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German Pages 61 [64] Year 1912
BEIHEFTE ZUR
ZEITSCHRIFT FÜR
ROMANISCHE PHILOLOGIE BEGRÜNDET VON PROF. DK. GUSTAV GRÖBER
F
FORTGEFÜHRT UND HERAUSGEGEBEN VON
DR. ERNST HOEPFFNER PROFESSOR
AN DER U N I V E R S I T Ä T
JENA
XLIII. HEFT ERNST
GAMILLSCHEG:
DIE ROMANISCHEN ELEMENTE IN D E R DEUTSCHEN MUNDART VON LUSERN
HALLE A. S. VERLAG
VON M A X I9I2
NIEMEYER
DIE ROMANISCHEN ELEMENTE IN DER DEUTSCHEN MUNDART VON LUSERN
VON
ERNST GAMILLSCHEG
HALLE A. S. VERLAG
VON MAX 1912
NIEMEYER
Dem Andenken meiner Eltern
Inhaltsangabe. Seite
I. D i e deutsche M u n d a r t Funktionsänderung und Bedeutungsänderung. Wortzusammensetzung. Einflufs des Romanischen auf die Lautentwicklung, die Formenlehre, Wortstellung. Teilweise Übersetzung. Die ältesten Lehnwörter, Umgestaltung derselben. Gennswechsel beim Verbum. Aufnahme syntaktischer Gruppen. Charakteristische Lehnwörtergruppen. Schlufsfolgerungen.
4—14
IX. D i e r o m a n i s c h e n B e s t a n d t e i l e § 1. B e t o n t e s a (wird ( in den ältesten Lehnwörtern, ferner vor Palatalen, bei Tonverschiebung; arius > ar bzw. er). S. 15. § 2. B e t o n t e s i. S. 17.
15—52
§ 3. §
4.
§
5.
§
6.
§
7.
§
8.
§
9.
§ 10. § 11.
B e t o n t e s ü (Grenze zwischen u und ü in Ober-Italien. Beispiele für lomb. ü\ um im; venez. u). S. 17. B e t o n t e s e (wird zu ei in den ältesten, i in den lombardischen Lehnwörtern; e ( im Kähmen des Lusernischen). S. 19. B e t o n t e s o (wird zu ou in den ältesten, u in den lombardischen Lehnwörtern; 0 > f im Lusernischen). S. 21. B e t o n t e s ? (wird zu ie in deu ältesten, e in den lombardischen, wieder ie in den venezianischen Lehnwörtern; bleibt in gedeckter Stellung). S. 22. B e t o n t e s p (wird zu ö in den älteren Lehnwörtern; bleibt erhalten in gedeckter Stellung, Dehnung desselben vor stimmhafter Konsonanz, o für (). S. 24. Diphthonge. N a s a l v o k a l e (Nasalierung und Entnasalierung; ort dü; zu ü\ ort + Kons. > urt + Kons.; in -f- Kons. > < + Kons.) S. 37. A n l a u t v o k a l e . S. 29. V o r - und N e b e n t o n v o k a l e (Assimilationserscheinungen; Angleichung der Vokale an die umgebenden Konsonanten: i > f | ü > o; it -{- l bleibt erhalten). S. 29.
VIII §12. § 13.
§ 14.
§ 15.
§ 16.
§ 17.
§18. § 19.
§ 20. § 21. §22. § 23.
§24.
Z w i s c h e n t o n - und N a c h t o n v o k a l e . S. 32. A u s l a u t e n d e V o k a l e (Vokalisicrung des auslautenden r; a wird e nach stimmhaften Verschlußlauten, schwindet sonst in den älteren Lehnwörtern, o für e). S. 33. V o k a l a u s f a l l , H i a t u s v o k a l e (Verschmelzung der Hiatusvokale, j- und zr-Einschub, unorganischer K o n sonanteneinschub). S. 36. R o m a n i s c h e s 1 ( = lat. s der ältesten, lat. ce, et der jüngeren Lehnwörter wird Is). R o m . / (> sch bzw. /). S-37R o m . x (— lat./ ital. 2 wird s im Anlaut, s im Auslaut; wird d). R o m . 2 (wird ts im Anlaut, im Inlaut in den späteren Lehnwörtern, tsch in den früheren). S. 39. L a t . / (wird zu tsch in den tirolischen, j in den ältesten lusernischen Lehnwörtern). R o m . / bleibt erhalten in den ältesten, wird g in den venezianisierenden, wird wieder zu j in den letzten Lehnwörtern. Übertragung des romanischen Lautwandels ins Deutsche). S. 42. b.w.f. S. 45. K o n s . + l (bleibt erhalten in den ältesten, wird Kons. + i in den jüngeren Lehnwörtern; sti^> s; kj > c, gj > cl im Inlaut). S. 46. K o n s o n a n t e n im A n l a u t . S. 48. I n t e r v o k a l i s c h e V e r s c h l u f s l a u t e . S. 48. K o n s o n a n t e n g r u p p e n (/ + Kons, zu u + Kons.; nd > » ; Kons. — n > Kons. — r). S. 50. ri, v - V o r s c h l a g , n-Einschub, r-Einschub, /-Vorschlag, Dissimilation, Assimilation, Metathese, Erhaltene Nominative, Wortzusammenfall und W o r t k r e u z u n g . C h r o n o l o g i e d e r S p r a c h e n t w i c k l u n g . S. 52.
Einleitung. L u s e m 1 ist ein kleines, wenige Hundert Einwohner zählendes Bergdorf im Westen der „sette comuni". Ehemals inmitten einer deutsch sprechenden Bevölkerung gelegen, ist es heute, dank seiner wellabgeschiedenen L a g e im Hochgebirge einer der . letzten V o r posten deutscher Sprache im Süden. Lusern wurde nicht vor dem 1 7 . Jahrhundert von Lavarone, dem Hauptort der sieben deutschen Gemeinden aus gegründet. Letztere waren im L a u f e der Zeit unter die Herrschaft von Vicenza gekommen und mit diesem wechselnden Gebieten unterstanden: zuerst ( 1 2 9 7 — 1 3 8 7 ) den Scaligeri in Verona, von denen die ältesten noch vorhandenen Privilegien herrühren, von 1 3 8 7 — 1 4 0 4 den Visconti zu Mailand, von 1 4 0 4 — 1 7 9 7 , also fast durch 4 Jahrhunderte, der Republik V e n e d i g ; durch den Frieden von Campo Formio kamen sie im Jahre 1 7 9 7 an Österreich, bei dem sie bis 1 8 6 6 verblieben. Diese politischen Schwankungen waren für die Geschichte der Sprache Südtirols von grundlegender Bedeutung. Vielleicht nirgends sonst läfst sich die wellenförmige Verbreitung sprachlicher E r scheinungen von einem politischen Zentrum aus so genau verfolgen wie gerade hier. Wie skeptisch man Lautgesetzen gegenüberzustehen hat, die aus heute bestehenden Formen erschlossen werden, ohne Rücksicht auf etwa überlagerte frühere Wortschichten, hat auf dem Boden Frankreichs Gillieron wiederholt gezeigt. Die romanischen Fremdwörter nun, die uns das Lusernische aufbewahrt hat, sind ein getreuer Spiegel der vielen Verschiebungen, die in der Sprache Südtirols vor sich gegangen sind. Den Grund bilden Wörter mit ausgesprochen ladinischem Charakter. Dann kam Lusern unter den Einflufs der lombardisierenden Strömung, wie Nonsberg und Sulzberg. Später aber, als die sieben Gemeinden unter die Herrschaft Venedigs kamen, wurde auch das Venezianische die vorbildliche Sprache der romanischen Umgebung Luserns. Schliefslich wurde Südtirol vom Norden des Königreichs abgetrennt und künftighin ist die Sprache Trients, des neuen politischen 1 Nach „Schneller, Deutsche und Romanen in Südtirol und Venetien, im Auszug bearbeitet von P . Cölestin Stampfer, Meran" und Schneller-Bergmann op. cit. S . 3 3 ff., Bacher S . 61 f.
Beiheft iur Zeitfchr. f. rom Phil. XLIII.
i
2 Zentrums, die vorbildliche Verkehrssprache. So zeigen uns die Lehnwörter des Lusemischen oft vier Entwicklungsperioden, eine über die andere geschichtet, von denen die heute gesprochene Sprache keine Spur mehr erraten läfst. Darin liegt auch der positive Wert meines Materials, das ich heute im grofsen und ganzen ohne Änderung nach mehr als zweijähriger Überlegung der Öffentlichkeit übergebe. Die ununterbrochene Berührung der Luserner mit ihrer romanischen Umgebung hat nun im Laufe der Zeit das Sprachgefühl der deutschen Bevölkerung vollkommen umgeformt. Von der Aufnahme einzelner Lehnwörter schritten die Luserner zur Aufnahme ganzer syntaktischer Fügungen, bis ihre Sprache eine Mischsprache mit deutschem Grunde und romanischem Geiste wurde. Der Darstellung dieses Werdeganges ist der erste Teil meiner Arbeit gewidmet. Im Nachfolgenden gebe ich das Verzeichnis der öfter vorkommenden und nicht selbstverständlichen Abkürzungen. lus. = Josef Bacher, Die deutsche Sprachinsel Lusern, in „Quellen und Forschungen zur Geschichte, Literatur und Sprache Österreichs und seiner Kronländer X", Innsbruck 1905. (Dem Buche Bachers ist mein Material zum' gröfsten Teil entnommen. Die Angabe der dialektischen italienischen Formen bei den romanischen Lehnwörtern des Lusemischen, die Bacher aus dem Astachund Valsuganatale kennt, leitet vielfach die Etymologie auf richtige Bahnen. Die Ortographie des Buches habe ich dort vereinfacht, wo es das Wesen meiner Arbeit zuliefs; für Bachers y habe ich g eingesetzt, den stimmhaften i-Laut habe ich mit s wiedergegeben) vgl. dazu Lessiak, in „Literaturblatt" 1908; Z i n g e r l e = Z. Lusernisches Wörterbuch, Innsbruck 1869; eimbr. = Johann Andreas Schmellers sogenanntes cimbrisches Wörterbuch, das ist deutsches Idiotikon der VIL und XIII. comuni in den venetianischen Alpen, hgb. von Joseph Bergmann, Wien 1855; 13 G e m e i n d e n = Francesco e Carlo Cipolla, Dei coloni tedeschi nei X M Comuni Veronesi, in „Archivio glottologico italiano" VIII, S. 161—262; ZsX. usw. = Zeitschrift des Vereins für Volkskunde Bd. X, 151, 306, 4078., XI, 28, 169, 290, 443 ff-, XII, 172 ff.; S c h ö p f = Sch. Tirolisches Idiotikon, Innsbruck 1866: E t t m ( a y e r ) L. L. = E. Lombardisch-Ladinisches aus Südtirol. Ein Beitrag zum oberitalienischen Vokalismus, in „Romanische Forschungen" XDI, S. 3 2 1 — 6 7 2 ; Ettm. bergm. = E. Bergamaskische Alpenmundarten, Leipzig 1903; S c h n e l l e r , Ma. = Sch. Die romanischen Volksmundarten in Südtirol, Gera 1870; M u s s ( a f i a ) Beitr. = Mussafia, Beitrag zur Kunde der norditalienischen Mundarten im 15. Jahrhundert, Wien 1873, in „Denkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften, phil. hist. Klasse XXII"; A s c o l i , S. 1. = A. Saggi ladini, in „Archivio glottologico italiano I"; M a l f a t t i = M. Degli idiomi parlati anticamente nel Trentino e dei dialetti odierni, in „Giornale di filologia romanza I, 2"; S f o r z a = S. Errata cörrige,
3
piccolo lessico della corrotta italianità, Trient 1892; S I o p = S. Die tridentinische Mundart, Klagenflirt, Programm der k. k. Oberrealschule; M u r e r ò = I tedeschismi del Trentino, interpretati da Tommaso del Murerò, opera dedicata alla strenua società Pro-Patria, Rovereto 1890; B a t t i s t i , nonsb. = B. Die Nonsberger Mundart (Lautlehre), Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, phil. hist. Klasse 160, 3, Wien 1908; B a t t i s t i , v o c a l e a = B. La vocale a tonica nel ladino centrale, in „Archivio per l'Alto Adige" I—li, Trient 1907 ;• B a t t i s t i , L a t i n i a = B. L a traduzione dialettale della Latinia di Sicco Polenton, Ricerca sull' antico trentino, in „Archivio Trentino X I X — X X I " , Trient 1906; L o r c k = L. Altbergamaskische Sprachdenkmäler, in „Romanische Bibliothek X " , 1893. S c h u c h a r d t SI. D. «= Sch. Slawo-Deutsches und Slawo-Italienisches, dem Herrn Franz v. Miklosich zum 20. November 1883, Graz 1 8 8 5 ; B r u c k n e r , Char. = B. Charakteristik der germanischen Elemente im Italienischen, Basel 1899; B r a n d s t e t t e r = B. Das schweizerdeutsche Lehngut im Romontschen, Luzern 1 9 0 5 ; S c h n e l l e r , B e i t r . = Sch. Beiträge zur Ortsnamenkunde Tirols I—III, Innsbruck 1 8 9 3 — 1 8 9 6 . Die Dialektformen sind, wenn nicht die Quelle ausdrücklich angegeben ist, den folgenden Wörterbüchern entnommen: trient. = Ricci, Vocabolario Trentino-Italiano, Trient 1 9 0 4 ; venez. = Boerio, Dizionario del dialetto veneziano, Venedig 1 8 5 6 ; tiroL = Azzolini, Vocabolario vernacolo-italiano pei distretti Roveretano e Trentino, Venedig 1 8 5 6 ; b e r g a m . = Tiraboschi, Vocabolario dei dialetti bergamaschi, 1 8 6 7 ; bellun. = Parallelo fra il dialetto bellunese rustico e la lingua Italiana di Giulio Nazari, ohne Jahreszahl; su 1 zb. = Gärtner, Sulzberger Wörter, Wien 1 8 8 3 ; E r t o = Gärtner, Die Mundart von Erto, Zs. r. Ph. XVI, 308 ff.; j u d i k . = Gärtner, Die Judikarische Mundart, Wien 1 8 8 2 ; A r b e d o = Pellandini, Glossario del dialetto d'Arbedo con illustrazioni e note di C. Salvioni 1895.
1*
I. Die deutsche Mundart. Jede Sprache ist mehr oder weniger Mischsprache. Solange Menschen miteinander verkehren, wird die Sprache des einen auf die Sprache des andern ihren Einflufs ausüben. Wir erleben es täglich von neuem, dafs unsere Art zu sprechen sich ändert, j e nachdem wir mit Kindern oder Erwachsenen, mit Leuten aus dem Volke oder literarisch Gebildeten, mit Untergebenen oder Vorgesetzten verkehren. Wir nehmen auf und teilen mit. Die Wirkung dieser konstanten Sprachmischung macht sich jedoch umso weniger fühlbar, j e enger verwandt die beiden sich gegenseitig beeinflufsenden Sprachformen sind. W o aber, wie in Lusern, zwei ganz verschiedene Sprachfamilien aufeinander stofsen, läfst sich das Wesen dieser Sprachmischung genau verfolgen. Die gewöhnliche Art der Sprachbeeinflufsung besteht darin, dafs zwei Ausdrücke, deren BegrifFsumfang nur teilweise zusammenfüllt, miteinander- identifiziert werden. Dadurch wird der Gebrauch des Ausdruckes der schwächeren Sprachform einerseits erweitert, andererseits eingeschränkt. So bedeutet lus. gevaln auch „gut schmecken", wie it. piacere', zu?) „Zunge" und „Sprache"; höatn „riechen", „merken" z. B. höarn Slinkhan, höarn wea, höarn khalt, vgl. it. sentire; lant „ L a n d " , „Ortschaft" wie it. paese", meStn i. „mästen" {de schwdi), 2. „düngen" (de wiian), vgl. venez. ingrassar i. „le bestie, come buoi, vitelli e simili" 2. „ingrassar i campi—concimare, letamare" ; niizan „benützen, gebrauchen" wie trient. usar—usare, adoperare; paichtn „beichten" und „Beichte hören" wie it. confessare; venen „finden" und „besuchen" ; hhaz auch „schmerzende Nagelwurzeln", vgl. it. gattoni', khua auch „Schmerz im Handgelenk", vielleicht wegen trient. vaca malattìa (del baco), lìf f. bedeutet im Plural auch „Sommersprossen", wie trient. lèni—lente, lentiggine (del viso). Als Gegenstück dazu finden wir im Weslladinischen (nach Brandstetter S. 60), dafs nausch „böse" und „schadhaft" bedeutet, weil man im Schweizerdeutschen sagen kann bösi hosen', oder udir bedeutet „hören" und „gehören", wie schweiderdeutsch g'hören u.v.a. Eine weitere Folge der Identifizierung zweier Ausdrücke ist die Übertragung von bildlichen Verwendungen eines Wortes in die beeinilufste Sprache, vgl. z. B. lus. dar hat gemacht de khugl häuf
5 „der hat heute einen Rausch gehabt", wie venez. pair la baia — rinvenirsi dall' ubbriachezza, judik. imbalä—ubbriaco; Ins. dar hunt von Sklop „der Hahn des Gewehres" wie it. il cane dello schioppo; lus. S päuchle von schitikh = it.polpa della gamba „ W a d e " ; lus. ka pfrge „ aufwärts" = it. a monte usw. In den bisher erwähnten Fällen war die Identifizierung der entsprechenden Ausdrücke durch den teilweisen begrifflichen Zusammenfall derselben begründet. Aber auch ein äußerliches Anklingen zweier Ausdrücke kann zu einer Bedeutungsänderung führen; so bedeutet lus. schnfle „lang und dünn", „schmächtig" wie it. snello. Wie der teilweise Zusammenfall der Bedeutungen zweier Ausdrücke, so kann auch der teilweise Zusammenfall der Funktionen zweier Formwörter zur gegenseitigen Identifizierung führen; vgl. z. B. lus.: W! bedeutet ursprünglich „wenn" we da de laut tüanatn gerecht—se gli uomini facessero il bene, dann aber, gleich it. se auch „ o b " vgl. i woas net, we d'e pin guat — non so se sono buono', was ist das deutsche interrogative und relative „was" = it. che. E s tritt, wie che, nun auch an die Stelle von „als" nach Komparativen, vgl. zwTa kholar wisan mear was an avokato alila — due carbonai sanno più che un avvocato solo; oder vel gesichtar sägn mear bas ùas alita — molti visi vedono più che tino solo', lus. otnbrom wird zur Einleitung der Begründung wie der Frage nach der Ursache verwendet, wie it. perchè. Interessant ist die Entwicklung dieses Wortes unter dem steten Drucke von it. perchè einerseits und 'dem Streben nach Deutlichkeit andrerseits. Ursprünglich stehen nebeneinander i . warum—weil, dann wie perchi, * 2. warum —warum. Dann wird die Fragepartikel verdeutlicht durch um, *3. um warum—warum und neuerdings wandert das um auch auf die Konjunktion der Angabe des Grundes über 4. umjivarum—umjvarum — ombrom', auhabm 's bet uan bedeutet „auf einen erpicht sein", wofür Bocrio verzeichnet Averla s u con uno—vedere di mal occhio alcuno usw. Dank dieser Identifizierung blieb uns im Lusernischen ein interessanter Rest des mhd. sin, des Genetivs des Singulars des persönlichen Pronoms der dritten Person erhalten (vgl. Schmeller, Ma. Bayerns § 729, Bacher, S. 188), vgl. in Hartmanns Iwein 1 3 3 7 daz er sin selbes gar vergaz 4 2 2 sin war genam 4 2 8 3 daz ich sin da niene vant. Im Lusernischen nun fand dieses Pronomen an it. ne eine Stütze und nahm dessen Funktion an, vgl. i woaS->-San nicht—non ne so nulla; do halt San genua—ne hai abbastanza', do piSt San draus—ne sei fuori. Zum Teil um Funktionserweiterung, zum Teil aber noch um Gebrauchserweiterung handelt es sich in Fällen wie lus. Stian, das wie it. stare als Hilfsverbum verwendet werden kann, vgl. Stian ge'sunt, Stian en pet, Stian ge'sozt — stare seduto, aber auch Stian ka Lève „wohnen" usw. usw. Ähnlich lus. legn = it. mettere, vgl. dar t's gelek zo hüata de weldar = quel li V è mess a vardar Sora i boschi,
6 disan khin hams eti gelek en nam Teobalt = a qtiesto fancitillo, gli Hanno messo il nome T.\ i pin me gtlek zo tüana diza — mi sono messo a far questo usw. O d e r , lus. marjl wird verwendet wie it. bisogno, z. B. i han marjl zo gewina mar a mumpfl pult — ho bisogno di guadagnarmi un boccone di polenia; i han net marjl zo macha me auslachan — non ho bisogno di farmi deridere. Ein typisches Beispiel für das Übergreifen romanischen Sprachgefühls in das Deutsche Luserns zeigt sich auf dem Gebiete der W o r t b i l d u n g . In zusammengesetzten Wörtern ist der Deutsche gew o h n t , erst das Bestimmungswort, dann das Grundwort zu setzen, z. B. Haus-htrr (vgl. Paul, Prinzipien Kapitel XIX). Der Romane d a g e g e n geht umgekehrt vor. Er setzt zuerst den weiteren Begriff u n d dann d a s Wort, das den Umfang des Grundwortes einzuschränken bestimmt ist, il padrone di casa, le maitre d'hdtel usw. Wie sehr sich diese Art der Begriffsverbindung mit romanischem Denken verknüpft hat, vermag man leicht an Deutsch lernenden Romanen zu beobachten. Ja die Romanen setzen selbst dort, wo sie unter deutschem Einflufs die bequeme Art der deutschen Wortzusammensetzung nachahmen, das Grundwort vor das Bestimmungswort. Bekannt ist in dieser Beziehung das Obwaldische, vgl. bisaka Strom—„Strohsack", glas-faneSlra—„Fenster-glas" (nach Gärtner, Gr. Gr. 1 I, 635) oder fallas-tais—„Waldfrevel" bei Pallioppi u . a . vgl. la rocca damf „Dampf-felsen" eine Höhle bei Cortegino Zs. XI, 3 1 . Nun zeigt es sich, dafs die Luserner Bauern diese ganz und gar undeutsche Art der Wortzusammensetzung in die eigene Sprache übertragen haben. D e n Ausgangspunkt dieser Übertragung bildeten ursprünglich Imperativische Bildungen wie fa-legname, porta-danaio, Tira-boschi u. ä. Für d e n italienisch sprechenden Luserner sind solche Bildungen naturgemäfs ebensowenig Zusammensetzungen eines Imperativs mit einem Nomen wie für den geborenen Romanen. So kommt es, dafs bei den entsprechenden lusernischen Bildungen der erste T e i l nicht durch eine Verbalform, sondern das entsprechende Verbalsubstantiv wiedergegeben wird. Schon Schuchardt (Sl. D. S. 9 1 ) fiel das cimbrische zigar-drete = it. tira fili auf. Unsere Mundart nun zeigt die weiteren Beispiele: kherar de heart— „Herdkehrer" (werden jene Burschen genannt, die an einem A b e n d in mehreren Häusern zo gasa gehen), dar machar-hüat „Hutmacher", schmekhar de vürtegar Schürzenriecher. Während hier der erste Teil der Zusammensetzung ein nomen actoris ist, tritt in den folgenden Fällen der Infinitiv an die erste Stelle, vgl. en kheman dar takh „bei T a g e s a n b r u c h " , en kheman de nacht bei Anbruch der Nacht. Diese Art der Wortzusammensetzung greift von verbalen Bildungen auf zusammengesetzte Substantiva über, vgl. khern waimarn—„ Weinbeerkern u , akar puan—Bohnenacker, Zs. XI, S. 178. Hier haben wir die genaue Parallele zu dem obwaldischen glasfaneSlra—„Fensterglas"; dann kann schliefslich der erste T e i l der Zusammensetzung ein Adverbium werden, z. B. in a waila dopo
7 nidar de sun— „Sonnenuntergang". Das Lusernische kommt so auf dem Wege des Romanischen zu einer Wortbildung, die unromanisch wird. Über den Einflufs romanischer L a u t e n t w i c k l u n g auf die lusernische habe ich an anderer Stelle gehandelt (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie XXVII, 1 6 2 — 1 9 1 passim). Abgesehen von gewissen Erscheinungen, die auf dem Wirken der von Groeber vis minima benannten Kraft beruhen, hat sich der Lautstand des Luserner Deutschen nur dort geändert, wo das Romanische der Umgebung vorbildlich wurde. In Betracht kommt namentlich die Entwicklung der Spiranten. Diese Beeinflussung erfolgte erst relativ spät, d. h. erst dann, als die geographische Kontinuität Luserns mit dem Etschländer-Deutschen unterbrochen war und die Luserner zweisprachig werden mufsten. Auch auf dem Gebiete der F o r m e n l e h r e hat das Romanische auf die deutsche Mundart eingewirkt. Bei der Übernahme italienischer Substantiva einer späteren Epoche auf -a, -0, wurde deren Pluralbildung auf e, i >• lus. e beibehalten. Diese Art der Pluralbildung wird dann auf die Fremdwörter mit geschwundenem Auslautsvokal im Singular und das auf -a auslautende deutsche Wort bfistara übertragen, vgl. Sgl. erla, tafo, aun, art, bfiitara — PI. erle, taie, aune, arte, bfiUare. Dann kann die weibliche Form des Adjektivums durch Anhängung eines a an den Stamm des Adjektivs gebildet werden. So verzeichnet Bacher a gnata sup, neben de khalte zait und da roat earde. Die Erhaltung des e ist nur nach stimmhaften Verschlußlauten berechtigt; roat also lautgesetzlich, khalte analogisch, gua/a italienisch. S. darüber noch § 13. Die G e n e t i v - und D a t i v u m s c h r e i b u n g mit von beziehungsweise ett wird sich im Genetiv selbständig, im Dativ in Anlehnung an die italienische Bildung mit a vollzogen haben. Letzteres mufste geschehen, als jedes a, al des Italienischen ab Präposition mit en wiedergegeben wurde. Dann tritt wieder unter dem Drucke des Italienischen die Erscheinung zu Tage, dafs bei R e f l e x i v v e r b e n die zusammengesetzten Zeiten auch mit dem Hilfsverbum sein gebildet werden; z . B . i pin me gckhlemp neben i han nie gekhlemp; dena is tr se nidtrgelck — er hat sich niedergelegt Zeitschr. X, 312. Italienisch ist auch die P a s s i v u m s c h r e i b u n g vgl. kint geredet lez vS imen, „wird gesprochen".
mit kommen,
Der K o m p a r a t i v kann mit mear gebildet werden; daneben bleibt jedoch die organische Komparativbildung auf -ar aufrecht. Wieder italienisch ist die Bildung des Superlativs der Adverbia, vgl. diza da gevalt mar das meararite', halte das liabarUe—il meglio, il piü caro. al in der Bedeutung „ganz" wird auch als Adverbium flektiert, z. B. dar man is gewäSt aldar luite—tutto allegro', se is gewäSt ala
s Zorne — tutta adirata\ i haui is khent als a lamar—la casa i andata tutta in ruine usw. Das P o s s e s s i v p r o n o m e n wird ferner vor dem Substantivum auch mit dem Artikel versehen z. B. där mäi huat (neben mäi huat — il mio cappello und wird beim Ausruf nachgestellt liabar mäi vatar — caro mio padre und ganz italienisch vita maina = vita mia. Wie it. JUO, sua ist lus. sain das einzige Possessivpronomen der 3. Person, vgl. lus. die vrau Perchtega ipüelt saint väsar Zs. XII S. 175. A m stärksten in das Gepräge der deutschen Sprache greift das Italienische auf dem Gebiete der W o r t s t e l l u n g ein (vgl. B a c h e r S. 198 ff.). Bei der Verbindung von Subjekt-Verbumdoppeltes Objekt folgt das Akkusativobjekt stets unmittelbar dem Verbum finitum, vgl. s püable schenkt a dingele en khin — il ragazzo da una cosa al bambino. Ist das Verbum in einer zusammengesetzten Zeit, so folgt das Objekt dem Verbum; vgl. s khin hat gevolget dar muatar — iL fanciullo ha obbedito alla madre. Ebenso in allen andern Fällen, in denen das Deutsche Inversion hat, z. B. beim Infinitiv vgl. äit gea d'e zo koava proat—adesso va a comperar parte. Hilfsverbum und Hauptverbum sind untrennbar verbunden; ersteres geht stets voran hat's gevolget s'khin dar tnama ? — ha obbedito il fanciullo alla madre? Das Adverbium folgt stets dem Infinitiv; khü mar we d'e s'han zo traga durch sem odar zo lasa da — dimmi se l'ho a portare al di lä 0 a Izsciare qua. So bekommt die Sprache ein ganz undeutschcs und doch nicht italienisches Gepräge: materia tedesca e spirito romano. Endlich greift das Lusernische zur Herübernahme fremden Sprachgutes in der fremden Form. Italienische Suffixe sind wohl kaum nachzuweisen. Das einzige Wort, das in Betracht käme, das von Bacher zu deutschem „Mann" gestellte manaz „plumper, grofser Mann", ist wohl ursprünglich it. ominaccio (vgl. §§ 10, 11). Doch konnte von hier aus die Ausbreitung dieses Suffixes auf deutsche Wörter erfolgen. Eine solche Ausdehnung der Gebrauchssphäre eines Suffixes bedingt jedoch Lebensfähigkeit im Innern der Sprache; das Lusernische aber greift, wenn sich das Bedürfnis neuer Begriffsbildung einstellt, direkt zur italienischen Form. Die 13 Gemeinden sind hier weitergegangen. Hier wird zu baip—donna ein baibarsi— ammogliarsi gebildet; oder was wahrscheinlicher ist, der Doppelsprachige, der ammogliarsi kennt, setzt, wenn er deutsch zu sprechen beabsichtigt, das dem it. moglie entsprechende deutsche baip ein. Eine solche, nur teilweise vollzogene Rückübersetzung zeigt nun auch das Lusernische, vgl. bii-loat n. bedeutet „Krampf". Die Erklärung der Wortform mit „böses Leid", wie Bacher will, befriedigt weder lautlich noch begrifflich. Im Trientinischen bedeutet en bisaboa—tortuosamente, in dessen ersten Bestandteile bisa—serpe, biscia enthalten ist, während boa etymologisch zu val. sas. bova „Wurm, Raupe", piem. boa, etc. lat. bova „Schlange" (vgl. jetzt Meyer-Lübke, Romanisches Etymologisches Wörterbuch 1243) gehört. Der Luserner jedoch, der das Wort verdeutschen will, sieht in dem
9 ersten Bestandteile das ihm geläufige eingedeutschte Präfix bii (vgl. biinono), bezieht den zweiten Bestandteil zu trient. boa, nons. bua— male, dolore, und übersetzt daher nur diesen mit dem boa entsprechenden deutschen loat, was ja auch begrifflich verständlich ist (vgl. über bisaboa Ettm., L. L. S. 396, Battisti, Nonsb. S. 28). Derselbe Vorgang einer nur teilweisen Rückübersetzung dürfte vorliegen, wenn deutsches „Traum" die Form entruam annimmt, wie trient. ensoni, ensoniarst. Dann kann aber auch der umgekehrte Vorgang eintreten. In deutschen zusammengesetzten Wörtern wird für einen der beiden Bestandteile das gebräuchlich gewordene italienische Fremdwort eingeführt, z. B. pärntsckat „Bärentatze", zu venez. zata', oder wieder in den 13 Gemeinden wird dtsch. „Waisenhaus" zu orfanhaus— orfanotrofio. Die in älterer Zeit aufgenommenen und infolge dessen assimilierten Fremdwörter können dieselben Verbindungen eingehen wie die altererbten Wörter. So wird zu trip „Darm, Eingeweide" ein tripsup gebildet „Ruttelflecken", tripwürSt usw. Die „Dotterblume" heilst wiSbpkl, in dessen zweitem Bestandteile trient. bbcol—boccia, bottone dei fiori enthalten ist. Die fremden Verba werden konjugiert wie die einheimischen, vgl. da gevenzrate von ¡trian „die von den Hexen übrig gelassene", zu venzern—avanzare (vgl. § 1), Zs. XI, S. 28; bei der Bildung von Deminutiven von fremden Substantiven tritt Umlaut ein wie bei einheimischen Wörtern, vgl. maSerlt „ M a g d " zu matara (§ 1) Zs. XI, S. 34; temporelele „Maststück" zu temporale Zs. XI, S. 34; ülele „Häfchen", zu lus. ula (§ 5) Zs. XI, S. 32 u.v.a. Die ä l t e s t e n L e h n w ö r t e r werden als Ersatz fehlender Ausdrücke für neue Begriffe aus dem Romanischen der Umgebung entnommen. Die Art und Weise der Assimilation dieser Wörter ist nun eine verschiedene. Lehnwörter, die den Akzent zurückziehen, gehören zu den am frühesten aufgenommenen, aber nicht alle Fremdwörter der ältesten Klasse ziehen den Akzent zurück. Neu waren den eingewanderten Lusernern zunächst Ausdrücke der T o p o n o m a s t i k , vgl. glä'r Gerölle, Schutt, Kies, lür tiefe Felsenspalte, wal Wasserrunst, lámar Steinhaufen, khaSil—castellum, küvl Felsenhöhle usw. Dann die Terminologie gewisser Zweige der Landwirtschaft, z. B. der K ä s e r e i ; vgl. kornär Ziegersäckchen, povdt Zieger, gwikat junger Käsestoff; oder der H o l z h a u e r e i , vgl. Sklépar Holzabfälle beim Behauen der Bäume, schial Holzstück, welches durch Längsspaltung eines Baumstammes entstanden ist. Auch einige G e r ä t s b e z e i c h n u n g e n lernten die Luserner (wie zum Teil überhaupt die deutschen Tiroler) von den angesessenen Romanen kennen, vgl. bodail Schaufel, ror¡hdü Hippe, tschnqkl Tschungelnagel, prent Bottich, pen Achselkorb. Ebenso einige Bezeichnungen der T i e r - und P f l a n z e n w e l t : glair Haselmaus, kpt der letzte aus dem Ei geschlüpfte Vogel, kaitráü kastriertes Schaf, karitsch Riedgras, vitsch Wicke, ial Goldregen, bagl-pir Steinmispel,
10 aun E r l e , kpk Zeitlose. Schliefslich Ausdrücke des H e i m w e s e n s , d e s t ä g l i c h e n L e b e n s u. a.: zikclär Ausgufsröhre für Spülwasser, kantdü E c k e , Winkel, tctsch Dachboden, T e n n e ; tschal Mittagessen, maren J a u s e , bröde Suppe; dann khrfpele Fufseisen, p/T Platzregen, triam gedrehte Fadenenden beim Weben u. a. m. Schon in dieser kleinen Auswahl sind Wörter aus nicht ganz derselben Zeit enthalten. Einzelne sind gemeintirolisch, andere tragen bereits lombardischen Charakter an sich. Ausgeschlossen aus dieser Liste sind erst die Wörter, die bereits venezianischen Einflute verraten. Bei d e r Übernahme der Lehnwörter einer Zeit, zu der die heimische Mundart noch assimilationsfählig war, gingen nun gewisse Veränderungen mit den Fremdlingen vor. Die romanischen Vortonvokale, für die dem Lusernischen eine Reihe von Entsprechungen fehlen, werden dem heimischen System angepafst, vgl. § 1 1 ; die betonten Vokale werden zum Teil durch die zunächstliegenden wiedergegeben (§§ 3 — 5 ) . D e r gleiche V o r g a n g wiederholt sich bei den Konsonanten (§§ 1 5 , 16). Dort, wo für eine Wortklasse eine bestimmte E n d u n g charakteristisch ist, tritt sie auch an die dieser Wortklasse angehörigen Lehnwörter an; vgl. z. B. die A d j e k t i v a brdvat gut, geschickt, frolat wurmstichig, fiirbat listig, verschlagen, griSat grau, löskat schielend, schief, mäkat weich, morsch, mürjkat verstümmelt, pümblat rundlich, tcsldrdat eigensinnig, miitat stumm, lörat verschieden, sonderbar. 1 Die Infinitive nehmen das heimische-an, 11 an, bruntln brummen, frigln reiben, frtigln abbröckeln, ganzatt gelüsten, gierig sein (it. ganzare), guzan
h e t z e n , rfschan s c h a b e n ,
Skid am
die zkidar h a b e n ,
ikizan spalten, tusan scheren; auch die von it. Substantiven abgeleiteten V e r b a zeigen diese Form des Infinitivs, z. B. balbm stottern, bavan giefsen usw. Das Geschlecht wird bei der Übernahme d e r älteren Lehnwörter vielfach geändert. M a ß g e b e n d kann dafür die Form des Wortes sein; oder es beeinilufst das zurückgedrängte oder ein verwandtes deutsches Wort das Geschlecht des Fremdwortes, caviz it. cavezza und manfStar „Gerste, S u p p e " werden Neutra als Kollektivbildungen. Dann werden Maskulina maslä Halbwollenstoff, zapägo Schlappschuh, wegen schua, zainp Pferdefufs, wegen vuas, zurlo1 Maikäfer, tirol. zorla wegen deutsch käfer (?) und ohne dafs mir d e r G r u n d klar ist, empiaslra Pflaster, trient. empiastro, bekaz Schnepfe, it. beccaccia, endormio Schlafmittel ( w e g e n insonio? v g l . M u s . B t r . S. 7 1 ) ,
Feminina werden ritsch Haarlocke, turt T o r t e , trient. torta u. a. tüf Schwüle, poldStar halb gewachsene Henne, trient. polastro, vedar Fensterscheibe, trient. vedro, schil Räderachse, venez. assil masc. im * Gehört zu belJuiiisch I6r—maculato; in dieser Bedeutung eimbr. /urat = it. logoro abgenutzt, abgeschabt (K.3 5698). In Erto l$r bunt, a . a . O . S. 330, abellun. torà—maculata, screziata, Arch. glott. X V I , S. 309. * Zingerle hat noch zurli als Fem.
II
Anschlufs an die entsprechenden deutschen Wörter, vgl. auch Zs. XI, 448 la vero amor Ii dilgusla seit volle, wo deutsches „ Liebe" vorschwebt, aber sonst amor masc. Schon vor der Übernahme ins Lusemische war der Geschlechtswandel vollzogen in serlo m. Riickkorb gerula, trient. ierlo. Noch eine syntaktische Erscheinung ist bei dem Übergang aus dem Romanischen in die deutsche Mundart bemerkenswert, eine Art Genuswechsel beim Verbum. So bedeutet nordit. avanzare übrig bleiben 1 im Lusernischen (nicht aber Cimbrischen) „übrig lassen"; oder piombärn heifst auch „schwer gedrückt sein". In diesen Fällen verknüpft sich bei der Übernahme der Wörter mit der Form des Verbums nur der in demselben liegende Begriff ohne Beziehung auf den Träger oder das Objekt der Handlung. Wird nun diese Beziehung falsch wiederhergestellt, so ergibt sich der obige Genuswechsel. Etwas anders ist der Vorgang, wenn rivan neben der Bedeutung „anlangen" auch die „beenden" annimmt. Hier ist der Übergang schon romanisch (vgl. venez. rivar qualcun— giugnere alcuno per cammino, bellun. ruar-finire) und erklärt sich nach Rom. Gram. III, § 361. In jüngster Zeit wird aber nicht mehr das Bedürfnis maßgebend für die Aufnahme neuer Wörter, sondern diese werden, weil sie dem Doppelsprachigen geläufiger sind als die einheimischen, oft nicht allein, sondern mit dem syntaktischen Gefüge, in dem sie stehen, herübergenommen. So wird der Artikel mit dem eng verbundenen Substantiv entlehnt, z. B. dise jar is da geivält khent la pflta; oder es wird, wenn Substantiv und Adjektiv eine Einheit bilden, der ganze Komplex in die heimische Rede eingefügt z. B. on lal Sa dena ham gemacht il lakro konzilio vS trTa (Trient); ebenso Substantiv + Präposition vgl. Sc is en ¡lato, wie trient. eser en stato—in stato di gravidanza. Zu erwähnen ist noch, dafs in so eng zusammengehörigen Verbindungen ein Teil losgelöst und übersetzt werden kann, der andere aber die fremde Lautgestaltung beibehält z. B. dar hat's en ingemfket a forza zo khöda' s en „er hat es ihnen durch stetes Vorsagen eingedrillt", wo it. a forza di durch a forza zo (vgl. S. 7) wiedergegeben wird; ebenso wird in it. finchi bei der Übernahme ins Lusernische das zur Einleitung von Aussagesätzen verwendete as wie sonst für che eingesetzt; vgl. fin as da got dar hear hat khöt. So kommt es, dafs Bacher gegen 2000 italienische Fremdwörter, darunter 1400 verschiedene Wortstämme, im Lusernischen nachzuweisen imstande ist. Vertreten sind darunter so ziemlich sämtliche Gebiete des täglichen Lebens, manche dieser Gebiete 1 V g l . in Erto navä&t (Gärtner S. 333), abellun. che putta de sta uilla no te uanza (Arch. glott. X V I , S. 91), altpad. avanzar—superare (Salvioni, Antico dial. Pavese S. 32) ebenso lombardisch (Arch. glott. X I I , S. 390) und bei Ascanio de'Mori da Ceno finde ich nov. I spiacendo loro . . . che un barbaro . . . s'avesse usurpato tutto l' amore del padrone, senta che loro ne avanzasse parte.
12 sind geradezu ausschließlich romanisiert. Man wird dies ohne weiteres verstehen bei Ausdrücken der K i r c h e n s p r a c h e wie abale Theologiestudierender, anziprfte, aschema, avento, benedeto, benedisiü, benefizialo, devoto, devoziü usw. usw.; oder der S c h u l e wie bar/ko, diSe?jjo, eüame, eiaminarn, ii]jorante, ingpilro, iitruirn, genaiio, kapirn, kailigo usw. A u c h M a f s e u n d G e w i c h t e sind durchaus italienisch, vgl. kwarl ein Hohlmafs, kwintal Kilozentner, lilro, livar P f u n d , ntflro, milimftro, ioma eine Menge von fünf Paar, Swanzega Zwanziger, trü kleine Silbermünze (mit dem Bildnisse des D o g e n Niccolo Trono), zentimftro. Charakteristisch ist es ferner, wenn die Luserner die Ausdrücke für K l e i d u n g u n d S c h ö n h e i t s p f l e g e den Romanen der U m g e b u n g entnehmen, vgl. abito, neben genvant und riisf, barit Mütze, boldü „mit Sägespähnen gefüllte Wülste, d i e unter den Rockfalten befestigt wurden, damit der Rock weit abstehe und üppige Hüften a n d e y t e " , aus venez. boldon, eigentlich „Blutwurst", dann ebenfalls übertragen cuscino di fodera, paglietto (s. § 22), boiii K n o p f , drapo Schleier, fipk Quaste, födra Unterfutter, foiläl Barchent, gala Festkleid, gelbar Holzschuh, gotschü Stift mit kirschgrofsen K u g e l n an beiden E n d e n , zum ehemaligen Kopfschmuck der Weiber gehörig, aus venez. guchion — agone; ittio di quegli aghi che portano in capo le dornte del contado (s. § 19), koläna Halskette, konsot Frauenrock (s. § 1 1 ) , korarelsche schwertartige Haarnadel, trient. cura-recie— stuzzicorecchie, also eigentlich „Ohrlöffel" (s. § 19), korpei Leibchen, kravat, maslä Halbwollenstoff, ore Geschmeide, polak Leibchen (s. § 13), retschi Ohrring, aus venez. rechitt (während trient. recini den Nasenring bedeutet, an dem man die Schweine führt) (s. § 9), ritsch L o c k e und ritschnadel, iolet Strumpfsohle, Spetschjo Spiegel, iteval und Stevalct, top( Stirnhaar, valesch roter R o c k der Mädchen bei T a n z unterhaltungen, aus venez. valessio eine Art Unterfutter, velüdo Sammet, zapägo Schlappschuh u. a. D e m entsprechend ist auch die Terminologie der L i e b e zum gröfsten Teil romanisch, vgl. afflo, amartt, amor, brazam, köre „Herzkäferchen", icSdro u. a. A b e r auch die Bezeichnung der V e r w a n d t s c h a f t ist fast durchwegs dem Romanischen entlehnt. Deutsch sind vatar, rnuatar, khin, Sun und tochtar, daneben aber spricht der Luserner von der amida Vatersschwester, barba Onkel, aber Zs. X I S. 29 „ V e t t e r " (Tappolet S. 103 fr., Bruckner, Char. S. 16), bischaus Ururgrofsvater, biinpno Urgroßvater, familga, gaga Grofstante, genelore Eltern, komare Gevatterin, madpna Schwiegermutter, viama, meiiare Schwiegervater, nevödo Neffe, nfza Nichte, riöno und nöna, Grofsvater, Großmutter, novizo Bräutigam, noviza Braut, noze Hochzeit, parente, sia, sio, Ipt/S Gatte, Bräutigam, SpttSa die junge Gattin. Ebenso sind die Ausdrücke der K ü c h e dem Italienischen entnommen, vgl. bigin Nudeln, brobroHa Brennsuppe, bröde Brühe, fortai Rühreier, kolaziü Frühstück, korschenz in Asche gebackene Torte,
»3 laiatjjeln S u p p e n n u d e l n , makarü M a k k a r o n i , mandtar S u p p e , maren J a u s e , monipl Serviette, rjjgk N o c k e ( S c h u c h a r d t , R o m . E t y m . II, Ettm., L . L . S. 5 6 9 , 5 8 g , bgra. S. 18), pan Z u c k e r b r o t , panade B r o t s u p p e , paüla Schweinefutter, palte T e i g w a r e n , piato T e l l e r , potschii] A s c h e n k u c h e n , pult P o l e n t a , tarjjvln eine S u p p e , tschdl N a c h t m a h l , tscharent Brei aus P o l e n t a , Z i e g e r u n d Butter, Ischokolata, tschppa „ P a a r l e " , turt T o r t e . Auch S c h i m p f und F l u c h wird italienisch ausgetragen: barata Säufer, R u h e s t ö r e r , baSelüko, bastardo, brikü, göba b u c k e l i g e s W e i b , infame, kanaga, laiko T a u g e n i c h t s , mago T ö l p e l , malora, misergü T a u g e n i c h t s , mpStro, miischa „ S c h n a b e l " , rjjoSego Einfaltspinsel, pantaz G a s s e n j u n g e , F l e g e l , poltrii, poltrona, rufiä K u p p l e r , Sbetega V a g a b u n d i n , Sempio S c h w a c h k o p f , setjgo untätiger, h e r u m l u n g e r n d e r M e n s c h , Skrpa s c h l e c h t c s W e i b s b i l d . D a r a n scfiliefst sich b e z e i c h n e n d e r w e i s e d e r gröfste T e i l d e r lusernischen F a m i l i e n n a m e n . W i e überall spielte S c h i m p f u n d Spott a u c h hier bei der N a m e n g e b u n g e i n e g r o f s e Rolle, vgl. Baitik „Dummkopf"1, Boi „Henker"2, Bolzone „Schmerbauch3, Gölo „ V i e l f r a f s " *, Kagab/si „ B a t z e n s c h e i f s e r " , Kokütnar „ G u r k e " , Kptola „ K i t t e l " 5 , Loika „ S c h w ä c h l i n g " « , Lolo „ P a t s c h " ' , Maitega „ B r o d l e r " , Mut „ S t u m m e r " , Napole „ G r o f s n a s e " 8 , Pelagafe „Katzenhäuter"9, Pierontiikn „ S c h a f s k o p f " 1 0 , Püta u n d Pitto, Segas N a m e e i n e r w e i b lichen P e r s o n , Skarfela „ T a s c h e " H, Taroi „Spitzbube"12, Tortola „ S t r o h w i s c h " , 7pio „ d e u t s c h e r W i c h e l " Turulù „ D u m m e r l " » , Zata „ T a t z e " u n d viele a n d e r e . D a n e b e n a b e r weist d a s L u s e r n i s c h e eine beträchtliche A n z a h l v o n L e h n w ö r t e r n , d u r c h a u s d e r j ü n g s t e n Zeit, auf, d i e reine F o r m wörter s i n d , bei d e r e n E n t l e h n u n g d a s B e d ü r f n i s also a u f k e i n e n Fall raafsgebend g e w e s e n sein k a n n . Vereinzelte den Nachbars p r a c h e n e n t n o m m e n e Beziehungswörter z e i g e n z w a r d i e K u l t u r sprachen d e r g a n z e n Welt, n a m e n t l i c h gewisse P r ä p o s i t i o n e n w e r d e n 1 Zu it. balocco, in Arbedo badaliich—sciocco, babbeo, im altbellun. (Arcb. glott. X V I , S. 287) badaluch—chiasso, trambusto UDd sonst. 1 Tiraboschi schreibt dazu lo diciamo anche per ingiuria. • Venez. bolza—bolgia, detto per agg. ad uomo—trippaccio, buzzone, colui che ha gran ventraia. I Wenn es zu gola gehört. s Trient. cìntola—gonnella. • Trient. loico—acciaccoso. ' Trient. lòto—sempliciòtto, zu deutschtirol. lalen. 8 Trient. nàpoli—nasone, zu nordit. napa, dtsch. napf. * Venez. petegate—poppe vizze, poppe a dondoloni che appaiono ventri vani, vgl. wegen der Bildung S. 6 und mattschüh § 3. 14 In dessen erstem Teile wohl eher venez. piegoron—pecorone als pieron— pietrone stecken dürfte. 11 Trient. scorsela—tasca < excarpere •+" cella. I I Zu trient. tara—cattivo soggetto. S c h n e l l e r Md. S. 203 kennt noch taron Spitzbube. " Trient. tot, -o, — agnello ; baggeo, pecorone ; spreg. volg. per tedesco. 14 Trient. turlulìt—pazzerello.
14 gerne auf fremden Boden verpflanzt; das Lusernische aber zeigt sich vielleicht nirgends mehr als Mischsprache als gerade in diesem Teil seiner Fremdwörter. So sind die ganzen Ausdrücke des Ausrufs italienisch, vielleicht gerade deshalb, weil hier dem Romanen manche Nuancen zur Verfügung stehen, die dem Deutschen fehlen. So sagt der Luserner f'ko, vita! (sonst läbvi) o diot (sonst got dar hear) lä, da, recht ist dir geschehen, kaso freilich, eben, nun, also (§ 16) driza pack dich fort, ptschjo! Achtung! Subito, per bako u. v. a. Manche dieser Ausdrücke kann man auch sonst in deutschem Munde vernehmen. Überaus grofs ist auch die Anzahl der A d v e r b i e n , wie atjka, alora, almarjko, apena aromai, balamarj allmählich ( § 2 3 , 11), dtmp, en/attlo, enfine, dopo, mg usw. usw. Aber auch P r ä p o s i t i o n e n werden entlehnt (fitt, fra, en/ra, kaüia u. a.) und B a c h e r verzeichnet als gebräuchlich selbst das romanische ke dafs,. denn, weil; auch das ital. ma, dessen Verwendung als Lehnwort schon Schuchardt aufgefallen ist, wurde ins Lusernische übernommen. Das bisher Angeführte läfst erkennen, auf welchem Wege eine vom eigenen Herde abgeschnittene Sprache nach und nach von der Sprache der Umgebung verdrängt wird. Damit ist der Weg, auf dem das Lusernische aus einer bayrischen Mundart eine deutschromanische Mischsprache wurde, im allgemeinen vorgezeichnet. Zuerst wandern zur Bezeichnung neuer Begriffe einzelne Lehnwörter ein, die dem Romanischen entnommen werden, nachdem der Zusammenhang mit dem deutschen Mutterlande unterbrochen ist. Der stete Verkehr mit einer Bevölkerung, die Ideen und Wörter auf fremde Art zu verbinden gewöhnt ist, verschiebt dann ganz unmerklich das eigene Sprachgefühl. Jetzt werden nicht mehr die Fremdlinge dem eigenen Laut- und Formensystem angepafst, sondern umgekehrt, fremde Sprachgewohnheit wird in die eigene Mundart herübergenommen; und wo das ererbte Sprachmaterial der fremden Ausdrucksweise widerstrebt, wird diese in Bausch und Bogen beibehalten. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu erkennen, dafs diese gar bald die einzige Ausdruckswcise sein wird.
II. Die romanischen Bestandteile. § i. B e t o n t e s a ist unter verschiedenen Bedingungen im Rätoromanischen in e übergegangen. Aber weit über das Gebiet hinaus, in dem dieser Wandel sich vollständig vollzogen hat, hat a einen palatalcn Klang angenommen; so einerseits auf dem Gebiete, das sich zwischen das französische und ladinische e einschiebt, andrerseits in der norditalienisch-rätoromanischen Grenzgegend. Hier ist es namentlich die Stellung vor Palatalen, die für die weitere Entwicklung dieses hellen a von Einflufs ist (Ital. Gr. S. 50 f.). Ein romanisches Lehnwort des Lusernischen scheint noch ladinischen Charakter zu zeigen, nämlich triam „gedrehte Fadenenden beim Weben". Schöpf (S. 755) kennt das Wort auch in Deutschtirol, es ist lat. it. rum. span. port. trama, afiz. traime, „Einschlag am Gewebe". Das Wort ist von den Deutschen in der Form *trema gehört und aufgenommen (vgl. lus. gian, Ztian usw.), aber wohl schon in den Süden mitgebracht worden. Dagegen sind einige Wörter mit e vor Palatalen erst nach der Einwanderung in das Gebiet der sieben Gemeinden ins Lusernische übernommen worden, so die Ortsnamen Kalnetsch, it. Caldonazzo; Manetsch, it. Manazzo (dazu in den 7 Gemeinden Glietze, it. Ghiazza, glacies), ferner sklei n. Glassplitter, das zu (K 3 5282,3) frz. esclale, it. schiattare, germ. *sclaitan > rom. *esclattare, ahdt. sleizen gehören dürfte, itäz f. Maurerlineal, trient. staza, ueng. slaja, obeng. stedgia —per che, poteau de delimitation (Pannen tier). Dann wird romanisches vortoniges a dort, wo es durch Akzentverschiebung den T o n bekommt (vgl. S. 9) mit lus. e wiedergegeben, vgl. rischegen ranzig schmecken, Bacher kennt ransegar, zu r a n c i d u s , lomb. ratisc, rans; rfschan abschaben, bei Muss. Btr. rassa schab ab, so venezianisch, veronesisch, tirolisch, friaulisch, zu lat. r a s t e l l u s , bei Ducange 1344 raslellare fenum, über *rastlar (vgl. bergam. raslar, nonsb. reslar, restlar, resklar), *rasliar, zu rasar; ntfkn schlagen, stofsen, klopfen, cimbr. mecken, päd. maccare, tirol. smacar, bei Schöpf, S. 4 1 1 maggen, dermaggen zerdrücken, zermalmen; venzern übrig lassen, tirol. vansar (vgl. S. I i ) ; Sklepar f. Holzabfalle beim Behauen der Bäume, bei Schöpf, S. 600 sehe/per, schalper, schilper Splitter, Span, zu afrz. clapis, it. schiappare
i6 (vgl. Braune, Zs. r. Ph. XX, 362; K 3 , 5282); khrfpele Fufseisen, trient. carpelav (s. § 20). Schliefslich der Skclzarhof neben dem Ortsnamen Skalzärc, beide zu c a l c e a r i a . Dann zeigt sich e heute in den zusammengehörigen i k l f f Schlag mit der flachen Hand, trient. iciaf, hd. *slapf zu nddtsch. schlappe (Braune, Zs. r. Ph. XX, 362) und schlfpa Maulschelle, zu demselben Wort gehörig, dessen e aber wohl dem deutschen zuzuschreiben ist (vgl. Braune a. a. a.), iklff hat vielleicht sein f von dem zweiten Worte. Endlich hat e ein Wort, dessen Etymon mir ganz unklar ist und das daher hier nur angereiht werden mag, gelbar Holzschuh, trient. galmera, lirol. galmadre, citnbr. gelmara, 13 Gera. geimor usw. (vgl. Schneller, Md., S. 137, 232, Loiek, S. i ; 4 ) . Überblickt man die vorliegenden Beispiele, so läfst sich daraus kaum schliefsen, dafs die Zone, innerhalb welcher freies a zu e wurde, sich jemals über die Gegend Lusems erstreckt hat. Wohl aber hat a einen palatalen Klang angenommen und ist vor Palatalen zu e geworden; das e in gelbar erinnert an das lombardische elbot— a r b o r e , während e als Wiedergabe des romanischen vortonigen a auf einer falschen Proportionsbildung beruhen dürfte (vgl. Gärtner, Literaturblatt 1908, S. 121, Ettm., L. L., S. 407, Battisti, voc. a, S. 53)Eine Stelle für sich nimmt a in -arius, -aria ein. Heute ist der Reflex dieses Suffixes das trientinisch-roveretanische, ferner z . T . sulzbergische, nonsbergische ar, ara, vgl. fevrara Februar; maSara Mädchen für alles bei der Hausarbeit, it. massaia zu lat. m a s s a Wirtschaftskomplex; mortar Polier, trient. mortal, lat. m o r t a r i u m ; pontar Steigung, trient.pontara—erta, montata, * p ü n c t a r i a zu trient. pönta—punla, eima (vgl. aber Ettm., L. L., S. 330); (par ein efsbarer Pilz, wenn der Eierschwamm, dann lat. ovarium). Hierher gehört auch der Ortsname Tuvar „eine in die Tiefe sich hinabziehende Bergleite", das von Schneller, Tirolische Namensforschungen, S. 177 zu t o p h u s Tuff gestellt wird. Daneben zeigen mehrere Lehnwörter eine ältere Stufe der Entwicklung er. Wie heute noch im Venezianischen bis in die Gegend von Belluno einerseits, im Judikarisch-bergamaskischen andrerseits, war ehemals auch auf dem dazwischen liegenden Gebiete tr der reguläre Reflex von lat. - a r i u s . Erst später hat sich (vom Süden her?) ar an die Stelle von er geschoben. Die in Betracht kommenden Beispiele sind kornär Ziegersäckchen, welche in Holzrahmen eingespannt werden, um die rohe Molke hineinzugiefsen, nonsb. erdna Schüsselrahme, Kranzleiste, * c o r o n a r i a ; zikelär Ausgufsröhre für das Spülwasser, trient. seciar—acquaio, nonsb. seklar, Col Santa Lucia sicir, bellun. secir—acquaio, Muss. Btr., S. 104 sechiaro „eymersteinu, bei Lorck S. 125 mirgorarium—ol segier, lat. * s i t u l a r i u m ; dazu kommt glär Gerolle, Schutt, Kies g l a r e a (vgl. Schneller Md. S. 24, Schöpf S. 183).
17 Vielleicht gehört hierher auch der Ortsname P a g a r , itL V a l p é g a r a , doch kann hier das auch sonst t im ar-Gebiet zeigende paghira Fichte (Schneller, Md. S. 159, Ettm., L. L. S. 380) zu Grunde liegen und das a der italienischen Namensfoim sich aus einer Italianisierung erklären. Zwei Wörter zeigen endlich die fremde Form des Suffixes lotär Bettlade, trient, litera—fusto del leíto, anche cassa, frz. litière und tschovär frz. civière (s. für beide § 6). § 2. L a t e i n i s c h e s t erlitt im Romanischen Südtirols keine Veränderung. Als alte Lehnwörter mit î im Stamme zeigen sich bodail „Schaufel", * b a t l l e , trient, badil (vgl. Parodi, Rom. 1898, S. 216) und pováí „Zieger" * p o p i n a s. § 21. Ursprüngliches i hat trotz Caix, Studi 158 und Schneller, Ma. S. 164 auch das Verbum hT-empiSolarn, einschlummern, trient, empisolarse, das in ganz Norditalien (bei Rigutini appisolarsi) verbreitet ist, mhd. phisel (vgl. Schneller, Md. S. 164, Ital. Gr. S. 39). premipe, ein Lehnwort jüngsten Datums, zeigt das auch sonst bekannte e für i, vgl. Gr. Gr.2 654 A. § 3. Die Mundarten Oberitaliens sind in der Entwicklung von lat. ü in zwei Gruppen geschieden, der Westen spricht den Laut palatal bezw. velopalatal, der Osten bleibt bei dem velaren «. Heute hält sich die V a l s u g a n a und die italienische Umgebung Luserns zu dem reinen venezianischen u, aber nicht weit im Westen herrscht der lombardische «-Laut. Es zieht sich (nach Ettm., L. L. S. 626) die u—«-Grenze über den Kamm des M o n t e B a l d o hin, durchschneidet den L o p p i o s e e , südlich von M a t a r e l l o überquert die Grenze die E t s c h und zieht über T e n n a nach L e v i c o . N o v a l e d o und R o n c e g n o sprechen nach Ascoli (S. L S. 406) noch ü. Man sieht also, dafs Lusern heute bereits inmitten des « sprechenden Gebietes liegt. Die Lehnwörter der älteren Zeit jedoch weisen durchwegs nicht das venez. «, sondern das lombardische ü auf. Da das Lusernische stets einen «-Laut besessen hat, mufs wohl angenommen werden, dafs ehemals das Gebiet, innerhalb dessen « palatal gesprochen wurde, weiter nach Osten gereicht hat. Später ist dann, wohl auf dem Wege über T r i e n t , das sich seinerseits erst in letzter Zeit des alten ü entledigt hat (Ettm., L. L. S. 566), die velare Aussprache des « in den Osten vorgedrungen. Über die Art der Palatalisierung des « läfst sich aus den lus. Fremdwörtern natürlich kein Aufschlufs geben, da das lus. ü auch nur einen Näherungswert darstellen kann. Charakteristisch aber für die Schnelligkeit, mit der eine Bevölkerung die Artikulation eines Lautes verlernen kann, ist die Tatsache, dafs heute der Romane aus der Umgebung Luserns gar nicht mehr imstande ist, lus. ü auszusprechen und für dieses, wenn er es nachahmt, sein ü einsetzt (vgl. Bacher S. 160). Die Belege für lombardisches palatales ü sind überaus zahlreich, vgl. baiil Kofier (K. 3 1300), deïtrûgern, güst, kartätsch s. § 13; Beiheft lur Zcitichr. f. rom Phil, XL1II.
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18 kütsch Lager, Bett, trient. cucio—giaciglio del cañe etc., venez. cuzzo (vgL Schuchardt, Z. r. Ph. X V , 95f.); miifa Modergeruch, trient. viufa, deutscher Herkunft; miige f. Zwergföhre, trient. mugh, nonsb. p i n u s m u g u s ; mül „Maultier", übertragen „Wortkargheit aus Starrsinn". Die gleiche Übertragung, aber noch in konkretem Sinn zeigt trient. mwl—mulo) ostinato', mäscha i . Scheltwort für vorlaute Mädchen, gehört zu trient. musa— ragazza, donrta mal edúcala, 2. „Mauleselin", zu venez. mussa; müsse; mus ser—asinaio, mussela—asinella u. a. Die zweite Bedeutung, die ursprüngliche, gehört wohl zu arbed. müsé—color grigio, und dieses? mütat „stumm", palü Sumpf, auch Name einer A l p e ; redürn herabmindern; rüfa Rufe, daneben das alt-einheimische ruf; rüge Raupe e r ü c a ; schür der von den Körnern befreite Maiskolben, trient. sur— sughero s ü b e r ; ¡tüfo überdrüssig, trient. stuf (K. 3 9850); trülo ein für den Holzhändler unbrauchbares Stück des Baumstammes, itl. trullo „verdrossen, albern" (Ital. Gr. S. 40); tschüka Kürbis, l a t c u c u t i a (bei Plin. Val. 5, 42) zu itl. cucuzza, *cusza (vgl. pavero zu p a p a v e r Mus. Bt. S. 86, judik. pávar), davon durch Umstellung, vielleicht, wie Ettmayer will (L. L. S. 580) unter dem Einflufs von gr. OovxTj, • i vor labialen Nasal ist nach Ital. Gr. S. 50 auch sonst im Lombardischen bekannt, während er der heutigen Sprache der Umgebung Luserns fremd i s t Inte-
19 ressant ist bei timor „Ausschlag" der Zusammenfall mit timor „Furcht". Die Entlehnungen aus der jüngsten Zeit zeigen dagegen bereits das venez. 5. Hierher gehören unter vielen andern bruüka als Ausdruck des Spieles „Los" zu trient. tirar le brusche—tirar a sorte mediante alcuni fuscellini di differente lunghezza (K. 3 1601); legn en dubio, itl. mettere in dubbio', luna Laune, uio usw. usw. § 4. Die romanische Umgebung Luserns zeigt heute als Reflex des lateinischen e in freier Stellung geschlossenes e wie das Venezianische und Trientinische. Doch lehren uns die Lehnwörter des Luseinischen, dafs dem heutigen e zwei untergegangene Lautschichten vorangegangen sind. Die ältesten Lehnwörter und Ortsnamen zeigen eine diphthongische Entwicklung des f , vgl. F o l g r a i t , itl. F o l g a r i a , 1216 F u l g a r i d a (i = ei) cimbr. V i l g e r e u t , V a l g r e i t , R a u t , f i l i c a r e t u m ; R o v r a i t — r o b u r e t u m ; S c h l a i t , itl. S c h i o ; P l a i f , die Ortschaft C a l c e r a n i c a in der Valsugana, lat. p l e b e , das in der Toponomastik als Bezeichnung eines alten Pfarrdorfes verwendet wird (vgl. Schneller, Md. S. 163); dazu cimbrisch G n a i s — itl. C a s t a g n f e , P e n a i t — p i n e t u m . Dann die Lehnwörter tschdi Nachtmahl, tschainen zu Abendessen (das von Ettm., L. L. S. 462 angeführte pljen—gonfiare der 13 Gemeinden, plenen der 7 Gemeinden hat mit p l e n u s nichts zu tun, es ist dtsch. blähen) und vielleicht das auch sonst in DeutschTirol bekannte glair Haselmaus, dessen «-Formen bis nach B r e s c i a , dem I s e o s e e und das T e s s i n t a l hinabreichen (vgl. Einführung S. u o , Ettm. bergm. § I i , L. L. S. 458). Über die Stufe, auf der der Diphthong ins Lusernische übernommen wurde, läfst sich nur festhalten, dafs dieser mit dem nhd. ei = mhd. i, nicht aber bair. oa — mhd. ei zusammengefallen ist. Es wird daher der Diphthong wahrscheinlich die Form fi gehabt haben und mit dem aus mhd. i unterdessen hervorgegangenen Diphthong zusammengefallen sein. Dieser Diphthong fi, ei, der ursprünglich vielleicht überall dort aus freiem f hervorgegangen ist, wo die auslautenden Vokale gefallen waren, ist im Lombardischen wieder monophthongisiert worden und hat im Ostlombardischen und Nordwestlombardischen schliefslich zu i geführt. Auch in unserer Gegend hatte der dem heutigen geschlossenen e entsprechende Vokal, der nach der Diphthongierungsperiode gesprochen wurde, ehemals zu mindest einen helleren, dem i näher stehenden Klang als heute. Denn er wurde in den Lehnwörtern des Lusernischen nicht mit dem Lusernischen e, sondern mit i wiedergegeben. Es sind dies frigln zerreiben, langsam arbeiten, cimbr. frigeln bei Muss. Btr. S. 60 freguzola. „prösenlein*, trient. fregar, lat. f r i c a r e ; pigl Harz, Vogelleim, auch deutsch-tirolisch pigel (Schöpf S. 504), trient. pegola zu lat. p i x ; nicht sicher ist pir Birne, itL pera (vgl. Ettm., L. L. a*
so S. 440). Während sich hier nicht entscheiden läfst, inwieweit das lusernische i der (schon aus althochdeutscher Zeit bekannten) Lautsubstitution i =• rom. e oder wirklicher Lautung zuzuschreiben ist, ist der Übergang von e vor Palatalen zu i durch das heutige Romanische der Umgebung Lusern gesichert, vgl. karitsch Riedgras (das nach § 16 zu den ältesten Lehnwörtern gehört), cimbr. karrischa, bei Bacher karisa, trient. carfza, lat. * c a r i c e a zu c a r e x 1 (s. Salvioni, Postille S. 6); vitsch Wicke, trient. veza, v l c i a ; dann das etwas später entlehnte kaviz Pferdezaum, trient. caveza, lat. c a p i t i u m , die Öffnung oben in der Tunika, durch welche der Kopf gesteckt wird. Doppeldeutig ist das i in friz Lanze, itl. freccia, aber trientinisch, bergamaskisch friza, nonsb. frifa, wo das i von mhd. f l i t s direkt erhalten sein dürfte. Dann ist romanisches ? auch in gedeckter Stellung durch i wiedergegeben worden. Auch hier wird der gehörte Laut dem lus. i nur nähergestanden sein als lus. «.2 So in den Ortsnamen Z i l f - S e l v a ; T s c h i n t , der Flufs C e n t a , daran schliefst sich, ebenfalls mit Liquid + Kons, nach e virz Wirsing, Welschkohl, trient. verza—cavolo versotlo, lat. v l r d i a . Während in dieser Stellung vereinzelt im benachbarten Lombardischen der Übergang von e zu i noch nachweisbar ist, handelt es sich wohl um reine Lautsubstitution in barit Mütze, trient. bareta und tschuvit Kauz, Eule, trient. (iveta. Die Lehnwörter einer späteren Zeit haben ihr romanisches t ins Lusernische hinübergenommen. Im Rahmen der deutschen Mundart haben sich nun an diesem e gewisse Veränderungen vollzogen. So wird e vor r offen ausgesprochen (der lange offene ¿-Laut wird von Bacher mit ä wiedergegeben), vgl. dovär Pflicht valärn wert sein, taugen, volar das Wollen, der Wille usw. Dann zeigt sich der ofiene ¿-Laut in zwei Fällen, vor heute gesprochenem g in zapägo Schlappschuh, z a p p - I l i a (vgl. §§ 13, 17), wo f auch schon im Romanischen (auf der Stufe *sapeia) bestanden haben kann, und in dem auch im Trientinischen als toskanisches Fremdwort gebräuchlichen läge. Endlich steht f im Auslaut, vgl. rf— r e g e und r e t e , bei Ricci beide rf. Ein Fall für sich ist zfllro hölzerner Stützbogen beim Gewölbebau, trient. filtro—cintina, das auch im Toskanischen offene f verlangt, eine andere Grundlage des Wortes als c l n c t u r a oder c i n t u r a (vgl. aber Ital. Gramm. § 69). § 5. In genauem Parallelismus mit der Entwicklung von geschlossenem f vollzieht sich die von g e s c h l o s s e n e m 0. Die älteste, 1 Bei Körting 3 ist offenbar mit falscher Beziehung einer Randnote venez. caresina, vic. carese statt zu 1937 c a r e x zu 1938 * c a r i a , bezw. c a r i e s Fäulnis gestellt worden. Dagegen ist das Zitat Salvionis, dem die Dialektformen entnommen sind, richtig unter 1937 z u finden. 1 Die deutsche Mundart besitzt seit mittelhochdeutscher Zeit einen langen, geschlossenen r-Laut, vgl. Faul, Mittelhochdeutsche Grammatik, 6. Auflage, Nr. 6, 1, Bacher S, 164 f.
21 diphthongische Stufe ist, wenn überhaupt, sehr spärlich vertreten. 1 In Betracht kommen nur kantáü, ka¡Irdu, ronkáü (über die vgl. § 9) und der Ortsname L a v r á ü — L a v a r o n e . Wirklich beweiskräftig ist wohl nur L a v r á ü , da die anderen Wörter bereits vor der Einwanderung in den Süden den Deutschen bekannt geworden sein können. Der Ortsname ist aber jedenfalls in der Form * L a v r o u , •Lavrgü aufgenommen worden und mit den Wörtern mit stammhaftem ahd. ü, das unterdessen diphthongiert war (vgl. Schatz, Altbairische Grammatik, S. 20/1), zusammengefallen. Dagegen hat der mhd. Diphthong ou im Lusernischen eine andere Entwicklung genommen, vgl. Bacher S. 169. Die zweite Wortschicht mit ostlombardischem u läfst sich ebenfalls genau feststellen, vgl. lür tiefe Felsenspalte, Schlund, Kehle, trient. lora—pevera, vórtice, tonfano und eser na lora — esse re un beone, lat. Iüra2; mür Brombeere, trient. mora—frutto del rovo, lat. m o r u m ; ur Stunde, it. ora (während für „Uhr" it. orologo eingetreten ist); ula irdener Topf, o l l a oder o l a (Einführung S. 107); auf p führt auch zurück frugln abbröckeln, loslösen und frugl Brosame, zu Muss. Btr. S. 60 frua—vernücze, trient. fruar—logorare und sonst norditalienisch. Dann tritt u für o ein vor Palatalen und Liquid + Konsonant, vgl. SpuS Bräutigam; luí Schur ti'äan scheren, it. ¡osare; puz— peduclu (§ 19); kanutschja Mundspitze beim Pfeifenrohr, zu venez. canochia—speeie di piccolo granchio marino a coda lunga articúlala. É comeslibile commune e di molto uso per la paveraglia. Es bedeutet das Wort ursprünglich wohl „Süfsholz" und ist dann scherzhaft auf das Ende des Pfeifenrohres übertragen worden, * c a n n — u e u l a ; iuit federnder Stahl, trient. sosia—molla, zu s u b s t a r e ; /«//Polenta, lat. p ü l t e ; iturne verwirrt, schwindelig, zu trient. Storno—stordito stornar—assordare; turt, trient. torta; zur lo Maikäfer, bei Schneller, Wb. S. 216 zorla (vgl. § 13). Dann zeigt sich u, dem i in barit entsprechend, vor Doppelkonsonanz in kupa tiefe Schale oder Schüssel, trient. cfpa (Wiener Studien X X V , S. 97). Zur letzten Wortschicht, die das venezianisch-trientinische p beibehalten hat, gehören unter vielen anderen böla Wasserwage, trient. bola—bolla d? aria che esce da un liquido, che fa la pioggia cadendo nell' acqua, lat. b ü l l a ; kotomo Rebhuhn; loSkat schielend, schief, lat. l ü s c u s . Im deutschen Munde wird dann vor r offener Vokal gesprochen, z. B. in tgrdo Misteldrossel, trient. tprd, lat. t ü r d u s ; auffällig ist 1 Das von Ettmayer (L. L . S. 582) als Beleg für altes ou angeführte laur Trichter ist schon in ahd. Zeit übernommen, vgl. K l u g e , P . G r . I S. 328, und demgemäfs romanisches 0 durch u wiedergegeben worden, vgl. mhd. Iure Einführung S. 101 f. • Bacher jetzt als eigenes W o r t schlur f. an, in huiit-schlur eine Schlucht, in die man Hunde schleuderte, allein es ist dieses W o r t in hundslur zu zerlegen.
22 das o in pplga Sprofs, junger Zweig, wenn es zu pUllare spriefsen gehört, vgl. aber bei Ricci ppla—pollone, judik. ppla—ramicello. tschovöl Zwiebel, * c a e p ü l l a hat sich an die zahlreichen Wörter auf öl—eolus angeschlossen. § 6. F r e i e s e diphthongiert im Venezianischen bedingungslos, während die Diphthongierung auf dem venetischen Festland an wechselnde Bedingungen geknüpft ist. Trient dagegen zeigt bereits das lombardische geschlossene e (vgl. Slop S. 8 f.), das, wie Ettmayer wohl überzeugend dargestellt hat, aus älterem ie entstanden ist. Auch in unserer Gegend ging dem heutigen e eine diphthongische Vorstufe voraus. Aber schon vor dem Wirken der (in § 13 behandelten) deutschen Auslautgesetze wurde dieses ie (vgL Ettm., L. L. S. 532) unter lombardischem Einflufs durch f ersetzt. Die älteste, ladinische Stufe ist durch zwei, vielleicht auch drei Lehnwörter im Lusernischen vertreten, ial Goldregen, in den 13 Gemeinden iel—egano, cyfisus alpinus, bei Azzolino eghcl, trient. tghel, eghen, nonsb. ieyel, bellun. jegol—avorniello, friaul. fiul, ileul, veronesisch gübio, geolo, das Körting venezianisch werden läfst (vgl. u. a. Salvioni, Postille S. 9, Nuove post. S. 9), lat. ebulus Attich Niederholunder; schial „Holzstück, welches durch Längsspaltung eines Baumstammes entstanden ist", dazu schialn, der Länge nach in schmale Teile spalten. Ich finde das Wort noch bei Schneller, Md. S. 250, im Fassanischen sedola Span, zu lat. Scheda ein abgerissener Streifen der Papierstaude, s c h e d u l a Blättchen Papier (K.3 8447). Vielleicht zu dieser ältesten Schicht, wahrscheinlicher aber zu den viel späteren venezianischen Lehnwörtern gehört poliar Füllen, Fohlen, venez.puliero, pulieroto, rom. * p o l e d r u s (Groeber, A. L. L. IV). Dieser ursprüngliche Diphthong wurde später, sei es durch lombardisches e ersetzt, sei es zu e rückgebildet. Die Belege für diese Zeit sind nicht sehr zahlreich, vgl. karige Strohsessel, trient. carega—seggiola, venez. cariga e alla plebea cariega. Die Handschrift B in Mussafias Beitrag, die, wie sich noch öfters zeigen wird, die Sprache unserer Gegend darstellt, hat noch die alte diphthongische Form cariega, rom. * c a d r | g a für c a t e d r a (vgl. Rom. Gram. I, 417; Muss., Btr. S. 42; Schneller, Md. S. 129 und schon Schuchardt, Vokalismus I, 159, III, 81). ¡per f. mit Öl getränktes, durchscheinendes Papier als Ersatz für ein fehlendes Stück Fensterglas, venez. spiera, bei Schneller, Md. S. 192 sperel, sperei Einrahmung der Fensterscheiben, besonders der älteren, sechseckigen Fensterglasscheibchen; dazu sperar durch etwas durchschauen, zu lat. s p a e r a bezw. gr. Oipalga. Bei dieser Rückbildung des ursprünglichen ie zu dem lombardischen e wurde auch der Diphthong in dem ursprünglich fremden, aber rasch eingebürgerten Suffix -ier = arius ergriffen, vgl. lotär Bettlade, trient. Hiera, frz. litilre (dafs hier auch in Tirol
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einst ie gesprochen wurde, zeigt uns der Wandel des vortonigen e > i, vgl. Schneller, Md. S. 33); tschovär Tragebrett, trient. (ivera —bdrellaA Später ist das ie der venetischen Dialekte wieder die Valsugana hinab vorgedrungen und über B o r g o (Ettmayer)2 in die Umgebung Luserns gelangt. Ober die in dieser Periode aufgenommenen Lehnwörter, zu denen die toskanischen Lehnwörter treten, vgl. § 8. Toskanisches f in späteren Lehnwörtern bleibt naturgemäfs erhalten, v g l mäio Mittel, trient. mlzo usw. In gedeckter Stellung, in der eine Diphthongierung in unserer Gegend nie eingetreten ist, behält das romanische f seinen offenen Charakter. Hierher gehört u. a. (S)balfk(at) verdreht, venez. laleco —biico, travolto, dictsi delV occhio, trient. sbalengo, bergam. baieng, gehört vielleicht zu mhd. blecken sichtbar werden lassen (Kluge), s. aber K.3 6634; ioSäla junger Käse, bellunesisch iotila—caccio appena levato dalla caldajal In zwei zusammengehörigen Wörtern wird e in gedeckter Stellung durch e wiedergegeben, vgl. katalet Holzgestell zum Daraufsetzen der Totenbahre und gardelet Lesepult, vgl. Muss., Btr. S. 40 cailcto, mant. cadlett, bologn. candlelt, nfrz. chälit, * c a t a l e c t u m mit Einmengung eines zweiten Wortes. Dieses kann bei der Bedeutung Totenbahre c a n d e l a , c a n d e l a b r u m , bei der Bedeutung Lesepult guardare gewesen sein. Hier ist das e wohl dem Einflüsse des Suffixes et = i t t u s zu verdanken. pitarle Rotkehlchen, trient. piler, pilerle, hat im ersten Teil des Wortes wohl lat. p e c t u s , it.pettirosso enthalten, doch geht es kaum an, aus der Form eines Wortes, bei dem die Tonmalerei eine so starke Rolle spielt, Schlüsse zu ziehen (vgl. aber Ettm., L. L. S. 536). 1 E s liegt unserem Worte lat. e i b a r i a zugrunde; dieses bezeichnet zunächst den Behälter, in dem die Speisen getragen werden, vgl. umbrisch ciovta, civta—grein cesto di vimini, dann, ohne Rücksicht auf das, was getragen wird, frz. civière — sorte de brancard pour transporter à bras des fardeaux. Oder es kann das Wort zur Bezeichnung der in diesen Speisekörben getragenen Speise selbst verwendet werden, so im Engadinischen tschivera, tschiviergia „ pasto che si porta al pastore sull'a/pe"; it. civaja Hülsenfruchte. Das W o r t ist nicht überall bodenständig. Die venezianischen Formen celiera, eiliera u. a. lassen eine Wanderung als wahrscheinlich erscheinen. Die 13 Gemeinden haben dafür ¿iveir, vgl. Schneller Md. S. 131 (der wohl nur ähnlich klingende, anfangsbetonte Wörter mit der obigen W o r t sippe zusammenbringen will), Diez 5 549, Salvioni, Postille S. 6, Nuove post. S. 7. ' Herr Professor Ettmayer hatte vor nunmehr schon drei Jahren die grosse Liebenswürdigkeit, meine Arbeit einer Durchsicht zu unterziehen. W o er mich aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen und Kenntnisse schöpfen liefs, habe ich dies in Klammern angemerkt. 3 Derselbe Stamm steckt in trient. toion— il prato appena falciato und der Begriff des „Jungen", „Frischen" verbindet diese Wörter mit dem weitverbreiteten, auch trient. tosa — ragaxia, fanciulla, lat. t o n s a . Dieser anfangs etwas befremdende Bedeutungsübergang zeigt sich auch auf ganz getrenntem Gebiete. In der französischen Schweiz ist die Bezeichnung für den K ä s in G r u y è r e felyala — frz. filleule, sonst auch fedon, felyon— filione u. ä. (vgl. Gauchat, im Bulletin du gloss. des patois de la Suisse rom. 1907).
24 ponteüöl Söller, sulzbergisch punteitl Balkon, trient. venez. poniesll—ballatoio, terrazzino hat sich an die zahlreichen Wörter auf -öl—eolus angeschlossen (s. den folgenden §). § 7. Wie zwischen e und g, so herrscht auch zwischen der Entwicklung von f und p ein gewisser, allerdings nicht durchgreifender Parallelismus. Das Lombardische zeigt in verschiedenem Umfange, am weitesten in freier Stellung, ö für lat. 5; die Grenze zwischen dem lombardischen ¿' und dem venezianischen p ist ungefähr dieselbe wie zwischen u—ü (vgl. S. 17). Unsere Gegend liegt heute inmitten des p-Gebietes, doch scheint die heutige Verteilung erst das Resultat einer Verschiebung zu sein, die früher als die Verschiebung des u für ü, aber später als die des 0 für u stattgefunden hat. Ein altes Dokument für die Aussprache 0 unter gewissen Bedingungen ist wieder die Handschrift B des Mussafiaschen Beitrags (S. 14 övi, linzuöli, ochi, enzenöchia, fenöchio). Gesichert ist also hier das ö 1. als Umlaut vor dem i des Plurals, und 2. vor Palatalen, denn chi ist wohl, einer alten, heute noch bei Boerio beibehaltenen Schreibgewohnheit entsprechend, als ii zu lesen. Die Beurteilung der ¿'-Formen der lusernischen Lehnwörter ist nun allerdings nicht immer eindeutig, da die deutsche Mundart selbst einen 0—o-Umlaut kennt. Ein dem ie < ( entsprechender Diphthong *uo, *ut läfst sich heute nicht mehr nachweisen. Doch läfst sich eine diphthongische Vorstufe aus der Quantität des Vokals der zweiten Lautepoche als wahrscheinlich erweisen. Es erscheint nämlich zunächst in dem Suffix -eolus, -eola ö an Stelle des lat. p, vgl. kdröl Ungeziefer (kleine Raupen) auf Pflanzen, trient. carbi zu c a r i e s Fäulnis; monteiöl Kinn, zu mento, eimbr. mtmtesöl, neuvicentinisch montissolo, venez. (nach Schindler-Bergmann, aber nicht bei Boerio) menlissolo (vgl. Zauner, Rom. Forsch. XIV, S. 407; Salvioni, Arch. glott. XVI, S. 374); rolanjöl Nachtigall; kariöla Schubkarren, tirol. caribla usw. Das o dieser Beispiele ist bei Bacher als lang angegeben. Eine Dehnung im Rahmen der deutschen Mundart anzunehmen, ist deshalb schwer, weil in einer ganzen Reihe von Wörtern vor l kurzer Vokal auftritt Man wird daher die Längung des Vokals schon dem Romanischen zuschreiben müssen und hier dürfte sie als Rest einer ehemaligen Monophthongisierung erhalten sein. Diese Form des Suffixes hat sich, wie wir (s. S. 22) bereits gesehen haben, auf Kosten anderer Suffixe ausgebreitet. Die Angleichung dieser Suffixe war aber keine vollkommene; es wurde zwar die Qualität des neuen Suffixes angenommen, aber die ursprüngliche Quantität beibehalten, vgl. tschovöl, ponteiöl. So wird man auch aus der Kürze des ö in den beiden folgenden Wörtern annehmen dürfen, dafs sie mit 8 in das Lusernische übernommen und dann dem Suffix öl angeglichen wurden, vgl. ¡malzaröla hölzerner Worfelteller, bellun. smaldar—colare,filtrare\smaldarola—colatoio, tirol. (Val di Ledro)
25 smaltar ola Werkzeug zum Butterschlagen (Schneller, Md. S. 190), das zu imalz in der Bedeutung „Butter" gehört; tschotschöl Lutscher, bei Bacher ischutschol. Dann steht 3 vor i-hältiger Konsonanz, vgl. bäüom Weberschlichte, ¿jtó^sfia Absud, trient. bösem ; köi Spulwurm, Raupe, Larve, cimbr. kösso, in den 1 3 Gemeinden kousck, köusch, trient. cds-larva dtl maggiolino, lat. c o s s u s (vgl. auch Schöpf S. 200); tschöschl Graupe, heifser Fettbissen, zu venez. zòzzoli, sdzzoli—sttctdume, ait. sózzo (Ital. Gr. § 53); nöiarn empfindlich schlagen, trient. nòser— danneggiare; B r ö l Name eines Angers, trient. broilo, gali, b r o g i l o und endlich deitörn sich abgewöhnen, wie bergam. tur, deStör über *toljre (Ettm. bergam'. S. 22). Vereinzelt tritt auch sonst 0 für 3 in freier Stellung auf, so in bröde Brühe, bergam. bröd und broda, langob. *brod (Bruckner, Char. S. 21), wo, da es sich um einen Ausdruck der Küche handelt (vgl. S. 12), wohl schon romanisches ö •< üe zugrunde liegt, während in mövarn, bewegen, rücken, neigen und kövarn widerlich riechen (zu it. cqvo Lager, Rast, nonsb. kövil Wildlager) analogischer Umlaut im Rahmen des Lusernischen selbst eingetreten ist. Will man aus diesen wenigen Beispielen einen Schlufs auf das ehemalige Romanische der Umgebung Luserns ziehen, so läfst sich vielleicht folgendes feststellen. Ursprünglich diphthongiert B in freier Stellung und wird über üe, iiö zu S. Derselbe Laut tritt später für 5 vor wie nach j-häitiger Konsonanz ein und bleibt auch noch zu einer Zeit, zu der sonstiges ö < o[ bereits wieder durch das östliche = venezianische 0 ersetzt war. Schliefslich tritt dieses auch an die Stelle des 8 vor und nach Palatalen. In gedeckter Stellung behält e die offene Aussprache bei. Dieses ursprünglich kurze 0, wird im Rahmen der deutschen Mundart unter bestimmten Umständen gedehnt, vgl. gajBf Kleidertasche, * g a l l e ò f f a (vgl. K 3 4 1 4 1 , Muss. Btr. S. 61); pipo Kind bis zu 6 Jahren, trient.pòpo, eine Koseform wie lat. p u p u s ; iköta Molke, it. ricoita, e x c ö c t a ; btta mal, trient. bbta-colpo, percossa, rom. * b ö t t a r e aus altnfrk. b ó t - a n ; fldta Schar, Menge, trient. flòta, afrz. flöte—troupe, multitude;i fi5k Troddel, Quaste, lat. f l ö c c u s ; bfkazBk Specht, tirol. becca-zocche, zu zocca Baumstrunk; tschBpa „eigentümlich geformtes Weizenbrot", wohl das in Deutsch-Tirol überall gekannte „Paarle", venez. dopa, lat. c o p u l a > * c l o p a , wie p o p u l u s > 1 Hier reihe ich ein Wort an, das offenbar romanisch ist, für das ich mir aber innerhalb des Komanischen keine Erklärung weiis, hft der letzte aus dem E i geschlüpfte V o g e l , dazu in den 1 3 Gemeinden an arman kout—una
povera creaturina. Das Wort mit trient. coa-nio—ultimo e piit piccolo uccello d' una nidiata, nonsb. skoaniu zu verknüpfen und in dem ersten
Teil dieses Wortes lat. c o d a zu sehen, ist wegen Quantität und Qualität des Vokals des lusernischen Wortes nur schwer möglich. V g l . ferner sulzb. kot „ein fast rundes Holz, etwas gröfser als eine N u f s " , le kyute—raspollatura
dtl fiene.
26 * p l o p u s ; ersteres, wie auch sonst Ausdrücke der Küchensprache nicht ganz volkstümlich entwickelt; pdrt Wasserfahrzeug, t r i e n t . port—barca
per
traversare
un
fiutne
e
chi
la
guida,
zu
portare (vgl. Appel, in Festschrift für Mussafia S. 147 ff.); dann vor Palatalen, wo früher lombardisches ö stand, vgl. boza Flasche, trient. bdza; roccia,
dazu
karöz crozaia,
spiel, trient. bdcia, Klumpen sein.
K u t s c h e it. carrbzza\ crozarol
kann
das
usw.;
krSz
bdtschja
obdtsch.
Fels,
trient.
Kugel
bolzen,
zu
im
crbz— Boccio-
mhd.
bulze
V o r stimmhafter einfacher Konsonanz, ob diese nun ursprünglich ist oder nicht, wird das 0 gedehnt, vgl. gqba „Höcker, Buckel", dann „buckeliches Weib", trient. gdba; i/ tz aufgenommen wurde (vgl. Schöpf S. 61), und brpk kleiner Nagel, venez. trient. brbca, frz. brochc. Dagegen hat tschot hinkend, trient. zdt, zbto—zoppo sein p wahrscheinlich von den endungsbetonten Formen des Verbums trient. zotar, fodra Unterfutter bei Kleidern, trient. ebenso, nach fodrar— foderare,
soppannare,
w ä h r e n d födro
in
der
Bedeutung
„Futteral,
Scheide", das im Trientinischen offenes o zeigt, von ersterem beeinflufst ist. Zugrunde liegt got. f ö d r Scheide, bzw. ahd. f u o t a r Unterfutter (Kluge S. 130). Dagegen handelt es sich in dem Kosewort köre „Herzchen", und dem Kirchenwort zpriöla Lichtmefs (bei Muss., Btr. S. 124 el di de nostra dona ciriola)
u m L e h n w ö r t e r d e r allerjüngsten Z e i t ,
in
denen schriftitalienisches uo, im Lusernischen mit 0 wiedergegeben wurde. § 8. Sekundäres ai bleibt erhalten, vgl. air Licht, cimbr. aire, ere, lat. a e r e (venez. agere), nicht a r i a ; mdiütro, Lehrer, altlomb., tirolisch maistro, vgl. Ettm., L. L. S. 385, 459, 4 7 9 ; paito Truthahn, trient. pail, paita,
vgl. Ettm., L . L . S. 387 u. a.
Die bekannte Umbildung des primären und sekundären au zu al zeigen bregaldo Steinpilz (Ettm., L. L. 4 1 0 u. a., Schneller, Md. S. 123), voriärn wagen, sich getrauen, a u s a r e , vgl. venez. olsar, vicent. orsar (Ascoli, S. 1. S. 419), maild. volza (Muss., Btr. S. 25). Sonst zeigt au die reguläre Entwicklung, vgl. gpdern, aber cimbr. ga/dern; ingpstro; Spma, eine Menge von fünf Staren, lat. s a u m a für s a g m a . Spätere Lehnwörter aus dem Lateinischen
27 machen den Wandel u > u noch mit, vgl. kaüia diar, bergam. caösa, causa.
wegen, in kaiiia
Der Diphthong ie wird im Lusernischen an den einheimischen it. cameriere', kandaliar, Diphthong ia angeglichen, vgl. kamariar, c a n d e l a r i u m für c a n d e l a b r u m ; meniara Bergwerk, trient. minièra', meüare Schwiegervater, venez. missier—Titolo di maggioranza . . . al presente vale Suocero (vgl. Tappolet S. 123); meStiaro Geschäft, Beschäftigung, trient. mister. In zweien der jüngsten Lehnwörter hat der Diphthong auch im Lusernischen seine ursprüngliche Gestalt beibehalten, vgl. maniera Manier, und fiera Markt, f e r i a . § 9. In der Nasalierung der Vokale vor « treffen lusernische und romanische Lautentwicklung zusammen. Heute ist die Nasalierung im Romanischen Südtirols zum Teil wieder aufgehoben, sie verrät sich jedoch noch an gewissen Eigentümlichkeiten der Quantität der ehemaligen nasalierten Vokale sowie der Qualität der durch die Entnasalierung neu entstandenen Konsonanten. Am weitesten ist hierin das Nordostlombardische gegangen, in dem unter Umständen (vgl. Ettm., bergm. S. 7 f.) der nasalierte Vokal in den oralen Vokal überging. Im Lusernischen nun werden die Vokale vor n auch dann nasaliert, wenn nach diesem direkt auslautendes a zu stehen kommt, vgl. N a s a l e s a bakä Bauer, nonsb. lacar\, 1197 zu Genua baconus — Wassallus (vgl. Parodi, Arch. glott. 1898, S. 17); D e k ä als Personenname, während das Kirchenwort dehano, Dechant, die toskanische Form zeigt; kapelä Kaplan; monta Bergfink, it. montanello', rufjiä Kupfer, it. ruffiano', dann bei auslautendem a maslä Halbwollenstoff, trient. mezalana. N a s a l e s i baldakV, konfl; logori; sßasakamT; vor a im Auslaut ladt Steinschicht, * l a b i n a (§ 14); rnT it. mina; ilavì Lawine, trient. slavin, slavina—frana, smotta', ¡pi Ausflufsende der Wasserröhre, Hahn am Weinfafs, dazu Spinärn anbohren, so schon bei Muss., Btr. S. 29. Neben diesen Beispielen, welche die reguläre Entwicklung der Nasalvokale nach romanischer wie lusernischer Lautentwicklung darstellen, befinden sich unter den Lehnwörtern noch zwei aus je einer früheren und einer späteren Schicht, vgl. f aschi Reisig, Holzbündel, bei Tiraboschi fassi und retscht Ohrring (vgl. S. 12). Nach diesen beiden Beispielen zu urteilen, reichte die vollständige Entnasalierung, wie sie heute noch bergamaskisch ist, ehemals, wenigstens nach Palatalen, bis in unsere Gegend. Endlich die letzten Entlehnungen zeigen nicht mehr die lusernische Nasalierung des Vokals, sondern die heute südtirolische Palatalisierung des Nasals, vgl. lirj Lein, trient. lin und potschii7 Aschenkuchen, zu venez. pochio de magnar—intrìso, trient. pòcia—. pozzanghera, vgl. Salvioni, Arch. glott. X V I , S. 376.
28 N a s a l e s g. Wie jèdes freie p in der lombardischen Zeit (vgl. § 5)i s 0 ging a u c h P vor n in u über. Diesen Übergang zeigt bereits die Handschrift B in Mussafias Beitrag, vgl. daselbst boemi, pavunaso, zipun. V o r der Zeit der lombardischen Beeinflufsung sind wohl die folgenden Lehnwörter ins Deutsche übernommen worden (vgl. S. 9): kantáü Ecke, Winkel; kaStráü kastriertes Schaf, schon mittelhochdeutsch kastriin, doch ist, wie aus dem Anlaut hervorgeht, unser Wort gesondert entlehnt; rorjkdi7 gebogenes Messer, Hippe, zu lat. r ü n c a r e ausgraben. Dazu der Ortsname L a v r á ü — Lavarone. Die späteren Lehnwörter zeigen dagegen, von den allerjüngsten Entlehnungen abgesehen, nasales u, vgl. ambiziü; loldü vgl. § 22; botil) brikü; devoziü; devaziü; inondaziü; interniti; kann', lotü (Muss., Btr. S. 73, K . s 5468); mararjgii Tischler, it. marangone (vgl. Flechia, Arch. Glott. VI, 364 f.) ; teftü; trü kleine Silbermünze (mit dem Bildnisse des Dogen N i c c o l ò T r o n o ) . Erst die letzten Lehnwörter zeigen wieder die venez. trient. Lautform, vgl. paiiotj, remifiorj, relio?]. Es scheint daher, so schwer dies bei seiner Bedeutung auch anzunehmen ist, das folgende Wort erst in allerjüngster Zeit aufgenommen worden zu sein, nämlich petarlfj] eine dicke Suppe (geschälte Kartoffel im Wasser, darüber Milch und nasses Mehl). Eine romanische Entsprechung des Wortes, sowie ein annehmbares Etymon vermag ich nicht anzugeben, und doch mufs das Wort nach Form und Bedeutung romanisch sein. Lautlich anklingend sind die von Pieri, Arch glott XIII, S. 343 für S i l l a n o verzeichneten Formen pftorletigua, -engul—grattaculo, il frutto della rosa canina; in L u c c a peterlinga, emil. pQterleinga usw. In gedeckter Stellung ist zunächst bei on Ks. zu bemerken, dafs auch hier der Übergang von p zu u zu einer Zeit noch stattfindet, zu der sonstiges freies p erhalten bleibt, vgl. gunkat junger Käsestoff, bei Zambaldi giuncata—latte rappreso che senza sale si pone tra i giunchi 0 tra le foglie di felci 0 d' altro, gehört also zu j u n c u s Binse, wie das gleichbedeutende it.felciata zu f i l i c e Farnkraut, vgl. § 1 7 ; bruntln, it. brontolare", konflindern ; ktini ; munkat, it. monco (Ital. Gr. S. 35); punk Stöfs mit der Faust, dazu punkn, trient. pugn—punzone, p ü g n u s ; punt—punctu; reSpundern', ibalutjka u. a. Aber etwas früher als bei freiem on wird im Lusernischen bei pn Ks. das romanische p beibehalten, auch dort, wo (nach Ital. Gr. S. 47) im Toskanischen u eintritt, vgl. fondo, fondament, donca u. a. m. In einem Falle wird (n Ks. durch in Ks. wiedergegeben, in mint, neben dem später entlehnten mente. Es kann, wie im lombardisch-emilianischen einerseits, im friaulischen andrerseits, so ehemals auch bei uns offenes f vor Nasal geschlossen worden sein und sich wie sonstiges e weiterentwickelt haben (vgl. Ital. Gr. S. 48). Wahrscheinlicher wegen der Bedeutung des Wortes ist jedoch eine Kreuzung mit deutschem „Sinn", das hier die Form sint hat.
29 Bei faschi und retschi haben wir gesehen, dafs die Entnasalierung der Nasalvokale ehemals bis in die Gegend von Lusern herübergegriffen hat. Dies läfst auch die beiden folgenden Zusammenstellungen etwas wahrscheinlicher erscheinen. Vgl. Stecharn steif, unbeweglich machen, refl. sich recken, dehnen, bei Schneller, Md. S. 194 slenc, stinc, stencarse sich steif gerade hinstellen oder hinlegen und dedln leise trällern, zu trient. dindolar—dondolare. § 10. Unbetonte V o k a l e im d i r e k t e n A n l a u t vor anlautsfähiger Konsonanz verschmelzen mit dem Artikel und fallen ab; vgl. wal, bal Wasserrunst, besonders zur Bewässerung von Wiesen, cimbr. bal Wassergraben, dazu lalen—accanalart, a q u a l e , das in der Toponomastik eine grofse Rolle spielt und auch im DeutschTirolischen bekannt ist. Schöpf (S. 796) bringt aus B o z e n (1501) „do der wasserwal, ist ain news werch ze setzen", bei Parmentier (S. 85) aval, oval, ovalet (vgl. noch Schneller, Md. S. 280); böSom— a p ö z e m a (§ 7); brazarn—abbracciarf, gotschü zu a c u c u l a (§ 8); kuiarn—accusare; laStego—elastico; manaz, cimbr. ebenso, — it. ominaccio, trient. omenaz (vgl. S. 3); pata Epakte, trient. pala — V tpatte; rediia, reditarn, reiia—eresia; rivan—arrivare (vgl. S. 11); rüge—erüca; sckil Räderachse, trient sil—sala, venez. assil * a x i l e ; itrplego Wahrsager, dazu Strolekarn (§ 13) a s t r o l o g u s trient. strolegh—stravagante, balzano, pazzericcio, dazu strolegar. Im Schweizerdeutschen ist das Wort als stralig, strolig erhalten (Brandstetter S. 18, auch süddeutsches „Strolch" dürfte hierhergehören); tetsch f. „Dachboden, T e n n e " , als eines der älteEten Lehnwörter a t t e g i a (Meyer-Lübke, Betonung im Gallischen S. 12, Lorck 186 attagia; vgl. § 17). § 1 1 . Im V o r t o n , bzw. N e b e n t o n besitzt das Lusernische in einheimischen Wörtern nur die Vokale a, 0 und' bagatella. D a s W o r t ist in Italien beimisch und von hier nach Frankreich gewandert. V g l . jetzt allerdings M e y e r - L ü b k e , R o m . E t y m . W ö r t e r b u c h 859.
30 Um Assimilation handelt es sich ferner in lemeritarn — lamentare; lentern — lanterna', oror—errore; rovolt Gewölbe, Valsugana revolt zu it. volta Gewölbe; khroschnobl „Kreuzschnabel", trient. crosnòbol u. a. Dagegen tritt die im Toskanischen bekannte Assimilation nicht ein in rebarbaro Rhabarber reubarbarum und telar „Talar". Vor r tritt häufig a für andere Vokale ein, vgl. barit Mütze (§ 4); marglant bläulich, fleckig, trient. morii—livido; maren Märende merenda, trient. marenda\ partendern beanspruchen, pretendere-, tarampt Erdbeben; tarfl Quirl, *terebellum. Ebenso vor /; vgl. falüa—*siliciatum; Sbalunka; balenzle kleine Wage, bilanx. Vor n\ andibia Endivie, trient. andivia, mgr. evdißa; maneitar Gerste, Suppe, übertragen „Schlingel" trient. menestra—minestra d'orzo, venez. manestra u. a. Der häufigste Vortonvokal ist jedoch 0, der in einheimischen Wörtern zunächst in labialer Umgebung, dann auch in der Vorsilbe zu—zor eintritt. Dem entsprechend haben wir in unseren Lehnwörtern 0. 1. nach labialen Konsonanten vgl. bodail—*batlle (§ 2); boganat Dreikönigsgabe, bei Schneller Md. S. 1 1 3 f. beghenate „Weihnachtslieder, welche arme Kinder vom Weihnachtsabend bis zum hl. Dreikönigstag abends vor den Häusern singen; auch die Gaben, welche sie dafür erhalten". Nach Gärtner, Sulzb. W. S. 7 wihnaht, (nach Schneller, bair. g é b n a c h t „Weihnachten" oder „Neujahr"); boüonage—pastinacaj/orzrzar« neben späterem fermarn „zum Stehen bringen"; fortai fem. (nicht masculinum, wie bei Bacher zu lesen ist), „Rühreier" trient. fort aia—frittata, venez. foriagia, friaul. fretaje, fertaje, * f r l c t a l i a , vgL Schneller, Md. S. 142; monipl m. Serviette, trient. mantpol—tovagliolo, manipulus, ursprünglich „eine Hand voll, ein Bündel". Bemerkenswert ist die Bedeutungsentwicklung dieses gelehrten Wortes. Bei D u c a n g e ist es das „Schweifstuch" manipulus—una e vestibus Ecclesiasticis quae et Sudarium appellatur. Dann wird es in Anlehnung an mano zu „Serviette"; monteSöl Kinn (§7); pormeio Erlaubnis, it. permesso, während promeSo, das daneben auftritt, auf einer, von Schuchardt auch im Slavischen (SI. D., S. 87) konstatierten Verwechslung von permesso und promessa beruht. 2. vor labialen Konsonanten vgl. robalz Falltür, trient. rebalza —bòtola, cateratta, zu ribalzare zurückprallen (vgl. Rom. Gram. I, § 17); tschovär Tragebrett (§ 6); tschovöl Zwiebel (§ 5). 3. entsprechend dem Übergang von deutschem zer >• zor zeigen vortoniges 0: zornirn durchwühlen, aussuchen, zu Muss. Btr. cerni la lana, trient. (ernir, ebenso venez. * c e r n i r e für cernere ist nach Mussafia allgemein im östlichen Oberitalien; korschenz in Asche gebackene Torte, cimbr. karschenza, kaschenza, „Kuchen, Fladen" crescentia (?).
3» 4. vereinzelt in lotär f. Bettlade (§ 6); konsot Frauenrock, gehört wie kamasoule in den 13 Gemeinden zu bellun. camesot— gonna soüana, venez. camisoto—camiciotto\ u. a. m. Abgesehen von diesen allgemeinen Erscheinungen ist nun das Schicksal derjenigen Vokale bemerkenswert, die im Lautsystem des Lusernischen keine Entsprechung fanden, nämlich * und u. V o r t o n i g e s r o m a n i s c h e s z'wird d u r c h e w i e d e r g e g e b e n ; vgL perü Efsgabel, trient. piron, pirona, gr. neiQOWiov, s. K 3 3256; ikerat Eichhörnchen, bei Muss. Btr. schilaio, schiralolo, über dialektische Formen s. daselbst und Schneller, Md. S. 179 gr. 0xi0VQ0g > lat. * s c u i r u s , * s q u i r u s ; iteval Stiefel, itevalet Stiefelette, trient. sitval; vielleicht gehört hierher auch das Kirchenwort lemoüna, trient limosina. Dementsprechend finden wir auch dort e, wo das Toskanische i, aber das Norditalienische bereits e aufweist, vgl. dependern, dezembre, empedirn, empiantarn, enhonlrarn, enklenarn usw. usw. Erst die Fremdwörter der letzten Schicht zeigen bereits das italienische i vgl. infame, inferno, inganarn, inondaziii, ispe/or usw. s. Bacher S. 276—278. Die Entwicklung des vortonigen u steht in genauer Parallele mit der des ». Erst in allerletzter Zeit ist das « auch im Lusernischen beibehalten worden, vgl. unter vielen anderen lugatiega Wurst, ebenso trient. (Das Wort ist auch sonst weit verbreitet. Bei Tiraboschi löanghina, löganghina, bresc. löganega, maild. liiganega, schon bei Varro, De lingua latina Hb. IV: L u c a n i c a m d i c u n t q u o d m i l i t e s a L u c a n e i s d i d i c e r u n t , vgl. auch Muss. Btr. S. 75)Die Lehnwörter der älteren Zeit dagegen zeigen das zu erwartende ü in einem einzigen Fall, und hier erst sekundär. Es handelt sich um das Wort l ü a f. Muhre, Erdabrutschung, Lawine; auch als Flurname gebräuchlich. In A r b e d o finde ich luina slüina —valanga; nach Salvioni „Per ,ruina' col valore di ,lavina'u. Sonst aber wird das palatale ü des Vortons, von zwei Fällen abgesehen, nicht durch den palatalen, sondern den velaren Ersatzv o k a l vertreten, vgl. foStdT m. Barchent, Zwilch, trient. fustagn, *füst-aneum; koraretsche schwertartige Haarnadel, trient. curarecie—siuzzicorecchi, c ü r a - a u r i c u l a s ; iogari Zeisig, trient. lugarin, vgl. Mus. Btr. S. 75 lugaro, so venez. gen.; friaulisch lujar, gen.lügairt, verlangen als Grundform * l ü c a r i n u s , vgl. Salvioni, Arch. glott. XVI, 451, aber Ital. Gr. S. 78; fottSurarn lärmen, ionfuro Lärm, trient. susur— rumore; tsckotschöl Lutscher, Bacher kennt tschutschol, zu venez. zuzzar, zuzzada, zu s ü c u s , * s ü c t i a r e (K 3 9223). Wie lat. ü im Vorton durch 0 wiedergegeben wird, so naturgemäfs nordit. p auch in den Fällen, wo das Toskanische u zeigt, vgl. pontar Steigung * p u n c t a r i a (§ 1); schoparn verderben, zu-
32 grunderichten e x + germ. s a u p a n (Zs. r. Ph. X , 172); r o r j k d t t — * r ü n c o n e § 9. Bemerkenswert sind dagegen die Fälle, in denen das vortonige 0 vor betontem i zu stehen kam. Hier hat das Romanische der Umgebung Luserns (nicht aber mehr Trient) u eintreten lassen, und dieses u wurde im Gegensatz zu der oben erwähnten Strömung auch im Lusernischen beibehalten, vgl. itupi Docht, trient. stopin —lucignolo, abellun. stupin (Arch. glott. X V I , S. 328), lat. s t ü p p a : tschuvit, vgl. § 4. § 12. Bei den Z w i s c h e n t o n - b z w . N a c h t o n v o k a l e n zeigen sich die allgemein norditalienischen Erscheinungen. Der allgemeinste V o k a l ist e, vgl. baselisko, enklenarti, fadegarn, kapclä, komplemcnto, roiegam, tardegam, vendekarn, anedra, lailego, monega, raniega Todesröcheln, rantegarn röcheln, venez. ranlegar, Tantego, ifleno—sclinon; Stomego, dazu Stomegärn ekeln, trient. stomegar—infaslidire', itrolego—aslrolcgus (§ 10). Daneben zeigt sich, wie bei den Vortonvokalen, eine gewisse Angleichung der Vokale an die folgenden Konsonanten oder die vorhergehenden Vokale. Zunächst wird das unbetonte e zu ;', wenn ihm ein i folgt, vgL kariStia Teuerung, Mangel, Not, trient. carestt'a; ialifa—*siliciatum: 4 — V o k . — ' wird zu ä — ä — V o k a l , vgl. kalandargo Kalender, Nachgrübeln, Berechnung, trient. far calandari—fantasticare', kamamila Kamille, lat. c a m o m i l l a ; kandaliar—candelarium (§ 8), kazadrfl—calcitrella (§ 22); maladirtf, maialar Backenzahn, m a x i l l a r e u. a. V o r r zeigt sich das indifferente a (vgl. S. 33) logart—luccherino; albaro, martare u. a. m. In zwei Wörtern zeigt sich entgegen der eingangs aufgestellten Regel i für e und zwar in: diiltgarn aufhören e x c i t a r e + d e (Wegen der Bedeutung vgl. S. 11). In Norditalien bleibt im Gegensatz zum Toskanischen zwischen s und / der Zwischenton vokal als e erhalten (It. Gr. § 122, Ettm., bgm. S. 30), vgl. it. desiare, aber mailändisch desseda, bergm. desedar, bellun. dessedar—svegliare Muss., Btr. S. 49 steht in B, der für uns in Betracht kommenden Handschrift, die bei uns zugrunde liegende Form desid „erwache". Daraus müfste nach den einheimischen Lautgesetzen *de!ijar (vgl. § 14) entstehen. Toskanisches desiare ist nun vielfach in die norditalienischen Mundarten gedrungen, so auch im bergm. neben das einheimische desedar getreten. Mit unserem *deiijar scheint es nun zu *deitijar verschmolzen zu sein, das korrekt zu diitigärn werden mufste, vgl. § 17. Das zweite Wort ist amida Vatersschwester, lat. a m i t a . B a c h e r kennt auch im Romanischen amida, aber trient. ameda, ebenso maild. und sonst vgl. Muss., Btr. S. 26. Die bei uns ursprünglich zugrunde liegende Form war, wie heute im Venezianischen, amia aus dem
33 sich durch Kreuzung mit trient. ameda unsere Form entwickelte. (Das Bellunesische hat in einem analogen Falle die beiden Formen nebeneinander erhalten, comedarse neben comiarse = toccarsi coi gomiti). Dann schwindet der Zwischen tonvokal zwischen L i q u i d e n , vgl. cria, it. ellera, über *elra ; mfrla—merula (vgl. Ettm., bergm. § 34). Ebenso bekannt ist der Schwund des e zwischen r + Kons., vgl. karge Last, Tracht, trient. carga—carica. Eine gesonderte Betrachtung erfordern die Wörter auf —ulus. In den älteren, also assimilationsfähigen Lehnwörtern wird hier das l sonantisch, während das unbetonte 0 schwindet. Schwindet auch der vorhergehende Konsonant, so schliefst sich l an den vorangehenden Vokal an. Für den letztem Fall vgl. ial—ebulus; schial—schSdula (§ 6), ferner wagl-pér Frucht der Steinmispel, trient. bàgola del giracolo; windl, lindi Ackerwinde, in der Vallarsa bindola zu ahd. winta, winda (Schneller, Md. S. 117), ¿/¿V» Nudeln, it. bigoli ( K J 1498); debl schwach, trient. debol", frigln—*frlculare § 4 ; aber frigolst eine Suppe, trient.fregoloti—sorta di pasta casaUnga; garpfi Nelke, trient. garòfol xaQvofpvlov, kagl—*cacula kleines Kotkügelchen, dann übertragen „kleine Person, Knirps", venez. càgola, de cavre\ kapl f. Öse, Häkchen, bei Isidor 20, 16 capulum funis a c a p i e n d o , eimbr. gapel Stiel; rakln schreien wie ein Esel, it. dafür ragliare. Dazu gehört tirol. racola Charfreitagsratsche; Skatl Schachtel, it. scatola; spigi die inneren Fufsknöchel, trient. spigol—spigolo, canto splculum; ¡rapi Falle, trient. trapola ; labi it. sciatola. Diese sonantische Aussprache des / (auch n, m, r) ist eine charakteristische Eigenart des Deutschen. Es ist daher leicht erklärlich, dafs als eine Art Gegenbewegung zu unserer Erscheinung im Munde der Czechen deutsches n m Ir mit deutlich artikuliertem en, em, el, er wiedergegeben wird. Die letzte Schicht der Lehnwörter auf —üla geht wieder ihre eigenen Wege, vgl. mandola; Sportola Handkörbchen, trient. spòrtola, zu lat. sporta Korb; nespola Mispel, trient. nhpol (Ital. Gr. § 167). § 13. Die auslautenden V o k a l e des Romanischen sind im Lusernischen vielfach dem Abfall ausgesetzt, so zunächst ohne Unterschied der Qualität bei vorangehendem r, das (vgl. oben) sonantisch wird, z. B. dlbar fem. Silberpappel, ein bekanntes Wort, venez. albara, trient. arbola, albero, nonsb. albera, bergm. albera, albero, bei Lorck albare aus dem 9. oder 10. Jhdt. usw. (vgl. A. L. L. XIII, 50) ; balfStar; gelbar (§ 1); Ietar\ livar it. libbra; mandar Herde, lat. (gr.) mandra; manfStar, it. minfstra usw. albar Baum, deStar bequem, gelegen, trient. distro—comodo, kantar K a n n e , venez. cantaro—vaso per deporvi il superfluo peso del
ventre canthatus (andrerseits ist es interessant zu beobachten, wie deutsches „Kandel" ins Romanische gedrungen ist, vgl. bei Beiheft tur Zeiuchr. f. rom. Phil. XLIII. -t
34 Murerò, Tedeschismi: càndola, candirla, candorta, candoleia, •ina, •ona u. a.); libar ; polaitar, trient. polastro', poliar—'poledru (§ 6), vedar—vltrum usw. Wenn nun daneben calandra Haubenlerche eine Ausnahme macht, so erklärt sich dies wieder ohne weiteres bei einem der jüngsten Lehnwörter. Im Rahmen der deutschen Mundart hat sich jedoch noch eine zweite Änderung vollzogen, die für die Chronologie der Lehnwörter von gröfster Bedeutung ist. Mittelhochdeutsches e im Auslaut ist nach stimmhaften Verschlufslauten als geschwächtes e erhalten geblieben, sonst geschwunden. Dagegen kennt das Lusernische heute ein auslautendes a beim Infinitiv mit zo und (vgl. S. 7) bei Adjektiven. Eine grofse Anzahl von älteren romanischen Lehnwörtern mit auslautendem a zeigt nun die gleiche Schwächung bzw. Abfall des Auslauts, den die einheimischen Wörter mit auslautendem mhd. e aufweisen. Auslautendes -a ist also als e erhalten nach stimmhaften Verschlufslauten vgl. albe Morgenröte, räbe Rübe r a p a (doch schon mhd. räbe), boslonage—pastinaca; botege; rüge—eruca Raupe; sage Gesellschaftslager, trient. zaga (§ 16); panade Brotsuppe. Sonst schwindet auslautendes a, vgl. -ta. barit (§ 4); groit Kruste, trient. grosta; karat, trient. carata—bietola', kart-, koU—costa; malt—maltha; palet Ofenschaufel, it.paletta zu p a l a Spaten; patat it. patata', prent Bottich, vgl. jetzt Meyer-Lübke, R . E . W . 1285; ¡ölet abtrennbare Strumpfsohlen, trient. soleta zu s o l e a ; igrt Gattung; iuSt—sübsta (§ 5); tscharent f. Brei aus Polenta, Zieger und Butter, * c l a r e n t a zu venez. chiara + polenta', tschat venez. zata (§ 16); turt—tprta; daran schliefst sich der Flurname F r a t — f r a c t a . - p a . karp Motte, Raupe auf Salat, ohne Unterschied gebraucht mit tarp (trient. tarpa zu t a r m e s , it. tarmò) zu it. carpare kriechen (Nigra, Arch. glott. X V , S. 497 f.); nap Rauchfang über dem Herd, venez. napa—nasaccio, nepa del camin—capanna, ceppo zu oberd. napf, vgl. Kluge, S. 280; trip it. trippa', zamp, trient. zampa (§ 16). - k a . bark—barca; kgk—colchica (§ 22); mark Gewicht der Schüsselwage, trient. marca—contrassegno, zu inarcare, germ. m a r k a ; monjfk Feuerzange — * m o l l i e c c a (§ 17); polak Leibchen, venez. polaca, polachina—chiamavasi un abito che portavano le donne civili sessant' anni fa, detto anche „Mezzo abitou percK era cortissimo usw. ursprgl. veste polacca polnisches Gewand; itfk Leiste, trient. stgea, got. * s t i k a , s. Bruckner, Char. S. 8 und A. 3). - t s a . balz Brett vor den Augen böser Stiere, eimbr. balz Fufsstrick, zu venez. balza—fune che si mette ai piedi delle bestie, laL b a l t e u s Gürtel; bekaz—beccaccia', friz—it. fleccia (§ 4); ¿ara« Stange, an welche die Reben gebunden werden, mgr. yaQaxiov, vgl. jetzt Meyer-Lübke, R. E. W. 1862; karoz; naranz Pomeranze; robalz— * r e b a l t e a (§ 11); itraz—*extractia Hader, Fetzen, Lumpen, trient. straza—cencio, bei Muss,, Btr. S. I i i „strazaruol".
35 - t s c h a . kartätsch „Hut auf dem Spinnrocken, papierene Düte, welche oben die Reiste überdeckt", trient. carlucia Papierhülse; vitsch Wicke v l c i a ; tctsch a t t e g i a (§ 10). - f a . gagof—*gallioffa (§ 17); Skaf Felsabstufung, auch als Flurname gebraucht, zu trient. scafa—scaffale, mento, sporgcnle, bazza ahd. s c a f a . -la. Sardfl Sardelle; Stock = Rutenstreich auf die Handfläche, trient. sardlla in beiden Bedeutungen; maifl Kiefer, trient. masila; F o r z ^ l ein Hügelrücken f ü r c e l l a ; daran schliefst sich zigal f. Cikade, trient. figa/a. -ma. böiom—apozema (§ 7); triam—trama (§ 1). -sa. Ips Gesellschaftslager auf Stroh, trient. Ibza, it. loggia. - s a . briiHerrenpilz, trient. brisa—fungoporcino. BeiDucange: V i d e r u n t r i v u l o s illis o l e r i b u s p l e n o s , brisia et sampsia. -ra. glär—glarea (§ 1); lur—lpra (§ 5); pontar—*punct a r i a (§ 1); ¡per—sphaira (§ 6); stör—störea (§ 7); ur—ora. - n a . pen, galt, b e n n a Wagenkorb, (wird auf der Achsel oder auf dem Nacken getragen) trient. bena—cestone di vimini (MeyerLübke, R. E. W. 1035). Nachdem in der deutschen Mundart die Schwächung des Auslauts vollzogen war, behielten die neu aufgenommenen Lehnwörter ihren Auslaut bei, vgl. u . a . amida (§ 11), fada—fata, fiera Markt (§ 8), fila Reihe, gala Festkleid und in khalch en gala ungelöschter Kalk. Letzteres gehört zu trient. star a gala—galleggiarc, zu lat. g a l l a Gallapfel, dann etwas ganz Leichtes, Luftblase; grinta f. finsteres Gesicht, trient. ebenso, got. * g r i m m i j > a ; grepa Schädel, Totenkopf. Bacher kennt ein it. grepa, eimbr. kreppa T o p f , dazu nonsb. krapa Gehirnschale, lomb. crapa „ Testa dura", das Salvioni (Arch. glott X V I , S. 372) und schon vor ihm Gärtner, Zs. r. Ph. X V I , 327 mit dem Worte für „Felsen" zusammenstellt, für welches Gärtner (Rr. Gr.) die Formen grep, grip, kripel, krepo, krap, kret und kroda anführt; lipa arbeilsfaule Person, dazu kennt Bacher V ga la lipa er mag nicht arbeiten, zu dtsch. Lipp, Abkürzung von P h i l i p p (Schöpf S. 393); tana Höhle, ebenso eimbr. it. usw. In der Behandlung des auslautenden 0 treffen die ladinischen und lombardischen Mundarten zusammen, während das Venezianische mit der Erhaltung des 0 unter verschiedenen Bedingungen sich von den sonstigen norditalienischen Mundarten absondert. Die älteren Lehnwörter des Lusernischen zeigen daher, der romanischen Mundart der Umgebung entsprechend, zunächst Abfall des 0. Dann aber scheint es eine Zeitlang Modesache geworden zu sein, venezianische Sprachgewohnheit nachahmend das 0 wieder einzuführen. So ist es, weil es für die Bezeichnung der Masculina charakteristisch war, auch an Stellen eingesetzt worden, wo es nie berechtigt war; so für lat. f , 1 vgl. ramo Kupfer, Kupfergeschirr, trient. r a « , venez. 1 E i hat unser o, wie aus den Beispielen deutlich hervorgeht, natürlich nichts mit dem aus dem Altveronesischen bekannten -c = lat. zu tun.
3*
36 rame, lat. a e r a m e n ; kwartiaro Quartier, trient. und venez. quartiér, Senlaro Vermittler bei Kauf und Verkauf, trient. sensal, sensar lat. c e n s u a l i s Finanzbeamter; vieSiiaro Geschäft, Angelegenheit, it. mestiere. So ist das o wohl auch in manchen andern Fällen erst sekundär wieder eingeführt worden, ohne dafs die Form des Wortes dies direkt verlangt. Immerhin liegen noch einige indirekte Beweise dafür vor. itrokkam wahrsagen, ist von *itrolek—astrologus (§ 10) aus neugebildet worden, wie der stimmlose Laut k verrät. Später ist dieses *Strolek durch venez. ütrolego ersetzt worden. Diese Neueinführung des o nahm naturgemäfs bei der romanischen Umgebung Luserns ihren Ausgang (vgl. das von Bacher Später verzeichnete Memo für trient. seien—sedaño, gr. céütvov). wurde sie jedoch von den unterdessen zweisprachig gewordenen Lusernern in die eigene Sprache übernommen, vgl. zapägo Schlappschuh * z a p p - i l i a (§ 17) wird als *zapeia aufgenommen, verliert im Rahmen der deutschen Mundart (vgl. fortai—frictalia § 17) das auslautende a und wird in Anlehnung an ein begriffsähnliches deutsches Wort, vielleicht schua, masculinum. Als solches nimmt es später im Munde der venezianisierenden Luseroer das 0 an. Derselbe Vorgang liegt vor bei zurlo Maikäfer (bei Z i n g e r l e noch zurle als femininum), und wohl auch bei pokondrio Hypochondrie. Abgesehen von diesen Fällen zeigen heute die älteren Lehnwörter Schwund des auslautenden 0, e und /', vgl. fipk, frank, karet Karren, kolp, quart ein Ho'nlmafs, aber quarto der vierte, ork Name eines Waldgeistes, trient. orco—bestia tmmaginaria per far paura at hambini, auch donna, uomo brutissimi lat. o r c u s ; />«?£/Pinsel, *pennellus; art Handwerk, bei Azzolini, Boerio, Tiraboschi arle : afar, it. affare usw. baf Schnurrbart, it. baffi. Dagegen ist auslautendes romanisches i im Lusernischen dort geblieben, wo es zur Pluralbildung verwendet wurde, vgl. darüber I. (S.7). § 14. V o k a l a u s f a l l im Vorton zeigt sich, wie auch anderwärts bekannt ist, zunächst zwischen Verschlufslaut und r, z. B. driza! pack dich fort! zu trient. endrizar; proz—*birötus (§ 7); tribl Nudelwalze, Rauchfafs, zu trient. toribol, turibol, lat. t ü r i b u l u m Muss., Btr. S. 214 zeigt die Vorstufe vor dem Ausfall „/eribe/e". Sekundärer H i a t u s wird auf verschiedene Weise behandelt. Die einfachste Form ist die Artikulation beider Vokale ohne Übergangslaut, wie dies im heutigen Trientinischen und Venezianischen geschieht, vgl. z. B. tioarn schwimmen; reöma Veitstanz, redmo Rheumatismus, trient. riumo; ikrpa—scrofa; ¡tria—strlga, dazu enstriarn verhexen (Salvioni, Literaturbl. XXI, 384). Oder es verschmilzt der erste, unbetonte Vokal mit dem zweiten, betonten, vgL lámar Steinhaufen, dazu lámarn schlecht mauern. Nach Schöpf S. 363 ist das Wort in Deutschtirol weit verbreitet In Bozen und
37 sonst in Südtirol ist lavier glämer ein Geröllhaufen. Das Wort gehört vielleicht zu venez. leamer—letaviaio, mondezzaio, von lat. l a e t a m e n Dünger. Es bedeutet also zunächst „Düngerhaufen", „Abladestelle"; puz—peduclu (§ 19); tarfl > *lere-el, t e r e b e l l u m (§ 21); lüa—*luina (§ 11). Der Hiatus kann aber auch durch Einschiebung eines Übergangslautes vermieden werden. Hier kommt zwischen vorderen Vokalen zunächst j in Betracht. Tatsächlich findet sich auch der y - E i n s c h u b in weiterem Umfange im Romagnolischen, Bergamaskischen und Lombardischen (Ital. Gr. S. 85). Dafs Ausläufer dieses Lautwandels bis in die Gegend von Lusern gedrungen sind, zeigen uns diStigarn < *desijar •< d e + e x c i t a r e vgl. § 1 1 ; ebenso ist meraveiga über *tneraveia, *meraveija entstanden (§ 17). Der analoge Übergangslaut vor velaren Vokalen ist v vgl. revo m. der erste aus dem Ei geschlüpfte Vogel, lat. " h e r e d u für h e r e d e , (vgl. dazu Parodi, Arch. glott. X V , S. 60), hereo, redo, reo und tosk. redo—vitello, nonsb. la reda junges Tier (Batt., Nonsb. S. 35). Auch u n o r g a n i s c h e r K o n s o n a n t e n e i n s c h u b tritt im Hiatus ein und erklärt sich aus gewissen Lautübertragungen und Rückbildungen, wie an den folgenden zwei Beispielen gezeigt werden soll. Intervokalisches d < d und t fällt im Venezianischen und Roveretanischen, bleibt dagegen im Trientinischen in weiterem Umfange. Unser Gebiet gehört der Gegend an, in der d ursprünglich gefallen ist, aber heute von Trient her wieder eingeführt wird. In amida (s. S. 11) hat das zwischentonige « die frühere Form amia verraten. Anstelle eines alten v (vgl. § 22) ist es nun in dem folgenden Worte eingetreten: ladt f. Steinschicht. Dieses Wort ist natürlich zu trennen von dem weitverbreiteten ladin—latinus schnell, gewandt und gehört zu l a b i n a . Die ältere Form des Wortes hat der Ortsname L a i m , it. T e r r a g n o l o bewahrt. Dafs hier nicht l a t i n i zugrunde liegt, ergibt sich aus dem Umstand, dafs L a i m bis vor kurzem geradezu deutsch war, für die Zusammenstellung mit ladt Steinschicht spricht auch die italienische Bezeichnung des Ortes. Im Grunde um denselben Vorgang handelt es sich bei dem Worte megöla M a r k — m e d u l l a , bei Ricci und Azzolini miola, venez. meolla. Allein das Wort, das auch sonst weithin gewandert ist, beweist nichts für eine Lautverschiebung speziell in unserer Gegend (vgl. Salvioni, Dell'antico dialetto Pavese S. 7 A., Battisti, Nonsb. S. 1 1 4 A . und die etwas abweichende Erklärung von it.padiglione und ähnlicher Erscheinungen Rom. Gr. I, § 381, Ital. Gr. S. 142). § 15. 1 Das Lusernische kennt im Anlaut nur einen stimmhaften s-Laut, der mhd. s entspricht. Im Inlaut tritt zu diesem stimmhaften f-Laut = mhd. 2 der stimmlose i-Laut = mhd. 22; der Auslaut weist nur ein stimmloses s auf in aus, nas, gruas, groas 1 Dieser sowie der folgende § enthält nur A u s f ü h r u n g e n in Beiheft N o . 27.
eine W i e d e r h o l u n g
meiner
38 und als. Der mhd. ¿-Laut ist im Inlaut und Auslaut, ebenso in den Verbindungen sr, sl, sm, sn zunächst zu dem stimmlosen weichen Reibelaut f, und dieser in den genannten Konsonantenverbindungen sekundär zu dem stimmlosen harten Reibelaut sch geworden. Andrerseits zeigen das Venezianische und diejenigen Mundarten, die unter venezianischem Einfluls stehen, so S u l z b e r g , N o n s b e r g , ferner die f r i a u l i s c h e E b e n e , Palatalisierung der i - L a u t e in jeder Stellung. Es ist demnach das romanische stimmlose s zu stimmlosem i , das stimmhafte s zu stimmhaftem 2 geworden (vgl. Rom. Gram. I, § § 4 1 7 , 440). Zwei Lehnwörter des Lusernischen zeigen uns nun, dafs die Palatalisierung der J-Laute im Romanischen Südtirols erst nach der Einwanderung der Deutschen, also nicht vor dem 13. Jahrhundert eingetreten ist. Diese wurden nämlich noch mit stimmlosem f im Anlaut gehört, da dieser Laut im Lusernischen aber fehlte, nicht mit stimmhaftem s, sondern ts wiedergegeben. Die beiden in Betracht kommenden Wörter sind der Ortsname Z i l f , it. S e l v a und zikelär—Ausgufsröhre für Spülwasser * s i t u l a r i u m (vgl. §§ i , 19). Dieselbe Substitution des deutschen ts für rom. j vollzieht sich aber auch in späterer Zeit überall dort, wo ein sekundäres stimmloses i im Anlaut wiedergegeben werden soll; so für lat. ce, das im Venezianischen zu se vorgerückt ist, vgl. zedern weichen, nachlassen,
trient. (eder;
zedrü
Auerhahn,
trient. (cdron—gallo
cedrone;
Zfltro hölzerner Stützbogen beim Gewölbebau, trient (lltro—centina (§ 4 ) ; zenSo S t e u e r a m t ; zentim{lro\ * c a e r e o l a (§ 7 ) ; zfrto, zertarn;
zentro; zfrvo;
zeriola L i c h t m e f s ( M a r i a ) zega A u g e n b r a u e cilia;
zigäl Cikade (§ 13); zigara; a zimento zum Aufsersten, zu trient. cimihita—cima
estrema;
zornim
(§ 1 1 ) .
Daran
schliefst
sich
ziima
Zwietracht, zu dem Bacher it. siSma kennt, oyia^ia. Auch venezianisch-italienisches s ist in unserer Gegend zu stimmlosem s geworden und mit z im Lusernischen wiedergegeben worden. Doch darüber vgl. S. 40. 1 Nach der Palatalisierung der s- Laute im Romanischen der Umgebung Luserns besafs diese zwei /-Laute, ein stimmloses f als fortis, entsprechend lat sce u. a.; und ein stimmloses / als lenis. Beide Laute wurden von den Lusernern in die eigene Mundart übernommen (vgl Beiheft 27, 1 7 g — 1 8 1 ) , u. zw. zunächst stimmloses fortis sch, vgl. schoparn; schil Räderachse, a x i l e ; schelerato, scheleragine;
schial—scedula
(§ 6).
Dieses sch wurde auch für das palatale i der älteren Lehnwörter eingesetzt, vgl. schakä ein aus Ruten, Fichtenzweigen u. dgl. 1 In einem einzigen Falle scheint rom. stimmloses s des Anlautes mit lus. stimmhafteD s wiedergegeben worden zu sein, in dem Worte saltnar Waldhüter, (aber saltnar X , I, 412 fr.) (daneben das später aufgenommene saltaro). W i e aber die Akzentverschiebung und der Suffixtausch zeigt, handelt es sich um ein Wort, dafs von den Lusernern schon vor ihrer Einwanderung in den Süden gekannt worden ist; tatsächlich findet es sich auch in den Stat. von Trient „ob ein saltner . . . dieweil er auf der salterey steht etc." (Malfatti S. 146).
39 geflochtener Ring bei Zaungittem, zu bellu nesisch saca—vimine, stroppa; schedi Schweinsborste, trient. sedala, lat. s a e t a ; schür Maiskolben, süber (§ 3); dann schlepa ( § 1 ) ; schlinga, schlingarn Schleuder, schleudern; schwgs männliche Brust, trient. sbpza. Diese Übertragung des sch findet bei den jüngsten Lehnwörtern nicht mehr statt, vgl. Satta, Sagratargo, Sala, Stimo, Sempio, Sentenzia, Sikuro, Sito, Soldado, Solevarn, Somarn, Suplika, Sust, Slavato, Smaltarli u. v. a. § 16. Das Lusernische kennt nur einen z-Laut = ts, während das Venezianisch-Trientinische daneben noch die Lautgruppe z=ds aufweist. Dieses venezianische z nimmt gegen Westen zu eine spirantische Aussprache an und geht in einzelnen Gegenden des venetischen Festlandes in den Verschlufslaut d über; so z. B. in B e l l u n o dent, doven, viado, denocio für venez. zettle, zovtne, viazo, zenocio. Die unmittelbare Umgebung Luserns, so die Valsugana, spricht heute für trient. venez. è = it. g und z stimmhaftes.», das in dem s des Lusernischen eine genaue Parallele fand und in Lehnwörtern mit diesem wiedergegeben wurde, vgl. z. B. asardarn ; aSardo; sia; i'io', singo', Sage f. Gesellschaftslager, trient. zaga—cuccetta nelle cascine di montagna. Schneller kennt zaga, daga als Lager der Hirten in Alpenhütten, friaul. zae, zaie, trient. zaja (da auch das Friaulische è im Anlaut zeigt, mufs das z ursprünglich sein, z ist aber unlateinisch. Von Schuchardt, SI. D. S. 75 wird das Wort als altromanisch erklärt, aber woher?) i; ensenjarn sich umtun, venez. inzegnarse; Serio Riickkorb, trient. zerlo — gerla, g e r u l a ; sonsern— j ü n g e r e , sontarn—*j un et a r e SUTJJO', visilga; Strensern usw.2 Tritt dieses stimmhafte s im Lusernischen in den Auslaut, so wird es stimmlos, vgl. Iqs Gesellschaftslager auf Stroh, trient. lf'za— loggia', schwgs f. männliche Brust, trient. sbpza, sulzbergisch zbpdyo, bei Bacher schwpia, bcllunesisch sbdlda—seno (dicesi di quel posto
che i contadini fanno f r a il petto e la camicia tirata alquanto in su dalla cintura per riporvi le frutta che colgono) nonsb. zbpga, die Be-
deutung ist überall „Raum zwischen Hemd und Brust". In einem einzigen Worte erfährt venez. z eine abweichende Behandlung, in borondi Altarglocke, trient. bronzin—marmittina, campanaccio. Dafs dieses d eine spirantische Vorstufe e? des heutigen s-Lautes wiedergibt, wird durch das folgende klar werden.
1 Das W o r t , das b i s nach Sardinien verbreitet i s t , findet sich schon i n d e n L a n g o b a r d e n g e s e t z e n (a. 746, c o l . 1 5 9 ) : „ c o g n o v i m u s enim q u o d . . . mali homines tavas et adunationes . . . f a c i e b a n t " .
' E i n W o r t das i c h mir nicht zu erklären v e r m a g , ist sengo untätiger, herumlungernder M e n s c h . D i e B e d e u t n n g w ü r d e zu trient. partr en sencca — di persona secco allampanata, maciUnta, magra, sbianea p a s s e n , oder altcamp, tinia senega—vite •vecehia, aber der A n l a u t läfst diese Zusammenstellung n i c h t zu.
4° Nicht ganz, aber ungefähr auf demselben Gebiete, wo venez. z spirantisch wird, geht auch der entsprechende stimmlose Laut in die Spirans ]> über, so namentlich in den rätisch-italienischen Grenzgebieten. Die Umgebung Luserns spricht für diesen stimmlosen Laut h e u t e , der Entwicklung des stimmhaften Lautes entsprechend, stimmloses s, ein Laut, der inselartig auch für andere venezianische, lombardische, piemontesische Mundarten angegeben wird (vgl. dazu die interessanten Ausführungen bei Schneller, Md. S. 85). Dieses stimmlose s des Auslautes wird nun in lusernischen Lehnwörtern (entsprechend S. 38) auf dem Wege der Lautsubstitution durch 2 wiedergegeben, vgl. xamp Pferdefufs, zamparn stolpern, it. zampa bei Bacher ensamparüe, dtsch. z a p ( p e l n ) + g a m b a (vgl. aber Schuchardt, Zs. r. Ph. X V , S. 110); zapägo (§ 17); sarlatä Charlatan, venez. zaraiän, bei Bacher sar/alan; zavariarn irre, verrückt reden, venez. und trient. zavariar. Nach Schneller (Md. S. 214) kommt das Wort mit anlautendem z u. a. im Veronesischen, Mail., Reg., Rom. und Fass. vor. Etymon? Während dem Lusernischen, wie erwähnt, im Anlaut ein stimmloser j-Laut fehlt, besitzt es einen solchen im In- und Auslaut. Es gehört zu den Mundarten, die die Entsprechungen von urgerm. t und j auseinanderhalten, vgl. lus. mfsan, khesl, esatt usw., aber aiSan, attläSan usw. Aber ebenso wie das inlautende i der italienischen Lehnwörter mit dem Laute wiedergegeben wurde, der dem lus. Anlaute entsprach, so wird stimmloses s im Inlaute romanischer Lehnwörter n i c h t m i t d e m oben genannten e i n h e i m i s c h e n j - L a u t e , s o n d e r n d e m im A n l a u t d a f ü r e i n g e s e t z t e n /s gesprochen. Der Grund liegt in der Verschiedenheit der Silbentrennung zwischen Deutschem und Romanischem, vgl. Beiheft 27, S. 169. driza pack dich fort (§ 23); raza das, ob es von g e n e r a t i o kommt (Salvioni, Rom. XXXI, 287) oder nicht, im Trientinischen 2 zeigt; Skizan quetschen, drücken, bei Muss., Btr. S. 102 schizar zerdrücken „fast in allen Mundarten gebräuchlich"; ikrizegett kritzeln, schreiben, schrill tönen, venez. scrizzolar, scrizzar, si dice dilformal quel suono che esce dal pane fresco usw.; itrapazarn; iaza; tpzan klappsen, bei Schneller, Md. S. 206 iozzar stofsen, friaul. stozza stofsen, dann tpz Klapps. Diese eben gezeichnete Entwicklung des stimmlosen f in Wortund Silbenanlaut tritt aber erst in einer späteren Wortschicht auf; daneben haben wir eine Reihe von Wörtern, die eine ältere Lautstufe darstellen. Unsere Lehnwörter nun lehren uns, d a f s d i e V o r stufe der f - L a u t e auf dem v e n e t i s c h e n F e s t l a n d e nicht die entsprechenden venezianischen z-Laute waren, sondern d a f s d e n h e u t i g e n ¿ - L a u t e n d i e s p i r a n t i s c h e n L a u t e J>, bzw. & v o r a n g i n g e n . Der gröfste Teil des venetischen Festlandes hat ursprünglich z nicht gekannt, der entsprechende Laut war das rätoromanische t. D a n n kam von Venedig und Mailand
4» her die Sprachwelle, die den fremden Laut 2 einführen sollte. Die einheimische Bevölkerung aber glaubte, den fremden Laut dadurch wiederzugeben, dafs sie den Zungenverschlufs bei der Artikulation des eigenen Lautes l aufgab (vgl. darüber Einführung, S. 65, 66). Durch eine gleichzeitige Vorschiebung der Engenbildung entstanden so die spirantischen Laute ]) und d, aus denen dann, bei Aufgabe der Engenbildung, die heutigen Laute s, i' entstehen mufsten. Die Luserner Bauern jedoch, denen die spirantischen p und