Die Sowjetunion und die deutsche Frage: Studien zur sowjetischen Deutschlandpolitik von Stalin bis Chruschtschow 9783666362989, 9783525362983


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German Pages [320] Year 2007

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage: Studien zur sowjetischen Deutschlandpolitik von Stalin bis Chruschtschow
 9783666362989, 9783525362983

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Wilfried Loth

Die Sowjetunion und die deutsche Frage Studien zur sowjetischen Deutschlandpolitik von Stalin bis Chruschtschow

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-525-36298-3

Umschlagabbildung: Chruschtschow, Stalin, Malenkow, Berija und Molotow auf dem Weg zur Parade am 12. August 1945.

© 2007, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Barbara Brendel, Leipzig Druck und Bindung: g Hubert & Co., Göttingen

Inhalt

Einleitung .............................................................................

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1. Stalin, die deutsche Frage und die DDR ..........................

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2. Planungen im Zweiten Weltkrieg ....................................

27

3. Die deutsche Frage bei Kriegsende ..................................

48

4. Der Weg zur Teilung ........................................................

66

5. Die Gründung der DDR ...................................................

74

6. Die Entstehung der »Stalin-Note« ................................... 101 7. Das Ende der Legende ..................................................... 158 8. Der 17. Juni 1953 im internationalen Kontext ................. 175 9. Stalin, Berija und Chruschtschow .................................... 215 Dokumente I: Die Entstehung der »Stalin-Note« ................ 237 Dokumente II: Malenkow zum »Neuen Kurs« .................... 301 Quellen- und Literaturverzeichnis ........................................ 305 Veröffentlichungsnachweise ................................................ 311 Register ................................................................................. 313

Einleitung

Die Sowjetunion und die deutsche Frage – das ist auch mehr als sechzehn Jahre nach dem Ende der deutschen Teilung und des Kalten Krieges noch ein heikles Thema. Wer die Jahre der Teilung erlebt hat, wird die Frage nicht los, ob sie denn unvermeidlich war oder ob die Auseinandersetzung zwischen Ost und West nicht auch ganz anders hätte verlaufen können: weniger konfrontativ und weniger belastend für die Menschen im sowjetischen Machtbereich. Wenn man sich mit den Entscheidungsprozessen beschäftigt, die zur Entstehung zweier deutscher Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg führten, werden tradierte Legitimationen in Frage gestellt und differenzierte Interpretationen unabweisbar. Nicht jeder möchte sich solchen Zumutungen stellen. Als ich 1994 eine Studie zur sowjetischen Deutschlandpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte, die zum ersten Mal in größerem Umfang interne Dokumente der östlichen Seite auswertete,1 ging die Abwehr darum deutlich über das Maß hinaus, das bei der Präsentation neuer Forschungsergebnisse zur Zeitgeschichte üblich ist. Stalins Deutschlandpolitik, so mein Befund, war gesamtdeutsch angelegt. Dabei war die kommunistische Machtergreifung in Deutschland kein operatives Ziel. Vielmehr sollte zunächst in Kooperation mit den westlichen Besatzungsmächten ein Regime errichtet werden, das »die bürgerliche Revolution vollendete«, sprich: ein Regime in der Tradition der Weimarer Republik. Wie der Weg von der Etablierung dieses Regimes zur historisch vermeintlich unvermeidlichen sozialistischen Revolution verlaufen würde, dazu hatte Stalin keine Vorstellung. Dass 1949 gleichwohl ein sozialistischer Teilstaat auf dem Boden der sowjetischen Besatzungszone entstand, war neben der westlichen Abschottungspraxis vor allem dem revolutionären Eifer Walter Ulbrichts zu verdanken, der Widersprüche in der operativen Pra1 Stalins ungeliebtes Kind. Warum Moskau die DDR nicht wollte, Berlin 1994.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

xis der sowjetischen Deutschlandpolitik geschickt für die Verwirklichung seines Traums von der sozialistischen Revolution in Deutschland auszunutzen verstand. Viele Leser fanden sich bei der Lektüre dieser Ergebnisse in ihren Vermutungen bestätigt, manche Kritiker wollten sie aber einfach nicht wahrhaben. Das Buch hat dennoch seinen Weg gemacht. Nachdem die Erstausgabe in einem großen Publikumsverlag vergriffen war, gab es eine Taschenbuchausgabe.2 Es folgten Übersetzungen ins Italienische und ins Englische, die durchaus freundlich aufgenommen wurden.3 Unterdessen sind die russischen Archive, die zum Zeitpunkt des Erscheinens meines Buches noch kaum zugänglich waren, in größerem Umfang erschlossen worden. Dabei zeigte sich, dass die Quellen russischer Provenienz die Befunde, zu denen ich im Wesentlichen auf der Grundlage der Überlieferungen der DDR gelangt war, in der Hauptsache bestätigen. Man kann jetzt deutlicher sehen, dass Stalins gesamtdeutsche Strategie Teil einer umfassenderen gesamteuropäischen Strategie war. Die Fehlwahrnehmungen, denen Stalin dabei unterlag, sind deutlicher hervorgetreten, ebenso die Taktiken, mit denen Ulbricht die Ausweitung und Behauptung seiner eigenen Machtstellung gegenüber Stalins umfassendem Kontrollanspruch durchsetzte. Die gesamtdeutsche Perspektive erscheint auch für die Jahre 1952 bis 1955 präsenter, als man nach der Enttäuschung Stalins über die Ablehnung seiner Deutschlandnote vom 10. März 1952 durch die Westmächte vermuten durfte. Der Prozess der Preisgabe dieser Perspektive zugunsten einer Stärkung der DDR innerhalb des sozialistischen Lagers kann jetzt im Detail rekonstruiert werden. In diesem neuen Buch wird gezeigt, wie die Quellen aus russischen Archiven das Bild der sowjetischen Deutschlandpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg verändern, präzisieren und ergänzen. Zum Teil beruht es auf eigenen Beiträgen zur Erschließung der neuen Quellen. Daneben wertet es die verdienstvollen Akteneditionen zur sowjetischen Deutschland- und Österreichpolitik 2 Stalins ungeliebtes Kind. Warum Moskau die DDR nicht wollte, München 1996. 3 Figliastri di Stalin. Mosca, Berlino e la Formazione della RDT, Urbino 1997; Stalin’s Unwanted Child. The Soviet Union, the German Question and the Founding of the GDR, London / New York 1998.

Einleitung

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aus, die in jüngster Zeit erschienen sind.4 Das Gesamtbild, das so entsteht, zeigt einen Sowjetdiktator, der bei aller Grausamkeit und Menschenverachtung zu beachtlichen analytischen Leistungen imstande war, die ihm eine differenzierte Politikgestaltung bis ins operative Detail hinein erlaubten. Gleichzeitig war er in einem solchen Maße von Misstrauen erfüllt und für Wunschvorstellungen anfällig, dass ihm Vieles missriet und er bisweilen im luftleeren Raum operierte. Die Deutschlandpolitik seiner letzten Lebensjahre und der gesamte Kurs seiner Politik im Kalten Krieg sind hierfür markante Beispiele.5 Dass seine Nachfolger Schwierigkeiten hatten, aus dem Labyrinth herauszufinden, das seine Deutschlandpolitik hinterlassen hatte, ist verständlich, ebenso dass sie sich darüber zerstritten. Der Ausgang dieses Streits um die Deutschlandpolitik 1952 bis 1955 war aber keineswegs vorprogrammiert. Eine Reihe von Kapiteln dieses Buches sind bereits vorab in Aufsatzform publiziert worden. Damit der Leser den Gang der Forschung verfolgen kann, werden sie hier unverändert wiedergegeben. Zusammen mit den erstmals publizierten Stücken ergibt sich gleichwohl ein fortlaufendes Bild der Entwicklung von den ersten Planungen Stalins nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion 1941 bis zu den letzten Entscheidungen im Kontext der Genfer Außenministerratstagung im November 1955. Zentrale Quellenstücke zur Entstehung der »Stalin-Note« von 1952 und zur sowjetischen Planung im Frühjahr 1953 werden in einem Dokumententeil in deutscher Übersetzung wiedergegeben. Wer will, kann die einzelnen Kapitel auch als Beiträge zur Geschichte einer Forschungskontroverse lesen, die durch die Erschließung der DDR-Quellen zur sowjetischen Deutschlandpolitik ausgelöst wurde. Darum beginnt die Darstellung mit einer 4 Georgij P. Kynin / Jochen Laufer (Bearbeiter), SSSR i germanskij vopros 1941–1949. Dokumenty iz Archiva vneššpolitiki Rossijskoj Federacii, 3 Bände, Moskau 1996, 2000, 2004; deutsche Übersetzung: Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–1948. Dokumente aus dem Archiv für Außenpolitik der Russischen Föderation, Bearbeitet und herausgegeben von Jochen Laufer und Georgij P. Kynin unter Mitarbeit von Viktor Knoll, 3 Bände, Berlin 2004; Wolfgang Mueller / Arnold Suppan / Norman M. Naimark / Gennnadij Bordjugov (Hg.), Sowjetische Politik in Österreich 1945–1955. Dokumente aus russischen Archiven, Wien 2005. 5 Zu letzterem vgl. auch Wilfried Loth, Die Teilung der Welt. Geschichte des Kalten Krieges 1941–1955. Erweiterte Neuausgabe München 2000, S. 368–375.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

Replik, die ich auf die ersten Kritiken an Stalins ungeliebtem Kind geschrieben habe. Auch in weiteren Kapiteln finden sich gelegentlich Auseinandersetzungen mit abweichenden Auffassungen. Liest man die Beiträge in der Reihenfolge ihres erstmaligen Erscheinens, kann man den Gang der Auseinandersetzung einigermaßen nachvollziehen. Die Kontroverse steht jedoch nicht im Mittelpunkt der Darstellung: Dazu war sie wissenschaftlich zu unergiebig. Eher lässt sie sich vor dem Hintergrund einer spezifischen Befindlichkeit deutscher Historiker nach der wieder gefundenen deutschen Einheit verstehen. Alte Kränkungen, tiefe Genugtuung über den unerwarteten Verlauf der Geschichte und ein starkes Bedürfnis nach Demonstration von political correctness sind hier, so will es scheinen, eine Verbindung eingegangen, das wissenschaftlicher Erkenntnis wenig förderlich war. Auf welchem Niveau sich die Debatte diesmal bewegen wird, bleibt abzuwarten. Ich hoffe natürlich, dass die Zeit unterdessen für eine wirklich kritische Diskussion der Strukturelemente des Sowjetkommunismus reif ist, ebenso für kritische Erörterungen der westlichen Reaktion auf sein Auftreten mitten in Europa und des deutschen Umgangs mit der Niederlage von 1945. Freilich lassen sich solche Diskussionen nicht erzwingen, man kann sie nur befördern. Für die Unterstützung bei der Erschließung der russischen Quellen danke ich sehr herzlich Ludmilla Krüger und Swetlana Steposchina M.A. Die Einrichtung des Bandes besorgte in gewohnter Zuverlässigkeit Marc Hanisch M.A. Auch dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Essen, im September 2006

Wilfried Loth

1. Stalin, die deutsche Frage und die DDR

Eine Antwort an meine Kritiker An Lautstärke haben es manche Kritiker meiner Untersuchung zur Entstehung der DDR1 nicht fehlen lassen. »Verwegene Thesen« und »Geschichtsklitterung« tönte es im »Spiegel« über drei Seiten des politischen Teils.2 »Widerspruch« meldete Heinrich August Winkler in der »Zeit« an, und er formulierte ihn drastisch: »Wer die Quellen genau liest, kann sich über Loths Deutung nur wundern«; bei näherem Hinsehen zerplatze sie »wie eine Seifenblase«3. »Ein Versuch, Stalin vom Stalinismus zu trennen«, befand schließlich unter der Überschrift »Stalin: ein deutscher Demokrat« Henning Köhler in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«: »Er muss scheitern.« Pathetisch setzte er hinzu: »Die ›Jahrhundertfrage‹ [nach der Chance für eine Wiedervereinigung] ist für ihn [Loth] positiv entschieden – welch abwegiges Urteil.«4 Stehen hinter den starken Worten aber auch ebenso starke Argumente? Die Frage muss erlaubt sein. Und ihr nachzugehen lohnt sich umso mehr, als auch weit weniger aufgeregte (und fachlich einschlägigere) Rezensenten Zweifel geäußert haben, ob denn alles so eindeutig aus den Quellen herausgelesen werden könne, wie es in meiner Untersuchung steht. Dietrich Staritz urteilte im Rahmen einer sehr ausführlichen (und ansonsten weithin anerkennenden) Besprechung in dieser Zeitschrift, meine zentrale These, Stalin habe eine parlamentarische Demokratie für

1 Loth, Stalins ungeliebtes Kind, Berlin 1994. 2 Peter Zolling, »Mut ist oft sehr dumm«, in: Der Spiegel vom 20.6.1994. 3 Heinrich August Winkler, »Im Zickzackkurs zum Sozialismus«, in: Die Zeit vom 17.6.1994. 4 Henning Köhler, »Stalin: ein deutscher Demokrat«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2.8.1994.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

ganz Deutschland angestrebt, bleibe »ohne Beleg«5. Und Elke Scherstjanoi bezeichnete meine Thesenbildung gar als »wenig plausibel, eher forschungshemmend als provozierend«6. Das lässt es geboten erscheinen, den Themenkomplex, den ich in meinem Buch angeschnitten habe, noch einmal grundsätzlich zu diskutieren. Logik und Belege »Spiegel«-Redakteur Peter Zolling gründet seinen Verriss hautsächlich auf die Notiz »Perspektive – es wird zwei Deutschlands geben«, die Wilhelm Pieck zu seiner Unterredung mit Stalin, Molotow und Shdanow am 4. Juni 1945 anfertigte. Daraus lässt sich aber kein »Befehl zur Teilung Deutschlands« ableiten, wie der »Spiegel« schon drei Jahre zuvor behauptet hat.7 Denn erstens folgt in Piecks Aufzeichnung sogleich eine Präsentation Stalins als Anwalt der deutschen Einheit. Zweitens und vor allem schließt sich dem die unmissverständliche Anweisung an: »Einheit Deutschlands sichern.«8 Und drittens ist auch im Folgenden, in ausnahmslos allen internen Dokumenten bis zu Stalins Tod, immer wieder vom Ziel der Einheit Deutschlands die Rede. Manfred Wilke, der die Mär vom »Teilungsbefehl« als erster in die Welt gesetzt hatte9, hält sie in einer jüngeren Quellenpublikation nicht länger aufrecht10; dies sollte auch sonst niemand tun, der ernst genommen werden will.

5 Dietrich Staritz, Die SED und Stalins Deutschlandpolitik, in: DeutschlandArchiv 27 (1994), S. 854–861, hier S. 858. 6 Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 4 (1994), S. 107–109. Die Bemerkung bezog sich auf die Einleitung zu dem Quellenband, den ich zusammen mit Rolf Badstübner parallel zu meiner Darstellung herausgegeben habe: Rolf Badstübner / Wilfried Loth (Hg.), Wilhelm Pieck – Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945–1953, Berlin 1994. 7 Der Spiegel vom 15.4.1991. 8 ZPA NL 36/629, Bl. 62–65. 9 Manfred Wilke, »Es wird zwei Deutschlands geben«, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.3.1991. 10 Peter Erler / Horst Laude / Manfred Wilke (Hg.), Nach Hitler kommen wir. Dokumente zur Programmatik der Moskauer KPD-Führung 1944/45 für Nachkriegsdeutschland, Berlin 1994.

1. Stalin, die deutsche Frage und die DDR

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Stalin hoffte nachweislich noch im Sommer 1949 auf einen Verhandlungserfolg im Kreis der Siegermächte, der die Pläne zur Konstituierung der Bundesrepublik zunichte machte und Überlegungen der SED-Führung zur Schaffung eines Ostzonen-Staates obsolet werden ließ. Die Westmächte hätten wegen des »Risikos, Frieden zu bekommen, schon sehr nervös reagiert«, ließ er die SED-Führung am 19. Juli 1949 über Semjonow wissen. Die Verständigung in der Österreich-Frage bedeute einen »Fortschritt in der Friedensregelung auch für Deutschland«; er erwarte die »nächste Außenministerkonferenz«, die sich »mit Einheit und Friedensvertrag beschäftigen« werde, »im Herbst«11. Es ist daher nicht möglich, die Haltung Stalins in dieser Phase als lediglich »formelles Offenhalten« der deutschen Frage zu charakterisieren, wie dies Staritz getan hat, den Zolling als Zeugen zitiert.12 Ebenso wenig können die Stichworte »Einheit« und »Frieden«, die Pieck während eines Gesprächs mit Stalin am 18. Dezember 1948 notiert, als Aufforderung zu bloßer Agitation abgetan werden, wie sie Winkler benutzt. Zuvor hatte Stalin die Zurückweisung des Status einer »Volksdemokratie« für die Ostzone ausdrücklich damit begründet, dass »noch kein einheitlicher Staat« der Deutschen vorhanden sei.13 Wenn Stalin aber ein einheitliches Deutschland anstrebte, das von den vier Siegermächten auf den Weg gebracht wurde, und an diesem Ziel auch noch festhielt, als sich das Ost-West-Verhältnis verschlechterte – dieses Ergebnis meiner Untersuchung

11 ZPA NL 36/735, Bl.204–210; vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 154 f. 12 Dietrich Staritz, Die SED, Stalin und der »Aufbau des Sozialismus« in der DDR. Aus den Akten des Zentralen Parteiarchivs, in: Deutschland-Archiv 24 (1991), S. 686–700. Staritz hat seine Position hier übrigens radikalisiert. Während er 1991 mahnte, »Stalins Mäßigen des ostdeutschen Eifers sollte [...] nicht als Kritik an dessen genereller Stoßrichtung interpretiert werden«, hatte er 1986 noch gemeint, es müsse »letztlich unbeantwortet bleiben«, ob die »Interessen-Divergenz zwischen der sowjetischen und der SBZ-Führung« grundsätzlicher oder lediglich taktischer Natur gewesen sei – so Dietrich Staritz, Zwischen Ostintegration und nationaler Verpflichtung. Zur Ost- und Deutschlandpolitik der SED 1948–1952, in: Ludolf Herbst (Hg.), Westdeutschland 1945–1955, München 1986, S. 279–289, hier S. 281. Zu meiner Kritik an Staritz vgl. auch Wilfried Loth, Das ungeliebte Kind. Stalin und die Gründung der DDR, in: Elke Scherstjanoi (Hg.), »Provisorium für längstens ein Jahr«. Die Gründung der DDR, Berlin 1993, S. 31–38. 13 ZPA NL 36/695, Bl. 42–47.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

scheint Winkler immerhin zu akzeptieren14 –, dann ergibt es sich schon aus logischen Überlegungen, dass dieses Deutschland kein sozialistisches oder sowjetkommunistisches Deutschland sein konnte, jedenfalls zunächst noch nicht. Stalins Diktum von den zwei Systemen, die soweit reichen wie die Armeen, war auf Deutschland entweder nicht anwendbar oder es bedeutete: Da dieses Deutschland nicht exklusiv von der Sowjetarmee kontrolliert wird, kann es auch nicht Teil des Sowjetsystems sein. Weder in den offiziellen Verhandlungspositionen noch in den internen Planungen ist je von einem einseitigen Abzug der westlichen Truppen aus Deutschland die Rede; stets gehen die sowjetischen Verantwortlichen davon aus, dass nach dem Abschluss des Friedensvertrages auch die sowjetischen Truppen das Land zu verlassen haben. Wenn Stalin seine Interessen und Möglichkeiten auch nur einigermaßen nüchtern betrachtete, konnte er auch gar kein anderes Programm für Deutschland haben als die Etablierung einer »bürgerlichen« Demokratie. Eine Teilung Deutschlands bedeutete für ihn nicht nur: keine Reparationen aus dem industriellen Zentrum Deutschlands, sondern in seiner ideologisch aufgeladenen Sicht auch: keine Beseitigung der gesellschaftlichen Wurzeln des deutschen Expansionismus, stattdessen eine amerikanische Hegemonie im westlichen Europa. Um das zu verhindern, gab es nur den Weg der Kooperation mit den Westmächten, befördert durch den Appell an das Nationalgefühl der Deutschen; und beides schloss die Organisation Deutschlands nach dem Sowjetsystem vorerst aus. Dass Stalin bei aller ideologischen Grundsatztreue und trotz immer stärker werdender Schübe von Verfolgungswahn in der Lage war, seine Möglichkeiten realistisch einzuschätzen und seine Interessen nüchtern zu kalkulieren, hatte er schon in Griechenland unter Beweis gestellt, als er sich hütete, die kommunistisch beeinflusste Partisanenbewegung gegen das autoritäre Athener Regime zu unterstützen. Die gleiche Fähigkeit zeigte er in Bezug auf Italien und Frankreich, als er die dortigen Kommunisten anwies, bei der Entwaffnung der Résistance mitzuwirken und sozi14 »Nach der Lektüre«, schreibt er, »kann es keinen Zweifel mehr geben: Stalin wäre ein einheitliches Deutschland lieber gewesen als die DDR.«

1. Stalin, die deutsche Frage und die DDR

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alistische Umgestaltungshoffnungen zugunsten der Restauration der bürgerlichen Ordnung zurückzustellen. Da soll er sich ausgerechnet im Hinblick auf Deutschland, wo es noch viel mehr auf eine kluge Politik ankam, auf einen abenteuerlichen, weil kontraproduktiven Kurs eingelassen haben? Nun mag man bis hierhin einwenden, dass aber letztlich doch nicht bewiesen ist, dass Stalin auch in Bezug auf Deutschland so vernünftig war und sein Diktum von der Identität von Armeen und Systemen so ernst nahm, wie hier angenommen wird. Genau dieser Beweis lässt sich aber führen, wenn man jetzt die internen Äußerungen Stalins und seiner Repräsentanten zum künftigen Gesellschaftssystem Deutschlands hinzunimmt. Wie Wolfgang Leonhard berichtet, wurde den KPD-Initiativgruppen vor ihrer Abreise aus Moskau im Frühjahr 1945 gesagt, »die politische Aufgabe bestehe nicht darin, in Deutschland den Sozialismus zu verwirklichen oder eine sozialistische Entwicklung herbeiführen zu wollen. Dies müsse im Gegenteil als eine schädliche Tendenz verurteilt und bekämpft werden. Deutschland stehe vor einer bürgerlich-demokratischen Umgestaltung, die ihrem Inhalt und Wesen nach eine Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848 sei. Es komme darauf an, aktiv für diese Vollendung einzutreten, sich aber jeglichen sozialistischen Losungen zu widersetzen, da diese unter den gegenwärtigen Bedingungen reinste Demagogie seien; unter solchen Umständen würde die Idee des Sozialismus nur diskreditiert.«15 Solange noch keine weiteren internen Dokumente zur Verfügung standen, konnte man noch darüber spekulieren, ob Stalin diese Position nicht früher oder später aufgegeben hat.16 Nachdem sie aber jetzt in den internen Anweisungen nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition immer wieder aufscheint, ist das nicht mehr möglich. »Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution« mit einer »bürgerlich-demokratischen Regierung«, so Stalin am 4. Juni 1945; »das antifaschistische Deutschland noch 15 Wolfgang Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder, Taschenbuchausgabe München 1979, S. 288 f. 16 So hat etwa Vojtech Mastny behauptet, er habe sie nach dem überraschend weiten Vordringen der Roten Armee zugunsten der Hoffnung auf sowjetische Dominanz über ganz Deutschland über Bord geworfen; vgl. Vojtech Mastny, Russia's Road to the Cold War, New York 1979, S. 261 f.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

ein kapitalistisches Land«, so Ulbricht am 12. Juni 1945;17 »Lage nicht gleich wie [in den] Volksdemokratien, stehen nicht vor der Macht«, so Stalin am 18. Dezember 1948. Und so weiter, und so weiter; noch am 4. Mai 1950 bezeichnet Stalin die »Entwicklung einer gesamtdeutschen Politik« als »Hauptaufgabe« der SED.18 Das alles, wohlgemerkt, immer in internen Besprechungen zwischen sowjetischer Führung und deutschen Kommunisten, nicht auf dem Marktplatz. Einzig sinnvolle Strategie, explizite Bekundungen zuhauf, Hoffen auf eine Verhandlungslösung mit den Westmächten und dann auch noch der Nachweis, dass Stalin sich durchaus andere Wege zum Sozialismus vorstellen konnte als den sowjetischen und für Deutschland zumindest 1945/46 ausdrücklich von einem Weg über die parlamentarische Demokratie sprach19 – wenn das nicht als Beleg für die Orientierung am Zielbild eines im westlichen Sinne demokratischen Deutschlands ausreichen soll, dann hört eigentlich jedes sinnvolle Argumentieren auf.

Einwände und Antworten Man dürfe Stalins Bekenntnisse zu einem demokratischen Gesamtdeutschland nicht »zum Nennwert« nehmen, meinen Winkler und Zolling. Ja was denn sonst? Soll man glauben, Stalin habe jedes Mal mit den Augen gezwinkert, als Pieck und andere seine Äußerungen mitschrieben? Oder soll man annehmen, er habe nicht nur den »Klassenfeinden«, sondern auch allen seinen Helfern, vom sowjetischen Oberbefehlshaber in Deutschland bis zu den führenden deutschen Kommunisten, stets bewusst das Gegenteil von dem gesagt, was er wirklich vorhatte? Wenn die internen Anweisungen mit den öffentlichen Äußerungen übereinstimmen (ein wesentliches Ergebnis meiner Untersuchung), dann wird nicht auch intern gelogen, sondern auch in der Öffentlichkeit die Wahrheit gesagt. Natürlich muss man in Rechnung stellen, dass die Aufzeichnungen von Stalins Gesprächspartnern zunächst einmal nur fest17 ZPA NL 182/857, Bl. 86–99. 18 ZPA NL 36/556, Bl. 174. 19 Vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 32 f.

1. Stalin, die deutsche Frage und die DDR

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halten, was diese verstanden haben und was Stalin ihnen sagen wollte. Die Konsistenz der Aussagen über mehrere Jahre hinweg und unabhängig von der Person des Gewährsmannes (ich berufe mich keineswegs nur auf Pieck) schließt aber aus, dass dabei ein Bild zustande gekommen ist, das mit dem tatsächlichen Denken Stalins nicht übereinstimmt. Dass Pieck nicht alles mitbekommen hat, wie Scherstjanoi unter Hinweis auf eine sowjetische Parallelüberlieferung zu der Moskauer Unterredung vom 31. Januar 194720 ausführt, belegt nicht, dass er etwas Falsches notiert hätte. Eine offizielle Protokollnotiz zu der Unterredung vom 7. April 1952, die Michael Narinski ermittelt hat21, zeigt im Gegenteil, dass Piecks Kurznotizen der Wortwahl und dem Duktus der Ausführungen Stalins außerordentlich präzise folgen. »›Bürgerlich-demokratische Ordnung‹« meine »als Kategorie des damaligen Marxismus-Leninismus etwas gänzlich anderes als die parlamentarisch verfasste demokratische Republik im westlichen Verständnis«, wendet Staritz ein. Nicht doch: Dass die Kommunisten die bürgerlich-demokratische Ordnung nicht als Endzustand der Geschichte betrachteten, besagt doch nicht, dass sie nicht bereit gewesen wären, sie als Ausgangspunkt für ihren weiteren Kampf zu akzeptieren. Wenn man annahm, dass in Deutschland erst noch die »Reste des Feudalismus beseitigt« werden mussten (so Stalin am 4. Juni 1945), war sie nach marxistischen Grundkategorien sogar als Zwischenstufe auf dem Weg zum Sozialismus unabdingbar. Und Eugen Vargas These, es bilde sich eine »Demokratie neuen Typs« heraus – die einzige theoretische Verdichtung öffentlichen sowjetischen Nachdenkens über ideologische Fragen in der unmittelbaren Nachkriegszeit – rechtfertigt nicht nur den evolutionären Weg zum Sozialismus; sie lässt ihn geradezu als das Gebot der Stunde erscheinen. 20 Veröffentlicht bei Bernd Bonwetsch / Gennadij Bordjugov, Stalin und die SBZ, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42 (1994), S. 279–303. 21 Aufzeichnung über das Treffen der Führung der SED, W. Pieck, W. Ulbricht und O. Grotewohl, mit dem Genossen Stalin 7. April 1952, Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation, Fonds 45, Abt. 1, Bd. 303, Bl. 179. Für die Übermittlung dieses Dokuments danke ich Herrn Kollegen Narinski sehr herzlich. Für einen Vergleich der beiden Überlieferungen siehe jetzt die parallelen Übersetzungen im Cold War International History Project Bulletin 4 (1994), S. 48.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

Winkler und Zolling picken aus meinen Quellenfunden ein paar Zitate heraus, die für führende deutsche Kommunisten wie für Stalin fortdauerndes Denken in leninistischen KlassenkampfKategorien dokumentieren; Köhler verweist auf die tatsächliche Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone. Damit belegen sie freilich nur, was auch in meiner Darstellung als eine wesentliche Ursache für das Scheitern der Stalinschen Deutschlandkonzeption herausgearbeitet wird: die systembedingte Unfähigkeit deutscher und sowjetischer Kommunisten, Stalin eingeschlossen, in der praktischen Handhabung der Verwaltung der Besatzungszone konsequent demokratisch zu denken und zu handeln, und die zunehmende Widersprüchlichkeit ihrer Politik, die daraus resultierte. Und sie unterschlagen gleichzeitig, dass das Denken in Klassenkampf-Kategorien nicht bei allen Beteiligten und nicht zu allen Zeiten gleich stark ausgeprägt war. Winkler zitiert den von Rolf Badstübner formulierten Befund, dass die Hinweise zur Entwicklung in der Sowjetzone, die Stalin während des Gesprächs vom 18. Dezember 1948 gab, »nicht über taktische Modifizierungen im dogmatischen Koordinatensystem leninistischstalinistischer Revolutionstheorie und Weltsicht hinausgingen«; die gleichzeitige Feststellung, dass dies »im offenbar nicht reflektierten Widerspruch zum Bemühen um Verhandlungs- und Konsensfähigkeit in der deutschen Frage« stand22, lässt er unerwähnt. Dass Stalin vermutlich nur sehr oberflächliche Vorstellungen davon hatte, was eine parlamentarische Demokratie ausmacht, (wir wissen darüber nichts Genaues) und die Welt immer wieder mit einer verzerrenden Klassenkampf-Brille wahrnahm, ändert nichts daran, dass er diese parlamentarische Demokratie wollte – und dass er daran interessiert war, sich mit den Westmächten über die Etablierung einer solchen Ordnung zu verständigen. Bei der Bewertung seiner Deutschlandpolitik kommt es entscheidend auf diese Zielsetzung an, erst in zweiter Linie auf die Einschätzung seiner Demokratiefähigkeit. 22 Badstübner / Loth: Pieck-Aufzeichnungen, S. 259. Zur Auffassung Badstübners, die sich weitgehend parallel zu meinen Ergebnissen entwickelt hat, vgl. zuletzt: Rolf Badstübner, Die sowjetische Deutschlandpolitik im Lichte neuer Quellen, in: Wilfried Loth (Hg.), Die deutsche Frage in der Nachkriegszeit, Berlin 1994, S. 102– 135.

1. Stalin, die deutsche Frage und die DDR

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Muss man wirklich betonen, dass er sie aus Einsicht in strategische Notwendigkeiten wollte, nicht aufgrund gewandelter ideologischer Grundüberzeugung? Winkler argumentiert gegen die Vorstellung, dass Stalin »das strategische Ziel einer revolutionären Umgestaltung Deutschlands in seinem Sinn von ›Sozialismus‹ aufgegeben hätte«. Das aber habe ich nie behauptet; man kann bei mir wortwörtlich das genaue Gegenteil nachlesen.23 Nur bedeutete eben die ideologisch begründete Gewissheit, dass alle Wege früher oder später zum Sozialismus führen würden, nicht notwendigerweise, dass seine Einführung überall auf der Tagesordnung stand, wo Kommunisten mitwirken konnten. Im Gegenteil: Gerade weil Stalin ideologisch davon überzeugt blieb, dass dem Sozialismus ohnehin die Zukunft gehörte, konnte er ohne mentale Schwierigkeiten auf seine Forcierung verzichten, wenn sich das aus realpolitischen Notwendigkeiten verbot. Erst die Einheit, dann der Sozialismus: diese Reihenfolge schärfte er den deutschen Genossen immer wieder ein. Dass er ihnen darüber hinaus ab Ende 1948 gelegentlich auch zu »opportunistischer Politik zum Sozialismus« riet (was immer das sein mochte), änderte an dieser Prioritätensetzung nichts. Stalin sagte das nicht nur; er leitete auch Maßnahmen ein, die dieser Prioritätensetzung entsprachen: die Zulassung von Parteien, die Zurüstung der Kommunisten für einen Erfolg in freien Wahlen, das wiederholte Abbremsen sozialistischen Umgestaltungseifers, die Vorbereitung einer Wiederzulassung der SPD im Winter 1946/47, um nur die wichtigsten zu nennen. Es ist daher nicht möglich, die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone als planmäßigen »revolutionären Prozess« (so Winkler, ähnlich auch Köhler) zur Einführung des Sowjetsystems zu deuten. Ebenso wenig kann man pauschal behaupten, nichts spreche für eine Bereitschaft zur Preisgabe »›demokratischer‹ Errungenschaften« in der Zone (so Köhler, ähnlich Zolling). Zur Erklärung des real existierenden DDR-Sozialismus muss man schon andere Faktoren heranziehen: neben dem Abseitsstehen der westlichen Seite auch die Eigendynamik und die Ineffektivität des sowjetischen Apparates.

23 Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 24.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

Dieser Befund entspricht so wenig Winklers Vorstellungen vom Sowjetkommunismus, dass er ihn kategorisch von sich weist: »Nichts«, schreibt er, spreche für meine Spekulation, Tulpanow »habe im Frühjahr 1948 auf eigene Faust, also ohne Abstimmung mit Stalin gesprochen und gehandelt – eine Deutung, die so abenteuerlich ist wie die Politik, die sie zu erklären vorgibt.« Das muss man zweimal lesen: Der Kontrast zwischen der Ratlosigkeit und dem Ausbleiben neuer Direktiven während des Moskau-Besuchs der SED-Führung Ende März 1948 und dem höchst aktiven Vorgehen Tulpanows und Ulbrichts, der explizite Widerspruch zwischen Tulpanows Behauptung, die SED stehe »faktisch an der Macht«24, und Stalins Zurechtweisung, die Partei der Arbeiterklasse stünde »nicht vor der Macht«25, der Gegensatz zwischen dem Drängen der SED-Führung auf Etablierung einer Ostregierung und Stalins wiederholter Ablehnung dieser Vorstellung, die wiederholten Klagen Semjonows gegenüber Grotewohl, »dass einige von Tulpanow und Ulbricht eingeleiteten Maßnahmen über das Ziel der Moskauer Politik hinausgehen« könnten,26 der gleichzeitige Versuch, die Westmächte mit Hilfe der Blockade an den Verhandlungstisch zurückzuzwingen – das alles soll »nichts« sein? Für die »Anweisung« Stalins an den SMAD, von der Winkler spricht (»die SED auf eine neue strategische Grundorientierung festzulegen«), gibt es nicht die Spur eines Belegs. Will man Tulpanows Äußerungen vom 8. Mai 1948 gleichwohl als korrekte Wiedergabe einer Direktive des obersten Kremlherren deuten, muss man schon annehmen, – dass Stalin seinen deutschlandpolitischen Kurs zwischen April und Dezember 1948 zweimal abrupt um 180 Grad herumgeworfen hat, – dass er sich von der Berliner Blockade nicht nur eine Sistierung der Weststaats-Vorbereitungen versprach, sondern tatsächlich eine – wie auch immer zu bewerkstelligende – »Eroberung ganz Deutschlands« (Tulpanow) erhoffte,

24 In seinen Ausführungen vom 8. Mai 1948, ZPA NL 36/735, Bl. 54–79. 25 In der Unterredung vom 18. Dezember 1948, wie Anm. 13. 26 Berichtet von Erich W. Gniffke, Jahre mit Ulbricht, Köln 1966, S. 298.

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– dass Semjonow, Grotewohl oder Gniffke (so die Überlieferungskette) Unsinn redeten, als sie von Maßnahmen Tulpanows sprachen, die über Moskauer Intentionen hinausgingen. Nüchtern betrachtet, ist das die entschieden unwahrscheinlichere Alternative. Nimmt man noch Stalins frühere Äußerungen zur deutschen Frage und seinen bekannten Respekt vor der amerikanischen Supermacht hinzu, kann man sie eigentlich ausschließen. Unterdessen muss man es sogar. Norman Naimark hat nämlich mittlerweile herausgefunden, dass das Verhalten Tulpanows Gegenstand heftiger Kritik durch Untersuchungskommissionen des Zentralkomitees der KPdSU war. Bereits im Oktober 1946 stellte eine Kommission »ernsthafte Irrtümer« und »ungenügende Disziplin« bei ihm fest. Ein weiterer Untersuchungsausschuss kritisierte Ende April 1948 voreiliges Drängen auf Einführung des Sozialismus in der Ostzone, Vernachlässigung der bürgerlichen Parteien, unangemessene Einmischung in die Tagespolitik der SED und allgemein »mangelndes Verständnis für die historischen Perspektiven der Entwicklung Deutschlands«. Ein Abgesandter der Politischen Hauptverwaltung der Armee, Oberst Konstaninowski berichtete Ende August 1948 nach Moskau, dass Tulpanow immer noch die gleichen »schwerwiegenden politischen Fehler« mache – was unter anderem dazu geführt habe, dass viele Politoffiziere der irrigen Auffassung seien, in der Sowjetzone sei bereits die Bildung einer »sozialistischen Republik« im Gange.27 Tulpanow handelte also nicht nur eigenständig und in »sozialistischer« Verzeichnung der Moskauer Intentionen; das ist in Moskau auch so gesehen worden! Eine eindrucksvollere Bestätigung meiner Befunde kann ich mir offen gesagt nicht vorstellen. Abenteuerliche Spekulationen? Winklers harsches Urteil wirkt umso deplazierter, als er seine eigene Sicht der Dinge ziemlich verworren formuliert. Einerseits spricht er vom »revolutionären Prozess« in der Sowjetzone und vom bloß »scheinbaren Offenhalten der deutschen Frage«. Andererseits meint er aber auch, »eine parlamentarische Demokratie wäre« für Stalin »gewiss 27 Zit. n. Norman M. Naimark, The Russians in Germany. A History of the Soviet Zone of Occupation 1945–1949, Cambridge, MA / London 1995, S. 341– 345.

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kein Hindernis gewesen«, und: »Die gesamtdeutsche Option war für Stalin [...] auch dann die bei weitem attraktivere, wenn das geeinte Deutschland nicht von Anfang an einen ›sozialistischen‹ Stempel trug.« In der Tat; das lege ich in meinem Buch dar. Nur fragt sich der verwirrte Leser an dieser Stelle, wogegen Winkler denn eigentlich zuvor zwölf Absätze lang »Widerspruch« demonstriert hat. Köhler versucht gegen den Nachweis der durchgehend gesamtdeutschen Orientierung Stalins den Inhalt seiner Unterredung mit den SED-Führern vom 1. April 1952 in Anschlag zu bringen. Vom »Massenkampf zum Sturz der Adenauer-Regierung« sei da die Rede gewesen und von der Schaffung der Volksarmee. Ja – aber Pieck hatte zuvor gefragt, ob Stalin die vorgeschlagene »4-Mächtekonferenz« für wahrscheinlich halte und »welche möglichen Resultate« zu erwarten seien, und vom »Massenkampf« sprach er im Zusammenhang mit den gesamtdeutschen Wahlen, die die Sowjetführung anzubieten gedachte (in der Kurzform-Niederschrift Piecks: »Für Deutschland Frage der Wahlen, ohne UN-Kommission, als Massenkampf zum Sturz der Adenauer-Regierung«28). Wie man darin keinen Beleg für die Absicht der sowjetischen Seite sehen kann, zu einem Verhandlungsresultat zu kommen, ist mir schleierhaft. Dass Stalin im weiteren Verlauf des Gesprächs auf die rasche Aufstellung der Volksarmee drängte, spricht keineswegs gegen die Ernsthaftigkeit der sowjetischen Deutschlandnote vom 10. März 1952. Köhler vergisst zu erwähnen, dass am 1. April »zum ersten Mal« von der Volksarmee die Rede war, in der Fassung der Politbüro-Vorschläge vom 20. März, die die SED-Führung in Moskau zur Billigung vorlegen wollte, findet sich noch keinerlei Hinweis darauf. Offensichtlich glaubte Stalin nach der negativen Antwortnote der Westmächte vom 25. März nicht mehr an einen baldigen Verhandlungserfolg und hielt er folglich die militärische Sicherung seines ostdeutschen Provisoriums nunmehr für dringlich. Am 7. April antwortete er auf Piecks Frage nach den Chancen für einen Erfolg der Noteninitiative, er sei »der Auffassung, dass, welche Vorschläge zur deutschen Frage wir auch machen würden, die westlichen Staaten mit ihnen nicht einver28 ZPA NL 36/696, Bl. 12–15.

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standen wären«; daher müsse der »Schutz« der Grenze zwischen West- und Ostdeutschland »verstärkt werden«29. Köhler schließt aus einzelnen Äußerungen nach der Ablehnung der sowjetischen Note am 25. März unbesehen auf die Intention der Note vom 10. März – ein grober methodischer Schnitzer, der auch nicht dadurch verzeihlicher wird, dass er zuvor auch schon von Hermann Graml und Gerhard Wettig begangen wurde.30 Und er behandelt die Note ein weiteres Mal isoliert, ohne ihre lange Vorgeschichte mit in Betracht zu ziehen. Wenn aber, wie gezeigt, Stalin im Sommer 1949 mit einem baldigen Verhandlungserfolg rechnete und Semjonow, wie ich in meinem Buch im einzelnen darlege, sowohl dem Vorschlag eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates als auch dem Volkskammerappell vom September 1951 intern große Erfolgsaussichten zubilligte31, dann kann der Fortentwicklung dieser Initiativen zur Note vom 10. März 1952 nicht ohne schlüssige Belege die Ernsthaftigkeit abgesprochen werden. Die vielfältigen Hinweise auf das Interesse an einem Friedensvertrag im Kontext der Märznote selbst32 sind da eigentlich als Beleg gar nicht mehr erforderlich; sie sichern nur einen Befund weiter ab, der sich aus der Langzeitanalyse der Stalinschen Politik ohnehin schon ergibt. Präzision und Spielregeln Gewiss: Piecks Notate sind nicht leicht zu erschließen. Aber daraus ergibt sich nicht, dass man aus ihnen alles und jedes herauslesen kann, wie Scherstjanoi zu meinen scheint.33 Man muss nur sehr genau hinsehen, was wer jeweils sagt und in welchem 29 Sowjetisches Protokoll (wie Anm. 21). In den parallelen Aufzeichnungen Piecks heißt es: »Bisher alle Vorschläge abgelehnt [...] Demarkationslinie gefährliche Grenze [...] Wir müssen mit terroristischen Akten rechnen« (ZPA NL 36/696, Bl. 26–29). 30 Hermann Graml, Die Legende von der verpassten Gelegenheit, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 29 (1981), S. 307–341; Gerhard Wettig, Die Deutschland-Note vom 10. März 1952 auf der Basis der diplomatischen Akten des russischen Außenministeriums, in: Deutschland-Archiv 26 (1993), S. 786–805. 31 Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 173 f. u. 177 f. 32 Vgl. ebd., S. 178–186. 33 »Für jede der existierenden Interpretationsvarianten«, meint sie zur Diskussion um die Stalin-Noten, »finden sich in Piecks Notizen ›Beweise‹, die keine sind.«

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Kontext die Äußerungen stehen. Und man muss die PieckAufzeichnungen zu den vielfältigen sonstigen Quellenüberlieferungen in Beziehung setzen – ein Postulat, das viele Auswerter einzelner Quellenstücke nicht beachtet haben. (Nebenbei bemerkt: Dass ich »sowjetische Quellen [...] nicht benutzt« hätte, wie Winkler schreibt, ist schlicht falsch.) Dann aber, wenn man dies tut, ermöglichen Dichte und Kontinuität der Mitschriften Piecks ein außerordentlich reichhaltiges und in sich stimmiges Bild der sowjetischen Deutschlandpolitik. Was natürlich nicht ausschließt, dass es bei Erschließung weiterer Quellen aus sowjetischer oder DDR-Provenienz in Einzelheiten noch präziser werden könnte. Sorgfalt ist dazu allerdings auch im Detail vonnöten. Deswegen sei vermerkt, dass die von Staritz geäußerten Zweifel, ob der Ende August 1947 von SED-Führung formulierte Hilferuf (»Wir brauchen sehr Ihren Rat und Ihre Hilfe«) wirklich an Stalin gerichtet war – Rolf Badstübner und ich schlossen das aus der Bemerkung, dass man mit dem Adressaten wohl innerhalb der nächsten vier Wochen nicht mehr sprechen könne –, gegenstandslos sind: Norman Naimark hat unterdessen im ZK-Archiv das sowjetische Gegenstück gefunden, adressiert an den »lieben Genossen Stalin« und datiert vom 3. September 1947.34 Und zur Einschätzung des Status der Ausführungen Tulpanows vom 8. Mai 1948 (Vortragsmanuskript und nicht »Memorandum«, wie Staritz meint) sei darauf verwiesen, dass die SED-Führung im Text direkt angesprochen wird (»wie schwer Sie es haben, als Leiter dieser Partei«35). Ob Ulbricht bei der Erlangung der Zustimmung Stalins zur Proklamierung des »Aufbaus des Sozialismus« durch die II. Parteikonferenz der SED vom 9. bis 12. Juli 1952 argumentativ nachgeholfen hat oder nicht, mag in der Tat, da stimme ich Staritz zu, der Leser der Dokumente selbst entscheiden. Ich lasse mir allerdings nicht nachsagen, hier »höchst unterschiedlichen Quellen gleichen Rang zuzubilligen und störende Fakten gegebenenfalls fortzulassen«. Der Kommentar in der »Täglichen Rundschau« vom 22. Juli 1952, den Staritz in meiner Darstellung vermisst, 34 Naimark, The Russians in Germany, S. 305. 35 ZPA NL 36/735, Bl. 56.

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enthält nämlich nicht mehr als sybillinische Formulierungen, aus denen man für den Status, den die DDR in Moskauer Sicht hatte, nichts ablesen kann. Die Erklärung, Stalins Wort vom »Wendepunkt in der Geschichte Europas«, das er bei der Gründung der DDR gebraucht hatte, gelte »angesichts des planmäßigen Aufbaus des Sozialismus noch viel mehr«, war offensichtlich so ziemlich das einzige, was die Sowjetische Kontrollkommission angesichts der Diskrepanz zwischen der bisherigen Linie und der Moskauer Zustimmung zur »Aufbau«-Proklamation sagen konnte. An dem Befund, dass Stalin es auch weiterhin vermied, den Begriff »Sozialismus« in Bezug auf die DDR selbst in den Mund zu nehmen, und statt dessen immer noch von der historischen Aufgabe des »einheitlichen und demokratischen Deutschlands« sprach, ändert sie nichts. Ganz offenkundig konnte er sich die dauerhafte Spaltung einer Nation schlicht nicht vorstellen; das unterscheidet ihn von jener breiten Schar von Interpreten, die durch die Ära der Entspannungspolitik geprägt worden sind. Angesichts der Diskrepanz zwischen der Schärfe mancher Kritik und der Dürftigkeit der Argumente (um nicht mehr zu sagen), die zu ihrer Begründung vorgebracht werden, ist es wohl notwendig, an die Spielregeln historischen Argumentierens zu erinnern: Erkenntnisse, die auf der Auswertung eines großen Schubs neuer Quellen beruhen, lassen sich nicht dadurch erledigen, dass man dagegen konventionelle Weisheiten ins Feld führt, deren Quellenbasis in Wahrheit minimal ist. Es genügt auch nicht, Fehler zu wiederholen, die bei der hastigen Auswertung erster isolierter Quellenstücke nach der Öffnung der östlichen Archive unterlaufen sind. Wer partiell oder im Grundsatz andere Auffassungen zur Entstehung der DDR vertreten will, als ich sie entwickelt habe, wird schon zeigen müssen, dass seine Interpretation mit den jetzt zugänglichen Quellen besser in Einklang zu bringen ist als die von mir vorgetragene. Im Übrigen sollte man sehen, dass das von mir gezeichnete Bild im Grundsatz gar nicht so neu ist, wie schlecht informierte Rezensenten behaupten. Die sorgfältigeren unter den Beobachtern der sowjetischen Deutschlandpolitik haben immer schon eine gewisse Widersprüchlichkeit registriert. Die internen Quellen, die jetzt zugänglich geworden sind, zeigen nur, dass dieser Widerspruch nicht einfach auf dem Ringen zweiter gegensätzli-

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cher Denkschulen oder Machtgruppen beruhte, wie Boris Meissner36 und nach ihm viele andere angenommen hatten (darunter Wolfgang Leonhard37 und, zu einer Zeit, als die politische Linie des Herausgebers noch etwas anders aussah als heute, auch der »Spiegel«38), und dass Stalin auch nicht so souverän mit mehreren Eisen im Feuer hantierte, wie dies Hans-Peter Schwarz aufgrund einer scharfsinnigen Analyse des seinerzeit vorliegenden Materials vermutete.39 Was nach außen als Widerspruch erscheint, beruht vielmehr auf einem fundamentalen Gegensatz zwischen Programm und System, der sich nur punktuell zu einem Gegensatz von Personen und Fraktionen verdichtete. Ihn zu analysieren, heißt gleichzeitig zur Erklärung des Stalinismus beizutragen – eine Aufgabe, die, näher betrachtet, noch ganz in den Anfängen steckt. Nein: Die Geschichte der deutschen Teilung muss nicht »neu geschrieben werden«, wie Winkler für den Fall argwöhnt, dass sich mein Ergebnis »erhärten ließe«. Man kann nur noch sicherer als bislang schon sagen, dass es zur Politik der Weststaatsgründung und Westintegration eine mindestens ebenso gut begründbare Alternative gab. Und man bekommt ein Gespür dafür, wie gering die Chance für diese Alternative gleichwohl war – aufgrund westlicher Sicherheitsneurosen ebenso wie infolge kommunistischen Klassenkampf-Denkens. Dass dies keine sonderlich angenehme Botschaft ist, zumal in Zeiten, in denen Ost- und Westdeutsche die problematische DDR-Vergangenheit gemeinsam zu bewältigen haben, liegt auf der Hand. Nur ist niemandem damit gedient, wenn man sie unter allerlei abstrusen Ausflüchten ignoriert oder um billiger Effekte willen zur Karikatur verzerrt.

36 Boris Meissner, Rußland, die Westmächte und Deutschland. Die sowjetische Deutschlandpolitik 1943–1953, Hamburg 1953. 37 Vgl. etwa seinen Beitrag in: Der Weg nach Potsdam. Zur Gründungsgeschichte der DDR, München / Wien 1980, S. 32–42. 38 Heinz Höhne, »Berija wollte die DDR liquidieren«, in: Der Spiegel vom 13.06.1983, S. 75–88. 39 Hans-Peter Schwarz, Vom Reich zur Bundesrepublik. Deutschland im Widerstreit der außenpolitischen Konzeptionen in den Jahren der Besatzungsherrschaft 1945–1949, Berlin / Neuwied 1966, S. 201–269.

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Die sowjetische Nachkriegsplanung hinsichtlich der Zukunft Deutschlands wurde von zwei Konstanten bestimmt: Einerseits ging es um die Wiederherstellung der Westgrenze der Sowjetunion, wie sie vor dem deutschen Angriff am 22. Juni 1941 bestanden hatte, und damit um die Sicherung der Machtstellung, die die Sowjetunion mit der Verwirklichung des geheimen Zusatzprotokolls zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom 24. August 1939 erworben hatte. Zum anderen ging es um Begrenzung und Kontrolle der deutschen Macht und damit um dauerhafte Sicherheit vor einem abermaligen deutschen Angriff. Das Trauma des 22. Juni 1941 saß tief und die Leiden, die der deutsche Vernichtungskrieg verursachte, wogen schwer. Nie wieder sollten die Deutschen in der Lage sein, die Sowjetunion mit einem Vernichtungskrieg zu überziehen. Sicherheit vor Deutschland war nach Lage der Dinge nur auf der Grundlage einer Verständigung mit den westlichen Verbündeten zu erreichen; darum gingen alle Planungen von der Fortdauer des Bündnisses über das Kriegsende hinaus aus und wurden die einzelnen Maßnahmen zur Bändigung des deutschen Potentials auch mit Blick auf die entsprechenden Überlegungen der Verbündeten formuliert. »Das Problem Deutschlands und seiner Satelliten ist eine Frage der großen Politik der Staaten der Antihitlerkoalition«, erläuterte Stalin den Spitzen der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland nach Kriegsende.1 Artikuliert wurde die sowjetische Nachkriegsplanung in ihren Grundzügen von Stalin persönlich. Die Spezialisten des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten steuerten ihre Ausarbeitungen bei, und ab November 1942 wurden auch verschiedene interministerielle Kommissionen eingerichtet, die zu spezifischen Fragen Stellung nahmen. Alle diese Ausarbeitungen 1 Wladimir S. Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow. Ein halbes Jahrhundert in diplomatischer Mission 1939–1991, Berlin 1995, S. 248.

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wurden jedoch in der Erwartung formuliert, damit die Absichten Stalins zu treffen; und häufig griff der Generalissimus auch korrigierend in die Detailplanung ein, was deren Kohärenz meist nicht förderlich war.2 Hinsichtlich der künftigen staatlichen Gestalt Deutschlands orientierte sich Stalin zunächst am Prinzip der Aufteilung. »Was die Absichten Stalins angeht«, teilte Außen-Volkskommissar Wjatscheslaw M. Molotow dem sowjetischen Botschafter in London, Iwan T. Majskij am 21. November 1941 mit, »so denkt er, dass Österreich als ein unabhängiger Staat von Deutschland abgetrennt werden soll und Deutschland selbst in viele mehr oder weniger unabhängige Staaten aufgeteilt werden soll, um damit eine Garantie für die zukünftige Ungestörtheit der europäischen Staaten zu schaffen«3. Im Gespräch mit dem britischen Außenminister Eden am 16. Dezember 1941 erläuterte Stalin, »dass er die Schwächung Deutschlands für absolut notwendig hält, in erster Linie durch die Abtrennung des Rheingebiets mit seiner Industrieregion vom übrigen Preußen. Wie das weitere Schicksal des Rheingebietes aussehen würde – ob das ein unabhängiger Staat sein soll, ein Protektorat usw. – kann man im Weiteren besprechen. Wichtig ist die Abtrennung an sich.« Nach dem britischen Protokoll fügte er an dieser Stelle hinzu: »Ich denke, dass dies die einzige Garantie ist, die sicherstellt, dass Deutschland auf Dauer geschwächt wird.« Zur Abtrennung des Rheingebietes und zur Wiederherstellung Österreichs als unabhängiger Staat sollte nach seinen Überlegungen »vielleicht« auch die Errichtung eines unabhängigen bayerischen Staates kommen. Außerdem sollte das ostdeutsche Gebiet »bis zur Oder« an Polen gegeben werden, und das Gebiet um Tilsit und nördlich der Memel sollte an die litauische Sowjetrepublik angegliedert werden. Im Entwurf für ein geheimes Zusatzprotokoll zu dem geplanten britisch-sowjetischen Vertrag hieß es, darüber noch hinausgehend, dass »die Teile Preußens (einschließlich Königsbergs), die an Litauen grenzen, für zwanzig Jahre als eine Garantie für die Wiedergutmachung der 2 Vgl. Jochen Laufer, Einführung, in: SSSR i germanskij vopros, S. 29–47, hier S. 42–46. 3 SSSR i germanskij vopros, S. 118 f.

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Kriegsschäden an die UdSSR gehen.« Edens vorsichtigen Einwand, dass Abtrennungen ohne Unterstützung durch separatistische Bewegungen neuen Irredentismus hervorzurufen drohten, wischte Stalin barsch beiseite: »Gerade solche Überlegungen führten zum Krieg.« Über die Abtrennungen und Abtretungen hinaus enthielt Stalins erstes Konzept noch zwei weitere Komponenten: Deutschland und seine Satelliten sollten Reparationen leisten für den Schaden, »den sie Großbritannien, der Sowjetunion und anderen Ländern zugefügt hatten«. Diese Reparationen sollten, pflichtete er Eden bei, in Sachleistungen erfolgen, nicht durch Geldtransfer wie nach dem Ersten Weltkrieg. »Das Beste wäre es, Deutschland und Italien die modernsten Anlagen zugunsten der besetzten Länder zu nehmen.« Sodann sei zur »Aufrechterhaltung von Frieden und Ordnung« im künftigen Europa eine »gewisse militärische Kraft« erforderlich. Dazu sollte eine »militärische Union der demokratischen Staaten« geschaffen werden, gelenkt von »einer Art Rat«, dem eine »internationale militärische Kraft zur Verfügung« stehen würde.4 Nach dem Besuch Edens begann das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten, diese Vorstellungen im Kontext der Planungen für die gesamte Nachkriegsordnung weiter auszuarbeiten. Am 28. Januar 1942 setzte das Politbüro dazu eine Kommission unter dem Vorsitz von Molotow ein.5 Die Arbeiten gediehen jedoch vorerst nicht allzu weit. Als hinderlich erwies sich, dass sich die westlichen Verbündeten nicht auf eine vertragliche Fixierung von Kriegszielen festlegen ließen. Außerdem kam die dringend benötige »Zweite Front« zur Entlastung von deutschem Druck auf die Sowjetunion im Laufe des Jahres 1942 4 Sowjetisches Protokoll in: SSSR i germanskij vopros, S. 124–135, britisches Protokoll in PRO CAB 66/22, W.P.,42, 8, auszugsweise veröffentlicht in Dokumente zur Deutschlandpolitik, I. Reihe / Band 1: 3. September 1939 bis 31. Dezember 1941. Britische Deutschlandpolitik, Frankfurt/Main 1984, S. 592–597, vgl. auch die Referierung bei Ernest L. Woodward, British Foreign Policy in the Second World War, Bd. 2, London 1971, S. 226–236; der Entwurf des Zusatzprotokolls veröffentlicht bei O. A. RĪeševskij, Der Besuch A. Edens in Moskau im Dezember 1941. Verhandlungen mit I. V. Stalin und V. M. Molotow (russisch), in: Novaja i novejšaja istorija 2 (1994), S. 85–102. 5 Lossowskij an Stalin und Molotow 26.12.1941, SSSR i germanskij vopros, S. 141–143; Beschluss vom 28.1.1942 ebd. S. 146–148.

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nicht zustande; damit entfiel der Druck, rasch zu präzisen Vorschlägen zu kommen.6 Im Zuge der Verschlechterung der Beziehungen zu den Westmächten, die sich aus der Verzögerung der »Zweiten Front« ergab, wandte sich Stalin im November 1942 der Idee zu, die Deutschen zum Sturz Hitlers zu mobilisieren. Bei der Planung eines »deutschen antifaschistischen Komitees ›Freies Deutschland‹« betonte er, »dass es mit Blick auf die Deutschen notwendig sei, auf die Gefahr einer Teilung und Vernichtung Deutschlands hinzuweisen, eine Gefahr, die man nur durch den Sturz Hitlers abwenden könne. Denn mit Hitlerdeutschland werde niemand Frieden schließen. Der Kampf für um die Rettung Deutschlands vor dem Untergang, für die Wiederherstellung der demokratischen Rechte und Freiheiten des deutschen Volkes, für die Errichtung einer parlamentarischen Ordnung usw. – das müssten die Aufgaben des antifaschistischen Komitees der deutschen Patrioten sein.«7 Verstärkt wurden solche Überlegungen durch Geheimdienstinformationen vom Dezember 1942, wonach »die höchsten deutschen Offiziere Hitler gegenüber oppositionell eingestellt sind und nach möglichen Wegen suchen, aus dem Krieg auszuscheiden«8. Im Juni 1943 wurde die in Moskau exilierte KPDFührung zu Verhandlungen mit kriegsgefangenen deutschen Wehrmachtsangehörigen in verschiedene Kriegsgefangenenlager geschickt. Daraus ergab sich die offizielle Gründung des »Nationalen Komitees Freies Deutschland« (NKFD) am 12./13. Juli 1943 im Lager Krasnogorsk bei Moskau. Das Gründungsmani6 Vgl. John L. Gaddis, The United States and the Origins of the Cold War 1941–1947, New York 1972, S. 66–80; Mark A. Stoler, The Politics of the Second Front: American Military Planning and Diplomacy in Coalition Warfare 1942–1943, Westport, Conn. 1977. 7 Tagebucheintrag Georgi Dimitroffs zu einer Besprechung bei Stalin am Abend des 5.12.1942, bei der in Anwesenheit von Molotow, Woroschilow, Berija, Malenkow, Mikojan und Schtscherbakow der Entwurf des Komintern-Generalsekretariats für die Bildung eines solchen Komitees diskutiert wurde. Georgi Dimitroff, Tagebücher 1933–1943, Berlin 2000, S. 708. 8 Geheimdienstbericht an Dimitroff 19.12.1942, zit. n. Aleksej Filitov, Die sowjetische Deutschlandplanung zwischen Parteiräson, Staatsinteresse und taktischem Kalkül, in: Hans-Erich Volkmann (Hg.), Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkriegs, München / Zürich 1995, S. 117–139, hier S. 125.

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fest, hervorgegangen aus sowjetischer Vermittlung zwischen einem Entwurf von Walter Ulbricht und einem wesentlich »bürgerlicheren« Gegenentwurf von kriegsgefangenen Offizieren, übernahm Stalins Begründung für einen Sturz Hitlers durch die Deutschen. Als Kampfziel nannte es »eine starke demokratische Staatsmacht, die nichts gemein hat mit der Ohnmacht des Weimarer Regimes, eine Demokratie, die jeden Versuch des Wiederauflebens von Verschwörungen gegen die Freiheitsrechte des Volkes oder gegen den Frieden Europas rücksichtslos schon im Keim erstickt.« Neben den bürgerlichen Grundrechten sollten die »Freiheit der Wirtschaft, des Handels und des Gewerbes« garantiert werden, ebenso das Recht auf Arbeit und rechtmäßig erworbenes Eigentum.9 Es erscheint plausibel, dass die Schaffung einer demokratischen Ordnung durch eigene Initiative der Deutschen für Stalin eine akzeptable Alternative zur Aufteilung des Deutschen Reiches gewesen wäre. Zu diesem Zeitpunkt weigerte er sich noch, sich der anglo-amerikanischen Forderung nach »bedingungsloser Kapitulation« anzuschließen. In der Propaganda des Nationalkomitees dominierte bis Ende 1943 die Losung von der Rückführung des deutschen Heeres an die Reichsgrenzen durch verantwortungsbewusste Generäle, die sich den Befehlen Hitlers widersetzten.10 Welche Sicherheitsgarantien die sowjetische Führung darüber hinaus von einem demokratischen Deutschland verlangt hätte, muss offen bleiben. Vermutlich ist darüber nicht systematisch nachgedacht worden, zumal Art und Ausmaß der Sicherheitsgarantien ja auch von den Umständen des Kriegsendes und den politischen Kräfteverhältnissen im befreiten Deutschland abhingen, die man nicht voraussehen konnte. Ohnehin standen bei dem NKFD-Unternehmen die taktischen Überlegungen einer Schwächung der deutschen Front und des Drucks auf die Alliierten im Vordergrund. Auch galt es, einen separaten Friedensschluss zwischen den Westmächten und den deutschen Generälen zu verhindern. Als die Planungen für eine 9 Manifest des Nationalkomitees »Freies Deutschland« an die Wehrmacht und an das deutsche Volk, 13.7.1943, in: Horst Laschitza / Siegfried Vietzke, Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung 1933–1945, Berlin 1964, S. 397. Vgl. Erler / Laude / Wilke, Nach Hitler, S. 63–68. 10 Ebd. S. 68.

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Landung der westlichen Alliierten an der Atlantikküste endlich konkrete Formen annahmen und Stalin dem Drängen Roosevelts auf ein baldiges Gipfeltreffen nicht mehr ausweichen konnte, wurden auch die Planungen für eine gemeinsam zu verantwortende Friedensordnung der Alliierten wieder intensiviert. Am 4. September 1943 setzte das Politbüro dazu eine neue Kommission zur Beratung der »Friedensverträge und der Nachkriegsordnung« ein, diesmal unter dem Vorsitz des früheren Außenkommissars Maxim M. Litwinow, der dazu von seinem Botschafterposten in Washington zurückberufen worden war. Ebenso wurde eine Kommission zur Vorbereitung der Waffenstillstandsbedingungen gebildet, die unter dem Vorsitz von Marschall Kliment Woroschilow zusammentrat und hauptsächlich aus Vertretern der militärischen Führung bestand. Im November 1943 folgte noch eine Kommission zur Vorbereitung der Reparationsforderungen. Mit ihrer Leitung wurde Majskij beauftragt, der im Juli 1943 seinen Botschafterposten in London verlassen hatte und nun das Amt eines stellvertretenden Volkskommissars für Äußeres bekleidete.11 Die Konkretisierung der Planungen begann mit einer Erörterung der Folgen unterschiedlicher Varianten zur Aufteilung Deutschlands, die Eugen S. Varga, Direktor des Instituts für Wirtschaft an der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften und später Mitglied der Reparationskommission am 27. September 1943 an Litwinow schickte. Varga ging davon aus, dass den Deutschen die Gebietserwerbungen nach 1937 in jedem Fall weggenommen würden, ebenso Ostpreußen und das Saargebiet, das wieder einen besonderen Status als Pufferzone erhalten sollte. Für das verbliebene deutsche Staatsgebiet diskutierte er drei Varianten, die sich an historischen Traditionen orientierten: eine Aufteilung in drei Staaten (Preußen, Süddeutschland mit Österreich und ein Niederrhein-Pufferstaat); die Bildung von vier Staaten (Preußen, Österreich, Süddeutschland mit Sachsen und der Niederrhein-Pufferstaat); schließlich die Bildung von sieben 11 Istochnik 1994, 4, S. 118; Aleksej Filitov, Problems of Post-War Construction in Soviet Foreign Policy Conceptions during World War II, in: Francesca Gori / Silvio Pons (Hg.), The Soviet Union and Europe in the Cold War, 1943–53, London / New York 1996, S. 3–22, hier S. 4.

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Staaten (Preußen, Österreich, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und der Niederrhein-Pufferstaat). Eine »starke Reduzierung des jetzigen Kriegspotentials Deutschlands« sah er bei jeder dieser Varianten als gegeben an. Allerdings würde Rest-Preußen ohne Kontrolle fast die militärische Stärke erreichen, die Frankreich vor dem Krieg besessen hatte; und ein vereintes Süddeutschland würde ungefähr halb so stark sein wie das reduzierte Preußen.12 Litwinow versorgte dann Molotow im Hinblick auf die bevorstehende erste Außenministerkonferenz der drei Alliierten am 9. Oktober 1943 mit Informationen über die westlichen Planungen und Überlegungen zur eigenen Positionierung. Nach der Referierung der unterschiedlichen Positionen zur Aufteilungsfrage im Kreis der Westmächte argumentierte er zugunsten der Aufteilungsbefürworter: »Wenn man den Gegnern der Aufteilung dahingehend zustimmt, dass die Idee der Einheit im deutschen Volk so stark ist, dass Deutschland nach einer Reihe von Jahren zur Wiedervereinigung der zerteilten Teile Deutschlands kommt, kann man doch nicht bestreiten, dass das aufgeteilte Deutschland in der gleichen Zeit (und diese Zeit dürfte wahrscheinlich einige Jahrzehnte betragen) doch so geschwächt sein wird, dass es nicht mehr über Revanche und neue Aggressionen nachdenken kann. Außerdem würde ein einheitliches Deutschland trotz aller Maßnahmen der Unschädlichmachung eine neue Gefahr für Europa darstellen.«

Sodann betonte er, dass Westfalen und die Rheinprovinz, weil sie »die Hauptgrundlage der Industrie und Kriegsindustrie Deutschlands darstellen«, auf jeden Fall von Preußen abgetrennt werden müssten. Als »Grundlage für die Aufteilung« könne daher die Drei-Staaten-Variante genommen werden, die der amerikanische Präsident Roosevelt Eden gegenüber ins Gespräch gebracht hatte.13 Die Argumente der Aufteilungsgegner aufgreifend betonte Außenamts-Mitarbeiter Jakob Suritz in zwei Memoranden für die Litwinow-Kommission, dass die Zerschlagung der deutschen Einheit von einem Teil der Deutschen »höchstwahrscheinlich« auch positiv aufgenommen würde: als »Befreiung von der Hege12 Varga an Litwinow 27.9.1943, SSSR i germanskij vopros, S. 252–263. 13 Litwinow an Molotow 9.10.1943, ebd. S. 286–305.

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monie Preußens.« Um den Gefahren vorzubeugen, die dennoch in der Aufteilung steckten, empfahl er sie so durchzuführen, »dass nach Möglichkeit wenig Gefühle Deutschlands berührt werden.« Folglich sollten »historische Vergangenheit und Traditionen« berücksichtigt werden, ebenso »so weit als möglich das Prinzip der geographischen Einheit« und »wirtschaftliche Überlegungen.« Eine Zerstückelung in ganz kleine Staaten sollte vermieden werden, da diese nicht lebensfähig wären und deswegen ganz schnell auf Wiedervereinigung drängen würden. Auf jeden Fall sollte aber Preußen in seiner bisherigen Machtstellung beschnitten werden. Neben der Abtrennung von Ostpreußen und Schlesien gehörte für ihn dazu die Separierung Westfalens und der Rheinprovinzen als »Minimum«.14 Nachdem sich Stalin auf der Konferenz von Teheran am 1. Dezember 1943 erneut entschieden für das Prinzip der Aufteilung ausgesprochen hatte, verteidigte Majskij sie in einem umfangreichen Memorandum, das er am 11. Januar 1944 an Molotow schickte, mit Kopien an Stalin, Woroschilow, Mikojan, Berija, Litwinow und Dekanossow (»meine Gedanken zur Nachkriegsordnung«), noch einmal als das geringere Übel. Gleichzeitig plädierte er für weitere Maßnahmen, die zusammen genommen sicher stellen sollten, dass Deutschland wenigstens »für 30 oder 50 Jahre« keine Gefahr mehr darstellt: Besetzung der »strategisch wichtigen Punkte« für mindestens zehn Jahre, militärische und wirtschaftliche Entwaffnung, ideologische Umerziehung, Reparationen und Reparationsleistungen »von einigen Millionen Arbeitskräften jährlich«, harte Bestrafung der Kriegsverbrecher. Majskij machte darauf aufmerksam, dass die wirtschaftliche Entwaffnung ein komplexes Problem darstellen und auch die Umerziehung nicht einfach zu erreichen sein würde. Die Belastungen, die auf das deutsche Volk zukämen, konnten nur allmählich gelockert werden, in dem Maße, wie die Umerziehung erfolgreich sein würde: »Wenn das deutsche Volk auf dem Gleis der Gründung eines sozialistischen Deutschlands sein wird, kann man die Presse ganz abnehmen, aber das ist noch nicht die Musik der Zukunft.«

14 Memoranden Suritz 11.10.1043, SSSR i germanskij vopros, S. 305–312.

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Darüber hinaus stellte Majskij die Umgestaltung Deutschlands in den Kontext der allgemeinen Entwicklung in Europa und der Zusammenarbeit der Alliierten. Als Prinzip für die innere Ordnung der Länder des befreiten Europas postulierte er die Orientierung an »den Prinzipien der breiten Demokratie im Geist der Volksfront-Idee.« Für Länder wie Norwegen, Dänemark, Holland, Belgien, Frankreich und die Tschechoslowakei erwartete er die Verwirklichung solcher Demokratien ohne irgendeinen Druck von außen. Dagegen hielt er es nicht nur im Hinblick auf Deutschland für erforderlich, auf die innere Entwicklung von außen Einfluss zu nehmen, sondern auch in Italien, Japan, Ungarn, Rumänien, Finnland, Bulgarien, Polen, Jugoslawien, Griechenland und Albanien. Die Verantwortung für die Demokratisierung dieser Länder würde »in erster Linie« bei der UdSSR, den USA und England liegen. Majskij hielt es für wahrscheinlich, dass die Alliierten diese Verantwortung gemeinsam wahrnehmen würden: »Es gibt Gründe für die Annahme, dass es, was die Demokratisierung der Regime im Nachkriegseuropa betrifft, für die UdSSR, die USA und England möglich sein wird, zusammenzuarbeiten, auch wenn das nicht immer leicht sein wird.«

Weiter verlangte er die »Gründung eines neuen effektiven Sicherheitssystems in Europa und außerhalb Europas.« Wie es aussehen würde, wusste er nicht genau zu sagen, doch betonte er, dass in jedem Fall die »Großen Vier« (also die drei Alliierten plus das von den USA ins Spiel gebrachte China) die entscheidende Rolle spielen müssten. Die zukünftige Friedensorganisation sollte in der Lage sein, »eigene Entscheidungen zu treffen« und, wenn erforderlich, auch mit Zwang durchzusetzen. In Europa sollte nur noch eine starke Landmacht verbleiben, nämlich die UdSSR, und eine starke Seemacht, England. Gegen britische Militärstützpunkte in Belgien und Holland hätte die UdSSR nichts einzuwenden; britische und möglicherweise auch amerikanische Militärstützpunkte in Norwegen sollten dagegen nach Möglichkeit vermieden werden. Frankreich sollte als eine »mehr oder weniger große Macht« wiederentstehen. Polen sollte strikt nach dem Prinzip der Ethnizität wiederhergestellt werden, wobei der überwiegende Teil Ostpreußens und »ein Teil Schlesiens« dem polnischen Staat zugeordnet werden sollten.

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Abschließend stellte Majskij die angestrebte »Stärkung der freundschaftlichen Beziehungen zu den USA und England« in einen Zusammenhang mit dem absehbaren Aufstieg der USA und der Schwächung Großbritanniens: Die wirtschaftliche Expansion der USA werde »weitgehend an uns vorbeigehen«, und zumindest in der ersten Nachkriegszeit sei die UdSSR noch außerhalb der Reichweite der amerikanischen Luftwaffe. Gleichzeitig würden sich die USA zum »mächtigsten Feind Englands auf dem Weltmarkt« entwickeln, und das werde England »immer mehr« an die Seite der UdSSR führen. Da die Briten ein Gegengewicht zu dem »dynamischen Imperialismus« der USA bildeten, müsste die UdSSR daran interessiert sein, »England als Großmacht zu erhalten.« Daraus folgte auch die Empfehlung, die britischen Interessen, etwa im Mittelmeerraum, zu respektieren: »An Griechenland ist die UdSSR weit weniger interessiert als an den anderen Balkanstaaten, während England hier ganz außerordentlich interessiert ist.« Die Aussicht, dass »Europa sozialistisch werden« könnte, fehlte in diesem Szenario nicht ganz. Es war dies allerdings eine Perspektive für eine ferne, ganz unbestimmte Zukunft nach der Phase der Kooperation der Siegermächte. »Vorzeitige« Revolutionen erschienen im Hinblick auf die angestrebte lange Friedensperiode von 30 oder 50 Jahren geradezu als kontraproduktiv: »Sollte die unmittelbare Nachkriegsperiode zur Entfesselung proletarischer Revolutionen in Europa führen, werden die Beziehungen zwischen der UdSSR auf der einen und den USA und England auf der anderen Seite sicher durch Spannungen und sogar scharfe Spannungen belastet werden. Wenn jedoch in der unmittelbaren Zukunft keine proletarische Revolution in Europa stattfindet, gibt es keinen Grund für die Erwartung, dass diese Beziehungen schlecht sein werden.«

Majskji unterstrich, dass sein Konzept auf der Annahme beruhte, »dass der Krieg zu keiner wirklichen proletarischen Revolution in Deutschland führen wird.« Sollte sich diese Annahme als falsch erweisen, müsste auch das Konzept überarbeitet werden.15 15 Majskij an Molotow 11.1.1944, Istochnik 1995, Nr. 4, S. 124–144; SSSR i germanskij vopros, S. 333–360; vgl. auch das Referat bei Filitov, Problems, S. 7–12. – Majskij argumentierte in diesem Zusammenhang keineswegs, »it would be necessary for Europe to become Socialist«, so die irreführende Referierung bei Norman Friedman, The Fifty Year War. Conflict and Strategy in the Cold War, London 2000, S. 13.

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Während in diesem Memorandum noch überhaupt kein prinzipieller Unterschied zwischen dem westlichen und dem östlichen Europa gemacht wurde, sah eine Ausarbeitung der LitwinowKommission »Über die Aussichten und möglichen Grundlagen der sowjetisch-britischen Kooperation«, die am 15. November 1944 fertig gestellt wurde, eine Verständigung mit Großbritannien über die »freundschaftliche Abgrenzung von Sicherheitssphären in Europa« vor. Als »maximale Interessensphäre für die Sowjetunion« wurden »Finnland, Schweden, Polen, Ungarn, Tschechoslowakei, Rumänien, die slawischen Balkanländer und auch die Türkei« genannt, als »Länder der britischen Sphäre« Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal und Griechenland. Die Abgrenzung wurde dahingehend definiert, dass niemand in der Sphäre des anderen militärische Stützpunkte oder »enge Beziehungen« gegen den Willen des anderen unterhalten sollte. Darüber hinaus sollte es aber auch noch eine »dritte, neutrale Sphäre« geben, »die Norwegen, Dänemark, Deutschland, Österreich und Italien umfasste.« Hier sollten »beide Seiten [die britische und die sowjetische] auf der gleichen Grundlage und in regelmäßiger wechselseitiger Konsultation zusammenarbeiten.«16 Hinsichtlich der Aussichten auf die Verwirklichung der Kooperation mit den Westmächten setzten die sowjetischen Spitzendiplomaten zum Teil unterschiedliche Akzente. Andrej Gromyko, Litwinows Nachfolger als Botschafter in Washington, betonte in einem ausführlichen Schreiben Molotow am 14. Juli 1944, die USA würden »die Errichtung bürgerlich-demokratischer Regime in Westeuropa und insbesondere in Deutschland unterstützen« und »zumindest für eine gewisse Zeit Regierungen faschistischen Typs bekämpfen.« Da er zudem ein genuines Interesse der USA an Friedenssicherung und eine wechselseitige Ergänzung der amerikanischen und sowjetischen wirtschaftlichen Interessen ausmachte (letzteres ein Argument, das Litwinow teilte), glaubte er insgesamt feststellen zu können, dass »trotz möglicher Schwierigkeiten, die von Zeit zu Zeit in unseren Beziehungen zu den Vereinigten Staaten auftreten können, die notwendigen Bedingungen für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen unse-

16 Zit. n. Filitov, Problems, S. 12 f.

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ren Ländern in der Nachkriegszeit zweifellos gegeben sind«17. Majskij betonte, »die Vereinigten Staaten und England könnten eine entscheidende Hilfe für den Wiederaufbau unserer Nationalökonomie nach dem Krieg leisten«18. Dagegen wies Litwinow bei einer Diskussion der Ausarbeitungen zur Kontrolle Deutschlands am 15. März 1944 auf die »Möglichkeit des Auseinandergehens« der drei Großmächte hin, zumindest im Hinblick auf die militärische und wirtschaftliche Entwaffnung Deutschlands. Daraus resultierte nach seiner Überzeugung die Gefahr einer Lockerung der Kontrolle, vielleicht sogar der »aktiven Förderung der Aufrüstung und Reindustrialisierung Deutschlands« durch die Westmächte.19 In einem Memorandum vom 10. Januar 1945 warnte er vor »Missverständnissen und Spannungen«, die aus den »Unterschieden im Zugang zur Errichtung von Ordnungs- und Regierungssystemen in einigen Ländern Europas« resultierten konnten.20 Die Gefahr, dass die Westmächte von den Prinzipien der Entwaffnung und wirtschaftlichen Abrüstung wieder Abstand nahmen, ließ ihn allerdings umso entschiedener für die Aufteilung Deutschlands plädieren. Gegen die Einwände des Alt-Diplomaten Boris E. Stein, der in der Kommissionssitzung vom 14. März 1944 erneut auf die Widerstände bei den Deutschen und die Bedenken in den Reihen der Westmächte hinwies, argumentierte er, dass eine Aufteilung eventuelle Versuche zur Wiedererrichtung der deutschen Militär- und Wirtschaftsmacht zumindest erschweren würde: »Ein in viele unabhängige Staaten aufgeteiltes Deutschland wieder aufzurüsten und wieder in einen starken Industriestaat zu verwandeln, ist die

17 Zit. n. Vladimir O. Pechatnov, The Big Three after World War II: New Documents on Soviet Thinking about Post War Relations with the United States and Great Britain, Cold War International History Project Working Paper No. 13, Washington 1995, S. 7 f.; eine etwas ungenaue Übersetzung dieses Dokuments auch bei Amos Perlmutter, FDR and Stalin: A Not So Grand Alliance, 1943–1945, Columbia / London 1993, S. 259–278. 18 Zit. n. Wladislaw Subok / Konstantin Pleschakow, Der Kreml im Kalten Krieg. Von 1945 bis zur Kubakrise, Hildesheim 1997, S. 57. 19 Protokoll der Sitzung der Kommission für Friedensverträge und Nachkriegsordnung vom 14.3.1944, SSSR i germanskij vopros, S. 450–454. 20 Zit. n. Pechatnov, The Big Three, S. 10 f.

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Sache vieler und vieler Jahrzehnte, und nur darin sehe ich den Sinn der Aufteilung.«21

Mit Blick auf die historischen Traditionen plädierte er jetzt für die Sieben-Staaten-Variante: Preußen unter Abtretung von Ostpreußen, Oberschlesien und Schleswig und Bildung eines Rheinisch-Westfälischen Staates sowie eines zweiten Nordstaates aus Hessen-Nassau, Hannover, Oldenburg und Bremen, dazu dann Sachsen, Bayern, Württemberg und Baden als eigenständige Staaten im Süden. Eine Vereinigung der vier Südstaaten lehnte er als ersten Schritt zu einer Wiedervereinigung ganz Deutschlands ab. Sollten, wie er befürchtete, die Westmächte auf einem größeren süddeutschen Staat bestehen, empfahl er, diesen wenigstens mit »maximaler Autonomie« seiner historischen Bestandteile zu organisieren (»eher Staatenbund als Bundesstaat«).22 In dieser Form wurden die Empfehlungen der Kommission zur Aufteilungsfrage verabschiedet. Sie stellten bis zum Beginn des Jahres 1945 die verbindlichste Planungsgrundlage hinsichtlich der territorialen Neugestaltung Mitteleuropas dar.23 Bei der Vorbereitung der Konferenz von Jalta äußerte Molotow allerdings Bedenken, ob eine solche rigide Aufteilung bei den Westmächten durchzusetzen wäre. Litwinow empfahl daraufhin, »von der Anfangsposition der maximalen Aufteilung auszugehen und später so weit wie erforderlich nachzugeben.« Als Auffangposition schien ihm eine Vier-Staaten-Lösung vertretbar zu sein, die sich aus der Zusammenlegung nichtpreußischer Gebiete ergab. Der Nordweststaat sollte mit dem rheinisch-westfälischen Staat zusammengelegt werden, Sachsen mit Bayern, Württemberg mit Baden; dazu sollten diesem Südweststaat auch noch HessenDarmstadt und Hessen-Nassau angegliedert werden. Abschließend betonte Litwinow, dass »natürlich auch andere Varianten möglich« seien.24 Andrej J. Wyschinskij als Stellvertretender Kommissar des Äußeren leitete diese Stellungnahme am 17. Januar 1945 an 21 Protokoll der Sitzung vom 14.3.1944, wie Anm. 19. 22 Ausarbeitung »Über die Behandlung Deutschlands« vom 9.3.1944, SSSR i germanskij vopros, S. 419–449. 23 Vgl. ein »Resümee« der Ausarbeitung »Über die Behandlung Deutschlands«, das Litwinow am 12.1.1945 vorlegte, ebd. S. 598–600. 24 Nachtrag zum Resümee 16.1.1945, ebd. S. 600.

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Molotow weiter, fügte aber hinzu, dass es seiner Auffassung nach »sinnvoller« wäre, »eine dritte mögliche Variante vorzuschlagen, wonach Deutschland [...] in fünf Staaten aufgeteilt werden würde.« Neben Preußen sollen dies ein mitteldeutscher Staat aus Sachsen und Thüringen sein, ein süddeutscher Staat aus Bayern, Württemberg und Baden, der rheinisch-westfälische Staat und der Nordweststaat aus Hannover, Oldenburg und Bremen.25 Eine Entscheidung zwischen den verschiedenen Varianten der Aufteilung wurde nicht getroffen. Stalin entschied sich vielmehr dafür, zunächst die Vorschläge der britischen und amerikanischen Verbündeten abzuwarten und dann auf der Grundlage der Empfehlungen der Litwinow-Kommission zu verhandeln. Gleich zu Beginn der Konferenz von Jalta drängte er darauf, in der Frage der Aufteilung »eine definitive Entscheidung zu treffen.« Als er damit nicht sogleich Erfolg hatte, beschwor er die Verbündeten, sich jetzt wenigstens auf das Prinzip der Aufteilung zu verständigen.26 Nach der Vorgeschichte kann kein Zweifel sein, dass der Sowjetdiktator mit dieser Verhandlungsinitiative tatsächlich die Aufteilung Deutschlands in mehrere Staaten anstrebte. Von diesem Ziel war er zunächst auch nicht dadurch abzubringen, dass die Verbündeten ausweichend reagierten. Für die Verhandlungen im alliierten Dismemberment-Committee, das in Jalta eingesetzt wurde, forderte Botschafter Gusew umfangreiches Material und Expertenwissen aus Moskau an. Gleichzeitig empfahl er in Fortsetzung der bisherigen Verhandlungsstrategie, die Ergebnisse der Litwinow-Kommission »als Grundlage für die Besprechung in der Kommission« zu nehmen, »wenn Engländer und Amerikaner ihrerseits als Erste Vorschläge machen.«27 Botschaftsrat Nikolaj Iwanow arbeitete einen Entwurf für eine »gemeinsame Grundsatzdirektive« der drei Siegermächte aus, die die Verständigung auf die Aufteilung bekräftigen sollte:

25 Wyschinski an Molotow 17.1.1945, ebd. S. 597 f. 26 Britisches Protokoll der Sitzung vom 5.2.1945 in Rolf Steininger (Hg.), Die Ruhrfrage 1945/46 und die Entstehung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1988, S. 286–290. 27 Memorandum Gusews 14.2.1945, SSSR i germanskij vopros, S. 605 f.

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»Deutschland hört auf, als einzelner zentralisierter Staat zu existieren, und auf seinem Territorium wird eine Reihe von selbständigen und voneinander sowie von irgendeinem deutschen Organ unabhängigen Staaten gebildet.«28

Darüber hinaus sollte mit einer Verständigung über diese Direktive jetzt festgeschrieben werden, was Majskij als Prinzip für die innere Ordnung der neuen deutschen Staaten formuliert hatte: »Der Staatsaufbau in allen auf dem Territorium Deutschlands gegründeten Staaten wird demokratisch sein.« Für Preußen sollte beschlossen werden, dass es »seines Kriegspotentials enthoben und hauptsächlich in ein Agrarland mit einem geringen spezifischen Gewicht der Industrie umgewandelt wird, einer Industrie, die auf die Deckung des deutschen Bedarfs gerichtet ist.« Die »von Preußen abgetrennten Regionen der Schwerindustrie« sollten ebenso wie der Rhein und der Nord-Ostsee-Kanal »auf lange Frist (ca. 25 Jahre)« einer internationalen Kontrolle unterstellt werden, und auch für andere Territorien sollte eine internationale Kontrolle für eine gewisse Zeit »möglich« sein.29 Hinsichtlich der Abrüstung sah die Litwinow-Kommission die vollständige Auflösung der deutschen Armee vor. Sämtliche Waffenfabriken sollten demontiert werden. Die deutschen Staaten sollten natürlich weiterhin über Polizei und Grenzschutz verfügen, aber die Ausrüstung dieser Sicherheitsorgane sollte beschränkt bleiben. So sollte die Polizei »lediglich mit kaltem Gewehr und Pistolen« ausgestattet werden, dem Küstenschutz sollten lediglich Schnellboote zur Verfügung stehen. Zivile Luftfahrt sollte weiterhin erlaubt sein, aber die Flughäfen sollten unter der Kontrolle der Siegermächte stehen. Über die Einhaltung der Abrüstungsbestimmungen sollte eine Militärkommission der Alliierten wachen, die in den Hauptfragen nur einstimmig entscheiden konnte. Dieses Regime sollte zunächst für 25 Jahre gelten. Danach sollte die Militärkommission entscheiden, »in welchem Maße die oben genannten Maßnahmen abgeschwächt

28 Nikolaj B. Iwanow, Projekt der Direktive für das Dismemberment-Committee 12.3.1945, ebd, S. 614–616. 29 Ebd. S. 615.

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oder verändert werden können«; die Modifizierungen sollten alle zehn Jahre überprüft werden.30 Die Reparationskommission entwickelte zunächst einen Wiedergutmachungsplan, der am »Hungerminimum« für die deutsche Bevölkerung orientierte.31 Danach sollten aus dem bisherigen Machtbereich des Deutschen Reiches Industrieanlagen, Produkte und Dienstleistungen im Wert von insgesamt 75 Milliarden US-Dollar (in Preisen von 1938) für Reparationszwecke aufgebracht werden. 80 Prozent dieser Leistungen sollten direkt aus Deutschland kommen; 50 bis 80 Prozent der Gesamtsumme sollte die Sowjetunion erhalten. Im Einzelnen sollten aus Deutschland Industrieanlagen im Wert von 17 Milliarden Dollar entnommen werden. 6 Milliarden sollten durch Entnahmen aus der laufenden Produktion aufgebracht werden, verteilt über einen Zeitraum von zehn Jahren. 35 bis 40 Milliarden wurden als Gegenwart für den Einsatz deutscher Arbeiter und spezialisierter Fachkräfte beim Wiederaufbau der Sowjetunion berechnet. Dieser sollte sich ebenfalls über zehn Jahre erstrecken; nicht weniger als fünf Millionen deutscher Arbeitskräfte sollten in »Arbeitsarmeen« unter dem Kommando des NKWD an der Behebung der gewaltigen Kriegszerstörungen arbeiten.32 Die Summe der Reparationsleistungen, auf die die MajskijKommission in ihren Berechnungen kam, stand durchaus in einem nachvollziehbaren Verhältnis zu den Kriegsschäden, die die Sowjetunion erlitt. Nach den Schätzungen, die der stellvertretende Ministerpräsident Nikolaj Wosnessenskij Stalin Ende 1945 vorlegte, beliefen sich die sowjetischen Kriegsschäden auf etwa 700 Milliarden Rubel oder 30 Prozent des Nationaleinkommens.33 Das entsprach 128 Milliarden Dollar zum offiziellen Wechselkurs von 5,3 zu 1, der den Rubel allerdings stark unterbewertete. Die Reparationssumme von 132 Milliarden Goldmark, auf die sich die Alliierten nach dem Ersten Weltkrieg 30 Ausarbeitung »Über die Behandlung Deutschlands« 9.3.1944, wie Anm. 22. 31 Majskij an Molotow 3.3.1944, zit. n. Filitov, Problems, S. 6. 32 »Memorandum Nr. 1« 28.7.1944, SSSR i germanskij vopros, S. 508–516; Notiz »Zur Frage der Reparationen« 29.8.1944 sowie Majskij an Molotow 16.10.1944, referiert bei Filitov, Problems, S. 6. 33 Mitgeteilt bei Dimitri Wolkogonow, Stalin. Triumph und Tragödie. Ein politisches Porträt, Düsseldorf 1989, S. 682.

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geeinigt hatten, rechnete Majskij mit 30 Milliarden Dollar um. Mit Blick auf die Leistungsfähigkeit des Deutschen Reiches war er jedoch bereit, die Demontagen niedriger anzusetzen. Auf entsprechend kritische Nachfragen von Molotow präsentierte er im Dezember 1944 einen revidierten Reparationsplan, in dem die Summe der Demontagen von 17 auf 13 Milliarden Dollar reduziert war; das entsprach nach den Berechnungen seiner Experten 14 Prozent des nationalen Reichtums Deutschlands zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Dafür wurde der Wert der Lieferungen aus laufender Produktion von 6 auf 10 Milliarden heraufgesetzt, sodass die Gesamtsumme der Reparationsforderungen gleich blieb.34 Stalin dachte allerdings an wesentlich geringe Reparationssummen. Offensichtlich ohne Kenntnis der Berechnungen, die die Majskij-Kommission angestellt hatte, gab er in der dritten Dezemberwoche 1944 die Anweisung, bei der Europan Advisory Commission die Forderung nach Reparationen in Höhe von fünf Milliarden Dollar für die Sowjetunion vorzulegen. Majskij schrieb umgehend zurück, dass ihm diese Summe »zu gering« erscheine: Damit würde »das Kriegspotential Deutschlands nur wenig eingeschränkt, und die wirtschaftliche Abrüstung würde nicht effektiv genug sein.«35 Zur Vorbereitung der Konferenz von Jalta legte er Ende Januar 1945 noch einmal die Zahlen seines Memorandums vom 15. Dezember 1944 vor, einschließlich der Forderung nach Stellung von jährlich fünf Millionen Arbeitskräften in einem Zeitraum von zehn Jahren. Von den Lieferungen aus laufender Produktion wollte er 75 Prozent für die Sowjetunion einfordern, in der Hoffnung, »65 Prozent zu bekommen« – also 6,5 Milliarden.36 Stalin bestand letztlich darauf, dass zumindest die noch zu erwartenden Kriegszerstörungen in Deutschland mit einer Reduzierung des Demontagewerts von 13 auf 10 Milliarden Dollar in Anrechnung gebracht wurden. Auch wollte er nichts von einer taktischen Mehrforderung wissen, die über einen fünfzigprozentigen Anteil für die Sowjetunion hinausging. In dieser Form wurde der sowjetische Reparationsplan in Jalta präsentiert – also 34 »Memorandum Nr. 3« 15.12.1944, SSSR i germanskij vopros. S. 577–589. 35 Majskij an Stalin 19.12.1944, ebd. S. 589–591. 36 Majskij an Molotow, Ende Januar 1945, ebd. S. 601–605.

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als Forderung nach Demontagen und Lieferungen aus der laufenden Produktion im Wert von jeweils zehn Milliarden Dollar. Die Hälfte davon, also zweimal fünf Milliarden Dollar, sollte an die Sowjetunion gehen. Der Vorschlag eines gewaltigen Arbeitskräfte-Einsatzes in der Sowjetunion, den Molotow schon im November 1943 als »übertrieben« kritisiert hatte,37 wurde nur in allgemeiner Form vorgetragen und, als Churchill und Eden gegen die ihrer Meinung nach überhöhten Belastungen protestierten, nicht weiter verfolgt.38 Nach der Rückkehr von Jalta setzte Stalin am 25. Februar 1945 ein »Sonderkomitee für Deutschland« unter dem Vorsitz des stellvertretenden Ministerpräsidenten Georgij M. Malenkow ein, dem die Organisation der Demontagen und Güterentnahmen in den von der Roten Armee eroberten Gebieten oblag. Es sollte sicherstellen, dass die Sowjetunion in jedem Fall einen gewissen Anteil an Industrieanlagen und Produkten erhielt, unabhängig von der Verständigung mit den Westmächten, die sich auf der Konferenz von Jalta als schwierig erwiesen hatte. Dem Sonderkomitee gehörten Vertreter der sowjetischen Wirtschaftsplanung an; mit der bisherigen Deutschlandplanung hatten sie nichts zu tun. Wie weit sie sich in ihrer hastigen Entnahmepraxis an die Planungen der Majskij-Kommission hielten, muss offen bleiben.39 Wenig Überlegungen stellten die sowjetischen Planer an, wie die »Bildung eines demokratischen Regimes in Deutschland« und die »Umerziehung des deutschen Volkes zum Zwecke der Ausrottung der militaristischen und nazistischen Ideen« erfolgen sollten. Zwar wies Majskij in seiner Denkschrift vom Januar 1944 darauf hin, dass die »ideologische Abrüstung« denkbar schwierig und »höchst delikat« sei. Die von ihm angemahnte Beschäftigung mit dem Problem blieb jedoch aus. Als Litwinow An37 Vgl. Majskij an Molotow 14.11.1943, zit. n. Filitov, Problems, S. 17 f. 38 Foreign Relations of the United States (künftig: FRUS), Yalta, S. 620 f., 630 f., 702 f. u. 707. 39 Vgl. das Zeugnis von Vladimir Rudolph, The Administrative Organization of Soviet Control, 1945–1948, in: Robert Slusser (Hg.), Soviet Economic Policy in Postwar Germany. A Collection of Papers by Former Soviet Officials, New York 1953, S. 18–86; zur Entnahmepraxis von Walrab Buttlar, Ziele und Zielkonflikte der sowjetischen Deutschlandpolitik 1945–1947, Stuttgart 1980, S. 43–49.

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fang März den ersten Entwurf des Grundsatzprogramms »Über die Behandlung Deutschlands« zusammenstellte, wurden die diesbezüglichen Abschnitte nicht ausgeführt. Zur Erläuterung hieß es nur: »Angesichts des Mangels an Material und der Nichtaktualität der Probleme können einzelne Notizen zu diesen Fragen später vorgestellt werden.« Dazu kam es jedoch nie.40 Ebenso kam die inhaltliche und personelle Vorbereitung des Besatzungsregimes für Deutschland nur mühsam voran. Obwohl Andrej A. Smirnow als Direktor der III. europäischen Abteilung des Volkskommissariats des Äußeren (zuständig für Deutschland und Österreich) schon seit Ende 1943 auf entsprechende Maßnahmen gedrängt hatte, lag erst Ende Oktober 1944 die Zustimmung von Generalstabschef Antonow zur Abhaltung von sechsmonatigen Kursen vor, auf denen 250 Offiziere »für die Arbeit im Kontrollmechanismus der Alliierten« vorbereitet werden sollten.41 Der Empfehlung der Außenamts-Experten, zehn bis fünfzehn Personen wie von der britischen Regierung gewünscht zur gemeinsamen Vorbereitung der Besatzung Deutschlands nach London zu schicken, wurde nicht entsprochen.42 Um die Durchsetzung der Kontrollen und Reparationen sicherzustellen, drängte die sowjetische Führung allerdings auf gemeinsame Regelungen für die erste Phase der Besetzung. Die Waffenstillstands-Kommission plante Anfang 1944 für die Zeit »vor der Schaffung eines Regimes in Deutschland« über die Bildung von drei Besatzungszonen hinaus die Errichtung einer interalliierten Kontrollkommission für das gesamte Besatzungsgebiet und einer deutschen Regierung, die für sie arbeitete.43 So plädierten sowohl das Außenministerium als auch das Finanzministerium für die Beibehaltung einer einheitlichen Währung für alle vier Besatzungszonen. Als der britische Vertreter in der European Advisory Commission im Sommer 1944 geklärt wissen wollte, ob die Wirtschaft des besetzten Deutschlands auf 40 Majskij an Molotow 11.1.1944, wie Anm. 15; Ausarbeitung 9.3.1944, wie Anm. 22. 41 Smirnow an Dekanossow 31.12.1943, 5.7.1944, 17.7.1944, Wyschinski an Molotow 29.10.1944, SSSR 330–333, 490–493, 498 f., 570 f. 42 Nowikow an Woroschilow 21.9.1944, Woroschilow an Stalin und Molotow 22.9. u. 29.11.1944, ebd. S. 536–544 u. 576. 43 Ausarbeitung »Besetzung« 5.1.1944, SSSR i germanskij vopros.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

Zonenebene organisiert werden sollte, formulierte Smirnow eine negative Antwort: »Es wäre zweckmäßig, an dem Prinzip festzuhalten, Deutschland unabhängig von den Besatzungszonen als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Dies wird unsere Position im Hinblick auf die Kontrolle der deutschen Industrie stärken, die in erheblichem Umfang in der angloamerikanischen Zone konzentriert ist.«44

Keineswegs arbeiteten die Spitzen der sowjetischen Führung bei der Vorbereitung der Nachkriegsordnung mit der Exilführung der KPD zusammen, die im Moskauer »Hotel Lux« residierte. Ein »Aktionsprogramm des Blocks der kämpferischen Demokratie«, das die KPD-Führung im Laufe des Jahres 1944 entwickelte, sah die »Aufrichtung eines starken Volksregimes« mit »planvolle[m] Einbau der bisher illegalen Volksausschüsse in die staatliche Administration« vor, ebenso die »sofortige Bildung einer Regierung des Blocks der Kämpferischen Demokratie«, in dem die KPD eine führende Rolle zu spielen gedachte.45 Es durfte nicht veröffentlicht werden. »Einiges passte nicht in die Vereinbarung der Alliierten hinein«, hielt sein Hauptautor Anton Ackermann in einem Erinnerungsbericht von 1963 oder 1964 fest, »einiges passte auch Josef Wissarionowitsch nicht in den Kram«46. Den KPD-Kadern, die nach einer Anweisung Dimitroffs vom 6. Februar 1945 in den von der Roten Armee eroberten Besatzungsgebieten tätig werden sollten, wurde gesagt, dass »auf den Sieg [...] voraussichtlich eine lange Periode der Besetzung folgen« werde. »Es könne unter Umständen sogar Jahre dauern, bis wieder deutsche politische Parteien zugelassen werden. Die Aufgabe der antifaschistisch-demokratischen Kräfte sei es daher, in den örtlichen deutschen Verwaltungen, die dann auf Weisungen der Alliierten ihre Tätigkeit ausübten, aktiv mitzuarbeiten.« Eine kommunistische Partei war danach zunächst nicht vorgesehen; stattdessen sollten die Kommunisten daran 44 Smirnow an Dekanossow 9.8.1944, zit. n. Filitov, Problems, S. 20. Aus der Sorge um gemeinsame Organisation der Kontrolle kann jedoch nicht, wie Filitov S. 19–21 dies tut, abgeleitet werden, dass das Bemühen um Festlegung der Westmächte auf die Aufteilung nur taktisch gemeint gewesen wäre. 45 Entwurf Anton Ackermann November/Dezember 1944, veröffentlicht in Erler / Laude / Wilke, Nach Hitler, S. 290–303. 46 Ebd. S. 99.

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mitwirken, »sobald deutsche Organisationen zugelassen würden [...] eine breite antifaschistisch-demokratische Massenorganisation« zu schaffen. Zur Begründung für diese eingeschränkte Form deutscher Beteiligung wurde darauf verwiesen, dass Deutschland keine nennenswerte Widerstandsbewegung hervorgebracht habe und die »Einheit der Anti-Hitler-Koalition« daher der Unterpfand des Sieges sei.47

47 Zeugnis von Leonhard, Revolution, S. 288 f. Vgl. die Materialien zu den Instruktionen im Februar und März 1945 in SAPMO-BA, ZPA NL 36/545, ausgewertet bei Erler / Laude / Wilke, Nach Hitler, S. 115 f.

3. Die deutsche Frage bei Kriegsende

Im Hinblick auf die künftige Behandlung Deutschlands ergriff in Jalta die sowjetische Seite die Initiative. Aus Stalins Sicht waren konkrete Vereinbarungen über die Behandlung des besiegten Deutschen Reiches wichtiger als allgemeine Regelungen der Weltfriedensordnung. Nachdem die Rote Armee unterdessen schon die Oder erreicht hatte, also gerade noch etwa 70 Kilometer von der Reichshauptstadt entfernt war, während die westalliierten Truppen immer noch in einem Bereich von 40 und mehr Kilometern westlich des Rheins kämpften, mehr als 600 Kilometer von Berlin entfernt, sprach auch nichts mehr gegen Festlegungen zum jetzigen Zeitpunkt. Stalin mochte sich sogar sagen, dass die westlichen Führer jetzt ein Vordringen der Roten Armee über die Grenzen der sowjetischen Besatzungszone hinaus befürchten mussten, die in der EAC ausgehandelt worden war, und daher zu größeren Zugeständnissen bereit waren als in den Monaten zuvor. Stalin eröffnete die politischen Verhandlungen der Konferenz, die mit der zweiten Plenarsitzung am 5. Februar begannen, darum mit einem eindringlichen Appell, in der Frage der Aufteilung Deutschlands jetzt eine konkrete Entscheidung zu treffen: Nachdem sich alle drei Regierungen in Teheran und auch bei späteren Gelegenheiten für eine Aufteilung Deutschlands in mehrere Staaten ausgesprochen hätten, sei »nun der Zeitpunkt gekommen, eine definitive Entscheidung zu treffen.« Auf einen entsprechenden Einwand Churchills fügte er hinzu, er bestehe nicht darauf, »dass sogleich ein detaillierter Plan aufgestellt wird.« Er sei auch damit einverstanden, wenn die Regierungschefs »der Aufteilung grundsätzlich zustimmen und die Außenminister mit der Ausarbeitung eines detaillierten Plans beauftragen.« Außerdem müsse in die Kapitulationsurkunde eine Ankündigung aufgenommen werden, »dass Deutschland aufgeteilt wird.« Das sei »sehr wichtig« und würde es auch helfen, »die Deutschen dazu

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zu bringen, diese Bedingung zu akzeptieren.«1 Molotow machte in der anschließenden Sitzung der Außenminister deutlich, dass der Sowjetregierung außerordentlich viel daran, lag, einen solchen Beschluss herbeizuführen.2 Stalin schien mit seinem Vorstoß zunächst Erfolg zu haben. Churchill reagierte sogleich mit einer Wiederholung seiner bekannten Auffassungen von einer Nord-Süd-Teilung Deutschlands, ergänzt durch Gebietsabtretungen im Osten und möglicherweise durch Abtrennungen des Rhein-Ruhr-Gebietes und des Saargebietes. Er fügte allerdings hinzu, dass dies nur seine persönlichen Auffassungen seien und dass die exakte Form der Teilung nicht »hier in fünf oder sechs Tagen zu lösen« sei, vielmehr »ausgiebiger Erörterung« durch einen besonderen Ausschuss bedürfe. Seine Regierung sei bereit, dem Grundsatz der Teilung hier in Jalta verbindlich zuzustimmen; mit der Ermittlung der besten Methode, Deutschland aufzuteilen müsse jedoch eine gemeinsame Kommission beauftragt werden, die sogleich berufen werden könne. Nach längerer Diskussion stimmten sowohl Stalin als auch Roosevelt dieser Vorgehensweise zu; die Außenminister wurden beauftragt, ein geeignetes Gremium zu bestimmen. Die Erwähnung der Teilungsabsicht in der Kapitulationsurkunde bezeichnete Churchill zunächst als überflüssig, Roosevelt war dafür, schließlich wurde beschlossen, dass die Außenminister auch über diese Frage befinden sollten.3 Molotow wollte darauf hin in der Sitzung der Außenminister am nächsten Tag Richtlinien für eine Teilungskommission ausarbeiten und über die geeignete Formulierung des Teilungsbeschlusses in der Kapitulationsurkunde befinden. Damit stieß er jedoch auf den Widerstand von Eden, der angesichts der gegensätzlichen Expertenmeinungen in der britischen Führung zum jetzigen Zeitpunkt gerade keine verbindliche Festlegung auf das Teilungsprinzip haben wollte und jede Formulierung zurückwies, die eine solche Verpflichtung implizierte. De facto wider1 Britisches Protokoll dieser Konferenzpassage vom 5.2.1945 bei Steininger, Ruhrfrage, S. 286–290; vgl. auch FRUS Yalta, S. 611 f. 2 Ebd. S. 624. 3 Ebd. S. 612 f.; Alexander Fischer, Teheran, Jalta, Potsdam: die sowjetischen Protokolle von den Kriegskonferenzen der »Großen Drei«, 3. Aufl., Köln 1985, S. 106–122.

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rief er damit die Zustimmung, die Churchill in allgemeiner Form gegeben hatte. Stettinius, dessen Beamten die Teilung bekanntlich ablehnten, machte einen Vermittlungsvorschlag, der die Teilung nahe legte, aber nicht mehr verbindlich machte: Danach sollten die Alliierten in der Kapitulationsurkunde »solche Maßnahmen« ankündigen, »einschließlich der völligen Entwaffnung, Entmilitarisierung und der Zerstückelung Deutschlands, wie sie für den zukünftigen Frieden und die Sicherheit für notwendig halten«4. Die Festlegung, auf die es Molotow ankam, war damit freilich nicht erreicht; die Sitzung endete, ohne dass man zu einem Ergebnis gekommen wäre. Nach Rücksprache mit Stalin stimmte Molotow dann aber in der nachfolgenden Plenarsitzung der Stettinius-Formel zu. Wichtiger als die Durchsetzung des Teilungsprinzips war dem Sowjetdiktator, dass überhaupt gemeinsame Regelungen der Deutschlandfrage zustande kamen.5 Angesichts der Zustimmung von Stalin insistierten Roosevelt und Churchill nicht mehr auf einer präziseren Formulierung. Vielmehr wurde beschlossen, dass die Kommission, die über die genauere Bestimmung der angemessenen Maßnahmen befinden sollte, aus Eden und den beiden Londoner Botschaftern der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten bestehen sollte. Tatsächlich hatten sich die »Großen Drei« damit in der Teilungsfrage von Eden ausmanövrieren lassen. Die weitere Verfolgung der Teilungspläne war umso ungewisser geworden, als noch am gleichen Tag das von der EAC ausgearbeitete Kontrollratsabkommen offiziell gebilligt wurde, das nicht nur eine gemeinsame Verwaltung des besetzten Deutschlands vorsah, sondern auch die Unterstützung des Alliierten Kontrollrats durch eine deutsche Zentralverwaltung.6 4 FRUS Yalta, S. 656 f. u. 978. 5 Der genaue Wortlaut der Argumentation und der Entscheidungsablauf im Detail lassen keinen Raum für die häufig geäußerte Vermutung, Stalin sei es in Jalta nicht auf die Verpflichtung zur Aufteilung angekommen, sondern auf Vorkehrungen gegen einen Separatfrieden der Westmächte mit Deutschland (so etwa Lothar Kettenacker, Krieg zur Friedenssicherung: die Deutschlandplanung der britischen Regierung während des Zweiten Weltkrieges, Göttingen u. a. 1989, S. 496). Letzteres mag ein zusätzliches Motiv gewesen sein, muss es aber nicht. 6 FRUS Yalta, S. 656 u. S. 124, Anm. 2. – Edens Präsentation des Vorgangs als erfolgreicher britischer Widerstand gegen sowjetische Expansionspläne (Anthony Eden, The Memoirs of Anthony Eden, Earl of Avon: The Reckoning, Boston u.a.

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Erfolgreicher war Stalin beim zweiten Element seiner Initiative: der Regelung der Reparationsfrage. Im weiteren Verlauf der ersten Plenarsitzung, die sich politischen Fragen widmete, ließ er Iwan Majskij den zuvor erarbeiteten Reparationsplan vortragen. Danach sollte die deutsche Rüstungsindustrie in einem Zeitraum von zwei Jahren nach Kriegsende vollständig eliminiert und die Schwerindustrie auf 20 Prozent ihrer bisherigen Kapazität reduziert werden. Durch Demontagen und Konfiszierung deutscher Auslandsguthaben sollte insgesamt ein Reparationswert von 10 Milliarden US-Dollar zu Preisen von 1938 zusammen kommen. Weitere 10 Milliarden sollten in einem Zeitraum von 10 Jahren durch Reparationslieferungen aus laufender Produktion erbracht werden. Von den Reparationen im Wert von 20 Milliarden Dollar, die so insgesamt geleistet werden sollten, beanspruchte die Sowjetunion die Hälfte, also 10 Milliarden für sich; 8 Milliarden sollten an Großbritannien und die USA gehen, 2 Milliarden an die kleineren Siegerstaaten einschließlich Frankreichs. Außerdem kündigte Majskij an, dass die Sowjetunion deutsche Arbeiter und Eisenbahner zum Wiederaufbau der zerstörten Regionen anfordern würde.7 Churchill und Eden erklärten sogleich, die geforderte Summe ginge weit über die deutsche Leistungsfähigkeit hinaus; für den Fall einer Verwirklichung des sowjetischen Plans sagten sie die Verelendung Deutschlands und ein erneutes Aufbringen der Reparationen durch die USA und Großbritannien voraus. Das Kriegskabinett in London, das sich in einer Sondersitzung in der Nacht vom 8. zum 9. Februar mit dem sowjetischen Vorschlag befasste, bemerkte, dass ein breit gefächerter Abbau deutscher Industrieanlagen hohe Reparationsleistungen aus laufender Produktion ausschließen würde. Demontagen sollten in britischer Sicht auf die Rüstungsindustrie beschränkt bleiben, und über die Höhe der Reparationen sollte erst nach einer genaueren Prüfung der Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie befunden werden. Daher sollte eine Festlegung auf eine Gesamtsumme während 1965, S. 516), die Eingang in viele spätere Darstellungen gefunden hat, ist selbst im Hinblick auf seine eigenen Motive unkorrekt. 7 FRUS Yalta, S. 620 f. u. 630 f.; die genauen Zahlen zur Aufteilung erst in den sowjetischen Darlegungen am 7.2.1945, FRUS Yalta, S. 702 f. u. 707.

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der Konferenz unter allen Umständen vermieden werden. Stattdessen sollte sich eine Kommission mit der Prüfung der deutschen Leistungsfähigkeit befassen, ebenso wie mit der Frage der Reparationsleistungen durch Zwangsarbeit. An dieser Kommission sollte auch Frankreich beteiligt werden.8 Stettinius hingegen fand den sowjetischen Vorschlag ganz plausibel und vernünftig. Reparationen aus laufender Produktion hatte das State Department ja durchaus vorgesehen. Die Kriegszerstörungen, die allein die Sowjetunion erlitten hatte, beliefen sich nach amerikanischen Schätzungen auf 35,7 Milliarden Dollar; im »Briefing Book« für Jalta hatte das State Department deutsche Lieferungen im Wert von 6,5 Milliarden jährlich für vertretbar gehalten – weit mehr als die eine Milliarde pro Jahr, die nach dem sowjetischen Konzept vorgesehen war.9 Mit den Demontageforderungen näherte sich die Sowjetführung zudem dem Konzept des Treasury Department, das ebenfalls seinen Weg in die amerikanischen Konferenzunterlagen gefunden hatte und vom Präsidenten nach wie vor hochgehalten wurde. Die latente Widersprüchlichkeit des sowjetischen Konzepts, das sowohl eine Beschränkung der deutschen Produktionskapazität als auch nicht unbeträchtliche Produktionslieferungen vorsah, entsprach damit dem Gegensatz zwischen den Konzepten des State Department und des Treasury Department. Stettinius mochte sich sagen, dass die sowjetische Zurückhaltung bei der Bemessung der jährlichen Lieferung einen Weg wies, beide miteinander zu vereinbaren. Roosevelt zögerte etwas, sich auf eine Gesamtsumme festzulegen, wie sie die sowjetische Delegation vorschlug. Sie drohte der Vorstellung Vorschub zu leisten, dass wie nach dem Ersten Weltkrieg finanzielle Transferleistungen statt Sachlieferungen vorgesehen wären, und setzte den Präsidenten damit dem Verdacht aus, erneut eine Finanzierung der deutschen Reparationen durch den amerikanischen Steuerzahler zuzulassen, wie sie nach einer verbreiteten, wenn auch irrigen Auffassung in der zurück8 FRUS Yalta S. 621, 808 f., 874, 885, 901-903; zu den Beratungen in London Albrecht Tyrell, Großbritannien und die Deutschlandplanung der Alliierten: 1941– 1945, Frankfurt/Main 1987, S. 537 f. 9 FRUS Yalta S. 178–197.

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liegenden Nachkriegszeit angeblich erfolgt war. Auch hatte er sich gegen Reparationen aus der laufenden Produktion ausgesprochen. Das Demontageprogramm hingegen entsprach ganz seinen Auffassungen, und darüber hinaus hielt er es grundsätzlich für angemessen, dass die Sowjetunion umfangreiche Reparationsleistungen für den Wiederaufbau erhielt. Das sagte er auch gleich,10 und in den anschließenden Beratungen der amerikanischen Delegation ließ er sich dafür gewinnen, auch Reparationen aus der laufenden Produktion zuzustimmen. Der amerikanische Gegenvorschlag folgte darauf hin in der Zweigleisigkeit von Reparationen aus laufender Produktion und Demontagen ganz den sowjetischen Vorstellungen. Auf Drängen von Molotow und Majskij erklärte sich Stettinius zudem in der Sitzung der Außenminister am 9. Februar bereit, »die Gesamtsumme von 20 Mrd. Dollar als Grundlage für die Diskussion in der Reparationskommission festzuhalten.« Roosevelt stimmte dem zu.11 Die Briten konnten in dem abschließenden Reparationsprotokoll, das auf einem Formulierungsvorschlag von Molotow beruhte, nur die Präzisierung durchsetzen, dass die Demontagen in erster Linie zur Vernichtung des deutschen Kriegspotentials dienen sollten, dazu den Verzicht auf eine Zeitangabe hinsichtlich der Entnahmen aus laufender Produktion und die Einigung auf die »Verwendung deutscher Arbeitskräfte« als weitere Reparationsart. Ansonsten benannte das Protokoll sowohl Lieferungen aus laufender Produktion als auch Demontagen und Beschlagnahmung von Auslandsguthaben als vereinbarte Reparationsformen; und Sowjets und Amerikaner taten darüber hinaus kund, sie hätten sich darauf geeinigt, dass die Reparationskommission den sowjetischen Vorschlag hinsichtlich der beiden letztgenannten Reparationsarten als Diskussionsgrundlage nehmen sollte: 20 Milliarden Dollar Gesamtsumme, davon die Hälfte an die Sowjetunion. Die britische Forderung, Frankreich an den Arbeiten der Reparationskommission zu beteiligen, wurde nicht aufgegriffen; darüber sollte erst später befunden werden. Als

10 FRUS Yalta S. 621 f. 11 Fischer, Teheran, S. 173 f.; FRUS Yalta S. 901 f.

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Verhandlungsort wurde, einer sowjetischen Forderung entsprechend, Moskau bestimmt.12 Ähnlich halbherzig fiel Stalins Erfolg beim dritten Element seiner deutschlandpolitischen Initiative aus: der Festlegung der Oder-Neiße-Linie als deutscher Ostgrenze, die Molotow den sowjetischen Zugeständnissen an das Lubliner Komitee entsprechend in der dritten Plenarsitzung vortrug. Auch hier war es Churchill, der Widerspruch einlegte, diesmal in Übereinstimmung mit Edens Vorsatz, keine voreiligen Festlegungen zuzulassen. Der britische Premier machte einerseits geltend, dass eine Gebietserweiterung im Westen, die ganz Schlesien einschloss, mehr war, als Polen verdauen könne, und hob andererseits auf die Haltung großer Teile der britischen Öffentlichkeit ab, die – anders als er selbst – über die gewaltsame Aussiedlung von Millionen von Menschen schockiert sein würde. Anders als in der Reparationsfrage erhielt er aber hier Unterstützung von Roosevelt. Die britische und die amerikanische Delegation hatten sich bei der Vorbesprechung in Malta darauf verständigt, dass die Forderungen des Lubliner Komitees zu weit gingen; und Roosevelt fand, dass die Implikationen einer solch gewaltigen Umsiedlungsaktion noch einmal in Ruhe überdacht werden müssten.13 So konnte nicht mehr beschlossen werden als die Formulierung, die Churchill in der vorletzten Sitzung der Konferenz vorschlug: Die drei Regierungen »erkannten an, dass Polen einen substantiellen Gebietszuwachs im Norden und Westen erhalten muss.« Zum Umfang dieser Erwerbungen müsse aber noch »die Meinung der neuen Provisorischen polnischen Regierung der nationalen Einheit gehört« werden, und die »endgültige Festlegung der Westgrenze Polens« solle danach noch »bis zur Friedenskonferenz warten.«14 In der Sache hieß das, dass über den tatsächlichen Grenzverlauf im Westen im Wesentlichen zwischen der polnischen und der sowjetischen Regierung entschieden werden würde. Hoffnungen der britischen Diplomaten, die 12 Text in FRUS Yalta S. 978 f. u. Krimkonferenz S. 232 f. 13 Herbert Feis, Churchill, Roosevelt, Stalin: the war they waged and the peace they sought, Princeton 1957, S. 522–525. 14 FRUS Yalta, S. 974; Churchills Vorschlag ebd. S. 899.

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polnischen Exilpolitiker, die in das Lubliner Komitee eintreten sollten, würden für eine Beschränkung auf die Oder-Linie oder gar für einen Grenzverlauf noch weiter östlich durch Pommern sorgen,15 waren unbegründet. Hinsichtlich der Ostgrenze Polens blieb es im Wesentlichen bei der Curzon-Linie. Roosevelt wollte den Polen die östlich davon gelegene Stadt Lwow (Lemberg) und die umliegenden Ölvorkommen erhalten, doch hielt Stalin dagegen, dass er im sowjetischen Interesse wohl wenigstens soviel erwarten könne, wie der britische Außenminister Lord Curzon von sich aus für sinnvoll erachtet hatte. So wurde nur die Möglichkeit festgehalten, die polnisch-sowjetische Grenze an einigen Stellen fünf bis acht Kilometer östlich der Curzon-Linie zu ziehen. Ebenso schnell wie auf das Kontrollratsabkommen einigte man sich auch auf die beiden anderen Dokumente, die in der EAC ausgehandelt worden waren: den Text der Kapitulationsurkunde, der nur um den Hinweis auf die Möglichkeit der Zerstückelung ergänzt wurde, und das Protokoll über die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen. Lediglich bei dem Versuch Churchills, Frankreich ebenfalls eine Besatzungszone in Deutschland zuzuteilen, gab es noch einmal Schwierigkeiten. Churchill hatte sich die Forderung de Gaulles nach einer eigenen Besatzungszone nach einem Besuch in Paris am 11. November 1944 zu Eigen gemacht; Roosevelt hatte nach anfänglichen Bedenken am 27. Januar 1945 zugestimmt. Weil ihm ein langfristiges Engagement amerikanischer Truppen in Europa nach wie vor weder sinnvoll noch möglich erschien, hielt er die Reinstallierung Frankreichs als militärische Macht im Westen des alten Kontinents, die Mitverantwortung für die Kontrolle des besiegten Deutschlands übernahm, letztlich für angebracht. Als Churchill seinen Vorschlag in der Plenarsitzung vom 5. Februar vortrug, sekundierte ihm Roosevelt mit der Bestätigung, er glaube nicht, »dass die amerikanischen Truppen viel länger als zwei Jahre in Europa bleiben würden.«16 Stalin blieb demgegenüber skeptisch. Nicht nur, argumentierte er, dass nach der Zuteilung einer Besatzungszone an Frankreich 15 Vgl. Kettenacker, Krieg zur Friedenssicherung, S. 470–472. 16 FRUS Yalta, S. 617.

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andere Nationen mit größerem Recht ebenfalls eine Besatzungszone verlangen könnten: Problematischer noch sei, dass Frankreich im Alliierten Kontrollrat versuchen würde, eigene Interessen durchzusetzen; das werde die Arbeit des Kontrollrats sehr erschweren. Um wenigstens das zu verhindern, schlug er als Kompromiss vor, Frankreich wohl eine Besatzungszone zu geben (aus dem Bestand der britischen und amerikanischen Zone, wie es die westlichen Alliierten von vorneherein vorgeschlagen hatten), es aber nicht an den Arbeiten des Kontrollrats zu beteiligen. Dem wollte Roosevelt zustimmen. Mit Blick auf die künftige Weltfriedensorganisation relativierte er sogar in einem anderen Zusammenhang Churchills Hauptargument für die Beförderung Frankreichs zur Militärmacht: Seine Voraussage zur Dauer amerikanischer Militärpräsenz in Europa, erklärte er am folgenden Tag, gelte nur für den gegenwärtigen Bewusstseinsstand der amerikanischen Öffentlichkeit. »He felt public opinion in the United States would be prepared to support an international organization along the lines of Dumbarton Oaks and that this might change their attitudes in regard to the question of troops.«17 Churchill und Eden argumentierten dagegen, eine Trennung von Zonenzuteilung und Sitz im Kontrollrat würde nicht funktionieren, und ohne Einbindung in den Kontrollrat würde Frankreich noch größere Schwierigkeiten machen als als Kontrollratsmitglied. Die Entscheidung lag damit praktisch bei Roosevelt. In der letzten Plenarsitzung tat er kund, dass ihm die britischen Argumente unterdessen einleuchteten und er auf die Förderung der Kooperationsbereitschaft de Gaulles setze. Stalin stimmte resigniert zu, und dann wurde eine entsprechende Botschaft an den französischen Regierungschef vorbereitet.18 Die Vorentscheidungen zur Behandlung des besiegten Deutschlands, die in Jalta gefallen waren, wurden in den darauf folgenden Monaten konkretisiert, dabei zum Teil modifiziert und in mancher Hinsicht auch wieder revidiert. Als Konkretisierung, die einer Revision gleichkam, erwies sich die weitere Behandlung der Teilungsproblematik. Als Dis17 FRUS Yalta, S. 660 f. 18 Vgl. Feis, Churchill, S. 531 f.

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memberment Committee traten die Botschafter der USA John G. Winant und der Sowjetunion Fjodor Gusew mit Außenminister Anthony Eden erstmals am 7. März 1945 in London zusammen. Keine der drei Parteien brachte zu dieser ersten Sitzung einen ausgearbeiteten Teilungsplan mit; stattdessen entwickelte sich eine Diskussion über den genauen Auftrag der Kommission. Dabei stellte Gusew die Frage, ob Deutschland aufgeteilt werden sollte, zunächst als durchaus offen dar: Es gehe darum, einer erneuten deutschen Aggression vorzubeugen. »Kann dieses Ziel durch Maßnahmen wie die Zerstörung oder Kontrolle der deutschen Industrie erreicht werden oder wird es darüber hinaus erforderlich sein, Deutschland aufzuteilen?«19 Als das Foreign Office zwei Tage später den Entwurf einer Arbeitsdirektive übermittelte, in dem der Prüfungsauftrag mit nahezu den gleichen Worten beschrieben wurde, stieß es jedoch auf sowjetischen Widerspruch. Botschaftsrat Iwanow kam nach einer Analyse der britischen Wortwahl zu dem Schluss, »dass die Engländer gegen die Einteilung Deutschlands in dem Sinne sind, in dem wir es verstehen.« Gusew verlangte darauf hin, das Prinzip der Aufteilung, das in Jalta beschlossen worden war, auch in die Arbeitsdirektive aufzunehmen und den Arbeitsauftrag dahingehend zu präzisieren, dass »konkrete Vorschläge zur Frage der zukünftigen staatlichen Ordnung der Bevölkerung Deutschlands und der Einteilung des existierenden Deutschlands in eine Reihe unabhängiger Staaten« vorgelegt werden sollten.20 Die britische Seite ging auf diese Forderung nicht ein. Zwar legte das Foreign Office dem Armistice and Post-War Committee des Kabinetts am 19. März ein Memorandum vor, in dem für den Fall eines Festhaltens am Teilungsprinzip ein Plan zur Aufteilung Deutschlands in drei bis fünf Staaten entwickelt wurde. Vorgeschlagen wurden die Bildung eines Südstaates bis zur Mainlinie, eines Weststaates von der preußischen Provinz Westfalen bis zur Pfalz und Rheinhessen, eines Nordweststaates von der Weser bis zur Elbe, eines mitteldeutschen Staates aus der 19 Record of Informal Meeting 7.3.1945, zit. n. Kettenacker, Krieg zur Friedenssicherung, S. 500. Zum Folgenden ebd. S. 500–502. 20 Iwanow an Gusew, o. D. (März 1945), SSSR i germanskij vopros, S. 613 f.; zur Präsentation dieser Forderung in der Kommission und zu den Reaktionen der Briten Kettenacker, Krieg zur Friedenssicherung, S. 500–502.

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preußischen Provinz Sachsen, Anhalt, Thüringen und Sachsen sowie eines ostdeutschen Staates aus Mecklenburg und den nicht an Polen fallenden Teilen der preußischen Provinzen Pommern, Brandenburg und Niederschlesien. Alternativ wurden die Zusammenlegung des mittel- und ostdeutschen Staates sowie die Zusammenlegung des west- und nordwestdeutschen Staates zur Diskussion gestellt; die Zahl der künftigen deutschen Staaten konnte sich dadurch auf vier oder drei reduzieren.21 Eine Festlegung der britischen Seite wurde jedoch vermieden; Troutbeck und Strang rieten Eden, erst einmal abzuwarten, welche Vorschläge die sowjetische Seite vorlegen würde. Diese interpretierte die britische Weigerung, sich auf das Prinzip der Aufteilung festzulegen, als definitive Abkehr von den Aufteilungsplänen – und zugleich als Falle, in die man den sowjetischen Verbündeten locken wollte. »Wie Ihnen bekannt ist«, telegrafierte Molotow am 24. März an Gusew, »möchten Engländer und Amerikaner, die die Frage einer Aufteilung Deutschlands als Erste gestellt haben, die Verantwortung für die Aufteilung auf die UdSSR schieben, mit dem Ziel, unseren Staat in den Augen der Weltöffentlichkeit zu beschmutzen.« Um dieser Gefahr zu entgehen, entschloss sich die Moskauer Führung, ihrerseits nicht weiter auf der Aufteilungsforderung zu beharren. Gusew wurde angewiesen, den britischen Entwurf einer inhaltlich offenen Arbeitsdirektive akzeptieren – mit der Begründung, die sowjetische Regierung verstehe »den Beschluss der KrimKonferenz in der Frage der Aufteilung Deutschlands nicht als eine zwingende Verpflichtung zur Aufteilung Deutschlands, sondern nur als eine mögliche Perspektive für den Druck auf Deutschland mit dem Ziel, es ungefährlich zu machen, für den Fall, dass sich die anderen Mittel nicht als ausreichend erweisen sollten.«22 Am 26. März gab Gusew diese Erklärung ab – sehr zur Verwunderung der westlichen Unterhändler und zur Erleichterung der Aufteilungsgegner.23

21 Dismemberment of Germany, APW (45) 40, 19.3.1945, referiert bei Tyrell, Großbritannien, S. 478 f., und Steininger, Ruhrfrage, S. 37. 22 Molotow an Gusew 24.3.1945, SSSR i germanskij vopros, S. 626. 23 Kettenacker, Krieg zur Friedenssicherung, S. 501.

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Spätestens Anfang Mai wurde aus der Entscheidung der Sowjetführung, nicht mehr auf die Aufteilung Deutschlands zu drängen, ein offensives Eintreten für die Wahrung der Einheit der bei Deutschland verbleibenden Gebiete. Am 9. Mai nutzte Stalin die offizielle Ansprache zur Kapitulation des Deutschen Reiches zu einem öffentlichen Bekenntnis zur deutschen Einheit: »Die Sowjetunion feiert den Sieg, auch wenn sie sich nicht anschickt, Deutschland zu zerstückeln oder zu vernichten.«24 Als Harry Hopkins darauf hin bei seinem Besuch in Moskau am 28. Mai nachfragte, ob die Sowjetregierung ihre Haltung in der Teilungsfrage seit Jalta geändert habe, antwortete Stalin, nachfolgende Ereignisse hätten »gezeigt, dass der Plan, Deutschland aufzuteilen, in Wirklichkeit auf der Krim-Konferenz verworfen wurde.«25 Das war eine treffende Beschreibung des tatsächlichen Entscheidungsprozesses: Nachdem die Sowjetführung mit ihrer Forderung, die Aufteilung Deutschlands jetzt vorzunehmen, nicht durchgedrungen war, hatte sie sich entschlossen, sie selbst auch nicht mehr weiter zu verfolgen. Damit wurde sie gleichzeitig zur Verfechterin der Einheit Deutschlands gegenüber einer möglichen Spaltung in einen östlichen und einen westlichen Einflussbereich. Eine solche Entwicklung wurde in Moskau unterdessen durchaus als möglich angesehen. Wilhelm Pieck, der Vorsitzende der KPD sprach im März 1945 vor Moskauer Emigranten von der Gefahr, dass »in der englischen und amerikanischen Besatzungszone Bestrebungen Vorschub geleistet wird, ein Gegengewicht gegen den wachsenden Einfluss der Sowjetunion zu schaffen und dort reformistischen Führern der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften Gelegenheit zu geben, sich wieder Einfluss in der Arbeiterbewegung zu verschaffen gegenüber den Kommunisten.« Generell ging er davon aus, dass das Regime der Siegermächte »in den drei Besatzungszonen ziemlich unterschiedlich sein wird.«26 24 Josef Stalin, Über den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion, Moskau 1946, S. 219. 25 FRUS Berlin I, S. 50. 26 Lektionen in der Parteischule 1. u. 10.3.1945, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR im Bundesarchiv (künftig: SAPMO-BA), ZPA NL 36/421, Bl. 112–122 u. 130–137, hier Bl. 120 u. 130; vgl. auch die Wiedergabe des Entwurfs zum 1.3.1945 in Erler / Laude / Wilke, Nach Hitler, S. 361–374.

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Wolfgang Leonhard hörte im Schulungskurs für die deutschen Emigranten, dass »die Nazis zweifellos versuchen [würden], die Einheit der drei Großmächte zu unterminieren und zwischen ihnen Misstrauen zu säen.«27 Am 4. Juni notierte Pieck bei einem Gespräch der KPD-Spitzenfunktionäre mit Stalin: »Perspektive – es wird zwei Deutschlands geben – trotz aller Einheit der Verbündeten.«28 Das aber galt es mit allen Mitteln zu verhindern. Wenn sich im Westen Deutschlands ein Staat unter dem Einfluss der Westmächte etablierte, dann war der Sowjetunion nicht nur der Zugang zu Reparationen aus dem Industriegebiet an der Ruhr verwehrt; es gab auch keine Garantie mehr für eine Beseitigung des deutschen Aggressionspotentials, und stattdessen drohte ein Bündnis zwischen westlichen Imperialisten und deutschen Kräften, das der Sowjetunion höchst gefährlich zu werden drohte. Gegenüber den deutschen Kommunisten präsentierte sich Stalin daher als Anwalt der deutschen Einheit: »Plan der Zerstückelung Deutschlands bestand bei Engl.-Amerikan. / Teilung in Nordund Süddeutschland / Rheinland - Bayern mit Österreich / Stalin war dagegen.« Sodann gab er die Parole aus, es gelte, die »Einheit Deutschlands [zu] sichern.«29 Im Moskauer Schulungskurs für die Parteikader war zuvor schon aufgetragen worden, gemeinsam mit den übrigen »antifaschistisch-demokratischen Kräfte[n] [...] die Tätigkeit der Besatzungsmächte im Kampf für die Vernichtung des Nazismus und Militarismus, für die Umerziehung des deutschen Volkes und für die Durchführung demokratischer Reformen zu unterstützen.« Gegen die zu erwartenden Versuche, einen Keil zwischen Angelsachsen und Russen zu treiben, »müsste rücksichtslos vorgegangen werden.«30 Die Option für die Wahrung der Einheit schloss einen Verzicht auf Bestrebungen ein, den Kommunisten in Deutschland möglichst unverzüglich zur Macht zu verhelfen. Den KPD27 Leonhard, Revolution, S. 288. 28 SAPMO-BA, ZPA NL 36/629, Bl. 62-66, veröffentlicht in Badstübner / Loth, Pieck, S. 50–53. 29 Ebd. – Die Äußerungen Stalins während dieser Unterredung sind leider nur in der bruchstückhaften Form der Notizen überliefert, die Pieck offensichtlich unmittelbar nach dem Gespräch angefertigt hat. 30 Leonhard, Revolution, S. 288.

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Kadern wurde vor ihrer Abreise in das eroberte Deutschland im April erklärt, »die politische Aufgabe bestehe nicht darin, in Deutschland den Sozialismus zu verwirklichen oder eine sozialistische Entwicklung herbeiführen zu wollen. Dies müsse im Gegenteil als schädliche Tendenz verurteilt und bekämpft werden. Deutschland stehe vor einer bürgerlich-demokratischen Umgestaltung, die ihrem Inhalt und Wesen nach eine Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848 sei. Es komme darauf an, aktiv für diese Vollendung einzutreten, sich aber jeglichen sozialistischen Losungen zu widersetzen, da diese unter den gegenwärtigen Bedingungen reinste Demagogie seien; unter solchen Umständen würde die Idee des Sozialismus nur diskreditiert. [...] Die Besatzungsmächte kämen nach Deutschland, um den Faschismus und Militarismus auszurotten und die notwendigen Maßnahmen für eine demokratische Wiedergeburt des deutschen Volkes zu treffen. Die zuständigen Maßnahmen der Besatzungsmächte seien im Einzelnen noch nicht bekannt, aber man könne mit Sicherheit annehmen, dass neben der Aburteilung der Kriegsverbrecher auch Maßnahmen gegen den Monopolkapitalismus und eine Boden- und Schulreform geplant seien. Es käme darauf an, unter peinlichster Beachtung der alliierten Vorschriften bei diesen Reformen aktiv mitzuarbeiten und für ihre konsequente Durchführung zu sorgen.« 31 Die Bildung von Parteien war in diesem Zusammenhang zunächst nicht vorgesehen. Noch im März wurde den künftigen KPD-Kadern gesagt, dass es »unter Umständen sogar Jahre dauern« könnte, »bis wieder deutsche politische Parteien zugelassen würden.«32 Anfang Juni berichtete Stalin aber den nach Moskau zur Instruktion zurückbeorderten KPD-Führern von einer »Anweisung vom 26.5., dass Parteien und Gewerkschaft erlaubt sind« [Pieck fügte erläuternd hinzu: »also SPD, Zentrum; nicht von uns fördern«]. Das Zentralkomitee der KPD solle »offen auftreten – mit Kurs auf Schaffung Partei der Werktätigen.« Diese Partei sollte bei der Abwehr einer Spaltung in ein östliches und ein westliches Deutschland eine Schlüsselrolle einnehmen: »Einheit Deutschlands sichern durch einheitliche 31 Ebd. S. 288 f. 32 Ebd. S. 289.

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KPD / einheitliches ZK / einheitliche Partei der Werktätigen / im Mittelpunkt Einheitliche Partei.« Unter dem Stichwort »Charakter des antifaschistischen Kampfes« notierte Pieck weiter: »Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution / bürgerlichdemokratische Regierung / Macht der Rittergutsbesitzer brechen / Reste des Feudalismus beseitigen.«33 Den Anweisungen Stalins entsprechend entwarf Anton Ackermann noch in Moskau einen »Aufruf des Zentralkomitees« der KPD, in dem »der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen« verworfen und stattdessen für die »Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik« geworben wurde. Er wurde nach mehrmaliger Überarbeitung in einer weiteren Besprechung mit Stalin am 7. Juni gebilligt und am 13. Juni (mit dem Datum »11. Juni«) in der ersten Ausgabe der Deutschen Volkszeitung in Berlin veröffentlicht.34 Ohne sich mit den westlichen Verbündeten abzusprechen, wurde am 10. Juni die Zulassung »antifaschistisch-demokratischer Parteien« bekannt gegeben. In den folgenden Tagen konstituierten sich in Berlin sowohl die KPD als auch die SPD, eine CDU und eine LDPD. Marschall Schukow erklärte den Mitgliedern des SPD-Zentralausschusses, er »habe den Auftrag aus Moskau, hier ein demokratisches Staatsleben zu entwickeln«; dazu könne er sich »nicht in erster Linie auf die Kommunistische Partei stützen«, vielmehr sei er auf die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten angewiesen.35 Dass die Sowjetführung jetzt deutsche Sozialdemokraten ebenso hofierte wie deutsche Kommunisten, ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass Stalin die Mobilisierung gutwilliger Deutscher als ein Gegenmittel zur möglichen Beschränkung der westlichen Verbündeten auf das westliche Deutschland betrachtete. Mit den Plänen für eine Aufteilung Deutschlands war eine solche 33 Badstübner / Loth, Pieck, 4.6.1945; wie Anm. 7. 34 Vgl. Badstübner / Loth, Pieck, S. 53. – Georgi Dimitroff, der an der Unterredung vom 7.6.1945 teilnahm, hielt in seinem Tagebuch fest, dass Stalin »vorschlug, definitiv zu erklären, dass im gegebenen Moment die Einführung des sowjetischen Systems in Deutschland unrichtig sei; notwendig ist die Errichtung eines antifaschistischen, demokratischen, parlamentarischen Regimes«. Georgi Dimitroff, Dnewnik 29 mart 1933 – 6 fewruari 1949, Sofia 1997, S. 481 f. 35 Berichtet von Otto Grotewohl auf dem Leipziger Bezirksparteitag der SPD am 26.8.1945, SAPMO-BA, ZPA NL 90/125.

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Mobilisierung nicht mehr zu vereinbaren. Darum wurden sie von der Sowjetführung nun nicht nur nicht mehr forciert, sondern offensiv bekämpft. Ende Mai 1945 erläuterte Stalin den Kurswechsel im Politbüro der KPdSU: »Die Aufgabe besteht nicht darin, Deutschland zu zerstören, sondern darin, ihm die Möglichkeit zu nehmen, erneut als aggressive Kraft in Europa aufzusteigen. Das bedeutet, die Wurzeln von Militarismus und Nazismus in Deutschland müssen ausgerottet werden, es selbst aber muss als einheitlicher, friedliebender und demokratischer Staat erhalten bleiben.«36

Die Teilungspläne traten damit stillschweigend in den Hintergrund. Nachdem Gusew auf die britische Linie eingeschwenkt war, konnte das State Department durchsetzen, dass die amerikanische Regierung den Prüfungsauftrag des DismembermentCommittee ebenfalls auf die Notwendigkeit einer Aufteilung bezog. Am 6. April teilte US-Botschafter Winant mit, die amerikanische Regierung schließe sich der sowjetischen Interpretation des Beschlusses von Jalta an. Als der Ausschuss am 11. April wieder zusammentrat, konnten folglich die Richtlinien für die Ausschussarbeit gemäß der britischen Vorlage vom 7. März beschlossen werden.37 Zu weiteren Sitzungen kam Eden freilich mit den beiden Botschaftern nicht mehr zusammen. Nachdem Roosevelt am 12. April gestorben war, fehlte auf amerikanischer Seite die treibende Kraft für eine ernsthafte Prüfung der AufteilungsOption. Mit Stalins öffentlicher Distanzierung am 9. Mai geriet sie endgültig außer Reichweite. Nur Churchill hatte sie weiter im Blick, doch musste er missmutig feststellen, dass die Angelegenheit nicht mehr vorankam. Eden bemerkte im Juli, wenige Tage vor Beginn der Konferenz von Potsdam: »PM who has in 36 Mitschrift Semjonows, zit. n. Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 200 f. – Für die in der westlichen Literatur häufig anzutreffende Spekulation, Stalin habe seit dem Frühjahr 1945, ermutigt durch Roosevelts Prophezeiung eines baldigen amerikanischen Truppenabzugs, auf eine rasche Machtergreifung der Kommunisten in ganz Deutschland gesetzt, findet sich in den Quellen keinerlei Bestätigung. Tatsächlich betrachtete Stalin einen Abzug der amerikanischen Besatzungstruppen vor der Durchführung des Programms zur Demokratisierung Deutschlands als Gefahr; vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 26 f.; weitere Belege zur Orientierung an einem Demokratisierungsprogramm in Kooperation mit den westlichen Verbündeten ebd. S. 17–35. 37 Vgl. Josef Foschepoth, Britische Deutschlandpolitik zwischen Jalta und Potsdam, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 30 (1992), S. 675–714, hier S. 690 f.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

the past always favoured dismemberment is likely to complain quite a little that we have made no progress even in our own examination and answer.«38 Auf der Konferenz von Potsdam vom 16. Juli bis 2. August 1945 einigten sich die Alliierten zunächst auf den amerikanischen Vorschlag, »vorläufig« noch keine deutsche Zentralregierung zu errichten. Gegen Ende der Konferenz wurde er allerdings auf sowjetisches Drängen durch die Bestimmung ergänzt, dass aber sogleich, wie es im Kontrollratsabkommen vorgesehen war, deutsche Zentralverwaltungen errichtet werden sollten. Molotow brachte am 30. Juli im Hinblick auf die unterdessen erkennbaren Tendenzen, in der Reparationsfrage getrennte Wege zu gehen, den Antrag ein, »die Errichtung einer zentralen deutschen Verwaltung, bestehend aus Sekretären für verschiedene Verwaltungszweige« zu unterstützen. Sie sollte unter der Leitung des Kontrollrats arbeiten, die Tätigkeit der »Provinzialverwaltungen« koordinieren und so die »Erfüllung der Beschlüsse des Kontrollrats und die Ausübung von Funktionen sicherstellen, die mit der Lösung von Problemen gesamtdeutschen Charakters verbunden sind.«39 Dem widersprach der unterdessen nach der Feststellung des Wahlsiegs der Labour-Party neu ins Amt gekommene britische Außenminister Ernest Bevin, der die Möglichkeit zu einer weitgehenden Dezentralisierung Deutschlands wahren wollte. Auf seine Einwände hin wurde am 31. Juli eine weniger kategorische Formulierung angenommen, wonach keine Zentralregierung errichtet, aber auf bestimmten wichtigen Gebieten, insbesondere den schon von Molotow genannten Bereichen Außenhandel, Industrie, Finanz-, Transport- und Fernmeldewesen, »einzelne zentrale Verwaltungsbehörden« geschaffen werden sollten. Diese sollten unter der Leitung des Kontrollrats arbeiten, an ihrer Spitze sollten jeweils Staatssekretäre stehen.40 38 PRO FO 371/46872/C4618, zit. n. Kettenacker, Krieg zur Friedenssicherung, S. 502. 39 Text in: FRUS Berlin II, S. 824. 40 Text der schließlich als Abschnitt III des Konferenz-Kommuniqués veröffentlichten Vereinbarung in FRUS Berlin II, S. 1502 ff., deutsche Fassung im Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland. Ergänzungsblatt Nr. 1, Berlin 1946, S. 13–20; zu den Verhandlungen über die politischen Grundsätze im Detail Tyrell, Großbritannien, S. 330–344.

3. Die deutsche Frage bei Kriegsende

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Trotz der Abschwächung, die der neuen britischen Regierung zu verdanken war, war damit eine Grundlage für einen tatsächlich gemeinsamen Aufbau einer demokratischen Ordnung im besetzten Deutschland durch die Siegermächte geschaffen worden. Das gilt umso mehr, als ein Unterausschuss zu Wirtschaftsfragen bis zum 20. Juli auch weitgehende Einigung über die wirtschaftlichen Grundsätze erzielte, die für die Behandlung des besetzten Deutschlands gelten sollten. Zum Teil über die amerikanische Vorlage hinausgehend vereinbarten die Delegierten Grundsätze zur industriellen Abrüstung Deutschlands, zur Dezentralisierung der deutschen Wirtschaft durch die Zerschlagung von Kartellen, Syndikaten und Trusts, zur Umorientierung auf die Entwicklung der Landwirtschaft und des industriellen Eigenbedarfs für Friedenszwecke, zur Behandlung Deutschlands als wirtschaftlicher Einheit und zu den Zwecken der gemeinsamen Kontrolle der deutschen Wirtschaft durch die Besatzungsmächte. Dabei wurde der Vereinbarung in der Reparationskommission entsprechend festgehalten, dass der Lebensstandard der Deutschen dem Durchschnittsstandard aller europäischen Länder mit Ausnahme Großbritanniens und der Sowjetunion entsprechen sollte. Schließlich wurde in Artikel 17 der Grundsätze vereinbart, unverzüglich Maßnahmen zur Wiederherstellung des Transportwesens, zur Steigerung der Kohleförderung und der landwirtschaftlichen Produktion sowie zur Instandsetzung von Wohnungen und öffentlichen Versorgungseinrichtungen zu ergreifen. Die Außenminister stimmten den wirtschaftlichen Grundsätzen in dieser Fassung am 22. Juli zu.41

41 Vgl. Tyrell, Großbritannien, S. 563–572.

4. Der Weg zur Teilung

I. Im Januar 1944 hielt Iwan Majskij, einer der Stellvertreter Molotows im Amt des sowjetischen Außenministers, in einem Memorandum fest, wie man sich in Moskau die Welt nach dem Sieg über Hitlerdeutschland vorstellte. Danach sollte die Staatsordnung in den befreiten Ländern West- wie Osteuropas auf den »Prinzipien einer umfassenden Demokratie im Geiste der Volksfront« beruhen. Wo es vor dem Krieg keine Demokratie gab, in Deutschland also, aber auch in Ländern wie Polen oder Griechenland, sollten die Siegermächte sie einführen. Majskij hielt eine »Zusammenarbeit zwischen der UdSSR, den USA und England« bei der Demokratisierung Europas für ebenso möglich wie notwendig. Majskijs Grundsatzpapier, das der Forschung seit Mitte der neunziger Jahre bekannt ist, kann man jetzt in der deutschen Fassung einer reichhaltigen Auswahl von Dokumenten aus dem Archiv für Außenpolitik der Russischen Föderation nachlesen, die Jochen Laufer und Georgij Kynin im Rahmen einer deutschrussischen Historikerkooperation erstellt haben.1 Sie bietet, da viele Schlüsseldokumente schon zuvor veröffentlicht worden waren, kein grundsätzlich neues Bild der sowjetischen Deutschlandpolitik nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Wohl aber wird Vieles bekräftigt und präzisiert, was bislang nur in Grundzügen zu erkennen war. So geht aus den Dokumenten unzweideutig hervor, dass Stalin bis ins Frühjahr 1945 hinein auf die Aufteilung Deutschlands in mehrere, voneinander unabhängige Einzelstaaten setzte. In die Konferenz von Jalta ging die sowjetische Delegation mit einem 1 Jochen Laufer, Georgij P. Kynin (Hg.): Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–1948. Dokumente aus dem Archiv für Außenpolitik der Russischen Föderation. 3 Bände, Berlin 2004.

4. Der Weg zur Teilung

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Papier, das eine Aufteilung in sieben Staaten vorsah: ein im Osten und Norden reduziertes Preußen, einen norddeutschen Staat und einen rheinisch-westfälischen Staat, dazu dann Sachsen, Bayern, Württemberg und Baden als eigenständige Staaten im Süden. Die Sowjetführer waren bereit, sich eine weniger rigide Aufteilung abhandeln zu lassen; am Prinzip des dismemberment aber glaubten sie festhalten zu müssen. Stalin gab die Aufteilungspläne erst auf, als er Widerstand bei den Westmächten registrierte. Um nicht von den Westmächten als Verfechter einer allzu harten Politik bloßgestellt zu werden, bestand er darauf, dass sich die westlichen Verbündeten als erste auf einen konkreten Teilungsplan festlegten. Nachdem eine solche Festlegung ausblieb, ging er vom Zeitpunkt der deutschen Kapitulation an mit einem öffentlichen Bekenntnis zu einem einheitlichen Nachkriegsdeutschland in die Offensive. Ganz offensichtlich war ihm bewusst, dass er die Kontrolle über das deutsche Kriegspotential nur in Kooperation mit den Verbündeten sichern konnte. Die Herausgeber sehen die sowjetische Forderung nach Errichtung deutscher Zentralverwaltungen taktisch bedingt und suggerieren, dass Stalin an einem Scheitern der deutschlandpolitischen Verhandlungen des Alliierten Außenministerrats 1947 interessiert war. Aus den Dokumenten lässt sich eine solche Deutung nicht ableiten. Tatsächlich bezeichnete Molotow die Ergebnisse der Potsdamer Konferenz, die die Errichtung von Zentralverwaltungen mit einem Programm zur Demokratisierung Deutschlands verbunden hatte, in einem Runderlass als »im vollen Maße zufrieden stellend.« Für die sowjetische Militäradministration in Deutschland wurde sogleich ein detailliertes Programm zur Umsetzung der Potsdamer Beschlüsse ausgearbeitet, das weder Zweifel an ihrer Realisierung noch Misstrauen gegenüber den Westmächten erkennen ließ. Im Januar 1947 drängte Stalin im Gespräch mit den SED-Führern darauf, die SED »so schnell wie möglich« auch in Westdeutschland zu etablieren. Als Otto Grotewohl ihm entgegenhielt, dem stünde die Forderung der Westmächte nach Wiederzulassung der SPD in der Ostzone entgegen, insistierte der Kremlchef, dann müsse man eben dieser Forderung nachkommen; die SED dürfe die Konkurrenz der SPD nicht fürchten. Weiter verlangte

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

er, eine Auffangpartei für ehemalige Nationalsozialisten zu gründen: Diese sollten nicht alle den Amerikanern in die Hände getrieben werden. Noch im März 1948, als die Westmächte schon über die Konditionen der Gründung eines westdeutschen Staates verhandelten, bestand Stalin, wiederum im Gespräch mit der SED-Führung, auf der Ausarbeitung einer gesamtdeutschen Verfassung. Dass sie in kurzer Frist Geltung erlangen könnte, glaubte er jetzt nicht mehr. Doch sollte die Diskussion über die Verfassung dazu dienen, »die Leute geistig auf die Einheit vorzubereiten. Wenn diese Idee in den Köpfen der Menschen verankert sein wird, kann man die Einheit nicht mehr zerstören.« Eher wird man davon sprechen können, dass Stalins übergroßes Misstrauen einer konsequenten Umsetzung seines Programms im Wege stand. Als der amerikanische Außenminister James F. Byrnes im September 1945 einen Pakt zur dauerhaften Entmilitarisierung Deutschlands anbot, witterte der Moskauer Diktator darin nur eine Entwertung der Bündnisse, die die Sowjetunion mit europäischen Staaten geschlossen hatte. Das amerikanische Angebot wurde nach langem Hinhalten als ungenügend zurückgewiesen. Eine gesamtdeutsche Beratung aller Parteien »zur Frage der deutschen Einheit« hielt Stalin Anfang 1947 für hilfreich. Als der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard im Mai die Initiative zu einer Konferenz der Ministerpräsidenten in München ergriff, untersagte Molotow jedoch eine Teilnahme der ostdeutschen Regierungschefs. Nur bei einer Beteiligung der Vertreter der Parteien, Gewerkschaften und gesellschaftlichen Organisationen schien der Kremlführung gewährleistet, dass die Zusammenkunft nicht im antisowjetischen Sinne instrumentalisiert würde. Darüber hinaus wurde der Erfolg des Stalinschen Deutschlandprogramms auch durch die Unzulänglichkeiten seiner autokratischen Regierungsweise beeinträchtigt. Eingaben der sowjetischen Vertreter in Berlin, die durchaus auf eine Verbesserung der Verständigung mit den Westalliierten zielten, blieben häufig unbeantwortet. Selbst die Vorlagen der zuständigen deutschlandpolitischen Abteilung des Außenministeriums fanden manchmal nicht die erforderliche Aufmerksamkeit des Kremlchefs oder er zögerte, auf sie einzugehen.

4. Der Weg zur Teilung

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Stattdessen setzte Stalin immer wieder spontan und ohne jede Beratung eigene Ideen in die Welt, die sich mit den Realitäten schlecht vertrugen. Wenn sie in die Form eines PolitbüroBeschlusses gegossen wurden wie eine Grundsatz-Direktive vom 13. Juni 1946, die die Bildung einer deutschen Regierung zeitlich vor den Abschluss eines Friedensvertrages setzte, wirkten sie wie ein Korsett, das die sowjetische Diplomatie in ihrer Handlungsfähigkeit einschränkte. Andernfalls blieben sie häufig folgenlos. Im Juli 1947 forderte Außenminister-Stellvertreter Andrej Wyschinskij bei Stalins zeitweiligem Günstling Andrej Shdanow eine Anweisung an, den Widerstand der SED-Führung gegen eine Wiederzulassung der SPD zu brechen. Eine Antwort blieb jedoch aus. Die sowjetischen Stellen in Deutschland wurden in der Wiederzulassungsfrage nicht weiter aktiv. Bis sie die Gründung einer Partei für ehemals aktive Nationalsozialisten ins Werk setzten, vergingen weitere elf Monate. Die Dokumentation von Laufer und Kynin bestätigt damit einmal mehr, dass der Weg zur Ost-West-Teilung Deutschlands komplizierter war, als es nicht nur der Gründungsmythos der DDR wahrhaben wollte, sondern auch die Erinnerung der meisten Westdeutschen. Zu den Faktoren, die zur Durchsetzung der Zweistaatlichkeit führten, zählten auch der umfassende Kontrollanspruch eines Walter Ulbricht und das mit der Zeit immer stärkere Bestreben der SED-Führung, die Besatzungsherrschaft abzustreifen. Beides scheint auch in den hier versammelten Dokumenten gelegentlich auf. So schlug Ulbricht schon im September 1946 die Bildung eines zentralen deutschen Amtes für Wirtschaftsplanung in der sowjetischen Zone vor, das die Leitung der Wirtschaft in die Hand nehmen sollte. Bis zur Konstituierung dieses Amtes sollte die Militäradministration den Wirtschaftsplan mit kompetenten Mitgliedern des SED-Vorstands absprechen. SMAD-Chef Wassilij Sokolowskij und Politberater Wladimir Semjonow kritisierten in einem Bericht an die Moskauer Zentrale im Januar 1947 »unkorrektes« Verhalten von Ulbricht, vor allem gegenüber ehemals sozialdemokratischen Mitgliedern der SED. Er verfalle »häufig in einen Befehlston«, der seinem Ansehen schade.

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Die umfangreiche und sorgfältig edierte Dokumentation erzählt freilich immer noch nicht die ganze Geschichte. Sie beschränkt sich, arbeitstechnisch unvermeidlich, auf die Bestände des sowjetischen Außenministeriums und hier auf die Teile, die von den Regierungsstellen der Russischen Föderation für die Forschung freigegeben wurden. Aus dem Präsidentenarchiv konnten nur zwei Protokolle von Unterredungen Stalins mit der SEDFührung herangezogen werden; der Zugang zu den Archiven des Verteidigungsministeriums, der Geheimdienste und des Außenhandelsministeriums blieb den Bearbeitern verwehrt. Das ist insofern besonders bedauerlich, als dem sowjetischen Außenministerium keineswegs die Koordinierung der gesamten Deutschlandpolitik oblag. Allein auf der Grundlage seiner Akten können die Entscheidungsprozesse nur unvollständig erfasst werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Veröffentlichung der Aktenauswahl für die Jahre 1941 bis 1948 nicht nur zur Durchsetzung eines realistischen Bilds der sowjetischen Deutschlandpolitik beiträgt, sondern auch die Einsicht in die Notwendigkeit weiterer Aktenfreigaben fördert. Das ist insofern besonders bedauerlich, als dem sowjetischen Außenministerium keineswegs die Koordinierung der gesamten Deutschlandpolitik oblag. Allein auf der Grundlage seiner Akten können die Entscheidungsprozesse nur unvollständig erfasst werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Veröffentlichung der Aktenauswahl für die Jahre 1941 bis 1948 nicht nur zur Durchsetzung eines realistischen Bilds der sowjetischen Deutschlandpolitik beiträgt, sondern auch die Einsicht in die Notwendigkeit weiterer Aktenfreigaben fördert.

II. Zusätzlichen Aufschluss zur Entwicklung der sowjetischen Deutschlandpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg gewähren Dokumente zur sowjetischen Politik in Österreich, die jüngst veröffentlicht wurden.2 In Majskijs Grundsatzpapier vom Januar 1944 wurde Österreich zu der gleichen neutralen Zone zwischen sowjetischem und britischem Einflussgebiet in Europa gerechnet 2 Mueller u.a., Sowjetische Politik in Österreich.

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wurde, zu dem auch Deutschland gehören sollte – ebenso wie Dänemark, die Schweiz und Italien. Bekanntlich wurde Österreich wie Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt; am Ende des Besatzungsregimes stand aber nicht die Teilung, sondern die bewaffnete Neutralität. Die vorliegende Edition, hervorgegangen aus der Zusammenarbeit österreichischer Historiker mit je einem russischen und einem amerikanischen Kollegen, ermöglicht es, die Frage nach den sowjetischen Zielen in Österreich wesentlich präziser zu beantworten als bisher. Sie bietet eine Auswahl von 101 Dokumenten aus den Archivbeständen der KPdSU und des Ministerrats der Sowjetunion, die innenpolitische Aspekte der sowjetischen Besatzungspolitik in Österreich behandeln. Die Berichte, Briefe und Protokolle werden sowohl im russischen Original als auch in deutscher Übersetzung dargeboten. Eine knappe Einleitung orientiert über die sowjetische Regierungspraxis in der späten Stalin-Ära und die Grundzüge der sowjetischen Österreich-Politik. Pragmatismus und Paranoia lagen in dieser Politik eng beieinander. Das zeigen schon die Vorgänge um die Bildung der Regierung des Sozialdemokraten Karl Renner im April 1945. Stalin griff Renners Angebot, beim Wiederaufbau der Republik Österreich mitzuhelfen, rasch auf. Offensichtlich war er bemüht, finsteren Machinationen der Westmächte bei der Bildung einer provisorischen Nachkriegsregierung zuvorzukommen: Österreichische Exilgruppen in London und Widerstandszellen, die mit ihnen in Verbindung standen, wurden als »englische Agentenorganisationen aus antisowjetischen Elementen« denunziert. Nach dem enttäuschenden Ausgang der Nationalratswahlen vom 25. November 1945, in denen die österreichischen Kommunisten mit 5,4 Prozent für die Brutalitäten der sowjetischen Besatzer abgestraft wurden, ging die Sowjetführung zu der Nachfolgeregierung unter Leopold Figl und Adolf Schärf auf Distanz. Die beiden großen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ, zunächst durchaus als Verbündete beim Wiederaufbau eines demokratischen Österreichs geschätzt, wurden zunehmend als »reaktionär« kritisiert; die Unterstützung für die KPÖ wurde intensiviert, die sowjetische Propaganda wurde ausgebaut. Im Oktober 1946 drängte der stellvertretende sowjetische Militärkommissar Alek-

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sej Želtov die österreichische KP-Führung, dem linken Flügel der Sozialisten zu helfen und »demokratische Elemente« zur Abspaltung von der ÖVP zu ermuntern. Die sowjetische Führung fand sich freilich nicht bereit, die Kontrolle und Führung der gesamten Wirtschaft der sowjetischen Besatzungszone zu übernehmen, wie es KPÖ-Vorsitzender Johann Koplenig und Parteisekretär Friedl Fürnberg gefordert hatten. Erst recht lehnte sie die Vorstellungen der KPÖ-Führung zur dauerhaften Teilung des Landes ab. Im Februar 1948 beschied Parteisekretär Andrej Ždanov den KP-Führern, sie dürften weder auf einen längeren Verbleib der sowjetischen Truppen in Österreich noch auf eine Teilung setzen. Stattdessen sollten sie für ein rasches Ende des Besatzungsregimes und die Wahrung der nationalen Einheit eintreten: Nur so könnten sie »die Mehrheit des österreichischen Volkes zufrieden stellen.« Stalin wollte sich also weder mit einem ostösterreichischen Zwergstaat belasten, der wirtschaftlich nicht lebensfähig war, noch hatte er ein Interesse daran, mit einer Spaltung des Landes die Einbeziehung der drei westlichen Besatzungszonen in den Westblock zu provozieren. Die österreichischen Kommunisten sollten ihm dabei helfen, beides zu vermeiden. Dabei setzte er darauf, dass ein Engagement für die Wiedererlangung der nationalen Souveränität langfristig auch den Kommunisten zugute kommen würde: »Je rascher in Österreich das Besatzungsregime endet, je rascher sich Österreich auf seine demokratischen Kräfte stützen wird, desto besser wird es für die österreichische KP und die Festigung ihres Einflusses im Volk sein.«

Offensichtlich erlag der Sowjetdiktator hier einer doppelten Illusion. Er hielt nur solche Kräfte für demokratisch, die sich seiner politischen Führung unterordneten; gleichzeitig war er aber davon überzeugt, dass diese Kräfte unaufhaltsam im Vormarsch waren. Das marxistisch-leninistische Grundverständnis von steigenden Gegensätzen zwischen »fortschrittlichen Kräften« und den »reaktionären herrschenden Klassen« hielt ihn von jeder realistischen Wahrnehmung der tatsächlichen Gegebenheiten in den besetzten Gebieten ab. Nach dem gleichen Schema verfasste Lageberichte der sowjetischen Besatzungsverwaltung und der

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österreichischen Genossen, die der Band zuhauf bietet, bestärkten den Kremlherrn in seinen Illusionen. Das Ergebnis war eine Strategie, die geradewegs in die Selbstisolierung der Kommunisten führte. Die KPÖ zog den einzigen Minister, den sie nach den Wahlen vom November 1945 noch stellen konnte, im November 1947 zurück und betrieb weisungsgemäß die Abspaltung der »fortschrittlichen Kräfte« von der SPÖ wie von der ÖVP. Sehr erfolgreich war sie damit nicht. Der »Linksblock«, den sie zusammen mit den Linkssozialisten um Erwin Schärf bildete, kam in den Wahlen vom Oktober 1949 auf 5,08 Prozent der Stimmen; die »Österreichische Volksopposition«, zu der noch eine bürgerliche Splittergruppe hinzugezogen wurde, erreichte in den Wahlen vom Februar 1953 5,28 Prozent. Die Wahlschlappen in Folge hielten die Berichterstatter nicht davon ab, unverdrossen weiter unbegründete Hoffnungen zu verbreiten. In seinem Jahresbericht für 1954 behauptete der Vertreter des sowjetischen Hochkommissars für das Burgenland einmal mehr, »dass sich die Widersprüche in den regierenden Parteien vergrößern und dass die Unzufriedenheit der einfachen Mitglieder dieser Parteien mit der Politik der Parteispitze wächst.« Bei soviel Zweckoptimismus kam es auch zu keiner Änderung der Strategie, weder zu Lebzeiten Stalins noch danach. Die sowjetische Zustimmung zum Staatsvertrag erfolgte unabhängig von der Entwicklung der inneren Verhältnisse, aus Überlegungen zur internationalen Lage, die in dieser Edition allerdings nicht mehr dokumentiert werden. Börries Kuzmany, einer der Übersetzer des Bandes, macht in einem einleitenden Essay darauf aufmerksam, dass die beiden großen Volksparteien zu Beginn der Besatzungszeit durchaus als »demokratisch« bezeichnet wurden, während dieses Prädikat später nur noch den Kommunisten und ihren Verbündeten zukam. Das unterstreicht, dass der Demokratiebegriff, an dem sich Stalin orientierte, subjektiv den westlichen Vorstellungen entsprach, während er sich objektiv durch seine Paranoia in eine Sackgasse manövrieren ließ. Die Parallelen zu den Vorgängen in Deutschland sind offenkundig.

5. Die Gründung der DDR

I. »Die Sowjetunion«, erklärte Josef Stalin den Botschaftern der drei Westmächte, die ihn am 2. August 1948 aufsuchten, um über die Aufhebung der Berliner Blockade zu verhandeln, »setzt in der Ostzone keine Regierung ein. Die drei Westmächte haben die Sowjetunion gezwungen, eine neue Währung in Umlauf zu bringen. Sie wollen die Sowjetunion zwingen, in der Ostzone eine neue Regierung zu bilden. Die Sowjetregierung möchte es nicht tun.«1 Die Sowjetregierung, das war in erster Linie Stalin selbst; und wie wir heute wissen, wollte er tatsächlich keine Regierung in der Ostzone, keine DDR. Er konnte sie gar nicht wollen, wenn er die Interessen seines Landes ernst nahm. Sicherheit vor Deutschland, vor einem neuen Angriff auf die Sowjetunion war nicht zu gewinnen, wenn man sich auf eine Kontrolle der östlichen Besatzungszone beschränkte und den größeren Teil Deutschlands mit den industriellen Ressourcen des Ruhrgebiets imperialistischen Mächten überließ. Reparationen, die die kriegszerstörte Sowjetunion dringend zum Wiederaufbau brauchte, waren in ausreichendem Umfang ebenfalls nur in den Westzonen zu holen; volkswirtschaftlich stellte die Ostzone eher eine Belastung dar. Und es konnte auch nicht im Interesse der Sowjetunion liegen, die USA mit der Gründung eines Oststaates direkt als Schutzmacht für den Weststaat auf den Plan zu rufen und sie damit dauerhaft auf dem europäischen Kontinent zu etablieren – politisch, wirtschaftlich und militärisch. Das alles galt erst recht, wenn man die Politik der USA, die zum Marshall-Plan und zur Vorbereitung eines Weststaates 1 Sowjetisches Protokoll der Unterredung, veröffentlicht in Moskowskije Nowosti vom 18.5.1988, hier zit. n. der deutschen Übersetzung in Neues Deutschland vom 20.5.1988.

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führte, durch die ideologische Brille betrachtete, wenn man sie als Ausdruck einer aggressiven Verschwörung imperialistischer Kräfte begriff, die sich gegen die Sowjetunion richtete. Genau so hat es Stalin gesehen; das wird unter anderem aus einem internen Memorandum des Moskauer Außenministeriums deutlich, das der damalige Chef der deutschlandpolitischen Abteilung, Wladimir Smirnow, am 12. März 1948 an Außenminister Molotow übergab. Die Westmächte, hieß es da, »bereiten die Schaffung eines westdeutschen Staates vor, mit dem sie einen separaten Friedensvertrag schließen wollen. [...] Sie machen Deutschland damit zu ihrer Hilfsquelle und schließen es in den militärischpolitischen Block ein, den sie gegenwärtig schaffen. Dieser ist gegen die Sowjetunion und gegen die neuen Demokratien gerichtet.«2 Dass Stalin die Teilung Deutschlands verhindern wollte und der Übergang zum Sozialismus deswegen zurückgestellt wurde, ist immer wieder heftig bestritten worden. Zumal in Deutschland sperren sich auch heute noch viele gegen Erkenntnisse, die ihnen nicht passen.3 Indessen war eine solche Politik nicht nur in sowjetischer Sicht absolut logisch. Was ich dazu 1994 aufgrund der bis dahin erschlossenen Quellen an Forschungsergebnissen präsentiert habe,4 wird auch durch alle weiteren Quellen bestätigt, die seither bekannt geworden sind. So findet sich im Tagebuch Georgi Dimitroffs eine Eintragung, nach der Stalin den KPDFührern am 7. Juni 1945 »vorschlug, definitiv zu erklären, dass im gegebenen Moment die Einführung des sowjetischen Systems in Deutschland unrichtig ist; notwendig ist die Errichtung eines antifaschistischen, demokratischen, parlamentarischen Regimes.«5 Die sowjetischen Mitschriften einiger Unterredungen der SEDFührer mit dem Kremlchef, die Wladimir K. Wolkow ermittelt hat, zeigen einen Stalin, dem es um »die Schaffung eines neutralen, keinem politischen Bündnis mit den Westmächten ange2 Zit. n. Mikhail M. Narinskij, The Soviet Union and the Berlin Crisis, 1948–9, in: Francesca Gori / Silvio Pons (Hg.), The Soviet Union and Europe in the Cold War, 1943–53, London / New York 1996, S. 57–75, hier S. 63. 3 Vgl. zuletzt Gerhard Wettig, Bereitschaft zu Einheit in Freiheit? Die sowjetische Deutschlandpolitik 1945–1955, München 1999. 4 Loth, Stalins ungeliebtes Kind. 5 Dimitroff, Dnewnik, S. 481 f.

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hörenden Deutschland« ging, »das gleichsam als Pufferzone zwischen den Westmächten und der Sowjetunion und ihrer Einflusssphäre in Osteuropa dienen sollte.«6 Die sowjetischen Protokolle bestätigen die Authentizität der Gesprächsnotizen Wilhelm Piecks, auf die ich mich vorwiegend stützte,7 ebenso wie die Deutung, die ich ihnen gab.8

II. Nachdem Stalin keinen ostdeutschen Staat nach sowjetischem Muster wollte, war es folgerichtig, dass er gegen die Errichtung des Weststaates ankämpfte. »Wir müssen Maßnahmen ergreifen«, fuhr Gribanow in dem Memorandum vom 12. März 1948 fort, »die ihre Pläne zur Schaffung eines Westblocks, der Deutschland einschließt, aktiv zerschlagen.« In diesem Sinne wurde zunächst eine Außenministerkonferenz der Ostblockstaaten vorgeschlagen, die als »Warnung an die Westmächte« dienen sollte. Danach wollte die Sowjetregierung eine abermalige Sitzung des Außenministerrats zur Beratung über den Friedensvertrag mit Deutschland verlangen. Blieben die Westmächte dann immer noch bei ihrer Politik der Weststaatsgründung, sollte die Sowjetunion erklären, dass die Westmächte durch ihre Politik den Alliierten Kontrollrat und den Außenministerrat zerstört und infolge dessen die bestehenden Abkommen über die Kontrollratsmechanismen und die Besatzungszonen ihre Geltung verloren hätten. Die sowjetische Regierung würde daher gezwungen sein, ihre Besatzungszone vollständig abzuriegeln, die erforderlichen finanziellen Maßnahmen zu treffen, eine Verteidigung der Grenze zu organisieren und so weiter.9 6 Wladimir K. Wolkow, Die deutsche Frage aus Stalins Sicht (1947–1952), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 48 (2000), S. 20–49, das Zitat S. 27. 7 Ediert in Badstübner / Loth, Pieck. 8 Vgl. im Folgenden Anm. 13, 37, 39–42, 68, 73–77. Zu weiteren bestätigenden Quellen siehe das Nachwort zur Taschenbuchausgabe: Stalins ungeliebtes Kind, München 1996, S. 233–239; sowie das Nachwort zur englischen Ausgabe: Stalin’s Unwanted Child, London / New York 1998, S.178–185; zur Haltlosigkeit der Kritik, die an meinen Ergebnissen geäußert wurde, auch in diesem Band, »Stalin, die deutsche Frage und die DDR«, S. 11–26. 9 Wie Anm. 2.

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Der Auszug aus dem Alliierten Kontrollrat, die so genannte »Mini-Blockade« Ende März / Anfang April 1948 und auch die tatsächliche Sperrung aller Zufahrtswege von den Westzonen nach Berlin Ende Juni hatten danach zunächst Demonstrationscharakter: Der westlichen Öffentlichkeit sollte vor Augen geführt werden, wohin die Weststaatspolitik ihrer Regierungen zu führen drohte. Darüber hinaus galt es, die Westmächte unter Druck zu setzten. Stalin wusste sehr genau, dass sie sich einen Abzug aus Berlin im Grunde nicht leisten konnten. Als die Westmächte um Verhandlungen über eine Aufhebung der Blockade nachsuchten, wurde ihnen gesagt, dass Gespräche »nur dann effektiv« seien, wenn sie nicht auf die Verwaltung von Berlin beschränkt blieben: Notwendig sei eine Verhandlung über die »allgemeine Frage der Viermächte-Kontrolle Deutschlands.«10 Im Gespräch mit den Botschaftern der Westmächte präzisierte Stalin am 2. August, es »müsse die Versicherung gegeben werden, dass die Erfüllung der Beschlüsse der Londoner Konferenz so lange verschoben wird, bis sich Repräsentanten der vier Mächte getroffen und über die wichtigsten Fragen, die sich auf Deutschland beziehen, geeinigt haben.«11 Die in London beschlossene Bildung einer deutschen Regierung in den Westzonen sei »die einzige wirkliche Streitfrage.«12 Parallel dazu betrieb Stalin die Ausarbeitung einer Verfassung für Gesamtdeutschland durch die Organe des »Deutschen Volkskongresses«. »Die ganze Bevölkerung muss in die Beratung der Verfassung einbezogen werden«, sagte er den SED-Führern am 26. März 1948, sowohl in West- als auch in Ostdeutschland. »Das wird«, davon gab er sich überzeugt, »die psychologische Grundlage schaffen für die Verwirklichung der Einheit Deutschlands. [...] Die Briten und die Amerikaner werden die Deutschen zu kaufen versuchen, werden sie in eine privilegierte Lage bringen. Dagegen gibt es nur ein Mittel – das Bewusstsein der Menschen auf die Einheit vorbereiten. Die Verfassung – das ist ein sehr gutes Mittel, ein vortreffliches Mittel.« Und weiter: »Wenn die Köpfe auf diese Idee vorbereitet sind, dann ist die Einheit 10 Note vom 14.7.1948, FRUS 1948, Bd. 2, S. 964. 11 Wie Anm. 1. 12 FRUS 1948, Bd. 2, S. 1006. Vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 117–124.

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nicht aufzuhalten. Dann müssen die Amerikaner kapitulieren. Wenn ihr diesen Rat annehmt, wird es gut.«13 Das war keine so abenteuerliche Kalkulation, wie es im Nachhinein erscheinen mag. Als die westdeutschen Ministerpräsidenten den Auftrag zur Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung erhielten, zögerten sie tatsächlich, Verantwortung für die deutsche Teilung mit zu übernehmen. Mehr als eine gemeinsame Verwaltungsorganisation für die drei Westzonen wollten sie auf ihrer ersten Zusammenkunft vom 8. bis 10. Juli 1948 in Koblenz nicht zugestehen; diese Zonenverwaltung sollte selbstverständlich nur provisorischen Charakter haben. In Frankreich waren die Londoner Beschlüsse nur ganz knapp vom Parlament gebilligt worden; im Kabinett und in den Ministerien herrschten große Zweifel, ob die Weststaatsgründung nicht geradewegs zum Krieg mit der Sowjetunion führen würde. Der französische Militärgouverneur in Deutschland, General Pierre Koenig plädierte für eine Verschiebung des Auftrags an die westdeutschen Ministerpräsidenten, ebenso der britische Militärgouverneur Brian Robertson und selbst George F. Kennan, der 1945/46 als einer der ersten für die Schaffung eines westdeutschen Staates geworben hatte. Außenminister Marshall fürchtete, entweder Berlin aufgeben oder die Londoner Beschlüsse suspendieren zu müssen; er war sich nur noch nicht schlüssig, welches von beiden das größere Übel sei.14

III. Umso erstaunlicher ist, dass Walter Ulbricht von der SEDFührung und Sergej Tulpanow, der Leiter der Hauptverwaltung Information der Sowjetischen Militäradministration, zur gleichen Zeit höchst aktiv auf die Errichtung des Oststaates nach sowjetischem Muster hinarbeiteten. Nach dem Scheitern der Londoner Außenministerratstagung im Dezember 1947 erklärte Ulbricht den Abteilungsleitern des Zentralsekretariats, die Ostzone müsse jetzt »konsequent den volksdemokratischen Weg gehen.« Es 13 Wolkow, deutsche Frage, S. 33. 14 Hierzu und zum Folgenden Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 125–127.

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gäbe »Genossen, die da glauben, wir haben bei uns schon eine Volksdemokratie – ja? Das aber ist ein Irrtum, ja? Dazu müssen noch viele Voraussetzungen geschaffen werden. Wir müssen erst noch die Massenorganisationen festigen, die bürgerlichen Parteien spalten und dann eine ›Nationale Front‹ aufbauen.«15 Den Innenministern der Länder legte er dar, der Kampf um die Einheit Deutschlands bedeute, »dass wir den Neuaufbau Deutschlands dort in Angriff nehmen müssen, wo wir Einfluss haben.«16 Und die Dozenten der Parteihochschule instruierte er, ganz auf die Verhältnisse in der Sowjetzone konzentriert, es habe eine neue Phase des Klassenkampfes begonnen, in der dafür gesorgt werden müsse, »dass unsere Partei die führende und tragende Kraft im Staate ist.«17 Was Ulbricht da als Aufgabe beschrieb, wurde in Tulpanows Sicht offensichtlich ganz schnell erreicht. Am 8. Mai 1948 erklärte er der SED-Führung, »faktisch« sei »eine Aufteilung Deutschlands in zwei Teile zustande gekommen, welche sich nach verschiedenen Gesetzen entwickeln.« Die SED befinde sich »an der Grenze zweier Welten, dort, wo die Welt des Kapitalismus auf die Welt des Sozialismus trifft.« Die Entwicklung in der sowjetischen Zone sei »eine Entwicklung nach dem Typ der neuen Demokratie«, und die SED nehme hier »eine herrschende staatliche Stellung ein«, sie sei »faktisch an der Macht.« Als Konsequenz aus dieser kruden Anwendung des leninistischen Revolutionsschemas auf die Situation in Deutschland forderte Tulpanow zwei Dinge: zum einen, »ein festes, diszipliniertes Parteiaktiv zusammenzuschmieden«, das die »Schwächen und Unzulänglichkeiten in der organisatorischen und ideologischen Arbeit der Partei« überwindet, allen Parteimitgliedern »eine klare Vorstellung über die Entwicklung und den Untergang des Kapitalismus, über die Unvermeidlichkeit des Sieges des Proletariats, über Staat, Demokratie und Diktatur« vermittelt und »den Hass zu dem sich rasch in der Richtung zum Faschismus entwickelnden amerikanischen Imperialismus und seinen Verbündeten ent15 Erich W. Gniffke, Jahre mit Ulbricht, Köln 1966, ²1990, S. 275. 16 Walter Ulbricht, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 3: 1946–1950, Zusatzband, Berlin 1971, S. 428. 17 Leonhard, Revolution, S. 427.

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facht.« Zum anderen trug er der Partei auf, »vermittels ihrer Mitglieder den Kampf um die Festigung der Zone im Ganzen, um die Hebung der Stimmung unter der Bevölkerung, um die Hebung des Wirtschaftsniveaus usw. [zu] führen.«18 Hinsichtlich der »Festigung der Zone im Ganzen« war unterdessen schon Einiges geschehen. Mit dem SMAD-Befehl Nr. 32 vom 12. Februar 1948 hatte die Deutsche Wirtschaftskommission (abgekürzt DWK) das Recht erhalten, »Verfügungen und Instruktionen, die für alle deutschen Organe im Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland [...] verbindlich sind, zu beschließen und zu erlassen sowie deren Durchführung zu prüfen.«19 Damit war der zähe Widerstand der Länder der sowjetischen Besatzungszone gegen die Aushöhlung ihrer Kompetenzen gebrochen und der Weg zur zentralistischen Organisation der Zone frei. Nach ihrer Reorganisation, die am 9. März abgeschlossen war, begann die DWK mit der Erarbeitung eines Produktionsplans für das zweite Halbjahr 1948. Dann stellte sie einen Zweijahresplan für die Jahre 1949/50 auf, der am 30. Juni vom SED-Vorstand beschlossen wurde. Gleichzeitig setzte sie im Zuge des Abschlusses der Sequester-Verwaltungen noch einmal umfangreiche Enteignungen durch und entzog den Ländern die wirtschaftspolitische Kompetenz. Otto Grotewohl, der von der SPD kommende zweite Vorsitzende der SED, setzte der Entwicklung zu einem Oststaat unter Führung der SED zunächst Widerstand entgegen. Wir müssen dafür sorgen, erklärte er am 20. März im Parteivorstand, die »programmatische Gestaltung noch eindringlicher auf ganz Deutschland abzustellen.«20 Im Gespräch mit Erich Gniffke, einem Vorstandsmitglied, das ebenfalls von der SPD kam, betonte er: »Vielleicht kommen wir an der vorübergehenden Trennung von einem westdeutschen Staat nicht vorbei. Es sollte dann aber vermieden werden, Einrichtungen zu schaffen, die ein späteres Zusammenkommen der getrennten Teile Deutschlands unter Umständen ausschließen.«21 18 Redemanuskript im Nachlass Pieck, veröffentlicht bei Badstübner / Loth, Pieck, S. 216–227. 19 Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland. Dokumente aus den Jahren 1945–1949, Berlin 1968, S. 585f. 20 SAPMO-BA, ZPA IV 2/1/21, Bl. 24. 21 Gniffke, Ulbricht, S. 298.

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Anfang Juni beteuerte er Gniffke gegenüber, er wolle »eine Entwicklung verhindern, bei der Ulbricht Generalsekretär wird und bei der sich seine Konzeption durchsetzt.« Dabei gab er sich durchaus optimistisch, dies erreichen zu können: »Wenn Ulbricht so weitermacht, schaltet er sich von ganz allein aus.«22 Ausgeschaltet wurde freilich Grotewohl. Bis Ende Juni gewann er den Eindruck, dass hinter Ulbricht die stärkeren Bataillone standen, vermutlich Stalin selbst. Da blieb nur noch die Anpassung, wenn er weiter an der Macht beteiligt bleiben wollte und es nicht, wie etwa Gniffke, vorzog, in den Westen zu gehen. Auf der Vorstandssitzung vom 29./30. Juni, die den Zweijahresplan als Parteiplan beschloss, präsentierte sich Grotewohl mit einem Mal als Vorreiter des neuen Kurses: »Die Spaltung Deutschlands muss uns vor die klare Beantwortung der Frage stellen, auf welcher Seite der Platz der sowjetischen Besatzungszone für die nächsten Jahre ist.« Und die Antwort lautete für ihn, »dass die Ausrichtung unserer Partei bei der Durchführung dieses Wirtschaftsplanes sich eindeutig und ohne jeden Rückhalt nach dem Osten zu orientieren hat. Die Entwicklung, die sich in den Ländern der Volksdemokratien gezeigt hat, ist die einzige Entwicklungsmöglichkeit, die uns im Zusammenhang mit diesem Wirtschaftsplan geblieben ist.«23 Grotewohls Umfall, der zweite nach seiner Zustimmung zur Vereinigung der SPD mit der KPD im Frühjahr 1946, bedeutete Ulbrichts definitiven Durchbruch. Drei Tage nach Grotewohls entscheidender Vorstandsrede, die wegen ihrer strategischen Bedeutung auch prompt im »Neuen Deutschland« veröffentlicht wurde, setzte Ulbricht im Zentralsekretariat eine Resolution durch, in der es hieß, die »wichtigste Lehre der Ereignisse in Jugoslawien« (gemeint war Stalins Bruch mit Tito, der am 28. Juni zum Ausschluss der jugoslawischen Kommunisten aus dem Kominform geführt hatte) bestehe »für uns deutsche Sozialisten darin, mit aller Kraft daranzugehen, die SED zu einer Partei neuen Typus zu machen, die unerschütterlich und kompromisslos auf dem Boden des Marxismus-Leninismus steht.« Allein Erich Gniffke und sein sozialdemokratischer Sekretariatskollege 22 Ebd. S. 312 f. 23 Neues Deutschland vom 1.7.1948.

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August Karsten wagten es noch, gegen diesen Text zu stimmen.24 Die Mehrheit der Sozialdemokraten im Zentralsekretariat, seit Wochen ohnehin schon in resignativer Stimmung,25 hielt nach dem Umkippen Grotewohls weitere Gegenwehr für sinnlos, und ein Teil der Kommunisten fiel in die alten Gewohnheiten zurück. Entsprechend machte die Etablierung des Ulbricht-Systems nun rasche Fortschritte: Unter dem Ulbricht-Vertrauten Kurt Fischer, der am 13. Juli zum Präsidenten der aufgewerteten Deutschen Zentralverwaltung des Innern ernannt wurde, wurde eine zentrale Polizeiverwaltung geschaffen, die Kontrolle der gesamten Polizei durch Polit-Kultur-Organe der Partei eingeleitet und mit der Aufstellung der kasernierten Volkspolizei begonnen – alles, um bei der »Verschärfung des Klassenkampfes [...] die Herrschaft der Arbeiterklasse [zu] sichern«, wie Fischer auf einer Konferenz mit den Innenministern und hohen Verwaltungsfunktionären am 23./24. Juli in Werder formulierte.26 Die Innenminister wurden angehalten, »Feinde der Demokratie, Agenten, Schumacher-Leute, Spione, Saboteure usw., die sich in den Verwaltungsapparat eingeschlichen haben«, zu »entlarven« und zu entfernen;27 und im SED-Vorstand wurde am 29. Juli ein Beschluss über die »organisatorische Festigung der Partei und ihre Säuberung von feindlichen und entarteten Elementen« gefasst.28 Während die Säuberungen anliefen und die Gegenwehr der jugoslawischen Kommunisten gegen ihre Verurteilung durch das Kominform-Büro Anlass zu peinlichen Treuebekundungen gegenüber »dem großen sowjetischen Beispiel« bot,29 gaben auch die Führer der bürgerlichen Parteien dem fortdauernden Druck ein weiteres Stück nach. Nachdem der zentrale Blockausschuss aufgrund seiner zahlreichen Differenzen mit der SED schon über fünf Monate nicht mehr getagt hatte, akzeptierte er am 5. August mit der Aufnahme des FDGB eine Massenorganisation als 24 Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd. 2, Berlin 1951, S. 81 f.; vgl. Gniffke, Ulbricht, S. 324 f. 25 Vgl. ihre Separatbesprechung Ende Mai 1948 im Hause Max Fechners, ebd. S. 307 f. 26 SAPMO-BA, ZPA IV 2/13/110, Bl. 158–161. 27 Beschluss der Konferenz von Werder, zit. n. Gniffke, Ulbricht, S. 329 f. 28 Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd. 2, S. 83–88. 29 Ebd. S. 103.

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Blockmitglied. Gleichzeitig wurde die Bauernpartei als zusätzliche Partei aufgenommen und am 7. September auch die NDPD. Die bisherigen Möglichkeiten von CDU und LDPD, Vorlagen der SED zu blockieren, wurden dadurch erheblich eingeschränkt. Vom Erfolg beflügelt und durch die Kominform-Tiraden gegen Tito und den polnischen KP-Führer Gomulka zusätzlich angespornt, rief Ulbricht auf der nächsten Parteivorstandssitzung am 15./16. September ohne weitere Umschweife zum Nachvollzug der bolschewistischen Revolution auf: »Unsere Aufgabe ist es, den Weg der völligen Beseitigung und Liquidierung der kapitalistischen Elemente sowohl auf dem Lande wie in den Städten zu beschreiten. Diese Aufgabe ist, kurz gesagt, die des sozialistischen Aufbaus.«

Dann griff er Anton Ackermann an, der Anfang 1946 die These vom »besonderen deutschen Weg zum Sozialismus« vorgetragen hatte. Das sei ein Fehler gewesen, befand Ulbricht jetzt, und noch dazu ein gefährlicher, weil er darüber hinweggetäuscht habe, dass »der Übergang zum Sozialismus nur im schärfsten Klassenkampf durch die Beseitigung der letzten kapitalistischen Klassen siegreich geführt werden kann.«30 Ackermann musste im »Neuen Deutschland« öffentlich Selbstkritik üben.31 Damit war der Nachvollzug des Sowjetmodells auf dem Boden der sowjetischen Besatzungszone zum ersten und vorrangigen politischen Ziel der SED geworden. Gegen allzu grobe Vereinfachungen muss man hinzufügen: jetzt erst, das war nicht das Ziel der SED von Anfang an. Seit dem 16. September 1948 existierte die DDR de facto: Zu der Staatsstruktur, die Ulbricht mit Hilfe der SMAD etabliert hatte, war jetzt auch die Staatsidee gekommen, und es gab eine wachsende Zahl von Personen, die vieles zu verlieren hatten, wenn das eine oder das andere wieder in Frage gestellt wurden. Gniffke sprach in einer letzten Unterredung mit Pieck und Grotewohl von der »Diktatur Ulbrichts, der letzten Endes auch ihr beide unterworfen seid«;32 dann setzte er sich Ende Oktober nach West-Berlin ab. 30 SAPMO-BA, ZPA IV 2/1/26; vgl. auch Gniffke, Ulbricht, S. 340 f. 31 Anton Ackermann, »Über den einzig möglichen Weg zum Sozialismus«, in: Neues Deutschland vom 24.9.1948. 32 Gniffke, Ulbricht, S. 355.

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IV. Ulbricht und Tulpanow hatten damit einen Kurs durchgesetzt, der den Intentionen des obersten Kremlherrn objektiv zuwiderlief. Als ich dieses Forschungsergebnis 1994 zum ersten Mal vortrug, wollten es viele nicht wahrhaben. Ulbricht und Tulpanow mit einer eigenen Politik, die sie auch noch gegen den allseits verehrten und gnadenlosen Führer aller Werktätigen durchsetzten – das widersprach doch allem, was man über den Stalinismus zu wissen glaubte. »Eine Deutung, die so abenteuerlich ist wie die Politik, die sie zu erklärten vorgibt«, schrieb Heinrich August Winkler in der »Zeit«.33 Unterdessen fanden sich freilich in den Akten des ZK der KPdSU Belege dafür, dass Tulpanow nicht nur tatsächlich sehr eigenständig auf eine Ausrichtung der Sowjetzone nach sowjetischem Vorbild aus war, sondern deswegen auch wiederholt in das Schussfeld von Untersuchungskommissionen des Moskauer Zentralkomitees geriet. Ende April 1948 kritisierte ein Untersuchungsbericht voreiliges Drängen auf Einführung des Sozialismus in der Ostzone, Vernachlässigung der bürgerlichen Parteien, unangemessene Einmischung in die Tagespolitik der SED und allgemein »mangelndes Verständnis für die historischen Perspektiven der Entwicklung Deutschlands.« Ein Abgesandter der Politischen Hauptverwaltung der Armee, Oberst Konstantinowski, berichtete Ende August 1948 nach Moskau, dass Tulpanow immer noch die gleichen »schwerwiegenden politischen Fehler« mache – was unter anderem dazu geführt habe, dass viele Politoffiziere der irrigen Auffassung seien, in der Sowjetzone sei bereits die Bildung einer »sozialistischen Republik« im Gange.34 Wladimir Semjonow, der Politische Berater beim Chef der SMAD, schrieb in seinen 1995 erschienen Memoiren: »Einige 33 Heinrich August Winkler, »Im Zickzackkurs zum Sozialismus«, in: Die Zeit vom 17.6.1994. 34 Naimark, Russians in Germany, S. 341–345; Text der beiden Memoranden bei Bernd Bonwetsch / Gennadij Bordjugov / Norman M. Naimark (Hg.), Sowjetische Politik in der SBZ 1945–1949. Dokumente zur Tätigkeit der Propagandaverwaltung (Informationsverwaltung) der SMAD unter Sergeij Tjul’panow, Bonn 1998, S. 275–280 u. 283–289.

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Hitzköpfe in der SED überschätzten die bisherigen Reformen und gaben die falsche Orientierung aus, dass man zum Aufbau des Sozialismus übergehen könne.« Und weiter: »Mir kam zu Ohren, dass Tjulpanow auf Aktivtagungen der SED erklärte, in der sowjetischen Besatzungszone sei nun der Übergang von der antifaschistisch-demokratischen Ordnung zum Aufbau des Sozialismus und zur Errichtung der Diktatur des Proletariats gekommen. Ich forderte ihn auf, dazu Stellung zu nehmen. Er gab zu, dass er derartige Dinge gesagt hatte. Dabei habe es sich aber lediglich um einen inoffiziellen Meinungsaustausch gehandelt, in dem er feststellen wollte, wie weit die Dinge in der Zone gediehen seien. Ich sagte Tjulpanow gehörig meine Meinung und hob vor allem hervor, derartige Erklärungen dürften auf keinen Fall ohne vorherige Sanktionierung durch das ZK der KPdSU (B) abgegeben werden.«35

Bei dem Rüffel Semjonows blieb es nicht. Wir kennen die Einzelheiten noch nicht, aber schrittweise wurde Tulpanow in den nächsten Monaten demontiert. Am 25. Januar 1949 wurde die Rundfunkübertragung einer Rede, in der Tulpanow wieder einmal in schärfster Form über den »anglo-amerikanischen Imperialismus« herzog, nach vier Minuten unterbrochen. Die Zeitungsredaktionen erhielten die Anweisung, nicht über diese Rede zu berichten. Am 29. März wurde Marschall Sokolowski als Chef der SMAD ohne Angabe von Gründen abgelöst; danach wurde es zunehmend still um Tulpanow. Mitte September beantragte der stellvertretende Leiter der Politischen Hauptverwaltung der sowjetischen Streitkräfte die Abberufung Tulpanows mit der Begründung, er habe die Spionagetätigkeit von Eltern und Verwandten verschwiegen und werde »negativer Ansichten« bezichtigt. Dem Antrag wurde stattgegeben.36 Unterdessen zeigt sich auch an anderen Fällen, dass Stalin die Entwicklung häufig entglitt, gerade weil er alles unter persönlicher Kontrolle halten wollte. Stalins System, so Wolkow, »eröffnete einzelnen Behörden Handlungsspielräume, die sie nach ihrem Verständnis ausfüllten, und zwar vor allem dann, wenn keine exakten und klaren

35 Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 261 f. 36 Memorandum vom 17.9.1949 bei Bonwetsch / Bordjugow / Naimark, Sowjetische Politik, S. 292 f.

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Weisungen vorlagen. Genau das ist auch im sowjetischen Herangehen an die deutsche Frage zu beobachten.«37 Dass Tulpanow zu weit gegangen war, wurde offensichtlich auch Ulbricht übermittelt. Als die SED-Führung Mitte Oktober 1948 aufgefordert wurde, einen Bericht für eine neue Besprechung mit Stalin anzufertigen, wagte er es jedenfalls nicht mehr, vom »sozialistischen Aufbau« zu sprechen. Stattdessen hieß es in der schriftlichen Stellungnahme, die die SED-Führung zu dem Moskau-Besuch vom 12. bis 24. Dezember einreichte, angesichts der Tatsache, dass »die reaktionären Elemente in den bürgerlichen Parteien [...] noch nicht geschlagen« seien, halte man es »für richtig, die im Zweijahresplan enthaltene Charakterisierung der gegenwärtigen Ordnung als ›höhere demokratische Ordnung‹ beizubehalten.« Die Bildung einer »Deutschen Regierung für die sowjetische Besatzungszone« durch Weiterentwicklung der DWK machte die SED-Führung davon abhängig, »dass die Regierungsbildung im Westen erfolgt ist.«38 Das genügte Stalin aber noch nicht. Als Pieck, Ulbricht und Grotewohl am Abend des 18. Dezember die SED-Position vortrugen, wurden sie gehörig zurechtgewiesen. »Gen. Stalin sagt«, heißt es im sowjetischen Protokoll, »dass er nicht ganz einverstanden ist mit der von Pieck dargelegten Politik. Vorerst sind keinerlei Enteignungen nötig, diese Angelegenheit ist noch nicht herangereift. Irgendwelche verbindlichen Verordnungen, die den kapitalistischen Elementen direkt aufs Haupt schlagen, sind ebenso unnötig. Ihr schwächt euch dadurch selbst. Der Weg zur Volksdemokratie ist noch verfrüht. [...] Einzelne Spekulanten sind zu bestrafen, doch die Gruppe der Kapitalisten insgesamt soll man nicht anrühren. [...] In Deutschland besteht eine komplizierte Lage, man darf nicht direkt zum Sozialismus gehen, sondern im Zick-Zack.«39 Als Begründung für die angemahnte »vorsichtige 37 Wolkow, deutsche Frage, S. 49. Wie sich der Mangel an folgerichtigen Instruktionen auf die Praxis der SMAD auswirkte, wird von Naimark, Russians in Germany, anschaulich geschildert. 38 Badstübner / Loth, Pieck, S. 247–253. 39 Wolkow, deutsche Frage, S. 36. – Pieck notierte: »Keine Enteignung, noch zu früh«, »noch keine Volksdemokratie«, »nicht gegen Gruppen von Besitzern vorgehen, sondern nur gegen einzelne, wenn diese Sabotage«, »nicht direkte Eingriffe, sondern Zickzack – opportunistische Politik zum Sozialismus«: Badstübner / Loth, Pieck, S. 260.

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Politik« gab Stalin laut Piecks Notizen an, dass die »Lage« in Deutschland »nicht gleich wie [in den] V[olks]d[emokratien] sei: Noch kein einheit[licher] Staat – stehen nicht vor der Macht.«40 Das sowjetische Protokoll vermerkt: »Gen. Stalin fährt fort, dass man die Aufmerksamkeit des deutschen Volkes gegenwärtig nicht auf jene Fragen konzentrieren soll, die in den Ländern der Volksdemokratie bestehen, sondern auf die Fragen der Einheit Deutschlands, des Friedensvertrags, der Preissenkungen, der Lohnerhöhung, der besseren Ernährung. Das wird ganz Deutschland verbinden, das ist das allerwichtigste.«41

Der Antrag der SED-Führung auf Aufnahme in das Kominform wurde abschlägig beschieden: »Vorerst ist es besser abzuwarten.« Hinsichtlich einer Regierung für die Ostzone bestand Stalin darauf, dass sie »provisorisch« genannt wurde, als »Hinweis darauf, dass die Regierung provisorisch existiert, solange es keine Vereinigung Deutschlands geben wird.« Weiter wandte er sich dagegen, sie aus dem Plenum der DWK hervorgehen zu lassen, wie die SED-Führung vorgeschlagen hatte: »Gen. Stalin sagt, dass eine nicht gewählte Regierung nichts taugt. Wenn es im Westen Wahlen geben wird, dann müssen auch in der Ostzone Wahlen sein. Andernfalls wird man schreien, dass die Regierung in der Ostzone undemokratisch ist, was euch in eine schlechte Lage bringen wird.«

Als Ergebnis hielt man fest, dass die Regierung wohl vom ausgebauten Plenum der DWK (»Volkskammer«) bestellt werden sollte, dass ihr aber führende Politiker des Volksrats angehörten und dass sie vom Volksrat oder einem neuen Volkskongress bestätigt wurde. Stalin legte Wert darauf, dass die »Zonenregierung« auf diese Weise »die Billigung eines nationalen Organs erhalten wird.«42

40 Ebd. S. 261. 41 Wolkow, deutsche Frage, S. 36. Pieck notierte hierzu die Begriffe »Einheit« und »Frieden«: Badstübner / Loth, Pieck, S. 261. 42 Wolkow, deutsche Frage, S. 37 f.; vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 147 f.

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V. Stalins Einspruch versetzte Ulbrichts revolutionärem Ehrgeiz einen kräftigen Dämpfer. Nachdem die Moskau-Heimkehrer am 27. Dezember im Zentralsekretariat berichtet hatten, trat Pieck mit einem Interview im »Neuen Deutschland« am 30. Dezember den Rückzug an: »Die Bedingungen in der sowjetischen Besatzungszone sind von denen der Volksdemokratien grundverschieden.« Sodann stritt er ab, dass die SED eine solche Ordnung anstrebe: »Die SED sieht ihre Aufgabe nicht darin, zur Volksdemokratie überzugehen, sondern vielmehr darin, die bestehende neue demokratische Ordnung zu festigen.« Und auf die Frage, ob im Volksrat die Absicht bestehe, »für die Ostzone eine selbständige Regierung zu schaffen«, antwortete er: »Eine solche Absicht besteht nicht«; der Volksrat kämpfe vielmehr »für die Einheit Deutschlands und für einen gerechten Frieden und wird dafür solange kämpfen, bis dieses Ziel erreicht sein wird.«43 Otto Grotewohl ging noch einen Schritt weiter. Er ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, kaum verhüllt mit Ulbricht abzurechnen. Auf der 1. Parteikonferenz der SED vom 25. bis 28. Januar, die eigentlich einberufen worden war, um den »neuen Kurs« abzusegnen, hielt er das Eröffnungsreferat und setzte sich dabei mit »unseren Zonenpolitikern« auseinander. Was er sagte, war das völlige Gegenteil von dem, was er auf der Parteivorstandssitzung sieben Monate zuvor ausgeführt hatte, hatte ausführen müssen: Kein »noch so schönes Ostdeutschland, möge es immer heißen wie es will, kann die Aufgabe erfüllen [...], die ein einheitliches, fortschrittliches und demokratisches Deutschland in ganz Europa erfüllen kann. [...] Ein solches Deutschland bedeutet die endgültige Befriedung Europas.« Es herbeizuführen, sei darum »keine taktische, sondern eine strategische Aufgabe unserer Partei.«44 Intern, in einer Rede vor leitenden Wirtschafts- und Staatsfunktionären Anfang März 1949, untermauerte Grotewohl die Erinnerung an die ursprüngliche Aufgabenstellung der SED mit 43 Neues Deutschland vom 30.12.1948. 44 Protokoll der 1. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 25. bis 28. Januar 1949, Berlin 1949, S. 356.

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dem Argument, dass »die großen Reichtümer im Westen Deutschlands [...] nicht in die Hände der ausländischen Imperialisten und Monopolisten und ihrer deutschen Helfershelfer fallen« dürften. Im übrigen, brachte er in etwas verquerer Syntax vor, »müsse auch beachtet werden, dass bei der sich neubildenden Staatengruppe in Europa der deutsche Osten ohne wirtschaftliches Fundament an Stahl und Eisen wirtschaftlich gesehen nur eine Belastung des südöstlichen Staatenblocks darstellt, während ganz Deutschland eine wirtschaftliche Stärkung dieses Staatenblocks ist und gleichzeitig, da er das wirtschaftliche Fundament für die Rüstung darstellt, die europäische Friedensordnung darstellt.«45 Nachdem die Parteikonferenz den »Kampf um die Einheit Deutschlands und einen gerechten Frieden« wieder zur ersten und nächsten Aufgabe der SED erklärt hatte,46 konnte Grotewohl im neugeschaffenen Politbüro der Partei im März eine Direktive an den Parteivorstand durchsetzen, die ganz auf seiner früheren Linie lag: Die Partei dürfe nicht von der Spaltung als vollzogener Tatsache ausgehen und »in der Ostzone sozusagen unmittelbar den Übergang zum Sozialismus vollziehen. Wir sind demgegenüber der Meinung [...], dass wir mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln den Kampf um die Einheit Deutschlands weiterführen, das heißt« – und dies war die entscheidende Passage – »dass wir in der Ostzone eine solche Politik verwirklichen, die in ganz Deutschland realisierbar ist, von der die Mehrheit der Bevölkerung in ganz Deutschland überzeugt werden kann.«47 Tatsächlich verstärkte die Partei jetzt noch einmal ihr gesamtdeutsches Engagement. Nachdem die Debatte um die Verfassung einer »Deutschen Demokratischen Republik« während der Wintermonate kaum Beachtung gefunden hatte, wurde zum 18./19. März 1949 eine neue Tagung des Volksrats einberufen. Diese verabschiedete den Verfassungsentwurf, den der Verfassungsausschuss des Volksrats erarbeitet hatte, und kündigte gleichzeitig die Einberufung eines »Dritten Deutschen Volkskongresses« 45 SAPMO-BA, ZPA IV 2/1/1.01/107, Bl. 9. 46 Entschließung der 1. Parteikonferenz, Protokoll der 1. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 25. bis 28. Januar 1949, Berlin 1949, S. 514–531. 47 SAPMO-BA, ZPA IV 2/1/13, Bl. 7 f.

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an, der diesmal direkt von der Bevölkerung gewählt werden sollte. Damit suchte man, wie schon im Gespräch mit Stalin erörtert worden war,48 dem vermeintlichen Diktat der westlichen Besatzungsmächte eine Manifestation des deutschen Volkswillens entgegengesetzt werden, die auch im Westen ihre Wirkung tat – und sei es »noch fünf Minuten vor zwölf«, wie August Koenen Anfang Mai im Parteivorstand formulierte.49 Der Parlamentarische Rat in Bonn und der Frankfurter Wirtschaftsrat wurden aufgefordert, »möglichst schon am 6. April in Braunschweig« mit einer Delegation des Volksrats zusammenzukommen, »um über die Herstellung der demokratischen Einheit Deutschlands und den Abschluss eines Friedensvertrags sowie den Abzug der Besatzungstruppen Gespräche zu führen.«50 Dem vermehrten Eifer der SED-Führung entsprach ein fortdauernder Optimismus Stalins. Selbst nachdem er entdeckt hatte, dass ihn die Berliner Blockade seinem Ziel nicht näher brachte (das war erst Ende April 1949 der Fall), wollte er die Hoffnung auf eine Vier-Mächte-Regelung in Deutschland nicht aufgeben. Pieck, der sich seit dem 14. April zu ärztlicher Behandlung in Moskau aufhielt, notierte in einer Disposition für eine Unterredung mit Außenminister Molotow am 11. Mai als »Perspektive der Entwicklung in [der] nächsten Zeit« und »Möglichkeit der Pariser Konferenz« (gemeint war die neue Außenministerratstagung, die die Westmächte der Sowjetregierung als Preis für die Aufhebung der Blockade zugestanden hatten) die »Wiederaufnahme der Arbeit des Kontrollrats« und »der Alliierten Kommandantur«, und dann: »kein Weststaat – kein Besatzungsstatut«, sondern »einheit[liche] Regierung – Verfassung – Parlament« sowie »Friedensvertrag« mit einem »einheit[lichen] Deutschland.« Er erwartete, dass das Ruhrstatut geändert (»inter[nationale] Kontrolle«) und dass man sich in Berlin auf der Basis der Einführung der »Ostwährung« einigen würde. Bei »Neuwahlen der Stadtverordneten«, die er für diesen Fall für möglich hielt, fasste er ins Auge, dass die »SED [nur eine] Minderheit« erringen würde.51 48 49 50 51

Badstübner / Loth, Pieck, S. 258. SAPMO-BA, ZPA IV 2/1/32. Deutschlands Stimme vom 27.3.1949. Badstübner / Loth, Pieck, S. 276–281.

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Tatsächlich brachte die Außenministerratstagung, die am 23. Mai in Paris begann, bis zum Abschluss am 20. Juni nicht mehr als die Zusicherung, die »Bestrebungen zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands fortzusetzen« und auf der nächsten UNO-Vollversammlung im September einen Termin für eine weitere Ratstagung zu vereinbaren.52 Das hinderte Stalin aber nicht, Pieck über Semjonow mitzuteilen, »schon [die] Einberufung« der Konferenz sei ein »Schlag gegen [die] Spalter« gewesen, eine noch größere »Anerkennung für [die] Politik der SU [...] als Potsdam.« Bei der Ratstagung in London Ende 1947 habe man noch versucht, die »SU aus[zu]schalten.« Das sei »jetzt anders – SU nicht ausschalten«; die Westmächte hätten wegen des »Risiko[s], Frieden zu bekommen, [...] schon sehr nervös reagiert.« Zudem bedeute die Verständigung in der Österreich-Frage einen »Fortschritt in der Friedensregelung auch für Deutschland.« Stalin erwartete die »nächste Außenministerkonferenz«, die sich »mit Einheit und Friedensvertrag [...] beschäftigen« werde, »im Herbst«; und er sah nach dem jetzt erreichten »1. Schritt vorwärts« generell Möglichkeiten, »zwischen den Bes[atzungs]mächten [einen] Modus vivendi [zu] finden.«53 Als Semjonow Pieck diese »Direktive Stalins« übermittelte, waren schon fast zwei Monate seit der Verabschiedung des Grundgesetzes vergangen, und der Wahlkampf zu den Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag lief bereits auf vollen Touren: Das Gespräch fand am 19. Juli 1949 statt. Ein abermaliger Vorstoß der SED-Führung, die vor dieser Entwicklung nicht ganz die Augen verschließen konnte, auf Bildung einer »deutschen Regierung« im Osten, wurde wieder abgelehnt. Anfang August wies die Moskauer Zentrale auch einen Vorschlag zurück, als Antwort auf die Verabschiedung des Grundgesetzes wenigstens die DDR-Verfassung in Kraft zu setzen, die der 3. Volkskongress unterdessen am 30. Mai »angenommen« hatte.54 Stalin wollte sich nicht eingestehen, dass er eine Niederlage erlitten 52 Schlusskommuniqué in: Dokumente (Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland. Dokumente aus den Jahren 1945–1949, Berlin 1968), S. 756–758. 53 Badstübner / Loth, Pieck, S. 287–291. 54 Vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 156 f.

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hatte, und suchte immer noch nach Wegen, sie ungeschehen zu machen – ein geradezu unglaublicher Realitätsverlust, der indirekt noch einmal unterstreicht, wie wichtig ihm die gesamtdeutsche Lösung war und wie fern ihm der Gedanke an einen »sozialistischen« Teilstaat im Osten lag. Semjonow berichtet von einem »Gespräch im Kreml im Jahre 1949« – leider ohne ein genaueres Datum zu nennen: »Kossygin, Shukow, Sokolowski und andere erörterten die Frage, ob Stalin die Absicht habe, die Ostzone abzuspalten und dort eine sozialistische Entwicklung einzuleiten. Alle waren der Meinung, dass dies nicht der Fall sei.«55

VI. Ein Umdenken Stalins in der Frage eines eigenen Separatstaates erfolgte erst Anfang September – nachdem nicht nur am 14. August der Bundestag gewählt, sondern auch die Vereinbarung einer neuen Außenministerratstagung ausgeblieben war. Am 16. September, einen Tag nach der Wahl Konrad Adenauers zum ersten Bundeskanzler der in Bonn etablierten Bundesrepublik, flogen Pieck, Grotewohl, Ulbricht und Oelßner nach Moskau; so war es einige Tage zuvor für den Fall einer westdeutschen Regierungsbildung vereinbart worden. Im Gepäck hatten sie eine »Disposition für die Regierungsbildung« vom 8. September, in der betont wurde, dass es »nicht um eine ostdeutsche Staatenbildung oder um eine ostdeutsche Regierung« gehe, »sondern um eine Regierung für Gesamtdeutschland.«56 Außerdem führten sie ein Papier mit dem Titel »Kurzfristige Prozedur für die Regierungsbildung« mit sich, das am 15. September verfasst worden war und auf eine »sofortige dreiwöchige intensive Kampagne zur Diskreditierung und Entlarvung des Bundesparlaments und der Bundesregierung für den Weststaat als Organe der westlichen Besatzungsmächte unter Preisgabe deutscher Interessen« abhob.57

55 Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 252. 56 SAPMO-BA, ZPA NL 36/768, Bl. 1. 57 SAPMO-BA, ZPA NL 36/766, Bl. 134 f.

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Im mündlichen Vortrag58 begründeten die SED-Führer »die Notwendigkeit, in der Sowjetischen Besatzungszone mit der Bildung einer deutschen Regierung voranzugehen«, erneut und ausschließlich mit dem Bedarf an »Aufklärungsarbeit« und Vertiefung des »Kampfes gegen diese Politik der Westmächte.« Ein zusätzliches Argument zogen sie dabei aus dem Ausgang der Bundestagswahlen, bei denen es die KPD auf enttäuschende 5,7 Prozent der Stimmen gebracht hatte: »Wenn man die Stimmen der Sozialdemokratie noch den bürgerlichen Stimmen hinzurechnet, da doch die Sozialdemokratie die gleiche Politik für die koloniale Versklavung des deutschen Volkes unterstützte, so steht fest, dass die gewaltige Mehrheit der Wähler sich für diese Parteien entschieden hat, und damit den Westmächten die Möglichkeiten gibt zu erklären, dass ihre Politik die Zustimmung der Volksmassen gefunden habe. [...] Diese Wahlentscheidung der Bevölkerung zeigt die große Gefahr auf, die durch die Irreführung der Massen sowohl für die nationale Selbständigkeit als auch für die Wirtschaft und noch mehr für den Frieden besteht.«59

Möglicherweise hat erst dieser drastische Hinweis auf die tatsächliche Stimmung in der westdeutschen Bevölkerung Stalin dazu bewogen, der Etablierung einer Regierung in der sowjetischen Zone zuzustimmen. Piecks Unterlagen vermelden erst für den 27. September, im Rahmen einer »Besprechung im Politbüro des ZK der KPdSU«, eine »Antwort« der sowjetischen Seite.60 Stalin willigte ein, dass sich der Volksrat zur »provisorischen Volkskammer« erklärte und das Regierungsbildungsverfahren 58 Die Rededisposition Piecks für diese Besprechung beginnt mit dem Satz: »Wir danken dem Genossen St. für die Berufung zu dieser Besprechung« (Badstübner / Loth, Pieck, S. 298). Das hat mich zu dem Schluss geführt, dass tatsächlich eine Zusammenkunft der SED-Führer mit Stalin stattgefunden hat (Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 158). Im Besucherbuch in Stalins Arbeitszimmer im Kreml, das unterdessen veröffentlicht wurde, finden sich jedoch vom 3. September bis 9. Dezember 1949 keine Einträge (Itstoritscheski archiw 5–6/1996, S. 60). Das lässt es als möglich erscheinen, dass es entgegen der vorherigen Ankündigung dann doch nicht zu einer direkten Begegnung mit dem Kremlchef gekommen ist, die SED-Führer nur mit anderen Mitgliedern des Politbüros sprachen und der Austausch mit Stalin auf schriftlichem Weg erfolgte. Wahrscheinlicher scheint mir indessen, dass die Begegnung auf einer der Datschen Stalins stattfand. Über solche Treffen wurde nach bisheriger Erkenntnis nicht Buch geführt. 59 Badstübner / Loth, Pieck, S. 297–302. 60 »Ablauf der Reise nach Moskau«, ebd. S. 294.

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nach der Verfassung der »Deutschen Demokratischen Republik« in Gang setzte. Er stimmte weiter zu, dass die so gebildete Regierung »alle Verwaltungsfunktionen« übernahm, »die bislang von der SMA ausgeübt wurden, während die SMA zu einer Sowjetischen Kontrollkommission umgebildet« wurde. Und um der neuen Regierung den Start zu erleichtern, konzedierte er auch die Auflösung der sowjetischen Straflager in Deutschland sowie die Entlassung aller deutschen Kriegsgefangenen zum 1. Januar 1950, »mit Ausnahme der von Militärgerichten Verurteilten.«61 Als »Deutsche Regierung«, die implizit einen Alleinvertretungsanspruch für alle Deutschen erhob und sich damit langfristigen Bestand zusprach, durfte sich die endlich zugebilligte Regierung allerdings nicht bezeichnen. Stalin bestand auf der Formulierung »Provisorische Regierung der Deutschen Demokratischen Republik«, die offen ließ, auf welches Territorium sich diese DDR erstreckte. Das Argument, eine Volksrat-Regierung werde die Westdeutschen wachrütteln, überzeugte ihn offensichtlich nicht besonders. Vor allem aber wollte er sich durch das neue Regime in Ost-Berlin, das er nur notgedrungen akzeptiert hatte, nicht seine Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf Gesamtdeutschland einschränken lassen. So mussten die SED-Führer wieder einmal dementieren, was sie ursprünglich angestrebt hatten. Auf einer gemeinsamen Sitzung von Volksrat-Präsidium und Zentralem Block am 5. Oktober, auf dem das in Moskau beschlossene Programm bekannt gegeben wurde, erklärte Pieck, unter der »Provisorischen Regierung« sei »nicht eine Regierung Gesamtdeutschlands, sondern eine Regierung der Deutschen Demokratischen Republik« zu verstehen.62 Weil die Konstituierung der DDR, die jetzt in denkbar kurzer Frist am 7. Oktober erfolgte, gleichwohl von zahlreichen Bekundungen des Einheitswillens begleitet wurde, musste Grotewohl am 9. Oktober im Parteivorstand noch einmal insistieren: »Es wird zuviel von einer gesamtdeutschen Regierung gesprochen. Genossinnen und Genossen, wir bilden keine gesamtdeutsche Regierung, 61 So die Formulierungen, die das Politbüro der SED dann dem Parteivorstand übermittelte; ebd. S. 302–306. 62 Tägliche Rundschau vom 8.10.1949.

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sondern die Grundlage unserer Arbeit ist die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, und die Regierung, die hier gebildet wird, ist die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik. Eine andere Frage ist, in welchem Umfang sie eine gesamtdeutsche Wirksamkeit erzielen wird.«63

Implizit beschränkte Grotewohl die »Deutsche Demokratische Republik« damit, anders als es mit der Volkskongresskampagne beabsichtigt gewesen war, auf das Territorium der Sowjetzone. Sie war nicht nur in der Realität, sondern auch dem Selbstverständnis ihrer Führer nach mehr die Verkörperung separater Staatlichkeit als der Kern der erstrebten gesamtdeutschen Republik. Für Stalin hingegen war die »Provisorische Regierung« nicht mehr als ein Provisorium – unvermeidlich, solange die nach wie vor angestrebte deutsche Einheit noch nicht erreicht war. In seinem Glückwunschtelegramm vom 13. Oktober bezeichnete er »die Gründung einer deutschen, demokratischen, friedliebenden Republik«64 zwar als einen »Wendepunkt in der Geschichte Europas«, ließ dann aber gleich das künftige »einheitliche, unabhängige, demokratische, friedliebende Deutschland« hochleben. Vom Sozialismus in Deutschland war nach wie vor nicht die Rede.65 Oberbefehlshaber Wassilij Tschuikow, der Nachfolger Sokolowskijs erklärte am 10. Oktober, dass »die Sowjetunion den Sinn der Beschlüsse des deutschen Volksrates« zur Gründung der DDR darin sehe, damit einen Beitrag zur »Wiederherstellung der Einheit Deutschlands« und zu dessen »Wiedergeburt auf demokratischer und friedlicher Grundlage« zu leisten.66 Anders als es die Zeitgenossen im Westen damals wahrnahmen und oberflächliche Historiker bis heute nachbeten, war dies keineswegs Propaganda. Als die SED-Führer das nächste Mal in 63 SAPMO-BA, ZPA IV 2/1/38, Bl. 76. 64 So der Originalwortlaut, der sich weniger eindeutig auf den dauerhaften Separatstaat bezieht, als die Formulierung »Gründung der DDR«, die das »Neue Deutschland« in einer Extraausgabe am 14.10.1949 verwandte. Vgl. Elke Scherstjanoi, Zwei deutsche Staaten? Forschungsfragen zur Nachkriegsplanung Moskaus im Lichte neuer Quellen 1948–1950, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 28 (1999), S. 257–302, hier S. 284 f. 65 Prawda vom 14.10.1949, Neues Deutschland vom 14.10.1949. 66 Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. 1, Berlin 1957, S. 237 f.

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Moskau vorsprachen – das war Anfang Mai 1950 – mussten sie sich harsche Kritik anhören, »dass die Politik und die praktische Arbeit der SED ungenügend auf die Lösung der gesamtdeutschen Aufgaben orientiert ist.«67 Dem sowjetischen Protokoll zufolge sagte Stalin, »die Hauptsache« bestehe »darin, eine breit angelegte Friedenskampagne zu entfalten. [...] Die Friedenskampagne zeigt, dass der Weg des Krieges zur Vernichtung Deutschlands führt und dass der Frieden und die Zusammenarbeit der friedliebenden Völker der einzige Weg zur Wiederherstellung eines starken Deutschland ist.« Dem ziemlich pessimistischen Bericht Grotewohls hinsichtlich der Wirksamkeit der Friedenskampagne in der westdeutschen Bundesrepublik hielt er entgegen, »dass die Dinge dort besser stehen müssen, als sich das aus Grotewohls Bericht ergibt. [...] Die Bevölkerung beginnt aufzuwachen.«68 Zahlreiche Berichte der Sowjetischen Kontrollkommission über die tiefe Feindschaft der »unterdrückten Westdeutschen« ihren »amerikanischen Kolonialherren« gegenüber, über den wachsenden Widerstand gegen Adenauer und über den Niedergang des »pro-amerikanischen Flügels« der SPD69 bestärkten Stalin in der Überzeugung, dass der nationale Einheitswille der Deutschen dem Separatregime der westlichen Besatzungsmächte bald ein Ende bereiten würde. Die von Stalin kritisierten SED-Führer gelobten natürlich gleich Besserung. Das SED-Politbüro stellte in einem internen »Beschluss über die Verstärkung des Kampfes in Westberlin und Westdeutschland« am 2. Juni »selbstkritisch«, wie es hieß, das Ungenügen der bisherigen Westarbeit fest. Dann stimmte es Stalin zu, »dass die Hauptaufgabe in der Entwicklung einer gesamtdeutschen Politik besteht«, und erklärte, dass »sich die führenden Organe der Partei nicht auf die Aufgaben in der DDR beschränken« dürften.70 Viereinhalb Monate später, nachdem die Außenminister der östlichen Staaten am 21. Oktober mit dem Vor67 So die Formulierung in einem anschließenden internen Beschluss des Politbüros der SED am 2.6.1950, SAPMO-BA, NL 36/556, Bl. 174. 68 Protokoll der Unterredung vom 4.5.1950 bei Wolkow, deutsche Frage, S. 40 f. 69 Zit. n. Aleksej Filitov, Soviet policy in Germany in 1950–1955, Papier zur Konferenz »New Evidence on the History of the cold War«, Moskau, Januar 1993. 70 Interner Beschluss des Politbüros der SED am 2.6.1950, SAPMO-BA, NL 36/556, Bl. 174.

5. Die Gründung der DDR

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schlag eines »aus Vertretern Ost- und Westdeutschlands paritätisch zu bildenden Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates«, an die Öffentlichkeit getreten waren, erinnerte Ulbricht das Zentralkomitee der SED daran, dass, was im Osten Deutschlands unterdessen realisiert worden war, wirklich nur provisorischen Charakter hatte: »Wir dürfen nicht annehmen, dass, wenn die Einheit Deutschlands hergestellt wird, die DDR die Grundlage für ganz Deutschland bilden muss, sondern dass man von beiden Deutschlands zu Kompromissen bereit sein muss, wenn man die Einheit Deutschlands will.«71

VII. Die Hoffnung auf eine baldige Verwirklichung der deutschen Einheit gab Stalin erst Anfang April 1952 auf – nachdem die Westmächte am 25. März den sowjetischen Vorschlag vom 10. März 1952 zurückgewiesen hatten, das vereinte Deutschland im Friedensvertrag darauf zu verpflichten, keine Bündnisse einzugehen, »die sich gegen irgendeinen Staat richten, der mit seinen Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat.«72 Erst nachdem auch die Initiative vom 10. März (später in der westlichen Öffentlichkeit die »Stalin-Note« genannt) nichts gebracht hatte, obwohl sie mit dem Zugeständnis einer deutschen Armee und freier Entfaltung der Friedenswirtschaft weiter ging als alle bisherigen Versuche, die Deutschen für den Abschluss des Friedensvertrags zu mobilisieren, stellte sich Stalin auf die Realität von zwei Staaten in Deutschland ein. Deutlich wurde das, als die SED-Führung Ende März wieder zu einem Besuch nach Moskau bestellt wurde. Pieck begann die erste Unterredung am Abend des 1. April mit einem Fragenkatalog:

71 Wiedergegeben von Heinrich Rau in einer Dienstbesprechung am 30.10.1950, zit. n. Scherstjanoi, Zwei deutsche Staaten, S. 301. 72 Text der Note vom 10.3.1952 u.a. in: Europa-Archiv 7 (1952), S. 4805. Zur Vorbereitung dieser Initiative siehe Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 168–184; und Stein Bjørnstad, The Soviet Union and German Unification during Stalin’s last Years, Oslo 1998.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

»Erstens. Wie stehen die Perspektiven hinsichtlich des Abschlusses eines Friedensvertrags mit Deutschland; wird es zu einer Konferenz der vier Mächte kommen, welche Ergebnisse sind von dieser Konferenz zu erwarten? Zweitens. Über die Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen ohne Einmischung der UNO. Wir müssen eine Massenbewegung zum Kampf für solche Wahlen entfalten und den Sturz der Adenauer-Regierung zu erreichen versuchen. Drittens. Wie soll die Partei den Kampf in Westdeutschland weiterführen«73

Die Fragen bestätigten noch einmal, dass die sowjetische Führung tatsächlich eine Vereinbarung der Siegermächte und gesamtdeutsche Wahlen wollte;74 sie lassen aber auch Zweifel der SED-Führung deutlich werden, ob diese Ziele mit der Noteninitiative noch erreichbar waren. Stalin wollte nicht sogleich antworten – sei es aus Erschöpfung oder weil er sich der Antwort noch nicht sicher war. Er schlug vor, die Erörterung der Perspektiven des Friedensvertrags auf ein zweites Treffen zu verschieben. Dieses fand am 7. April statt und zeigte einen sichtlich enttäuschten Kremlherrn. Gleich zu Beginn der Sitzung erklärte er, »dass, welche Vorschläge zur deutschen Frage wir auch machen würden, die westlichen Staaten mit ihnen nicht einverstanden wären und Westdeutschland auf keinen Fall aufgeben würden. Zu denken, dass es einen Kompromiss geben oder die Amerikaner den vorgeschlagenen Friedensvertrag akzeptieren könnten, wäre ein großer Irrtum. Die Amerikaner brauchen eine Armee in Westdeutschland, um Westeuropa zu halten. Sie behaupten, dass sie dort eine Armee unterhalten, die uns aufhalten soll. In Wirklichkeit liegt ihnen daran, Europa zu halten. Die Amerikaner werden Westdeutschland in den Atlantikpakt einbeziehen. Sie 73 Wolkow, deutsche Frage, S. 43. Pieck hatte sich vor der Besprechung notiert: »Welche Perspektiven in diesem Kampf, ob 4-Mächtekonferenz, welche möglichen Resultate? / Für Deutschland Frage der Wahlen, ohne UN-Kommission, als Massenkampf zum Sturz der Adenauer-Regierung / Wie wird der Kampf von SED weitergeführt?«; Badstübner / Loth, Pieck, S. 383. 74 Die ausführliche Wiedergabe im sowjetischen Protokoll belegt definitiv, dass Wettigs Paraphrase, die Frage der Wahlen »sollte ›als Massenkampf zum Sturz der Adenauer-Regierung‹ gestaltet werden« (Wettig, Deutschland-Note, S. 803) unzulässig ist und die darauf basierende These, der Sowjetführung sei es weder um Verhandlungen mit den Westmächten noch um Wahlen gegangen, jeglicher Grundlage entbehrt. Vgl. schon Wilfried Loth, Spaltung wider Willen. Die sowjetische Deutschlandpolitik 1945–1955, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 24 (1995), S. 283–297, hier S. 294.

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werden eine westdeutsche Armee gründen. Die Amerikaner haben Adenauer in ihrer Tasche. Alle ehemaligen Faschisten und Generäle ebenfalls. Tatsächlich entwickelt sich in Westdeutschland ein selbständiger Staat.«75 Wichtig war sodann die Konsequenz, die Stalin aus dieser (in der Sache durchaus berechtigten) Feststellung zog: »Sie [also die SED-Führer] müssen auch Ihren eigenen Staat organisieren. Die Demarkationslinie zwischen West- und Ostdeutschland muss als Grenze angesehen werden – und zwar nicht nur als eine normale, sondern als eine sehr gefährliche Grenze. Der Schutz dieser Grenze muss verstärkt werden.«

Sodann machte er Vorschläge, wie dies geschehen sollte.76 Erst jetzt war die DDR für ihn mehr als ein Provisorium. Sie musste verteidigt werden, solange die Aggressivität des Westens anhielt. So ganz wollte Stalin die Hoffnung auf einen einvernehmlichen Friedensvertrag der Siegermächte aber auch jetzt noch nicht aufgeben. Als Ulbricht nachfragte, bezeichnend für sein Vorantreiben der Revolution im Osten, ob man »angesichts der tiefen Spaltung Deutschlands« denn auch weiterhin »eine Reihe von Maßnahmen nicht durchführen« soll, »die bei der Entwicklung in Richtung Sozialismus durchgeführt werden müssen«, antwortete Stalin: »Obgleich in Deutschland zwei Staaten geschaffen werden, ist es vorerst nicht angebracht, lauthals vom Sozialismus zu reden.« Grotewohl, der wissen wollte, ob es denn noch »notwendig« sei, »an unserer Argumentation zu Fragen der Einheit Deutschlands festzuhalten«, hielt er entgegen: »Man muss die Propagierung der Einheit Deutschlands die ganze Zeit fortsetzen. Das hat für die Erziehung des Volkes in Westdeutschland große Bedeutung.«77 Im Gespräch mit dem italienischen Linkssozialisten Pietro Nenni am 17. Juli 1952 sprach er von »zehn oder fünfzehn Jahren«, die ein Kalter Krieg dauern könne. Solange

75 Sowjetisches Protokoll, zit. nach der Veröffentlichung bei Loth, Stalins ungeliebtes Kind, Taschenbuchausgabe, S. 238 f. – Bei Pieck heißt es: »St: bisher alle Vorschläge abgelehnt / Lage: keine Kompromisse / Schaffung Europa-Armee – nicht gegen SU, sondern um Macht in Europa / Atlantikpakt / Selbständiger Staat im Westen«; Badstübner / Loth, Pieck, S. 396. 76 Ebd. 77 Wolkow, deutsche Frage, S. 46 f.

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mochte es dauern, bis das Werben für die deutsche Einheit endlich seine Wirkung tat.78 Die Gründung der DDR war also in Stalins Sicht eine Niederlage. Zu verdanken hatte er sie erstens der westlichen Politik, die seit 1946/47 mit zunehmender Konsequenz auf die Abschottung des westlichen Deutschlands vor sowjetischem Einfluss zusteuerte, zweitens dem revolutionären Eifer Ulbrichts, der den Ausbau seiner Diktatur auf dem Boden der sowjetischen Besatzungszone vorantrieb, wann immer ihm das möglich war, drittens aber auch den Unzulänglichkeiten seines eigenen Herrschaftssystems: Weder sah er, dass die brutale Unterdrückung in seinem Machtbereich die Glaubwürdigkeit seiner DemokratieOfferten untergrub, noch vermochte er in seinem grenzenlosen Misstrauen einen Regierungsapparat zu entwickeln, der für eine angemessene Operationalisierung seiner Vorstellungen sorgte. Da er nicht bereit war, sich seine Niederlage einzugestehen, konnte er seine Fehler auch nicht im nötigen Umfang korrigieren. So war die DDR wohl Stalins ungewolltes und ungeliebtes Kind, er war aber gleichwohl in hohem Maße für sie verantwortlich.79

78 Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 190. Zu weiteren Indizien für Stalins fortdauernde Zurückhaltung gegenüber einer »sozialistischen« DDR; ebd. S. 187–192. 79 Vgl. hierzu auch die Schlussbetrachtung bei Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 223–231.

6. Die Entstehung der »Stalin-Note«

Über die Absichten, die Josef W. Stalin mit der Entsendung von gleichlautenden Noten an die Regierungen der drei westlichen Siegermächte am 10. März 1952 verband, ist seit jeher kontrovers diskutiert worden. War der sowjetische Diktator wirklich bereit, die Herrschaft der SED, die sich unter dem Schutz und mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht zwischen Elbe und Oder etabliert hatte, dem Risiko gesamtdeutscher freier Wahlen auszusetzen und damit aller Wahrscheinlichkeit nach preiszugeben? Oder ging es ihm nur um ein Alibi zur Legitimierung der Aufrüstung der DDR, die nach der negativen Reaktion der Westmächte auf den Verhandlungsvorschlag energisch vorangetrieben wurde? Hoffte er vielleicht sogar, mit dem Appell an das Nationalgefühl der Deutschen eine kommunistische Machtergreifung in der Bundesrepublik auslösen zu können? Auch die Quellen aus dem sowjetischen Machtbereich, die nach dem Ende des kommunistischen Machtmonopols im Ostblock zugänglich wurden, haben die Kontroverse bislang noch nicht für jedermann überzeugend lösen können; dafür war die dokumentarische Evidenz bislang noch nicht dicht genug.1 In dieser Situation dürfte es hilfreich sein, die Entstehung der sowjetischen Noten vom 10. März 1952 so breit zu dokumentieren, wie es die zugängliche Überlieferung im Archiv des Außen1 Vgl. die neueren Forschungsüberblicke bei Ruud van Dijk, The 1952 Stalin Note Debate: Myth or Missed Opportunity for German Unification = Cold War International History Project Working Paper No. 14, Washington 1996, und Rudolf Morsey, Die Bundesrepublik Deutschland. Entstehung und Entwicklung bis 1969, 4. Auflage München 1999, S. 175–179. Ich selbst habe zunächst aus den Ende der 70er Jahre vorliegenden Dokumenten geschlossen, dass Stalin an einer Neutralisierung Deutschlands interessiert war; vgl. Loth, Teilung, S. 283–289 (in der überarbeiteten 9. Auflage 2000 S. 292–298). Nach dem Fall der Mauer habe ich anhand der Aufzeichnungen Wilhelm Piecks und weiterer neuer Dokumente östlicher Provenienz argumentiert, dass die Noteninitiative vom März 1952 in der Kontinuität einer seit 1945 gesamtdeutsch ausgerichteten Deutschlandpolitik Stalins lag: Loth, Stalins ungeliebtes Kind.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

ministeriums der Russischen Föderation,2 im Russischen Staatsarchiv für sozial-politische Geschichte3 und im PräsidentenArchiv der Russischen Föderation4 ermöglicht. Aktenüberlieferungen des Außenministeriums zu diesem Fragenkomplex sind zwar schon benutzt worden, insbesondere in einem Aufsatz von Gerhard Wettig5 und einer etwas entlegen publizierten Examensarbeit von Stein Bjørnstad6, von ersterem freilich nur selektiv und mit einer nicht nachvollziehbaren Thesenbildung,7 von letzterem mit manchmal etwas zu schematischer Interpretation. Um zu zeigen, wie die sowjetische Noteninitiative zustande kam und was sich die Verantwortlichen dabei dachten, wird hier eine Reihe von Schlüsseldokumenten im Wortlaut publiziert. Eine detaillierte Rekonstruktion des Verhandlungsgangs soll es ermöglichen, ihren Gehalt zu erschließen.8

Eine Initiative für den Außenministerrat Die Vorgeschichte der sowjetischen Deutschlandnoten vom 10. März 1952 beginnt im Februar 1951, als sich die Moskauer Führung auf eine neue Konferenz des Alliierten Außenministerrates vorbereitete. Die Sowjetregierung hatte mit einer Note vom 3. November 1950 die Einberufung einer solchen Konferenz verlangt und zur Begründung angegeben, es müsse über die »Einhaltung der Potsdamer Vereinbarungen hinsichtlich der Demilitarisierung Deutschlands« diskutiert werden.9 Nachdem die Westmächte daraufhin mit Noten vom 22. Dezember 1950 zu2 Archiv wneschnej politiki Rossijskoj Federazii (künftig: AWP RF). 3 Rossijskij gosudawstwennnyj archiw sozialjno-polititscheskoj istorii, (künftig: RGASPI). 4 Archiv Presidenta Rossijskoj Federazii (künftig: AP RF). 5 Wettig, Deutschland-Note; wieder aufgegriffen in ders., Bereitschaft, S. 200– 226. 6 Bjørnstad, Soviet Union. 7 Vgl. dazu schon meine Kritik in Loth, Spaltung, S. 294. 8 Für Unterstützung bei der Ermittlung der Dokumente und anregende Diskussionen danke ich sehr herzlich meinem Moskauer Kollegen Alexei Filitov. Die Übersetzung der publizierten Dokumente besorgte Ludmilla Krüger. 9 FRUS 1950, Bd. 4, S. 902–903. Vgl. Hanns Jürgen Küsters, Der Integrationsfriede. Viermächte-Verhandlungen über die Friedensregelung mit Deutschland 1945–1990, München 2000, S. 525–538.

6. Die Entstehung der »Stalin-Note«

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mindest Verhandlungen über die Tagesordnung einer neuen Außenministerratstagung zugestanden hatten, war jetzt der Verhandlungsbeginn für diese Vorgespräche festgelegt worden: Vom 5. März 1951 an sollten Stellvertreter der vier Außenminister im Pariser Palais Marbre Rose über die Tagesordnung einer neuen Außenministerratstagung verhandeln. In dieser Situation drängte Michail G. Gribanow, der Leiter der Dritten Europäischen Abteilung des sowjetischen Außenministeriums, die für die deutschsprachigen Länder zuständig war, bei seinen Vorgesetzten auf die Erarbeitung eines verbindlichen Vorschlags für einen Friedensvertrag mit Deutschland, der auf der angestrebten Tagung des Außenministerrats vorgelegt und verhandelt werden sollte. Am 7. Februar teilte er Außenminister Andrej J. Wyschinskij mit, seine Abteilung habe dazu bereits einen Entwurf gefertigt, und regte an, diesen durch eine »qualifizierte Kommission« überarbeiten zu lassen.10 Am 24. Februar wiederholte er den Vorschlag in einem Schreiben an den Stellvertretenden Außenminister Andrej A. Gromyko. Zur Begründung führte er aus, »einer der Punkte der Tagesordnung der bevorstehenden Tagung« des Alliierten Außenministerrats werde »offensichtlich die Frage des Friedensvertrages mit Deutschland sein.« Bei der Besprechung dieser Frage dürfe sich »die Sowjetdelegation nicht darauf beschränken, lediglich ihre alten Vorschläge zu wiederholen.« Vielmehr sei es »notwendig, in dieser Hinsicht einen Schritt vorwärts zu machen.« Infolgedessen würde er es »für zweckmäßig halten, die Grundlagen eines Friedensvertragsentwurfs mit Deutschland vorzubereiten, den die Sowjetunion zur Behandlung in der SMID11-Tagung vorlegen könnte« (Dokument 1).12 Als Vorsitzenden der Kommission zur »weiteren Bearbeitung« des Entwurfs der Dritten Europäischen Abteilung schlug Gribanow Sergej A. Golunskij vor, den Leiter der Völkerrechtlichen Abteilung des Außenministeriums. Weiterhin sollten der Kommission angehören: Wsewolod N. Durdenewskij, der schon an 10 Gribanow an Wyschinskij 7.2.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 233, d. 74, ll. 4–5. 11 Sowjet Ministrow Inostranych Del: Rat der Außenminister der vier Mächte 12 Gribanow an Gromyko 24.2.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, l. 1. – Die Dokumente befinden sich in diesem Band S. 236–303.

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der Vorbereitung der Potsdamer Vereinbarungen mitgewirkt hatte; Wladimir M. Chwostow, Leiter der Abteilung für Internationale Beziehungen bei der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften; Wladimir N. Pawlow, ein Westeuropa-Spezialist, der Stalin auch als persönlicher Dolmetscher diente; Amazasi A. Arutjunjan, Leiter der Wirtschaftsabteilung des Außenministeriums; Georgij P. Arkadjew, Leiter der Vierten, für die osteuropäischen Länder zuständigen Europäischen Abteilung, sowie schließlich Gribanow selbst.13 Der Vorschlag lief also auf eine durchweg hochrangige und sachgerechte Besetzung der Kommission hinaus; es ging dem Verfasser um eine Verhandlungsgrundlage, die sowjetische Interessen optimal berücksichtigte, nicht um einen demagogischen Propagandatext. Die Kommission sollte verpflichtet werden, den überarbeiteten Entwurf bis zum kommenden 1. April vorzulegen. Flankiert wurde die Vorbereitung des Friedensvertrags-Entwurfs durch eine Aktion, die die SED-Führung am Abend des 21. Februar 1951 im Gespräch mit General Wassilij I. Tschujkow und Botschafter Wladimir S. Semjonow anregte, dem Vorsitzenden der Sowjetischen Kontroll-Kommission in Deutschland und seinem »Politischen Berater«. Die SED-Führer schlugen vor, die Volkskammer der DDR sollte »an den Bonner Bundestag mit einem Vorschlag appellieren, eine gemeinsame Bitte an die Regierungen der vier Großmächte um Aufnahme der Frage des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland im Jahre 1951 auf die Tagesordnung der SMID-Tagung zu richten.« Sollte der Bundestag nicht reagieren oder ablehnen, würde die Volkskammer »dann selbständig mit einem entsprechenden Vorschlag an die Vier Mächte herantreten«14. Tschujkow und Sem13 Zur Karriere und aktuellen Position der sowjetischen Diplomaten siehe die Angaben in Andrej A. Gromyko u.a. (Hg.), Diplomaticeskij slovar’ v trech tomach, Moskau 1960–1964. 14 Zit. n. dem Bericht des Stellvertretenden Leiters der Dritten Europa-Abteilung Sergej M. Kudrjawtzew an Minister-Stellvertreter Walerian A. Sorin vom 6.3.1951, AWP RF, f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, l. 2. – Wilhelm Pieck hielt zu diesem Besprechungspunkt fest: »Aufruf an Mächte – wenn klares Nein / 5.3. Vorkonferenz in Paris – / Friedensvertrag – Entwurf – / an Bundestag mit Frist / damit am 5.3. in Paris vorliegt / wenn keine Antwort, so von uns aus einreichen«; Badstübner / Loth, Pieck, S. 361. Daraus geht hervor, dass die sowjetischen Vertreter die SED-Führer von der Absicht unterrichteten, einen Entwurf für den Friedensvertrag vorzulegen.

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jonow stimmten dem zu; ebenso Wjatscheslaw M. Molotow, der am 24. Februar ein »Dafür«, auf das Telegramm schrieb, das Tschujkow und Semjonow nach Moskau geschickt hatten (vgl. Dokument 2).15 Wie auch die weiteren Vermerke und Entscheidungsabläufe zeigen, war Molotow offensichtlich auch nach seiner Ablösung als Außenminister durch Wyschinskij am 4. März 1949 als Mitglied des Politbüros für die operative Leitung der sowjetischen Außenpolitik und insbesondere der Deutschlandpolitik zuständig. Aufgrund der Zustimmung Molotows wurde der SED-Führung die Genehmigung erteilt, entsprechend zu verfahren. Nachdem der Bundestag in der kurzen Frist bis zum Beginn der Pariser Vorkonferenz nicht reagiert hatte, trat Volkskammerpräsident Johannes Dieckmann am 5. März 1951 mit der Bitte um Aufnahme des Tagesordnungspunktes »Vorbereitung und Abschluss eines Friedensvertrags mit Deutschland innerhalb des Jahres 1951« an die Vier Mächte heran.16 Die Sowjetregierung nützte Dieckmanns Appell, um die Forderung nach Verhandlungen über eine »Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrags mit Deutschland und in Zusammenhang hiermit [über den] Abzug der Besatzungstruppen aus Deutschland«, die Gromyko als Delegationsleiter am gleichen Tag in Paris vortrug, argumentativ zu unterstützen.17 Das führte jedoch nicht weit: Wie am 1. März 1951 per Politbüro-Beschluss festgelegt worden war,18 bestand Gromyko in Paris gleichzeitig darauf, die Frage der Einhaltung der Demilita15 Kurdrjawtzew an Sorin 6.3.1951, AWP RF ebd. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 2, S. 239 f. Die Wiedergabe des Dokuments bei Wettig, Bereitschaft, S. 205– 207 ist in mehrerer Hinsicht irreführend. Weder kann man von einem von der SKK unterbreiteten Verfahrensplan sprechen, der mit der SED-Führung nur »besprochen« war, noch gingen die Autoren eindeutig davon aus, »dass die westdeutschen Parlamentarier dem Appell nicht Folge leisten würden«; und es ist auch nicht davon die Rede, dass die Ost-Berliner Initiative »dann dem Kreml die Möglichkeit bieten« würde, »sich unter Berufung auf deutsche Wünsche an die drei westlichen Regierungen mit einer Note zu wenden.« Tatsächlich ging es zu diesem Zeitpunkt um die Unterstützung der Sowjetregierung beim Kampf um die Tagesordnung des Außenministerrats, nicht um die Unterstützung bei einer öffentlichen Kampagne. 16 Vgl. Keesing’s Archiv der Gegenwart 1951, S. 2841 u. 2845. 17 Vgl. den Vorschlag zu einer entsprechenden Anweisung an Gromyko bei Kudrjawtzew an Sorin 6.3.1951, AWP RF ebd. 18 AWP RF f .07, op. 24, p. 16, d. 188, ll. 37–38.

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risierungsbestimmungen des Potsdamer Abkommens als ersten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen. Die sowjetische Führung erhoffte sich davon, die Westmächte in die Defensive bringen zu können und möglicherweise die Vorbereitungen zur Bewaffnung der Bundesrepublik gleich ganz zu stoppen. »Solch ein Vorschlag von uns,« hieß es in einem Entwurf für ein sowjetisches Positionspapier zur bevorstehenden Außenministerratssitzung, den Gribanow am 9. Januar an Wyschinskij schickte, »wäre schwer von den Ministern der drei Mächte zurückzuweisen.« Möglichen Einwänden gegen eine solche Erwartung begegnend fügte Gribanow hinzu: »Wenn sie alle dennoch unter irgendeinem Vorwand ablehnen würden, beispielsweise unter dem Vorwand, die Veröffentlichung einer solchen Erklärung bis zum Abschluss der Verhandlung über das gesamte Problem der Demilitarisierung Deutschlands oder aller Deutschland betreffenden Fragen zu verschieben, so wäre unsere Delegation dennoch vor der Weltöffentlichkeit politisch siegreich geblieben.«19

Die Westmächte wollten indessen zunächst über die Ursachen für die aktuellen internationalen Spannungen sprechen, dann über den Friedensvertrag mit Österreich und erst an dritter Stelle über die deutsche Einheit und den Friedensvertrag mit Deutschland. Zu einer Annäherung der Standpunkte kam es nicht. Gromyko gestand zwar am 28. März zu, man könne die Frage der Demilitarisierung auch als ersten Unterpunkt der Erörterung der internationalen Spannungen behandeln, erklärte aber zwei Tage später, es müsse unter diesem Tagesordnungspunkt auch über den Atlantikpakt und die amerikanischen Militärstützpunkte in Europa und im Nahen Osten gesprochen werden.20 Das genügte nicht, um die britischen und französischen Verbündeten von der Unterstützung der amerikanischen Position abzubringen. USAußenminister Dean Acheson wollte vor der Aufstellung westdeutscher Truppen im Rahmen des westlichen Bündnisses keine Verhandlungen über die Deutschlandfrage zulassen, und er konnte sich damit durchsetzen. Die Aussichten auf eine Außenministerratstagung, auf der die sowjetische Delegation einen Entwurf für den Friedensvertrag präsentieren konnte, verdüster19 AWP RF f. 07, op. 24, p. 16, d. 188, ll. 1–19, das Zitat l. 5. 20 FRUS 1951, Bd. 3/1, S. 1111 u. 1118.

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ten sich, und damit verlor die Erarbeitung eines solchen Entwurfs, wie sie Gribanow vorgeschlagen hatte, auch an Dringlichkeit.21

Strategieanpassung im Sommer 1951 Nachdem die Pariser Vorverhandlungen am 21. Juni 1951 ergebnislos abgebrochen worden waren, beschwor Gribanow in einem an Gromyko adressierten, am 9. Juli unterzeichneten Memorandum die Gefahr, dass der Sowjetregierung »die Initiative im Kampf für die Wiederherstellung der Einheit des demokratischen Deutschland« zu entgleiten drohe. Die Westmächte, so argumentierte er, seien dabei, den Westdeutschen einige »unwesentliche Zugeständnisse« hinsichtlich »größerer Souveränität der Bonner Regierung« zu machen; und sie könnten auch mit neuen demagogischen Vorschlägen zur Durchführung gesamtdeutscher Wahlen Eindruck schinden. Daraus entstehe »für uns die Notwendigkeit, eine Reihe dringlicher Maßnahmen durchzuführen, die darauf abgestimmt sind, die Initiative in allen entscheidenden Fragen des deutschen Problems nach wie vor in unseren Händen zu behalten« (Dokument 3).22 Indirekt enthielt die Denkschrift also, für einen Leitenden Beamten des Moskauer Außenministeriums durchaus beachtlich, eine Kritik an der bisherigen sowjetischen Verhandlungsstrategie, die offensichtlich allzu lange allein auf die Mobilisierung der Widerstände gegen die Bewaffnung der Bundesrepublik gesetzt hatte. Um die Gefahren zu bannen, die sich für die Sowjetunion daraus ergaben, schlug Gribanow gleich ein ganzes Bündel »dringlicher Maßnahmen« vor: – Die DDR-Regierung solle der Bundesregierung noch im Juli, spätestens aber Anfang August »Verhandlungen über die Durchführung freier, demokratischer, gesamtdeutscher Wah21 Zum Verlauf der Pariser Vorkonferenz vgl. auch Küsters, Integrationsfriede, S. 538–553. 22 AWP RF f. 082, op. 38, p. 239, d. 108, ll. 126–134. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 3, S. 241–247.

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len« vorschlagen, ohne weiter auf einer paritätischen Zusammensetzung der Verhandlungskommission zu bestehen. Sollte die Bonner Regierung ablehnen (was Gribanow, vielleicht mit Blick auf Stalins Skepsis, auf jeden Fall aber gut begründet als »höchstwahrscheinlich« bezeichnete), würde die DDR »in den Augen des deutschen Volkes als Bannerträger des Kampfes um die Wiederherstellung des geeinten Deutschlands« erscheinen. Andernfalls würde sich die Adenauer-Equipe spätestens bei einer nachgeschobenen Forderung nach »Einstellung der Wiederaufrüstung Westdeutschlands« als »Gegnerin der Einheit Deutschlands und Mittäterin bei der Vorbereitung eines neuen Krieges« entlarven. – Die DDR-Regierung solle die Vier Mächte erneut »um schnellen Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland ersuchen« – wie schon im Vorfeld der Pariser Vorkonferenz, aber diesmal gestützt auf die Ergebnisse der Volksbefragung gegen die »Remilitarisierung« und für den Abschluss eines Friedensvertrages »noch 1951«, für die die »Nationale Front« seit Mai auch in Westdeutschland Unterschriften sammelte.23 – »Zur Unterstützung der unter anderem in Frankreich und Deutschland ebenfalls gegen die Wiederherstellung des deutschen Militarismus auftretenden Pazifisten« solle der Vorsitzende der Sowjetischen Kontroll-Kommission die Bildung einer »vierseitigen Kommission« zur Kontrolle der Entmilitarisierung in allen vier Besatzungszonen vorschlagen; die Sowjetregierung ferner solle unter Hinweis auf »die Ergebnisse der Befragung des deutschen Volkes offiziell Protest gegen den Bruch des Potsdamer Abkommens« einlegen. – Ebenso solle die Sowjetregierung mit den »Grundlagen des Entwurfs des Friedensvertrages mit Deutschland«, der ursprünglich für die Außenministerratstagung vorbereitet werden sollte, in die Öffentlichkeit gehen, verbunden mit dem Angebot, die Besatzungstruppen schon »innerhalb von sechs Monaten« restlos abzuziehen. Der »Fachkommission« zur 23 Vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 175 f.

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Vorbereitung dieses Entwurfs dürfe nicht mehr als ein Monat Zeit gegeben werden. – Weiter solle die Sowjetregierung vorschlagen, noch vor der »Entscheidung über die Frage des Friedensvertrages« über eine »Halbierung der Besatzungstruppen« und die Festsetzung einer »Höchstzahl der Besatzungstruppen der Vier Mächte in Deutschland« zu verhandeln. – Schließlich solle man das Regime der Sowjetischen KontrollKommission optisch lockern, im Wesentlichen durch eine Trennung der »sowjetischen Besatzungskontrollbehörden von den sowjetischen Militärbehörden in Deutschland.« Gribanow gab sich überzeugt, dass die Westmächte weder auf den Vorschlag zur Schaffung einer Kontrollkommission für die Entmilitarisierung eingehen würden noch auf den Vorschlag zur sofortigen Halbierung der Besatzungstruppen. Auch bei dem Vorschlag, den Friedensvertrags-Entwurf zu veröffentlichen, spielte der angestrebte propagandistische Effekt eine Rolle. Die Veröffentlichung wäre, schrieb er, »gleichzeitig ein schwerer Schlag gegen das Manöver der drei Mächte mit der von ihnen geplanten Erklärung zur Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland.« (Tatsächlich sollte die britische Regierung diese Erklärung noch am gleichen Tag abgeben, an dem das Memorandum fertig gestellt wurde. Frankreich folgte am 13. Juli, die USA am 24. Oktober). An der Zielsetzung des »Kampf[es] für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands« sollte sich damit aber nach Gribanows Verständnis nichts ändern. Es ging darum, der angeblich »fiktiven Lockerung des Besatzungsregimes« der Westmächte etwas »Wirkliches« entgegenzusetzen, das »den vitalen Interessen des ganzen deutschen Volkes wie auch den Interessen aller anderen friedliebenden Völker entspricht« – das Angebot eines »schnellen Abschluss[es] des Friedensvertrages« und des Abzugs aller Besatzungstruppen innerhalb von sechs Monaten danach. Gleichzeitig sollte die Herausstellung des Gegensatzes zwischen westlicher und sowjetischer Haltung in der Wiederbewaffnungsfrage »die Haltung der französischen Patrioten« stärken, »die gegen

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den Wiederaufbau des deutschen Militarismus antreten.« Dazu sollte, was ursprünglich den Außenministern zur Verhandlung vorgelegt werden sollte, nun in gleicher Weise substantiell vorbereitet zunächst der Öffentlichkeit präsentiert werden. Wenn die Beteiligung der Organe der Bundesrepublik trotz des Verzichts auf paritätische Zusammensetzung des gesamtdeutschen Gremiums nicht zu erreichen wäre, sollte die Berufung auf die Ergebnisse der Volksbefragung in Westdeutschland ersatzweise die Initiative der DDR-Regierung legitimieren und ihr damit ein Gewicht verschaffen, das ihr ohne eine solche Legitimation offensichtlich fehlte. Politischer Druck in Frankreich wie in der Bundesrepublik, so die offensichtlich dahinter stehende Kalkulation, sollte die westlichen Regierungen zwingen, dem Abschluss des Friedensvertrages, gegen den sie sich sperrten, doch noch zuzustimmen.24 In einer ergänzenden Ausführung vom 3. August bezeichnete Gribanow die Veröffentlichung des »Entwurfs der Grundlagen des Friedensvertrages« denn auch als »wirklichen Schritt zur Friedensregelung mit Deutschland.« Bei der Erarbeitung des Entwurfs der Grundlagen des Friedensvertrags wollte er, wie er jetzt näher beschrieb, genau so vorgehen, wie er es im Februar im Hinblick auf die erwartete Außenministerratstagung vorgeschlagen hatte: Es sollte eine Kommission unter dem Vorsitz des Leiters der Völkerrechts-Abteilung Golunskij gebildet werden. Chwostow, Pawlow und Gribanow waren weiterhin als Mitglieder vorgesehen, Durdenewskij, Arutjunjan und Arkadjew allerdings nicht mehr. An ihre Stelle traten Semjonow, der seine Erfahrung als Politischer Berater der Sowjetischen KontrollKommission einbringen sollte, und Sergej B. Krylow, ein Völkerrechts-Experte, der als Richter am Internationalen Gerichtshof tätig war. Zum weiteren Vorgehen schlug Gribanow vor, dass die Kommission ihren Entwurf »innerhalb eines Monats« dem Minister vorlegen sollte. Nach der Bestätigung des Entwurfs durch den Minister sollte eine Note der Sowjetregierung 24 Insofern kann man auch nicht von einem Mangel an innerer Konsistenz der Vorschläge Gribanows sprechen, wie dies Bjørnstad, Soviet Union, S. 55 tut, der anhand eines Beschlussentwurfs vom 9. August darüber berichtet: Gribanow an Gromyko 9.8.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 239, d. 108, ll. 157–172.

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an die drei Westmächte erarbeitet werden, die den Vorschlag enthielt, über diesen Entwurf zu verhandeln. Danach sollte die »Instanz«, also Stalin, mit der Angelegenheit befasst werden; falls er zustimmte, sollte die Note mit dem Entwurf als Beilage »in der Presse veröffentlicht werden« (Dokument 4).25 Unterdessen hatte das Außenministerium die Sowjetische Kontroll-Kommission in Deutschland und die SED-Führung in die Vorbereitung der Friedensvertrags-Initiative eingeschaltet. Wie Tschujkow und Semjonows Stellvertreter Iwan I. Iljitschow am 4. August nach Moskau berichteten, hatten Pieck, Ulbricht und Grotewohl ihnen gegenüber am 30. Juli »den Wunsch geäußert, dass die Sowjetregierung den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland vorschlagen und die Grundlagen dieses Vertrages veröffentlichen solle.« Die deutschen Freunde seien »der Meinung, dass ein solches Auftreten der Sowjetregierung besonders im Zusammenhang mit der Deklaration der Westmächte über die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland wünschenswert wäre.« Inhaltlich solle der Entwurf für den Friedensvertrag an die Ausführungen der sowjetischen Vertreter auf der Londoner Tagung des Außenministerrats im November / Dezember 1947 anknüpfen.26 Die SED-Führer hatten diesen »Wunsch«, der inhaltlich Gribanows Vorschlag vom 9. Juli entsprach, wohl nicht ohne Anregung oder zumindest Unterstützung durch ihre sowjetischen Gesprächspartner entwickelt. In den Aufzeichnungen, die Pieck während der Unterredung »abends 8 Uhr, in Karlshorst« anfertigte, ist er nicht so eindeutig festgehalten. Es findet sich nur – wohl als Äußerung Grotewohls – die mit Gribanows Analyse übereinstimmende Feststellung, dass die »Initiative früher bei uns« gelegen habe, jetzt aber an den »Gegner« übergegangen sei und dass die Bundesrepublik »Gleichberechtigung in [der] Remilitarisierung« gewinnen könne. Daran anschließend wurde fest25 Gribanow an Gromyko 3.8.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, l. 12. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 4, S. 248. Wettig, Deutschland-Note, S. 792, der dieses Dokument zum ersten Mal erwähnt, geht irrtümlich davon aus, dass das Projekt des Friedensvertrags-Entwurfs erst damit wieder aufgegriffen worden sei. 26 Berichtet nach Gribanow an Wyschinskij 15.8.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, ll.14–16, sowie Semjonow, Gribanow, Puschkin an Wyschinskij 28.8.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 222, d. 13, ll.1–13 (daraus Zitat l. 2).

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gehalten, dass ein »neuer Programmpunkt Friedensvertrag 1951« aufgenommen werden müsse und dass auch der »Inhalt« des Vertrags zu thematisieren sei.27 Das konnte als Unterstützung für den Vorschlag des Leiters der deutschlandpolitischen Abteilung im Moskauer Außenministerium interpretiert werden. Gribanow griff den »Wunsch« der deutschen Freunde nach Veröffentlichung eines Friedensvertrags-Entwurfs natürlich gleich auf und verband ihn mit seiner Idee von der Mobilisierung der DDR-Regierung. Nachdem er am 9. August schon den Entwurf einer Beschlussvorlage für das Politbüro erstellt hatte,28 erklärte er es in einem Schreiben an Wyschinskij, datiert auf den 15. August, für »zweckmäßig«, die DDR-Regierung zunächst mit dem Vorschlag einer gesamtdeutschen Beratung ohne paritätische Besetzung hervortreten zu lassen. »Falls die Bonner Regierung den Vorschlag der DDR-Regierung annimmt«, sollten ein gemeinsamer Aufruf an die vier Mächte sowie die Vorbereitung gesamtdeutscher Wahlen verlangt werden.29 Andernfalls – und das war in Gribanows Sicht nach wie vor viel wahrscheinlicher – sollte die DDR-Regierung »unter Bezug auf das Volksbegehren« allein an die vier Mächte herantreten. »Nach 1,5 bis 2 Monaten« – diese Spezifizierung war neu – sollte die Sowjetregierung dann die Noten »mit dem Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages« an die Regierungen der Westmächte übermitteln und zugleich veröffentlichen. Gribanow beendete sein Votum mit der Empfehlung, in den Noten solle »auch der Wunsch nach Einberufung der Friedenskonferenz zur deutschen Frage vor Ende 1951 angezeigt werden« (Dokument 5).30

27 Badstübner / Loth, Pieck, S. 371–373 (Unterstreichungen im Original). 28 Beigelegt waren der Entwurf einer Note an die Westmächte wegen des Verstoßes gegen das Bewaffnungsverbot sowie der Entwurf einer Note an die französische Regierung, der die Problematik des Schuman-Plans und des Pleven-Plans thematisierte: AWP RF f. 082, op. 38, p. 239, d. 108, ll. 157–172. 29 Von einem »vorgeblichen Ergebnis« der Besprechungen, »deren Zustandekommen gar nicht erwartet wurde«, so Wettig, Bereitschaft, S. 207, ist in diesem Zusammenhang im Text nicht die Rede. 30 AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, ll. 14–16. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 5, S. 249 f.

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Gribanows Stellungnahme wurde am folgenden Tag im Kreis der Außenminister-Stellvertreter besprochen;31 sein Vorschlag, einen Entwurf von Grundlagen des Friedensvertrages zu veröffentlichen, konnte sich dabei aber noch nicht durchsetzen. Am 20. August übermittelte Wyschinskij zusammen mit Semjonow, der offensichtlich zur Berichterstattung nach Moskau gerufen worden war, den Entwurf einer »Vorlage für die Instanz«, die, wie er schrieb, »entsprechend Ihrer Bemerkungen korrigiert worden ist.« Darin wurde den Freunden in der DDR empfohlen, »unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Umfrage unter der deutschen Bevölkerung« bei den Alliierten vorstellig zu werden und bei dem erneuten Vorschlag zur Einberufung einer gesamtdeutschen Beratung auf die »Forderung nach Parität der Vertreter« zu verzichten, »um der Bonner Regierung keinen Grund zu geben, eine solche Forderung als Vorwand zur Ablehnung des Vorschlags [...] zu nutzen.« Die Sowjetregierung sollte nach diesem Entwurf nur bekunden, dass sie schon immer für die Einhaltung der Potsdamer Entmilitarisierungsbestimmungen und »den unverzüglichen Abschluss eines Friedensvertrages« gewesen sei.32 Erst bei Molotow fand Gribanow Gehör. Nachdem die Vorlage vom 20. August dem für Außenpolitik zuständigen PolitbüroMitglied »mit der Bitte um Ihre Zustimmung« übermittelt worden war,33 kam es am 25. August zu einem »Meinungsaustausch«, als dessen Ergebnis Wyschinskij am 26. August eine abermals überarbeitete Fassung der Vorlage »an den Genossen Stalin J. W.« vorlegte. Darin wurde es als »zweckmäßig« erklärt, »in Namen der Sowjetregierung einen Entwurf der Grundlagen eines demokratischen Friedensvertrages mit Deutschland zu veröffentlichen.« Gribanows zeitliche Vorgabe (eineinhalb bis zwei Monate nach dem Appell der DDR-Regierung) wurde dabei etwas aufgeweicht: Die Vorlage sah nur vor, dass das Außenministerium den Text des Grundlagen-Entwurfs »im Laufe von 2– 3 Monaten vorbereiten wird«, und zwar »gemeinsam mit der 31 Wie aus einem handschriftlichen Vermerk hervorgeht, den Wyschinskij am 17. August auf der Stellungnahme notierte. 32 Semjonow u. Gribanow an Wyschinskij 20.8.1951, AWP RF f. 07, op. 24, p. 388, d. 33, ll. 67–71. 33 Wyschinskij an Molotow o.D., ebd. ll. 107–126.

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SKK in Deutschland und Vertretern der interessierten Ressorts« (Dokument 6).34 Offensichtlich konnte nur Molotow eine solche Kurskorrektur auf den Weg bringen; Wyschinskij bewegte sich als Chef des Außenministeriums ganz auf den vorgezeichneten Bahnen. Sobald Molotows Zustimmung vorlag, wurde das Vorhaben auch im Politbüro beraten. Diese Beratung mit Stalin fand am 27. August statt. Sie führte zu einem Politbüro-Beschluss zur »deutschen Frage«, mit dem Wyschinskij beauftragt wurde, »den vorgeschlagenen Entwurf innerhalb von drei Tagen auf der Grundlage des Meinungsaustauschs zu überarbeiten und damit einen Vorschlag zu den Fragen zu entwickeln, die die Genossen Pieck, Ulbricht und Grotewohl bei dem Treffen mit Tschujkow und Iljitschow am 30. Juli gestellt haben.«35 Wyschinskij billigte daraufhin einen überarbeiteten Vorschlag Gribanows zur Einberufung der Friedensvertrags-Kommission vom gleichen Tag. Zusätzlich zum Leiter der Diplomatischen Mission in der DDR Georgij M. Puschkin, der in dieser Version schon als weiteres Mitglied der Kommission vorgesehen war, nominierte er auch noch – per handschriftlicher Notiz – seinen Stellvertreter Alexander J. Bogomolow und bestimmte diesen anstelle von Golunskij zum Vorsitzenden. Sodann hielt er fest: »Zeitraum zehn Tage – vor 6/IX.«36 Wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, sollte die überarbeitete Beschlussvorlage37 bis dahin dem Politbüro vorliegen. Bereits einen Tag nach der Politbüro-Sitzung, in der sich Stalin erstmals mit dem Vorschlag zur Veröffentlichung der Grundlagen des Friedensvertrages befasst hatte, erhielt Wyschinskij einen neuen »Entwurf einer Vorlage für die Instanz« (überschrieben mit »An den Genossen Stalin J. W.«) sowie den Ent34 Wyschinskij an Molotow 26.8.1951, ebd. ll. 127–131. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 6, S. 251–253. 35 RGASPI f. 17, op. 3, d. 1090, Politbüro-Resolution Nr. 259, zit. n. Bjørnstad, Soviet Union, S. 124. Stalin wurde also nicht erst »Anfang September 1951« mit der Angelegenheit befasst, wie Wettig, Bereitschaft, S. 207 f. meint. 36 Die handschriftlichen Ergänzungen des Gribanow-Textes erfolgten also entweder noch am 27. August, dem Tag der Politbüro-Sitzung, oder am Tag darauf. Gribanow an Wyschinskij 27.8.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, l. 20. 37 Nicht der Entwurf für den Friedensvertrag, wie Bjørnstad, Soviet Union, S. 56 meint.

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wurf einer »Direktive für die Genossen Tschuijkow und Semjonow« (Dokument 7).38 Bei ihrer Erarbeitung war Gribanow erneut von Semjonow unterstützt worden und erstmals auch von Puschkin, der sich ebenfalls seit einigen Tagen in Moskau aufhielt. Beide sollten offensichtlich dafür sorgen, dass die Friedensvertrags-Initiative nicht nur der Situation in Deutschland Rechnung trug, sondern auch, was die Bestimmungen des Vertrags betraf, zu inhaltlich vertretbaren Ergebnissen führte. Wie Semjonow seinem jungen Diplomatenkollegen Julij Kwizinskij in späteren Jahren erzählte, hat er die Initiative »Stalin gegenüber als einen klugen politischen Schachzug verteidigt, der den Westen in der nationalen Frage in die Enge treiben sollte.«39 Dieses Gespräch muss im Rahmen seines Moskau-Aufenthaltes Ende August 1951 stattgefunden haben. Vermutlich ist Semjonow zu der Politbüro-Beratung vom 27. August hinzugezogen worden. Semjonow berichtete weiter, dass die Initiative »von Berija inspiriert war« und im Politbüro kontrovers diskutiert wurde: »Viele Mitglieder des Politbüros hielten eine derartige Initiative der Sowjetunion für zu riskant. Stalin gab dem Experiment schließlich seinen Segen, warnte aber, bei einem Misserfolg werde er die Schuldigen zur Verantwortung ziehen.«40

Daran dürfte soviel stimmen, dass Stalin für das Vorhaben erst noch gewonnen werden musste und Gribanow bzw. die Leitung des Außenministeriums (von deren monatelangen Vorarbeiten Semjonow kaum etwas wissen konnte) in Berija einen mächtigen Fürsprecher fanden. Die Erinnerungen von Berijas Sohn Sergo berichten vom Widerstand des Geheimdienstchefs gegen die Zwangsvereinigung der deutschen Arbeiterparteien im Frühjahr 1946 und seinem Engagement für eine Allianz mit einem »bür38 AWP RF f. 082, op. 38, p. 222, d. 13, ll. 1–13. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 7, S. 254–257. 39 Berichtet von Kwizinskij im Nachwort zu: Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 392. Semjonows Eröffnungen gegenüber Kwizinskij dürften in der zweiten Hälfte der 60er oder zu Beginn der 70er Jahre erfolgt sein, als Kwizinskij als Angehöriger des Westberlin-Referats des Außenministeriums eng mit Semjonow zusammenarbeitete, der unterdessen als Außenminister-Stellvertreter für die Deutschlandpolitik zuständig war. 40 Ebd.

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gerlichen Deutschland« nach Stalins Tod; die Aktenstücke, die zwischen Stalins Tod und Berijas Entmachtung Ende Juni 1953 entstanden, zeugen von energischen Bemühungen um »koordinierte Handlungen der vier Mächte« zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands.41 Zusammen gesehen hinterlassen beide Überlieferungen den Eindruck, dass sich Berija in der Deutschlandpolitik durch Nüchternheit und unorthodoxe Tatkraft auszeichnete. Das erkennbare Zögern Stalins ist jedoch nach Ausweis der Akten nicht darauf zurückzuführen, dass er, wie eine Formulierung Kwizinskijs gedeutet werden könnte, eine Zustimmung der Westmächte zu seinem Vorschlag befürchtet hätte.42 Vielmehr schreckte er davor zurück, auf die Forderung zu verzichten, zunächst müsse der Außenministerrat über die Einhaltung der Entmilitarisierungsbestimmungen verhandeln. »Das Außenministerium der UdSSR ist der Ansicht«, hieß es in der nach der Konfrontation mit Stalin überarbeiteten Beschlussvorlage, »dass der Vorstoß der Sowjetregierung in der Frage eines Friedensvertrages mit Deutschland zum angegebenen Zeitpunkt den Eindruck erwecken könnte, dass die Sowjetregierung im Unterschied zur Haltung der sowjetischen Delegation auf der vorangegangenen Tagung in Paris (März–Juni 1951) vorschlage, eine Tagung des Rats der Außenminister lediglich zur Diskussion der Frage des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland einzuberufen. Deshalb erscheint es zweckmäßiger, den Vorstoß der Sowjetregierung in der Frage des Friedensvertrages mit Deutschland etwas später zu unternehmen und vorher die Meinung der Weltöffentlichkeit auf einen solchen Schritt der Sowjetunion vorzu41 Vgl. Sergo Beria, Beria mon père. Au cœur du pouvoir stalinien, Paris 1999, S. 285–287 u. 365 f.; Elke Scherstjanoi, Die sowjetische Deutschlandpolitik nach Stalins Tod 1953. Neue Dokumente aus dem Archiv des Moskauer Außenministeriums, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 46 (1998), S. 497–549, das Zitat S. 540. 42 »Dabei konnte man in keinem Fall etwas verlieren, denn nach Erkenntnissen der sowjetischen Aufklärung waren die Westmächte keinesfalls geneigt, eine Destabilisierung der eben gegründeten Bundesrepublik [...] zuzulassen« (Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 392). Eine solche Interpretation der 1995 niedergeschriebenen Passage ist freilich nicht zwingend. Semjonow selbst sieht die Noten-Initiative in seinen Memoiren ganz in der Kontinuität der bisherigen gesamtdeutschen Politik der Sowjetunion: Es sei darum gegangen, »die Einheit Deutschlands nicht aus der Hand zu geben«; ebd. S. 267.

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bereiten.« Die Autoren der Beschlussvorlage sprachen denn auch nicht mehr von der Gefahr, in die Defensive zu geraten; sie begründeten die Friedensvertrags-Initiative vielmehr ausschließlich mit dem entsprechenden »Wunsch« der »deutschen Freunde«. Die Mobilisierung der SED-Führung erwies sich damit als ein geschickter Schachzug bei der Durchsetzung der Friedensvertrags-Initiative. Die Berufung auf die »deutschen Freunde« wies einen Weg, wie der Gesichtsverlust, den Stalin offensichtlich auf sich zukommen sah und der ihn zögern ließ, kaschiert werden konnte. Wenn die DDR-Kampagne erfolgreich war, konnte der sowjetische Vorschlag als Zugeständnis an die legitimen Wünsche der Deutschen präsentiert werden; und der Streit um die Reihenfolge der Tagesordnung im Palais Marbre Rose konnte darüber in Vergessenheit geraten.43 Von der öffentlichen Bekundung des Wunsches »nach Einberufung der Friedenskonferenz zur deutschen Frage vor Ende 1951« (so Gribanow am 15. August)44 war darum in dem neuen Text nicht mehr die Rede. Er sah nur, wie Molotow vorgeschlagen hatte, für die Erarbeitung des Entwurfs einen Zeitraum »von 2–3 Monaten« vor. Der Zeitraum zwischen dem Beginn der DDR-Kampagne und dem öffentlichen Auftreten der Sowjetregierung mit dem Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrags wurde beträchtlich ausgeweitet. »Das MID45 der UdSSR sieht es als zweckmäßig an«, begründeten die Autoren diese Verzögerung, »dass der Vorstoß der Sowjetregierung in der Frage des Friedensvertrages mit Deutschland als zweite Etappe der breiten öffentlichen Kampagne zur demokratischen und friedlichen Lösung der deutschen Frage zum Tragen kommt46, d.h. nach der weitgehenden Durchführung der Maßnahmen, die mit dem Appell der Volkskammer der DDR an das Bonner Parlament zur Einberufung der gesamtdeutschen Konferenz zusammenhängen.« Dabei gingen sie davon aus, dass diese Maßnahmen im Hinblick auf die Mobilisierung der West43 Auf dieses Motiv hat schon Bjørnstad, Soviet Union, S. 57–59 aufmerksam gemacht. Eine grundsätzliche Differenz zu einer »konfrontativen« Linie der SEDFührung, wie sie Bjørnstad skizziert, lässt sich aus den Quellen allerdings nicht ableiten. 44 Wie Anm. 30. 45 Ministerstwo Inostranych Del: Außenministerium. 46 Im Original mit blauem Stift unterstrichen.

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deutschen erfolgreich sein würden, unabhängig davon, ob der Bundestag für die gesamtdeutsche Konferenz zu gewinnen war oder nicht. Stalins Zögern dürfte durch die Einsicht verstärkt worden sein, dass die Volksbefragungs-Aktion der »Nationalen Front« in Westdeutschland bislang weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. Wie in der Besprechung der SED-Führer mit Tschujkow und Iljitschow am 30. Juli mitgeteilt wurde, waren seit Mai gerade einmal 1,7 Millionen Unterschriften zusammen gekommen; das entsprach 6,7 Prozent der Wahlberechtigten der Bundesrepublik.47 Semjonow und Puschkin haben diese Information gewiss in die Moskauer Beratungen eingebracht. Jedenfalls war die Überlegung Gribanows, die DDR-Regierung könne sich bei ihrem Appell an die Vier Mächte ersatzweise auf die Ergebnisse der Volksbefragung berufen, in dem neuen Text nicht mehr enthalten. Die »deutschen Freunde« mussten noch gründlich unter den Westdeutschen agitieren, ehe den westlichen Alliierten ein eindrucksvolles Votum der Deutschen für die Wiedervereinigung präsentiert werden konnte. Problematisch war nur, dass die Veröffentlichung des sowjetischen Entwurfs der Grundlagen des Friedensvertrags, die die Autoren des Beschlussentwurfs Stalin jetzt als »eine verlässliche Basis für den Kampf für ein vereintes demokratisches Deutschland und gegen die Unterjochung West-Deutschlands durch die anglo-amerikanischen Imperialisten« präsentierten, nunmehr davon abhängig gemacht wurde, dass in diesem Kampf schon wesentliche Erfolge erzielt worden waren. Die Auseinandersetzung zwischen Stalinschem Prestigedenken und den Bemühungen Gribanows, alle Ressourcen zu mobilisieren, die gegen die Wiederbewaffnung und Westintegration der Bundesrepublik ins Feld geführt werden konnten, endete damit, dass in der ansonsten sehr differenziert ausgearbeiteten Strategie eine Lücke entstand.48

47 Badstübner / Loth, Pieck, S. 372. 48 Insgesamt fand »das Aktionsprogramm, das Gribanow am 15. August 1951 unterbreitet hatte«, also nicht so uneingeschränkt »die Zustimmung der außenpolitischen Verantwortlichen in Moskau«, wie Wettig, Deutschland-Note, S. 796 behauptet.

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Verhandlungsvorbereitungen Die zeitliche Verschiebung änderte aber nichts daran, dass man sich in Moskau ernsthaft auf Verhandlungen im Alliierten Außenministerrat vorbereitete. Der »Vorlage für die Instanz« wurde ein »Übersichtsbericht zur Behandlung der Frage des Friedensvertrages mit Deutschland in den Sitzungen des SMID« beigelegt, und die Kommission zur Überprüfung des von der Dritten Europäischen Abteilung erarbeiteten Friedensvertrags-Entwurfs wurde mit drei führenden Völkerrechts-Experten (Golunskij, Chwostow und Krylow), den formal hochrangigsten Deutschland-Experten (Semjonow, Puschkin und Gribanow) und einem führenden Frankreich-Spezialisten (Pawlow) denkbar prominent besetzt. Die Bestellung eines Außenminister-Stellvertreters zum Vorsitzenden sicherte dem Unternehmen zudem eine stärkere Nähe zur tatsächlichen Entscheidungsebene.49 Das Tagebuch des Politbüros weist für den 8. September die erneute Behandlung der »deutschen Frage« aus.50 Es ist davon auszugehen, dass die Friedensvertrags-Initiative an diesem Tag (der auch der von Wyschinskij gesetzten Frist entsprach) ohne weitere substantielle Änderungen beschlossen wurde. Spätere Dokumente berufen sich auf einen entsprechenden »Beschluss des ZK der KPdSU(B) im September 1951«.51 Am 15. September präsentierte Grotewohl den Vorschlag einer »gemeinsamen gesamtdeutschen Beratung der Vertreter Ost- und Westdeutschlands«, die »erstens über die Abhaltung freier gesamtdeutscher Wahlen« und »zweitens über die Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland« »entscheiden« sollte, in der Volkskammer.52 Noch am Tage des Politbüro-Beschlusses vom 8. September schickte Gribanow »den ursprünglichen Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland, der in der Dritten Euro49 Von einer bloßen »Formulierungskommission«, so Wettig, Deutschland-Note, S. 797, kann man daher nicht sprechen. 50 RGASPI f. 17, op. 3, d. 1090, zit. n. Bjørnstad, Soviet Union, S. 124. 51 So der Entwurf eines Memorandums »an den Genossen Stalin J. W.«, den Gromyko am 21.1.1952 an Molotow schickte: AWP RF f. 07, op. 25, p. 144, d. 13, ll. 38 f. 52 Europa-Archiv 6 (1951), S. 4398.

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päischen Abteilung vorbereitet wurde« an alle Mitglieder der nunmehr tatsächlich eingerichteten Experten-Kommission. Augenscheinlich handelte es sich dabei um den Entwurf, über den er schon im Februar berichtet hatte; am 7. September hatte er daran handschriftlich geringfügige redaktionelle Korrekturen vorgenommen. Gribanow drängte Bogomolow als Vorsitzenden, die Kommission »in der nächsten Zeit« zusammenzurufen, um die Vorlage zu besprechen und die Arbeitsweise der Kommission festzulegen. Einmal mehr erwies er sich damit als die eigentliche treibende Kraft, die – durchaus in der Überzeugung, damit den Vorstellungen Stalins zu entsprechen – hinter der Friedensvertrags-Initiative stand.53 Der Text, den Gribanow den Schreiben an die Kommissionsmitglieder beilegte (Dokument 8)54, war noch kein ausgearbeiteter Vertragsentwurf. Vielmehr enthielt er unter der Überschrift »Schema des Entwurfs« detaillierte Anweisungen, welche Bestimmungen in den Vertrag aufgenommen werden sollten. Sieben Abschnitte waren für eine Präambel vorgesehen; dann folgten 55 Einzelbestimmungen in elf thematischen Abschnitten. Manche Anweisungen waren inhaltlich noch weitgehend offen gelassen (so die Bestimmung Nr. 50: »Festlegen des Verfahrens zur Beilegung von Streitfällen bei der Auslegung der Artikel des Friedensvertrages«); andere gingen schon sehr ins Detail (so Nr. 21: eine Liste der Waffen, die Deutschland weder »besitzen« noch »produzieren oder testen« dürfe). Bisweilen fehlten noch Zahlenangaben (etwa zur Höhe der Reparationen, die Deutschland insgesamt zu leisten hatte), und gelegentlich ließ auch noch die Systematik der Anordnung der einzelnen Bestimmungen zu wünschen übrig. Inhaltlich orientierte sich der Entwurf noch stark an den Potsdamer Grundsätzen und den Vorschlägen, die Molotow auf den Außenministerratstagungen von 1946 und 1947 vorgetragen hatte. Deutschland sollte die Potsdamer Grenzziehungen anerkennen und sich verpflichten, »alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, dass allen Personen, die der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der 53 Gribanow an Bogomolow 8.9.1951, AWP RF f. 082, op. 38,p. 230, d. 47, l. 21. 54 In diesem Band, Dokumente I, Nr. 8, S. 258–267.

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Sprache oder des Glaubens die gleichen Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten einschließlich der Rede-, der Presse-, der Publikations-, der Glaubensfreiheit, der Freiheit der politischen Überzeugungen und der Versammlungsfreiheit gewährt werden.« Dazu gehörte es aber auch, »die in Ostdeutschland durchgeführten demokratischen Veränderungen zu befestigen.« Die Friedenswirtschaft sollte sich ungehindert entfalten können; Monopole und Produktion zu kriegerischen Zwecken sollten allerdings verboten bleiben, und das deutsche Volk sollte Reparationen leisten. Die Kompetenz zur friedlichen Nutzung der Ruhr-Industrie sollte an die deutsche Regierung übergehen. Deutsche Streitkräfte wurden im Rahmen von »Verteidigungszwecken« erlaubt, die Tätigkeit von Deutschen für auswärtige Streitkräfte und deren Präsenz auf deutschem Boden dagegen strikt verboten. Deutschland sollte sich verpflichten, »keinerlei politischen und militärische Bündnissen beizutreten, die gegen irgendeine Macht gerichtet sind, welche mit ihren Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat.« Die Besatzungstruppen sollten »nicht später als 90 Tage« nach Inkrafttreten des Friedensvertrags abgezogen werden, danach sollte ein Rat der Vier Botschafter für eine gewisse Zeit über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen wachen.55 Im Begleitschreiben schlug Gribanow vor, die Bearbeitung der einzelnen Teile des Entwurfs unter den Mitgliedern der Kommission zu verteilen. Wie es scheint, ist diesem Vorschlag stattgegeben worden. In einer Aktenmappe des Außenministeriums vom Januar/Februar 1952 findet sich, nachträglich eingefügt und 55 AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, ll. 22–34. Die Bestimmungen liefen nicht so eindeutig auf eine Verpflichtung zur »Übertragung der ›demokratischen Umwandlungen‹ von Ost- auf Westdeutschland« hinaus, wie Wettig, DeutschlandNote, S. 794 behauptet. Auch enthielt der Text (den Wettig nach einer anderen Fundstelle zitiert: AWP RF f. 082, op. 38, p. 250, d. 112, ll. 21–34) weder eine explizite Aufforderung, die Montanunion aufzuheben, noch ein Verbot aller »anderen ökonomischen Bindungen an den Westen«. Die Deutung in Wettigs späterer Darstellung (»Übertragung des DDR-Modells auf Gesamtdeutschland«, »Verzicht auf jegliche Westverflechtung«, Ausbau der »Bindungen an die UdSSR«; so Wettig, Bereitschaft, S. 208–211) entfernt sich noch weiter vom Text. Die Charakterisierung des Textes als »erster Entwurf der Note« von 1952 (ebd. S. 208) suggeriert, dass er an die Westmächte adressierte Passagen enthalten habe (was tatsächlich nicht der Fall war), und unterschlägt, dass es sich um Anweisungen für einen tatsächlichen Vertragsentwurf handelte.

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im maschinengeschriebenen Inhaltsverzeichnis noch nicht enthalten, ein weiter ausgearbeiteter Vertragsentwurf unter der handschriftlichen Kennzeichnung »Entwurf Gruppe Seljaninow«. Hier war vieles ausformuliert, was in dem am 8. September übermittelten Dokument nur angefordert worden war (etwa die Liste der vertragsschließenden Parteien zu Beginn der Präambel), manches war systematisch an die richtige Stelle gebracht, und insgesamt lag jetzt ein regelrechter Vertragstext mit einer Präambel, elf Teilen, zahlreichen Abschnitten und Paragraphen vor (Dokument 9).56 Oleg Seljaninow war Gribanows Stellvertreter; vermutlich hat er die Ausarbeitung als Vorsitzender einer Arbeitsgruppe nicht allzu lange nach dem 8. September vorgelegt. Inhaltlich hielt sich Seljaninows Vertragsentwurf weitgehend an die von Gribanow übermittelten Vorgaben; sie wurden gleichsam Abschnitt für Abschnitt übernommen. Hinsichtlich der politischen Ordnung präzisierte er: »Die deutsche Regierung sichert und führt die in Deutschland erzielten demokratischen Reformen fort, darunter: auf dem Gebiet der Verwaltungsorgane, der Wirtschaft, der Arbeitsgesetzgebung, der Justiz, der Bildung, des Gesundheitswesens u.a.«

Hinsichtlich der Reparationen wurde präzisiert, dass der Sowjetunion »6,829 Millionen Dollar in Preisen von 1938« zustehen sollten und dass die gesamte Reparationsleistung »im Laufe von nicht mehr als 20 Jahren« vom Ende der Potsdamer Konferenz an erfolgten sollte. Zur militärischen Ausstattung hieß es, dies allerdings wesentlich enger gefasst als in der von Gribanow übermittelten Vorgabe, dass »zum Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Inland und zum Grenzschutz Deutschlands« eine »begrenzte Zahl von Polizeikräften /150– 200 Tausend Mann/, die mit Handwaffen ausgerüstet sind« gestattet werden sollen. Im übrigen waren die Kontrollbestimmungen in diesem Entwurf wesentlich schärfer gefasst: Zum Botschafterrat, dessen Tätigkeit jetzt auf drei Jahre festgelegt wurde, sollten ein »Vierer56 AWP RF f. 082,op. 40, p. 255, d. 11, ll. 31–46. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 9, S. 268–278.

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kontrollorgan für die Ruhr« und eine »Viererkontrollkommission für die Einhaltung der Militärparagraphen des Vertrages« kommen, deren Tätigkeit »mit der Zeit« und abhängig von der Vertragserfüllung »überprüft« werden sollte. Für den Fall der Nichterfüllung des Vertrags durch Deutschland wurden wirtschaftliche Sanktionen und schlimmstenfalls sogar eine Rückkehr der Besatzungstruppen angedroht. Dass die Autoren auch jetzt kein billiges Propagandamanöver im Sinn hatten, sondern nach wie vor tatsächlich auf einer Außenministerratstagung über diesen Entwurf verhandeln wollten, wird schon aus der Fülle detaillierter Bestimmungen deutlich, die Einzelheiten wie die Rückführung der »displaced persons« innerhalb von drei Monaten nach Vertragsabschluss und die Öffnung des Kieler Kanals für Handelsschiffe aller Nationen und Kriegsschiffe aus den Ostseestaaten einschlossen. Auch die vielfache Rückversicherung gegen ein Wiederaufleben des deutschen Faschismus spricht für die Ernsthaftigkeit des Unternehmens. Die Autoren rechneten mit der Möglichkeit, beim Wort genommen zu werden, und bauten darum Garantien für die Wahrung der sowjetischen Sicherheitsinteressen in den Vertragsentwurf ein. Schließlich wurden die Verhandlungen mit den westlichen Alliierten an einer Stelle des Entwurfs (der auch noch nicht in allen Punkten ausformuliert war) sogar direkt angesprochen: Eventuelle Ansprüche von Deutschlands Nachbarnländern »auf unbedeutende Grenzkorrekturen«, hieß es in Teil 1 des Entwurfs, könnten vom Außenministerrat »während der endgültigen Vertragsausarbeitung geprüft werden.« Der detaillierte und völkerrechtlich präzise Vertragstext war freilich wenig geeignet, die deutsche und nach Möglichkeit auch die französische Öffentlichkeit zu mobilisieren. Auch war zu überlegen, ob man den Deutschen im Westen nicht inhaltlich stärker entgegenkommen musste, wenn man sie dafür gewinnen wollte, sich bei den westlichen Siegermächten für den Abschluss des Friedensvertrags stark zu machen. Konnte man ihnen angesichts der Freiheiten, die ihnen im Rahmen der Verhandlungen über den Generalvertrag und die Europäische Verteidigungsgemeinschaft in Aussicht gestellt wurden, wirklich noch mehrjährige Kontrollen und die Beschränkung auf Polizei und Grenzschutz zumuten? Vermutlich haben die Deutschland-Experten in

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der Kommission dies den Völkerrechts-Spezialisten gesagt. Jedenfalls präsentierte Gribanow am 15. September Bogomolow einen ganz anderen Text – mit der Bemerkung »entsprechend Ihren Anweisungen umgearbeitet« und zusätzlich mit der Unterschrift von DDR-Missionschef Puschkin versehen (Dokument 10).57 Bei dem neuen Text handelte es sich nicht mehr um einen Entwurf für den Friedensvertrag. Vielmehr legten Gribanow und Puschkin den Entwurf einer Erklärung der Sowjetregierung vor, die unter der Überschrift »Grundlagen58 eines Friedensvertrages mit Deutschland« zunächst auf den vorprogrammierten Appell der DDR-Regierung Bezug nahm (mit einer Beteiligung der Bundesregierung rechneten die Autoren also zu diesem Zeitpunkt nicht) und dann verlauten ließ, dass die Sowjetregierung »stets auf dem schnellsten Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland« bestanden habe. Weiter folgten einige allgemeine »Grundsätze des demokratischen Friedens«, und dann wurden sechzehn knappe Punkte aufgeführt, die die wesentlichsten Bestimmungen des Friedensvertrags darstellen sollten.59 Hinsichtlich der Grenzen, der Sicherung der Menschenrechte, der Festigung der »demokratischen Umgestaltungen«, der Entfaltung der Friedenswirtschaft und der Nichtbeteiligung an Allianzen, die sich gegen eine der Siegermächte richteten, folgte der Text den Formulierungen des Vertragsentwurfs. Von Kontrollen, Überstellung der »displaced persons« und Begleichung der Kosten für die Kriegsgefangenen war jedoch nicht mehr die Rede. Hinsichtlich der Montanindustrie wurde präzisiert, sie sollte »sich keinen Vereinigungen in der Welt oder in Europa anschließen, die mit der Verwirklichung der aggressiven Pläne der Mitglieder dieser Vereinigungen zusammen hängen«. Hinsichtlich der Reparationen wurde auf eine Verkürzung der Restsumme verwiesen. Zum militärischen Status Deutschlands hieß es wieder entgegenkommender als im Seljaninow-Entwurf: »Die Ausrüstung 57 AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, ll. 35–40. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 10, S. 279–282. 58 Hervorhebung durch den Autor, W.L. 59 Wettigs Charakterisierung des Dokuments als »etwas modifizierte« Version des Textes vom 8. September (Deutschland-Note, S. 796) verdeckt einmal mehr den Vertragscharakter des ursprünglichen Entwurfs.

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von Heer, Luftwaffe und Marine muss streng begrenzt sein und muss ausschließlich Verteidigungszwecken dienen.« Dazu erforderliches »Kriegsmaterial« sollte produziert werden können. Der Abzug der Besatzungstruppen sollte in »kürzestmöglicher Zeit« erfolgen; die Jahresfrist galt jetzt als Obergrenze. In den Zusammenhang dieses Neuansatzes zur öffentlichen Präsentation des Friedensvertrages gehört offensichtlich auch das Zeugnis des sowjetischen Deutschland-Experten Daniil E. Melnikow, der Ende 1990 berichtete, es habe »verschiedene Entwürfe« für die Note vom März 1952 gegeben und er sei »sehr zufrieden« gewesen, »dass meiner dem am nächsten kam, was Stalin dachte.« Das deckt sich mit der hier dokumentierten Entwicklung und lässt Melnikows Zeugnis grundsätzlich glaubwürdig erscheinen. Melnikow war bis etwa 1951 Mitarbeiter des Sowjetischen Nachrichtenbüros in Berlin und kam dann als Professor an die Moskauer Universität; er könnte also von Puschkin zur Mitarbeit an den Entwürfen herangezogen worden sein. In seinem Interview von 1990 nannte er auch, darin der Erschließung der zeitgenössischen Quellen vorausgreifend, Chwostow und Iljitschow als Mitarbeiter bei der Vorbereitung der Note, ebenso Iwan M. Majskij, dessen subtile Kenntnis der Reparationsproblematik seit seiner Tätigkeit als Vorsitzender der sowjetischen Reparationskommission 1943/4460 in den detaillierten Reparationsbestimmungen des Seljaninow-Entwurfs spürbar wird. Weiter bezeichnete er, auch dies zum hier gezeigten Zusammenhang passend, Molotow und Berija als »ausgesprochene Deutschland-Freunde«, die sich wohl Beteuerung, »dass es [die Noteninitiative] ein ehrlicher Versuch war«, also großes Gewicht beimessen müssen und auch seine Überzeugung ernst zu nehmen haben, dass »Stalin [...] ein Weimarer Deutschland« vorschwebte – im Interesse der Sowjetunion.61 60 Vgl. Filitov, Problems, S. 3–22. 61 Jedenfalls kann man sein Zeugnis nicht mit der Bemerkung beiseite schieben, die angeführten Stalin-Aussprüche wirkten »wenig überzeugend«; so Wettig, Deutschland-Note, S. 787. Eine Kurzfassung des Interviews unter der Überschrift »Stalins gewagtes Spiel« erschien in: Der Spiegel 3.12.1990, S. 185–190. Hier wird nach der Langfassung zitiert: Daniil E. Melnikow, Illusionen oder eine verpasste Chance? Zur sowjetischen Deutschlandpolitik 1945–1952, in: Osteuropa 40 (1991), S. 593–601, die Zitate S. 599–601.

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Bogomolow leitete den von Gribanow und Puschkin vorgelegten Entwurf einer Erklärung mit den Grundlagen des Friedensvertrages sogleich »mit der Bitte um Prüfung«62 an Außenminister Wyschinskij weiter. Dieser strich mit blauem Stift einige Formulierungen an, die er für unklar oder nicht mehr zeitgemäß hielt, und gab darüber hinaus Anweisungen zu einer klareren thematischen Gliederung des Textes. Auf dem bearbeiteten Exemplar ist mit Bleistift ein Zwischentitel »Territoriale Feststellungen« eingefügt, und eine überarbeitete Version des Entwurfs, die Wyschinskij am 30. September Molotow vorlegte,63 ordnete die sechzehn Punkte der ursprünglichen Fassung nach »Politischen Bestimmungen«, Aussagen über das »Territorium«, »Wirtschaftlichen Bestimmungen« und »Militärischen Bedingungen«. Vorangestellt wurde ein zusätzlicher Absatz über die »Teilnehmer« am Friedensvertrag, hinzugefügt ein abschließender Absatz über »Deutschland und die UNO«, der die Bestimmung enthielt, dass »die Staaten, die den Friedensvertrag mit Deutschland geschlossen haben, den Antrag Deutschlands« auf Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen »unterstützen«. Damit hatte der »Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages« die Struktur erhalten, in der er fünf Monate und zehn Tage später auch veröffentlicht wurde. Inhaltlich unterschied sich die überarbeitete Version von der ursprünglichen dadurch, dass die Polemik gegenüber den westlichen Siegermächten etwas zurückgenommen wurde. Ihnen wurde jetzt nicht mehr vorgeworfen, »die Spaltung Deutschlands und die Politik der Remilitarisierung und Einbeziehung Westdeutschlands in den aggressiven Nordatlantischen Block« zu betreiben und »das Besatzungsregime auf unbestimmte Zeit verlängern« zu wollen. Die »demokratische Grundlage« des neuen deutschen Staates wurde nicht mehr durch den Zusatz »breitere« in die Nähe der »Volksdemokratien« gerückt; die Sicherung der »Menschenrechte und der grundlegenden Freiheiten« wurde in einem eigenen Absatz präzisiert. Im Abschnitt über das Territorium Deutschlands wurde die Erklärung hinzugefügt, »auf die62 Handschriftliche Bemerkung Bogomolows auf dem Anschreiben vom 15.9.1951; wie Anm. 57. 63 Wyschinskij an Molotow 30.9.1951, nicht unterzeichnete Kopie in AWP RF f. 07, op. 24, p. 15, d. 168, ll. 1–7.

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sem Territorium« würden die Alliierten »die volle Souveränität des deutschen Volkes anerkennen.« Im Abschnitt über die Industriegebiete an der Ruhr und an der Saar wurde die Bestimmung über die Aufhebung der Kontrollbehörden der Siegermächte durch die Verpflichtung der deutschen Regierung ergänzt, »die Wirtschaftsschätze des Ruhr- und Saargebiets ausschließlich zu friedlichen Zielen zu nutzen.« Molotow gingen die Zugeständnisse an die Westmächte, die Wyschinskij mit seiner Überarbeitung vorgenommen hatte, aber noch nicht weit genug. Zudem fand er, dass man den Deutschen noch etwas deutlicher entgegenkommen müsse. Nachdem er mit Wyschinskij über den Entwurf gesprochen hatte – vermutlich schon am 30. September64 –, wurde auf die Kopie des Anschreibens an Molotow im Sekretariat Wyschinskij handschriftlich notiert: »Die Nutzung. / Der Friedensvertrag muss zum Frieden mit den anderen Staaten beitragen. / Der Deutsche Staat muss die Verteidigung der Lebensinteressen der Bevölkerung in Betracht ziehen. / Wir, sozusagen, unterstützen.«

Weiter erhielt der Entwurfstext eine Reihe von Randbemerkungen und Unterstreichungen, und dann legte Gribanow Wyschinskij am 19. Oktober »einen entsprechend Ihrer Hinweise korrigierten Entwurf« vor, der die auf Molotow zurückgehenden Überarbeitungshinweise aufnahm.65 64 Auf der Kopie des Anschreibens an Molotow vom 30.9.1951 im Sekretariat Wyschinskij (wie Anm. 63) ist oben rechts handschriftlich hinzugefügt: »WM 30/IX«, offensichtlich ein Hinweis auf einen Kontakt mit Wjatescheslaw Molotow an diesem Tag. 65 Gribanow an Wyschinskij 19.10.1951, AWP RF f. 07, op. 24, p. 15, d. 168, ll. 8–14; identische Kopie in AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, ll. 59–64. – Die Überarbeitungshinweise auf der Kopie des Dokuments vom 30.9.1951 (wie Anm. 63) sind mit Bleistift angefertigt; hinzu kommen Unterstreichungen mit blauem Stift wie indem Dokument vom 15.9.1951. Offensichtlich hat man sich den Vorgang so vorzustellen, dass Wyschinskij nach der Unterredung mit Molotow Unterstreichungen vornahm, dann Gribanow berichtete und dieser dabei Notizen anfertigte. Dass die handschriftlichen Kommentare aus Molotows Feder stammen, wie Bjørnstad, Soviet Union, S. 65 behauptet, ist auszuschließen, da die Arbeitskopie in Wyschinskijs Sekretariat, die keine Unterschrift trägt, kaum Molotow vorgelegen haben dürfte und bei einem parallelen Vorgang im Januar 1952 (vgl. unten Anm. 71) ausdrücklich eine »Beratung beim Genossen Molotow« erwähnt wird. Dagegen kann kein Zweifel sein, dass sie inhaltlich Molotows Anweisungen darstellen. Der Vorgang

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Molotows Anweisungen entsprechend wurde die einleitende Passage über die Kontinuität sowjetischer FriedensvertragsVorschläge durch Hinweise auf die sowjetischen Vorschläge auf der Londoner und Pariser Tagung des Außenministerrats 1947 und 1949 sowie auf der Pariser Beratung der AußenministerStellvertreter im Frühjahr 1951 verdeutlicht. Die Forderung nach »Umgestaltung der gesamten Gesellschafts- und Staatsform auf demokratischer Grundlage«, von Molotow als »übertrieben« bezeichnet, wurde durch die Formulierung »Umgestaltung des deutschen politischen Lebens auf demokratischer Grundlage« ersetzt. Zwei zusätzliche Absätze betonten, der Friedensvertrag solle »dazu beitragen, dass Deutschland sich im Frieden und gutnachbarlichen Beziehungen mit anderen Staaten befinden kann«, und dem deutschen Staat die Möglichkeit verschaffen, »die nationalen Lebensinteressen des deutschen Volkes zu verteidigen.« Aus dem Kreis der Teilnehmer des Friedensvertrages wurde China gestrichen, offenbar um Querelen vorzubeugen, welches China denn gemeint sei. Bei den inhaltlichen Bestimmungen wurde hinsichtlich der »freien Tätigkeit aller demokratischen Parteien und Organisationen« die Einschränkung weggelassen, dass »deren Programme zur friedlichen und demokratischen Entwicklung des Landes und zur Festigung des Friedens und Herstellung der Freundschaft unter den Völkern beitragen« müssten; stattdessen wurde die »Gewährung des Rechts auf Versammlungen und öffentliche Diskussionen« ausdrücklich erwähnt. Bei der Aufzählung »unabdingbarer Teile Deutschlands« wurde das »Industriegebiet der Saar« gestrichen; hinsichtlich des Ruhrgebiets wurde die ausdrückliche Verpflichtung der deutschen Regierung, »die Wirtschaftsschätze [...] ausschließlich zu friedlichen Zwecken zu nutzen«, wieder zurückgenommen. Bei der Skizzierung der Reparationsverpflichtungen entfielen alle Details, die über die Bezugnahme auf die »Beschlüsse der Konferenzen von Jalta und Potsdam« hinausgingen.

zeigt einmal mehr, dass Molotow in der Entscheidungskompetenz Wyschinskij übergeordnet war und keineswegs nur gelegentlich zu »Formulierungskorrekturen« herangezogen wurde, wie Wettig, Bereitschaft, S. 211 behauptet.

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Damit waren die Arbeiten an dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Text zunächst abgeschlossen. Am 3. Dezember erhielt Wyschinskijs Stellvertreter Valentin Sorin von Gribanow einen Entwurf der Erklärung zu den Grundlagen eines Friedensvertrages mit Deutschland, der mit der Fassung vom 19. Oktober identisch war.66 Offensichtlich glaubte man seit der dritten Oktoberwoche, jetzt nur noch warten zu müssen, bis die Mobilisierungskampagne der DDR-Organe ihre Wirkung im westlichen Deutschland getan haben würde.

Vorbereitung der Notenpräsentation Zwei Monate nach den Grundsatzbeschlüssen des Politbüros begann Gribanow dem vereinbarten Fahrplan entsprechend mit der Vorbereitung der zweiten Etappe der Kampagne. Am 10. Dezember legte er Bogomolow den Entwurf eines Schreibens an Stalin vor, das als Grundlage für den nächsten Beschluss des Politbüros dienen sollte. Darin wurde berichtet, dass die Freunde in der SED ihre »Massenagitation und Informationsarbeit bei der Bevölkerung« Westdeutschlands fortsetzten. Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung der Grundlagen des Friedensvertrags sei zwar »noch nicht gekommen«, doch müsse das Politbüro bald über den Text der geplanten Veröffentlichung befinden. Beigefügt war der Entwurf der vorgesehenen Erklärung. Dabei wurde gegenüber der noch am 3. Dezember geltenden Fassung insofern noch einmal eine Änderung vorgenommen, als nun ein zusätzlicher Absatz eingefügt wurde, der »allen ehemaligen Nazis« die gleichen »bürgerlichen und politischen Rechte« wie allen anderen Deutschen versprach, sofern sie »mit der faschistischen Ideologie gebrochen und zusammen mit den demokratischen Kräften des deutschen Volkes am Wiederaufbau des friedlichen, demokratischen Deutschland teilgenommen haben.« Außerdem wurde in Anlehnung an den KPD-Aufruf vom 11. Juni 194567 die Not-

66 AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, ll. 50–55. 67 Vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 24.

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wendigkeit betont, »die freie Entwicklung der Privatinitiative und des Unternehmertums« zu sichern.68 Gribanows Initiative führte zu dem Auftrag, eine neue Version des Grundlagen-Textes auszuarbeiten. Dazu wurde Puschkin, der nach der Erarbeitung der Erstfassung im September nach Berlin zurückgekehrt war,69 wiederum nach Moskau bestellt. Unterstützt wurden die beiden Hauptautoren des »Grundlagen«Entwurfs diesmal von Michail E. Koptelow, dem neuem Stellvertretenden Leiter der Dritten Europäischen Abteilung, der zuvor als Politischer Vertreter bei der österreichischen Regierung gedient hatte. Am 4. Januar 1952 unterzeichnete das Trio den neuen Text, am 11. Januar wurde er vom stellvertretenden Außenminister Gromyko Molotow zur Prüfung »in der allernächsten Zeit« vorgelegt (Dokument 11).70 Ein erläuternder Text Gribanows vom 10. Januar klärte Molotow darüber auf, welche Änderungen gegenüber dem Entwurf vom 19. Oktober vorgenommen worden waren, und beschrieb, inwiefern sich die neuen Formulierungen an den bisher abgeschlossenen Friedensverträgen orientierten. Dabei wurde wiederholt auf den Friedensvertrag mit Italien Bezug genommen, einmal auch auf den Friedensvertrag mit Ungarn, und am häufigsten auf eine Stellungnahme der Sowjetregierung vom 7. Mai 1951 zum Entwurf des Friedensvertrages zwischen den USA und Japan.71 In der Tat war der neue Entwurf durch ein stärkeres Bemühen um Annehmbarkeit für die westlichen Siegermächte gekennzeichnet. Die einleitenden Erläuterungen der Grundsätze eines Friedensvertrages mit Deutschland wurden von der Reaktion der Sowjetregierung auf den Appell der Regierung der DDR getrennt 68 AWP RF f. 019, op. 2, p. 17. d. 123, ll. 2–9. 69 Am 19.10.1951 berichtete er Wyschinskij, Gromyko und Gribanow aus Berlin über das Gespräch, das DDR-Außenminister Georg Dertinger mit seinem in den Westen geflohenen Parteifreund Ernst Lemmer hatte: AWP RF f. 082, op. 38, p. 221, d. 6, ll. 47–57. 70 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 1–6. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 11, S. 283–287. Eine Kopie des Entwurfs, die am 10.1.1952 unterzeichnet wurde, findet sich in AWP RF f. 082, op. 40, p. 255, d. 11, ll. 1–6. Bjørnstad, Soviet Union, S. 128 A. 253 bezeichnet das Dokument irrtümlich als Ergebnis des Revisionsprozesses Ende Januar 1952. 71 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 7–9. Der Friedensvertrag mit Japan war am 8. September 1951 unterzeichnet worden.

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und als Entwurf einer gemeinsamen Erklärung der vier Siegermächte präsentiert, die sich über die »grundlegenden Bestimmungen« eines »unverzüglich« abzuschließenden Friedensvertrages äußerten. Dabei wurde der Bezug auf die »Verpflichtungen Deutschlands gegenüber den anderen Ländern, die unter der hitlerischen Aggression gelitten haben«, fallen gelassen, und die Doppelung in der Erwähnung des Truppenabzugs und der freien wirtschaftlichen Entfaltung wurde aufgehoben. Bei den Einzelbestimmungen wurde zunächst das Moment der Beendigung der Spaltung Deutschlands zusätzlich aufgenommen. Die Frist zum Abzug der Besatzungstruppen wurde auf »kürzestmöglich« und »keinesfalls später als sechs Monate vom Tag des Inkrafttretens des Friedensvertrages an« verkürzt. Im Abschnitt über die Parteien wurde zusätzlich das Recht »auf Presse und Verlage« erwähnt. Wichtig war sodann, dass die »demokratischen Umgestaltungen« nicht mehr »bekräftigt werden«, sondern nur noch »in Kraft bleiben« sollten; dabei wurde auch nicht mehr auf den angeblichen »Willen des deutschen Volkes« Bezug genommen, sondern nur noch auf die »Beschlüsse der Potsdamer Konferenz« und »andere Beschlüsse der vier Mächte«. Im Abschnitt über die wirtschaftlichen Bestimmungen wurde »ein stetiges Wachstum des Wohlstandes des deutschen Volkes« als Ziel hervorgehoben. Hinsichtlich der Reparationsverpflichtungen wurde nicht mehr auf Jalta und Potsdam verwiesen, sondern nur noch eine grundsätzliche Verpflichtung zum »Ersatz für Schäden, die durch Kriegshandlungen gegen Alliierte oder Vereinigte Mächte [...] zugefügt wurden«, postuliert; gleichzeitig wurde eine Befreiung Deutschlands von sämtlichen Schuldtiteln zugestanden. Die inhaltlichen Bestimmungen kamen damit auch den Deutschen noch einmal etwas weiter entgegen. Ob und inwieweit dabei die Beobachtung eine Rolle spielte, dass die Kampagne der SED zur Einberufung einer gemeinsamen »gesamtdeutschen Beratung« nicht so recht vorankam und Adenauer offensichtlich nicht unter Druck geriet, muss offen bleiben. Möglicherweise haben die Autoren des Entwurfs und ihre Auftraggeber gehofft, mit deutlicheren Zugeständnissen an die Deutschen dann wenigstens bei der Veröffentlichung der Grundsätze eines Friedensvertrages jene Bewegung unter den Westdeutschen auszulösen, die

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mit Aufrufen zur Vorbereitung von gesamtdeutschen Wahlen und Forderungen nach alsbaldiger Verabschiedung des Friedensvertrages allein nicht zu bewerkstelligen war. Jedenfalls waren die Autoren und ihre Auftraggeber sichtlich darauf bedacht, sowohl die Westdeutschen als auch die westlichen Alliierten für eine Verständigung auf der Grundlage dieses Entwurfs zu gewinnen. Sie wussten, dass eine Rückkehr der Westmächte an den Verhandlungstisch nicht ohne Druck der Westdeutschen zu haben war und eine gesamtdeutsche Lösung nicht ohne die Zustimmung der Westmächte. Molotow fand die neue Version einmal mehr noch nicht weitgehend genug. Wie aus den handschriftlichen Notizen auf der Entwurfskopie im Sekretariat Wyschinskij und der überarbeiteten Fassung vom 14. Januar hervorgeht (angefertigt »nach der Beratung beim Genossen Molotow«, wie Puschkin, Koptelow und Gribanow im Anschreiben an Gromyko vermerkten72), erweiterte er die Rechte der Parteien um die »freie Regelung ihrer inneren Angelegenheiten« und die »Bildung von Koalitionen«. Bei den »demokratischen Reformen«, für die eine Bestandsgarantie gegeben werden sollte, ergänzte er, dass sie »zwecks Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung« durchgeführt worden seien. Die Rehabilitierung »aller ehemaligen Nazis« weitete er auf »alle ehemaligen Militärpersonen der deutschen Armee, einschließlich der Offiziere und Generäle« aus, schränkte dann aber ein, dass die Beteiligungsrechte nicht für diejenigen gelten sollten, »die eine vom Gericht verhängte Strafe für von ihnen begangene Verbrechen abbüßen«, und präzisierte, dass die Mitwirkung natürlich dem »Aufbau des demokratischen friedliebenden Deutschlands« zu dienen habe.73 Gromyko leitete die überarbeitete Fassung noch am gleichen Tag an Molotow weiter.74 Zwei Tage später, also am 16. Januar, legten Puschkin, Gribanow und Koptelow der Leitung des Außenministeriums einen Katalog von Maßnahmen vor, die jetzt 72 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, l. 10; der überarbeitete Entwurfstext ebd. ll. 11–15. 73 Anders als Wettig, Bereitschaft, S. 214 behauptet, stand »der endgültige Text der Note« keineswegs »bereits Anfang Januar 1952 endgültig fest.« 74 Gromyko an Molotow 14.1.1952, AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, l. 16; eine weitere – identische – Fassung des Textes ebd. ll. 17–21.

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zur Lancierung des Entwurfs der »Grundlagen« ergriffen werden sollten. Er ging davon aus, noch abzuwarten, wie der Bundestag auf den Vorschlag der Volkskammer vom 9. Januar reagieren würde, Vertreter zur Diskussion des von der Volkskammer verabschiedeten Wahlgesetzes für gesamtdeutsche Wahlen zu benennen.75 Sollte die Bonner Seite auch diesen Vorschlag ablehnen, ebenso wie zuvor schon den Appell zur Bildung einer gesamtdeutschen Beratung und den Vorschlag zur Bildung einer Kommission zur »Überprüfung der Voraussetzungen für die Durchführung freier Wahlen« unter Kontrolle der Siegermächte,76 so sollte der DDR-Regierung »empfohlen« werden, »sich an die Regierungen der vier Besatzungsmächte in Deutschland mit der Bitte zu wenden, Maßnahmen zur Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland zu ergreifen.« Darauf sollte die Sowjetregierung dann mit einer Unterstützungserklärung reagieren und »7–10 Tage später« mit einer Note an die Westmächte, die den »Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages« enthielt. Zuvor sollten die Regierungen Polens und der Tschechoslowakei um »Anmerkungen« zu dem »Entwurf der Grundlagen« gebeten werden, und die Regierungen Chinas, Bulgariens, Rumäniens, Ungarns und Albaniens sollten über das Vorhaben informiert werden. Schließlich sollte der »Entwurf der Grundlagen« in der Presse veröffentlicht werden.77 Sodann bereiteten die Beamten des Außenministeriums eine Beschlussvorlage für das Zentralkomitee vor. In einem Begleitschreiben (»an den Genossen J. W. Stalin« adressiert) erinnerten sie an den Beschluss vom September 1951 und erklärten es für »zweckmäßig«, die DDR-Regierung jetzt »mit der Bitte um Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages« an die vier Mächte herantreten zu lassen. Die Bonner Regierung sollte noch einmal aufgefordert werden, diesen Appell zu unterstützen. 75 Vgl. das Schreiben vom Volkskammerpräsident Johannes Dieckmann an Bundestagspräsident Hermann Ehlers vom 10.1.1952, Neues Deutschland vom 11.1.1952. 76 Dies in einem mit Semjonow abgesprochenen Schreiben von DDR-Präsident Wilhelm Pieck an Bundespräsident Theodor Heuss, veröffentlicht in Neues Deutschland vom 4.11.1951. 77 »Über Maßnahmen, die mit der Vorbereitung der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland verbunden sind«, Puschkin, Gribanow, Koptelow, 16.1.1952, AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, l. 22.

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Die Sowjetregierung sollte dann gleich – nicht erst »7–10 Tage später«, wie zuvor vorgesehen – mit der Note an die Westmächte reagieren und ihnen dabei vorschlagen, »innerhalb von drei Monaten den Entwurf des Friedensvertrages mit Deutschland vorzubereiten.« Hinsichtlich des erneuten Zusammentretens des Außenministerrats bemerkten die Autoren, »ein solcher Vorschlag« würde »bedeuten, dass wir indirekt die Einberufung des Rates der Außenminister der vier Mächte vorschlagen, ohne aber den formellen Vorschlag dazu zu machen. Wir meinen, dass man sich in der ersten Note darauf beschränken kann, wenn man berücksichtigt, dass der formelle Vorschlag zur Einberufung des Ministerrates auch später, in Abhängigkeit von der Reaktion der Westmächte auf unsere Note, gemacht werden kann« (Dokument 12).78 Die Beschlussvorlage selbst beinhaltete zunächst die Bestätigung einer Anweisung an die Genossen Tschujkow und Semjonow in Berlin. Diese sollten Pieck, Grotewohl und Ulbricht aufsuchen, sie auffordern, den Appell der DDR-Regierung an die vier Mächte jetzt zu starten, und sie über das weitere Procedere informieren. Zur Begründung sollten sie ihnen sagen, dass »der Appell der Regierung der DDR an die vier Mächte und das Auftreten der Sowjetregierung mit dem Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages als Antwort auf diesen Appell die Position der Regierung der DDR im Kampf für die Durchführung der gesamtdeutschen Konferenz [...], für den Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland und den Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland stärken würden.« Tschujkow und Semjonow sollten dem Moskauer Außenministerium »umgehend die Meinungen« der SED-Führer zu diesem Vorgehen mitteilen. Weiter sollte das Zentralkomitee den »Grundlagen«-Text (der in der Fassung vom 14. Januar als Anlage beigelegt wurde) bestätigen und die Überreichung wie die Veröffentlichung der Note und des beigefügten »Grundlagen«-Textes beschließen.79

78 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 38–40. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 12, S. 288 f. Das Tagesdatum auf dem Entwurf ist offen gelassen. 79 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 40–47. Die vorgesehene Unterschrift Gromykos in der Anweisung an Tschujkow und Semjonow fehlt.

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Bevor die Beamten des Außenministeriums diese Beschlussvorlage Molotow unterbreiten konnten, mussten sie sich mit einer Initiative der DDR-Regierung auseinandersetzen, die Tschujkow und Semjonow per Telegramm übermittelten. Die DDR-Führung schlug in der dritten Januarwoche vor, eine Kampagne gegen den »Generalvertrag« zur Ablösung des Besatzungsstatuts zu starten, über den die Bundesregierung mit den Westmächten verhandelte, und es der Volkskammer zu überlassen, im Zuge dieser Kampagne mit »Grundlagen des Friedensvertrages« an die Öffentlichkeit zu treten. Die Sowjetregierung sollte dann »als Antwort auf diesen Appell der Volkskammer [...] in der ersten Märzhälfte den Entwurf des Gesamttextes des Friedensvertrages« veröffentlichen; damit sollten dann insbesondere klare Aussagen »über die Ost- und Westgrenzen Deutschlands, darunter auch die an der Saar« getroffen werden.80 Dahinter stand wohl nicht die Absicht, ernsthafte Verhandlungen mit den Westmächten durch neue Attacken auf die »Spalterpolitik« des Westens zu torpedieren.81 DDR-Außenminister Georg Dertinger, der als CDU-Politiker unzweifelhaft am Zustandekommen einer gesamtdeutschen Regelung interessiert war, hatte Puschkin schon Ende Oktober eröffnet, er hoffe, »die Grundlagen eines Friedensvertrages« ausarbeiten zu können, und angeboten, ihm den Entwurf, sobald er fertig sein würde, vertraulich zu zeigen.82 Insofern mag es durchaus sein, dass die Idee, die DDR als Urheber der »Grundlagen« erscheinen zu lassen, auf Dertinger zurückging. Auch lässt die Bitte um Veröffentlichung des Gesamttextes des Friedensvertrags-Entwurfs das Bestreben erkennen, durch Gewissheit Glaubwürdigkeit im westlichen Deutschland zu gewinnen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Zugehörigkeit der Saar zum deutschen Staatsverband. Tschujkow und Semjonow sprachen sich in ihrem Telegramm dafür aus, entsprechend dem Vorschlag der DDR-Führung zu verfahren. 80 Berichtet nach der Zusammenfassung im Entwurf Gribanows, Puschkins und Koptelows zu einer Stellungnahme 21.1.1951, AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 26–29. 81 So in der Tendenz die Interpretation bei Bjørnstad, Soviet Union, S. 66 f. u. 70 f. 82 Puschkin an Wyschinskij, Gromyko und Gribanow 21.11.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 221, d. 6, l. 64.

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Indessen barg der Vorschlag aus Ost-Berlin – der einmal mehr zeigte, dass die DDR-Führung im begrenzten Rahmen durchaus zu Eigeninitiativen fähig war – auch einige Risiken. Gribanow schrieb darum das Begleitschreiben zur Vorlage an das Zentralkomitee eilig um. Eine Kampagne gegen den Generalvertrag, so warnte in der neuen Fassung, die er am 21. Januar zusammen mit Puschkin und Koptelow unterzeichnete (Dokument 13),83 würde »die Aufmerksamkeit des deutschen Volkes« nur »von den Fragen des Kampfes um die Einheit Deutschlands und für den Friedensvertrag« ablenken. Die Veröffentlichung von »Grundlagen des Friedensvertrages« durch die Volkskammer würde bedeuten, »dass der besiegte Staat selbst den Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages für sich erarbeitet«, und das würden die Westmächte zweifellos »zu unserem Schaden ausnutzen.« Eine Veröffentlichung des Volltextes würde »den Gegnern des Friedensvertrages mit Deutschland Anlass geben, einige für die Deutschen unvorteilhafte Artikel des Vertrages auszunutzen, um die Bedeutung unseres Eintretens in dieser Frage herunterzuspielen«, und sie würde der Sowjetregierung auch »bei möglichen Verhandlungen mit den Westmächten zu einzelnen Artikeln des Friedensvertrages die Hände binden.« Gribanow empfahl daher dringend, sich an das Verfahren zu halten, das Anfang September 1951 im Zentralkomitee der KPdSU beschlossen worden und, wie er hinzufügte, doch »mit der DDR-Führung abgestimmt« war. In den Entwurf der Anweisung an Tschujkow und Semjonow fügten Gribanow und seine Ko-Autoren zunächst den Hinweis ein, dass der erbetene Appell an die vier Mächte »dem Plan entspricht, der mit der Führung der DDR im September 1951 vereinbart wurde.« Die weiteren Ausführungen wurden durch eine scharfe Kritik an dem »in Ihrem Telegramm dargelegten Maßnahmeplan« ergänzt: Er sei »nicht annehmbar [...] weil er dem Ihnen bekannten Beschluss (im September 1951 gefasst) wider83 Wie Anm. 80. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 13, S. 290–293. Gribanow unterzeichnete als erster, dann folgten auch noch die Unterschriften Puschkins und Koptelows. Aus diesem Grund kann man ihn als den Hauptautor der Stellungnahme ansehen. Keinesfalls handelt es sich um einen von Gromyko verfassten Text, der unmittelbar an Stalin ging, so die Wiedergabe bei Wettig, Deutschland-Note, S. 795– 799, und ders., Bereitschaft, S. 212 f.

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spricht«, die Rolle der Sowjetunion schmälere und von den Westmächten »in ihrer Propaganda gegen die Sowjetunion und die DDR ausgenutzt werden könnte.« Abschließend wurde nicht mehr die Meinung der SED-Führung zu dem sowjetischen Verfahrensvorschlag erbeten, sondern in barschem Ton verlangt: »Telegrafieren Sie die Durchführung.«84 Die weiteren Verfahrensvorschläge in dem Anschreiben an Stalin wurden um die Anregung ergänzt, dass die Regierungen Polens und der Tschechoslowakei »vor der Absendung des Entwurfs der Grundlagen des Friedensvertrages« mit dem Text »vertraut« gemacht werden sollten. Für die Regierung der DDR war hingegen nur eine Information im Zusammenhang mit der Übergabe an die drei westlichen Regierungen vorgesehen.85 Gribanow und seine Ko-Autoren sorgten sich also, dass eine ungeschickte Präsentation des Vertragsprojektes den Gegnern eines Friedensvertrages unfreiwillig Munition liefern könnte. Sie waren darauf bedacht, die optimale Form einer Aufforderung zu neuen Verhandlungen zu finden; und sie achteten darauf, dass die sowjetische Seite in den Verhandlungen, wenn sie denn zustande kamen, nicht durch allzu starre Vorab-Festlegungen ihre Kompromissfähigkeit verlor. Um den erstrebten Abschluss des Friedensvertrages nicht durch Aktionen zu gefährden, die in ihrer Sicht mehr als töricht waren, schlugen sie vor, die DDRFührung energisch in ihre Schranken zu verweisen.86

84 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 31 f. Der Entwurf der Rahmennote ist in der Kopie im Sekretariat Wyschinskij nicht enthalten. 85 Entsprechend wurde auch die Beschlussvorlage ergänzt: AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, l. 30. 86 Bei der Referierung der Stellungnahme durch Wettig, Deutschland-Note, S. 795–799 und Bereitschaft, S. 212 geht verloren, dass die Autoren durchaus Verhandlungen mit den Westalliierten im Blick hatten. Wettig bezieht die Sorge um die »Aufmerksamkeit des deutschen Volkes« fälschlicherweise auf die Formulierung der Note, ebenso die Sorge vor Aktivitäten der Westmächte »zu unserem Schaden«. Sodann behauptet er, diese »Gesichtspunkte« in dem Dokument vom 21. Februar 1952 seien bei der Umformulierung des »Erstentwurfs« vom 8. September 1951 »maßgebend« gewesen, die tatsächlich schon am 15. September 1951 aktenkundig ist. Seine Schlussfolgerung, die Vorschläge seien »nicht dazu bestimmt« gewesen, »bei den offiziellen westlichen Adressaten auf Gegenliebe zu stoßen«, ist nicht nachvollziehbar.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

Gromyko zeichnete das Dokument ab und schickte es noch am gleichen Tag mit der Bitte um »Prüfung« an Molotow.87 Diesem ging die Kritik an der DDR-Führung allerdings etwas zu weit. Wie es scheint, ließ er Semjonow zur Berichterstattung nach Moskau kommen und an einer Revision der Vorlage mitarbeiten. Zu Beginn eines Konzeptentwurfs vom 24. Januar ist neben Puschkin, Koptelow und Gribanow auch der Name des »Politischen Beraters« der Kontrollkommission in Deutschland vermerkt. Der »berichtigte Entwurf«, der auf diesen Vermerk folgt, sah vor, neben den Regierungen Polens und der Tschechoslowakei auch die DDR-Regierung vorab mit dem Inhalt des »Grundlagen«-Textes bekannt zu machen. Im Entwurf der Anweisung an Tschujkow und Semjonow wurde keine Kritik an dem Plan der DDR-Regierung geübt, sondern nur eine Kampagne für den Friedensvertrag als »neue Etappe im Kampf des deutschen Volkes für die Beseitigung der Teilung Deutschlands und für die Wiederherstellung des vereinigten Deutschlands« empfohlen. Die Frage des Friedensvertrages sollte danach »ins Zentrum der Aufmerksamkeit des deutschen Volkes gestellt« werden; »Maßnahmen zur Entlarvung der Vorschläge der drei Mächte zum ›Generalvertrag‹« wurden aber an zweiter Stelle auch als »wichtig« gutgeheißen. Zudem wurde der DDR-Führung versichert, dass sie »natürlich« vor der Absendung mit dem Entwurf des »Grundlagen«-Textes vertraut gemacht würde.88 Nach der Prüfung des »berichtigten Entwurfs« durch Molotow89 wurde auch noch das Anschreiben an den Genossen Stalin modifiziert. Es begann jetzt wieder mit der Erinnerung an den ZK-Beschluss vom September 1951 und erläuterte dann das Procedere in Anlehnung an die Beschlusslage. In der Vorgabe für die Noten an die Westmächte entfiel die Fristsetzung von drei Monaten für die Ausarbeitung des Entwurfs des Friedensvertrages. Der Vorschlag sollte jetzt nur noch lauten, »mit der Ausarbeitung zu beginnen.« Nach der Schilderung des geplanten Verfahrensablaufs hieß es ohne weitere Begründung, das Außen87 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, l. 25. 88 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 51–62. Beigefügt waren identische Fassungen des »Grundlagen«-Textes und des Noten-Entwurfs, ebd. ll. 63–70. 89 Die Kopien der Anlagen zum Schreiben an Molotow vom 24.1.1952 im Sekretariat Wyschinskij sind wieder mit Korrekturen mit blauem Stift versehen.

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ministerium halte den Maßnahmeplan der DDR-Führung, der im Widerspruch zum ZK-Beschluss vom September 1951 stehe, »für nicht annehmbar.«90 Molotow war offensichtlich auch darauf bedacht, das Zustandekommen der Friedensvertrags-Konferenz nicht durch unbedachte Eskapaden der DDR-Führung zu gefährden. Auf der anderen Seite, und das unterschied ihn von Gribanow, wollte er aber auch das Mobilisierungspotential der DDR-Führung nicht beeinträchtigen. Gleichzeitig nahm Molotow noch einmal einige Korrekturen an dem »Grundlagen«-Text vor, die den Entwurf für die westlichen Alliierten akzeptabler machen sollten. Der Ausblick auf die »freundschaftlichen Beziehungen« zwischen den Alliierten und Deutschland wurde durch das Argument ersetzt, der Friedensvertrag habe durch die Lösung der Probleme, die infolge des Krieges entstanden sind, »auch höchste Bedeutung für die Stärkung des Friedens in Europa.« Das Bekenntnis zur »Umgestaltung des deutschen politischen Lebens auf demokratischer Grundlage« entfiel, ebenso der Grundsatz, dass sich »das gesamte politische Leben Deutschlands auf demokratischer Grundlage entwickeln« müsse, und die Bestimmung, dass »alle demokratischen Reformen in Kraft bleiben« müssten. Weiter ließ Molotow die Aussicht auf eine »freie Entwicklung« des vereinten Deutschlands durch die Charakterisierung als »friedliebend« ersetzen. Für den Abzug der Besatzungstruppen wurde wieder eine Frist von einem Jahr eingeräumt. Die Verpflichtung der Ruhrindustrie auf Produktion »in friedlicher Absicht« und die Befreiung Deutschlands »von allen staatlichen Schuldverpflichtungen« (die sich im Wesentlichen auf Schulden bei den westlichen Alliierten bezog) entfielen, und auch das Verbot, ausländische Staatsbürger »für die Ausbildung der deutschen Armee in Dienst [zu] nehmen«,

90 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 94 f. Dass in dem Text »nochmals auf die Gründe hin[gewiesen]« worden sei, die gegen den Vorschlag der DDR-Führung sprachen, so Wettig, Deutschland-Note, S. 797, trifft nicht zu. Die Argumentation, die in dem Entwurf vom 21.1.1951 enthalten war, ist Stalin nie vorgelegt worden; er kann ihr darum auch nicht »beigepflichtet« (so ebd. S. 799) haben. Die Erläuterung, der sowjetische Vorschlag käme einer indirekten Forderung nach Einberufung des Außenministerrats gleich, blieb hingegen bestehen, anders als Bjørnstad, Soviet Union, S. 70 behauptet.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

wurde weggelassen (Dokument 14).91 In der begleitenden Note zu dem »Grundlagen«-Vorschlag erklärte die Sowjetregierung ihre Bereitschaft, »auch andere mögliche Vorschläge in dieser Frage zu prüfen.«92

Stalin übernimmt In dieser Form wurde das Schreiben an Stalin am 25. Januar von Gromyko unterzeichnet und mit den Anlagen weitergeleitet. Gleichzeitig wurden zur Vorbereitung der Politbüro-Entscheidung Kopien des Beschlusspakets an Molotow, Malenkow, Berija, Mikojan, Kaganowitsch, Bulganin und Chruschtschow verschickt.93 Das Politbüro beriet das Maßnahmenpaket am 30. Januar. Dabei wurde der DDR-Führung, wie aus Notizen auf der Arbeitskopie im Sekretariat Wyschinskij94 und »überarbeiteten« Entwürfen mit der Unterschrift Wyschinskijs vom 2. und 6. Februar hervorgeht,95 einerseits eine Belobigung zugedacht; andererseits wurde sie aber noch straffer an die Leine genommen. Der »berichtigte« Entwurf der Instruktionen für Semjonow und Tschujkow (Dokument 15)96 begann jetzt mit der anerkennenden Behauptung, »die Maßnahmen, die im Verlauf des letzten halben Jahres im Zusammenhang mit dem Appell der Regierung der DDR an die Bonner Regierung zur Beschleunigung des Ab91 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 99–102. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 14, S. 294–297. Damit war allerdings immer noch nicht die »später verwendete Form« des »Grundlagen«-Textes erreicht, so Wettig, Deutschland-Note, S. 797, ähnlich Bjørnstad, Soviet Union, S. 66. 92 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 103 f. 93 Beschlussentwurf ebd. l. 96, Entwurf der Anweisung an Tschujkow und Semjonow ebd. ll. 97 f., Verteilerliste am Fußende des Anschreibens ebd. l. 95. Den Entwurf der Anweisung an Tschujkow und Semjonow schickte Wyschinskij am 29. Januar an Molotow mit der Bemerkung: »Im Falle Ihres Einverständnisses wird dieser Text anstelle des vorher geschickten Textes verschickt«; ebd. ll. 110–113. 94 Auf den Blättern 94 bis 104. Anders als Bjørnstad, Soviet Union, S. 66 u. 128 meint, gehen diese mit Bleistift eingetragenen Bemerkungen nicht auf »Instruktionen« Molotows zurück. Sie sind offensichtlich erst nach der Beratung der von Molotow abgesegneten Entwürfe im Politbüro angefertigt worden. 95 Diese waren wiederum zur »Prüfung« an Molotow gerichtet: AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 113–131. 96 Ebd. ll. 126–128. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 15, S. 298–300.

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schlusses des Friedensvertrages [...] in Deutschland ergriffen wurden«, hätten »zweifellos positive Ergebnisse«; sie hätten geholfen, die Politik der Westmächte »in den Augen breiter Schichten des deutschen Volkes zu entlarven.« Dann folgten eine Erklärung, dass diese Maßnahmen nicht mehr ausreichten, und die Aufforderung, jetzt einen Appell an die vier Mächte zu richten. Weiter wurden jetzt genaue Angaben gemacht, welche Begründungen für den Abschluss des Friedensvertrags die DDRRegierung in dem Appell aufführen und welche Prinzipien eines Friedensvertrages sie nennen sollte.97 Weiter wurde die Erwartung geäußert, dass der Entwurf des Appells vor der Veröffentlichung der Sowjetregierung zur Kenntnis gebracht würde; und schließlich folgten auch noch detaillierte Anweisungen zur Argumentation gegen den Generalvertrag. Wie die Sowjetregierung auf den Appell im Detail reagieren würde, wurde den deutschen Genossen bewusst noch nicht gesagt.98 Die gleiche Sorge, den sowjetischen Standpunkt so präzise wie möglich zum Ausdruck zu bringen, zeigte sich auch bei der Überarbeitung des Entwurfs der Begleitnote an die Westmächte. Die von Molotow angeregte Auflistung aller früheren sowjetischen Initiativen zur Beratung des Friedensvertrags entfiel; offensichtlich wurde sie als unnötig provozierend empfunden.99 Stattdessen wurde die Begründung für den Abschluss des Friedensvertrages aus der Präambel des »Grundlagen«-Textes übernommen und um den Hinweis ergänzt, »dass die Gefahr der Wiederbelebung des deutschen Militarismus und der deutschen aggressiven Kräfte nicht beseitigt« sei. Weiter wurde schon in der Note angekündigt, »dass der Friedensvertrag mit Deutschland die Möglichkeit neuer deutscher Aggressionsversuche ausschließen« müsse und es gestatten würde, »die Entwicklung der 97 Auf der Arbeitskopie vom 25.1.1952 ist dazu etwas widersprüchlich notiert: »Es ist notwendig, den offenen Appell der DDR zu haben. Im deutschen Appell sind einige Verpflichtungen nötig.« Ebd. l. 94. 98 Vgl. dazu auch Wyschinskijs erläuterndes Anschreiben an Molotow vom 6.2.1952, ebd. l. 124. Das Politbüro kam dem Vorschlag der DDR-Führung also keineswegs so weit entgegen, wie Bjørnstad, Soviet Union, es darstellt (»that the East German wish [...] might, and might not, be correct«); der neue Entwurf war nicht »more lenient towards the East Germans«, so S. 71. 99 Auf der Arbeitskopie vom 25.1.1952 ist dazu vermerkt: »Ohne zeitliche Abfolge« und »Ohne Tadel.« Ebd. ll. 103 f.

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Friedenswirtschaft ohne jegliche Begrenzungen im Interesse der Verbesserung der Lebensbedingungen des deutschen Volkes zu gewährleisten.«100 Ebenso hielt Stalin es offensichtlich für nötig, allen Beteiligten so deutlich wie möglich zu sagen, was mit der Aktion bezweckt wurde. Den Westmächten wurde erklärt, die Sowjetregierung lege den Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages »mit dem Ziel« vor, »die Aufgabe der Vorbereitung des Entwurfs [eines Friedensvertrages] zu erleichtern.«101 Der DDRRegierung wurde mitgeteilt, die Sowjetregierung richte sich danach, »dass die oben genannten wie auch die möglichen künftigen Maßnahmen zur Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland, zur Beseitigung der Spaltung Deutschlands und zur Schaffung eines vereinigten deutschen Staates beitragen werden«, nicht zuletzt durch die »Mobilisierung der demokratischen Kreise Deutschlands, darunter auch der in Westdeutschland, zum Kampf für den Abschluss des Friedensvertrages«. Der ZK-Beschluss zur Instruktion Tschujkows und Semjonows wurde mit der Erläuterung versehen, die Maßnahme erfolge »zwecks Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland und Schaffung eines vereinigten, demokratischen, friedliebenden deutschen Staates und Verstärkung des Widerstandes des deutschen Volkes gegen die Pläne zur Remilitarisierung Westdeutschlands«, und firmierte unter der Überschrift »Maßnahmen zur Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages und zur Schaffung eines vereinigten, demokratischen, friedliebenden deutschen Staates.«102

100 Ebd. ll. 116 f. Der »Grundlagen«-Vorschlag selbst blieb unverändert (ebd. ll. 118–121), so dass nun eine gewisse Redundanz zwischen Begleitnote und materiellem Textvorschlag entstand. 101 Die Arbeitskopie vom 25.1.1952 erhielt dazu die Notiz: »Das Progr[amm] unterstützen.« Ebd. l. 104. 102 Ebd. l. 125, vgl. Dokument 15. – Den Regierungen Polens und der Tschechoslowakei wurde zunächst gesagt, die Kampagne habe »die Schaffung eines einheitlichen, demokratischen, friedliebenden deutschen Staates zum Ziel«, und dann erläutert, es gehe darum, »die Bewegung des deutschen Volkes für den Frieden, gegen den Krieg noch breiter zu entfalten«; ebd. l. 122. Wettig, Deutschland-Note, S. 799 stützt sich in seiner Interpretation der sowjetischen Motive nur auf das zweite Element der Mitteilung.

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Schließlich unterschied der Fahrplan des Außenministeriums nach der Beratung bei Stalin wieder zwischen sowjetischer Antwort auf den Appell der DDR-Regierung und dem Auftreten mit dem Entwurf der »Grundlagen des Friedensvertrages«. Wyschinskij legte gleich am 2. Februar einen ersten Entwurf der Antwort der Sowjetregierung auf den DDR-Appell vor, der die Vorteile eines Friedensvertrags für das deutsche Volk in den höchsten Tönen pries, von der »Gleichberechtigung Deutschlands« seiner »friedlichen Wirtschaft« bis zum »Abzug aller ausländischen Truppen«.103 Offensichtlich hielt Stalin die Mobilisierung durch die Kampagne seit dem Volkskammer-Appell noch nicht für ausreichend. Folglich sollte sie mit der Veröffentlichung der sowjetischen Antwort auf den DDR-Appell noch einmal intensiviert werden, ehe die Sowjetregierung mit der Note und dem »Grundlagen«-Entwurf auftrat. Formal wurde nach Billigung des überarbeiteten Entwurfs durch Molotow104 in der nächsten Politbüro-Sitzung am 6. Februar nur die Instruktion an Tschujkow und Semjonow beschlossen.105 Stalin nahm die operative Leitung des Unternehmens jetzt, da die Sowjetführung gegenüber den Westmächten und den Deutschen aktiv wurde, persönlich in die Hand. Die Aktion war ihm zu bedeutsam, ihr Ziel zu essentiell, als dass er sich weiterhin nur auf Molotows Erfahrung und Gespür verlassen wollte. Am 8. Februar fasste das Politbüro den Beschluss, die DDRRegierung solle »in den nächsten Tagen« mit ihrem Appell hervortreten.106 Am 12. Februar wurden auf Empfehlung des Au103 AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, l. 115. 104 Er vermerkte auf dem am 6.2.1952 übergebenen Entwurf: »Dafür. W. Molotow 5.2.52«; AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 129–131. 105 Ein von Gromyko am 13.2.1952 unterzeichnetes Schreiben an Stalin nimmt auf diesen Beschluss Bezug; ebd. l. 136. 106 Laut Gromykos an Stalin 12.2.1952, AWP RF f. 07, op. 25, p 13, d. 144, ll. 132 f. Vgl. den Beschluss »Über Maßnahmen zur Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrags mit Deutschland und zur Schaffung eines vereinigten, demokratischen, friedliebenden deutschen Staates« vom 8.2.1952 (Beschluss Nr. 425) im RGASPI f. 17, op. 3, d. 1092, und die Hinweise auf die Beratungen am 30.1. und 6.2.1952 ebd. Anders als Bjørnstad, Soviet Union, S. 71 f. schreibt, ist der DDRFührung die Verpflichtung zu einem erneuten Appell an die Bonner Regierung nicht erlassen worden; es musste auch kein inhaltlich neuer Entwurf vorgelegt werden. Erst recht liegt kein mit dem Entwurfpaket vom 25.1.1952 »sinngleich formulierter Stalin-Beschluss« vor, wie Wettig, Deutschland-Note, S. 797 behauptet.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

ßenministeriums zwei Änderungen im Entwurf für den Appell an die vier Mächte beschlossen, den die DDR-Regierung unterdessen vorgelegt hatte: Statt von »imperialistischen Kräften« sollte darin nur ganz allgemein von »aggressiven Kräften« die Rede sein, um den Westmächten keinen Anlass zu feindlicher Propaganda zu bieten; und die DDR-Regierung sollte auch nicht darum »bitten«, dass die Alliierten die »unnormale Situation« in Deutschland beenden, sondern nur demütig eine entsprechende »Hoffnung« äußern.107 Nachdem die DDR-Regierung den entsprechend korrigierten Appell am 13. Februar veröffentlicht hatte,108 schlug das Außenministerium vor, einen Beschluss über alle »weiteren Maßnahmen« zu fassen, »die mit diesem Appell verbunden sind.« Die Note der Sowjetregierung und der »Grundlagen«-Entwurf sollte den drei Mächten »am 20. Februar« geschickt werden.109 Kurz darauf wurde die Beschlussvorlage dahingehend korrigiert, dass Versand und Publizierung am 23. Februar erfolgen sollten.110 Am 15. Februar wurde das Datum ganz aufgehoben: »Was die Absendung der Note betrifft«, hieß es in einer Vorlage für Stalin, die offensichtlich nach Rückkoppelung mit der obersten Führung verfasst wurde, »hält es das Außenministerium der UdSSR für zweckmäßig, dies etwas später zu prüfen, wenn sich die Reaktion der Bonner Regierung und der drei Mächte auf den Appell 107 Beschluss »Zu den Instruktionen für die Genossen Tschujkow und Semjonow in Verbindung mit dem Entwurf des Appells der Regierung der DDR an die vier Mächte aus Anlass des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland« 12.2.1952 (Beschluss Nr. 453), RGASPI f. 17, op. 3, d. 1092, eine Arbeitskopie in AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 134 f. In der Stellungnahme des Außenministeriums vom gleichen Tag (Gromyko an Stalin 12.2.1952, wie Anm. 106) war vorgeschlagen worden, den Absatz mit der Ablehnung des »Strebens imperialistischer Kräfte« ganz wegzulassen. Was Wettig, Bereitschaft, S. 213 f. als angeblichen Inhalt der Korrekturen referiert (Weglassen der Verpflichtung zur »Umgestaltung« und der Hinweise auf frühere sowjetische Vorschläge), sind in Wahrheit Änderungen Molotows am »Grundlagen«-Text (24.1.) und eine Modifikation Stalins am Notenentwurf an die Westmächte (30.1.). 108 Dokumente zur Außenpolitik der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Bd. 1, Berlin 1954, S. 73–76. 109 Gromyko an Stalin 13.2.1952, wie Anm. 104; Beschlussentwurf mit Anlagen, AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 137–148. 110 Undatierter Beschlussentwurf, wahrscheinlich 14.2.1952, ebd. l. 149, die Anlagen ll. 150–158.

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der Regierung der DDR und auf die Antwort der Sowjetregierung auf diesen Appell abzeichnet.«111 Fertig gestellt wurde zunächst nur die Antwort auf den DDRAppell. Das Außenministerium schickte den Entwurf nach Abstimmung mit Molotow am 15. Februar »an die zuständige Stelle.«112 Diese, also Stalin, strich die Avancen an die »nationalen Interessen des deutschen Volkes« aus dem Text und fügte die »Übereinstimmung mit den Potsdamer Beschlüssen« sowie die »Teilnahme Deutschlands« am Abschluss des Friedensvertrages ein. In dieser Form wurde die Antwort am 20. Februar im Politbüro beschlossen und sogleich an die DDR-Regierung übermittelt, am 21. Februar wurde sie veröffentlicht.113 Den deutschen Genossen wurde aufgetragen, die Kampagne darauf zu richten, »die Bonner Regierung und das Bonner Parlament mit einer solchen Menge von Resolutionen und Forderungen zu attackieren, dass sowohl das Parlament als auch die Regierung starken Druck von Seiten des Volkes erfahren.«114 Mit der Übersendung der Note an die Westmächte ließ sich Stalin danach noch einmal Zeit, weitaus mehr als die »7–10 Tage«, die Gribanow ursprünglich vorgeschlagen hatte. Das Außenministerium legte am 23. Februar eine neue Beschlussvorlage vor, in der die Absendung und Veröffentlichung der Noten für den »28. oder 20. Februar« vorgesehen war.115 Stalin ging auch darauf nicht ein, sondern hielt, während die Kampagne zur Unterstützung des Appells der DDR-Regierung zusehends heftiger 111 Gromyko an Stalin 15.2.1952, ebd. l. 159. 112 So die Erläuterung in einem Schreiben Gromykos an Molotow 17.2.1952, ebd. l. 162. Beschlussentwurf und Antwortentwurf in der Anlage zum Schreiben Gromyko an Stalin 15.2.1952, ebd. ll. 160 f. 113 Beschlussentwurf vom 18.2.1952 mit handschriftlichen Ergänzungen mit Blaustift, darunter: »Beschlossen. 20.2.«, ebd. l. 166. Noch am 17.2. übermittelte Gromyko eine Variante des ursprünglichen Entwurfs vom 2.2.: ebd. l. 163. Der definitive Text der Antwort u.a. in: Neues Deutschland vom 21.1.1952. 114 So der SKK-Verantwortliche für gesamtdeutsche Angelegenheiten, I. S. Bakulin in einem an Semjonow gerichteten Schreiben vom 18.2.1952, AWP RF f. 0457a, op. 13, p. 66, d. 5, ll. 5–12, zitiert mit weiteren Hinweisen auf die Kampagne bei Gerhard Wettig, Die KPD als Instrument der sowjetischen Deutschland-Politik. Festlegungen 1949 und Implementierungen 1952, in: Deutschland-Archiv 27 (1994), S. 816–829, hier S. 822–825. 115 Gromyko an Stalin 23.2.1952, AWP RF f. 082, op. 40, p. 255, d. 11, ll. 14– 24.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

gefahren wurde,116 hartnäckig nach Anzeichen für eine Mobilisierung der Westdeutschen Ausschau, die es ihm erlauben würde, den »Grundlagen«-Entwurf ohne Gesichtsverlust und mit Aussicht auf Erfolg zu präsentieren. Erst am 8. März, einem Samstag mehr als drei Wochen nach der Veröffentlichung des DDR-Appells, beschloss das Politbüro die weiteren Maßnahmen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der »Grundlagen des Friedensvertrages«.117 Auch hier kam es noch einmal zu bedeutenden Änderungen in letzter Minute. Die Note an die Westmächte, die der Beschlussvorlage vom 23. Februar noch in der gleichen Form beilag, wie sie das Außenministerium am 25. Januar dem Politbüro zugeleitet hatte, wurde jetzt zunächst dahingehend modifiziert, dass die Sowjetregierung auf den Appell der DDR-Regierung Bezug nahm. Dann folgten präzisere Angaben zu dem gedachten Procedere: »In nächster Zeit« sollte »ein vereinbarter Friedensvertragsentwurf vorbereitet« und dann »einer entsprechenden internationalen Konferenz unter Beteiligung aller interessierten Staaten zur Prüfung vorgelegt« werden. Vor allem aber griff die Note jetzt die Kritik auf, die die Bundesregierung in ihrer Reaktion auf den Appell der DDR-Regierung am 22. Februar vorgebracht hatte. Auf die Feststellung, dass das Schreiben Grotewohls vom 13. Februar kein Wort über »eine Beteiligung Deutschlands an der Friedenskonferenz und dem Friedensvertrag« enthalte,118 reagierte die Sowjetregierung mit der Erklärung, es »verstehe« sich, »dass ein solcher Friedensvertrag unter unmittelbarer Beteiligung Deutschlands, vertreten durch eine gesamtdeutsche Regierung, ausgearbeitet werden« müsse; die vier Mächte müssten daher »auch die Frage der Bedingungen prüfen [...], die die schleunigste Bildung einer gesamtdeutschen, den Willen des deutschen Volkes ausdrückenden Regierung fördern.« Die vollmundigen Erklärungen über die Vorteile eines Friedensvertrages,

116 Vgl. die Zusammenstellung der Schlagzeilen der »Täglichen Rundschau« bei Jürgen Weber, Das sowjetische Wiedervereinigungsangebot vom 10. März 1952, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B50/1969, S. 3–30, hier S. 11. 117 Beschluss Nr. 47 in RGASPI f. 17, op. 3, d. 1093. 118 Erklärung der Bundesregierung vom 22.2.1952, Europa-Archiv 7 (1952), S. 4794.

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die Stalin in den Notenentwurf hineingebracht hatte, fielen wieder weg.119 Noch gravierender waren die Änderungen im Entwurf der »Grundlagen des Friedensvertrages« selbst. Nicht nur, dass Präambel und Grundsätze, wie schon in der Politbüro-Sitzung vom 30. Januar angeordnet,120 durch eine Zwischenüberschrift getrennt wurden. In die Präambel wurde jetzt ein Teil der Erklärungen aufgenommen, die Stalin zunächst in die Note an die Westmächte gesetzt hatte. Die Erklärung über die Fortdauer der Militarismus-Gefahr wurde zur Klage darüber ausgeweitet, dass »die entsprechenden Beschlüsse der Potsdamer Konferenz immer noch nicht durchgeführt sind«, und die Erläuterungen der Vorteile des Friedensvertrages für das deutsche Volk wurden in die Formel zusammengezogen, »ohne den schnellen Abschluss« des Friedensvertrages könne »eine gerechte Behandlung der rechtmäßigen Interessen des deutschen Volkes nicht gewährleistet werden.« Ausführlicher als bisher ging die Präambel jetzt auf die Interessen der Nachbarn Deutschlands am Friedensvertrag ein, und dann wurde auch hier das Prinzip verkündet, »dass die Vorbereitung eines Friedensvertrages unter Beteiligung Deutschlands, vertreten durch eine gesamtdeutsche Regierung, erfolgen muss.« Insgesamt changierte die ursprünglich als Entwurf einer gemeinsamen Absichtserklärung der vier Mächte gedachte Präambel jetzt zwischen einer Erklärung der Sowjetregierung und einer Willensbekundung der Alliierten. Bei den Grundsätzen selbst wurde zunächst das Verbot von »nazistischen und militaristischen Organisationen« ausgeweitet zu einem Verbot von »Organisationen, die der Demokratie und der Sache der Erhaltung des Friedens feindlich sind.« Bei der Festlegung des Territoriums wurde nur noch auf die »Beschlüsse der Potsdamer Konferenz« Bezug genommen; die Anerkennung der »vollen Souveränität des deutschen Volkes« entfiel. Weiter entfielen das Monopolverbot, das Verbot der Verbindung des Ruhrgebietes mit »irgendwelchen internationalen Vereinigungen«, die Verpflichtung zu Reparationsleistungen und das Ver119 Text der Note in Europa-Archiv 7 (1952), S. 4832. 120 Auf der Arbeitskopie des Entwurfs vom 25. Januar wurde handschriftlich notiert: »Die Grundlagen von der Präambel trennen«, ebd. l. 99.

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bot des Dienstes deutscher Staatsbürger »in ausländischen Armeen und Polizeieinheiten«. Statt der Begrenzung der deutschen Streitkräfte war positiv davon die Rede, dass Deutschland die Streitkräfte besitzen sollte, »die für die Verteidigung des Landes notwendig sind.« Stalin121 kam den Deutschen also noch einmal in erheblichem Umfang entgegen, offensichtlich von der Überlegung geleitet, damit vielleicht doch noch jene Bewegung auszulösen, die Druck auf die Westmächte ausüben sollte und bislang allen Anstrengungen zum Trotz nicht wirklich zustande gekommen war. Zugleich war er aber darauf bedacht, in dem Dokument festzuhalten, worauf es ihm wirklich ankam: die Verwirklichung des antifaschistischen Kerns der Potsdamer Beschlüsse. Er bemühte sich, die Bedingungen so zu formulieren, dass sie von den Westalliierten ohne größere Schwierigkeiten akzeptiert werden konnten. Und er achtete darauf, dass das Hindernis aus dem Weg geräumt wurde, das sich aus dem Einwand der Bundesregierung ergab – auch wenn dazu eine stärkere Beteiligung der Deutschen an der »Ausarbeitung« des Friedensvertrages in Kauf genommen werden musste, als die Sowjetregierung ursprünglich im Sinn gehabt hatte. All dies zeigt, dass auch Stalin nicht nur die Mobilisierung der Deutschen im Westen betrieb, sondern selbst anvisierte, wozu sie nach den Erklärungen des Außenministeriums dienen sollte: Verhandlungen über den Friedensvertrag und schließlich eine Verständigung über den Friedensschluss.122 Natürlich war mit der Streichung der Bestimmungen über wirtschaftliche Entflechtung, Aufhebung westlicher Ruhrkontrolle und Reparationen noch nicht gesagt, dass die Sowjetregierung ihre diesbezüglichen Verhandlungspositionen vollständig aufgegeben hatte. Angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit ist nicht davon auszugehen, dass die entsprechenden 121 Angesichts der bis zur Politbüro-Sitzung vom 8. März unveränderten Beschlusslage in den Akten des Außenministeriums können die letzten substantiellen Änderungen nicht von Molotow stammen, wie Bjørnstadt, Soviet Union, S. 72 f. hinsichtlich der Bestimmungen zum Ruhrgebiet und zur Reparationsfrage schreibt. 122 Man wird also nicht davon sprechen können, dass »Stalin was evidently unable to make up his mind on whether to pursue negotiations with the West or propaganda against the West«, so Bjørnstadt ebd. S. 71. In Stalins Sicht (und bis zu einem gewissen Grad auch in objektiver Hinsicht) waren das keine Gegensätze.

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Änderungen sogleich in den Entwurf des Friedensvertrages übernommen wurden. In den Akten des Außenministeriums finden sich keine Spuren einer fortlaufenden Aktualisierung des Entwurfs der »Gruppe Seljaninow«. Bis ein fertig ausformulierter Friedensvertragstext gebraucht wurde, war ja nach den Vorstellungen der Verantwortlichen noch etwas Zeit; und wenn man an einem durchsetzungfähigen Entwurf interessiert war, stellten detaillierte Ausformulierungen vor der grundsätzlichen Zustimmung der westlichen Alliierten zu Verhandlungen eigentlich auch eine Zeitverschwendung dar. Allerdings musste Stalin damit rechnen, dass Forderungen, die in der »Grundlagen«-Skizze nicht mehr auftauchten, in den Verhandlungen auch nur noch schwer durchzusetzen waren. Das galt umso mehr, wenn man bereit war, die Deutschen an der Ausarbeitung des Friedensvertrages zu beteiligen und ihnen nicht nur, wie noch im Entwurf vom 25. Januar vorgesehen, einen von den Alliierten erarbeiteten Entwurf vorzulegen.123 Insofern spiegelt die schrittweise Revision der in den »Grundlagen« zu nennenden Bedingungen doch schon einen Prozess der Anpassung der Ziele sowjetischer Deutschlandpolitik an die durch die Entzweiung der ehemaligen Anti-Hitler-Koalition veränderten machtpolitischen Gegebenheiten wider; die Veränderungen waren nicht nur terminologischer Natur.124 Stalins Programm lief nicht auf die Formel »Zurück zu Potsdam« hinaus, wie allein schon die Bereitschaft zur Ausstattung des vereinten Deutschlands mit sicherheitsadäquaten Streitkräften zeigt. Es ging vielmehr darum, unter den veränderten Umständen von »Potsdam« zu retten, was zu retten war. Zusammen mit der Verabschiedung des endgültigen Notentextes wurde beschlossen, die Noten am übernächsten Tag, also Montag, dem 10. März den Botschaftern der drei Westmächte zu 123 Der Notenentwurf vom 25. Januar sah die Erarbeitung eines »abgestimmten Entwurfs des Friedensvertrages« durch die vier Mächte »innerhalb von drei Monaten« vor; ebd. ll. 103 f. 124 Wie Wettig, Bereitschaft, S. 211. in einer allzu schematischen Gegenüberstellung von angeblichen »Extremvorstellungen« und propagandistischer Verkleidung meint. Auch bei Bjørnstads Betrachtungen »What if there had been a peace treaty?« (Soviet Union, S. 77–91) kommen die materiellen Veränderungen im Zuge der Arbeit am »Grundlagen«-Text etwas zu kurz.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

übergeben und zu veröffentlichen. Für die Vorab-Information der Regierungen Polens, der Tschechoslowakei und DDR blieb nur noch der Sonntag. Tatsächlich wurden die Tatsache und der Inhalt der Noten der DDR-Führung erst in einer »Besprechung am 9.3.1952, Sonntag, ab 10.30 abends« übermittelt; Pieck schrieb alle Einzelheiten mit.125 Stalin legte keinen Wert darauf, der beschlossenen Informationspflicht gegenüber der DDR-Führung und den Führungen der Regime in Warschau und Prag mehr als formal Genüge zu tun. Was ihn jetzt vorrangig interessierte, war die Reaktion im Westen. Die Dritte europäische Abteilung stellte danach Tag für Tag Übersichten zusammen, wie die westliche Presse auf die Noten vom 10. März reagierte.126 Als Adenauers Erklärung vom 16. März127 die Tendenz der westlichen Antwort vermuten ließ, lieferte Gribanow gleich Vorschläge, wie die Sowjetführung darauf reagieren sollte: das Bekenntnis zu freien Wahlen wiederholen, aber zugleich darauf hinweisen, dass eine Prüfung der Wahlvoraussetzungen durch die Vereinten Nationen dem Kontrollratsabkommen widersprechen würde; hinsichtlich der Angemessenheit nationaler Streitkräfte der Deutschen auf das Beispiel anderer Nationen verweisen; in der Frage der Oder-Neiße-Grenze frühere sowjetische Erklärungen hinsichtlich der Endgültigkeit der Potsdamer Regelungen wiederholen.128 Ende März wurden Pieck, Grotewohl und Ulbricht nach Moskau zitiert, um über ihren Eindruck von der Wirkung der Veröffentlichung der »Grundlagen« zu berichten. Möglicherweise sollten sie auch zur Ordnung gerufen werden: Gribanow hatte in einer Stellungnahme vom 27. März bemängelt, die »Thesen des ZK der SED« zur zweiten Parteikonferenz, die für den kommenden Juli geplant war, seien »so auf-

125 Badstübner / Loth, Pieck, S. 381. 126 AWP RF f. 082, op. 40, p. 255, d. 10, ll. 9–44. 127 Text in Siegener Zeitung vom 17.3.1952. 128 Gribanow an Wyschinskij 20.3.1952, AWP RF f. 082, op. 40, p. 255, d. 10, ll. 45–47, ein Vorentwurf vom 18.3.1952 ebd. ll. 48 f. – Die Argumentation ist dann der sowjetischen Note vom 9.4.1952 zugrunde gelegt worden; vgl. den Text in Europa-Archiv 7 (1952), S. 4866 f.

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gebaut, als ob die SED-Regierung davon ausgeht, dass die existierende Teilung Deutschlands ewig andauern wird.«129 Bei einer ersten Besprechung der SED-Führer im Moskauer Politbüro am Abend des 1. April – anwesend waren laut Piecks Notizen Stalin, Molotow, Malenkow, Mikojan, Bulganin130 – berichtete Pieck zunächst pflichtgemäß, »der Vorschlag der Sowjetregierung« habe »eine große Bewegung der Massen ausgelöst – durch die die Westmächte und ihre Adenauerregierung in harte Bedrängnis geraten«; ihre Antwort spiegele das wider.131 Dann erkundigte er sich, wie Stalin die Lage einschätzte: »Wie stehen die Perspektiven hinsichtlich des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland; wird es zu einer Konferenz der vier Mächte kommen, welche Ergebnisse sind von dieser Konferenz zu erwarten?«

Weiter wollte er wissen, wie der Kremlchef die Absicht der SED-Führung beurteilte, »eine Massenbewegung zum Kampf für [...] die Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen ohne Einmischung der UNO [zu] entfalten und den Sturz der AdenauerRegierung zu erreichen [zu] versuchen.« Und schließlich bat er ganz allgemein um Anweisungen, »wie [...] die Partei den Kampf in Westdeutschland weiterführen« solle.132

129 Gribanow an Wyschinskij 27.3.1952, AwP RF f. 082, op. 27, p. 43, d. 172, l. 67. Semjonow hatte den SED-Entwurf am 22.3.1952 zur Überprüfung nach Moskau geschickt; vgl. Bjørnstadt, Soviet Union, S. 74 f. 130 Aber bezeichnenderweise nicht Wyschinskij; siehe Badstübner / Loth, Pieck, S. 382. 131 »Plan der Besprechung am 1.4.1952«, ebd. S. 383–385. 132 Sowjetisches Protokoll im Präsidenten-Archiv, AP RF f. 45, op. 1, d. 303, ll. 147–149, mitgeteilt bei Wolkow, deutsche Frage, S. 20–49, hier S. 43. Pieck notierte zu diesem Punkt: »Welche Perspektive in diesem Kampf, ob 4-Mächtekonferenz, welche möglichen Resultate? / Für Deutschland Frage der Wahlen, ohne UNKommission, als Massenkampf zum Sturz der Adenauer-Regierung / Wie wird der Kampf von SED weitergeführt?«; Badstübner / Loth, Pieck, S. 383. Die von Wolkow ermittelten sowjetischen Protokolle von fünf Begegnungen der SED-Führer mit Stalin vom Januar 1947 bis zum April 1948 (gesammelt in dem Bestand AP RF f. 45, op. 1, d. 303, ll. 1–187) bestätigen die Authentizität der Notizen, die Pieck zu diesen Gesprächen angefertigt hat, und auch die Deutung, die ich ihnen gegeben hatte. Wettigs Paraphrase, die Frage der Wahlen »sollte ›als Massenkampf zum Sturz der Adenauer-Regierung‹ gestaltet werden« (Deutschland-Note, S. 803) ist nicht korrekt.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

Es dürfte fraglich sein, ob Stalin den vorsichtigen Optimismus hinsichtlich des Abschlusses eines Friedensvertrages, den Pieck mit Blick auf die vermutete Zielsetzung des Kremlherrn zur Schau trug, zu diesem Zeitpunkt noch geteilt hat. Schließlich hatten die Westmächte in ihrer gemeinsamen Antwortnote vom 25. März nicht nur auf einer Untersuchung der Voraussetzungen für freie Wahlen durch eine UNO-Kommission beharrt, sondern auch kategorisch gefordert, dem künftigen deutschen Staat völlige Freiheit beim Eingehen von Bündnissen einzuräumen.133 Die SED-Führer blieben jedenfalls zunächst ohne Antwort. Sie durften sich in den nächsten Tagen Paradebeispiele sowjetischer Filmkunst ansehen und sich von sowjetischen Funktionären über die »Arbeitsmethoden« der Spitzen von Partei und Regierung der Sowjetunion unterrichten lassen.134 Erst am späten Abend des 7. April, nachdem sie sich ab 20 Uhr schon den Film »Junge Garde« angesehen hatten, wurden sie wieder zu einer PolitbüroSitzung gerufen, diesmal mit Stalin, Molotow, Malenkow und Bulganin, und erst jetzt wurde ihnen geantwortet. Stalin eröffnete die Sitzung mit der Erklärung, »dass, welche Vorschläge zur deutschen Frage wir auch machen würden, die westlichen Staaten mit ihnen nicht einverstanden wären und Westdeutschland auf keinen Fall aufgeben würden. Zu denken, dass es einen Kompromiss geben oder die Amerikaner den vorgeschlagenen Friedensvertrag akzeptieren könnten, wäre ein großer Irrtum. Die Amerikaner brauchen eine Armee in Westdeutschland, um Westeuropa zu halten. [...] Tatsächlich entwickelt sich in Westdeutschland ein selbständiger Staat.« Das war ihm offensichtlich in den letzten Tagen nach einigen Zweifeln zur Gewissheit geworden, und nun galt es, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Folglich wies er die SED-Führer an: »Sie müssen auch ihren eigenen Staat organisieren. Die Demarkationslinie zwischen West- und Ostdeutschland muss als Grenze angesehen werden – und zwar nicht nur als eine normale, sondern als eine sehr gefährliche Grenze. Der Schutz dieser Grenze muss verstärkt werden.«135

133 Text in Europa-Archiv 7 (1952), S. 4833 f. 134 Badstübner / Loth, Pieck, S. 382 f. u. 397 f. 135 AP RF f. 45, op. 1, d. 303, l. 179, veröffentlicht bei Loth, Stalins ungeliebtes Kind, Taschenbuchausgabe, S. 238 f.

6. Die Entstehung der »Stalin-Note«

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So ganz mochte Stalin die Hoffnung auf einen einvernehmlichen Friedensvertrag der Siegermächte aber auch jetzt, da ihm das Scheitern der Noteninitiative bewusst wurde, noch nicht aufgeben. Als Ulbricht nachfragte – bezeichnend für seine Tendenz, die Revolution im Osten Deutschlands voranzutreiben, wo immer dies möglich war136 –, ob man »angesichts der tiefen Spaltung Deutschlands« denn auch weiterhin »eine Reihe von Maßnahmen nicht durchführen« soll, »die bei der Entwicklung in Richtung Sozialismus durchgeführt werden müssen«, antwortete Stalin: »Obgleich in Deutschland zwei Staaten geschaffen werden, ist es vorerst nicht angebracht, lauthals vom Sozialismus zu reden.« Grotewohl, der wissen wollte, ob es denn noch »notwendig« sei, »an unserer Argumentation zu Fragen der Einheit Deutschlands festzuhalten«, hielt er entgegen: »Man muss die Propagierung der Einheit Deutschlands die ganze Zeit fortsetzen. Das hat für die Erziehung des Volkes in Westdeutschland große Bedeutung. [...] Wir werden auch weiterhin Vorschläge zu Fragen der Einheit Deutschlands machen, um die Amerikaner zu entlarven.«137

Als Stalin im Oktober 1952 Semjonow zu einem langen Gespräch empfing, erkundigte er sich nach dem »Echo in der Bevölkerung auf die Note der Sowjetunion vom 10. März 1952 über die Wiedervereinigung.«138

Schlussfolgerungen Im Rückblick erweist sich die Noteninitiative vom 10. März 1952 also als ein von langer Hand geplantes Manöver, das, wie es in den Politbüro-Beschlüssen vom 6. und 8. Februar 1952 heißt, auf die »Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages« mit Deutschland zielte.139 Es entwickelte sich aus einer Initiative heraus, die zunächst dazu gedacht war, einen Verhandlungserfolg bei der nächsten Tagung des Alliierten Außenministerrats herbeizuführen. Als sich die Hoffnungen zerschlugen, die 136 137 138 139

Nachgewiesen bei Loth, Stalins ungeliebtes Kind. AP RF f. 45, op. 1, d. 303, ll. 183 f. u. 187; Wolkow, deutsche Frage, S. 46 f. Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 279. Vgl. oben Anm. 100 u. 103.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

Regierungen der drei Westmächte für eine solche Ratstagung gewinnen zu können, entstand daraus der Plan, die deutsche und auch die französische Öffentlichkeit durch eine abgestufte Folge von Propagandakampagnen und Veröffentlichung eines Friedensvertrags-Entwurfs soweit zu mobilisieren, dass die westlichen Regierungen nicht umhin konnten, Verhandlungen über den Friedensvertrag doch noch zuzustimmen. Diese Zielsetzung wurde von allen Beteiligten geteilt. Michail Gribanow als für die Exekutierung der Deutschlandpolitik verantwortlicher Beamter (in einem Außenministerium, das bezeichnenderweise noch keine Trennung von ost- und westdeutschen Angelegenheiten kannte) betätigte sich als Manager des Unternehmens, der sich subjektiv als loyaler Zuarbeiter Stalins verstand und grundsätzlich auch von Stalins Zustimmung gedeckt wurde. Konkurrierende Alternativkonzepte sind an keiner Stelle zu entdecken und erst recht keine organisierten Fraktionsbildungen; sie sind bei Stalins exorbitantem Kontrolleifer auch nicht denkbar. Molotow erweist sich als tatsächlicher Leiter der Außenpolitik im Rahmen Stalinscher Grundsätze, der für die Idee des Leiters der Deutschland-Abteilung die politische Verantwortung übernahm, für ihre Durchsetzung sorgte und bei ihrer Operationalisierung durchaus politisches Gespür entwickelte. Indem er insbesondere auf die Befindlichkeit der französischen Öffentlichkeit wie der westalliierten Regierungen einging, arbeitete er zielorientiert auf das Zustandekommen von Verhandlungen hin. Dass er, um beim Sturz Berijas nicht mitzufallen, das gesamtdeutsche Programm Stalins später zur alleinigen Angelegenheit des angeblichen »bürgerlichen Renegaten« Berija erklärte,140 sollte nicht verdecken, dass er zu Lebzeiten Stalins und auch noch in den Anfängen der Nach-Stalin-Ära141 an entscheidender Stelle an seiner Verwirklichung mitwirkte. Berija taucht in den Akten des Außenministeriums nicht auf. Das ist insofern nicht weiter verwunderlich, als er formal auch 140 Vgl. seinen Auftritt vor dem ZK-Plenum vom 3. bis 7. Juli 1953: Der Fall Berija. Protokoll einer Abrechnung. Das Plenum des ZK der KPdSU Juli 1953. Stenographischer Bericht, Berlin 1993, S. 72–97, sowie die Angaben in einem späteren Erinnerungsinterview: Sto sorok besed s Molotowym. Iz dnewnika F. Tschujewa, Moskau 1991, S. 335. 141 Nachgewiesen bei Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik.

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nicht für die Behandlung außenpolitischer Fragen zuständig war. Es mag aber mehr als ein Zufall sein, dass er bei den beiden Politbüro-Sitzungen Anfang April 1952, als sich für Stalin das Scheitern der Noteninitiative abzeichnete, nachweislich nicht zugegen war. Jedenfalls hat seine Unterstützung, die nach dem Zeugnis von Semjonow bei der Lancierung des Projekts im August 1951 hilfreich gewesen war, bei der Reaktion auf die westliche Antwortnote vom 25. März 1952 gefehlt. Das mag dazu beigetragen haben, dass Stalin dem Vorhaben jetzt kurzfristig keine Chancen mehr gab. Stalin selbst hat sich wie üblich erst nach einigem Zögern für das Projekt gewinnen lassen, dann aber die Ausführung höchstpersönlich in die Hand genommen, als der Moment zu öffentlichem Auftreten der Sowjetregierung gekommen war. Sein Eingreifen unterstreicht einmal mehr, wie essentiell die Verwirklichung des Programms eines »antifaschistischen« Deutschlands in gemeinsamer Verantwortung der Siegermächte für ihn war. Objektiv gesehen hat Stalins Eingreifen dem Projekt in zweifacher Hinsicht geschadet. Zunächst führte sein Prestigedenken zu einer Verzögerung des Auftritts mit den Grundlagen eines Friedensvertrages, die ihn möglicherweise den Erfolg kostete: Adenauers Position war im Spätsommer 1951 noch wesentlich weniger gefestigt als im Frühjahr 1952.142 Sodann minderten die kurzfristig verfügten Korrekturen in den Noten an die Westmächte wie in dem Dokument über die »Grundlagen des Friedensvertrages« die Kohärenz und damit auch die Glaubwürdigkeit beider Texte. Das Ziel einer Vorlage, die sich die westalliierten Regierungen in den Augen der westlichen Öffentlichkeit zu eigen machen konnten und infolge dessen auch mussten, wurde so trotz aller Anstrengungen von Gribanow und Molotow verfehlt. Im Übrigen litt die Initiative natürlich unter der generellen Schwerfälligkeit eines politischen Systems, in dem alle wichtigen Entscheidungen vom Diktator selbst getroffen werden mussten. Obwohl die zuständigen Beamten auf das Scheitern der 142 Vgl. dazu Wilfried Loth, Der Koreakrieg und die Staatswerdung der Bundesrepublik, in: Josef Foschepoth (Hg.), Kalter Krieg und Deutsche Frage. Deutschland im Widerstreit der Mächte 1945–1952, Göttingen 1985, S. 335–361.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

Pariser Vorkonferenz und die Fortschritte bei den westlichen Verhandlungen über einen bundesdeutschen Verteidigungsbeitrag sogleich reagierten, dauerte es über zwei Monate, bis Stalin die Kurskorrektur genehmigte und die daraus resultierenden Maßnahmen getroffen werden konnten. Bei der Implementierung des Auftritts mit den »Grundlagen des Friedensvertrages« verging ebenfalls noch einmal kostbare Zeit; den Beamten und auch Molotow waren die Hände gebunden, solange der einsame Kremlherr zögerte, den Absprung zu wagen. Vor allem aber litt auch diese Initiative unter der generellen Glaubwürdigkeitslücke Stalinscher Politik: Weil sich der Diktator die Realitäten im eigenen Machtbereich immer wieder zynisch zurechtbog und seine Botschafter in der ideologischen Grundhaltung auf Unterwerfung aus waren, nicht auf die Gewinnung unabhängiger Bündnispartner, liefen seine Beteuerungen, für den Augenblick nicht mehr zu wollen als ein demokratisches Deutschland, das weder einem Westblock noch einem Ostblock angehörte, ins Leere. Die Schwächen der sowjetischen Noteninitiative ändern aber nichts an ihrer Ernsthaftigkeit. In allen internen Dokumenten wird das Ziel eines vereinten Deutschlands klar benannt, an keiner Stelle taucht dabei der Gedanke auf, man könne es auch ohne die Zustimmung der westlichen Siegermächte erreichen.143 Die Spitzenbeamten des Moskauer Außenministeriums arbeiteten mit Wissen und Billigung Stalins den Entwurf eines Friedensvertrages aus, den sie auf der angestrebten Außenministerratstagung vorlegen wollten. Dieser Entwurf nahm sehr detaillierte Formen an; die DDR-Führung wusste, wie aus ihrer Initiative in der dritten Januarwoche 1952 hervorgeht, von seiner Existenz oder ging zumindest davon aus, dass ein solcher Entwurf vorgelegt werden würde. Gribanow, Molotow und Stalin verwandten große Mühe darauf, den Vorschlag zu baldigen Verhandlungen über den Friedensvertrag so zu präsentieren, dass die westalliierten Regierungen ihn nicht ablehnen konnten. Stalin trug dabei den Realitäten der weltpolitischen Entwicklung soweit 143 Insofern steht Wettigs These, Stalin sei es nicht um »Verständigung mit der westlichen Seite« gegangen, sondern »um einen Krieg mit anderen als militärischen Mitteln« (Deutschland-Note, S. 803), gegen jede dokumentarische Evidenz.

6. Die Entstehung der »Stalin-Note«

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Rechnung, dass sich die Verhandlungsposition der Deutschen eindeutig verbesserte. Ob es angemessen war, den Vorschlag einer Neutralisierung Deutschlands abzulehnen, wird man weiter kontrovers diskutieren können.144 Dass Stalin wirklich wollte, was er sagte: ein vereintes Deutschland außerhalb des westlichen Blocks, das die historische Entwicklungsstufe der sozialistischen Revolution noch nicht erreicht haben würde, daran kann nach der Rekonstruktion der Entstehung der sowjetischen Noteninitiative vom 10. März 1952 jedoch kein Zweifel mehr sein.

144 Zur Notwendigkeit, zwischen historischer Rekonstruktion und politischer Bewertung zu unterscheiden, vgl. schon Wilfried Loth, Die Historiker und die Deutsche Frage. Ein Rückblick nach dem Ende des Kalten Krieges, in: Historisches Jahrbuch 112 (1992), S. 366–382.

7. Das Ende der Legende

Hermann Graml hat geglaubt, die Untersuchung zur Entstehung der »Stalin-Note«, die ich zusammen mit einer Auswahl der hierzu eingesehenen Dokumente in der Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte publiziert habe,1 mit einem kritischen Kommentar versehen zu müssen. Für Graml bin ich ein Autor, »der seit langem darauf besteht, Stalin müsse als eine Art Gorbatschow in rauerer Schale gesehen werden«, der bei seiner Quelleninterpretation den zeitgenössischen Kontext sträflich vernachlässigt und die Quellen in ein vorgefertigtes, von der Erfahrung des Zusammenbruchs des Sowjetimperiums geprägtes Schema presst, das mit der Realität des Kalten Krieges nichts zu tun hat. Das Ergebnis solchen Verfahrens ist laut Graml, »dass Wilfried Loth die Aussagen der Dokumente in toto falsch deutet«. Statt unabweisbarer Belege für die sowjetische Absicht, mittels eines Friedensvertrages eine gesamtdeutsche Regelung zustande zu bringen, biete meine Dokumentation »eindeutige Beweise« für »das genaue Gegenteil«, nämlich für die von Graml schon früher vertretene Auffassung, »dass die Note vom 10. März 1952 lediglich als ein begrenztes Unternehmen im Propagandakrieg zwischen Ost und West gedacht war«. Hermann Graml sieht sich »von der Lothschen Dokumentation bestätigt«.2 Das sind gravierende Vorwürfe an die Adresse des Autors, verbunden mit einer kategorischen Aussage in der Sache. Erstere 1 Siehe in diesem Band, »Die Entstehung der ›Stalin-Note‹«, S. 101–157. 2 Hermann Graml, Eine wichtige Quelle – aber missverstanden. Anmerkungen zu Wilfried Loth: Die Entstehung der »Stalin-Note«. Dokumente aus Moskauer Archiven, in: Jürgen Zarusky (Hg.), Die Stalin-Note vom 10. März 1952. Neue Quellen und Analysen, München 2002, S. 117–137, die Zitate S. 118, 124, 137, 126. – Gramls ursprüngliche These findet sich erstmals in Graml, Legende. Vgl. auch ders., Die sowjetische Notenkampagne von 1972, in: Die Legende von der verpassten Gelegenheit. Die Stalin-Note vom 10. März 1952, Stuttgart / Zürich 1982, S. 16–37 u. 98–105; ders., Die Märznote von 1952. Legende und Wirklichkeit, St. Augustin / Melle 1988.

7. Das Ende der Legende

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mag man auf sich beruhen lassen, doch fordert Letztere zu einer Stellungnahme heraus. Schließlich will man ja wissen, welche Absichten Stalin mit der Initiative vom 10. März 1952 wirklich verfolgt hat; da ist es geboten, die Argumente, die in dem Streit um die Interpretation der »Stalin-Note« vorgetragen werden, sorgfältig zu prüfen. Schauen wir uns also an, was Hermann Graml zur Begründung seiner Kritik vorzubringen hat. Ein erstes Argument soll wohl lauten, die neu erschlossenen Dokumente verrieten gar nicht so viel über die Intentionen der sowjetischen Führung, wie ich annehme. Graml spricht von »viertrangigen Funktionären«, die in einer »Formulierungskommission« an Papieren zur öffentlichen oder diplomatischen Verwendung werkelten, und behauptet, der Hauptautor der Schriftstücke, Michail G. Gribanow, werde »nicht in einem einzigen der Schriftstücke« als die eigentlich treibende Kraft hinter der Friedensvertrags-Initiative »sichtbar«. Zudem sagten die vorgelegten Dokumente »über Handlungen Stalins, etwa über Eingriffe in die Redaktionsarbeit [...] nichts aus, erst recht nichts über Absichten und Motive des sowjetischen Diktators«.3 Wie Graml zu solchen Aussagen kommt, bleibt sein Geheimnis. Tatsächlich regte Gribanow am 7. Februar 1951 an, auf der angestrebten Tagung des Alliierten Außenministerrats einen Vorschlag für einen Friedensvertrag mit Deutschland vorzulegen. Am 9. Juli unterbreitete er einen umfangreichen Katalog von Vorschlägen, wie auf den Abbruch der Pariser Vorkonferenz reagiert werden könnte. Am 3. August präzisierte er seinen Vorschlag zur Erarbeitung und Veröffentlichung von »Grundlagen des Friedensvertrages«, am 8. September, 10. Dezember und 16. Januar machte er weitere Verfahrensvorschläge, am 21. Februar nahm er zu einem Verfahrensvorschlag der SED-Führung Stellung. All das ist mehr als Redaktionsarbeit, und es ist genau das, was Gribanow als Leiter der deutschlandpolitischen Abteilung des Moskauer Außenministeriums zu tun hatte: für die Operationalisierung der deutschlandpolitischen Generallinie Stalins zu sorgen und Vorschläge für die Reaktion auf die Entwicklung der politischen Gesamtlage vorzutragen. Er war deswegen keine Graue Eminenz in der Art Friedrich von Holsteins, wie Graml 3 Graml, Eine wichtige Quelle, S. 120 f.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

meine Beschreibung karikierend verzerrt,4 aber er stand im Mittelpunkt der Stalinschen Deutschlandpolitik. Es gab niemand anderen, der in gleicher Weise für sie zuständig gewesen wäre, und es gab auch keine andere deutschlandpolitische Linie als diejenige, die in den hier dokumentierten Entscheidungsprozessen deutlich wird. Gribanow war Semjonows Vorgesetzter, nicht etwa umgekehrt; und wie die Dokumente zeigen, lieferte er auch Entwürfe für Anweisungen an Tschujkow. Gribanow koordinierte das Tagesgeschäft, Molotow entschied, was Stalin vorgelegt wurde, und Stalin traf Entscheidungen, oft bis ins kleinste Detail. Die Frage nach der Sichtbarkeit Stalins in den Dokumenten ist damit zum Teil auch schon beantwortet: Gribanow musste darauf bedacht sein, Argumentationen vorzutragen, die Stalin zusagten und seinen Intentionen entsprachen; folglich kann man aus den unter seiner Verantwortung formulierten Texten ablesen, wie man den Kremlchef in seiner engsten Umgebung sah. Das muss nicht in allen Fällen hundertprozentig richtig gewesen sein, es kann aber auch nicht grundsätzlich falsch gewesen sein. Wenn dann von Molotow zur Vorlage bei Stalin freigegebene Dokumente am Tag nach der Behandlung im Politbüro oder sogar noch am gleichen Tage verändert werden, dann können die Änderungen nur von Stalin selbst kommen. Niemand anders wäre in der Lage gewesen, von Molotow abgesegnete Formulierungen und Verfahrensvorschläge noch einmal zu ändern. An den Änderungen ist also die Handschrift Stalins ziemlich deutlich zu erkennen. Natürlich würden wir darüber hinaus gerne auch noch den Wortlaut seiner Äußerungen in den Politbüro-Sitzungen kennen, aber die sind erstens nicht protokolliert worden, und zweitens wären sie im Hinblick auf die tatsächlichen Intentionen und Überlegungen Stalins auch nicht viel beweiskräftiger als die Handlungen (in diesem Falle: Korrekturen), die aus den geänderten Texten ablesbar sind. Es dürfte schwer fallen, noch näher an die Gedankenwelt Stalins heranzukommen, als es mit der hier vorgelegten Kombination von Dokumenten des Außenministeriums, des Parteiarchivs und des Präsidentenarchivs möglich ist.5 4 Ebd., S. 125. 5 Hermann Graml scheint die Breite des erschlossenen Materials nicht recht wahrzunehmen, wenn er beharrlich von »einer Quelle« spricht, die ich missverstan-

7. Das Ende der Legende

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Das heißt aber auch – man muss es leider sagen –, dass Interpretationen der Stalinschen Politik mit den hier erkennbaren Linien und Verhaltensweisen in Einklang gebracht werden müssen, wenn sie Bestand haben sollen. Tradierte Auffassungen, die mehr oder weniger gut begründet sind, einfach dagegen zu setzen, kann nicht überzeugen. Es geht auch nicht an, irgendein anderes Entscheidungszentrum zu imaginieren oder auch nur stillschweigend zu Grunde zu legen. Entschieden wurden die deutschlandpolitischen Fragen im Austausch zwischen der Spitze der zuständigen Fachabteilung, von Molotow als politisch verantwortlichem Politbüro-Mitglied und von Stalin selbst. Es gibt keine Anzeichen für andere Kommunikationswege, eine alternative Linie, von der das Außenministerium und Molotow nichts wussten, oder für eine Politik, die an Stalin vorbei geführt worden wäre. Bevor man die Forderung nach Erschließung weiterer Quellen erhebt,6 sollte man zunächst einmal zur Kenntnis nehmen, was sich aus dem Austausch zwischen Gribanow, Molotow und Stalin ergibt. Im übrigen muss darauf hingewiesen werden, dass sich Hermann Graml durch die Behauptung, die Dokumente sagten über Stalins Motive nichts aus, nicht davon abhalten lässt, im weiteren Verlauf seiner Ausführungen selbst die Inhalte der Entwürfe wie die Aussagen der begleitenden Erläuterungen heranzuziehen, um zu belegen, wozu die Präsentation von Grundlagen eines Friedensvertrags seiner Meinung nach »gedacht«7 war:

den hätte. Tatsächlich sind die 15 edierten Dokumente (in diesem Band S. 237–300) durchaus unterschiedlicher Natur und stellen sie nur einen kleinen Ausschnitt aus den ausgewerteten und in den Fußnoten nachgewiesenen Beständen des Außenministeriums dar. Für die Rekonstruktion der Entscheidungsprozesse sind zudem die Hinweise auf Tagesordnungen und Beschlüsse der Politbüro-Sitzungen im Parteiarchiv wichtig. Die Protokolle der Unterredungen Stalins mit den SED-Führern im Präsidentenarchiv ermöglichen Präzisierungen im Hinblick auf die nachträgliche Wahrnehmung der Initiative durch die SED-Führer wie durch Stalin. 6 So etwa Hans-Erich Volkmann in seiner Besprechung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 5.4.2002, der freilich die Antwort auf die Frage schuldig bleibt, wieso sich Aufschlüsse zu den sowjetischen Zielsetzungen ausgerechnet in französischen Archiven finden lassen sollen. 7 Graml, Eine wichtige Quelle, S. 129.

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»Den Dokumenten ist zu entnehmen, dass dies für alle Akteure auf östlicher Seite gilt, von Pieck, Grotewohl und Ulbricht über General Tschujkow und Semjonow bis zu Molotow und Stalin«.8

Mit anderen Worten: Sein erstes Argument findet Graml selbst nicht überzeugend. Mit einem zweiten Argument sieht es nicht viel besser aus. Hermann Graml glaubt den Dokumenten entnehmen zu können, dass die Initiative zu der Noten-Aktion von der SED-Führung ausging, und zwar »zweifelsfrei«, wie er betont.9 Dies ist für ihn ein zentraler Beleg dafür, dass sie nur »Propagandazwecken dienen« sollte: Erstens sei die SED-Führung für mehr nicht zuständig gewesen, und zweitens habe sie ja wohl nicht ihren eigenen »politischen Selbstmord«10 initiieren können. Abgesehen davon, dass diese Schlussfolgerung nicht zwingend ist (es könnte ja auch vorauseilender Gehorsam im Spiel gewesen sein oder eine andere politische Zielsetzung als der bloße Machterhalt in der Ostzone), beruht sie auf einer allzu flüchtigen Lektüre der Dokumente: In der Demarche der SED-Führung vom 21. Februar 1951, die Graml dabei im Blick hat, ist von der Veröffentlichung eines Friedensvertrags-Entwurfs mit keinem Wort die Rede, es ging lediglich um eine Unterstützung des sowjetischen Bemühens, das Thema »Abschluss des Friedensvertrages« auf die Tagesordnung der Außenministerratstagung zu bringen. Dass die Sowjetregierung auf der Außenministerratstagung den Entwurf eines Friedensvertrags vorlegen sollte, hatte Gribanow schon am 7. Februar angeregt, und eine erste Fassung des Entwurfs hatte seine Abteilung sogar zu einem noch früheren Zeitpunkt erarbeitet. Die Idee, mit dem Entwurf in die Öffentlichkeit zu gehen, findet sich erstmals in dem Memorandum, das Gribanow am 9. Juli ausgefertigt hat. Die SED-Führung wurde nachweislich erst in der Besprechung am Abend des 30. Juli mit ihr konfrontiert, also drei Wochen später. Diese Besprechung fand in den Diensträumen der Sowjetischen Kontrollkommission in Karlshorst statt; nichts spricht dagegen, dass sie wie alle anderen Besprechungen 8 Ebd., S. 137. 9 Ebd., S. 124. 10 Ebd., S. 125.

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dieser Art auf Initiative der Kontrollkommission zustande gekommen ist.11 Die Übereinstimmungen in den Aussagen des Memorandums vom 9. Juli und den Äußerungen im Laufe der Besprechung vom 30. Juli können also nur so gedeutet werden, dass das Außenministerium die SED-Führung über Semjonow mit seinen Überlegungen vertraut machte. Über die Form der Übermittlung – ob im Zuge der Besprechung oder, was auch denkbar wäre, durch vorheriges »Briefing« eines der teilnehmenden SED-Führer – sagen die Quellen nichts aus. Offenkundig ist hingegen, dass die Idee aus Moskau kam, nicht aus Ost-Berlin. Sowohl die Idee, den Entwurf eines Friedensvertrags dem Außenministerrat vorzulegen, als auch der Vorschlag, ihn in Ermangelung einer Außenministerratstagung in der Presse zu veröffentlichen, sind also, auch wenn Graml das nicht wahrhaben will, eindeutig in Moskau entstanden, und zwar in der dafür zuständigen Abteilung des Außenministeriums. Gramls Beweisführung verkehrt sich damit in ihr Gegenteil: Auf etwaige Sonderinteressen der SED-Führung wurde bei der Lancierung der sowjetischen keine Rücksicht genommen; das konnte angesichts des Verhältnisses der sowjetischen Siegermacht zu den Führern der deutschen Kommunisten auch gar nicht anders sein. Wie die Sowjetführung mit ihnen umging, wenn sie Vorschläge äußerten, die nicht zu Gribanows Vorstellungen passten, kann man am Schicksal des Maßnahmeplans ablesen, den Tschujkow und Semjonow in der dritten Januarwoche 1952 nach Moskau übermittelten: Die SED-Führung wurde straff an die Leine genommen; wie die Sowjetregierung auf den Appell der DDR-Regierung an die vier Mächte reagieren würde, erfuhr sie erst wenige Stunden vor der Veröffentlichung der Note.12 Auch wenn sich der Zweck der Noten-Aktion darin gewiss nicht erschöpfte,13 eine Zurechtweisung der SED-Führung war dies sehr wohl.

11 Vgl. die Aufzeichnungen, die Wilhelm Pieck bei dieser Gelegenheit gemacht hat; veröffentlicht in Badstübner / Loth, Pieck, S. 371–373. 12 Vgl. in diesem Band, »Entstehung«, S. 140 ff. u. 149 f. 13 So die These von Aleksej Filitov, Sovetskij Sojuz i germanskij vopros v period pozdnego stalinizma (k voprosu o genezise »stalinskoj noty« 10 marta 1952 goda), in: A. O. Cubar'jan (otv.red.), Stalin i cholodnaja voijna, Moskva 1998, S. 315–349.

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Anders als Graml behauptet, geht aus den Dokumenten durchaus hervor, was bei der Besprechung mit den AußenministerStellvertretern am 16. August 1951 geschah – die nächste »Vorlage für die Instanz« legte Gribanow Wyschinskij mit der Bemerkung vor, dass sie »entsprechend Ihrer Bemerkungen korrigiert worden ist«, und dabei war der Vorschlag, den Entwurf eines Friedensvertrags zu veröffentlichen, weggefallen. Was ich unter einer differenzierten Strategie verstehe, wird durchaus gesagt – ein Katalog aufeinander abgestimmter Maßnahmen zur Erzeugung von politischem Druck auf die westlichen Regierungen. Für Stalins Zögern gibt es durchaus Belege – zunächst den Einwand in dem Memorandum, das nach der Beratung im Politbüro am 27. August angefertigt wurde, und dann den nachträglichen Bericht Semjonows, der nicht dadurch an Quellenwert verliert, dass er zu den primären Quellen passt. Und auch worin die Lücke bestand, die Stalin mit seiner Intervention aufriss, wird durchaus gesagt – die Veröffentlichung der Grundlagen des Friedensvertrags, die ursprünglich der Mobilisierung der Öffentlichkeit dienen sollte, wurde jetzt davon abhängig gemacht, dass bei dieser Mobilisierung schon wesentliche Erfolge erzielt worden waren.14 Hermann Graml sieht in alledem nicht nur »nicht den geringsten Anhalt«15 für eine Aktion, die von Gribanow ausging. Er bestreitet auch – und daraus ergibt sich ein drittes Argument –, dass sich die Autoren der diversen Entwürfe Mühe gegeben hät14 In diesem Band, »Entstehung«, S. 113–118. – Von ähnlicher Qualität sind auch Gramls sonstige Belege für mein angebliches »fortwährendes« (Graml, Eine wichtige Quelle, S. 120) Überstrapazieren der Quellen: Auch Melnikows Bericht wird durch die Übereinstimmungen mit den primären Quellen nicht entwertet, sondern gewinnt an Gewicht. Semjonow und Puschkin arbeiteten an den Schlüsseldokumenten Ende August / Anfang September 1951 mit; also sollten sie wohl ihre spezifischen Kenntnisse der Situation in Deutschland in die Formulierung der Dokumente einbringen. Für die Erwartung, dass über den Friedensvertrag verhandelt werden würde, sprechen nicht die Aufnahme »eine[r] Reihe von Einzelheiten« und die Berücksichtigung der »wohl gängigste[n] Sprachregelung sowjetischer Deutschland-Propaganda« (Ebd., S. 123), sondern die völkerrechtlich präzise Ausarbeitung eines Vertragswerks, das die sowjetischen Sicherheitsinteressen im Blick behielt. Dass Stalin am antifaschistischen Kern der Potsdamer Beschlüsse festhielt, lässt sich mit dem Hinweis auf Angebote zur Integration ehemaliger Nationalsozialisten nicht bestreiten. 15 Graml, Eine wichtige Quelle, S. 125.

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ten, ihren Vorschlag für die westlichen Regierungen oder doch zumindest für die westliche Öffentlichkeit attraktiv zu fassen. Dazu ist zunächst einmal zu bemerken, dass die Memoranden explizit die westliche Öffentlichkeit als Adressaten der Aktion benennen – das »deutsche Volk«, die »französischen Patrioten«, die »Weltöffentlichkeit«. Vom »eigenen Machtbereich«, den Graml als Adressaten der Propaganda glaubt herauslesen zu können16, ist nicht die Rede. Zweitens wird in der Stellungnahme vom 21. Januar 1952 ausdrücklich davon gesprochen, dass man den »Gegnern des Friedensvertrages mit Deutschland« keinen »Anlass geben« dürfe, »um die Bedeutung unseres Eintretens in dieser Frage herunterzuspielen«. Drittens lassen sich die vorgesehenen Vertragsbestimmungen und Grundsätze eben nicht so ohne weiteres als »Forderung nach dem Anschluss Westdeutschlands an die DDR« und »Ausweitung des sowjetischen Einflusses bis zum Rhein« interpretieren, wie Graml behauptet.17 Walter Ulbricht hat die sowjetischen Intentionen jedenfalls ganz anders verstanden: »Wir dürfen nicht annehmen, dass, wenn die Einheit Deutschlands hergestellt wird, die DDR die Grundlage für ganz Deutschland bilden muss, sondern dass man von beiden Deutschlands zu Kompromissen bereit sein muss, wenn man die Einheit Deutschlands will.«18

Viertens wurden die Bestimmungen, was Graml bei der Entwicklung seines Arguments großzügig übersieht, ständig abgemildert. Diese Änderungen machen überhaupt keinen Sinn, wenn man dahinter nicht das Bemühen um eine Überwindung der Gegner des Friedensvertrages am Werk sieht, das im Dokument vom 21. Januar 1952 explizit angesprochen wurde. Dass bis zum Schluss manches stehen blieb, womit sich die Deutschen und/oder die Westmächte schwer taten (es wird, an16 Ebd., S. 130. 17 Ebd., S. 128. 18 Walter Ulbricht in der Wiedergabe Heinrich Raus, Protokollnotiz der Dienstbesprechung vom 30.10.1950, zitiert bei Scherstjanoi, Zwei deutsche Staaten, S. 301. Im Januar 1952 äußerte Ulbricht: »Bei gesamtdeutschen Wahlen kann für das ganze Volk nur etwas Gutes herauskommen. Jeder weiß, dass kein Gedanke daran ist, dass dabei eine Herrschaft der Kommunisten herauskommt« Notizen des Sekretariats des ZK der SED, zitiert bei Michael Lemke, Einheit oder Sozialismus? Die Deutschlandpolitik der SED 1949–1961, Köln 2001, S. 186.

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ders als Graml auf Seite 131 behauptet, in meiner Interpretation durchaus berücksichtigt), ist kein Gegenbeweis. Im Gegenteil: Gerade weil die Autoren über den propagandistischen Effekt hinaus das mögliche Verhandlungsergebnis im Blick hatten, konnten sie nicht sämtliche sowjetischen Positionen leichtfertig räumen. Ebenso wenig lassen sich die Nachweise für die sowjetische Absicht, den Kurs der westlichen Deutschlandpolitik zu korrigieren, durch das Hilfsargument entkräften, Stalin und seine Mitstreiter hätten doch wissen müssen, dass die angebotenen Regelungen für den Westen nicht attraktiv waren. Nicht nur, dass es dafür keinen Beleg gibt, das Argument also nicht zwingend ist und auf der Überzeichnung des Gegensatzes zwischen westlichen und sowjetischen Positionen beruht – es lässt sich sogar das Gegenteil nachweisen. Stalin setzte seit der Absage an der Marshall-Plan auf die »friedliebenden Kräfte« im Westen und insbesondere auf das Einheitsstreben der Deutschen; er hielt daran gegen alle Evidenz mit einer andauernden Hartnäckigkeit fest.19 In der Erläuterung der Noten-Aktion, die Anfang Februar 1952 an Tschujkow und Semjonow geschickt wurde, heißt es ausdrücklich: »Die Sowjetregierung fasst ins Auge, dass die oben genannten wie auch die möglichen zukünftigen Maßnahmen zur Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland, zur Beseitigung der Spaltung Deutschlands und zur Schaffung eines vereinigten deutschen Staates beitragen werden.«20

Gramls »unabweisbare[r] Schluss, dass es Molotow und Stalin nicht um Arbeit an einer verwendbaren Basis für eine Viermächte-Konferenz zu tun war«,21 löst sich in nichts auf. Gleichzeitig ist damit auch schon ein viertes Argument widerlegt: Gramls Behauptung, »die Wiedervereinigung« käme »in den begleitenden Notizen der sowjetischen Funktionäre« überhaupt nicht vor – »nicht in einem einzigen Dokument, in dem die 19 Vgl. Loth, Teilung, Erweiterte Neuauflage, S. 369–372; ders., Stalins ungeliebtes Kind, S. 110–115, 121–125, 152–157, 168–170. Der Vorwurf, den Kontext zu vernachlässigen und Forschungsergebnisse unberücksichtigt zu lassen, fällt hier auf Graml zurück. 20 In diesem Band, Dokumente I, Nr. 15, S. 300. 21 Graml, Eine wichtige Quelle, S. 131.

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Rede von Absichten und Zwecken ist«.22 Das stimmt schlichtweg nicht. Die »Schaffung eines vereinigten deutschen Staates« wird nicht nur in der Instruktion für Tschujkow und Semjonow zum Ziel der Aktion erklärt. Sie findet sich schon in dem grundlegenden Memorandum vom 9. Juli 1951 (»Um die Initiative im Kampf für die Wiederherstellung der Einheit des demokratischen Deutschlands nicht unseren Händen entgleiten zu lassen«), sie findet sich in der überarbeiteten Vorlage für Stalin vom 28. August (»Die Veröffentlichung [...] würde eine konkrete Plattform des Kampfes für ein vereintes demokratisches Deutschland [...] abgeben«), sie findet sich in den Entwürfen für eine erneute Vorlage an Stalin im Januar 1952, in den Erläuterungen an die Adresse der Regierungen der DDR, Polens und der Tschechoslowakei und in allen einschlägigen Politbüro-Beschlüssen. »Maßnahmen zur Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrags mit Deutschland und zur Schaffung eines vereinigten, demokratischen, friedliebenden deutschen Staates« war der Beschluss vom 8. Februar 1952 überschrieben.23 Wie Hermann Graml das glatte Gegenteil behaupten kann, ist nicht nachvollziehbar. Es kann auch keine Rede davon sein, dass die sowjetischen Funktionäre, so Graml, nicht die Absicht geäußert hätten, »die Note auf einer Konferenz der vier Besatzungsmächte erörtern zu lassen«.24 Den Friedensvertragsentwurf auf der Außenministerratstagung zu erörtern war nicht nur der explizite Inhalt der Vorschläge vom 7. und 24. Februar 1951. Im Memorandum vom 15. August 1951 schlug Gribanow vor: »In den Noten soll auch der Wunsch nach Einberufung der Friedenskonferenz zur deutschen Frage vor Ende 1951 angezeigt werden.« Nachdem dies verworfen worden war, um nicht den Eindruck zu erwecken, die Sowjetregierung gestehe zu, sich auf der Außenministerratstagung »lediglich« mit dem Abschluss des Friedensvertrags zu beschäftigen,25 bezeichnete das Außenministerium die Aufforderung an die Westmächte, über den Abschluss eines Friedensver22 Ebd., S. 129. 23 In diesem Band, »Entstehung«, S. 143. 24 Graml, Eine wichtige Quelle, S. 130. 25 Beschlussvorlage vom 28. August 1951, in diesem Band, Dokumente I, Nr. 7, S. 254–257.

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trags zu sprechen, als »indirekten« Vorschlag zur »Einberufung des Rates der Außenminister der vier Mächte«. Darüber hinaus wurde festgehalten: »Wir meinen, dass man sich in der ersten Note darauf beschränken kann, wenn man berücksichtigt, dass der formelle Vorschlag zur Einberufung des Ministerrats auch später, in Abhängigkeit von der Reaktion der drei Westmächte auf unsere Note, gemacht werden kann.«26

Gribanow und seine Ko-Autoren taten also genau das, was Graml als Beleg für eine ernsthafte Verhandlungsabsicht einfordert: »eine sowjetische Note als ersten Schritt zu einer ViermächteKonferenz über Deutschland verstehen beziehungsweise deklarieren«.27 Wieder fragt man sich, wie Hermann Graml auf die Idee kommen kann, einfach das Gegenteil zu behaupten. Graml vergisst auch zu erwähnen, dass der Vorschlag einer Ostblock-Konferenz zur Billigung des sowjetischen Grundlagen-Entwurfs (allerdings auch für ihn kein wirklich zwingender Beweis für bloße Propaganda-Absicht) gerade nicht realisiert worden ist. Er sieht darüber hinweg, dass die Autoren des Friedensvertrags-Entwurfs davon ausgingen, dass ihr Text als Verhandlungsgrundlage für den Außenministerrat dienen würde: Ansprüche der Nachbarländer auf Grenzkorrekturen gegenüber Deutschland, hielten sie als Erläuterung in Teil I ihres ausgefeilten Entwurfs fest, »können vom SMID28 während der endgültigen Vertragsausarbeitung geprüft werden«.29 Und er nimmt auch nicht zur Kenntnis, dass Gribanow und seine Ko-Autoren eine Vorab-Veröffentlichung des Gesamttextes des Friedensvertrages mit dem Argument ablehnten, dies würde »uns bei möglichen Verhandlungen mit den Westmächten zu einzelnen Artikeln des Friedensvertrages die Hände binden«.30 Die Ausarbeitung des Friedensvertrags unter Heranziehung aller einschlägigen Spitzenkräfte diente sehr wohl 26 Entwurf zwischen dem 16. und 21. Januar 1952, ebd., Nr. 12, S. 307; in leicht variierter Fassung auch im Entwurf vom 21. Januar, ebd., Nr. 13, S. 311, und in der definitiven Beschlussvorlage vom 25. Januar. 27 Graml, Eine wichtige Quelle, S. 130. 28 Sovet Ministrov Inostrannych Del (Rat der Alliierten Außenminister). 29 In diesem Band, Dokumente I, Nr. 9, S. 270. 30 Stellungnahme zur DDR-Initiative 21. Januar 1952, ebd., Nr. 13, S. 310.

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der Vorbereitung einer Außenministerratstagung; es ist auch gar kein anderer Zweck denkbar. Dass die Autoren der Memoranden bei manchen ihrer Vorschläge für Appelle (keineswegs bei allen, wie Graml suggeriert) mutmaßten, die westlichen Regierungen, die Bundesregierung oder der Bundestag würden wohl nicht darauf eingehen, besagt alldem gegenüber nur, dass sie mit Widerständen rechneten. Um sie zu überwinden, brauchte man die öffentlichen Kampagnen, nicht zu irgendeinem anderen ominösen Zweck. Ein Erfolg der Appelle wurde durchaus gewünscht, im Fall der Forderung nach Erörterung der Einhaltung der Demilitarisierungsbestimmungen für wahrscheinlich gehalten, hinsichtlich des VolkskammerAppells zur Bildung einer gesamtdeutschen Beratung zumindest nicht ausgeschlossen.31 In seinem grundlegenden Memorandum vom 9. Juli 1951 schlug Gribanow nicht vor, »westliche Propaganda mit der Wahlfrage durch östliche Propaganda mit dem Entwurf eines Friedensvertrags zu parieren«.32 Vielmehr stellte er die Veröffentlichung der »Grundlagen des Friedensvertrages« der geplanten westlichen Erklärung zur Beendigung des Kriegszustandes gegenüber und bezeichnete diese als bloß formell, jene aber als real: »Die formelle Erklärung über die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland gibt dem deutschen Volk nichts Wirkliches. Der schnelle Abschluss des Friedensvertrages hingegen und der Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Abschluss des Friedensvertrages entspricht den vitalen Interessen des ganzen deutschen Volkes wie auch den Interessen aller anderen friedliebenden Völker.«33

Zuletzt, also fünftens, argumentiert Hermann Graml noch mit den Vorgängen nach dem 10. März 1952: Die Sowjets seien nicht auf die westliche Konzession eingegangen, Wahlen in Deutschland von einem »von den vier Besatzungsmächten eingesetzte[n] Ausschuss«34 überwachen zu lassen; Stalin habe schon am 1. April die Aufstellung von 30 Divisionen in der DDR befohlen und 31 32 33 34

Vgl. in diesem Band, »Entstehung«, S. 106 u. Dokumente I, Nr. 7, S. 256 f. Graml, Eine wichtige Quelle, S. 126. In diesem Band, Dokumente I, Nr. 3, S. 245. Graml, Eine wichtige Quelle, S. 133.

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sich noch im Oktober 1952 bei Semjonow erkundigt, »wie denn die Note vom 10. März in der Bevölkerung der DDR gewirkt habe«.35 Den Vorwurf, ich hätte es unterlassen, meine Interpretation »im Lichte der Vorgänge nach dem 10. März 1952 zu überprüfen«,36 widerlegt er dabei gleich selbst, indem er sich ausführlich mit meiner Darstellung dieser Vorgänge beschäftigt. Ansonsten stellt er einmal mehr Behauptungen auf, die sich mit den Quellen nicht in Einklang bringen lassen. Tatsächlich enthielt die zweite westliche Note vom 13. Mai 1952, mit der Graml hier argumentiert, zunächst einmal Argumente gegen die Einsetzung einer Vier-Mächte-Kommission. Danach wurde als Konzession lediglich formuliert, die Westmächte seien »bereit, sämtliche sonstigen praktischen und konkreten Vorschläge für eine unparteiische Untersuchungskommission zu prüfen, welche die Sowjetregierung etwa zu machen wünscht, unter der einen Bedingung, dass sie Aussicht bieten, die baldige Abhaltung freier Wahlen in ganz Deutschland zu fördern«. Dass die Westmächte diese Bedingung bei einer VierMächte-Kommission als gegeben ansehen würden, war dem nicht zu entnehmen. Zudem verlangten sie »Garantien dafür, dass die als Ergebnis der Abhaltung freier Wahlen gebildete gesamtdeutsche Regierung während des Zeitraums vor Inkrafttreten des Friedensvertrages die erforderliche Handlungsfreiheit genießt«.37 Dass die Sowjetregierung nicht bereit war, sich auf ein solches Verfahren einzulassen, sollte nicht verwundern: Es bot keine Gewähr, dass die Wiedervereinigung nicht auf einen Anschluss der DDR an den Westen hinauslief. Das war in der Tat nicht das Ziel der sowjetischen Initiative; insofern spricht die Ablehnung dieses Verfahrens nicht gegen die Neutralisierungsabsicht, sondern dafür. Auch Stalins Drängen auf Aufbau einer DDR-Streitmacht taugt nicht zum Gegenbeweis: Zunächst einmal erfolgte es nach der kategorischen Ablehnung der Neutralisierungsforderung durch die Westmächte, aus der sich für Stalin nachweislich eine 35 Ebd., S. 136. 36 Ebd., S. 132. 37 Note der drei Westmächte vom 13. Mai 1952, Europa-Archiv 7 (1952), S. 4963–4965, hier S. 4965.

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neue Situation ergab. Sein Gespräch mit den Botschaftern der drei Westmächte während der Berlin-Krise im August 1948 bietet, anders als Graml behauptet, keinen Anhaltspunkt dafür, dass er schon damals überzeugt gewesen sei, die Westmächte würden sämtliche Vorschläge für einen Friedensvertrag ablehnen. Stalin hatte lediglich die Verhandlungen nicht gleich abgebrochen, als sich die Vertreter der Westmächte weigerten, auf seine Forderung nach Suspendierung der Londoner Beschlüsse zur Weststaatsgründung einzugehen.38 Die Aufforderung an die SED-Führer in der Unterredung vom 7. April 1952, jetzt »ihren eigenen Staat [zu] organisieren«, setzt logisch voraus, dass Stalin bislang der Auffassung gewesen war, eine solche Notwendigkeit bestehe nicht, dass er die DDR also bis dahin nur als ein kurzfristiges Provisorium betrachtet hatte. Von der neuen Einschätzung der Lage ohne weiteres auf die ursprünglichen Motive zu schließen, verbietet sich umso mehr, als Pieck, auf dessen Frage Stalin hier antwortete, mit der Möglichkeit des Abschlusses eines Friedensvertrags rechnete. Im Übrigen schloss die Aufrüstung der DDR in Stalins Sicht eine Verständigung über die Neutralisierung Deutschlands keineswegs aus. Den ob der neuen Töne verunsicherten SEDFührern erklärte er, »dass man heute im Westen denkt, dass ihr überhaupt nicht bewaffnet seid, dass ihr keine Kraft habt und man euch leicht erobern kann. Solange sie so denken, sind sie nicht gesprächsbereit. Sie reagieren nur auf Stärke. Wenn bei euch plötzlich eine Armee auftaucht, wird man anders mit euch sprechen – man wird euch anerkennen und lieb gewinnen, da Stärke von allen geliebt wird.«39 Die Mobilisierung der »friedliebenden Kräfte« für den Friedensvertrag war für ihn von einem Kurzzeit- zu einem Langzeitprojekt geworden – mehr hatte sich nicht geändert. Hermann Graml zitiert diese Passage der Protokollaufzeichnungen zu den Gesprächen vom 1. und 7. April 1952 wohlweislich nicht, wirft mir aber gleichzeitig vor, zu diesen

38 Unterredung vom 2. August 1948, amerikanisches Protokoll in FRUS 1948, Bd. 2, S. 999–1006, sowjetisches Protokoll in Moskowskije Nowosti 18.5.1988; vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 122–124. 39 Wolkow, deutsche Frage, S. 20–49, hier S. 45.

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Unterredungen »nur die halbe und damit eine über die ganze hinwegtäuschende Wahrheit« zu bieten.40 Den Hinweis auf das »Volk in Westdeutschland« als Hauptadressaten der Friedensvertrags-Kampagne, den das Protokoll der Unterredung vom 7. April enthält, sucht Graml mit der Behauptung zu entkräften, Stalins »vornehmliches« Interesse sei in einem späteren Gespräch mit Semjonow zum Ausdruck gekommen, als er sich nach der Wirkung der Note »in der Bevölkerung der DDR« erkundigt habe. Semjonow, der bekanntlich Vertreter des Außenministeriums bei der Sowjetischen Kontroll-Kommission in Deutschland war, nicht etwa Leiter der Diplomatischen Mission bei der DDR-Regierung, weiß von einem solchen vordringlichen Interesse an der »›Erziehung‹ der Deutschen in der DDR«41 freilich nichts. In seinen Memoiren heißt es lapidar: »Stalin interessierte sich noch kurz für einige innere und äußere Aspekte der Entwicklung Deutschlands, das Echo in der Bevölkerung auf die Note der Sowjetunion vom 10. März 1952 über die Wiedervereinigung.«42

Gramls »schlagendste[r]« Beweis für »eine vor allem auf die eigene Machtsphäre – das heißt in erster Linie auf die DDR – gerichtete propagandistische Absicht der sowjetischen Notenkampagne«43 beruht auf purer Hinzudichtung. Der Befund ist eindeutig: Gramls Kritik an meiner Beschreibung der Entstehung der Stalin-Note und der damit verbundenen Erläuterung der sowjetischen Motive erweist sich in keinem einzigen Punkt als stichhaltig. Für die These einer begrenzten, vor allem auf die eigene Machtsphäre und hier in erster Linie auf die DDR gerichteten Propaganda-Aktion, die Graml dagegen setzt, gibt es nicht den geringsten Beleg. Weder wurde in den Memoranden die Situation in der DDR oder in anderen Ostblockländern erörtert noch wurde irgendein Bezug zwischen dieser Situation und den vorgeschlagenen Maßnahmen hergestellt. Ebenso wenig ergeben sich aus dem Inhalt der zur Veröf40 Graml, Eine wichtige Quelle, S. 136. 41 Ebd. 42 Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 279, Hervorhebung durch den Verfasser, W.L. 43 Graml, Eine wichtige Quelle, S. 134.

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fentlichung bestimmten Texte und ihren Modifikationen irgendwelche Anhaltspunkte für eine solche Aktion. Sie ist auch in keiner Weise plausibel: Als Alibi zur propagandistischen Absicherung der Aufstellung einer DDR-Armee, wie Graml in seinen früheren Veröffentlichungen gemutmaßt hat, kann sie kaum gedacht gewesen sein, da die Kampagne wesentlich früher konzipiert wurde, als Beschlüsse zur Aufrüstung der DDR erkennbar sind; Graml hat diese Erklärung bemerkenswerterweise auch nicht explizit wiederholt. Als Mittel zur Immunisierung der DDR-Bevölkerung gegen mögliche Nebenwirkungen der Lockerung des westlichen Besatzungsstatuts und eventueller neuer Vorschläge zur Durchführung gesamtdeutscher Wahlen aber, wie er sie jetzt präsentiert, war sie weder dringend geboten, noch sonderlich geeignet. Dass der ganze Aufwand einer mehr als elf Monate andauernden Kampagne, zunächst an die Adresse von Bundesregierung und Bundestag und dann an die Adresse der westlichen Siegermächte, nur betrieben wurde, um eine Bevölkerung bei der Stange zu halten, die man ohnehin kontrollierte, ist schwer vorstellbar. Gegen die innere Distanz der DDR-Bürger zu ihrem Regime konnte ein Nachweis westlicher Verhandlungsunwilligkeit, wie er nach Graml Ziel der Aktion gewesen sein soll, kaum helfen. Vor allem aber steht die These von der »Erziehung« der DDR-Bevölkerung gegen die Evidenz der Quellen: gegen die Evidenz einer breiten Diskussion von Maßnahmen zur Verhinderung der westlichen Blockbildung, gegen die Evidenz eines ausgearbeiteten Friedensvertrages, der nachweislich als Grundlage für eine Vereinbarung dienen sollte, gegen die Evidenz der Bemühungen, den Widerstand der »Gegner des Friedensvertrages« zu überwinden. Dass Stalin nicht bereit war, die sich abzeichnende Westintegration der Bundesrepublik tatenlos hinzunehmen, erscheint zudem auch ganz logisch. Ebenso sollte einleuchten, dass ihm die Verhinderung dauerhafter amerikanischer Truppenpräsenz in Europa, die noch dazu durch die Mobilisierung des militärischen Potentials der Bundesrepublik verstärkt werden sollte, wichtiger war als der Fortbestand der de-factoDiktatur Ulbrichts. Dass er im Zweifelsfall auf die persönlichen Interessen kommunistischer Führer nicht die geringste Rücksicht nahm, hatte er mehr als zur Genüge bewiesen.

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Gramls Alibi-These war nie mehr als eine interessante Vermutung, geprägt von der Erfahrung andauernder Zweistaatlichkeit und gestützt auf einige höchst unsichere Zeugnisse aus dritter und vierter Hand aus der Zeit nach der Ablehnung der Neutralisierung durch die Westmächte.44 Gerhard Wettig, der sich ihr angeschlossen hatte,45 hat sie sogleich aufgegeben, als er die ersten Dokumente aus dem sowjetischen Außenministerium zu Gesicht bekam.46 Wie man weiter an ihr festhalten will, nachdem die Evidenz für einen ernsthaften Verhandlungsvorschlag der Sowjetführung unterdessen noch wesentlich größer geworden ist, ist schwer begreiflich. Tatsächlich erweist sich die Alibi-These im Licht der neuen Quellen definitiv als das, worunter Hermann Graml gerne meine Ergebnisse rubrizieren möchte: als eine Legende.

44 eine Mitteilung von HICOG-Berlin über »zuverlässige Nachrichten« aus dem ZK der SED, eine Aussage von Gerald Rummler, geflüchteter Mitarbeiter von DDR-Außenminister Georg Dertinger, über eine angebliche Äußerung Puschkins gegenüber Dertinger und der Bericht eines Schweizer Diplomaten über eine angebliche Äußerung eines ungenannten sowjetischen Kollegen in London; vgl. Graml, Legende, S. 333. 45 Vgl. Gerhard Wettig, Die Stalin-Note vom März 1952 als geschichtswissenschaftliches Problem, in: Deutschland-Archiv 25 (1992), S. 157–167. 46 Wettig, Deutschland-Note, S. 803. – Insofern steht Wettig meiner Auffassung wesentlich näher als Graml. Was ihn von mir unterscheidet, ist lediglich eine andere Sicht des geplanten Weges zur Wiedervereinigung (»Sturz Adenauers« statt Verhandlungen mit den Westmächten) und der Struktur des vereinten Deutschlands (Ausdehnung der SED-Diktatur statt tatsächlicher Implementierung der »Grundsätze«). Dabei sind weitere Annäherungen unverkennbar. Hatte Wettig 1993 noch von einem »Krieg mit anderen als militärischen Mitteln« gesprochen, »d.h. [von einer] Mobilisierung der Deutschen gegen die westdeutsche Regierung und die Westmächte« (ebd. S. 803 f.), so wollte er 1999 nur noch »die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Stalin glaubte, einen politischen Durchbruch im deutschen Westen erreichen zu können« (Wettig, Bereitschaft, S. 226). Im Jahr 2002 bleibt davon nur noch die Vermutung, Stalin habe auf »zum Bruch mit dem Westen bereite« westdeutsche Politiker »nach Adenauers Abtreten« gehofft. Allerdings nimmt Wettig jetzt auch wieder an, Stalin habe sich mit der Westintegration abgefunden: Gerhard Wettig, Die Note vom 10. März 1952 im Kontext von Stalins Deutschland-Politik seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Zarusky, Stalin-Note, S. 139–196, das Zitat S. 191.

8. Der 17. Juni 1953 im internationalen Kontext

Je mehr über die Vorgänge des 17. Juni 1953 bekannt wird, desto deutlicher zeichnet sich das Bild einer breiten Volksbewegung für ein demokratisches Deutschland ab. Sie breitete sich, von den Aktionen der Bauarbeiter auf den Großbaustellen Krankenhaus Friedrichshain und Stalinallee im Ostsektor Berlins am 16. Juni ausgehend, mit erstaunlicher Geschwindigkeit über die gesamte DDR aus und erfasste nahezu alle Bevölkerungsschichten; selbst Funktionsträger der SED und Angehörige der Volkspolizei waren in nicht unerheblichem Umfang beteiligt. Über 450.000 Arbeiter und Angestellte in rund 600 Betrieben traten in den Ausstand, über eine Million Menschen schlossen sich den Demonstrationszügen und Aktionen an, etwa zehn Prozent aller erwachsenen DDR-Bürger. In 700 Städten und Gemeinden der DDR fanden solche Protestaktionen statt, in nahezu 85 % der Kommunen wurde im Laufe des Nachmittags des 17. Juni das Kriegsrecht verhängt. Die Forderungen der Demonstranten gingen schon am 16. Juni von der Rücknahme der zehnprozentigen Erhöhung der Arbeitsnormen auf die Ablösung der DDRRegierung über. Am 17. Juni stand die Forderung nach freien Wahlen im Mittelpunkt, und ergänzend wurde die Forderung nach Abschluss des Friedensvertrages und Wiedervereinigung erhoben.1 Zwei Fragen stellen sich, wenn man die internationale Dimension des Geschehens betrachtet. Die eine zielt auf die Ursachen des kurzlebigen Volksaufstands: Wie konnte es zu einer solch gewaltigen Bewegung kommen, die zumindest in ihren Ausmaßen niemand vorausgesehen hatte, schon gar nicht die notorisch

1 Vgl. insbesondere Ilko-Sascha Kowalczuk, 17. Juni 1953 – Volksaufstand in der DDR, Bremen 2003; Thomas Flemming, Kein Tag der deutschen Einheit. 17. Juni 1953, Berlin 2003; Torsten Diedrich, Waffen gegen das Volk. Der 17. Juni 1953 in der DDR, München 2003.

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schlecht informierten Geheimdienste?2 Warum entwickelte sie sich gerade jetzt, Mitte Juni 1953? Die andere Frage betrifft den Handlungsspielraum der Akteure: Waren ihre Aktionen nicht in der rauen Wirklichkeit sowjetischer Besatzungsherrschaft im Kalten Krieg von vorneherein zum Scheitern verurteilt? Oder hätte der Aufstand auch anders enden können als mit der Verfestigung der Ulbricht-Diktatur? Unterdessen liegen genügend Quellen aus Moskauer, Ost-Berliner und Londoner Beständen vor, um diese Fragen zuverlässig beantworten zu können.3

I. Die Vorgeschichte des 17. Juni 1953 beginnt mit Stalins Weisung vom 7. Juni 1952, das Provisorium DDR als »eigenen Staat [zu] organisieren« und insbesondere eine Armee zu schaffen, die Schutz vor einem westlichen Angriff bot.4 Walter Ulbricht nutzte diese Akzentverschiebung in Stalins DDR-Politik, um auf der II. Parteikonferenz der SED am 9. Juli 1952 abrupt den »planmäßigen Aufbau des Sozialismus in der DDR« anzukündigen 2 Vgl. Karl Wilhelm Fricke / Roger Engelmann, Der ›Tag X‹ und die Staatssicherheit, Bremen 2003. 3 Hinsichtlich der sowjetischen Politik im Kontext des 17. Juni wird im Folgenden eine Präzisierung und Weiterführung früherer Studien geboten – insbesondere Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 193–218; Vladislav Zubok, »Unverfroren und grob in der Deutschlandfrage...« Berija, der Nachfolgestreit nach Stalins Tod und die Moskauer DDR-Debatte im April-Mai 1953, in: Christoph Kleßmann / Bernd Stöver (Hg.), 1953 – Krisenjahr des Kalten Krieges in Europa, Köln u.a. 1999, S. 29–48; Mark Kramer, The Early Post-Stalin Succession Struggle and Upheavals in East-Central Europe, in: Journal of Cold War Studies 1 (1999), N° 1, S. 3–55, N° 2, S. 3–38, N° 3, S. 3–66. Eine Reihe wichtiger Dokumente zu diesem Themenkomplex wurden publiziert von Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 497– 549, und Christian F. Ostermann, »This Is Not A Politburo, But A Madhouse«. The Post-Stalin Succession Struggle, Soviet Deutschlandpolitik and the SED: New Evidence from Russian, German, and Hungarian Archives, in: Cold War International History Project Bulletin 10 (1998), S. 61–110; ders. (Hg.), Uprising in East Germany 1953. The Cold War, the German Question, and the First Major Upheaval Behind the Iron Curtain, Budapest / New York 2001. 4 Protokoll der Unterredung Stalins mit der SED-Führung am 7.4.1952, AP RF, f. 45, op. 1, p. 303, d. 179. Vgl. hierzu und zum Folgenden Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 185–191, eine deutsche Übersetzung der Protokollpassage im Nachwort zur Taschenbuchausgabe, S. 293 f.

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und die Ausrichtung der DDR am sowjetischen Vorbild zu forcieren. Auf die Bauern wurde starker Druck ausgeübt, sich den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften anzuschließen. Landwirten, denen angebliche Verstöße gegen die »Bestimmungen über die ordnungsgemäße Bewirtschaftung« zur Last gelegt wurden, wurde die weitere selbständige Bewirtschaftung ihrer Höfe untersagt; Mittel- und Großbauern wurden zusätzliche Abgaben auferlegt. In gleicher Weise verfuhr die Staatspartei mit den Handwerkern und sonstigen gewerblichen Mittelständlern: Auch sie sollten so schnell wie möglich in das Kollektiveigentum getrieben werden. Parallel dazu wurde auch die ideologische Schraube angezogen: Den Kirchen, die als Hort der ›Reaktion‹ galten, wurde es untersagt, den Religionsunterricht weiter in den Schulen abzuhalten; kirchentreue Schüler, Lehrer und Dozenten wurden relegiert, politisch auffällige Pfarrer verhaftet. Die Anstrengungen, die »führende Rolle der Partei« auch an Schulen und Universitäten durchzusetzen, wurden verstärkt. Die Förderung des ›sozialistischen Realismus‹ führte zu zahlreichen Konflikten mit Künstlern und Intellektuellen. Nach der Partei wurde nun auch der Staatsapparat nach dem Prinzip des »demokratischen Zentralismus« organisiert, und der Personenkult um den »weisen Lehrmeister«, »Bannerträger des Friedens und Fortschritts in der ganzen Welt«, den »großen Stalin« – so Ulbricht in seinem Grundsatzreferat auf der II. Parteikonferenz5 – erlebte abgeschmackte Höhepunkte. Die Folgen dieser Forcierung des Sowjetmodells – Flucht, Verweigerung und die daraus resultierenden Produktionslücken – nahmen umso dramatischere Ausmaße an, als die DDR gleichzeitig die Lasten der von Stalin verfügten Aufrüstung zu tragen hatte. Etwa zwei Milliarden Mark musste man dafür innerhalb eines Jahres zusätzlich aufbringen; das entsprach zehn Prozent der gesamten Staatseinnahmen. Ebenso verursachten der Aufbau der Bezirksverwaltungen und die Förderung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften Kosten, die im laufenden Fünfjahresplan nicht vorgesehen waren. Die Regie5 Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. 9.–12. Juli 1952, Berlin 1952, S.160.

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rung versuchte sie zunächst dadurch aufzubringen, dass die »absterbenden Klassen« mit zusätzlichen Abgaben belastet wurden (Erhöhung der Einkommens- und Handwerkssteuer, Ausschluss der Selbständigen aus der allgemeinen Kranken- und Sozialversicherung, Erschwerung von Krediten), verstärkte damit aber nur noch deren Unmut. Kürzungen von Sozialleistungen trafen darüber hinaus auch die Arbeiter, die infolge der allzu ehrgeizigen Planziele ohnehin schon in wachsender Spannung zu den staatlichen Arbeitgebern standen. Eine weitere Verschärfung der Situation ergab sich daraus, dass der Ulbricht-Apparat, sobald die Schwierigkeiten deutlich zu werden begannen, verstärkt zu Repressionen griff. Die Zahl der Prozesse gegen ›Agenten‹ und ›Saboteure‹ nahm sprunghaft zu; meist wurden drakonische Strafen verhängt. Mitte Dezember wurde Handelsminister Karl Hamann von der LDPD verhaftet, vier Wochen später CDU-Außenminister Georg Dertinger wegen ›feindlicher Tätigkeit‹ gegen die DDR. Ende Dezember formulierte das Zentralkomitee »Lehren aus dem Prozess gegen das Verschwörerzentrum Slansky« in der Tschechoslowakei. Als das »Neue Deutschland« Mitte Januar im Zuge der Aufdeckung der angeblichen ›Ärzteverschwörung‹ gegen Stalin in die Kampagne gegen »demoralisierte bürgerliche jüdische Nationalisten« einstimmen musste,6 gerieten auch prominente Kommunisten wie der Chefredakteur des »Neuen Deutschland«, Rudolf Herrnstadt ins Zittern.7 Entsprechend stiegen die Flüchtlingszahlen dramatisch an. Zwischen 15.000 und 23.000 Menschen verließen die DDR jeden Monat des zweiten Halbjahres 1952 in Richtung Westdeutschland. Im März 1953 waren es sogar 58.000, in den ersten vier Monaten des Jahres 1953 zusammen über 120.000. Für die Versorgungslage besonders fatal war die Flucht von fast 20.000 selbständigen Landwirten. Aber auch 8.000 Angehörige der kasernierten Volkspolizei und 2.700 Mitglieder und Kandidaten der SED zog es in den Westen. Unter den Zurückbleibenden stauten sich »ungeheure Energien des Widerstandes« auf, wie 6 Neues Deutschland vom 14.1.1953. 7 Vgl. Helmut Müller-Enbergs, Der Fall Rudolf Herrnstadt. Tauwetterpolitik vor dem 17. Juni, Berlin 1991, S.164.

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der damalige Agitationssekretär der Berliner SED-Bezirksleitung, Heinz Brandt, im Rückblick urteilte. Ulbricht, so Brandt, brachte »alle Schichten des Volkes, insbesondere aber die Arbeiter, in unmittelbare Opposition zur SED und an den Rand der Erhebung.«8

II. Noch ohne um das volle Ausmaß der Krise in der DDR zu wissen, bereiteten die Stalin-Nachfolger im Kreml seit Mitte April 1953 eine neue Initiative in der Deutschlandpolitik vor. Ihr Ausgangspunkt war die Ratifizierung des EVG-Vertrags und des Deutschland-Vertrags durch den Deutschen Bundestag am 19. März. Um »die weitere Entfaltung der Bewegung demokratischer und patriotischer Kräfte in der DDR und in Westdeutschland für die Vereinigung Deutschlands, für den schnellsten Abschluss eines Friedensvertrages und gegen die Bonner und Pariser ›Verträge‹« herbeizuführen,9 schlugen der Leiter der deutschlandpolitischen Abteilung des sowjetischen Außenministeriums, Michail G. Gribanow, und der ehemalige Leiter der sowjetischen Diplomatischen Mission in der DDR, jetzt Stellvertretender Außenminister Georgij M. Puschkin in einem Schreiben an Außenminister Molotow vom 18. April und einer darauf folgenden 14seitigen Denkschrift ein Vorgehen in drei Schritten vor: Aufwertung der DDR-Regierung durch Einladung zu einem Staatsbesuch und Abbau der sowjetischen Kontrollen, Vorschlag der sofortigen Bildung einer Gesamtdeutschen Provisorischen Regierung zur Organisation der gesamtdeutschen Wahlen bei gleichzeitigem Fortbestehen der Regierungen der Bundesrepublik und der DDR bis zum Zusammentreten des gewählten ge8 Heinz Brandt, Die sowjetische Deutschlandpolitik im Frühsommer 1953 aus der Sicht fortschrittlicher Kräfte in der SED, in: Osteuropa 15 (1965), S. 369–377, hier S. 371. 9 Puschkin/Gribanow an Molotow 18.4.1953, AWP RF f. 082, op. 41, p. 271, d. 19, ll. 13–19, englische Übersetzung in Ostermann, Uprising, S. 67–70; »Denkschrift zur deutschen Frage« 21.4.1953, AWP RF f. 06, op. 12 , p. 16, d. 259, ll. 1– 12, das Zitat hier l. 6, zitiert nach Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 506 f.

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samtdeutschen Parlaments, dann nach zwei bis drei Wochen eine neue Note an die Westmächte mit dem Vorschlag, über das Verfahren zur Bildung der gesamtdeutschen Regierung zu verhandeln. Die Autoren gaben sich überzeugt, dass dieses Maßnahmen-Bündel den Widerstand gegen den EVG-Vertrag stärken würde; in Anbetracht des Angebots, die Wahlen von einer provisorischen Regierung organisieren zu lassen, »hätten unsere Gegner keinen Grund, uns einen undemokratischen Schritt vorzuwerfen.«10 In einer überarbeiteten Fassung vom 24. April, diesmal unterzeichnet von Puschkin und dem Stellvertretenden Außenminister Jakow Malik, wurde unterstrichen, dass der Vorschlag auf große Resonanz unter den Deutschen treffen würde. Mit Blick auf den Druck, der von den Deutschen ausgehen würde, sprachen die Autoren die Erwartung aus, dass die Vier-MächteKonferenz zur Verabschiedung des Friedensvertrags bereits im kommenden Juni zusammentreten könnte.11 Molotow versah das Memorandum mit Randbemerkungen, die eine negativere Einschätzung der Westmächte und das Bemühen um größere Sorgfalt bei der Formulierung der sowjetischen Vorschläge deutlich werden lassen. Zu Hinweisen der Autoren auf Widersprüche unter den Westmächte notierte er: »Das Wesen der Politik der drei [Westmächte] nicht verstanden – Deutschland auf das bürgerliche Gleis zu ziehen.« Zur Behauptung, die Westmächte seien nicht an der Durchführung gesamtdeutscher Wahlen interessiert, schrieb er: »Bewiesen?« Unklar war ihm, ob die gesamtdeutsche Regierung sofort oder erst nach einem Referendum eingerichtet werden konnte und »auf welcher Grundlage« Friedensvertrag und staatliche Einigung erfolgen sollten.12 Die nächste Fassung, an der Wladimir Semjonow mitwirkte, der unterdessen als Politischer Berater beim Vorsitzenden der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland abgelöst und zum Nachfolger Gribanows als Leiter der deutschlandpolitischen 10 Denkschrift ebd. l. 13. 11 Malik/Puschkin an Molotow 24.4.1954, AWP RF f. 082, op. 41, p. 271, d. 19, ll. 2–12. 12 Annotiertes Exemplar des Schreibens Malik/Puschkin an Molotow 24.4.1953 in AWP RF f. 06, op. 12, d. 259, ll. 18–28, referiert bei Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 509, und Zubok, Unverfroren, S. 37.

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Abteilung ernannt worden war,13 rückte darauf hin den Vorschlag der Bildung einer ›Gesamtdeutschen Provisorischen Regierung‹ an die erste Stelle; zur Einladung der DDR-Regierung wurde nur noch gesagt, dass sie dazu dienen sollte, die anstehenden Maßnahmen ›zu beraten‹. Zum Vorschlag der provisorischen Regierung wurde ausgeführt, dass er »im deutschen Volk ein breites positives Echo finden wird.« Außerdem argumentierten die Autoren, »den drei Mächten [werde] es schwer fallen, gegen die Bildung einer Gesamtdeutschen Provisorischen Regierung Einwände zu erheben – unter der Bedingung des Erhalts der derzeit existierenden Regierungen Westdeutschlands und der DDR wie auch unter der Bedingung, dass diese Regierung die Vorbereitung und Durchführung gesamtdeutscher Wahlen als Hauptaufgabe übertragen bekommt.« Sollten die Westmächte dennoch ablehnen, war der Vorschlag eines Referendums vorgesehen: Damit sollte der Druck auf die Westmächte weiter verstärkt werden.14 Semjonow und Gribanow unterzeichneten am 30. April eine weitere Version, in der das in den Entwürfen enthaltene Angebot an die Adresse der Deutschen um ein wesentliches Moment erweitert wurde: »Um jene Voraussetzungen zu schaffen«, schrieben sie, »die auf dem Territorium ganz Deutschlands wirklich freie und demokratische Wahlen ohne internationale Einmischung gewährleisten, ist der Vorschlag zu unterbreiten, unmittelbar nach Bildung der Gesamtdeutschen Provisorischen Regierung gleichzeitig alle bewaffneten Kräfte der Besatzungsmächte aus Deutschland abzuziehen.« Dieser Vorschlag werde »die von den drei Mächten in den Vordergrund gerückte Losung von freien gesamtdeutschen Wahlen unter internationaler Kontrolle wirksam untergraben.« Es sei zwar »höchst wahrscheinlich«, dass die Westmächte den Vorschlag ablehnten, »doch das würde sie dem deutschen Volk gegenüber in eine schwierige Lage 13 Vgl. Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 510. Ein besonders politisches Motiv für dieses Personalrevirement ist nicht erkennbar. 14 Malik/Semjonow/Gribanow/Puschkin an Molotow 28.4.1953, AWP RF f. 082, op. 41, p. 271, d. 18, ll. 44–47, von Molotow bearbeitetes Exemplar ebd. f. 06, op. 12, p. 16, d. 259, ll. 29–32, deutsche Übersetzung zusammen mit der erweiterten Fassung vom 30.4.1953 veröffentlicht bei Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 531–534.

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bringen.« Der Vorschlag würde »wärmste Unterstützung beim deutschen Volk finden, auch in Westdeutschland und in den repräsentativen Kreisen der deutschen Bourgeoisie.« Die Annahme des Vorschlags »würde den Rückzug der amerikanischen Truppen hinter den Atlantik und die faktische Vereitelung der aggressiven Pläne des Nordatlantischen Blocks in Europa bedeuten.« Zur vorgesehenen Aufwertung der DDR merkten Semjonow und Gribanow an, die deutsche Bevölkerung würde dadurch »sehen, dass die Sowjetunion [...] eine Linie verfolgt, die die grundlegenden nationalen Interessen des deutschen Volkes berücksichtigt.«15 Am 2. Mai zeichnete Semjonow, diesmal allein, ein weitere »Denkschrift zur deutschen Frage«, die die strategische Bedeutung des Vorschlags eines sofortigen Abzugs aller Besatzungstruppen unterstrich: Die Westmächte würden ihn gewiss ablehnen wollen, für die Deutschen sei er aber sehr attraktiv: »Bis jetzt hat die sowjetische Regierung vorgeschlagen, die Besatzungstruppen erst im Jahr nach dem Abschluss des Friedensvertrags abzuziehen. Unter den gegenwärtigen internationalen Bedingungen ist das für die Deutschen eine Aussicht, die in weiter Ferne liegt. Der neue sowjetische Vorschlag wird diese Frage den Deutschen als eine sehr reale Möglichkeit selbst zum gegenwärtigen Zeitpunkt offerieren, unter der Voraussetzung, dass a) eine Vereinbarung zwischen Ost- und Westdeutschland über die Bildung einer provisorischen Gesamtdeutschen Regierung erreicht wird, und b) die drei Mächte den sowjetischen Vorschlag annehmen. Wenn die drei Mächte und die Adenauer-Regierung unseren Vorschlag unter diesen Umständen ablehnen, wird ihre Entscheidung von erheblichem politischen Schaden begleitet sein.«16

In einer überarbeiteten Fassung vom 5. Mai fügte Semjonow die vorsichtige Vermutung hinzu, die Westmächte könnten den Vorschlag zur Bildung einer Gesamtdeutschen Provisorischen Regierung vielleicht doch positiv aufnehmen.17

15 Semjonow/Gribanow 30.4.1953, AWP RF f. 06, op. 12, p. 16, d. 259, ll. 34– 38; vgl. Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 531–534. 16 Semjonow an Molotow 2.5.1953, AWP RF f. 082, op. 41, p. 271, d. 18, ll. 52–59, englische Übersetzung bei Ostermann, Uprising, S. 82–85. 17 AWP RF f. 082, op. 41, p. 271, d. 19, ll. 31–38; vgl. Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 513.

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Unter dem Eindruck dieser Argumentation leitete Molotow dem Präsidium des Ministerrats und Nikita Chruschtschow als Parteisekretär am 4. Mai eine Beschlussvorlage »Über weitere Maßnahmen der sowjetischen Regierung in der deutschen Frage« zu. Es sei zu zeigen, hieß es darin, »dass wirklich freie Wahlen in ganz Deutschland bei Anwesenheit fremder Besatzungstruppen nicht gewährleistet sind, und dass die UdSSR daher für die baldige Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen bei vorherigem Abzug der Besatzungstruppen aller Mächte aus den Grenzen Deutschlands eintritt.« Eine Note mit dem Vorschlag der Beratung des Abzugs der Besatzungstruppen sollte noch im Mai an die Westmächte gerichtet werden; der Empfang einer Regierungsdelegation der DDR wurde dagegen erst für Juni vorgeschlagen. Zur Steigerung der Attraktivität des Vorschlags für die Deutschen wurde eine Beschränkung der »finanziellen und wirtschaftlichen Verpflichtungen Deutschlands« für die Jahre 1954 und 1955 auf die Höhe von 1953 angekündigt sowie die Aufhebung aller Verpflichtungen 1956 an. Der Hinweis auf »nationale Streitkräfte«, der im Entwurf vom 30. April enthalten war, wurde allerdings nicht übernommen.18 Nachdem sich das Präsidium des Ministerrats am 5. Mai mit diesem Entwurf beschäftigt hatte, wandte sich Molotow allerdings einer modifizierten Version zu, die viel stärker den »aggressiven Sinn der Politik der drei Mächte gegenüber Deutschland« betonte und ganz auf ›Entlarvung‹ dieser Politik setzte. Statt des Abzugs aller Besatzungstruppen, den Semjonow geradezu als Garantie für einen Erfolg des Unternehmens angedient hatte, wurden freie gesamtdeutsche Wahlen »unter der Kontrolle der vier Mächte« vorgeschlagen. Dass die Westmächte sogleich darauf eingehen würden, wurde als gänzlich unwahrscheinlich bezeichnet. Gleichzeitig verteidigte man sich aber gegen den Vorwurf, ein bloßes Propagandamanöver zu planen:

18 »Über weitere Maßnahmen der sowjetischen Regierung in der deutschen Frage«, AWP RF f. 06, op. 12, p. 16, d. 259, ll. 39–47, in deutscher Übersetzung veröffentlicht bei Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 539–543. Scherstjanoi datiert diesen Entwurf gegen die Evidenz des Begleitschreibens und der Aktenlage auf das Vorfeld der Präsidiumssitzung vom 27. Mai und verzeichnet damit den Gang der Diskussion.

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»Offenbar wird es darauf hinauslaufen, dass wir in dieser Frage keine Übereinkunft mit den drei Westmächten erzielen werden. Doch der dargelegte Plan wird nicht einfach als Propagandaaktion erscheinen, sondern als echte Grundlage für die friedliche Regelung der deutschen Frage, und er gibt den demokratischen Kreisen innerhalb und außerhalb Deutschlands eine solide Basis für den Kampf gegen die auf die Wiedergeburt des deutschen Militarismus gerichtete Politik der drei Mächte und gegen die Einbeziehung Westdeutschlands in das nordatlantische Bündnis.«19

Bevor Molotow diesen revidierten Entwurf dem Präsidium am 8. Mai zur Beschlussfassung zuleitete, wurden noch Passagen hinzugefügt, die auf eine Stärkung der DDR auch unabhängig von der Attraktivität des sowjetischen Wiedervereinigungsprogramms zielten. Zunächst wurde die Schaffung der DDR als »der UdSSR nahe stehenden, freundschaftlich verbundenen Staates« als Reaktion auf eine »endgültige« Absage der Westmächte »an die Erfüllung des Potsdamer Abkommens« dargestellt. Dann wurde proklamiert: »Die Hauptaufgabe der Sowjetunion besteht in der unbeirrten Durchführung einer Politik der Festigung der politischen und ökonomischen Positionen der DDR, die sich auf dem Weg der volksdemokratischen Entwicklung befindet und mit jedem Jahr eine kräftigere Stütze für den Frieden in diesem Teil Europas wird.«

Einen raschen Abschluss des Friedensvertrags hielten die Autoren dieses Textes angesichts der Haltung der Westmächte offensichtlich nicht mehr für wahrscheinlich. Stattdessen sprachen sie von Initiativen, »die in den gegenseitigen Beziehungen zu den drei Westmächten von der Zweckmäßigkeit der Erringung dieser oder jener vorläufigen oder zumindest teilweisen Vereinbarung in der deutschen Frage ausgehen«, welche »die Verwirklichung der aggressiven Pläne des anglo-amerikanischen Blocks in Euro-

19 »Über weitere Maßnahmen der sowjetischen Regierung in der deutschen Frage«, AWP RF f. 06, op. 12, p. 16, d. 259, ll. 65–73, in deutscher Übersetzung veröffentlicht bei Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 535–539. Der Entwurf ist nicht datiert. Ob er schon vor der Präsidiumssitzung vom 5. Mai angefertigt wurde oder erst danach, muss offen bleiben.

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pa verzögern oder zumindest erschweren und die damit die Erhaltung und die Festigung des Friedens fördern werden.«20 Vermutlich wurde das Plädoyer für die Stärkung der DDR durch einen Bericht des obersten Repräsentanten des sowjetischen Innenministeriums in der DDR, Iwan Fadejkin über die Fluchtwelle aus der DDR ausgelöst, den Innenminister Laurentij Berija den Mitgliedern des Präsidiums der KPdSU am 6. Mai zuschickte.21 Eine Verteidigung der DDR gegen Wiedervereinigungspläne hatte Molotow dabei aber, anders als er später insinuierte,22 nicht im Sinn. Um die Fluchtbewegung zu stoppen, empfahl er dem Präsidium am 14. Mai, Ulbricht und Grotewohl anzuweisen, den Prozess der Kollektivierung zumindest für den Rest des Jahres auszusetzen. Ebenso kritisierte er Ulbrichts Rede vom 5. Mai, in der die DDR als »eine Macht der Arbeiter und Bauern« präsentiert worden war, die »den Aufbau der wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen des Sozialismus« betreibt,23 als ein »politisch irriges« Dokument, das »dem Kampf der DDR und der Sowjetunion für die Wiedervereinigung Deutschlands auf einer friedliebenden und demokratischen Grundlage erheblichen Schaden zufügen kann.« Das Präsidium stimmte beiden Vorlagen zu. Ulbricht wurde aufgefordert, die weitere Verbreitung seiner Rede sofort zu stoppen; Pawel Judin, Semjonows Nachfolger als Politischer Berater der SKK wurde mitgeteilt, dass es ein »schwerwiegender Irrtum« gewesen sei, Ulbricht 20 »Über weitere Maßnahmen der sowjetischen Regierung in der deutschen Frage«, AWP RF f. 06, op. 12, p. 16, d. 259, ll. 48–64, auszugsweise deutsche Übersetzung bei Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 516. 21 Berija an das Präsidium der KPdSU 6.5.1953, Archiv Sluzhby Vnesjnei Razvedki Rossijskoj Federazii (künftig: ASVR), f. 2589, t. 7, d. 3581, ll. 326–328, zitiert bei George Bailey / Sergej A. Kondratschow / David E. Murphy, Die unsichtbare Front. Der Krieg der Geheimdienste im geteilten Berlin, Berlin 1997, S. 203 f., und Kramer, Part 1, S. 23 f. 22 Erstmals auf dem ZK-Plenum vom 2. bis 7.7.1953, Der Fall Berija. Protokoll einer Abrechnung. Das Plenum des ZK der KPdSU, Juli 1953. Stenographischer Bericht, übersetzt und hg. von Viktor Knoll und Lothar Köln, Berlin 1993, S. 77–79; sodann in seinen Erinnerungsinterviews in den 70er Jahren: Feliks Chuev, Sto sorok bezed s Molotovym, Moskau 1991, S. 333–335. Zahlreiche Historiker sind Molotow in dieser Darstellung gefolgt, so Gerhard Wettig, Die beginnende Umorientierung der sowjetischen Deutschlandpolitik im Frühjahr und Sommer 1953, in: Deutschland-Archiv 28 (1995), S. 495–507. 23 Veröffentlicht in: Neues Deutschland vom 7.5.1953.

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nicht stärker unter Kontrolle zu halten und die Moskauer Führung in einer solch bedeutenden Angelegenheit nicht zu konsultieren. Außerdem wurde die Kontrollkommission aufgefordert, über die Gründe für die Fluchtbewegung zu berichten und Vorschläge zu ihrer Eindämmung zu machen.24 In dem Entwurf für die geplante neue Note an die Westmächte, die die deutschlandpolitische Abteilung des Außenministeriums am 13. Mai vorlegte, war das Angebot eines Truppenabzugs vor der Durchführung gesamtdeutscher Wahlen wieder enthalten, zusammen mit dem Vorschlag, »unverzüglich« mit der Ausarbeitung eines Friedensvertrags mit Deutschland zu beginnen und »in allernächster Zeit ein Treffen von Vertretern der USA, Großbritanniens, Frankreichs, und der Sowjetunion zur deutschen Frage durchzuführen.« Eine Friedenskonferenz sollte danach »noch im laufenden Jahr 1953« durchgeführt werden.25 Die Eingangspassagen, die hinsichtlich der Möglichkeit einer Verständigung mit den Westmächten betont optimistisch gehalten waren, wurden – offensichtlich nach einer Intervention Molotows26 – in der Fassung vom 20. Mai durch eine Schuldzuweisung an den Westen ersetzt, verbunden mit der Warnung, die Realisierung der Verträge von Bonn und Paris würde die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf absehbare Zeit unmöglich machen. Das Angebot des Truppenabzugs blieb jedoch bestehen.27

24 »Protokoll Nr. 8 der Sitzung des Präsidiums des ZK der KPdSU vom 14. März 1953«, Tsentr Khraneniya Sovremennoi Dokumentatsii (künftig: TsKhSD), f. 3, op. 10, d. 23, ll. 41–42; Molotows Entwurf zum Stopp der Kollektivierung in AWP RF f. 06, op. 12, p. 18, d. 292, ll. 39 f., beide referiert bei Kramer, Part I, S. 24 f. 25 AWP RF f. 082, op. 41, p. 271, d. 18, ll. 60–70; vgl. Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 525 f. 26 Auf einer ersten Überarbeitung vom 15. Mai findet sich zu einer Passage, die von »Meinungsverschiedenheiten« zwischen den vier Mächten spricht, die sie nicht hindern sollten, neue »Anstrengungen zur Erreichung einer Vereinbarung zu unternehmen« ein Randvermerk, den Semjonow offensichtlich bei oder nach einer Unterredung mit Molotow anfertigte: »Liederlich, schlampig, wieder unnötig, nicht durchdacht; an der Note wurde wenig gearbeitet [...], B[onner] und Par[iser] Verträge zu blass.« – AWP RF f. 092, op. 41, p. 271, d. 18, ll. 71–79, deutsche Übersetzung bei Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 546–549. 27 AWP RF f. 082, op. 41, p. 271, d. 19, ll. 39–49, referiert bei Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 526 f.

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Berija hingegen wurde durch die Nachrichten über die unhaltbaren Zustände in der DDR in seiner Überzeugung bestärkt, dass man jetzt möglichst rasch ein Abkommen mit den Westmächten zustande bringen müsste. Pawel Sudoplatow, damals Chef des Ersten Büros im Ministerium für Staatssicherheit, berichtet, dass er Ende April von Berija beauftragt worden sei, über vertrauliche Kanäle in Bonn und Washington zu sondieren, ob für eine rasche Verständigung über die Wiedervereinigung Deutschlands nicht eine Unterstützung für die Wirtschaft der Sowjetunion zu erlangen sei: »Der Plan Berijas sah einen wiedervereinigten deutschen Staat mit einer Koalitionsregierung vor. Bei der Vereinigung sollten die vier Siegermächte paritätisch mitwirken. Berija ging es aber dabei vorrangig um die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Sowjetunion. Für die Sondierungsgespräche im Westen stellte er folgende Punkte heraus: 1. eine Verlängerung der deutschen Reparationen an die Sowjetunion; 2. ein Wiederaufbauprogramm für Russland, die Ukraine, Weißrussland und das Baltikum; die Kosten sollten westliche Sponsoren, in erster Linie die Deutschen, aufbringen. Es sollten neue Industriebetriebe geschaffen und ein großes Eisenbahn- und Autobahnnetz in die Sowjetunion angelegt werden. Berija dachte an eine technische Hilfe mit deutscher Beteiligung in einer Höhe von zehn Milliarden Dollar. Wenn die Sowjets den illusorischen sozialistischen Aufbau der DDR unterstützen wollten, argumentierte er, müssten sie binnen zehn Jahren nicht weniger als zwanzig Milliarden Dollar investieren, inklusive Belieferung der DDR und Polens mit Rohstoffen und Lebensmitteln. Die schwere Bürde wollte er loswerden. Stattdessen strebte er ein breit angelegtes Wirtschaftsabkommen mit dem Westen an. Dieses Abkommen wollte er durch politische Absprachen mit Amerika, England und Frankreich unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen absegnen lassen.«28

Ob Berija tatsächlich am zuständigen Außenministerium vorbei vertrauliche Kontakte zu den Westmächten aufnahm, kann mangels hinreichender archivalischer Evidenz nicht mit letzter Bestimmtheit gesagt werden. Dafür spricht immerhin das von 28 Zeugnis Sudoplatows, aufgezeichnet von Lew Besymenski, 1953 – Berija will die DDR beseitigen, in: Die Zeit vom 5.10.1993, S. 81–83. Vgl. auch die Versionen in Pavel Sudoplatov / Anatoly Sudoplatov, Special Tasks, Boston 1994, S. 363 f., sowie Pavel Sudoplatov, Razvedka I Kreml’. Zapiski neželatel’nogo svidetelja, Moskau 1996, S. 403–416.

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Sudoplatow unabhängige Zeugnis von Berijas Sohn Sergo, der berichtet, sein Vater sei davon überzeugt gewesen, »dass die Wiedervereinigung noch vor Ende des Jahre stattfinden würde, auf Initiative der Sowjetunion«; er habe »bereits entsprechende Signale in die westlichen Länder gesandt.«29 In die gleiche Richtung weisen die im Außenministerium dokumentierten Nachfragen Berijas nach dem möglichen deutschlandpolitischen Kurs einer SPD-Regierung nach der bevorstehenden Bundestagswahl. Mit der Antwort des »kleinen Informationskomitees« des Außenministeriums, auch eine SPD-Regierung würde den auf Konsolidierung der Teilung ausgerichteten Westkurs fortsetzen, gab er sich nicht zufrieden; vielmehr verlangte er eine genauere Überprüfung der Situation.30 Valentin Falin, der sich in seinen Memoiren als Verfasser des Gutachtens des Informationskomitees zu erkennen gibt, fügt hinzu, »Berijas Interesse an derartigen Recherchen« sei »nicht platonischer Natur« gewesen: »Er bereitete den Boden für die Fortsetzung der diplomatischen Offensive vom März 1952. Entsprechende Anweisungen wurden von Berija bereits Ende April 1953 erlassen.«31 Bei späteren Annäherungsversuchen, etwa im Zuge der ›Neuen Ostpolitik‹ zu

29 Sergo Beriia, Moi otets – Lavrentii Beriia, Moskau 1994, S. 361; auch in französischer Übersetzung: Beria mon père. Au cœur du pouvoir stalinien, Paris 1999, S. 366. Dass Sergo Berija Berichten über die sofortige Erschießung seines Vaters nach der Verhaftung am 26. Juni 1953 glaubt (ebd. S. 378), berechtigt noch nicht dazu, sein Zeugnis als generell unzuverlässig abzuqualifizieren (so Gerhard Wettig, Berijas deutsche Pläne im Lichte neuer Quellen, in: Kleßmann / Stöver, 1953, S. 49–69, hier S. 63). Sergo Berijas Behauptung, dass sich Molotow einer Initiative zur Beendigung der Besatzung Österreichs widersetzte (Beria mon père, S. 365), wird durch einen Briefwechsel zwischen Malenkow und Molotow im Mai/Anfang Juni 1953 bestätigt; vgl. Zubok, Unverfroren, S. 34, zum Quellenwert der Erinnerungen von Sergo Berija generell das Vorwort von Françoise Thom zur französischen Übersetzung, S. 7–14, sowie die durchgehende Kommentierung in der französischen Ausgabe. 30 Die beiden Antworten des Informationskomitees erfolgten am 21. Mai bzw. 5. Juni; mitgeteilt bei Vladislav Zubok, Soviet Intelligence and the Cold War: The »Small« Committee of Information 1952–53, in: Diplomatic History 19 (1995). S. 453–472. 31 Berijas Zielsetzung beschreibt er unabhängig von Sudoplatow in ähnlicher Weise: »Aus indirekten Angaben schließe ich, dass man neben einem akzeptablen militärischen Status Deutschlands die großen ökonomischen Vorteile im Auge hatte«: Valentin Falin, Politische Erinnerungen, München 1993, S. 314–316.

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Beginn der 70er Jahre, spielten sowjetische Geheimdienstinitiativen nachweislich eine wichtige Rolle.32 Dagegen kann kein Zweifel sein, dass der vorerst stärkste Mann in der sowjetischen Führungsriege nach Stalins Tod tatsächlich energischer auf eine Einigung der vier Mächte in der deutschen Frage zusteuerte als etwa Molotow. Dies belegen die Berichte, die Molotow und Chruschtschow nach Berijas Sturz am 26. Juni auf dem Plenum des Zentralkomitees der KPdSU vom 2. bis 7. Juli gaben, sowie die partiellen Eingeständnisse, die Berija und Ministerpräsident Georgij Malenkow später formulierten. Nach Molotow hat Berija im Präsidium des Ministerrats davon gesprochen, »dass man sich nicht mit dem Aufbau des Sozialismus in Ostdeutschland beschäftigen müsse, dass es genügen würde, wenn sich West- und Ostdeutschland als bürgerlicher friedliebender Staat vereinigten.« Berija habe darauf bestanden, »dass wir auf den Kurs zur Festigung der volksdemokratischen Ordnung, der zum Sozialismus führt, in der DDR verzichten.« Chruschtschow zufolge forderte er, »ein neutrales demokratisches Deutschland [zu] schaffen«, und kündigte an: »Wir werden einen Vertrag abschließen.«33 Berija bekannte unmittelbar nach seiner Verhaftung in einem Schreiben vom 1. Juli 1953 an Molotow, er habe »bei der Diskussion über die deutsche Frage unzulässige Grobheit und Unverschämtheit gegenüber den Genossen Chruschtschow und Bulganin« an den Tag gelegt; hier sei er »ohne Frage schuldig.«34 Und Malenkow gab am 31. Januar 1955, als es um seine eigene Entmachtung ging, vor dem Zentralkomitee zu, »dass ich mich irrte, als ich im April oder Mai [1953] bei der Diskussion über die deutsche Frage glaubte, 32 Vgl. die Zeugnisse von Wjatscheslaw Keworkow und Egon Bahr in: Wjatscheslaw Keworkow, Der geheime Kanal. Moskau, der KGB und die Bonner Ostpolitik, Berlin 1995. 33 Fall Berija, S. 78, 80 bzw. 66. Nach Gromyko, der damals als einer der Stellvertretenden Außenminister keinen Zugang zu den Sitzungen des Präsidiums hatte, soll Berija seine Verachtung für die DDR sogar noch deutlicher zum Ausdruck gebracht haben: »Die DDR? Was bedeutet sie schon, diese DDR? Sie ist nicht einmal ein richtiger Staat. Sie wird nur durch sowjetische Truppen aufrechterhalten, auch wenn wir sie Deutsche Demokratische Republik nennen.« – Andrej Gromyko, Memories, London 1989, S. 316. 34 AP RF f. 3, op. 24, d. 463, ll. 163–174, veröffentlicht in: Istoschnik, N° 4 (1994), S. 4–8, englische Übersetzung in: Ostermann, Uprising, S. 155–157.

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[...] man hätte in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands nicht die Aufgabe der Entwicklung des Sozialismus im Demokratischen Deutschland stellen sollen.«35 Es kann jedoch keine Rede davon sein, dass Berija bei seinem Drängen auf rasche Schritte zur Wiedervereinigung eine ›Abfuhr‹ erteilt worden sei, wie die Sieger im innerparteilichen Machtkampf nach seiner Verhaftung aus verständlichen Gründen glauben machen wollten.36 Molotow berichtete dem ZK-Plenum am 2. Juli 1953, Berija habe im Präsidium des Ministerrats einen Beschlussentwurf eingebracht, in dem der »von der Deutschen Demokratischen Republik eingeschlagene, auf den Aufbau des Sozialismus gerichtete Kurs« als »unter den heutigen Bedingungen fehlerhaft« verurteilt und verlangt worden sei, »zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf den Kurs zum Aufbau des Sozialismus in der DDR zu verzichten.« Dank seiner, Molotows, Intervention sei das Adjektiv »beschleunigt« vor den Begriff »Aufbau des Sozialismus« eingefügt worden, und so habe das Präsidium in seinem Beschluss vom 27. Mai 1953 nur den »auf den beschleunigten Aufbau des Sozialismus gerichteten Kurs« kritisiert.37 Tatsächlich übermittelte Berijas Innenministerium dem Direktor der deutschlandpolitischen Abteilung des Außenministeriums, also Semjonow, schon am 15. Mai eine Reihe von Vorschlägen, wie der Fluchtbewegung aus der DDR zu begegnen sei: Vorerst sollten keine landwirtschaftlichen Genossenschaften mehr eingerichtet werden, es sollte für eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern gesorgt werden, die Intelligenz sollte mit besserem Wohnraum versorgt werden. Die »Praxis der Massenverhaftungen und Repression breiter Gruppen der zur Verantwortung Gezogenen« sollte aufgegeben werden, es sollte geprüft werden, wie weit Amnestien möglich seien, im Kampf gegen die Kirchen sollte auf »administrative und repressive Maßnahmen« verzichtet werden. Zur Erläuterung wurde angeführt, dass die Massenflucht »zu einem gewissen Grade« 35 Stenographischer Bericht des Plenums des ZK der KPdSU 31.1.1955, in: TsKhSD f. 2, op. 1, d. 127, ll. 65 f., englische Übersetzung in: Cold War International History Project Bulletin 10 (1998), S. 34–37, hier S. 35. 36 So die Formulierung von Bulganin, Fall Berija, S. 101; ähnlich Gromyko, Memories, S. 316. 37 Fall Berija, S. 79.

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auf die SED-Politik des »Aufbaus der Grundlagen des Sozialismus« zurückzuführen sei.38 Ob Berija in der Präsidiumssitzung selbst einen weitergehenden Entwurf vorlegte, kann nicht mit letzter Bestimmtheit gesagt werden. Chruschtschow und Semjonow behaupten dies in ihren Memoiren allerdings ebenfalls, letzterer mit dem Zusatz, sein eigener Entwurf sei auf einen Wink Molotows in der Tasche geblieben.39 Sergo Berija will wissen, dass sein Vater die Gefahr eines »Aufstands in der DDR« beschworen und dadurch erreicht habe, dass das Präsidium einer Einbestellung der SED-Führung zustimmte. Die Entscheidung, Deutschland wiederzuvereinen, sei getroffen worden. »Ulbricht sollte kaltgestellt werden.«40 Semjonow berichtet, die Anwesenden hätten die Annahme des BerijaEntwurfs gefordert. Chruschtschow erinnert sich, über das Dokument sei »nicht wirklich abgestimmt« worden.41 Tatsächlich beschloss das Präsidium am 27. Mai die Einbestellung der SEDFührer nach Moskau.42 Gleichzeitig wurden Molotow, Berija und Malenkow gemeinsam beauftragt, einen Beschlussentwurf zum weiteren Kurs der SED-Führung auszuarbeiten.43

38 Memorandum »Über die Frage der Vorbeugung der Flucht von DDR-Einwohnern nach Westdeutschland«, Innenministerium an Semjonow 15.5.1953, AWP RF f. 0742, op. 41, p. 271, d. 92, ll. 99–102, englische Übersetzung bei Ostermann, Uprising, S. 97–99. 39 »Chruschtschow gab Berija das Wort. Dieser holte ohne Eile, als ob er der Herr im Hause sei, aus seiner Jackentasche ein Papier, setzte seine Brille auf und verlas seinen eigenen Entwurf zur Deutschlandpolitik«: Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 291. Nach Chruschtschow legten »Berija und Malenkow« gemeinsam »ihr Dokument« vor: N. S. Chruschtschow, Vospominaniia. Vremya. Lyudi, Vlast, Bd. 2, Moskau 1999, S. 161. 40 Beria mon père, S. 366. 41 Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 291; Chruschtschow, Vospominaniia 2, S. 161. 42 Das SED-Politbüro-Mitglied Rudolf Herrnstadt berichtet von einer Abreise der SED-Delegation nach Moskau in den letzten Maitagen: Rudolf Herrnstadt, Das Herrnstadt-Dokument. Das Politbüro der SED und die Geschichte des 17. Juni 1953, Reinbek 1990, S. 57. 43 Nach dem Entwurf einer »Entscheidung« für das Präsidium des Ministerrats waren auch Bulganin und Chruschtschow als Mitglieder vorgesehen. Molotow berichtete jedoch später nur von drei Mitgliedern (Sto sorek, S. 334), und in den Dokumenten ist neben den Anmerkungen Molotows nur die Handschrift Berijas zu finden; vgl. Kramer, Part I, S. 28 f.

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Die Vorlage wurde danach, wie es der Geschäftsverteilung im Regierungsapparat entsprach, im Außenministerium zusammengestellt. Spätestens am 31. Mai lag ein erster Entwurf vor, angefertigt von Semjonow. Darin wurde der »unter den gegenwärtigen Bedingungen falsche Kurs auf den forcierten Aufbau des Sozialismus in der DDR« als »Hauptursache der ungünstigen Lage in der DDR« bezeichnet. Es wurde verlangt, von diesem Kurs »Abstand zu nehmen.« Über die bereits im Berija-Papier vom 15. Mai verlangten Maßnahmen hinaus wurde vorgeschlagen, ganz auf die Schaffung weiterer Produktionsgenossenschaften auf dem Land zu verzichten, die Maßnahmen gegen die »kapitalistischen Elemente« zurückzunehmen und diese mit Steuererleichterungen und Krediten zu unterstützen, der DDR wirtschaftliche Hilfe zukommen zu lassen und »Unzulänglichkeiten im Besatzungsregime« zu beseitigen. Außerdem sollte die SED angewiesen werden, »beim Aufstellen von politischen und wirtschaftlichen Losungen [...] die derzeitige Etappe in der Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik und die Aufgabe des Kampfes um die Einheit Deutschlands zu berücksichtigen.«44 Ob Berija vor dieser schriftlichen Fixierung tatsächlich versucht hat, eine Verurteilung des Aufbaus des Sozialismus ohne den Zusatz »forciert« durchzusetzen, muss offen bleiben.45 Aus der Vorgeschichte ergibt sich aber eindeutig, dass dies keine gegen Berija gerichtete »Vorlage Molotows«46 war. Die Initiative zum »Neuen Kurs«, der der SED-Führung verordnet wurde, ging von Berija aus. Ein erster Vorschlag zu Maßnahmen gegen die 44 »Beschluss des Ministerrates der UdSSR. Über die Lage in der DDR«, AWP RF f. 06, op. 12, p. 16, d. 263, ll. 9–15, in deutscher Übersetzung veröffentlicht bei Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 543–546. Der Entwurf trägt kein Datum. Die Datierung ergibt sich aus dem Folgedokument vom 1.6.1953; siehe Anm. 49. 45 In einer zeitnahen Aufzeichnung berichtet Molotow, er habe Berija telefonisch auf die Einschränkung »beschleunigter Aufbau« verpflichten können: V. P. Naumov, Byl li zagovor Berii? Novye dokumenty o sobytijach 1953g., in: Novaja i novejšaja istoija 5/1998, S. 23. In den Gesprächsaufzeichnungen der 70er Jahre nichts weiß er nichts mehr von einer Vorlage Berijas im Präsidium und berichtet stattdessen von vergeblichen Versuchen Berijas, die Streichung des Beiworts »forciert« in einem von ihm vorbereiteten Dokument durchzusetzen: Sto sorek, S. 333 f. 46 So Wettig, Berijas deutsche Pläne, S. 57.

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Fluchtbewegung, die die Sowjetische Kontroll-Kommission am 18. Mai nach Moskau übermittelt hatte, beschränkte sich auf Maßnahmen wie die Stärkung der Produktivität der Produktionsgenossenschaften und die ›Differenzierung‹ zwischen großen und kleinen Kapitalisten. Die Rücknahme von ›Exzessen‹« gegen Mitglieder der ›Jungen Gemeinde‹ wurde angemahnt und die Beachtung von ›Gesetzmäßigkeit‹ bei Verhaftungen; gleichzeitig sollten aber auch ein Austausch der Pässe sowie eine Zutrittskontrolle nach Berlin das Schlupfloch West-Berlin stopfen.47 Die Formulierung Semjonows, nach der die SED-Führung sowohl die »derzeitige Etappe in der Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik« als auch »die Aufgabe des Kampfes um die Einheit Deutschlands zu berücksichtigen« habe, genügte, wie es scheint, weder Berija noch Molotow. Semjonow ersetzte sie daher handschriftlich durch den weit komplexeren Satz: »Im Zusammenhang damit, dass gegenwärtig und für die nächste Zeit die Aufgabe des politischen Kampfes für die Wiederherstellung der nationalen Einheit Deutschlands und für den Abschluss eines Friedensvertrages in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der breiten Massen des deutschen Volkes sowohl in der DDR als auch in Westdeutschland zu stellen ist, aber auch der Tatsache Rechnung tragend, dass es notwendig ist, die politische und wirtschaftliche Lage in der DDR zu festigen und den Einfluss der SED unter den breiten Massen der Arbeiter und der anderen demokratischen Schichten in Stadt und Land bedeutend zu stärken, ist die in letzter Zeit durchgeführte Propaganda über die Notwendigkeit des Übergangs der DDR zum Sozialismus, die die Parteiorganisationen der SED zu unzulässig vereinfachten und hastigen Schritten auf politischem Gebiet als auch auf wirtschaftlichem Gebiet treibt, als unrichtig zu betrachten.«48

Das verriet immer noch unterschiedliche Intentionen, brachte die Interessen Berijas aber deutlicher zur Sprache als der erste Entwurf. 47 Tschuikow / Judin / Il’ichew an Malenkow 18.5.1953, AP RF f. 3, op. 64, d. 802, ll. 124–144, englische Übersetzung in Ostermann, Uprising, S. 100–109. Dass alle Vorschläge des Entwurfs vom 31. Mai bereits in den Memoranden vom 15. und 18. Mai enthalten gewesen seien (so Jochen Laufer, Volksaufstand gegen die Siegermacht? Die Sowjetunion und der 17. Juni 1953, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 23/2003, S. 26–32, hier S. 31), trifft nicht zu. 48 Deutsche Übersetzung bei Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 523 f.

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Am 1. Juni zeichnete Molotow einen weiteren Entwurf ab, der die »äußerst unbefriedigende politische und wirtschaftliche Lage« in der DDR wesentlich umfassender und detaillierter beschrieb, die bislang vorgeschlagenen Maßnahmen zur Besserung der Versorgungslage und Entfaltung der Selbständigen durch »Maßnahmen zur Stärkung der Gesetzlichkeit und der Gewährung der Bürgerrechte« ergänzte und erstmals auch die Einstellung der »Repressalien gegenüber der Kirche und den Geistlichen« verlangte. Außerdem wurde die deutschlandpolitische Zielsetzung der Kurskorrektur noch stärker hervorgehoben. Eingangs wurde erklärt, die ›empfohlenen‹ Maßnahmen dienten »zur Gesundung der politischen Lage in der DDR und zur Stärkung unserer Positionen sowohl in Deutschland selbst als auch in der Deutschlandfrage auf der internationalen Ebene und zur Sicherstellung und Ausbreitung der Basis einer Massenbewegung für die Schaffung eines einheitlichen, demokratischen, friedliebenden unabhängigen Deutschlands.« Zum Schluss wurde noch einmal unterstrichen, »dass die politische und wirtschaftliche Lage der DDR einer der wichtigsten Faktoren nicht nur bei der Lösung der allgemeinen Deutschlandfrage, sondern auch bei der friedlichen Lösung der hauptsächlichen internationalen Probleme ist«, und der »Kampf für die Vereinigung Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage« wurde als »gegenwärtige Hauptaufgabe« bezeichnet. Sodann wurden, wie Berija es vorgeschlagen hatte, »gemeinsame Aktionen« mit den Sozialdemokraten empfohlen.49 Bevor dieser Text dem Präsidium des Ministerrats zur Beschlussfassung vorlegt wurde, wurde er noch, augenscheinlich durch Berija,50 um den Passus ergänzt, den Semjonow am 31. Mai in den Vorgängertext eingefügt hatte. Grammatikalisch vereinfacht hieß es jetzt: »Die bis jetzt durchgeführte Propaganda über die Notwendigkeit des Übergangs der DDR zum Sozialismus ist als unrichtig zu betrachten.« Am 2. Juni wurde der Text als »Verfügung des Ministerrats« beschlossen und von Malenkow 49 »Über Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der DDR«, gez.1.6.1953 Molotow, AWP RF, f. 06, op. 12, p. 16, d. 263, ll.18–24 50 Auf dem archivierten Exemplar befinden sich handschriftliche Markierungen von Molotow und Berija; so Kramer, Part I, S. 29.

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als dessen Vorsitzenden in Kraft gesetzt.51 Noch am gleichen Tag wurde er der SED-Delegation, bestehend aus Walter Ulbricht, Otto Grotewohl und Fred Oelßner (letzterer als Übersetzer), die unterdessen eingetroffen war, in einer deutschen Übersetzung vorgelegt.52 An den Verhandlungen mit den SED-Führern nahmen alle Mitglieder des Präsidiums des Ministerrats und auch Chruschtschow teil, und alle verlangten von der SED-Führung, ihren Kurs »rasch und kräftig [zu] korrigieren.«53 Malenkow begründete die Notwendigkeit der umfassenden Kehrtwende einleitend mit einer drastischen Erinnerung an die deutschlandpolitische Prioritätensetzung: Der Verzicht »auf den Kurs der Forcierung des Aufbaus des Sozialismus in der DDR« sei notwendig, weil die Wiedervereinigung Deutschlands »das wichtigste Problem der ganzen internationalen Situation« sei; ohne die Wiedervereinigung drohe nicht nur eine »forcierte Militarisierung Westdeutschlands«, sondern auch »in einer bestimmten Etappe die direkte Kriegsauslösung.« Eine Vereinigung Deutschlands sei aber »unter heutigen internationalen Bedingungen unserer Meinung nach nur auf der Basis« möglich, »dass Deutschland eine bürgerlich-demokratische Republik sein wird.« Der Kurs auf den forcierten Aufbau des Sozialismus bedeute daher »Kurs auf den dritten Weltkrieg«. Es sei dringend 51 »Über Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der DDR«, AP RF, f. 3, op. 64, d. 802, ll. 154–161, die Verfügung des Ministerrats vom 2.6.1952 ebd. l. 153, englische Übersetzung in Ostermann, Uprising, S. 133–136. Ob es zuvor einen formellen Beschluss des Präsidiums gegeben hat, ist unklar; wahrscheinlich fehlte dazu die Zeit. Dagegen ist angesichts der Datierung des von Molotow am 1. Juni unterzeichneten Dokuments auszuschließen, dass der Beschluss bereits in der Präsidiumssitzung vom 27. Mai gefasst wurde, wie Molotow auf dem ZK-Plenum am 2. Juli 1953 behauptete und auch Wettig, Berijas deutsche Pläne, S. 57 f. in Auseinandersetzung mit Scherstjanoi, sowjetische Deutschlandpolitik, S. 523 meint. 52 Ein Exemplar befindet sich im Nachlass Grotewohls, SAPMO-BA, NY 4090/ 699, Bl. 27–33, veröffentlicht in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 32 (1990), S. 651–654. Eine stilistisch überarbeitete Fassung, die offensichtlich von Fred Oelßner angefertigt wurde (Rudolf Herrnstadt zitierte daraus in der Sitzung des SED-Politbüros vom 6.6.1953), wurde ohne Quellenangabe veröffentlicht in: Peter Przybylski, Tatort Politbüro. Die Akte Honecker, Berlin 1991, S. 241–248. Vgl. die quellenkritischen Bemerkungen bei Elke Scherstjanoi, »Wollen wir den Sozialismus?« Dokumente aus der Sitzung des Politbüros des ZK der SED am 6. Juni 1953, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 33 (1991), S. 658–680. 53 So Berija laut Notizen Otto Grotewohls zu den Gesprächen vom 2. bis 4. Juni 1953 , SAPMO-BA, NY 4090/699, Bl. 33–38.

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notwendig, Kurs zu nehmen »auf die Vereinigung Deutschlands als einem bürgerlich-demokratischen Staat unter bestimmten Bedingungen seiner Umwandlung in ein friedliches demokratisches Land.« Abschließend hob Molotow eine Maßnahme besonders hervor: »wesentliche Korrekturen« der deutschen Genossen »in ihrer Taktik in Bezug auf die Sozialdemokraten«, die durchaus »zur Macht gelangen könnten.«54 Als die Besprechung am Vormittag des 3. Juni fortgesetzt wurde, unterstrich auch Molotow die deutschlandpolitische Dimension der Kurskorrektur: »So viele Fehler«, notierte Grotewohl bei seinen Ausführungen, »darum so korrigieren, dass ganz Deutschland es sieht.«55 Der Entwurf eines ZK-Beschlusses der SED, den Ulbricht, Grotewohl und Oelßner nach der drastischen Zurückweisung einer ersten Version durch die Sowjetführer verfassten (Berija: »Das Dokument könnt ihr wieder mitnehmen«, Kaganowitsch: »Unser Dokument ist Revolution, eures ist Reform«56), stellte schließlich ohne Umschweife fest: »Die Hauptaufgabe in der gegenwärtigen Zeit ist der Kampf um die nationale Vereinigung Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage. Die Erfüllung dieser Aufgabe erfordert, die ökonomischen und politischen Maßnahmen in der DDR dieser zentralen Aufgabe unterzuordnen.«57

Der Konflikt zwischen Berija und Molotow betraf also nicht das Ziel der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands (wozu Verhandlungen mit den Westmächten nach Lage der Dinge unabdingbar waren) sondern nur die Methoden, mit denen dieses Ziel verfolgt wurde: Während Molotow vornehmlich auf die ›Entlarvung‹ des ›aggressiven‹ Charakters der Politik der Westmächte 54 Redemanuskript Malenkows für die erste Besprechung mit der SED-Delegation am 2.6.1953, aus dem Nachlass Malenkows ermittelt von Aleksej Filitov. Vgl. den vollständigen Wortlaut in diesem Band, Dokumente II, S. 301–304. 55 Notizen Grotewohls, Bl. 35. 56 ebd. Grotewohl zitiert Kaganowitsch mit dem Begriff »Wendung« (unterstrichen). Aus dem Kontext ergibt sich, dass er tatsächlich den Begriff »Perevorot« benutzte. Chruschtschow berichtete vor dem ZK-Plenum am 2. Juli, dass »Berija den Genossen Ulbricht und andere deutsche Genossen derart anschrie, dass es schon peinlich war«; Fall Berija, S. 67. 57 Entwurf »Beschluss des ZK der SED«, in: SAPMO-BA, DY 30, J IV 2/2/286, Bl. 28. Ulbricht präzisierte handschriftlich: »nationale Wiedervereinigung«.

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setzte, dabei aber nicht mit kurzfristigen Erfolgen rechnete, drängten Berija und Malenkow auf einen raschen Abschluss mit den Westmächten und hatten dabei auch die Glaubwürdigkeit der politischen Praxis in der DDR im Blick. Bei der Vorbereitung einer neuen Noteninitiative wie bei der Anordnung der Kehrtwende in der SED-Politik überwogen die Anschauungen Berijas und Malenkows; Molotow passte sich flexibel an. Angesichts der Machtverhältnisse in der ersten Nach-Stalin-Phase, in der Berija mit Erfolg eine Stärkung der Staatsorgane auf Kosten der Parteigremien betrieb, konnte es auch nicht anders sein. Die Bereitschaft der sowjetischen Führung, sich auf eine Verständigung über ein Deutschland einzulassen, das keinem der beiden Blöcke angehörte, war folglich Anfang Juni 1953 größer als je zuvor.58

III. Die Entwicklung, die sich hier anbahnte, war umso Erfolg versprechender, als zur gleichen Zeit auch der britische Premierminister Winston Churchill auf einen Ausgleich in der Deutschlandfrage zusteuerte. Der letzte Überlebende der ›Großen Drei‹ des Zweiten Weltkriegs war seit langem von der Notwendigkeit überzeugt, auf die Eindämmung kommunistischer Expansion, für die er sich seit Kriegsende stark gemacht hatte, eine Verständigung mit der Sowjetunion über eine dauerhafte Friedensregelung folgen zu lassen. Nach seiner Rückkehr an die Regierung im Oktober 1951 hatte ihn aber zunächst die Skepsis gebremst, ob eine solche Verständigung mit dem alternden Stalin zu erzielen war. Mit dem Auftreten der neuen Führungsmannschaft in Moskau sah er die Gelegenheit zu einem umfassenden Ausgleich endlich gekommen. Sie zu ergreifen, schien ihm umso mehr geboten, als er nicht sicher war, ob die neue amerikanische Administration unter General Eisenhower der ›roll-back‹-Rhetorik des Wahlkampfs nicht Taten folgen lassen würde. Die Gefahr eines 58 Wettig, der dies nicht wahrhaben will, verlässt sich in seinen Darstellungen (Berijas deutsche Pläne, passim; ders., Bereitschaft, S. 235–247) ganz auf die nachträglichen Berichte über die ›Abfuhr‹, die Berija erteilt worden sei, und geht großzügig über alle Bekundungen der Priorität der nationalen Vereinigung in den internen Argumentationstexten hinweg.

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amerikanischen Präventivschlags auf der Grundlage des Vorsprungs in der Entwicklung der Wasserstoff-Bombe beschäftigte ihn jedenfalls sehr. Im Übrigen sah er natürlich, dass eine Entspannung Voraussetzung für die Behauptung der britischen Großmachtrolle war; und es faszinierte ihn auch die Vorstellung, nunmehr 78 Jahre alt, als Friedensarchitekt in die Geschichte eingehen zu können. Beim Nachdenken über die Konturen eines Ausgleichs zwischen Ost und West kam ihm in den Sinn, dass dabei elementare Sicherheitsinteressen der Sowjetunion gewahrt sein mussten, und das führte ihn dazu, »die Möglichkeit eines wiedervereinigten und neutralisierten Deutschlands« ernsthaft ins Auge zu fassen.59 Eine Neutralisierung Deutschlands unter Anerkennung der OderNeiße-Grenze schien ihm nicht nur die einzige Form, in der eine Wiedervereinigung für die Sowjetunion akzeptabel sein würde; je länger er darüber nachdachte, für desto unausweichlicher hielt er sie auch, um einen gefährlichen Unruheherd in der Mitte Europas zu beseitigen. »Nichts wird das deutsche Volk von der Wiederherstellung seiner Einheit abhalten können«, schrieb er Anfang Juli 1953 an seinen Außenminister.60 Die Gefahr eines Abdriftens eines neutralisierten Deutschlands in den sowjetischen Machtbereich, die mit Adenauer unterdessen auch die meisten Experten in den westlichen Außenministerien an die Wand malten, sah er absolut nicht als gegeben an: Dagegen stand nach seiner Überzeugung die abgrundtief antikommunistische Einstellung der Deutschen, die durch die Erfahrung mit sowjetischer Besatzung und kommunistischer Herrschaftspraxis in der Ostzone noch bestärkt worden war. Unmittelbar nach den ersten Kooperationsofferten der neuen sowjetischen Führer am 9. März gab er Eisenhower gegenüber seine Hoffnung zum Ausdruck, dass nun im Kalten Krieg die Zeit gekommen sei, »das Blatt zu wenden«, und regte dazu ein Treffen mit den Stalin-Erben auf Spitzenebene an.61 Als dieser 59 Wie er seinem Mitarbeiter Pierson Dixon am 16.5.1953 sagte: Aktennotiz Dixons 19.5.1953, zit. n. Josef Foschepoth, Churchill, Adenauer und die Neutralisierung Deutschlands, in: Deutschland-Archiv 17 (1984), S. 1286–1301, hier S. 1292. 60 Churchill an Salisbury 6.7.1963, zit. n. ebd. 61 Churchill an Eisenhower 11.3.1953, zit. n. Peter G. Boyle (Hg.), The Churchill-Eisenhower Correspondence, 1953–55, Chapel Hill/N.C. 1990, S. 31.

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zögernd reagierte, drohte er ihm in der dritten Aprilwoche an, notfalls auch allein die Initiative zu ergreifen und zu einer ersten Vorklärung nach Moskau zu reisen. Am 11. Mai sprach er sich in einer Unterhausrede öffentlich für die Einberufung einer Gipfelkonferenz »in kurzer Frist« aus und deutete zugleich an, wie er sich eine Friedensregelung vorstellte: »Das ungeheure Problem, die Sicherheit Russlands mit der Freiheit und Sicherheit Westeuropas in Einklang zu bringen« sei »nicht unlösbar«; Russland habe »ein Recht darauf, sichergehen zu können, dass sich die furchtbaren Geschehnisse der Hitlerinvasion nie wiederholen und dass Polen ein befreundeter Staat bleibt«; dazu sollte der Grundgedanke des Locarno-Vertragswerks von 1925 aufgegriffen werden, bei dem Großbritannien den Frieden zwischen Frankreich und Deutschland garantiert hatte.62 Frankreichs Ministerpräsident René Mayer regte daraufhin, um bei dem sich anbahnenden Ost-West-Dialog nicht zu kurz zu kommen, ein vorbereitendes Gipfeltreffen der drei Westmächte an; und Eisenhower stimmte dem am 21. Mai zu.63 Im Politbüro der SED löste das Verlangen nach komplettem Kurswechsel Verwirrung, Selbstkritik und eine Offensive gegen die bisherige Vormachtstellung Ulbrichts aus. Am 6. Juni wurde der in Moskau formulierte Entwurf einer ZK-Erklärung einstimmig angenommen. Fred Oelßner und Wilhelm Zaisser verlangten eine darüber hinausgehende »Generalüberprüfung der gesamten Politik« und sprachen dabei ohne weitere Umschweife die »Diktatur Ulbrichts« mit Hilfe des Politbüro-Sekretariats an.64 Rudolf Herrnstadt sprach von einer »neuen Chance« hinsichtlich »der entscheidenden Frage, der Deutschlandfrage« und kritisierte, »dass unsere Politik den realen Möglichkeiten der friedlichen Lösung der Deutschlandfrage nicht gerecht wurde, ja, ihre Ausnutzung unmöglich machte.« Man sei »von einem irrea62 House of Commons, Parl. Deb. 11.5.1953, Sp. 883–898. 63 Vgl. Klaus Larres, Großbritannien und der 17. Juni 1953. Die deutsche Frage und das Scheitern von Churchills Entspannungspolitik nach Stalins Tod, in: Kleßmann / Stöver, 1953, S. 155–179, hier S. 166–169. 64 Vgl. das Protokoll Nr. 33/53, 6.6.1953 sowie die handschriftlichen Notizen Grotewohls zu dieser Sitzung, BA-SAPMO DY 30, J IV 2/2/287, veröffentlicht bei Elke Scherstjanoi, Sozialismus, S. 668–671; die Zitate aus dem Nachlass Oelßner (SAPMO-BA, NY 215/111) und den Aufzeichnungen Herrnstadts (HerrnstadtDokument S. 64.).

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len, metaphysischen« Ausgangspunkt ausgegangen, »der etwa so aussah: Wir bauen den Sozialismus auf, die Deutschlandfrage regelt sich inzwischen auf irgend eine Weise allein, oder, wenn sie das nicht tut, wird sie letzten Endes von den Bajonetten der Sowjetarmee geregelt.«65 Für den Gang der Auseinandersetzung im Politbüro der SED ist es bezeichnend, dass Herrnstadt mit der Redaktion des Kommuniqués beauftragt wurde, mit dem der ›Neue Kurs‹ bekannt gegeben werden sollte. Der Text, der am 9. Juni gebilligt und am 11. Juni im »Neuen Deutschland« veröffentlicht wurde, kündigte nicht nur Punkt für Punkt alle Maßnahmen an, die das Präsidium des sowjetischen Ministerrats in seinem Dokument vom 2. Juni gefordert hatte, sondern bekannte auch, »dass seitens der SED und der Regierung der DDR in der Vergangenheit eine Reihe von Fehlern begangen wurden«, und begründete die Kurskorrektur mit der Priorität der Wiedervereinigung: »Das Politbüro hat bei seinen Beschlüssen das große Ziel der Herstellung der Einheit Deutschlands im Auge, welches von beiden Seiten Maßnahmen erfordert, die die Annäherung der beiden Teile Deutschlands konkret erleichtern.«66

Semjonow, der noch vor der Ankunft der SED-Delegation in Moskau mit dem neuen Amt eines Hohen Kommissars der UdSSR in Deutschland betraut worden war und in dieser Eigenschaft an den Sitzungen teilnahm, in denen das SED-Politbüro auf den »Neuen Kurs« eingeschworen wurde, betonte seine deutschlandpolitische Zielsetzung noch stärker: Die Beschlüsse, ließ er in der »Täglichen Rundschau« vom 13. Juni kommentieren, hätten »große internationale Bedeutung. Sie sind auf das große Ziel der Wiedervereinigung des deutschen Volkes in einem geeinten nationalen deutschen Staat ausgerichtet. In den Beschlüssen der Regierung der DDR kommt der gute Wille und der Wunsch zum Ausdruck, in nächster Zeit entscheidende Fortschritte im Kampf für die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands, für die Schaffung eines geeinten, souveränen und wirt65 Ausführungen Herrnstadts, Anlage zum Protokoll Nr. 33/53 ebd., veröffentlicht bei Scherstjanoi, Sozialismus, S. 671–674. 66 Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd. 4, Berlin 1954, S. 428–431.

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schaftlich starken deutschen demokratischen Staates zu erzielen.«67 In den nächsten Tagen gingen sowohl die Orientierung am Ziel der Wiedervereinigung als auch die Demontage Ulbrichts weiter. Politbüro-Mitglied Hans Jendretzky bedeutete seinem Mitarbeiter Heinz Brandt, Ulbricht sei »jetzt nur noch dem Namen nach Generalsekretär der Partei; er ist seiner Führungsmacht beraubt worden.«68 Herrnstadt formulierte unter Mithilfe von Heinrich Rau ein umfassendes Dokument zur Neuorientierung, das dem Zentralkomitee vorgelegt werden sollte. Darin wurden weitere Maßnahmen zur »baldigen Herstellung eines einheitlichen, demokratischen, fortschrittlichen Deutschlands« verlangt: »Es geht darum, eine Deutsche Demokratische Republik zu schaffen, die für ihren Wohlstand, ihre soziale Gerechtigkeit, ihre Rechtssicherheit, ihre zutiefst nationalen Wesenszüge und ihre freiheitliche Atmosphäre die Zustimmung aller ehrlichen Deutschen findet. Das wird wirksamer als alle Deklarationen oder guten Wünsche die Verständigung unter den Deutschen vorantragen, die Kriegstreiber in Westdeutschland und Westberlin isolieren und eine solide Basis für Verhandlungen über das neue einheitliche Deutschland schaffen.«

Über die in Moskau thematisierten Kritikpunkte hinaus wurde beklagt, »dass in vielen Fällen Maßnahmen und Organisationsformen, die in der Sowjetunion richtig und möglich sind, mechanisch auf unsere Verhältnisse übertragen wurden.« Hinsichtlich der Organisation der Partei wurde das Prinzip »kollektiver Arbeit« beschworen, das an die Stelle des »Persönlichkeitskultes« treten sollte.69 Am Abend des 16. Juni billigte das Politbüro diesen Entwurf. De facto war damit auch der bisherigen Führung der Partei durch 67 Tägliche Rundschau vom 13.6.1953. Gegenüber Lew Besymenski bekräftigte Semjonow später »dass es für ihn galt, Berijas Kurs zu realisieren, und das heißt nicht nur Verzicht auf den ›beschleunigten‹ Aufbau des Sozialismus, sondern rigorose Kursänderung«; Besymenski, 1953. 68 Heinz Brandt, Ein Traum, der nicht entführbar ist: Mein Weg zwischen Ost und Ost, München 1967, S. 171. 69 Zitiert wird nach der Fassung in SAPMO-BA, DY 30, J IV 2/4/391. Nach Herrnstadts Ausführungen auf der ZK-Tagung vom 24.–26. Juli 1953 (SAPMO-BA, DY 30, IV/2/1/247) ist dies wohl bereits die redaktionell überarbeitete Fassung, die er nach der Sitzung auftragsgemäß für die nächste Zusammenkunft des Politbüros anfertigte.

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den Generalsekretär die Grundlage entzogen. FDJ-Chef Erich Honecker, einer der wenigen verbliebenen Ulbricht-Anhänger, erklärte aus der Sitzung kommend seinem Stellvertreter Heinz Lippmann: »Alle fallen über Walter her. Er wird wohl unterliegen.«70 Vor der Sitzung hatte Ulbricht Semjonow erklärt, er habe »angesichts der Einmischung Grotewohls in seine Angelegenheiten die Leitung des Apparats des ZK der SED niedergelegt« und werde jetzt »vier Wochen warten – solange die Genossen nicht überzeugt seien, dass die Arbeitsmethoden Ulbrichts den Interessen der Partei besser dienen als die nunmehr praktizierten.« Semjonow berichtete von der Sitzung, Ulbricht sei »launenhaft« gewesen und habe sich »nicht als der Führer der Partei betragen.«71 Der Aufstand, der zur gleichen Zeit begann, ist nun offensichtlich dadurch ausgelöst worden, dass man bei der Rücknahme der vielen Zwangsmaßnahmen einen Punkt vergessen hatte: die Erhöhung der Arbeitsnormen um durchschnittlich mindestens zehn Prozent, die das Zentralkomitee der SED am 14. Mai mit Wirkung vom 1. Juni beschlossen hatte.72 In Moskau hatte man das nicht als krisenverschärfend registriert, und darum war die Rücknahme dieser Verfügung weder im Maßnahmenkatalog vom 2. Juni noch in dem daran anknüpfenden Politbüro-Beschluss der SED enthalten. Wohl plädierte Herrnstadt nach dem 6. Juni dafür, die Normerhöhung rückgängig zu machen; er konnte sich damit aber nicht sogleich durchsetzen. Auf einen von ihm inspirierten Artikel im »Neuen Deutschland« vom 14. Juni, der sich dafür aussprach, die Arbeiter erst von der Notwendigkeit von Normerhöhungen zu ›überzeugen‹, antwortete Ulbrichts Vertrauensmann Otto Lehmann in der Gewerkschaftszeitung »Tribüne« vom 16. Juni, die Beschlüsse über die Erhöhung der Normen seien »in vollem Umfang richtig.« 73 70 Heinz Lippmann, Honecker. Porträt eines Nachfolgers, Köln 1971, S.161. 71 »Über die Vorgänge vom 17. bis 19. Juni 1953...«, Sokolowski / Semjonow / Judin an Molotow / Bulganin 24.6.1953, AWP RF f. 06, op. 12a, p. 5, d. 301, ll. 1– 51, englische Übersetzung in Ostermann, Uprising, S. 257–285. 72 Veröffentlicht in: Tägliche Rundschau vom 17.5.1953. Formell in Kraft gesetzt wurde sie durch einen Ministerratsbeschluss vom 28. Mai, veröffentlicht in: Neues Deutschland vom 29.5.1953. 73 Vgl. die Schilderung von Herrnstadt: Herrnstadt-Dokument, S. 72–75.

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Dass eine politische Führung, die vorgab, die Arbeiterklasse zu repräsentieren, allen anderen Bevölkerungsgruppen erhebliche Zugeständnisse machte, davon aber ausgerechnet die Arbeiter ausnahm und auf deren Mehrbelastung auch noch beharrte, konnte von den Arbeitern, für die die Normerhöhung oft einen realen Lohnverlust von 25 bis 30 Prozent bedeutete, nur als Provokation verstanden werden. »Den Kapitalisten macht Ihr Geschenke, uns beutet Ihr aus«, hielten Betriebsräte in einer Versammlung von Bauarbeitern der Stalinallee-Baustellen am Morgen des 16. Juni den SED-Funktionären entgegen.74 Gleichzeitig machten ihnen das Eingeständnis von Fehlern, die Ankündigung umfassender Kurskorrekturen und die unübersehbaren Anzeichen von Auseinandersetzungen in der Führung Mut, offensiv für die Einlösung ihrer Forderungen einzutreten. Von Ulbricht war seit Anfang Juni in der Presse nicht mehr die Rede. Mancherorts waren sogar seine sämtlichen Schriften aus den Regalen der Buchläden verschwunden, in Übererfüllung einer noch während des Aufenthalts in Moskau übermittelten Anordnung, alles Propagandamaterial aus dem Verkehr zu ziehen, das sich auf die II. Parteikonferenz bezog.75 Der Umbruch in der politischen Führung und die Kehrtwende in der programmatischen Orientierung bilden auch die Ursache dafür, dass die Protestbewegung so rasch auf andere Bevölkerungsgruppen übergriff und in die Forderungen nach Freiheit und Wiedervereinigung mündete. Artikuliert hatten das viele schon seit der Bekanntgabe des »Neuen Kurses« am 11. Juni;76 die Nachrichten über die Aktionen der Bauarbeiter lösten dann auch die Bereitschaft zum Handeln aus. Verstärkt wurde sie durch mehrere Aspekte einer akuten Führungsschwäche: Viele SEDFunktionäre auf der mittleren und unteren Ebene waren angesichts des drastischen Kurswechsels desorientiert. Die Rücknahme der Normerhöhungen unter dem Druck der Demonstranten am Mittag des 16. Juni ließen die Zweifel über den Kurs der Führung und die Ratlosigkeit hinsichtlich des eigenen Verhaltens 74 Brandt, Traum, S. 226 f. 75 Kramer, Part I, S. 32. 76 Vgl. die Beispiele bei Armin Mitter / Stefan Wolle, Untergang auf Raten. Unbekannte Kapitel der DDR-Geschichte, München 1993, S. 72 ff.

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bei den Funktionären weiter wachsen und ermutigten zugleich die Bevölkerung, weitere Forderungen zu stellen. Schließlich waren die Parteisekretäre und Wirtschaftsexperten aus den Bezirken und Kommunen just zum 16. Juni zur Beratung verschiedener Aspekte des »neuen Kurses« nach Berlin bestellt worden. Dadurch fehlte es, als die Bekundungen des Unmuts begannen, außerhalb der Hauptstadt an Repräsentanten der Parteimacht, die verbindlich entscheiden konnten, wie ihnen zu begegnen war.77

IV. Die SED-Führer und die sowjetischen Kontrolleure in Ost-Berlin dachten zunächst, dass die Volkspolizei allein mit den Demonstranten fertig werden würde. Mit den ›Freunden‹ habe man vereinbart, dass vor allem die Volkspolizei die Ordnung in OstBerlin aufrechterhalten solle, kabelten Semjonow und der Oberkommandierende der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, Marschall Gretschko am Morgen des 17. Juni um 7.26 Uhr nach Moskau. Die sowjetischen Truppen sollten »eine aktive Rolle bei der Sicherung der Ordnung nur im äußersten Notfall übernehmen.«78 Um 11.15 Uhr aber hieß es in einem weiteren Lagebericht, die Volkspolizei habe die Situation nicht mehr im Griff.79 Was jetzt zu tun war, darüber gab es in Moskau offensichtlich keine Meinungsverschiedenheiten. Molotow berichtete später, Berija habe »zu den ersten gehört, die sagten: ›Unbedingt [niederschlagen]! Erbarmungslos! Unverzüglich!‹«80 Um 12 Uhr teilte Semjonow den in seinem Dienstsitz versammelten SEDPolitbüromitgliedern mit, Moskau habe »die Verhängung des

77 Vgl. Kramer, Part I, S. 40–47. 78 Semjonow / Gretschko an Molotow / Bulganin 17.6.1953, 7:26, Archiv Generalnogo Shtaba (künftig: AGSh) f. 16, op. 3139, d. 155, ll. 1–3, englische Übersetzung bei Ostermann, Uprising, S. 181 f. 79 Semjonow / Gretschko an Molotow / Bulganin 17.6.1953, 11:15, AGSh f. 16, op. 3139, d. 155, ll. 6–7, englische Übersetzung bei Ostermann, Uprising, S. 183. 80 Sto sorok, S. 345 f. Semjonow berichtet von einem Anruf Berijas, den ein Mitarbeiter entgegengenommen habe: »Warum spart Semjonow so mit Patronen?« habe er gedonnert. Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 295.

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Ausnahmezustands angeordnet.«81 Wenig später fielen auf dem Potsdamer Platz die ersten Schüsse. Die Niederschlagung des Aufstands schmälerte natürlich die Aussichten, dass sich Churchill mit seinem Drängen auf eine Neutralisierung Deutschlands bei seinen westlichen Verbündeten durchsetzen würde. In Moskau wollte man das freilich nicht wahrhaben. Berija glaubte wohl, was Semjonow und Gretschko nach Moskau meldeten: dass die »feindlichen Aktionen« nämlich »von West-Berlin aus organisiert wurden«, also vom Klassenfeind.82 Dagegen mit militärischen Mitteln vorzugehen, war nur logisch; es musste die Chancen, sich mit dem Westen zu verständigen, nicht notwendiger Weise beeinträchtigen. Seinen Mitarbeitern Fadejkin und Sudoplatow setzte er auseinander, dass »nach solch überzeugender Demonstration sowjetischer Stärke die Westmächte erst recht Interesse an neuen sowjetischen Initiativen in Sachen Deutschland aufbringen müssten.« Am 24. Juni flog Sudoplatows Mitarbeiterin Soja Rybkina nach Berlin, um dort die Schauspielerin Olga Tschechowa zu treffen, die den Kontakt zu Leuten aus dem Umkreis Adenauers aufnehmen sollte.83 Falin berichtet, Berija habe sich in internen Diskussionen »in der Ansicht bestätigt« gesehen, »die sowjetischen Positionen in der DDR seien nicht zu halten, man müsse die Republik zu den günstigsten Konditionen loswerden.«84 Viele SED-Führer ließen sich nicht so einfach mit der Mär von der Manipulation durch feindliche Agenten abspeisen; bei ihnen saß der Schock über den Aufstand der Arbeiter, die nun offensichtlich keine Klassenfeinde waren, tief. Rudolf Herrnstadt machte in einem Leitartikel im »Neuen Deutschland« vom 18. Juni »schwerwiegende Versäumnisse unserer Partei« für die Unruhen mitverantwortlich. Tags darauf kündigte er an, die Partei werde »darin vorangehen [...], die eigene Tätigkeit in den vergangenen acht Jahren und das eigene Verhalten in den letzten zwei Tagen zu überprüfen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.«85 Auf einer ZK-Tagung am Abend des 21. Juni, die 81 82 83 84 85

Herrnstadt-Dokument, S. 83. Ostermann, Uprising, S. 181 f. So jedenfalls das Zeugnis Sudoplatows; Besymenski, 1953. Falin, Erinnerungen, S. 316. Neues Deutschland vom 18. u. 19.6.1953.

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auf Initiative Herrnstadts kurzfristig einberufen worden war, beklagte Grotewohl im einleitenden Grundsatzreferat die »Kluft zwischen Partei, Regierung und Volk« als »Ergebnis der fehlerhaften Politik unserer Partei« und kündigte »Maßnahmen zu einer tiefgreifenden Reparatur« an. Sodann versicherte er nochmals, das Politbüro habe »bei seinen Beschlüssen das große Ziel der Herstellung der Einheit Deutschlands im Auge«.86 Herrnstadts Artikel wurden mit Zustimmung Semjonows und Grotewohls veröffentlicht. Semjonow schickte am 24. Juni zusammen mit seinem nunmehrigen Stellvertreter Pawel Judin und Generalstabschef Wassilij Sokolowskij, der als Krisenmanager nach Ost-Berlin entsandt worden war, einen umfangreichen Bericht über die Ereignisse des 17. Juni nach Moskau, in dem nicht nur empfohlen wurde, den »neuen politischen Kurs gemäß der Entschließung der Sowjetregierung vom 2. Juni 1953 [...] energisch und konsequent umzusetzen.« Moskaus oberste Repräsentanten in Ost-Berlin schlugen darüber hinaus vor, zu diesem Zwecke Ulbricht zu entmachten. Ulbricht sollte »von seiner Verantwortung als Stellvertretender Ministerpräsident der DDR entbunden werden, mit dem Ziel, seine Aufmerksamkeit auf die Arbeit des Zentralkomitees zu konzentrieren.« Der Posten des Generalsekretärs, Ulbrichts bisherige Machtbasis, sollte ›beseitigt‹ werden, das Zentralkomitee sollte sich auf die »politische Arbeit unter den Massen« konzentrieren und nicht länger die Regierung bevormunden. Die Regierung sollte sich der Kritik durch eine »außerordentliche Sitzung der Volkskammer« stellen, danach sollten »inkompetente und unpopuläre Minister« entlassen werden. Bei der Neubesetzung der Regierungsposten sollte man sich »stärker auf die Vertreter anderer Parteien stützen.«87 Zwei Tage nach der Ablieferung dieses Berichts, am 26. Juni, trat eine Kommission »zur Vorbereitung einer organisatorischen Neuordnung der Arbeitsweise des Politbüros und des Sekretariats« zusammen, die die Ulbricht-Gegner in der Sitzung des Politbüros vom 6. Juni durchgesetzt hatten. Zaisser beantragte, 86 SAPMO-BA, DY 30, J IV 2/1/246. 87 Sokolowskij / Semjonow / Judin an Molotow / Bulganin 24.6.1953, wie Anm. 60. In seinen Memoiren verschleiert Semjonow die Tragweite der Vorschläge: »Wir kritisierten die Tätigkeit Walter Ulbrichts, stellten die Frage, ihn in eine andere Rolle zu versetzen«: Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 298.

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das Sekretariat durch eine ›Ständige Kommission‹ aus den beiden Parteivorsitzenden und weiteren Mitgliedern des Politbüros zu ersetzen und die Abteilungsleiter des Zentralkomitees direkt dem Politbüro zuzuordnen. Herrnstadt ergänzte, dass der Kommission »solche Genossen neben Walter Ulbricht« angehören sollten, »die die Gewähr dafür bieten, dass sie notfalls eine echte Zusammenarbeit, eine echte Kollektivität erzwingen«. Dann sprach er Ulbricht direkt an: »Es tut mir leid, Walter, noch folgendes sagen zu müssen: [...] Wäre es nicht besser, wenn Du die unmittelbare Anleitung des Parteiapparates abgibst?«88 Ulbricht wurde rot, wie sich Herrnstadt drei Jahre später erinnerte, und simulierte Einsicht: »Wenn Du diesen Antrag nicht gestellt hättest, hätte ich ihn gestellt.«89 Die Kommission verabschiedete eine Beschlussempfehlung an das Zentralkomitee, in der die Vorschläge Zaissers mit der Präzisierung festgehalten wurden, dass das »Sekretaritat des Zentralkomitees [...] aufgelöst« und die »Funktion des Generalsekretärs des Zentralkomitees [...] aufgehoben« wird.90 Neun Tage nach den Ereignissen des 17. Juni war damit auch für die SED-Führung die Entmachtung Ulbrichts beschlossene Sache. Zwei Tage später gab sich Staatspräsident Wilhelm Pieck, der sich seit dem April zur Kur in Moskau aufhielt und folglich an dem Entscheidungsprozess der SED-Führung nur indirekt beteiligt war,91 als Anhänger der Reformen zu erkennen. In einer Botschaft »an die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik« erklärte er, das Kommuniqué des Politbüros vom 9. Juni sei mit ihm abgestimmt worden, und er begrüße die darin angekündigten Maßnahmen. Als Ziel des »Neuen Kurses« bezeichnete er wie Grotewohl die »Überwindung der Kluft zwischen Ost und West unseres Vaterlandes.« Am 2. Juli bekräftigte er in einer 88 Herrnstadt-Dokument S.105; zu den Anträgen Zaissers auch die Ausführungen Zaissers und Herrnstadts auf der ZK-Tagung vom 24.–26.7.1953 SAPMO-BA, DY 30, IV 2/1/247. 89 Herrnstadt-Dokument ebd. 90 SAPMO-BA, DY 30, J IV 2/4/391, veröffentlich bei Wilfried Otto, Dokumente zur Auseinandersetzung in der SED 1953, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 32 (1990), S. 655–672, hier S. 658 f. 91 So informierten ihn Grotewohl, Ulbricht und Oelßner im Anschluss an ihre Unterredungen mit der KPdSU-Führung am 4. Juni; Prszybylski, Tatort Politbüro, S. 240.

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Rundfunkansprache, dass jetzt die »friedliche Verständigung der Deutschen untereinander« auf der Tagesordnung stehe.92 Justizminister Max Fechner kündigte in einem Interview im »Neuen Deutschland« vom 30. Juni an, dass nur diejenigen Inhaftierten mit Strafen zu rechnen hätten, die sich bei den Aktionen des 17. Juni tatsächlich Straftaten hätten zu Schulden kommen lassen, nicht aber diejenigen, die in Wahrnehmung ihrer legitimen Rechte »gestreikt oder demonstriert haben.«93

V. Auf der östlichen Seite schwanden die Aussichten auf einen Durchbruch in der deutschen Frage erst mit dem Sturz Berijas. Dessen Verhaftung am gleichen 26. Juni, an dem die Absetzung des SED-Generalsekretärs in die Wege geleitet worden war, war keineswegs eine Folge des 17. Juni, und auch die interne Kritik an Berijas deutschlandpolitischen Kurs spielte dabei keine erkennbare Rolle. Ausschlaggebend waren vielmehr Berijas Bestrebungen, Innenministerium und Geheimdienst der Kontrolle des Parteiapparates zu entziehen und sich damit zum neuen Alleinherrscher aufzuschwingen. Seine Rivalen im Präsidium fürchteten, dies könnte sie nicht nur ihren Einfluss, sondern womöglich auch das Leben kosten. Hinzu kamen die Sorge der Parteifunktionäre vor dem Verlust ihrer Privilegien, die Abneigung der Armee gegen den Geheimdienst, der Widerstand des schwerindustriellen Apparats gegen die von Berija favorisierte Förderung der Konsumgüterindustrie und die Erbitterung der russischen Administratoren über die Beschneidung ihres Einflusses in den nichtrussischen Republiken, die Berija nicht nur in seiner Heimat Georgien betrieb. Organisiert wurde die Verschwörung der Rivalen von Nikita Chruschtschow, der als Generalsekretär der Partei in besonderem Maße vom Machtverlust bedroht war und zugleich selbst Ambi-

92 Neues Deutschland vom 28.6., 2. u. 3.7.1953. 93 Neues Deutschland vom 30.6.1953, nachgedruckt in der Täglichen Rundschau vom 1.7.1953.

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tionen auf die Stalin-Nachfolge hegte.94 Wichtig für ihr Gelingen war die Gewinnung Malenkows, der sich ursprünglich wohl selbst als Stalin-Nachfolger gesehen hatte, im Gespräch mit Chruschtschow aber schnell begriff, dass er in Wirklichkeit Berijas erstes Opfer zu werden drohte. Und fast schon eine Garantie für den Erfolg war die Unterstützung durch Marschall Schukow, den populären Helden des Zweiten Weltkriegs, der jetzt als stellvertretender Verteidigungsminister dafür sorgte, dass Berija von den ihm ergebenen Truppen abgeschnitten wurde und wehrlos dastand, als ihn schukowtreue Offiziere auf einen Wink Malenkows in einer kurzfristig anberaumten Sitzung des Präsidiums der KPdSU am Nachmittag des 26. Juni verhafteten.95 Mit dem Sturz Berijas hatte nicht nur der energischste Verfechter eines konsequent gesamtdeutschen Kurses plötzlich jeden Einfluss verloren. Die siegreichen Rivalen konstruierten aus Berijas Drängen auf substantielle Reformen im Interesse der Wiedervereinigung jetzt den Vorwurf, der Innenminister habe »Kurs nehmen« wollen »auf die Umwandlung der DDR in einen bürgerlichen Staat, was einer direkten Kapitulation vor den imperialistischen Kräften gleichgekommen wäre.«96 Diesen angeblichen ›Verrat‹ Berijas prangerten auf dem ZK-Plenum vom 3. bis 7. Juli, auf dem der Entmachtete als Volksfeind vorgeführt wurde, nahezu alle Redner an – Malenkow in seinem Einleitungsreferat, das beträchtliche Fähigkeiten zur Anpassung an die neuen Machtverhältnisse verriet, mit der bezeichnenden Erläuterung: »Im Lichte dessen, was wir jetzt über Berija in Erfahrung bringen konnten, müssen wir diesen seinen Standpunkt [in der Deutschlandfrage] neu einschätzen. Es ist klar, dass dieser Fakt ihn als bürgerlichen Renegaten charakterisiert.«97

94 Vgl. das Zeugnis seines Mitarbeiters Dimitri T. Schepilow, Vospominaniya, in: Voprosy istorii 8 (1998), S. 11–12. 95 Details hierzu bei Kramer, Part 2, S. 3–38. 96 So die Formulierung im Beschluss des ZK-Plenums der KPdSU vom 7. Juli 1953 »Über die verbrecherische partei- und staatsfeindliche Tätigkeit Berijas«, Fall Berija, S. 335. 97 ebd. S. 36.

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Mit dieser Begründung des Sturzes gewann der ›real existierende Sozialismus‹ in der DDR ein Eigengewicht im Machtgefüge der Sowjetunion. Ihn weiterhin in Frage zu stellen, bedeutete gleichzeitig, an der Legitimation der neuen Machthaber in Moskau zu rütteln. Molotow sah nicht nur seinen Einfluss auf die Deutschlandpolitik gestärkt; er musste sich auch bemühen, seine Beteiligung an den Initiativen Berijas nach Kräften zu vertuschen. Vor dem ZK-Plenum bekannte er sich daher deutlicher als je zuvor zu den ›Errungenschaften‹ des DDR-Sozialismus: »Für uns sollte klar sein, dass die Existenz der Deutschen Demokratischen Republik, die sich festigende volksdemokratische Ordnung und der schrittweise in Angriff genommene Aufbau des Sozialismus ein ernster Schlag nicht nur gegen den deutschen Imperialismus, sondern auch gegen das gesamte imperialistische System in Europa ist.«98

Gleichzeitig entschloss er sich, den Sturz Ulbrichts zu stoppen. Semjonow berichtet in seinen Memoiren, Molotow habe seinen Bericht über die Schlussfolgerungen aus den Ereignissen des 17. Juni »insgesamt positiv« eingeschätzt, dann aber »beiläufig« bemerkt, »was Ulbricht betrifft, so ist Semjonow nach rechts abgedriftet.«99 Tatsächlich wurden Semjonow, Sokolowskij und Judin nach Moskau beordert und mussten dort in einer Kommission unter dem Vorsitz des stellvertretenden Außenministers Andrej Wyschinski Rede und Antwort stehen. Die Kommission »entschied« am 2. Juli mit ausdrücklicher Zustimmung der drei Berichterstatter, die Vorschläge zur Trennung von Regierung und Partei und zur Entmachtung Ulbrichts »aus der Diskussion zurückzuziehen und nicht dem Ministerrat der UdSSR vorzulegen.«100 Semjonow beorderte noch von Moskau aus seinen Mitarbeiter Boris Miroschnitschenko in die nächste Sitzung der SED-Organisationskommission, die am 3. Juli über die personelle Zusammensetzung der neuen Führungsgremien verhandeln wollte. Dieser erklärte den verdutzten deutschen Genossen, dass 98 ebd. S. 80. 99 Semjonow, Von Stalin bis Gorbatschow, S. 298. 100 Sitzungsprotokoll in AWP RF f. 07, op. 30, por. 20, p. 16, ll. 19 f., englische Übersetzung in Ostermann, Uprising, S. 293 f.; vgl. auch eine Gegenüberstellung der Berichtsvorschläge und Kommissionsbeschlüsse, die Georgij Puschkin an 9. Juli 1953 an Wyschinski übermittelte; AWP RF f. 82, op.41, por. 93, p. 280, d. 93, ll.63– 68, englische Übersetzung bei Ostermann, Uprising, S. 303–308.

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es »notwendig« sei, »eine Reihe von Sekretären zu haben [...] unter denen selbstverständlich zum Zwecke der Zusammenfassung und Koordinierung der 1. Sekretär sein müsste.«101 Der Machtkampf in der SED-Führung war damit noch nicht entschieden, ebenso wenig die Auseinandersetzung um die künftige Orientierung der Partei. Da Molotows Votum nicht vom Präsidium der KPdSU abgesegnet war, hatten die SED-Genossen die Entscheidung über ihren künftigen Kurs immer noch weitgehend selbst in der Hand. Zaisser konterte den überraschenden Querschlag Miroschnitschenkos denn auch gleich mit dem Vorschlag, dann eben Herrnstadt mit dem Amt des ›1. Sekretärs‹ zu betrauen: »Ich habe den Eindruck, dass Genosse Herrnstadt mit den Massen verbunden ist.«102 Indessen fasste Ulbricht nach dem verheißungsvollen Signal aus Moskau wieder neuen Mut, und ein Teil der Genossen, die sich Herrnstadt und Zaisser angeschlossen hatten, wurden unsicher, ob es opportun war, die Demontage Ulbrichts wirklich bis zum Ende zu betreiben. Grotewohl, der die Sitzung leitete, stellte Zaissers Vorschlag nicht etwa zur Abstimmung, sondern ließ es zu, dass Ulbricht eine Diskussion darüber anzettelte, wer aus dem Politbüro auszuscheiden habe. Als darüber wie zu erwarten keine Einigkeit zu erzielen war, vertagte er auf Anraten Miroschnitschenkos die Sitzung.103 Die Machtfrage blieb über mehrere Tage unentschieden. In einer Sitzung des SED-Politbüros am 4. oder 5. Juli konnte Ulbricht den Entwurf Herrnstadts für die ZK-Entschließung stoppen. Als aber in der nächsten Sitzung am Abend des 8. Juli die Personaldiskussion wieder aufgenommen wurde, sprachen sich allein Herrmann Matern und Erich Honecker für Ulbricht als Generalsekretär oder ›1. Sekretär‹ aus. Fred Oelßner und Erich Mückenberger hielten sich bedeckt; alle anderen votierten gegen Ulbricht, darunter mit besonderer Vehemenz Anton Ackermann: 101 Bericht Zaissers auf der ZK-Tagung 24.–26.7.1953, SAPMO-BA, DY 30, IV 2/1/247. Die Frage, ob Miroschnitschenkos Auftritt nur eine Panne war (Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 222), hat sich durch die Erschließung der sowjetischen Quellen erledigt. 102 Bericht Zaissers ebd. 103 Herrnstadt-Dokument, S. 114 ff. Einzelheiten zu dieser und den folgenden Sitzungen bei Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 212–216.

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»Lange Zeit habe ich geschwiegen, aus Disziplin, aus Hoffnung, aus Angst. Heute liegt das alles hinter mir.«104 Die Entscheidung fiel erst, nachdem Ulbricht und Grotewohl am 9. Juli in Moskau über den Sturz Berijas informiert worden waren und die »Prawda« am 10. Juli darüber berichtet hatte, dass Berija seiner Ämter enthoben worden und sein ›Fall‹ dem Obersten Gericht der UdSSR überantwortet worden sei. Jetzt stellten sich auch Fred Oelßner und Hans Jendretzky auf Ulbrichts Seite. Ulbricht konnte den Auftrag, einen Entschließungsentwurf zur Parteireform zu formulieren, selbst übernehmen (zusammen mit Oelßner und Grotewohl) und brachte in der neuen Fassung, die er am 14. Juli im Politbüro präsentierte, die ›Fraktion Herrnstadt/ Zaisser‹ kurzerhand mit dem ›Verbrecher Berija‹ in Verbindung: Zaisser habe versucht, sich mit dem Ministerium für Staatssicherheit über die Partei zu stellen, und Herrnstadt habe als Chefredakteur des »Neuen Deutschland« eine »kapitulantenhafte, im Wesen sozialdemokratische Auffassung« zum Ausdruck gebracht.105 Das genügte, um die Kritiker zum Verstummen zu bringen. Niemand wollte mit der ›Verschwörung‹ Berijas und seiner Anhänger in Verbindung gebracht werden. In der nächsten Politbüro-Sitzung am 18. Juli schwangen sich nur noch Friedrich Ebert und (etwas undeutlicher) Anton Ackermann zur Verteidigung der derart Angegriffenen auf. Als Semjonow seine Bitte um Unterstützung abschlägig beschied, glaubte selbst Herrnstadt, dass sich die sowjetische Führung definitiv für Ulbricht entschieden hatte. Damit war auch für ihn das Ende der Kampfbereitschaft gekommen. »Wirst du sagen, was wirklich war?« fragte er Zaisser vor dessen Auftritt vor dem Plenum des SEDZentralkomitees am Morgen des 25. Juli. »Das kann man nicht machen, das könnte der Sowjetunion schaden«, war die Antwort, über die Herrnstadt »eine tiefe Genugtuung empfand.«106 104 Herrnstadt-Dokument, S. 128. Die Sitzung wurde von Herrnstadt S. 126 irrtümlich auf den 7. Juli datiert. Tatsächlich fand sie, wie handschriftliche Mitschriften Grotewohls belegen, am Abend des 8. Juli statt: SAPMO-BA, DY 30, J IV 2/2/263, Bl. 2–4. 105 Zit. n. Müller-Enbergs, Fall Herrnstadt, S. 249. Ebd. S. 249–258 ausführliche Zitate aus Oelßners Sitzungsmitschriften in SAPMO-BA, NY215/111. 106 Herrnstadt-Dokument, S. 163.

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Die Tagung des Zentralkomitees vom 24. bis 26. Juli geriet danach zu einer Parade abenteuerlicher Anklagen gegen Herrnstadt und Zaisser, die dem KPdSU-Tribunal gegen Berija nur wenig nachstand. Ackermann, Jendretzky und Elli Schmidt wurden aus dem Politbüro ausgeschlossen, Herrnstadt und Zaisser aus dem Zentralkomitee und Fechner aus der Partei. Ulbricht wurde zum ›1. Sekretär‹ bestellt, und die Schlussresolution brachte unverblümt zum Ausdruck, dass der ›Neue Kurs‹ in Wirklichkeit der alte sein würde: »Es war auch richtig«, hieß es in dem verabschiedeten Text trotzig, »dass unsere Partei Deutschland auf den Weg des Sozialismus führte und in der Deutschen Demokratischen Republik mit der Errichtung der Grundlagen des Sozialismus begann. Diese Generallinie der Partei war und bleibt richtig.«107 Das Fenster der Gelegenheit, das infolge des parallelen Drängens von Berija und Churchill weiter geöffnet war als zum Zeitpunkt der sowjetischen Note vom 10. März 1952,108 schloss sich also nur langsam, Stück für Stück. Selbst nach der Selbstbehauptung Ulbrichts war man in Moskau noch zu Verhandlungen über die Wiedervereinigung bereit. Das Risiko, das man dafür eingehen wollte, war jedoch beträchtlich gesunken. Am 15. August wurde die Note mit dem Vorschlag, eine Provisorische gesamtdeutsche Regierung zur Organisation gesamtdeutscher Wahlen zu bilden, endlich veröffentlicht. Von einem gleichzeitigen Abzug aller Besatzungstruppen war jedoch nicht mehr die Rede; stattdessen sollte die gesamtdeutsche Regierung auch für die Zulassung oder das Verbot von Parteien und anderen gesellschaftlichen Organisationen zuständig sein.109 Unterstützung im Westen war für einen solchen Vorschlag nicht zu gewinnen, schon gar nicht nach dem Vorgehen der sowjetischen Besatzungsmacht gegen die Aufständischen und dem erneuten aggressiven Auftreten Ulbrichts. Adenauer konnte die Bundestagswahlen vom 6. September souverän für sich entscheiden und gewann 107 Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Band 4, S. 467. Sitzungsmitschriften des Plenums finden sich in SAPMO-BA, DY 30, IV 2/1/247 und 2/12/01. 108 Vgl. hierzu in diesem Band, »Entstehung«, S. 101–157. 109 Text in: Eberhard Jäckel (Hg.), Die deutsche Frage 1952–56. Notenwechsel und Konferenzdokumente der vier Mächte, Frankfurt/Main / Berlin 1957, S. 43–46.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

damit für seine Politik der Westintegration zum ersten Mal eine sichere parlamentarische Basis. Nachdem Churchill am 23. Juni einen Schlaganfall erlitten hatte, musste der Bundeskanzler auch keine Verhandlungsinitiative seiner westlichen Verbündeten mehr fürchten. Wegen Churchills Erkrankung konnte statt des vereinbarten Gipfeltreffens der Westmächte nur eine Außenministerkonferenz stattfinden. In Washington, wo sich die drei westlichen Außenminister vom 10. bis 14. Juli trafen, gab sich selbst der britische Vertreter Lord Salisbury als Gegner des Neutralisierungsgedankens zu erkennen. Die Außenminister akzeptierten eine im wesentlichen vom amerikanischen State Department entwickelte Verhandlungslinie, die darauf hinauslief, die Sowjetregierung zu einem VierMächte-Treffen auf Außenministerebene einzuladen, zugleich aber festzuhalten, dass eine Einigung in der Deutschlandfrage nur auf der Grundlage der westlichen Vorstellungen erfolgen solle. Die Note vom 15. Juli, mit der diese Einladung ausgesprochen wurde, ließ keinerlei Kompromissbereitschaft hinsichtlich der Handlungsfreiheit einer gesamtdeutschen Regierung erkennen; statt dessen knüpfte sie explizit an die Vorschläge der westlichen Note vom 23. September 1952 an.110 Was die Menschen verlangten, die am 17. Juni 1953 auf die Straße gingen, lag demnach lange Zeit im Bereich des Möglichen, auch über die Erstickung des Aufstands durch Ausnahmezustand und sowjetische Militärpräsenz hinaus. Das geläufige Bild von der Niederschlagung des Aufstands durch sowjetische Panzer verkürzt den Entscheidungsprozess und verschleiert die Verantwortlichkeiten.

110 Text ebd. S. 41. Vgl. Klaus Larres, Politik der Illusionen. Churchill, Eisenhower und die deutsche Frage 1945–1955, Göttingen 1995, S. 197–207; zu den Auswirkungen der Niederschlagung des Aufstands auf die innerbritische Diskussion auch ders., Großbritannien und der 17. Juni 1953, S. 170–179.

9. Stalin, Berija und Chruschtschow

Der Wandel sowjetischer Deutschlandpolitik im Licht neuer Quellen Die Antwort auf die Frage nach dem Handlungsspielraum und der historischen Rolle von Konrad Adenauer hängt in erster Linie von einer Einschätzung der sowjetischen Deutschlandpolitik in der Nachkriegszeit ab. Etwas präziser formuliert lautet die Frage, die die zeitgenössischen Kontroversen um die Politik der Westintegration bestimmt hat und letztlich auch noch den gegenwärtigen Forschungsdiskussionen um Adenauers Politik zugrunde liegt: Gab es unter den Bedingungen der sowjetischen Deutschlandpolitik eine Möglichkeit, die deutsche Spaltung zu vermeiden oder frühzeitig rückgängig zu machen, die unter demokratischen Prämissen akzeptabel war? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten – nicht nur, weil wir lange Zeit praktisch keinen Zugang zu internen Quellen des sowjetischen Entscheidungsprozesses hatten und der Zugang auch heute noch eingeschränkt ist. Hinderlich sind auch die vielen Befangenheiten, die Zeitgenossen und Historiker bei diesem Thema mit sich herumschleppen. Das heißt aber nicht, dass die Frage grundsätzlich offen wäre und man nicht richtige Antworten von falschen unterscheiden könnte. Die Antwort, die ich vor nunmehr zwölf Jahren auf diese Frage gegeben habe, ist bekannt: Stalin wollte weder einen Separatstaat auf dem Boden der sowjetischen Besatzungszone noch kurzfristig überhaupt einen sozialistischen Staat in Deutschland. Stattdessen strebte er eine gemeinsame Verwaltung des besetzten Deutschlands durch die Siegermächte an, die zu einer Ordnung in der Tradition der Weimarer Republik führte. Der sozialistische Separatstaat DDR ist in erster Linie ein Produkt des revolutionären Eifers von Walter Ulbricht, der sich vor dem Hintergrund westlicher Abschottungspraxis entfalten konnte. Insofern

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kommt der Rolle Adenauers große Bedeutung in dem Prozess zu, der zur langfristigen Etablierung zweier deutscher Staaten führte.1 Diese Antwort ist nicht überall auf ungeteilte Zustimmung gestoßen.2 Die zum Teil heftige Kontroverse, die sie ausgelöst hat, scheint mir jedoch unterdessen erledigt zu sein.3 Ich will daher nicht wiederholen, was ich schon früher gesagt habe. Stattdessen will ich eine Reihe neuer Dokumente vorführen, die noch einmal neues Licht auf die Intentionen und die Denkweise der sowjetischen Führung werfen. Sie erlauben es auch, den Übergang von der Orientierung der sowjetischen Führung an einem einheitlichen Deutschland auf die Konzentration auf die Stabilisierung der DDR etwas näher beleuchten. Er erweist sich als ein komplexer Prozess, in dem Stalin, Berija und Chruschtschow die Akzente jeweils anders setzen.

I. Das wichtigste neue Dokument ist der Text der Erläuterungen, die Georgij Malenkow als Vorsitzender des Präsidiums des Ministerrats der UdSSR der SED-Führung bei der Präsentation des »Neuen Kurses« am 2. Juni 1953 gegeben hat. Der Moskauer Historiker Aleksej M. Filitov hat sie im Nachlass von Malenkow entdeckt, und zwar dadurch, dass er zusammenfügte, was zusammengehört: Malenkow hatte einige Seiten seines Textes zur Vor1 Siehe Loth, Stalins ungeliebtes Kind, u. ders., Stalin’s Unwanted Child. Wichtige weiterführende Beiträge sind: Wilfried Loth, The Origins of Stalin’s Note of 10 March 1952, in: Cold War History 4, No. 2 (January 2004), pp. 66–88; sowie in diesem Band, »Entstehung«, S. 101–157 u. »Der 17. Juni 1953 im internationalen Kontext«, S. 175–214. 2 Vgl. als Gegenthese insbesondere Wettig, Bereitschaft. 3 Vgl. in diesem Band, »Stalin, die deutsche Frage und die DDR«, S. 11–26 u. »Das Ende der Legende«, S. 158–174. – In seinem jüngsten Beitrag (Gerard Wettig, Vorgeschichte und Gründung des Warschauer Paktes, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 64 (2005), S. 151–176) geht Wettig mit keinem Wort auf die Kritik ein, die ich und andere Autoren gegen seine Thesen vorgebracht haben. Er rückt aber stillschweigend von der These eines »Krieges mit anderen als militärischen Mitteln« ab und übernimmt stattdessen wieder Hermann Gramls These von der Notenkampagne 1951/52 als Alibi für die Aufrüstung der DDR, von der er sich zuvor distanziert hatte.

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bereitung seiner Rede auf dem Plenum des Zentralkomitees der KPdSU am 2. Juli 1953 benutzt, andere aber nicht. Entsprechend ungeordnet und zunächst nicht verständlich fanden sich die Blätter in einem Dossier zum Plenum des ZK.4 Bislang war nur das Dokument »Über die Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der Deutschen Demokratischen Republik« selbst bekannt, das aus einem Beschluss des Präsidiums vom 1. Juni hervorgegangen war. Walter Ulbricht, Otto Grotewohl und Fred Oelßner hatten bei der Unterredung mit den Mitgliedern Präsidium am folgenden Tag eine deutsche Fassung erhalten. Darin wurde die Notwendigkeit einer Abkehr vom Kurs auf den »Aufbau des Sozialismus«, wie ihn die II. Parteikonferenz der SED am 9./10. Juli 1952 beschlossen hatte, mit dem Ziel einer »Stärkung unserer Positionen sowohl in Deutschland selbst als auch in der Deutschlandfrage auf der internationalen Ebene« begründet; und der »Kampf für die Vereinigung Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage« wurde eindeutig als »Hauptaufgabe« der kommunistischen Politik in Deutschland bezeichnet.5 Die Aussage war eigentlich eindeutig; allerdings stand dagegen die spätere Behauptung der Redner des ZK-Plenums vom Juli 1953, Berijas Versuch, den Sozialismus in der DDR zu liquidieren, seien mit der Verabschiedung dieses Dokuments die Grundlagen entzogen worden.6 Die Erläuterungen, die Malenkow der SED-Delegation zu dem bereits verteilten Dokument gegeben hat, entlarven diese Behauptung nun definitiv als eine handfeste Lüge. Malenkow bestätigt nämlich nicht nur, dass die Begründung, die in dem 4 RGASPI, f. 083, op. 1, d. 3, ll. 131, 134–136, 141; deutsche Übersetzung in diesem Band, Dokumente II, S. 301–304. – Michal Reiman, der diese Quelle als Erster gesehen hat, kam durch die zerstreute Ablage des Textes auf die Vermutung, dass es sich um einen Beitrag für ein geplantes ZK-Plenum im April 1953 handelte, das dann nicht stattgefunden hat. Die daraus abgeleitete These, Malenkow habe nur eine Minderheitenposition vertreten, ist nicht haltbar: Michal Reiman, Berija, Malenkov und die deutsche Einheit. Ergänzungen zur Diskussion über die sowjetische Deutschland-Note vom März 1952, in: Deutschland-Archiv 32 (1999), S. 456– 460. 5 AWP RF f. 3, op. 64, d. 802, ll. 154–161; deutsche Übersetzung in Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 32 (1990), S. 651–654; englische Übersetzung in Ostermann, Uprising, S. 133–136. 6 Vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 201 f.

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Dokument für den »Neuen Kurs« gegeben wird, ernst gemeint ist; er verstärkt sie sogar noch ganz erheblich. Die Forderung nach einem Verzicht auf den Kurs vom Juli 1952 wird in erster Linie mit dem Argument begründet, »dass das wichtigste Problem der ganzen jetzigen internationalen Situation das Problem der Wiedervereinigung Deutschlands ist, das Problem der Umwandlung Deutschlands in einen friedlichen demokratischen Staat.« Als ob er die skeptischen Thesen mancher späterer Historiker im Blick hätte, fährt Malenkow fort: »Man ist vielleicht geneigt zu denken, dass wir die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands stellen, weil wir bloß irgendwelche propagandistische Ziele verfolgen, dass wir in Wirklichkeit nicht anstreben, die Spaltung Deutschlands zu beenden, dass wir an der Wiedervereinigung nicht interessiert sind. Das ist ein großer Irrtum. Das muss man beenden, wenn wir eine klare politische Linie verfolgen möchten, und wir dürfen in einer der größten internationalen Fragen der heutigen Zeit nicht das Spiel des Verschweigens spielen. [...] Wer denkt, dass Deutschland über längere Zeit im gespaltenen Zustand, als zwei unabhängige Staaten, existieren kann, irrt sich.«

Dann folgen eine Begründung dieser Begründung und eine Kritik an den Verfechtern des Kurses von 1952, wie sie schärfer nicht ausfallen können: »Wir betrachten die Vereinigung Deutschlands und seine Umwandlung in einen demokratischen friedlichen Staat als die wichtigste Bedingung, als eine der wesentlichen Garantien für die europäische Sicherheit und das heißt für die Sicherheit der Welt, als eine der wesentlichen Garantien für die Stärkung des Friedens. [...] Auf der Position der Existenz des gespaltenen Deutschlands zu beharren, heißt auf dem Kurs auf einen neuen Krieg zu beharren, sogar in der nächsten Zukunft. Das gespaltene Deutschland im Zentrum Europas bedeutet nichts anderes als die forcierte Militarisierung Westdeutschlands und die offene Vorbereitung zu einem neuen Krieg, eine Vorbereitung, die zu einem gewissen Zeitpunkt in die direkte Auslösung des Krieges übergehen wird.«

Damit aber noch nicht genug. Im nächsten Abschnitt nimmt Malenkow eine Präzisierung des Begriffs »friedlicher demokratischer Staat« vor, die allen Missdeutungen durch Zeitgenossen und Historikern und auch seiner Instrumentalisierung durch die SED-Machthaber die Grundlage entzieht. Zur Frage, »auf wel-

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cher Basis denn die Vereinigung Deutschlands unter den heutigen internationalen Bedingungen möglich« sei, erklärt er, sie könne »nicht auf der Basis der Umwandlung Deutschlands in ein Land der Diktatur des Proletariats« erfolgen, »gekleidet in die Form der Volksdemokratie, […] sondern nur auf der Basis der Umwandlung Deutschlands in einen friedlichen bürgerlichdemokratischen Staat.« In der nächsten Passage behauptet Malenkow, dass dies schon immer die Auffassung der sowjetischen Führung gewesen sei: »Genau dieser Umgang mit der Frage der Perspektiven Deutschlands hat die Vorschläge der Sowjetunion hinsichtlich der Nutzung der Weimarer Verfassung mit den bekannten Korrekturen als Muster für die Verfassung eines vereinten Deutschlands bestimmt.«

Und dann wird den SED-Genossen eingeschärft, dass auch das nicht als bloße Worthülse zu verstehen ist: »Was ist die Weimarer Verfassung? Was ist die Weimarer Republik? Man kann sagen, das ist das klassische Muster eines bürgerlich-demokratischen Staates, bei dessen Gründung die führenden deutschen Kreise einschließlich auch der Sozialdemokraten versucht haben, die Lektionen aus dem Ersten Weltkrieg zu berücksichtigen.«

Danach argumentiert Malenkow dann noch, »dass jeder Versuch, die Beziehungen zwischen der Bevölkerung der DDR und der Bevölkerung Westdeutschlands zu brechen, erfolglos sein wird«, und dass es darum nicht möglich sei, »die Wirtschaft Deutschlands auf mehr oder weniger lange Zeit auf zwei wirtschaftlichsoziale Grundlagen auf[zu]bauen, die sich gegenseitig ausschließen«. Dem möglichen Einwand eines »Zurückweichens« hält er entgegen, dass »wir« in Ostdeutschland »tatsächlich nicht nur zu keinem Sozialismus kommen, sondern mit aller Kraft auf eine innere Katastrophe zusteuern. Wir sind verpflichtet, der Wahrheit in die Augen zu sehen und zu erkennen, dass ohne die Präsenz der sowjetischen Truppen das existierende Regime in der DDR keinen Bestand hat.« Den Kurs auf den »forcierten Aufbau des Sozialismus in der DDR« bezeichnet er abschließend noch einmal als »Kurs auf den dritten Weltkrieg«, und die Alternative, die er ansteuert, nennt er klar »die Vereinigung Deutschlands als eines bürgerlich-demokratischen Staats«.

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Malenkows Ausführungen belegen eindeutig, dass von einer Minderheitenposition Berijas nicht die Rede sein kann. Die Mitschrift Otto Grotewohls belegt, dass Malenkow beim Empfang der SED-Delegation tatsächlich als erster gesprochen hat.7 Dass er etwas ganz Anderes gesagt haben könnte, als das, was er sich zuvor aufgeschrieben hatte, ist auszuschließen. Es mag sein, dass die Frage des künftigen deutschlandpolitischen Kurses zuvor im Präsidium kontrovers diskutiert worden war. Aber noch nicht einmal das ist sicher: Die unterschiedlichen Vorläufer-Versionen des Dokuments vom 2. Juni 1953 deuten eher darauf hin, dass es lediglich unterschiedliche Akzentsetzungen hinsichtlich der Dringlichkeit der einen oder anderen Maßnahme gegeben hat.8 Sollte es eine Auseinandersetzung gegeben haben, ist ihr Ausgang unzweideutig: Der Vorsitzende des Präsidiums hat der SED-Delegation mitgeteilt, zu welchem Ergebnis die Beratungen geführt haben. Weiter machen die Ausführungen deutlich, dass die Furcht vor einem neuen Krieg der sowjetischen Führung doch nicht so fern lag, wie manche Beobachter glaubten diagnostizieren zu können. Und sie bestätigen natürlich, was schon bei der Analyse der internen Äußerungen Stalins zu sehen war. Die Orientierung am Leitbild eines einheitlichen Deutschlands, das nicht zum Block der »volksdemokratischen« Länder gehört und in dem der Aufbau des Sozialismus noch nicht auf der Tagesordnung steht, geht offensichtlich über den Einschnitt von 1952 und auch über den Tod Stalins im März 1953 hinweg. Wenn Malenkow wenige Wochen nach diesem Tod im Beisein seiner Präsidiumskollegen behauptet, mit der Orientierung am Modell der Weimarer Republik in der Kontinuität Stalins zu stehen, kann das nicht völlig aus der Luft gegriffen sein. Was er zur Definition des Begriffs »bürgerlich-demokratische Ordnung« sagt, steht in der Tradition entsprechender Äußerungen Stalins vom Sommer 1945 und Frühjahr 1946 und bekräftigt sie zugleich.9

7 SAPMO-BA, NY 4090/699, 33–38. 8 Vgl. Scherstjanoi, Sowjetische Deutschlandpolitik, S. 497–594; in diesem Band, »17. Juni 1953«, S. 179–194. 9 Vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 23 f., 28 f. u. 32 f.

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II. Das zweite Dokument ist schon vor einiger Zeit veröffentlicht worden – allerdings nur im Bulletin des rumänischen Militärarchivs; die internationale Forschung hat es daher noch nicht wirklich wahrgenommen. Es handelt sich um den Bericht, den der rumänische Verteidigungsminister Emil Bodnăraú zu dem Treffen der Parteichefs und Verteidigungsminister der osteuropäischen Volksdemokratien angefertigt hat, das vom 9. bis 12. Januar 1951 in Moskau stattfand. Stalin hatte die für die Sicherheit der Volksdemokratien Verantwortlichen dazu nach Moskau bestellt, um ihnen zu sagen, wie auf den Beschluss der Außen- und Verteidigungsminister des Atlantikpakts vom 19. Dezember 1950 zu reagieren sei, eine integrierte NATO-Streitmacht unter Einschluss deutscher Truppen aufzustellen.10 Nach Bodnăraú’ »Aufzeichnungen im Notizbuch« erklärte Stalin den Partei- und Sicherheitschefs bei dieser Gelegenheit, dass von den westlichen Aufrüstungsbeschlüssen keine unmittelbare Gefahr ausgehe: »Es ist klar, dass die Vereinigten Staaten nicht bereit sind und dass sie noch einige Jahre benötigen, um sich vorzubereiten. Die Vereinigten Staaten haben sich in Asien in eine Zwangslage gebracht und sind dort für einige Jahre gebunden.«

Genauer sprach er von »zwei, drei Jahren«, in denen man noch nicht mit einer »Auslösung des Dritten Weltkriegs« durch die USA zu rechnen brauche. Danach hielt er eine Aggression des Westens aber für möglich, wenn nicht sogar für wahrscheinlich: Eine »Bewaffnung« sei nötig, »weil die Imperialisten ihre eigene Logik haben: Sie pflegen unbewaffnete oder schwach bewaffnete Länder anzugreifen, um sie zu vernichten; aber sie machen einen Bogen um die gut bewaffneten Länder.«11 10 Alexandru Oúca / Vasile Popa, Stalin a decis. Lagărul socialist se înarmează, in: Buletinul Arhivelor Militare Române 1 (1998), S. 72–76; jetzt in deutscher Übersetzung bei Gerhard Wettig, Stalins Aufrüstungsbeschluss. Die Moskauer Beratungen mit den Parteichefs und Verteidigungsministern der »Volksdemokratien« vom 9. bis 12. Januar 1951, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 53 (2005), S. 635– 650, hier S. 641–650. 11 Ebd. S. 641 u. 648.

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Um den befürchteten Angriff des Westens abzuwehren, wurden die Führer der Ostblock-Staaten angewiesen, »die Zeit von zwei, drei Jahren, die wir haben, dazu [zu] nutzen, eine moderne und schlagkräftige Armee aufzubauen.«12 Bis Ende 1952 sollten die Armeen der Volksdemokratien zusammen eine Friedensstärke von 1.140.000 Mann aufbringen, bis Ende 1953 eine Kriegsstärke von 3.000.000 Mann. Den Volksdemokratien wurde einige Unterstützung durch sowjetische Militärtechnik zugesagt. Vor allem aber wurde ihnen auferlegt, die Schwerindustrie auszubauen, um die verstärkten Armeen angemessen ausrüsten zu können. Zur Koordination des Aufrüstungsprogramms wurde in aller Heimlichkeit ein »Koordinierungskomitee« unter dem Vorsitz von Nikolai Bulganin geschaffen.13 Bodnăraú’ Bericht aus dem Januar 1951 macht deutlich, dass Malenkows Programm vom Mai/Juni 1953 nicht auf einer Neueinschätzung der Sicherheitslage beruhte. Vielmehr galt Stalins Bedrohungsanalyse zur Zeit der Jahreswende 1950/51 noch immer oder zumindest wieder;14 zweieinhalb Jahre später glaubte man tatsächlich, schon »in nächster Zukunft« mit einem Krieg konfrontiert werden zu können. Umgekehrt kann man annehmen, dass die Dringlichkeit, die die vermeintliche Kriegsgefahr dem Ziel einer Verständigung über einen Friedensvertrag mit Deutschland verschaffte, auch schon für 1951 galt. Berijas Sohn Sergo gibt in seinen Erinnerungen passend zu Bodnăraú Bericht an, 12 Ebd. S. 642. 13 Bodnăraú’ Bericht bestätigt die Zeugnisse des stellvertretenden polnischen Verteidigungsministers Edward Ochab und des ungarischen Parteichefs Mátyás Rákosi. Beide hatten von dem Treffen berichtet, dass Stalin einen westlichen Angriff in einem Zeitraum von drei oder vier Jahren für möglich erklärt hatte: Teresa Toranska, Them: Stalin’s Polish Puppets, New York 1987, S. 46 f.; Istoriþeskij Archiv 3 (1998), S. 11 f. Die zuvor kolportierte Behauptung des tschechoslowakischen Verteidigungsministers Alexej Cepiþka, Stalin habe von der Notwendigkeit gesprochen, sich auf eine militärische Besetzung Westeuropas in diesem Zeitraum vorzubereiten (mitgeteilt bei Karel Kaplan, Dans les archives du comité central, Paris 1978, S. 165 f.), ist offensichtlich irreführend. Vgl. auch die Zusammenstellung der verschiedenen Berichte bei Dietrich Staritz, Stalin im Januar 1951: Angriff oder Verteidigung?, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53 (2005), S. 1019– 1033. 14 Ende März 1952 hatte Stalin amerikanischen Journalisten erklärt, ein »dritter Weltkrieg« sei gegenwärtig nicht näher »als vor zwei oder drei Jahren«; Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 188.

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Stalin habe sich seit 1951 kontinuierlich auf den Krieg vorbereitet: »Er glaubte, dass die Zeit für den Westen arbeitete und das Kräftegleichgewicht für die UdSSR daher noch optimal war. Er begann daher, nicht die öffentliche Meinung, wohl aber seine Umgebung vorzubereiten, indem er ihnen immer wieder sagte, dass der Krieg unvermeidlich sein würde und die Amerikaner ihn beginnen würden.«15

Die Bemühungen um eine neue Außenministerratstagung seit dem November 1950 und die Inszenierung einer öffentlichen Kampagne zur Erzwingung einer solchen Ratstagung seit dem September 195116 müssen vor dem Hintergrund dieser Bedrohungsanalyse gesehen werden. In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass eine Beteiligung der DDR an dem Aufrüstungsprogramm des Ostblocks zunächst nicht vorgesehen war. Weder wurden Vertreter der DDR zu dem Moskauer Treffen vom Januar 1951 eingeladen noch wurde der DDR ein Beitrag zur Aufrüstung zugewiesen, und sie wurde auch nicht an dem Koordinierungsorgan zur Ausführung des Programms beteiligt. Die Aufstellung paramilitärischer Einheiten der Kasernierte Volkspolizei, die die sowjetische Besatzungsmacht seit 194817 vornahm, ist offensichtlich in der Perspektive einer Einflussnahme auf die Gestaltung und das Personal einer künftigen gesamtdeutschen Armee zu sehen. Als Beleg für eine angebliche frühe Option der sowjetischen Führung für den ostdeutschen Teilstaat ist sie für sich allein genommen nicht tauglich. Natürlich stellte sich den sowjetischen Verantwortlichen früher oder später die Frage, ob das Streitkräfte-Potential der DDR nicht doch in die Vorbereitungen zur Abwehr eines westlichen Angriffs einbezogen werden sollten. Wenn es nicht gelang, den Westen zum Abschluss des Friedensvertrags zu bewegen, war 15 Sergo Beria, Beria mon père. Au cœur du pouvoir stalinien, Paris 1999, S. 327; vgl. ebd. S. 318, 320, 324–329. 16 Vgl. in diesem Band, »Entstehung«, S. 101–157. 17 Vgl. Bruno Thoß (Hg.), Volksarmee schaffen – ohne Geschrei! Studien zu den Anfängen einer ›verdeckten Aufrüstung‹ in der SBZ/DDR 1947 bis 1952, München 1994; Gerhard Wettig, Neue Erkenntnisse aus sowjetischen Geheimdokumenten über den militärischen Aufbau in der SBZ/DDR 1947–1952, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 53 (1994), S. 399–419.

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diese Schlussfolgerung unabweisbar. Tatsächlich wurde im sowjetischen Generalstab Mitte 1951 ein Dokument ausgearbeitet, das die Empfehlung aussprach, das integrierte Aufrüstungsprogramm auch auf die DDR auszudehnen. Angesichts der Möglichkeit eines Krieges »entfesselt von aggressiven imperialistischen Kräften des Westens«, hieß es da, sollte auch die DDR ihren Wirtschaftsplan ganz auf die strategische Entwicklung der Streitkräfte ausrichten.18 Der Empfehlung wurde jedoch nicht sogleich stattgegeben. Das spricht dafür, dass Stalin zunächst durchaus hohe Erwartungen in die Mobilisierungskampagne für den Friedensvertrag setzte. Umgekehrt deuten die Maßnahmen zur Umstrukturierung der paramilitärischen »Bereitschaften« in Verbände, die für einen Einsatz in einem »großen« Krieg zwischen Ost und West geeignet waren, ab Anfang 195219 darauf hin, dass die Skepsis unterdessen gewachsen war. Dazu passt, dass der VolkskammerAppell vom 15. September 1951 zur Einrichtung einer »gemeinsamen gesamtdeutschen Beratung« in dem Zeitraum, den die Beamten des Moskauer Außenministeriums dafür vorgesehen hatten (»zwei bis drei Monate«20), nicht die erhoffte Mobilisierung im westlichen Deutschland zustande gebracht hatte. Aus der erkennbaren Skepsis Anfang 1952 ergibt sich freilich nicht, dass das Projekt eines Friedensvertrags mit Deutschland nicht mehr ernsthaft weiterverfolgt worden wäre. Im Gegenteil: Wie ich andernorts gezeigt habe,21 hat Stalin die Dinge jetzt selbst in die Hand genommen. Von Ende Januar 1952 an nahm er persönlich Änderungen an den Vorlagen für einen Programmtext über die »Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland« und die diversen Begleitschreiben vor, die das Außenministerium ausgearbeitet hatte. Dabei kam er den Deutschen in einer Reihe von Punkten weiter entgegen, als es der von Molo18 So das Zeugnis in den Memoiren des polnischen Generals Tadeusz Pióro: Armia ze skazą. W Wojsku Polskim 1945–1968. Wspomnienia i refleksje, Warszawa 1994, S. 163. 19 Torsten Diedrich, Das Jahr 1952 – Schlüsseljahr in der Aufrüstung der DDR, in: Falco Wercentin (Hg.), Der Aufbau der »Grundlagen des Sozialismus« in der DDR 1952/53, Berlin 2002, S. 41–48. 20 Beschlussvorlage des sowjetischen Außenministeriums vom 28. August 1951, in diesem Band, Dokumente I, Nr. 7, S. 254–257. 21 Vgl. in diesem Band, »Entstehung«, S. 140–153.

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tow verantwortete Entwurf zuvor getan hatte (Monopolverbot, Verbindung der Ruhrindustrie mit »internationalen Vereinigungen«, Reparationen, Dienst in »ausländischen Armeen«). Auch zeigte er sich bemüht, die Bedingungen des Friedensvertrages so zu formulieren, dass sie von den Westalliierten ohne größere Schwierigkeit akzeptiert werden konnten.

III. Die integrale Veröffentlichung der Protokolle der beiden Unterredungen der SED-Führung mit Stalin am 1. und 7. April 195222 macht deutlich, dass der Sowjetdiktator die Hoffnung, mit der Veröffentlichung der Note vom 10. März 1952 endlich den Durchbruch zu erzielen, erst im Laufe der ersten Aprilwoche aufgegeben hat. Dass die Westmächte in ihrer gemeinsamen Antwortnote vom 25. März auf der vollständigen Freiheit des künftigen deutschen Staates beim Eingehen von Bündnissen beharrten, dürfte starke Zweifel bei ihm ausgelöst haben. Als Wilhelm Pieck die Unterredung vom 1. April mit der Frage begann, ob es »zu einer Konferenz der vier Mächte kommen« werde und »welche Ergebnisse von dieser Konferenz zu erwarten« seien, blieb er jedoch zunächst ohne Antwort. Stalin machte zwar Ausführungen zur Umwandlung der Kasernierten Volkspolizei in eine Wehrpflichtigen-Armee; zur Frage nach den Aussichten für einen Friedensvertrag bemerkte er zum Schluss des

22 In der Zeitschrift des Präsidentenarchivs: »Skostit’ polovinu summy paparacii ... my možem«. Vstreþi Stalina s rukovodstvom SEPG, in: Istoþnik 2003, Heft 3, S. 100–127, hier S. 115–125. Eine annotierte deutsche Übersetzung wurde veröffentlicht von Elke Scherstjanoi / Rolf Semmelmann, Die Gespräche Stalins mit der SED-Führung im Dezember 1948 und im April 1952, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 52 (2004), S. 138–166 u. 238–269, hier S. 246–268. Die englische Übersetzung einer zum Teil schlecht lesbaren Arbeitsfassung der Protokolle findet sich bei Ostermann, Uprising, S. 22–42. Zuvor hatte Wladimir K. Wolkow Auszüge aus den Protokollen in deutscher Übersetzung publiziert: Wolkow, deutsche Frage, S. 20–49. Die Protokolle bestätigen die Korrektheit der Aufzeichnungen, die Wilhelm Pieck während der beiden Unterredungen angefertigt hat; veröffentlicht in Badstübner / Loth, Pieck, S. 383–385 u. 395–397.

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über zweistündigen Gesprächs aber nur, dass man darauf »bei einem zweiten Treffen zurückkommen« könne.23 Offensichtlich nutzte er dieses erste Gespräch zur Erkundung der tatsächlichen Lage in Deutschland, war es also Teil eines Meinungsbildungsprozesses. Bis die SED-Führer am späten Abend des 7. April zu einem zweiten Gespräch gerufen wurden, mussten sie fast eine Woche warten. Jetzt wurde ihnen gleich zu Gesprächsbeginn eine Antwort präsentiert, sie klang entschlossen, und sie ließ die Enttäuschung über die mangelnde Wirkung der Veröffentlichung von »Grundlagen des Friedensvertrages« durchschimmern: »Genosse Stalin ist der Ansicht, dass die Westmächte, welche Vorschläge zur deutschen Frage wir auch immer einbringen mögen, mit uns nicht einverstanden sein und auf jeden Fall aus Westdeutschland nicht herausgehen werden. Zu denken, dass ein Kompromiss herauskommen wird oder dass die Amerikaner den Entwurf eines Friedensvertrages annehmen werden, hieße einen Fehler zu begehen. Die Amerikaner brauchen eine Armee in Westdeutschland, um Westeuropa in den Händen zu behalten. Sie sagen, dass ihre Armee dort eine gegen uns ist. In Wirklichkeit ist ihre Armee dazu da, Europa zu beherrschen. Die Amerikaner werden Westdeutschland in den Atlantik-Pakt hineinziehen. Sie werden westdeutsche Truppen schaffen. Adenauer haben die Amerikaner in der Tasche. Alle ehemaligen Faschisten und Generäle auch. Faktisch wird in Westdeutschland ein selbständiger Staat gebildet.«24

Der Verbitterung und der Anklage in der Lagebeurteilung entsprach eine alarmistische Überzeichnung in den Schlussfolgerungen:

23 Istoþnik, S. 115 u. 121; Scherstjanoi / Semmelmann, Gespräche Stalins, S. 247 u. 260. – Die Ausführungen zur Schaffung einer Armee wurden separat protokolliert. Das entsprechende Protokoll konnte bislang nur von Wladimir Wolkow eingesehen werden; er zitiert daraus in Wolkow, deutsche Frage, S. 44 f. Der Vergleich der beiden Protokolle mit den Aufzeichnungen Piecks zur Unterredung vom 1. April 1952 (Badstübner / Loth, Pieck, S. 395 f.) ergibt, dass der Vorwurf von Gerhard Wettig, die Herausgeber hätten diese Notizen »offenbar fälschlicherweise dem StalinGespräch am 1.4.1952 zugeordnet« (Wettig, Vorgeschichte, S. 162), vollkommen unbegründet ist. Piecks Notizen sind auch nicht »undatiert«, wie Wettig schreibt; sie stehen unter der Überschrift »Besprechung am 1.4.1952 – 21.00 – 23.07 Uhr in Moskau«. 24 Istoþnik S. 121 f.; Scherstjanoi / Semmelmann, Gespräche Stalins, S. 261.

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»Sie müssen auch Ihren eigenen Staat organisieren. Die Demarkationslinie zwischen West- und Ostdeutschland muss als eine Grenze betrachtet werden, und zwar nicht als eine einfache Grenze, sondern als eine gefährliche Grenze. Der Schutz dieser Grenze muss verstärkt werden. In der ersten Linie werden zu ihrem Schutz Deutsche stehen, in der zweiten Linie werden wir russische Truppen zum Schutz stationieren. Viel zu frei bewegen sich die Agenten der Westmächte durch die Deutsche Demokratische Republik. Sie können bis zum Äußersten gehen und Sie oder Gen. ýujkov töten. Damit muss man rechnen. Deshalb muss man einen starken Schutz der Grenze haben.«

Die Errichtung eines strengen Grenzregiments und die erneute Einrichtung von 140 sowjetischen Kommandanturen auf dem Gebiet der DDR waren offensichtlich die Schlussfolgerungen, zu denen Stalin erst in den letzten Tagen gekommen war. Im Übrigen drängte er hinsichtlich der Ausstattung der Volkspolizei mit russischen Gewehren, Panzern und Artillerie auf Eile.25 Die Konzentration auf den Schutz der DDR bedeutete jedoch nicht, dass Stalin das Ziel eines Friedensvertrages mit ganz Deutschland aufgegeben hätte. In den Unterredungen mit der SED-Führung zeigte er sich sogar optimistisch, es in absehbarer Zeit doch noch zu erreichen. Als Otto Grotewohl bei der Erörterung der Aufrüstung die »Notwendigkeit« ansprach, »die Ereignisse in Westdeutschland zu berücksichtigen«, erklärte ihm Stalin, »dass man heute im Westen denkt, dass Sie überhaupt nicht bewaffnet sind, dass Sie keine Kraft haben und man Sie leicht erobern kann. Solange sie so denken, sind sie nicht gesprächsbereit. Sie reagieren nur auf Stärke. Wenn bei Ihnen plötzlich eine Armee auftaucht, wird man anders mit Ihnen sprechen – man wird Sie anerkennen und lieb gewinnen, da Stärke von allen geliebt wird.«26 Aufrüstung und Verhandlungsbereitschaft stellten für den Sowjetführer keinen Gegensatz dar. Als Walter Ulbricht nach der pessimistischen Lagebeurteilung vom 7. April nachfragte, ob man »angesichts der tiefen Spaltung Deutschlands« denn auch weiterhin »eine Reihe von Maßnah25 Istoþnik, S. 122; Scherstjanoi / Semmelmann, Gespräche Stalins, S. 261 f. Vgl. auch Piecks Aufzeichnungen zu dieser Besprechung, Badstübner / Loth, Pieck, S. 396 f. 26 Wolkow, deutsche Frage, S. 45 hier zit. n. der adaptierten Fassung bei Scherstjanoi / Semmelmann, Gespräche Stalins, S. 259.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

men nicht durchführen« soll, »die bei der Entwicklung in Richtung Sozialismus durchgeführt werden müssen«, wurde ihm gesagt, dass sich an der bisherigen Taktik nichts ändern sollte: »Obgleich in Deutschland zwei Staaten geschaffen werden, ist es vorerst nicht angebracht, lauthals vom Sozialismus zu reden.« Grotewohl, der wissen wollte, ob es denn »notwendig« sei, »an unserer Argumentation zu Fragen der Einheit Deutschlands Veränderungen vorzunehmen«, erhielt ein ausdrückliches »Nein« zur Antwort: »Man muss die Propagierung der Einheit Deutschlands die ganze Zeit fortsetzen. Das hat für die Erziehung des Volkes in Westdeutschland große Bedeutung. Jetzt haben Sie diese Waffe in den Händen, man muss sie die ganze Zeit in den Händen behalten. Wir werden auch weiterhin Vorschläge zu Fragen der Einheit Deutschlands machen, um die Amerikaner zu entlarven.«27

Als Ulbricht am 2. Juli 1952 Stalin um eine »Stellungnahme« zu der Auffassung bat, die Staatsmacht in der DDR habe sich »von der antifaschistisch-demokratischen Ordnung zur demokratischen Volksmacht, zur Volksdemokratie entwickelt«,28 wurde ihm gemäß einem Politbüro-Beschluss vom 8. Juli geantwortet, das Zentralkomitee der KPdSU sei mit dieser Einschätzung des aktuellen Entwicklungsstadiums einverstanden. Gleichzeitig wurde ihm aber gesagt, »dass es aus taktischen Erwägungen heraus zweckmäßig wäre, auf der Parteikonferenz zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erklären, dass die Deutsche Demokratische Republik ein Staat der Volksdemokratie ist. Das ergibt sich daraus, dass eine Einengung der Massenbasis der Bewegung für die Schaffung eines einheitlichen, demokratischen, friedliebenden und unabhängigen Deutschlands nicht zugelassen werden darf.« Die Moskauer Führung empfahl stattdessen, »sich darauf zu beschränken, vorerst zu erklären, dass in der Deutschen Demokratischen Republik die volksdemokratischen Grundlagen des Staatsaufbaus konsequent gefestigt werden.« Außerdem sollte

27 Istoþnik, S. 124 u. 125; Scherstjanoi / Semmelmann, Gespräche Stalins, S. 265 u. 268. 28 Veröffentlicht bei Staritz, Stalin und der »Aufbau des Sozialismus«, S.698 f.

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»zur weiteren Stärkung des Blocks der antifaschistisch-demokratischen Parteien« aufgerufen werden.29 Die »Billigung« des »Kurses auf eine Forcierung des Aufbaus des Sozialismus in der DDR«, von der das Präsidium des Ministerrats in seiner Entschließung vom 1. Juni 1953 sprach,30 fiel also tatsächlich weitaus weniger eindeutig aus, als es im Nachhinein den Anschein hatte. Ulbricht handelte eindeutig voreilig, wenn er noch am Tag der Moskauer Politbüro-Sitzung und notwendigerweise ohne Kenntnis ihrer Ergebnisse im Zentralkomitee der SED den Resolutionsentwurf für die Parteikonferenz der SED mit der Ankündigung vortrug, »dass der Aufbau des Sozialismus zur grundlegenden Aufgabe in der Deutschen Demokratischen Republik geworden ist«.31 Die Antwort aus Moskau erhielt er offensichtlich erst während einer Beratungspause der Parteikonferenz am 9. Juli. Als er nach der Pause zur Überraschung aller Delegierten um Zustimmung zu dem Vorschlag bat, »dass in der Deutschen Demokratischen Republik der Sozialismus planmäßig aufgebaut wird«32, hielt er sich zwar formal an die Anweisung, nicht von einer »Volksdemokratie« zu sprechen, ging aber inhaltlich weit über das hinaus, was durch die Moskauer Sprachregelung abgedeckt war.33

29 RGASPI f. 17, op. 3, d. 1095, l 140, in deutscher Übersetzung veröffentlicht bei Scherstjanoi / Semmelmann, Gespräche Stalins, S. 268 f. 30 AWP RF f. 3, op. 64, d. 802, ll. 154–161; deutsche Übersetzung in Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 32 (1990), S. 651–654; englische Übersetzung in Ostermann, Uprising, S. 133–136. 31 SAPMO-BA ZPA IV s/1/55, B. 1–10. 32 Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. 9.–12. Juli 1952, Berlin 1952, S. 58. 33 Scherstjanoi will die Möglichkeit nicht ausschließen, dass der Text vom 8. Juli, den das Politbüro lediglich zur Grundlage einer abschließenden Entscheidung erklärte, noch einmal verändert wurde, bevor Ulbricht ihn erhielt (Scherstjanoi / Semmelmann, Gespräche Stalins, S. 245 f.). Das ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Der Präsidiumsbeschluss vom 1. Juli 1953 bezieht sich eindeutig auf diesen Text.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

IV. Die vollständige Veröffentlichung der Protokolle der Unterredungen Stalins mit der SED-Führung am 1. und 7. April 1952 und die Entdeckung des Politbüro-Beschlusses vom 8. Juli 1952 ermöglichen es auch, die Unterschiede zwischen Stalins Politik und dem Programm der Nachfolger-Equipe um Malenkow und Berija präziser zu benennen: Stalin argumentierte zum Schluss nur noch taktisch, sprach von »Maskierung« der tatsächlichen SED-Politik und hielt eine solche Maskierung für eine hinreichende Bedingung für den schließlichen Erfolg seiner Mobilisierungskampagne im Westen Deutschlands. Dass sich die Verhältnisse in der DDR tatsächlich nicht substantiell von der Lage in den Volksdemokratien unterschieden, sah er nicht als problematisch an. Mehr noch: Ängstlich darum bemüht, nur ja nichts zu versäumen, was die Mobilisierung der Deutschen für die Einheit befördern könnte, und zugleich in einer sehr ideologischen Sicht der gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland befangen, stieß Stalin selbst Maßnahmen an, die geeignet waren, den von Ulbricht gewünschten »Übergang zum Aufbau des Sozialismus«34 zu beschleunigen. Nachdem Wilhelm Pieck in der Besprechung vom 1. April berichtet hatte, dass »eine verstärkte Tätigkeit des Gegners (Großbauern, Kirche)« gegen die »demokratische Ordnung« zu verzeichnen sei, ordnete Stalin in der Besprechung vom 7. April an, dass dagegen Produktionsgenossenschaften der armen Bauern eingerichtet werden sollten: »Sie beklagen sich über die Großbauern. Was ist denn das für eine Taktik – sich zu beklagen. Den Großbauern muss man einkreisen und um ihn herum Kolchosen schaffen.« Produktionsgenossenschaften würden zugleich die wirtschaftliche Lage der Bauern verbessern, und das werde der Partei zugute kommen: »Sie werden dadurch unter den Bauern einen festen Rückhalt haben.«35

34 So die Formulierung in dem Schreiben vom 2. Juli 1952, siehe Staritz, Stalin und der »Aufbau des Sozialismus«, S. 698 f. 35 Istoþnik, S. 116 u. 123; Scherstjanoi / Semmelmann, Gespräche Stalins, S. 250 u. 263 f.

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Sodann mahnte er an, die Verstaatlichung der Industrie zu beschleunigen: Die Maskierung der »volkseigenen Betriebe« habe der SED »geholfen, die Mittelschichten in Westdeutschland nicht zu verschrecken. Doch wenn sie nicht gewesen wäre, dann hätten Sie vielleicht die unteren Schichten stärker an sich binden können. Die Arbeiter werden sich freuen, wenn sie erfahren, dass Sie die Industrie verstaatlichen. Andernfalls würden sie sagen, dass bei Ihnen genauso eine Regierung ist wie in Bonn. [...] Hier muss man lavieren, einerseits darf man die Mittelschichten nicht verschrecken, doch die Arbeiter im Westen vor den Kopf zu stoßen ist auch nicht angebracht. Wir verkaufen Ihnen Betriebe unserer Aktiengesellschaften. Den Arbeitern in Deutschland wird es wichtig sein zu wissen, dass sich damit die verstaatlichte Industrie vergrößert. Die Arbeiter werden sehr froh darüber sein.«36 Aus der Enttäuschung über die geringe Resonanz der Einheitsparole bei den »nationalen Kräften« flüchtete er sich in die Hoffnung auf die Attraktivität eines de-facto-Sozialismus in der DDR für die westdeutschen wie für die ostdeutschen Arbeiter. Demgegenüber erinnerte Malenkow nicht nur daran, dass das vereinte Deutschland unter den gegebenen internationalen Bedingungen nur als »bürgerlich-demokratische« Republik möglich war. Er sprach auch klar aus, »dass der Kurs auf einen forcierten Aufbau des Sozialismus in der DDR unter heutigen internationalen Bedingungen die Vereinigung Deutschlands behindert. Dieser Kurs ist auf die Festigung der Spaltung Deutschlands ausgerichtet.« Seine Kritik galt nicht nur der SED-Führung, sondern auch der Spitze der sowjetischen Führung, die deren Kurs mitgetragen hatte: »Nicht nur Sie, unsere deutschen Freunde, sondern auch unser Zentralkomitee, wir sind zusammen für den Kurs der Beschleunigung des Aufbaus des Sozialismus verantwortlich, der in der DDR durchgeführt wird. Es ist bekannt, dass dieser Kurs von der SED mit Zustimmung des Politbüros durchgeführt wurde.«37

Der Malenkow-Text bestätigt damit die Schilderungen von Sergo Berija, der den »Neuen Kurs« in die wiederholte Kritik seines Vaters an ideologischen Verblendungen Stalins einordnet: 36 Istoþnik S. 124; Scherstjanoi / Semmelmann, Gespräche Stalins, S. 265. 37 In diesem Band, Dokumente II, S. 300

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

»Mein Vater kam auf seine Idee zurück, Deutschland wieder zu vereinen. Er begründete seine Haltung mit dem Argument, dass die USA auf lange Zeit mit der Dekolonisierung des britischen Empire und der anderen Kolonialreiche beschäftigt seien. Während dieser Zeit könnte das deutschrussische Tandem eine wirtschaftliche Wandlung vollziehen. Das wiedervereinigte Deutschland würde der Sowjetunion dankbar sein und bereit sein, ihr wirtschaftlich zu helfen. Wir könnten selbst einem bürgerlichen Deutschland zustimmen.«38

Weiter weist der Malenkow-Text bemerkenswerte Übereinstimmungen mit der Argumentation zur Begründung des »Neuen Kurses« auf, die Sergo Berija referiert: »Malenkow und Saburow sahen darin [in der Verständigung auf ein ›bürgerliches‹ Deutschland] keinen Nachteil. Chruschtschow und Molotow musste man überzeugen. Mein Vater war übrigens erstaunt, dass Letzterer so schwer von Begriff war: ›Ich habe ihn für einen unabhängigeren Geist gehalten‹ sagte er mir. ›Ich hatte sein borniertes Verhalten Stalin zugeschrieben. Jetzt stelle ich fest, dass sein Gehirn verkalkt ist.‹ Er fertigte einen Bericht über die Maßnahmen zur Stärkung des Kommunismus in der DDR an, die im Juli 1952 angenommen worden waren. Er unterstrich ihre verheerenden Ergebnisse und erzwang im Mai 1953 die Kaltstellung Ulbrichts. Alle erklärten sich einverstanden. Ihre Einwände beschränkten sich darauf, dass man nicht den Eindruck erwecken dürfe, wir würden zurückweichen. Mein Vater antwortete, dass wir alles Interesse daran hätten, den Eindruck zu vermitteln, dass wir vernünftig seien. Er musste noch mit Nachdruck darauf bestehen, dass Ulbricht und die ostdeutschen Führer nach Moskau gerufen wurden. Seine Genossen ließen sich erst überzeugen, als er ihnen vor Augen führte, dass in der DDR ein Aufstand losbrechen würde.«39

Der Malenkow-Text verleiht Sergo Berijas Darstellung der Entstehung des Präsidiumsbeschlusses vom 1. Juni 1953 hohe Glaubwürdigkeit und stützt folglich indirekt auch den Bericht von Berijas Mitarbeiter Pawel Sudoplatow über vertrauliche Kontakt-

38 Sergo Beria, Beria mon père, S. 365. Zuvor hatte Berija seinen Vater als Kritiker der Zwangsvereinigung von KPD und SPD im Frühjahr 1946 geschildert und berichtet, er habe Stalin bereits 1949/50 die Wiedervereinigung Deutschlands »um jeden Preis« als Mittel zur wirtschaftlichen Gesundung der Sowjetunion empfohlen: Ebd. S. 285 f. u. 318. 39 Ebd. S. 365 f.

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aufnahmen nach Bonn und Washington.40 Sergo Berija berichtet nämlich weiter: »Die Entscheidung zur Wiedervereinigung Deutschlands war getroffen. Ulbricht sollte kaltgestellt werden. Mein Vater hatte bereits Signale in diesem Sinne an die westlichen Länder geschickt. Er war davon überzeugt, dass die Wiedervereinigung aufgrund der Initiative der Sowjetunion noch vor Ende des Jahres erfolgen würde. Man hätte einige Sozialisten in die künftige deutsche Regierung einschließen können, und die Feindschaft der SPD gegenüber der Sowjetunion wäre nach der Wiedervereinigung verschwunden. Malenkow unterstützte meinen Vater und teilte vielleicht auch seine Ansicht, während Chruschtschow und die anderen ihn täuschten und Zeit zu gewinnen suchten.«41

V. Die Zeit von April 1952 bis zum April 1953 muss danach als ein Jahr der Ambivalenz in der sowjetischen Deutschlandpolitik gewertet werden. Stalin hielt an der Mobilisierung der Westdeutschen für einen Friedensvertrag weiter fest, ließ aber gleichzeitig zu, dass die »volksdemokratischen Grundlagen« des Staatsaufbaus der DDR »konsequent gefestigt«42 wurden. Auf die Ambivalenz des Spät-Stalinismus folgte mit dem Programm des »Neuen Kurses« eine Rückkehr zur Eindeutigkeit der Orientierung an einer bürgerlich-demokratischen Republik. Diese war freilich nicht von langer Dauer war. Mit der Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni 1953 und dem darauf folgenden Sturz Berijas am 26. Juni 1953 begann abermals eine Phase der Ambivalenz: Das Ziel des Friedensvertrags und der Verhinderung der Aufrüstung der Bundesrepublik blieb, aber es wurde nicht mehr viel dafür getan, es tatsächlich zu verwirklichen. Molotow stoppte am 2. Juli 1953 den Sturz Ulbrichts. Als die Sowjetregierung am 15. August 1953 ihre neue Note zur Deutschlandpolitik veröffentlichte, war der zuvor vorgesehene Abzug aller Besatzungs40 Vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 198 f. 41 Beria, Beria mon père, S. 366. 42 So die Formulierung in dem Politbüro-Beschluss vom 8. Juli 1952, RGASPI f. 17, op. 3, d. 1095, l 140, in deutscher Übersetzung veröffentlicht bei Scherstjanoi / Semmelmann, Gespräche Stalins, S. 268 f.

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Die Sowjetunion und die deutsche Frage

truppen zum Zeitpunkt der Bildung einer Provisorischen gesamtdeutschen Regierung nicht mehr enthalten.43 Die Ambivalenz endete weder mit der Beteiligung der DDR an der Gründung des Warschauer Paktes am 14. Mai 1955 noch, wie man bisher annehmen musste, mit der Bestandsgarantie, die Nikita Chruschtschow der DDR mit seiner Ostberliner Rede vom 26. Juli 1955 gab. Wie aus den Protokollen der Sitzungen des Präsidiums des Zentralkomitees der KPdSU vom 6. und 7. November 1955 hervorgeht, wollte Molotow auf der Genfer Außenministerkonferenz vom Oktober/November 1955 einen Vorschlag einbringen, der ganz in der Tradition der bisherigen sowjetischen Vorschläge freie Wahlen in Deutschland im Gegenzug zum Verzicht auf die NATO-Mitgliedschaft der Bundesrepublik und einen Abzug aller ausländischen Truppen innerhalb von drei Monaten vorsah. Der Vorschlag ging über die Verhandlungslinie hinaus, die vor Beginn der Konferenz festgelegt worden war; Molotow musste ihn daher dem Präsidium des Zentralkomitees44 zur Billigung vorlegen. In der Präsidiumssitzung vom 6. November wiesen jedoch alle Anwesenden Molotows Initiative zurück. Anastas Mikojan bezweifelte die »Korrektheit« seiner Vorschläge: »Die Westmächte könnten sie akzeptieren und auch den Abzug der Truppen. Taktisch wird man uns so verstehen: Wir wahren unser Gesicht, geben aber unsere Positionen auf.« Nikolai Bulganin warnte vor einer »Desavouierung der Erklärung der DDR« (die am 28. Oktober freien Wahlen unter den »Bedingungen einer Beherrschung Westdeutschlands durch die Militaristen« eine Absage erteilt hatte45). Lazar Kaganowitsch erklärte, man werde es nicht zulassen, dass die Westmächte »die DDR in Stücke reißen«.46 Weil Molotow auf seinem Standpunkt beharrte, musste Chruschtschow in der Sitzung vom 7. November noch deutlicher werden: 43 Vgl. in diesem Band, »17. Juni 1953«, S. 208–214. 44 Nicht mehr dem Präsidium des Ministerrats; die Verfahrensweise hatte sich gegenüber der Berija-Ära geändert. 45 Vgl. Lemke, Einheit oder Sozialismus, S. 358. 46 Alexandr A. Fursenko (Hg.), Prezidium TsK KPSS 1954–1964: chernovye protokol’nye zapisi zasedanii, stenogrammy, postanovleniia, Moskva 2003, vol. 1, S. 58 f.

9. Stalin, Berija und Chruschtschow

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»Vor einem Jahr haben wir die Frage der Wahlen auf die Tagesordnung gesetzt. Damals haben sie sie nicht akzeptiert. Jetzt hat sich die Situation geändert. Sie wollten aus einer Position der Stärke über die Wahlen sprechen. Das sollte mit unseren Argumenten konfrontiert werden. Sie [Molotow] sagen: ›Falls die BRD die NATO verlässt‹; es macht keinen Sinn, uns auf diese Art von Diskussion einzulassen. Besser ist es, diese Frage den Deutschen selbst zu überlassen. Die Frage der Europäischen Sicherheit, eine generelle Frage, kann wohl mit zwei Deutschlands gelöst werden. Wir sind an der Aufrechterhaltung des Regimes interessiert, das in der DDR errichtet wurde. Das sollte gesagt werden.«47

Molotow, der sich zuvor schon vergeblich gegen die Mitgliedschaft der DDR im Warschauer Pakt ausgesprochen hatte,48 konnte nur noch feststellen, dass im Präsidium offensichtlich niemand mehr an Wahlen interessiert war; dann musste mit leeren Händen nach Genf zurückkehren.49 Man mag argumentieren, dass Molotow größere Schwierigkeiten als andere hatte, sich den Realitäten anzupassen. Das heißt aber gleichzeitig, dass Chruschtschow im Sommer 1955 tatsächlich einen Kurswechsel vollzog, und dass es nicht so einfach war, diesen Kurswechsel durchzusetzen.50 Erst vom 7. November 1955 an konnte er sicher sein, dass der neue Kurs nicht mehr in Frage gestellt werden würde. Adenauers Potsdamer Alptraum war vorüber; dafür war er jetzt mit einem anderen Problem konfrontiert: der dauerhaften Existenz der DDR.51

47 Ebd., S. 60. 48 Jedenfalls berichtet das Chruschtschow in der ungekürzten Fassung seiner Memoiren: Krushchev Remembers. The Glasnost Tapes, hg. v. S. Talbott, Boston 1990, S. 69 f. 49 Vgl. Aleksej Filitov, The Post-Stalin Succession Struggle and the Austrian State Treaty, in: Arnold Suppan / Gerald Stourzh / Wolfgang Mueller (Hg.), Der österreichische Staatsvertrag 1955 / The Austrian State Treaty 1955, Wien 2005, S. 121–143, hier S. 128 f. 50 Zu den Ambivalenzen der Jahre 1954 und 1955 vgl. Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 216–222. 51 Zu Adenauers Rolle siehe auch Wilfried Loth, Adenauers Ort in der deutschen Geschichte, in: Josef Foschepoth (Hg.), Adenauer und die Deutsche Frage, Göttingen 1988, S. 271–288.

Dokumente I: Quellen zur Entstehung der »Stalin-Note«

Dokument 11 Geheim Ex. Nr. 2 24. Februar 1951 Nr. 387-3EA Gen. Gromyko A. A. Einer der Punkte der Tagesordnung der zukünftigen Tagung der SMID2 wird offensichtlich die Frage des Friedensvertrages mit Deutschland sein. Bei der Besprechung dieser Frage darf sich die Sowjetdelegation nicht darauf beschränken, ihre alten Vorschläge bloß zu wiederholen. Es ist notwendig, in dieser Hinsicht einen Schritt vorwärts zu machen. Infolgedessen würde ich es für zweckmäßig halten, die Grundlagen eines Friedensvertragsentwurfs mit Deutschland, den die Sowjetdelegation zur Behandlung in der SMID-Tagung vorlegen könnte, vorzubereiten. Die erste Variante des Entwurfes der Grundlagen für den Friedensvertrag mit Deutschland ist durch unsere Abteilung erstellt worden. Zur weiteren Bearbeitung dieses Entwurfes würde ich es für zweckmäßig halten, eine Kommission zu bilden, und zwar mit folgender Besetzung: 1. Gen. Golunskij C. A. – Vorsitzender 2. Gen. Durdenewskij W. N. 3. Gen. Chwostow W. M. 4. Gen. Pawlow W. N. 5. Gen. Arutiunjan A. A. 6. Gen. Arkadjew G. P. 7. Gen. Gribanow M. G.

1 Gribanow an Gromyo 24.2.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, l. 1. 2 Sowjet Ministrow Inostranych Del: Rat der Außenminister der vier Mächte.

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Dokumente I

Die Kommission soll verpflichtet werden, den Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland zum l. April d.J. vorzubereiten. Ich bitte um Ihre Anweisungen. M. Gribanow In die Aktenmappe. M.G. 1.03.19513

3 Handschriftlicher Vermerk.

Die Entstehung der »Stalin-Note«

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Dokument 24 Geheim Ex. Nr. 1 6. März 1951 Nr. 446-3EA Gen. Sorin W. A. Durch Telegramm Nr. 7/363 vom 21. Februar 1951 haben Gen. Tschujkow und Semjonow mitgeteilt, dass Pieck, Grotewohl und Ulbricht es für notwendig halten, im Namen der Volkskammer der DDR an den Bonner Bundestag mit einem Vorschlag zu appellieren, eine gemeinsame Bitte an die Regierungen der vier Großmächte um Aufnahme der Frage des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland im Jahre 1951 in die Tagesordnung der SMID-Tagung zu richten. Dabei wurde angenommen, dass die Volkskammer dann selbständig mit einem entsprechenden Vorschlag an die vier Mächte appelliert, wenn der Bundestag diesen Vorschlag der Volkskammer ablehnt oder keine Antwort zur festgesetzten Frist gibt. Gen. Tschujkow und Semjonow haben diesen Vorschlag unterstützt. Gen. Molotow hat dieses Telegramm mit dem Vermerk versehen: »An Gen. Gromyko. Dafür. 24.02.51«. Infolgedessen ist dem Gen. Tschujkow die Billigung des Vorschlags von Pieck, Grotewohl und Ulbricht mitgeteilt worden. Der Vorschlag an den Bundestag ist in der Sitzung der Volkskammer der DDR am 3. März gemacht worden. Zum festgesetzten Termin ist keine Antwort eingegangen. Am 5. März hat der Volkskammer-Vorsitzende Dieckmann gleichlautende Telegramme an die Regierungen der vier Mächte geschickt mit der Bitte, ihren Repräsentanten auf der Pariser Tagung die Anweisung zu erteilen, [die Frage]5 der Vorbereitung und des Abschlusses eines Friedensvertrags mit Deutschland innerhalb des Jahres 1951 auf die Tagesordnung der SMID-Konferenz zu setzen. Angesichts des Telegramms von Dieckmann an den Genossen Stalin, dessen Text durch den Gen. Puschkin, Tel. Nr. 159 vom 5.03.51, übergeben worden ist, würde ich für zweckmäßig halten: 1. Durch Gen. Puschkin G. M. die Annahme des angeführten Telegramms zu bestätigen und Dieckmann mitzuteilen, dass die Sowjetdelegation auf der Vortagung in Paris den Vorschlag über die Aufnahme der Frage nach der Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrags 4 Kudrjawtzew an Sorin 6.3.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, l. 2. 5 Das Wort fehlt im Original.

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Dokumente I

mit Deutschland und in Zusammenhang hiermit nach dem Abzug der Besatzungstruppen aus Deutschland schon vorgelegt hat. 2. Der Sowjetdelegation in Paris den Text von Dieckmanns Telegramm vom 5. März 1951 mitzuteilen. Dieser Text soll vom Gen. Gromyko in seinen Unterredungen zur Unterstützung des zweiten Punktes der Tagesordnung, wie sie von der Sowjetdelegation am 5. März vorgeschlagen wurde, genutzt werden. Die Entwürfe der Anweisungen an Berlin und Paris sind beigelegt. Ich bitte um Begutachtung. Der Stellvertretende Chef der dritten Europa-Abteilung S. Kudrjawtzew

Die Entstehung der »Stalin-Note«

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Dokument 36 Ganz geheim. Ausf. Nr. 2 »9.«7 Juli 1951 Ausg. Nr. 1273-3EA Gen. Gromyko A. A. Auf der vorangegangenen Tagung in Paris8 wurde klar, dass die Regierungen der drei Mächte auch weiterhin mit forciertem Tempo die Wiederaufrüstung Westdeutschlands betreiben werden, in der Absicht, sich die materiellen und menschlichen Reserven Westdeutschlands für die eigenen aggressiven Ziele nutzbar zu machen. Diese Aktivierung der Politik der drei Mächte ist vor allem mit der Ausgestaltung der Einbeziehung Westdeutschlands in den Nordatlantischen Block und mit der Wiederherstellung des deutschen Militarismus verbunden. Um diese ihre Ziele zu erreichen, machen die Regierungen der drei Mächte gegenüber den westdeutschen Imperialisten sogar manche unwesentliche Zugeständnisse, obwohl sie diese unwesentlichen Zugeständnisse zur Täuschung der öffentlichen Meinung als Maßnahmen darzustellen versuchen, die angeblich eine deutliche Lockerung des Besatzungsregimes und die Gewährung größerer Souveränität der Bonner Regierung bedeuten. Laut einiger in der westlichen Presse erschienener Meldungen können solche Maßnahmen folgendermaßen aussehen: l. Deklaration der Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs über die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland. Hauptziel dieser Deklaration der drei Mächte wird die Bildung der rechtlichen Grundlage für die Gestaltung des Beitritts Westdeutschlands zum aggressiven Nordatlantischen Block sein. Zur Zeit haben folgende Länder den Kriegszustand mit Deutschland für beendet erklärt: Indien, Pakistan, Iran, Irak, Peru, Mexiko, Norwegen, Holland und Italien. 2. Ersetzung des Besatzungsstatuts durch so genannte bilaterale Abkommen oder Sicherheitsverträge. Als ersten Schritt dazu haben die Westmächte im März ds. Js.9 die so genannte kleine Änderung des Besatzungsstatuts durchgeführt. Bilaterale Abkommen zwischen der jeweiligen Besatzungsmacht und Westdeutschland werden den gesamten Beziehungsrahmen zwischen den USA, England und Frankreich auf der einen 6 Gribanow an Gromyko 9.7.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 239, d. 108, ll. 126–134. 7 Datum handschriftlich eingetragen. 8 Gemeint ist die Tagung der Stellvertretenden Außenminister der vier Mächte vom 5.3. bis 21.6.1951. 9 Am 6.3.1951.

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Dokumente I

und Westdeutschland auf der anderen Seite regeln. Wie man aus den Berichten der westlichen Presse schließen kann, ist in diesen Abkommen vorgesehen, dass die Streitkräfte der drei westlichen Mächte in Westdeutschland zur »Verteidigung Europas« verbleiben werden. Die Besatzungskosten werden als »Kosten zur Gewährleistung der Sicherheit« deklariert. 3. Zum gleichen Ziel einer fiktiven Lockerung des Besatzungsregimes könnten sich die Regierungen der drei Mächte darauf einlassen, das gegenwärtig existierende System des Besatzungsapparates zu reorganisieren und die dreiseitige Oberste Alliierte Kommission (OAK)10 durch einen sogenannten Botschafterrat zu ersetzen. Dieser Rat wird das Organ sein, das die gesamte Tätigkeit der Bonner Regierung kontrolliert. Tatsächlich schwächt eine solche Umgestaltung der OAK in einen Botschafterrat die Kontrolle der drei Mächte über die Tätigkeit der Bonner Regierung. 4. An der Haltung der drei Mächte auf der Vorbereitenden Konferenz der Vizeaußenminister in Paris kann man ablesen, dass die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs weiterhin forciert die Maßnahmen zur Wiederaufrüstung Westdeutschlands betreiben werden. Dies wird sich nicht nur in der schnellen Aufstellung einer deutschen Armee und ihrer Ausrüstung mit Artillerie, Panzern und Luftwaffe äußern, sondern auch in der Umstellung der gesamten westdeutschen Wirtschaft auf die Rüstungsschiene. In dieser Hinsicht haben die Regierungen der drei Mächte bereits eine Reihe von Einzelmaßnahmen durchgeführt: Sie haben die Beschränkungen bei der Entwicklung der Rüstungsindustrie Westdeutschlands aufgehoben und den Deutschen sogar die Durchführung von Forschungen auf dem Gebiet der Atomenergie genehmigt. 5. Mit demagogischer und propagandistischer Zielsetzung könnten die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs auch versuchen, neue heuchlerische Schritte auf der Gebiet der Wiedervereinigung Deutschlands zu unternehmen; insbesondere könnten sie ihre alten Vorschläge zur Durchführung gesamtdeutscher Wahlen11 wiederholen. Im Zusammenhang mit der oben dargelegten Möglichkeit der Aktivierung der Politik der drei Mächte in Deutschland entsteht für uns die Notwendigkeit, eine Reihe dringlicher Maßnahmen durchzuführen, die darauf abgestimmt sind, die Initiative in allen entscheidenden Fragen des deutschen Problems nach wie vor in unseren Händen zu behalten. Hierzu können folgende Maßnahmen gehören: 10 Gemeint ist die Alliierte Hohe Kommission. 11 Gemeint ist wohl die Forderung des amerikanischen Hochkommissars Mc Cloy nach gesamtdeutschen Wahlen vom 15.10.1950; vgl. Europa-Archiv 5 (1950), S. 2931.

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A. Kampf für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands Um die Initiative im Kampf für die Wiederherstellung der Einheit des demokratischen Deutschlands nicht unseren Händen entgleiten zu lassen, erscheint es zweckmäßig, der Regierung der DDR zu empfehlen, sich in der nächsten Zeit (Juli–Anfang August) mit einer offenen Erklärung an die Bonner Regierung zu wenden. Darin wäre vorzuschlagen, umgehend mit Verhandlungen über die Durchführung freier, demokratischer, gesamtdeutscher Wahlen mit dem Ziel der Bildung eines Gründungsrates als erstem Schritt zur Bildung einer gesamtdeutschen demokratischen Regierung zu beginnen. In der Erklärung könnte man nichts davon erwähnen, dass für derartige Verhandlungen die gleiche Zahl von Vertretern Westdeutschlands und der DDR eingesetzt werden soll. Wenn die Bonner Regierung diesen Vorschlag ablehnt, was höchstwahrscheinlich ist, so bleibt die DDR politisch im Gewinn und wird wie bisher in den Augen des deutschen Volkes Bannerträger des Kampfes um die Wiederherstellung des geeinten Deutschlands sein. In dem Fall aber, dass die Bonner Regierung dieses Angebot annimmt, was wenig wahrscheinlich ist, könnte man in einem bestimmten Stadium der Verhandlungen über die Verfahrensweise der Durchführung der gesamtdeutschen Wahlen als eine der notwendigen Bedingungen für die Durchführung solcher Wahlen die Einstellung der Wiederaufrüstung Westdeutschlands fordern, womit die Bonner Regierung nicht einverstanden sein wird. Und in diesem Falle offenbart sie sich in den Augen des deutschen Volkes als Gegnerin der Einheit Deutschlands und als Mittäterin bei der Vorbereitung eines neuen Krieges. B. Kampf um die Ausführung der Beschlüsse der Vier Mächte über die Entmilitarisierung Deutschlands Zur aktiveren Nutzung der zur Zeit in Deutschland durchgeführten Volksabstimmung gegen die Wiederaufrüstung und für den Abschluss eines Friedensvertrages im Jahre 1951 könnte sich die Regierung der DDR, indem sie sich auf die Ergebnisse dieser Befragung stützt, an die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs mit einer Deklaration wenden, in der sie darauf hinweist, dass die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes sich gegen die Wiederaufrüstung und für einen Friedensvertrag ausgesprochen hat, und dass deshalb die Regierung der DDR, den Willen des ganzen deutschen Volkes berücksichtigend, an die Regierungen der Vier Mächte mit der Bitte herantritt, die Wiederherstellung des deutschen Militarismus in Westdeutschland nicht zuzulassen, der die Gefahr des nationalen Untergangs Deutschlands

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heraufbeschwören würde. Gleichzeitig würde die Regierung der DDR um schnellen Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland ersuchen. In diesem Zusammenhang und zur Unterstützung der unter anderem in Frankreich und Deutschland ebenfalls gegen die Wiederherstellung des deutschen Militarismus auftretenden Pazifisten erscheint es zweckmäßig, Genossen Tschujkow zu beauftragen, sich an die Hohen Kommissare der drei Mächte in Deutschland mit dem Vorschlag zu wenden, eine vierseitige Kommission zur Durchführung der Kontrolle der Ausführung der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz und der Verordnungen des Kontrollrates über die Entmilitarisierung Deutschlands in allen Besatzungszonen zu bilden. Einen solchen Vorschlag könnte man damit begründen, dass in dieser Frage Meinungsverschiedenheiten zwischen den vier Mächten bestehen und widersprüchliche Nachrichten über das Vorhandensein deutscher Streitkräfte in Westdeutschland und der DDR vorliegen. Einen solchen Vorschlag werden die Westmächte zweifellos ablehnen und sich damit als Aggressoren entlarven. Ferner erscheint es ebenfalls zweckmäßig, eine Note der sowjetischen Regierung an die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs zu richten, in der sie, gestützt auf die Beweise für die Wiederaufrüstung Westdeutschlands und auf die Ergebnisse der Befragung des deutschen Volkes, offiziell Protest gegen den Bruch des Potsdamer Abkommens über die Entmilitarisierung Deutschlands durch die drei Westmächte einlegt und nochmals unterstreicht, dass sich die Sowjetunion mit dem Wiederaufbau des deutschen Militarismus nicht einverstanden erklären wird. Die Versendung einer solchen Note fixiert noch einmal vor der Weltöffentlichkeit die offizielle Haltung der Sowjetunion gegen die Wiederaufrüstung Deutschlands, hilft den Pazifisten im Kampf gegen die Vorbereitung eines neuen Krieges und übt zweifellos einen positiven Einfluss auf die Haltung der französischen Patrioten aus, die gegen den Wiederaufbau des deutschen Militarismus antreten. C. Über den Friedensvertrag mit Deutschland Da die Regierungen der drei Westmächte systematisch gegen einen schnellen Abschluss eines Friedensvertrages auftreten, was auch ihre Haltung auf der Vorbereitungskonferenz in Paris zeigte, erscheint es zweckmäßig, dass die Sowjetunion die Initiative zur Vorbereitung der Grundlagen eines Friedensvertrages mit Deutschland ergreift. Hierzu könnte man bereits jetzt eine Fachkommission des Außenministeriums der UdSSR unter Einbeziehung der entsprechenden Behörden und von Vertretern der Forschungsinstitute beauftragen, innerhalb einer Frist von

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einem Monat die Grundlagen des Entwurfs des Friedensvertrages mit Deutschland auszuarbeiten. Danach hätte die sowjetische Regierung diesen Entwurf an die Regierungen der drei Mächte bei gleichzeitiger Veröffentlichung in der Presse zuzuleiten. Eine Initiative der Sowjetunion in dieser Frage würde jenem Standpunkt entsprechen, den die sowjetische Regierung stets auf den Tagungen des Rates der Außenminister vertreten hatte, nämlich für die schnelle Vorbereitung des Friedensvertrages mit Deutschland. Bei den Grundlagen des Entwurfs des Friedensvertrages mit Deutschland könnte man ebenfalls den Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland vorsehen und zwar vielleicht nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr, sondern innerhalb von sechs Monaten. Die Ausarbeitung und Veröffentlichung der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland durch uns wäre gleichzeitig ein schwerer Schlag gegen das Manöver der drei Mächte mit der von ihnen geplanten Erklärung zur Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland.12 Die formelle Erklärung über die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschlands gibt dem deutschen Volk nichts Wirkliches. Der schnelle Abschluss des Friedensvertrages hingegen und der Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Abschluss des Friedensvertrages entspricht den vitalen Interessen des ganzen deutschen Volkes wie auch den Interessen aller anderen friedliebenden Völker. D. Über die Besatzungstruppen in Deutschland Unter Berücksichtigung, dass die USA, England und Frankreich systematisch die Zahl ihrer Besatzungstruppen in Westdeutschland erhöhen, erscheint es zweckmäßig, sich schon heute, ohne die Entscheidung über die Frage des Friedensvertrages abzuwarten, mit einer Note der Regierung der UdSSR an die drei Mächte zu wenden. Darin sollte vorgeschlagen werden, die Befehlshaber der Besatzungstruppen in Deutschland zu beauftragen, unverzüglich die Frage einer Halbierung der Besatzungstruppen in Deutschland und die Festsetzung der Höchstzahl der Besatzungstruppen der vier Mächte in Deutschland sowie die Reduzierung der Besatzungstruppen auf das Niveau der Jahre 1948–49 zu verhandeln.

12 Am 8.7.1951 gab die britische Regierung eine entsprechende Erklärung ab. Am 13.7.1951 folgte die französische Regierung, am 24.10.1951 die amerikanische Regierung.

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Die Regierungen der drei Westmächte werden auf diese Vorschläge ohne Zweifel nicht eingehen, und die Sowjetunion wird durch diese Vorschläge nur politisch gewinnen. E. Über den Umbau des Apparats der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland Unter Berücksichtigung, dass die DDR bereits annähernd zwei Jahre existiert, dass die SED und andere demokratische Organisationen in der DDR sich bedeutend gefestigt haben und führende Stellungen im Lande inne haben und dass in der DDR feste politische und ökonomische Grundlagen für eine Entwicklung auf dem demokratischen Weg geschaffen wurden, muss die Frage nach dem Umbau der gesamten Struktur der sowjetischen Militärobrigkeit in Deutschland aufgeworfen werden. Vor allem erscheint es zweckmäßig, die sowjetischen Besatzungskontrollbehörden von den sowjetischen Militärbehörden in Deutschland zu trennen. Der Oberbefehlshaber der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland muss nicht gleichzeitig die Leitung der sowjetischen Besatzungsbehörden innehaben. Der Leiter der sowjetischen Besatzungsbehörden muss eine Zivilperson mit großer Erfahrung in der Staats- und Parteiarbeit der UdSSR sein. Es erscheint auch zweckmäßig, die Struktur der SKK wesentlich zu verändern: Es muss bei dem Vorsitzenden der SKK eine Kontrollgruppe aus qualifizierten sowjetischen Fachkräften aus verschiedenen Bereichen der staatlichen und wirtschaftlichen Verwaltung geschaffen werden; ferner müssen alle strukturellen Einheiten der SKK (Abteilungen usw.) aufgelöst werden bei gleichzeitiger wesentlicher Reduzierung des Personals der SKK um nicht weniger als um die Hälfte. Gleichzeitig berücksichtigend, dass die deutschen Machtorgane und die deutschen Freunde sich bei der einen oder anderen Frage in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle hilfesuchend an die sowjetischen Besatzungsbehörden wenden, sollte man anstelle der heutigen SKK-Abteilungen staatliche Berater der UdSSR für verschiedene Bereiche der Wirtschaft der DDR und für staatspolitische Fragen einsetzen. Ein solcher Umbau der SKK würde unsere Kontrolle in Deutschland im Grunde nicht mindern. Gleichzeitig würde dies in den Augen der Weltöffentlichkeit und des deutschen Volkes als neuer großzügiger Schritt seitens der Sowjetunion zur Stärkung der Souveränität und zur Entwicklung größerer Selbständigkeit der DDR-Regierung erscheinen. Diese Aktionen der Sowjetunion wären ebenfalls ein schwerer Schlag gegen die demagogischen Manöver der drei Mächte, der viel Staub aufwirbelt um den von ihnen geplanten Ersatz des Besatzungsstatuts durch bilaterale Verträge oder Sicherheitsverträge, sowie um den geplanten Er-

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satz der Obersten Dreiseitigen Alliierten Kommission durch einen Botschafterrat. Es wäre wünschenswert, wenn die oben genannten Vorschläge bei Ihnen auf der Beratung der Stellvertreter oder beim Kollegium des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR diskutiert werden würden. Ich bitte um Ihre Anweisungen. M. Gribanow

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Dokument 413 3. August 1951 Nr. 1475-3EA Gen. Gromyko A. A. Als Ergänzung zur Denkschrift der 3. Europäischen Abteilung unter Nr. 1273 vom 9. Juli14 würde ich es als zweckmäßig erachten, Ihnen folgenden Vorschlag zur Prüfung zu unterbreiten: Sogleich, ohne die Sache zu verzögern, eine Kommission zur Unterbreitung des Entwurfs der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland zu bilden. Die Kommission könnte man in folgender Zusammensetzung bilden: 1. G. Golunskij S. A. (Einberufung) 2. G. Pawlow W. N. 3. G. Chwostow W. M 4. G. Semjonow W. S. 5. G. Krylow S. B. 6. G. Gribanow M. G. Diese Kommission beauftragen, innerhalb eines Monats dem Minister einen Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland vorzulegen. Nach der Genehmigung dieses Entwurfs im MID15 der UdSSR wäre es zweckmäßig, eine Note der sowjetischen Regierung an die Regierungen der drei Mächte zu entwerfen und ihnen diese Note, im Falle der Zustimmung der Instanz, unter Beilage des Entwurfs der Grundlagen des Friedensvertrages zuzuleiten. Die Note und den Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages könnte man in der Presse veröffentlichen. Eine solche Maßnahme der sowjetischen Regierung wäre von großer politischer Bedeutung und ein wirklicher Schritt zu einem friedlichen Ausgleich verglichen mit der falschen Deklaration der drei Mächte über die Beendigung des Kriegszustands mit Deutschland. Ich bitte um Begutachtung. M. Gribanow

13 Gribanow an Gromyko 3.8.1952, AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, l. 12. 14 Dokument 3. 15 Ministerstwo Inostranych Del: Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten.

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Dokument 516 An Gen. Gribanow Ziehen Sie die Besprechung mit den Stellvertretenden am 16.08. in Betracht A. W. 17.08.5117 15. August 1951 Nr. 1558-3EA Gen. Wyschinskij A. J. Im Gespräch mit den Gen. Tschujkow und Iljitschew haben Pieck, Grotewohl und Ulbricht den Wunsch geäußert, die Sowjetregierung möge mit den konkreten Vorschlägen zum Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland hervortreten und eine Grundlage für diesen Vertrag im Geiste der Reden der sowjetischen Delegation auf der Londoner SMIDTagung18 erstellen. In diesem Zusammenhang würde ich es für zweckmäßig halten, die folgenden Maßnahmen zu treffen: 1. Die Gen. Tschujkow und Semjonow sollen beauftragt werden, den deutschen Freunden zu empfehlen, dass die Regierung der DDR mit einem Vorschlag an die Bonner Regierung herantritt, ohne Verzug eine Beratung der Vertreter der Regierungen der DDR und Westdeutschlands zur Besprechung der Frage eines gemeinsamen Appells an die Regierungen der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion bezüglich des beschleunigten Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland und der Bedingungen für die Wiederherstellung eines einheitlichen, souveränen, demokratischen und friedliebenden deutschen Staates einzuberufen. Dabei sollte es als möglich erachtet werden, der Regierung der DDR zu empfehlen, im Unterschied zu ihren früheren Vorschlägen an die Bonner Regierung, die Forderung nach paritätischer Vertretung als Vorbedingung zur Einberufung einer solchen Beratung nicht mehr zu erheben, um der Bonner Regierung keinen Anlass zu geben, eine solche Forderung als Vorwand zur Zurückweisung des Vorschlags der DDRRegierung zur Durchführung einer gesamtdeutschen Beratung zu nutzen.

16 Gribanow an Wyschinskij 15.8.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, ll. 14–16. 17 Handschriftlicher Vermerk in der oberen linken Ecke. 18 Gemeint ist die Londoner Außenministerratstagung im November/Dezember 1947.

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Falls die Bonner Regierung den Vorschlag der DDR-Regierung annimmt, könnten den deutschen Freunden die folgenden Fragen zur Besprechung empfohlen werden: 1. über den gemeinsamen Appell an die Regierungen der vier Mächte bezüglich des beschleunigten Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland und des darauf folgenden Abzugs aller Besatzungstruppen aus Deutschland 2. über die Bedingungen der Vereinigung Deutschlands und in diesem Zusammenhang über die Durchführung freier, allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahlen zur Nationalversammlung in ganz Deutschland 3. über das Verbot der Remilitarisierung Deutschlands und der Bildung militärischer Formationen sowie über die Nichtzulassung einer Teilnahme Deutschlands an militärisch-politischen Gruppierungen jedweder Art 4. über die Beseitigung der Hindernisse zur Entwicklung des innerdeutschen Handelsverkehrs. Es ist zu erwarten, dass die Bonner Regierung den Vorschlag der DDR-Regierung zur Durchführung der gesamtdeutschen Beratung zurückweisen wird. In diesem Fall sollte die DDR-Regierung unter Bezug auf das Volksbegehren des Jahres 1951 zur Frage der Remilitarisierung Westdeutschlands und des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland mit der Bitte hervortreten, alle möglichen Maßnahmen zum Abschluss des Friedensvertrages in kürzester Zeit zu treffen. Als Antwort auf diesen Appell der DDR-Regierung würde die Sowjetregierung mitteilen, dass die Sowjetunion schon seit längerer Zeit bemüht war, den Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland zu beschleunigen, und dass die Sowjetregierung den unverzüglichen Abschluss des Friedensvertrages nach wie vor für notwendig halte. Nach 1,5–2 Monaten könnte die Sowjetregierung die Noten mit dem Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages, die auch in der Presse veröffentlicht werden sollen, an die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs richten. In den Noten soll auch der Wunsch nach Einberufung der Friedenskonferenz zur deutschen Frage vor Ende 1951 angezeigt werden. M. Gribanow

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Dokument 619 26. August 1951 Gen. Molotow W. M. Lege Ihnen den Entwurf der Vorlage für die Instanz einschließlich des Entwurfs der Note an die französische Regierung zur deutschen Frage vor, die entsprechend des Meinungsaustauschs mit Ihnen am 25. August vorbereitet wurden. An den Genossen STALIN J. W. Nach der Sprengung der vorangegangenen Konferenz in Paris forcieren die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs mit allen Mitteln die Remilitarisierung Westdeutschlands, die Bildung einer deutschen Armee und die Einbeziehung Westdeutschlands in den Nordatlantikpakt. Diesen Fragen wird sich auch die für den 10. September d.J. einberufene Konferenz der Außenminister in Washington widmen. Den Pressemeldungen zufolge haben die drei Westmächte vor, auf dieser Konferenz einige Zugeständnisse an die Bonner Regierung zu machen mit dem Ziel, die Durchführung der Remilitarisierung Deutschlands zu beschleunigen und zu erleichtern. In diesem Zusammenhang hält es das MID der UdSSR für zweckmäßig, folgende Maßnahmen durchzuführen, die sich auf die Verstärkung des Kampfes gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands richten: 1. Den deutschen Freunden zu empfehlen, dass die Volkskammer der DDR an das Bonner Parlament (Bundestag) den Vorschlag richtet, unverzüglich eine Konferenz von Vertretern der DDR und Westdeutschlands einzuberufen, um die Frage der Durchführung gesamtdeutscher Wahlen zur Nationalversammlung mit dem Ziel der Bildung eines einheitlichen, demokratischen und friedliebenden Deutschlands zu diskutieren. Der Appell der Volkskammer ist zweckmäßigerweise von Seiten der gesellschaftlichen Organisationen der DDR und Westdeutschlands zu unterstützen, die um diesen Appell herum eine aktive Kampagne unter der Losung »Deutsche an einen Tisch« entwickeln. Der neue Appell der Volkskammer an den Bundestagwürde sich von den früheren Appellen dadurch unterscheiden, dass er sich nur auf die Frage der Einberufung der Konferenz und nicht auf die Einberufung des Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates konzentriert und die Aufmerk19 Wyschinskij an Molotow 26.8.1951, AWP RF f. 07, op. 24, p. 388, d. 33, ll. 127–131.

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samkeit des deutschen Volkes nur auf die Frage der Durchführung gesamtdeutscher Wahlen lenkt. In dem neuen Appell würde keine Forderung nach Parität als Bedingung für die Einberufung der gesamtdeutschen Konferenz gestellt. [2.20]Für den Fall, dass das Bonner Parlament (Bundestag), den Vorschlag der Volkskammer der DDR zur Einberufung der gesamtdeutschen Konferenz zurückweist, wäre es zweckmäßig, dass die Regierung der DDR sich nach Durchführung einer entsprechenden Kampagne in der DDR und Westdeutschland an die Regierungen der vier Mächte mit der Bitte wendet, den Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland mit nachfolgendem Abzug der Besatzungstruppen aus Deutschland zu beschleunigen. Als Antwort auf diesen Appell der Regierung der DDR könnte man eine Note der Sowjetregierung an sie richten, in der darauf verwiesen wird, dass die Sowjetunion bereits seit geraumer Zeit einen schnelleren Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland anstrebe und nach wie vor den raschen Abschluss des Friedensvertrages als notwendig erachte. Zugleich wäre es zweckmäßig, im Namen der Sowjetregierung einen Entwurf der Grundlagen des demokratischen Friedensvertrags mit Deutschland zu veröffentlichen, dessen Text das MID der UdSSR im Laufe von 2–3 Monaten vorbereiten wird. 3. Außer den genannten Maßnahmen wäre es nötig, in der nächsten Zeit eine Note der Sowjetregierung an die Regierung Frankreichs zu richten wegen der Bildung der westdeutschen Streitkräfte (»PlevenPlan«) und der Gründung der »EGKS«, die auf die Wiederherstellung des Kriegspotentials Westdeutschlands zielt (»Schuman-Plan«). Die Absendung einer solchen Note an die französische Regierung ist deshalb zweckmäßig, weil die französische Regierung in der letzten Zeit bei einer Reihe von Fragen eine Vorreiterrolle bei der Wiederherstellung der westdeutschen Armee und des militär-industriellen Potentials Westdeutschlands übernimmt, was sowohl beim Pleven- als auch beim Schuman-Plan zum Ausdruck kam. Zu diesen Fragen hat die Sowjetregierung bisher noch keine offiziellen Erklärungen abgegeben. Unsere Note könnte den Friedensanhängern in Frankreich und Deutschland in ihrem Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands helfen und der französischen Regierung einige Hindernisse gegen die Fortsetzung ihrer aggressiven Politik in den Weg legen. Entwurf des Beschlusses des ZK der WKP(b) liegt bei. Bitte um Prüfung.

20 Nummerierung fehlt.

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[Beschlussentwurf21] 1. Den Entwurf der Anweisungen an die Gen. Tschujkow und Semjonow bezüglich des Appells zur Einberufung der gesamtdeutschen Konferenz in der Frage der gesamtdeutschen Wahlen sanktionieren. 2. Den Entwurf der Note der Sowjetregierung an die Regierung Frankreichs sanktionieren. 3. Das MID der UdSSR (Gen. Wyschinskij) beauftragen, gemeinsam mit der SKK in Deutschland und Vertretern der interessierten Ressorts binnen einer 2–3monatigen Frist einen Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland vorzubereiten und ihn zur Bestätigung vorzulegen.

21 Überschrift fehlt.

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Dokument 722 Nr. 1652-3EA 28. August 1951 Gen. Wyschinskij A. J. Wir legen zu Ihrer Begutachtung den Entwurf der Vorlage für die Instanz sowie den Entwurf der Anweisungen an die Gen. Tschujkow und Semjonow vor. Zu den Entwürfen werden folgende Materialien beigelegt, die gedruckt werden: 1. Auszug aus dem Telegramm der Gen. Tschujkow und Iljitschow vom 4. August. 2. Übersichtsbericht zur Behandlung der Frage eines Friedensvertrages mit Deutschland auf den Sitzungen des SMID. Semjonow, Gribanow, Puschkin. An den Genossen STALIN J. W. Am 30. Juli haben Pieck, Ulbricht und Grotewohl in der Besprechung mit den Gen. Tschujkow und Iljitschow den Wunsch geäußert, dass die Sowjetregierung den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland vorschlagen und die Grundlagen dieses Vertrages veröffentlichen solle. Die deutschen Freunde sind der Ansicht, dass ein solches Auftreten der Sowjetregierung besonders im Zusammenhang mit der Deklaration der Westmächte über die Beendigung des Kriegszustands mit Deutschland wünschenswert wäre. Die genannten Vorschläge der deutschen Freunde sind nach Ansicht des MID der UdSSR im Prinzip richtig. Die Veröffentlichung des sowjetischen Entwurfs der Grundlagen eines Friedensvertrages mit Deutschland würde eine konkrete Plattform des Kampfes für ein vereintes demokratisches Deutschland und gegen die Unterjochung Westdeutschlands durch die anglo-amerikanischen Imperialisten abgeben. Indessen tauchte die Frage nach dem Zeitpunkt und nach der Form eines solchen Vorstoßes der Sowjetregierung auf. Das MID der UdSSR ist der Ansicht, dass der Vorstoß der Sowjetregierung in der Frage eines Friedensvertrages mit Deutschland zum angegebenen Zeitpunkt den Eindruck erwecken könnte, dass die Sowjetregierung jetzt im Unterschied zur Haltung der sowjetischen Delegation auf der vorangegangenen Tagung in Paris (März-Juni 1951) vorschlage, eine 22 Semjonow, Gribanow, Puschkin an Wyschinskij 28.8.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 222, d. 13, ll. 1–6.

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Tagung des Rats der Außenminister lediglich zur Diskussion der Frage des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland einzuberufen. Deshalb scheint es zweckmäßiger, den Vorstoß der Sowjetregierung in der Frage des Friedensvertrages mit Deutschland etwas später zu unternehmen und vorher die Meinung der Weltöffentlichkeit auf einen solchen Schritt der Sowjetregierung vorzubereiten. Davon ausgehend, stellt das MID folgende Anträge: l. Im Zusammenhang mit der Beschleunigung der Remilitarisierung Westdeutschlands durch die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs und mit der Absicht, zum 10. September eine Sondertagung der Außenminister dieser Länder nach Washington einzuberufen,23 wäre es zweckmäßig, die Kampagne für eine Vereinigung Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Basis zu aktivieren. Dafür könnte man den deutschen Freunden empfehlen, dass die Volkskammer der DDR an das Bonner Parlament (Bundestag) den Vorschlag richtet, eine Konferenz von Vertretern der DDR und Westdeutschlands einzuberufen, um die Frage der Durchführung gesamtdeutscher Wahlen zu einer Nationalversammlung mit dem Ziel der Bildung eines einheitlichen und demokratischen Deutschlands zu diskutieren. Solch ein Aufruf der Volkskammer der DDR wäre die Fortsetzung jener Maßnahmen, die in Deutschland entsprechend den Beschlüssen der Prager Außenministerkonferenz der acht Länder im Oktober 1950 durchgeführt worden waren. Bekanntlich wandte sich der Ministerpräsident der DDR Grotewohl am 31. November 195124 an Adenauer mit dem Vorschlag, den Gesamtdeutschen Konstituierenden Rat einzuberufen. Mit dem gleichen Vorschlag wandte sich auch die Volkskammer der DDR am 30. Januar 1951 an das Bonner Parlament (Bundestag). Sowohl Adenauer als auch der Bundestag lehnten die Vorschläge Grotewohls und der Volkskammer der DDR ab. Dennoch haben diese Vorschläge eine breite öffentliche Resonanz nicht nur in der DDR, sondern auch in Westdeutschland hervorgerufen und eine Bewegung unter der deutschen Bevölkerung unter dem populär gewordenen Motto »Deutsche an einen Tisch« aktiviert. Die Ablehnung der Vorschläge Grotewohls und der Volkskammer durch Adenauer und das Bonner Parlament aus demagogischen Gründen wurde mit der Notwendigkeit der Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen als Vorbedingung für die Vereinigung Deutschlands begründet. Das Einverständnis der Volkskammer der DDR, in einem Gesamtdeutschen Konstituierenden Rat neben anderen Fragen auch die Frage der 23 Tatsächlich fand diese Konferenz vom 12. bis 14.9.1951 statt. 24 Sic! Tatsächlich am 30.11.1950.

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Bedingungen für die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen zu diskutieren, ist aber von der Bonner Regierung und dem Bonner Parlament mit Schweigen übergangen worden, was zeigt, dass sie auch in der Frage der Wahlen nicht zu Verhandlungen mit den Vertretern der DDR bereit sind. Eine neuer Appell der Volkskammer an das Bonner Parlament mit dem Vorschlag, die gesamtdeutsche Konferenz durchzuführen, würde die demagogischen Manöver der Bonner Regierung und der westlichen Besatzungsmächte in der Frage gesamtdeutscher Wahlen entlarven. Gleichzeitig würde der Aufruf der Volkskammer die Bewegung des deutschen Volkes für eine Wiedervereinigung Deutschlands auf friedliebender und demokratischer Grundlager stärken und die Realisierung der anglo-amerikanischen Pläne zur Remilitarisierung Westdeutschlands und dessen Einbeziehung in den Nordatlantikpakt behindern. Im neuen Appell der Volkskammer könnte man die Forderung nach Parität der Vertreter der DDR und Westdeutschlands als Bedingung für die Einberufung der Gesamtdeutschen Konferenz nicht stellen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das Bonner Parlament unter dem Druck der Amerikaner und Engländer auch diesen neuen Aufruf der Volkskammer zur Durchführung der Gesamtdeutschen Konferenz über die Frage der Wahlen ablehnen. Mit der Ablehnung dieses Aufrufs entlarven sich aber die Regierenden in Bonn als Spalter und Brandstifter eines Krieges von Deutschen gegen Deutsche, was von unseren Freunden im Laufe der massenpolitischen Kampagne entsprechend genutzt werden kann. Falls die Bonner Regierung aber den genannten Vorschlag der Volkskammer der DDR akzeptiert, könnte man den deutschen Freunden empfehlen, bei der Diskussion der Frage gesamtdeutscher Wahlen auf der Gesamtdeutschen Konferenz auf der Gewährung freier Betätigung der demokratischen Parteien und Organisationen in Westdeutschland, auf Entlassung der inhaftierten Anhänger der Bewegung für Frieden und Einheit Deutschlands aus den Gefängnissen25, auf dem Verhältniswahlrecht, auf der Berechtigung der gesellschaftlichen demokratischen Organisationen, eigene Kandidaten aufzustellen und auch Wahlvereinigungen und -blöcke zu bilden und auf anderen demokratischen Forderungen zu bestehen. Außerdem könnte man im Verlauf der Konferenz den Vorschlag machen, als notwendige Bedingung für die Bildung eines einheitlichen, friedliebenden Deutschlands die Remilitarisierung und seine Teilnahme an irgendwelchen militärpolitischen Gruppierungen nicht zuzulassen. Man könnte auch die Frage eines gemeinsamen Aufrufs an die vier Mächte zum baldigsten Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland und 25 Die unterstrichene Passage ist mit blauem Stift durchgestrichen.

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zum anschließenden Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland zur Diskussion stellen. Der Appell der Volkskammer an das Bonner Parlament sollte durch die öffentlichen Organisationen der DDR und Westdeutschlands unterstützt werden. 2. Das MID der UdSSR sieht es als zweckmäßig an, dass der Vorstoß der Sowjetregierung in der Frage des Friedensvertrages mit Deutschland als zweite Etappe der breiten öffentlichen Kampagne zur demokratischen und friedlichen Lösung der deutschen Frage zum Tragen kommt,26 das heißt, nach der weitgehenden Durchführung der Maßnahmen, die mit dem Appell der Volkskammer der DDR an das Bonner Parlament zur Einberufung der Gesamtdeutschen Konferenz zusammenhängen. Die Tatsache der Ablehnung des genannten Vorschlags der Volkskammer der DDR durch die Bonner Regierung oder die Tatsache der Unterbrechung der Gesamtdeutschen Konferenz durch die Vertreter Westdeutschlands ausnutzend, könnte man den deutschen Freunden empfehlen, dass sich die Regierung der DDR offiziell an die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs mit der Bitte wendet, den Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland mit anschließendem Abzug der Besatzungstruppen zu beschleunigen. Als Antwort auf diesen Appell der Regierung der DDR könnte man eine Note der Sowjetregierung an sie richten, in der darauf verwiesen wird, dass die Sowjetunion bereits seit geraumer Zeit einen schnelleren Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland anstrebe und nach wie vor den raschen Abschluss des Friedensvertrages als notwendig erachte. Zugleich wäre es zweckmäßig, im Namen der Sowjetregierung den Grundlagenentwurf des Friedensvertrages mit Deutschland zu veröffentlichen, dessen Text das MID im Laufe von 2–3 Monaten vorbereiten wird. Dieser Entwurf könnte später in einer Außenministerkonferenz der UdSSR, der Länder der Volksdemokratien und der DDR unter Berücksichtigung der Vorschläge und Korrekturen der Teilnehmerländer der Konferenz diskutiert und gebilligt werden. Entwurf des Beschlusses liegt bei.27 Bitte um Prüfung.

26 Mit blauem Stift unterstrichen. 27 AWP RF f. 082, op. 38, p. 222, d. 13, l. 9. Auf ll. 10–13 folgt der Entwurf der Anweisungen an Tschujkow und Semjonow.

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Dokument 828 Entwurf SCHEMA DES ENTWURFS DER GRUNDLAGEN DES FRIEDENSVERTRAGES MIT DEUTSCHLAND. Präambel. a) Die Länder aufzählen, die den Friedensvertrag mit Deutschland schließen und im Folgenden »Alliierte und Vereinigte Mächte« genannt werden. b) Darauf hinweisen, dass Deutschland einen Aggressionskrieg entfesselt und so den Kriegszustand mit allen Alliierten und Vereinigten Mächten und den anderen Vereinten Nationen herbeigeführt hat und dass die Verantwortung für diesen Krieg bei ihm liegt. c) Betonen, dass allein aufgrund des Sieges der Alliierten im Zweiten Weltkrieg Deutschland gemäß der Deklarationen von Jalta und Potsdam bedingungslos kapituliert und die Urkunde über die bedingungslose Kapitulation am 8. Mai 1945 unterzeichnet hat. d) Betonen, dass Deutschland sich verpflichtet, die Reste des Faschismus und des Militarismus endgültig auszurotten und künftig niemals in irgendeiner Weise die Tätigkeiten faschistischer und militaristischer Organisationen zuzulassen. e) Auf die Pflicht Deutschlands hinweisen, die in Ostdeutschland durchgeführten demokratischen Veränderungen zu festigen. f) Auch darauf hinweisen, dass die Alliierten und Vereinigten Mächte und Deutschland den Wunsch haben, den Friedensvertrag abzuschließen, der den Prinzipien der souveränen Gleichheit und Gleichberechtigung entsprechend zur Grundlage29 der freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen werden würde. g) Betonen, dass dementsprechend sich die Alliierten und Vereinigten Mächte entschieden haben, die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland zu erklären und zu diesem Ziel einen Friedensvertrag abzuschließen.

28 Gribanow, »Schema des Entwurfs«, vermutlich Januar 1951, handschriftlich ergänzt 7.9.1951, AWP RF f. 082, op.38, p. 230, d. 47, ll. 22–34. 29 Im russischen Original durch Tippfehler: »hauptsächlich«.

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I.30 1. Hinweisen, dass der Kriegszustand zwischen Deutschland und jeder der Alliierten und Vereinigten Mächte vom Augenblick des Inkrafttretens des Friedensvertrages an beendet ist. II. Territoriale Frage31 2. Betonen, auf welches Territorium sich die Souveränität Deutschlands erstreckt; zum Vertrag Karte mit Angabe der Grenzen Deutschlands beilegen. Auch darauf hinweisen, dass die Alliierten und Vereinigten Mächte die volle Souveränität des deutschen Volkes auf dem Territorium anerkennen, wie es in diesem Artikel und in der dem Vertrag beigelegten Karte definiert ist. In der Saarfrage sich in allgemeiner Form auf die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz berufen, welche die Abtrennung von Deutschland nicht vorsehen. 3. Hinweisen, dass Deutschland auf alle Rechte, Gründe und Ansprüche auf Territorien, die entsprechend der Beschlüsse der Regierungen der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion an Polen, die Sowjetunion, Holland usw. (die Länder aufzählen) abgetreten worden sind, verzichtet. III.32 4. Hinweisen, dass Deutschland an die Alliierten und Vereinigten Mächte alle Gegenstände von künstlerischem, historischem und wissenschaftlichem Charakter, Dokumente, aber auch Archive, die während der Besatzungszeit von deutschen Streitkräften in diesen Ländern mitgenommen und nach Deutschland verbracht wurden, zurückgibt. Politische Bestimmungen33 Hinweisen, dass Deutschland als einheitlicher, souveräner, demokratischer, friedliebender Staat wiederhergestellt wird. 5. Darauf hinweisen, dass Deutschland sich verpflichtet, alle Hindernisse bei der Wiedergeburt und Festigung der demokratischen Tendenzen im deutschen Volk zu beseitigen und alle notwendigen Maßnahmen ergreift, dass allen Personen, die der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder des 30 Römische Ziffer mit Tinte im maschinenschriftlichen Text ergänzt. 31 Handschriftlich ergänzt. 32 Handschriftlich ergänzt. 33 Handschriftlich unterstrichen. Auch die weiteren Unterstreichungen sind handschriftlich mit blauer Tinte hinzugefügt.

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Glaubens, die gleichen Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten einschließlich der Rede-, der Presse-, der Publikations-, der Glaubensfreiheit, der Freiheit der politischen Überzeugungen und der Versammlungsfreiheit gewährt werden. 6. Betonen, dass: a) sich Deutschland verpflichtet, die Wiedergeburt der faschistischen und militaristischen Organisationen, sei es politischer, militärischer oder paramilitärischer Art, deren Ziel die Beseitigung der demokratischen Rechte des Volkes ist, auf dem Territorium Deutschlands nicht zuzulassen. b) sich Deutschland verpflichtet, die Entwicklung des gesamten staatlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens des Landes auf demokratischer und friedlicher Grundlage zu gewährleisten. 7. Feststellen, dass sich Deutschland verpflichtet, keinerlei politischen oder militärischen Bündnissen beizutreten, die gegen irgendeine Macht gerichtet sind, welche mit ihren Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat. 8. Darauf hinweisen, dass die deutsche Regierung die freie Betätigung aller demokratischen Parteien und Organisationen gewährleisten muss, deren Programme zur friedlichen und demokratischen Entwicklung des Landes und zur Herstellung der Freundschaft unter den Völkern beitragen. Jegliche Betätigung von Organisationen, sei es politischer, militärischer oder paramilitärischer Art, aber auch von Einzelpersonen unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Stellung, die auf die Abschaffung der demokratischen Rechte des Volkes, auf die Wiedergeburt des deutschen Militarismus und Faschismus und auf die Pflege der revanchistischen Ideen abzielen, muss verboten und von der Justiz verfolgt werden. 9. Darauf hinweisen, dass Deutschland sich verpflichtet, die volle Geltung der Friedensverträge mit Italien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Finnland (und Japan) und der anderen übereinkommen oder Akte, die von den Alliierten und Vereinigten Mächte hinsichtlich Österreich zum Abschluss der Friedensregelung in Europa erreicht worden waren und werden, anzuerkennen. Bilaterale Verträge 10. Darauf hinweisen, dass jede Alliierte und Vereinigte Macht Deutschland binnen 6 Monaten nach Inkrafttreten des Friedensvertrags Mitteilung darüber machen muss, welche bilateralen Verträge mit Deutschland aus der Vorkriegszeit diese Macht in Kraft belassen oder deren Funktion sie zu erneuern wünscht. Betonen, dass alle derartigen Verträge im Sekretariat der UNO gemäß Art. 102 der UNO-Satzung registriert werden müssen, und dass alle anderen Verträge, über die

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Deutschland keine Mitteilung gemacht werden, für ungültig erklärt werden. Kriegsverbrecher 11. Darauf hinweisen, dass Deutschland die Urteilssprüche des Internationalen Kriegstribunals für Deutschland anerkennt, aber auch die Urteilssprüche aller nationalen Gerichte der Alliierten und Vereinigten Mächte, die gegen deutsche Bürger sowohl innerhalb, als auch außerhalb Deutschlands wegen der von ihnen verübten Kriegsverbrechen verhängt wurden. 12. Betonen, dass die Regierung Deutschlands die genaue Vollstreckung der Urteile gewährleisten wird, die durch das Internationale Kriegsverbrechertribunal gegen die Hauptkriegsverbrecher verhängt wurden, aber auch die Urteile der nationalen Gerichte gegen deutsche Bürger, die sich in Deutschland befinden. 13. Feststellen, dass Deutschland sich verpflichtet, nach Aufforderung durch Alliierte und Vereinigte Mächte Staatsbürger dieser Mächte auszuliefern, die in Strafverfahren ihrer Länder wegen Verrat und Kollaboration mit dem Feind angeklagt werden. 14. Hervorheben, dass eine Abänderung der Strafen gegen die in Deutschland befindlichen und vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal verurteilten Häftlinge nur durch einvernehmliche Entscheidung der Regierungen derjenigen Mächte, die Mitglied im Internationalen Kriegstribunal sind, und gegen Verurteilte irgendeiner Alliierten oder Vereinigten Macht nur mit Zustimmung der Regierung dieser Macht vorgenommen werden kann. 15. Deutschland verpflichtet sich binnen einer Frist von drei Monaten ab dem Tag des Vertragsabschlusses, die auf seinem Territorium verbliebenen Bürger der Alliierten Mächte, die sich als Folge der Kriegsereignisse und infolge jeglicher Art von Einwirkung und Gewalt seitens der faschistischen Macht auf dem Territorium Deutschlands befanden, zu repatriieren. Bestimmungen für das Heer, die Marine und die Luftwaffe 16. Hinweisen, dass die das Heer, die Luftwaffe und die Marine betreffenden Artikel des Friedensvertrages solange in Kraft bleiben werden, bis sie ganz oder teilweise durch eine Vereinbarung zwischen den Alliierten und Vereinigten Mächten und Deutschland oder aber, nachdem Deutschland Mitglied der UNO geworden ist, entsprechend dem Abkommen zwischen den Sicherheitsrat und Deutschland geändert werden.

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17. Darauf hinweisen, dass Deutschland vollständig auf alle Rechte an Kriegsmaterial und -technik, die in die Befehlsgewalt der Regierungen ... übergingen, verzichtet. 18. Festlegen, dass die Ausrüstung des Heeres, der Luftwaffe und der Marine Deutschlands so stark beschränkt wird, dass sie ausschließlich Verteidigungszwecken dienen. Entsprechend der obigen Ausführungen wird den Streitkräften einschließlich Grenzschutz und Gendarmerie nicht mehr als a) Landstreitkräften einschließlich Flakartillerie mit einer Gesamtstärke von ... Menschen b) Marine mit einer Personalstärke von ... Menschen und einer Flotte mit einer Gesamttonnage von ... c) Luftwaffe einschließlich Marineflugzeugen in einer Zahl von ... Jagd-, Aufklärungs-, Transport-, Seerettungs-, Übungs- und Verbindungsflugzeugen einschließlich Reservemaschinen mit einer Gesamtpersonalstärke von ... Menschen gestattet. Deutschland darf keine Flugzeuge, die hauptsächlich als Bomber mit einer Vorrichtung zur inneren Aufhängung von Bomben entworfen wurden, besitzen oder erwerben. d) Die Gesamtzahl der mittleren und schweren Panzer in den deutschen Streitkräften darf nicht mehr als ... betragen. e) Bei der militärischen Stärke wird in jedem Fall das Truppen-, Hilfstruppen- und Stabspersonal einbezogen werden. 19. Darauf hinweisen, dass Deutschland die militärische Ausbildung der Bevölkerung in einer Größenordnung, die größer als die Bedürfnisse der Streitkräfte ist, deren Unterhaltung Deutschland durch Artikel ... dieses Vertrages gestattet wird, in dem die Größe der Streitkräfte Deutschlands festgelegt ist, in jeglicher Form verboten ist. 20. Darauf hinweisen, dass Deutschland sowohl in Staats- als auch in Privathand keinerlei Kriegsmaterialien und -technik weder nach der Menge noch nach dem Typ, die über die Grenze dessen, was für die Streitkräfte durch Artikel ... des Friedensvertrages genehmigt wurde, besitzen oder herstellen darf. 21. Festlegen, dass Deutschland weder besitzen noch produzieren noch erproben darf: a) jede Art von Atomwaffen und anderen Massenvernichtungsmitteln einschließlich bakteriologischer und chemischer Mittel; b) jeglichen selbst- oder ferngesteuerten Geschossen oder Vorrichtungen, mit Ausnahme der Torpedos und Torpedorohrsätze sowie der Regelbewaffnung der Schiffe der Kriegsmarine, die durch diesen Vertrag bewilligt sind; c) jegliche Waffen, die auf eine Distanz von mehr als ... Kilometern feuern können;

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d) Seeminen oder Torpedos mit Annäherungszündmechanismus; e) jegliche Torpedos, die mit Menschen besetzt werden können. 22. Hinweisen, dass deutschen Staatsbürgern der Dienst in der Armee, der Gendarmerie, der Marine und der Luftwaffe anderer Staaten verboten sein wird und dass sie keinerlei militärische Ausbildung in den Armeen oder in den militärischen Ausbildungsstätten dieser Länder erhalten dürfen. 23. Darauf hinweisen, dass Deutschland verboten wird, außerhalb seines Territoriums in beliebiger Form beliebige Streitkräfte, militärische Organisationen, militärisch-industrielle Institutionen und für militärische Ziele bestimmte Forschungseinrichtungen zu unterhalten. 24. Festlegen, dass in Deutschland alle Arten militärischer Ausbildung verboten werden müssen, und dass deutschen Staatsbürgern verboten ist, den Wehrdienst in den Streitkräften anderer Staaten anzutreten. 25. Darauf hinweisen, dass es verboten ist, auf dem Territorium Deutschlands militärische und paramilitärische Formationen und Organisationen militaristischen Charakters aus Bürgern anderer Staaten zu bilden. Alle auf dem Territorium Deutschlands existierenden Formationen und Organisationen dieser Art müssen binnen 3 Monaten ab dem Tag des Inkrafttretens des Friedensvertrages aufgelöst werden. 26. Darauf hinweisen, dass es in Deutschland verboten ist, jegliche Art militärischer Anlagen, überirdische und Küstenfestungen, zu errichten und zu nutzen, und alle erhalten geblichenen Anlagen militärischen Charakters binnen 3 Monaten vom Tag der Unterzeichnung des Friedensvertrages an zerstört werden müssen. Kriegsgefangene 27. Darauf hinweisen, dass Deutschland sich verpflichtet, den Alliierten und Vereinigten Mächten alle Kosten für den Transport der deutschen Kriegsgefangenen und Zivilpersonen einschließlich ihres Unterhalts von den durch die Regierungen der entsprechenden Alliierten oder Vereinigten Mächte festgelegten Sammelpunkten bis zu den Übergabepunkten an die deutschen Behörden zu erstatten. Abzug der Alliierten Streitkräfte aus Deutschland 28. Darauf hinweisen, dass alle Besatzungstruppen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs aus Deutschland in kürzestmöglicher Zeit, auf jeden Fall nicht später als 90 Tage ab dem Tag des Inkrafttretens des Friedensvertrages abgezogen werden.

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Dokumente I Prinzipien der Entwicklung der deutschen Wirtschaft

29. Darauf hinweisen, dass sich die deutsche Regierung entsprechend des Potsdamer Abkommens verpflichtet, die demokratischen Umgestaltungen in der Industrie, in der Landwirtschaft und in anderen Wirtschaftszweigen (Übergabe des Eigentums der Kriegs- und Naziverbrecher in die Hände des deutschen Volkes, Bodenreform und anderes) zu festigen und die Durchführung fortzusetzen. 30. Festlegen, dass zum Ziel der Verhinderung der Wiedergeburt des militär-industriellen Potentials und der Vernichtung der äußersten Konzentration der Wirtschaftskraft, deutsche Kartelle, Trusts, Syndikate und andere monopolistische Vereinigungen auf dem Gebiet der Produktion, des Handels, des Bankenwesens und anderer Wirtschaftszweige Deutschlands vollständig vernichtet werden müssen. 31. Festlegen, dass Deutschland die Produktion von Ausrüstung, militärischen Ausstattungen und Waffen, aber auch die Produktion aller Art Flugzeugen und Kriegsschiffen verboten ist. 32. Bestimmen, dass die Entwicklung der friedlichen Zweige der Industrie, der Landwirtschaft, des Außenhandels und anderer Wirtschaftszweige ohne jegliche Einschränkungen oder Hindernisse seitens der Alliierten und Vereinigten Staaten verlaufen wird. Ruhr 33. Festlegen, dass das Industriegebiet Ruhr ein unabdingbarer Teil Deutschlands in politischer, verwaltungsrechtlicher und wirtschaftlicher Beziehung ist, und dass jegliche existierenden, vor dem Abschluss des Friedens Vertrags von fremden Mächten geschaffenen Behörden zur Kontrolle der Ruhr abgeschafft werden und alle Befugnisse auf dem Gebiet der Industrieproduktion und Verteilung der deutschen Regierung übergeben werden, welche sich verpflichtet, die Ruhrindustrie ausschließlich zu friedlichen Zielen zu nutzen. 34. Darauf hinweisen, dass die deutsche Regierung sich entsprechend Artikel ... dieses Vertrages über die Auflösung der deutschen Monopole verpflichtet, die im Ruhrgebiet vorhandenen Betriebe der liquidierten Kartelle, Konzerne, Syndikate, Trusts und anderer monopolistischer Vereinigungen in Staatseigentum zu überführen, die Werke der Rüstungsindustrie zu liquidieren und die vollständige Umstellung der Ruhrwirtschaft auf friedliche Ausrichtung zu verwirklichen. Reparationen und Restitutionen 35. Festlegen, dass Deutschland die Verpflichtung übernimmt, die durch militärische Handlungen gegen die Alliierten oder Vereinigten

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Mächte, aber auch die durch Besetzung von Territorien mancher Alliierter oder Vereinigter Mächte entstandenen Verluste zu ersetzen. 36. Festlegen, dass Deutschland entsprechend den Beschlüssen der Konferenzen von Jalta und Berlin in möglichst höherem Maße den Schaden wiedergutmachen muss, den es den Vereinten Nationen zugefügt hat, und wofür das deutsche Volk seiner Verantwortung nicht entgehen kann. Der Gesamtumfang der Reparationen durch Deutschland wird auf ... Mrd. Dollar (in Preisen des Jahres 1938) festgesetzt. Reparationen zugunsten der Sowjetunion werden in der Höhe von ... Dollar (in Preisen des Jahres 1938) festgesetzt, wobei die Sowjetunion aus ihrem Anteil die Reparationsforderungen der Volksrepublik Polen entschädigt. 37. Festlegen, dass die Reparationen durch Deutschland gedeckt werden: a) durch den Wert der beschlagnahmten nutzungstauglichen Betriebsanlagen; b) durch jährliche Warenlieferungen aus der laufenden Produktion; c) durch deutsche Aktiva im Ausland; d) durch den Wert diverser Dienstleistungen; e) durch den Wert der beschlagnahmten deutschen Patente; f)34 Die Reparationsverpflichtungen Deutschlands müssen innerhalb von längstens 20 Jahren erfüllt werden, diese Frist wird ab dem Tag der Veröffentlichung des Beschlusses der Berliner Dreimächtekonferenz gerechnet. 38. Festlegen, dass Deutschland die Prinzipien der Deklaration der Vereinten Nationen vom 5. Januar 1943 anerkennt und innerhalb der kürzestmöglichen Frist das aus den Territorien jedes beliebigen Staates der Vereinten Nationen ausgeführte Vermögen zurückgibt. 39. Darauf hinweisen auf den Verzicht Deutschlands auf alle Ansprüche beliebiger Art seitens der Regierung Deutschlands oder deutscher Bürger an die Alliierten oder Vereinigten Mächte, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Krieg stehen oder aus infolge des Kriegszustandes in Europa vorgenommenen Maßnahmen resultieren. Eigentum der Alliierten und Vereinigten Mächte in Deutschland 40. Darauf hinweisen, dass Deutschland alle gesetzlichen Rechte und Interessen der Alliierten und Vereinigten Mächte und von deren Bürgern in Deutschland wiederherstellt, so wie sie im Zeitraum vor Kriegsbeginn (Verweis auf das Datum) existierten, und das gesamte Eigentum der Alliierten und Vereinigten Mächte und von deren Bürgern in Deutsch34 Dieser Buchstabe ist mit Tinte gestrichen; an seine Stelle ist »37a« gesetzt.

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land in dem Zustand zurückgibt, in dem es sich derzeit befindet, oder aber eine Kompensation für solches Eigentum einräumt. 41. Darauf hinweisen, dass Deutschland vollständig das Eigentum der fremden Staaten an Vermögen, das im Reparationszeitraum an den Staat übergegangen ist und sich auf dem Territorium Deutschlands befindet, anerkennt. 42. Darauf hinweisen, dass Deutschland keine Beschränkungen für die Entwicklung seiner friedlichen Industrie auferlegt werden, sowie für die Entwicklung des Handels von Deutschland mit anderen Staaten und für seinen Zugang zu den Rohstoffquellen entsprechend dem Bedarf der Friedenswirtschaft. In gleicher Weise werden Deutschland auch keinerlei Beschränkungen für die Entwicklung seiner Handelsschifffahrt und für den Bau von Handelsschiffen auferlegt. 43. Darauf hinweisen, dass binnen einer bestimmten Frist (3–6 Monate) nach Unterzeichnung des Friedensvertrages alle Beschlüsse der Besatzungsmächte oder auf der Grundlage dieser Beschlüsse veröffentlichte Anordnungen der deutschen Behörden, welche den normalen Handel sowohl zwischen den einzelnen Teilen Deutschlands, als auch zwischen Deutschland und Fremdstaaten beschränken, oder Handels-, Wirtschaftsund finanzielle Privilegien für Firmen aus diesen Ländern abgeschafft werden. 44. Darauf hinweisen, dass bis zum Abschluss von Handelsverträgen oder von Abkommen zwischen einzelnen Alliierten und Vereinigten Mächten und der deutschen Regierung Deutschland für eine begrenzte Frist (l–l 1/2 Jahre) vom Tag des Inkrafttretens des Friedensvertrages an jeder Nation dieser Mächte die Meistbegünstigung gewährt, wobei Deutschland auf der Grundlage der Gegenseitigkeit de facto ein analoger Status eingeräumt wird. 45. Darauf hinweisen, dass Deutschland keinem Staat keinerlei Sonderrechte hinsichtlich der Nutzung von Reiseflugzeugen im internationalen Verkehr einräumen und auf diesem Gebiet keine Diskriminierung irgendeiner Alliierten oder Vereinigten Macht zulassen wird. Schulden 46. Darauf hinweisen, dass Deutschland von allen staatlichen Schuldverschreibungen, die als Ergebnis der Handlungen der Regierungen Deutschlands in der Zeit von 1919 bis 1945 entstanden sind, befreit wird. Deutschlands nach 1945 entstandene Schulden einschließlich jener für Besatzungskosten, für Hilfeleistungen mit Lebensmitteln für die deutsche Bevölkerung und andere werden ebenfalls annulliert.

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Bestimmungen für die Flüsse (Elbe, Rhein und Oder) und Häfen 47. Festlegen, dass Bestimmungen für die deutschen Flüsse, die teilweise durch die Territorien anderer europäischer Staaten, aber auch Bestimmungen für die deutschen Häfen, die an den Mündungen dieser Flüsse liegen, durch Sonderkonventionen bestimmt werden, die zwischen allen Ländern (einschließlich Deutschlands), durch deren Territorien diese Flüsse fließen oder deren Grenzen an den Ufern dieser Flüsse verlaufen, geschlossen werden müssen. Sonderbestimmungen 48. Festlegen, dass der Kiel-Kanal demilitarisiert und jederzeit für die Durchfahrt von Handelsschiffen aller Länder geöffnet sein wird. 49. Darauf hinweisen, welchen internationalen Abkommen sich Deutschland nach Unterzeichnung des Friedensvertrages anschließen muss. 50. Festlegen des Verfahrens zur Beilegung von Streitfällen bei der Auslegung der Artikel des Friedensvertrages. Garantien zur Erfüllung des Friedensvertrages 51. Festlegen, dass im Laufe der ... Frist vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Friedensvertrages an die Botschafter der UdSSR, der USA, Englands und Frankreichs die Alliierten und Vereinigten Mächte in den Beziehungen zur Regierung Deutschlands in allen die Erfüllung und Auslegung der Artikel des Friedensvertrages betreffenden Fragen vertreten werden. Schlussbestimmungen 52. Darauf hinweisen, dass sich dem Friedensvertrag mit Deutschland auch weitere Länder anschließen können. 53. Festlegen der Ratifizierungsordnung des Friedensvertrages. M. Gribanow. 7/IX35

35 Unterschrift und Datum handschriftlich mit Tinte.

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Dokument 936 FRIEDENSVERTRAG MIT DEUTSCHLAND /Entwurf/37 (Fassung)38 ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN /Präambel/ Die Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, die USA, China, Frankreich, Australien, Albanien u.s.w., im Folgenden »Alliierte und Vereinigte Mächte« genannt, einerseits, und Deutschland, andererseits, in Anbetracht dessen, dass Deutschland die Errichtung des Naziregimes im Land zuließ, einen Aggressionskrieg gegen seine Nachbarn entfesselte und so den Kriegszustand mit allen Alliierten und Vereinigten Mächten sowie den Vereinten Nationen herbeiführte und die Hauptverantwortung für diesen Krieg und den Schaden trägt, der im Laufe dieses Krieges den Alliierten und Vereinigten Mächten zugefügt wurde; in Anbetracht dessen, dass allein als Ergebnis des Sieges der Alliierten Streitkräfte, der zur totalen Niederlage des faschistischen Deutschlands sowie zum Scheitern des nazistischen und militaristischen Regimes im Land führte, Deutschland gezwungen wurde, zu kapitulieren und am 8. Mai 1945 das Protokoll über die absolute und bedingungslose Kapitulation zu unterzeichnen; in Anbetracht dessen, dass Deutschland die Verpflichtungen anerkennt und partiell bereits erfüllte, die ihm durch die Erklärung über die Niederlage Deutschlands, die Beschlüsse der Krimkonferenz und der Potsdamer Konferenz der Regierungsoberhäupter der Alliierten Mächte sowie durch den Appell des Kontrollrates über einige Zusatzforderungen an Deutschland auferlegt wurden; in Anbetracht dessen, dass als Ergebnis der Erfüllung der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz in einem Teil Deutschlands das gesamte Eigentum der großen Nazi- und Kriegsverbrecher in Volkseigentum überführt wurde, demokratische Boden- und Schulreformen und a. demokratische Reformen durchgeführt wurden und damit der Grundstein für den dauerhaften Wiederaufbau des politischen und ökonomischen Lebens des gesamten Deutschlands auf demokratischer Grundlage und für die Um36 [Gruppe Seljaninow], »Friedensvertrag mit Deutschland / Entwurf«, o.D. [nach 8.9.1951], AWP RF f. 082, op. 40, p. 255, d. 11, ll. 31–46. 37 Mit Schrägstrichen eingeklammert sind jeweils Vermerke für die weitere Bearbeitung des Entwurfs. 38 Handschriftlich eingefügt.

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wandlung Deutschlands in einen demokratischen und friedliebenden Staat gelegt wurde39; in Anbetracht dessen, dass Deutschland sich verpflichtet, die Überreste von Nazismus und Militarismus im Staat vollständig auszurotten und künftig niemals deren Wiedergeburt zuzulassen und durchgeführte demokratische Reformen, die von den Potsdamer Beschlüssen vorgesehen wurden, zu sichern; in Anbetracht dessen, dass Deutschland sich verpflichtet, niemals mehr seine Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt zu bedrohen und nicht an militärischen, politischen und a. Bündnissen sowie Vereinigungen, die gegen die Alliierten Mächte oder gegen eine von ihnen gerichtet ist, teilzunehmen; in Anbetracht dessen, dass die Alliierten und Vereinigten Mächte und Deutschland einen Friedensvertrag abschließen wollen, der alle noch verbliebenen, nicht entschiedenen Fragen regeln soll, der zur Grundlage für die Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen werden soll und dem deutschen Volk die Möglichkeit geben soll, einen gebührenden Platz unter den friedliebenden Völkern der Welt einzunehmen; haben beschlossen, den Kriegszustand für beendet zu erklären und den vorliegenden Friedensvertrag abzuschließen, hierbei vertreten durch die Unterzeichnenden als ihre bevollmächtigten Beauftragten, die nach Vorlegen ihrer Vollmachten, welche als ordnungsgemäß und der Form entsprechend befunden wurden, übereingekommen sind zu folgenden Beschlüssen: TEIL I. TERRITORIALE BESCHLÜSSE, GRENZEN, STAATSBÜRGERSCHAFT UND BÜRGERRECHTE AUF DEN ZU ÜBERTRAGENDEN GEBIETEN. a. In Übereinstimmung mit dem Beschluss der Potsdamer Konferenz verläuft die östliche Grenze Deutschlands auf der Linie verlaufend vom Baltischen Meer etwas westlich Swinemünde und von dort in der Oder bis zur Einmündung des Flusses Westliche Neiße und in der Westlichen Neiße bis zur tschechoslowakischen Grenze. Die Stadt Königsberg und das angrenzende Gebiet gehen an die UdSSR über, wie das im Abschnitt VI des Potsdamer Abkommens vorgesehen wurde. b. Deutschlands Grenzen zur Tschechoslowakei, Schweiz, zu Frankreich, Luxemburg, Belgien, Holland und Dänemark sind die Grenzen, die 39 Im Text unterstrichen.

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am 1.1.1937 existierten. /Einzelne Ansprüche dieser Länder /mit Ausnahme der Schweiz/ auf unbedeutende Grenzkorrekturen können vom SMID40 während der endgültigen Vertragsausarbeitung geprüft werden/. c. Die deutschen Behörden verpflichten sich, für diejenigen Deutschen, die auf Grund der Beschlüsse der Berliner Konferenz aus anderen Ländern nach Deutschland umgesiedelt wurden, normale Existenzbedingungen zu schaffen und sie ohne jede Diskriminierung als gleichberechtigte Bürger in das politische und ökonomische Leben einzubeziehen sowie jegliche revanchistische Propaganda unter diesen Personen zu untersagen. d. Nicht umgesiedelte Deutsche, die in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn verblieben sind, können im Laufe eines Jahres vom Tag der Vertragsunterzeichnung an die Übersiedlung nach Deutschland beantragen, und die deutschen Behörden sind im Falle einer Ausreisebewilligung des entsprechenden Landes verpflichtet, sie aufzunehmen. Deutsche, die nicht aus diesen Ländern nach Deutschland überzusiedeln wünschen, werden zu Bürgern der entsprechenden Länder mit uneingeschränkten bürgerlichen und politischen Rechten. TEIL II. POLITISCHE BESCHLÜSSE. ABSCHNITT I. Deutschland wird als einheitlicher, souveräner, demokratischer und friedliebender Staat wiederhergestellt. ABSCHNITT II. Deutschlands Verpflichtungen hinsichtlich der Sicherstellung der Entwicklung des gesamtstaatlichen, politischen und gesellschaftlichen Lebens des Landes auf demokratischer und friedlicher Grundlage. Die deutsche Regierung leitet solche Maßnahmen ein, die die wirklich demokratische und friedliche Entwicklung des gesamten staatlichen, politischen und gesellschaftlichen Lebens des Landes gewährleisten. Mit diesem Ziel: A. Die deutsche Regierung lässt keinerlei Wiederherstellung der Nazigesetze zu, die die Grundlage für das Hitlerregime schufen oder als Grundlage der Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Religion oder der politischen Überzeugung dienten. B. Allen Bürgern, die der Gerichtsbarkeit der deutschen Regierung, ohne Unterschied des Geschlechts, der Sprache oder der Religion, unter40 Sovet Ministrov Inostrannych Del (Rat der Alliierten Außenminister).

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liegen, müssen die Menschenrechte und die demokratischen Grundfreiheiten garantiert sein. C. Kriegsverbrecher und alle aktiven Mitglieder der Nazipartei, die Naziverbrechen begangen haben, werden aus staatlichen, gesellschaftlichen oder halböffentlichen Ämtern und gesellschaftlichen Stellungen entfernt. D. Die deutsche Regierung sichert und führt die in Deutschland erzielten demokratischen Reformen fort, darunter; auf dem Gebiet der Verwaltungsorgane, der Wirtschaft, der Arbeitsgesetzgebung, der Justiz, der Bildung, des Gesundheitswesens u.a. E. Das Bildungswesen in Deutschland wird dergestalt organisiert, dass die Nazidoktrin und die militaristische Lehre vollständig beseitigt und ihrer Wiedergeburt zukünftig vorgebeugt wird. F. Die deutsche Regierung muss die freie Tätigkeit und den Schutz aller demokratischen Parteien und Organisationen sichern, deren Programm zur friedlichen und demokratischen Entwicklung des Landes beiträgt und auf die Festigung des Friedens und auf die Herstellung der Freundschaft zwischen den Völkern ausgerichtet ist. Jede Tätigkeit von Organisationen, sei es politischer, militärischer oder militaristischer Natur, sowie die Tätigkeit von Einzelpersonen, unabhängig von ihrer Gesellschaftsstellung, die darauf ausgerichtet ist, dem Volk seine demokratischen Rechte zu entziehen, oder auf Wiedergeburt des deutschen Militarismus und Faschismus und auf Züchtung revanchistischen Gedankenguts angelegt ist, muss streng verboten und vom Gesetz verfolgt werden. G. Jegliche Tätigkeit gegen den allgemeinen Frieden wird als äußerst schwerwiegendes Verbrechen angesehen. H. Die deutsche Regierung verpflichtet sich, solche Gesetze oder Anordnungen zu erlassen, die die vollständige Ausführung der genannten Bestimmungen sicherstellen. ABSCHNITT III. KRIEGSVERBRECHER. 1. Die Regierung Deutschlands ist verpflichtet, alle deutschen Kriegsverbrecher, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit begangen haben, zur Verantwortung zu ziehen. Kriegsverbrecher, die ihre Verbrechen auf dem Territorium anderer Staaten begangen haben, werden an die Regierungen dieser Staaten ausgeliefert. 2. Die deutsche Regierung verpflichtet sich, die Urteile in den Fällen derjenigen Kriegsverbrecher, die durch die Gerichte der vier Besatzungsmächte Deutschlands verurteilt und in die Hände der deutschen Behörden übergeben wurden, zu vollstrecken.

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3. Auf Forderung der Alliierten Mächte ist Deutschland verpflichtet, diejenigen Bürger der Alliierten Mächte, die der Verletzung der Gesetze ihrer Länder durch Landesverrat und Kollaboration mit dem Feind in der Kriegszeit bezichtigt werden, auszuliefern. ABSCHNITT IV. VERSCHLEPPTE PERSONEN. Deutschland verpflichtet sich, in einer Frist von drei Monaten vom Tage des Vertragsabschlusses an, die auf seinem Territorium verbliebenen Bürger der Alliierten Mächte, die sich als Ergebnis der Kriegshandlungen und jeder Art von Einwirkung und Gewalt seitens der faschistischen Obrigkeit auf dem Territorium Deutschlands befinden, zu repatriieren. ABSCHNITT V. INTERNATIONALE ABKOMMEN. 1. Deutschland erkennt die uneingeschränkte Geltung der Friedensverträge mit Bulgarien, Ungarn, Rumänien, Italien und Finnland und der anderen Abkommen an, die zwischen der UdSSR, den USA, England, Frankreich und den anderen mit ihnen alliierten Mächten in Bezug auf Österreich erzielt wurden oder werden, sowie der Abkommen der UdSSR, Chinas, der USA, England, Frankreichs und der anderen mit ihnen alliierten Mächte in Bezug auf Japan. 2. Vorgesehen ist die Möglichkeit einer Wiederherstellung der bilateralen Vorkriegsverträge Deutschlands mit anderen Ländern, die den politischen, militärischen und wirtschaftlichen Prinzipien des vorliegenden Friedensvertrages nicht widersprechen. ABSCHNITT VI. RUHR. Das Industriegebiet der Ruhr ist unabdingbarer Teil Deutschlands im politischen, Verwaltungs- und wirtschaftlichen Sinne. Die bis zum Abschluss des vorliegenden Vertrages von ausländischen Mächten zur Kontrolle über die Ruhr gebildeten Körperschaften werden aufgelöst, und alle Machtbefugnisse auf dem Gebiet der Industrieproduktion und Verteilung werden an die deutsche Regierung übertragen, die sich verpflichtet, die Ruhrindustrie ausschließlich zu Friedenszielen zu nutzen. Die deutsche Regierung übernimmt gemäß des Artikels ... Teil ... des vorliegenden Vertrages über die Auflösung der deutschen Monopole die im Ruhrgebiet vorhandenen Betriebe der aufgelösten Kartelle, Konzerne, Syndikate, Trusts und anderer monopolistischer Vereinigungen in Staatseigentum. Sie verpflichtet sich, die Rüstungswerke zu liquidieren und die

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vollständige Umleitung der Ruhr-Wirtschaft in Friedensbahnen zu verwirklichen. Die Ausführung der genannten Bedingungen wird unter der Kontrolle der UdSSR, der USA, Englands und Frankreichs geschehen, die für diese Ziele ein Sonderorgan bilden, zur Teilnahme daran wird auch Deutschland herangezogen. Zur Beteiligung an diesem Konsultativorgan werden folgende an Deutschland angrenzende Staaten hinzugezogen: Polen, die Tschechoslowakei, Belgien, Holland, Luxemburg. Unter der Voraussetzung der Ausführung der genannten Forderungen durch Deutschland wird das Kontrollorgan für die Ruhr aufgelöst. ABSCHNITT VII. BESTIMMUNGEN ÜBER DIE FLÜSSE /ELBE, RHEIN UND ODER/ UND HÄFEN. Die Bestimmungen hinsichtlich der deutschen Flüsse, die teilweise durch die Territorien anderer europäischer Staaten fließen, sowie die Bestimmungen hinsichtlich der deutschen Häfen, die an deren Flussmündungen liegen, werden durch die Sonderkonventionen bestimmt, die von allen Ländern /einschließlich Deutschlands/ abgeschlossen werden müssen, durch deren Territorien diese Flüsse fließen oder deren Grenzen an den Ufern dieser Flüsse liegen. ABSCHNITT VIII. Der Kieler Kanal muss für die Handelsschifffahrt aller Nationalitäten geöffnet werden. Kriegsschiffen aus den Ostseestaaten ist die Durchfahrt gestattet. TEIL III. VERORDNUNGEN ÜBER DAS MILITÄR, DIE MARINE UND DIE LUFTSTREITKRÄFTE. 1. Deutschland ist es verboten, Land-, Marine- und Luftstreitkräfte, Generalstab, Kriegsministerium, Offizierskorps, Kriegsschulen und Mobilmachungsdienststellen zu unterhalten. 2. In Deutschland müssen militärische, halbmilitärische und andere militärfaschistische Organisationen und Einrichtungen, die dem Ziel der Wiedergeburt von Faschismus und Militarismus in Deutschland dienen, verboten werden. 3. Deutschland ist es verboten, jede Art von Waffen und militärischer Ausrüstung, mit Ausnahme dessen, was der Friedensvertrag zur Bewaffnung der Polizeikräfte gestattet, zu besitzen, zu produzieren und im Ausland zu erwerben.

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4. Deutschland ist es verboten, in irgendeiner Form außerhalb seines eigenen Territoriums irgendwelche Streitkräfte, Militärorganisationen, Militärindustrie und wissenschaftliche Forschungseinrichtungen, die Kriegszielen dienen, zu unterhalten. 5. Es müssen sämtliche Formen militärischer Ausbildung verboten werden. 6. Den deutschen Staatsbürgern ist es verboten, den Dienst in den Streitkräften anderer Staaten anzutreten. 7. Auf dem Territorium Deutschlands ist die Bildung von militärischen und halbmilitärischen Formationen und Organisationen militärischer Art aus Bürgern fremder Staaten verboten. Sämtliche auf dem Territorium Deutschlands existierenden Formationen und derartige Organisationen müssen innerhalb von 3 Monaten vom Tage des Inkrafttretens des Friedensvertrages an gerechnet aufgelöst werden. 8. In Deutschland ist es verboten, jedwede militärische Einrichtungen, Boden- und Küstenbefestigungen zu schaffen und zu benutzen, und alle erhalten gebliebenen Einrichtungen militärischer Art müssen zerstört werden. 9. Es müssen effektive Vorkehrungen zur Liquidation des Kriegsindustriepotentials und zur Verhütung von dessen Wiedergeburt in der Zukunft vorgesehen werden. Sämtliche Rüstungsbetriebe müssen zerstört werden. 10. Deutschland ist es gestattet, eine Handelsflotte und Zivilluftfahrt zu betreiben in den Grenzen, die für die Entwicklung der Friedenswirtschaft erforderlich sind. 11. Zum Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Inland und zum Grenzschutz Deutschlands wird eine begrenzte Zahl an Polizeikräften /150–200 Tausend Mann/, die mit Handwaffen ausgerüstet sind, gestattet. 12. Der Dienst in der Polizei wird dem SS-, SA-, SD- und GestapoPersonal sowie den ehemaligen aktiven Mitgliedern der faschistischen Partei verboten. 13. Die Kontrolle über die Ausführung der militärischen Bestimmungen des Friedensvertrages muss der Kontrollkommission, bestehend aus Vertretern der UdSSR, der USA, Englands und Frankreichs übertragen werden, die das Recht hat, jederzeit jedes Objekt in Deutschland zu inspizieren. Auf Forderung der Kontrollkommission ist die deutsche Regierung verpflichtet, jede dafür nötige Information zu liefern.

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TEIL IV. GRUNDSÄTZE DER ENTWICKLUNG DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT. 1. Die deutsche Regierung verpflichtet sich, die gemäß des Potsdamer Abkommens durchgeführten demokratischen Umgestaltungen in der Industrie, Landwirtschaft und anderen Wirtschaftszweigen /Übergabe des Eigentums der Kriegs- und Naziverbrecher in die Hände des deutschen Volkes, Bodenreform u.a./ zu festigen und fortzusetzen. 2. Mit dem Ziel der Verhinderung einer Wiedergeburt des Kriegsindustriepotentials und der Vernichtung der großen Konzentration der Wirtschaftskraft müssen die deutschen Kartelle, Trusts, Syndikate und anderen monopolistischen Vereinigungen im Bereich der Produktion, des Handels, des Bankwesens und der anderen Wirtschaftsbranchen Deutschlands vollständig abgeschafft werden. Den deutschen Industriellen ist verboten, den entsprechenden internationalen Vereinigungen beizutreten. 3. Verboten ist die Produktion von Waffen, Kriegsausrüstung und Kriegswaffen sowie die Produktion sämtlicher Flugzeugtypen und Kriegsschiffe. 4. Die Entwicklung der Friedensindustrie, der Landwirtschaft, des Außenhandels und anderer Wirtschaftszweige wird ohne irgendwelche Einschränkungen oder Hindernisse seitens der Alliierten oder Vereinigten Staaten verlaufen. 5. Die Produktion von Metallen, chemischen Erzeugnissen, des Maschinenbaus sowie die Produktion anderer Gegenstände, die direkt für den militärischen Bedarf genutzt werden können, wird im Umfang, der für die volle Befriedigung der friedlichen Wirtschaftsbedürfnisse Deutschlands vonnöten ist, durchgeführt, jedoch unter der Kontrolle der Alliierten Staaten, und diese Kontrolle wird von der Kommission ausgeübt, die im Teil III der vorliegenden Vertragsbestimmungen vorgesehen ist. TEIL V. ANSPRÜCHE, DIE AUS DEM KRIEG FOLGEN. ABSCHNITT A. REPARATIONEN. 1. Gemäß den Beschlüssen der Berliner Konferenz muss Deutschland in möglichst großem Maß den Schaden, den es den Vereinten Nationen zufügte und für den das deutsche Volk der Verantwortung nicht entgehen kann, kompensieren. 2. Der allgemeine Reparationsumfang Deutschlands wird in der Höhe von ... Millionen Dollar /in Preisen von 1938/ festgesetzt. Reparationen zugunsten der UdSSR werden in Höhe von 6,829 Mill. Dollar /in Preisen

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von 1938/ festgelegt, wobei die Sowjetunion aus ihrem Anteil die Reparationsansprüche der Polnischen Volksrepublik befriedigt. 3. Reparationen Deutschlands werden beglichen mittels: a/ des Wertes der beschlagnahmten, zur Nutzung geeigneten Industriemaschinen. b/ der jährlichen Warenlieferungen aus der laufenden Produktion. c/ der deutschen Aktiva im Ausland. d/ des Wertes diverser Dienste. e/ des Wertes der beschlagnahmten deutschen Patente. 4. Die Reparationsverpflichtungen Deutschlands müssen im Laufe von nicht mehr als 20 Jahren, diese Frist gerechnet vom Tage der Veröffentlichung der Beschlüsse der Berliner Dreimächtekonferenz, geleistet werden. 5. Den im Friedensvertrag fixierten Reparationsverpflichtungen Deutschlands wird der Vorrang vor allen seinen übrigen Verpflichtungen eingeräumt. 6. Zur Kontrolle der Durchführung der Reparationsverpflichtungen Deutschlands wird eine vierseitige Reparationskommission eingerichtet, die ihre Tätigkeit nach Erfüllung der Reparationsverpflichtungen Deutschlands einstellt. ABSCHNITT B. VERZICHT DEUTSCHLANDS AUF ANSPRÜCHE. Deutschland verzichtet im Namen der Regierung Deutschlands und der deutschen Bürger auf jede Art von Ansprüchen gegenüber den Alliierten und Vereinigten Mächten, die unmittelbar mit dem Krieg in Europa zwischen dem l. September 1939 und der Besetzung Deutschlands verbunden sind, unabhängig davon, ob die entsprechende Alliierte und Vereinigte Macht sich die gesamte Zeit im Kriegszustand mit Deutschland befunden hat oder nicht. Deutschland verzichtet auch auf alle Ansprüche gegenüber jeder der Vereinten Nationen, die ihre diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abgebrochen und die Aktionen zur Zusammenarbeit mit den Alliierten und Vereinten Mächten unternommen hat. TEIL VI. EIGENTUM, RECHTE UND INTERESSEN. ABSCHNITT A. EIGENTUM DER VEREINTEN NATIONEN IN DEUTSCHLAND. Das Vermögen, das einem Alliierten Staat an Reparationsleistung zugesprochen wurde und von ihm zur Nutzung in Deutschland belassen wur-

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de, kann nicht von deutschen Zentral- oder Lokalbehörden aus dem Eigentum dieses Alliierten Staates ohne dessen Zustimmung beschlagnahmt werden. Die Einschränkungen, die für die deutsche Ausfuhr erlassen werden können, erstrecken sich nicht auf den Export der Erzeugnisse jener Betriebe, die gemäß diesem Paragraph zur Nutzung in Deutschland belassen wurden. Diese Betriebe müssen den deutschen Gesetzen unterworfen werden. ABSCHNITT B. SCHULDEN. Deutschland wird von allen staatlichen Schuldverpflichtungen, die als Ergebnis der Tätigkeit der Regierung Deutschlands im Zeitraum von 1919 bis 1945 entstanden sind, befreit. Deutschlands Verschuldung, die nach 1945 entstanden ist, einschließlich der Besatzungskosten, der Hilfe für die deutsche Bevölkerung mit Lebensmitteln und a., wird ebenfalls annulliert. TEIL VII. ALLGEMEINE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN. l. Bis zum Abschluss der Handelsverträge oder Abkommen zwischen einzelnen der Vereinten Nationen und Deutschland gewährt Deutschlands Regierung jeder der Vereinten Nationen in Handelsfragen das Prinzip der Meistbegünstigung auf 18 Monate vom Tage des Inkrafttretens des vorliegenden Vertrages an. TEIL VIII. LÖSUNG DER STREITFRAGEN. /Betrifft die Schaffung einer Schlichtungskommission, die Übergabe der Streitfragen zur Lösung an ein Schiedsgericht u.s.w./ TEIL IX. TRUPPENABZUG. Alle Besatzungstruppen werden aus Deutschland in Jahresfrist nach dem Abschluss des Friedensvertrages abgezogen. TEIL X. GARANTIEN ZUR ERFÜLLUNG DES FRIEDENSVERTRAGES. l. Vierseitige Kontrolle. A. Im Laufe einer dreijährigen Periode vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Friedensvertrages an werden die Botschafter der UdSSR, der

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USA, Englands und Frankreichs die Alliierten und Vereinigten Mächte in Verbindung mit der Regierung Deutschlands in allen Fragen, die die Erfüllung und die Kommentierung der Paragraphen des Friedensvertrages betreffen, vertreten. B. Die Frage der Tätigkeit des Viererkontrollorgans für die Ruhr und der Viererkontrollkommission für die Einhaltung der Militärparagraphen des Vertrages wird mit der Zeit neu überprüft in Abhängigkeit von der Erfüllung der Bedingungen des Friedensvertrages durch Deutschland. 2. Sanktionen. A. Im Falle der Nichterfüllung der Paragraphen des Friedensvertrages durch Deutschland wenden die Regierungen der UdSSR, der USA, Englands und Frankreichs in Übereinstimmung politische und wirtschaftliche Sanktionen gegenüber Deutschland an. B. Im Falle, dass das Viererkontrollorgan für die Ruhr oder die Kontrollkommission zur Beobachtung der Erfüllung der Militärparagraphen des Friedensvertrages die Nichterfüllung der Paragraphen bezüglich der Ruhr und der Militärbestimmungen durch Deutschland feststellen, behalten sich die Regierungen der UdSSR, der USA, Englands und Frankreichs das Recht vor, die entsprechenden ehemaligen Besatzungszonen Deutschlands mit Truppen zu besetzen. TEIL XI. SCHLUSSBESTIMMUNGEN. /Betreffen: a/ Lösung von Streitigkeiten über die Vertragsinterpretation. b/ Beitritt zum Vertrag durch andere Länder. c/ Mitwirkung Deutschlands in der UNO./ Unterschrift41

41 Unlesbar.

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Dokument 1042 ENTWURF DER GRUNDLAGEN DES FRIEDENSVERTRAGES MIT DEUTSCHLAND Die sowjetische Regierung hat am ... (Datum) das Schreiben der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik an die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs über die Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrags mit Deutschland erhalten und erachtet es in diesem Zusammenhang als notwendig, folgende Erklärung abzugeben: Wie bekannt, bestand die sowjetische Regierung stets43 auf dem schnellsten Abschluss des Friedensvertrags mit Deutschland. Ungeachtet der Tatsache, dass seit dem Tag der deutschen Kapitulation bereits mehr als sechs Jahre vergangen sind, bleibt die Frage der Friedensregelung jedoch für Deutschland bisher ungeklärt. Diese Sachlage entstand dadurch, dass die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreich Deutschland spaltend und die Politik der Remilitarisierung und die Einbeziehung West-Deutschlands in den aggressiven Nord-Atlantischen Block betreibend systematisch die Vorschläge der sowjetischen Regierung über den schnellsten Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland ablehnten, daran interessiert, dass das Besatzungsregime auf unbestimmte Zeit verlängert wird. Als Ergebnis einer solchen Politik der USA, Großbritanniens und Frankreichs hat sich die Besetzung Deutschlands unzulässig lange hingezogen. Die sowjetische Regierung ist nach wie vor der Ansicht, dass es an der Zeit ist, dass das deutsche Volk seinen unabhängigen, demokratischen, friedliebenden Einheitsstaat erhält,44 mit dem das Besatzungsregime in Deutschland durch den Abschluss des Friedensvertrages beendet würde. Die sowjetische Regierung geht davon aus, dass der Friedensvertrag mit Deutschland auf den Grundsätzen des demokratischen Friedens45 begründet werden muss, die in den Beschlüssen der Konferenzen von Jalta und Potsdam zur Frage Deutschlands enthalten sind und die Wiederherstellung des unabhängigen, demokratischen, friedliebenden deutschen Einheitsstaates, die Umgestaltung der gesamten Gesellschafts- und Staatsform auf breiter46 demokratischer Grundlage und die Durchführung 42 Gribanow, Puschkin, »Entwurf der Grundlagen«, 15.9.1951, AWP RF f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, ll. 36–40 43 Die im russischen Original aufeinander folgenden Worte »bestand stets« sind mit blauem Stift unterschlängelt. 44 Mit blauem Stift unterstrichen. 45 Mit blauem Stift unterschlängelt. 46 Mit blauem Stift unterstrichen.

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der Demilitarisierung Deutschlands vorsehen, damit für immer die Gefahr der Wiedergeburt des deutschen Imperialismus und Militarismus beseitigt, aber auch die Erfüllung der Verpflichtungen Deutschlands gegenüber den anderen Ländern, die unter der Hitler-Aggression gelitten haben, gesichert wird. Der Friedensvertrag mit Deutschland muss die Bildung des souveränen47 deutschen Staates, die freie und unabhängige Existenz des deutschen Volkes, die Freiheit der Rede, der Presse und der religiösen Überzeugung, die Versammlungsfreiheit, die freie Tätigkeit der demokratischen Parteien und anderer öffentlicher antinazistischer Organisationen garantieren. Zum Ziel der Gewährleistung der Entwicklung eines wirklich unabhängigen, demokratischen deutschen Staates muss der Friedensvertrag den Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland vorsehen, aber auch die Nichtzulassung einer Situation, in der ein beliebiger fremder Staat Truppen oder Militärstützpunkte in Deutschland unterhalten würde.48 Im Vertrag muss vorgesehen werden, dass sich die Friedenswirtschaft Deutschlands ohne Beschränkungen entwickeln wird. Deutschland muss uneingeschränkte Möglichkeiten bei der Entwicklung seiner Industrie und Landwirtschaft, seines Verkehrs, Handels mit anderen Ländern, aber auch freien Zutritt zu den Weltmärkten und zu den Rohstoffen erhalten. Den unverzüglichen Abschluss des Friedensvertrags mit Deutschland als notwendig anerkennend ist die sowjetische Regierung der Ansicht, dass der Friedensvertrag mit Deutschland folgende Grundsätze49 beinhalten muss: 1. Deutschland wird als einheitlicher, souveräner, demokratischer, friedliebender Staat wiederhergestellt. 2. Das gesamte staatliche, öffentliche und politische Leben Deutschlands als eines unabhängigen Staates muss sich auf [breiter]50 demokratischer Grundlage entwickeln. Dementsprechend51 müssen dem deutschen Volk demokratische Rechte gewährt werden, damit alle Personen, die der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder des Glaubens die Menschenrechte und die Grundfreiheiten einschließlich der Freiheit der Rede, der Presse, der Versammlungsfreiheit, der Religionsausübung und der politischen Überzeugungen nutzen können.

47 Mit blauem Stift unterstrichen; am Rand mit blauem Stift angestrichen. 48 Der gesamte Absatz ist am Rand mit blauem Stift angestrichen. 49 Am Rand mit blauem Stift: »Politische Beschlüsse«. 50 Das Wort ist mit blauem Stift gestrichen. 51 Am Rand mit blauem Stift »3.« ergänzt. Die Zählung der folgenden Absätze wurde entsprechend mit blauem Stift korrigiert.

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3. [4.] In Deutschland muss die freie Tätigkeit aller demokratischen Parteien und Organisationen gewährleistet sein, deren Programme zur friedlichen und demokratischen Entwicklung des Landes beitragen und auf Festigung des Friedens und Herstellung der Freundschaft unter den Völkern ausgerichtet sind. 4. [5.] Alle demokratischen Umgestaltungen im öffentlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben Deutschlands, die entsprechend der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz und entsprechend des Willens des deutschen Volkes durchgeführt wurden, müssen im Friedensvertrag mit Deutschland bekräftigt werden. 5. [6.] Auf dem Territorium Deutschlands darf nicht die Wiedergeburt wie auch immer gearteter Nazi- und Militärorganisationen, sei es politischer, militärischer oder paramilitärischer Art, zugelassen werden, deren Zielsetzung im Entzug der demokratischen Rechte des Volkes besteht. 6. [7.] Deutschland verpflichtet sich, keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen eine Macht richten, die mit ihren Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat. 7.52 Das Territorium Deutschlands ist durch die Grenzen vom l. Januar 1938 bestimmt mit den Änderungen, die durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz vorgesehen wurden. Über dieses Territorium erkennen die Alliierten und Vereinigten Mächte die volle Souveränität des deutschen Volkes an. 8. Deutschland werden keinerlei Beschränkungen für die Entwicklung seiner Friedenswirtschaft, aber auch für die Entwicklung des Handels mit anderen Ländern und für seinen Zugang zu den Rohstoffquellen auferlegt. 9. Zum Ziel der Vorbeugung der Möglichkeit der Wiedergeburt des deutschen Imperialismus und Militarismus müssen die deutschen monopolistischen Vereinigungen aufgelöst werden - Kartelle, Trusts, Syndikate auf dem Gebiet der Produktion, des Handels, des Bankwesens und anderer Wirtschaftszweige Deutschlands, die als Stütze des HitlerRegimes gedient haben. 10. Die Industrie Deutschlands und insbesondere die Industrie des Ruhrgebiets darf nicht in eine Basis zur Wiedergeburt des deutschen militär-industriellen Potentials und zur Wiederherstellung des aggressiven Deutschlands umgewandelt werden. Die Kohle- und Stahlindustrie Deutschlands soll sich keinen Vereinigungen in der Welt oder in Europa anschließen, die mit der Verwirklichung der aggressiven Pläne der Mitglieder dieser Vereinigungen zusammenhängen, welche eine Gefahr für den Frieden und die Sicherheit der Völker bilden. 52 Vor die Ziffer »7« ist am Rand mit blauem Stift die Ziffer »1« gesetzt und eine Überschrift »Territoriale Leitsätze« ergänzt worden.

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11. Die Industrie des Ruhrgebiets sowie der Saar ist unabdingbarer Bestandteil Deutschlands in politischer, verwaltungsrechtlicher und wirtschaftlicher Beziehung. Die Behörden, die vor Inkrafttreten des Friedensvertrages von fremden Mächten zur Überwachung und Verwaltung der Ruhr oder der Saar geschaffen wurden, werden abgeschafft. Die deutsche Regierung wird verpflichtet, die wirtschaftlichen Ressourcen der Ruhr und der Saar ausschließlich zu friedlichen Zielen zu nutzen. 12. Die Ausrüstung von Heer, Luftwaffe und Marine Deutschlands muss streng begrenzt sein und muss ausschließlich Verteidigungszielen dienen. Dementsprechend muss Deutschland gestattet sein, eigene Streitkräfte einschließlich des Grenzschutzes und der Gendarmerie zu haben. 13. Deutschland ist die Produktion von Kriegsmaterial und -technik gestattet, deren Menge oder Typen nicht die Grenzen überschreiten dürfen, die für die Streitkräfte, die für Deutschland durch den Friedensvertrag festgelegt sind, erforderlich sind. 14. Deutschen Staatsbürgern darf kein Dienst in fremden Streitkräften und Polizeieinheiten gestattet sein und auch in keinerlei anderen ausländischen militärischen Formationen. 15. Deutschland erkennt die Verpflichtungen an, für die Schäden aufzukommen, die durch Kriegshandlungen gegen Alliierte und Vereinigte Mächte, aber auch durch die Besetzung von Territorium Alliierter und Vereinigter Mächte zugefügt wurden. Schadensersatz in Form von Reparationszahlungen muss entsprechend den Beschlüssen der Konferenzen von Jalta und Potsdam durchgeführt werden. Dabei muss die Kürzung der Restsumme der Reparationszahlungen um 50 % berücksichtigt werden, die am 15. Mai 1950 von der sowjetischen und der polnischen Regierung mit dem Ziel der Erleichterung der Bemühungen des deutschen Volkes beim Wiederaufbau und bei der Entwicklung der Volkswirtschaft Deutschlands vorgenommen wurde. 16. In kürzestmöglicher Zeit und auf jeden Fall nicht später als ein Jahr nach dem Tag des Inkrafttretens des Friedensvertrages müssen alle Besatzungstruppen aus Deutschland abgezogen worden sein, ebenso wie alle ausländischen Militärstützpunkte in Deutschland aufgelöst sein müssen. Puschkin Gribanow 15/IX. 5153

53 Unterschriften und Datum handschriftlich.

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Dokument 1154 ÜBER DIE GRUNDLAGEN DES FRIEDENSVERTRAGES MIT DEUTSCHLAND. In Anbetracht dessen, dass seit dem Ende des Krieges mit Deutschland bereits mehr als sechseinhalb Jahre vergangen sind, dass Deutschland immer noch keinen Friedensvertrag besitzt und sich weiterhin in einer nicht gleichberechtigten Stellung in den Beziehungen zu anderen Staaten befindet; und in Anbetracht dessen, dass die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs die Notwendigkeit des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland anerkennen, der für Deutschland den Weg zur Teilnahme an der friedlichen Mitarbeit am internationalen Leben auf gleichberechtigter Grundlage eröffnet, alle Fragen reguliert, die infolge des Krieges entstanden und noch ungelöst geblieben sind, und zur Grundlage der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Alliierten und Vereinigten Mächten und Deutschland wird, haben die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs beschlossen, eine Erklärung abzugeben über die Beendigung des Kriegszustands, den unverzüglichen Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland und über den Abzug der gesamten Streitkräfte der Alliierten und Vereinigten Mächte aus Deutschland. Dabei gehen die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs davon aus, dass der Friedensvertrag mit Deutschland auf den Prinzipien beruhen muss, die in den Beschlüssen der Konferenzen von Jalta und Potsdam enthalten sind und die Entwicklung Deutschlands als einheitlichen, unabhängigen, demokratischen, friedliebenden Staat vorsehen, die Umgestaltung des deutschen politischen Lebens auf demokratischer Grundlage55 und die Durchführung der Demilitarisierung Deutschlands, um die Gefahr der Wiederauferstehung des deutschen Militarismus und Nazismus für immer zu beseitigen. Die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs sind der Ansicht, dass der Friedensvertrag zwischen Deutschland und den anderen Staaten die Errichtung von friedlichen und gutnachbarlichen Beziehungen fördern muss, dass dem deutschen Staat die Unabhängigkeit und Souveränität und dem deutschen Volk demokratische Rechte und Freiheiten, darunter Redefreiheit, Pressefreiheit, Glaubensfreiheit, 54 Gribanow, Puschkin, Koptelow, »Entwurf Grundlagen«, 4./10.1.1952, AWPf. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 1–6; eine Kopie in AWP RF f. 082, op. 40, p. 255, d. 11, ll. 1–6. 55 Auf dem Exemplar mit dem Erstellungsvermerkung 4.01.52 nachträglich handschriftlich gestrichen.

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Versammlungsfreiheit, Freiheit der Tätigkeit der demokratischen Parteien und anderer gesellschaftlicher antifaschistischer Organisationen gesichert werden müssen. Die Notwendigkeit eines unverzüglichen Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland anerkennend, sind die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs der Ansicht, dass der Friedensvertrag mit Deutschland folgende grundlegende Bestimmungen beinhalten muss: Teilnehmer. Großbritannien, die Sowjetunion, die USA, Frankreich und alle anderen Staaten, die mit ihren Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen haben. Politische Grundsätze. 1. Deutschland vereinigt sich politisch und ökonomisch in einem einheitlichen, unabhängigen, demokratischen Staat. Somit wird die Spaltung Deutschlands beendet, und der deutsche Einheitsstaat erhält die Möglichkeit zu einer freien und unabhängigen Entwicklung. 2. Alle Streitkräfte der Alliierten und Vereinigten Mächte müssen aus Deutschland in kürzestmöglicher Frist und keinesfalls später56 als sechs Monate vom Tag des Inkrafttretens des Friedensvertrages an gerechnet abgezogen werden. Das Besatzungsregime endet und Deutschland befreit sich von allen Lasten57, die mit der Besatzung verbunden sind.58 3. Das gesamte politische Leben Deutschlands muss sich auf demokratischer Grundlage entwickeln.59 Dem deutschen Volk müssen die demokratischen Rechte gewährleistet werden, damit alle Personen, die der deutschen Gerichtsbarkeit unterstehen, ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache und des Glaubens in den Genuss der Menschenrechte und der grundlegenden Freiheiten, einschließlich der Freiheit der Rede, der Presse, des Glaubens, der politischen Überzeugung und der Versammlungsfreiheit kommen. 4. In Deutschland muss die freie Tätigkeit aller demokratischen Parteien und Organisationen gewährleistet werden, einschließlich der Gewährung des Rechts auf öffentliche Debatte, auf Einberufung von Versammlungen, auf Presse und Verlage.60 56 Nachträglich gestrichen. 57 Nachträglich gestrichen. 58 In dem am 10.1.1952 unterzeichneten Exemplar lautet der hier kursiv gesetzte Satz: »Gleichzeitig damit werden auch alle ausländischen Militärstützpunkte und militärischen Einrichtungen auf dem Territorium Deutschlands geräumt.« 59 Nachträglich gestrichen. 60 Nachträgliche Randbemerkung mit Bleistift: »Koalitionen«.

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5. Auf dem Territorium Deutschlands darf keine wie auch immer geartete Wiederbelebung von nazistischen und militaristischen Organisationen zugelassen werden, sei es politischer, militärischer oder paramilitärischer Organisationen, deren Ziel die Abschaffung der demokratischen Rechte des Volkes ist. 6. Im gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben Deutschlands bleiben alle gemäß der Beschlüsse61 der Potsdamer Konferenz und anderer Beschlüsse der vier Mächte gegenüber Deutschland62 durchgeführten demokratischen Reformen in Kraft. 7. Allen ehemaligen Nazis, die mit der faschistischen Ideologie gebrochen und zusammen mit den demokratischen Kräften des deutschen Volkes am Wiederaufbau des friedlichen, demokratischen Deutschland teilgenommen haben, müssen die staatsbürgerlichen und politischen Rechte in gleicher Weise wie allen anderen deutschen Bürgern gewährleistet werden. 8. Deutschland verpflichtet sich, keinerlei Koalitionen oder militärischen Bündnissen beizutreten, die gegen irgendwelche Mächte gerichtet sind, die mit ihren Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen haben. Territorium. Deutschlands Territorium wird in den Grenzen vom l. Januar 1938 mit Ausnahme der Änderungen, die durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz vorgesehen wurden, festgelegt. Auf diesem Territorium werden die Alliierten und Vereinigten Mächte die volle Souveränität des deutschen Volkes anerkennen. Wirtschaftliche Grundsätze. 1. Deutschland werden keinerlei Einschränkungen in der Entwicklung seiner friedlichen Wirtschaft auferlegt. Industrie, Landwirtschaft und Transport werden sich frei entwickeln können, um ein stetiges Wachstum des Wohlstandes des deutschen Volkes zu gewährleisten. Deutschland wird auch keinerlei Beschränkungen in der Entwicklung des Handels mit anderen Ländern und in seinem Zugang zu den Weltmärkten und zu den Rohstoffquellen haben. Gleichzeitig muss in Deutschland die freie Entwicklung der Privatinitiative und des Unternehmertums gesichert werden. 2. Zum Ziel der Vorbeugung der Möglichkeit der Wiedergeburt des deutschen Militarismus müssen die deutschen monopolistischen Vereini-

61 Nachträgliche Randbemerkung mit Bleistift: »Prinzipien«. 62 Nachträglich gestrichen, Randbemerkung mit Bleistift: »Zwecks Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung«.

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gungen aufgelöst werden, die als Stütze des Hitler-Regimes gedient haben, – Kartelle, Trusts, Syndikate und andere Monopole auf dem Gebiet der Produktion, des Handels, der Bankgeschäfte und anderer Wirtschaftszweige Deutschlands. 3. Das Industriegebiet Ruhr ist unabdingbarer Teil Deutschlands in politischer, verwaltungsrechtlicher und ökonomischer Beziehung. Die Behörden, die vor Inkrafttreten des Friedensvertrages von fremden Mächten zur Überwachung der Ruhr geschaffen wurden, werden abgeschafft. Alle die Ruhr betreffenden Abkommen, die von deutschen Behörden vor der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands geschlossen oder ihnen vorgeschrieben worden waren, verlieren ihre Kraft. Die Kohle- und Stahlindustrie des Ruhrgebiets, wie auch der anderen Industrieregionen Deutschlands, soll sich keinen internationalen Vereinigungen anschließen. Die Industrie des Ruhrgebiets muss in friedlicher Absicht im Interesse des deutschen Volkes und nicht für Rüstungsproduktion und Schaffung von Möglichkeiten zur Wiederholung der deutschen Aggression genutzt werden. 4. Deutschland wird von allen staatlichen Schuldverpflichtungen, die sowohl als Ergebnis der Aktivitäten der Regierungen Deutschlands von 1919 bis 1945, als auch von Schulden, die nach 1945 entstanden sind, befreit. 5. Deutschland erkennt die Verpflichtungen63 an, Ersatz für Schäden zu leisten, die durch Kriegshandlungen gegen Alliierte oder Vereinigte Mächte, aber auch durch die Besetzung ihrer Territorien zugefügt wurden. Militärische Grundsätze. 1. Deutschland wird gestattet, seine nationalen Streitkräfte, einschließlich des Grenzschutzes und der Gendarmerie, in durch den Friedensvertrag bestimmten Größen zu unterhalten. Der Umfang der Land-, Luftund Marinestreitkräfte ebenso wie die Ausrüstung Deutschlands werden begrenzt und werden ausschließlich Verteidigungszwecken dienen. 2. Deutschland wird die Produktion militärischer Materialien und Technik gestattet, deren Menge und Typen nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was für die Streitkräfte, die für Deutschland durch den Friedensvertrag festgelegt werden, benötigt wird. 3. Deutschen Staatsbürgern darf kein Dienst in fremden Streitkräften und Polizeieinheiten gestattet sein, aber auch in keinerlei anderen ausländischen Kriegsformationen.

63 Nachträgliche Randbemerkung mit Bleistift: »auf gerechter Grundlage«.

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4. Deutschland darf Personen, die keine deutschen Staatsbürger sind, nicht für deutsche Militäreinheiten oder für die Ausbildung der deutschen Armee in Dienst nehmen. Deutschland und die Organisation der Vereinten Nationen. Die Staaten, die den Friedensvertrag mit Deutschland abgeschlossen haben, werden das Ersuchen Deutschlands unterstützen, als Mitglied in die Organisation der Vereinten Nationen aufgenommen zu werden. Gribanow, Puschkin, Koptelow, [Tscherwow] 4.01.5264

64 Handschriftlich auf dem am 4.1.1952 gezeichneten Exemplar; der vierte Name ist unsicher. Auf dem am 10.1.1952 unterzeichneten Exemplar befinden sich drei Unterschriften: links eine nicht zu entziffernde, in der Mitte M. Koptelow und rechts M. Gribanow, jeweils mit Datum 10/I.52 von eigener Hand.

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Dokument 1265 Streng geheim. Ex. Nr. ... An den Genossen STALIN J. W. Im September 1951 wurde der Beschluss des ZK der KPdSU(B) angenommen, der die Empfehlungen an die Führung der DDR in Bezug auf den Appell der Volkskammer an das Bonner Parlament zur Einberufung einer gesamtdeutschen Konferenz zur Erörterung der Fragen der Durchführung von Wahlen zur Nationalversammlung mit dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen, demokratischen und friedliebenden deutschen Staates und zur Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland bestätigte. In diesem Beschluss war vorgesehen, dass, wenn das Bonner Parlament den Vorschlag der Volkskammer der DDR zur Einberufung einer gesamtdeutschen Konferenz ablehnt oder wenn die Vertreter Westdeutschlands die Konferenz in ihrer Arbeit behindern, die Regierung der DDR sich mit der Bitte um Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland mit nachfolgendem Abzug der Besatzungstruppen aus Deutschland an die Regierungen der vier Mächte wenden könnte. Als Antwort darauf würde die Sowjetregierung den Vorschlag der Regierung der DDR entsprechend unterstützen und von ihrer Seite den Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland vorlegen. Das MID der UdSSR meint, dass es zur Unterstützung der deutschen demokratischen Kräfte bei ihrem Kampf für die Einheit Deutschlands und die Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland jetzt politisch zweckmäßig wäre, der Regierung der DDR zu empfehlen, sich mit der Bitte um Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland an die Regierungen der vier Mächte zu wenden. Gleichzeitig könnte sich die Regierung der DDR auch an die Bonner Regierung mit dem Vorschlag wenden, diesen Appell zu unterstützen. Als Antwort auf diesen Appell der Regierung der DDR könnte die Sowjetregierung Noten an die Regierungen der USA, Englands und Frankreichs richten, in denen vorgeschlagen wird, innerhalb von drei Monaten den Entwurf des Friedensvertrages mit Deutschland vorzubereiten, und den Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutsch65 Gribanow, Puschkin, Koptelow, Entwurf »An den Genossen Stalin J. W.«, o.D. [zwischen 16. und 20.1.1951], AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 38–40.

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land beifügen. Ein solcher Vorschlag von uns wird bedeuten, dass wir indirekt die Einberufung des Rates der Außenminister der vier Mächte vorschlagen, aber ohne den formellen Vorschlag dazu zu machen. Wir meinen, dass man sich in der ersten Note darauf beschränken kann, wenn man berücksichtigt, dass der formelle Vorschlag zur Einberufung des Ministerrates auch später, in Abhängigkeit von der Reaktion der drei Westmächte auf unsere Note, gemacht werden kann. Kopien unserer Noten an die drei Westmächte und der Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages müssen an die Regierung der DDR geschickt und auch in der Presse veröffentlicht werden. Ein solcher Schritt von unserer Seite hätte große politische Bedeutung für die Verstärkung des Kampfes der demokratischen Kreise in Deutschland gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und würde den Anhängern der Einheit Deutschlands und des Friedens bei der Enthüllung von Maßnahmen der drei Westmächte, die unter Nichtbeachtung des Besatzungsstatuts versuchen, das Besatzungsregime in Westdeutschland auf unbestimmte Zeit zu verlängern, sehr helfen. Der Entwurf des Beschlusses liegt bei. Ich bitte um Prüfung. » «66 Januar 1952 Nr. ...

66 Tagesdatum offen gelassen.

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Dokument 1367 Streng geheim An den Genossen STALIN J. W. Die Genossen Tschujkow und Semjonow legten im Telegramm Nr. 8/80 einen Maßnahmeplan zum Zweck der Belebung der Kampagne im Kampf für die Vereinigung Deutschlands und für die Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages dar, der folgendermaßen zusammengefasst werden kann: 1. In Deutschland ist jetzt eine breit angelegte Kampagne gegen den sogenannten »Generalvertrag« zu entfalten, den die Regierungen der USA, Englands und Frankreichs mit der Bonner Regierung Mitte März diesen Jahres anstelle des jetzigen Besatzungsstatuts abzuschließen vorschlagen. Insbesondere hat die Regierung der DDR die Absicht, in den nächsten Tagen einen Appell des ZK der SED an das deutsche Volk zu veröffentlichen, in dem der Sinn des »Generalvertrages« aufgedeckt wird und die oppositionellen Kreise in Westdeutschland aufgerufen werden, eine Volksbefragung gegen den »Generalvertrag« zu organisieren und eine Konferenz der Arbeiter Westdeutschlands gegen diesen Vertrag durchzuführen. 2. Die Führung der DDR hält es für zweckmäßig, dass die sowjetische Regierung Mitte Februar diese Kampagne unterstützt, indem sie den Regierungen der USA, Englands und Frankreichs eine Note mit der entsprechenden Einschätzung des »Generalvertrages« übergibt. 3. Nach der Veröffentlichung dieser Note der Sowjetregierung ist die Einberufung der Volkskammer vorgesehen, die einen Appell an die Regierungen der vier Mächte mit der Bitte um die Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland verabschieden und mit den Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland an die Öffentlichkeit treten wird. 4. Als Antwort auf diesen Appell der Volkskammer wird vorgeschlagen, dass die Sowjetregierung in der ersten Märzhälfte den Entwurf des Gesamttextes des Friedensvertrages mit Deutschland veröffentlicht, in dem insbesondere die Artikel über die Ost- und Westgrenzen Deutschlands, darunter auch die an der Saar, genau und klar formuliert sein werden.

67 Gribanow, Puschkin, Koptelow, Entwurf »An den Genossen Stalin J. W.«, 21.1.1952, AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 26–29.

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Die Genossen Tschujkow und Semjonow unterstützen den dargelegten Plan. Nach Meinung des MID der UdSSR darf man sich mit diesem Plan aus folgenden Überlegungen heraus nicht einverstanden erklären. a/ Die Hauptaufmerksamkeit wird in diesem Plan der Kritik und den Einwänden gegen den »Generalvertrag« gewidmet und nicht dem Kampf für den Friedensvertrag mit Deutschland, was der Bonner Regierung nutzt, die daran interessiert ist, die Frage des Friedensvertrages mit Deutschland durch Propagandalärm um den bevorstehenden Abschluss des »Generalvertrages« zu ersetzen. Man muss auch im Blick haben, dass der Text des »Generalvertrages«, den die Führung der DDR durch den Sicherheitsdienst bekommen hat, ernste Zweifel an seiner Echtheit hervorruft. Es ist nicht auszuschließen, dass dieses Dokument extra zum Zweck der Falschinformation verfasst wurde. Aus den oben genannten Gründen wäre es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zweckmäßig, mit einem Appell aus Anlass des »Generalvertrages« an das deutsche Volk heranzutreten und den Inhalt dieses Dokumentes zu veröffentlichen. Aus den gleichen Gründen wäre es nicht zweckmäßig, eine Note der sowjetischen Regierung aus Anlass des »Generalvertrages« an die Regierungen der USA, Englands und Frankreichs zu schicken. Eine solche Maßnahme von unserer Seite würde nur einer Ablenkung der Aufmerksamkeit des deutschen Volkes von den Fragen des Kampfes um die Einheit Deutschlands und für den Friedensvertrag Vorschub leisten. b/ Man darf auch den Vorschlag nicht als richtig ansehen, dass nicht die Sowjetregierung sondern die Volkskammer der DDR sich mit den Grundlagen des Friedensvertrages an die vier Mächte wenden sollte und dass erst danach, auf der Basis der Vorschläge der Volkskammer, die sowjetische Regierung den Gesamttext des Friedensvertrages vorbereiten und veröffentlichen würde. Solch ein Vorschlag bedeutet, dass der besiegte Staat selbst den Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages für sich erarbeitet. Die Westmächte würden es nicht versäumen, diesen Umstand zu unserem Schaden auszunutzen. Außerdem würde uns das Auftreten der Sowjetunion mit dem Gesamttext des Friedensvertrages auf der Basis des von der Volkskammer vorgeschlagenen Entwurfs der Grundlagen dieses Vertrages bei möglichen Verhandlungen mit den Westmächten zu einzelnen Artikeln des Friedensvertrages die Hände binden und den Gegnern des Friedensvertrages mit Deutschland Anlass geben, einige für die Deutschen unvorteilhafte Artikel des Vertrages auszunutzen, um die Bedeutung unseres Eintretens in dieser Frage herunterzuspielen.

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c/ die Durchführung des im Telegramm der Genossen Tschujkow und Semjonow dargelegten Planes, einschließlich der Vorschläge zum Auftreten der DDR mit den Grundlagen des Friedensvertrages und zur Organisation einer Kampagne gegen den »Generalvertrag« würde eine Schmälerung der Rolle der Sowjetunion in solch einer wichtigen Frage, wie sie die Vorbereitung des Friedensvertrages mit Deutschland darstellt, bedeuten. Das MID der UdSSR meint, dass es nötig ist, von dem mit der DDRFührung abgestimmten Beschluss des ZK der KPdSU(B) auszugehen, der im September 1951 angenommen wurde und der vorsah, dass die Sowjetregierung mit den Grundlagen des Friedensvertrages auftritt und dass die zentrale Frage, auf die der Kampf der deutschen demokratischen Kräfte gerichtet sein muss, die Frage des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland bei Abzug aller Besatzungstruppen und die Frage der gesamtdeutschen Wahlen zum Zweck der Schaffung eines einheitlichen, demokratischen, friedliebenden Deutschland sein muss. In Übereinstimmung mit dem genannten Beschluss ist es zweckmäßig, wenn die Regierung der DDR sich in den nächsten Tagen an die vier Mächte mit der Bitte um Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages wenden würde. Gleichzeitig könnte sie sich auch an die Bonner Regierung mit dem Vorschlag wenden, diesen Appell zu unterstützen. Als Antwort auf diesen Appell könnte die Sowjetregierung den Regierungen der USA, Englands und Frankreichs Noten schicken mit dem beigefügten Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland und vorschlagen, im Zeitraum von drei Monaten den Entwurf des Friedensvertrages mit Deutschland vorzubereiten. Ein solches Auftreten unsererseits hätte große politische Bedeutung für die Verstärkung des Kampfes der demokratischen Kreise Deutschlands gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und könnte den Anhängern der Einheit Deutschlands und des Friedens bei der Aufdeckung der aggressiven Pläne der drei Westmächte, die mit dem »Generalvertrag« verbunden sind, helfen. Die genannten Noten der Sowjetregierung würden bedeuten, dass wir indirekt vorschlagen, den Rat der Außenminister der vier Mächte einzuberufen, aber ohne den formellen Vorschlag dazu zu machen. Damit kann man sich nach Meinung des MID der UdSSR in der Note begnügen, wenn man berücksichtigt, dass die Frage der Formulierung des Vorschlags hinsichtlich der Einberufung des Ministerrates später, in Abhängigkeit von der Reaktion der drei Mächte auf unsere Note, gelöst werden kann. Es ist nötig, Kopien unserer Noten an die drei Mächte und den Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages an die Regierung der DDR zu schicken. Das MID hält es auch für zweckmäßig, vor dem Übermitteln

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des Entwurfs der Grundlagen des Friedensvertrages an die drei Mächte die Regierungen Polens und der Tschechoslowakei mit ihm vertraut zu machen. Der Entwurf des Beschlusses liegt bei. Ich bitte um Prüfung. »...«68 Januar 1952. Nr. ... M. Gribanow. 21.1.

A. Gromyko69

Puschkin

Koptelow.70

68 Datum offen gelassen. 69 Maschinenschriftlicher Eintrag. Die Unterschrift Gromykos fehlt. 70 Handschriftliche Vermerke.

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Dokument 1471 Anlage 272 Die Grundlagen von der Präambel trennen73 ÜBER DIE GRUNDLAGEN DES FRIEDENSVERTRAGES MIT DEUTSCHLAND Seit der Beendigung des Krieges mit Deutschland sind fast sieben Jahre vergangen und Deutschland hat immer noch keinen Friedensvertrag, ist gespalten und bleibt in den Beziehungen zu anderen Staaten in einer Situation der Nichtgleichberechtigung. Der Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland würde die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglichen und den Weg zu seiner Teilnahme an der internationalen Zusammenarbeit mit anderen Staaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung eröffnen. Der Friedensvertrag mit Deutschland würde auch die Regelung von Problemen ermöglichen, die infolge des Krieges entstanden und noch ungelöst sind. Damit hätte der Friedensvertrag auch höchste Bedeutung für die Stärkung des Friedens in Europa. Davon ausgehend haben die Regierungen der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs beschlossen, die Beendigung des Kriegszustandes bekannt zu geben und mit diesem Ziel den Friedensvertrag mit Deutschland über den Abzug aller bewaffneten Kräfte der Sowjetunion und der Alliierten Mächte in dem durch den Vertrag festgelegten Zeitraum abzuschließen. Dabei gehen die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs davon aus, dass der Friedensvertrag mit Deutschland auf den Prinzipien beruhen muss, die in den Beschlüssen der Konferenzen von Jalta und Potsdam enthalten sind und die Entwicklung Deutschlands als einheitlichen, unabhängigen, demokratischen, friedliebenden Staat vorsehen. Der Friedensvertrag mit Deutschland muss die Unzulässigkeit der Remilitarisierung Deutschlands gewährleisten und die Gefahr der Wiederbelebung des deutschen Militarismus und Nazismus beseitigen. Die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs sind der Ansicht, dass der Friedensvertrag zur Herstellung und 71 Gromyko an Stalin, »Entwurf Grundlagen«, 25.2.1952, AWP RF f. 07, p. 13, d. 144, ll. 99–102. 72 Zur Beschlussvorlage »an den Genossen Stalin J. W.« vom 25.2.1952, ebd. ll. 94 f. 73 Handschriftlicher Bearbeitungsvermerk.

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Pflege gutnachbarlicher, friedlicher Beziehungen zwischen Deutschland und anderen Staaten beitragen und Deutschland die Möglichkeit geben muss, zusammen mit den anderen friedliebenden Staaten den Frieden zu verteidigen. Die Notwendigkeit eines Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland als notwendig anerkennend sind die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs der Ansicht, dass der Friedensvertrag mit Deutschland folgende grundlegende Bestimmungen beinhalten muss: Teilnehmer. Großbritannien, die Sowjetunion, die USA, Frankreich und alle anderen Staaten, die mit ihren Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen haben. Politische Grundsätze. 1. Deutschland wird wieder ein vereinigter Staat. Damit wird die Spaltung Deutschlands beendet, und das vereinigte Deutschland erhält die Möglichkeit zur Entwicklung als unabhängiger, demokratischer, friedliebender Staat. 2. Alle bewaffneten Streitkräfte der Alliierten müssen aus Deutschland innerhalb eines Jahres seit dem Tag des Inkrafttretens des Friedensvertrages abgezogen werden. Gleichzeitig werden alle ausländischen Militärbasen auf dem Territorium Deutschlands beseitigt. 3. Dem deutschen Volk müssen die demokratischen Rechte gewährleistet werden, damit alle Personen, die der deutschen Gerichtsbarkeit unterstehen, ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache und des Glaubens in den Genuss der Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten, einschließlich der Freiheit der Rede, der Presse, des Glaubens, der politischen Überzeugung und Versammlungsfreiheit kommen. 4. In Deutschland muss die freie Tätigkeit der demokratischen Parteien und Organisationen gewährleistet werden, einschließlich der Gewährung des Rechts auf freie Entscheidung ihrer inneren Angelegenheiten, auf die Durchführung von Kongressen und Versammlungen und auf die Nutzung der Presse- und Druckfreiheit. 5. Auf dem Territorium Deutschlands darf keine wie auch immer geartete Wiederbelebung von nazistischen und militaristischen Organisationen zugelassen werden, seien sie politische, militärisch oder paramilitärische Organisationen, deren Ziel die Abschaffung der demokratischen Rechte des Volkes ist. 6. Allen ehemaligen Militärangehörigen der deutschen Armee, einschließlich der Offiziere und Generäle, und allen ehemaligen Nazis, mit Ausnahme derjenigen, die eine vom Gericht verhängte Strafe für von

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ihnen begangene Verbrechen abbüßen, müssen zur Teilnahme am Aufbau des demokratischen friedliebenden Deutschlands die staatsbürgerlichen und politischen Rechte in gleicher Weise wie allen anderen deutschen Bürgern gewährt werden. 7. Deutschland verpflichtet sich, keinerlei Koalitionen oder Militärbündnissen beizutreten, die gegen eine Macht gerichtet sind, die mit ihren bewaffneten Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat. Territorium. Deutschlands Territorium wird in den Grenzen vom 1. Januar 1938 mit Ausnahme der Änderungen, die durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz vorgesehen wurden, festgelegt. Auf diesem Territorium werden die Alliierten die volle Souveränität des deutschen Volkes anerkennen. Wirtschaftliche Grundsätze. 1. Deutschland werden keine Einschränkungen in der Entwicklung seiner friedlichen Wirtschaft, die dem Wachstum des Wohlstandes des deutschen Volkes dienen muss, auferlegt. Deutschland wird auch keinerlei Beschränkungen im Handel mit anderen Ländern, in der Seeschifffahrt, beim Zugang zu den Weltmärkten und zu den Rohstoffquellen haben. 2. Die deutschen großkapitalistischen Vereinigungen, die als Stütze des Hitlerregimes dienten, müssen beseitigt werden – Kartelle, Trusts, Syndikate und andere Monopole auf dem Gebiet der Produktion, des Handel, der Bankgeschäfte und anderer Wirtschaftszweige Deutschlands. In Deutschland wird die freie Entwicklung der Privatinitiative und des Unternehmertums garantiert. 3. Das Ruhrgebiet ist in politischer, administrativer und wirtschaftlicher Hinsicht ein integrierter Teil Deutschlands und darf sich nicht irgendwelchen internationalen Vereinigungen anschließen. Alle die Ruhr betreffenden Abkommen, die von deutschen Behörden vor der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands geschlossen oder ihnen vorgeschrieben worden waren, verlieren ihre Kraft. 4. Deutschland erkennt die Verpflichtung an, auf gerechter Grundlage Ersatz für Schäden zu leisten, die den Alliierten durch Kriegshandlungen und auch durch die Besetzung ihrer Gebiete zugefügt wurden. Militärische Grundsätze. 1. Deutschland wird erlaubt sein, eine nationale Armee, einschließlich des Grenzschutzes, sowie auch Polizei zu haben. Der Umfang der Land-, Luft- und Seestreitkräfte Deutschlands wird begrenzt, so dass er nur den

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inneren Aufgaben, dem lokalen Schutz der deutschen Grenzen und der Luftverteidigung entspricht. 2. Deutschland wird die Produktion militärischer Materialien und Technik gestattet, deren Menge und Typen nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was für die Streitkräfte, die für Deutschland durch den Friedensvertrag festgelegt werden, benötigt wird. 3. Deutschen Staatsbürgern darf nicht erlaubt werden, in fremden Streitkräften und Polizeieinheiten oder in wie auch immer gearteten ausländischen Militärformationen zu dienen. Deutschland und die Organisation der Vereinten Nationen. Die Staaten, die den Friedensvertrag mit Deutschland abgeschlossen haben, werden das Ersuchen Deutschlands unterstützen, als Mitglied in die Organisation der Vereinten Nationen aufgenommen zu werden.

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Dokument 1574 Streng geheim Ex. Nr. 2 Gen. Molotow W. M. Ich lege Ihnen den berichtigten Entwurf des Beschlusses des ZK der KPdSU(B) und den Entwurf der Instruktionen für Tschujkow und Semjonow vor. Außer den Änderungen im Entwurf der Instruktionen, die Ihnen vorgelegt wurden, haben wir auch im Punkt 3 die Hinweise auf die Dokumente entfernt, über die die Regierung der DDR noch nicht informiert wird, und diesen Punkt entsprechend umformuliert. Ich bitte um Ihr Einverständnis. 6. Februar 1952 43-WK75

Streng geheim Entwurf BESCHLUSS DES ZK DER KPDSU(B) Über Maßnahmen zur Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages und zur Schaffung eines einigen, demokratischen, friedliebenden deutschen Staates. Zwecks Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland und Schaffung eines vereinigten, demokratischen, friedliebenden deutschen Staates und Verstärkung des Widerstandes des deutschen Volkes gegen die Pläne zur Remilitarisierung Westdeutschlands ist der beiliegende Entwurf der Anweisungen an die Genossen Tschujkow und Semjonow zu bestätigen, die die Empfehlung an die Führung der DDR enthalten, dass die Regierung der DDR in den nächsten Tagen einen Appell zur Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland an die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs richten soll.

74 Wyschinskij an Molotow 6.2.1952, AWP RF f. 07, op. 25, p. 13, d. 144, ll. 124– 128. 75 Kürzel für »Wyschinskij«. Das »Exemplar Nr. 1« auf Blatt 129 trägt Wyschinskijs Unterschrift.

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299 Anlage 1 Außer der Reihe

AN TSCHUJKOW, SEMJONOW Besuchen Sie Pieck, Grotewohl und Ulbricht und teilen Sie ihnen folgendes mit: 1. Die Maßnahmen, die im Verlauf des letzten halben Jahres im Zusammenhang mit dem Appell der Regierung der DDR an die Bonner Regierung zur Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland und zur Schaffung eines vereinigten, friedliebenden, demokratischen deutschen Staates und auch zur Durchführung gesamtdeutscher Wahlen zu diesem Zweck in Deutschland ergriffen wurden, hatten zweifellos positive Ergebnisse. Sie halfen, die auf die Remilitarisierung Westdeutschlands, die Vertiefung der Spaltung Deutschlands und seine Einbeziehung in die Kriegspläne des Atlantischen Blocks zur beschleunigten Vorbereitung eines neuen Krieges gerichtete Politik der USA, Großbritanniens und Frankreichs in den Augen breiter Schichten des deutschen Volkes zu entlarven. Dennoch reichen die Maßnahmen, die in der Deutschen Demokratischen Republik durchgeführt wurden, gegenwärtig schon nicht mehr aus, besonders angesichts der Tatsache, dass die Regierungen der USA, Englands und Frankreichs Maßnahmen ergreifen, um Westdeutschland den sogenannten »Generalvertrag« aufzuzwingen, mit dem sie den Friedensvertrag ersetzen wollen. Ausgehend von dem Plan, der die Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland und die Vereinigung Deutschlands vorsieht und mit der Führung der DDR im September 1951 abgestimmt wurde, und in Verbindung mit der Ablehnung der Vorschläge der Volkskammer der DDR zur Einberufung einer gesamtdeutschen Konferenz durch die Bonner Regierung, hält es die Sowjetregierung für zweckmäßig, dass die Regierung der DDR an die vier Mächte – UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich – einen Appell zur Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland richtet. Eine Kopie dieses Appells sollte nach Meinung der Sowjetregierung an die Bonner Regierung mit der Bitte geschickt werden, die im Appell enthaltenen Vorschläge zu unterstützen. Sagen Sie auch, dass es nach Meinung der Sowjetregierung notwendig ist, im Appell der Regierung der DDR auf solche wichtigen Aufgaben des Friedensvertrages mit Deutschland hinzuweisen wie die Schaffung eines vereinigten, demokratischen, friedliebenden deutschen Staates, die Beseitigung der Gefahr der Wiederbelebung des deutschen Militarismus und neuer Aggressionsversuche von seiner Seite und die Sicherung der friedlichen Entwicklung des deutschen Staates in Übereinstimmung mit

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dem Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens in Europa und mit den nationalen Interessen des deutschen Volkes. Der Abschluss des Friedensvertrages würde auch die schnellstmögliche Herstellung normaler Beziehungen zwischen Deutschland und den anderen Staaten gewährleisten. Im Appell sollte auch darauf hingewiesen werden, dass die DDR entschieden für die Verwirklichung der oben genannten Prinzipien und gegen den Versuch, den deutschen Militarismus zur beschleunigten Vorbereitung eines neuen Weltkrieges wieder zu beleben, kämpfen wird. Sagen Sie auch, dass die sowjetische Kontrollkommission selbstverständlich hofft, von der Regierung der DDR den Entwurf dieses Appells an die Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs zu erhalten, um sich vorbereitend damit vertraut zu machen. 2. Nach Erhalt des genannten Appells der Regierung der DDR hat die Sowjetregierung die Absicht, diesen Appell zu unterstützen. 3. Die Sowjetregierung fasst ins Auge, dass die oben genannten wie auch die möglichen zukünftigen Maßnahmen zur Beschleunigung des Abschlusses des Friedensvertrages mit Deutschland, zur Beseitigung der Spaltung Deutschlands und zur Schaffung eines vereinigten deutschen Staates beitragen werden. Diese Maßnahmen werden nach Meinung der Sowjetregierung auch zur Mobilisierung der demokratischen Kreise Deutschlands, darunter auch der in Westdeutschland, zum Kampf für den Abschluss des Friedensvertrages und die Wiederherstellung der Einheit und Unabhängigkeit Deutschlands beitragen, indem dieses positive Programm den aggressiven Plänen der USA, Englands, Frankreichs und der Bonner Regierung, die den Abschluss des Friedensvertrages mit Deutschland durch den sogenannten »Generalvertrag« ersetzen wollen, entgegengesetzt wird. Mit der Durchführung dieser Maßnahmen muss gezeigt werden, was das Aufzwingen des »Generalvertrages« bedeutet: a/ den faktischen Erhalt des Besatzungsregimes und demzufolge den Erhalt der Abhängigkeitssituation Westdeutschlands auf unbestimmte Zeit. b/ die Verfestigung der Spaltung Deutschlands und den Verlust der Möglichkeit der Wiedererrichtung eines einheitlichen deutschen Staates für das deutsche Volk. c/ die Ausnutzung Westdeutschlands für die aggressiven Ziele des angloamerikanischen Blocks, was nichts anderes darstellt als die Einbeziehung Westdeutschlands in die Vorbereitung eines neuen Weltkrieges, der für das deutsche Volk einen Bruderkrieg zwischen den Deutschen selbst bedeutet. Bestätigen Sie den Empfang. Telegrafieren Sie die Durchführung.

Dokumente II: »Malenkow zum Neuen Kurs«

»Deutschland wird eine bürgerlich-demokratische Republik sein«. Georgij M. Malenkow zur Delegation der SED am 2. Juni 1953.1 1. Nicht nur Sie, unsere deutschen Freunde, sondern auch unser Zentralkomitee, wir sind zusammen für den Kurs der Beschleunigung des Aufbaus des Sozialismus verantwortlich, der in der DDR durchgeführt wird. Es ist bekannt, dass dieser Kurs von der SED mit Zustimmung des Politbüros durchgeführt wurde. 2. Dem Dokument, der an Sie verteilt wurde, können Sie entnehmen, dass wir vorschlagen, diesen Kurs als einen falschen zu erkennen, und wir denken, dass man sofort unter jetzigen Bedingungen auf den Kurs der Forcierung des Aufbaus des Sozialismus in der DDR verzichten soll. Warum sind wir zu diesem Entschluss gekommen und warum halten wir es für eine äußerst wichtige Angelegenheit, auf den zu dieser Zeit fehlerhaften Kurs des forcierten Aufbaus des Sozialismus in der DDR zu verzichten? 3. Man muss vor allem sagen, dass die Frage der Entwicklungsperspektiven der DDR nicht getrennt von der Lösung der Frage der Vereinigung des Ost- und Westdeutschlands in einen deutschen Staat gesehen werden kann. Man muss betonen, dass das wichtigste Problem der ganzen jetzigen internationalen Situation das Problem der Wiedervereinigung Deutschlands ist, das Problem der Umwandlung Deutschlands in einen friedlichen demokratischen Staat. Man ist vielleicht geneigt zu denken, dass wir die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands stellen, weil wir bloß irgendwelche propagandistische Ziele verfolgen, dass wir in der Wirklichkeit nicht anstreben, die Spaltung Deutschlands zu beenden, dass wir an der Wiedervereinigung Deutschlands nicht interessiert sind. Das ist ein großer Irrtum. Das muss man beenden, wenn wir eine klare politi1 RGASPI, f. 083, op. 1, d. 3, ll. 131, 134–136, 141. Vgl. dazu oben Kapitel 9, S. 216– 220.

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sche Linie verfolgen möchten, und wir dürfen in einer der größten internationalen Fragen der heutigen Zeit nicht das Spiel des Verschweigens spielen. Wir betrachten Vereinigung Deutschlands und seine Umwandlung in einen demokratischen friedlichen Staat als die wichtigste Bedingung, als eine der wesentlichen Garantien für die europäische Sicherheit und das heißt für die Sicherheit der Welt, als eine der wesentlichen Garantien für die Stärkung des Friedens. Wer denkt, dass Deutschland über längere Zeit im gespalteten Zustand, als zwei unabhängige Staaten existieren kann, irrt sich. Auf der Position der Existenz des gespaltenen Deutschlands zu beharren, heißt auf dem Kurs auf einen neuen Krieg hin zu beharren, sogar in der nächsten Zukunft. Das gespaltete Deutschland im Zentrum Europas bedeutet nichts anderes als die forcierte Militarisierung Westdeutschlands und die offene Vorbereitung zu einem neuen Krieg, eine Vorbereitung, die zu einem gewissen Zeitpunkt in die direkte Kriegsauslösung übergehen wird. Es besteht kein Zweifel, dass die Existenz des gespaltenen Deutschlands denen zugute kommt, die einen neuen Weltkrieg planen. Für die Vereinigung Deutschlands unter bestimmten Bedingungen zu kämpfen, für seine Umwandlung in einen friedlichen demokratischen Staat, bedeutet, den Kurs auf die Vorbeugung des neuen Weltkrieges zu nehmen. Es besteht kein Zweifel, dass eine erfolgreiche Lösung der Frage der Vereinigung des Ost- und Westdeutschlands in einem friedlichen demokratischen Staat bedeutet, die Pläne für die Vorbereitung eines neuen Weltkrieges zum Scheitern zu bringen. 4. Auf welcher Basis ist denn die Vereinigung Deutschlands unter heutigen internationalen Bedingungen möglich? Unserer Meinung nach nur auf der Basis, dass Deutschland eine bürgerlich-demokratische Republik sein wird. Unter heutigen Bedingungen ist die nationale Vereinigung Deutschlands nicht auf der Basis der Umwandlung Deutschlands in ein Land der Diktatur des Proletariats, gekleidet in die Form der Volksdemokratie, möglich, sondern nur auf der Basis der Umwandlung Deutschlands in einen friedlichen bürgerlich-demokratischen Staat. Genau dieser Umgang mit der Frage der Perspektiven Deutschlands hat die Vorschläge der Sowjetunion hinsichtlich der Nutzung der Weimarer Verfassung mit bekannten Korrekturen als Muster für die Verfassung des vereinten Deutschlands bestimmt. Was ist die Weimarer Verfassung? Was ist die Weimarer Republik? Man kann sagen, das ist das klassische Muster eines bürgerlich-demokratischen Staates, bei dessen Gründung die führenden deutschen Kreise einschließlich auch der Sozialdemokraten versucht haben, die Lektionen aus dem Ersten Weltkrieg zu berücksichtigen.

Malenkow zum »Neuen Kurs«

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Wenn es so ist, dann muss man erkennen, dass der Kurs auf einen forcierten Aufbau des Sozialismus in der DDR unter heutigen internationalen Bedingungen die Vereinigung Deutschlands behindert. Dieser Kurs ist auf die Festigung der Spaltung Deutschlands ausgerichtet. In wirtschaftlicher Hinsicht kann die DDR nicht als irgendein geschlossenes, vom übrigen Deutschland isoliertes System betrachtet werden. Niemand wird bestreiten, dass jeder Versuch, die Beziehungen zwischen der Bevölkerung der DDR und der Bevölkerung Westdeutschlands zu brechen, erfolglos sein wird. In dieser Situation darf man die Wirtschaft Deutschlands nicht auf mehr oder weniger lange Zeit auf zwei wirtschaftlich-soziale Grundlagen aufbauen, die sich gegenseitig ausschließen, in einem Teil Deutschlands Sozialismus, in dem anderen wesentlich größeren Teil Kapitalismus. 5. Man kann einwenden, wir weichen zurück, wie es aussieht. Mit aller Kraft waren wir auf dem Weg zum Sozialismus und plötzlich verzichten wir auf diesen Kurs, biegen vom Weg des Sozialismus ab. Darauf kann man folgende Antwort geben: Analyse der inneren politischen und wirtschaftlichen Lage in der DDR, Tatsache der Massenflucht der Bevölkerung Ostdeutschlands nach Westdeutschland (circa 500 Tausend sind schon geflüchtet!) zeigen, dass wir tatsächlich nicht nur zu keinem Sozialismus kommen, sondern mit aller Kraft auf eine innere Katastrophe zusteuern. Wir sind verpflichtet, der Wahrheit in die Augen zu sehen und zu erkennen, dass ohne die Präsenz der sowjetischen Truppen das existierende Regime in der DDR keinen Bestand hat. In der jetzigen internationalen Situation führte die Erfahrung des forcierten Aufbaus des Sozialismus in einem Teil Deutschlands, eine verstärkte Führung der Politik der Beschränkung und Austreibung der privat-kapitalistischen Elemente in der Stadt und auf dem Land zu negativen Ergebnissen, und die politische und wirtschaftliche Lage in der DDR ist zur Zeit äußerst unglücklich. Wir müssen erkennen, dass die Erfahrung der letzten Jahre in der DDR, statt außerhalb Deutschlands das weitere Wachstum der Sympathien breiter Arbeiterschichten für den Sozialismus zu fördern, faktisch eine negative Rolle gespielt hat. Das ist auch klar, denn was könnte diese Erfahrung zum Beispiel den Arbeitern in Frankreich, Italien und anderen europäischen Ländern bringen? Zur gleichen Zeit haben die Feinde des Sozialismus die Möglichkeit erhalten, Fehler der DDR für die Verstärkung ihrer Attacken auf den Sozialismus, auf die Ideologie des Marxismus-Leninismus und auf die Sowjetunion zu benutzen.

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6. Daraus folgt, dass man wählen muss – entweder den Kurs auf den forcierten Aufbau des Sozialismus in der DDR, auf eine unabhängige Existenz der beiden Deutschlands, und das heißt Kurs auf den dritten Weltkrieg, oder den Verzicht auf den forcierten Aufbau des Sozialismus in der DDR und den Kurs auf die Vereinigung Deutschlands als eines bürgerlich-demokratischen Staats unter bestimmten Bedingungen seiner Umwandlung in ein friedliches demokratisches Land. 7. Deswegen besteht unserer Meinung nach die wichtigste Aufgabe darin, dass unsere deutsche Freunde die Maßnahmen schnell und entschlossen durchführen, die wir für die Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Situation in der DDR und für die weitere erfolgreiche Lösung der Frage der Vereinigung Deutschlands und seiner Umwandlung in einen friedlichen demokratischen Staat empfehlen. Wir halten diese Maßnahmen für die einzig richtigen in der heutigen internationalen Situation. Alle Fehler in der Politik, wenn sie aufgedeckt sind, müssen schnell und mutig korrigiert werden. Leider haben wir schon viel Zeit verloren. Dies verpflichtet uns, mit der dreifachen Energie die Fehler in der DDR zu korrigieren. Deutschland wird dadurch nur gewinnen. 8. Eine Frage, obwohl sie auch Einzelfrage von wesentlicher Bedeutung ist, darf man dabei nicht vergessen. Das ist die Frage nach dem Verhältnis der SED zur Sozialdemokratie. In Westdeutschland können die Sozialdemokraten Adenauer eine Niederlage bringen und zur Macht gelangen. Man darf diese Perspektive nicht ausschließen. Es ist allgemein bekannt, dass die deutsche Sozialdemokratie in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands manövriert und gleichzeitig die Lage von Adenauer erschwert. Unter diesen Bedingungen besteht die Notwendigkeit darin, dass unsere Genossen in Deutschland wesentliche Korrekturen in ihre Taktik in Bezug auf Sozialdemokraten machen.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Narinskij, Mikhail M.: The Soviet Union and the Berlin Crisis, 1948–9, in: Francesca Gori / Silvio Pons (Hg.), The Soviet Union and Europe in the Cold War, 1943–53, London / New York 1996 Naumov, Vladimir: Byl li zagovor Berii? Novye dokumenty o sobytijach 1953g., in: Novaja i novejšaja istoija 5/1998 Perlmutter, Amos: FDR and Stalin: A Not So Grand Alliance, 1943–1945, Columbia / London 1993 Reiman, Michal: Berija, Malenkov und die deutsche Einheit. Ergänzungen zur Diskussion über die sowjetische Deutschland-Note vom März 1952, in: Deutschland-Archiv 32 (1999), S. 456–460 Scherstjanoi, Elke: Zwei deutsche Staaten? Forschungsfragen zur Nachkriegsplanung Moskaus im Lichte neuer Quellen 1948–1950, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 28 (1999), S. 257–302 –: Wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen im Vorfeld der Krise. Betrachtungen zur ostdeutsch-sowjetischen Herrschaftskooperation 1952/53, in: Henrik Bispinck u.a. (Hg.), Aufstände im Ostblock. Zur Krisengeschichte des realen Sozialismus, Berlin 2004, S. 45–73 Sebag Montefiore, Simon: Stalin. Am Hof des roten Zaren, Frankfurt/Main 2005 Staritz, Dietrich: Die SED, Stalin und der »Aufbau des Sozialismus« in der DDR. Aus den Akten des Zentralen Parteiarchivs, in Deutschland-Archiv 24 (1991), S. 686–700 –: Die SED und Stalins Deutschlandpolitik, in: Deutschland-Archiv 27 (1994), S. 854–861 –: Stalin im Januar 1951: Angriff oder Verteidigung?, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53 (2005), S. 1019–1033 Subok, Wladislaw / Pleschakow, Konstantin: Der Kreml im Kalten Krieg. Von 1945 bis zur Kubakrise, Hildesheim 1997 Taubman, William, Khrushchev. The Man and Hs Era, London 2003 Thoß, Bruno (Hg.): Volksarmee schaffen – ohne Geschrei! Studien zu den Anfängen einer ›verdeckten Aufrüstung‹ in der SBZ/DDR 1947 bis 1952, München 1994 Tyrell, Albrecht: Großbritannien und die Deutschlandplanung der Alliierten: 1941– 1945, Frankfurt/Main 1987 Wettig, Gerhard: Die Stalin-Note vom März 1952 als geschichtswissenschaftliches Problem, in: Deutschland-Archiv 25 (1992), S. 157–167 Wettig, Gerhard: Die Deutschland-Note vom 10. März 1952 auf der Basis diplomatischer Akten des russischen Außenministeriums, in: Deutschland-Archiv 26 (1993), S. 786–805 –: Neue Erkenntnisse aus sowjetischen Geheimdokumenten über den militärischen Aufbau in der SBZ/DDR 1947–1952, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 53 (1994), S. 399–419 –: Die KPD als Instrument der sowjetischen Deutschland-Politik. Festlegungen 1949 und Implementierungen 1952, in: Deutschland-Archiv 27 (1994), S. 816–829 –: Die beginnende Umorientierung der sowjetischen Deutschlandpolitik im Frühjahr und Sommer 1953, in: Deutschland-Archiv 28 (1995), S. 495–507 –: Bereitschaft zu Einheit in Freiheit? Die sowjetische Deutschlandpolitik 1945– 1955, München 1999 –: Berijas deutsche Pläne im Lichte neuer Quellen, in: Christoph Kleßmann / Bernd Stöver (Hg.), 1953 – Krisenjahr des Kalten Krieges in Europa, Köln u.a. 1999, S. 49–69

310

Quellen- und Literaturverzeichnis

–: Die Note vom 10. März 1952 im Kontext von Stalins Deutschland-Politik seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Zarusky, Jürgen (Hg.): Die Stalin-Note vom 10. März 1952. Neue Quellen und Analysen, München 2002, S. 139–196 –: Vorgeschichte und Gründung des Warschauer Paktes, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 64 (2005), S. 151–176 Wolkogonow, Dimitri: Stalin. Triumph und Tragödie. Ein politisches Porträt, Düsseldorf 1989 Zarusky, Jürgen (Hg.): Die Stalin-Note vom 10. März 1952. Neue Quellen und Analysen, München 2002 Zubok, Vladislav: »Unverfroren und grob in der Deutschlandfrage...« Berija, der Nachfolgestreit nach Stalins Tod und die Moskauer DDR-Debatte im April-Mai 1953, in: Christoph Kleßmann / Bernd Stöver (Hg.), 1953 – Krisenjahr des Kalten Krieges in Europa, Köln u.a. 1999, S. 29–48

Veröffentlichungsnachweise

Stalin, die deutsche Frage und die DDR Unter dem Titel »Stalin, die deutsche Frage und die DDR. Eine Antwort an meine Kritiker« in: Deutschland-Archiv 28 (1995), S. 290–298.

Planungen im Zweiten Weltkrieg Originalbeitrag.

Die deutsche Frage bei Kriegsende Originalbeitrag.

Der Weg zur Teilung Teil I unter dem Titel »Komplizierter Weg zur Teilung« in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 17.2.2005, S.7 ; Teil II unter dem Titel »Illusionäre Volksfrontstrategie« in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 8.7.2006, S. 8.

Die Gründung der DDR Unter dem Titel »Die sowjetische Deutschlandpolitik und die Gründung der DDR« in: Jürgen Elvert / Friedrike Krüger (Hg.), Deutschland 1949–1989. Von der Zweistaatlichkeit zur Einheit. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2003, S. 88–102.

Die Entstehung der »Stalin-Note« Unter dem Titel »Die Entstehung der ›Stalin-Note‹. Dokumente aus Moskauer Archiven« in: Jürgen Zarusky (Hg.), Die Stalin-Note vom 10. März 1952. R. Oldenbourg Verlag, München 2002, S. 19–115.

Das Ende der Legende Unter dem Titel »Das Ende der Legende. Hermann Graml und die Stalin-Note« in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 50 (2002), S. 653–664.

Der 17. Juni 1953 im internationalen Kontext Unter dem Titel »Das Fenster der Gelegenheit. Der 17. Juni 1953 im internationalen Kontext« in: Martin Greschat / Jochen-Christoph Kaiser (Hg.), Die Kirchen im Umfeld des 17. Juni 1953. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2003, S. 15–52.

Stalin, Berija und Chruschtschow. Der Wandel sowjetischer Deutschlandpolitik im Licht neuer Quellen Originalbeitrag.

Personenregister

Acheson, Dean 106 Ackermann, Anton 46, 62, 83, 211ff. Adenauer, Konrad 22, 92, 96, 99, 131, 150f., 155, 182, 198, 205, 213, 215f., 226, 235 Antonow, Alexej 45 Arkadjew, Georgij P. 104, 110 Arutjunjan, Amazasi A. 104, 110 Badstübner, Rolf 18, 24 Berija, Lawrenti 34, 115f., 125, 140, 154f., 185, 187–189, 190–194, 196f., 204f., 208ff., 212f., 215ff., 220, 230, 233 Berija, Sergo 115, 188, 191, 222, 231ff. Bevin, Ernest 64 Bjønstad, Stein 102 Bodnăraú, Emil 221f. Bogomolow, Alexander J. 114, 120, 124, 126, 129 Brandt, Heinz 179, 201 Bulganin, Nikolai 140, 151f., 189, 222, 234 Byrens, James F. 68 Chruschtschow, Nikita 140, 183, 189, 191, 195, 208f., 215f., 232– 235 Churchill, Winston S. 43, 48–51, 54ff., 63, 197, 205, 213f. Chwostow, Wladimir M. 104, 110, 119, 125 ýujkov, Vasilij I. 227 Curzon, Lord 55 Dekanossow, Wladimir G. 34 Dertinger, Georg 135, 178 Dieckmann, Johannes 105 Dimitroff, Georgi M. 46, 75

Durdenewskij, Wsewolod N. 103, 110 Ebert, Friedrich 212 Eden, Anthony 28f., 33, 44, 49ff., 54, 56f., 63 Ehard, Hans 68 Eisenhower, Dwight D. 197ff. Fadejkin, Iwan 185, 205 Falin, Valentin 188, 205 Fechner, Max 208, 213 Figl, Leopold 71 Filitow, Aleksej M. 216 Fischer, Kurt 82 Fürnberg, Friedl 72 Gaulle, Charles de 55f. Gniffke, Erich W. 21, 80ff. Golunskij, Sergej A. 103, 110, 114, 119 Gomulka, Wladyslaw 83 Gorbatschow, Michail S. 158 Graml, Hermann 23, 158f., 161–166, 168–174 Gretschko, Andrej A. 204f. Gribanow, Michail G. 75, 103f., 106–115, 117–122, 124, 126f., 129f., 132, 136–139, 145, 150, 154ff., 159–164, 167f., 179–182 Gromyko, Andrej 37, 103, 105ff., 130, 132, 138, 140 Grotewohl, Otto 20f., 67, 80–83, 86, 88, 92–96, 99, 111, 114, 119, 134, 146, 150, 162, 185, 195f., 202, 206f., 211f., 217, 220, 227f. Gusew, Fjodor 40, 57f., 63 Hamann, Karl 178 Herrnstadt, Rudolf 178, 199–202, 205ff., 211ff.

314 Hitler, Adolf 30f. Holstein, Friedrich von 159 Honecker, Erich 202, 211 Hopkins, Harry 59 Iljitschow, Iwan I. 111, 114, 118, 125 Iwanow, Mikolaj 40, 57 Jendretzky, Hans 201, 212f. Judin, Pawel 185, 206, 210 Kaganowitsch, Lazar 140, 196, 234 Karsten, August 82 Kennan, George F. 78 Koenen, August 90 Koenig, Pierre 78 Köhler, Hennig 11, 18f., 22f. Konstantinowski, G. 21, 84 Koplenig, Johann 72 Koptelow, Michail E. 130, 132, 136, 138 Kossygin, Alexei N. 92 Krylow, Sergej B. 110, 119 Kuzmany, Börries 73 Kwizinskij, Julij 115f. Kynin, Georgij 67, 69 Laufer, Jochen 67, 69 Lehmann, Otto 202 Leonhard, Wolfgang 15, 26, 60 Lippmann, Heinz 202 Litwinow, Maxim M. 32f., 34, 37– 41, 44f. Majskij, Iwan T. 28, 32, 34ff., 38, 41–44, 51, 53, 67, 70, 125 Malenkow, Georgij M. 44, 140, 151f., 189, 191, 194, 197, 209, 216–220, 230–233 Malik, Jakow 180 Marshall, George C. 78 Matern, Herrmann 211 Mayer, Renè 199 Meissner, Boris 26 Melnikow, Daniil E. 125 Mikojan, Anastas 34, 140, 151, 234 Miroschnitschenko, Boris 210f.

Register Molotow, Wjatscheslaw M. 12, 28f., 33f., 37, 39f., 42, 44, 49f., 53f., 58, 64, 67f., 75, 90, 105, 113f., 117, 120, 125–128, 130, 132, 135, 138–141, 143, 145, 151f., 154ff., 160ff., 166, 179, 180, 182–186, 189–194, 196f., 204, 210f., 224f., 232–235 Mückenberger, Erich 211 Naimark, Norman 21, 24 Narinski, Michael 17 Nenni, Pietro 99 Oelßner, Fred 92f., 195f., 199, 211f., 217 Pawlow, Wladimir N. 104, 110, 119 Pieck, Wilhelm 12f., 16f., 22ff., 59– 62, 76, 83, 86ff., 90–94, 97, 111, 114, 134, 150ff., 162, 171, 207, 225, 230 Puschkin, Georgij M. 114f., 118f., 124ff., 130, 132, 135f., 138, 179f. Rau, Heinrich 201 Renner, Karl 71 Robertson, Brian 78 Roosevelts, Franklin D. 32f., 49f., 52–56, 63 Rybkina, Soja 205 Saburow, Maxim Z. 232 Salisbury, Lord 214 Schärf, Adolf 71 Schärf, Erwin 73 Scherstjanoi, Elke 12, 17, 23 Schmidt, Elli 213 Schukow, Georgi K. 62, 92, 209 Schumacher, Kurt 82 Schwarz, Hans-Peter 26 Seljaninow, Oleg 122, 124f. Semjonow, Wladimir S. 13, 20f., 23, 69, 84f., 91f., 104f., 110f., 113, 115, 118f., 134ff., 138, 140, 142f., 149, 153, 155, 160, 162ff., 167, 170, 172, 180–183, 185, 190–193, 200, 202, 204ff., 210, 212

Register Shdanow, Andrej 12, 69 Smirnow, Andrej A. 45 Smirnow, Wladimir 75 Sokolowskij, Wassilij 69, 85, 92, 95, 206, 210 Sorin, Valentin 129 Staritz, Dietrich 11, 13, 17, 24 Stein, Boris E. 38 Stettinius, Edward 50, 52f. Strang, William 58 Sudoplatow, Pawel 187f., 205, 232 Suritz, Jakob 33 Tito, Josip Broz 81, 83 Troutbeck, John 58 Tschechowa, Olga 205 Tschujkow, Wassilij I. 95, 104, 111, 114f., 118, 134ff., 138, 140, 142f., 160, 162f., 167 Tulpanow, Sergej 20f., 24, 78ff., 84ff. Ulbricht, Walter 16, 20, 24, 31, 69, 78f., 81, 83f., 86, 88, 92f, 97,

315

99f., 111, 114, 134, 150, 152, 162, 165, 173, 176, 178f., 185, 191, 195f., 199, 201ff., 206f., 210–213, 215, 217, 227ff., 232f. Varga, Eugen S. 17, 32 Wettig, Gerhard 23, 102, 174 Wilke, Manfred 12 Winant, John G 57, 63 Winkler, Heinrich August 11, 13f., 16, 18–22, 24, 26, 84 Wissarionowitsch, Josef 46 Wolkow, Wladimir K. 75, 85 Woroschilow, Kliment 32, 34 Wosnessenskij, Nikolaj 42 Wyschinskij, Andrej J. 39, 69, 103, 105f., 112ff., 119, 126f., 129, 132, 140, 143, 164, 210 Zaisser, Wilhelm 199, 206f., 211ff. Ždanow, Andrej 72 Želtow, Aleksej 72 Zolling, Peter 12f., 16, 18f.

Sachregister

Albanien 35, 133 Alliierter Kontrollrat 50, 55f., 64, 76f., 90, 150 Amerikanische Deutschlandpolitik 33, 52–56, 63f., 67, 74f., 106, 109, 214 Anti-Hitler-Koalition 15, 27, 47, 149 Archive 24f., 66, 70f., 101f., 221 Aufstand vom 17. Juni 1953 175– 214, 233

Demokratie neuen Typs 13, 16f., 46, 66, 75, 79, 81, 86ff., 126, 184, 189, 210, 219–222, 228ff., 233 Dismemberment-Committee 40, 57, 63 DWK 80, 87

Baden 33, 39f., 67 Balkanstaaten 36f. Baltikum 187 Bayern 28, 33, 39, 60, 67 Belgien 35, 37 Berlin 48, 62, 68, 83, 193 Berliner Blockade 20, 74, 90, 171 Bodenreform 61 Bonn 90, 92, 233 Braunschweig 90 Britische Deutschlandpolitik 29, 45f., 49ff., 53–58, 63ff., 78, 106, 109, 197ff., 214 Bulgarien 35, 133 Bürgerliche Demokratie 14f., 17, 37, 61ff., 189, 195f., 209, 219f., 231ff.

FDGB 82 Finnland 35, 37 Foreign Office 57 Frankfurt 90 Frankreich 14, 33, 35, 37, 51ff., 55f., 78, 106, 108ff., 123, 154, 165, 186f., 199 Französische Deutschlandpolitik 55, 78, 106, 109, 199 Friedensvertrag 13f., 23, 32, 69, 75f., 87, 90f., 97ff., 103–106, 108–121, 123–139, 141ff., 145–149, 151– 156, 158f., 161–173, 175, 179f., 182, 184, 186, 193, 222–227, 233

CDU 62, 83, 178 China 35, 128, 133 Dänemark 35, 37, 71 DDR 11, 19, 24ff., 69, 74, 83, 92, 94–97, 99, 100f., 104, 107f., 110, 112ff., 117f., 124, 129f., 133– 146, 150, 156, 163, 165, 167, 170–173, 175–179, 181–185, 187, 189–197, 200f., 205ff., 209f., 213, 215ff., 219, 223f., 227–235

European Advisory Commission 43, 45, 48, 50, 55 EVG-Vertrag 179f.

Genfer Außenministerkonferenz 234f. Georgien 208 Gewerkschaften 61, 68 Griechenland 14, 35ff., 67 Großbritannien 29, 31, 35–38, 40, 45f., 49, 51, 53–60, 63–67, 77f., 106, 109, 118, 184, 186f., 197ff., 214, 232 Holland 35, 37 Interalliierte Kontrollkommission 45 Italien 14, 35, 37, 71, 130

Register Jalta, Konferenz von 39f., 43f., 48– 57, 59, 67, 128, 131 Japan 35, 130 Jugoslawien 35, 81f. Kalter Krieg 99, 158, 176, 198 Karlshorst 162 Kirchen 177, 190, 194, 230 Klassenkampf 18, 26, 79, 82f. Koblenz 78 Kominform 81ff., 87 KPD (west) 93 KPD 15, 30, 46, 59, 60ff., 75, 81, 129 KPdSU 21, 63, 71, 84, 93, 119, 136, 142, 185, 189, 209ff., 213, 217, 228, 234 KPÖ 71ff. Kriegsgefangene 30f. LDPD 62, 83, 178 Locarno, Vertrag von 199 Londoner Außenministerratstagung 77f., 91, 111, 128, 171 Lubliner Komitee 54f. Lwow (Lemberg) 55 Malta 54 Marshall-Plan 74, 166 Massenkampf 22 Massenorganisation 79, 82 Münchener Ministerpräsidentenkonferenz 68 NDPD 83 Neue Ostpolitik 188 Niederrhein-Pufferstaat 32f., 39f., 67 NKFD 30f. NKWD 42 Norwegen 35, 37 Oder-Neiße-Grenze 54f., 150, 198 Ost(zonen)regierung 20, 74, 87f. Österreich 13, 28, 32f., 37, 70–73, 91, 106 ÖVP 71ff. Pariser Außenministerratstagung 90f., 116, 128

317

Parlamentarische Demokratie 11f., 16, 18, 21 Polen 35, 37, 54f., 57, 67, 133, 137f., 150, 167, 187, 199 Portugal 37 Potsdam, Konferenz von 64, 67, 91, 120f., 128, 131, 147–150, 184 Preußen 28, 32ff., 36, 39ff., 67 Reparationen 14, 29, 32, 34, 42–45, 51–54, 60, 64f., 74, 120ff., 124f., 128, 131, 147f., 187, 225 Rhein- / Ruhrgebiete 28, 33f., 49, 60, 74, 91, 121, 123, 127f., 139, 147f., 225 Rumänien 133 Rumänien 35, 37, 221 Saargebiet 32, 49, 127f., 135 Sachsen 32f., 39f., 67 Schulreform 61 Schweden 37 Schweiz 71 SED 13, 16, 20ff., 24, 67–70, 75, 77–94, 96–99, 101, 104f., 111, 117f., 129, 131, 134, 137, 150ff., 159, 162ff., 171, 175f., 178f., 191ff., 195ff., 199f., 202– 208, 210ff., 216–220, 225ff., 229ff. SMAD 20, 69, 80, 83ff., 94 SMID 103f., 119, 168 Sozialismus 14–17, 19, 21f., 24f., 34, 36, 61, 72, 75, 79, 83–86, 89, 92, 95, 99f., 153, 157, 176f., 185, 189–195, 200, 210, 213, 215, 217, 219f., 228–231 Spanien 37 SPD 19, 59, 61f., 67, 69, 80f., 93, 96, 188, 194, 196, 219, 233 SPÖ 71, 73 Stalinismus 26, 84 Stalin-Note 97, 101–157, 158f., 162f., 166f., 170, 172, 213, 225 State Department 52, 63, 214 Süddeutschland 32f., 39f., 60, 67 Teheran, Konferenz von 34, 48

318

Register

Treasury Department 52 Tschechoslowakei 35, 37, 133, 137f., 150, 167, 178 Türkei 37 Ukraine 187 Ungarn 35, 37, 130, 133 USA 14, 21, 31ff., 35ff., 40f., 46, 51–56, 58ff., 63f., 66ff., 71, 74, 77f., 96, 99, 106, 109, 118, 130, 152f., 174, 182, 184, 186f., 197f., 214, 221, 223, 226, 228, 232

Wahlen zum ersten deutschen Bundestag 91ff. Währung 45, 74, 91 Washingtoner Außenministerkonferenz 214 Weißrussland 187 Wirtschaftseinheit 34, 46, 65, 89, 91, 201, 219 Württemberg 33, 39f., 67 Zentralverwaltungen 50, 64, 67, 82 Zerstückelungspläne 32–34, 38–41, 48–50, 57–60, 67f.

Geschichte im 20. Jahrhundert Dirk Blasius / Wilfried Loth (Hg.) Tage deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert 2006. 143 Seiten mit 17 Abb., kartoniert ISBN 978-3-525-36291-4 Tage deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert gibt es viele. Einige Tage aber bleiben stärker in Erinnerung, über sie wird gesprochen, sie spielen eine Rolle im kollektiven Gedächtnis der Deutschen. An ihnen haben Ereignisse stattgefunden, die besonders weitreichende Folgen hatten, oder die Ereignisse dieser Tage haben Symbolkraft entwickelt für ein umfassenderes, komplexeres Geschehen. Sich mit solchen Tagen zu beschäftigen, stellt eine bewährte Form der Aneignung von Geschichte dar. Die Autoren des Bandes nähern sich den Wegen und Irrwegen der deutschen Geschichte im Jahrhundert der beiden Weltkriege mit acht Symboltagen, die von besonderem Erinnerungswert sind: der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914, die Novemberrevolution 1918, die Machtübernahme der Nationalsozialisten, die Wannseekonferenz 1942, das Kriegsende 1945, der Aufstand in der DDR 1953, der Mauerbau 1961 und die deutsche Einheit im Jahre 1989. In acht illustrierten Essays regen sie zum Nachdenken über Deutschland und die Deutschen im 20. Jahrhundert an.

Martin Sabrow / Jürgen Danyel / Jan-Holger Kirsch (Hg.) 50 Klassiker der Zeitgeschichte 2007. Ca. 256 Seiten mit zahlr. Abb., gebunden. ISBN 978-3-525-36024-8 Nach 1945 konstituierte und profilierte sich die deutsche Zeitgeschichtsforschung vor allem durch die Auseinandersetzung mit Erstem Weltkrieg, Weimarer Republik und Nationalsozialismus. Erst später trat die Geschichte von Bundesrepublik und DDR als wichtiges Untersuchungsfeld hinzu. Bis 1989 stand die Forschung zudem im Spannungsfeld der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz. Zentrale Bücher wie Friedrich Meineckes Die deutsche Katastrophe (1946), Fritz Fischers Der Griff nach der Weltmacht (1961) oder Joachim Fests Hitler. Eine Biographie (1973) waren nicht allein von innerwissenschaftlichem Interesse, sondern lösten auch breitere gesellschaftliche Debatten aus. Viele dieser Bücher werden bis heute oft zitiert; ihre prägnanten Titel sind mitunter zu Chiffren einer Epoche geworden (z.B. Die Unfähigkeit zu trauern). 50 solcher Klassiker werden im vorliegenden Band aus heutiger Sicht neu gelesen – als Dokumente ihrer jeweiligen Entstehungszeit, aber auch als Referenztexte mit Impulsen bis in die Gegenwart.

DDR-Geschichte Henry Leide NS-Verbrecher und Staatssicherheit

Georg Herbstritt Bundesbürger im Dienst der DDR-Spionage

Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR

Eine analytische Studie

Analysen und Dokumente. Wissenschaftliche Reihe der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), Band 28. 2., durchgesehene Auflage 2006. 448 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-35018-8 IM-Anwerbungen von NS-Verbrechern, verweigerte Rechtshilfe, Strafvereitelung, verschleppte Ermittlungen – Henry Leides Studie analysiert die dunkle Kehrseite des DDR-Antifaschismus. »Henry Leides Demontage der DDR als Heimstatt des Antifaschismus ist eine immense Fleißarbeit auf breiter Quellengrundlage, kompetent und überaus aufschlussreich.« Udo Scheer, Das Parlament »Leides Arbeit über die Ermittlungsarbeit des Staatssicherheitsdienstes gegen NS-Verbrecher ist seit Joachim Walthers ›Sicherungsbereich Literatur‹ die wohl wichtigste von der Gauck/Birthler-Behörde vorgelegte Untersuchung.« Jochen Staadt, FAZ

Analysen und Dokumente. Wissenschaftliche Reihe der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), Band 29. 2007. Ca. 448 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-35021-8 Günther Guillaume, der Spion im Kanzleramt, war nur der bekannteste Ostagent im Westen. Insgesamt waren es rund 12.000 »Westbürger«, die in den Jahren des Kalten Kriegs für den Geheimdienst der DDR arbeiteten. Georg Herbstritt beschreibt in diesem Buch erstmals im Zusammenhang, wie die Stasi Agenten im Westen anwarb, welches soziale und berufliche Profil die Westagenten besaßen, wie ihr Alltag aussah und wie wirksam ihre operative Arbeit für die Stasi war. Hier geht es nicht um die spektakulären Fälle. Denn die alltäglichen Abgründe der West-Spionage sind nicht weniger skandalös – nur bisher weniger bekannt.