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German Pages 380 Year 2020
Samuel Krug Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen (1914-1921)
Global- und Kolonialgeschichte | Band 2
Für Gudrun Krug
Samuel Krug, geb. 1990, promovierte in Neuerer Geschichte an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind europäische Kolonialgeschichte und die Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens.
Samuel Krug
Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen (1914-1921) Strukturen – Akteure – Diskurse
Zugl. Dissertation, Freie Universität Berlin, 2019 mit dem Titel »Die Nachrichtenstelle für den Orient und ihre Arabische Abteilung: Eine Plattform transnationaler Interaktion und Wissensproduktion in der Zeit des Ersten Weltkriegs«
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Inhalt
Danksagung .............................................................................. 9 1.
Einleitung........................................................................... 11
2. 2.1
Die NfO als Organisation .......................................................... 37 Organisationsstruktur ..................................................................................... 42 2.1.1 Abteilungen ......................................................................................... 42 2.1.2 Organisationsform ................................................................................45 2.1.3 Leitung............................................................................................... 47 2.1.4 Räumlichkeiten .................................................................................... 51 2.1.5 Filialen .............................................................................................. 53 Ziele und Aktivitäten.......................................................................................55 2.2.1 Revolutionierung und Dschihadisierung – Kontext ....................................... 57 2.2.2 Ziel- und Richtungsvorgaben der Leiter ................................................... 63 2.2.3 Aktivitäten und Radius...........................................................................66 2.2.4 Propagandaorganisation oder Geheimdienst? ............................................. 74 Institutionelle Eingliederung und Finanzen ......................................................... 80 2.3.1 Einbindung in behördliche Strukturen ...................................................... 80 2.3.2 Budget und Finanzen ........................................................................... 83 Exkurs: Die Nachrichtensaal-Organisation.......................................................... 86 Zusammenfassung .........................................................................................90
2.2
2.3
2.4 2.5
Die Akteure ....................................................................... 93 Prägungen der Akteure vor dem Ersten Weltkrieg .................................................98 3.1.1 Herkunft, familiärer Hintergrund und soziales Milieu .................................... 99 3.1.2 Bildungsweg .......................................................................................104 3.1.3 Beruf und Militär..................................................................................109 3.1.4 Kolonialerfahrung ................................................................................ 114 3.1.5 Sprachkompetenz................................................................................ 121 3.2 Wege der Akteure in die NfO............................................................................ 124 3.2.1 Rekrutierungsmechanismen .................................................................. 124 3. 3.1
3.2.2 Motivationen für die Zusammenarbeit ..................................................... 138 3.3 Interaktionen der Akteure............................................................................... 151 3.3.1 Zusammenarbeit und Vernetzung............................................................ 152 3.3.2 Konflikte und Asymmetrien....................................................................159 3.3.3 Überwachung und Kontrolle ................................................................... 167 3.4 Zusammenfassung ........................................................................................ 176 Die Diskurse .......................................................................179 Wissensproduktion ........................................................................................182 4.1.1 Publikationen und Organe......................................................................182 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion ............................................................196 4.2 Diskurse der Vorkriegszeit ............................................................................. 209 4.2.1 Deutsche Orient- und Islamdebatten vor 1914............................................. 210 4.2.2 Arabische und islamische Debatten um 1900 ............................................. 218 4.3 Themen und Stilmittel................................................................................... 227 4.3.1 Kolonialismus, Krieg und Kultur ............................................................. 228 4.3.2 Islam und Nahost................................................................................ 255 4.3.3 Stilmittel und Argumentationsmuster ...................................................... 291 4.4 Zusammenfassung ....................................................................................... 300 4. 4.1
5. Epilog............................................................................. 303 5.1 Das Deutsche Orient-Institut und seine Auflösung .............................................. 303 5.2 Lebenswege nach dem Krieg .......................................................................... 307 5.2.1 Berufliche Werdegänge ........................................................................ 307 5.2.2 Politische und religiöse Aktivitäten ......................................................... 312 5.2.3 Nutzbarmachung der Tätigkeiten ............................................................ 315 6.
Fazit .............................................................................. 319
7.
Abkürzungsverzeichnis ........................................................... 325
8. Quellen- und Literaturverzeichnis ................................................ 327 8.1 Archivalische Quellen.................................................................................... 327 8.2 Publizierte Quellen und zeitgenössische Literatur ............................................... 328 8.2.1 Monografien und Broschüren ................................................................ 328 8.2.2 Zeitungsartikel ................................................................................... 330 8.2.3 Vorträge (gedruckt) .............................................................................. 341 8.3 Sekundärliteratur......................................................................................... 342
9.
Biografischer Anhang ............................................................. 365
10.
Personenverzeichnis ............................................................. 373
Danksagung
Auf dem Weg bis zum Erscheinen dieses Buches haben mich viele Menschen auf sehr unterschiedliche Weise begleitet und unterstützt. Bei ihnen möchte ich mich bedanken: Mein Dank gilt zunächst meinem Doktorvater Prof. Dr. Oliver Janz, ohne dessen Mitwirkung und Zuspruch ich mein Promotionsvorhaben niemals hätte angehen und abschließen können. Als er 2015 zugestimmt hat, mich in den Kreis seiner Doktoranden aufzunehmen, begann für mich eine lehrreiche Zeit mit vielen neuen Erfahrungen und Erkenntnissen. Sehr bedanken möchte ich mich auch bei meiner Zweitgutachterin Prof. Dr. Ulrike Freitag für ihre pointierten Nachfragen und ihre Anregungen. Ferner danke ich den Forscherinnen und Forschern rund um das LeibnizZentrum Moderner Orient und das Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin Dr. Gundula Gahlen, Prof. Dr. Jennifer Jenkins, Dr. Heike Liebau, Dr. Tessa Lobbes, Dr. Hannah Malone, Larissa Schmid und Dr. Jennifer Willenberg dafür, dass ich an den vielen Gesprächen, Konferenzen und Workshops teilnehmen und an ihren unfassbar spannenden Projekten teilhaben durfte. Prof. Udo Steinbach danke ich für die Überlegungen zum Deutschen OrientInstitut. Bei Prof. Dr. Gottfried Hagen bedanke ich mich für die Unterstützung bei der Auffindung wichtiger Quellen. Auch möchte ich den Mitarbeiterinnen und -mitarbeitern der von mir besuchten Bibliotheken und Archive danken, die meine Arbeit über die Dauer ihrer Entstehung begleitet haben. Ich möchte mich auch bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, den Referentinnen und Referenten sowie den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern der Promotionsförderung für die Unterstützung dieses Projektes bedanken. Das Stipendium hat mir die finanzielle Unabhängigkeit und damit die innere Ruhe gegeben, mein Vorhaben konzentriert und zügig zum Abschluss zu bringen. Mein ganz besonderer Dank gilt Jan Ole Bangen, Tom Bioly, Henriette Hanky, Dr. Jörg Haustein, Sebastian Kunze, Vincent Regente, Dr. Michael K. Schulz, Elisabeth Socha und Dr. Oliver Stein für den regen Austausch und die guten, ehrlichen Gedanken zu meiner Arbeit. Mein umfassender Dank gilt auch meinem persönlichen Umfeld für die Anteilnahme und den Beistand in den manchmal zähen Phasen der Promotion: Robert
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Brockhaus, Imke Charlotte Fröhlich, Ibrahim Ismail, Milena und Andreas Michalovcik, Silvia Madotto, Robin Schäfer, Benedikt Winkhart, meinen Großeltern Herta und Josef Schweis und natürlich meiner Mutter Gudrun Krug.
1. Einleitung
»There were all nations of the East in the streets of Berlin: conceited Young Turks, fussy Egyptians, acute but pessimistic Persians, nondescript Arabs, handsome Georgians and others, who fancied that the triumph of German arms would redress the wrongs of their countries.«1 So beschrieb der indische Nationalist Lala Har Dayal seine Eindrücke in der deutschen Hauptstadt während des Ersten Weltkriegs. Warum kamen ausgerechnet diese nations of the East nach Berlin? Was machten sie dort? Und was waren die wrongs, die sie dazu bewogen? Während des zunächst europäischen Konflikts, der immer weitere Kreise zog, europäische Kolonien sowie nichteuropäische Staaten mit sich riss und letztlich als Großer Krieg bzw. Erster Weltkrieg in die Geschichte einging, versuchten sich die Kriegsparteien an Strategien fernab der Schlachtfelder, um ihre Gegner zu schwächen. Dazu gehörte neben dem massiven Ausbau von Geheimdiensttätigkeiten eine zunehmend komplexe Form der Propaganda. Im Deutschen Reich erhoffte man sich, durch die gezielte Meinungsbeeinflussung in kriegstreibenden und neutralen Ländern den Kriegsverlauf zugunsten Deutschlands verändern zu können. Eine kleine Gruppe deutscher Akteure in Politik, Militär und Wissenschaft war davon überzeugt, dass sich gerade die Muslime in den Kolonien Frankreichs und Großbritanniens sowie in einigen Gebieten Russlands zu Aufständen mobilisieren lassen würden.2 Die »Aufwiegelung« muslimischer Subjekte Frankreichs, Großbritanniens und Russlands würde – so die Hoffnung – die Entente dazu zwingen, Truppen 1 2
Lala Har Dayal, Forty-Four Months in Germany and Turkey: February 1915 to October 1918, London 1920, S. 55. In der vorliegenden Arbeit wird auf Doppelnennung femininer und maskuliner Formen (etwa Akteurinnen und Akteure) verzichtet und – sofern möglich – eine geschlechterneutrale Variante gewählt. In den meisten Fällen wurde jedoch auf die maskuline Form zurückgegriffen, was daran liegt, dass Frauen als Akteurinnen im hier behandelten Feld unterrepräsentiert waren. Insbesondere in den Quellen sind Frauen selten als handelnde Subjekte zu finden. Der Grund hierfür war jedoch nicht nur, dass wenige Frauen in der deutschen Nahostpolitik und -propaganda aktiv waren. Frauen wurden in den Quellen außerdem nicht genannt, da sie als soziale Gruppe marginalisiert und z.T. wohl nicht für biografiewürdig oder überhaupt erwähnenswert erachtet wurden. Siehe dazu insbesondere das Kap. 3.3.2 Konflikte und Asymmetrie.
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von europäischen Schlachtfeldern abzuziehen, um Aufstände in ihren Kolonien zu bekämpfen. Das Deutsche Reich sollte daraus einen militärischen Vorteil an der Ost- und Westfront ziehen.3 Der Versuch, Islam und Antikolonialismus für deutsche Zwecke nutzbar zu machen und Muslime weltweit aufzustacheln, machte die Zusammenarbeit mit antikolonialen Akteuren aus den jeweiligen Regionen nötig. Die transnationalen Aktivisten kamen in die Hauptstadt des Deutschen Reichs, da sie Berlin als idealen Ort sahen, um für die Unabhängigkeit ihrer Länder von europäischer Herrschaft einzutreten. Lala Har Dayal war einer von ihnen. Seine antikolonialen »Kollegen« stammten aus den Kolonien Frankreichs und Großbritanniens, v.a. aus Tunesien, Algerien, Marokko, Ägypten und Indien. Einige, wie der Ägypter Muhammad Farid, hatten bereits vor dem Krieg durch antikoloniales Engagement eine gewisse Berühmtheit erlangt. Viele dieser antikolonialen Aktivisten, aber auch andere nichtdeutsche Akteure, die sich während des Krieges in Deutschland aufhielten, arbeiteten mit der Nachrichtenstelle für den Orient (NfO) zusammen. Die Nachrichtenstelle war kurz nach Kriegsausbruch vom Auswärtigen Amt (AA) mit dem ausdrücklichen Ziel der Meinungsbeeinflussung eingerichtet worden und bot den Antikolonialisten eine ideale Plattform, ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen und möglichst breite Öffentlichkeiten zu erreichen. Die NfO und insbesondere deren Arabische Abteilung, welche die fussy Egyptians und nondescript Arabs beschäftigte, stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Das Ziel dieser Studie ist es, die Handlungsoptionen in der transnational ausgerichteten Organisation Nachrichtenstelle für den Orient zu beleuchten. Hierfür werden die Interaktionen zwischen Akteuren mit unterschiedlicher biografischer Herkunft und politischer Ausrichtung sowie die Wissensproduktion innerhalb der Organisation analysiert. Aufgrund der inhaltlichen Schwerpunkte und des methodischen Ansatzes ist die Arbeit sowohl eine Kollektivbiografie der in die NfO involvierten Personen als auch eine Diskursanalyse der publizierten Texte. Anhand der Beschreibung der Nachrichtenstelle für den Orient können diverse zeitgenössische institutionelle, politische, religiöse und ideengeschichtliche Entwicklungen in den Blick gefasst werden: von der Politisierung deutscher Wissenschaften über die Rolle nichtdeutscher Akteure bei der Genese von »deutschem« Wissen bis hin zum Ausbau von Geheimdiensten, zur Auseinandersetzung mit dem Islam in Deutschland sowie der Professionalisierung von Propaganda.
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Martin Kröger, Revolution als Programm: Ziele und Realität deutscher Orientpolitik im Ersten Weltkrieg, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Erste Weltkrieg: Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München/Zürich 1994, S. 366-391.
1. Einleitung
Forschungsstand Nur in wenigen Fällen taucht die Nachrichtenstelle für den Orient explizit in Titeln von Forschungsarbeiten auf. Maren Bragulla gibt in ihrer publizierten Magisterarbeit einen Überblick über die Organisation. Sie bezieht sich vor allem auf Sekundärliteratur, untersucht jedoch auch einige Quellen.4 In einem sechsseitigen Artikel befasst sich Peter Heine mit den Publikationen der NfO.5 Auch ohne ausdrückliche Nennung im Titel, nehmen die Nachrichtenstelle für den Orient und ihre Publikationen in einem Artikel von Salvador Oberhaus eine zentrale Rolle ein.6 Der Artikel ist zu einem großen Teil seiner Dissertation entnommen.7 In einem weiteren kürzeren Artikel beschreibt Peter Heine die von der Nachrichtenstelle gegründete Gefangenenzeitung El Dschihad.8 Während Heine sich vor allem auf die arabischsprachige Fassung der Zeitung konzentriert, beschreibt Heike Liebau in ihrem Beitrag die Hindi-Variante des Journals.9 Aufgrund des formatbedingten begrenzten Umfangs dieser Studien (Artikel und Abschlussarbeit) werden lediglich bestimmte Teilaspekte behandelt, und diese nur grob. Die restliche Forschungsliteratur, die sich mit der NfO befasst, beschreibt die Organisation ausschließlich im Kontext allgemeinerer Fragen mit direktem Kriegsbezug: Herbert Landolin Müller erörtert in seiner Dissertation die deutsche Maghreb-Politik,10 Tilman Lüdke befasst sich im Rahmen seiner Dissertation und einiger Artikeln mit der deutschen Nahost- und Islampolitik insgesamt,11 4 5 6
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Maren Bragulla, Die Nachrichtenstelle für den Orient: Fallstudie einer Propagandainstitution im Ersten Weltkrieg, Saarbrücken 2007. Peter Heine, Die »Nachrichtenstelle für den Orient« und die deutsche Öffentlichkeit, in: Spektrum Iran 19/2 (2006), S. 8-13. Salvador Oberhaus, The Kaisers [sic!] Spy? Max von Oppenheim und der »Djihad – Made in Germany«: Die deutsche Propagandastrategie für den Orient im Ersten Weltkrieg an der Schnittstelle zwischen Informationskontrolle und Spionage, in: Lisa Anna Medrow/Daniel Münzner/Robert Radu (Hg.), Kampf um Wissen: Spionage, Geheimhaltung und Öffentlichkeit, 1870-1940, Paderborn 2015, S. 92-116. Ders., »Zum wilden Aufstande entflammen«: Die deutsche Propagandastrategie für den Orient im Ersten Weltkrieg am Beispiel Ägypten, Saarbrücken 2007. Peter Heine, Al-Ǧihad: Eine deutsche Propagandazeitung im 1. Weltkrieg, in: Die Welt des Islams 20/3-4 (1980), S. 197-199. Heike Liebau, Hindostan: Eine Zeitung für südasiatische Kriegsgefangene in Deutschland, 1915-1918, in: Franziska Roy/Heike Liebau/Ravi Ahuja (Hg.), Soldat Ram Singh und der Kaiser: Indische Kriegsgefangene in deutschen Propagandalagern, 1914-1918, Heidelberg 2014b, S. 261-286. Herbert L. Müller, Islam, ǧihad (»Heiliger Krieg«) und Deutsches Reich: Ein Nachspiel zur wilhelminischen Weltpolitik im Maghreb, 1914-1918, Frankfurt a.M. u.a. 1991. Tilman Lüdke, Jihad Made in Germany: Ottoman and German Propaganda and Intelligence Operations in the First World War, Münster 2005, ders., Strange Fronts, Strange Wars: Germany’s Battle for »Islam« in the Middle East during the First World War and British Reactions, in: Joachim Bürgschwentner/Matthias Egger/Gunda Barth-Scalmani (Hg.), Other Fronts, other Wars?: First World War Studies on the Eve of the Centennial, Leiden/Boston
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die bereits genannte Dissertation von Salvador Oberhaus nimmt vor allem die deutsche Ägyptenpolitik dieser Zeit in den Blick12 und in einer zweibändigen Habilitation befasst sich Wolfdieter Bihl mit der deutschen Kaukasuspolitik während des Kriegs.13 Generell ist die Forschung zum Thema Revolutionierungsbestrebungen des Deutschen Kaiserreichs während des Ersten Weltkriegs sehr vielseitig. Bereits in den 1960er Jahren sind mit den Publikationen von Egmont Zechlin und Fritz Fischer wichtige Überblicksdarstellungen entstanden.14 Fischers Monografie ist noch immer ein wichtiges Nachschlagewerk für die globale Perspektive deutscher Revolutionierungsbestrebungen der Zeit und gab wiederholt Anstoß für weitere Untersuchungen zu diesem Thema.15 In diesem Zusammenhang entstanden immer wieder Publikationen zu einzelnen Weltregionen oder Teilfragen: Cornelis van Dijk befasst sich in einer Monografie mit Niederländisch-Indonesien,16 Christine Strotmann in einem Artikel mit Irland.17 Die zweibändige Habilitation von Wolfdieter Bihl zum Kaukasus wurde bereits genannt.18 Auch Rudolf Mark befasst sich mit dem Kaukasus.19 Mit Indien setzt sich Thomas Fraser in einem Artikel auseinander und Ulrich Gehrke in seiner Dissertation mit Persien.20 In all diesen
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2014, S. 289-414 und ders., (Not) Using Political Islam: The German Empire and its Failed Propaganda Campaign in the Near and Middle East, 1914-1918 and Beyond, in: Erik Jan Zürcher (Hg.), Jihad and Islam in World War I: Studies on the Ottoman Jihad at the Centenary of Snouck Hurgronje’s »Holy War Made in Germany«, Leiden 2016, S. 71-94. Oberhaus 2007. Wolfdieter Bihl, Die Kaukasus-Politik der Mittelmächte (I. Teil): Ihre Basis in der OrientPolitik und ihre Aktionen, 1914-1917, Wien 1975 und ders., Die Kaukasus-Politik der Mittelmächte (II. Teil): Die Zeit der versuchten kaukasischen Staatlichkeit, 1917-1918, Wien 1992. Egmont Zechlin, Friedensbestrebungen und Revolutionierungsversuche, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 20 (1961), S. 269-288 und Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht: Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland, 1914/1918, Düsseldorf 1964. Jennifer Jenkins, Fritz Fischer’s »Programme for Revolution«: Implications for a Global History of Germany in the First World War, in: Journal of Contemporary History 48/2 (2013), S. 397-417, hier: S. 416. Cornelis van Dijk, Colonial Fears: Pan-Islamism and the Germano-Indian Plot, 1890-1918, in: Huub de Jonge/Nicolaas J. G. Kaptein (Hg.), Transcending Borders: Arabs, Politics, Trade and Islam in Southeast Asia, Leiden 2002, S. 53-89. Christine Strotmann, The Revolutionary Program of the German Empire: The Case of Ireland, in: Gearóid Barry/Enrico Dal Lago/Róisín Healy (Hg.), Small Nations and Colonial Peripheries in World War I, Leiden/Boston 2016, S. 19-36. Bihl 1975 und ders. 1992. Rudolf A. Mark, Krieg an fernen Fronten: Die Deutschen in Russisch-Turkestan und am Hindukusch, 1914-1924, Paderborn 2013. Thomas G. Fraser, Germany and Indian Revolution, 1914-18, in: Journal of Contemporary History 12/2 (1977), S. 255-272 und Ulrich Gehrke, Persien in der deutschen Orientpolitik während des Ersten Weltkriegs, Stuttgart 1960.
1. Einleitung
Werken, mit Ausnahme von Bihl, wird die Nachrichtenstelle für den Orient nicht oder nur ganz am Rande erwähnt. Das deutsche Interesse am arabischsprachigen Nahen und Mittleren Osten, der in der vorliegenden Studie im Mittelpunkt steht, war immer wieder Gegenstand der Forschung: Ulrich Trumpener beschreibt in seiner Monografie als einer der Ersten das deutsche Engagement im Osmanischen Reich.21 Donald McKale befasst sich ebenfalls mit den deutschen Interessen in der Region, betrachtet diese aber vor allem im Zusammenspiel mit den britischen Interessen vor Ort.22 Auch Martin Kröger und Wolfgang Schwanitz setzen sich eingehend mit den deutschen Ambitionen in der arabischsprachigen und der osmanischen Welt auseinander.23 Alexander Will und Irmgard Farah erörtern deutsche Propaganda im Nahen und Mittleren Osten.24 Jürgen Kloosterhuis liefert zudem mit seiner zweibändigen Dissertation ein wichtiges Nachschlagewerk zentraler Einrichtungen der deutschen auswärtigen Politik während der Kaiserzeit.25 Die Studien von Trumpener, McKale, Kröger, Schwanitz, Will und Farah lassen jedoch die Ambitionen nichtdeutscher Akteure außer Acht. Einen weitaus größeren Raum nimmt diese Perspektive in den Publikationen von Abel-Raouf Sinno, Lothar Rathmann und Gerhard Höpp ein.26 Rathmann, stark von der DDRGeschichtsschreibung geprägt, beurteilt das Kaiserreich ausschließlich negativ und idealisiert die Ambitionen nichtdeutscher Akteure als antiimperialistischen Freiheitskampf. Sein Schüler Höpp hält sich mit einer ähnlichen Wertung der einzelnen Akteure und Interessen – zumindest in der Literatur, die nach dem Mauerfall 21 22 23
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Ulrich Trumpener, Germany and the Ottoman Empire, 1914-1918, Princeton 1968. Donald M. McKale, War by Revolution: Germany and Great Britain in the Middle East in the Era of World War I, Kent 1998. Kröger 1994 und Wolfgang G. Schwanitz, Die Berliner Djihadisierung des Islam: Wie Max von Oppenheim die islamische Revolution schürte, in: KAS-Auslandsinformationen 10 (2010), S. 17-37. Alexander Will, Kein Griff nach der Weltmacht: Geheime Dienste und Propaganda im deutsch-österreichisch-türkischen Bündnis, 1914-1918, Köln 2012 und Irmgard Farah, Die deutsche Pressepolitik und Propagandatätigkeit im Osmanischen Reich von 1908-1918, unter besonderer Berücksichtigung des »Osmanischen Lloyd«, Beirut u.a. 1993. Jürgen Kloosterhuis, »Friedliche Imperialisten«: Deutsche Auslandsvereine und auswärtige Kulturpolitik, 1906-1918, Frankfurt a.M./Berlin 1994. Abdel-Raouf Sinno, The Role of Islam in German Propaganda in the Arab East during the First World War: Aims, Means, Results and Local Reaction, in: Olaf Farschid/Manfred Kropp/Stephan Dähne (Hg.), The First World War as Remembered in the Countries of the Eastern Mediterranean, Würzburg 2006, S. 391-414, Lothar Rathmann, Stossrichtung Nahost 1914-1918: Zur Expansionspolitik des deutschen Imperialismus im 1. Weltkrieg, Berlin 1963 und ders., Ägypten im Exil (1914-1918): Patrioten oder Kollaborateure des deutschen Imperialismus?, in: Asien in Vergangenheit und Gegenwart: Beiträge der Asienwissenschaftler der DDR zum XXIX. Internationalen Orientalistenkongress 1973 in Paris, Berlin 1974, S. 1-25. Zu Höpp s. folgende Fußnote.
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entstanden ist – weitestgehend zurück. Gerade Höpp deckt viele unterschiedliche Bereiche der deutschen Nahostpolitik während des Krieges ab und fasst Akteure, Institutionen (wie das Gefangenenlager) und Publikationen in den Blick.27 Sowohl Rathmann als auch Höpp ist das große Verdienst zuzusprechen, dass sie die agency nichtdeutscher Akteure in den Mittelpunkt der Forschung rücken, wozu sie als deutsche Nahosthistoriker mit den für das Quellenstudium nötigen Sprachkenntnissen in der Lage waren. Ebenso befassen sich Marc Trefzger, Heike Liebau, Daniel Brückenhaus und Hamadi al-Sahili mit nichteuropäischen antikolonialen Akteuren und deren Austausch mit europäischen Behörden und Akteuren.28 Nicht zuletzt seien die für diese Arbeit verwendeten publizierten und unpublizierten Master- und Magisterarbeiten genannt, die bestimmte Teilaspekte der deutschen Nahostpolitik während des Krieges beleuchten: Bragullas publizierte Magisterarbeit zur Nachrichtenstelle für den Orient wurde eingangs genannt. Jan Brauburger und Karim Thurow setzen sich in ihren jeweiligen Abschlussarbeiten mit der Gefangenenzeitung El Dschihad auseinander.29 Gottfried Hagen sammelt, 27
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Gerhard Höpp, »Die ägyptische Frage ist in Wirklichkeit eine internationale«: Zur politischpublizistischen Tätigkeit ägyptischer Antikolonialisten in Berlin, 1918-1928, in: Asien, Afrika, Lateinamerika: Zeitschrift des Zentralen Rates für Asien-, Afrika- und Lateinamerikawissenschaften in der DDR 15/1 (1987), S. 87-98, ders., Zwischen Entente und Mittelmächten: Arabische Nationalisten und Panislamisten in Deutschland, 1914 bis 1918, in: Asien, Afrika, Lateinamerika: Zeitschrift des Zentralen Rates für Asien-, Afrika- und Lateinamerikawissenschaften in der DDR 19/5 (1991), S. 827-845, ders., Arabische und islamische Periodika in Berlin und Brandenburg: 1915-1945, geschichtlicher Abriß und Bibliographie, Berlin 1994, ders., Muslime in der Mark: Als Kriegsgefangene und Internierte in Wünsdorf und Zossen, 1914-1924, Berlin 1997, ders., Zwischen allen Fronten: Der ägyptische Nationalist Mansur Mustafa Rifʿat (18831926) in Deutschland, in: Wagih Atiq/Wolfgang G. Schwanitz (Hg.), Ägypten und Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert im Spiegel von Archivalien, Kairo 1998, S. 53-64, ders., Texte aus der Fremde: Arabische politische Publizistik in Deutschland, 1896-1945: Eine Bibliographie, Berlin 2000 und ders., Zwischen Universität und Straße: Ägyptische Studenten in Deutschland, 1849-1945, in: Konrad Schliephake/Ghazi Shanneik (Hg.), Die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ägypten, Würzburg 2002, S. 31-42. Marc Trefzger, Die nationale Bewegung Ägyptens vor 1928 im Spiegel der schweizerischen Öffentlichkeit, Basel 1970, Heike Liebau, Das Deutsche Auswärtige Amt, Indische Emigranten und propagandistische Bestrebungen unter den südasiatischen Kriegsgefangenen im »Halbmondlager«, in: Franziska Roy/Heike Liebau/Ravi Ahuja (Hg.), Soldat Ram Singh und der Kaiser: Indische Kriegsgefangene in deutschen Propagandalagern, 1914-1918, Heidelberg 2014a, S. 109-144, Daniel Brückenhaus, Policing Transnational Protest: Liberal Imperialism and the Surveillance of Anticolonialists in Europe, 1905-1945, New York 2017 und Hamadi al-Sahili, Nashat al-Wataniyyin al-Tunisiyyin fi l-Mahgar athna al-Harb al-ʿAlamiyya al-Ula [Die Tätigkeit der tunesischen Nationalisten im Exil während des Ersten Weltkriegs], in: Revue d’Histoire Maghrébine 11/33-34 (1984), S. 182-192. Jan Brauburger, »… und sie eilten in Massen, das geliebte Vaterland zu verteidigen«: Das ğihād-Verständnis osmanischer und deutscher Propagandisten im Ersten Weltkrieg am Beispiel der arabischsprachigen Lagerzeitung »El Dschihad: Zeitung für die muhamme-
1. Einleitung
übersetzt und beschreibt in seiner publizierten Magisterarbeit Flugblätter deutschen Ursprungs, die sich in verschiedenen Sprachen an Soldaten und Bevölkerungen im Nahen und Mittleren Osten richteten.30 Seine Monografie ist eine wichtige Quellensammlung. Maja Sojref schreibt über die im Kontext der NfO entstandene Zeitschrift Die Islamische Welt.31 Eine für den spezifischen, biografiegeschichtlichen Ansatz der vorliegenden Arbeit überaus relevante Gattung an Forschungsliteratur ist die Biografie. Biografien liegen entweder in der Form von Lexikoneinträgen, Artikeln oder Monografien vor. Ein wichtiges Überblickswerk zu jenen Personen, die sich im Umfeld der NfO bewegten und aus dem deutschen diplomatischen Dienst stammten, ist das vom Auswärtigen Amt herausgegebene fünfbändige Biographische Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871-1945.32 Für ägyptische, antikoloniale Akteure ist Arthur Goldschmidts Biographical Dictionary of Modern Egypt unverzichtbar.33 Darüber hinaus wurden für einzelne Akteure andere Lexika herangezogen, wie das Biographische Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933-1945 und das von Pierre Bardin herausgegebene Algériens et Tunisiens dans l’Empire ottoman de 1848 à 1914.34 Zu einzelnen Akteuren gibt es längere Abhandlungen: zu Max von Oppenheim (Gabriele Teichmann, Lionel Gossman, Marc Hanisch und weitere)35 , Curt Prü-
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danischen Kriegsgefangenen«, 1915-1916 [unpublizierte Masterarbeit], Berlin 2017 und Karim Thurow, Die arabischsprachige Ausgabe der deutschen Kriegsgefangenenzeitschrift alǦihad, 1915-1918 [unpublizierte Magisterarbeit], Köln o.J. Gottfried Hagen, Die Türkei im Ersten Weltkrieg: Flugblätter und Flugschriften in arabischer, persischer und osmanisch-türkischer Sprache aus einer Sammlung der Universitätsbibliothek Heidelberg, eingeleitet, übersetzt und kommentiert, Frankfurt a.M. 1990. Maja Sojref, German-Ottoman Relations during the First World War: A Study of Die Islamische Welt [unpublizierte Masterarbeit], Oxford 2016. Darüber hinaus läuft derzeit noch eine Reihe von Dissertationsprojekten, die sich mit unterschiedlichen Akteuren und Aspekten der deutschen Nahostpolitik und -propaganda der Kriegszeit befassen. Dazu zählen die Projekte von Marc Hanisch über Max von Oppenheim, von Larissa Schmid über das Halbmondlager bei Berlin, von Amir Theilhaber über Friedrich Rosen und von Jan Zinke über Rudolf Nadolny. Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 1-5, Paderborn u.a. 2000-2014. Arthur Goldschmidt, Biographical Dictionary of Modern Egypt, Boulder 2000. Institut für Zeitgeschichte/Research Foundation for Jewish Immigration (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933-1945, Bd. 1-3, München 19801983 und Pierre Bardin, Algériens et Tunisiens dans l’Empire ottoman de 1848 à 1914, Paris 1979. Gabriele Teichmann (Hg.), Faszination Orient: Max von Oppenheim – Forscher, Sammler, Diplomat, Köln 2003, Lionel Gossman, The Passion of Max von Oppenheim: Archaeology and Intrigue in the Middle East from Wilhelm II to Hitler, Cambridge 2014, Marc Hanisch, Max Freiherr von Oppenheim und die Revolutionierung der islamischen Welt als anti-imperiale Befreiung von oben, in: Wilfried Loth/Marc Hanisch (Hg.), Erster Weltkrieg und Dschihad: Die Deutschen und die Revolutionierung des Orients, München 2014b, S. 13-38, Wilhelm
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fer (Donald McKale, Marc Hanisch, und Arnoud Vrolijk)36 , Mansur Rifʿat (Gerhard Höpp)37 , ʿAbd al-ʿAziz Jawish (Anwar al-Jundi)38 , Muhammad al-Khidr Husayn (Muhammad Muwaʿada)39 , Salih al-Sharif (Peter Heine und ʿAbd al-Jalil alTamimi)40 , ʿAli Shamsi (Samir Raafat)41 , ʿAbd al-Rahman ʿAzzam (Ralph Coury)42 und Herbert Mueller sowie Friedrich Perzyński (jeweils Hartmut Walravens)43 . Daneben existiert eine Reihe von zeitgenössischen Nachrufen. Diese sind als Gattung problematisch und liefern keine neutrale Beschreibung, da sie sich durch eine »positive Bewertung von Lebensleistungen und eine Überhöhung der Bedeutung von Persönlichkeiten«44 auszeichnen. Bei der biografischen Forschung darf schließlich eine massive Asymmetrie nicht unerwähnt bleiben: Während zu einigen Personen mehrere Publikationen vorliegen, sind andere Viten, wie die von Ruth Buka und Muhammad al-Rushdi, ausschließlich aus Quellen rekonstruierbar. Ob und in welchem Maße das Leben einzelner Akteure verschriftlicht wurde, hängt unter anderem davon ab, welche Relevanz Zeitgenossen und nachfolgende Generationen den
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Treue, Max Freiherr von Oppenheim: Der Archäologe und die Politik, in: Historische Zeitschrift 209/1 (1969), S. 37-74 und Donald M. McKale, »The Kaiser’s Spy«: Max von Oppenheim and the Anglo-German Rivalry Before and During the First World War, in: European History Quarterly 27/2 (1997b), S. 199-219. Über diese zentralen Werke zu von Oppenheim existiert eine Vielzahl weiterer Publikationen, die sich mit der Person befassen. Donald M. McKale, Curt Prüfer: German Diplomat from the Kaiser to Hitler, Kent 1987, Marc Hanisch, Curt Prüfer: Orientalist, Dragoman und Oppenheims »man on the spot«, in: Wilfried Loth/Marc Hanisch (Hg.), Erster Weltkrieg und Dschihad: Die Deutschen und die Revolutionierung des Orients, München 2014a, S. 167-192 und Arnoud Vrolijk, From Shadow Theatre to the Empire of Shadows: The Career of Curt Prüfer, Arabist and Diplomat, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 156/2 (2006), S. 369-378. Höpp 1998. Anwar al-Jundi, ʿAbd al-ʿAziz Jawish: Min Ruwwad al-Tarbiyya wa-l-Sihafa wa-l-Ijtimaʿ [ʿAbd al-ʿAziz Jawish: Ein Pionier der Erziehung, der Publizistik und der Begegnung], Kairo 1965. Muhammad Muwaʿada, Muhammad al-Khidr Husayn: Hayatuhu wa-atharuhu [Muhammad al-Khidr Husaiyn: Sein Leben und sein Vermächtnis], Tunis 1974. Peter Heine, Salih Ash-Sharif at-Tunisi: A North African Nationalist in Berlin during the First World War, in: Revue de l’Occident musulman et de la Méditerranée 33/1 (1982b), S. 89-95 und ʿAbd al-Jalil al-Tamimi, Min Aʿlamina al-Barizin wa-l-Mansiyyin: Al-Shaykh Salih al-Sharif al-Tunisi [Unter unseren berühmten und vergessenen Gelehrten: Scheich Salih al-Sharif alTunisi], in: Revue d’Histoire Maghrébine 8/23-24 (1981), S. 345-353. Samir W. Raafat, Privileged for Three Centuries: The House of Chamsi Pasha, Kairo 2011. Ralph M. Coury, The Making of an Egyptian Arab Nationalist: The Early Years of Azzam Pasha, 1893-1936, Reading 1998. Hartmut Walravens, Herbert Mueller (1885-1966): Sinologe, Kunsthändler, Jurist und Journalist, eine biobibliographische Skizze, Berlin 1992 und ders., Friedrich Perzyński (1877-1962?): Kunsthistoriker, Ostasienreisender, Schriftsteller, Leben – Werk – Briefe, Melle 2005. Jan Logemann, Transatlantische Karrieren und transnationale Leben: Zum Verhältnis von Migrantenbiographien und transnationaler Geschichte, in: BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 28/1-2 (2015), S. 80-101, hier: S. 80.
1. Einleitung
Personen zusprachen, d.h., ob die jeweiligen Akteure für biografiewürdig erachtet wurden.45 Die Forschungsliteratur, welche die Nachrichtenstelle für den Orient behandelt, weist eine Reihe von Mängeln auf: Erstens ist insbesondere die Überblicksliteratur, die sich nur aus Sekundärquellen speist, zum Teil lücken- und fehlerhaft. Beispiele wären hier etwa die Artikel von Iskander Gilyazov und Douglas McGetchin, in denen Personennamen falsch geschrieben und Daten inkorrekt angegeben werden.46 Zweitens ist der Umstand, dass die Nachrichtenstelle nur im Kontext des Krieges behandelt wird, problematisch. Die Werdegänge der in die NfO involvierten Personen und gerade die Diskurse sind stark von Ereignissen und Entwicklungen der Vorkriegszeit geprägt. Vor allem der Faktor Kolonialismus darf und kann bei einer Analyse der Nachrichtenstelle nicht außer Acht gelassen werden, da sich sowohl die Akteure als auch deren Rhetorik im Wechselspiel von kolonialen bzw. imperialen Ambitionen und antikolonialen Bestrebungen bewegten. Mit dem Fokus auf den Krieg hängt drittens eine weitere Problematik zusammen: Die deutschen Revolutionierungsbestrebungen und die Tätigkeit der NfO werden häufig als gescheitert dargestellt.47 Zweifelsohne gelang es den Akteuren der Nachrichtenstelle nicht, Aufstände in den kolonialen Gebieten Frankreichs, Großbritanniens und Russlands mit islamischen Mehrheiten zu verursachen. In den Worten Rudolf Nadolnys, einer der zentralen Ansprechpartner der NfO beim Militär: »Überhaupt hatten wir mit der Verkündigung des Heiligen Krieges wenig Glück.«48 Ebenso wenig war die NfO sonderlich erfolgreich dabei, muslimische Internierte aus den Gefangenenlagern bei Berlin dazu zu bewegen, sich auf die Seite des Osmanischen Reichs zu schlagen. Die einseitige Betonung dieser Perspektive vernachlässigt jedoch, dass die Aktivitäten der NfO in der Tat Folgen hatten: Menschen, Gelder und Ideen wurden bewegt, es fand ein intellektueller Austausch statt und Netzwerke wurden etabliert, wie im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit zu zeigen sein wird. Viertens bestehen bei der Beschreibung jener Akteure, die in die deutschen Revolutionierungsbestrebungen involviert waren, einige Schwierigkeiten. Ein Teil der Literatur klammert die agency nichtdeutscher Akteure aus und sieht die Aktivitäten als ein rein deutsches Projekt, etwa Schwanitz und Lüdke. Darüber hinaus werden deutsche und nichtdeutsche Akteure in der Regel getrennt beschrieben. 45 46
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Mehr dazu in Kap. 1.3.1 Biografieforschung. Iskander Ayazovich Gilyazov, Germany and its Plans for »Revolutionization« of the Islamic World During World War I, in: Terra Sebus: Acta Musei Sabesiensis, Sonderheft (2014), S. 397409 und Douglas T. McGetchin, Indo-German Connections, Critical and Hermeneutical, in the First World War, in: The Comparatist 34/1 (2010), S. 95-126. Eine Kritik am Fokus auf das Scheitern der deutschen Revolutionierungsbestrebungen findet sich bei Alexander Will (Will 2012). Rudolf Nadolny, Mein Beitrag: Erinnerungen eines Botschafters des Deutschen Reiches, herausgegeben und eingeleitet von Günter Wollstein, Köln 1985, S. 87.
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Interaktionen zwischen Personen oder Personengruppen spielen in der Forschung nur eine marginale Rolle. Zudem werden häufig nur die Tätigkeiten und Ambitionen »prominenter« Akteure erörtert. Jene, die vor allem »Hilfstätigkeiten« ausübten, fallen aus der Betrachtung zumeist heraus.49 Fünftens findet sich keine systematische Analyse von NfO-Diskursen. Zwar nennen und analysieren einige Forscher, wie oben erwähnt, unterschiedliche NfO-Publikationen, eine tiefergehende Analyse sämtlicher Plattformen und Gattungen ist bisher jedoch nicht erfolgt. Damit hängt sechstens zusammen, dass bisher keine gemeinsame Betrachtung von Akteuren und Diskursen sowie der wechselseitigen Beeinflussung stattgefunden hat. Diese Leerstellen möchte die vorliegende Arbeit schließen.
Thesen Die zentrale These der vorliegenden Arbeit ist, dass Akteure mit divergierenden biografischen Hintergründen die Nachrichtenstelle für den Orient und ihre Arabische Abteilung während ihres Bestehens von 1914 bis 1921 als Plattform wahrnahmen und für eigene – z.T. entgegengesetzte – religiöse, politische sowie berufliche Ziele nutzten. Damit ist eine Reihe von Fragen verbunden: Welche Rolle spielten etwa deutsche Kriegsinteressen oder übergeordnete Organisationsziele für die Arbeit der NfO? Waren die kolonialen, religiösen, wissenschaftlichen sowie beruflichen Erfahrungen und Kontakte aus der Vorkriegszeit eventuell wichtiger? Die Arabische Abteilung stand, gemessen an der Mitarbeiterzahl sowie der Zahl der für den arabischsprachigen Nahen und Mittleren Osten produzierten Publikationen, im Mittelpunkt der NfO. Daher dreht sich die vorliegende Arbeit vor allem um die Aktivitäten und Diskurse dieser Abteilung. Dennoch gibt es immer wieder Schlaglichter auf andere Bereiche der NfO. Die Organisation gilt hier als flexible, wandelbare Einrichtung zwischen Verein und Behörde, deren Aufgabengebiet und Struktur sukzessive ausgebaut wurden. Dabei schwankten die Tätigkeiten der Mitarbeiter und Affiliierten zwischen geheimdienstlichen und propagandistischen Tätigkeiten. Insbesondere die nichtdeutschen Mitarbeiter und Affiliierten waren keine unwissenden oder gar willenlosen Kollaborateure deutscher Kriegstreiber, sondern verfolgten ihre eigenen Interessen. Die zweite These ist daher, dass die Interaktionen der NfO-Akteure keineswegs harmonisch waren und übergeordneten deutschen Zielen dienten. Vielmehr war die Zusammenarbeit trotz zeitweiliger Interessenkonvergenzen und Momenten der Kooperation von Spannungen, Konflikten und gegenseitigem Misstrauen geprägt. In diesem Zusammenhang ist die Frage wichtig, ob die gemeinsame geografische Herkunft ein Indiz für die Ähnlichkeit politischer oder religiöser Einstellungen einzelner Akteure bzw. Gruppen ist. Vertraten beispielsweise Akteure aus Ägypten die gleichen oder unterschiedliche 49
S. im Detail zur Kritik an bisheriger Forschung zu NfO-Akteuren die Einleitung von Kap. 3.
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Positionen? Sofern es möglich ist, werden daher an den entsprechenden Stellen weitestgehend konkrete Personen oder politisch bzw. beruflich geprägte Gruppen (proosmanische Antikolonialisten, Orientalisten etc.) genannt. Die Vorkriegsprägungen der beteiligten Akteure waren überaus divers. Dennoch lassen sich gewisse strukturelle Ähnlichkeiten, wie ein hohes Maß an transnationaler Mobilität, eine solide akademische Bildung, die Zugehörigkeit zu bestimmten politischen Netzwerken und die Auseinandersetzung mit dem europäischen Kolonialismus, ausmachen. Ein Idealtypus des NfO-Akteurs wird sich trotzdem nicht herausarbeiten lassen. Zu unterschiedlich waren u.a. die Motivationen der Akteure, für die NfO tätig zu werden. Diese Spannungen wirkten sich auf die Wissensproduktion in der Nachrichtenstelle für den Orient aus. Die dritte These der Arbeit ist daher, dass die publizierten Texte eben nicht ausschließlich der deutschen Propaganda dienten, sondern auch Ausdruck der beruflichen, politischen und religiösen Ambitionen sowie der Vorkriegskontakte der Akteure sind. Die deutschen und nichtdeutschen Akteure in der NfO mit ihrem jeweiligen unterschiedlichen biografischen Hintergrund brachten Partikularinteressen sowie mannigfaltige persönliche Perspektiven auf die Welt aktiv in ihre Tätigkeit ein. So gestalteten sie die deutsche Kriegspropaganda maßgeblich mit. Damit hängt die Frage zusammen, ob sich im Rahmen der Nachrichtenstelle eine besondere Form der Wissensproduktion entwickelte, die NfO-Akteuren in einem begrenzten Rahmen Freiheiten zugestand, obwohl das gesamte Umfeld von Misstrauen und direkter wie indirekter Einflussnahme geprägt war. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich nicht um eine Analyse aller Interaktionen der an der NfO beteiligten Akteure oder aller Publikationen. Angesichts der Vielzahl der Quellensprachen (von Arabisch über Russisch bis Indonesisch), deren Beherrschung auch nötig wäre, wollte man Sekundärliteratur aus den entsprechenden Regionen nutzen, könnte dies nur eine Forschergruppe leisten. Anhand der Betrachtung der Arabischen Abteilung sollen jedoch einzelne Handlungsoptionen transnational agierender Organisationsmitglieder in einer Zeit globaler Konflikte aufgezeigt werden. Der Untersuchungszeitraum geht über die Dauer des (europäischen) Krieges von 1914 bis 1918 hinaus, da zum einen die Diskurse und biografischen Prägungen vor dem Kriegsausbruch einsetzten, zum anderen die Organisation nach Kriegsende nicht aufhörte zu existieren.
Quellen Für die vorliegende Arbeit wurden sowohl archivalische als auch publizierte Quellen in deutscher, arabischer, französischer sowie englischer Sprache gesichtet und analysiert. Das zentrale Archiv ist das Politische Archiv des Auswärtigen Amts (PA AA) in Berlin. Dort findet sich die Korrespondenz zwischen der Nachrichtenstelle
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für den Orient und dem AA (Bestände Deutschland Nr. 126g und Nr. 126g adh. 1). Die Leiter der NfO und einzelne NfO-Mitarbeiter berichteten regelmäßig und mehrmals täglich an die übergeordnete Behörde und schickten ihr interne Schriftstücke wie Sitzungsprotokolle, Manuskripte für Publikationen, Analysen politischer Ereignisse sowie diverse andere Texte. Darüber hinaus finden sich im PA AA die Bestände des AA mit Kriegsbezug, die verschiedene regionale und politische Themen abdecken (hier vor allem relevant die Bestände Weltkrieg Nr. 11, Nr. 11 adh. 2, Nr. 11g, Nr. 11g adh., Nr. 11s und Nr. 11t geheim), und Akten aus diversen Auslandsvertretungen des Deutschen Reichs (hier relevant RAV Akten: Adana, Beirut, Bern, Wien). Des Weiteren beherbergt das Archiv Personalakten und Nachlässe einiger AA-Mitarbeiter, die wie Herbert Diel, Max von Oppenheim, Edgar Pröbster, Curt Prüfer, Walther Schroeder und Karl Emil Schabinger von Schowingen während des Krieges für die NfO tätig waren. Auch im Bundesarchiv (BArch) Berlin werden einige Akten des AA (Bestand R 901) gelagert. Diese wurden, ebenso wie die Akten der Abteilung Militärarchiv des BArch in Freiburg i.Br. (BArch-MA), gesichtet, enthielten für die vorliegende Arbeit jedoch kaum relevantes Material. Die Recherchen im Landesarchiv Berlin, im Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin und in den digitalen Druckschriften des Schweizerischen Bundesarchivs förderten ebenfalls nur einige wenige verwertbare Akten zutage. Weitaus ertragreicher waren die Analysen im Geheimen Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) in Berlin. Dort finden sich die Nachlässe, Korrespondenzen und Personalakten des Seminars für Orientalische Sprachen (Bestand I. HA Rep. 208 A), ein außeruniversitäres Forschungsinstitut und eine wichtige Partnerorganisation der NfO. Darüber hinaus wurden einzelne Nachlässe gesichtet. Der Nachlass von Max von Oppenheim im Bankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA in Köln umfasst Aufzeichnungen und Erinnerungen zur Zeit des Ersten Weltkriegs, die von Oppenheim jedoch deutlich später (in den 1930ern und 1940ern) abfasste. Die Hoover Institution on War, Revolution, and Peace in Stanford beherbergt die Kriegstagebücher von Curt Prüfer. In der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz finden sich Notizen von Enno Littmann und seine Korrespondenzen mit diversen anderen Orientalisten, darunter dem NfO-Leiter Eugen Mittwoch. Der Nachlass von Martin Hartmann umfasst Aufzeichnungen, Korrespondenzen und Publikationsmanuskripte. Er befindet sich in der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt/Bibliothek der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft in Halle an der Saale. Zudem findet sich in den Elmira College Archive Records in New York ein selbstverfasster Lebenslauf von Ruth Buka, die in der Zwischenkriegszeit dort lehrte. Relevante Flugblätter der Nachrichtenstelle in diversen europäischen und nichteuropäischen Sprachen befinden sich in den Beständen der Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart. Hierbei handelt es sich um eine Sammlung von Flugblättern aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, die ursprünglich in der Universität
1. Einleitung
Heidelberg lag. Ein Teil davon wurde bereits in der Magisterarbeit von Gottfried Hagen übersetzt und analysiert.50 Die Flugblätter kamen über Otto Ammann in die Bestände der Universität Heidelberg. Ammann wird auf Mitarbeiterlisten der NfO genannt.51 Eventuell hat er die Flugblätter nach seiner Tätigkeit bei der Nachrichtenstelle mitgenommen und später der Universität vermacht. Häufig ist die Provenienz solcher Bestände nicht genau nachvollziehbar. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die Ausgaben des Bulletin du parti national égyptien in den Beständen der Staatsbibliothek Berlin (Signatur Ur 9647/10). Darin finden sich Stempel der Nachrichtenstelle für den Orient. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Hefte ehemals in der Bibliothek der NfO lagen. Mithilfe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatsbibliothek ließ sich nachvollziehen, dass die Ausgaben über die Vereinigung Wissenschaftlicher Verleger/Walter de Gruyter & Co. im Jahr 1923 in die Bestände der Staatsbibliothek übergingen. Recherchen beim Verlag de Gruyter führten jedoch zu keiner weiteren Spur, sodass sich letztlich nicht herausfinden ließ, wie eine durch die NfO finanzierte und in Stockholm herausgebrachte, französischsprachige Publikation in den Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin gelangte. Das Archiv der Nachrichtenstelle für den Orient selbst konnte nicht ausfindig gemacht werden. Es lässt sich nicht nachvollziehen, was mit den Akten der NfO geschehen ist. Nicht ausgeschlossen ist, dass ein Teil der Akten der »Selektivität der Brandbombe«52 zum Opfer gefallen ist. Bei einem Flugzeugangriff 1940 in Berlin ist beispielsweise ein Teil der Aufzeichnungen von Oppenheims zerstört worden,53 woraufhin er sie aus dem Gedächtnis erneut aufschrieb. Im AA wurden die Akten zu den aktiven Beamten 1943 zerstört.54 Eine weitere Schwierigkeit sind fehlende Nachlässe eines Großteils der Akteure. Dies gilt nicht nur für Personen aus dem Nahen und Mittleren Osten, sondern auch aus Deutschland. Die Bestände im PA AA sind jedoch umfassend und engmaschig genug, um mehr als nur einen Eindruck der täglichen Arbeit in der Nachrichtenstelle, der Interaktionen zwischen den Akteuren und der Wissensproduktion zu gewinnen. Gerade Letzteres, die Beschreibung der Wissensproduktion anhand von Archivquellen, ist für
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Hagen 1990. Gehaltsliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 23.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504 und Mittwoch an AA, 18.10.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. Rudolf Stöber, Historische Zeitschriftenforschung heute, in: Andreas Vogel/Christina HoltzBacha (Hg.), Zeitschriften und Zeitschriftenforschung, Wiesbaden 2002, S. 42-59, hier: S. 45. Gabriele Teichmann, Grenzgänger zwischen Orient und Okzident: Max von Oppenheim (1860-1946), in: Gabriele Teichmann (Hg.), Faszination Orient: Max von Oppenheim – Forscher, Sammler, Diplomat, Köln 2003, S. 10-105, hier: S. 92. Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 1, Paderborn u.a. 2000, S. X.
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den diskursanalytischen Teil dieser Arbeit ungemein wichtig, auch wenn dort die Publikationen der NfO im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Für die vorliegende Arbeit wurden verschiedene NfO-eigene Publikationen und Publikationen, die im Kontext der Nachrichtenstelle entstanden sind, analysiert. Wichtige NfO-Formate sind das Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient, Der Neue Orient und El Dschihad. Darüber hinaus wurden diverse Flugblätter, wie »Kitab Maftuh li-Mulay Yusuf Sultan Murrakush« (Offener Brief an Mulay Yussuf, den Sultan von Marrakesch) von Salih al-Sharif,55 und Monografien, wie L’Islam dans l’armée française von Rabah Bukabuya,56 publiziert. Publikationen, die im Kontext der Nachrichtenstelle für den Orient entstanden sind, waren die Zeitschriften Die Islamische Welt und Bulletin du parti national égyptien. Darüber hinaus wurden in mehreren deutschen Tageszeitungen Artikel platziert, beispielsweise »Das Bild im Islam: Erlaubte und verbotene Bilder in der islamitischen Religion« von Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl im Berliner Tageblatt.57 Dabei ist es nicht immer einfach zu entscheiden, welche der Publikationen direkt zur NfO gehörten und welche nicht. Dies gilt gerade für die Flugblätter. Letztlich werden Publikationen als NfO-Texte gewertet, sofern sie in einem der offiziellen NfO-Formate erschienen sind oder sich anhand von Archivquellen nachvollziehen lässt, dass die Erstellung der Publikation beauftragt wurde.58 Das generelle Problem der Analyse von ziel- und publikumszentrierten Texten, die der Meinungsbeeinflussung dienen, ist, dass sich eine klar erkennbare Motivation der Akteure nicht immer exakt bestimmen lässt, sondern aus den Quellen abgeleitet werden muss. Zudem ist bei der Betrachtung propagandistischer Literatur, bei der man als Forscher stets mit stereotypischen Repräsentationen konfrontiert ist, darauf zu achten, nicht ungewollt und unbewusst Meinungen zu übernehmen.59 Neben diesen zeitgenössischen Quellen existieren Ego-Dokumente in Form von Autobiografien und Tagebüchern wie Helmuth von Glasenapps Meine Lebensreise,60 Karl Emil Schabinger von Schowingens Weltgeschichtliche Mosaiksplitter,61 das von 55 56 57 58 59
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Kitab Maftuh li-Mulay Yusuf Sultan Murrakush [Offener Brief an Mulay Yussuf, den Sultan von Marrakesch], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,24. Rabah Bukabuya, L’islam dans l’armée française, Istanbul 1915. Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, Das Bild im Islam: Erlaubte und verbotene Bilder in der islamitischen Religion, in: Berliner Tageblatt (17.02.1916), S. 2-3. Für diese Frage und für einen Überblick über die NfO-Publikationen, deren Entstehungshintergrund, Umfang, Zielgruppen etc. s. Kap. 4. Kurt Koszyk, Pressepolitik und Propaganda im Ersten Weltkrieg, in: Francia – Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 3 (1975), S. 465-475, hier: S. 465. Zu den Herausforderungen der Analyse von Diskursen s. auch Kap. 1.4 und Kap. 4. Helmuth von Glasenapp, Meine Lebensreise: Menschen, Länder und Dinge, die ich sah, Wiesbaden 1964. Karl Emil Schabinger von Schowingen, Weltgeschichtliche Mosaiksplitter: Erlebnisse und Erinnerungen eines kaiserlichen Dragomans, Baden-Baden 1967.
1. Einleitung
Arthur Goldschmidt übersetzte sowie herausgegebene Tagebuch von Muhammad Farid und weitere.62 Diese Texte wurden z.T. lange nach Kriegsende verfasst. Aufgrund des zeitlichen Abstands und ihrer besonderen Narrativität bewegen sie sich zwischen Quellen und Sekundärliteratur,63 sind für die vorliegende Arbeit aber unverzichtbar.
Methoden Um die unterschiedlichen Quellen zu bearbeiten, werden für die vorliegende Arbeit zwei qualitative Methoden kombiniert: Ein diskurstheoretischer Ansatz wird mit einer biografieorientierten Herangehensweise verbunden. Die Kollektivbiografie dient der Beschreibung der Akteure in Kapitel 3, die Diskursanalyse der Darstellung der NfO-Rhetorik in Kapitel 4. Die Beschreibung der NfO als Organisation bzw. organisatorischer Strukturen und Mechanismen in Kapitel 2 greift das Vokabular organisationstheoretischer Forschung (insbesondere der entsprechenden Zweige der Soziologie und Wirtschaftswissenschaften) auf. Die vorliegende Arbeit kann somit als Kollektivbiografie transnationaler Akteure und Diskursanalyse der Publikationen dieser Akteure verstanden werden.
Biografieforschung Der erste zentrale Ansatz der vorliegenden Arbeit ist die Kollektivbiografie. Diese Form geschichtswissenschaftlichen Arbeitens wird, da gut etabliert, häufig methodisch nicht reflektiert.64 Nach Wilhelm Heinz Schröder, durch den die Methode in den 1980er Jahren Eingang in die deutsche Geschichtswissenschaft gefunden hat, ist eine Kollektivbiografie »die theoretisch und methodisch reflektierte, empirische, besonders auch quantitativ gestützte Erforschung eines historischen Personenkollektivs in seinem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext anhand einer vergleichenden Analyse der individuellen Lebensläufe der Kollektivmitglieder«65 . Hannes Schweiger schließt sich dieser Definition an, betont jedoch, dass die Kollektivbiografie in erster Linie einen qualitativen Zugang zu einer relativ geringen und lückenhaften Datenmenge darstelle und daher von der quantitativ angelegten Prosopografie zu unterscheiden sei.66 Aufgrund der eingangs beschriebenen Quel62
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Muhammad Farid/Arthur Goldschmidt, The Memoirs and Diaries of Muhammad Farid, an Egyptian Nationalist Leader (1868-1919), San Francisco 1992, Nadolny 1985 und Richard von Kühlmann, Erinnerungen, Heidelberg 1948. Thomas Etzemüller, Biographien: Lesen – erforschen – erzählen, Frankfurt a.M. 2012, S. 62-72. Alexander Gallus, Biographik und Zeitgeschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 1-2 (2005), S. 40-46, hier: S. 42. Wilhelm Heinz Schröder, Kollektive Biographien in der historischen Sozialforschung: Eine Einführung, in: Wilhelm Heinz Schröder (Hg.), Lebenslauf und Gesellschaft: Zum Einsatz von kollektiven Biographien in der historischen Sozialforschung, Stuttgart 1985, S. 7-17, hier: S. 9. Hannes Schweiger, Die soziale Konstituierung von Lebensgeschichten: Überlegungen zur Kollektivbiographik, in: Bernhard Fetz (Hg.), Die Biographie: Zur Grundlegung ihrer Theorie,
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lenlage und der kleinen Akteursgruppe ist für die vorliegende Arbeit ein quantitativer Zugang, beispielsweise mittels (computergestützter) historischer Netzwerkanalyse,67 nicht ertragreich. Auch soll der mittlerweile inflationär und häufig metaphorisch verwendete Netzwerkbegriff in der vorliegenden Arbeit nicht überstrapaziert werden,68 sodass hier nicht allgemein von einer Analyse des Netzwerks der Nachrichtenstelle für den Orient die Rede ist. Kollektivbiografien eignen sich für die Bearbeitung kleinerer Gruppen unter einer bestimmten Fragestellung bzw. hinsichtlich eines kurzen Lebensabschnitts der Kollektivmitglieder.69 Die Akteure der Arabischen Abteilung der Nachrichtenstelle für den Orient – über 30 Personen – arbeiteten zwischen 1914 und 1921 (und zum Teil darüber hinaus) zusammen; ein kollektivbiografischer Ansatz eignet sich daher aufgrund der begrenzten Zahl der Kollektivmitglieder und der überschaubaren Dauer der Aktivitäten. Besonders nützlich ist die Kollektivbiografie bei der Beschreibung von Personen, die nicht für biografiewürdig erachtet wurden. Die Gründe dafür können vielfältig sein.70 Eventuell wurden die Akteure aufgrund ihrer Religion, ihrer Ethnie oder ihres Geschlechts marginalisiert oder sie wurden schlicht für nicht wichtig genug erachtet. Letzteres ist sicherlich der Grund dafür, dass ʿAbd al-ʿAziz Jawish und Muhammad Farid – beide wahrgenommen als
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Berlin/New York 2009, S. 317-352, hier: S. 326. Wilhelm Heinz Schröder wendet sich gegen eine Unterscheidung von Prosopografie und Kollektivbiografie. Er verwendet die Begriffe im Grunde synonym. Schröder 1985, S. 8 und ders., Kollektivbiographie: Spurensuche, Gegenstand, Forschungsstrategie, in: Wilhelm Heinz Schröder (Hg.), Kollektivbiographie als interdisziplinäre Methode in der historischen Sozialforschung: Eine persönliche Retrospektive, Köln 2011, S. 74-152. Vgl. die Reflexionen in Marten Düring/Ulrich Eumann/Martin Stark (Hg.), Handbuch historische Netzwerkforschung: Grundlagen und Anwendungen, Berlin/Münster 2016. Insbesondere Marten Düring/Florian Kerschbaumer, Quantifizierung und Visualisierung: Anknüpfungspunkte in den Geschichtswissenschaften, in: Marten Düring/Ulrich Eumann/Martin Stark (Hg.), Handbuch historische Netzwerkforschung: Grundlagen und Anwendungen, Berlin/Münster 2016, S. 31-44. Christian Marx, Forschungsüberblick zur Historischen Netzwerkforschung: Zwischen Analysekategorie und Metapher, in: Marten Düring/Ulrich Eumann/Martin Stark (Hg.), Handbuch historische Netzwerkforschung: Grundlagen und Anwendungen, Berlin/Münster 2016, S. 6384. Auch der Begriff der Biografie wird zuweilen metaphorisch und nicht nur für Personen verwendet. Volker Depkat, Biographieforschung im Kontext transnationaler und globaler Geschichtsschreibung, in: BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 28/1-2 (2015), S. 3-18, hier: S. 4-5. Die Netzwerkforschung kann natürlich eine Form des kollektivbiografischen Forschens sein. Levke Harders/Hannes Schweiger, Kollektivbiographische Ansätze, in: Christian Klein (Hg.), Handbuch Biographie: Methoden, Traditionen, Theorien, Stuttgart 2009, S. 194-197, hier: S. 196. Schweiger 2009, S. 326. Ebd., S. 323-324.
1. Einleitung
bedeutende Figuren der ägyptischen antikolonialen Bewegung – in Arthur Goldschmidts Biographical Dictionary of Modern Egypt eigene Einträge gewidmet sind,71 Mansur Rifʿat und Ahmad Wali hingegen nicht einmal erwähnt werden. Durch die Betrachtung des Kollektivs lassen sich zudem Lücken und Leerstellen in einzelnen Biografien durch Interpolationen aus anderen, ähnlichen Biografien teilweise schließen. Während Karl Emil Schabinger von Schowingen in seinen Memoiren ausführlich über seine Zeit als Konsulatsmitarbeiter in Marokko vor dem Krieg berichtet, haben wir keine äquivalenten Darstellungen von Herbert Diel und Walther Schroeder, die zeitgleich dort arbeiteten. Aufgrund der ähnlichen Ausbildung, Sprachkenntnisse, Herkunft und der generellen Arbeitsprozesse in den deutschen Auslandsvertretungen lässt sich jedoch annehmen, dass die dort gemachten Erfahrungen nicht gänzlich unterschiedlich waren. Um herauszuarbeiten, wer ein Kollektivmitglied ist, sind charakteristische Merkmale oder Positionen festzulegen.72 Die charakteristischen Merkmale für die Zugehörigkeit zum Kollektiv »Nachrichtenstelle für den Orient« sind in der vorliegenden Arbeit a) die Nennung auf einer Gehalts- oder Mitgliederliste oder b) die Beteiligung an Publikationen, festgestellt durch die Publikation selbst oder durch Lektüre von Archivquellen. Diese pragmatische Vorgehensweise erscheint adäquat, um auch solche Akteure zu erfassen, die – beispielsweise in ihren Nachkriegsaufzeichnungen – ihre Affiliation zur Nachrichtenstelle für den Orient nicht näher offenlegen, wie das bei Muhammad Farid der Fall ist.73 Die Hinwendung zu globalgeschichtlichen und transnationalen Fragen hatte zur Folge, dass zunehmend transnationale Akteure in den Blick der Geschichtswissenschaft gelangt sind.74 Diese Personen werden bezeichnet als »transgressive Akteure«75 , »globale Subjekte«76 oder »globale Menschen«77 ; ihre Lebenswege sind
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Goldschmidt 2000. Schröder 2011, S. 140. Farid/Goldschmidt 1992. Depkat 2015, S. 3. Madeleine Herren, Inszenierungen des globalen Subjekts: Vorschläge zur Typologie einer transgressiven Biographie, in: Historische Anthropologie 13/1 (2005), S. 1-18 und Hannes Schweiger, Global Subjects: The Transnationalisation of Biography, in: Life Writing 9/3 (2012), S. 249-258. Herren 2005. Bernd Hausberger, Globalgeschichte als Lebensgeschichte(n), in: Bernd Hausberger (Hg.), Globale Lebensläufe: Menschen als Akteure im weltgeschichtlichen Geschehen, Wien 2006, S. 9-27.
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je nach Autor »transnational«78 , »transkulturell«79 oder »global«80 . Auch Sonderformen transnationaler Leben wie »imperiale Biographien«81 werden untersucht. Trotz unterschiedlicher Bezeichnungen sind den Forschungsansätzen zwei Aspekte gemeinsam: 1) Sie richten den Fokus auf »biographische Überschreitungen« nationaler Grenzen,82 d.h. es werden Akteure betrachtet, die sich über nationale Grenzen bewegten. Dabei konnte es zu Verflechtungen und Vernetzungen kommen. Häufig fand ein Transfer von Ideen, Geldern oder Kulturgütern statt.83 Die Mobilität der beschrieben Akteure wird hierbei in den Mittelpunkt gestellt.84 Viele der NfO-Akteure lebten für mehrere Jahre nicht in ihrem Geburtsland und blieben zeit ihres Lebens sehr mobil. Sowohl die deutschen als auch die arabischsprachigen Akteure bewegten sich zwischen urbanen Zentren wie Beirut und Lausanne hin und her. Selten war dieser Prozess eine »unidirektionale Angelegenheit«85 . 2) Durch den Fokus auf individuelle Erfahrungen einzelner Personen sollen allgemeine Aussagen über globalgeschichtliche bzw. transnationale Prozesse gemacht werden. Die Perspektive auf transnationale Akteure soll die Übertragung von Erkenntnissen von der Mikro- auf die Makroebene ermöglichen.86 Im Fall der Nachrichtenstelle für den Orient lässt sich beispielsweise beobachten, wie Austausch- und Transferprozesse zwischen europäischen und nichteuropäischen Akteuren in einem institutionalisierten und von Zensur geprägten Rahmen vonstattengehen. Die Verknüpfung eines kollektivbiografischen Ansatzes mit einer transnationalen Perspektive ist jedoch noch immer die Ausnahme. Studien und theoretische Überlegungen zu transnationalen Akteuren bedienen sich eher des Netzwerk-
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Desley Deacon/Penny Russell/Angela Woollacott (Hg.), Transnational Lives: Biographies of Global Modernity, 1700–present, Basingstoke 2010 und Logemann 2015. Dirk Hoerder, Transkulturelle Lebensformen: Menschen in lokalen – (post-)nationalen – globalen Welten, in: Sozial.Geschichte 20/1 (2005), S. 11-29. Bernd Hausberger (Hg.), Globale Lebensläufe: Menschen als Akteure im weltgeschichtlichen Geschehen, Wien 2006. Malte Rolf, Einführung: Imperiale Biographien: Lebenswege imperialer Akteure in Groß- und Kolonialreichen (1850-1918), in: Geschichte und Gesellschaft 40/2 (2014), S. 5-21. Hannes Schweiger/Deborah Dolmes, Nationale Grenzen und ihre biographischen Überschreitungen, in: Bernhard Fetz (Hg.), Die Biographie: Zur Grundlegung ihrer Theorie, Berlin/New York 2009, S. 385-418. Logemann 2015, S. 82. Desley Deacon/Penny Russell/Angela Woollacott, Introduction, in: Desley Deacon/Penny Russell/Angela Woollacott (Hg.), Transnational Lives: Biographies of Global Modernity, 1700–present, Basingstoke 2010, S. 1-14, hier: S. 2 und Logemann 2015. Depkat 2015, S. 13. Ebd., S. 10 und Logemann 2015, S. 84.
1. Einleitung
begriffs.87 Insbesondere bei Beschreibungen muslimischer Akteure und Gruppen lässt sich dies beobachten.88 Die Kollektivbiografie hingegen wird eher als ein Mittel zur Erforschung nationaler Geschichte – überwiegend von politischen, wissenschaftlichen und religiösen Eliten – verstanden.89 Nur vereinzelt finden sich neuere, sehr lesenswerte Untersuchungen, die transnationale und kollektivbiografische Ansätze verbinden, wie die Dissertation von Christina Egger zu den Aktivitäten von Missionsbenediktinern in Tanganjika.90 Der Begriff »Kollektiv« soll nicht ausdrücken, dass sich die involvierten Personen sehr ähnlich oder gar gleich wären. Sie müssen lediglich eine Eigenschaft teilen, wodurch sie dem Kollektiv zugerechnet werden. Dieses geteilte »Charakteristikum« ist hier die Mitarbeit in der NfO. Die beschriebenen Personen waren sehr unterschiedlich. Ihre Geburtsorte Śrem, Gernsbach oder Tunis lagen mehrere Tausend Kilometer entfernt voneinander, sie hatten unterschiedliche Muttersprachen und wurden an so unterschiedlichen Hochschulen ausgebildet wie der Dar al-ʿUlum in Kairo und der Universität Straßburg. Ihre Herkunft spielt in der vorliegenden Arbeit allerdings nur dort eine Rolle, wo sie für die Akteure selbst oder für die internen Hierarchisierungsprozesse relevant war. Die NfO-interne Trennung zwischen »deutschen« und »nichtdeutschen« Mitarbeitern wird nicht reproduziert. Innerhalb dieser »Gruppen« bestanden zum einen interne strukturelle und ideologische Differenzen. Zum anderen existierten Gemeinsamkeiten unabhängig von der regionalen Herkunft. Gerade das Zusammenspiel von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei der Betrachtung des Kollektivs hat Erkenntniswert und liefert Interpretationsansätze zur Funktionsweise des Personenkollektivs.
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Ebd., S. 93 und Depkat 2015, S. 12. Ein spannender Sammelband mit theoretischen Überlegungen und konkreten Studien ist Berthold Unfried/Jürgen Mittag/Marcel van der Linden (Hg.), Transnationale Netzwerke im 20. Jahrhundert: Historische Erkundungen zu Ideen und Praktiken, Individuen und Organisationen, Leipzig 2008. Roman Loimeier (Hg.), Die islamische Welt als Netzwerk: Möglichkeiten und Grenzen des Netzwerkansatzes im islamischen Kontext, Würzburg 2000 und Roman Loimeier/Stefan Reichmuth, Zur Dynamik religiös-politischer Netzwerke in muslimischen Gesellschaften, in: Die Welt des Islams 36 (1996), S. 145-185. Jedoch gibt es auch Gegenbeispiele: Asad Q. Ahmed, Prosopography and the Reconstruction of Hijazi History for the Early Islamic Period: The Case of the Awfid Family, in: Katharine S. B. Keats-Rohan (Hg.), Prosopography: Approaches and Applications, A Handbook, Oxford 2007, S. 451-458. Einen Überblick über kollektivbiografische Studien von 1985 bis 2011 liefert Schröder 2011, S. 92-100. Christine Egger, Transnationale Biographien: Die Missionsbenediktiner von St. Ottilien in Tanganjika, 1922-1965, Köln/Wien 2015. Egger wählte für ihre Analyse im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit einen quantitativen Zugang.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Diskursforschung Die zweite methodische Säule der vorliegenden Arbeit ist die Diskursanalyse. Hier wird ein diskurstheoretischer Ansatz verfolgt, der auf Michel Foucault zurückgeht und von Philipp Sarasin sowie Achim Landwehr für die deutsche Geschichtsforschung ausgebaut und konkretisiert worden ist.91 Im Mittelpunkt steht die Erkenntnis, dass Wirklichkeit durch Zeichen und Sprache konstruiert wird. Die (historische) Diskursanalyse ist ein Nebenprodukt des linguistic turn, der – angestoßen durch eine Reihe französischer Autoren wie Jacques Derrida, Michel Foucault, Jacques Lacan und Roland Barthes – ab den 1960ern in den Geistes- und Sozialwissenschaften eine Hinwendung zur Sprache nach sich zog.92 Die Wahrnehmung von Wirklichkeit wurde nun als untrennbar von Sprache und eben auch Diskursen verstanden. Die Diskursanalyse ist keine starre Methode mit einer klar definierten Vorgehensweise, sondern drückt eher eine Haltung bzw. eine Perspektive aus, mit der bestimmte Forschungsfragen an einen historischen Gegenstand gestellt werden.93 Im Mittelpunkt steht – so Sarasin – das Bemühen »[…], die formellen Bedingungen zu untersuchen, die die Produktion von Sinn steuern.«94 Achim Landwehr beschreibt in seiner Einführung dennoch eine mögliche Vorgehensweise diskursanalytischen Arbeitens. Aufgrund des pragmatischen Zugangs und der Praxisnähe orientieren sich die Untersuchungsschritte der vorliegenden Arbeit an dieser Vorgehensweise: 1. Korpusbildung, 2. Kontextanalyse, 3. Analyse der Aussagen/Texte und 4. Diskursanalyse.95 Das Ziel ist, die Strukturierung, die Träger sowie die gesellschaftlichen Voraussetzungen und Folgen von Diskursen zu sondieren. Der erste Schritt ist demnach die Korpusbildung. Für Landwehr ist der Diskurs »[…] die Menge all jener textlichen, audiovisuellen, materiellen und praktischen Hervorbringungen […], die das Thema des Diskurses irgendwie behandeln oder auch nur nebenbei streifen.«96 Dies ist das virtuelle Korpus, das jedoch praktisch nicht zugreifbar ist, sodass eine Selektion vorgenommen werden muss. Ergebnis
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Zwei Werke Michel Foucaults sind maßgeblich für seine Diskursanalyse: Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt a.M. 1991 (Antrittsvorlesung am Collège de France 1970, schriftlich veröffentlicht 1972) und ders., Archäologie des Wissens, Frankfurt a.M. 1981 (franz. Original 1969). Philipp Sarasin, Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, Frankfurt a.M. 2003, S. 11-12. Achim Landwehr, Historische Diskursanalyse, Frankfurt a.M. 2009, S. 100. Sarasin 2003, S. 33. Ähnlich auch an anderer Stelle: Ders., Autobiographische Ver-Sprecher: Diskursanalyse und Psychoanalyse in alltagsgeschichtlicher Perspektive, in: WerkstattGeschichte 7 (1994), S. 31-41, hier: S. 33. Landwehr nennt als ersten Schritt die Themenfindung, bei der die Frage gestellt wird, ob sich eine diskursanalytische Untersuchung für den Gegenstand überhaupt eignet. Landwehr 2009, S. 101. Dieser Schritt wird in der vorliegenden Darstellung nicht gesondert behandelt. Landwehr 2009, S. 102.
1. Einleitung
dieser Selektion ist das konkrete Korpus.97 Zentrales Kriterium für die Auswahl ist »[…] die Wiederholung und die Gleichförmigkeit von immer wieder ähnlich Gesagtem oder Geschriebenem […]«98 , was letztlich die empirische Grundlage der qualitativen Analyse darstellt. Dieses Korpus kann auch »diskursives Archiv« genannt werden, also die Sammlung all jener Aussagen, die in den untersuchten Texten wiederholt und für legitim erachtet werden.99 Dabei werden die Grenzen dessen, was Teil des Korpus ist, möglichst lange offengehalten.100 Konkret bedeutet dies im vorliegenden Fall, dass untersucht wurde, welche Aussagen in Bezug auf den Islam, Deutschland und generelle Themen des Nahen und Mittleren Ostens häufig wiederholt und für besonders relevant erachtet wurden. Als zweiter Schritt wird in der vorliegenden Arbeit eine Kontextanalyse durchgeführt. Landwehr beschreibt hierfür vier Ebenen: situativ, medial, institutionell und historisch. Damit ist erstens die Frage nach dem Wer, Wo, Was und Wann zu beantworten. Zweitens geht es darum zu klären, in welcher medialen Form der Untersuchungsgegenstand dargestellt und überliefert wurde. Drittens wird gefragt, welche Institutionen das Material überlieferten. Viertens wird die politische, ökonomische, kulturelle und gesellschaftliche Gesamtsituation untersucht.101 Dies spielt nicht nur für den diskursanalytischen, sondern auch den biografiegeschichtlichen Teil der Arbeit eine Rolle. Für diesen Schritt wurden die politischen und ideengeschichtlichen Rahmenbedingungen im Deutschen Reich und im Osmanischen Reich, insbesondere in seinen arabischsprachigen Gebieten, beachtet. Der dritte und der vierte Schritt bei Landwehr – die Analyse von Aussagen und die Analyse von Texten – werden in der vorliegenden Arbeit gemeinsam vorgenommen. »Aussagen« – bei Foucault énoncés – sind die strukturierenden und funktionstragenden Elemente eines Diskurses. Mit Aussagen sind jedoch nicht einzelne Wörter, Sätze oder sonstige grammatikalische Einheiten gemeint, sondern sämtliche Gegenstände oder Handlungen, die innerhalb eines Diskurses eine bestimmte Funktion übernehmen. Nicht die Form, sondern die Funktion bestimmt, ob etwas eine Aussage ist.102 Da das historische Arbeiten, zumindest im Fall der Nachrichtenstelle für den Orient,103 jedoch vor allem Textarbeit ist, ist die Textanalyse 97 98 99 100
Ebd., S. 103. Ebd., S. 102. Sarasin 2003, S. 35. Landwehr meint, es sei redlich, über das Korpus Rechenschaft abzulegen und es nicht als objektiv darzustellen. Man müsse das eigene Vorwissen, Hypothesen und Vorannahmen, Zeitvorgaben, arbeitsökonomische Überlegungen sowie persönliche Vorlieben offenlegen. Landwehr 2009, S. 103. 101 Ebd., S. 105-108. 102 Ebd., S. 110. 103 Zwar existiert aus der Zeit des Weltkriegs Bildermaterial mit Bezügen zum Nahen und Mittleren Osten, es lässt sich jedoch nur in den wenigsten Fällen nachweisen, dass dieses im Rahmen der NfO entstanden ist.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
gleichzusetzen mit der Aussagenanalyse.104 Bei der Analyse von Texten lässt sich zwischen einer Analyse der Makrostruktur und einer Analyse der Mikrostruktur unterscheiden. Bei der Frage nach der Makrostruktur der Texte werden narrative Muster und zentrale Themen herausgearbeitet sowie die Relevanz der Verfasser betrachtet. Daneben werden Gliederungen, gestalterische Formen und Absätze in ihrer Funktion als Unterteilungen und Abgrenzungen untersucht.105 In formalen Aspekten von Texten erkennt Sarasin »Protokolle möglicher Lektüren«, d.h. Elemente des gedruckten Textes (Titel, Illustrationen, Vorworte, Klappentexte, Inserate etc.), die auf die von den Verfassern intendierte Lesart hinweisen.106 Dies ist für die Texte der Nachrichtenstelle besonders relevant, da sie stets mit konkreten Absichten und Hoffnungen der Autorengemeinschaft verfasst wurden, sei es die Revolutionierung oder die Befreiung des Herkunftslandes. Der Blick auf die Makrostruktur erfolgt zwecks Annäherung an den Diskurs. Bestimmende Elemente des Textes und des Diskurses werden herausgearbeitet.107 Bei der Analyse der Mikrostruktur wird ein Schwerpunkt auf Argumentationsformen, Argumentation, Stilistik sowie Rhetorik auf Text-, Satz- und Wortebene gelegt. Hier wird untersucht, welche Wirkung in den Texten entfaltet werden soll und was die Funktion des Diskurses ist.108 Da Texte stets eine Form sozialen Handelns sind und somit das Ergebnis einer Wahl zwischen verschiedenen Handlungen, soll auch die Frage danach gestellt werden, was nicht Teil der analysierten Texte geworden ist.109 Weshalb etwa fanden die muslimischen Bewohner der deutschen Kolonien keinen Eingang in die Texte, die von Autoren der Nachrichtenstelle produziert wurden? Die Analyse von Makro- und Mikrostruktur mehrerer Texte kann einen ersten Überblick über die »Makrostruktur des Diskurses« geben: Welche Merkmale, Argumente, Worte, Abgrenzungen tauchen immer wieder auf?110 Sofern es möglich ist, soll auch die Genese einzelner Texte in die Analyse einfließen. Im Zusammenhang der NfO ist hier das Wechselspiel zwischen deutscher Zensur und nichtdeutscher agency besonders spannend. Der letzte Schritt nach Landwehr ist nun die eigentliche Diskursanalyse, die ein Zusammenführen der vorherigen Schritte darstellt.111 Wichtig hierbei ist der Blick auf die zentralen Elemente, die bei der Text- bzw. Aussagenanalyse herausgearbeitet wurden. Wann tauchen sie auf, wie verändern sie sich, wann gelten sie als selbstverständlich – Landwehr spricht hier von der »Naturalisierung des Dis-
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Ebd., S. 112. Ebd., S. 113-114. Sarasin 2003, S. 39. Landwehr 2009, S. 115. Ebd., S. 103. Ebd., S. 114. Ebd., S. 105. Ebd., S. 127.
1. Einleitung
kurses«112 –, wann verschwinden sie?113 Letztlich bleibt zu bedenken, dass auch das diskurstheoretisch arbeitende Subjekt – die Forscherin bzw. der Forscher – Teil des Diskurses ist, über den sie oder er schreibt.114 Dieser diskursanalytische Ansatz eignet sich für die vorliegende Arbeit. Es wird verdeutlicht, welche Repräsentationen von Islam sowie Muslimen, aber auch Deutschlands, und welche generellen Themen des Nahen und Mittleren Ostens in den Publikationen und Vorträgen der Nachrichtenstelle für den Orient beabsichtigt und im Kontext des späten Kaiserreichs überhaupt möglich waren. Repräsentationen gehorchen letztlich immer den Gruppen, die sie formulieren.115 Insbesondere zur Einbettung dieser Repräsentationen in den zeitgenössischen orientalistischen Diskurs ist der Blick auf andere sagbare – beispielsweise islamkritische – Äußerungen wichtig. Die große Leistung der Diskursanalyse wird von Landwehr wie folgt beschrieben: »Indem die historische Diskursanalyse zeigen kann, inwiefern unsere Wirklichkeit historisch hervorgebracht wurde, deckt sie Selbstverständlichkeiten auf, weist auf Handlungsmöglichkeiten hin und stellt allzu bereitwillig hingenommene Evidenzen in Frage […]. Ihr kritischer Impuls besteht darin, zu zeigen, wie Wirklichkeiten und Wahrheiten jeweils historisch produziert und innerhalb von politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, religiösen und kulturellen Zusammenhängen wirksam wurden.«116 Die Verbindung von Biografieforschung und Diskursanalyse stellt noch immer die Ausnahme dar und findet erst seit den frühen 2000er Jahren stärkere Beachtung.117 Auf den ersten Blick gestaltet sich die Kombination beider Ansätze schwierig.118 In der Foucault’schen Diskursanalyse wird der Text nicht als »[…] intentionale Äußerung eines Autors, eines individuellen Bewusstseins«119 verstanden. In der Biografieforschung hingegen stehen Subjekte im Mittelpunkt. Sarasin sieht einen möglichen Lösungsansatz in einer »[…] Theorie eines dezentrierten Subjekts, die zumindest zur Vorsicht gemahnt beziehungsweise perspektivisch zeigt, dass Menschen eben gerade nicht und nie restlos auf einerseits ihre Intentionen noch andererseits 112 113 114 115
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Ebd., S. 129. Ebd., S. 128-129. Ebd., S. 112. Roger Chartier, Kulturgeschichte zwischen Repräsentationen und Praktiken, Einleitung, in: Roger Chartier (Hg.), Die unvollendete Vergangenheit: Geschichte und die Macht der Weltauslegung, Berlin 1989, S. 7-20, hier: S. 10-11. Landwehr 2009, S. 168. Inga Truschkat, Diskurstheoretische Ansätze der Biographieforschung, in: Helma Lutz/Martina Schiebel/Elisabeth Tuider (Hg.), Handbuch Biographieforschung, Wiesbaden 2018, S. 127138, hier: S. 128. Ebd. Sarasin 2003, S. 44.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
auf strukturierende Determinanten reduzibel sind.«120 Anders gesagt, erfährt der Diskurs eine Transformation durch Subjekte, die sich in ihn einbringen, und die Art, wie Subjekte Aussagen Sinn verleihen, ist durch die Diskurse geprägt.121 Diese Wechselseitigkeit von Diskurs und Subjekt ist der zentrale Grund dafür, dass in der vorliegenden Arbeit die methodischen Ansätze Diskursanalyse und Kollektivbiografie miteinander verbunden werden.
Transkription und Übersetzung Die Schreibweise arabischer und türkischer Begriffe stellt Autorinnen und Autoren immer wieder vor Herausforderungen. In dieser Arbeit wird für das Arabische eine abgewandelte, vereinfachte Form der Richtlinien des International Journal of Middle East Studies verwendet. Abgesehen von Hamza (ʾ) und Ain (ʿ) entfallen diakritische Zeichen, etwa Striche für lange Vokale. Die Buchstaben š, ḫ, d̲ , ṭ sowie t̲ werden in der im Englischen üblichen Form verwendet (sh, kh, dh, t und th). Die Namen ʿAbd al-ʿAzīz Ǧāwīš und Muḥammad al-Ḫidr Ḥusayn werden somit zu ʿAbd alʿAziz Jawish und Muhammad al-Khidr Husayn. Osmanische bzw. türkische Personennamen werden, in den vereinzelten Fällen, in denen sie vorkommen, in einer in Deutschland üblichen Weise dargestellt und nicht in einer transkribierten Form (z.B. Enver Pascha und Cemal Pascha). Sofern in Quellenzitaten Namen anders geschrieben werden, erscheint in eckigen Klammern dahinter die für diese Arbeit dargelegte Schreibweise. Arabische Namen von Autoren der Sekundärliteratur werden nur dann in der transkribierten Form wiedergegeben, wenn im Werk selbst keine latinisierte Form angegeben ist. Das Gleiche gilt für die Titel arabischer Sekundärliteratur. Die arabischen Publikationen der NfO werden so transkribiert, wie sie im jeweiligen Originaltext stehen. Manche Begriffe sind dort nicht einheitlich geschrieben (etwa inkiliz und injiliz). Andere arabische und türkische Begriffe sowie Ortsnamen werden, sofern sie Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden haben, in der in Deutschland üblichen Form dargestellt. Anstelle von Ǧihād wird Dschihad, anstelle von Šarīf von Makka wird Scherif von Mekka geschrieben. Ortsnamen werden nach ihrer aktuellen deutschen Form wiedergegeben (z.B. Tiflis anstelle von Tblissi, Istanbul anstelle von Konstantinopel). Koranzitate werden nach der Übersetzung von Rudi Paret wiedergegeben.122
Aufbau der Arbeit Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit gliedert sich den inhaltlichen Schwerpunkten und dem methodischen Ansatz entsprechend in drei Teile. Der erste Teil (Kapitel 2) ist ein organisatorischer Überblick über die Nachrichtenstelle für den Orient.
120 Ebd., S. 54. 121 Sarasin 1994, S. 38. 122 Rudi Paret (Hg.), Der Koran, Darmstadt 1975.
1. Einleitung
Es werden neben der Organisationsstruktur die Ziele und Aktivitäten sowie die institutionelle Eingliederung der NfO besprochen. Darüber hinaus findet sich hier ein Exkurs zu der eng mit der NfO verbundenen Nachrichtensaal-Organisation. Im zweiten Teil (Kapitel 3) werden mittels des kollektivbiografischen Ansatzes die Akteure der NfO vorgestellt. Zunächst werden ihre biografischen und ideologischen Hintergründe beschrieben. Darauf folgt eine Darstellung der Wege einzelner Akteure und Akteursgruppen in die Nachrichtenstelle sowie der Interaktionen der Mitarbeiter und Affiliierten zwischen Kooperation und Misstrauen. Der dritte Teil der Arbeit (Kapitel 4) setzt sich diskursanalytisch mit den Diskursen der NfO auseinander. Hier werden neben den Inhalten der NfO-Texte deren Vorläuferdiskurse besprochen und es wird ein Blick auf die NfO-spezifischen Formen der Wissensproduktion geworfen. Auf dieses Kernstück der Arbeit folgt ein Ausblick (Kapitel 5). Hier werden einige organisatorische und akteurszentrierte Linien nach 1918 in ihren Umrissen verfolgt.
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2. Die NfO als Organisation Ein Überblick
Das vorliegende Kapitel liefert einen Überblick über die Nachrichtenstelle für den Orient als Organisation. Neben der Entstehung der NfO werden strukturelle und organisatorische Fragen besprochen. Ausgehend von bestehender Forschung und eigener Quellenarbeit wird das in Berichten sowie Quellen transportierte Selbstbild der Organisation hinterfragt. Zentral ist hierbei eine Perspektive, die diese Organisation als flexible, wandelbare Einrichtung zwischen Verein und Behörde wahrnimmt. Dynamische Prozesse werden dabei ebenso betrachtet wie graduelle Entwicklungen – etwa der institutionelle Ausbau und die damit einhergehenden, sich wandelnden Aufgaben – von der konstitutiven Phase über die Konsolidierungsphase bis hin zu einer gesetzten Phase,1 in der die Strukturen gefestigt waren, die Organisation jedoch keineswegs erstarrte. Strukturen, Ziele, Publikationen und die institutionelle Eingliederung der NfO waren untrennbar verbunden mit Hierarchisierungs- und Überwachungsprozessen von Mitarbeitern und Affiliierten einerseits sowie Momenten der Kooperation, Vernetzung und Nutzbarmachung der Organisation als Plattform für eigene politische und berufliche Zwecke durch die beteiligten Akteure andererseits. An diesen vier Elementen orientiert sich der Aufbau des vorliegenden Kapitels: Als Erstes wird die Organisationsstruktur beschrieben. Der zweite Teil des Kapitels richtet seinen Blick auf die Ziele und Aktivitäten. In einem dritten Schritt werden die institutionelle Eingliederung und Finanzen der NfO illustriert. Das letzte Unterkapitel stellt einen Exkurs zur mit der NfO verbundenen Nachrichtensaal-Organisation dar. Das exakte Gründungsdatum der Nachrichtenstelle für den Orient liegt im Dunkeln. Sowohl in der Forschungsliteratur als auch in Archivquellen lassen sich
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Dreiphasen-Modelle zur Beschreibung von Organisationen sind in der Organisationstheorie weit verbreitet. Die Phasen sollten dabei jedoch vor allem als analytisches Werkzeug und nicht als zwangsläufige Abläufe jeder Organisation gesehen werden. Insbesondere der Wandel einer Organisation sollte daher im Fokus der Forschung stehen. Torsten Bergt, Biographien von Organisationen, in: Helma Lutz/Martina Schiebel/Elisabeth Tuider (Hg.), Handbuch Biographieforschung, Wiesbaden 2018, S. 647-658, hier: S. 649-651.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
unterschiedliche Angaben finden. Ziel dieses Kapitels ist es daher nicht, das genaue Gründungsdatum der Einrichtung festzusetzen. Vielmehr werden im Folgenden verschiedene mögliche Entstehungsmomente der Nachrichtenstelle beschrieben. Bereits kurz nach Kriegsausbruch – laut dem Gründer und ersten Leiter der Organisation Max von Oppenheim am Tag der deutschen Mobilmachung am 1. August 1914 –2 entwickelte sich zwischen dem Auswärtigen Amt sowie Nah- und Mittelostkennern aus Wissenschaft und Politik ein Austausch über die mögliche Gründung einer Propagandaorganisation.3 Auf diesen Austausch folgten mehrere Expertentreffen in den Monaten August und September.4 Im September 1914 wandte sich das Auswärtige Amt an andere Behörden, darunter Preußisches Kultusministerium und Reichspostamt, um mitzuteilen, dass von Oppenheim genehmigt worden sei, eine Propagandaorganisation für den Nahen und Mittleren Osten zu eröffnen.5 Der Großteil der Forschung datiert die Gründung der Organisation auf November 1914.6 Daneben schlagen einzelne Stimmen alternative Daten wie August 1914,7 September 1914,8 Oktober 19149 oder gar das Jahr 191510 vor, während andere keinen konkreten Zeitpunkt nennen11 . Relevant ist in diesem Zusammenhang die zeitliche Nähe oder Distanz zur Dschihad-Erklärung von November 1914.12 Wird
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Aufzeichnungen Max von Oppenheim, 23.09.1946, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA, Bekanntschaften aus dem Auswärtigen Amt, NL von Oppenheim Nr. 1/13. Bihl 1975, S. 102. Lothar Rathmann schreibt, dass von Oppenheim kurz nach Kriegsbeginn in den Räumen des Kultusministeriums bereits ein Übersetzungsbüro gegründet hätte. Rathmann 1963, S. 184. In den Akten des AA oder des GStA PK findet sich dazu nichts. Rathmann selbst gibt keine Quellen an. S. Akten im GStA PK im Bestand I. HA Rep. 76 Kultusministerium mit der Signatur Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9 und Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. Bihl 1975, S. 102. So bat etwa Arthur Zimmermann das Kulturministerium, von Oppenheim in seinem neuen Projekt zu unterstützen. Zimmermann an den Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten, 12.09.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. Bragulla 2007, S. 18, Oberhaus 2007, S. 152, Kloosterhuis 1994, S. 139, Schwanitz 2010, S. 24 und Höpp 1994, S. 9. Eugene Rogan, Rival Jihads: Islam and the Great War in the Middle East, 1914-1918, in: Journal of the British Academy 4 (2016), S. 1-20, hier: S. 3. Lüdke 2005, S. 118, ders. 2016, S. 83 und Mark 2013, S. 22. Während Höpp 1994 noch November vorschlägt (Höpp 1994, S. 9), schreibt er 1997 September. Ders. 1997, S. 22. Rathmann 1963, S. 184, Will 2012, S. 187 und Suzanne L. Marchand, German Orientalism in the Age of Empire: Religion, Race, and Scholarship, Cambridge 2009, S. 452. Marchand zitiert Höpp (Höpp 1994, S. 9) falsch. Sinno 2006, S. 396 und Suaad M. O. al-Ghafal, The Ottoman Province of Tripoli (Libya) in German Politics between 1884 and 1918, Berlin 2018, S. 162. Hagen 1990, Kröger 1994, Heine 2006 und Bihl 1975. Zu der Frage, wie der deutsche Einfluss auf die Dschihad-Propaganda aussah, s. Mustafa Aksakal, »Holy War Made in Germany?«: Ottoman Origins of the 1914 Jihad, in: Haldun Gül-
2. Die NfO als Organisation
die Gründung der Nachrichtenstelle vor die Dschihad-Erklärung datiert, geht dies häufig einher mit der Ansicht, dass die deutsche Nah- und Mittelost-Politik einen starken Einfluss auf die osmanische Außenpolitik gehabt habe, wie dies bei Tilman Lüdke und Wolfgang Schwanitz geschieht.13 Zudem suggeriert eine Datierung, welche die Gründung der NfO im Spätsommer von 1914 verortet, dass die »Revolutionierung« von langer Hand geplant war und das Projekt dazu quasi nur aus der Schublade hervorgeholt werden musste. Peter Heine und Ludmilla Hanisch beschreiben Kontinuitäten der deutschen »Revolutionierungsstrategie«14 für den Nahen und Mittleren Osten, die bis in die Zeit des deutsch-französischen Krieges zurückreichen.15 Problematisch ist dabei weniger, auf wann die Gründung der Nachrichtenstelle für den Orient datiert wird, sondern die Frage, ob aus einer zeitlichen Abfolge ein Narrativ abgeleitet wird, das aufgrund des – für die NfO – glücklichen Zufalls der Dschihad-Erklärung durch das Osmanische Reich eine deutsche Einflussnahme postuliert.16 Auch in Archivquellen und publizierten Memoiren wird die Gründung der Organisation sehr unterschiedlich dargestellt. In den Akten des Auswärtigen Amts finden sich zwar schon sehr früh (August 1914) Korrespondenzen verschiedener späterer NfO-Mitarbeiter mit dem AA, die ihre Hilfe anboten, wie Enno Littmann oder Max von Oppenheim.17 Die Organisation selbst wird jedoch in solchen Briefen nicht vor November 1914 namentlich erwähnt. In Zwischenberichten der NfO hingegen taucht nicht nur November,18 sondern auch Oktober als Entstehungsdatum auf.19 In einem Tätigkeitsbericht der Nachrichtenstelle aus dem Jahr 1918 steht, dass erste Treffen bereits im September stattgefunden hätten und die Organisation bereits am 10. Oktober die ersten Publikationen verschickte.20 Darüber hinaus werden Akteuren auf verschiedenen Mitarbeiterlisten und in Korrespondenzen
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alp/Günter Seufert (Hg.), Religion, Identity and Politics: Germany and Turkey in Interaction, Hoboken 2013, S. 34-45. Lüdke 2005 und Schwanitz 2010. Mehr zur sogenannten Revolutionierungsstrategie in Kap. 2.2.1 Revolutionierung und Dschihadisierung. Peter Heine, Das Rohlfs/Wetzstein-Unternehmen in Tunis während des DeutschFranzösischen Krieges 1870/71, in: Die Welt des Islams 22/1 (1982a), S. 61-66 und Ludmila Hanisch, Gelehrtenselbstverständnis, wissenschaftliche Rationalität und politische »Emotionen«: Ein Nachtrag, in: Die Welt des Islams 32/2 (1992), S. 107-123, hier: S. 114. Vor einer solchen kausalen Verkettung warnt auch Marc Hanisch im Zusammenhang der Datierung des Memorandums, das von Oppenheim verfasst hatte. Hanisch 2014b, S. 16. Mehr zum Memorandum s.u. Littmann an AA, 28.08.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21123. Zwischenbericht Schabinger von Schowingen und statistischer Überblick, März 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. Mittwoch an von Grundherr, 17.09.1919, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Eintrittstermine im September 1914 (Herbert Mueller)21 oder sogar im August 1914 (Ahmad Wali)22 bescheinigt. Von Oppenheim schreibt noch Anfang September, »[…] die Sache [die Gründung der Nachrichtenstelle, SK] selbst« sei »[…] noch gänzlich unverbindlich.«23 Erst in einem Brief an Eduard Sachau, Leiter des Berliner Seminars für Orientalische Sprachen (SOS), Ende Oktober 1914 erwähnt er, dass die erste offizielle Sitzung der Nachrichtenstelle ein paar Tage zuvor stattgefunden habe.24 In seinen persönlichen Aufzeichnungen hingegen findet sich kein konkretes Datum. Auch der zweite Leiter der Nachrichtenstelle, Karl Emil Schabinger von Schowingen, schreibt in seinen Memoiren lediglich, dass die Nachrichtenstelle im Herbst 1914 gegründet worden sei.25 Ähnlich wie in der Forschung zur Nachrichtenstelle sind in den Quellentexten mit den jeweiligen Datierungen unterschiedliche Ansprüche verbunden. Der frühe Einstellungstermin von Mitarbeitern wurde beispielsweise dafür verwendet, die Loyalität der Akteure zu unterstreichen und ihren Geld- sowie Pensionsforderungen mehr Gewicht zu verleihen. Die Leiter der Nachrichtenstelle hingegen hatten ein großes Interesse daran, die Gründung an für sie relevante Ereignisse – wie die Dschihad-Erklärung – zu koppeln oder durch die Behauptung, man bestehe bereits (fast) seit Kriegsbeginn, eine besondere Legitimität zu schaffen. Darauf deutet der Verweis auf erste Treffen im September 1914 hin, der sich im Bericht von 1918 findet. Der Bericht zielte darauf ab, das Fortbestehen der Organisation nach Kriegsende zu sichern.26 Zusätzlich kompliziert wird es, wenn das Gründungsdatum der NfO in Beziehung gesetzt werden soll zu einem Memorandum von Oppenheims. Die »Denkschrift zur Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde« wird zuweilen als Gründungsmanifest der Nachrichtenestelle behandelt.27 Von Oppenheim beschreibt in diesem Text ausführlich, wie aus seiner Sicht die Strukturierung, Durchführung und Finanzierung der deutschen Islampolitik und
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Gehaltsliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 23.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Von Wesendonk an AA, 07.01.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Von Oppenheim an Sachau, 03.09.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. Von Oppenheim an Sachau, 26.10.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. Schabinger von Schowingen 1967, S. 115. Kröger 1994, S. 388, Fn. 30. So z.B. von Karl Emil Schabinger von Schowingen, der diesen Text z.T. in seinen Memoiren wiedergibt. Schabinger von Schowingen 1967, S. 116-125. Aber auch in der Forschung ist das der Fall, wie bei Tim Epkenhans, »Geld darf keine Rolle spielen« (I. Teil), in: Archivum Ottomanicum 18 (2000), S. 247-250, hier: S. 249 oder Wolfgang G. Schwanitz, Max von Oppenheim und der Heilige Krieg: Zwei Gedenkschriften zur Revolutionierung islamischer Gebiete 1914 und 1940, in: Sozial.Geschichte, Neue Folge 19/3 (2004a), S. 28-59.
2. Die NfO als Organisation
-insurrektion während des Krieges aussehen sollte. Fraglich ist, ob und wie intensiv dieser Text überhaupt von Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung gelesen wurde. Darüber hinaus ist seine Datierung schwierig. Während Fritz Fischer davon ausgeht, dass der Text im September 1914 entstanden ist, vertritt Marc Hanisch die Ansicht, dass von Oppenheim seine Gedanken mehrmals überarbeitet hat.28 Nach dieser Lesart lag der Text im Oktober 1914 in einer ersten Fassung vor und erhielt seine endgültige Form erst im November 1914.29 Martin Kröger geht ebenfalls von einer mehrstufigen Überarbeitung des Textes aus, bestimmt den Zeitraum aber auf die Zeit zwischen September und Oktober 1914.30 Es ist also nicht ausgeschlossen, dass das Memorandum zu einem Zeitpunkt finalisiert wurde, als die Nachrichtenstelle ihre Tätigkeiten bereits aufgenommen hatte. Aus diesem Grund sollte davon abgesehen werden, das Dokument in direkte Beziehung zur Gründung der Nachrichtenstelle zu setzen oder es gar als Gründungsmanifest zu behandeln. Zudem sollte, laut Tim Epkenhans, die Relevanz des Textes insgesamt nicht überbewertet werden.31 Vielmehr ist dieser Text als Teil der Entstehungsgeschichte der NfO sowie Teil eines parallel und nachträglich stattfindenden Fixierungs- bzw. Legitimationsprozesses zu sehen.32 Ein weiterer Ausdruck für diese Festschreibung der (eigenen) Geschichte der NfO ist ihr Name. In der Forschung – und auch in dieser Arbeit – ist in der Regel die Rede von der »Nachrichtenstelle für den Orient«. Auf einem Treffen im August 1914 besprachen Vertreter aus Wissenschaft und Politik die Planung eines »Übersetzungsbüros« mit dem Ziel, der gegnerischen Propaganda eine eigene entgegenzusetzen. Diese Organisation erhielt dann den Namen »Uebersetzungsund Nachrichtenstelle für den Orient« und führte ihn bis zum Frühjahr 1915. Im März 1915 finden sich erste Dokumente, die zwar den Stempel »Uebersetzungsund Nachrichtenstelle für den Orient« tragen, bei denen im Text selbst jedoch nur von »Nachrichtenstelle für den Orient« die Rede ist. Spätestens im Mai 1915 hatte sich diese Bezeichnung dann durchgesetzt, da von nun an auch die Stempel der Organisation dem Namen angepasst wurden.33 Die erste Bezeichnung für die NfO wird insbesondere in Berichten der Nachrichtenstelle nicht erwähnt. Im Jahr 1918 erfolgt dann eine weitere Umbenennung in Deutsches Orient-Institut.34 Eu28 29 30 31 32
33 34
Hanisch 2014b, S. 16. Ebd., S. 17. Kröger 1994, S. 386. Dennoch sieht Epkenhans die Gründung der NfO als direkte Folge des Memorandums. Epkenhans 2000, S. 249. Salvador Oberhaus schreibt diesbezüglich: »Das Memorandum diente […] offensichtlich der Selbstvergewisserung in die eigenen Fähigkeiten, mehr aber auch nicht.« Oberhaus 2015, S. 101. Dieser Prozess lässt sich am besten nachverfolgen an den Akten des Auswärtigen Amts mit der Signatur R 1501. Mehr dazu in Kap. 5.1 Das Deutsche Orient-Institut und seine Auflösung.
41
42
Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
gen Mittwoch übergeht in einem Schreiben von 1919 nicht nur den ursprünglichen Namen der Organisation, sondern vermittelt auch den Eindruck, dass der Begriff Deutsches Orient-Institut bereits seit der Gründung verwendet wurde.35 Die Betonung der unterschiedlichen Namen ist ein Ausdruck dessen, welche Aufgaben die Leitung und Mitarbeiter ihrer Organisation zusprachen: Übersetzungsbüro, Propagandastelle oder Kultureinrichtung.36 Abschließend ist hier die zentrale Frage zu stellen, ab welchem Moment eine Organisation als »gegründet« gelten kann. Ist es das erste Treffen der involvierten Akteure, die Niederschrift bzw. Versendung eines vermeintlichen Gründungsmanifests, die Genehmigung durch die Geldgeber, die Einstellung von Mitarbeitern, die erste Sitzung oder die Entstehung der ersten Publikation? Je nachdem, welchen dieser Punkte man herausgreift, kommt ein anderes Gründungsdatum zustande. Daher sollte im Fall der Nachrichtenstelle für den Orient eher von einer konstitutiven Phase gesprochen werden, die sich von August 1914 bis November 1914 hinzog.
2.1
Organisationsstruktur
2.1.1
Abteilungen
In der konstitutiven Phase entstanden die ersten Strukturen der Nachrichtenstelle für den Orient, die direkten Einfluss auf die Hierarchisierungs-, Überwachungsaber auch Vernetzungsprozesse der beteiligten Akteure hatten.37 Die inhaltliche Arbeit wurde von sprachlich-regional organisierten Abteilungen übernommen. Zunächst existierten eine Türkische, eine Arabische, eine Indische und eine Russische Abteilung.38 Darüber hinaus bestand eine Presse-Abteilung.39 Finanzielle Fragen wurden von der Kanzlei übernommen. Diese Struktur gibt somit jene Regionen und Aufgabengebiete wieder, welche die NfO anfänglich adressieren wollte. Das Osmanische Reich (Türkische und Arabische Abteilung), die Kolonien Frankreichs (Arabische Abteilung) und Großbritanniens (Arabische und Indische Abteilung) sowie die nichtrussischen Gebiete und Minderheiten Russlands (Russische 35 36 37 38
39
Mittwoch an von Grundherr, 17.09.1919, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. S. Kap. 2.2 Ziele und Aktivitäten. Diese werden konkret in Kap. 3.3 Interaktionen der Akteure behandelt. In von Oppenheims Nachlass findet sich auf einer Mitarbeiterliste der Hinweis, dass Herbert Mueller für China zuständig gewesen sei. Mitarbeiterliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 05.06.1935 (handschriftliche Ergänzungen von 1943), Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA, Erster Weltkrieg, NL von Oppenheim Nr. 19. Auch wenn wahrscheinlich keine Chinesische oder Ostasiatische Abteilung bestanden hat, war Mueller darauf bedacht, Entwicklungen in Ostasien in die Betrachtungen der NfO einfließen zu lassen. Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 2.
2. Die NfO als Organisation
Abteilung). Die Tätigkeiten der Presse-Abteilung hingegen waren vornehmlich auf die Öffentlichkeit in Deutschland ausgerichtet.40 Entsprechend diesen regionalen Aufteilungen wurden letztlich auch die nichtdeutschen Mitarbeiter der NfO rekrutiert. Je nach Herkunftsland waren sie in den jeweiligen Abteilungen aktiv und sahen darin Plattformen für ihr politisches, zumeist antikoloniales Engagement.41 Bis März 1915 kann man von einer Konsolidierungsphase sprechen. Zum einen fand ein Wechsel in der Leitung der Nachrichtenstelle statt, zum anderen bezog die Organisation neue Räumlichkeiten.42 Die Nachrichtenstelle erweiterte in diesem Zeitraum ihr Aufgabengebiet und baute ihre Struktur entsprechend aus.43 Zunächst gewann die NfO mit der Einrichtung der Persischen und der (Türkisch-)Juristischen Abteilung zwei weitere inhaltlich arbeitende Einheiten hinzu.44 Im Zuge der zunehmenden Differenzierung der Publikationstätigkeiten der Nachrichtenstelle wurden ein Literarisches Büro und zwei Redaktionen (für die Gefangenenzeitung El Dschihad sowie für die Formate Das Korrespondenzblatt bzw. Der Neue Orient) eingerichtet.45 Darüber hinaus entstand eine Zentralstelle für Herstellung und Vertrieb von Drucksachen.46 Des Weiteren existierten eine Bibliothek und ein Archiv, die nicht in den Berichten der NfO, sondern lediglich in ihren Korrespondenzen und Sitzungsprotokollen auftauchen.47 Jürgen Kloosterhuis erwähnt zudem noch eine Empfangsdirektion,48 womit womöglich das Wartezimmer verbunden war, nennt hierfür jedoch keine Quelle. Formal waren die inhaltlich arbeitenden sowie die publikationsbezogenen Abteilungen, in denen sowohl deutsche als auch nichtdeutsche Akteure arbeiteten, gleichgestellt.49 Da sich die Tätigkeiten der jeweiligen Abteilungen den aktuellen
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Mehr zu den Aktivitäten der Nachrichtenstelle und ihren Abteilungen in Kap. 2.2 Ziele und Aktivitäten. Die Leiter der (Haupt-)Abteilungen werden in Kap. 2.1.3 Leitung beschrieben. S. Kap. 3.2 Wege der Akteure in die NfO. S. Kap. 2.1.4 Räumlichkeiten. Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 2. Lediglich Bihl und Oberhaus erwähnen in ihren Publikationen den graduellen Ausbau der NfO. Andere Autoren beschreiben vor allem den endgültigen Aufbau der Nachrichtenstelle. Bihl 1975, S. 103. Mehr zu den Publikationen der NfO in Kap. 4.1.1 Publikationen und Organe. Laut Bihl existierten die Kanzlei und die Zentralstelle für Herstellung und Vertrieb von Drucksachen ab Gründung der NfO. Während diese Einschätzung hinsichtlich der Kanzlei wahrscheinlich korrekt ist, ergibt sich hinsichtlich der Zentralstelle aus den Quellen der Nachrichtenstelle ein anderes Bild. Bihl 1975, S. 103. Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 27.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. Kloosterhuis 1994, S. 440. Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 2.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Kriegsereignissen und -bedürfnissen anpassten, war die Auslastung der Abteilungen unterschiedlich und konnte je nach Kriegsjahr stark variieren. Die arabischsprachige Welt nahm in den Aktivitäten der Nachrichtenstelle einen zentralen Platz ein. Zweifelsohne ist die Arabische Abteilung eine der wichtigsten Abteilungen der Nachrichtenstelle, wenn nicht sogar die wichtigste. Schabinger von Schowingen schrieb in seinen Memoiren, dass »der islamische Orient und Nordafrika«50 zentral gewesen seien für die NfO. Die besondere Relevanz, die gerade die deutschen NfOAkteure der arabischsprachigen Welt zusprachen, hängt sicherlich auch mit der orientalistischen Ausbildung der Vorkriegszeit zusammen, die im arabischsprachigen Nahen und Mittleren Osten das Kernland des Islam auszumachen vermeinte.51 Auch die Publikationen der NfO sprechen für eine Zentralität der Arabischen Abteilung. Der Großteil des Materials richtete sich an arabische Bevölkerungen (entweder auf Arabisch, Französisch oder Englisch) oder hatte die arabischsprachigen Kolonien Frankreichs und Großbritanniens sowie die arabischsprachigen Gebiete des Osmanischen Reichs zum Thema.52 Gemessen an der Anzahl der Publikationen sowie den Korrespondenzen der jeweiligen Abteilungen folgen auf die Arabische Abteilung die Indische und die Russische. Die Schnittmengen zwischen den Abteilungen waren jedoch größer, als vermutet werden könnte. Zum einen standen die inhaltlich arbeitenden Abteilungen in engem Kontakt mit den publikationsbezogenen Abteilungen. Zum anderen bestand auch zwischen den sprachlich-regional organisierten Abteilungen untereinander ein reger Austausch. Dies lag nicht nur an dem Wechsel einiger Mitarbeiter von der einen in die andere Abteilung,53 sondern auch an gemeinsamen Projekten, wie Sonderbeilagen in der Zeitschrift Der Neue Orient, oder ähnlichen politischen – zumeist antikolonialen – Ambitionen der beteiligten Akteure.54 Die formale Struktur der Organisation spiegelt daher nur bedingt das Organisationsgeschehen und die Interaktionen zwischen den beteiligten Personen wider.55
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54 55
Schabinger von Schowingen 1967, S. 129. Zu den akademischen Hintergründen der Akteure s. Kap. 3.1.2 Bildungsweg. Mehr dazu in Kap. 4.1.1 Publikationen und Organe. Zu den Adressaten einzelner Themen s. das Kap. 4.3 Themen und Stilmittel. Wie Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, der von der Arabischen in die Türkische Abteilung wechselte. Mittwoch an von Wesendonk, 25.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Mehr dazu in Kap. 3. Zu der Zusammenarbeit der NfO-Akteure aufgrund ähnlicher politischer Einstellungen s. Kap. 3.3.1 Zusammenarbeit und Vernetzung. Peter Preisendörfer, Organisationssoziologie: Grundlagen, Theorien und Problemstellungen, Wiesbaden 2016, S. 70.
2. Die NfO als Organisation
2.1.2
Organisationsform
Die Nachrichtenstelle für den Orient wird häufig als »Kollegialbehörde«56 bzw. »Kollegiatsbehörde«57 [sic!] beschrieben, die – untypisch für deutsche amtliche Stellen – keine offiziell festgelegte Organisationsform bzw. kein offiziell festgelegtes Statut gehabt habe.58 Diese Einschätzung der Funktionsform der NfO geht auf Schabinger von Schowingen zurück, der die Nachrichtenstelle in seinen Memoiren als Kollegialbehörde bezeichnet.59 In Archivquellen – beispielsweise in der Korrespondenz mit dem Auswärtigen Amt oder Zwischenberichten der NfO – findet sich diese Bezeichnung nicht. Der verwaltungsrechtliche Begriff der Kollegialbehörde hat als zentrales Merkmal die »horizontale Form der Entscheidungsfindung«60 . Entgegen dem hierarchischen Prinzip, bei dem eine vertikale Weisungskette vorhanden ist,61 werden in Kollegialgremien, wie sie häufig in Vereinen zu finden sind, Entscheidungen von Mitgliedern gemeinsam gefällt – entweder nach dem Prinzip der Mehrstimmigkeit oder dem der Einstimmigkeit. Nach dieser Lesart war der Leiter der Nachrichtenstelle eine Art primus inter pares, der nur die grobe Ausrichtung der Nachrichtenstelle vorgegeben hat, während Einzelentscheidungen stets einstimmig im Plenum getroffen werden mussten. Praktisch bedeutete dies nach Salvador Oberhaus, dass neue Mitarbeiter nur dann aufgenommen werden konnten, wenn alle Mitarbeiter dem zustimmten.62 Tatsächlich spielten jedoch nur die Stimmen der deutschen Abteilungsleiter eine maßgebliche Rolle. Tillmann Lüdke zieht aus der Kollegialbehörde als Organisationsform den Schluss, es habe in der NfO keine Hierarchie gegeben,63 mit der Konsequenz, dass Entscheidungsprozesse nur sehr langsam vonstattengingen.64 Herbert L. Müller schreibt, eine zentrale Folge sei Disziplinlosigkeit (etwa in Form des Fernbleibens vom Arbeitsplatz) gewesen.65 Mit dieser Interpretation der Organisationsform der Nachrichtenstelle und ihrer vermeintlichen Implikationen wird 56 57 58
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Wolfgang G. Schwanitz, Djihad »Made in Germany«: Der Streit um den Heiligen Krieg, 19141915, in: Sozial.Geschichte 18/2 (2003), S. 7-34, hier: S. 18 und Müller 1991, S. 204-205. Lüdke 2005 und ders. 2016. Oberhaus 2007, S. 155, Gottfried Hagen, German Heralds of Holy War: Orientalists and Applied Oriental Studies, in: Comparative Studies of South Asia, Africa and the Middle East 24/2 (2004), S. 145-162, hier: S. 150, Müller 1991, S. 204 und Heine 2006, S. 9. Schabinger von Schowingen 1967, S. 126. Thomas Groß, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, Tübingen 1999, S. 49. Ebd., S. 3. Oberhaus 2007, S. 155. Diese Form der Einstimmigkeit war jedoch innerhalb der Nachrichtenstelle höchst umstritten. Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 07.06.1915, PA AA, NL Schabinger von Schowingen 22. Mehr dazu in Kap. 3.2.1 Rekrutierungsmechanismen. Lüdke 2005, S. 121. Ders. 2016, S. 85. Müller 1991, S. 205.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
indirekt die Einschätzung Schabinger von Schowingens übernommen, der diese Organisationsform und die entsprechenden Auswirkungen in seinen Memoiren beschrieb. Dies ist aus zwei Gründen problematisch. Zum einen sind Schabinger von Schowingens Aufzeichnungen lediglich eine Momentaufnahme der Gründung und seiner einjährigen Zeit als Leiter der Nachrichtenstelle. Die Führung der Organisation durch seinen Nachfolger Eugen Mittwoch, der die NfO am längsten leitete, wird dadurch vernachlässigt und mögliche Unterschiede werden nicht betrachtet. Zum anderen lassen sich die beschriebenen Konsequenzen der Organisationsform – insbesondere die »Disziplinlosigkeit« – zwar tatsächlich während der Zeit Schabinger von Schowingens feststellen,66 sind aber möglicherweise eher auf dessen problematischen Führungsstil als auf das Prinzip der »horizontalen Koordination«67 zurückzuführen.68 Die Sitzungsprotokolle der Nachrichtenstelle zeichnen zudem ein anderes Bild als das der Gleichstellung aller Mitarbeiter. Die Interaktionen der Akteure zeigen, dass lediglich die deutschen Mitarbeiter, nicht aber die nichtdeutschen, in Entscheidungsprozesse eingebunden waren.69 Zudem hatten vor allem die Stimmen der jeweiligen Abteilungsleiter ein größeres Gewicht. Die anderen deutschen Mitarbeiter wurden, trotz Anwesenheit, in den Sitzungsprotokollen nur im Ausnahmefall zitiert. Entweder hatten sie entsprechend wenig Redezeit in den Sitzungen oder ihre Äußerungen wurden selten festgehalten. In jedem Fall lässt sich hier ein Ungleichgewicht zwischen Abteilungsleitern und anderen Mitarbeitern feststellen. Auch die Aussage, dass die NfO bis zu ihrer Auflösung keine Geschäftsordnung vorgelegt habe,70 bezieht sich auf eine Äußerung in den Aufzeichnungen Schabinger von Schowingens, es habe bis zum Ende kein offizielles Statut gegeben.71 Dadurch betont die Forschungsliteratur in der Regel den »provisorischen Charakter«72 der NfO. Aus dem Fehlen schriftlich festgelegter Hierarchien kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Pläne für die Zukunft oder Hierarchien in der Nachrichtenstelle nicht existierten. Anhand von Mitarbeiter- und Gehaltslisten lassen sich gerade die Hierarchien gut verdeutlichen. Zum einen bezogen manche Mitarbeiter ein höheres Gehalt als andere. Zum anderen verweist die Anordnung der Namen in diesen Dokumenten auf eine unterschiedliche Gewichtung. Abteilungsleiter waren in der Regel auf der gleichen Ebene angeordnet, während die restlichen Mitar-
66
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So ermahnt Schabinger von Schowingen beispielsweise Walther Schroeder, er möge sich regelmäßig und zu festen Uhrzeiten am Arbeitsplatz einfinden. Schabinger von Schowingen an Schroeder, 07.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Groß 1999, S. 3. S. Kap. 2.1.3 Leitung. Für die Interaktionen der Akteure im Detail s. das gleichlautende Kap. 3.3. Oberhaus 2007, S. 155. Schabinger von Schowingen 1967, S. 127. Oberhaus 2007, S. 155.
2. Die NfO als Organisation
beiter darunter angeordnet waren. Die Nachrichtenstelle für den Orient ist daher als »klassische« Linienorganisation einzuordnen, die in Ansätzen über eine horizontale Kommunikationsstruktur verfügte. Dieser institutionalisierte Versuch der Marginalisierung bestimmter Mitarbeiter und Affiliierter aufgrund ihrer Herkunft war eine Quelle des Konflikts und des Misstrauens.73
2.1.3
Leitung
Die drei Leiter der Nachrichtenstelle für den Orient standen, trotz unterschiedlich langer Amtszeiten und verschiedener Führungsstile, in der Hierarchie der Organisation stets an der Spitze. Der erste und der dritte Leiter der Nachrichtenstelle wurden vom AA, der zweite wurde von Max von Oppenheim74 bestimmt. Eine Wahl des Leiters, wie man es bei einer Organisation mit horizontaler Koordination, etwa einem Verein, erwarten könnte, fand nicht statt. Der Gründungsdirektor der NfO, Max von Oppenheim, leitete die Einrichtung von der konstitutiven Phase bis zur Konsolidierungsphase im März 1915. Danach leitete er auf Wunsch des deutschen Botschafters in Istanbul, Hans von Wangenheim, die dortige Nachrichtenstelle, eine Zweigstelle der NfO.75 Somit stand von Oppenheim der NfO in Berlin, je nach Rechnung, maximal ein halbes Jahr als Leiter vor. Obwohl er stetig den Kontakt zur Nachrichtenstelle in Berlin hielt und von seinen Nachfolgern immer wieder um Rat gebeten wurde, widmete sich von Oppenheim gänzlich seinen neuen Tätigkeiten im Osmanischen Reich und distanzierte sich zunehmend von der NfO. Als Hauptursache für den Wechsel kann der Wunsch von Oppenheims gesehen werden, vor Ort (im Nahen und Mittleren Osten) für die deutsche Propaganda aktiv zu sein.76 Karl Emil Schabinger von Schowingen übernahm die Führungsposition nach dem Weggang von Oppenheims im März 1915 und erhielt für diese Zeit den Titel »Konsul«77 , auf Bitte von Oppenheims und gegen internen Widerstand aus dem AA.78 In seiner Biografie schreibt Schabinger von Schowingen, von Oppenheim habe ihn zu seinem Stellvertreter ernannt, sei vom AA aber als Leiter der NfO be-
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S. Kap. 3.3.2 Konflikte und Asymmetrien sowie Kap. 3.3.3 Überwachung und Kontrolle. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 14.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. Wolff Metternich an AA, 21.02.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904 und Zu der Nachrichtenstelle der deutschen Botschaft in Istanbul, o.D. [nach Ende des Ersten Weltkriegs], Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA, Erster Weltkrieg, NL von Oppenheim Nr. 19. Hanisch 2014a, S. 182. Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 1 und Schabinger von Schowingen 1967, S. 127. Von Oppenheim an Zimmermann, 17.03.1915, PA AA, P 1, PersA Max von Oppenheim 12977. Zum internen Widerstand im AA s. den Rest der PersA Max von Oppenheim 12977.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
handelt worden.79 Tatsächlich gerierte sich Schabinger von Schowingen in seinen Korrespondenzen stets als Stellvertreter des Gründers.80 Er wandte sich auch bei eher belanglosen Fragen an von Oppenheim,81 schickte ihm Zwischenberichte und wollte seine Meinung hören. Generell verfasste Schabinger von Schowingen zu den unterschiedlichsten Themen mehrere seitenlange Berichte, in denen er sämtliche Probleme stets sehr detailliert schilderte. Auch ein Bericht nach seiner Versetzung, in dem er sich lediglich als Bindeglied zwischen AA, NfO sowie den damit in Verbindung stehenden Personen und Einrichtungen darstellt,82 weist darauf hin, dass Schabinger von Schowingen möglichst wenig Verantwortung übernehmen wollte und sich eher als Sachwalter sah. Muhammad Farid bezeichnete den zweiten Leiter der NfO zudem als »Schwätzer« (chatterbox), der sich bemühte, den Anschein zu erwecken, etwas Nützliches zu tun.83 Letztlich war es sein autoritärer Führungsstil, der Schabinger von Schowingens Versetzung nach einer nur einjährigen Amtszeit auf eine unbedeutende Übersetzerstelle an den deutschen Auslandsvertretungen in Jerusalem und Jaffa zur Folge hatte. Sein Führungsstil würde heutzutage als Mikro-Management bezeichnet werden. Er verlangte von seinen Mitarbeitern die Vorlage sämtlicher ausgehender Briefe, wollte die gesamte an die NfO gerichtete Post selbst öffnen, erinnerte Mitarbeiter wiederholt an die Weisungskette und ermahnte sie des Öfteren bei Abwesenheiten.84 Die administrative Durchsetzung der Anwesenheitspflicht gelang ihm jedoch nicht. Zudem behandelte er die nichtdeutschen Mitarbeiter derart herablassend, dass beim AA mehrere Beschwerden darüber eingingen.85 Lüdke bewertet das Verhalten als nötige Strenge angesichts der chaotischen organisatorischen Zustände in der Nachrichtenstelle.86 Eine andere Interpretation wäre der bürokratische Charakter Schabinger von Schowingens, da ähnliche Verordnungen oder Beschwerden über die anderen Leiter nicht vorliegen. Im Februar 1916 wurde dann innerhalb des AA die Versetzung des zweiten Leiters der NfO beschlossen.87 79 80
81
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Schabinger von Schowingen 1967, S. 127. Zwischenbericht Schabinger von Schowingen an von Oppenheim, 05.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502 und Mitarbeiterliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 20.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. Schabinger von Schowingen unterrichtete von Oppenheim beispielsweise detailreich, dass es der NfO gestattet worden sei, den Aufzug zu den neu angemieteten Büroräumen zu verwenden. Schabinger von Schowingen an von Oppenheim, 30.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. Schabinger von Schowingen an Wolff Metternich, 19.06.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Farid/Goldschmidt 1992, S. 250. Internes Rundschreiben von Schabinger von Schowingen, 25.01.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Internes Schreiben von Wesendonks, 18.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Lüdke 2016, S. 86. Internes Schreiben von Wesendonks, 18.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503.
2. Die NfO als Organisation
Schabinger von Schowingen selbst beschrieb seine Amtszeit als besonders wichtig für die NfO.88 Dieser Behauptung steht der Umstand entgegen, dass sich zwar die Anzahl der Publikationen der NfO in der Amtszeit von Schabinger von Schowingen erhöht hat, insgesamt aber kein Ausbau der Tätigkeiten oder sonst eine Veränderung stattgefunden haben. Eugen Mittwoch, der im Februar 1916 interimistisch die Leitung der NfO übernahm, stand der Organisation bis zu deren Auflösung 1921 – und somit zeitlich am längsten – vor. Offiziell leitete er die Nachrichtenstelle ab Juni 1916.89 Mittwoch, der im Gegensatz zu Schabinger von Schowingen von Otto-Günther von Wesendonk90 und nicht von Max von Oppenheim91 vorgeschlagen worden war, machte sich direkt an die inhaltliche und konzeptionelle Neuausrichtung der Nachrichtenstelle. Während sich sein Vorgänger lediglich durch die formale Einsetzung durch den Gründer der NfO als ihr Leiter legitimierte, war Mittwoch aufgrund seiner Fachexpertise als Orientalist und seiner guten Behandlung auch der nichtdeutschen Mitarbeiter angesehen. Bei der Umstrukturierung der Nachrichtenstelle nahm er sich sowohl kleinerer als auch größerer Fragen an. Eine der ersten Amtshandlungen Mittwochs war es, den Beschluss Schabinger von Schowingens aufzuheben, dass sämtliche an die NfO gerichtete Post nur von ihrem Leiter zu öffnen sei.92 Unter Mittwoch wurde zudem das Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle zu einer Zeitschrift ausgebaut (Der Neue Orient).93 Ziel war es, die deutsche Presseberichterstattung zum Nahen und Mittleren Osten in der NfO zu zentralisieren bzw. durch diese zu kontrollieren.94 Kloosterhuis schreibt in diesem Zusammenhang, dass die Nachrichtenstelle unter Mittwoch zur »zentralen amtlichen Propaganda-Organisation für den Orient wurde«95 . Das zentrale Anliegen Mittwochs war es jedoch, die Weiterführung der NfO-Tätigkeit für die Zeit nach dem Krieg vorzubereiten. Zu diesem Zweck wurden bereits im Sommer 1916 Pläne vorgelegt,96 die vorsahen, den Schwerpunkt der Nachrichtenstelle von Kultur- und Wirtschaftspropaganda hin zu Werbung für deutsche Hochschulbildung umzugestalten.97 Während Schabinger von Schowingen die NfO eher verwaltete, versuchte Mittwoch, die Arbeit der Nachrichtenstelle zu gestalten und zu entwickeln. Mitnichten ist also Georg Kampffmeyer zuzustim-
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Schabinger von Schowingen 1967, S. 129. Mittwoch an AA, 09.06.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Internes Schreiben von Wesendonks, 18.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Schabinger von Schowingen 1967, S. 128 und Bragulla 2007, S. 30. Mittwoch an von Wesendonk, 25.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Mehr dazu in Kap. 4.1.1 Publikationen und Organe. Müller 1991, S. 214-215. Kloosterhuis 1994, S. 440. Mittwoch an Schiemann, 23.06.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Mehr dazu in Kap. 5.1 Das Deutsche Orient-Institut und seine Auflösung.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
men, der 1936 konstatierte, Mittwochs Arbeit sei von Passivität geprägt gewesen.98 Auch die Führungsqualitäten Mittwochs unterschieden sich von denen seines Vorgängers. Die nichtdeutschen Mitarbeiter fühlten sich unter ihm wohler. Zudem setzte sich der dritte Leiter auch für die finanzielle Unterstützung der schlechter bezahlten Mitarbeiter ein.99 Fiel ein Leiter arbeits-, urlaubs- oder krankheitsbedingt aus, wurde er von einem anderen führenden Mitglied der Nachrichtenstelle vertreten.100 Infrage kamen hierfür die Hauptabteilungsleiter. Im Gegensatz zu den Leitern der Nachrichtenstelle selbst gab es bei den Hauptabteilungsleitern relativ wenig Fluktuation. Die Arabische Abteilung wurde vom Orientalisten Eugen Mittwoch geleitet, auch nach seiner Berufung zum Leiter der NfO.101 Der Arabist und Turkologe Martin Hartmann stand der Türkischen,102 der Lehrer Harald Cosack der Russischen und der ehemalige Missionar Ferdinand Graetsch der Indischen Abteilung vor.103 Der Professor für Persisch Oskar Mann leitete bis zu seinem Tod im Dezember 1917 die Persische Abteilung. Sein Nachfolger wurde Sebastian Beck.104 Der Journalist und Sinologe Herbert Mueller war der verantwortliche Redakteur des Korrespondenzblattes und der daraus hervorgegangenen Zeitschrift Der Neue Orient. Max Ebert, Mitarbeiter der Vorgeschichtlichen Abteilung der Berliner Museen, leitete die Empfangsdirektion.105 Die Presse-Abteilung wurde vom »journalistischen Mitarbeiter« Max R. Kaufmann geleitet, die Zentralstelle für Herstellung und Vertrieb von Drucksachen vom Kunsthistoriker und Schriftsteller Friedrich Perzyński.106 Der Journalist Max Adler betreute die Gefangenenzeitung El Dschihad redaktionell bis Juli 1915.107 Nach ihm übernahm der junge Indologe Helmuth von Glasen-
98
99 100 101 102 103 104 105 106 107
Georg Kampffmeyer, Über die Grundlagen für den Aufbau einer zusammenfassenden Berichterstattung über die Gegenwartsverhältnisse des Orients, in: Die Welt des Islams 18 (1936), S. 12-53, hier: S. 29. Es ist nicht auszuschließen, dass Kampffmeyer im Zuge der zunehmenden antisemitischen Stimmung zu dieser Bewertung der Arbeit des deutsch-jüdischen Orientalisten Mittwoch gelangte. Mehr dazu in Kap. 3.2.2 Motivationen für die Zusammenarbeit. So vertrat beispielsweise Herbert Mueller Eugen Mittwoch während dessen Urlaub und Krankheit. Mueller an AA, 16.09.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. Mittwoch an von Wesendonk, 25.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Hartmann war nicht direkt zu Beginn ordentliches Mitglied, leitete die Türkische Abteilung wohl dennoch von Anfang an. Mittwoch an von Wesendonk, 25.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Von Wesendonk an AA, 05.12.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. Kloosterhuis 1994, S. 440. Internes Rundschreiben von Schabinger von Schowingen, 25.01.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 01.06.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502.
2. Die NfO als Organisation
app die Verantwortung für das Periodikum.108 Zudem leitete er die Bibliothek109 und wahrscheinlich das Archiv der NfO, das aufgrund seiner geringen Größe wohl Teil der Bibliothek war. Die Kanzlei führte Ferdinand Graetsch.110 Die Leitung der Türkisch-Juristischen Abteilung sowie des Literarischen Büros lassen sich nicht ermitteln. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Martin Hartmann, als Experte für das Osmanische Reich und Kenner der dortigen Publizistik, in beide Abteilungen maßgeblich involviert war.
2.1.4
Räumlichkeiten
Die Nachrichtenstelle für den Orient hatte in Berlin Räumlichkeiten an zwei unterschiedlichen Adressen. In der konstitutiven Phase und der Konsolidierungsphase war die Nachrichtenstelle mit zunächst fünf und dann zehn Räumen im Reichskolonialamt untergebracht. Als die Räume wieder benötigt wurden, mussten der NfO-Leiter und die Mitarbeiter die Mauerstraße 45/46 verlassen und sich nach einer Alternative umsehen.111 Im April 1915 war der Umzug in eine Wohnung in der Tauentzienstraße 19a abgeschlossen.112 Zunächst hatte die Nachrichtenstelle 18 Räume (ab April 1915), dann 27 Räume (ab März 1917) und letztlich 32 Räume (ab August 1918).113 Die Adresse wurde aufgrund der geringen Distanz zu von Oppenheims privater Wohnung gewählt,114 die sich in der Nähe des Savigny Platzes befand.115 Der Mietvertrag für die Diensträume der Nachrichtenstelle lief über ihren Gründer. Zwar war Schabinger von Schowingen als Bevollmächtigter eingesetzt worden, es ergaben sich dennoch Schwierigkeiten. Die Mitarbeiter waren mit der Lage und Ausstattung der Wohnung – die Heizung funktionierte regelmäßig nicht – eher unzufrieden.116 Als sich Eugen Mittwoch in seiner Funktion als NfO-Leiter im Frühjahr 1916 auf die Suche nach neuen Räumlichkeiten machte, wäre nur von
108 Mittwoch an AA, 04.08.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502 und Glasenapp 1964, S. 72. 109 Internes Rundschreiben von Schabinger von Schowingen, 25.01.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. 110 Mittwoch an von Wesendonk, 25.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. 111 Von Oppenheim an AA, 24.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 112 Der Grund, weshalb die NfO zunächst dort untergebracht war, war laut von Oppenheim, dass dort wenig Beamte tätig seien und dementsprechend Räume zur Verfügung stünden. Von Oppenheim an Sachau, 17.10.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. 113 Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 2. 114 Mittwoch an AA, 24.05.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 115 Ludmila Hanisch, Die Nachfolger der Exegeten: Deutschsprachige Erforschung des Vorderen Orients in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Wiesbaden 2003, S. 130. 116 Mittwoch an AA, 24.05.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Oppenheim, der sich seit einem Jahr dauerhaft in Istanbul aufhielt, in der Lage gewesen, den Vertrag der alten Wohnung zu kündigen. Neben der Lage sowie der Schwierigkeit, die Räume zu beheizen, war auch die steigende Miete ein Problem für die NfO. Während die Miete im ersten Jahr 5.500 Mark betrug, stieg sie im zweiten Jahr auf 6.500 Mark an.117 Inflationsbedingt erhöhte sie sich jährlich, sodass sie im April 1918 11.700 Mark betrug und für das Jahr 1919 14.700 Mark angesetzt waren.118 Mittwoch schlug dem AA seit seiner Einsetzung als Leiter jährlich einen Umzug vor, der jedoch aus verschiedenen Gründen immer wieder verworfen wurde. Im ersten Jahr erneuerten die Vermieter Heizung sowie Öfen119 und 1918 wurde ein Umzug als zu teuer erachtet.120 Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang war der Umstand, dass der Mietvertrag der NfO stets zu Ende September hätte gekündigt werden müssen, die Nachrichtenstelle die Zusage für ihr Budget aber erst im April erhielt. Mittwoch ging – wahrscheinlich zu Recht – davon aus, dass kein Vermieter der NfO Räume zur Verfügung gestellt hätte, da die Organisation nur für ein halbes Jahr finanziell abgesichert war.121 Lediglich im Sitzungsprotokoll vom 27.03.1915 – kurz vor dem Umzug der Nachrichtenstelle – findet sich eine Übersicht über die Aufteilung der neuen Räume.122 Demnach waren folgende Räume vorgesehen (in der Summe 18): Direktion, Wartezimmer, Konferenzzimmer, Diktierzimmer, Schreibmaschinenraum, Postraum, Kanzlei, Archiv und Zimmer für Bürodiener. Darüber hinaus wurden den Mitarbeitern Räume zur Verfügung gestellt. Dabei wurde nach den Abteilungen unterschieden. Die Russische Abteilung hatte drei Zimmer zur Verfügung, die Arabische Abteilung zwei Zimmer. Die Türkische Abteilung, die Presseabteilung und die Redaktion der Gefangenenzeitung verfügten über je ein Zimmer. Die Indische und die Persische Abteilung teilten sich ein Zimmer. Die Arbeit in gemeinsamen Räumlichkeiten war sicher ein Katalysator für die Kooperationsformen zwischen Akteuren mit ähnlichen politischen und beruflichen Interessen.123 Die Telefonanschlüsse befanden sich im Direktionszimmer, in der Kanzlei, in der Presseabteilung, im Schreibmaschinenraum und im Wartezimmer. Die Einrichtung der Räume sollte »billig und geschmackvoll sein«; die deutschen Mitarbeiter
117 118 119 120 121 122 123
Ebd. Mueller an AA, 25.09.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. Mittwoch an AA, 03.07.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Mueller an AA, 25.09.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. Mittwoch an AA, 05.06.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 27.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. S. im Detail dazu das Kap. 3.3.1 Zusammenarbeit und Vernetzung.
2. Die NfO als Organisation
erhielten »dunkelpolierte Möbel aus Kiefernholz«, während die nichtdeutschen Mitarbeiter »gewöhnliche Tische« zu Verfügung hatten.124
2.1.5
Filialen
Neben der Berliner Zentrale existierten einige Filialen bzw. Außenstellen (in den Akten in der Regel als »Zweigstellen« bezeichnet)125 der Nachrichtenstelle für den Orient, die bedeutende Rekrutierungspools für NfO-Mitarbeiter und Affiliierte und Ausgangspunkte für die Vernetzung ähnlich gesinnter antikolonialer Akteure waren.126 Die NfO richtete erfolgreich ein Filialnetzwerk zur Informationsbeschaffung ein,127 das sich von Europa bis Zentralasien erstreckte.128 Die wichtigste Zweigstelle ist sicherlich die Nachrichtenstelle bei der deutschen Botschaft in Istanbul, deren Leiter von 1915 bis 1917 von Oppenheim war.129 Davor leitete sie Dragoman Ernst Schmidt.130 Von Oppenheim bezweckte mit der Nachrichtenstelle in Istanbul die Organisation und Zentralisierung der deutschen Propaganda im Osmanischen Reich – die Einrichtung einer »Gesamtnachrichtenorganisation«131 . Durch von Oppenheims Berufung intensivierte sich der Kontakt mit der NfO zwar, die Stelle in Istanbul bestand jedoch schon vor dessen Weggang aus Berlin und wurde nicht von ihm gegründet, was in der Forschungsliteratur zuweilen übersehen wird.132 Auch ist die Beziehung zur Botschaft in Istanbul weitaus komplexer als zuweilen dargestellt. Botschafter Paul Wolff Metternich schrieb im Frühjahr 1916 an das AA, dass er gegen von Oppenheims gewählte Bezeichnung »Nachrichtenstelle bei der deutschen Botschaft in Konstantinopel« sei und er keine Verantwortung für die Publikationen der Nachrichtenstelle übernehmen wolle. Zudem war die Organisation nur anfänglich in den Räumen der Botschaft untergebracht. Bald erfolgte ein Umzug in eigene Räumlichkeiten, da Wolff Metternich die Arbeit der Nachrichtenstelle von der der Botschaft klar trennen wollte. Dennoch war er der Ansicht, dass die Botschaft die Aktivitäten der Nachrichten-
124 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 24.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 125 Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 3. 126 Zu der Rekrutierung von NfO-Akteuren s. Kap. 3.2.1 Rekrutierungsmechanismen. Für die Vernetzung s. Kap. 3.3.1 Zusammenarbeit und Vernetzung. 127 Oberhaus 2015, S. 101. 128 Kloosterhuis 1994, S. 440. 129 Max von Oppenheim, Die Nachrichtensaal-Organisation und die wirtschaftliche Propaganda in der Türkei: Ihre Übernahme durch den Deutschen Überseedienst, Berlin 1917, S. 12. 130 Von Oppenheim an Schabinger von Schowingen, 29.11.1915, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904. 131 Von Oppenheim an Ludwig von Mutius, 25.03.1915, PA AA, RAV Beirut 6. 132 Etwa Hew Strachan, The First World War: To Arms, Oxford 2001, S. 707.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
stelle weiter kontrollieren müsse.133 Von Oppenheim bekräftigte hingegen, dass die räumliche Trennung nur aufgrund von Platzmangel und nicht etwa wegen Konflikten erfolgt sei.134 Im Jahr 1916 stimmten AA und NfO einem Vorschlag von Oppenheims zu, NfO-Schriften im Osmanischen Reich über die Nachrichtenstelle in Istanbul zu vertreiben.135 Der Istanbuler Nachrichtenstelle unterstand mit der Nachrichtensaal-Organisation ein weit verzweigtes Netz von Lesesälen im Osmanischen Reich.136 Dies machte die dortige Zweigstelle zum zentralen Partner der NfO in Sachen Distribution. Die zweite wichtige Außenstelle war der deutschen Gesandtschaft in Bern angegliedert und hatte eine Vertriebsstelle für NfO-Publikationen in Zürich.137 Die Aufgabe dieser Filiale war der Kontakt zu Verlagen und Buchhandlungen in der (neutralen) Schweiz sowie die dortige Distribution von NfO-Schriften.138 Darüber hinaus war die Filiale in der Schweiz massiv in die Überwachung arabischer und anderer nichteuropäischer Akteure involviert.139 Die Einrichtung der Filiale in Zürich erfolgte zunächst gegen den Willen der dortigen Diplomaten. Max R. Kaufmann, der die Stelle zunächst leitete, wurde als unfähig und zudem als zu bekannt erachtet.140 Darüber hinaus wurde im Juni 1915 eine NfO-Filiale in Tiflis/Georgien gegründet. Sie war Teil der deutschen Delegation im Kaukasus.141 Ihre Aufgabe bestand hauptsächlich darin, Nachrichten über lokale Verhältnisse für Berlin zu sammeln.142 In dem bereits zitierten Tätigkeitsbericht der Nachrichtenstelle vom August 1918 steht darüber hinaus, dass der Nachrichtendienst in Misrata/Libyen ebenfalls als Zweigstelle der NfO betrachtet werden kann, da enge Beziehungen dorthin be-
133
Wolff Metternich an AA, 21.02.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904. Die Post der Nachrichtenstelle sollte jedoch weiter an die Botschaft adressiert werden. Neurath an deutsche Auslandsvertretungen im Nahen und Mittleren Osten, 15.03.1916, PA AA, RAV Tripolis 11. 134 Von Oppenheim an Wolff Metternich, 24.01.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904. 135 Von Oppenheim an AA, 09.06.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1529. Von Oppenheim hatte diese Idee wahrscheinlich bereits seit seiner Ankunft in Berlin. Sein Nachfolger bzw. Stellvertreter Schabinger von Schowingen machte im Oktober 1915 einen ähnlichen Vorschlag. Schabinger von Schowingen an AA, 04.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1511. 136 Mehr dazu in Kap. 2.4 Exkurs: Die Nachrichtensaal-Organisation. 137 Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. 138 Mehr dazu in Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion. 139 S. Kap. 3.3.3 Kontrolle und Überwachung. 140 Von Radowitz an AA, 31.12.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1526. 141 Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 3. 142 Mueller an AA, 02.08.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508.
2. Die NfO als Organisation
standen.143 Wie diese genau aussahen, wird in dem Bericht nicht erwähnt und lässt sich aus den gesichteten Akten nur bedingt nachvollziehen. Möglicherweise wird hier auf eine personelle Überschneidung angespielt. Der Mitarbeiter Ahmad Wali wurde von seiner Arbeit bei der NfO kurzzeitig beurlaubt, um die deutschen Aktivitäten in Libyen als Dolmetscher zu unterstützen.144 Ferner erwähnt dieser Bericht, dass eine Außenstelle in Täbris/Iran beschlossen worden sei.145 Ob sie tatsächlich gegründet wurde, ist nicht bekannt, scheint aber aufgrund der politischen Ereignisse in Persien während des Krieges eher unwahrscheinlich. Andere geplante Eröffnungen wurden ebenfalls nicht vollzogen. Die Einrichtung weiterer Filialen auf dem indischen Subkontinent und Ostasien war für die Zeit nach Kriegsende vorgesehen.146 Diese Vorhaben erfüllten sich jedoch nicht. Der graduelle Ausbau der NfO, der Zuwachs an Abteilungen und der häufige Wechsel ihrer Leiter sind Hinweise auf den prozessualen Charakter der Nachrichtenstelle für den Orient. Für Oberhaus ist dieser stetige Ausbau ein Merkmal »sukzessiver Professionalisierung der Orientpropaganda und der Insurrektionsmethoden«147 . Wie im weiteren Verlauf zu sehen sein wird, spricht vieles dafür, dass die Arbeit der Organisation weniger von »Professionalisierung« geprägt war als von Ad-hoc-Entscheidungen, Missverständnissen und Fehlentscheidungen.
2.2
Ziele und Aktivitäten
In der Forschung zur Nachrichtenstelle für den Orient werden die Ziele der Organisation in der Regel direkt der Denkschrift von Oppenheims bzw. den Memoiren Schabinger von Schowingens entnommen.148 Maren Bragulla beschreibt drei Ziele bzw. Aufgaben der Nachrichtenstelle: »Erstens die Revolutionierung der muslimischen Untertanen der Ententemächte durch Agenten, zweitens die Popularisierung des Bündnisses mit dem Islam in der deutschen Bevölkerung und drittens die Propaganda unter den Muslimen. Die wichtigste Tätigkeit der NfO stellte die Propaganda unter den Muslimen dar.«149 Diese Darstellung ist aus drei Gründen problematisch. Erstens kann das Memorandum von Oppenheims nicht als Gründungsdokument oder als handlungsleitende Orientierungshilfe für die NfO bzw. ihre Mit143 144 145 146 147 148 149
Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 3. Mittwoch an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 18.01.1923, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 48. Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 3. Mittwoch an Schiemann, 23.06.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Oberhaus 2007, S. 155. So bei Heine 2006, Müller 1991, S. 193-204 und Oberhaus 2015, S. 101. Bragulla 2007, S. 3-4.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
arbeiter gesehen werden. In den NfO-Korrespondenzen und Berichten, die sich mit ihren Zielen befassen, findet sich kein Verweis auf das Memorandum. Zweitens ist die strikte regionale Unterteilung zwischen Deutschland und dem Nahen und Mittleren Osten problematisch. Hierdurch wird die Quellenperspektive übernommen, die begrifflich zwischen »Propaganda« im Ausland und »Aufklärung« im Inland unterscheidet.150 Die Beeinflussung von Meinungen in Deutschland teilt hinsichtlich der Herangehensweise mehr mit der Beeinflussung von Meinungen in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens, als sie von ihr trennt. Räumliche Grenzen spielten zwar im Denken der NfO-Akteure eine Rolle, nicht aber in der Umsetzung ihrer Pläne. Dies gilt gerade bei der Erstellung des Materials, das unabhängig von den Adressaten produziert und zensiert wurde.151 Das dritte Problem bei einer schematischen Auflistung der Ziele einer Organisation ist, wie der Soziologe Peter Preisendörfer schreibt, die Personifizierung einer Organisation und die damit einhergehende Vernachlässigung von Individualinteressen beteiligter Akteure.152 Die komplexe Gemengelage von verschiedenen Vorkriegsprägungen und Interessen der Mitarbeiter bei gleichzeitiger Interessenkonvergenz in anderen Bereichen resultierte häufig in Spannungen und machte gemeinsame Ziele, die noch dazu den gesamten Kriegsverlauf unverändert blieben, unmöglich. Die Motivationen der einzelnen Akteure für die Zusammenarbeit waren zuweilen ganz andere als der Wunsch, vermeintlich übergeordnete Ziele der Organisation zu erreichen.153 Vielmehr war die Nachrichtenstelle für den Orient überaus fragmentiert und wurde letztlich von den Akteuren primär als Plattform genutzt, um ihre eigenen Botschaften zu verbreiten, etwa die des Wunsches nach der Befreiung ihres jeweiligen Herkunftslandes von europäischen Kolonialmächten. Da für die vorliegende Arbeit solch eine akteurszentrierte bzw. individualistische Perspektive gewählt wurde, erfolgt keine Aufzählung der Ziele der Nachrichtenstelle für den Orient als Organisation. An dieser Stelle sollen ausgehend von den Leitern, zentralen Entscheidungen sowie schriftlichen Zielsetzungen die Richtungsvorgaben der jeweiligen Leiter beschrieben werden.154 Auf der Grundlage dieser Richtungsvorgaben werden die Aktivitäten der NfO-Mitarbeiter dargestellt. Dadurch soll den zeitlichen Veränderungen in den unterschiedlichen Phasen der Organisation Rechnung getragen werden.155
150 151 152 153 154 155
Mehr zu dieser Unterscheidung in Kap. 2.2.4 Propagandaorganisation oder Geheimdienst? S. hierzu im Detail das Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion. Preisendörfer 2016, S. 66-67. Zu den Motivationen für die Zusammenarbeit s. das gleichlautende Kap. 3.2.2. Diese Herangehensweise schlägt Preisendörfer vor, um zuverlässig akteurszentriert Ziele einer Organisation herauszuarbeiten. Preisendörfer 2016, S. 69. Die Beschreibung einer (Geheimdienst-)Organisation anhand der Veränderungen, die sie durchlief, schlägt etwa Markus Pöhlmann vor. Markus Pöhlmann, German Intelligence at War, 1914-1918, in: Journal of Intelligence History 5/2 (2005a), S. 25-54, hier: S. 26.
2. Die NfO als Organisation
2.2.1
Revolutionierung und Dschihadisierung – Kontext
Fritz Fischer hat in seinem Buch Griff nach der Weltmacht (1964) als einer der ersten Historiker die These einer globalen deutschen Revolutionierungsstrategie während des Ersten Weltkriegs vertreten.156 Da jedoch die Kriegsschuldfrage, die in dem Buch im Mittelpunkt stand, für Fischers Zeitgenossen politisch brisanter war, trat die Revolutionierungsstrategie als Thema in den Hintergrund.157 Insbesondere zu den Jubiläen der sogenannten Fischer-Kontroverse wurden seine Thesen erneut besprochen. Während zum 25. Jubiläum im Jahr 1986 erneut die Kriegsschuldfrage zentral war,158 finden sich zum 50. Jubiläum bereits verschiedene Perspektiven auf das Werk.159 Klar wurde nun, dass die Betrachtung der globalen Kriegsziele nicht von einer Betrachtung der globalen Revolutionierungsstrategie zu trennen ist.160 Fischer beschreibt in seinem Buch eine von der politischen und militärischen Elite in Deutschland getragene Strategie, die Kriegsgegner durch Aufstände in den Mutterländern und Kolonialgebieten in die Knie zu zwingen. Das Ziel sei es gewesen, den Gegner massiv durch die Schaffung (interner) Fronten zu schwächen.161 Für die Revolutionierung sei angedacht worden, neben Muslimen auch Polen, Finnen, Ukrainer, Iren, Balten, Juden und Sozialisten zu mobilisieren.162 Die internen nationalen, religiösen und sozialen Konflikte der Gegner sollten genutzt werden.163 Die »Strategie« war jedoch stark fragmentiert: Offizielle Stellen arbeiteten zuweilen parallel oder gar gegeneinander. Viele Entscheidungen wurden kurzfristig gefällt und Aktivitäten planlos bzw. ohne Absprache mit übergeordneten Instanzen durchgeführt. Zudem gab es ebenso viele Anhänger wie Gegner der Revolutionierung. Daher wird im Folgenden nicht von (Revolutionierungs-)«Strategie« oder »Plänen« gesprochen, sondern von »Ideen«. Die Revolutionierungsidee gewann als Option an Bedeutung, als sich abzeichnete, dass Großbritannien nicht neutral bleiben würde.164 Für Fischer ist die Re-
156 157 158
Fischer 1964. Jenkins 2013, S. 398. Gregor Schöllgen, Griff nach der Weltmacht?: 25 Jahre Fischer-Kontroverse, in: Historisches Jahrbuch 106/2 (1986), S. 386-406. 159 Annika Mombauer, The Fischer Controversy 50 Years on, in: Journal of Contemporary History 48/2 (2013), S. 231-240. 160 Jenkins 2013, S. 401. 161 Kröger 1994, S. 366. 162 Fischer 1964, S. 138-183. 163 Will 2012, S. 228. 164 Wilfried Loth, »Dschihad made in Germany«?, Einleitung, in: Wilfried Loth/Marc Hanisch (Hg.), Erster Weltkrieg und Dschihad: Die Deutschen und die Revolutionierung des Orients, München 2014, S. 7-12, hier: S. 7-8.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
volutionierungsidee sogar essenziell antibritisch.165 Die Idee, Aufstände zu entfachen, um dem Gegner zu schaden, entsprang einer Situation militärischer Schwäche. Militärischen Akteuren war bewusst, dass Deutschland Frankreich und Großbritannien im Nahen und Mittleren Osten oder gar in Indien militärisch nichts entgegenzusetzen hatte. Offensive Attacken waren wenig erfolgsversprechend, sodass versucht wurde, dem Kriegsgegner durch andere Mittel Schaden zuzufügen.166 Alexander Will fasst zusammen: »Revolutionierung ist […] als Waffe für den asymmetrischen Kampf gegen einen weit überlegenen Gegner zu interpretieren.«167 Die Revolutionierungsidee war also zunächst ein militärischer Gedanke, dessen Umsetzung von der Obersten Heeresleitung (OHL) an das AA delegiert wurde.168 Solche Revolutionierungsideen waren für europäische Reiche nicht neu. Bereits im 18. Jahrhundert versuchte Großbritannien, in Südamerika Aufstände zu entfachen, um Spanien zu schwächen.169 Auch das Deutsche Reich hatte bereits im 19. Jahrhundert (erfolglos) versucht, im Zuge des französisch-preußischen Krieges 1870/1871 Muslime im französisch regierten Nordwestafrika gegen die Kolonialherren aufzustacheln.170 Der Gedanke, dass der Islam bzw. die Bevölkerungen im Nahen und Mittleren Osten als Kriegsmittel verwendet werden können, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch präsent im Deutschen Reich. Friedrich von Bernhardi und Friedrich Naumann etwa hielten den Islam für einen potenziell ausschlaggebenden und nutzbaren Faktor in kommenden Kriegen.171 Diese Gedanken reichten bis in den Krieg hinein. Der Generalstabschef Helmuth von Moltke d. J. war im August 1914 in einer Denkschrift an das AA der Ansicht, dass eine Aufwiegelung der Bevölkerungen in Indien, Ägypten und im Kaukasus nötig sei.172 Die Instrumentalisierung religiöser – genauer: islamischer – Gefühle zu militärischen oder innenpolitischen Zwecken war aber auch ein Thema im Osmanischen Reich. Die Dschihadisierung, also die Mobilisierung von Muslimen durch die Ausrufung des Dschihad, war bereits vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine lange osmanische Tradition. Dschihadisierung war dabei weder eine deutsche Erfindung noch eine primär religiöse, »panislamische« Angelegenheit, sondern diente in erster Linie dazu, den Machterhalt der osmanischen Regierung zu
165 166 167 168 169 170 171
172
Fritz Fischer, Deutsche Kriegsziele, Revolutionierung und Separatfrieden im Osten, 1914-1918, in: Historische Zeitschrift 188 (1959), S. 249-310, hier: S. 260. Will 2012, S. 228. Ebd., S. 228-229. Strachan 2001, S. 697. Will 2012, S. 228. Heine 1982a. Lüdke 2005, S. 76. Friedrich von Bernhardi war der Ansicht, dass »Panislamismus« und Revolutionen die weltpolitische Vormachtstellung Großbritanniens ins Wanken bringen könnten. Friedrich von Bernhardi, Deutschland und der nächste Krieg, Stuttgart 1912, S. 102. Fischer 1964, S. 146.
2. Die NfO als Organisation
sichern.173 Wolfgang Schwanitz und Donald McKale vertreten die Ansicht, dass das Deutsche Reich seinen Partner in Richtung Dschihad-Erklärung gedrängt habe oder die Dschihadisierungsidee gänzlich von Deutschland ausgegangen sei.174 Aufgrund der Dschihadisierungstradition der Hohen Pforte ist es jedoch wahrscheinlich, dass Istanbul auch ohne deutsches Drängen zu diesem politischen Instrument gegriffen hätte.175 Somit wird deutlich, dass die Idee der Aufwiegelung durch Appelle an nationale und religiöse Gefühle in Europa bei Ausbruch des Krieges bereits eine lange Geschichte hatte. Ein Teil der Forschung blendet die Genealogie dieser Idee jedoch aus, erklärt die Revolutionierungs- bzw. Dschihadisierungsidee zu einem Produkt Max von Oppenheims und seine Denkschrift vom Herbst 1914 zum zentralen Dokument einer strukturierten deutschen Islampolitik im Krieg.176 Von Oppenheim wird dann zum »prophet of Germany’s Islampolitik«177 oder zum »deutschen Abu Jihad«178 . Salvador Oberhaus schreibt diesbezüglich treffend, dass die Dschihadisierung nicht einen, sondern viele Väter in Deutschland gehabt habe und von Oppenheim allenfalls als Geburtshelfer gesehen werden könne.179 Sicherlich ist er – neben vielen anderen – ein zentraler Träger der Idee.180 Fritz Fischer nennt ihn sogar »Zentralfigur«181 . Von Oppenheims primäre »Leistung« war es jedoch eher, bereits vorhandene Revolutionierungsideen mit Bezug zum Nahen und Mittleren Osten zu bündeln.182 Weitere deutsche Träger und Unterstützer der Dschihadisierungspolitik finden sich in diplomatischen, militärischen oder orientalistischen Kreisen. In Fortführung seiner Orientpolitik der 1890er Jahre war Kaiser Wilhelm II. ein Verfechter der Aufwiegelung muslimischer Bevölkerungen insbesondere gegen Großbritannien.183 Umstritten ist hierbei, welchen Einfluss Max von Oppenheim auf den Kaiser 173
Aksakal 2013, S. 35. Eine genauere Erläuterung des Dschihad-Begriffs erfolgt in Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. 174 Etwa Donald M. McKale, Germany and the Arab Question in the First World War, in: Middle Eastern Studies 29/2 (1993), S. 236-253, hier: S. 237, Schwanitz 2003 und ders. 2010. 175 Aksakal 2013, S. 42-43. 176 Implizit wird dadurch auf die Debatte zwischen Carl Heinrich Becker und Christiaan Snouck Hurgronje referiert, die sich 1915 um eben diese Idee des Dschihad made in Germany drehte. S. Abschnitt Dschihad und Verteidigungskrieg in Kap. 4.3.2. 177 Eugene Rogan, The Fall of the Ottomans: The Great War in the Middle East, New York 2015, S. 47. 178 Schwanitz 2010, S. 21 und ders., Paschas, Politiker und Paradigmen: Deutsche Politik im Nahen und Mittleren Osten 1871-1945, in: Comparativ: Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung 14/1 (2004b), S. 22-45, hier: S. 29. 179 Oberhaus 2007, S. 134. 180 Gilyazov 2014, S. 406. 181 Fischer 1959, S. 286. 182 Kröger 1994, S. 372 und Müller 1991, S. 203. 183 Fischer 1964, S. 139.
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hatte, etwa bei der berühmt gewordenen Damaskus-Rede 1898, bei der sich der Regent als Freund der »300 Millionen Muslime« bezeichnet hatte.184 Sollte überhaupt ein Einfluss vorhanden gewesen sein, war dieser eher begrenzt.185 Das Narrativ, das von Oppenheim als the Kaiser’s spy bezeichnet, ist ein Fantasieprodukt britischer Beamter, das in von Oppenheims Zeit am deutschen Konsulat in Kairo Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist.186 Ein weiterer wichtiger Unterstützer der Dschihadisierungsidee im Auswärtigen Amt war Unterstaatssekretär Arthur Zimmermann,187 der die Gründung der NfO massiv befürwortet hatte. Die Freiheiten, die ihm sein Vorgesetzter Gottlieb von Jagow einräumte,188 ermöglichten ihm ein starkes Engagement in dieser Sache. Bedeutende militärische Vertreter waren Freiherr Colmar von der Goltz sowie der bereits genannte Helmuth von Moltke.189 Rudolf Nadolny, der an der Schnittstelle von Militär und AA arbeitete, befürwortete die Dschihadisierungsidee ebenfalls. Auch Orientkenner wie Ernst Jäckh versprachen sich positive Effekte für Deutschland durch eine Revolutionierung des Nahen und Mittleren Ostens.190 Zudem bestand für die Orientalisten die Hoffnung, durch eine aktive Beteiligung an der Politik ihrem Fach mehr Gewicht zu verleihen.191 So gewichtig wie die Unterstützer der Dschihadisierungsidee waren, so vielseitig war die Kritik daran. Kritik kam zum einen von Akteuren on the spot – im Nahen und Mittleren Osten. Drei der vier deutschen Botschafter in Istanbul während des Krieges – Hans von Wangenheim, Paul Wolff Metternich und Richard von Kühlmann192 – waren skeptisch hinsichtlich möglicher Erfolge der Dschihadisierung und standen der Politik zuweilen sogar ablehnend gegenüber.193 Auch der Diplomat Curt Prüfer, der den Großteil des Krieges im Osmanischen Reich verbrachte, war hinsichtlich möglicher Ergebnisse bei der Aufwiegelung in Ägypten194 und Sy-
184 Ebd., S. 142. 185 Hanisch 2014b, S. 16. 186 So beschreibt Ronald Storrs, dass von Oppenheim den Briten zu seiner Zeit in Kairo als the Kaiser’s spy bekannt war. Ronald Storrs, Orientations: The Autobiography of Sir Ronald Storrs, London 1937, S. 141. In der Forschung wird stets Storrs zitiert wie bei Gossman 2014, S. 44-45 und McKale 1997b, S. 201. 187 Loth 2014, S. 7. 188 Johannes Hürter, Die Staatssekretäre des Auswärtigen Amtes im Ersten Weltkrieg, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Erste Weltkrieg: Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München/Zürich 1994, S. 216-251, hier: S. 222-223. 189 McKale 1998, S. 13. 190 Kröger 1994, S. 371. 191 Hagen 2004, S. 154. 192 Noch in seinen Memoiren beschreibt von Kühlmann die deutschen Aktivitäten als »besondere Art der Landplage.« Kühlmann 1948, S. 458. 193 Die Skepsis von Wangenheims und Wolff Metternichs bei McKale 1998, S. 14, die Skepsis von Kühlmanns bei Will 2012, S. 230. 194 Prüfer an von Wangenheim, 09.02.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21129.
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rien195 skeptisch.196 Aber auch andere Akteure im AA waren nicht zuversichtlich hinsichtlich des Nutzens der Dschihad-Politik, wie etwa der Diplomat Friedrich Rosen,197 der lange Zeit im Nahen und Mittleren Osten verbracht hatte. Zudem regten sich aus den Reihen der Orientalisten Bedenken. Carl Heinrich Becker etwa, der die deutsche Nahost-Politik im Ersten Weltkrieg grundsätzlich unterstützte, ging davon aus, dass sich wahrscheinlich nur lokale Aufstände entfachen lassen könnten, nicht aber eine flächendeckende Revolutionierung.198 Ähnlich argumentierte Georg Kampffmeyer, als er darauf aufmerksam machte, dass die Unterschiede im Nahen und Mittleren Osten zu groß seien, um eine umfassende Revolutionierung auslösen zu können.199 Eine weitere Gruppe, die mit der deutschen Revolutionierungspolitik haderte, waren Missionare wie Josef Froberger und Julius Richter.200 Diese äußerten bereits vor dem Krieg etwa auf Missionskonferenzen mehrmals Bedenken, dass die deutsche Politik Fanatismus unter Muslimen in deutschen Kolonien fördern könne.201 Obwohl die kritischen missionarischen Stimmen mit dem Kriegsausbruch leiser wurden, verschwanden sie nicht gänzlich. Das breite Spektrum an Positionen verdeutlicht, dass Revolutionierung durch Islam bzw. Dschihadisierung zumindest als mögliche Option in Deutschland bekannt war und somit die Option, dass sich deutsche Akteure für die NfO engagieren könnten, nicht vollkommen abwegig war.202 Am Ende des Jahres 1916 gab das Militär die Idee auf, Muslime durch eine auf Dschihadisierung ausgerichtete Propaganda zu revolutionieren. Dies geht aus unterschiedlichen Stellungnahmen bzw. Rückfragen seitens NfO-Mitarbeitern, Botschaftspersonal aus dem Osmanischen Reich und AA-Mitarbeitern hervor.203 Es hatte sich Ernüchterung breitgemacht.204 Gründe hierfür waren möglicherweise die Enttäuschung über militärische Niederlagen deutscher und osmanischer Truppen (am Suez-Kanal Februar 1915 und Juli/August 1916205 und die Niederschlagung des Angriffs der Sanusiyya auf das britisch besetzte Ägypten im Frühjahr 1916206 ), 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206
Prüfer an AA, 03.11.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21126. Hanisch 2014a, S. 178. McKale 1998, S. 14. Bihl 1975, S. 37. Müller 1991, S. 178-179. Mehr zu missionarischen Bedenken bezüglich deutscher Islampolitik in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in Kap. 4.2.1 Deutsche Orient- und Islamdebatten vor 1914. Rebekka Habermas, Debates on Islam in Imperial Germany, in: David Motadel (Hg.), Islam and the European Empires, Oxford 2014, S. 231-255, hier: S. 234. Zu den Motivationen der deutschen zukünftigen NfO-Akteure aus Wissenschaft und Politik s. Kap. 3.2.2 Motivationen für die Zusammenarbeit. Etwa von Wesendonk an AA, 07.12.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21261. Loth 2014, S. 11. Die Einnahme des Suez-Kanals sollte die zentrale Verbindung zwischen England und seinen Kolonien (insbesondere Indien) unterbrechen. Rogan 2015, S. 46. Strachan 2001, S. 748.
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der Arabische Aufstand im Juni 1916 sowie die zunehmenden Spannungen zwischen deutschen und osmanischen Behörden hinsichtlich der Verbreitung deutscher Propaganda im Osmanischen Reich. Darüber hinaus war mit dem Weggang Rudolf Nadolnys nach Persien ein wichtiger Befürworter der Dschihadisierungsidee ab Mitte 1916 nicht mehr in Berlin.207 Zudem nahm auch die Hohe Pforte selbst im Jahr 1916 (wohl als Reaktion auf die Arabische Revolte)208 Abstand von der Dschihadisierungspolitik.209 Die verantwortlichen und beteiligten deutschen Akteure waren auch aufgrund der fehlenden Erfolge bei der Meinungsbeeinflussung, etwa in Form der Rekrutierung von Kämpfern aus den Gefangenenlagern, zu der Erkenntnis gekommen, dass sich der Faktor Religion bzw. Dschihad nicht dazu eignete, flächendeckend Aufstände ins Leben zu rufen. Dennoch wurde die Revolutionierung nicht komplett aufgegeben, sondern lediglich die bereits verwendete nationalistische und antikoloniale Rhetorik gestärkt.210 Dies wurde auch durch NfO-Mitarbeiter vorgeschlagen, wie Harald Cosack, der sich an das AA wandte und mit Bezug auf die Gefangenenlager schrieb, dass die »Orient-Revolutionierung« keinesfalls auf Dschihad-Propaganda reduziert werden dürfe.211 Insbesondere den NfO-Akteuren war bewusst, dass Religion bzw. Islam nur eine von mehreren möglichen Optionen war, gegen die Entente Stimmung zu machen. Wie stark gerade die nichtdeutschen NfO-Akteure religiöse Fragen auch vor 1916 thematisierten, hing maßgeblich mit der Frage ihrer Vorkriegsprägungen – genauer: ihrer religiösen Einstellung und Nähe bzw. Distanz zum Osmanischen Reich – zusammen.212 Spätestens als zentrale islamische Städte (Mekka, Bagdad und Jerusalem) im Jahr 1917 in den britischen Einflussbereich gelangten213 und es dagegen keine religiösen Aufstände gab, 207 Michael Jonas/Jan Zinke, »Wir standen mit der Zukunft im Bunde«: Rudolf Nadolny, das Auswärtige Amt und die deutsche Persienpolitik im Ersten Weltkrieg, in: Wilfried Loth/Marc Hanisch (Hg.), Erster Weltkrieg und Dschihad: Die Deutschen und die Revolutionierung des Orients, München 2014, S. 61-90, hier: S. 69. 208 Jan Brauburger nennt als weiteren Grund die Schwächung des religiösen Flügels der Jungtürken. Brauburger 2017, S. 3. Hierzu kann man etwa die Verweltlichung des Schul- und Gerichtswesens, die damit einhergehende Schwächung der religiösen Gelehrten (ʿulamaʾ) sowie die Absetzung des şeyhülislam 1916 zählen. Erik Jan Zürcher, Turkey: A Modern History, London 2005, S. 121. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass für die strategische Entscheidung, den Dschihad nicht mehr als rhetorisches Kriegsmittel zu nutzen, vor allem das militärische Geschehen und weniger die parteiinternen Auseinandersetzungen relevant war. 209 Oberhaus 2007, S. 273. 210 Dieser Paradigmenwechsel blieb auch den britischen Akteuren im Nahen und Mittleren Osten nicht verborgen. Thomas E. Lawrence, Nationalism among the Tribesmen, in: Arab Bulletin 1/33 (26.11.1916), S. 483-484, hier: S. 483. 211 Cosack an von Wesendonk, 13.12.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. 212 Die ideologischen Differenzen zwischen den nichtdeutschen Akteuren werden im gesamten Kap. 4 Diskurse und in Kap. 3.1.3 Kolonialerfahrung thematisiert. 213 Rogan 2015, S. 353.
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wurde klar, dass der anfängliche Enthusiasmus für die Dschihadisierungsidee unbegründet war. Die zuvor allenfalls verhalten geäußerte Kritik wurde nun auch öffentlich bekundet. Friedrich Moll, der als Ingenieur in Bahnprojekte im Nahen und Mittleren Osten involviert war, schrieb: »Wer die Geschichte des Weltkrieges seit dem Eintritt unserer osmanischen Bundesgenossen verfolgt hat, wird wissen, daß die feierliche Kriegserklärung zu Konstantinopel keine »allgemeine Erhebung des Islam« zur Folge gehabt hat. Wer aber den Orient und die Geschichte seiner Völker kennt, der wird derartige Erwartungen überhaupt nicht gehegt haben.«214 Die deutschen Träger und Unterstützer der Dschihadisierungsidee hatten kurz nach Kriegsbeginn sicherlich das revolutionäre Potenzial im Nahen und Mittleren Osten über- und die Differenzen unterschätzt.215 Die Revolutionierungsideen sind in erster Linie als Projektionen der politischen und militärischen Eliten in Deutschland zu betrachten. Zum einen bestand die Sorge vor Aufständen und Revolutionen in Deutschland. Davon ausgehend wurde angenommen, dass auch bei den Kriegsgegnern die reale Gefahr von Revolutionen bestand.216 Zum anderen waren die Revolutionierungsideen verbunden mit Expansionsgedanken nationalistischer und prokolonialer Gruppen wie dem Alldeutschen Verband.217 Unausgesprochen stand häufig der Gedanke im Raum, dass das Deutsche Reich in Friedenszeiten die von Frankreich und Großbritannien »befreiten« Kolonien übernehmen könnte.218 Der dritte Aspekt dieser Revolutionierungsideen ist sicherlich, dass sie ein Ausdruck der globalen Perspektive der beteiligten deutschen Akteure waren. Der Krieg wurde tatsächlich als Welt-Krieg verstanden.219 Diese Verbindung globaler und lokaler Aspekte findet sich auch in den Richtungsvorgaben, welche die Leiter der Nachrichtenstelle für den Orient in ihren jeweiligen Amtszeiten formulierten.
2.2.2
Ziel- und Richtungsvorgaben der Leiter
Max von Oppenheim legte bei der Gründung der Nachrichtenstelle das für ihn zentrale Ziel fest. Im Mittelpunkt der Gründung der NfO stand seine Idee, eine effek214 215 216 217 218
219
Friedrich Moll, Der Heilige Krieg, Berlin 1917, S. 1. Loth 2014, S. 11. Strachan 2001, S. 696. McKale 1998, S. 55. Zumindest galt der Unterstaatssekretär Arthur Zimmermann vielen Zeitgenossen als alldeutscher Akteur. Hürter 1994, S. 224. Zu den deutschen kolonialen Ambitionen in Bezug auf das Osmanische Reich s. Kap. 4.2.1 Deutsche Orient- und Islamdebatten vor 1914. Die rhetorische Verarbeitung des Verhältnisses zwischen Deutschland und dem Osmanischen Reich findet sich in Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. Die Perspektive auf den Krieg in den Texten der NfO-Akteure findet sich in Kap. 4.3.1 Kolonialismus, Krieg und Kultur.
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tive deutsche Gegenpropaganda zur sogenannten Entente-Presse einzurichten.220 Der Gründungsleiter der NfO empfahl in seinem Memorandum, durch die globale Beeinflussung von Meinungen für Aufstände in der gesamten »islamischen Welt« zu sorgen. Wie in der gesamten deutschen Kriegspropaganda ging es hier darum, unerwünschte Informationen zu unterdrücken und positive Informationen gezielt zu platzieren.221 Das ging mit der politischen und militärischen Hoffnung einher, dass die Entente zwecks Bekämpfung dieser Aufstände Truppen von europäischen Schlachtfeldern abziehen würde.222 Eine Zielsetzung über den Krieg hinaus formulierte von Oppenheim nicht. Dies hing möglicherweise mit der Überzeugung politischer und militärischer Eliten zusammen, dass der Krieg nicht lange dauern würde. Entsprechend waren die unterschiedlichen Organisationen, die sich mit der Beeinflussung von Meinungen auseinandersetzten, nicht auf eine lange Einsatzzeit vorbereitet.223 Die globale »Manipulation kollektiver Willensbildung«224 spielte für NfO-Akteure als Ziel auch dann eine Rolle, als von Oppenheim im Frühjahr 1915 die Organisation verließ. Das trat jedoch in den Hintergrund und eine Reihe kurzund mittelfristiger Ziele wurden von den zwei nachfolgenden Leitern in den Vordergrund gestellt. Karl Emil Schabinger von Schowingen, der zweite Leiter, hatte für die Nachrichtenstelle bescheidenere Ziele, als die Insurrektion der gesamten »islamischen Welt« durch die globale Beeinflussung von Öffentlichkeiten. Für Schabinger von Schowingen war die NfO »ein während des Krieges bestehendes Büro, das in erster Linie die Aufklärung der öffentlichen Meinung in orientalischen Ländern zur Aufgabe hat [Hervorhebung SK].«225 Dies zeigte sich an intensiven Versuchen, die Presse im Nahen und Mittleren Osten zu lenken.226 Der Einflussnahme auf die öffentliche Meinung in neutralen Ländern und Deutschland kam für ihn keine besondere Bedeutung zu, wobei sie nie komplett aufgegeben wurde. In Bezug auf das Deutsche Reich war dem zweiten Leiter der Organisation jedoch wichtig, die deutsche Politik bzw. Entscheidungsträger zu beeinflussen und die NfO zu einer Art »Koordi220 Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 1. Gegenpropaganda bzw. »Aufklärung« als Ziel wird auch in der ersten Ausgabe der Gefangenenzeitung El Dschihad erwähnt. Maqsad Jaridatna [Ziel unserer Zeitung], in: El Dschihad 1 (05.03.1915), S. 1-2. 221 Koszyk 1975, S. 470. 222 Kröger 1994. 223 Peter Grupp, Voraussetzungen und Praxis deutscher amtlicher Kulturpropaganda in den neutralen Staaten während des Ersten Weltkriegs, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Erste Weltkrieg: Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München/Zürich 1994, S. 799-824, hier: S. 799-800. 224 Wolfgang Krieger, Geheimdienstgeschichte als Wissensgeschichte: Historische Grundlinien, in: Lisa Anna Medrow/Daniel Münzner/Robert Radu (Hg.), Kampf um Wissen: Spionage, Geheimhaltung und Öffentlichkeit, 1870-1940, Paderborn 2015, S. 31-52, hier: S. 32. 225 Schabinger von Schowingen an AA, 29.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 226 Rathmann 1963, S. 184. Mehr dazu auch in Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion.
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nierungsstelle«227 für die »Orient«- und Islampolitik zu machen. Die Nachrichtenstelle sollte das AA »über die orientalische Frage informieren«228 und auch anderen amtlichen Stellen fortlaufend über »politische, wirtschaftliche und kulturelle Vorgänge«229 berichten. Die Informationsbeschaffung zu sämtlichen politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten und Entwicklungen im »Orient« sollte dadurch bei der NfO zentralisiert werden. In der Konsolidierungsphase der Nachrichtenstelle von Dezember 1914 bis März 1915 standen für Schabinger von Schowingen somit der Machtzuwachs der Organisation und die Zentralisierung der Nahostpropaganda im Mittelpunkt. Dieses Vorhaben kann jedoch, angesichts der Vielzahl der mit Auslandspropaganda befassten Stellen,230 als gescheitert erachtet werden. Unter Eugen Mittwoch erfolgte eine stärkere Ausrichtung auf Deutschland. Er war der Ansicht, dass Aktivitäten im Nahen und Mittleren Osten nicht ausreichen würden:231 Wenn in der Region überhaupt Meinungen beeinflusst werden sollten, hatte dies zu geschehen, um »Sympathien für Deutschland [zu] erwerben«232 , d.h., um ein positives Deutschlandbild zu schaffen. Im Fokus seiner Amtszeit stand vielmehr die Bereitstellung von Informationen für die deutsche Öffentlichkeit und Presse.233 Dadurch wollte Mittwoch die »Durchdringung der deutschen [Hervorhebung im Original] öffentlichen Meinung mit richtigen Anschauungen über den Orient«234 erreichen. Die Veränderung der Wahrnehmung der jeweils anderen Seite sowie die Schwerpunktsetzung auf Deutschland dienten dazu, eine Neuausrichtung der Nachrichtenstelle für die Zeit nach dem Krieg vorzubereiten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Schabinger von Schowingen sah Mittwoch in der NfO eine Organisation, deren Aktivitäten und Netzwerk sich ideal für Tätigkeiten nach Kriegsende nutzen ließen. Mittwoch, seines Zeichens Akademiker, schwebte vor, die Nachrichtenstelle zu einer zentralen Einrichtung für Hochschulkooperationen zwischen Deutschland und Ländern des Nahen und Mittleren Ostens zu machen.235 Letztlich war die Umsetzung der Zielvorgaben stark von der Bereitschaft der Mitarbeiter und Affiliierten abhängig, sich für diese zu engagieren. Da die Akteure 227 228 229 230
231
232 233 234 235
Heine 2006, S. 8. Der Aspekt der Koordination wird auch ausgeführt in Heine 1980, S. 197. Mittwoch an von Grundherr, 17.09.1919, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. Ebd. Grupp 1994, S. 805-806. Erzberger erwähnt in seinen Memoiren, dass er bereits im Oktober 1914 27 Propagandastellen gefunden hätte. Matthias Erzberger, Erlebnisse im Weltkrieg, Stuttgart/Berlin 1920, S. 5. Denkschrift der Nachrichtenstelle für den Orient betreffend die Gründung eines Deutschen Orient-Instituts, 06.09.1917, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Vc Sek 1 Tit. XI Teil I Nr. 58 Bd. 1. Mittwoch an von Grundherr, 17.09.1919, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. Ebd. Mittwoch an Schiemann, 23.06.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Ebd.
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jedoch zumeist eigene Interessen verfolgten, funktionierte dies nur bedingt.236 In den Diskursen spielten die regionalen Schwerpunktsetzungen im Grunde keine Rolle. Sowohl Deutschland als auch der Nahe und Mittlere Osten wurden unter jedem Leiter in den Publikationen behandelt.237
2.2.3
Aktivitäten und Radius
Die Mitarbeiter und Affiliierten der Nachrichtenstelle führten verschiedene Aktivitäten in Deutschland und der Welt durch. Dabei lassen sich drei Kategorien feststellen, für deren konkrete Umsetzung qualifizierte Personen gesucht wurden.238 Zum einen gab es publikationsbezogene Aktivitäten. Dabei ging es sowohl um die Produktion von öffentlichkeitswirksamen Publikationen als auch um Informationskontrolle, die der Beeinflussung von Stimmungen und Meinungen diente. Oberhaus bezeichnet diesen Strang der NfO-Aktivitäten als »Propaganda und Nachrichtensammlung«239 . Zum anderen führten NfO-Akteure personenbezogene Aktivitäten durch. Diese richteten sich an Individuen oder Gruppen, deren Meinung beeinflusst werden sollte oder die dazu benutzt wurden, Meinungen zu beeinflussen. Als Drittes wurde eine Reihe von Aktivitäten ausgeführt, die keiner der beiden anderen Kategorien zugeordnet werden können. Zu den ersten publikationsbezogenen Tätigkeiten zählten die Sichtung und Übersetzung von Nachrichten aus dem Nahen und Mittleren Osten. Diese Tätigkeit führten insbesondere deutsche, orientalistisch geschulte Akteure durch, die über die nötigen Sprachkenntnisse verfügten. Der ursprüngliche Name der NfO, »Uebersetzungs- und Nachrichtenstelle für den Orient«, deutet bereits auf die Zentralität der Übersetzungsleistungen hin. Auch die an den ersten Treffen beteiligten Akteure Max von Oppenheim und Eduard Sachau, vom Berliner Seminar für Orientalische Sprachen, hatten ein »Übersetzungsbüro« vor Augen.240 Diese Übersetzungen sollten der deutschen Presse und Politik zur Verfügung gestellt werden. Eine weitere Übersetzungsleistung fand in den Lagern für muslimische Kriegsge-
236 S. Kap. 3. 237 S. Kap. 4. 238 Zu den Einstellungsvoraussetzungen, welche die Leitung als grundlegend für eine Mitarbeit bei der NfO erachtete, s. Kap. 3.2.1 Rekrutierungsmechanismen. 239 Oberhaus 2015, S. 104. 240 Von Oppenheim an Sachau, 26.10.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. Von Oppenheim erwähnt die Übersetzungsleistungen auch in seinem Memorandum. Tim Epkenhans, »Geld darf keine Rolle spielen« (II. Teil): Max Freiherr von Oppenheims Memorandum Die Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde (Oktober 1914) aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts in Bonn, Edition, in: Archivum Ottomanicum 19 (2001), S. 121-163, hier: S. 125.
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fangene in Zossen und Wünsdorf bei Berlin statt.241 Die Mitarbeiter der Nachrichtenstelle übersetzen bis Dezember 1915 Briefe von muslimischen Gefangenen aus Arabisch, Urdu, Tatarisch und weiteren Sprachen. Ab Januar 1916 übersetzten die NfO-Mitarbeiter nach einer Beschwerde von Schabinger von Schowingen jedoch keine arabischen Briefe mehr aus den Lagern, da die Organisation aufgrund der Vielzahl der eingehenden Post Schwierigkeiten hatte, die zu bearbeitenden Schriftstücke zeitnah zu begutachten.242 Die zentrale publikationsbezogene Aktivität der Nachrichtenstelle für den Orient war jedoch die Produktion und Herausgabe von Schrifterzeugnissen.243 Gerade für die politisch interessierten, publizistisch aktiven NfO-Mitarbeiter war dieser Bereich relevant, da sie die NfO-Presseerzeugnisse nutzen konnten, um ihre eigenen Botschaften zu verbreiten. Dazu zählte etwa die Idee, dass das Osmanische Reich eine übergeordnete Stellung in der »islamischen Welt« habe.244 Die PresseAbteilung der NfO gab mehrere Zeitschriften und Zeitungen heraus. An ein deutsches Publikum richtete sich das Korrespondenzblatt, das im Jahr 1917 in Der Neue Orient: Halbmonatsschrift für das politische, wirtschaftliche und geistige Leben im gesamten Osten umbenannt wurde. An die muslimischen Gefangenen im Halbmond- und Weinberglager richteten sich die verschiedensprachigen Ausgaben der Zeitung El Dschihad: Zeitung für die muhammedanischen Kriegsgefangenen. Neben Publikationen, die regelmäßig erschienen, kamen eine Vielzahl an Flugschriften und Kriegsberichten, einzelne Broschüren, wie Englische Dokumente zur Erdrosselung Persiens (1917) und Lest We Forget (1915), und auch Sprachlehrbücher heraus. Darüber hinaus platzierten NfO-Akteure ihr Material auch in anderen Formaten, wie arabischsprachige Zeitungen im Osmanischen Reich (z.B. al-ʿAdl und al-Sharq) oder das französischsprachige Organ der ägyptischen Nationalpartei in der Schweiz Bulletin du parti national égyptien.245 Bei Letzterem waren ägyptische NfO-Akteure wie Farid federführend. NfO-Akteure versuchten auch durch die Organisation kultureller Veranstaltungen, Meinungen zu beeinflussen.246 Die Nachrichtenstelle in Istanbul und die ihr
241 Ein Promotionsprojekt zu den Gefangenenlagern mit dem Titel »Objects, bodies and agents of knowledge: colonial North African prisoners-of-war in Germany during the First World War« wird derzeit von Larissa Schmid (Berlin) durchgeführt. 242 Höpp 1997, S. 58-59. 243 Die zentralen Publikationen und Organe der Nachrichtenstelle werden in dem gleichlautenden Kap. 4.1.1 besprochen. 244 S. hierzu im Detail Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. 245 Zu den Kontakten und Einflüssen der NfO auf die deutsche und internationale Presse s. Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion. 246 Für einen Überblick über die deutsche Kulturpropaganda im Ersten Weltkrieg s. Grupp 1994. Die Nachrichtenstelle für den Orient wird hier jedoch nicht erwähnt.
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untergeordnete Nachrichtensaal-Organisation waren in Filmvorführungen eingebunden.247 Im Dezember 1916 wurde die Balkan-Orient-Film GmbH gegründet.248 Von Oppenheim hatte in seinem Memorandum für intensive Filmpropaganda im Einflussgebiet des Kriegspartners geworben. Josef Schumacher, Leiter der Bilderstelle der Zentralstelle für Auslandsdienst (ZfA), erachtete dies für sinnvoll und bereitete den Weg zur Umsetzung der Idee von Oppenheims. Bei der Gründung wurde gezielt verschleiert, dass für die Balkan-Orient-Film GmbH öffentliche Gelder verwendet wurden.249 Ziel der Einrichtung war es, auch im Film für Deutschland zu werben. Politisch und militärisch ging der Wunsch nach Filmpropaganda auch darauf zurück, Filmvorführungen im Osmanischen Reich durch österreichische Offiziere und Privatpersonen eine deutsche Alternative entgegenzusetzen.250 Die Balkan-Orient-Film GmbH zeigte neben deutschen Spielfilmen in Absprache mit militärischen Akteuren vor Ort Filmaufnahmen von Kriegsmaterial (Kanonen, Fahrzeuge etc.) und industrielle Werbefilme.251 Filmabende wurden häufig von den jeweiligen Nachrichtensälen organisiert. Von Oppenheim mietete zu diesem Zweck in Istanbul Kinosäle an.252 Darüber hinaus organisierte die Nachrichtenstelle Vorträge in Deutschland für ein breites Publikum. Herausstechend ist eine Vortragsreihe vom Herbst 1915. Hier kamen nichtdeutsche NfO-Akteure zu Wort, die diese Gelegenheiten nutzten, deutschen Adressaten ihre antikolonialen Botschaften zu präsentieren. Einzelne Vorträge wurden gedruckt und als Publikation vertrieben. Dazu zählen die Vorträge von ʿAbd al-ʿAziz Jawish,253 »Ägypten und der Krieg«, Rabah Bukabuya,254 »Kriegseindrücke eines mohammedanischen Offiziers der französischen Armee«, und Michael von Tseretheli, »Völker und Kultur Kaukasiens«255 . Weitere Vorträge 247 Von Oppenheim an AA, 03.11.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13906 und Oppenheim 1917, S. 20. 248 Kloosterhuis 1994, S. 447-448. 249 Wolfgang Mühl-Benninghaus, Vom Augusterlebnis zur Ufa-Gründung: Der deutsche Film im 1. Weltkrieg, Berlin 2004, S. 201. 250 Hans Barkhausen, Filmpropaganda für Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Hildesheim 1982, S. 54. 251 Ebd., S. 55. 252 Strachan 2001, S. 708. 253 ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Ägypten und der Krieg, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 04.11.1915. 254 Rabah Bukabuya, Kriegseindrücke eines mohammedanischen Offiziers der französischen Armee, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.11.1915. Der Vortrag wurde auf Französisch gehalten und in einer leicht abgeänderten Form in der Zeitung Bruxellois abgedruckt. Schabinger von Schowingen an Politische Abteilung bei dem Generalgouverneur in Belgien, 05.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1519. 255 Michael von Tseretheli, Völker und Kultur des Kaukasus, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.12.1915. Dem Vortrag ging eine Einführung von Georg Matschabelli voraus. Georg Matschabelli, Einführung in das kaukasische Problem, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.12.1915.
2. Die NfO als Organisation
wurden gehalten von Ahmad Wali, Salih al-Sharif al-Tunisi und Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl.256 Im bereits zitierten Bericht des Jahres 1918 steht, dass die Aktivitäten und Aufgaben der NfO »weit über das Gebiet der eigentlichen Propaganda hinaus«257 gingen. Dazu zählen insbesondere personenbezogene Aktivitäten. Deutsche Mitarbeiter der Nachrichtenstelle für den Orient, zumeist die angehenden oder arrivierten Diplomaten mit Nahosterfahrung, begleiteten und betreuten Akteure aus dem Nahen und Mittleren Osten, die nach Berlin kamen.258 Edgar Pröbster begleitete eine offizielle Delegation aus Istanbul im Jahr 1915,259 Sebastian Beck Journalisten aus arabischen Gebieten des Osmanischen Reichs im Jahr 1917260 und Walther Schroeder den muslimischen Gelehrten Salih al-Sharif al-Tunisi im Jahr 1915,261 der bereits kurz nach Kriegsausbruch von Schabinger von Schowingen begleitet worden war.262 Der NfO-Mitarbeiter Frederik-August von Rantzau wurde in diesem Zusammenhang als »maître de plaisir für durchreisende Orientalen«263 bezeichnet. Martin Hartmann schrieb hinsichtlich der NfO, dass »es kaum einen Berlin besuchenden Orientalen von Bedeutung gibt, der nicht mit ihr in Verbindung träte«264 . Insbesondere Schabinger von Schowingen war daran interessiert, durchreisende, nichtdeutsche Akteure in die NfO einzuladen und diese dann von Mitarbeitern begleiten zu lassen.265 Dies hing eventuell mit seinem Wunsch zusammen, Kompetenzen bei der NfO zu bündeln und sie als unverzichtbare Größe in der deutschen »Orient-« und Islampolitik zu etablieren. Die Reisenden wollten häufig das Weinberg- oder das Halbmondlager besichtigen. Rudolf Nadolny, Leiter der Sektion Politik beim Stellvertretenden Generalstab, wollte jedoch die zunehmenden Besuche in den Gefangenenlagern unterbinden und veranlasste, dass Besuche nur noch dann zu genehmigen seien, wenn diese propagandistisch verwertet würden.266 Dies ließ sich damit in Einklang bringen, dass die Besuche politischer
256 S. die Ankündigungen dazu in den gedruckten Versionen der Vorträge von Jawish und Bukabuya. 257 Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 4. 258 Mittwoch an von Grundherr, 17.09.1919, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509 und Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, S. 4. 259 Von Wangenheim an AA, 18.04.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246. 260 Von Wesendonk an Kriegsministerium, 13.11.1917, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21262. 261 Von Wesendonk an Schroeder, 04.12.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21252. 262 Schabinger von Schowingen 1967, S. 108. 263 Zwischenbericht Schabinger von Schowingen an von Oppenheim, 05.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 264 Hartmann an von Oppenheim, 02.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 265 Schabinger von Schowingen an AA, 30.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1513. 266 Nadolny an AA, 06.10.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21251.
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und religiöser Würdenträger in Deutschland bereits von den Redaktionen der NfOZeitschriften und Zeitungen für Propagandazwecke genutzt wurden. Sowohl in Der Neue Orient als auch in El Dschihad finden sich mehrere Berichte über solche Besuche.267 Die Begleitung von nichtdeutschen Reisenden diente jedoch auch deren Überwachung. Diese Akteure wurden seitens der NfO-Mitarbeiter stets verdächtigt, insgeheim Spionage betreiben zu wollen.268 Eine weitere wichtige personenbezogene Aktivität der Nachrichtenstelle war die Unterstützung der bereits genannten Gefangenenlager.269 Anfänglich wurde versucht, muslimische Gefangene dazu zu bewegen, sich nach Istanbul zu begeben und auf Seiten der Hohen Pforte erneut in das Kriegsgeschehen einzutreten. Einzelne deutsche Akteure beschreiben in ihren Biografien, wie sie solche Reisen begleiteten. Vor seiner Zeit als Leiter der Nachrichtenstelle führte Schabinger von Schowingen eine Gruppe arabischsprachiger Gefangener nach Istanbul.270 Zur Seite stand ihm dabei Edgar Stern-Rubarth, der sich als Zirkusdirektor ausgab.271 Auch Helmuth von Glasenapp, der spätere Redakteur der Gefangenenzeitung, begleitete im September 1915 Nordafrikaner und Inder über das europäische Festland ins Osmanische Reich.272 Die deutschen Akteure wurden dabei in der Regel von arabischsprachigen NfO-Akteuren unterstützt, wie Muhammad Abu l-ʿArabi.273 Aufgrund mangelnder Erfolge, potenzielle Kandidaten in signifikanter Zahl zu rekrutieren, wurden diese Versuche jedoch nach 1916 weitestgehend aufgegeben.274 Die NfO konzentrierte sich nunmehr darauf, die Gefangenenzeitung El Dschihad herauszubringen, die Internierten mit Vorträgen und Filmen zu unterhalten, ihnen die Erfüllung ihrer rituellen Praktiken zu ermöglichen und ihre Korrespondenzen zu überwachen. Predigten für die muslimischen Gefangenen durch nichtdeutsche NfO-Akteure mit theologischer Vorbildung – wie Jawish oder al-Khidr Husayn – wurden ebenso fortgesetzt. Während die Propaganda unter muslimischen Gefangenen unter Schabinger von Schowingen noch eine bedeutende Rolle gespielt hatte, war sie unter Mittwoch nur noch ein Nebenschauplatz der NfO-Aktivitäten, was sicherlich auch an der Abkehr des Militärs von der Dschihadisierungsidee lag.
267 Beispiele sind: Türkische Besuche in Deutschland, in: Der Neue Orient 1/7 (09.07.1917), S. 309 und Ziyarat ʿAzim Muslim bi-Berlin [Der Besuch eines muslimischen Notablen in Berlin], in: El Dschihad 5 (27.04.1915), S. 2. 268 S. Kap. 3.3.3 Überwachung und Kontrolle. 269 Für eine detaillierte Beschreibung der Gefangenenlager s. Höpp 1997. 270 Schabinger von Schowingen 1967, S. 106-107. 271 Edgar Stern-Rubarth, … aus zuverlässiger Quelle verlautet: Ein Leben für Presse und Politik, Stuttgart 1964, S. 47-56. Diese Reise wurde kürzlich in Form eines historischen Romans literarisch verarbeitet. Jakob Hein, Die Orient-Mission des Leutnant Stern: Roman, Köln 2018. 272 Glasenapp 1964, S. 83-86. 273 Von Hoffmann an AA, 18.03.1917, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21261. 274 Höpp 1997, S. 24.
2. Die NfO als Organisation
Die angeblich besonders gute Behandlung von Muslimen in Deutschland wurde durch die Presse-Abteilung der NfO propagandistisch genutzt, um ein Gegenbeispiel zu behaupteten Misshandlungen von Muslimen seitens der Entente anzuführen. Dies zielte jedoch nicht nur auf die »islamische Welt«. Die NfO nutzte Berichte über die Lager, um in Deutschland Werbung für die deutsch-osmanische Kooperation zu machen.275 Diese Berichte wurden in der deutschen Presse sehr positiv rezipiert.276 Hier zeigt sich, dass sich Beeinflussung von Meinungen nicht nur auf eine Adressatengruppe bezog, sondern stets mehrere Ziele im Blick hatte.277 Das dritte Feld, in dem sich Akteure der Nachrichtenstelle für den Orient betätigten, fällt weder unter personenbezogene noch unter publikationsbezogene Aktivitäten. Am ehesten kann es als geheimdienstliche Aktivitäten verstanden werden, wie die Beschaffung von Informationen oder verdeckte Operationen.278 Einzelne NfO-Mitarbeiter waren in die Planung und Durchführung von deutschen Expeditionen im Nahen und Mittleren Osten involviert. Der weitreichende Einfluss der Nachrichtenstelle auf solche Unternehmungen, wie er zuweilen in der Forschung postuliert wird, lässt sich jedoch in den Akten des Auswärtigen Amts nicht feststellen. Die Expeditionen von Fritz Klein im Irak und in Persien,279 von Leo Frobenius auf der Arabischen Halbinsel und in Ostafrika280 oder von Wilhelm Waßmuß in Afghanistan und Persien281 waren sicherlich Teil der »Revolutionierungsidee«.282 Die Unternehmungen hatten in der Regel den Zweck, lokale Herrscher zu antibritischen Aufständen zu überreden und zu bestechen.283 Darüber hinaus wurden auf
275 Martin Gussone, Architectural Jihad: The »Halbmondlager« Mosque of Wünsdorf as an Instrument of Propaganda, in: Erik Jan Zürcher (Hg.), Jihad and Islam in World War I: Studies on the Ottoman Jihad at the Centenary of Snouck Hurgronje’s »Holy War Made in Germany«, Leiden 2016, S. 179-222, hier: S. 204. 276 Ebd., S. 188. 277 Bei den einzelnen Themen des Diskurskapitels (Kap. 4) werden die unterschiedlichen Adressaten jeweils aufgeführt. 278 Mehr zu der Frage, ob und weshalb die Nachrichtenstelle für den Orient als Nachrichtenbzw. Geheimdienst verstanden werden kann, in Kap. 2.2.4 Propagandaorganisation oder Geheimdienst? 279 Veit Veltzke, »Heiliger Krieg« – »Scheinheiliger Krieg«: Hauptmann Fritz Klein und seine Expedition in den Irak und nach Persien, 1914-1916, in: Wilfried Loth/Marc Hanisch (Hg.), Erster Weltkrieg und Dschihad: Die Deutschen und die Revolutionierung des Orients, München 2014, S. 119-166. 280 Rocío Da Riva, Lawrence of Arabia’s Forerunner: The Bizarre Enterprise of Leo Frobenius, aka Abdul Kerim Pasha, in Arabia and Eritrea, 1914-1915, in: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 99 (2009), S. 29-111. 281 Stefan M. Kreutzer, Wilhelm Waßmuß: Ein deutscher Lawrence, in: Wilfried Loth/Marc Hanisch (Hg.), Erster Weltkrieg und Dschihad: Die Deutschen und die Revolutionierung des Orients, München 2014, S. 91-118. 282 Einen Überblick über die bekannteren Unternehmungen liefert Kröger 1994. 283 Loth 2014, S. 8.
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diesen Expeditionen selbst, unter Fritz Klein beispielsweise, Sabotageakte durchgeführt. Sämtliche Unternehmungen dieser Art als direkte Folge von Max von Oppenheims Memorandum zu sehen, wie implizit bei Wolfdieter Bihl,284 oder von Oppenheim als Strippenzieher zu verstehen, wie Hendrik Gröttrup,285 scheint jedoch überzogen.286 Es gab nur eine kleine Zahl an Unternehmungen im Nahen und Mittleren Osten, in die NfO-Akteure aufgrund ihrer regionalen Expertise und Sprachkenntnisse personell und logistisch eingebunden waren. Dazu zählt die Stotzingen-NeufeldMission im Jahr 1916. Othmar Freiherr von Stotzingen sollte einen Nachrichtendienst auf der Arabischen Halbinsel aufbauen.287 Letztlich scheiterte die Mission jedoch aufgrund von Differenzen mit arabischen Machthabern vor Ort. Die NfO-Akteure Herbert Diel und Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, beide Mitarbeiter in der Arabischen Abteilung der Nachrichtenstelle, nahmen an der Mission teil. Curt Prüfer, ebenfalls Mitarbeiter dieser Abteilung, beriet die Teilnehmer der Expedition.288 Eine weitere Mission auf der Arabischen Halbinsel führte Bernhard Moritz, der bei der Gründung der Nachrichtenstelle beratend tätig war und später für die Arabische Abteilung arbeitete,289 von Herbst 1914 bis Frühjahr 1915 durch.290 NfOAkteure waren auch in eine Reihe von U-Boot-Missionen an der Küste Nordafrikas involviert. Das prominenteste Beispiel, das nach dem Krieg auch in der deutschen Presse rezipiert wurde, war das von Edgar Pröbster. Er reiste 1915 nach Libyen und 1916 nach Marokko. Insbesondere Marokko war ein Faszinosum für die deutsche politische und militärische Elite. Mehrfach wurde mehr oder weniger erfolgreich versucht, Geld und Waffen dorthin zu schmuggeln.291 Es war auch in Marokko, dass Pröbster interniert wurde. Er konnte erst 1919 nach Deutschland zurückkehren,292 wo er seine Erlebnisse der deutschen Öffentlichkeit zugänglich machte.293 Ahmad 284 Bihl 1975, S. 41-45. 285 Hendrik Gröttrup, Wilhelm Wassmuss: Der deutsche Lawrence, Berlin 2013, S. 106. 286 Auch Donald McKale behauptet eine direkte Verbindung zwischen den Expeditionen und der NfO. McKale 1987, S. 26 287 Nach der Mission wurde in der NfO über die Aktivitäten ein Bildband mit arabischer Beschriftung erstellt. Mittwoch an AA, 10.08.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g adh., R 21142. Die Publikation war nicht aufzufinden, da sämtliche Exemplare bei der NfO-Filiale in Istanbul verblieben. Von Kühlmann an AA, 07.12.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g adh., R 221142. 288 Martin Strohmeier, The »Very Real Bogey«: The Stotzingen-Neufeld Mission to the Hijāz, 1916, in: Arabian Humanities 6 (2016), http://cy.revues.org/3098(28.11.2019). 289 Aufzeichnungen Max von Oppenheim, 23.09.1946, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA, Bekanntschaften aus dem Auswärtigen Amt, NL von Oppenheim Nr. 1/13. 290 Tagebuchaufzeichnung, 30.10.1914, HIWRP, NL Curt Max Prüfer, 1:7 und McKale 1998, S. 62-63. 291 Edmund Burke, Moroccan Resistance, Pan-Islam and German War Strategy, 1914-1918, in: Francia – Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 3 (1975), S. 434-464, hier: S. 451-455. 292 Gotthard Jäschke, Edgar Pröbster, in: Die Welt des Islams 24 (1942), S. 129-131, hier: S. 129. 293 Edgar Pröbster, Mit U-Boot nach Süd-Marokko: Auszug aus dem Expeditionsbericht von Dr. Pröbster, in: Der deutsche Kulturpionier 20/4 (1920), S. 2-15, ders., Mit U-Boot nach Süd-
2. Die NfO als Organisation
Wali, ebenfalls in der Arabischen Abteilung aktiv, wurde der deutschen U-BootMission in Libyen als Übersetzer und Berater zugeteilt. Darüber hinaus wurden einige Expeditionen geplant, aber nie durchgeführt. Dazu zählt die Entsendung von Enno Littmann auf die Arabische Halbinsel im Jahr 1914. Littmann entschied sich gegen die Reise, obwohl er zuvor selbst mit diesem Vorschlag auf das AA zugegangen war.294 Die Nachrichtenstelle für den Orient war auch implizit in den Waffenschmuggel im Nahen und Mittleren Osten involviert. Von Oppenheim nutzte seine Vorkriegsbeziehungen, nahm Kontakt zu Waffenschmugglern auf und vermittelte die Kontakte an interessierte ägyptische NfO-Akteure wie Ismaʿil Labib und Muhammad Fahmi.295 Dies stand im Zusammenhang mit deutschen Hoffnungen, man könnte Ägypten durch die Versorgung mit Waffen über die Sinai-Halbinsel zu einem Aufstand bringen. Muhammad Fahmi und Muhammad Farid baten das AA mehrmals um Unterstützung bei der Versorgung mit Waffen.296 Farid wollte sich diesbezüglich sogar mit dem Unterstaatssekretär im AA, Arthur Zimmermann, treffen.297 Die deutschen Verstrickungen in Waffenschmuggel missfielen osmanischen Akteuren jedoch, wie dem Leiter der osmanischen Propaganda im Nahen und Mittleren Osten ʿAli Bash Hamba,298 sodass schließlich davon Abstand genommen wurde. Auch das Scheitern der Sinai-Expedition der deutsch-osmanischen Truppen im Frühjahr 1915 trug wohl dazu bei, dass die Pläne hinsichtlich einer Revolutionierung in Ägypten durch Waffen über den Sinai aufgegeben wurden. Ein weiterer Aspekt, der in das geheim- bzw. nachrichtendienstliche Feld der NfO gehört, war die Zusammenarbeit mit Spionen und Agenten. Hier zeigt sich erneut die Gefahr, autobiografischen Quellen zu viel Gewicht einzuräumen. Herbert L. Müller beruft sich auf Schabinger von Schowingens Memoiren und schreibt, »Aufgaben, die die NfO in den Geruch nachrichtendienstlicher Tätigkeiten hätten bringen können, wurden […] vermieden.«299 Tatsächlich notierte Schabinger von Schowingen in seinen Aufzeichnungen, dass er als Leiter der Nachrichtenstelle
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Marokko: Auszug aus dem Expeditionsbericht von Dr. Pröbster, in: Der deutsche Kulturpionier 21-22/1 (1921), S. 14-19 und ders., Mit U-Boot nach Süd-Marokko: Auszug aus dem Expeditionsbericht von Dr. Pröbster, in: Der deutsche Kulturpionier 21-22/2 (1921), S. 1-19. Von Wesendonk an AA, 11.12.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21126. Im Jahr 1916 kam erneut die Idee auf, Littmann auf die Arabische Halbinsel als Teilnehmer der Stotzingen-Mission zu schicken. Auch in diesem Fall blieb der Orientalist in Deutschland. Zimmermann an Sektion Politik des Stellvertretenden Generalstabs des Heeres, 06.09.1916, PA AA, Türkei Nr. 165, R 13878. Von Oppenheim an Botschaft Istanbul, 24.06.1915, PA AA, RAV Adana 1/3. Von Wesendonk an Nadolny, 07.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21132. Von Wesendonk an AA, 28.09.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21136. Tagebuchaufzeichnung, 01.07.1918, HIWRP, NL Curt Max Prüfer, 1:6. Müller 1991, S. 229.
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mit Spionen eigentlich nichts zu tun haben wollte, sich dies jedoch nicht vermeiden ließ.300 Curt Prüfer knüpfte wie von Oppenheim an sein Vorkriegsnetzwerk in Ägypten an und arbeitete etwa zwecks Informationsbeschaffung aus Ägypten mit den deutsch-jüdischen Akteuren Isaac Cohn, Minna Weizmann und Moritz Rothschild zusammen.301 Zudem verfügte er über ein Netzwerk arabischer und jüdischer Spione in der Levante.302 Der Einsatz deutscher Spione zur Informationsbeschaffung durch die NfO wird in den Akten des AA jedoch zumeist nur angedeutet und nicht explizit beschrieben.303 Schabinger von Schowingen beschreibt im Zusammenhang mit der Informationsgewinnung aus Ägypten in einem Brief, wie sich Geheimtinte herstellen lässt.304 In den Akten des AA finden sich zudem mehrere Fälle, in denen die NfO mögliche Spione der Entente überprüfte. So interviewten Eugen Mittwoch und Edgar Pröbster einen gewissen ʿAbdullah Islami, der unter dem Namen Markus Kaiser reiste, hinsichtlich seiner vermuteten Nähe zu Frankreich.305 Die Aufdeckung vermeintlicher Spionage nutzte die Nachrichtenstelle auch in ihren Publikationen, wie im Fall des als französischer Spion bezeichneten ʿAli Zaki.306
2.2.4
Propagandaorganisation oder Geheimdienst?
Nachdem nun die Ziele und Aktivitäten der Nachrichtenstelle für den Orient beschrieben wurden, soll an dieser Stelle die Frage geklärt werden, ob die NfO eine Propagandaorganisation oder ein Nachrichtendienst war. Die Schwierigkeit der Einordnung wird deutlich, wenn man englische Übersetzungen für »Nachrichtenstelle für den Orient« betrachtet:307 Bureau of Islamic and Indian Affairs308 , Centre
300 Schabinger von Schowingen 1967, S. 201. 301 Von Wangenheim an AA, 12.04.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21131. S. auch McKale 1998, S. 112-113 und Hanisch 2014a, S. 186. 302 Oberhaus 2015, S. 110. 303 Eine große Ausnahme ist Prüfers Bericht »L’Espionage en Egypte« von Dezember 1914. Oberhaus 2015, S. 110. 304 Rundschreiben an Presse, 22.04.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 305 Korrespondenz bezüglich Markus Kaiser alias ʿAbdullah Islami, April 1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21255. 306 Romberg an AA, 25.07.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1532. 307 Für das Arab Bureau waren die Tätigkeiten von Oppenheims relativ eindeutig nicht geheimdienstlich: »Von Oppenheim has not been previously reported as an intelligence official. He was probably on the political side.« Prisonners in Zossen, in: Arab Bulletin 1/23 (26.09.1916), S. 287-291, hier: S. 291. 308 New York Times, William Haas, 72, Near East Expert, Professor at Columbia Dies, in: New York Times (04.01.1956), S. 27.
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for Orient Information309 , Eastern News Agency310 , Information Bureau for Middle Eastern Affairs311 , Information Centre for the Orient312 , Information Office for the Orient313 , Information Service for the East314 , Information Service for the Orient315 , Intelligence Bureau for the East316 , Intelligence Office for the East317 , Intelligence Service for the Orient318 , News Agency for the Orient319 , News Bureau for the Orient320 , News Service for the Orient321 und Orient Intelligence Bureau322 . In einem Werk werden gleich drei unterschiedliche Bezeichnungen verwendet, was darauf schließen lässt, dass dem Autor bzw. in diesem Fall eher dem Übersetzer nicht bewusst war, dass es sich hierbei um die gleiche Organisation handelt: Eastern Intelligence Bureau, Information Bureau und Oriental Bureau.323 Diese unterschiedlichen Übersetzungen haben ihren Ursprung erstens darin, dass während des Ersten Weltkriegs auch Geheimdienste in Propaganda-Angelegenheiten eingebunden waren,324 sich die Felder also auch bei anderen Fallbeispielen nicht immer klar trennen lassen. Das Problem der Einordnung der NfO ist zweitens möglicherweise auf die Schwierigkeit zurückzuführen, das Wort »Nachricht« zu übersetzen. Es kann sowohl »Neuigkeit«, etwa in der Presse, als auch »geheimdienstliche Information«
309 Peter Heine, Moroccan Nationalist Movement and Germany during World War I, in : Faculté des Lettres et des Sciences Humaines (Hg.), Le Maroc et l’Allemagne : Actes de la première rencontre universitaire, Études sur les rapports humains, culturels et économiques, Rabat 1991, S. 9-13, hier : S. 10. 310 Al-Ghafal 2018, S. 162. 311 McKale 1987, S. 26. 312 Ravi Ahuja, The Corrosiveness of Comparison: Reverberations of Indian Wartime Experiences in German Prison Camps, 1915-1919, in: Heike Liebau/Katrin Bromber/Katharina Lange/Dyala Hamzah/Ravi Ahuja (Hg.), The World in World Wars: Experiences, Perceptions and Perspectives from Africa and Asia, Leiden/Boston 2010, S. 131-166, hier: S. 148. 313 Edward Ullendorff, Eugen Mittwoch and the Berlin Seminar for Oriental Languages, in: Ian Richard Netton (Hg.), Hunter of the East: Arabic and Semitic Studies, Leiden 2000, S. 145-158 und Rogan 2015, S. 72. 314 McKale 1998, S. 67 und Gilyazov 2014, S. 405. 315 Nirode K. Barooah, Chatto: The Life and Times of an Indian Anti-Imperialist in Europe, New Delhi 2004, S. 44. 316 Fraser 1977, S. 257. 317 Lüdke 2005. 318 Strotmann 2016, S. 24. 319 Sinno 2006, S. 396. 320 Curt M. Prüfer, Germany’s Covert War in the Middle East: Espionage, Propaganda and Diplomacy in World War I, übersetzt und mit einem Vorwort von Kevin Morrow, London 2018 321 Brückenhaus 2017, S. 50 und Lewis Melville, German Propagandist Societies, Washington 1918, S. 5. 322 Gossman 2014, S. 92. 323 Farid/Goldschmidt 1992. 324 Daniel Larsen, Intelligence in the First World War: The State of the Field, in: Intelligence and National Security 29/2 (2014), S. 282-302, hier: S. 300.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
bedeuten.325 Einige Autorinnen und Autoren verstanden »Nachrichtenstelle« daher als (propagandistische) »Nachrichtenagentur«326 , andere als »Geheimdienst«327 . Tatsächlich befindet sich die NfO an der Schnittstelle zwischen diesen beiden sich überlappenden Feldern. Die Propagandaforschung hat eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen ihres Untersuchungsgegenstands hervorgebracht.328 Thymian Bussemer bietet ausgehend von bisherigen Vorschlägen der einschlägigen Forschung folgende Definition an: Propaganda kann »als die in der Regel medienvermittelte Formierung handlungsrelevanter Meinungen und Einstellungen politischer oder sozialer Großgruppen durch symbolische Kommunikation und als Herstellung von Öffentlichkeit zugunsten bestimmter Interessen«329 verstanden werden. Diese Definition beschreibt treffend das durch von Oppenheim bei der Gründung der Nachrichtenstelle formulierte handlungsleitende Ziel der globalen Beeinflussung von Meinungen mit dem Zweck der Revolutionierung der »islamischen Welt«. In Deutschland entwickelte der anfänglich und mittlerweile wieder negativ konnotierte Propagandabegriff im frühen 20. Jahrhundert die Bedeutung von »außenpolitischer Selbstdarstellung«330 . Dieser Aspekt gewann mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs an Bedeutung,331 sodass der Krieg zunehmend auch zu
325 Markus Pöhlmann, Towards a New History of German Military Intelligence in the Era of the Great War: Approaches and Sources, in: Journal of Intelligence History 5/2 (2005b), S. I-VII, hier: S. III. 326 So Abdel-Raouf Sinno, der die Nachrichtenstelle für den Orient mit Wakalat Akhbar al-Sharq übersetzt und damit eher eine Nachrichtenagentur als einen Geheimdienst vor Augen hat. Abdel-Raouf Sinno, Almaniya wa-l-Islam fi l-Qarnayn al-Tasiʿ ʿAshr wa-l-ʿAshrin [Deutschland und der Islam im 19. und 20. Jahrhundert], Beirut 2007. Ebenso Odile Moreau, deren französische Übersetzung Bureau de renseignement sur l’Orient lautet. Odile Moreau, La Turquie dans la Grande Guerre : De l’empire ottoman à la république de Turquie, Paris 2016, S. 76. In einer Archivquelle findet sich auf Französisch die Bezeichnung Service des renseignements pour l’Orient. Al-Rushdi an AA, 29.06.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. 327 Eugene Rogan beschreibt die NfO ausgehend von dem Revolutionierungs- bzw. Dschihadisierungsziel als jihad bureau. Rogan 2016, S. 3. 328 Einen Überblick bietet Thymian Bussemer/Peter Glotz, Propaganda: Konzepte und Theorien, Wiesbaden 2005. 329 Ebd., S. 29-30. 330 Wolfgang Schieder/Christof Dipper, Propaganda, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe: Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 5, Stuttgart 1984, S. 69-112, hier: S. 101-103. Einen Überblick über die deutsche Auslandspropaganda für die Zeit bis kurz vor Kriegsbeginn liefert Martin Wroblewski, Moralische Eroberungen als Instrumente der Diplomatie: Die Informations- und Pressepolitik des Auswärtigen Amts, 1902-1914, Göttingen 2016. 331 Für deutsche Propagandaaktivitäten, die sich vornehmlich an das Deutsche Reich selbst richteten und insbesondere der Mobilisierung und dem Aufrechterhalten der Moral im Land und an der Front dienten, s. David Welch, Germany, Propaganda and Total War, 1914-1918: The Sins of Omission, London 2000.
2. Die NfO als Organisation
einem »Kampf um internationale Deutungshoheiten«332 in Bezug auf Selbst- und Fremdbilder wurde. Das Projekt der Verbreitung eines positiven Deutschlandbildes im Nahen und Mittleren Osten war eines der zentralen Anliegen von Eugen Mittwoch. Die deutsche Propagandamaschinerie hatte nicht nur das Ausland, sondern auch das Reich selbst im Blick.333 Auch dies entspricht der multiperspektivischen Herangehensweise der NfO-Akteure, die im Inland »Aufklärung« betrieben und im Ausland »Propaganda«.334 Faktisch ist diese Unterscheidung jedoch hinfällig, da es in der Herangehensweise bei der Manipulation von Meinungen keinen Unterschied gab. Die begriffliche Differenzierung ist insofern spannend, als die eigenen Aktivitäten von Propagandaorganisationen nach außen selten als »Propaganda« kommuniziert wurden. Vielmehr wurden die Begriffe »Aufklärung« oder »Information« verwendet.335 Entsprechend findet sich die Erwähnung von »Propaganda« auch nur in internen Berichten. Aufgrund des breiten Spektrums an publikations- und personenbezogenen Aktivitäten lässt sich die Tätigkeit der NfO auch als thick propaganda bezeichnen, also als Propaganda, die sich aus möglichst vielen Quellen speist, um ein Ziel zu erreichen.336 Die Geheimdienstforschung (intelligence studies) versteht unter intelligence, d.h. geheimdienstlichen Tätigkeiten, eine Form von Wissenspraxis. Das Sammeln von Wissen bzw. Informationen,337 das z.T. im Geheimen geschieht, hat das Ziel, Sicherheit zu schaffen.338 Aus diesem Grund wird Wissen über »Andere« beschafft, die als gefährlich eingestuft werden.339 Dabei steht im Mittelpunkt, dass die gesammelten Informationen Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt werden.340 Unter Schabinger von Schowingen war der Aspekt, militärischen und
332 Klaus-Jürgen Bremm, Propaganda im Ersten Weltkrieg, Darmstadt 2013, S. 44. 333 Koszyk 1975, S. 465 und Grupp 1994, S. 804. 334 Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. 335 Bremm 2013, S. 168. 336 Bertrand Taithe/Tim Thornton, Propaganda: A Misnomer of Rhetoric and Persuasion?, in: Bertrand Taithe (Hg.), Propaganda: Political Rhetoric and Identity, 1300-2000, Stroud 1999, S. 1-24, hier: S. 15. 337 Der Geheimdiensthistoriker David Kahn geht sogar so weit, intelligence schlicht als Information zu definieren. David Kahn, An Historical Theory of Intelligence, in: Intelligence and National Security 16/3 (2001), S. 79-92, hier: S. 79. 338 Peter Gill, Theories of Intelligence, in: Loch K. Johnson (Hg.), The Oxford Handbook of National Security Intelligence, Oxford 2010, S. 43-59. 339 Robert Radu, Spionage, Geheimhaltung und Öffentlichkeit: Ein Spannungsfeld der Moderne, Einleitung, in: Lisa Anna Medrow/Daniel Münzner/Robert Radu (Hg.), Kampf um Wissen: Spionage, Geheimhaltung und Öffentlichkeit, 1870-1940, Paderborn 2015, S. 9-30, hier: S. 15. 340 Da die Bereitstellung von Wissen zentraler sei als der Aspekt des »Geheimen«, sind einige Autoren der Ansicht, dass der Begriff intelligence praktischer sei als »Geheimdienst«. Radu 2015, S. 15.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
politischen Entscheidungsträgern Informationen zur Verfügung zu stellen, zentral. Die NfO-Akteure gingen dabei ähnlich vor wie Geheimdienste und gewannen ihre Informationen durch öffentlich zugängliche Quellen (open source intelligence – OSINT), wie Zeitschriften, sowie durch menschliche Quellen (human intelligence – HUMINT).341 Der Erste Weltkrieg kann als »Frühphase der Professionalisierung«342 von Geheimdiensten verstanden werden. Die Nachrichtendienste hatten vor dem Krieg weder ausreichende finanzielle Ressourcen noch Personal oder Zeit.343 Der Krieg kann als wichtige Lernphase der Geheimdienste gesehen werden, die zu ihrem massiven Ausbau führte.344 Geheimdienste, wie die Abteilung IIIb des Großen Generalstabs ab dem Jahr 1917, waren mit Propagandaangelegenheiten (auch im Inland) betraut.345 Dazu zählte beispielsweise die Verbindung von Presse und Geheimdiensten. Im Deutschen Reich versuchte man schon kurz nach Kriegsausbruch, Zeitungen für geheimdienstliche Tätigkeiten anzuwerben.346 Auch die NfOAkteure waren in diesem Feld aktiv, gründeten eigene Zeitungen und nahmen Einfluss auf fremde Zeitungen.347 Darüber hinaus war die NfO durch die Anbindung an die Sektion Politik des Stellvertretenden Generalstabs, welche bis Herbst 1915 Teil der Abteilung IIIb war,348 institutionell auch mit geheimdienstlichen Aktivitäten verbunden. Ein wichtiger Unterschied zu klassischen deutschen Geheimdiensten der Weltkriegszeit, etwa der Abteilung IIIb, ist jedoch der Umstand, dass die Nachrichtenstelle für den Orient nicht formal in die Strukturen einer militärischen Behörde eingegliedert war. Geheimdiensttätigkeiten waren im Ersten Weltkrieg quasi ausnahmslos eine Angelegenheit des Militärs.349 Ein weitere Entwicklung, die durch den Ausbau von Geheimdiensten vonstattenging, war die Verwissenschaftlichung der geheimdienstlichen Tätigkeiten sowie die Einbindung von Wissenschaftlern.350 Viele der NfO-Akteure, wie Eugen Mittwoch, waren bereits etablierte oder aufstrebende Wissenschaftler und brachten
341 342 343 344 345 346 347 348 349 350
Oberhaus erwähnt in seinem Artikel jedoch nur die Informationsgewinnung durch HUMINT. Oberhaus 2015, S. 104. Radu 2015, S. 13. Krieger 2015, S. 46. Pöhlmann 2005a, S. 54. Ebd., S. 30-33. Die Abteilung IIIb war bis 1915 lediglich eine Sektion und wurde danach ausgebaut. Pöhlmann 2005a, S. 25. Radu 2015, S. 24. Mehr zu den eigenen Zeitungen in Kap. 4.1.1 Publikationen und Organe; mehr zum Einfluss auf fremde Zeitungen in Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion. Friedhelm Koopmann, Diplomatie und Reichsinteresse: Das Geheimdienstkalkül in der deutschen Amerikapolitik 1914 bis 1917, Frankfurt a.M. 1990, S. 308-309. Pöhlmann 2005b, S. VII. Radu 2015, S. 19.
2. Die NfO als Organisation
dementsprechend ihre wissenschaftliche Expertise in die Arbeit für die Organisation ein. Eine weitere strukturelle Gemeinsamkeit der NfO mit Geheimdiensten ist der Aspekt des »Geheimen«. Die Mitarbeiter der Nachrichtenstelle verschleierten weitestgehend ihre Aktivitäten. Entstanden Publikationen oder Druckerzeugnisse im Umfeld der NfO, wurde versucht, die Verbindung zu der Organisation geheim zu halten. Zudem sollte sich die Nachrichtenstelle als private Einrichtung geben und ihre institutionelle Nähe zum AA möglichst geheim halten,351 was jedoch nicht immer glückte. Im Frühjahr 1917 wies der deutsche Gesandte in Bern Gisbert von Romberg darauf hin, dass die propagandistischen Tätigkeiten der dortigen Filialmitarbeiter bekannt geworden seien.352 In einer US-amerikanischen Publikation vom Sommer 1918 wurde zudem bereits eindeutig über die Propagandatätigkeiten der Nachrichtenstelle für den Orient geschrieben.353 Bemerkenswert ist der Umgang in NfO-Texten mit dem Vorwurf seitens der Entente, Deutschland würde Propaganda betreiben. In einem Artikel hatte ʿAli al-Ghayati, ein Ägypter, der während des Krieges Propaganda für die Entente in der Schweiz betrieb, die Propagandatätigkeiten, Verstrickungen mit und insbesondere Bezahlung von antikolonialen (ägyptischen) Akteuren in der Schweiz durch Deutschland beschrieben. Die Reaktion war Leugnung und Verhöhnung: »Daß es aufrechte Männer geben könne, die um für das Wohl ihrer Heimat zu wirken, eine freiwillige Verbannung wählen und auf die materiellen Vorteile verzichten, die ihnen im Dienst der Bedrücker ihrer Landsleute zweifellos winken würden, vermag dieser Ehrenmann sich natürlich nicht vorzustellen.«354 In NfO-Texten wurde zu jeder Gelegenheit abgestritten, dass nichtdeutsche antikoloniale Akteure bezahlt würden. Im Gegenzug wurde konstant behauptet, dass die Entente antikoloniale Akteure, wie al-Ghayati, bezahle. Die bisherige Forschung, welche die NfO behandelt, nimmt das Spannungsverhältnis zwischen den propagandistischen und den nachrichtendienstlichen Tätigkeiten der Organisation wahr. Wolfgang Schwanitz schreibt, dass die NfO zwar geheimdienstliche Tätigkeiten durchgeführt habe, die Propagandatätigkeiten jedoch relevanter gewesen seien.355 Die NfO sei daher ein »akademischer Propagandadienst«356 . Auch Salvador Oberhaus nimmt die geheimdienstlichen Tätigkeiten zur Kenntnis, ordnet diese aber der Propaganda unter.357 Ihre Tätigkeit habe sich aus-
351
Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 24.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 352 Romberg an AA, 15.02.1917, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21274. 353 Melville 1918, S. 11. 354 Maurus, Islamische Sorgen unserer Feinde, in: Der Neue Orient 1/10 (25.09.1917), S. 443-444, hier: S. 443. 355 Schwanitz 2003, S. 18 und ders. 2004b, S. 31. 356 Ebd., S. 30. 357 Oberhaus 2007, S. 153.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
gezeichnet durch »angewendetes Wissen und gezielte Informationskontrolle«358 . Oberhaus wählt für die Nachrichtenstelle für den Orient die griffige Bezeichnung think tank und stellt damit die beratende Funktion der NfO in den Mittelpunkt.359 Er nennt die Nachrichtenstelle in diesem Zusammenhang auch »interventionistischer wissenschaftlicher Beirat des Auswärtigen Amts zur Revolutionierung der islamischen Welt«360 . Dem ist insofern zuzustimmen, als sich think tank zu Propagandaorganisation verhält wie Öffentlichkeitsarbeit zu Propaganda. In beiden Fällen wird ein semantisch belasteter Begriff durch einen anderen ersetzt, der sich im Grunde definitorisch nicht von ihm unterscheidet.361 Der Begriff think tank ist im Fall der NfO dann zulässig, wenn dabei ihre geheimdienstliche Seite mitgedacht wird. Aufgrund der engen Verzahnung der propagandistischen und der geheimdienstlichen Sphäre in der Zeit des Ersten Weltkriegs ist eine trennscharfe Einordnung im Fall der NfO nicht angebracht.362
2.3
Institutionelle Eingliederung und Finanzen
Wie eingangs beschrieben, wurde die Nachrichtenstelle für den Orient durch das Auswärtige Amt gegründet und von ihm finanziert. Einfluss hatte auch der Generalstab des Feldheeres bzw. die Oberste Heeresleitung (OHL). Darüber hinaus waren einige andere Behörden in die Tätigkeiten der Organisation involviert. Es ist daher angemessen, hier kurz das Verhältnis der NfO zu diesen amtlichen Stellen zu beleuchten.
2.3.1
Einbindung in behördliche Strukturen
Die NfO taucht weder in einem offiziellen Organigramm des AA noch des Generalstabs auf.363 Dennoch ist klar, dass sowohl die zivile als auch die militärische Stelle der Organisation übergeordnet waren. Das Auswärtige Amt spielte dabei 358 359 360 361
Ders. 2015, S. 93. Ders. 2007, S. 12. Ders. 2015, S. 104. Zu Alternativen, die sich zum Begriff »Propaganda« entwickelt haben, aber das Gleiche bedeuten, s. Schieder/Dipper 1984, S. 112. 362 Als englische Übersetzung für »Nachrichtenstelle für den Orient« bietet sich »Information Bureau for the Orient« an. Information statt intelligence, da dies die Produktion und Bereitstellung von Informationen umfasst, was auch bei Geheimdiensten eine Rolle spielt. Bureau anstelle von Office oder Service, da die NfO-Akteure die Organisation in englischsprachigen Korrespondenzen so bezeichneten. Zudem ist Bureau eine Annäherung an das britische Arab Bureau, das ähnliche Aufgaben hatte. 363 Dies hängt mit der bereits genannten Bestrebung zusammen, die Verbindung zwischen AA und NfO geheim zu halten. S. Kap. 2.2.4 Propagandaorganisation oder Geheimdienst?
2. Die NfO als Organisation
die größere Rolle. Die Nachrichtenstelle war der Abteilung IA (Politik) zugeordnet,364 der Abteilung für »Große Politik«365 . In dieser Abteilung unterstand die NfO Ernst Langwerth von Simmern,366 der das Referat für Frankreich, Spanien und Nordafrika sowie das Orient-Dezernat leitete.367 Der direkte Ansprechpartner der Nachrichtenstelle war jedoch Legationssekretär – ab 1918 Legationsrat –368 Otto-Günther von Wesendonk. Mit ihm korrespondierten die NfO-Leiter sowie die Mitarbeiter, besprachen neue Ideen und reichten Vorschläge ein. Ein weiterer Ansprechpartner war Edmund Rhomberg, der das Referat für Abessinien, Afghanistan, Ägypten, England mit Besitzungen, Marokko, Persien und Portugal mit Besitzungen leitete. Als Befürworter der Revolutionierungs- und Dschihadisierungsideen war auch der Unterstaatssekretär Arthur Zimmermann bis zu seiner Beförderung zum Staatssekretär des AA im November 1916 ein zentraler Kontakt der Nachrichtenstelle. Häufig vertrat er die Interessen der NfO im Kontakt zu anderen Behörden, wie dem Reichsschatzamt.369 Neben dem Umstand, dass das AA die NfO nach außen hin repräsentierte, hatte das Reichsamt in erster Linie eine Kontrollfunktion. Zentrale Veränderungen inhaltlicher oder struktureller Natur – etwa der Umzug in die Räumlichkeiten in der Tauentzienstraße 19a – mussten von den NfO-Leitern mit AA-Mitarbeitern abgesprochen werden. Darüber hinaus war das Amt auch für die Finanzierung der Organisation zuständig.370 Die Abteilung IB (Personal und Verwaltung) – zu der die Legationskasse gehörte –371 war hierfür ebenso zuständig wie für Personalfragen. Die Leiter der Nachrichtenstelle mussten mit dieser Abteilung bei Fragen zur Einstellung deutscher Mitarbeiter und zu deren Gehältern Rücksprache halten. Darüber hinaus baten von Oppenheim, Schabinger von Schowingen und Mittwoch beim AA darum, die Gesuche um Freistellung vom Wehrdienst für die Mitarbeiter an die entsprechenden Stellen weiterzuleiten. Generell war das AA bzw. waren
364 Für die Leitung der einzelnen Abteilungen waren die Staatsminister selbst verantwortlich, wurden dabei jedoch von den Unterstaatssekretären unterstützt. Karl-Alexander Hampe, Das Auswärtige Amt in Wilhelminischer Zeit, Münster 2001, S. 3. 365 Eckart Conze, Das Auswärtige Amt: Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, München 2013, S. 20. 366 Aufzeichnungen Max von Oppenheim, 23.09.1946, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA, Bekanntschaften aus dem Auswärtigen Amt, NL von Oppenheim Nr. 1/13. 367 Langwerth-Simmern, Ernst von, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 3, Paderborn u.a. 2008, S. 23-24. 368 Wesendonk, Otto-Günther von, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 5, Paderborn u.a. 2014, S. 256-258, hier: S. 256. 369 Zimmermann an Reichsschatzamt, 26.03.1915, PA AA, Weltkrieg 11, R 20937. 370 Mehr dazu in Kap. 2.3.2 Budget und Finanzen. 371 Hampe 2001, S. 3.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
die deutschen Auslandsvertretungen ein wichtiger Rekrutierungspool für die NfOLeitung: Einige der Mitarbeiter waren ehemalige oder aktive AA-Mitarbeiter.372 Das Auswärtige Amt war aber auch eine erste Zensurinstanz. Nachdem von Wesendonk NfO-Texte abgesegnet hatte, wurden sie weitergereicht an die Sektion Politik des Stellvertretenden Generalstabs des Heeres. Diese Stelle hatte letztlich die Entscheidungsgewalt über die inhaltliche Arbeit der Nachrichtenstelle. Dies hängt damit zusammen, dass dem Militär in der Kriegszeit die Zensur sämtlichen Schriftmaterials oblag.373 Der Chef der Sektion Politik des Stellvertretenden Generalstabs, Rudolf Nadolny,374 arbeitete bis zu seiner Versetzung nach Persien im Sommer 1916 eng mit den Leitern der NfO und dem AA zusammen. Auch für ihn war der direkte Ansprechpartner im AA von Wesendonk. Mit dem Amt koordinierte Nadolny »alle Unternehmungen im Auslande«375 . Da Nadolnys Stelle bis Dezember 1915 der im geheimdienstlichen Bereich tätigen Abteilung IIIb untergeordnet war,376 war sie für dieses Feld ideal geeignet und konnte auf Vorerfahrungen zurückgreifen. Darüber hinaus war Nadolny maßgeblich für die Propaganda in den Gefangenenlagern verantwortlich.377 Er konnte jedoch auch auf Personalentscheidungen Einfluss nehmen und Anwärter für eine Zusammenarbeit mit der NfO befürworten oder ablehnen.378 Nach Nadolnys Versetzung 1916 und im Zuge der Abkehr des Militärs von der Dschihadisierungspolitik im gleichen Jahr nahm das Engagement der Sektion Politik ab. Nadolnys Nachfolger, Ernst von Hülsen, war bereits weitaus weniger involviert in die Aktivitäten der NfO. Grundsätzlich kann man festhalten, dass strukturelle und inhaltliche Entscheidungen eher vom AA gefällt wurden. Der Stellvertretende Generalstab fungierte vielmehr als übergeordnete Instanz bei bestimmten, inhaltlich richtungsweisenden Fragen und unterstützte bei der Planung sowie Durchführung von Expeditionen. Neben den Abteilungen IA und IB des AA sowie der Sektion Politik des Generalstabs stand die NfO in ständigem Kontakt mit weiteren staatlichen Stellen. Mit der Kommandantur der Gefangenenlager, die vom Preußischen Kriegsministerium verwaltet wurden,379 musste die NfO-Akteure die Meinungsbeeinflussung unter den dortigen Muslimen absprechen. Mit der Reichsdruckerei, die dem Reichs372 Zu den beruflichen Hintergründen und zum AA als Rekrutierungspool s. Kap. 3.1.4 Berufliche und militärische Erfahrung und Kap. 3.2.1 Rekrutierungsmechanismen. 373 Grupp 1994, S. 804. 374 Ein Promotionsprojekt zu Rudolf Nadolny mit dem Titel »Rudolf Nadolny: Ein Diplomat zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik. Politische Biographie« wird derzeit von Jan Zinke (Münster) durchgeführt. 375 Nadolny 1985, S. 85. 376 Koopmann 1990, S. 308-309. 377 Höpp 1997, S. 38. 378 Liebau 2014a, S. 123. 379 Höpp 1997, S. 38.
2. Die NfO als Organisation
postamt untergeordnet war, koordinierten Mitarbeiter der Nachrichtenstelle die Produktion mancher Schriften wie El Dschihad oder auch Flugblätter. Logistisch und personell waren auch die deutschen Auslandsvertretungen für die jeweiligen NfO-Zweigstellen überaus bedeutend.
2.3.2
Budget und Finanzen
Sämtliche deutsche Akteure der Nah- und Mittelost-Politik des Reichs während des Ersten Weltkriegs waren sich darin einig, dass das Deutsche Reich massiv Geld investieren müsse, um erfolgreich zu sein. Rudolf Nadolny war sich sicher, »daß zum Kriegsführen vor allem Geld gehöre«380 , Max von Oppenheim schrieb in seinem Memorandum, dass »Geldmittel in sehr hohen Beträgen«381 nötig seien, und Hans von Wangenheim war der Meinung, dass die Propaganda nicht »ohne erheblichen Kostenaufwand«382 durchgeführt werden könne, um effektiv zu sein. Generell war unter Zeitgenossen die Ansicht verbreitet, dass der Krieg viel Geld kosten werde, ohne dass jedoch näher über Ausgaben und wirtschaftliche Zusammenhänge nachgedacht wurde.383 Es verwundert daher auch nicht, dass die Nachrichtenstelle für den Orient stets mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Die Geldmittel der NfO speisten sich aus mehreren Quellen: dem jährlichen Etat, der vom Auswärtigen Amt aus dessen Allgemeinem Propagandafonds zur Verfügung gestellt wurde, und privatem Kapital, das der Gründer der Nachrichtenstelle selbst beisteuerte. Innerhalb der Organisation war Ferdinand Graetsch für die Kassensachen zuständig. Das Rechnungsjahr bzw. die Budgetperiode der NfO ging von April eines Jahres bis zum darauffolgenden März. Die Leiter der Nachrichtenstelle mussten das Budget für das Folgejahr jährlich bei der Legationskasse des AA – Abteilung IB (Personal und Verwaltung) – beantragen und deren Chef – Theodor Matthieu – vorlegen. Otto-Günther von Wesendonk befürwortete die Anträge der NfO stets. Matthieu ermahnte die NfO-Leiter, sämtliche Rechnungen vorzulegen sowie sich bei ihren Abmachungen und Verträgen an die Budgetperiode zu halten.384 Seine Bewilligungsschreiben enthielten häufig Sätze wie: »Herr Professor Mittwoch wird […] so zu wirtschaften haben, als ob spätestens mit dem 31. März 1918 die N.f.d.O. aufhörte.«385 Entsprechend war die finanzielle Situation der Organisation jährlich von Unsicherheiten geprägt.
380 381 382 383
Nadolny 1985, S. 92. Epkenhans 2001, S. 122. Von Wangenheim an AA, 05.03.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21129. Konrad Roesler, Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, Berlin 1967, S. 31. 384 Matthieu an AA, 16.02.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1506. 385 Matthieu an AA, 19.02.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1528.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Der beantragte Etat stieg fast jährlich. Grund hierfür war zum einen der Ausbau der Nachrichtenstelle, der mit einem Zuwachs an Aufgaben einherging. Aber auch die inflationsbedingt steigenden Kosten für Arbeitsmaterial (Bürosachen und Beschaffung von Zeitschriften aus dem Ausland), Miete und Gehälter sorgten für einen Anstieg der laufenden Kosten.386 Die Leiter versuchten, die Gehälter der NfO-Mitarbeiter an die wirtschaftlichen Umstände des Reichs anzupassen und dadurch ihren Lebensunterhalt zu sichern. Für die konstitutive Phase der NfO liegen keine konkreten Zahlen vor. Anfänglich war wohl ein Budget von 60.000 Mark vorgesehen.387 Die vergleichsweise geringe Summe erklärt sich aus dem Konstituierungsprozess. Bestehende Unsicherheiten mussten erst aus dem Weg geräumt werden. Es war nicht klar, wie lange die Organisation aktiv sein würde und wie viel Geld nötig wäre. In den darauffolgenden Rechnungsjahren stieg das Budget merklich an: 150.000 Mark (1915/1916)388 , 240.000 Mark (1916/1917)389 und 300.000 Mark (1917/1918)390 . Für das Rechnungsjahr 1918/1919 konnte die Nachrichtenstelle auf 450.000 Mark zurückgreifen,391 was jedoch knapp 40.000 Mark unter der von Mittwoch beantragten Summe lag.392 Max von Oppenheim, Mitglied einer Kölner Bankiersfamilie, griff in dringenden Fällen auf sein eigenes, privates Geld zurück.393 Insbesondere in der konstitutiven Phase und der Konsolidierungsphase streckte der Gründer Gelder vor. Das Auswärtige Amt, von dem die Gelder zurückverlangt wurden, weigerte sich jedoch, die z.T. hohen Summen – in einem Fall 20.000 Mark –394 zu erstatten. Da Schabinger von Schowingen als Leiter der Nachrichtenstelle die Gelder ausgegeben hatte – in diesem konkreten Schreiben ging es um knapp 12.000 Mark –, verwies von Wesendonk von Oppenheims Anfrage an ihn. Der AA-Mitarbeiter schrieb, dass das Amt die Beträge nicht erstatten könne, da die Überweisung nicht im offiziellen Auftrag geschehen sei und die Angelegenheit somit als Privatsache zwischen von Oppenheim und seinem Nachfolger gelte.395 Nach dieser Erfahrung finden sich in den Archivquellen keine Hinweise mehr auf größere Summen, die von Oppenheim zur Verfügung gestellt haben könnte.
386 Mittwoch an AA, 02.02.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1506. 387 Von Oppenheim an AA, 24.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Zudem schreibt Mittwoch 1915, er sei der Ansicht, dass monatlich 5.000 Mark nicht ausreichen würden. Mittwoch an AA, 25.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 388 Langwerth von Simmern an AA, 25.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 389 Mittwoch an AA, 02.02.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1506. 390 Matthieu an AA, 16.02.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1506. 391 Matthieu an AA, 12.01.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. 392 Mittwoch an AA, 18.10.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. 393 Schabinger von Schowingen 1967, S. 150. 394 Schabinger von Schowingen an AA, 04.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 395 Von Wesendonk an von Oppenheim, 13.02.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1506.
2. Die NfO als Organisation
Von dem Budget, das der Nachrichtenstelle vom AA zur Verfügung gestellt wurde, bestritten die Leiter der Organisation die Gehälter der Mitarbeiter, die Kosten für die Drucksachen (inkl. Zeitungen) und Miete. Die sehr aufwändig hergestellten Publikationen verbrauchten einen großen Teil des Budgets, sodass sich die Leiter immer wieder an das AA und die Sektion Politik des Stellvertretenden Generalstabs mit der Bitte um weitere finanzielle Unterstützung wandten – jedoch erfolglos.396 Auch bei dem Umzug in die Tauentzienstraße 19a beantrage von Oppenheim Geld. Mit Verweis auf ein Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle, in dem festgehalten wurde, dass der Gründer ggf. selbst für die Umzugskosten aufkommen würde, teilte das AA mit, dass auch in diesem Fall eine weitere Unterstützung nicht möglich sei.397 Aufgrund der stetig steigenden Kosten und der Misswirtschaft des zweiten Leiters, Schabinger von Schowingen, kam die Nachrichtenstelle für den Orient häufig in Verzug mit der Begleichung von Rechnungen. Im Mai 1916 hatte die NfO bei Zeitungen und Verlagen Schulden in Höhe von 100.000 M.398 Eine mittelschwere Krise löste die Erkenntnis aus, dass Schabinger von Schowingen bei seiner Entlassung als Leiter im Frühjahr 1916 91.000 Mark Schulden hinterlassen hatte. Mit diesem Vorwurf konfrontiert, wies der ehemalige Leiter der NfO sämtliche Schuld von sich und erging sich in Ausflüchten.399 Das AA beglich die Schulden zwar letztlich,400 diese Episode hatte aber zur Folge, dass das Amt voreingenommen war bei sämtlichen Anfragen um finanzielle Unterstützung über das Jahresbudget hinaus. Der Widerwillen der Behörde, der Organisation finanzielle Mittel zukommen zu lassen, unterstreicht Eugen Mittwochs Aussage in einer Korrespondenz an Enno Littmann, die Stelle habe »im Ausw. Amt einflußreiche Gegner«401 . Zwar unterstützten die direkten Ansprechpartner der Organisation – von Wesendonk und Zimmermann – die Einrichtung, das restliche Amt, wozu auch die der gesamten Dschihadisierungsidee skeptisch gegenüberstehenden deutschen Botschafter in Istanbul gehörten, scheint jedoch eher indifferent bis ablehnend gewesen zu sein.
396 Von Wesendonk an Botschafter Istanbul, 02.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504 und Zimmermann an Botschaft Istanbul, 04.04.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21255. 397 Von Wesendonk an Botschafter Istanbul, 02.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 398 Korrespondenz Mittwoch mit von Wesendonk, Mai 1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 399 Schabinger von Schowingen an Wolff Metternich, 19.06.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 400 Von Wesendonk an Mittwoch, 26.05.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 401 Mittwoch an Littmann, 07.04.1920, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 22.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
2.4
Exkurs: Die Nachrichtensaal-Organisation
Als Max von Oppenheim im April 1915 nach Istanbul ging und die dortige Nachrichtenstelle übernahm, widmete er sich einem weiteren Projekt. Zwar steckte die deutsche Kulturpropaganda im Nahen und Mittleren Osten vor dem Krieg im Vergleich zu britischen und französischen Aktivitäten noch in ihren Kinderschuhen,402 ab der Planung der Bagdad-Bahn und der Thronbesteigung von Wilhelm II. verstärkte sich jedoch das deutsche Interesse an der politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme im Osmanischen Reich.403 Von Oppenheim zentralisierte diverse Stellen im Osmanischen Reich, die sich mit der Meinungsbeeinflussung befassten, im Frühjahr 1915 unter dem Namen Nachrichtensaal-Organisation (NSO) und unterstellte sie der Nachrichtenstelle in Istanbul.404 Die gesamte Forschung, welche die Nachrichtensaal-Organisation behandelt, bezieht sich überwiegend auf ein von Max von Oppenheim verfasstes Schriftstück aus dem Jahr 1917: »Die Nachrichtensaal-Organisation und die wirtschaftliche Propaganda in der Türkei: ihre Übernahme durch den Deutschen Überseedienst«.405 In diesem Bericht beschreibt von Oppenheim Geschichte und Aufbau der Organisation. Wie auch bei anderen – bereits genannten – Berichten lassen sich auch in diesem kurzen Schriftstück Harmonisierungs- und Festschreibungstendenzen ausmachen. In dem Bericht, der als Manuskript gedruckt wurde und die Anmerkung »Streng vertraulich!« auf dem Deckblatt enthält, beschreibt von Oppenheim, wie er über die bereits bestehenden Lesesäle bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts knapp 70 Nachrichtensäle im gesamten Gebiet des Osmanischen Reichs eröffnet habe. Dabei habe es Haupt- und Nebensäle gegeben, die alle an die deutschen Konsulate angebunden gewesen seien. Die Besucherzahlen hätten sich zwischen 10.000 und 20.000 Besuchern täglich (!) bewegt. In Städten wie Jerusalem, Jaffa, Aleppo und Damaskus wurden – möglicherweise von Curt Prüfer – deutsche Lesesäle eingerichtet, die interessierten Besuchern deutsche Presseerzeugnisse und Literatur zur Verfügung stellten.406 Ziel der Nachrichtensäle, in denen Presseerzeugnisse in lokalen (Arabisch und Osmanisch) und europäischen (v.a. Deutsch, Englisch, Französisch) Sprachen ausgelegt worden seien, war neben der politischen, die wirtschaftliche Propaganda.407 402 403 404 405 406 407
Farah 1993, S. 20-21. Wroblewski 2016, S. 202. Will 2012, S. 197. Bragulla 2007, S. 62-64, Hanisch 2014a und Rathmann 1963, S. 189-193. Hanisch 2014a, S. 184. Zu einem früheren Zeitpunkt fanden in den Nachrichtensälen wohl auch Sprachkurse statt. Überblick über Aktivitäten der Nachrichtensaal-Organisation, 24.01.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904.
2. Die NfO als Organisation
Die Nachrichtensäle waren jedoch nicht nur ein (wirtschafts-)politisches Instrument. Sie waren auch ein Ausdruck deutschen zivilisatorischen Sendungsbewusstseins. Schon vor dem Krieg waren sich deutsche Akteure einig, dass eine »Hebung« der Völker im Nahen und Mittleren Osten nötig sei.408 Durch das Netz der Nachrichtensäle und die damit einhergehende Verbreitung deutscher Schriften und »Kultur« wurde ein Schritt in diese Richtung getan. Bereits in einem Brief von 1915 an seinen Nachfolger Schabinger von Schowingen hob von Oppenheim die vermeintlichen Erfolge der NSO hervor. Er schrieb, dass die Nachrichtensäle gut besucht seien und enge Kontakte pflegen würden zu lokalen Behörden, Eliten sowie Zeitungen. Keine Einrichtung im Osmanischen Reich sei in der Lage, »[…] die Angelegenheiten unserer Nachrichtenstelle für den Orient in Berlin und Konstantinopel besser [zu] erledigen«409 . Auch hinsichtlich der Nachrichtensäle ist die Quellenlage schwierig. Erhalten sind lediglich Korrespondenzen vereinzelter Konsulate mit dem AA in Berlin, in denen untergeordnete Aspekte der Nachrichtensäle besprochen wurden. Diese Berichte reichen jedoch aus, das überschwängliche positive Bild in von Oppenheims Schrift von 1917 infrage zu stellen. Die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden und Eliten verlief nicht so reibungslos, wie im Nachhinein beschrieben.410 Auf Anweisung Enver Paschas behinderten osmanische Behörden die Tätigkeiten der NSO.411 Grund dafür waren die steigenden Spannungen zwischen der deutschen und der osmanischen Regierung hinsichtlich des Ausbaus des deutschen Netzwerks im Nahen und Mittleren Osten.412 Dagegen half auch nicht, dass von Oppenheim dafür gesorgt hatte, dass vor allem deutsches diplomatisches Personal die Leitung der jeweiligen Säle übernahm. Ziel dieser Maßnahme war es, die Einrichtungen vor Übergriffen der lokalen Behörden etwa in Form der Beschlagnahmung der auszulegenden Publikationen zu schützen.413 Auch die Äußerung von Oppenheims, dass Nachrichtensäle zwischen 10.000 und 20.000 Besuchern täglich gehabt hätten,414 ist zu bezweifeln. Zwar beschreiben Botschafter Wolff Metter408 Florian Krobb, »Welch‹ unbebautes und riesengroßes Feld«: Turkey as Colonial Space in German World War I Writings, in: German Studies Review 37/1 (2014), S. 1-18, hier: S. 6 und Gregor Schöllgen, »Dann müssen wir uns aber Mesopotamien sichern!«: Motive deutscher Türkenpolitik zur Zeit Wilhelms II. in zeitgenössischer Darstellung, in: Saeculum 32/2 (1981), S. 130-145, hier: S. 144. Der Hebungsdiskurs in NfO-Publikationen wird an den entsprechenden Stellen in Kap. 4 detaillierter beschrieben. 409 Von Oppenheim an Schabinger von Schowingen, 29.11.1915, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904. 410 Oppenheim 1917, S. 14-15. 411 Hanisch 2014a, S. 183. S. auch Korrespondenz zwischen ʿAli Shamsi und NfO-Leitung, Mai 1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13905. Dort beschreibt ʿAli Shamsi, dass die osmanische politische Elite in Istanbul nicht erfreut über von Oppenheims Nachrichtensaal-Tätigkeiten war. 412 McKale 1993, S. 241. 413 Von Oppenheim an Wolff Metternich, 24.01.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904. 414 Oppenheim 1917, S. 15.
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nich und Schabinger von Schowingen, dass die Besucherzahlen in einigen Lesesälen sehr gut gewesen seien und der Bedarf vorhanden gewesen sei,415 derart hohe Zahlen scheinen jedoch unrealistisch, wie auch Marc Hanisch schreibt.416 Schabinger von Schowingen selbst schlug sogar die Schließung des Nachrichtensaals in Gaza vor, da sich dort kaum Leser des Propagandamaterials einfinden würden.417 Zudem beschrieb der ehemalige Leiter der NfO, dass ein Teil des Materials – insbesondere Flugschriften – häufig entweder vergriffen war oder aber gar nicht erst ausgelegt wurde. Letzteres führte er auf die mangelnde Kenntnis der Saal-Leiter zurück, jene Publikationen auszuwählen, die sich gut für die Propaganda eignen würden.418 Ein anderer Grund sind sicherlich die seitens der Konsulate häufig beschriebenen Lieferungsschwierigkeiten. Entweder kam das Material zu spät – und war entsprechend nicht mehr aktuell – oder gar nicht an.419 Ferner scheint die tatsächliche Größe des Nachrichtensaal-Netzes keineswegs von Oppenheims Bericht zu entsprechen. Im Zuge der Übernahme der NSO durch den Deutschen Überseedienst im Jahr 1917 schrieb der damalige Botschafter in Istanbul Johann Heinrich von Bernstorff,420 dass es nicht 70 oder 80 Säle gebe, sondern nur knapp 50.421 Die Bewertung der Arbeit der Nachrichtensäle war unter zeitgenössischen Beobachtern umstritten.422 Deutsche amtliche Stellen tendierten dazu, die Nachrichtensaal-Propaganda positiv bzw. erfolgreich zu beurteilen.423 Auch in der prodeutschen arabischen Presse findet sich wohlwollende Berichterstattung.424 In einem Artikel der Zeitung al-Akhbar (Die Nachrichten) aus Palästina bewertet der anonyme Autor die Lesesäle als eine Bereicherung für Regierung und
415 416 417 418 419
420
421 422 423 424
Wolff Metternich an AA, 21.02.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904 und Schabinger von Schowingen 1967, S. 166-167. Hanisch 2014a, S. 183. Schabinger von Schowingen an Nachrichtenstelle Istanbul, 27.11.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13907. Schabinger von Schowingen 1967, S. 169. So berichtete Konsul Walter Holstein an von Wangenheim, dass er die zuletzt gelieferten Flugschriften nicht auslegen werde, da ein Teil davon bereits durch das Konsulat in Aleppo verteilt worden wäre und der Rest aufgrund fehlender Aktualität für Leser nicht mehr von Interesse sei. Konsulat Mossul an Botschaft Istanbul, 15.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1512. Bernstorff, Johann Heinrich Graf von, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 1, Paderborn u.a. 2000, S. 131-132. Von Bernstorff an von Hertling, 12.11.1917, BArch, R 901/57697. Mehr zu der Übernahme in diesem Kapitel weiter unten. Farah 1993, S. 281. Ebd. Die positive Berichterstattung ist möglicherweise auf einen gewissen deutschen Einfluss auf die lokale arabische Presse zurückzuführen. S. dazu Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion.
2. Die NfO als Organisation
Bevölkerung.425 Der ententefreundliche Journalist Harry Stuermer, ehemaliger Korrespondent der Kölnischen Zeitung im Osmanischen Reich, hingegen schrieb, dass die Bevölkerungen die Nachrichtensäle durchaus als Propagandainstrumente der deutschen Regierung und daher als sacs de mensonge wahrnehmen würden.426 Die Berichte beider Seiten über Erfolge und Versagen der Nachrichtensäle waren zweifelsohne interessengebunden. Ein eindeutiges Bild lässt sich hier nicht zeichnen. Anfang 1917 verließ Max von Oppenheim die Nachrichtenstelle in Istanbul und war in der Konsequenz auch nicht mehr Leiter der Nachrichtensaal-Organisation. Auf ihn folgte Curt Prüfer im März.427 Vor seinem Weggang hatte von Oppenheim jedoch noch eine zentrale Veränderung angestoßen. Er wollte die wirtschaftliche Berichterstattung betonen und machte sich in diesem Zusammenhang für eine intensivere Einbeziehung deutscher wirtschaftlicher Kreise in die Arbeit der Nachrichtensäle stark. Im Jahr 1917 übernahm der Deutsche Überseedienst (DÜD) die Finanzierung und Leitung der NSO. Das »Syndikat Deutscher Überseedienst« entstand im Jahr 1913.428 Es war die Manifestation des Interesses deutscher Industrieund Handelskreise, eine eigene Nachrichtenagentur zu gründen, die, von der Politik unterstützt, positive Berichterstattung weltweit über die deutsche Wirtschaft lancieren sollte. Damit sollte die Dominanz französischer und britischer Berichterstattung in der Gestalt der Nachrichtenagenturen Havas und Reuters gebrochen werden.429 In diesem Bestreben wurde der DÜD vom Auswärtigen Amt unterstützt. Das Direktorium des Syndikats bestand in der Regel aus Vertretern der deutschen Schwerindustrie. Das AA hatte daher stets die Sorge, dass Firmen anderer Industrien in der Berichterstattung keinen Platz finden würden.430 Die Nachrichtensäle sollten auch in Zukunft die Interessen aller Wirtschaftsteile vertreten.431 Diese Bedenken wurden auch seitens der Botschaft in Istanbul und vor allem seitens Curt Prüfers geäußert.432 Prüfer drohte sogar kurzzeitig, als Leiter zurückzutreten, sollte der DÜD die Nachrichtensaal-Organisation übernehmen.433 Die Zentralstelle für Auslandsdienst, eines der wichtigsten Organe für deutsche Auslandspropaganda, ging sogar so weit, dem DÜD zu unterstellen, er wolle die kom425 Ghurfat al-Istikhbarat [Der Nachrichtensaal], in: al-Akhbar 8 (26.01.1917), S. 1-2. 426 Harry Stuermer, Zwei Kriegsjahre in Konstantinopel: Skizzen deutsch-jungtürkischer Moral und Politik, Lausanne 1917, S. 118. 427 Kröger 1994, S. 375. 428 Cornelius Klee, Die Transocean GmbH, in: Jürgen Wilke (Hg.), Telegraphenbüros und Nachrichtenagenturen in Deutschland: Untersuchungen zu ihrer Geschichte bis 1949, München/New York 1991, S. 135-211, hier: S. 183. 429 Ebd., S. 135-136. 430 Ebd., S. 147. 431 Abschrift für Abteilung Nachrichten, 29.01.1917, BArch, R 901/57697. 432 Von Bernstorff an von Hertling, 12.11.1917, BArch, R 901/57697. 433 Ebd.
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plette Propaganda »an sich reissen«434 . Es wurde daher vorgeschlagen, dass trotz der Finanzierung der NSO durch Wirtschaftskreise die Kontrolle über die Aktivitäten bei der Botschaft bleiben sollte.435 Umstritten war dabei, ob das diplomatische Personal, das die Tätigkeit für die Nachrichtensäle bisher unentgeltlich durchgeführt hatte, dieses auch für eine privatwirtschaftliche Firma machen würde.436 Von Oppenheim war die Schwierigkeit dieses Unterfangens klar. Seine Broschüre aus dem Jahr 1917 kann daher als Teil seiner fortwährenden Überzeugungsarbeit gesehen werden, die er bereits ein Jahr zuvor begonnen hatte.437 Schließlich ist das AA selbst an den DÜD zwecks Übernahme der NSO herangetreten.438 Der erste Vertragsentwurf wurde bereits im Februar 1917 angefertigt.439 In diesem Vertragsentwurf war zwar vorgesehen, dass das Reich den DÜD mit ca. 300.000 Mark jährlich für den Betrieb der Nachrichtensäle unterstützen würde, ein wichtiger Grund für die angestrebte Zusammenarbeit war jedoch die finanzielle Entlastung des AA.440 Der DÜD hingegen hatte ein starkes Interesse daran, die deutsche Wirtschaft im Nahen und Mittleren Osten stärker zu bewerben, da sich Akteure aus Industrie und Wirtschaft erhofften, für ihre Produkte in der Region neue Absatzmärkte zu schaffen und ungenutzte zu erschließen.441 Das Resultat der Übernahme der Nachrichtensaal-Organisation durch den Deutschen Überseedienst war die institutionelle Trennung der politischen und der wirtschaftlichen Propaganda, wie sie Botschafter Richard von Kühlmann Anfang 1917 vorgeschlagen hatte.442 Die Hohe Pforte wurde weiterhin mit politischer Propaganda versorgt, die jedoch wie zu Beginn des Krieges von der deutschen Botschaft in Istanbul ausging.
2.5
Zusammenfassung
Das vorangegangene Kapitel lieferte einen Überblick über die Nachrichtenstelle für den Orient als Organisation. Die konstitutive Phase (August 1914 bis November
434 435 436 437 438 439 440 441 442
ZfA an AA, 05.01.1917, BArch, R 901/71027. Staatssekretär des Reichsschatz-Amtes an von Rosenberg, 01.02.1917, BArch, R 901/57697. Von Bernstorff an von Hertling, 12.11.1917, BArch, R 901/57697. Von Oppenheim an von Bethmann Hollweg, 31.12.1916, BArch, Zentralstelle für Auslandsdienst, R 901/71027. Bericht über die erste ordentliche Gesellschafterversammlung der »Deutschen Überseedienst« G.m.b.H. zu Berlin, 22.06.1917, BArch, R 901/57697. Vertragsentwurf zwischen AA und Deutschem Überseedienst, Februar 1917, BArch, R 901/57697. McKale 1993, S. 244. Schöllgen 1981, S. 144 und Krobb 2014, S. 5. Von Kühlmann an von Bethmann Hollweg, 19.01.1917, BArch, Nachrichten- und Presseabteilung, R 901/57697.
2. Die NfO als Organisation
1914) und die Konsolidierungsphase (Dezember 1914 bis März 1915) waren von starken Transformationen gekennzeichnet. Die Nachrichtenstelle erweiterte in diesen Phasen ihr Aufgabengebiet und baute ihre Struktur entsprechend aus. Zudem fand ein erster Wechsel in der Leitung der Nachrichtenstelle statt und die Organisation bezog neue Räumlichkeiten. Die NfO verfügte über sprachlich-regional organisierte, thematisch arbeitende und publikationsbezogene Abteilungen. Zweifelsohne ist die Arabische Abteilung eine der wichtigsten Abteilungen der Nachrichtenstelle, wenn nicht sogar die wichtigste, da die arabischsprachige Welt in den Aktivitäten der Nachrichtenstelle einen zentralen Platz einnahm. Neben der Berliner Zentrale existierten einige Filialen bzw. Außenstellen der Nachrichtenstelle für den Orient, die bedeutende Rekrutierungspools für NfO-Mitarbeiter und Affiliierte und Ausgangspunkte für die Vernetzung ähnlich gesinnter antikolonialer Akteure waren. Die NfO richtete erfolgreich ein Filialnetzwerk zur Informationsbeschaffung und Distribution von Material ein, das sich von Europa bis Zentralasien erstreckte. Die drei Leiter der Nachrichtenstelle für den Orient – Max von Oppenheim, Karl Emil Schabinger von Schowingen und Eugen Mittwoch – standen, trotz unterschiedlich langer Amtszeiten und verschiedener Führungsstile, in der Hierarchie der Organisation stets an der Spitze. Die Leiter versuchten, bei ihrer Arbeit unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen. Mal sollte der Fokus der NfO mehr auf dem Deutschen Reich liegen, mal sollte der Nahe und Mittlere Osten stärker im Mittelpunkt stehen. Die Umsetzung der Ziele erfolgte durch publikations- und personenbezogene sowie geheimdienstliche Aktivitäten in Deutschland und der Welt. Dabei wurden mehrere europäische und nichteuropäische Sprachen verwendet. Da die NfO-Mitarbeiter propagandistische und geheimdienstliche Aufgaben erfüllten und sich an Methoden aus beiden Feldern bedienten, lässt sich die NfO nicht als reine Propagandaorganisation oder als reiner Geheimdienst verstehen, sondern befindet zwischen diesen beiden, sich überlappenden Sphären. Die Nachrichtenstelle für den Orient wurde durch das Auswärtige Amt gegründet und von ihm finanziert. Einfluss auf die Organisation hatte auch der Generalstab des Feldheeres bzw. die Oberste Heeresleitung. Grundsätzlich kann man festhalten, dass strukturelle und inhaltliche Entscheidungen eher vom AA gefällt wurden. Der Stellvertretende Generalstab fungierte hingegen als übergeordnete Instanz bei bestimmten, inhaltlich richtungsweisenden Fragen und unterstützte bei der Planung sowie Durchführung von Expeditionen. Die Geldmittel der NfO speisten sich aus mehreren Quellen: dem jährlichen Etat, der vom Auswärtigen Amt aus dessen Allgemeinem Propagandafonds zur Verfügung gestellt wurde, und privatem Kapital, das Max von Oppenheim als Gründungsleiter der Nachrichtenstelle selbst beisteuerte. Über den gesamten Kriegsverlauf hatte die Nachrichtenstelle für den Orient mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen.
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Die Nachrichtenstelle für den Orient ist aufgrund ihrer Strukturen, Ziele, Publikationen und institutionellen Eingliederung als »klassische« Linienorganisation mit Ansätzen einer horizontalen Kommunikationsstruktur einzuordnen. Ihre Leiter und Mitarbeiter betätigten sich auf vielfältige Weise im Feld der deutschen Nahost- und Islampolitik.
3. Die Akteure Werdegänge und Interaktionen
Das vorliegende Kapitel behandelt die Akteure, die für die Nachrichtenstelle für den Orient tätig waren und diese als Plattform für ihre eigenen beruflichen sowie politischen Ambitionen nutzten. Einschlägige Studien zählen Personen auf, die in die Organisation involviert gewesen sein sollen, doch stimmen diese Aufzählungen keineswegs überein. Dies gilt insbesondere für die Akteure der Arabischen Abteilung. Dadurch ergeben sich verschieden große Personenkollektive, die je nach Autor ein bis drei Dutzend Akteure umfassen. Maren Bragulla nennt in ihrer Magisterarbeit lediglich deutsche NfO-Akteure in Listenform.1 Abdel-Raouf Sinno erwähnt vor allem arabischsprachige, nichtdeutsche NfO-Akteure, die Texte oder Vorträge im Rahmen der Organisation produzierten, und kommt auf weniger als zehn Namen.2 Personen, die hauptsächlich übersetzten, wie Barukh Jurji Salim, fallen aus seiner Betrachtung heraus. Wolfdieter Bihl und Gerhard Höpp hingegen nennen weitaus mehr Akteure. Sie betrachten jedoch auch Personen, die zwar während des Ersten Weltkriegs im Rahmen der deutschen Nah- und Mittelostpolitik tätig waren, aber nicht unbedingt Berührungspunkte mit der NfO hatten. Darüber hinaus legen nicht alle Autorinnen und Autoren offen, wie sie den untersuchten Personenkreis bestimmen. Lediglich Salvador Oberhaus und Tilmann Lüdke führen eine Mitarbeiterliste aus dem Nachlass von Oppenheims aus dem Jahr 1935 auf,3 woraus sich schließen lässt, dass sie sich an ihr orientiert haben. Es handelt sich allerdings keinesfalls um eine umfassende Aufzählung, da die Autoren zentrale NfO-Akteure, wie Muhammad al-Khidr Husayn, nicht erwähnen.4 1 2 3 4
Bragulla 2007, S. 93-96. Sinno 2006, S. 401-404. Lüdke 2005, S. 119-120 und Oberhaus 2007, S. 316-319. Lüdke und Oberhaus übernehmen die Darstellungsform dieser Quelle und ordnen die Mitarbeiter nicht alphabetisch an, sondern hierarchisch, sodass die deutschen Mitarbeiter oben, die nichtdeutschen Mitarbeiter unten stehen. Zu dieser speziellen Form der Visualisierung, in der das zeitgenössische Differenzpostulat und die damit verbundene Hierarchisierung zwischen deutschen und nichtdeutschen Akteuren Ausdruck finden, s. Kap. 3.2.2 Konflikte und Asymmetrien.
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Zudem geht die Erwähnung einiger NfO-Akteure, beispielsweise im Fall von Ruth Buka, über eine reine Namensnennung häufig nicht hinaus. Für die divergierenden, stellenweise lückenhaften Darstellungen gibt es mehrere Gründe. Zum einen tauchen einige NfO-Akteure nur vereinzelt in Quellen auf, während andere, wie Salih al-Sharif al-Tunisi, sehr häufig Gegenstand von Korrespondenzen und Debatten sind. Zum anderen ist über manche Akteure nicht viel mehr als der Name in Erfahrung zu bringen, sodass sie für die Forschung nicht sonderlich attraktiv sind. Aufgrund dieser zum Teil unvollständigen Quellenlage, des relativ kleinen Personenkollektivs und des begrenzten Untersuchungszeitraums wurde für die vorliegende Arbeit eine qualitative Form der Kollektivbiografie als Analysemethode verwendet. Das nachfolgend genannte Personenkollektiv umfasst sämtliche Akteure, die in unterschiedlichem Maße in die Tätigkeiten der Arabischen Abteilung der Nachrichtenstelle für den Orient während ihres Bestehens von 1914 bis 1921 involviert waren. Nicht nur die Autoren und Übersetzer von Publikationen werden genannt, sondern auch die Redakteure der NfO-Periodika, die diese Texte abdruckten, sowie die Leiter und Mitarbeiter der Filialen in der Schweiz und in Istanbul:5 Ahmad Mukhtar ʿAbd al-Qadir, Max Adler, Muhammad Abu l-ʿArabi, Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, ʿAbd al-Rahman ʿAzzam, Ruth Buka, Rabah Bukabuya, Herbert Diel, Muhammad Fahmi, Muhammad Farid, Helmuth von Glasenapp, Wilhelm (Willy) Haas, ʿAbd al-Malik Hamza, Martin Hartmann, ʿAli Ahmad al-ʿInani, Heinrich Jacoby, ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Max Rudolf Kaufmann, Muhammad al-Khidr Husayn, Enno Littmann, Eugen Mittwoch, Bernhard Moritz, Herbert Mueller, Max von Oppenheim, Friedrich Perzyński, Edgar Pröbster, Curt Prüfer, Mansur Mustafa Rifʿat, Muhammad al-Rushdi, Muhammad Sadiq, Barukh Jurji Salim, Karl Emil Schabinger von Schowingen, Walther Schroeder, ʿAli Shamsi,6 Salih al-Sharif (al-Tunisi), Muhammad al-Sharqawi, Hans Stumme und Ahmad Wali. Neben der genauen Bestimmung der Größe des Personenkollektivs und seiner Mitglieder ergibt sich eine weitere Schwierigkeit. In den Quellen sind die Bezeichnungen für NfO-Akteure uneindeutig. Die Begriffe »Mitglieder« und »Mitarbeiter« werden synonym verwendet, was sicherlich dazu beitrug, dass die organisatorische Verfasstheit der NfO in der Forschung als Problem verstanden wurde.7 Während der Begriff »Mitglied« eher auf eine Vereinsform schließen lässt, impliziert das Wort »Mitarbeiter« ein konkretes Verhältnis von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber. 5
6
7
Die Auflistung der Personen erfolgt hier alphabetisch, wobei aus praktischen Gründen und da die vorliegende Arbeit auf Deutsch verfasst wurde, das lateinische Alphabet ausschlaggebend ist. Bei den arabischen Namen sind die Nachnamen ohne Artikel relevant. Eigentlich ʿAli al-Shamsi. Selbst hat er den arabischen Artikel in der lateinischen Schreibweise seines Namens jedoch nie verwendet, sodass auf ihn in der vorliegenden Arbeit ebenfalls verzichtet wird. S. Kap. 2.1.2 Organisationsform.
3. Die Akteure
Auch die adjektivischen Ergänzungen zu diesen Begriffen sind uneinheitlich. Es ist die Rede von »ordentlichen« und »ständigen« sowie »außerordentlichen«, »korrespondierenden« oder »gelegentlichen« Mitarbeitern bzw. Mitgliedern, ohne dass qualitative oder funktionelle Unterschiede klar erkennbar wären. Für die vorliegende Arbeit wurden konsistente Bezeichnungen für verschiedene Typen von NfO-Akteuren gewählt. Eine Person wird als »Mitarbeiter« bezeichnet, sofern sie auf einer Gehalts-, Mitglieder- oder Mitarbeiterliste unter den Rubriken »ordentlich« oder »ständig« zu finden ist, regelmäßig Geld erhielt sowie eine dauerhafte und regelmäßige Tätigkeit für die Nachrichtenstelle ausübte, unabhängig davon, um was für eine Tätigkeit es sich genau handelte.8 Beispiele hierfür sind Mansur Rifʿat und Walther Schroeder. Eine zweite Kategorie ist mit dem Begriff »Affiliierter« benannt. Damit sind alle Personen gemeint, die nicht der ersten Kategorie zuzuordnen sind, aber dennoch im intellektuellen Austausch mit NfO-Mitarbeitern standen und gelegentlich Dienstleistungen für die Organisation erbrachten. Eine solche Dienstleistung konnte etwa darin bestehen, Informationen über andere NfO-Akteure bereitzustellen, wie dies Muhammad Sadiq tat, oder punktuell an Publikationen mitzuwirken, was bei Muhammad al-Sharqawi und Ahmad Mukhtar ʿAbd al-Qadir der Fall war. Diese Akteursgruppe hatte in der Regel keine festen Verpflichtungen gegenüber der Nachrichtenstelle.9 Wenn sowohl von Mitarbeitern als auch von Affiliierten die Rede ist, dann wird in der vorliegenden Arbeit – wie bereits geschehen – der Begriff »NfO-Akteure« verwendet. Die Unterscheidung in Mitarbeiter und Affiliierte wurde gewählt, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Zugehörigkeit zu einer Organisation nicht immer klar festzustellen und an den Rändern der Organisation diffus ist.10 Dies trifft auch auf die Nachrichtenstelle zu, da eine Vielzahl von Personen involviert war, die mehr oder weniger eng und häufig unregelmäßig mit der Stelle zusammenarbeiteten. In den Archivquellen ist eine grobe sprachliche Zweiteilung der Aufgabenbereiche von NfO-Akteuren feststellbar. Ein Teil der Mitarbeiter und Affiliierten befasste sich überwiegend mit inhaltlicher Arbeit. Darunter fielen die Herstellung von Schriften oder die Durchführung von Predigten in den Gefangenenlagern. Die restlichen NfO-Akteure hingegen waren mit Büroarbeiten betraut und nahmen beispielsweise Übersetzungen sowie Korrekturen vor. Diese Tätigkeiten genauer nachzuvollziehen, ist nur in Ausnahmefällen möglich, da zumeist nur die Ergeb-
8 9 10
Durchaus auffällig ist der Umstand, dass sich in den Akten des PA AA keine Verträge für Mitarbeiter finden lassen oder erwähnt werden. Dieser Punkt wurde bei der Rekrutierung von Littmann hervorgehoben. Schabinger von Schowingen an Littmann, 22.03.1915, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 91. Stefan Kühl, Mitgliedschaft: Das magische Mittel zur Herstellung von Konformität in Organisationen, in: Beat Bucher/Geri Thomann/Rolf Kuhn/Thomas Hagmann (Hg.), Loyalität, Bern 2011, S. 48-69, hier: S. 63 und Preisendörfer 2016, S. 62.
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nisse der Arbeit dokumentiert sind, nicht aber der Arbeitsprozess.11 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass jene Akteure, die in den Archivquellen relativ selten genannt werden, wie Ruth Buka oder Barukh Jurji Salim,12 solche im Hintergrund stattfindenden Tätigkeiten ausübten und aus diesem Grund aus der Perspektive der Organisation nicht besonders nennenswert waren, sofern es keine größeren Konflikte gab.13 Die Unterteilung in inhaltlich tätige oder zuarbeitende Mitarbeiter bzw. Affiliierte spielt bei den arabischsprachigen, nichtdeutschen Akteuren eine größere Rolle als bei den deutschen. Dies drückt sich auch in der Quellensprache aus. Während die erste Gruppe, zu der etwa ʿAbd al-ʿAziz Jawish zählt, »Propagandisten« oder »Agitatoren« genannt wird, ist die Bezeichnung für die zweite Gruppe »Hilfsarbeiter«. Die Grenzen sind dabei, wie in vielen anderen Fällen bei der NfO, fließend. Auch Akteure wie Ahmad Wali, der vor allem übersetzte, produzierten zuweilen eigene Publikationen.14 Die begriffliche Trennung in den Quellen gibt Aufschluss über die utilitaristische Perspektive auf nichtdeutsche Akteure, die im Gegensatz zu den deutschen hauptsächlich über ihren Nutzen für die NfO wahrgenommen wurden.15 Die Begriffe »Propagandist« und »Agitator« sowie die entsprechenden Adjektive werden in der vorliegenden Arbeit nicht verwendet.16 Erstens werden die Tätigkeiten durch diese Begriffe lediglich aus der Perspektive der NfO umschrieben, ohne die Interessen der entsprechenden Akteure wahrzunehmen. Publizierte Texte waren eben nicht ausschließlich (deutsche) Propaganda, sondern auch Ausdruck der beruflichen, politischen und religiösen Ambitionen der Akteure. Zweitens wurden die Begriffe ausschließlich zur Beschreibung nichtdeutscher Mitarbeiter und Affiliierter gebraucht, obwohl deutsche Akteure ähnliche Aufgaben übernahmen. Aktivitäten, die Inhalte in der Form von Text oder Gesprochenem produzierten, werden hier mit dem Adjektiv »publizistisch« bezeichnet. Alle sonstigen Tätigkeiten werden Büro- und Logistiktätigkeiten genannt, da die Verwendung des Quellenbegriffs »Hilfsarbeit« die Hierarchisierung von Tätigkeiten innerhalb der NfO reproduzieren würde. 11 12 13
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Für eine Betrachtung der Arbeits- und Zensurprozesse innerhalb der NfO s. Kap. 4.1 Prozesse der Wissensproduktion. Buka schrieb in ihrem Lebenslauf, sie habe für das AA übersetzt und Sprachkurse gegeben. Lebenslauf Ruth Buka, o.D. [zwischen 1930 und 1939], ECAR, Series 4: Biographical Files, Box 1. In einer alternativen Lesart kann man die Frage stellen, ob die betreffenden Personen aufgrund ihres Status, ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft marginalisiert und dementsprechend in den Akten nicht genannt wurden. Mehr dazu in Kap. 3.3.2 Konflikte und Asymmetrien. Etwa Ahmad Wali, Die Kammer der Leiden, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/12 (28.03.1917), S. 551. Mehr zu den komplexen internen Verhältnissen in Kap. 3.3 Interaktionen der Akteure. Die Verwendung des Begriffs »Propagandaorganisation« im Fall der Nachrichtenstelle wurde in Kap. 3.4.4 problematisiert.
3. Die Akteure
Für die NfO-Leitung war eine weitere Form der Hierarchisierung und Dichotomisierung relevant: Die Akteure wurden eindeutig in deutsch und nichtdeutsch unterteilt. Sprachliche Differenzierungen zielten auf die Herkunft bzw. geografische Zugehörigkeit der NfO-Akteure ab. Sie sind entweder »eingeboren«, »orientalisch« und »ausländisch« bzw. »fremdländisch« oder »deutsch« und »einheimisch«. Dabei handelt es sich nicht um neutrale, rein deskriptive Kategorien. Entsprechend ihrer Herkunft wurden die Akteure in der Organisation unterschiedlich behandelt und waren beispielsweise anderen Kontrollmechanismen ausgesetzt. Um diese NfO-Perspektive nicht zu reproduzieren, werden die Akteure unabhängig von ihrer Herkunft zusammen behandelt. Darüber hinaus gibt es jedoch auch inhaltliche Gründe, die Akteure nicht in zwei Gruppen (»deutsch« vs. »nichtdeutsch«) aufzuteilen und entlang dieser Unterscheidung zu beschreiben. Diese vermeintlichen Gruppen waren in sich nicht homogen. Das betrifft sämtliche Bereiche: Ausbildung, Vorkriegsberufe, politische und religiöse Positionen, Sprachkompetenzen sowie das Alter. Gerade bei den nichtdeutschen Akteuren, die aus so weit entfernten Regionen wie Marokko und der Arabischen Halbinsel kamen, würde eine Darstellung, die diese gemeinsam und losgelöst von den deutschen Akteuren betrachtet, den internen Konflikten und Differenzen nicht gerecht werden. Zudem gab es eine Reihe Gemeinsamkeiten, die unabhängig von der regionalen Herkunft bestand, wie der Umstand, dass alle NfO-Akteure studiert hatten. Die Trennung von »deutsch« und »nichtdeutsch« erfolgt in der vorliegenden Arbeit nur dann, wenn sie für die Akteure selbst eine Rolle spielte bzw. dann, wenn die NfO-interne Dichotomisierung behandelt wird. Die geografische Herkunft der Akteure wird dann durch die Adjektive »arabischsprachig« bzw. »nichtdeutsch« und »deutsch« ausgedrückt.17 Durch die Beschreibung des Kollektivs »NfO« soll aber keineswegs eine Homogenität aller involvierten Akteure postuliert werden. Anhand konkreter Lebensabschnitte und Themen werden die Unterschiede zwischen einzelnen Akteuren oder Personengruppen dargestellt und weitestgehend konkrete Personen oder politisch bzw. beruflich geprägte Gruppen (proosmanische Antikolonialisten, Orientalisten etc.) genannt. Der Begriff »Kollektiv« bedeutet nicht, dass alle zugehörigen Akteure gleich seien. Vielmehr wird durch die Kollektivbiografie eine Gruppe
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Die Marker »deutsch« oder »arabischsprachig« beziehen sich auf sprachliche Aspekte und weniger auf die exakte geografische Herkunft, Nationalität oder gar Staatsbürgerschaft. »Arabisch« ist in erster Linie ein Konstrukt der arabischen Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts, die eine kulturell und sprachlich homogene arabische Nation von Marokko bis zur Arabischen Halbinsel postulierten. Zu dem komplexen Themenfeld s.u.a. Birgit Schäbler, Writing the Nation in the Arabic-Speaking World, Nationally and Transnationally, in: Stefan Berger (Hg.), Writing the Nation: A Global Perspective, Basingstoke u.a. 2007, S. 179-196 und Ulrike Freitag, Writing Arab History: The Search for the Nation, in: British Journal of Middle Eastern Studies 21/1 (1994), S. 19-37.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
beschrieben, die eine Eigenschaft teilt. In der vorliegenden Arbeit ist diese Eigenschaft – das »einzigartige Charakteristikum« bzw. die »einzigartige Position« –18 die Zugehörigkeit zur Nachrichtenstelle für den Orient. Zugehörigkeit zur Nachrichtenstelle für den Orient bedeutete keineswegs eine tägliche Anwesenheit in Berlin oder gar in den Büroräumen der Organisation. Zwar ersuchten die NfO-Leiter die hier als Mitarbeiter bezeichneten Akteure um eine regelmäßige Anwesenheit,19 die Affiliierten waren aufgrund ihrer losen Verbindung zur Nachrichtenstelle jedoch nicht an solche Anweisungen gebunden. Daher wurden in der vorliegenden Arbeit auch Affiliierte der Schweizer NfO-Filiale, wie ʿAli Shamsi, in das Personenkollektiv aufgenommen. Das Hauptkapitel umfasst drei Teile. Zunächst werden die unterschiedlichen biografischen Prägungen der Akteure in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg besprochen. Als Zweites wird beschrieben, unter welchen Voraussetzungen die Akteure zur NfO fanden. Abschließend werden die Interaktionen – insbesondere Momente der Zusammenarbeit und des Konflikts – zwischen den involvierten Personen und Gruppen behandelt.
3.1
Prägungen der Akteure vor dem Ersten Weltkrieg
Die biografischen Hintergründe der Akteure, die später als Mitarbeiter und Affiliierte für die Nachrichtenstelle für den Orient tätig sein sollten, sind mannigfaltig. Zwar existiert eine Reihe von Gemeinsamkeiten, aufgrund der dennoch starken Unterschiede ist es aber unmöglich, einen einzigen Idealtypus eines NfOKandidaten herauszuarbeiten. Vielmehr wird an dieser Stelle beschrieben, welche divergenten biografischen Faktoren aus der Zeit vor dem Krieg dazu führen konnten, dass Akteure als potenzielle Kandidaten in Betracht kamen. Im Folgenden werden die biografischen Hintergründe der NfO-Akteure besprochen. Dabei werden die sozialen, akademischen sowie politischen und beruflichen Milieus vor dem Eintritt in den Dienst der NfO beleuchtet. Es wird erörtert, ob bestimmte Ereignisse oder Erfahrungen dazu beigetragen haben, den Schritt, für die NfO zu arbeiten, als plausibel zu erachten. Zudem wird hier gezeigt, dass Vorkriegskontakte und -erfahrungen eine Rolle für bestimmte Positionen während des Krieges spielten.
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Harders/Schweiger 2009, S. 197 und Schröder 2011, S. 140. Sie dazu auch die methodischen Ausführungen in der Einleitung. Etwa Glasenapp 1964, S. 72 und Schabinger von Schowingen an Schroeder, 07.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503.
3. Die Akteure
3.1.1
Herkunft, familiärer Hintergrund und soziales Milieu
Die Geburtsorte der meisten NfO-Akteure liegen mehrere Hundert bis Tausende Kilometer voneinander entfernt und weisen z.T. große strukturelle Differenzen auf. Die Geburtsorte waren sowohl urbane, kulturell bedeutende Zentren – Wrocław/Breslau (Hartmann20 und Diel21 ), Bagdad (Salim22 ), Berlin (Schroeder23 , von Glasenapp24 und Perzyński25 ), Kairo (Farid26 und Wali27 ), Tunis (al-Sharif28 ), Köln (von Oppenheim29 ), Basel (Max Rudolf Kaufmann30 ), Constantine31 (Bukabuya32 ) und Alexandria (Jawish33 ) – als auch kleinere Städte und Dörfer – Nürnberg (Haas34 ), Oldenburg (Littmann35 ), Gussew/Gumbinnen36 (Mueller37 ), Neustadt an der Orla (Pröbster38 ), Mittweida (Stumme39 ), Olsztynek/Hohenstein (Buka40 ),
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Martin S. Kramer, Arabistik and Arabism: The Passions of Martin Hartmann, in: Middle Eastern Studies 25/3 (1989), S. 283-300, hier: S. 283. Gunther Mai, Die Marokko-Deutschen: Kurzbiographien, 1873-1918, Göttingen 2014, S. 19. Karewski an AA, 07.06.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1535. Walther Schroeder, Das Schutzgenossenwesen in Marokko, Oldenburg 1917a, Biografischer Anhang. Glasenapp 1964, S. 13. Walravens 2005, S. 7. Goldschmidt 2000, S. 51. Tabellarischer Überblick über Mitarbeiter des SOS, o.D. [kontinuiertlich aktualisiert], GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 1. Heine 1982b, S. 89. Teichmann 2003, S. 11. Kaufmann, Max R., in: Alfred Bruckner (Hg.), Neue Schweizer Biographie, Basel 1938, S. 278. Constantine ist eine Stadt im Norden Algeriens. Bukabuya 1915, Biografischer Anhang. Al-Jundi 1965, S. 37. Margret Kaiser El Safti, Haas, Wilhelm (Willy, William), in: Uwe Wolfradt (Hg.), Deutschsprachige Psychologinnen und Psychologen 1933-1945: ein Personenlexikon, Wiesbaden 2015, S. 157-158, hier: S. 157 und New York Times 04.01.1956. Rudi Paret, Littmann, Enno, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.), Neue Deutsche Biographie, Bd. 14, Berlin 1985, S. 710-711, hier: S. 710. Gussew liegt heute in der Oblast Kaliningrad. Walravens 1992, S. 3. Jäschke 1942, S. 129. Siegmund Brauner, Die Entwicklung der Afrikanistik an der Universität Leipzig: Zum Wirken von Hans Stumme und August Klingenheben, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der KarlMarx-Universität Leipzig 28/1 (1979), S. 131-144, hier: S. 132. Ruth Buka, Die Topographie Ninewes, zur Zeit Sanheribs und seiner Nachfolger unter besonderer Berücksichtigung des achtseitigen Sanheribprismas K 103000, Berlin 1915, Biografischer Anhang.
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Śrem/Schrimm (Mittwoch41 ), Shubbak42 (ʿAzzam43 ) Gernsbach (Schabinger von Schowingen44 ), Tiradiyya45 (al-ʿInani46 ) und Nafta47 (al-Khidr Husayn48 ). Zuweilen ist nur die Region oder das Land, nicht aber der exakte Geburtsort der Akteure rekonstruierbar: Max Adler kam wahrscheinlich aus Preußen.49 Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl stammt aus dem Hedschas,50 Muhammad al-Sharqawi aus Marokko.51 ʿAli Shamsi wurde in der Region Sharqiyya im Norden Ägyptens geboren.52 Muhammad al-Rushdi stammte aus Ägypten.53 Ahmad Mukhtar ʿAbd al-Qadir wurde in Algerien geboren.54 Muhammad Sadiq kam aus Tunesien. Die arabischsprachigen, nichtdeutschen Mitarbeiter stammten – bis auf Salim und Abu l-Fadl, die aus dem heutigen Irak bzw. von der Arabischen Halbinsel kamen –55 aus den französischen und britischen Kolonien Nordafrikas (Marokko, Algerien, Tunesien und Ägypten). Diese spezifische regionale Herkunft ergibt sich zum einen aus der Hoffnung der Initiatoren der NfO, dass Akteure aus den Kolonien der Entente besonders motiviert seien für antibritische und antifranzösische Propaganda, sodass nach entsprechenden Personen Ausschau gehalten wurde. Zum anderen stellten sich eben aufgrund ihrer Kolonialerfahrungen in diesen Regionen überwiegend Akteure aus
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Enno Littmann, Eugen Mittwoch (1867-1942), in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 99 (1945-1949), S. 143-146, hier: S. 143. Das Dorf Shubbak liegt im Nildelta im Norden Ägyptens. Coury 1998, S. 28 und Imad al-Din Ghanim, ʿAbd al-Rahman ʿAzzam fi Kitabihi »Kifah al-Shaʿb al-Libi fi Sabil al-Hurriyya« [ʿAbd al-Rahman ʿAzzam in seinem Buch über den Kampf des libyschen Volkes für die Freiheit], in: Majallat al-Buhuth al-Tarikhiyya 4/2 (1982), S. 249-265, hier: S. 254. Schabinger von Schowingen 1967, S. 4. Das Dorf Tiradiyya liegt im Bezirk Sharqiyya im Norden Ägyptens. ʿAli A. al-ʿInani, Beurteilung der Bilderfrage im Islam nach der Ansicht eines Muslim, Berlin 1918, Biografischer Anhang. Nafta liegt im Westen Tunesiens nahe der algerischen Grenze und ist seit dem Mittelalter ein bedeutendes Sufi-Zentrum. Julia A. Clancy-Smith, Rebel and Saint: Muslim Notables, Populist Protest, Colonial Encounters, Algeria and Tunisia, 1800-1904, Berkeley 1994, S. 128. Muwaʿada 1974, S. 21. Dies ist eine Vermutung, da für ihn beim Königlich Stellvertretenden Generalstab des III. Armeekorps eine Rückstellung vom Militärdienst beantragt werden musste. AA an Kriegsministerium, 25.03.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11, R 20937. Höpp 2000, S. 10. Der Hedschas liegt im Westen des heutigen Saudi-Arabien. Höpp 2000, S. 83. Goldschmidt 2000, S. 188. Al-Rushdi an AA, 29.06.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. Mittwoch an von Wesendonk, 22.06.1916, PA AA, Türkei Nr. 159, Nr. 4, R 13811. Teile des Iraks und der Arabischen Halbinsel waren seit dem 19. Jahrhundert Teil der britischen Einflusssphäre. Udo Steinbach, Die arabische Welt im 20. Jahrhundert: Aufbruch – Umbruch – Perspektiven, Stuttgart 2017, S. 28.
3. Die Akteure
diesem Raum zur Verfügung. Auffallend ist, dass weder aus dem osmanisch regierten (Groß-)Syrien – dem heutigen Libanon, Syrien, Palästina und Israel – noch aus dem seit 1912 italienisch besetzten Libyen Akteure ihre Mitarbeit anboten.56 Letzteres ist möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass zu Kriegsbeginn Italiens Position zu den Mittelmächten noch nicht feststand. Eine Entscheidung Italiens zugunsten der Entente sollte wohl durch die Ausklammerung antikolonialer Rhetorik mit Blick auf Italien verhindert werden. Aus diesem Grund spielte die traditionell antikolonial eingestellte Sufi-Bruderschaft Sanusiyya in Libyen erst nach dem Kriegseintritt Italiens im April 1915 publizistisch eine Rolle für Revolutionierungsideen im AA.57 Die Vermeidung von Konflikten mit Bündnispartnern kann auch der Grund dafür gewesen sein, dass keine arabischsprachigen Syrer maßgeblich an den Tätigkeiten der Arabischen Abteilung beteiligt waren. Die osmanische Politik war während des Krieges derart repressiv,58 dass sich der türkisch-arabische Konflikt verschärfte und proosmanische Akteure aus der Region wie Shakib Arslan eher die Ausnahme darstellten.59 Die weitaus größte Gemeinsamkeit bei den NfO-Akteuren ist ihre Zugehörigkeit zur gebildeten Mittel- und Oberschicht.60 Unter den Vätern61 waren Lehrer (Schroeder62 und Prüfer63 ), Kaufleute (Schabinger von Schowingen64 , Diel65 , Mitt-
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Im Frühjahr 1918 hatte Mittwoch zwar die Idee, einen Tripolitanier für die NfO zu gewinnen, dies wurde aber nicht umgesetzt. Mittwoch an von Wesendonk, 14.02.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. Insbesondere der Kampf der Sanusiyya gegen die Italiener wurde ab 1915 zum antikolonialen Aufstand schlechthin stilisiert. S. Kap. 4.3.1 Kolonialismus, Krieg und Kultur. Im Geheimen hatten jedoch bereits im November und Dezember 1914 deutsche U-Boote an der libyschen Küste angelegt, um Waffen und Militärberater in das Land zu bringen. Al-Ghafal 2018, S. 201203. Mit einem Schwerpunkt auf Cemal Pascha wird diese Politik beschrieben bei M. Talha Çiçek, War and State Formation in Syria: Cemal Pasha’s Governorate During World War I, 1914-1917, Hoboken 2014b. Mehr zum arabisch-osmanischen Konflikt in Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. Über die Berufe der Väter folgender Akteure ließen sich keine Informationen sammeln: Haas, Salim, Mueller, Jacoby, Bukabuya, Adler, Abu l-Fadl, Wali und Ahmad Mukhtar ʿAbd al-Qadir. Über die Tätigkeiten der Mütter finden sich für keinen der NfO-Akteure Informationen. Schroeder 1917a, Biografischer Anhang. Hanisch 2014a, S. 168 und McKale 1987, S. 3. Schabinger, Emil, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 4, Paderborn u.a. 2012, S. 33-34, hier: S. 33. Personalfragebogen Herbert Diel, 05.08.1944, PA AA, P 11, PersA Herbert Diel 4647.
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woch66 , Jawish67 , Perzyński68 und Shamsi69 ), Hochschuldozenten (al-Sharif70 ), Verwaltungsbeamte (von Glasenapp71 , Farid72 und ʿAzzam73 ), Amtsrichter (Buka74 ), Bürgermeister (Stumme75 ), Pastoren/Imame (Hartmann76 und al-Khidr Husayn77 ), Buchdruckereibesitzer (Littmann78 ), Buchhändler (Kaufmann79 ), aber auch Bankiers (von Oppenheim80 ) und Fabrikbesitzer (Pröbster81 ). Einen Sonderfall stellen die Familien von Shamsi, Farid, al-ʿInani und ʿAzzam dar, die seit mehreren Generationen Großgrundbesitzer waren.82 Die Familien von Muhammad Farid und ʿAli Shamsi gehörten darüber hinaus zur türkischstämmigen Aristokratie im Nilland.83 Diese ägyptischen Akteure zählten somit zur sehr dünnen politischen und finanziellen Oberschicht ihres Herkunftslandes. Entsprechend gestaltete sich der soziale Status der Familien.84 Zudem ist davon auszugehen, dass die Familien jener Akteure, die später für das Auswärtige Amt arbeiten sollten (Diel, Schroeder, Schabinger von Schowingen, von Oppenheim, Prüfer, Pröbster und Hartmann), finanzielle Mittel hatten, um diese während ihrer Ausbildung zu unterstützen, da 66
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Mittwoch, Eugen, in: Institut für Zeitgeschichte/Research Foundation for Jewish Immigration (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933-1945, Bd. 2, München 1983, S. 823. Al-Jundi 1965, S. 37. Walravens 2005, S. 7. Goldschmidt 2000, S. 188. Al-Tamimi 1981, S. 350. Von Glasenapps Vater war im Reichsschatzamt und im Reichsbankdirektorium tätig. Letzteres leitete er als Vizepräsident mit. Glasenapp 1964, S. 10. Goldschmidt 2000, S. 53. Coury 1998, S. 16. Buka 1915, Biografischer Anhang. Brauner 1979, S. 132. Kramer 1989, S. 283. Muwaʿada 1974, S. 22. Axel Knauf, Littmann, Enno, in: Friedrich W. Bautz/Traugott Bautz (Hg.), BiographischBibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 5, Hamm 1993, S. 134-136, hier: S. 134. La Section de Renseignements de l’Etat-Major général de l’Armée suisse au Département politique: Bericht über eine Unterredung mit Kaufmann-Merkle, 30.01.1919, Schweizerisches Bundesarchiv (Digitale Amtsdruckschriften), Diplomatische Dokumente der Schweiz 7a, 146. Gossman 2014 und Teichmann 2003, S. 11. Pröbster, Edgar, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 3, Paderborn u.a. 2008, S. 521-523, hier: S. 521. In einem von ihm ausgefüllten Personalfragebogen gab Edgar Pröbster »Kaufmann« an. Personalfragebogen Edgar Pröbster, 25.07.1936, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 37. Für Azzam s. Coury 1998, S. 21-28, für Shamsi s. Goldschmidt 2000, S. 188-189, für Farid s. Goldschmidt 2000, S. 53 und für al-ʿInani s. al-ʿInani 1918, Biografischer Anhang. Für Farid s. Goldschmidt 2000, S. 51 und für die Geschichte der Familie Shamsi s. Raafat 2011. Zur Beziehung der ägyptischen Elite zum Osmanischen Reich s. Maurus Reinkowski, Osmanen und Post-Osmanen in Ägypten, in: Börte Sagaster (Hg.), Hoşsohbet: Erika Glassen zu Ehren, Würzburg 2011, S. 237-250.
3. Die Akteure
Anwärter auf die diplomatische Karriere in ihren ersten vier Dienstjahren keine Remuneration erhielten.85 Mit diesem Hintergrund gingen für die NfO-Akteure verschiedene Privilegien einher. Sämtlichen Akteuren war die Absolvierung eines Studiums möglich, teilweise im Ausland. Aufgrund ihrer familiären Konstellation machten viele NfOAkteure zudem bereits früh Erfahrungen mit einer kosmopolitischen, sich im regen Austausch befindenden Welt. ʿAbd al-ʿAziz Jawish und Sayyid Maʾmun Abu lFadl entstammten zweisprachigen Ehen.86 Die Familie von Salih al-Sharif war erst zwei Generationen zuvor nach Tunesien gekommen.87 Die Familien von Muhammad Farid und ʿAli Shamsi kamen ursprünglich aus der Türkei. Andere, wie Curt Prüfer,88 konnten bereits in ihrer Jugend reisen und Fremdsprachen erwerben. Hinsichtlich der konfessionellen bzw. religiösen Prägungen der NfO-Akteure lassen sich zwei Tendenzen feststellen. Die nichtdeutschen, arabischsprachigen Akteure waren muslimische Sunniten, bis auf Barukh Jurji Salim, der irakischer Jude war. Religion spielte in den Familien jedoch eine unterschiedlich starke Rolle. So ist davon auszugehen, dass bei Muhammad al-Khidr Husayn und Salih alSharif, die Gelehrtenfamilien entstammten, die frühen religiösen Einflüsse besonders stark waren, was sich auch an ihrem religiös geprägtem Bildungsweg zeigt. Al-Khidr Husayn gehörte zudem der Sufi-Bruderschaft Rahmaniyya an,89 die vor allem in Nordwest-Afrika präsent ist. Der desertierte Offizier der französischen Armee Rabah Bukabuya wird in den Quellen als streng religiös bezeichnet, was wohl zu Konflikten mit seinen französischen Vorgesetzten geführt habe.90 Dennoch waren bestimmte islamische Referenzpunkte für alle muslimischen Akteure relevant, etwa der Fokus auf zentrale islamische Stätten wie Istanbul sowie Mekka und auf den osmanischen Sultan-Kalifen als eine – wenn nicht die – zentrale religiöse Autorität der Zeit.91 Die deutschen Akteure der Arabischen Abteilung waren mehrheitlich evangelische Christen, mit drei Ausnahmen: Max von Oppenheim war Katholik, entstamm-
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Conze 2013, S. 27. Jawishs Vater war Tunesier, die Mutter Türkin. Goldschmidt 2000, S. 96. Abu l-Fadls Mutter war ebenfalls Türkin, der Vater hingegen stammte von der Arabischen Halbinsel. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. Die Familie von Salih al-Sharif kam ursprünglich aus Algerien. Heine 1982b, S. 89. McKale 1987, S. 4. Von Oppenheim an AA, 20.04.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246. Von Wesendonk an Nadolny, 14.04.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246. Die besondere Relevanz des osmanischen Herrscherhauses steht im Gegensatz zu den Ansprüchen des Sultans von Marokko, der sich als wahrer Kalif verstand. Das osmanische Kalifat war dementsprechend für die meisten, nicht aber für alle Muslime ein Bezugspunkt. Mehr dazu in Kap. 4.2.2 Arabische und islamische Debatten um 1900.
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te jedoch einer jüdischen Familie,92 Martin Hartmann war Mennonit und Eugen Mittwoch war Jude.93 Damit entsprach die konfessionelle Zusammensetzung der deutschen Akteure ungefähr der personellen Struktur des AA vor und während des Ersten Weltkriegs, wo Protestanten die große Mehrheit der Mitarbeiter darstellten.94 Aber auch Orientalisten waren in Deutschland mehrheitlich Protestanten oder Juden.95 Die religiöse Prägung spielte im Zusammenhang mit der Tätigkeit für die NfO nur für die publizierenden, nichtdeutschen, arabischsprachigen Muslime eine Rolle; schließlich wurden sie aufgrund dieses spezifischen biografischen Faktors rekrutiert. Gerade die islamischen Diskurse der Vorkriegszeit um Fragen der Reform und Modernisierung brachten die Akteure in ihre Arbeit bei der NfO ein. Außerhalb der Nachrichtenstelle konnte jedoch auch das religiöse Umfeld der nichtmuslimischen Akteure Bedeutung haben. Eugen Mittwoch engagierte sich beispielsweise in verschiedenen deutsch-jüdischen Organisationen, wie dem Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.96 Daneben war er im Komitee für den Osten aktiv,97 einer zionistischen Initiative, die während des Krieges osteuropäische Juden unterstützen wollte.98
3.1.2
Bildungsweg
Die Akteure der Arabischen Abteilung erhielten, sofern bekannt, eine solide Schulbildung. Sie besuchten, wie Prüfer und Schabinger von Schowingen, altsprachliche Gymnasien,99 erhielten Unterricht sowohl in Koranschulen als auch in staatlichen Schulen, wie es bei ʿAzzam der Fall war,100 oder besuchten gar ausländische Schulen, wie Muhammad Farid, der in Kairo auf eine französische Sekundarschule
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Bereits von Oppenheims Großvater, Simon von Oppenheim, hatte die Familie nichtjüdisch erzogen. Max von Oppenheims Vater, Albert, ließ sich 1858 taufen. Teichmann 2003, S. 11-12. 93 Haas, der in der Schweizer Filiale der NfO arbeitete, war ebenfalls Jude. Kaiser El Safti 2015, S. 157. 94 Hampe 2001, S. 43 und Conze 2013, S. 29. 95 Marchand 2009, S. 242-343. 96 Mittwoch, Eugen, in: Institut für Zeitgeschichte/Research Foundation for Jewish Immigration (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933-1945, Bd. 2, München 1983, S. 823. 97 Mitgliedsliste Komitee für den Osten, 17.11.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11 adh. 2, R 20943. 98 Avraham Barkai, »Wehr dich!«: Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V.), 1893-1938, München 2002, S. 68-69. 99 McKale 1987, S. 3 und Schabinger von Schowingen 1967, S. 4. 100 Coury 1998, S. 28-29.
3. Die Akteure
ging,101 und Rabah Bukabuya, der in Constantine ebenfalls eine französische Schule besuchte.102 Spätestens im Laufe ihres Studiums verließen viele Akteure ihren Geburtsort, sofern dort keine Einrichtungen im tertiären Bildungsbereich vorhanden waren, und begaben sich in Universitätsstädte. Die Spannweite der Studienfächer und orte war jedoch groß. Auffällig ist, dass Rechts- und Sprachwissenschaften mit Abstand von den meisten zukünftigen NfO-Akteuren studiert wurden. Die Bedeutung von Jura (Farid103 , Fahmi104 , Shamsi105 , Schabinger von Schowingen106 , Pröbster107 , Prüfer108 , Diel109 , Schroeder110 , Hamza111 , Haas112 und von Oppenheim113 ) erklärt sich zum einen dadurch, dass ein juristisches Studium und anschließendes Examen die Grundbedingung war für die diplomatische Laufbahn oder den Dragomanatsdienst im Auswärtigen Amt des Kaiserreichs.114 Das AA wiederum stellte einen wichtigen Rekrutierungspool für NfO-Akteure dar.115 Zum anderen sind die Grenzen zwischen Jurisprudenz und Politik an den Rändern fließend, sodass ein rechtswissenschaftliches Studium für politisch interessierte und motivierte Akteure naheliegt. So war ein nicht geringer Anteil arabischer Nationalisten der Vorkriegs- und Zwischenkriegszeit juristisch gebildet.116 101 Farid/Goldschmidt 1992, S. 3. 102 Rabah Bukabuya, Kriegseindrücke eines mohammedanischen Offiziers der französischen Armee, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.11.1915, Biografischer Anhang. 103 Farid/Goldschmidt 1992, S. 3-4. 104 Trefzger 1970, S. 26. 105 Goldschmidt 2000, S. 189. 106 Heribert Busse, Nachruf: Karl Emil Schabinger Freiherr von Schowingen (1877-1967), in: Der Islam 45/1 (1969), S. 94-95, hier: S. 94. 107 Jäschke 1942, S. 129. 108 McKale 1987, S. 4. 109 Diel, Herbert, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 1, Paderborn u.a. 2000, S. 425-426, hier: S. 425. 110 Schroeder, Walther, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 4, Paderborn u.a. 2012, S. 173175, hier S. 174. 111 Von Wesendonk an AA, 22.03.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21139. 112 Willy Haas, Über die Echtheit und Unechtheit von Gefühlen, Nürnberg 1910, Biografischer Anhang. 113 Teichmann 2003, S. 15 und Oppenheim, Max von, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 3, Paderborn u.a. 2008, S. 408-409. 114 Historischer Dienst des Auswärtigen Amts 2000, S. XXXIV–XXXV und Conze 2013, S. 29. Die Ausbildung der Dragomanen (Übersetzer) erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Berliner Seminar für Orientalische Sprachen. Hampe 2001, S. 46-47. 115 S. Kap. 3.2.1 Rekrutierungsmechanismen. 116 Eliezer Tauber, The Emergence of the Arab Movements, London 1993, S. 298-299.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Die deutschen Akteure, die einen Eintritt in den diplomatischen Dienst anstrebten, ergänzten ihr Jurastudium in der Regel durch eine praxisorientierte Sprachausbildung in Arabisch, Persisch oder Osmanisch-Türkisch am Berliner Seminar für Orientalische Sprachen. Die außeruniversitäre Forschungseinrichtung war seit ihrer Entstehung sowohl von wissenschaftlichen als auch von (kolonial-)politischen Interessen geleitet.117 Auch einige der NfO-Akteure, die sich hauptsächlich für (semitistische) Sprachwissenschaften interessierten, studierten an dieser Einrichtung. Der Umstand, dass ehemalige Studierende dieser Fachrichtungen (al-ʿInani118 , Stumme119 , Mittwoch120 , Hartmann121 , Buka122 , Mueller123 und Littmann124 ) in der NfO eingestellt wurden, erklärt sich aus der Notwendigkeit von Sprachkenntnissen für die Arbeit der Organisation. Weitere Studienfächer der NfO-Akteure waren Nationalökonomie (Mueller125 , Diel126 und Salim127 ), Medizin (Wali128 , ʿAzzam129 , Rifʿat130 und al-Rushdi131 ), die
117
Jürgen G. Nagel, Sprachschule oder Kolonialwissenschaftliches Zentralinstitut?: Das Berliner Seminar für Orientalische Sprachen zwischen linguistischer Forschung und kolonialer Praxis, 1887-1914, in: Mark Häberlein/Alexander Keese (Hg.), Sprachgrenzen – Sprachkontakte – kulturelle Vermittler: Kommunikation zwischen Europäern und Außereuropäern (16.-20. Jahrhundert), Stuttgart 2010, S. 261-280 und Sabine Mangold, Eine »weltbürgerliche Wissenschaft«: Die deutsche Orientalistik im 19. Jahrhundert, Stuttgart 2004, S. 226. 118 Gouvernorat von Kairo an Sachau, 11.07.1910, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 253 und al-ʿInani 1918, Biografischer Anhang. 119 Brauner 1979, S. 132. 120 Littmann 1945-1949, S. 143. 121 Kramer 1989, S. 284. 122 Buka 1915, Biografischer Anhang. Ruth Buka gab nach ihrer Emigration in die USA in einem Lebenslauf an, sie habe vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft studiert. Lebenslauf Ruth Buka, o.D. [zwischen 1930 und 1939], ECAR, Series 4: Biographical Files, Box 1. 123 Mueller hatte sich jedoch nicht für semitische Sprachen, sondern für Chinesisch interessiert. Walravens 1992, S. 3. 124 Paret 1985, S. 710. 125 Walravens 1992, S. 3. 126 Personalfragebogen Herbert Diel, 05.08.1944, PA AA, P 11, PersA Herbert Diel 4647. 127 Der irakische Jude Barukh Jurji Salim war während seiner Zeit bei der NfO Student in Berlin. Karewski an AA, 07.06.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1535. Für Juden im Nahen und Mittleren Osten war es nicht unüblich, ihre Kinder für eine Ausbildung nach Europa zu schicken, sofern sie es sich leisten konnten. Norman A. Stillman, The Jews of Arab Lands in Modern Times, Philadelphia 1991, S. 37-39. 128 Mittwoch an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 18.01.1923, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 48. 129 Coury 1998, S. 64. 130 Höpp 1998, S. 54. 131 Mittwoch an AA, 02.11.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507.
3. Die Akteure
jeweiligen Theologien (Hartmann,132 Littmann,133 al-Sharif134 , Mittwoch135 , Abu lFadl136 und al-ʿInani137 ), aber auch Psychologie (Haas138 ), Philosophie (Prüfer139 , Diel140 , Haas141 und Schabinger von Schowingen142 ) und Ethnologie/Völkerkunde (Mueller143 ). Der Fächerpluralismus verdeutlicht, dass die Politisierung der Akteure für die Rekrutierung durch die Nachrichtenstelle eine mindestens ebenso große Rolle gespielt haben muss wie deren Ausbildung. Während das Engagement von juristisch oder linguistisch vorgebildeten Personen in Hinblick auf die Aktivitäten der Organisation naheliegend scheint, ist der Einsatz etwa ehemaliger Ärzte wohl vor allem mit besonderen politischen oder finanziellen Motivationen zu erklären.144 Bemerkenswert ist die Fächervielfalt bei den nichtdeutschen, arabischsprachigen NfO-Akteuren, die zu einer der ersten Generationen arabischer Intellektueller und Studierter gehörten, die jenseits religiöser Erziehung Bildung genossen haben.145 Die Studienorte zeichneten sich dadurch aus, dass sich dort entweder bedeutende Zentren des jeweiligen Fachs oder sonstige prestigeträchtige Einrichtungen befanden. Für semitistische bzw. altorientalische Sprachwissenschaften suchten die zukünftigen NfO-Akteure die Koryphäen ihres Fachs in Leipzig (Stumme146 , Hartmann147 und Pröbster148 ), Breslau (Diel149 und Hartmann150 ), Halle (Stumme151
132 133 134 135
136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149
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Hanisch 2003, S. 189. Paret 1985, S. 710. Al-Tamimi 1981, S. 350. Mittwoch war jedoch nur kurzzeitig im Rabbinerseminar in Berlin eingeschrieben und wechselte dann zu den Sprachwissenschaften. Mittwoch, Eugen, in: Institut für Zeitgeschichte/Research Foundation for Jewish Immigration (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933-1945, Bd. 2, München 1983, S. 823. Von Wesendonk an Nadolny, 14.04.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246. Al-ʿInani 1918, Biografischer Anhang. Haas 1910, Biografischer Anhang. Fragebogen Curt Prüfer, 18.04.1939, PA AA, P 1, PersA Curt Prüfer 11523. Personalfragebogen Herbert Diel, 05.08.1944, PA AA, P 11, PersA Herbert Diel 4647. Haas 1910, Biografischer Anhang. Schabinger von Schowingen 1967, S. 5. Walravens 1992, S. 3. Mehr zu den Motivationen der Akteure in Kap. 3.2.2 Motivationen für die Zusammenarbeit. Zur Bildung im Osmanischen Reich s. ganz zentral Benjamin C. Fortna, Imperial Classroom: Islam, the State, and Education in the Late Ottoman Empire, Oxford 2003. Brauner 1979, S. 132. Hanisch 2003, S. 189. Ebd., S. 201 und Jäschke 1942, S. 129. Mai 2014, S. 19 und Diel, Herbert, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 1, Paderborn u.a. 2000, S. 425-426, hier S. 425. Hanisch 2003, S. 189. Brauner 1979, S. 132.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
und Littmann152 ), Greifswald (Littmann153 ), Straßburg (Stumme154 und von Oppenheim155 ), Bern (Kaufmann156 ) oder Berlin (Moritz157 , Diel,158 Buka159 , Pröbster160 , Prüfer161 , Mittwoch162 , und Hartmann163 ) auf.164 Berlins Status als Zentrum der politischen Macht und wissenschaftlichen Exzellenz im Kaiserreich war wohl einer der Gründe, weshalb die meisten deutschen, politisch interessierten Akteure sich an irgendeinem Punkt ihrer akademischen Ausbildung, und sei es auch nur kurzzeitig, in die Reichshauptstadt begaben. Die Orientalistik erfuhr in dieser Zeit vor dem Hintergrund des kolonialen Engagements des Deutschen Reichs eine Transformation, in der auch aktuelle und politische Phänomene zunehmend in den Blick der Forscher gerieten. Es scheint, als seien die Orientalisten wohl bereits zu ihren Studienzeiten an aktuellen Ereignissen interessiert gewesen. Es verwundert daher nicht, dass sie in Kriegszeiten die Chance ergriffen, der Orientalistik durch ihr Engagement für deutsche auswärtige Politik auch außerfachlich Relevanz zu verleihen.165 Neben herausragenden orientalistischen Standorten besuchten NfO-Akteure eine Reihe weiterer prestigeträchtiger Einrichtungen. Diese konnten religiöse oder säkulare Ausrichtungen haben. Jawish, Wali und al-ʿInani studierten in Kairo sowohl an der religiös geprägten al-Azhar-Universität als auch an der eher staatlich orientierten Universität Dar al-ʿUlum.166 Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl studierte in Medina und Istanbul;167 wahrscheinlich an religiösen Hochschulen. Salih al-
152 153 154 155 156 157 158 159 160 161
Paret 1985, S. 710. Ebd. Brauner 1979, S. 132. Von Oppenheim studierte dort jedoch Jura. Teichmann 2003, S. 15. Kaufmann, Max R., in: Alfred Bruckner (Hg.), Neue Schweizer Biographie, Basel 1938, S. 278. Hanisch 2003, S. 198. Personalfragebogen Herbert Diel, 05.08.1944, PA AA, P 11, PersA Herbert Diel 4647. Buka 1915, Biografischer Anhang. Jäschke 1942, S. 129. Paul Kahle, Curt Prüfer, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 111 (1961), S. 1-3, hier: S. 1. 162 Littmann 1945-1949, S. 143. 163 Hanisch 2003, S. 198. 164 Bedeutende Zentren der Orientalistik in der Kaiserzeit waren: Heidelberg, Straßburg, Göttingen, Leipzig, München, Freiburg, Breslau, Bonn, Erlangen, Marburg, Kiel, Gießen, Frankfurt, Würzburg, Münster, Halle, Königsberg, Greifswald, Hamburg, Tübingen und Berlin. Hanisch 2003, S. 46-55. 165 Hagen 2004. Mehr zur Politisierung der Orientalistik im Kap. 4.2.1 Deutsche Orient- und Islamdebatten vor 1914 166 Mit der Gründung von Dar al-ʿUlum Ende des 19. Jahrhunderts sollte die Erziehung in Ägypten nach westlichem Vorbild reformiert werden. Mehr zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Universitäten al-Azhar und Dar al-ʿUlum in Lois A. Aroian, The Nationalization of Arabic and Islamic Education in Egypt: Dar al-ʿUlum and al-Azhar, Kairo 1983. 167 Von Wesendonk an Nadolny, 14.04.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246.
3. Die Akteure
Sharif hingegen studierte ausschließlich an der bedeutenden Universität Zaytuna in Tunis.168 Mansur Rifʿat ging für sein Medizinstudium an die missionarische Hochschule Syrian Protestant College in Beirut, die heutige American University Beirut.169 Missionarische Bildung hatte im Osmanischen Reich sowie im Nahen und Mittleren Osten trotz einiger Vorbehalte der muslimischen Eliten eine große Bedeutung als Konkurrentin staatlicher Bildung.170 Dennoch war der Ägypter Rifʿat der einzige nichtdeutsche NfO-Akteur, der für seine akademische Ausbildung eine solche Einrichtung aufsuchte. Für sein weiteres Medizinstudium ging Rifʿat nach Philadelphia in den Vereinigten Staaten.171 Das Auslandsstudium als eine Form westlicher Bildung, die trotz der Ablehnung der Kolonialmächte für besonders prestigeträchtig erachtet wurde, wählten auch Muhammad Fahmi, ʿAli alʿInani, ʿAli Shamsi, ʿAbd al-Rahman ʿAzzam und Muhammad al-Sharqawi. Entweder erhielten sie dafür finanzielle Mittel von ihren Familien oder, wie im Fall von ʿAli al-ʿInani und Ahmad Wali,172 Regierungsstipendien. Ein Teil der NfO-Akteure war somit bereits in seiner Jugend mit Fragen muslimischer Reformer konfrontiert worden, wie moderne Bildung für Muslime im Spannungsfeld von islamischer Tradition und europäischer Dominanz aussehen könne.173
3.1.3
Beruf und Militär
Für das spätere Engagement in der NfO spielte auch eine Rolle, welche Erfahrungen die NfO-Akteure in bestimmten Berufszweigen gemacht hatten. Die erworbenen Kompetenzen führten zu Qualifizierungen, die für die Nachrichtenstelle dringend nötig waren. Bereits genannt wurden (Sprach-)Wissenschaften und Diplomatie. Die Universitätsgelehrten waren zumeist Orientalisten und daher wegen ihrer Sprachkenntnisse sowie ihrer regionalen Expertise gefragt. Ausnahmen waren Salih al-Sharif und ʿAbd al-ʿAziz Jawish: Al-Sharif, der Ende der 1880er in Tunis sowohl an der Zaytuna als auch an der ʿAsfuriyya lehrte, hatte einen Schwerpunkt
168 169 170 171 172
173
Al-Tamimi 1981, S. 350. Höpp 1998, S. 54. Fortna 2003, S. 50-60. Höpp 1998, S. 54. ʿAli Ahmad al-ʿInani kam im Jahr 1910 mit einem Stipendium der ägyptischen Regierung nach Berlin. Gouvernorat von Kairo an Sachau, 11.07.1910, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 253. Das Stipendium wurde jedoch 1915 ausgesetzt, da sich al-ʿInani der Aufforderung der dortigen Behörden widersetzt hatte, nach Ägypten zurückzukehren. Zu Walis Stipendiums s. Mittwoch an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 18.01.1923, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 48. S. im Detail zu islamischen Bildungsdebatten Kap. 4.2.2 Arabische und islamische Debatten um 1900.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
auf Theologie und arabische Literatur.174 ʿAbd al-ʿAziz Jawish lehrte zwischen 1901 bis 1906 in Cambridge und am Borough Road Teacher’s College in London insbesondere im erziehungswissenschaftlichen und arabistischen Feld.175 Muhammad Fahmi war Privatdozent für Rechtswissenschaften an der Universität Genf.176 Unter den Orientalisten befanden sich einerseits aufstrebende und noch nicht etablierte Wissenschaftler, wie Ruth Buka und Helmuth von Glasenapp. Andererseits sind hier auch bereits bekanntere Wissenschaftler wie Mittwoch, Littmann und Hartmann zu finden. Beiden Gruppen war die von Suzanne Marchand als furor orientalis bezeichnete Unzufriedenheit einiger deutscher Orientalisten mit ihren Anstellungen gemeinsam.177 Die einen befanden sich in eher prekären, unsteten Anstellungsverhältnissen, weil sie noch keine festen Posten hatten. Die anderen hatten zwar feste Stellen, diese waren jedoch zuweilen nicht sonderlich prestigeträchtig.178 Zur zweiten Gruppe zählte etwa Hans Stumme, der in Leipzig lehrte und lediglich eine Honorarprofessur innehatte.179 Auch Martin Hartmann gehörte zu dieser Gruppe, da er trotz seines fortgeschrittenen Alters für das Berliner Seminar für Orientalische Sprachen arbeitete. Die Einrichtung war für die meisten wissenschaftlich ambitionierten Mitarbeiter wohl als Zwischenlösung gedacht, da sie in wissenschaftlichen Kreisen aufgrund ihrer Nähe zur Politik unter fachlichen Gesichtspunkten eine eher untergeordnete Rolle einnahm.180 Ähnlich prekär stellt sich die Situation bei späteren NfO-Akteuren dar, die vor dem Krieg im Feld der Diplomatie tätig waren. Während Herbert Diel und Walther Schroeder 1914 noch am Beginn ihrer Karrieren standen, waren von Oppenheim, Schabinger von Schowingen, Edgar Pröbster und Curt Prüfer bereits im fortgeschrittenen Alter und arbeiteten seit einiger Zeit für das AA. Das deutsche Auswärtige Amt, das als Behörde der NfO übergeordnet war, stellte für die Organisation einen wichtigen Rekrutierungspool dar. Infrage kamen dabei Personen mit Nahosterfahrung: Herbert Diel (Gesandtschaft Tanger und Konsulat Marrakesch von 1909
174
Thadée Gasztowtt, Correspondance de Tunis : Un ami de la Pologne, Le savant professeur Sidi Salah Cherif, descendant du Prophète, in : Bulletin polonais : littéraire, scientifique et artistique 222 (15.01.1907), S. 12-18, hier : S. 13. 175 Goldschmidt 2000, S. 96. 176 Farid/Goldschmidt 1992, S. 79, Fn. 143 und Autorenbeschreibung in Muhammad Fahmi, La question d’Égypte, Genf 1917. 177 Marchand 2009, S. 216. Mittwoch war vor dem Krieg lediglich Privatdozent. Mittwoch, Eugen, in: Institut für Zeitgeschichte/Research Foundation for Jewish Immigration (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933-1945, Bd. 2, München 1983, S. 823. 178 Littmann war bereits 1906 Ordinarius in Straßburg geworden. Paret 1985, S. 710. Diese feste Anstellung erklärt eventuell, weshalb er lediglich Affiliierter, nicht aber Mitarbeiter der NfO wurde und sich auch nicht um eine entsprechende Position bemühte. 179 Brauner 1979, S. 133. 180 Hanisch 2003, S. 42.
3. Die Akteure
bis 1914), Walther Schroeder (Gesandtschaft Tanger und Konsulat Marrakesch von 1912 bis 1914), Edgar Pröbster (Gesandtschaft Tanger, Konsulat Fez, Konsulat Casablanca von 1905 bis 1914) und Karl Emil Schabinger von Schowingen (Gesandtschaft Tanger und Konsulat Casablanca von 1902 bis 1913/14). Curt Prüfer war zwischen 1907 und 1913 am deutschen Generalkonsulat Kairo tätig gewesen, Max von Oppenheim von 1896 bis 1909. Sowohl die älteren als auch die jüngeren diplomatischen Akteure befanden sich häufig in unsicheren Positionen. Diel und Schroeder waren zu Beginn ihres Auslandseinsatzes im Marokko noch in der Probezeit als Dragomanatseleven.181 Entsprechend schwierig war die finanzielle Lage und unsicher die berufliche Zukunft. Curt Prüfer, der als Dragoman im deutschen Konsulat in Kairo arbeitete,182 galt zeitweilig als möglicher Nachfolger von Bernhard Moritz als Leiter der dortigen Khedivial-Bibliothek.183 Wegen der Intervention britischer Beamter erlangte er diese Stellung jedoch nicht und musste sich weiterhin mit einer untergeordneten Stellung im Konsulat zufriedengeben. Da er nicht Teil der diplomatischen Aristokratie war und ihn seine Kollegen daher misstrauisch beäugten, blieb Prüfer in Kairo ein Außenseiter.184 Auch Max von Oppenheim gelang es vor dem Krieg nicht, eine bedeutende Position im Amt zu erhalten. Eine offizielle Karriere im AA blieb ihm aufgrund der antisemitischen Einstellung Herbert von Bismarcks verwehrt.185 Während die Orientalisten die in ihrer Ausbildung erworbenen Sprachkompetenzen während ihrer wissenschaftlichen Karriere ausbauten und vertieften, nutzten die diplomatischen Akteure ihre Nah- und Mittelost-Aufenthalte vor dem Krieg, um Kontakte zu lokalen Eliten in der Region aufzubauen. Curt Prüfer lernte während seines Aufenthalts in Ägypten bereits wichtige antikolonial aktive Aktivisten
181
Schroeder, Walther, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 4, Paderborn u.a. 2012, S. 173175, hier S. 174 und Diel, Herbert, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 1, Paderborn u.a. 2000, S. 425-426, hier: S. 425. 182 McKale 1987, S. 8. 183 Sabine Mangold, Die Khedivial-Bibliothek zu Kairo und ihre deutschen Bibliothekare, 18711914, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 157 (2007), S. 49-76, hier: S. 71-73. 184 McKale 1987, S. 8. Spitzenpositionen erhielten bis zum Ersten Weltkrieg in erster Linie Angehörige des Adels. Conze 2013, S. 28. 185 Lamar Cecil, The German Diplomatic Service, 1871-1914, Princeton 1976, S. 101-102 und Martin Kröger, Mit Eifer ein Fremder: Im Auswärtigen Dienst, in: Gabriele Teichmann (Hg.), Faszination Orient: Max von Oppenheim – Forscher, Sammler, Diplomat, Köln 2003, S. 106-139, hier: S. 111-113.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
wie Muhammad Farid und ʿAbd al-ʿAziz Jawish kennen.186 Max von Oppenheim knüpfte Beziehungen zu Shakib Arslan und dem Khediven Abbas Hilmi II.187 Ein dritter bedeutender Berufszweig war das Publikationswesen, genauer der Journalismus. Ein Großteil der NfO-Akteure war vor dem Krieg publizistisch tätig. Dabei spielte die politische Berichterstattung mit häufig internationalem Bezug die mit Abstand größte Rolle. Die Mitarbeiter und Affiliierten waren in verschiedenen Tageszeitungen und politischen Organen antikolonialer Bewegungen involviert:188 Max Adler arbeitete als Korrespondent für die Basler Nachrichten in Berlin, Max Rudolf Kaufmann war kurzzeitig ebenfalls für die Basler Nachrichten, die Frankfurter Zeitung und in Istanbul für den Osmanischen Lloyd tätig,189 Herbert Mueller schrieb für die Neue Preußische Zeitung,190 ʿAbd al-ʿAziz Jawish gab in Ägypten alLiwaʾ (Die Flagge) heraus und in Istanbul verschiedene proosmanische Zeitschriften wie al-Hilal al-ʿUthmani (Der osmanische Halbmond), Sayyid Maʾmun Abu lFadl war in Medina für die Zeitschrift al-Madina al-Munawwara (Die erleuchtete Stadt) verantwortlich und Mansur Rifʿat arbeitete für al-Liwaʾ in Kairo und für The Indian Sociologist zunächst in Paris und dann in Genf.191 Auch Muhammad Fahmi verfasste Beiträge für diese Zeitschrift,192 welche indische antikoloniale Akteure um Shyamji Krishnavarma herausgaben.193 Sämtliche publizistisch aktiven Akteure wechselten ihre Arbeitgeber häufig und schrieben zuweilen zeitgleich für mehrere Zeitschriften. Eine feste, zudem finanziell ertragreiche Anstellung über einen längeren Zeitraum scheint eher die Ausnahme gewesen zu sein. Neben Wissenschaft, Diplomatie und Journalismus hatten NfO-Akteure noch andere Berufe vor dem Krieg. Muhammad Sadiq war Dozent an der Polizeischule in Beirut,194 Her-
186 McKale 1987, S. 18. 187 Teichmann 2003, S. 34. 188 Die folgende Aufzählung ist keineswegs allumfassend und beschränkt sich auf für die vorliegende Arbeit relevante Publikationen. Viele der hier genannten Journalisten schrieben für mehrere Zeitungen gleichzeitig. 189 Max R. Kaufmann, Erlebnisse in der Türkei vor 50 Jahren, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 12 (1962), S. 237-241, hier: S. 237. 190 Mueller an von Wesendonk, 05.09.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. Dort beschreibt Mueller auch seine konservative Grundhaltung. 191 Noor-Aiman I. Khan, Egyptian-Indian Nationalist Collaboration and the British Empire, New York 2011. 192 Ebd. 193 A. M. Shah, The Indian Sociologist, 1905-14, 1920-22, in: Economic and Political Weekly 41/31 (2006), S. 3435-3439. 194 Von Oppenheim an AA, 23.03.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21130 und Von Wesendonk an Gesandtschaft Bern, 01.06.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21268.
3. Die Akteure
bert Mueller arbeitete im Völkerkundemuseum in Berlin195 und Friedrich Perzyński als Buchhändler.196 Eine weitere Form der Berufserfahrung war für einen Teil der Akteure ihre Dienstzeit in einem Heer.197 Muhammad al-Rushdi198 und Sayyid Maʾmun Abu lFadl199 waren vor dem Krieg als Offiziere der marokkanischen bzw. osmanischen Armee tätig. Rabah Bukabuya, der im Weltkrieg als Offizier im 7. Regiment der tirailleurs algériens in der französischen Armee diente,200 war bereits vor dem Ausbruch des Konflikts in militärische Strukturen eingebunden: Er erhielt seine Ausbildung an einer französischen Militärschule und diente über 20 Jahre im französischen Heer.201 Darüber hinaus kämpften ʿAbd al-ʿAziz Jawish und Salih al-Sharif während des Tripolitanienkriegs auf osmanischer Seite.202 ʿAbd al-Rahman ʿAzzam, der während des Ersten Weltkriegs ebenfalls nach Tripolitanien ging und dort kämpfte,203 reiste bereits während der dortigen Kriege auf den Balkan und unterstützte osmanische Akteure.204 Auch ʿAbd al-Malik Hamza war während der Balkan-Kriege vor Ort.205 Diese militärischen Auseinandersetzungen wurden begleitet von proosmanischer Propaganda mit islamischer Rhetorik,206 sodass die involvierten Akteure bereits vor dem Ersten Weltkrieg die Mechanismen politischer Einflussnahme kennenlernten und in diese involviert waren. Diese militärische Vorerfahrung nutzten auch jene Akteure, die während des Sinai-Feldzuges 1915 die osmanischen Truppen begleiteten und propagandistisch unterstützten, wie ʿAbd al-ʿAziz Jawish207 und Muhammad al-Rushdi208 . Salih al-Sharif begleitete darüber hinaus deutsche Truppen an die Westfront, wo er mithilfe von Ansprachen über 195 Walravens 1992, S. 3. 196 Perzyński musste wohl relativ früh als Buchhändler arbeiten, da sein Vater die Familie in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hatte. Walravens 2005, S. 10. 197 Die Quellenlage zu diesem biografischen Abschnitt des Personenkollektivs ist außerordentlich schlecht. Die Akten bieten über eine reine Nennung militärischer Posten keine Anhaltspunkte. 198 Al-Rushdi an AA, 29.06.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508, Mittwoch an AA, 02.11.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507 und Höpp 2000, S. 74. 199 Höpp 2000, S. 10. 200 Richard S. Fogarty, Race and War in France: Colonial Subjects in the French Army, 1914-1918, Baltimore 2008, S. 96. 201 Rabah Bukabuya, Kriegseindrücke eines mohammedanischen Offiziers der französischen Armee, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.11.1915, Biografischer Anhang und ders., L’Islam dans l’armée française, Lausanne 1917a, S. 17. 202 Al-Jundi 1965, S. 116 und Bardin 1979, S. 193. 203 Ghanim 1982, S. 255. 204 Coury 1998, S. 67-68. 205 Farid/Goldschmidt 1992, S. 406. 206 Jacob M. Landau, The Politics of Pan-Islam: Ideology and Organization, Oxford 1990, S. 92. 207 Polat Safi, Mirage in the Sands: The Ottoman Special Organization on the Sinai-Palestine Front, in: Jerusalem Quarterly 66 (2016), S. 39-54, hier: S. 49 und Sinno 2007, S. 114. 208 Mittwoch an AA, 02.11.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Lautsprecher versuchte, die muslimischen Soldaten in der französischen Armee zu beeinflussen.209
3.1.4
Kolonialerfahrung
Neben den familiären Hintergründen, den Bildungs- sowie Berufswegen spielte die politische Prägung für die publizierenden NfO-Mitarbeiter und Affiliierten eine Rolle für ihre spätere Tätigkeit in der Organisation. Die wohl substanziellste Erfahrung für die Akteure in diesem Zusammenhang ist die Auseinandersetzung mit europäischem bzw. deutschem Imperialismus. Diese Kolonialerfahrung hatte verschiedene Facetten. Die publizierenden, nichtdeutschen, arabischsprachigen Akteure stammten aus der kolonialen Peripherie und hatten vor dem Krieg eine ablehnende Haltung gegenüber kolonialen sowie imperialen Ambitionen entwickelt. Dies war letztlich der Grund, weshalb sie zu Kooperationszwecken auf die NfO zugingen und verschiedene arabisch-islamische Debatten – etwa Fragen islamischer Reformen angesichts der wirtschaftlichen und militärischen Dominanz Europas – in ihre Arbeit einbrachten. Die deutschen Akteure hingegen kamen aus dem kolonialen Zentrum und waren hinsichtlich des deutschen Engagements in diesem Feld entsprechend neutral bis positiv eingestellt. Die NfO-Akteure bewegten sich vor dem Krieg zwar relativ frei zwischen kolonialen Zentren und Peripherien, wie ʿAbd al-ʿAziz Jawish, der von 1902 bis 1906 in Großbritannien lehrte,210 und Martin Hartmann, der von 1876 bis 1888 als Dragoman in der Levante lebte,211 die auf den Reisen gemachten Erfahrungen scheinen jedoch wenig Verständnis für die jeweils andere Perspektive auf Imperialismus zur Folge gehabt zu haben. Eine Reaktion im Nahen und Mittleren Osten auf den europäischen Kolonialismus waren im 19. Jahrhundert islamische Reformbewegungen, wie sie von Jamal al-Din al-Afghani und Muhammad ʿAbduh ausgingen. Im Mittelpunkt dieser Form des politischen Islam stand die Frage, wie eine innere Erneuerung des Islam eine Antwort darstellen könnte auf die Herausforderung durch zunehmende westliche Einflussnahme auf politischer, technologischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene.212 Insbesondere die Ideen des ägyptischen Denkers Muhammad ʿAbduh fanden Anklang unter seinen Zeitgenossen ʿAbd al-ʿAziz Jawish213 und ʿAbd al-Rahman ʿAzzam214 . Eine davon nicht gänzlich zu trennende Reaktion auf europäische koloniale Ambitionen war ein starkes Engagement in den jeweiligen na209 210 211 212
Heine 1982b, S. 91. Al-Jundi 1965, S. 50. Kramer 1989, S. 248. Reinhard Schulze, Geschichte der islamischen Welt im 20. Jahrhundert, München 2003, S. 3133. 213 Al-Jundi 1965, S. 50. 214 Coury 1998, S. 32-34.
3. Die Akteure
tionalen Unabhängigkeitsbewegungen, wie es bei dem ägyptischen Nationalisten Mustafa Kamil der Fall war. Die politischen Tätigkeiten dieser Unabhängigkeitsbewegungen, die sich beispielsweise in Ägypten in der Partei al-Hizb al-Watani (Nationalpartei) und in Tunesien durch die Gruppe der Jungtunesier ausdrückten,215 sind aber auch nicht unbedingt losgelöst von religiösen Fragen zu betrachten.216 In Deutschland befürwortete die breite Masse der Bevölkerung die imperiale Expansion, auch wenn es entlang Parteilinien immer wieder ablehnende Stimmen gab.217 Wünsche, im Nahen und Mittleren Osten eine Art »koloniales Hinterland« zu schaffen, waren ein wichtiger Bestandteil der Weltmachtsfantasien deutscher Akteure im 19. Jahrhundert.218 Zwar war das Deutsche Reich nicht mit eigenen Kolonien im Nahen und Mittleren Osten präsent, dennoch existierten wirtschaftliche Interessen – manifestiert durch die Großprojekte wie die Bagdad-Bahn –219 und koloniale Denkmuster wie ein starkes deutsches Sendungsbewusstsein oder die vermeintliche Notwendigkeit der Missionierung dieser Region.220 Mitglieder des Alldeutschen Verbands und des Deutschen Kolonialvereins waren sogar der Ansicht, dass eine Kolonisation möglich und nötig sei.221 Hugo Grothe und Alois Sprenger gehörten zu den prominentesten Vertretern dieser Position.222 Die wohl bekanntesten Beispiele, in denen sich die deutschen Weltmachtsambitionen mit Bezug auf den Nahen und Mittleren Osten ausdrückten, waren die erste und zweite Marokko-Krise (1905/1906 und 1911) sowie die Aktivitäten rund um die BagdadBahn. Das Osmanische Reich spielte als Projektionsfläche der deutschen NahostFantasien eine zentrale Rolle.223 Die politische Islamdebatte im Deutschen Reich vor dem Krieg war vor allem von diesen imperialen Interessen geprägt.224
215 216
217 218 219 220 221
222 223 224
Zu den Reformideen der Jungtunesier s. Kenneth J. Perkins, A History of Modern Tunisia, New York 2014, S. 74-75. C. Ernest Dawn, From Ottomanism to Arabism: The Origin of an Ideology, in: C. Ernest Dawn (Hg.), From Ottomanism to Arabism: Essays on the Origins of Arab Nationalism, Urbana 1973, S. 122-147, hier: S. 145-146 und Hisham Sharabi, Arab Intellectuals and the West: The Formative Years, 1875-1914, Baltimore 1970, S. 87-88. Sebastian Conrad, Deutsche Kolonialgeschichte, München 2012, S. 27-28. Krobb 2014, S. 3. Sean McMeekin, The Berlin-Baghdad Express: The Ottoman Empire and Germany’s Bid for World Power, Cambridge 2010. Schöllgen 1981, S. 144 und Sinno 2007, S. 58. Alexander Honold, Nach Bagdad und Jerusalem: Die Wiege des Wilhelminischen Orientalismus, in: Alexander Honold/Oliver Simons (Hg.), Kolonialismus als Kultur: Literatur, Medien, Wissenschaft in der deutschen Gründerzeit des Fremden, Tübingen 2002, S. 143-166, hier: S. 148. Der Orientalist Grothe sprach sich etwa für eine deutsche Besiedlung Mesopotamiens aus. Schöllgen 1981, S. 141. S. Kap. 4.2.1 Deutsche Orient- und Islamdebatten vor 1914. Habermas 2014, S. 232. Der Islam in den deutschen Kolonien war als Thema natürlich ebenso relevant. S. Kap. 4.2.1 Deutsche Orient- und Islamdebatten vor 1914.
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Während für viele nichtdeutsche, arabischsprachige Akteure die europäische Expansion ein Gefühl der Unterdrückung und Unterlegenheit auslöste, sahen die deutschen Akteure im Imperialismus eher das Potenzial, neue Möglichkeiten wahrzunehmen. Entsprechend ihren Erfahrungen mit europäischem Kolonialismus engagierten sich die publizierenden NfO-Akteure um die Jahrhundertwende prooder antikolonial. Eine besondere Rolle in den verschiedenen antikolonialen Bewegungen in der arabischsprachigen Welt spielten Ärzte und Anwälte, die ihre Berufe aufgaben und sich politisch engagierten,225 wie Muhammad Farid, Muhammad Fahmi, ʿAli Shamsi und Mansur Rifʿat. Sie traten politischen Parteien bei und gaben ihre Organe heraus bzw. schrieben für diese. Rifʿat und Jawish etwa waren zeitweise Herausgeber der Zeitschrift al-Liwaʾ (Die Flagge) der ägyptischen Nationalpartei.226 Der Rechtsanwalt Shamsi wurde 1913 in die ägyptische Gesetzgebende Versammlung gewählt, welche die britische Verwaltung bereits kurz nach Kriegsausbruch auflöste.227 Deutsche Akteure, die publizistisch aktiv waren oder leitende Funktionen hatten, waren tendenziell prokolonial eingestellt und hatten eine konservative Grundhaltung.228 Für sie bedeuteten die zunehmenden deutschen imperialen Ambitionen neue mögliche Arbeits- und Forschungsfelder.229 Orientalisten lehnten das deutsche koloniale Projekt nicht generell ab.230 Insgesamt ist die Entstehung und Entwicklung der deutschen Islamwissenschaft nicht denkbar ohne Kolonialismus.231 Max von Oppenheim hatte gute Kontakte zu Unterstützern des deutschen Kolonialismus – Teichmann beschreibt ihn als »begeisterten Anhänger des entstehenden deutschen Kolonialismus«232 . Jedoch hatte er wohl keine Beziehungen zum Alldeutschen Verband. Eugen Mittwoch und Martin Hartmann unterstützten als Wissenschaftler bereits vor dem Krieg die deutsche Kolonialpolitik. Im Jahr 1911 erarbeitete Martin Hartmann beispielsweise einen Fragebogen, der an die Kolonialbeamten in Togo, Ghana, Kamerun und Deutsch-Ostafrika ging und zum
225 226 227 228
Sharabi 1970, S. 88. Al-Jundi 1965, S. 90 und Höpp 1998, S. 54. Trefzger 1970, S. 87, Fn. 86. Herbert Mueller etwa engagierte sich vor dem Krieg in der Deutschkonservativen Partei und schrieb für die Neue Preußische Zeitung. Mueller an von Wesendonk, 05.09.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. Die Neue Preußische Zeitung, auch bekannt als Kreuzzeitung, war ein bedeutendes konservatives Tagesblatt. S. hierzu Meinolf Rohleder/Burkhard Treude, Neue preussische (Kreuz-)Zeitung (1848-1939), in: Heinz-Dietrich Fischer (Hg.), Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts, Pullach bei München 1972, S. 209-224. 229 Marchand 2009, S. 335. S. hierzu im Detail das Kap. 4.2.1 Deutsche Orient- und Islamdebatten vor 1914. 230 Marchand 2009, S. 342. 231 Dietrich Jung, The »Ottoman-German Jihad«: Lessons for the Contemporary »Area Studies« Controversy, in: British Journal of Middle Eastern Studies 41/3 (2014), S. 247-265, hier: S. 256. 232 Teichmann 2003, S. 18.
3. Die Akteure
Ziel hatte, mehr über die muslimische Bevölkerung vor Ort herauszufinden.233 Die dort erhobenen Daten flossen auch in eine Umfrage ein, die der Missionar und Ethnologe Dietrich Westermann gemeinsam mit Eugen Mittwoch im Jahr 1914 publizierte.234 Bernhard Moritz war von 1896 bis 1911 Leiter der KhedivialBibliothek in Kairo, die im Zentrum der deutsch-britischen Auseinandersetzungen um wissenschaftliche Einflussnahme in Ägypten stand.235 Auffällig ist das praxisorientierte Wissenschaftsverständnis vieler Vertreter der Orientdisziplinen, das massiv von dem ihrer Vorgängergeneration abwich. Das Engagement im Feld des Imperialismus resultierte für einen Teil der späteren NfO-Akteure in einem gesteigerten Maß an Mobilität. Die europäischen Behörden in den Kolonien versuchten in der Regel, die Tätigkeiten der antikolonialen Akteure zu unterbinden. Britische Behörden in Ägypten inhaftierten etwa ʿAbd alʿAziz Jawish mehrmals aufgrund seines politischen Engagements.236 Für viele Akteure, die sich in Unabhängigkeitsbewegungen engagierten, war das Exil die einzige Möglichkeit, den Kolonialbehörden zu entgehen. Gängig war die Flucht nach Europa oder ins Osmanische Reich. Die Wahl des Exils hatte Auswirkungen auf die Haltung der Akteure: Während die meisten nichtdeutschen, arabischsprachigen NfO-Mitarbeiter und Affiliierten, die ins Osmanische Reich gingen, während des Krieges proosmanische Positionen vertraten, waren die antikolonialen Akteure, die nach Europa gingen, der Hohen Pforte gegenüber tendenziell weniger aufgeschlossen. Je nach Herkunft und finanziellen Mitteln nahmen die Akteure verschiedene Routen. Nicht unüblich war der Weg über Istanbul nach Paris, London oder Genf.237 Paradox mag hierbei anmuten, dass die kolonialen Metropolen generell für antikoloniales Engagement mehr Raum boten als die Kolonien selbst, da die Akteure dort weniger strenger Überwachung durch staatliche Behörden ausgesetzt waren.238 Europa wurde generell von muslimischen Akteuren als ein Ort der intellektuellen Freiheit wahrgenommen.239 Mehrere einschneidende Ereignisse, in deren Folge sich die Situation für die ägyptischen antikolonialen Akteure erheblich 233 Habermas 2014, S. 242. 234 Diedrich Westermann/Eugen Mittwoch, Die Verbreitung des Islams in Togo und Kamerun: Ergebnisse einer Umfrage, in: Die Welt des Islams 2/2-4 (1914), S. 188-276. 235 Zu der Bibliothek s. Mangold 2007. 236 Al-Jundi 1965, S. 93. 237 Sharabi 1970, S. 4. 238 Daniel Brückenhaus, »Every Stranger Must Be Suspected«: Trust Relationships and the Surveillance of Anti-Colonialists in Early Twentieth-Century Western Europe, in: Geschichte und Gesellschaft 36/4 (2010), S. 523-566, hier: S. 527 und Michael Goebel, Anti-Imperial Metropolis: Interwar Paris and the Seeds of Third World Nationalism, New York 2015, S. 281. 239 Bekim Agai/Umar Ryad/Mehdi Sajid, Introduction: Towards a Trans-Cultural History of Muslims in Interwar Europe, in: Bekim Agai/Umar Ryad/Mehdi Sajid (Hg.), Muslims in Interwar Europe: A Transcultural Historical Perspective, Leiden 2015, S. 1-17, hier: S. 5.
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verschlechterte, führten dazu, dass spätestens 1912/1913 sämtliche zentrale bzw. leitende Figuren dieser Bewegung Ägypten verlassen hatten: die Ermordung des ägyptischen Premierministers Butrus Ghali 1910, der ägyptisch-nationalistische Kongress im Herbst 1911 und die gescheiterten Attentate auf den Khediven 1911, auf Muhammad Saʿid, den Nachfolger Ghalis, 1912 und auf Herbert Kitchener, den britischen Hochkommissar für Ägypten, 1913.240 Aber auch die italienische Invasion Libyens führte zu Auswanderungsbewegungen von Muslimen weltweit mit dem Ziel, die Hohe Pforte zu unterstützen.241 Dies war für nichtägyptische spätere NfOAkteure vor dem Ersten Weltkrieg ein wichtiger Grund für die Auswanderung nach Istanbul. Die Option des politischen Exils wählten kurz nach der Jahrhundertwende Jawish, al-Khidr Husayn, Farid, Fahmi, Shamsi, Rifʿat und Hamza. Während Salih al-Sharif242 , al-Khidr Husayn243 und Jawish244 sich weiterhin im Nahen und Mittleren Osten aufhielten und jeweils eine gewisse Zeit in Istanbul verbrachten, war das Ziel von Farid245 , Shamsi246 , Fahmi247 , Rifʿat248 und Hamza249 die Schweiz. Die divergierenden Ziele sind Ausdruck der jeweiligen religiösen Prägung sowie politischen Zielsetzungen und blieben auch während des Krieges wichtige Knotenpunkte. Die entsprechend ihrer Herkunft und Ausbildung eher religiös orientierten Akteure al-Sharif, al-Khidr Husayn und Jawish wählten Istanbul möglicherweise, weil sie die Stadt mit dem Sitz des Sultan-Kalifen als das Zentrum der religiös-politischen Autorität des Islam ansahen und weil dort bereits eine gewisse Anzahl arabischsprachiger Akteure lebte. Als die jungtürkische Regierung nach den Wahlen 1912 dazu überging, stärker islamische Werte zu betonen, intensivierten sich die
240 Arthur Goldschmidt, The Egyptian Nationalist Party, 1892-1919, in: Peter M. Holt (Hg.), Political and Social Change in Modern Egypt: Historical Studies from the Ottoman Conquest to the United Arab Republic, London/New York/Toronto 1968, S. 308-333, hier: S. 327-328. 241 Rachel Simon, Libya between Ottomanism and Nationalism: The Ottoman Involvement in Libya during the War with Italy, 1911-1919, Berlin 1987, S. 86. Proosmanische Solidaritätsbekundungen waren zum Teil jedoch schon älter. Sharif al-Tunisi äußerte bereits während des Türkisch-Griechischen Krieges 1897 seine Sympathien für das Osmanische Reich. Bardin 1979, S. 191. 242 Salih al-Sharif verließ Tunesien 1906. Zunächst lebte er in Istanbul, dann in Damaskus. AlTamimi 1981, S. 351. 243 Muhammad al-Khidr Husayn verließ im Jahr 1912 Tunesien endgültig. Al-Sahili 1984, S. 185. 244 Jawish ging 1912 nach Istanbul. Al-Jundi 1965, S. 119. 245 Farid verließ Ägypten 1912 in Richtung Europa. Goldschmidt 2000, S. 53. 246 Shamsi ging erst im Laufe des Krieges dauerhaft nach Europa, hatte jedoch bis 1909 in Lyon und Genf studiert sowie politische Aktivitäten verfolgt. Raafat 2011, S. 140-141. 247 Fahmi lebte ab 1900 dauerhaft in Genf. Trefzger 1970, S. 68. 248 Rifʿat floh 1912 aus Ägypten. Khan 2011, S. 66. Ab 1913 lebte er in Genf. Höpp 1998, S. 54. 249 Der Zeitpunkt, zu dem Hamza Ägypten dauerhaft verließ, ist nicht bekannt. Es scheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass er wie viele andere Ägypter um 1912 auswanderte.
3. Die Akteure
Berührungspunkte mit arabischen Akteuren in Istanbul.250 Der spätere Kriegsminister Enver Pascha hielt engen Kontakt zu diesen Personen aus Nordafrika und versuchte, sie an die osmanische Regierung zu binden.251 So entstand bereits vor dem Krieg ein proosmanischer arabischer Zirkel in Istanbul, dem Akteure wie Shakib Arslan, Sharif ʿAli Haidar Pascha, ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Salih al-Sharif alTunisi, ʿAli Bash Hamba und Yusuf Shatwan angehörten.252 Aber auch Muhammad al-Khidr Husayn arbeitete eng mit dem osmanischen Kriegsministerium zusammen.253 Es ist nicht bekannt, ob Muhammad Sadiq, dessen Gründe für die Ausreise aus seiner Heimat Tunesien unklar bleiben, Teil dieses Zirkels war. Seine in den Quellen beschriebenen exzellenten Verbindungen zu osmanischen Behörden und seine guten Osmanischkenntnisse lassen zumindest darauf schließen,254 dass er den Weg von Tunesien in die Levante über Istanbul angetreten ist und sich dort eine gewisse Zeit aufgehalten hat. Auch Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl ging bereits 1910 nach Istanbul.255 Über seine politischen Beweggründe hierfür ist jedoch nichts bekannt. Für die meisten dieser Akteure stand die Hohe Pforte im Mittelpunkt ihrer Meinungsbeeinflussung während des Krieges und sie vertraten Positionen wie das Primat des Osmanischen Reichs im Nahen und Mittleren Osten.256 Farid und seinesgleichen, die auf politische Fragen nationalistische und keine proosmanischen Antworten hatten, wählten ihre Stationen in Westeuropa (insbesondere die Schweiz) möglicherweise danach aus, wo sie ihre publizistischen, antikolonialen Tätigkeiten am besten verwirklichen konnten.257 Die Jungägypter etwa organisierten antikoloniale Kundgebungen, an denen Akteure mit ähnlichen politischen Ambitionen teilnahmen. Im Jahr 1910 veranstalteten Farid, Fahmi und Shamsi einen Kongress, an dem der britische Abgeordnete und Mitbegründer der Labour-Party James Keir Hardie teilnahm und seine Solidarität mit dem ägyptischen Unabhängigkeitskampf bekundete.258 Sowohl die europäisch als auch die osmanisch orientierten Akteursgruppen waren mobil und bewegten sich häufig zwischen Europa, dem Osmanischen Reich und ihren Herkunftsländern. Farid begab sich auch während seines Schweizer Exils 250 Hasan Kayalı, Arabs and Young Turks: Ottomanism, Arabism, and Islamism in the Ottoman Empire, 1908-1918, Berkeley 1997, S. 142. 251 Müller 1991, S. 238-240. 252 Landau 1990, S. 92-93. ʿAli Bash Hamba ging 1912 nach Istanbul. Bardin 1979, S. 195. 253 Al-Sahili 1984, S. 185. 254 Von Oppenheim an AA, 23.03.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21130. 255 Höpp 2000, S. 10. 256 S. Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. 257 In seiner Autobiografie beschreibt Farid ausführlich das Zusammenleben mit anderen arabischen antikolonialen Akteuren in Europa. Farid/Goldschmidt 1992. 258 Jeunesse Egyptienne, in: Gazette de Lausanne 113/255 (15.09.1910), S. 2. Indische und ägyptische antikoloniale Akteure standen vor dem Krieg im regen Austausch mit europäischen Sozialisten. Khan 2011, S. 46 und S. 92.
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vor dem Krieg mehrmals nach Istanbul und pflegte Beziehungen zu osmanischen Behörden,259 wurde jedoch nicht Teil des proosmanischen Zirkels. Neben einer politisch motivierten Mobilität existierten auch andere Gründe für die Migration nach Europa. Ahmad Wali260 , ʿAli al-ʿInani261 , Barukh Jurji Salim262 und ʿAbd al-Rahman ʿAzzam263 begaben sich vor (al-ʿInani und Wali) bzw. während des Krieges (Salim) zu Studienzwecken nach Berlin bzw. London. Muhammad Abu l-ʿArabi hingegen ging 1910 wohl primär aus ökonomischen Gründen nach Berlin. Zuweilen trafen die Akteure in den europäischen und osmanischen Metropolen erstmals aufeinander. So bei ʿAbd al-Rahman ʿAzzam, der vor seiner Abreise nach London nur flüchtigen Umgang mit der ägyptischen Nationalpartei gepflegt hatte und erstmals bei einem Istanbul-Besuch ʿAbd al-ʿAziz Jawish kennenlernte sowie 1914 in Genf auf Muhammad Farid traf.264 Die im Zuge dieser besonderen Form der Mobilität geknüpften Kontakte sowie die Ablehnung der europäischen kolonialen Ambitionen waren zwei zentrale Faktoren, weshalb diese Akteursgruppe als Mitarbeiter und Affiliierte der Nachrichtenstelle besonders in Betracht kam. Das politisch bedingte – nicht immer freiwillige – Exil betraf nur Akteure aus den kolonialen Peripherien, die sich kritisch mit europäischer Expansion auseinandersetzten. Das dem Imperialismus zugrunde liegende gesteigerte Interesse an »fremden« Kulturen ermöglichte jedoch auch publizierenden Akteuren aus dem kolonialen Zentrum Mobilität. In Form von Forschungs- und Dienstreisen sammelten deutsche Wissenschaftler, Journalisten und Diplomaten Kenntnisse über die spezifischen Regionen. Wegen ihrer Expertise zu diesen Regionen kamen sie nach Kriegsausbruch für eine Tätigkeit in der Nachrichtenstelle in Betracht. Martin Hartmann bereiste in den 1870er und 1880er Jahren als Dragoman des deutschen Auswärtigen Dienstes, eine Position, die er vor seiner wissenschaftlichen Karriere innehatte, den Nahen und Mittleren Osten intensiv.265 Herbert Mueller begab sich 1912 im Auftrag des Museums für Völkerkunde in Berlin nach China, um dessen Sammlung zu erweitern.266 Enno Littmann nahm 1905/1906 an einer amerikani-
259 James P. Jankowski, Ottomanism and Arabism in Egypt, 1860-1914, in: The Muslim World 70/34 (1980), S. 226-259, hier: S. 238. Muhammad Farid hatte darüber hinaus laut britischen Berichten exzellente Kontakte zu Freimaurerlogen im Osmanischen Reich. Er war wohl ägyptischer Vertreter der Freimaurerloge Grand Orient der Türkei. Notes on Freemasonry in Turkey under the New Régime, in: Arab Bulletin 1/23 (26.09.1916), S. 292-298, hier: S. 297. 260 Von Oppenheim an AA, 11.12.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21126. 261 Al-ʿInani ging 1910 nach Berlin. Al-ʿInani 1918, Biografischer Anhang. 262 Wann genau Salim nach Berlin kam, ist nicht bekannt. 263 Azzam ging 1912 nach London. Coury 1998, S. 63. 264 Ebd., S. 74 und S. 84. Dort knüpfte er auch erstmals Beziehungen zur ägyptischen Studierendenvereinigung Sphinx. Ghanim 1982, S. 254. 265 Kramer 1989, S. 284. 266 Walravens 1992, S. 3.
3. Die Akteure
schen Expedition in Äthiopien teil.267 Friedrich Perzyński reiste nach Japan, wo er im Auftrag der Bremer Kunsthalle Holzschnitte sammelte.268 Die Hohe Pforte spielte in der imperialen Gemengelage eine besondere Rolle. Für viele deutsche Akteure war das multiethnische und multikonfessionelle Osmanische Reich Projektionsfläche imperialer Fantasien.269 Jedoch existierten auch überaus kritische Stimmen. Martin Hartmann beispielsweise stellte vor dem Krieg die Bedeutung des Sultan-Kalifen und der Hohen Pforte für den Islam infrage und befürwortete arabische Unabhängigkeitstendenzen in der Levante.270 Für nichtdeutsche, arabischsprachige Akteure vor dem Ersten Weltkrieg war das Reich eine ambivalente Chiffre – je nachdem, ob die Hohe Pforte im jeweiligen Herkunftsland präsent war oder nicht. So konnte sie bei Akteuren aus Nordafrika von Marokko bis Ägypten als zentraler muslimischer Partner für den Kampf gegen europäische Unterdrückung gelten. Dies war auch der Grund, weshalb während des Tripolitanienkriegs 1911/1912 viele unbeteiligte Akteure aus Nordafrika auf der Seite des Osmanischen Reichs kämpften.271 Aus dieser Gruppe rekrutierte sich der bereits genannte proosmanische arabische Zirkel in Istanbul. Andererseits nahmen arabische Akteure aus (Groß-)Syrien und der Arabischen Halbinsel die Hohe Pforte selbst zuweilen als imperiale Macht wahr. Nach der jungtürkischen Revolution 1908, mit der eine Zunahme repressiver Politik gegenüber nichttürkischen Bevölkerungsgruppen im Reich einherging,272 entstanden eine Reihe arabischer Nationalbewegungen, deren Ziele von mehr arabischer politischer Partizipation über Teilautonomie arabischer Gebiete bis hin zu einer kompletten Loslösung vom türkischen Kernland des Reichs reichen konnten.273 Die Akteure, die später für die Arabische Abteilung der NfO publizierend arbeiten sollten, hatten also bereits vor dem Krieg eine Position hinsichtlich des Osmanischen Reichs entwickelt und nutzen die NfO, um ihre Ansicht dazu zu verbreiten. Diese konnte das Spektrum von positiv (al-Sharif) über ambivalent (Farid) bis hin zu ablehnend (Hartmann) umfassen.
3.1.5
Sprachkompetenz
Ein bisher in der Forschung wenig beachteter Aspekt ist die Sprachkompetenz der NfO-Akteure. Die Frage danach ist in den meisten Fällen schwierig zu beant-
267 Paret 1985, S. 710. 268 Walravens 2005, S. 7. 269 Malte Fuhrmann, Der Traum vom deutschen Orient: Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich, 1851-1918, Frankfurt a.M. 2006. 270 Kramer 1989, S. 288. 271 Simon 1987, S. 87. 272 Kayalı 1997, S. 14. 273 S Hierzu vor allem Kayalı 1997, Tauber 1993 sowie ders., The Arab Movements in World War I, London 1993.
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worten. Die deutschen Mitarbeiter und Affiliierten beherrschten in der Regel eine oder mehrere Sprachen des Nahen und Mittleren Ostens, insbesondere eine jener Sprachen, die für die Abteilung der NfO relevant war, für die sie arbeiteten. Dies liegt daran, dass die deutschen Akteure Auslandserfahrung in den betreffenden Regionen hatten, wie von Oppenheim, und/oder ausgebildete Sprachwissenschaftler, wie Buka, bzw. Dragomanen, wie Pröbster, waren. Zu welchem Grad sie diese Sprachen jedoch beherrschten, lässt sich nicht mit Gewissheit feststellen. Waren sie lediglich des Hocharabischen mächtig, konnten sie einen oder mehrere arabische Dialekte verstehen bzw. hatten sie sich wissenschaftlich damit beschäftigt oder konnten sie sich fließend darin artikulieren? Selbst die Dragomanatsausbildung am SOS qualifizierte Akteure nicht unbedingt zu Letzterem. Schabinger von Schowingen berichtet in seiner Autobiografie, dass er zu Beginn seiner Dienstzeit in Marokko einen Privatlehrer für Arabisch engagierte, den späteren NfO- und SOSMitarbeiter Muhammad Abu l-ʿArabi.274 Auch Max von Oppenheim, der zwar nicht am Seminar studiert, dafür aber eine längere Zeit in Kairo verbracht hatte, hatte noch nach dem Krieg das starke Bedürfnis, sein Arabisch aufzubessern, und wollte dies mit Ahmad Wali üben.275 Bei anderen wiederum, wie Walther Schroeder, der Besucher aus dem Nahen und Mittleren Osten ohne Kenntnisse in europäischen Sprachen begleitete, ist davon auszugehen, dass sie auch gesprochener arabischer Dialekte mächtig waren. Auch die Sprachkenntnisse der nichtdeutschen, arabischsprachigen Akteure waren sehr unterschiedlich. Von dieser Akteursgruppe beherrschte nur ein Teil Deutsch (etwa Ahmad Wali, ʿAbd al-Malik Hamza276 , Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, Barukh Jurji Salim277 , al-Khidr Husayn und Ali-Ahmad al-ʿInani). Al-ʿInani konnte vor seiner Ankunft in Deutschland 1910 keine europäische Sprache,278 erlernte jedoch Deutsch. Dies gilt auch für Muhammad al-Khidr Husayn.279 Die Deutschkenntnisse waren jedoch unterschiedlich gut. Trotz seiner Bemühungen wurde die Qualität der deutschen Texte von al-ʿInani von Seiten deutscher NfO-Akteure bemängelt. Mittwoch schrieb, damals noch in der Funktion des Leiters der Arabischen Abteilung, dass die Korrekturen an al-ʿInanis Übersetzung so umfassend 274 Schabinger von Schowingen 1967, S. 16. 275 Korrespondenz von Oppenheim und Mittwoch, Mai 1923, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 20. 276 Mittwoch an AA, 11.10.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. 277 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. 278 Gouvernorat von Kairo an Sachau, 11.07.1910, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 253. 279 Schabinger von Schowingen notierte, der Tunesier könne kein Deutsch. Schabinger von Schowingen an Schroeder, 07.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Im Laufe seiner Zeit in Deutschland erlernte al-Khidr Husayn laut seinem Biografen jedoch die Sprache. Muwaʿada 1974, S. 74.
3. Die Akteure
gewesen seien, dass es sich bei der Überarbeitung quasi um eine neue Übertragung gehandelt habe.280 Bukabuya, Farid und Fahmi beherrschten zwar Französisch, ein Schweizer Verlag monierte jedoch das Niveau von Bukabuyas und Farids Texten, sodass diese fortan ein französisches Lektorat durchliefen.281 Bukabuya hielt auch seine Vorträge vor deutschem Publikum auf Französisch.282 Muhammad al-Rushdi wurden fließende Französischkenntnisse attestiert.283 Es ist davon auszugehen, dass Mansur Rifʿat zumindest Englisch sprach, da er auf dieser Sprache Texte verfasste, an einem amerikanischen College studiert hatte und amerikanischer Staatsbürger war. Möglicherweise beherrschte er zudem Französisch. Während Salih al-Sharif al-Tunisi keine europäischen Sprachen beherrschte,284 konnte sich ʿAbd al-ʿAziz Jawish fließend auf Englisch ausdrücken,285 wovon auch Briefe an die NfO und das AA zeugen. Auch ʿAbd al-Rahman ʿAzzam beherrschte aufgrund seines Studiums in London Englisch. Einige nichtdeutsche Akteure der Arabischen Abteilung sprachen darüber hinaus noch Osmanisch: Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl,286 Muhammad Farid,287 Muhammad al-Rushdi,288 Barukh Jurji Salim289 und Muhammad Sadiq290 . Die Sprachgrenzen wurden in der Regel durch Mittler überwunden. Bereits mehrfach angeklungen ist Schroeders Aufgabe, nichtdeutsche Akteure bei Besuchen in Deutschland zu begleiten und für diese zu übersetzen. Dies übernahm er auch für Salih al-Sharif al-Tunisi.291 Es ist davon auszugehen, dass auch arabischsprachige Akteure für nichtdeutsche Mitarbeiter der Arabischen Abteilung dolmetschten. ʿAbd al-Malik Hamza etwa übersetzte möglicherweise für seinen Mentor und Redaktionskollegen ʿAbd al-ʿAziz Jawish. Zwar waren Kenntnisse in für die Arbeit der NfO relevanten Sprachen ein Einstellungskriterium,292 Deutschkenntnisse wurden jedoch nicht für alle Akteure vorausgesetzt. Die Sprachkenntnisse der einzelnen Akteure können auch als Ausdruck der Funktion gesehen werden, die den Akteuren durch die NfO-Leiter zugesprochen wurden. Jene Personen, 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292
Schabinger von Schowingen an AA, 10.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Romberg an AA, 23.10.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. Schabinger von Schowingen an AA, 13.11.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1514. Mittwoch an AA, 02.11.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. Korrespondenz bezüglich Treffen von Salih al-Sharif al-Tunisi und Graf Vitzthum, März 1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21255. AA an Gesandtschaft Stockholm, 31.10.1917, PA AA, RAV Stockholm 311. Von Wesendonk an Nadolny, 14.04.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246. Egyptians and Turks in Switzerland, in: Arab Bulletin 1/4 (16.06.1916), 29-30. Mittwoch an AA, 02.11.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Schabinger von Schowingen an AA, 26.03.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21130. Korrespondenz zwischen Mittwoch und von Wesendonk bzgl. Einstellung Muhammad alTurki, März 1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. S. Kap. 3.2.1 Rekrutierungsmechanismen.
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die übersetzten, mussten über Deutschkenntnisse verfügen. Bei allen anderen Tätigkeiten war dies jedoch keine Voraussetzung. Die Arbeitssprachen im polyglotten Umfeld der NfO bzw. der Arabischen Abteilung dürften daher wohl Arabisch, Englisch und Französisch gewesen sein und nur im Ausnahmefall Deutsch.
3.2
Wege der Akteure in die NfO
Im Folgenden wird erstens untersucht, wie die involvierten Personen zu der Organisation fanden. Was waren die Voraussetzungen für die Einstellung? Existierten bestimmte Eintrittsknotenpunkte, die den Zugang zur Nachrichtenstelle begünstigten? In einem zweiten Schritt wird der Frage nachgegangen, welche Motivationen die Akteure hatten, für die Nachrichtenstelle für den Orient zu arbeiten. Dabei wird zu zeigen sein, dass die meisten Mitarbeiter und Affiliierten die Nachrichtenstelle primär nutzten, um eigene Ziele politischer, beruflicher oder finanzieller Natur zu erreichen.
3.2.1
Rekrutierungsmechanismen
Durch ihre unterschiedlichen biografischen Hintergründe sowie ihre spezifischen Ausbildungen und beruflichen bzw. politischen Erfahrungen vor dem Krieg waren die Akteure für eine Tätigkeit bei der Nachrichtenstelle ideal geeignet. Weshalb wurden jedoch diese und nicht andere Akteure mit ähnlichen Prägungen und Sachkenntnissen ausgewählt? Was waren die biografischen Faktoren, die aus Sicht der Leiter der Nachrichtenstelle und von Wesendonks im AA, der massiv in Personalentscheidungen eingebunden war, bestimmte Akteure geeigneter erscheinen ließen als andere? Im Folgenden wird zu zeigen sein, wie die Akteure über Empfehlungen, die im Zusammenhang mit zentralen Knotenpunkten ausgesprochen wurden, zur NfO kamen.
Voraussetzungen und Einschränkungen Bereits bei den Expertentreffen im August und September 1914, die eine mögliche Gründung der Nachrichtenstelle für den Orient zum Thema hatten, wurde das Feld der Akteure, die für die Tätigkeit einer solchen Stelle nötig wären, abgesteckt. Die Mitarbeiter standen nicht von Beginn an fest. Max von Oppenheim ließ sich bei der Auswahl möglicher Kandidaten durch Eduard Sachau, den Direktor des Berliner Seminars für Orientalische Sprachen, beraten.293 Auf den Vorbereitungstreffen war
293 Von Oppenheim an Sachau, 03.09.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9.
3. Die Akteure
man sich einig, dass die Akteure idealerweise aus Berlin zu rekrutieren seien.294 In der Praxis ließ sich dies nicht immer umsetzen, sodass im weiteren Verlauf des Krieges Akteure auch außerhalb von Berlin gesucht wurden. Neben muttersprachlichen Übersetzern relevanter Sprachen aus dem Nahen und Mittleren Osten sollten historisch versierte und politisch informierte Orientalisten sowie Diplomaten und Journalisten mit regionalen Kenntnissen eingestellt werden.295 Insbesondere bei der Einstellung journalistischer Mitarbeiter wurde zunehmend auf regionale Expertise Wert gelegt.296 Dies mag daran gelegen haben, dass Max Adler, der bis Mitte 1915 mit der Redaktion der Gefangenenzeitung El Dschihad betraut war, nur über geringe Arabisch- und Regionalkenntnisse verfügte.297 Darüber hinaus legten die NfO-Leiter im weiteren Verlauf der konstitutiven Phase und der Konsolidierungsphase besonders Wert auf die Einstellung von Personen, die über gute Kontakte in der Region verfügten. Diplomatische Akteure, wie Max von Oppenheim und Curt Prüfer, hatten während ihrer Aufenthalte vor Ort gute Beziehungen zu lokalen Eliten gepflegt.298 Antikoloniale Akteure standen durch ihre politischen Aktivitäten ebenfalls in regem Austausch mit Entscheidungsträgern und einflussreichen Gruppen in der Region, wie ʿAbd al-ʿAziz Jawish, der ein enger Vertrauter der Sanusiyya war und während des Tripolitanienkriegs mit dieser Sufi-Bruderschaft enge Beziehungen geknüpft hatte.299 Die nichtdeutschen Akteure waren besonders aufgrund ihrer Vernetzungen und ihrer biografischen Herkunft zentrale Informationsquellen für die Propaganda der Nachrichtenstelle hinsichtlich ihrer Herkunftsländer.300 Die folgenden Aufgaben fielen an: Erstellung von Propagandamaterial inkl. Vorträge (ʿAbd al-Qadir, ʿAzzam, Jawish, al-Khidr Husayn, Maʾmun Abu l-Fadl, alSharif, Shamsi, Farid, Fahmi, Bukabuya, Hamza, Hartmann, Mueller, Haas, Littmann, Rifʿat, von Glasenapp, Moritz und al-Sharqawi), redaktionelle Tätigkeiten auf Deutsch (Adler, Perzyński, Mueller und von Glasenapp), redaktionelle Tätigkeiten auf Arabisch (vor allem al-Khidr Husayn und Hamza), Übersetzungen, Ab294 Verbreitung der wahrheitsgetreuen Kriegsnachrichten etc. und Bekämpfung der gegnerischen Lügen, 25.08.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. 295 Ebd. 296 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 06.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503 und Mittwoch an AA und Stellvertretenden Generalstab des Heeres, 27.08.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 297 Höpp 1994, S. 9 und Adler an AA, 04.06.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 298 Für von Oppenheim s. Teichmann 2003, S. 34, für Prüfer McKale 1987, S. 17-20. 299 Mueller an AA, 21.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21133. 300 Fraser 1977, S. 258 und Sinno 2006, S. 408. Ebenso bei von Oppenheim selbst, der schreibt, dass in der NfO »[…] Eingeborene für Informationen und für Aufstände […]« beschäftigt worden seien. Aufzeichnungen Max von Oppenheim, 23.09.1946, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA, Bekanntschaften aus dem Auswärtigen Amt, NL von Oppenheim Nr. 1/13.
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schriften und deren Kontrolle (Hamza, Prüfer, Salim, Schroeder, Diel, Buka, Abu l-ʿArabi, al-ʿInani, al-Rushdi, Schabinger von Schowingen, Sadiq und Wali), Vorbereitung von, Durchführung von oder Teilnahme an Expeditionen (Prüfer, Moritz, von Oppenheim, ʿAzzam, Wali und Pröbster), Begleitung nichtdeutscher Besucher in Deutschland (Schroeder, Mueller, Schabinger von Schowingen, von Glasenapp und Pröbster), Nachrichtenlektüre arabischsprachiger Zeitungen (Maʾmun Abu lFadl, Diel, Prüfer und Schroeder),301 Überwachung von Korrespondenzen nichtdeutscher, arabischsprachiger NfO-Akteure (vor allem Schroeder, Hartmann und Mittwoch), Informationsbeschaffung über nichtdeutsche Akteure (Sadiq, Pröbster, Shamsi, Jacoby und Haas), Arbeit in Gefangenenlagern (Stumme, Pröbster, Abu lʿArabi, Jawish, al-Khidr Husayn, Maʾmun Abu l-Fadl, al-Sharif, Bukabuya, al-ʿInani und Wali), Abteilungs-, Filial- oder Organisationsleitung (Mittwoch, Schabinger von Schowingen, Hartmann, Mueller, Jacoby, Haas und von Oppenheim). Neben den erforderlichen und gewünschten Kompetenzen, die zur Durchführung der genannten Tätigkeiten nötig waren, spielten noch andere Aspekte eine Rolle für die Einstellung nichtdeutscher Akteure: Erstens bestand die Hoffnung, nichtdeutsche, arabischsprachige Akteure für die inhaltliche Arbeit zu gewinnen, die von besonderem religiösen Eifer und Antikolonialismus geprägt waren. Zweitens versuchten die Leiter der Nachrichtenstelle und die Ansprechpartner im AA, das antikoloniale Engagement in Deutschland durch die Bindung entsprechender Akteure an die NfO zu überwachen und zu kontrollieren.302 Die Tätigkeit für die NfO sollte die arabischsprachigen Akteure drittens aber auch finanziell unterstützen.303 Eduard Sachau schlug ʿAli al-ʿInani und Ahmad Wali ausdrücklich die Mitarbeit bei der Organisation vor, damit diese ihre finanzielle Lage verbessern könnten.304 Personen, die in behördliche bzw. militärische Strukturen eingebunden waren, mussten von dort freigestellt bzw. an die NfO überstellt werden. Dies galt für Herbert Diel, der für die Abteilung III (Recht) des AA arbeitete,305 wie für Herbert Mueller, der von einer nicht näher genannten militärischen Behörde in Hannover freigestellt werden musste.306 Aber auch Barukh Jurji Salim hätte als osmanischer
301 Helmuth von Glasenapp war ebenfalls mit der Lektüre von Zeitungen und Zeitschriften betraut, jedoch mit indologischem Schwerpunkt. Glasenapp 1964, S. 72. 302 Schabinger von Schowingen 1967, S. 151. Mehr dazu in Kap. 3.3.3 Kontrolle und Überwachung. 303 Schabinger von Schowingen 1967, S. 151. 304 Von Oppenheim an AA, 11.12.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21126. Interessanterweise wollte al-ʿInani nach der osmanischen Dschihad-Proklamation Deutschland zunächst verlassen. Von Oppenheim an Sachau, 23.11.1914, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 451. 305 Korrespondenz bzgl. Einstellung von Herbert Diel, Februar 1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. 306 Von Oppenheim an AA, 28.11.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21125.
3. Die Akteure
Staatsbürger Dienst an der Waffe leisten müssen. Max von Oppenheim erwirkte dessen Befreiung vom Militärdienst direkt beim osmanischen Kriegsminister Enver Pascha.307 Zwar hatte Schabinger von Schowingen anfänglich die Hoffnung, man könne primär auf nichtdienstpflichtige Personen zurückgreifen,308 in der Realität musste jedoch für sämtliche deutsche NfO-Mitarbeiter eine Freistellung von militärischer Verwendung beantragt werden. Die NfO-Leiter waren während der gesamten Kriegszeit damit beschäftigt, zu verhindern, dass ihr Personal von einer militärischen Behörde abgezogen wurde. In der Regel nutzten die Leiter hierfür informelle Kommunikationswege über das AA (von Wesendonk) oder die Sektion Politik des Stellvertretenden Generalstabs (Nadolny und später von Hülsen). Im Fall dieser Freistellungsanträge machte es tatsächlich einen Unterschied, ob jemand Mitarbeiter der NfO war, wie Helmuth von Glasenapp, oder ob jemand neben seiner eigentlich Tätigkeit als Affiliierter in die Organisation involviert war, wie Enno Littmann. Im zweiten Fall stellten die NfO-Leiter entsprechende Freistellungsanträge nicht. Die Praxis der Aufnahme neuer Mitarbeiter wandelte sich im Laufe des Kriegs. Während bis zur Konsolidierungsphase (Dezember 1914 bis März 1915) die Aufnahme neuer Mitarbeiter nach dem Prinzip der Einstimmigkeit erfolgte,309 scheint Eugen Mittwoch nach der Übernahme der Leitung die Entscheidungen alleine vorgenommen zu haben. Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Affiliierten verzichteten sämtliche Leiter auf die Zustimmung des Plenums. Weitaus bedeutender war die Zustimmung durch Vertreter der der NfO übergeordneten Behörden (Abteilung IA im AA und Sektion Politik im Stellvertretenden Generalstab). Im Regelfall holten die Leiter Informationen über potenzielle Kandidaten ein und leiteten die Vorschläge weiter. Ausschlaggebend war hierbei, dass sowohl die Leiter als auch die Entscheidungsträger im AA und der Sektion Politik die Kandidaten für »vertrauenswürdig« erachteten. Ob einem möglichen Kandidaten Vertrauen ausgesprochen wurde, hing eng damit zusammen, ob die Person, welche die Empfehlung ausgesprochen hatte, gute Kontakte zu bereits bestehenden NfO-Akteuren hatte. Eine ganze Reihe von Personen, die der Nachrichtenstelle ihre Mitwirkung anboten bzw. sich den Leitern als qualifizierte Mitarbeiter vorschlagen ließen, wurde
307 Botschaft Istanbul an AA, 29.12.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. 308 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 01.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 309 Erstmals wird dieses Verfahren infrage gestellt, als es darum geht, Martin Hartmann von einem »korrespondierenden« Mitglied zu einem »ordentlichen« Mitglied zu machen. Oskar Mann, der Leiter der Persischen Abteilung, versuchte dies zu unterbinden. Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 01.06.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502 und Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 09.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502.
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letztlich nicht eingestellt. Als kurzfristig ein deutscher Akteur mit Arabischkenntnissen als Ersatz für Curt Prüfer benötigt wurde, stand Dragoman Hermann Paulus von der Botschaft in Istanbul im Gespräch. Da er erst nach Berlin hätte reisen müssen, die Arabische Abteilung die Arbeitskraft aber sofort benötigte, kam er letztlich doch nicht infrage.310 Auch der Kaufmann Georg Emil Guba, ein weiterer potenzieller Nachfolger Prüfers, wurde nicht eingestellt, da er zwar fließend Arabisch sprechen, es jedoch nur sehr schlecht lesen konnte. Darüber hinaus ging man davon aus, dass er aufgrund seines fortgeschrittenen Alters – und der damit einhergehenden Seniorität – nicht für »untergeordnete Arbeiten«, womit Übersetzungen und Zeitungslektüre gemeint waren, herangezogen werden sollte.311 Der christliche Syrer Amin Maʾarbes, der als Lektor am SOS arbeitete und den Sachau von Oppenheim vorgeschlagen hatte,312 wurde ebenfalls nicht rekrutiert. Der Gründer der NfO führte ihn nicht in der kurzen Auflistung von Akteuren auf, die er für eine Kooperation erwog. Möglicherweise zählte Maʾarbes zu jener Personengruppe am Seminar, die im Zusammenhang einer eventuellen Mitarbeit an der NfO als »nicht einwandfrei«313 galt. Den ägyptischen Christ Johannes Akhnukh, den der Direktor der Deutschen Evangelischen Missionshilfe August Wilhelm Schreiber Eugen Mittwoch vorgeschlagen hatte, lehnte der NfO-Leiter ebenfalls ab. Er hatte zuvor eine körperliche Auseinandersetzung mit dem NfO-Mitarbeiter Mansur Rifʿat.314 Es ist nicht ausgeschlossen, dass der christliche Hintergrund von Maʾarbes und Akhnukh einer der Gründe war, weshalb die Akteure für die NfO-Arbeit nicht in Betracht kamen. Christliche Araber standen seitens der Nachrichtenstelle im Verdacht, prinzipiell probritisch oder profranzösisch eingestellt zu sein.315 Muhammad al-Turki, den Schabinger von Schowingen wegen seiner Kenntnisse der maghrebinischen Schrift extra aus Damaskus nach Berlin hatte holen wollen, 310 Korrespondenz zwischen NfO und AA bzgl. Ersatz für Curt Prüfer, Frühjahr 1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1506. 311 Korrespondenz zwischen NfO und AA bzgl. Ersatz für Curt Prüfer, Frühjahr 1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1506. 312 Von Oppenheim an Sachau, 26.10.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. 313 Verbreitung der wahrheitsgetreuen Kriegsnachrichten etc. und Bekämpfung der gegnerischen Lügen, 25.08.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. 314 Mittwoch an AA, 03.07.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21269. 315 Etwa in Bericht von Oppenheim: Die Organisation der Nachrichten-Propaganda in der Türkei, 20.03.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904, Maurus, Arabische Presse und Weltkrieg, in: Der Neue Orient 1/7 (09.07.1917), S. 310-312 und ders., Was Syrien nach dem Krieg zu erwarten hätte, in: Der Neue Orient 1/17 (08.12.1917), S. 219-221. Insbesondere die vermeintlich profranzösische Haltung syrischer Christen war ein dominantes Thema im Osmanischen Reich. Mustafa Aksakal, Perspectives on the Ottoman First World War, in: Studies in Ethnicity and Nationalism 14/2 (2014), S. 334-342, hier: S. 337. Näheres zu der Polemik innerhalb der NfO gegen arabische Christen in Kap. 4.3.2 Islam und Nahost.
3. Die Akteure
teilten deutsche Behörden im Osmanischen Reich auf halbem Weg mit, dass seine Arbeitskraft in Deutschland doch nicht benötigt werde.316 Edgar Pröbster hatte bereits im Halbmondlager Gefangene gefunden, die der maghrebinischen Schrift mächtig waren und sich zur Mitarbeit bereiterklärt hatten.317 Der zweite Leiter der Nachrichtenstelle hatte sich eigenmächtig darum gekümmert, al-Turki nach Berlin kommen zu lassen, ohne sich gemeinsam mit anderen Stellen (etwa dem Gefangenenlager) nach Alternativen umzusehen.318 Die unterschiedlichen Gründe, weshalb Akteure nicht in der Nachrichtenstelle eingestellt wurden, waren somit die negative Spiegelung der eingangs genannten Anforderungen an NfO-Personal: keine Empfehlung durch NfO-nahe Personen, fehlende sprachliche oder regionale Kenntnisse, zu große Entfernung bzw. schlechte Verfügbarkeit, Konflikte mit NfO-Akteuren, fehlende Vertrauenswürdigkeit sowie die mangelnde Absprache zwischen verschiedenen Behörden/Akteuren.
Eintrittsknotenpunkte319 Das Wissen der NfO-Leiter über potenzielle Kandidaten war vor deren Einstellung eher gering.320 Über verschiedene Kanäle wurden daher Informationen über die betreffenden Personen eingeholt. In der Regel erkundigten sich NfO-Akteure sowohl bei deutschen als auch bei nichtdeutschen Partnern über mögliche Mitarbeiter und Affiliierte. So im Fall des Ägypters ʿAbd al-ʿAziz Jawish. Die NfO-Leiter befragten deutsche Akteure mit Ägyptenkenntnissen, wie Bernhard Moritz,321 und den sich in osmanischen Diensten befindenden Tunesier ʿAli Bash Hamba.322 Die Leiter der NfO mussten sich aufgrund des fehlenden Wissens stets auf die Empfehlungen anderer Akteure verlassen. Daher kann man zu Recht davon ausgehen, dass Empfehlungen das zentrale Mittel waren, durch das Mitarbeiter und Affiliierte zur Nachrichtenstelle für den Orient fanden. Persönliche Beziehungsgeflechte aus beruflichen und politischen Stationen vor dem Krieg spielten hierbei die größte Rolle. Diese Vorkriegskontakte prägten die Akteure auch hinsichtlich der Debatten, die 316 317
Von Oppenheim an Wolff Metternich, 17.06.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Die maghrebinische Schrift wird vor allem in Nordwestafrika verwendt. Einige Buchstaben unterscheiden sich deutlich von anderen arabischen Schriftarten. Sheila Blair, Islamic Calligraphy, Edinburgh 2006, S. 392-399. 318 Korrespondenz zwischen Mittwoch und von Wesendonk bzgl. Einstellung Muhammad alTurki, März 1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. 319 Die Daten in den Klammern hinter den Namen verweisen auf das ungefähre oder präzise Einstellungsdatum der Akteure bei der Nachrichtenstelle für den Orient. 320 Müller beschreibt arabischsprachige Akteure, die enge Beziehungen zum osmanischen Kriegsministerium hatten, aber den Deutschen fast unbekannt waren, als »Spezialisten […], die von den deutschen Diensten bisher keines Blickes für würdig befunden oder überhaupt nicht gekannt wurden.« Müller 1991, S. 240. 321 Von Wesendonk an AA, 18.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21134. 322 Von Radowitz an AA, 07.10.1916, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9,2, R 14570.
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während ihrer späteren Tätigkeit für die Arabische Abteilung wichtig wurden. Die Empfehlungen, mit denen sich potenzielle Mitarbeiter bei den Leitern oder Mitarbeitern der NfO vorstellten, kamen über eine Reihe von Knotenpunkten zustande: das Berliner Seminar für Orientalische Sprachen, die deutschen Auslandsvertretungen in Marokko, Ägypten, der Schweiz und im Osmanischen Reich sowie das osmanische Kriegsministerium und die damit verbundene Organisation Teşkilat-ı Mahsusa (TM). Für die Tätigkeiten der Nachrichtenstelle war der sowohl inhaltlich als auch geografisch naheliegendste Rekrutierungspool das Seminar für Orientalische Sprachen, das der Universität Berlin angegliedert war. Da das SOS seit seiner Gründung 1887 für das Auswärtige Amt den sprachlichen Teil der Dragomanatsausbildung übernommen hatte, bestand zwischen diesen beiden Einrichtungen eine enge Verbindung.323 Es verwundert daher auch nicht, dass das AA bei der Einrichtung einer Stelle für Meinungsbeeinflussung im Nahen und Mittleren Osten auf die Kompetenzen des Seminars zurückgriff. Kurz nach Kriegsbeginn bestand sogar die Idee, die deutsche Nah- und Mittelost-Propaganda über das Seminar laufen zu lassen, was jedoch verworfen wurde.324 Die Kooperation zwischen SOS und NfO ergab sich daher aus praktischer Notwendigkeit. Unterstaatssekretär im AA Arthur Zimmermann hatte darum gebeten, dass das SOS bzw. sein Direktor Sachau von Oppenheim in seinem neuen Projekt unterstützen möge.325 Sachau war daher in die anfängliche Personalplanung der Nachrichtenstelle eingebunden. Die am SOS ausgebildeten Diplomaten und Dragomanen sowie die dort tätigen Wissenschaftler und Lektoren erschienen aufgrund der am Seminar gepflegten Verknüpfung von Wissenschaft und Politik besonders geeignet für eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung in der Region. So kam es dann auch, dass Eduard Sachau den Lektor für ägyptisches Arabisch Ahmad Wali (eingestellt 03/1915)326 , den Dozenten für äthiopische Sprachen Eugen Mittwoch (seit der Gründung)327 , den Leiter der Bibliothek Bernhard Moritz (seit der Gründung)328 und den Studen-
323 Hampe 2001, S. 46-47. 324 Verbreitung der wahrheitsgetreuen Kriegsnachrichten etc. und Bekämpfung der gegnerischen Lügen, 25.08.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. 325 Zimmermann an den Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten, 12.09.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. 326 Gehaltsliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 23.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 327 Von Oppenheim an Sachau, 26.10.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. 328 Verbreitung der wahrheitsgetreuen Kriegsnachrichten etc. und Bekämpfung der gegnerischen Lügen, 25.08.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9.
3. Die Akteure
ten sowie zeitweiligen Lektor ʿAli Ahmad al-ʿInani (Frühjahr 1915)329 empfahl. Ruth Buka (genaues Datum unbekannt, nach 1915)330 kam möglicherweise über ihren akademischen Lehrer Eugen Mittwoch zur Nachrichtenstelle.331 Sachau hatte Muhammad Abu l-ʿArabi (Frühjahr 1917) zwar bereits im Oktober 1914 als geeigneten Mitarbeiter vorgeschlagen,332 er wurde jedoch erst nach der Auflösung der Lager für muslimische Gefangene bei der NfO aktiv.333 Der Professor für Arabisch Martin Hartmann (seit der Gründung) war zunächst nur als Affiliierter in der Nachrichtenstelle aktiv und wurde im Verlauf des Sommers 1915 zum regulären Mitarbeiter.334 Enno Littmann (03/1915)335 , den Schabinger von Schowingen empfahl, hatte ebenso wie der zweite Leiter der Organisation am SOS studiert. Schabinger von Schowingen ging in dem Schreiben, in dem er Littmann eine Mitwirkung bei der NfO anbot, direkt auf die gemeinsame Studienzeit ein.336 Hans Stumme (seit der Gründung) war zwar kein Mitarbeiter des SOS, wurde von Oppenheim dennoch wohl von Eduard Sachau empfohlen, der seine Fachkompetenz schätzte.337 Zudem hatten sämtliche zuvor in deutschen Auslandsvertretungen tätigen Akteure eine gewisse Zeit ihres Studiums am SOS verbracht: Edgar Pröbster, Curt Prüfer, Max von Oppenheim, Herbert Diel und Walther Schroeder. Die gleichaltrigen späteren Mitarbeiter und Affiliierten der Arabischen Abteilung der NfO hatten sich möglicherweise während des Studiums kennengelernt. Spätestens bei ihren verschie-
329 Sachau an den Kultusminister, 07.11.1914, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 451. ʿAli al-ʿInani war bereits vor seiner Zeit in Deutschland ein Schüler von ʿAbd al-ʿAziz Jawish. Mittwoch an AA, 02.05.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21256. Auch Abu lFadl war ein Schüler Jawishs. Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, Scheich Abdul Asis Tschauisch, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/10 (16.08.1915), S. 1-2, hier: S. 1. 330 Buka schloss ihre Dissertation 1915 ab. Es ist unwahrscheinlich, dass sie davor für die Nachrichtenstelle arbeitete. 331 Buka erwähnt in den beiden vorliegenden Lebensläufen Eugen Mittwoch. Lebenslauf Ruth Buka, o.D. [zwischen 1930 und 1939], ECAR, Series 4: Biographical Files, Box 1 und Buka 1915, Biografischer Anhang. 332 Von Oppenheim an Sachau, 26.10.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9. 333 Mittwoch an AA, 05.03.1917, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21261. 334 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 01.06.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 335 Schabinger von Schowingen an Littmann, 22.03.1915, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 91. 336 Interessanterweise hatte Littmann dem AA bereits im August 1914 seine Dienste angeboten. Littmann an AA, 06.08.1914, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 91. Er hatte ein prodeutsches arabischsprachiges Flugblatt erstellt. Littmann an AA, 28.08.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21123. Das AA lehnte jedoch ab. 337 Verbreitung der wahrheitsgetreuen Kriegsnachrichten etc. und Bekämpfung der gegnerischen Lügen, 25.08.1914, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. X Nr. 124 Bd. 9.
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denen Tätigkeiten in den deutschen Auslandsvertretungen trafen dann auch jene diplomatischen Akteure aufeinander, die sich noch nicht vom Seminar kannten. Walther Schroeder (07/1915,338 dann 1918), Herbert Diel (03/1915 und 03/1917), Edgar Pröbster (ca. 07/1915)339 und Schabinger von Schowingen (seit der Gründung) waren vor dem Krieg zeitgleich (zwischen 1902 und 1914) in den deutschen Auslandsvertretungen in Marokko tätig. Darüber hinaus war Muhammad Abu l-ʿArabi vor 1910 im deutschen Konsulat in Tanger tätig.340 Schabinger von Schowingen ließ sich während seiner Amtszeit dort von Abu l-ʿArabi unterrichten.341 Erst nach – und eventuell aufgrund – dieser Tätigkeit wurde der Marokkaner Lektor am SOS. Die späteren NfO-Akteure trafen in Marokko auf die Ansprechpartner der NfO im AA während des Krieges. Otto-Günther von Wesendonk arbeitete von 1913 bis 1914 in der Gesandtschaft Tanger und der spätere Referatsleiter im AA Edmund Rhomberg war von 1911 bis 1912 als Legationssekretär in der gleichen Auslandsvertretung tätig.342 Darüber hinaus traf Schabinger von Schowingen, der 1902 als Dragomanatsaspirant in der Gesandtschaft Tanger angefangen hatte, auf Richard von Kühlmann, den späteren Botschafter in Istanbul (1916 bis 1917), der in der Gesandtschaft von 1904 bis 1905 tätig war.343 Auch Ernst Langwerth von Simmern, der später das Orient-Referat im AA leiten sollte, arbeitete von 1905 bis 1908 an der deutschen Gesandtschaft in Tanger.344 Da die deutschen Vertretungen in Marokko mit dem Kriegsausbruch schließen mussten, kamen die Akteure bei ihrer Rückkehr nach Deutschland zuweilen in Posten, die nichts mit ihrer regionalen Expertise zu tun hatten. Herbert Diel etwa war vor seiner Einstellung bei der NfO zunächst in der Abteilung III (Recht) des AA bei
338 Korrespondenz von Oppenheim mit von Wesendonk, Juli 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 339 Ebd. 340 Tabellarischer Überblick über Mitarbeiter des SOS, o.D. [kontinuiertlich aktualisiert], GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 1. 341 Schabinger von Schowingen 1967, S. 16. 342 Wesendonk, Otto-Günther von, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 5, Paderborn u.a. 2014, S. 256-258, hier: S. 257 und Rhomberg, Edmund, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 3, Paderborn u.a. 2008, S. 643-644, hier: S. 643. 343 Kühlmann, Richard von, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 2, Paderborn u.a. 2005, S. 684-685, hier: S. 684. 344 Langwerth-Simmern, Ernst von, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 3, Paderborn u.a. 2008, S. 23-24, hier: S. 23. Schabinger von Schowingen berichtet sehr negativ über dessen Tätigkeit in der Gesandtschaft. Schabinger von Schowingen 1967, S. 47-48.
3. Die Akteure
Geheimrat Bruno Wedding tätig.345 Die Tätigkeit in der Nachrichtenstelle kann aus der Perspektive des AA also als eine gewinnbringende Verwendung der Kenntnisse seiner Mitarbeiter gesehen werden. Marokko spielte indirekt auch für die Einstellung von Helmuth von Glasenapp (spätestens 03/1915)346 eine Rolle. Helmuth von Glasenapps Vater, Otto von Glasenapp, der 1906 als Finanzberater an der AlgecirasKonferenz teilnahm, hatte Schabinger von Schowingen dort kennengelernt.347 Es war letztlich der ebenfalls mit Otto von Glasenapp befreundete Staatssekretär im Reichskolonialministerium, Wilhelm Solf, der Max von Oppenheim den jungen Indologen empfahl.348 Eine weitere Auslandsvertretung, die einen Eintrittsknotenpunkt gerade der Arabischen Abteilung darstellte, war das deutsche Konsulat in Kairo. Max von Oppenheim und Curt Prüfer hatten dort vor dem Krieg gearbeitet, auch in enger Zusammenarbeit mit Bernhard Moritz, der zu diesem Zeitpunkt die KhedivialBibliothek in Kairo leitete. Über diesen Posten sind bereits vor dem Krieg Austauschbeziehungen mit Akteuren der ägyptischen Nationalbewegung entstanden. Des Weiteren arbeiteten Prüfer und von Oppenheim dort von 1906 bis 1908 mit dem späteren Botschafter in Istanbul (1917 bis 1918) Johann Heinrich von Bernstorff zusammen.349 Zudem leitete Paul Wolff Metternich, ebenfalls Botschafter in Istanbul (1915 bis 1916), das Generalkonsulat in Kairo von 1895 bis 1897 und war somit von Oppenheim übergeordnet. Darüber hinaus traf von Oppenheim in Kairo Edmund Rhomberg, den späteren Leiter des Referats für Abessinien, Afghanistan, Ägypten, England mit Besitzungen, Marokko, Persien und Portugal mit Besitzungen im AA. Romberg arbeitete von 1903 bis 1905 am deutschen Konsulat in Kairo und leitete es zwischen 1904 und 1905.350 Während des Krieges wurde er zu einem wichtigen Ansprechpartner der NfO. Während die Auslandsvertretungen in Marokko und Ägypten einen NfORekrutierungspool für Akteure darstellten, waren die deutschen Auslandsvertre345 Korrespondenz bzgl. Einstellung von Herbert Diel, Februar 1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. 346 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 24.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. Auf einer Gehaltsliste wird von Glasenapps Eintrittsdatum mit Juni 1915 angegeben. Gehaltsliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 23.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Dies scheint etwas spät, da er bereits ab März 1915 an Sitzungen der NfO teilnahm. 347 Glasenapp 1964, S. 23. 348 Ebd., S. 71. 349 Bernstorff, Johann Heinrich Graf von, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 1, Paderborn u.a. 2000, S. 131-132, hier: S. 132. 350 Rhomberg, Edmund, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 3, Paderborn u.a. 2008, S. 643644.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
tungen in der Schweiz ein Anknüpfungspunkt für Affiliierte der Nachrichtenstelle, der erst im Verlauf des Krieges eine Rolle spielte. Da sich eine nicht unbedeutende Zahl antikolonialer Akteure in Genf und Lausanne im Exil aufhielt, waren die entsprechenden Konsulate sowie die Gesandtschaft in Bern ein wichtiger Wegbereiter für die Kooperation mit der NfO. Erste Annäherungen zwischen Muhammad Farid (01/1915)351 , Muhammad Fahmi (01/1915)352 und ʿAli Shamsi (01/1915)353 mit Auslandsvertretungen erfolgten bereits im August 1914.354 Im Januar 1915 wollten Fahmi und Farid erstmals im AA vorstellig werden.355 Mansur Rifʿat hatte über die indischen Nationalisten Lala Har Dayal, Virendranath Chattopadhyaya und Chempakaraman Pillai Kontakt zu deutschen Behörden in der Schweiz geknüpft,356 musste die Schweiz jedoch im November 1914 verlassen und ging nach Lindau.357 Rifʿat trat kurz danach an die Nachrichtenstelle in Berlin heran und betätigte sich dort publizistisch für die Organisation. Die für die NfO wichtigsten deutschen Auslandsvertretungen hinsichtlich der Rekrutierung sowohl von Mitarbeitern als auch von Affiliierten befanden sich im Osmanischen Reich: die Botschaft in Istanbul und das Konsulat in Damaskus. Diese suchten bei Bedarf nach geeigneten Kandidaten für die Arbeit der Nachrichtenstelle. Muhammad al-Khidr Husayn (ca. 05/1915) kam etwa über Vermittlung des deutschen Konsulats in Damaskus nach Berlin, als von Oppenheim und alSharif nach Unterstützung suchten.358 Muhammad al-Rushdi (06/1917), der aufgrund einer Schussverletzung im deutschen Krankenhaus in Istanbul behandelt wurde, hatte vor seiner Zeit in Berlin bei der NfO-Filiale in Istanbul gearbeitet,359 wohin er durch eine Empfehlung von Curt Prüfer kam.360
351 Romberg an AA, 01.01.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21127. 352 Ebd. 353 ʿAli Shamsi kam kurz nach Farid und Fahmi im Januar 1915 nach Berlin, fühlte sich dort jedoch zunächst nicht angemessen empfangen. Bericht Jacoby über ʿAli Shamsi, 20.01.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21265. Eine engere Zusammenarbeit mit der NfO entwickelte sich erst im Laufe des Frühjahrs 1915. 354 Fahmi und Farid, dessen Name zunächst falsch geschrieben wurde, boten dem deutschen Generalkonsul in Genf Alfred Geissler an, die Sperrung des Suezkanals durch die Sprengung eines Schiffes zu organisieren. Dafür wollten sie Waffen oder Geld. Romberg an AA, 20.08.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21123. 355 Romberg an AA, 01.01.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21127. 356 Chempakaraman Pillai etwa empfahl der NfO-Filiale und der deutschen Auslandsvertretung in Bern einen Text von Rifʿat. Romberg an AA, 12.09.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21124. Rifʿat kannte die indischen Nationalisten aus seiner Zeit in Paris und Genf bei The Indian Sociologist. Khan 2011, S. 65. Har Dayal war ein enger Freund Rifʿats. Trefzger 1970, S. 37. 357 Höpp 1998, S. 55. 358 Von Wangenheim an AA, 18.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246. 359 Mittwoch an AA, 30.03.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. 360 Mittwoch an AA, 02.11.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507.
3. Die Akteure
Der Entente war durchaus bewusst, dass die deutsche Regierung über ihre Auslandsvertretungen Personen rekrutierte, die öffentliche Meinungen beeinflussen sollten. Wohl etwas zugespitzt beschrieb der Journalist Harry Stuermer, der ententefreundlich eingestellt war, den Prozess, wie sich Akteure vorstellten: »Da kommt so ein Mensch an, und fängt schüchtern und geheimnisvoll mit dem Botschaftsportier an; dann steigt er auf der Nebentreppe ins Souterrain hinunter, wo sich die Propaganda-Abteilung, der Nachrichtendienst, befindet; dort versichert er, er könne dies und jenes, und verspricht eine mohamedanische Bevölkerung zum Djihad aufzustacheln; dann hat er noch eine Zeit lang zu antichambrieren und wird endlich empfangen; aber das nächste Mal betritt er schon die Botschaft durch das teppichbelegte Hauptvestibül und verlangt den Botschaftsrat zu sprechen, und bald sehen wir ihn als Vertrauensmann der deutschen Botschaft in »Sondermission« reich ausgerüstet, mit irgend einer geheimnisvollen Bestimmung abdampfen.«361 Die deutschen Botschafter in Istanbul selbst waren über solche »Missionen« nicht erfreut. Richard von Kühlmann beschreibt in seiner Autobiografie, dass er ein starkes Befremden hinsichtlich dieser Unternehmungen empfunden habe.362 Eng mit den Aktivitäten der deutschen Botschaft in Istanbul verbunden waren die Bestrebungen des osmanischen Kriegsministeriums. Das von (Ismail) Enver Pascha geleitete Ministerium verfügte über einen eigenen massiven Propagandaapparat. Zu einem großen Teil führte die Organisation Teşkilat-ı Mahsusa die auf die arabischsprachigen Regionen des Reichs ausgerichtete Meinungsbeeinflussung mit islamischen Themen durch.363 Die arabische Sektion der TM, geleitet vom Tunesier ʿAli Bash Hamba,364 stand im regen Austausch mit dem proosmanischen arabischen Zirkel in Istanbul.365 ʿAbd al-ʿAziz Jawish und Salih al-Sharif al-Tunisi waren sowohl Mitglieder der TM als auch Teil des Zirkels.366 Da die Hohe Pforte mit der proosmanischen Propaganda eigene Interessen verfolgte, etwa die stärkere Bindung der arabischen Untertanen an Istanbul, empfahlen osmanische Stellen 361 Stuermer 1917, S. 120. 362 Kühlmann 1948, S. 458. 363 Philip H. Stoddard, The Ottoman Government and the Arabs: A Preliminary Study of the Teṣkilât-i Mahsusa, 1911-1918, Princeton 1963, S. 31-39. 364 ʿAli Bash Hamba leitete die gesamte TM ab Mai 1915. Polat Safi, The Ottoman Special Organization Teşkilat-ı Mahsusa: A Historical Assessment with particular Reference to its Operations against British Occupied Egypt, 1914-1916 [unpublizierte Dissertation], Ankara 2006, S. 236. Zur TM während des Ersten Weltkriegs s. Yücel Yiğit, The Teşkilat-ı Mahsusa and World War I, in: Middle East Critique 23/2 (2014), S. 157-174. Eine arabische Biografie Bash Hambas legte Al-Habib al-Janhani vor Al-Habib al-Janhani, Muhammad Bash Hamba, Tunis 1968. 365 Zu dem Zirkel s. Kap. 3.1.4 Kolonialerfahrung. 366 Stoddard 1963, S. 58. Philip Stoddard bezeichnet Jawish sogar als Leiter der TM-Zelle in Kairo, bevor dieser ins Istanbuler Exil ging. Stoddard 1963, S. 69.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
der deutschen Botschaft vor allem solche Akteure, mit denen die Regierung bereits vor dem Krieg Beziehungen geknüpft hatte und die proosmanische Positionen vertraten. Neben Jawish, Hamza – der als Gefolgsmann Jawishs galt –367 und al-Sharif368 stellten sich daher ʿAzzam (05/1918) und al-Khidr Husayn – beide Teil des proosmanischen arabischen Zirkels in Istanbul – als potenzielle Kandidaten bei der NfO vor. Muhammad Sadiq, der über gute Kontakte zu osmanischen Behörden verfügte,369 kam im Gefolge von ʿAli Pascha, einem Enkel von ʿAbd al-Qadir und Vizepräsident des osmanischen Parlaments,370 nach Berlin.371 Ahmad Mukhtar ʿAbd al-Qadir (Sommer 1916)372 kam daher möglicherweise über Muhammad Sadiq zur NfO; der Tunesier hatte den Besuch von ʿAbd al-Qadir in Berlin zumindest vorbereitet. ʿAli Bash Hamba beabsichtigte, in die Auswahl von Akteuren eingebunden zu werden, die in den Lagern für muslimische Gefangene Vorträge und Predigten hielten.373 Intern missbilligten die deutschen Behörden dies.374 Durch Empfehlungen und Einflussnahme auf die Personalpolitik der NfO versuchten das osmanische Kriegsministerium und die TM wohl, durch die gezielte Platzierung proosmanischer Akteure die Ausrichtung der deutschen Propaganda zu beeinflussen. Neben diesen Knotenpunkten kamen einige Akteure über individuelle Wege zur Nachrichtenstelle für den Orient. Der Journalist Max Adler (Frühjahr 1915) stellte sich mit einer Empfehlung des Leiters des Wolff’schen Telegraphen Bureaus Heinrich Mantler bei der NfO vor.375 Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl (06/1915)376 wurde bei Schabinger von Schowingen mit einer Empfehlung von Oberstleutnant Martius (Frobenius-Mission) vorstellig.377 Abu l-Fadl nahm 1916 an der Mission von Othmar von Stotzingen teil und arbeitete danach auf Empfehlung des deutschen Botschafters in Istanbul wieder für die NfO.378 Es ist nicht auszuschließen, dass Abu l-Fadl 367 Von Wesendonk an von Hülsen, 09.11.1916 und 12.11.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. 368 Von Oppenheim an AA, 06.06.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21134. 369 Von Oppenheim an AA, 23.03.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21130. 370 Charles-Robert Ageron, Les Algériens musulmans et la France, 1871-1919, Paris 1968, S. 1180. 371 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 14.06.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21247. Es ist davon auszugehen, dass sich Sadiq und al-Sharif bereits vor dem Krieg kannten, da die Familie des Letzteren ebenfalls zum engeren Kreis um ʿAli Pascha gehörte. Heine 1982b, S. 90. 372 Mittwoch an von Wesendonk, 14.06.1916, PA AA, Türkei Nr. 159, Nr. 4, R 13811. 373 Wolff Metternich an AA, 14.06.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21258. 374 Wolff Metternich an AA, 16.07.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21258. 375 Von Oppenheim an Schüler, 11.12.1914, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 376 Gehaltsliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 23.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 377 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246. Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl war auch Teilnehmer der Frobenius-Mission. Da Riva 2009, S. 5960. 378 Wolff Metternich an AA, 20.08.1916, PA AA, Türkei Nr. 165, R 13878.
3. Die Akteure
zu dem proosmanischen Zirkel gehörte.379 Barukh Jurji Salim (07/1915)380 wandte sich auf den Vorschlag des Türkei-Kenners Ernst Jäckh hin an die NfO.381 Rabah Bukabuya (11/1915) kam über die Gefangenenlager und wahrscheinlich über Rudolf Nadolny zur Nachrichtenstelle.382 Max Rudolf Kaufmann (10/1915)383 arbeitete vor der NfO beim Osmanischen Lloyd, dessen stellvertretender Chefredakteur Friedrich Schrader Beiträge für den Neuen Orient verfasste. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Kaufmann über seine vorherige Tätigkeit Kenntnisse von der Nachrichtenstelle hatte. Der Schweizer war zunächst bei der Filiale in Istanbul tätig.384 Erst 1916 kam er endgültig nach Berlin,385 hatte sich jedoch bereits im Herbst 1915 Schabinger von Schowingen als Mitarbeiter angeboten.386 Empfohlen wurde er Schabinger von Schowingen durch eine ungenannte Person im AA.387 Friedrich Perzyński (September oder Oktober 1915)388 fand wahrscheinlich über seinen langjährigen Bekannten Herbert Mueller (09/1914)389 zur Nachrichtenstelle.390 Bei einigen Mit-
379 Höpp 1991, S. 833. 380 Gehaltsliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 23.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 381 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Salim hatte sich vor Schabinger von Schowingens Urlaub im Juli 1915 diesem vorgestellt. Da der zweite Leiter schreibt, dass Salim kurz vor dessen Urlaub begonnen hat, für die NfO zu arbeiten, ist der Juli als spätester Arbeitsbeginn Salims anzunehmen. 382 Korrespondenz zwischen Schabinger von Schowingen und Nadolny bzgl. Einstellung Rabah Bukabuya, Oktober 1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21251. 383 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 06.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. 384 In einem Schweizer Bericht von 1919 wird behauptet, Kaufmann sei bereits kurz nach Kriegsausbruch in Istanbul für Propagandatätigkeiten herangezogen worden. La Section de Renseignements de l’Etat-Major général de l’Armée suisse au Département politique: Bericht über eine Unterredung mit Kaufmann-Merkle, 30.01.1919, Schweizerisches Bundesarchiv (Digitale Amtsdruckschriften), Diplomatische Dokumente der Schweiz 7a, 146. 385 Kaufmann 1962, S. 237. Kaufmann wurde als ausländischer Spion bezeichnet und kam kurzzeitig in ein osmanisches Gefängnis. Nach seiner Entlassung ging er nach Deutschland. Kaufmann 1962, S. 240. 386 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 06.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. 387 Zwischenbericht Schabinger von Schowingen an von Oppenheim, 05.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 388 Von Wesendonk an AA, September 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. Perzyński wurde erstmals im Oktober 1915 vom Militärdienst freigestellt. AA an Stellvertretendes Generalkommando II. Armeekorps Stettin, 25.11.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. 389 Gehaltsliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 23.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 390 Walravens erwähnt in seiner biografischen Skizze Perzyńskis kurz die Freundschaft zwischen den beiden späteren NfO-Akteuren. Walravens 2005, S. 11. Die Freundschaft erwähnt auch von Glasenapp. Glasenapp 1964, S. 71.
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arbeitern und Affiliierten lässt sich der Weg zur NfO nicht rekonstruieren: etwa bei Muhammad al-Sharqawi, Heinrich Jacoby (ca. 03/1915) und Willy Haas (07/1916)391 .
3.2.2
Motivationen für die Zusammenarbeit
Die Akteure, die später für die Nachrichtenstelle für den Orient arbeiten sollten, erfüllten die Voraussetzungen, die aus Sicht der NfO-Leiter für eine Mitwirkung nötig waren. Wie kam es jedoch dazu, dass Akteure mit uneinheitlichen biografischen Hintergründen selbst aktiv auf die Nachrichtenstelle für den Orient zugingen? Was waren ihre Beweggründe und was erhofften sie sich davon? Generell lässt sich sagen, dass es verschiedene Motivationen geben kann, die Akteure zur Mitgliedschaft in einer Organisation bewegen: Neben Geld, Zwang, Zweckidentifikation, Handlungsattraktivität und Kollegialität sind Prestige, Macht und Karriere mögliche Faktoren.392 An dieser Stelle werden die Ziele der Akteure und Akteursgruppen möglichst individuell beleuchtet und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede herausgearbeitet. Die zentralen Motivationen für die Zusammenarbeit mit der NfO war der Wunsch, die eigene finanzielle Situation zu verbessern, eine Plattform für die Artikulation politischer Ansichten zu finden und die eigene Karriere zu fördern. Zwar überlappten sich die Motivationen bei einigen Akteuren, an dieser Stelle soll jedoch keineswegs eine Homogenität der Interessen postuliert werden. Politische Ambitionen oder finanzielle Unterstützung durch die Nachrichtenstelle spielten nicht für alle Akteure eine Rolle. Die unterschiedlichen Motivationen unterstützen die These, dass die Nachrichtenstelle in erster Linie eine Plattform war, die Akteure mit unterschiedlichen Interessen vor allem für ihre eigenen Zwecke nutzten. Die hier dargestellten Motivationen sind sowohl aus Archivquellen als auch aus den Publikationen sowie anhand einer Interpretation der Lebensläufe erhoben worden. Das generelle Problem der Analyse von ziel- und publikumszentrierten Texten und Aktivitäten, die der Meinungsbeeinflussung dienen, zeigt sich hier besonders, da eine klar erkennbare Motivation nicht immer exakt zu bestimmen ist, sondern aus den Quellen abgeleitet werden muss.
Finanzen Der erste – und wohl naheliegendste – Grund für die unterschiedlichen NfOAkteure, sich bei der Nachrichtenstelle zu engagieren, war die materielle Entlohnung für die Tätigkeiten bei der Organisation.393 Bereits die Aussicht auf eine 391 Mittwoch an AA, 25.02.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1506. 392 Kühl 2011, S. 49 und S. 61. 393 Die vorliegende Darstellung basiert u.a. auf zwei kompletten Gehaltslisten (von 1916 und 1917), die in den Akten des AA vorhanden sind. Gehaltsliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 23.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504 und Mittwoch an AA, 18.10.1917, PA AA,
3. Die Akteure
finanzielle Vergütung kann einen Anreiz zur Mitarbeit darstellen.394 Die Akteure erhielten entweder ein reguläres Gehalt oder Unterstützung für einzelne Projekte, wie Reisen und die Erstellung von Publikationen. Finanzielle und logistische Hilfe war daher für einen Teil der Mitarbeiter und Affiliierten unverzichtbar. Nur ein Teil der NfO-Akteure bezog ein festes Gehalt.395 War ein Mitarbeiter offiziell bei einer anderen deutschen staatlichen Stelle beschäftigt, erhielt er seine monatlichen Zahlungen in der Regel von dort. Eugen Mittwoch konnte als Leiter der NfO nur auf sein Professorengehalt von der Universität Greifswald zurückgreifen,396 die ihn 1917 zum ordentlichen Professor ernannt, ihn aber gleichzeitig für seine Tätigkeiten an der NfO berurlaubt hatte.397 Anhand von Gehaltslisten lässt sich nachvollziehen, welche Akteure ohne alternative feste (staatliche) Anstellung reguläre Remunerationen bezogen. Im Jahr 1916 erhielt Herbert Mueller 300 Mark, Helmuth von Glasenapp 100 Mark, Sayyid Abu l-Fadl 200 Mark,398 Barukh Jurji Salim 200 Mark und Ahmad Wali 200 Mark.399 Im darauffolgenden Jahr erhielt Mueller 400 Mark, von Glasenapp 200 Mark, Salim 350 Mark und Wali 400 Mark.400 Mansur Rifʿat erhielt zunächst 50 Mark wöchentlich »als Darlehen«, wobei von Wesendonk davon ausging, dass dies nie zurückgezahlt werde.401 Zum Vergleich: Regulär angestellte Personen im AA, wie von Wesendonk, der zunächst Legationssekretär, dann -rat war, erhielten geringfügig höhere Beträge als der Spitzensatz von NfO-Mitarbeitern (600 Mark).402 Im Jahr 1912 erhielt ein Legationssekretär monatlich 450 Mark, ein Legationsrat 650 Mark.403 Walther Schroeder erhielt während seines Kommissoriums in Marrakesch im Frühjahr 1914 375 Mark,404 Herbert Diel
394 395 396 397 398 399
400 401 402
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Deutschland Nr. 126g, R 1507. Darüber hinaus wurden die in den Akten verstreut zu findenden restlichen gezahlten regulären Gelder und Zuschüsse hinzugezogen. Verträge zwischen der NfO bzw. dem AA und NfO-Mitarbeitern wurden keine gefunden. Kühl 2011, S. 55. Schabinger von Schowingen an AA, 29.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. Von Wesendonk an Universität Greifswald, 27.10.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. Littmann 1945-1949, S. 144. Ein Jahr zuvor hatte Abu l-Fadl noch 150 Mark erhalten. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. Gehaltsliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 23.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. Im Jahr 1915 hatte Salim noch 150 Mark erhalten. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Mittwoch an AA, 18.10.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. Von Wesendonk an AA, 14.03.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21130. Der höchste gefundene Betrag, der NfO-Mitarbeitern in den Jahren 1916 und 1917 (Max Rudolf Kaufmannn und Rudolf Fitzner) monatlich gezahlt wurde, war 600 Mark. Für Fitzner s. Von Wesendonk an AA, 28.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1522, für Kaufmann s. Kaufmann an Zimmermann, 29.12.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1526. Cecil 1976, S. 46. Von Seckendorff an Moraht, 06.02.1914, PA AA, P 13, PersA Walther Schroeder in Marrakesch ohne Bandnummer.
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während seiner Tätigkeit in Casablanca im Jahr 1911 360 Mark und im Jahr 1912 416 Mark.405 Während die Bezahlung der Gehälter der Berliner Mitarbeiter der NfO durch die Legationskasse des AA erfolgte, wickelte in der Schweiz der dortige NfO-Mann und Leiter der Persischen Teppich AG (PETAG) Heinrich Jacoby finanzielle Fragen ab. Muhammad Fahmi erhielt dadurch ebenso sein Gehalt (400 Mark)406 wie Muhammad Sadiq.407 Eine weitere finanzielle Erleichterung versuchte Zimmermann zu erwirken, der im Reichsschatzamt darum bat, nichtdeutsche NfO-Mitarbeiter von der Einkommenssteuer zu befreien.408 Aufgrund der uneinheitlichen Gehälter gerade auch der deutschen Akteure ist also mitnichten Herbert L. Müller zuzustimmen, der schreibt, dass nichtdeutsche Mitarbeiter generell weniger Geld erhalten hätten als deutsche.409 Zwar bezeichnete Schabinger von Schowingen in einem Schreiben die Summe von 400 Mark als Remuneration für nichtdeutsche Akteure als »exorbitant«410 , die finanzielle Vergütung richtete sich jedoch letztlich nach dem Aufgabenbereich, der erbrachten Leistung der Akteure sowie deren Prestige. Akteure, die v.a. Büro- und Verwaltungsaufgaben durchführten, erhielten geringere Gelder als solche, die auch in inhaltliche Arbeit mit leitender Funktion eingebunden waren. Daher erhielt Helmuth von Glasenapp 1916 lediglich 100 Mark, Herbert Mueller hingegen die dreifache Summe. Mitarbeiter, die als fleißig wahrgenommen wurden, erhielten für ihr Engagement eine entsprechende Entlohnung. Als Rabah Bukabuya um eine Erhöhung seiner Vergütung auf 300 Mark bat, wurde ihm dies bewilligt, da Mittwoch ihm Fleiß bescheinigte.411 Als ʿAli al-ʿInani mit der gleichen Bitte auf den Leiter der Nachrichtenstelle zukam, verwehrte Mittwoch ihm dies, da er seine Arbeitsleistung als zu gering erachtete.412 Kurios wirkt dagegen eine Diskussion darüber, ob Salih alSharif al-Tunisi überhaupt Geld erhalten sollte: Aufgrund seiner gehobenen Stellung als muslimischer Geistlicher und osmanischer Vertrauensmann befürchteten deutsche NfO- und AA-Mitarbeiter, er könne sich durch das Angebot, ein Gehalt zu beziehen, beleidigt fühlen.413 Es gab auch immer wieder Versuche, die verschiedenen Gehälter der nichtdeutschen Akteure zu vereinheitlichen. So wurde vorgeschlagen, dass alle nicht405 Von Seckendorff an Maenss, 15.08.1911, PA AA, P 13, PersA Herbert Diel 396 und Matthieu an Maenss, 31.12.1912, PA AA, P 13, PersA Herbert Diel 397. 406 Von Wesendonk an Gesandtschaft Bern, 22.05.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21268. 407 Romberg an AA, 22.05.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21268. 408 Zimmermann an Staatssekretär in Reichsschatzamt, 22.09.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. 409 Müller 1991, S. 269. 410 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 31.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246. 411 Mittwoch an AA, Juli 1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1510. 412 Schabinger von Schowingen an AA, 10.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. 413 Von Wesendonk an AA, April 1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21130.
3. Die Akteure
deutschen Akteure, die in den Gefangenenlagern Vorträge und Predigten hielten, monatlich 300 Mark erhalten sollten.414 Zuvor hatten Sadiq und al-Sharif 400 Mark erhalten und die Kosten für Verpflegung sowie Unterkunft zurückerstattet bekommen. Abu l-ʿArabi und Bukabuya hingegen erhielten nur eine Erstattung der Unkosten. Für die einen sollte das Gehalt nun angehoben, für die anderen abgesenkt werden.415 Mit dieser Finanzhilfe reihte sich die NfO in eine übliche Praxis während des Krieges ein: Antikoloniale Akteure in ganz Europa erhielten materielle Unterstützung von lokalen Behörden – sowohl in neutralen als auch in aktiv involvierten Staaten.416 Es verwundert daher auch nicht, dass der Entente bekannt war, dass solche Akteure von deutscher Seite Unterstützung erhielten.417 Die monetäre Abhängigkeit vieler nichtdeutscher Akteure nahm im Laufe des Krieges zu.418 Einzelne Personen, wie Muhammad Farid und ʿAli al-ʿInani,419 hatten aufgrund des Krieges beispielsweise keine Möglichkeit, an Gelder aus ihren Heimatländern zu kommen. Insgesamt waren die Akteure finanziell sehr unterschiedlich aufgestellt. Dies lag nicht nur an der ungleichen Vergütung durch die NfO. Einige Akteure konnten auf alternative Geldquellen zurückgreifen. Während einige Mitarbeiter, wie eingangs beschrieben, ihr reguläres Gehalt von deutschen amtlichen Stellen weiterbezogen, so auch Muhammad Abu l-ʿArabi vom SOS,420 erhielten andere monetäre Unterstützung durch die Hohe Pforte. Dies galt vor allem für jene Akteure, die vor dem Krieg Kontakt mit osmanischen Behörden geknüpft hatten. Dazu zählten etwa Sadiq und al-Sharif.421 ʿAbd al-ʿAziz Jawish erhielt ebenfalls Geld vom osmanischen Kriegsministerium,422 wobei die Höhe umstritten war.423 In jedem Fall war es genug, um dem Ägypter einen Aufenthalt im Hotel Esplanade zu ermöglichen, ohne dabei auf deutsche Gelder angewiesen zu sein.424 Aber auch andere nichtdeutsche,
414 415 416 417
418 419 420 421 422 423
424
Graetsch an AA, 06.03.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21254. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 31.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246. Brückenhaus 2010, S. 533. Ein Beitrag etwa im Korrespondenzblatt thematisiert den Umstand, dass in der profranzösischen Depêche Marocaine Deutschland vorgeworfen wird, dass Allianzen mit Geld erkauft werden, obwohl Frankreich dies ebenso tue. Zweierlei Maß, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/6 (27.10.1915), S. 31. Fischer 1964, S. 159. Von Wesendonk an AA, 06.03.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21129. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 31.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21246. Ebd. Von Radowitz an AA, 07.10.1916, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9,2, R 14570. In einem Schreiben ist von 1.000 Mark monatlich die Rede. von Wesendonk an AA, 19.10.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21136. Jawishs Biograf al-Jundi schreibt, Jawish habe von Enver Pascha für alle Ägypter in Berlin Geld erhalten, was er verwaltet und verteilt habe. Al-Jundi 1965, S. 132. Von Wesendonk an AA, 10.06.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21247.
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arabischsprachige Akteure, die zuvor keine engen oder keine bekannten Kooperationsbeziehungen zu osmanischen Akteuren hatten, erhielten zeitweise Gelder: Mansur Rifʿat (20 Lira), Wali und al-ʿInani (je 10 Lira).425 Auch ʿAli Shamsi426 und Muhammad Farid427 erhielten trotz ihrer ambivalenten Haltung zur Hohen Pforte Geld. Der in der Schweiz lebende, ebenfalls antikolonial aktive Ismaʿil Labib unterstützte seinen Bruder Mansur Rifʿat nach dessen Ausweisung.428 Jene Akteure, die nicht auf massive andere Quellen zurückgreifen konnten, bemühten sich in der Regel im Laufe des Krieges um eine Aufstockung. Max R. Kaufmann versuchte, sein Gehalt von 400 Mark auf 800 Mark zu steigern. Letztlich erhielt er 600 Mark.429 Auch Muhammad al-Khidr Husayn bat um eine Gehaltserhöhung auf 500 Mark, die er erhielt.430 In beiden Fällen befürwortete Mittwoch gegenüber dem AA die Erhöhung und verwies auf den positiven Beitrag der Akteure zur Tätigkeit der Nachrichtenstelle. Hatten jedoch die Leiter der NfO oder von Wesendonk im AA den Eindruck, dass die Arbeit der Akteure den deutschen Propagandatätigkeiten nichts bringen würde, versuchten sie, die Zusammenarbeit auf ein Minimum zu reduzieren oder gar gänzlich zu beenden: »Angesichts der […] ständigen Geldnot der Egypter [in der Schweiz, SK] ist es erwünscht, diese möglichst von Deutschland fernzuhalten, wo sie uns auf die Dauer doch nur Unkosten verursachen ohne etwas Positives zu leisten.«431 Die Geldfragen führten letztlich zu Spannungen, da die NfO-Leiter und von Wesendonk die materielle Unterstützung gezielt als Druckmittel einsetzten. Als Mansur Rifʿat sich beschwerte, dass das AA ihm ausgegebene Gelder nicht ersetzen wollte, notierte von Wesendonk in einem Schreiben an Mittwoch handschriftlich lapidar: »Dr. R. scheint wieder einmal einen seiner Anfälle zu haben. Sobald er sich beruhigt, wird er wohl wieder zur Nachr.stelle [Nachrichtenstelle, SK] zurückkehren, da mit seinem Ausscheiden auch die Zahlung einer Unterstützung aufhören würde.«432
Ideologie Eine weitere bedeutende Motivation, welche einen Teil der Akteure zur Arbeit für die Nachrichtenstelle für den Orient bewegt hat, war es, die Organisation und ihre
425 Von Wesendonk an Gesandtschaft Bern, 02.01.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1506. 426 Romberg an AA, 06.12.1917, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21278. 427 Farid wurde seitens des AA für die Teilnahme an einer antikolonialen Konferenz in Stockholm Geld verweigert. Finanzielle Unterstützung holte er sich daher vom Osmanischen Reich. Farid/Goldschmidt 1992, S. 430. 428 Ismail Labib an Mansur Rifʿat, 09.03.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21268. 429 Kaufmann an Zimmermann, 29.12.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1526. 430 Mittwoch an AA, 25.08.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21250. 431 Von Wesendonk an Gesandtschaft Bern, 25.01.1918, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21140. 432 Randnotiz von Wesendonk, Juli 1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21134.
3. Die Akteure
Organe als Plattform zu nutzen, um ihre eigenen politischen Ziele zu erreichen.433 Die publizierenden Mitarbeiter und Affiliierten der Arabischen Abteilung wurden bereits während ihrer Tätigkeiten und der gemachten Erfahrungen vor dem Krieg politisiert. Dabei standen zwei Formen nationalistischer Denkweisen im Mittelpunkt: Antikolonialismus und Patriotismus. Einerseits suchten die NfO-Leiter gezielt nach Akteuren mit antikolonialer Einstellung. Die publizierenden nichtdeutschen, arabischsprachigen NfO-Akteure mit dieser Einstellung hingegen suchten nach einer Plattform, um ihren Ideen Ausdruck zu verleihen. Für diese Gruppe stand die Loslösung von Fremdherrschaft im Mittelpunkt. Die Frage dabei war, was die politisch motivierten Akteure als »fremd« verstanden. Die proosmanischen Akteure nahmen lediglich die europäischen Staaten als Kolonialmacht wahr, für die anderen nichtdeutschen Akteure war auch die Rolle des Osmanischen Reichs in der Zukunft der jeweiligen Herkunftsländer umstritten. Für die ägyptischen Akteure war zudem noch der im Dezember 1914 von den Briten abgesetzte Khedive Abbas Hilmi II. und dessen eventuelle Wiedereinsetzung ein wichtiger Referenzpunkt. Muhammad Farid sprach sich klar für die Unabhängigkeit Ägyptens aus, auch von der Hohen Pforte. Abbas Hilmi II. unterstützte er.434 Zu Kriegsbeginn hatte er gehofft, dass das Deutsche Reich auf das Osmanische Reich einwirken und sich dafür einsetzen würde, dass keinerlei koloniale Ambitionen in Bezug auf Ägypten entstünden.435 Nachdem im Kriegsverlauf klar wurde, dass das Deutsche Reich und insbesondere das AA wenig für die tatsächliche Unabhängigkeit Ägyptens unternehmen würde, kamen bei Farid massive Zweifel auf, sodass sein Verhältnis zu Deutschland spätestens 1918 massiv gestört war.436 Seine anfänglich guten Beziehungen zu osmanischen Akteuren verschlechterten sich.437 Eine ähnliche Position vertraten ʿAli Shamsi und Muhammad Fahmi, die sich im Dunstkreis Farids bewegten.438 Shamsi, den Marc Trefzger zu den gemäßigten Nationalisten zählt,439 forderte die Unabhängigkeit seines Herkunftslandes von sämtlichen Mächten (»[…] de n’importe quelle puissance […]«440 ). Auch Fahmi war hinsichtlich des Osmani433 Bei einigen Akteuren, wie Salim, Wali, Diel, Schroeder oder Moritz, ist nichts über mögliche politische Motivationen bekannt. 434 Donald M. McKale, Influence without Power: The Last Khedive of Egypt and the Great Powers, 1914-18, in: Middle Eastern Studies 33/1 (1997a), S. 20-39, hier: S. 25. 435 Raouf Abbas Hamed, Germany and the Egyptian Nationalist Movement, 1882-1918, in: Die Welt des Islams 28/1-4 (1988), S. 11-24, hier: S. 18. 436 Ebd., S. 21-22. 437 Jankowski 1980, S. 239. 438 Nach dem Krieg waren Shamsi und Fahmi einer befristeten internationalen Aufsicht über Ägypten wohl jedoch tendenziell nicht abgeneigt. Montgelas an AA, 10.01.1919, PA AA, RAV Bern 666. 439 Trefzger 1970, S. 87. 440 ʿAli Shamsi, L’Égypte et le droit des peuples, Genf 1918, S. 13.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
schen und des Deutschen Reichs eher skeptisch.441 Er wünschte sich vom Osmanischen Reich und von Deutschland Garantien, dass die Unabhängigkeit Ägyptens gewahrt werde und dass die Länder keine kolonialen Ambitionen hätten.442 Darüber hinaus war er für eine Wiedereinsetzung von Abbas Hilmi II.443 In seiner Broschüre La question d’Égypte schrieb er, Ägypten sei grundsätzlich auf der Seite des Osmanischen Reichs, um sich gegen Großbritannien zu schützen, sprach aber auch eine Drohung aus: »Il [le gouvernement turc, SK] sait aussi que le jour où la Turquie voudrait supprimer l’autonomie de l’Égypte et prendre la place de l’Angleterre, la sympathie des Égyptiens se changerait en haine. Nous croyons que le gouvernement jeune-turc a assez de sens politique pour ne pas commettre une telle faute.«444 ʿAbd al-Rahman ʿAzzam bewegte sich ebenfalls im Umfeld von Muhammad Farid, war von seiner Einstellung her jedoch etwas stärker der Hohen Pforte zugeneigt. Bis kurz vor Kriegsende pflegte er Umgang mit Enver Pascha und reiste noch 1917 auf dessen Geheiß nach Berlin.445 Es waren schließlich die zunehmenden Berichte über das militärische Scheitern des Osmanischen Reichs, die dazu führten, dass sich ʿAzzam wie viele seiner Landsleute vom erhofften Partner Ägyptens abwandte.446 Eine gänzlich andere Position vertraten ʿAbd al-ʿAziz Jawish, ʿAbd al-Malik Hamza, Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, Muhammad al-Khidr Husayn und Salih alSharif al-Tunisi. Jawish wird häufig als klar proosmanischer bzw. »panislamischer« Aktivist gesehen.447 Anhand seiner deutschen Texte wie »Ägypten und der Krieg« lässt sich ein differenziertes Bild seiner proosmanischen Haltung zeichnen,448 die sich fernab von einer eindeutigen Forderung osmanischer Herrschaft in Ägypten bewegt. Dennoch war er im Vergleich zu den soeben genannten Akteuren viel stärker an einem osmanischen Engagement in Ägypten interessiert. Zudem hatte Jawish ein schwieriges Verhältnis zu Abbas Hilmi II,449 das sich mit dem generell angespannten Verhältnis des Ex-Khediven zu Enver Pascha deckt.450 Die Position von
441 442 443 444 445 446 447 448
Sinno 2006, S. 403. Rathmann 1974, S. 8. Ebd. Fahmi 1917, S. 47. Coury 1998, S. 124-126. Ebd., S. 127-129. Sinno 2006, S. 402. ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Ägypten und der Krieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/156 (1916), S. 32-40. 449 McKale 1997a, S. 25. Abbas Hilmi II. unterstellte Jawish, dass seine Anhänger an einem Attentatsversuch gegen ihn beteiligt gewesen seien. Von Jawishs Verstrickungen in diesen Vorfall waren auch die Briten überzeugt. Storrs 1937, S. 144-145. 450 McKale 1997a, S. 26.
3. Die Akteure
ʿAbd al-Malik Hamza ist von seinem Lehrer Jawish nicht zu unterscheiden. Auch er betonte massiv die Bedeutung des Osmanischen Reichs für die Zukunft der »islamischen Welt«. Das Gleiche gilt für Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl.451 Salih al-Sharif äußerte seine proosmanische Haltung klar und wollte für Tunesien und Algerien eine osmanische Herrschaft mit regionaler Teilautonomie.452 Auch Muhammad al-Khidr Husayn betonte in seinen Predigten vor den arabischen Muslimen in den Gefangenenlagern nicht nur die religiöse, sondern auch die politische Bedeutung des Osmanischen Reichs.453 Für die tunesisch-algerischen, proosmanischen Akteure waren die beiden heute getrennten Länder eine gemeinsame Region,454 deren politische Zukunft stets zusammen gedacht wurde. Zwischen den ägyptischen Akteuren mit divergierenden Perspektiven auf die Rolle der Hohen Pforte gab es jedoch auch immer wieder Konsolidierungsversuche. Farid und Jawish ließen ihre Meinungsverschiedenheiten ab 1917 nicht mehr offen eskalieren.455 Gewissermaßen isoliert mit ihren Ansichten waren Rabah Bukabuya und Mansur Rifʿat. Zwar erwähnte Bukabuya in einem Vortrag, den er im November vor einem deutschen Publikum hielt, das generelle Wohlwollen der algerischen Bevölkerung hinsichtlich des Osmanischen Reichs,456 in seiner Broschüre L’Islam dans l’armée française spielte die Hohe Pforte hingegen keine Rolle.457 Mansur Rifʿat hingegen richtete sich in seinem Handeln und seinem Schreiben sowohl gegen das Osmanische Reich als auch gegen den Ex-Khediven Abbas Hilmi II.458 Letztlich war Mansur Rifʿat, da er sich sowohl mit anderen antikolonialen als auch mit deutschen und osmanischen Zeitgenossen zerstritten hatte, am Ende des Krieges auf sich alleine gestellt.459 Die Fraktionen, Streitigkeiten und punktuellen Annäherungen der nichtdeutschen, arabischsprachigen Aktivisten – etwa zwischen Farid und Jawish ab dem Jahr 1917 –460 während ihrer Tätigkeit bei der Organisation waren den NfO-Leitern 451 Höpp 1991, S. 833. 452 Vor allem in: Salih al-Sharif, Frankreich und Tunesien, in: Der Neue Orient 2/4-5 (05.06.1918), S. 188-192. S. auch Heine 1982b, S. 92-93 und Höpp 1991, S. 836. 453 Khutbat al-Ustadh al-Shaykh Muhammad al-Khidr [Die Predigt von Muhammad al-Khidr], in: El Dschihad 7 (20.05.1915), S. 1. 454 Al-Sahili 1984, S. 188. 455 Mehr dazu in Kap. 3.3.2 Konflikte und Asymmetrien. 456 Rabah Bukabuya, Kriegseindrücke eines mohammedanischen Offiziers der französischen Armee, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.11.1915. 457 Ders. 1915. Die Broschüre erschien dennoch in Istanbul. 458 Sinno 2006, S. 404, Rathmann 1974, S. 6-7 und Höpp 1991, S. 831-832. Interessanterweise widmet Rifʿat die erste französische Version einer Broschüre dennoch Abbas Hilmi II. Mansur Rifʿat, Un verdict sur l’Angleterre : L’Égypte et la Belgique, deux dates, 1882-1914, Berlin 1915c. Die Streitigkeiten mit dem Ex-Khediven eskalierten wohl erst im Laufe des Kriegs. 459 Höpp 1998, S. 58. 460 Farid hatte bereits vor dem Krieg mit Jawish immer wieder über die Rolle der Hohen Pforte in Ägypten gestritten. Jankowski 1980, S. 239.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
bekannt; in verschiedenen Zusammenhängen wurden darüber im AA Berichte angefertigt.461 Die verschiedenen deutschen Auslandsvertretungen in der Schweiz, wo einige Exilägypter lebten, in Wien, wo der Ex-Khedive residierte, sowie in Istanbul, wo die deutschen mit den osmanischen Behörden Kontakt hielten, und die AA-Zentrale in Berlin und damit auch die NfO tauschten sich regelmäßig über die Verhältnisse der antikolonialen Aktivisten aus. Aber auch einige der publizierenden und sich in leitenden Positionen befindenden deutschen Akteure hatten politische Motivationen in Form von Nationalismus und Patriotismus; zumindest bedienten sie sich dieses Narrativs in ihren Ego-Dokumenten.462 Zudem schrieb Schabinger von Schowingen an das AA, dass einer der Hauptgründe für die Zusammenarbeit mit der NfO für die deutschen Mitarbeiter ihr Patriotismus sei.463 Die Tätigkeit für die NfO war für viele der deutschen Akteure eine Form des Kriegsdienstes: Die eigenen Kompetenzen konnten für das »Vaterland« gewinnbringend eingesetzt werden. Aus diesem Grund gingen Enno Littmann und Helmuth von Glasenapp bereits 1914 von sich aus auf das AA zu. Von Glasenapp schrieb in seinen Memoiren, er habe den Wunsch gehabt, sich »einer kriegswichtigen Beschäftigung zuzuwenden«464 . Auch Littmann stellte sich dem AA »zur völligen Verfügung«465 . Selbst der Gründer der Nachrichtenstelle, war er doch bereits in seiner Zeit in Kairo von Patriotismus erfüllt,466 trug mit eben diesem Gefühl seine Idee für die Einrichtung der Organisation im AA vor.467 Sein Nachfolger, Schabinger von Schowingen, sah die Mitarbeit in der NfO als eine »vaterländische Betätigung«468 . Eugen Mittwoch erklärte Deutschlands Kampf zur heiligen Pflicht: »Ein heiliger Krieg ist es, zu dem Deutschlands waffenfähige Söhne im Sommer dieses Jahres in beispielloser Begeisterung hinausgezogen sind. Mit Fug und Recht: Ein heiliger Kampf.«469 Herbert Mueller betonte ebenfalls, dass er sich beim Kriegsausbruch als Kriegsfreiwilliger gemeldet habe, »um eventuell noch schneller an die Front zu kommen […]«470 . Die Arbeit für die NfO als Form des Kriegsdienstes war jedoch nicht unbedingt uneigennützig. Die Tätigkeit war auch eine Möglichkeit, dem Dienst an der Waffe zu entgehen, da sich die Leiter der Nachrichtenstelle regelmäßig bei den 461 Ein Beispiel aus der Schweiz: Montgelas an AA, 10.01.1919, PA AA, RAV Bern 666. 462 Über die politische Einstellung von Schroeder, Diel, Pröbster und Moritz etwa lässt sich in den Quellen hingegen nichts finden. 463 Schabinger von Schowingen an AA, 29.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501 464 Glasenapp 1964, S. 71. 465 Littmann an AA, 06.08.1914, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 91. 466 Teichmann 2003, S. 33. 467 Ebd., S. 70. 468 Schabinger von Schowingen an AA, 29.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 469 Eugen Mittwoch, Deutschland, die Türkei und der Heilige Krieg, Berlin 1914, S. 3. 470 Mueller an von Wesendonk, 05.09.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505.
3. Die Akteure
zuständigen militärischen Behörden für eine Befreiung vom Militärdienst für die dienstpflichtigen Akteure einsetzten. Schabinger von Schowingen schreibt in seinen Memoiren, dass die Androhung, die Zurückstellung nicht zu beantragen, der einzig probate Mechanismus zur Disziplinierung der deutschen Mitarbeiter gewesen sei.471 Hier ist Oberhaus zuzustimmen, welcher der Ansicht ist, dass diese Form der Disziplinierung eher unwahrscheinlich war.472 In den Akten sind solche Maßnahmen nicht dokumentiert; die Freistellung sämtlicher deutscher Akteure wurde regelmäßig beantragt und es fällt kein Ausscheiden eines deutschen Mitarbeiters mit dem Fehlen eines solchen Schreibens zusammen. Jedoch war die Tätigkeit bei einer Organisation wie der NfO nicht unbedingt mit sozialer Attraktivität oder Prestige verbunden. Stellen bei Propagandaorganisationen und geheimdienstliche Tätigkeiten wurden als »Drückebergerposten« gesehen.473 Diese Positionen galten – vor allem für Militärs – als »Karrierebremsen«, welche die Akteure häufig aufgrund körperlicher Mängel erhielten.474 Eindrücklich beschrieben wird das fehlende Prestige einer solchen Stellung in einer Episode um Herbert Mueller, dessen Mutter ihn zum Dienst an der Waffe drängen wollte. Aus diesem Grund versuchte sie, ihren Sohn im AA politisch zu verleumden, sodass er – in ihrer Vorstellung – seine Stellung verloren hätte und an die Front versetzt worden wäre.475 Unabhängig davon, wie das Fernbleiben von direkten Frontaktivitäten auf das soziale Umfeld gewirkt haben mag, wurden einige jener Akteure, die während ihrer Zeit bei der NfO an Expeditionen teilnahmen, bereits zu Kriegszeiten für ihre Aktivitäten ausgezeichnet und erhielten Orden:476 Edgar Pröbster477 , Schabinger von Schowingen478 , Muhammad Abu l-ʿArabi479 , Ah471 472 473 474 475
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Schabinger von Schowingen 1967, S. 154-155. Lüdke schließt sich Schabinger von Schowingen an. Lüdke 2016, S. 86. Oberhaus 2007, S. 157. Grupp 1994, S. 811. Krieger 2015, S. 44. Korrespondenz Mueller mit von Wesendonk, September 1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. Der Hergang dieser Episode wird in Kap. 3.3.3 Kontrolle und Überwachung ausführlicher beschrieben. In verschiedenen Archivakten wurde die Verleihung von Orden nur vereinzelt erwähnt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Kreis der Akteure, die eine osmanische oder deutsche Auszeichnung erhielten, größer war. Einige Akteure erhielten ihre Auszeichnungen nach dem Krieg. Pröbster erhielt vom Großscheich der Sanusiyya den osmanischen Osmanje-Orden III. Klasse. Pröbster an AA, 28.08.1916, PA AA, P 1, 11496. Darüber hinaus erhielt er das Eiserne Kreuz II. Klasse. Personalfragebogen Edgar Pröbster, 25.07.1936, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 37. Schabinger von Schowingen erhielt den Mecidiye-Orden IV. Klasse. Osmanische Botschaft Berlin an AA, 28.12.1914, PA AA, P 1, 12977. Abu l-ʿArabi erhielt den Mecidiye-Orden V. Klasse und das Verdienstkreuz in Silber. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studierenden des Seminars für Orientalische Sprachen
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mad Wali480 , Herbert Diel481 , Bernhard Moritz482 , Helmuth von Glasenapp483 und Eugen Mittwoch484 . Die zentrale Gemeinsamkeit aller politisch interessierten Akteure war es, dass die Nachrichtenstelle für den Orient durch die verschiedenen Publikations- und Veranstaltungsformen eine Plattform schuf, dem eigenen politischen Engagement Ausdruck zu verleihen. Je nach Publikation wurden neue Öffentlichkeiten in kriegsbeteiligten oder neutralen Ländern geschaffen. Die Akteure hofften, so Sympathien für ihren antikolonialen oder patriotischen Kampf zu generieren, die letztlich auf aktive Unterstützung hätten hinauslaufen sollen. Darüber hinaus nutzten Akteure mit gemeinsamen politischen Interessen die Plattform NfO, um sich zu vernetzen, auszutauschen und gemeinsame Aktivitäten zu planen.485
Karriere Als dritte und letzte Motivation für die Kooperation mit der Nachrichtenstelle ist die Option zu nennen, einen direkten Nutzen für die Karriere zu ziehen. Bei dieser Betrachtung sind zwei Ebenen voneinander zu trennen: Zum einen war die Tätigkeit in der NfO bereits während des Krieges eine Möglichkeit, beruflich weiterzukommen. Zum anderen konnten NfO-Akteure nach dem Krieg auf ihre Mitarbeit in der Organisation verweisen, weil sie sich daraus berufliche Vorteile erhofften.486 Für Akteure, die vor dem Krieg in prekären dienstlichen Situationen waren, bedeutete die Anstellung bei der NfO eine gewisse Sicherheit. Dies gilt zum einen für junge deutsche Diplomaten wie Schroeder und Diel. Aufgrund ihrer Sprach- und
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an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, April 1919 bis August 1919, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 1 und Osmanische Botschaft Berlin an AA, 28.12.1914, PA AA, P 1, 12977. Wali erhielt den Eisernen Halbmond und den Mecidiye-Orden V. Klasse. Tabellarischer Überblick über Mitarbeiter des SOS, o.D. [kontinuiertlich aktualisiert], GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 1. Diel erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse sowie den Eisernen Halbmond. Personalfragebogen Herbert Diel, 05.08.1944, PA AA, P 11, PersA Herbert Diel 4647. Moritz erhielt folgende Auszeichnungen: Osmanje-Orden II. und III. Klasse, Mecidiye-Orden II. und III. Klasse, Roter Adler-Orden III. und IV. Klasse sowie den Königlichen Kronen-Orden III. Klasse. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studierenden des Seminars für Orientalische Sprachen an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, April 1919 bis August 1919, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 1. Von Glasenapp erhielt das Verdienstkreuz für Kriegshilfe. Glasenapp 1964, S. 93. Mittwoch erhielt ebenfalls das Verdienstkreuz für Kriegshilfe. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studierenden des Seminars für Orientalische Sprachen an der FriedrichWilhelms-Universität zu Berlin, April 1919 bis August 1919, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 1. Mittwoch nahm – soweit bekannt – an keiner Expedition teil. Mehr dazu in Kap. 3.2.2 Zusammenarbeit und Vernetzung. Die Nutzbarmachung der NfO-Tätigkeit nach dem Krieg wird im gleichlautenden Kap. 5.2.3 besprochen.
3. Die Akteure
Regionalkenntnisse, die in der Arabischen Abteilung dringend benötigt wurden, konnten sie gewiss sein, dass sie zumindest für den Zeitraum des Krieges beruflich abgesichert waren. Zum anderen war die Organisation auch ein potenzieller Arbeitgeber für Journalisten ohne feste Anstellung. Nachdem Max Rudolf Kaufmann seine Stelle beim Osmanischen Lloyd verloren hatte, musste die Möglichkeit, ab 1916 für die Nachrichtenstelle zu arbeiten, geradezu wie ein Glücksgriff erscheinen. Auch Herbert Muellers Position als Schriftleiter von Der Neue Orient gewährte ein gewisses Maß an beruflicher Absicherung. Die Akteure, die für die Nachrichtenstelle publizistisch tätig waren, konnten ihre Tätigkeit zudem für ihre jeweiligen Berufe nutzen. Häufig erfüllten namentlich gekennzeichnete Publikationen im Rahmen der NfO einen doppelten Zweck: Sie waren sowohl Texte mit dem Ziel der Meinungsbeeinflussung als auch Publikationen, in denen die Autoren ihre Expertise darstellen konnten. Forscher wie Bernhard Moritz und Enno Littmann schrieben propagandistische Texte, die in wissenschaftlichen Verlagen wie Dietrich Reimer erschienen. Bernhard Moritz nutzte die Erlebnisse und Fotografien seiner Propagandareisen 1915 im Zuge der Tätigkeit für die Nachrichtenstelle zur Herausgabe eines Bildbands.487 Auch Martin Hartmann nutzte die durch den Krieg neugeschaffenen Publikationsplattformen intensiv.488 Der Neue Orient etablierte sich im Laufe des Krieges zu einer Fachzeitschrift, sodass dort Artikel geschrieben wurden zu zeitgenössischen Themen im Nahen und Mittleren Osten und zu fachlichen Fragen. Willy Haas verfasste einen Beitrag zu rituellen Praktiken der Sufi-Bruderschaft Rahmaniyya.489 Helmuth von Glasenapp veröffentlichte Teile seiner Habilitationsschrift im Neuen Orient.490 Sowohl Haas als auch von Glasenapp nutzten die Gefangenenlager bei Berlin für Feldforschungen, die sie
487 Bernhard Moritz, Bilder aus Palästina, Nord-Arabien und dem Sinai: 100 Bilder nach Photographien mit erläuterndem Text, Berlin 1916. 488 Ludmila Hanisch, »Machen Sie doch unseren Islam nicht gar zu schlecht«: Der Briefwechsel der Islamwissenschaftler Ignaz Goldziher und Martin Hartmann, 1894-1914, Wiesbaden 2000, S. XXV. 489 Willy Haas, Ein Dhikr der Rahmanija, in: Der Neue Orient 1/4-5 (25.05.1917), S. 210-213. 490 Helmuth von Glasenapp, Eine hinduistische Theologie, in: Der Neue Orient 2/4-5 (05.06.1918), S. 235-238.
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wiederum in ihren Publikationen aufgriffen.491 Darüber hinaus gab die Zeitschrift Der Neue Orient Rezensionen orientalistischer Fachliteratur ebenfalls einen großen Raum. Häufig wurden dort die wissenschaftlichen Texte von NfO-Mitarbeitern und Affiliierten besprochen. So rezensierte Moritz Sobernheim ein archäologisch-philologisches Buch von Enno Littmann.492 Walther Schroeders Dissertation, die er 1917 im Verlag der NfO publizierte,493 wurde ebenfalls in der Zeitschrift besprochen. Die Möglichkeit, der regulären Forschertätigkeit nachzugehen, war für die Mitarbeiter, die im Gegensatz zu den Affiliierten in den täglichen Betrieb der Organisation eingebunden waren, in der Praxis zuweilen schwierig. Eugen Mittwoch beklagte sich bei Enno Littmann, er komme aufgrund der Leitung der NfO bzw. des Deutschen Orient-Instituts (DOI) kaum dazu, sich mit seinen Forschungsinteressen zu befassen.494 Ähnlich stellte sich die Situation für die journalistischen Mitarbeiter und Affiliierten der Nachrichtenstelle dar. Sie produzierten während ihrer Tätigkeit für die NfO im Auftrag der Organisation Texte, welche die doppelte Funktion von Propaganda und Berichterstattung hatten. Max Rudolf Kaufmann veröffentlichte eine literarische Schilderung seiner Erlebnisse und der Verhältnisse in den türkischen Teilen des Osmanischen Reichs.495 Herbert Mueller verfasste Beiträge für Zeitungen und Zeitschriften wie Der Tag, Das neue Deutschland, ChinaArchiv, Ostasiatische-Zeitschrift und Zeitschrift für Politik.496 Darüber hinaus bedeutete die Anstellung bei der Nachrichtenstelle für den Orient, dass die deutschen Akteure Zugriff hatten auf relevante Informationsquellen. So stand ihnen sämtliches journalistisches und wissenschaftliches Material auch aus dem Ausland zur Verfügung, das die Nachrichtenstelle ohnehin auswertete.
491 Von Glasenapp beschreibt in seiner Autobiografie, wie er Rituale, Gesänge und Erzählungen indischer Gefangener aufzeichnete. Glasenapp 1964, S. 90. Haas beobachtete ebenfalls Rituale. Mittwoch an AA, 29.11.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21261. Diese Forschungen nutzte er wahrscheinlich für seine philosophisch-psychologischen Studien, wie etwa Willy Haas, Die Seele des Orients: Grundzüge einer Psychologie des orientalischen Menschen, Jena 1916. Darin befasst sich Haas u.a. mit rituellen Praktiken. Zum Thema der Feldforschungen in den Gefangenenlagern allgemein s. Britta Lange, Krieg, Wissenschaft und Ausstellung: Die Gefangenen als Untersuchungsobjekte, in: Benedikt Burkhart (Hg.), Gefangene Bilder: Wissenschaft und Propaganda im Ersten Weltkrieg, Begleitband zur Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt a.M., Frankfurt a.M. 2014, S. 94-101. 492 Moritz Sobernheim, Enno Littmann: Ruinenstätten und Schriftdenkmäler Syriens, Buchbesprechung, in: Der Neue Orient 1/1 (07.04.1917), S. 42-43. 493 Walther Schroeder, Das Schutzgenossenwesen in Marokko, Berlin 1917b. Zuvor erschien bereits eine Fassung im Universitätsdruck, die sich inhaltlich jedoch nicht unterscheidet und einen biografischen Anhang enthält. Die Dissertation ist Schroeders ehemaligem Vorgesetzten in Tanger Albert von Seckendorff gewidmet. 494 Mittwoch an Littmann, 12.03.1920, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 22. 495 Max R. Kaufmann, Pera und Stambul, Weimar 1915. 496 Für einen Überblick über Muellers Publikationen s. Walravens 1992.
3. Die Akteure
Zeitschriften, die für die NfO-Mitarbeiter und Affiliierten als Privatpersonen eventuell schwierig zu besorgen gewesen wären, lagen der Organisation vor. Des Weiteren konnten sich deutsche Akteure mit nichtdeutschen Akteuren austauschen und deren Interpretationen der politischen und militärischen Ereignisse in ihre eigenen Analysen einfließen lassen. Umgekehrt nutzten die nichtdeutschen Akteure die Interpretationen deutscher NfO-Mitarbeiter für ihr politisches Engagement.
3.3
Interaktionen der Akteure
Eine Vielzahl der Studien, welche die Nachrichtenstelle für den Orient beschreiben, legen ihren Schwerpunkt auf die Unterscheidung von deutschen und nichtdeutschen Akteuren und blenden dabei – zuweilen unbewusst – die Interaktionen zwischen einzelnen Akteuren oder Akteursgruppen aus. Dies zeigt sich etwa in den Inhaltsverzeichnissen von Bragulla und Müller,497 die deutschen und »orientalischen« Mitarbeitern getrennte Kapitel widmen.498 Im vorliegenden Kapitel werden einige zentrale Aspekte der Interaktionen zwischen verschiedenen Akteuren und Personenkollektiven innerhalb der Nachrichtenstelle für den Orient dargestellt, die in einem Spannungsverhältnis von zeitweiliger Interessenkonvergenz und einem Klima generellen Misstrauens arbeiteten.499 In einem ersten Schritt werden Momente der Zusammenarbeit und der damit einhergehenden Vernetzung betrachtet. Zu fragen ist hierbei, welche Formen der Erfahrungs- und Meinungsaustausch annehmen konnte und wie sich die Kooperation innerhalb der Organisation gestaltete. Danach werden persönliche, politische und dienstliche Differenzen analysiert. Ausgehend von den unterschiedlichen Motivationen für die Zusammenarbeit lassen sich unterschiedliche Erwartungen und Ansprüche an die Arbeit in der NfO herausarbeiten, die häufig in Konflikten resultierten. Dabei werden verschiedene Hierarchisierungsprozesse und Asymmetrien in der NfO dargestellt. Darauf folgt eine Betrachtung der verschiedenen Formen von Kontrolle und Überwachung im Kontext der Organisation, die eine Folge der zuvor beschriebenen Konflikte und Hierarchisierungsprozesse sind. In diesen Kapiteln spielen drei Faktoren eine Rolle in der Frage, wie sich die Kommunikation zwischen einzelnen Akteuren oder Akteursgruppen gestaltete: 1. Waren die betreffenden Personen deutsch oder nichtdeutsch? 2. Was war die Funktion der Akteure innerhalb der Nachrichtenstelle (publizistisch aktiv vs. Büro- und
497 Müller 1991 und Bragulla 2007. 498 S. hierzu auch den Forschungsüberblick in der Einleitung. 499 Aufgrund des Schwerpunkts der vorliegenden Arbeit auf der Arabischen Abteilung werden die Interaktionen zwischen nichtdeutschen Mitarbeitern und Affiliierten der unterschiedlichen sprachlich-regionalen Abteilungen nur am Rande beleuchtet.
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Logistiktätigkeiten)? 3. Waren die Akteure auch stark außerhalb der Nachrichtenstelle politisch aktiv?
3.3.1
Zusammenarbeit und Vernetzung
Das Gelingen sämtlicher Aktivitäten, die im Rahmen der Nachrichtenstelle für den Orient durchgeführt wurden, setzte die Zusammenarbeit der in der Organisation involvierten Akteure voraus. Die Kooperation und Vernetzung zwischen Mitarbeitern und Affiliierten mit ähnlichen Zielen konnte dabei unterschiedliche Formen annehmen.
Interessenkonvergenz und Erfahrungsaustausch Innerhalb der Nachrichtenstelle für den Orient funktionierte die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren mit unterschiedlichen biografischen Hintergründen relativ gut bis ca. 1916, als die deutsche Dschihadisierungspolitik durch militärische Entscheidungsträger aufgegeben wurde und sich die nichtdeutschen Akteure aufgrund ausbleibender deutscher und osmanischer Erfolge im Nahen und Mittleren Osten zusehends vom Deutschen Reich abwandten. Die Gründe für den Bruch zwischen deutschen und nichtdeutschen Akteuren sowie für die Abkehr von der Dschihadisierungspolitik um 1916 liefern einen Hinweis auf das zentrale verbindende Element der unterschiedlichen Personenkollektive: Zeitweilig überlappten sich politische (Teil-)Ziele der einzelnen NfO-Akteursgruppen. Sowohl nichtdeutsche NfO-Akteure als auch deutsche NfO-Akteure wollten die Schwächung Frankreichs, Großbritanniens und Russlands in ihren kolonialen Peripherien. Für dieses Ziel gab es jedoch unterschiedliche Beweggründe: Während nichtdeutsche Akteure primär die Kolonien selbst im Blick hatten und sich die Befreiung der besetzten Gebiete erhofften, stand für deutsche Akteure Europa selbst im Mittelpunkt, da Aufstände in den Kolonien zu Truppenabzug an den europäischen Fronten führen sollten.500 Da sich die Interessenkonvergenz der Akteure vor allem auf koloniale Fragen bezog, stand dieses Thema in den Publikationen der Arabischen Abteilung im Mittelpunkt. Kritik an kolonialen Ambitionen der Entente war durchweg in den NfOTexten präsent.501 In diesem Feld fand aber auch der größte Erfahrungsaustausch statt, insbesondere zwischen antikolonialen Akteuren nichtdeutscher Herkunft aus unterschiedlichen Regionen. Als verbindende Elemente spielten hier zwei Faktoren für das Maß der Zusammenarbeit eine Rolle. Zum einen war die gemeinsame Religion (Islam) ein wichtiger Bezugspunkt für einen Teil der antikolonialen Akteure.
500 Mehr dazu in Kap. 2.2.1 Revolutionierung und Dschihadisierung. 501 S. hierzu das Kap. 4.3.1 Kolonialismus, Krieg und Kultur.
3. Die Akteure
Islamische Rhetorik und Aktivitäten waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg untrennbar mit verschiedenen antikolonialen Befreiungsbewegungen im arabischsprachigen Nahen und Mittleren Osten verbunden.502 Muhammad ʿAbduh, Jamal al-Din al-Afghani und Muhammad Rashid Rida wären hier zu nennen. Aber auch die Jungtunesier oder die ägyptische Nationalpartei konnten sich nicht gänzlich religiösen Fragen entziehen und wollten dies häufig auch nicht. Zum anderen spielte eine große Rolle, welche Kolonialmacht im Herkunftsland der Akteure präsent war. Der Austausch zwischen muslimischen Ägyptern und nichtmuslimischen Indern, beide Untertanen des britischen Kolonialreichs, war daher weitaus größer als etwa zwischen Georgiern sowie muslimischen Tataren, die in Russland lebten, und muslimischen Tunesiern, Algeriern sowie Marokkanern, die französische Untertanen waren. Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass die antikolonialen Ägypter und Inder, wie der Muslim Rifʿat und der Hindu Har Dayal, ihre gemeinsamen Vorkriegsaktivitäten fortsetzten. Die engere Zusammenarbeit zwischen Tunesiern, Algeriern und Marokkanern einerseits und Ägyptern andererseits beschränkte sich trotz der gemeinsamen Sprache und Religion vor allem auf jene Akteure, die bereits vor dem Krieg über enge Kontakte zur osmanischen Elite verfügten. Der eher nationalistisch geprägte Ägypter Muhammad Farid hatte etwa – abgesehen von der Teilnahme an gleichen Konferenzen – keinerlei Berührungspunkte mit dem proosmanischen Tunesier Salih al-Sharif al-Tunisi. Letzterer wird in den biografischen Notizen Farids auch nur ein Mal in einer inhaltlich irrelevanten Randbemerkung erwähnt.503
Kooperationsformen Die Interessenkonvergenzen der Akteure manifestierten sich in verschiedenen Formen der Kooperation, die letztlich dazu dienten, neue Plattformen zu schaffen, um sich in deutschen oder neutralen Öffentlichkeiten Unterstützung für das politische (antikoloniale) Engagement zu sichern. Drei Arten der Kooperation entwickelten sich im Rahmen der NfO: 1. Herausgabe gemeinsamer Publikationen, 2. Gründung von Komitees sowie Verbänden und 3. Teilnahme an gemeinsamen Reisen sowie Konferenzen. Die erste Kooperationsform ist bei einer Organisation wie der Nachrichtenstelle für den Orient, für die Meinungsbeeinflussung im Mittelpunkt steht, am naheliegendsten. NfO-Akteure brachten gemeinsame Publikationen heraus und parti-
502 Die Literatur zu diesem Aspekt ist mittlerweile unüberschaubar. Hier sei nur auf einen Artikel von Umar Ryad und die Monografie von Cemil Aydin verwiesen. Umar Ryad, Anti-Imperialism and the Pan-Islamic Movement, in: David Motadel (Hg.), Islam and the European Empires, Oxford 2014, S. 131-149 und Cemil Aydin, The Politics of Anti-Westernism in Asia: Visions of World Order in Pan-Islamic and Pan-Asian Thought, New York 2007. 503 Farid/Goldschmidt 1992, S. 202.
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zipierten an Publikationen anderer NfO-Akteure.504 Enno Littmann, Curt Prüfer, Willy Haas, Bernhard Moritz und Eugen Mittwoch schrieben im Juli 1918 Beiträge für eine Sonderausgabe mit dem Titel »Der Islam« für die Süddeutschen Monatshefte.505 Darin behandelten sie verschiedene Länder und deren innere sowie internationale Lage während des Kriegs.506 ʿAbd al-ʿAziz Jawish und ʿAbd al-Malik Hamza brachten von 1916 bis 1918 in Berlin Die Islamische Welt heraus.507 Das AA und der damalige NfO-Leiter Mittwoch waren wohl aus Sorge, die Zeitschrift nicht kontrollieren zu können, zunächst gegen ihre Einrichtung, fanden sich jedoch letztlich damit ab.508 Nicht wenige NfO-Akteure schrieben für Die Islamische Welt: Neben den Herausgebern Jawish und Hamza verfassten Martin Hartmann, Rabah Bukabuya, Willy Haas, Max Rudolf Kaufmann, Eugen Mittwoch und Herbert Mueller Artikel. Die Partizipation nicht weniger deutscher NfO-Akteure an dieser Zeitschrift mag mit der Auffassung zusammenhängen, dass, wenn sich die Herausgabe schon nicht verhindern lasse, durch die Lieferung von Artikeln zumindest Einfluss auf das Heft genommen werden sollte. Symptomatisch für die Streitigkeiten zwischen nichtdeutschen, proosmanischen und nationalistischen Akteuren ist das Fehlen von Beiträgen von Farid, Fahmi oder Shamsi in der Zeitschrift. Diese gaben von 1917 bis 1918 in Stockholm ihr eigenes Heft heraus: Bulletin du parti national égyptien. Für diese Zeitschrift, die von den Jungägyptern in der Schweiz ausging, schrieben jene Ägypter, die nicht die politischen Ansichten Jawishs teilten. Dazu zählte neben Farid und Fahmi auch Rifʿat. Deutsche Akteure schrieben nicht für dieses Heft. Zu stark war zu diesem Zeitpunkt wohl bereits der Graben zwischen den ägyptischen Nationalisten und deutschen Akteuren.509 504 Zu der Entstehung von Publikationen in der NfO s. Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion. 505 Mittwoch, Haas und Prüfer werden im Inhaltsverzeichnis sogar als Mitarbeiter der NfO bezeichnet. 506 Littmann schrieb zu Äthiopien, Prüfer zu Ägypten, Haas zu Marokko, Moritz zur Arabischen Halbinsel und Mittwoch verfasste einen einleitenden Text. 507 Der Titel dieser Zeitschrift ist die Übersetzung eines Formats, das Jawish auch in Istanbul in einer mehrsprachigen Fassung herausgab: al-ʿAlam al-Islami bzw. Cihan-i Islam. Zu proosmanischen Zeitungen mit globaler Ausrichtung s. Landau 1990, S. 93 und S. 109-110. 508 Zuweilen wird die Meinung vertreten, die Zeitschrift sei von deutschen Stellen finanziert oder gar gegründet worden. Landau 1990, S. 109-110 und Sojref 2016, S. 102. Die Korrespondenz Mittwochs mit von Wesendonk im PA AA verweist jedoch eher auf anfänglich massiven Widerstand von deutscher Seite. Mittwoch schlug Jawish vor, als dieser ihm die Idee für seine Zeitung unterbreitete, er könne seine Artikel in bereits existierenden NfO-Publikationen, wie im Korrespondenzblatt, veröffentlichen. Deutsche Gelder für seine Zeitschrift könne er jedoch nicht erwarten. Mittwoch an AA, 18.09.1916, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9,2, R 14570. 509 Ein anonymer »Verehrer Deutschlands« beklage sich etwa darüber, dass von deutscher Seite während des Krieges zu wenig gemacht wurde. German Policy towards Egypt by a Lover of Germany, in: Bulletin du parti national égyptien 3 (1918), S. 75-76. Das war eine Position, die Muhammad Farids Ansichten sehr ähnelte.
3. Die Akteure
Die zweite Kooperationsform war die Gründung von Komitees und Verbänden mit einer antikolonialen Agenda.510 Verschiedene nichtdeutsche Akteure wurden von den Leitern der Nachrichtenstelle und den Ansprechpartnern im AA dazu ermuntert, sich zu organisieren.511 Für die nichtdeutschen Akteure sprach dabei, dass sie sich damit einen institutionellen Rahmen geben konnten, mit dem es ihnen möglich war, nach außen eine geeinte Front darzustellen. Für die NfO-Leiter lag die große Attraktivität möglicherweise darin, dass eine organisierte Gruppe besser zu überwachen war.512 Die Arabische Abteilung der NfO stand im engen Kontakt mit dem tunesisch-algerischen Komitee, auch bekannt als Ausschuss für die Unabhängigkeit Tunesiens und Algeriens (gegründet 1916)513 , und dem ägyptischen Komitee (gegründet 1915)514 . Neben Salih al-Sharif waren Ismaʿil Sefaihi und Muhammad Bash Hamba, der Bruder von ʿAli Bash Hamba, Mitglieder im tunesisch-algerischen Komitee.515 Auch Muhammad al-Khidr Husayn war darin involviert.516 Im ägyptischen Komitee organisierten sich vor allem die in der Schweiz lebenden ägyptischen Nationalisten. Bereits im Oktober 1914 hatten ägyptische Akteure um Farid und Jawish ein »Revolutionskomitee« gegründet mit dem Ziel, im Falle des Einmarschs osmanischer Truppen in Ägypten diese zu unterstützen.517 Ein weiteres ägyptisches Komitee wurde 1917 gegründet, wohl ohne eine deutsche Beteiligung. Muhammad Farid, Muhammad Fahmi, ʿAli Shamsi und ʿAbd al-ʿAziz Jawish waren darin in leitenden Funktionen involviert.518 Die Gründung dieses Komitees, an dem sowohl Jawish als auch Farid beteiligt waren, kann als ein Zeichen der Beilegung des Streits zwischen den beiden Akteuren gesehen werden, die sich im Zuge einer Konferenz in Stockholm 1917 anbahnte. Eng mit den Aktivitäten der 510 Derzeit verfassen Jennifer Jenkins, Heike Liebau und Larissa Schmid einen Artikel zu dem indischen, dem persischen und dem tunesisch-algerischen Unabhängigkeitskomitee, die alle drei während des Ersten Weltkriegs mit der NfO und dem AA kooperierten. Jennifer Jenkins/Heike Liebau/Larissa Schmid, Transnationalism and Insurrection: Independence Committees, Anti-Colonial Networks, and Germany’s Global War, in: Journal of Global History (im Erscheinen). 511 Willy Haas besprach sich etwa 1918 mit Muhammad Farid bezüglich der Gründung einer weiteren ägyptisch nationalen Organisation. Farid/Goldschmidt 1992, S. 480-481. Im Bericht der Nachrichtenstelle für den Orient von 1918 wird behauptet, dass der Zusammenschluss nichtdeutscher Akteure in verschiedenen Organisationen eine der ersten Handlungen der NfO gewesen sei. Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. 512 Dies war die generelle Praxis europäischer Behörden im Umgang mit antikolonialen Bewegungen. Brückenhaus 2010, S. 544. 513 Al-Sahili 1984, S. 188. 514 Von Wesendonk an AA, 21.10.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21136. 515 Von Oppenheim an Schabinger von Schowingen, 29.11.1915, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904. 516 Muwaʿada 1974, S. 76. 517 Oberhaus 2007, S. 258. 518 Bericht Jacoby, 07.06.1917, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21276.
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ägyptischen Komitees verbunden war die 1913 ins Leben gerufene ägyptische Studierendenorganisation Sphinx in Genf. Ägyptische NfO-Akteure, die vor dem Krieg in Europa studiert hatten – wie Shamsi oder ʿAzzam –, waren Mitglieder in dieser Organisation.519 Die Partizipation an diesen Komitees setzte keine feste oder offizielle Mitgliedschaft voraus und war häufig befristeter Natur.520 Insbesondere im Fall der vielen unterschiedlichen ägyptischen Komitees wird schnell klar, dass diese häufig für konkrete Zwecke gegründet wurden und nicht auf eine dauerhafte Aktivität ausgerichtet waren. Die dritte zentrale Kooperations- und Vernetzungsform war die Teilnahme an nationalen und internationalen Konferenzen, die in der Regel antikoloniale Themen hatten.521 Die antikolonialen, nichtdeutschen NfO-Akteure organisierten die Konferenzen selbst, hielten Vorträge auf von anderen Personen organisierten Tagungen oder nahmen nur teil, ohne zu präsentieren. Die Konferenzen fanden über Europa verstreut statt und verlangten daher von den NfO-Akteuren, möglichst mobil zu bleiben. Nico Randeraads Bezeichnung triggers of mobility für internationale Konferenzen zwischen 1840 und 1914 scheint treffend für antikoloniale Konferenzen der Kriegszeit, da die Teilnehmer aus den verschiedensten Winkeln der Welt kamen.522 Die von den nichtdeutschen NfO-Akteuren organisierten Tagungen hatten eher ein kleineres Format und befassten sich in der Regel mit einem konkreten Thema. Nicht selten wurden diese Veranstaltungen in teuren Hotels durchgeführt, wie eine Kundgebung des tunesisch-algerischen Komitees im Hotel Esplanade.523 Häufig wurden Jahrestage europäischer Eroberungen der Herkunftsländer von NfO-Akteuren als Anlass genommen, Treffen zu veranstalten und Kundgebungen abzuhalten.524 Ägyptische Nationalisten trafen sich etwa zum 36. Jahrestag der britischen Eroberung des Nillandes in Potsdam, verlasen Erklärungen und wandten sich mit ihren Forderungen an den britischen Premierminister Lloyd George.525 Zu den wichtigsten Konferenzen während des Kriegs, die von den NfOAkteuren nicht selbst organisiert wurden, an denen sie jedoch aktiv teilnahmen, zählten die Nationalitätenkonferenz 1916 in Lausanne und die Konferenz der unterdrückten Muslime 1917 in Stockholm. Die Union des Nationalités richtete 519 Coury 1998, S. 66 und Raafat 2011, S. 141. 520 Liebau 2014a, S. 120. 521 Einen Überblick über dezidiert islamische Konferenzen, die zwar häufig, aber nicht immer einen antikolonialen Charakter hatten, liefert Martin S. Kramer, Islam Assembled: The Advent of the Muslim Congresses, New York 1986. 522 Nico Randeraad, Triggers of Mobility: International Congresses (1840-1914) and their Visitors, in: Sarah Panter (Hg.), Mobility and Biography, Berlin 2015, S. 63-82. 523 Die wahre Lage in Tunesien, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/18 (13.02.1916), S. 101. Daran nahmen Jawish, al-Khidr Husayn und al-Sharif teil. 524 Zur Genese der NfO-Publikationen s. Kap. 4.1.2. 525 Oemer Tarik, Der Jahrestag der Vergewaltigung Ägyptens, in: Der Neue Orient 2/11-12 (20.09.1918), S. 525-526.
3. Die Akteure
die Konferenz in Lausanne 1916 mit deutscher Hilfe aus. Ziel war es, der neutralen Öffentlichkeit eine vermeintlich unabhängige Veranstaltung zu präsentieren, auf der sich durch die Entente unterdrückte »Völker« frei äußern können.526 An der Konferenz nahmen die NfO-Akteure Farid, Fahmi und Shamsi teil.527 Es sollte sich jedoch zeigen, dass nichteuropäische Akteure auf dieser Veranstaltung keineswegs frei sprechen konnten. Insbesondere den Ägyptern und dem Tunesier Muhammad Bash Hamba wurde von europäischen Teilnehmern wie Paul Otlet, der die Konferenz offiziell leitete, oder Friedrich von der Ropp vorgehalten, dass sie den Kolonialmächten doch viel zu verdanken hätten und daher nicht in der Position seien, sich zu beschweren.528 Dennoch verbuchte das Korrespondenzblatt der NfO die Tagung als Erfolg und als Forum für die »Klagen und Beschwerden unterdrückter Nationalitäten«529 . Die Konferenz der unterdrückten muslimischen Völker in Schweden 1917 wurde vom Stockholmer sozialdemokratischen Bürgermeister Carl Lindhagen organisiert. Sie war das Resultat eines Austauschs nichteuropäischer antikolonialer Akteure mit dem holländisch-skandinavischen Komitee. Das Komitee war in die Organisation einer Sozialistenkonferenz, auch bekannt als Stockholmer Friedenskonferenz, 1917 involviert, die jedoch nicht stattfand.530 Die schwedischen Sozialdemokraten trafen dort auf Jawish, Farid, al-Sharif und Mansur Rifʿat.531 Jawish und Farid nutzten die Konferenz, um ihre Streitigkeiten hinsichtlich der möglichen Rolle des Osmanischen Reichs nach der Befreiung Ägyptens von den Briten beizulegen;532 Jawish konnte Farid überzeugen, sich – zumindest öffentlich – nicht mehr zu stark antiosmanisch zu positionieren. Zu Recht sieht Höpp daher diese Konferenzen als Moment des Zusammenrückens arabischsprachiger antikolonialer Akteure.533 Von der skandinavischen Presse wurde die Konferenz jedoch weniger aufgrund ihrer Inhalte wahrgenommen,
526 Zu Planung, Durchführung und Verlauf der Tagung s. Eberhard Demm, Die »Union des Nationalités« Paris/Lausanne und die europäische Öffentlichkeit, 1911-1919, in: Jörg Requate/Martin Schulze Wessel (Hg.), Europäische Öffentlichkeit: Transnationale Kommunikation seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2002, S. 92-120. 527 Egyptian Nationalists in Switzerland, in: Arab Bulletin 1/14 (07.08.1916), S. 143-144. In dieser Quelle wird erwähnt, dass die Konferenz von den Deutschen organisiert worden sei. Trotz Geheimhaltung war der Entente die Verbindung zwischen der Union des Nationalités und deutschen Akteuren nicht entgangen. 528 Bericht über Nationalitätenkongress in Lausanne, Juni 1916, PA AA, RAV Bern 799. 529 Von der dritten Nationalitätenkonferenz, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/37 (13.07.1916), S. 229-230, hier: S. 229. 530 Social History Portal, Die Stockholmer Friedenskonferenz von 1917, www.socialhistoryportal.org/stockholm1917/documents (28.11.2019). 531 Vor seiner Stockholm-Reise hatte sich Farid noch mit deutschen sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten getroffen. Farid/Goldschmidt 1992, S. 425. 532 AA an Gesandtschaft Bern, 08.12.1917, PA AA, RAV Bern 384. 533 Höpp 1991, S. 837.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
vielmehr standen die als »exotisch« wahrgenommenen Teilnehmer im Mittelpunkt der Berichterstattung.534 Für die nichtdeutschen NfO-Akteure waren diese Konferenzen eine Möglichkeit, ihre Ideen einem neuen Publikum zu präsentieren und Allianzen zu schmieden oder zu festigen.535 Insbesondere die Kontakte zu europäischen Sozialisten wurden gepflegt.536 Dadurch entwickelte sich parallel zu dem von Erez Manela so genannten Wilsonian Moment ein gewisser »Bolschewistischer Moment«. Neben dem Besuch gemeinsamer Konferenzen wurden Solidaritätsbekundungen verfasst, wie Fahmis im Juni 1917 geschriebener Text »Adresse de sympathie des Jeunes Égyptiens aux Révolutionnaires Russes«.537 Über die bereits genannte Sozialistenkonferenz in Stockholm hinaus reisten Farid, Fahmi und Shamsi 1915 zum Ersten internationalen Frauenkongress in Den Haag und trafen dort James Keir Hardie,538 den sie bereits vor dem Krieg in der Schweiz kennengelernt hatten.539 Die NfO-Leiter und Ansprechpartner im AA waren sehr skeptisch bezüglich der Teilnahme nichtdeutscher antikolonialer Akteure. Zum einen versuchten sie zu kontrollieren, wer daran teilnahm, und sagten entsprechend finanzielle Unterstützung für die Reisen ab oder zu. Zum anderen ließen sie sich von den deutschen Auslandsvertretungen in den Städten, wo Konferenzen stattfanden, ausführliche Berichte zukommen. Zuweilen nahmen deutsche NfO-Akteure auch direkt an den Konferenzen teil und berichteten nach Berlin. Aber auch von nichtdeutscher Seite wurden diese Konferenzen und damit verbundene Aktivitäten beäugt. Die Schweizer Polizei verhinderte in Lausanne 1916 etwa, dass Shamsi und Farid Broschüren verteilten.540
534 S. hierzu Martin Grass, »Tio muselmän redogöra för sina nationers slaveri«: representanter för islamska folk i Stockholm 1917, in: Arbetarhistoria 97 (2001), S. 42-49 und Jakob Skovgaard-Petersen, Da pan-islamismen kom til Skandinavien, in: Kritik: tidsskrift for litteratur, forskning, undervisning 162-163 (2003), S. 44-51. 535 Die Adressaten der jeweiligen NfO-Themen werden in den entsprechenden Unterkapiteln von Kap. 4.3 Themen und Stilmittel besprochen. 536 Für die indischen Akteure beschreibt dies Fraser 1977, S. 68-69. 537 Muhammad Fahmi : Adresse des sympathie des Jeuens Égyptiens aux Révolutionnaires Russes, Juni 1917, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21140. Interessanterweise wurde der Titel von deutschen Akteuren übersetzt mit »Aufruf der Jungägypter an den russischen Arbeiter- und Soldatenrat«. 538 AA an Botschaft Wien, 25.04.1915, PA AA, RAV Wien 327. 539 Zum Frauenkongress s. Lela B. Costin, Feminism, Pacifism, Internationalism and the 1915 International Congress of Women, in: Women’s Studies International Forum 5/3-4 (1982), S. 301315. 540 Jacoby an Gesandtschaft Bern, 22.07.1916, PA AA, RAV Bern 800.
3. Die Akteure
3.3.2
Konflikte und Asymmetrien
Trotz der Interessenkonvergenzen standen die NfO-Akteure in ihrem gegenseitigen Umgang vor einer Reihe von Herausforderungen. Auf der einen Seite standen persönliche Konflikte zwischen einzelnen Akteuren oder Akteursgruppen mit konträren politischen Ansichten. Auf der anderen Seite existierte eine Reihe von Spannungen, die durch strukturelle Asymmetrien und Hierarchisierungsprozesse hervorgerufen wurden. Diese Spannungen konnten häufig nicht gelöst werden, sodass die Zusammenarbeit in der NfO von diesen Konflikten geprägt war. Dieses von Spannungen und Widersprüchen gekennzeichnete Arbeitsklima zeigt sich auch in den Diskursen der Arabischen Abteilung, in denen verschiedene Positionen gleichzeitig vertreten wurden.541 Die Spannungen sind insbesondere deshalb relevant, da sie letztlich häufig der Grund waren, weshalb Akteure ihre Zusammenarbeit mit der Nachrichtenstelle beendeten.
Interpersonelle Konflikte Die interpersonellen Konflikte zwischen NfO-Akteuren bewegten sich auf drei Ebenen: politische Spannungen, dienstliche Konflikte und persönliche Animositäten. Die Unterscheidungen sind jedoch nicht immer trennscharf, zuweilen waren Überschneidungen möglich. Da die Interessenkonvergenz und die daraus folgende Vernetzung der publizistisch aktiven NfO-Akteure politischer Natur war, verwundert es wenig, dass politische Inhalte und verschiedene politische Lager zentrale Faktoren von Spannungen innerhalb der NfO darstellten. Dabei existierten zwei zentrale Felder: Zum einen drehten sich Konflikte zwischen nichtdeutschen, antikolonialen Akteuren häufig um die Frage, wie die Zukunft der jeweiligen kolonialen Region nach dem Krieg aussehen sollte. Zum anderen ging es bei den Streitigkeiten häufig darum, einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen politischen Zielen und Diskurspositionen deutscher und nichtdeutscher Akteure zu finden. Bereits genannt wurden die unterschiedlichen Fraktionen nichtdeutscher, antikolonialer Akteure mit Blick auf die Rolle des Osmanischen Reichs.542 Auf der einen Seite standen proosmanische Akteure wie Salih al-Sharif al-Tunisi, ʿAbd al-ʿAziz Jawish und Muhammad al-Khidr Husayn. Diese wünschten sich in der Regel eine Form der politischen Verbindung Ägyptens oder Tunesiens zum Osmanischen Reich. Auf der anderen Seite standen Akteure mit einer ambivalenten Haltung zur Hohen Pforte. Akteure wie Muhammad Farid, Muhammad Fahmi und ʿAbd al-Rahman ʿAzzam vertraten während des Krieges Positionen, die zwischen eingeschränkter Kooperation
541 S. hierzu das Kap. 4 Diskurse. 542 Im Detail s. Kap. 3.1.4 Kolonialerfahrung.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
sowie totaler Ablehnung changierten und in der Regel eine politische Unabhängigkeit ihrer Herkunftsländer forderten. Für die NfO-nahen Ägypter war zusätzlich der abgesetzte Khedive Abbas Hilmi II. als Referenzrahmen wichtig.543 Hier existierten zwei Gruppen, die entweder den Khediven wieder einsetzen wollten (Farid und Fahmi) oder ihm keine Rolle in der Zukunft Ägyptens zusprachen (Jawish). Der Khedive ließ sich von den Briten und den Deutschen bzw. Osmanen umwerben und versuchte, diese gegeneinander auszuspielen.544 Die Konflikte zwischen den einzelnen nichtdeutschen Akteuren und Personengruppen äußerten sich in der Regel in der Verweigerung von Zusammenarbeit. Darüber hinaus denunzierten sich die Akteure regelmäßig und bezichtigten einander, insgeheim für die Entente zu arbeiten. Die politischen Grabenkämpfe wurden häufig öffentlich ausgetragen, sodass sowohl deutsche als auch britische Akteure gut über die Spannungen informiert waren.545 Neben diesen politischen Meinungsverschiedenheiten gab es unter dem zweiten Leiter der Nachrichtenstelle Schabinger von Schowingen eine ganze Reihe von dienstlich-formalen Auseinandersetzungen, die sich um Fragen von Disziplin, Fachkompetenz und Überlastung drehten.546 Schabinger von Schowingen monierte während seiner Zeit als Leiter Disziplinlosigkeit und »Auswüchse des persönlichen Ehrgeizes«547 . Mehrmals hatten Akteure wie Herbert Mueller ohne Wissen des NfO-Leiters direkt mit den Ansprechpartnern im AA korrespondiert.548 Darüber hinaus waren einige Akteur ihrem Arbeitsplatz ferngeblieben, wie Edgar Pröbster, der sich zwischenzeitlich nicht in die Gefangenenlager begeben hatte oder Ahmad Wali, der erst nachmittags zur Arbeit in der NfO erschien.549 Schabinger von Schowingen wandte sich an das AA und an die Mitarbeiter der Nachrichtenstelle und verwies darauf, dass es klare Zuständigkeiten gebe und Dienstwege unbedingt einzuhalten seien.550 Die wohl größte »Gefahr«, die von 543 McKale 1997a, S. 24. 544 Abbas Hilmi II. wurde im Dezember 1914 von den Briten abgesetzt. Sie ernannten seinen Onkel Husayn Kamil zum Nachfolger und erklärten Ägypten zum britischen Protektorat. McKale 1997a, S. 24. 545 Das Arab Bureau war etwa über die Streitigkeiten führender ägyptischer Nationalisten in der Schweiz informiert und kam zu dem Schluss, »[…] the Egyptian Nationalist Party is now practically dissolved […].« Egyptians in Switzerland, in: Arab Bulletin 1/23 (26.09.1916), 285286, hier: S. 285. 546 Mehr zum Führungsstil von Schabinger von Schowingen in Kap. 2.1.3 Leitung. 547 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 14.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 548 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 13.09.1915, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904. 549 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501 und Zwischenbericht Schabinger von Schowingen an von Oppenheim, 05.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 550 Internes Rundschreiben von Schabinger von Schowingen, 25.01.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503.
3. Die Akteure
einer solchen Disziplinlosigkeit ausging, war ein möglicher Kontrollverlust des NfO-Leiters. Dessen Sorge nach zu großer Selbstständigkeit seiner Untergebenen bewahrheitete sich im Frühjahr 1915: Herbert Mueller trat an das AA mit der Idee heran, ein »Orient-Press-Büro« zu gründen.551 Dies solle losgelöst von der NfO den Nahen und Mittleren Osten mit Publikationen versorgen. Von den Aufgaben und den avisierten Mitarbeitern her glich die vorgeschlagene Einrichtung der Nachrichtenstelle. Der zentrale Unterschied, abgesehen von einer Leitung durch Mueller selbst, hätte der »private Charakter« der Organisation sein sollen. Schabinger von Schowingen bat im AA darum, man möge die Gründung eines solchen Büros verhindern, da die Konkurrenz zur Nachrichtenstelle zu groß sei.552 Letztlich wurde das Büro nicht gegründet, was auf die Unterstützung von Schabinger von Schowingens Anliegen durch von Wesendonk zurückzuführen ist. Neben dieser »Disziplinlosigkeit« war die Überlastung der Mitarbeiter ein zentrales Thema unter der Leitung Schabinger von Schowingens: Die deutschen und nichtdeutschen Mitarbeiter der NfO-Zeitschriften Korrespondenzblatt/Der Neue Orient und El Dschihad waren stets überarbeitet, sodass Ausgaben verspätet oder gar nicht erschienen.553 Dies lag etwa daran, dass die Akteure noch andere Felder zu bearbeiten hatten oder Personal fehlte.554 Darüber hinaus drehten sich einige Konflikte um die vermeintliche Inkompetenz von Mitarbeitern. Eindrücklich wird dies im häufig zitierten Fall des ersten Redakteurs der Gefangenenzeitung El Dschihad deutlich, dem unterstellt wurde, kein Arabisch zu können. Daher wurde ihm die Befähigung abgesprochen, das u.a. auf Arabisch erscheinende Blatt zu leiten. Adler wandte sich daraufhin an das AA und erklärte, er selbst habe gekündigt, und zwar nicht wegen fehlender Sprachkenntnisse – er würde zumindest etwas Arabisch verstehen –, sondern wegen der Aussichtlosigkeit des Unterfangens. Die Zeitung würde ihr Ziel verfehlen, da ihr Arabisch zu kompliziert sei und viele der Gefangenen Analphabeten seien.555 Diese Position wurde nach Adlers Entlassung von verschiedenen Akteuren, darunter Muhammad Farid und Muhammad al-Rushdi, wiederholt.556 Aber auch anderen Akteuren wurde unterstellt, ihre Aufgaben nicht
551 Mueller an AA, 27.02.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 552 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 14.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 553 Redaktionelle Mitteilung, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/14 (12.01.1916), S. 79 und Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 31.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 554 So mussten Jacoby und von Glasenapp auch Bürotätigkeiten übernehmen, da zeitweilig eine Sekretärin fehlte. Mueller an von Wesendonk, 20.04.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 555 Adler an AA, 04.06.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 556 Heine 1980, S. 198.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
kompetent durchführen zu können. Max Rudolf Kaufmann wurde etwa abgesprochen, für die Tätigkeiten der NfO in der Schweiz geeignet zu sein.557 Ahmad Walis und ʿAli al-ʿInanis Tätigkeit in den Gefangenenlagern wurde reduziert, da diese die Gefangenen nicht korrekt behandelt hätten.558 Ein Großteil dieser dienstlichen Konflikte ist sicherlich der Leitung Schabinger von Schowingens zuzuschreiben, weshalb diese Probleme auch hier und nicht unter den strukturellen Asymmetrien behandelt wurden.559 In den Archivquellen finden sich in Bezug auf die anderen Leiter keine derartigen Schwierigkeiten. Das dritte und letzte Feld der interpersonellen Konflikte ist eng mit den beiden vorangegangenen verbunden. Es handelt sich hierbei um persönliche Spannungen, die während der Arbeit der Akteure auftraten. Häufig gingen diesen Animositäten fachliche, dienstliche oder politische Auseinandersetzungen voraus. Als sich Oskar Mann gegen den Wechsel Martin Hartmanns vom Affiliierten zum Mitarbeiter einsetzte, was letztlich als persönlicher Angriff verstanden wurde, ging dem ein Bedenken Manns hinsichtlich der politischen Tragfähigkeit Hartmanns voraus. Noch vor dem Krieg hatte sich Hartmann stark antiosmanisch bzw. antitürkisch geäußert und Mann ging davon aus, dass sich diese Position negativ auf die Zusammenarbeit mit den osmanischen Partnern auswirken könnte.560 Hartmann bekräftigte jedoch, dass er inzwischen von seinem antitürkischen Standpunkt abgewichen sei.561 Persönliche Animositäten aufgrund politischer Einstellungen finden sich auch bei den nichtdeutschen, arabischsprachigen Akteuren. Zuweilen gingen diese Feindschaften so weit, dass einzelne Akteure ihre Kollegen bei der NfO-Leitung denunzierten, wohl mit dem Versuch, ihnen Leistungsfähigkeit für die NfO abzusprechen. Dazu zählten der Vorwurf des Alkoholismus (Rifʿat562 und Hamza563 ) und psychischer Störungen bzw. geistiger Verwirrung (Shamsi564 ). Zuweilen ist über Gründe für persönliche Animositäten jedoch nichts bekannt. So berichtete zwar Mittwoch an von Wesendonk, dass Salih al-Sharif etwas gegen ʿAli Ahmad al-ʿInani habe, da dieser ʿAbd al-ʿAziz Jawish nahestand.565 Weshalb alSharif mit Jawish jedoch einen Konflikt hatte, bleibt im Dunkeln. Hier wird der Plattformcharakter der NfO besonders deutlich: Die Akteure bemühten sich selten darum, ihre Differenzen für ein gemeinsames Ziel bzw. Ziele der Organisation 557 558 559 560 561 562 563 564 565
Von Radowitz an AA, 31.12.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1526. Von Wesendonk an Mittwoch, 21.04.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21255. Zum Führungsstil des zweiten NfO-Leiters s. Kap. 2.1.3 Leitung. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 09.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. Nun sah Hartmann die Türken von »fanatischen Arabern« bedroht. Hartmann an von Oppenheim, 02.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. Botschaft Wien an AA, 03.01.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21127. Romberg an AA, 22.05.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21268. Bericht Jacoby, 24.10.1917, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21277. Mittwoch an AA, 02.05.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21256.
3. Die Akteure
aus dem Weg zu schaffen, sondern beharrten auf ihren Positionen und intrigierten gegeneinander.
Strukturelle Asymmetrien Neben diesen individuellen Konflikten führte eine Reihe struktureller Asymmetrien zu Problemen. Dabei handelte es sich um die Marginalisierung von Personengruppen innerhalb der NfO, die sich auf bestimmte biografische Merkmale bezog. Der erste und eindrücklichste Punkt war die Unterscheidung der Akteure aufgrund ihrer regionalen Herkunft. Der zweite und bisher in der Betrachtung der Nachrichtenstelle kaum beachtete Faktor war die Marginalisierung aufgrund des Geschlechts der Akteure. Die Hierarchisierung der einzelnen NfO-Akteure war dabei mehr als der Ausdruck von Arbeitsteilung. Vielmehr war sie die Manifestation eines strukturellen Differenzdenkens. Die zentrale Differenzierung innerhalb der NfO richtete sich nach der regionalen Herkunft der Akteure: Deutsche und nichtdeutsche Akteure interagierten auf unterschiedliche Weisen miteinander und mit der NfO-Leitung. Dabei fand die Interaktion selten auf Augenhöhe statt. Nichtdeutsche Akteure wurden von der NfO-Leitung und den deutschen Mitarbeitern häufig als Mitarbeiter oder Affiliierte zweiter Klasse behandelt. Dies zeigt sich etwa an den Sitzungen der Nachrichtenstelle. Selten finden sich in den Sitzungsprotokollen Äußerungen der nichtdeutschen Mitarbeiter. Dies könnte zum einen daran liegen, dass die Bemerkungen nichtdeutscher Akteure selten notiert wurden. Zu inhaltlichen Fragen oder generellen Entscheidungen findet sich in den Protokollen wenig Einfluss der nichtdeutschen Akteure. Sie wurden eher zu formalen Sachen befragt – etwa dazu, welche Zeitschriften noch bestellt werden könnten oder in welcher Arbeitsphase sich eine Übersetzung gerade befindet.566 Wie jedoch die Gefangenenzeitung El Dschihad gestaltet werden sollte, wurde ausschließlich von deutschen Akteuren entschieden.567 Zum anderen wurden im Rahmen der NfO zwei unterschiedliche Sitzungen veranstaltet: solche, an denen nur deutsche Mitarbeiter teilnahmen (»ordentliche Sitzungen«), und solche, die auch für die nichtdeutschen Mitarbeiter offen waren (»außerordentliche Sitzungen«).568 In den Sitzungsprotokollen findet sich nur in einem Fall ein direkter Einspruch eines arabischsprachigen Mitarbeiters. Ahmad Wali sprach sich gegen den Vorschlag Eugen Mittwochs aus, Publikationen, die sich an ein nichtdeutsches Publikum richten, möglichst simpel zu gestal-
566 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 19.08.1915, PA AA, NL Schabinger von Schowingen 22. 567 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 30.01.1915, PA AA, NL Schabinger von Schowingen 27. 568 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 07.06.1915, PA AA, NL Schabinger von Schowingen 22.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
ten.569 Wali wehrte sich hier gegen die Prämisse einiger deutscher Kollegen, dass nichtdeutsche Adressaten im Gegensatz zu deutschen komplexe Texte nicht verstehen würden. Vorschläge nichtdeutscher Akteure wurden jedoch generell nur selten umgesetzt – so etwa Muhammad al-Rushdis Idee, eine neue arabische Zeitschrift zu gründen.570 Die ungleiche Behandlung schlug sich aber auch in der Raumaufteilung nieder. Während deutsche Mitarbeiter pro Person häufig eigene Zimmer hatten, standen den nichtdeutschen Affiliierten und Mitarbeitern zumeist nur gemeinsame Räume zur Verfügung, die nach der regionalen Herkunft getrennt waren.571 Die ungleiche Behandlung der NfO-Akteure war auch eine Frage des Vertrauens. Nichtdeutschen Akteuren wurde mangelnde Loyalität unterstellt. In der Konsequenz wurden sie überwacht.572 Diese Ungleichheiten wurden jedoch nicht nur durch Handeln ausgedrückt, sondern auch durch Sprache. Nichtdeutsche Akteure wurden generell gesondert von deutschen Akteuren beschrieben. Häufige Bezeichnungen waren »orientalische Mitarbeiter«573 , »ausländische Mitarbeiter«574 , »die Herren Eingeborenen«575 und immer wieder »Orientalen«. Insbesondere die pejorative Bezeichnung »Eingeborene« muss den nichtdeutschen Akteuren missfallen haben. So wehrte sich Muhammad Farid auf der dritten Nationalitätenkonferenz in Lausanne 1916 gegen den Begriff indigène.576 Eine weitere sprachliche Darstellung der Asymmetrie zwischen deutschen und nichtdeutschen Akteuren sind die verschiedenen Mitarbeiterlisten, die sich in den Archiven finden lassen. Diese sind keine (alphabetische) Aufzählung der Mitarbeiter, sondern haben die Funktion von Organigrammen. Organigramme sind jedoch in der Regel bildliche Darstellungen von Hierarchien.577 Generell wer569 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 18.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 570 Al-Rushdi an Mittwoch, 10.06.1918, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9,2, R 14572. Die interne AA-Korrespondenz über die mögliche Gründung einer arabischen Zeitschrift setzt sich in den Akten R 14572 und R 14573 fort. 571 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 27.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 572 S. Kap. 3.3.3 Überwachung und Kontrolle. 573 Mitarbeiterliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 20.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 574 Gehaltsliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 23.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1504. 575 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 07.06.1915, PA AA, NL Schabinger von Schowingen 22. 576 Offizieller Bericht der Union des Nationalités über III. Nationalitätenkongress, 1916, PA AA, RAV Bern 800. 577 Stefan Kühl, Zum Verhältnis von Macht und Hierarchie in Organisationen: Das Zusammenspiel von »Überwachung von Mitarbeitern« und »Unterwachung von Vorgesetzten«, in: Bianka Knoblach/Torsten Oltmanns/Ivo Hajnal/Dietmar Fink (Hg.), Macht in Unternehmen: Der vergessene Faktor, Wiesbaden 2012, S. 165-183, hier: S. 166.
3. Die Akteure
den dort deutsche Akteure vor bzw. über nichtdeutschen Akteuren genannt. Dies gilt sowohl für die Darstellung von Mitarbeitern als auch für die Nennung Affiliierter. Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass die nichtdeutschen NfO-Akteure vor allem über ihre Funktion für die Organisation wahrgenommen wurden. Im Gegensatz zu deutschen NfO-Mitarbeitern, die einfach nur »Kollegen« oder »Mitarbeiter« genannt wurden, spielt die Unterscheidung in »Agitatoren« und »Hilfsarbeiter« bei der Beschreibung nichtdeutscher Akteure eine zentrale Rolle.578 Aber auch in der Wissensproduktion und den Diskursen selbst drückt sich die Hierarchisierung aus. Die Texte nichtdeutscher, arabischsprachiger NfO-Akteure wurden von deutschen Mitarbeitern zuweilen stark zensiert.579 Die Unzufriedenheit verschiedener nichtdeutscher Akteure dokumentierte u.a. Lala Har Dayal in seinem – sicherlich durch antideutsche Propaganda gefärbten – Bericht über seine Zeit in Berlin und kommt zu dem Schluss: »The Prussians are a selfish, rude, and arrogant people. […] They must teach these Orientals that they are not the equals of the divine German race.«580 Ein großer Unterschied in der Behandlung nichtdeutscher Akteure lässt sich unter den Leitern Schabinger von Schowingen und Mittwoch ausmachen. Vor der Versetzung Schabinger von Schowingens nach Palästina häuften sich Beschwerden nichtdeutscher Akteure beim AA über die Leitung der Nachrichtenstelle. Ähnliches findet sich unter Eugen Mittwoch nicht. Aber auch zwischen den nichtdeutschen, arabischsprachigen Akteuren selbst gab es Hierarchisierungen und Abwertungen aufgrund der Herkunft. Martin Hartmann schilderte dies in einem Schreiben an Georg Kampffmeyer wie folgt: »Ich habe den Eindruck, dass die arabischen Muslime Berlins gegenwärtig in zwei Lager geteilt sind: das tunesische Lager und das egyptische Lager, die sich feindlich gegenüber stehen […].«581 Immer wieder gingen Berichte bei der Nachrichtenstelle ein, dass insbesondere die unter den Gefangenen aktiven NfO-Akteure gegenüber arabischsprachigen Insassen anderer Herkunftsländer überheblich seien. Rabah Bukabuya, selbst Algerier, erzählte etwa, dass sich tunesische Akteure gegenüber Algeriern anmaßend verhalten würden.582 Salih al-Sharif, tunesischer Abstammung, meinte hingegen, dass sich Ahmad Wali und ʿAli al-ʿInani – beide
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S. dazu auch die Einleitung von Kap. 3. S. Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion. Har Dayal 1920, S. 59-60. Hartmann an Kampffmeyer, 25.04.1916, ULB ST, NL Martin Hartmann, DMG Yi 166 II D. Ein Ausdruck dieser Rivalität sei etwa ein Streit gewesen, den Hartmann zwischen Farid und al-Khidr beobachtet habe. Dabei ging es darum, ob al-Azhar oder al-Zaytuna die bessere Hochschule sei. Al-Khidr habe die Position vertreten, dass al-Zaytuna die bessere Universität sei. Amüsant ist in diesem Zusammenhang, dass al-Khidr Husayn al-Azhar nach dem Zweiten Weltkrieg selbst als Großmufti vorstand und damit bisher als einziger Nicht-Ägypter diese Institution leitete. 582 Rabah Bukabuya an AA, 21.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1510.
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Ägypter – gegenüber Maghrebinern nicht korrekt verhalten würden. Dies führte letztlich dazu, dass Wali und al-ʿInani für den Dienst an Gefangenen für ungeeignet erachtet wurden.583 Über eine Hierarchisierung zwischen den deutschen NfO-Akteuren aufgrund ihrer Herkunft ist nichts bekannt. Weitaus bedeutender war die wissenschaftliche Reputation für die Wahrnehmung der einzelnen deutschen Akteure innerhalb der Nachrichtenstelle, was bereits an mehreren Stellen angeklungen ist. Hier herrschte ein klares Gefälle. Wissenschaftler mit vorangeschrittenen Karrieren wurden gegenüber anderen (deutschen) Mitarbeitern bevorzugt, insbesondere im Fall von Führungspositionen. Von den sprachlich-regional organisierten Abteilungen wurde lediglich die Indische nicht von einem an einer Universität tätigen Mitarbeiter geleitet (Ferdinand Graetsch). Die zweite Form der strukturellen Asymmetrie beschreibt eine Leerstelle in der Überlieferung. Frauen spielen in den Akten zur Nachrichtenstelle für den Orient lediglich eine untergeordnete oder keine Rolle. Dies trifft auf Frauen in deutschen Geheimdiensten während des Ersten Weltkriegs insgesamt zu, sodass die Forschung dazu vor allem ein Schreiben entlang einer Lücke ist.584 Bei der NfO arbeitete eine Reihe weiblicher Bürokräfte wie Frau Rössler, Frau Schultze, Frau Wundermacher oder Frau Stamm,585 zu denen über die Nachnamen hinaus jedoch keine Informationen vorliegen. Ein wenig bekannter ist die Sprachwissenschaftlerin Ruth Buka, die mindestens ein Jahr lang für die Arabische Abteilung arbeitete.586 Aufgrund ihres jungen Alters und ihrer Ausbildung als Semitistin ist davon auszugehen, dass sie für die Nachrichtenstelle vor allem Übersetzungen anfertigte bzw. kontrollierte. In ihrem Lebenslauf schrieb sie zudem, dass sie für das AA Übersetzungen angefertigt habe.587 Buka wird weder in Protokollen mit Beiträgen zu den Sitzungen genannt noch ist sie Gegenstand von Korrespondenzen mit dem AA. Auch hat sie keine eigenen Schriftstücke zu ihrer Zeit bei der Nachrichtenstelle hinterlassen. Dies ist auffällig, da männliche NfO-Akteure mit ähnlichen biografischen und akademischen Werdegängen, etwa Herbert Diel oder Helmuth von Glasenapp, durchaus ihre Spuren in den Archivquellen hinterlassen haben. Von Glasenapp gedenkt Buka in seinen Memoiren nur beiläufig: »Unter den weiblichen Mitarbeitern ragte die schöne Ruth Buka hervor, die mit Arabisch promoviert hat-
583 Von Wesendonk an Mittwoch, 21.04.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21255. 584 Hanne Hieber, Mademoiselle Docteur: The Life and Service of Imperial Germany’s Only Female Intelligence Officer, in: Journal of Intelligence History 5/2 (2005), S. 91-108, hier: S. 91. 585 Mittwoch an AA, 18.10.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. 586 Mueller an AA, 05.07.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1535 und Mitarbeiterliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 05.06.1935 (handschriftliche Ergänzungen von 1943), Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA, Erster Weltkrieg, NL von Oppenheim Nr. 19. 587 Lebenslauf Ruth Buka, o.D. [zwischen 1930 und 1939], ECAR, Series 4: Biographical Files, Box 1.
3. Die Akteure
te.«588 Während von Glasenapp männliche NfO-Akteure in ihren Aktivitäten und Charakterzügen zuweilen sehr ausführlich beschreibt, hebt er bei Ruth Buka besonders ihr Aussehen hervor und nennt bis auf ihre Promotion keine Kompetenzen. Andere Mitarbeiterinnen erscheinen ihm in diesem Zusammenhang nicht einmal erwähnenswert. Die Vermutung liegt nahe, dass Ruth Buka und ihre weiblichen Kolleginnen insbesondere aufgrund ihres Geschlechts keine stärkere Dokumentation in den Archivquellen erfahren haben. Im Fall von Ruth Buka eröffnen sich Parallelen zur Nachrichtendienstmitarbeiterin Elsbeth Schragmüller, die als Mademoiselle Docteur einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat: Beide entstammten der gebildeten Mittelschicht, fertigen ihre Promotion um den Kriegsausbruch herum an, waren während des Krieges abseits von der Front sowie nicht im medizinischen Bereich – etwa als Krankenschwester oder Ärztin – aktiv und erfuhren wohl aufgrund des Geschlechts keine militärische Anerkennung der Leistungen während des Kriegs.589 Das Fehlen der weiblichen NfO-Mitarbeiterinnen in den Archivquellen wirkt geradezu paradox vor dem Hintergrund, dass in den Diskursen der Organisation die Stärkung von Frauen – etwa durch Bildung – eine zentrale Rolle einnimmt.590
3.3.3
Überwachung und Kontrolle
Eine zentrale Folge der beschriebenen Konflikte und Asymmetrien ist der Versuch der NfO-Leitung, die mit ihr verbundenen Personen und deren Tätigkeiten zu überwachen und möglichst zu kontrollieren. Überwachung wird hier nicht normativ – positiv oder negativ – verstanden, sondern als ein »Basisprozess der Verhaltensbeobachtung und -regulierung«591 , wobei die Regulierung stets auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet ist. Wie bei den strukturellen Asymmetrien ist eine klare Differenzierung von deutschen und nichtdeutschen Akteuren sichtbar. Die Art und Weise, wie in internen Einschätzungen und Bewertungen über die Leistungen von deutschen bzw. nichtdeutschen Mitarbeitern geschrieben wurde, macht deutlich, dass die jeweiligen NfO-Leiter klar zwischen diesen beiden »Gruppen« unterschieden. Die Leiter der
588 Glasenapp 1964, S. 72. 589 Mehr zu Elsbeth Schragmüller bei Hieber 2005. Eine weitere wichtige Akteurin im Nahen und Mittleren Osten während des Krieges war Gertrude Bell. Charlotte Trümpler, Die Orientforscherin Gertrude Bell (1868-1926), in: Rebekka Habermas/Alexandra Przyrembel (Hg.), Von Käfern, Märkten und Menschen: Kolonialismus und Wissen in der Moderne, Göttingen 2013, S. 186-194. 590 S. Kap. 4.3.1 Kolonialismus, Krieg und Kultur. 591 Sven Reichardt, Überwachungsgeschichte(n): Facetten eines Forschungsfeldes, Einführung, in: Geschichte und Gesellschaft 42/1 (2016), S. 5-33, hier: S. 12.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
NfO vertrauten deutschen Mitarbeitern grundsätzlich mehr als ihren nichtdeutschen Kollegen. Dennoch lässt sich feststellen, dass auch deutsche Akteure zuweilen ihre Loyalität unter Beweis zu stellen hatten. Herbert Mueller musste beispielsweise seine politische Gesinnung offenlegen. Auslöser war ein Brief seiner Mutter an von Wesendonk, in dem sie ihrem Sohn eine Nähe zur Sozialdemokratie unterstellte, was für politisch problematisch erachtet wurde. Daraufhin verfasste Mueller ein langes Schreiben, in dem er sich klar von diesen Anschuldigungen zu distanzieren suchte. Letzten Endes meldete sich Muellers Mutter erneut bei von Wesendonk, zog ihre vorherigen Behauptungen zurück und erklärte, sie habe ihren Sohn dazu bewegen wollen, seine Loyalität unter Beweis zu stellen.592 Das ist jedoch der einzige Vorfall, bei dem die politische Position eines deutschen NfO-Mitarbeiters dermaßen Wellen schlug. Andere Kritik an und anschließende Überprüfung von deutschen Akteuren bezog sich vor allem auf Fragen der Qualifikation oder der Bereitschaft, sich internen Strukturen unterzuordnen. Dies verweist auf den Einfluss rassistischen Denkens innerhalb der NfO: Deutsche Mitarbeiter waren allein aufgrund ihres Deutschseins vertrauenswürdig, ihre Loyalität wurde vorausgesetzt und ihre politische Gesinnung kaum hinterfragt. Im Gegensatz dazu wurden arabischsprachige, nichtdeutsche Mitarbeiter nicht nur wegen ihrer politischen oder religiösen Disposition überwacht, sondern auch wegen ihrer Herkunft.
Informationsgewinnung Grundsätzlich hatte die Leitung der Nachrichtenstelle das Bedürfnis, gut über »Orientalen« informiert zu sein. Hartmann schlug im Herbst 1915 von Oppenheim vor, nach Istanbul zu reisen und dort ein »Personalarchiv« anzulegen, wie er es nannte. Er wollte eine Art Handbuch politisch relevanter Akteure im Nahen und Mittleren Osten erstellen, auf dessen Grundlage mögliche Kooperationspartner für Deutschland festzustellen wären.593 Dieses Bedürfnis, möglichst viel über nichtdeutsche Akteure zu wissen, bezog sich auch auf Personen, die bereits im Umfeld der Nachrichtenstelle tätig waren. Die NfO-Leiter unterschieden aber auch innerhalb der arabischen NfOMitarbeiter und Affiliierten. Das Kriterium war hierbei, ob die Akteure lediglich für »Hilfsarbeiten« eingesetzt wurden oder ob sie selbst Texte verfassten. Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, ʿAli Ahmad al-ʿInani, Barukh Jurji Salim und Ahmad Wali waren vor allem mit Übersetzungen, Zeitungslektüre und Lektoratsaufgaben beauftragt und kaum in die inhaltlichen Fragen involviert.594 Von dieser Gruppe
592 Korrespondenz Mueller mit von Wesendonk, September 1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. 593 Hartmann an von Oppenheim, 02.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 594 Zu den Aufgaben der jeweiligen Akteure s. Kap. 3.2.1 Rekrutierungsmechanismen.
3. Die Akteure
verfassten lediglich Abu l-Fadl und Ahmad Wali eine – geringe – Zahl an Artikeln.595 Sie hielten auch ab und an Predigten in den Gefangenenlagern; dennoch waren Wali und Abu l-Fadl v.a. mit Übersetzungstätigkeiten beschäftigt. Diesen Akteuren vertraute die NfO-Leitung in der Regel. Schabinger von Schowingen notierte beispielsweise in einer Einschätzung zu Abu l-Fadl an von Wesendonk handschriftlich: »Durchaus vertrauenswürdig.«596 Solche Bewertungen hatten unterschiedliche Gründe. Zum einen kamen die »Hilfsarbeiter« durch Empfehlungen zur NfO.597 Wali lebte wie al-ʿInani bereits vor Kriegsausbruch seit Jahren in Deutschland und arbeitete zudem für das Berliner Seminar für Orientalische Sprachen. Das Auswärtige Amt vertraute Wali sogar dermaßen, dass es ihn für eine gewisse Zeit als Übersetzer an einer deutschen U-Boot-Mission in Nordafrika teilnehmen ließ.598 Abu l-Fadl wurde als ehemaliger Teilnehmer der FrobeniusMission empfohlen und hatte damit seine Loyalität wohl schon zur Genüge unter Beweis gestellt. Zudem kannte Schabinger von Schowingen ihn bereits vor dessen Arbeit für die NfO persönlich.599 Der bekannte Orientalist Ernst Jäckh hatte Barukh Jurji Salim der NfO empfohlen und damit sein Vertrauen in den irakischen Studenten ausgesprochen.600 Zum anderen war der Aufgabenbereich, den diese Akteure erfüllten, nicht so brisant. Deutsche Autoren gaben die Inhalte der Texte vor und die deutschen Mitarbeiter der Arabischen Abteilung konnten die arabischen Übersetzungen problemlos kontrollieren und gegebenenfalls überarbeiten. Im Zentrum der Aufmerksamkeit bzw. Überwachung stand daher jene Akteursgruppe, die in internen NfO-Schreiben zuweilen als »Agitatoren« oder »Propagandisten« bezeichnet wurde.601 Es handelt sich dabei um die nichtdeutschen Mitarbeiter und Affiliierten, welche die deutsche Meinungsbeeinflussung mit inhaltlichen Beiträgen unterstützten. Wie zuvor angeführt, bestand diese mit publizistischen Aufgaben betraute Gruppe arabischsprachiger Akteure u.a. aus Rabah Bukabuya, Muhammad Fahmi, Muhammad Farid, ʿAbd al-ʿAziz Jawish, ʿAbd al-Malik Hamza, Muhammad al-Khidr Husayn, Mansur Rifʿat, Muhammad al-Rushdi und Salih al-Sharif al-Tunisi. 595 Etwa Wali, Die Kammer der Leiden, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/12 (28.03.1917), S. 551. 596 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 597 S. Kap. 3.2.1 Rekrutierungsmechanismen. 598 Mittwoch an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 18.01.1923, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 48. 599 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 600 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. 601 Beispielsweise von einem der NfO-Leiter. Zwischenbericht Schabinger von Schowingen an von Oppenheim, 05.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Deutsche Behörden wie das Auswärtige Amt, aber auch die Nachrichtenstelle selbst, befürchteten, dass nichtdeutsche Akteure in Berlin ganz generell antideutschen Tätigkeiten nachgehen könnten. Da war zum einen die Angst, vermeintlich antikoloniale Akteure seien in Wirklichkeit französische oder britische Spione. Unter dem Deckmantel der Kooperation würden diese Akteure die Pläne und Strategien deutscher Stellen auskundschaften und die Informationen weitergeben. So auch im Fall der Ägypter ʿAbd al-ʿAziz Jawish und ʿAbd al-Malik Hamza, die regen Kontakt in die Schweiz pflegten. Dieser Umstand allein genügte, damit von Wesendonk ihnen Spionagetätigkeit für Frankreich unterstellte bzw. diese als Möglichkeit wahrnahm. Er resümierte: »Schawisch [Jawish] und seinen Leuten ist alles zuzutrauen.«602 Neben dieser Sorge vor Spionage fürchteten deutsche Beamte antikoloniale Aktivitäten seitens der nichtdeutschen, arabischsprachigen Mitarbeiter und Affiliierten. Dahinter stand die Befürchtung, dass unkontrollierte Tätigkeiten dieser Akteure entweder den eigenen Kolonien oder aber der Dschihadisierungs- bzw. Revolutionierungspolitik schaden könnten. Aus dieser Perspektive heraus hätte die antikoloniale Rhetorik in den deutschen Kolonien zu Aufständen führen können. Eine parallel zu der von den Deutschen betriebene, »panislamische« Betätigung hätte aus deutscher Sicht den eigenen außenpolitischen Plänen entgegenstehen können, wenn beispielsweise auch Deutschland zu einem Feind des Islam erklärt worden wäre.603 Der dritte Faktor, ob und wie NfO-Akteure überwacht wurden, war also die Frage, ob sie außerhalb des NfO-Rahmens politisch aktiv waren. Daniel Brückenhaus gelangt in seiner Studie zum Beziehungsgeflecht europäischer Stellen mit antikolonialen Akteuren zu dem Ergebnis, dass nichteuropäische antikoloniale Akteure aufgrund ihres sozialen Status oder ihrer Bildung unterschiedlich behandelt wurden.604 Diese Perspektive wird hier nun um den Aspekt der politischen Tätigkeit ergänzt. Denn nicht alle arabischsprachigen Mitarbeiter, welche die deutsche Propaganda inhaltlich durch antikoloniale oder religiöse Rhetorik unterstützten, befassten sich auch über die NfO hinaus mit politischen Projekten. Je weniger eine Person sich in dieser Richtung betätigte bzw. diese Tätigkeiten der NfO-Leitung bekannt waren, desto mehr Vertrauen brachte die Nachrichtenstelle dem Akteur entgegen. Muhammad al-Khidr Husayn, der kaum eigene politische Ziele verfolgte, hatte relativ große Freiheiten und ein breiteres Aufgabenspektrum als die anderen arabischen Aktivisten. Er war für die arabischen Leitartikel der Lagerzei-
602 Von Wesendonk an von Hülsen, 09.11.1916 und 12.11.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. 603 Zu den Diskurspositionen in der NfO zum Thema Kolonialismus s. Kap. 4.3.1 Kolonialismus, Krieg und Kultur. 604 Brückenhaus 2010, S. 532.
3. Die Akteure
tung El Dschihad verantwortlich605 und zudem mit der Suche nach geeigneten Gefangenen betraut, die an dieser Zeitschrift mitarbeiten konnten.606 Sobald Akteure eigene Projekte verfolgten, wie ʿAbd al-ʿAziz Jawish mit seiner Zeitschrift Die Islamische Welt oder Salih al-Sharif al-Tunisi mit der Idee einer Deutsch-islamischen Gesellschaft, wurden die deutschen Stellen misstrauisch. Dies gilt besonders ab dem Jahr 1916, das bereits als Zäsur in der Beziehung der Nachrichtenstelle zu den nichtdeutschen Akteuren beschrieben wurde. Durch die Korrespondenzen zwischen den NfO-Leitern und den Ansprechpartnern im Auswärtigen Amt entsteht der Eindruck, dass deutsche Stellen nicht nur die Inhalte solcher Projekte kritisierten, sondern auch grundsätzlich die Initiative arabischsprachiger Akteure missbilligten. Sobald eine Idee nicht von der NfO oder dem AA kam, mochte sie für die Dschihadisierungsidee auch noch so sinnvoll erscheinen, lehnte sie entweder der Abteilungsleiter, der NfO-Leiter oder eine Person im AA ab. Die Überwachung im Rahmen der Nachrichtenstelle umfasste sämtliche Praktiken, die Sven Reichardt für den Überwachungsbegriff für relevant erachtet: Beobachten, Erfassen, Identifizieren, Sammeln, Kontrollieren und Intervention.607 Zu Zeiten, in denen digitale Überwachung noch keine Rolle spielte, waren öffentlich zugängliche Informationen und persönliche Kontakte die zentralen Mittel in diesem Feld.608 Um die Begriffe der surveillance studies zu verwenden: open source intelligence (OSINT) und human intelligence (HUMINT).609 In erster Linie ging es um die Publikationen der NfO-Akteure. Um über die Gesinnung der arabischsprachigen NfO-Akteure informiert zu bleiben, lasen deutsche Mitarbeiter ihre Publikationen, die diese nicht im Rahmen der NfO veröffentlichten, stets sehr genau auf mögliche antideutsche oder antiosmanische Positionen hin.610 Wie wurde das Verhältnis Deutschlands zum Nahen und Mittleren Osten beschrieben? Welche Rolle nahm das Osmanische Reich für den Autor ein? Solche und ähnliche Fragen lagen der Lektüre und Einschätzung dieser Texte zugrunde. Diese Aufgabe übernahm häufig Martin Hartmann, der als Experte für die arabische und türkische Presse galt und für das Auswärtige Amt immer wieder Analysen der islamischen Presseerzeugnisse anfertigte. Die Leiter der Nachrichtenstelle und der Leiter der Arabischen Abteilung lasen und zensierten aber auch die Publikationen arabischer
605 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 01.06.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 606 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 28.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 607 Reichardt 2016, S. 11. 608 Brückenhaus 2010, S. 525. 609 Martin Thomas, Empires of Intelligence: Security Services and Colonial Disorder after 1914, Berkeley 2007, S. 24-25. 610 S. beispielsweise Bericht über al-ʿAlam al-Islami, 29.06.1916, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9,2, R 14569.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Akteure innerhalb der NfO.611 Neben der naheliegenden Frage, ob Veränderungen in den Texten nötig waren, entschied Schabinger von Schowingen beispielsweise darüber, ob ein Text eher für ein deutsches oder ein arabisches Publikum geeignet sei.612 Ein weiterer Kontrollmechanismus, der sich auf die Schreibtätigkeit der NfO-Akteure bezog, war das Öffnen von Briefen.613 Schriftstücke wurden abgefangen und von deutschen Mitarbeitern mit den entsprechenden Sprachkenntnissen gelesen, eine Praktik, die auch bei den Briefen von nichteuropäischen Gefangenen in den von der NfO betreuten Lagern durchgeführt wurde.614 Hierdurch sollte verfolgt werden, mit wem die nichtdeutschen Akteure über welche Themen schrieben.
Kontrollpraktiken Neben der Überwachung von Publikationen und Texten spielten Kontrollpraktiken eine Rolle, die darauf abzielten, die Bewegungen der Akteure zu kontrollieren. Zum einen stellte die NfO ihren Mitarbeitern Büroräume zur Verfügung und erwartete regelmäßige Präsenz und Teilnahme an organisationsinternen Veranstaltungen wie Sitzungen.615 Darüber hinaus trafen sich deutsche NfO-Mitarbeiter immer wieder mit nichtdeutschen Akteuren auch außerhalb der Nachrichtenstelle und versuchten so, mehr über deren Tätigkeiten herauszufinden. Da viele der arabischsprachigen NfO-Akteure in Berlin lebten, fanden diese Treffen zumeist auch in der Hauptstadt statt. Eugen Mittwoch reiste jedoch in seiner Funktion als NfO-Leiter mehrmals in die Schweiz, um die dort ansässigen arabischsprachigen Aktivisten, wie Muhammad Fahmi in Genf,616 zu treffen.617 Solche Reisen erfolgten, »um diese Leute zu kontrollieren und in unserem Sinne [der NfO] zu beeinflussen resp. festzustellen, inwieweit ihre Bestrebungen mit den unsrigen [der NfO] Hand in Hand gehen […].«618 Eine polizeiliche Überwachung der arabischsprachigen NfO-Akteure, wie dies bei antikolonialen Akteuren in Großbritannien und Frankreich der Fall war,619 spielte nur eine untergeordnete Rolle. Die Berliner
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Sinno 2006, S. 408. Zu den Zensurpraktiken s. Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 07.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. Von Wesendonk an von Hülsen, 09.11.1916 und 12.11.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. Liste zensierender NfO-Mitarbeiter, ca. 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. Während die deutschen Mitarbeiter in der Regel jeweils eigene Räume hatten, saßen die nichtdeutschen Mitarbeiter nach Nationalität getrennt (Ägypter, Tataren etc.) in gemeinsamen Räumen. Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 27.03.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. S. auch Kap. 2.1.4 Räumlichkeiten. Rathmann 1974, S. 7. Mittwoch an Becker, 20.08.1918, GStA PK, VI HA NL Carl Heinrich Becker, 5454. Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 17.06.1915, PA AA, NL Schabinger von Schowingen 22. Brückenhaus 2010, S. 528.
3. Die Akteure
(und später auch die Münchner) Polizei beobachtete Mansur Rifʿat im Frühjahr 1915 für eine Weile,620 da dieser aufgrund finanzieller Uneinigkeiten mit der NfO den Kontakt zu dieser abgebrochen hatte. Darüber hinaus wurde versucht, den Wohnort der nichtdeutschen Akteure zu kontrollieren und deren Freizügigkeit massiv einzuschränken. Einige der nichtdeutschen Mitarbeiter wurden in den Berliner Pensionen Sauerzapf und Albrecht untergebracht.621 Anderen, wie Salih al-Sharif und al-Khidr Husayn,622 wurde verboten, sich nach Belieben nach einer neuen Wohnung umzuschauen. Aus der Perspektive der Nachrichtenstelle war das Ziel dieser Maßnahmen, jederzeit über den Aufenthaltsort der Akteure unterrichtet zu sein. Zudem konnte diese Form der Kontrolle möglicherweise auch eine einschüchternde Funktion haben. Die Tatsache, dass hauptsächlich deutsche NfO-Mitarbeiter arabischsprachige Akteure überwachten, bedeutete nicht, dass nicht auch arabischsprachige Akteure in Überwachungspraktiken eingebunden waren und Informationen lieferten. So verfasste der ehemalige Dozent an der Polizeiakademie in Beirut Muhammad Sadiq regelmäßig Berichte über nichtdeutsche NfO-Akteure in Deutschland und der Schweiz. Auch Rabah Bukabuya, der zunächst in den Gefangenenlagern arbeitete, berichtete regelmäßig an die NfO-Leitung. Er wurde sogar als »eine Art Geheimpolizei«623 bezeichnet. Darüber hinaus bat die NfO-Leitung arabischsprachige Affiliierte um Einschätzungen über arabischsprachige Mitarbeiter. So im Fall des für die osmanische Regierung tätigen Tunesiers ʿAli Bash Hamba, welcher der NfO über die deutsche Botschaft in Istanbul Informationen zu ʿAbd al-ʿAziz Jawish zukommen ließ.624 Darüber hinaus versprach er, auf Jawish, dessen vermeintlich deutschlandfeindliche Haltung Grund für die Anfrage der NfO bei der Botschaft war, einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, sich mäßigender zu äußern.625 Die arabischsprachigen Mitarbeiter berichteten aber auch ungefragt über ihre nichtdeutschen Kollegen. Mansur Rifʿat meldete sich beim deutschen Konsulat in Genf und meinte bezüglich Muhammad Fahmi, dieser »sei für energisches Handeln nicht zu gebrauchen.«626 Über Rifʿat wusste wiederum der Khedive Abbas Hilmi II. zu berichten, dass dieser geisteskrank und Alkoholiker sei.627 Die Denunziationen zwischen den arabischen Mitarbeitern und Affiliierten zielten grundsätzlich eher auf die Personen und ihre Loyalität ab als auf deren Kompetenz.
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Von Wesendonk an Polizeipräsident Berlin, 19.01.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21127. NfO an von Wesendonk, 03.10.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. Schabinger von Schowingen an AA, 07.10.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21251. Von Wesendonk an AA, 10.06.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21247. Von Radowitz an AA, 07.10.1916, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9,2, R 14570. Wolff Metternich an von Wesendonk, 21.07.1916, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9,2, R 14569. Geissler an AA, 18.10.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21124. Botschaft Wien an AA, 03.01.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21127.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Die Überwachung und Informationsgewinnung stieß, trotz aller Ambitionen, schnell an ihre Grenzen. Die deutschen Mitarbeiter waren allein zeitlich nicht in der Lage, sämtliche Publikationen und Schriftstücke der arabischen NfO-Akteure zu kontrollieren. Mit Blick auf die Briefe von ʿAbd al-Malik Hamza äußerte von Wesendonk die Sorge, dass dieser sicher Wege finden könnte, die Überwachung zu umgehen.628 Darüber hinaus konnte die Leitung der Nachrichtenstelle nur dann auch tatsächlich Einfluss nehmen und gegebenenfalls intervenieren, wenn ein Text in Deutschland veröffentlicht werden sollte. Sobald eine Publikation im neutralen Ausland, im Osmanischen Reich oder gar in einer britischen bzw. französischen Kolonie erschien, konnten die deutschen NfO-Mitarbeiter nur noch eine Einschätzung dazu liefern. Aber auch einige Texte, die in Deutschland erschienen, konnten deutsche NfO-Akteure nicht immer verhindern.629 Ein weiteres Problem war das hohe Maß an Mobilität, das weit verbreitet war bei antikolonialen Akteuren.630 Die deutschen Mitarbeiter der Nachrichtenstelle wussten zwar, wenn ein arabischer Akteur nicht in Berlin war, sie konnten aber nicht immer nachvollziehen, wo genau er sich aufhielt und wann er wieder kommen würde. Zwar versuchte die NfO-Leitung, die nichtdeutschen Mitarbeiter zu disziplinieren, indem sie deutsche diplomatische Vertretungen und das Auswärtige Amt bat, keine Reiseerlaubnis zu erteilen, völlig kontrollieren ließen sich die betreffenden Personen aber nicht. Schabinger von Schowingen beschrieb in einem Zwischenbericht an von Oppenheim, dass Mansur Rifʿat, »ein sehr turbulenter Geist«, die NfO unvermittelt verlassen habe und nach Istanbul reisen wollte, aber an der sächsischen Grenze nicht weiterreisen konnte.631 Die Überwachung durch deutsche Kollegen war den arabischsprachigen Mitarbeitern und Affiliierten durchaus bewusst, zumal einige von ihnen aktiv dazu beitrugen. Die Überwachung scheint aber kein Grund gewesen zu sein, die Arbeit mit der NfO zu beenden. Die Vorteile für nichtdeutsche Akteure, sich in der NfO zu engagieren, scheinen überwogen zu haben. In den Archivquellen findet sich wenig zu aktivem Widerstand gegen die Überwachung, der zu direkter Konfrontation geführt hätte. Dem Auswärtigen Amt war aber durchaus bekannt, dass es interne Spannung und Unzufriedenheit der nichtdeutschen Mitarbeiter unter dem zweiten Leiter der NfO gab,632 die wohl nicht nur auf dessen Führungsstil zurückzuführen sind.
628 Von Wesendonk an von Hülsen, 09.11.1916 und 12.11.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. 629 S. Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion. 630 Brückenhaus 2010, S. 528. 631 Zwischenbericht Schabinger von Schowingen an von Oppenheim, 05.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 632 Internes Schreiben von Wesendonks, 18.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503.
3. Die Akteure
Zuweilen führten Konflikte zwischen der NfO-Leitung bzw. den übergeordneten Behörden und den NfO-Akteuren dazu, dass Letztere aus dem Dienst der Organisation ausschieden. Schabinger von Schowingen etwa wurde wegen seines bereits beschriebenen Führungsstils an das deutsche Konsulat in Jaffa versetzt. Max Adler, dessen Kompetenz für die redaktionelle Leitung der Gefangenenzeitung El Dschihad angezweifelt wurde, musste die Nachrichtenstelle im Sommer 1915 verlassen. Hinsichtlich der nichtdeutschen Akteure versuchte die Leitung, einen nichtkonfrontativen Weg zu gehen. Immer wenn ein NfO-Mitarbeiter oder Affiliierter, der aus Sicht der Leitung nicht weiter für die Nachrichtenstelle arbeiten sollte, Deutschland verließ, bat das AA darum, der betreffenden Person die Wiedereinreise zu verweigern, und beauftragte deutsche Konsulate vor Ort, dem Akteur das Ende der Zusammenarbeit mitzuteilen. Dies war etwa der Fall bei Muhammad alKhidr Husayn, der sich im Frühjahr 1916 für einen Heimaturlaub in Damaskus aufhielt.633 Der dortige Konsul Loytved-Hardegg teilte dem Tunesier mit, dass seine Dienste nicht weiter benötigt würden.634 Ähnlich versuchte sich die NfO-Leitung Jawishs635 und Sadiqs636 zu entledigen. Abschließend bleibt zu sagen, dass sich die Mechanismen von Überwachung und Vertrauen im Fall der Nachrichtenstelle für den Orient und der arabischsprachigen Akteure kaum von denen anderer europäischer Staaten in Bezug auf antikoloniale Akteure unterschieden.637 Daher kann auch das Deutsche Reich nach Martin Thomas als empire of intelligence bezeichnet werden, also als Staat, in dem das Sammeln von Informationen genutzt wurde, um die koloniale Ordnung aufrechtzuerhalten.638 Der signifikante Unterschied zu ähnlichen Konstellationen in Frankreich und Großbritannien ist der Umstand, dass die arabischsprachigen NfO-Mitarbeiter und Affiliierten zwar antikoloniale Akteure waren, jedoch nicht aus deutschen Kolonien stammten und sich ihr antikoloniales Engagement daher (in der Regel) nicht gegen das Deutsche Reich wandte. Dennoch bestand auf deutscher Seite die Angst, dieses antikoloniale Engagement könnte sich auch auf die deutschen Kolonien und die auswärtige Politik auswirken, wenn es nicht von Deutschland aus gesteuert würde. Die Annahme, dass vermeintlich »panislamische« und antikoloniale Akteure unterstützt und sogar eingestellt werden könnten, ohne dass sie eigene Ziele und Interessen verfolgen würden, ist aufschlussreich sowohl für die damalige deutsche Außenpolitik als auch für das deutsche Orientbild. Letztlich ist der Versuch, möglichst viel über die involvierten Akteure 633 Korrespondenz bzgl. Entlassung von al-Khidr, Januar 1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21253. 634 Loytved-Hardegg an Wolff Metternich, 15.04.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21256. 635 Von Wesendonk an von Hülsen, 09.11.1916 und 12.11.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505. 636 Von Wesendonk an Gesandtschaft Bern, 01.06.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21268. 637 S. im Detail für Frankreich, Großbritannien und auch Deutschland Brückenhaus 2010. 638 Thomas 2007, S. 2.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
herauszufinden und sie zu kontrollieren, symptomatisch für die größte Sorge zu dieser Zeit sowohl des Auswärtigen Amts als auch der Nachrichtenstelle für den Orient: Kontrollverlust.
3.4
Zusammenfassung
Das vorangegangene Kapitel behandelte die Mitarbeiter und Affiliierten, die für die Nachrichtenstelle für den Orient bzw. ihre Arabische Abteilung tätig waren und diese während ihres Bestehens von 1914 bis 1921 als Plattform für ihre eigenen beruflichen und politischen Ambitionen nutzten. Hierzu wurden die unterschiedlichen Prägungen und Wege der Akteure sowie die Interaktionen zwischen den Personen und Personengruppen beleuchtet. Dabei wurden die Akteure unabhängig von ihrer Herkunft gemeinsam beschrieben: Zum einen wurde dadurch die NfO-interne Dichotomisierung zwischen »deutschen« und »nichtdeutschen« Mitarbeitern vermieden. Zum anderen wäre die Trennung in eine deutsche und eine nichtdeutsche »Gruppe« den internen strukturellen und ideologischen Differenzen in diesen »Gruppen« sowie den existierenden Gemeinsamkeiten die unabhängig von der regionalen Herkunft bestanden nicht gerecht geworden. Die biografischen Hintergründe der Akteure, die als Mitarbeiter und Affiliierte für die Nachrichtenstelle für den Orient tätig werden sollten, sind mannigfaltig. Die Familien der Akteure kamen aus unterschiedlichen Regionen und Städten in Deutschland sowie im Nahen und Mittleren Osten. Sie waren muslimisch-sunnitisch, protestantisch oder jüdisch geprägt. Die weitaus größte Gemeinsamkeit der NfO-Akteure ist ihre Zugehörigkeit zur gebildeten Mittel- und Oberschicht. Die meisten Akteure der Arabischen Abteilung studierten Rechts- und Sprachwissenschaften, andere Fächer waren etwa Medizin oder Völkerkunde. Die NfOAkteure teilten eine Reihe beruflicher und politischer Erfahrungen vor dem Krieg. Zum einen befand sich der Großteil in unsteten beruflichen Verhältnissen in Wissenschaft, Diplomatie oder Journalismus. Zum anderen erwarben die Mitarbeiter und Affiliierten Kompetenzen, wie Sprachkenntnisse oder regionale, fachliche sowie propagandistisch-publizistische Expertise, und pflegten Beziehungen, die im Krieg an Bedeutung gewinnen sollten. Nicht zuletzt waren die Werdegänge der Akteure vor deren Eintritt in die NfO geprägt von mehr oder weniger durchgehender Mobilität, die die Grundlage darstellen sollte für die Vernetzung während der Tätigkeit für die Nachrichtenstelle für den Orient. Die wohl substanziellste Erfahrung für die Akteure vor dem Krieg, die zu deren Politisierung führte, war die Auseinandersetzung mit dem europäischen bzw. deutschen Kolonialismus. Die Kompetenzen, welche die Akteure durch ihre akademischen und beruflichen Werdegänge erworben hatten, waren für die Durchführung der NfOTätigkeiten erforderlich und gewünscht. Zunächst war noch nicht klar, wer als
3. Die Akteure
Mitarbeiter oder Affiliierter infrage kommen würde. Die Akteure kamen durch die Empfehlung verschiedener »vertrauenswürdiger« Personen, wie des Orientalisten Ernst Jäckh, und über verschiedene Knotenpunkte, etwa die deutschen Auslandsvertretungen im Osmanischen Reich oder das Berliner Seminar für Orientalische Sprachen, zur Nachrichtenstelle. Da die Mitarbeiter und Affiliierten je nach Bedarf eingestellt oder entlassen wurden, gab es eine starke Fluktuation. Die wichtigste Motivation für die Akteure mit ihren uneinheitlichen biografischen Hintergründen, selbst aktiv auf die Nachrichtenstelle für den Orient zuzugehen, war der Wunsch, die eigene finanzielle Situation zu verbessern oder die eigene Karriere zu fördern. Die zentrale Gemeinsamkeit aller politisch interessierten Akteure war, dass sie durch die NfO eine Plattform erhielten, dem eigenen politischen Engagement Ausdruck zu verleihen. Sowohl nichtdeutsche als auch deutsche NfO-Akteure wollten die Schwächung Frankreichs, Großbritanniens und Russlands an ihren kolonialen Peripherien. Die Interessenkonvergenz manifestierte sich in verschiedenen Formen der Kooperation (Herausgabe gemeinsamer Publikationen, Gründung von Komitees sowie Verbänden und Teilnahme an gemeinsamen Reisen sowie Konferenzen). Je nach Publikation wurden neue Öffentlichkeiten in kriegsbeteiligten oder neutralen Ländern geschaffen. Die Akteure hofften, so Sympathien für ihren antikolonialen oder patriotischen Kampf zu generieren und dadurch aktive Unterstützung zu erhalten. Darüber hinaus nutzten Akteure mit gemeinsamen politischen Interessen die Plattform NfO, um sich zu vernetzen, auszutauschen und gemeinsame Aktivitäten zu planen. Die Akteure aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus Deutschland arbeiteten zusammen, da zeitweilig und in bestimmten Feldern eine Interessenkonvergenz bestand. Obwohl sich die politischen (Teil-)Ziele einzelner NfO-Akteursgruppen kurzfristig überlappten, war das Arbeitsklima geprägt von Spannungen und gegenseitigem Misstrauen auf allen Seiten. Persönliche Konflikte waren hier ebenso Auslöser wie strukturelle Hierarchisierungsprozesse, etwa in Form der Marginalisierung bestimmter Akteure aufgrund ihrer regionalen Herkunft. Die Leiter der NfO vertrauten deutschen Mitarbeitern grundsätzlich mehr als ihren nichtdeutschen Kollegen. Eine zentrale Folge der beschriebenen Konflikte und Asymmetrien war der Versuch der NfO-Leitung, die mit ihr verbundenen Personen und deren Tätigkeiten zu überwachen und möglichst zu kontrollieren. Die Spannungen konnten häufig nicht gelöst werden, sodass die Zusammenarbeit in der NfO von diesen Konflikten geprägt war. Die Differenzen auf allen Seiten verdeutlichen, dass die Organisation von ihren Mitarbeitern und Affiliierten lediglich als Plattform für eigene Interessen wahrgenommen wurde. Die Akteure legten ihre Streitigkeiten nicht für ein gemeinsames Ziel bei, sondern beharrten konfrontativ auf ihren jeweiligen Positionen.
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4. Die Diskurse Wissensproduktion, Vorläufer und Themen
Das vorliegende Kapitel bietet einen Überblick über die Diskurse, die im Kontext der Nachrichtenstelle für den Orient eine Rolle spielten. Die Forschungsliteratur, die sich bislang mit der deutschen Nah- und Mittelostpolitik des Ersten Weltkriegs befasst, behandelt – bis auf wenige Ausnahmen –1 die Inhalte und Themen der Propaganda entweder gar nicht oder lediglich als Nebenschauplatz der deutschen Aktivitäten dieser Zeit. Dabei war das publizierte Material der zentrale Mechanismus, mit dem die geplante Meinungsbeeinflussung vonstattenging. Dementsprechend sollten die Betrachtung dieser Publikationen und eine genauere Analyse der Diskurse einen größeren Raum einnehmen. In der Forschungsliteratur wurden zudem die verschiedenen Publikationen und Formate der NfO bisher nicht zusammengedacht, sondern häufig in getrennten Kapiteln oder einzelnen Werken beschrieben. Heine und Liebau befassen sich mit der Gefangenenzeitung,2 Bragulla3 , Oberhaus4 , Lüdke5 und Müller6 behandeln einzelne Formate wie das Korrespondenzblatt und die Dschihad-Broschüre von Salih al-Sharif in unterschiedlichen (Teil-)Kapiteln und Hagen7 analysiert in seiner Monografie ausschließlich Flugblätter. Diese Differenzierungen erklären sich gewissermaßen durch die unterschiedlichen Adressaten der Publikationen. Arabischsprachige Flugblätter, die Gefangenenzeitung El Dschihad und Artikel in arabischsprachigen Tageszeitungen im Osmanischen Reich zielten auf ein anderes Publikum ab – arabischsprachige Muslime in den Kolonien der Entente, Soldaten der französischen Armee oder arabischsprachige Bürger des Osmanischen Reichs – als deutsch-, englisch- und französischsprachige Publikationen, die sich an die
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Heraus sticht hier die Magisterarbeit von Hagen, die quasi ausschließlich die Inhalte von Flugblättern aus diesem Feld analysiert. Hagen 1990. Liebau 2014b und Heine 1980. Bragulla 2007. Oberhaus 2007. Lüdke 2005. Müller 1991. Hagen 1990.
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deutsche Bevölkerung (zumeist Wissenschaftler sowie Vertreter aus Industrie und Wirtschaft), »Neutrale« etwa in der Schweiz oder in Europa lebende nichteuropäische antikoloniale Akteure richteten. Für eine umfassende Betrachtung aller Publikationsformate spricht jedoch, dass sich gerade in der Gesamtheit der Texte zu einem Thema die Spannungen zwischen unterschiedlichen Akteuren dazu herausarbeiten lassen. Die Betrachtung der Wissensproduktion innerhalb der Nachrichtenstelle lässt auch Rückschlüsse auf andere Felder der Organisation zu. Darüber hinaus hatten die unterschiedlichen Textgattungen und Adressaten vor allem auf die Inhalte, nicht aber auf den Produktionsprozess Auswirkungen. Texte wurden nach dem gleichen Muster erstellt, zensiert und bearbeitet, unabhängig davon, für wen sie letztlich publiziert wurden. Die vorliegende Arbeit verfolgt, wie in der Einleitung beschrieben, einen diskurstheoretischen Ansatz basierend auf Philipp Sarasin und Achim Landwehr, der die Subjekte in die Analyse miteinbezieht. Für Landwehr ist der Diskurs »[…] die Menge all jener textlichen, audiovisuellen, materiellen und praktischen Hervorbringungen […], die das Thema des Diskurses irgendwie behandeln oder auch nur nebenbei streifen.«8 Daher werden in der vorliegenden Arbeit auch unterschiedliche Publikationsformate gemeinsam betrachtet. Die Aussagen und Diskurspositionen werden dabei nicht als neutrale Reden verstanden, auch wenn einige Personen den Anspruch hatten oder diesen zumindest behaupteten, gewissermaßen neutrale Texte zu liefern. Walther Schroeder schrieb über seine bei der Nachrichtenstelle herausgebrachte Dissertation: »Die vorliegende Abhandlung soll nur, ohne in eine Polemik hierüber einzutreten, als ein wissenschaftlicher Beitrag zur Einführung in ein verwickeltes Gebiet des marokkanischen Gesamtproblems dienen, das die europäische Welt so oft in Spannung versetzt hat.«9 Die Produktion und Inhalte der Texte werden stattdessen eher einem bestimmten Zweck untergeordnet. Sie sollen Handlungen und Entscheidungen rechtfertigen.10 Dabei gehorchen die Repräsentationen jenen Gruppen, die sie formulieren.11 Anders gesagt: Die Diskurse erfahren eine Transformation durch die Subjekte/Akteure, die sich in sie einbringen.12 In Diskursen sind jedoch nur bestimmte Aussagen sagbar und können als wahr gelten. Entsprechend sind die Subjekte auch dem Diskurs unterworfen.13 Aufgrund der »Verbote des Sagbaren«14 wurden in NfO-Diskursen bestimmte Themen nicht oder nur in einem begrenzten Maße besprochen. Hierzu zählt der Völkermord an den Armeniern, der sicherlich aus Rücksichtnahme auf den Bündnispartner in den 8 9 10 11 12 13 14
Landwehr 2009, S. 102. Schroeder 1917b, S. V. Chartier 1989, S. 11. Ebd., S. 10-11. Sarasin 1994, S. 38. Ders. 2003, S. 34. Ebd., S. 35.
4. Die Diskurse
Publikationen der Nachrichtenstelle nicht zu finden ist. Generell lässt sich beobachten, dass sich die Rhetorik stark an den arabischen, deutschen und neutralen Öffentlichkeiten orientierte, die adressiert werden sollten. Die Inhalte der unterschiedlichen Publikationsformate wurden daher für die intendierten Leser angepasst. Gerade im Fall der NfO spielt eine Unterscheidung der Formate nur dahingehend eine Rolle, dass sich bestimmte Formate nur an bestimmte Adressaten richteten; Medien und Zielgruppen fallen sozusagen zusammen. So zielten etwa die arabischsprachigen Flugblätter auf arabischsprachige Bevölkerungen sowie Soldaten ab und die Gefangenenzeitung El Dschihad auf Kriegsgefangene in deutschen Lagern. Die große Herausforderung bei der Betrachtung von Diskursen, die innerhalb einer Organisation eine Rolle spielten, ist es, diese nicht zu homogenisieren oder als Autor die Funktion einer »Diskurspolizei«15 einzunehmen, d.h. zu entscheiden, welche Aussagen im Diskursfeld erlaubt sein sollen und welche nicht – und dadurch Teil des Diskurses zu werden. Daher kommen in der vorliegenden Arbeit gerade die unterschiedlichen Stimmen innerhalb der Nachrichtenstelle zu Wort und insbesondere Widersprüche und Spannungen werden herausgearbeitet. Die internen Differenzen im NfO-Material stützen die zentrale These der Arbeit, dass die Nachrichtenstelle in erster Linie eine Plattform war, auf der Akteure mit unterschiedlichen Interessen ihre jeweiligen Positionen publik machen wollten. In den Diskursen der Nachrichtenstelle spielen die politischen, aber auch akademischen und beruflichen Prägungen der involvierten Akteure eine nicht zu vernachlässigende Rolle. ʿAli Shamsi brachte als westlich gebildeter ägyptischer Anwalt einen anderen Erfahrungshorizont in seine Arbeit für die Organisation ein als der deutsche Orientalist Martin Hartmann oder der tunesische Religionsgelehrte Salih al-Sharif. Dabei ist es jedoch schwierig, stets die Intention und den Hintergrund von Äußerungen genau zu bestimmen. Mit welchem Ziel sprachen z.B. ägyptische Nationalisten davon, dass sie das Osmanische Reich verehrten? Zwar ist davon auszugehen, dass die Rhetorik in den publizierten Texten stets strategisch war, in welche Richtung diese Strategie ging, ist jedoch nicht immer auszumachen. Keineswegs lässt sich zudem sagen, dass die Themen und Inhalte der NfO-Publikationen ausschließlich deutschen Interessen untergeordnet waren. Zu häufig finden sich hierfür in Publikationen der Arabischen Abteilung Positionen nichtdeutscher Akteure, die sich kaum mit deutschen Interessen in Einklang bringen ließen. In der NfO-Rhetorik lassen sich fast sämtliche der von Anne Morelli herausgearbeiteten Prinzipien der Kriegspropaganda finden: 1. Wir wollen keinen Krieg, 2. Das feindliche Lager trägt die alleinige Schuld am Krieg, 3. Der Feind hat dämonische Züge, 4. Wir kämpfen für eine gute Sache und nicht für eigennützige 15
Ebd. Foucault spricht von »diskursiver ›Polizei‹«. Foucault 1991, S. 25.
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Ziele, 5. Der Feind begeht mit Absicht Grausamkeiten: wenn uns Fehler unterlaufen, dann nur versehentlich, 6. Der Feind verwendet unerlaubte Waffen, 7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners aber enorm, 8. Unsere Sache wird von Künstlern und Intellektuellen unterstützt, 9. Unsere Mission ist heilig und 10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter.16 Die NfO-Rhetorik war dabei durch Repetitionen (»diskursive Regelmäßigkeiten«17 ), Delegitimierungsmechanismen und eine binäre Optik in der Form von Hierarchisierung sowie Grenzziehungen gekennzeichnet. Das Kapitel ist in drei Teile gegliedert. In einem ersten Schritt erfolgt ein kurzer Blick auf einige Faktoren der Wissensproduktion in der NfO. Zweitens werden jene relevanten Diskurse der Vorkriegszeit betrachtet, welche die NfO-Diskurse gewissermaßen vorstrukturierten. Als Letztes werden thematisch sortiert die Inhalte und Narrative beschrieben und analysiert, die sich in den publizierten Texten der Nachrichtenstelle finden lassen.
4.1
Wissensproduktion
Die Wissensproduktion innerhalb der Nachrichtenstelle für den Orient wird im folgenden Kapitel erstens durch einen Überblick über die unterschiedlichen Publikationen bzw. Organe der Einrichtung beschrieben. Zweitens werden anhand ausgewählter Fallbeispiele die Entstehungs-, Zensur- und Distributionsprozesse innerhalb der Organisation dargestellt.
4.1.1
Publikationen und Organe
Die Mitarbeiter und Affiliierten der Nachrichtenstelle für den Orient produzierten eine Vielzahl an Publikationen. Der Umstand, dass das Material der Organisation (zumeist) kostenlos und weit verbreitet wurde, muss für die NfO-Akteure mit politischen und religiösen Ambitionen überaus attraktiv gewesen sein, da sie so sehr unterschiedliche Leser ansprechen und ihnen ihre Botschaften vermitteln konnten. Von Ende 1914 bis Sommer 1918 wurden 1.012 Bücher, Broschüren, Zeitschriften und Flugblätter in über 20 Sprachen in insgesamt über drei Millionen Exemplaren erstellt und verteilt.18 Die drei hier besprochenen Gattungen sind Pe-
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Anne Morelli, Die Prinzipien der Kriegspropaganda, Springe 2004. Sarasin 2003, S. 35. Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. Aufgrund der großen Menge an unterschiedlichen Schriftstücken kann an dieser Stelle nur ein grober Überblick über zentrale Publikationen und Organe erfolgen.
4. Die Diskurse
riodika, Monografien bzw. Broschüren und Flugblätter.19 Periodika zeichnen sich durch ein regelmäßiges Erscheinen in einer festgelegten, formalisierten Form aus. Monografien und Broschüren hingegen sind einmalig erscheinende Publikationen, häufig mit einem oder mehreren klar erkennbaren Autoren, Herausgebern oder Verlegern. Flugblätter hingegen sind in der Regel Einzelblätter,20 die nicht unbedingt einen klar zuzuordnenden Autor haben. Die Inhalte, welche die NfO-Autoren in ihre Publikationen einfließen ließen, wie Antikolonialismus und die Idee einer islamischen Einheit, waren stark beeinflusst von Vorkriegsdiskursen und -netzwerken.
Periodika Die NfO-Zeitung, über die in der Forschung sicherlich am meisten geschrieben wurde, ist El Dschihad: Zeitung für die muhammedanischen Kriegsgefangenen.21 Die Zeitung erschien in mehreren Fassungen auf Arabisch, Georgisch, Tatarisch, Russisch, Urdu und Hindi. Die offizielle Schreibweise für die arabische, russische und turkotatarische Fassung lautete El Dschihad,22 obwohl sich in den Quellen auch alternative Schreibweisen, wie »el-Djehad«, finden lassen. Im Januar 1915 schlug von Oppenheim dem Pressehauptquartier die Gründung der Zeitung vor.23 Die Idee zur Gründung einer Zeitung mit diesem Titel wurde von Max von Oppenheim und Salih al-Sharif entworfen.24 Die Genehmigung durch den Generalstab erfolgte einen Monat später.25 Am 05.03.1915 erschien die erste Ausgabe der Zeitung auf Arabisch, Tatarisch und Russisch. Damit war El Dschihad die erste arabische Zeitung, die in Deutschland ins Leben gerufen wurde.26 Kurz darauf folgte die erste Fassung der Zeitung auf Hindi und Urdu.27 Diese Fassungen trugen jedoch den Titel Hindostan. Damit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass viele indische Kriegsgefangene keine Muslime, sondern Hindus und Sikhs waren und islamische Rhetorik sowie Dschihad-Propaganda keinen Sinn ergeben hätten. Die georgische Version hieß Kaukasien und erschien ebenfalls kurz
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Für die konkrete Produktion ausgewählter Publikationen s. Kap. 4.1 Prozesse der Wissensproduktion. Christian Koch, Giftpfeile über der Front: Flugschriftpropaganda im und nach dem Ersten Weltkrieg, Essen 2015, S. 12. Heine 1980, Liebau 2014b, Höpp 1997, S. 101-112, Thurow o.J. und Brauburger 2017. Für eine detaillierte Beschreibung der Entstehungsgeschichte, Inhalte und Schwierigkeiten dieser Zeitung sowie die Unterschiede zwischen den Fassungen sei auf die genannten Titel verwiesen. Liebau 2014b, S. 263. Ebd. Von Oppenheim an AA, 09.01.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21244 und Liebau 2014b, S. 263. Heine 1980, S. 198 und Müller 1991, S. 221. Höpp 1994, S. 8. Ebd., S. 45.
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nach der arabischen Fassung.28 Eine deutsche Version musste Rudolf Nadolny, der als Leiter der Sektion Politik mitverantwortlich war für die Propaganda im Gefangenenlager, stets vor der Veröffentlichung zwecks Zensur vorgelegt werden.29 Nadolny griff in der Tat auch immer wieder in Inhalte der Zeitung ein.30 Über die Auflagenhöhe der Zeitung liegen nicht für alle Jahre ihres Bestehens von 1915 bis 1918 Informationen vor.31 Lediglich für das Jahr 1915 sind genauere Zahlen bekannt. Die Zeitung erschien in folgender Auflagenhöhe: je 1.000 Exemplare Arabisch und Russisch, je 7.000 Exemplare Urdu und Hindi, 3.500 Exemplare Tatarisch und 1.300 Exemplare Georgisch.32 Es ist davon auszugehen, dass die Auflagenhöhe stark schwankte und sich vor allem nach dem Bedarf richtete.33 Die arabische Fassung von El Dschihad wurde zunächst in einer höheren Auflage gedruckt, die Stückzahl wurde jedoch im Oktober 1915 reduziert.34 Die vergleichsweise geringe Auflagenhöhe erklärt sich aus der Erkenntnis der Lagerverwaltung, dass nicht alle Gefangenen lesen konnten.35 Es etablierte sich daher die Praxis, dass lesekundige Gefangene ihren Mitinsassen Texte vorlasen. Die Zeitung erschien sehr unregelmäßig, obwohl anfänglich ein wöchentliches bzw. zweiwöchiges Erscheinen vorgesehen war.36 Ein Grund für die Verzögerung war die komplizierte Herstellung. Die Texte wurden per Hand geschrieben, wofür Lagerinsassen herangezogen wurden. Die Reichsdruckerei setzte die Texte dann nicht mit Lettern, sondern reproduzierte sie mithilfe von Fotolithografie.37 Die Aufmachung der Zeitung wurde im Januar 1915 beschlossen und änderte sich danach nicht mehr.38 Der Titel der arabischen Fassung wurde in den vier Ecken von drei Koran-Zitaten39 und einem Hadith-Zitat umrahmt. Sure 8, Vers 39 (»Kämpft gegen sie [, die ungläubig sind, SK], damit keine Verführung mehr stattfinden kann«40 ), Sure 47, Vers 7 (»O ihr, die ihr glaubt, wenn ihr Allahs [Sache] helft, so wird Er euch helfen«), Sure 9, Vers 119 (»O ihr, die ihr glaubt, fürchtet Allah und
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Liebau 2014b, S. 266. Müller 1991, S. 221, Höpp 1994, S. 9 und Liebau 2014b, S. 268-269. Nadolny an AA, 02.02.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21244. Höpp 1997, S. 102. Müller 1991. Liebau 2014b, S. 281. Schabinger von Schowingen an Reichsdruckerei, 08.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1512. Liebau 2014b, S. 281. Müller 1991, S. 221 und Heine 1980, S. 198. Liebau 2014b, S. 263. Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 30.01.1915, PA AA, NL Schabinger von Schowingen 27. Bei den Koranzitaten handelt es sich jedoch stets um Teilverse und nicht um den kompletten Vers. Fitna wird in dieser Übersetzung mit »Verführung« wiedergegeben.
4. Die Diskurse
seid mit den Wahrhaftigen«) und Hadith: Tafsir Muslim 19, Nr. 431441 (»Das Paradies ist im Schatten der Schwerter«). Darüber hinaus finden sich noch bei jeder Ausgabe das Datum und die jeweilige Nummer. Die verschiedenen Versionen der Gefangenenzeitung unterschieden sich jedoch nicht nur vom Namen her. Abweichungen in Inhalt, Stil, Autoren und Erscheinungsdatum waren eher die Regel als die Ausnahme.42 Zuweilen wurden jedoch Artikel aus einer Sprache für eine andere Fassung übersetzt.43 Generell versuchten die Autoren, ein positives, islamfreundliches Deutschlandbild zu transportieren. Zudem wurde über politische und wirtschaftliche Entwicklungen aus den Herkunftsregionen der Gefangenen sowie über Kriegsgeschehnisse berichtet.44 In Hindostan wurde anstelle von islamischer antikoloniale und nationalistische Rhetorik verwendet.45 Ziel der Autoren und Herausgeber war somit, die »politische und ideologische Beeinflussung muslimischer Gefangener aus den Entente-Armeen«46 im Halbmondlager (Wünsdorf) und im Weinberglager (Zossen). Die Rekonstruktion der Arbeitsprozesse in der Gefangenenzeitung gestaltet sich überaus schwierig. Nicht immer ist klar, welche Mitarbeiter der NfO wann genau welche Aufgaben übernommen haben.47 Nur ein kleiner Teil der Artikel in El Dschihad ist mit Autorennamen versehen (darunter Beiträge von ʿAbd al-ʿAziz Jawish und Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl).48 Die redaktionelle Verantwortung lag zunächst bei Karl Emil Schabinger von Schowingen und Max Adler. Letzterer war jedoch nur bis Juni 1915 für El Dschihad tätig, da seine fehlenden Arabischkenntnisse von den anderen Mitarbeitern zunehmend als Problem gesehen wurden. Nach Adlers Ausscheiden übernahmen die Mitarbeiter der Presse-Abteilung die Redaktion – also Herbert Mueller, Helmuth von Glasenapp, Frederik-August von Rantzau und Willy Spatz.49 Gerade die proosmanischen, nichtdeutschen Akteure wie Muhammad al-Khidr Husayn waren bei der Erstellung von El Dschihad stark involviert, konnten sie doch so unter den Gefangenen Werbung für das Osmanische Reich machen. Muhammad Farid hingegen, der ein ambivalentes Verhältnis zur Hohen Pforte hatte, arbeitete trotz Anfrage der NfO-Leitung nicht mit.50 Zuständig für die arabischen Leitartikel waren Rabah Bukabuya und Muhammad al-Khidr Husayn.51 Daneben waren jedoch auch Salih al-Sharif, ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Mansur 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51
Brauburger 2017, S. 32. Details zur Aufmachung der Zeitung finden sich ebd., S. 31-32. Liebau 2014b, S. 278-279. Ebd. Ebd., S. 276-278. Ebd., S. 266. Höpp 1994, S. 8. Liebau 2014b, S. 207. Höpp 1997, S. 104. Ders. 1994, S. 9. Farid/Goldschmidt 1992, S. 250. Müller 1991, S. 222.
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Rifʿat und Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl an der arabischen Ausgabe von El Dschihad beteiligt.52 Wie die Bezeichnung Gefangenenzeitung vermuten lässt, wurde El Dschihad in erster Linie an die Insassen der Lager in Wünsdorf und Zossen verteilt. Kurzzeitig wurde die Zeitung auch in den Nachrichtensälen im Osmanischen Reich ausgelegt. Sie stand jedoch nur zur Ansicht zur Verfügung und wurde nur einem ausgewählten Publikum ausgehändigt.53 Generell war die Zeitung nicht auf dem freien Markt erhältlich.54 Zudem sollte die Zeitung nicht an der Front verteilt werden.55 Die Existenz der Zeitung sollte geheim gehalten werden, um eine Vereinnahmung durch britische und französische Gegenpropaganda zu unterbinden.56 Letztlich konnte die Zirkulation der Zeitung auch außerhalb der Lager nicht verhindert werden. Deutsches Wachpersonal und Handwerker, welche die Zeitung als Tauschgegenstand von Gefangenen erhalten hatten, sorgten dafür, dass einzelne Ausgaben in Antiquariaten und Buchhandlungen in Berlin auftauchten – sehr zum Ärger der NfO-Leitung.57 Dennoch scheint die Entente-Presse von der Zeitung keine Kenntnis gehabt zu haben.58 Die Zeitung El Dschihad hatte mit mehreren Problemen zu kämpfen. Neben der Schwierigkeit, die Zeitung regelmäßig und zeitnah zu erstellen, wegen der komplizierten Herstellung oder Verzögerungen bei der Zensur,59 war ein zentrales Problem die Sprache. In der arabischen Fassung nutzten die deutschen und die arabischsprachigen Mitarbeiter vor allem das Hocharabische, das der gebildeten arabischen Mittel- und Oberschicht vertraut war. Der Großteil der Soldaten kam jedoch nicht aus diesen Schichten und war zudem häufig des Lesens unkundig. Sie verstanden die Inhalte der Texte daher größtenteils nicht.60 Dieser Umstand wurde mehrmals von Zeitgenossen kritisiert, eine tatsächliche Lösung wurde jedoch nicht gefunden, außer, dass vermehrt Bilder verwendet wurden.61 Darüber hinaus wurde viel Wissen und Allgemeinbildung in den Texten vorausgesetzt. Auch hier überschätzten die deutschen Autoren und Redakteure die Bildung der Gefangenen.62
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Höpp 1994, S. 9. Liebau 2014b, S. 282. Müller 1991, S. 230. Höpp 1994, S. 9. Heine 1980, S. 198-199. Höpp 1997, S. 105. Heine 1980, S. 199. Korrespondenz bzgl. Probleme mit Lieferung der arabischen Fassung von El Dschihad, Juni 1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21247. Heine 1980, S. 199 und Höpp 1994, S. 11. Heine 1980, S. 198. Oberhaus 2015, S. 107.
4. Die Diskurse
Die politisch und militärisch gewollte Abkehr des Deutschen Reichs von der Dschihad-Propaganda im Jahr 1916 stellte eine inhaltliche Zäsur für die Zeitung dar;63 es war der Anfang vom Ende der Zeitung. Zwar wurde beschlossen, dass die Zeitung weiterhin erscheinen solle,64 jedoch wurden die Stimmen lauter, die einen Kurswechsel und sogar eine Umbenennung forderten. Der NfO-Mitarbeiter Muhammad al-Rushdi schlug vor, die Zeitung unter dem Titel al-ʿAzm (Die Entschlossenheit) weiter zu betreiben.65 Arthur Zimmermann sah dies ganz ähnlich und befürwortete eine Umbenennung der Zeitung.66 Dazu kam es jedoch nicht mehr. Mitte Oktober 1918 fand die arabische Fassung von El Dschihad ohne offiziellen Einstellungsbeschluss ihr Ende.67 Eine weitere Konsequenz dieser Zäsur war das kurzlebige Experiment einer Gefangenenzeitung, die von Gefangenen für Gefangene erstellt wurde. Von Dezember 1916 bis März 1917 wurde eine Zeitung herausgegeben mit dem Titel Jaridat al-Isara Mataʿ Halbmondlager (Zeitung der Gefangenen des Halbmondlagers).68 Hierbei handelte es sich um eine klassische Lagerzeitung, in der Gefangene unter der Leitung der Lagerkommandantur über Ereignisse im Lager berichteten.69 Von der Zeitung wurden jedoch nur zehn Nummern herausgebracht. Mehr ist über sie nicht bekannt.70 Das zweite wichtige Organ der NfO erschien zunächst unter dem Namen Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient (KNO). Die Zeitschrift erschien ab April 1915.71 Vorbilder waren möglicherweise das britische Heft The Near East 72 und das französische Heft L’Afrique française: bulletin mensuel du comité de l’Afrique Française et du comité du Maroc73 . Ziel war es zunächst, der deutschen Presse kostenlos Material über den Nahen und Mittleren Osten zum Abdruck zur Verfügung zu stellen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass nur offizielle, abgestimmte Nachrichten über die Region an die deutsche Presse gingen.74 Ab April 1917 lief das Periodikum unter dem Namen Der Neue Orient: Halbmonatsschrift für das politische, wirtschaftliche und geistige Leben im gesamten Osten. Das Heft durchlebte mehrere Veränderungen und formalisierte sich erst endgültig mit
63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74
Brauburger 2017, S. 66. Von Wesendonk an AA, 07.12.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21261. Höpp 1994, S. 12. Ähnliche Überlegungen gab es auch für die anderen Sprachversionen der Zeitung. Höpp 1997, S. 107-109. Höpp 1994, S. 13. Heine 1980, S. 199. Höpp 1994, S. 11. Liebau 2014b, S. 262. Höpp 1994, S. 12. Müller 1991. Bragulla 2007, S. 46. Müller 1991, S. 44. Ebd., S. 214.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
der Umbenennung und Restrukturierung. Dies bezieht sich sowohl auf das Layout als auch auf den Umfang und den Inhalt. Umfasste eine Ausgabe des Korrespondenzblattes im Jahr seiner Gründung selten mehr als fünf bis sechs Seiten, wuchs das Heft bereits 1916 auf über 32 Seiten an. Die Zusammenfassung von Berichten aus der Presse des Nahen und Mittleren Ostens trat zugunsten von regulären Artikeln immer mehr in den Hintergrund. Zudem wurden auch Fach- und Sachbücher besprochen,75 wichtige gesetzliche Änderungen im Osmanischen Reich dargestellt und Informationen über politisch sowie literarisch-künstlerisch relevante Personen im Nahen und Mittleren Osten zur Verfügung gestellt.76 Die Redaktion des Korrespondenzblattes verstand das Heft daher auch als »Mittelding zwischen einer Zeitungskorrespondenz und einer Zeitschrift«77 . Mit dem Ausbau ging eine Vervielfachung der Ausgabe einher. Während die ersten Hefte des Korrespondenzblattes noch eine Auflage von 200 bis 800 Exemplaren hatten, lag Der Neue Orient bereits bei seiner Gründung bei 5.000 Heften.78 Geplant war zunächst, das Heft alle fünf bis sechs Tage erscheinen zu lassen.79 Jedoch mussten auch das Korrespondenzblatt bzw. Der Neue Orient der Zensur vorgelegt werden. Hier kam es, wie auch bei der Gefangenenzeitung, häufig zu Verzögerungen, was den redaktionellen Ablauf störte und zur Folge hatte, dass Nachrichten zum Teil bereits veraltet waren, als sie gedruckt wurden.80 Zudem führten die Einbindung der Mitarbeiter in andere Tätigkeiten und die damit einhergehende Arbeitsbelastung dazu, dass die Ausgaben nicht immer zum vorgesehenen Zeitpunkt erschienen oder gar komplett entfielen.81 Redaktion, Mitarbeiter und Autoren wurden bis zur Umstrukturierung im Frühjahr 1917 selten explizit in dem Heft selbst genannt. Aus den Akten ist jedoch bekannt, dass Herbert Mueller bereits früh federführend war. Bis 1922 hatte er die Leitung des Heftes inne.82 Weitere Mitarbeiter waren die Orientalisten Martin Hartmann, Gotthard Jäschke, Sebastian Beck, Edgar Pröbster, Enno Littmann und Helmuth von Glasenapp.83 Auch der Psychologe Willy (eigentlich Karl Wilhelm) Haas arbeitete ab 1916 für das Heft.84 Die meisten nichtdeutschen Mitarbeiter und
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Häufig besprachen die NfO-Mitarbeiter dabei die Bücher ihrer jeweiligen Kollegen. So wurden im zweiten Jahrgang eine juristische und eine literarische Beilage eingeführt. Redaktionelle Mitteilung, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/4849 (27.09.1916), S. 298. Bihl 1975, S. 107-108. Redaktion KNO an AA, 25.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1511. Mueller an von Wesendonk, 20.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1512 und Mueller an AA, 09.11.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1513. Redaktionelle Mitteilung, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/14 (12.01.1916), S. 79. Kampffmeyer 1936, S. 29. Ebd. Mittwoch an AA, 26.09.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1505.
4. Die Diskurse
Affiliierten der Nachrichtenstelle, deren Artikel und »Leserbriefe« in dem Periodikum erschienen, waren nicht als NfO-nah gekennzeichnet, sondern wurden stets als neutrale Berichterstatter aus den jeweiligen Herkunftsländern dargestellt.85 Diverse Orientalisten, die keine NfO-Mitarbeiter waren, wurden angefragt und sagten ihre Unterstützung für Der Neue Orient zu: Carl Heinrich Becker, Josef Horovitz, Eduard Meyer, Hermann Reckendorf und Friedrich Schwally.86 Die Zeitschrift wurde vor allem im Deutschen Reich und in der Schweiz bezogen. Sie richtete sich dabei vor allem an Akteure, die an politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Themen zum Nahen und Mittleren Osten Interesse hatten. Ob die Beiträge aus dem Korrespondenzblatt/Dem Neuen Orient tatsächlich in über 260 Zeitungen ab- und nachgedruckt wurden, wie Bihl bezugnehmend auf eine Mitteilung Mittwochs schreibt,87 lässt sich jedoch nicht nachvollziehen.88 Die Nachrichtenstelle selbst hatte Schwierigkeiten, den Überblick zu behalten, da die Zeitungen selten Belegexemplare einreichten.89 Nach Kriegsende verloren die deutschen Behörden das Interesse an der Zeitschrift.90 Dies ermöglichte es der Zeitschrift jedoch, auch über Themen zu schreiben und Ansichten zu äußern, die zuvor politisch unerwünscht waren.91 Das Heft überlebte bis 1943, spielte jedoch sowohl politisch als auch wissenschaftlich keine Rolle mehr.92 Eine dritte Form von Periodika waren Kriegschroniken und der regelmäßig erscheinende Bildband Der Große Krieg in Bildern. Sowohl die Kriegschronik als auch der Bildband wurden von der Zentralstelle für Auslandsdienst erstellt93 und vom Deutschen Überseedienst herausgegeben.94 Das Ziel der monatlich erscheinenden
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S. hierfür im Detail das Kap. 4.1.3 Überarbeitung und Zensur. Mittwoch an von Wesendonk, 23.02.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1528. Hartmann fragte trotz ihres Streits 1915 bei Snouck Hurgronje 1916 an, ob er für das Korrespondenzblatt schreiben wolle. Dieser lehnte jedoch ab. Korrespondenz Mittwoch mit Snouck Hurgronje, Oktober 1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1525. Bihl 1975, S. 108. Oberhaus 2007, S. 172. Bekannt ist jedoch, dass das Arab Bureau die Zeitschrift sehr genau las, auswertete und im Arab Bulletin aufgriff. So wurde etwa der Bericht im Korrespondenzblatt über die 3. Nationalitätenkonferenz in Lausanne genau begutachtet. The Third Conference of Nationalities, in: Arab Bulletin 1/18 (05.09.1916), S. 199. Zwischenbericht Schabinger von Schowingen und statistischer Überblick, März 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. Kampffmeyer 1936, S. 29. Redaktionelle Notiz, in: Der Neue Orient 2/5-6 (22.12.1918), S. 183. Hanisch 2003, S. 106. Jürgen Wilke, Deutsche Auslandspropaganda im Ersten Weltkrieg: Die Zentralstelle für Auslandsdienst, in: Jürgen Wilke (Hg.), Pressepolitik und Propaganda: Historische Studien vom Vormärz bis zum Kalten Krieg, Köln u.a. 1997, S. 79-125, hier: S. 95. Liebau 2014a, S. 113. Der DÜD und die Bilderzentrale der ZfA, die maßgeblich für Der Große Krieg in Bildern verantwortlich war, waren über Josef Schumacher verbunden, der beide Insti-
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Kriegschroniken war es, schriftlich über Kriegsereignisse zu berichten. Der Große Krieg in Bildern war hingegen eine gebundene Sammlung von Bildern, die mit Unterschriften versehen waren,95 jedoch keinen linearen oder chronologischen Verlauf des Krieges darstellten. Die Nachrichtenstelle für den Orient lieferte Übersetzungen in nichteuropäischen Sprachen für diese Publikationen.96 Die Kriegschronik erschien auf Hocharabisch, maghrebinischem Arabisch, Thailändisch, Russisch, Urdu, Hindi, Chinesisch, Osmanisch und Tatarisch. Der Große Krieg in Bildern wurde von Übersetzern der Nachrichtenstelle ins Arabische, Osmanische, Persische und in Urdu übertragen.97 Die Bildunterschriften in diesen Sprachen fanden sich an den vier Seiten der Bilder.98 Die NfO hatte bis März 1915 eigene Kriegsberichte erstellt,99 ging jedoch schließlich dazu über, lediglich das von der ZfA bereitgestellte Material zu übersetzen.100 Die Periodika wurden an interessierte Akteure verteilt und in den Nachrichtensälen im Osmanischen Reich ausgelegt.
Monografien und Broschüren Im Gegensatz zu den Periodika, die von der Nachrichtenstelle für den Orient erstellt und verteilt wurden, ist die Vielzahl an Monografien und Broschüren, die von der NfO und in ihrem Umfeld entstanden sind, fast unüberschaubar.101 Als Monografien bzw. Broschüren der Nachrichtenstelle für den Orient gelten hier nur solche, die entweder in den Akten des PA AA explizit als Publikationen der NfO genannt werden und auf einer Liste auftauchen,102 sowie Titel, die von einem NfO-Mitarbeiter überarbeitet, an eine der NfO übergeordnete Stelle zwecks Zensur weitergereicht oder bei einem der Verlage, die mit der Nachrichtenstelle zusammengearbeitet haben, herausgebracht wurden.
tutionen leitete. Kurt Koszyk, Deutsche Pressepolitik im Ersten Weltkrieg, Düsseldorf 1968, S. 244-245. 95 Wilke 1997, S. 95-96. 96 Liebau 2014a, S. 115. 97 Bihl 1975, S. 104. 98 Die arabische Bezeichnung für den Bildband lautete al-Harb al-ʿAmma al-Musawwara. Höpp 1997, S. 90. 99 Zwischenbericht Schabinger von Schowingen und statistischer Überblick, März 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 100 Schabinger von Schowingen an AA, 16.11.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1514. 101 Eine ausführliche, wenn auch nicht vollständige Liste liefert Bragulla 2007, S. 97-104. 102 Etwa Liste mit Publikationen nichteuropäischer Sprachen (»Liste der Schriften mit orientalischen Sprachen«), 1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1533 und Zwischenbericht Schabinger von Schowingen und statistischer Überblick, März 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501.
4. Die Diskurse
Neben Publikationen mit allgemeinem Charakter wie Deutschland und der Orient (1917), herausgegeben von Willy Spatz,103 und dem Propaganda-Atlas al-Zulm wa-l-Haqq (Unrecht und Recht, ca. 1917) sind im Kontext der NfO Publikationen entstanden zu ihren zentralen Zielgebieten (Persien, der indische Subkontinent, Russland bzw. die nationalen Minderheiten des russischen Reichs und der arabischsprachige Nahe und Mittlere Osten). Beispiele sind Persien und der europäische Krieg (1915), Englische Dokumente zur Erdrosselung Persiens (1917), Ist Indien loyal? (1915), Georgien und Weltkrieg (1915) und Russische Greueltaten (1915). Zentrale Publikationen der Arabischen Abteilung waren: Die Wahrheit über den Glaubenskrieg von Salih alSharif al-Tunisi (1915),104 L’islam dans l’armée française von Rabah Bukabuya (1915),105 Un verdict sur l’Angleterre von Mansur Rifʿat (1915),106 Offener Brief an Mr. Asquith von Muhammad Fahmi (1915),107 al-Khilafa al-Islamiyya (Das islamische Kalifat) von ʿAbd al-ʿAziz Jawish (1916),108 La question d’Égypte von Muhammad Fahmi (1917),109 Les intrigues anglaises contre l’Islam von Muhammad Farid (1917),110 Das Schutzgenossenwesen in Marokko von Walther Schroeder (1917),111 Die Freiheitskämpfe der Tripolitanier von ʿAbd al-Rahman ʿAzzam (1917)112 . Die Broschüren und Monografien wurden zum Teil in mehreren Sprachen und in unterschiedlichen Versionen herausgegeben. Die Broschüre Die Wahrheit über den Glaubenskrieg kam im Jahr 1916 als La vérité au sujet de la Guerre sainte in Bern heraus.113 Mansur Rifʿats Broschüre Un verdict sur l’Angleterre wurde im gleichen Jahr wie das französische Original auf Deutsch unter dem Titel Die Knechtung Ägyptens verlegt. Im Jahr 1918 erschien eine leicht überarbeitete Version unter dem Titel Ein 103 Wilhelm (Willy) Spatz akquirierte für diesen Sammelband Beiträge verschiedener Orientalisten. Spatz an Littmann, 13.05.1915, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 91. 104 Salih al-Sharif, Die Wahrheit über den Glaubenskrieg, Berlin 1915. 105 Bukabuya, Rabah 1915. Die französischen Behörden erstellten eine Replik auf diese Broschüre, auf die Bukabuya wiederum mit einer weiteren Publikation antwortete. Ders., Les soldats dans l’armée française, Lausanne 1917b. 106 Rifʿat 1915c. 107 In mehreren Fassungen erschienen. U.a. auf Englisch: Muhammad Fahmi, An Open Letter Adressed to Mr. Asquith, Genf 1915. 108 ʿAbd al-ʿAziz Jawish, al-Khilafa al-Islamiyya [Das islamische Kalifat], Istanbul 1915. 109 Fahmi 1917. 110 Muhammad Farid, Les intrigues anglaises contre l’Islam, Lausanne 1917. Das Buch wurde 1912 in einer ersten Auflage unter dem Titel La Vérité sur la question d’Égypte herausgebracht. Inhaltlich unterscheidet sich die zweite Fassung kaum und wurde nur um Bezüge auf das Protektorat ergänzt, das Großbritannien 1914 in Ägypten ausrief. 111 Schroeder 1917b. 112 ʿAbd al-Rahman ʿAzzam, Die Freiheitskämpfe der Tripolitanier: Eine Geschichte des großen Aufstandes der Tripolitanier und Senussi gegen Italiener, Engländer und Franzosen während des Weltkrieges von einem Augenzeugen, mit einem Anhang: Land und Leute in Tripolis mit besonderer Berücksichtigung des Ordenswesens, Berlin 1918. Dieser Text ist auf Anregung des AA von Azzam verfasst worden. Ghanim 1982, S. 255. 113 Salih al-Sharif, La vérité au sujet de la Guerre sainte, Bern 1916.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Wahrspruch über England in Basel.114 Muhammad Fahmis Offener Brief erschien auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch und Arabisch. Die nichtdeutschen, arabischsprachigen NfO-Akteure verfassten die Monografien und Borschüren entsprechend ihren religiösen und politischen Vorkriegsprägungen und -netzwerken. Eine zentrale Differenz war hierbei beispielsweise die Nähe oder Distanz des jeweiligen Autors zur Hohen Pforte. Die Texte hatten in der Regel deutliche antikoloniale Töne, die entweder religiös oder nationalistisch artikuliert wurden. Es wurde, wie in der Broschüre zum Glaubenskrieg, zuweilen ein konkretes Problem besprochen. Andere Schriftstücke, wie Un verdict sur l’Angleterre, waren Dokumentensammlungen, in denen Regierungstexte und Zitate bedeutender Akteure zusammengetragen wurden. Wiederum andere Publikationen waren Appelle, die sich an Gruppen oder einzelne Personen richteten, wie Fahmis Broschüre von 1915. Zuweilen hielten die Autoren auch ihre Kriegserfahrungen in Form von persönlichen Berichten fest, wie ʿAbd al-Rahman ʿAzzam im Jahr 1918. Aber auch Fachliteratur wurde von der Nachrichtenstelle herausgebracht, wie die juristische Promotion Walther Schroeders aus dem Jahr 1917. Die Autoren wurden namentlich genannt, sofern die Publikation bei einem Verlag erschien. Zuweilen wurde jedoch auf die Nennung einer verantwortlichen Person oder Organisation verzichtet. Der Großteil der Broschüren wurde von nichtdeutschen Akteuren verfasst bzw. unter deren Namen herausgebracht und sollte der deutschen Propaganda ähnlich wie die »Leserbriefe« im Neuen Orient Authentizität verleihen. Im Korrespondenzblatt bzw. im Neuen Orient machte die Redaktion häufig Werbung für die eigenen Publikationen oder lieferte Buchbesprechungen. Um die Aura der Authentizität zu bewahren, wurde der Zusammenhang zur Nachrichtenstelle verschwiegen, sofern die Monografien nicht im eigens 1917 gegründeten Verlag Der Neue Orient erschienen.115 Die Monografien und Broschüren der NfO wurden im gesamten Einflussbereich der NfO vertrieben. Zentral war hierbei die Rolle von Buchhandlungen in den
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Mansur Rifʿat, Ein Wahrspruch über England: Ägypten und Belgien, zwei Daten, 1882-1914, Basel 1918. Eugen Mittwoch und Herbert Mueller werden als Geschäftsführer des im Frühjahr 1917 als GmbH gegründeten Verlags genannt. Gesellschaftsvertrag für Verlag Der Neue Orient, 10.02.1917, Landesarchiv Berlin, A Rep 342-02 Amtsgericht Charlottenburg – Handelsregister, Nr. 62585. Der Verlag übernahm auch die Herausgabe der Zeitschrift Die Welt des Islams der Deutschen Gesellschaft für Islamkunde. Die Nachrichtenstelle für den Orient (1914-1918): Ein Bericht, August 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1508. Dies erfolgte ab Bd. 5, Heft 1-2 (1917). Über eine inhaltliche Einflussnahme seitens der NfO ist nichts bekannt. Im Jahr 1922 wurde der Georgier David Ghambaschidse Geschäftsführer des Verlags. Mitteilung an Notariatsregister, 14.12.1922, Landesarchiv Berlin, A Rep 342-02 Amtsgericht Charlottenburg – Handelsregister, Nr. 62585.
4. Die Diskurse
neutralen Ländern, insbesondere der Schweiz. Die Publikationen richteten sich sowohl an deutsche als auch an nichtdeutsche Akteure. Durch die Verwendung des Französischen und des Englischen sollte sichergestellt werden, dass die Inhalte der Texte breit rezipiert werden konnten.
Flugblätter Die dritte zentrale Publikationsgattung der Nachrichtenstelle für den Orient waren Flugblätter, in den Aufzeichnungen Schabinger von Schowingens »Aufrufe« genannt.116 Obwohl die militärische Elite in Deutschland große Vorbehalte gegen den Abwurf von Propagandamaterial hatte, war dies über den gesamten Krieg eine übliche Praxis.117 In der NfO erstellten und übersetzten die Mitarbeiter eine Vielzahl an Flugblättern, die jedoch zu einem Teil nicht mehr erhalten sind. In einigen Fällen wissen wir aus den Archivakten, dass NfO-Mitarbeiter Flugblätter verfasst haben, jedoch sind diese Schriften nicht mehr auffindbar. Dazu zählt »An die marokkanischen Soldaten oder Wer sind die Barbaren?«118 In seltenen Fällen liegen zumindest die zwecks Zensur eingereichten Übersetzungen vor wie bei »L’Islam et la guerre« von Salih al-Sharif.119 Die große Schwierigkeit ist die Zuordnung, ob gefundene Flugblätter von der Nachrichtenstelle bzw. ihren Mitarbeitern und Affiliierten erstellt wurden. Gottfried Hagen nennt in seiner Dokumentensammlung drei Kriterien, durch die sich die Flugblätter der NfO zuordnen lassen: die Verwendung ähnlicher Schriftarten, die Verzierung mit ähnlichen Ornamenten und der Einsatz prodeutscher Inhalte.120 Die eindrückliche Gestaltung der NfO-Flugblätter wurde bereits von Zeitgenossen angemerkt: »Endlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Nachrichtenstelle für den Orient seit über einem Jahr systematisch den Orient mit Flugschriften überschüttet. Sie hat dabei m.E. im buchhändlerischen Geschmack den richtigen Weg betreten, d.h. sich ausschliesslich auf Zierschrift und einfache gute alt-orientalische Arabesken beschränkt.«121
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Aufzeichnungen des früheren stellvertretenden Leiters der Nachrichtenstelle für den Orient in Berlin betreffend Wirkung der von dieser bisher entfalteten Propaganda, o.D. [nach Februar 1916], PA AA, NL Schabinger von Schowingen 15. 117 Koch 2015, S. 252. 118 Zwischenbericht Schabinger von Schowingen und statistischer Überblick, März 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 119 Schabinger von Schowingen an AA, 05.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1519. 120 Hagen 1990, S. 45 und S. 75. 121 Becker an Auskunftsstelle für Deutsch-Türkische Wirtschaft, 10.02.1916, GStA PK, VI. HA Nachlass Becker, Carl Heinrich, 176.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Die durchaus plausiblen Kriterien Hagens zur Identifizierung von NfO-Flugblättern können noch ergänzt werden um Nennungen von Flugblättern in den Akten des PA AA. Es finden sich dort sowohl Listen mit NfO-Flugblättern als auch Korrespondenzen zwischen der Nachrichtenstelle und dem AA über einzelne Flugblätter. Die Verwendung von Überschriften und Verfassernamen ist sehr unregelmäßig. In einigen Fällen werden die Verfasser direkt genannt. Dazu zählen: »Kitab Maftuh li-Mulay Yusuf Sultan Murrakush« (Offener Brief an Mulay Yussuf, den Sultan von Marrakesch) von Salih al-Sharif122 oder »Perspectives sur l’avenir des musulmans algériens«123 von Rabah Bukabuya. In anderen Fällen wird nur ein Titel genannt, beispielsweise bei »Al-Mursalat bayn Asir wa-Walidihi fi Ghudun hadhihi al-Harb al-Hadira« (Der Briefwechsel zwischen einem Gefangenen und seinem Vater im Verlauf des aktuellen Kriegs).124 Hier lässt sich anhand der Akten ableiten, dass diesem Flugblatt eine tatsächliche Korrespondenz zugrunde gelegen hat, die jedoch von Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl überarbeitet wurde.125 In anderen Fällen lassen sich keine Verfasser ausmachen. Etwa bei »Al-Islam wa-Hulafaʾuhu« (Der Islam und seine Verbündeten)126 sowie »Almaniya wa-l-Islam« (Deutschland und der Islam)127 . Aus den Archivakten des AA lässt sich auch ablesen, dass neben den bereits genannten Autoren Bukabuya und al-Sharif sämtliche arabischsprachige, nichtdeutsche NfO-Mitarbeiter Flugblätter im Auftrag der Nachrichtenstelle verfassten oder übersetzten. Dass die arabischsprachigen, nichtdeutschen Autoren bzw. Verfasser nicht immer genannt wurden, hatte mehrere Gründe. Zum einen wird es sicher eine Rolle gespielt haben, dass auch hier die Verbindung von NfO und den involvierten nichtdeutschen Akteuren verschleiert werden sollte. Zum anderen darf aber auch nicht verkannt werden, dass ein Teil der Übersetzungsleistungen durch arabischsprachige, nichtdeutsche Akteure wie Ahmad Wali als Auftragsarbeiten gesehen werden kann. Die Übersetzer/Verfasser standen daher nicht gezwungenermaßen hinter den Inhalten der von ihnen produzierten Publikationen. Die arabischen
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Kitab Maftuh li-Mulay Yusuf Sultan Murrakush [Offener Brief an Mulay Yussuf, den Sultan von Marrakesch], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,24 123 Hierbei handelt es sich um einen Auszug aus der Broschüre Bukabuya 1915. 124 Al-Mursalat bayn Asir wa-Walidihi fi Ghudun hadhihi al-Harb al-Hadira [Der Briefwechsel zwischen einem Gefangenen und seinem Vater im Verlauf des aktuellen Kriegs], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,45 und Hagen 1990, S. 120. 125 Schabinger von Schowingen an AA, 25.01.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21253. Der Schriftwechsel über die mögliche Verwendung dieser Korrespondenz zieht sich über die Signaturen R 21251 bis R 21253. 126 Dieses Flugblatt ordnet Hagen aufgrund formaler Ähnlichkeiten der NfO zu. Hagen 1990, S. 138. 127 Dieses Flugblatt ordnet Hagen aufgrund des Versuchs, ein positives Deutschlandbild zu schaffen, der NfO zu. Hagen 1990, S. 163.
4. Die Diskurse
Flugblätter wurden oftmals von deutschen NfO-Mitarbeitern wie Walther Schroeder überarbeitet, jedoch immer von den der NfO übergeordneten Stellen zensiert. Die arabischen Flugblätter bzw. jene, die arabische Bevölkerungen ansprechen sollten, wurden an der Westfront, in den Gefangenenlagern und in den Nachrichtensälen im Osmanischen Reich verteilt. Über diese Kerngebiete hinaus wurden Flugblätter aber auch weiter verbreitet. »Die französischen Lügen« von Rabah Bukabuya128 gelangte bis nach Spanien, Italien und Südamerika.129 Dorthin kam das Propagandamaterial als Teil diplomatischer Sendungen. Hinter der Front wurden die Flugblätter in der Regel mit dem Flugzeug abgeworfen,130 eventuell auch mit anderen technischen Mitteln (speziell zu diesem Zweck entwickelten Geräten und Ballons)131 . Aufgrund ihres Inhalts ist davon auszugehen, dass sich die Flugblätter der Nachrichtenstelle, im Gegensatz zu den restlichen Publikationen, sowohl an Soldaten als auch an Zivilbevölkerungen richteten. Propaganda als Kriegswaffe trennte nicht zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten.132 Obwohl das Deutsche Reich in der Distribution seines Propagandamaterials stark eingeschränkt war,133 konnte die Nachrichtenstelle für den Orient ihre Publikationen einem breiten Publikum zur Verfügung stellen. Dennoch stand die NfO vor massiven Schwierigkeiten. Zum einen war das Propagandamaterial aufgrund der Dauer der vorgeschriebenen Zensur häufig veraltet, bis es an seinen Zielort gelangte. Darüber hinaus war es den NfO-Mitarbeitern nicht immer möglich, die Propaganda auf die Adressaten zuzuschneiden, etwa wenn für die wenig gebildeten Gefangenen Texte auf Hocharabisch produziert wurden. Zudem gab es eine ganze Reihe von Publikationen, die geplant, aber nie umgesetzt wurden – etwa die Idee, einen mehrsprachigen Kalender mit islamischen Zeitrechnungen zu erstellen.134 Deutsche NfO-Mitarbeiter waren massiv auf die Unterstützung ihrer nichtdeutschen Kollegen angewiesen. Diese erstellten und übersetzten Publikationen und erlaubten zuweilen, ihren Namen als Autor aufzuführen. Für die arabischsprachigen, nichtdeutschen Mitarbeiter und ihren Einfluss auf die Publikationen gilt, was Heike Liebau bezüglich des Engagements der südasiatischen NfO-Mitarbeiter bei der Gefangenenzeitung schreibt: 128
Der Text taucht zwar in der Dokumenten-Sammlung Hagens auf, wird dort jedoch nicht Bukabuya zugeordnet. Hagen 1990, S. 169-176. 129 Zwischenbericht Schabinger von Schowingen und statistischer Überblick, März 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 130 Aufzeichnungen des früheren stellvertretenden Leiters der Nachrichtenstelle für den Orient in Berlin betreffend Wirkung der von dieser bisher entfalteten Propaganda, o.D. [nach Februar 1916], PA AA, NL Schabinger von Schowingen 15. 131 Höpp 1997, S. 22. 132 Koch 2015, S. 254. 133 Ebd., S. 251. 134 Mueller an von Wesendonk, 06.09.1915, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
»Ihre Entstehung und Produktion [der Gefangenenzeitung, SK] ist auch das Ergebnis einer konfliktreichen und von unterschiedlichen Interessen geleiteten Zusammenarbeit von südasiatischen Intellektuellen in Deutschland (Muslime, Hindus und Sikhs), deutschen Missionaren, Wissenschaftlern, Politikern, Militärs und den Gefangenen als den zentralen Rezipienten.«135
4.1.2
Prozesse der Wissensproduktion
Für ein besseres Verständnis der NfO-Diskurse und der Rhetorik ist ein Blick darauf wichtig, wie Wissen innerhalb des Kontexts der Nachrichtenstelle für den Orient produziert wurde. Welche Schritte durchliefen Texte von der Entstehung über die Zensur bis hin zur Distribution durch Partner?136 Die folgenden Elemente der Wissensproduktion erheben jedoch keinesfalls den Anspruch, umfassend sämtliche Mechanismen darzustellen, die im Kontext der Nachrichtenstelle eine Rolle spielten. Über die Entstehung der meisten Texte ist nichts bekannt und in den gesichteten Akten sind keine Informationen zu finden.
Genese Die NfO-Akteure hatten unterschiedliche Gründe, um ihre Publikationen zu verfassen. Erstens konnten die Texte der Aufklärung dienen. Die Dschihad-Broschüre und die Zeitschrift Die Islamische Welt sollten in Deutschland Missverständnisse hinsichtlich des Islam aus dem Weg räumen, die Gefangenenzeitung El Dschihad diente dazu, die Kriegsgefangenen (im Sinne der Deutschen) über die Ereignisse weltweit zu unterrichten. Zweitens nutzten die NfO-Akteure die Texte, um ihren politischen und religiösen Ambitionen Ausdruck zu verleihen. Drittens verfassten Akteure der Arabischen Abteilung ihre Publikationen als Repliken. Rabah Bukabuya erstellte beispielsweise die zweite Auflage von L’Islam dans l’armée française als Replik auf eine französische Reaktion auf die erste Auflage seiner Broschüre.137 Die Akteure der Nachrichtenstelle lasen die feindlichen Presse sehr genau und reagierten in ihren eigenen Texten darauf. Vor allem die propagandistischen Bemühungen in der Schweiz, durch Akteure – wie ʿAli al-Ghayati – und die in ihrem Dunstkreis herausgebrachten Presseerzeugnisse – wie al-Mustaqbal –, wurden genau beobachtet.138
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Liebau 2014b, S. 285. Eine Betrachtung der Rezeption von NfO-Propaganda erfolgt an dieser Stelle nicht, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Bukabuya 1917a und Von Wesendonk an Gesandtschaft Bern, Juni 1917, PA AA, RAV Bern 383. Ibn Tulun, England und die Jungägypter, in: Der Neue Orient 1/17 (08.12.1917), S. 218-219 und Ahmad al-Masri, Aus der ägyptischen Kolonie in der Schweiz, in: Der Neue Orient 2/8 (30.07.1918), S. 389.
4. Die Diskurse
Darüber hinaus war möglicherweise auch der finanzielle Anreiz ausschlaggebend für NfO-Akteure, für die Organisation publizistisch aktiv zu werden.139 Der Anstoß für die Erstellung oder publizistische Verwertung bereits bestehender Publikationen kam sowohl von der NfO-Leitung als auch von den publizistisch aktiven NfO-Akteuren selbst. Obwohl die drei Leiter der Nachrichtenstelle versuchten, eigene regionale bzw. thematische Schwerpunkte zu setzen,140 waren sie jedoch immer auch von der Bereitschaft der Akteure abhängig, die Ideen umzusetzen. Ein tatsächlicher Einfluss der gewünschten Schwerpunktsetzungen lässt sich in den Diskursen quasi nicht nachweisen. Die Idee für das Flugblatt »Offener Brief an Mulay Yussuf« von Salih al-Sharif kam direkt von Schabinger von Schowingen.141 Schabinger von Schowingen las in der Vossischen Zeitung vom 14.09.1915 erstmals von Fahmis »Offenem Brief an Asquith«. Daraufhin schlug er diesem vor, den Beitrag übersetzen zu lassen und zu verbreiten.142 Ebenso schlug er ihm vor, eine neue Fassung seiner Broschüre La Vérité sur la Question d’Égypte mit Bezügen zu aktuellen Ereignissen herauszubringen.143 Unter dem Titel La Question d’Égypte erschien diese 1917 in Lausanne.144 Die Initiative für die Erstellung von Texten ging dabei zumeist von den Akteuren selbst aus. Die NfO-Leitung akzeptierte jedoch nicht alle Vorschläge.145 Die Leitung selbst befürwortete – z.B. im Fall von El Dschihad – das Modell, dass nichtdeutsche Akteure Beiträge verfassten und deutsche Mitarbeiter diese überarbeiteten.146 Zuweilen bedienten sich die nichtdeutschen Akteure dabei realer Vorlagen. Das Flugblatt »Der Briefwechsel zwischen einem Gefangenen und seinem Vater« basierte etwa auf einer tatsächlichen Korrespondenz.147 Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl hatte sie überarbeitet. Er ergänzte politische Teile und strich konkrete Personen- und Ortsnamen.148 Für seine Broschüre L’Islam dans l’armée française ging Rabah Bukabuya in die Gefangenenlager, um Material zu sammeln und Gefangene zu befragen.149 139 140 141 142 143 144
Zum Thema Motivationen für die Zusammenarbeit s. das gleichlautende Kap. 3.2.2. S. Kap. 2.1.3 Leitung und Kap. 2.2.2 Ziel- und Richtungsvorgaben der Leiter. Schabinger von Schowingen an AA, 30.12.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1517. Schabinger von Schowingen an Fahmi, 18.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1511. Ebd. Von Wesendonk an Gesandtschaft Bern, 07.06.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1523. 145 Für Beispiele und Details s. Kap. 4.1.2 Prozesse der Wissensproduktion. 146 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 31.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. 147 Al-Mursalat bayn Asir wa-Walidihi fi Ghudun hadhihi al-Harb al-Hadira [Der Briefwechsel zwischen einem Gefangenen und seinem Vater im Verlauf des aktuellen Kriegs], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,45. 148 Schabinger von Schowingen an AA, 25.01.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21253. Hagen konnte die genaue Herkunft des Flugblatts zwar nicht ausmachen, hat jedoch richtig erkannt, dass nur ein Teil des Briefes authentisch war. Hagen 1990, S. 124-125. 149 Kriegsministerium an AA, 23.08.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502.
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Darüber hinaus bedienten sich Akteure der Arabischen Abteilung regelmäßig an Beiträgen aus der arabischen, proosmanischen Presse (v.a. aus den Zeitungen alʿAdl [Die Gerechtigkeit] in Istanbul und al-Sharq [Der Osten] in Damaskus). Regelmäßig wurden daraus in NfO-Publikationen Artikel bzw. deren Inhalte abgedruckt. Der »Brief einer »türkischen Soldatenfrau« im Korrespondenzblatt kam etwa aus al-Sharq.150 In al-ʿAdl 7/461 (12.07.1915) erschien ein Interview mit ʿAbd al-ʿAziz Jawish. Aus diesem Material erstellte Martin Hartmann eine biografische Notiz, die unter dem Namen von Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl im Korrespondenzblatt veröffentlicht wurde.151 Zuweilen nannten die Autoren ihre Quellen explizit, in anderen Fälle nicht. Der Artikel »Das Osmanische Reich war und bleibt die Zukunft der islamischen Welt«152 in El Dschihad 57 (20.05.1917) kam aus der arabischsprachigen Zeitung al-Sharq (Damaskus). Inhaltlich wurden keine großen Veränderungen vorgenommen.153 Bei dem Flugblatt »Deutschland und das Reich des Kalifats«154 wurde die Quelle nicht genannt. Ein nicht namentlich genannter NfO-Akteur überarbeitete diesen im Original aus der in Istanbul herausgebrachten Zeitung al-ʿAdl (01.11.1915, Nr. 486)155 stammenden Artikel im Dezember 1915.156 Der Verfasser des Originals war As’ad Sahib, ein Angehöriger des Naqshabandiyya-Ordens, den Prüfer auf einer seiner Nahostreisen kennengelernt hatte.157 Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Original und stark gekürztem Flugblatt ist die durch den NfOBearbeiter vorgenomme Ergänzung des Aufrufs an Muslime weltweit, sich dem Dschihad anzuschließen.158 Auf den Originalartikel wurde im Korrespondenzblatt verwiesen. Er sei ein Beleg, eine lokale Stimme, die bestätige, dass Deutschland
150 Der Brief einer türkischen Soldatenfrau, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/42 (11.08.1916), 263. 151 Schabinger von Schowingen an AA, 29.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1510. Der Beitrag lautet Abu l-Fadl, Scheich Abdul Asis Tschauisch, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/10 (16.08.1915), S. 1-2. 152 Al-Dawla al-ʿUthmaniyya Kanat wa-lam Tazal Maljaʾ lil-ʿAlam al-Islami [Das Osmanische Reich war und bleibt die Zuflucht der islamischen Welt], in: El Dschihad 57 (20.05.1917), S. 1. 153 Mittwoch an AA, 17.05.1917, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13907. Der Autor in al-Sharq war ein anonymer al-Maghribi. 154 Almaniya wa-Dawlat al-Khilafa [Deutschland und das Reich des Kalifats], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,5. 155 Almaniya wa-Dawlat al-Khilafa [Deutschland und das Reich des Kalifats], in: al-ʿAdl 8/486 (01.11.1915), S. 1-2. 156 Manuskript »Deutschland und das Reich des Kalifats«, November/Dezember 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1513. 157 Curt Prüfer traf ihn in Ägypten. Tagebuchaufzeichnung, 28.10.1914, HIWRP, NL Curt Max Prüfer, 1:7. 158 Almaniya wa-Dawlat al-Khilafa [Deutschland und das Reich des Kalifats], in: al-ʿAdl 8/486 (01.11.1915), S. 1-2, hier: S. 1. Eine weitere interessante Ergänzung ist die Nennung von Österreich-Ungarn und Bulgarien als Freunde des Islam, die im Original fehlt.
4. Die Diskurse
dem Osmanischen Reich und dem Islam wohlgesonnen sei.159 Die nichtdeutschen NfO-Akteure verfassten entsprechend ihren sehr unterschiedlichen Sprachkompetenzen Manuskripte häufig auf Arabisch oder Französisch.160 Herbert Diel oder Walther Schroeder übersetzten die arabischen Manuskripte dann ins Deutsche, damit die Entscheidungsträger in der NfO, im AA und in der Sektion Politik diese lesen konnten. Das von NfO-Akteuren produzierte oder überarbeitete Material wurde vielseitig verwendet. Häufig finden sich die gleichen Artikel bzw. deren Inhalte in mehreren NfO-Publikationen gleichzeitig. Texte, die im Korrespondenzblatt oder im Neuen Orient auftauchten, fanden sich auch in der Gefangenenzeitung El Dschihad. Etwa ein Beitrag darüber, wie Franzosen in Nordafrika Soldaten einzogen.161 Die NfO-Akteure verwerteten ihre Gedanken in ihren Publikationen auch mehrmals. Die Passage, wie Großbritannien versuche, Einfluss auf das osmanische Kalifat zu nehmen, ist in einer Broschüre von Muhammad Farid identisch mit der entsprechenden Stelle in seinem Artikel.162 Auch die Texte von ʿAbd al-ʿAziz Jawish weisen große Ähnlichkeiten auf. Sein Vortrag vom November 1915 wirkt aufgrund des ähnlichen Inhalts und der gleichen Struktur wie die gekürzte Fassung eines seiner Artikel.163 Immer wieder gingen in den Zielländern der NfO-Publikationen Rückmeldungen darüber ein, wie die Texte ankamen. Insbesondere Leser in der neutralen Schweiz waren recht kritisch mit den NfO-Erzeugnissen. Das Korrespondenzblatt wurde, laut dem deutschen Gesandten in Bern, als »deutsche Propagandaschrift«164 wahrgenommen. Auch die französische Fassung von Tunesien und Algerien kam dort nicht gut an und Leser schickten sie häufig zurück. Das AA drückte hierfür auch Verständnis aus. Von Wesendonk notierte, die Publikation sei »[…] freilich recht ›orientalisch‹ gehalten […]«165 , und wollte damit wohl ausdrücken, dass das französischsprachige Publikum damit nichts anfangen könne, da der Inhalt eher an nichteuropäische Akteure gerichtet sei. Darüber hinaus wurde zuweilen 159
Deutschland und die Türkei, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/10 (27.11.1915), S. 55. Dieser Beitrag wurde aus einem Artikel mit dem Titel »Almaniya wa-Dawlat al-Khilafa« [Deutschland und das Reich des Kalifats] der Zeitung al-ʿAdl vom 01.11.1915 übernommen. 160 Zu den Sprachen, welche die Akteure beherrschten, s. Kap. 3.1.5 Sprachkompetenz. 161 Anwerbung marokkanischer Rekruten, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/7 (06.11.1915), S. 38 und Faransa Tabhath ʿan Murrakushiyyin [Frankreich sucht Marokkaner], in: El Dschihad 19 (21.10.1915), S. 2. 162 Farid 1917 und ders., England gegen das Khalifat, in: Berliner Tageblatt (03.04.1917), S. 5. 163 Jawish, Ägypten und der Krieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/156 (1916), S. 32-40 und ders., Ägypten und der Krieg, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 04.11.1915. 164 Romberg an AA, 03.03.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1528. 165 Perzyński an von Wesendonk, 15.03.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1528.
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aber auch das Sprachniveau bemängelt. Der Verlag Librairie Nouvelle, mit dem die Nachrichtenstelle zusammenarbeitete, monierte das schlechte Niveau des Französischen in den Broschüren von Farid und Bukabuya. Dies werde von den Lesern negativ aufgenommen, weshalb ein französisches Lektorat nötig sei.166 Allgemein schrieb Max Rudolf Kaufmann über die Situation vor Ort: »Mehr [Propagandatexte, SK] kann sie [die Schweiz, SK] jedenfalls nicht ertragen, sonst platzt sie.«167 Wohl gab es aber auch positive Resonanz hinsichtlich der NfOPublikationen. Die ägyptischen Nationalisten in der Schweiz interessierten sich stark für NfO-Texte. »Die weiteren Veröffentlichungen im Neuen Orient über Aegypten haben bei den Jung-Aegyptern starkes Aufsehen erregt. Plötzlich ist der ›Neue Orient‹ eine begehrte Zeitschrift geworden, um die man sich reisst.«168 Der Umgang der NfO-Akteure und der Leitung hinsichtlich der Rückmeldungen war erstaunlich gleichgültig. Selten finden sich in den Quellen Besprechungen über mögliche Maßnahmen zur Verbesserung. Zwar bemühte sich die Nachrichtenstelle zukünftig um ein französisches Lektorat, aber der Fluss der Texte in die Schweiz riss nicht ab. Zumeist waren es aber interne Auseinandersetzungen um Zensur und agency, die einen stärkeren Einfluss auf die Genese neuen Materials hatten.
Überarbeitung und Zensur Die Produktion von Texten im Rahmen der Nachrichtenstelle für den Orient erfolgte in einem bereits erörterten Spannungsverhältnis. Die Überwachungspraktiken, die sich auf das politische und private Leben der nichtdeutschen NfO-Akteure bezogen,169 lassen sich auch bei der Genese ihrer Schriften ausmachen. Der deutschen NfO-Leitung war durchaus bewusst, dass die nichtdeutschen Akteure eigene Standpunkte vertraten und dabei eigene politische Ziele verfolgten. In diesem Zusammenhang erwartete das AA keine »unparteiischen Berichte«170 . In begrenztem Maße war diese Form von agency von deutschen Entscheidungsträgern auch gewollt. Dem gegenüber stand jedoch das Bedürfnis der deutschen Akteure bzw. der der NfO übergeordneten Behörden, die Inhalte der Publikationen gänzlich zu kontrollieren. Nichtdeutsche Akteure konnten ihre Meinung beispielsweise in Der Neue Orient sicherlich nicht frei äußern. Jedoch wurden immer wieder Artikel, etwa von Rabah Bukabuya, die bereits an anderer Stelle erschienen waren, gekürzt (und sicherlich zensiert) abgedruckt. Die einzelnen Artikel der NfO-Akteure, die sie für die Sonderausgabe der Süddeutschen Monatshefte verfassten, mussten zuerst
166 167 168 169 170
Romberg an AA, 23.10.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1507. Kaufmann an Graetsch, 19.09.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1525. Bericht Jacoby, 12.02.1918, PA AA, RAV Bern 384. S. Kap. 3.3.3 Überwachung und Kontrolle. Von Wesendonk an AA, 29.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21132. Dies bezog von Wesendonk auf Artikel von Jawish über die Sanusiyya.
4. Die Diskurse
dem AA zur Durchsicht vorgelegt werden.171 Aus diesem Spannungsverhältnis heraus entwickelte sich im Rahmen der Nachrichtenstelle eine besondere Form von Zensur, in der deutsche Entscheidungsträger nichtdeutschen NfO-Akteuren in einem eng begrenzten Rahmen Freiheiten bei ihren Texten zugestanden, das gesamte Umfeld jedoch von Misstrauen und direkter wie indirekter Einflussnahme geprägt war. Nachdem nichtdeutsche NfO-Akteure Texte verfassten, griffen ihre deutschen Kollegen immer wieder an Stellen ein, die sie für politisch heikel erachteten. Im Manuskript vom Flugblatt »Offener Brief an Mulay Yussuf«, das Salih al-Sharif verfasst hatte, findet sich beispielsweise der Satz: »[…] ohne eure Befreiung ist kein Friede möglich.«172 Dieser fehlt im Flugblatt.173 Den Deutschen war möglicherweise die Maximalforderung der französischen Hergabe der Kolonien als Bedingung für Friedensverhandlungen zu stark. In Jawishs ersten Manuskripten der Kalifatsbroschüre war den deutschen Akteuren dessen Polemik gegen Marokko überzogen. Jawish hatte darin die Herrscher Marokkos als schwach und als britische sowie französische Günstlinge bezeichnet.174 Die deutschen Akteure hatten aber zu diesem Zeitpunkt wohl die Hoffnung noch nicht aufgegeben, Marokko für sich zu gewinnen.175 Daher notierte von Wesendonk am Rand des Manuskripts: »Die Stellen über Marokko sind zu streichen, da die Schrift ja auch dort vertreibt [sic!] werden soll.«176 Als Jawish über den geplanten Eingriff in seinen Text erfuhr, wandte er sich mit einem Brief an das AA. Darin stimmte er der Veröffentlichung mit einem Teil der Streichung zu, solange er einige gedruckte Exemplare der Originalfassung erhalte. Da sich die NfO-Leitung dagegen jedoch zu sträuben schien, schrieb er: »[If] these copies have not been ordered by Professor Mittwoch, as it seemed, I must tell you much frankly, that it would be to me an unpardonable blunder. A blunder which I shall never forget or forgive. The copies already in the Bureau might not to be distributed unless the above mentioned mistakes should have been corrected.«177
171 172 173 174 175 176 177
Mittwoch an AA, 05.05.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1535. Manuskript »Offener Brief an Mulay Yussuf« von Salih al-Sharif, Herbst 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1517. Kitab Maftuh li-Mulay Yusuf Sultan Murrakush [Offener Brief an Mulay Yussuf, den Sultan von Marrakesch], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,24. Manuskript »Das islamische Kalifat« von ʿAbd al-ʿAziz Jawish, [1915], PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1514. Burke 1975. Mittwoch an AA, 16.03.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1520. Jawish an von Wesendonk, 06.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1521.
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Sein Anliegen wurde letztlich ignoriert und die Broschüre kam in der von der Nachrichtenstelle gewünschten Form heraus; mit leiser Kritik an Marokko, aber ohne Polemik. Wenn ein Text für die deutschen Entscheidungsträger generell akzeptabel war, wurde daran nicht viel geändert und übermäßige Kritik durch deutsche NfO-Akteure nicht beachtet. Zu einem Artikel von Abu l-Fadl über »Dattelbäume und Dattelpflanzen« merkte von Wesendonk lapidar an: »Thöricht, aber unbedenklich.«178 Auf eine Reaktion von Martin Hartmann auf Mansur Rifʿats Un verdict sur l’Angleterre notierte von Wesendonk: »Herr Prof. Hartmann legt einen allzu scharfen Massstab an und verlangt von einer Propagandaschrift einen Grad von Genauigkeit, den man von Rifʿat nicht erwarten kann.«179 Auch Schabinger von Schowingen meinte hinsichtlich einer Kritik Hartmanns an einem Artikel von Jawish, dass dieser »[…] dem Verfasser des Artikels etwas schwer zu Leibe […]«180 rücke. Nicht alle Publikationen, die Autoren der NfO-Leitung vorschlugen und einreichten, nahm diese auch an. Hier spielte erneut das generelle Misstrauen gegenüber nichtdeutschen Akteuren eine Rolle, vor allem gegenüber jenen, die zuvor noch keinen Kontakt zur Nachrichtenstelle hatten und von sich aus Zusammenarbeit anboten. Der Gesandte in Bern Romberg riet dem AA bzw. der NfO tunlichst davon ab, Publikationen eines Lutfi Bey – insbesondere dessen Schrift L’Islam devant le congrès de la paix – anzunehmen, da dieser nicht vertrauenswürdig sei.181 Aber auch Publikationen von nichtdeutschen Akteuren, die bereits für die NfO tätig waren, wurden häufig abgelehnt. In diesen Fällen waren es zumeist inhaltliche Kritikpunkte, die zu dieser Entscheidung führten. Muhammad Farids Broschüre Étude sur la crise ottomane actuelle von 1913 sollte über die NfO neu aufgelegt werden. Da Farid jedoch die zweite Auflage nicht den Vorgaben der Nachrichtenstelle anpassen wollte, lehnte die NfO-Leitung die Zusammenarbeit ab.182 Im Jahr 1917 erschien dann doch noch eine Neuauflage in Genf, soweit ersichtlich ohne Zutun der NfO. Der Algerier Ahmad Mukhtar ʿAbd al-Qadir versuchte mehrmals erfolglos, Beiträge bei der NfO unterzubringen.183 Der Artikel »Vergangenheit und Gegenwart des Islam« von Ahmad Wali, der an al-ʿAdl weitergereicht werden sollte, wurde mit dem Verweis abgelehnt, dass er sich zu positiv über Muslime äußere und diese bereits jetzt an »grosser Selbstüberhebung«184 leiden würden. Den Arti-
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Manuskript »Dattelbäume und Dattelpflanzen« von Sayyid Maʾmun Abu al-Fadl, Januar 1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1518. Ob der Artikel tatsächlich erschien, ist unbekannt. 179 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 12.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21132. 180 Schabinger von Schowingen an AA, 20.09.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21136. 181 Romberg an AA, 26.09.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1532. 182 Schabinger von Schowingen an AA, 22.11.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1514. 183 Mittwoch an von Wesendonk, 13.03.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1527. 184 Botschaft Istanbul an AA, 21.08.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1510.
4. Die Diskurse
kel »Erneuerung im Islam« von Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, der im Berliner Tageblatt erscheinen sollte, lehnte Mittwoch ab mit dem Verweis, dass dieser ein zu negatives Bild des Islam zeichnen und ihn als zu rückständig darstellen würde. Von Wesendonk aus dem AA notierte über diesen und einen weiteren Artikel Abu l-Fadls: »Beide Artikel werden besser nicht veröffentlicht. [Hervorhebung im Original]«185 Die Beispiele der Artikel von Abu l-Fadl und Wali illustrieren, dass die NfO-Leitung und die Ansprechpartner im AA die Genehmigung oder Zensur von NfO-Texten stark an der Leserschaft orientierten. Das deutsche Publikum sollte kein negatives Bild vom Islam vorgesetzt bekommen, Muslime sollten sich hingegen nicht selbst überschätzen. Zu diesem Blick auf die Leserschaft zählte auch, dass häufig Autoren und Leitung überlegten, ob Texte für die osmanische Regierung akzeptabel seien. In Rücksprache mit Cemal Pascha wurde daher beispielsweise von deutscher Propaganda für arabische Truppen im osmanischen Heer abgesehen.186 Besondere Kritik übten die NfO-Leitung und das AA an Publikationen, die NfOAkteure ohne Rücksprache mit den Behörden an die deutsche Presse weiterleiteten oder unabhängig veröffentlichten. Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl schickte seinen Artikel zu »Bildern im Islam« 1916 an das Berliner Tageblatt. Dies geschah, so Mittwoch, ohne Kenntnis der NfO, was die deutschen Akteure stark verärgerte.187 Abu l-Fadl verteidigte sich damit, dass er den Text als Privatmann und in Rücksprache mit Hartmann und Kaufmann eingereicht habe.188 Am Ende der Diskussion berichtete Mittwoch an von Wesendonk: »Ich habe H. Memun – wie übrigens auch schon früher – jetzt noch einmal energisch gesagt er solle 1) überhaupt nicht zu viele Artikel schreiben; 2) keinen Artikel veröffentlichen, der vorher nicht genehmigt sei.«189 Ein weiterer Fall, der Wellen schlug, war die Zeitschrift Die Islamische Welt, die ʿAbd al-ʿAziz Jawish und ʿAbd al-Malik Hamza herausgaben. Sie war die deutsche Variante der von Jawish bereits in Istanbul herausgegebenen Zeitschrift al-ʿAlam al-Islami (Die islamische Welt), in der er sich überaus antieuropäisch und auch antideutsch geäußert hatte.190 Die NfO-Leitung versuchte, das Erscheinen der Zeitschrift zu verhindern und Jawish einzuhegen. Mittwoch schlug ihm vor, er könne regelmäßig im Korrespondenzblatt veröffentlichen, was dieser jedoch mit dem
185 Mittwoch an AA, 28.03.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1521. 186 Von Kühlmann an AA, 24.11.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1526. Zu den osmanisch-arabischen Spannungen s. Kap. 4.2.2 Arabische und islamische Debatten um 1900. Zu Cemal Paschas Politik s. Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. 187 Korrespondenz bezüglich Artikel von Sayyid Maʾmun Abu al-Fadl, Februar 1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1519. 188 Mittwoch an von Wesendonk, 24.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1518. 189 Ebd. 190 Laut Martin Hartmann, der einen Bericht über al-ʿAlam al-Islami verfasste, sei Deutschland für Jawish ebenso wie Frankreich und Großbritannien ein »Ungläubigenreich«. Bericht über al-ʿAlam al-Islami, 29.06.1916, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9,2, R 14569.
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Verweis darauf abtat, dass in Berlin eine von Muslimen geführte Zeitschrift nötig sei.191 Entsprechend formulierte Jawish seinen Anspruch im Heft: »Wir dürfen wohl hervorheben, daß unsere Zeitschrift ›Islamische Welt‹ nicht nur individuelle und private Meinungen ausdrückt, sondern die Gesinnung von Millionen Muslimen darstellt […].«192 Im November 1916 erschien dann die Zeitschrift erstmals, welche die Jungtürken ebenso wie das arabische Original finanzierten.193 In späteren Ausgaben finden sich immer wieder Beiträge von deutschen NfO-Akteuren wie Hartmann und Mittwoch. Es scheint, dass die deutschen NfO-Akteure, wenn sie das Erscheinen der Zeitschrift schon nicht verhindern konnten, zumindest durch Partizipation eine gewisse Form von Kontrolle ausüben wollten. Aber auch Veranstaltungen, die ohne Kenntnis der Nachrichtenstelle stattfanden, wie ein Vortrag von Salih al-Sharif im Februar 1916 zum Thema »Religiöse und soziale Probleme in der islamitischen Welt«,194 monierte die NfO-Leitung im Nachgang. Diese Beispiele verdeutlichen das starke Bedüfrnis deutscher Akteure nach Kontrolle. Inhaltliche Kritik wurde kaum geäußert bis auf die (letztlich unbegründete) Sorge, dass sich Jawish in seinem Heft antideutscher Rhetorik bedienen würde. Aus der Sicht der Deutschen war in diesen Fällen die fehlende Rücksprache bzw. Absegnung das Problem. Ein weiterer Aspekt des Eingriffs in Texte ist die Verschleierung ihrer Herkunft, insbesondere der Autorenschaft. Die Verfasser tauchten zuweilen nicht namentlich auf. Vor allem bei Flugblättern fehlten Verweise darauf, woher und von wem sie stammten. Häufig finden sich auch nur generelle Hinweise auf die Herkunft des Autors – etwa »Un musulman algérien« (eventuell Rabah Bukabuya) als Autor eines Artikels;195 oder Alexandrinus (möglicherweise Jawish) – sowie Pseudonyme. Helmuth von Glasenapp schrieb unter dem Pseudonym Anandavardhan Shastri;196 Max Rudolf Kaufmann unter dem Pseudonym Bey Oghlu.197 Andere Autoren wurden gänzlich erfunden und Artikel von ihnen von der Redaktion verfasst, wie die
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Mittwoch an AA, 18.09.1916, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9,2, R 14570. Vorwort, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 1-2, hier: S. 2. Bericht über al-ʿAlam al-Islami, 29.06.1916, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9,2, R 14569. Eine hervorragende Analyse der Diskurse in der Zeitschrift findet sich bei Maja Sojref, die jedoch den Widerstand des AA und der NfO in Bezug auf die Gründung der Zeitschrift übersieht und daher behauptet, Die Islamische Welt sei von den Deutschen finanziert worden. Sojref 2016. 194 Hartmann an von Wesendonk, 24.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1519. 195 Un musulman algérien, La naturalisation des musulmans algériens au titre de citoyens français, in : Der Neue Orient 2/8 (30.07.1918), S. 390-391. Schabinger von Schowingen schrieb etwa, dass Bukabuya unter dem Pseudonym »Un algérien« u.a. in der belgischen Zeitung Le Bruxellois Artikel veröffentlichte. Schabinger von Schowingen an AA, 10.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1519. 196 Glasenapp 1964, S. 73. 197 Kaufmann 1962, S. 237.
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Beiträge eines gewissen Muhammad Akbar Khan.198 Zuweilen verfassten deutsche Autoren Artikel und arabischsprachige Akteure wurden als Autoren angegeben. Aus dem Artikel »Der Maghreb und seine Zukunft« von Willy Haas wurde »Le Maghreb et son avenir« von ʿAbd al-ʿAziz b. Ismaʿil al-Sharqawi.199 Die Leitung der NfO wollte ihren Publikationen durch die Nennung nichtdeutscher Namen wohl ein gewisses Maß an Legitimation verschaffen. Dazu zählt auch, dass real existierende Mitarbeiter und Affiliierte der Nachrichtenstelle aus dem Nahen und Mittleren Osten »Leserbriefe« verfassten, sich jedoch nie als »Mitarbeiter« oder Ähnliches bezeichneten. Vielmehr wurden sie als authentische Berichterstatter aus den jeweiligen Regionen dargestellt. Herbert L. Müller stellt aufgrund kleinerer inhaltlicher Fehler infrage, dass hinter den Pseudonymen der Zeitschrift wie Ibn Tulun oder Maurus tatsächlich nichtdeutsche Akteure gestanden haben.200 Ausschließen lässt sich trotz der Fehler jedoch sicher nicht, dass hinter Pseudonymen auch tatsächliche nichtdeutsche Personen oder Personengruppen gestanden haben. In den Akten des AA finden sich Abschriften von Briefen aus der Schweiz von 1919, in denen über verbale Attacken gegen prodeutsche Ägypter berichtet wurde. Diese Briefe sind von einem Ibn Tulun unterschrieben.201 Bekannt ist zudem, dass Mansur Rifʿat unter Namen wie Patrick Steel Hardy, Ibrahim Bey oder Masri Mohager (dt. Exilägypter) veröffentlicht hat.202 Aufgrund der Bandbreite an Themen und Positionen, die von dem Pseudonym Maurus bedient wurden, ist nicht ausgeschlossen, dass sich dahinter eine Gruppe von Personen verbarg. Trotz der verschiedenen Wege der NfO-Leitung, in die Publikationen der Akteure einzugreifen, ist davon auszugehen, dass die Zensur nicht immer gelang. Angesichts der Vielzahl der publizierten Texte verwundert es wenig, dass die Zensur sowohl in der NfO als auch durch die übergeordneten Behörden zuweilen nicht erfolgreich war. Dies lässt sich generell bei Stellen beobachten, die während des Ersten Weltkriegs mit Zensur beauftragt waren.203
198 Korrespondenz bzgl. Muhammad Akbar Khan, März 1918, PA AA, Weltkrieg Nr. 11t geheim, R 21279. Unter dem Namen Muhammad Akbar Khan wurden mehrere Beiträge an die Redaktion im Korrespondenzblatt bzw. im Neuen Orient abgedruckt. 199 Korrespondenz Mittwoch mit von Wesendonk bezüglich »Le Maghreb et son avenir«, Februar 1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1527. 200 Müller 1991, S. 216-217. 201 Ibn Tulun an Redaktion NO, 02.02.1919, PA AA, RAV Bern 387 und Ibn Tulun an Redaktion NO, 15.01.1919, PA AA, RAV Bern 387. 202 Höpp 2000, S. 67. 203 Koszyk 1975, S. 473
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Distribution Ein weiteres Element der NfO-Wissensproduktion waren die Vertriebswege und Kooperationen mit deutschen sowie nichtdeutschen Verlagen bzw. Presseorganen. Je nach Publikationsform und Adressaten wurde das Material kostenlos oder für ein geringes Entgelt zur Verfügung gestellt. In Deutschland selbst wurden die Publikationen entweder über Buchhandlungen oder direkt durch die NfO vertrieben. Die NfO-Leitung stellte zudem Redaktionen deutscher Zeitungen ihr Material kostenlos zur Verfügung. Diese durften die Artikel abdrucken und sollten dafür nur einen Verweis auf die Nachrichtenstelle bei den Artikeln anführen.204 Die NfOLeitung arbeitete mit verschiedenen Zeitungen enger zusammen. Mit der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung wurde eine Abmachung getroffen, dass diese das Material z.T. exklusiv verwenden dürfe;205 die Kölnische Zeitung bezeichnete Schabinger von Schowingen als ein Blatt, das »[…] bis jetzt immer ein weites und verständnisvolles Entgegenkommen den Produkten der Nachrichtenstelle gezeigt hat.«206 Sobald die NfO-Ansprechpartner in den übergeordneten Behörden, zumeist Otto von Wesendonk, einen Artikel für »unbedenklich« erachteten, ging er an eine deutsche Zeitschrift oder Zeitung und wurde kurz darauf gedruckt. Zuvor hatte die NfOLeitung oder ein Abteilungsleiter in der Regel einige Vorschläge für mögliche Zeitschriften gemacht. Hinsichtlich des Artikels »Die Frauen des Islams im Weltkrieg« von Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl schrieb von Wesendonk im Juli 1915: »Abdruck ist unbedenklich.«207 Daraufhin ging er am 20.07. an die Zeitung Nord und Süd, wo er in der Herbstausgabe (Oktober bis Dezember) 1915 erschien.208 Die Nachrichtenstelle kooperierte für die Distribution ihres Materials aber auch mit Teilen der arabischen Presse im Osmanischen Reich. Bereits im Juli 1914 äußerte Martin Hartmann hierzu den Gedanken: »Nach meiner Kenntnis der Verhältnisse ist es nicht schwer, die Personen, die in der syrischen Presse eine führende Stelle haben, zu gewinnen, in dem Sinne, dass sie Anregungen, die von deutscher Seite an sie herantreten, Folge leisten.«209 Entsprechend gingen dann auch NfO-Publikationen an die arabische Presse. Die proosmanische, arabische Zeitung al-ʿAdl in Istanbul erhielt häufig NfOMaterial und druckte etwa Bilder aus der Dinshaway-Broschüre (Lest We Forget von
204 205 206 207
Rundschreiben an Presse, 22.04.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501. Stollberg an Mittwoch, 06.12.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1534. Schabinger von Schowingen an AA, 19.07.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1510. Abschrift des Artikels »Die Frauen des Islams im Weltkrieg« von Sayyid Maʾmun Abu al-Fadl, 14.07.1915, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13903. 208 Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, Die Frauen des Islams und der Weltkrieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/155 (1915), S. 171-173. 209 Hartmann an Riezler, 03.07.1914, ULB ST, DMG Yi 116 II A.
4. Die Diskurse
Rifʿat)210 und ein Flugblatt von Rabah Bukabuya zu Verbrennung muslimischer Leichen durch die Franzosen ab.211 Osmanische Behörden verboten die Zeitung jedoch. Kurzzeitig wurden daraufhin Artikel in al-Ittihad al-Islami (Die islamische Einheit) in Beirut untergebracht.212 In der Ausgabe vom 31.12.1915 erschien etwa der Beitrag »Der Dschihad und Marokko« von Rabah Bukabuya.213 Letztlich fand die NfO-Leitung in der Zeitung al-Sharq aus Damaskus eine neue Vertriebsplattform für Beiträge der Nachrichtenstelle.214 Cemal Pascha gründete die Zeitung und wollte damit unter der arabischen Bevölkerung in der Levante proosmanische Propaganda betreiben.215 Max von Oppenheim meldete an das AA zurück, dass die Idee für die Gründung der Zeitung von ihm ausgegangen und von Cemal Pascha für gut befunden worden sei,216 was sich jedoch anhand der gesichteten Quellen nicht überprüfen lässt. Die Zeitung hatte massive Probleme mit der Beschaffung von Druckerschwärze und Papier. Von Oppenheim stellte daraufhin Papier aus seinen, für die deutsche Propaganda gedachten Beständen zur Verfügung.217 Die arabische Presse stand während des Krieges generell wegen fehlender Ressourcen unter Druck;218 viele Zeitungen erschienen nicht weiter oder nur sehr eingeschränkt. Darüber hinaus griff die osmanische Regierung in die Presse ein, um zum einen arabische Separationstendenzen zu unterdrücken und zum anderen Ideen islamischer Einheit und Solidarität zu verbreiten.219 Alexander Will spricht davon, dass deutsche Behörden über Bestechungen bzw. Geldzahlungen und mithilfe osmanischer Behörden Einflussnahme auf die lokalen Zeitungen ausübten, damit diese ihre Artikel druckten.220 Dies erscheint sehr plausibel, ist jedoch im Fall der Nachrichtenstelle weder für al-ʿAdl noch für al-Sharq nachweisbar. Neben der deutschen und der arabischen Presse waren mehrere Verlage in der neutralen Schweiz Distributionspartner der NfO. Dazu zählten die Librairie Nouvelle von Edwin Frankfurt, welche beispielsweise eine Broschüre von Bukabuya her210 Schabinger von Schowingen an AA, 14.07.1915, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13903. Mansur Rifʿat, Lest We Forget: A Page from the History of the British in Egypt, o.O. 1915b. 211 Faransa Tahruq Amwat al-Muslimin [Frankreich verbrennt die Toten der Muslime], in: al-ʿAdl 7/460 (08.07.1915), S. 1-2. Zur Besprechung der Platzierung des Flugblattes in al-ʿAdl s. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 22.06.1915, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13903. 212 Mueller an von Wesendonk, 03.01.1915 [sic! 1916], PA AA, Türkei Nr. 167, R 13904. 213 Von Wesendonk an Nadolny, 04.03.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1520. 214 Mittwoch an AA, 14.07.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13905. 215 S. zu der Zeitung im Detail M. Talha Çiçek, Visions of Islamic Unity: A Comparison of Djemal Pasha’s al-Sharq and Sharīf Ḥusayn’s al-Qibla Periodicals, in: Die Welt des Islams 54/3-4 (2014a), S. 460-482. 216 Von Oppenheim an Botschaft Istanbul, 29.04.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13905. Bihl übernimmt diese Sichtweise unhinterfragt in seiner Monografie. Bihl 1975, S. 105. 217 Loytved-Hardegg an Wolff Metternich, 01.09.1916, PA AA, Türkei Nr. 167, R 13905. 218 Ami Ayalon, The Press in the Arab Middle East: A History, New York 1995, S. 69. 219 Ebd., S. 71-72. 220 Will 2012, S. 190-192.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
ausgab,221 der Verlag Wyss, der die französische Fassung von Die Wahrheit über den Glaubenskrieg druckte,222 oder der Verlag Jeheber, der eine Broschüre von Fahmi druckte und gewählt wurde, da Wyss 1917 als prodeutscher Verlag bekannt war.223 Fahmi wollte seine Publikation zeitweise selbst in der Schweiz vertreiben, da er nicht mit prodeutscher Propaganda in Verbindung gebracht werden wollte.224 Ein weiterer Partner in der Schweiz war der Orientverlag. Diesen betrieb der Vater von Max Rudolf Kaufmann. Schabinger von Schowingen beschrieb den Verlag als »fingierten Orientverlag«, der nur dazu dienen sollte, die in Deutschland produzierten Publikationen der NfO in der neutralen Schweiz zu vertreiben.225 Die Idee für den Vertrieb von NfO-Material über nicht real existierende Verlage und die Zusammenarbeit mit bestehenden Verlagen in neutralen Ländern kam von Kaufmann junior.226 Die Distribution erfolgte zudem über deutsche diplomatische und konsularische Auslandsvertretungen in anderen neutralen Ländern, etwa den Niederlanden und Spanien.227 Von dort erreichten die Publikationen auch entlegene Adressaten, wie syrische und libanesische Gemeinden in Lateinamerika.228 Ein Teil des Materials wurde darüber hinaus an den Kriegsfronten verteilt, insbesondere an der Westfront. Die Distribution deutschen Propagandamaterials war jedoch stark eingeschränkt. Das Deutsche Reich schaffte es kaum, in den gegnerischen Gebieten Propagandamittel zu verbreiten.229 Dies galt auch für die Publikationen der Nachrichtenstelle. Prüfer meldete aus dem Nahen Osten zurück, dass viel von dem Material, das eigentlich für Ägypten und Marokko gedacht war, dort nie ankam.230 In der profranzösischen Zeitung Le Temps (4., 8. und 14. August 1915) erschienen mehrere Beiträge über prodeutsches Propagandamaterial in Nordafrika. Mittwoch freute sich darüber und sah dies als Beleg, dass eine Broschüre von Salih al-Sharif 221 222 223 224 225 226 227 228
229 230
Bukabuya 1917a. Perzyński an von Wesendonk, 26.04.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1522. Perzyński an AA, 08.07.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1524. Jacoby an AA, 04.07.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1524. Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 05.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1503. Schabinger von Schowingen an AA, 14.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1512. Von Wesendonk an Gesandtschaft Rotterdam, 10.02.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1519. Schabinger von Schowingen an AA, 26.03.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21130. Da die arabischen Gemeinden in Lateinamerika jedoch hauptsächlich aus arabischen Christen (z.B. Maroniten) bestanden, wurde beschlossen, kein Propagandamaterial mit islamischen Inhalten dorthin zu schicken, sondern nur Texte mit »allgemeinem Charakter«. Mittwoch an AA, 26.03.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1521. Amerikanischen Behörden war die Existenz von NfO-Propagandamaterial in der Region spätestens im Sommer 1918 bekannt. Melville 1918, S. 11. Koch 2015, S. 251. Prüfer an von Oppenheim, 12.04.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1530.
4. Die Diskurse
in Marokko angekommen sei.231 Der Umstand, dass das publizistische Material der NfO nicht immer im Nahen und Mittleren Osten ankam, lag auch daran, dass die osmanischen Behörden über die deutschen Tätigkeiten nicht immer erfreut waren und Publikationen verboten. Cemal Pascha lehnte beispielsweise deutsche Kulturpropaganda in der Region stark ab aus der Sorge, dass Deutschland zu einflussreich werden könnte und die osmanische Vorherrschaft schwächen würde.232 Aus diesem Grund konnte die zweite Ausgabe des Neuen Orients nicht in Istanbul verteilt werden. Frustriert schrieb von Wesendonk: »Den türkischen Lesern kann man es nie recht machen und es ist ein ganz vergebliches Bemühen, das überhaupt zu versuchen.«233 Von Wangenheim notierte über Enver Paschas Skepsis hinsichtlich deutscher Propaganda: »Von türkischer Seite sagte man mir neulich, das Bestreben der Deutschen, den Islam auszurufen, sei ebenso anzusehen, als ob ein Türke nach Deutschland ginge, um eine Bewegung unter den Katholiken zu veranlassen.«234 Berichten über die Tätigkeiten der Nachrichtenstelle – bzw. der Nachrichtensaal-Organisation – zufolge sei man jedoch »mit dem unbedingten Vertrauen und Wohlwollen der türkischen Regierung«235 ausgestattet. Aber auch die Schweizer Zensurbehörden unterbanden NfO-Publikationen immer wieder. Das Heft 9 des Neuen Orients wurde dort verboten,236 und der Titel von Rabah Bukabuyas Publikation L’Islam dans l’armée française musste zu Les soldats muslumans au service de la France geändert werden, da der Schweizer Zoll die Publikation mit dem alten Titel nicht ins Land ließ.237 Auch wenn Publikationen von Zensurbehörden außerhalb des Deutschen Reichs letztlich akzeptiert wurden, kamen sie durch den langen Begutachtungsprozess häufig verspätet an. Ein zentrales Problem für die NfO war daher die zeitnahe Verteilung der Schriften. Die Verzögerungen hatten zur Folge, dass die Nachrichten nicht mehr aktuell waren und das Material daher z.T. nicht verteilt wurde.238
4.2
Diskurse der Vorkriegszeit
Die Wissensproduktion in der Arabischen Abteilung der NfO lässt sich nicht verstehen, ohne ausgewählte Vorkriegsdiskurse zu betrachten. Dabei spielen Diskur-
231 232 233 234 235 236 237 238
Mittwoch an AA, 19.08.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1510. Çiçek 2014b, S. 268-269. Mittwoch an AA, 17.05.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1531. Von Wangenheim an AA, 02.04.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21130. Oppenheim 1917, S. 16. Romberg an AA, 12.03.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1534. Perzyński an von Wesendonk, 03.03.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1528. Botschaft Istanbul an AA, 06.10.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1512.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
se sowohl in Deutschland zu Islam und »Orient« als auch im Nahen und Mittleren Osten zu Nationalismus und islamischer Reform eine Rolle. Die Mitarbeiter und Affiliierten der Nachrichtenstelle für den Orient prägten Teile dieser Vorkriegsdiskurse. Während Martin Hartmann als ein Vertreter der gegenwartsorientierten Islamforschung gelten kann, die sich vor dem Weltkrieg herausbildete, war Muhammad Farid einer der wichtigsten Vertreter der ägyptischen Nationalbewegung. Die Diskurse vor dem Ersten Weltkrieg zeichneten sich dadurch aus, dass sie Transformationen beschrieben oder forderten, ob es nun die »Entdeckung« des Islam, die Politisierung der Orientalistik, der aufkommende arabische Nationalismus oder die Frage nach der Rolle des Kalifats war. Im vorliegenden Kapitel werden selektiv jene Diskursfragmente besprochen, die explizit oder implizit in spätere NfOPublikationen einflossen und die beiden Themenschwerpunkte der Organisation (Kolonialismus und Islam) prägten. Mitnichten soll eine reine Beschreibung historischer Entwicklungen – etwa der deutschen Orientalistik – erfolgen. Vielmehr geht es darum herauszuarbeiten, welche Bilder und Repräsentationen – beispielsweise des Islam im Zuge des deutschen Kolonialismus – produziert wurden und dadurch die Diskurse insbesondere der Arabischen Abteilung vorstrukturierten.
4.2.1
Deutsche Orient- und Islamdebatten vor 1914
Edward Said hatte 1978 in seinem wegweisenden Buch Orientalism das Deutsche Reich aus seiner Analyse europäischer Orientkonstruktionen ausgeklammert, da er der Ansicht war, dass Deutschland keine nationalen bzw. kolonialen Interessen am Nahen und Mittleren Osten gehabt habe.239 Mittlerweile ist die Forschung zu Orientalismus in Deutschland von dieser Ansicht abgerückt. Im Deutschen Reich existierten sehr wohl Orientimaginationen, die zwar häufig, aber nicht immer apolitisch waren. Insbesondere in der Vorkriegszeit entwickelt sich ein »Traum vom deutschen Orient«240 . In der deutschen Perspektive vor 1914 auf den Islam lassen sich zwei Stränge ausmachen, die zwar miteinander verwoben sind, aber doch Besonderheiten aufweisen. Zum einen gab es eine Islamdebatte, die sich stark auf den Islam in den deutschen afrikanischen Kolonien bezog. Zum anderen war das Osmanische Reich als räumliche Manifestation des »Orients« eine Projektionsfläche der deutschen kolonialen Ambitionen und Islamimaginationen.241
239 Edward W. Said, Orientalism, New York 1978, S. 19. 240 Fuhrmann 2006. 241 Durch die gemeinsame Betrachtung dieser zwei Stränge greife ich die Forderung Sebastian Conrads auf, die Geschichte des deutschen Kolonialismus habe über eine Betrachtung der Schutzgebiete hinauszugehen und solle auch koloniale Fantasien und Projekte umfassen. Conrad 2012, S. 16.
4. Die Diskurse
Das folgende Kapitel setzt sich mit zentralen Diskursfragmenten hinsichtlich »Orient« und Islam im Deutschen Reich auseinander. In den ersten beiden Abschniten werden missionarische und orientwissenschaftliche Perspektiven betrachtet. Die besondere Relevanz der Debatten, die Missionare und Orientalisten über den Islam geführt haben, ist, dass sie den Islam als Thema in die breite Öffentlichkeit getragen haben. Zuvor war der Islam für nichttheologische Laien vor allem in literarischen Nischen präsent, insbesondere in Reiseliteratur und Belletristik.242 Als Drittes werden deutsche Bilder des Osmanischen Reichs besprochen. Diese Orientkonstruktionen waren durch Ereignisse vor Ort und in Deutschland geprägt.243 Der Wandel des Diskurses ging von Veränderungen in der politischen Interessenlage in Deutschland aus.244 Die Imaginationen standen dabei jedoch nicht im luftleeren Raum, sondern hatten direkte Folgen für das (politische) Handeln.245 Da diese Diskurse in Deutschland vor allem Elitendiskurse waren,246 entfällt an dieser Stelle eine Betrachtung des Stimmungsbilds in der deutschen Bevölkerung allgemein.
Die »Entdeckung« des Islam Muslime traten als politisch relevante Akteure spätestens mit den Eroberungen in Afrika südlich der Sahara in den 1880er Jahren in das deutsche Bewusstsein ein. In Togo und Kamerun, vor allem aber in Ostafrika waren signifikante Teile der lokalen Bevölkerungen muslimisch. Diese (kolonial-)politisch geprägte Wahrnehmung von Muslimen in Afrika südlich der Sahara sollte den deutschen Diskurs über den Islam für lange Zeit prägen. Afrikanische Muslime spielten für die europäische Islamdebatte insgesamt eine große Rolle. Dabei war ein zentrales Motiv im 19. Jahrhundert die Angst vor einem Voranschreiten und einer Ausbreitung des Islam in den europäischen Kolonien,247 da dieser einigen kolonialen Akteuren als Hindernis für die eigene Herrschaft galt. Anknüpfend an diese, vor allem britischen und französischen, Ängste vor islamischen (antikolonialen) Aufständen, versuchten unterschiedliche Akteure zu verschiedenen Gelegenheiten, ihren Befürchtungen Geltung zu verschaffen. Eine Form dieser »Gelegenheit« waren die Deutschen 242 243 244 245
Habermas 2014, S. 235. Fuhrmann 2006, S. 383. Habermas 2014, S. 252. Birthe Kundrus, Die Kolonien: »Kinder des Gefühls und der Phantasie«, in: Birthe Kundrus (Hg.), Phantasiereiche: Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus, Frankfurt a.M./New York 2003, S. 7-18, hier: S. 8. 246 Marchand 2009, S. 337. 247 Nehemia Levtzion, European Perceptions of Islam in Africa: Missionarities, Administrators and Scholars, in: Frieder Ludwig/Afeosemime U. Adogame/Ulrich Berner/Christoph Bochinger (Hg.), European Traditions in the Study of Religion in Africa, Wiesbaden 2004, S. 47-56, hier: S. 48.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Kolonialkongresse. Insbesondere der zweite (1905) und der dritte (1910) deutsche Kolonialkongress thematisierten den Islam in den Kolonien. Auf dem zweiten Kolonialkongress hielten erstmals die Missionare Josef Froberger und Julius Richter Vorträge über den Islam. Erst auf dem dritten Kolonialkongress trug dann ein Akteur vor, der kein Missionar war – der Orientalist Carl Heinrich Becker.248 Die frühen Vorträge von Missionaren dokumentieren eine besondere Entwicklung dieser Debatte: Ab 1906, also kurz nach dem zweiten Deutschen Kolonialkongress, veröffentlichten Missionare in deutschen Tageszeitungen eine Reihe von Artikeln, die eine vermeintliche Gefahr der Ausbreitung des Islam in den Kolonien behandelten.249 Es waren somit zunächst christliche Akteure, die sich mit dem Thema Islam befassten und es für andere Gruppen wie Orientalisten oder Politiker relevant machten.250 Entsprechend prägte dann auch anfänglich ein missionarisches Bild von Muslimen die Debatte. Die zumeist protestantischen Missionare hatten eine ablehnende Haltung gegenüber Islam und Muslimen. Die Religion sei verbunden mit Sklaverei, Muslime seien fanatisch, antikolonial eingestellt und unzuverlässige Arbeiter.251 Verbunden mit der Vorstellung, Muslime seien fanatisch, war die europäische Überzeugung einer in der als homogen verstandenen »islamischen Welt« quasi omnipräsenten Bereitschaft zum Dschihad, die nur darauf warte, sich gegen (kolonisierende) Europäer zu richten.252 Darüber hinaus würde der Islam keine moralischen Werte vertreten, was sich an der Erlaubnis der Polygamie zeigen würde.253 In den Evolutionsmodellen der Missionare stand der Islam auf einer niedrigeren Stufe als das Christentum und war somit ähnlich »unterentwickelt« wie Afrikaner.254 Insbesondere der Aspekt der Sklaverei spielte auch jenseits christlich-missionarischer Debatten eine Rolle. Der Reichstag verabschiedete bereits ab den 1880er Jahren verschiedene Resolutionen, die Sklaverei unterbinden sollten.255 Letztlich verhinderte aber der Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Abschaffung der Sklaverei in Deutsch-Ostafrika, da sich im Zuge dessen die politischen Prioritäten veränderten.256 248 Per Hassing, Islam at the German Colonial Congresses, in: The Muslim World 67/3 (1977), S. 165-174, hier: S. 168. 249 Habermas 2014, S. 233. 250 Hassing 1977, S. 168. 251 Habermas 2014, S. 234. 252 Rudolph Peters, Islam and Colonialism: The Doctrine of Jihad in Modern History, Den Haag 1979, S. 4-5. 253 Hassing 1977, S. 169-171. 254 Rebekka Habermas, Wissenstransfer und Mission: Sklavenhändler, Missionare und Religionswissenschaftler, in: Geschichte und Gesellschaft 36/2 (2010), S. 257-284, hier: S. 272-276. 255 Jörg Haustein, Strategic Tangles: Slavery, Colonial Policy, and Religion in German East Africa, 1885-1918, in: Atlantic Studies 14/4 (2017), S. 497-518, hier: S. 502. 256 Ebd., S. 22.
4. Die Diskurse
Politisierung der Orientalistik Die missionarische Berichterstattung über Muslime wurde schnell als einseitig empfunden. Orientalisten wie Carl Heinrich Becker und Martin Hartmann wollten die deutsche Kolonialverwaltung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen über die lokalen Bevölkerungen unterstützen und begannen mit der Erforschung von Muslimen in Deutsch-Ostafrika. Becker schickte 1908 einen Fragebogen nach DeutschOstafrika, Hartmann 1911. Diese sollten von den Kolonialbeamten vor Ort ausgefüllt werden.257 Die gegenwartsbezogene und auf praktische Fragen ausgerichtete Islamforschung war jedoch ein Novum. Zwar waren die deutschen Orientalisten der zweiten Generation bereits mehr an der islamischen Gegenwart interessiert als ihre Lehrer Theodor Nöldeke und Heinrich Leberecht Fleischer,258 die aktualitätsbezogene Islamforschung steckte jedoch in ihren Kinderschuhen. Die deutsche Orientalistik war als Teil der Theologie entstanden. Die Erforschung der Umwelt der Bibel sollte neue Erkenntnisse liefern.259 Im Mittelpunkt standen hierbei die semitischen Sprachen im Umfeld der Bibel.260 Die Beschäftigung mit dem Islam war zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert hauptsächlich Sache christlicher Theologen und nicht selten von starker antiislamischer Polemik geprägt.261 Der Titel Nachfolger der Exegeten der fachgeschichtlichen Abhandlung Ludmilla Hanischs verdeutlicht diesen theologischen Einfluss auf die frühe Disziplin. Ohne hierbei näher auf die Fachgeschichte einzugehen,262 bleibt daher festzuhalten, dass das Fach bereits anfänglich keinem Selbstzweck diente, sondern sich an übergeordneten Zielen – Erklärung der Bibelumwelt und antiislamische Polemik – orientierte. Die zunehmende Emanzipation von theologischen Ziel- und Erkenntnisvorgaben führte jedoch dazu, dass sich die Fachvertreter Mitte des 19. Jahrhunderts weitestgehend von sämtlichen Überlegungen zur praktischen Nutzbarkeit ihrer Forschung entfernt hatten und sich vor allem auf apolitische Themen, wie klassische arabische Dichtung, fokussierten. Die Beschäftigung mit aktuellen Ereignissen überließen Wissenschaftler Akteuren im Feld: Reisenden, Beamten und Missionaren.263 Die Situation veränderte sich mit den deutschen kolonialen Ambitionen und den ersten Gebietseroberungen. War die deutsche Orientalistik zuvor 257 Habermas 2014, S. 242. 258 Jacques Waardenburg, The Study of Islam in German Scholarship, in: Azim Nanji (Hg.), Mapping Islamic Studies: Genealogy, Continuity, and Change, Berlin/New York 1997, S. 1-32, hier: S. 4. 259 Mangold 2004, S. 29-31. 260 Ursula Wokoeck, German Orientalism: The Study of the Middle East and Islam from 1800 to 1945, London/New York 2009, S. 108-112. 261 S. dazu vor allem Albert Hourani, Der Islam im europäischen Denken: Essays, Frankfurt a.M. 1994. 262 Einschlägige Werke zur Disziplingeschichte der deutschen Orientalistik liegen zahlreich vor: Hanisch 2003, Mangold 2004, Wokoeck 2009 und Marchand 2009. 263 Hanisch 2003, S. 36-37.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
stark philologisch ausgerichtet, bekam nun die Erforschung aktueller Verhältnisse Aufwind. Daran nicht unbeteiligt war die Vielzahl der zwischen 1882 und 1918 gegründeten prokolonialen Einrichtungen wie der Deutsche Kolonialverein (gegr. 1882).264 Die Orientalisten bekamen durch die stärkere Aufmerksamkeit für Fragen zu außereuropäischer Geschichte, Sprachen, Religionen, Politik etc. die Gelegenheit, ihrer Sachkenntnis neue Bedeutung zu verleihen.265 Entwicklungen in der deutschen Kolonialpolitik waren somit eng verknüpft mit Veränderungen in der Orientalistik. Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, dass die koloniale Situation in Deutschland einer der zentralen Auslöser für die Herausbildung der späteren Islamwissenschaft war.266 Diese Zeit des fachlichen Umbruchs zwischen 1880 und 1918 trug sich zu, als die meisten späteren NfO-Akteure diese Fächer studierten und sich selbst in diesem Feld betätigten. Fachvertreter wie Martin Hartmann und Carl Heinrich Becker gelten daher nicht umsonst als Vertreter oder gar Gründer der gegenwartsbezogenen und auch an politischen Fragen orientierten Islamkunde.267 Die Perspektiven deutscher Orientalisten auf das koloniale Projekt waren weitaus diverser, als es die fachliche Situation annehmen ließ. Die deutschen kolonialen Ambitionen wurden nicht per se abgelehnt, die Akteure hatten jedoch unterschiedliche Meinungen hinsichtlich deren Umsetzung, etwa ob und wo das Deutsche Reich tatsächlich expansionistisch oder nur kulturpolitisch aktiv sein sollte.268 In der Auseinandersetzung mit kolonialen bzw. missionarischen Islamdebatten entwickelten sich auch in der Orientalistik bestimmte Islambilder. Zwar wurde auch in den Fachdebatten der Islam auf einer anderen »Kulturstufe« gesehen als das Christentum, viele Orientalisten äußerten sich jedoch positiv hinsichtlich der Leistung des Islam, die muslimischen kolonialen Subjekte in Afrika südlich der Sahara vermeintlich zu »heben«.269 In diesem Stufenmodell drückte sich eine kulturell-religiöse Hierarchisierung aus, die das Christentum an die Spitze der menschlichen Entwicklung und nichtmonotheistische Religionen auf die unterste Stufe stellte. Zudem hatten Orientalisten, wohl bedingt durch das Studium kanonischer Texte, eine ablehnende Haltung gegenüber Praktiken, die nicht im Koran oder anderen islamischen Texten auftauchten. Diese wurden häufig als unislamisch klassifiziert,270 wodurch Orientalisten (unabsichtlich) Positionen puristischer bzw. salafistischer Reformer
264 265 266 267
Marchand 2009, S. 334. Ebd., S. 348. Jung 2014, S. 256-257. Kramer 1989 und Ludmila Hanisch, Islamkunde und Islamwissenschaft im deutschen Kaiserreich: Der Briefwechsel zwischen Carl Heinrich Becker und Martin Hartmann (1900-1918), Leiden 1992, S. 12. 268 Marchand 2009, S. 342-343. 269 Habermas 2014, S. 235 und dies. 2010, S. 275. 270 Habermas 2014, S. 240-241.
4. Die Diskurse
vertraten. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Texten – insbesondere Rechtstexten – führte auch dazu, dass der Islam als eine Religion galt, in der es sich vor allem um Rechtsfragen dreht.271 Diese vermeintliche islamische Fixierung auf Rechtsfragen, die als starr und unflexibel wahrgenommen wurden, interpretierten Orientalisten dann als Grund für die »Rückständigkeit« des zeitgenössischen Nahen und Mittleren Ostens.272
Das Osmanische Reich als Projektionsfläche Neben den muslimischen Bevölkerungen in den deutschen Kolonien spielte auch das Osmanische Reich für die Islam- und Orientkonstruktion des ausgehenden 19. Jahrhunderts eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dies liegt auch daran, dass – zumindest auf der wissenschaftlichen Seite – einige Akteure, wie Martin Hartmann, sich sowohl mit den deutschen Kolonien als auch mit dem Osmanischen Reich befassten. Insgesamt wurden die Debatten um die Hohe Pforte im Kaiserreich der Vorkriegszeit von einer kleinen, in sich geschlossenen Akteursgruppe dominiert, zu der auch in die Weltkriegspropaganda involvierte Akteure wie Ernst Jäckh und Paul Rohrbach gehörten.273 Darüber hinaus spielten Berichte und Memoiren von Reisenden in der Region eine nicht zu unterschätzende Rolle.274 Deutsche Beweggründe für die Beschäftigung mit dem Osmanischen Reich waren mannigfaltig. Erstens war das Reich Teil des Mächtespiels europäischer Staaten, an dem deutsche Akteure auch beteiligt sein wollten. Das deutsche wirtschaftliche und militärische Engagement kann daher vor dem Hintergrund der imperialen Konkurrenz mit anderen europäischen Großmächten verstanden werden.275 Ab den 1830er Jahren wurden zunehmend Publikationen verfasst, die deutsche wirtschaftliche Interessen im Osmanischen Reich formulierten.276 Erste tatsächliche Umsetzungen deutscher wirtschaftlicher Durchdringung des Reichs – häufig bezeichnet als pénétration pacifique – waren verschiedene Bahnprojekte.277 Mit Unterstützung der Deutschen Bank wurde ab 1888 das osmanische Eisenbahnnetz ausgebaut.278 Dies war Teil der Reformen unter dem osmanischen Sultan Abdül271 272 273 274 275
276 277 278
Dietrich Jung, Orientalists, Islamists and the Global Public Sphere: A Genealogy of the Modern Essentialist Image of Islam, Sheffield 2011, S. 206. Ebd., S. 208. Schöllgen 1981, S. 132. Fuhrmann, Malte, Den Orient deutsch machen, www.kakanien-revisited.at/beitr/fallstudie/MFuhrmann1.pdf (28.11.2019). Ders., Germany’s Adventures in the Orient: A History of Semicolonial Entanglements, in: Volker M. Langbehn/Mohammad Salama (Hg.), German Colonialism: Race, the Holocaust, and Postwar Germany, New York/Chichester 2011, S. 123-145, hier: S. 126. Sinno 2007, S. 31. McMeekin 2010. Malte Fuhrmann, Die Bagdadbahn, in: Jürgen Zimmerer (Hg.), Kein Platz an der Sonne: Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Bonn 2013, S. 190-207, hier: S. 193.
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hamid II., der nach der Niederlage gegen Russland (1878) auch eine militärische Reform vorantrieb.279 Colmar von der Goltz befasste sich dann ab 1883 massiv mit der Umstrukturierung des osmanischen Militärs.280 Gemeinsam mit Otto Liman von Sanders leitete er die deutsche Militärmission im Osmanischen Reich und setzte sich für die Intensivierung der Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und der Hohen Pforte ein. Andere europäische Großmächte – insbesondere Russland – beäugten diese deutsche militärische Einflussnahme skeptisch, was letztlich zu diplomatischen Spannungen führte.281 Zweitens spielte Religion eine Rolle für das deutsche Interesse am Osmanischen Reich, das die Kontrolle über zentrale christliche – und jüdische sowie muslimische – Stätten hatte. Ab den 1840ern wurden einige missionarische Einrichtungen gegründet. Dazu zählt etwa das Bistum Jerusalem durch Preußen, die Pilgermissionsanstalt auf St. Chrischona, die Kaiserswerther Diakonissenanstalt am Rhein und der Jerusalemverein.282 Darüber hinaus gab es in dieser Zeit eine starke, religiös motivierte deutsche Siedlungsbewegung.283 Das Ziel der christlichen (zumeist protestantischen) Mission richtete sich auf Muslime und Juden. In der Praxis unternahmen Missionare jedoch vor allem unter lokalen Christen »Konversionsversuche«, d.h. sie versuchten, die jeweilige europäische Form des Christentums zu verbreiten.284 Die Missionsstationen wurden eher nach biblischer als nach zeitgenössischer Relevanz ausgewählt. Die Kleinstadt Jerusalem war daher eher der Ort für solche Einrichtungen als die wirtschaftlich und politisch bedeutende Stadt Beirut.285 Neben einem Interesse der deutschen christlichen Bevölkerung an der Region gerierte sich auch Kaiser Wilhelm II. als religiöser Akteur. Auf seiner Nahostreise 1898 traf er sich mit verschiedenen deutschen Siedlern in Palästina und beschwor die Einheit der christlichen Kirchen.286 Laut Sebastian Conrad existierten vier Gründe für das politische Interesse des Deutschen Reichs an eigenen Kolonien: 1. Handelsinteressen, 2. Suche nach Zielen
279 Gregor Schöllgen, Imperialismus und Gleichgewicht: Deutschland, England und die orientalische Frage, 1871-1914, München 2000, S. 32. Tatsächlich begann die militärische Einflussnahme des Deutschen Reichs im Osmanischen Reich bereits mit der Beratungstätigkeit von Helmuth von Moltke. Dessen Status war jedoch nicht derart institutionalisiert wie die Aktivitäten nach 1880. Schöllgen 2000, S. 32. 280 Bernd Lemke, Globaler Krieg: Die Aufstands- und Eroberungspläne des Colmar von der Goltz für den Mittleren Osten und Indien, in: Wilfried Loth/Marc Hanisch (Hg.), Erster Weltkrieg und Dschihad: Die Deutschen und die Revolutionierung des Orients, München 2014, S. 39-60, hier: S. 42. 281 Schöllgen 2000. 282 Sinno 2007, S. 31. 283 Ebd., S. 32. 284 Fuhrmann 2006, S. 112-113. 285 Ebd., S. 112. 286 Honold 2002, S. 160-164.
4. Die Diskurse
für deutsche Auswanderer, 3. Ventil für interne Konflikte und 4. Eine zivilisatorische Mission.287 Einige dieser primär innenpolitischen Punkte spielten auch für die deutschen Interessen am Osmanischen Reich eine Rolle. Die wirtschaftlichen Erträge aus den eigenen Kolonien waren eher gering.288 Vertreter aus der Wirtschaft und Industrie erhofften sich höhere Gewinne aus dem Nahen und Mittleren Osten, insbesondere dem Osmanischen Reich. Das Reich galt als möglicher Absatzmarkt für deutsche Produkte und als Quelle für Rohstoffe. Darüber hinaus erhoffte sich die Politik, das Osmanische Reich als Zielort für deutsche Auswanderungsbewegungen zu etablieren, um einen Bevölkerungsüberschuss dorthin abzuleiten.289 Für diese Ziele formulierten unterschiedliche Akteursgruppen unterschiedliche Ziele. Während prokoloniale Personen im Dunstkreis des Alldeutschen Verbands für eine Kolonisation waren, sprachen sich Gegner dieser Politik eher für »Kulturarbeit« aus, um die lokalen Bevölkerungen für Deutschland zu gewinnen. Zu diesen »liberalen Imperialisten« gehörten Akteure wie Paul Rohrbach und Ernst Jäckh.290 Diese Ziele sprechen dafür, dass das Osmanische Reich generell als Raum für Möglichkeiten wirtschaftlicher oder religiöser Natur wahrgenommen wurde. Lange Zeit war die politische Debatte um das Osmanische Reich jedoch von der »orientalischen Frage« dominiert. Diese drehte sich zentral um den Zerfall des Osmanischen Reichs – der »kranke Mann am Bosporus« – und die möglichen Auswirkungen dieses Prozesses auf das politische Gleichgewicht und die innere Ruhe in Europa.291 Ein wichtiger Anstoß für den deutschen Perspektivwechsel auf das Reich war der Besuch des Kaisers 1898 und seine positive Rezeption in Deutschland. Negative Bilder – etwa, dass das Reich von interner Gewalt dominiert sei – traten daraufhin immer mehr in den Hintergrund.292 In Kunst, Literatur, Architektur etc. herrschte, im Gegensatz zur Sphäre der Politik, eine starke Faszination für »orientalische« sowie osmanische Kultur, sodass Motive aus der Region in deutscher Kulturproduktion häufig rezipiert wurden.293
287 288 289 290 291
Conrad 2012, S. 24-25. Ebd., S. 54. Schöllgen 1981, S. 137-140. Ebd., S. 142-143. Thomas Scheffler, »Wenn hinten, weit, in der Türkei die Völker aufeinander schlagen …«: Zum Funktionswandel »orientalischer« Gewalt in europäischen Öffentlichkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Jörg Requate/Martin Schulze Wessel (Hg.), Europäische Öffentlichkeit: Transnationale Kommunikation seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2002, S. 205-230, hier: S. 209. 292 Ders., Political Religion and Autocracy: Wilhelm II’s Encouter with Ottoman Islam, in: Haldun Gülalp/Günter Seufert (Hg.), Religion, Identity and Politics: Germany and Turkey in Interaction, Hoboken 2013, S. 19-33, hier: S. 31 und ders. 2002. 293 Ebd., S. 213.
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4.2.2
Arabische und islamische Debatten um 1900
Bereits bestehende arabische und islamische Debatten wandelten sich stark durch die Auseinandersetzung mit europäischen Kolonialdebatten. Die Eröffnung des Suez-Kanals im Jahr 1869, wodurch sich die britisch-französische wirtschaftliche Dominanz in Ägypten festigte und die internationalen Handelsrouten deutlich verkürzten, war eine weltpolitische Zäsur. Während der Nahe und Mittlere Osten zuvor durch europäische Kolonialmächte vor allem ökonomisch »erschlossen« wurde, nahm danach die politische Einflussnahme zu.294 Die Briten eroberten im Jahr 1839 den Golf von Aden. Im Jahr 1877 ernannte sich Königin Victoria zur Kaiserin von Indien, im Jahr 1881 eroberten französische Truppen Tunesien – 1883/84 war dies bereits in Algerien geschehen –, 1882 besetzten die Briten Ägypten und schlugen im Jahr 1898 den Mahdi-Aufstand im Sudan nieder, wodurch die britisch-ägyptische Herrschaft über das Land gesichert wurde.295 Mit dieser militärischen Durchdringung ging erstmals auch eine strikte konzeptionelle Trennung von »Orient« und »Okzident« einher, die europäische Intellektuelle wie Ernest Renan vertraten, muslimische Gelehrte und Intellektuelle zunächst jedoch nur sehr zurückhaltend aufgriffen.296 In den arabisch-islamischen Debatten spielte der Westen eine zentrale Rolle; entweder als Vorbild oder als Gegner.297 Denker wie Tahir al-Jazaʾiri, ʿAbd al-Rahman al-Kawakibi, Jamal al-Din al-Afghani, Muhammad ʿAbduh und Muhammad Rashid Rida diskutierten in diesem Zusammenhang im ausgehenden 19. Jahrhundert Fragen rund um eine mögliche islamische Moderne und nötige innere Reformen des Islam. Zentral für diese Richtung islamischer Reform war der Gedanke einer Rückkehr zu einem vermeintlich ursprünglichen, von fremden Ideen und Praktiken gereinigten Islam.298 Die Kernanliegen der arabisch-muslimischen Reformer waren laut Gudrun Krämer »[…] die Erneuerung des Islam durch die selektive Aneignung moderner Ideen und Institutionen; eine Modernisierung islamischer Bildung und Erziehung und eine überlegte Anpassung des islamischen Rechts an die Anforderungen der Moderne.«299
294 Schulze 2003, S. 28. 295 Gudrun Krämer, Geschichte des Islam, München 2005, S. 268-269. 296 Schulze 2003, S. 28-29. Zur Entstehung des Konzepts einer »islamischen Welt« s. Cemil Aydin, The Idea of the Muslim World: A Global Intellectual History, Cambridge/London 2017. Zu dem Einfluss von Renan s. Birgit Schäbler, Moderne Muslime: Ernest Renan und die Geschichte der ersten Islamdebatte 1883, Paderborn 2016. 297 Albert Hourani, Arabic Thought in the Liberal Age, 1798-1939, Oxford 1983. 298 Krämer 2005, S. 263. 299 Ebd., S. 285. Hierzu auch Rudolph Peters, Erneuerungsbewegungen im Islam vom 18. bis zum 20. Jahrhundert und die Rolle des Islams in der neueren Geschichte: Antikolonialismus und Nationalismus, in: Werner Ende/Udo Steinbach (Hg.), Der Islam in der Gegenwart, München 2005, S. 90-127.
4. Die Diskurse
Innerislamische Diskussionen um Reform veränderten sich durch den europäischen Einfluss. Häufig wurden Modernisierungsfragen, die bereits diskutiert worden waren, plötzlich als westlich wahrgenommen und nicht mehr weiter besprochen. Bereits in frühen muslimischen Reaktionen auf die europäische Expansion nahmen Dschihad-Konzepte eine wichtige Rolle im antikolonialen Kampf ein, z.B. bei ʿAbd al-Qadir in Algerien oder den Mahdisten im Sudan.300 Dies gilt auch für den Aufstand von Usman dan Fodio in Nord-Nigeria (Sokoto-Kalifat).301 Das primäre Medium vieler antikolonialer Akteure für die Durchsetzung ihrer Anliegen war jedoch nicht der Kampf, sondern publizistische Aktivitäten. Für die Verbreitung ihrer Ideen nutzten sie vor allem Zeitschriften, wie Rashid Ridas al-Manar (Der Leuchtturm), mit welchen die späteren nichtdeutschen, arabischsprachigen NfO-Akteure bereits vor dem Krieg bestens vertraut waren. In diesem Kapitel werden ausschließlich jene Kernthemen muslimischer Reformer besprochen, die später für die Diskurse der Nachrichtenstelle für den Orient relevant waren. Dazu zählen das Verhältnis von Imperialismus und Nationalismus, die Frage nach einer möglichen bzw. legitimen islamischen Herrschaft, Bildungsfragen sowie Frauenrechte. Themen, die für die islamischen Modernisierungsdebatten im 19. Jahrhundert relevant waren, jedoch für die NfO keine Rolle spielten, wie Wiedereinführung des Prinzips der eigenen Urteilsfindung (ijtihad) in der Rechtsprechung, werden an dieser Stelle jedoch vernachlässigt.
Die »Arabische Frage« Ein zentraler Diskurs des ausgehenden 19. Jahrhunderts war die »Arabische Frage«. Hierbei wurde im Nahen und Mittleren Osten sowie im Osmanischen Reich die Identität einer vermeintlich homogenen arabischen »Nation« ausgehandelt. Zunächst ist festzuhalten, dass das Osmanische Reich, wie andere europäische Staaten auch, eine Imperialmacht war.302 Dabei hatte das Reich ein klares Zentrum, das 300 Peters 1979, S. 151. Überblick über Geschichte und Systematik des Dschihads u.a. bei folgenden Autoren: Josef van Ess, Dschihad gestern und heute, Göttingen 2012, Peters 1979, Reuven Firestone, Jihad: The Origin of Holy War in Islam, New York 1999 und David Cook, Understanding Jihad, Berkeley 2005. 301 Leonhard Harding, Jihad und Aufbruch in eine neue Zeit: Uthman dan Fodio und die Zeitenwende am Anfang des 19. Jahrhunderts, in: Sven Sellmer (Hg.), Zeitenwenden: Historische Brüche in asiatischen und afrikanischen Gesellschaften, Hamburg 2002, S. 15-37. 302 Hierzu v.a. Maurus Reinkowski, Hapless Imperialists and Resentful Nationalists: Trajectories of Radicalization in the Late Ottoman Empire, in: Maurus Reinkowski/Gregor Thum (Hg.), Helpless Imperialists: Imperial Failure, Fear and Radicalization, Göttingen 2012, S. 47-67 und ders., Das Osmanische Reich: Ein antikoloniales Imperium?, in: Zeithistorische Forschungen 3/1 (2006), S. 34-54. Das Osmanische Reich war einerseits selbst Imperialmacht, war andererseits aber den imperialen Ambitionen anderer Staaten ausgesetzt. Im 19. Jahrhundert gab es mehrere große Gebietsverluste, in denen das Reich Territorien u a. an Frankreich, Großbritannien, Italien und Griechenland abtreten musste. Reinkowski 2012, S. 50-51.
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westliche Kleinasien, und mehrere Peripherien.303 Einen solchen peripheren Status hatten die arabischsprachigen Regionen des Reichs,304 die ab dem 16. Jahrhundert unter osmanischen Einfluss kamen. Für osmanische Bürokraten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts war »Arabistan«, also die arabischen Regionen des Reichs, häufig ein Sinnbild für Rückständigkeit.305 Die arabischsprachigen Bevölkerungen im Osmanischen Reich wurden, wie alle anderen »Minderheiten«, jedoch nicht nach Sprache oder Ethnie klassifiziert, sondern über ihre Religionszugehörigkeit.306 Bis ins frühe 20. Jahrhundert spielte die regionale Herkunft im Reich eine eher untergeordnete Rolle und war zumindest als politische Komponente nicht relevant. Dies änderte sich erst mit der jungtürkischen Revolution 1908.307 Der Kontakt zu europäischen Konzepten von »Nation« machte diesen Begriff zu einer bedeutsamen Kategorie im Reich.308 Die Zeit der Jungtürken war bis zum Kriegsausbruch geprägt von einer stärkeren Pressefreiheit als die Regentschaft von Abdülhamid II. So ist es nicht verwunderlich, dass in dieser Zeit Diskurse über eine mögliche arabische nationale Identität möglich wurden.309 Die arabischen Untertanen des Reichs waren mit ihren Unabhängigkeitsbestrebungen Teil einer allgemeinen Entwicklung im Reich, in der ethnische Gruppen ihre »Nationalität« betonten und entsprechend – in unterschiedlichen Graden – ein gewisses Maß an Autonomie forderten. Der Versuch europäischer Kolonialmächte, allen voran Frankreich und Großbritannien, auf diese Gruppen Einfluss zu nehmen, verstärkte diese Tendenzen.310 Im Zentrum der arabischen Diskurse stand die Idee, dass »Araber« aufgrund ihrer gemeinsamen Sprache und einer vermeintlich gemeinsamen Geschichte eine Ethnie seien, die in einem homogenen Kulturraum lebe. Auf diesen Ideen baute auch die panarabische Bewegung der Zwischenkriegszeit auf.311 Arabische Sprache
303 Reinkowski 2006, S. 44. 304 Ebd. 305 Bruce A. Masters, The Arabs of the Ottoman Empire: A Social and Cultural History, 1516-1918, Cambridge 2013, S. 192. Zu dieser osmanischen Perspektive und der Theorie, dass sich das Osmanische Reich in seinen arabischen Regionen einen eigenen »Orient« erdacht hat, s. v.a. Ussama Makdisi, Ottoman Orientalism, in: The American Historical Review 107/3 (2002), S. 768796. 306 Feroz Ahmad, The Young Turks and the Ottoman Nationalities: Armenians, Greeks, Albanians, Jews, and Arabs, 1908-1918, Salt Lake City 2014, S. 112. 307 Masters 2013, S. 230. 308 Dawn 1973, S. 123. 309 Kayalı 1997, S. 14. 310 Zu den Bestrebungen der ethnischen Gruppen des Osmanischen Reichs, dem Umgang der Regierung mit ihnen sowie dem europäischen Versuch der Einflussnahme kurz vor und während des Ersten Weltkriegs s. Ahmad 2014. 311 C. Ernest Dawn, The Formation of Pan-Arab Ideology in the Interwar Years, in: International Journal of Middle East Studies 20/1 (1988), S. 67-91.
4. Die Diskurse
und Literatur wurde für die Befürworter dieser Haltung zum zentralen Identitätsmerkmal.312 Vor dem Ersten Weltkrieg wurden diese Konzepte jedoch nicht panarabisch gedacht, sondern eher lokal national artikuliert,313 z.B. als ägyptischer oder tunesischer Nationalismus. Wie sich diese Nationalismen konkret artikulierten, hing stark damit zusammen, ob die Region unter westeuropäischer oder osmanischer Herrschaft stand.314 Wichtig ist hierbei, dass die Befürworter arabischer Nationalismen diese in der Regel nicht in Gegensatz zu einer islamischen Identität sahen, sondern eine Verbindung dieser beiden Konzepte versuchten.315 Akteure, die sich für ein stärkeres arabisch-nationales Bewusstsein einsetzten, gehörten häufig zu der vom neuen Regime übergangenen intellektuellen Mittelschicht.316 Darüber hinaus engagierten sich Akteure, die unter der Einschränkung persönlicher Freiheiten zu leiden hatten. Der arabische Denker ʿAbd al-Rahman al-Kawakibi war massiver Überwachung durch den osmanischen Staat ausgesetzt. Er sah im Osmanischen Reich den Grund für die im Vergleich zu Europa Rückständigkeit des Nahen und Mittleren Ostens.317 Die Lösung war für ihn jedoch zunächst nicht eine nationale oder ethnische, sondern eine islamische Erneuerung.318 Eine nicht zu unterschätzende Rolle für den Diskurs um eine arabische Identität spielten arabische Christen aus Syrien.319 Daneben existierte eine ganze Reihe »arabisch-osmanischer Patrioten«320 . Rashid Rida trat etwa für Reformen ein und wünschte sich insbesondere eine Stärkung des Arabischen in Schulcurricula.321 Auch der Libanese Shakib Arslan, seit 1914 Mitglied des osmanischen Parlaments, blieb bis zur Auflösung des Reichs innerhalb des osmanischen Framework und arbeitete stets an dessen Aufrechterhaltung.322 Das osmanische Komitee für Einheit und Fortschritt, die Jungtürken, versuchte, separatistischen Bewegungen entgegenzusteuern, und betonte insbesondere nach den Gebietsverlusten auf dem Balkan das einigende Band der Religion.323 Darüber hinaus gründeten arabische Akteure auch proosmanische Gesellschaften 312 313 314
Schäbler 2007, S. 180. Ebd., S. 179. Welche Rolle dieser Unterschied im Fall der NfO-Akteure machte, wird in Kap. 3.1.4 Kolonialerfahrung besprochen. 315 Masters 2013, S. 208. 316 Ebd., S. 203-204. 317 Schulze 2003, S. 34. 318 Tauber 1993, S. 25. 319 Dawn 1973, S. 132. 320 Ahmad 2014, S. 118. 321 Dawn 1973, S. 137. 322 Michael Provence, The Last Ottoman Generation and the Making of the Modern Middle East, Cambridge 2017, S. 47-48. Für einen Überblick über Arslans Leben ist die von William L. Cleveland verfasste Biografie äußerst lesenswert. William L. Cleveland, Islam against the West: Shakib Arslan and the Campaign for Islamic Nationalism, Austin 1985. 323 Kayalı 1997, S. 15.
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wie die Arabisch-osmanische Bruderschaft (al-Ikhaʾ al-ʿArabi al-ʿUthmani) im Jahr 1908.324 Die osmanische Regierung erlaubte auch die Aktivitäten der Dezentralisierungspartei. Diese Gruppe forderte keine Loslösung vom Osmanischen Reich, sondern befürwortete, wie sich im Namen bereits vermuten lässt, lediglich eine stärkere Autonomie arabischer Regionen und eine größere Unabhängigkeit von Istanbul.325 Arabischer Separatismus entwickelte sich im Osmanischen Reich jedoch nicht zur Mehrheitsmeinung unter der arabischen Bevölkerung. Die Ideen arabischer Intellektueller des 19. Jahrhunderts erreichten nie die Bevölkerungsmassen, die angesprochen werden sollten.326 Das Band zwischen arabischen und türkischen Bevölkerungen existierte zu lange. Zwar brachte der Kontakt mit Europa Nationalideen hervor, aber das Osmanische Reich galt letztlich auch als Schutzmacht vor den europäischen Kolonialmächten; sowohl für Muslime als auch für Christen und Juden.327 Die zentrale Antwort arabischer Eliten auf osmanische Dominanz war Kooperation.328 Sie ertrugen die osmanische Herrschaft nicht nur, sondern trugen sie auch mit, kooperierten mit ihren Vertretern und waren letztlich Teil des Herrschaftsapparates. Sie zogen sowohl ökonomisch als auch machtpolitisch ihren Nutzen aus der Zusammenarbeit.329 Wichtige Posten in den regionalen Verwaltungen besetzten beispielsweise lokale (arabische) Akteure und aus Istanbul entsandte Türken.330
Kalifat und Verhältnis von Politik und Religion Für einige osmanische Intellektuelle des 19. Jahrhunderts, wie Namık Kemal, stellte die Stärkung des Kalifenamts ein zentrales Moment der Erneuerung des Nahen und Mittleren Ostens dar.331 Über die Mamluken in Ägypten war der Kalifatstitel an die osmanische Dynastie nach der Eroberung des Nillandes 1517 übergegangen. Für die Osmanen spielten das Kalifat und die damit theoretisch einhergehende religiöse Leitung aller Muslime jedoch lange Zeit keine herausragende Rolle; andere Herrschaftstitel wie Khan oder Padishah wurden gleichermaßen verwendet.332 Durch den zunehmenden Druck der europäischen Kolonialmächte gewann dieser Titel jedoch wieder an Bedeutung. Im Friedensabkommen von Küçük Kaynarca
324 325 326 327 328 329 330 331 332
Tauber 1993, S. 61-65. Ebd., S. 121-134. Ebd., S. 331. Masters 2013, S. 193. Ebd., S. 229. Ebd., S. 226. Ebd., S. 229-230. Schulze 2003, S. 29. Cemil Aydin, Globalizing the Intellectual History of the »Muslim World«, in: Samuel Moyn/Andrew Sartori (Hg.), Global Intellectual History, New York 2013, S. 159-186, hier: S. 162.
4. Die Diskurse
1774, das nach dem Russisch-Türkischen Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich unterzeichnet wurde, wurde der osmanische Sultan Abdülhamid I. (regierte 1774-1789) als »souveräner Kalif der muhammedanischen Religion«333 bezeichnet. Dies leitete die internationale Anerkennung der Personalunion von Kalif und Sultan durch die osmanische Herrscherdynastie ein. Abdülhamid II. (regierte 1876-1909) nutzte den Kalifatstitel offensiver, in dem Versuch, interne Spannungen des Reichs zu lösen und seinen Herrschaftsanspruch zu untermauern. In der osmanischen Verfassung von 1876 wurde die Verbindung von Kalifat und Sultanat direkt in den ersten beiden Artikeln genannt. Auch nachdem Abdülhamid II. die Verfassung aussetzte, betonte er weiterhin die besondere Bedeutung des Kalifatstitels.334 Muslime, die weder Türken noch Osmanen im Sinne von Bürgern des Reichs waren, taten sich jedoch zuweilen schwer damit, das religiöse Primat der osmanischen Herrscherdynastie anzuerkennen. Bereits im 15. Jahrhundert vertrat der muslimische Gelehrte Ibn Khaldun die Ansicht, dass die Kalifen aus dem arabischen Stamm der Quraysh zu kommen hätten, dem auch Muhammad entstammte, da dieser der einflussreichste und am meisten respektierte Stamm in der Frühzeit des Islam gewesen sei.335 Dieser Gedanke der Notwendigkeit eines arabischen Kalifats wurde im 19. Jahrhundert aufgegriffen und bestand sogar bis nach der offiziellen Auflösung des Amts durch die Türkische Nationalversammlung 1924 weiter. Arabisch-muslimische Reformer im 19. Jahrhundert taten sich mit einem osmanischen Kalifat schwer: ʿAbd al-Rahman al-Kawakibi lehnte, nach Konflikten mit der Regierung, ein osmanisches Kalifat ab und forderte die Wiedereinführung eines arabischen Kalifats.336 Muhammad Rashid Rida nahm hingegen ambivalentere Positionen ein: Unter der Herrschaft von Abdülhamid II. sah er im osmanischen Kalifen den bestmöglichen Verteidiger des Islam, während des Ersten Weltkriegs hingegen lehnte er das osmanische Kalifat ab und forderte ähnlich wie al-Kawakibi ein arabisches Kalifat. Auch seine Antwort auf die Frage, ob das Kalifenamt in erster Linie eine politische oder eine religiöse Instanz darstellen sollte, fiel je nach biografischer Phase und politischer Entwicklung unterschiedlich aus.337 Mit der Erneuerung des Kalifats im 19. Jahrhundert und den Debatten darum war die Frage nach dem Verhältnis von weltlicher und religiöser Macht bzw. deren Trennung verbunden. Das Sultanat hatte primär eine politische Funktion, während für viele Muslime das Kalifenamt eine eindeutig religiöse Konnotation hatte.338 In 333 334 335 336 337
Schulze 2003, S. 27. Hugh Kennedy, The Caliphate, London 2016, S. 347-355. Ebd., S. 340. Masters 2013, S. 210 und Dawn 1973, S. 140. Mahmoud Haddad, Arab Religious Nationalism in the Colonial Era: Rereading Rashid Rida’s Ideas on the Caliphate, in: Journal of the American Oriental Society 117/2 (1997), S. 253-277, hier: S. 276-277. 338 Schulze 2003, S. 29.
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diesem Zusammenhang wurden auch unterschiedliche Konzeptionen eines Staates entwickelt, der islamisch oder säkular sein konnte. Keineswegs lässt sich für das 19. Jahrhundert das häufig angeführte Postulat nachweisen, dass im Islam per se eine Trennung von religiösen und politischen Fragen ausgeschlossen ist.339 Im kolonialen Kontext fokussierten sich regionale Herrscher häufig auf religiöse Titel, etwa amir al-muʾminin. Sie betonten dadurch ihre religiöse Legitimität, nachdem sie ihre politische Macht durch die europäische Einflussnahme verloren hatten. Zuweilen hielten Kolonialmächte aber auch am Sultantitel fest, wie in Nigeria, um lokale Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen weiter verwenden zu können.340 Für die meisten Nationalisten war dabei klar, dass sich Religion der Politik unterzuordnen habe. Muslimische Modernisten hingegen wehrten sich vehement gegen diese Sichtweise. Muhammad ʿAbduh, der gerade für die religiös geprägten muslimischen NfO-Akteure bedeutend war, ließ keinen Zweifel daran, dass Religion jederzeit über der Politik zu stehen habe.341
Bildung und Erziehung Für die arabischen Islam-Reformer war die Erneuerung der islamischen Bildung ein Kernanliegen.342 Als zentrales Defizit in der »islamischen Welt« machten Denker wie al-Afghani den Niedergang der wissenschaftlichen Tradition im Islam aus. Während noch im Mittelalter wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse sowohl in den Natur- wie Geisteswissenschaften aus dem arabischen und persischen Raum hervorgingen, setzte sich dies ab der Frühen Neuzeit nicht fort. Al-Afghani war überzeugt, dass Lernen und Bildung im Nahen und Mittleren Osten des 19. Jahrhunderts einen zu geringen Stellenwert einnähmen, sodass Europa den Nahen und Mittleren Osten in dieser Hinsicht überholt habe.343 Auch al-Afghanis Schüler, Muhammad ʿAbduh, setzte sich intensiv mit Bildungsfragen auseinander. Für ʿAbduh war ebenfalls nicht der fehlende Glaube der Grund für die vermeintliche Rückständigkeit der »islamischen Welt«, sondern Mangel in der Bildung.344 Der Reformer sah in Bildung das zentrale Vehikel für Veränderung und war davon überzeugt, dass sich westliche Wissenschaften problemlos in islamische Bildung integrieren lassen könnten.345 Eine wichtige Maßnahme, die ʿAbduh vorschlug, um den asym-
339 340 341 342 343
Ebd., S. 30. Ebd., S. 44. Ebd., S. 46. Krämer 2005, S. 285. Tamara Sonn, Islam: A Brief History, Chichester 2010, S. 143-145. Prominent äußerte sich der französische Gelehrte Ernest Renan zu diesen Fragen und diskutierte sie mit Al-Afghani und seinen muslimischen Zeitgenossen. S. Schäbler 2016. 344 Abdul Latif Tibawi, Islamic Education: Its Traditions and Modernization into the Arab National Systems, London 1972, S. 69. 345 Ebd.
4. Die Diskurse
metrischen Wissensstand auszugleichen, war die Übersetzung elementarer europäischer naturwissenschaftlicher Werke in das Arabische.346 Darüber hinaus setzte er sich für eine Modernisierung der Lehrpläne an religiösen Schulen ein: Nicht nur das Arabische und religiöse Erziehung sollten dort stattfinden, sondern es sollten dort in Zukunft auch islamische Geschichte, Naturwissenschaften und Fremdsprachen unterrichtet werden. Darüber hinaus sollte auch die religiöse Erziehung selbst von alten Strukturen befreit werden, die auf das reine Auswendiglernen von Texten und rituellen Praktiken abzielten. Vielmehr forderten muslimische Reformer ein Verständnis der religiösen Inhalte.347 ʿAbduh wehrte sich vehement dagegen, moderne Bildung in islamischen Ländern vor allem europäischen bzw. missionarischen Einrichtungen zu überlassen, da diese zu einer Entfremdung der Schülerinnen und Schüler von islamischen Traditionen führen würden. Daher setzte er sich für eine Regulierung dieser Schulen ein.348 Auch Rifaʿa al-Tahtawi, ein weiterer ägyptischer Reformer, hatte sich schon einige Jahrzehnte vor ʿAbduh für die selektive Aneignung westlicher Bildungsinhalte ausgesprochen.349 Die Erkenntnis eines Defizits im Bildungssektor hatte in der »islamischen Welt« mehrere Folgen: Zum einen schickten muslimische Eliten ihre Kinder in europäische Bildungseinrichtungen oder nach Europa zur Erziehung. Zum anderen wurden in Ländern mit muslimischen Mehrheiten Universitäten und Schulen nach europäischen Vorbildern eingerichtet.350 Als Drittes führte diese Erkenntnis zu einer Umstrukturierung bereits bestehender islamischer Hochschulen, wie alAzhar in Ägypten oder Dar al-ʿUlum Deoband in Indien.351 Die Bildungsreformen waren dabei nie apolitische Ereignisse: Muslimische Herrscher wollten Schulen dazu nutzen, ein Gefühl nationaler Identität und Loyalität zum Herrscherhaus zu schaffen.352 Europäische Kolonialmächte hingegen versuchten, den Zugang zu Bildung zu regulieren. Großbritannien hatte aus den Erfahrungen in Indien gelernt. Bildung für die lokale Bevölkerung bedeutete aus der Sicht der Kolonialmacht politische Unruhen, sodass sie nach der Eroberung Ägyptens 1882 den Zugang
346 347 348 349 350
Ebd. Ebd., S. 73. Ebd., S. 71-72. Ebd., S. 68. Zur osmanischen Bildungsrefom s. Selçuk Akşin Somel, The Modernization of Public Education in the Ottoman Empire: Islamization, Autocracy and Discipline, 1839-1908, Leiden 2001 und Fortna 2003. 351 Sarfaroz Niyozov/Nadeem Memon, Islamic Education and Islamization: Evolution of Themes, Continuities and New Directions, in: Journal of Muslim Minority Affairs 31/1 (2011), S. 5-30, hier: S. 12. 352 Robert W. Hefner, The Culture, Politics, and Future of Muslim Education, Introduction, in: Robert W. Hefner/Muhammad Qasim Zaman (Hg.), Schooling Islam: The Culture, Politics and Future of Modern Muslim Education, Princeton 2007, S. 1-39, hier: S. 13.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
zu Bildung in dem Land beschränkte.353 Aufgrund der Dominanz europäischer und osmanischer Präsenz im Nahen und Mittleren Osten war Bildung in den arabischsprachigen Ländern vor dem Ersten Weltkrieg stets auch eine koloniale bzw. imperiale Angelegenheit, die sich dem Einfluss der Besatzungsmächte nicht entziehen konnte.354
Frauenrechte Ein weiteres Feld, das sich durch die Auseinandersetzung mit dem europäischen Kolonialismus veränderte, war die Situation von Frauen in islamischen Ländern. Europäische Stimmen postulierten, dass Frauen in islamischen Gesellschaften eine untergeordnete soziale Stellung hätten.355 Für die muslimischen Reformer des 19. Jahrhunderts waren – wie auch in Europa – die Debatten um die soziale Stellung von Frauen eingebettet in generelle politische, soziale und kulturelle Modernisierungsdiskurse.356 Die Frage von Frauenrechten wurde im kolonialen Kontext zu einer Chiffre für allgemeine Reformfragen.357 Zwar versuchte Muhammad ʿAbduh, die sozial untergeordnete Stellung von Frauen mit biologistischen Argumenten zu zementieren,358 argumentierte dabei aber, dass gerade der Islam und nicht der Westen als Erstes die Rolle von Frauen verbessert habe.359 Damit bezog er sich auf Praktiken der vorislamischen Arabischen Halbinsel, wie die Tötung neugeborener Mädchen. Sämtliche negativen Aspekte in Bezug auf die Behandlung von Frauen seien erst durch eine Korrumpierung des Islam entstanden.360 Darüber hinaus bewertete ʿAbduh auch etablierte islamische Praktiken, wie Polygamie, als Fehlinterpretation. Polygamie sei nur für spezielle Fälle gedacht, das Ideal im Koran sei die Monogamie.361 Ein Schüler ʿAbduhs, Qasim Amin, baute auf der Neuinterpretation des Korans seines Lehrers auf und forderte ein stärkeres Maß an Bildung für Mädchen und Frauen. In seinen beiden Büchern Tahrir al-Marʾa (1899, Die Befreiung der Frau) und al-Marʾa al-Jadida (1901, Die neue Frau) bewertete er den Ausschluss von Frauen aus dem öffentlichen Leben in islamischen Gesellschaften als eines der Hauptprobleme im Nahen und Mittleren Osten.362 Amin war mit seiner Position unter muslimischen Intellektuel353 354 355 356 357 358 359 360 361 362
Ebd., S. 16-17. Zum imperialen Aspekt der osmanischen Bildung s. Fortna 2003. Nikki R. Keddie, Women in the Middle East: Past and Present, Princeton 2007, S. 60. Laila Ahmed, Women and Gender in Islam: Historical Roots of a Modern Debate, New Haven/London 1992, S. 128. Ebd., S. 129. Wiebke Walther, Die Situation von Frauen in islamischen Ländern, in: Werner Ende/Udo Steinbach (Hg.), Der Islam in der Gegenwart, München 2005, S. 635-680, hier: S. 640. Ahmed 1992, S. 139-140. Keddie 2007, S. 69. Ahmed 1992, S. 140. Masters 2013, S. 202.
4. Die Diskurse
len der Zeit jedoch weitgehend isoliert;363 Rashid Rida etwa befürwortete Praktiken wie die Polygamie.364 Zwei der wenigen Unterstützer Amins waren der türkische Dichter und Intellektuelle Namık Kemal und ein weiterer Schüler al-Afghanis, der bereits genannte Rifaʿa al-Tahtawi.365 Dieser hatte nach seiner Parisreise in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Reisebericht verfasst, in dem er nach dem französischen Vorbild die Gleichstellung von Jungen und Mädchen bei der Bildung forderte.366 Der Herrscher Ägyptens, Muhammad ʿAli (regierte 1805-1848), ließ sich von dem Bericht al-Tahtawis derart überzeugen, dass er sich – zumindest nominell – für eine bessere Schulbildung für Mädchen und Frauen starkmachte.367 Da die britische Eroberung Ägyptens im Jahr 1882 die Restriktion von Bildung in dem Land generell zur Folge hatte, änderte sich zunächst auch nichts für die Bildung von Frauen.368 Männliche muslimische Intellektuelle der Zeit wie Muhammad Rashid Rida sahen in der Veränderung im Verhalten und Auftreten von Frauen, dargestellt etwa durch das Tragen von europäischer Kleidung oder der Forderung nach Bildung, eine Bedrohung.369 Nikki R. Keddie vertritt die Meinung, dass die Debatten um Gleichstellung von Frauen vor der direkten politischen Einflussnahme durch europäische Kolonialmächte unbefangener verliefen. Nach den europäischen Eroberungen wurden, so Keddie, diese Debatten vornehmlich als »westlich« verstanden und damit häufig abgelehnt. Bereits stattfindende innerislamische Tendenzen in diese Richtung wurden dadurch vernachlässigt und unterdrückt.370 Dennoch begannen Frauen, wie Fatma Aliye und Bibi Khanom Astarabadi, Hind Nawfal, Zaynab Fawwaz und ʿAʾisha al-Taymuriyya, in Ländern mit islamischen Mehrheiten um die Jahrhundertwende selbstständig für eigene Rechte einzutreten, und gründeten Zeitschriften sowie Vereine, welche dies fördern sollten.371
4.3
Themen und Stilmittel
Die Debatten in den Publikationen der Nachrichtenstelle für den Orient lassen sich in zwei Themenkomplexe einteilen, die sich jedoch überschneiden und miteinan363 364 365 366 367 368 369
Walther 2005, S. 641. Peters 2005, S. 107. Ahmed 1992, S. 138. Ebd., S. 133-134. Ebd., S. 134. Ebd., S. 137. Ebd., S. 142. Bereits im 19. Jahrhundert erregte die Kleidung muslimischer Frauen die Gemüter männlicher muslimischer Denker. In ihrer Monografie widmet Laila Ahmed den Debatten der Zeit um den Schleier ein eigenes Kapitel. 370 Keddie 2007, S. 69. 371 Ebd., S. 70.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
der verbunden sind: Kolonialismus und Islam.372 Die NfO-Autoren behandelten diese Themenfelder maßgeblich deshalb, da sie mit den Revolutionierungs- bzw. Dschihadisierungsideen korrespondierten und durch Vorkriegsprägungen und debatten vorstrukturiert waren. In der Forschungsliteratur wird eine Vielzahl der auch in der vorliegenden Arbeit behandelten Unterthemen genannt:373 die Kritik am Imperialismus bzw. an kolonialen Praktiken der Entente, die wirtschaftliche, kulturelle und militärische Überlegenheit der Mittelmächte, die Freundschaft Deutschlands bzw. Feindschaft der Entente zum Islam und die Bezugnahme auf nationalistische und religiöse Gefühle sowie auf das Kriegsgeschehen. Diese Themen werden in den entsprechenden Studien zumeist jedoch nur beschrieben, ohne dass darauf eine genauere Textanalyse folgt.374 Generell problematisch ist bei der bisherigen Forschung die Tendenz zur Homogenisierung der Diskurse. Widersprüchlichkeiten und unterschiedliche Positionen werden nicht genannt. Jedoch sind diese gerade im Kontext der Nachrichtenstelle relevant, da die Organisation eine Plattform der Interessenartikulation unterschiedlicher Akteure und Akteursgruppen darstellte. Daher stehen im vorliegenden Kapitel die unterschiedlichen Repräsentationen der einzelnen Themen im Mittelpunkt.
4.3.1
Kolonialismus, Krieg und Kultur
Der erste zentrale Themenkomplex in den Publikationen der Nachrichtenstelle für den Orient war der Imperialismus. Debatten um Krieg und Kultur bzw. Zivilisation waren Teil dieser kolonialen Rhetorik und werden daher im Folgenden gemeinsam behandelt. Dieser Themenkomplex war geprägt von einer Abwertung der kolonialen Praktiken der Entente bei einem gleichzeitigen Ausblenden ähnlicher deutscher
372 Diese Aufteilung der NfO-Diskurse in religiöse und koloniale Themen wurde für die vorliegende Arbeit aus pragmatischen Gründen gewählt. Koloniale Themen spielen auch für Texte mit starken Islambezügen eine Rolle und umgekehrt. Andere Darstellungen – etwa chronologisch entlang des Kriegsverlaufs – wären ebenso denkbar. Eine thematische Unterscheidung bietet jedoch den Vorteil, den Kontext der beschriebenen Sachverhalte sowie die Spannungen zwischen den einzelnen Akteuren bzw. Akteursgruppen zu bestimmten Fragen eingehender beleuchten zu können, ohne dem starren Rahmen des Kriegsverlaufs unterworfen zu sein, der für die Themenauswahl ohnehin nur bedingt eine Rolle spielte. 373 Einen Überblick über Themen deutscher und osmanischer Kriegspropaganda mit Nahostbezug liefern: Hagen 1990, ders. 2004, Sinno 2006, Çiçek 2014a, Krobb 2014, Liebau 2014b und Erol Köroğlu, Propaganda or Culture War: Jihad, Islam, and Nationalism in Turkish Literature during World War I, in: Erik Jan Zürcher (Hg.), Jihad and Islam in World War I: Studies on the Ottoman Jihad at the Centenary of Snouck Hurgronje’s »Holy War Made in Germany«, Leiden 2016, S. 135-151. 374 Die große Ausnahmen stellen die Studien von Liebau, Çiçek und Hagen dar, in denen konkrete Textkorpora sehr detailliert analysiert werden. Liebau 2014b, Çiçek 2014a und Hagen 1990 bzw. ders. 2004.
4. Die Diskurse
Interessen und Praktiken. Aus diesem Grund findet sich in NfO-Material immer wieder eine Gegenüberstellung der Politik des Deutschen Reichs und der Entente. Darüber hinaus spielte in den NfO-Texten ein Hebungsdiskurs eine Rolle. Die Autoren vertraten den Standpunkt, dass sich die unterschiedlichen Gesellschaften und Akteure, die sie in ihren Texten beschrieben, auf verschiedenen Entwicklungsstufen befänden, wobei das Deutsche Reich an der Spitze gesellschaftlicher, zivilisatorischer und technologischer Entwicklung gesehen wurde. Zu den Kolonialund Kriegsdebatten zählte auch ein Opferdiskurs, der den gesamten Nahen und Mittleren Osten zu Unterdrückten und die Entente zu Unterdrückern stilisierte.
Koloniale bzw. imperiale Ambitionen Die Prämisse, aus der sich die Themen sämtlicher Publikationen der Nachrichtenstelle entwickelten, war die feste Überzeugung, dass die Entente imperiale Ambitionen habe und diese auch verfolge: »Wahrlich, dem innersten Wesen unserer Feinde, der Franzosen, Engländer, Russen und wer sich ihnen sonst noch angeschlossen hat wie die treubrüchigen Italiener, entspricht der maßlose Trieb, andere Völker zu unterjochen, sie ihrer Selbstständigkeit und persönlichen Freiheit zu berauben und nach Willkür über sie zu herrschen, sowie unersättliche Gier, alle Segnungen der Welt an sich zu reißen und sie in der zügellosen Befriedigung ihrer Leidenschaften zu verschleudern, indem sie alle anderen ohne eine Spur von Mitgefühl davon ausschließen.«375 In diesem Beispiel klingen die Kernpunkte dieses Themenkomplexes an, der sich wahrscheinlich primär an nichteuropäische (muslimische Soldaten der Entente in deutscher Gefangenschaft und an der Front sowie muslimische Zivilisten) oder neutrale Öffentlichkeiten richtete und die Entente delegitimieren sollte. Der Expansionismus der Entente sei getrieben von Maßlosigkeit, Gier, fehlender Empathie und dem Bedürfnis, über andere Länder und Völker zu herrschen. Entsprechend zeichneten Autoren in den Texten der Arabischen Abteilung Bedrohungsszenarien. In dieser Perspektive war vor allem das Osmanische Reich Ziel der imperialen Ambitionen der Entente, sodass die Hohe Pforte einen Kampf um »Sein oder Nicht-Sein«376 führte. Der Erfolg des antiimperialen Kampfes der Hohen Pforte
375
Salih al-Sharif/Ismaʿil Sefaihi, Tunesien und Algerien: Ein Protest gegen die französische Gewaltherrschaft, Berlin 1916, S. 5. In der arabischen Fassung wird nur Salih al-Sharif als Autor genannt. Ein Exemplar liegt in der Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart (Signatur Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 10). Sefaihi fehlt als Autor auch im französischen Manuskript, das der NfO vorgelegt wurde Manuskript »Les doléances de la Tunisie et l’Algérie« von Salih al-Sharif, o.D., PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9, R 14552. 376 Mittwoch 1914, S. 4.
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wurde immer wieder am Beispiel der Dardanellen angeführt.377 ʿAbd al-ʿAziz Jawish bezeichnete den verhinderten britischen Durchstoß noch 1918 als »eines der bemerkenswertesten Daten der Weltgeschichte«378 . Die expansionistischen Pläne wurden häufig als wirtschaftlich motiviert dargestellt. Neben der »unersättlichen Gier«, die eben bereits angeklungen ist, spielte der »Hunger« der Kolonialmächte als Metapher eine große Rolle.379 Um ihre wirtschaftliche Gier zu befriedigen, würde die Entente die wirtschaftliche Schwächung der Kolonien in Kauf nehmen. Etwa wenn Ägypten durch Großbritannien vermeintlich in »ein einziges Baumwollfeld«380 verwandelt würde oder Frankreich durch die Einfuhr eigener Waren lokale Industrien zerstöre.381 Dabei hebe die Entente stets hervor, dass die Kolonien materiell durch die Ausbeutung eigentlich gewinnen würden, z.B. durch die Bereitstellung neuer Technologien in Form von Maschinen für die Landwirtschaft.382 In den Publikationen der NfO wurde hervorgehoben, dass die Ausbeutung jedoch vor allem zu Kriegszwecken stattfinde. Die Entente könne – im Gegensatz zu Deutschland – Kriegskosten nicht selbst bezahlen und müsse daher Kolonien ausbeuten.383 Während Deutschland den Krieg ausschließlich über Kriegsanleihen finanziere,384 nehme sich Frankreich das nötige Gold aus Marokko.385 Frankreich würde Nordafrika aber nicht nur in Bezug auf Rohstoffe ausbeuten. Auch Menschen würden abgezogen, etwa als Soldaten oder als Kriegsarbeiter.386 Zuweilen führten NfO-Autoren auch den Aspekt der persönlichen Bereicherung an: Britische Beamte in Ägypten würden stark in die eigene Tasche wirtschaften.387 Während der Wunsch nach politischer Dominanz der Entente in den Texten der Arabischen Abteilung sowohl für Frankreich als auch für
377 378 379 380 381 382 383 384 385 386 387
Etwa in Nasr Jadid lil-ʿUthmaniyyin [Ein neuer osmanischer Sieg], in: El Dschihad 2 (09.04.1915), S. 3. ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Die Dardanellen und der 18. März, in: Die Islamische Welt 3/6-7 (1918), S. 190-191, hier: S. 190. Alexandrinus, Englands Hunger und Ägyptens Getreide, in: Die Islamische Welt 1/8 (1917), S. 484-485. Jawish, Ägypten und der Krieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/156 (1916), S. 32-40, hier: S. 39. Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 5. Ausführlich beschrieben auf den Seiten 21-22. Maghribi, Ausbeutung Marokkos durch die Franzosen, in: Der Neue Orient 2/7 (08.07.1918), S. 339-341. Jarimat al-Tahaluf al-Rubaʿi [Das Verbrechen der Entente], in: El Dschihad 30 (06.03.1916), S. 1. Al-Qard al-Almani [Der deutsche Kredit], in: El Dschihad 24 (07.12.1915), S. 1. Faransa wa-Dhahab al-Murrakushiyyin [Frankreich und das Gold der Marokkaner], in: El Dschihad 21 (04.11.1915), S. 1. Marokkos Beitrag zur Unterstützung Frankreichs, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/6 (27.10.1915), S. 31-32. Curt M. Prüfer, Ägypten, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 269-272, hier: S. 270.
4. Die Diskurse
Großbritannien behauptet wurde, wurde der Aspekt der wirtschaftlichen Ausbeutung eher in Bezug auf die französischen Kolonien Nordafrikas betont. Generell nahmen wirtschaftliche Themen einen sehr großen Raum in den NfO-Texten ein. Sowohl das Korrespondenzblatt als auch der Neue Orient enthalten eine Vielzahl von Berichten über die Kolonialwirtschaft im Nahen und Mittleren Osten. Darüber hinaus befand sich in jeder Ausgabe ein wirtschaftlicher Teil, der neben Überblicksartikeln zu bestimmten Ländern Studien über einzelne Rohstoffvorkommen (Baumwolle, Minerale etc.) umfasste. Die deutschen wirtschaftlichen Interessen am Nahen und Mittleren Osten, die sich im Grunde nicht von denen der Entente unterschieden,388 wurden in NfOTexten zum leuchtenden Gegenbeispiel zu den kolonialwirtschaftlichen Ambitionen Frankreichs und Großbritanniens stilisiert. Eugen Mittwoch hob den gegenseitigen Nutzen des deutschen Engagements in der Region hervor: Das Osmanische Reich könne sich entwickeln, das Deutsche Reich Absatzmärkte erschließen.389 Der Wunsch nach Absatzmärkten werde im Nahen und Mittleren Osten durchweg positiv gesehen und begrüßt.390 Deutsche Produkte kämen zudem gut an – etwa in Marokko – und würden dort ebenso wertgeschätzt wie das deutsche Engagement insgesamt.391 Es ist nicht ausgeschlossen, dass die deutschen NfO-Akteure mit solchen Texten vor allem Leser aus der deutschen Industrie und Wirtschaft im Blick hatten und plausibel darstellen wollten, dass sich Investitionen in der Region lohnen. Von Oppenheim hatte aber auch umgekehrt vor, im Nahen und Mittleren Osten den Weg für deutsche Produkte zu bereiten. Die positive Sicht auf Deutschland während des Krieges müsse ausgenutzt werden:392 »Allen Schichten der Bevölkerung des großen türkischen Reiches muß die Überzeugung eingehämmert werden, daß Deutschland nicht nur die erste politische und militärische Großmacht des Abendlandes, sondern daß auch seine wirtschaftliche und industrielle Leistungsfähigkeit der der feindlichen Nationen überlegen ist, mit einem Wort, daß man in Deutschland alles, und zwar am besten und billigsten kaufen kann. [Hervorhebung im Original]«393 Einen besonderen Stellenwert nahmen in den Publikationen der Arabischen Abteilung die Mechanismen der Kolonialmächte ein, die dem Machterhalt dienten. Ins-
388 Wichtig waren folgende Interessen: Märkte für eigene Produkte schaffen, Rohstoffe gewinnen, Orte für Emigration finden und Kontrolle über archäologische Stätten erhalten. Krobb 2014, S. 5. 389 Mittwoch 1914, S. 12-13. 390 Enno Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 284. 391 Bukabuya 1917a, S. 60. 392 Oppenheim 1917, S. 10. 393 Ebd., S. 16.
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besondere arabischsprachige NfO-Autoren betonten immer wieder, dass die Presse in den Kolonien unterdrückt (in Ägypten,394 Tunesien und Algerien395 ), die Bevölkerungen entwaffnet (»even the walking-sticks«396 ),397 antikoloniale Akteure ins Exil geschickt398 und die Bildung unterdrückt399 würden. Darüber hinaus kritisierten NfO-Akteure den Einfluss der Kolonialmächte auf die lokalen Rechtssysteme: Das lokale Rechtswesen werde kontrolliert (in Ägypten400 und Marokko401 ), die Verfassungen würden ausgesetzt,402 internationale Gerichtshöfe ignoriert403 und internationale Verträge missachtet404 . Die nichtdeutschen, arabischsprachigen Akteure äußerten auch generell den Vorwurf, dass die Moral der lokalen Bevölkerungen gebrochen und Sittenverfall herbeigeführt werden solle; durch die Eröffnung von Bordellen, Kneipen und Casinos. Das Ziel sei hierbei die »Verdummung und Entsittlichung des jungen Geschlechts«405 , die auch durch die gezielte Förderung des Alkoholkonsums herbeigeführt werden solle.406 Das zentrale Mittel zum Machterhalt sei jedoch die besondere Brutalität der Kolonialmächte, es sei eine »Herrschaft der Willkür, der Ungerechtigkeit und des Schreckens«407 . Die Gewalttätigkeit der Entente spielte für die deutsche Kriegs394 Fahmi 1915, S. 2, Prüfer, Ägypten, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 269-272, hier: S. 271 und ʿAbd al-Malik Hamza, Die ägyptische Frage in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in: Asien 14 (November 1916), S. 28-32, hier: S. 31. 395 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 29. 396 Fahmi 1915, S. 2. 397 ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Mustaqbal al-Islam [Die Zukunft des Islam], in: El Dschihad 9 (01.07.1915), S. 1, ders., Taʾmim al-Jundiyya fi l-Ummam: Asbabuha wa-Ghayatiha [Die Verbreitung des Waffendienstes bei den Völkern: Ihre Gründe und ihre Ziele], in: El Dschihad 36 (15.06.1916), S. 1-2, ders. 1915, S. 19 und ders., Ägypten und der Krieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/156 (1916), S. 32-40, hier: S. 33. 398 Fahmi 1915, S. 2. 399 Prüfer, Ägypten, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 269-272, hier: S. 271. Zur Unterdrückung der Bildung s. Kap. 4.3.1 Kolonialismus, Krieg und Kultur. 400 Ägyptens Rechtspflege unter englischer Militärdiktatur, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/5 (08.12.1916), S. 175 und Prüfer, Ägypten, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 269-272, hier: S. 270. 401 Rabah Bukabuya, Die marokkanischen Kaids unter der französischen Herrschaft, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/6 (22.12.1916), S. 220. 402 Fahmi 1915, S. 2. 403 Die Internationalen (gemischten) Gerichtshöfe Ägyptens einst und jetzt, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/7 (08.01.1917), S. 273-276. 404 Shamsi 1918. 405 Muhammad al-Bashir Saruq, Ein Ausschnitt aus der französischen Tyrannei in Tunis, in: Der Neue Orient 1/7 (09.07.1917), S. 312-316, hier: S. 313. 406 Hamza, Die ägyptische Frage in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in: Asien 14 (November 1916), S. 28-32, hier: S. 30 und Rabah Bukabuya, Kriegseindrücke eines mohammedanischen Offiziers der französischen Armee, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.11.1915, S. 7. 407 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 20.
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rhetorik eine ausgesprochen wichtige Rolle;408 Stefan Kestler nennt diesen Komplex »Greuelpropaganda«409 . Dies korrespondiert mit Morellis fünftem Prinzip der Kriegspropaganda (»Der Feind begeht mit Absicht Grausamkeiten«).410 Der Aspekt der vermeintlich außerordentlichen Gewaltätigkeit der Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien richtete sich vor allem an nichtdeutsche Öffentlichkeiten, die dadurch für das als friedlich konstruierte Deutschland Sympathien entwickeln sollten. In den Schriften der NfO wurde häufig in drastischer Sprache (»Schreckensherrschaft« oder »Blutrache«411 ) und Bildern (beispielsweise die Fotografie eines halbverwesten Leichnams mit dem Titel »Opfer italienischer Mordsucht«412 ) behauptet, dass die Entente überaus gewalttätig sei. Rhetorisch drehten sich diese Beiträge häufig um das Wort »Blut« (arab. damm, Pl. dimaʾ).413 Die antikolonialen Akteure erklärten Gewalttätigkeit zur allgegenwärtigen Praktik der Kolonialmächte. Bereits die französische Eroberung Marokkos sei sehr blutig und gewalttätig vonstattengegangen414 und Großbritannien habe in Reaktion auf die sogenannte Indian Mutiny (1857) ganze Regimenter ausgelöscht und eine Vielzahl von Akteuren vor Kanonen gebunden und diese abgefeuert.415 Die vermeintliche Brutalität der Briten in Ägypten wurde wiederholt anhand des Dinshaway-Vorfalls beschrieben,416 dem Mansur Rifʿat sogar eine ganze Broschüre widmete (Lest We Forget); dort finden sich bildliche Darstellungen der Exekutionen ägyptischer Bauern durch die britischen Behörden.
408 Welch 2000, S. 61. 409 Stefan Kestler, Die deutsche Auslandsaufklärung und das Bild der Ententemächte im Spiegel zeitgenössischer Propagandaveröffentlichungen während des Ersten Weltkrieges, Frankfurt a.M./New York 1994, S. 134-140. 410 Morelli 2004, S. 61-78. 411 ʿAzzam 1918, S. 26-34. 412 Ebd., S. 49. 413 Kayf Yafsak al-Inkiliz Dimaʾ al-Shuʿub al-Mustaʿbada [Wie England das Blut der versklavten Völker vergießt], in: El Dschihad 82-83 (11.10.1918), S. 3 und Al-Qaʾid al-Faransawi al-ʿAmm aw Sifak al-Dimaʾ [Der französische Generalstab oder das Blutvergießen], in: El Dschihad 60 (15.07.1917), S. 4. 414 »Pacification«, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/31 (27.05.1916), S. 187-188. 415 Farid 1917, S. 14. 416 Fazaʾiʿ al-Aʿda fi Bilad al-Muslimin [Die Scheußlichkeiten der Feinde in den Ländern der Muslime], in: El Dschihad 14 (16.08.1915), S. 1-2, Rifʿat 1915b und Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 288-289. Bei dem Dinshaway-Vorfall handelt es sich um eine Auseinandersetzung britischer Behörden mit den ägyptischen Bewohnern eines Dorfes im Jahr 1906, in deren Folge mehrere Ägypter hingerichtet und öffentlich bestraft wurden, was wiederum zu landesweiten Protesten und einem Erstarken der ägyptischen Nationalbewegung führte. Kimberly Luke, Order or Justice: The Denshawai Incident and British Imperialism, in: History Compass 5/2 (2007), S. 278-287.
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Zuweilen wurden die imperialen Ambitionen der Kolonialmächte – die widersprüchlichen »territorialen Begehrlichkeiten«417 – zur Ursache von Konflikten zwischen der Entente selbst erklärt. Frankreich würde sich etwa Sorge machen, dass sich Großbritannien Syrien aneignen wolle,418 Großbritannien hingegen habe bereits vor dem Krieg gegen einen französischen Einfluss in Ägypten interveniert.419 Diese Beschreibungen der auf divergierenden kolonialen Interessen basierenden Konflikte dienten dazu, das feindliche Bündnis zu delegitimieren und ein Gegenbeispiel zum vermeintlich starken deutsch-osmanischen Bündnis zu zeichnen.420 Generell nutzten die Autoren das Beispiel der französischen und britischen Kolonialpolitik, um einen Kontrast zu Deutschland herzustellen. Denn das Deutsche Reich habe keinerlei expansionistische Ambitionen, »[…] das weiß auch jeder Türke und Araber.«421
Antiimperialismus und Self-Government Einen fast ebenso großen Raum wie die imperialen Ambitionen der Entente nahmen in den Publikationen der Nachrichtenstelle die antikolonialen Widerstände lokaler Bevölkerungen gegen diese ein. Häufig finden sich Berichte über Momente der Auflehnung gegen die Kolonialmächte. Aber auch nichtbewaffnete Formen des antikolonialen Widerstands tauchen immer wieder auf; etwa in Form von Berichten über die dritte Nationalitätenkonferenz in Lausanne 1916, die als »weltgeschichtlicher Augenblick«422 galt.423 In der Regel finden sich in den Publikationen der Arabischen Abteilung entweder die Beschreibung der Lage in einzelnen Ländern – wie die bewaffneten Auseinandersetzungen von Ahmad al-Hiba in SüdMarokko mit der Kolonialverwaltung –424 oder das Postulat einer vermeintlich die
417 418 419 420 421 422 423
424
E. R. Breitheld, Entente-Wettbewerb im Roten Meer, in: Der Neue Orient 2/2 (24.04.1918), S. 75-76, hier: S. 75. Shakib Arslan, Die neuen Intrigen der Entente in Syrien, in: Der Neue Orient 1/21 (05.02.1918), S. 399-401, hier: S. 400. ʿAbd al-Malik Hamza, Aegypten und England im Weltkrieg, in: Das junge Europa 9 (1917), S. 25-30, hier: S. 28. Mehr zur Beschreibung des deutsch-osmanischen Bündnisses in Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 289. Von der dritten Nationalitätenkonferenz, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/37 (13.07.1916), S. 229-230, hier: S. 229. Die Konferenz fand im Juni 1916 statt, wurde von der Union des Nationalités organisiert und vom AA mitfinanziert. Dort sollte vor allem antikolonialen Akteuren eine Stimme gegeben werden. Andererseits nutzte das AA die Veranstaltung, um prodeutschen Positionen und Äußerungen gegen die Entente Raum zu geben. Demm 2002. Rabah Bukabuya, Die Ereignisse im Süden Marokkos: Der Scherif El-Hiba und der General de Lamothe, in: Der Neue Orient 1/8 (23.07.1917), S. 358-360.
4. Die Diskurse
gesamte islamische Welt umfassenden antikolonialen Bewegung.425 Eng damit zusammen hing die Behauptung, dass der Kriegseinritt des Osmanischen Reichs in der als einheitlich verstandenen »islamischen Welt« begrüßt worden sei.426 Dabei betonten nichtdeutsche NfO-Akteure, dass die lokalen Bevölkerungen die Kolonialregierungen bzw. deren eingesetzte lokale Herrscher generell ablehnten. ʿAbd al-Malik Hamza schrieb etwa: »In den großen Städten wie in kleinen Dörfern [Ägyptens, SK], vom gelehrten Mann bis zum einfachen Bauern, die alle vom festen Glauben an die Liebe des Kaisers für den Islam und an seine Freundschaft zu ihrem Kalifen überzeugt sind, hoffte und betete jeder für Deutschlands Sieg.«427 Der Krieg wurde als Möglichkeit gesehen, für die Befreiung unterdrückter Völker zu kämpfen: »Seit langem warteten diese Unterdrückten auf eine Befreiungsmöglichkeit. Der Ausbruch des europäischen Krieges bot eine solche Möglichkeit, und einige von ihnen versuchten, sie sich zunutze zu machen. Hier und dort in Afrika und Asien erhob sich wirksamer Widerstand trotz der sehr beschränkten Mittel, die zu Gebote standen, und den Feinden der Mittelmächte und ihrer Verbündeten wurden nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten geschaffen.«428 Insbesondere in Richtung der muslimischen Kriegsgefangenen wurden solche Gedanken artikuliert. In Vorträgen und Predigten wiederholten die muslimischen NfO-Akteure unermüdlich, der Krieg würde für Muslime die Gelegenheit bieten, die Freiheit zu erlangen.429 Zuweilen konkretisierten NfO-Akteure auch, wie diese Freiheit aussehen sollte: unter osmanischer Herrschaft.430 Proosmanische NfOAkteure wie Abu l-Fadl betonten in ihren Ansprachen in den Lagern stets, dass der Freiheitskampf eine »Rückkehr« zum Osmanischen Reich zu bedeuten hatte. Arabischsprachige Mitarbeiter und Affiliierte, die der Hohen Pforte distanzierter gegenüberstanden, sahen zwischen Freiheitskampf und einer territorialen Anbindung an das Reich nicht unbedingt einen Zusammenhang.431 Das Thema Antiimpe425 ʿAbd al-Malik Hamza, Die muselmanischen Völker im Kampf, in: Die Islamische Welt 1/10 (1917), S. 565-567, hier: S. 566-567. 426 Ebd., S. 565. 427 Hamza, Die ägyptische Frage in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in: Asien 14 (November 1916), S. 28-32, hier: S. 31. 428 Halil Halid, Die Negertruppen Englands, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/1 (06.10.1916), S. 6-7, hier: S. 7. 429 Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, Khitabat al-Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl al-Madani [Die Rede von al-Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl al-Madani], in: El Dschihad 5 (27.04.1915), S. 1. 430 Khutbat al-Ustadh al-Shaykh Muhammad al-Khidr [Die Predigt von Muhammad al-Khidr], in: El Dschihad 7 (20.05.1915), S. 1. 431 S. hierfür Kap. 4.3.2 Islam und Nahost.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
rialismus nahm für die nichtdeutschen Akteure insgesamt einen bedeutend größeren Raum ein als für die deutschen Akteure, die vor dem Krieg Kolonialismus neutral bis positiv gegenüberstanden.432 Die Nutzung der NfO als Plattform für die eigenen antikolonialen Bestrebungen war eine der zentralen Motivationen für die nichtdeutschen Akteure mit der Organisation zusammenzuarbeiten.433 Einen besonderen Stellenwert in der Rhetorik der Arabischen Abteilung nahm die Sanusiyya ein. Die Aktivitäten der Sufi-Bruderschaft galten als erfolgreiches Beispiel der Rebellion eines unterdrückten Landes (Libyen) gegen eine Kolonialmacht (Italien). Es wurde stetig wiederholt, die Libyer hätten die Italiener fast komplett vertrieben,434 Italiener könnten sich in Libyen kaum halten435 und die Italiener hätten der Sanusiyya schon im Tripolitanienkrieg 1911/12 fast nichts entgegensetzen können.436 Zudem sei die Sanusiyya aktiv im Kampf gegen die Briten in Ägypten und würde immer wieder Oasen im Westen des Nillandes angreifen.437 Auch Großbritannien habe der Sanusiyya im Grunde nichts entgegenzusetzen.438 In den NfO-Publikationen wurde insbesondere hervorgehoben, dass die Sanusiyya bzw. ihr Anführer Ahmad al-Sanusi der Istanbuler Dschihad-Erklärung folgen würden.439 Die Aktivitäten der Sanusiyya, die von osmanischer und z.T. deutscher Seite unterstützt wurden,440 ließen sich in der deutschen Rhetorik optimal verwerten. Dadurch konnten die NfO-Autoren zum einen zeigen, dass es im Nahen und Mittleren Osten einen einigermaßen erfolgreichen bewaffneten Widerstand gegen die europäischen Kolonialmächte gab. Zum anderen ließ sich damit der osmanische Anspruch untermauern, in der gesamten »islamischen Welt« – und nicht nur auf dem eigenen, tatsächlich kontrollierten Territorium – Einfluss zu haben. Zudem konnte durch die Sanusiyya die Dschihad-Erklärung als Erfolg dargestellt werden. Das besondere Augenmerk auf der Sanusiyya lag jedoch nicht nur an den Kriegserfolgen. Bereits vor dem Krieg lässt sich feststellen, dass Max von Oppenheim von der Sanusiyya fasziniert war. Über die Bruderschaft schickte er mehrere Berichte ins Auswärtige Amt.441 ʿAbd al-ʿAziz Jawish hatte bereits während des Tripolitanienkriegs, wie viele andere der proosmanischen arabischsprachigen NfO-Akteure,
432 433 434 435 436 437 438
S. Kap. 3.1.3 Kolonialerfahrung. S. Kap. 3.2.2 Motivationen für die Zusammenarbeit. Tahrir Bilad Tarablus [Die Befreiung Tripolitaniens], in: El Dschihad 19 (21.10.1915), S. 2. Italienisches Mißgeschick in Nordafrika, in: Der Neue Orient 1/2 (21.04.1917), S. 68. ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Sanusis Lehren, in: Die Islamische Welt 1/4 (1917), S. 193-195, hier: S. 195. Maurus, Die im Dunkeln kämpfen, in: Der Neue Orient 1/8 (23.07.1917), S. 361-362. Der Kampf Englands gegen die Senussi, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/6 (08.01.1917), S. 269-270. 439 Jawish, Sanusis Lehren, in: Die Islamische Welt 1/4 (1917), S. 193-195, hier: S. 195 und Die Haltung der Senussi, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/1 (30.04.1915), S. 3-4. 440 Al-Ghafal 2018 und Simon 1987. 441 S. hierfür den Bestand Orientalia Generalia Nr. 9 im PA AA.
4. Die Diskurse
intensive Beziehungen zur Sanusiyya aufgebaut. Diese guten Verbindungen sollten genutzt werden, um Informationen zu gewinnen, wobei man im AA davon ausging, keine »unparteiischen Berichte«442 von Jawish über die Bruderschaft zu erhalten. An diesem Beispiel zeigt sich relativ eindrücklich, wie die Vorkriegsbeziehungen und -einflüsse für die Schwerpunktsetzung in der Kriegsrhetorik eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten.443 Generell war die Bezugnahme auf Sanusiyya für die Deutschen heikel, sollte Italien doch zunächst als Bündnispartner gewonnen werden. Daher wurde die Sanusiyya als Thema erst ab 1915 starkgemacht und es wurden keine NfO-Akteure aus Libyen gewonnen.444 Im Zusammenhang mit den antiimperialen Bewegungen setzten sich die nichtdeutschen NfO-Akteure mit der Frage auseinander, ob die Länder des Nahen und Mittleren Ostens im Fall einer Befreiung von den europäischen Kolonialmächten dazu in der Lage seien, sich selbst zu verwalten.445 Diese Kolonialdebatten wurden unter den Stichworten Home Rule und Self-Government geführt. Die Frage bejahten die NfO-Akteure in der Regel und führten Vergleiche mit anderen Regionen an. Shamsi hatte die Arabische Revolte im Blick, als er schrieb : »Aujourd’hui encore, nous avons vu le gouvernement anglais applaudir avec enthousiasme à l’indépendance d’un pays, le Hedjaz, dont la population est loin d’être parvenue au même degré de progrès que l’Egypte.«446 Ähnlich argumentierte Fahmi : »Que l’on impose le protectorat à des peuplades à demi sauvages, à la rigueur, on peut le comprendre; mais l’Égypte qui a un passé glorieux, qui est entrée dans la civilisation moderne depuis longtemps, qui s’est adressée de sa propre initiative à l’Europe pour lui demander ses éducateurs, et dont les fils avides de science ont acquis leur savoir dans les universités européennes, l’Égypte n’a-t-elle pas le droit de vivre en nation libre?«447 Beiden Autoren war es wichtig zu betonen, wie weit das eigene Heimatland im Vergleich zu anderen Regionen entwickelt sei. Wenn schon, so die Argumentation, diesen weniger entwickelten Regionen das Recht auf Selbstbestimmung zugesprochen wird, müsste Ägypten erst recht dazu in der Lage sein, sich selbst zu regieren. Spannend ist an Fahmis Ausführungen auch die persönliche Komponente. Mit der Bezugnahme auf die »Söhne Ägyptens«, die das Wissen an europäischen Universitäten erworben hätten, stellt er einen klaren Bezug zur eigenen Biografie her
442 443 444 445
Von Wesendonk an AA, 29.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21132. S. Kap. 3.1 Prägungen der Akteure vor dem Ersten Weltkrieg. Mehr dazu in Kap. 3.1.1 Herkunft, familiärer Hintergrund und soziales Milieu. Zu der Rolle, die das Osmanische Reich in so einem Fall spielen sollte, s. Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. 446 Shamsi 1918, S. 23. 447 Fahmi 1917, S. 63.
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(Jura-Studium in der Schweiz).448 Die Verweigerung des Self-Government mit der Begründung, Ägypten und seine Bewohner seien dazu noch nicht bereit, scheint auf Fahmi gewirkt zu haben wie ein Angriff auf die eigenen intellektuellen Kapazitäten. Nicht erst das 14-Punkte-Programm Woodrow Wilsons vom Januar 1918 hatte bei den nichtdeutschen NfO-Akteuren die Forderung nach Befreiung der unterdrückten Völker nach sich gezogen. Tatsächlich wurden die entsprechenden Äußerungen der Entente, für die Rechte der unterdrückten Völker einzutreten, sehr kritisch gesehen und als Heuchelei wahrgenommen. Für Hamza war die Friedensnote verlogen und voll von »lächerlichen Widersprüchen«449 . Auch hinsichtlich der päpstlichen Friedensnote »Dès le début« von Benedikt XV. im August 1917 bedauerte Mansur Rifʿat, dass dieser nicht auf die Rechte der muslimischen Völker eingegangen sei.450 Die arabischsprachigen NfO-Akteure knüpften reale Hoffnungen an die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk. Mehrere Schreiben sowie offene Briefe richteten sich an die verhandelnden Parteien und drückten den Wunsch aus, die Rechte der »kleinen« Völker dort auch auf den Tisch zu bringen.451 Das Thema Self-Government richtete sich wohl vor allem an neutrale Öffentlichkeiten, in der Hoffnung, dass diese die Unabhängigkeitsbestrebungen der antikolonialen Akteure unterstützen würden.
Krieg und Kriegsereignisse Während die imperialen Ambitionen der Entente und die Gegenreaktionen aus den Kolonien nur bedingt mit den Kriegsereignissen in Verbindung standen, spielte der Krieg an sich verständlicherweise ebenfalls eine große Rolle in den Publikationen der NfO. Dabei ging es in erster Linie darum, die deutsche Sicht auf den Krieg im Nahen und Mittleren Osten zu verbreiten.452 Aber auch die neutrale Weltöffentlichkeit sollte mit dieser Rhetorik für die deutsche Sache gewonnen werden. Vor allem richtete sich die Kriegsrhetorik aber an muslimische Gefangene in Deutschland und muslimische Soldaten in den Diensten Frankreichs und Großbritanniens. In der Gefangenenzeitung El Dschihad wurde regelmäßig über Kriegsereignisse im Nahen und Mittleren Osten, wie die Kämpfe an den Dardanellen, am Suez-Kanal
448 Für Details zu Fahmis Werdegang s. Kap. 3.1.2 Bildungsweg. 449 ʿAbd al-Malik Hamza, Die islamischen Völker und die Friedensnote, in: Die Islamische Welt 1/3 (1917), S. 8-11, hier: S. 10. 450 Ibn Marwan [= ʿAbd al-Malik Hamza], Die Friedensbewegung und die unterdrückten Völker des Orients, in: Die Islamische Welt 1/9 (1917), S. 513-514 und Mansur Rifʿat, Papstnote und Wahrheitsfreunde, in: Der Bindestrich: Mitteilungen des Wahrheitsbundes 5-6 (1917), S. 127. 451 Aegypten und Brest-Litowsk, in: Die Islamische Welt 2/1 (1918), S. 44-47, hier: S. 46, Muhammad Farid, Un nouvel appel du parti national égyptien: L’Egypte et le principe des nationalités, in: Bulletin du parti national égyptien 3 (1918), S. 53-57 und ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Muslimische Beschwerden, in: Die Islamische Welt 1/12 (1917), S. 693-696, hier: S. 696. 452 Heine 2006.
4. Die Diskurse
oder in Mesopotamien,453 bzw. deutsche sowie osmanische Siege und militärische Erfolge berichtet.454 Diese Darstellung des Krieges entspricht Anne Morellis siebtem Prinzip der Kriegspropaganda (»Unsere Verluste sind gering, die des Gegners aber enorm«).455 Die Skagerrakschlacht im Sommer 1916, die für die beteiligten Parteien unentschieden ausging, wurde als deutscher Sieg dargestellt.456 Es erschienen immer wieder Einzelpublikationen, die über den aktuellen oder gesamten Kriegsverlauf informierten. Dazu zählten auch Kriegsbroschüren. Was in diesen Publikationen jedoch gänzlich fehlte, waren Berichte über deutsche und osmanische Niederlagen. Dies hätte dem Narrativ deutscher sowie osmanischer militärischer Überlegenheit sicher im Weg gestanden.457 Nichtdeutsche Akteure bezeichneten den Krieg tendenziell als »europäischen Krieg«.458 Gleichzeitig betonten sie, dass die Auseinandersetzung in Europa direkte Folgen in der ganzen Welt habe. Damit schließt sich diese Debatte an zeitgenössische Perspektiven an, welche im Welt-Krieg einen »Krieg von welthistorischer Bedeutung« sahen.459 Im Gegensatz zu einer eurozentrischen Perspektive, die diese Bedeutung lediglich an der herausragenden Relevanz der europäischen Kriegsteilnehmer festmachte,460 war den NfO-Akteuren jedoch durchaus bewusst, dass der Krieg ganz reale Auswirkungen in nichteuropäischen Weltregionen hatte: »Von europäischen Händen in Bewegung gesetzt, verrichtet die Kriegsmaschine in Europa ohne Unterlaß ihr schauriges Werk. Nicht allein das Schicksal Europas jedoch, sondern auch das des Orients hängt vom Ausgang des Krieges ab.«461 Damit war implizit auch eine Schuldzuweisung verbunden. Europa sei für das Leid verantwortlich. Das Deutsche Reich nahmen die nichtdeutschen NfO-Akteure dabei nicht explizit aus, was für ihre deutschen Kollegen wiederum problematisch gewesen sein muss. Im Nahen und Mittleren Osten war diese Perspektive auf den Krieg verbreitet. Rashid Rida, der während des Krieges eher skeptisch hinsichtlich des deutsch-os-
453 Intisar Jadid lil-ʿUthmaniyyin ʿala Aʿda al-Islam: Inkisar al-Injiliz fi Qanal [sic!] al-Suways wal-Basra [Ein neuer Sieg der Osmanen gegen die Feinde des Islam: Der Zusammenbruch der Engländer am Suezkanal und in Basra], in: El Dschihad 3 (06.04.1915), S. 2. 454 Krobb 2014, S. 10. Etwa die Schlachten unter Paul von Hindenburg an der Ostfront, s. Nasr al-Alman al-Jadid [Der neue deutsche Sieg], in: El Dschihad 2 (09.04.1915), S. 3. 455 Morelli 2004, S. 91-96. 456 Intisar al-Alman al-ʿAzim fi l-Bahr al-Shimali [Der große Sieg der Deutschen in der Nordsee], in: El Dschihad 37 (16.01.1916), S. 1. 457 Zu den Narrativen der jeweiligen Überlegenheit s. die Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. 458 Fahmi 1915, S. 2 und Halid, Die Negertruppen Englands, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/1 (06.10.1916), S. 6-7. 459 Oliver Janz, 14 – Der große Krieg, Frankfurt a.M. 2013, S. 134. 460 Ebd. 461 Ibn Marwan [= ʿAbd al-Malik Hamza], Die Friedensbewegung und die unterdrückten Völker des Orients, in: Die Islamische Welt 1/9 (1917), S. 513-514, hier: S. 513.
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manischen Bündnisses war, sah den Krieg ebenfalls von Europa verursacht, aber mit globalen Folgen.462 In den NfO-Texten wurde vor allem die Entente zur Auslöserin für den Krieg erklärt.463 Dies entspricht Morellis zweitem Prinzip der Kriegspropaganda (»Das feindliche Lager trägt die alleinige Schuld am Krieg«).464 Der Krieg sei das Ergebnis der Kolonialpolitik, einschließlich wirtschaftlicher Interessen, sowie des Brechens internationaler Abkommen.465 Die Entente nutze den Krieg, um eigentlich expansionistische Ziele zu verfolgen: Vom Feldzug in Mesopotamien bis zur Arabischen Revolte dienten diese Ereignisse, so die Argumentation, nur dazu, die europäische Vormachtstellung im Nahen und Mittleren Osten zu stärken.466 Insbesondere Großbritannien sei es dabei wichtig, den arabischsprachigen Nahen und Mittleren Osten als Durchgangsweg nach Indien zu schützen.467 Auch Rashid Rida ging davon aus, dass der Weltkrieg eigentlich ein Versuch war, koloniale Interessen zu verfolgen.468 Er vermutete aber deutsche Ambitionen hinsichtlich des Osmanischen Reichs.469 Diese Rhetorik, die den Krieg als Produkt Europas sah, untermauerte die Stilisierung des Nahen und Mittleren Ostens zum Opfer europäischer Politik, wie dies bereits durch die NfO-Darstellungen der imperialen Ambitionen geschehen ist.470 In Texten deutscher NfO-Akteure findet sich eine Beschreibung der Kriegsereignisse, die die Schuld am Krieg bei Europa insgesamt verortet, verständlicherweise nicht – schließlich sah man sich selbst als Opfer britischer und französischer Aggression. Die deutsche Hoffnung, mit ihrer Meinungsbeeinflussung für Aufstände in den Kolonien der Entente zu sorgen, die zu Truppenabzug an den europäischen Fronten hätte führen sollen, tauchte in den publizierten Texten jedoch nicht auf. In den NfO-Kriegsdebatten standen Kolonialtruppen bzw. -soldaten ganz klar im Mittelpunkt. Der Grund hierfür war sicherlich, dass das Deutsche Reich versuchte, muslimische Soldaten in britischen und französischen Armeen zu Wider462 Umar Ryad, A German »Illusive Love«: Rashīd Ridā’s Perceptions of the First World War in the Muslim World, in: Erik Jan Zürcher (Hg.), Jihad and Islam in World War I: Studies on the Ottoman Jihad at the Centenary of Snouck Hurgronje’s »Holy War Made in Germany«, Leiden 2016, S. 305-328, hier: S. 305-306. 463 Mann Huwwa al-ʿAdu al-Ludud lil-Muslimin? [Wer ist der Erzfeind der Muslime?], in: El Dschihad 1 (05.03.1915), S. 3. 464 Morelli 2004, S. 14-34. 465 Fahmi 1917. 466 Farid 1917, S. 33 und Halil Halid, Englischer Chauvinismus über den Feldzug in Mesopotamien, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/43 (18.08.1916), S. 269-270. 467 Shakib Arslan, Die Araber und die Engländer, in: Der Neue Orient 1/6 (20.06.1917), S. 263-266, hier: S. 263. 468 Ryad 2016, S. 312. 469 Ebd., S. 315. 470 Damit einher geht gewissermaßen die Unterstellung von Passivität, die im starken Kontrast steht zu der eher proaktiven Repräsentation muslimischer Akteure (etwa als antikoloniale Kämpfer).
4. Die Diskurse
stand und Kampf zu bewegen.471 Die Rhetorik mit dem Ziel der Entente-Soldaten richtete sich vor allem an Soldaten aus französischen Kolonien.472 Im Gegensatz zu Großbritannien setzte Frankreich auch in Europa massiv Kolonialtruppen – auch aus Nordafrika – ein.473 Ägypter hingegen kämpften nicht auf europäischen Schlachtfeldern, sondern waren vor allem als Arbeiter eingesetzt. Die Themen der auf Soldaten abzielenden Publikationen waren sehr begrenzt und wiederholten sich stark. Dies lag auch daran, dass in der Arabischen Abteilung vor allem Rabah Bukabuya, der ehemalige französische Offizier algerischer Herkunft, dieses Themenfeld bearbeitete.474 Ausgesprochen häufig wurde das Bild der muslimischen Soldaten als »Kanonenfutter« bedient.475 Damit war der Vorwurf verbunden, dass französische Vorgesetzte absichtlich muslimische Truppeneinheiten an die Front schicken würden, um diese zu opfern und französische Truppen zu schonen.476 Darüber hinaus wurde Frankreich vorgeworfen, dass es nordafrikanische Truppen zwangsrekrutieren würde.477 NfO-Autoren ignorierten bei dieser Kritik, dass auch das Osmanische Reich in seinen arabischen Gebieten zu Zwangsrekrutierungen griff.478 Ganz zentral war für Bukabuya die fehlende Würdigung der Leistungen von Kolonialtruppen. Die fehlende Würdigung äußerte sich, so Bukabuya, unter anderem in der strengen Bestrafung kleinster Übertretungen479 oder dem Um471 Heine 2006, S. 10. 472 Der gesamte Themenkomplex französischer Kolonialsoldaten wird ausführlich und auf einer breiten Quellenbasis behandelt bei Fogarty 2008. 473 Christian Koller, Deutsche Wahrnehmungen feindlicher Kolonialtruppen, in: Franziska Roy/Heike Liebau/Ravi Ahuja (Hg.), Soldat Ram Singh und der Kaiser: Indische Kriegsgefangene in deutschen Propagandalagern, 1914-1918, Heidelberg 2014, S. 145-164, hier: S. 152 und Fogarty 2008, S. 9. 474 Zentral waren hier Bukabuya 1917b und ders. 1917a. 475 Etwa bei al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 6 und in Ruh Qiyadat al-Jaysh al-Faransawi [Die Gesinnung der Leitung des französischen Heeres], in: El Dschihad 6 (05.05.1915), S. 1. 476 Tatsächlich gab es unter nordafrikanischen Truppen hohe Verlustraten. Eugene Rogan, No Stake in Victory: North African Soldiers of the Great War, in: Studies in Ethnicity and Nationalism 14/2 (2014), S. 322-333, hier: S. 326. Auch vertraten einige Offiziere in der Tat die Position, dass besser die Kolonialtruppen zu opfern seien. Fogarty 2008, S. 7. Ein systematisches Vorgehen dieser Art lässt sich jedoch nicht einwandfrei belegen. Christian Koller, »Von Wilden aller Rassen niedergemetzelt«: Die Diskussion um die Verwendung von Kolonialtruppen in Europa zwischen Rassismus, Kolonial- und Militärpolitik (1914-1930), Stuttgart 2001, S. 97-100. 477 Anwerbung marokkanischer Rekruten, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/7 (06.11.1915), S. 38, Faransa Tabhath ʿan Murrakushiyyin [Frankreich sucht Marokkaner], in: El Dschihad 19 (21.10.1915), S. 2, Die Islamfreundlichkeit der Franzosen im Urteil eines Mohammedaners, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/9 (16.11.1915), S. 49 und al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 6. 478 Masters 2013, S. 217. 479 Rabah Bukabuya, Kriegseindrücke eines mohammedanischen Offiziers der französischen Armee, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.11.1915, S. 4.
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stand, dass muslimische Soldaten nur bestimmte Positionen innerhalb der Armee erreichen könnten (Leutnant,480 Unteroffizier oder Korporal481 ). Dies sei auch bei der französischen Bevölkerung der Fall, bei der muslimische Truppen äußert unbeliebt seien.482 Möglicherweise aus dieser Enttäuschung heraus leitete Bukabuya ab, dass muslimische Soldaten Frankreich nicht zu Loyalität verpflichtet seien:483 »Ich selbst bin Algerier. Doch bevor ich ein Untertan der französischen Herrschaft bin, bin ich ein Muslim.«484 In seinen Texten betonte der Algerier stets die Notwendigkeit der Loyalität gegenüber dem Sultan-Kalif.485 In den NfO-Publikationen – vor allem in der Gefangenenzeitung – wurde dies dadurch untermauert, dass der Sultan-Kalif die muslimischen Kriegsgefangenen in Deutschland nicht vergessen habe.486 Er wurde als eine Art gütige Vaterfigur inszeniert, der sich um seine Untertanen, was die meisten Gefangenen als koloniale Subjekte Frankreichs und Großbritanniens nicht waren, sorgte. Der guten Behandlung der muslimischen Kriegsgefangenen in Deutschland wurden Misshandlungen von Gefangenen in Entente-Lagern gegenübergestellt. In Deutschland gehe es den Kriegsgefangenen gut, sie könnten alle Vorzüge der Moderne genießen,487 dürften ihre Feste feiern488 und seien im Grunde genommen Gäste.489 Osmanische Soldaten hingegen, die als Kriegsgefangene in Ägypten waren, ginge es nicht gut. Zudem würden osmanische Offiziere in Ägypten öffentlich vorgeführt und gedemütigt.490
480 Ders. 1917a, S. 16. 481 Ders., Kriegseindrücke eines mohammedanischen Offiziers der französischen Armee, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.11.1915, S. 3. 482 Ebd., S. 4. Tatsächlich waren Kolonialsoldaten und Kolonialarbeiter in den europäischen Gesellschaften häufig Rassismus ausgesetzt und es kam immer wieder zu Übergriffen. Koller 2014, S. 149. 483 Les Turcos à la Turquie, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1512. 484 Rabah Bukabuya, Die »Weißen Väter«, in: Die Islamische Welt 1/6 (1917), S. 352-353, hier: S. 353. 485 Als Erklärung, weshalb muslimische Soldaten in Frankreichs Armee nicht in großen Zahlen desertierten, führte Bukabuya an, dass die Soldaten eigentlich loyal gegenüber Frankreich seien und ein Sinneswandel daher nicht einfach vollbracht werden könne. Bukabuya 1917a, S. 55. 486 Feier des Beiramfestes im Gefangenenlager zu Zossen, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 60-61, hier: S. 61. 487 Bukabuya, Rabah 1915, S. 5 und S. 31-37. 488 Al-ʿId al-Adha [Das Opferfest], in: El Dschihad 20 (26.10.1915), S. 1. 489 Khutbat al-Ustadh al-Shaykh Muhammad al-Khidr [Die Predigt von Muhammad al-Khidr], in: El Dschihad 7 (20.05.1915), S. 1 und bei Predigt von Jawish beschrieben im Beitrag Feier des Beiramfestes im Gefangenenlager zu Zossen, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 60-61, hier: S. 61. 490 Die Behandlung der türkischen Kriegsgefangenen in Egypten, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/12 (15.09.1915), S. 2-3.
4. Die Diskurse
Kultur und Zivilisation Für die deutsche Kriegspropaganda spielte der Topos »Kultur« eine wichtige Rolle.491 In Reaktion auf Entente-Vorwürfe deutscher Barbarei gewann die Repräsentation Deutschlands als Kulturnation in der Kriegsrhetorik immer mehr an Bedeutung.492 Dies findet sich auch im Rahmen der deutschen Dschihadisierungsrhetorik. Der niederländische Orientalist Snouck Hurgronje verstand die vermeintlich deutsche Erfindung der Dschihad-Erklärung als klares deutsches Vergehen gegen Zivilisation und Kultur sowie als einen Rückschritt zu mittelalterlichen Verhältnissen.493 In den Publikationen der Nachrichtenstelle selbst nahmen »Kultur« und »Zivilisation« ebenfalls einen großen Raum ein. Dabei hatten gerade deutsche NfOAutoren sicher ein deutsches Publikum, dem die Wahl des Verbündeten gerechtfertigt werden sollte, und eine neutrale Öffentlichkeit, der Deutschland in einem möglichst positiven Licht gezeigt werden sollte, im Blick. Entsprechend ging es vor allem darum, die Entente als unzivilisiert, hingegen Deutschland sowie den Islam und muslimische Bevölkerungen als kultiviert darzustellen. Generell wurden Aktivitäten als »Kultur« oder »Barbarei« gekennzeichnet. Französische Einflussnahme in den Kolonien Nordafrikas wurde sarkastisch in Anführungsstrichen als »Kulturarbeit« bezeichnet und klar als Verbrechen an der Zivilisation bewertet,494 die Rettung einer deutschen Flagge durch osmanische Soldaten hingegen wurde als herausragende kulturelle Leistung verstanden.495 Franzosen, Engländer und Russen wurden immer wieder als »barbarische Nationen«496 bezeichnet: »Wenn ein wahrhafter Kulturmensch über diesen teuflischen Plan [des gemeinsamen »Angriffs« auf Deutschland und Österreich-Ungarn, SK], den diese Wilden [die Entente, SK] zum Fluche der Menschheit ausgeheckt hatten, nachdenkt, dann schaudert ihm, und der Verstand möchte ihm stillstehen.«497 Ein zentrales Ziel der deutschen Kulturpropaganda war es, ein positives Deutschlandbild zu schaffen ausgehend von kulturellen Leistungen.498 Auch in Publikationen der Arabischen Abteilung der NfO wurde versucht, ein solches Bild zu zeichnen – entweder durch Nennungen herausragender Beispiele oder durch »fremde«
491 Grupp 1994. 492 Welch 2000, S. 3. 493 Christiaan Snouck Hurgronje, The Holy War »Made in Germany«, London/New York 1915, S. 80. Mehr zur Debatte um den »Dschihad made in Germany« in Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. 494 Französische Kulturarbeit, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/47 (15.09.1916), S. 293. 495 Ein Kulturdokument, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/7 (30.06.1915), S. 2. 496 Al-Sharif 1915, S. 7. 497 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 7. 498 Grupp 1994, S. 801-802.
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Zeugnisse. Generell vertraten deutsche NfO-Akteure die Position, dass der Stolz auf deutsche Kulturleistungen berechtigt sei: »Es ist uns Deutschen oft verdacht worden, daß wir soviel von Kultur und besonders von unserer Kultur sprechen. Wir wissen, daß auch bei uns es noch viele Fehler zu bessern, viele Lücken aufzufüllen gibt. Aber, wie fehlerhaft und lückenhaft unsere Kultur sein mag, das dürfen wir sagen: an ernstem Streben nach Erhöhung des Kulturstandes lassen wir uns von keiner Nation übertreffen und ebenso von keiner in der Teilnahme, die wir der kulturellen Arbeit der andern Völker entgegenbringen.«499 Tatsächlich findet sich in den Archivquellen nur ein längerer Bericht von Curt Prüfer zu diesem Thema. Darin bat er darum, in den Publikationen, die für den Nahen und Mittleren Osten gedacht sind, sparsamer mit deutschem Eigenlob umzugehen, da dies bei den lokalen Bevölkerungen häufig als überheblich wahrgenommen werde und nicht gut ankomme.500 Auch der ehemalige NfO-Mitarbeiter Lala Har Dayal erwähnte diese »Überheblichkeit« der Deutschen in seinen Notizen über seinen Berlin-Aufenthalt (»They [the Germans, SK] look upon themselves as demigods, as veritable super-men.«501 ). Besonders hervorgehoben wurde in den Publikationen der Arabischen Abteilung, die sich an die Kriegsgefangenen und muslimischen Soldaten richteten, die vermeintliche Zivilisiertheit Deutschlands durch moralische Integrität. In der deutschen Armee würden einfache Leute neben Adeligen kämpfen.502 Zudem würden deutsche Truppen neben afrikanischen Truppen in Deutsch-Ostafrika kämpfen und fallen.503 Deutschland würde generell keine ausländischen Truppen verwenden und sie anstelle von Deutschen sterben lassen – im Gegensatz zu Frankreich.504 In der Gefangenenzeitung wurden das Durchhaltevermögen der deutschen Bevölkerung angesichts der Einschränkungen durch den Krieg sowie die deutsche Bereitschaft, Opfer zu bringen, immer wieder hervorgehoben.505 Dar-
499 Martin Hartmann, Die Probleme der Islamwelt: Soziologisch dargestellt [III. Teil], in: Die Islamische Welt 3/7-8 (1918), S. 224-228, hier: S. 228. 500 Prüfer an von Oppenheim, 12.04.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1530. 501 Har Dayal 1920, S. 59. 502 Ruh Qiyadat al-Jaysh al-Faransawi [Die Gesinnung der Leitung des französischen Heeres], in: El Dschihad 6 (05.05.1915), S. 1. 503 Al-Junud al-Almaniyya Yuqatilun Janiban li-Janib al-Muslimin fi Afriqiya al-Sharqiyya [Die deutschen Soldaten kämpfen Seite an Seite mit den Muslimen in Ostafrika], in: El Dschihad 23 (26.11.1915), S. 1. 504 Ruh Qiyadat al-Jaysh al-Faransawi [Die Gesinnung der Leitung des französischen Heeres], in: El Dschihad 6 (05.05.1915), S. 1. 505 Muhammad ʿAli, Ein arabisches Gedicht zur 6. Kriegsanleihe, in: Der Neue Orient 1/2 (21.04.1917), S. 100.
4. Die Diskurse
über hinaus kümmere sich Deutschland gut um die eigenen Kriegsverletzten.506 Als weiteren Beleg für die deutschen Kulturleistungen nannten NfO-Autoren technische Errungenschaften. Dabei handelte es sich zumeist um Kriegsmaschinen wie Luftschiffe, Flugzeuge und U-Boote.507 Durch diese Nennungen wurde nicht nur die technisch-kulturelle Überlegenheit Deutschlands postuliert, sondern auch militärische Stärke demonstriert. Die Aspekte Kultur, Militär und Bildung wurden meist zusammengedacht.508 Besonders wichtig waren dabei vermeintlich authentische Berichte von »Fremden« über die deutsche Überlegenheit. Nichtdeutsche Besucher bescheinigten in NfO-Texten regelmäßig das hohe Maß an Kultur im Reich. Jawish habe sich etwa »[…] nach seiner Rückkehr nach der Türkei über seinen Aufenthalt in der Hauptstadt Deutschlands mit grosser Anerkennung geäussert.«509 Hartmann schrieb: »Wo die Araber mit den Deutschen in Berührung gekommen sind, haben sie Verständnis für das deutsche Wesen gewonnen. Der Araber hat ein feines Gefühl für die Werte, und er täuscht sich nicht über die, die das Deutschtum in sich schließt.«510 Lala Har Dayal äußerte sich ähnlich: »Die bedrückten orientalischen Völker sehen jetzt zu Deutschland empor als zu ihrem Vorkämpfer und
506 ʿInayat al-Hukuma al-Almaniyya bi-l-Ladhin Addarathum al-Harb min Rijaliha [Die Fürsorge der deutschen Regierung für jene, die der Krieg geschädigt hat], in: El Dschihad 34 (30.04.1916), S. 1. 507 Konkrete Beschreibung, was Luftschiffe sind in: Safinat al-Hawaʾ aw-Ziblin [Das deutsche Luftschiff oder Zeppelin], in: El Dschihad 25 (30.12.1915), S. 1-2; allg. Berichte Al-Almaniyyun Yuhajimun Shawatiʾ Britaniya fi l-Hawaʾ: Hayjan wa Fazʿ fi l-Umma al-Injiliziyya [Die Deutschen greifen die britische Küste aus der Luft an: Unruhe und Schrecken bei der englischen Nation], in: El Dschihad 4 (23.04.1915), S. 2 und Sufun al-Hawaʾ al-Almaniyya fi Shawatiʾ Injiltira [Deutsche Luftschiffe an englischen Küsten], in: El Dschihad 8 (11.06.1915), S. 2. Zu Flugzeugen s. Manatid al-Alman fauq Baris [Die Flugzeuge der Deutschen über Paris], in: El Dschihad 78 (10.06.1918), S. 4 und Al-Manatid al-Almaniyya fi Faransa [Deutsche Flugzeuge in Frankreich], in: El Dschihad 74-75 (08.03.1918), S. 4. Zu U-Booten s. Al-Ghawasat al-Almaniyya ʿind Shawatiʾ Afriqiya [Die deutschen U-Boote vor den Küsten Afrikas], in: El Dschihad 76 (15.04.1918), S. 5, Aʿmal al-Hhawasat fi Sawahil Afriqiya al-Shamaliyya [Die Unternehmungen der U-Boote an den Küsten Nordafrikas], in: El Dschihad 61 (26.08.1917), S. 3 und Taʾthir Harb al-Ghawasat ʿala Maʿishat al-ʾInkiliz [Die Auswirkungen des U-Boot-Kriegs auf das Leben der Engländer], in: El Dschihad 73 (22.02.1918), S. 4. 508 Quwwat Almaniya [Die Stärke Deutschlands, Fortsetzung], in: El Dschihad 73 (22.02.1918), S. 1 und Al-Quwwa al-Difaʿiyya al-Almaniyya wa-Tanzimuha [Die deutsche militärische Stärke und ihre Organisation], in: El Dschihad 50 (15.01.1917), S. 1. 509 Abu l-Fadl, Scheich Abdul Asis Tschauisch, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/10 (16.08.1915), S. 1-2, hier: S. 1. 510 Martin Hartmann, Französisches Liebeswerben um den Islam, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/32 (05.06.1916), S. 194-196, hier: S. 194.
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Führer im Kampfe gegen den englischen und französischen Imperialismus.«511 Darüber hinaus hätten die Deutschen verschlüsselte Botschaften französischer Soldaten abgefangen, in denen diese die militärische Überlegenheit der Deutschen schilderten.512 Diese Rhetorik, die sicherlich auch der Selbstvergewisserung der deutschen NfO-Mitarbeiter diente, richtete sich meistens an die muslimischen Gefangenen oder die sich noch im Schlachtfeld befindlichen muslimischen Soldaten der Entente. In diesem Zusammenhang wurden auch die deutschen Siege,513 die Kriegsbeute514 und die gute Versorgung des Heeres515 hervorgehoben. Die arabischen Begriffe für »Sieg« (arab. nasr) oder »Stärke« (arab. quwwa) finden sich besonders häufig in den entsprechenden Texten. In den Publikationen lässt sich zudem das Bedürfnis der unterschiedlichen Autoren feststellen, den Islam teilhaben zu lassen an der zivilisierten Welt. Enno Littmann kommt zu dem Schluss: »Der Islam hat seine Kulturaufgaben gehabt und wird sie auch in Zukunft haben.«516 Als Beleg für dieses Narrativ unterstrichen nichtdeutsche NfO-Akteure wie ʿAbd al-ʿAziz Jawish, der frühe Islam habe die Menschlichkeit gefördert, ein Rechtssystem eingeführt sowie ethnische und soziale Unterschiede verringert.517 ʿAbd al-Malik Hamza verfasste einen Artikel zu Bildern bzw. Kunst im Islam und wehrte sich gegen die Ansicht, »[…] daß unter den Völkern des Islams künstlerische Talente vollkommen fehlten.«518 Wenn überhaupt, sei die Abscheu gegen Kunst, so Hamza, Teil der Vergangenheit und nicht der Gegenwart der »islamischen Welt«. Darüber hinaus führten die Autoren auch immer wieder Beispiele dafür an, dass das Osmanische Reich oder andere Länder im Nahen und Mittleren Osten über Kultur bzw. Kultureinrichtungen verfügten, etwa in Max Rudolf Kaufmanns Artikel zu Istanbuler Museen.519 Auch Araber bzw. Beduinen waren in diesem Zusammenhang Träger von Kultur. Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl erwähnte arabische Dichtung – insbesondere die vorislamische
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Lala Har Dayal, Der Orient und die deutsche Kultur, in: Der Neue Orient 2/6 (19.06.1918), S. 261-265, hier: S. 261. In seinen biografischen Aufzeichnungen äußerte sich Har Dayal weitaus kritischer über Deutschland und deutsche Kultur. Har Dayal 1920. Ahadith al-Faransawiyyun Baʿduhum ila Baʿd [Unterhaltungen der Franzosen untereinander], in: El Dschihad 61 (26.08.1917), S. 1. Nasr al-Alman al-Jadid [Der neue deutsche Sieg], in: El Dschihad 2 (09.04.1915), S. 3. Ghanaʾim al-Alman al-Akhira [Die jüngsten deutschen Kriegsbeuten], in: El Dschihad 74-75 (08.03.1918), S. 4. Ma Yahtajuhu al-Jaysh al-Almani min al-Muʿawina [Was das deutsche Heer an Vorrat braucht], in: El Dschihad 53 (15.03.1917), S. 2. Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 290. ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Islam und Kultur, in: Die Islamische Welt 1/2 (1916), S. 1-5. Abu l-Fadl, Das Bild im Islam, in: Berliner Tageblatt (17.02.1916), S. 2-3. Max R. Kaufmann, Stambuler Museen, in: Die Islamische Welt 1/2 (1917), S. 41-44.
4. Die Diskurse
Gedichtsammlung Muʿallaqat –520 und ʿAbd al-Malik Hamza schrieb über arabische Liebeslieder.521 Einigen konkreten Akteuren wurde in den Publikationen auch bescheinigt, dass sie besonders kultiviert seien. Abu l-Fadl schrieb in einem Zeitungsartikel über Jawish, dass dieser sehr interessiert gewesen sei an den »Stätten der Kunst und Wissenschaft«522 in Berlin. Während sich die deutschen Akteure mit dieser Rhetorik wohl ihrem deutschen Publikum gegenüber rechtfertigen wollten, Islam und Muslime als Verbündete gewählt zu haben, ist davon auszugehen, dass es den nichtdeutschen Akteuren auch darum ging, durch das Postulat der eigenen Zivilisiertheit ihren antikolonialen Ansprüchen mehr Gewicht zu verleihen und darzustellen, dass sie durchaus zur Selbstverwaltung in der Lage seien. Die Erwähnung von »Kultur« und »Zivilisation« in NfO-Schriften ist eine Chiffre für den Entwicklungsgrad bzw. die Entwicklungsmöglichkeiten im Nahen und Mittleren Osten, insbesondere des Osmanischen Reichs. Trotz positiver Darstellungen lässt sich auch hier ein Hebungsdiskurs in den Schriften der Arabischen Abteilung ausmachen. Die Notwendigkeit, zu betonen, dass bestimmte Regionen besonders kultiviert oder zivilisiert sind, macht die Vermutung wahrscheinlich, dass den deutschen Lesern dies erst bewusst gemacht werden sollte, da diese andere Meinungen vertraten. In den Texten finden sich aber auch immer wieder explizite Verweise darauf, dass eine Hebung des Nahen und Mittleren Ostens nötig sei und wie diese vonstattengehen könne. Die Bandbreite reichte dabei von einer Verbesserung der Hygiene523 bis zu einer Stärkung des Theaters524 . Dieser Diskurs war von einem starken Moment der zeitlichen Ungleichheit geprägt. Muslime, Türken oder Araber waren in dieser Perspektive »noch nicht« dort, wo sich Deutsche befinden: »Das Gefühl, die Sympathien, spielen bei den noch in der Entwicklung begriffenen und verhältnismäßig leicht zu beeinflussenden Nationen des Orients auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine nicht zu unterschätzende Rolle.«525 In diesem Zitat findet sich neben dem Entwicklungsaspekt das bekannte orientalistische Stereotyp des gefühlsgeleiteten »Orientalen«, der implizit den rationalen Europäern entgegengestellt wird. Der Aspekt des Irrationalen oder Anti-Rationalen kann als eines der zentralen Unterscheidungsmerkmale zwischen »Orient« und »Okzident« in den NfO-Texten gesehen werden: »Der Orientale ist voller Empfindlich-
520 Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, Pilgerfahrten durch die Wüste von Medina nach Mekka, in: Berliner Tageblatt (Beilage) (07.05.1917), o.S. 521 ʿAbd al-Malik Hamza, Das Liebeslied in der arabischen Dichtkunst, in: Die Islamische Welt 3/7-8 (1918), S. 208-210. 522 Abu l-Fadl, Scheich Abdul Asis Tschauisch, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/10 (16.08.1915), S. 1-2, hier: S. 1. 523 Vorbedingungen zur Hebung der Volksgesundheit im Orient, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/11 (06.03.1917), S. 463-465. 524 Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, Theater im Orient, in: Berliner Tageblatt (20.01.1916), S. 2-3. 525 Oppenheim 1917, S. 9.
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keiten und hängt mehr als der Westler an seinen umständlichen, aber fein herausgearbeiteten Verkehrsformen, deren glatter Schliff seine Person in den eigenen Kreisen so sehr vor Plumpheiten und Zudringlichkeiten schützt.«526 Wohlgemerkt behaupteten lediglich deutsche NfO-Akteure eine besondere Gefühlsbetonung im »Orient«; in Texten nichtdeutscher Akteure finden sich ähnliche Aussagen nicht. Letztlich konnte das Spannungsverhältnis, einerseits zu betonen, wie kultiviert die islamische Welt sei, und andererseits einen Hebungsdiskurs zu führen, nicht positiv gelöst werden. Der Umstand, dass beide Diskursstränge gleichzeitig in den NfO-Texten zu finden sind, verdeutlicht den Charakter der Nachrichtenstelle als Plattform, in deren Kontext auch Raum war für die Artikulation divergierender Meinungen. Diese Ambivalenz des kulturalistischen NfO-Diskurses lässt sich besonders an den beiden Themen Frauen und Bildung illustrieren. Das Thema Frauen beschäftigte die ausschließlich männlichen publizistisch aktiven NfO-Akteure immer wieder. Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl unterstrich die Relevanz des Themas wie folgt: »Mit zu den wichtigsten Fragen im Orient gehört jetzt die des Einflusses des Krieges auf die mohammedanischen Frauen.«527 Frauenfragen wurden dabei als Kulturfragen verstanden, der Status der Frau in einer Gesellschaft galt als Maßstab für den Entwicklungsgrad der Kultur. Unabhängig von ihrer Herkunft waren sich die NfO-Autoren einig, dass eine Verbesserung der sozialen Stellung der Frauen im Nahen und Mittleren Osten nötig sei. Martin Hartmann forderte etwa bessere Bildung für Frauen im Osmanischen Reich, damit diese »ihre Aufgaben ebenso erfüllen […] können, wie dies bei den Kulturnationen der Fall ist.«528 Zu den »Kulturnationen« zählte der Orientalist sicher auch Deutschland. Die besondere Kriegssituation war für Abu l-Fadl die Gelegenheit, etwas zu verändern: »Der Krieg ist für unsere Frauen zum Prüfstein und zur Schule geworden und ein Ansporn zum Fortschritt.«529 Die islamische Welt könne sich bei Frauenfragen an Deutschland orientieren,530 eine Aussage, durch die vielleicht auch deutsche Frauen zu mehr Engagement motiviert werden sollten. Die Abschaffung der Polygamie im Osmanischen Reich sei laut Hartmann nur zu begrüßen und ein Schritt in die richtige Richtung.531 Besonders spannend ist die Darstellung des osmanischen NfO-Akteurs Halil Halid in der Zeitschrift Die Islamische Welt. Dort setz526 E. Jenny, Brücken zwischen Abendland und Morgenland, in: Der Neue Orient 1/21 (05.02.1918), S. 396-398, hier: S. 396. 527 Abu l-Fadl, Die Frauen des Islams und der Weltkrieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/155 (1915), S. 171-173, hier: S. 171. 528 Martin Hartmann, Die Befreiung der türkischen Frau, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/6 (21.06.1915), S. 2-3, hier: S. 3. 529 Abu l-Fadl, Die Frauen des Islams und der Weltkrieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/155 (1915), S. 171-173, hier: S. 172. 530 Ebd., S. 171. 531 Martin Hartmann, Die Probleme der Islamwelt: Soziologisch dargestellt [I. Teil], in: Die Islamische Welt 2/2 (1918), S. 5-8, hier: S. 6.
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te er sich mit einigen der europäischen Vorwürfe in Bezug auf islamisches Frauenverständnis auseinander. Vom Kopftuch über Polygamie bis zur Zwangsheirat behandelte Halid verschiedene europäische Stereotypen und negierte diese.532 Die Notwendigkeit, diesen Artikel zu schreiben, macht klar, dass die Diskriminierung von muslimischen Frauen ein fest etabliertes Thema war, das es aus der Sicht eines nichtdeutschen NfO-Akteurs zu widerlegen galt. Daneben finden sich jedoch auch positive Repräsentationen von Frauen in mehrheitlich muslimischen Gesellschaften. Muslimische Frauen hätten während des Krieges gezeigt, dass sie die Gesellschaft aktiv unterstützen wollen. Sie seien im Krieg zu Opfern bereit – würden etwa ihren Schmuck verkaufen –533 und wurden ihre Söhne anspornen.534 Keineswegs seien Frauen im Islam unterdrückt und passiv; im Gegenteil, die Unterstützung durch Frauen in Kriegszeiten durch Pflege von Verwundeten beispielsweise habe im Islam eine lange Tradition.535 Auch Bildungsfragen wurden in dem Spannungsverhältnis von positiver Beurteilung und Hebungsdiskurs behandelt. Für die NfO-Akteure war klar, dass die breiten Bevölkerungsschichten im Nahen und Mittleren Osten ungebildet waren. Eine Hebung der »ungebildeten Massen« sei für die Entwicklung der Region jedoch wichtig.536 Ein Ausbau der Bildungseinrichtungen sei hierfür nötig. So schrieb Hartmann: »Gerade in der islamischen Welt sind die Kräfte der Belehrung und Leitung noch stark zersplittert, und ich möchte glauben, daß gerade hier der Gedanke der Vergesellschaftlichung zu glücklichen Ergebnissen führen könnte. Zurzeit sind allerdings Kräfte und Fähigkeiten für das Unterrichtswesen nur an einigen wenigen Mittelpunkten vorhanden […].«537 Die Einrichtung der Salahiyya-Schule wurde als wichtiges Mittel zu diesem Zweck erachtet: »Wenn die Anzeichen nicht trügen, wird die Salahije mit der Zeit zu einem bedeutenden Faktor in den Bestrebungen zur Hebung des geistigen und sittlichen Niveaus
532 Halil Halid, Moslemisches Frauenleben: Betrachtungen über einige der am schärfsten kritisierten Erscheinungen, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 11-17. 533 Abu l-Fadl, Die Frauen des Islams und der Weltkrieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/155 (1915), S. 171-173, hier: S. 172. 534 Ebd., S. 173-174. Abu l-Fadl zitiert hier einen Propaganda-Brief, der auch in El Dschihad abgedruckt wurde. Khitab min Walida ila Walidiha [Die Rede einer Mutter an ihren Sohn], in: El Dschihad 9 (01.07.1915), S. 2. 535 ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Türkische Frauen des Roten Halbmonds, in: Die Islamische Welt 1/5 (1917), S. 257-262. 536 Ders., Osten und Westen, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 4-7, hier: S. 4. 537 Martin Hartmann, Die soziale Frage im Islam, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 41-42, hier: S. 42.
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der Völker des Islam [Hervorhebung SK] sich entwickeln und einen bestimmenden Einfluß auf die Bemühungen zur politischen Einigung derselben gewinnen.«538 Die NfO-Akteure wollten aber auch die Gefangenenlager als Bildungs- und damit implizit als Zivilisierungseinrichtungen nutzen. Die Zeitung El Dschihad hatte nach den Vorstellungen von Schabinger von Schowingen nicht nur eine propagandistische, sondern auch eine pädagogische Aufgabe.539 Laut der Lagerordnung, die Salih al-Sharif mitverfasste, sollte bei den Gefangenen auch die »Liebe zur Wissenschaft«540 geweckt werden. Bei Bildungsfragen wurde Deutschland als positives Beispiel herangezogen. Das Land sei aufgrund seiner Bildung sehr erfolgreich und daher nachahmenswert.541 In den Lagern sollte die Ansicht verbreitet werden, dass sich Deutschland aufgrund seiner guten Bildung – in Deutschland gebe es weitaus weniger Analphabeten als bei der Entente – im Krieg bisher so gut geschlagen habe, obwohl es weitaus weniger Soldaten zur Verfügung gehabt habe.542 Als überaus positiv wurde beurteilt, dass das Osmanische Reich trotz der schweren Kriegslage in Bildung investiere.543 Dies ließe sich, so NfO-Autor Max Weinberg, als Zeichen für die Stabilität und Stärke des Landes lesen.544 Besonders hervorgehoben und gelobt wurde in NfO-Publikationen die 1915 gegründete Salahiyya-Schule in Jerusalem, deren Gründungsdirektor ʿAbd al-ʿAziz Jawish war.545 Cemal Pascha rief die Salahiyya als theologische Hochschule ins Leben. Deren Einrichtung kann als ein Versuch der jungtürkischen Regierung gesehen werden, islamische Reformbewegungen und arabische Separationsbestrebungen einzuhegen.546 Für die deutschen NfO-Akteure war dabei besonders wichtig, dass durch die Gründung der Salahiyya ein bedeutendes islamisches Gelehrtenzentrum außerhalb des britischen Kolonialreichs entstand; schließlich wären mit der Aligarh Hochschule in Indien und der al-Azhar in Ägypten die wichtigsten
538 Max Weinberg, Das theologische Institut »Salah Eddin Ejubi« zu Jerusalem, in: Der Neue Orient 1/15 (25.11.1917), S. 197-202, hier: S. 201. 539 Schabinger von Schowingen an AA, 08.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1510. 540 Lagerordnung, Februar 1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21245. 541 Sabab Quwwat Almaniya wa-Sirr Najahiha [Der Grund für Deutschlands Stärke und das Geheimnis seines Erfolges], in: El Dschihad 15 (20.08.1915), S. 1 und Al-Taʿlim fi Almaniya [Die Bildung in Deutschland], in: El Dschihad 54 (03.04.1917), S. 1. 542 Al-ʿIlm Quwwa [Wissen ist Macht], in: El Dschihad 23 (26.11.1915), S. 1. 543 Kulturelle Bestrebungen in der Türkei trotz des Krieges, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/4 (03.06.1915), S. 3. 544 Weinberg, Das theologische Institut »Salah Eddin Ejubi« zu Jerusalem, in: Der Neue Orient 1/15 (25.11.1917), S. 197-202, hier: S. 197. 545 Einen ausgesprochen guten Überblick über die Schule gibt Martin Strohmeier, Al-Kullīya aṣ-Ṣalāḥīya in Jerusalem: Arabismus, Osmanismus und Panislamismus im Ersten Weltkrieg, Stuttgart 1991. 546 Ebd., S. 28.
4. Die Diskurse
islamischen Einrichtungen im Einflussbereich Großbritanniens.547 Deutsche NfO-Akteure kritisierten al-Azhar immer wieder, wenn auch nicht allzu streng – möglicherweise aus Rücksicht auf die ägyptischen NfO-Akteure. Die Lehrmethoden wurden etwa für veraltet erachtet.548 Die Salahiyya wurde hingegen in den NfO-Publikationen immer wieder gelobt und als klarer Gegenpol zur al-Azhar stilisiert:549 »Das Monopol der Azhar kann bereits jetzt als gebrochen angesehen werden.«550 In internen Schreiben bestand jedoch eine gewisse Skepsis. So berichtete Bernhard Moritz von einer Nahostreise: »Hier fängt es allmählich an unbequem zu werden. Bedenkliche Anzeichen vom Wachsen des muh. [muhammedanischen] Fanatismus. Abd. Elazir Schanish [sic! ʿAbd al-ʿAziz Jawish] ist hier und hat eine Universität gegründet, d.h. eine franz. Kirche mit Schule occupiert.«551 Ein wichtiger Unterschied zur Frauenfrage im NfO-Bildungsdiskurs war der Umstand, dass Frankreich und Großbritannien für den schlechten Zustand der Bildung im Nahen und Mittleren Osten verantwortlich gemacht wurden. Teilweise wurde eine drastische Sprache verwendet: »Die einheimischen Bildungsstätten werden in ihrer Tätigkeit vergewaltigt.«552 Der Entente wurde vorgeworfen, sie sei darum bemüht, Wissen von Bevölkerungen in Kolonien fernzuhalten.553 Franzosen würden Arabisch in ihren Kolonien als Unterrichtssprache verbieten wollen.554 Als »Beweis« für schlechte Bildung durch die Franzosen in Kolonien wurde die hohe Analphabetenquote bei den französischen Kolonialsoldaten in deutscher Gefangenschaft herangezogen.555 Aber auch die Briten würden Bildung in Ägypten massiv einschränken, den Universitäten zu wenig Geld zur Verfügung stellen und niemandem mehr die Ausbildung in Europa erlauben.556 Großbritannien würde 547 Die Hochschule Salah Eddin Eddschubi in Jerusalem, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/7 (30.06.1915), S. 3. 548 El-Azhar, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/6 (22.12.1916), S. 219220. 549 Weinberg, Das theologische Institut »Salah Eddin Ejubi« zu Jerusalem, in: Der Neue Orient 1/15 (25.11.1917), S. 197-202. 550 Martin Hartmann, Das Monopol der Azhar-Schule in Kairo und die Theologische Fakultät in Jerusalem, in: Der Neue Orient 1/9 (08.08.1917), S. 429-430, hier: S. 430. 551 Moritz an von Oppenheim, 08.02.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21130. Die Salahiyya hatte Räumlichkeiten eines zwangsgeräumten Priesterseminars bezogen. Strohmeier 1991, S. 5. 552 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 25. 553 Ebd., S. 5. 554 Muhammad al-Khidr Husayn, La Haya illa bi-l-ʿIlm [Es gibt kein Leben außer durch Bildung], in: El Dschihad 11 (21.07.1915), S. 1. 555 Rabah Bukabuya, Kriegseindrücke eines mohammedanischen Offiziers der französischen Armee, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.11.1915, S. 5. 556 Prüfer, Ägypten, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 269-272, hier: S. 270, Les restrictions à l’instruction publique, in: Bulletin du parti national égyptien 3 (1918), S. 72-74, Jawish, Ägypten und der Krieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/156 (1916),
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
dies vor allem aus Angst vor antibritischen Protesten durch Universitäten machen, wie dies in Indien geschehen sei.557 Curt Prüfer nannte die kolonialen Bildungsmaßnahmen Großbritanniens »analphabetische Waffe«558 .
Exkurs: Rassismusvorwürfe und Rassismus Mit den Debatten über Kolonialismus bzw. Imperialismus sind Debatten über Rassismus untrennbar verbunden.559 Auch in NfO-Publikationen fand sich sehr häufig der Vorwurf, die Entente würde auf verschiedene Gruppen hinabsehen. Frankreich würde »Türken« und »Araber« als untergeordnet ansehen und als »Eingeborene«560 bezeichnen. Zudem sei der Rassismus in Großbritannien von jeher ein zentraler Mechanismus der Unterdrückung gewesen. Das Land würde auf Kolonialtruppen aus Afrika südlich der Sahara herabblicken.561 Auch die Franzosen würden die Afrikaner, die für sie kämpfen, schlecht behandeln.562 Lediglich Deutschland würde keine Kolonialsoldaten verwenden und nicht auf Araber und Türken hinabsehen.563 Am Beispiel des Rassismusvorwurfs lässt sich die Widersprüchlichkeit in der Wissensproduktion der Nachrichtenstelle illustrieren. Zwar kämpften für Deutschland keine Kolonialtruppen in Europa, wohl aber in Deutsch-Ostafrika und dies auch noch zu einem Zeitpunkt, als die Kämpfe auf den europäischen Schlachtfeldern vorbei waren.564 Weitaus spannender ist jedoch, dass die NfO-Texte selbst von einer überaus rassistischen und hierarchisierenden Sprache geprägt waren. Der Vorwurf in Richtung Frankreich, das Wort indigène zur Repräsentation nichteuropäischer Bevölkerungen zu verwenden, erscheint vor dem Hintergrund, dass nichtdeutsche NfO-Akteure in internen Schreiben der Organisation als »eingeboren« bezeichnet wurden,565 mehr als widersprüchlich. Generell lässt sich in den Publikationen eine Hierarchisierung von Menschen entsprechend ihrer Hautfarbe ausmachen. Mit der Feststellung einer anderen Hautfarbe gingen für die meisten
557 558 559 560 561 562 563 564 565
S. 32-40, hier: S. 38 und Von der ägyptischen Universität, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/32 (19.05.1916), S. 181. Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 287. Prüfer, Ägypten, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 269-272, hier: S. 271. Jürgen Osterhammel/Jan C. Jansen, Kolonialismus: Geschichte, Formen, Folgen, München 2009, S. 112-114. Hartmann, Französisches Liebeswerben um den Islam, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/32 (05.06.1916), S. 194-196, hier: S. 194. Halid, Die Negertruppen Englands, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/1 (06.10.1916), S. 6-7, hier: S. 7. Al-Faransawiyyun wa-Musaʿaduhum min al-Sumr al-Afriqiyyin [Die Franzosen und Schwarzafrikaner, die sie unterstützen], in: El Dschihad 60 (15.07.1917), S. 4. Fikr al-Hulafaʾ fi Junud Mustaʿmiratihim [Die Geisteshaltung der Verbündeten über die Soldaten ihrer Kolonien], in: El Dschihad 31 (01.04.1916), S. 2. Strachan 2001, S. 641. S. Kap. 3 Das Personenkollektiv – Akteure, Werdegänge und Interaktionen.
4. Die Diskurse
NfO-Akteure Postulate über einen vermeintlichen Entwicklungsgrad einher. Mittwoch schrieb kurz nach Kriegsausbruch über die Möglichkeit, den Islam als Mittel zur politischen Mobilisierung zu verwenden: »Millionen und Millionen gerade der geistig höchststehenden Mohammedaner sind Untertanen Frankreichs, Rußlands und vor allem Englands. Demgegenüber kommen die verhältnismäßig wenigen, obendrein auf niedriger Kulturstufe stehenden Neger-Mohammedaner unserer afrikanischen Kolonien nicht in Betracht.«566 Aber auch der Einsatz von Kolonialtruppen der Entente war, wie in der deutschen Presse insgesamt, in NfO-Texten umstritten: »Engländer und Franzosen haben nun aus Ostasien und Afrika Tausende dunkelhäutiger Soldaten herübergebracht, und diese Truppen haben wilde Kampfesweisen angewandt. Abneigung gegen wilde Völkerstämme, den europäischen Anschauungen widersprechende Kriegssitten und selbst schon gegen den häßlichen Anblick einiger dieser Menschen ist durchaus natürlich.«567 Zwar folgte darauf die Einschränkung, dass diese Umstände nicht zu einem »Farbenvorurteil« führen sollten, dies erscheint hier jedoch widersprüchlich und wie ein rhetorisches Feigenblatt. Zentral ist die Gegenüberstellung von vermeintlich zivilisierten und unzivilisierten »Völkern«. Der Vorwurf des Einsatzes von Kolonialtruppen durch die Entente kann als eine Form des sechsten Prinzips von Morelli gesehen werden (»Der Feind verwendet unerlaubte Waffen«).568 Die deutsche Kriegspresse repräsentierte afrikanische und asiatische Truppen in der Regel rassistisch und selten als Menschen sondern als Wilde oder Bestien.569 Die Soldaten aus dem Nahen und Mittleren Osten, die dazu gebracht werden sollten, zu Deutschland überzulaufen, wurden hingegen durchweg positiv dargestellt.570 Auch finden sich in NfO-Texten die Repräsentationen nichtschwarzer muslimischer Soldaten als besonders geduldig, ausdauernd, gehorsam und gerechtigkeitsliebend.571 Dies zielte möglicherweise darauf ab – sofern es sich an deutsche Leser richtete –, zu beruhigen und nordafrikanische bzw. osmanische Soldaten als gute Verbündete Deutschlands darzustellen. In Richtung der Kriegsgefangenen konnten solche Bilder dazu dienen, ein Ideal zu zeichnen, dem es nachzueifern galt. Afrikaner 566 567 568 569
Mittwoch 1914, S. 14. Halil Halid, Farbenvorurteile in Europa, in: Der Neue Orient 2/1 (10.04.1918), S. 7-8, hier: S. 7. Morelli 2004, S. 79-90. Detailliert bei Koller 2001, S. 108-114; aber auch schon bei Kestler 1994, S. 293-304; deutsche Sicht bei Koller 2014. 570 Ebd., S. 156. 571 ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Der islamische Soldat, in: Die Islamische Welt 1/8 (1917), S. 441-443, hier: S. 442-443.
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wurden in der Regel jedoch relativ stereotypisch beschrieben und negativ dargestellt. Abwertung und Verachtung für Bevölkerungen aus Afrika südlich der Sahara drückte sich häufig in beiläufigen Nennungen aus. In einem Artikel von Shakib Arslan zur Frage nach der Möglichkeit eines europäischen Protektorats in der Levante findet sich die Aussage, dass »[…] selbst ein Uganda-Neger begreift, was unter einem sogenannten Protektorat zu verstehen ist«572 . In einer mit »Fakaha« (dt. Humor) bezeichneten Parabel in El Dschihad wurde ein Schwarzer mit ausgesprochen negativen Attributen beschrieben (»hässlicher Anblick«, »blutunterlaufene Augen« und »flache Nase«).573 Möglicherweise sollten damit rassistische Ressentiments unter den nordafrikanischen Gefangenen angesprochen werden. Dafür spricht auch, dass im Flugblatt »Le ›djéhad‹ et le rôle de ›l’armée noire‹ en Algérie« schwarze Kolonialsoldaten im Maghreb als Kollaborateure der Franzosen bei der Unterdrückung der dortigen muslimischen Bevölkerungen beschrieben wurden.574 Auch die Debatte um Bevölkerungen in Afrika südlich der Sahara ist mit dem im NfO-Kontext allgegenwärtigen Hebungsdiskurs verbunden. Haas war der Ansicht, dass zur Hebung von Bevölkerungen in Afrika der Islam nötig sei,575 da dies durch europäische Mittel nicht funktioniert habe: »Man hat allgemein beobachtet, daß die Negerrassen aus sich selbst nicht fähig sind, ein höheres Niveau der Zivilisation zu erreichen, daß aber auch die Berührung mit den Europäern und deren Einfluß in dieser Richtung ohne Wirkung bleibt.«576 Damit schlossen die deutschen Akteure an deutsche koloniale Diskurse der Vorkriegszeit an, in denen der Islam als niedrigere Kulturstufe als das Christentum verstanden wurde und somit ideal für den »Entwicklungsstand« von Afrikanern sei.577 Das Element der Hebung spielte für diese Rhetorik seitens der muslimischen NfO-Akteure wahrscheinlich weniger eine Rolle als die generelle Ablehnung schwarzer Muslime. Dafür spricht etwa, dass nichtdeutsche NfO-Akteure in Reaktion auf die Publikation Der Völkerzirkus unserer Feinde578 an die NfO-Leitung Briefe schrieben, in denen sie sich dagegen aussprachen, dass nordafrikanische Soldaten gleichgesetzt würden mit Soldaten aus Afrika südlich der Sahara. Daraufhin meldete von Wesendonk dem Kriegsministerium die Verstimmung der nichtdeutschen NfO-Akteure und bat darum, sol572 Arslan, Die neuen Intrigen der Entente in Syrien, in: Der Neue Orient 1/21 (05.02.1918), S. 399401, hier: S. 400. 573 Fakaha [Humor], in: El Dschihad 19 (21.10.1915), S. 2. 574 Le »djéhad« et le rôle de »l’armée noire« en Algérie, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1515 und Rabah Bukabuya, Das Protektorat über Marokko, in: Die Islamische Welt 1/3 (1917), S. 57-58, hier: S. 57. Einen Rückgriff auf den »Askari-Mythos« sucht man in Schriften der NfO vergeblich. 575 Willy Haas, Maghreb, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 240-244, hier: S. 244. 576 Ebd. 577 Habermas 2010, S. 275. 578 Der Völkerzirkus unserer Feinde, mit einem Vorwort von Leo Frobenius, Berlin 1916. In dieser Publikation wurden Kriegsgefangene in deutschen Lagern nach »Rassen« sortiert dargestellt.
4. Die Diskurse
che Publikationen in Zukunft nicht zu produzieren, um deren Gefühle nicht erneut zu verletzen.579
4.3.2
Islam und Nahost
Der zweite wichtige Themenkomplex in den Texten der Nachrichtenstelle für den Orient war die Repräsentation des Islam bzw. des Nahen und Mittleren Ostens. Bemerkenswert ist in diesem Themenfeld die selektive Wahrnehmung lokaler Verhältnisse. Religion wurde in den Mittelpunkt der Rhetorik gestellt. Alternative Formen der Identitätsstiftung wie Nationalismus wurden in der Regel abgelehnt und zu fremden, d.h. europäischen, Einflüssen stilisiert. Ähnlich der Debatten im Themenkomplex Kolonialismus finden sich auch hier Hebungsdiskurse, etwa in der Frage nach der Reformierbarkeit des Islam, und Gegenüberstellungen von Deutschland bzw. Europa mit dem Nahen und Mittleren Osten bzw. dem Osmanischen Reich. Des Weiteren spielte auch hier eine Abwertung der Entente und ihrer Praktiken eine zentrale Rolle.
Dschihad und Verteidigungskrieg Bis zur Aufgabe der Dschihadisierungspolitik im Jahr 1916 durch das deutsche Militär war die Idee des Dschihad in den Publikationen der Nachrichtenstelle für den Orient überaus präsent. Aufgrund einer reduktionistischen Wahrnehmung wurde der Islam zum wichtigsten Faktor für Muslime erklärt und andere identitätsstiftende Aspekte – wie etwa erstarkende Nationalismen – wurden ausgeblendet.580 Die Dschihad-Rhetorik der Nachrichtenstelle hatte dabei sowohl ein deutsches, nichtmuslimisches als auch ein nichtdeutsches, muslimisches Publikum vor Augen. Dem deutschen Publikum sollte deutlich gemacht werden, dass von verbündeten Muslimen keine Gefahr ausgehe und sie verlässliche Partner seien, die gar nicht anders könnten, als der Dschihad-Erklärung zu folgen. Die Rhetorik richtete sich aber auch an ein muslimisches Publikum, das dazu aufgefordert wurde, der Dschihad-Erklärung Folge zu leisten. Eine der zentralen Schriften der NfO zum Thema Dschihad war die Broschüre von Salih al-Sharif al-Tunisi Die Wahrheit über den Glaubenskrieg,581 die in ihrer deutschen Fassung 1915 erschien. Die Broschüre kann aufgrund ihres Inhalts und Aufbaus als Idealtypus einer NfO-Publikation zu diesem Thema gesehen werden. Aber auch die Gefangenenzeitung mit dem einschlägigen Titel El Dschihad befasste sich immer wieder mit diesem Konzept.
579 Von Wesendonk an Kriegsministerium, 27.03.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1529. 580 Will 2012, S. 204. 581 Al-Sharif 1915.
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In der Dschihad-Broschüre führte Salih al-Sharif die Thematik mit einer theoretisch-historischen Einleitung ein, in der er den Unterschied zwischen »kleinem Dschihad«, d.h. der Auseinandersetzung mit Waffengewalt, und »großem Dschihad«, d.h. des inneren Kampfes, darlegte.582 Eine ähnliche Unterteilung findet sich in arabischem NfO-Material nicht, obwohl die Unterscheidung für die islamische Tradition selbst höchst relevant ist.583 Im Mittelpunkt der Dschihad-Rhetorik der Nachrichtenstelle stand vielmehr die osmanische Dschihad-Erklärung bzw. Dschihad-Fatwa vom November 1914.584 Immer wieder wurde in den Publikationen auf verschiedene Arten auf die Proklamation verwiesen. Es sei die Pflicht jedes Muslims, dieser Erklärung Folge zu leisten.585 Der Aspekt der Pflicht (arab. fard) wurde generell sehr stark betont. In verschiedenen Texten wurde ausgeführt, dass sich Muslime dem Dschihad anschließen müssten, wenn ihr Heimatland angegriffen werde.586 So wüssten alle Muslime, »[…] daß sie dem Aufruf zum Heiligen Kriege nach dem Gesetze des Koran Folge leisten müssen, wenn er vom Kalifat ergeht […].«587 Darüber hinaus wurde immer wieder betont, dass die DschihadErklärung in der als einheitlich verstandenen »islamischen Welt« freudig begrüßt worden sei.588 In den Texten finden sich »Belege«, dass sich bestimmte Akteure und Gruppen – wie der Großscheich der Sanusiyya oder schiitische Geistliche –589 oder Regionen – wie der Jemen –590 hinter die Dschihad-Erklärung gestellt und ihr
582 Etwa in al-Sharif 1915, S. 5 und Martin Hartmann, Der heilige Krieg, in: Geist des Ostens: Zeitschrift der Gesellschaft für die Kunde des Ostens 2 (1914), S. 237-245. 583 In der Sekundärliteratur hingegen wird diese Unterteilung wieder aufgenommen. S. Rogan 2016, Aksakal 2013, Schwanitz 2003 und van Ess 2012. 584 Zum genauen Ablauf der Proklamation s. Aksakal 2013, S. 34-35. Eine erste Übersetzung der fünf Fatwas legte Martin Hartmann in Die Welt des Islams vor. Martin Hartmann, Kriegsurkunden, in: Die Welt des Islams 3/1 (1915), S. 1-23. 585 Iʿlan al-Jihad [Die Verkündung des Dschihad], in: El Dschihad 2 (09.04.1915), S. 1. 586 Abu l-Fadl, Khitabat al-Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl al-Madani [Die Rede von al-Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl al-Madani], in: El Dschihad 5 (27.04.1915), S. 1, ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Mustaqbal alIslam [Die Zukunft des Islam, Fortsetzung], in: El Dschihad 10 (10.07.1915), S. 1, Al-Diyana alIslamiyya [Die islamische Religion], in: El Dschihad 39 (25.07.1916), S. 1, Mittwoch 1914, S. 20, ebd., S. 25 und Hartmann, Der heilige Krieg, in: Geist des Ostens: Zeitschrift der Gesellschaft für die Kunde des Ostens 2 (1914), S. 237-245, hier: S. 240. 587 ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Der Islam und Deutschland: Wie soll man sich die Zukunft des Islams denken?, in: Deutsche Revue: Eine Monatsschrift 40 (September 1915), S. 249-253, hier: S. 251. 588 Hamza, Die muselmanischen Völker im Kampf, in: Die Islamische Welt 1/10 (1917), S. 565-567, hier: S. 565. 589 Die Haltung der Senussi, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/1 (30.04.1915), S. 3-4, Jawish, Sanusis Lehren, in: Die Islamische Welt 1/4 (1917), S. 193-195 und Al-Sayf Asdaq Anbaʾ min al-Kutub fi Haddihi al-Hadd bayn al-Jadd wa-l-Liʿb [Das Schwert ist ein besseres Mittel als Bücher zur Trennung von Ernst und Spaß], in: El Dschihad 29 (22.02.1916), S. 1. 590 Al-Jihad fi l-Yaman [Der Dschihad im Jemen], in: El Dschihad 8 (11.06.1915), S. 2.
4. Die Diskurse
Folge geleistet hätten.591 Dadurch sollte der NfO-Leserschaft der Eindruck vermittelt werden, dass die Dschihad-Erklärung nicht nur legitim, da vom Sultan-Kalifen ausgerufen, sondern auch äußerst erfolgreich sei. Der dritte wichtige Aspekt der Dschihad-Rhetorik war, dass sich der Kampf nicht gegen alle Nicht-Muslime richte, sondern gegen die Feinde des Islam.592 Diese waren in der NfO- und der osmanischen Perspektive Großbritannien, Frankreich und Russland. Deutschland und seine Verbündeten wurden in diesen Texten explizit ausgenommen, wie es auch schon in der Dschihad-Erklärung selbst der Fall war.593 Konkrete Vorschläge, wie sich dem Dschihad anzuschließen sei, wurden in Richtung der Kriegsgefangenen gemacht. Ihnen wurde geraten, sich zum Kampf ins Osmanische Reich zu begeben oder bei ihrer Rückkehr in die Heimatländer von den guten Taten der Deutschen zu erzählen.594 Eng mit dem Thema Dschihad war in den Publikationen eine Verteidigungsrhetorik verbunden. Der Kampf Deutschlands wurde als »Defensivkampf der Notwehr«595 beschrieben. Das Deutsche Reich kämpfe also einen »Verteidigungskrieg«596 und sogar »heiligen Krieg/Kampf«597 . Schabinger von Schowingen schrieb im Nachwort zur Dschihad-Broschüre von Salih al-Sharif: »Ein solcher Krieg ist in der Tat ein Heiliger Krieg, nicht nur für die Mohammedaner, sondern für jedes andere Volk, so oft es sich darum handelt, eben jene Schätze des nationalen Lebens im Kampfe um das Dasein durchzusetzen!«598 Josef van Ess meint in diesem Zusammenhang, dass die Verteidigungsrhetorik nur dann tatsächlich als solche gesehen werden könne, wenn sie sich auf das Osmanische Reich bezog. Richtete sie sich an andere Regionen des Nahen und Mittleren Ostens, wäre es besser, von einem Aufruf zur Rebellion bzw. Meuterei zu sprechen, da diese Länder Teil des britischen oder französischen Kolonialreichs waren.599 Van Ess verkennt jedoch, dass das Verteidigungsargument gerade um diesen Widerspruch herum konstruiert wurde. Die nichtosmanischen Gebiete der »islamischen Welt« wurden als Teil einer Einheit – der als homogen verstandenen »islamischen Welt« – dargestellt, die insgesamt als durch Kolonialmächte bedrängt verstanden wurde. 591 592 593 594 595 596 597
598 599
Iʿlan al-Jihad [Die Verkündung des Dschihad], in: El Dschihad 2 (09.04.1915), S. 1. Al-Sharif 1915, S. 5. Hartmann, Kriegsurkunden, in: Die Welt des Islams 3/1 (1915), S. 1-23, hier: S. 3. Detailliert s.u. Iʿlan al-Jihad [Die Verkündung des Dschihad], in: El Dschihad 2 (09.04.1915), S. 1. Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 282. Welch 2000, S. 2. Mittwoch 1914, S. 3. Mittwoch schrieb in einem Brief an Littmann, dass er den Begriff »Heiliger Krieg« »[…] nicht als Terminus technicus für ›Krieg von Muslimen für den Islam‹, sondern im freieren Sinne« verwende. Mittwoch an Littmann, 02.01.1915, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 22. Al-Sharif 1915, S. 15. Van Ess 2012, S. 35.
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Die Rede von Dschihad bzw. Verteidigungskrieg entspricht den Prinzipien vier (»Wir kämpfen für eine gute Sache und nicht für uneigennützige Ziele«)600 und neun (»Unsere Mission ist heilig«)601 von Morelli. Darüber hinaus kennzeichnet in den NfO-Publikationen die DschihadRhetorik eine weitere Spannung. Einerseits bestand das Bedürfnis, die Bestrebungen der muslimischen Akteure weltweit nicht als Fanatismus darzustellen und den Dschihad zuweilen gar zu einer areligiösen Angelegenheit zu erklären. In der Arabischen Abteilung kamen vor allem jene muslimischen Akteure zu Wort, die in den Vorworten und biografischen Notizen der Publikationen als gemäßigt galten bzw. »der milden Richtung [des Islam, SK] huldigen«602 . Gewalttaten im Namen des Islam seien kein Ausdruck des Fanatismus, sondern lediglich Widerstand gegen die Kolonialmächte, von denen die eigentliche Gewalt ausgehe.603 Daher sei der osmanische Dschihad auch kein (rein) religiöser Krieg, sondern ein Kampf für die Selbstständigkeit des Reichs gegen koloniale Ambitionen.604 Andererseits bauten die Dschihadisierungsideen darauf auf, dass Muslime fanatisch seien oder zumindest das Potenzial dazu hätten, sich zu fanatisieren. Nur aufgrund dieser Prämisse ergab der Versuch der politischen Nutzbarmachung der Dschihadisierungsrhetorik Sinn.605 Zudem wurden antikoloniale Widerstandsbewegungen als lokale Formen eines vermeintlich allgemeinen Dschihad dargestellt, auch wenn sich nicht unbedingt ein religiöser Bezug in diesen Bewegungen feststellen ließ.606 In der islamischen Theologie ist eine Trennung von Religion und Politik nicht immer möglich. Ein Krieg, der ohne direkte religiöse Bezüge geführt wurde, konnte ebenfalls Dschihad genannt werden.607 Ein Beispiel hierfür ist der ʿUrabiAufstand (1879-1982) in Ägypten. Obwohl keine religiösen Forderungen gestellt wurden, bezeichneten ihn die Anführer als Dschihad. Das Ziel war vielmehr die Mobilisierung breiter Bevölkerungsmassen.608 Das Spannungsverhältnis in NfO-Texten zwischen religiöser und nichtreligiöser Dschihad-Rhetorik konnte
600 Morelli 2004, S. 45-60. 601 Ebd., S. 113-120. 602 Al-Sharif 1915, S. 3. Intern waren die deutschen NfO-Akteure jedoch weitaus kritischer. Für Hartmann war al-Sharif lediglich ein »sich ad hoc liberal gebärdender Mann.« Hartmann an Schabinger von Schowingen, 18.12.1914, ULB ST, DMG Yi 116 I S. 603 Was ist muselmanischer Fanatismus?, in: Die Islamische Welt 1/4 (1917), S. 201-204. 604 Mittwoch 1914, S. 4. 605 Lüdke 2016, S. 79. 606 Al-Jihad fi Afriqiya wa-Asiya [Der Dschihad in Afrika und Asien], in: El Dschihad 6 (05.05.1915), S. 2. 607 Peters 1979, S. 4. 608 Ebd., S. 154.
4. Die Diskurse
letztlich nicht aufgelöst werden, spielte nach der Abkehr von diesen Ideen im Jahr 1916 jedoch auch keine Rolle mehr.609 Den meisten deutschen Akteuren war bewusst, dass es sich bei der osmanischen Dschihad-Erklärung auch um ein jungtürkisches Mittel des Machterhalts handelte. Das Osmanische Reich nutze den Dschihad, so Eugen Mittwoch, um die verschiedenen Strömungen im Reich zu einen.610 Er sei daher ein »ideelles Hilfsmittel«611 . Diese Aussage ist in ihrer Deutlichkeit jedoch in der gesamten NfORhetorik einmalig, was wenig verwundert, zumal dadurch die gesamte Legitimität der Dschihadisierung infrage gestellt wurde. Ein Teil der Forschungsliteratur übernimmt diese Perspektive. Die osmanische Dschihad-Erklärung war in dieser Sicht keine deutsche Erfindung, sondern eine osmanische Strategie, die sich vor allem an interne Gruppen richtete und dem Machterhalt der Jungtürken diente.612 Die Frage des »Dschihad made in Germany« kam bereits während des Krieges auf und hielt sich durchgehend.613 Auch jetzt finden sich in der Forschungsliteratur Positionen, welche die Dschihad-Erklärung als deutsches Machwerk verstehen.614 Dabei wird in der Regel ignoriert, dass Dschihad-Erklärungen als Mittel zur Mobilisierung im Osmanischen Reich bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine lange Tradition hatten.615 Die aktuelle Behauptung des »Dschihad made in Germany« schließt an eine Debatte an, die der niederländische Orientalist Christiaan Snouck Hurgronje im Jahr 1915 angestoßen hatte. In verschiedenen Beiträgen postulierte er einen deutschen Einfluss auf die Dschihad-Erklärung.616 In den Publikationen
609 Zur Abkehr der NfO-Rhetorik vom Dschihad s. Kap. 2.2.1 Revolutionierung und Dschihadisierung. 610 Mittwoch 1914, S. 5. 611 Ebd., S. 20. 612 Aksakal 2013, S. 35. William Cleveland geht davon aus, dass die Dschihad-Erklärung vor allem an die arabischen Subjekte des Reichs gerichtet war. William L. Cleveland, The Role of Islam as Political Ideology in the First World War, in: Edward Ingram (Hg.), National and International Politics in the Middle East: Essays in Honour of Elie Kedourie, Hoboken 1986, S. 84101, hier: S. 85 Mehmet Beşikçi hingegen schreibt, dass die Dschihad-Erklärung vor allem der Mobilisierung anatolischer Soldaten und der Aufrechterhaltung der Truppenmoral diente. Mehmet Beşikçi, Domestic Aspects of Ottoman Jihad: The Role of Religious Motifs and Religious Agents in the Mobilization of the Ottoman Army, in: Erik Jan Zürcher (Hg.), Jihad and Islam in World War I: Studies on the Ottoman Jihad at the Centenary of Snouck Hurgronje’s »Holy War Made in Germany«, Leiden 2016, S. 95-115. 613 Aksakal 2013, S. 34. 614 Hagen 2004, S. 145, Jung 2014 und ders., Understanding the Multiple Voices of Islamic Modernities: The Case of Jihad, in: Temenos 52/1 (2016), S. 61-85. Mit Nachdruck vertritt Wolfgang Schwanitz diese These in sämtlichen Publikationen. 615 Etwa beim Krim-Krieg 1853 bis 1856 oder gegen den Feldzug von Muhammad ʿAli 1831. Aksakal 2013, S. 37. 616 Zur Position Snouck Hurgronjes sei auf die inzwischen reichhaltige Literatur verwiesen: Léon Buskens, Christiaan Snouck Hurgronje, »Holy War« and Colonial Concerns, in: Erik Jan Zür-
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der Nachrichtenstelle wurde dies vehement bestritten. Schabinger von Schowingen schrieb in seinem Nachwort zur Dschihad-Broschüre, dass die »[…] Behauptung, daß dieser Heilige Krieg ›made in Germany‹ sei, vernunftwidrig«617 ist. Darin waren sich die deutschen Akteure einig. Carl Heinrich Becker schrieb an Martin Hartmann: »[Die] Jungtürken haben nicht erst deutsche Ratschläge abgewartet, um sich dieses billigen Prestigemittels zu bedienen. Der hl. Krieg ist doch in erster Linie für die Stimmung im türk. Heer da.«618 Hinsichtlich des deutschen Einflusses stimmte ihm Hartmann zu, schrieb jedoch bezüglich der Adressaten der DschihadErklärung: »Nach meiner Beobachtung ist zum mindesten ebenso sehr auf die Erregung der Muslime ausserhalb der Türkei abgezielt. Ich habe dafür Beweise.«619 Auch die deutschen Akteure sahen in der Dschihad-Erklärung also in erster Linie ein Mittel zum internen Machterhalt. Lange vor der Arabischen Revolte wurde die islamische Rhetorik bzw. die Dschihad-Propaganda von osmanischer Seite jedoch aufgegeben.620 Mustafa Aksakal beantwortet die Frage nach einem deutschen Einfluss auf die Dschihad-Politik wie folgt: »[The] manifold presence of jihad in Ottoman international and domestic politics throughout the nineteenth century down to 1914, and its presence in both popular and state publications, and in the internal correspondence among Ottoman officials, moreover, make a strong case that jihad would have been an important aspect of Ottoman warfare in 1914 without Wilhelm II and the German orientalists.«621 Deutsche Interessen lassen sich daher nicht leugnen, sind aber keineswegs der einzige Faktor in dieser Gleichung. Jedoch waren die Positionen jener deutschen Akteure, die in die Dschihadisierungs- und Revolutionierungsideen involviert waren,
cher (Hg.), Jihad and Islam in World War I: Studies on the Ottoman Jihad at the Centenary of Snouck Hurgronje’s »Holy War Made in Germany«, Leiden 2016, S. 29-52, Lisa Anna Medrow, Christiaan Snouck Hurgronje: Zur Widersprüchlichkeit seiner Analysen zum panislamischen Dschihad in publizierten Schriften und geheimen Kolonialakten, in: Lisa Anna Medrow/Daniel Münzner/Robert Radu (Hg.), Kampf um Wissen: Spionage, Geheimhaltung und Öffentlichkeit, 1870-1940, Paderborn 2015, S. 72-90 und Peter Heine, C. Snouck Hurgronje versus C. H. Becker: Ein Beitrag zur Geschichte der angewandten Orientalistik, in: Die Welt des Islams 23-24 (1984), S. 378-387. 617 Al-Sharif 1915, S. 16. 618 Becker an Hartmann, 13.01.1915, ULB ST, DMG Yi 116 I B. 619 Hartmann an Becker, 15.01.1915, ULB ST, DMG Yi 116 I B. 620 Köroğlu 2016, S. 148. 621 Aksakal 2013, S. 42. Die Komplexität der osmanischen und deutschen Interessen an der Dschihad-Eklärung wird auch im Sammelband von Erik Jan Zürcher beleuchtet. Erik Jan Zürcher (Hg.), Jihad and Islam in World War I: Studies on the Ottoman Jihad at the Centenary of Snouck Hurgronje’s »Holy War Made in Germany«, Leiden 2016.
4. Die Diskurse
keineswegs homogen. Kritik kam vor allem von men on the spot. Ein deutscher Botschafter in Istanbul schrieb etwa: »Zu glauben, dass die Verkündigung des heiligen Kriegs diese Leute zu begeisterten Kämpfern für die Interessen der Türkei macht, ist ein Irrtum.«622 Auch Curt Prüfer, der den Großteil des Krieges mit unterschiedlichen propagandistischen und militärischen Aufträgen betraut im Osmanischen Reich verbrachte, war hinsichtlich möglicher Ergebnisse bei der Aufwiegelung in Ägypten und Syrien überaus skeptisch.623 Doch auch in der NfO-Zentrale wurden Zweifel geäußert: »Ob der Erfolg den Erwartungen entspricht, ist eine andere Sache. Auch darüber liegen mir Nachrichten vor, die aber noch Bestätigung bedürfen.«624 Über die Positionen nichtdeutscher NfO-Akteure zu einem möglichen deutschen Einfluss ist nichts bekannt. In den Publikationen proosmanischer Autoren wie Jawish und al-Sharif spielte die Dschihad-Rhetorik eine sehr große Rolle, in den Texten der anderen nichtdeutschen Akteure jedoch eine sehr geringe oder gar keine. In den Broschüren von Mansur Rifʿat, der kein gutes Verhältnis zur Hohen Pforte hatte, waren die Themen Religion, Dschihad und Osmanisches Reich abwesend, auch vor 1916. Danach spielte die Dschihad-Rhetorik ohnehin quasi keine Rolle mehr, da die deutschen militärischen und politischen Entscheidungsträger sich von dieser Idee abgewandt hatten.625 Auch Akteure, die in der Forschung häufig als religiös wahrgenommen werden, wie ʿAbd al-Malik Hamza,626 bezogen sich dann nicht mehr auf das Konzept Dschihad. Hamza schrieb zwar, dass Muslime dem Kalifen gegenüber loyal sein müssten, die Proklamation von 1914 spielt in dieser Argumentation jedoch keine Rolle mehr.627 Das Spannungsverhältnis zwischen der Dschihadisierungsrhetorik und deren tatsächlichem Erfolg war gerade den nichtdeutschen NfO-Akteuren bewusst und machte Erklärungen nötig. Rabah Bukabuya schrieb, dass der Dschihad zwar die Pflicht von Muslimen sei, jedoch das richtige Umfeld brauche. Religiöse Symbole müssten im Kampf verwendet werden und die Truppen in einem bekannten Umfeld agieren. Da beides auf europäischen Schlachtfeldern nicht gegeben sei, sei es nicht möglich, muslimische Soldaten in der französischen Armee für den Dschihad zu begeistern.628 ʿAbd al-ʿAziz Jawish hingegen formulierte die Ansicht,
622 Wolff Metternich an AA, 15.03.1916, PA AA, Weltkrieg Nr. 11s, R 21255. 623 Prüfer an von Wangenheim, 09.02.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21129 und Prüfer an AA, 03.11.1914, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21126. 624 Hartmann an Becker, 15.01.1915, ULB ST, DMG Yi 116 I B. 625 S. hierzu Kap. 2.2.1 Revolutionerung und Dschihadisierung. 626 Wolfgang G. Schwanitz, Hamzas Theorie des Islamismus, in: Wolfgang G. Schwanitz (Hg.), Mittelost Mosaik 2014: Afghanistans Wahlen, Israels Raketenkrieg, Kalifat Irak-Syrien sowie Barack H. Obama, Papst Franziskus und Angela Merkel, Berlin 2016, S. 185-190. 627 Hamza, Aegypten und England im Weltkrieg, in: Das junge Europa 9 (1917), S. 25-30. 628 Bukabuya 1917a, S. 55.
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der Koran verbiete es, unvorbereitet in einen Kampf zu gehen und sich ins Verderben zu stürzen. Da die Kolonialmächte muslimischen Bevölkerungen jedoch die Waffen abgenommen hätten, wäre ein bewaffneter Aufstand nicht möglich: »Was sollen die Mohammedaner angesichts solcher Vernichtungsmaschinen tun? Wäre es nicht geradezu unsinnig, sich mit dem bloßen Körper in einen solchen Kampf hineinzuwagen?«629 Zudem sei die Dschihad-Erklärung auch nur an jene gerichtet, die dazu in der Lage seien, ihr Folge zu leisten.630 Auch hier lässt sich ein Widerspruch ausmachen. Diese Erklärungen für die fehlende Begeisterung für die Dschihad-Erklärung standen im Gegensatz zu frühen NfO-Schriften, in denen etwa Mittwoch schrieb, dass sich jeder Muslim dem Dschihad anschließen müsse.631 Der ausbleibende Erfolg der Dschihadisierungsrhetorik hatte möglicherweise den anfänglichen Eifer gedämpft.632
Osmanisches Reich und Kalifat In den Publikationen der Nachrichtenstelle für den Orient war das Osmanische Reich ein wichtiger Referenzpunkt; unabhängig davon, welche Rolle die nichtdeutschen Akteure der Hohen Pforte für die Zukunft ihres jeweiligen Herkunftslandes zusprachen. Bei diesem Thema war für die nichtdeutschen Akteure – weitaus stärker noch als bei anderen Fragen – die proosmanische Prägung aus der Vorkriegszeit ausschlaggebend. Untrennbar verbunden mit den NfO-Debatten um das Osmanische Reich war das Kalifat; es war ganz eindeutig das »Reich des islamischen Kalifats«633 . Damit folgten die NfO-Akteure dem generellen Trend proosmanischer Akteure während des Ersten Weltkriegs, das Osmanische Reich und Islam zusammenzudenken.634 Der libanesische Abgeordnete Shakib Arslan betonte immer wieder die Notwendigkeit, dass Araber gegenüber dem Osmanischen Reich loyal seien, da dieses der Sitz des islamischen Kalifats sowie das Zentrum der islamischen Religion und nur der Islam ein legitimes Mittel zur politischen Einheit sei.635 Der proosmanische Akteur Jawish verglich das Kalifat zwar immer wieder mit dem Papsttum, unterstrich dabei jedoch stets, dass es sich im Gegensatz dazu beim Kalifat nicht nur um ein religiöses, sondern auch um ein politisches und soziales Amt handele.636 Bei dem Thema Osmanisches Reich bzw. Kalifat hatten NfO-Akteure vor allem ein deutsches Publikum und muslimische Soldaten sowie 629 Jawish, Der Islam und Deutschland, in: Deutsche Revue: Eine Monatsschrift 40 (September 1915), S. 249-253, hier: S. 250. 630 Ders. 1915, S. 18-19. 631 Mittwoch 1914, S. 25-26. 632 S. zu dem Wandel auch Kap. 2.2.1 Revolutionierung und Dschihadisierung. 633 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 8. 634 Cleveland 1986, S. 97. 635 Abdurrahman Atçıl, Decentralization, Imperialism, and Ottoman Sovereignty in the Arab Lands before 1914, in: Die Welt des Islams 53/1 (2013), S. 26-49, hier: S. 42-43. 636 ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Das Kalifat, in: Die Islamische Welt 2/1 (1918), S. 1-4, hier: S. 1.
4. Die Diskurse
Zivilisten im Blick. Das folgende Zitat beschreibt Aspekte, die im Zusammenhang mit dem Osmanischen Reich in der NfO verhandelt wurden: »Les Ottomans sont à nos yeux un élément d’avant-garde dans la voie du progrès; ils représentent la première ligne de civilisation dans l’immense domaine de l’Islam. Nous pouvons compter sur leur protection et nous leur devons, à notre tour, une soumission et une obéissance fraternelle parce qu’étant nos coreligionnaires, ils nous attireront loyalement dans la voie où se dessine la structure de l’union islamique.«637 Bei den Debatten um das Osmanische Reich wurde dieses als Hort des Fortschritts gesehen, als Schutzmacht und als Führung der »islamischen Welt«. Im Gegenzug wurde Loyalität bzw. Gehorsam gegenüber der Hohen Pforte gefordert. Gerade proosmanische Akteure repräsentierten das Osmanische Reich generell als »Haupte der islamischen Welt«638 . In dieser Funktion sei es insbesondere für den Schutz der »islamischen Welt« verantwortlich – gegen Frankreich, Großbritannien und Russland:639 »Die Völker der Türkei [des Osmanischen Reichs, SK] wollen und brauchen allerdings Schutz, aber nicht von der Entente, sondern gegen die Entente.«640 Die Hohe Pforte sei daher eine »trotzige Mauer«641 zwischen Europa und den Kolonien der Entente; ohne diesen Schutz wäre die islamische Welt längst untergegangen.642 Die militärische und wirtschaftliche Bedrängnis des Osmanischen Reichs war in den NfO-Publikationen irrelevant. Vielmehr wurden Berichte über osmanische Siege und die Stärke des Heeres dazu genutzt,643 das Bild eines widerstandsfähigen und mächtigen Staates zu zeichnen. Der »kranke Mann vom Bosporus« der deutschen Vorkriegsdiskurse hatte keinen Platz in diesem Narrativ des starken Verbündeten. Durch diese Rhetorik sollte der Anspruch des Osmanischen Reichs, Einfluss auf die gesamte islamische Welt auszuüben, untermauert werden. Daher wurde auch behauptet, das osmanische Kalifat werde von allen Muslimen weltweit anerkannt.644 Damit ging das Postulat einher, dass das osmanische Kalifat legitim sei. Generell war proosmanische Propaganda darum bemüht, die Rechtmäßigkeit des Sultan-Kalifen in Istanbul in den Vordergrund zu stellen und zu betonen, dass 637 Bukabuya, Rabah 1915, S. 53. 638 Vorwort, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 1-2, hier: S. 1. 639 Almaniya wa-Dawlat al-Khilafa [Deutschland und das Reich des Kalifats], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,5. 640 Hamza, Die islamischen Völker und die Friedensnote, in: Die Islamische Welt 1/3 (1917), S. 811, hier: S. 10. 641 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 7-8. 642 Jawish 1915, S. 3. 643 Istiʿdad al-Jaysh al-Turki al-ʿAzim [Die Bereitschaft der großen türkischen Armee], in: El Dschihad 6 (05.05.1915), S. 2. 644 Jawish 1915, S. 15.
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die Ethnizität des Kalifen irrelevant sei.645 Dies richtete sich gegen Stimmen, die ein arabisches Kalifat bevorzugten.646 In der Entente-Propaganda wurde beispielsweise behauptet, das osmanische Kalifat sei illegitim, da Jungtürken araber- und islamfeindlich seien.647 In den NfO-Publikationen hingegen wurde bekräftigt, dass das Kalifat keine Frage der Abstammung (von den Quraysh) sei, sondern eine Frage der Eignung.648 Andere Positionen, so Jawish, seien unwahr und gingen auf britische und französische Desinformation zurück.649 In seiner Kalifatsbroschüre stellte er daher die rhetorische Frage, wer besser geeignet sei als »die Nachfahren Osmans, die auf dem Thron in Istanbul sitzen.«650 In einer NfO-internen Bewertung der Broschüre äußerte Martin Hartmann Bedenken, »Eignung« als Qualifikation für das Kalifat allzu stark zu betonen. Er war der Meinung, dass angesichts der Gebietsverluste des Osmanischen Reichs der letzten Jahre und der Kriegssituation in der »islamischen Welt« eventuell die Frage aufkommen könne, ob das Osmanische Reich tatsächlich dazu geeignet sei, alle Muslime anzuführen.651 Diese Position wurde jedoch nicht öffentlich gemacht und hatte keine Auswirkungen auf die Produktion der Broschüre. In den Publikationen der Arabischen Abteilung galt weiterhin das Primat des Osmanischen Reichs. Aus dieser postulierten vorgeordneten Stellung des Osmanischen Reichs leiteten die NfO-Akteure die Forderung zum Gehorsam bzw. zur Loyalität zur Hohen Pforte und zum Sultan-Kalifen ab. In der Gefangenenzeitung El Dschihad wurde die Loyalität zum Kalifen immer wieder als Pflicht für alle Muslime unabhängig von ihrer Ethnizität wiederholt. Salih al-Sharif meinte, es bestehe die Pflicht, »[…] wie ein Mann sich zu erheben unter der Fahne des mohammedanischen Kalifats, des Kalifats der erhabenen Familie Osman […].«652 Die Frage der Loyalität spielte für Rabah Bukabuya eine wichtige Rolle – insbesondere im Zusammenhang mit den muslimischen Soldaten in der französischen Armee, die seiner Meinung nach 645 Cleveland 1986, S. 94. 646 Zu diesen Debatten im Detail s. Kap. 4.2.2 Arabische und islamische Debatten um 1900. 647 Maurus, »La question du califat«, in : Der Neue Orient 1/9 (08.08.1917), S. 405-406. Im Gegensatz zum Kalifen spielten die Jungtürken in den NfO-Diskursen quasi keine Rolle, obwohl diese die tatsächliche politische Gewalt im Osmanischen Reich innehatten. 648 Ders., Nochmals die Kalifatsfrage, in: Der Neue Orient 1/22 (20.02.1918), S. 464-465. 649 Jawish 1915, S. 4. Der Gedanke, dass ein arabisches Kalifat ein englisches Produkt sei, wurde auch an vielen anderen Stellen geäußert. Etwa Bernhard Moritz, Arabien, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 245-250, hier: S. 247. 650 Jawish 1915, S. 14. 651 Reaktion Hartmanns auf »Das islamische Kalifat« von ʿAbd al-ʿAziz Jawish, 27.12.1915, ULB ST, DMG Yi 116 III B. In diesem Schreiben kritisierte Hartmann zudem, dass das Kalifat durch die aktuelle britische und französische Propaganda, die sie »muslimischer als viele Muslime« betreiben würden, international mehr Aufmerksamkeit erlange. Den Umstand, dass wohl auch die deutsche Kriegspropaganda massiv zur Verbreitung beigetragen hat, ignoriert er jedoch. 652 Al-Sharif 1915, S. 9.
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dem Sultan-Kalifen, nicht jedoch Frankreich gegenüber zu Loyalität verpflichtet wären.653 Die Loyalität zum Sultan-Kalifen in Istanbul wurde als Pflicht für alle Muslime weltweit dargestellt. Bemerkenswerterweise wurde dies auch auf den Sultan von Marokko übertragen, der für sich selbst ebenfalls den Titel amir al-muʾminin (Anführer der Gläubigen) reklamierte. Der Streit um die Kalifatsfrage beherrschte die marokkanisch-osmanischen Beziehungen seit jeher.654 Dennoch richtete sich Salih al-Sharif in einem »Offenen Brief an Mulay Yussuf« an den Sultan von Marokko und forderte Loyalität zum Sultan in Istanbul.655 Auch ʿAbd al-ʿAziz Jawish befasste sich in seiner Kalifatsbroschüre mit Marokko und kritisierte dort, dass die Ansprüche aus Marokko die Einheit der »islamischen Welt« gefährden würden.656 Hinsichtlich einer Loyalität bzw. eines gewissen Grads an Gehorsam der »islamischen Welt« gegenüber dem Osmanischen Reich waren sich die NfO-Akteure einig. Wie diese jedoch konkret politisch aussehen sollte, wurde innerhalb der Organisation bzw. zwischen den nichtdeutschen Akteuren untereinander keineswegs einheitlich beantwortet. Die Debatte verlief dabei entlang der proosmanischen Vorkriegsprägung der Akteure. Entsprechend ihrer Herkunft befassten sich die NfO-Autoren mit der Frage, welche Beziehung die französisch (Maghreb) bzw. britisch (Ägypten) besetzten Gebiete zum Osmanischen Reich haben könnten und sollten. Im Fall von Ägypten spielte das Stichwort Suzeränität eine große Rolle.657 Jawish wünschte sich für Ägyptens Zukunft eine »Suzeränität des Kalifats«658 und Curt Prüfer empfahl als Modell für Ägypten nach dem Ende der britischen Herrschaft »[ein] autonomes Vizekönigtum unter dem rechtmäßigen Khediven Abbas II. unter der Suzeränität des türkischen Sultans.«659 Bei den proosmanischen ägyptischen NfO-Akteuren wird nicht ganz klar, wie sie sich die Suzeränität genau vor653 Für Details zu Bukabuyas Sicht auf die Loyalität muslimischer Soldaten s. Kap. 4.3.1 Kolonialismus, Krieg und Kultur. 654 Edmund Burke, Pan-Islam and Moroccan Resistance to French Colonial Penetration, 19001912, in: The Journal of African History 13/1 (1972), S. 97-118, hier: S. 101. 655 Kitab Maftuh li-Mulay Yusuf Sultan Murrakush [Offener Brief an Mulay Yussuf, den Sultan von Marrakesch], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,24. 656 Jawish 1915. Die französischen Behörden waren sich der deutsch-osmanischen Propaganda hinsichtlich Marokkos bewusst und ließen daher von marokkanischen Gelehrten Fatwas formulieren, in denen sie sich gegen den Sultan im Osmanischen Reich und für den Sultan in Marokko aussprachen. Burke 1975, S. 456-457. 657 Suzeränität beschreibt ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen einem Oberhoheits- und einem Vasallenstaat. Der Suzerän ist für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig und übernimmt eine Schutzfunktion. Im Gegenzug zahlen Vasallen Tribute und entsenden Truppen im Kriegsfall. Hans Nawiasky, Staatenverbindungen, in: Hans-Jürgen Schlochauer (Hg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 3, Berlin 1962, S. 313-317, hier: S. 314-315. Der Begriff der Suzeränität spielt in aktueller völkerrechtlicher Literatur keine Rolle mehr. 658 Jawish, Ägypten und der Krieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/156 (1916), S. 32-40, hier: S. 40. 659 Prüfer, Ägypten, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 269-272, hier: S. 272.
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stellten. In ihren Aussagen blieben sie vage genug, dass eine politische Vorherrschaft des Osmanischen Reichs nicht ausgeschlossen werden konnte. Laut Jawish würden die Ägypter »mit Herz und Seele am Kalifat«660 , also dem Osmanischen Reich, hängen. Zudem sei das Land die »geliebte und getreue Tochter der Türkei«661 . ʿAbd al-Malik Hamza wünschte sich, dass das Nilland »in direkter Verbindung mit der Türkei«662 stehe. Im gleichen Text beschreibt er die Situation Ägyptens vor der britischen Eroberung, als das Land noch Teil des Osmanischen Reichs war, als »innere Unabhängigkeit«663 , die er wiederum für äußert positiv erachtete. Darüber hinaus war sich Hamza sicher, dass die Hohe Pforte die »[…] Fähigkeit [habe], die Führerschaft der panislamischen Völker zu übernehmen.«664 Ein gemeinsames Territorium könne auch dafür sorgen, dass es zu weniger Konflikten zwischen Muslimen komme.665 Jene nichtdeutschen Akteure, die über eine etwas größere Distanz zur Hohen Pforte verfügten, äußerten sich jedoch eindeutiger: Sie wollten keinerlei politische Abhängigkeit. Fahmi schrieb 1917, dass er sich eine Rückkehr zur Situation von 1840 wünschte, ohne dass Ägypten jedoch Tribute an das Osmanische Reich zu zahlen hätte.666 ʿAli Shamsi drückte seine Sichtweise auf Suzeränität hingegen wie folgt aus: »A leurs [les patriotes égyptiens, SK] yeux ›suzeraineté turque‹ veut dire ›autonomie‹ et nullement ›incorporation‹ à l’Empire ottoman.«667 Aus diesem Grund sprach sich Shamsi – wie Fahmi – dafür aus, den Zustand von vor 1882 wieder einzuführen. Die Bezugnahme auf die Hohe Pforte scheint im Fall eines Teils der antikolonialen ägyptischen NfO-Akteure eher aus einem gewissen Pragmatismus heraus formuliert worden zu sein, in dem das Osmanische Reich in erster Linie als Bollwerk gegen europäische Kolonialmächte, insbesondere Großbritannien, galt.668 Hinsichtlich der Maghreb-Länder formulierten – zumeist proosmanische – NfO-Akteure klarere Positionen, die auch eine politische Abhängigkeit vom Osmanischen Reich forderten. Bukabuya schrieb: »Die Auswanderung nach Syrien […]
660 Jawish, Ägypten und der Krieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/156 (1916), S. 32-40, hier: S. 33. 661 Ders., Ägyptens Sehnsucht, in: Die Islamische Welt 1/9 (1917), S. 501-503, hier: S. 503. 662 Hamza, Die ägyptische Frage in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in: Asien 14 (November 1916), S. 28-32, hier: S. 28. 663 Ebd., S. 29. 664 ʿAbd al-Malik Hamza, Der Panislamismus: Seine praktischen Ziele, in: Die Islamische Welt 1/7 (1917), S. 384-386, hier: S. 385. 665 Ders., Der Panislamismus: Seine Bedeutung und seine Grenzen, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 18-20, hier: S. 18. 666 Fahmi 1917, S. 64. In den Londoner Verträgen von 1840 wurde Ägypten in innenpolitischen Fragen eine gewisse Autonomie vom Osmanischen Reich zugestanden. Arthur Goldschmidt/Robert Johnston, Historical Dictionary of Egypt, Lanham 2003, S. 243. 667 Shamsi 1918, S. 13. 668 Dies galt wohl für den Großteil der ägyptischen Nationalisten. Jankowski 1980, S. 229-230.
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ist der unwiderlegbare Beweis dafür, daß die Mohammedaner Nordafrikas die Angliederung an unser eigentliches Vaterland [Hervorhebung SK], die Türkei, wünschen. Wir lieben die Türkei, und dankbar gedenken wir ihrer Verbündeten.«669 Für die Vergangenheit Algeriens und Tunesiens schrieb Salih al-Sharif: »Wir haben gesagt, daß Tunesien und Algerien seit der arabischen Eroberung ein unabhängiges Reich bildeten, das seine inneren Angelegenheiten durch seine eigenen Mittel und die Suzeränität des Kalifen verwaltete. Das Volk selbst forderte, mit dem Kalifen vereint zu werden, als die Türkei ihm half, sich von den Spaniern zu befreien. [Hervorhebung im Original] Seitdem bildete das Land eine autonome Provinz des Kalifen.«670 Auch nach der Trennung vom Osmanischen Reich sei Tunesien stets loyal und mit der Hohen Pforte verbunden geblieben.671 »Niemals hat das Volk auf seine Freiheit, seine Unabhängigkeit und seine Verbindung mit dem Kalifen verzichtet, dessen Liebe und Verehrung tief in seinem Herzen wurzeln.«672 Ähnlich wie ägyptische Nationalisten hatten lokale Herrscher im Maghreb vor dem Krieg, etwa Khayr alDin (Pascha) in Tunesien, durch ein Bekenntnis zum Osmanischen Reich einen Schutz gegen europäische koloniale Ambitionen zu erwirken versucht.673 Sowohl im Fall von Ägypten als auch der Maghreb-Länder wurde der vergangene Zustand der politischen Nähe zum Osmanischen Reich durchweg positiv dargestellt. Enno Littmann beschrieb die vorkoloniale Situation in Ägypten und Indien wie folgt: »Zwar haben beide Länder über viele Jahrhunderte hindurch Fremdherrschaft ertragen, aber es waren doch fast immer Völker des Orients, die herrschend dort eindrangen und die dann im Lande heimisch wurden.«674 Ziel solcher Aussagen war die Abgrenzung zur Kolonialherrschaft der Briten und Franzosen, die als »nichtorientalische« Völker eine unangebrachtere Form der Fremdherrschaft führen würden.675 Maßgeblich für die unterschiedlichen Haltungen hinsichtlich des Osmanischen Reichs sind die Vorprägungen der Akteure. Für den Maghreb sind 669 Rabah Bukabuya, Kriegseindrücke eines mohammedanischen Offiziers der französischen Armee, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.11.1915, S. 7. 670 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 30. 671 Al-Sharif, Frankreich und Tunesien, in: Der Neue Orient 2/4-5 (05.06.1918), S. 188-192. 672 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 31. 673 François Arnoulet, Les Tunisiens et la première guerre mondiale, 1914-1918, in : Revue de l’Occident musulman et de la Méditerranée 38/1 (1984), S. 47-61, hier : S. 48-49. 674 Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 287. 675 Dabei bedeuteten vor dem Krieg Sympathien für das osmanische Kalifat bei nichtosmanischen Muslimen nicht direkt eine Ablehnung kolonialer Herrschaft. Der Sultan-Kalif in Istanbul galt vielen Akteuren eher als religiöse, weniger als politische Autorität. Aydin 2013, S. 166. Ähnliches äußerte Martin Hartmann in seiner Reaktion auf Jawishs Kalifatsbroschüre. Vor der Dschihad-Erklärung hätten viele Muslime außerhalb des Osmanischens Reichs kei-
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die Positionen in den NfO-Texten weitaus homogener als für Ägypten, da die Tunesier und Algerier durchweg proosmanisch eingestellt waren.676 Das Primat des Osmanischen Reichs wurde trotz der unterschiedlichen Positionen jedoch von keinem nichtdeutschen Akteur öffentlich infrage gestellt. Die deutschen Akteure äußerten sich in der Regel klar proosmanisch und gingen damit das Risiko ein, ihre arabischsprachigen Kollegen, die anderer Ansicht waren, zu verprellen.677
Islamische Einheit und Reform Die Einheit der als homogen verstandenen »islamischen Welt«, zeitgenössisch als »Panislamismus« bezeichnet, war für die Nachrichtenstelle ein wichtiges Argument.678 Nur vor dem Hintergrund einer postulierten einheitlichen Gemeinschaft ergab die politische Nutzbarmachung der Dschihadisierungsideen einen Sinn. Vor diesem Hintergrund konnte ʿAbd al-Malik Hamza »Panislamismus« zu einem potenziell wichtigen Faktor im Weltkrieg erklären: »Die Annahme liegt nahe, daß die panislamische Bewegung einen tiefen Einfluß auf den Weltkrieg ausgeübt hätte, wenn sie vor der Erklärung des Heiligen Krieges gut organisiert gewesen wäre.«679 In der Tat spielten zwischen den 1880er und 1920er Jahren die Ideen einer globalen muslimischen Solidarität und einer internationalen muslimischen Gemeinde für muslimische Denker eine Rolle.680 Auch in den frühen Reaktionen auf die koloniale europäische Expansion wurde der Islam als einendes Band beschworen.681 Max von Oppenheim nahm während seiner Dienstzeit in Kairo die Diskurse im Nahen und Mittleren Osten wahr.682 »Panislamismus« wurde zu einer seiner Lieblingsideen, über die er Anfang des 20. Jahrhunderts mehrere Berichte an das Auswär-
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ne oder nur sehr schlechte Beziehungen nach Istanbul gehabt. Reaktion Hartmanns auf »Das islamische Kalifat« von ʿAbd al-ʿAziz Jawish, 27.12.1915, ULB ST, DMG Yi 116 III B. Zu dem proosmanischen, arabischen Zirkel in Istanbul der Vorkriegszeit s. Kap. 3.1.3 Kolonialerfahrung. S. auch das Kap. 4.3.2 Islam und Nahost. In der Forschung wird zuweilen eine proosmanische mit einer »panislamischen« Haltung gleichgesetzt. Dies geschieht sowohl in Überblicksdarstellungen wie Landau 1990 als auch in Fallstudien wie Cleveland 1986. Das Raster »Panislamismus« scheint für die vorliegende Arbeit jedoch zu grob. Dieser durch europäische Islamvorstellungen geprägte Begriff umfasst zu viele unterschiedliche Vorstellungen von Reform, Herrschaft und Solidarität, um hier verwendet zu werden. Daher scheint es angemessen, eher von proosmanischen oder antikolonialen als von »panislamischen« Akteuren zu sprechen, wie dies auch bei Noor-Aiman Khan geschieht. Khan argumentiert ähnlich und lehnt insbesondere eine Verwendung des Begriffs »Panislamismus« ab, der sich lediglich auf muslimische Solidarität beziehe. Khan 2011, S. 8-9. Hamza, Der Panislamismus, in: Die Islamische Welt 1/7 (1917), S. 384-386, hier: S. 385. Aydin 2013, S. 162. Peters 1979, S. 153. Hanisch 2014b, S. 22.
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tige Amt schickte;683 im Krieg wurde es zu einem seiner wichtigsten Themen.684 Obwohl zu dieser Zeit tatsächlich Bestrebungen einer islamischen Einheit in der »islamischen Welt« existierten, wurden diese in Europa maßlos überschätzt.685 Die Sorge der Entente vor der vermeintlichen Macht islamischer Einheit wurde in NfOPublikationen immer wieder aufgegriffen.686 Um diese Angst zu nutzen, bedienten sich NfO-Akteure dieser Debatten. Verschiedene Akteure – etwa Jawish als »Hauptverfechter panislamischer Ideen«687 – und Zeitschriften – wie das mehrsprachige Periodikum Cihan-ı Islam als »bekannte panislamische Zeitung«688 – wurden als »panislamisch« bezeichnet. Dadurch wurde zunächst die Existenz einer einheitlichen Bewegung behauptet und in einem nächsten Schritt deren Effizienz. Das Postulat von Existenz und Macht des »Panislamismus« war ein grundlegendes Argument für die Sinnhaftigkeit der NfO-Aktivitäten. Zudem ließ sich dadurch behaupten, dass die Nachrichtenstelle mit der Unterstützung dieser »panislamischen« Aktivitäten erfolgreich sei. Zentral war die Forderung, dass Muslime weltweit sich gegenseitig helfen und schützen müssten.689 Häufig wurde dabei der Aspekt der Brüderlichkeit betont.690 Um Konflikte im Nahen und Mittleren Osten zu lösen und eine (erneute) Stärke der Region herbeizuführen, sei der Islam als einendes Band wichtig, insbesondere im Krieg.691 Araber und Türken würden zusammen gehören, unabhängig von ihrer Ethnizität. Sie seien »[…] avant tout des musulmans […]«692 , schrieb Bukabuya. NfO-Akteure verbanden in ihren Texten häufig die Kategorien »Rasse« und »Religion«. Hamza schrieb: »Das Wesen der panislamischen Zusammengehörigkeit ist […] mit Nationalismus oder Patriotismus verwandt, obwohl es auf einen verschie-
683 S. hierzu den Bestand Orientalia Generalia 9 im PA AA. 684 Fraser 1977, S. 257. 685 Laut Peters spielten verschiedene lokale antikoloniale Nationalismen politisch eine weitaus größere Rolle. Peters 1979, S. 155-156. 686 Faridat al-Hajj fi hadha al-ʿAmm [Die Hadsch-Pflicht in diesem Jahr], in: El Dschihad 15 (20.08.1915), S. 2. 687 Abu l-Fadl, Scheich Abdul Asis Tschauisch, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/10 (16.08.1915), S. 1-2, hier: S. 1. 688 Die Haltung der Senussi, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/1 (30.04.1915), S. 3-4, hier: S. 4. 689 Hamza, Der Panislamismus, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 18-20, hier: S. 18. 690 Sawt min Sudur al-Muslimin aw-Ittihad al-Islam fi l-Jihad al-ʿAmm [Stimmen der Muslime oder die Einheit des Islam in Bezug auf den allgemeinen Jihad], in: El Dschihad 31 (01.04.1916), S. 2. 691 Hamza, Der Panislamismus, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 18-20, hier: S. 18 und Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 282. 692 Bukabuya 1917a, S. 53.
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denen Ursprung zurückzuführen ist. Er [der »Panislamismus«, SK] beruht auf der Einheit des Glaubens […].«693 Ähnlich führte dies Willy Haas aus: »[Der] Islam [ist] für das Bewußtsein seiner Bekenner, von welcher Rasse und Nationalität sie auch sein mögen, eine lebendige Einheit, die über sie alle hinübergreift und sie alle umschließt und in dieser gemeinsamen grundsätzlichen Anschauungs- und Denkweise, die auf ganz anderes als die Zufälligkeit der Individuen und individuellen Gruppen (wie Stämme, Nationalitäten usw.) eingestellt ist, liegt vielleicht ein ideell Verbindendes von nicht unverächtlicher Tragweite.«694 Auch intern wurde dieser Standpunkt vertreten. Schabinger von Schowingen betonte den Nutzen dieser Sicht für die deutsche Sache: »Der Scherif [Salih al-Sharif, SK] […] ist durchaus Panislamist, für ihn deckt sich Islam mit islamischem Staat, islamischer Nation: die Rassen verschwinden. In dieses Horn blase ich auch (wie Sie selbst schon eingesehen haben) und blase hinein, weil es in unseren gegenwärtigen Kram passt.«695 Ganz zentral im Einheitsdiskurs der NfO ist also die Verschränkung der Kategorien »Rasse« und »Religion«, wie sie auch Cemil Aydin als zentrales Merkmal der zeitgenössischen islamischen Diskurse beschreibt.696 Diese Verschränkung von Islam und Nationalismus gewann während des Krieges im gesamten Nahen und Mittleren Osten ein neues Moment, um eine möglichst breite Front gegen einen postulierten gemeinsamen Feind zu schaffen.697 Der Kampf gegen die Kolonialmächte war auch für Hamza der zentrale Grund für seine Forderung nach islamischer Einheit: »[Das] einzige Ziel des Panislamismus [besteht] darin, einen großen Teil der Welt zum Zusammenwirken im Dienste der Menschlichkeit zu gewinnen, daß er die Befreiung vom Joche der Fremdherrschaft für die unterdrückten Völker des Islam erstrebt, die der Beutegier ihrer Feinde zum Opfer fielen, weil sie versäumten, ihre Schritte dem schnellen Tempo neuer Zeiten anzupassen.«698 Für die Umsetzung der islamischen Einheit sei eine starke Führungsmacht nötig. Um die »panislamische« Idee umzusetzen, »[…] muß eine starke einflußreiche Nation dienen, der das Recht und die Verantwortung der Führerschaft zufällt.«699 In
693 Hamza, Der Panislamismus, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 18-20, hier: S. 18. 694 Willy Haas, Der Umschwung der englischen Orientpolitik, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/3 (04.11.1916), S. 79-81, hier: S. 81. 695 Schabinger von Schowingen an Hartmann, 19.01.1915, ULB ST, DMG Yi 116 I S. 696 Aydin 2017. 697 Lüdke 2016, S. 81. 698 Hamza, Der Panislamismus, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 18-20, hier: S. 20. 699 Ders., Der Panislamismus, in: Die Islamische Welt 1/7 (1917), S. 384-386, hier: S. 385.
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seiner Kalifatsbroschüre schrieb auch Jawish, dass die islamische Welt besonders stark gewesen sei, als sie einen einzigen Herrscher hatte.700 Hierbei hatten die Autoren das Osmanische Reich im Blick, das sie als Beschützer bzw. Hauptrepräsentant des Islam sahen.701 Abdülhamid II. habe als Erster erkannt, welche besondere Macht der »Panislamismus« haben würde. Laut Farid schaffte es der Sultan, alle Muslime unter diesem Banner zu einen: »Elle [la politique »panislamique«, SK] gagna toutes les nations musulmans à Abdoul Hamid.«702 Die Verwendung des Konzepts »Panislamismus« blieb jedoch nicht unhinterfragt. Kritik kam vor allem von deutschen NfO-Akteuren. Prüfer meldete an die NfO zurück: »Ich stelle also zur Erwägung, ob der sehr geringe Vorteil, der aus der Verfolgung solcher panislamischer Chimären unter den wenigen Anhängern hier erwächst nicht auf der anderen Seite durch die drohende Verärgerung der Behörden mehr als ausgeglichen wird.«703 Auch Martin Hartmann äußerte sogar in einer Publikation der Nachrichtenstelle die Ansicht, dass Religion für die Region kein gutes Mittel zum Zusammenhalt sei. Vielmehr würden wirtschaftliche Anreize eine Rolle spielen.704 Solche Positionen deutscher NfO-Akteure waren möglicherweise eine Reaktion auf die Arabische Revolte und die Erkenntnis, dass die deutschen Dschihadisierungsideen gescheitert waren. Zudem wurde das Konzept selbst infrage gestellt. Hartmann kritisierte generell die Gleichsetzung von Religion und Ethnie durch die Betonung des »Panislamismus«, was die Verwischung real existierender Unterschiede zwischen einzelnen Völkern nach sich ziehe. Dies äußerte er in seiner Kritik an einem Artikel von ʿAbd al-ʿAziz Jawish in Die Deutsche Revue, in der er unter anderem die Gleichsetzung von »deutschem« und »muslimischem« Volk infrage stellte, da dies eine falsche Einheit postulieren würde: »In Wirklichkeit zerfallen die Muslime in eine Anzahl Gruppen, die grosse Verschiedenheiten aufweisen, und die zum Teil in Feindschaft miteinander leben. Das Band, dass das Kalifat angeblich bildet, ist heute tatsächlich ebenso schwach, wie es die Jahrhunderte hindurch gewesen ist.«705
700 Jawish 1915, S. 21. 701 Al-Dawla al-ʿUthmaniyya Kanat wa-lam Tazal Maljaʾ lil-ʿAlam al-Islami [Das Osmanische Reich war und bleibt die Zuflucht der islamischen Welt], in: El Dschihad 57 (20.05.1917), S. 1. 702 Farid 1917, S. 17. 703 Prüfer an von Oppenheim, 12.04.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1530. 704 Martin Hartmann, Das Kalifat: Falschwertungen und Wahrheiten, in: Der Neue Orient 1/2 (21.04.1917), S. 64-65. 705 Bericht von Martin Hartmann über Artikel »Deutschland und der Islam« von ʿAbd al-ʿAziz Jawish, September 1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21136.
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Mit der Forderung bzw. Behauptung einer islamischen Einheit griffen die proosmanischen NfO-Akteure eine Debatte muslimischer Reformer der Vorkriegszeit auf. Jawish und Hamza bezogen sich zuweilen auf die bekannten Reformer ʿAbduh und al-Afghani, die zu den zentralen Vertretern der »panislamischen Idee« erklärt wurden.706 Neben der islamischen Einheit spielten auch die Modernisierungsthemen dieser Reformer in den NfO-Diskursen eine Rolle. Die generelle Behauptung war, dass der Islam grundsätzlich zu Reformen fähig sei. Oppenheim sprach vom »Islam als Freund des Fortschritts«707 und Jawish betonte, dass der Islam dabei sei, sich zu reformieren.708 Wie so oft galt dabei das Osmanische Reich als Ausgangspunkt der positiven Veränderungen. Reformen des Ehe- und Familienrechts, welche die Stellung der Frau im Reich stärkten, wurden hierbei besonders gelobt.709 Das stellte einen klaren Bruch zu den Vorkriegsbildern her, wo Islam mit Stagnation in Verbindung gebracht wurde. Der Islam wurde in Deutschland während des Krieges zwar als barbarisch dargestellt, dennoch erachteten Akteure aus Politik und Wirtschaft eine Zusammenarbeit für möglich und nötig.710 NfO-Autoren waren darum bemüht nachzuweisen, dass nicht der Islam selbst an der Rückständigkeit schuld sei. Vielmehr sei diese »[die] Folge einer langen Reihe oft ganz verschiedenartiger Umstände, [sie] war das Ergebnis unzähliger Ursachen, welche die allgemeine Entwicklung der Menschheit […] erzeugte.«711 Die Rückständigkeit habe keine zivilisatorischen oder ideell-religiösen, sondern materielle Ursachen.712 Die äußeren Gründe waren zum einen die koloniale Unterdrückung. Hamza schrieb: »Nur in den Ländern, in denen das Licht der Freiheit fehlt, welkt die Blume des islamischen Mutes ruhmlos dahin.«713 Zum anderen wurde die Rückständigkeit, ganz im Sinne der muslimischen Reformer, zu einer Bildungs- und Erziehungsfrage erklärt: »Der Islam ist gewiß kein Hindernis für die Durchführung hygienischer Reformen. Nur ist seinen Bekennern im niederen Volke beizubringen, daß körperliche und religiöse Reinheit im Einklang stehen müssen […].«714 Die Intentionen dieser Repräsentationen sind relativ klar.
706 Hamza, Der Panislamismus, in: Die Islamische Welt 1/7 (1917), S. 384-386, hier: S. 384 und ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Islam und Reform, in: Die Islamische Welt 1/11 (1917), S. 629-633, hier: S. 633. 707 Oppenheim 1917, S. 11. 708 Jawish, Islam und Reform, in: Die Islamische Welt 1/11 (1917), S. 629-633, hier: S. 633. 709 Hartmann, Die Probleme der Islamwelt, in: Die Islamische Welt 2/2 (1918), S. 5-8. 710 Habermas 2014. 711 Was ist muselmanischer Fanatismus?, in: Die Islamische Welt 1/4 (1917), S. 201-204, hier: S. 203. 712 Jawish, Muslimische Beschwerden, in: Die Islamische Welt 1/12 (1917), S. 693-696, hier: S. 693. 713 Hamza, Die muselmanischen Völker im Kampf, in: Die Islamische Welt 1/10 (1917), S. 565-567, hier: S. 566. 714 Vorbedingungen zur Hebung der Volksgesundheit im Orient, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/11 (06.03.1917), S. 463-465, hier: S. 464.
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Die NfO-Akteure wollten einem in Deutschland vorherrschenden negativen Islambild entgegenwirken und die islamische Welt und insbesondere das Osmanische Reich als verlässlichen Partner darstellen. Darüber hinaus sollte die Möglichkeit der wirtschaftlichen Entwicklung wohl auch unterstreichen, dass Investitionen für die deutsche Industrie sinnvoll wären. Die Prämisse, dass der Islam, der in den Texten selten differenziert betrachtet wurde, rückständig sei, ist Teil des generellen NfO-Hebungsdiskurses, welcher eine teleologische Entwicklung der Menschheit voraussetzte. Nur, wo Reformen für nötig erachtet werden, ergibt es Sinn, Reformen vorzuschlagen. Zwar postulierten deutsche NfO-Autoren eine Möglichkeit der Entwicklung, setzten damit aber implizit eine aktuelle Rückständigkeit voraus: »Im Orient blieb es bei dem alten System: der unhistorischen Arbeitsweise, die sich nicht um die Entwicklung kümmert, die nur das Gewordene, nicht das Werdende sieht und so selbst sich um die genaue Erkenntnis des Seienden, Tatsächlichen bringt; die Zusammenhänge werden nicht erkannt, weder die kausalen noch die realen. Daher auch jenes Nichtbegreifen der Frankenwelt und die Abschließung gegen das fränkische Kulturleben.«715 Weniger für die nichtdeutschen, sondern eher für die deutschen Akteure gelten solche Passagen wohl auch der Selbstvergewisserung, dass der Partner – die islamische Welt – zwar entwickelt ist, aber eben nicht so entwickelt wie die »Frankenwelt«.
Konfliktlinien im Nahen und Mittleren Osten Obwohl in den Publikationen der Nachrichtenstelle für den Orient das Bild einer islamischen Einheit und des Osmanischen Reichs als Führungsmacht im Nahen und Mittleren Osten vorherrschte, konnten auch die NfO-Akteure bestehende nationale und religiöse Unterschiede nicht ignorieren. Kurz nach Kriegsausbruch spielte in Debatten des Osmanischen Reichs der Topos des Verrats eine Rolle. Obwohl aufgrund des Krieges innerer Zusammenhalt demonstriert werden sollte, kamen nach Beginn des Krieges Unterstellungen auf, dass nichttürkische und nichtmuslimische Gruppen im Osmanischen Reich an dessen Zersetzung arbeiten und die Entente unterstützen würden. In dieser Perspektive waren Armenier und Kurden Vasallen Russlands, Juden und arabische Muslime Unterstützer Großbritanniens, arabische Christen Gefolgsleute Frankreichs und orthodoxe Christen Anhänger Griechenlands.716 Von diesem Klima beeinflusst beschrieben sowohl die deutschen als
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Hartmann, Die Probleme der Islamwelt, in: Die Islamische Welt 3/7-8 (1918), S. 224-228, hier: S. 225. Aksakal 2014, S. 337.
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auch die nichtdeutschen NfO-Akteure verschiedene Gruppen in ihren Publikationen.717 Die Repräsentationen dieser Gruppen lassen sich zwar nicht von den Vorurteilen und Stereotypen der Vorkriegszeit trennen, erfuhren jedoch zuweilen eine Transformation. Für Martin Hartmann etwa war vor dem Krieg der ideale Bewohner des Nahen und Mittleren Ostens ein syrischer Christ,718 eine Position, die in den Diskursen der Arabischen Abteilung während des Krieges so nicht zu finden ist. Für die Arabische Abteilung spielten hierbei vor allem zwei Unterscheidungen eine Rolle. Die zentrale Konfliktlinie, welche die NfO-Akteure beschrieben und durch ihre Darstellungen zementierten, bestand zwischen türkischen und arabischen Bevölkerungen im und außerhalb des Osmanischen Reichs. Diese Konfliktlinie zog sowohl die osmanische Gewaltherrschaft in der Levante durch Cemal Pascha als auch die Arabische Revolte durch Scherif Husayn nach sich, welche beide relevante Themen für die NfO-Autoren wurden. Die zweite wichtige Differenzierung in den NfO-Texten war die zwischen arabischen Christen und Muslimen. Hier wurden weitaus stärkere Unterschiede postuliert als in der rhetorischen Differenzierung zwischen Türken und Arabern. Im Gegensatz zur Unterscheidung von Türken und Arabern hatte die Grenzziehung zwischen arabischen Muslimen und Christen in der Politik vor Ort quasi keine Folgen. Die Konfliktlinien wurden sehr unterschiedlich beschrieben. Während zumeist die Einheit von Türken und Arabern in den NfO-Publikationen postuliert wurde, wurden arabische Christen arabischen Muslimen in der Regel gegenübergestellt. Die NfO-Diskurspositionen hinsichtlich der arabisch-türkischen Konfliktlinie schwankten zwischen der Betonung der Einheit von Arabern und Türken einerseits sowie der Bevorzugung von Türken bzw. der Unterordnung von »Partikularinteressen« unter osmanische Bedürfnisse andererseits. Als interne Spannungen im Osmanischen Reich zunahmen, nahmen auch arabische proosmanische Publikationen zu. Proosmanische Akteure verwendeten gerne islamische Rhetorik, welche die Einheit der muslimischen Gemeinde (arab. umma) betonte.719 Während diese Rhetorik für Akteure wie ʿAli Shamsi, welcher der Hohen Pforte überaus distanziert gegenüberstand, keine Rolle spielte, beschworen proosmanische NfO-Akteure die Eintracht bzw. »Verbrüderung«720 zwischen Türken und Arabern:
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Ähnliches lässt sich auch bei deutschen Soldaten im Nahen und Mittleren Osten beobachten. Auch wenn sie für die NfO-Diskurse keine Rolle spielten, waren ihre Beschreibungen lokaler Bevölkerungen massiv durch die Einschätzungen osmanischer Akteure – zumeist Offiziere – beeinflusst. Jan Christoph Reichmann, »Tapfere Askers« und »Feige Araber«: Der osmanische Verbündete aus der Sicht deutscher Soldaten im Orient, 1914-1918, Münster 2009, S. 402. 718 Kramer 1989, S. 284-285. 719 Cleveland 1986. 720 Hamza, Der Panislamismus, in: Die Islamische Welt 1/7 (1917), S. 384-386, hier: S. 385.
4. Die Diskurse
»In ihrer Eigenschaft als Verbündete der Türkei lieben sie [die Araber, SK] alles, was diese stärkt, und wenden sich von allem ab, was zu ihrer Schwächung beiträgt; eine der wichtigsten Ursachen zu ihrer Stärkung liegt aber in der richtigen Behandlung der Araber.«721 Zudem seien die Araber im Osmanischen Reich die einzigen freien Araber der Welt, sodass die Befreiung des restlichen arabischsprachigen Nahen und Mittleren Osten von den europäischen Kolonialmächten von dort ausgehen müsste.722 Die Entente spielte auch in diesem Diskurs eine Rolle. Schließlich versuche sie, dafür zu sorgen, dass der Nahe und Mittlere Osten gespalten würde:723 »Das Nationalitätenprinzip hat die Völker weiter auseinandergerissen, als es jemals vorher der Fall war.«724 Keineswegs waren den NfO-Akteuren, die aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer biografischen Werdegänge über eine Expertise der Region verfügten, die internen Konflikte des Osmanischen Reichs unbekannt. Auch innerhalb der Nachrichtenstelle gab es Stimmen, die der Ansicht waren, dass sich das Osmanische Reich langfristig mit den Forderungen der Minderheiten auseinandersetzen müsse. Martin Hartmann schrieb etwa: »Es wird dabei verkannt, daß die Strömung für die Rechte der kleinen Nationalitäten innerhalb der großen Staatswesen heute ständig anwächst, und daß auch das Osmanische Reich diesem Gedanken Rechnung zu tragen, nicht wird umhin können.«725 In einem Schreiben an Schabinger von Schowingen drückte Hartmann die Spannungen im Osmanischen Reich noch drastischer aus: »[Der] Araber [ist] von gleichem Hasse gegen die Nationaltürken beseelt, eben als Araber, und weil er wohl mit Recht fürchtet, dass diese für den nationalen Gedanken begeisterten Türken, von nationaler Begeisterung bei den anderen Völkern nichts wissen wollen.«726 (Muslimische) »Araber« wurden in diesen Texten als homogene Gruppe verstanden; sie wurden aufgrund des Merkmals der gemeinsamen Sprache zu einer in sich geschlossenen Gruppe zusammengefasst. Dadurch erfolgte in den NfO-Texten die Übernahme des arabisch-nationalistischen Diskurses, der eine Gemeinschaft aufgrund von Sprache konstruierte. Implizit wurde damit also auf einen Diskurs Bezug genommen, welcher der ei-
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Arslan, Die Araber und die Engländer, in: Der Neue Orient 1/6 (20.06.1917), S. 263-266, hier: S. 266. Scrutator, Islamisch-deutsche Aufgaben, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 57-58. Die Araber und der Krieg, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/30 (19.05.1916), S. 180-181, hier: S. 180 und Moritz, Arabien, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 245-250, hier: S. 246. Willy Haas, Die Notwendigkeit der Türkei, in: Die Islamische Welt 1/4 (1917), S. 236-238, hier: S. 236. Martin Hartmann, Die Probleme der Islamwelt: Soziologisch dargestellt [II. Teil], in: Die Islamische Welt 2/2-3 (1918), S. 75-78, hier: S. 75. Hartmann an Schabinger von Schowingen, 18.12.1914, ULB ST, DMG Yi 116 I S.
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gentlich beabsichtigen Rhetorik einer Einheit der Region ausschließlich auf der Basis des Islam entgegenstand. Das Deutsche Reich tendierte aber dazu, die arabischen Unabhängigkeitsbestrebungen zu ignorieren bzw. als innerosmanisches Problem (»häuslicher Streit«727 ) zu sehen.728 Die arabisch-nationalen Interessen wurden den Interessen des Osmanischen Reichs untergeordnet.729 Daher bat von Wesendonk darum, dass NfO-Akteure möglichst keine Kritik an den Jungtürken üben oder sich in innerosmanische Verhältnisse einmischen.730 Von Kühlmann schrieb hinsichtlich der Idee einer deutschen Beeinflussung arabischer Truppen im osmanischen Heer: »Es könnte dies als eine Einmischung in türkische Angelegenheiten angesehen werden.«731 Das Osmanische Reich galt in der deutschen Kriegsrhetorik als Führungsmacht: »Auch der islamische Orient hat seine Existenzberechtigung, und die Türkei als die einzige unabhängige islamische Macht ist dazu bestimmt, die Führung in der Neubelebung des Orient zu übernehmen.«732 Damit zusammen hing ein Bild, das Türken als Ethnie eine besondere Kompetenz zur Führung zusprach: »Die Türken sind ein Herrschervolk.«733 Entsprechend kritisch äußerte sich Hartmann über Araber:734 Türken seien »gute Europäer« – eine Beschreibung, die in NfO-Texten eher die Ausnahme darstellt –, die bedroht seien von »arabischen Fanatikern«: »Ich glaube, wir dürfen uns über ein Zusammenarbeiten mit den Arabern keine Illusionen machen.«735 Prüfer drückte dies in einem Bericht an von Wangenheim wie folgt aus: »Bei den feigen und nur mit dem Munde patriotischen Arabern und insbesondere den Egyptern ist nur durch umfangreichste Bestechung vielleicht etwas zu erreichen.«736 Neben der wohlwollenden Rhetorik mit Blick auf den Bündnispartner spielt seitens der deutschen NfO-Akteure sicher auch 727 728 729 730 731 732
Hartmann an von Oppenheim, 02.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. McKale 1993, S. 246. Sinno 2006, S. 407-408. Von Wesendonk an Romberg, 29.10.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1533. Von Kühlmann an AA, 24.11.1916, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1526. Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 291. 733 Ebd., S. 290. In Berichten deutscher Soldaten findet sich hingegen häufig das Bild unfähiger Türken bzw. Osmanen. Reichmann 2009, S. 400. 734 Wegen dessen proarabischer und antitürkischer Haltung vor dem Krieg machte sich von Oppenheim vor der Einstellung Hartmanns zunächst Sorgen, dieser könnte seine polemische, antiosmanische Rhetorik auch während seiner Tätigkeit für die NfO weiterführen. Korrespondenz von Oppenheim mit von Wesendonk, Juli 1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. Die Sorge erwies sich als unbegründet. 735 Hartmann an von Oppenheim, 02.09.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1502. 736 Prüfer an von Wangenheim, 09.02.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21129. Das Bild des bestechlichen Arabers war auch unter deutschen Soldaten weit verbreitet. Reichmann 2009, S. 403.
4. Die Diskurse
die Übernahme eines »osmanischen Orientalismus« (Ottoman Orientalism) eine Rolle, der die arabischen Gebiete des Reichs als rückständig und korrupt darstellte.737 Das hatte sicherlich Konflikpotenzial, da die arabischsprachigen Kollegen diese Ansicht wohl kaum geteilt haben. Die nichtdeutschen, arabischsprachigen Autoren beschrieben ihre Herkunftsländer verständlicherweise nicht als rückständig. Sie tendierten dazu, wie im Fall von Hamza und Abu l-Fadl, arabische Kulturleistungen zu betonen oder das Themenfeld gänzlich zu umschiffen.738 Die real existierenden Spannungen im Osmanischen Reich zwischen der arabischen Separationsbewegung und der Zentralregierung führten dazu,739 dass der Marineminister Cemal Pascha 1915 nach (Groß-)Syrien geschickt wurde, um die osmanischen Interessen vor Ort durchzusetzen. Durch die Exilierung und Hinrichtung arabischer Notabler versuchte Cemal Pascha, die Macht der Jungtürken vor Ort zu sichern.740 Es sollte vor allem die arabische Elite geschwächt werden, die der Zentralisierung des Landes im Wege stand.741 Generell lässt sich sagen, dass das Deutsche Reich die Gewaltexzesse der osmanischen Politik in der Levante nicht kritisierte.742 Auch in den NfO-Publikationen finden sich eher abmildernde oder rechtfertigende Positionen: »Wir wissen längst, daß der außerordentlich energische gegenwärtige Verwalter Syriens, Dschemal Pascha (der Kommandant des IV. Armeekorps in Damaskus), seine Aufgabe, als oberster militärischer Leiter sämtlicher syrischer Provinzen in dem leicht der Erregung unterworfenen und zur Unbotmäßigkeit neigenden Lande selbst nach dem Rechten zu sehen und überall Ordnung zu schaffen, sehr ernst nimmt […].«743
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Ussama Makdisi, der den Begriff des Osmanischen Orientalismus als Spiegelung europäischer Orientalismen eingeführt hat, meint dazu: »In an age of Western dominated modernity, every nation creates its own Orient.« Makdisi 2002, S. 768. Die Beschreibung arabischer Dichtung (Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl) und Liebeslieder (Abd alMalik Hamza) findet sich jedoch nicht in Publikationen, die direkt von der Nachrichtenstelle herausgebracht wurden. Abu l-Fadl, Pilgerfahrten durch die Wüste von Medina nach Mekka, in: Berliner Tageblatt (Beilage) (07.05.1917), o.S. und Hamza, Das Liebeslied in der arabischen Dichtkunst, in: Die Islamische Welt 3/7-8 (1918), S. 208-210. S. Kap. 4.2.2 Arabische und islamische Debatten um 1900. Çiçek 2014b, S. 266. Cemal Pascha ist noch heute im arabischsprachigen Nahen und Mittleren Osten unter dem Beinamen al-Saffah (Der Schlächter) bekannt. Masters 2013, S. 219. Dieser Name stammte jedoch aus der Zwischenkriegszeit und diente vor allem als Abgrenzungsbegriff, der verdeutlichen sollte, wie brutal die osmanische Herrschaft war und dass deren Ende daher begrüßenswert sei. Çiçek 2014b, S. 270. Çiçek 2014a, S. 462. Sinno 2006, S. 407-408. Hartmann, Französisches Liebeswerben um den Islam, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/32 (05.06.1916), S. 194-196, hier: S. 195.
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Darüber hinaus wisse das Osmanische Reich selbst am besten, wie es mit Hochverrätern umzugehen habe. Die Vorwürfe der Entente hinsichtlich der Brutalität seien daher nicht angemessen.744 Zuweilen wurde die Unterdrückung der arabischen Bewohner des Reichs durch die Türken schlichtweg geleugnet, wie in einem Beitrag von Maurus, in dem dieser ausführte, dass es sich dabei um ein von der Entente gestreutes Gerücht handeln würde.745 Erst im Laufe des Krieges schwenkte Hartmann um und formulierte erstaunlich kritische Ansichten: »Die Widerstände, die durch die unrichtige Behandlung hervorgerufen wurden, legten übrigens der Türkei schwere Opfer auf, ohne erhebliche Ergebnisse zu zeitigen.«746 Auch bei diesem osmanischen Thema finden sich in den Publikationen und internen Korrespondenzen keine Äußerungen jener nichtdeutschen Akteure, die keine besonders ausgeprägten Beziehungen zur Hohen Pforte pflegten. In einer arabisch-nationalen Rückschau auf den Krieg wurde Cemal Paschas Gewaltherrschaft in der Levante als Grund für den Ausbruch der Arabischen Revolte erklärt;747 tatsächlich war wohl jedoch eher der Wunsch von Husayn b. ʿAli nach Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich ausschlaggebend.748 Die Arabische Revolte 1916 wurde zu einem Schlüsselereignis für die Arabische Abteilung der NfO und veränderte den Diskurs, der die Konfliktlinie zwischen Türken und Arabern beschrieb, endgültig. Von Oppenheim war vor dem Krieg davon überzeugt, dass der Scherif von Mekka dem Osmanischen Reich gegenüber loyal sei und bleibe. Im Laufe des Krieges kamen Berichte aus der Region (von Prüfer und Moritz) nach Berlin, dass zwischen dem Scherif von Mekka und den Osmanen Spannungen bestünden.749 Dennoch traf sich von Oppenheim noch im Frühjahr 1916 mit dessen Sohn Faisal, beriet sich und berichtete am Ende ans AA, dass das Verhältnis ungestört sei.750 Der Ausbruch der Revolte war für die Nachrichtenstelle äußerst ungünstig, sollte die proosmanische Propaganda auf der Halbinsel doch eigentlich vom Scherifen von Mekka übernommen werden.751 Der Umgang mit dem Aufstand in den Publikationen der Nachrichtenstelle war vielschichtig und adressierte sowohl deutsche als auch arabischsprachige Le744 Die Wahrheit über die syrische Frage, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/8 (22.01.1917), S. 311-314. 745 Maurus, Arabische Presse und Weltkrieg, in: Der Neue Orient 1/7 (09.07.1917), S. 310-312, hier: S. 312. 746 Hartmann, Die Probleme der Islamwelt, in: Die Islamische Welt 2/2-3 (1918), S. 75-78, hier: S. 75. 747 Masters 2013, S. 220. Aber auch die Jungtürken hatten die Sorge, dass Cemals Maßnahmen die Revolte begünstigt hätten. Çiçek 2014b, S. 267. 748 Schulze 2003, S. 77. 749 Donald M. McKale, German Policy toward the Sharif of Mecca, 1914-1916, in: The Historian 55/2 (1993), S. 303-314, hier: S. 306-307. 750 Ebd., S. 307-308. 751 Wangenheim an AA, 21.06.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21134.
4. Die Diskurse
ser. Zum einen findet sich erst sehr spät ein Hinweis auf politische Unruhen auf der Arabischen Halbinsel. Im Korrespondenzblatt taucht erstmals am 27.09.1916, also drei Monate nach Beginn der Revolte, eine Notiz dazu auf.752 In der gleichen Ausgabe wurden Loyalitätsbekundungen arabischer Stämme für den Sultan-Kalifen angeführt,753 wahrscheinlich mit der Absicht, den Lesern die Einheit und Homogenität der »islamischen Welt« zu suggerieren. In El Dschihad tauchte die Arabische Revolte selbst nicht auf. Erst 1918 wurden »Unruhen« auf der Arabischen Halbinsel genannt, die jedoch in keinen größeren geopolitischen Zusammenhang gesetzt wurden.754 Die osmanisch-arabischen Spannungen tauchten in El Dschihad generell nur vereinzelt auf. Viel wichtiger war das Thema der Einheit bzw. Freundschaft.755 Die Revolte wurde beschrieben als »aussichtsloser Putschversuch«756 des Emirs, der auf die Bestechungen Großbritanniens angesprungen sei. Sie könne sowohl aus moralischen als auch aus finanziellen Gründen nicht aufrechterhalten werden.757 Die Revolte sei zudem in der »islamischen Welt« nicht anerkannt und werde abgelehnt.758 Gegenpositionen, etwa von Syrern in Ägypten wie Rashid Rida und Rafiq al-ʿAzm, welche die Arabische Revolte guthießen,759 wurden als britisch inspiriert deklariert.760 Generell wurde die Revolte als britisches Machwerk verstanden.761 In der NfO-Rhetorik dominierte das Thema der Arabischen Revolte als Versuch der 752 Sand in die Augen!, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/48-49 (27.09.1916), S. 301. 753 Kurze Nachrichten aus der Türkei, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/48-49 (27.09.1916), S. 302. 754 Al-ʿArab wa-l-Badw [Die Araber und die Beduinen], in: El Dschihad 78 (10.06.1918), S. 2. 755 Etwa im Fall von Ägypten und dem Osmanischen Reich. Fi Tariq Tahrir Wadi al-Nil: Khitab Jamal Basha [Auf dem Weg zur Befreiung des Nildeltas: Eine Ansprache von Cemal Pascha], in: El Dschihad 4 (23.04.1915), S. 3. 756 Sand in die Augen!, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/48-49 (27.09.1916), S. 301 757 Moritz, Arabien, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 245-250, hier: S. 248-249 und Jawish, Das Kalifat, in: Die Islamische Welt 2/1 (1918), S. 1-4, hier: S. 4. 758 Der Aufstand im Hedschas, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 49-51, hier: S. 51 und Ägyptische Urteile über den Aufstand im Hedschas, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/4 (20.11.1916), S. 118. 759 Tatsächlich war die Stimmung im arabischsprachigen Nahen und Mittleren Osten jedoch durch die Herrschaft von Cemal Pascha angeheizt, sodass etwa seitens in Ägypten lebender Syrer wohlwollende Stimmen (z.B. von Rashid Rida oder Rafiq al-ʿAzm) laut wurden. Kayalı 1997, S. 198. 760 Farid 1917, S. 34, Ägyptische Urteile über den Aufstand im Hedschas, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/4 (20.11.1916), S. 118 und Rashid Rida, Der Aufstand im Hedschas, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/3 (04.11.1916), S. 84-85. 761 Muhammad Farid, Die arabische Bewegung, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/11 (06.03.1917), S. 459 und ders. 1917, S. 33.
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Spaltung des Islam. Farid schrieb : »Le mouvement arabe, qu’on devrait appeler pour être plus exact, le mouvement anglais en pays d’Islam, est une invention anglaise.«762 Im Korrespondenzblatt wurde ein Beitrag vom Anführer der Sanusiyya Ahmad al-Sanusi abgedruckt, in dem er dem Scherifen vorwarf, mit seinen Taten, der Spaltung des Islam, den »Zorn Gottes«763 heraufzubeschwören. Jawish und andere unterstrichen, dass der Kalif weiterhin der Sultan in Istanbul sei und auf keinen Fall angenommen werden könne, dass sich dies verändert habe.764 Der Diskurs um die Arabische Revolte wurde in der NfO vor allem in einer religiösen und antikolonialen Sprache geführt. Der zeitgenössische Diskurs – sowohl des Scherifen als auch seiner Kritiker – bediente sich religiöser Rhetorik.765 Eugen Rogan spricht daher von der Arabischen Revolte auch als counter-jihad.766 Nationalismus spielte bei der NfO, wie auch in der zeitgenössischen Polemik gegen die Arabische Revolte generell,767 keine Rolle. Weder der deutsche noch der osmanische Diskurs konnte sich offen antiarabisch artikulieren, da ja die arabischen Bevölkerungen des Osmanischen Reichs häufig die Adressaten dieser Publikationen waren. Kritik am Umgang der Hohen Pforte mit der Arabischen Revolte war in den Texten der NfO quasi inexistent. Nur ganz leise und verhalten wurden Vermutungen geäußert, dass die Revolte hätte verhindert werden können. Bernhard Moritz schrieb, dass der Ausbau des Bahnsystems auf der Halbinsel es ermöglicht hätte, die Rebellion besser zu unterdrücken.768 Die antiarabische Politik des Osmanischen Reichs wurde jedoch nirgends als mögliche Ursache für die Revolte genannt. Die zweite wichtige Konfliktlinie in den NfO-Texten war die Unterscheidung von Christen und Muslimen. In einem frühen Sitzungsprotokoll sprach sich Eugen Mittwoch, damals noch Leiter der Arabischen Abteilung, gegen eine allzu starke Verwendung religiöser Differenzen, insbesondere zwischen Christentum und Islam, aus, da dies nur zu Gegensätzlichkeiten und Konflikten führen würde.769 Dennoch ist die Unterscheidung von Christen und Muslimen in den Texten der NfO zu finden. Wo diese Unterscheidung auftaucht, ist sie von antichristlicher
762 Ebd., S. 6. 763 Ahmad al-Sanussi, Absage an die Verräter des Islams, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/1 (06.10.1916), S. 7-8. 764 Jawish, Das Kalifat, in: Die Islamische Welt 2/1 (1918), S. 1-4, hier: S. 4 und Der Aufstand im Hedschas, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 49-51, hier: S. 51. 765 Joshua Teitelbaum, The Man Who Would Be Caliph: Sharīfian Propaganda in World War I, in: Erik Jan Zürcher (Hg.), Jihad and Islam in World War I: Studies on the Ottoman Jihad at the Centenary of Snouck Hurgronje’s »Holy War Made in Germany«, Leiden 2016, S. 275-304, hier: S. 284. 766 Rogan 2016, S. 14. 767 Cleveland 1986, S. 93. 768 Moritz, Arabien, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 245-250, hier: S. 248. 769 Sitzungsprotokoll der Nachrichtenstelle für den Orient, 18.05.1915, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1501.
4. Die Diskurse
Polemik geprägt. Dies überrascht bei einer deutschen Organisation, deren feste Mitarbeiter größtenteils in irgendeiner Form christlich sozialisiert worden waren. Zentraler Topos war, dass die arabischen Christen die europäischen Kolonialmächte unterstützte in der Hoffnung, unter europäische Herrschaft zu gelangen. Während Muslime gegen die Kolonialmächte seien, seien Christen dafür.770 Entsprechend wurde die Gruppe in NfO-Texten dann zu »christlich-syrischen Französlingen«771 . Farid führte auch den ersten arabischen Kongress in Paris 1913 an und behauptete, dass dieser von christlichen Syrern ausgegangen sei, die von der französischen Regierung – genauer: vom damaligen Außenminister Stéphen Pichon – dazu verleitet worden wären.772 Gegenüber einer vermeintlich profranzösischen Haltung drückte der anonyme Autor Maurus Unverständnis aus, da es ihnen im Osmanischen Reich gut gehe.773 Hartmann ging sogar so weit, zu behaupten, dass die muslimischen Araber in Wahrheit von den christlichen Arabern unterdrückt würden.774 Jawish, der bereits vor dem Krieg durch antichristliche Polemik aufgefallen war, schrieb über die Kopten in Ägypten, dass die meisten von ihnen mittlerweile probritisch, »protestantisch und Mitglieder der englischen Kirche«775 seien. Die christlichen Syrer in Ägypten waren für ihn allesamt probritisch oder profranzösisch.776 Generell sahen antibritische, proosmanische Ägypter die Syrer im Nilland als Eindringlinge und Kollaborateure der Entente.777 In diesem Zusammenhang fand eine bemerkenswerte Form des Othering statt. Arabischen Christen wurde in NfO-Texten ihr Arabertum abgesprochen. Sie seien in Wahrheit keine Araber, sondern Phönizier.778 In Bezug auf die profranzösische Propaganda in der Levante schrieb Maurus: »So [durch Einflussnahme der Entente, SK] erklärt sich die breite Front einer sogenannten arabischen Presse, die in keiner Weise als Vertreterin arabischer Interessen betrachtet werden darf, da sie vielmehr das Kampfmittel einer in arabischem 770 Hartmann, Französisches Liebeswerben um den Islam, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/32 (05.06.1916), S. 194-196, hier: S. 194. 771 Maurus, Was Syrien nach dem Krieg zu erwarten hätte, in: Der Neue Orient 1/17 (08.12.1917), S. 219-221, hier: S. 219. 772 Farid 1917, S. 31. 773 Maurus, Was Syrien nach dem Krieg zu erwarten hätte, in: Der Neue Orient 1/17 (08.12.1917), S. 219-221, hier: S. 221. 774 Hartmann, Französisches Liebeswerben um den Islam, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/32 (05.06.1916), S. 194-196, hier: S. 194. 775 Jawish, Ägypten und der Krieg, in: Nord und Süd: Eine deutsche Monatsschrift 40/156 (1916), S. 32-40, hier: S. 35. 776 Ebd. 777 Ryad 2016, S. 307. 778 Maurus, Arabische Presse und Weltkrieg, in: Der Neue Orient 1/7 (09.07.1917), S. 310-312, hier: S. 310. Einige libanesische Nationalisten vertraten diese Position selbst. S. Asher Kaufman, Reviving Phoenicia: The Search for Identity in Lebanon, London 2004
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Gebiet (Syrien) beheimateten und sich der arabischen Sprache bedienenden Minderheit gegen die wirklicharabische [sic! Hervorhebung im Original] Majorität darstellt.«779 Wie bei der Unterscheidung zwischen Türken und Arabern spielten in der Differenzierung zwischen Christen und Muslimen Vorkriegsprägungen eine Rolle. Sowohl die muslimischen NfO-Akteure als auch christliche NfO-Akteure lehnten christliche Araber ab, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Muslimische Vertreter der arabischen Nationalbestrebungen störten sich bereits vor dem Krieg daran, dass sich arabische Christen als Repräsentanten arabischer Kultur und Sprache erklärten; schließlich war der Koran auf Arabisch.780 Aber auch Max von Oppenheim war während seiner Zeit in Kairo vor dem Krieg davon überzeugt, dass christliche Syrer nicht deutschlandfreundlich seien.781 Die NfO-Publikationen, welche die Konfliktlinie Türken-Araber zum Thema hatten, überstiegen in der Zahl die Beschreibung der Konfliktlinie ChristenMuslime. Der Grund hierfür mag sein, dass die arabisch-türkischen Spannungen sich in realen politischen Auseinandersetzungen manifestierten. Ausschließlich deutsche NfO-Akteure hoben die Konfliktlinie Türken-Araber besonders hervor. Proosmanische, nichtdeutsche Akteure hingegen betonten vor allem die Einheit aufgrund der gemeinsamen Religion. Vom osmanischen Reich distanzierte muslimische NfO-Akteure äußerten sich hierzu kaum. Die Konfliktlinie ChristenMuslime wurde – überraschenderweise – von NfO-Akteuren unabhängig von ihrer Herkunft bedient.
Das Verhältnis der Entente und Deutschlands zu Islam, Kalifat und Osmanischem Reich In den Publikationen der Nachrichtenstelle für den Orient ist die Gegenüberstellung der jeweiligen Beziehung der Entente und Deutschlands zum Osmanischen Reich, zum Kalifat und zum Islam ganz zentral. Während das Verhältnis der Entente zum Osmanischen Reich eher negativ dargestellt wurde, spielte im Fall von Deutschland der Aspekt der Freundschaft eine wichtige Rolle. Die Entente wurde zum absoluten Feind des Islam stilisiert und war im Gegensatz zur Dschihadisierungsrhetorik als Thema von Anfang bis Ende des Krieges im NfO-Material präsent. Großbritannien, Frankreich und Russland waren in
779 Maurus, Arabische Presse und Weltkrieg, in: Der Neue Orient 1/7 (09.07.1917), S. 310-312, hier: S. 312. 780 Dawn 1973, S. 132. 781 Marc Hanisch, Max von Oppenheim und die ideologische Ethnisierung der orientalischen Frage, in: Rolf Hosfeld/Christin Pschichholz (Hg.), Das Deutsche Reich und der Völkermord an den Armeniern, Göttingen 2017, S. 278-292, hier: S. 288-289.
4. Die Diskurse
dieser Rhetorik, die sich vor allem an muslimische Soldaten und Zivilisten richtete, sowohl die Feinde (aʿdaʾ al-Islam)782 bzw. Erzfeinde des Islam (ʿadu al-ludud)783 als auch einfach die »Feinde der Menschheit und der Religion«784 generell. Im Zusammenhang mit solchen Behauptungen wurde eine Vielzahl von Beispielen aufgeführt, die belegen sollten, inwiefern die Entente tatsächlich die Muslime hassen würde. Einige davon bezogen sich direkt auf den Krieg: Die Entente hindere ihre Soldaten an der Durchführung religiöser Praktiken (etwa die korrekte Bestattung von Gefallenen),785 in der französischen Armee gebe es keine muslimischen Militärprediger, jüdische und christliche hingegen schon,786 Muslime würden als Kanonenfutter verwendet787 und Frankreich wolle den Islam durch den Islam zerstören, indem es Muslime gegen Muslime kämpfen lasse.788 Zuweilen wurden Kriegshandlungen auch als Angriffe auf die Religion dargestellt. Die britische Eroberung Jerusalems wurde zum Angriff auf die Heilige Stadt stilisiert. Ein direkter Bezug zum Krieg fehlte.789 Das zweite Thema war der postulierte Versuch der Entente, islamische Praktiken zu unterbinden und auf islamische Institutionen Einfluss zu nehmen bzw. diese zu zerstören. Die Entente würde zu verhindern versuchen, dass Muslime die Pilgerfahrt nach Mekka, die Hadsch, durchführen,790 Frankreich und Großbritannien würden islamische Gräber entweihen,791 Frankreich würde auf
782 Mittwoch 1914, S. 16, Maqsad Jaridatna [Ziel unserer Zeitung], in: El Dschihad 1 (05.03.1915), S. 1-2, hier: S. 1, Jawish 1915, S. 3 und al-Sharif 1915, S. 5. Zuweilen werden auch einzelne Länder herausgegriffen: »L’Angleterre, voilà l’ennemi.« Farid 1917, S. 41. 783 Mann Huwwa al-ʿAdu al-Ludud lil-Muslimin? [Wer ist der Erzfeind der Muslime?], in: El Dschihad 1 (05.03.1915), S. 3. 784 Al-Mursalat bayn Asir wa-Walidihi fi Ghudun hadhihi al-Harb al-Hadira [Der Briefwechsel zwischen einem Gefangenen und seinem Vater im Verlauf des aktuellen Kriegs], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,45. 785 Die Islamfreundlichkeit der Franzosen im Urteil eines Mohammedaners, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/9 (16.11.1915), S. 49. Auch ganz zentral in Bukabuya 1915, S. 27-28. 786 Ebd., S. 27. 787 Ruh Qiyadat al-Jaysh al-Faransawi [Die Gesinnung der Leitung des französischen Heeres], in: El Dschihad 6 (05.05.1915), S. 1. 788 Les Turcos à la Turquie, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1512. 789 Al-Injiliz Yarmun Bayt al-Muqaddas bi-l-Qanabil [Die Briten bombardieren Jerusalem], in : El Dschihad 60 (15.07.1917), S. 3. 790 Kirahiyyat al-Faransiyyin lil-Islam [Der Hass der Franzosen auf den Islam], in : El Dschihad 2 (27.04.1915), S. 2, al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 25 und Faridat al-Hajj fi hadha al-ʿAmm [Die Hadsch-Pflicht in diesem Jahr], in : El Dschihad 15 (20.08.1915), S. 2. 791 Saruq, Ein Ausschnitt aus der französischen Tyrannei in Tunis, in: Der Neue Orient 1/7 (09.07.1917), S. 312-316, hier: S. 315 und Kayf Yaʿbath al-Inkiliz bi-Qubur al-Mawta [Wie die Engländer mit den Gräbern der Toten spielen], in: El Dschihad 79-80 (06.07.1918), S. 4.
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muslimische Richter in Marokko Einfluss nehmen (und diese einsetzen),792 Frankreich zerstöre Moscheen und wolle den Koran verbieten lassen,793 Frankreich und Großbritannien würden immer wieder versuchen, den Einfluss des Kalifen in der »islamischen Welt« einzudämmen.794 Ein Teil der antikolonialen Rhetorik wurde von den deutschen NfO-Akteuren jedoch als indirekter Angriff auf deutsche Praktiken gewertet. Zuweilen setzten sich die nichtdeutschen Akteure mit christlicher Mission auseinander. Rabah Bukabuya kritisierte etwa die Praktiken der Weißen Väter in Nordafrika. Die Aktivitäten der katholischen Missionare würden zur Entzweiung in der Bevölkerung führen.795 Die deutschen Mitarbeiter der Nachrichtenstelle und das AA waren bei Missionskritik durch ihre nichtdeutschen Kollegen stets sehr aufmerksam, waren sich dabei jedoch bewusst, dass sich diese nicht unterbinden ließ: »Die Angriffe gegen die Missionare finden sich übrigens in allen Schriften der zur Zeit mit uns in Berührung befindlichen hervorragenden Muslime.«796 Darüber hinaus schrieb Rifʿat, dass es für ihn absurd sei, dass das christliche Großbritannien sich zum Schutzherrn des Sultans in Ägypten berufen fühle.797 Die Ähnlichkeit zum deutschen Engagement im Osmanischen Reich wurde dabei zwar nicht explizit gemacht, musste seinen deutschen Kollegen jedoch aufgefallen sein. Der zentrale Kritikpunkt an der Entente war jedoch, dass diese versuche, Muslime zu entzweien und die islamische Welt zu zerteilen bzw. unter sich aufzuteilen.798 In Bezug auf die Nahost- bzw. Islampolitik: »Mit anderen Worten also: die Orientpolitik der Franzosen und Engländer befolgt keinen andern Zweck, als den Islam an seiner Wurzel abzuschneiden und dem Verderben entgegenzuführen.«799 Die Teilungswünsche seien insbesondere auf das Osmanische Reich bezogen: »Die jüngste Vergangenheit der Türkei liefert den schlagendsten Beweis dafür, daß es unseren Feinden stets nur darauf ankam, die islamischen Völker unter sich
792 Bukabuya, Die marokkanischen Kaids unter der französischen Herrschaft, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/6 (22.12.1916), S. 220; der Aspekt des Gerichtswesens auch bei al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 26, dort jedoch bezogen auf Algerien. 793 Al-Sharif 1915, S. 7. 794 Farid 1917, S. 13-15 und S. 20. 795 Bukabuya, Die »Weißen Väter«, in: Die Islamische Welt 1/6 (1917), S. 352-353. 796 Schabinger von Schowingen an von Wesendonk, 24.11.1915, PA AA, Orientalia Generalia Nr. 9, R 14549. 797 Mansur Rifʿat, Wie England die religiösen Rechte von 300 Millionen Mohammedanern verletzt: Ein Wink für den Pseudosultan von Ägypten, in: Berliner Tageblatt (Beilage) (08.05.1915), S. 2. 798 Jawish 1915, S. 4. 799 Die Islampolitik der Franzosen, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/11 (03.12.1915), S. 61.
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zu entzweien und mit Kalifatsversprechungen jene Elemente zu locken, die der inneren Entwicklung der neuen Türkei so sehr hinderlich geworden sind.«800 Aber auch Tunesien, Algerien und Marokko seien eigentlich ein Land. Nur die französische Kolonialpolitik habe zur Trennung geführt.801 Dabei betreibe die Entente nicht nur eine politische Entzweiung, sondern sei durch die Einsetzung von GegenKalifen (»anti-khalife«802 ) auch darum bemüht, Muslime auf Basis der Religion auseinanderzutreiben. Das Mittel, mit dem die Entente versuche, die islamische Welt zu teilen, sei die Einführung des Nationalismus: »Wichtiger ist aber, daß der Nationalitätsgedanke von der französisch-englischen Politik geflissentlich in die mohammedanische Welt mit allen Mittel der Agitation eingepflanzt und ausgebreitet wurde, um zu ihrer Auflösung zu führen.«803 Gerade die arabische Nationalbewegung sei eine britische Erfindung und diene der Teilung des islamischen Nahen und Mittleren Ostens: »Il [le mouvement arabe, SK] est une suite de sa politique islamique ou plutôt anti-islamique.«804 Das Thema der Entzweiung wurde in direktem Gegensatz zum Thema der islamischen Einheit (s. vorheriges Kapitel) entworfen. Möglicherweise hatten die NfO-Autoren dabei das islamische Konzept der fitna (dt. Glaubensspaltung) vor Augen. Die verschiedenen Kriege und Abspaltungen in der frühislamischen Zeit wurden im islamischen Diskurs gemeinhin als fitna (Mehrzahl fitan) bezeichnet.805 Die geplante Aufteilung des Nahen und Mittleren Ostens zwischen Frankreich und Großbritannien in Form des Sykes-PicotAbkommens, das durch die Veröffentlichung russischer Geheimdokumente 1917 öffentlich wurde, galt in den Publikationen der Nachrichtenstelle als endgültiger Beweis für die bereits vermuteten Absichten.806 Generell lässt sich sagen, dass die Propaganda der Entente in den NfO-Texten dann als »Wahrheit« gesehen wurde, wenn die formulierten Ansichten und Informationen den deutschen Interessen nutzten. In jedem anderen Fall handelte es sich aus der NfO-Sicht um Lügen. Taithe/Thornton erklären dies zu einem Kernelement von Propaganda: Sämtliche gegnerische Berichterstattung ist Propaganda, die eigene jedoch Darstellung von Tatsachen.807 Berichtete ein britischer Journalist über die militärische Stärke der Deutschen,808 schrieb die französische Presse
800 Ebd. 801 Für das Maghreb und seine Befreiung, in: Der Neue Orient 1/2 (21.04.1917), S. 67-68 und alSharif/Sefaihi 1916, S. 30. 802 Farid 1917, S. 37. 803 Haas, Der Umschwung der englischen Orientpolitik, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/3 (04.11.1916), S. 79-81, hier: S. 80. 804 Farid 1917, S. 6. 805 Louis Gardet, Fitna, in: Encyclopaedia of Islam, 2. Aufl., Bd. 2, Leiden 1965, S. 930-931. 806 Politische Rundschau im Osten, in: Der Neue Orient 1/17 (08.12.1917), S. 213-218. 807 Taithe/Thornton 1999, S. 1. 808 Quwwat Almaniya [Die Stärke Deutschlands], in: El Dschihad 63-64 (04.12.1917), S. 2.
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über Widerstände in den Kolonien gegen den Wehrdienst809 oder über französische Ambitionen in Syrien,810 wurde dies in den NfO-Texten als Beleg für die Glaubwürdigkeit der eigenen publizistischen Tätigkeiten gewertet. Die positive Rezeption von Entente-Propaganda war jedoch ausgesprochen selten. Viel häufiger wurde die Entente der Lüge bezichtigt. Die vermeintliche Unehrlichkeit von Frankreich, Russland und Großbritannien war konstant Thema in NfO-Texten. Bereits im ersten Artikel von El Dschihad wurde behauptet, dass Deutschland an der Wahrheit interessiert sei, Frankreich, Großbritannien und Russland hingegen Lügen verbreiten würden.811 Den vermeintlichen französischen Lügen war sogar ein eigenes Flugblatt gewidmet: »Al-Akadhib al-Faransawiyya« (Die französischen Lügen).812 Mansur Rifʿat sprach von einem System »englischer Verräterei und Heuchelei«813 , Salih al-Sharif von französischer »Schliche«814 und »Listen«815 . Die Propagandabemühungen der Entente wurden darüber hinaus als unnütz dargestellt, etwa in dem Beitrag »Verlorene Liebesmüh«816 . Weder in Ägypten noch in der Levante sei die probritische und profranzösische Propaganda erfolgreich. Lapidar beschrieb dies der osmanische NfO-Mitarbeiter Halili Halid: »Verlorene Mühe, verlorenes Geld.«817 Im direkten Gegensatz zur Feindschaft zwischen der Entente und dem Islam wurde in NfO-Publikationen die Freundschaft zwischen Deutschland und dem Islam bzw. dem Osmanischen Reich konstruiert. Deutschland würde nicht zu den Feinden des Islam zählen, da es den Islam und Muslime nicht angreife.818 Im Gegensatz zu Frankreich, Großbritannien und Russland würde Deutschland wiederum den Islam nicht als Feind betrachten.819 Die muslimischen Kriegsgefangenen
809 Al-Tajnid fi Mustaʿmirat Faransa [Der Wehrdienst in den Kolonien Frankreichs], in: El Dschihad 29 (22.02.1916), S. 1. 810 Itmaʿ Faransa fi Bilad Suriya [Die Gier Frankreichs nach Syrien], in: El Dschihad 28 (05.02.1916), S. 2. 811 Maqsad Jaridatna [Ziel unserer Zeitung], in: El Dschihad 1 (05.03.1915), S. 1-2, hier: S. 1. 812 Al-Akadhib al-Faransawiyya [Die französischen Lügen], PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1510. 813 Mansur Rifʿat, Die Knechtung Ägyptens: Belastende Dokumente für englische Heuchelei, Berlin 1915a, S. 7. 814 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 5. 815 Al-Sharif 1915, S. 9. 816 Verlorene Liebesmüh, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/11 (06.03.1917), 463, aber auch Hartmann, Französisches Liebeswerben um den Islam, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/32 (05.06.1916), S. 194-196, hier: S. 194195. 817 Halil Halid, Die französische Propaganda in der arabischen Welt, in: Der Neue Orient 1/1 (07.04.1917), S. 8-9, hier: S. 9. 818 Al-Sharif 1915, S. 6. 819 Maqsad Jaridatna [Ziel unserer Zeitung], in: El Dschihad 1 (05.03.1915), S. 1-2, hier: S. 1.
4. Die Diskurse
in Deutschland seien daher auch keine Gefangenen, sondern Gäste.820 Aus der Freundschaft bzw. dem Bündnis würde für die Muslime, so Salih al-Sharif, folgen: »Es ist unsere Pflicht, daß wir unser Bündnis mit diesen streng beachten, daß wir gegen sie aufrichtig und gerecht sind, und sie mit unserem Vermögen, Waffen, Tieren und Leben verteidigen, so daß wir eine einzige Hand gegen unsern und ihren Feind bilden und unsere letzten Blutstropfen um dieses Ziel willen vergießen.«821 In den NfO-Texten wurde dabei betont, dass die Freundschaft sowohl zwischen Völkern als auch zwischen Einzelpersonen bestehe. So sei das ganze deutsche Volk daran interessiert, die islamische Welt zu unterstützen.822 Weitaus bedeutender für die Rhetorik der Arabischen Abteilung war jedoch die Freundschaft einzelner Akteure; entweder zu anderen Akteuren oder zu Gruppen. Die Freundschaft zwischen Enver Pascha und Wilhelm II. wurde ebenso betont823 wie die freundschaftlichen Gefühle des Kaisers gegenüber der gesamten »islamischen Welt«, welche sich bereits in seiner »Orientreise« 1898 ausgedrückt hätten.824 Zudem sei der deutsche Kaiser ausgesprochen gut befreundet mit dem Sultan-Kalifen, was allen Muslimen auch bekannt sei.825 Generell wurde behauptet, dass deutsche Entscheidungsträger dem Nahen und Mittleren Osten gegenüber sehr positiv eingestellt seien: »Das Interesse, das deutsche Denker und Staatsmänner unseren Bestrebungen entgegenbringen, bestärkt mich in der Überzeugung, daß Deutschland bereit ist, die muslimischen Völker aus den dumpfen Niederungen des Vasallentums und Verfalles zu den lichten, sonnenüberfluteten Höhen der Erneuerung und Freiheit zu führen.«826 Die Darstellung der freundschaftlichen Gefühle von Einzelpersonen ging jedoch auch in die andere Richtung. ʿAbd al-ʿAziz Jawish wurde etwa zum »nützlichen«
820 Khutbat al-Ustadh al-Shaykh Muhammad al-Khidr [Die Predigt von Muhammad al-Khidr], in: El Dschihad 7 (20.05.1915), S. 1. 821 Al-Sharif 1915, S. 6. 822 Al-Shaʿb al-Almani Yukhaffif al-ʾAm al-Muqatilin al-Muslimin [Das deutsche Volk erleichtert die Qual der muslimischen Kämpfer], in: El Dschihad 1 (05.03.1915), S. 3. 823 Aswat Min al-Jaraʾid al-Islamiyya: Ittihad al-Silah al-Alman wa-l-Atrak [Stimmen aus islamischen Zeitungen: Waffengemeinschaft zwischen Deutschen und Türken], in: El Dschihad 3 (06.04.1915), S. 4. 824 Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 283. 825 Jawish 1915, S. 16. 826 Ders., Islam und Reform, in: Die Islamische Welt 1/11 (1917), S. 629-633, hier: S. 633.
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Unterstützer Deutschlands stilisiert. In ihm habe »[…] Deutschland einen ausserordentlich tätigen und einflussreichen Freund gewonnen.«827 Für die postulierte Freundschaft wurden unterschiedliche Gründe angeführt: gemeinsame Feinde, eine gemeinsame Geschichte und generell die guten Absichten Deutschlands. Von diesen Gründen stand der Kampf gegen die Entente als gemeinsamen Feind im Mittelpunkt und war das zentrale Thema in unterschiedlichen Publikationen.828 Des Weiteren wurde betont, dass Deutschland und die islamische Welt »von jeher«829 gute Beziehungen gehabt hätten. Auch die Wikinger, als frühe Germanen bezeichnet, hätten Kontakt in den Nahen und Mittleren Osten gehabt.830 Aber auch bei der Marokko-Krise oder bei der Unterstützung des osmanischen Militärs vor dem Krieg habe Deutschland seine Freundschaft unter Beweis gestellt.831 Das Deutsche Reich habe generell nur gute Absichten in Bezug auf den Nahen und Mittleren Osten und sei sehr an muslimischen Angelegenheiten interessiert,832 wünsche sich, dass die islamische Welt unter dem Sultan-Kalifen frei leben könne,833 und habe keinerlei koloniale Ambitionen hinsichtlich des Osmanischen Reichs oder der arabischen Gebiete.834 Die Stellung des Deutschen Reichs als Kolonialmacht wurde dabei stets verschwiegen.835 Ob nichtdeutsche NfO-Akteure solche Stellen in ihre Texte einfügten, diese wiederum von der Leitung zensiert wurden, lässt sich anhand des untersuchten Materials nicht feststellen. Der Kampf ostafrikanischer Kolonialtruppen in deutschen Diensten wurde jedenfalls zum gemeinsamen Kampf gegen Feinde des Islam stilisiert.836 Eine Stimme aus dem Na827 Abu l-Fadl, Scheich Abdul Asis Tschauisch, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/10 (16.08.1915), S. 1-2, hier: S. 2. 828 Littmann, Der Krieg und der islamische Orient, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 9/5 (01.12.1914), S. 281-291, hier: S. 281, Jawish, Der Islam und Deutschland, in: Deutsche Revue: Eine Monatsschrift 40 (September 1915), S. 249-253 und ders., Mustaqbal al-Islam [Die Zukunft des Islam], in: El Dschihad 9 (01.07.1915), S. 1. 829 Mittwoch 1914, S. 12. 830 S. den Abschnitt »Alt-Germanisch-Orientalische Beziehungen«, in: Kurze Nachrichten aus der Türkei, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/8 (11.11.1915), S. 43-46, hier: S. 45. 831 Almaniya wa-l-Islam [Deutschland und der Islam], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 9,3. 832 Bukabuya 1917a, S. 52. 833 Khutbat al-Ustadh al-Shaykh Muhammad al-Khidr [Die Predigt von Muhammad al-Khidr], in: El Dschihad 7 (20.05.1915), S. 1. 834 Arslan, Die Araber und die Engländer, in: Der Neue Orient 1/6 (20.06.1917), S. 263-266, hier: S. 266 und Mittwoch 1914, S. 12. 835 Der deutsche Kolonialismus wurde vor allem von außen kritisiert. Rashid Rida war etwa der Ansicht, dass Deutschland durch seine Präsenz in Ostafrika seine Glaubwürdigkeit vor den Muslimen verlieren würde. Ryad 2016, S. 308. 836 Al-Junud al-Almaniyya Yuqatilun Janiban li-Janib al-Muslimin fi Afriqiya al-Sharqiyya [Die deutschen Soldaten kämpfen Seite an Seite mit den Muslimen in Ostafrika], in: El Dschihad 23 (26.11.1915), S. 1.
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hen und Mittleren Osten wurde im Korrespondenzblatt als Beleg für diese positive Haltung Deutschlands angeführt: »Deutschland, der Verbündete der Türkei, steht uns im Kampfe gegen den gemeinsamen Feind bei. Es ist mit einem Gewissen und ohne Hintergedanken mit uns zusammengegangen. Wie an dieser Stelle schon erwähnt wurde, haben unsere Staatsmänner mit Deutschland ein aufrichtiges Bündnis geschlossen und kämpfen mit ihm Hand in Hand auf den Dardanellen gegen unsere Feinde.«837 Im Zuge seiner Nahostrhetorik während des Krieges stellte sich das Deutsche Reich als gütige Großmacht dar, die den unterdrückten Völkern, wozu auch das Osmanische Reich zählte, helfen wollte.838 Durch diesen Freundschaftsdiskurs wurde insinuiert, dass sich Deutschland und die (vermeintlich einheitliche) islamische Welt auf gleicher Augenhöhe begegnen würden, weil sich diese beiden Entitäten auf der gleichen Kulturstufe befänden.839 Dazu zählt auch die Rede vom Begriff der »Waffenbrüderschaft«, der in deutschen NfO-Texten und in ähnlicher Form in arabischen NfO-Texten (ittihad al-silah, »Waffengemeinschaft«)840 auftaucht. Der Begriff weckt Assoziationen einer gleichberechtigen Partnerschaft,841 was insbesondere in Richtung der muslimischen Kriegsgefangenen eine Wirkung entfalten sollte. Jedoch lässt sich auch im Fall der Freundschaft der NfO-Hebungsdiskurs ausmachen. Deutschland wurde im Zusammenhang mit der Freundschaft als mögliches Vorbild für das Osmanische Reich bzw. die islamische Welt repräsentiert. Die Hohe Pforte könne vom Deutschen Reich lernen: in der Fürsorge bei der Pflege von (Kriegs-)Verletzten842 oder beim Umgang mit Waffen.843 Grundsätzlich sei Deutschland daran interessiert, das Osmanische Reich bei der Modernisierung zu unterstützen. In diesem 837 Deutschland und die Türkei, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/10 (27.11.1915), S. 55. Dieser Beitrag wurde aus einem Artikel mit dem Titel »Almaniya wa-Dawlat al-Khilafa« [Deutschland und das Reich des Kalifats] der Zeitung al-ʿAdl vom 01.11.1915 übernommen. 838 Krobb 2014, S. 12. 839 Jawish, Der Islam und Deutschland, in: Deutsche Revue: Eine Monatsschrift 40 (September 1915), S. 249-253. 840 Aswat Min al-Jaraʾid al-Islamiyya [Stimmen aus islamischen Zeitungen: Waffengemeinschaft zwischen Deutschen und Türken], in: El Dschihad 3 (06.04.1915), S. 4. 841 Reichmann 2009, S. 389. 842 Martin Hartmann, Das deutsche Beispiel der Fürsorge und die Türkei, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/28 (03.05.1916), S. 168-169 und ʿInayat al-Hukuma alAlmaniyya bi-l-Ladhin Addarathum al-Harb min Rijaliha [Die Fürsorge der deutschen Regierung für jene, die der Krieg geschädigt hat], in: El Dschihad 34 (30.04.1916), S. 1. 843 Jawish, Taʾmim al-Jundiyya fi l-Ummam [Die Verbreitung des Waffendienstes bei den Völkern: Ihre Gründe und ihre Ziele], in: El Dschihad 36 (15.06.1916), S. 1-2. Jawish behauptete hier, dass alle Deutschen gut mit Waffen umgehen könnten, was auch für den Nahen und Mittleren Osten erstrebenswert sei.
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Zusammenhang wurde der gegenseitige Nutzen der Freundschaft betont. Die militärische Stärke Deutschlands wurde dabei besonders hervorgehoben. Diese Stärke würde die islamische Welt benötigen, um die äußere Bedrohung durch die Entente abzuwehren.844 Deutsche Entscheidungsträger hatten eine sehr pragmatische Sichtweise auf die »Freundschaft« zum Osmanischen Reich. Von Oppenheim schrieb etwa: »Es liegt auf der Hand, daß alles Erforderliche geschieht, damit unsere Arbeit den türkischen Regierungsorganen in der Türkei, deren Gastfreundschaft wir genießen, genehm erscheint. Je mehr Hand in Hand mit diesen und für diese arbeiten, umso mehr dienen wir unseren eigenen Zwecken.«845 Generell versuchten deutsche NfO-Akteure, keine Kritik an der jungtürkischen Politik zu äußern und sich nicht in innerosmanische Angelegenheiten einzumischen.846 Das ambivalente Verhältnis der nichtdeutschen Akteure zur postulierten deutsch-nahöstlichen Freundschaft trat insbesondere nach 1916 immer mehr zutage. Im Bulletin du parti national égyptien wurde etwa bedauert, dass sich Deutschland nicht mehr für Ägypten einsetze.847 Die komplexe Haltung der nichtdeutschen NfO-Akteure war auch deutschen Entscheidungsträgern bewusst. Bereits zu Beginn der Kontaktaufnahme mit Jawish wusste von Wesendonk im AA, dass dieser auch Deutschland zu den Feinden des Islam zählen würde.848 Die Betonung der Freundschaft zwischen Deutschland und dem Osmanischen Reich bzw. dem Islam diente wohl dazu, die deutsche Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Kooperation eine gute Entscheidung war und dass das Osmanische Reich ein natürlicher Partner Deutschlands sei.849 In gleicher Manier gestalteten sich die Texte, die an ein nichtdeutsches Publikum gerichtet waren. Hier wurde Deutschland zusätzlich als mächtiger Modernisierer gelobt. Ganz zentral für den Freundschaftsdiskurs war jedoch das Ziel, durch die Bereitstellung von Informationen die in Deutschland vorherrschende Angst vor dem Islam abzubauen.850
844 Jawish 1915, S. 14, ders., Der Islam und Deutschland, in: Deutsche Revue: Eine Monatsschrift 40 (September 1915), S. 249-253, hier: S. 250 und Muhammad al-Khidr Husayn, Ittihaduna maʿ Almaniya [Unser Bündnis mit Deutschland], in: El Dschihad 13 (10.08.1915), S. 1. 845 Oppenheim 1917, S. 14. 846 Von Wesendonk an Romberg, 29.10.1917, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1533. 847 German Policy towards Egypt by a Lover of Germany, in: Bulletin du parti national égyptien 3 (1918), S. 75-76. 848 Von Wesendonk an AA, 18.05.1915, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21134. 849 Krobb 2014, S. 6-7. 850 Mittwoch 1914, S. 4 und Vorwort, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 1-2, hier: S. 2.
4. Die Diskurse
4.3.3
Stilmittel und Argumentationsmuster
In den Publikationen der Nachrichtenstelle spielen verschiedene Argumentationsmuster und Stilmittel eine Rolle. Erstens verwendeten die NfO-Autoren eine Reihe personenbezogener Argumente. Zweitens finden sich in den Texten starke Bezüge auf arabisch-islamische Geschichte und Tradition. Drittens bezogen sich NfOAutoren auf internationales Recht und Völkerrecht. Darüber hinaus verwendeten sie vereinzelt andere Stilmittel wie Metaphern und Quantifizierungen, die im Folgenden gemeinsam behandelt werden. Die Stilmittel und Argumentationsmuster dienten in der Regel dazu, die Entente zu delegitimieren und die Ansprüche der NfO-Akteure zu untermauern. Der Blick auf die beschriebenen Sachverhalte und Personen war in den NfO-Publikationen dabei stets selektiv und sowohl den Interessen der allgemeinen deutschen Kriegsführung als auch der einzelnen NfOAkteure unterworfen.
Personenbezogene Argumente Den mit Abstand größten Raum nehmen in den NfO-Publikationen personenbezogene Argumente (argumentum ad hominem) als Stilmittel ein. Verschiedene Personen wurden dabei abgelehnt, positiv beurteilt oder zu Beweiszwecken herangezogen. Unter diesen war die Gruppe der Personen, die abgelehnt wurden, besonders groß. Diese waren europäische Kolonialadministratoren, als »Kollaborateure« der Entente bezeichnete Regenten und nichteuropäische Aktivisten. Der französische Generalresident in Marokko Hubert Lyautey war besonders häufig Thema in NfO-Publikationen.851 Aus deutscher Sicht war sein größtes Verbrechen, dass er zu Kriegsbeginn die Marokko-Deutschen ausgewiesen oder interniert hatte.852 Nichtdeutsche Akteure beschrieben seine Regentschaft in Nordafrika – »das sogenannte Zivilisationswerk Lyauteys«853 – überaus abwertend: »[Der] Senegalesenführer, der sich General Lyautey nennt, kehrt nach Marokko zurück, nachdem er für seine Dienste als Kriegsminister in schimpflicher Weise vom Parlament bedankt worden ist, das ihn ersucht hat, seine Reden und seine Jahrmärkte bei Mulay Yussuf wieder aufzunehmen.«854
851
Jugurtha, General Lyauteys Schwierigkeiten, in: Der Neue Orient 1/23-24 (20.03.1918), S. 539540. 852 Africanus, Lyautey, der Alba von Marokko, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/12 (28.03.1917), S. 529-532. 853 Bukabuya, Das Protektorat über Marokko, in: Die Islamische Welt 1/3 (1917), S. 57-58, hier: S. 57. 854 Ders., Der marokkanische Freiheitskampf [I. Teil], in: Der Neue Orient 1/13 (05.10.1917), S. 1114, hier: S. 13.
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Neben Kolonialadministratoren wie Lyautey wurde besonders häufig über lokale Herrscher im Nahen und Mittleren Osten geschrieben, die sich aus deutscher Sicht mit der Entente verbündet hätten. Im Mittelpunkt standen hierbei Husayn Kamil, der Khedive von Ägypten, und der Scherif von Mekka Husayn b. Ali. Husayn Kamil wurde in den Publikationen der NfO stets als illegitimer Khedive bezeichnet: »On 19th of December, the legitimate sovereign of Egypt was dethroned; the English called his uncle Hussein to succeed him with the title of Sultan […].«855 Die postulierte Illegitimität leiteten die NfO-Akteure von der Einsetzung des Khediven durch die Briten ab. Aus diesem Grund schrieb Fahmi in Richtung Großbritannien: »The Egyptian people will never accept your Sultan or your protectorate.«856 Der »Pseudosultan«857 zeichne sich zudem durch Klientelismus und die Veruntreuung von Geldern aus.858 Auch der Scherif von Mekka wurde als Marionette Großbritanniens beschrieben. Unter dem Pseudonym Ibn Tulun bezeichnete ihn ein NfO-Autor als »koreischitischer ›Schattenfürst‹ von Mekka«859 . Häufig wurden auch seine vermeintlich persönlichen und charakterlichen Schwächen aufgezählt. Der Scherif sei »[…] bar jeder Kenntnis der Literatur, Rechtswissenschaft und ihrer Quellen. Weit davon entfernt, sich alles Niedrigen zu enthalten, geht seine Charakterlosigkeit sogar so weit, daß er die Habe der Pilger des heiligen Hauses plündert. Die Stützen des islamischen Gesetzes und Bestimmungen missachtet er; er ist kein Mann von makelloser Vergangenheit, der sich den Ränken und Umtrieben der Feinde des Islams entzieht und deren Freundschaft zurückweist. Vielmehr ist er […] im höchsten Grade habgierig, voll teuflischer Listen und von Haß und Neid erfüllt.«860 Die dritte Personengruppe, die in NfO-Texten abgewertet wurde, waren nichteuropäische Akteure, die gemeinhin als »Kollaborateure« der Entente verstanden wurden. Ganz zentral war hierbei die Polemik gegen einen in der Schweiz lebenden Ägypter: ʿAli al-Ghayati, der sarkastisch als »ägyptischer Patriot« bezeichnet wurde, da er – so die Sicht der NfO-Akteure – früher nationalistisch aktiv war, mitt-
855 Fahmi 1915, S. 3. Ähnlich ebd., S. 4 und Fahmi 1917, S. 49, Das Treiben des falschen Khediven in Egypten, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/8 (08.07.1915), S. 4 und La mort de Hussein Kamel, in: Bulletin du parti national égyptien 1 (1917), S. 28. 856 Fahmi 1915, S. 4 und ders. 1917, S. 49. 857 Rifʿat, Wie England die religiösen Rechte von 300 Millionen Mohammedanern verletzt, in: Berliner Tageblatt (Beilage) (08.05.1915), S. 2. 858 Das Treiben des falschen Khediven in Egypten, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/8 (08.07.1915), S. 4. 859 Ibn Tulun, Schmerzen syrischer Ententefreunde, in: Der Neue Orient 1/11-12 (15.09.1917), S. 503-504, hier: S. 503. Auch für Arslan und Jawish ist Husayn b. ʿAli ein Handlanger der Briten. Arslan, Die Araber und die Engländer, in: Der Neue Orient 1/6 (20.06.1917), S. 263-266 und Jawish 1915, S. 17. 860 Der Aufstand im Hedschas, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 49-51, hier: S. 49.
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lerweile aber für die Entente arbeite:861 »Scheich Ghaiaty [Ghayati] mag nur ruhig fortfahren, sich als ägyptischer Patriot zu fühlen und zu bezeichnen, wir aber können nicht anders, als diese Bezeichnung in Gänsefüßchen zu setzen: Scheich Aly el-Ghaiaty, ein ›ägyptischer Patriot‹.«862 Entsprechend wurde er als »englischer Spitzel«863 , »edler Skribent«864 oder »der arabische Spion für Rechnung Frankreichs«865 beschrieben. Ähnlich wurde der für das französische Außenministerium tätige und spätere Gründer der Grande mosquée von Paris Si Kaddour Benghabrit dargestellt: »Er hat die Becher der Liebe Frankreichs getrunken und sich an ihr so berauscht, daß er nicht mehr aus diesem Rausche erwachen wird.«866 Auch Benghabrit wurden schlechte charakterliche Eigenschaften zugesprochen: Er sei ein »Emporkömmling«, der »weder viel noch wenig von edler Art« besitze, und zudem ein »Mann, der gar kein rechter Mann ist.«867 Während in der Gefangenenzeitung Akteure der Entente-Propaganda in der Regel nicht genannt wurden, wurde Benghabrit ein eigener Artikel gewidmet, in dem dieser als Kollaborateur Frankreichs beschrieben wurde.868 Dies verwundert wenig, da der Großteil der arabischsprachigen Muslime in deutscher Kriegsgefangenschaft Subjekte des französischen Kolonialreichs waren. Immer wieder wurden Einzelpersonen, die Ansichten äußerten, die der deutschen Politik missfielen, als Anhänger der Entente bezeichnet. Rashid Rida wurde dadurch zum »gekauften Emissär mohammedanischen Glaubens«869 . Zuweilen finden sich in NfO-Texten jedoch auch generelle Aussagen. Rabah Bukabuya schrieb : »[Le] véritable traître à sa patrie est ce musulman qui, moyennant le sourire blafard de quelque officiel à redingote et quelques pièces blanches mandatées sur le chapitre de la propagande, se fait le porte-parole de tout un peuple […] et cela
861 Ein ägyptischer Patriot, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/11 (03.12.1915), 62-63 und Ein »ägyptischer Patriot«, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/21 (22.03.1916), S. 128-129, hier: S. 129. Einen biografischen Überblick über al-Ghayatis Werdegang liefert Trefzger 1970, S. 109-120. 862 Ein »ägyptischer Patriot«, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/21 (22.03.1916), S. 128-129, hier: S. 129. 863 Politische Rundschau im Osten, in: Der Neue Orient 1/9 (08.08.1917), S. 401-405, hier: S. 402. 864 Ebd. 865 Maurus, Islamische Sorgen unserer Feinde, in: Der Neue Orient 1/10 (25.09.1917), S. 443-444, hier: S. 443. 866 Muhammad al-Sharqawi, Frankreichs Werkzeuge in Nordafrika: Abd-el-Kadir ben Ghabrit und seine Rolle in Marokko, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/3 (04.11.1916), S. 82-84, hier: S. 84. 867 Ebd. 868 Ibn Ghabrit, in: El Dschihad 47 (01.12.1916), S. 1. 869 Prüfer, Ägypten, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 269-272, hier: S. 271.
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pour déclamer – contrairement au cri intérieur de sa conscience – de louanges bourrées de flatteries pour satisfaire l’appétit des dominateurs de notre pays.«870 Besonders gravierend und im Grunde unverzeihlich empfanden Bukabuya und viele andere nichtdeutsche NfO-Akteure den »Verrat« an der eigenen Gruppe (Muslime oder jeweilige Nationalitäten). Den vermeintlichen Verrätern an der nationalen und religiösen Gemeinschaft wurden in NfO-Publikationen proosmanische und prodeutsche Herrscher sowie die »Heroen« des antikolonialen Kampfes entgegengestellt. In den NfO-Texten wurde immer wieder verschiedenen Regenten gehuldigt. Dazu zählten Kaiser Wilhelm II.,871 Mehmed Reşad,872 Enver Pascha873 und generell die jungtürkische Regierung.874 Bei den positiven Repräsentationen antikolonialer Bemühungen standen die nichtdeutschen, arabischsprachigen NfO-Akteure im Vordergrund; eine Verbindung zur Nachrichtenstelle wurde in den Darstellungen zumeist unterschlagen. Sie wurden in den Veröffentlichungen eher als antikoloniale Aktivisten oder authentische Berichterstatter aus der jeweiligen Region bzw. Kenner des Islam repräsentiert.875 Dabei stand die vermeintliche Gelehrsamkeit der Akteure im Mittelpunkt. Jawish galt beispielsweise »[…] als einer der besten lebenden arabischen Schriftsteller und als einer der Führer der panislamischen Bewegung. Er ist Verfasser einer Reihe hochgeschätzter literarischer Werke, darunter eines Korankommentars.«876 Al-Sharif sei bestens vertraut mit »[…] den Gedankengängen der traditionellen Auffassung seiner Religion«877 . Darüber hinaus wurde er bezeichnet 870 Bukabuya 1917a, S. 11. 871 Muhammad ʿAli, Adlerflug über dem Meer, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/11 (06.03.1917), S. 494, Al-Ihtifal bi-Fath al-Masjid [Die Feierlichkeiten zur Eröffnung der Moschee], in: El Dschihad 11 (21.07.1915), S. 2, Bukabuya, Rabah 1915, S. 34, Khitab al-Qaysar lil-Jaysh wa-l-Ustul [Die Ansprache des Kaisers an Heer und Marine], in: El Dschihad 49 (15.01.1917), S. 2 und Eine arabische Huldigung an den Deutschen Kaiser, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/10 (22.02.1917), S. 416. 872 Jawish 1915, S. 17. 873 Ders., Mustaqbal al-Islam [Die Zukunft des Islam, Fortsetzung], in: El Dschihad 10 (10.07.1915), S. 1. 874 Ders., Drei osmanische Staatsmänner: Hakki Pasch – Hussein Hilmi Pasha – Fuad Selim Bey, in: Die Islamische Welt 1/8 (1917), S. 317-321, Almaniya wa-Dawlat al-Khilafa [Deutschland und das Reich des Kalifats], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,5, alSharif/Sefaihi 1916, S. 7 und Vorwort, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 1-2, hier: S. 2. 875 Zuweilen wurden einige NfO-Artikel auch »Neutralen« zugesprochen, wie etwa der Beitrag »Die wahre Lage in Ägypten«, der »von einem Neutralen« verfasst worden sei. Die wahre Lage in Ägypten, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/9 (05.02.1917), S. 367-368. 876 ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Ägypten und der Krieg, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 04.11.1915, S. 2. 877 Al-Sharif 1915, S. 3.
4. Die Diskurse
als »Diener der Wissenschaft und Menschlichkeit«878 . Auch nach dem Krieg wurde das Stereotyp des muslimischen Gelehrten wiederholt. Schabinger von Schowingen beschrieb al-Khidr Husayn wie folgt: »Er war ein langer hagerer Mann, der rechte Typus des Gelehrten, der zwar nicht so kämpferisch veranlagt war wie der Scherif [Salih al-Sharif], aber darum nicht weniger Bedeutung für die Durchsetzung der islamischen Bestrebungen hatte.«879 Häufig wurden die Akteure in ihren Publikationen auch mit ihren politischen oder beruflichen Ämtern vorgestellt: Muhammad Farid als Président du parti national Egyptien, Muhammad Fahmi als Anwalt, ehemaliger Privatdozent und Präsident der Jungägypter in Europa,880 ʿAli Shamsi als Membre de l’Assemblée législative égyptienne,881 Mansur Rifʿat als »Präsident des Ägyptischen National-Komitees«882 , ʿAbd al-Malik Hamza als »Sekretär der ägyptischen Nationalpartei«883 , Salih al-Sharif als »früheres Mitglied der Seituna [Zaytuna]-Universität«884 . Hatten die Akteure zudem akademische Titel, wurden sie meist aufgeführt. NfO-intern wurde die Expertise nichtdeutscher Akteure jedoch weitaus kritischer begutachtet. Über Salih al-Sharif schrieb Hartmann: »Wir sind über die Lehre des Dschihad weitaus besser unterrichtet als er.«885 Die Repräsentation von Akteuren in NfO-Publikationen konnte unterschiedliche Funktionen haben. Wurden die Personen positiv dargestellt, konnten sie als Vorbilder für bestimmte – aus NfO-Sicht wünschenswerte – Eigenschaften gelten: etwa deutsch-islamische Freundschaft oder eine wissenschaftliche bzw. religiöse Autorität. Personen, die eher negativ dargestellt wurden, sollten durch diese Aussagen delegitimiert werden.
Geschichts- und Traditionsbezüge Eine wichtige Säule in der Argumentation von NfO-Texten waren selektive Bezüge auf arabisch-islamische Geschichte und Tradition. Hierbei wurden in der Regel jene historischen Ereignisse und religiösen Überlieferungen herangezogen, welche Positionen der NfO-Akteure unterstützen konnten. Kaum eine Publikation kam ohne eine historische Rückschau aus: Sowohl lange Broschüren, wie die von Fahmi im Umfang von 70 Seiten, als auch kurze Artikel, wie der nur vier Seiten lange Beitrag von Hamza,886 hatten starke Geschichts878 879 880 881 882 883 884 885 886
Ebd. Schabinger von Schowingen 1967, S. 189. Fahmi 1917. Shamsi 1918. Die Gesetzgebende Versammlung bzw. das Parlament Ägyptens wurde jedoch kurz nach Kriegsausbruch aufgelöst. Steinbach 2017, S. 56. Rifʿat 1915a. Hamza, Aegypten und England im Weltkrieg, in: Das junge Europa 9 (1917), S. 25-30 Al-Sharif/Sefaihi 1916. Hartmann an Schabinger von Schowingen, 18.12.1914, ULB ST, DMG Yi 116 I S. Hamza, Die ägyptische Frage in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in: Asien 14 (November 1916), S. 28-32, hier: S. 29.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
bezüge. Zumeist wurden hier Ereignisse oder Zustände arabisch-islamischer Geschichte oder Momente kolonialer Eroberungen bzw. antikolonialer Erhebungen beschrieb. Dabei wurde ein positives Bild des frühen Islam bzw. der Zeit vor der europäischen kolonialen Expansion gezeichnet. ʿAbd al-Malik Hamza schilderte etwa die vermeintlich glorreiche frühislamische Periode und beschrieben eine friedliche Ausbreitung des Islam.887 Die Idealisierung des frühen Islam der NfO-Akteure glich stark der Interpretation seitens islamischer Reformbewegungen. Die kolonialen Expansionen europäischer Staaten wurden von nichtdeutschen NfO-Akteuren stets als Zäsur und Grund für den Niedergang der »islamischen Welt« beschrieben.888 In diesem Zusammenhang wurde häufig die Entwicklung der jeweiligen antikolonialen Bewegungen in den einzelnen Ländern dargestellt.889 Die Darstellung der Kontinuitäten und Brüche erfüllte einen bestimmten Zweck. Zum einen konnten die nichtdeutschen NfO-Akteure ihr eigenes antikoloniales Engagement in die Tradition der jeweiligen Nationalbewegungen einschreiben. Zum anderen wurden der Entente dauerhafte koloniale Ambitionen unterstellt. Neben diesen historischen Bezügen wurde immer wieder auf bestimmte Punkte islamischer Tradition verwiesen. Das Leben Muhammads wurde wiederholt genannt, beispielsweise bei der Kalifatsfrage und und der Frage, wie Muhammad seine Nachfolge geregelt hatte.890 Zudem wurden einige Koranzitate immer wieder aufgeführt; insbesondere Sure 60, Verse 8-9, und Sure 9, Vers 41.891 Diese Verweise auf islamische Tradition können als Versuch gesehen werden, die religiöse Legitimität der Texte zu belegen und die theologische bzw. wissenschaftliche Expertise der Autoren zu untermauern.
Legalismus und Bezug auf Dokumente Eine weitere wichtige Argumentationsstütze in NfO-Texten ergab sich aus der juristischen Vorbildung vieler NfO-Akteure. In einigen Publikationen finden sich 887 Ders., Der Panislamismus, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 18-20, hier: S. 18-19 und ʿAbd al-ʿAziz Jawish, Islamische Kolonisation, in: Die Islamische Welt 1/7 (1916), S. 377-379. 888 Inna fi Dhalika la-ʿIbra [»Hierin ist wahrlich eine Lehre« (Sure 76, Vers 26)], in: El Dschihad 8 (11.06.1915), S. 1, Farid 1917, S. 13, ders., Memoire du parti national égyptien aux gouvernements des deux groupes belligérants et des pays neutres, in: Bulletin du parti national égyptien 1 (1917), S. 13-18, Hamza, Die ägyptische Frage in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in: Asien 14 (November 1916), S. 28-32, hier: S. 29, Ibn Marwan [= ʿAbd al-Malik Hamza], Ägypten im Weltkonflikt, in: Die Islamische Welt 1/6 (1917), S. 329-332 und Jawish, Osten und Westen, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 4-7, hier: S. 4. 889 Ibn Marwan [= ʿAbd al-Malik Hamza], Die ägyptische Nationalbewegung, in: Die Islamische Welt 1/4 (1917), S. 196-200 und Ahmad Mukhtar ʿAbd al-Qadir, Abdul Kader und die Franzosen, in: Die Islamische Welt 1/10 (1917), S. 608-609. 890 Jawish 1915. 891 Gottfried Hagen führt eine ganze Reihe von Koranstellen auf, die in Flugblättern zitiert wurden. Hagen 1990.
4. Die Diskurse
starke Bezüge zu internationalem Recht bzw. Völkerrecht. Shamsi schrieb über das »droit de peuples«892 und Fahmi befasste sich mit der Frage der britischen Eroberung Ägyptens und dem anschließenden Protektorat »au point de vue du droit international«893 . Er kam dabei zu dem Schluss, Großbritannien habe keinerlei rechtliche Grundlage dafür gehabt. Verträge zwischen Kolonisierten und Kolonisatoren wurden als nicht rechtskräftig beschrieben: »Dieser Vertrag, der einen juristischen Unsinn darstellt, ist ein Gewebe von Verrat und beweist, wie die Brutalität der Gewalt die Lebensrechte eines kleinen Volkes, das nur bei sich in Frieden zu leben verlange, mit Füßen tritt.«894 Juristische Argumente der Entente wurden stets als illegitim dargestellt. Prüfer sprach in diesem Zusammenhang von der »Verdrehung aller geltenden Rechtsgrundsätze«895 und einem »Rechtsmäntelchen«896 bezüglich der britischen Ansprüche auf Ägypten. Zudem sei klar, »[…] daß die rechtliche Fragestellung im ägyptischen Problem heute eine überflüssige und zwecklose ist. Vom rechtlichen Standpunkte aus ist dieses Problem längst gelöst.«897 Damit eng zusammen hing die Anführung von »Beweisdokumenten«, welche die Niedertracht der Entente unterstreichen sollten. In seiner Broschüre Die Knechtung Ägyptens und deren französischer Fassung Un verdict sur l’Angleterre sammelte Mansur Rifʿat Aussagen britischer Politiker und andere Dokumente, wie das Abkommen zwischen Frankreich und Großbritannien von 1904 (die Entente cordiale).898 Auch Muhammad Fahmi zählte Aussagen des ehemaligen britischen Premiers sowie die mehrerer Mitglieder des britischen Parlaments auf,899 in denen diese ganz klar die imperialen Ambitionen Großbritanniens hinsichtlich Ägypten formuliert hätten. Bei diesem Stilmittel zeigt sich, wie stark die berufliche (juristische) Vorbildung der Akteure ihr Schaffen während des Krieges beeinflusste.
Metaphern, Humor, Quantifizierungen, persönliche Berichte und Appelle Darüber hinaus spielte eine Reihe von Stilmitteln eine kleinere Rolle in den NfOPublikationen. Dazu zählten erstens Metaphern und Vergleiche. Die kolonialen Ambitionen der Entente wurden häufig als »Hunger«900 beschrieben, die kolonia-
892 Shamsi 1918, S. 3. 893 Fahmi 1917, S. 43-49. 894 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 18. Hier ging es um das französische Protektorat in Nordafrika und die entsprechenden Verträge. 895 Prüfer, Ägypten, in: Süddeutsche Monatshefte 15/10 (Juli 1918), S. 269-272, hier: S. 270. 896 Ebd., S. 269. 897 Ebd., S. 272. 898 Rifʿat 1915a und ders. 1915c. 899 Fahmi 1917, S. 61-63 und ders. 1915, S. 1. 900 Alexandrinus, Englands Hunger und Ägyptens Getreide, in: Die Islamische Welt 1/8 (1917), S. 484-485
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
len Praktiken in den eroberten Gebieten als »Vergewaltigung«901 . Kolonialismus wurde häufig mit Krankheits- bzw. Gesundheitsbegriffen umschrieben. Jawish verwendete in seinen Texten diese Begriffe besonders gerne: »Wie Fäulniserreger in eiternden Wunden so betätigen sich die Gewaltherrscher im Körper jener unglücklichen Länder, die in ständigem Fieberzustand durch sie erhalten werden.«902 Sowie: »Auch bei Kranken erwartet man in der Regel nicht, daß sich die Mittel zur Bekämpfung seiner Krankheit ausschließlich im eigenen Körper vorfinden, sondern der Arzt wendet auch Heilmittel an, die von außen kommen.«903 Die Metaphern zeichneten sich durch eine gewisse Drastik aus und dienten dazu, das Beschriebene besonders eindrücklich darzustellen. Zweitens lassen sich in den NfO-Texten Humor und Sarkasmus ausmachen; vor allem wenn Akteure der Entente und ihre Propaganda dargestellt wurden. Über britische Propaganda in Ägypten hieß es etwa: »Diesen außerordentlich sachkundigen Ausführungen irgendetwas hinzuzusetzen, hieße ihre Wirkung abzuschwächen.«904 Unter dem Pseudonym Maurus beschrieb ein anderer Autor die Kolonialadministration des französischen Generalresidenten Hubert Lyautey in Nordafrika: »General Lyautey ist neben seinen sonstigen umfangreichen Funktionen auch Oberregisseur der großen Propagandakomödie ›Das edelmütige Frankreich und das dankbare Marokko‹, die der Welt seit 3 Jahren bei freiem Eintritt vorgespielt wird.«905 Dieses Stilmittel diente dazu, die vermeintliche Lächerlichkeit der Praktiken der Entente darzustellen. Drittens waren Statistiken, Schaubilder und sonstige Quantifizierungen ein wichtiges visuelles Mittel in den NfO-Publikationen. In der Gefangenenzeitung El Dschihad findet sich eine Fülle solcher Darstellungen. Unter anderem wurden die Toten der Entente,906 die Siege und Kriegsbeute der Deutschen und die Wirtschafts- und Bevölkerungszahlen der Kriegsteilnehmer in dieser Form dargestellt.907 Der 16-seitige Propaganda-Atlas al-Zulm wa-l-Haqq (Unrecht und Recht) besteht quasi nur aus Bildmaterial. Darüber hinaus wurden Bilder von Regenten 901 Tarik, Der Jahrestag der Vergewaltigung Ägyptens, in: Der Neue Orient 2/11-12 (20.09.1918), S. 525-526, Saruq, Ein Ausschnitt aus der französischen Tyrannei in Tunis, in: Der Neue Orient 1/7 (09.07.1917), S. 312-316, hier: S. 312, Haas 1916, S. 1 und Hamza, Aegypten und England im Weltkrieg, in: Das junge Europa 9 (1917), S. 25-30, hier: S. 29. 902 Jawish, Ägyptens Sehnsucht, in: Die Islamische Welt 1/9 (1917), S. 501-503, hier: S. 502. 903 Ders., Der Islam und Deutschland, in: Deutsche Revue: Eine Monatsschrift 40 (September 1915), S. 249-253, hier: S. 251. 904 Was die Engländer den Ägyptern von den deutschen Frauen erzählen, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/18 (13.02.1916), S. 104. 905 Maurus, Komödie in Marokko, in: Der Neue Orient 1/14 (18.10.1917), S. 59-61, hier: S. 59. 906 Khasaʾir al-Aʿda Thamaniyyat ʿAshr Miliyyun al-Junud [Die Verluste der Feinde belaufen sich auf 18 Millionen Soldaten], in: El Dschihad 65-66 (10.12.1917), S. 2. 907 Al-Intisarat al-Almaniyya [Die deutschen Siege], in: El Dschihad 40 (12.08.1916), S. 2, AlGhanaiʾm allati Ghanamha al-Alman fi l-Harb [Die Kriegsbeute, die die Deutschen während
4. Die Diskurse
wie Mehmed Reşad und Wilhelm II. sowie Karten, die bestimmte Regionen oder ganze Länder darstellten, immer wieder in den Publikationen platziert. Zu den bildlichen Darstellungen zählen auch Fotografien von Personen, denen die Texte gewidmet wurden. In ʿAzzams Tripolitanienbroschüre findet sich ein Bild von Nuri Pascha, dem Bruder Envers.908 Ein Text von Rifʿat war Otto Weddigen gewidmet – »von ägyptischen Vaterlandsfreunden«909 . Auch in Artikeln finden sich immer wieder solche Bilder, etwa eine Fotografie von Mustafa Kamil, dem Gründer der ägyptischen Nationalpartei, in einem Beitrag von Hamza.910 In der Gefangenenzeitung wurden visuelle Mittel besonders gerne gewählt, da ein Großteil der Insassen Analphabeten waren und sich so die Inhalte dennoch übermitteln ließen. Aber auch in deutschen Texten finden sich viele Quantifizierungen in Bildoder Textform, welche dazu dienen, die Argumente der Autoren zu unterstützen. Viertens finden sich in den NfO-Publikationen vermeintlich authentische persönliche Berichte. Häufig wurden Briefe von Familienangehörigen an Soldaten aufgeführt. So erschienen ein Brief einer »türkischen Soldatenfrau« an ihren Ehemann im Feld,911 ein Brief einer Mutter an ihren kriegsverwundeten Sohn912 oder eine Korrespondenz zwischen einem Vater und seinem in Kriegsgefangenschaft befindlichen Sohn.913 Aber auch Rabah Bukabuya selbst berichtete in seinen Texten häufig von eigenen Erfahrungen an der Front. Fünftens spielten in den NfO-Publikationen Appelle an Einzelpersonen oder Akteursgruppen eine Rolle. Muhammad Fahmi schrieb an Henry Herbert Asquith914 und Salih al-Sharif al-Tunisi an Mulay Yussuf.915 In einem Flugblatt wandte sich Rabah Bukabuya an alle Muslime. Sie sollten nicht der Entente bzw. Frankreich gegenüber loyal sein, sondern gegenüber dem Osmanischen Reich: »Le drapeau des musulmans, le véritable, est l’étendard rouge avec un croissant
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des Kriegs erbeuteten], in: El Dschihad 29 (22.02.1916), S. 2 und Almaniya wa-Injiltira waFaransa [Deutschland, England und Frankreich], in: El Dschihad 38 (01.07.1916), S. 1. ʿAzzam 1918. Rifʿat 1915a, S. 7. Weddingen, der in Deutschland ein gewisses Maß an Bekanntheit erreicht hatte, wird in der Einleitung als »Opfer englischer Hinterlist, Falschheit und Feigheit« bezeichnet. Ibn Marwan [= ʿAbd al-Malik Hamza], Die ägyptische Nationalbewegung, in: Die Islamische Welt 1/4 (1917), S. 196-200, hier: S. 196. Der Brief einer türkischen Soldatenfrau, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/42 (11.08.1916), S. 263. Khitab min Walida ila Walidiha [Die Rede einer Mutter an ihren Sohn], in: El Dschihad 9 (01.07.1915), S. 2. Al-Mursalat bayn Asir wa-Walidihi fi Ghudun hadhihi al-Harb al-Hadira [Der Briefwechsel zwischen einem Gefangenen und seinem Vater im Verlauf des aktuellen Kriegs], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,45. Fahmi 1915, S. 3. Kitab Maftuh li-Mulay Yusuf Sultan Murrakush [Offener Brief an Mulay Yussuf, den Sultan von Marrakesch], BfZ Stuttgart, Türkei 1914-1918, Heidelberger Bestand 8,24.
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au milieu.«916 In ihrem Schlusswort wandten sich al-Sharif und Sefaihi mit der Bitte um Unterstützung des tunesisch-algerischen Freiheitskampfes an »[…] Seine Majestät den Sultan der Türkei, Kalifen der Mohammedaner, an Seine Majestät, den Deutschen Kaiser, an Seine Majestät, den Kaiser von Österreich-Ungarn, an alle Völker der Türkei, Deutschlands, Österreichs und Ungarns und an alle Völker, die über die Menschenrechte wachen […].«917 Farid bat die Regierungen der kriegstreibenden und neutralen Staaten darum, das Recht Ägyptens auf Selbstverwaltung anzuerkennen.918 Diese Appelle richteten sich sicherlich nicht nur an die angesprochenen Personen, sondern sollten auch dazu dienen, die globale Öffentlichkeit auf die beschriebenen und kritisierten Zustände aufmerksam zu machen.
4.4
Zusammenfassung
Das vorangegangene Kapitel gab einen Überblick über die Diskurse, die im Kontext der Nachrichtenstelle für den Orient eine Rolle spielten. Hierzu wurden die Wissensproduktion in der NfO, die Vorkriegsdiskurse und die NfO-Diskurse selbst betrachtet. Die Produktion der unterschiedlichen Publikationen und Organe (El Dschihad, Korrespondenzblatt, Monografien, Flugblätter etc.) innerhalb der Nachrichtenstelle – von der Entstehung der Texte über deren Zensur bis hin zur Distribution durch Partner – erfolgte in einem Spannungsverhältnis unterschiedlicher Interessen und ausgehend von Prägungen durch Vorkriegsdiskurse sowie -kontakte der beteiligten Akteure. Aus diesem Spannungsverhältnis heraus entwickelte sich im Rahmen der Nachrichtenstelle eine besondere Form von Zensur, in der NfO-Akteuren in einem eng begrenzten Rahmen Freiheiten bei ihren Texten zugestanden wurden, das gesamte Umfeld jedoch von Misstrauen und direkter wie indirekter Einflussnahme geprägt war. In den Diskursen der Nachrichtenstelle spielten die politischen, aber auch akademischen und beruflichen Prägungen der involvierten Akteure eine nicht zu vernachlässigende Rolle. In den meisten Bereichen konnte keine einheitliche NfO-Position entwickelt werden, sondern es blieben ambivalente oder gar widersprüchliche Positionen nebeneinander stehen. Nichtdeutsche Akteure äußerten sich stark kolonialkritisch und nahmen das Deutsche Reich dabei nicht immer explizit aus. Darüber hinaus sahen sie eine gesamteuropäische Schuld am Krieg. Die 916 Les Turcos à la Turquie, PA AA, Deutschland Nr. 126g adh. 1, R 1512. 917 Al-Sharif/Sefaihi 1916, S. 31. 918 Farid, Memoire du parti national égyptien aux gouvernements des deux groupes belligérants et des pays neutres, in : Bulletin du parti national égyptien 1 (1917), S. 13-18, hier : S. 17 und ders., Un nouvel appel du parti national égyptien, in : Bulletin du parti national égyptien 3 (1918), S. 53-57.
4. Die Diskurse
arabischsprachigen Akteure untereinander waren uneins darüber, welche Rolle das Osmanische Reich in der Zukunft ihrer Herkunftsländer nach Kriegsende spielen sollte. Die internen Differenzen im NfO-Material stützen die zentrale These der Arbeit, dass die Nachrichtenstelle in erster Linie eine Plattform war, auf der Akteure mit unterschiedlichen Interessen ihre jeweiligen Positionen publik machen wollten. Aus diesem Grund wurde in dem vorliegenden Kapitel ein besonderes Augenmerk auf die divergierenden Repräsentationen der jeweiligen Themen durch einzelne Akteure oder Akteursgruppen gelegt. Die zwei zentralen Themenkomplexe im Kontext der Arabischen Abteilung der NfO waren Islam und Kolonialismus. Diese Diskurse waren geprägt von binärem Denken und Überlegenheitspostulaten. Zentral war dabei die Gegenüberstellung bzw. Kontrastierung der Politik des Deutschen Reichs und der Entente. Während das Verhältnis der Entente zum Osmanischen Reich eher negativ dargestellt wurde, spielte im Fall von Deutschland der Aspekt der Freundschaft eine wichtige Rolle. Darüber hinaus findet sich in vielen NfO-Texten ein Hebungsdiskurs. Gerade die deutschen NfO-Autoren vertraten den Standpunkt, dass sich die unterschiedlichen Gesellschaften und Akteure, die sie in ihren Texten beschrieben, auf verschiedenen Entwicklungsstufen befänden, wobei das Deutsche Reich an der Spitze der gesellschaftlichen, zivilisatorischen und technologischen Entwicklung gesehen wurde. Der Blick auf die beschriebenen Sachverhalte und Personen war in den NfO-Publikationen dabei stets selektiv und sowohl den Interessen der deutschen Kriegsführung als auch der einzelnen NfO-Akteure unterworfen. Religion wurde zeitweilig in den Mittelpunkt der Rhetorik gestellt. Nichtdeutsche Akteure lehnten alternative Formen der Identitätsstiftung, wie etwa Nationalismus, ab und erklärten sie zu »fremden«, d.h. europäischen, Einflüssen. Um ihre Texte argumentativ zu stärken, bedienten sich die NfO-Akteure einer Reihe von Stilmitteln – etwa personenbezogene Argumente, wie das argumentum ad hominem. Diese Stilmittel dienten in der Regel dazu, die Entente zu delegitimieren und die Ansprüche der NfO-Akteure zu untermauern. Mit ihren Publikationen wollten die Akteure der Arabischen Abteilung unterschiedliche Adressaten ansprechen. Arabischsprachige Flugblätter, die Gefangenenzeitung El Dschihad und Artikel in arabischsprachigen Tageszeitungen im Osmanischen Reich zielten auf arabischsprachige Muslime in den Kolonien der Entente, Soldaten der französischen Armee oder arabischsprachige Bürger des Osmanischen Reichs ab. Deutsch-, englisch- und französischsprachige Publikationen richteten sich an die deutsche Bevölkerung (zumeist Wissenschaftler sowie Vertreter aus Industrie und Wirtschaft), an »Neutrale« – etwa in der Schweiz – oder an in Europa lebende nichteuropäische antikoloniale Akteure. Gerade in der Gesamtschau der verschiedenen Texte und Textformate tritt das Spannungsfeld zutage, das den inhaltlichen Diskurs der NfO bestimmte. Die unterschiedlichen Textgattungen und Adressaten hatten vor allem auf die Inhalte, nicht aber auf den Pro-
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
duktionsprozess Auswirkungen. Texte wurden nach dem gleichen Muster erstellt, zensiert und bearbeitet, unabhängig davon, für wen sie letztlich publiziert wurden. Die Wissensproduktion innerhalb der NfO, die selektive Auswahl von Vorkriegsdiskursen und die Schwerpunkte der Diskurse selbst veranschaulichen, dass die Akteure und Personengruppen der Nachrichtenstelle für den Orient in erster Linie unterschiedliche, eigene Agenden verfolgten und die Nachrichtenstelle nutzten, um diese möglichst breiten Öffentlichkeiten zugänglich zu machen. Zwar wurden Inhalte durch die Organisations- und Abteilungsleiter bearbeitet, die Zensur war jedoch nicht immer erfolgreich und es blieben letztlich auch divergierende Meinungen und Diskurspositionen in den NfO-Texten nebeneinander bestehen.
5. Epilog Kriegsende und Entwicklungen nach 1918
Dieses letzte Kapitel gibt einen Überblick über die Ereignisse nach 1918, ist als eine Art Ausblick zu verstehen und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es reicht von der Zeit kurz vor Kriegsende bis in die Zwischenkriegszeit. In einem ersten Teil wird auf die Nachrichtenstelle für den Orient selbst eingegangen. Die Situation der NfO, die noch im Herbst 1918 in Deutsches Orient-Institut umbenannt wurde, war prekär. Hatte die Leitung der Organisation schon zu Kriegszeiten um die Weiterfinanzierung zu kämpfen, intensivierte sich dies nach 1918. Schließlich wurde die Organisation im Frühjahr 1921 aufgelöst. Der zweite Teil des Kapitels behandelt die ehemaligen NfO-Akteure. Über den Verbleib einiger ehemaliger NfO-Mitarbeiter und Affiliierter nach Kriegsende ist mehr bekannt als bei anderen. Sie kehrten zuweilen in alte Berufe zurück und setzten ihr politisches oder religiöses Engagement fort. Die Aufteilung des Kapitels entspricht damit der Struktur des Hauptteils.1
5.1
Das Deutsche Orient-Institut und seine Auflösung
Am 01.11.1918, kurz vor der deutschen Niederlage, wurde die Nachrichtenstelle für den Orient in Deutsches Orient-Institut (DOI) umbenannt.2 Eugen Mittwoch, drit1
2
Die Nahost- und Islamdiskurse der Zwischenkriegszeit wurden an dieser Stelle bewusst ausgeklammert. Ein NfO-Autor forderte in einem der ersten Artikel nach Kriegsende, dass nun auch jene Themen – wie Zionismus und die armenische Frage – behandelt würden, die aus Rücksicht auf das Osmanische Reich vernachlässigt wurden. Armin T. Wegner, Die Neugestaltung unserer Orientpolitik, in: Der Neue Orient 2/15-16 (25.11.1918), S. 101-104, hier: S. 102. Jedoch hat sich der Islam- und Nahostdiskurs in Deutschland vor dem Hintergrund des verlorenen Krieges derart verändert, dass eine Beschreibung des DOI-Diskurses ohne eine Einbettung in diesen Kontext nicht möglich wäre und den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. In einer E-Mail-Korrespondenz mit dem Verfasser der vorliegenden Arbeit äußerte Professor Dr. Udo Steinbach (Berlin) die Vermutung, dass zwischen dem DOI der Zwischenkriegszeit und dem aktuellen, offiziell 1960 gegründeten DOI, das Teil der Deutschen OrientStiftung und des Nah- und Mittelostvereins NUMOV ist, keine Verbindung besteht. Udo Steinbach, Verbindungen Deutsches Orient-Institut und Nachrichtenstelle für den Orient,
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
ter Leiter der NfO sowie erster und einziger Leiter des DOI, hatte sich hierfür mit dem AA und dem Preußischen Kultusministerium abgestimmt.3 Der Auslöser für die Namensänderung, die sich laut von Glasenapp nie einbürgerte,4 war, dass Mittwoch bei einer Reise in die Schweiz merkte, dass »Nachrichtenstelle für den Orient« für neutrale Akteure missverständlich nach Geheimdienst klinge und daher Schwierigkeiten bereite.5 Im folgenden Kapitel werden die Tätigkeiten des DOI beschrieben und es wird ein kurzer Blick auf die schrittweise Auflösung der Organisation geworfen. Die Umbenennung von NfO zu DOI war von dem Wunsch getragen, auch nach dem Krieg weiter tätig zu sein. Bereits in der konstituierenden Phase der Nachrichtenstelle bestand die Idee, die Organisation auch in Friedenszeiten weiter zu betreiben.6 Im November 1918 wurde ein Memorandum zur Umstrukturierung des DOI verfasst. Der von Hartmann verfasste Text sah als »Hauptaufgaben des Deutschen Orient-Instituts Berichterstattung und Belehrung.«7 Dies sollte sowohl die Beeinflussung im »Orient« als auch die Schulung von deutschen Akteuren, die in der Region aktiv werden wollten, umfassen. Die Ausbildung deutscher Beamter und Wirtschaftsvertreter im Ausland war auch eines der Hauptinteressen Mittwochs.8 Hartmann forderte in seinem Memorandum zudem einen starken Praxisbezug und eine Abkehr von historischer Arbeit. Zu diesem Zweck sollten konkrete, inhaltlich arbeitende Abteilungen – etwa eine rechtspolitische Abteilung – und 13 regionale Abteilungen eingerichtet werden. »Orient« wurde hierbei sehr breit verstanden und beschränkte sich nicht auf den Nahen und Mittleren Osten, sondern schloss auch Länder wie Japan und Korea ein.9 Damit wurde an die Tradition der Zeitschrift Der Neue Orient angeknüpft, die eben diesen breiten regionalen Fokus hatte. An der Überzeugung der deutschen NfO-Akteure von der Relevanz des Nahen und Mittleren Ostens für die deutsche Politik änderte auch die Kriegsniederlage zunächst wenig. Mittwoch schrieb etwa über die Beziehungen Deutschlands zum »Orient«:
3 4 5 6 7 8
9
E-Mail (03.08.2016). Dieser Vermutung schließe ich mich an, jedoch konnten die Akten des NUMOV und der Deutschen Orient-Stiftung nicht gesichtet werden. Mittwoch an von Wesendonk, 01.11.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. Glasenapp 1964, S. 71. Mittwoch an Becker, 28.08.1918, GStA PK, VI HA NL Carl Heinrich Becker, 5454. Epkenhans 2001, S. 125. Denkschrift betreffend das Deutsche Orient-Institut, November 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. Denkschrift der Nachrichtenstelle für den Orient betreffend die Gründung eines Deutschen Orient-Instituts, 06.09.1917, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Vc Sek 1 Tit. XI Teil I Nr. 58 Bd. 1. Denkschrift betreffend das Deutsche Orient-Institut, November 1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509.
5. Epilog
»Wenn auch augenblicklich die Verbindung mit dem Orient unterbrochen ist, so sind doch sichere Anzeichen dafür vorhanden, dass die Sympathien für Deutschland bei den Völkern des Orients nicht geringer, ja in vielen Fällen nach Beendigung des Krieges noch herzlichere geworden sind.«10 In der Hoffnung, dass auch zukünftig deutsche Interessen im Ausland durch das DOI vertreten werden könnten und sollten, wurde zunächst versucht, die Tätigkeiten der Organisation auch nach dem Kriegsende weiterzuführen. Der Leiter des DOI schrieb an Enno Littmann über das Fortbestehen des Neuen Orients: »Ich möchte Ihnen doch noch einmal schreiben, dass sich in den Tendenzen des ›Neuen Orient‹ absolut nichts ändern und dass die Zeitschrift in der alten Form und nach den alten Grundsätzen weitergeführt wird.«11 Da sich die tägliche Arbeit des DOI als überaus schwierig gestaltete, äußerte Mittwoch jedoch ab 1920 immer häufiger in privaten Briefen seinen Widerwillen, das DOI weiter zu betreiben, und wünschte sich, sich mehr auf seine wissenschaftliche Arbeit fokussieren zu können.12 Die erschwerten Umstände, unter denen das DOI nach Kriegsende arbeiten musste, hingen vor allem mit Finanzierungsfragen zusammen. Die Organisation hatte mit »stetig wachsenden Kosten für Papier, Druck usw.«13 zu kämpfen. Auch durch die widerstrebende Bewilligung des Etats durch das AA geriet das DOI unter Druck. Stellen wurden abgebaut und immer weitere Einsparungen mussten vorgenommen werden.14 Mittwoch schlug daher vor, die Arbeit des DOI »unter Verzicht auf die Ausgabe kostspieliger Schriften und unter Beschränkung auf das Wichtigste in die Friedenszeit überzuleiten.«15 Die Abteilung I des AA verlangte weiterhin Nachweise und konkrete Auflistungen der Ausgaben mit dem Verweis darauf, dass in Friedenszeiten diese Sachen strikter gehandhabt werden müssten.16 Immer wieder bewilligte das AA Anträge für einen neuen Etat zunächst nicht. Bereits im Dezember 1918 hieß es, dass das DOI die Arbeit zu April 1919 einstellen sollte.17 Otto von Wesendonk, der mittlerweile an der Gesandtschaft in Bern tätig war, machte sich jedoch wiederholt stark dafür, dass das DOI weiterhin Geld vom AA erhalte, da aus seiner Sicht der »Orient« bald wieder wichtig werde für Deutschland.18 Die Leitung der Organisation wusste daher nie genau, wie lange sie noch bestehen würde: »Obwohl die Zukunft der Zeitschrift
10 11 12 13 14 15 16 17 18
Mittwoch an von Grundherr, 17.09.1919, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. Mittwoch an Littmann, 18.11.1918, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 22. Mittwoch an Littmann, 12.03.1920, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 22. Ebd. Graetsch an AA, 08.10.1919, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. Von Wesendonk an AA, 08.01.1919, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. Schüler an AA, 29.09.1919, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. Reichsschatzamt an AA, 28.12.1918, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509. Von Wesendonk an AA, 08.01.1919, PA AA, Deutschland Nr. 126g, R 1509.
305
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
[Der Neue Orient, SK] noch recht unsicher ist – sie muss sich in den nächsten Wochen entscheiden – so wird der Aufsatz doch noch sicher zum Abdruck gelangen, denn bis Ende März [1921, SK] erscheint die Zeitschrift auf alle Fälle.«19 Die Auflösung des DOI war somit ein Ende auf Raten. In der Forschungsliteratur wird die konkrete Auflösung der NfO bzw. des DOI häufig nicht klar benannt. Heine20 , Kloosterhuis21 , Kröger22 , Müller23 , Oberhaus24 und Bragulla25 etwa gehen nicht auf die Auflösung bzw. ein Enddatum ein. Dies mag zum einen an der Fokussierung der Forschung auf den Krieg selbst, zum anderen an den Unsicherheiten nach Kriegsende liegen. Darüber hinaus sind die Quellen für die Zeit nach 1918 überaus lückenhaft. Das AA konnte 1924 schon selbst nicht mehr genau rekonstruieren, wie lange NfO- bzw. DOI-Mitarbeiter für die Organisation tätig gewesen waren und wie lange die Organisation überhaupt existiert hat. Im konkreten Fall von Ferdinand Graetsch wandte sich das Amt an Mittwoch und bat um Aufklärung. Der ehemalige Leiter des DOI bescheinigte Graetsch eine Mitarbeit über das tatsächliche Bestehen der Einrichtung hinaus, wohl in der Absicht, die finanziellen Forderungen des ehemaligen NfO-Akteurs gegenüber dem AA zu unterstützen.26 Auch von Glasenapp blieb in seinen Memoiren sehr vage und schrieb nur: »[Die] Abwicklung zog sich bis 1921 hin.«27 In einem Brief an Enno Littmann nannte Eugen Mittwoch jedoch den 31.03.1921 als konkretes Datum für die Auflösung des DOI.28 Die arabische Fassung der Gefangenenzeitung El Dschihad hatte schon im Oktober 1918 ihr Erscheinen eingestellt.29 Die Zeitung Der Neue Orient hingegen erschien noch bis 1943 und überlebte damit die Organisation, als deren Organ sie gegründet wurde, um ein Vielfaches.30
19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29
30
Mittwoch an Littmann, 15.11.1920, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 22. Letztlich erschien die Zeitschrift bis in die 1940er Jahre. S.u. Heine 2006. Kloosterhuis 1994. Kröger 1994. Müller 1991. Oberhaus 2007. Bragulla 2007. AA an Mittwoch, 28.10.1924, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 22. Glasenapp 1964, S. 91. Mittwoch an Littmann, 08.04.1921, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 22. Höpp 1994, S. 12. Diese Einschätzung Höpps teile ich. Ein offizieller Beschluss hierzu findet sich jedoch nicht. Der Zeitpunkt leitete sich lediglich aus der letzten auffindbaren Ausgabe Nr. 82/83 (11.10.1918) ab. Die Zeitung wurde in der Zwischenkriegszeit von nichtdeutschen Muslimen betrieben und hatte keinerlei Relevanz mehr für das orientalistische Fachpublikum. Hanisch 2003, S. 106. Kloosterhuis nennt 1941 als Enddatum der Zeitschrift. Kloosterhuis 1994, S. 440.
5. Epilog
5.2
Lebenswege nach dem Krieg
Wie auch bei ihrer Herkunft ist bei einigen NfO-Akteuren über ihren Verbleib nach Kriegsende nicht viel bekannt. Die Leitung der Nachrichtenstelle bzw. des OrientInstituts war zwar während der Tätigkeit der betreffenden Akteure für die Organisation gut über diese informiert, danach verliert sich jedoch häufig die Spur. Dies gilt insbesondere für jene Akteure, die nicht Teil eines der beschriebenen Vorkriegsnetzwerke oder nach ihrer Tätigkeit für die Arabische Abteilung nicht politisch bzw. öffentlich aktiv waren. Die weiteren Werdegänge von Sayyid Maʾmun Abu l-Fadl, Muhammad al-Rushdi, Muhammad al-Sharqawi und Jurji Salim etwa sind nicht zu rekonstruieren. Aber auch deutsche Akteure wie Max Adler sind nach ihrem Ausscheiden aus der NfO nicht auffindbar. Zuweilen finden sich einzelne Informationsfetzen. Rabah Bukabuya soll noch 1940 in Berlin arbeitslos gemeldet gewesen sein, nachdem er in den 1920ern erfolglos versucht hatte, nach Ägypten auszuwandern.31 Friedrich Perzyński hingegen reiste viel und lebte zeitweilig in London, Peking und New York.32 Salih al-Sharif ging im November 1918 in die Schweiz, da er weder zurück nach Tunesien noch ins Osmanische Reich konnte, zumal beide Länder von der Entente besetzt waren.33 Ein Teil der ehemaligen NfO-Akteure starb jedoch kurz nach Kriegsende, sodass ihr biografischer Weg in der Zwischenkriegszeit endete. Dazu zählten Martin Hartmann (Dezember 1918)34 , Muhammad Farid (November 1919)35 und Salih al-Sharif (ca. 1920)36 .
5.2.1
Berufliche Werdegänge
Die meisten Akteure lebten jedoch bis weit in die Zwischenkriegszeit hinein und erlebten auch den Zweiten Weltkrieg. Nach 1918 kehrten viele Kriegsbeteiligte in ihre ehemaligen Berufe zurück und versuchten, an das Leben vor 1914 anzuknüpfen; dies war auch der Fall bei den meisten NfO-Akteuren. Insbesondere Wissenschaftler hatten während des Krieges stets Kontakt zur Universitätslandschaft gehalten bzw. waren auch neben ihrer NfO-Tätigkeit darin aktiv. Es verwundert daher wenig, dass diese Akteursgruppe weiterhin ihren Karriereweg beschritt. Helmuth von Glasenapp, der sich im letzten Kriegsjahr in Bonn habilitiert hatte, ließ sich 1920 nach Berlin umhabilitieren. Teile seiner Habilitationsschrift hatte er bereits in Der Neue Orient publiziert.37 Letztlich arbeitete von
31 32 33 34 35 36 37
Höpp 2000, S. 29. Walravens 2005, S. 19. Al-Tamimi 1981, S. 353. Georg Kampffmeyer, Martin Hartmann, in: Die Welt des Islams 6/3-4 (1918), S. 67-71. Goldschmidt 2000, S. 53. Heine 1982b, S. 93 und al-Tamimi 1981, S. 353. Glasenapp 1964, S. 99.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Glasenapp den Großteil seiner wissenschaftlichen Karriere in Tübingen als Indologe und Religionswissenschaftler. Willy Haas habilitierte sich 1921 in Psychologie in Köln,38 wo er bis zu seiner Flucht 1933 in den Iran Philosophie lehrte. In Teheran wurde er Professor für Nahoststudien.39 Im Jahr 1940 siedelte er in die USA über und lehrte an verschiedenen Universitäten. Von 1950 bis 1955 war er Professor am Near and Middle East Institute der Columbia University in New York.40 Enno Littmann wurde Ordinarius in Bonn und Tübingen (1921-1949).41 Ruth Buka ging 1927 in die USA und wurde bereits 1929 Leiterin des Fachbereichs für moderne Sprachen an einem kleinen College in Georgia.42 In den 1940ern war sie Professorin für Germanistik am Elmira College in New York.43 Über ihre vermeintliche Tätigkeit am Berliner Seminar für Orientalische Sprachen in den 1920er Jahren, die sie in ihrem Lebenslauf angab, lässt sich in den Personalakten des Seminars nichts finden. Eugen Mittwoch hingegen wurde Leiter des SOS, zunächst stellvertretend im Jahr 1920, im Jahr 1928 dann endgültig.44 Im Jahr 1919 erhielt er eine ordentliche Professur, die er bis zur Entlassung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1935 innehatte. Im Jahr 1939 emigrierte Mittwoch endgültig nach Großbritannien.45 Muhammad Abu l-ʿArabi war nach dem Krieg bis 1924 weiterhin als Lektor am SOS tätig. Er schied freiwillig aus dem Dienst aus, als klar wurde, dass die Zahl der Hörer für Marokkanisch-Arabisch drastisch gesunken war.46 Relativ spät fand Edgar Pröbster zur Wissenschaft. Erst 1931 habilitierte er sich – neben seiner Tätigkeit im AA – in Leipzig für islamische Geschichte und Kultur und übernahm 1936 den Lehrstuhl für arabische Nationenwissenschaften an der Auslandshochschule Berlin, die aus dem SOS hervorgegangen war.47 Krankheitsbedingt beendete Pröbster seine wis-
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44
45 46 47
Kaiser El Safti 2015, S. 157. New York Times 04.01.1956. Kaiser El Safti 2015, S. 157. Paret 1985, S. 710. Lebenslauf Ruth Buka, o.D. [zwischen 1930 und 1939], ECAR, Series 4: Biographical Files, Box 1. Mitarbeiterliste der Nachrichtenstelle für den Orient, 05.06.1935 (handschriftliche Ergänzungen von 1943), Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA, Erster Weltkrieg, NL von Oppenheim Nr. 19. Maja Ščrbačić, Eugen Mittwoch gegen das Land Preußen: Die Entlassungsmaßnahmen in der Berliner Orientalistik, 1933-1938, in: Arndt Engelhardt/Lutz Fiedler/Elisabeth Gallas/Natasha Gordinsky/Philipp Graf (Hg.), Ein Paradigma der Moderne: Jüdische Geschichte in Schlüsselbegriffen, Festschrift für Dan Diner zum 70. Geburtstag, Göttingen 2016, S. 39-55, hier: S. 42. Littmann 1945-1949, S. 143. Mittwoch an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 26.10.1929, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 45. Jäschke 1942, S. 129. Zur Umwandlung des SOS in der NS-Zeit s. Wolfgang Morgenroth, Das Seminar für Orientalische Sprachen in der Wissenschaftstradition der Sektion Asienwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, in: Hannelore Bernhardt (Hg.), Das »Seminar für Orientalische Sprachen« in der Wissenschaftstradition der Sektion Asienwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin 1990, S. 6-30, hier: S. 22-23.
5. Epilog
senschaftliche Karriere jedoch bereits 1939.48 Max von Oppenheim, der bereits vor dem Krieg kein Wissenschaftler im klassischen Sinne – etwa mit einer institutionellen Anbindung an einen Lehrstuhl – war, betätigte sich auch nach 1918 eher als Privatgelehrter. Er unternahm Forschungsreisen und Ausgrabungen; nach dem Krieg führte er seine Forschungen in Tell Halaf fort und sammelte Objekte aus dem Nahen und Mittleren Osten für seine Privatsammlung.49 Auch eine zweite Berufsgruppe blieb nach dem Krieg ihrem ehemaligen Berufsfeld treu: Diplomaten und Beamte. Karl Emil Schabinger von Schowingen, der die Nachrichtenstelle für den Orient 1916 verlassen musste, arbeitete von 1918 bis 1924 weiter im AA und im badischen Ministerium des Inneren als Beamter.50 Im Jahr 1933 wurde Schabinger von Schowingen nach mehrjähriger Urlaubszeit endgültig in den Ruhestand versetzt.51 Walther Schroeder nahm nach dem Krieg seine Dragomanatsausbildung wieder auf und arbeitete zunächst in der Abteilung I (Personalabteilung)52 .53 Anschließend war er bis zur NS-Zeit und darüber hinaus im AA tätig.54 Wie ihre Kollegen aus der Wissenschaft blieben auch einige der deutschen NfOAkteure im diplomatischen Dienst dem Nahen und Mittleren Osten nach Kriegsende beruflich verbunden. Curt Prüfer arbeitete nach dem Krieg als Referent im Orientdezernat des AA.55 Obwohl er bereits kurz nach Kriegsende eine Anstellung hatte, lässt sich in seinen Tagebuchaufzeichnungen ein hohes Maß an Frustration feststellen: »Das A.A. [Auswärtige Amt] kann sich nicht entschließen, meine Lage zu verbessern. Ich beziehe noch immer das stolze Gehalt von 837,50 Mk, nicht ganz so viel wie ein Müllkutscher.«56 Später wurde Prüfer jedoch Botschafter. Zunächst in Brasilien (1927), dann in Äthiopien (1939).57 Bis 1944 blieb er im Dienst des AA.58 Sowohl während des Zweiten Weltkriegs als auch danach beriet der ehe-
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51 52 53 54
55 56 57 58
Jäschke 1942. Teichmann 2003, S. 75-92. Busse 1969, S. 94 und Schabinger, Emil, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 4, Paderborn u.a. 2012, S. 33-34. Ebd. Historischer Dienst des Auswärtigen Amts 2000, S. XXIV. Interner Vermerk, 27.10.1920, PA AA, P 1, PersA Walther Schroeder 13885. Schroeder, Walther, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 4, Paderborn u.a. 2012, S. 173175, hier: S. 174-175. Detaillierter Werdegang Prüfers in McKale 1987. Tagebuchaufzeichnung, 20.05.19120, HIWRP, NL Curt Max Prüfer, 1:9. Kahle 1961, S. 2. Prüfer, Curt, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 3, Paderborn u.a. 2008, S. 525-526, hier: S. 526 und McKale 1987, S. 185.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
malige Diplomat deutsche Behörden zu Nahostfragen.59 Edgar Pröbster blieb bis 1933 im AA und ging dann erst endgültig in die Wissenschaft.60 Nebenbei beriet er die NS-Regierung als Sachverständiger in der Fachgruppe »Koloniale Rechtsforschung« des Reichsforschungsrates und war Lektor für »Koloniale Fragen« im Hauptamt Schrifttumspflege der NSDAP.61 Herbert Diel ging noch während des Krieges 1918 nach Bern. In den Jahren 1924/25 war er im Dienst des AA wieder im Nahen und Mittleren Osten unterwegs – stationiert in Istanbul. Ab 1925 arbeitete er im Orientreferat des AA.62 Während des Zweiten Weltkriegs war Diel Konsul in den USA. Max von Oppenheim beendete sein Dienstverhältnis mit dem AA noch im November 1918.63 Während des Zweiten Weltkriegs versuchte er jedoch, auf das AA in Nahostfragen Einfluss zu nehmen, und erstellte sogar ein neues Memorandum für die Revolutionierung der Region.64 Seine Bemühungen blieben jedoch ohne Erfolg, da er keinerlei Einfluss mehr hatte. Willy Haas, der in die USA geflüchtet war, beriet während des Zweiten Weltkriegs das Office of Strategic Services und war dort mit Propaganda für den Nahen und Mittleren Osten betraut.65 Aber auch nichtdeutsche Akteure, die vor dem Krieg in Verwaltungsstrukturen eingebunden waren, nahmen diese Tätigkeiten wieder auf. ʿAli Shamsi ging 1922 zurück nach Ägypten. In den 1920ern war er zunächst Finanzminister, dann Erziehungsminister.66 Im Jahr 1940 wurde er als erster Ägypter in den Vorstand der nationalen Bank in Ägypten gewählt.67 ʿAbd al-Rahman ʿAzzam war in den 1920ern im ägyptischen Parlament und im Umfeld von König Faruq von Ägypten aktiv.68 Im Jahr 1936 wurde er Minister in Ägypten, von 1945 bis 1952 war er der erste Generalsekretär der Arabischen Liga.69
59
60
61 62
63
64 65 66 67 68 69
Prüfer, Curt, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 3, Paderborn u.a. 2008, S. 525-526, hier: S. 526 sowie McKale 1987, S. 165-174 und S. 185. Pröbster, Edgar, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 3, Paderborn u.a. 2008, S. 521-523, hier: S. 522. Jäschke 1942. Diel, Herbert, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 1, Paderborn u.a. 2000, S. 425-426, hier: S. 426. Oppenheim, Max von, in: Historischer Dienst des Auswärtigen Amts (Hg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes: 1871-1945, Bd. 3, Paderborn u.a. 2008, S. 408-409, hier: S. 409. Gossman 2014, S. 231-275, Kröger 2003, S. 133-134 und Schwanitz 2004a. New York Times 04.01.1956. Goldschmidt 2000, S. 189 und Raafat 2011, S. 151-154. Ebd., S. 170. Coury 1998, S. 234-239. Ebd., S. 1.
5. Epilog
Die meisten anderen Akteure betätigten sich nach dem Krieg in recht diversen Feldern. Einige ehemalige Journalisten nahmen ihre Vorkriegstätigkeiten wieder auf. Max Rudolf Kaufmann arbeitete bis 1922 für die Norddeutsche Allgemeine Zeitung bzw. die Deutsche Allgemeine Zeitung. Darüber hinaus war er für das Hamburger Fremdenblatt, die Neue Zürcher Zeitung und viele weitere Zeitungen tätig.70 Herbert Mueller war in den 1920ern und 1930ern Auslandskorrespondent in China für die Frankfurter Zeitung und das Deutsche Nachrichtenbüro.71 Friedrich Perzyński arbeitete als Kunsthändler in Asien und war auch als Literat tätig.72 Ahmad Wali unterrichtete bis ca. 1932 als Lektor am SOS,73 bemühte sich jedoch konstant darum, seine Approbation als Arzt in Deutschland zu erhalten.74 ʿAbd al-ʿAziz Jawish betrieb zeitweise eine Import- und Exportfirma mit dem Namen Wadi al-Nil.75 Nach Ende des Krieges hielten viele deutsche Akteure den Kontakt zueinander und zu einigen nichtdeutschen Akteuren. Helmuth von Glasenapp besuchte auf einer Weltreise in den 1930ern Herbert Mueller, der in China lebte.76 Max von Oppenheim pflegte weiterhin Beziehungen zu nichtdeutschen Akteuren. In seinen Notizen vermerkte er: »Bei dem Zusammenbruch Ende 1918 Gruppierung der in Berlin befindlichen Türken und Araber, unter ihnen vor allem Emir Chekib [Shakib] Arslan, um mich, Kurfürstendamm.«77 Um Arabisch zu üben, traf er sich noch 1923 mit Ahmad Wali.78 Eugen Mittwoch hielt mit besonders vielen ehemaligen Kollegen Kontakt. Er war etwa über Prüfers Tätigkeiten im AA informiert und schrieb Littmann darüber in seinen Briefen.79 Auch mit Littmann selbst tauschte sich Mittwoch lange Zeit aus, »[…] denn es liegt mir viel daran, dass die bewährten Mitarbeiter und dass vor allem auch Sie uns erhalten bleiben.«80 Herbert Diel berichtete regelmäßig an Mittwoch über seine Aktivitäten im deutschen Konsulat in Bern, auch als Diel nicht mehr für die NfO arbeitete.81 Mittwoch stand jedoch auch in Verbindung zu nichtdeutschen NfO-Akteuren. Auch nach dem Krieg verschaffte er ihnen immer wieder finanzielle Mittel. Bei der Suche nach einem Übersetzer für 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81
Kaufmann, Max R., in: Alfred Bruckner (Hg.), Neue Schweizer Biographie, Basel 1938, S. 278. Walravens 1992, S. 3. Ders. 2005, S. 15-16. Mittwoch an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Oktober 1932, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 48. Mittwoch an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 18.01.1923, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 48. Höpp 1994, S. 18. Glasenapp 1964, S. 171. Aufzeichnungen Max von Oppenheim, 06.10.1946, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA, Der Erste Weltkrieg, NL von Oppenheim Nr. 12. Korrespondenz von Oppenheim und Mittwoch, Mai 1923, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 20. Mittwoch an Littmann, 12.03.1920, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 22. Mittwoch an Littmann, 18.11.1918, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 22. S. hierfür die Briefe Diels an Mittwoch im Bestand RAV Bern 668 im PA AA.
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kaufmännische Texte ins Arabische empfahl Mittwoch den Fragesteller an Ahmad Wali.82
5.2.2
Politische und religiöse Aktivitäten
Die nichtdeutschen Akteure mit unterschiedlicher regionaler Herkunft hingegen hielten kaum Kontakt zueinander. Weitaus wichtiger als transnationale Vorkriegsnetzwerke waren die jeweiligen Nationalbewegungen.83 Die politische Landschaft im arabischsprachigen Nahen und Mittleren Osten war nach dem Krieg sehr divers. Es existierten säkulare sowie islamisch-reformierte antikoloniale Bewegungen,84 da die europäischen Kolonialmächte als Faktor ungebrochen stark waren. Zwar war das Osmanische Reich als imperialer Akteur nicht mehr präsent, Frankreich und Großbritannien hingegen bauten ihr koloniales System von Protektoraten und Mandatsgebieten in der Region aus.85 Die meisten Länder erlangten ihre Unabhängigkeit erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Sieg der Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien in Europa über Deutschland hatte auch Konsequenzen für die antikolonialen NfO-Akteure in Berlin. Sie verließen die Hauptstadt in der Regel – wenn auch nur kurzzeitig – aus der Sorge, sie würden wegen ihrer Kriegsaktivitäten in Entente-Gefangenschaft geraten. Mittwoch berichtete etwa an das AA, dass Jawish, al-Sharif, Hamza und al-Khidr Husayn osmanische Pässe erhalten hätten, mit denen sie in die Schweiz reisen wollten.86 Mansur Rifʿat wandte sich hingegen an deutsche Behörden, um »sich während einer etwaigen Okkupation seitens der Ententetruppen verborgen halten zu können.«87 Letztlich kamen einige der nichtdeutschen, arabischsprachigen Akteure nach Deutschland zurück und waren dort eine Zeit lang antikolonial engagiert.88 Berlin behielt somit in der Zwischenkriegszeit seine Funktion als antikoloniales Zentrum, das es während des Krieges war. Ein deutscher Beobachter
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84 85 86 87 88
Korrespondenz des Instituts für ausländisches Recht beim Reichsverband der deutschen Industrie mit SOS, März/April 1921, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 250. Eine besondere Ausnahme, in der überregionale Kontakte in der Zwischenkriegszeit eine Rolle spielten, war die panarabische Bewegung. Hier war von den ehemaligen NfO-Akteuren jedoch nur ʿAbd al-Rahman ʿAzzam aktiv. Stefan Reichmuth, Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken der Nachkriegszeit, in: Geschichte und Gesellschaft 40/2 (2014), S. 184-213, hier: S. 210. Ebd., S. 212. Mittwoch an AA, 21.11.1918, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21141. Prüfer an AA, 04.12.1918, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21141. Sehr detalliert für ägyptische Akteure im Deutschland der Zwischenkriegszeit beschreibt dies Mahmoud Kassim, Die diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu Ägypten, 19191936, Münster/Hamburg/London 2000.
5. Epilog
machte drei Gründe für die Fortsetzung des antikolonialen Engagements in Berlin – in Form der Produktion von Publikationen – aus: 1. Viele Akteure könnten aufgrund ihrer Aktivitäten nicht in ihre Heimatländer zurück. Dies galt insbesondere, wenn die Kolonialmächte über die Tätigkeiten der entsprechenden Personen informiert waren. 2. Antikoloniale Publikationen könnten in Deutschland problemlos gedruckt und bei Bedarf in die Zielländer geschmuggelt werden, was von den kolonialen Metropolen aus nicht möglich sei. 3. Die Herstellung und Verbreitung von Publikationen sei in Deutschland ausgesprochen günstig.89 Das antikoloniale Engagement der ehemaligen NfO-Akteure gestaltete sich sehr unterschiedlich: Mansur Rifʿat gründete Anfang November 1918 mit Ägyptern aus der Schweiz, die zuvor keinen NfO-Kontakt hatten, die Ägyptische national-radikale Partei.90 In den 1920ern stieß er immer wieder mit der Polizei zusammen, da er etwa immer wieder Kundgebungen gegen die neugebaute AhmadiyyaMoschee in Berlin und ihre vermeintlichen Beziehungen zur Kolonialmacht Großbritannien organisierte.91 Letztlich wurde Rifʿat nach Wien ausgewiesen, wo er vermutlich starb.92 Muhammad Farid siedelte nach dem Krieg von der Schweiz nach Deutschland um, wo er 1919 in Berlin starb.93 Noch im selben Jahr hatte er sich mit anderen ägyptischen Nationalisten darum bemüht, eine eigene nationalistische Zeitung herauszubringen. Obwohl er sich mit von Wesendonk, Diel und Haas abgesprochen hatte, kam es letztlich nicht dazu.94 Auch ʿAbd al-ʿAziz Jawish versuchte weiterhin, den Kontakt zum AA aufrechtzuerhalten und warb für seine Aktivitäten.95 Im Jahr 1921 wurde er Redakteur der Aegyptischen Korrespondenz, dem neugegründeten Organ der ägyptischen Nationalpartei in Deutschland.96 Die Zeitschrift zeichnete sich durch starke Kritik an Großbritannien aus.97 Ein Jahr zuvor war Jawish stellvertretender Vorsitzender des Orient Klubs geworden, dessen Leiter Shakib Arslan war.98 Jawish war – wie auch Mansur Rifʿat – Mitarbeiter der Zeitschrift Liwaʾ al-Islam, deren Tendenz in einem Bericht als »panislamisch und ausgesprochen englandfeindich«99 beschrieben wurde. Muhammad Fahmi
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Aufzeichnungen von Müller-Heymer, 25.10.1921, BArch, Nachrichten- und Presseabteilung, R 901/57635. Höpp 1998, S. 60 und ders. 1987, S. 88. Höpp 1998, S. 61-62. Ebd., S. 64. Goldschmidt 2000, S. 54. Farid/Goldschmidt 1992, S. 506-507. Adolf Mueller an AA, 10.04.1919, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21141. Höpp 1994. Ders. 1987, S. 94. Ders. 1994. Aufzeichnungen von Müller-Heymer, 25.10.1921, BArch, Nachrichten- und Presseabteilung, R 901/57635.
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engagierte sich ebenfalls weiterhin antikolonial, intensivierte jedoch den Kontakt zu Sozialisten, den er bereits während des Krieges aufgenommen hatte.100 Die nichtdeutschen, arabischsprachigen Akteure, die während des Krieges für die Nachrichtenstelle gearbeitet hatten, konnten nach dessen Ende die Zunahme arabischer Präsenz in Deutschland beobachten. In den 1920ern kamen viele Studierende aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Berlin. Inflationsbedingt war die Stadt recht günstig und daher attraktiv.101 Großbritannien beobachtete die Einreise arabischsprachiger Studierender nach Deutschland mit Sorge. Es bestand die Vermutung, dass diese Kontakt aufnehmen könnten zu bereits in Deutschland lebenden antikolonialen Akteuren und diese wiederum auf ihre politische Haltung Einfluss nehmen würden.102 In der Tat hatten etwa Jawish und Rifʿat Kontakte zu Studierenden, wie Yahya Ahmad al-Dardiri. Der Ägypter war zunächst Vizepräsident der ägyptischen Studierendenvereinigung Sphinx und gab 1923 kurzzeitig die Zeitschrift al-Difaʿ al-Watani al-Misri (Die Ägyptisch-nationale Verteidigung) heraus.103 Die islamisch oder national geprägten Studierendenorganisationen und -interessenvertretungen wie al-Islamiyya oder al-ʿArabiyya – 1924 und 1925 gegründet –104 wurden die neuen Plattformen antikolonialer Akteure. Die nationalen Komitees, die während des Krieges im Kontext der NfO bzw. deren Arabischer Abteilung gegründet worden waren, spielten keine Rolle mehr und stellten ihre Aktivitäten stillschweigend ein. Bis Mitte der 1920er hatten fast alle nichtdeutschen NfO-Akteure, die noch lebten, Deutschland verlassen und waren in den arabischsprachigen Nahen und Mittleren Osten – nicht aber unbedingt in ihre Herkunftsländer – zurückgekehrt.105 Für den Nahen und Mittleren Osten spielte die Idee der islamischen Einheit weiterhin eine große Rolle in der Zwischenkriegszeit, etwa auf dem Kongress von Baku 100 Fahmi nahm etwa an den internationalen Sozialistenkonferenzen in Bern und Luzern im Jahr 1919 teil. Trefzger 1970, S. 89. 101 Bernd Bauknecht, Muslime in Deutschland von 1920 bis 1945, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 9/1 (2001), S. 41-81, hier: S. 41 und Höpp 2002. 102 Höpp 1994, S. 18. 103 Ders. 1987, S. 92. 104 Ebd. 105 Am aufblühenden muslimischen Leben der Zwischenkriegszeit in Deutschland partizipierten die nichtdeutschen, ehemaligen NfO-Akteure in der Mehrzahl nicht. Wichtige Literatur zu diesem Thema ist: Bauknecht 2001, David Motadel, The Making of Muslim Communities in Western Europe: 1914-1939, in: Götz Nordbruch/Umar Ryad (Hg.), Transnational Islam in Interwar Europe: Muslim Activists and Thinkers, New York 2014, S. 13-43, ders., Islamische Bürgerlichkeit: Das soziokulturelle Milieu der muslimischen Minderheit in Berlin 1918-1939, in: José Brunner/Shai Lavi (Hg.), Juden und Muslime in Deutschland: Recht, Religion, Identität, Göttingen 2009, S. 103-121 und Bekim Agai/Umar Ryad/Mehdi Sajid (Hg.), Muslims in Interwar Europe: A Transcultural Historical Perspective, Leiden 2015 und Götz Nordbruch/Umar Ryad (Hg.), Transnational Islam in Interwar Europe: Muslim Activists and Thinkers, New York 2014
5. Epilog
(1920)106 und dem Kongress von Jerusalem (1931)107 . Auch das Kalifat blieb trotz des Endes des Osmanischen Reichs und der späteren Abschaffung des Kalifats (1924) eine wichtige Institution für Akteure wie Jawish und al-Khidr Husayn.108 Jawish etwa richtete nach dem Ersten Weltkrieg seinen Blick auf Indien. Er wandte sich 1923 in einem Brief an die Khilafat-Bewegung und befürwortete darin ihren Kampf für das Kalifat und islamische Einheit.109 Auch nach seiner Rückkehr im Dezember desselben Jahres nach Ägypten engagierte sich Jawish weiterhin als muslimischer Reformer, verfasste Publikationen und beriet das ägyptische Erziehungsministerium.110 Darüber hinaus war Jawish Präsident der 1927 gegründeten Young Men’s Muslim Association,111 die eine der zentralen muslimischen Jugendorganisationen in Ägypten wurde und in der sich auch ʿAbd al-Rahman ʿAzzam und Muhammad al-Khidr Husayn engagierten.112 Darüber hinaus gründete Jawish zusammen mit seinem Schüler ʿAli al-ʿInani die religiöse Organisation Ikhwan al-nahda (Brüder der Erneuerung).113 Muhammad al-Khidr Husayn wollte eigentlich nach Damaskus zurück, reiste jedoch Ende 1920 aufgrund der unklaren politischen Lage in der Levante nach Ägypten.114 Dort gründete er 1928 die islamische Gesellschaft Jamʿiyyat al-Hidaya al-Islamiyya (Gesellschaft für islamische Führung).115 Darüber hinaus baute er zunehmend Kontakte zur al-Azhar aus, der er von 1951 bis 1954 als Großscheich vorstand.
5.2.3
Nutzbarmachung der Tätigkeiten
Der Umgang der Akteure mit ihrem Engagement für die NfO bzw. das DOI war sehr unterschiedlich. Ein Teil der ehemaligen Mitarbeiter und Affiliierten verschwieg die eigenen Tätigkeiten für die Organisation. In Personalbögen, die Diel, Schroeder und Prüfer dem AA während und nach der NS-Zeit vorlegten, fehlte die Arbeit für die NfO.116 Ruth Buka stellte in ihrem Lebenslauf, den sie für ihre Einstellung am Elmira College in New York verfasste, ihre Tätigkeit für die 106 Alp Yenen, The Other Jihad: Enver Pasha, Bolsheviks, and Politics of anticolonial Muslim Nationalism during the Baku Congress 1920, in: Thomas Grant Fraser (Hg.), The First World War and its Aftermath: The Shaping of the Middle East, London 2015, S. 273-294. 107 Weldon C. Matthews, Pan-Islam or Arab Nationalism?: The Meaning of the 1931 Jerusalem Islamic Congress Reconsidered, in: International Journal of Middle East Studies 35/1 (2003), S. 1-22. 108 Muwaʿada 1974, S. 94-98 109 Landau 1990, S. 212. 110 Al-Jundi 1965, S. 144 und S. 151-152. 111 Dawn 1988, S. 81. 112 Coury 1998, S. 331. 113 Höpp 2002. 114 Muwaʿada 1974, S. 81 und S. 84. 115 Ebd., S. 98-103. 116 S. hierfür die Personalakten der Akteure in den Beständen P 1 und P 14.
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Nachrichtenstelle in einer abgewandelten Form dar. Sie schrieb, dass sie für das AA Übersetzungen angefertigt sowie Sprachunterricht gegeben habe, und datierte diese Aktivitäten auf die frühen 1920er Jahre.117 Andere ehemalige NfO-Akteure versuchten, die Tätigkeiten für sich zu nutzen. Im Mai 1919 forderte Rifʿat im Namen weiterer ägyptischer Nationalisten: »Deutschland ist moralisch verpflichtet, uns zu Hilfe zu kommen. Ich wiederhole noch einmal: entweder verlangen wir baldige freie Abreise aus diesem Lande oder dass wir, wie die übrigen Orientalen unterstützt werden, nicht um unsere politische National-Propaganda auszuführen, sondern nur um ein ehrliches Leben führen zu können.«118 Letztlich erhielten einige der nichtdeutschen NfO-Akteure Abfindungen: Mansur Rifʿat (5.000 Mark), Ahmad Wali (6.000 Mark), Rabah Bukabuya (7.500 Mark), Muhammad Abu l-ʿArabi (7.500 Mark) und Muhammad al-Rushdi (6.000 Mark).119 Eugen Mittwoch machte sich insgesamt sehr stark dafür, dass das ehemalige Personal auch nach dem Krieg versorgt wurde. Er setzte sich etwa dafür ein, dass Wali seine Approbation erhielt120 und dass Graetsch Pensionsansprüche für seine Dienstzeit in Anspruch nehmen konnte121 . Auch von Oppenheim wandte sich 1922 mit Pensionsansprüchen an das AA und nahm in seinem Schreiben prominent auf die von ihm geführte Einrichtung der NfO und die spätere Entsendung nach Istanbul Bezug.122 Edgar Pröbster schlug vor, dass er die für die Zulassung zur Konsularprüfung nötige wissenschaftliche Arbeit über seine kriegsbedingten Expeditionen nach Marokko verfassen könne,123 was jedoch vom AA abgelehnt wurde. Ein besonderer Fall, in dem ein NfO-Akteur versuchte, das Engagement für die Organisation für sich zu nutzen, war der des letzten Leiters. Eugen Mittwoch verlor 1935 seine Professur, wogegen er sich massiv wehrte.124 Seine Zeit als Leiter der NfO war in diesem Aufbegehren ein wichtiges Argument. »Ich habe von 1914 bis Ende 1918 die vom Stellvertreter des Generalstabs, Sektion Politik, in Verbindung mit dem Auswärtigen Amt begründete ›Nachrichtenstelle für den Orient‹ – später Deutsches Orient-Institut genannt – geleitet, worüber diese beiden Behörden
117 118 119
Lebenslauf Ruth Buka, o.D. [zwischen 1930 und 1939], ECAR, Series 4: Biographical Files, Box 1. Rifʿat an Wehrminister Noske, 07.05.1919, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21141. Auflistung der Ablösesummen für nichtdeutsche Akteure, September 1919, PA AA, Weltkrieg Nr. 11g, R 21141. 120 Mittwoch an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 18.01.1923, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 48. 121 AA an Mittwoch, 28.10.1924, GStA PK, I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen, 22. 122 Von Oppenheim an AA, 16.10.1922, PA AA, P 1, PersA Max von Oppenheim 10863. 123 Pröbster an AA, 24.02.1920, PA AA, P 1, PersA Edgar Pröbster 11496. 124 Detailliert beschreibt Maja Ščrbačić diesen Vorgang. Ščrbačić 2016.
5. Epilog
Auskunft erteilen können.«125 Enno Littmann setzte sich mit dem ähnlichen Argument für Mittwoch ein: »Er [Mittwoch, SK] hat, da er nicht kriegsdienstfähig war, während des Weltkriegs seine ganze Zeit und Kraft für Deutschland eingesetzt, als Leiter der Nachrichtenstelle für den Orient; ich habe dies während meiner Tätigkeit im Stell. Generalstab der Armee verschiedentlich beobachten können.«126 Dies half jedoch nichts; Mittwoch verlor seine Stelle endgültig und reiste letztlich nach London aus. Auch Willy Haas, ebenfalls jüdischer Abstammung, floh in den 1930ern aus Deutschland.127 Die NS-Zeit stellte aber nicht nur für die deutschjüdischen NfO-Akteure eine Zäsur dar. Insgesamt unterschied sich die deutsche Nah- und Mittelostpolitik im NS-Regime stark von der des Ersten Weltkriegs; sowohl inhaltlich als auch von den zentralen Personen her.128 Viele der ehemaligen NfO-Akteure waren zwar noch beruflich in Deutschland tätig, die meisten spielten jedoch politisch keine Rolle mehr und nahmen daher keinen Einfluss.
125 126 127 128
Erklärung Eugen Mittwoch, 29.11.1938, UAHUB, UKM 225. Schreiben Littmann, 07.08.1933, StaBi PK, NL Enno Littmann, K. 22. New York Times 04.01.1956. Die deutschen Versuche im Zweiten Weltkrieg, den Islam zu nutzen, beschreibt David Motadel. David Motadel, Islam and Nazi Germany’s War, Cambridge 2014.
317
6. Fazit
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Handlungsoptionen in der transnational ausgerichteten Organisation Nachrichtenstelle für den Orient (NfO) herauszuarbeiten, insbesondere der Arabischen Abteilung mit ihren Mitarbeitern bzw. Affiliierten unterschiedlicher biografischer Herkunft und politischer Ausrichtung. Zu diesem Zweck wurden die Interaktionen und Formen der Wissensproduktion der involvierten Akteure analysiert. Die Betrachtung der Quellen erfolgte durch einen biografieorientierten und diskurstheoretischen Ansatz. Die NfO wurde im Herbst 1914 vom Auswärtigen Amt als »klassische« Linienorganisation gegründet, um in neutralen, feindlichen und befreundeten Ländern die Meinungen der Öffentlichkeit bzw. bestimmter Zielgruppen zu beeinflussen. Zum einen galt es, für die deutsche Sache Sympathien zu gewinnen. Zum anderen sollten gerade in den Kolonien Frankreichs, Großbritanniens und in einigen Gebieten Russlands die unterdrückten kolonialen Subjekte – insbesondere Muslime – zu Aufständen bewegt werden. Die Deutschen erhofften sich, dass die Entente als Konsequenz Truppen von europäischen Schlachtfeldern abziehen würde, um die Revolten zu bekämpfen. Um eine solche Einflussnahme zu errreichen, führten die Mitarbeiter und Affiliierten der Nachrichtenstelle in mehreren regional und thematisch organisierten Abteilungen, wie der Arabischen Abteilung, der Indischen Abteilung oder der Juristischen Abteilung, eine Vielzahl von Aktivitäten durch. Im Mittelpunkt stand die Produktion von Publikationen in über 30 europäischen und nichteuropäischen Sprachen. Die Mitarbeiter und Affiliierten selbst kamen nicht nur aus Deutschland, sondern rekrutierten sich auch aus den Kolonien Frankreichs, Großbritanniens und Russlands. Sie hatten überaus diverse biografische Hintergründe und kamen auf ganz verschiedenen Wegen in die NfO. Die Analyse des archivalischen und publizierten Materials konnte die Thesen der vorliegenden Arbeit belegen: Die deutschen ebenso wie die nichtdeutschen Mitarbeiter und Affiliierten nahmen die NfO in erster Linie als Plattform wahr, auf der sie ihre eigenen religiösen, politischen oder beruflichen Ziele verfolgen konnten. Dazu zählten etwa der Kampf für die nationale Unabhängigkeit des Herkunftslandes (im Fall der Arabischen Abteilung Marokko, Algerien, Tunesien und Ägypten) oder der Wunsch, die eigene finanzielle Situation durch den Bezug eines festen Ge-
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
halts bzw. gelegentlicher Zahlungen zu verbessern. Zudem nutzten Wissenschaftler wie Martin Hartmann, antikoloniale Aktivisten wie Muhammad Fahmi und andere Gruppen die Nachrichtenstelle, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und zu vernetzen. Deutsche Kriegsziele, allgemeine Organisationsziele oder Vorgaben durch übergeordnete Behörden wie das AA spielten für das Engagement der involvierten Akteure eine eher untergeordnete Rolle. Zwar versuchten die drei Leiter der NfO, Schwerpunkte zu setzen sowie Ziele und Richtungsvorgaben festzulegen, deren konkrete Umsetzung hing jedoch von den einzelnen Mitarbeitern und Affiliierten ab. Die Nachrichtenstelle ist daher nicht einfach als Propagandaoder Geheimdienstorganisation für deutsche Zwecke zu verstehen, sondern muss von individuellen bzw. gruppenspezifischen Zielen her gedacht werden. Was die Zusammenarbeit zwischen den transnationalen Akteuren und Akteursgruppen betrifft, so konnte anhand von Archivquellen gezeigt werden, dass diese trotz zeitweiliger Interessenkonvergenzen und Momenten der Kooperation (etwa in Form der Herausgabe gemeinsamer Publikationen) von Spannungen und Konflikten geprägt war. Daraus folgten u.a. eine starke Überwachung der Mitarbeiter, beispielsweise ihrer Korrespondenzen, und eine Zensur ihrer Publikationen seitens der Organisationsleitung. Gerade das Fehlen gemeinsamer übergeordneter Ziele führte zu inhaltlichen Differenzen und häufig zu Überwerfungen, die wiederum ein Ende der Zusammenarbeit nach sich zogen. Es ließ sich zeigen, dass die Unterscheidung in »deutsche« und »nichtdeutsche« Mitarbeiter v.a. für die NfO-Leitung eine Rolle spielte, da sie die Akteure entsprechend ihrer Herkunft unterschiedlich behandelte. Letztlich erwies sich jedoch, dass strukturelle und ideologische Differenzen gerade auch zwischen vermeintlich ähnlichen Akteuren, die aus derselben Region stammten, existierten. Auf der anderen Seite gab es Gemeinsamkeiten, die unabhängig von der regionalen Herkunft der Akteure bestanden. Dazu zählt etwa, dass alle NfO-Akteure studiert hatten. Keineswegs lassen sich daher zwei in sich geschlossene »Akteursgruppen« konstruieren. Die Trennung in »deutsch«/»nichtdeutsch« wurde in der vorliegenden Arbeit nur genannt, wenn sie für die Akteure selbst relevant war oder wenn die Hierarchisierungsprozesse in der Organisation beschrieben wurden. Der Nutzen der Zusammenarbeit mit der NfO muss für die Akteure groß genug gewesen sein, um die Spannungen und internen Konflikte in Kauf zu nehmen. Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass trotz Versuchen der Zensur durchaus unterschiedliche Meinungen und Diskurspositionen in den Publikationen der NfO nebeneinander bestehen konnten – etwa hinsichtlich der Frage, welche Rolle das Osmanische Reich zukünftig in den von europäischen Kolonialmächten befreiten Ländern spielen sollte. In Bezug auf das in der NfO produzierte Wissen lässt sich sagen, dass es in einem Zusammenspiel von Vorkriegserfahrungen der Akteure, selektiver Adaption von Vorkriegsdiskursen sowie organisationsinternen Konflikten und Interessen-
6. Fazit
konvergenzen entstand. Entsprechend sind die im Rahmen der Nachrichtenstelle publizierten Texte, gerade auch mit Blick auf die internen Differenzen im Material, keineswegs ausschließlich deutsche Propaganda, sondern vielmehr Ausdruck der beruflichen, politischen und religiösen Interessen sowie der biografischen Prägungen der Akteure. Für die Meinungsbeeinflussung wurden in der Regel gezielt und publikumsorientiert antikoloniale Inhalte mit einer nationalistischen oder islamischen Ausrichtung verbreitet. Die NfO-Diskurse über Islam sowie den Nahen und Mittleren Osten sind in einem Aushandlungsprozess zwischen deutschem Expertenwissen und dem Wissen lokaler Akteure entstanden. Romantisierte Vorstellungen vom »Orient« wurden zeitgleich mit deutschen Überlegenheitspostulaten und antikolonialen Modernisierungshoffnungen formuliert. Zwar wurden die Mitarbeiter und Affiliierten je nach regionaler Herkunft, sozialem Status und Geschlecht unterschiedlich behandelt, dennoch kann die Wissensproduktion in der NfO nicht losgelöst von der agency und dem Einfluss gerade marginalisierter Gruppen, wie nichtdeutscher Antikolonialisten oder deutscher Nachwuchswissenschaftler, betrachtet werden. Mit der vorliegenden Arbeit konnte die Perspektive auf den Ersten Weltkrieg erweitert werden. Für die Weltkriegsforschung ließ sich anhand der NfO zeigen, dass der Krieg nicht nur Einschränkungen mit sich brachte, sondern auch neue Handlungsfelder eröffnete. Der Krieg machte die transnationale Produktion von Wissen nicht nur möglich, sondern förderte sie sogar. Antikoloniale Akteure aus unterschiedlichen Weltregionen reisten aufgrund des Krieges umher und tauschten sich aus. Auch Orientalisten passten ihre Aktivitäten dem Krieg an. Sie sahen sich zunehmend als »engagierte« Wissenschaftler und nutzten ihre Expertise für »praktische«, politische Zwecke. Zeitgenössische Personen verstanden, dies zeigt die Beschreibung der NfO, den Krieg tatsächlich als »Welt-Krieg«: Die NfO-Akteure nahmen die gesamte Welt in den Blick. Sie waren fest davon überzeugt, dass der europäische Konflikt Folgen für die ganze Welt haben und außerhalb von Europa entschieden werden würde. Zudem lässt sich festhalten, dass deutsche Propaganda nicht nur von deutschen Interessen geleitet war. Nichtdeutsche Akteure prägten mit ihren Partikularinteressen und mannigfaltigen Perspektiven auf die Welt die deutsche Kriegspropaganda maßgeblich mit. Die NfO wurde aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Krieges, sondern vor allem mit Blick auf die Auseinandersetzung verschiedener Akteure mit europäischem Kolonialismus beleuchtet. Für die Kolonialforschung ließ sich anhand der NfO zeigen, dass koloniale Diskursproduktion und Handlungen auch dann eine Rolle spielen, wenn sie sich nicht auf die »eigene« Kolonie beziehen. Das Deutsche Reich war keine Kolonialmacht im Nahen und Mittleren Osten im engeren Sinne. In der NfO kamen dennoch koloniale Diskurse und Praktiken zum Tragen, z.B. in Form von Überwachung und Kontrolle nichtdeutscher, antikolonialer Akteure. Die Sprache war von kolonialen, rassistischen Hierarchien geprägt und Überle-
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
genheitspostulate standen in den NfO-Diskursen im Mittelpunkt. Aufgrund des Wechselspiels von hegemonialem und subalternem Wissen unterscheidet sich die Wissensproduktion in der Nachrichtenstelle nicht grundsätzlich von anderen Formen kolonialer Diskursproduktion. Es konnte, wie das Beispiel NfO verdeutlicht, durchaus ein wechselseitiges Interesse an der Zusammenarbeit einer Kolonialmacht mit antikolonialen Akteuren bestehen. Für die Kolonialmacht Deutschland erschien die Zusammenarbeit mit antikolonialen Akteuren unter bestimmten Voraussetzungen nützlich. Eine Kooperation war gerade dann möglich, wenn die Zusammenarbeit nicht mit Untertanen aus den eigenen Kolonien stattfand. Zwar hatten Akteure aus dem Deutschen Reich konstant die Sorge, dass die antikolonialen Akteure in ihren Publikationen einen allgemein kolonialkritischen Ton anschlagen würden, dieses Risiko wurde jedoch in Kauf genommen und mit verschiedenen Zensur- und Kontrollpraktiken einzudämmen versucht. Doch waren die antikolonialen Akteure ihrerseits genauso an einer Zusammenarbeit mit der Kolonialmacht Deutschland interessiert. Auf der Suche nach möglichen Allianzen und Partnern gingen sie überaus strategisch vor. Ägypter, Tunesier und die anderen nichtdeutschen Akteure wären möglicherweise auch mit anderen Ländern eine Verbindung eingegangen, hätten sie sich dort einen mindestens ebenso großen Erfolg erhofft. Offenbar gab es eine bisher eventuell etwas unterschätzte antikoloniale Vernetzung im Deutschen Kaiserreich. In Berlin waren sicherlich weniger antikoloniale Aktivisten anzutreffen als beispielsweise in London oder Paris. Dennoch kamen Akteure aus der ganzen Welt nach Berlin und nutzen die Gelegenheit, sich mit anderen antikolonialen Aktivisten auszutauschen. Ohne die deutsche Idee, Meinungsbeeinflussung für Kriegszwecke zu nutzen, hätte es eventuell keinen Kontakt zwischen einigen dieser Akteure gegeben. Dies gilt für das Aufeinandertreffen deutscher und nichtdeutscher Akteure sowie für nichtdeutsche Akteure aus verschiedenen Herkunftsländern gleichermaßen. Letztlich konnte gezeigt werden, dass eine wechselseitige Beeinflussung von Akteuren und Diskursen tatsächlich kontinuierlich stattfindet. Eine Betrachtung der Diskurse muss immer die Prägung der agierenden Subjekte berücksichtigen. Andererseits müssen die Positionen von Akteuren stets mit bereits existierenden Diskursen und den darin sagbaren Positionen abgeglichen werden. In der vorliegenden Arbeit standen die Interaktionen und Wissensproduktionen zwischen deutschen und arabischsprachigen Akteuren im Mittelpunkt. Aufgrund der Sprachkenntnisse des Verfassers wurden die Interaktionen zwischen unterschiedlichen Akteuren nichtdeutscher Herkunft – etwa Georgiern und Tunesiern oder Indern und Ägyptern – nicht untersucht. Hierfür wäre eine kollaborative Studie mehrsprachiger Autoren nötig. Des Weiteren fokussierte sich die Arbeit auf die Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Nachrichtenstelle für den Orient selbst existierte zwar bis 1921 unter dem Namen Deutsches Orient-Institut, ihre Relevanz für
6. Fazit
deutsche Politik und Wissenschaft sowie ihr Einfluss auf die Öffentlichkeit nahmen nach dem Krieg jedoch rapide ab. Da einige der deutschen Wissenschaftler und Diplomaten über 1918 hinaus in ihren Berufen aktiv waren, wäre daher zu fragen, inwiefern die Islam- und Nahostdiskurse, die im Kontext der NfO geprägt wurden, auf spätere Diskurse in Deutschland zu diesem Thema wirkten. Abschließend kann festgestellt werden, dass die Tätigkeiten und Publikationen im Rahmen der Nachrichtenstelle für den Orient nicht zur Folge hatten, dass sich Muslime und koloniale Subjekte weltweit gegen ihre Kolonialherren auflehnten. Die Existenz der NfO führte aber dazu, dass Menschen, Ideen und Gelder global bewegt wurden. Kriegsbedingt kamen Akteure aus unterschiedlichen Weltregionen nach Berlin und tauschten sich mit Deutschen aus, die wiederum ebenfalls die Welt bereisten. Die Hauptstadt des Deutschen Reichs wurde so zu einem wichtigen Zentrum globaler Aktivitäten während des Ersten Weltkriegs und die Nachrichtenstelle für den Orient zu einer Plattform transnationaler Interaktion und Wissensproduktion.
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7. Abkürzungsverzeichnis
AA: Auswärtiges Amt BArch: Bundesarchiv BArch-MA: Bundesarchiv – Abteilung Militärarchiv Bf Z Stuttgart: Bibliothek für Zeitgeschichte Stuttgart DOI: Deutsches Orient-Institut DÜD: Deutscher Überseedienst ECAR: Elmira College Archive Records GStA PK: Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz HIWRP: Hoover Institution on War, Revolution, and Peace HUMINT: human intelligence IW: Die Islamische Welt KNO: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient NfO: Nachrichtenstelle für den Orient (in Quellen auch N.O. und N.f.d.O.) NL: Nachlass NO: Der Neue Orient NSO: Nachrichtensaal-Organisation OHL: Oberste Heeresleitung OSINT: open source intelligence PA AA: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts PersA: Personalakte PETAG: Persische Teppich-Gesellschaft SOS: Berliner Seminar für Orientalische Sprachen StaBi PK: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz TM: Teşkilat-ı Mahsusa UAHUB: Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin ULB ST: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt ZfA: Zentralstelle für Auslandsdienst
8. Quellen- und Literaturverzeichnis
8.1
Archivalische Quellen
Bankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA (Köln) Nachlass Max von Oppenheim Bibliothek für Zeitgeschichte (Stuttgart) Türkei 1914-1918: Heidelberger Bestand Bundesarchiv (Berlin) R 901 Auswärtiges Amt Bundesarchiv – Abteilung Militärarchiv (Freiburg i.Br.) RM 5 Admiralstab der Marine/Seekriegsleitung der Marine Elmira College Archive Records (New York, USA) Series 4: Biographical Files Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz (Berlin) I. HA Rep. 76 Kultusministerium I. HA Rep. 208 A Seminar für Orientalische Sprachen VI. HA Nachlass Becker, Carl Heinrich Hoover Institution on War, Revolution, and Peace (Stanford, USA) Nachlass Curt Prüfer Landesarchiv (Berlin) A Rep 342-02 Amtsgericht Charlottenburg – Handelsregister Politisches Archiv des Auswärtigen Amts (Berlin) Deutschland Nr. 126g und Nr. 126g adh. 1 Orientalia Generalia Nr. 9 und Nr. 9,2
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Türkei Nr. 159/4, Nr. 165 und Nr. 167 Weltkrieg Nr. 11, Nr. 11 adh. 2, Nr. 11g, Nr. 11g adh., Nr. 11s, Nr. 11t geheim RAV Akten: Adana, Beirut, Bern, Wien Nachlässe: Curt Prüfer und Karl Emil Schabinger von Schowingen Personalakten: Herbert Diel, Max von Oppenheim, Edgar Pröbster, Curt Prüfer, Walther Schroeder und Karl Emil Schabinger von Schowingen Schweizerisches Bundesarchiv (Digitale Druckschriften) Diplomatische Dokumente der Schweiz 7a Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Berlin) Nachlass Enno Littmann (NL 245) Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin Mitarbeiterakte Eugen Mittwoch UKM 225 Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt/Bibliothek der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (Halle an der Saale) Nachlass Martin Hartmann
8.2 8.2.1
Publizierte Quellen und zeitgenössische Literatur Monografien und Broschüren
Al-ʿInani, ʿAli A., Beurteilung der Bilderfrage im Islam nach der Ansicht eines Muslim, Berlin 1918. Al-Sharif, Salih, Die Wahrheit über den Glaubenskrieg, Berlin 1915. Al-Sharif, Salih, La vérité au sujet de la Guerre sainte, Bern 1916. Al-Sharif, Salih/Sefaihi, Ismaʿil, Tunesien und Algerien: Ein Protest gegen die französische Gewaltherrschaft, Berlin 1916. ʿAzzam, ʿAbd al-Rahman, Die Freiheitskämpfe der Tripolitanier: Eine Geschichte des großen Aufstandes der Tripolitanier und Senussi gegen Italiener, Engländer und Franzosen während des Weltkrieges von einem Augenzeugen, mit einem Anhang: Land und Leute in Tripolis mit besonderer Berücksichtigung des Ordenswesens, Berlin 1918. Bernhardi, Friedrich von, Deutschland und der nächste Krieg, Stuttgart 1912. Buka, Ruth, Die Topographie Ninewes, zur Zeit Sanheribs und seiner Nachfolger unter besonderer Berücksichtigung des achtseitigen Sanheribprismas K 103000, Berlin 1915.
8. Quellen- und Literaturverzeichnis
Bukabuya, Rabah, L’islam dans l’armée française, Istanbul 1915. Bukabuya, Rabah, L’Islam dans l’armée française, Lausanne 1917a. Bukabuya, Rabah, Les soldats dans l’armée française, Lausanne 1917b. Der Völkerzirkus unserer Feinde, mit einem Vorwort von Leo Frobenius, Berlin 1916. Erzberger, Matthias, Erlebnisse im Weltkrieg, Stuttgart/Berlin 1920. Fahmi, Muhammad, An Open Letter Adressed to Mr. Asquith, Genf 1915. Fahmi, Muhammad, La question d’Égypte, Genf 1917. Farid, Muhammad, Les intrigues anglaises contre l’Islam, Lausanne 1917. Farid, Muhammad/Goldschmidt, Arthur, The Memoirs and Diaries of Muhammad Farid, an Egyptian Nationalist Leader (1868-1919), San Francisco 1992. Glasenapp, Helmuth von, Meine Lebensreise: Menschen, Länder und Dinge, die ich sah, Wiesbaden 1964. Haas, Willy, Über die Echtheit und Unechtheit von Gefühlen, Nürnberg 1910. Haas, Willy, Die Seele des Orients: Grundzüge einer Psychologie des orientalischen Menschen, Jena 1916. Har Dayal, Lala, Forty-Four Months in Germany and Turkey: February 1915 to October 1918, London 1920. Jawish, ʿAbd al-ʿAziz, al-Khilafa al-Islamiyya [Das islamische Kalifat], Istanbul 1915. Kaufmann, Max R., Pera und Stambul, Weimar 1915. Kühlmann, Richard von, Erinnerungen, Heidelberg 1948. Melville, Lewis, German Propagandist Societies, Washington 1918. Mittwoch, Eugen, Deutschland, die Türkei und der Heilige Krieg, Berlin 1914. Moll, Friedrich, Der Heilige Krieg, Berlin 1917. Moritz, Bernhard, Bilder aus Palästina, Nord-Arabien und dem Sinai: 100 Bilder nach Photographien mit erläuterndem Text, Berlin 1916. Nadolny, Rudolf, Mein Beitrag: Erinnerungen eines Botschafters des Deutschen Reiches, herausgegeben und eingeleitet von Günter Wollstein, Köln 1985. Oppenheim, Max von, Die Nachrichtensaal-Organisation und die wirtschaftliche Propaganda in der Türkei: Ihre Übernahme durch den Deutschen Überseedienst, Berlin 1917. Rifʿat, Mansur, Die Knechtung Ägyptens: Belastende Dokumente für englische Heuchelei, Berlin 1915a. Rifʿat, Mansur, Lest We Forget: A Page from the History of the British in Egypt, o.O. 1915b. Rifʿat, Mansur, Un verdict sur l’Angleterre: L’Égypte et la Belgique, deux dates, 18821914, Berlin 1915c. Rifʿat, Mansur, Ein Wahrspruch über England: Ägypten und Belgien, zwei Daten, 1882-1914, Basel 1918. Schabinger von Schowingen, Karl Emil, Weltgeschichtliche Mosaiksplitter: Erlebnisse und Erinnerungen eines kaiserlichen Dragomans, Baden-Baden 1967.
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330
Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Schroeder, Walther, Das Schutzgenossenwesen in Marokko, Oldenburg 1917a. Schroeder, Walther, Das Schutzgenossenwesen in Marokko, Berlin 1917b. Shamsi, ʿAli, L’Égypte et le droit des peuples, Genf 1918. Snouck Hurgronje, Christiaan, The Holy War »Made in Germany«, London/New York 1915. Stern-Rubarth, Edgar, … aus zuverlässiger Quelle verlautet: Ein Leben für Presse und Politik, Stuttgart 1964. Storrs, Ronald, Orientations: The Autobiography of Sir Ronald Storrs, London 1937. Stuermer, Harry, Zwei Kriegsjahre in Konstantinopel: Skizzen deutsch-jungtürkischer Moral und Politik, Lausanne 1917.
8.2.2
Zeitungsartikel
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8. Quellen- und Literaturverzeichnis
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Almaniya wa-Dawlat al-Khilafa [Deutschland und das Reich des Kalifats], in: alʿAdl 8/486 (01.11.1915), S. 1-2. Almaniya wa-Injiltira wa-Faransa [Deutschland, England und Frankreich], in: El Dschihad 38 (01.07.1916), S. S. 1. Al-Masri, Ahmad, Aus der ägyptischen Kolonie in der Schweiz, in: Der Neue Orient 2/8 (30.07.1918), S. 389. Al-Qaʾid al-Faransawi al-ʿAmm aw Sifak al-Dimaʾ [Der französische Generalstab oder das Blutvergießen], in: El Dschihad 60 (15.07.1917), S. 4. Al-Qard al-Almani [Der deutsche Kredit], in: El Dschihad 24 (07.12.1915), S. 1. Al-Quwwa al-Difaʿiyya al-Almaniyya wa-Tanzimuha [Die deutsche militärische Stärke und ihre Organisation], in: El Dschihad 50 (15.01.1917), S. 1. Al-Sanussi, Ahmad, Absage an die Verräter des Islams, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/1 (06.10.1916), S. 7-8. Al-Sayf Asdaq Anbaʾ min al-Kutub fi Haddihi al-Hadd bayn al-Jadd wa-l-Liʿb [Das Schwert ist ein besseres Mittel als Bücher zur Trennung von Ernst und Spaß], in: El Dschihad 29 (22.02.1916), S. 1. Al-Shaʿb al-Almani Yukhaffif al-ʾAm al-Muqatilin al-Muslimin [Das deutsche Volk erleichtert die Qual der muslimischen Kämpfer], in: El Dschihad 1 (05.03.1915), S. 3. Al-Sharif, Salih, Frankreich und Tunesien, in: Der Neue Orient 2/4-5 (05.06.1918), S. 188-192. Al-Sharqawi, Muhammad, Frankreichs Werkzeuge in Nordafrika: Abd-el-Kadir ben Ghabrit und seine Rolle in Marokko, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/3 (04.11.1916), S. 82-84. Al-Tajnid fi Mustaʿmirat Faransa [Der Wehrdienst in den Kolonien Frankreichs], in: El Dschihad 29 (22.02.1916), S. 1. Al-Taʿlim fi Almaniya [Die Bildung in Deutschland], in: El Dschihad 54 (03.04.1917), S. 1. Aʿmal al-Hhawasat fi Sawahil Afriqiya al-Shamaliyya [Die Unternehmungen der U-Boote an den Küsten Nordafrikas], in: El Dschihad 61 (26.08.1917), S. 3. Anwerbung marokkanischer Rekruten, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/7 (06.11.1915), S. 38. Arslan, Shakib, Die Araber und die Engländer, in: Der Neue Orient 1/6 (20.06.1917), S. 263-266. Arslan, Shakib, Die neuen Intrigen der Entente in Syrien, in: Der Neue Orient 1/21 (05.02.1918), S. 399-401. Aswat Min al-Jaraʾid al-Islamiyya: Ittihad al-Silah al-Alman wa-l-Atrak [Stimmen aus islamischen Zeitungen: Waffengemeinschaft zwischen Deutschen und Türken], in: El Dschihad 3 (06.04.1915), S. 4. Breitheld, E. R., Entente-Wettbewerb im Roten Meer, in: Der Neue Orient 2/2 (24.04.1918), S. 75-76.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Egyptians in Switzerland, in: Arab Bulletin 1/23 (26.09.1916), S. 285-286. Ein »ägyptischer Patriot«, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/21 (22.03.1916), S. 128-129. Ein ägyptischer Patriot, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/11 (03.12.1915), S. 62-63. Ein Kulturdokument, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 1/7 (30.06.1915), S. 2. Eine arabische Huldigung an den Deutschen Kaiser, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/10 (22.02.1917), S. 416. El-Azhar, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/6 (22.12.1916), S. 219-220. Fakaha [Humor], in: El Dschihad 19 (21.10.1915), S. 2. Faransa Tabhath ʿan Murrakushiyyin [Frankreich sucht Marokkaner], in: El Dschihad 19 (21.10.1915), S. 2. Faransa Tahruq Amwat al-Muslimin [Frankreich verbrennt die Toten der Muslime], in: al-ʿAdl 7/460 (08.07.1915), S. 1-2. Faransa wa-Dhahab al-Murrakushiyyin [Frankreich und das Gold der Marokkaner], in: El Dschihad 21 (04.11.1915), S. 1. Farid, Muhammad, Memoire du parti national égyptien aux gouvernements des deux groupes belligérants et des pays neutres, in: Bulletin du parti national égyptien 1 (1917), S. 13-18. Farid, Muhammad, Die arabische Bewegung, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 3/11 (06.03.1917), S. 459. Farid, Muhammad, England gegen das Khalifat, in: Berliner Tageblatt (03.04.1917), S. 5. Farid, Muhammad, Un nouvel appel du parti national égyptien: L’Egypte et le principe des nationalités, in: Bulletin du parti national égyptien 3 (1918), S. 53-57. Faridat al-Hajj fi hadha al-ʿAmm [Die Hadsch-Pflicht in diesem Jahr], in: El Dschihad 15 (20.08.1915), S. 2. Fazaʾiʿ al-Aʿda fi Bilad al-Muslimin [Die Scheußlichkeiten der Feinde in den Ländern der Muslime], in: El Dschihad 14 (16.08.1915), S. 1-2. Feier des Beiramfestes im Gefangenenlager zu Zossen, in: Die Islamische Welt 1/1 (1916), S. 60-61. Fi Tariq Tahrir Wadi al-Nil: Khitab Jamal Basha [Auf dem Weg zur Befreiung des Nildeltas: Eine Ansprache von Cemal Pascha], in: El Dschihad 4 (23.04.1915), S. 3. Fikr al-Hulafaʾ fi Junud Mustaʿmiratihim [Die Geisteshaltung der Verbündeten über die Soldaten ihrer Kolonien], in: El Dschihad 31 (01.04.1916), S. 2. Französische Kulturarbeit, in: Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient 2/47 (15.09.1916), S. 293. Für das Maghreb und seine Befreiung, in: Der Neue Orient 1/2 (21.04.1917), S. 67-68.
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
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8.2.3
Vorträge (gedruckt)
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Tseretheli, Michael von, Völker und Kultur des Kaukasus, Vortragsorganisation: Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin 16.12.1915.
8.3
Sekundärliteratur
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Verboven, Koenraad/Carlier, Myriam/Dumolyn, Jan, A Short Manual to the Art of Prosopopgraphy, in: Katharine S. B. Keats-Rohan (Hg.), Prosopography: Approaches and Applications, A Handbook, Oxford 2007, S. 37-70. Vrolijk, Arnoud, From Shadow Theatre to the Empire of Shadows: The Career of Curt Prüfer, Arabist and Diplomat, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 156/2 (2006), S. 369-378. Waardenburg, Jacques, The Study of Islam in German Scholarship, in: Azim Nanji (Hg.), Mapping Islamic Studies: Genealogy, Continuity, and Change, Berlin/New York 1997, S. 1-32. Walravens, Hartmut, Herbert Mueller (1885-1966): Sinologe, Kunsthändler, Jurist und Journalist, eine biobibliographische Skizze, Berlin 1992. Walravens, Hartmut, Friedrich Perzyński (1877-1962?): Kunsthistoriker, Ostasienreisender, Schriftsteller, Leben – Werk – Briefe, Melle 2005. Walther, Wiebke, Die Situation von Frauen in islamischen Ländern, in: Werner Ende/Udo Steinbach (Hg.), Der Islam in der Gegenwart, München 2005, S. 635680. Welch, David, Germany, Propaganda and Total War, 1914-1918: The Sins of Omission, London 2000. Wilke, Jürgen, Deutsche Auslandspropaganda im Ersten Weltkrieg: Die Zentralstelle für Auslandsdienst, in: Jürgen Wilke (Hg.), Pressepolitik und Propaganda: Historische Studien vom Vormärz bis zum Kalten Krieg, Köln u.a. 1997, S. 79-125. Will, Alexander, Kein Griff nach der Weltmacht: Geheime Dienste und Propaganda im deutsch-österreichisch-türkischen Bündnis, 1914-1918, Köln 2012. Wokoeck, Ursula, German Orientalism: The Study of the Middle East and Islam from 1800 to 1945, London/New York 2009. Wroblewski, Martin, Moralische Eroberungen als Instrumente der Diplomatie: Die Informations- und Pressepolitik des Auswärtigen Amts, 1902-1914, Göttingen 2016. Yenen, Alp, The Other Jihad: Enver Pasha, Bolsheviks, and Politics of anticolonial Muslim Nationalism during the Baku Congress 1920, in: Thomas Grant Fraser (Hg.), The First World War and its Aftermath: The Shaping of the Middle East, London 2015, S. 273-294. Yiğit, Yücel, The Teşkilat-ı Mahsusa and World War I, in: Middle East Critique 23/2 (2014), S. 157-174. Zechlin, Egmont, Friedensbestrebungen und Revolutionierungsversuche, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 20 (1961), S. 269-288. Zürcher, Erik Jan, Turkey: A Modern History, London 2005. Zürcher, Erik Jan (Hg.), Jihad and Islam in World War I: Studies on the Ottoman Jihad at the Centenary of Snouck Hurgronje’s »Holy War Made in Germany«, Leiden 2016.
9. Biografischer Anhang
Mitarbeiter und Affiliierte der Nachrichtenstelle für den Orient (Leitung, Arabische Abteilung, Presse-Abteilung und Filiale Schweiz) ʿAbd al-Qadir, Ahmad Mukhtar (1857-1918), geboren in Algerien, muslimisch, in NfO: Sommer 1916, Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Istanbul, genaue Tätigkeiten unbekannt Adler, Max (1882-?), geboren in Preußen?, Vertreter der Baseler Nachrichten in Berlin, in NfO: Herbst 1914 bis Juli 1915 (Presse-Abteilung), Redakteur der Gefangenenzeitung El Dschihad, nach NfO: unbekannt Abu l-ʿArabi [in Quellen auch Bel Arbi], Muhammad (1881-?), geboren in Marokko, muslimisch, Lektor am SOS, in NfO: ab Frühjahr 1917 (Arabische Abteilung), Arbeit in Gefangenenlagern (v.a. Unterricht für Insassen), Übersetzungen und Kontrolle von Texten, Vorbereitung von und Teilnahme an Expeditionen, nach NfO: Lektor am SOS Abu l-Fadl [in Quellen auch Memun Abul Fadl], Sayyid Maʾmun (1891-?), geboren im Hedschas auf der Arabischen Halbinsel, muslimisch, Studium der Theologie in Medina und Istanbul, Redakteur der Zeitschrift al-Madina al-Munawarra, Offizier in osmanischer Armee, in NfO: von Juni 1915 bis 1917 (Türkische und Arabische Abteilung), Erstellung von Propagandamaterial, Nachrichtenlektüre arabischsprachiger Zeitungen, Vorträge und Predigten in Gefangenenlagern, Vorbereitung von und Teilnahme an Expeditionen (u.a. Stotzingen-Neufeld-Mission 1916), nach NfO: unbekannt ʿAzzam, ʿAbd al-Rahman (1893-1976), geboren in Shubbak al-Gharbi/Ägypten, muslimisch, Studium der Medizin in London, in NfO: ab Mai 1918 (Arabische Abteilung), Erstellung von Propagandamaterial, Vorbereitung von und Teilnahme an Expeditionen (Libyen), nach NfO: im ägyptischen Parlament, Minister in Ägypten und erster Generalsekretär der Arabischen Liga
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen
Buka, Ruth (1890-1979?), geboren in Hohenstein, evangelisch, Studium der Sprachwissenschaften (v.a. Altorientalistik) in Berlin (u.a. am SOS), in NfO: von 1916 bis 1917 oder von 1917 bis 1918 (Arabische und Türkische Abteilung), Übersetzungen und Kontrolle von Texten, nach NfO: Professorin für moderne Sprachen und später für Germanistik in den USA Bukabuya, Rabah (1875-?), Pseudonym: Hadsch Abdullah, geboren in Constantine/Algerien, muslimisch, Offizier in französischer Armee, in NfO: ab November 1915 (Arabische Abteilung), Arbeit in Gefangenenlagern, Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: weiterhin in Berlin (bis 1940er), Tätigkeiten unbekannt Diel, Herbert (1886-1955), geboren in Breslau, evangelisch, Studium der Rechtsund Sprachwissenschaften (v.a. Arabisch am SOS) sowie der Nationalökonomie in Breslau, Freiburg und Berlin, Dragoman an deutscher Auslandsvertretung in Marokko (Tanger und Marrakesch), in NfO: März 1917 bis Februar 1918 (Arabische Abteilung), Übersetzungen und Kontrolle von Texten, Vorbereitung von und Teilnahme an Expeditionen (u.a. Stotzingen-Neufeld-Mission 1916 und Reisen in die Nachrichtensäle), Nachrichtenlektüre arabischsprachiger Zeitungen, nach NfO: tätig für AA (während des Ersten Weltkriegs in Bern, in 1920ern Stationen im Nahen und Mittleren Osten sowie im Orientreferat, während des Zweiten Weltkriegs in den USA) Fahmi [in Quellen auch Fahmy], Muhammad (1880-1863), geboren in Ägypten, muslimisch, Studium der Rechtswissenschaften in Genf, publizistische Tätigkeiten (u.a. in The Indian Sociologist in der Schweiz), Dozent für Rechtswissenschaften in Genf, Funktionär der ägyptischen Nationalpartei, in NfO: ab Januar 1915 (Filiale Schweiz, aber regelmäßig in Berlin), Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: unbekannt Farid, Muhammad (1868-1919), geboren in Kairo/Ägypten, muslimisch, Studium der Rechtswissenschaften in Ägypten, Anwalt, Vorsitzender der ägyptischen Nationalpartei, publizistische Tätigkeiten, in NfO: ab Januar 1915 (Filiale Schweiz, aber regelmäßig in Berlin), Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Umzug von der Schweiz nach Berlin, politisch aktiv Glasenapp, Helmuth von (1891-1963), Pseudonym: Anandavardhan Shastri, geboren in Berlin, evangelisch, Studium der Sprachwissenschaften (Indologie) in Tübingen, München, Berlin und Bonn, in NfO: ab März 1915 (Indische Abteilung und PresseAbteilung), eingebunden in Redaktionen von Der Neue Orient und El Dschihad, Begleitung nichtdeutscher Besucher in Deutschland, Erstellung von Propagandama-
9. Biografischer Anhang
terial, zeitweilig Bürotätigkeiten in Berliner Zentrale, nach NfO: Habilitation in Berlin, Indologe und Religionswissenschaftler in Königsberg und Tübingen Haas, Willy (Wilhelm Albert) (1883-1956), Deckname in Akten: Ex, geboren in Nürnberg, jüdisch, Studium der Rechtswissenschaften, Philosophie, Psychologie und Soziologie in Wien, Berlin und München, in NfO: ab Juli 1916 (Presse-Abteilung und Filiale Schweiz), Koordination der Tätigkeiten in Schweizer Filiale, Informationsbeschaffung über nichtdeutsche Akteure, Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Habilitation in Köln, Dozent für Psychologie in Köln, 1933 Flucht vor Nationalsozialisten nach Iran, Leiter des ethnografischen Museums und Professor für Nahoststudien in Teheran, später mehrere Professuren in den USA, Beratung des Office of Strategic Services während des Zweiten Weltkriegs Hamza [in Quellen auch Hamsa], ʿAbd al-Malik (1886-1960er?), Pseudonym: Ibn Marwan, geboren in Ägypten, muslimisch, Studium der Rechtwissenschaften, Redakteur, Rechtsanwalt, Sekretär der ägyptischen Nationalpartei, in NfO: ab ca. 1916 (Arabische Abteilung), redaktionelle Tätigkeiten für El Dschihad, Übersetzungen und Kontrolle von Texten, Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Mitglied im ägyptischen Parlament, ägyptischer Botschafter in der Türkei Hartmann, Martin (1851-1918), geboren in Breslau, mennonitisch, Studium der Sprachwissenschaften (semitische Sprachen) und Theologie in Breslau, Leipzig und Berlin, Dragoman an deutschen Auslandsvertretungen im Osmanischen Reich (Istanbul und Beirut), Professor für Arabisch am SOS, in NfO: ab 1914 (Arabische und Türkische Abteilung), Leiter der Türkischen Abteilung, Überwachung von Korrespondenzen nichtdeutscher, arabischsprachiger NfO-Akteure, Erstellung von Propagandamaterial al-ʿInani [in Quellen auch Enani und al-Enani], ʿAli Ahmad (1886-1940), geboren in Tiradiyya/Ägypten, muslimisch, Studium der semitischen Sprachen und Theologie in Kairo (al-Azhar und Dar al-ʿUlum) und Berlin, in NfO: ab Frühjahr 1915 (Arabische Abteilung), Vorträge und Predigten in Gefangenenlagern, Produktion von Publikationen, Übersetzungen und Kontrolle von Texten, nach NfO: Gründung der islamischen Organisation Ikhwan al-Nahda (Brüder der Erneuerung) mit Jawish, Beamter im ägyptischen Hochschulwesen Jacoby, Heinrich (Lebensdaten unbekannt), Deckname in Akten: X, Betreiber der Persischen Teppich Aktiengesellschaft (PETAG), in NfO: ab ca. März 1915 (Filiale Schweiz), Leitung der Schweizer Filiale, Informationsbeschaffung über nichtdeutsche Akteure, Finanzierung der Tätigkeiten in der Schweiz über PETAG, zeitweilig Bürotätigkeiten in Berliner Zentrale, nach NfO: weiterhin PETAG
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Jawish [in Quellen auch Schawisch und Tschauisch], ʿAbd al-ʿAziz (1876-1929), geboren in Alexandria/Ägypten, muslimisch (gute Kontakte zur Sanusiyya), Studium der Theologie in Kairo (al-Azhar und Dar al-ʿUlum), Dozent für Arabisch und Erziehungswissenschaften in Cambridge und am Borough Road College in London, politisch aktiv: Mitglied der ägyptischen Nationalpartei, Redakteur bei al-Liwaʾ, alHilal al-ʿUthmani, al-ʿAlam al-Islami, in NfO: ab 1915 (Arabische Abteilung), Vorträge und Predigten in Gefangenenlagern, Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Import- und Exportfirma Wadi al-Nil, politisch aktiv: Herausgabe der Zeitung Aegyptische Korrespondenz in Berlin, Vorsitzender des Orientklubs in Berlin, Präsident der Young Men’s Muslim Association in Ägypten, Beamter im ägyptischen Bildungsministerium Kaufmann, Max Rudolf (1886-1963), Pseudonym: Bey Oghlu, geboren in Basel, Studium der Sprachwissenschaften in Bern und Heidelberg, Journalist für Basler Nachrichten, Frankfurter Zeitung, Neue Zürcher Zeitung und Osmanischer Lloyd, in NfO: ab Oktober 1915 (Presse-Abteilung und Filiale Schweiz), redaktionelle Tätigkeiten, Vertrieb der Publikationen in der Schweiz, nach NfO: tätig für Norddeutsche Allgemeine Zeitung bzw. Deutsche Allgemeine Zeitung, Hamburger Fremdenblatt, Neue Zürcher Zeitung u.a. al-Khidr Husayn [in Quellen auch Chidr], Muhammad (1876-1958), geboren in Nafta/Tunesien, muslimisch (Mitglied der Sufi-Bruderschaft Rahmaniyya), Lehrer an Sultaniyya-Schule in Damaskus, in NfO: ab ca. Mai 1915 (Arabische Abteilung), Erstellung von Propagandamaterial, Redakteur Gefangenenzeitung El Dschihad, Vorträge und Predigten in Gefangenenlagern, nach NfO: Umzug nach Ägypten, Gründung der islamischen Organisation Jamʿiyyat al-Hidaya al-Islamiyya (Gesellschaft für islamische Führung), später Großscheich der al-Azhar Universität Littmann, Enno (1875-1958), geboren in Oldenburg, evangelisch, Studium der Sprachwissenschaften (u.a. Orientalistik) und Theologie in Halle, Greifswald und Straßburg, archäologische Expeditionen (in Syrien und Äthiopien), Dozent in Straßburg, Princeton und Göttingen, in NfO: ab März 1915 (Arabische Abteilung), Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Professor in Bonn und Tübingen Mittwoch, Eugen (1876-1942), geboren in Schrimm, jüdisch, Studium der Sprachwissenschaften (u.a. semitische Sprachen) und am Rabbinerseminar in Berlin, in NfO: ab 1914 (Arabische Abteilung), Leiter der NfO von 1916 bis 1921, Leiter der Arabischen Abteilung, Überwachung von Korrespondenzen arabischsprachiger NfOAkteure, Erstellung von Propagandamaterial, ab 1917 zeitgleich Professor an Universität Greifswald (freigestellt für Tätigkeiten in NfO), nach NfO: Leiter des SOS,
9. Biografischer Anhang
Professor für semitische Sprachen in Berlin, 1939 Flucht vor Nationalsozialisten nach Großbritannien Moritz, Bernhard (1859-1939), geboren in Guben, evangelisch, Studium der Sprachwissenschaften (v.a. Orientalistik) in Berlin, Leiter der Khedivial-Bibliothek in Kairo, Bibliothekar am SOS, in NfO: ab 1914 (Arabische Abteilung), Vorbereitung von und Teilnahme an Expeditionen (Syrien und Arabische Halbinsel), Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Bibliothekar am SOS Mueller, Herbert (1885-1966), geboren in Gumbinnen, evangelisch, Studium der Nationalökonomie, Ethnologie und Sprachwissenschaften (Sinologie) in Berlin, Kiel und Bonn, Arbeit im Museum für Völkerkunde, archäologische Expeditionen in China, Journalist bei Neue Preußische Zeitung, in NfO: 1914 bis 1919 (Presse-Abteilung), Leiter der Presse-Abteilung, unter Mittwoch stellvertretender Leiter der NfO, verantwortlicher Redakteur von Der Neue Orient, Begleitung nichtdeutscher Besucher in Deutschland, Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Auslandskorrespondent in China für Frankfurter Zeitung und Deutsches Nachrichtenbüro Oppenheim, Max von (1860-1946), geboren in Köln, katholisch, Studium der Rechtswissenschaften in Straßburg, Tätigkeit am deutschen Konsulat in Kairo, in NfO: Gründer der NfO und Leiter von 1914 bis 1915, Leitung der NachrichtensaalOrganisation, Vorbereitung von und Teilnahme an Expeditionen (Osmanisches Reich: v.a. Syrien und Kleinasien), nach NfO: Privatgelehrter: Forschungsreisen und Ausgrabungen im Nahen und Mittleren Osten Perzyński, Friedrich (1877-1962?), geboren in Berlin, kein reguläres Studium, da kein Abitur, Buchhändler, Schriftsteller, in NfO: ab Herbst 1915 (Presse-Abteilung), redaktionelle Tätigkeiten auf Deutsch, nach NfO: Kunsthändler in Asien und Literat Pröbster, Edgar (1879-1942), geboren in Neustadt an der Orla, evangelisch, Studium der Rechts- und Sprachwissenschaften (v.a. Orientalistik) in Leipzig, Jena, München und Berlin (u.a. am SOS), Dragoman und Konsul in Marokko (Tanger, Fez und Casablanca), in NfO: ab Juli 1915 (Arabische Abteilung), Begleitung nichtdeutscher Besucher in Deutschland, Informationsbeschaffung über nichtdeutsche Akteure, Arbeit in Gefangenenlagern, Vorbereitung von und Teilnahme an Expeditionen (Marokko, dort inhaftiert bis 1919), nach NfO: in AA tätig, Habilitation in Leipzig, Lehrstuhl für arabische Nationenwissenschaften an Auslandshochschule in Berlin (Nachfolgeorganisation des SOS)
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Prüfer, Curt (1881-1959), geboren in Berlin, evangelisch, Studium der Rechts- und Sprachwissenschaften in Berlin (u.a. am SOS), Tätigkeit am deutschen Konsulat in Kairo, in NfO: 1914 bis Februar 1917 (in Berlin, danach Istanbul), Übersetzungen und Kontrolle von Texten, Nachrichtenlektüre arabischsprachiger Zeitungen, Vorbereitung von und Teilnahme an Expeditionen (Osmanisches Reich und Ägypten), Leitung der Nachrichtensaal-Organisation ab 1917, nach NfO: Tätigkeit in AA (u.a. Leiter des Orientdezernats und später Botschafter in Brasilien und Äthiopien) Rifʿat [in Quellen auch Rifaat und Rifat], Mustafa Mansur (1883-1925?), Pseudonyme: Patrick Steel Hardy, Ibrahim Bey und Masri Mohager, geboren in Alexandria/Ägypten, muslimisch, Studium der Medizin am Syrian Protestant College in Beirut und am Jefferson Medical College Philadelphia, Arzt, Redakteur bei al-Liwaʾ und The Indian Sociologist in Paris und Genf, in NfO: ab Ende 1914/Anfang 1915 (Arabische Abteilung), Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Gründung der Ägyptisch national-radikalen Partei, politisch aktiv, Ausweisung nach Wien 1925 al-Rushdi [in Quellen auch Roschdy], Muhammad (Lebensdaten unbekannt), geboren in Ägypten, muslimisch, Studium der Medizin in Ägypten und Syrien, ehemaliger Offizier in marokkanischer Armee, in NfO: ab Juni 1917 (Arabische Abteilung), Übersetzungen und Kontrolle von Texten, nach NfO: unbekannt Sadiq [in Quellen auch Sadek und Sadik], Muhammad (Lebensdaten unbekannt), geboren in Tunesien, muslimisch, Polizeioffizier und Dozent an Polizeiakademie in Beirut, in NfO: ab März 1915 (Arabische Abteilung), Arbeit in Gefangenenlagern, Übersetzungen und Kontrolle von Texten, Informationsbeschaffung über nichtdeutsche Akteure, nach NfO: unbekannt Salim, Barukh Jurji (1894-?), geboren in Bagdad/Irak, jüdisch, während des Krieges Studium der Nationalökonomie in Berlin, in NfO: ab Juli 1915(Arabische und Türkische Abteilung), Mitarbeit an Gefangenenzeitung El Dschihad, Übersetzungen und Kontrolle von Texten, nach NfO: unbekannt Schabinger von Schowingen, Karl Emil (1877-1967), geboren in Gernsbach, evangelisch, Studium der Philosophie sowie der Rechts- und Sprachwissenschaften (u.a. Orientalistik) in Heidelberg, Freiburg und Berlin (u.a. am SOS), Dragoman an deutschen Auslandsvertretungen in Marokko (Tanger und Casablanca), in NfO: ab 1914 (Arabische Abteilung), Leiter der NfO von 1915 bis 1916, Übersetzungen und Kontrolle von Texten, Begleitung nichtdeutscher Besucher in Deutschland, nach NfO: in deutschen Auslandsvertretungen im Nahen und Mittleren Osten (Jaffa und Jerusalem), Beamter in badischem Ministerium des Inneren
9. Biografischer Anhang
Schroeder, Walther (1890-1977), geboren in Berlin, evangelisch, Studium der Rechts- und Sprachwissenschaften in Berlin (u.a. am SOS), Dragoman in Marokko (Tanger und Marrakesch), in NfO: ab Juli 1915 (Arabische Abteilung), zwischenzeitlich in Nachrichtenstelle in Istanbul (erste Hälfte 1916), Arbeit in Gefangenenlagern (u.a. Unterricht für Insassen), Begleitung nichtdeutscher Besucher in Deutschland, Übersetzungen und Kontrolle von Texten, Nachrichtenlektüre arabischsprachiger Zeitungen, Überwachung von Korrespondenzen nichtdeutscher, arabischsprachiger NfO-Akteure, nach NfO: Tätigkeit in AA (u.a. in Tiflis/Georgien und Täbris/Iran, während des Zweiten Weltkriegs kurzzeitig im Arabischen Nachrichtenbüro, größtenteils im Ruhestand und Reaktivierung erst nach Ende des Krieges) al-Shamsi [in Quellen auch Schamsi und Shamsy], ʿAli (1885-1962), geboren in der Region Sharqiyya/Ägypten, muslimisch, Studium der Rechtswissenschaften in Lyon und Genf, Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung in Kairo bis zur Auflösung durch die Briten 1914, in NfO: ab Januar 1915 (Filiale Schweiz), Informationsbeschaffung über nichtdeutsche Akteure, Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Finanzminister in Ägypten, Vorstand der nationalen Bank in Ägypten al-Sharif (al-Tunisi) [in Quellen auch Scherif und Scharif], Salih (1869-1920), geboren in Tunis, muslimisch, Studium der Theologie an der Zaytuna Universität in Tunis, Dozent an der Zaytuna und der ʿAsfuriyya in Tunesien, in NfO: ab ca. 1915 (Arabische Abteilung), Vorträge und Predigten in Gefangenenlagern, Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: Umzug in die Schweiz (zunächst Genf, dann Lausanne), genaue Tätigkeit unbekannt al-Sharqawi, Muhammad (Lebensdaten unbekannt), geboren in Marokko, Studium in Genf, in NfO: ab ca. 1917 (Arabische Abteilung), Erstellung von Propagandamaterial, nach NfO: unbekannt Stumme, Hans (1864-1936), geboren in Mittweida, Studium der Sprachwissenschaften (v.a. semitische Sprachen) in Leipzig, Halle, Tübingen und Straßburg, (Honorar-)Professor für Arabisch in Leipzig (gleichzeitig Schwerpunkt auf afrikanischen Sprachen u.a. Berberisch und Swahili), in NfO: ab 1914 (Arabische Abteilung), Arbeit in Gefangenenlagern, nach NfO: Fortsetzung wissenschaftlicher Tätigkeiten in Leipzig, verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Wali [in Quellen auch Waly], Ahmad (1885-?), geboren in Kairo/Ägypten, muslimisch, Studium der Medizin in Kairo (al-Azhar und Dar al-ʿUlum), Lektor am SOS und Arzt, in NfO: ab März 1915 (Arabische Abteilung), Vorträge in Gefangenenla-
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gern, Übersetzungen und Kontrolle von Texten, Vorbereitung von und Teilnahme an Expeditionen (Libyen), nach NfO: Lektor am SOS und später Arzt
10. Personenverzeichnis A
Arslan, Shakib S. 101, 112, 119, 221, 254, 262, 292, 311, 313 Abbas Hilmi II. S. 112, 143-145, 160, 173, Asquith, Henry S. 191, 197, 299 265 ʿAbd al-Qadir, Ahmad Mukhtar S. 94f, Astarabadi, Bibi Khanom S. 227 al-ʿAzm, Rafiq S. 279 100f, 125, 136, 202, 365 ʿAbd al-Qadir S. 136, 219 ʿAzzam, ʿAbd al-Rahman S. 18, 94, 100, ʿAbduh, Muhammad S. 114, 153, 218, 102, 104, 106, 109, 113f, 120, 123, 125f, 136, 144, 156, 159, 191f, 299, 310, 312, 224-226, 272 315, 365 Abdülhamid I. S. 223 Abdülhamid II. S. 220, 223, 271 Abu l-ʿArabi, Muhammad S. 70, 94, B 120, 122, 126, 131f, 141, 147, 308, 316, Bash Hamba, ʿAli S. 73, 119, 129, 135f, 155, 365 173 Abu l-Fadl, Sayyid Maʾmun S. 24, 44, 69, Bash Hamba, Muhammad 72, 94, 100f, 103, 107f, 112f, 119, 122f, S. 155, 157 125f, 131, 136, 139, 144f, 168f, 185f, 194, Beck, Sebastian S. 50, 69, 188 197f, 202f, 206, 235, 246-249, 277, 307, Becker, Carl Heinrich S. 59, 61, 189, 212365 214, 260 Adler, Max S. 50, 94, 100f, 112, 125, 136, Bell, Gertrude S. 167 161, 175, 185, 307, 365 Benedikt XV. S. 238 al-Afghani, Jamal al-Din S. 114, 153, 218, Benghabrit, Si Kaddour S. 293 224, 227, 272 Bernhardi, Friedrich von S. 58 Akhnukh, Johannes S. 128 Bernstorff, Johann Heinrich von S. 88, Alexandrinus S. 204 133 Bey Oghlu, s. Kaufmann, ʿAli, Husayn b. S. 34, 274, 278, 292 ʿAli, Muhammad S. 227, 259 Max Rudolf ʿAli Pascha S. 136 Bismarck, Herbert von S. 111 Aliye, Fatma S. 227 Buka, Ruth S. 18, 22, 94, 96, 99, 102, 106, Amin, Qasim S. 226f 108, 110, 122, 126, 131, 166f, 308, 315, Ammann, Otto S. 23 366 Anandavardhan Shastri, s. Glasenapp, Bukabuya, Rabah S. 24, 68f, 94, 99, 101, Helmuth von 103, 105, 113, 123, 125f, 137, 140f, 145, 154, 165, 169, 173, 185, 191, 194-197, 200,
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen 204, 207, 209, 241f, 261, 264-266, 269, 284, 293f, 299, 307, 316, 366
C Cemal Pascha S. 34, 101, 203, 207, 209, 250, 274, 277-279 Chattopadhyaya, Virendranath S. 134 Cohn, Isaac S. 74 Cosack, Harald S. 50, 62
D al-Dardiri, Yahya Ahmad S. 314 Diel, Herbert S. 22, 27, 72, 94, 99, 101f, 105-108, 110f, 126, 131f, 139, 143, 146, 148, 166, 199, 310f, 313, 315, 366
E Ebert, Max S. 50 Enver Pascha S. 34, 87, 119, 127, 135, 141, 144, 209, 287, 294, 299 Erzberger, Matthias S. 65
F Fahmi, Muhammad S. 73, 94, 105, 109f, 112, 116, 118f, 123, 125, 134, 140, 143, 154f, 157-160, 169, 172f, 191f, 197, 208, 237f, 266, 292, 295, 297, 299, 313f, 320, 366 Faisal I. S. 278 Farid, Muhammad S. 12, 25-27, 48, 67, 73, 94, 99, 102-105, 112, 116, 118-121, 123, 125, 134, 141-145, 153-155, 157-161, 164f, 169, 185, 191, 199f, 202, 210, 271, 280f, 295, 300, 307, 313, 366 Faruq S. 310 Fawwaz, Zaynab S. 227 Fitzner, Rudolf S. 139 Fleischer, Heinrich Leberecht S. 213
Fodio, Usman dan S. 219 Frankfurt, Edwin S. 207 Frobenius, Leo S. 71, 136, 169 Froberger, Josef S. 61, 212
G Geissler, Alfred S. 134 Ghali, Butrus S. 118 Ghambaschidse, David S. 192 al-Ghayati, Ali S. 79, 196, 292f Glasenapp, Helmuth von S. 24, 70, 94, 99, 102, 110, 125-127, 133, 137, 139f, 146, 148-150, 161, 166f, 185, 188, 204, 304, 306f, 311, 366f Glasenapp, Otto von S. 102, 133 Goltz, Colmar von der S. 60, 216 Graetsch, Ferdinand S. 50f, 83, 166, 306, 316 Grothe, Hugo S. 115 Guba, Georg Emil S. 128
H Haas, Wilhelm (Willy) S. 94, 99, 101, 104f, 107, 125f, 138, 149f, 154f, 188, 205, 254, 270, 308, 310, 313, 317, 367 Hadsch ʿAbdullah, s. Bukabuya, Rabah Haidar (Pascha), ʿAli S. 119 Halid, Halil S. 248f, 286 Hamza, ʿAbd al-Malik S. 94, 105, 113, 118, 122f, 125f, 136, 144f, 154, 162, 169f, 174, 203, 235, 238, 246f, 261, 266, 268-270, 272, 277, 295f, 299, 312, 367 Har Dayal, Lala S. 11f, 134, 153, 165, 244246 Hardy, Patrick Steel, s. Rifʿat, Mustafa Mansur Hartmann, Martin S. 22, 50f, 69, 94, 99, 102, 104, 106-108, 110, 114, 116, 120f, 125-127, 131, 149, 154, 162, 165, 168, 171, 181, 188f, 198, 202-204, 206, 210, 213-
10. Personenverzeichnis 215, 245, 248f, 256, 258, 260, 264,267, 271, 274-276, 278, 281, 295, 304, 307, 320, 367 al-Hiba, Ahmad S. 234 Hindenburg, Paul von S. 239 Holstein, Walter S. 88 Horovitz, Josef S. 189 Hülsen, Ernst von S. 82, 127
I Ibn Tulun S. 205, 292 Ibrahim Bey, s. Rifʿat, Mustafa Mansur al-ʿInani, ʿAli Ahmad S. 94, 100, 102, 106-109, 120, 122, 126, 131, 140-142, 162, 165f, 168f, 315, 367 Islami, ʿAbdullah S. 74
J Jäckh, Ernst S. 60, 137, 169, 177, 215, 217 Jacoby, Heinrich S. 94, 101, 126, 138, 140, 367 Jagow, Gottlieb von S. 60 Jäschke, Gotthard S. 188 Jawish, ʿAbd al-ʿAziz S. 18, 26, 34, 68, 70, 94, 96, 99, 102f, 108-110, 112-114, 116-120, 123, 125f, 129, 131, 135f, 141, 144f, 154-157, 159f, 162, 169-171, 173, 175, 185, 191, 198-204, 230, 236f, 242, 245-247, 250f, 261f, 264-267, 269, 271f, 280f, 287, 289f, 292, 294, 298, 311-315, 368 al-Jazai’iri, Tahir S. 218
K Kaiser, Markus s. Islami, ʿAbdullah Kamil, Husayn S. 160, 292 Kamil, Mustafa S. 115, 299
Kampffmeyer, Georg S. 49f, 61, 165 Kaufmann, Max Rudolf S. 50, 54, 94, 99, 102, 108, 112, 128, 137, 139, 142, 149f, 154, 162, 200, 203f, 208, 246, 311, 368 al-Kawakibi, ʿAbd al-Rahman S. 218, 221, 223 Keir Hardie, James S. 119, 158 Kemal, Namık S. 222, 227 Khan, Muhammad Akbar S. 205 Khayr al-Din Pascha S. 267 al-Khidr Husayn, Muhammad S. 18, 34, 70, 93f, 100, 102f, 118f, 122, 125f, 134, 136, 142, 144f, 155f, 159, 165, 169f, 173, 175, 185, 295, 312, 315, 368 Kitchener, Herbert S. 118 Klein, Fritz S. 71f Krishnavarma, Shyamji S. 112 Kühlmann, Richard von S. 60, 90, 132, 135, 276
L Labib, Ismaʿil S. 73, 142 Langwerth von Simmern, Ernst S. 81, 132 Liman von Sanders, Otto S. 216 Lindhagen, Carl S. 157 Littmann, Enno S. 22, 39, 73, 85, 94f, 99, 102, 106-108, 110, 120, 125, 127, 131, 146, 149f, 154, 188, 246, 257, 267, 305f, 308, 311, 317, 368 Lloyd George, David S. 156 Loytved-Hardegg, Julius S. 175 Lutfi Bey S. 202 Lyautey, Hubert S. 291f, 298
M Maʾarbes, Amin S. 128 Mann, Oskar S. 50, 127, 162 Mantler, Heinrich S. 136
375
376
Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen Masri Mohager, s. Rifʿat, Mustafa Mansur Matschabelli, Georg S. 68 Matthieu, Theodor S. 83 Maurus S. 205, 278, 281, 298 Mehmed V. Reşad S. 294, 299 Meyer, Eduard S. 189 Mittwoch, Eugen S. 22, 42, 46, 49-52, 65, 70, 74, 77f, 81, 83-85, 91, 94, 100f, 104, 106-108, 110, 116f, 122, 126-128, 130f, 139f, 142, 146, 148, 150, 154, 162f, 165, 172, 189, 192, 201, 203f, 208, 231, 253, 257, 259, 262, 280, 303-306, 308, 311f, 316f, 368f Moll, Friedrich S. 63 Moltke d.J., Helmuth von S. 58, 60, 216 Moritz, Bernhard S. 72, 74, 94, 108, 111, 117, 125f, 129f, 133, 143, 146, 148-150, 154, 251, 278, 280, 369 Mueller, Herbert S. 18, 40, 42, 50, 94, 99, 101, 106f, 112f, 116, 120, 125f, 137, 139f, 146f, 149f, 154, 160f, 168, 185, 188, 192, 311, 369 Muhammad S. 223, 296 Mulay Yussuf S. 24, 194, 197, 201, 265, 291, 299
N Nadolny, Rudolf S. 17, 19, 60, 62, 69, 82f, 127, 137, 184 Naumann, Friedrich S. 58 Nawfal, Hind S. 227 Nöldeke, Theodor S. 213 Nuri Pascha S. 299
O Oppenheim, Max von S. 17, 22f, 38-42, 47-49, 51-55, 59f, 63f, 66, 68, 72-74, 76, 81, 83-91, 93f, 99, 102-105, 108, 110-112, 116, 122, 124-128, 130f, 133f, 168, 174,
183, 207, 231, 236, 268, 272, 276, 278, 282, 290, 309-311, 316, 369 Otlet, Paul S. 157
P Paulus, Hermann S. 128 Perzyński, Friedrich S. 18, 50, 94, 99, 102, 113, 121, 125, 137, 307, 311, 369 Pillai, Chempakaraman S. 134 Pröbster, Edgar S. 22, 69, 72, 74, 94, 99, 102, 105, 107f, 110f, 122, 126, 129, 131f, 146f, 160, 188, 308, 310, 316, 369 Prüfer, Curt S. 17f, 22, 60, 72, 74, 86, 89, 94, 101-105, 107f, 110f, 125f, 128, 131, 133f, 154, 198, 208, 244, 252, 261, 265, 271, 276, 278, 297, 309, 311, 315, 370
R Rantzau, Frederik-August von S. 69, 185 Reckendorf, Hermann S. 189 Renan, Ernest S. 218, 224 Rhomberg, Edmund S. 81, 132f Richter, Julius S. 61, 212 Rida, Rashid S. 153, 218f, 221, 223, 227, 239f, 279, 288, 293 Rifʿat, Mustafa Mansur S. 18, 27, 94f, 106, 109, 112, 116, 118, 123, 125, 128, 134, 139, 142, 145, 153f, 157, 162, 169, 173f, 186, 191, 202, 205, 207, 233, 238, 261, 284, 286, 295, 297, 299, 312-314, 316, 370 Rohrbach, Paul S. 215, 217 Romberg, Gisbert von S. 79, 202 Ropp, Friedrich von der S. 157 Rosen, Friedrich S. 17, 61 Rössler S. 166 Rothschild, Moritz S. 74
10. Personenverzeichnis al-Rushdi, Muhammad S. 18, 94, 100, 106, 113, 123, 126, 134, 161, 164, 169, 187, 307, 316, 370
S Sachau, Eduard S. 40, 66, 124, 126, 128, 130f Sadiq, Muhammad S. 94f, 100, 112, 119, 123, 126, 136, 140f, 173, 175, 370 Saʿid, Muhammad S. 118 Sahib, Asʿad S. 198 Salim, Barukh Jurji S. 93f, 96, 99-101, 103, 106, 120, 122f, 126, 137, 139, 143, 168f, 307, 370 al-Sanusi, Ahmad S. 236, 280 Schabinger von Schowingen, Karl Emil S. 22, 24, 27, 40, 44-49, 51, 54f, 64f, 67, 69f, 73f, 77, 81, 84f, 87f, 91, 94, 100102, 104f, 107, 110f, 122, 126-128, 131133, 136f, 140, 146f, 160-162, 165, 169, 172, 174f, 185, 193, 197, 202, 204, 206, 208, 250, 257, 260, 270, 275, 295, 309, 370 Scherif von Mekka, s. ʿAli, Husayn b. Schmidt, Ernst S. 53 Schrader, Friedrich S. 137 Schragmüller, Elsbeth S. 167 Schreiber, August Wilhelm S. 128 Schroeder, Walther S. 22, 27, 46, 69, 94f, 99, 101f, 105, 110f, 122, 126, 131f, 139, 146, 148, 150, 180, 191f, 195, 199, 309, 315, 371 Schultze S. 166 Schumacher, Josef S. 68, 189 Schwally, Friedrich S. 189 Seckendorff, Albert von S. 150 Sefaihi, Ismaʿil S. 155, 229, 300 (al-)Shamsi, ʿAli S. 18, 87, 94, 98, 100, 102f, 105, 109, 116, 118f, 125f, 134, 142f,
154-158, 162, 181, 237, 266, 274, 295, 297, 310, 371 al-Sharif (al-Tunisi), Salih S. 18, 24, 69, 94, 99, 102f, 107, 109, 113, 118f, 121, 123, 125f, 134-136, 140f, 144f, 153, 155-157, 159, 162, 165, 169, 171, 173, 179, 181, 183, 185, 191, 193f, 197, 201, 204, 208, 229, 250, 255-258, 261, 264f, 267, 270, 286f, 294f, 299f, 307, 312, 371 al-Sharqawi, ʿAbd al-ʿAziz b. Ismaʿil S. 205 al-Sharqawi, Muhammad S. 94f, 100, 109, 125, 138, 307, 371 Shatwan, Yusuf S. 119 Snouck Hurgronje, Christiaan S. 59, 189, 243, 259 Solf, Wilhelm S. 133 Spatz, Willy S. 185, 191 Sprenger, Alois S. 115 Stamm S. 166 Stern-Rubarth, Edgar S. 70 Storrs, Ronald S. 60 Stotzingen, Othmar von S. 72f, 136, 365f Stuermer, Harry S. 89, 135 Stumme, Hans S. 94, 99, 102, 106-108, 110, 126, 131, 371
T al-Tahtawi, Rifaʿa S. 225, 227 al-Taymuriyya, ʿAʾisha S. 227 Tseretheli, Michael von S. 68 al-Turki, Muhammad S. 128f
V Victoria S. 218
W Wali, Ahmad S. 27, 40, 55, 69, 73, 94, 96, 99, 101, 106, 108f, 120, 122, 126, 130,
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Die »Nachrichtenstelle für den Orient« im Kontext globaler Verflechtungen 139, 142, 148, 160, 162-166, 168f, 194, 202f, 311f, 316, 371f Wangenheim, Hans von S. 47, 60, 83, 88, 209, 276 Waßmuß, Wilhelm S. 71 Weddigen, Otto S. 299 Wedding, Bruno S. 133 Weinberg, Max S. 250 Weizmann, Minna S. 74 Wesendonk, Otto-Günther von S. 49, 81-85, 124, 127, 132, 139, 142, 154, 161f, 168-170, 174, 199-203, 206, 209, 254, 276, 290, 305, 313 Westermann, Dietrich S. 117 Wilhelm II. S. 59, 86, 216, 287, 294, 299 Wilson, Woodrow S. 158, 238 Wolff Metternich, Paul S. 53, 60, 133 Wundermacher S. 166
Z Zaki, ʿAli S. 74 Zimmermann, Arthur S. 38, 60, 63, 73, 81, 85, 130, 140, 187
Geschichtswissenschaft Reinhard Bernbeck
Materielle Spuren des nationalsozialistischen Terrors Zu einer Archäologie der Zeitgeschichte 2017, 520 S., kart., 33 SW-Abbildungen, 33 Farbabbildungen 39,99 € (DE), 978-3-8376-3967-4 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3967-8
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1919 – Zeit der Utopien Zur Topographie eines deutschen Jahrhundertjahres 2018, 382 S., Hardcover, 39 SW-Abbildungen, 35 Farbabbildungen 39,99 € (DE), 978-3-8376-4654-2 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4654-6
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