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German Pages 163 Year 1997
STEPHAN HOBE (Hg.)
Die Präambel der UN-Charta im Lichte der aktuellen Völkerrechtsentwicklung
Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von Jost Delbrück Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht
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Völkerrechtlicher Beirat des Instituts:
Daniel Bardonnet
I'Universite de Paris 11
Rudolf Bernhardt Heidelberg
Lucius Caflisch
Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales, Geneve
Antonius Eitel
New York; Bonn
Luigi Ferrari Bravo
Universita di Roma; The Hague
Louis Henkin
Columbia University, New York
Tommy T. B. Koh Singapore
John Norton Moore
University of Virginia, Charlottesville
Fred L. Morrison
University of Minnesota, Minneapolis
Albrecht Randelzhofer
Freie Universität Berlin
Krzysztof Skubiszewski
Polish Academy of Sciences, Warsaw; The Hague
Christian Tomuschat
Humboldt-Universität zu Berlin
Sir Arthur Watts London
Rüdiger Wolfrum
Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg
Die Präambel der UN-Charta im Lichte der aktuellen Völkerrechtsentwicklung
Herausgegeben von
Stephan Hobe
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Die Präambel der UN-Charta im Lichte der aktuellen Völkerrechtsentwicklung I hrsg. von Stephan Hobe. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel; Bd. 120) ISBN 3-428-09003-9 NE: Hobe, Stephan [Hrsg.]; Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht (Kiel): Veröffentlichungen des WaltherSchücking-Instituts ...
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7263 ISBN 3-428-09003-9
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Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Vorwort Der Präambel der Charta der Vereinten Nationen ist in der Praxis wie auch in der wissenschaftlichen Behandlung eine bislang eher untergeordnete Bedeutung zuteil geworden. Dennoch erweist sich, daß in ihr ein sprachlich zwar bewußt weit gehaltenes, indes normativ voll verbindliches Programm des Friedens als Rechtsordnung entworfen wird. Dies kann nicht nur als Leitmotiv der Charta, sondern auch als Leitmotiv des Handelns der Vereinten Nationen in dem halben Jahrhundert ihres Bestehens angesehen werden. Die durch die Präambel der Charta geweckten Aspirationen in der Perspektive nachfolgender 50jähriger Realisierung zu betrachten, war Thema des Symposiums, welches am 4. November 1995 am Walther-Schücking-Institut rur Internationales Recht an der Universität Kiel aus Anlaß des 60. Geburtstages seines Direktors, Professor Dr. Jos! Delbrück, stattfand. Die Veröffentlichung der Beiträge der Freunde und Schüler Jos! Delbrücks soll nunmehr Gelegenheit bieten, Chartaanspruch und dessen faktische Realisierung in den letzten 50 Jahren unter eben jenem Aspekt zu vergleichen, der auch fiir das wissenschaftliche Wirken Jos! Delbrücks maßgebend war und ist: der Konstituierung des Friedens als Rechts~ ordnung. Den Grundstock rur die Veröffentlichung legte ein großzügiger Druckkostenzuschuß des Auswärtigen Amtes. Hierrur sei herzlich Dank gesagt.
Kiel, im Juli 1996
Stephan Hobe
Inhaltsverzeichnis Die ethischen Grundaussagen der Präambel der UN-Charta: Friede, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Toleranz .
Trutz Rendtorff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . .
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Funktion und Bedeutung der Präambel der UN-Charta: Programm des Friedens als Rechtsordnung
Karl-Ulrich Meyn
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Wir, die Völker der Vereinten Nationen -fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, ...
Eibe Riedel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wir, die Völker der Vereinten Nationen - fest entschlossen, unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen, ...
Klaus Dicke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wir, die Völker der Vereinten Nationen - fest entschlossen, Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können, ...
Stephan Habe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wir, die Völker der Vereinten Nationen - fest entschlossen, den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern, ...
Ursula E. Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Die Präambel der Charta der Vereinten Nationen und der friedliche Wandel
Hans-Joachim Schütz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang: Dokumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Preamble to the Charter ofthe United Nations .........................
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United Nations General Assembly: Resolution 2542 (XXIV) . . . . . . . . . . . . . .
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United Nations General Assembly: Resolution 3281 (XXIX) - Charter ofEconomic Rights and Duties of States . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Statement by the President ofthe Security Council .....................
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United Nations Secretary-General: An Agenda for Peace . . . . . . . . . . . . . . . . .
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United Nations General Assembly: Resolution 50/6 - DecIru:ation on the Occasi on ofthe Fiftieth Anniversary ofthe United Nations. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die ethischen Grundaussagen der Präambel der UN-Charta: Friede, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Toleranz Trutz Rendtorff"
1. Ethik lebt aus Erfahrung, ohne Erfahrung bleibt Ethik abstrakt.
Biographische Annäherung an das Thema!
Wer 1945, im Gründungsjahr der Vereinten Nationen, sein 10. Lebensjahr vollendete, hatte wohl schon genug eigene Lebenserfahrung erworben, um für sein weiteres Leben ein Empfmden zu bewahren für den Geist, in dem die Charta der United Nations in der Präambel von der "Geißel des Krieges" spricht. 2 Die Generation der Eltern konnte das ganze Ausmaß der "Geißel des Krieges" bezeugen, die ,,zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat". Aber auch einmal zu eigenen Lebenzeiten reicht schon hin, um die Entschlossenheit nachempfmden zu können, mit der die Verfasser der Charta ihren Willen bekundeten, "künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren". Kein hohles Pathos, nein, eine durch und durch reale Erfahrung ist es, was in den Eingangsworten der Präambel zum Ausdruck kommt. Moral und Ethos der Vereinten Nationen sind allerdings dem Zynismus ausgesetzt, der sich an der schier unendlichen Wiederholung ihrer ethischen Prinzipien bei gleichzeitiger sich summierender Schwäche ihrer Verwirklichung nährt. Schon im Gründungsjahr der UN begannen die Konturen des neuen kriegerischen Konfliktpotentials zwischen Ost und West sich abzuzeichnen. Der fünfzehnjährige heranwachsende Schüler erlebte, wie in der Welt der Erwachsenen die • Prof. Dr. Dr. h. c. Trutz Rendtorff, Professor für Systematische Theologie an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität München. ! Die folgenden Anspielungen auf den im Jahre 1935 geborenen Jost Delbrück verbinden das Thema mit dem Anlaß des Symposiums. 2 Der Text der Charta der Vereinten Nationen wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird zitiert nach Bruno SimmalUlrich Fastenrath (Hg.), Menschenrechte - Ihr internationaler Schutz, 3. Autl, München 1992.
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Trutz Rendtorff
Möglichkeit eines Dritten Weltkrieges 1950 schon wieder unabwendbar erschien. In den Tanzsälen wurde der Modetanz Samba mit dem Absingen von "Ei, ei, ei Maria - der Krieg kommt immer näher" begleitet. Der große Konflikt wurde gebannt, nicht zuletzt durch die Erfindung des virtuellen Krieges, der gegenüber dem kriegerischen Realkonflikt ganz andere theoretische, konzeptionelle Anstrengungen des politischen Denkens und des ethischen Bewußtseins forderte. Das hat diese Nachkriegsgeneration über Jahrzehnte intensiv beansprucht. Das Völkerrecht war rur den sich bildenden Wissenschaftler der Haftpunkt zur Formierung des eigenen politischen Bewußtseins. Die Überwindung kriegerischer Gewaltkonflikte zwischen den Völkern durch das Ethos des Rechtes mit zu formulieren und zu konkretisieren, das verleiht der wissenschaftlichen Karriere ihr moralisches Gewicht. Auf dem Höhepunkt der Ost-West-Auseinandersetzung, in den achtziger Jahren, findet sich der nunmehr im runften Lebensjahrzehnt stehende Völkerrechtswissenschaftler beteiligt an der intellektuellen Zerreißprobe zwischen fundamentaler moralischer Kritik und rational begründeter ethischer Rechtfertigung der Verhinderung des Umschlages eines kalten, virtuellen Krieges in einen heißen realen Krieg durch die Mittel der nuklearen Abschreckung3 • In den Köpfen der Strategen und Politiker muß der Wandel statthaben: Von der Lehre vom ,gerechten Krieg' hin zu der Konzeption eines Friedens durchs Recht4 •
3 Jost Delbrück, Eine internationale Friedensordnung als rechtliche und politische Gestaltungsaufgabe - Zum Verständnis rechtlicher und politischer Bedingungen der Friedenssicherung im internationalen System der Gegenwart, in: ders., Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung (hg. von Klaus DickelStephan HobelKarl-Ulrich Meyn/ Eibe RiedellHans-Joachim Schütz), Berlin 1996,254 - 274; ders., Die Entwicklung außerrechtlicher internationaler Verhaltensnormen unter den Bedingungen nuklearer Abschrekkung, in: Nerlich. UwelRendtorff, Trutz (Hg.), Nukleare Abschreckung - Politische und ethische Interpretationen einer neuen Realität, Baden-Baden 1989,353 - 377, sowie ders.l Klaus Dicke, Zur Konstitition des Friedens als Rechtsordnung, in: Nerlich/Rendtorff(Hg.), op cit., 797 - 818. 4 Jost Delbrück, Von der Friedenshoffnung zur Friedensordnung Das Völkerrecht und die Friedensdiskussion der Gegenwart, in: Verhandlungen der Synode der Nordelbischen EV.-Luth. Kirche in Rendsburg, 1983, 99 - 119; ders., Christliche Fried!!nsethik und die Lehre vom gerechten Krieg in völkerrechtlicher Sicht, in: Lohse, Eduard/Wilckens, Ulrich (Hg.), Gottes Friede den Völkern, Hannover 1984,49 - 62 (= The Christi an Peace Ethic and the Doctrine of lust War from the point ofView ofInternational Law, in: GYIL 28 (1985), 194 - 208.
Die ethischen Grundaussagen der Präambel der UN-Charta
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Das zwar erhoffte, aber doch unverhoffte Ende der Konfrontation tritt 1989/ 1990 ein: Das Ende einer Epoche, die im Grunde 75 Jahre, die Zeit von 1914 bis 1989 umfaßt. Den nunmehr im sechsten Lebensjahrzehnt wirkenden Gelehrten, politischen Bürger, Protestanten bewegt die Chance dieser Wende. Die kopernikanische Wende, die im Völkerrecht schon begrifllich vollzogen und virtuell präsent ist, kann sie und soll sie jetzt nicht endlich dauerhaft institutionalisiert werden? Die Überwindung des Gewaltkonfliktes unter Völkern durch die "Rule ofLaw"? Die Ächtung des Krieges mit Texten umzusetzen in die Substitution des Handelns nach Maßstäben militärischer Potentiale durch ein politisches Handeln im Maße des Rechtes, das ist die Maxime. Der 60. Geburtstag, der mit den Feiern zum 50. Jahrestag der Gründung der Vereinten Nationen fast zusammenfällt, gibt insofern Grund dazu, diese Chance abzuwägen und das Gelten des Guten mit seinem Widerpart, dem Versagen vor seinem Imperativ, zu vergleichen.
2. Ethische Prinzipien bilden die Tradition, die die Zukunft leiten und orientieren können
Der Charta der Vereinten Nationen liegt eine Philosophie zugrunde, im englischen Verständnis des Wortes Philosophy. Sie beruht auf dem "Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit". Der Deklaration der universalen Menschenrechte von 1948 blieb es vorbehalten, dies im einzelnen zu entfalten und zu konkretisieren. Es ist wohl nicht zu viel gesagt, daß die ethische Konzeption der Menschenrechte das normative Fundament der UN ausmacht. 5 Aus der Perspektive der Ethik, aber nicht nur von ihr her, will ich einen Punkt herausheben: Die Universalität der Basic Rights. Die Universalität ethischer Prinzipien ist ein bevorzugtes, aber auch mit Problemen behaftetes Thema ethischer Theoriediskussionen. Universalitätsansprüche verlangen, sollen sie rational ausgewiesen werden, eine letzte Begründung. Sie werden mit dem Einwand bestritten, sie seien aus einer bestimmten historischen Lage hervorgegangen. Kann, was geschichtlich bedingt ist, zugleich als universal begründet gelten? Die Theoriediskussion führt regelmäßig in den hermeneutischen Zirkel. Im Muster philoso5 Die Diskussion und die problemgeladenen Kontroversen, die sich an diese Grundaussagen der Charta und der Deklaration angeschlossen haben, sollen hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden. Vgl. die Beiträge in: Bruno Simma (Hg.), Charta der Vereinten Nationen, Kommentar, München 1991.
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Trutz Rendtorff
phisch-ethischer Theoriedebatten besagt das Argument der historischen Bedingtheit eines Universalitätsanspruches: Genesis ist keine zureichende Begründung für universale Geltung. Im Kontext internationaler Politik wird dies Argument dazu verwendet, um das Recht anders geprägter kultureller und politischer Traditionen geltend zu machen, auch und gerade da, wo sie dem Grundrecht der Person keine normative Priorität einräumen. 6 Wie sieht das bei dem Text der UN-Charta aus? Die Charta der UN nimmt die Universalität ihrer Prinzipien ganz selbstverständlich in Anspruch. Sie wird nicht begründet, sondern, wie es ausdrücklich heißt, bekräftigt. Der Ausdruck "bekräftigt" verweist darauf, daß diese Grundrechte bereits in Geltung stehen; und dies nicht in einem logischen Sinne, einer rationalen Letztbegründung, sondern in einem geschichtlichen Sinne. Eine Geltung, die bekräftigt wird, beruft sich auf Tradition. Es sind dies die durch die nordamerikanische und die französische Revolution etablierten Überzeugungen und Grundsätze der politischen Kultur. Bekräftigt wird die Tradition, um sie neu in Geltung zu setzen, auf dem Grunde neuer geschichtlicher Erfahrung des Jahrhunderts und in Kraft neuer Bewertung der Geschichte, deren Ende schon voreilig ausgerufen wurde. Ich möchte das Problemfeld von Genesis und Geltung, von ethischen Prinzipien und geschichtlicher Erfahrung in dreifacher Hinsicht diskutieren, deren Umrisse ein wenig wie These, Antithese und Synthese aufgefaßt werden können. Zunächst werde ich die Begründung und Geltung der universalen ethischen Prinzipien der Vereinten Nationen erörtern als einen Fall der Begründung ethischer Grundsätze überhaupt. Dabei soll der Zusammenhang zwischen dem ethischen Diskurs und dem in der Völkerrechtswissenschaft geruhrten Diskurs in den Blick kommen. Das Bindeglied ist das Konzept der Persönlichkeit. Ethische Prinzipien werden proklamiert in der Absicht, ihre pragmatische Verwirklichung in Gang zu setzen. Die UN wurden gegründet als eine Organisation, um rur "die Erreichung dieser Ziele zusammenzuwirken".7 In einer zweiten Hinsicht soll diskutiert werden, ob die Organisationsform der UN tendenziell der universalen Geltung ihrer Prinzipien widerspricht. Wie verhält sich das Prinzip der
6 Vgl. dazu Mev; L. Stackhouse, Creeds, Society and Human Rights. A Study in Three Cultures, Grand Rapids, Michigan 1984. Jüngstes Dokument für die Kontroverse ist das Weißbuch China. 7 Charta der VN vom 26. Juni 1945, Ailm. 2, I.
Die ethischen Grundaussagen der Präambel der UN-Charta
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Selbstbestimmung der in den UN zusammenwirkenden Staaten zu dem Prinzip der Menschenwürde und der Menschenrechte? In einem dritten Argumentationsgang wird davon zu sprechen sein, wie die historische Begründetheit ethischer Grundsätze mit der Universalität ihres Anspruches vermittelt werden kann bzw. tatsächlich vermittelt wird. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus fUr Bedeutung und Funktion des Rechts im Zusammenwirken der internationalen Staatengemeinschaft?
3. Das ethische Prinzip der Menschenwürde fungiert im Erfahrungsraum der Moderne als kritisches Korrektiv staatlicher Machtausübung. Am Ende des 20. Jahrhunderts kommt es darauf an, die Geltung der Menschenrechte als Handlungsnorm der internationalen Staatengemeinschaft durchzusetzen
Das mir gestellte Thema fUhrt als ethische Grundaussagen der Charta der UN vier Begriffe auf: Frieden, Gerechtigkeit, Menschenwürde und Toleranz. Die beiden ersten, Pax et Justitia, gehören zum Grundbestand der Rechtslehre und der Sozialethik. Sie sind aus antiker Tradition vom Christentum übernommen und über die Aufklärung in säkularer Weise in die Modeme tradiert. Friede und Gerechtigkeit bilden das Reservoir basaler Ordnungskonzeptionen des Politischen. Die beiden anderen Begriffe - Menschenwürde und Toleranz - sind ebenfalls nicht ohne Bezug zu antik-christlichen Tradition. Doch haben sie erst nach der Reformation des 16. Jahrhunderts ihren Aufstieg in die Sozialethik und politische Theorie und Rechtsbildung genommen. Die Folgen der Kirchenspaltung erbrachten die Nötigung, Pax et Justitia über das Corpus christianum hinaus neu zu formulieren. Menschenwürde und Toleranz sind Begriffe, in denen Unterscheidungen und Differenzen gegenüber politischer und kirchlicher Autorität nach Anerkennung und konstruktiver Integration suchen. Zuerst im Kontext innerstaatlichen Rechtes und dann auch des Völkerrechtes üben Menschenwürde und Toleranz eine kritische, dynamische und verändernde Funktion aus. Erster Adressat ihres Anspruches waren die Inhaber staatlicher Gewalt. Die Verfassung moderner Staaten ist durch die Aufgabe bestimmt, staatliche Ordnung in Theorie und Praxis von der Anerkennung der Menschenwürde her und durch sie normiert zu konzipieren. Das soll als historische Erinnerung genügen. 8 8 Vgl. zum Ganzen Ernst-Wolfgang BäckenfärdelRobert Spaemann (Hg.), Menschenrechte und Menschenwürde. Historische Voraussetzungen - säkulare Gestalt - christli-
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Trutz Rendtorff
Die Debatte um die universale Geltung der Menschenwürde als Grundrecht und Wert der menschlichen Persönlichkeit hat exemplarische Bedeutung fUr die Rolle ethischer Überzeugungen in Staat, Recht und Politik. Der entscheidende Punkt, auf den es ankommt, ist dieser: Die Geltung der Menschenwürde folgt nicht erst aus der Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Gesellschaft bzw. Rechtsgemeinschaft. Die Würde und Freiheit der Person gilt unabhängig von solcher Zugehörigkeit und ist ihr vorgeordnet; insofern soll sie aus eigenen Gründen anerkannt werden. Als Grundrecht ist sie mit dem Menschen selbst gegeben. "Der Mensch gilt so, weil er Mensch ist, nicht weil er Jude, Katholik, Protestant, Deutscher, Italiener usf. ist. Dies Bewußtsein, dem der Gedanke gilt, ist von unendlicher Wichtigkeit". 9 Hegels Diktum aus der Rechtsphilosophie hat zum Inhalt: Die Idee des Rechts kann nur zusammen mit dem Begriff der Person gedacht werden. Die allgemeine Geltung beider, Recht und Person, in ihrem systematischen Zusammenhang macht den Bestand dessen aus, was Hegel die Sittlichkeit nennt. Die Lebensform der Sittlichkeit aber sind Institutionen. Die Menschenwürde gehört zum Menschen nicht wie ein Besitz, ein Eigentum, über das die Person verfUgt und über das deswegen niemand anders verfUgen soll. Das Eigentumsrecht ist als Rechtsfigur eine Konsequenz aus der Idee der Menschenwürde bzw. der Person. Die Menschenwürde steht und fällt auch nicht mit der Stärke oder Schwäche des Individuums, als habe dieses mehr Würde, je stärker und mächtiger es sei, und entsprechend weniger, wenn es materiell schwach oder ohnmächtig ist. IO Die Menschenwürde ist gegeben mit dem Menschen selbst; sie ist aufgegeben im Verhältnis der Menschen untereinander. Als Aufgabe soll sie präsent sein im Bewußtsein der Beziehung unter Menschen als die von Personen; denn nur in dieser Beziehung spielt das Personsein die ihm zukommende Rolle. Die allgemeine Form aber dieser Beziehung ist die Form des Rechts. Die Idee der Menschenwürde, der Gedanke der Person steht in Geltung, wo sie als ethischer Auftrag begriffen wird und um dieser Aufgabe willen die Achtung der Menschenwürde die Form eines Rechtsauftrags erhält. Die Geltung der Menches Verständnis, Stuttgart 1987. 9 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 209, Sämtl. Werke hrsg. von 1. Hoffmeister, Bd. XII, Hamburg 1955, 180. 10 Vgl. dazu Trutz Rendtorff, Menschenrechte und Rechtfertigung, in: Dieter Henke u. a. (Hg.), Der Wirklichkeitsanspruch von Theologie und Religion, Tübingen 1976.
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schenWÜTde ist insofern an die Genesis des Bewußtseins der Würde der Person gebunden, eine Genesis in Form eines Bewußtwerdens, das selbst schon das Wissen um die Personalität voraussetzt und darum in Anspruch nehmen kann. Fragen dieser systematisch-fundamentalen Art sind also mit dem Problem der Geltung des ethischen Prinzips der Menschenwürde verbunden. Sie sind implizit auch in den praktischen Fragen der Durchsetzung dieses ethischen Prinzips präsent. Denn der Widerstand gegen ihre Durchsetzung speist sich aus Traditionen, die den allgemeinen Gehalt der Menschenwürde zugunsten bestimmer opportuner Bedingungen zu relativieren, zu ermäßigen oder gar außer acht zu lassen geneigt machen, seien es Bedingungen der Volkszugehörigkeit, ökonomische Interessen oder territoriale Machtansprüche. Ich möchte das Problem, wie der Anspruch universaler Geltung unter Bedingungen des historischen Bewußtseins zu diskutieren ist, an einem Exempel der Religionstheorie austUhren. Dazu mache ich einen kleinen Exkurs. In seinem berühmten Vortrag über "Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte" hat Ernst Troeltsch das Problem wie folgt entfaltet: J J Der absolute Geltungsanspruch des Christentums könne nur relativ zur Geschichte des Christentums begründet werden. Die dogmatische Behauptung einer ahistorischen, insofern also absoluten Geltung der christlichen Wahrheit lasse sich mit den Mitteln geschichtlichen Denkens wissenschaftlich nicht erweisen. Und es sei schlechte Apologetik, den Wahrheitsanspruch der historischen Dogmatik gegen die Erkenntnismethoden der Historie unverändert weiter zu behaupten. Ernst Troeltsch hat indessen den Weg beschritten, die Geltungsfrage über einen geschichtlichen Vergleich der Religionen mit der historischen Genesis zu verbinden. Ich kann seine damals aufsehenerregende Argumentation hier nicht detailliert wiedergeben. Im Ergebnis des Religionsvergleiches kommt Troeltsch zu einer historisch-komparatistisch begründeten Konzeption für die Geltung des Christentums. Er kleidet sie in den Ausdruck der - relativen - Höchstgeltung des Christentums. Ist das eine für unser Thema exemplarische These? Troeltsch begründet die Höchstgeltung des Christentums damit: Allein im Christentum sei es im Vergleich der Religionen zur Ausbildung des Gedankens der Persönlichkeit gekommen, dem Bewußtsein der je besonderen, einzigartigen Individualität der Person. Es sei darum der Gedanke der individuellen Persönlichkeit das spezifische Formprinzip der Welt des Christentums. Die Selbständigkeit J J Erwin Troeltsch, Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte (1902,3. Aufl. 1925), Neuausgabe, Hamburg 1969.
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der Religion sei deswegen nicht in bestimmten dogmatischen Lehren der Kirche zu fassen; sie sei vielmehr der Sache nach wahr immer nur vermittelt mit der unbedingten Eigenständigkeit der Persönlichkeit. 12 Kurz zuvor hatte Georg Je/linek in seiner ebenfalls berühmt gewordenen Abhandlung über die Entstehung der Menschenrechte den Nachweis zu filhren unternommen, IJ daß die Religionsfreiheit den systematischen Bezugspunkt filr die Proklamation der Menschenrechte in der nordamerikanischen Bill of Rights gebildet habe. Die Auseinandersetzung um Troeltsch in der Theologie und Religionsphilosophie einerseits und um Je/lineks These in der Geschichtswissenschaft und der Rechtsgeschichte andererseits 14 lasse ich jetzt dahingestellt. Will man filr die Dynamik, die von dem Gedanken der Menschenwürde als Grundrecht der Person ausgegangen ist und weiter ausgeht, eine Erkläung bereitstellen, dann wird man weder mit den alten Freiheiten der Vomeuzeit noch mit den Eigentumstiteln des Besitzbürgers - um nur zwei prominente Kandidaten zu nennen - zufrieden sein können. Die Erklärung muß vielmehr einen Kemgedanken namhaft machen, der aus sich heraus einen historisch vorgegebenen und institutionell vordefinierten Kanon von Recht und Institution transzendiert; und, was noch wichtiger ist, der auch gegenüber jeder abschließenden inhaltlichen Festlegung offen ist und bleibt. Religionsfreiheit einerseits und der Gedanke der Persönlichkeit andererseits geben diesem Kemgedanken signifikanten Ausdruck. Sie bedingen sich gegenseitig. Religion, die mehr und anderes ist als gesellschaftliche Konvention und materialisierte kirchliche Institution, nämlich persönlicher Glaube und innere Überzeugung, kann per defmitonem nicht erzwungen werden. Darum ist Religionsfreiheit das erste und primäre Menschenrecht. Diese, die unbedingte Religionsfreiheit, kann als Anspruch und Zumutung nur geltend gemacht werden, wenn die Religion selbst als letzte Instanz von Verbindlichkeit nach Theorie und Praxis die ethische Bildung der Person in einem emphatischen kontrafaktischen Sinne von Freiheit zum Inhalt hat. Je/linekund Troeltsch haben zu ihrer Zeit und jeder auf seine Weise Geltungsgründe für die Menschenwürde namhaft gemacht angesichts des steigenden Be12 Dazu vgl. Trutz RendtorjJ, Religiöser Pluralismus und die Absolutheit des Christentums, in: ders., Theologie in der Modeme, Gütersloh 1991,72 ff. 13 Georg Jellinek, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 1895, nach der vierten Auflage von 1927 wieder abgedruckt in: Roman Schnur (Hg.), Zur Erklärung der Menschenrechte, Darmstadt 1964, 1 ff. 14 Vgl. dazu die Auseinandersetzung, die exemplarisch in den Texten zu finden ist, in Anm.13.
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wußtseins soziologisch-struktureller Bedingtheiten der modemen Gesellschaft und politisch-nationalstaatlicher Machtentfaltung. Das geschah in einer Bewußtseinslage, von der Max Weber in anderem Zusammenhang bemerkte, die Zeitgenossen könnten sich die historisch wirksame Relevanz von religiösen Überzeugungen kaum noch vorstellen. 15 In der Tat, der Zusammenhang zwischen prinzipiellen ethischen und religiösen Prinzipien und politisch-gesellschaftlichen Realitäten ist in der skeptischen Modeme umstritten. Was dem Gedanken nach Geltung beansprucht, steht damit noch nicht in Geltung. Doch besteht immer auch die Möglichkeit, daß das, was gelten soll, eine neue Genesis anstößt und in Gang setzt: Wie zum Beispiel die Entstehung der Vereinten Nationen und die mit ihr verbundene Entwicklung des Völkerrechts.
4. Die Realisierung ethischer Prinzipien hängt zusammen mit der Form der politischen Organisation. Darum ist zu fragen: Entspricht die Organisation der UN zureichend den Prinzipien der Menschenrechte?
Die Charta der Vereinten Nationen führt im unmittelbaren Anschluß an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit weiterhin auf die "Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein". Die Charta setzt die Grundrechte der menschlichen Persönlichkeit semantisch gleich mit der Gleichberechtigung der Nationen "ob groß oder klein". Was folgt daraus? Die ethische wie politische Form aktiver Wahrnehmung von Menschenwürde verbindet sich mit der Kategorie der Selbstbestimmung. Das liegt in der Logik der Idee der Persönlichkeit. Ist diese an keine bestimmten inhaltlichen und historischen Vorbedingungen und Vorgaben gebunden, dann kann sie als bestimmte Persönlichkeit nur über die Selbstbestimmung sich bilden: Geltung durch Autonomie. Für die Vereinten Nationen als Organisation von Staaten, als die vielgenannte Staatengemeinschaft, hat dies eine ambivalente Konsequenz. Mit derselben Logik, mit der die Anerkennung der vorstaatlichen Menschenwürde aus dem Gedanken der selbständigen Persönlichkeit folgt, kommt es auf der Ebene der politi15 Max Weber, Die protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus (1904/05). Der Text ist jetzt zusammen mit den Veränderungen der 2. Auflage von 1920 neu herausgegeben worden von Klaus Lichtblau und Johannes Weiß in: Neue Wissenschaftliche Bibliothek, Hain Hanstein 1993. Weber äußert dazu sich am Ende der zweiten Abhandlung (a.a.O., 155).
2 UN·Sbd.
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schen Organisation zu dem Postulat der Anerkennung der Selbständigkeit der in der UN zusammengeschlossenen Staaten. Damit ist in der Organisation der UN, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, ein Konflikt mit der Universalität der Menschenrechte angelegt, der den Nucleus vieler Probleme enthält, die heute, nach 50 Jahren, die Diskussion über die Vereinten Nationen, ihre künftigen Aufgaben und ihre Funktionsflihigkeit betreffen. Kurz und knapp gesagt: Gleichberechtigung der Nationen funktioniert praktisch via Selbstbestimmung. Vordergründig folgt daraus für die Organisation der UN als Versammlung gleichberechtigter Staaten, daß jedes Mitglied, ob klein oder groß, die gleiche Stimme in der Vollversammlung hat. Aber mehr noch und gewichtiger: Gleichberechtigung als Selbstbestimmung der Mitgliedsstaaten bedeutet, daß die Anerkennung der Menschenrechte im innerstaatlichen Verhältnis der Mitglieder der UN zu einer nachgeordneten Kategorie nationalstaatlicher Selbstbestimmung wird. Die nicht gerade kleine Zahl der Mitglieder der Organisation, die keine Anerkennung der universalen Prinzipien der Menschenrechte bei sich praktizieren (um es möglichst neutral auszudrücken), spricht hier eine deutliche Sprache. Im Namen der Selbstbestimmung wird eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurückgewiesen. Nicht Menschenrechte, sondern beschränkt qualifizierte Bürgerrechte nach Maßgabe der jeweiligen Verfaßtheit der Staaten - da ist mancherlei Mißachtung von Menschenrechten möglich und wirklich. Der Hiatus, der sich zwischen der vorstaatlichen Geltung und Anerkennung der Menschenwürde und der Selbstbestimmung der in der Organisation der Vereinten Nationen versammelten Staaten auftut, ist Gegenstand intensiver Arbeit an der Durchsetzung und Implementierung von Menschenrechten, worüber ich in diesem Kreise keine großen Ausführungen machen muß. Die praktischen Hinweise stehen in direktem Zusammenhang mit den konzeptionellen ethischen Problemen der Organisation als Zusammenschluß selbstbestimmter Nationalstaaten, ob groß oder klein, ob menschenrechtsfreundlich oder abstinent. Die gedankliche Gleichstellung des Grundrechtes der Menschenwürde der Persönlichkeit mit der Gleichberechtigung der Nationen kann dazu führen, daß das eine, die Menschenwürde der Person, durch das andere, die Selbstbestimmung der Einzelstaaten, relativiert und ausgespielt wird. Mit dem Prinzip der staatlichen Selbstbestimmung dürfte auch, direkt oder indirekt, das Problem der Handlungsfahigkeit der UN zusammenhängen. Die Subjekte, die die UN als Organisation ausmachen und bestimmen, sind je sich selbst bestimmende Einzelstaaten. Es ist nur konsequent, wenn diese Subjekte die UN als Bühne für die Promotion ihrer nationalen Interessen betrachten und sich dabei noch des moralischen
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Kapitals der menschenrechtlichen Begründung von Selbstbestimmung bedienen. Fragen der Organisation haben sehr wohl mit ethisch-konzeptionellen Fragen zu tun! Betrachtet man dieses Problem aus der Sicht der ethischen Theorie, so zeigt sich ein Konflikt im Verständnis von Selbstbestimmung. Selbstbestimmung ist ein Teilprinzip der Menschenwürde als Grundrecht der Persönlichkeit. Wird Menschenwürde als Menschenrecht über Selbstbestimmung effektuiert, dann tritt ein Konflikt auf im Verhältnis von Selbstbestimmungen untereinander. Selbstbestimmung auf Kosten oder zu Lasten anderer hebt die ethische Begründetheit von Selbstbestimmung wieder auf. Das Problem ist seit Kants ethischer Theorie sittlicher Autonomie bekannt. Kant hat dafür das Postulat der Kompatibilität der eigenen Freiheit mit der Freiheit aller anderen entwickelt. 16 Die Verallgemeinerungsfähigkeit von Selbstbestimmung und Freiheit hat die Achtung der Freiheit aller anderen zur Bedingung. Die Grenzen von Selbstbestimmung werden durch das ethische Prinzip der Toleranz zum Ausdruck gebracht. Toleranz ist ebenfalls ein Teilprinzip der Menschenwürde. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 1995 zum Jahr der Toleranz erklärt. An den dafür vorgelegten Texten 11 ist zweierlei bemerkenswert: Zum einen werden durchgehend die Differenzen thematisiert, die der konkrete Stoff von Toleranz sind. "While all are equal in dignity, all are different in terms of ..."! Diese Formulierung ist ein schönes Exempel für die Spannung zwischen Genesis und Geltung. Alle sind gleich in Würde: Diese Formulierung repräsentiert die universale Geltung. Alle sind verschieden: Diese Formulierung repräsentiert die historisch kulturelle Genese der Verfaßtheit, in der die im Prinzip mit gleicher Würde ausgestatteten Menschen untereinander konfligieren. Zum anderen: Die der Toleranz bedürftigen Differenzen bezeichnen nicht die individuelle Persönlichkeit schlechthin als Träger des Menschenwürdeanspruchs. Es sind Differenzen der sozialen, kulturellen, religiösen und biographischen Welt der Menschen, in der sie als Personen leben. Sie haben insofern mit überindividuellen historisch gebildeten Umständen der Lebensführung zu tun. Diesen Differenzen, die gegenseitige Toleranz verlangen, wird in den UN-Texten der positive Sinn von "enrichment" beigegelegt. Sind im Prinzip alle Differenzen kultureller und historischer Art ethisch gleichwertig gerechtfertigt? Die Arbeitspapiere der 16 Zu Kant sei auf die Darstellung von Ottfried HöjJe, Kant, 2. durchges. Aufl. München 1988, verwiesen. 17 United Nations, General Assembly, Forty-eighth session, Item 115: Human Rights Questions, June 1993.
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UN bzw. der UNESCO sind weitgehend in einer moralischen Sprache verfaßt, die sich an das Verhalten und die Einstellungen von individuellen Personen wenden. Sie reden auf der Ebene der face to face relations. Die strukturelle, institutionelle und politisch rechtliche Perspektive tritt weitgehend zurück. Das verleiht den Texten einen hohen moralischen Appellcharakter, der zugleich die Ohnmacht des bloß Moralischen durchschimmern läßt. Wird die universale Geltung der Menschenwürde auf die Wahrnehmung und Anerkennung von kulturellen, religiösen etc Differenzen hin ausgelegt, dann doch mit dem Ziel, diese konflikthaltigen Differenzen in das Allgemeine von Humanität zu integrieren. Das bedeutet aber Grenzen unmittelbarer Selbstbestimmung. Die Dynamik des Prinzips der Menschenwürde transzendiert die politische und kulturelle Autonomie. Selbstbestimmung und Toleranz als Teilprinzipien der Menschenwürde sind selbst nur gerechtfertigt, wenn sie dem Maßstab der Menschenwürde Genüge tun.
5. Der transnationale, universale Gehalt der Menschenrechte verlangt, Recht als übergeordneten Maßstab legitimer Staatlichkeit anzuerkennen
Die Deklaration zur Toleranz endet mit dem Satz: "Tolerance must be the new name for peace". Frieden, wie auch Gerechtigkeit, sind ethische Grundsätze, die nicht auf Selbstbestimmung zurückgefUhrt werden können. Frieden und Gerechtigkeit zielen auf die societas humana, auf die überindividuelle Gestaltung des Zusammenlebens der Menschen, Gesellschaften, Staaten, auf die Ordnung von Sozialität. Jost Delbrück hat in vielen seiner Beiträge zum Völkerrecht und zur Friedenspolitik die Hoffuung und Erwartung zum Ausdruck gebracht, die sich an die Universalisierung der Rule of Law des Rechts unter den Völkern heftet. IB Ich möchte das von einer anderen Seite her aufnehmen und beleuchten. Angesichts der schönen und wohllautenden Worte der ethischen und moralischen Sprache, über die wir verfUgen (und wahrscheinlich hat noch kein Zeitalter so viel ethische Sprache bemüht wie das gegenwärtige Zeitalter!), und fUr die gerade die Rhetorik der Vereinten Nationen ein reiches Arsenal bereitstellt, drängt sich ja die aporetische Frage auf: Warum gibt es gleichwohl so viel Ungerechtig18 Vgl. dazu Jost Delbrück, Wirksameres Völkerrecht oder neues "Weltinnenrecht"?Perspektiven der Völkerrechtsentwicklung in einem sich wandelnden internationalen System, in: ders., Konstitution, Anm. 3, 318 - 348; sowie ders., Die Universalisierung des Menschenrechtsschutzes: Aspekte der Begründung und Durchsetzbarkeit, in: Albrecht Zunker (Hg.), Weltordnung oder Chaos? Baden-Baden 1993,551 - 576.
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keit, Friedlosigkeit, Elend in der Welt? Weltweite moralische Appelle und ethische Deklarationen erzeugen moralischen Zynismus und ethische Skepsis. Im 17. Jahrhundert, im Anstieg der Aufklärung, die einer von Gott wohlgeordneten Schöpfung nachdachte, wurde die Aporetik angesichts des menschlichen Unglücks in die Theodizeefrage gekleidet. Man könnte heute, angesichts des Anstiegs appellativer ethischer Begriffiichkeit besser und zutreffender von einer Anthropodizeefrage sprechen: Wenn der Mensch sich selbst in die Position der Verantwortung rur sein Geschick gerückt weiß, scheint das Versagen seines moralischen Vermögens aktenkundig zu werden. Das ruhrt zu der Frage nach der Vermittlung zwischen der Geltung ethischer Prinzipien und den Grenzen und der Widersprüchlichkeit moralischen Vermögens. Im Bewußtsein der christlichen Tradition (die Antike eingeschlossen) ist das Recht der Statthalter Gottes auf Erden. Psalm 37, 28: "Der Herr hat das Recht lieb." Über die Bindung an das Recht und durchs Recht hat der einzelne Mensch, die Person Anteil am Allgemeinen der Humanitas. Die Idee der Menschenrechte kann Universalität beanspruchen nicht allein wegen des unbedingten Lebensrechtes des Einzelnen, von dem die einschlägigen Deklarationen sagen, es sei ihm (oder ihr) angeboren. Die Idee der Menschenrechte kann Universalität beanspruchen, weil das Recht die Handlungsform darstellt, in der die dem Menschen als Menschen zugehörige Verantwortung rur seine Welt eine rationale und institutionell dauerhafte Konkretion erhält. Ich gehe von diesen allgemeinen Bemerkungen zurück auf die Charta der Ver~ einten Nationen und auf die Aufgabe der Organisation der Staaten. Die Menschenrechte transzendieren von ihrem Gehalt her die mit ihnen verbundene Selbstbestimmung der Staaten, der Kulturen, der Religionen, nicht nur wegen der Menschenwürde, sondern auch und gerade wegen ihres Rechtscharakters. Schutz und Implementierung der Menschenrechte müssen darum einem transnationalen wie transkulturellen Imperativ folgen. Das kann aber nicht durch ihren ethischen Appellcharakter allein realisiert werden. Dazu bedarf es der Wirkform des Rechts. Die von der Völkerrechtswissenschaft begleiteten Entwicklungen zielen auf ein "wirksames Völkerrrecht"19 hin (z. B. in der Konzeption der Erga-omnes-Verpflichtung). Die "Erweiterung der Verantwortung der Staatengemeinschaft fiir die wirksame Durchsetzung und Einhaltung der Menschenrechte" ruhrt mit innerer 19 lost Delbrück, Die Universalisierung des Menschenrechtsschutzes: Aspekte der Begründung und Durchsetzbarkeit, in: Zunker (Hg.), Anrn. 18.
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Notwendigkeit zu einer "Stärkung internationaler Autorität". Ohne daß ich dafür eine besondere Kompetenz in Anspruch nehmen könnte, möchte ich doch zumindest die Frage aufwerfen, ob die gegenwärtige Organisations form der Vereinten Nationen der damit gestellten internationalen Aufgabe gerecht zu werden vermag. Die Hoffnung auf eine neue Rolle der UN nach dem Ende der Blockade durch den Ost-West-Konflikt wird - im Erfahrungshorizont der internationalen Engagements der UN - mit berechtigten Zweifeln konfrontiert. Vielleicht ist es so: Nicht die Form der Organisation der Staatengemeinschaft sollte den Maßstab für die Möglichkeit und die Grenzen der internationalen Rule of Law bestimmen. Die Aufgabe muß aus ethischen und politischen Gründen anders herum gestellt werden: Welche Form der Organisation internationaler Autorität entspricht am erfolgreichsten der Aufgabe einer wirksamen Durchsetzung und Realisierung der Geltung der Rule of Law? So gefragt, muß nicht unbedingt nur eine, es können auch verschiedene Organisationen und Zusammenschlüsse dafür gebildet und in Anspruch genommen werden. Das normative Kriterium sind nicht die UN als solche, sondern die Aufgabe und die Zielsetzung, aus der sie, aber nicht sie allein, hervorgegangen sind und deren übergeordneter Richtungssinn die Idee des Rechtes für alle Menschen und in allen Staaten abgibt.
6. Noch einmal: Ohne Erfahrung bleibt Ethik abstrakt. Die Erfahrungen, auf die sich die Charta der UN beruft, haben exemplarische Bedeutung für die Menschheit
Die Charta beginnt mit einer geschichtlichen Erinnerung: Vergegenwärtigung des "unsagbaren Leids", das die Geißel des Krieges "über die Menschheit" gebracht hat. Und sie ist formuliert in der Hoffnung, "künftige Geschlechter" davor zu bewahren. Diese geschichtliche Erfahrung gehört unlösbar zur Genesis der Charta und ihrer ethischen Grundaussagen. Und es ist diese Genesis einer Menschheitserfahrung, also einer universalen Geschichte, die die Geltung der Prinzipien für die Menschheit, nämlich die "künftigen Geschlechter" begründet. Was besagt das? Die Geltung wird immer neu bekräftigt durch die ihr entgegenstehenden Erfahrungen. Nicht die Utopie einer vollkommenen Welt ist der ethische Maßstab für Gelingen oder Mißlingen in dieser Aufgabe. Dann nämlich wäre sie von vornherein zum Scheitern verurteilt und der Skepsis des Unendlichen ausgeliefert. Es ist die Erfahrung des Negativums von Leid und Krieg, von Folter und Völkermord, aus der die Vision des Geltungsanspruch der ethischen Prinzipien seine Überzeugungskraft zieht und konkrete, ethische, rechtliche und politische Verantwortung in Anspruch nimmt.
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Wie das zu denken ist, möchte ich an einem Beispiel deutlich machen: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Gesundheitsbegriff formuliert,20 der besagt, Gesundheit sei der Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefmdens. Diese Formulierung mag ein Fortschritt sein gegenüber einem naturwissenschaftlichen Begriff der Krankheit, der sich auf körperliche Störungen allein bezieht. Die Formulierung eines "Zustandes völligen Wohlbefindens" allerdings ist äußerst problematisch; sie macht Gesundheit zu einem Objekt unerfüllbarer Erwartungen, ja sie besagt, daß es letzten Endes keine gesunden Menschen gibt. Dagegen ist ein Begriff der Gesundheit zu stellen, der besagt: Gesundheit ist nicht die Abwesenheit von Störungen. Gesundheit ist die Kraft mit ihnen zu leben und mit Problemen des Lebens selbständig und verantwortlich umzugehen. Ins Allgemeine und Politische übertragen wäre, folgte man der Definition der WHO, die ethische Aufgabe der Politik darin zu sehen, einen Zustand vollkommener störungs- und konfliktfreier Übereinstimmung des Menschen mit sich und seiner Welt zu schaffen - eine Forderung, die im Blick auf die Realität nur denunziatorischen Charakter haben könnte. Dagegen ist zu sagen: Eine menschengerechte Welt ist nicht eine Welt ohne Konflikte und ohne Krisen. Eine menschengerechte Welt ist eine Welt, die die Fähigkeit entwickelt hat, mit Konflikten und Krisen nach dem Maßstabe und der Autorität des Rechtes umzugehen und zu leben. 50 Jahre Vereinte Nationen sind eine Zeit, in der auch gelernt werden konnte, was erwartet werden kann und was gerade nicht erwartet werden sollte. Von den VN erwarten wir genauso wenig Vollkommenheit wie von uns selbst. Wer das 60. Lebensjahr vollendet hat, kann das vielleicht auch von sich selbst sagen.
Summary Peace and justice are historical European social and ethical concepts of the political and legal order. The morally persuasive content ofthe ethical principle of human dignity is of European Christian origin, but only in the modem era has
20 Zur Diskussion des Gesundheitsbegriffs der WHO vgl. Dietrich Räßler, Der Arzt zwischen Technik und Humanität, München 1977, 60 ff., 63. Räß/er stellt dagegen eine Defintion, die auf die politisch-rechtliche Dimension übertragbar ist: "Gesundheit ist nicht die Abwesenheit von Störungen, sondern die Kraft, mit ihnen zu leben."
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been brought, along with tolerance, into political and legal form. The Charter of the United Nations is a continuation ofthis tradition. The question is discussed, how the organization ofthe United Nations relates to the principles ofhuman rights. The organization ofthe United Nations is subservient to the principle of national self-determination. Thus conflict exists between the organization and practice ofthe United Nations and human rights principles. The ethical imperative ofhuman rights, however, is oftransnational character, and the development of law consistent with the concept of human rights must become an effective norm for the constitution and practice of the United Nations.
Funktion und Bedeutung der Präambel der UN-Charta: Programm des Friedens als Rechtsordnung Karl-Ulrich Meyn'
I. Einleitung Die Vereinten Nationen sind jüngst fiinfzig Jahre alt geworden. Damit weisen sie bereits ein doppelt so hohes Lebensalter auf wie ihr Vorgänger, der Völkerbund. Trotz ihrer Unzulänglichkeiten I und einer anhaltenden Reformdiskussion2 sind die Vereinten Nationen aus dem internationalen Gefiige nicht mehr wegzudenken. Vielmehr scheint ihnen angesichts ansteigender globaler Konfliktpotentiale wie Armut, Unterentwicklung, Migration, Terrorismus und nuklearer Proliferation3 sogar wachsende Bedeutung zuzukommen. Die Revitalisierung des Sicherheitsrats nach dem Ende der Ost-IWestkonfrontation bietet außerdem Gelegenheit, den eigentlichen Wirkmechanismen, insbesondere dem System kollektiver Sicherheit4, zum Durchbruch zu verhelfen. 5 • Prof. Dr. Karl-Ulrich Meyn, Professor rur Staats- und Verwaltungsrecht, Verfassungsrecht, Kommunalrecht; Prorektor der Friedrich-Schiller-Universtät Jena. I Zu den ersten Problemen eines Auseinanderklaffens zwischen Anspruch der Charta und Wirklichkeit angesichts des kalten Krieges siehe Jost Delbrück, Die Entwicklung des Verhältnisses von Sicherheitsrat und Vollversammlung der Vereinten Nationen, Kiel 1964, 39 ff. 2 Dazu grundlegend Klaus Dicke, Effizienz und Effektivität internationaler Organisationen, Berlin 1994,359 ff.; ders., Reform der UN, in: Rüdiger Wolfrum (Hg.), Handbuch Vereinte Nationen, 2. Aufl., München 1991, jeweils m.w.N. 3 Dazu etwa Jost Delbrück, Globalization ofLaw, Politics, and Markets Implications for Domestic Law - A European Perspective, Indiana Journal of Global Legal Studies 1993,9, 14 ff. 4 Vgl. dazu Karl-Ulrich Meyn, Das Konzept der kollektiven Sicherheit, in: Klaus-Dieter Schwarz (Hg.), Sicherheitspolitik, 3. Aufl., 1978, 111, 123 f. 5 Dazu mit perspektivischen Betrachtungen zur Entwicklung des Völkerrechts am Ende des 20. Jahrhunderts Jost Delbrück, Wirksameres Völkerrecht oder neues Weltinnenrecht? Perspektiven der Völkerrechtsentwicklung in einem sich wandelnden internationalen Sy-
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Doch was waren die ursprünglichen Vorstellungen der Gründer der Organisation? Die Präambel gibt in gewisser Weise ein Vorstellungsbild von diesen Aspirationen; sie kann Aufschluß über das hinter der Organisation stehende Konzept geben. Erstaunlicherweise hat die Präambel der UNO-Charta allerdings in der 50jährigen Geschichte der Vereinten Nationen eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt. 6 Ob dies berechtigt ist, wird sich am Ende der nachfolgenden Untersuchung erweisen. Diese wird sich nach einem Blick auf die Entstehungsgeschichte (11.) zunächst mit der Rechtsnatur der Präambel (III.) und sodann mit den in ihr enthaltenen inhaltlichen Aussagen zu befassen haben.
11. Entstehungsgeschichte Der Völkerbundssatzung hatte eine Präambel vorangestanden, die sich - im wesentlichen das Werk des amerikanischen Präsidenten Wilson - in äußerst präziser Diktion um die Formulierung des Aufgabenkreises der neu entstehenden Organisation bemüht hatte. Sie hatte ihn mit der "Förderung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit und Friedenssicherung" umrissen. 7 Die Formulierung war pragmatisch gehalten und hatte auf jeden emotionalen Appell verzichtet. Insbesondere benannte sie mit dem nachfolgenden Hinweis auf das partielle Kriegsverbot und auf die angestrebte strikte Rechtsbindung der Organisation in einer filr eine Präambel überraschend präzisen Form grundlegende Elemente des zwischenstaatlichen Verhaltens, welche bereits das legalistische Grundverständnis der OrganisationS andeuteten. 9 Daß es fur die Charta der Organisation der Vereinten Nationen überhaupt zur Aufnahme einer Präambel kam, ist im wesentlichen der Initiative des südafrikanischen Feldmarschalls Jan Smuts zu verdanken. 10 Noch die Dumbarton Oaks-Vorstern, in: ders., Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung (hg. von Klaus Dicke/ Stephan Hobe/Karl-Ulrich Meyn/Eibe Riedel/Hans-Joachim Schütz), Berlin 1996, 318, 320 ff. 6 Rüdiger Wolfrum, Preamble, in: Bruno Simma et al. (eds.), UN Charter Cornrnentary, München 1994, Rz. 13. 7 Zur Entstehungsgeschichte siehe Walther Schücking/Hans Wehberg, Die Satzung des Völkerbundes, 3. Aufl., l. Bd., Berlin 1931,232 f. 8 Dazu Jost Delbrück, Peacekeeping by the United Nations and the Rule of Law, in: ders., Konstitution, Anrn. 5, 293, 300 ff. 9 Siehe dazu Stephan Hobe, ". .. Bedingungen zu schaffen", infra, 68 ff. 10 Sein Präambelentwurffindet sich in UNCIO Docurnents, vol. 6, LondonlNew York 1945, 277. Siehe zum Beitrag von Smuts die Würdigung von Christof Heyns, The Pream-
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schläge hatten keine solche Präambel vorgesehen, und statt dessen in ihren ersten beiden Kapiteln Bestimmungen enthalten, die man normalerweise schon in einer Praämbel erwartet. 11 Dagegen war in dem Formulierungsvorschlag von Smuts die endgültige Fassung der Präambel bereits im wesentlichen enthalten. 12 Hinzu trat die Bezugnahme auf den Willen der Völker ("We, the Peoples ofthe United Nations ..."), die auf amerikanischen Vorschlag in die Präambel aufgenommen wurde l3 • Die von moralischem Pathos getragenen Formulierungen Smuts' wurden weitgehend übernommen, ohne daß eine Feinabstimmung mit den in den Artikeln 1 und 2 enthaltenen Zielen und Prinzipien der neugeschaffenen Organisation stattgefunden hätte. 14 Dies geht besonders deutlich aus den Äußerungen des Technischen Komitees hervor, das für die Abfassung des endgültigen Chartatextes zuständig war. Das Komitee versuchte immerhin, eine Unterscheidung zwischen Präambel einerseits sowie den Art. 1 und 2 andererseits aufzuzeigen, indem der Präambel die Darlegung der "erklärten gemeinsamen Absichten" zugemessen wurde, während in Art. 1 die Formulierung der "raison d'etre" der Organisation und in Art. 2 die Kennzeichnung der "Methoden zur Erreichung der Zweckbestimmung der Organisation" gesehen wird. 1s Letztlich gelingt aber auch dem Technischen Komitee die Ziehung klarer Grenzlinien nicht. Weiterhin bestehende Interpretationsschwierigkeiten haben hier eine ihrer Ursachen, denn es erscheint kaum möglich, die Präambel losgelöst von den Art. 1 und 2 zu betrachten. Die Präambel wurde der Charta zwar zu einem späten Zeitpunkt, aber eben doch in einem sehr bewußten Akt als integrierender Bestandteil vorangestellt, so daß sich ihr Bedeutungsgehalt vornehmlich in einer kontextuellen Betrachtungsweise mit den Art. 1 und 2 erschließt. 16 Wenn ihre besondere Relevanz neben den in Art. 1 der Charta festgehaltenen Zielen schon in San Francisco besonders her-
b1e ofthe United Nations Charter: The Contribution of Jan Smuts, RADIC 1995,329. 11 Wolfrum, Preamble, in: Simma, Anm. 6, Rz. I. 12 Siehe UN Doc. 2, 0/14 (d) (1), May 3,1945, in: UNCIO, Bd. 3, 476 f. 13 Siehe für eine detaillierte Schilderung der Beratungen des Präambel vorspruchs Ruth B. RussellJeanette E. Muther, A History ofthe United Nations, NewYork 1959,913 ff. 14 Zu späteren erfolglosen - Änderungsversuchen siehe RussellMuther, Anm. 13, 916 ff. 15 UNCIO Docs. VI, 446 - 447. 16 Siehe Krzysztof Skubiszewski, Remarks on the Interpretation of the United Nations Charter, FS für Hermann Mosler, 1983,891.
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ausgestellt wurde 17, so bedeutet dies doch nicht, daß 'sie einer isolierten Interpretation zugänglich wäre.
111. Zur Rechtsnatur der Präambel Bevor die Bedeutung der Präambel genauer beschrieben werden kann, ist freilich auf Einwände gegen ihren rechtlich verbindlichen Charakter einzugehen. 18 Namentlich Hans Kelsen hat sich in seiner Kommentierung der UNO-Charta gegen den rechtsverbindlichen Charakter der Charta gewandt und vornehmlich eingewendet, den Präambelbestimmungen komme, schon weil es ihnen als Aspirationsnormen an Durchsetzbarkeit ermangele, keine rechtliche Wirkung ZU. 19 Auch beim IGH fmden sich im Südwestafrika-Fall Andeutungen dergestalt, daß es sich bei der Präambel eher um moralische und politische als rechtlich verbindliche Regelungen handele. 20 Einer solchen Interpretation widersprechen allerdings nicht nur deutlich artikulierte Bekundungen der Gründer in San Francisco,21 sondern auch die Tatsache, daß die Präambel in einigen Resolutionen der Generalversammlung - Uniting for Peace 22 und Friendly Relations1 3 - explizit angeführt wird. Wenngleich diesen Resolutionen bekanntlich selbst keine volle Rechtsverbindlichkeit zukommt,24 ist
17 So betonte der Rapporteur des Ausschusses 111, der mit der Abfassung des entsprechenden Präambeltextes befaßt war: "Dans la pratique, les ,Buts' et la ,Preambule' constitueront la pierre de touche de I' efficacite de I'Organisation et de la fidelite qu' on attend de ses membres pour se conformer aux dispositions de la Charte"., UNCIO, vol. 6, 41 (Doc. 1005 1/6; 16. Juni 1945). 18 Siehe hierzu insgesamt Andre Salomon, Le preambule de la Charte base ideologique de I'ONU, GenflParis 1948. 19 Hans Kelsen, The Law ofthe United Nations, London 1950,9; auch in den traveaux preparatoires findet sich der Hinweis auf die Auffassung einiger Mitglieder des Ausschusses I/I, der Präambel komme keine Rechtswirkung zu; siehe UNCIO, vol. 6, 372 (Doc. 817, l/lI31; 6. Juni 1945). 20 IGH, South-West-Africa Case, ICJ Reports 1966, 34 (" ... the preambular parts ofthe United Nations Charter constitute the moral and political basis for the specific legal provisions thereafter set out. "). 21 Dazu UNCIO Docs. vol. VI, 446 - 447. 22 UNGA res. 377 AN vom 03.11.1950. 23 UNGA res. 2625 (XXV) vom 24.10.1970. 24 Siehe dazu grundlegend Gaetano Arangio-Ruiz, The Normative Role ofthe General Assembly of the United Nations and the Declaration of Principles of Friendly Relations
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doch deren Bedeutung unbestritten. Der in ihnen enthaltene Rückgriff auf die Präambel zeigt, daß gerade bei Versuchen der Schaffung "neuen" Völkerrechts der eben in der Präambel zum Ausdruck kommende Geist der Charta Pate gestanden hat. Zum anderen aber kommt unbestrittenermaßen jeder Präambel, wie auch Art. 31 Abs. 2 der Wiener Vertragsrechtskonvention zum Ausdruck bringt, rechtlich erhebliche Bedeutung ZU. 25 SO spricht einiges dafiir, die Präambel, der Intention der Gründer entsprechend, als rechtlich verbindliche Interpretationslinie aufzufassen. 26 Die sich verdichtende Rechtsqualität des Völkerrechts rechtfertigt es, hier auf eine Parallele zum innerstaatlichen Recht zu verweisen. Das innerstaatliche Verfassungsrecht ist auch in Deutschland lange Zeit als eher politisch-praktische Materie verstanden worden. Diesen Charakter hat man trotz sich wandelnder Auffassung im übrigen noch lange den Präambeln von Verfassungswerken zugemessen. 27 Zum Grundgesetz jedoch hat sich die Auffassung vom auch rechtlichen Gehalt der Präambel durchgesetzt. 28 Es ist an der Zeit, daß diese Entwicklung im Völkerrecht behutsam nachvollzogen wird.
IV. Zu den inhaltlichen Aussagen: Programm des Friedens als Rechtsordnung Betrachtet man den Inhalt der Präambel aus diesem Blickwinkel, so wird namentlich in einemVergleich mit der Satzung des Völkerbundes die unterschiedliche und nunmehr erweiternde Ausrichtung der neugeschaffenen Organisation der Vereinten Nationen erkennbar. Die Ziele der Kriegsverhütung, der Achtung der Menschenwürde und des Schutzes der Menschenrechte, der Schaffung von Gerechtigkeit und der Achtung vor dem Völkerrecht sowie der soziale Fortschritt with an Appendix on the Concept of International Law and the Theory of International Organization, RdC 1972 III, 419 ff. 25 Siehe dazu etwa Heribert F. Köck, Vertragsinterpretation und Vertragsrechtskonvention, Berlin 1976, 30 ff.; vgl. auch Rudolf Bernhardt, Interpretation in International Law, EPIL 7 (1984),318 (321). 26 In diesem Sinne auch Leland M GoodrichiEdward HambrolPatricia Simmo.ns, Charter of the United Nations, 3rd ed New YorkILondon 1969, 20 f.; Jean-Pierre CotlAllain Pellet, La Charte des Nations Unies, Paris 1985,4 ff.; Wolfrum, Anm. 6, Rz. 13. 27 Vgl. für die Weimarer Reichsverfassung Gerhard Anschütz, Kommentar, 14. Aufl., 1933,31. 28 Vgl. Ingo von Münch, in: Ingo von Münch/Philip Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl., 1992, 2 m.w.N.
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sollen, wie in der zweiten Hälfte der Präambel deutlich wird, in institutionalisierter Weise zum gemeinsamen Vorteil der Völker der Vereinten Nationen erreicht werden. Die Präambel des Völkerbundes hatte hingegen fast ausschließlich auf das - noch partielle - Kriegsverbot verwiesen und zu seiner Verwirklichung an die Nationen unter Hinweis auf die Grundsätze der Gerechtigkeit und des Völkerrechts appelliert. Walther Schücking, Richter am Ständigen Internationalen Gerichtshofund zuvor Direktor des nunmehr nach ihm benannten Kieler Instituts rur Internationales Recht, hat bei der Kommentierung der Präambelbestimmung der Völkerbundssatzung besonderen Wert auf die Bedeutung der Gerechtigkeit gelegt. Die durch den Völkerbund geschaffene neue Rechtsordnung dürfe, so Schücking, nicht dauernd auf einen durch erzwungene Verträge geschaffenen europäischen Besitzstand basiert werden. 29 Insofern versteht Schücking unter der in der Satzungspräambel angesprochenen "Ordnung der Gerechtigkeit" eine Ordnung der internationalen Beziehungen, die der neuen, durch die Ächtung des Krieges und die Gewaltverzichtsverträge30 von Grund auf gewandelten internationalen Moral zu entsprechen habe. 31 Der weitere Verlauf der Geschichte hat den Staaten kein gutes Zeugnis im Sinne einer Wandlung dieser Moral zum Besseren ausstellen können. Die dem Völkerbund inhärenten Defekte, zu denen auch ihre Verquikkung mit den Pariser Vorortfriedensverträgen zu rechnen ist, sind mitursächlich für sein späteres Versagen in Angelegenheiten der Friedenssicherung geworden. 32 Bei einem Vergleich der normativen Vorgaben beider Präambeln sticht vor allem der deutlich erweiterte Ansatz der Organisation der Vereinten Nationen für den Zweck der Friedenssicherung hervor. Auch der Völkerbund hatte zwar den Frieden zum Hauptziel erklärt. Erst bei den Vereinten Nationen treten aber neben das System kollektiver Friedenssicherung weitere, und zwar materiale Instrumente: Achtung der Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit und Wohlfahrt im Weltmaßstab erweitern den Ansatz für die Friedenssicherung erheblich. Dabei handelt es sich nicht eigentlich um Instrumentales, sondern es werden inhaltliche Kriterien zur Verfügung gestellt, die mittelbar zu organisatorisch-instrumentellen Konsequenzen veranlassen. Die diesbezügliche Aufgabenzuweisung an die neugeschafSchücking/Wehberg, Anm. 7,238. Zu den Gewaltverzichtsverträgen der Zwischenkriegszeit vgl. Karl-Ulrich Meyn, Kriegsverbot und Gewaltverbot, in: Jost Delbrück (Hg.), Friedensdokumente aus fünf Jahrhunderten, Bd. 1,1984,35 (42 ff.). 31 Schücking/Wehberg, Anm. 7, 238. 32 Siehe zu einer Einschätzung des Völkerbundes etwa Hermann Weber, Vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen, Bonn 1987. 29
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fenen Vereinten Nationen und ihre Organ struktur etwa im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten legen hiervon beredtes Zeugnis ab. Ohne die Bedeutung der klassischen Friedenssicherung je gering zu achten, die er vielmehr als Grundvoraussetzung rur die Erreichung des Friedens ansieht, hat auch Jost Delbrück auf diese Erweiterung der Friedenskonzeption der Charta hingewiesen, die bereits aus den Worten der Präambel spricht. 33 Die Präambel konturiert damit auch eine über das Gewaltverbot hinausgehende internationale Friedensordnung, zu deren wichtigsten Bestandteilen neben diesem Verbot Rüstungsbeschränkung und Abrüstung, vertrauensbildende Maßnahmen sowie die Herausbildung einer Wirtschafts- und Sozialordnung und der Menschenrechtsschutz zu zählen sind. 34 Den normativen Kern bildet dabei das Gewaltverbot, 35 das die Präambel in den Zielvorgaben ihres zweiten Satzes ausdrücklich anspricht. Sie stellt ihm aber mit dem Verweis auf die Verbesserung sozialer Verhältnisse,36 der Schaffung von Bedingungen rur Rechtsachtung und Gerechtigkeit37 sowie dem Menschenrechtsschutz38 Elemente an die Seite, die bereits den angestrebten Wandel der internationalen Ordnung zu einer wertsetzenden Ordnung 39 anzeigen. Weit entfernt von fehlender normativer Verbindlichkeit stellt die Präambel damit ein Programm des Friedens als Rechtsordnung auf. 40 Die genannten Rechtsgüter konstituieren nämlich die Bausteine des Friedens, wie er vom Recht her gedacht und verstanden werden kann. Sie beruhen auf Menschenwürde und Gerechtigkeit und schließen die Selbstbestimmungsmöglichkeit des/der einzelnen ein. Damit konstituieren sie eine Sicherheit gewährleistende Ordnung, die als wertsetzende Basis der Völkerrechtsordnung zu verstehen ist, welche in ihrer konkreten Ausgestaltung diskus-
33 Siehe etwa Jost Delbrück, Menschenrechte - Grundlage des Friedens?, in: ders., Konstitution, Anm. 5,9, 14 ff. 34 Siehe Jost Delbrück, Eine internationale Friedensordnung als rechtliche und politische Gestaltungsaufgabe - Zum Verständnis rechtlicher und politischer Bedingungen der Friedenssicherung im internationalen System der Gegenwart, in: ders., Konstitution, Anm. 5, 254, 260 ff. 35 Dazu Eibe H. Riedei, " ... künftige Geschlechter vor der Geissei des Krieges zu bewahren", infra, 36 ff. 36 Siehe dazu Ursula Heinz, " ... den sozialen Fortschritt", infra, 77 ff. 31 Dazu Habe, Anm. 9, 62 ff. 38 Dazu Klaus Dicke,,, . .. unseren Glauben an die Grundrechte ... ", infra, 47 ff. 39 Delbrück, Anm. 34, 268. 40 Dazu Jost DelbrückiKlaus Dicke, Zur Konstitution des Friedens als Rechtsordnung, in: Uwe NerlichITrutz Rendtorff(Hg.}, Nukleare Abschreckung - Politische und ethische Interpretation einer neuen Realität, Baden-Baden 1989, 797 ff.
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sionswürdig sein mag, indes sich unzweifelhaft in der Präambel vorgezeichnet findet. 41 Die Präambel nimmt damit die Gedanken des großen Aufklärers Immanuel Kant auf, der in seiner Schrift "Zum Ewigen Frieden" - veröffentlicht vor genau zweihundert Jahren, nämlich im Jahre 1795 - das Ideal einer auf dem Recht basierten Staatengemeinschaft beschrieben hatte. 42 Kants Weltrepublik ist kein Weltstaat, sondern betont die frieden schaffende Funktion des Rechts als Grundkonstituante der zwischenstaatlichen Beziehungen. Friede kann dabei fiir ihn nur herrschen auf der Basis des Rechts, zwischenstaatlich, aber auch staatenintern. Es ist die republikanische 43 Verfassung der Staaten selbst, die Kant als grundlegende Voraussetzung fiir die Gewährleistung des Friedens in den zwischenstaatlichen Beziehungen ansieht. Exakt diese Entwicklung ist derzeit jedenfalls ansatzweise in der Politik der Vereinten Nationen zu beobachten: Wenn gravierende Verstöße gegen fundamentale Menschenrechte als Verstoß gegen das Gebot der Wahrung des internationalen Friedens im Sinne des Art. 39 der Charta angesehen und zur Grundlage einer Intervention der Vereinten Nationen selbst dort gemacht werden, wo sie den territorialen Bereich des Verletzerstaates nicht überschreiten, so zeigt dies, daß die internationale Gemeinschaft sensibel geworden ist und die innerstaatliche Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen einzufordern beginnt. Oder anders gewendet: die bereits in der Präambel statuierte Konstitution des Friedens als Rechtsordnung ergreift den Staat auch in seinemforum internum. Kants Bekenntnis zur staatsinternen republikanischen Verfassung postuliert die rechtsstaatliche Verfaßtheit des Staates als unabdingbare Grundbedingung friedlicher zwischenstaatlicher Beziehungen, die den Menschen in seiner ihm angeborenen Würde respektiert. Die Präambel der Charta hat diesen grundlegenden Ansatz Kants in Gestalt des Appells an die Achtung der Menschenrechte sowie der Rechtsachtung allgemein und des anzustrebenden Ideals der Gerechtigkeit in das Völkerrecht aufgenommen.
Siehe dazu Delbrück/Dicke, Anm. 40, 814 ff. Immanuel Kant, Zum Ewigen Frieden, Königsberg 1795, in: Wilhelm Weischedel (Hg.), Studienausgabe, Bd. VI, Frankfurt 1964,195 ff.; siehe dazujüngstJürgen Habermas, Kants Idee des Ewigen Friedens - aus dem historischen Abstand von 200 Jahren, NJ 1995,293. 43 Vgl. dazu Karl-Ulrich Meyn, Das Prinzip der Repräsentation im "Ewigen Frieden" und die englische Tradition, in: Klaus-Michael Kodalle (Hg.), DerVernunftfrieden, Kants Entwurf im Widerstreit (im Erscheinen). 41
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Funktion und Bedeutung der Präambel der UN-Charta
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Insofern können die vor 50 Jahren geschaffenen Vereinten Nationen als Organisation gesehen werden, die in der Tradition der Kant'schen Idee des Ewigen Friedens steht; unvollkommen zwar, aber jedenfalls doch ein nachhaltiger Versuch, dessen Bedeutung zudem- die wachsenden UN-Aktivitäten nach dem Ende des Ost-/Westkonflikts belegen dies eindrücklich - gerade angesichts der zunehmenden Globalisierung der Problemstellung eher zu- als abnehmen wird. Die Präambel der Charta der Vereinten Nationen verkörpert in ihrem Programm des Friedens als Rechtsordnung den völkerrechtlichen Nachvollzug der Konzeption des Ewigen Friedens. Die in der Präambel genannten Grundsätze bleiben die Bekräftigung ihrer Ziele durch die Erklärung der Generalversammlung zum 50. Jahrestag der Organisation 44 belegt dies nachdrücklich - ideelle Grundlage des Wirkens der Vereinten Nationen auch in der Zukunft. Mit dem Entwurf der Zielkonzeption der Charta enthält die Präambel also gerade durch das hier ausgebreitete Programm des Friedens als Rechtsordnung ihre spezifische Bedeutung. Dies rechtfertigt nicht nur die nachfolgende eingehende Analyse ihres spezifischen Inhalts, sondern sollte zukünftig auch zu häufigerer spezifisch völkerrechtlicher Bezugnahme auf sie ermutigen.
Summary The preamble ofthe United Nations Charter, a legally binding document, outlines in a more comprehensive way than the Covenant ofthe League ofNations as its predecessor a program ofpeace under law. Based on the prohibition ofthe use of force this concept of peace contains such important elements as the limitation and reduction ofarmaments, confidence-building measures, the protection ofhuman rights and the building of an international social and economic order. This rather progressive approach to peace should encourage doctrine and state practice to having more actively recourse to the spirit and the wording of the preamble.
44 Declaration on the Occasion ofthe Fiftieth Anniversary ofthe United Nations, zitiert nach UN Doc. A/50/48 vom 21.10.1995.
3 UN-Sbd.
Wir, die Völker der Vereinten Nationenfest entschlossen, ... künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, ...
Eibe Riedel·
1. Die Vereinten Nationen markieren den zweiten Versuch der Staatenwelt im 20. Jahrhundert, eine neue Völkerrechtsordnung zu errichten. Dies kommt bereits in den Worten der Präambel unmißverständlich zum Ausdruck. Über Funktion, Stellenwert und die ethischen Grundaussagen der Präambel haben wir bereits heute morgen Wesentliches erfahren. Als Prämisse rur meine Ausfiihrungen möchte ich voranstellen, daß in der Präambel Rechtsstandards als Aspirationsnormen zum Ausdruck kommen, 1 deren Aufgabe es ist, die Ziele und Grundprinzipien der Art. 1 und 2 ChVN abstrakter gefaßt zu resümieren, 2 vorzuprägen und zu verstärken und in Kombination mit konkreteren Normen der Charta sowie darauf gestützter Organisationsakte in die Zukunft zu weisen. In der Präambel werden also Werte einer erst noch zu schaffenden Staatengemeinschaft angesprochen, wie Friede, Gerechtigkeit, Menschenrechte und Toleranz, von denen Herr Rendtorff sprach. 3 Zugleich aber enthält die Präambel bekanntlich Vorstellungen, die 1945 keineswegs schon zum geltenden Völkerrecht gerechnet werden konnten und erst noch • Prof. Dr. Eibe Riedei, LL.B., Professor für deutsches und ausländisches öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Universität Mannheim. 1 Zu Rechtsstandards des Völkerrechts, vgl. Eibe Riedei, Theorie der Menschenrechtsstandards, Berlin 1986, insbes. Kap. 7, 260 ff.; ferner ders., Standards and Sources. Fareweil to the Exclusivity ofthe Sources Triad in International Law?, EJIL 1991, 58 ff. 2 Jean Pierre Cot/Alain Pellet, La Charte des Nations Unies, 2. Aufl., Paris 1991, Preambule, 2 f. 3 In diesem Band, supra, 9 ff.
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der Verwirklichung durch die Staatengemeinschaft harrten. Da mir die Aufgabe zugefallen ist, den ersten Absatz der Präambel etwas näher zu beleuchten, läßt sich diese Behauptung anschaulich am Beispiel der Begriffe "Geißel des Krieges", "künftige Geschlechter" und "Menschheit" illustrieren. Alle drei Begriffe tauchen in dieser spezifischen Verwendung in der Charta so nicht wieder auf. Sie weisen damit von vornherein über den geltenden Text der Charta hinaus, oder, negativ gewendet, werden unter Geltungsaspekten nicht als konkrete Rechtsregeln oder -prinzipien4 formuliert, wie dies die verbindlichen Artikel der dann folgenden Chartabestirnmungen tun. Folgt man der positiveren Einschätzung der Präambel als "standards ofachievement"S, als noch zu verwirklichende Rechtsrnaßstäbe, so bleibt allerdings festzustellen, daß die Gründungsväter und -mütter der VN keineswegs die in diesen Begriffen der Präambel liegenden dynamischen Entwicklungspotentiale bereits 1945 erkannt hätten. 6 In der Verwendung dieser offenen, stark ethisch geprägten Begriffe, denen weitere in den übrigen Absätzen der Präambel folgen, realisiert sich vielmehr eine Ordnungs- und Wertsicht des Völkerrechts und der Gerechtigkeit, die erst im Laufe der nachfolgenden Praxis der Weltorganisation voll zum Tragen kam. Den Völkern und Regierungen wurde dadurch jedoch schon gleich zu Beginn einer neuen Ära internationaler Zusammenarbeit eine spezifische Wertbrille aufgesetzt, die sämtliche Bestimmungen der dann folgenden UN Charta gewissermaßen farblich eintönte, kanalisierte und die künftige fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts gemäß Art. 13 Abs. 1 (a) ChVN erheblich beeinflußte und vorprägte. 7 2. Wie wir gehört haben, sollte die feierliche Form der Präambel sich deutlich von derjenigen der Völkerbunds atzung abheben. Die VBS enthielt bekanntlich in nüchternster juristischer Diktion vertragsrechtliche Formulierungen. Die UNCharta sollte demgegenüber allein schon durch die Verwendung des Begriffes "Charta" mehr signalisieren: nämlich den Übergang vom Völkerrecht als schlich4 Zur Unterscheidung von Rechtsregeln und -prinzipien siehe allgemein Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, Baden-Baden 1985, 117 ff. S Zurückgehend auf Inis Claude, Swords into Plowshares, 4. Aufl., New York 1971. 6 In der UN-Praxis hat die Präambel jedoch keine so große Rolle gespielt. Materielle Chartabestimmungen haben die Praxis viel stärker geprägt. Vgl. Rüdiger Wolfrum, in: Bruno Simma u. a., Charta der Vereinten Nationen, Kommentar, München 1991, Präambel, Rz. 4 ff., insbes. 13; s. a. Leland M GoodrichiEdvard HambrolAnne Patricia Simons, Charter ofthe United Nations, Commentary and Documents, 3. Aufl., New YorkILondon 1969,21. 7 Vgl. Carl-August Fleischhauer, in: Bruno Simma et al. (eds.), The Charter of the United Nations, A Commentary, München 1994, Art. 13, Rz. 10 ff.
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tem Koexistenzrecht vertraglich gebundener Staaten hin zu einem Koordinationsoder Kooperationsrecht auf dem Wege zu einem Integrationsrecht, wie Wolfgang Friedmann dies treffend kennzeichnete, 8 mithin zu einer Gemeinschaft von Staaten, die durch Schaffung der neuen Weltorganisation einen neuen Grad der Verfaßtheit einer Völkerrechts- und Wertegemeinschaft erreichen wollte und auszubauen gedachte. So wählt der I. Absatz der Präambel auch eine bewußt plakative Sprache. Die Formulierung geht nahezu unverändert auf Feldmarschall Smuts zurück, der an beiden Weltkriegen teilgenommen hatte und die Intention der Wortwahl treffend wie folgt umschrieb: Die Präambel sollte zu Herzen gehen, nicht in erster Linie nur den Verstand ansprechen. 9 Das durch den gerade erst beendeten 2. Weltkrieg ausgelöste unvorstellbare Leid, das weder durch den Völkerbund noch durch das System der klassischen souveränen Staaten verhindert werden konnte, sollte in der neuen Charta auf grundlegend veränderten Ordnungs- und umfassenderen Wertvorstellungen gegründet werden. Vergleicht man die konkrete Formulierung der vier Absätze, so hebt sich der I. Absatz ganz deutlich von allen übrigen ab: Absätze 2 - 4 resümieren die Hauptaufgaben der Weltorganisation sehr viel nüchterner in der Sprache der Juristen, während Absatz I in durchaus pathetischen Worten alle sprachlichen Register zieht: Inhaltlich hätte es zweifellos gereicht, Kriegsvermeidung und Friedenssicherung als Hauptaufgabe der Organisation zu charakterisieren, wie dies in den folgenden Zielbestimmungen und Chartaprinzipien dann auch der Fall ist. Statt dessen werden bewußt und gewollt stark gefühlsbetonte, den Leser aufrüttelnde Worte gewählt. Im englischen Original sind diese Worte so onomatopoetisch einprägsam, daß fast jeder Student des Völkerrechts sie auswendig weiß: "to save succeeding generations from the scourge of war which twice in our lifetime has brought untold sorrow to mankind."
Damit war von vornherein klargestellt, daß die Weltorganisation, trotz sonstiger, wichtiger neuer Aufgaben lO durch Schaffung eines Systems der kollektiven 8 Wolfgang Friedmann, The Changing Structure ofInternational Law, London 1964, 60 f.; ders., General Course in Public International Law, RdC 1969 11, S. 41; ähnlich auch schon Ulrich Scheuner, Solidarität unter den Nationen als Grundsatz in der gegenwärtigen internationalen Gemeinschaft, in: FS Eberhard Menzel, Berlin 1975, 251; Stephan Habe, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraums, Berlin 1992, 288 ff.; jüngst Albert Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, Köln u. a. 1995, insbes. 696 ff., 737 ff. 9 CotlPellet, Anm. 2, Preambule, 3. 10 Hierauf gehen die nachfolgenden Beiträge ein.
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Friedenssicherung prioritär der Durchsetzung eines umfassenden Kriegsverbotes und damit der Ächtung des Krieges als Mittel der Politik einzelner Staaten dienen sollte. Die Art. 1 (1) und (2), Art. 2 (4) sowie die Kapitel VI-VIII ChVN tragen dem dann Rechnung. 3. Nicht verschwiegen werden sollte, daß die Präambel zugleich eine flammende Absage an jegliche Form der totalen Beanspruchung des Menschen darstellt; ja, daß der Name "Vereinte Nationen" programmatisch Bezug nimmt auf die AntiHitler-Koalition, wie sie in der Atlantik-Charta vom 11.08.1941 11 erwähnt, sodann in der Washingtoner Deklaration der Vereinten Nationen vom 01.01.1942 12 ausdrücklich formuliert und in der Moskauer Viermächte-Erklärung über allgemeine Sicherheitsfragen vom 01.11.1943 13 indirekt angesprochen wird. Rückwärts gewendet handelt es sich folglich um eine Reflexion über die gerade überwundene faschistische Barbarei der Achsenmächte - später gespiegelt in den Art. 53 und 107 ChVN - und jeglicher Form des diktatorischen Totalitarismus,14 vorwärts gewendet entsteht so in Umrissen die Vision einer neuen Völkerrechtsordnung, die sich davon diametral abhebt und durch aktive Gestaltung vor allem auf dem Gebiet der Friedenssicherung die Rolle des souveränen Nationalstaates grundlegend relativiert. 15
4. Nur in engsten Grenzen sollte fortan in dieser neuen Ordnung über Art. 51 Ch VN Raum rur ein individuelles oder kollektives Selbstverteidigungsrecht der Staaten verbleiben. Ja selbst das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten des Art. 2 (1) ChVN LV.m. dem Interventionsverbot des Art. 2 (7) ChVN war von vornherein nicht als unbegrenzt konzipiert. Vielmehr sollten kollektive Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta das Prinzip der "domaine reserve" durchbrechen können. In zahlreichen Beiträgen hat Jost Delbrück nachgewiesen, daß die noch ganz dem Koexistenzvölkerrecht einer anderen Epoche verpflichtete 11 Vgl. Ruth B. RusselllJeannette E. Muther, A History ofthe United Nations Charter, Washington 1958,975 und 34 ff. 12 RusselllMuther, Anm. 11, 976. 13 RusselllMuther, Anm. 11,977. 14 Jost Delbrück, Deutschland und die Vereinten Nationen Rückschau und Perspektiven, in: Ernst Koch (Hg.), Die Blauhelme. Im Einsatz rur den Frieden, FrankfurUM. 1991,211 ff.; Georg Ress, in: Simma et al., Anm. 7, Art. 53, Rz. 1 ff. IS Hierzu grundlegend Jost Delbrück, Die Adäquanz völkerrechtlicher Kriegsverhütungs- und Friedenssicherungsinstrumente im Lichte der Kriegsursachenforschung, in: ders., Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung (hg. von Klaus DickelStephan HobelKarl-Ulrich Meyn/Eibe RiedellHans-Joachim Schütz), Berlin 1996,201 ff.
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frühe Praxis der UNO mit starker Betonung des Interventionsverbotes und der Respektierung der "domaine reserve" der Einzelstaaten, selbst wenn diese im Inneren Greueltaten gegenüber der eigenen Bevölkerung begehen, spätestens seit 1990 sich grundlegend wandelte. 16 Nicht nur konnte das System der kollektiven Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta nach 40jähriger Vetolähmung revitalisiert und effektiv angewendet werden - wie von den Gründungsvätern und -müttern der Charta ursprünglich vorgesehen - , und wenigstens in einigen bewaffneten Konflikten zU einem halbwegs guten Ende gebracht werden (Namibia, Kambodscha, 2. Golfkrieg, Haiti, Angola, Nicaragua, um nur einige zu nennen). Darüber hinaus veränderte sich die Einstellung der Staatenwelt zum Stellenwert des Art. 2 (7) Ch VN grundlegend: 17 Sah die Staatenwelt und mit ihr die UNO noch schamhaft beiseite, als die Machthaber in Nigeria an den Ibos oder später das Pol Pot-Regime in Kambodscha an der eigenen Bevölkerung Massenmord begingen, oder verharrte die Staatengemeinschaft in Untätigkeit, als massivste Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in Afghanistan, Sudan oder Burundi stattfanden, formal gestützt auf das Interventionsverbot, demzufolge solche Staatenverbrechen "ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören", so änderte sich dies seit der Kurdenresolution 688 des Weltsicherheitsrates bekanntlich dramatisch. Seither - und dies läßt sich in den Somalia-, Ruanda- und Haiti-Entscheidungen des WSR,18 gewiß auch in einem Teil der Jugoslawienresolutionenl 9 belegen, - wird die Feststellung einer Frie16 Vgl. nur Jos! Delbrück, Wirksameres Völkerrecht oder neues "Weltinnenrecht"?Perspektiven der Völkerrechtsentwicklung in einem sich wandelnden internationalen System der Gegenwart, in: ders., Konstitution, Anm. 15,318 ff.; ders., Globalization of Law, Politics and Markets - Implications for Domestic Law - A European Perspective, Indiana Journal of Global Legal Studies 1993, 9 ff.; ders., Staatliche Souveränität und die neue Rolle des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, VRÜ 26 (1993), 6 ff; ders., The Impact of the Allocation of International Law Enforcement Authority on the International Legal Order, in: Jos! Delbrück (ed.), Allocation of Law Enforcement Authority in the International System, Berlin 1994, 135 ff. 17 Zum Ganzen statt vieler Jochen A. Frowein, Reactions by not directly affected States to breaches ofPublic International Law, in: RdC 248 (1994-IV), 353 ff., m. w. N. 18 SC Res. 794 (1992), 03.12.1992 (Somalia); SC Res. 918 (1994),17.05.1994; 929 (1994),21.06.1994; 935 (1994), 01.07.1994 (Ruanda); SC Res. 841 (1993), 16.02.1993; 861 (1993), 27.08.1993; 862 (1993), 31.08.1993; 867 (1993), 23.09.1993; 873 (1993), 13.10.1993; 875 (1993),16.10.1993; 905 (1994), 23.03.1994; 917 (1994), 06.05.1994; 933 (1994), 30.06.1994; 940 (1994), 31.07.1994 (Haiti). 19 Siehe nur SC Res. 748 (1992), 31.03.1992; 757 (1992),30.05.1992; 760 (1992), 18.06.1992; 770 (1992), 13.08.1992; 844 (1993), 18.06.1993; sowie zum Ganzen Dick A. Leurdijk, The United Nations and NATO in Former Yugoslavia, Den Haag 1994, insbes. 19 ff.
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densbedrohung, eines Friedensbruchs oder einer Aggressionshandlung nach Art. 39 ChVN auch schon dann angenommen, wenn diese Ereignisse sich nur inner-
staatlich auswirken und nur potentielle Gefahren filr den Weltfrieden darstellen. Jost Delbrück hat dazu in mehreren grundlegenden Beiträgen die verschiedenen Begründungslinien aufgezeigtl° und überzeugend ausgefilhrt, daß zwar der Respekt vor der souveränen Gleichheit der Staaten ein wichtiges Chartaprinzip darstelle, daß andererseits aber massivste Menschenrechtsverletzungen und etwa ökologische Kriegsfilhrung wie im Falle Saddam Husseins gerade nicht zu solchen Angelegenheiten gehören, die "essentially within the domestic jurisdiction of States" liegen. Vielmehr seien dies Gründe, die eine Berufung auf das Interventionsverbot einzelner Verletzerstaaten von vornherein ausschließen. Deutlich wird aus dieser neueren UNO-Praxis, daß Art. 2 (7) ChVN somit gleich zweifach begrenzt wird: Zum einen durch die Feststellung, daß massivste, glaubhaft verbürgte Menschenrechtsverletzungen großen Stils oder auch sonstige innerstaatliche Ereignisse, die den Grundwerten der Staatengemeinschaft widersprechen wie etwa Völkermord, Kriegsverbrechen, Sklavereiakte oder massivste Diskriminierungsmaßnahmen -, eben nicht mehr als rein innerstaatliche Angelegenheiten anzusehen sind, sondern "matters of common concern" darstellen, die erga omnes wirkende Verpflichtungen der Staatengemeinschaft auslösen und filr welche eben diese Staatengemeinschaft insgesamt zuständig ist und filr die sie als Bedingung der Möglichkeit von Gewaltverzicht durch einzelne Staaten auch Verantwortung trägt. 21 Art. 2 (7) ChVN a. E. wird zum anderen durch Verweis auf Kapitel VII ausdrücklich begrenzt. Stets dann, wenn eine an sich innere Angelegenheit eines Staates zugleich eine die Staatengemeinschaft insgesamt tangierende Friedensbedrohung im Sinne des Art. 39 ChVN darstellt, entflillt die Berufungsmöglichkeit auf Art. 2 (7) ChVN. Freilich bleibt weiterhin streitig, welchen konkreten Intensitätsgrad die Friedensbedrohung aufweisen muß, damit eine solche Feststellung nach Art. 39 ChVN als Eingriffsschwelle filr kollektive Zwangsmaßnahmen legitimiert ist.
Vgl. die in Anrn. 16 genannten Beiträge. Vgl. statt vieler Felix Ermacora, in: Simma et al., Anrn. 7, Art. 2 (7), Rz. 25 ff., 37 ff., allerdings rn. E. zu eng; wie hier Jost Delbrück, The Impact of the Allocation of International Law Enforcernent Authority on the International Legal Order, Anrn. 16, 146, rn. w. N.; s. a. Christian Tomuschat, Menschenrechte, Individualbeschwerde, in: Rüdiger Wolfrum (Hg.), Handbuch Vereinte Nationen, 2. Aufl., München 1991,551; Christopher J. Greenwood, Legal Limitations ofthe Prohibition ofthe Use ofForce, in: Lennart Souchon (Hg.), Völkerrecht und Sicherheit, Berlin 1994,41 ff., insbes. 53 ff. 20 21
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5. Es können hier nicht die genauen Entwicklungslinien dieser neueren UNOPraxis nachgezeichnet werden, die schlagwortartig durch Kapitel VI, "VIW', "VI%" und VII-Maßnahmen gekennzeichnet sind. 22 Das System der friedenssichernden Maßnahmen, die als status quo minus zu Kapitel VII Zwangsmaßnahmen, u. a. Interpositionen, Überwachung von Waffenstillständen, Untersuchung von Waffenstillstandsverletzungen sowie von Truppenrückzügen und -entflechtungen bis hin zur Überwachung von Wahlen vorsahen, bei denen grundsätzlich aber beide Konfliktparteien zustimmen mußten, ferner strikteste Neutralität der UNO-Blauhelme gewahrt werden mußte und Waffenanwendungen außer zur Selbstverteidigung nur bei unmittelbaren Angriffen zulässig waren, änderte sich nach 1991 schlagartig. Was vorher nur mit Mühe über eine extensive Auslegung der Art. 36 - 38, über Art. 40 oder als niedrigschwellige kollektive Zwangsmaßnahme über Art. 39 ChVN begründet wurde,z~ konnte nunmehr ohne große Mühe direkt über das Handlungsspektrum der Kapitel VII-Maßnahmen legitimiert werden, wobei nach dem von Jost Delbrück erläuterten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz24 der jeweils niedrigste, am wenigsten einschneidende, aber wirksame Weg zu wählen war. Die vorher strikte Begrenzung der "Peacekeeping Operations" konnte auf der Basis der neuen Handlungsfahigkeit der UNO sogar im Sinne eines "robust peacekeeping" über Art. 39 ChVN fortan eine gleitende Skala von Blauhelmaktionen rechtfertigen, die von der klassischen PeacekeepingSituation vor 1990 bis zu solchen Aktionen reichte, bei denen der Sicherheitsrat eine Feststellung nach Art. 39 ChVN konstatierte, dann aber weder den Weg über Art. 42, 43, 47, noch den über Art. 42, 48 ChVN zu gehen bereit war, sondern vielmehr ein erweitertes Mandat filr Blauhelmaktionen als verhältnismäßigere Reaktion einräumte. Bestanden bei der Kurdenresolution 688 noch Zweifel, ob die befilrchteten Flüchtlingsströme tatsächlich eine potentielle Bedrohung des Weltfriedens darstellten, war die Begründungslage bei UNOSOM 11 insofern leichter,
22 Vgl. hierzu Eibe RiedeI, Schöne neue Welt des Völkerrechts?, Antrittsvorlesung in Mannheim, 1995, im Erscheinen; Thomas M. Franck, Fairness in the International Legal And Institutional System, RdC 240 (\ 993-III), Reprint 1993, 274 ff.; Michael Bothe, in: Simma et al., Anm. 7, Peace-Keeping, Rz. 67 ff.; Jochen A. Frowein, in: Simma et al., Anm. 7, Art. 39 - 43, passim. 23 Vgl. hierzu u. a. Michael Schaefer, Die Funktionsllihigkeit des Sicherheitsmechanismus der Vereinten Nationen, Berlin/Heidelberg u. a. 1981, passim. 24 Jost Delbrück, Proportionality, in: Rudolf Bernhardt (ed.), EPIL 7, Dordrecht u. a. 1984, 396 ff.
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als es sich bei Somalia um ein Beispiel eines "failed state" handelte,25 bei dem ein Eingreifen in die Bürgerkriegssituation aus diesem Grunde und auch nur deshalb gerechtfertigt schien, weil ohne Eingreifen der Staatengemeinschaft zu strikt humanitären Zwecken Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Somalier Hungers gestorben wären. Durch die Hintertür gelangte somit das schon fast verabschiedete klassische Institut der sog. humanitären Intervention 26 zu neuem Leben - allerdings in neuem Gewande: anstelle der humanitären Intervention zugunsten eigener oder fremder Staatsangehöriger tritt eine humanitäre Mission nicht der einzelnen Staaten, sondern eine solche der Staatengemeinschaft, die zur Durchsetzung humanitärer Zwecke Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII oder niedrigschwelligere Blauhelmaktionen anordnet und damit Werte einer neuen Völkerrechtsordnung über den Staaten anerkennt und auch durchsetzt. Eine Analyse der Anwendungsfalle seit 1991 zeigt jedoch zweifelsfrei, daß solche erweiterten friedenssichernden Missionen nur dann für zulässig erachtet werden, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: - es muß sich um außergewöhnliches, schwerwiegendes menschliches Leid handeln, hervorgerufen durch massivste Menschenrechtsverstöße; - die Friedenssicherungsaktion hat ausschließlich humanitären Zwecken zu dienen; - das Mandat für solche Missionen sollte a /imine zeitlich begrenzt werden, um spätere Vetomöglichkeiten bei der Beendigung des Mandats auszuschließen; - der Nachweis, daß Flüchtlingsströme eine Bedrohung des Weltfriedens darstellen, indem sie Grenzen überqueren und dadurch andere Staaten destabilisieren, sollte konkreter geführt werden; - und schließlich sollten solche Aktionen nunmehr stets vom WSR beschlossen werden. 25 V gl. hierzu statt vieler Ernst-Qtto Czempiel, Die Reform der UNO: Möglichkeiten und Mißverständnisse, München 1994, 108 ff., 117 ff., 122; Gerald B. Halman/Steven R. Ratner, Saving Failed States, Foreign Policy 89 (1992/93), 3 ff.; Günter Joetze, Friedenssichernde und friedenserhaltende Maßnahmen im europäisch-atlantischen Rahmen, in: Siegfried Magiera/Karl Matthias Meessen/Hans Meyer (Hg.), Politik und Recht, Gedächtnisschrift für Wilhelm A. Kewenig, Baden-Baden 1996, 25 ff., insbes. 26 f. 26 Aus der umfangreichen Literatur hierzu vgl. nur Ian Brownlie, Humanitarian Intervention, in: John Norton Moore (Hg.), Law and Civil War in the Modern World, BaltimorelLondon 1974, Kap. 10, 217 ff., sowie Riehard Lillieh, A Reply to Ian Brownlie and a Plea for Constructive Alternatives, ebd., Kap. 11,229 ff.; ders., Forcible Self-Help by States to Protect Human Rights, McGill Law Journal 15 (1969), 205 ff.
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Überdies sollten humanitäre Missionen nur durch kollektive Maßnahmen der Staatengemeinschaft als Ganzer, also möglichst nicht durch einzelne Staaten vorgenommen werden, wie dies etwa in Ruanda (durch Frankreich) und Haiti (durch die USA in der Anfangsphase ) der Fall war, da sonst immer der Verdacht der Verfolgung hegemonialer Eigeninteressen im Raume steht. Hier gibt es zweifellos Bedarf, de lege ferenda einen Kriterienkatalog analog der Aggressionsdefmition von 1974 auszuarbeiten, bei dem die näheren prozeduralen und inhaltlichen Voraussetzungen bei Anwendungstallen des Art. 39 ChVN aufgetachert würden. 27 6. Nach diesem unvollständigen Überblick über einige Aspekte der aus der UN-Praxis sich ergebenden Konkretisierungen der Bemühungen, ein System der Friedenssicherung gemäß dem Präambelwert "Bekämpfung der Geißel des Krieges" abzuleiten, soll abschließend noch stichwortartig auf die Begriffe "künftige Geschlechter" und "Menschheit" eingegangen werden. Viele Jahre blieben diese Begriffe als untechnische, vage Aspirationsnormen nur politisch-ethischer Provenienz weitgehend unbeachtet. Der Menschheitsaspekt gewinnt jedoch seit den 60er Jahren zunehmend an eigenständiger Bedeutung, zunächst im Recht der hoheits freien Räume, dem internationalen Seerecht, der Antarktis sowie im Weltraumrecht. 28 Daneben finden sich Bezugnahmen in Konventionen und Deklarationen der UNESCO, allen voran in der Konvention über den Schutz des Weltkultur- und Naturerbes von 1972. 29 Vorher schon taucht der Begriff "Menschheit" gelegentlich in der Präambel zu Konventionen und Deklarationen auf. 30 In der Konvention von 1972 überspringt der Begriff dann im 27 Vgl. dazu Richard B. Lillich, Humanitarian Intervention through the United Nations: Towards the Development ofCriteria, ZaöRV 93 (1993), 557 ff., insbes. 562 ff., m. w. N. 28 Hierauf haben hingewiesen: Jost Delbrück, Globalization of Law, Politics and Markets - Implications for Domestic Law - A European Perspective, Anm. 16,9 ff.; Rüdiger Wolfrum, Die Internationalisierung staatsfreier Räume, Berlin/Heidelberg 1984, insbes. 336 ff., 389 ff.; Habe, Anm. 8, insbes. 74 ff., 95 f., 106 ff.; Mary Ellen O'Connell, Enforcing the New International Law ofthe Environment, GYIL 1992,293 ff.; Eibe Riedei, Menschenrechte der dritten Dimension, EuGRZ 1989,9 ff., 15, 18, 19. 29 Convention concerning the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, Paris 1972. 30 1954 in der Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict, Den Haag 1954, Abs. 2 und 3 der Präambel, sowie in weiteren Konventionen und Deklarationen, etwa in der Declaration of the Principles of International Cultural Cooperation, UNESCO, General Conference, 14th Session, Paris 1966, Art. 1 (3): " ... all cultures form part ofthe common heritage belonging to all mankind."
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Kulturbereich die Schwelle der Deklarationen sowie schlichter Präambelverortung und wird in Art. 4 und 6 als Anliegen der gesamten Menschheit im Interesse nicht nur der Jetztlebenden, sondern klipp und klar auch der "künftigen Generationen" (= "künftigen Geschlechter") vertragsrechtlich festgezurrt. Beide Begriffe aus der VN-Chartapräambel werden so verrechtlicht. In dieser Funktion als "Menschenrechte der dritten Dimension"31 wird anstelle der einzelnen Staaten die Staatengemeinschaft als "Mankind" - neuerdings "Humankind" - charakterisiert, die abstraktere, umfassendere "Rechte" fiir Individuen, Gruppen, Völkerschaften und sogar Staaten in Form eines Rechts auf Entwicklung, eines Rechts auf eine lebenswerte Umwelt, auf Teilhabe am gemeinsamen Menschheitserbe, auf Solidarität und schließlich auch auf positiven Frieden einfordert. 7. Man mag über die Berechtigung solcher Konstruktion als Menschenrechte eigener Art streiten - und westliche Staaten haben sich bis nach 1990 dieser Rechtsentwicklung vehement entgegengestellt. Seit der Rio-Konferenz von 1992 beginnt aber - und dies hat Jost Delbrück jüngst eingehend dargelegt _32 ein grundlegendes Umdenken auch bei den reichen Industriestaaten: Lehnten sie vorher ein Recht auf Entwicklung als schlichte Neuauflage der vorher vergeblich propagierten Neuen Weltwirtschafts ordnung strikt ab, erkennen sie nunmehr an, daß die Staatengemeinschaft zunehmend globaler denken und handeln muß, weil die Probleme transnational unlösbar verzahnt sind und nach Globallösungen verlangen, welche die einzelnen Staaten längst nicht mehr allein oder nur unzureichend bewältigen können. 33 Seit Rio 1992 wird das Konzept der nachhaltigen Umweltentwicklung zwar in unterschiedlicher Interessenakzentuierung (Industrieländer: Umweltschutz vor Entwicklung; Entwicklungsländer: Entwicklung vor Umweltschutz), grundsätzlich aber von allen anerkannt und als wechselwirksam gekennzeichnet. Schon heute zeichnet sich ab, daß die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung - ungeachtet ihres rechtlichen Stellenwertes - ähnliche Breitenwirkung wie seinerzeit Korb III der KSZE-Schlußakte von Helsinki (1975) haben wird, lange bevor der individuelle Menschenrechtsschutz im damaligen Ostblock Realität wurde. Größter Konsens besteht jedenfalls, daß erstmals "Bodensatz-Prinzipien" aufgestellt wurden, die eine Abkehr von isolierter Wachstumsideologie sowie ein Bekenntnis zur Notwendigkeit nachhaltiger, schonender Ressourcennutzung beinhalten. Wirtschaftliche Entwicklung auf marktwirtschaft31 Riedel, Anm. 28, 15 ff. 32
Delbrück, Anm. 28, 9 ff.
33 Eibe Riedel, The Right to Development, in: Rüdiger Wolfrum (ed.), United Nations:
Law, Policies and Practice, München 1995, Bd. 11, 1103 ff.
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licher Basis verliert ihr ideologisches Stigma und wird jetzt auch von den Entwicklungsländern befilrwortet, zumal die Industrieländer anerkennen, daß Entwicklung ohne substantielle Hilfen durch sie nicht erreichbar ist. Die bescheidene "Global Environment Facility" des Rio-Pakets ist dafilr nur ein symbolischer Auftakt (2 Mrd. US-$ statt errechneter ca. 600 Mrd. US-$), aber immerhin ein Anfang. 8. So zeichnet sich am Horizont ein wirksameres Völkerrecht in Form eines neuen "Weltinnenrechts als Rechtsordnung einer globalen Weltgesellschaft" ab,l4 das in der Rechtsprechung des IGH ansatzweise bereits im Reparation for Injuries-Case 1949, im 2. Südwestafrika-Fall von 1966, im Namibia-Gutachten von 1970 sowie obiter in der Barcelona Traction-Entscheidung von 197035 durch Anerkennung des Schutzes von "öffentlichen" oder "Gemeinschaftsinteressen" mit erga omnes-Wirkung36 zunächst nur angedeutet wurde. Neue drängende Menschheitsprobleme, wie Hungersnöte, existenzielle Armut, Überbevölkerung, massenhafte Flüchtlingsströme, Umweltzerstörungen, Raubbau an den Weltwasservorräten und anderen nicht erneuerbaren Umweltressourcen sowie die fortbestehende Bedrohung durch weiterhin mögliche Proliferation von Nuklearwaffen und anderen menschenverachtenden Waffen, um nur einige der drängendsten Probleme zu benennen, zwingen zu radikalem Umdenken. Globalisierung der Problemlösungstechniken unter zunehmendem Zeitdruck ist deshalb angesagt. 37 Wer dies verkennt, verliert den Blick filr wesentliche Kriegsursachen, deren Bekämpfung sich die Vereinten Nationen zur Aufgabe gemacht haben. 38 34 Delbrück, Anm. 15, 318 ff., insbes. 346 ff., im Anschluß an Carl F. von Weizsäcker und Dieter Senghaas. 35 Reparation for Injuries Suffered in the Service ofthe UN, ICI Rep. 1949, 174 ff.; South West Africa, Second Phase, ludgment, ICI Rep. 1966,6 ff.; Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICI Rep. 1971, 16 ff.; Barcelona Traction, Light and Power Company, Ud., ludgment, ICI Rep. 1970,3 ff. 36 V gl. hierzu Jochen A. Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse Probleme bei Formulierung und Durchsetzung, in: FS Karl Doehring, Berlin 1989,219 f1, m. w. N.; ders., Anm. 17,405 ff.; Bruno Simma, Does the UN Charter Provide an Adequate Legal Basis for Individual or Collcctive Responses to Violations of Obligations erga omnes?; in: Jost Delbrück (ed.), The Future of International Law Enforcement. New Scenarios - New Law?, Berlin 1993, 125 ff., insbes. 136 ff.; Christian Tietje, Die Völkerrechtswidrigkeit des Einsatzes von Atomwaffen im bewaffneten Konflikt unter Umwelt- und Gesundheitsaspekten, AVR 1995,266 ff., insbes. 282 ff. 37 Delbrück, Anm. 28, 27 f. 38 Delbrück, Anm. 15,201 ff.
· .. künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, . . .
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Natürlich bedeutet all dies nicht die Verabschiedung des Staates als Funktionsträger des Völkerrechts. Der Globalisierungsdruck fiir die Staatengemeinschaft relativiert jedoch das Bild des Staates grundlegend. Als Leitmotiv fiir viele Beiträge hat Jost Delbrück dies immer wieder betont;l9 Natürlich bedarf es weiterhin des Staates als Transmissionsriemen von Ordnungsvorstellungen des Völkerrechts, vor allem dann, wenn die Staatengemeinschaft ihrer Aufgabe (noch) nicht gerecht wird und gemeinschaftliches Handeln aus den unterschiedlichsten Gründen blokkiert oder schlicht unterentwickelt ist.
9. Die Geißel des Krieges, vor der künftige Generationen zu schützen sind und von der Absatz 1 der Präambel so emphatisch spricht, muß 50 Jahre nach Schaffung der UNO neben der konsequenten Durchsetzung der globalen Menschheitsanliegen im Interesse auch künftiger Generationen mit den Mitteln der kollektiven Friedenssicherung als weiterhin vorrangig zu bekämpfendes Übel gesehen werden. Absatz 1 der Präambel hat somit weit über seine ursprüngliche, deklamatorische Absicht hinaus als "Common Standard of Achievement" das neue Völkerrecht visionär vorgezeichnet und bleibt heute und fiir die Zukunft aktueller denn je. Die zahlreichen Forschungsarbeiten von Jost Delbrück zum Friedenssicherungssystem der Vereinten Nationen zeichnen diese Entwicklungen klar und weitsichtig nach. Für die kommenden Jahre dürfen wir zuversichtlich weitere grundlegende Analysen aus der Feder von Jost Delbrück erwarten, die ähnlich erhellend komplexe Zusammenhänge verdeutlichen und Impulse geben. Dafiir wünsche ich ihm Kraft, Gesundheit und auch eine Portion Idealismus, daß es lohnt, sich in Forschung und Lehre fiir eine bessere Völkerrechtsordnung einzusetzen. Die große Zahl seiner Schüler, von denen viele hier versammelt sind, ist dafiir bester Beleg!
Summary "To save succeeding generations from the scourge ofwar ...": The UN marks the second attempt in the twentieth century to establish a new international order. The preamble of the UN-Charter contains notions that could not be regarded as fully valid legal propositions in 1945. Instead, the notions "scourge of war", "future generations" and "mankind" undoubtedly transcended legal rules as found
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Delbrück, Allocation of International Law Enforcement Authority, Anm. 16, 146 f.,
157 f.
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in the subsequent articles ofthe ON-Charter. In fact, these words - unlike other preamble notions - do not reappear in the text ofthe Charter. However, the first preambular paragraph foreshadows a value orientation of international law that was to become reality only much later. The paragraph looked backwards and forward: it reflected at once upon the Fascist tyranny just overcome, and the vision of a new rule of law whereby in the field of peacekeeping the role of the sovereign state became increasingly relative. Jost Delbrück has repeatedly pointed out that the respect of sovereign equality represents an important Charter principie, but massive human rights violations or ecological warfare belong to matters not "essentially within the domestic jurisdiction of states". They are matters of common concern for which the community of states, not just individual states, are responsible. In the area of peacekeeping the preamble promises have been taken up under chapters VI and VII ofthe Charter, and since 1990 there has evolved a system of humanitarian missions in the interests of all mankind/humankind, replacing traditional and disputed humanitarian interventions. While the "mankind approach" to internationallaw met with much criticism in the seventies and eighties, fundamental critique has since subsided considerably, owing to developments following the demise ofthe Soviet Union, and following the Rio Summit on global environment problems of 1992. Sustainable development in the interest of all humankind since then is generally accepted and marks the beginning of a "world internallaw as a legal order of agiobai world society" (Delbrück). Globalization of problem-solving techniques seems called for. The nation state's role declines, but does not disappear in the process. The state remains a conveyer belt for notions of world public interest, and vicariously will have to fulfil useful functions in the foreseeable future. It is submitted that preambular paragraph one will retain much of its persuasive power, beyond the original purely declamatory intention, as a common standard of achievement, pre-structuring the new internationallaw order.
Wir, die Völker der Vereinten Nationenfest entschlossen, ... unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen, ... Klaus Dicke'
Kaum einem Gedanken Jast Delbrücks kommt in der weltgeschichtlichen Übergangsperiode seit dem Zerfall der UdSSR und der bipolaren Weltordnung höhere Aktualität zu als dem der "Konstitution des Friedens als Rechtsordnung". 1 Nicht nur wird der Beitrag der UNO in der Festigung und Fortentwicklung des Völkerrechts bei den zahlreichen Bilanzen anläßlich ihres 50. Geburtstages meist nur am Rande als einer der zweitrangigen Erfolge gewürdigt; auch wird die völkerrechtspolitische Chance der rechtsdurchsetzenden Tätigkeiten des Sicherheitsrates2 seit 1990 kaum wahrgenommen. Der volle normative Gehalt des politischen Grundgedankens des Friedens droht bei einer weitgehend sicherheitspolitisch und effIzienzorientierten Betrachtung, unter der die UNO und insbesondere die kollektive Sicherheit heute stehen,l unter der Hand verloren zu gehen. Gerade die Menschenrechtspolitik der Vereinten Nationen ist das herausragende Beispiel für die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung und wohl auch für den Erfolg dieser Perspektive. Sie hat die Konstitutionalisierung der Politik • Prof. Dr. Klaus Dicke, Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte, Institut für Politikwissenschaft der Universität Jena. 1 Jost DelbrückiKlaus Dicke, Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung, in: Uwe NerlichlI'rutz Rendtorff(HIsg.), Nukleare Abschreckung. Politische und ethische Interpretationen einer neuen Realität, Baden-Baden 1989,797 ff. 2 Dazu Jast Delbrück (ed.), The Future of International Law Enforcement. New Scenarios - New Law?, Berlin 1993; ders. (ed.), Allocation ofLaw Enforcement Authority in the International System, Berlin 1995. 3 V gl. etwa Ernst-DUo Czempiel, Die Reform der UNO, München 1994.
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auf der Basis von Selbstbestimmung und Menschenwürde zum Inhalt, und sie ist das Paradebeispiel fUr durchaus erfolgreiche zwischenstaatliche und internationale Kooperation. Dies hat Jost Delbrück unter dem Stichwort der "International Constitutional Cooperation" zum Ausdruck gebracht, definiert als "the joint international effort to contribute to the promotion of the establishment of human rightsbased constitutional government around the world". 4 Es ist diese, dem Gedanken der Konstitution des Friedens als Rechtsordnung verpflichtete "international constitutional cooperation", die in dem hier zu behandelnden Passus der Charta-Präambel ihre Begründung erfährt. Diese Begründung soll im folgenden in ihrer argumentativen Struktur, ihrem materiellen Gehalt und ihren völkerrechtspolitischen Konsequenzen erläutert werden.
1. Der Rekurs auf einen "Glauben" Die Völker der Vereinten Nationen erklären sich im 2. Abs. der Präambel der UNO-Charta "fest entschlossen, ... unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an WUrde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen." Obgleich die Präambel der Charta keine geltungstheoretische Abhandlung darstellt, läßt sie sich doch sowohl von ihrer Intention als auch vom Wortlaut und Sinn und Zweck her5 geltungstheoretisch interpretieren: Während der erste Absatz eine handfeste historische Erfahrung als Grundlage der Charta ins Feld fUhrt, der dritte Absatz Kants lapidare Feststellung, der Friede müsse gestiftet werden,6 in nahezu analytischer Rationalität ausbuchstabiert, und der vierte Absatz ein klares politisches Programm formuliert, wird im zweiten Absatz ein Glaube bekräftigt. Ist das mehr als ein Entgegenkommen gegenüber religiösen Geltungsbegründungen oder ein Ausfluß des existenzialistischen Pathos der unmittelbaren Nachkriegszeit? "Glaube" als Grundlage einer Geltungsreflexion - dies widerstreitet jedenfalls unserem positivistischen und scientistischen Zeitgeist. Glauben - das ist jenseits des wissenschaftlich Erkennbaren, das ist 4 Jost Delbrück, Human Rights and International Constitutional Cooperation, in: ders., Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung (hg. von Klaus DickelStephan Hobel Karl-Ulrich Meyn/Eibe RiedellHans-Joachim Schütz), Berlin 1996,59 ff. 5 Zur Interpretation der Präambel generell Rüdiger Wolfrum, Präambel, in: Bruno Simma u. a. (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen. Kommentar, München 1991, I - 5 sowie Karl-Ulrich Meyn, in diesem Band, 26 ff. 6 Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, in: AkademieAusgabe (AA) VIII, Berlin 1968,348 f.
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willkürliches Werten oder "willkürliche Setzung"/ Glauben als Grundlage einer Geltungstheorie - dies ruft grundsätzliches Mißtrauen eines am empirischen Wissenschaftsideal orientierten Rationalismus hervor. Die geltungstheoretische Bedeutung des zweiten Präambelabsatzes liegt aber nun gerade darin, daß er Positivismen vielfältigster Art widerstreitet. Dies ist zunächst durch einige kurze Überlegungen darüber darzulegen, was "Glauben" im vorgegebenen Kontext bedeutet und was unter "Geltungsbegründung" im Rahmen der UNO-Charta zu verstehen ist. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß hier nicht ein Glaube konstituiert, sondern bekräftigt wird. Das heißt konkret, daß die Einigung bzw. der Konsens der Atlantik-Charta, der Erklärung der Vereinten Nationen und der Einladung nach Dumbarton Oaks zitiert und erneuert werden, und daß dabei zugleich der Konsens der klassischen Menschenrechtserklärungen8 zitiert und erneuert wird. Solche rituellen, quasi-liturgischen Bestätigungen, die für die Vergegenwärtigung der verbindenden Tradition in einem jeden Gemeindeleben unerläßlich sind, haben in der Praxis der UNO eine nicht unwichtige Funktion erhalten. Tomuschat hat - wenn auch kritisch - darauf hingewiesen, daß in repetitiven Bestätigungsformeln zahlreicher Resolutionen und Deklarationen der Generalversammlung sich ein Rechtsverständnis geltend macht, welches nicht auf den rationalen Gedanken einmaliger Positivierung, sondern den eher rituell-liturgischen Vorgang wiederholter Beschwörung abhebt und von dorther die Geltungskraft des Rechts erschließt. 9 Diesem dem europäischen Rationalismus zwar als unzuverlässig geltenden, aber weltweit zweifellos vorhandenen Rechtsdenken bietet der 2. Präambelabsatz eine nachvollziehbare Geltungsbegründung für die Charta. Doch ist dieses Rechtsdenken dem europäischen Rationalismus so entlegen nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Die Institutionentheorie Maurice Haurious hat ebenso wie die von Hegels Lehre vom "objektiven Geist" inspirierte Integrationstheorie Smends die konstitutive Bedeutung von "Leitideen" für Ver7 Mit dieser Formulierung hat jüngst Christian Tomuschat, Die internationale Gemeinschaft, A VR 33 (1995), 7 f. u. a. Suarez, Wolff und Kant völkerrechtstheoretische Bedeutung abgesprochen. 8 Insbesondere der Virginia Bill of Rights von 1776 und DecIaration des droits de I'homme et du citoyen von 1789, in: Wolfgang Heidelmeyer, Die Menschenrechte. Erklärungen, Verfassungsartikel, internationale Abkommen, 3. Aufl. Paderborn 1982, 56 ff., 59 ff. 9 Christian Tomuschat, Neuformulierung der Grundregeln des Völkerrechts durch die Vereinten Nationen: Bewegung, Stillstand oder Rückschritt?, EA 38 (1983), 730. Dazu Klaus Dicke, Effizienz und Effektivität internationaler Organisationen, Berlin 1994, 192f.
4 UN-Sbd.
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fassungsinstitutionen hervorgehoben. 10 In diesem Sinne wird mit dem "Glauben" an Würde und Wert der Person sowie an die Gleichheit der Menschen und Nationen eine "idee directrice" der Vereinten Nationen in die Charta inkorporiert. Zugleich wird deutlich gemacht, daß diese Idee objektiven Gehalt nur haben kann, wenn alle Nationen sie sich in freier Übernahme zu eigen machen und in diesem Sinne eine "Glaubensgemeinschaft" gründen. Paul Johann Anselrn Feuerbach hat den damit angesprochenen Sachverhalt bereits 1814 so ausgedrückt: Darum ist einem Jeden, dem noch nicht das Menschliche fremdgeworden, durch seine Pflicht geboten, gerade jetzt auf das Kräftigste dahin zu wirken, daß alle diejenigen Überzeugungen zu klarem Bewußtsein gebracht und laut und kräftig ausgesprochen und somit als möglich verbreitet werden, welche, als das Gemeingut aller Menschen, in allen Geistern leben, durch Empfindung und Gefühl mit den Herzen aller Völker gleichsam verwachsen, als höchste Grundsätze eines würdigen Menschenlebens ewig hoch geachtet, und, wie heilige Artikel des Glaubens, von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt werden müssen, wenn das Wiedergewonnene bestehen und für uns, wie rur unsere Nachkommen dauernd erhalten werden soll.ll Eine zweite Erklärung dafilr, warum in diesem Absatz von "Glauben" die Rede ist und was dies bedeuten kann, mag sich aus dem Hinweis ergeben, daß die UNO-Charta in eine Zeit hinein spricht, in der die Frage aufkommt, wie man nach Auschwitz noch an Gott glauben könne, in der vom "Tod" oder "Ende der Metaphysik" gesprochen wird, in eine Zeit also, in der die Erfahrung verlorengehenden Glaubens existenziell gespürt wird. 12 Diese Erfahrung stellt sich dort ein, wo glaubensstützende Gewißheiten abhanden kommen und ein Glaube sich gegen die Evidenz des Schrecklichen, des gewaltsamen Todes und insbesondere der Machtlosigkeit gegenüber dem Bösen behaupten muß. Glauben in solchen Situationen ist eine Handlung; er muß gewollt sein und kann nur willentlich vollzogen werden. Gerade darin erfährt er sich jedoch als ein aliud zum Wissen und zu entlastenden Gewißheiten. Auch hier liegt eine Analogie zum Politischen nahe: nie10 Vgl. Wolfgang Lipp, Institution, in: Roman Herzog u. a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl. Stuttgart 1987, Bd. I, Sp. 1344 - 1351; RudolfSmend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 2 Aufl. Berlin 1968, 119 ff. 11 Paul Johann Anselm Feuerbach, Die Weltherrschaft das Grab der Menschheit, Nürnberg 1814,7. 12 Vgl. etwa Hans Jonas, Der Gottesbegriff nach Auschwitz, in: Otfried Hojius (Hrsg.), Reflexionen finsterer Zeit, Tübingen 1984,61 - 86; Tiemo Rainer Peters, Nach Auschwitz von Gott sprechen, Hamburg 1995; Walter Schulz, Philosophie in der veränderten Welt, Pfullingen 1972,35 ff. zur Ablehnung der Metaphysik durch die Wissenschaftsauffassung des Positivismus.
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mand, der sich praktisch oder gedanklich mit Politik beschäftigt, kommt um die Erfahrung herum, daß man hierbei gelegentlich den "Glauben an die Menschheit" verlieren kann. Nun bildet in jener Schrift, in welcher der Begriff" Völkerbund" geprägt wurde, der Verlust des Glaubens an die Menschheit den Ausgangspunkt geschichtsphilosophischer Erörterung: Man kann sich eines gewissen Unwillens nicht erwehren, wenn man ihr Tun und Lassen auf der großen Weltbühne aufgestellt sieht und bei hin und wieder aufscheinender Weisheit doch endlich alles im großen aus Thorheit, kindischer Eitelkeit, oft auch aus kindischer Bosheit und Zerstörungssucht zusammengewebt findet: wobei man am Ende nicht weiß, was man sich von unserer auf ihre Vorzüge so eingebildeten Gattung rur einen Begriff machen soll - so Kant am Beginn der kleinen Schrift von 1784 "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht"13. Nur wenn man die Geschichte so betrachte - so der Trost des Philosophen - , als sei sie der Vollzug eines "verborgenen Plans der Natur", eine vollkommene bürgerliche Verfassung innerhalb und zwischen den Staaten zustande zu bringen, gewinnt man einen sicheren Stand des Urteilens darüber, was die Geschichte gerade in solchen Situationen zu tun gebietet, in denen der Glaube an die Menschheit verlorenzugehen droht - im Krieg und in der immer wieder sich offenbarenden Friedlosigkeit des Menschen in der Welt. 14 In dieser Lesart handelt es sich bei der Reflexion Kants um eine tiefsinnigere geschichtsphilosophische Deutung der Frage, warum die Menschheit nach zwei Weltkriegen diese UNO-Charta verfaßt hat. Nicht idealistischer Aufschwung zu den Menschheitsidealen, sondern konkretes Arbeiten an der VerrechtIichung, bauen "am unsichtbaren Palast der Rechtsordnung", wie Schücking mit Blick auf den Haager Friedenspalast sagte l5 , ist es, wozu diese Deutung aufruft - und beiträgt. Ein dritter Aspekt, unter dem der Rekurs auf einen "Glauben" in der ChartaPräambel zu erläutern ist, wird im Blick auf den semantischen Gehalt des Begriffs "Glauben" sichtbar. G1aube,fides, faith bezeichnet den Vorgang des Bekenntnisses zu einer dem eigentlichen Akt der Rechtssetzung voraus liegenden Wahrheit. "Geglaubtes läßt sich nicht theoretisch erkennen, man muß sich praktisch zu AA VIII, Anm. 6, 17 f. Zur Unterscheidung von politischem Unfrieden und innerer Friedlosigkeit Johannes Schwartländer, Die Verantwortung der Vernunft in einer friedlosen Welt, in: ders. (Hrsg.), Die Verantwortung der Vernunft in einer friedlosen Welt, Tübingen 1984,28 - 47 (29). 15 Walther Schücking, Der Staatenverband der Haager Konferenzen, MünchenlLeipzig 1912, IX. 13
14
4*
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ihm bekennen". 16 Zuversicht, Vertrauen in und Treue zu Unsichtbarem und zu Unbeweisbarem sind Elemente dieses praktischen Vorgangs des Bekennens, der auch in Art. 1 Abs. 2 des Grundgesetzes angesprochen wird. Geltungstheoretisch gewendet bedeutet dieser auch dem Vertragsgedanken 17 immanente praktische Vorgang des Bekennens, daß die Notwendigkeit, aus der heraus die Charta gilt l8 , nicht theoretisch deduziert werden kann, daß allerdings sehr wohl Grunde benannt werden können, die diese Notwendigkeit rational einsichtig und verständlich machen können. In diesen drei Aspekten bringt der Rekurs auf den Glauben im 2. Absatz der Charta-Präambel eine Geltungsbegrundung der Charta zum Ausdruck, die sich nicht als theoretische Konstitution, sondern als eine auf den Willen der Völker der Vereinten Nationen, die Charta ,gelten zu lassen', bezogene henneneutische Darlegung dessen verstehen kann, was der hier angesprochene praktische Vorgang des Glaubens zum Inhalt hat. Das argumentative Ziel dieser Begründung ist es, die zu gründende Organisation und ihr Tun einem Geltungsanspruch zu unterwerfen, der unabhängig von ihr besteht. Was besagt dieser Geltungsanspruch inhaltlich?
2. Würde und Gleichheit als Inhalt des "Glaubens" Als Inhalt des Geltungsanspruchs werden im zweiten Präambelabsatz angefilhrt die Grundrechte des Menschen, die Würde der Person sowie die Gleichheit von Menschen und von Nationen. Auf diese Inhalte werden die Grundungszwecke der Charta und das Zusammenwirken der Nationen bezogen. Aber kann man hier wirklich von "Inhalten" sprechen? Am präzisesten ausfonnuliert sind die "Gleichberechtigung von Mann und Frau" sowie "von allen Nationen, ob groß oder klein". Inhalt des Bekenntnisses ist hier die Gleichheit der
Karl Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen, 6. Aufl. Stuttgart 1973, 149. Für den trust-Gedanken bei Locke etwa vgl. Eibe H. Riedel, Die Eigentumsgarantie als Problem der allgemeinen Staatslehre und des Verfassungsrechts am Beispiel Großbritanniens, in: Johannes SchwartländerlDietmar Willoweit (Hrsg.), Das Recht des Menschen auf Eigentum, Kehl/Straßburg 1983, 129 - 150 (145 ff.). 18 "Das Recht gilt, weil es notwendig ist. In der Tat läßt seine Geltung sich nicht eigentlich juristisch erklären." So Georg DahmlJost Delbrück/Rüdiger Wolfrum, Völkerrecht 111, 2. Aufl. BerlinlNew York 1989, 27 ff. (41). Vgl. auch Jost Delbrück, The Impact of the Allocation of International Law Enforcement Authority on the International Legal Order, in: ders. (ed.), Allocation, Anm. 2, 157. 16
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Rechtsgenossen, der Einzelpersonen ebenso wie der Staaten. 19 Den hieran anknüpfenden menschenrechtlichen Diskriminierungsverboten, in denen das in der Präambel enthaltene Programm rechtliche Ausgestaltung erfahren hat, hat Jost Delbrück in besonderer Weise Aufmerksamkeit geschenkt;20 auf diese Arbeiten kann hier verwiesen werden. Näherer Erläuterung bedarf hingegen die "ungewöhnliche Weise", in der die Präambel die Staatengleichheit mit der Gleichheit von Einzelnen verbindet. 21 Wolfrum hat auf die Ansätze in der Charta hingewiesen, in denen die Staatengleichheit operationalisiert wird, und darauf aufmerksam gemacht, daß die Formulierung der Präambel einerseits die Forderung nach gleichem Zugang zum Welthandel und zu Rohstoffen aus der Atlantik-Charta zitiert, daß aber andererseits in der institutionellen Mitwirkung der Staaten in der UNO die Staatengleichheit zumindest im Sicherheitsrat durchbrochen seU2 Die politische Auseinandersetzung um die Staatengleichheit hat bei der Verabschiedung der Charta politisch eine ebenso bedeutsame Rolle gespielt, wie sie heute im Zentrum der Reformdiskussion steht; man denke etwa an die Forderung des Non-Aligned Movement nach einer "Demokratisierung" der UN. 23 Das Bekenntnis zur Staatengleichheit ist also von höchster Aktualität. Auf den gemeinsamen Boden, auf dem die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von Nationen steht, hat Delbrück hingewiesen, als er Diskriminierung als "willkürliche Ungleichbehandlung von Rechtsgenossen (Einzelpersonen, Staaten) unter Anknüpfung an Unterscheidungsmerkmale" bestimmte, die rational nicht zu rechtfertigen sind. 24 Was Einzelne und Staaten verbindet, ist also die Rechtsgenossenschaft, und der Aspekt, unter dem Gleichheit in der Präambel angesprochen wird, ist der Rechtsbegriff selbst. Rechtsgenossen sind Subjekte, welche durch einen künstlich herbeigefilhrten Zustand verbunden sind: durch den Zu19 In dieser Parallelität mag man einen Hinweis auf eine Anerkennung der Völkerrechtssubjektivität des Individuums erblicken. 20 Jost De/brück., Die Rassenfrage als Problem des Völkerrechts und nationaler Rechtsordnungen, Frankfurt a. M. 1971; ders., Die Konvention der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau von 1979 im Kontext der Bemühungen um einen völkerrechtlichen Schutz der Menschenrechte, in: FS Sch/ochauer, Berlin 1981, 247 ff.; ders., Diskriminierung, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, München 1991,85 ff. 21 So WolJrum, Präambel, Anm. 5, Rdn. 6. 22 Ebd., Rdn. 7. 23 Dazu K. P. Saksena, Reforming the United Nations. The Challenge of Relevance, New DelhiILondon 1993, 163 ff. 24 Jost De/brück, Diskriminierung, a.a.O., Anm. 20, Rdn. 1.
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stand, der Geltung gemeinsamer Regeln unterworfen zu sein. Das Bekenntnis zur Gleichberechtigung, zu den "equal rights" der Rechtsgenossen, ist nichts anderes als das Bekenntnis zum Rechtsbegriff selbst. Auf die Konsequenzen wird sogleich einzugehen sein; festzuhalten bleibt, daß nach den Worten der Präambel hinsichtlich der Rechtsgenossenschaft selbst eine Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts bei einzelnen25 und aus Gründen der "Größe" bei Nationen ausgeschlossen ist. Was die übrigen inhaltlichen Elemente des Bekenntnisses im zweiten Präambelabsatz angeht, kann in Anknüpfung an andernorts Gesagtes zusammenfassend festgestellt werden 26 : Es fällt auf, daß pauschal und ohne Definition von "den Grundrechten des Menschen"27 und von "Würde und Wert der menschlichen Person" die Rede ist. Die Präambel der Charta bezieht sich auf ein "geschichtliches Normapriori"28, welches in der je konkreten, auf dem Wege politischer Einigung herbeizuführenden Bestimmung einzelner Grundrechte konkretisiert werden muß. Dadurch wird der "anthropozentrische" Rechtsbegriff mit Politik verknüpft. Es ist ein Verdienst der politischen Theorie der Frankfurter Schule, auf den emanzipativ-politischen Aspekt dieses Zusammenhangs hingewiesen zu haben, wenn auch ihr Freiheitsbegriff oft hinter dem gerade in den Menschenrechten vorliegenden Differenzierungspotential zurückbleibt. Adorno etwa geht in der "negativen Dialektik" von der Unmöglichkeit moderner Gesellschaften aus, Freiheit positiv zu bestimmen; sie sei vielmehr einzig in bestimmter Negation zu fassen, gemäß der konkreten Gestalt von Unfreiheit. (... ) Das Positive liegt heute darin, zu versuchen, so gut es in unserer Kraft steht, dem Negativen, dem Zustand der drohenden realen und dem der schon verwirklichten geistigen Entmenschlichung doch das Ende zu bereiten. 29
25 In Art. 1 Ziff. 3 der Charta wird das Diskriminierungsverbot jedoch ausgeweitet auf die Kriterien Geschlecht, Rasse, Sprache und Religion. 26 Vgl. Klaus Dicke, Die der Person innewohnende Würde und die Frage der Universalität der Menschenrechte, in: FS Johannes Schwartländer, Würzburg 1992, 161 ff. 27 Hervorhebung K. D. Der Plural ist um so beachtlicher, als eine internationale Auflistung von Menschenrechten erst mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 erfolgte, sieht man von einem Katalog des Institut de Droit International von 1929 ab. Vgl. Karl Jose! Partsch, Menschenrechte, allgemein, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch, Anm. 19, 544 ff. 28 Vgl. Johannes Schwartländer, Menschenrechte - eine Herausforderung der Kirche, MainzlMünchen 1979, 15 ff., 34 ff.; ders. (Hrsg.), Menschenrechte - Aspekte ihrer Begründung und Verwirklichung, Tübingen 1978. 29 Theodor W Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt a. M. 1966,228 ff.; dazu Walter Schutz, Freiheit und Unfreiheit im Horizont menschlicher Selbsterfahrung, in: ders., Vernunft
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In etwas anderer Hinsicht hat Habermas in jüngeren Arbeiten mit dem Hinweis auf die Gleichursprünglichkeit von privater und öffentlicher Autonomie im Verfassungsstaat und seiner Deutung der politischen Geschichte als einer solchen der "Anerkennungskämpfe" auf den inneren Zusammenhang zwischen Rechtsbegriff und Politik abgestellt. 30 Dieser Zusammenhang wird bestätigt durch die Geschichte der UN-Menschenrechtspolitik selbst: Mit einem Katalog ein für alle Mal war es nicht getan; im Gegenteil: immer wieder neue Unrechtserfahrungen filhrten zu neuen Versuchen, der "Entmenschlichung das Ende zu bereiten". So richtig es ist, heute auf einen stärker verfahrensbezogenen Ausbau des Menschenrechtsschutzes zu drängen, so sicher kann man voraussagen, daß die von Adorno und Habermas skizzierte Dialektik der Emanzipation zu stets neuen Menschenrechtsforderungen fUhren wird, und es bedarf keiner großen Prophetengabe, um vorauszusagen, daß die meisten dieser Forderungen nicht aus einem westlich-abendländischen oder einem atlantischen Kulturhorizont heraus vorgetragen werden. Das Recht auf Entwicklung - dies deuten die Debatten der Wiener Menschenrechtskonferenz an 31 - war wohl nur ein Vorspiel. Auch hieraus werden völkerrechtspolitische Konsequenzen zu ziehen sein.
3. Einige völkerrechtspolitische Konsequenzen Den Ausgangspunkt bildete die Aussage, daß der zweite Präambelabsatz eine positivistischen Positionen widerstreitende Geltungsbegründung der Charta liefere, die zu rekonstruieren ist als eine Hermeneutik der Notwendigkeit, aus der her~ aus die Charta gilt. Die Ausgangsfrage einer solchen Hermeneutik lautet: Ist in einem gegebenen Fall das oben in seinem Inhalt umrissene Bekenntnis gewahrt? Ich will dies filr zwei Fragen durchführen, um zu sehen, welche Konsequenzen sich ergeben: filr die Frage der Sicherheitsratsreform und die Frage der Universalität der Menschenrechte. Zunächst zur Reform des Sicherheitsrates: hier gibt der zweite Absatz der Präambel Anlaß zu einer politischen Kurskorrektur. Es gehört zu den eher beschämenden Aspekten der deutschsprachigen literarischen Beiträge zur UN-Reform im und Freiheit, Stuttgart 1981, 105 ff. 30 Jürgen Habermas, Anerkennungskämpfe im demokratischen Rechtsstaat, in: Charles Taylor (Hrsg.), Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung, Frankfurt a M. 1993, 147 ff. 31 Vgl. dazu Heilce Kindler, Das Recht auf Entwicklung nach der Wiener Menschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen, Magister-Arbeit (unveröffentlicht) Mainz 1996.
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50. Jahr ihres Bestehens, daß die These, bei der kollektiven Sicherheit handele es sich um einen Mythos 32 , jedenfalls keine "response in kind" gefunden hat. Die Tätigkeit des Sicherheitsrates wird ganz überwiegend in machtpolitischen und in einem technischen Sinne sicherheitspolitischen Kategorien diskutiert; auch im Zusammenhang eines möglichen deutschen ständigen Sitzes. Es dominiert der Positivismus "nationaler Interessen". Der Aspekt der Organisation kollektiver Rechtsdurchsetzung in einem genossenschaftlichen Rechtssystem und damit die Einbettung der Diskussion über den Sicherheitsrat in den übergreifenden Zusammenhang einer "Konstitution des Friedens als Rechtsordnung" wird jedenfalls öffentlichkeitswirksam kaum debattiert. Dies ist nicht allein, aber zu einem wesentlichen Teil, auch Schuld der amerikanischen UNO-Politik. Denn - und dies ist der zweite Aspekt - wenn man schon zu recht fragen kann, ob es mit dem Bekenntnis zur Staatengleichheit vereinbar ist, daß im Sicherheitsrat 15 Staaten entscheiden, davon fünf eine privilegierte Verfahrensstellung haben, von denen wiederum dreieinhalb dem europäisch-atlantischen Kulturkreis entstammen, dann muß man erst recht die Frage aufwerfen, was denn aus dem "deal" mit der Staatengleichheit geworden ist, der 1945 den Sicherheitsrat überhaupt hat entstehen lassen: die damals zugesagte Charta-Revision ist nie zustande gekommen; und die Politik der Beitragsverweigerung durch die USA seit dem Kassebaum-Amendment hat mit der Gleichheit in der Rechtsgenossenschaft nichts zu tun. 33 Sehr zu Recht hat hingegen US-Präsident Clinton in seiner Rede vor der 50. Generalversammlung versucht, mit dem Thema Terrorismus die UN-Debatte wieder auf die Perspektive der Rechtsdurchsetzung zu beziehen: Nur eine glaubhafte und effiziente Politik der Rechtswahrung, in der sich alle Mitglieder der UN als Rechtsgenossen wiedererkennen können, kann die Richtung der UN-Reform bestimmen. Und solange diese Richtung vernebelt ist, soll man von Charta-Änderungen absehen. Im Menschenrechtsbereich - und dies ist meine zweite Schlußfolgerung wird der Positivismus, dem der zweite Präambelabsatz widerstreitet, mit dem Begriff des "Menschenbildes" bezeichnet. Dieser Begriff hebt zwar zu Recht auf den Pluralismus von Lebensentwürfen, Kulturen und Weltanschauungen ab, der den Diskurs über Menschenrechte seit dem Zweiten Weltkrieg in zunehmendem Ausmaß prägt und der seinerseits ein Ausdruck menschenrechtlich gesicherter Freiheit ist. Andererseits jedoch legt er Zentralaussagen der Menschenrechtsbegründung auf einzelne, kulturell bedingte Weltanschauungen fest mit der Folge, daß die 32 33
Czempiel, a.a.O., Anm. 3. Vgl. Dicke, Effizienz, Anm. 9, 213 ff.
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Universalität der Menschenrechte hinter einer Deklinierung der Menschheit "im Plural" verschwindet. 34 Der Wortlaut der Präambel ist hier - gegenüber späteren Formulierungen der UN - allerdings insofern vom Standpunkt der Universalität her nicht unproblematisch, als mit dem Abheben auf die "Person" in der Tat auf den Zentralbegriff verwiesen wird, in dem sich die Würde des Menschen in der christlich-abendländischen Tradition auslegt. Und die UNO-Charta ist in den - sehr spärlichen deutschen Quellen unmittelbar nach 1945 auch in christlich-naturrechtlichem Sinn interpretiert worden. Einer vernünftigen Begründungsdiskussion abträglich ist demgegenüber die - unzutreffende - deutsche Übersetzung "Persönlichkeit", welche auf ein zumindest liberalistisch interpretierbares Bild eines Menschen verweist, der nichts anderes zu tun hat, als ausschließlich sich selbst zu verwirklichen. Dagegen wird jedoch in den durchgehenden Bemühungen der UN-Menschenrechtspolitik, äquivalente Formulierungen für den zentralen Begriff der "Personen-Würde" zu fmden, die Intention deutlich, gegen jedes kulturspezifische oder ideologieabhängige Menschenbild den Grundsatz des "homo sem per maior" zur Geltung zu bringen. Daraus ergeben sich drei konkrete Konsequenzen: erstens müssen für unsere eigene Geltungsbegründungen der Menschenrechte Interpretamente gefunden werden, um die Notwendigkeit der Menschenrechte in der Unantastbarkeit jenes Mehr darzulegen, dessen Antasten eine "Entmenschlichung" darstellt. Zweitens kann eine "international constitutional cooperation" im Delbrückschen Sinn allein aus gemeinsamer Einsicht in diese Aufgabe wachsen. Deshalb bedeutet drittens "Universalität der Menschenrechte" stets ein Fragen in die Zukunft im Sinne des gemeinsamen Bauens am Palast der Rechtsordnung, ein Fragen in die Zukunft allerdings, das seine konkrete Ursache immer im konkreten Unrecht der Gegenwart hat.
Summary The second preambula paragraph of the Charter is analyzed as providing for an approval of a human rights based theory of "international constitutional cooperation". The paragraph's wording points to a non-positivist foundation of internationallaw. In substance, it refers to the dignity ofthe human being and to equal rights as cornerstones of UN law. The reform of the Security Council and the
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So Alain Finkielkraut, Die Niederlage des Denkens, Reinbek 1979.
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universality of human rights are taken as examples to test the consequences deriving from the preambula's concept ofintemationallaw.
Wir, die Völker der Vereinten Nationenfest entschlossen, ... Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können, ...
Stephan Hobe'
I. Einleitung Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der bisherigen 50 Jahre der Vereinten Nationen, daß Abs. 3 der Präambel, dem wir uns nachfolgend inhaltlich nähern wollen, so gut wie keine Rolle in der Staatenpraxis bzw. der wissenschaftlichen Diskussion gespielt hat. l Merkwürdig insbesondere deshalb, weil zum einen in dieser Bestimmung in einer für die Charta außergewöhnlichen Weise von Recht und Gerechtigkeit die Rede ist, was - wie man meinen möchte - eigentlich gerade für Völkerrechtler Anlaß genug sein müßte, sich um ein Verständnis dieser Vorschrift zu bemühen. Und andererseits auch deshalb, weil diese Bestimmung in gewisser Weise ein zentrales Leitmotiv der gesamten Charta - und des Oevres Jost Delbrücks - , nämlich die Frage von Ordnung und Wandel, von Gerechtigkeit und Recht in ein allerdings nicht leicht bestimmbares Gleichgewicht zu bringen versucht. 2 Die geminderte Aufmerksamkeit, die dieser Bestimmung bislang • Dr. Stephan Hobe, LL.M., Wissenschaftlicher Assistent am Walther-SchückingInstitut für Internationales Recht an der Universität Kiel. 1 Siehe Rüdiger Wolfrum, Preamble, in: Bruno Simma et al. (ed.), The Charter ofthe United Nations,A Commentary, München 1994, Rz. 13. Beispiele für eine Bezugnahme auf die Präambel sind die Friendly Relations DecIaration GA Res. 2625 (XXV) vom 24.10.1970 und die Debatte um die Uniting for Peace Resolution der Generalversammlung GA Res. 377 (V) vom 4.11.1950, etwa in GA AlPV.299-302 ofNov. 1 - 3, 1950. 2 So Jean-Pierre Cot/Allain Pellet, La Charte des Nations Unies, Paris 1985, Preambule, 12; ähnlich Andre Salomon, Le preambule de la Charte - base ideologique de I'O.N.U., GenflParis 1947, 113.
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zuteil geworden ist, läßt sich jedenfalls nicht mit ihrem Standort in der Präambel rechtfertigen. Zwar hatte namentlich Kelsen - von seinem rechtstheoretischen Standpunkt aus verständlich3 - die Auffassung vertreten, diesen Präambelbestimmungen komme schon, da es ihnen an Durchsetzbarkeit ermangele, keine rechtliche Bedeutung ZU,4 und fmden sich auch beim IGH im Urteil zum Südwestafrika-Fall Andeutungen dergestalt, daß es sich bei der Präambel eher um moralische und politische, denn rechtlich verbindliche Regelungen handele. s Indes gibt es jedenfalls zwei gute Argumente, die gegen eine Vernachlässigung der auch rechtlich verbindlichen Wirkung der entsprechenden Präambelvorschrift sprechen. Zum einen wird die Präambel nach der ausdrücklichen Bestimmung des Art. 31 der Wien er Vertragsrechtskonvention im Rahmen der kontextuellen Interpretationsmethode relevant. 6 Dies - und dies ist das zweite Argument - um so mehr, als bereits die Gründer der Vereinten Nationen deutlich zum Ausdruck brachten, daß zwar die semantische Ausgestaltung insbesondere der Präambelbestimmungen, die wesentlich auf einem Vorschlag von John Smuts basierten,7 nicht höchsten Anforderungen genüge, indes die Präambelbestimmungen eng mit den in Art. 1 niedergelegten Zielen, und den in Art. 2 der Charta niedergelegten Prinzipien verzahnt seien. 8 Das Technische Komitee auf der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen in San Francisco hat die Zuordnung von Präambel zu Zielen und Prinzipien der neugeschaffenen Organisation dahingehend erklärt, daß in der Präambel in rechtlich verbindlicher Weise die allgemeinen Absichten, in den Zielen des 1 die raison d'etre der Vereinten Nationen und in den Prinzipien des 2 die Methoden und zur Erreichung der Ziele anwendbaren Normen aufgefilhrt seien.9 Gerade wenn, wie anband des Wortlauts zu vermuten steht, in dem von uns 3 Siehe dazu insbesondere Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, Nachdruck Wien 1983, 31 (Die Rechtsordnung), 51 ff. (Sanktionslose Rechtspflichten?). 4 Vgl. Hans Kelsen, The Law ofthe United Nations, London 1950, 9. 5 IGH, South-West Africa Case, ICJ Reports 1966, 34. 6 Siehe dazu Heribert F. Köck, Vertragsinterpretation und Vertragsrechtskonvention, Berlin 1976, 30, 90; siehe rur die Auslegung von Gründungsverträgen internationaler Organisationen im allgemeinen Denys Simon, L'interpretation judiciaire des traites d'organisations internationales, Paris 1981, 157 ff., 319 ff. und solchen der Vereinten Nationen im besonderen KrzysztofSkubiszewski, Remarks on the Interpretation ofthe United Nations Charter, FS Hermann Mosler, BerlinIHeidelberg 1983, 891. 7 Siehe dazu jüngst ChristofHeyns, The Prearnble ofthe United Nations Charter: The Contribution of Jan Smuts, RADIC 1995, 329. B Vgl. zur Entwurfsgeschichte der Präambel: Ruth B. Russell/Jeannette E. Muther, The History ofthe United Nations Charter, Washington 1958, 897,906 ff. 9 UNCIO, Documents, VI, 446-47.
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nunmehr zu untersuchenden dritten Absatz von der Funktion des Rechts und der Rolle der Gerechtigkeit die Rede ist, ist in der Tat von Interesse, welches die den konkreten Zielen und Prinzipien der Organisation zugrunde liegenden wesentlichen Absichten der Gründer der Organisation gewesen sind. Wiewohl diese also nicht selbst Hauptverpflichtungen umschreiben, sind sie doch eng in Verbindung mit den den Mitgliedstaaten auferlegten Hauptverpflichtungen zu verstehen und erhalten darin ihre spezifische Bedeutung. 10 Nachfolgende Betrachtungen sollen sich zunächst mit der Frage beschäftigen, wie sich nach semantischer Auslegung die Begriffe "Bedingungen", "Gerechtigkeit" und "Recht" zuordnen lassen. Danach ist zu untersuchen, inwieweit die so gewonnene Zuordnung schon in der Intention der Gründer in San Francisco angelegt war. Dabei ist im Rahmen der in der Charta bereits angelegten dynamischen Auslegung die gewonnene Zuordnung um yölkerrechtstheoretische und -praktische Erwägungen aus heutiger Sicht zu erweitern. Der sich bereits heute ansatzweise abzeichnende Wandel des Völkerrechts zu einem stärker auf Kooperation basierenden Weltinnenrecht bietet, wie aufzuzeigen sein wird, erhöhte Möglichkeiten der Durchsetzung des dynamischen Konzepts des dritten Präambelabsatzes.
11. Begriffliche Grundlegung Nach dem Wortlaut des Absatzes 3 wird zunächst die Schaffung von Bedingungen in ein Verhältnis sowohl zu Recht wie auch Gerechtigkeit gesetzt. Soll also unter diesen "Bedingungen" die Schaffung der tatsächlichen Voraussetzungen fiir Rechtsbefolgung und Gerechtigkeit verstanden werden, und wie sind dabei die Begriffe "Recht" und "Gerechtigkeit" zu verstehen? Bestimmte tatsächliche Voraussetzungen, nämlich sozialer Fortschritt und Erhöhung des Lebensstandards werden beispielsweise auch noch in Abs. 4 angesprochen. Die nach Abs. 3 zu schaffenden Bedingungen zur Friedenserhaltung gehen darüber hinaus: Zur Schaffung von Rechtsbefolgung und Gerechtigkeit bedarf es mehr als des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts, formelle Staatengleichheit und distributive Gerechtigkeit müssen darüber hinaus als Elemente von "Gerechtigkeit" verwirklicht sein. Beide werden aber durch Recht geschaffen, die formelle Staatengleichheit wird in Art. 2 (1) der Charta nochmals aufgenommen und 10 Siehe Leland M. GoodrichiEdvard HambrolAnne P. Simons, Charter of the United Nations, 3rd ed. New YorkILondon 1969, 20.
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in Kap. VII mit Sanktionsmechanismen versehen. Zudem ist der Gedanke distributiver Gerechtigkeit in der Charta jedenfalls in nuce angelegt (Art. 55, 56 ChVN).1l Recht ist also nach der Präambel und anderen Chartabestimmungen Bedingung rur Gerechtigkeit. Andererseits wird die Befolgung von Recht, etwa der Maßnahmen im Rahmen des Kapitels VII entscheidend auch von formeller Gleichbehandlung der Staaten bestimmt, also von Elementen der Gerechtigkeit; Rechtsbefolgung und damit Durchsetzbarkeit des Rechts gewinnt ihre Legitimität durch Verwirklichung von Gerechtigkeit. 12 Über den Begriff der "Bedingungen" wird also zum einen auf die Schaffung tatsächlicher Voraussetzungen auch im Sinne von Abs. 4 Bezug genommen. Zum anderen sind die Begriffe von "Recht" und "Gerechtigkeit" in Abs. 3 über den Begriff der "Bedingung" in einem dialektischen Verhältnis miteinander verknüpft. Dementsprechend muß nun entscheidend sein, eine Vorstellung des Rechtsund Gerechtigkeitsverständnisses der Charta zu formulieren. Drei Fragenbereiche, die nachfolgend zu untersuchen sind, können unterschieden werden: Erstens ist zu überlegen, welches das der Präambelvorschrift und damit der Charta zugrundeliegende Gerechtigkeitskonzept ist, zweitens ist nach Rolle und Funktion des Rechts innerhalb der Organisation der Vereinten Nationen zu fragen und schließlich zu überlegen, welche Methoden die Präambel zur Erreichung die.ser Zustände vorsieht.
III. Das Ziel der Schaffung gerechter und rechtmäßiger Zustände l. Gerechtigkeitskonzept
Fragt man zunächst nach dem Inhalt von "Gerechtigkeit", wie ihn die Gründer der Vereinten Nationen verstanden wissen wollten, so könnte man die Referenz
11 Angelegt im Wort "Entwicklung" in Art. 55 (a) der Charta diente diese Bestimmung als nonnativer Aufhänger des Bestrebens der Entwicklungsländer zur Refonn der Weltwirtschaftsordnung; siehe Wolfrum, Art. 55, in: Simma (ed.), Anm. I, Rz. 7, 9 ff. 12 Thomas M Franck, Fairness in the International Legal and Institutional System, RdC 1993 III, 41 ff.
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der Präambel auf Gerechtigkeit ausschließlich als Appell an Naturrecht, gegenübergestellt dem sonstigen Völkervertrags- und Gewohnheitsrecht, verstehen. 13 Die Materialien lassen diese Frage letztlich unbeantwortet. 14 Ein halbes Jahrhundert nach Gründung der Vereinten Nationen empfiehlt sich auch angesichts der Entwicklungen des Völkerrechts eine dynamische Auslegung 15 des Wortlauts des Absatzes 3. Die Frage nach einem der Charta zugrunde liegenden Gerechtigkeitskonzept der Organisation der Vereinten Nationen aus heutiger Sicht ist bereits deshalb außerordentlich schwer zu beantworten, weil in einer Gemeinschaft grundsätzlich gleichberechtigter Staaten schon kaum ein Konsens über Grundwerte und noch viel weniger über den Begriff der Verteilungsgerechtigkeit zu erzielen sein dürfte. 16 Ein gutes Beispiel filr diese Werte-Inhomogenität der Staatengemeinschaft ist der seit dem Abschluß des Dekolonisierungsprozesses insbesondere in den siebziger und beginnenden achtziger Jahren deutlich akzentuierte "Kampf' um eine neue Weltwirtschaftsordnung l7 , der deutlich unterschiedliche Konzepte der beati possidentes und der have nots aufeinanderprallen ließ. Die bis zuletzt umstrittene Interpretation gerade des auf distributive Gerechtigkeit abzielenden wirtschaftlichen Elements des Konzepts des Gemeinsamen Erbes der Menschheit18 ist deutliSo Wolfrum, Preamble, in: Simma (ed.), Anm. 1, Rz. 9. Siehe nur Cot/Pellet, Anm. 2, 11 f. 15 Georg Ress, Interpretation, in: Simma (ed.), Anm. 1, Rz. 19 ff. 16 Siehe Jost Delbrück, in: Georg Dahm/Jost Delbrück/Rüdiger Wolfrum, Völkerrecht 1/1, 2. Aufl. BerJinlNew York 1989, 20; zu den strukturellen Schwierigkeiten eines Gerechtigkeitsdiskurses auf völkerrechtlicher Ebene siehe Stefan Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, Berlin 1992, 163 ff. Radikale Konsequenzen aus dieser Werteinhomogenität zieht Samuel P. Huntington, The Clash of Civilizations?, Foreign Affairs 1993, 22 ff. 17 Siehe dazu etwa Ursula Heinz, International Economic Order, in: Rüdiger Wolfrum (ed.), United Nations: Law, Policies and Practice, MünchenIDordrecht et al. 1995, 749 m.w.N. 18 Dazu Rüdiger Wolfrum, The Principle ofthe Common Heritage ofMankind, ZaöRV 1983, 312; Wilhelm A. Kewenig, Common Heritage ofMankind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff?, in: FS rur Hans-Jürgen Sehlochhauer, Berlin 1981, 385; siehe auch Stephan Hobe, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraums, Berlin 1992, 113 ff. Bezeichnenderweise konnte etwa die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen von 1982 erst in dem Zeitpunkt in Kraft treten, als im Wege der Nachverhandlungen wesentliche Elemente des die Entwicklungsländer bevorzugenden distributiven Ansatzes des CHOM-Konzepts in eine den Industriestaaten genehmere Konzeption modifiziert worden waren; siehe dazu etwa Peter T. StolI, The Entry into Force ofthe Convention on the Law ofthe Sea: ARedistribution ofCompetences to the Management ofthe International Commons, ZaöRV 1995, 391. 13
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cher Beweis dieser Tatsache. Mehr Aussicht auf allgemeine Akzeptanz verspricht deshalb ein Gerechtigkeitskonzept, das jedenfalls nicht auf einem vorgegebenen materiellen Gerechtigkeitsverständnis basiert. In jüngerer Zeit hat insbesondere Thomas Franck auf die Bedeutung des Gerechtigkeitsprinzips im Völkerrecht und in den internationalen Beziehungen hingewiesen. 19 Unter Rekurs auf John Rawls bemüht sich Franck aufzuzeigen, daß dem völkerrechtlichen System ein auf dem Rawls'schen Grundsatz distributiver Gerechtigkeit beruhendes Prinzip von Gerechtigkeit als Fairneß zugrundeliege. Rawls hatte bekanntlich aufvertragstheoretischer Grundlage ein im Staat wirkendes prozedurales Gerechtigkeitskonzept entwickelt, welches die Teilnehmer des Gerechtigkeitsdiskurses als im Urzustand gleich kennzeichnet und sie sich unter dem Schleier der Unwissenheit (veil ofignorance) nach dem Prinzip der Risikovermeidung auf bestimmte Gerechtigkeitskriterien einigen läßt. Diese prozedurale Gerechtigkeitstheorie basiert auf der Annahme, daß Gerechtigkeit nicht notwendig Gleichverteilung impliziert; daraus folgt ebenfalls, daß sich Ungleichheiten durch distributive, also jedermann betreffende Vorteilhaftigkeit legitimieren müssen. Die Theorie formuliert zwei zentrale Gerechtigkeitsprinzipien: Nach dem ersten Grundsatz hat ,jedermann das gleiche Recht auf das umfangreichste System gleicher Grundfreiheiten, das mit dem gleichen System ruf alle anderen verträglich ist." Der zweite Grundsatz ist das von Rawls mehrfach umformulierte sog. Differenzprinzip, welches lautet: Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten müssen folgendennaßen beschaffen sein: a)
Sie müssen unter der Einschränkung des gerechten Spargrundsatzes den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil erbringen, und
b)
sie müssen mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen gemäß fairer Chancengleichheit offen stehen. 2o
Der erste Grundsatz verlangt gleiche Verteilung von Grundfreiheiten und Maximierung individueller Freiheit; er genießt stets den Vorrang. Immer dann, wenn die Grundfreiheiten wirksam werden können, kommt eine geringere oder ungleiche Freiheit rur eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in Betracht;21 er entspricht den verfassungsrechtlichen Inhalten der Rechtsstaatlichkeit. Der zweite Grundsatz, das Differenzprinzip, indes erlaubt Umverteilung zugunsten der Schwächeren; er repräsentiert also innerstaatlich das Sozialstaats19 Siehe Franck, Anm. 12, passim. John Rawls, A Theory of Justice, London 1976, 150 ff., 302 ff.; deutsch, Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt 1975, 81,96 ff., 104. 21 Rawls, Theory, Anm. 20, 151; deutsche Ausgabe, 177. 20
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prinzip. Mit anderen Worten statuiert Rawls zwei Erlaubniskriterien sozioökonomischer Ungleichheit: Zum einen ist sie dann gerechtfertigt, wenn sie gegenüber einer vergleichbaren Gleichheitssituation einen jedermann zum Vorteil gereichenden Ungleichheitsgewinn erwirtschaftet, sowie andererseits durch die Herstellung von Chancengleichheit, die die Auswirkungen sozialer und natürlicher Zufiilligkeiten mildem und den offenen Zugang zu allen gesellschaftlichen und politischen Positionen und Ämtern sichern sol1.22 Verkürzt ließe sich die Aussage des Differenzprinzips auf die Formel bringen: So gleich wie möglich, so ungleich wie nötig. In der "Theorie der Gerechtigkeit" hatte Rawls bereits angedeutet, daß die Konzeption in gewisser Weise auch auf die internationalen Beziehungen übertragbar sei. 23 Doch obwohl die Eignung der Rawls' sehen Theorie nicht nur wegen ihres (vorgeblich) wertneutralen 24 prozeduralen Ansatzes, sondern auch gerade in ihrer Dimension der Einruhrung von Elementen distributiver Gerechtigkeit als rur die Ebene der internationalen Beziehungen und des Völkerrechts besonders hoch angesehen wurde,z5 hat Rawls in seiner jüngsten Arbeit über "The Law of Peoples",26 die den Versuch einer generellen Erstreckung der Konzeption der Gerechtigkeitstheorie auf das Völkerrecht unternimmt,z7 ausdrücklich eine Erweiterung um die Grundsätze distributiver Gerechtigkeit abgelehnt. 28 Dieses an ideale Bedingungen demokratischer Gesellschaften anknüpfende Prinzip eigne sich, so Rawls,
22 Rawls, Theory, Anm. 20, 123: "Wer von der Natur begütert ist, ... der darf sich der Früchte nur soweit erfreuen, wie das auch die Lage der Benachteiligten verbessert"; dazu Wolfgang Kersting, John Rawls zur Einführung, Hamburg 1993, 58 f. 23 Rawls, Theory, Anm. 20, 378 - 382; skeptisch dazu Antony D 'Amato, International Law and Rawls' Theory of Justice, Denver Journ. Int. L. Pol. 1975, 525. 24 Zur Kritik siehe Kersting, Anm. 22, 136 m.w.N. 25 Siehe etwa Charles R. Beitz, Political Theory and International Relations, Princeton 1979, insb. Teil 3, sowie Thomas W Pogge, An Egalitarian Law ofPeoples, Philosophy and Public Affairs 1994, 195. 26 John Rawls, The Law of Peoples, in: Stephen Shute/Susan Hurley (eds.), On Human Rights - The Oxford Amnesty Lectures 1993, 4l. 21 Rawls, The Law ofPeoples, Anm. 26, 55 bezeichnet Unabhängigkeit und Gleichheit, Recht auf Selbstverteidigung ohne darüber hinausgehendes Kriegsführungsrecht, Interventionsverbot, pacta sunt servanda, humanitäre Kriegsführung im Falle der Selbstverteidigung und Respekt vor den Menschenrechten, neben anderen unbenannten als die Grundprinzipien der Gerechtigkeit zwischen Völkern. Zum Unterschied des Rechtes zwischen Völkern zum law 0/ nations siehe daselbst, 5l. 28 Rawls, The Law ofPeoples, Anm. 26, 75 ff.
5 UN-Sbd.
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nicht fi1r die zwischenstaatliche Ebene, wobei allerdings die Existenz gewisser Solidarpflichten nicht zu bestreiten sei,29 In diesem Diskussionszusammenhang gewinnt nun der Vorstoß von Thomas Franck besondere Bedeutung. Franck hält das Differenz-Prinzip der Rawls'schen Theorie als auch auf die internationalen Beziehungen und das diese regelnde Völkerrecht übertragbar; denn der grundsätzlich gegebene Anspruch auf gleiche Güterverteilung beruhe hier auf einer den Realitäten entsprechenden widerleglichen Vermutung dergestalt, daß auch die Güterverteilung im internationalen System diejenigen am Ende der Verteilungsskala mehr als verhältnismäßig berücksichtige. Bereits heute handelten also, nach Franck's Einschätzung, die meisten Staaten, die sich auf den Fairneß-Diskurs einließen, nach dem Differenz-Prinzip und der Maximin-Regel. 30 Die Einwände gegen die Rawls'sche Theorie der Gerechtigkeit können hier nicht im einzelnen wiedergegeben werden. 31 Insbesondere dürfte in unserem Untersuchungszusammenhang, neben der bereits von Rawls angesprochenen Problematik der Anwendbarkeit innerstaatlicher Rechtsprinzipien auf die internationale Gemeinschaft fraglich sein, ob die Rawls'sche Prämisse einer Gleichheit der Parteien im Urzustand, die sich gerade für eine Rawls, The Law ofPeoples, Anm. 26, 75,76. Franck, Anm. 12, 36 ff. Dies wird im Laufe der Abhandlung zu belegen versucht. Die Maximin-Regel verlangt, jede in Rede stehende Handlungsweise im Lichte ihrer schlechtesten Möglichkeiten zu bewerten, und von den sich ergebenden schlechtesten Möglichkeiten die am wenigsten schlechte, bzw. die beste zu wählen; siehe Rawls, Theory, Anm. 20, 174 ff.; zur Kritik an der Maximin-Regel siehe Wolfgang Kersting, Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrages, Darmstadt 1994, 280 ff. Siehe zum Status von Solidarelementen im Völkerrecht Raimund Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, Berlin 1994; diese normativ-empirische Untersuchung bestätigt als Solidarstandard in etwa das Rawls'sche Differenzprinzip. In diese Richtung weist auch das Prinzip des burden-sharing im Rahmen des im Umweltrecht seit der Rio-Konferenz im Vordringen begriffenen Konzepts des "sustainable development". 31 Siehe etwa die radikal liberale Kritik von Robert Nozick, in: Anarchy, State and Utopia, New York 1974, 151 ff., zitiert nach der deutschen Ausgabe Anarchie, Staat, Utopia, München 1975, 170 ff., 176 ff.; siehe ferner etwa alt/ried Höjfo, Über John Rawls' Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt 1977, und Kersting, Anm. 22, 95 ff.; siehe auch zusammenfassend Mcu E. Geis, Das revidierte Konzept der "Gerechtigkeit als Fairneß" bei John Rawls, JZ 1995, 324,326 ff. Zur Problematik des Argumentierens mit der Rawls'schen Theorie siehe Ralf Dreier, Haupströmungen gegenwärtiger Rechtsphilosophie, ARSP 1004, 155, 159: "Entweder determiniert die Wahl der Prozedur das Ergebnis der Theorie, oder die Theorie ist ergebnisoffen und bedarf eben der Ergänzung durch eine materiale Theorie." 29
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Vertragstheorie als Grundprämisse erweist, und die, wie Rawls betont, auch filr die Beziehungen der Völker im Urzustand anzunehmen ist,32 dann Anwendung fmden kann, wenn ein erheblicher Teil der heutigen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft jedenfalls erst in einem relativ späten Zeitpunkt an der Formulierung der Prinzipien beteiligt worden ist. Und dennoch hat es den Anschein, daß das Rawls'sche Differenzprinzip jedenfalls in die Nähe dessen gelangt, was innerhalb einer dynamischen Auslegung des dritten Präambelabschnitts ausgefilhrt werden kann. Im Gesamtzusammenhang der Charta und ihrer höchsten Zielsetzung der Friedenswahrung und -sicherung ergibt sich aber, daß letztlich auch die so beschriebene Gerechtigkeitsvorstellung einmünden muß in deren gesamtes Friedenskonzept. Dies wird schon durch die Invokation von Gerechtigkeit und Völkerrecht in Art. 1 der Charta deutlich gemacht, wonach der Weltfriede auch durch die Mittel der Gerechtigkeit zu sichern ist. Diese chartaimmanente Verknüpfung zeigt also, daß Bedingungen von Gerechtigkeit, formeller und distributiver Art, auch Bedingungen des Friedens sind. Denn es geht der Charta um die Schaffung von Bedingungen, die Gerechtigkeit ermöglichen und damit strukturell die Entstehung von Gewalt verhindern. Es ist also der angestrebte Zustand des Friedens mehr als die bloße Abwesenheit von Gewalt, ein positiver Friede, der auf die Beseitigung der Strukturen der Entstehung von Gewalt und damit auch von Armut und Unterentwicklung abzielt;33 dies ist nicht zuletzt von Jost Delbrück vielfach deutlich gemacht worden. 34 Insbesondere die jüngere Praxis des Sicherheitsrates liefert zudem neues Anschauungsmaterial filr ein die bloße Abwesenheit von Gewalt überschreitendes Verständnis von Frieden. Denn wenn etwa die massenhafte schwerwiegende VerRawls, The Law ofPeoples, Anm. 26, 53. Siehe dazu etwa Wolfrum, Art. 1, in: Simma (ed.), Anm. 1, 50; Albrecht Randelzhofer, Der normative Gehalt des Friedensbegriffs im Völkerrecht der Gegenwart, in: Jost Delbrück (Hg.), Völkerrecht und Kriegsverhütung, 1979, 13 ff.; Johan Galtung, Gewalt, Frieden und Friedensforschung, in: Dieter Senghaas, Kritische Friedensforschung, Frankfurt a. M. 1971, 55. Dieser Aspekt einer gewissen normativen Verankerung eines internationalen (Verteilungs-)Gerechtigkeitsparadigmas wird weitgehend ignoriert von Wolfgang Kersting, Globale Rechtsordnung oder weltweite Verteilungsgerechtigkeit, in: Politisches Denken, Jahrbuch 1995196, 197,215 ff. 34 Siehe etwa Jost Delbrück, Menschenrechte Grundlage des Friedens, in: ders., Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung (hg. von Klaus DickelStephan HobeIKarl-U/rich Meyn/Eibe RiedellHans-Joachim Schütz), Berlin 1996, 9 ff., 17 ff. 32 33
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letzung grundlegender Menschenrechte sogar dann zur Aufgabe der Friedenssicherung gemacht wird, wenn sich diese als primär staateninternes Phänomen wie etwa in Ruanda, Somalia oder Haiti - darstellt,35 zeigt dies, daß der Friedensbegriff sich von formalen Kriterien zu lösen beginnt, und zunehmend von bestimmten normativen Gerechtigkeitskriterien bestimmt wird. Zusammenfassend ist also aus heutiger Sicht der Appell an die Schaffung von Gerechtigkeit auch als die Formulierung eines neuen über die bloße Abwesenheit von Gewalt hinausgehenden Friedenskonzepts und damit als Appell an die Verwirklichung distributiver Gerechtigkeit jedenfalls in der von Rawls vertretenen Form des Differenzprinzips zu begreifen.
2. Rechtsverständnis
Des weiteren sollen die zu schaffenden Bedingungen die Achtung vor dem Recht, genauer, vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts ermöglichen. Kelsen hat zutreffend daraufhingewiesen, daß die sehr wortreiche Formulierung auch durch den Verweis auf völkerrechtliche Verpflichtungen hätte ersetzt werden können. 36 Die gesonderte Benennung der Verträge geschah indes auf Wunsch der südamerikanischen Staaten sowie der Sowjetunion, erstere, die damit den unantastbaren Charakter ihrer Grenzverträge festgeschrieben wissen wollten und letztere, die sich damit die Unverletzlichkeit zukünftiger friedensvertraglicher Regelungen garantieren lassen wollte. 3? Der hier vollzogene Rekurs auf das Recht als Basis des Handeins der Vereinten Nationen war nicht von Anfang an vorgesehen. Noch die Dumbarton Oaks Proposals wollten die zu schaffenden Vereinten Nationen als rein politische Organisation verstanden wissen, und ausschließlich dem Internationalen Gerichtshof eine Kompetenz in rechtlichen Fragen zubilligen. 38 Erst auf der Gründungskonferenz 35 Siehe die entsprechenden Resolutionen Nr. 929 (1994) und 940 (1994) des Sicherheitsrates; zur Beschreibung der neuen Rolle des Sicherheitsrates in den Anfängen siehe Jost Delbrück, Staatliche Souveränität und die neue Rolle des Sicherheitsrates, VRÜ 1993, 6; siehe auch zur Beschreibung dieser Entwicklungen Heike Gading, Der Schutz grundlegender Menschenrechte durch Maßnahmen des Sicherheitsrates - das Ende staatlicher Souveränität?, Berlin 1996. 36 Kelsen, Anm. 3, 16. Ein bolivianischer Vorschlag ging in diese Richtung, siehe UNCIO VI, 372 3? CotlPellet, Anm. 2, 11. 38 Siehe Wolfrum, Preamble, in: Simma (ed.), Anm. 1, Rz. 9.
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in San Francisco kam es aufInitiative Panamas, basierend auf dem Smuts'schen Vorschlag, zur Einruhrung der entsprechenden Vorschrift. 39 Diese Reserve der Gründer der Vereinten Nationen ist erklärlich, da das streng legalistische Selbstverständnis des Völkerbundes als mitverantwortlich rur dessen Scheitern in Friedenssicherungsangelegenheiten angesehen wurde. 40 Die Satzung des Völkerbundes hatte dieses Verhältnis wie folgt umschrieben: Es sei Aufgabe des Völkerbundes, die Vorschriften des internationalen Rechts, die fIlrderhin als Richtschnur fIlr das tatsächliche Verhalten der Völker anerkannt sind, genau zu beachten.
Dieses legalistische Verständnis erschwerte in vielen Fällen eine Konfliktlösung auf politischer Ebene ganz außerordentlich. 41 Jost Delbrück hat deutlich gemacht, daß ein solches Verständnis nicht nur nicht der Charta entspricht, sondern auch in der Praxis der Vereinten Nationen nicht verfolgt wurde. 42 Nicht nur kam es zu einer an politischen Notwendigkeiten orientierten Auslegung des Art. 27 Abs. 3 der Charta, als die Gefahr der Blockade des Sicherheitsrates durch die Politik des leeren Stuhls der Sowjetunion drohte. 43 Die damalige Entscheidung, die Nichtteilnahme eines Staates an einer Abstimmung als Enthaltung zu bewerten, und damit die Abstimmung als solche fiir gültig zu erklären, strapazierte den Wortlaut der Bestimmung zwar nicht unerheblich; die Gefahr einer vom Willen eines der ständigen Mitglieder abhängigen Paralysierung der Arbeit dieses Gremiums deutet aber nicht nur die primär politische Bewertung der Angelegenheit, sondern auch die Richtigkeit dieser nicht mehr angefochtenen Verfahrenspraxis des Sicherheitsrates an. 44 Auch die nie bestrittene Zulässigkeit friedenssichernder Operationen trotz deren nicht ausdrücklicher Erwähnung in der Charta sowie die neuerliche Auslegung des Begriffs einer "Bedrohung des internationalen Friedens" durch den Sicherheitsrat, mit der dieser - wie bereits geschildert - Interventionen der Vereinten Nationen auch in Situationen wie etwa CollPellel, Anm. 2, 11. lost Delbrück, Peace-keeping by the United Nations and the Rule ofLaw, in: ders., Konstitution, Anm. 34, 293 ff., 296 ff. 41 Siehe etwa das Verhalten des Völkerbundes im Mandschurei-Konflikt, 1931 und der Abessinien-Krise 1934 ff., dazu Dito Göppert, Der Völkerbund, Stuttgart 1938, 403 ff., 414ff. 42 Delbrück, Anm. 40, 297 ff. 43 Frederic L. Kirgis, The Security Council's First Fifty Years, AJlL 1995, 510, weist zudem auf die Initiative der Generalversammlung zur Regelung der Streitfrage der Unterscheidung der Verfahrens- von den Nichtverfahrensfragen in Res. 267 (III) hin. 44 Bruno Simma/Stefan Brunner, Art. 27, in: Simma (ed.), Anm. I, Rz. 70 ff. 39 40
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in Somalia oder Haiti zuläßt, bei denen die Verletzung der Menschenrechte jedenfalls nicht prima facie den territorialen Bereich der betreffenden Staaten überschritt, zeugen fur ein dynamisches Rechtsverständnis. Jost Delbrück hat deutlich gemacht, daß eine Beschränkung des den Staaten vorbehaltenen Bereichs der domaine reserve in Art. 2 (7) der Charta auf grenzüberschreitende Gewaltanwendung dazu fuhren würde, diese Beschränkung auf das ohnehin Eindeutige zu reduzieren und damit ihren Anwendungsbereich bedeutend zu mindern. 4s Denn daß sich ein Staat bei einem bewaffneten Angriff auf einen anderen nicht auf sein souveränes Recht der domaine reserve stützen kann, ist eine beinahe an Bimalität grenzende Selbstverständlichkeit; erst eine am Grundsatz des effet utile orientierte Auslegung der Bestimmung des Art. 2 (7) der Charta erhellt, daß diese auch Situationen umfassen muß, die über das eben skizzierte Eindeutige hinaus eine Berufung auf den Souveränitätspanzer verbieten. 46 Und die gravierende, massive Verletzung der Menschenrechte als einem international geschützten Rechtsgut entspricht bei einer solchen nicht legalistischen Betrachtungsweise in seiner Dimension einer über das Territorium hinaus wirkenden Gewaltanwendung, ist Bruch des internationalen Friedens, ohne daß dies etwa durch massive Flüchtlingsströme indiziert sein müßte. 47 Die Charta hat also von Anfang an den Charakter einer living constitution erreicht. 48 Frieden ist in diesem Verständnis mehr als die Abwesenheit von Gewalt; er erfordert beispielsweise die Wahrung der grundlegenden Menschenrechte, ohne die ein Staat kaum Anspruch haben kann, als zum Kreis der civilized nations i.S.d. Art. 38 I lit. c IGH-Statut gehörig bezeichnet zu werden. Und der hier zu erörternde dritte Präambelabschnitt selbst ist Ausdruck dieses Verständnisses, mahnt es gleichsam "vor die Klammer gezogen" an. 49 Ein systeminhärentes Problem dieser eher politischen als legalistischen Rechtsauslegung sei allerdings vermerkt: Quis custodet custodes? Wer kontrolliert die 4S Jost Delbrück, A Fresh Look at Humanitarian Intervention under the Authority ofthe United Nations, Indiana Law Journal 1982, 887. 46 Id., 891 ff., 893 ff. 47 Gading, Anm. 35, 126. 48 Delbrück, Anm. 40, 298. 49 Der Charakter der Charta als living constitution spiegelt sich im übrigen im dynamischen Souveränitätsverständnis wider; es geht darum nicht an, sog. humanitäre Interventionen auf der Basis der Autorisierung des Sicherheitsrates per se als Verstoß gegen die staatliche Souveränität zu brandmarken; so aber etwa Theodor Schilling, Die "neue Weltordnung" und die Souveränität der Mitglieder der Vereinten Nationen, AVR 1995, 67,93 ff.
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Rechtsetzer bzw. Rechtsausleger? Dieses Problem wird angesichts der zunehmenden rechtsetzenden Tätigkeit des Sicherheitsrates50 besonders virulent. Satzungsgemäß ist beispielweise der Internationale Gerichtshof grundsätzlich nicht dazu berufen, Akte des Sicherheitsrates zu kontrollieren. 51 Doch deutet möglicherweise der Lockerbie-Fa1l 52 , in dem der IGH die Sicherheitsratsresolution nicht als von vornherein abschließend angesehen, sondern die Rechtssache seinerseits noch beurteilt hat53 , hier ein sich wandelndes Verständnis an. Dies ist um so bemerkenswerter, als die Klage Libyens darauf gerichtet war, eine einstweilige Anordnung gegen die Sicherheitsresolution 731 (1992) zu erwirken. Obwohl der Antrag libyens mit dem Hinweis auf die in der Zwischenzeit nach Kapitel VII der Charta erlassene Resolution 748 (1992) abgelehnt wurde, stellte der IGH klar, daß diese Ablehnung der beantragten vorsorglichen Maßnahme in keinem Fall die Entscheidung im Hauptverfahren präjudiziere. 54 Daß lediglich eine Überprüfung der Resolution im Vorverfahren bzgl. der von Libyen beantragten Maßnahmen ausscheidet, klingt auch in den Sondervoten an. 55 Die soeben angestellten Beobachtungen zur Rolle und Funktion, ja zum Verständnis des Rechts werden bestärkt durch die Stellungnahme des Berichterstatters des Ausschusses 1/1 während der Gründungskonferenz in San Francisco: Dieser faßte seine Überlegungen in folgende Worte: The respect for treaty obligations and the pledged words under any fonn is not only a moral concept of high value, but is undoubtedly an important factor in international order and stability. Order, however, should not be conceived as the negation ofhealthy international evolution, nor should stability imply the crystalization or the freezing of the international status quo. There could be no greater illusion than that ofwanting and so Dazu etwa Kirgis, Anm. 43, 520 ff.
Siehe Delbrück, Art. 24, in: Simma (ed.), Anm. I, Rz. 10. Dazu Jost Delbrück, Muß Libyen ausliefern?, in: Die Zeit, Mai 1992. S3 Case Concerning Questions ofInterpretation and Application ofthe 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie, sog. Lockerbie Case, Order of 14 April 92, ICl Reports 1992, 15, Declaration Richter Ni, 22; ebd., Separate Opinion, Richter Lachs, 138 ff.; siehe rur Ansätze einesjudicial review Thomas M. Frank, The "Powers of Appreciation": Who Is the Ultimate Guardian ofUN Legality, AJIL 1992, 519; Torsten Stein, Das Attentat von Lockerbie vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und dem Internationalen Gerichtshof, A VR 1993, 206, 224 ff.; Geoffrey R. Watson, Constitutionalism, ludicial Review and the World Court, HarvlntlLJ 1993, I; zusammenfassend Ronald St. John Macdonald, Changing Relations between the International Court of lustice and the Security Council ofthe United Nations, Can. Yb. Int!. L. 1993, 3. S4 Lockerbie Case, ICl Order, Anm. 53, Order, 15. ss Lockerbie Case, Separate Opinion, Richter Shahabuddeen, 142; Richter Bedjaoui, 156. SI
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Stephan Hobe believing that internationallife could be pressed into the mold of present conditions as drawn by existing treaty instruments. The respect for treaties should not exclude the possibility ofrevision duly made. 56
Trotz der später vorgenommenen Streichung der letzten beiden Sätze 57 wird doch darin eine zweifache Funktion des Rechts deutlich: Einerseits der Respekt vor der rufe 0/ faw als dem die internationalen Beziehungen stabilisierenden Element und andererseits dessen dynamischer Einsatz zur Erreichung der Ziele der Charta.
3. Funktion des Rechts als Mittel zur Erreichung von Gerechtigkeit (und Frieden)
Dies leitet über zum dritten Aspekt unserer Überlegungen: Es ist also das Recht, welches auch als Mittel zur Veränderung des status quo zur Erreichung der oben apostrophierten Bedingungen eingesetzt werden soll. Dabei ist wichtig zu erkennen, daß den Vereinten Nationen zwar kein legalistisches Grundverständnis zueigen ist, dennoch aber das Recht als Basisinstrument zur Schaffung der anzustrebenden Bedingungen angesehen wird. Zwar deutet die Formulierung der Schaffung von Bedingungen, unter denen Gerechtigkeit und Rechtsachtung erreicht werden sollen, an, daß eine Priorität dem politischen Handeln der Organisation zukommen soll. 58 Dies bedeutet indes nicht, daß das Recht negiert werden dürfte; die Vereinten Nationen sind nur auf der Basis ihrer Kompetenzen und im Rahmen des Völkerrechts handlungsbefugt. Auch das Völkerrecht ist damit Grundlage des Handelns der Organisation. Positivrechtlich folgt dies am deutlichsten aus Art. 1 (1) der Charta, wonach der Weltfrieden durch wirksame Kollektivmaßnahmen gewahrt werden soll und Konflikte durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen und beizulegen sind. Erst in jüngerer Zeit haben die Agenda rur den Frieden des UNO-Generalsekretärs Boutros Ghali 59 und deutlicher noch das Statement des Sicherheitsratsgipfels vom Januar 199260 sowie die KSZE-Charta von Paris von 199061 eine geUNCIO VI, 359, Doc. 785, 1/1/28. Siehe Corrigendum zu p. 364. 58 Delbrück, Anm. 40, 297. 59 UN Doc. A/47/277. 60 Security Council- Provisional Verbatim Record ofthe Three Thousand and Fortysixth Meeting, Prov. SIPV 3046 v. 31.01.1992. Strikte Beachtung des Rechts durch den SR angemahnt von König Hassan 11, 36; Präs. Jelzin, 46; Präs. Bush, 50; Bk Vranitzky, 50. Die jüngste Erklärung aus Anlaß des 50. Geburtstages der Vereinten Nationen vom 21.1 O. 56 57
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wisse Neuakzentuierung dieses Zieles zum Ausdruck gebracht: Friedensschaffung auf der Grundlage der Charta und unter Zugrundelegung eines nicht rein legalistischen Rechtsverständnisses; so etwa durch Schutz der Menschenrechte, die, rechtlich kodifiziert, selbst wieder Mittel zur Erreichung gerechterer Lebensbedingungen sind. Friedenswahrung wird also nicht mehr nur nach den Grundsätzen des Völkerrechts, sondern nunmehr durch das Völkerrecht selbst angestrebt. Die Entwicklung seit 1990 rechtfertigt darüber hinausgehend eine kritische Betrachtung der vornehmlich von Kelsen vertretenen These, Völkerrecht als nicht mit Sanktionen ausgestattetes Recht entbehre deshalb eigentlich der Rechtsqualität. 62 Sicherlich ist richtig, daß in einem System souveräner, gleichberechtigter Staaten oftmals die inhaltliche Deklamation völkerrechtlicher Normen weiter geht als der konkrete Implementierungsgehalt. Doch gerade die Rechtsdurchsetzung durch Nutzung des UN-Instrumentariums läßt Ansätze erkennen, wonach eine Erhöhung des Respekts vor dem Völkerrechts erwartet werden kann. 63 Jost Delbrück hat immer wieder deutlich gemacht, daß der Vorwurf mangelnder Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit des Völkerrechts schon durch den im Ansatz unzutreffenden Vergleich mit staatlichen Durchsetzungsinstrumentarien und -mechanismen nicht weiterführend ist. Vielmehr ist, und dies rechtfertigt einen gewissen Optimismus, in der Praxis namentlich des Sicherheitsrates eine wachsende Bereitschaft zur Anerkennung von erga omnes-Verpflichtungen, also im Interesse der Staatengemeinschaft für alle Staaten geltenden Verpflichtungen anzuerkennen. 64 Diese Anerkennung bedeutet aber nicht nur eine Relativierung rein einzelstaatlicher Interessen. Das hier Interessierende ist vielmehr, daß es das Völkerrecht selbst ist, welches durch die Formulierung von Gemeinschaftsinteressen einzelstaatlicher Machtentfaltung Grenzen setzt. Als paradigmatisch kann hier das Gemeinschaftsinteresse an der Erhaltung der natürlichen Umwelt, wie es
1995 stärkt diesen Zusammenhang. Denn die Achtung vor dem Völkerrecht und dessen Stärkung werden als Grundbedingung flir Gerechtigkeit angesehen; vgl. Punkte 12 und 13 der Erklärung, UNGA Doc. A/50/48 of21 October 1995. 6\ Abgedruckt in EA 1990, D.656. 62 Siehe bereits Kelsen, oben Anm. 3. 63 Siehe dazu die bei den Kieler Symposien von 1992 und 1994, die Fragen der Durchsetzung des Völkerrechts gewidmet waren: Jast Delbrück (Hg.), The Future of International Law Enforcement - New Scenarios, New Law, Berlin 1993 und Jast Delbrück (Hg.), The Allocation ofLaw Enforcement Authority in the International System, Berlin 1995. 64 Siehe das jüngste ausdrückliche Bekenntnis des IGH im Ost-Timor-Fall zur erga amnes-Qualität des Selbstbestimmungsrechtes, IeJ Reports 1995, 90, 102.
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etwa in der Konvention zum Schutze der Ozonschicht65 zum Ausdruck kommt, genannt werden. 66 Darüber hinaus kennt das Völkerrecht heute mit der Rechtsfigur des ius cogens einen Grundbestand elementarer Rechtsgüter, deren Wahrung rur die internationale Gemeinschaft unabdingbar ist. 67 Und es sei hier die These gewagt, daß jedenfalls der Bestand an Rechtsnormen mit ius cogens-Charakter - Verbot des Genozids, Achtung der fundamentalen Menschenrechte, Aggressionsverbot sowie die Normen des humanitären Völkerrechts, die direkte Verbote an Staaten und Einzelpersonen enthalten68 - als Grundbestand menschlichen und vor allem staatlichen Zusammenlebens den Kern der internationalen Gerechtigkeits- und Rechtsordnung darstellt. Dabei ist entscheidend, daß erst in jüngerer Zeit, genauer nach der durch das Ende des Ost/Westkonflikts ermöglichten "Wiedergeburt" des Sicherheitsrats, schwerwiegende Verstöße gegen diesen Normbestand Anlaß zur Sanktionierung durch die Völkergemeinschaft gegeben haben und sich damit das Bewußtsein der Verbindlichkeit dieser Grundwerte durchzusetzen scheint. Die Vereinten Nationen sind also einerseits selbst an Völkerrecht gebunden und werden andererseits zur Stärkung des Völkerrechts instrumentalisiert.
IV. Resümee Wir halten die bisherigen Überlegungen fest: Der dritte Präambelabschnitt hat den Zustand materiell-positiven Friedens vor Augen, der mit Gerechtigkeit umschrieben wird, und appelliert dabei einerseits an die Achtung der rule o/law, ohne dabei die Tatsache aus den Augen zu verlieren, daß die Arbeit am Ideal der Gerechtigkeit/des Friedens nicht durch ein statisches Rechtsverständnis zu erreichen ist, sondern auf der Basis des Rechts mit den Mitteln der Politik, aber eben auch unter Zuhilfenahme der dynamisch verändernden Funktion des Völkerrechts. Die Organisation soll primär politisch, aber auf der Basis des Rechts handeln. 69
Vom 22.03.1985, in Kraft seit 22.09.1988,26 lLM 1985, 1529. Siehe zur Beschreibung dieser Entwicklung Rüdiger Wolfrum, Purposes and PrincipIes ofIntemational Environmental Law, GYIL 1990, 308. 67 Siehe dazu Kadelbach, Anm. 16, sowie Wolf Heintschel v. Heinegg, in: Knut Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl. München 1990, § 50, Rz. 51. 68 Vgl. IGH, Corfu Channel Case, ICJ Reports 1949,22; Nicaragua Case, ICJ Reports 1986, 122, 124. 69 So Delbrück, Anm. 40, 298. 65
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Dem Recht ist damit ein bewahrendes wie auch ein dynamisches Element innewohnend; es ist dieses dialektische Verständnis, was der UNO-Kommentar von CotlPellet - wie bereits eingangs erwähnt - als ein Oszillieren zwischen Ordnung und Wechsel, ein unstabiles Gleichgewicht zwischen Recht und Gerechtigkeit zutreffend beschreibt. 70 Die Entwicklung des Völkerrechts gibt nun zu einem gedämpft optimistischen Ausblick Anlaß. Wie Jost Delbrück als einer der ersten aufgezeigt hat, befindet sich das Völkerrecht wie auch das internationale System als tatsächlicher Bezugspunkt des Völkerrechts 71 in einem tiefgreifenden Wandlungsprozeß. Die bereits erwähnte Erweiterung des Gewaltverbots und des Begriffs der Friedensbedrohung i.S.d. Art. 39 der UNO-Charta, die Intensivierung des internationalen Menschenrechts- und des Umweltschutzes, sowie Ansätze zur zentralen Allokation von Rechtsdurchsetzungsmacht im internationalen System als Folge des Endes der Ost-West-Konfrontation sind als Anzeichen dafür zu werten, daß sich ein qualitativer Wandel des Völkerrechts in Richtung auf ein Weltinnenrecht vollzieht. 72 Eine solche Weltinnenrechtsordnung wäre im Prinzip von der völligen Unterordnung staatlicher Souveränität hinsichtlich der Rechtsdurchsetzung und durch die Zuerkennung von Rechtsdurchsetzungsmacht an den Staaten übergeordnete Rechtsdurchsetzungsinstanzen gekennzeichnet. 73 Es bedeutet im Ergebnis ein Verlassen der zwischenstaatlichen Struktur des Völkerrechts. In einer solchen neuen Völkerrechtsordnung wären aber Korrekturen im Sinne etwa der Rawls'schen Vorstellung distributiver Gerechtigkeit schon deshalb leichter zu verwirklichen, weil die so bedingte Unterordnung unter ein mit Durchsetzungsmacht und -instanzen ausgestattetes Völkerrecht der Staatengemeinschaft das hierarchische Element nähme und somit die Verwirklichung eines Konzepts der "collective economic security"74, eines" Weltsozialstaatsprinzips" , wie auch CotlPellet, Anm. 2, 12. Siehe dazu Delbrück, in: DahmiDelbrückiWolfrum, Anm. 16, 2 ff. n Jost Delbrück, Wirksameres Völkerrecht oder Weltinnenrecht?, in: ders., Konstitution, Anm. 34, 347. 73 Ibid. 74 Knut Ipsen, Entwicklung der collective economic security im Rahmen der Vereinten Nationen, in: Wilhelm Kewenig (Hg.), Vereinte Nationen im Wandel, Berlin 1975, 11,26 ff.; und Jost Delbrück, Eine internationale Friedensordnung als rechtliche und politische Gestaltungsaufgabe - Zum Verständnis rechtlicher und politischer Bedingungen der Friedenssicherung im internationalen System der Gegenwart, in: ders., Konstitution, Anm. 34,266. Die Erklärungen und Ergebnisse des Weltsozialgipfels in Kopenhagen im März 1995, die von einem klaren Bekenntnis gegen Unterentwicklung als Form sozialer Unge70
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der weiteren Bedingungen der Friedenserhaltung und -schaffung erleichterte. Der Fortgang dieses bislang erst in Ansätzen zu beobachtenden strukturellen Wandels des Völkerrechts zu einem Weltinnenrecht bietet somit vielleicht am ehesten die Chance, dem Auftrag des dritten Präambelabschnittes nachzukommen und "Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können".
Summary Section 3 ofthe preamble to the United Nations Charter is concerned with the role of justice and law within the Organization. It aims at carefully balancing between order and change as weil as between justice and law. Justice is viewed from a twofold perspective: first in the sense offormal equality, e.g. in Article 2 (l) of the Charter, and second in the sense of an equitable distribution (iustitia distributiva) to overcome existing inequalities of development. The latter aspect is, as Thomas Frank has demonstrated, in its actual realization relatively precisely described by the "difference principle" of John Rawls' "Theory of Justice" (as equal as possible - as unequal as necessary). Thus the role of law is also twofold. On the one hand respect for the rule of law serves as the guarantor of stability; on the other hand, despite the basic concept ofthe United Nations as an organization that functions politically on the basis ofthe law, the law may increasingly be used in order to arrive at just results. Justice and law are thus interconnected in that the achievement of justice and peace as the ultimate goal of the Organization is the aim ofinternationallaw. This dynamic concept ofthe law, contained in the Charter in a rather nuclear stage, has a good chance to develop more fully because, as Jost DelbTÜck has observed, after the end of the Cold War the changes of the international system have begun to restructure the function of international law towards serving also as a world internallaw.
rechtigkeit und einem Weltsozialvertrag zur Eliminierung von Armut und Unterentwicklung handeln, deuten auf die zunehmende konkrete Implementation eines WeItsozialstaatsprinzips hin; siehe etwa UN Chronicle, vol. XXXII, lune 1995, 56.
Wir, die Völker der Vereinten Nationenfest entschlossen, ... den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern, ... Ursula E. Heinz'
Wie bei Präambeln üblich, enthält auch die Präambel der Charta der Vereinten Nationen eine allgemeine Beschreibung der Beweggründe und Ziele 1 sowie, im zweiten TeiJ,2 die Quelle der Geltungskraft der Charta. Innerhalb des ersten Teiles wiederum nennt sie in vier Halbsätzen ihre Zwecke, zu denen an vierter und damit letzter Stelle die Förderung des sozialen Fortschritts und eines besseren Lebensstandards in größerer Freiheit zählt, und in weiteren vier Halbsätzen die Mittel, mit Hilfe derer diese Zwecke erreicht werden sollen. Vergleicht man die jeweils aufgestellten Zweck- und Mittelkataloge miteinander, so drängt sich vordergründig der Eindruck auf, als würden zu jedem der vier Ziele in entsprechender Reihenfolge die Mittel gehören, mit denen die Zwecke erreicht werden sollen. Es paßt schon vom Wortlaut her auf den ersten Blick zur Förderung des sozialen Fortschritts als Zielvorstellung, wenn es im vierten Halbsatz des Mittelkataloges heißt, "internationale Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, um den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt aller Völker zu fördern". Bedeutet nun dies, daß die Organisation der Vereinten Nationen sich zum Ziel setzt, den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern, indem sie internationale Einrichtungen in Anspruch nimmt? Welchen Grad von Verbindlichkeit fiir wen haben diese Vorgaben? Was ist sozialer Fortschritt? Was ist ein bes• Dr. Ursula E. Heinz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel. 1 Zu Präambeln allgemein siehe Peter Häberle, Präambeln im Text und Kontext von Verfassungen, in: FS für Johannes Broermann, Berlin 1982, 211 ff. 2 Rüdiger Wolfrum, Preamble, in: Bruno Simma et al. (ed.), The Charter ofthe United Nations, A Commentary, München 1994,46, Rz. 3.
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serer Lebensstandard, besser als welcher? Was ist größere Freiheit, größer als welche? Hat die Präambel überhaupt eine rechtliche Bedeutung und wenn ja, welche? Diesen Fragen soll im folgenden nachgegangen werden. Die Entstehungsgeschichte der Charta gibt filr die rechtliche Bedeutung und Auslegung der Präambel wenig her. Die Dumberton-Oaks-Vorschläge,l die von den vier Großmächten als allgemeines Richtlinienpapier filr die auf der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen zu verabschiedende Charta erarbeitet waren, sahen keine Präambel vor; dies war bewußt unterblieben, um den Richtliniencharakter der Vorschläge und die Tatsache, daß sie kein förmliches Entwurfsabkommen waren, zu unterstreichen. 4 Allerdings waren in den Vorschlägen bereits die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen in den Kapiteln 1 und 2 formuliert, die auf der San-Francisco-Konferenz Eingang in die Artikel 1 und 2 der Charta fanden, so daß der übliche Inhalt einer Präambel bereits dadurch Bestandteil der Charta war. Einigkeit wurde jedoch auf der San-Francisco-Konferenz erzielt, dem Antrag des südafrikanischen Feldmarschalls Smuts entsprechend die Charta gleichwohl mit einer Präambel einzuleiten, wobei bereits dessen Vorschlag, der im übrigen beträchtliche Veränderungen erfuhr, das Ziel der Förderung sozialen Fortschritts und besseren Lebensstandards in größerer Freiheit enthielt. 5 Was darunter zu verstehen sei, wurde nicht erörtert. Über die rechtliche Bedeutung der Präambel war man sich auf der San-Francisco-Konferenz nicht völlig einig. Es verdient jedoch festgehalten zu werden, daß der Berichterstatter des 1. Ausschusses der Kommission I, die sich mit den allgemeinen Bestimmungen befaßte, daraufhinwies, daß sämtliche Bestimmungen der Charta einander ergänzten, daß sie eine Einheit bildeten, daß die Gültigkeit und der Wert eines Teiles der Charta keinem Zweifel unterliegen könne, ob man ihn nun Grundsätze, Ziele oder Präambel nenne und daß es keinen Grund filr die Annahme gebe, daß die Präambel weniger rechtliche Geltung als die beiden nachfolgenden Kapitel6 besitze.7 Damit ist gesagt - und dieses dürfte keinem Zweifel unterliegen - , daß die Charta einschließlich ihrer Präambel eine Einheit bildet und dementsprechend auszulegen ist und daß zugleich der Präambel rechtlich ver-
3 Abgedruckt in: Ruth B. RusselllJeanette E. Muther, A History ofthe United Nations Charter, The Role ofthe United States 1940 - 1945, Washington 1958, 1019 ff. 4 Vgl. RusselilMuther (Anrn. 3), 898. Siehe ferner Wilhelm G. Grewe, The History of the United Nations, in: Simma et al. (Anrn. 2), 8, Rz. 34. 5 UNCIO Docurnents, vol. 6, 277. 6 Hierbei handelt es sich um die späteren ersten beiden Artikel der Charta. 7 UNCIO Docurnents, vol. 6,17.
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bindliche Kraft zukommt. Das Prinzip der Einheit der Verfassung - und die Charta ist die Verfassung der Vereinten Nationen - ist allgemein geläufig. Allerdings läßt sich der Inhalt der hier untersuchten Vorschrift nicht nur durch eine Zusammenschau der einzelnen Bestimmungen der Charta erschließen. Vielmehr sind im Sinne einer dynamischen Verfassungsinterpretation, hier Chartainterpretation, die sich wandelnden AufgabensteIlungen der Organisation in den Blick zu nehmen und die Praxis der Vereinten Nationen und ihrer Mitglieder einzubeziehen. 8 Was nun die Zusammenschau der einzelnen Chartabestimmungen betrifft, so erhellt bereits ein Blick auf die Artikel der Charta, die das spezielle "soziale" Ziel der Präambel konkretisieren: Art. I, der die Ziele der Vereinten Nationen noch einmal aufgreift, spricht in seinem dritten Absatz von einer "internationalen Zusammenarbeit ... , um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen ..." Internationale Zusammenarbeit nun wiederum erschließt einen breiten Fächer, der internationale Organisationen, Konferenzen, Konventionen, d. h. jede Form der internationalen Kooperation umfaßt. Artikel13 Abs.l(b) verpflichtet speziell die Generalversammlung zu Untersuchungen und Empfehlungen, "um die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wirtschaft, des Sozialwesens, der Kultur, der Erziehung und der Gesundheit zu fOrdern ..." und verweist in seinem zweiten Absatz im übrigen auf die Kapitel IX und X. Hier wiederum sind es insbesondere die Artikel 55 und 56, die die internationale Kooperation wiederaufgreifen und spezifizieren, indem sowohl die Vereinten Nationen selbst sich verpflichten, "die Verbesserung des Lebensstandards, die Vollbeschäftigung und die Voraussetzungen rur wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und Aufstieg" sowie "die Lösung internationaler Probleme wirtschaftlicher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art sowie die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und Erziehung" zu fördern, als auch die Mitgliedstaaten gemeinsam und jeder rur sich verpflichtet sind, rur diese Ziele mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten. Damit wird deutlich, daß zum einen in den sozialen Fortschritt und die Verbesserung des Lebensstandards wirtschaftliche, kulturelle, pädagogische, beschäftigungspolitische und gesundheitliche Aspekte einzubeziehen sind. Zum anderen wird die "Inanspruchnahme internationaler Einrichtungen" bzw. "internationale Zusammenarbeit" insoweit konkretisiert, als neben den internationalen Institutionen, die die Staaten zum Zwecke der Förderung des sozialen Fortschritts schaffen, auch jeder Mitgliedstaat perma-
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Georg Ress, The Interpretation ofthe Charter, in: Simma et al. (Anm. 2), 25 ff.
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nent verpflichtet bleibt, mit den Vereinten Nationen zur Verwirklichung dieser Ziele zusammenzuarbeiten. Abgesehen von den die Förderung des sozialen Fortschritts konkretisierenden Chartabestimmungen ist es jedoch unabdingbar, auch die Präambel selbst als Einheit zu begreifen. Die dort genannten Zwecke sind nicht etwa eine Aufzählung verschiedener, voneinander unabhängiger Zielvorgaben oder Handlungsmotive, sondern aufeinander bezogen und in wechselseitiger Abhängigkeit. Dahinter steckt die Erkenntnis, daß jeder der dort genannten Zwecke sich nur im Verein mit den anderen Zwecken erreichen läßt ufid ebenso die Mittel nur insgesamt geeignet sind, die proklamierten Ziele zu erreichen. Die Erkenntnis etwa, daß rur die Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit wirtschaftliche und soziale Stabilität zwischen und innerhalb der Staaten erforderlich ist, ist nicht neu. 9 Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich dann später der positive Friedensbegriff entwickelt, der Frieden nicht nur als Abwesenheit von militärischer Gewalt versteht, sondern ihn zusätzlich als einen Prozeß begreift, der vom Streben nach sozialer Gerechtigkeit und Respektierung der Menschenrechte bestimmt wird. 1O Dieses dynamische Element verdeutlicht gerade die Präambel, wenn in ihr von einem sozialen "Fortschritt" und "besseren" Lebensstandard, also von Fortschreiten und Verbessern, die Rede ist. Zu Recht läßt sich daher konstatieren, daß die Charta der Vereinten Nationen den positiven Friedensbegriff verwendet. ll Den dynamischen Prozeß veranschaulicht ebenfalls der Begriff der "größeren" Freiheit. Es fragt sich allerdings, woraufhin die "Freiheit" ausgerichtet ist. Wenn damit lediglich, auf sozialen Fortschritt und Verbesserung des Lebensstandards bezogen, auf größere Freiheit von Armut, Not und sozialer Unterdrückung verwiesen werden sollte, so wäre damit nichts gewonnen; denn daß in dem Maße, 9 Peter A. Köhler, Soziale Fragen, in: Rüdiger Wolfrum (Hg.), Handbuch Vereinte Nationen, München 1991, 793, Rz. 4, verweist in diesem Zusammenhang auf die Errichtung der International Labour Organization, mit der der Gedanke, daß internationale Sicherheit nur auf dem Boden sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden kann, erstmals seinen völkerrechtlichen Ausdruck gefunden habe. 10 Vgl. Albrecht RandelzhoJer, Der normative Gehalt des Friedensbegriffs im Völkerrecht der Gegenwart - Möglichkeiten und Grenzen seiner Operationalisierung, in: Jost Delbrück (Hg.), Völkerrecht und Kriegsverhütung, Berlin 1979 (Veröffentlichungen des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel, Bd. 82), 13 ff. m.w.N.; Jost Delbrück, Menschenrechte - Grundlage des Friedens, in: Jost Delbrück, Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung (hg. von Klaus Dicke/Stephan Hobe/Karl-Ulrich Meyn/Eibe Riedel/Hans-Joachim Schütz), Berlin 1996,9 ff. (16 f.) m.w.N. 11 Vgl. Rüdiger Wolfrum, Art. 1, in: Bruno Simma et al. (Hg.), Charta der Vereinten Nationen, Kommentar, München 1991,7, Rz. 5.
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wie sozialer Fortschritt und besserer Lebensstandard erzielt wird, ein Mehr an Freiheit von Annut, Not und sozialer Unterdrückung gewonnen wird, liegt auf der Hand. Seine eigentliche Aussagekraft erhält dieses Freiheitspostulat erst mit dem Bezug zu den allgemeinen Menschenrechten und Grundfreiheiten, die die Präambel in ihrem Zweckkatalog noch einmal gesondert anspricht. 12 Auch hier wird wieder die gegenseitige Bedingtheit der einzelnen Zwecke der Charta verdeutlicht, indem klargestellt wird, daß soziale und wirtschaftliche Entwicklung nur im Kontext mit der Beachtung der Menschenrechte stattfinden kann. 13 Dementsprechend ist in der Präambel der Universellen Erklärung der Menschenrechte von 1948 dieser wechselseitige Bezug hergestellt, wenn es dort heißt" ... da die Völker der Vereinten Nationen in der Satzung ihren Glauben an die grundlegenden Menschenrechte, an die Würde und den Wert der menschlichen Person und an die Gleichberechtigung von Mann und Frau erneut bekräftigt und beschlossen haben, den sozialen Fortschritt und bessere Lebensbedingungen bei größerer Freiheit zu fördern." Ebenso nehmen die Menschenrechtspakte von 1966 diesen Gedanken auf, indem sie in ihrer Präambel unter Verweis auf die Universelle Menschenrechtserklärung erkennen, daß das Ideal vom freien Menschen durch den Genuß der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte bedingt ist. Was nun die Praxis der Vereinten Nationen betrifft, so ist in institutioneller Hinsicht zunächst darauf hinzuweisen, daß sich neben dem Wirtschafts- und Sozialrat, der eines der Hauptorgane der Vereinten Nationen ist, eine Fülle von Sonderorganisationen und Hilfsorganen, die zum UN-System zählen, mit sozialen Fragen befassen. Beispielhaft genannt seien etwa die schon aufgefiihrte Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die im Jahre 1946 gegründeten Sonderorganisationen rur Gesundheit (WHO), Ernährung und Landwirtschaft (F AO) und das Kinderhilfswerk (UNICEF), das Welternährungsprogramm (WFP), das Zentrum rur Wohn- und Siedlungswesen (Habitat), die Organisation rur Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), das Weltentwicklungsprogramm (UNDP) etc. Letztlich gibt es kaum ein Organ, Programm oder eine Organisation im gesamten UN-System, das nicht zumindest ansatzweise der Förderung wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts dient. Wenn man die Praxis der Vereinten Nationen in ihrer zeitlichen Dimension zu begreifen versucht, so läßt sich konstatieren, daß sie sich mittels der damals beKlaus Dicke, supra, 47 ff. Jan Märtenson, The Preamble ofthe Universal Declaration ofHuman Rights and the UN Human Rights Programme, in: Asbjorn Eide et al. (ed.), The Universal Declaration of Human Rights: A Commentary, Oslo 1992, 18. 12 13
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reits bestehenden Sonderorganisationen (ILO, WHO, FAO, UNICEF, UNRWA) nach Beendigung des 2. Weltkrieges auf dem Gebiete des sozialen Fortschritts und eines besseren Lebensstandards in erster Linie mit den durch den 2. Weltkrieg hervorgerufenen Folgen befaßte. Insbesondere UNICEF war in den Anfangsjahren in erster Linie dazu vorgesehen, bedürftige Kinder in der Wiederautbauphase nach dem Kriege mit Nahrungsmitteln, medizinischer Hilfe und Kleidung zu unterstützen. Ferner wurde 1945 die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA), die sich insbesondere rur die Betreuung und Heimschaffung verschleppter Personen einsetzte, den Vereinten Nationen angegliedert. 14 Deren Aufgaben gingen auf die 1946 gegründete internationale Flüchtlingsorganisation (IRO) über, die sich außerdem mit der durch den zweiten Weltkrieg hervorgerufenen Flüchtlingsfrage befaßte, d. h. mit den Problemen der Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen waren oder als Verschleppte nicht bereit waren, in ihre Heimatländer zuruckzukehren. 's Eine neue Periode wurde durch den Dekolonisierungsprozeß eingeleitet. Dieser fUhrte, nachdem sich die Aufnahmepolitik der Vereinten Nationen bezüglich neuer Mitglieder gewandelt hatte, zu einem drastischen Zuwachs der Mitglieder der sog. Dritten Welt in den Vereinten Nationen, die dann bald kraft ihrer Stimmenzahl die Generalversammlung dominierten und somit angesichts der Paralyse des Sicherheitsrates auf Grund des "kalten Krieges" das Bild der Vereinten Nationen insgesamt nachhaltig bestimmten. Während die unmittelbaren sozialen und wirtschaftlichen Folgen des 2. Weltkrieges in den Ländern der westlichen Welt und des Ostblocks weitgehend überwunden und hier wirtschaftlich weitgehend autarke Gebilde oder solche mit hoher Wirtschaftskraft und -macht entstanden bzw. wiederentstanden waren, versuchten die neuen Mitglieder der Vereinten Nationen, im wesentlichen arme, unterentwickelte Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, ihre Entwicklungsproblematik zum Hauptgegenstand der Debatten und Beschlüsse der Generalversammlung zu machen. Eine Reihe von Neugrundungen von Sonderorganisationen (United Nations Industrial Development Organization UNIDO) und -organen (United Nations Conference on Trade and DevelopmentUNCTAD) sowie Programmen (United Nations Development Programme UNDP), die die Thematik der Entwicklungsländer aufnahmen, war die Folge, wie auch die bereits bestehenden Institutionen des UN-Systems vorwiegend in den Dienst der Entwicklungsländerprobleme genommen wurden. 14 Walter Rotholz, United Nations Relief and Rehabilitation Administration, in: Karl StrupplHans-Jürgen Schlochauer (Hg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Dritter Band, Berlin 1962,473 f. IS Ders., Flüchtlinge, ebd., Erster Band, Berlin 1960, 536 ff.
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Mit der Deklaration über sozialen Fortschritt und Entwicklung l6 wurde der Zusammenhang zwischen sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung um der Verwirklichung der Menschenrechte willen hergestellt. 17 Werden in dieser Erklärung einerseits Aspekte der Internationalen Menschenrechtspakte aufgenommen und damit stillschweigend oder ausdrücklich l8 Staaten und Regierungen in die Verantwortung fiir die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit genommen, so klingt andererseits bereits hier die Idee eines internationalen Sozialstaatsprinzips an, wenn es etwa heißt "Sozialer Fortschritt und Entwicklung sind gemeinsame Anliegen der internationalen Gemeinschaft ... "19 oder die Entwicklungsländer neben den Individuen als Zielgruppe rur sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt begriffen wer-
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Zusätzlich fand eine Reihe VOn Weltkonferenzen, die eine Lösung der Entwicklungsländerprobleme in Angriff nehmen sollten, statt. Im Mittelpunkt stand die Forderung nach einer "Neuen Weltwirtschaftsordnung",21 mit der nicht nur die internationale Entwicklungspolitik, sondern auch die internationale Rechtsordnung, also das Völkerrecht, nachhaltig modifiziert werden sollten. Nicht mehr durch vorübergehende, etwa im Sinne Von Katastrophenhilfe zu verstehende Hilfeleistungen an sozial schwache Länder sollten deren Probleme überwunden werden. Hinter der Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung stand viehnehr die 16 GA res. 2542 (XXIV) vom 11. Dezember 1969. 17 Zu den menschenrechtlichen Aspekten dieser Deklaration siehe Jost Delbrück, Die Rassenfrage als Problem des Völkerrechts und nationaler Rechtsordnungen, Frankfurt (M) 1971,66 f. 18 Art. 7 der Deklaration spricht "every State and Govemment", Art. 8 "Each Government" an. 19 Art. 9 der Deklaration. 20 Art. 12 der Deklaration. 21 GA res. 3201 (S-VI) vom 1. Mai 1974. Der in diesem Zusammenhang ebenfalls gebrauchte Begriff der "Collective Economic Security" (UN doc. E/5529) darf, wie Knut Ipsen überzeugend dargelegt hat, nicht instrumentell verstanden werden, d. h. in der Weise, daß mit ihm, in Parallele zum Verständnis von der kollektiven militärischen Sicherheit, ein internationales Instrumentarium zur Abwehr von Bedrohungen des wirtschaftlichen Wohlstandes bereitgestellt wird; denn Entwicklungsländern geht es nicht um eine Bedrohung ihres - nicht vorhandenen - wirtschaftlichen Wohlstandes, sondern um die Schaffung desselben, vgl. Ipsen, Entwicklung zur "collective economic security" im Rahmen der Vereinten Nationen?, in: Wilhelm A. Kewenig (Hg.), Die Vereinten Nationen im Wandel, Veröffentlichungen des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel, Bd. 73, Berlin 1975, 11 ff. Kollektive wirtschaftliche Sicherheit muß vielmehr als ein Wert zu begreifen sein, dessen Mangel sich nicht nur für die unmittelbar davon Betroffenen, sondern für die internationale Gemeinschaft als eine Bedrohung darstellt, eine Erkenntnis, die sich erst später durhzusetzen begann. 6*
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Vorstellung, daß realistischerweise ein Großteil der Entwicklungsländer aus strukturellen Gründen durch schlichte Transferleistungen aus entwickelten Ländern nicht nachhaltig in die Lage versetzt würden, eigene Wirtschaftmacht zu erlangen und damit rur ihre Bevölkerung sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in eigener Regie zu verwirklichen. Mit dem Postulat einer neuen Weltwirtschaftsordnung war vielmehr der Gedanke verknüpft, daß - entsprechend der Idee eines sozialen Rechtsstaates - auf internationaler Ebene soziale Gerechtigkeit zu einem normativen Anspruch erhoben wurde: In Abkehr von den Prinzipien eines freien Welthandels seien mit dirigistischen globalen Maßnahmen rur die Entwicklungsländer oder die in ihnen lebenden Individuen als Träger eines "Rechts auf Entwicklung"22 dauerhafte Vorzugs bedingungen einzuräumen. Das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten, herkömmlich verstanden als gleiche Rechtsträgerschaft der Staaten,23 sollte somit durch ein materielles Element angereichert werden, das auf eine faktische Gleichstellung, vor allem im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, zielte. Seinen sichtbaren Ausdruck fand dieser Gedanke im Teil XI der Seerechtskonvention, 24 dessen Meeresbodenregime, das den Tiefseeboden als "common heritage of mankind" begreift,25 auf einer nach planwirtschaftlichen Prinzipien basierenden internationalen Verwaltung gegründet ist und dessen wirtschaftlicher Nutzen je nach Bedürftigkeit der Mitglieder der internationalen Gemeinschaft verteilt werden sollte. 26 Eine vorsichtige Abkehr von diesen Vorstellungen, deren Verwirklichung am Widerstand der Industrienationen scheiterte, bahnte sich auf der 18. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1990 an. 27 Vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der Planwirtschaften des Ostblocks verabschiedete man sich von entsprechenden Konzepten rur die internationale Ordnung. Das 1994 vereinbarte Durchruhrungsabkommen zur Seerechtskonvention,28 das den Teil XI der GA res. 41/128 v. 4. Dezember 1986. Jost Delbrück, in: Georg DahmlJost Delbrück/Rüdiger Wolfrum, Völkerrecht, Bd. 1/1, 2. Auflage, BerlinlNew York 1989,233 ff. m.w.N. 24 United Nations Convention of the Law of the Sea, UN doc. AlCONF.62/122 mit Corrigenda. 25 Ebd., Art. 136. 26 Vgl. hierzu Wolfgang Graf Vitzthum, Friedlicher Wandel durch völkerrechtliche Rechtsetzung - Zur Problematik des Verfahrens und der inhaltlichen Konsensbildung internationaler Kodifikationskonferenzen, dargestellt am Beispiel der 3. Seerechtskonferenz, in: Jost Delbrück (Hg.), Völkerrecht und Kriegsverhütung, Veröffentlichungen des Instituts rur Internationales Recht an der Universität Kiel, Bd. 82, Berlin 1979, 123 ff. 27 GA res. S-18!3 v. 1. Mai 1990. 28 BGBI. 1994 11, 2566 ff. 22 23
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Konvention maßgeblich abändert und rur den Tiefseebodenbergbau marktwirtschaftliehe Prinzipien aufnimmt, ist bezeichnend rur diese Entwicklung. Dies bedeutet jedoch nicht, daß damit zugleich von der hinter dem Gedanken einer neuen Weltwirtschaftsordnung stehenden Vorstellung von der internationalen Gemeinschaft als einer Solidargemeinschaft Abstand genommen wurde. Viel zu offensichtlich war mit der Verschuldungskrise, den Erdölkrisen und in zunehmendem Maße mit den Migrationsbewegungen in die entwickelten Länder hinein die Erkenntnis von der Interdependenz zwischen Entwicklungs- und Industrienationen geworden. Die Vorstellung von einer globalen Solidargemeinschaft, global im Gegensatz zu international im Sinne Jost Delbrücks verstanden als nicht mehr nur die Beziehungen der Staaten untereinander in den Blick nehmend, sondern sämtliche die weltweiten Beziehungen bestimmenden Akteure,29 findet nunmehr wachsende Anerkennung. In einem weiteren Bereich, dem Umweltschutz, wird dies mit aller Deutlichkeit bewußt. Wurde die Forderung nach dirigistischer Umverteilung der Ressourcen entsprechend der "Neuen Weltwirtschaftsordnung" mit einem faktischen Gleichstellungsanspruch begründet, teilweise untermauert mit einem Wiedergutmachungsanspruch rur koloniale Ausbeutung, so beruht der Begründungsansatz filr eine globale Solidargemeinschaft nunmehr zunehmend auf dem Gedanken der Kompensation, der sich zunächst im Umweltrecht belebte, nunmehr aber auf das Völkerrecht generell verstärkt Einfluß gewinnt. Ausgehend von der Tatsache, daß Umwelt und Entwicklung - und mit letzterer sozialer Fortschritt und ein besserer Lebensstandard - untrennbar miteinander verknüpft sind (die zweite Umweltkonferenz von Rio im Jahre 1992 erhielt nicht ohne Grund die Bezeichnung "United Nations Conference on Environment and Development"30), wird zunehmend bewußt, daß der Preis filr ein ungehemmtes Wirtschaftswachstum eine filr künftige Generationen untragbare Umweltverschmutzung sein wird. Daß Umweltverschmutzung grenzüberschreitend stattfindet, sich also nicht auf rein nationaler Ebene wirksam bekämpfen läßt, ist unmittelbar einleuchtend. Neu ist allerdings die Erkenntnis, daß die in den Industrieländern durch Umweltverschmutzung herbeigefilhrten Nachteile gleichsam grenzüberschreitend durch biologische, geologische, klimatische und sonstige physikalische Faktoren ausgeglichen werden können. Ein Beispiel hierfilr sind die überwiegend in Entwicklungsländern beheima29 Jost Delbrück, G1obalization of Law, Politics, and Markets Implications for Domestic Law - A European Perspective, in: Indiana Journal of Global Legal Studies, vol. 1 (1993),9 ff. 30 Hervorhebung v. Verf.
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teten tropischen Regenwälder, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen über eine hohe Absorptionsflihigkeit von Kohlendioxid verfugen, eines Stoffes, der bekanntlich verantwortlich für den sog. Treibhauseffekt und damit eine fortschreitende Klimaveränderung durch weltweite Erwännung ist und überwiegend in Industriestaaten als Abgas produziert wird. 31 Der Gedanke der Kompensation wird verständlich, wenn an die Staaten mit bedeutsamen Vorkommen an tropischen Regenwäldern, vorwiegend Entwicklungsländer, nunmehr der Anspruch erhoben wird, zum Schutze der globalen Umwelt auf eine Abholzung der Wälder zur Energiegewinnung, Urbannachung des Landes für landwirtschaftliche Zwecke oder Schaffung von Besiedelungsraum, Holzverarbeitung bzw. Holzexport zu verzichten. 32 Wenn mit der Idee des "sustainable development'G3 ernst gemacht werden soll, m.a.W. einer Entwicklung, die sowohl sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard verspricht als auch zukünftigen Generationen einen Lebensraum beläßt, der ihnen ebenfalls eine Chance zur Entwicklung eröffnet, so kann das nur in der Weise gelingen, daß die solchennaßen miteinander verknüpften Bereiche Entwicklung und Umwelt sich wechselseitig ergänzen. Das bedeutet für den Gedanken der Kompensation: Wo keine umweltgerechte Entwicklung stattfindet oder stattgefunden hat, muß die Inanspruchnahme von Ressourcen außerhalb der eigenen nationalen Souveränität zu Zwecken der Kompensation dieses Mangels ihrerseits international kompensiert werden. Es bedeutet aber auch, daß dort, wo Entwicklungsbedarf besteht, die Entwicklung gefördert werden muß, und zwar eine umweltschonende Entwicklung, weil andernfalls dort eine Entwicklung droht, die dem Interesse der globalen Gemeinschaft an einer Erhaltung erträglicher Lebensbedingungen zuwider läuft; denn wenn nunmehr eine umweltgerechte Entwicklung eingefordert wird, so bedeutet Kompensation dabei, daß ein Ausgleich zwischen den Vorteilen einer nicht umweltgerechten Entwicklung und den Nachteilen einer umweltgerechten Entwicklung stattfinden muß.
31 Vgl. Doris König, New Approaches to Achieve Sustainable Management ofTropical Timber, in: Rüdiger Wolfrum (ed.), Enforcing Environmental Standards - Economic Mechanisms as Viable Means, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 125, Berlin et al. 1996, 337 ff. m.w.N. 32 Siehe Phi/lip M Saunders, Moving on from Rio: Recent Initiatives on Global Forest Issues, in: The Canadian Yearbook ofInternational Law, vol. 32 (1994), 143 ff. 33 Hierzu Ulrich Beyerlin, The Concept of Sustainable Development, in: Wolfrum (Anm. 31),95 ff. m.w.N.; Meinhard Schröder, Sustainable Development - Ausgleich zwischen Umwelt und Entwicklung als Gestaltungsaufgabe der Staaten, in: Archiv des Völkerrechts 34 (1996), 251 ff.
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Der Weltsozialgipfel von 1995 in Kopenhagen hat dies in besonderer Weise verdeutlicht. In der dort ani 12. März 1995 angenommenen Abschlußerklärung wird ein Zusammenhang zwischen der Beseitigung vordringlicher sozialer Probleme, wie Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung, und "sustainable development" immer wieder hergestellt. 34 Im Nord-Süd-Verhältnis bedeutet die Umsetzung dieses Kompensationsgedankens im Ergebnis nichts grundlegend anderes als die Umsetzung der "Neuen Weltwirtschaftsordnung": Die entwickelten Länder müssen den Entwicklungsländern Hilfestellung leisten, etwa in Form von Technologietransfer - das heißt nunmehr Transfer von umweltschonender Technologie3S - , Zusammenarbeit bei der Forschung und Zugang zu den entsprechenden Forschungsergebnissen zu Gunsten der Entwicklungsländer sowie finanziellen Ressourcen. Das damit verfolgte Ziel ist, die Entwicklungsländer zu einem umweltgerechten Verhalten in die Lage zu versetzen, nicht nur in ihrem eigenen Interesse und dem ihrer künftigen Generationen, sondern auch oder vielmehr im globalen Interesse, das sowohl ihre eigenen Interessen mit umfaßt als auch die Interessen der übrigen Staaten. Es geht hierbei allerdings nicht nur um eine internationale Kompensation, also um einen Ausgleich auf zwischenstaatlicher Ebene, sondern um eine globale Kompensation, mithin um eine Kompensation, die auf die Inpflichtnahme sämtlicher an Umweltveränderungen Beteiligter angelegt ist. Vor diesem Hintergrund beginnt die Präambelbestimmung Konturen anzunehmen. Mit der Zielbestimmung "den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fOrdern", erhebt die Charta gegenüber sämtlichen Akteuren der globalen Gemeinschaft den Anspruch, soweit soziale Probleme bestehen und ein nur unzureichender Lebensstandard vorhanden ist, an einer Verbesserung dieses Zustandes mitzuwirken. Denn wenn dieses Postulat rur die Verbesserung unzureichender oder Aufrechterhaltung zureichender Umweltbedingungen im Hinblick auf den Gemeinschaftswert einer nachhaltig zu schützenden Umwelt gilt, muß es wegen der damit zusammenhängenden und sie bedingenden nachhaltigen Entwicklung in Richtung auf eine sozialverträgliche "Umwelt" auch
Copenhagen Declaration on Social Development, UN doc. NCONF.l66/9. Vgl. i.a. Art. 16 United Nations Convention on Biological Diversity of 1992, abgedruckt in: International Legal Materials 31 (1992),818; Art. 5 United Nations Framework Convention on Climate Change of 1992, abgedruckt in: ebda., 849; Principle 7. b) ofthe non-Iegally binding authoritative statement of priciples for a global consensus on the management, conservation and sustainable development of all types of forests, abgedruckt in: ebda., 881 (885). 34
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rur den Fortschritt im sozialen Bereich und die Verbesserung des Lebensstandards gelten.
Summary The promotion of social progress and better standards of life in larger freedom is a precondition for the primary purpose ofthe United Nations, i.e. the maintenance of international peace and security. Worldwide interdependence in economic and social matters has shown that a lack of social security anywhere in the world is, or at least might be, a threat to international peace and security and is, therefore, a common concern of the international community as a whole.
Die Präambel der Charta der Vereinten Nationen und der friedliche Wandel Hans-Joachim Schütz·
I. Das Problem 1. Wandel und Beharrung in sozialen Systemen
Es gehört zu den Gemeinplätzen in politischer Theorie und Praxis, daß Wandel in sozialen Systemen endemisch sei. Aufgrund natürlicher Veränderungen sowie des Drängens dynamischer sozialer Kräfte auf Veränderung wandeln sich die Systemlagen beständig. In einem Paradoxon auf den Punkt gebracht: Das einzig Beständige ist der Wandel. Das Panta Rhei Heraklits wird somit zur allgemeingültigen Zustandsbeschreibung. Gleichzeitig, und auch diesem Befund wird man Allgemeingültigkeit nicht absprechen wollen, erwachsen in jeglichem sozialen System permanent auch Kräfte der Beharrung, der Statik, Kräfte, die bestrebt sind, bestimmte, einmal erreichte Systemzustände festzuhalten, sie dauerhaft zu machen, sie gegebenenfalls als Systemstrukturen, als Fixpunkte und Orientierungsmarken rur das Systemleben darzustellen und zu etablieren. Wandel und Beharrung können somit als zwei Grundkonstanten sozialer Systeme angesehen werden. Diese Befunde gelten zweifellos jeweils auch rur das internationale System.! Derartige Bestrebungen nach Wandel und Beharrung werden zwar stets in gewissem Maße interessengeleitet sein. 2 Gleichzeitig bringen sie aber auch all• Prof. Dr. Hans-Joachim Schütz, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht und Internationale Beziehungen an der Universität Rostock. ! Jost Delbrück, Friedlicher Wandel, in: Rüdiger Wolfrum (Hg.), Handbuch Vereinte Nationen, 2. Aufl., München 1991, 191 ff., Rz. 3, 9. 2 Zum Begriff des Interesses vgl. Friedrich Kratochwil, On the Notion of "Interest" in International Relations, Int'l Org. 36 (1982), I; David Easton, A Systems Analysis of Political Life, New York/London/Sydney 1965, 45; Myres S. McDougal/Harold D. Lasswell/Michael W Reisman, The World Constitutive Process of Authoritative Decisions, in: Richard A. Falk/Cyril E. Black (eds.), The Future ofthe International Legal Order, vol.
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gemeine, auf das Funktionieren des Gesamtsystems gerichtete Bedürfnisse zum Ausdruck. Wandel und Beharrung können insofern also auch als zwei Wesensmerkmale sozialer Systeme angesehen werden. So ist zum einen klar, daß ein soziales System ohne ein gewisses Maß an Verstetigung und Innehalten, ohne ein gewisses Maß an Festhalten an dem einmal Erreichten, auch ohne Ausbildung entsprechender systemischer Strukturen, nicht auskommen kann, jedenfalls dann nicht, wenn es seine Bezeichnung "System" mit Recht verdienen wilI,l in ihm insbesondere auch eine gewisse Rationalität i. S. einer rationalen Gestaltung systemischer Abläufe möglich sein soll. Was ist damit gemeint? Strukturen haben bestimmte Charakterzüge und erfilllen dadurch bestimmte Funktionen, auch für das System als solches. 4 Sie entstehen dadurch, daß die Akteure eines Systems bestimmte System zustände und system ische Verhaltensweisen, die sie als vorzugs-, verallgemeinerungs- und fixierungswürdig erachten, als dauerhafte Verhaltensmuster festlegen. Strukturen können insofern als verfestigte oder "stabilisierte", feststehende oder "konstante", gleichsam - wenn sie sich über längere Zeit aufgrund entsprechender Übung herausgebildet haben als "geronnene" Verhaltens- bzw. Beziehungsmuster bezeichnet werden. Sie zeigen bestimmte Verhaltensalternativen auf, an denen sich die Systemakteure in der Folge bei ihrem Systemverhalten orientieren können. Da diese Strukturen mit der Eigenschaft der Stabilität oder Konstanz versehen sind, erlauben sie es den AkteuI, Princeton 1969,73,95; Egbert K. Jahn, Das Problem der Identifizierung von Interessen im Internationalen System, PVS 14 (1973), Sonderheft Nr. 5,347,359 f. 3 Renate Mayntz, Soziales System, in: Wilhelm Bernsdorf(Hg.), Wörterbuch der Soziologie, 2. Aufl., Stuttgart 1969,1017 ff.; Richard Münch, Theorie sozialer Systeme. Eine Einführung in Grundbegriffe, Grundannahmen und logische Struktur, Opladen 1976, 19 ff.; A. D. HalllRichard E. Fagen, Definition ofSystem, in: Walter Buckley (Hg.), Modern Systems Research for the Behavioral Scientist, Chicago 1968, 81; Easton, Anm. 2, 18; Robert Chin, The Utility of System Models and Developmental Models, in: Jason L. FinklelRichard W Gabte (Hg.), Political Development and Social Change, New YorkILondonJSydney 1966, 7, 9 ff.; Alfred Büllesbach, Systemtheoretische Ansätze und ihre Kritik, in: Arthur KaufmannlWinfried Hassemer, Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 3. Aufl., Heidelberg/Karlsruhe 1981,235,236. 4 George C. Homans, Was heißt soziale "Struktur"?, in: Peter M. Blau (Hg.), Theorien sozialer Strukturen. Ansätze und Probleme, Opladen 1978, 56 - 66; Peter M. Blau, Einleitung: Parallelen und Kontraste struktureller Analysen, in: ders. (Hg.), op. eit., 9, 11 und 17 ff.; Günter Wiswedeffhomas Kutsch, Sozialer Wandel. Zur Erklärungskraft neuerer Entwicklungs- und Modemisierungstheorien, Darmstadt 1978, 70 ff.; Theodor Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, NeuwiedlBerlin 1964,51 ff.; Niklas Luhmann, Positivität des Rechts als Voraussetzung einer modernen Gesellschaft, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 1 (1970), 175 - 202; Hans Ryffel, Rechtssoziologie, NeuwiedlBerlin 1974, 109. .
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ren und Interaktionspartnern des Systems, Erwartungen dahingehend aufzubauen, d. h. gleichsam darauf zu "vertrauen",s daß sich die anderen System akteure, genauso wie sie selbst, ebenso jenen Markierungspunkten gemäß verhalten werden ("Verhaltenserwartung") bzw. sich an ihnen für ihr eigenes Verhalten orientieren werden ("Verhaltenserwartung", aus der Sicht der ersteren wiederum "Verhaltenserwartungserwartungen" USW.).6 Hierdurch gewinnen alle Beteiligten ein gewisses Maß an Orientierungs"sicherheit". Aufgrund dieser Sicherheit wird dann auch eine rationale Planung der Systemabläufe möglich, gewinnt das System insgesamt an Rationalität. Würden andererseits solche Fix- und Orientierungspunkte fehlen, so wären in dem betreffenden System allenfalls beliebige, zufiillige, unkontrollierte Beziehungen möglich. Da modeme Systeme in aller Regel hochkomplex sind und in ihnen stets eine Unzahl von Prozessen ablaufen (können) bzw. Zustände herrschen (können), wäre der einzelne Akteur ohne entsprechende Ordnungsmuster dabei überfordert. Zusammenbruch oder Chaos wären die Folge. Insofern kann die Leistung systemischer Strukturen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. War das Herausstellen und vor allem Befolgen derartiger, am Ende konstanter, "stabilisierter", "strukturierter" Verhaltensmuster durch die Systemakteure bislang rein im Sinne eines "Könnens", also einer Möglichkeit beschrieben worden, so ist daraufhinzuweisen, daß die Akteure aus diesem "Können" selbstverständlich und in der Praxis wird dieser Weg in der Regel beschritten - ein "Sollen" oder gar "Müssen" machen können. Dies geschieht dadurch, daß sie die betreffenden Strukturen als normative, also "gesollte", vorgeschriebene und insoweit verbindliche, gar als rechtlich verbindliche Strukturen auszeichnen. 7 Es ist unmittelbar einsichtig, daß damit die Orientierungssicherheit noch einmal um einige Grade ansteigt. Im internationalen System sind es die Normen des Völkerrechts, die diese Funktion erfüllen. Ist solcherart die wichtige Rolle systemischer Strukturen deutlich gemacht, so sind umgekehrt aber ebenso der essentielle Charakter und die Funktion offenbar, die der Wandel in sozialen Systemen bzw. für soziale Systeme schlechthin erfilllt. Auch er ist ein unverzichtbares Element des Systemlebens. Man könnte sagen, 5 Niklas Luhmann, Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 2. Aufl., Stuttgart 1973. 6 Luhmann, Rechtssoziologie, 2 Bde., ReinbekIHamburg 1972, Bd. 1,31 ff.; ders., Positivität, Anm. 4, 177 ff 7 Siehe hierzu ausführlicher Luhmann, Rechtssoziologie, Anm. 6, 43, 99; ders., Legitimation durch Verfahren, NeuwiedlBerlin 1969, 239 f; Ryffel, Anm. 4, 124, 132 ff; Münch, Anm. 3, 43 ff.
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Wandel verkörpert zum einen das Leben im System und des Systems, zum anderen ermöglicht er es aber auch, ermöglicht er insbesondere die Weiterentwicklung des Systems. Würde nämlich kein Wandel stattfinden können und würden einmal erreichte und - insbesondere als Strukturen - verfestigte Zustände verewigt, gleichsam "versteinert", so wäre eine Erstarrung des betreffenden Systems die Folge mit allen schädlichen Auswirkungen, die solche Erstarrung haben kann. Eine solche Auswirkung könnte z. B. darin bestehen, daß das System abstirbt, etwa weil es die ftir die Weiterexistenz des Systems notwendigen Impulse nicht mehr aufnehmen bzw. umsetzen kann. 8 Eine andere mögliche Gefahr wäre die, daß die auf Wandel erpichten dynamischen Kräfte im System, denen aufgrund der Versteinerung der Verhältnisse und Strukturen der Weg zum Wandel versperrt ist, versuchen könnten, solchen Wandel nunmehr im Kampf gegen die Kräfte der Beharrung im System ins Werk zu setzen, und zwar in einen Kampf, der möglicherweise zur gewaltsamen Auseinandersetzung ausartet, bei dem dann u. U. sogar das System selbst, zumindest aber seine Ordnungskomponenten, die Strukturen, in Frage gestellt, wenn nicht gar gesprengt werden. 9 Die bisherigen Ausftihrungen, so kursorisch sie notwendigerweise auch gewesen sein mögen, haben zweierlei recht deutlich werden lassen - und dies mag als erstes Zwischenergebnis festgehalten werden: Zum einen hat sich gezeigt, daß Statik (Ordnung) einerseits und Dynamik (Wandel) andererseits zweifellos zu den Wesenselementen sozialer Systeme gehören. Zum zweiten ergibt sich daraus, daß das Grundproblem sozialer Systeme demnach nicht darin liegt, daß es jene beiden Elemente jeweils in ihnen gibt. Das Problem liegt vielmehr darin, jeweils das richtige Verhältnis der beiden Komponenten zueinander zu finden. Daraus ergibt sich wiederum drittens die spezielle Problematik friedlichen Wandels. Auch sie ist im Vorstehenden schon kurz angeklungen. Sie soll im folgenden, nunmehr bezogen
Vgl. Easton, Anm. 2, 364 ff. Werner Link, Überlegungen zum Begriff "Konflikt" in den internationalen Beziehungen - Versuch der Begriffserklärung, PVS 20 (1979), 33, 36; John Foster Dulles, War, Peace and Change, London 1939, 139; Hersch Lauterpacht, The Legal Aspect, in: eh. A. W. Manning (Hg.), Peaceful Change. An International Problem, London 1937, 135, 137; Maurice Bourquin, Stabilite et mouvement dans I'ordre juridique international, RdC 64 (1938 11), 347, 384; Jose! Kunz, The Problem of Revision in International Law ("Peaceful Change"), AJIL 33 (1939), 33, 46; Ryffel, Anm. 4, 174; vgl. auch Jost Delbrück, Die Adäquanz völkerrechtlicher Kriegsverhütungs- und Friedenssicherungsinstrumente im Lichte der Kriegsursachenforschung, in: ders., Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung (hg. von Klaus DickelStephan HobelKarl-Ulrich MeyniEibe RiedellHans-Joachim Schütz), Berlin 1996,201,204. 8
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speziell auf das internationale System, den eigentlichen Gegenstand vorliegender Abhandlung, noch etwas schärfer konturiert und ausfiihrlicher dargestellt werden.
2. Die Problematik des friedlichen Wandels im internationalen System
Auch im internationalen System stellt sich die Problematik des friedlichen Wandels zunächst, vereinfacht gesagt, folgendermaßen dar: Das internationale System steht, wie jedes andere soziale System, vor der permanenten Aufgabe, die in ihm vorhandenen und wirksamen Kräfte und Bestrebungen der Statik und Ordnung einerseits sowie der Dynamik und des Wandels andererseits in ein tragfiihiges Verhältnis zueinander zu bringen. Dabei zählt es insbesondere zu seiner Aufgabe, bei aller gleichzeitigen Anerkennung der auf die stabile Ordnung des Systems abstellenden Bestrebungen, den Kräften und Bestrebungen des Wandels angemessenen Raum zu geben. Es muß Akteuren, die Wandel bewirken wollen, die Möglichkeit geben, und das heißt auch: die entsprechenden Vorrichtungen zur Verfiigung stellen, mittels derer diese ihre Wandelvorstellungen auf geregelte, d. h. auch: reguläre Art und Weise in den politischen Entscheidungsprozeß des Systems einbringen und ggf. verwirklichen können. Dabei muß insbesondere auch die Möglichkeit gegeben sein, die System strukturen selbst, und hier in erster Linie diejenigen rechtlicher Natur, einem Wandel unterwerfen zu können. Aus spezifischer Sicht des Völkerrechts, der rechtlichen Strukturen des internationalen Systems, ist demnach das Problem umschrieben als das Problem der Schaffung der Voraussetzungen "fiir den ... Prozeß der Veränderung bestehender völkerrechtlicher oder außerrechtlicher Normen oder auf solchen Normen beruhender Strukturen des internationalen Systems". 10 Nur wenn derartige Voraussetzungen gegeben sind, läßt sich auf Dauer verhindern, daß Systemakteure, die frustriert sind, weil ihren Wandelwünschen vom System grundsätzlich die gebührende Beachtung verweigert und kein Entfaltungsraum gegeben wird, geschweige denn, daß deren Verwirklichung zugelassen würde, ihr Heil im Kampf gegen das System bzw. die in ihm herrschenden Kräfte der Beharrung suchen, und zwar in einem Kampf, der ggf. systembedrohende oder -sprengende Ausmaße annimmt und/oder in gewaltsamen Formen ausgetragen wird. Anknüpfend an letzteres ist nun Gelegenheit, etwas näher auf das Epitheton "friedlich" einzugehen, welches das Problem des friedlichen Wandels - und auch seine richtige Lösung - charakterisiert. In ihm kommt der Topos des Friedens
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Delbrück, Anm. 1, Rz. 2.
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zum Ausdruck. Dieser tritt in mehrfacher Hinsicht in Beziehung zu der zuvor beschriebenen Wandelproblematik. Einmal bezeichnet der Friede den Zweck, dem der Wandel- aus Systemsicht - dienen soll: Dadurch, daß Systemakteuren Wandel nach ihren Vorstellungen ermöglicht wird bzw. es ihnen vom System zumindest ermöglicht wird, ihre Wandelvorstellungen auf gehörige Weise in den Entscheidungsprozeß des Systems einzubringen und dort für ihr Anliegen zu werben und ggf. Unterstützung zu gewinnen, wird für die betreffenden Akteure der Anreiz geringer, ihren Weg ggf. auf gewaltsame Art und Weise zu suchen. Indem die Anreize für Gewaltanwendung verringert werden und so die Wahrscheinlichkeit, daß Gewalt zur Anwendung gelangt, sinkt, wird - logischerweise - dem Frieden im System gedient, Friede hierbei negativ umschrieben als "Abwesenheit von Gewalt" (sog. negativer Friede).l1 Demgemäß stellt sich also der (negative bzw. negativ umschriebene) Friede als (letztendliches?) Ziel "friedlichen" Wandels dar, ein Ziel, dessen Werthaftigkeit für das internationale System angesichts des Zerstörungspotentials, welches in den Waffenarsenalen der Hauptakteure dieses internationalen Systems, der Staaten, versammelt ist, nicht noch extra und ausführlich begründet werden muß. Zum anderen bezeichnet der Friede aber auch, wiederum i. S. des negativ umschriebenen Friedens, den Modus des Verfahrens, in dem wandlungsgeneigte Systern akteure ggf. ihren Wandlungsambitionen zum Durchbruch verhelfen können und sollen. Dies ist nur konsequent. Es wäre paradox, wenn das Ziel der Gewaltlosigkeit nicht ebenfalls auf gewaltlose Art und Weise verfolgt werden sollte, sondern unter Anwendung von Gewalt. 12 Gerade um Systemakteure nicht allein auf die gewaltsame Umsetzung ihrer Wandelwünsche angewiesen sein zu lassen, stellt ihnen das System Vorrichtungen zur - dann aber eben friedlichen - Artikulierung und Verwirklichung ihrer WandelvorsteUungen zur Verfügung. 13 Der negati11 Zu diesem Friedensbegriff siehe Albrecht RandelzhoJer, Der normative Gehalt des Friedensbegriffes im Völkerrecht der Gegenwart. Möglichkeiten und Grenzen seiner Operationalisierung, in: Jost Delbrück (Hg.), Völkerrecht und Kriegsverhütung. Zur Entwicklung des Völkerrechts als Recht friedenssichernden Wandels, Berlin 1979 (Veröffentlichungen des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel, Bd. 82), 13 ff.; Bert V A. Röling, Volkenrecht en Vrede, Deventer 1973, 18. 12 Diese Aussage will Geltung nur für den vorliegend geschilderten Problemzusammenhang beanspruchen. Für andere Fälle mag sie nicht gültig sein. Ein solcher Fall wäre etwa die Notwendigkeit, einem Friedensbrecher, wenn friedliche Mittel der Streitbeilegung nichts fruchten, ggf. mit Gewalt entgegenzutreten, wie dies u. a. in der UN-Charta im Rahmen des Systems der kollektiven Sicherheit bzw. der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, seinerseits durchaus konsequent, vorgesehen ist. 13 Vgl. noch einmal oben am Anfang dieses Unterabschnittes, 93.
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ve/negativ umschriebene Friede ist demnach also auch Parameter für das Verfahren des "friedlichen" Wandels. In den bisher genannten Funktionen als BestimmungsmerIcmal für das Konzept des friedlichen Wandels erschöpfen sich die Rollen des Parameters "Friede" jedoch nicht. Hinzu treten eine, wenn nicht zwei weitere. Zum einen beschreibt der Friede einen weiteren Aspekt des angestrebten Zielzustandes des friedlichen Wandels. In der Regel enthalten die Begehren nach dem Wandel einer bestimmten, überkommenen Situation auf Seiten der Wandelbefürworter ja auch Vorstellungen darüber, wie die neue, durch den Wandel herbeizuführende Situation materiell (auch: materiell-rechtlich) idealiter aussehen soll. Diese inhaltlichen Vorstellungen werden letztlich dem entsprechen, was die Wandelproponenten im gegebenen Fall für gerecht, d. h. ihnen, ihrer Situation, ihren Wünschen usw. gerecht werdend, halten. Friedlicher Wandel ist insofern in der Tat immer auch das Problem der Gerechtigkeit. 14 Im einschlägigen Schrifttum wird hierbei auch, ausgehend von einer in der Friedensforschung gängigen Unterscheidung, vom "positiven" Frieden gesprochen. 15 Der Friede, nunmehr allerdings in seiner Ausprägung als "positiver" Friede, beschreibt demnach erneut, wenn auch in weitergehender Weise, als dies der "negative" Friede tut, ein Ziel "friedlichen" Wandels. Im übrigen ergibt sich hier ein bemerkenswertes Wechselspiel der beiden als Zielmarken gesetzten Friedenszustände: Je stärker nämlich der Grad der Verwirklichung des Zustandes des "positiven" Friedens im System ansteigt, desto größer wird auch, da der Grad der Selbstverwirklichung der Systemakteure ansteigt und insoweit die Zahl der Unzufriedenen bzw. der Konfliktursachen abnimmt, die Wahrscheinlich-
14 Albrecht RandelzhoJer, "Peaceful change" als Problem de lege ferenda, in: FS rur Wolfgang Zeidler, Bd. 2, Berlin 1987,1819, 1829. 15 V gl. Johan Galtung, Gewalt, Frieden und Friedensforschung, in: Dieter Senghaas (Hg.), Kritische Friedensforschung, FrankfurtJM. 1971,55,87. Der Begriff des "positiven" Friedens wird hierbei im bewußten Gegensatz zu dem des "negativen" Friedens verwendet und gegenüber diesem dadurch abgegrenzt, daß ersterer den von ihm bezeichneten Zustand eben nur negativ, nämlich als Abwesenheit von Gewalt beschreiben könne, während der Zustand des "positiven" Friedens eben durch einzelne konkrete, gewünschte, insoweit positive inhaltliche Zielvorgaben umschrieben werde. Als solche "positive" Zielvorgaben werden z. B. bestimmte, als wünschenswert angesehene soziale Zustände, ökonomische Verhältnisse usw. angegeben. Der Begriff des Positiven ergibt sich hier also zunächst i. S. einer Methode der Umschreibung des Untersuchungsgegenstandes, erst in zweiter Linie, wenngleich durchaus gewollt und mit entsprechender Emphase, i. S. einer Wertung.
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keit, daß der "negative" Friede im System gewahrt bleibt. 16 Friedlicher Wandel wird somit zum friedensstiftenden oder friedenssichernden Wandel. 17 Schließlich dient der Friede ein viertes Mal als Bestimmungsmerkmal rur den friedlichen Wandel, und zwar noch einmal in seiner Ausprägung als "positiver" Friede, diesmal aber als Parameter rur das Verfahren des friedlichen Wandels. Gerechtigkeit bzw. "positiver" Friede als Zielzustand politischer Prozesse ist bekanntlich ein mit jeweils höchst unterschiedlichen subjektiven Wertvorstellungen der betreffenden Akteure beladenes Konzept und entzieht sich damit wohl einer endgültigen Definition. In diesem Sinne ist Gerechtigkeitl"positiver" Friede von vornherein grundsätzlich wohl eher als ein sich ständig aktualisierender und dabei verwirklichender Vorgang denn als ein Zustand zu begreifen. Dies unterstellt und unter der weiteren Annahme, daß angesichts dessen mit der Herstellung eines alle zufriedenstellenden, d. h. befriedigenden und damit befriedenden positiven Friedenszustandes nicht zu rechnen ist, bietet es sich an, wenigstens das Verfahren, mittels dessen der zwar niemals endgültig zu erreichende paradiesische, gleichwohl aber unentwegt angestrebte Zustand des positiven Friedens verfolgt wird, so zu gestalten, daß diejenigen Akteure, die letztlich das von ihnen angestrebte inhaltliche Gerechtigkeitsziel nicht erreichen können, gleichwohl das Ergebnis des insoweit (ganz oder teilweise) erfolglosen Prozesses des friedlichen Wandels akzeptieren können, und zwar deswegen, weil sie das Geruhl haben können, daß wenigstens das Verfahren, in dem sie ihr Ziel verfolgen konnten, ihnen Chancen gelassen hatte und nicht grob unfair war. Der Ruf geht also, gewissermaßen auch als Ersatz rur den elusiven materiellen "positiven" Frieden, nach dem "fairen", "gerechten", d. h. an Vorstellungen der Gerechtigkeit oder m.a.W. des "positiven" Friedens orientierten Verfahren. Der "positive" Friede insoweit also als Parameter des Verfahrens des friedlichen Wandels. Als Beispiel rur eine Ausgestaltung des Verfahrens, das diesen Kriterien entspricht, möge etwa ein Verfahren dienen, in dem Akteuren, die Wandel begehren, ein Forum geboten wird, auf dem sie ihre Wandelvorstellungen in hinreichender Ausfiihrlichkeit darstellen können, auf dem sie um Unterstützung rur ihr Anliegen werben können, im Rahmen dessen ihnen ein etwaig vorhandener Verwaltungsapparat (z. B. ein Konferenzsekretariat) die gleiche Unterstützung zuteil werden läßt, wie er sie ggf. auch den Gegnern des Wandels angedeihen läßt, oder auch ein Verfahren, in dem auch schwächere Akteure ihre Vorstellungen von Wandel zur Geltung bringen können, in denen ein Wandelwunsch nicht nur deshalb abgeschmettert wird, weil er von einem schwä-
16 17
Vgl. ausführlicher dazu RandelzhoJer, Anm. 11, 13 ff. Delbrück, Anm. 1, Rz. 19.
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cheren Akteur vorgebracht wird, er sich gegen einen mächtigen Akteur richtet, ein mächtiger Akteur, möglicherweise aus sachfremden oder überzogenen Eigeninteressen dagegen ist usw.
11. Die Aussagen der Präambel der UN-Charta zum friedlichen Wandel Es wäre nun verwunderlich, wenn die Charta der Vereinten Nationen als die Verfassung derjenigen Organisation, die als eine der wichtigsten internationalen Organisationen und als eines der wichtigsten Subsysteme des internationalen Systems überhaupt angesehen werden kann, jenem im Vorstehenden etwas näher beschriebenen Grundproblem der internationalen Beziehungen und des Völkerrechts nicht in irgendeiner Art und Weise Rechnung getragen hätte.
1. Keine ausdrückliche Erwähnung des friedlichen Wandels in der Präambel
Wirft man indes einen Blick auf den Wortlaut der Präambel der UN-Charta, so wird man schnell feststellen, daß dort der friedliche Wandel, sei es als Programm oder Aufgabe oder sei es auch nur als Problem der Vereinten Nationen, keine explizite Erwähnung fmdet. Dies mag überraschen, eingedenk einerseits des wichtigen Stellenwertes, den dieses Problem, wie für jedes soziale System, so auch für das System der Vereinten Nationen spielt, sowie andererseits angesichts der Tatsache, daß andere wichtige Probleme und Ziele der Vereinten Nationen, wie z. B. die Kriegsverhütung, die Wahrung der Menschenrechte oder die Förderung des sozialen Fortschritts und besserer Lebensbedingungen, sehr wohl ausdrückliche Aufnahme in den Präambeltext gefunden haben. Eine Erklärung für diesen Umstand mag in der Vorgeschichte zur Entstehung der Vereinten Nationen und insbesondere in der Rolle gefunden werden, die die Idee des friedlichen Wandels (peaceful change, changement pacifique, Revision) als politischer Kampfbegriff bei der Revision der Pariser Vorortverträge, ja bei der Zerschlagung des gesamten Völkerbundsystems gespielt hat. 18 Zwar gab es bei 18 Delbrück, Anm. 1, Rz. 11; vgl. etwa Heinrich Rogge, Das Revisionsproblem. Theorie der Revision als Voraussetzung einer internationalen wissenschaftlichen Aussprache über ,peaceful change of status quo', Berlin 1937, passim; Fritz Berber, Sicherheit und Gerechtigkeit. Eine gemeinverständliche Einführung in die Hauptprobleme der Völkerrechtspolitik, Berlin 1934, passim.
7 UN·Sbd.
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den Verhandlungen zur Gründung der Vereinten Nationen durchaus entschiedene Verfechter der Idee, in der Charta der Vereinten Nationen, und zwar möglicherweise auch in der Präambel, dem Gedanken des friedlichen Wandels einen prominenten Platz einzuräumen. Hier sind in erster Linie die USA zu nennen. 19 Letztlich war diesen Bemühungen jedoch kein Erfolg beschieden. Zu stark überwogen die Bedenken, mit einer zu bedeutenden Plazierung des friedlichen Wandels im Chartatext Geister zu wecken, deren unheilvolle Wirkung die Stabilität der internationalen Beziehungen, insbesondere der internationalen Vertragsbeziehungen - friedlicher Wandel wurde in diesem Zusammenhang meist verengt mit Blick auf die Möglichkeit der Revision völkerrechtlicher Verträge verstanden - in Frage stellen könnte. Hinzu kamen höchst vordergründige Überlegungen einiger Staaten mit dem Interesse am unantastbaren Bestand bestimmter Verträge wie z. B. einiger lateinamerikanischer Staaten, die um den Bestand einzelner Grenzverträge filrchteten, oder der Sowjetunion, die die künftigen Friedensverträge nicht in Frage stellen lassen wollte. 20 Am Ende stand ein merkwürdiger Kompromiß: In die Präambel wurde das Prinzip des friedlichen Wandels nicht in ausdrücklicher Form aufgenommen. Statt dessen wurde dort, im Gegenteil, ein Hinweis auf die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen ("respect for the obligations arising from treaties") verankert, der allerdings seinerseits wiederum in eine Phrase eingebettet ist ("to establish conditions under which justice and respect for the obligations arising from treaties and öther sources of internationallaw can be maintained"), deren Formulierung durchaus Anlaß zu Spekulationen geben kann (siehe dazu im gleich folgenden). Im Gegenzug wurde dem friedlichen Wandel, und zwar in ausdrücklicher Form ("peaceful adjustment"), jedoch an anderer, wenngleich weniger hervorgehobener Stelle der UN-Charta, ein Platz zugewiesen (Art. 14; vgl. weiter unten).
2. Implizite Verankerung des Grundsatzes des friedlichen Wandels in der Präambel?
Daß friedlicher Wandel als Begriff nicht ausdrücklich Aufnahme in die Präambel der Charta gefunden hat, muß aber nicht bedeuten, daß der Gedanke als sol19 Vgl. Ruth B. RusselllJeanette E. Muther, United Nations Charter. The Role of the United States 1940 - 1945, Washington D. C. 1958,278 ff., 608 ff.; Arthur H VandenberglJoe Ale>: Morris (eds.), The private papers of Senator Vandenberg, London 1953, 173 f.; siehe auch die Erklärung Boliviens, UNCIO VI, 375. 20 Vgl. Jean-Pierre CotlAlain Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, Commentaire article par article, 2. Aufl., Paris 1991, 11; siehe auch RusselllMuther, Anm. 19,764 f.
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cher überhaupt keinen Niederschlag darin gefunden hat. Vielmehr fmden sich in der Präambel durchaus eine Reihe von Hinweisen - wenn eben auch nur impliziter Natur - auf das Konzept des friedlichen Wandels bzw. darauf, daß friedlicher Wandel durchaus ein handlungsleitendes Prinzip filr die Arbeit der Vereinten Nationen sein soll. a) Ausgangspunkt filr eine solche Interpretation der Chartapräambel könnte zunächst die in ihr enthaltene Bestimmung We the Peoples of the United Nations detennined ... to establish conditions under which justice and respect for the obligations arising from treaties and other sources of intemationallaw can be maintained
sein. Eine solche Auslegung mag zwar auf den ersten Blick als etwas weit hergeholt erscheinen. Gleichwohl ist sie vertretbar. So läßt sich diese Formulierung zunächst so verstehen, daß Stabilität im internationalen System, und hier insbesondere die Stabilität der internationalen Rechtsbeziehungen i. S. der Beachtung und der Aufrechterhaltung des Bestandes der völkerrechtlichen Verträge und anderer Völkerrechtsnormen, auf Dauer nur gewahrt werden können, wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind. Wie diese Bedingungen beschaffen sein sollen, wird allerdings nicht gesagt. Man könnte hier aber jener Formulierung in weiterer Folge den Sinn beilegen, daß damit gemeint sei, daß solche Bedingungen geschaffen werden müssen, die es den von den einschlägigen Völkerrechtsnormen Betroffenen erlauben, diese zu akzeptieren und sie entsprechend zu honorieren, indem man sie achtet und befolgt. Diese Akzeptanz wird sich dabei in aller Regel darm einstellen, wenn jene Völkerrechtsnormenjedenfalls in etwa den Vorstellungen der ihnen unterworfenen Systemakteure von der wünschenswerten Gestalt solcher völkerrechtlicher Strukturen entsprechen. Tun sie dies dagegen nicht und gibt es demzufolge keine Akzeptanz filr diese Normen oder, mit anderen Worten, nämlich denen des dritten Absatzes der Präambel der UN-Charta, sind die Bedingungen nicht geschaffen, "unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können",21 so stellt sich filr die UN ein Problem bzw. - gemäß dem eingangs der Chartapräambel formulierten Imperativ ("determined ... to establish conditions") - eine Aufgabe, nämlich eben jene Bedingungen filr eine Akzeptanz der Völkerrechtsnormen zu schaffen. Dies wiederum könnte theoretisch auf zweierlei Art bewerkstelligt werden. Zum einen könnten Wunsch (der Systemakteure) 21 So der allerdings nicht authentische deutsche Text der UN-Charta, vgl. BGBI. 1973 II,431. 7*
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und Wirklichkeit (der völkerrechtlichen Normenwelt) derart zur Deckung gebracht werden, daß die betreffenden Normen aufrechterhalten werden und die Wünsche der Systemakteure nach einer anderen Gestaltung dieser Normen unterdrückt werden, diese Wünsche sozusagen in Nicht-Wünsche rückverwandelt werden. Es wird sofort einleuchten, daß dies in aller Regel nicht die richtige Lösung sein wird, da mit einer solchen "Lösung" die dem Konflikt über die Gestaltung der Rechtsbeziehungen im System zugrundeliegenden Ursachen nicht wirklich ausgeräumt werden, diese vielmehr weiter bestehen und irgendwann von neuem ans Tageslicht drängen werden. Die andere, und in der Regel zu einem besseren Ergebnis filhrende Möglichkeit der Lösung jener Aufgabe, eine Deckung zwischen Wunsch der Systemakteure und Wirklichkeit der Normenwelt herbeizufilhren, ist die, statt dessen die einschlägigen Normen jenen Wünschen anzupassen. Dann wären die Bedingungen geschaffen, unter denen die Normen Beachtung finden und befolgt werden. Der in der Chartapräambel formulierte Auftrag, "Bedingungen zu schaffen usw.", wäre demnach als Auftrag zum (selbstverständlich: friedlichen) Wandel der betreffenden Völkerrechtsnormen aufzufassen. So gesehen hätte also in der Tat, und dies ist die letztendliche Folgerung und diejenige Folgerung, auf die es bei dem vorliegenden Interpretationsversuch ankommt, das Konzept des friedlichen Wandels, wenn auch in wahrlich sehr verdeckter Form, Eingang in die Präambel der UN-Charta gefunden. 22 Diese Auslegung des dritten Präambelabsatzes fmdet eine gewisse Bestätigung in den Materialien zur Entstehungsgeschichte der Charta der Vereinten Nationen. So hat der Berichterstatter des Unterausschusses Ades 1. Ausschusses der 1. Kommission der Konferenz von San Francisco in einem Bericht an den Ausschuß bei der Vorstellung und Erläuterung des dritten Präambelabsatzes folgende aufschlußreiche Erklärung abgegeben: In this phrase ,Treaties' calls for a word. The respect for treaty obligations and the pledged word under any form is not only a moral concept of high value but is undoubtedlyan important factor in order and stability. Order, however, should not be conceived as the negation of healthy international evolution, nor should stability imply the crystalization or the freezing ofthe international status quo. There could be no greater illusion than that of wanting and believing that internationallife could be pressed into the mold of present conditions as drawn by existing treaty instruments. The respect for treaties should not excIude the possibility of revision duly madeY 22 So auch Georg Schwarzenberger, Power Politics, 2. Aufl., London 1951, 490, der ebenfalls feststellt, daß das Prinzip des friedlichen Wandels "obliquely" in der Präambel anerkannt worden sei. Vgl. auch Stephan Hobe, supra, 72 ff. 23 UNCIO VI, 359. Hervorhebung im Original.
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An dieser Aussage ist zweierlei bemerkenswert: Zum einen, daß hier der friedliche Wandel überhaupt angesprochen wird. Zum zweiten, und für den vorliegenden Zusammenhang noch wichtiger, daß der friedliche Wandel direkt mit dem dritten Präambelabsatz in Verbindung gebracht wird bzw. dieser Absatz ganz offensichtlich - und ganz im Sinne der hier gegebenen Interpretation dieser Bestimmung - als Ausprägung des Gedankens des friedlichen Wandels aufgefaßt wird. Zwar sind später, in einer bereinigten Version des betreffenden Dokuments, die beiden letzten Sätze der Erklärung wieder gestrichen worden. 24 Dies hat hier jedoch nicht viel zu besagen, da diese beiden Sätze nur das mit etwas anderen Worten vertieft hatten, was bereits in den davor abgedruckten - und in der Folge belassenen - Sätzen, insbesondere dem den beiden später gestrichenen Sätzen unmittelbar vorhergehenden Satz, gesagt worden ist. Jedenfalls kommt auch in der verkürzten, bereinigten Fassung der Erklärung des Berichterstatters der Gedanke des friedlichen Wandels hinreichend deutlich zum Ausdruck bzw. findet dort eine entsprechende Auslegung des dritten Präambelabsatzes i. S. einer impliziten Verankerung des Grundsatzes des friedlichen Wandels statt. An dieser Stelle ist allerdings noch ein Wort zu dem in dem dritten Präambelabsatz verwendeten Begriff der Gerechtigkeit und seiner eigenartigen Stellung im dortigen Satzgeruge vonnöten. Dort wird gesagt, daß Bedingungen geschaffen werden sollen, damit Gerechtigkeit und die Achtung vor dem Recht, d. h. die Einhaltung und der Bestand des Rechts gewahrt werden können. Indem dort bestimmte Bedingungen als Voraussetzung zum einen rur die "Aufrechterhaltung von Gerechtigkeit" genannt werden sowie zum anderen in weiterer Folge auch noch rur die "Aufrechterhaltung des Respekts vor dem Völkerrecht", entsteht der Eindruck, daß Gerechtigkeit und Völkerrecht (bzw. der Respekt vor diesem) zwei selbständig nebeneinander stehende und in keinem engeren, insbesondere kausalen Zusammenhang zueinander stehende Kategorien seien. Man hätte hier aber umgekehrt durchaus erwarten können, daß "Gerechtigkeit" gerade als diejenige Bedingung genannt wird, die es herzustellen gelte, damit in weiterer Folge die Achtung des Rechts i. S. der Beachtung und Einhaltung des Rechts gesichert werden könne. Dies würde insbesondere auch bedeuten, "gerechte" Verträge zu schließen, d. h. Verträge, die gerechte Zustände, eine gerechte Rechte- und Pflichtenverteilung usw. widerspiegeln und die demzufolge dann auch eher eingehalten würden. Eine derartige kausale Verknüpfung der beiden Kategorien Gerechtigkeit und Völkerrecht hätte jedenfalls das in jener Bestimmung verankerte Konzept des friedlichen Wandels schlüssiger zum Ausdruck gebracht.
24
Vgl. UNCIO VI, 364.
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b) Eine zweite - und etwas breiter angelegte - Argumentationsweise, die nachweisen könnte, daß der friedliche Wandel als Konzept und handlungsleitendes Prinzip für die Arbeit der Vereinten Nationen in der Präambel der UN-Charta seinen zumindest impliziten Niederschlag gefunden hat, würde ihren Ausgangspunkt zunächst bei dem eingangs dargestellten theoretischen Konzept des friedlichen Wandels nehmen 25 und in der Folge zeigen, daß diejenigen Komponenten, die in diesem Konzept als konstitutiv für das Konzept festgestellt worden sind, sich als solche auch in der Chartapräambel wiederfinden. So sind dort zumindest, um nur die zwei wichtigsten Komponenten zu nennen, sowohl der negative Friede als Zielzustand und handlungsleitendes Prinzip genannt als auch die Achtung der Grundrechte des Menschen, die Förderung des sozialen Fortschritts und eines besseren Lebensstandards in Freiheit, die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung aller Völker usw., alles Ziele also, die, wie oben dargestellt, auch in die Formel des positiven Friedens gefaßt werden können. Es ist jedenfalls insoweit ein umfassendes Friedenskonzept, welches die Charta in ihrer Präambel formuliert,26 welches als integralen Bestandteil von vornherein auch den friedlichen Wandel in sich einschließtY Ein interpretatorisches Problem, welches sich hier allerdings stellt, ist, daß die beiden Komponenten "negativer" und "positiver" Frieden hierbei sprachlich nicht so miteinander verbunden werden, daß eindeutig klar würde, daß die eine Komponente, nämlich der "positive" Friede, die Voraussetzung für die Verwirklichung der anderen darstellt. Man könnte dies mit der Entstehungsgeschichte der Präambel, deren Schwierigkeiten bzw. der Funktion erklären, die man der Präambel im Gesamtkontext des Chartatextes beimessen wollte, nämlich weniger konkrete Bestimmungen und Regeln zu formulieren, als vielmehr eine - auch emotionale - Einstimmung auf und Einführung in die danach folgenden, konkreten Vorschriften der Charta zu geben, und demzufolge dann der Präambel "a language and tone" gegeben worden sei, "which leads its way to the hearts of men. "28 Allseits befriedigend ist diese Erklärung jedoch nicht. Entsprechend gäbe auch der Interpretationsansatz, der mit der Verankerung und "Wiederentdeckung" des theoretischen Gesamtkonzeptes des friedlichen Wandels als solchem in der Präambel arbeitet, bliebe er der einzige und würde er nicht noch von anderen Auslegungen gestützt, z. B. der zuvor unter Buchstabe a) vorgestellten, auf den Wortlaut des dritten Präambelabsatzes ab-
Vgl. noch einmal oben I. 2. Schwarzenberger, Anm. 22, 491; vgl. auch Randelzhofer, Anm. 11, 13 ff. 27 Siehe hierzu auch Schwarzenberger, Anm. 22, 491. 28 UNCIO V~, 358.
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stellenden Auslegung, oder anderen (siehe hierzu im folgenden II1.), nur eine schwache Erklärungsbasis ab.
III. Die Präambel im Gesamtkontext der übrigen Chartabestimmungen Als Ergebnis der im Vorstehenden angestellten Erwägungen kann festgehalten werden, daß der Grundsatz des friedlichen Wandels durchaus, wenn auch nicht in expliziter, so doch in impliziter Form Eingang in die Präambel der UN-Charta gefunden hat. Im folgenden wird nun darzulegen sein, ob und inwieweit dieses Ergebnis durch weitere Argumente eine Stützung erfährt. Zu diesem Zweck soll die Chartapräambel zunächst in ihrem Kontext mit anderen Chartabestimmungen beleuchtet werden.
1. Art. 1 UN-Charta
Art. 1 UN-Charta enthält eine Bestimmung, die in Hinblick auf unsere Fragestellung sofort ins Auge sticht, nämlich in seinem Abs. 1. Dort heißt es: The Purposes ofthe United Nations are: l. To maintain international peace and security, and to that end: ... to bring about by peaceful means, and in conformity with the principles ofjustice and international law, adjustment or settlement of international disputes or situations which might lead to a breach ofthe peace.
Hier ist die "Sprache des friedlichen Wandels" unüberhörbar. Es bleibt die Frage zu klären, in welchem Verhältnis diese Bestimmung zur Präambel steht bzw. in welche Beziehung zueinander sie gebracht werden können, insbesondere ob die Präambel im Lichte dieser Bestimmung ausgelegt werden könnte. Hier ergibt sich zunächst ein Problem. Normalerweise gilt nämlich, daß die operativen Bestimmungen eines Vertrages gegebenenfalls im Lichte der Präambel ausgelegt werden, diese also als Interpretationshilfe und -maßstab dient, und nicht umgekehrt. 29 Gerade letzteres würde im vorliegenden Fall aber geschehen und die Absicht sein, um so eine Bestätigung (oder auch Nicht-Bestätigung) für das oben erzielte Ergebnis der Auslegung der Präambel zu fmden. Im Sinne der klassischen Doktrin über die Auslegung von Verträgen wäre dies demzufolge also systemwidrig und unzulässig. Im vorliegenden Fall könnte sich die Situation 29
Siehe Hans-Dietrich Treviranus, Preamble, EPIL 7, 393, 394.
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aber etwas anders darstellen. Wie die Entstehungsgeschichte der UN-Charta zeigt und sich anhand der Entstehungsmaterialien belegen läßt, sind der Text der Präambel einerseits und der des Art. 1 (und in weiterer Folge auch der des Art. 2) UN-Charta andererseits in der Substanz über weite Strecken gleich. In einem Kommentar zur UN-Charta heißt es dazu, daß die Präambel insofern eine - wenn auch gelegentlich ungenaue - Verdopplung der Bestimmungen der Art. 1 und 2 darstelle ("represents an occasionally inaccurate duplication of the Purposes and the enumeration of governing Principles found in Arts. 1 and 2"Yo bzw. eine entsprechende Wiedergabe der Ziele und Prinzipien der bei den genannten Artikel enthalte. 31 Zwar wurde auf der Konferenz von San Francisco versucht, eine gewisse Unterscheidungslinie zu ziehen. 32 Allerdings mußte im gleichen Atemzuge zugegeben werden, daß die betreffende Unterscheidung nicht besonders tiefgründig sei33 bzw. es eben in der Tat sehr schwer falle, wenn nicht gänzlich unmöglich sei, eine scharfe und saubere Trennungslinie zwischen den drei genannten Vorschriften zu ziehen. 34 Jede der einzelnen Regelungen, die dann in die drei Vorschriften Eingang gefunden haben, hätte im Grunde in jeder der drei ihren Platz finden können, ohne daß dies einen Unterschied ausgemacht hätte. 3s Tatsächlich seien einige der Regelungen zunächst von den "Purposes" (Art. 1) zu den "Principles" (Art. 2) gewandert, um dann schließlich in der Präambel zu landen. 36 In jedem Fall aber 30 Rüdiger Wolfrum, Preamble, in: Bruno Simma (Hg.), The Charter ofthe United Nations. A Commentary, Oxford 1994, Rz. 1. 31 Rüdiger Wolfrum, Präambel, in: Bruno Simma (Hg.), Kommentar zur UN-Charta, München 1991, Rz. 1. 32 Ihrzufolge fUhrt die Präambel die Charta ein: "The ,Preamble' introduces the Charter and sets forth the declared common intentions which brought us together in this Conference and moved us to unite our will and efforts, and made us harmonize, regulate, and organize our international action to achieve our common ends." Die "Purposes" wiederum "constitute the raison d'etre ofthe Organization. They are the aggregation ofthe common ends on which our minds met; hence, the cause and object ofthe Charter to which member states collectively and severally subscribe." Das Kapitel über die "Principles" schließlich "sets, in the same order of ideas, the methods and regulating norms according to which the Organization and its members shall do their duty and endeavour to achieve the common ends. Their understandings should serve as actual standards of international conduct." UNCIO VI, 446 f 33 Op. eil., 447. 34 Op. ci!., 446; kritisch insofern auch Hans Kelsen, The Law of the United Nations, London 1950, 9 ff.; Leland M. GoodriehiEdvard HambrolAnne Pa!rieia Simons, Charter ofthe United Nations. Commentary and Documents, 3. Aufl., New York/London 1969,20 f; CotlPellet, Anm. 20, 5 f 3S UNCIO VI, 446. 361bid.
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seien die Bestimmungen der Charta (und damit seien insbesondere auch die eben angesprochenen gemeint) unteilbar, gleich gültig und operationell. 37 Jede von ihnen sei so konstruiert, daß sie jeweils im gegenseitigen Aufeinanderwirken verstanden und angewandt werden müßten. 38 Mit diesem Verständnis des Charakters der angesprochenen Normen und ihres Verhältnisses zueinander läßt sich nun möglicherweise jener oben vorgeschlagene Interpretationsweg einschlagen, demzufolge die Präambel auch einmal im Lichte operativer Bestimmungen des Vertrages ausgelegt werden kann. In diesem Sinne können die beiden Normen Präambel und Art. 1 (nur um diese beiden geht es hier), soweit sie einen übereinstimmenden Inhalt aufweisen, als wechselseitige Interpretationshilfen herangezogen werden, wobei dies - auch, um einen Zirkelschluß zu vermeiden - so verstanden wird, daß diejenige Norm, die den betreffenden Gedanken in ausfiihrlicherer und/oder klarerer Weise zum Ausdruck bringt, zur Konkretisierung der jeweils anderen Norm benutzt wird. Im vorliegenden Falle wäre dies also Art. 1, mittels dessen die Präambel näher bestimmt würde. Seine oben zitierte Bestimmung ("To maintain international peace and security, and to that end: ... to bring ab out by peaceful means, and in conformity with the principles of justice and internationallaw, adjustment or settlement of international disputes or situations which might lead to a breach of the peace") würde insoweit dann die - aufgrund der weiter oben geschilderten Umstände etwas mißglückte Bestimmung des dritten Präambelabsatzes im Sinne jener Formulierung des Art. 1 - und dies heißt auch im Sinne einer klareren Fassung des Gedankens des friedlichen Wandels - ausfiilIen. Im übrigen würde damit auch das Ergebnis der weiter oben dargestellten historischen Auslegung der Präambelbestimmung bestätigt. Im Ergebnis kann hier also festgehalten werden, daß eine unter Bezug auf Art. 1 UN-Charta durchgefiihrte systematisch-grammatikalische Auslegung das weiter oben erzielte Ergebnis stützt, daß in der Präambel der UN-Charta (konkret: in deren drittem Präambelabsatz) implicite auch der Gedanke des friedlichen Wandels verankert ist und insofern zu den Programmsätzen der Charta der Vereinten Nationen zu zählen ist.
370p. eil., 447: "indivisible ... equally valid and operative." 38 Ibid.: "Each of them is construed to be understood and applied in function of the others."
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2. Art. 14 UN-Charta
Man kann jetzt - ohne daß dies hier weiter vertieft werden soll- eine Reihe weiterer Bestimmungen der UN-Charta identifizieren und dazu heranziehen, das oben erzielte Ergebnis, nämlich daß friedlicher Wandel ein in der Präambel der UN-Charta angelegter Programmsatz ist, zu untermauern. In der Tat zieht sich, dies mag überraschend klingen, der Gedanke des friedlichen Wandels durchgängig als ein, wenn auch nicht allzu starker und stark leuchtender roter Faden durch die gesamte UN-Charta39 (und, wie ebenfalls noch kurz zu zeigen sein wird, auch durch die Praxis der UN-Organe). Hier ist selbstverständlich an erstel Stelle Art. 14 UN-Charta zu nennen. 40 Er wird von vielen, vergleichbar dem Art. 19 Völkerbundssatzung, als die Inkarnation des Gedankens des friedlichen Wandels in der UN-Charta angesehen. Art. 14 räumt der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Möglichkeit ein [to] recommend measures for the peaceful adjustment of any situation, regardless of origin, which it deerns likely to impair the general welfare or friendly relations among nations ....
Art. 14 stellt also eine operativ-prozedurale Umsetzung des nach unserer Ansicht in der Präambel der UN-Charta angelegten (und in Art. 1 UN-Charta dann weiter ausgeformten und zum regelrechten Zweck der Organisation erhobenen) Gedankens des friedlichen Wandels dar. Zwar ist die Konstruktion des Art. 14 nicht ohne Mängel. 41 Auch hat dieser Artikel in der Praxis der UN-Organe als Vehikel des friedlichen Wandels keine überragende Bedeutung gewonnen. 42 Aber immerhin kann er als Beleg dafiir gelten, daß dem Prinzip des friedlichen Wandels in der UN-Charta Rechnung getragen wird und, wenn man so will, auch als Konkretisierung des in die Präambel hineingeschriebenen Programms des friedlichen Wandels.
Vgl. in diesem Sinne auch Schwarzenberger, Anm. 22, 491. Vgl. ausführlicher zu dieser Vorschrift Duo Kimminich, Art. 14, in: Simma, The Charter, Anm. 30, 279 ff. 41 Vgl. Kimminich, Anm. 40, Rz. 6 ff. 42 Vgl. Kimminich, Anm. 40, Rz. 20 ff.; siehe auch noch im folgenden unter IV. 39
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3. Weitere Chartabestimmungen Andere Chartabestimmungen, die als konkrete Verkörperungen des in der Präambel angelegten Programms des friedlichen Wandels angesehen werden können, sind Art. 55,43 in Kapitel VI die Art. 33 und 34 - 37, insb. 36, sowie Art. 99 UN-Charta. In gewisser Weise, nämlich i. S. von friedlichem Wandel als völkerrechtlicher Rechtsetzung, gilt dies auch rur Art. 13, Abs. 1, lit. a UN-Charta ("progressive development of intemationallaw"). 44
IV. Praxis der Organe der Vereinten Nationen, einschließlich der Sonderorganisationen, zum friedlichen Wandel Ein abschließender Blick auf die Praxis der Organe der Vereinten Nationen einschließlich der Sonderorganisationen zum friedlichen Wandel soll das im Vorstehenden gezeichnete Bild abrunden. Zunächst ist noch einmal auf Art. 14 UNCharta zurückzukommen. Zwar ist es in der Tat oftmals schwierig, Akte von UNOrganen einem bestimmten Artikel der UN-Charta zuzuordnen, weil die UNOrgane nicht immer diejenigen Chartavorschriften ausdrücklich benennen, auf die sie ihre Akte rechtlich jeweils stützen. Dies trifft auch auf Art. 14 ZU. 45 Gleichwohl ist dies aber manchmal der Fall. Auch bezüglich Art. 14 UN-Charta läßt sich eine solche Praxis gelegentlich nachweisen. 46 Allerdings ist diese Praxis spärlich. Dazu kommt, daß diese Praxis auch unter inhaltlichem Aspekt nicht besonders weitreichend ist. Hierzu ist zunächst in Erinnerung zu rufen, daß die UN-Generalversammlung, vorausgesetzt, sie darf gemäß Art. 12 UN-Charta überhaupt tätig werden,47 auf der Grundlage des Art. 14 UN-Charta lediglich - zufolge der h. M. rechtlich unverbindliche - Empfehlungen verabschieden darf. Aber auch innerhalb dieses eng bemessenen Rahmens hat die Generalversammlung nur sehr zögerlich und verhalten von ihren Kompetenzen Gebrauch gemacht. Wenn sie schon einmal gemäß Art. 14 tätig geworden ist, hat sie meistens nur Empfehlungen abgegeben, die äußerst schwache Maßnahmen zum Gegenstand hatten wie z. B. den Appell an eine Streitpartei, in Verhandlungen mit den anderen Parteien 43 So auch Schwarzenberger, Anm. 22, 491,585 ff., 589 ff. 44 Hierzu auch Stephan Habe, supra, 72 f. 45 So zu recht Kimminich, Anm. 40, Rz. 20. 46 Siehe dazu sowie zum folgenden ausführlicher auch Kimminich, Anm. 40, Rz. 20 ff. 41 Siehe ausführlicher hierzu Kimminich, Anm. 40, Rz. 7, 11; Kay HailbronneriEckart Klein, Art. 12, in: Simma, The Charter, Anm. 30, Rz. 4 ff.
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des Streites einzutreten, die Einladung an andere, unbeteiligte Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, den Streitparteien ihre guten Dienste anzubieten, sowie die "Einladung" an die Streitparteien selbst, der Generalversammlung über den Fortschritt ihrer Verhandlungen zu berichten. 48 Aber schon die Frage, ob die Generalversammlung eine Untersuchungskommission in einem einschlägigen Fall einrichten dürfe, eine Maßnahme also von wahrlich nicht allzu großer "Eindringtiefe", hat zu starken Kontroversen gefiihrt,49 übertroffen nur noch von dem Fall, in dem eine wirklich weitreichende Maßnahme, nämlich im Fall des Teilungsplanes fiir Palästina5o, eine territoriale Adjudikation, empfohlen wurde (allerdings auch wieder nur, dies gilt es herauszustreichen, empfohlen wurde). Noch spärlicher als die Praxis zu Art. 14, nämlich gegen Null tendierend, ist die einschlägige Praxis der UN-Organe unter Art. 36 und 99 UN-Charta. 51 Sicherlich eine gewisse Erfolgsgeschichte in Hinblick auf das Thema "friedlicher Wandel" haben aber jene UN-Organe wie die International Law Commission (ILe) oder die UN Commission on International Trade Law (UNCITRAL) geschrieben, die sich auf der Basis des Art. 13, Abs. 1, lit. a UN-Charta der fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts ("progressive development of internationallaw") gewidmet haben. 52 Mag die Leistung der UN-Organe, von dem zuletzt erwähnten Fall einmal abgesehen, hinsichtlich der Herbeifiihrung von friedlichem Wandel im internationalen System nach dem bisher Gesagten als nicht besonders eindrucksvoll erscheinen, so ist bei einem derartigen Urteil jedoch immer der eingangs erwähnte Umstand in Erinnerung zu rufen, daß die Organe der UN bei ihrer Tätigkeit nicht immer ausdrücklich die rechtlichen Grundlagen ihres Tuns zitieren. Demnach könnte es auch friedlichen Wandel in der Praxis der UN-Organe geben, der ohne ausdrücklichen Bezug zu einer der "friedlicher Wandel"-Normen der Charta erfolgt, wodurch sich das Bild naturgemäß ändert. In der Tat gibt es solchen "unspezifischen" friedlichen Wandel durch Organpraxis der Vereinten Nationen. In diesem Zusammenhang werden gelegentlich die Versuche zur Errichtung einer Neuen Weltwirtschaftsordnung und desweiteren sehr häufig der Prozeß der Deko48 GA Res. 1302 (XIII) vom 10. Dez. 1958; vgl. dazu auch GA Res. 265 (III) vom 14. Mai 1949; GA Res. 395 (V) vom 2. Dez. 1950. 49 Vgl. Repertory ofPractice ofUnited Nations Organs, Suppl. Nr. 1, Bd. I, 172 f. 50 GA Res. 181 (11) vom 23. Sept. 1947; vgl. dazu auch Repertory ofPractice ofUnited Nations Organs, Bd. I, 469 ff. 51 Siehe Torsten SteinIStefan Richter, Art. 36, in: Simma, The Charter, Anm. 30, Rz. 4; Wilfried Fiedler, Art. 99, in: Simma, The Charter, Anm. 30. 52 Siehe die Nachweise bei earl-August Fleischhauer, Art. 13, in: Simma, The Charter, Anm. 30, Rz. 19 ff.
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lonialisierung als Beispiele genannt. Während aber erstere aus heutiger Sicht als gescheitert angesehen werden müssen und insofern geradezu nicht als Beispiel gelungenen friedlichen Wandels gelten können, bietet die Dekolonialisierung in Hinblick auf friedlichen Wandel ein zwiespältiges Bild. Zum einen ist der diesbezügliche Wandel über weite Strecken gerade nicht friedlich, sondern gewaltsam abgelaufen. Hinzu kommt, daß er dort, wo er friedlich verlaufen ist, sich auf außerhalb des Wirkbereiches der Vereinten Nationen liegende Faktoren stützen konnte, wie etwa den Ost-West-Konflikt, der es den nach staatlicher Unabhängigkeit strebenden Völkern erlaubte, die Ostblockstaaten gegen die westliche Welt, der die Kolonialmächte angehörten, in Stellung zu bringen und Vorteile für sich daraus zu beziehen. Andererseits ist aber nicht zu übersehen, weIche friedliche - Rolle etwa die Vereinten Nationen bei jenem Wandlungsprozeß z. B. durch die beharrliche Förderung des Rechts auf Selbstbestimmung gespielt haben. 53 Nicht vergessen werden darf im übrigen die Arbeit der Vereinten Nationen zur Entwicklung des neuen Seerechts. Insbesondere das in der Seerechtskonvention von 1982 enthaltene Regime für den Tiefseebergbau, das einen großangelegten Versuch der Umverteilung natürlicher Ressourcen und von Wohlstand zugunsten der Entwicklungsländer unternimmt, kann - gemäß der vorliegenden Fragestellung - als ein, zumindest in der Theorie, gut gelungenes Beispiel des friedlichen Wandels angesehen werden. 54 Noch viel positiver wird schließlich das Bild, bezieht man in diese Bewertung auch die Arbeit der UN-Sonderorganisationen ein. So haben etwa, um nur einige zu nennen, die Internationale Fernmeldeunion (lTU) mit ihren Versuchen zur Errichtung einer neuen Weltinformations- und -kommunikationsordnung,55 die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO)56 oder die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) teilweise tiefgreifende und umfassende Veränderungen vor allem zugunsten der Entwicklungsländer herbeigeführt, die ebenfalls als wichtige Beiträge zum friedlichen Wandel im internationalen System eingestuft werden können. 53 So, zu recht, Jost Delbrück, Peaceful Change, in: Rüdiger WolfrumiChristiane Philipp (eds.), United Nations: Law, Politics and Practice, vol. 2, DordrechtILondonIBoston 1995, 970, Rz. 29. 54 Siehe zu dem Ganzen ausführlicher Rüdiger Wolfrum, Law of the Sea, in: ders.! Philipp, Anm. 53, 834 ff. 55 Siehe Jost Delbrück, World Information and Communication Order, in: Wolfruml Philipp, Anm. 53, 1466 ff. 56 Hierzu Hans-Joachim Schütz, FAO - Food and Agriculture Organization, in: WolfrumiPhilipp, Anm. 53, vol. 1,499 ff.
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Hans-Joachim Schütz
v. Resümee Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß der Gedanke des friedlichen Wandels in der Tat seinen Niederschlag in der Präambel der Charta der Vereinten Nationen gefunden hat. Zwar ist dies nicht in ausdrücklicher Fonn geschehen, sondern implicite; auch hätte man sich eine bessere, aussagekräftigere und stimmigere sprachliche Fonnulierung vorstellen können. Die einschlägige Fonnulierung in Art. I, Abs. I UN-Charta gibt hierfllr den Maßstab an. Gleichwohl läßt sich der Gedanke des friedlichen Wandels aber in der Präambel einigennaßen sicher nachweisen. Dementsprechend finden sich auch in der restlichen Charta eine Reihe von Bestimmungen, die als Elemente eines Konzeptes bzw. Mechanismus des friedlichen Wandels angesehen werden können. Auffällig dabei ist, daß es sich bei diesen Bestimmungen - mit Art. I und 55 als gewissen Ausnahmen - vorwiegend um Verfahrensregeln handelt. Dies entspricht jedoch dem Charakter der UN-Charta als solcher, die insgesamt primär als prozeduraler Rahmen konzipiert ist. Allerdings ist die Durchschlagskraft jener Vorschriften, wie das Beispiel des einschlägigen Art. 14 UN-Charta zeigt, nicht besonders stark. Inhaltliche Aussagen zum etwaigen Ziel friedlichen Wandels werden hingegen nur wenige gegeben. Hier wird man auf die Präambel sowie auf Art. I und 2 UN-Charta zurückverwiesen. Lediglich Art. 55 UN-Charta macht hier eine gewisse Ausnahme. Allerdings sind auch diese inhaltlichen Aussagen reichlich vage. Man ist hier auf weitere Konkretisierung angewiesen. Hiennit rückt erneut der Verfahrensaspekt - sowie die nachfolgende Praxis der UN-Organe - ins Bild. Schließlich flillt auf, daß im Mittelpunkt der genannten Vorschriften nicht speziell der "rechtliche" friedliche Wandel, also der Wandel rechtlicher Nonnen steht, sondern die Vereinten Nationen diesbezüglich einen generellen Blickwinkel einnehmen. Insgesamt ergibt sich demnach ein gemischtes Bild: Der friedliche Wandel wird von der Präambel der UN-Charta und von der UN-Charta als Ganzer zwar nicht "vergessen", die instrumentelle, d. h. insbesondere die nonnative und verfahrensmäßige "Ausstattung" des Konzeptes bleibt jedoch mager. Allerdings hat die nachfolgende Praxis der UN-Organe und vor allem der UN-Sonderorganisationen gezeigt, daß auch mit diesem noch mangelhaften Instrumentarium durchaus achtbare Erfolge beim friedlichen Wandel, insbesondere bei der Anpassung überkommener völkerrechtlicher Strukturen zu bewerkstelligen sind.
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Summary The preamble ofthe United Nations Charter does not contain any explicit provision on peaceful change. There can be found, however, some implicit references to that idea in the preamble text. It is above aB the third paragraph ofthe preamble which can be interpreted in a sense as conveying, however obliquely, the idea of peaceful change. Such interpretation is borne out by the travaux preparatoires of the UN Charter as weB as by a systematic interpretation of the preamble in the context with Art. 1 UN Charter. Consequently, there are several other provisions ofthe UN Charter which take up the program for peaceful change laid down in the preamble and which translate it into concrete action, i.e. Art. 14, in chapter VI Arts. 33 and 34 - 37, in particular Art. 36, Art. 55, Art. 99 as weB as Art. 13, para. 1, lit. a ("progressive development of internationallaw"). Thus, even if the provisions mentioned are merely of a procedural character (with the exception of Arts. 1 and 55 which also contain certain substantive guidelines) and are somewhat vague, peaceful change nevertheless can be discerned as a leitmotifofthe UN Charter. Accordingly, in practice UN organs as weB as UN specialized agencies devoted their work, sometimes with some success, to the realization of that aim. Cases in point are, at least to a certain extent, the process of decolonization, the development ofthe new Law of the Sea by the UN Conference on the Law ofthe Sea (UNCLOS), or, in the field of economic, social and technical development and mostly for the benefit of developing countries, the work of such agencies as the UN Food and Agriculture Organization (FAO) or the International Bank for Reconstruction and Development (lBRD).
Dokumente Preamble to the Charter ofthe United Nations WE THE PEOPLES OF THE UNITED NATIONS DETERMINED to save succeeding generations from the scourge of war, which twice in our Iifetime has brought untold sorrow to mankind, and to reaffirm faith in fundamental human rights, in the dignity and worth of the human person, in the equal rights öf men and women and of nations large and smalI, and to establish conditions under which justice and respect for the obligations arising from treaties and other sources of internationallaw can be maintained, and to promote social progress and better standards oflife in larger freedom, AND FOR THESE ENDS to practice tolerance and live together in peace with one another as good neighbours, and to unite our strength to maintain international peace and security, and to ensure, by the acceptance of principles and the institution of methods, that armed force shall not be used, save in the common interest, and to employ international machinery for the promotion of the economic and social advancement of all peoples, HAVE RESOLVED TO COMBINE OUR EFFORTS TO ACCOMPLISH THESE AIMS Accordingly, our respective Govemments, through representatives assembled in the city of San Francisco, who have exhibited their full powers found to be in good and due form, have agreed to the present Charter ofthe United Nations and do hereby establish an international organization to be known as the United Nations.
8 UN·Sbd.
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CHAPTERI PURPOSES AND PRINCIPLES Article 1 The Purposes ofthe United Nations are: 1. To maintain international peace and security, and to that end: to take effective collective measures for the prevention and removal of threats to the peace, and for the suppression of acts of aggression or other breaches of the peace, and to bring about by peaceful means, and in conformity with the principles ofjustice and internationallaw, adjustment or settlement ofinternational disputes or situations which might lead to a breach ofthe peace; 2. To develop friendly relations among nations based on respect for the principle of equal rights and self-determination of peoples, and to take other appropriate measures to strengthen universal peace; 3. To achieve international co-operation in solving international problems of an economic, social, cultural, or humanitarian character, and in promoting and encouraging respect for human rights and for fundamental freedoms for all without distinction as to race, sex, language, or religion; and 4. To be a centre for harmonizing the actions of nations in the attainment of these common ends.
Article 2 The Organization and its Members, in pursuit of the Purposes stated in ArticIe I, shall act in accordance with the following Principles. 1. The Organization is based on the principle of the sovereign equality of all its Members. 2. All Members, in order to ensure to all of them the rights and benefits resulting from membership, shall fulfill in good faith the obligations assumed by them in accordance with the present Charter. 3. All Members shall settle their international disputes by peaceful means in such a manner that international peace and security, and justice, are not endangered. 4. All Members shall refrain in their international relations from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any state, or in any other manner inconsistent with the Purposes ofthe United Nations. 5. All Mernbers shall give the United Nations every assistance in any action it takes in accordance with the present Charter, and shall refrain from giving assistance to any state against which the United Nations is taking preventive or enforcement action. 6. The Organization shall ensure that states which are not Members ofthe United Nations act in accordance with these Principles so far as may be necessary for the maintenance of international peace and security. 7. Nothing contained in the present Charter shall authorize the United Nations to intervene in matters which are essentially within.the domestic jurisdiction of any state or shall require the Members to submit such matters to settlement under the present Charter; but
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this principle shall not prejudice the application of enforcement measures under Chapter
VII.
CHAPTERIX INTERNATIONAL ECONOMIC AND SOCIAL CO-OPERATION Article 55
With a view to the creation of conditions of stability and well-being which are necessary for peaceful and friendly relations among nations based on respect for the principle of equal rights and self-determination of peoples, the United Nations shall promote: a. higher standards of living, full employment, and conditions of economic and social progress and development; b. solutions of international economic, social, health, and related problems; and international cultural and educational cooperation; and c. universal respect for, and observance of, human rights and fundamental freedoms for all without distinction as to race, sex, language, or religion.
CHAPTERX THE ECONOMIC AND SOCIAL COUNCIL COMPOSITION Article 61 1. The Economic and Social Council shall consist offifty-four Members ofthe United Nations elected by the General Assembly. 2. Subject to the provisions ofparagraph 3, eighteen members ofthe Economic and Social Council shall be elected each year for a term ofthree years. A retiring member shall be eligible for immediate re-election. 3. At the first election after the increase in the membership ofthe Economic and Social Council from twenty-seven to fifty-four members, in addition to the members elected in place of the nine members whose term of office expires at the end of that year, twenty-seven additional members shall be elected. Ofthese twenty-seven additional members, the term of office of nine members so elected shall expire at the end of one year, and of nine other members at the end of two years, in accordance with arrangements made by the General Assembly. 4. Each member of the Economic and Social Council shall have one representative.
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FUNCTlONS AND POWERS Article 62
1. The Economic and Social Council may make or initiate studies and reports with respect to international economic, social, cultural, educational, health, and related matters and may make recommendations with respect to any such matters to the General Assembly to the Members ofthe United Nations, and to the specialized agencies concemed. 2. It may make recommendations for the purpose of promoting respect for, and observance of, human rights and fundamental freedoms for all. 3. It may prepare draft conventions for submission to the General Assembly, with respect to matters falling within its competence. 4. It may call, in accordance with the rules prescribed by the United Nations, international conferences on matters falling within its competence.
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Resolution Adopted by the General Assembly 2542 (XXIV) Declaration on Sodal Progress and Development The General Assembly, Mindfol ofthe pledge ofMembers ofthe United Nations under the Charter to take joint and separate action in co-operation with the Organization to promote higher standards of living, fuH employment, and conditions of economic and social progress and development, Reaffirming faith in human rights and fundamental freedoms and in the principles of peace, of the dignity and worth of the human person, and of social justice proelaimed in the Charter, Recalling the principles ofthe Universal Deelaration ofHuman Rights, the International Covenants on Human Rights, the Deelaration ofthe Rights ofthe Child, the Deelaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples, the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, the United Nations Deelaration on the Elimination of AH Forms of Racial Discrimination, the Declaration on the Promotion among Youth of the Ideals of Peace, Mutual Respect and Understanding between Peoples, the Dec1aration on the Elimination ofDiscrimination against Women and ofresolutions ofthe United Nations, Bearing in mind standards already set for social progress in the constitutions, conventions, recommendations and resolutions ofthe International Labour Organisation, the Food and Agriculture Organization of the United Nations, the United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, the World Health Organization, the United Nations Children' s Fund and of other organizations concerned, Convincedthat man can achieve complete fulfi1ment ofhis aspirations only within ajust social order and that it is consequently of cardinal importance to accelerate social and economic progress everywhere, thus contributing to international peace and solidarity, Convinced that international peace and security on the one hand, and social progress and economic development on the other, are elosely interdependent and influence each other, Persuaded that social development can be promoted by peaceful coexistence, friendly relations and co-operation among States with different social, economic or political systems, Emphasizing the interdependence of economic and social deve10pment in the wider process of growth and change, as weH as the importance of a strategy of integrated development which takes fuH account at aH stages of its social aspects, Regretting the inadequate progress achieved in the world social situation despite the efforts of States and the international community, Recognizing that the primary responsibility for the deve10pment of the developing countries rests on those countries themselves and acknowledging the pressing need to narrow and eventuaHy elose the gap in the standards of living between economicaHy more advanced and developing countries and, to that end, that Member States shaH have the responsibility to pursue internal and external policies designed to promote social develop-
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ment throughout the world, and in particular to assist developing countries to accelerate their economic growth, Recognizing the urgency of devoting to works of peace and social progress resources being expended on armaments and wasted on conflict and destruction, Conscious ofthe contribution that science and technology can render towards meeting the needs common to all humanity, Believing that the primary task of all States and international organizations is to eliminate from the Iife of society all evils and obstacles to social progress, particularly such evils as inequality, exploitation, war, colonialism and racism, Desirous of promoting the progress of all mankind towards these goals and of overcoming all obstacles to their realization, Solemnly proclaims this Declaration on Social Progress and Development and calls for national and international action for its use as a common basis for social development policies:
PART I. PRINCIPLES Article J
All peoples and all human beings without distinction as to race, colour, sex, language, religion, nationality, ethnic origin, family or social status, or political or other conviction, shall have the right to live in dignity and freedom and to enjoy the fruits of social progress and should, on their part, contribute to it. Article 2
Social progress and development shall be founded on respect for the dignity and value of the human persons and shall ensure the promotion of human rights and social justice, which requires: (a) The immediate and final elimination of all forms of inequality, exploitation of peoples and individuals, colonialism and racism, including nazi sm and apartheid and all other policies and ideologies opposed to the purposes and principles ofthe United Nations; (b) The recognition and effective implementation of civil and political rights as weil as of economic, social and cultural rights without any discrimination. Artilee 3
The following are considered primary conditions of social progress and development: (a) National independence based on the right ofpeoples to self-determination; (b) The principle of non-interference in the internal affairs of States; (c) Respect for the sovereignty and territorial integrity of States; (d) Permanent sovereignty of each nation over its natural wealth and resources; (e) The right and responsibility of each State and, as far as they are concerned, each nation and people to determine freely its own objectives of social development, to set its
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own priorities and to decide in conformity with the principles ofthe Charter ofthe United Nations the means and methods oftheir achievement without any external interference; (f) Peaceful coexistence, peace, friendly relations and co-operation among States irrespective of differences in their social, economic or political systems. Article 4
The family as a basic unit of society and the natural environment for the growth and well-being of all its members, particulary children and youth, should be assisted and protected so that it may fully assurne its responsibilities within thecommunity. Parents have the excIusive right to determine freely and responsibly the number and spacing of their children. Article 5
Social progress and development require the fuH utilization of human resources, incIuding, in particular: (a) The encouragement of creative initiative under conditions of enlightened public opinion; (b) Tbe dissemination of national and international information for the purpose of making individuals aware of changes occurring in society as a whole; (c) The active participation of all elements of society, individually or through associations, in defining and in achieving the common goals of development with full respect for the fundamental freedoms embodied in the Universal Dec1aration ofHuman Rights, (d) The assurance to disadvantaged or marginal sectors of the population of equal opportunities for social and economic advancement in order to achieve an effectively integrated society. Article 6
Social development requires the assurance to everyone of the right to work and the free choice of employment. Social progress and development require the participation of all members of society in productive and socially useful labour and the establishment, in conformity with human rights and fundamental freedoms and with the principles of justice and the social function of property, of forms of ownership of land and of the means of production wh ich prec1ude any kind of exploitation of man, ensure equal rights to property for all and create conditions leading to genuine equality among people. Article 7
The rapid expansion of national income and wealth and their equitable distribution among a11 members of society are fundamental to a11 social progress, and they should therefore be in the forefront ofthe preoccupations of every State and Government. The improvement in the position of the developing countries in international trade resulting, among other things, from the achievement of favourable terms of trade and of
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equitable and remunerative prices at which developing countries market their products is necessary in order to make it possible to increase national income and in order to advance social development. Article 8
Each Govemment has the primary role and ultimate responsibility of ensuring the social progress and well-being of its people, of planning social development measures as part of comprehensive development plans, of encouraging and co-ordinating or integrating all national efforts towards this end and of introducing necessary changes in the social structure. In planning social development measures, the diversity ofthe needs of developing and developed areas, and ofurban and rural areas, within each country, shall be taken into due account. Article 9
Socia! progress and development are the common concems ofthe international community, which shall supplement, by concerted international action, national efforts to raise the living standards of peoples. Social progress and economic growth require recognition of the common interest of all nations in the exploration, conservation, use and exploitation, exclusively for peaceful purposes and in the interests of all mankind, of those areas of the environment such as outer space and the sea-bed and ocean floor and the subsoil thereof, beyond the limits of national jurisdiction, in accordance with the purposes and principles of the Charter of the United Nations. PART 11. OBJECTIVES Social progress and development shall aim at the continuous raising ofthe material and spiritual standards of living of all members of society, with respect for and in compliance with human rights and fundamental freedoms, through the attainment of the following main goals: Article JO
(a) The assurance of all levels of the right to work and the right of everyone to form trade unions and workers' associations and to bargain collectively; promotion offull productive employment and elimination of unemployment and under-employment, establishment of equitable and favourable conditions of work for all, including the improvement of health and safety conditions; assurance of just remuneration for labour without any discrimination as weil as a sufficiently high minimum wage to ensure adecent standard of living; the protection ofthe consumer; (b) The elimination ofhunger and malnutrition and the guarantee ofthe right to proper nutrition;
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(c) The elimination of poverty; the assurance of a steady improvement in levels of living and of a just and equitable distribution of income; (d) The achievement of the highest standards of health, and the provision of health protection for the entire population, if possible free of charge; (e) The eradication of iIIiteracy and the assurance of the right to universal access to culture, to free compulsory education at the elementary level and to free education at all levels; the raising ofthe general level oflife-Iong education; (f) The provision for all, particularly persons in low-income groups and large families, of adequate housing and community services. Social progress and development shall aim equally at the progressive attainment ofthe following main goals: Article 11
(a) The provision of comprehensive social security schemes and social welfare services, the establishment and improvement of social security and insurance schemes for all persons who, because ofillness, disability or old age, are temporarily or permanently unable to eam a living, with a view to ensuring a proper standard of living for such persons and for their families and dependants; (b) The protection ofthe rights ofthe mother and child; concern for the upbringing and health of children; the provision of measures to safeguard the health and welfare of women and particularly of working mothers during pregnancy and the infancy of their children, as weil as of mothers whose eamings are the sole source of livelihood for the family; the granting to women of pregnancy and maternity leave and allowances without loss of employment or wages; (c) The protection of the rights and the assuring of the welfare of children, the aged and the disabled; the provision of protection for the physically or mentally disadvantaged; (d) The education ofyouth in, and promotion among them of, the ideals ofjustice and peace, mutual respect and understanding among peoples; the promotion of full participation of youth in the process of national development; (e) The provision of social defence measures and the elimination of conditions leading to crime and delinquency, especially juvenile delinquency; (f) The guarantee that all individuals, without discrimination of any kind, are made aware oftheir rights and obligations and receive the necessary aid in the exercise and safeguarding oftheir rights. Social progress and development shall further aim at achieving the following main objectives: Article 12
(a) The creation of conditions for rapid and sustained social and economic develpment, particularly in the developing countries; change in international economic relations, new and effective methods of international co-operation in which equality ofopportunity should be as much a prerogative of nations as of individuals within a nation;
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(b) The elimination of all forms of discrimination and exploitation and all other practices and ideologies contrary to the purposes and principles ofthe Charter ofthe United Nations; (c) The elimination of all forms of foreign economic exploitation, particularly that practised by international monopolies, in order to enable the people of every country to enjoy in full the benefits oftheir national resources. Social progress and development shall finally aim at the attainment of the following main goals: Article 13
(a) Equitable sharing of scientific and technological advances by developed and developing countries, and a steady increase in the use of science and technology for the benefit of the social development of society; (b) The establishment of a harmonious balance between scientific, technological and material progress and the intellectual, spiritual, cultural and moral advancement of humanity; (c) The protection and improvement of the human environment. PART III. MEANS AND METHODS On the basis of the principles set forth in this Declaration, the achievement of the objectives of social progress and development requires the mobilization of the necessary resources by national and international action, with particular attention to such means and methods as: Article 14
(a) Planning for social progress and development, as an integrated part of balanced over-all development planning; (b) The establishment, where necessary, ofnational systems for framing and carrying out social policies and programmes, and the promotion by the countries concerned of planned regional development, taking into account differing regional conditions and needs, particularly the development of regions which are less favoured or under-developed by comparison with the rest ofthe country; (c) The promotion ofbasic and applied social research, particularly comparative international research applied to the planning and execution of social development programmes. Article 15
(a) The adoption of measures to ensure the effective participation, as appropriate, of all the elements of society in the preparation and execution of national plans and programmes of economic and social development; (b) The adoption of measures for an increasing rate of popular participation in the economic, social, cultural and political Iife of countries through national governmental
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bodies, non-governmental organizations, co-operatives, rural associations, workers' and employers' organizations and women's and youth organizations, by such methods as national and regional plans for social and economic progress and community development, with a view to achieving a fully integrated national society, acceJerating the process of social mobility and consolidating the democratic system; (c) Mobilization ofpublic opinion, at both national and international levels, in support ofthe principles and objectives ofsocial progress and development; (d) The dissemination ofsocial information, at the national and at the internationallevel, to make people aware of changing circumstances in society as a whole, and to educate the consumer.
Article 16 (a) Maximum mobilization ofall national resources and their rational and efficient utilization; promotion of increased and accelerated productive investment in social and economic fields and of employment; orientation of society towards the development process; (b) ProgressiveJy increasing provision ofthe necessary budgetary and other resources required for financing the social aspects of development; (c) Achievement of equitable distribution of national income, utilizing, inter alia, the fiscal system and government spending as an instrument for the equitable distribution and redistribution of income in order to promote social progress; (d) Adoption of measures aimed at prevention of such an outflow of capital from developing countries as would be detrimental to their economic and social deveJopment.
Article 17 (a) Adoption ofmeasures to accelerate the process of industrialization, especially in developing countries, with due regard for its social aspects, in the interests of the entire population; development of an adequate organizational and legal framework conducive to an uninterrupted and diversified growth of the industrial sector; measures to overcome the adverse social effects which may result from urban development and industrialization, incJuding automation; maintenance of a proper balance between rural and urban development, and in particular, measures designed to ensure healthier living conditions in large industrial centres; (b) Integrated planning to meet the problems of urbanization and urban development; (c) Comprehensive rural development schemes to raise the levels ofliving ofthe rural populations and to facilitate such urban-rural relationships and population distribution as will promote balanced national development and social progress; (d) Measures for appropriate supervision of the utilization of land in the interests of society. The achievement ofthe objectives of social progress and development equally requires the implementation of the following means and methods:
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Dokumente Article 18
(a) Adoption of appropriate legislative, administrative and other measures ensuring to everyone not only political and civil rights, but also the full realization of economic, social and cultural rights without any discrimination; (b) The promotion of democratically based social and institutional reforms and motivation for change basic to the elimination of all forms of discrimination and exploitation conducive to high rates of economic and social progress, to include land reform, in which the ownership and use of land will be made to serve best the objectives of social justice and economic development; (c) The adoption of measures to boost and diversify agricultural production through, inter aUa, the implementation of democratic agrarian reforms, to ensure an adequate and well-balanced supply for food, its equitable distribution among the whole population and the improvement of nutrition al standards; (d) The adoption of measures to introduce, with the participation of the Government, low-cost housing programmes in both rural and urban areas; (e) Development and expansion of the system of transportation and communications, particularly in developing countries. Article 19
(a) The provision of free health services to the whole population and of adequate preventive and curative facilities and welfare medical services accessible to all; (b) The enactment and establishment of legislative measures and administrative regulations with a view to the implementation of comprehensive programmes of social security schemes and social welfare services and to the improvement and co-ordination of existing services; (c) The adoption of measures and the provision of social welfare services to migrant workers and their families, in conformity with the provisions of Convention No. 97 ofthe International Labour Conference 1 and other international instruments relating to migrant workers; (d) The institution of appropriate measures for the rehabiliation of mentally or physically disabled persons, especially children and youth, so as to enable them to the fullest possible extent to be useful members of society - these measures shall include the provision of treatment and technical appliances, education, vocation and social guidance, training and selective placement, and other assistance required - and the creation of social conditions in which the handicapped are not discriminated against because oftheir disabilities. Article 20
(a) The provision of full democratic freedoms to trade unions; freedom of association for all workers, including the right to bargain collectively and to strike, recognition ofthe 1 Convention concerning Migration for Employment (Revised 1949), International Labour Office, Conventions and Recommendations. 1919 - 1949, (Geneva, 1949), p. 863.
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right to form other organizations of working people; the provision for the growing participation of trade unions in economic and social development; effective participation of all members oftrade unions in the deciding of economic and social issues which affect their interests; (b) The improvement of health and safety conditions for workers, by means of appropriate technological and legislative measures and the provision of the material prerequisites for the implementation ofthose measures, including the limitation ofworking hours; (c) Adoption ofappropriate measures for the development ofharmonious industrial relations. Article 21
(a) The training ofnational personnel and cadres, including administrative, executive, professional and technical personnel needed for social development and for over-all development plans and policies; (b) The adoption of measures to accelerate the extension and improvement of general, vocational and technical education and oftraining and retraining, which should be provided free at all levels; (c) Raising the general level of education; development and expansion of national information media, and their rational and fulluse towards continuing education of the whole population and towards encouraging its participation in social development activities; in constructive use of leisure, particularly that of children and adolescents; (d) The formulation of national and international policies and measures to avoid the "brain drain" and obviate its adverse effects. Article 22
(a) Development and co-ordination of policies and measures designed to strengthen the essential functions of the family as a basic unit of society; (b) The formulation and establishment, as needed, of programmes in the field of population, within the framework of national demographic policies and as part of the welfare medical services, including education, training of personnel and the provision to families ofthe knowledge and means necessary to enable them to exercise their right to determine freely and responsibly the number and spacing oftheir children; (c) Establishment of appropriate child-care facilities in the interest of children and working parents. The achievement of the objectives of social progress and development finally requires the implementation ofthe following means and methods: Article 23
(a) The laying down of economic growth rate targets for the developing countries within the United Nations policy for development, high enough to lead to a substantial acceleration of their rates of growth;
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(b) The provision of greater assistance of better terms; the implementation of the aid volume target of a minimum of 1 per cent of the gross national product at market prices of economically advanced countries; the general easing ofthe terms oflending to the developing countries through low-interest rates on loans and long grace periods for the repayment of loans, and the assurance that the allocation of such loans will be based strictly on socioeconomic criteria free of any political considerations; (c) The provision of technical, financial and material assistance, both bilateral and multilateral, to the fullest possible extent and on favourable terms, and improved co-ordination of international assistance for the achievement of the social objectives of national development plans; (d) The provision to the developing countries oftechnical, financial and material assistance and offavourable conditions to facilitate the direct exploitation oftheir national resources and natural wealth by those countries with a view to enabling the peoples ofthose countries to benefit fully from their national resources; (e) Expansion of international trade based on principles of equality and non-discrimination; the rectification of the position of developing countries in international trade by equitable terms of trade; a general non-reciprocal and non-discriminatory system of preferences for the exports of developing countries to the developed countries; the establishment and implementation of general and comprehensive commodity agreements; and the financing of reasonable buffer stocks by international institutions. Artic/e 24 (a) Intensification of international co-operation with a view to ensuring the international exchange of information, knowledge and experience concerning social progress and development; (b) The broadest possible international technical, scientific and cultural co-operation and reciprocal utilization ofthe experience of countries with different economic and social systems and different levels of development, on the basis of mutual advantage and strict observance of and respect for national sovereignty; (c) Increased utilization of science and technology for social and economic development; arrangements for the transfer and exchange oftechnology, including know-how and patents to the developing countries. Artic/e 25 (a) Establishment of legal and administrative measures for the protection and improvement ofthe human environment on both national and international levels; (b) The use and exploitation, in accordance with the appropriate international regimes, ofthe resources of areas ofthe environment such as outer space and the sea-bed and ocean floor and the subsoil thereof beyond the limits of national jurisdiction, in order to supplement national resources available for the achievement of economic and social progress and development, in every country, irrespective of its geographicallocation, special consideration being given to the interests and needs ofthe developing countries.
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Article 26 Compensation for damages, be they social or economic in nature, including restitution and reparations - caused as a result of aggression and of illegal occupation of territory by the aggressor.
Article 27 (a) The achievement of general and complete disarmament and the channelling of the progressively released resources to be used for economic and social progress for the welfare of people everywhere and, in particular, for the benefit of developing countries; (b) The adoption of measures contributing to disarmament, including, inter alia, the complete prohibition of tests of nuclear weapons, the prohibition of the development, production and stockpiling of chemical and bacteriological (biological) weapons and the prevention of the pollution of oceans and inland waters by nuclear wastes.
J829the plenary meeting. J J December J 969.
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Dokumente UNITED NATIONS GENERAL ASSEMBLY: Resolution
3281 (XXIX) Charter of Economic Rights and Duties of States The General Assembly, Recalling that the United Nations Conference on Trade and Development, in its resolution 45 (III) of 18 May 1972,1 stressed the urgency to establish generally accepted norms to govern international economic relations systematically and recognized that it is not feasible to establish a just order and a stable world as long as a charter to protect the rights of all countries, and in particular the developing States, is not formulated, Recalling further that in the same resolution it was decided to establish a Working Group of governmentaI representatives to draw up a draft Charter of Economic Rights and Duties of States, which the General Assembly, in its resolution 3037 (XXVII) of 19 December 1972, decided should be composed of forty Member States, Noting that, in its resolution 3082 (XXVIII) of 6 December 1973, it reaffirmed its conviction ofthe urgent need to establish or improve nOrmS of universal application for the development of international economic relations on a just and equitable basis and urged the Working Group on the Charter of Economic Rights and Duties of States to complete, as the first step in the codification and development of the matter, the elaboration of a final draft Charter of Economic Rights and Duties of States, to be considered and approved by the General Assembly at its twenty-ninth session, Bearing in mindthe spirit and terms ofits resolutions 3201 (S-VI) and 3202 (S-VI) of 1 May 1974, containing, respectively, the Declaration and the Programme of Action on the Establisment of a New International Economic Order, which underlined the vital importance ofthe Charter to be adopted by the General Assembly at its twenty-ninth session and stressed the fact that the Charter shall constitute an effective instrument towards the establishment of a new system of international economic relations based on equity, sovereign equality and interdependence ofthe interests of developed and developing countries, Having examined the report of the Working Group on the Charter of Economic Rights and Duties of States on its fourth session,2 transmitted to the General Assembly by the Trade and Development Board at its fourteenth session. Expressing its appreciation to the Working Group on the Charter ofEconomic Rights and Duties of States wh ich, as a result of the task performed in its four sessions held between February 1973 and June 1974, assembled the elements required for the completion and adoption of the Charter of Economic Rights and Duties of States at the twenty-ninth session ofthe General Assembly, as previously recommended.
1See Proceedings ofthe United Nations Conference on Trade and Development, Third Session, vol. I, Report and Annexes (United Nations publication, Sales No.: E.73.II. D.4).annex LA. 2 TDIB/AC.12/4 and Corr.1.
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Adopts and solemnly proclaims the following Charter: The General Assembly, Reaffirming the fundamental purposes ofthe United Nations, in particular the maintenance of international peace and security, the development of frienly relations among nations and the achievernent of international co-operation in solving international problems in the economic and social fields, Affirming the need for strengthening international co-operation in these fields, Reaffirming further the need for strengthening international co-operation for development, Declaring that it is a fundamental purpose ofthe present Charter to promote the establishment ofthe new international economic order, based on equity, sovereign equality, interdependence, cornrnon interest and co-operation among all States, irrespective of their economic and social systems, Desirous of contributing to the creation of conditions for: (a) The attainment ofwider prosperity among all countries and ofhigher standards of living for all peoples, (b) The promotion by the entire international community of the econornic and social progress of all countries, especially developing countries, (e) The encouragernent of co-operation, on the basis of mutual advantage and equitable benefits for all peace-loving States which are willing to carry out the provisions of the present Charter, in the economic, trade, scientific and technical fields, regardless of political, economic or social systems, (d) The overcoming ofmain obstacles in the way ofthe economic development ofthe developing countries, (e) The acceleration of the economic growth of developing countries with a view to bridging the economic gap between developing and developed countries,
(f) The protection, preservation and enhancement of environment, Mindful ofthe need to establish and maintain ajust and equitable economic and social order through: (a) The achievement or mor rational and equitable international econornic relations and the encouragernent of structural changes in the world econorny, (b) The creation 'of conditions which permit the further expansion of trade and intensification of economic co-operation among all nations, (e) The strengthening ofthe economic independence ofdeveloping countries, (d) The establishment and promotion of international economic relations, taking into account the agreed differences in development of the developing countries and their specific needs, Determined to promote collective economic security for developrnent, in particular of the developing countries, with strict respect for the sovereign equality of each State and through the co-operation ofthe entire international comrnunity, Considering that genuine co-operation among States, based on joint consideration of and concerted action regarding international economic problems, is essential for fulfilling
9 UN-Sbd.
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the international community's common desite to achieve ajust and rational development of all parts of the world, Stressing the importance of ensuring appropriate conditions for the conduct of normal economic relations among all States, irrespective of differences in social and economic systems, and for the full respect of the rights of all peoples, as weil as strengthening instruments of international economic co-operation as a means for the consolidation of peace for the benefit of all, Convinced of the need to develop a system of international economic relations on the basis ofsovereign equality, mutual and equitable benefit and the e10se interrelationship of the interests of all States, Reiterating that the responsibility for the development of every country rests primarily upon itselfbut that concomitant and effective international co-operation is an essential factor for the full achievement of its own development goals. Firmly convinced ofthe urgent need to evolve a substantially improved system of internatiQnal economic relations, Solemnly adopts the present Charter of Economic Rights and Duties of States.
CHAPTERI Fundamentals of International Economic Relations Economic as weil as political and other relations among States shall be governed, inter aUa, by the following principles: (a) Sovereignty, territorial integrity lind j:iolitical independence of States; (b) Sovereign equality ofall Staates;
(c) Non-aggression; (d) Non-intervention; (e) Mutual and equitable benefit; (t) Peaceful coexistence; (g) Equal rights and seIf-determintation of peoples; (h)Peaceful settlement of disputes; (i) Remedying of injustices which have been brought abOlit by force and which deprive a nation ofthe natural means necessary for its normal development; U) Fulfilment in good faith of international obligations; (k) Respect for human rights and fundamental freedoms; (I) No attempt to seek hegemony and spheres of influence; (m) Promotion of international social justice; (n) International co-operation for development; (0) Free access to and from the sea by landlocked countries within the framework of the above principles.
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Article 1
Every State has the sovereign and inalienable right to choose its economic system as weil as its political, social and cultural systems in accordance with the will of its people, without outside interference, coercion or threat in any form whatsoever. Article 2
Every State has and shall freely exercise full permanent sovereignty, including possession, use and disposal, over all its wealth, natural resources and economic activities. 2. Each State has the right: (a) To regulate and exercise authority over foreign investment within its national jurisdiction in accordance with its laws and regulations and in conformity with its national objectives and priorities. No State shall be compelled to grant preferential treatment to foreign investment; (b) To regulate and supervise the activities oftransnational corporations within its national jurisdiction and take measure to ensure that such activities comply with its laws, mies and regulations and conform with its economic and social policies. Transnational corporations shall not intervene in the internal affairs of a host State. Every State should, with full regard for its sovereign rights, co-operate with other States in the exercise of the right set forth in this subparagraph; (c) To nationalize, expropriate or transfer ownership offoreign property, in which case appropriate compensation should be paid by the State adopting such measures, taking into account its relevant laws and regulations and all circumstances that the State considers pertinent. In any case where the question of compensation gives rise to a controversy, it shall be settled under the domestic law ofthe nationalizing State and by its tribunals, unless it is freely and mutually agreed by all States concerned that other peaceful means by sought on the basis of the sovereign equality of States and in accordance with the principle of free choice of means. Article 3
In the exploitation of natural resources shared by two or more countries, each State must co-operate on the basis of a system of information and prior consultations in order to achieve optimum use of such resources without causing damage to the legitimate interest of others. Article 4
Every State has the right to engage in international trade and other forms of economic co-operation irrespective of any differences in political, economic and social systems. No State shall be subjected to discrimination of any kind based solelyon such differences. In the pursuit of international trade and other forms of economic co-operation, every State is free to choose the forms of organization of its foreign economic relations and to enter into bilateral and multilateral arrangements consistent with its international obligations and with the needs of international economic co-operation. 9·
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Dokumente Artiele 5
All States have the right to associate in organizations of primary commodity producers in order to develop their national economics, to achieve stable financing for their deve1opment and, in pursuance of their aims, to assist in the promotion of sustained growth of the world economy, in particular accelerating the development of developing countries. Correspondingly, all States have the duty to respect that right by refraining from applying economic and political measures that would limit it. Artiele 6
It is the duty of States to contribute to the development of international trade of goods, particularly by·means of arrangements and by the conclusion of long-term multilateral commodity agreements, where appropriate, and taking into account the interests of producers and consumers. All States share the responsibility to promote the regular flow and access of all commercial goods traded at stable, remunerative and equitable prices, thus contributing to the equitable development ofthe world economy, taking into account, in particular, the interests of deve10ping countries. A rtiele 7
Every State has the primary responsibility to promote the economic, social and cultural development of its people. To this end, each State has the right and the responsibility to choose its means and goals of development, fully to mobilize and use its resources, to implement progressive economic and social reforms and to ensure the full participation of its people in the process and benefits of development. All States have the duty, individually and collectively, to co-operate in eliminating obstacles that hin der such mobilization and use. Article 8
States should co-operate in facilitating more rational and equitable international economic relations and in encouraging structural changes in the context of a balanced world economy in harmony with the needs and interests of all countries, especially developing countries, and should take appropriate measures to this end. Article 9
All States have the responsibility to co-operate in the economic, social, cultural, scientific and technological fields for the promotion of economic and social progress throughout the world, especially that ofthe developing countries. Artiele JO
All States are juridically equal and, as equal members of the international community, have the right to participate fully and effectively in the international decision-making process in the solutuion of world economic, financial and monetary problems, inter alia,
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through the appropriate international organizations in accordance with their existing and evolving rules, and to share equitably in the benefits resulting therefrom. Artic/e 11
All States should co-operate to strengthen and continuously improve the efficiency of international organizations in implementing measures to stimulate the general economic progress of all countries, particularly of developing countries, lind therefore should cooperate to adapt them, when appropriate, to the changing needs of international economic co-operation. Artic/e 12
I. States have the right, in agreement with the parties concerned, to participate in subregional, regional and interregional co-operation in the pursuit of their economic and social development. All States engaged.in such co-operation have the duty to ensure that the policies ofthose groupings to which they belong correspond to the provisions ofthe present Charter and are outward-Iooking, consistent with their international obligations and with the needs of international economic co-operation, and have full regarded for the legitimate interests of third countries, especially developing countries 2. In the case of groupings to which the States concerned have transferred or may transfer certain competences as regards matters that come within the scope of the present Charter, its provisions shall also apply to those groupings in regard to such matters , consistent with the responsibilities of such States as members of such groupings. Those States shall co-operate in the observance by the groupings ofthe provisions ofthis Charter. Artic/e 13
1. Every State has the right to benefit from the advances and developments in science and technology for the acceleration of its economic and social development. 2. All States should promote international scientific and technological co-operation and the transfer oftechnology, with proper regard for alllegitimate interests incIuding, inter aUa, the rights and duties ofholders, suppliers and recipients oftechnology. In particular, all States should facilitate the access of developing countries to the achievements of modern science and technology, the transfer of technology and the creation of indigenous technology for the benefit ofthe developing countries in forms and in accordance with procedures which are suited their economics and their needs. 3. Accordingly, developed countries should co-operate with the developing countries in the establishment, strengthening and development oftheir scientific and technological infrastructures and their sientific research and technological activities so as to help to expand and transform the economies of developing countries. 4. All States should co-operate in research with a view to evolving further internationalIy accepted guidelines or regulations for the transfer of technology, taking fully into account the interests of developing countries.
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Article 14 Every State has the duty to co-operate in promoting a steady and increasing expansion and liberalization ofworld trade and an improvement in the welfare and living standards of a11 peoples, in particular those of developing countries. Accordingly, all States should cooperate, inter alia, towards the progressive dismantling of obstacles to trade and the improvement of the international framework for the conduct of world trade and, to these ends, co-ordinated efforts shall be made to solve in an equitable way the trade problems of all countries, taking into account the specific trade problems ofthe developing countries. In this connexion, States shall take measures aimed at securing additional benefits for the international trade of developing countries so as to achieve a substantialincrease in their foreign exchange earnings, the diversification of their exports, the accelaration of the rate of growth of their trade, taking into account their development needs, an improvement in the possibilities for these countries to participate in the expansion of world trade and a balance more favourable to developing countries in the sharing of the advantages resulting from this expansion, through, in the largest possible measure, a substantial improvement in the conditions of access for the products of interest to the developing countries and, wherever appropriate, measures designed to attain stable, equitable and remunerative prices for primary products.
Article 15 All States have the duty to promote the achievement of general and complete disarmament under effective international control and to utilize the resources released by effective disarmament measures for the economic and social development of countries, allocating a substantial portion of such resources as additional means for the development needs of developing countries.
Article 16 1. It is the right and duty of a11 States, individually and collectively, to eliminate colonialism, apartheid, racial discrimination, neo-colonialism and all forms of foreign aggression, occupation and domination, and the economic and social consequences thereof, as a prerequisite for development. States which practise such coercive policies are economically responsible to the countries, territories and peoples affected for the restitution and full compensation for the exploitation and depletion of, and damages to, the natural and all other resources of those countries, territories and peoples. It is the duty of all States to extend assistance to them. 2. No State has the right to promote or encourage investments that may constitute an obstacle to the liberation of a territory occupied by force.
Article 17 International co-operation for development is the shared goal and common duty of all States. Every State should co-operate with the efforts of developing countries to accelerate their economic and social development by providing favourable external conditions and by extending active assistance to them, consistent with their development needs and objec-
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tives, with strict respect for the sovereign equality of States and free of any conditions derogating from their sovereignty. Article 18
Developed countries should extend, improve and enlarge the system of generalized nonreciprocal and non-discriminatory tariff preferences to the developing countries consistent with the relevant agreed conclusions and relevant decisions as adopted on this subject, in the framework of the competent international organizations. Developed countries should also give serious consideration to the adoption of other differential measures, in areas where this is feasible and appropriate and in ways which will provide special and more favourable treatment, in order to meet the trade and development needs of the developing countries. In the conduct of international economics relations the developed countries should endeavour to avoid measures having a negative effect on the development of the national economies ofthe developing countries, as promoted by generalized tariffpreferences and other generally agreed differential measures in their favour. Article 19
With a view to accelerating the economic growth of developing countries and bridging the economic gap between developed and developing countries, developed countries should grant generalized preferential, non-reciprocal and non-discriminatory treatment to developing countries in those fields of international economic co-operation where it may be feasible. Article 20
Developing countries should, in their efforts to increase their over-all trade, give due attention to the possibility of expanding their trade with socialist countries by granting to these countries conditions for trade not inferior to those granted normally to the developed market economy countries. Article 21
Developing countries should endeavour to promote the expansion of their mutual trade and to this end may, in accordance with the existing and evolving provisions and procedures of international agreements where applicable, grant trade preferences to other developing countries without being obliged to extend such preferences to developed countries, provided these arrangments do not constitute an impediment to general trade liberalization and expansion. Article 22
All States should respond to the generally recognized or mutually agreed development needs and objectives of developing countries by promoting increased net flows of real resources to the developing countries from all sources, taking into account any obligations
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and commitments undertaken by the States concemed, in order to reinforce the efforts of developing countries to accelerate their economic and social development. 2. In this context, consistent with the aims and objectives mentioned above and taking into account any obligations and commitments undertaken in this regard, it should be their endeavour to increase the net amount of financial flows from official sources to developing countries and to improve the terms and conditions thereof. 3. The flow of development assistance resources should include economic and technical assistance. Article 23 To enhance the effective mobilization oftheir own resources, the developing countries should strengthen their economic co-operation and expand their mutual trade so as to accelerate their economic and social development. All countries, especially developed countries, individuallyasweIl as through the competent international organ.izations of which they are members, should provide appropriate and effective support and co-operation. Article 24 All States have the duty to conduct their mutual economic realtions in a manner which takes into account the interests of other countries. In particular, all States should avoid prejudicing the interests of developing countries. Article 25 In furtherance of world economic development, the international community, especially its developed members, shall pay special attention to the particular needs and problems of the least developed among the developing countries, of land-locked developing countries and also island developing countries, with a view to helping them to overcome their particular difficulties and thus contribute to their economic and social development. Article 26 All States have the duty to coexist in tolerance and live together in peace, irrespective of differences in political, economic, social and cultural systems, and to facilitate trade between States having different economic and social systems. International trade should be conducted without prejudice to generalized non-discriminatory and non-reciprocal preferences in favour of developing countries, on the basis of mutual advantage, equitable benefits and the exchange of most-favoured-nation treatment. Article 27 1. Every State has the right to enjoy fully the benefits of world invisible trade and to engage in the expansion of such trade. 2. World invisible trade, based on efficiency and mutual and equitable benefit, furthering the expansion of the world economy, is the common goal of all States. The role
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of deve10ping countries in world invisible trade should be enhanced and strengthened consistent with the above objectives, particular attention being paid to the special needs of developing countries. 3. All States should co-operate with developing countries in their endeavours to increase their capacity to eam foreign exchange from invisible transactions, in accordance with the potential and needs of each developing country and consistent with the objectives mentioned above.
Article 28 All States have the duty to co-operate in achieving adjustments in the prices of exports of developing countries in relation to prices oftheir imports so as to promote just and equitable terms oftrade for them, in a manner which is remunerative for producers and equitable for producers and consumers.
CHAPTERIII Common Responsibilities towards the International Community Article 29 The sea-bed and ocean floor and the subsoil thereof, beyond the limits of national jurisdiction, as well as the resources ofthe area, are the common heritage ofmankind. On the basis ofthe principles adopted by the General Assembly in resolution 2749 (XXV) of 17 December 1970, all States shall ensure that the exploration of the area and exploitation of its resources are carried out exc1usive1y for peaceful purposes and that the benefits derived therefrom are shared equitably by all States, taking into account the particular interests and needs of developing countries; an international regime applying to the area and its resources and inc1uding appropriate international machinery to give effect to its provisions shall be established by an international treaty of a universal character, generally agreed upon.
Article 30 The protection, preservation and enhancement of the environment for the present and future generations is the responibility of all States. All States shall endeavour to establish their own environmental and deve10pmental policies in conformity with such responsibility. The environmental policies of all States should enhance and not adversely affect the present and future development potential of developing countries. All States have the responsibility to ensure that activities within their jurisdiction of control do not cause damage to the environment of other States or of areas beyond the limits of national jursdiction. All States should co-operate in evolving international norms and regulations in the field of the environment.
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CHAPTERIV Final Provisions Article 31
All States have the duty to contribute to the balanced expansion ofthe world economy, taking duly into account the e10se interrelationship between the well-being of the developed countries and the growth and development ofthe developing countries, and the fact that the prosperity ofthe international community as a whole depends upon the prosperity of its constituent parts. Article 32
No State may use or encourage the use of economic, political or any other type of measures to coerce another State in order to obtain from it the subordination ofthe exercise of its sovereign rights. Article 33
1. Nothing in the present Charter shall be construed as impairing or derogating from the provisions ofthe Charter ofthe United Nations or actions taken in pursuance thereof. 2. In their interpretation and application, the provisions ofthe present Charter are interrelated and each provision should be construed in the context of the other provisions. Article 34 An item on the Charter ofEconomic Rights and Duties ofStates shall be inculded in the agenda of the General Assembly at its thirtieth session, and thereafter on the agenda of every fifth session. In this way a systematic and comprehensive consideration ofthe implementation ofthe Charter, covering both progress achieved and any improvements and additions which might become necessary, would be carried out and appropriate measures recommended. Such consideration should take into account the evolution of all the economic, social, legal and other factors related to the principles upon which the present Charter is based and on its purpose.
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Statement by tbe President of tbe Security Council S123500, 31 January 1992 At the conc\usion of the 3046th meeting of the Security Council , held at the level of Heads of State and Government on 31 January 1992 in connection with the item entitled "The responsibility of the Security Council in the maintenance of international peace and security", the President ofthe Security Council issued the following statement on behalf of the members ofthe Council. The members of the Security Council have authorized me to make the following statement on their behalf. The Security Council met at United Nations Headquarters in New York on 31 January 1992, for the first time at the level of heads of State and Government. The members of the Council considered, within the framework oftheir commitment to the Charter ofthe United Nations, "The responsibility of the Security Council in the maintenance of international peace and security".l The members ofthe Security Council consider that their meeting is a timely recognition ofthe fact that there are new favourable international circumstances under which the Security Council has begun to fulfil more effectively its primary responsibility for the maintenance of international peace and security.
I The meeting was chaired by the Prime Minister ofthe United Kingdom ofGreat Britain and Northern Ireland as the President ofthe Security Council for January. Statements were made by: His Excellency Dr. Franz Vranitzky, Federal Chancellor of Austria, His Excellency Mr. Wilfried Martens, Prime Minister ofBelgium, His Excellency Dr. Carlos Alberto Wahnon de Carvalho Veiga, Prime Minister of Cap Verde, His Excellency Mr. Li Peng, Premier of the State Council of China, His Excellency Dr. Rodrigo Borja-Cevallos, Constitutional President ofEcuador, His Excellency Mr. Francois Mitterand, President of France, His Excellency Dr. Geza Jeszenszky, Minister for Foreign Affairs and Personal Emissary of the Prime Minister of Hungary His Excellency Mr. P.V. Narasimha Rao, Prime Minister ofIndia, His Excellency Mr. Kiichi Miyazawa, Prime Minister of Japan, His Majesty Hassan II, King ofMorocco, His Excellency Mr. Boris N. Yeltsin, President ofthe Russian Federation, His Excellency the Rt. Hon. John Major MP, Prime Minister of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland , His Excellency Mr. George Bush, President ofthe United States of America, His Excellency R. Carlos Andres Perez, President ofVenezuela and His Excellency Dr. Nathan Shamuyarira, Minister ofForeign Affairs and Personal Emissary of the President of Zimbabwe, His Excellency Dr. Boutros Boutros-Ghali, Secretary-General ofthe United Nations
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0/ change
This meeting ofthe Council takes place at a time ofmomentous change. The ending of the cold war has raised hopes for a safer, more equitable and more humane world. Rapid progress has been made, in many regions ofthe world, towards democracy and responsive forms of government, as weil as towards achieving the Purposes set out in the Charter of the United Nations. The completion of the dismantling of apartheid in South Africa would constitute a major contribution to these Purposes and positive trends, including to the encouragement of respect for human rights and fundamental freedoms. Last year, under the authority of the United Nations, the international community succeeded in enabling Kuwait to regain its sovereignty and territorial integrity, which it had lost as a result of Iraqi aggression. The resolutions adopted by the Council remain essential to the restoration ofpeace and stability in the region and must be fully implemented. At the same time the members ofthe Council are concerned by the humanitarian situation ofthe innocent civilian population ofIraq. The members of the Council support the Middle East peace process, facilitated by the Russian Federation and the Uni ted States of Arnerica, and hope that it will be brought to a successful conclusion on the basis ofCouncil resolutions 242 (1967) of22 November 1967 and 338 (1973) of22 October 1973. The members ofthe Council welcome the role the United Nations has been able to play under the Charter in progress towards settling long-standing regional disputes, and will work for further progress towards their resolution. They applaud the valuable contribution being made by United Nations peace-keeping forces now operating in Asia, Africa, Latin America and Europe. The members of the Council note that United Nations peace-keeping tasks have increased and broadened considerably in recent years. Election monitoring, human rights verification and the repatriation of refugees have in the settlement of some regional conflicts, at the request or with the agreement ofthe parties concerned, been integral parts of the Security Council's effort to maintain international peace and security. They welcome these developments. The members ofthe Council also recognize that change, however welcome, has brought new risks for stability and security. Some ofthe most acute problems result from changes to State structures. The members of the Council will encourage all efforts to help achieve peace, stability and cooperation during these changes. The international community therefore faces new challenges in the search for peace. All Member States expect the United Nations to playa central role at this crucial stage. The members of the Council stress the importance of strengthening and improving the Uni ted Nations to increase its effectiveness. They are determined to assurne fully their responsibilities within the United Nations Organization in the framework ofthe Charter. The absence of war and military conflicts amongst States does not in itself ensure international peace and security. The non-military sources of instability in the economic, social, humanitarian and ecological fields have become threats to peace and security. The United Nations membership as a whole, working through the appropriate bodies, needs to give the highest priority to the solution ofthese matters.
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Commitment to collective security The members ofthe Council pledge their commitment to internationallaw and to the Charter ofthe United Nations. All disputes between States should be peacefully resolved in accordance with the provisions ofthe Charter. The members ofthe Council reaffirm their commitment to the collective security system of the Charter to deal with threats to peace and to reserve acts of aggression. The members of the Council express their deep concern over acts of international terrorism and emphasize the need for the international community to deal effectively with all such acts. Peacemaking and peace-keeping To strengthen the effectiveness of these commitments, and in order that the Security Council should have the means to discharge its primary responsibility under the Charter of the United Nations for the maintenance of international peace and security, the members of the Council have decided on the following approach. They invite the Secretary-General to prepare, for circulation to the Members of the United Nations by 1 July 1992, his analysis and recommendations on ways of strengthening and making more efficient within the framework and provisions ofthe Charter the capacity of the United Nations for preventive diplomacy, for peacemaking and for peacekeeping. The Secretary-General's analysis and recommendations could cover the role ofthe United Nations in identifying potential crises and areas of instability as weil as the contribution to be made by regional organizations in accordance with Chapter VIII of the Charter in helping the work of the Council. They could also cover the need for adequate resources, both material and financial. The Secretary-General might draw on lessons learned in recent United Nations peace-keeping missions to recommend ways of making more effective Secretariat planning and operations. He could also consider how greater use might be made of his good offices, and of his other functions under the Charter. Disarmament, arms control and weapons 0/ mass destruction The members of the Council, while fully conscious of the responsibilities of other organs ofthe United Nations in the fields of disarmament, arms control and non-proliferation, reaffirm the crucial contribution which progress in these areas can make to the maintenance of international peace and security. They express their commitment to take concrete steps to enhance the effectiveness ofthe United Nations in these areas. The members of the Council underline the need for all Member States to fulfil their obligations in relation to arms control and disarmament; to prevent the proliferation in all . its aspects of all weapons of mass destruction; to avoid excessive and destabilizing accumulations and transfers of arms; and to resolve peacefully in accordance with the Charter any problems concerning these matters threatening or disrupting the maintenance of regional and global stability. They emphasize the importance ofthe early ratification and implementation by the States concerned of all international and regional arms control arrange-
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ments, especially the Strategie Arms Reduction Talks and the Treaty on Conventional Armed Forces in Europe. The proliferation of all weapons of mass destruction constitutes a threat to international peace und security. The members ofthe Council commit themselves to working to prevent the spread of technology related to the research for or production of such weapons and to take appropriate action to that end. On nuelear proliferation ofmany countries to adhere to the Treaty on the Non-Proliferation ofNuelear Weapons of 1 July 1968 2 and emphasize the integral role in the implementation ofthat Treaty offully effective International Atomic Energy Agency safeguards, as weil as the importance of effective export controls. They will take appropriate measures in the case of any violations notified to them by the Agency. On chemical weapons, the members of the Council support the efforts of the Third Review Conference ofthe Parties to the Convention on the Prohibition ofthe Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their Destruction, held at Geneva from 9 to 27 September 1991, with a view to reaching agreement on the conelusion, by the end of 1992, of a universal convention, ineluding a verification regime, to prohibit chemical weapons. On conventional armaments, they note the General Assembly's vote in favour of a United Nations register of arms transfers as a first step, and in this connection recognize the importance ofall States providing all the information called for in the General Assembly's resolution. 3 In conelusion, the members ofthe Council affirm their determination to build on the initiative of their meeting in order to secure positive advances in promoting international peace and security. They agree that the Secretary-General has a crucial role to play. The members ofthe Council express their deep appreciation to the outgoing Secretary-General, His Excellency Mr. Javier Perez de Cuellar, for his outstandig contribution to the work of the United Nations, culminating in the signature of the EI Salvadore peace agreements. 4 They welcome the new Secretary-General, Mr. Boutros Boutros-Ghali, and note with satisfaction his intention to strengthen and improve the functioning ofthe United Nations. They pledge their full support to hirn, and undertake to work e10sely with hirn and his staff in fulfilment oftheir shared objectives, ineluding a more efficient and effective United Nations system: The members ofthe Council agree that the world now has the best chance of achieving international peace and security since the founding ofthe United Nations. They undertake to work in e10se cooperation with other United Nations Member States in their own efforts to achieve this, as weil as to address urgently all the other problems, in particular those of economic and social development, requiring the collective response of the international community. They recognize that peace and prosperity are indivisible and that lasting peace and stability require effective international cooperation for the eradication of poverty and the promotion of a better life for all in larger freedom. United Nations, Treaty Series, vol. 729, No. 10485 General Assembly resolution 46/36 L of9 December 1991 4 Official Records ofthe Security Council, Forty-seventh Year, Supplement for January, February and March 1992, document SI23501, annex 2
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An Agenda for Peace Preventive diplomacy, peacemaking and peace-keeping Report of the Secretary-General pursuant to the statement adopted by the Summit Meeting of the Security Council on 31 January 1992 A/47/277 - S/24111, 17 June 1992 Introduction
l. In its statement of 31 January 1992, adopted at the conclusion of the first meeting held by the Security Council at the level of Heads of State and Government, I was invited to prepare, for circulation to the Members ofthe United Nations by 1 July 1992, an "analysis and recommendations on ways of strengthening and making more efficient within the framework and provisions ofthe Charter the capacity ofthe United Nations for preventive diplomacy, for peacemaking and for peace-keeping. ( ... ) 2. The United Nations is a gathering of sovereign States and what it can do depends on the common ground that they create between them. The adversarial decades ofthe cold war made the original promise ofthe Organization impossible to fulfil. The January 1992 Summit therefore represented an unprecedented recommitment, at the highest politicallevel, to the Purposes and Principles ofthe Charter. 3. In these past months a conviction has grown, among nations large and smalI, that an opportunity has been regained to achieve the great objectives of the Charter - a United Nations capable of maintaining international peace and security, of securing justice and human rights and of promoting, in the words of the Charter, "social progress and better standards oflife in larger freedom". This opportunity must not be squandered. The Organization must never again be crippled as it was in the era that has now passed. 4. I welcome the invitation of the Security Council, early in my tenure as SecretaryGeneral, to prepare this report. It draws upon ideas and proposals transmitted to me by Governments, regional agencies, non-governmental organizations, and institutions and individuals from many countries. I am grateful for these, even as I emphasize that the responsibility for this report is my own. 5. The sources of conflict and war are pervasive and deep. To reach them will require our utmost effort to enhance respect for human rights and fundamental freedoms, to promote sustainable economic and social development for wider prosperity, to alleviate distress and to curtail the existence and use ofmassively destructive weapons. The United Nations Conference on Environment and Development, the largest summit ever held, has just met at Rio de Janeiro. Next year will see the second World Conference on Human Rights. In 1994 Population and Development will be addressed. In 1995 the World Conference on Women will take place, and a World Summit for Social Development has been proposed. Throughout my term as Secretary-General I shall be addressing all these great issues. I bear them all in mind as, in the present report, I turn to the problems that the Council has specifically requested I consider: preventive diplomacy, peacemaking and peace-keeping - to wh ich I have added a closely related concept, post-conflict peace-building.
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6. The manifest desire of the membership to work together is a new source of strength in our common endeavour. Success is far from certain, however. While my report deals with ways to improve the Organization's capacity to pursue and preserve peace, it is crucial for all Member States to bear in mind that the search for improved mechanisms and techniques will be of little significance unless this new spirit of commonality is propelled by the will to take the hard decisions demanded by this time of opportunity. 7. It is therefore with a sense ofmoment, and with gratitude, that I present this report to the Members ofthe United Nations.
I. The chan ging context 8. In the course of the past few years the immense ideological barrier that for decades gave rise to distrust and hostility - and the terrible tools of destruction that were their inseparable companions - has collapsed. Even as the issues between States north and south grow more acute, and call for attention at the highest levels of government, the improvement in relations between States east and west affords new possibilities, some already realized, to meet successfully threats to common security. 9. Authoritarian regimes have given way to more democratic forces and responsive Governments. The fonn, scope and intensity of these processes differ from Latin America to Africa to Europe to Asia, but they are sufficiently similar to indicate agiobai phenomenon. Parallel to these political changes, many States are seeking more open fonns of economic policy, creating a world wide sense of dynamism and movement. 10. To the hundreds of millions who gained their independence in the surge of decolonization following the creation ofthe United Nations, have been added millions more who have recently gained freedom. On ce again new States are taking their seats in the General Assembly. Their arrival reconfinns the importance and indispensability ofthe sovereign State as the fundamental entity ofthe international community. 11. We have entered a time of global transition marked by uniquely contradictory trends. Regional and continental associations of States are evolving ways to deepen cooperation and ease some of the contentious characteristics of sovereign and nationalistic rivalries. National boundaries are blurred by advanced communications and global commerce, and by the decisions of States to yield some sovereign prerogatives to larger, common po Iitical associations. At the same time, however, fierce new assertions of nationalism and sovereignty spring up, and the cohesion of States is threatened by brutal ethnic, religious, social, cultural or Iinguistic strife. Social peace is challenged on the one hand by new assertions of discrimination and exc1usion and, on the other, by acts of terrorism seeking to undennine evolution and change through democratic means. 12. The concept ofpeace is easy to grasp; that ofinternational security is more complex, for a pattern of contradictions has arisen here as weil. As major nuclear Powers have begun to negotiate arms reduction agreements, the proliferation of weapons of mass destruction threatens to increase and conventional arms continue to be amassed in many parts of the world. As racism becomes recognized for the destructive force it is and as apartheid is being dismantled, new racial tensions are rising and finding expression in violence. Technological advances are altering the nature and the expectation of life all over the globe. The revolution in communications has united the world in awareness, in aspiration and in greater solidarity against injustice. But progress also brings new risks for stability: ecological
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damage, disruption offamily and community life, greater intrusion into the lives and rights of individuals. 13. This new dimension of insecurity must not be a1lowed to obscure the continuing and devastating problems of unchecked population growth, crushing debt burdens, barriers to trade, drugs and the growing disparity between rich and poor. Poverty, disease, famine, oppression and despair abound, joining to produce 17 million refugees, 20 million displaced persons and massive migrations of peoples within and beyond national borders. These are both sources and consequences of conflict that require the ceaseless attention and the highest priority in the efforts ofthe United Nations. A porous ozone shield could pose a greater threat to an exposed population than a hostile army. Drought and disease can decimate no less mercilessly than the weapons ofwar. So at this moment ofrenewed opportunity, the efforts ofthe Organization to build peace, stability and security must encompass matters beyond military threats in order to break the fetters of strife and warfare that have characterized the past. But armed conflicts today, as they have throughout history, continue to bring fear and horror to humanity, requiring our urgent involvement to try to prevent, contain and bring them to an end. 14. Since the creation ofthe United Nations in 1945, over 100 major conflicts around the world have left some 20 million dead. The United Nations was rendered powerless to deal with many of these crises because of the vetoes - 279 of them - cast in the Security Council, which were a vivid expression ofthe divisions ofthat period. 15. With the end of the cold war there have been no such vetoes since 31 May 1990, and demands on the United Nations have surged. Its security arm, once disabled by circumstances it was not created or equipped to control, has emerged as a central instrument for the prevention and resolution of conflicts and for the preservation of peace. Our aims must be: - To seek to identify at the earliest possible stage situations that could produce conflict, and to try through diplomacy to remove the sources of danger before violence results; - Where conflict erupts, to engage in peacemaking aimed at resolving the issues that have led to conflict; - Through peace-keeping, to work to preserve peace, however fragile, where fighting has been halted and to assist in implementing agreements achieved by the peacemakers; - To stand ready to assist in peace-building in i~s differing contexts: rebuilding the institutions and infrastructures of nations tom by civil war and strife; and building bonds of peaceful mutual benefit among nations formerly at war; - And in the largest sense, to address the deepest causes of conflict: economic despair, social injustice and political oppression. It is possible to discern an increasingly common moral perception that spans the world's nations and peoples, and which is finding expression in internationaIlaws, many owing their genesis to the work of this Organization. 16. This wider mission for the world Organization will demand the concerted attention and effort of individual States, of regional and non-governmental organizations and of all ofthe United Nations system, with each ofthe principal organs functioning in the balance and harmony that the Charter requires. The Security Council has been assigned by all Member States the primary responsibility for the maintenance of international peace and security under the Charter. In its broadest sense this responsibility must be shared by the General Assembly and by all the functional elements ofthe world Organization. Each has 10 UN·Sbd.
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a special and indispensable role to play in an integrated approach to human security. The Secretary-General's contribution rests on the pattern oftrust and cooperation established between him and the deliberative organs ofthe United Nations. 17. The foundation-stone of this work is and must remain the State. Respect for its fundamental sovereignty and integrity are crucial to any common international progress. The time of absolute and excIusive sovereignty, however, has passed; its theory was never matched by reality. It is the task of leaders of States today to understand this and to find a balance between the needs of good internal governance and the requirements of an ever more interdependent world. Commerce, communications and environmental matters transcend administrative borders; but inside those borders is where individuals carry out the first order oftheir economic, political and sociallives. The United Nations has not cIosed its door. Yet if every ethnic, religious or Iinguistic group cIaimed statehood, there would be no limit to fragmentation, and peace, security and economic well-being for all would become ever more difficult to achieve. 18. One requirement for solutions to these problems lies in commitment to human rights with a special sensitivity to those ofminorities, whether ethnic, religious, social or Iinguistic. The League ofNations provided a machinery for the international protection of minorities. The General Assembly soon will have before it a decIaration on the rights of minorities. That instrument, together with the increasingly effective machinery ofthe United Nations dealing with human rights, should enhance the situation of minorities as weil as the stability of States. 19. Globalism and nationalism need not be viewed as opposing trends, doomed to spur each other on to extremes of reaction. The healthy globalization of contemporary Iife requires in the first instance solid identities and fundamental freedoms. The sovereignty, territorial integrity and independence of States within the established international system, and the principle of self-determination for peoples, both of great value and importance, must not be permitted to work against each other in the period ahead. Respect for democratic principles at all levels of social existence is crucial: in communities, within States and within the community of States. Our constant duty should be to maintain the integrity of each while finding a balanced design for all.
11. Definitions 20. The terms preventive diplomacy, peacemaking and peace-keeping are integrally related and as used in this report are defined as folIows: Preventive diplomacy is action to prevent disputes from arising between parties, to prevent existing disputes from escalating into conflicts and to limit the spread ofthe latter when they occur. Peacemaking is action to bring hostile parties to agreement, essentially through such peaceful means as those foreseen in Chapter VI ofthe Charter ofthe United Nations. Peace-keeping is the deployment of a United Nations presence in the field, hitherto with the consent of all the parties concerned, normally involving United Nations military and/or police personnel and frequently civilians as weil. Peace-keeping is a technique that expands the possibilities for both the prevention of conflict and the making of peace.
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21. The present report in addition will address the critically related concept of post-conflict peace-building - action to identify and support structures which will tend to strengthen and solidify peace in order to avoid a relapse into conflict. Preventive diplomacy seeks to resolve disputes before violence breaks out; peacemaking and peace-keeping are required to halt conflicts and preserve peace once it is attained. If successful, they strengthen the opportunity for post-conflict peace-building, which can prevent the recurrence of violence among nations and peoples. 22. These four areas for action, taken together, and carried out with the backing of all Members, offer a coherent contribution towards securing peace in the spirit of the Charter. The United Nations has extensive experience not only in these fields, but in the wider realm of work for peace in which these four fields are set. Initiatives on decolonization, on the environment and sustainable development, on population, on the eradication of disease, on disarmament and on the growth of internationallaw - these and many others have contributed immeasurably to the foundations for a peaceful world. The world has often been rent by conflict and plagued by massive human suffering and deprivation. Yet it would have been far more so without the continuing efforts ofthe United Nations. This wide experience must be taken into account in assessing the potential of the United Nations in maintaining international security not only in its traditional sense, but in the new dimensions presented by the era ahead. III. Preventive diplomacy 23. The most desirable and efficient employment of diplomacy is to ease tensions before they result in conflict - or, if conflict breaks out, to act swiftly to contain it and resolve its underlying causes. Preventive diplomacy may be performed by the Secretary-General personally or through senior staff or specialized agencies and programmes, by the Security Council or the General Assembly, and by regional organizations in cooperation with the United Nations. Preventive diplomacy requires measures to create confidence; it needs earIy waming based on information gathering and informal or formal fact-finding; it mayaIso involve preventive deployment and, in some situations, demilitarized zones. Measures to build confidence 24. Mutual confidence and good faith are essential to reducing the likelihood of conflict between States. Many such measures are available to Governments that have the will to employ them. Systematic exchange of military missions, formation of regional or subregional risk reduction centres, arrangements for the free flow of information, inc\uding the monitoring of regional arms agreements, are examples. I ask all regional organizations to consider what further confidence-building measures might be applied in their areas and to inform the United Nations ofthe results. I will undertake periodic consultations on confidence-building measures with parties to potential, current or past disputes and with regional organizations, offering such advisory assistance as the Secretariat can provide. Fact-finding 25. Preventive steps must be based upon timely and accurate knowledge of the facts. Beyond this, an understanding of developments and global trends, based on sound analysis, 10'
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is required. And the willingness to take appropriate preventive action is essential. Given the economic and social roots of many potential conflicts, the information needed by the United Nations now must encompass economic and social trends as weil as political developments that may lead to dangerous tensions. (a) An increased resort to fact-finding is needed, in accordance with the Charter, initiated either by the Secretary-General, to enable hirn to meet his responsibilities under the Charter, ineluding Artiele 99, or by the Security Council or the General Assembly. Various forms may be employed selectively as the situation requires. Arequest by aState for the sending of a United Nations fact-finding mission to its territory should be considered without undue delay. (b) Contacts with the Governments ofMember States can provide the Secretary-General with detailed information on issues of concern. I ask that all Member States be ready to provide the information needed for effective preventive diplomacy. I will supplement my own contacts by regularly sending senior officials on missions for consuItations in capitals or other locations. Such contacts are essential to gain insight into a situation and to assess its potential ramifications. (c) Formal fact-finding can be mandated by the Security Council or by the General Assembly, either ofwhich may elect to send a mission under itsimmediate authority or may invite the Secretary-General to take the necessary steps, ineluding the designation of a special envoy. In addition to collecting information on which adecision for further action can be taken, such a mission can in some instances help to defuse a dispute by its presence, indicating to the parties that the Organization, and in particular the Security Council, is actively seized ofthe matter as a present or potential threat to international security. (d) In exceptional circumstances the Council may meet away from Headquarters as the Charter provides, in order not only to inform itself directiy, but also to bring the authority ofthe Organization to bear on a given situation.
Early warning 26. In recent years the United Nations system has been developing a valuable network of early warning systems concerning environmental threats, the risk of nuelear accident, natural disasters, mass movements of populations, the threat of famine and the spread of disease. There is a need, however, to strengthen arrangements in such a manner that information from these sources can be synthesized with political indicators to assess whether a threat to peace exists and to analyse what action might be taken by the United Nations to alleviate it. This is a process that will continue to require the elose cooperation of the various specialized agencies and functional offices ofthe United Nations. The analyses and recommendations for preventive action that emerge will be made available by me, as appropriate, to the Security Council and other United Nations organs. I recommend in addition that the Security Council invite a reinvigorated and restructured Economic and Social Council to provide reports, in accordance with Artiele 65 ofthe Charter, on those economic and social developments that may, unless mitigated, threaten international peace and security. 27. Regional arrangements and organizations have an important role in early warning. I ask regional organizations that have not yet sought observer status at the United Nations
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to do so and to be linked, through appropriate arrangements, with the security mechanisms of this Organization.
Preventive deployment 28. United Nations operations in areas of crisis have generally been established after conflict has occurred. The time has come to plan for circumstances warranting preventive deployment, which could take place in a variety of instances and ways. For example, in conditions of national crisis there could be preventive deployment at the request of the Government or all parties concerned, or with their consent; in inter-State disputes such deployrnent could take place when two countries feel that a United Nations presence on both sides oftheir border can discourage hostilities; furthermore, preventive deployment could take place when a country feels threatened and requests the deployment of an appropriate United Nations presence along its side ofthe border alone. In each situation, the mandate and composition ofthe United Nations presence would need to be carefully devised and be clear to all. 29. In conditions of crisis within a country, when the Government requests or all parties consent, preventive deployment could help in a number of ways to alleviate suffering and to limit or control violence. Humanitarian assistance, impartially provided, could be of critical importance; assistance in maintaining security, whether through military, police or civilian personneI, could save lives and develop conditions of safety in which negotiations can be held; the United Nations could also help in conciliation efforts ifthis should be the wish of the parties. In certain circumstances, the Uni ted Nations may weil need to draw upon the specialized skills and resources of various parts of the United Nations system; such operations mayaiso on occasion require the participation of non-governmental organizations. 30. In these situations of internal crisis the United Nations will need to respect the sovereignty ofthe State; to do otherwise would not be in accordance with the understanding ofMember States in accepting the principles ofthe Charter. The Organization rnust remain mindful of the carefully negotiated balance of the guiding principles annexed to General Assembly resolution 46/182 of 19 December 1991. Those guidelines stressed, inter alia, that humanitarian assistance must be provided in accordance with the principles of human ity, neutrality and impartiality; that the sovereignty, territorial integrity and national unity of States must be fully respected in accordance with the Charter ofthe United Nations; and that, in this context, humanitarian assistance should be provided with the consent ofthe affected country and, in principle, on the basis of an appeal by that country. The guidelines also stressed the responsibility of States to take care ofthe victims of emergencies occurring on their territory and the need for access to those requiring humanitarian assistance. In the light ofthese guidelines, a Government's request for United Nations involvement, or consent to it, would not be an infringement of that State's sovereignty or be contrary to Article 2, paragraph 7, ofthe Charter which refers to matters essentially within the domestic jurisdiction of any State. 31. In inter-State disputes, when both parties agree, I recommend that if the Security Council concludes that the Iikelihood of hostilities between neighbouring countries could be removed by the preventive deployment of a United Nations presence on the territory of
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each State, such action should be taken. The nature of the tasks to be performed would determine the composition ofthe United Nations presence. 32. In cases where one nation fears a cross-border attack, ifthe Security Council concIudes that a United Nations presence on one side ofthe border, with the consent only of the requesting country, would serve to deter conflict, I recommend that preventive deployment take place. Here again, the specific nature of the situation would determine the mandate and the personnel required to fulfi[ it.
Demilitarized zones 33. In the past, demilitarized zones have been established by agreement ofthe parties at the concIusion of a conflict. In addition to the deployment of United Nations personnel in such zones as part of peace-keeping operations, consideration should now be given to the usefulness of such zones as a form of preventive deployment, on both sides of a border, with the agreement ofthe two parties, as a means of separating potential belligerents, or on one side of the line, at the request of one party, for the purpose of removing any pretext for attack. Demilitarized zones would serve as symbols ofthe international community's concern that conflict be prevented.
IV. Peacemaking 34. Between the tasks of seeking to prevent conflict and keeping the peace lies the responsibility to try to bring hostile parties to agreement by peaceful means. Chapter VI of the Charter sets forth a comprehensive list of such means for the resolution of conflict. These have been amplified in various decIarations adopted by the General Assembly, incIuding the Manila DecIaration of 1982 on the Peaceful Settlement of International Disputes2/ and the 1988 DecIaration on the Prevention and Removal of Disputes and Situations Which May Threaten International Peace and Security and on the Role ofthe United Nations in this Field.3/ They have also been the subject of various resolutions of the General Assembly, incIuding resolution 44/21 of 15 November 1989 on enhancing international peace, security and international cooperation in an its aspects in accordance with the Charter ofthe United Nations. The United Nations has had wide experience in the application of these peaceful means. If conflicts have gone unresolved, it is not because techniques for peaceful settlement were unknown or inadequate. The fault lies first in the lack of political will of parties to seek a solution to their differences through such means as are suggested in Chapter VI ofthe Charter, and second, in the lack ofleverage at the disposal of a third party if this is the procedure chosen. The indifference of the international community to a problem, or the marginalization of it, can also thwart the possibilities of solution. We must look primarily to these areas ifwe hope to enhance the capacity ofthe Organization for achieving peaceful settlements. 35. The present determination in the Security Council to resolve international disputes in the manner foreseen in the Charter has opened the way for a more active Council role. With greater unity has come leverage and persuasive power to lead hostile parties towards negotiations. I urge the Council to take fun advantage of the provisions of the Charter under which it may recommend appropriate procedures or methods for dispute settlement and, if an the parties to a dispute so request, make recommendations to the parties for a pacific settlement of the dispute.
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36. The General Assembly, like the Security Council and the Secretary-General, also has an important role assigned to it under the Charter for the maintenance of international peace and security. As a universal forum, its capacity to consider and recommend appropriate action must be recognized. To that end it is essential to promote its utilization by all Member States so as to bring greater influence to bear in pre-empting or containing situations which are likely to threaten international peace and security. 37. Mediation and negotiation can be undertaken by an individual designated by the Security Council, by the General Assembly or by the Secretary-General. There is a long history ofthe utilization by the United Nations of distinguished statesmen to facilitate the processes of peace. They can bring a personal prestige that, in addition to their experience, can encourage the parties to enter serious negotiations. There is a wide willingness to serve in this capacity , from which I shall continue to benefit as the need arises. Frequently it is the Secretary-General himselfwho undertakes the task. While the mediator's effectiveness is enhanced by strong and evident support from the Council, the General Assembly and the relevant Member States acting in their national capacity, the good offices of the Secretary-General may at times be employed most effectively when conducted independently of the deliberative bodies. Close and continuous consultation between the Secretary-General and the Security Council is, however, essential to ensure full awareness ofhow the Council's influence can best be applied and to develop a common strategy for the peaceful set. tlement of specific disputes. The World Court 38. The docket ofthe International Court of lustice has grown fuller but it remains an under-used resource for the peaceful adjudication of disputes. Greater reliance on the Court would be an important contribution to United Nations peacemaking. In this connection, I call attention to the power ofthe Security Council under Articles 36 and 37 ofthe Charter to recommend to Member States the submission of a dispute to the International Court of lustice, arbitration or other dispute-settlement mechanisms. I recommend that the Secretary-General be authorized, pursuant to Article 96, paragraph 2, ofthe Charter, to take advantage ofthe advisory competence ofthe Court and that other United Nations organs that already enjoy such authorization turn to the Court more frequently for advisory opinions. 39. I recommend the following steps to reinforce the role ofthe International Court of lustice: (a) All Member States should accept the general jurisdiction ofthe International Court under Article 36 of its Statute, without any reservation, before the end of the United Nations Decade ofInternational Law in the year 2000. In instances where domestic structures prevent this, States should agree bilaterally or multilaterally to a comprehensive list of matters they are willing to submit to the Court and should withdraw their reservations to its jurisdiction in the dispute settlement clauses of multilateral treaties; (b) When submission of a dispute to the full Court is not practical, the Chambers jurisdiction should be used; (c) States should support the Trust Fund established to assist countries unable to afford the cost involved in bringing a dispute to the Court, and such countries should take full advantage ofthe Fund in order to resolve their disputes.
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Amelioration through assistance 40. Peacemaking is at times faciJitated by international action to ameJiorate circumstances that have contributed to the dispute or conflict. If, for instance, assistance to displaced persons within a society is essential to a solution, then the United Nations should be able to draw upon the resources of all agencies and programmes concerned. At present, there is no adequate mechanism in the United Nations through which the Security Council, the General Assembly or the Secretary-General can mobilize the resources needed for such positive leverage and engage the collective efforts of the United Nations system for the peaceful resolution of a conflict. I have raised this concept in the Administrative Committee on Coordination, which brings together the executive heads ofUnited Nations agencies and programmes; we are exploring methods by which the inter-agency system can improve its contribution to the peaceful resolution of disputes.
Sanctions and special economic problems 41. In circumstances when peacemaking requires the imposition of sanctions under Article 41 ofthe Charter, it is important that States confronted with special economic problems not only have the right to consult the Security Council regarding such problems, as Article 50 provides, but also have a realistic possibility of having their difficulties addressed. I recommend that the Security Council devise a set ofmeasures involving the financial institutions and other components ofthe United Nations system that can be put in place to insulate States from such difficulties. Such measures would be a matter of equity and a means of encouraging States to cooperate with decisions of the Council.
Use of military force 42. It is the essence ofthe concept of collective security as contained in the Charter that if peaceful means fail, the measures provided in Chapter VII should be used, on the decision ofthe Security Council, to maintain or restore international peace and security in the face of a "threat to the peace, breach of the peace, or act of aggression". The Security Council has not so far made use ofthe most coercive ofthese measures - the action by military force foreseen in Article 42. In the situation between Iraq and Kuwait, the Council chose to authorize Member States to take measures on its behalf. The Charter, however, provides a detailed approach which now merits the attention of all Member States. 43. Under Article 42 ofthe Charter, the Security Council has the authority to take military action to maintain or restore international peace and security. While such action should only be taken when all peaceful means have failed, the option of taking it is essential to the credibiJity ofthe United Nations as a guarantor ofinternational security. This will require bringing into being, through negotiations, the special agreements foreseen in Article 43 of the Charter, whereby Member States undertake to make armed forces, assistance and faciliti es available to the Security Council for the purposes stated in Article 42, not only on an ad hoc basis but on a permanent basis. Under the poJitical circumstances that now exist for the first time since the Charter was adopted, the long-standing obstacles to the conclusion of such special agreements should no Ion ger prevail. The ready availability of armed forces on call could serve, in itself, as a means of deterring breaches of the peace since a potential aggressor would know that the Council had at its disposal a means of response. Forces
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under ArticJe 43 may perhaps never be sufficiently large or weil enough equipped to deal with a threat from a major army equipped with sophisticated weapons. They would be useful, however, in meeting any threat posed by a military force of a lesser order. I recommend that the Security Council initiate negotiations in accordance with ArticJe 43, supported by the Military Staff Committee, which may be augmented if necessary by others in accordance with ArticJe 47, paragraph 2, of the Charter. It is my view that the role of the Military Staff Committee should be seen in the context of Chapter VII, and not that of the planning or conduct of peace-keeping operations. Peace-enforcement units 44. The mission offorces under ArticJe 43 would be to respond to outright aggression, imminent or actual. Such forces are not likeIy to be available for some time to come. Cease-fires have often been agreed to but not complied with, and the United Nations has sometimes been called upon to send forces to restore and maintain the cease-fire. This task can on occasion exceed the mission of peace-keeping forces and the expectations of peacekeeping force contributors. I recommend that the Council consider the utilization ofpeaceenforcement units in cJearly defined circumstances and with their terms of reference specified in advance. Such units from Member States would be available on call and would consist oftroops that have volunteered for such service. They would have to be more heavily armed than peace-keeping forces and would need to undergo extensive preparatory training within their national forces. Deployment and operation of such forces would be under the authorization ofthe Security Council and would, as in the case ofpeace-keeping forces, be under the command of the Secretary-General. I consider such peace-enforcement units. to be warranted as a provisional measure under ArticJe 40 ofthe Charter. Such peace-enforcement units should not be confused with the forces that may eventually be constituted under ArticJe 43 to deal with acts of aggression or with the military personnel which Governments may agree to keep on stand-by for possible contribution to peace-keeping operations. 45. Just as diplomacy will continue across the span of all the activities dealt with in the present report, so there may not be a dividing line between peacemaking and peace-keeping. Peacemaking is often aprelude to peace-keeping - just as the deployment of a United Nations presence in the field may expand possibilities for the prevention of conflict, facilitate the work of peacemaking and in many cases serve as aprerequisite for peace-building. V. Peace-keeping 46. Peace-keeping can rightly be called the invention of the United Nations. It has brought a degree of stability to numerous areas of tension around the world. Increasing demands 47. Thirteen peace-keeping operations were established between the years 1945 and 1987; 13 others since then. An estimated 528,000 military, police and civilian personnel had served under the flag of the United Nations until January 1992. Over 800 of them from 43 countries have died in the service of the Organization. The costs of these operations have aggregated some $8.3 billion till 1992. The unpaid arrears towards them stand at over
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$800 million, which represents a debt owed by the Organization to the troop-contributing countries. Peace-keeping operations approved at present are estimated to cost elose to $3 billion in the current 12-month period, while patterns ofpayment are unacceptably slow. Against this, global defence expenditures at the end of the last decade had approached $1 trillion a year, or $2 million per minute. 48. The contrast between the costs ofUnited Nations peace-keeping and the costs ofthe alternative, war - between the demands ofthe Organization and the means provided to meet them - would be farcical were the consequences not so damaging to global stability and to the credibility of the Organization. At a time when nations and peoples increasingly are looking to the United Nations for assistance in keeping the peace - and holding it responsible when this cannot be so - fundamental decisions must be taken to enhance the capacity of the Organization in this innovative and productive exercise of its function. I am conscious that the present volume and unpredictability of peace-keeping assessments poses real problems for some Member States. For this reason, I strongly support proposals in some Member States for their peace-keeping contributions to be financed from defence, rather than foreign affairs, budgets and I recommend such action' to others. I urge the General Assembly to encourage this approach. 49. The demands on the United Nations for peace-keeping, and peace-building, operations will in the coming years continue to challenge the capacity, the political and financial will and the creativity of the Secretariat and Member States. Like the Security Council, I welcome the increase and broadening ofthe tasks ofpeace-keeping operations.
New departures in peace-keeping 50. The nature of peace-keeping operations has evolved rapidly in recent years. The established principles and practices of peace-keeping have responded flexibly to new demands ofrecent years, and the basic conditions for success remain unchanged: a elear and practicable mandate; the cooperation ofthe parties in implementing that mandate; the continuing support of the Security Council; the readiness of Member States to contribute the military, police and civilian personneI, ineluding specialists, required; effective United Nations command at Headquarters and in the field; and adequate financial and logistic support. As the international clirnate has changed and peace-keeping operations are increasingIy fielded to help implement settlements that have been negotiated by peacemakers, a new array of demands and problems has emerged regarding logistics, equipment, personnel and finance, all of which could be corrected if Member States so wished and were ready to make the necessary resources available.
Personnel 51. Member States are keen to participate in peace-keeping operations. Military observers and infantry are invariably available in the required numbers, but logistic units present a greater problem, as few armies can afford to spare such units for an extended period. Member States were requested in 1990 to state what military personnel they were in principle prepared to make available; few replied. I reiterate the request to all Member States to reply frankly and promptly. Stand-by arrangements should be confirmed, as appropriate, through exchanges of letters between the Secretariat and Member States concerning the
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kind and number of skilled personnel they will be prepared to offer the United Nations as the needs of new operations arise. 52. Increasingly, peace-keeping requires that civilian political officers, human rights monitors, electoral officials, refugee and humanitarian aid specialists and police playas central a role as the military. Police personnel have proved increasingly difficult to obtain in the numbers required. I recommend that arrangements be reviewed and improved for training peace-keeping personnel - civilian, police, or military - using the varied capabilities ofMember State Governments, ofnon-governmental organizations and the facilities of the Secretariat. As efforts go forward to incIude additional States as contributors, some States with considerable potential should focus on language training for police contingents which may serve with the Organization. As for the United Nations itself, special personnel procedures, incIuding incentives, should be instituted to permit the rapid transfer of Secretariat staff members to service with peace-keeping operations. The strength and capability of military staff serving in the Secretariat should be augmented to meet new and heavier requirements.
Logistics 53. Not all Governments can provide their battalions with the equipment they need for service abroad. While some equipment is provided by troop-contributing countries, a great deal has to come from the United Nations, incIuding equipment to fill gaps in under-equipped national units. The United Nations has no standing stock of such equipment. Orders must be placed with manufacturers, which creates a number of difficulties. A pre-positioned stock ofbasic peace-keeping equipment should be established, so that at least some vehicIes, communications equipment, generators, etc., would be immediately available at the start of an operation. Alternatively, Governments should commit themselves to keeping certain equipment, specified by the Secretary-General, on stand-by for immediate sale, loan or donation to the United Nations when required. 54. Member States in a position to do so should make air- and sea-lift capacity available to the United Nations free of cost or at lower than commercial rates, as was the practice until recently.
VI. Post-conßict peace-building 55. Peacemaking and peace-keeping operations, to be truly successful, must come to incIude comprehensive efforts to identify and support structures which will tend to consolidate peace and advance a sense of confidence and well-being among people. Through agreements ending civil strife, these may incIude disarming the previously warring parties and the restoration of order, the custody and possible destruction of weapons, repatriating refugees, advisory and training support for security personnei, monitoring elections, advancing efforts to protect human rights, reforming or strengthening governmental institutions and promoting formal and informal processes of political participation. 56. In the aftermath of international war, post-conflict peace-building may take the form of concrete cooperative projects which link two or more countries in a mutually beneficial undertaking that can not only contribute to economic and social development but also enhance the confidence that is so fundamental to peace. I have in mind, for example, projects
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that bring States together to develop agriculture, improve transportation or utilize resources such as water or electricity that they need to share, or joint programmes through which barriers between nations are brought down by means of freer travel, cultural exchanges and mutually beneficial youth and educational projects. Reducing ho stile perceptions through educational exchanges and curriculum reform may be essential to forestall a re-emergence of cultural and national tensions which could spark renewed hostilities. 57. In surveying the range of efforts for peace, the concept of peace-building as the construction of a new environment should be viewed as the counterpart of preventive diplomacy, which seeks to avoid the breakdown ofpeaceful conditions. When conflict breaks out, mutually reinforcing efforts at peacemaking and peace-keeping come into play. Once these have achieved their objectives, only sustained, cooperative work to deal with underIying economic, social, cultural and humanitarian problems can place an achieved peace on a durable foundation. Preventive diplomacy is to avoid a crisis; post-conflict peace-building is to prevent a recurrence. 58. Increasingly it is evident that peace-building after civil qr international strife must address the serious problem of land mines, many tens of millions of wh ich remain scattered in present or former combat zones. De-mining should be emphasized in the terms of reference of peace-keeping operations and is crucially important in the restoration of activity when peace-building is under way: agriculture cannot be revived without de-mining and the restoration oftransport may require the laying of hard surface roads to prevent re-mining. In such instances, the link becomes evident between peace-keeping and peace-building. lust as demilitarized zones may serve the cause ofpreventive diplomacy and preventive deployment to avoid conflict, so may demilitarization assist in keeping the peace or in post-conflict peace-building, as a measure for heightening the sense of security and encouraging the parties to turn their energies to the work of peaceful restoration of their societies. 59. There is a new requirement for technical assistance wh ich the United Nations has an obligation to develop and provide when requested: support for the transformation of deficient national structures and capabilities, and for the strengthening of new democratic institutions. The authority of the United Nations system to a