen des tatsächlichen Erfolgszusammenhangs auf einen anderen, engeren Verursachungsbegriff zurückgegriffen werden muss. Zu denken wäre dabei an das auf Frank zurück gehende, beim Verursachungsbegriff ansetzende Regressverbot, das sich mit der generellen Problematik der Abgrenzung mehrerer freier Handlungen im Hinblick auf die Täterschaft beschäftigt.577 Dabei soll die jüngst von Hruschka geäußerte Auffassung in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt werden.578 Im Folgenden wird diese Ansicht zunächst grob skizziert und dann, im Rahmen einer detaillierteren Darstellung seines Gedankenganges, einer kritischen Würdigung unterzogen. 2. Die Auffassung von Hruschka a) Kurzdarstellung Im Zentrum von Hruschkas Überlegungen zum Regressverbot steht die Abgrenzung von Täterschaft und Anstiftung, die zueinander im Verhältnis der Exklusion stünden.579 Eckpfeiler seiner Argumentation sind einerseits die Betrachtung menschlichen Handelns unter dem Blickwinkel der Freiheit im Gegensatz zum Standpunkt der Naturwissenschaften580 und andererseits die positiv-rechtliche Festschreibung der Anstiftung in § 26. Daraus leitet Hruschka einen „stärkeren“ als den der Äquivalenztheorie zu Grunde liegenden Ursachenbegriff ab, der für die Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte im Rahmen des StGB maßgeblich sei.581 Nicht jede notwendige Einzelbedingung sei Ursache des Erfolgs. Nur eine „hinrei577
Die Problematik der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs wurde bereits im Rahmen der objektiven Zurechnung behandelt werden, vgl. dazu oben S. 133 ff. 578 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (581 ff.). Ein konsequentes Regressverbot vertritt auch Diel. Vgl. dazu Diel, S. 179 ff. Sie entwickelt ihr Regressverbot dogmatisch insbesondere aus dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz und einem aus der Freiheit des Menschen als Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgeleiteten Prinzip der Eigenverantwortlichkeit. Kritisch zu diesem Begründungsansatz Murmann, GA 1988, 460 (460 ff.) und Renzikowski, Täterbegriff, S. 209. 579 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (588 ff., 604 ff.). 580 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (582 ff.).
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chende“ Bedingung könne als Ursache bezeichnet werden. Das sei entweder die aus vielen Einzelbedingungen bestehende, den Erfolg determinierende Gesamtursache oder, wenn man allein auf Handlungen abstellt, die letzte freie menschliche Handlung, die den Erfolg auslöst.582 Freiheit definiert Hruschka zunächst negativ, d.h. er erklärt sie als das Nichtvorliegen von Unfreiheit. Darüber hinaus stellt Hruschka regelmäßig die zu verantwortende Unfreiheit der Freiheit gleich.583 Unfreiheit unterteilt er in vier Fallgruppen und vertritt die Auffassung, dass sich die Unfreiheit sowohl auf der objektiven und subjektiven Ebene der Zurechnung der Handlung zum Tatbestand als auch bei der Schuldzurechnung auswirken könne.584 Ein Regressverbot bestehe nur, wenn eine Handlung von keiner der vier Fallgruppen der Unfreiheit erfasst werde.585 Dadurch lasse sich auch die mittelbare Täterschaft als Unterfall der unmittelbaren Täterschaft erklären und strukturell von der Anstiftung abgrenzen, denn der Tatmittler handle im Gegensatz zum Angestifteten nicht frei, wodurch ein Rückgriff auf die Handlung des dann zu Recht mittelbarer „Täter“ genannten Hintermanns ohne Weiteres möglich sei.586 Im Unterschied zu Frank hält Hruschka nicht an der Äquivalenztheorie fest und versucht nicht, der Mehrzahl der Bedingungen die Ursachenqualität abzuerkennen, in dem er einen Rückgriff auf zeitlich frühere Bedingungen ausschließt, sondern er gesteht die Ursachenqualität von Anfang an nur bestimmten Bedingungen zu. Mit anderen Worten: Hruschka unterbricht nicht den Kausalzusammenhang, sondern er erkennt einen solchen nur unter engen Voraussetzungen an. Dieser Unterschied sollte jedoch nicht überbewertet werden, denn im Ergebnis stimmen beide Begründungsansätze darin überein, dass nicht jede Bedingung eine strafrechtlich relevante Ursache darstellt. Ling sieht Franks Herangehensweise als im Naturalismus der damaligen Zeit begründet an und führt zum Konstrukt der älteren Unterbrechungslehre zutreffend aus: „Gäbe es den im Siegeszug begriffenen Naturalismus nicht, würde sie nicht so, sondern anders formulieren: Sie wäre nicht eine Lehre von der Unterbrechung eines naturkausalen Zusammen581 Dabei bezieht er sich auf Frank, S. 16, wo dieser schrieb: „Das Regreßverbot findet seine positiv-rechtliche Anerkennung in § 48 [StGB 1871]; denn andernfalls wäre der Anstifter einfach Täter.“ Vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (581, 594). 582 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (589). 583 Vgl. dazu Hruschka, Strafrecht, S. 343 ff.; ders., SchwZStR 90 (1974), 48 (58 f.); ders., ZStW 96 (1984), 661 (662 ff.); ders., JZ 1989, 310 (310 f.); ders., JZ 1996, 64 (65 ff.); ders., JZ 1997, 22 (23). 584 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (600 ff.); ähnlich Renzikowski, Täterbegriff, S. 72 ff., der von „Autonomie“ spricht und diese positiv definiert. 585 So auch Frank, S. 15: „frei und bewußt (vorsätzlich und schuldhaft)“. 586 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (595 ff., 603 ff.).
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hangs durch das Dazwischentreten des frei handelnden Menschen, sondern eine Lehre von der freien, weil menschlichen Verursachung.“587 Diesen Weg verfolgt Hruschka. b) Freiheitsperspektive und naturalistische Sichtweise Hruschka betrachtet menschliche Handlungen aus einer Perspektive der Freiheit und nicht aus der deterministischen Sichtweise der Naturwissenschaften.588 Die Wahl dieses Blickwinkels sei nicht ontologisch vorgegeben, wie auch der Handlungsbegriff kein ontologischer sei.589 Man könne die Dinge genauso aus der naturwissenschaftlichen Sicht betrachten. Beide Sichtweisen stünden jedoch im Gegensatz zueinander. Während Naturnotwendigkeit die Abhängigkeit eines Ereignisses – der Wirkung – von der Summe der Anfangsbedingungen – der Ursache – in den Mittelpunkt der Betrachtung stelle, gehe die Perspektive der Freiheit von der Unabhängigkeit eines Ereignisses – der Handlung – von der Summe der ihr voraus gehenden Anfangsbedingungen aus.590 Wenn man Handlungen betrachte, nehme man normalerweise die Freiheitsperspektive ein. Die wenigsten sähen beispielsweise das Prügeln eines Hundes als rein physikalisches Ereignis und somit als Zwischenursache eines seit Urzeiten determinierten Geschehensablaufs an, vielmehr würde man ein solches Ereignis in der Regel als Neuanfang eines Ursachenzusammenhangs betrachten.591 Darüber hinaus habe die Perspektive der Freiheit einen logischen Vorrang vor der naturwissenschaftlichen Sicht: Niemand könne einem Betrachter verbieten, Handlungen von der Warte der Freiheit aus zu betrachten. Ein solches Verbot sei semantisch sinnlos, denn die Aufstellung eines solchen Verbots setze beim Verbietenden schon die Einnahme der Perspektive, die er verbieten wolle – die Freiheitsperspektive – voraus.592 Es spricht einiges dafür, dass sich die Nicht-Determiniertheit menschlichen Handelns nicht lediglich aus der Wahl der Perspektive des Betrachters ergibt, sondern dass dem doch eine ontologische Erklärung zu Grunde liegt, nämlich dass es schlicht keine Naturgesetze gibt, welche die Wendungen menschlichen Handelns zu erklären vermögen – zumindest sind bislang keine Gesetze zur Beschreibung der Determinierung menschlichen Handelns entdeckt worden.593 Die Streitfrage braucht jedoch letztlich nicht 587 588 589 590 591 592
Ling, S. 193; ihm folgend Otto, FS Lampe, S. 497 f. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (582 ff.). Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (584); vgl. auch Joerden, S. 24. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (583 ff.). Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (585). Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (585 f.).
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geklärt zu werden, da das Ergebnis für beide Ansätze das Gleiche ist: Die Bewertung menschlichen Handelns hat mittels der Freiheitsperspektive zu erfolgen. Dafür spricht auch, wie Hruschka weiter ausführt, dass die Annahme von Freiheit zwingend sei, wenn man Verantwortung zuschreiben wolle. Wären Handlungen nicht frei, sondern naturalistisch determiniert, so gäbe es nichts, woran die Verantwortungszuschreibung anknüpfen könnte.594 Bei Zugrundelegung einer naturwissenschaftlichen Perspektive wäre es reine Willkür, Verantwortung gerade menschlichen Handlungen – oder einigen von ihnen – zuzuschreiben, da diese sich durch nichts von anderen Gliedern in der auf eine Erstursache zurück gehenden Kausalkette unterschieden.595 Die Betrachtung einer Handlung als „frei“ bringe es notwendigerweise mit sich, diese als nicht determiniert und somit als unabhängig von den Wirkungen einer Erstursache anzusehen. Freie Handlungen stellten demnach den Neubeginn einer Kausalkette dar.596 Eine freie Handlung kann sich somit nie durch den Hinweis auf eine Determinierung ihrer Verantwortung für den Erfolg entziehen, wie dies im Rahmen der naturalistischen Sichtweise möglich wäre. Nur die Freiheitsperspektive erlaubt es somit, überhaupt Verantwortung zuzuweisen. Sie muss daher auch dem StGB zu Grunde gelegt sein, dessen Aufgabe die differenzierte Bestimmung von Verantwortlichkeit für den Eintritt eines schädlichen Erfolgs ist.597 Ob die von Hruschka aus der für das StGB maßgeblichen Freiheitsperspektive gezogenen Schlussfolgerungen richtig sind, hängt insbesondere von den zu Grunde gelegten Begriffen der Verursachung und der Freiheit ab. Diese werden in den nächsten beiden Abschnitten untersucht.
593 Anders die „Lehre von der philosophischen Notwendigkeit“, die argumentiert, dass nach allgemeiner empirischer Erfahrung menschliche Willensentscheidungen vorhersehbar seien, wenn nur die Entscheidungsgrundlage, auf der sie getroffen werden und die Persönlichkeit des Handelnden in allen Einzelheiten bekannt sind. Daraus sei zu schließen, dass menschliche Handlungen naturgesetzlich bedingt sein können, vgl. Mill, Logik, Band 3, Buch VI, Kap. II, § 2, S. 235 f. 594 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (586); vgl. auch Joerden, S. 24, 26 ff., 35, Fn. 69. 595 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (586). 596 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (586). 597 Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Hintergründen des Erfordernisses einer differenzierten Verantwortungszuschreibung oben S. 52 ff.
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c) Der zu Grunde liegende Ursachenbegriff Aufbauend auf der Freiheitsperspektive ist Hruschka der Auffassung, dass die Bedingungstheorie Kausalität nicht zutreffend erfassen könne und stattdessen ein stärkerer Verursachungsbegriff gelten müsse.598 Zwischen „Bedingung“ und „Ursache“ bestünde nicht nur ein terminologischer Unterschied. Nicht jede notwendige Bedingung sei auch Ursache für den Erfolg. Hruschka verweist auf den philosophischen Ursachenbegriff, der nach Kant „die Bedingung von dem, was geschieht“599 und bei Mill „the sum total of all conditions“600, d.h. die Gesamtsumme aller Bedingungen bedeute.601 Demnach gebe es nach Kant für jede Wirkung nur eine sie determinierende Bedingung und nach Mill nur eine sie determinierende Bedingungsgesamtheit – die Ursache. Der Begriff „Ursache“ erfordere, dass stets dann, wenn die Bedingung gegeben sei, auch die Wirkung unabänderlich eintrete, d.h. dass die Wirkung naturgesetzlich determiniert sei.602 „Ursache“ bedeute daher „hinreichende Bedingung“.603 Dies gelte für die notwendigen Einzelbedingungen der Conditio-sine-qua-non-Formel gerade nicht, denn sie determinierten die Wirkung regelmäßig nicht, wenn zwischen ihnen und dem Erfolg noch weitere freie menschliche Handlungen liegen, die wiederum auf Grund ihrer Freiheit nicht determiniert sein können.604 Die einzelnen Bedingungen seien lediglich – insoweit habe die Äquivalenztheorie Recht – gleichberechtigte Teile einer einzigen Ursache. Aber auch nach Mills Gesamtursachenbegriff könne auf die zeitlich letzte freie menschliche Handlung als Ursache, die den Übergang von Verletzungsgefahr zu der tatsächlichen Verletzung deterministisch bewirke, abgestellt werden, da sie den Eintritt der Wirkung als entscheidender Faktor auslöse und somit eine hinreichende Bedingung für den Erfolg setze.605 Demnach sei die Ursache „eine besonders qualifizierte einzelne Bedingung, eben die letzte (freie) menschliche Handlung, die die Wirkung herbeiführt.“606 Hruschka nennt dies einen „starken Ursachenbegriff“.607 Demgegenüber verwende die Be598 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (594); so auch Koriath, Zurechnung, S. 536; Renzikowski, Täterbegriff, S. 61. 599 Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 289 Z. 7. 600 Mill, Logik, Band 2, Buch III, Kap. V, § 3, S. 15 ff. 601 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (588). 602 Vgl. Mill, Logik, Band 2, Buch III, Kap. V, § 3, S. 22. 603 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (589). 604 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (590). 605 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (589). 606 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (590). 607 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (589). Man könnte es auch als individualisierende Kausalitätstheorie bezeichnen.
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dingungstheorie einen zu schwachen Ursachenbegriff, deren „Ursachen“ den Erfolg regelmäßig nicht determinierten. Danach bedeute „verursachen“ nur „zum Eintritt der Wirkung einen Beitrag leisten“.608 Hruschka zieht zwei Begründungen für sein Ergebnis – Ursache sei die zeitlich letzte menschliche Handlung, die den Erfolg herbeiführt – heran. Einerseits argumentiert er, dass freie menschliche Handlungen auf Grund ihrer freien Vornahme nicht gleichzeitig naturalistisch determiniert sein könnten. Das Gegenteil zu behaupten wäre ein Widerspruch in sich und die Negierung der gleichzeitig behaupteten Freiheit. Das bedeute im Hinblick auf Kants Ursachenbegriff (es gibt nur eine Ursache), dass bei mehreren mit dem Erfolg in Beziehung stehenden freien menschlichen Handlungen stets die letzte die Ursache sein müsse, da eine frühere Handlung, um Ursache zu sein, neben dem Erfolg auch die nach ihr vorgenommenen Handlungen determiniert haben müsste, was bei freien Handlungen ausgeschlossen sei, da diese nicht die Wirkung einer anderen Handlung sein könnten.609 In Bezug auf Mills sich aus den notwendigen Einzelbedingungen zusammensetzende Gesamtursache rekurriert Hruschka andererseits auf die überragende Bedeutung, die die letzte menschliche Handlung als Teil einer Gesamtursache für die Herbeiführung des Erfolgs habe und spricht von dem für den Erfolg „entscheidenden“ oder „auslösenden Faktor“.610 Hruschka veranschaulicht den starken Verursachungsbegriff am Beispiel der Anstiftung. Das Bestimmen des Haupttäters durch den Anstifter determiniere die Tathandlung der Haupttat und deren Erfolg nicht, obwohl der Anstifter eine notwendige Bedingung für die Haupttat und den Erfolg setze, denn der Eintritt des Erfolgs sei noch von einer freien Handlung des Angestifteten abhängig.611 Zwischen den Handlungen des Haupttäters und des Anstifters bestehe demnach eine Ungleichwertigkeit, die durch die Äquivalenztheorie verwischt werde.612 Die „Verursachung“613 des Erfolgs durch den Täter sei eine viel stärkere als die des Anstifters. Dies werde deutlich gemacht, wenn man von der Akzessorietät der Anstiftung spreche, die das Abhängigkeitsverhältnis der Anstiftung von der Haupttat hervorhebe.614 Konsequenz daraus sei eine Übereinstimmung mit dem restriktiven Täterbegriff, der schlichtweg besage, dass der Teilnehmer nicht Täter sei.615 An608 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (590). Dass eine solche Auslegung verfassungsrechtlich nicht möglich ist, wurde bereits oben erörtert, vgl. S. 52 ff. 609 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (587, 591). 610 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (589 f.). 611 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (591). 612 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (592). 613 Hervorhebung vom Verfasser. 614 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (592).
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stiftung und Täterschaft stünden demnach in einer Exklusionsbeziehung.616 Die Folge der Zugrundelegung der Äquivalenztheorie sei demgegenüber ein Einheitstäterbegriff bzw. ein extensiver Täterbegriff, wonach jeder Täter sei, der einen Beitrag zum Erfolgseintritt leiste.617 Das würde per se die Täterschaft des Anstifters begründen. Dagegen spreche im Rahmen des StGB die Existenz des § 26, der ein Indiz für die gesetzliche Anerkennung des Regressverbots sei. Konstitutiv sei § 26 für das Regressverbot allerdings nicht, da sich dieses bereits aus der Perspektive der Freiheit menschlichen Handelns ergebe bzw. es bei Anlegung der naturalistischen Sichtweise keinen Anknüpfungspunkt für die Verantwortungszuschreibung hinsichtlich des dann determinierten Handelns des Anstifters gäbe.618 Es ist nicht zutreffend, dass die Freiheitsperspektive zwingend einen starken Verursachungsbegriff zur Folge hat. Die Äquivalenztheorie lässt sich ebenfalls mit der Freiheitsperspektive vereinbaren, denn auch sie erkennt freie Handlungen an und betrachtet diese als nicht determiniert. Wenn sie von der „Verursachbarkeit“ freier Handlungen ausgeht, dann versteht sie darunter nicht nur die Determinierung.619 Die Conditio-sine-qua-non-Formel lässt sich auch auf die psychische Kausalität im Sinne eines Motivationszusammenhangs problemlos anwenden. Ein solcher ist, wie das Beispiel der Anstiftung zeigt,620 auch bei freien Handlungen möglich. Dass sich der starke Verursachungsbegriff, bei dem die Ursache den Erfolg naturgesetzlich determinieren muss, nicht bereits zwingend aus der Freiheitsperspektive ergibt, bedeutet jedoch nicht automatisch, dass er nicht 615 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (593). Der restriktive Täterbegriff grenzt daher die Handlungen mehrerer Beteiligter im Sinne von Täterschaft und Teilnahme voneinander ab und geht davon aus, dass nicht zwei verschiedene Handlungen mehrerer Personen die unmittelbare Täterschaft begründende Tathandlung sein können. Ist die Tathandlungsqualität der Handlung einer Person festgestellt, können andere Handlungen anderer Personen allenfalls noch als Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft oder Teilnahme bestraft werden. 616 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (588). Nach Weinberger, S. 118, bedeutet Exklusion „Negation der Äquivalenz“; Klug, S. 34, nennt die Exklusion „Unvereinbarkeit“. 617 Zum Einheitstäterbegriff und zum extensiven Täterbegriff sowie zu deren Verfassungswidrigkeit im Strafrecht, vgl. bereits oben S. 60 ff. und 137 ff. Beim Einheitstäterbegriff gibt es keinen Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme, beim extensiven Täterbegriff wird eine solche Differenzierung gemacht, wobei jeder, der einen Beitrag zum Erfolg leiste „an sich“ Täter sei, es sei denn, §§ 26 und 27 reduzieren die Täterschaft auf Teilnahme. Nach dieser Ansicht stellen die Vorschriften über Anstiftung und Beihilfe eine Strafbarkeitseinschränkung dar, vgl. Joecks, in: MüKo-StGB, vor §§ 25 ff., Rn. 4 ff.; Hoyer, in: SK, vor §§ 25 ff., Rn. 3. 618 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (594). 619 Vgl. dazu bereits oben S. 48 ff. 620 Vgl. dazu unten S. 183 ff.
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für die gesetzliche Erfolgszurechnung maßgeblich sein kann. Wie bereits an früherer Stelle dargelegt, ist der restriktive Täterbegriff im Strafrecht und die damit einher gehende differenzierte Verantwortungszuschreibung durch die strafgesetzlichen Vorschriften verfassungsrechtlich geboten.621 Wenn nun der starke Verursachungsbegriff mit der Freiheitsperspektive im Einklang steht und darüber hinaus in einer Art und Weise, die sowohl den Vorgaben des Grundgesetzes als auch des StGB entspricht, differenziert Verantwortung zuschreiben kann, so kann zu Recht davon gesprochen werden, dass der starke Verursachungsbegriff für die gesetzliche Erfolgszurechnung maßgeblich sein muss. Zunächst soll demnach geprüft werden, ob der starke Verursachungsbegriff eine differenzierte Verantwortungszuschreibung ermöglicht. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird dann die Art und Weise der durch den starken Verursachungsbegriff erfolgenden Verantwortungszuschreibung kritisch untersucht. Der starke Ursachenbegriff steht mit der maßgeblichen Freiheitsperspektive im Einklang und ist in sich widerspruchsfrei. Dabei verdient Hruschkas Begründung, weshalb eine freie Handlung aus der Freiheitsperspektive nicht als verursacht im Sinne eines starken, die Wirkung determinierenden Ursachenbegriffs gelten könne, volle Zustimmung.622 Darüber hinaus erlaubt es der starke Verursachungsbegriff, mehreren Beteiligten differenziert Verantwortung für ihre unterschiedlichen Tatbeiträge zuzuschreiben. Hruschka verweist völlig zu Recht darauf, dass zwischen der Handlung des Täters und der des Teilnehmers eine Ungleichwertigkeit bestehe.623 Während der unmittelbare Täter den Erfolg im Sinne des starken Verursachungsbegriffs herbeiführt, tut dies der Teilnehmer gerade nicht. Durch die festgestellte Ungleichwertigkeit der Handlungen von Täter und Teilnehmer drückt sich ein unterschiedliches Maß an Verantwortung für den Erfolg aus. Der Anstifter und der Hilfe Leistende haben eine gegenüber dem den Erfolg verursachenden Haupttäter vergleichsweise geringer einzuschätzende Erfolgsverantwortung. Die Auslösung der Verantwortung des Teilnehmers ist stets noch von einer freien Handlung des Haupttäters abhängig, deren Vornahme der Teilnehmer nicht determinieren kann. Wurde die Teilnahme (wie bei der Anstiftung stets) im Vorfeld der Haupttat vorgenommen, so „bestellt sie zwar das Feld“ für die spätere Haupttat und bereitet diese irgendwie vor. Sie führt den Erfolg jedoch nicht unmittelbar herbei, sondern ist mit diesem nur mittelbar über die Handlung des Haupttäters verbunden. Die Tathandlung ist hingegen, wie Hruschka treffend ausführt, die Hand621
Oben S. 52 ff. Kritisches kann jedoch zu seinem auf der Ebene des objektiven Tatbestandes verwendeten Freiheitsbegriff angemerkt werden, vgl. dazu unten S. 172 ff. 623 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (592). 622
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lung, die den Übergang von Verletzungsgefahr zu der tatsächlichen Verletzung bewirkt,624 d.h. die die Veränderung von Gefahrlage zum Erfolgseintritt unmittelbar und ohne weitere Zwischenhandlungen herbeiführt. Anders als beim Teilnehmer ist der Eintritt des Erfolgs nach Vornahme der Tathandlung nicht mehr von fremden Willensentscheidungen abhängig und lässt sich demnach ohne Vorbehalte auf die Handlung des Täters zurückführen. Somit trifft das volle Maß der Verantwortung regelmäßig nur denjenigen, der den Erfolg unmittelbar durch eine freie Handlung herbeiführt.625 Der starke Verursachungsbegriff spiegelt die mit den verschiedenen Tatbeiträgen verbundenen unterschiedlichen Verantwortlichkeiten korrekt wieder. Da nur die freie Handlung, die den Erfolg determiniert, die unmittelbare Tathandlung darstellt, können vor der Tathandlung liegende andere Handlungen, die mit dem Erfolg in weniger enger Beziehung stehen, allenfalls mittelbare Täterschaft, Teilnahme oder straflose Handlungen darstellen. Das daraus resultierende Exklusionsverhältnis zwischen der Täterschaft und jenen anderen Handlungen spricht damit nicht nur gegen einen Einheitstäterbegriff, sondern auch gegen einen extensiven Täterbegriff, nach dem Anstiftung und Beihilfe „an sich“ Täterschaft seien, jedoch vom Gesetzgeber aus diesem Bereich herausgenommen und als Teilnahme qualifiziert worden seien.626 Hruschkas Verursachungsbegriff ermöglicht daher in Übereinstimmung mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot eine klare Trennung zwischen den verschiedenen Tatbeiträgen im Hinblick auf ihren Erfolgsbezug. Das aus dem starken Verursachungsbegriff folgende Regressverbot steht somit im Einklang mit dem verfassungsmäßig gebotenen restriktiven Täterbegriff und ermöglicht eine nach Täterschaft und Teilnahme differenzierende Verantwortungszuschreibung. Wenn nun Tathandlung die letzte „freie“ menschliche Handlung, die den Erfolg unmittelbar herbeiführt sein soll, so versteht sich von selbst, dass der dafür verwendete Freiheitsbegriff von eminent wichtiger Bedeutung ist. Dieser soll im Folgenden – auch im Hinblick auf die mit ihm verbundene Art und Weise der Verantwortungszuschreibung – näher beleuchtet werden.
624
Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (589). Die mittelbare Täterschaft stellt eine gesetzlich legitimierte Ausnahme von diesem Grundsatz dar. Vgl. dazu S. 116 ff. und 182 ff. 626 Zur Verfassungswidrigkeit des Einheitstäterbegriffs und des extensiven Täterbegriffs im Strafrecht, vgl. bereits oben S. 60 ff. und 137 ff. 625
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d) Der verwendete Begriff der Freiheit und die Auswirkungen auf die Bestimmung der Tathandlung aa) Darstellung von Hruschkas Freiheitsbegriff Hruschka definiert Freiheit in Abgrenzung zur Unfreiheit. Frei ist zunächst eine Handlung, die nicht im Zustand aktueller Unfreiheit vorgenommen wurde. Eine solche Handlung nennt Hruschka in Anlehnung an Pufendorf „actio libera in se“ – eine an sich freie Handlung.627 Für den Begriff der Unfreiheit greift Hruschka auf Aristoteles zurück und betrachtet einen Vorgang dann als unfrei, wenn dem Betroffenen gegen seinen Willen eine Notwendigkeit auferlegt wird („necessitas“) oder wenn dieser einem Irrtum unterliegt („ignorantia“).628 Eine unwillentliche Notwendigkeit oder ein Irrtum könnten sich sowohl auf objektiver und subjektiver Tatbestands- als auch auf Schuldebene auswirken.629 Hruschka teilt die Unfreiheit in vier Fallgruppen ein: Er betrachtet einen Vorgang dann als unfrei, wenn dieser auf einer necessitas absoluta beruht, wozu die vis absoluta und alle sonstigen Fälle einer physischen Notwendigkeit gehörten, bei denen keine Handlungsalternative des Betroffenen besteht. Darüber hinaus liege Unfreiheit vor, wenn jemand im Irrtum über die relevanten Tatsachen, d.h. solche, die sich auf die Rechtswidrigkeit der Tat beziehen, handle. Zudem agiere unfrei, wer einer vis compulsiva ausgesetzt sei oder sich im Zustand des entschuldigenden Notstandes des § 35 befinde. In die gleiche Fallgruppe gehörten außerdem im Rahmen des § 20 die Fälle, in denen der Täter unfähig sei, nach seiner Unrechtseinsicht zu handeln. Letztlich liege Unfreiheit vor, wenn jemand im Irrtum über die rechtliche Relevanz seines Tuns handle, wie z. B. beim Verbotsirrtum.630 Die erste Fallgruppe der Unfreiheit wirkt sich demnach im objektiven Tatbestand aus, die zweite gehört zum subjektiven Tatbestand. Die anderen beiden Fallgruppen betreffen die Schuldzurechnung. Wird ein Vorgang auf Grund des Nicht-Vorliegens von aktueller Unfreiheit zum Tatbestand oder zur Schuld zugerechnet, so nennt Hruschka dies „ordentliche Zurechnung“.631 Darüber hinaus stellt Hruschka bestimmte, „an sich“ unfreie Handlungen den freien Handlungen gleich, wenn der Betroffene für das Vorliegen seiner 627 Hruschka, Strafrecht, S. 343 ff.; ders., SchwZStR 90 (1974), 48 (58 f.); ders., ZStW 96 (1984), 661 (662 ff.); ders., JZ 1989, 310 (310 f.); ders., JZ 1996, 64 (65 ff.); ders., JZ 1997, 22 (23). 628 Hruschka, ZStW 110 (1988), 581 (600). 629 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (601 f.). 630 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (601 f.); ders., FS Gössel, S. 145 ff. 631 Hruschka, Strafrecht, S. 313 f., ders., ZStW 96 (1984), 661 (662 ff.); ders., ZStW 110 (1998), 581 (601, Fn. 59); ders., FS Gössel, S. 145 ff.
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aktuellen Unfreiheit verantwortlich ist.632 Eine solche Verantwortlichkeit werde dadurch begründet, wenn für den Betroffenen die Obliegenheit bestanden habe, den Zustand der Unfreiheit zu vermeiden und er diese Obliegenheit ohne Rechtfertigung zurechenbar verletzt.633 Eine „actio non libera in se“ wird somit zur „actio libera in causa“, einer nicht an sich, aber dem Grunde nach freien Handlung.634 Diese Art der Zurechnung, die eine Ausnahme von dem Erfordernis des Nicht-Vorliegens aktueller Unfreiheit macht, nennt Hruschka „außerordentliche Zurechnung“.635 Hruschka unterscheidet zudem zwischen dem Gegenstand und dem Grund der Zurechnung. Gegenstand der außerordentlichen Zurechnung ist für ihn der Vorgang im Zustand der aktuellen Unfreiheit, der Grund der außerordentlichen Zurechnung als „frei“ bzw. als den freien Handlungen gleichgestellt liegt in der Verantwortlichkeit des Betroffenen für seinen Zustand der aktuellen Unfreiheit.636 Der Grund der ordentlichen Zurechnung ist dem gegenüber die aktuelle Freiheit. Hruschka verwendet die Begriffe und das zu Grunde liegende Konzept von „actio libera in se“, „actio libera in causa“, „actio non libera“, „ordentliche Zurechnung“ und „außerordentliche Zurechnung“ sowohl auf Tatbestands- als auch auf Schuldebene.637 Bezogen auf das Regressverbot macht Hruschka allerdings nicht deutlich, ob er zur Bestimmung der letzten freien Handlung, hinter die nicht zurückgegriffen werden darf, an der Gleichwertigkeit von ordentlicher und außerordentlicher Zurechnung festhält, d.h. ob die letzte freie Handlung eine „actio libera in se“ sein muss oder ob sie auch eine „actio libera in causa“ sein kann. Hruschka greift in seinem Beitrag zum Regressverbot638 zur Be632 Vgl. insbesondere Hruschka, JZ 1996, 64 (65 ff., Fn. 15); ders., FS Gössel, S. 148 f. 633 Hruschka, Strafrecht, S. 313 ff., 415 ff.; ders., JZ 1989, 310 (314 f.); ders., JZ 1996, 64 (69 ff.); ders., JZ 1997, 22 (24); ders., FS Gössel, S. 148. 634 Zur Begrifflichkeit vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 343 ff.; ders., JZ 1989, 310 (310 ff.); ders., JZ 1996, 64 (64 ff.); ders., JZ 1997, 22 (23); ders., FS Gössel, S. 148. 635 Hruschka, Strafrecht, S. 313 f., ders., ZStW 96 (1984), 661 (662 ff.); ders., ZStW 110 (1998), 581 (601, Fn. 59); ders., FS Gössel, S. 148. 636 Hruschka, JZ 1997, 22 (23 f.). 637 Vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 311 ff.; ders., JZ 1989, 310 (313, 316); ders., JZ 1996, 64 (65 f., Fn. 16); ders., FS Gössel, S. 148; anders noch in Hruschka, SchwZStR 90 (1974), 48 (75 ff.), wo er für eine Beschränkung des Begriffs „actio libera in causa“ auf die Schuldebene eintrat. Die Verwendung des Ausdrucks „actio libera in causa“ auch für eine dem Grund nach rechtswidrige Handlung, wie von Maurach, JuS 1961, 373 (373) vorgeschlagen, sei nicht geboten, denn auf Rechtswidrigkeitsebene passe es nicht, von Freiheit zu sprechen. Dort sei der Begriff „actio illicita in causa“ angebracht, vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 50, 274 f. 638 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (599 ff.).
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stimmung der Freiheit – überraschenderweise – lediglich auf die „ordentliche Zurechnung“ zurück. Eine Begründung dafür liefert er nicht. Bezogen auf die Bestimmung der Freiheit auf der Ebene des subjektiven Tatbestandes schreibt er, „die Möglichkeit einer außerordentlichen Zurechnung bleibt dabei außer Betracht“639. Ähnlich äußert er sich zur Schuldzurechnung.640 Dennoch weist er in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von ordentlicher und außerordentlicher Zurechnung hin.641 Diese zwei Zurechnungsarten sowie die daraus folgende Gleichstellung der „actiones liberae in causa“ mit den „actiones liberae in se“ ist fester Bestandteil von Hruschkas Dogmatik, die er auch in vorangegangen Beiträgen stets heranzogen hat.642 Es ist daher nur schwer vorstellbar, dass er sich von diesem zentralen Bestandteil seiner Lehre ohne weitere Erklärungen gänzlich löst, insbesondere da er in einem späteren Aufsatz wieder die Unterscheidung von ordentlicher und außerordentlicher Zurechnung herangezogen hat und dort auch weiter von der Gleichstellung einer „actio libera in se“ und einer „actio libera in causa“ ausging.643 Das legt die Vermutung nahe, dass er sich einzig und allein zur besseren Veranschaulichung auf die ordentliche Zurechnung beschränkt hat. Im Übrigen wäre bei Zugrundelegen des starken Verursachungsbegriffs eine nur partielle Anwendung des Systems ordentliche/außerordentliche Zurechnung in dem Sinne, dass bei der Bestimmung der für die Tathandlung maßgeblichen Freiheit zwar auf die außerordentliche Zurechnung zurückgegriffen werden kann, diese aber – anders als die ordentliche Zurechnung – kein Regressverbot auslöst, nicht möglich. Die Konsequenz daraus wäre, dass eine Handlung gleichsam als „frei“ und damit als unverursacht (als actio libera in causa) sowie als verursacht und damit als „unfrei“ (als actio non libera) behandelt würde: Die Behandlung der Handlung als „frei“ würde zur Begründung der Tathandlungsqualität führen, die Behandlung als unfreie Handlung zur Negierung des Regressverbots. Von einer „Gleichstellung“ der actio libera in causa mit den actiones liberae in se könnte keine Rede sein, da der formellen Gleichstellung nicht die notwendiger639
Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (601); Hervorhebung vom Verfasser. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (602): „Auch hier bleibt die Möglichkeit einer außerordentlichen Zurechnung außer Betracht. Mit voller (Hervorhebung im Original) Freiheit – „willentlich“ und „freiwillig“ – handelt danach ein Täter, wenn ihm sein Handeln auf beiden Stufen der Zurechnung ordentlich zugerechnet werden kann.“ 641 Vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (601, Fn. 59). 642 Vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 313 ff.; ders., ZStW 96 (1984), 661 (662 ff.); ders., JZ 1989, 310 (310 ff., 316, Fn. 34); ders., JZ 1996, 64 (65 f.); ders., JZ 1997, 22 (23). 643 Vgl. Hruschka, FS Gössel, S. 145 ff. 640
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weise damit verbundenen materiellen Wirkungen folgen würden. Darüber hinaus wäre die Folge eines solchen Vorgehens, dass es nunmehr zwei Tathandlungen gäbe: Einerseits die im Wege der außerordentlichen Zurechnung bestimmte actio libera in causa, andererseits eine im Wege ordentlicher Zurechnung bestimmte frühere actio libera in se derselben Person oder eines Dritten. Ein solches Ergebnis wäre offensichtlich in sich widersprüchlich, denn es würde voraussetzen, dass die actio libera in causa, die auf Grund ihrer freien Vornahme unverursacht ist, gleichsam durch die actio libera in se verursacht sein könnte. Auch Hruschka hat in einem anderen Beitrag betont, dass er die Annahme von zwei Tathandlungen hinsichtlich eines Erfolgs für unmöglich hält.644 Es spricht somit vieles dafür, dass sich Hruschkas Freiheitsbegriff im Rahmen des Regressverbots sowohl auf die ordentliche als auch auf die außerordentliche Zurechnung zurückführen lässt und er dem Grunde nach freie Handlungen den aktuell freien Handlungen auch hinsichtlich der daraus folgenden Konsequenzen für das Regressverbot gleichstellt. Im Folgenden sollen die Konsequenzen von Hruschkas Freiheitsbegriff für das Regressverbot und damit für die Bestimmung der Tathandlung, aber auch für die mittelbare Täterschaft einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Es wird deutlich werden, dass für die Bestimmung der Tathandlung mittels des Regressverbotes allein die aktuelle Freiheit auf der Ebene des objektiven Tatbestandes, d.h. die Handlungsfähigkeit relevant ist und dort weder die rechtliche Möglichkeit, noch die Notwendigkeit einer „außerordentlichen Zurechnung“ besteht.645 Hruschka ist demgegenüber der Auffassung, dass ein Regressverbot nur bestehe, wenn die Freiheit auf allen Ebenen des Verbrechensaufbaus vorliege.646 Nur hinter eine solche, vollkommen freie Handlung könne bei der Bestimmung der Tathandlung nicht zurückgegriffen werden.647 bb) Auswirkungen auf die Bestimmung der Tathandlung Die Konsequenz dieser Sichtweise ist, dass bei Fehlen von Freiheit auf nur einer Stufe des Verbrechensaufbaus nicht mehr von einer „freien Handlung“ gesprochen werden kann und somit das Regressverbot mit der Folge nicht gilt, dass eine zeitlich frühere Handlung die Tathandlung ist. Es 644
Hruschka, JZ 1997, 22 (24, Fn. 27). Ähnlich früher Hruschka, SchwZStR 90 (1974), 48 (76), der sich damals mit Nachdruck gegen eine Übertragung der Möglichkeit einer actio libera in causa auf Fälle der zu verantwortenden Handlungsunfähigkeit aussprach. 646 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (599 f.). 647 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (602). 645
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macht für Hruschka keinen Unterschied, ob beispielsweise die Handlungsfähigkeit oder die Schuldfähigkeit fehlt. In beiden Fällen liege keine wirkliche Handlung vor, sondern vielmehr ein Vorgang, der einem Naturereignis gleiche.648 Das bedeute wiederum, dass eine solche unfreie „Handlung“649 von einer vorangegangenen Handlung verursacht worden sei.650 Oder umgekehrt betrachtet: Eine Handlung könne nur dann als nicht verursacht gelten, wenn sie vollkommen frei ist, d.h. wenn entweder keine necessitas oder ignorantia vorliegt oder bei Vorliegen einer solchen der Betroffene nicht dafür verantwortlich ist. Hruschka leitet daraus ein System ab, das folgende Auswirkungen auf die Bestimmung der Tathandlung, die Abgrenzung von unmittelbarer und mittelbarer Täterschaft sowie der Anstiftung hat und dem entspricht, was gemeinhin als „Lehre von der strengen Akzessorietät“ bekannt ist: Unmittelbarer Täter ist derjenige, der den Erfolg durch eine (vollkommen) freie Handlung unmittelbar herbeiführt.651 Mittelbarer Täter ist der Hintermann hinter einem unmittelbar Handelnden, welchem die Tat auf Tatbestandsund/oder auf Schuldebene nicht zugerechnet werden kann. Die Täterschaft des als „mittelbaren Täter“ Bezeichneten ergebe sich unmittelbar aus den Tatbeständen des Besonderen Teils des StGB. Einer speziellen Vorschrift zur Regelung der mittelbaren Täterschaft habe es nicht bedurft, denn der mittelbare Täter verursache die unfreie Handlung des Tatmittlers – die einem Naturereignis entspreche – und damit auch den Erfolg. Demnach sei auch der Kausalzusammenhang bei der mittelbaren Täterschaft kein anderer als der des starken Ursachenbegriffs und die mittelbare Täterschaft keine durch das Gesetz geschaffene besondere Rechtsfigur.652 Die mittelbare Täterschaft wird von Hruschka demnach als (Unter-)Fall der unmittelbaren Täterschaft angesehen. Anstifter sei dem gegenüber, wer weder unmittelbarer, noch mittelbarer Täter ist, d.h. wer den Erfolg nicht verursacht, aber den Täter dazu bestimmt hat, den Erfolg durch eine freie Handlung zu verursachen. Dies ergebe sich aus dem zwischen Täterschaft und Anstiftung bestehenden Exklusionsverhältnis.653 Geht man davon aus, dass Hruschka auch im Rahmen des Regressverbotes die actiones liberae in causa den actiones liberae in se gleichstellt, so ergeben sich daraus folgende Konsequenzen für die Bestimmung der Tat648
Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (597). Die Verwendung des Begriffs „Handlung“ ist im Falle fehlender Handlungsfähigkeit freilich unzutreffend, da dann gerade keine Handlung vorliegt. 650 Vgl. auch Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (598). 651 Vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (602). 652 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (597 ff., 602). 653 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (602). 649
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handlung und die mittelbare Täterschaft: Eine Handlung, hinter die auf Grund des Regressverbotes nicht zurück gegriffen werden kann – und damit die Tathandlung – liegt nicht nur dann vor, wenn die Handlung im Zustand der aktuellen Freiheit, sondern auch wenn sie im Zustand der zu verantwortenden aktuellen Unfreiheit vorgenommen wurde. Die außerordentliche Zurechnung schränkt den Anwendungsbereich der mittelbaren Täterschaft ein, da durch sie gewisse aktuell unfreie Handlungen, die bei Bestimmung der Freiheit allein nach Maßgabe der ordentlichen Zurechnung unter Umständen als durch vorangegangene Handlungen eines Dritten verursacht gelten könnten, dem Handelnden als „frei“ zugerechnet werden. Dies schließt die Möglichkeit der gleichzeitigen Verursachung der Handlung (und des Erfolgs) durch den Dritten aus, denn eine Handlung kann nicht gleichzeitig frei, d.h. unverursacht, und verursacht sein. Mittelbare Täterschaft kommt bei Anwendung der außerordentlichen Zurechnung daher nur in Betracht, wenn der Tatmittler weder aktuell frei handelte noch für seine Unfreiheit selbst verantwortlich war, d.h. wenn beispielsweise niemand oder der Dritte für die Unfreiheit des Tatmittlers verantwortlich war. cc) Kritik Hruschkas Anwendung des im Wege der außerordentlichen Zurechnung gewonnenen Freiheitsbegriffs und die von ihm gezogenen Konsequenzen für die Bestimmung der Tathandlung und die Abgrenzung von unmittelbarer und mittelbarer Täterschaft sowie der Anstiftung vermögen aus mehreren Gründen nicht vollends zu überzeugen. Für die Bestimmung der Tathandlung an Hand des Regressverbotes kann es lediglich auf die Freiheit im Rahmen des objektiven Tatbestandes ankommen, d.h. auf einen „freien“ Handlungsentschluss, der sich durch das Bestehen einer Handlungsalternative auszeichnet. Eine Handlung, die beispielsweise im Zustand der nicht zu verantwortenden fehlenden Schuldfähigkeit vorgenommen wurde, kann daher nicht als verursacht gelten (vgl. dazu unten (1)). Auf der Ebene des für die Bestimmung der Tathandlung allein maßgeblichen objektiven Tatbestandes besteht weder die rechtliche Möglichkeit noch das Bedürfnis für eine „außerordentliche Zurechnung“. Von einem freien Handlungsentschluss kann daher nur bei Nichtvorliegen von aktueller Handlungsunfähigkeit gesprochen werden (2). Da das Regressverbot nur bei Fehlen eines Handlungsentschlusses nicht greift, d.h. wenn keine Handlung vorliegt, stellt die letzte davor liegende Handlung dann die Tathandlung dar. Dies ist ein Fall der unmittelbaren, nicht der mittelbaren Täterschaft – auch wenn diese Handlung von einem Anderen als dem Handlungsunfähigen vorgenommen wurde (3). Mittelbare Täterschaft kommt in Betracht, wenn der Tatmittler
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auf einer der anderen Stufen des Verbrechensaufbaus (subjektiver Tatbestand oder Schuld) unfrei handelt. Die mittelbare Täterschaft hat dann eigenständige Bedeutung und stellt keinen Unterfall der unmittelbaren Täterschaft dar. Bei der mittelbaren Täterschaft handelt es sich um eine tatbestands- und zurechnungserweiternde „Rechtsfigur“, zu deren Geltung es einer konstitutiven Positivierung im Gesetz bedurfte (4). Hruschkas Auffassung, dass Anstifter sei, wer weder unmittelbarer, noch mittelbarer Täter ist, jedoch den Täter dazu bestimmt hat, den Erfolg durch eine vollkommen freie Handlung zu verursachen, kann im Ergebnis zugestimmt werden. Der Grund dafür liegt jedoch nicht darin, dass Täterschaft und Anstiftung generell in einer Beziehung logischer Exklusion stehen. Ein solches Exklusionsverhältnis besteht nur zwischen unmittelbarer Täterschaft und Anstiftung. Die Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung erfolgt allein mittels einer Wertung der Tatbeiträge, die der Gesetzgeber richtigerweise an Hand der gegenüber dem Anstifter gesteigerten Verantwortung des mittelbaren Täters für den Erfolg getroffen hat (5). Folgendes, zugegebenermaßen reichlich konstruiertes Beispiel soll dies veranschaulichen: T möchte eine Bombe zünden und damit O töten. Er scheut sich aber, die Fernzündung zu betätigen, da ihn bisweilen Zweifel ob der Richtigkeit seines Tuns quälen. Daher plant T, seine Hemmungen wie folgt zu umgehen: Er setzt sich mit dem Rücken zu dem Auslöser der Bombe und nimmt eine Droge, die ihn sofort bewusstlos, d.h. handlungsunfähig werden lässt. T weiß, dass er im Zustand der Bewusstlosigkeit nach hinten umfallen, dabei auf dem Auslöser landen und dadurch die Bombe zum Explodieren bringen wird. Genauso geschieht es dann auch. In der Fallvariante führt der Drogenkonsum des T „nur“ bis zur Schuldunfähigkeit. T betätigt in diesem Zustand enthemmt den Auslöser der Bombe. Entscheidend für die Lösung dieses Falles ist, ob im Umfallen auf den Auslöser im Zustand der Bewusstlosigkeit bzw. in der Betätigung des Auslösers im Zustand der Schuldunfähigkeit eine „freie Handlung“ zu sehen ist, hinter die auf Grund des Regressverbotes nicht zurückgegriffen werden darf.
(1) Alleinige Maßgeblichkeit der Handlungsfähigkeit Für die Geltung des Regressverbotes kommt es nur auf das sich auf den objektiven Tatbestand auswirkende Freiheitselement – die einen „freien“ Handlungsentschluss erst ermöglichende Handlungsfähigkeit – an, denn bei dem Regressverbot geht es allein um die Bestimmung der Tathandlung und damit um die Erfüllung des objektiven Tatbestandes. Die sich auf die anderen Deliktsebenen wie den subjektiven Tatbestand oder die Schuld beziehenden Komponenten des Freiheitsbegriffs sind für die Bestimmung der
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Tathandlung irrelevant.654 Die unterschiedlichen Ebenen des Verbrechensaufbaus sind getrennt voneinander zu behandeln, sodass die bejahende oder verneinende Behandlung einer Deliktsstufe keinerlei Auswirkungen auf andere Deliktsstufen hat.655 Für die Geltung des Regressverbots und damit die Erfüllung des objektiven Tatbestands sowie das Vorliegen der Tathandlung ist daher, anders als von Hruschka gefordert, keine „vollkommen“ freie Handlung, sondern nur eine auf einem „freien“ Handlungsentschluss beruhende Handlung erforderlich.656 Eine solche für das Regressverbot maßgebliche, im Zustand der Handlungsfähigkeit vorgenommene Handlung kann man, wenn man möchte, „freie Handlung“ nennen, so lange man sich darüber im Klaren ist, dass sich die Freiheit nur auf den objektiven Tatbestand bezieht bzw. beziehen muss. Genauer und wünschenswerter wäre es allerdings, nur von einer „Handlung“ zu sprechen, denn der Gebrauch des Wortes „Handlung“ impliziert bereits das Vorliegen von Handlungsfähigkeit, d.h. einer Handlungsalternative. Dieses in den objektiven Tatbestand fallende Freiheitselement wird heute bereits als konstitutiver Teil des Handlungsbegriffs angesehen – ohne einen solchermaßen „freien“ Handlungsentschluss kann ein Vorgang nicht als Handlung, sondern muss als Naturereignis bezeichnet werden.657 Genauso verhält es sich mit dem Begriff des „freien“ Handlungsentschlusses: Auch hier impliziert die Verwendung des Ausdrucks „Handlungsentschluss“ bereits das Vorliegen von Freiheit auf der Ebene des objektiven Tatbestandes, der Handlungsfähigkeit. Ohne Vorliegen von Handlungsfähigkeit und damit einer Handlungsalternative kann schlechthin nicht von einem „Entschluss“ zum Handeln gesprochen werden. Im Folgenden soll mit dem Ziel einer kohärenten Terminologie und der Vermeidung von Tautologien demnach nur von „Handlung“ gesprochen werden, wenn ein auf der Ebene des objektiven Tatbestands „freier“ Handlungsentschluss vorliegt – der selbst nur noch „Handlungsentschluss“ genannt 654
So auch Maurach/Zipf, AT 1, § 18, Rn. 62. Vor seinem Beitrag zum Regressverbot hat Hruschka dies auch mit Nachdruck vertreten, vgl. Hruschka, JuS 1968, 554 (557); ders., JZ 1997, 22 (23). 656 Das bedeutet nicht, dass hier ein anderer Freiheitsbegriff zu Grunde gelegt und eine Handlung schon dann als (vollkommen) „frei“ angesehen wird, wenn sie nicht in der Lage einer necessitas absoluta vorgenommen wurde (so aber Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (600)). Es soll hier nicht bestritten werden, dass sich Freiheit ebenso auf den subjektiven Tatbestand und die Schuld bezieht. Nur: Für die Bestimmung der Tathandlung ist eben allein die Freiheit auf der Ebene des objektiven Tatbestands relevant. 657 Vgl. nur statt Vieler Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 37 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 94 ff. Das war im 18. Jahrhundert noch anders. Damals wurde der Begriff „actio libera“ – nicht schlicht „actio“ – für das verwendet, was heute als Handlung bezeichnet wird; vgl. dazu Hruschka, JZ 1989, 310 (310). 655
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werden soll, wenn mit „Freiheit“ allein die Handlungsfähigkeit gemeint ist. Von „freier Handlung“ bzw. „vollkommen freier Handlung“ wird die Rede sein, wenn neben einem Handlungsentschluss auch die auf den anderen Ebenen des Deliktsaufbaus anzusiedelnden Freiheitselemente vorliegen. Im Hinblick auf den Beispielsfall658 bedeutet das, dass das Umfallen des T auf den Zündmechanismus im Zustand der Bewusstlosigkeit, wodurch die Explosion ausgelöst wird, keine Handlung des T darstellt, denn diesem stand im Moment des Umfallens auf Grund seiner Handlungsunfähigkeit keine Handlungsalternative offen. Da T somit einer necessitas absoluta unterlag, stellt das Umfallen einen nicht auf einem aktuellen Handlungsentschluss beruhenden Naturvorgang dar, der durch eine vorangegangene Handlung des T, den Drogenkonsum, im Sinne des maßgeblichen starken Ursachenbegriffs verursacht wurde. Der Drogenkonsum hat demnach auch den Erfolg, den Tod des O im Sinne des starken Verursachungsbegriffs, herbeigeführt. Somit stellt der Drogenkonsum des T die Tathandlung eines Totschlages dar. Das Regressverbot steht einem Rückgriff auf diese Handlung nicht im Wege, da es keine spätere Handlung gibt, die die Tathandlung darstellen könnte. Anders liegt es, wenn T im Zustand der Schuldunfähigkeit die Bombe zündet. Das Auslösen der Bombe stellt hier eine (Tat-)Handlung des T dar, denn beim Zünden des Sprengsatzes war er handlungsfähig, da für ihn eine Handlungsalternative bestand. T unterlag daher keiner necessitas absoluta und hätte sich genauso gut dafür entscheiden können, die Bombe nicht zu zünden. Dass die Handlung im Zustand der Schuldunfähigkeit vorgenommen wurde, ändert nichts an ihrer Handlungsqualität, denn die Handlungsfähigkeit ist lediglich vom Vorliegen natürlicher Willenskräfte abhängig.659 Das Sprechen von einer „Handlung“ macht deutlich, dass T über das für die Wirkung des Regressverbotes erforderliche Maß an Freiheit verfügte, als er enthemmt den Auslöser betätigte. Dieser Vorgang kann somit nicht als ein von einer vorangegangenen Handlung, d.h. vom Drogenkonsum verursachtes Naturereignis, angesehen werden. Ansonsten wäre die Betätigung eines Handlungsentschlusses für die Unterscheidung von Handlung und Naturereignis bedeutungslos. Man würde gleichzeitig davon ausgehen müssen, dass der Handlungsentschluss des T determiniert war. Bei Betätigung eines Handlungsentschlusses und Bestehen einer Handlungsalternative kann jedoch von Determinierung keine Rede sein. Anders als im Ausgangsfall ist somit nicht der Drogenkonsum – der auf Grund des Regressverbots den Erfolg nicht im Sinne des starken Ursachenbegriffs verursacht hat – die Tathandlung, sondern das Betätigen des Auslösers der Bombe.660 658 659
Vgl. oben S. 173. Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 94.
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(2) Keine außerordentliche Zurechnung auf Handlungsebene Nachdem festgestellt wurde, dass für die Bestimmung der Tathandlung allein die Freiheit auf der Ebene des objektiven Tatbestandes relevant ist, stellt sich die Anschlussfrage, wie diese Freiheit zu bestimmen ist. Ist dafür allein die aktuelle Freiheit relevant oder ist der Freiheitsbegriff im Wege der außerordentlichen Zurechnung um die selbst zu verantwortende Unfreiheit zu ergänzen? Konkreter: Kann von einer Handlung nur bei aktueller Handlungsfähigkeit gesprochen werden oder stellt ein Vorgang auch eine Handlung dar, wenn zwar keine aktuelle Handlungsfähigkeit vorliegt, der Betreffende jedoch für das Nichtvorliegen seiner Handlungsunfähigkeit verantwortlich ist? Im Folgenden soll aufgezeigt werden, dass eine Gleichstellung der selbst zu verantwortenden Handlungsunfähigkeit mit der aktuellen Handlungsfähigkeit nicht mit dem Gesetz im Einklang steht und darüber hinaus kein Bedürfnis für eine solche Gleichstellung besteht. Dazu soll zunächst auf den Beispielsfall zurück gegriffen werden: Dort fiel T im Zustand aktueller Unfreiheit auf den Auslöser der Bombe, wobei das Umfallen im Zeitpunkt seines Geschehens nicht auf Grund eines aktuellen Handlungsentschlusses erfolgte, da für T zu diesem Zeitpunkt wegen seiner Bewusstlosigkeit keine Handlungsalternative bestand. Das Umfallen stellte somit keine actio libera in se dar. Es bliebe nach Hruschka allerdings die Möglichkeit einer außerordentlichen Zurechnung als actio libera in causa zu prüfen. Eine solche soll nach seiner Auffassung sowohl auf Tatbestands- als auch auf Schuldebene möglich sein.661 Das bedeutet, dass das Umfallen einer Handlung gleichgestellt würde, wenn T für seine Handlungsunfähigkeit im Zeitpunkt des Umfallens verantwortlich war. Das wäre dann der Fall, wenn für T die Obliegenheit bestand, sich nicht seiner Handlungsfähigkeit zu berauben und T diese Obliegenheit schuldhaft verletzt 660 Wäre für die Geltung des Regressverbotes neben der Handlungsfähigkeit die „vollkommene“ Freiheit einer Handlung auch auf Vorsatz- und Schuldebene zu fordern, so wäre die Konsequenz daraus – bei Bestimmung der Freiheit nur im Wege ordentlicher Zurechnung – letztlich nichts anderes als die Anerkennung einer Art Tatbestandsmodell: Die Schuldunfähigkeit im Zeitpunkt der Vornahme einer Handlung führt zur Vorverlegung der Tathandlung auf eine frühere Handlung, die noch im Zustand der Schuldfähigkeit vorgenommen wurde. Freilich hat sich Hruschka immer mit Nachdruck gegen das Tatbestandsmodell ausgesprochen, insbesondere weil es eine die verschiedenen Deliktsebenen vermischende Zweckkonstruktion sei; vgl. nur Hruschka, JuS 1968, 554 (557); ders., JZ 1996, 64 (67); ders., JZ 1997, 22 (23). 661 Vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 311 ff.; ders., JZ 1989, 310 (313, 316); ders., JZ 1996, 64 (65 f., Fn. 16); anders noch in Hruschka, SchwZStR 90 (1974), 48 (75 ff.), wo er für eine Beschränkung des Begriffs „actio libera in causa“ auf die Schuldebene eintrat.
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hätte.662 Geht man einmal davon aus, dass T solchermaßen für seine Handlungsunfähigkeit verantwortlich war, so würde das Umfallen trotz der aktuellen Unfreiheit einer Handlung gleich gestellt werden. Darüber hinaus wäre auch die Tathandlung im Umfallen selbst zu sehen, denn das Regressverbot würde einem Rückgriff auf den Drogenkonsum als Tathandlung im Wege stehen.663 Die Frage, ob das Umfallen den Tatbestand eines Totschlags erfüllt, hängt somit entscheidend davon ab, ob man eine außerordentliche Zurechnung auf Handlungsebene anerkennt oder nicht. Die durch die außerordentliche Zurechnung bewirkte Gleichstellung einer Nichthandlung bei Verantwortlichkeit für die Handlungsunfähigkeit mit einer Handlung verstößt gegen das StGB und gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Analogieverbot. Nach dem StGB sind grundsätzlich nur Handlungen strafbar.664 Dies lässt sich aus §§ 8 und 15 ableiten. Danach stellt der Gesetzgeber als Bezugspunkt für die Zeit der Tat und für den Vorsatz sowie die Fahrlässigkeit allein auf ein „Handeln“ ab. Daraus wird deutlich, dass Voraussetzung und Anknüpfungspunkt jeder Straftat eine Handlung ist. Das Gesetz selbst macht hiervon eine Ausnahme, indem es in § 13 Unterlassungen unter bestimmten Voraussetzungen den Handlungen gleich stellt. Gegen eine Strafbarkeit von Unterlassungen bestehen daher keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken.665 Anders liegt es bei einer außerordentlichen Handlungszurechnung. Zwar ist dem Gesetz das Prinzip der außerordentlichen Zurechnung nicht unbe662 Vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 313; ders., JZ 1989, 310 (313 ff.). Auf die durchaus problematische Frage nach Herkunft und Umfang der Obliegenheiten soll hier nicht näher eingegangen werden. Hruschka hat sich des Öfteren mit dieser Frage beschäftigt, vgl. nur Hruschka, Strukturen, S. 48 ff., 65 ff.; ders., ZStW 96 (1984), 661 (686); ders., Strafrecht, S. 274 ff., 294, 307, 415 ff.; ders., JZ 1989, 310 (315); ders., JZ 1996, 64 (70). Hruschka räumt allerdings selbst ein, dass beispielsweise der logische Ursprung der Obliegenheit, sich nicht in einen Defektzustand zu versetzen, offen sei; vgl. Hruschka, JZ 1989, 310 (315); vgl. auch Hettinger, alic, S. 428 f.; Neumann, Zurechnung, S. 260 ff.; ders., GA 1985, 389 (395 ff.). Man darf hierbei nicht aus den Augen verlieren, dass es sich bei den Obliegenheiten um die Strafbarkeit begründende Voraussetzungen handelt und solche wegen des „nullum crimen sine lege“-Grundsatzes auf ein Gesetz rückführbar sein und zudem dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen müssen. 663 Damit ist noch nicht gesagt, dass T wegen des Auslösens der Explosion bestraft werden kann. Problematisch ist dabei insbesondere, dass T beim Umfallen nicht nur aktuell handlungsunfähig, sondern auch aktuell schuldunfähig war. Die Schuld müsste dem T daher außerordentlich zugerechnet werden können. Dies steht allerdings im Widerspruch zum Wortlaut des § 20, der keine Schuldzurechnung bei Verantwortlichkeit für das Nichtvorliegen der Schuldfähigkeit zulässt. 664 Vgl. statt Vieler: Lenckner, in: Schönke/Schröder, vor §§ 13 ff., Rn. 23/24; Wessels/Beulke, Rn. 83 ff. 665 Vgl. Tröndle/Fischer, § 13, Rn. 3 m. w. N.
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kannt, wie sich aus §§ 16, 17 und 35 ergibt: § 16 stellt klar, dass Fahrlässigkeit ein Surrogat für fehlenden Vorsatz ist.666 Durch § 17 stellt der Gesetzgeber das vermeidbar fehlende Unrechtsbewusstsein dem aktuell vorhandenen Unrechtsbewusstsein weitest gehend gleich und kompensiert eventuell bestehende, restliche Wertungsunterschiede zwischen beiden Kategorien lediglich durch eine fakultative Strafmilderung. Auch im Rahmen des § 35 kommt die außerordentliche Zurechnung zum Zuge: So erlaubt diese Vorschrift eine Gleichbehandlung von einer selbst verursachten Notstandslage mit dem Nichtvorliegen einer Notstandslage.667 Jedoch hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der außerordentlichen Zurechnung in anderen Fällen nicht ins Gesetz aufgenommen, wie z. B. im Rahmen des § 20, wo er die zu verantwortende Schuldunfähigkeit eben nicht der Schuldfähigkeit gleich stellt. Auch für die Handlungsebene findet sich im Gesetz keine Positivierung einer außerordentlichen Zurechnung, wenn man von der Unterlassungsstrafbarkeit einmal absieht. Die Anerkennung einer außerordentlichen Zurechnung an manchen Stellen des Gesetzes bei gleichzeitiger Nichterwähnung dieser Möglichkeit an anderer Stelle lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber eine außerordentliche Zurechnung nur in den von ihm explizit geregelten Fällen vorsieht. Eine außerordentliche Handlungszurechnung – wie im Übrigen auch eine außerordentliche Schuldzurechnung im Rahmen des § 20 – ist daher mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbaren und stellt einen Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG dar.668 Darüber hinaus besteht auch kein Bedürfnis für die Möglichkeit einer außerordentlichen Zurechnung auf Handlungsebene. Die außerordentliche Zurechnung verfolgt das Ziel, eine gerechte Verantwortungszuschreibung zu gewährleisten, damit derjenige, der für einen strafbaren Erfolg letztlich verantwortlich ist, auch bestraft werden kann. Die Verantwortung des Täters für den Erfolg soll nicht ausgeschlossen sein, wenn er für das Vorliegen des Ausschlussgrundes verantwortlich ist.669 Durch die außerordentliche Zu666
Hruschka, JZ 1997, 22 (25); Renzikowski, Täterbegriff, S. 219, 229. Vgl. dazu Hruschka, Strafrecht, S. 274 ff.; ders., JZ 1996, 310 (316). 668 Dies lässt die Denkbarkeit einer außerordentlichen Zurechnung als logische Regel auch hinsichtlich der im Gesetz nicht geregelten Fälle freilich unberührt; vgl. Hruschka, JZ 1996, 310 (316). Zur Unvereinbarkeit der außerordentlichen Schuldzurechnung im Rahmen des § 20 – auch als „Ausnahmemodell“ bekannt – mit Art. 103 Abs. 2 GG, vgl. Hettinger, alic, S. 436 ff., 450 ff.; Neumann, Zurechnung, S. 41 ff.; Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513 (516 ff.); Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (563 ff.); vgl. auch Köhler, S. 397. Auch Hruschka hat schon vor einiger Zeit eingeräumt, dass eine außerordentliche Zurechnung im Rahmen des § 20 einer gesetzlichen Grundlage bedürfte, vgl. Hruschka, JZ 1996, 64 (68); ders, JZ 1997, 22 (24). 669 Vgl. Hruschka, JZ 1996, 64 (72). 667
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rechnung sollen die „Schlupflöcher“, die die ordentliche Zurechnung offen lässt, aus Gerechtigkeitsaspekten geschlossen werden. Eine solche Argumentation ist im Rahmen der Schuldzurechnung gut nachvollziehbar. Steht einmal fest, dass eine Handlung im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurde, besteht auf Grund des derzeit geltenden § 20 keine Möglichkeit, dem Täter die Tathandlung zur Schuld zuzurechnen – auch wenn er für das Nichtvorliegen seiner Schuldfähigkeit verantwortlich ist. Der Täter wird allein wegen eines Defektzustandes, für dessen Vorliegen er selbst verantwortlich ist, nicht bestraft. Dass dieses Ergebnis möglicherweise „ungerecht“ erscheinen mag, liegt auf der Hand. Ziel der außerordentlichen Zurechnung ist es somit, diese „Ungerechtigkeit“ zu vermeiden. Bei der Handlungszurechnung besteht dieses „Gerechtigkeitsdefizit“ nicht, denn sobald ein Vorgang wegen aktueller Unfreiheit nicht im Wege der ordentlichen Zurechnung als Handlung zugerechnet werden kann, führt das nicht automatisch zur Straflosigkeit. Vielmehr würde das Regressverbot nicht gelten, sodass auf einen früheren Vorgang, dem Handlungsqualität zukommt, als Tathandlung zurückgegriffen werden könnte. Daher kann es auf Handlungsebene nicht zum Verantwortungsausschluss desjenigen kommen, der sich seiner Handlungsfähigkeit entledigt. Da eine frühere Handlung als Anknüpfungspunkt für eine ordentliche (Tat-)Handlungszurechnung herangezogen werden kann, besteht kein Bedürfnis für eine außerordentliche Zurechnung auf Handlungsebene, d.h. die Gleichstellung eines Naturvorgangs mit einer Handlung. Von einem für das Regressverbot allein maßgeblichen Handlungsentschluss kann daher nur bei Vorliegen von aktueller Handlungsfähigkeit gesprochen werden. Im Beispielsfall liegt die Tathandlung des T somit allein im Drogenkonsum und nicht im Umfallen im bewusstlosen Zustand, da das Umfallen mangels aktuellen Handlungsentschlusses keine Handlung darstellte. Dass T für seine Handlungsunfähigkeit selbst verantwortlich war, spielt dabei keine Rolle. (3) Unmittelbare Täterschaft bei Handlungsunfähigkeit des Vordermanns Da das Regressverbot nur bei Fehlen eines aktuellen Handlungsentschlusses nicht greift, d.h. wenn ein Vorgang als Nichthandlung anzusehen ist, stellt die letzte davor liegende Handlung die Tathandlung dar, wenn sie die Veränderung von Gefahrlage zum Erfolgseintritt unmittelbar und ohne weitere Zwischenhandlungen herbeigeführt hat. Da allein diese Handlung den Erfolg im Sinne des maßgeblichen starken Verursachungsbegriffs verursacht, handelt es sich dabei stets um einen Fall der unmittelbaren, nicht der
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mittelbaren Täterschaft. Dass zwischen der Handlung und dem Erfolg ein weiterer Vorgang liegt, ist unerheblich, solange dieser Vorgang eine Nichthandlung darstellt. Ebenso unerheblich für die Frage, ob unmittelbare oder mittelbare Täterschaft vorliegt ist es, ob die für die Erfolgsherbeiführung relevante Handlung von dem später Handlungsunfähigen oder von einem Dritten vorgenommen wurde. Im Beispielsfall stellt somit der Drogenkonsum durch T die Tathandlung eines Totschlages im Sinne unmittelbarer Täterschaft dar. Hätte T sich die Drogen nicht selbst injiziert, sondern hätte ein Dritter diese dem T verabreicht, so hätte der Dritte den objektiven Tatbestand eines Totschlags als unmittelbarer Täter erfüllt, wenn zwischen der Handlung des Dritten und dem Erfolg keine weitere Handlung – weder des Dritten noch des T – liegt. Das wäre dann der Fall, wenn der Dritte dem T die Drogen injiziert, dieser sofort bewusstlos wird und dadurch sogleich auf den Auslöser der Bombe fällt, wodurch diese explodiert und O getötet wird. Dann hat die Verabreichung der Drogen durch den Dritten an T den Tod des O im Sinne des starken Verursachungsbegriffs herbeigeführt. Dieser Verursachungszusammenhang unterscheidet sich nicht von dem, der im Ausgangsfall zwischen dem Drogenkonsum des T und dem Tod des O besteht und führt in beiden Fällen zur Begründung unmittelbarer Täterschaft, d.h. zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 212 selbst, ohne dass ein Rückgriff auf die mittelbare Täterschaft nötig oder möglich wäre.670 (4) Unterschiedliche Strukturen von unmittelbarer und mittelbarer Täterschaft Die Struktur der mittelbaren Täterschaft ist eine andere als die der unmittelbaren Täterschaft. Die mittelbare Täterschaft kann nicht als Unterfall der unmittelbaren Täterschaft angesehen werden.671 Bei der unmittelbaren Täterschaft liegt zwischen Tathandlung und Erfolg keine weitere für diesen im Sinne des starken Verursachungsbegriffs ursächliche Handlung, ansonsten hätte die „Tathandlung“ den Erfolg nicht verursacht und könnte demnach auch nicht als solche bezeichnet werden. Anders verhält es sich bei der mittelbaren Täterschaft, wo zwischen der Handlung des als mittelbaren Täter bezeichneten Hintermanns und dem Erfolg noch eine weitere Handlung liegt: eine „unfreie“ Handlung des Tatmittlers, wobei sich die Unfreiheit im subjektiven Tatbestand oder in der Schuld auswirkt.672 Trotz dieser 670
Im Ergebnis ebenso Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (598 ff., 602), der aber auf die mittelbare Täterschaft zurückgreift, die sich für ihn jedoch nicht von der unmittelbaren Täterschaft unterscheidet. Vgl. auch Joerden, S. 64. 671 So aber Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (598 ff., 602).
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Unfreiheit verursacht allein die Handlung des Tatmittlers den Erfolg und stellt somit die unmittelbar den objektiven Tatbestand erfüllende Tathandlung dar.673 Die „unfreie“ Handlung des Tatmittlers kann ihrerseits nicht von dem Hintermann verursacht worden sein, da sie das für eine Handlung erforderliche Mindestmaß an Freiheit aufweist – einen auf Handlungsfähigkeit beruhenden Handlungsentschluss – und sich dadurch von einem verursachbaren Naturvorgang unterscheidet.674 Somit kann zwischen der Handlung des mittelbaren Täters und dem Erfolg kein starker Ursachenzusammenhang bestehen, denn das bereits durch das Vorliegen von Freiheit des Tatmittlers auf der Ebene des objektiven Tatbestands ausgelöste Regressverbot verhindert einen Rückgriff auf die Handlung des mittelbaren Täters als Tathandlung im Sinne der unmittelbaren Täterschaft. Die Strafbarkeit des Hintermanns als mittelbarer Täter ergibt sich somit bei Zugrundelegen des starken Verursachungsbegriffs nicht bereits unmittelbar aus den Tatbeständen des Besonderen Teils. Dazu bedurfte es einer konstitutiven Norm, die den auf den unmittelbaren Täter begrenzten Anwendungsbereich der Tatbestände erweitert. Eine solche Vorschrift hat der Gesetzgeber in § 25 Abs. 1, 2. Alt. geschaffen und damit eine Rechtsfigur positiviert, die den Kreis der von den Verboten der Tatbestände erfassten Handlungen vergrößert und zwischen der Handlung des mittelbaren Täters und dem Erfolg einen Zurechnungszusammenhang fingiert.675 Hruschkas Auffassung, wonach die mittelbare Täterschaft lediglich ein Unterfall der unmittelbaren Täterschaft sei, ist hingegen mit dem Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar. 672 Bezöge sich die Unfreiheit bereits auf den objektiven Tatbestand, d.h. auf den Handlungsentschluss, könnte schon gar nicht von einer Handlung gesprochen werden. Dann wäre der Hintermann auch unmittelbarer Täter. Vgl. dazu oben S. 179. 673 Gleichwohl kann der Tatmittler wegen dieser Handlung auf Grund seiner Unfreiheit regelmäßig nicht oder nicht voll als unmittelbarer Täter bestraft werden. 674 Der Vergleich des Tatmittlers mit einem „menschlichen Werkzeug“ ist daher unpassend und irreführend. Da dem Tatmittler trotz seiner Unfreiheit auf der Ebene des subjektiven Tatbestands oder der Schuld noch eine Handlungsalternative zur Verfügung stand, kann seine Handlung nicht mit einem mechanischen Vorgang gleich gesetzt werden. Anders als ein Werkzeug hätte sich der Tatmittler letztlich gegen seine „Verwendung“ durch den Hintermann und die Ausübung seiner unfreien Handlung entscheiden können. Die Rede vom „menschlichen Werkzeug“ passt allerdings bei der „Verwendung“ eines handlungsunfähigen Menschen zur Tatausübung. Dabei handelt es sich jedoch um einen Fall der unmittelbaren Täterschaft. Demnach sollte im Rahmen der mittelbaren Täterschaft besser nicht von einem „menschlichen Werkzeug“ gesprochen werden. 675 Vgl. Hoyer, in: SK, vor § 25, Rn. 9 ff., 15, 40 a. E.; Diel, S. 330; Renzikowski, Täterbegriff, S. 71 f.; Wohlers, ZStW 108 (1996), 61 (81). Siehe dazu oben S. 115 ff.
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Die mittelbare Täterschaft hat demnach eine eigenständige Funktion. Sie kommt zum Tragen, wenn dem Tatmittler die Tat wegen seiner Unfreiheit auf der Ebene des subjektiven Tatbestands oder der Schuld nicht ordentlich zugerechnet werden kann und der Hintermann diese Unfreiheit missbraucht, um den Tatmittler zur Tatausführung zu manipulieren.676 Der mittelbare Täter hat das Gesamtgeschehen durch seinen beherrschenden Einfluss auf den unfrei handelnden Tatmittler quasi steuernd in der Hand.677 Dabei ist es nicht unbedingt erforderlich, dass der Hintermann auch für den Zustand der Unfreiheit verantwortlich war. Charakteristisch für die mittelbare Täterschaft ist, dass die unmittelbare Begehung des tatbestandlichen Unrechts und die regelmäßig daraus folgende Verantwortlichkeit für die Erfolgsverursachung auseinander fallen: Der Tatmittler erfüllt den Tatbestand, die Verantwortung dafür trägt aber der mittelbare Täter. Es ist genau diese Verantwortlichkeit des mittelbaren Täters für die Tathandlung des Tatmittlers und den Erfolg, die seine gesetzliche Behandlung als „Täter“ und nicht als Teilnehmer rechtfertigt.678 Diese gesetzgeberische Wertentscheidung folgt auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine differenzierte Verantwortungszuschreibung679. Insbesondere hat der Gesetzgeber den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gewahrt, denn durch seine Gleichbehandlung des unmittelbaren und des mittelbaren Täters behandelt er zwei im Wesentlichen gleiche Sachverhalte gleich. Die Vergleichbarkeit der beiden Täterschaftsformen ergibt sich aus dem gleichen Maß an Verantwortung des unmittelbaren und des mittelbaren Täters für den Erfolg. Selbst wenn man dieser Einschätzung hinsichtlich der gleichen Gewichtung der Verantwortungsbeiträge nicht folgen wollte, lässt sich zumindest sagen, dass unmittelbare und mittelbare Täterschaft ein ähnliches Maß an Erfolgsverantwortung nach sich ziehen. Unmittelbare und mittelbare Täterschaft sind demnach nicht wesentlich ungleich, sodass eine Gleichbehandlung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. 676 Das macht deutlich, dass der „Täter hinter dem Täter“ dogmatisch kein Fall der mittelbaren Täterschaft sein kann, denn diese erfordert Unfreiheit des Vordermanns entweder im subjektiven Tatbestand oder in der Schuld. In der Konstellation des „Täters hinter dem Täter“ handelt der Vordermann jedoch auf allen Ebenen „frei“. Der Hintermann ist daher Anstifter. Kriminalpolitisch ist diese Einordnung kein Problem, da der Anstifter „gleich einem Täter“ bestraft wird. So auch Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (606 ff.). Zur Struktur der Anstiftung sogleich im nächsten Unterabschnitt. Darauf, dass es für die mittelbare Täterschaft maßgeblich auf die Unfreiheit des Vordermanns ankommt, weist auch Renzikowski, Täterbegriff, S. 73 f. hin. 677 Vgl. Jescheck/Weigend, § 62 I 1 (S. 664); Wessels/Beulke, Rn. 535, 538. In dieser Situation kommt dem Hintermann Tatherrschaft zu. 678 Vgl. dazu auch noch oben S. 116 ff. 679 Vgl. dazu eingehend oben S. 52 ff.
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(5) Exklusionsverhältnis zwischen unmittelbarer und mittelbarer Täterschaft sowie der Anstiftung Hruschka ist der Auffassung, dass nur derjenige Anstifter sein könne, wer weder unmittelbarer noch mittelbarer Täter ist und den Täter dazu bestimmt hat, den Erfolg durch eine vollkommen freie Handlung zu verursachen.680 Dem kann im Ergebnis zugestimmt werden. Jedoch ist Hruschkas Begründung nicht überzeugend. Er argumentiert, Anstiftung und Täterschaft stünden in einem Verhältnis der logischen Exklusion. Demnach könne eine Handlung entweder Täterschaft oder Anstiftung sein, denn sie könne entweder den Erfolg verursachen oder diesen nicht verursachen. Keinesfalls könne sie zugleich Ursache und nicht Ursache des Erfolgs sein. Genauso wenig könne eine Handlung gleichsam verursacht und nicht verursacht sein.681 Der Anstifter setze zwar eine notwendige Bedingung für den Erfolg, verursache diesen jedoch anders als der unmittelbare und der mittelbare Täter nicht, denn die Freiheit des Täters mache einen Rückgriff auf die Handlung des Anstifters als Ursache des Erfolgs unmöglich.682 Diese Überlegungen sind im Ansatz richtig, beruhen aber auf der unzutreffenden Prämisse, dass nicht nur der unmittelbare Täter, sondern auch der mittelbare Täter den Erfolg verursacht. Wie oben bereits erläutert, ist dies jedoch nicht der Fall. Nur beim unmittelbaren Täter kann von Verursachung im Sinne des starken Verursachungsbegriffs gesprochen werden. Eine Verursachung des Erfolgs durch den mittelbaren Täter scheitert an dem betätigten Handlungsentschluss des Tatmittlers, der seinerseits den Erfolg verursacht. Da somit weder der mittelbare Täter noch der Anstifter den Erfolg verursacht, kommt eine Exklusionsbeziehung zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung aus den von Hruschka genannten Gründen nicht in Betracht. Ein Verhältnis logischer Exklusion besteht jedoch zwischen unmittelbarer Täterschaft und Anstiftung, wie auch zwischen unmittelbarer und mittelbarer Täterschaft. Mittelbare Täterschaft und Anstiftung lassen sich dennoch strukturell klar voneinander abgrenzen. Während der mittelbare Täter einen auf der Ebene von Vorsatz oder Schuld unfrei Handelnden zur unmittelbaren Tatbegehung manipuliert, ruft der Anstifter den Tatentschluss eines vollkommen frei handelnden Vordermanns hervor.683 Die Tätigkeit des früher auch „intellektueller Urheber“684 bezeichneten Anstifters stellt sich somit als „Bestim680
Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (588, 602, 604). Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (588, 604). 682 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (592), der freilich für das Regressverbot auf eine vollkommen freie Handlung abstellt. 683 Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (602). 681
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1. Teil: Vorsatzdelikte
mung zur freien Selbstbestimmung“ dar.685 Der Unterschied zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung ist demnach durch eine im Vergleich zum Anstifter gesteigerte Verantwortung des mittelbaren Täters für den Erfolg gekennzeichnet. Damit korreliert eine im Vergleich zum Angestifteten geringere Verantwortung des Tatmittlers für den Erfolg. Der Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung liegt somit eine wertende Betrachtung der jeweiligen Tatbeiträge zu Grunde. Dem entspricht im Ergebnis die „Lehre von der strengen Akzessorietät“, die dem StGB bis 1943 zu Grunde lag. Nach § 48 StGB 1871 konnte allein zu einer „strafbaren Handlung“, d.h. zu einer vollkommen freien Handlung angestiftet werden. Dem Gesetz liegt allerdings in seiner jetzigen Fassung des § 26 eine bloß „limitierte Akzessorietät“ zu Grunde, die Anstiftung auch zu einer vorsätzlichen und rechtswidrigen, aber schuldlosen Handlung ermöglicht. Dadurch werden die klaren Grenzen zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung grundlos verwischt. Fälle der mittelbaren Täterschaft, z. B. bei einem vorsätzlich handelnden Vordermann, der sich im Zustand der Schuldunfähigkeit befindet, fallen nunmehr in den gesetzlichen Anwendungsbereich der Anstiftung, ohne dass sie aus dem der mittelbaren Täterschaft herausgenommen wären. Überschneidungen zwischen beiden Rechtsfiguren sind die Folge.686 Dennoch ist es auch im Rahmen der geltenden Rechtslage möglich, die Abgrenzung zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung an Hand der oben erwähnten strukturellen Kriterien durchzuhalten. Die danach der mittelbaren Täterschaft zuzuordnenden Überschneidungsfälle können auf Konkurrenzebene aus dem Bereich der Anstiftung herausgenommen werden.687 Im Ergebnis landet man so wieder bei der strengen Akzessorietät.688 3. Fazit Das Regressverbot ist der richtige Ansatzpunkt zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte. Hruschka greift nicht auf die Äquiva684 So z. B. Hälschner, S. 345. Zahlreiche weitere Nachweise finden sich bei Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (595). 685 In diesem Sinne bereits im Jahre 1858 Hälschner, S. 345. 686 Vgl. dazu Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (603 ff. m. w. N.). 687 Vgl. Jescheck/Weigend, § 62 I 1 (S. 664) m. w. N. 688 Hruschka wendet sich gegen eine Lösung auf Konkurrenzebene, vgl. Hruschka, ZStW 110 (1998), 581 (604 f.). Das hängt aber damit zusammen, dass er zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung ein Exklusionsverhältnis sieht. In einem solchen Fall käme eine Konkurrenzlösung in der Tat nicht Betracht, da dann nur eine der beiden Beteiligungsformen erfüllt sein kann, eine Konkurrenz aber die Erfüllung mindestens zweier Tatbestände erfordert.
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lenztheorie zurück und rekurriert stattdessen von vornherein auf einen starken Verursachungsbegriff, welcher mit der für jede Verantwortungszuschreibung maßgeblichen Freiheitsperspektive im Einklang steht. Nach dem starken Ursachenbegriff ist nur eine den Erfolg naturgesetzlich determinierende Bedingung ursächlich. Determinierung bedeutet, dass stets, wenn die Ursache vorliegt, auch die Wirkung unweigerlich eintritt. Nicht darunter fallen mit dem Erfolg in bloßem Motivationszusammenhang stehende Bedingungen. Da freie Handlungen auf Grund der Nichtdeterminierbarkeit des menschlichen Willens nicht verursacht sein können, besteht zwischen einer Handlung und dem Erfolg nur dann ein starker Ursachenzusammenhang, wenn zwischen beiden keine weiteren freien Handlungen liegen, die den Erfolg determiniert haben. Nur eine den Erfolg in diesem starken Sinne verursachende Handlung kann die Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts sein. Hruschkas Verursachungsbegriff ist demnach ein naturalistischer. Das hat zur Folge, dass seine Ergebnisse bei Kenntnis des entsprechenden Naturgesetzes dem Beweis zugänglich sind. Dadurch nimmt Hruschka – auf praktikable Weise – bereits im Rahmen der Erfolgszurechnung die Weichenstellung zwischen Täterschaft, Teilnahme und straflosen Verhaltensweisen vor. Da die Bestimmung der Tathandlung nicht notwendigerweise in Abgrenzung zu Teilnahmehandlungen Dritter erfolgt, ist der starke Verursachungsbegriff auch dann in der Lage, die Tathandlung zu bestimmen, wenn nur eine Person mehrfach im Hinblick auf einen Erfolg handelt. Das Regressverbot erlaubt es somit regelmäßig, im Einklang mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot, dem allgemeinen Gleichheitssatz und den Tatbeständen sowie der Systematik des StGB, differenziert Verantwortung für die unterschiedlichen Tatbeiträge zuzuschreiben.689 Die täterschaftliche Verantwortung ergibt sich dabei aus der von einem freien Handlungsentschluss gelenkten Veränderung der Wirklichkeit durch die Verursachung des Erfolgs. Dennoch kann dem Regressverbot in der von Hruschka vorgeschlagenen Form nicht gänzlich gefolgt werden. So ist für die Auslösung des Regressverbots keine vollkommen freie Handlung notwendig, es genügt das Vorliegen von Freiheit auf der Ebene des objektiven Tatbestandes. Hierzu ist aktuelle Handlungsfähigkeit erforderlich, zu verantwortende Handlungsunfähigkeit ist nicht ausreichend. Zudem ist Hruschkas Abgrenzung von unmittelbarer und mittelbarer Täterschaft nicht überzeugend: Der Hintermann, der einen handlungsunfähigen Vordermann zu einer Tat benutzt, ist unmittelbarer und nicht mittelbarer Täter. Während der unmittelbare Täter den Erfolg verursacht, tut dies der mittelbare Täter gerade nicht. Schließ689 Auch Otto, der selbst kein Anhänger des Regressverbots ist, konstatiert, dass ein solches mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Gleichheitsgebot in Einklang steht, vgl. Otto, FS E.A. Wolff, S. 399.
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1. Teil: Vorsatzdelikte
lich stehen nicht Täterschaft und Anstiftung generell, sondern unmittelbare Täterschaft und Anstiftung sowie unmittelbare Täterschaft und mittelbare Täterschaft in einem Exklusionsverhältnis. Darüber hinaus sind noch weitere Konstellationen denkbar, in denen die Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts im Sinne des StGB nicht allein an Hand des Regressverbots bestimmt werden kann, da Verursachung und Verantwortung nicht korrespondieren und somit ein strafrechtliches Handlungsverbot oder die Bestrafung der Verursachung gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen würden. Dies ist der Fall, wenn der Handelnde zwar den Erfolg verursacht, letztlich aber nicht für dessen Eintritt verantwortlich ist, da ein Anderer, z. B. das Opfer, dessen Verhalten wiederum keinen Tatbestand erfüllt, die Verantwortung für den Erfolg trägt. Als Beispiel sei hier folgender, bereits im Rahmen der Lehre von der objektiven Zurechnung erörterter Fall genannt: T sticht dem O mit dem Messer ins Herz. O, der noch lebend ins Krankenhaus eingeliefert wird, verweigert dort bewusst und in Kenntnis der Folgen die ärztliche Behandlung, obwohl sein Leben dadurch gerettet werden würde. Kurz darauf stirbt O an den ihm von T beigebrachten Stichverletzungen.690 Würde man hier zur Bestimmung der Tathandlung nur auf den starken Verursachungsbegriff zurückgreifen, so ergäbe sich, dass T den O getötet und damit einen Totschlag i. S. d. § 212 begangen hätte, denn die von T im Zustand vollkommener Freiheit vorgenommenen Messerstiche haben den Tod des O unmittelbar herbeigeführt. Zwischen dem Zustechen durch T und dem Tod des O liegen keine weiteren Handlungen, die den Tod des O im Sinne des starken Ursachenbegriffs verursacht haben. Insbesondere ist das Ablehnen der lebensrettenden Behandlung durch O nicht für seinen Tod im obigen Sinne ursächlich, da es diesen nicht naturalistisch determinierte, sondern nur einen bereits begründeten, zum Erfolg führenden Ursachenzusammenhang (zwischen Zustechen des T und dem Tod des O) nicht abänderte.691 Gleichwohl trägt nicht T, sondern O selbst die Hauptverantwortung für seinen Tod, da er frei verantwortlich die rettungswilligen und -fähigen Ärzte von einer lebensrettenden Behandlung der Stichverletzung abgehalten hat. Das Entstehen der Verantwortung des O für seinen Tod reduziert gleichzeitig die Verantwortung des T für den Tod des O. Die ursprünglich in der Person des T bestehende Verantwortung geht durch die Entscheidung des O gegen seine Rettung auf den O über. Diesem Übergang der Verantwortung muss auch der gesetzliche Unrechtsvorwurf folgen, d.h. der gegenüber dem T erhobene Unrechtsvorwurf muss dem reduzierten Maß an Verantwortung angepasst werden, ansonsten würde der Gesetzgeber gegen das 690 691
Vgl. dazu bereits oben S. 93 f. und 118 f. Vgl. Renzikowski, Täterbegriff, S. 111 f.
§ 6 Ansätze zur Bestimmung der Tathandlung reiner Erfolgsdelikte
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Übermaßverbot verstoßen.692 Die Reduzierung des Unrechtsvorwurfs gegenüber T ist unabhängig von einer Unrechtsverwirklichung durch O. Eine solche ist hier nicht erfolgt, da die Verweigerung der Behandlung durch O keinen strafgesetzlichen Tatbestand erfüllt.693 Die alleinige Anwendung des starken Ursachenbegriffs zur Bestimmung der Tathandlung könnte die verminderte Verantwortlichkeit des T für den Erfolg nicht in Form von reduziertem oder ausgeschlossenem Unrecht erfassen und ausdrücken. Dies würde zu einer im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip verfassungsrechtlich nicht aufrecht zu erhaltenden Diskrepanz zwischen Erfolgsverantwortung und gesetzlichem Unrecht führen. Dem starken Ursachenbegriff, der den Zusammenhang zwischen Ursache und Erfolg als naturalistische Determinierung beschreibt, fehlt demnach ein normatives Korrektiv, welches die Unrechtsverwirklichung bei einem Verantwortungsausschluss trotz Erfolgsverursachung ausschließen kann. Das Regressverbot sieht ein derartiges normatives Instrumentarium nicht vor und stellt bereits deshalb keine vollends überzeugende Methode zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte dar. Als alleinige Methode zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte übertritt das Regressverbot noch aus einem weiteren Grund verfassungsrechtliche Grenzen. So würde ein allein auf dem starken Ursachenbegriff aufbauendes strafrechtliches Handlungsverbot Verhaltensweisen erfassen, deren Verbot für einen effektiven Rechtsgüterschutz nicht geeignet und daher im Hinblick auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG verfassungswidrig wäre. Ein Beispiel hierfür wäre ein Handlungsverbot, das sich auf die lebensverlängernde Behandlung eines Arztes erstreckt, die den Tod des Patienten verursacht, wobei dieser ohne die Behandlung bereits früher gestorben wäre. Ein derartiges Handlungsverbot würde das Leben des Patienten nicht schützen, sondern verkürzen.694
VI. Schlussfolgerungen zur Tathandlungsbestimmung bei den reinen Erfolgsdelikten Keiner der von der Literatur angeführten Ansätze ist für sich allein in der Lage, die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine differenzierende Verantwortungszuschreibung sowie in Übereinstimmung mit dem Wortlaut und der Sys692 Vgl. zum Verhältnis von Verantwortung zum Unrecht bereits oben S. 52 ff., 93 f.; 118 ff. 693 Dies ändert nichts an der Verantwortung des O. Vgl. dazu bereits oben S. 116 ff. 694 Vgl. dazu bereits oben S. 59 und 92 f.
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tematik des StGB zu bestimmen. Die untersuchten Kausalitäts- und Zurechnungstheorien erfassen allenfalls Teilbereiche der für die Tathandlungsbestimmung reiner Erfolgsdelikte maßgeblichen Kriterien. Dennoch enthalten insbesondere Frischs Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten, Hruschkas starker Verursachungsbegriff und die Lehre von der objektiven Zurechnung wichtige Erkenntnisse, die es zusammenzufügen gilt und an Hand derer sich die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte bestimmen lässt. Für die Erfüllung des objektiven Tatbestands eines vorsätzlichen reinen Erfolgsdelikts sind fünf Kriterien maßgeblich. Dabei handelt es sich um drei positive, konstitutive und zwei negative Kriterien, deren Vorliegen die Strafbarkeit mittels einer teleologischen Reduktion wieder entfallen lässt. Während die konstitutiven Kriterien tatsächlicher Art sind, sind die negativen Ausschlusskriterien normativer Natur. Konstitutiv für die reinen Erfolgsdelikte sind eine Handlung, ein tatbestandsmäßiger Erfolg sowie ein Ursachenzusammenhang zwischen Handlung und Erfolg. Dieser Zusammenhang ähnelt Hruschkas starkem Ursachenbegriff und stellt sich als Ursächlichkeit im Sinne einer naturalistischen Determinierung dar.695 Das bedeutet, dass stets dann, wenn die Ursache vorliegt, auch die Wirkung eintritt. Menschliche Handlungen können jedoch niemals in diesem Sinne verursacht sein, da für ihr Vorliegen stets ein aktueller Handlungsentschluss erforderlich ist, der auf Grund seiner freien Vornahme nicht gleichsam determiniert und damit unfrei sein kann. Aus der Verursachung eines Erfolgs durch eine menschliche Handlung resultiert daher ein Regressverbot, das es untersagt, ebenfalls einen Ursachenzusammenhang zwischen einer früheren Handlung und dem Erfolg anzunehmen. Eine über den aktuellen Handlungsentschluss hinaus gehende „Freiheit“ des Verursachers ist für die Annahme eines Regressverbots nicht erforderlich.696 Fehlt ein solcher Ursachenzusammenhang, so liegt mangels Verwirklichung von Erfolgsunrecht kein Handlungsunrecht vor und wäre daher ein strafrechtliches Handlungsverbot, bei dessen Übertretung der Handelnde als unmittelbarer Täter bezeichnet würde, nicht erforderlich und daher unverhältnismäßig.697 Im Folgenden soll noch kurz auf das Verhältnis von Regressverbot und Unterlassungen eingegangen werden. Eine nachfolgende Unterlassung steht der Verursachung durch eine davor liegende Handlung nicht entgegen und begründet kein Regressverbot. Zwischen einem Unterlassen und einem Erfolg besteht niemals ein starker Ursachenzusammenhang, da ein Unterlassen das zukünftige Geschehen nicht deterministisch verändert, sondern das 695 696 697
Vgl. dazu oben S. 162 ff. Vgl. dazu oben S. 173 ff. Vgl. dazu bereits oben S. 58 und 92 f.
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durch eine frühere Handlung determinierte Geschehen ungehindert bis zum Erfolgseintritt fortwähren lässt.698 Das Unterlassen führt zu nichts, was nicht schon durch eine frühere Handlung determiniert wäre. Während Handlungen „ausgeschöpfte Möglichkeiten auf dem Wege in die (ex post gesehen) reale Welt“699 sind, stellen Unterlassungen vielmehr „nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten auf dem Wege in eine (ex post gesehen) kontrafaktische Welt“700 dar, deren Gleichstellung mit der Täterschaft durch aktives Tun allein auf der in § 13 kodifizierten gesetzgeberischen Wertentscheidung beruht. Demnach kann es für einen Totschlag zwei Täter geben: einen unmittelbaren Täter durch aktives Tun und einen durch Unterlassen. Jedoch wird nur der Begehungstäter unmittelbar von den Handlungsverboten der Vorschriften des Besonderen Teils erfasst. Diese erstrecken sich nur auf Grund der konstitutiven Norm des § 13 auch auf den Unterlassungstäter. Auch bei nachfolgendem aktiven Tun sind Ausnahmen vom Regressverbot denkbar. Dies ist beispielsweise bei der Verhinderung von Rettungshandlungen Dritter oder des Opfers der Fall. Wenn T den Nichtschwimmer O ins Wasser wirft und O ertrinkt, so hat die Handlung des T den Tod des O verursacht, auch wenn D den H am Ufer von einer Rettung des O abgehalten hat oder wenn D den auf den O zutreibenden Rettungsring an sich nimmt, bevor er den O erreicht. Solche Verhinderungshandlungen verursachen nicht den tatbestandlichen Erfolg im Sinne einer naturalistischen Determinierung, sondern sie bewirken lediglich, dass ein bereits früher begründeter Ursachenzusammenhang im Hinblick auf den Tod des O nicht abgeändert wird. Gleiches gilt für das Ablehnen der lebensretten Behandlung durch das Opfer. Auch dies stellt keine Verursachung des Erfolgs, sondern das Nichtabändern eines bereits begründeten Ursachenzusammenhangs dar, gleichgültig, ob man das Verhalten des Opfers als Tun oder Unterlassen einordnet. Bei Vorliegen der konstitutiven, tatsächlichen Voraussetzungen ist der objektive Tatbestand eines reinen Erfolgsdelikts dennoch nicht erfüllt, wenn eines der folgenden normativen Ausschlusskriterien gegeben ist: Das Verbot der den Erfolg verursachenden Handlung ist für einen effektiven Rechtsgüterschutz ungeeignet701 oder der Verursacher trägt keine Verantwortung für den Erfolg, da diese beim Opfer liegt.702 Das erste normative Ausschluss698
Renzikowski, Täterbegriff, S. 109 f. Joerden, S. 49 (Hervorhebungen im Original). 700 Joerden, S. 49 (Hervorhebungen im Original). 701 Ein Beispiel hierfür wäre die lebensverlängernde Behandlung eines Arztes, die den Tod des Patienten verursacht, wobei dieser ohne die Behandlung bereits früher gestorben wäre. Vgl. oben S. 59, 92 f. und 187. 702 Beispielhaft kann hier die selbstverantwortliche Ablehnung der lebensrettenden Behandlung durch das Opfer genannt werden. Vgl. oben S. 93 f., 119 und 186 ff. 699
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kriterium findet sich in dem methodischen Ansatz von Frisch wieder, das zweite entspringt der objektiven Zurechnungslehre. Diese Kriterien stellen sicher, dass die Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte an Hand des Regressverbots mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Ziel des Strafrechts, einen effektiven Rechtsgüterschutz zu gewährleisten, im Einklang steht und nur solche Erfolgsverursachungen als strafrechtliches Unrecht gelten, bei denen der Handelnde für den Erfolg verantwortlich ist. Bei Ungeeignetheit eines Handlungsverbots für den effektiven Rechtsgüterschutz liegt unabhängig vom verwirklichten Erfolgsunrecht kein Handlungsunrecht vor.703 Liegt die Verantwortlichkeit für den Erfolgseintritt bei einem Anderen als dem Verursacher, wird das Erfolgsunrecht ausgeschlossen, während das verwirklichte Handlungsunrecht bestehen bleibt.704 Dieses Kriterium berührt die Reichweite der gesetzlichen Handlungsverbote sowie das Vorliegen des tatsächlichen Verursachungszusammenhangs nicht, lässt jedoch dessen rechtliche Relevanz aus normativen Gründen entfallen. Die Konsequenz ist eine Einschränkung der Strafbarkeit im Wege einer teleologischen Reduktion, wenn formal verwirklichtes Unrecht und Verantwortung für den Erfolg sich nicht entsprechen. Nicht unter das zweite normative Ausschlusskriterium fallen Unterlassungen Dritter, die der Verursachungshandlung zeitlich nachfolgen. Solche lassen die Verantwortung des Erfolgsverursachers nicht entfallen, denn sie ändern nichts an der Veränderung der Wirklichkeit durch die Handlung des Verursachers, die dessen Verantwortung begründete, sondern lassen diesem Geschehen lediglich seinen Lauf. Anders als bei der eigenverantwortlichen Ablehnung der lebensrettenden Behandlung durch das Opfer kommt dem Unterlassenden keine Verfügungsbefugnis über das angegriffene fremde Rechtsgut zu, welche es in einem solchen Fall rechtfertigt, den Übergang der Verantwortung für den Erfolg vom Verursacher auf das Opfer anzunehmen. Der Verursacher wird demnach nicht dadurch entlastet, dass sich auch ein Dritter pflichtwidrig verhält. Da der Gesetzgeber jedoch in § 13 bestimmt hat, dass ein Unterlassen unter gewissen Voraussetzungen der Verletzung einer Strafnorm durch aktives Tun gleichsteht, können der Verursacher und der Unterlassende gleichzeitig als Täter für einen Erfolgseintritt zur Verantwortung gezogen werden.705 Aus den gleichen Erwägungen lässt auch die Verhinderung von Rettungsversuchen die Verantwortung des Verursachers nicht entfallen. So bleibt T, der den O ins Wasser gestoßen und dadurch dessen Tod durch Ertrinken verursacht hat, auch dann für den Tod des O verantwortlich, wenn D den 703 704 705
Vgl. oben S. 92 f. Vgl. oben S. 92 f. So auch Otto, FS Lampe, S. 505 m. w. N.
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H, der sich gerade in die Fluten stürzen wollte, um den O zu retten, niederschlägt und dadurch die Rettung des O unmöglich macht. Die Handlung des D ändert nicht den durch die Handlung des T begründeten Geschehensablauf (Ertrinken des O), sondern bewirkt nur, dass dieser ungehindert weiter abläuft. Es gibt demnach keinen Grund, weshalb die auf der Verursachung dieses Geschehensablaufs beruhende Verantwortung des T ausgeschlossen sein sollte. Zusammengefasst begeht nach den vorstehenden Überlegungen derjenige die Tathandlung eines reinen Erfolgsdelikts, der durch seine Handlung den tatbestandsmäßigen Erfolg im Sinne einer naturalistischen Determinierung verursacht, es sei denn, nicht er, sondern das Opfer ist für den Erfolgseintritt verantwortlich oder das strafrechtliche Verbot der konkreten Erfolgsverursachung wäre nicht zum effektiven Schutz des verletzten Rechtsguts geeignet. Dies bedeutet ein normativ eingeschränktes Regressverbot. An Hand dieser Formel lassen sich leicht die Auswirkungen des Zusammentreffens mehrerer den Erfolg bedingender Handlungen im Hinblick auf ihre Tathandlungsqualität erklären. Dabei sollen sowohl die Auswirkungen einer späteren Handlung (der „Zweithandlung“) auf eine frühere (der „Ersthandlung“), als auch die der früheren Handlung auf die spätere kurz beleuchtet werden. Durch das Hinzutreten einer Zweithandlung kann die Tathandlungsqualität der Ersthandlung auf zwei Arten ausgeschlossen sein, nämlich aus tatsächlichen oder aus normativen Gründen. Die Tathandlungsqualität der Ersthandlung entfällt aus tatsächlichen Gründen, wenn zwischen dieser und dem Erfolg auf Grund der Zweithandlung kein Ursachenzusammenhang im Sinne einer naturalistischen Determinierung mehr besteht, weil ein solcher nunmehr zwischen der Zweithandlung und dem Erfolg vorliegt. Die Zweithandlung lässt die Tathandlungsqualität der Ersthandlung aus normativen Gründen entfallen, wenn zwischen der Ersthandlung und dem Erfolg zwar weiter ein Ursachenzusammenhang besteht, die Zweithandlung jedoch die Verantwortung des Ersthandelnden für die Erfolgsverursachung ausschließt. Der Ausschluss der Tathandlungsqualität der Ersthandlung durch die Zweithandlung bedeutet demnach nicht, dass die Zweithandlung dadurch automatisch zur Tathandlung wird. Die Zweithandlung wird nur dann selbst zur Tathandlung, wenn zwischen ihr und dem Erfolg ein Ursachensachenzusammenhang vorliegt, es sei denn, die Verantwortung des Zweithandelnden wird wiederum durch eine spätere Handlung ausgeschlossen. Ein bloß normativer Zusammenhang zwischen Zweithandlung und Erfolg genügt nicht zur Begründung ihrer Tathandlungsqualität. Mit anderen Worten: Ein Ursachenzusammenhang zwischen Zweithandlung und Erfolg nimmt einer Ersthandlung die Tathandlungsqualität und
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führt zur Begründung der Tathandlungsqualität der Zweithandlung, es sei denn diese ist aus normativen Gründen durch eine spätere Handlung ausgeschlossen. Ein normativer Zusammenhang zwischen Zweithandlung und Erfolg nimmt der Ersthandlung die Tathandlungsqualität, kann aber für sich nicht der Zweithandlung Tathandlungsqualität verleihen. Wendet man diese Ergebnisse auf die Rechtsprechung des BGH an, so ergibt sich, dass der BGH mehrere Fälle falsch entschieden hat. Exemplarisch seien hier der „Jauchegruben-Fall“706 und eine neuere Entscheidung aus dem Jahr 2000707 genannt. Im „Jauchegruben-Fall“ hatte die Täterin ihr Opfer gewürgt und dann, um ihr Schreien zu verhindern, eine große Menge Sand in den Mund gestopft. Das Opfer wurde dadurch bewusstlos, die Täterin hielt es aber bereits für tot. Um die vermeintliche Leiche zu beseitigen, warf die Täterin das Opfer in eine Jauchegrube, in der es durch Ertrinken starb. Obwohl die Täterin bei der Beseitigung der Leiche vorsatzlos handelte, hielt der BGH eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung aufrecht. Der BGH sah die Tathandlung bereits darin, dass die Täterin dem Opfer Sand in den Mund stopfte, denn dadurch „verursachte sie den Tod zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar“.708 Eine solche „mittelbare Verursachung“ reicht jedoch nicht zur Erfüllung des objektiven Tatbestands eines Totschlags aus. Dafür wäre die Verursachung des Todes des Opfers im Sinne einer naturalistischen Determinierung – mit den Worten des BGH: einer „unmittelbaren Verursachung“ – erforderlich gewesen. Eine solche kann erst in dem Beseitigen des regungslosen Opfers in dem Brunnen gesehen werden. Da die Täterin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorsätzlich handelte, wäre sie nicht wegen vorsätzlichen Totschlags zu verurteilen gewesen. Vielmehr stellt das Sand-in-den-Mund-stopfen einen versuchten Totschlag und die Beseitigung der vermeintlichen Leiche eine fahrlässige Tötung dar.709 In der anderen Entscheidung710 stach die T mehrfach mit einem Messer in Tötungsabsicht auf die O ein. Als O regungslos und blutüberströmt auf dem Boden lag, ließ T von O ab, da sie diese für tot hielt. Zu Hause erzählte sie ihrem Freund F, dass sie O erstochen habe. F ging daraufhin zum Tatort, um die Spuren zu verwischen. Da F bemerkte, dass O noch lebte, schlug er der O mit einem festen Gegenstand den Schädel ein, um 706
BGHSt 14, 193. BGH NStZ 2001, 29. 708 BGHSt 14, 193 (194). 709 So im Ergebnis auch Hruschka, Strafrecht, S. 25 ff., der damals noch die Tathandlungsqualität des Sand-in-den-Mund-stopfens ablehnte, weil zwischen dieser Handlung und dem Erfolg kein objektiver Finalzusammenhang bestehe. 710 BGH NStZ 2001, 29. 707
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sie zu töten. Bei der Obduktion konnte nicht geklärt werden, ob O an den Schlägen des F oder nach den Schlägen des F an den Messerstichen der T starb. Der BGH ging davon aus, dass T ein vollendetes Tötungsdelikt begangen habe, da sie eine Bedingung für den Erfolg gesetzt habe. Daran ändere sich nichts, dass F der O durch seine Schläge weitere Verletzungen zugefügt hat, die gleichfalls geeignet waren, den Tod der O herbeizuführen, denn F habe dadurch an der zuvor von T gesetzten Bedingung angeknüpft. Hätte T die O nicht niedergestochen, so hätte auch F der O nicht den Schädel eingeschlagen.711 Der BGH verkennt hier den im Strafrecht maßgeblichen Ursachenbegriff, der nicht lediglich das Setzen einer notwendigen Bedingung, sondern eine naturalistische Determinierung des Erfolgs voraussetzt. Im vorliegenden Fall konnte nicht festgestellt werden, wessen Handlung den Tod der O in diesem Sinne verursachte. T und F wären demnach in dubio pro reo jeweils nur wegen eines versuchten Tötungsdelikts zu verurteilen gewesen. Eine nach den vorstehenden Überlegungen erfolgende Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte gewährleistet eine differenzierte Verantwortungszuschreibung im Einklang mit dem Grundgesetz und dem StGB. Durch das Erfordernis eines starken Ursachenzusammenhangs wird das Bestimmtheitsgebot gewahrt, denn ein solches erlaubt – unabhängig davon, ob mehrere Beteiligte handeln oder ob nur eine Person mehrfach handelt – die Singularisierung der einen Handlung, die den Erfolg determiniert und lässt den Normadressaten nicht über die Strafbarkeit seines Tuns im Unklaren. Darüber hinaus ist der allgemeine Gleichheitssatz gewahrt, da bereits im objektiven Tatbestand eine Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme vorgenommen wird, wodurch vermieden wird, dass wesentlich Ungleiches ohne Rechtfertigung gleich behandelt wird. Alle Handlungen, die den Erfolg nicht im Sinne einer naturalistischen Determinierung verursachen, können nicht den Tatbestand eines reinen Erfolgsdelikts im Wege unmittelbarer Täterschaft erfüllen. Sie sind entweder straflose Vorbereitungshandlungen, Teilnahme oder werden auf Grund des Gesetzes zur Täterschaft (mittelbare, Mit- oder Unterlassungstäterschaft) aufgewertet. Probleme mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip werden dadurch vermieden, dass Handlungen, deren Verbot nicht zum effektiven Schutz des gefährdeten Rechtsguts geeignet ist, mittels einer teleologischen Reduktion aus dem Tatbestand heraus genommen werden. Zudem fallen Erfolgsverursachungen dann nicht unter den Tatbestand, wenn nicht der Verursacher, sondern das Opfer für den Erfolg verantwortlich ist. Dies entspricht auch dem Wortlaut der Vorschriften des Besonderen Teils des StGB und der Systematik des Allgemeinen Teils. So sind die Grenzen der Bedeutung des Begriffs „töten“ 711
BGH NStZ 2001, 29 (30).
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nicht überschritten, wenn man darunter eine nach den obigen Grundsätzen bestimmte Tathandlung fasst. Auch die Beteiligungsvorschriften des StGB, die zwischen Täterschaft und Teilnahme sowie zwischen verschiedenen Arten der Täterschaft unterscheiden, bestätigen einen solchen engen Tathandlungsbegriff bei den reinen Erfolgsdelikten.
§ 7 Konsequenzen für das Tatbestandsmodell Im Folgenden sollen die Konsequenzen der oben herausgearbeiteten Methode zur Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte für die rechtliche Bewertung des Tatbestandsmodells der Rechtsprechung analysiert werden. Zu diesem Zwecke werden die Ergebnisse dieses engen Tathandlungsbegriffs denen des Tatbestandsmodells gegenüber gestellt und miteinander verglichen. Zur Veranschaulichung wird auf den Beispielsfall zur alic zurückgegriffen.712 Anders als bei bloßer Anwendung der Äquivalenztheorie stellt das zur Schuldunfähigkeit führende Sichbetrinken des T bei Heranziehung der im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Kriterien zur Tathandlungsbestimmung keine Tathandlung eines Totschlags an F dar. Dadurch, dass T sich betrank, hat er noch nicht den Tod der F verursacht. Die Verursachungshandlung ist allein im Abfeuern der Waffe zu sehen, denn nur diese Handlung hat den Tod der F naturgesetzlich determiniert.713 Zwar war der T zu diesem Zeitpunkt bereits schuldunfähig, das ändert jedoch nichts an der Handlungsqualität des Schießens, denn dafür ist allein die Betätigung eines Handlungsentschlusses maßgeblich. Von einem durch das Vorliegen einer Handlungsalternative gekennzeichneten Handlungsentschluss kann nur bei Handlungsunfähigkeit nicht mehr gesprochen werden.714 T befand sich jedoch nicht in einem solchen Zustand. Da die Abgabe des Schusses demnach auf dem für die Annahme einer Handlung maßgeblichen Mindestmaß an menschlicher Willensfreiheit beruhte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Handlung durch eine frühere Handlung, das Sichbetrinken, determiniert war. Dies würde die Freiheit der Entscheidung des T, den Schuss abzufeuern, negieren. Aus den gleichen Gründen haben auch der Entschluss des T zum Weitertrinken, als seine Schuldfähigkeit noch nicht erheblich herab gesetzt war715 und die Planung der Tat im schuldfähigen Zustand716 (unabhängig davon, dass es sich dabei schon nicht um Handlun712 713 714 715 716
Oben S. 32. Vgl. dazu oben S. 162 ff. Vgl. dazu oben S. 173 ff. Dazu oben S. 30 und 38. Dazu oben S. 30 und 39.
§ 7 Konsequenzen für das Tatbestandsmodell
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gen handelt) nicht den Tod der F verursacht. Tathandlung ist allein das Abfeuern des tödlichen Schusses durch T, der allerdings wegen § 20 nicht bestraft werden kann, da dieser Schuldfähigkeit bei Begehung der Tathandlung fordert.717 Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob das Sichbetrinken einen Versuch und damit den Beginn der Tatausführung darstellt,718 denn Tathandlung – und damit Bezugspunkt von § 20 – ist nicht die Zeitspanne zwischen Versuchsbeginn und unmittelbarer Ausführungshandlung, sondern allein die Handlung, die den Erfolg im Sinne einer naturalistischen Determination verursacht, soweit keine normativen Ausschlussgründe wie Eigenverantwortlichkeit des Opfers vorliegen.719 Nach dem Tatbestandsmodell der Rechtsprechung soll die Strafbarkeit dennoch am Sichbetrinken, dem Entschluss zum Weitertrinken oder der Planung der Tat im schuldfähigen Zustand anknüpfen können. Voraussetzung dafür wäre, dass der T in noch verantwortlichem Zustand bereits eine vorwerfbare innere Beziehung zu seiner späteren Tat hergestellt hat, indem er sich von dem übermäßigen Alkoholgenuss nicht durch die Vorstellung abhalten ließ, er werde im Rausch die F töten und somit durch die actio praecedens einen Geschehensablauf in Gang gesetzt hat, an dessen Ende die Tötung der F steht.720 Das Tatbestandsmodell stellt sich demnach als eine Erweiterung der in den Tatbeständen des Besonderen Teils des StGB gesetzlich normierten Handlungsverbote dar. Auf Grund des in Art. 103 Abs. 2 GG verbürgten „nullum crimen sine lege“-Grundsatzes bedürfte ein solches Vorgehen einer Positivierung im Strafgesetz. Das StGB enthält jedoch keine Bestimmungen, in denen das Tatbestandsmodell kodifiziert ist. Das Tatbestandsmodell verstößt demnach de lege lata gegen Art. 103 Abs. 2 GG.
717 Einhellige Meinung; vgl. nur Baier, GA 1999, 272 (280 f.); Jähnke, in: LK, § 20, Rn. 75; Otto, Jura 1986, 426 (426); Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 20, Rn. 32; Stühler, S. 53, Fn. 14 m. w. N.; Tröndle/Fischer, § 20, Rn. 48. 718 In diesem Sinne aber die Rechtsprechung des BGH zum Affekt, vgl. BGHSt 23, 133; 23, 356. 719 Vgl. oben S. 187 ff. 720 In diesem Sinne BGHSt 17, 333 (334 f.).
2. Teil
Fahrlässigkeitsdelikte Im Folgenden bleibt zu klären, ob bei fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten die alic „überflüssig“ ist, da die Strafbarkeit auch ohne Rückgriff auf diese Rechtsfigur am Sichbetrinken anknüpfen kann.
§ 8 Die „Überflüssigkeitsthese“ Anders als in der Vorsatzvariante greift der BGH bei fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten nicht explizit auf die actio libera in causa zurück, wenn er die Strafbarkeit eines bei Vornahme der unmittelbaren Tathandlung schuldunfähigen Täters begründen will. Die alic sei überflüssig, denn Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs sei bei fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten ohnehin jedes in Bezug auf den tatbestandsmäßigen Erfolg sorgfaltswidrige Verhalten des Täters, das eine notwendige Bedingung für diesen darstelle.1 Darunter falle auch die voraussehbare und vermeidbare Herbeiführung des Erfolgs durch den Genuss großer Mengen von Alkohol, wenn der Täter damit rechnen musste, dass er im Rauschzustand weitere für den Erfolg kausale Handlungen begehen werde.2 Wenn mehrere Handlungen als sorgfaltswidrige in Betracht kämen, bestehe kein Anlass, den Fahrlässigkeitsvorwurf stets an die zeitlich letzte anzuknüpfen – insbesondere, wenn der Täter bei dieser schuldunfähig war.3 Mit dieser Begründung hielt der BGH die Verurteilung eines Kraftfahrers wegen fahrlässiger Tötung aufrecht, der im Zustand der Schuldunfähigkeit einen Grenzbeamten überfahren hatte, woran dieser starb.4 1
BGHSt 40, 341 (343); 42, 235 (236). Zustimmend Fahnenschmidt/Klumpe, DRiZ 1997, 77 (80 f.); Jescheck/Weigend, § 40 VI 2 (S. 448); Küper, Notstand, S. 50; Krause, Jura 1980, 169 (180); Otto, Jura 1986, 426 (433); Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513 (524 ff.); ders., in: NK, vor § 323a, Rn. 49; Puppe, JuS 1980, 346 (350); Ranft, JA 1983, 1993 (1995); früher ebenso Horn, GA 1969, 289 (289 f.); Hruschka, SchwZStR 90 (1974), 48 (69 f.). 2 BGHSt 42, 235 (236). 3 BGHSt 42, 235 (236 f.). 4 BGHSt 42, 235 (236 f.).
§ 8 Die „Überflüssigkeitsthese“
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Dies ist in der Literatur nicht unwidersprochen geblieben. Insbesondere Horn, einst selbst Vertreter dieser „Überflüssigkeitsthese“,5 wendet sich nunmehr gegen die Fahrlässigkeitsdogmatik des BGH.6 Er argumentiert im Wege eines Erst-Recht-Schlusses, dass eine Handlung nicht als fahrlässige strafbar sein könne, wenn sie vorsätzlich begangen straflos wäre.7 Für beide Deliktsarten sei eine einheitliche Grenze der Strafbarkeit im Zeitpunkt des Versuchsbeginns zu ziehen.8 Das Sichbetrinken könnte demnach nur dann als Tathandlung einer fahrlässigen Tötung betrachtet werden, wenn es – unterstellt die Tat wäre vorsätzlich begangen worden – den Versuch eines Totschlags darstellen würde. Dem kann nicht zugestimmt werden. Der Zeitpunkt des Versuchsbeginns ist weder für die vorsätzliche noch die fahrlässige Vollendungsstrafbarkeit relevant, ihm kommt nur für die Versuchsstrafbarkeit Bedeutung zu. Bei Vorsatzdelikten stellt nicht jede nach dem Versuchsbeginn vorgenommene Handlung die Tathandlung dar, sondern nur diejenige Handlung, die den Erfolg im Sinne einer naturalistischen Determinierung verursacht, ohne dass normative Ausschlussgründe wie Eigenverantwortlichkeit des Opfers vorliegen.9 Nach dem Versuchsbeginn können jedoch auch solche Handlungen liegen, die sich noch in der „Vorzone“ der Tathandlung befinden. Demnach kann der Versuchsbeginn auch für die zeitliche Eingrenzung der Tathandlungsbestimmung bei den Fahrlässigkeitstaten nicht maßgeblich sein. Gleichwohl weist der von Horn propagierte „Erst-Recht-Schluss“ auf das richtige Ergebnis hin: Die Tathandlungen von vorsätzlichen und fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten entsprechen sich. Nach der Rechtsprechung muss die Tathandlung eines fahrlässigen reinen Erfolgsdelikts zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie muss notwendige Bedingung für den Erfolg sein und zugleich eine Sorgfaltspflicht verletzen.10 Beides ist nicht zutreffend. Einerseits genügt bloße Konditionalität nicht zur Begründung der Tathandlungsqualität, andererseits ist es nicht erforderlich, dass durch die Tathandlung selbst eine Sorgfaltspflicht verletzt wird. Bei fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten ist die Tathandlung an Hand der gleichen Kriterien zu bestimmen, wie sie für die vorsätzliche Variante entwickelt wurden. Beide Deliktsarten sprechen identische Handlungsverbote 5
Vgl. Horn, GA 1969, 289 (289 f.). Horn, StV 1997, 264 (265 f.); ähnlich Schlüchter, Grenzen, S. 80; Stühler, S. 118 ff.; kritisch auch Hettinger, GA 1989, 1 (13 ff.); Hruschka, JZ 1997, 22 (24 ff). 7 Horn, StV 1997, 264 (265 f.); so auch Schlüchter, Grenzen, S. 80; Stühler, S. 119 f. 8 Horn, StV 1997, 264 (265 f.). 9 Vgl. dazu oben S. 187 ff. 10 BGHSt 42, 253 (236). 6
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2. Teil: Fahrlässigkeitsdelikte
aus, da auch den Fahrlässigkeitsdelikten auf Grund verfassungsrechtlicher Vorgaben wie des Bestimmtheitsgrundsatzes, des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des allgemeinen Gleichheitssatzes ein restriktiver Täterbegriff zu Grunde gelegt ist.11 Demnach verursacht eine Handlung nur dann den Tod i. S. d. § 222, wenn sie diesen naturgesetzlich determiniert und nicht bereits, wenn sie für diesen conditio sine qua non ist. Um einen Fahrlässigkeitsvorwurf zu tragen, muss die Sorgfaltspflichtverletzung nicht zeitgleich mit der Tathandlung erfolgen, sie kann auch vor dieser liegen.12 Tathandlung und Sorgfaltspflichtverletzung sind strikt voneinander zu trennen, sie erfüllen zwei unterschiedliche Funktionen im Deliktsaufbau. Während unter Tathandlung die den tatbestandlichen Erfolg verursachende Handlung zu verstehen ist, ist es Aufgabe der Sorgfaltspflichtverletzung, dem Täter die durch die Tathandlung herbeigeführte Rechtsgutsverletzung als „fahrlässig“ vorzuwerfen. Die Tathandlung stellt den Gegenstand der Bewertung dar, die Sorgfaltspflichtverletzung den Maßstab der Bewertung.13 Fahrlässig handelt und eine Sorgfaltspflicht verletzt, wer nicht erkannt hat, obwohl er hätte erkennen müssen und erkennen können, dass sein Handeln den tatbestandsmäßigen Erfolg verursachen wird.14 Diese Erkenntnispflicht ist nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung beschränkt, sondern erstreckt sich auf den Zeitraum davor, wenn bei der Tathandlung keine Möglichkeit mehr bestand, deren Gefährlichkeit für das geschützte Rechtsgut zu erkennen. Der Fahrlässigkeitsvorwurf kann demnach an einem Verhalten vor der Tathandlung anknüpfen. Ein Auseinanderfallen von Tathandlung und Sorgfaltspflichtverletzung begegnet de lege lata keinen Bedenken, da das StGB hier anders als beim Verhältnis von Tathandlung und Vorsatz (vgl. §§ 15, 16 Abs. 1 Satz 1) bzw. von Tathandlung und Schuldfähigkeit (vgl. § 20) keine Koinzidenz fordert.15 Ein Beispiel für einen vor der Tathandlung liegenden Anknüpfungspunkt der Fahrlässigkeit wäre, dass ein Patient bei einer Operation zu Schaden 11
Vgl. oben S. 137 ff. Hruschka, JZ 1989, 310 (314 ff.); ders., JZ 1997, 22 (25 ff.). 13 Maiwald, JuS 1984, 439 (442, Fn. 23 f.); ders., FS Miyazawa, S. 470 ff.; Hruschka, JZ 1997, 22 (25 ff.), spricht von „Gegenstand der Zurechnung“ und „Grund der Zurechnung“, meint damit aber das Gleiche. Siehe dazu bereits oben S. 100. 14 Hruschka, JZ 1989, 310 (314 ff.); ders., JZ 1997, 22 (25 ff.). 15 Zum Koinzidenzprinzip vgl. Hirsch, FS Lüderssen, S. 262 ff. m. w. N.; Armin Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. 166; Krümpelmann, ZStW 88 (1976), 6 (13); ders., ZStW 99 (1987), 191 (213 f., 221 ff.); Horn, GA 1969, 289 (293); Hruschka, Strafrecht, S. 4 ff., 341 ff.; Neumann, ZStW 99 (1987), 567 (574 ff.); Paeffgen, in: NK, vor § 323a, Rn. 2; Rönnau, JA 1997, 599 (604); kritisch Jerouschek, JuS 1997, 385 (388 f.); ders., FS Hirsch, S. 257 f.; Jerouschek/Kölbel, JuS 2001, 417 (417 ff.). 12
§ 8 Die „Überflüssigkeitsthese“
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kommt, weil der Chirurg eine vorangegangene Untersuchung schlampig ausgeführt und dadurch eine falsche Diagnose erstellt hat, auf Grund derer der den Patienten verletzende Eingriff erfolgte.16 Der Arzt hat bei der Tathandlung, d.h. während der Operation, keine Sorgfaltspflichtverletzung begangen, da ihm zu diesem Zeitpunkt die Erkenntnis der Gefährlichkeit seines Tuns für die Gesundheit des Patienten nicht mehr möglich war. Er hätte sich diese Erkenntnis jedoch bei der Untersuchung des Patienten vor der Operation verschaffen können und auch verschaffen müssen. Den Arzt traf die Pflicht, diese Vorabuntersuchung sorgfältig durchzuführen, da er sich auf ihre Ergebnisse verlassen hatte und während der Operation keine weitere diagnostische Untersuchung durchführen würde. Der Chirurg verletzte seine gegenüber dem Patienten bestehende Sorgfaltspflicht demnach bereits durch die mangelhafte Untersuchung vor der Operation.17 Das macht die Sorgfaltspflichtverletzung jedoch nicht zur Tathandlung und ändert nichts daran, dass diese erst während der Operation erfolgte. Genauso liegt es bei dem eingangs erwähnten, vom BGH entschiedenen tödlichen Unfall, bei dem ein bis zur Schuldunfähigkeit betrunkener KfzFahrer einen Grenzbeamten tödlich überfuhr.18 Es spricht nichts dagegen, den Fahrlässigkeitsvorwurf an einem Verhalten des Täters vor dem Unfallgeschehen, dem Sichberauschen, festzumachen. Der Genuss großer Mengen von Alkohol durch den Täter stellte eine Sorgfaltspflichtverletzung dar, da er dabei erkennen musste und erkennen konnte, dass er anschließend noch mit seinem Auto fahren und dadurch andere Menschen gefährden würde. Gleichwohl stellte nicht das Sichbetrinken, sondern das Überfahren des Opfers die Tathandlung einer fahrlässigen Tötung dar, denn nur das Überfahren hat den Tod des Opfers im Sinne einer naturalistischen Determinierung verursacht. Da der Täter zu diesem Zeitpunkt jedoch schuldunfähig war, hätte er wegen § 20 nicht bestraft werden dürfen. Der BGH konnte die Verurteilung somit nicht ohne Rückgriff auf die alic aufrechterhalten. Diese stellt auch bei fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten eine strafbarkeitserweiternde Sonderkonstruktion dar, deren Anwendung mangels Normierung im Strafgesetz einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG darstellt.
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Beispiel bei Hruschka, JZ 1989, 310 (314) und JZ 1997, 22 (25). Hruschka, JZ 1997, 22 (25 ff.). BGHSt 42, 235.
Schlussbetrachtung § 9 Zusammenfassung der Ergebnisse Die Rechtsprechung bestimmt die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte allein anhand der Äquivalenztheorie.1 Soweit das Tatbestandsmodell der Rechtsprechung auf das Sichbetrinken als actio praecedens abstellt, geht die actio libera in causa vollends in der Anwendung der Äquivalenztheorie auf.2 Unterschiede ergeben sich nur bei Heranziehung des Entschlusses zum Weitertrinken oder der Fassung des Tatplanes im nüchternen Zustand als Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit. Dabei handelt es sich nicht um Handlungen, sodass eine Strafbarkeit an Hand der Äquivalenztheorie nicht möglich ist. Insoweit stellt sich das Tatbestandsmodell als strafbarkeitserweiternde Sonderkonstruktion dar.3 Entgegen der Ansicht der Rechtsprechung ist die Bestimmung der Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte mittels der Äquivalenztheorie nicht verfassungsgemäß. Ein solches Vorgehen erlaubt es nicht, differenziert Verantwortung zuzuschreiben. Die Konsequenz der Äquivalenztheorie ist vielmehr, dass jede notwendige Bedingung für den Erfolg das gleiche Maß an Verantwortung nach sich zieht. Dies verstößt gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den allgemeinen Gleichheitssatz.4 Eine Eingrenzung der uferlosen Reichweite der Äquivalenztheorie im subjektiven Tatbestand ist nicht ausreichend, um verfassungsgemäße Ergebnisse zu erzielen.5 Darüber hinaus sieht das StGB selbst eine differenzierte Verantwortungszuschreibung im Sinne eines restriktiven Täterbegriffs vor, welcher bereits im objektiven Tatbestand zwischen Täterschaft, Teilnahme und straflosen Vorbereitungshandlungen unterscheidet.6 Dies gilt sowohl für Vorsatz- wie auch für Fahrlässigkeitstaten. De lege lata ist die fahrlässige Teilnahme allerdings straflos. Dieses kriminalpolitisch unerwünschte Ergebnis kann nicht dadurch umgangen werden, dass man solche Handlungen in unmittelbare fahrlässige Täterschaft umdeutet.7 1 2 3 4 5 6
S. S. S. S. S. S.
24 32 38 49 72 66
ff. ff. ff. ff. ff. ff.
§ 9 Zusammenfassung der Ergebnisse
201
Die von der Literatur propagierten alternativen Auffassungen zur Tathandlungsbestimmung der reinen Erfolgsdelikte sind für sich genommen ebenfalls nicht ausreichend. Die Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung führt zu einer undifferenzierten Verantwortungszuschreibung und verkennt, dass menschliche Handlungen nicht von Naturgesetzen determiniert sind und demnach nicht verursacht sein können.8 Die Adäquanztheorie vermischt objektive und subjektive Faktoren, konkretisiert nicht den für den Erfolgseintritt maßgeblichen Wahrscheinlichkeitsgrad und fasst unter Verstoß gegen das Analogieverbot die Handlungsverbote der Normen der reinen Erfolgsdelikte zu weit.9 Die Relevanztheorie beschränkt sich auf die Aussage, dass jeder Tatbestand einzeln auszulegen ist und enthält keine generellen Kriterien, an Hand derer sich die Tathandlungen aller reinen Erfolgsdelikte ermitteln lassen.10 Die Lehre von der objektiven Zurechnung ist ebenfalls nicht in der Lage, eine verfassungskonforme Tathandlungsbestimmung bei den reinen Erfolgsdelikten zu gewährleisten. Die Grundformel selbst ist zu unbestimmt und greift in manchen Fassungen unzulässig auf die Rechtswidrigkeitsebene vor. Die Heranziehung der verschiedenen Fallgruppen führt ebenfalls nicht zu überzeugenden Ergebnissen. Zum einen werden Kriterien der Erfolgszurechnung mit solchen der Fahrlässigkeit vermengt. Zum anderen wird mit unbestimmten Begriffen „wie Schutzzweck der Norm“ hantiert, an Hand derer jedes gewünschte Ergebnis begründbar wäre. Darüber hinaus ist die Lehre von der objektiven Zurechnung nicht tatbezogen, sondern täterbezogen. Sie versucht, den Verantwortlichen für einen Erfolg zu eruieren. Dies führt einerseits dazu, dass die Tathandlung nicht bestimmt werden kann, wenn eine Person mehrfach handelt. Andererseits begeht nicht automatisch Unrecht, wer für den Erfolg verantwortlich ist. Der mittelbare Täter ist beispielsweise für den Erfolg verantwortlich, erfüllt aber nicht den Tatbestand eines reinen Erfolgsdelikts.11 Die Handlungsverbote der reinen Erfolgsdelikte erstrecken sich nur auf Handlungen, die den Erfolg im Sinne einer naturalistischen Determinierung verursachen. Nicht in diesem Sinne verursacht werden können menschliche Handlungen, da diese auf einer freien Willensentscheidung, dem Handlungsentschluss beruhen. Die Annahme der Verursachbarkeit einer menschlichen Entscheidung würde gleichsam die Freiheit dieser Entscheidung, welche Basis der Verantwortungszuschreibung ist, negieren und somit den 7
S. 137 ff. S. 75 ff. 9 S. 78 ff. 10 S. 80 ff. 11 S. 81 ff. 8
202
Schlussbetrachtung
Zweck des Strafrechts in Frage stellen. Demnach kann nur eine einzige Handlung den Erfolg verursachen und die Tathandlung darstellen.12 Zudem müssen strafrechtliches Unrecht und Verantwortung für den Erfolg einander entsprechen. Regelmäßig ist derjenige, der den Erfolg verursacht, auch für diesen verantwortlich. In Ausnahmefällen kann die Verantwortung jedoch ausgeschlossen sein. Einige Ausschlussgründe, wie beispielsweise die fehlende Schuldfähigkeit des Täters sind im Gesetz beschrieben. Darüber hinaus kann die Verantwortung des Täters wegen der Eigenverantwortlichkeit des Opfers ausgeschlossen sein. In einem solchen Fall kann dem Täter sein Verstoß gegen ein gesetzliches Handlungsverbot nicht auf objektiv-tatbestandlicher Ebene zugerechnet werden und der Unrechtsvorwurf muss entfallen. Des Weiteren kann nicht von strafrechtlichem Unrecht gesprochen werden, wenn das Verbot einer Handlung nicht geeignet wäre, effektiven Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. Ein derartiges Verbot würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit bedeuten. Eine allgemeine Regel zur Tathandlungsbestimmung der reinen Erfolgsdelikte lässt sich demnach wie folgt formulieren: Tathandlung ist diejenige Handlung, die den Erfolg im Sinne einer naturalistischen Determinierung verursacht. „Naturalistische Determinierung“ bedeutet, dass stets dann, wenn die Ursache vorliegt, auch die Wirkung eintritt. Dies gilt nicht, wenn nicht der Verursacher, sondern das Opfer die Verantwortung für den Erfolgseintritt trägt oder wenn das Verbot der Verursachung nicht geeignet ist, das gefährdete Rechtsgut effektiv zu schützen. Den reinen Erfolgsdelikten liegt somit als allgemeine Tatbestandsstruktur ein normativ eingeschränktes Regressverbot zu Grunde.13 Vergleicht man das Tatbestandsmodell der Rechtsprechung, das die Strafbarkeit an einer Handlung, die den zum Erfolg führenden „Geschehensablauf in Gang gesetzt hat“ anknüpft (bzw. an Nichthandlungen wie dem Entschluss zum Weitertrinken oder der Tatplanung im nüchternen Zustand) mit dem hier entwickelten Tathandlungsbegriff, so stellt sich die actio libera in causa als strafbarkeitserweiternde Sonderkonstruktion dar. Da das Tatbestandsmodell vom Gesetz nicht vorgesehen ist, verstößt es gegen Art. 103 Abs. 2 GG.14 Auch bei den fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten kann nicht jede sorgfaltswidrige, den Erfolg notwendig bedingende Handlung als Tathandlung betrachtet werden. Zum einen sind die Tathandlungen der reinen Erfolgsdelikte in ihrer Vorsatz- und Fahrlässigkeitsvariante nach den gleichen Kriterien zu bestimmen, da die Tatbestände beider Begehungsarten inhaltlich 12 13 14
S. 158 ff. S. 187 ff. S. 194 ff.
§ 10 Ausblick
203
identische Handlungsverbote aussprechen. Ein „Verursachen“ i. S. d. § 222 erfordert demnach wie ein „Töten“ i. S. d. § 212 eine naturalistische Determinierung des Erfolgs und nicht nur das Setzen einer notwendigen Bedingung für den Tod. Zum anderen kann die von der Tathandlung zu unterscheidende Sorgfaltspflichtverletzung, um dem Täter die Tat „als fahrlässig“ zuzurechnen, vor der Tathandlung liegen. Eine Strafbarkeitserweiterung i. S. d. Tatbestandsmodells ist daher auch bei den fahrlässigen Erfolgsdelikten nicht überflüssig, wenn die Strafbarkeit an dem zur Schuldunfähigkeit führenden Sichbetrinken anknüpfen soll. Die Anwendung des Tatbestandsmodells wäre jedoch mangels Positivierung im StGB auf Grund eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG verfassungswidrig.15 Das Tatbestandsmodell kann demnach entgegen der Ansicht des BGH bei reinen Erfolgsdelikten keine tragfähige Grundlage für die Strafbarkeit der actio libera in causa darstellen.
§ 10 Ausblick Diese Untersuchung hat ergeben, dass sowohl die actio libera in causa als auch die fahrlässige Teilnahme de lege lata straflos sind. Insbesondere im Hinblick auf die actio libera in causa wird häufig die Ansicht geäußert, dass ihre Straflosigkeit in kriminalpolitischer Hinsicht nicht hinnehmbar sei. Der Gesetzgeber wurde bereits mehrfach zum Handeln aufgefordert,16 insbesondere nach dem Urteil des 4. Strafsenats vom 22. August 1996.17 In diesem Zusammenhang sind bereits einige Gesetzgebungsvorschläge unterbreitet worden. Diese beziehen sich einerseits auf eine Verschärfung des Strafrahmens von § 323a,18 andererseits auf die Positivierung der actio libera in causa durch eine Änderung des § 20, wodurch eine Ausnahme von dem Erfordernis einer Koinzidenz von Schuldfähigkeit und Tathandlung geschaffen werden soll.19 15
S. 196 ff. Ambos, NJW 1997, 2296 (2298); Fahnenschmidt/Klumpe, DRiZ 1997, 77 (81); Hruschka, JZ 1996, 64 (69 ff.); Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 20, Rn. 35b; Neumann, StV 1997, 23 (25); Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (565); Stühler, S. 127 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 415; Wolff, NJW 1997, 2032 (2033). 17 BGHSt 42, 235. 18 Gesetzgebungsvorschlag des Landes Berlin, BR-Drucksachen 123/97 und 97/ 99; Gesetzesentwurf des Bundesrates, BT-Drucksache 14/759; Gesetzesentwurf der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drucksache 14/545; sowie Fahnenschmidt/Klumpe, DRiZ 1997, 77 (81). 19 Dencker, JZ 1984, 453 (454 ff.); Hettinger, Reform, S. 283 ff. und 298 f.; Hruschka, Strafrecht, S. 303; ders., JZ 1996, 64 (69 ff.); Stühler, S. 202. Vgl. auch den Vorschlag der Kommission der Bundesregierung zur Reform des strafrecht16
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Schlussbetrachtung
Die Lösung über § 323a ist weitgehend auf Ablehnung gestoßen.20 Ihr wird zu Recht vorgeworfen, dass bereits die Konzeption dieser Norm gegen das Schuldprinzip verstößt,21 denn die Rauschtat stellt nicht bloß eine die Strafbarkeit einschränkende objektive Strafbarkeitsbedingung dar, auf die sich deshalb Vorsatz und Schuld nicht beziehen müssen. Faktisch handelt es sich bei der Rauschtat um ein strafbegründendes Unrechtsmerkmal, was schon daraus deutlich wird, dass für das Strafmaß im Regelfall nicht die Intensität des Vollrauschs (dessen Herbeiführen die Tathandlung des § 323a darstellt), sondern die im Rauschzustand verwirklichte Tat maßgeblich ist. Das mit § 323a verbundene Unbehagen würde demnach im Falle einer Verschärfung seines Strafrahmens nur noch weiter bestärkt.22 Im Rahmen einer Modifikation des § 20 wird diskutiert, die vom Täter zu verantwortende Schuldunfähigkeit der Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat gleich zu stellen. Ein derartiges Vorgehen ist im Hinblick auf das Schuldprinzip bedenklich, insbesondere wenn eine Vorsatzstrafbarkeit bei bloß fahrlässiger Herbeiführung der Schuldunfähigkeit begründet werden soll.23 Dadurch würde man Fahrlässigkeitsschuld zur Bestrafung wegen eines Vorsatzdeliktes genügen lassen. Für eine Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip spricht allerdings, dass das BVerfG eine solche Konstellation bei dem vermeidbaren Verbotsirrtum ausdrücklich gebilligt hat.24 Dies steht im Gegensatz zum Erlaubnistatbestandsirrtum, bei dem die Fahrlässigkeitsschuld des Täters entfällt und dieser nur wegen fahrlässiger Täterschaft bestraft wird. Es spricht jedoch einiges dafür, bei zu verantwortender Schuldunfähigkeit für eine Bestrafung aus einer Vorsatztat nicht nur Vorsatz als Tatbestandsmerkmal, sondern auch als Schuldmerkmal zu fordern, denn es lichen Sanktionensystems für eine Kodifizierung der alic in § 20 aus dem Jahre 2000, auszugsweise abgedruckt bei Hettinger, Reform, S. 319. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform des Sanktionenrechts, der im April 2004 in erster Lesung im Bundestag beraten wurde, fand sich jedoch keine Regelung zur Positivierung der alic mehr. 20 Vgl. dazu Sick/Renzikowski, ZRP 1997, 484 (484 ff.); Freund/Renzikowski, ZRP 1999, 497 (497 ff.); Renzikowski, ZStW 112 (2000), 475 (475 ff.); kritisch auch Gottwald, DAR 1997, 302 (304 f.); Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 20, Rn. 35b; Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513 (526 ff.); Streng, JZ 2000, 20 (26). 21 Arthur Kaufmann, JZ 1963, 425 (425 ff.); ders., Schuld und Strafe, S. 229 ff.; Neumann, FS Arthur Kaufmann, S. 581 f.; Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513 (531). 22 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 20, Rn. 35b. 23 So insbesondere der Gesetzgebungsvorschlag von Hruschka, JZ 1996, 64 (69 ff.). Kritisch Hettinger, Reform, S. 296; Hirsch, FS Nishihara, S. 91 f.; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 20, Rn. 35b. 24 BVerfGE 41, 121. Zustimmend Stratenwerth, GS Armin Kaufmann, S. 485 ff., 493, 495 ff. und Ziegert, S. 142 ff., 162 ff., 189 ff. Kritisch Hettinger, alic, S. 405; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 20, Rn. 36; Schmidhäuser, JZ 1979, 361 (365 ff.).
§ 10 Ausblick
205
macht einen qualitativen Unterschied, ob sich der Täter bei der Herbeiführung der Schuldunfähigkeit bewusst oder unbewusst gegen die Rechtsordnung auflehnt.25 Dieser Unterschied kann durch eine Strafmilderung nicht adäquat wiedergegeben werden und sollte demnach im Unrechtsausspruch Ausdruck finden. Aber selbst bei vorsätzlich herbeigeführter Schuldunfähigkeit stellt sich die Frage, ob diese wertungsmäßig wirklich mit der aktuellen Schuldfähigkeit vergleichbar ist und somit den gleichen vollen Schuldvorwurf rechtfertigt.26 Bevor man sich mit den Problemen vertieft befasst, die durch die Schaffung einer Ausnahme in § 20 aufgeworfen würden, muss vorab beantwortet werden, ob eine alic in der Lebenswirklichkeit überhaupt möglich ist. Zumindest mit Blick auf die vorsätzliche Variante darf dies bezweifelt werden. Schon der preußische Justizminister von Savigny wies im Jahre 1847 darauf hin, dass es sich bei der Konstellation der vorsätzlichen actio libera in causa lediglich um ein Konstrukt juristischer Fantasie handle: „Nehme man an, daß Jemand ein Verbrechen beabsichtige, und sich durch Trunk in einen völlig bewußtlosen Zustand versetze, um dann das Verbrechen zu begehen, so sei dies ein offenbarer Widerspruch. Habe er völlig das Bewußtsein verloren, sei er völlig unzurechnungsfähig, so könne er auch nicht mehr die früher beabsichtigte Handlung in Folge des früheren Entschlusses vollziehen, welches vorausgesetzt werden müßte. Sei er aber nicht in diesem Zustand völliger Bewußtlosigkeit, sondern nur im Zustande der Aufregung, so werde er der Zurechnung nicht entgehen, und dann sei auch keine besondere Ausnahme nothwendig; dann werde er vom Richter bestraft werden.“27
Es ist in der Tat paradox, dem Täter wegen der Intensität seines Rausches die Schuldfähigkeit, d.h. die Fähigkeit sein Verhalten plangemäß zu steuern, abzusprechen und gleichsam davon auszugehen, dass sich der Täter bei der Tatbegehung an seinen im nüchternen Zustand gefassten Tatplan erinnern und diesen entsprechend seines vorangegangenen Entschlusses ausführen kann.28 Dem entsprechend gab es auch in der Praxis kaum Fälle, in denen eine Verurteilung wegen vorsätzlicher alic erfolgte.29 Auf eine gesetzliche Regelung zur vorsätzlichen actio libera in causa kann man demnach ohne kriminalpolitische Einbußen getrost verzichten.
25
Vgl. dazu Lenckner, in: Schönke/Schröder (25. Aufl.), vor §§ 13 ff., Rn. 121. Zweifelnd Hettinger, alic, S. 429, 464; ablehnend ders., Reform, S. 296; Neumann, Zurechnung, S. 44. 27 Vgl. Goltdammer, Materialien, Theil I 1851, S. 353; Hettinger, GA 1989, 1 (2, Fn. 7) weist darauf hin, dass von Savigny mit „Bewusstlosigkeit“ nicht die Handlungsunfähigkeit, sondern die rauschbedingte Schuldunfähigkeit meinte. 28 In diesem Sinne auch Hettinger, Reform, S. 297. 29 Hettinger, Reform, S. 272 f. 26
206
Schlussbetrachtung
Wichtiger als eine Regelung zur actio libera in causa ist die Schaffung von Vorschriften zur Strafbarkeit fahrlässiger Teilnahme. Im Fahrlässigkeitsbereich bestehen wegen der Geltung des Regressverbots und der Straflosigkeit von Teilnahmehandlungen de lege lata große Strafbarkeitslücken, für deren Schließung ein echtes kriminalpolitisches Bedürfnis besteht. Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert zu handeln und seiner politischen Verantwortung gerecht zu werden. Keinesfalls darf das Nichtvorliegen solcher Regelungen weiter dazu führen, dass die Rechtsprechung fahrlässige Teilnahme in verfassungswidriger Weise zur fahrlässigen Täterschaft ummünzt.
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Sachwortverzeichnis Actio libera in causa (siehe auch alic) 15–23, 26–31, 36 f., 39, 157, 168 ff., 176, 196, 200, 202 f., 205 f. Actio praecedens 15 f., 18 f., 22, 29, 31, 37, 39 ff., 43, 147, 195, 200 Adäquanztheorie 78 ff., 201 Alic (siehe auch actio libera in causa) 15–33, 35, 37 f., 40 – 44, 147, 154, 194, 196, 199, 204 f. Analogieverbot 23, 52 f., 66 f., 69 f., 73 f., 78, 80, 87, 110, 116, 138, 156 f., 177 f., 181, 201 Anstiftung, Anstifter 48, 54, 57, 65, 70, 77, 106, 145, 158 f., 163 ff., 171 ff., 182 ff., 186 Äquivalenztheorie (siehe auch Bedingungstheorie) 23 ff., 30, 32 f., 35– 41, 43–50, 52–57, 59, 61, 66, 68, 70–75, 78–82, 97, 110 f., 125, 129, 147 ff., 158 ff., 162 ff., 194, 200 Ausdehnungsmodell 17 f. Ausnahmemodell 28 f., 178 Bedingung 22, 24 f., 32 f., 36 ff., 44 – 51, 55 ff., 59, 64, 66, 68 ff., 74–79, 82 f., 97, 104 ff., 110, 115, 125, 129, 134 f., 137, 140, 155, 158 f., 162 f., 183, 185, 193, 196 f., 200 f., 203 f. Bedingungstheorie (siehe auch Äquivalenztheorie) 24, 44 – 47, 49, 58, 71, 162 Beihilfe 54, 57, 61, 65, 70, 138, 145, 164, 166 – fahrlässige 141 Bestimmtheitsgrundsatz 23, 53, 55, 70, 94, 96, 105, 137 f., 141, 158, 177, 185, 198
Bestimmung der Tathandlung (siehe auch Tathandlung) 22 ff., 41 – 44, 52, 64, 66, 71 f., 74 f., 77, 79 ff., 83 ff., 89, 91, 93 ff., 97–105, 107, 109 ff., 113 ff., 117, 119, 121, 123 ff., 127, 129, 131, 133 ff., 137, 139, 141, 143, 145 ff., 149, 151, 153 ff., 157 ff., 161, 163, 165, 167, 169 – 177, 179, 181, 183–187, 189 ff., 193 f., 200 Beteiligungsform 51, 60, 65, 110, 184 Conditio sine qua non 24 f., 35, 38, 40, 44 – 48, 50 ff., 72, 162, 164, 198 Eigenverantwortlichkeit (siehe auch Verantwortung) 83, 95, 108 ff., 110 ff., 118, 120, 129, 155 f., 158, 195, 198, 202 Einheitstäterbegriff siehe Täter Erfolgsbezug 60, 72, 88, 90 ff., 93 f., 96 f., 102 f., 105, 111, 128 f., 137, 139, 155, 157 Erfolgsunrecht siehe Unrecht Erlaubtes Risiko siehe Risiko Exklusion, Exklusionsverhältnis 158, 164, 166, 171, 173, 183 ff. Extensiver Täterbegriff siehe Täter Fahrlässigkeit 17, 19 f., 22 f., 25 f., 63, 79, 84, 90, 94, 99–102, 104, 107, 131–134, 137–141, 143–146, 148 ff., 152, 155 ff., 177 f., 196–202, 204, 206 Freiheit 16, 63, 77, 152, 157–162, 164, 167, 170, 172, 174 ff., 181, 183, 185 f., 194, 201
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Sachwortverzeichnis
Freiheitsperspektive 160 ff., 164 f., 185 Fremdgefährdung, einvernehmliche 83, 98, 108, 120–123, 134, 156 Gegenstand der Bewertung 100, 105, 145, 148 Gleichheitssatz 23, 52, 61–66, 72, 96, 138, 141, 182, 185, 193, 198, 200 Handlung – Handlungsfähigkeit 114, 152, 170 f., 173–176, 179, 181, 185, 198 – Handlungsfreiheit 58, 63, 66, 74, 89, 91 f., 94, 126, 152, 187 – Handlungsunfähigkeit 15, 170, 172, 175 ff., 179, 185, 194, 205 – Handlungsunrecht 58, 90, 92 ff., 97, 188, 190 – Handlungsverbot 56–60, 64, 66, 70–74, 78, 87–97, 101–105, 112, 115 f., 119 f., 126, 129, 134, 140 f., 143 ff., 151 f., 154, 157, 186–190, 195, 197, 201 ff. Kausalität 25, 33–36, 38 ff., 44–49, 72, 75–78, 80, 105, 109, 114 ff., 125 f., 147 f., 162, 164, 188 Kausalverlauf 25, 28, 47, 72 f., 79, 104, 106 f., 127 ff., 150, 155 Koinzidenzprinzip (siehe auch Simultaneitätsprinzip und Referenzprinzip) 29, 111, 154, 198 Lebensrisiko, allgemeines siehe Risiko Lehre von der objektiven Zurechnung siehe Zurechnung Maßstab der Bewertung 100, 105, 134, 145, 198 Objektive Zurechnung siehe Zurechnung
Prinzip der Eigenverantwortlichkeit siehe Eigenverantwortlichkeit Rauschtat 16 ff., 22, 26 ff., 30 f., 33 f., 36 ff., 204 Realisierungszusammenhang siehe Zurechnung Referenzprinzip (siehe auch Koinzidenzprinzip und Simultaneitätsprinzip) 25 Regressverbot 23, 72, 93, 135, 147– 154, 157 ff., 164, 166, 168–177, 179, 181, 183–191, 202, 206 Reine Erfolgsdelikte siehe Erfolgsdelikte Relationstheorie 19 Relevanztheorie 80 f., 201 Reserveursache siehe Ursache Restriktiver Täterbegriff siehe Täter Risiko 47, 53, 124 ff., 131 f., 155 – allgemeines Lebensrisiko 83, 91, 98, 104 f., 129 – erlaubtes Risiko 83, 104 f., 131, 155 – Risikoneutralität 124, 126 f. – Risikoverringerung 83, 124, 126, 155 – Risikozusammenhang 98, 127, 155 Schuldausnahmemodell siehe Ausnahmemodell Schuldfähig, Schuldfähigkeit 16 f., 19, 22 f., 30 ff., 35, 38 ff., 147, 154, 171, 176 ff., 179, 194 f., 198, 202 ff. – vermindert(e) 11, 35 ff., 123 Schuldprinzip 19, 52, 204 Schuldunfähig, Schuldunfähigkeit 15– 20, 26 ff., 31 f., 34–40, 123, 154, 173, 175–179, 184, 194, 196, 199, 203, 205 Schutzzweck der Norm 83, 98 ff., 102 f., 108, 201 Selbstgefährdung, frei verantwortliche 83, 108 f., 113 f., 117
Sachwortverzeichnis Selbstschädigung, frei verantwortliche 83, 108 f., 113 f., 117 Sichbetrinken 16, 18, 22 f., 26–33, 35–41, 147, 194–197, 199 f., 203 Simultaneitätsprinzip (siehe auch Koinzidenzprinzip und Referenzprinzip) 29 Steuerbarkeit 82, 142 f. Steuerungsfunktion des Strafrechts 54 f., 88, 96, 129, 149, 151 Strafzumessungslösung 56 Tatbestandsmäßiges Verhalten 89 ff., 97 Tatbestandsmodell 17, 21 ff., 26, 29– 32, 36 f., 39 ff., 176, 194 f., 200, 202 f. Täter 15 ff., 19, 22, 24, 27 f., 30 f., 34–37, 41 ff., 48, 51, 65, 69, 71, 76, 82, 86, 96, 105 ff., 109, 114–118, 127, 129 ff., 136, 141, 143, 145 ff., 150, 154, 157, 163 ff., 167, 171, 73, 179–183, 185, 188 ff., 196, 198–204 – Einheitstäterbegriff 54 f., 56, 58, 61, 65, 70, 137 f., 140 f., 143, 155 f., 164, 166 – extensiver Täterbegriff 54 f., 57 f., 61, 65, 70 f., 137–141, 143, 155 f., 164, 166 – restriktiver Täterbegriff 52, 66, 70 ff., 109, 138, 141, 152 ff., 156, 163–166, 198, 200 Täterschaft 45, 54 f., 57, 60 f., 64 ff., 70 f., 78, 96, 110, 138 ff., 146, 148, 150, 152 ff., 158, 164, 166, 171, 173, 186, 189, 193 f., 204, 206 – fahrlässige mittelbare 145 f. – mittelbare 17, 69, 112, 114–118, 144 ff., 159, 164, 166, 170–173, 180–186, 193 – unmittelbare 110, 112–116, 118, 145, 153, 159, 164, 171, 173, 179 ff., 183, 185 f., 193, 200 Tatgeneigtheit 137
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Tathandlung – potenzielle Tathandlung 43, 60, 77, 90 – Tathandlungsbestimmung (siehe auch Bestimmung der Tathandlung) 23 ff., 27, 29, 31 ff., 35, 37, 39 f., 75, 80, 101, 111, 128 f., 133, 146, 155, 157, 187 f., 194, 197, 201 f. Teilnahme 41, 49, 54 f., 57, 60 f., 64 ff., 70 f., 78, 96 f., 104, 108–114, 138–141, 146, 148, 150, 152 ff., 164 ff., 185, 193 f., 200, 203, 206 – fahrlässige 138, 140 f., 146, 200, 203, 206 Teilnehmer 51, 71, 96, 99, 109, 114, 141, 163, 165 f., 182 Theorie der gesetzmäßigen Bedingung 75 ff. Überflüssigkeitsthese 196 f., 199 Übermaßverbot (siehe auch Verhältnismäßigkeitsprinzip) 58, 64 f., 187 Unrecht 18, 50, 52, 54 ff., 58, 64, 74, 82, 86, 92 ff., 97, 113, 117–120, 122 f., 130, 153, 156, 187 f., 190, 202 – Erfolgsunrecht 58, 89, 92 ff., 98, 188, 190 – Handlungsunrecht 58, 90, 92 ff., 97, 188, 190 – Unrechtstatbestand 18, 55, 58 f., 79 Unrechtsmodell 18 Ursache 26 f., 30, 33 f., 45, 48 f., 75 f., 78, 103, 158–164, 171, 183, 185, 187 f., 202 – Reserveursache 25, 36, 46 – Ursachenbegriff 33, 48, 148, 158, 162 f., 165, 171, 174, 185–189, 193 – Ursachenzusammenhang 40, 75, 160, 181, 185 f., 188 f., 191, 193 Verantwortung 23, 37, 48–52, 61, 64 ff., 70, 81, 93, 108, 110–114, 116–120, 122 ff., 126, 130, 133, 136 ff., 141–145, 149–152, 156 f.,
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Sachwortverzeichnis
161, 165 f., 173, 178, 182, 184–187, 189 ff., 200, 202, 206 – differenzierte Verantwortungszuschreibung 50 ff., 71, 78, 96, 141, 157, 165, 182, 193, 200 – undifferenzierte Verantwortungszuschreibung 49, 64, 138 – Verantwortungsbereiche 98, 108– 111, 113, 135, 142 f., 144, 146, 163 f., 156 f. Verantwortungsprinzip (siehe auch Eigenverantwortlichkeit) 108, 110 f., 114, 116 f., 146 f., 157 Vereinbarkeitsmodelle 17, 19 Verfassungskonforme Auslegung 66, 68, 70, 72, 74, 79, 119, 126, 141, 154, 201 Verhaltensgebundene Delikte (siehe auch Erfolgsdelikte mit besonderer Handlungsbeschreibung) 20, 31, 37 Verhältnismäßigkeitsprinzip (siehe auch Übermaßverbot) 23, 52, 58 ff., 66, 68, 70, 72, 78, 90, 92 f., 96, 102 f., 105, 111, 126, 129, 138, 141, 186 f., 190, 193, 198, 200 – Erforderlichkeit 91 ff., 102, 105 f., 129, 154 – Geeignetheit 91 f., 97, 106 f., 139, 154, 190 Versuch 18 f., 41 ff., 48, 77, 107, 113, 129, 136, 195, 197
– Versuchsbeginn 42 f., 106, 114, 195, 198 – Versuchshandlung 41 ff. Vorbereitungshandlung 18 f., 40 f., 56, 72, 146, 151, 154, 157, 193, 200 Vorverlegungstheorie 17 Zurechnung 19, 44, 79, 82, 97, 100, 118, 125, 132, 136, 152, 159, 205 – allgemeine Zurechnungslehre 81, 97, 151, 154, 157 – Erfolgszurechnung 52, 82, 91, 93, 97, 104 f., 115, 122, 124, 128, 130 f., 133, 136, 146, 165, 185, 201 – Gegenstand und Grund der Zurechnung 100, 168, 198 – Handlungszurechnung 178 f. – objektive Zurechnung 23, 25, 77 f., 80–89, 94, 96–102, 104 f., 108–112, 119 f., 122 ff., 126–133, 135, 142 f., 146 f., 151 f., 154–158, 186, 188, 190, 201 – ordentliche und außerordentliche Zurechnung 168 ff., 172, 176–179 – Realisierungszusammenhang 89, 91, 94, 96, 127 – Zurechnungsstrukturen 22 f. – Zurechnungszusammenhang 24, 45, 83, 133 f., 148, 152, 154, 156 ff., 181