Die Schlacht bei den Pyramiden: Napoleon erobert den Orient
 3806222029, 9783806222029

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Juan Cole

Die Schlacht bei den Pyramiden Napoleon erobert den Orient Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Theis-Passaro und Annegret Hunke-Wormser

Für Arman und Sheena

Anmerkung zur Übersetzung: Wegen einer besseren Lesbarkeit hat sich der Verlag für die einfache Transkription der arabischen Namen entschieden. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlaggestaltung: Stefan Schmid Design, Stuttgart unter Verwendung von Abbildungen von picture alliance: Schlacht bei den Pyramiden, Litho­graphie, koloriert, 1832, von R. Weibezahl und Princeton University Art Museum: Napoleon in Egypt Englische Originalausgabe: Napoleon’s Egypt: invading the Middle East Copyright © 2007 Juan Cole First Published by Palgrave Macmillan, New York Dieses Werk wurde im Auftrag von St. Martin’s Press LLC durch die ­Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen vermittelt. All rights reserved Deutschsprachige Ausgabe: © 2010 Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart Alle Rechte vorbehalten Übersetzung: Claudia Theis-Passaro, Heidelberg und Annegret Hunke-­ Wormser, Berlin Lektorat: Gisela Hack-Molitor, Marbach Kartografie: Astrid Fischer-Leitl, München, unter Verwendung einer Vorlage von Arman H. Cole Satz und Gestaltung: primustype Hurler, Notzingen Druck und Bindung: betz-druck GmbH, Darmstadt ISBN: 978-3-8062-2202-9 Besuchen Sie uns im Internet: www.theiss.de

I n h a lt Karte von Ägypten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

1

Der Geist der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

2

Himmel in Flammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

3

Aufruhr des Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

4

Einzug in Kairo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

5

Ibrahim Bey auf der Flucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

6

Der schönste Nil aller Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

7

Ali Bonaparte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

8

Der unaufhörliche Triumph der Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . 171

9

Das Fest der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

10 Die ägyptische Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 11 Der Fall des Deltas und der arabische Dschihad . . . . . . . . . 235 Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Sach- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

    7

1 Der Geist der Freiheit

Die streng geheime Mission, die im Mai 1798 20 000 Soldaten und Tausende von Matrosen in der südfranzösischen Hafenstadt Toulon zusammenkommen ließ, stellte auch junge Offiziere wie Hauptmann JosephMarie Moiret vor ein Rätsel. Auf ihrem Marsch über die Straße zum Hafen hinunter, der am Fuße hoch aufragender, blassgrüner Hügel lag, stießen die von Norden eintreffenden Soldaten auf Olivenhaine und hier und da auf Palmen und Orangenbäume, die sie nie zuvor gesehen hatten. Toulons kirschrote Ziegeldächer fielen sanft in Richtung Hafen ab. Die engen, gewundenen und ungepflegten Straßen der Stadt wurden überschwemmt von Soldaten in blauen Revolutionsröcken, schwarzen Strümpfen und weißen Hosen, hier und da prangten auch rote Quasten und Manschetten oder grüne Epauletten. Mit den Soldaten und Matrosen hatte sich die Bevölkerung der Stadt auf einen Schlag verdoppelt. Die Turmspitzen der Kirche St. Louis blickten unter dem von Wolken­ fetzen überzogenen Himmel auf einen Wald weißer Masten im Hafen ­hinab. Eine überwältigende Seestreitkraft aus 13 Kriegsschiffen, 17 Fregatten, 30 Briggs und fast 250 Korvetten, Kanonenbooten, Galeeren und Handelsschiffen zog sich mehrere Meilen die Küste entlang. Die Schiffe krachten in jenem Frühjahr auf den unruhigen Wellen des Mittelmeers aneinander und warteten darauf, bis alle Truppen am Ufer vollzählig versammelt waren. Hauptmann Moiret, ein gewissenhafter Mann aus einer Kleinstadt im Norden von Toulon, stammte durch seine Großmutter mütterlicherseits von einer einheimischen Adelsfamilie ab und genoss deshalb im revolutionären Frankreich kein besonders hohes Absehen. Er hatte Latein und Geisteswissenschaften bei dem Kuraten einer benachbarten Gemeinde studiert und eine Zeitlang das Seminar der Dominikaner in Lyon besucht, bevor er in die Armee eintrat. Wie viele aus seiner Generation,

8    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

wandte er sich später mehr dem Rationalismus zu, der in der Philosophie der Aufklärung seinen Ursprung hatte und von Denkern wie Voltaire, Jean-Jacques Rousseau und Thomas Paine verbreitet wurde. Doch an seinem Glauben hielt Moiret fest. Für seine Vorfahren wären die wissenschaftlichen Ideen des späten 18. Jahrhunderts, die Entmachtung der katholischen Kirche in Frankreich und die beginnende Souveränität des Volkes anstelle der Monarchie unvorstellbar gewesen, aber Moiret und seine Zeitgenossen erlebten diese Entwicklungen mit und passten sich ihnen an. Im Regiment von Aquitanien war Moiret vom Rekruten zum Stabsfeldwebel aufgestiegen. Als Savoyen, die alpine Grenzregion zwischen dem heutigen Frankreich und Italien, die zum Königreich Sardinien gehörte, 1792 annektiert wurde, hatte er der Französischen Republik als Unteroffizier gedient. Solche „officiers de fortune“ wie Moiret, die sich nach und nach hocharbeiteten, erreichten selten einen höheren Rang als den eines Hauptmanns. Aber bei Moiret hieß es auch, er sei nur ungern bereit, für eine Beförderung die Kameraden in seinem Korps zu verlassen. Er führte keine unpersönliche Kampfmaschine an, sondern eine Art ­mobiler Dorfgemeinschaft mit zuverlässigem sozialen Netz. Die 75.  InfanterieHalbbrigade, in der er diente, hatte erst kürzlich den Spitz­namen „Die Unbesiegbare“ erhalten, weil sie sich in Italien so hervor­ragend gegen die Österreicher bei Lodi und anderswo geschlagen hatte. Diese Einheiten waren in den Anfangsjahren der Revolution aufgestellt worden, um die herbeiströmenden Freiwilligen ohne Ausbildung aufzunehmen, und setzten sich aus erfahrenen Soldaten und Neulingen zusammen. 1 General Napoleon Bonaparte, ein Korse, der zur Ausbildung nach Frankreich an die Königliche Militärakademie gekommen war und sich durch seine Leistungen in Mathematik und in der Artillerieaufstellung hervorgetan hatte, erhielt nach seinen glänzenden Siegen über die ­Österreicher in Norditalien das Kommando über die England-Armee. Er und die französischen Befehlshaber wahrten strengstes Stillschweigen über das geheime Ziel dieser Expedition, sogar gegenüber dem Kriegsminister Barthélemy Schérer! 2 Moiret und die Leutnants in seiner Gruppe waren ebenso wenig informiert und stellten Vermutungen über den Zweck der Expedition an. Würde sie mehr der Invasion der Normannen ähneln oder eher den Feldzügen Ludwigs des Heiligen während seines Kreuzzugs nach Ägypten? Die Normannen waren 1066 von Frank-

Der Geist der Freiheit    9

reich aus in England eingefallen, und Ludwig der Heilige hatte sich Mitte des 13. Jahrhunderts aufgemacht, Ägypten und den Nahen Osten zu unterwerfen. Jedermann wusste, dass Vorbereitungen für einen möglichen Angriff der Französischen Republik gegen das royalistische Britannien getroffen wurden, und die Armee, die hier zusammengezogen wurde, rekrutierte sich teilweise aus der französischen England-Armee. Obwohl es aus rein logistischer Perspektive wenig Sinn machte, einen Angriff auf Britannien vom Mittelmeer aus zu starten, war dies als Überraschungsangriff nicht völlig auszuschließen. Die Revolution von 1789, durch die das Volk an die Macht gelangt war, hatte die meisten gekrönten Häupter in Europa wie auch einige Vertreter des öffentlichen Lebens gegen die Franzosen aufgebracht. In den Kriegen, die auf die Enthauptung der französischen Monarchen Ludwig  XVI. und Marie Antoinette folgten, hatte das revolutionäre Frankreich den Großteil seiner Gegner besiegt. Im Gegenzug hatten die Briten heftige Angriffe vom Wasser aus gestartet und mit mäßigem Erfolg versucht, einige Häfen auf dem Kontinent zu belagern, die in der Hand der Franzosen waren. Unter denen, die in Toulon in jenen Tagen ihren Dienst antraten, war auch Hauptmann Jean-Honoré Horace Say, ein Ingenieur aus einer prominenten Hugenottenfamilie und Bruder des bedeutenden Ökonomen Jean-Baptiste Say. In seiner anonym verfassten Biografie, die Historiker ihm zuschreiben konnten, erinnert er sich: „Die … Französische Republik wollte sich an London endlich für all die Niederlagen und Feindseligkeiten rächen, die unsere aufkeimende Freiheit bedrohten und mit denen das britische Kabinett viele Jahre hindurch versucht hatte, die unaufhaltsame Expansion einer neuen Republik im Keim zu ersticken, welche früher oder später über sie siegen würde.“ 3 Einige ­Offiziere hofften, die Flotte würde sich in Richtung Westen aufmachen, die Straße von Gibraltar passieren und direkt nach England segeln. Viele waren der Ansicht, die Vertreibung der Marine König Georgs III. aus dem Mittelmeer könnte der erste Schritt einer Invasion Englands sein, da ­Napoleons Artillerie 1793 auch schon die kurze britische Besatzungszeit von Toulon beendet hatte. Wollte man dieses strategische Ziel verfolgen, stellten die Inseln Sardinien, Malta und sogar Sizilien als Bausteine eines französischen Mittelmeerreiches sinnvolle Ziele dar. Einige vermuteten, die Streitmacht würde sich gegen britische Stützpunkte auf der Indienroute richten und daher Ägypten angreifen. In

10    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

jener Zeit umsegelten britische Frachtschiffe und Soldaten, die auf dem Weg nach Kalkutta waren, für gewöhnlich Afrika und das Kap der Guten Hoffnung. Für dringliche Depeschen konnten britische Amtsträger jedoch Tausende von Meilen einsparen, indem sie Boten über das Mittelmeer nach Alexandria, dann nilaufwärts nach Kairo und von da aus über Land zum Roten Meer schickten. Dort konnten die Gesandten Schiffe besteigen, die am Kaffeeland Jemen vorbei bis ins Arabische Meer und über die spiegelglatte See des Indischen Ozean segelten. Diese kürzere Route sollte erst Jahrzehnte später für Handelsgüter genutzt werden, als Dampfschiffe diese Gewässer befuhren, aber sie war von strategischer Bedeutung für die Verbindung Britanniens zum kostbarsten Juwel in seiner Reichskrone. Nur wenige Offiziere hielten einen Feldzug nach Ägypten für wahrscheinlich, doch Moiret meinte, die Rekrutierung der Zivilisten, darunter Wissenschaftler und Künstler, die angeworben worden waren, um die Expedition zu begleiten, würde diese Theorie stützen. Die Kommission der Wissenschaften und Künste setzte sich aus 151 Mitgliedern zusammen, 84 davon besaßen technische Qualifikationen und zehn waren Ärzte. Es war die größte Expertengruppe, die jemals eine französische Militärexpedition begleitet hatte. 4 Der 28-jährige Bonaparte hatte Paris am frühen Morgen des 5. Mai heimlich verlassen, gemeinsam mit seiner attraktiven Gattin Josephine. Nachdem seine Entscheidung für das gefährliche Abenteuer nach Übersee getroffen war, stand Bonaparte nun vor der schwierigen persön­ lichen Frage, ob er Josephine auf die Expedition mitnehmen sollte. Im vorausgegangenen Winter hatte er sie mit Gerüchten konfrontiert, sie habe eine Affäre. Mag sein, dass er ihr nicht genug vertraute, um sie ­allein zurückzulassen. Die Tatsache, dass sie ihn zum Hafen begleitete, erlaubte ihm zumindest, die schwierige Entscheidung, ob er sie mit­ nehmen sollte, noch ein wenig aufzuschieben. Der junge General, berüchtigt für sein Nützlichkeitsdenken und seine Launen, befand sich gerade in einer seltenen Phase inniger und aufrichtiger Zuneigung zu der Frau, mit der er seit zwei Jahren verheiratet war. Josephine, aufgewachsen in der Karibik auf Martinique, stammte aus ­einer verarmten Familie von niederem Adel namens Tascher de la ­Pagerie. Ihr eigentlicher Name war Rose. Sie war nach Frankreich gekommen, hatte den wohlhabenden Offizier Alexandre de Beauharnais

D e r G e i s t d e r F r e i h e i t     11

geheiratet und einen literarischen Salon geführt. Nach der Revolution wurde ihr Ehemann, ein Aristokrat und Offizier, der eine entscheidende Schlacht gegen die Preußen verloren hatte, als Konterrevolutionär hingerichtet. Die Jakobiner warfen Josephine ins Gefängnis und legten den Tag für ihre Hinrichtung mit der Guillotine fest. Ein Liebhaber mit sehr guten Beziehungen rettete sie. Als er ihrer wegen der hohen Ausgaben überdrüssig wurde, stellte er sie dem jungen und romantisch-naiven Bona­parte vor, der sie Josephine nannte, ihr nachstellte und sie heiratete. In einem seiner frühen Briefe an „Madame Beauharnais“, der gespickt war mit Rechtschreibfehlern, schrieb er: „Ich wachte auf und war erfüllt von Ihnen. Ihr Bild und die berauschende Erinnerung an die letzte Nacht ließen meine Sinne nicht zur Ruhe kommen.“ 5 1796 verhalf Barras ­Bonaparte bei der Invasion Norditaliens zur Ernennung zum Oberbefehls­haber der französischen Armee. Durch diesen Feldzug war Bonaparte in den folgenden beiden Jahren häufig von seiner jungen Braut getrennt. Er schrieb ihr und mit großer Leidenschaft, sie antwortete selten. Während des Feldzugs machte er ihr von Bologna aus Vorhaltungen: „Sie sind traurig, Sie sind krank, Sie schreiben mir nie … Lieben Sie Ihren guten Freund nicht mehr? … Vielleicht schließe ich Frieden mit dem Papst und werde bald bei Ihnen sein.“ Gerüchte über ihre Affären kamen ihm zu Ohren, aber trotz seiner anfänglichen Wutausbrüche nahm er diese für gewöhnlich nicht ernst. Beide scheinen auf eine weitere lange Trennung nicht besonders erpicht gewesen zu sein. In Toulon ließ Josephine ihn voller Zuversicht wissen, die Unannehmlichkeiten seines exotischen Ziels seien nichts Neues für sie, da sie auf Martinique aufgewachsen sei. Gemeinsam warteten sie im Hafen darauf, dass der Sturm sich legte, unternahmen Ausflüge auf Bonapartes prachtvollem Flaggschiff L’Orient und empfingen die Generäle und Wissenschaftler, die an der Expedition teilnehmen sollten. Unter vier Augen diskutierten sie ernsthaft die Frage, ob Josephine ihren Mann ins Ausland begleiten sollte, und zwischen ihren ­Debatten liebten sie sich voller Leidenschaft. In eine dieser Auseinandersetzungen platzte General Alexandre Dumas herein und fand Josephine unbekleidet und weinend im Bett vor, weil ihr Mann keine Entscheidung treffen konnte. Am Ende beschloss Bonaparte, die Entscheidung zu verschieben, und schickte sie zu eine Badekur nach Plombières, einem Kurort in den Bergen südöstlich von Paris.

12    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

Am 9. Mai 1798 ließ der soeben eingetroffene Bonaparte eine Parade der republikanischen Armee abhalten und hielt eine Rede, die Josephines Abenteuerlust wecken sollte und in der er ihr nach der Rückkehr ein Stück Land in Aussicht stellte. Mit seinem Versprechen, das im amtlichen Le Moniteur Universel veröffentlicht wurde, überschritt er seine Kompetenzen, weil er als General nicht die Position hatte, Gesetze über ­zivile Landzuteilung zu erlassen. Angesichts der Wut seiner Vorgesetzten musste er die Wiedergabe seiner Rede als falsch zurückziehen. Stattdessen veröffentlichte das Militär in einer späteren Ausgabe ein Kommuniqué mit dem korrigierten Text seiner Rede. 6 Bona­parte ordnete an, dass dieses zweite Kommuniqué überall verteilt werden sollte, auch in Form eines Flugblatts. In dieser Rede verglich der General die französische England-Armee mit den Truppen der Römischen Republik, die gegen das despotische Karthago in Nordafrika gekämpft hatten. Er verkündete großspurig: „Der Geist der Freiheit, der die Republik seit ihrer Entstehung zur Schiedsrichterin Europas gemacht hat, weitet sich jetzt auf die entferntesten Länder aus.“ Bonapartes Lob stärkte die Sicherheit der Armee. Moiret erklärte, die Gelassenheit und die Kampfbereitschaft der Armee seien unverändert, ebenso ihr Vertrauen darauf, ihr Ziel in ihren Besitz zu bringen, welches es auch sein möge. Andere teilten Moirets Einschätzung von Bona­partes Charisma. Michel de Niello Sargy, ein junger Offizier in Toulon, schrieb später: „Ich war weit davon entfernt, eine Vorstellung von der Art der Streitmacht zu haben, die vorbereitet wurde, und sogar noch weniger von ihrem Ziel, als ich mich, wie so viele andere junge Menschen, in diese waghalsige Expedition stürzte. Das hohe Ansehen unseres Kommandanten und die Pracht unserer Waffen verführten mich. Es war wie ein Rausch, ein beinahe allumfassender Drang.“ Bonapartes Leidenschaft und Charisma – trotz seines italienischen Akzentes und der Grammatikfehler – waren von außergewöhnlich starker Wirkung. Sein unglaublicher Italienfeldzug 1796–97 hatte bei vielen Offizieren und Soldaten zu einer Art Heldenverehrung geführt. Später, als Napoleon I., merkte er an: „Das Militär ist eine Loge, und ich bin ihr Großmeister.“ 7 Der Enthusiasmus der französischen Soldaten und Offiziere war in starkem Maße von der Revolution und den Ideen der frühen Republik geprägt. Die Franzosen jener Ära verwendeten Schlüsselwörter wie ­Nation, Vaterland (patrie), Verfassung, Gesetz, Erneuerung und Tugend,

D e r G e i s t d e r F r e i h e i t     13

um sich als Mitglied der revolutionären Gemeinschaft zu erkennen zu geben. Ein bekannter Historiker jener Zeit vertrat die Ansicht, dass „Revolutionäre der rituellen Verwendung von Wörtern eine solche Bedeutung beimaßen, weil sie auf der Suche nach einem Ersatz für das Charisma des Königtums waren.“ 8 Die republikanische Rhetorik verwendete den Begriff „Freiheit“ wie einen Refrain. Als Antwort auf Bonapartes Rede vom 9. Mai, in der viele dieser zentralen Begriffe vorkamen, hatten die Soldaten gerufen: „Die unsterbliche Republik für immer und ewig!“ In dieser Nacht erleuchtete man den Sitz der Kommune – die revolutionäre Stadtverwaltung von Toulon –, und die Soldaten pflanzten neben ihren Eingang einen Baum der Freiheit mit der Inschrift: „Er wächst jeden Tag.“ 9 Solche Bäume der Freiheit pflanzten Anhänger der Revolution in ganz Frankreich jedes Jahr im Mai und schmückten sie häufig in den Farben der Trikolore. Bonaparte brachte in seinem Kommuniqué klar zum Ausdruck, dass sich in der republikanischen Armee die Tugend der Freiheit verkörperte, die sie nun an einen exotischen Ort transportierte, was tatsächlich einer gigantischen Umsetzung des BaumpflanzRituals glich. Das Wetter hinderte die Expedition daran, zu starten. Bonaparte schrieb an seine politischen Vorgesetzten in Paris: „Wir liegen hier seit drei Tagen vor Anker, Bürger Direktoren, zur Abreise bereit. Aber die Winde sind äußerst stark und widrig.“ 10 Er bat um Anweisungen, wie die vielen Soldaten und Matrosen bestraft werden sollten, die im letzten Augenblick vom Schiff gesprungen waren und sich geweigert hatten, ein unbekanntes Ziel anzusteuern, womit sie ihre Chance verpassten, „den Ruhm der französischen Marine wiederherzustellen“. Der Händler Grandjean beklagte sich später, dass er während der zwei Tage, die er in Toulon mit dem Ausfüllen von Papieren beschäftigt war, heftig Hunger leiden musste, was ihm wie zwei Jahrhunderte vorgekommen sei, denn wegen des Andrangs an Neuankömmlingen war kaum eine Brotkruste zu finden, und wenn, dann zu astronomischen Preisen. Endlich, am 18. Mai, legte sich der Mistral. Ein Memoirenschreiber, der in jener Zeit ein junger Matrose war, erinnert sich: An einem der letzten Tage [jenes Monats] ging der Oberbefehlshaber Bonaparte in Begleitung seiner zahlreichen und exzellenten Stabsmitglieder an Bord der

14    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

L’Orient und stattete danach sämtlichen Schiffen einen Besuch ab. An diesem Tag feierte die gesamte Flotte, und jedes Schiff feuerte 21 Schuss Salut ab, während überall in der Stadt, im Hafen und an den Anlegestellen die Antwort der Geschütze der Artillerie zu hören war. Welch prächtiges Schauspiel! Als wir auf unserem Schiff, der Dubois, ankamen, sah ich General Bonaparte zum ersten Mal und war beeindruckt von seinen strengen, Respekt einflößenden Gesichtszügen. Obwohl er klein war, umgab ihn eine prachtvolle Aura, so dass er sehr groß auf mich wirkte.

Die Soldaten gingen mit viel Elan an Bord ihrer Schiffe und erinnerten mehrere Beobachter an junge Männer, die begeistert auf dem Weg zu ihrer Hochzeit waren. Der Kanonier Louis Bricard, der von Marseille aus startete, sprach von einer „übernatürlichen Freude“ bei allen Beteiligten. Die Frauen und Freundinnen der Männer klagten jedoch weinend darüber, dass die jungen Männer in der Blüte ihrer Jahre an einen entlegenen Ort geschickt wurden, „ohne ihr Ziel zu kennen“, und waren voller Sorge, „dass sie vielleicht nie zurückkehren würden.“ 11 Der Quartiermeister François Bernoyer, ein leidenschaftlicher Republikaner und Anhänger der rationalistischen Philosophie der Aufklärung, machte ebenfalls eine Bemerkung über die festliche Stimmung der Truppen. Bernoyer, 1760 in Avignon geboren, leitete die Uniformabteilung und war für den Entwurf und die Anfertigung der Uniformen für die Soldaten in Ägypten verantwortlich. Er schrieb, dass das Geschwader, begleitet von den Salutschüssen der Artillerie, am 19. Mai die Segel setzte, zuerst eine umständliche Route einschlug und manchmal in einer Flaute trieb. Würde es der Küstenlinie folgen? Überall wurde wild ­spekuliert. Dann kam der Befehl, aufs offene Meer hinauszusegeln, und einige fühlten sich in ihrer Annahme bestätigt, dass ihr Ziel Sizilien war. Zuerst traf man sich mit weiteren Schiffen auf Korsika. Am 31. Mai war die Flotte versammelt oder reorientiert, wie der technikbegeisterte Bernoyer es nannte: „Dieses Manöver ist wunderschön, weil die riesige Flotte dirigiert wird wie Truppen an Land.“ 12 Das Geschwader segelte dann mit einer solchen Geschwindigkeit an Sizilien vorbei, dass die Gerüchte über eine dortige Landung verstummten. Die Wetten gingen jetzt um Malta, eine kleine Insel unweit von Tunis, die jahrhundertelang in den Händen des souveränen Malteserordens gewesen war. Allen saß die Angst vor einem möglichen Zusammentreffen mit der britischen Marine im Nacken. Ursprünglich hatte der französische Nach-

D e r G e i s t d e r F r e i h e i t     15

richtendienst mitgeteilt, es seien keine britischen Flotten im Mittelmeer unterwegs. Dann wurde berichtet, Nelsons Geschwader sei gesichtet worden. Plötzlich machten französische Matrosen Segel am Horizont aus, und die Angst vor einem tödlichen Zusammentreffen mit den Briten breitete sich aus, doch die Masten gehörten zu einem französischen Konvoi aus Civitavecchia in Italien, den General Bonaparte als ­Begleitschutz angefordert hatte. Admiral Horatio Nelson war in der Tat zu genau derselben Zeit verzweifelt auf der Suche nach Bonapartes Konvoi. In den frühen 1790ern, nach Ausbruch des Krieges zwischen Großbritannien und Frankreich, hatte die britische Obrigkeit Nelson nach Neapel entsandt, damit er von dort aus Verstärkung nach Toulon schicken konnte. Ortsansässige französische Aristokraten, die sich gegen die Revolution stellten, hatten Toulon im August 1793 an ein vereintes britisches und spanisches Marinegeschwader ausgeliefert. Die Revolutionsarmee marschierte gen Süden, um die Eindringlinge zu vertreiben. Bonaparte selbst, der energischste unter den französischen Offizieren und Kommandant des Artillerieangriffs, gelang es, Schlagkraft und Reichweite der französischen Kanonen neu und wirkungsvoll einzusetzen. So besiegte die republikanische Armee Nelson und die britische Flotte und beendete damit den englischen Versuch, französischen Boden für konterrevolutionäre Zwecke zu halten. 13 Für den besiegten Nelson war die Geschichte von da an ein weltumspannender, erbitterter Zweikampf. Während Bonaparte seine Armee für die nächste, noch größere Herausforderung mit der britischen Marine in Toulon zusammenstellte, war Nelson, der vom britischen Konsul in Leghorn gewarnt worden war, mit einem Geschwader in Richtung Mittelmeer aufgebrochen, um Jagd auf seinen alten Erzfeind zu machen. Späte Frühlingsstürme über dem Mittelmeer hatten die Masten einiger seiner Schiffe zerstört und ihn gezwungen, sie genau zu dem Zeitpunkt an Land reparieren zu lassen, als Bonaparte von Toulon aus lossegelte. Danach fuhren seine Schiffe wieder hinaus aufs Meer, und die beiden Flotten segelten ohne voneinander zu wissen in der nebeligen Dunkelheit aneinander vorbei. Aus Furcht, die Franzosen könnten ihm entkommen sein, trieb Nelson seine Schiffe später so sehr an, dass sie viel schneller vorankamen als die Franzosen. Nur dichter Nebel konnte die riesige französische Flotte unsichtbar werden lassen. Zusammen mit den Männern auf den französischen

16    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

Schiffen, die mit dem Hauptgeschwader aus den Häfen Korsikas zusammentrafen, war die Zahl der Soldaten unter Waffen auf 36 000 Mann angestiegen. Zu ihnen gehörten 276 Offiziere, 28 000 Infanteristen, 2800 Kavalleristen, 2000 Artilleristen, 1157 Militär-Ingenieure und 900 Ärzte, Apotheker, Krankenschwestern, Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller. 14 Zählte man all die Beamten, Matrosen, Händler und den restlichen Anhang hinzu, machten sich jetzt ungefähr 56 000 Menschen zu unbekannten Gefilden jenseits des indigoblauen Mittelmeers auf – ­alles in allem etwa die Einwohnerzahl einer ziemlich großen Stadt in ­jener Zeit. Die See war rau, und viele Matrosen verfütterten auf dem Oberdeck ihr Mittagessen an die Fische. Sogar General Bonaparte ließ Rollen unter sein Bett montieren, weil er hoffte, die Symptome der Seekrankheit auf diese Weise abzuschwächen, während er versuchte, Schlaf zu finden. Bernoyer stattete dem riesigen Flaggschiff L’Orient einmal einen Besuch ab, auf dem, wie er schrieb, 120 Kanonen, 1300 Matrosen und Hunderte von Soldaten Platz fanden, und lernte dort auch Bonapartes Unterkunft und Lebensweise kennen. Er berichtete, die Räume des Generals seien herrschaftlich und geschmackvoll eingerichtet, und sein luxuriös ausgestatteter Empfangsraum passe „eher zu einem König, der verweichlicht und ignorant aufgewachsen sei, als zu einem republikanischen General, der zum Ruhme seines Landes geboren wurde“. Die Offiziere spielten an einem goldenen Tisch, „als ob wir Segel gesetzt hätten, um Peru zu erobern“. Bernoyer missbilligte diesen Prunk, der ihn eher an die Konquistadoren erinnerte, die von einem König in die Neue Welt entsandt worden waren, um Gold und Silber zu suchen, als an eine republikanische Armee, die für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit kämpfte. Er fügte hinzu, dort „herrscht unter den Soldaten die strengste Disziplin, und gegenüber dem General halten sie sich strikt an die Etikette. Sie versuchen, die ehemaligen Gepflogenheiten bei Hof zu kopieren, was uns ebenso lächerlich erscheint wie die Sitten und Gebräuche eines Feudalherrn inmitten eines Lagers aus Spartanern.“ Der gereizte Bernoyer sprach für viele aus den Reihen der Republikaner, die misstrauisch blieben gegenüber Bonapartes Neigung, sich aufzuspielen und neue Hierarchien an die Stelle der 1789 abgeschafften zu stellen. ***

D e r G e i s t d e r F r e i h e i t     17

Am 9. Juni 1798 erreichte das Geschwader Malta. Bonaparte forderte vom Großmeister des Malteserordens, der über die Hauptinsel und die kleineren Inseln Gozo und Comino herrschte, dass seine Schiffe nach­ einander in den Hafen einlaufen und Wasser und Vorräte an Bord nehmen durften. Großmeister Ferdinand von Hompesch antwortete, dass immer nur zwei fremde Schiffe auf einmal in den Hafen einlaufen dürften. Bonaparte, der sehr wohl wusste, dass ein solches Vorgehen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und sein Geschwader der Gefahr eines möglichen Angriffs durch Nelson aussetzen würde, ordnete sofort Kanonensalven als Erwiderung an. Bonaparte erwartete keine Gastfreundschaft. Er hatte sich vor zwei Jahren gegen die Berufung des Deutschen Hompesch zum Großmeister ausgesprochen, weil er in dieser Position lieber einen Patrioten gesehen hätte, der Frankreich freundlich gesinnt war. Hauptmann Say schrieb in seinen Memoiren, dass etwa 150 000 Menschen auf der Insel lebten. Die meisten Männer waren Matrosen, und die Frauen verdienten ihr Geld mit dem Spinnen und Weben von Baumwolle. Die maltesische Bevölkerung sprach einen arabischen Dialekt und war streng römisch-­katholisch. Die Einnahme von Malta war nicht einfach zu bewerkstelligen. „Der gesamte bewohnte Teil der Insel war eine sichere Festungsanlage, gut geschützt gegen alle Störungen und Offensivangriffe“, schrieb der britische Schriftsteller Samuel Taylor Coleridge einige Jahre später. Das Land war, so schrieb er, „unterteilt in kleine Felder, kaum größer als ein Bauerngarten, und jedes dieser kleinen Landstücke von soliden Steinmauern umgeben.“ 15 Er kolportierte außerdem die verbreitete Ansicht der Marineoffiziere des 18. Jahrhunderts, Ägypten sei der Schlüssel zu Indien und Malta der Schlüssel zu Ägypten. Die Franzosen hatten viele Gründe, den Rittern zu grollen, die den Briten die Erlaubnis erteilt hatten, auf der Insel Matrosen zu rekrutieren. Als Spanien sich der ersten Großen Koalition gegen das revolutionäre Frankreich angeschlossen hatte, lieferte der Großmeister Hompesch Waffen nach Madrid und erlaubte Spanien außerdem, maltesische Matrosen anzuheuern. Revolutionäre Parteigänger auf der Insel hatte man verfolgt und viele von ihnen willkürlich ins Exil geschickt. Im Mai 1797 wurden viele dieser demokratisch Gesinnten verhaftet und wie gewöhnliche Kriminelle eingesperrt. Schließlich bat der Großmeister den reak­

18    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

tionären russischen Zaren Paul I., einen erklärten Feind der republikanischen Revolution, um Schutz. 16 Bonapartes Truppen gingen am Morgen des 11. Juni an sieben Stellen auf Malta an Land. General Louis Baraguey d’Hilliers, der während der Schreckensherrschaft der Revolution nur knapp der Verfolgung entkommen war und später als Gouverneur der Lombardei während des Italienfeldzugs von 1796–97 gedient hatte, verließ sein Schiff mit Soldaten und Geschützen im Westen der Hauptinsel Malta. Die ganze Zeit hindurch wurden er und seine Männer von der maltesischen Artillerie unter Beschuss genommen. Die anfängliche Gegenwehr konnten die Franzosen jedoch niederschlagen. Die schlecht vorbereiteten und etwas undisziplinierten Ritter in diesem Gebiet, etwa 2000 an der Zahl, formierten sich neu. Die Franzosen verstärkten ihren Angriff. Nach einem erbitterten Geschützkampf, der 24 Stunden dauerte, mussten sich die meisten Malteser im Westen ergeben. General Claude-Henri Vaulois nahm die alte Stadt im Zentrum der Insel in Besitz, ohne einen einzigen Schuss ab­ zugeben. Der Ritterorden, ursprünglich in Jerusalem gegründet als ­Einrichtung der kurzlebigen Königreiche der Kreuzritter in der Levante, bevor die Muslime ihn auf die Inseln im Westen zurückdrängten, war ein Überbleibsel der feudalistisch-religiösen Ritterzeit. Nun stand er an der Schwelle seines Untergangs als militärische Macht, ein Opfer der ­Aufklärung. Bonaparte leitete Verhandlungen mit der befestigten Hauptstadt ­Valetta ein und bot den Rittern eine Abfindung an. Angesichts der weit überlegenen französischen Streitmacht handelte der Großmeister eine großzügige Pension für sich aus und öffnete seine Tore für Bonaparte, der damit eine der kaum einnehmbaren Festungen Europas in seinen Besitz brachte, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern. Bonaparte bemerkte dazu später: „Der Ort besaß sicherlich eine äußerst starke physische Widerstandskraft, aber überhaupt keine moralische Standfestigkeit. Die Ritter haben sich nicht mit Schande befleckt, niemand ist gezwungen, Unmögliches zu vollbringen.“ 17 Hauptmann Moirets Berichten zufolge nahmen er und die übrige Vorhut Valetta am 12. Juni ein, die Truppen der Flotte folgten ihnen einen Tag später. Moiret war ebenfalls der Ansicht, Valetta, Hauptstadt und wichtigster Hafen im Nordosten Maltas, hätten weitaus länger durchhalten können. „Wir waren ein wenig überrascht“, räumte Moiret ein, „eine derart befestigte Stadt eingenom-

D e r G e i s t d e r F r e i h e i t     19

men zu haben“. Anders als sein General hielt er die Verteidiger für schlechte Soldaten unter miserabler Führung. Er erwähnte allerdings nicht, dass etwa die Hälfte der Ritter Franzosen waren und dass die meisten sich geweigert hatten zu kämpfen. Zudem hatte die Revolutionsregierung, als sie nach 1789 an die Macht kam, dem alten Adel und der Kirche nach und nach ihre Besitztümer und ihren Wohlstand genommen. Da die Ritter aus ebendiesen Kreisen ihre Unterstützung erhielten, hatte die Französische Revolution ihre ­finanzielle Lage auf verhängnisvolle Weise geschwächt. Bonaparte setzte Hompesch eine Pension in Deutschland aus und stellte vielen der älteren französischen Ritter Bezüge in Aussicht, wenn sie nach Frankreich ­zurückkehrten. So war es weniger ein militärischer Sieg als vielmehr ein Handelspakt, der zur Aufgabe der Ritter führte. Nicolas Philibert ­Desvernois, ein junger Leutnant der Kavallerie aus Lons-le-Saunier nahe Genf, schätzte die Gesamtkosten für Frankreich auf drei Millionen Francs. In der Woche vor seinem Abzug richtete Bonaparte eine Ortsverwaltung ein, setzte die republikanische Verfassung in Kraft, erklärte Malta zu französischem Territorium und öffnete Studenten den Weg nach Frankreich. Außerdem nahm er die jüngeren Ritter in seine Armee auf. Er ließ sämtliche Kirchen schließen, ihre Gold- und Silberschätze zu Barren einschmelzen und die Schatzkammer der Ritter beschlagnahmen. Hauptmann Say, der den ersten veröffentlichten Bericht über die Expedition verfasste, schrieb: „Der Besitz dieser Insel sichert die Kontrolle über den Handel in der Levante.“ Bonaparte befreite die von den Rittern gefangen gehaltenen arabischen und türkischen Sklaven aus ihren Eisen und brachte sie an Bord seiner Schiffe in der Absicht, sie in Ägypten freizulassen, wo sein Großmut sich als werbewirksamer Schachzug erweisen sollte. Er informierte unverzüglich die französischen Konsuln in Tunis, Tripolis und Algier, dass Malta jetzt französisch sei und dass die muslimischen Herrscher dieser Provinzen ihre maltesischen Sklaven in die Freiheit entlassen sollten, wenn sie nicht den Zorn der Französischen Republik auf sich ziehen wollten. Malteser gefangen zu halten, wenn sie aus einem kleinen unabhängigen Staat kamen, war eine Sache. Etwas ganz anderes war es, Franzosen als Sklaven zu halten – das war ein Schlag ins Gesicht der ­Republik. Außerdem unterbreitete er ein Friedensangebot: „Ich habe

20    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

den Befehl gegeben, die mehr als 2000 nordafrikanischen und osmanischen Sklaven, die vom Malteserorden in ihren Galeeren gehalten werden, freizulassen.“  18 Bonaparte hatte bereits mit seiner Politik der Umwerbung der Muslime begonnen. In Malta fand er unter den Ex-Sklaven und maltesischen Einwohnern viele Arabisch Sprechende, die sich für ihn als Soldaten und Dolmetscher als sehr nützlich erweisen sollten. Die Mehrzahl der Soldaten blieb nur wenige Tage auf Malta, um die Vorräte aufzufüllen. Bonaparte ließ eine Garnison von ungefähr 4000 Mann unter General Vaubois auf Malta zurück und verließ die Insel am 19. Juni. Wieder gab es Spekulationen über das Ziel der Flotte. Sie währten nicht lange. Bonaparte ordnete an, dass seine zweite Bekannt­ machung, die er am 12. Juni an Bord der L’Orient geschrieben hatte, an die Truppen verteilt werden sollte. Die Männer begannen sich mit Alexandria zu beschäftigten und malten sich die Stadt der Ptolemäer und des Römischen Reiches aus. Französische Offiziere und Intellektuelle des 18. Jahrhunderts versetzten sich in die griechische und römische Geschichte, über die sie sehr gut Bescheid wussten und mit der sie sich identifizierten. Ihr ostwärts gerichtetes militärisches Abenteuer unter Bonaparte erinnerte sie an die Eroberungen von Alexander und Augustus. Hauptmann Moiret sagte, dass die Soldaten in Träumereien von ägyptischen Frauen schwelgten und hofften, Frauen wie Kleopatra vorzufinden. In den Erinnerungen vom Anfang der Expedition fantasierten die französischen Männer einen prachtvollen Orient voller sinnlicher Reize. „Soldaten“, sagte Bonaparte, „ihr steht kurz vor einer Eroberung, deren Auswirkungen auf die Zivilisation und den Handel der Welt unermesslich sind. Ihr werdet England den sichersten und spürbarsten Schlag versetzen, um ihm dann bei passender Gelegenheit den Todesstoß zu ­geben.“ Er schimpfte über die Beys, die Kriegsherren, die Ägypten regier­ ten. Unter ihnen befanden sich viele ehemalige Militärsklaven, die aufgestiegen waren, Freiheit und Macht erlangt hatten und dem osmanischen Sultan als Vasallen dienten. Er sagte, sie hätten begonnen, den englischen Handel zu beurteilen. Er stellte den Soldaten beschwerliche Märsche in Aussicht, schwor aber, dass es die Militärsklaven – im Arabischen Mamluk – „schon wenige Tage nach unserer Ankunft nicht mehr geben wird“. Er ermahnte seine Zuhörerschaft aus Freidenkern, Deisten, Atheisten und Katholiken, den Islam, Mohammed und die muslimischen

D e r G e i s t d e r F r e i h e i t     21

Sitten ebenso zu respektieren, wie sie sich gegenüber den Juden und Anhängern der römisch-katholischen Kirche in Europa tolerant gezeigt hätten. Er erinnerte sie an die religiöse Toleranz, die für die römischen Truppen kennzeichnend gewesen war. Außerdem machte er sie darauf aufmerksam, dass Muslime ihre Frauen anders behandelten, und untersagte Plünderungen. „Alexandria“, schloss er, „wird die erste Stadt sein, in die wir kommen werden.“ 19 *** Bonapartes Plan, Ägypten einzunehmen, hat eine vielschichtige Entstehungsgeschichte. Französische Intellektuelle und Kaufleute hatten vereinzelt bereits im 17. Jahrhundert ein solches Vorhaben in Erwägung gezogen, da Ägypten für den französischen Handel im Mittelmeerraum und in Richtung Osten unbestritten eine zentrale Lage hatte. Bonaparte selbst scheint diese Idee im Sommer 1797 als Folge seines Italienfeld­ zuges zum ersten Mal ernsthaft in Betracht gezogen zu haben. Die italie­ nischen Fürstentümer an der Adria waren schon lange über Handels­ interessen mit den Inseln im Adriatischen Meer, Kroatien und dem osmanischen Albanien verbunden. Die meisten ausländischen Kaufleute in Alexandria kamen aus Venedig und Ragusa an der Adria (heute ­Dubrovnik). Und das revolutionäre Frankreich, jetzt auch in Italien etabliert, hatte mehr Interesse an der Levante als jemals zuvor – was Bonaparte, quasi der Vize­könig der italienischen Hoheitsgebiete, sehr wohl wusste. Charles Maurice de Talleyrand, ein prominenter Politiker, Revolutionär und ehemaliger Priester, hatte im Sommer zuvor in einer Rede im Pariser Institut National argumentiert, dass das republikanische Frankreich Kolonien benötige, wolle es zu Wohlstand gelangen. 20 Kanada, Louisiana und viele der französischen Besitztümer in der Karibik und in Indien waren schon vor Jahrzehnten verloren gegangen. Er verankerte diese Forderung in den revolutionären Werten der neuen Republik und verkündete: „Eine freie Verfassung mündet notwendig in das unaufhörliche Bemühen um einen geordneten Zustand, sowohl innerhalb als auch außerhalb seiner Grenzen, im Interesse der menschlichen Spezies.“ Er teilte mit, er sei während seines kurzen Exils in den Vereinigten Staaten zur Zeit der französischen Schreckensherrschaft beeindruckt gewesen, wie unterschiedlich die nachrevolutionäre Lage dort im Vergleich zu Frankreich durch das Fehlen von Hass und Konflikten sei. Den rela­

22    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

tiven sozialen Frieden in Amerika schrieb er der Tatsache zu, dass die Besiedlung eines so unermesslich großen Kontinents sämtliche Energien der rastlosen ehemaligen Revolutionäre in Anspruch nahm. Talleyrand erinnerte an frühere Pläne einer französischen Kolonie in Ägypten, führte den britischen Zuckerrohranbau in Bengalen an und hob hervor, dass die britische Warenproduktion diesen Rivalen stärke und dass auch Frankreich auf dem Wege kolonialer Besitztümer Einnahmequellen ­suchen sollte, um lukrative landwirtschaftliche Erzeugnisse zu produzieren. Außerdem glaubte er, die Tage der Sklaverei seien gezählt, und deutete an, dass Kolonien, die ihren Wohlstand aus Sklavenplantagen erwirtschafteten, durch Tochterrepubliken nach französischem Vorbild ersetzt würden, regiert von Paris. Während der 1790er Jahre hatte die britische Überlegenheit auf See die Franzosen gezwungen, ihre Expansionsfreude auf den Kontinent zu beschränken, und hatte jeden Plan, den britischen Feind zu besiegen, durchkreuzt. Aus Talleyrands Sicht bot ein erneuerter Kolonialismus „den Vorteil, dass uns nicht dauernd eine gegnerische Nation zuvorkommt, die jeden unserer Fehlschläge und jede Verzögerung zu einem Triumph für sich selbst ummünzen kann“. Die Franzosen hatten ihren Stützpunkt in Südindien bei Pondicherry an die Briten verloren, versuchten aber, sich mit lokalen, antibritisch gesinnten indischen Herrschern zu verbünden, die darauf aus waren, die British East India Company vom Subkontinent zu vertreiben. Die Einnahme von Ägypten würde Frankreich die Kontrolle über andere wertvolle Erzeugnisse ermöglichen, vor allem über den Zucker, und wäre vielleicht eine Möglichkeit, das Wachstum des britischen Empires im Osten zu verhindern. Kurz nach Veröffentlichung dieser Ideen wurde Talleyrand französischer Außenminister. Seine Rede markierte die Abkehr von den Ideen der Aufklärung, auch von denjenigen, die den Kolonialismus verurteilten, und die ökonomischen Theorien Turgots kritisierten. Er vertrat die Ansicht, das Betreiben von Kolonien brächte keinen Gewinn, weil es für ihn auf der Hand lag, dass die dort produzierten Waren von Ländern ohne Kolonien ebenso kostengünstig produziert werden. 21 Die Physiokraten – Ökonomen, die in der Landwirtschaft die Quelle des Wohlstands sahen – hatten den Außenhandel als relativ unbedeutend verworfen und vor der Revolution in den Reihen der Großgrundbesitzer Verbündete gefunden. Mit dem Aufkommen eines revolutionären

D e r G e i s t d e r F r e i h e i t     23

Standes setzten sich neue Interessen durch. Talleyrand lehnte außerdem das prinzipientreue jakobinische Argument für das Beenden des Kolonialismus ab, das sich aus den Menschenrechten ableitete, die 1794 für die Aufhebung der Sklaverei aufgestellt worden waren. Er glaubte, Paris könne tropischen Ländern das Modell einer bürgerlichen Republik auferlegen und so einen neuen Kolonialismus ohne Sklaverei errichten. Zur Anhängerschaft von Talleyrands Plan gehörten die Militärfirmen, die mächtige Klasse der Kaufleute von Marseille und das französische Netzwerk von levantinischen Importeuren und Exporteuren im Mittelmeerraum. Auch die Offiziere der Italien-Armee, die zu dieser Zeit an der Einnahme Wiens gehindert wurden und nach neuen Feldern des Ruhms suchten, zählten dazu, denn von ihrem Stützpunkt auf der italienischen Halbinsel aus hatten sie die Bedeutung des östlichen Mittelmeers erkannt. Talleyrands Rede stellte einen überraschenden Wendepunkt in der französischen Linken dar. Die Unterstützung für eine koloniale Expansion lebte in einer Weise wieder auf, wie sie von den konservativsten Höflingen der französischen Monarchie im 17. Jahrhundert verfochten worden war, weshalb man sie als Neokonservatismus des späten 18. Jahrhunderts bezeichnen könnte. Der in Italien siegreiche Bonaparte begann mit Talleyrand und anderen politischen Führern über die Möglichkeit einer französischen Mittelmeerpolitik zu korrespondieren. Am 16. August 1797 schrieb er: „Die Zeit ist nicht mehr fern, in der wir fühlen werden, dass wir, wollen wir England endgültig zerstören, Ägypten einnehmen müssen. Das gewaltige Osmanische Reich, das jeden Tag mehr untergeht, zwingt uns, in die Zukunft zu schauen und zu überlegen, wie wir unseren Handel mit der Levante schützen können.“ 22 Das Ancien ­Régime und die junge Republik hatten das Osmanische Reich unterstützt, um auf diese Weise den öst­ lichen Mittelmeerraum nicht ihren mächtigen Rivalen zu überlassen. Bonaparte und Talleyrand hingegen waren überzeugt, dass der osmanische Untergang nicht aufzuhalten war und eine gefährliche Wirkung auf Briten und Russen haben würde, die dann versuchen würden, ehemalige osmanische Territorien an sich zu reißen. Falls die europäischen Großmächte bald mit der Einnahme von Provinzen des Sultans Selim III. beginnen sollten, musste die französische Republik ihnen nach Meinung Bonapartes und Talleyrands zuvorkommen. Da die britische Marine Frankreich den Zugang zum Nordatlantik verwehrte und Frankreich

24    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

nicht über Gebiete in der Nähe des Kaps der Guten Hoffnung verfügte, war es Bonapartes und Talleyrands Traum, das Mittelmeer zu einem französischen Gewässer zu machen, über das Rote Meer eine Route nach ­Indien zu öffnen und Pondicherry und weitere französische Gebiete an den Küsten von Coromandel und Malabar zurückzugewinnen. Als General Louis Desaix im September 1797 Bonaparte in seinem Hauptquartier in der Nähe von Venedig einen Besuch abstattete, diskutierten die beiden die Möglichkeit, Ägypten mit fünf Divisionen einzunehmen. Gaspar Monge, der Leiter der französischen Kommission der Wissenschaften und Künste in Italien, hatte für Bonaparte Material aus den Archiven des französischen Außenministeriums gesammelt, das über die chaotische Herrschaft mutmaßlicher Anhänger der Osmanen in Ägypten berichtete und zudem die Ansicht französischer Konsularbeamter in Ägypten wie Charles Magallon kolportierte, dass dies dem Handel Frankreichs schade. 23 Talleyrand überzeugte sich davon, dass der Sultan in Istanbul über die Absichten Englands und Frankreichs in Bezug auf Ägypten Bescheid wusste und aus diesem Grund den Präventivschlag eines starken Verbündeten willkommen heißen würde, weil er verhindern wollte, dass die Provinz in die Hände der Feinde fiel. Talleyrand war der erste, aber sicherlich nicht der letzte westliche Staatsmann, der die Dankbarkeit überschätzte, die ein Volk des Nahen Ostens gegenüber ­einer fremden militärischen Besatzungsmacht empfinden mochte. *** Bonapartes Flotte segelte unaufhaltsam ostwärts. Unter den 2000 Passagieren an Bord der L’Orient waren viele Mitglieder der Kommission der Wissenschaften und Künste. Bonaparte genoss es, sich mit den Wissenschaftlern, die er an Bord geholt hatte, über Chemie, Mathematik und Religion zu unterhalten. Zu ihnen gehörten der Physiker und ehemalige Marineminister Gaspar Monge, der Chemiker Claude-Louis Berthollet und andere. Sein Sekretär Louis Bourrienne meinte, Bonaparte habe Monges Hang zu überbordenden Fantasien und Spekulationen über religiöse Themen den kalten, analytischen Abstraktionen Berthollets vorgezogen. Nach dem Abendessen pflegte Napoleon drei oder vier Gäste zu Debatten in seine Kabine einzuladen und ihnen eine These zu unterbreiten, wobei die einen als Fürsprecher, die anderen als Gegner der Sache auftreten sollten. Waren die Planeten bewohnt? Wie alt war die Welt?

D e r G e i s t d e r F r e i h e i t     25

Konnte man aus Träumen die Zukunft herauslesen? Bourrienne meinte, Bonaparte habe diese Debatten veranstaltet, um das Kaliber seiner Männer einschätzen zu können und herauszufinden, für welche Aufgaben sie am besten geeignet wären, und dass er „denen, die eine absurde These gekonnt vertreten hatten, den Vorzug vor jenen gab, die ihre Vernunft hatten walten lassen.“ 24 Bonaparte diskutierte mit seinen Freunden über biblische und klassische Geschichte, vor allem über Themen, die mit den Mittelmeerinseln und den Ländern, an denen sie vorübersegelten, zu tun hatten. „Der Anblick des Königreichs des Minos veranlasste ihn, über die Gesetze nachzudenken, die sich am besten für die Regierung der Nationen eigneten“, berichtet sein Sekretär. „Und der Geburtsort des Jupiter [Kreta] ließ ihn auf die Notwendigkeit einer Religion für die Mehrheit der Menschen schließen.“ Diese Gespräche enthalten den Kern von Bonapartes zunehmend instrumenteller Sichtweise von Religion, die sich deutlich von der Sicht der Jakobiner, der radikalen Aufklärungsphilosophen und Anhänger der Vernunft unterschied, die sie als Aberglauben ablehnten. Das heißt, Bonaparte hielt die Menschen von Natur aus für religiös, und für ihn war es eine Kunst der Staatsführung, die Religion als Mittel zum Zweck zu nutzen, um die Menschen zu manipulieren. Dagegen führte die Verehrung der Vernunft bei vielen Revolutionären und Intellektuellen dazu, dass sie den Glauben für irrational und reaktionär hielten, der ausgemerzt werden musste, bevor er mehr Schaden anrichten konnte. Das antireligiöse Lager stand unter dem Einfluss des französischen ­Philosophen Voltaire, der in seinen Briefen häufig den Ausruf „Écrasez l’infame!“ („Zermalmt die Niederträchtige!“) verwendet und sich damit auf die fanatischen und intoleranten Ausprägungen von Religion bezogen hatte. 25 Viele französische Offiziere waren begeistert, als sie erfuhren, dass sie auf dem Weg nach Ägypten waren. Hauptmann Moiret bewies als ehemaliger Priesteraspirant in seinen Betrachtungen über die Zukunft mehr als andere Offiziere eine ungewöhnliche Nähe zur französischen Intelligenz, was viele Hinweise in seinem Manuskript erahnen lassen. Er schrieb in Malta, er und seine Freunde seien begeistert über die Aussicht auf dieses „prächtige“ Unterfangen. Sie gingen in dieses Land der Antike, die Wiege von Wissenschaft und Kunst, um die unzerstörbaren Monumente der Pharaonen neu zu entdecken, all die Pyramiden, Obelisken,

26    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

Tempel, Städte und die Täler, die die Kinder Israels durchwandert hatten, „die Länder, die durch die Heldentaten der Mazedonier, Römer und Muslime und des Heiligsten unserer Könige zu Ruhm gekommen sind“. Er sah in Bonapartes Armee einen Nachfolger der Expeditionen Alexanders, Octavians, Amr ibn al-As’ und Ludwigs IX. Es gibt gute Gründe für die Behauptung, dass Alexander in Ägypten Erfolg hatte, denn seine Eroberung zog die Begründung der Dynastie der Ptolemäer durch einen seiner griechischen Generäle nach sich, und dem größten Hafen gab er seinen Namen. Dasselbe gilt für Octavian, später Augustus genannt, dessen Invasion zum Selbstmord Kleopatras führte, der letzten Kaiserin der Ptolemäer, und eine sechs Jahrhunderte anhaltende Herrschaft der Römer und Byzantiner am Nil einleitete. Amr ibn al-As, der 639 n. Chr. die arabisch-muslimische Eingliederung Ägyptens in die neue religiöse Gemeinschaft des Islam mit der Hauptstadt Mekka anführte, hat ebenfalls ruhmreiche militärische Heldentaten vollbracht. Ganz anders ist es jedoch mit Ludwig IX., dem Heiligen, dem Kreuzfahrerkönig. Ludwig nahm die ägyptische Hafenstadt Damiette am 6. Juni 1249 ein und marschierte gen Kairo, aber die Feinde an den Flanken öffneten die Vorratsbecken des Nils, schlossen seine Armee in der darauf folgenden Überschwemmung ein und besiegten sie mühelos. Moiret berichtet, dass die Offiziere sich einredeten, auf der Seite der Erfolgreichen dieser Eroberer zu stehen und Zivilisation, Wissenschaft und Künste in Ägypten zu neuem Leben erwecken zu können. Pragmatischer war seine weitere Ausführung: „Diese neue Kolonie würde uns für den Verlust jener Kolonien entschädigen, die uns von den verschlagenen Engländern in der Neuen Welt gestohlen wurden.“ Moiret sann viel über die historische und geopolitische Bedeutung der Expedition nach. Seine Anspielung auf die Verluste Frankreichs in der Neuen Welt bezog sich ohne Frage auf den Siebenjährigen Krieg und die britische Eroberung von Quebec im Jahre 1759. Winston Churchill bezeichnete die Konflikte der 1750er und 1760er Jahre – in Amerika als Französisch-Indianischer Krieg bekannt – als einen Weltkrieg, der vor allem ein Machtkonflikt zwischen Franzosen und Briten war, die sich nicht nur in Nordamerika, sondern auch in der Karibik und in Südindien bekämpften. Sowohl in Nordamerika als auch in Südindien hatten die Briten gesiegt, was die französischen Militärs der Generation ­Bonapartes nicht vergessen hatten. 1790 hatte die britische Seemacht Frankreich

D e r G e i s t d e r F r e i h e i t     27

den Großteil seiner restlichen Besitztümer in der Karibik geraubt. Ägypten, so Moirets unausgesprochene Meinung, war ein Anhängsel der meisten großen Weltreiche gewesen, und das republikanische Frankreich würde sich durch dessen Einnahme ruhmreich in diese Reihe eingliedern. Weder für Moiret noch für Bonaparte war ein republikanisches Reich ein Widerspruch in sich. Einige Länder, die Frankreich in Europa erobert hatte, zum Beispiel Belgien, waren einfach annektiert und direkt der Herrschaft Frankreichs unterstellt worden. Aber die französische Republik konnte auch als Zentralstaat mit Tochterrepubliken fungieren. Zu diesen gehörte zum Beispiel die Batavische (Holländische) Republik, die 1795 gegründet worden war, nachdem die Revolutionsarmee Preußen besiegt hatte. Sie wurde zwar von Bürgerräten regiert, litt aber weiterhin unter der militärischen Besatzung der Franzosen und war gezwungen, sich nach der französischen Politik auszurichten und Frankreich Soldaten und Finanzmittel zu stellen. Als Bonaparte Vorbereitungen für die Invasion Maltas traf, behandelte er den holländischen Botschafter, als wäre er ein Vertreter der französischen Republik, um ihn schließlich von seinen Pflichten entbinden und entfernen zu lassen. 26 Auch in der Folge des Italienfeldzugs 1796–97, bei dem Bonaparte sich zum ersten Mal als führender General hervorgetan hatte, wurden Tochterrepubliken errichtet. Die von Direktorien regierten Republiken waren insofern eher Schwes­tern als Töchter, die nach Meinung der Franzosen „Freiheit“ genossen. Es ist allerdings verständlich, dass die Bewohner der italienischen Halbinsel Schwierigkeiten hatten, den Begriff „Freiheit“ mit den massiven Plünderungen der französischen Truppen und den Geld- und Güterströmen, die aus ihrem Land nach Paris flossen, in Einklang zu bringen. Die Bürger dieser neuen Republiken kamen in den Genuss eines nie dagewesenen Maßes an Demokratie und Pressefreiheit im eigenen Land, aller­dings zum Preis der Unterordnung unter eine fremde Macht und der Ausbeutung von Schätzen und Kunstgegenständen. Im Gegensatz dazu wollte die französische Revolutionsregierung ­Haiti (damals Saint-Domingue) als einfache Kolonie verwalten. Unerwartet hatte die Ausbreitung der Ideale der Französischen ­Revolution in dieser französischen Kolonie ehemalige schwarze Sklaven zu Freien und die Sklaven selbst zu einer neuen politischen Kraft gemacht. So setzte Frank-

28    D e r G e i s t d e r F r e i h e i t

reich der Sklaverei dort ein Ende, verlor in den 1790er Jahren aber die Kontrolle über das Gebiet an die britische Marine und an lokale Führer wie den Revolutionär Toussaint L’Ouverture. Es ist ganz klar, dass Moiret und andere im Sinn hatten, in Ägypten eine französisch bestimmte, mit einem Direktorium versehene Republik, ähnlich dem Vorbild Hollands oder der Schweiz, zu installieren, obwohl sie auch an einigen Aspekten des in Saint-Domingue realisierten Kolonialismus Gefallen fanden. Auf der Liste der Ziele, die sich Bonaparte für die Eroberung Ägyptens gesetzt hatte, stand die „Errichtung einer französischen Kolonie am Nil, die ohne Sklaven florieren und Frankreich als Ersatz für die Republik Saint-Domingue und alle Zuckerinseln dienen würde.“ 27 Bonapartes Ehe mit Josephine, die auf der westindischen Insel Martinique geboren und aufgewachsen war, brachte ihm die karibische Thematik nahe. So war seine Wahrnehmung zumindest geschärft für den wirtschaftlichen Schaden, den Frankreich in den 1790er Jahren durch den Verlust der Kontrolle über Saint-Domingue erlitten hatte, und für die Notwendigkeit, eine neue ­Kolonie als Ersatz zu finden. Sowohl Bonaparte als auch Talleyrand erwähnten den Zucker immer wieder als wichtige Handelsware, und es ist durchaus möglich, dass der Zuckerrohranbau Ägyptens für sie den Haupt­ anreiz bot. *** Als die Franzosen am 1. Juli wenige Meilen vor Alexandria waren, wurde die Flotte von „heftigen Stürmen“, ergriffen, „die sämtliche Schiffe durcheinander warfen und größte Unordnung anrichteten.“ 28 Einige waren sich sicher, dass sie in der Morgendämmerung Nelsons Segel am Horizont erspäht hatten. Napoleon sandte eine Fregatte aus, die die Lage auskundschaften sollte. Sie entdeckte ein ägyptisches Schiff, das näher kam. Der französische Offizier brachte den ägyptischen Kapitän dazu, ihn zum ägyptischen Flaggschiff zu führen. Der Kapitän konnte kein Ausweichmanöver mehr unternehmen, kam näher und ließ die Franzosen wissen, dass die englische Flotte zwei Tage zuvor den Hafen von Alexandria angelaufen hatte. Die Briten hatten versucht, den Statthalter (Kashif) Sayyid Muhammad Kurayyim vor dem Angriff der Franzosen zu warnen, aber Kurayyim hatte Nelsons Flotte hochmütig die Erlaubnis verweigert, zu bleiben oder frisches Wasser und Vorräte an Bord zu holen. Die Nachricht, dass die Briten vor ihnen Alexandria erreicht hatten,

D e r G e i s t d e r F r e i h e i t     29

rief tiefe Bestürzung bei Matrosen, Soldaten und Bonaparte hervor. ­Bonaparte rief angeblich: „Fortuna, verlässt Du mich? Nur noch fünf Tage!“ Was bedeutet, dass er seinen Fuß in weniger als einer Woche auf ägyptischen Boden setzen konnte, wenn es ihm nur gelang, in dieser Zeit Nelson auszuweichen. Zwar behaupten einige, er habe diese Worte nie gesagt, doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird er genauso empfunden haben.

30   

2 Himmel in Flammen

Der aristokratische Vize-Admiral François-Paul Brueys D’Aigalliers schickte eine Fregatte aus, um den französischen Konsul von Alexandria, Charles Magallon, abzuholen, der die Einzelheiten von Nelsons ominösem Besuch vervollständigte. Magallon äußerte die Vermutung, die Briten seien Richtung Alexandretta an die syrische Küste weitergesegelt, in der Annahme, dass die Franzosen, wenn sie bis dahin nicht in Alexandria waren, auf dem Weg zu jenem anderen Landeplatz sein müssten. Wenn die Briten davon ausgingen, dass die Franzosen Indien bedrohen wollten, waren Syrien und der Irak mögliche Zugänge. Die Flusstäler von Euphrat und Tigris konnten trotz starker Strömung und Überflutungsgefahr als Transportweg genutzt werden, außerdem nutzten die Briten diese Route durch den Persischen Golf nach Indien manchmal selbst. Der seit ein oder zwei Tagen anhaltende heftige Wind und die stürmische See brachten Brueys zu dem Entschluss, die Landung in Alexandria zu verschieben, vor allem auch, weil die Nacht hereinbrach und sie nicht wussten, wie die Riffe zu umschiffen waren oder wie man in der Dunkelheit den günstigsten Ankerplatz finden sollte. Der Adlige Brueys diente der republikanischen Marine, obwohl er Familie und Freunde während der Terrorherrschaft in den frühen 1790er Jahren verloren hatte, als radikale Revolutionäre den König töteten und versuchten, alles auszulöschen, was zum alten Regime gehörte. Bonaparte, der sowohl die Marine als auch das Heer unter seinem Kommando hatte, setzte sich aber gegen den Admiral durch und bestand auf der unverzüglichen Landung der Truppen. Dem Kapitän eines gerade vor Alexandria liegenden osmanischen Schiffs schrieb er: „Die Beys haben unseren Kaufleuten eine Demütigung zugefügt, und ich bin gekommen, um Wiedergutmachung zu fordern. Ich werde morgen in Alexandria sein. Ihr dürft unbesorgt sein. Ihr gehört zu unserem mächtigen Freund, dem Sultan. Verhaltet Euch

H i m m e l i n F l a m m e n     31

dementsprechend. Aber bei der kleinsten Feindseligkeit gegen das französische Heer werde ich Euch als Feind betrachten, und das werdet Ihr allein Euch selbst zuschreiben müssen, denn es liegt weder in meiner Absicht noch in meinem Herzen.“ 1 Der osmanische Kapitän scheint die Flucht ergriffen zu haben. In der Nacht brachten die Franzosen mehrere mit Kanonen ausgestattete Barkassen vor der Küste in Stellung, die Alexandria an der Flanke bedrohten. Konsul Magallon hatte einen ägyptischen Lotsen mitgebracht, der dabei half, den französischen Landetrupp sicher durch die Riffe zu führen. Ab etwa ein Uhr am Morgen des 2. Juli konnten Bonaparte und seine Truppen ungefähr drei Meilen von der Stadt entfernt an Land gehen. Um drei Uhr in der Frühe führten die Generäle Bon, Kléber und ­Jacques Menou jeweils eine 430 Mann starke Einheit als vereinigte Vorhut an, die gen Alexandria marschierte. Artillerie oder Kavallerie zu landen, war ihnen zunächst nicht gelungen. Bonaparte marschierte zu Fuß, die Scharfschützen an der Spitze. Eineinhalb Meilen vor der Stadt sichteten die 300 Beduinenreiter, die die Anhöhen um die Stadt bewachten, die Franzosen und feuerten auf sie. Als sie jedoch die Größe der fran­ zösischen Streitmacht erkannten, zogen sich die Beduinen eilig zurück. Menou überquerte mit seiner Einheit die schmalen Sanddünen westlich der Mauer des arabischen Viertels von Alexandria, um die dreieckige Festung zu stürmen. Kléber lenkte seine Truppe zum großen Tor der Mauer, die zur Pompeiussäule führte. Bon und seine Soldaten wandten sich zum Osten der Stadt, zum Stadttor von Rosetta. Bonaparte marschierte in Richtung Pompeiussäule und kommandierte einige Offiziere ab, die Stadtmauer um das arabische Viertel zu erkunden. Sie entdeckten, dass die Mauer gut instand gehalten worden war und ihnen keine Bresche bot. Als Bonaparte an jenem Morgen vor den Mauern der alten Stadt eintraf, schien er zu Verhandlungen bereit zu sein, ganz im Vertrauen darauf, dass die kleine, 8000 Einwohner zählende Stadt angesichts der überwältigenden Streitmacht kapitulieren würde. Doch bewaffnete, von den Rufen ihrer Anführer sowie ihrer Frauen und Kinder angriffslustig gemachte Stadtbewohner zogen scharenweise zu den Wehrgängen auf der Mauer und bezogen Stellung in den Türmen. Die 500 MameluckenReiter unter dem Befehl von Sayyid Muhammad Kurayyim, dem Gouver-

32    H i m m e l i n F l a m m e n

neur der Provinz al-Buhaira, und die bewaffneten Einwohner Alexandrias hielten die Franzosen unter beständigem Geschützfeuer, das sich aber als relativ wirkungslos herausstellte. Plötzlich brachten die Emire, die Befehlshaber innerhalb der Stadt, ihre Kanonen zum Vorschein und feuerten auf den Feind. Von den drei oder vier alten Kanonen, die auf den Befestigungsmauern aufgestellt wurden, aber nicht gedreht werden konnten, ließen sich die französischen Angreifer nicht abschrecken. Den Musketenschüssen der Verteidiger setzten die Franzosen ihre eigenen Musketen entgegen und antwortete mit einem donnernden Kugelhagel, der einige Ägypter niederstreckte. Dann schaltete sich die inzwischen eingetroffene leichte Artillerie der Franzosen mit Kanonenkugeln ein und zwang die türkischägyptische Kavallerie, sich zurückzuziehen. Bernoyer schrieb, dass Bonaparte eine Nachricht an Kurayyim sandte, in der er diesen im Befehlston zur Kapitulation aufforderte: Es erstaunt mich, dass Ihr feindselige Maßnahmen gegen mich ergreift. Ihr seid entweder extrem ignorant oder extrem anmaßend, dass Ihr glaubt, Ihr könntet Euch mir mit zwei oder drei armseligen Geschützen widersetzen. Noch dazu, wo mein Heer gerade erst eine der größten Mächte Europas bezwungen hat. Wenn ich in zehn Minuten nicht eine weiße Fahne erblicke, werdet Ihr vor Gott Rechenschaft ablegen müssen für das Blut, dass sinnlos vergossen wird, und schon bald werdet Ihr über die Menschen weinen, die Ihr in Eurer Blindheit geopfert habt. 2

Als die Antwort ausblieb, bereitete der französische Oberbefehlshaber wenig später den Angriff vor. Aber noch hatten die Franzosen die Stadt nicht umringt, und es beruhigte die Emire, zu sehen, dass aus dem Hinterland weitere Reiter nachrücken konnten. Die osmanisch-ägyptische Kavallerie bereitete sich auf eine zweite Runde vor im Vertrauen auf ihre schnellen Pferde, die sie gegenüber einem Feind, der zumeist zu Fuß unterwegs war, unbesiegbar machen würden. Moiret räumte hinsichtlich der kleinen französischen Kavallerie ein: „Unsere eigene, so gut sie auch sein mochte, konnte sich damit nicht messen, weil die Pferde völlig anderer Art waren.“ 3 Berittene Krieger – ob Hirtennomaden oder ausgebildete Reiterkrieger – hatten in der mittelalterlichen Kriegsführung im Orient im Allgemeinen leicht über Dorf- und Stadtbewohner und sogar über eine ausgebildete Infanterie gesiegt. Die großen Reiche der arabischen Muslime

H i m m e l i n F l a m m e n     33

und später der Mongolen, der türkischen Seldschuken, der Safawiden und der Osmanen waren alle in erster Linie von Männern auf Pferdeoder Kamelrücken begründet worden. Dagegen hatten in Europa die Fortschritte der Infanterietaktik die Möglichkeiten der Kavallerie geschwächt, insbesondere wenn Infanterie und Artillerie geschickt kombiniert wurden. Hinzu kam, dass im 18. Jahrhundert in Frankreich Stärke und Reichweite der Artillerie durch den besseren Guss der Kanonen und verbessertes Pulver beträchtlich vergrößert werden konnten. Bonaparte, ein Mathematiker, der zu einem Artillerieexperten geworden war, hatte sich diese Entwicklungen im Hinblick auf Schussweite und Infanteriestellungen zunutze gemacht. Die stolzen berittenen Krieger des – wie wir heute sagen – Nahen Ostens sollten also bald ihren Meister finden, und zwar in der Kombination gedrillter französischer Bauern und Kanonen von beispielloser Schlagkraft, die alle gezielt an einen einzigen Punkt zusammengezogen und eingesetzt wurden. Französischen Quellen zufolge gab es in Ägypten damals etwa 60 000 Mitglieder der herrschenden Klasse der Emire und ihrer Sklavensoldaten, davon waren etwa 6000 gut ausgestattet und bewaffnet. Spätere Historiker halten diese Schätzung für plausibel, auch wenn dabei eventuell nicht alle Arten von osmanischen Truppen im Land berücksichtigt worden waren. Seit den 1770er Jahren hatte sich die Zahl der Emire reduziert, bedingt zum Teil durch Kriege untereinander. 4 Die Franzosen hielten alle Emire für Mamelucken, also Militärsklaven, die ins Land gebracht worden waren, um im ägyptischen Heer zu dienen. Da einige von ihnen niemals Sklaven waren, sind Emir (arab. für „Befehls­haber“) oder bei höherem Rang Bey (türk. für „Herr“) die zutreffenderen Bezeichnungen für diese Gruppe feudaler Grundbesitzer. Das Herrschaftsgebiet der Beys, die Ägypten als Vasallen des osmanischen Sultans regierten, ist das Beylik. Diese osmanisch-ägyptischen Fürsten und ihre Frauen besaßen große Güter und unterhielten wundervolle Anwesen. Moiret schrieb über sie: Sie haben alles: Häuser, Ländereien und andere Besitztümer, außerdem ein beträchtliches Jahreseinkommen. Die Kleidung der Reicheren unterscheidet sich von der der Ärmeren nur durch die feinere Beschaffenheit des Materials. Unter ihrem seidenen Umhang tragen sie ein Gewand, das dem der früheren Mönche in Frankreich ähnelt, aber ungleich wertvoller ist; Hosen, die so weit sind, dass man dafür zehn oder zwölf Ellen Stoff benötigt; und an den Füßen tragen sie über-

34    H i m m e l i n F l a m m e n

große Schuhe aus marokkanischem Leder zur Schau. Ihre Turbane müssen Unmengen gekostet haben, so fein sind sie gearbeitet. Sie rasieren ihre Köpfe kahl, bis auf eine kleine Stelle oben auf dem Kopf. Daran, so sagen sie, wird Mohammed sie packen und ins Paradies ziehen, wenn ihr Ende gekommen ist.

Die Emire und Mamelucken, die Alexandria verteidigten, luden nun zum zweiten Mal nach, aber es gelang ihnen nicht, die französischen ­Linien zu durchbrechen, die sich zu undurchdringlichen Kolonnen mit erhobenen Feuerwaffen und Bajonetten formiert hatten. Die osmanischen Ägypter zogen sich zurück, versuchten es dann wieder und wieder, jedoch ohne Erfolg. Trotz Mut und Wendigkeit werden Pferde nie in eine disziplinierte Bodentruppe hineingaloppieren, die mit Bajonetten und Feuerwaffen ausgerüstet ist. Am Gewehr befestigte Bajonette, die es den Infanteristen ermöglichten, ihre Waffe zu feuern und gleich­zeitig das Bajonett als Pike gegen die Kavallerie einzusetzen, verlieh den Fußsoldaten des 18. Jahrhunderts einen ganz neuen, mächtigen Vorteil. Um die Mittagszeit bereiteten die Franzosen eine entscheidende ­Offensive vor. Sie verjagten die Reiter und nahmen Alexandria ein, indem sie die Stadtmauer erstiegen. In jener Nacht lagerten sie zum Teil innerhalb, zum Teil außerhalb der Mauern von Alexandria, der Generalstab war bei reichen Familien von Rang untergebracht. Alle litten unter Mücken, Hitze und brackigem Wasser. Am Anfang feuerten die Einwohner noch auf die Franzosen oder bewarfen sie mit Steinen. Die Schätzungen der Zahl an Gefallenen bei den Kämpfen und der Einnahme von Alexandria gehen je nach Quelle sehr stark auseinander. Bei den Franzosen waren es zwischen 20 und 100 Tote, die Zahl der Verletzten lag bei 100 bis 300, darunter auch die Generäle Kléber und Menou. Kléber wurde von einem ägyptischen Verteidiger ins Gesicht geschossen und stürzte zu Boden. Doch er überlebte und erholte sich wieder. Am Nachmittag nach dem Angriff hatte Bonaparte sein Hauptquartier im Palast des Gouverneurs aufgeschlagen. Bei einer Zusammenkunft mit den führenden Würdenträgern der Stadt sicherte er diesen zu, ihre Religion und ihren Besitz zu achten, im Gegenzug verpflichteten sie sich, jede Verschwörung gegen die französische Herrschaft zu unterlassen. Er ließ Sayyid Muhammad Kurayyim als Distriktsgouverneur im Amt und ließ ihn eine Feldbinde in den französischen Farben umbinden. Obwohl Bonaparte seine Soldaten mit viel Pomp antreten ließ, schienen die Ägypter unbeeindruckt und misstrauisch, wie Bernoyer berichtet.

H i m m e l i n F l a m m e n     35

Alle, die nicht aus der Stadt geflohen waren, blieben in ihren Häusern. Die meisten erwarteten wegen ihres aktiven Widerstands bei der Eroberung immer noch, getötet zu werden und ihre Stadt in Flammen aufgehen zu sehen. Pierre Amédée Jaubert, Bonapartes Dolmetscher, zufolge „schienen die Alexandriner höchst erstaunt darüber zu sein, dass wir sie nicht köpften.“ 5 Sie gingen auf Nummer sicher und lehnten es aus Angst vor den Fremden ab, auf die Straße zu kommen. Von nun an bestand der Widerstand der Einheimischen nur noch darin, einzelne Soldaten in dunkle Gassen zu ziehen und ihnen die Kehle aufzuschlitzen, wenn es unbeobachtet möglich war. Die Franzosen, denen gute Unterkünfte fehlten, hatten anfangs darauf gehofft, einige Soldaten in der Altstadt unterzubringen, aber die Übergriffe zwangen sie, davon abzusehen. 6 Europäer hatten Alexandria wirtschaftlich dominiert, die Franzosen hatten daraus nun eine politische Vormachtstellung gemacht. Alexandria war zwar ein osmanischer Hafen und Teil der wichtigsten Seehandelsroute innerhalb des Reichs, die die Stadt mit Istanbul und Smyrna (heute Izmir) verband. Doch aus Europa stammende Kapitäne spielten eine zunehmende Rolle bei der Organisation des Handels zwischen ­Alexandria und dem Rest der Welt. Etwa die Hälfte der Kaufleute, die Schiffe von Alexandria zu anderen Häfen charterten, waren hier ansässige osmanische Türken, die Eigner der Schiffe aber zumeist Europäer. Im vorangegangenen Jahrzehnt war der gesamte Handel zwischen ­Alexandria und Europa über europäische Schiffe gelaufen; 95 Prozent des Handels mit Tripolis, Tunis und Algier waren ebenfalls in der Hand europäischer Kaufleute und Kapitäne. Die meisten europäischen Eigner von Handelsschiffen waren Franzosen – mit ihren Schiffen wurde die Hälfte des Handelsaufkommens von Alexandria mit Europa abgewickelt. In den 1790er Jahren hatten die herrschenden Beys die franzö­ sische Handelsdominanz des Hafens herausgefordert, indem sie der kleineren britischen Handelsgemeinschaft den Vorzug gaben; dieser Schachzug hatte laute Proteste unter den aufgebrachten französischen Kaufleuten in Marseille zur Folge gehabt, wodurch das Direktorium zum Eingreifen gedrängt wurde. Die großzügigen Villen der europäischen Kaufleute in Alexandria prägten den schönsten Teil der Stadt und spiegelten die Vorherrschaft des französischen und venezianischen Kapitals wider. Und genau von jenem Stadtteil, der gewissermaßen bereits kolonialisiert war, wurde Bonaparte herzlich willkommen geheißen.

36    H i m m e l i n F l a m m e n

Die schweren französischen Geschütze wurden schließlich in Abukir an Land gebracht, und Grenadier-Kompanien bemannten die Festung am Leuchtturm. Bernoyer, ein Zivilist ohne Militärerfahrung, ging zum Strand, um nach seinem persönlichen Besitz zu sehen. Erstaunt sah er die vielen Munitionswagen, Bomben, Kanonenkugeln und Artilleriegeschütze, die sich über den Sand verteilten. Mehr als tausend Männer hasteten zwischen Strand und Booten hin und her und brachten diese tödliche Fracht an Land, mit der das gesamte Niltal unterworfen werden sollte. Es erschreckte ihn zu sehen, wie die Alexandriner lässig zum Baden und Beten an den Strand kamen und den großkalibrigen Waffen, die von den Schiffen abgeladen wurden, anscheinend gar keine Beachtung schenkten. Er deutete ihre Unbekümmertheit als einen seltsamen Mangel an Neugier, musste aber immer wieder daran denken, dass das Fortführen der Alltagsverrichtungen von einer besiegten Bevölkerung schon oft als geheime Waffe des Widerstands benutzt wurde, mit der sie sich selbst Mut machte. Die Beduinen, die dem Vormarsch der Franzosen am Morgen Widerstand geleistet hatten, schickten eine Delegation aus dreißig Männern, um beim Brotbrechen ein Bündnis anzubieten; sie sagten, sie hätten gehört, dass Bonapartes Interesse nur darin läge, die Beyliks von Ibrahim Bey und Murad Bey, den beiden Herrschern Ägyptens, zu stürzen. Der Oberbefehlshaber versicherte ihnen, dass genau dies der Fall sei, und als Beweis für die Aufrichtigkeit seiner Absichten aß er mit ihnen. Er beteuerte erneut sein Versprechen, sich nicht in Angelegenheiten ihrer ­Religion einzumischen – auch ihre Frauen sollten verschont bleiben. ­Darüber hinaus bemühte er sich um einen Waffenstillstand und forderte sie auf, sich mit ihm gegen die Beys zu verbünden. Die Beduinen verpflichteten sich, auf Anschläge gegen seine Soldaten zu verzichten und einige Männer für den Kampf gegen Ägyptens bisherige Herrscher zur Verfügung zu stellen. Bonaparte seinerseits sicherte ihnen zu, ihnen als zukünftiger Herrscher Ägyptens einen Teil des Landes zurückzugeben, das ihnen früher gehört hatte, aber von den Emiren beschlagnahmt ­worden war. Für eine Weile zogen sich die Beduinen zurück und sorgten vorübergehend für sichere Straßen. Die wenigen Stammesführer, die Bonaparte dieses Versprechen gegeben hatten, waren allerdings nicht repräsentativ; andere Beduinen, die sich nicht daran gebunden fühlten, unternah-

H i m m e l i n F l a m m e n     37

men weiterhin Anschläge auf die französischen Soldaten. Moiret beschrieb die Beduinen mit der für Städter typischen Verachtung als unverbesserliche Wegelagerer und ignorierte schlichtweg ihre bedeutsame Rolle als Hirten, die in einem solch ertragsarmen Land Fleisch und Milch produzierten und Kommunikations- und Verkehrswege über große Entfernungen aufgebaut hatten. Er schilderte die Männer als gut bewaffnet; üblicherweise seien sie mit Pferd, Karabiner, zwei Pistolen und einem Säbel aus Damaszener-Stahl ausgerüstet. Wenn sie im Lager seien, werde jeder von einer jungen Sklavin begleitet, die mit einem Steigbügel in der Hand seinem Pferd folge. Moiret, und die Franzosen im Allgemeinen, bezeichneten die Beduinen als „Araber“, womit sie die ­Nomadenhirten meinten. Die Beduinen sahen sich selbst nur insofern als Araber, als sie beanspruchten, Nachkommen von Stämmen zu sein, die ursprünglich von der Arabischen Halbinsel kamen. Vor dem Auf­ kommen des modernen Nationalismus ein Jahrhundert später hätte ein Arabisch sprechender Bewohner Kairos sich selbst als türkischen Untertan bezeichnet, nicht als „Araber“. Die Franzosen in Ägypten waren insgesamt enttäuscht von Alexandria, waren sie doch mit den Geschichten klassischer Quellen über die Pracht des antiken Hafens aufgewachsen. Kaufmann Grandjean beklagte, dass die antiken Bauwerke der Stadt „in das Nichts zurückgefallen sind“ unter „der Herrschaft der Türken“. Weiter jammerte er: „Nichts war mehr da außer Elend und halb verfallenen Hütten auf den Trümmern von Palästen und wundervollen Tempeln.“ Lediglich von den ausländischen Handelskolonien und den Herrenhäusern der Konsuln war er beeindruckt. Jede Nation hatte ihre eigene Niederlassung, und zusammen bildeten sie das europäische Viertel, „das sich am Neuen Hafen und an dem großen Platz befindet“. Der Rest der Stadt, so sagte er, war von Muslimen, Juden und einigen erfolgreichen Kaufleuten bewohnt, „die versuchten, den Europäern so ähnlich wie möglich zu werden.“ 7 Die Zustände in Alexandria waren tatsächlich unverhältnismäßig schlecht, wenn auch nur teilweise als Ergebnis von Misswirtschaft. Der häufige Ausbruch von Seuchen und anderen Krankheiten sowie mangelnde Quarantänemöglichkeiten begrenzten die Bevölkerungszahl, die schon im Mittelalter von der Pest heimgesucht worden war. Auch der Mangel an Trinkwasser setzte den Bewohnern zu. Der Mündungsarm des Nils, an dem die Stadt ursprünglich erbaut worden war, hatte seinen Verlauf

38    H i m m e l i n F l a m m e n

geändert und die Stadt auf dem Trockenen sitzen lassen. Ein schmaler Kanal führte etwas Wasser in die Stadt und ermöglichte sogar das Verschiffen von Waren in die Stadt hinein und heraus, wenn er nicht von den Bauern für ihren eigenen Bewässerungsbedarf umgeleitet wurde. Bernoyer begleitete Wissenschaftler wie Charles Norry, eines der ­Mitglieder der von Napoleon mitgeführten Kommission der Wissenschaften und Künste, bei der Erkundung der wenigen verbliebenen antiken Bauwerke in Alexandria. Norry beschrieb seine tiefe Enttäuschung über das damalige Alexandria: „Schockiert über diesen Anblick, machten wir uns daran, die Überreste der Antike zu besichtigen. Überall ­fanden wir Granitsäulen, einige standen noch aufrecht, andere lagen achtlos in den Straßen und auf den Plätzen, sogar an der Küste lagen sie übereinander gestapelt herum. Ägyptische, mit Hieroglyphen bedeckte Bauwerke dienten als Türschwellen oder Sitzbänke.“ Vom antiken Hafen der Ptolemäer fanden sie, wie er berichtete, nur wenige Ruinen, darunter einige umgestürzte Säulen, beschriftet mit pharaonischen Buch­ staben, die damals noch nicht entziffert waren. Die Einheimischen hatten einige mit Hieroglyphen bedeckte Mauerteile in den Toren des Bazars verarbeitet. 8 Die französischen Offiziere teilten die Enttäuschung der Wissenschaftler. Hauptmann Moiret beklagte, dass in Alexandria von den antiken Bauwerken nichts übriggeblieben sei außer der Pompeiussäule und den zwei Obelisken der Kleopatra, von denen einer schon am Boden lag. „Ich setzte mich darauf und schritt ihn ab“, berichtete er. Heute wissen wir, dass der größte Teil des antiken Alexandria durch mehrere Erd­ beben zerstört wurde und dass das Verschwinden der klassischen Stadt nichts mit zivilisatorischer Dekadenz zu tun hatte. Eine der neuen Entwicklungen, die mit der französischen Besatzung begannen, war die Geburt des modernen Ägypten-Tourismus. Moiret hatte ein antikes Alexandria gesucht, daher war er unzufrieden mit dieser geschäftigen, Arabisch sprechenden muslimischen Hafenstadt, die viel ägyptisches Getreide und andere Waren nach Anatolien und sogar Europa exportierte. Talleyrands Interesse an den Zuckerrohrplantagen von Bengalen und den Antillen lässt darauf schließen, dass die französische Führung vorrangig auf Waren dieser Art aus war; außerdem hielt sie es für gefährlich, den Briten die zusätzlichen Erträge aus den Tropen zu überlassen, während Frankreich diese Quellen des Wohlstands versperrt blieben. Kleopatra

H i m m e l i n F l a m m e n     39

und die glorreiche Vergangenheit waren kaum ausschlag­gebend dafür, dass sich die französischen Truppen in ganz Alexandria breitmachten. Moiret gab Bericht über den Eindruck, den die Alexandriner auf ihn machten. Er schätzte ihre „Konstitution“ als robust ein, fand sie also nicht kränklich, hob ihre „bronzene Hautfarbe“ hervor, bemerkte aber auch, dass viele „schwarz oder Mulatten“ waren. Er war allerdings ein strenger Kritiker hinsichtlich ihrer Art, sich zu kleiden. Die Bauern, so behauptete er, waren oft unbekleidet. Über die Stadtbewohner sagte er:  „Ihre Kleidung besteht aus ein paar Fetzen Stoff, die sie locker um die Körper geschlungen tragen, und auf den Köpfen tragen sie wie Schwalben­nester gewickelten Chiffon, den sie Turban nennen. Sie ­tragen weder Hut noch Schuhe.“ 9 Moiret äußerte sich sehr kritisch über die einfachen Frauen und klagte über ihr unanständiges Erscheinen, das ihre Armut erkennen lasse, selbst wenn sie versuchten, ihre Gesichter zu verschleiern. Nicht alle französischen Offiziere waren den ägyptischen Frauen gegenüber so abweisend wie Moiret, der ehemalige Seminarist. Sein Vorwurf, Frauen würden zwar sorgfältig auf das Verschleiern ihres Gesichts achten, sich aber nicht darum kümmern, ob jemand einen Blick auf ihre sonstigen Reize erhaschen könne, bezog sich auf Frauen der unteren Mittelschicht, die vermutlich versuchten, beim Verschleiern die osmanisch-ägyptischen Frauen der Oberschicht nachzuahmen, aber nicht ­genug Geld hatten, um sich Kleidung leisten zu können, die ihre Sitt­ samkeit sicherstellte. Im vormodernen Nahen Osten verschleierten sich nicht alle sozialen Schichten. Bauern- und Beduinenfrauen konnten sich selten den Luxus erlauben, über Verschleiern und Zurückgezogenheit nachzudenken, denn sie leisteten die Hauptarbeit innerhalb ihrer sozialen Gemeinschaften. Moirets Schilderungen ägyptischer Frauen, die auf seinen frühen Erfahrungen in Ägypten basieren, wirken hart und realistisch und sind weit entfernt von Träumereien über schöne Kleopatras. Die Diskrepanz zwischen seinen Träumereien und der Realität erklärte sich Moiret mit der sogenannten Degenerations-Theorie. Alexandria war so verwahrlost und trostlos, dass die Truppen sogleich umkehren und nach Frankreich zurückkehren wollten. „Wir wurden gewahr“, schrieb er, „wie sehr Kleopatras Untertanen und Landsleute heruntergekommen waren“. Ägyptens wichtigster Hafen „hatte nur die Trümmer einer einst großartigen Stadt und die Laster eines verrohten und versklavten Volkes zu bieten“.

40    H i m m e l i n F l a m m e n

Die These der Degeneration der klassischen Welt galt im 18. Jahrhundert als allgemein anerkannt; sie basierte auf Schriften von Franzosen, die zu Beginn des Jahrhunderts Griechenland bereist oder über dieses Land geschrieben hatten. 10 Mit dieser Theorie konnten sich die Franzosen die klassische Kultur zu eigen machen und deren Erben sie als unwürdig einstuften, sodass der Ruhm jener Ära nun auf die Franzosen selbst fiel. Dennoch muss betont werden, dass die Franzosen der Direktoriums-Ära trotz des rassistischen Untertons solcher Äußerungen die Degeneration keineswegs auf erbliche Eigenschaften des Blutes zurückführten. Sie glaubten vielmehr, dass die klimatischen und gesellschaft­ lichen Bedingungen Ägypten zu Tyrannei und Ausschweifung gebracht hatten, die sich auch wieder umkehren ließen. Der Versuch, den Ägyptern wieder zu Größe zu verhelfen und ihren Abstieg mit den Mitteln der Freiheit und Moderne aufzuhalten, war ein zentraler Punkt der Inva­ sions­rhetorik. Am 3. Juli gab Bonaparte mehrere bedeutende Erklärungen ab. „Der Oberbefehlshaber wünscht, dass die Türken [Muslime] in den Moscheen wie bisher ihren religiösen Verpflichtungen nachkommen. Er verbietet ausdrücklich allen Franzosen, sowohl den zum Militär gehörenden als auch den anderen, Moscheen zu betreten oder sich in ihrer Nähe zu versammeln.“ 11 Er forderte, dass innerhalb von 24 Stunden alle Alexandriner an einem vom örtlichen französischen Befehlshaber benannten Ort ihre Feuerwaffen abgaben. Lediglich muslimische Geistliche, Rechts­ gelehrte und Imame waren davon ausgenommen, da er sie als Stützen der neuen Herrschaft aussah. Er fuhr fort: „Alle Einwohner Alexandrias, unabhängig von ihrer Herkunft, müssen die dreifarbige Kokarde Frankreichs tragen. Nur Muftis haben das Recht, eine Feldbinde in den Farben der Trikolore zu tragen. Der Oberbefehlshaber behält sich vor, denselben Vorzug auch gewöhnlichen Geistlichen und Vorbetern zu verleihen, die sich durch eine aufgeklärte Haltung, Weisheit und Tugend hervortun.“ Im Gegensatz zum jakobinisch-republikanischen Gleichheitsideal hatte das Direktorium gewisse Hierarchien wieder eingeführt, zum Beispiel zwischen jenen mit ausreichend Eigentum, um sich politisch zu engagieren, und jenen ohne. Ironischerweise war das Erste, was Voltaires Erben in Ägypten mit der ägyptischen Machtstruktur zu tun gedachten, auf die muslimische Geistlichkeit zu bauen und ihr das Recht zu verleihen, Waffen zu tragen. 12 Bonaparte versuchte die Klasse der muslimischen Geist-

H i m m e l i n F l a m m e n     41

lichen als Verbündete aus der einheimischen Mittelschicht gegen die Beys zu gewinnen. Dem zeitgenössischen osmanischen Historiker Izzet Hasan Darendeli zufolge benutzte Bonaparte zugleich die muslimischen Sklaven, die er in Malta freigelassen und nach Alexandria gebracht hatte, als Botschafter des guten Willens, als die Franzosen Kairo erreichten. Damit vermittelte er bei einigen Ägyptern den Eindruck, die Franzosen seien tatsächlich als Befreier gekommen. Überall in der Stadt hissten die Franzosen die Trikolore und zwangen die Einwohner zur Abgabe ihrer Waffen, so wie sie es dann in ganz Ägypten tun sollten. Und schließlich forderten sie einen beträchtlichen Tribut von den Einwohnern, wodurch Bonapartes prahlerische Versprechungen, seine Herrschaft sei weniger habgierig als die der Mamelucken, ziemlich ins Leere liefen. 13 *** Nachdem Alexandria gesichert war, gab Bonaparte eine Erklärung heraus, in der er den Ägyptern die Gründe für die Invasion darlegte und was die französische Regierung nun von ihnen erwartete. Der französische Orientalist Jean Michel de Venture de Paradis übersetzte das Dokument. Venture de Paradis, der in Tunis gelebt hatte, kannte zwar die arabische Grammatik und das Vokabular, konnte dies aber nicht idiomatisch anwenden. So kam es, dass die kleine gebildete Oberschicht der Ägypter die Franzosen zuerst durch den Filter eines grauenhaften Akzents und furchtbaren Schreibstils kennenlernte, der die Invasoren trotz Bonapartes imperialen Ansprüchen ziemlich lächerlich aussehen ließ. Das war, als hätten sie England erobert und ihre erste Erklärung in Cockney abgegeben. Aber grammatisch falsche Formulierungen waren nicht das größte Problem der Proklamation. Vieles davon war für die meisten Ägypter einfach nicht zu verstehen, denn darin war von Vorstellungen und Begriffen die Rede, für die es kein arabisches Äquivalent gab. Das Frankreich des 18. Jahrhunderts hatte viele geistige und institutionelle Revolutionen erlebt, mehr als jedes andere Land der Welt mit Ausnahme wahrscheinlich der Vereinigten Staaten von Amerika. Neue Ideen und Vorstellungen hatten sich entwickelt und damit auch ein neues ­Vokabular. In der Proklamation hieß es, Bonaparte sei von Selim  III., dem Sultan des Osmanischen Reichs, geschickt worden, die aufständischen Beys zu bestrafen. Diese wurden in der Erklärung als Fremde aus dem Kaukasus angeprangert, die Ägypten gnadenlos ausgebeutet und besteuert hätten. Bonaparte bestand darauf, dass in den Städten und

42    H i m m e l i n F l a m m e n

Dörfern die französische Trikolore gehisst wurde; außerdem sollten die religiösen Führer dafür sorgen, dass die Gebete in den Moscheen weitergeführt wurden. Er warnte die Arabisch sprechenden Ägypter davor, sich auf die Seite der osmanisch-ägyptischen Oberherren zu stellen, und drohte damit, rebellische Dörfer anzuzünden. Bonaparte, der nicht wissen konnte, wie schlecht das Arabisch dieses Schriftstücks war, sah in ihm ein Schlüsselinstrument seiner Propaganda. Am 7. Juli gab er den Befehl zur Vervielfältigung. Er ordnete an, die französischen, arabischen und griechischen Druckerpressen an Land zu bringen. „Sobald die arabische Presse aufgestellt ist, sollen 4000 Erklärungen auf Arabisch gedruckt werden.“ 14 Bonaparte war aus heutiger Sicht ein Meister der Tatsachenverdrehung; wie geschickt er darin war, beweisen arabische Quellen, denen zufolge mehrere seiner abwegig­ sten Behauptungen im ländlichen Ägypten tatsächlich ernst genommen ­wurden. Der Orientalist Jaubert schrieb seinem Bruder etwas später, dass die wenigen Alexandriner, die nicht aus der Stadt geflohen waren, „mit Entzücken die Erklärung gelesen haben, die der Oberbefehlshaber vor einer Weile auf Arabisch gedruckt hatte und die du schon in den Zeitungen gesehen haben wirst.“ 15 Er berichtete, wie „wir am Abend zuvor einige Türken und Araber gefasst und sie an Bord der Flotte gebracht haben“. Da die Franzosen „ihre Besorgnis mindern und sie für uns einnehmen“ wollten, beschlossen sie, den Gefangenen die Proklamation mitzuteilen. Wie er schrieb, zwangen sie einen maronitischen Priester aus Damaskus, diese Aufgabe zu übernehmen, und machten sich über ihn lustig, weil er sich als „Christ wie wir selber“ bezeichnete. Viele Franzosen waren im Zeitalter der Revolution Deisten geworden, das heißt, für sie war Gott, wenn er überhaupt existierte, eine Art kosmischer Uhrmacher, der das Universum nur in Gang gesetzt hatte, dann aber nicht weiter in das Geschehen eingriff. Die meisten Deisten betrachteten sich selbst nicht mehr als Christen und schauten auf die nahöstlichen Christen als klerikalistisch und rückständig herab. Jaubert berichtete weiter, dass dem Priester „befohlen wurde, den Gefangenen die Proklamation vorzulesen und dabei entsprechende Erläuterungen abzugeben. Du wirst dir vorstellen können, wie ihm die Rolle gefiel, die er hier spielen musste!“ Jaubert amüsierte sich außerdem darüber, wie der arme Priester den gefangenen Alexandrinern erzählen musste, die Franzosen, die er zunächst als

H i m m e l i n F l a m m e n     43

papsttreue Katholiken willkommen geheißen hatte, wären eigentlich eine Art „Muslime“, die den Papst angegriffen hatten! In einem späteren Brief an einen anderen Empfänger bemerkte Jaubert: „Ihr werdet vielleicht angesichts der mohammedanischen Erklärung des Oberbefehlshabers laut loslachen, ihr Schlaumeier in Paris. Er ist jedoch immun gegen all eure Sticheleien; und das Ganze wird mit Sicherheit eine höchst erstaunliche Wirkung nach sich ziehen.“ Und wie reagierten die großen sunnitischen Geistlichen der al-AzharUniversität auf diese Flugblätter, die sich immer weiter den Nil hinauf verbreiteten? Der Kairoer Geistliche und Historiker Abdarrahman ­al-Gabarti, eine der Personen, die durch Bonapartes Flugblatt beeindruckt werden sollten, reagierte mit einer Kombination aus Belustigung, Verwirrung und Empörung. 16 Er schrieb einen kurzen Kommentar auf das Flugblatt, was in gewisser Weise satirisch wirkt, denn normalerweise verfassten Gelehrte wie al-Gabarti Auslegungen zum Koran und nicht zu französischen Flugblättern. Zunächst ließ sich al-Gabarti über die falsche arabische Grammatik und den unangemessenen Stil der Erklärung aus. Dann hielt er in Bezug auf den einleitenden Satz fest, dass das Frankreich der Revolution ­irgendwie mit den drei Religionen Judentum, Christentum und Islam ­einig war, in manchen Punkten dann aber auch wieder nicht. „Einig sind sie mit den Muslimen in der Verwendung der Formel ‘im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen’ und darin, dass Gott weder einen Sohn noch einen Gefährten hat.“ Aber, so sagte er, sie unterschieden sich auch von den Muslimen. Sie sprachen weder das muslimische Glaubens­ bekenntnis, das Mohammed als Gesandten Gottes bestätigt, noch akzeptierten sie die Vorstellung davon, dass jemand, dessen Worte und Taten im Islam normativen und juristischen Wert haben, von Gott gesandt sei. Die Franzosen, so legte er dar, stimmten in den meisten ihrer Worte und Taten mit den Christen überein, waren aber anderer Meinung, wenn es um die Dreifaltigkeit ging und um die Vorstellung, dass Gott sich den Menschen offenbarte. Sie lehnten die Kirchenhierarchie ab, töteten Priester und zerstörten Kirchen. Hinsichtlich des Begriffs „Republik“ erläuterte er, dass das Flugblatt so verfasst war, als käme es von der französischen Gemeinschaft, weil es in Frankreich keinen vom Volk anerkannten rechtmäßigen Fürsten oder Sultan gab, der für sie sprach, anders als in allen anderen Gesellschaf-

44    H i m m e l i n F l a m m e n

ten. Er erläuterte, die Franzosen hätten sich sechs Jahre zuvor gegen ­ihren König erhoben und ihn getötet, und ihre Gemeinschaft wäre zu dem Schluss gekommen, dass es nicht einen einzigen Herrscher geben sollte, sondern dass Angelegenheiten ihres Staates, ihres Landes, ihrer Gesetze und ihrer Verwaltung in den Händen weiser Leute und ihrer Meinungsführer liegen sollten. Wenn al-Gabartis Beschreibung des revolutionären Frankreichs sich weniger nach Demokratie als nach einer Herrschaft von Philosophen anhört, die an die Herrschaft von Sokrates in Platons Der Staat erinnert, so ist dies kein Zufall. Er war ein muslimischer Neuplatoniker. Er erklärte, dass die Franzosen Einzelne zur Führung der Armee auswählten und diesen Offiziere und Verwaltungs­ experten als Ratgeber zur Seite stellten unter der Bedingung, dass alle gleich wären und keiner über den anderen erhoben würde, da alle Menschen von Natur aus gleich seien. Dieses Prinzip machten sie zur Grundlage ihrer Lebensführung. Und so sei auch der Satz zu verstehen: „auf der Grundlage von Freiheit und sozialer Gleichheit“. Unklar war ihm die Aussage, dass die Franzosen „Freiheit“ genossen, und er deutete an, dass Bonaparte sich vielleicht damit rühmen wollte, kein Sklave zu sein wie so viele der ägyptischen Emire. Al-Gabarti scheint unter dem Eindruck gestanden zu haben, dass die Franzosen meist bürgerliche Soldaten waren und dass ihr Militär in demokratischer Weise organisiert war. Angesichts der Tatsache, dass die Revolutionäre die Levée en Masse erfunden hatten, bei der auch die Bauern zum Militär einberufen wurden, und es zu Beginn der Revolution den Versuch demokratischer Beratungen innerhalb des Militärs gegeben hatte, die aber rasch wieder aufgegeben wurden, war keiner dieser Eindrücke korrekt. Seine Beschreibung passte in der Tat besser zu den frühen 1790er Jahren. Das legt die Vermutung nahe, dass er, Jahre vor dem Einmarsch, mit Europäern Kontakt hatte, die ihm die französischen Neuerungen jener Zeit berichtet hatten. Franzosen, so sagte er, seien stets sauber rasiert. Nachdem er ihre Uniformen beschrieben hatte, deren Kopfbedeckungen er besonders lächerlich fand, und wie sie sich je nach militärischem Rang unterschieden, kam er zu dem Schluss: „Sie folgten jenem Gesetz, nach dem alle Menschen, große und kleine, ruhmreiche und elende, Männer und Frauen, gleich sind.“ Er bemerkte allerdings auch, dass sie manchmal diese Prinzipien missachteten, sei es aus Gier oder Ehrgeiz. Dann kam er

H i m m e l i n F l a m m e n     45

auf die französischen Frauen zu sprechen. „Ihre Frauen verschleiern sich nicht und haben kein Schamgefühl, es stört sie nicht einmal, wenn man sie nackt sieht.“ Männer und Frauen trieben es nach Lust und Laune miteinander, behauptete er, außerdem, dass französische Frauen zu männlichen Friseuren gingen, um sich ihre Schamhaare entfernen zu lassen, wofür sie sie mit Gefälligkeiten entlohnten. Nach dieser feindseligen Beschreibung der Franzosen wandte er sich den auf dem Flugblatt aufgeführten Werten zu, die er ablehnte. Er äußerte starke Zweifel an Bonapartes Erklärung, Mohammed als Propheten anzuerkennen und den Koran zu ehren, denn, so unterstrich er, dies könne nur durch die Anerkennung der religiösen Werte und der Konversion zum Islam gezeigt werden. Er bestritt auch die Forderung des Flugblatts, dass „vor Gott alle Menschen gleich seien“. „Das ist eine Lüge“, so donnerte er, „außerdem ein Zeichen von Ignoranz und Dummheit. Wie kann das sein, wenn doch Gott einige auserwählt hat, die über den anderen stehen, und alle Völker im Himmel und auf Erden darüber Zeugnis abgelegt haben?“ Die republikanischen Franzosen waren dem muslimischen Gelehrten ein Rätsel. Theologisch gesehen waren sie Unitarier wie die Muslime; in ihren Sitten und Gebräuchen allerdings ähnelten sie anderen Christen, außerdem lehnten sie jede Theorie einer göttlich inspirierten Prophe­ zeiung oder der Offenbarung religiöser Gesetze ab, die für al-Gabarti das Kernstück von Religion waren. Bonaparte beging den typisch westlichen Fehler, den Islam in erster Linie als Doktrin zu betrachten. Für Menschen wie al-Gabarti hingegen stellte er einen Lebensweg dar. Für Muslime, also auch für die ägyptische Geistlichkeit ruhte der Islam auf fünf ­Säulen: dem Glaubensbekenntnis (es gibt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist sein Gesandter), dem fünfmal am Tag zu entrichtenden Gebet, dem Fasten während des Ramadan, dem Almosengeben und der ein­maligen Pilgerfahrt nach Mekka. Bonaparte äußerte sich zu keiner dieser Säulen, außer zu einem Teil der ersten (Monotheismus). Die Übereinstimmung der reinen Doktrin sagt wenig darüber aus, wie ähnlich zwei religiöse Systeme vielleicht waren, sonst könnte man ­Judentum und Islam einfach zusammenfassen. Dies alles soll aber nicht heißen, dass die Erklärung keine Wirkung zeigte. Bauern, die lesen ­konnten, nahmen die Verlautbarung offensichtlich ganz anders wahr als der ­Kairoer Gelehrte, denn er berichtete, auf dem Land glaubten

46    H i m m e l i n F l a m m e n

e­ inige an Bona­partes Behauptung, im Auftrag des türkischen Sultans zu ­handeln. Al-Gabarti berichtete auch über die Unruhen, die die französische Besetzung Alexandrias in Kairo, etwa 140 Meilen weiter südlich, verursacht hatte. 17 Angst ging um in der Bevölkerung, und viele dachten an Flucht. Einer der Emire, Ibrahim Bey, ritt nach Qasr al-Ayni, wo er mit Murad Bey aus Giseh und den übrigen Emiren zusammentraf, außerdem mit dem obersten islamischen Richter (Qadi) und den führenden Geistlichen. Sie diskutierten darüber, was angesichts dieser für die Muslime kritischen Situation getan werden sollte, und beschlossen, einen Kurier mit der Bitte um Unterstützung zum türkischen Sultan auszusenden. Die Aufgabe, den Brief zu schreiben, fiel an den osmanischen Vizekönig in Ägypten, Ebu Bekir Pascha. Die osmanischen Ägypter beschlossen außerdem, eine Armee aufzustellen, deren größte Division die Einheit unter Murad Bey sein sollte. Nach der Versammlung machten sich die Soldaten an die Vorbereitungen zum Ausrücken. In fünf Tagen wurden Nahrungsmittel, Schieß­ pulver, Zelte, Kanonen und andere Notwendigkeiten zusammengetragen. Ohne große Vorwarnung forderten die Mameluckenführer hohe Abgaben von den Menschen und nahmen kurzerhand große Teile von deren Vermögen an sich. In der Zwischenzeit war das öffentliche Leben auf den Straßen und Märkten der Hauptstadt völlig erlahmt, denn aus Angst blieben die Menschen in ihren Häusern. Die Straßen waren so verlassen, dass nachts Diebe und Einbrecher das Sagen hatten. Es ging sogar so weit, dass die Straße nach Westen unpassierbar wurde. Al-Gabarti schilderte, dass man kaum einmal jemand in den Straßen laufen sah. Der Polizeichef (Aga) und der Vizekönig reagierten und bestanden darauf, dass Märkte und Kaffeehäuser nachts geöffnet blieben, außerdem ordneten sie an, dass vor den Häusern und Läden Laternen brennen sollten. Wie al-Gabarti schrieb, gab es hierfür zwei Gründe: Zum einen wurden so die Ängste der Einwohner beschwichtigt, zum anderen wurde es Fremden erschwert, sich in die Stadt zu schleichen. ­Murad zog nach dem Freitagsgebet los, legte aber bei der Schwarzen Brücke einen weiteren Halt ein und wartete zwei Tage, bis das Heer und seine Abteilungen vollzählig waren. Auch Ali Pascha von Tripolis und Nasuh Pascha stießen dort dazu. Auch wenn Murad Bey diese Truppenansammlung mit all den Vorräten und Geschützen wahrscheinlich so aufwendig inszenierte, um

H i m m e l i n F l a m m e n     47

die Bevölkerung zu beruhigen und seine Autorität zu untermauern, war es zweifellos ein Fehler, den Abmarsch um eine ganze Woche zu verzögern. Schließlich zog er mit seiner Kavallerietruppe auf dem Landweg aus. Die Fußsoldaten, eine bunte Mischung aus kaukasischen, griechischen und maghrebinischen Soldaten, fuhren an Bord kleiner Galeonen über den Nil. Die osmanisch-ägyptische Elite ging davon aus, auf dem Land unbesiegbar zu sein, und fürchtete daher hauptsächlich, dass die kleinen französischen Schiffe nilaufwärts kämen, um die Hauptstadt anzugreifen. Als sie die Schwarze Brücke verließen, sandte Murad Bey Befehl nach Kairo, eine dicke Eisenkette herzustellen, „so lang, dass sie an der Enge bei Burg Mughaizal [Turm bei Rosetta] von einer Seite des Flusses bis auf die andere reichte, um die Schiffe der Franzosen daran zu hindern, den Nil hinaufzusegeln.“ 18 Al-Gabarti berichtete, dass während Murads Abwesenheit die muslimischen Religionsgelehrten, die Ulema, täglich in der alten und ehrwürdigen al-Azhar-Universität zum Gebet riefen und dass andere diese Praxis übernahmen, darunter auch die Sufi-Mystiker des Ahmadiya-Ordens sowie andere Orden. Kinder in den Kuttab, den Grundschulen jener Zeit, beteten und sangen den Namen Allahs, des Freundlichen (al-Latif). Der Chronist musste einräumen, dass alle Gebete und alle Gesänge auf den Verlauf der Ereignisse keinerlei Wirkung hatten. Doch es entstand, so sagte er, eine Atmosphäre größerer Gelassenheit in der aufgewühlten Hauptstadt. Als Vorsichtsmaßnahme hatte Emir Ibrahim Bey alle Europäer in Kairo versammeln lassen und in Haft genommen. Er gab auch Befehl, diejenigen von ihnen zu töten, die in seinem Palast auf der Insel Roda gefangen waren. Doch zuweilen zeigen die Frauen mächtiger Politiker mehr Fingerspitzengefühl als ihre Männer. Die erste Frau von Ibrahim Bey, Züleyha Hanim, hielt es für unklug, einflussreiche Europäer zu töten in einer Zeit, in der ein Heer aus 32 000 Europäern gelandet war und sich auf den Marsch auf die Hauptstadt vorbereitete. Mit dem Argument, in einer Überlieferung des Propheten stünde geschrieben, dass die Franzosen Ägypten besetzen würden, nahm sie Einfluss auf die Scharfrichter, um den Europäern das Leben zu retten. Dann versteckte sie diese in ihrem eigenen Palastflügel. 19 ***

48    H i m m e l i n F l a m m e n

In Alexandria hatte Bonaparte zwei gute Gründe zur Eile. Er wollte den Beys in der Hauptstadt nicht die Zeit lassen, Verteidigungsmaßnahmen vorzubereiten oder die Lagerhäuser der Stadt zu leeren. Aber er spürte auch Nelsons Atem im Nacken. Er ließ Stiefel und Hartkekse an die Soldaten verteilen und befahl, umgehend drei Kolonnen zu bilden und die Verfolgung der Reiter aufzunehmen, die unterwegs waren in Richtung Kairo. Er ließ 2000 Mann in Alexandria, zusammen mit dem elsässischen General Kléber, der eine Kopfverletzung hatte. Im Juli, einer Zeit sengender Sonne und trocken-heißer Luft, stieg die Temperatur oft bis auf 45 °C und höher. Bonaparte hatte es versäumt, sich darüber zu informieren, was es bedeutet, an einem Ort wie dem Niltal zu dieser Jahreszeit zu kämpfen, und schien nicht erkannt zu haben, dass Feldflaschen eine zwingende Notwendigkeit waren. Seine Soldaten hatten keine. Vielleicht war er davon ausgegangen, unterwegs an den Dorfbrunnen Wasser zu finden. Der Nil führte wenig Wasser in dieser Jahreszeit, der Grundwasserspiegel war gesunken, und die beduinischen Widerständler hatten ihre Freude daran, die vorhandenen Brunnen zu verbergen oder unbrauchbar zu machen. Einige Historiker machten dem General den Vorwurf, er sei nur allzu bereit gewesen, seine Männer zu verschleißen und Unmögliches von ihnen zu verlangen. Ohne Zweifel war das oft der Fall, doch die Fehleinschätzung hinsichtlich der Wasserreserven lässt sich zunächst schlicht und einfach durch Unwissenheit erklären, die sich, als das Problem offensichtlich wurde, mit einer furcht­baren Herzlosigkeit verband. Bonaparte, ein Inselbewohner, der seine größten militärischen Erfolge bis dahin in Italien hatte verbuchen können, erkannte nicht, welch ernste Auswirkungen der Mangel an Wasser auf die Kriegsführung in der Wüste hatte. Außerdem befand er sich selbst in einem beinahe aussichtlosen Wettlauf gegen die Zeit, da die britische Flotte mit ihrer Feuerkraft nicht weit war. Nachdem die Franzosen an der nordöstlichen Spitze des afrikanischen Kontinents gelandet waren, befanden sie sich nun in einer Hafenstadt im Nildelta, der großen Schwemmebene, die der alljährlich über die Ufer tretende Nil an seiner Mündung ins Mittelmeer im Laufe von Jahrtausenden geschaffen hatte. Die meisten Einwohner Ägyptens lebten am Nil und seinen Zuflüssen. Vor langer Zeit hatte sich der Nil mit zahlreichen Ausläufern ins Meer verzweigt, in neuerer Zeit aber wird das Delta hauptsächlich von den zwei Mündungsarmen Rosetta im Westen

H i m m e l i n F l a m m e n     49

und Damiette im Osten durchzogen. Die Franzosen mussten zum ­west­lichen Arm marschieren und sich flussaufwärts zur Hauptstadt des osmanischen Ägyptens vorarbeiten, nach Kairo – oder „Misr“, wie die Ägypter sie auch nennen, die „befestigte Stadt“–, wo sich die Flussarme teilten. Am 5. Juli bereiteten sich zwei Kolonnen auf den Aufbruch vor und marschierten westwärts entlang des ausgetrockneten Kanals, der früher einmal Wasser in den Hafen geführt hatte. Einen Tag später machte sich die dritte Kolonne auf den Weg an der Küste entlang nach Osten in die wohlhabende Stadt Rosetta und von dort aus über diesen Nilarm nach Süden. Moiret gehörte zur östlichen Division unter dem Befehl von General Charles François Dugua. Zwei Stunden von Alexandria entfernt fanden sie sich in einer Sandwüste wieder und wurden von Erschöpfung und heftigem Durst heimgesucht. Sie marschierten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, ohne je auf eine Behausung oder auf Süßwasser zu treffen, und verbrannten unter einem „Himmel in Flammen“. Der Versuch, in Küstennähe im Sand zu graben, brachte nur etwas schmutziges Wasser zutage, das völlig ungenießbar war. Viele Soldaten starben vor Durst oder an Dehydration. Durchfall und Ruhr, die sich unter den Soldaten ausgebreitet hatten, trugen zur weiteren Austrocknung bei. Erst als sie in die Nähe von Abukir kamen, wo sie die Nacht verbrachten, fanden sie wieder Wasser. Am folgenden Morgen, dem 8. Juli, brachen sie um drei Uhr wieder auf. An diesem Tag machten sie den schlimmsten Durst und extreme Erschöpfung durch. Darüber, was passierte, als General Dugua und seine Truppen Rosetta erreichten, gehen die Quellen auseinander. Al-Gabarti schrieb, dass viele Einwohner der Stadt am Tag vor dem Einmarsch der fremden Truppen geflohen waren. Eine französische Quelle hingegen berichtete, die Einwohner hätten die Stadttore geöffnet und eine Abordnung gesandt, die Feldbinden in den französischen Farben trug. Anscheinend waren ihnen die neuesten Modetrends des republikanischen Frankreichs vorausgeeilt. Da Rosetta ein internationaler Hafen war, ist nicht auszuschließen, dass Christen und Auswanderer die Eroberer begrüßten, während viele der Muslime, die enge Verbindungen zu den Beys hatten, flohen. Jede nationale Geschichtsschreibung hält das fest, was ihr zupasskommt, wenn es um mehrdeutige Ereignisse geht. Die Tatsache aber, dass die meisten der Soldaten sich bei der Ankunft in der

50    H i m m e l i n F l a m m e n

Stadt erschöpft zu Boden fallen ließen, wurde von niemandem bestritten. Gierig verschlangen sie alle Stärkungen, die die wohlhabende Stadt zu bieten hatte – Wasser, Trauben, Datteln und sogar, wie Moiret festhielt, „etwas schlechten Wein, der von den örtlichen Juden ‘feilgeboten’ wurde“. Der Kavallerist Pierre Millet verfasste eine Beschreibung von Rosetta, damals eine Stadt von etwa 15 000 Einwohnern, die vom Niedergang Alexandrias und der Vernachlässigung durch diese Stadt unter Ibrahim und Murad profitiert hatte: „Die Stadt liegt eine Wegstunde vom Meer entfernt an der westlichen Nilmündung. In dieser Stadt war es, wo wir zum ersten Mal den sagenumwobenen Fluss sahen, von dem in der Geschichte so viel die Rede ist. Rosetta ist umgeben von Gärten voller Obstbäume, darunter Dattelpalmen, Zitronen-, Orangen-, Feigenund Aprikosenbäume ebenso wie andere Arten.“ 20

Rosetta war geprägt von großen, quadratischen Karawansereien, die als Lagerhäuser dienten und in deren Umgebung sich Geschäfte ent­ wickelt hatten. Zu den wichtigsten Berufsgruppen gehörten Fischer, Eisen- und Bronzeschmiede, Wasserträger, Fleischer, Färber, Schneider, Verkäufer von Sharbat, einem kalten nicht alkoholischen Getränk, und große Import-Export-Händler. In den Werkstätten Rosettas wurden Oliven­öl, gesalzener Fisch, Textilien und Wasserpfeifen produziert. Auch eine Schiffswerft gab es. Um Mitternacht brach Moirets Division mit Schiffszwieback ausgestattet aus der Stadt auf, und da sie nun dem Nil folgten, hatten sie Zugang zu Süßwasser. Am 11. Juli traf die Division in Rahmania wieder mit den beiden anderen Heereskolonnen zusammen. Bernoyer, der Quartiermeister, begleitete eine der beiden westlichen Kolonnen nach Süden und litt wie alle Soldaten weitaus schlimmer als jene in Moirets Division. „Wir waren völlig erschöpft“, so schrieb er, „aber wir mussten weitermarschieren über diese trockene, endlose Sandebene, in einem Klima, das weitaus heißer ist, als wir es gewöhnt sind; ohne den geringsten Schatten, in dem man sich, geschützt vor der Hitze der gleißenden Sonne, etwas ausruhen könnte. In dieser schlimmen Lage konnten wir nicht einmal den uns quälenden Durst stillen. Unsere Feldflaschen waren sehr schnell leer, und es gab keine Hoffnung, sie häufig nachfüllen zu können.“

H i m m e l i n F l a m m e n     51

Dabei hatte Bernoyer noch das Glück, überhaupt eine Feldflasche zu haben. Die Soldaten, die ohne auskommen mussten, hatten furchtbar zu leiden. Vor Durst und Erschöpfung waren sie völlig ausgebrannt, ihre Kehlen ausgedörrt, sogar der Schweiß verdunstete sofort. Die Pausen in der Nacht waren kurz, denn Bonaparte, der seine Männer zu Pferd begleitete, wollte die günstigeren Marschbedingungen nachts nutzen, um so schnell wie möglich aus der Trockenregion herauszukommen und Kairo zu erreichen, bevor Nelson zurückkehrte. Ein gewisser Feldwebel François erzählte, wie seine Einheit am 4.  Juli in einem Dorf auf dem Weg nach Damanhur Brunnen entdeckte. „Innerhalb von fünf Minuten waren diese Brunnen leer; so viele Soldaten versuchten gleichzeitig, sich hineinzudrängen, dass eine große Zahl von ihnen erstickte. Andere wurden von der Menge zerdrückt. Mehr als 30 Soldaten starben. Viele begingen Selbstmord, weil sie nicht an das Wasser kommen konnten.“

Er gab auch zu, dass viele Soldaten auf dem Weg nach Süden unter der schweren europäischen Kleidung und den Vorräten litten, die sie tragen mussten. Sie legten ihre Mäntel und Hemden ab und warfen die Hartkekse weg, die sie in Alexandria bekommen hatten, im Vertrauen darauf, dass sowohl Kleidung als auch Nahrung später leicht ersetzt werden könnten, „vergaßen dabei aber, dass wir die Einwohner Alexandrias in völlig anderer Weise gekleidet gesehen haben als die Europäer.“ 21 Ein junger Offizier, Charles Antoine Morand, schilderte, wie Soldaten auf der Suche nach Feuerholz in der Wildnis eine Frau mit einem Kind im Arm fanden. Morand, durch den Bericht neugierig geworden, ging hinaus, um nach ihr zu sehen. „Ich fand eine junge, zwischen sechzehn und achtzehn Jahre alte, in Lumpen gekleidete Frau, die nur noch ein furchtbares Skelett war. Man hatte ihr die Augen ausgestochen, die Wunden bluteten noch. Sie wurde auf den heißen Sand gelegt, und aus ihrem ausgedörrten Hals drangen mühevoll einige unartikulierte Worte. Ihre Lippen waren fast schwarz.“

Ihr Neugeborenes hing an ihrer Brust. Er versuchte sie mit Wasser und einem Stück Hartkeks zu beleben. Sie lehnte das Brot ab, nahm aber das Wasser, dann brachten sie sie zu einer Zisterne. Trotzdem starb sie dort kurz darauf; ein Beduinenreiter nahm ein Seil, um den Leichnam ein Stück weiter in die Wüste zu schleppen. Der Dolmetscher von General

52    H i m m e l i n F l a m m e n

Louis Desaix stellte im Dorf Untersuchungen an und bekam heraus, dass sie für ein schweres Vergehen gesühnt hatte. „Sie war des Ehebruchs für schuldig befunden worden und aus diesem Grund mit dem daraus entstandenen Kind zu dieser furchtbaren Strafe verurteilt worden. Sie hatten neun Tage zuvor ihre Augen ausgestochen und sie so sich selbst überlassen; ernährt hatte sie sich nur von Wurzeln, Körnern und Kräutern, die sie beim Herumstreichen in der Wüste fand.“ 22

Die französischen Soldaten erhielten so eine kurze Einführung in eine zentrale Wertvorstellung im Nahen Osten, wo die Ehre der Männer davon abhing, ob sie es schafften, ihre Frauen vor unerwünschter Beachtung durch Fremde zu schützen. Frauen, die männliche Angehörige entehrten, hatten dann zuweilen mit einer Vergeltung durch den Clan zu rechnen. Solche auf dem Unterschied der Geschlechter basierenden ­Ehrengesellschaften waren im östlichen Mittelmeerraum weit verbreitet, sowohl unter Christen als auch unter Muslimen. Der Koran machte es schwierig, Ehebruch und Unzucht nach­zuweisen – vier Zeugen waren erforderlich! –, und schrieb als Strafe eigentlich Peitschenhiebe vor. ­Allerdings bewirkte der Einfluss jüdischer Konvertierter und des jüdischen Religionsgesetzes Halacha auf den ­frühen Islam, dass einige Richter die Steinigung als Strafe bevorzugten. Davon, einer Frau die Augen auszustechen und sie in der Wüste auszusetzen oder gar ein Neugeborenes zu töten, steht nichts in den Gesetz­büchern. Muslimische Gelehrte wären ebenso entsetzt gewesen, wie es die Franzosen waren, als sie ­sahen, mit welchen Methoden diese ungebildeten Dorfleute Vergeltung für ihren Ehrverlust an einer weiblichen Verwandten übten. Morand fand die Bestrafung furchtbar, war aber über die Todesstrafe unter den gegebenen ­Umständen keineswegs überrascht. Auf dem weiteren Marsch der Franzosen nach Südosten begannen die Beduinen, den Kolonnen wie ein Schatten zu folgen und jedem nachzustellen, der zurückfiel. Wenn sie bei der Verfolgung zu dicht herankamen, brachten die Franzosen ihre Kanonen in Stellung und feuerten. Manchmal führte diese Taktik dazu, dass die Beduinen für eine kurze Zeit verschwanden, manchmal einen ganzen Nachmittag lang. Aber da die Verfolger sich als äußerst hartnäckig erwiesen, entwickelte sich sowohl unter den Offizieren als auch den Soldaten eine heftige Abneigung gegen die Nomaden, die ihnen das Leben so schwer machten und ihre

H i m m e l i n F l a m m e n     53

Freunde und Kameraden töteten. Die sesshafte Bevölkerung war ebenso feindlich gesinnt. Feldwebel François erzählte, wie die Franzosen einmal, als sie unterwegs in ein Dorf kamen, von einem organisierten Geschützfeuer empfangen wurden. „Da wir nie unsere Waffen niederlegten, feuerten wir zurück; es kam zu einer heftigen Schießerei. Viele Einwohner wurden gefangen genommen und exekutiert. Diese strenge Maßnahme verhinderte einen Aufstand der Dorfbewohner.“ 23 Am 9.  Juli war Bernoyer mit den Soldaten wieder einmal tagsüber unterwegs, die Sonne brannte erbarmungslos, ihre Knie zitterten, Lippen und Hals waren dick verschleimt, und ihre Lungen schafften es kaum noch, tief durchzuatmen. Hauptmann Jean-Baptiste Vertray erinnerte sich: „Durch die heiße Sonne war ein Salzwassersee ausgetrocknet, dessen salzhaltige Ablagerungen nun wie Wasser glänzten. Einige Soldaten rannten los mit Krügen in der Hand, um Wasser zu holen, aber wie groß war ihre Enttäuschung, als sie sahen, dass der See, je näher sie kamen, immer trockener wurde.“ 24 Obwohl dieses Phänomen in klassischen Texten bereits erwähnt wurde, war eine Fata Morgana und ihre Erklärung bis zur französischen Besetzung Ägyptens eher unbekannt. Bernoyer musste sich gegen die mitleiderregenden Klagelaute der Männer abhärten, die völlig dehydriert zusammenbrachen und sterbend um Wasser flehten. Da er kein Berufssoldat war, war er über sich selbst erstaunt, wie er es schaffte, einen Mann vor seinen Füßen zusammen­ brechen zu sehen und ungerührt über ihn hinwegzusteigen. Aber er konnte selbst kaum noch weitergehen und hatte keine Kraft übrig, sich um andere zu kümmern. Bald darauf tauchten Bäume auf, Zeichen für eine Siedlung, und „wie Seeleute, die an Land kommen“, jubelten sie laut, als sie sich bei beginnender Dämmerung müde in die Stadt Damanhur hineinschleppten. Desvernois nahm an, dass im Verlauf des vier­ tägigen Marschs von Alexandria 1500 französische Soldaten gestorben waren. Brigadegeneral Augustin-Daniel Belliard hatte während der Revo­ lution eine Miliz aus Patrioten zusammengestellt, die dann von der ­Nationalgarde übernommen wurde, was ihm eine militärische Laufbahn eröffnete. Belliard erinnerte sich: „Die Dunkelheit war erdrückend, aber wir marschierten standhaft, bis wir sahen, dass sich uns viele Personen mit Fackeln näherten.“ 25 Es war eine Abordnung unter dem örtlichen Mufti, dem muslimischen Rechtsgelehrten. „Sie brachten uns

54    H i m m e l i n F l a m m e n

eine ­Fackel, Brot, Honig und Käse.“ Ermutigt durch diese versöhnliche Geste, baten die Franzosen um Unterkunft. Das aber lehnte der Mufti kate­gorisch ab. „Wir waren froh, die Bäder benutzen zu dürfen, wo der General­stab die Nacht auf Matten verbrachte.“ General Desaix, der einer aristokratischen Familie entstammte, sich aber der Revolutions­ armee angeschlossen hatte, war weniger nachsichtig mit den örtlichen Ge­pflogen­heiten. Er ließ die Tore der Moschee aufbrechen und schlug ­darin sein Lager auf. Die Zweckentfremdung einer Moschee zu einer Kaserne für französische Soldaten brachte die einheimischen Muslime gegen die Besatzer auf. Viele der 4000 Einwohner der Stadt waren angesichts des französischen Vormarschs geflohen und hatten ihre Vorräte, ihre Tiere und bisweilen sogar ihre Türen mitgenommen – geschnitztes Holz ist in einem trockenen Land etwas sehr Kostbares. Bernoyer war froh darüber, dass die Einwohner ihr Wasser nicht wegtragen konnten, war es doch genau das, was die Soldaten vorrangig suchten. Jean-Pierre Doguereau, ein junger Artillerieleutnant aus einer einfachen Familie aus Orléans in Zentral­frankreich – sein Vater stellte Perücken her –, hatte in der Rheinarmee gekämpft und wurde dann der ägyptischen Expedition unterstellt. Er beschrieb Damanhur als eine „Ansammlung von Hütten, die wie Taubenschläge aussehen.“ 26 Und weiter: „Manche Moscheen, deren Minarette sich zwischen hohen Palmen abheben, bieten aus der Ferne einen schönen Anblick. Das ändert sich aber, sobald man näher kommt.“ Nur mit viel Mühe und Geld konnten die Soldaten etwas zu essen auftreiben, außerdem verschmähten die Einwohner ihre Münzen. Er sah sie als hinterlistige Mörder, die im Bunde mit den Beduinen der Umgebung ­waren, vielerlei Beziehungen zu ihnen unterhielten und auch „viel von ihrem Charakter“ hatten. Die Tagebuch führenden Offiziere erwarteten von den Bauern oft eine unterwürfige Haltung, aber sie wurden immer wieder eines Besseren belehrt. Und so war Doguereau schnell dabei, die Aufsässigkeit von Damanhur mit dem schlechten Einfluss der Beduinen zu erklären. Desvernois behauptete, dass die anderen Offiziere Bonaparte in ­Damanhur mit dem sich vor ihren Augen abspielenden Desaster konfrontierten, denn durch die Wüste und die Beduinenangriffe waren ihre Männer am Ende ihrer Kräfte. General François Mireur aus Montpellier, so Desvernois, kritisierte das Direktorium scharf dafür, das Heer nach

H i m m e l i n F l a m m e n     55

Ägypten geschickt zu haben, und sprach sich energisch dafür aus, sofort nach Italien aufzubrechen, wo es noch unerledigte Aufgaben in Sardinien und Neapel gebe. Ihm schwebte ein längerfristiger Plan für die Beherrschung des östlichen Mittelmeerraums vor; nach Ägypten wollte er zurückkehren, wenn die Zeit dafür reif war. Mireurs Patriotismus stand außer Frage, er hatte sogar Anteil daran, dass die Marseillaise als Revolutionshymne populär geworden war. Seine leidenschaftliche Rede fand allerdings keine Unterstützung. Bonaparte, so behauptete Desvernois, nahm dieses bewegte Plädoyer für einen Rückzug ungerührt entgegen. Er wollte Ägypten sofort erobern. So erhob er sich und beendete die Sitzung. Mireur, der erkannte, dass seine Karriere damit beendet war, ritt in die Wüste hinaus und schoss sich in den Kopf. Desvernois gehörte zu der Gruppe, die ihn fand. Mireur wurde ein militärisches ­Begräbnis zuteil und er wurde auf dem muslimischen Friedhof beigesetzt. 27 Mireurs Tod traf die Offiziere und Soldaten, die ihn kannten, sehr. Viele von ihnen zogen es vor, dem Gerücht Glauben zu schenken, er sei den Beduinen zum Opfer gefallen, als zu akzeptieren, dass er die Nerven verloren hatte. Morand schrieb in seiner Verzweiflung nach Hause, dass sein Freund Mireur hinter eine Sanddüne ging und in den Hinterhalt der dort versteckten Beduinen geriet. „Ägypten, seine Landschaften, Ruinen, Bauwerke – all das ist mir ein Gräuel. Ein Schleier des Grauens hat mich erfasst. Meine Fantasie, die so lange in romantischen Träumen und angenehmen Hoffnungen befangen war, besteht nur noch aus grässlichen Bildern. Sie irrt unter Gespenstern umher und sucht den blutigen Schatten Mireurs. Er ist nicht mehr. Barbarische Mörder haben sein Leben ausgelöscht. Dieser tapfere, gute Mann in der Blüte seiner Jugend, dem Ruhm und Freundschaft etwas bedeuteten, der von allen geschätzt wurde, fiel den Waffen der grausamen Beduinen zum Opfer.“ 28

Der Oberbefehls­haber richtete sein Hauptquartier in der getünchten ­Residenz des Bürgermeisters von Damanhur ein, die trotz dessen Wohlstands nur spärlich eingerichtet war. Bonapartes Privatsekretär Louis de Bourrienne schilderte, wie der Korse sich bei seinem unfreiwilligen Gastgeber erkundigte, warum dieser in solch ärmlichen Verhältnissen lebte. Der Bürgermeister antwortete, dass er einmal sein Haus renoviert hatte, und „als dies in Kairo bekannt wurde, verlangte man von mir das Geld, denn, so hieß es, meine Ausgaben würden belegen, dass ich reich wäre. Ich weigerte mich, das Geld zu zahlen, und wurde daraufhin

56    H i m m e l i n F l a m m e n

schlecht behandelt. Schließlich wurde ich gezwungen zu zahlen.“ Bourrienne zeigte sich entrüstet darüber, dass irgendein Regent die Menschen zwang, erdrückende Steuerzahlungen zu leisten. Dabei war Bonaparte zu diesem Zeitpunkt selbst dabei, ein Enteignungsprogramm auszuarbeiten. Der Ingenieur Villiers du Terrage hielt in seinem Tagebuch vom 11. Juli fest: „Eine Kommission ist damit beauftragt worden, die Besitztümer der Mamelucken ausfindig zu machen und in Besitz zu nehmen.“ Die Umsicht des Bürgermeisters, seine Besitztümer zu verstecken und wegzuschließen, wird durch eine weitere Anekdote verdeutlicht, die Jacques Miot, ein Militärintendant, in seinen Memoiren über die Invasion erzählt. Die Soldaten in Damanhur stießen auf der Suche nach Getreide auf einen versteckten, fensterlosen Harem mit drei schwarzen Sklavinnen, die dem schon älteren Bürgermeister gehörten. Sie sahen nicht gut aus, aber „in der Wüste ist man nicht wählerisch“, bemerkt Miot, und die Soldaten zogen eine erste ägyptische Romanze in Betracht. Sie mussten aber enttäuscht feststellen, dass der Scheich bei allen drei Frauen eiserne Keuschheitsgürtel angelegt hatte, die, wie sie merkten, unmöglich zu entfernen waren. 29 Nachdem sie in Damanhur angekommen waren, fand Bernoyer ein schattiges Rastplätzchen in der Stadt und schickte seinen Diener los, um etwas zu essen zu besorgen. In der Zwischenzeit schlief er unruhig mit leerem Magen. Als er aufwachte, war die Frau eines Soldaten bei ihm und gab ihm etwas Suppe, aber „angesichts einer unter diesen Umständen unangemessenen Delikatesse lehnte ich ab“. Es gab einige wenige Frauen französischer Soldaten, die ihre Ehemänner begleiteten. Es ist unwahrscheinlich, dass viele von ihnen überlebten. Bernoyer gab zu, dass er für die Suppe nur allzu gern ein paar Sous bezahlt hätte, die Freundlichkeit der armen Frau konnte er aber nicht guten Gewissens annehmen. Dann kam sein Diener zurück mit einem widerlichen weißen Käse, den er keinesfalls essen konnte. Er machte ein Offizierskasino ausfindig, erhielt dort aber einen Verweis und die Androhung von Arrest, weil er sich nicht wie angeordnet beim Ausrüstungskommando befand. Er erklärte, er hätte in Alexandria auf das Kommando gewartet, bis das Heer fast schon außer Sichtweite war, und es dann für ratsam befunden, allein weiterzugehen. Daraufhin wurde er darüber aufgeklärt, dass die Beduinen die zweiundsechzig Nachzügler getötet hatten.

H i m m e l i n F l a m m e n     57

Noch am selben Abend brachen die Franzosen wieder auf. In der Stadt hatten sie es gewagt, ein paar Soldatenlieder und auch die Marseillaise zu singen. Nun mussten sie aus Angst vor den Emiren wieder leise sein, wie sich Feldwebel François erinnert. Der Stabsarzt D. J. Larrey betont das immer gefährlicher werdende Gebiet, in das die französischen Soldaten vordrangen. „Nach dem Abmarsch wurde Damanhur, die Phalanx der Hauptquartiere, wo ich mit den Verwundeten war, von allen Seiten von einer Kavallerie aus unzäh­ ligen Beduinen und Mamelucken gestürmt. Wir hätten zweifellos keinerlei Chance gehabt ohne die sofortige Hilfe, die uns von der Division unter Desaix zuteil wurde, und ohne die Wachsamkeit und flexible Taktik von Oberst Dupas, der damals die Kundschafter befehligte. Wie es aussah, wurden einige Mitglieder ­unseres Lagers getötet oder verwundet.“ 30

Bernoyer erzählte, am Tag darauf hätte er herausgefunden, dass die Nomaden einen jungen Offizier entführt hatten und Lösegeld verlangten. Bonaparte lehnte dies ab mit der Begründung, dass er seine Finanzen ruinieren würde, wenn er jeden auslöste, der den Beduinen auf dem Weg nach Kairo in die Hände fiel. Als diese Antwort bei den Beduinen eintraf, die kein Interesse daran hatten, ihren Gefangenen zu versorgen, schossen sie ihm vor den Augen der Franzosen in den Kopf. Bonaparte hatte schon für andere Lösegeld bezahlt, es ist daher nicht klar, warum er es in diesem Fall ablehnte. Die Summe war klein, und die Entscheidung lag ausschließlich beim General. Bernoyer, der Zivilist, war empört, und mit diesem Gefühl stand er nicht allein. Moirets Division war am 10. Juli gerade in Rahmania angekommen, als einige Emire auftauchten. Das von Desaix befehligte 15. Dragoner­ regiment nahm die Verfolgung auf.

58   

3 Aufruhr des Geistes

In Rahmania starteten die Franzosen sogleich einen Säbelangriff, aber dank ihrer schnellen Pferde konnten sich die Feinde leicht der Reichweite der Säbel entziehen. Die unverzagten Dragoner griffen wieder und wieder an, bekamen aber kaum Gelegenheit zum direkten Kampf, um den wendigen Feind niederzustrecken. In der Zwischenzeit tauchte aus dem Norden ein Konvoi ägyptischer Schiffe mit Lebensmitteln für Kairo auf, der aber von der Artillerie der französischen Flottille versprengt wurde. Auf ihrem Rückzug trafen die Ägypter auf weitere französische Kriegsschiffe aus Alexandria, die erfolglos versuchten, sie zur Herausgabe der Lebensmittel zu zwingen; die Handelsschiffe entkamen über den Nil. Bonaparte schrieb an „Bürger General Dugua“, er hätte von einer kurzen Auseinandersetzung des Generals Desaix mit tausend osmanisch-ägyptischen Reitern vor Rahmania gehört, wobei Letztere sich nicht besonders ruhmreich gezeigt hätten. Er fügte hinzu: „Ich warte nur auf Eure Ankunft und das Eintreffen der Barkassen mit den Kanonen, um nach Kairo zu marschieren.“ 1 Moirets Bericht lässt darauf schließen, dass der anfängliche Zusammenstoß mit den Emiren in Rahmania viel harmloser war, als man Bonaparte glauben machte. Bei Rahmania kamen die Soldaten endlich an das heiß ersehnte Süßwasser des Nils, dessen Reiz für Fremde in unbekannten Gefilden allerdings nicht ganz gefahrlos war. Der Grenadier François Vigo-Roussillon schrieb: „Das gesamte Heer – Männer, Pferde und Esel – warf sich in den lange ersehnten Fluss. Wie herrlich uns dieses heilsame Wasser erschien! Viele Männer jedoch wurden von Krokodilen verletzt oder fortgezerrt.“ Seine Einheit folgte dem linken Flussufer etwa eine Wegstunde lang und übernachtete dann dort im Freien, wobei sie zweifellos auf die Krokodile ebenso ein Auge hatten wie auf die feindlichen Soldaten. 2

A u f r u h r d e s G e i s t e s     59

In Marmonts Worten war Rahmania ein Dorf, dessen typische Behausung er beschrieb als „Hütte, gebaut aus nur etwa 1,20 Meter hohen Wänden aus Erde oder manchmal luftgetrockneten Ziegeln. Die Wohnfläche hängt von der Größe der Familie ab. Man kann nur gebückt hineingehen – und kann nicht aufrecht darin stehen. Darauf befindet sich typischerweise ein hübscher, kunstvoll errichteter Aufbau, der vielen Tauben als Unterschlupf dient.“ Außerhalb dieser Lehmziegelhütten sah er Berge frisch geernteter Linsen, Bohnen und Zwiebeln. „Jedes ägyptische Dorf hat in der Nähe einen Hain mit Dattelpalmen, sehr ertragreichen Pflanzen, von denen jede einzelne jährlich etwa sieben Francs einbringt. Die Größe der Dattelhaine hängt von der Einwohnerzahl und dem Wohlstand des jeweiligen Dorfes ab. Sie bilden ein wundervolles Landschaftsbild, und die dichten Kronen auf den hohen Stämmen lassen sie sehr anmutig wirken.“ 3

Marmont konnte zum damaligen Zeitpunkt die Logik der hiesigen Bauweise nicht nachvollziehen. Aber bei derart heißem Klima hilft ein unterhalb der Erdoberfläche liegendes Fundament dabei, die Innenräume kühl zu halten. Außerdem ist in einem Land, in dem es fast nie regnet, das Bauen mit Stein anstelle von Lehmziegeln eine unnötige Ausgabe. Malus hielt fest, wie einige der Dorfältesten mit „türkischen Fahnen“ bei den Franzosen „vorbeikamen“. Es ist nicht klar, ob er damit osmanische Flaggen meint oder islamische, ob sie ein Zeichen subtilen Trotzes waren oder aber das Ergebnis von Bonapartes Propaganda, der behauptet hatte, im Auftrag des Istanbuler Sultans Selim III. hergekommen zu sein. Am 10. Juli traf auch Bernoyer in Rahmania ein, das auf dem westlichen Nilufer lag. Von dem Zusammenstoß mit den Emiren hatte er nichts gehört, aber er schrieb, dass die Bevölkerung wie üblich sofort geflohen war. Die Beispiele von Damanhur und Rahmania zeigen, auf welche Weise die einfachen ägyptischen Frauen dazu beitrugen, den französischen Vormarsch am Nil zu behindern: Sie flohen einfach aus den am Weg liegenden Städten und nahmen dabei so viel an Lebensmitteln mit wie möglich. Die Bereitschaft der Frauen, ihre Häuser zu verlassen und dem Feind damit jede Annehmlichkeit zu versagen, bewies nicht nur Furcht vor den Franzosen, die auch durch Duldung zum Ausdruck hätte kommen können, sondern auch Trotz und Aufsässigkeit. Die Soldaten stahlen Mehl aus den verlassenen Häusern und machten daraus kleine Hart-

60    A u f r u h r d e s G e i s t e s

brote, die sie gierig verschlangen. Angesichts solch verlassener und nutzlos gewordener Städte feuerten die aufgebrachten französischen Soldaten aus Rache manchmal wild um sich. Bernoyer schilderte: […] am 10. Juli, kamen wir in Rahmania an, einer Stadt am Ufer des Nils. Als die dort lebenden Menschen uns in der Ferne kommen sahen, flohen sie. Die Frauen stießen furchtbare Schreie aus und wirbelten in ihrer Eile dicke Staubwolken auf, ein Zeichen großer Angst in jenem Land. Trotz der Schönheit der Stadt herrschte hier nach der Flucht ihrer Bewohner ein Gefühl von Traurigkeit und Trostlosigkeit. Bei diesem Anblick und weil sie nichts Essbares vorfanden, glaubten die Soldaten sich rächen zu können, indem sie die Stadt in Brand setzten. Was für ein unheimliches und furchtbares Schauspiel die fast heruntergebrannte Stadt bot. 4

Ein derart brutaler Umgang mit aufsässigen Einwohnern war für die französische Revolutionsarmee nicht Neues, auch hatten sich solche Gewalttätigkeiten seit den frühen 1790er Jahren nicht allein gegen Fremde gerichtet. Die ziellosen Vergeltungsmaßnahmen gegen aufsässige ägyptische Bauern und Städter erinnerten an die Methoden der Revolutionstruppen gegenüber der katholisch-royalistischen Landbevölkerung während des Aufstands in der Vendée im westlichen Frankreich in den Jahren 1793 bis 1796. Auch dort hatten die Revolutionstruppen Städte und ­Dörfer niedergebrannt und Aufständische kurzerhand hingerichtet. Zeit­genössische Beobachter erkannten hier Parallelen. General­adjutant E. F. Damas, Chef des Generalstabs unter Kléber, schrieb später über die Kämpfe, die die Franzosen auf ihrem Weg von Alexandria nilaufwärts mit den Beduinen und Bauern führten: „Bei meiner Seele, dies ist ein schlimmerer Krieg als der in der Vendée.“ 5 Diese Vorgehensweise erinnerte auch an die brutale französische Unterdrückung der Bauernrevolten während des Italienfeldzugs 1796–97. Einige Historiker behaupten, die Gewalt in der Schreckensherrschaft und beim Aufstand in der Vendée sei in der Revolution selbst angelegt aufgrund ihrer kollektivistischen Ideo­logie, die rücksichtslos über individuelle Rechte hinwegging und sich dabei auf den Begriff des Gemein­ willens, der Volonté générale, berief, den der Sozialphilosoph Jean-­ Jacques Rousseau geprägt hatte. 6 Genauer gesagt: Die Revolution habe von Beginn an eine totalitäre Ausrichtung besessen, weil in der Vorstellung ihrer Anführer das politische Gut als einheitliches Konzept vor-

A u f r u h r d e s G e i s t e s     61

herrschte und sie die Gesellschaft nicht als etwas Pluralistisches betrachteten, das aus vielschichtigen, miteinander verflochtenden Interessen bestand. Diese Kritik wird insgesamt als zu vereinfachend zurückgewiesen, da sie der Komplexität französischer Politik in den 1790er Jahren nicht hinreichend gerecht wird. Zum einen zielten die Ideale der Menschen- und Bürgerrechte sowie die 1789 verkündeten Vorschriften hinsichtlich der politischen Institutionen eben darauf ab, die individuellen Rechte zu schützen und eine pluralistische Gesellschaft zu ermöglichen. Zum anderen war der französische Staat von Anfang bis Mitte der 1790er Jahre keineswegs zentralistisch organisiert, wie das totalitäre Modell vermuten lassen könnte. Und wie sollte man die relativ ruhige Phase zwischen 1789 und 1792 erklären oder die Wende zum Liberalismus nach 1794, die durch glühende Anhänger der 1789er Revolution und ­ihrer Ideale eingeleitet wurde und zum Aufstieg des Direktoriums führte? ­Außerdem waren die Führer der Bewegungen, die eine Rückkehr zum Ancien Régime forderten – wie beim Aufstand in der Vendée – keineswegs weniger grausam. Wenn die Gewalt durch die Franzosen beim Aufstand in der Vendée oder in Ägypten tatsächlich Teil der repu­bli­kanischen Philosophie gewesen wäre, hätte wohl keiner der an der ­Expedition beteiligten überzeugten Republikaner Kritik geübt. Wie wir gesehen haben, fühlte sich Ber­noyer angesichts der Geschehnisse zunehmend unwohl. Die Soldaten ließen sich in den Überresten von Rahmania nieder, um auf die Ankunft von zwei Kanonenbooten, zwei Halbgaleeren und zwanzig Transportschiffen mit Nahrungsmitteln und Munition zu warten. Die dritte Division traf als letzte ein. Am Nachmittag des 12. Juli trat Bonaparte mit einer Rede vor seine Truppen und warnte sie, dass die Schwierigkeiten noch nicht überwunden wären und es noch mehr Wüsten zu durchqueren und noch mehr Schlachten zu schlagen gäbe, bevor sie Kairo erreichten, „wo wir so viel Brot haben werden, wie wir nur wollen“. Moiret hielt auch fest, wie Bonaparte die Männer mit der Aussicht auf eine rasche Rückkehr nach Frankreich und einen Angriff auf England zu motivieren suchte. Die Aussicht auf Ruhm und Ehre war längst hinter die elementarste Art der Motivation zurückgetreten, die einzige, auf die seine Armee zu diesem Zeitpunkt wohl reagierte. Ber­noyer schrieb, er dachte damals, dass es wohl kaum nötig gewesen wäre, den weiten Weg nach Afrika zu kommen, um dort nach Brot zu suchen, wenn das wirklich das Ziel gewesen sein sollte.

62    A u f r u h r d e s G e i s t e s

Vigo-Roussillon klagte in seinen Memoiren bitter über die mangelnde Voraussicht, die der Oberbefehlshaber bei den grundlegenden Vorbe­ reitungen gezeigt hatte, und schrieb, dass die Hartkekse, die das Heer ­mitgebracht hatte, verdorben waren. „Nachdem wir den furchtbarsten Durst überstanden hatten, starben wir nun vor Hunger inmitten von Unmengen an Weizen.“ 7 In Ägypten gab es weder Windmühlen noch Wasserräder, und ihre kleinen Handmühlen hatten die Franzosen nicht mitgebracht. Auch fehlte ihnen das Holz zum Backen. Scharf kritisierte er Bonaparte: „Was für einen Schaden das Heer durch diesen unverzeih­ lichen Mangel an Voraussicht erlitten hat!“ Schon allein mit der Ausstattung von Feldflaschen hätte unter den Soldaten viel Leid verhindert werden können, und viele, die durch Austrocknung starben oder Selbstmord begingen, hätten gerettet werden können. Er meinte, wenn durch das Austeilen von Feldflaschen in Toulon das wahre Ziel der Flotte für die Feinde zu offensichtlich gewesen wäre, dann hätte Bonaparte sie geheim auf ein Schiff verladen und später in Alexandria verteilen können. Bonaparte nahm in Rahmania die Wissenschaftler und andere nicht kämpfende Teilnehmer an Bord seiner Schiffe. Aufgrund des niedrigen Wasserstands des Nils zu jener Jahreszeit mussten die Franzosen sich auf kleinere Schiffe beschränken. Es bestürzte sie zu sehen, wie flach der sagenumwobene Fluss an manchen Stellen war. Der Plan des Ober­ befehlshabers war, seine Kriegsflotte möglichst komplett auf dem Fluss einzusetzen und seine Truppen am Ufer, wobei beide Heeresteile Sichtkontakt halten sollten. Aufgrund kräftiger Winde vom Mittelmeer ­kamen die kleinen Schiffe jedoch viel schneller in Richtung Kairo voran als die Soldaten, wodurch Infanterie und Marine getrennt wurden. Die Infanterie brach nun auf nach Shubrakit, der größte Teil am Abend des 12. Juli, der Rest am Morgen des darauffolgenden Tages. Als sie sich der Stadt näherten, entdeckten sie, dass osmanisch-ägyptische Reiter hinter den Deichen im Hinterhalt lagen und sich auf einen Angriff vorbereiteten. Ein Offizier, Detroye, Kommandeur eines Pionierbataillons, erinnerte sich an den Anblick der osmanisch-ägyptischen Soldaten. „Die Ebene war übersät mit ihren Soldaten, Fahnen und Ausrüstungsstücken, ohne jeg­liche Ordnung. Ihre Geschütze und Kanonenboote lagen geschickt platziert in einer Flussschleife.“ 8 Der rechte Flügel des französischen Heers wurde vom Nil gesichert, die Mitte stand mit dem Rücken zu ihm, und der linke Flügel lag hinter dem Dorf Shubrakit. Der Oberbefehls-

A u f r u h r d e s G e i s t e s     63

haber schritt an den fünf Divisionen seines Heers vorüber mit der Anweisung, dass die Offiziere präzise Befehle erteilen und die Soldaten versuchen sollten, Ruhe zu bewahren, bis die Kavallerie eintraf. Bonaparte gab Befehl, dass die Division unter Desaix das Dorf Shubrakit besetzen sollte. Er ließ die Division unter Reynier die rechte Flanke nehmen und die unter Bon die linke, womit das Dorf von beiden Seiten umschlossen war. Die Divisionen unter Dugua und Vial verlängerten die rechte Flanke von Reynier in Richtung Süden zum Fluss. Aus einem Palmenhain kam eine Kolonne einheimischer Reiter und versuchte, den linken Flügel des französischen Heers in einem Halbkreis zu umschließen und in einen Kampf zu verwickeln. Die osmanischen Ägypter nannten dieses Manöver „den Kreis“. 9 Ein Offizier, Hauptmann Deponthon, schrieb dazu: „Es wurden immer mehr, sie waren außerhalb vom Dorf Shubrakit entlang einer einzelnen Linie aufgestellt, die rechte Flanke geschützt durch den Fluss, die linke erstreckte sich landeinwärts in unsere Richtung. Es schienen etwa 12 000 oder 13 000 Mann zu sein, aber nur 3000 waren zu Pferd. Die übrigen waren ihre Sklaven oder Bauern, einige davon waren mit Musketen bewaffnet, die meisten aber mit Knüppeln.“ 10

Die Franzosen behielten ihre Formation bei und hofften auf einen Angriff der Emire, der zu ihrem Vorteil gewesen wäre. Doch es lösten sich lediglich einige Kavallerieeinheiten aus dem Verbund, die vor den Franzosen großtaten, bis sie Kanonenschüsse auf sich zogen. So ging es weiter bis acht Uhr morgens. Bonaparte befahl seinen Divisionen, Karrees zu bilden, „in die sie ihre Ausrüstung und die wenigen Kavalleristen, die die Franzosen besaßen, einschlossen; sie stellten sich in einer staffelförmigen Anordnung auf, sodass jede Division die andere flankierte. Die Artillerie befand sich in der Mitte.“ 11 Vertray erinnerte sich: „Wir bereiteten uns innerlich darauf vor, diese wundervollen Pferde, deren Tapferkeit sprichwörtlich war, vor unsere Bajonette zu bekommen.“ Bonaparte befahl, die Geschütze abzufeuern, sobald die Emire und ihre Militärsklaven in Reichweite gekommen waren. Die donnernden Kanonenkugeln lösten unter denen, auf die sie gerichtet waren, ein solches Entsetzen aus, dass sie es anfangs nicht wagten anzugreifen. Die Franzosen feuerten auch einige Granaten ab, eine Waffe, die die osmanischen Ägypter überhaupt nicht kannten. Auch

64    A u f r u h r d e s G e i s t e s

als sie angesichts des ungewohnt heftigen Artilleriefeuers ihren ganzen Mut wieder zusammengenommen hatten, ­fanden die einheimischen Reiter keine Möglichkeit, die Karrees zu durchbrechen. „Der Feind“, so schrieb Moiret, „versuchte mehrere Kavallerie­angriffe, aber alle blieben erfolglos. Sie wirbelten auf ihren Pferden herum und versuchten, eine Lücke in unseren Reihen zu finden.“ Immer weiter forderten sie die Franzosen heraus, kamen drohend auf sie zu und „machten eine Bewegung zu ihrer linken Seite, um uns zum Umdrehen zu bewegen“. „Aber“, so berichtete Deponthon, „sie waren völlig verblüfft darüber, auf General Reyniers Division zu treffen, die unsere rechte Seite flankierte, und auf die Kanonen, die ihre Reihen ziemlich durcheinanderbrachten. Das gleiche Schicksal erwartete sie an unserer linken Seite, die durch die Division unter General Bon ebenfalls flankiert war. Und dafür, dass die Mitte verteidigt war, trugen wir Sorge.“

Mit einer ungeübten Infanterie aus Städtern oder Bauern wurden die wendigen Emire mit ihren kunstvollen Reitmanövern und heftigen Kavallerieangriffen in der Regel problemlos fertig. Durch kontinuierliches Drillen hatte aber die französische Infanterie große Gewandtheit darin erlangt, von einer Linienaufstellung in Karrees zu wechseln, die sich als wirkungsvoller Gegner für jede Kavallerie erwiesen. Zudem verfügten die Franzosen über eine bessere Artillerie mit größerer Reichweite, die es den mameluckischen Reitern erschwerte, ihre eigenen ­Kanonen wirkungsvoll einzusetzen und die französischen Formationen aufzubrechen. Die Franzosen besaßen stärkere und präzisere Musketen mit größerer Reichweite als die osmanischen Ägypter, was ihnen einen weiteren Vorteil verschaffte. Irgendwann sahen die einheimischen Reiter eine Lücke zwischen Nil und französischem Heer und strömten dorthin. Es war ein Hinterhalt. Sie waren noch nicht weit gekommen, als die Franzosen sie aus ihrem Versteck heraus unter Beschuss nahmen. Viele der Mamelucken-Reiter „stürzten von ihren Pferden und fielen leblos auf den blutdurchtränkten Boden“. Der französischen Infanterie gelang es, die an den Ufern des Nils aufgestellten feindlichen Kanonen einzunehmen und wegzubringen. Verzweifelt ging Murad Beys Kavallerie nun zu einem Massen­ angriff über und „donnerte schnell wie der Blitz“ auf die Franzosen zu. Die französischen Artilleristen und Musketiere ließen sie in Reichweite

A u f r u h r d e s G e i s t e s     65

herankommen und feuerten dann einen beängstigenden Granaten- und Kartätschenhagel auf die Angreifer ab, der so viele Opfer forderte, dass Augenzeugen von einem „Gemetzel“ sprachen. Die überlebenden osmanisch-ägyptischen Kämpfer machten kehrt und zogen sich nach Süden zurück, denn dort würden sie, wie sie wussten, den Schutz ihrer eigenen Kanonenboote finden. Vertray schätzte, dass diese Landschlacht etwa vier Stunden dauerte. Das Schiff Bernoyers, das unter dem Kommando von Yaounsky, einem Polen, stand, wurde wie der Rest der Flotte vom Wind einfach nach Süden getrieben und war außerstande, dicht an Land zu bleiben oder das Heer bei der Schlacht von Shubrakit zu unterstützen. Dann traf es auf ein feindliches Lager am Nil. Belustigt betrachtete Yaounsky die glänzenden Waffen und die opulenten seidigen Gewänder der einheimischen Soldaten, und weil er von dem falschen Eindruck ausging, den Ägyptern sei Artillerie fremd, bemerkte er: „Zu gerne würde ich ihre Überraschung sehen, wenn sie sich den Kanonen nähern und sie losdonnern sehen.“ Bernoyer schilderte anschaulich, dass die Überraschung nicht lange auf sich warten ließ, aber anders ausfiel als gedacht. Denn plötzlich erblickten die Franzosen drei von Murads Kanonen, die am Nilufer versteckt waren, und stellten fest, dass sie sich in ihrer Reichweite befanden. Panik machte sich breit in der Mannschaft, viele warfen sich ins Wasser, statt gemeinsam zu versuchen, das Schiff ans andere Ufer und außer Reichweite zu bringen. Die Kanonen eröffneten das Feuer, und Yaounskys Schiff wurde in tausend Stücke zerlegt. Sieben Kanonenboote aus Kairo tauchten auf und griffen die französische Flotte an. Der Kampf fand nun auf dem Nil selbst statt. Jean-­ Baptiste Perrée, der französische Marineoffizier an Bord der Schebecke Cerf, führte das Kommando über die französische Flotte. Auf seinen Befehl hin warfen die Schiffe den Anker und begannen mit ihren Kanonen zu schießen. Al-Gabarti berichtete, dass Halil Kürdlü, Admiral der Nil­ flotte, darauf mit dem Einsatz seiner eigenen Artillerie reagierte. Der Ausgang war wohl für eine ganze Weile ungewiss, aber die osmanischägyptischen Schiffe schienen die Oberhand zu bekommen. Perrée vertraute Bourrienne an: „Die Türken haben uns mehr Schaden zugefügt als wir ihnen.“ Die Munition der Franzosen wurde knapp, und sie waren noch weit von ihrem Heer entfernt. Viele der Passagiere, Wissenschaftler und Künstler an Bord des Schiffes sahen sich gezwungen, Waffen zu

66    A u f r u h r d e s G e i s t e s

benutzen, um die Ägypter zurückzutreiben, die die Schiffe zu ­entern versuchten. „Alle Franzosen waren Soldaten“, bemerkte Hauptmann Say. ­Irgendwann brachten die osmanischen Ägypter die größte der franzö­ sischen Briggs und verschiedene andere Schiffe in ihre Gewalt, und die feindlichen Seeleute, so Bourrienne, „massakrierten die Mannschaft vor unseren Augen und präsentierten uns mit barbarischer Rohheit die Köpfe der abgeschlachteten Männer“. So schien es, dass die französische Flotte durchaus vernichtet werden konnte, auch wenn das größte Schiff in einem harten Kampf zurückerobert wurde. Zwei Dinge passierten, die ein Desaster für Bonapartes Nilflotte verhinderten. Zuerst, so al-Gabarti, fing das Segel von Kürdlüs Flaggschiff Feuer. Die Flammen breiteten sich bis zu den Pulvervorräten aus und brachten diese zur Explosion, wobei Kürdlü selbst und seine Soldaten getötet wurden. Und dann hatte Perrée es unter beträcht­lichem ­Risiko geschafft, Bonaparte eine Nachricht über die extremen Schwierigkeiten, in denen er sich befand, zukommen zu lassen. Daraufhin drängte der Oberbefehlshaber seine linke Flanke am Nil voran gegen die Emire und ihre Sklavensoldaten, obwohl das seine Aussicht auf eine Zangenbewegung der rechten Flanke, durch die die nun fliehenden Reiter hätten abgeschnitten und vernichtet werden können, zunichtemachte. Bonaparte unternahm nun einen wahren Gewaltmarsch zur Rettung der Flotte. Als der zweite Befehlshaber des Beylik vom Nil aus das Heer näher rücken sah, lichtete er den Anker und zog sich in Richtung Kairo zurück. Die Franzosen enterten die ägyptischen Schiffe, die nicht die Flucht ergriffen hatten. Bourrienne gestand ein, dass die feindlichen Schiffe „uns beträchtlichen Schaden zufügten, während sie ihrerseits kaum litten“; es habe unter den Franzosen zwanzig Tote und einige Verwundete gegeben. Außerdem berichtete er, dass während des Gefechts 1500 Kanonenschüsse abgegeben worden seien. Von dem Desaster auf dem Flaggschiff von Kommandant Kürdlü schien er nichts zu wissen. Französische Angaben über die Zahl der zu Land kämpfenden mameluckischen Reiter unter Murad Bey gehen weit auseinander und schwanken zwischen ein paar Hundert bis viertausend. Weder mit der einen noch mit der anderen Zahl hätten jene darauf hoffen können, Tausende artilleriegestützter französischer Infanteristen zu besiegen. Die 6000 osmanisch-ägyptischen Reiter, die bis dahin ausgereicht hatten, etwa vier Millionen Ägypter zu kontrollieren, mussten sich nun an den neuen

A u f r u h r d e s G e i s t e s     67

Maßstäben der Kriegskunst messen lassen, die sich im Zuge der Französischen Revolution und der Einführung der Massenwehrpflicht durchgesetzt hatten. Die in Kairo eintreffenden Berichte über die Schlacht bei Shubrakit warfen kein gutes Licht auf Murad Bey und seine Reiter. „Es dauerte nur eine Stunde“, so schilderte al-Gabarti, „bis Murad Bey und seine Männer besiegt waren.“ Es gab keine richtige Schlacht, nur ein ­Gefecht mit der Vorhut seiner Truppen, sodass es auf beiden Seiten nur wenige Tote gab, obwohl Murad Beys Schiffe zusammen mit all ­ihren Pulvervorräten und allem Kriegsgerät verbrannten. Der Chef der ­Artillerieflotte, Halil Kürdlü, erhielt mehr Anerkennung, er war bei dem Angriff ums Leben gekommen, hatte aber wie ein Löwe gekämpft und von seinem Schiff aus die französischen Schiffe angegriffen. Al-Gabarti vermutete, dass diese Niederlage ausschlaggebend für Murad Beys Entscheidung gewesen war, nach Kairo zurückzukehren und einen großen Teil seiner Kanonen und seines schweren Geräts zurückzulassen. Trotz des Sieges über die Emire waren viele französische Soldaten sehr beeindruckt von ihren Gegnern. Einer schrieb: „Diese erste Schlacht, die ‚die Schlacht von Shubrakit‘ genannt wurde, lehrte uns, dass wir in Ägypten auf die beste Kavallerie der Welt treffen würden.“ Einige Zeit später versuchte sich Miot an einer Beurteilung seiner Feinde als Kämpfer. „Die Mamelucken“, so schrieb er, „die aus allen Teilen der Welt ­stammen, sind seit frühester Kindheit an den Umgang mit Pferden und Waffen gewöhnt.“ 12 Absoluter Gehorsam der Pferde war für sie unabdingbar, außerdem mussten die Pferde in der Lage sein, unmittelbar zum Stehen zu kommen; zu diesem Zweck setzten die Reiter eine Kandare mit langen Querschenkeln und einer Kinnkette in der Kinngrube des Pferds ein, die so stark auf den Kiefer einwirkte, dass die Pferde bei Bedarf sofort stehenblieben. Auch waren sie sehr geschickt darin, ihre scharfkantigen Steigbügel im Gefecht als Waffe einzusetzen. „Bei den in Reih und Glied marschierenden Europäern wäre diese Art von Steig­ bügeln nicht möglich, jeder würde dabei seinen Nachbarn verletzen. Aber bei den Mamelucken gibt es nur die eine Linie, die entweder Mut oder Angst zeigt.“ Ihre Sättel waren so geformt, dass sie sich darin zurücklehnen konnten, als säßen sie auf dem Boden – selbst mit einer Verletzung konnten sie dadurch weiterreiten. Nie wurden ihre Pferde zum Transport eingesetzt, sie waren vielmehr reine Krieger wie ihre Herren – nur mit Kampfausrüstung beladen zogen sie in die Schlacht. Die Klei-

68    A u f r u h r d e s G e i s t e s

dung der Reiter war darauf ausgelegt, auch Säbelhiebe abwehren zu können. Sie trugen Pistolen in ihren Gürteln, und in den Sätteln hatten sie weitere Pistolen sowie Äxte, Säbel, eine Muskete und einen Karabiner, ein Gewehr mit kurzem Lauf, mit dem man vom Pferderücken aus leichter schießen kann. Alle Feuerwaffen waren entweder am Reiter oder am Pferd befestigt, so konnte der Kämpfer sie geschickt einsetzen, und er hatte sie immer griffbereit. Viele Mamelucken trugen Panzerhemden und Helme, die zwar kein Visier besaßen, aber einen Gesichtsschutz. Ihre Säbel waren zwar ausgezeichnet, wirkten aber fragil und waren eher für einen raschen, direkten Schlag gegen den Feind ausgerichtet, nicht für abwehrende Hiebe, dabei wären sie schnell zerbrochen. Es war das Pferd, das der Klinge des Gegners auswich. *** All jene ägyptischen Einheimischen, die nicht geflohen waren, suchten einen Modus Vivendi mit den Neuankömmlingen. Ein Geistlicher aus einem Dorf überbrachte Bonaparte seine Flagge. Malus zufolge sagte der Oberbefehlshaber zu ihm: „Kehre in die Moschee zurück und danke Gott, dass er der richtigen Sache zum Sieg verholfen hat.“ Begeistert schrieb Bonaparte einen Bericht über die Schlacht an General Menou. „Vorgestern stießen wir auf den Feind und kämpften gegen ihn. Murad Bey, gemeinsam mit drei- oder viertausend Reiter-Mamelucken, zwanzig Kanonen und einigen Kanonenbooten wollte uns davon abhalten, an Shubrakit vorbeizukommen. Wir nahmen seine Kanonen und töteten oder verletzten etwa 50 seiner Männer, darunter viele Anführer. Ein Kanonenboot mit einem türkischen Kommandeur wurde versenkt. Von diesem Tag an sind die Mamelucken Tag und Nacht auf der Flucht. Wahrscheinlich werden wir sie vor Kairo nicht mehr zu ­sehen bekommen.“ 13

*** Die Franzosen hatten bereits einen großen Teil der Provinz al-Buhaira erobert, und ihre Kolonnen waren nun wie Dolche auf die Hauptstadt gerichtet. Wie sah die Gesellschaft aus, über die Bonaparte die Herrschaft erlangen wollte? Was genau wollte er dort ersetzen? Ägypten war eine weitgehend Arabisch sprechende Gesellschaft, stand aber zu der Zeit ­unter der eigentlichen Herrschaft des Osmanischen Reichs, deren Hauptstadt Istanbul war – oder Konstantinopel, wie sie unter den ­Römern und Byzantinern hieß. Als die Osmanen im Jahr 1517 Ägypten eroberten, lösten sie die herrschende Kaste der Militärsklaven der

A u f r u h r d e s G e i s t e s     69

­ amelucken ab, zumeist ursprünglich junge Christen aus Tscherkessien M im Kaukasus, wo sie als Sklaven gefangen genommen wurden, nachdem sie auf heimat­lichen Schlachtfeldern besiegt worden waren. Muslimische Regenten im Mittelalter fürchteten häufig eine zu große Abhängigkeit von einheimischen Stammeskriegern oder einer Armee aus Bauern mit enger Stammeszugehörigkeit, da diese Familienverbände allzu sehr ihre eigenen regionalen Interessen vertreten und die Herrscher stürzen könnten. Daher setzten viele Herrscher auf Militärsklaven, die sie aus der Fremde mitbrachten. Sie wurden zum ­Islam bekehrt, und die meisten von ihnen verloren jeglichen Kontakt zu ihren Familien. Mamelucken haben zwar als Sklaven begonnen, wurden aber oft sehr gut bezahlt und hatten Aussichten auf eine hohe Laufbahn beim Militär, in der Verwaltung oder am Hof. Wenn sie das Erwachsenenalter erreichten, wurden sie freigelassen, blieben ihren früheren Herren aber treue Gefolgsleute. Die Ayyubiden-Dynastie in Ägypten, deren berühmtester Vertreter Saladin war, der Bezwinger der Kreuzritter, unterhielt eine große Zahl Mamelucken. 1250, als der ayyubidische Sultan starb und Ägypten von einem potenziellen Angriff einfallender mongolischer Horden bedroht war, ergriffen die Mamelucken-Soldaten die Herrschaft über das Land und regierten es zweieinhalb Jahrhunderte. Als am 24. Januar 1517 der Sultan des Osmanischen Reichs, Selim I., in Kairo einfiel, degradierte er Ägypten zu einem Vasallenstaat Istanbuls. 14 Die Osmanen gliederten Ägypten in eines der größten Reiche der Weltgeschichte ein, in ein blühendes Handelsimperium, das Istanbul im Osten über den Irak mit Indien verband und im Westen über das Mittelmeer hinweg mit Marseille. Während seiner Blütezeit gehörten dem Reich 32 Provinzen an, in 13 davon wurde Arabisch gesprochen; Ägypten, das zu den bevölkerungsreichsten und landwirtschaftlich produktivsten gehörte, wurde seine Kornkammer. Die Osmanen unterwarfen die tscherkessischen Militärsklaven in Ägypten ihrer eigenen Verwaltung und ­Militärsklaven-Ordnung. Im 17. und 18. Jahrhundert entwickelte sich Ägypten zum Zentrum eines weitreichenden und lukrativen Kaffeehandels. 15 Kaffeebäume ­waren wohl aus Äthiopien in den Jemen gelangt, und in Kairo erfuhr man im 16.  Jahrhundert, dass sich in Sanaa die Sitte des Aufbrühens von ­Kaffeebohnen und des Trinkens dieses heißen Aufgusses verbreitet hatte, vor allem unter den Sufi-Mystikern, die für ihre Gebete und

70    A u f r u h r d e s G e i s t e s

Medita­tionen lange wach bleiben wollten. Bis zum 17.  Jahrhundert hatte sich das Kaffeetrinken in der gesamten Öffentlichkeit durchgesetzt. Überall im Osmanischen Reich wurden Kaffeehäuser eröffnet, oft zum Missvergnügen der herrschenden Sultane und Gouverneure, die fürchteten, dass an diesen Orten Diskussionen ebenso leicht zum Aufruhr hoch­kochen könnten wie eine kräftige Mokkamischung. Versuche der Osmanen, Kaffee oder Kaffeehäuser zu verbieten, scheiterten jedoch kläglich. Mitte bis Ende des 17. Jahrhunderts öffneten auch in Europa die ersten Kaffeehäuser. Anfangs fürchteten die europäischen Monarchien sie ebenso sehr wie die Sultane. In Paris wurde das erste Kaffeehaus im Jahr 1671 gegründet. Das Café Le Procope, das 1686 in der französischen Hauptstadt eröffnet wurde, entwickelte sich später zu einem Dreh- und Angelpunkt intellektueller Diskussionen und revolutionärer Ideen. Kairo gehörte zu den größten Zolllagern für den Kaffeehandel innerhalb des Osmanischen Reichs und mit Europa. *** Es kam zu immer mehr Verbindungen zwischen dem osmanischen Ägypten und Europa. In den Zwanzigerjahren des 18. Jahrhunderts kämpfte ein gewisser Çerkes Mehmed Bey gegen Zülfikar Bey um die Herrschaft über Ägypten. Çerkes verlor den Kampf und machte sich auf den Weg nach Istanbul, um den Sultan auf seine Seite zu ziehen. Dann bot sich ihm aber eine andere Möglichkeit, und so entkam er über die nordafrikanische Küste und trat von Algerien aus eine Schiffsreise nach Triest an. Sein Plan war, Kaiser Karl VI. (1711–40) auf seine Seite zu bringen, der Sultan aber übersandte seine schärfsten Proteste nach Wien. Schließlich war Çerkes Mehmed Bey gezwungen, nach Nordafrika zurückkehren, wo er im libyschen Tripolis wieder an Land ging. Das Ziel, ein Heer aufzustellen und nach Ägypten einzumarschieren, hatte er aber noch nicht aufgegeben. Er versammelte seine Anhänger und marschierte nach Kairo, wurde aber von einem Rivalen, Ali Bey Qatamish, zurückgeschlagen. Beim Versuch zu entkommen stürzte er in jene Sümpfe, über die er hatte herrschen wollen, und ertrank. 16 Während die Österreicher die sich ihnen bietende Gelegenheit nicht wahrnahmen, waren andere europäische Mächte einer Allianz mit Ägypten nicht abgeneigt. Da viele der Mamelucken aus Georgien im Kaukasus verschleppt worden waren, versuchten einige, diplomatische und militärische Verbindungen zum Zarenreich unter Katharina der

A u f r u h r d e s G e i s t e s     71

Großen (1762–96) aufzubauen. Es war nichts Neues, dass ein europäisches Machtzentrum des 18.  Jahrhunderts interessiert auf das Niltal blickte. Im Laufe des 18.  Jahrhunderts gewannen die aus Georgien stammenden Militärsklaven in Ägypten an Macht. Es gelang ihnen, die sieben ­osmanischen Regimenter zu unterwerfen und die Kontrolle über den ­lukrativen Kaffeehandel an sich zu ziehen. Einer der osmanischägyptischen Militärsklaven, Ali Bey al-Kabir, unternahm in den sechziger und siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts Aufstände und versuchte die ­Autorität des Sultans zu untergraben; außerdem marschierte er in ­Syrien ein. Die Rebellion endete mit seinem Tod, aber bald darauf stellten die Beys in Kairo erneut ihre Zahlungen an den osmanischen Sultan ein. Das zog 1786 eine Invasion nach sich, die den Autonomiebestrebungen der Provinz ein Ende bereitete. Auch wenn Historiker – insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren von einer Zeit des Wiedererstarkens der mameluckischen Herrschaft in Ägypten sprechen, als hätte es eine Neubelebung des 13. bis 15. Jahrhundert gegeben, so wissen wir doch heute, dass diese Sicht der Dinge falsch ist. Die Osmanen hatten in Ägypten, egal wie unabhängig die Provinz zeitweise war, ihre eigenen Institutionen etabliert, zu denen auch ihre Form der Militärsklaverei gehörte. Aus diesem Grund ist es präziser, die regierende Elite des 18. Jahrhunderts als osmanisch-ägyptisch zu bezeichnen. Arabische Chroniken jener Zeit bezeichneten sie mit Bezug auf den türkischen Stammesverband der Oghusen oft als Ghuzz, was auch dafür spricht, dass man sie meist als Osmanen ansah, ursprünglich eine türkische Dynastie. Die meisten beherrschten sowohl das osmanische Türkisch als auch Arabisch, bewahrten sich aber gleichzeitig ihre Kenntnis der kaukasischen Sprachen wie Georgisch oder Tscherkessisch. Nicht alle Emire hatten einen Hintergrund als Militärsklave, einige von ihnen waren Arabisch sprechende Ägypter. Das 18.  Jahrhundert war Ägypten nicht wohlgesonnen. Zwischen 1740 und 1798 geriet die ägyptische Gesellschaft stark ins Wanken, wirtschaftlich gab es immer größere Probleme; die Trockenzeiten wurden länger, die Nilschwemme fiel geringer aus, und es kam häufig zu Seuchen und anderen Krankheiten. Die Mamelucken-Häuser fochten untereinander unaufhörlich heftige Kämpfe aus und erhöhten deswegen die ört­lichen Steuern derart, dass allgemeines Elend die Folge war. Nun

72    A u f r u h r d e s G e i s t e s

hatte sich eine neue Katastrophe angebahnt in Gestalt von Bonapartes Vorhaben, Ägypten die Freiheit zu bringen. *** Die Orientarmee der Franzosen nahm ihren Weg nach Süden wieder auf. Vom Rand der Provinz al-Buhaira nach Kairo sind es etwa 85 Meilen. Vigo-Roussillon schrieb: „Beim Vorrücken marschierte das Heer genau wie am Tag zuvor in tief gestaffelten Karrees – genauer gesagt, sechs Glieder hintereinander. Die Artillerie befand sich in den Lücken zwischen den Bataillonen.“ 17 Er erläuterte die Vorteile, die diese Formation im Kampf gegen eine kühne feindliche Kavallerie bot, die keine eigene mobile Artillerie besaß. „Wenn Angriffskolonnen gebildet werden sollten, trennten sich die ersten drei Glieder ab und gingen voraus, die drei übrigen behielten ihre Formation bei und bildeten eine Reserve aus ­Karrees.“ Bonaparte erlaubte zu diesem Zeitpunkt seinem Heer, in der Nähe des Nils zu marschieren, damit der Zugang zum Süßwasser gewährleistet war. Brot war allerdings knapp, und die Soldaten mussten mit Ful Vorlieb nehmen, einem typisch ägyptischen Gericht aus dicken Bohnen. Hin und wieder gab es für die französischen Soldaten Fleisch vom Wasser­büffel, auch wenn es gelegentlich durch Pferdefleisch ersetzt werden musste. Sie marschierten bis zum 16. Juli, ohne auf weitere osmanisch-ägyptische Soldaten zu treffen; von den Beduinen, die ständig ihre Verbindungswege zu den zurückliegenden Einheiten und mit Alexan­dria kappten, wurden sie allerdings gnadenlos verfolgt. Die Bauern der am Wege liegenden Dörfer verschwanden zumeist zusammen mit ihren Vorräten, leisteten gelegentlich aber auch Widerstand. Die Soldaten, hungrig und verzweifelt, plünderten oft die kleinen Dörfer trotz der Bemühungen ihrer Offiziere, dies zu verhindern. Der gewissenhafte Hauptmann Moiret berichtete, dass die Offiziere als Ehrenmänner nicht von gestohlenen Hühnern profitieren wollten und deshalb noch mehr litten als ihre Leute, denn sie waren in ihrer Ernährung auf kleine Bohnenmahlzeiten beschränkt. Viele Chronisten erzählten davon, nichts anderes als Wassermelonen gegessen zu haben. Ein anderer Offizier erinnerte sich: „Wir führten Krieg gegen Tauben.“ 18 Bonaparte selbst übernachtete inmitten seiner elenden Soldaten und aß Linsen zusammen mit seinen Offizieren. Alle waren erschöpft und litten unter ständigem Hunger und Durst, als sie in der erbarmungslosen Hitze mitten im

A u f r u h r d e s G e i s t e s     73

Juli das Niltal hinaufmarschierten, zusätzlich schikaniert von verängstigten und oft verrohten Einheimischen. Bonaparte vermerkte in seinen Memoiren, dass die Stimmung der Soldaten einer Meuterei sehr nahe kam und dass „der Aufruhr des Geistes zu brodeln begann“. Er schrieb von dem Gerücht, es gäbe gar keine glänzende Hauptstadt, kein „Grand Caire“, nur eine Ansammlung von Lehmziegelhäusern, wie sie sie in Damanhur gesehen hatten, wo man „unmöglich leben konnte“. Er berichtete auch, dass die Soldaten über Politik sprachen und das Direktorium dafür verurteilten, sie hierher „verschleppt“ zu haben. Sie machten den Wissenschaftlern und Künstlern, die unterwegs so minutiös die ägyptischen Altertümer untersuchten, zum Vorwurf, die haarsträubende Idee ersonnen zu haben, nach Ägypten zu ziehen, und machten sich unentwegt über sie lustig, sogar ihre Esel bezeichneten sie als savants, als „Gelehrte“. Majoradjutant Leutnant Pierre Pelleport schilderte, dass am 15. Juli, als sie von einem besonders heftigen Wüstensturm heimgesucht wurden, eine der Divisionen sich nicht mehr nur beschwerte, sondern schlicht­ weg die Befehlsausführung verweigerte. Bonaparte wurde informiert, ritt dorthin und befahl der Division, sich im Karree aufzustellen. Er stellte sich in die Mitte und sprach zu ihnen: „Mut auf dem Schlachtfeld allein macht keinen guten Soldaten aus. Dazu ist auch der Mut erforderlich, sich Anstrengungen und Verzicht zu stellen. Was wäre, wenn ich die Absicht hätte, nach der Eroberung Ägyptens weiter nach Asien zu ziehen? Um auf den Spuren Alexanders zu marschieren, bräuchte ich auch seine Soldaten.“ 19

Die Division setzte sich, wie Pelleport berichtete, ohne weitere Worte wieder in Bewegung. Dem Unmut und Groll der Soldaten lag reales Elend zugrunde. „Man sah viele Soldaten“, so erzählte Moiret, „die vor Hunger und Erschöpfung tot umfielen, viele begingen vor lauter Verzweiflung Selbstmord . . . Zwei Brüder umarmten einander und stürzten sich dann gemeinsam in den Nil.“ Am 17. Juli wurde der kostbare Schlaf der Soldaten durch einen osmanisch-ägyptischen Überfall unterbrochen, den sie aber problemlos zurückschlugen. Anschließend nahmen sie den Marsch auf die Hauptstadt unter sengender Sonne wieder auf. Jeder hatte eine tägliche Ration von lediglich drei Hartkeksen. Irgendwann wurde ein feindliches

74    A u f r u h r d e s G e i s t e s

Schiff gekapert, was für eine Zusatzration an Schiffszwieback sorgte, doch der war „von schlechtester Qualität, schmutzig, mit schlechtem Mehl geknetet und mit altem Fett gemischt, selbst die Ratten machten einen Bogen darum.“ Moiret bemerkte dazu: „Man musste sich schon in unserer Lage befinden, um den Mut zu haben, das zu essen.“ Er teilte die Ration in vier Teile und machte im Laufe des Tages daraus jeweils eine kleine Mahlzeit, indem er die Kekse ins Wasser tauchte, damit sie weich wurden und weniger salzig schmeckten. *** Beim Herannahen der über das Westufer des Nils vorrückenden Franzosen war die Führungsschicht Kairos zusammengekommen und bereitete sich auf den Angriff vor. Der osmanische Vizekönig Ebu Bekir Pascha sowie Ibrahim Bey und eine Gruppe von Beamten und Geistlichen beschlossen, am Flusshafen von Bulaq, am Ostufer, Widerstand zu leisten. Sie errichteten Barrikaden und stellten nach Norden ausgerichtete ­Kanonen auf für den Fall, dass die französischen Truppen über das Ost­ ufer kämen; außerdem mobilisierten sie Beduinen, die in Shubra und anderswo knapp südlich von Bulaq Stellung bezogen. Sie riefen alle wehrfähigen Männer zu den Barrikaden und riefen den Heiligen Krieg gegen die vorrückenden Ungläubigen aus. 20 In den Häusern europäischer Händler und anderer Einwohner Kairos ließ man nach Waffen suchen, ansässige Christen, sowohl griechisch-orthodoxe als auch die hier geborenen Kopten, wurden unter Bewachung gestellt. Misstrauen machte sich breit unter der muslimischen Stadtbevölkerung, dass die Christen dem Osmanischen Reich gegenüber nicht loyal sein könnten. Al-Gabarti war überzeugt davon, dass die Aufrührer die Christen niedergemetzelt hätten, wenn die Behörden sie nicht zurückgehalten hätten. Am Dienstag, dem 17. Juli, so berichtete al-Gabarti weiter, ordneten die Emire an, dass sich die einfache Bevölkerung zu den Festungen begeben sollte. Die Gilden, in denen die meisten Handwerker der Stadt zusammengeschlossen waren, sammelten Geld, damit die Menschen in Bulaq mit Zelten versehen werden konnten. Andere Bewohner Kairos spendeten Geld, um syrische und maghrebinische Truppen mit Waffen und Essen auszustatten, die somit als öffentlich bezahlte Bürgerwehr fungierte. Sufi-Mystiker und Derwische zogen aus mit Fahnen, Flöten, Pfeifen und Trommeln und sangen Loblieder zu Allah. Umar Makram, der Führer jener Kaste, die den Anspruch erhob, direkter Nachfahre des

A u f r u h r d e s G e i s t e s     75

Propheten Mohammed zu sein (Ashraf), führte eine Art Parade auf. Er „stieg zur Zitadelle auf und brachte eine große Standarte von dort herab, welche vom Volk Standarte des Propheten genannt wurde. Er entfaltete sie und ließ sie von der Zitadelle bis nach Bulaq vor sich hertragen. Vor ihr und um sie herum waren Tausende aus dem Volk mit Stöcken und Stäben, die riefen ‚Gott ist groß!‘ “ 21 Das Relikt des Propheten sollte dessen Segen (Baraka) über die belagerte Hauptstadt bringen. Das Volk schlug die Trommeln, spielte auf Flöten und schwenkte Fahnen, so schrieb Darendeli, als ob sie eine traditionelle ägyptische Hochzeit veranstalten würden. Bald waren die meisten wehrfähigen Männer in Bulaq als Verteidiger der Stadt zusammengezogen, nur Frauen und Kinder blieben zusammengedrängt in den Gebäuden der Stadt zurück. Die Straßen waren verlassen. „Gelber Staub überzog die Märkte und Straßen, die weder gesäubert noch abgespritzt wurden.“ Die Führenden des Landes rieten Murad Bey außerdem, seine Verteidigungsanlagen in Imbaba zu errichten, auf dem Westufer nördlich von Giseh. Dort ließ er Barrikaden errichten, die sich bis zu einem Ort namens Bashtil erstreckten; die Arbeiten führte er zusammen mit Offizieren vom Rang eines Sanjak und Amir (Emir) aus sowie mit anderen Beys, etwa seinen Verbündeten Ali Pascha und Nasuh Pascha. Al-Gabarti beschrieb die Szene: „Man brachte die großen Schiffe sowie die Galeonen, die in Giseh gebaut worden waren, legte sie am Ufer von Imbaba vor Anker und belud sie mit Soldaten und Waffen. Sowohl das Ost- als auch das Westufer füllte sich mit Waffen, Soldaten, Barrikaden, Pferden und Infanterie.“

Murad rief die Beduinenstämme Ägyptens – al-Khabariya, al-Qian, Aulad Ali, al-Hanadi und andere – an seine Seite, um die Kavallerie zu unterstützen. Die Beys begannen dann, ihre Schätze in kleinen, unscheinbaren Häusern zu verstecken, teilweise in Provinzstädten. Der Transport von Gold, Juwelen und anderen wertvollen Gütern ließ sich nur mithilfe von Packtieren bewältigen. Daher konnte er vor der Bevölkerung von Kairo nicht ganz geheim gehalten werden, was große Furcht auslöste. „Die Reichen und alle, die es sich leisten konnten, bereiteten sich auf die Flucht vor. Wenn die Emire sie nicht daran gehindert und alle getadelt und bedroht hätten, die fort wollten, so wäre keiner von ihnen in Kairo geblieben.“

76    A u f r u h r d e s G e i s t e s

In den kleineren Städten und Dörfern, so schilderte der ägyptische Chronist, ging nach und nach jede Ordnung verloren. Die Leute begannen einander zu töten und zu plündern, Beduinen überfielen einst gut befestigte Siedlungen. „Ganz Ägypten stürzte in einen Zustand von Mord und Plünderung, Terror auf den Straßen und Diebstahl, Zerstörung der Felder und unzählbarer anderer Arten von Verderbnis“, so klagte al-­Gabarti. Die Unruhen breiteten sich auch hinter den französischen ­Linien aus und isolierten die französisch dominierten ­Häfen Alexan­ dria und Rosetta an der Küste vom größten Teil des Heeres. Villiers du Terrage schrieb am 16. Juli in Rosetta in sein Tagebuch: „Von den Soldaten, die gestern eintrafen, erfuhren wir, dass es in Alexandria einen kleinen Aufruhr gegeben hat. Die Einwohner feuerten aus den Fenstern heraus; ein Artillerist wurde verwundet.“ General Kléber gelang es mit seinen 2000 Soldaten, die Kontrolle über den Hafen wiederzuerlangen. Das Landesinnere hingegen war schwierig zu erobern. Das Zolllager in Damanhur hatte Bonaparte nach dem Durchzug der Franzosen nicht befestigt. Dessen Sicherung überließ er Kléber in Alexandria, der dafür zum Teil eine arabischsprachige maltesische Legion einsetzte, die mit den einheimischen Ägyptern kommunizieren konnte. Organisation und Ausbildung der Malteser erwiesen sich allerdings als unzureichend, weshalb Kléber die meisten von ihnen dann doch nicht dorthin schickte. Stattdessen entsandte er General Dumuy, um Damanhur mit einigen ­Infanteriekompanien und zwanzig Kavalleristen von der 3. Halbbrigade zu sichern. 22 Als Dumuy sich am 17. Juli Damanhur näherte, erwartete ihn dort ein bewaffneter Aufstand der Bevölkerung. Mit Hilfe von verbündeten Beduinenreitern aus der Umgebung wehrte diese die kleine französische Truppe ab und tötete zwanzig von deren Soldaten. Dumuy und seine Männer zogen sich nach Alexandria zurück; sie hatten extrem unterschätzt, wie schwierig es war, Damanhur zu erobern und dauerhaft zu halten. So hatten die Ägypter schon eine Rebellion gegen die französische Herrschaft angezettelt, noch bevor diese Kairo überhaupt erreicht hatte. Kléber fühlte sich angesichts einer steigenden Zahl von Übergriffen in die Enge getrieben. Er schrieb an General Menou in Rosetta: „Ich habe nichts vom Heer gehört . . . Ich bin umzingelt von arabischen Beduinen. Das Erlebnis mit Dumuy in Damanhur hat sie wagemutig gemacht. Gestern haben wir, nur eine halbe Wegstunde von der Stadt entfernt, 43 von ihnen mit unseren Säbeln durchbohrt.“ Die zurückgelassenen Gar-

A u f r u h r d e s G e i s t e s     77

nisonen hinter den nach Kairo vorrückenden französischen Hauptlinien waren eher belagert als siegreich. *** Unterdessen stieß das französische Heer bei seinem Vormarsch zur Hauptstadt am Nil entlang immer wieder auf Widerstand von Dorf­ bewohnern und Beduinen. Selbst einige Bäuerinnen brachten den Franzosen Gewalt entgegen. Bernoyer erzählte von einem Fall am 16. Juli, als das Heer sich bereits Kairo näherte, dass „beim Eintreffen in ein Dorf ein Adjutant getötet wurde, als er sich etwas zu weit vorwagte. Eine Frau mit ihrem Kind im Arm war so barbarisch grausam, ihm mit ihrer Schere die Augen auszustechen. Generalmajor Berthier ließ sie an Ort und Stelle erschießen und übergab das Kind in die Hände eines Bauern.“ 23 Die benutzte Waffe passt in dieser Beschreibung zur weiblichen Angreiferin – eine Schere, wie sie von Frauen zum Schneidern verwendet wird; das Baby hält sie sogar noch im Arm, während sie zusticht. Bernoyer zeichnete ein entsetzliches Bild der bäuerlichen Bevölkerung, die in ihrem Widerstand gegen die koloniale Unterwerfung monströs und zerstörerisch war. Die Einheit von Feldwebel François lagerte am 18. Juli in der Nähe des Dorfs al-Khanqa. Auf dem Weg dorthin, so berichtete er, waren einige Offiziere zurückgeblieben, um sich zu erleichtern, und wurden dabei von Beduinen gefangen genommen. Dieser Stamm hatte bereits einen französischen Gefangenen in seinem Lager, und dorthin brachten sie auch ihre Neuerwerbungen. Beschäftigt wie sie waren mit ihrer neuen Fracht, versäumten sie es jedoch, ihren ersten Gefangenen gut zu bewachen, der so entkommen und sich zu Bonaparte durchschlagen konnte, dem er den Standort des Lagers mitteilte. François erzählte, dass Bona­parte daraufhin Venture de Paradis mit einem Lösegeld in Höhe von „500 spanischen Piastern“ (Silbermünzen) und einem einheimischen Führer zu dem Stamm schickte. Als sie dort ankamen, verhandelte Venture mit dem Scheich und übergab ihm das Geld vor den Augen aller anderen Stammesangehörigen. „Die übrigen vom Stamm kamen hinzu, und es kam zu einem Streit.“ Um dem Tumult ein Ende zu setzen, nahm der Scheich seine Pistole und erschoss jenen Offizier, an dem Bonaparte das größte Interesse gezeigt hatte, einen gewissen Desnanots. Dann gab er das Lösegeld zurück mit der Bemerkung, dass er es wohl besser nicht behalte, denn es sei ja nutzlos geworden. Venture zog ohne die Gefange-

78    A u f r u h r d e s G e i s t e s

nen wieder ab, deren Schicksal unbekannt blieb. 24 Diese Geschichte verdeutlicht, dass einige der Beduinenfürsten den sozialen Frieden innerhalb ihres Stamms höher bewerteten als rein symbolischen Reichtum. Viele französische Soldaten verbrachten den 18. Juli in der Palmen­ oase von Wardan. Bonaparte hatte als Vorsichtsmaßnahme Boten vorgeschickt, um die Einwohner zu beruhigen. Von diesen Menschen konnten sich die Soldaten nun einige Nahrungsmittel beschaffen. Es gelang ihnen, etwas Weizen zu Mehl zu mahlen und ihr eigenes Brot zu backen, außerdem konnten sie sich mit Wasser­melonen und Kokosmilch erfrischen, wovon es reichlich gab. „Überall in den Dörfern ist es ganz normal, dass Mädchen zwischen zwölf und vierzehn Jahren völlig nackt herumlaufen. Es ist die Armut, die zu diesem unwürdigen Verhalten führt, das unseren Sitten und Gebräuchen in so schockierender Weise widerspricht.“ 25

Moirets Orient war eindeutig nicht der Nahe Osten heutiger Zeit. Der Sitten­kodex in den Dörfern war im Ägypten des späten 18. Jahrhunderts in Bezug auf Nacktheit im vorpubertären ­Alter – weder Mädchen noch Jungen trugen im Juli viel Kleidung – offenbar nicht sehr verschieden von dem, der in Teilen Afrikas südlich der Sahara bis ins 20. Jahrhundert galt. Selbst in der gebildeteren, städtischen Gesellschaft schrieb das islamische Recht nicht vor, dass junge, vorpubertäre Mädchen ihre Gesichter verschleiern mussten; das veranlasste einige Muslime dazu, bei ihren mittelalterlichen Rechtsgelehrten nachzufragen, warum eine frühreife, attraktive Dreizehnjährige keinen Schleier benötigte, eine achtzigjährige Frau aber schon. Die formale Lesart der muslimischen Gesetze und Sittenvorstellungen sah die öffentliche Nacktheit natürlich mit Entsetzen. Den entfernter wohnenden, ungebildeteren Dorfbewohnern waren solche Verweise aus der großen Moschee der Hauptstadt ziemlich gleichgültig. Die Tatsache, dass in späteren Zeiten in modernen muslimischen Gesellschaften immer stärker darauf geachtet wurde, dass Frauen und sogar Mädchen sich verschleierten, könnte eng mit dem Gefühl der Demütigung verbunden sein, das die Präsenz ausländischer kolonialer Verwaltungen, Soldaten und anderer Nicht-Muslime in lokalen Machtpositionen hervorgerufen haben mochte. 26 In Wardan war es für einige Soldaten ein Glücksfall, als sie entdeckten, dass die Einheimischen mehr Interesse an Uniformknöpfen hatten

A u f r u h r d e s G e i s t e s     79

als an Münzen. Mit seinem fachlichen Auge als Schneider bemerkte Bernoyer, dass von da an die Soldaten ihre Knöpfe abrissen und als Geld verwendeten, schrieb aber auch, dass viele enttäuscht waren, als sie merkten, dass nur die Uniformknöpfe der Artilleristen einen angemessenen Währungswert erzielten, da diese ganz aus Kupfer waren, während die anderen auch Holzanteile hatten. Bernoyers Notiz lässt vermuten, dass es die reinen Kupfer„münzen“ waren, die sie interessierten und denen sie vertrauten. Für Bauern waren Kupfermünzen in einer kleineren Einheit in der Tat nützlich für die täglichen Geschäfte. Das Einnähen von Münzen in die Kleidung war unter den Bäuerinnen und Beduinenfrauen etwas ganz Normales, daher dachten sie wahrscheinlich, die Artilleristen würden das genauso machen. Man hat vermutet, dass die Dorf­ bewohner befürchteten, durch das Annehmen europäischer Münzen als Kollaborateure angesehen zu werden. Studien über Gerichtsaufzeichnungen aus dem Ägypten des 18.  Jahrhunderts haben jedoch gezeigt, dass in den Provinzen bereits ausländische Münzen zirkulierten – ihr ­Besitz konnte daher kaum als Verrat angesehen werden. 27 Die in der Folge irgendwie derangiert aussehenden Artilleristen schlugen auf jeden Fall daraus Kapital, ohne groß nach dem Warum und Wieso zu fragen. An diesem seltenen Ruhetag mischte sich Bonaparte unter die Truppen, sprach ungezwungen mit seinen Soldaten und ermöglichte ihnen so, sich über ihre schlechte Situation zu beklagen. Er versuchte sie mit der Aussicht auf große Feiern in Kairo nach dessen Eroberung aufzumuntern; dieses Mal fügte er seinem früheren Versprechen von Brot als Anreiz noch Fleisch, Wein, Zucker und Mokka hinzu. Ob das Umschwenken von der Verheißung imaginärer Backwaren hin zum Ausmalen eines guten Mahls in einem französischen Restaurant überzeugend war, ist schwer zu sagen, allerdings spricht es Bände darüber, womit Bonaparte seine Soldaten motivieren zu können meinte. Moiret schrieb: „Mangels Besserem gaben wir uns mit seinen Versprechungen zufrieden.“ 28 Zwei Geschehnisse in diesen Tagen verdeutlichen, wie sich die Macht der Franzosen in Ägypten zeigte. In Wardan fanden die Franzosen in ­einem Taubenschlag versteckte Manuskripte. Zwar gab es im säkularen Revolutionsheer formal keinen Kaplan, aber irgendwie fand sich unter ihnen ein gewisser Père Sicard – vielleicht war er einfach ein Soldat oder Offizier, der zuvor zum Priester ausgebildet worden war –, der auf dem

80    A u f r u h r d e s G e i s t e s

Verbrennen der Papiere bestand mit der Begründung, es handelte sich dabei um Zauberbücher. Etwa um die gleiche Zeit wurde ein Lagerverwalter des Heeres zu einem Nachbardorf ausgesandt mit dem Auftrag, Weizen zu kaufen; während er sich dort aufhielt, wurden er und sein Diener von Beduinen überfallen und unter einem Baum verbrannt. Die Franzosen fanden ihre noch schwelenden Leichen. Bonaparte war darüber so erzürnt, dass er befahl, das Dorf niederzubrennen und alle Einwohner zu erschießen oder durch das Schwert zu töten. Wie schon die teilweise Inbrandsetzung von Rahmania war auch diese Kollektivstrafe an Bauern für Taten, die von Beduinen begangen worden waren, völlig irrational und eine reine Terrormaßnahme. Die erwähnte Zerstörung kostbarer Manuskripte lässt außerdem große Zweifel an den Behauptungen Bonapartes aufkommen, sein Angriff auf Ägypten trage zum Aufbau einer ruhmvollen Zivilisation bei. Dass das republikanische Heer einem Priester eine solch abergläubische Bücherverbrennung gestattet haben soll, bringt sehr deutlich zum Ausdruck, dass sich voraufklärerische Denkweisen unter diesen selbsternannten Verehrern der Vernunft hartnäckig hielten. Feldwebel François schrieb über den darauffolgenden Tag, den 19. Juli: „Unsere Generäle hatten viele Bataillone in die Dörfer am Ufer des Nils geschickt.“ In einem davon, in Shum, waren 1800 bewaffnete Gegner zusammengezogen worden, um den Einzug der 9. und der 85. Halbbrigade von Reyniers Division zu verhindern. François fungierte bei dieser Expedition als Kundschafter. Er berichtete, dass sich alle Dorfbewohner versammelt hatten und sich weigerten, die Franzosen mit ­Lebensmitteln zu versorgen. Außerdem begannen sie, auf die Ausländer zu schießen. General Cambise, der französische Befehlshaber, befahl seinen Männer anzugreifen. „Wir stiegen über die Mauern und drangen in das Dorf ein, dabei schossen wir die ganze Zeit in die Menge. Wir töteten etwa 900 Menschen, die Frauen und Kinder nicht mitgezählt, die in ihren Häusern geblieben waren, welche wir mit unseren Musketen und Geschützen in Brand setzten. Als das Dorf eingenommen war, sammelten wir alles, was wir finden konnten – Kamele, Esel, Pferde, Eier, Kühe, Schafe . . .“

Er fügte hinzu: „Bevor wir dieses Dorf verließen, verbrannten wir auch die restlichen Häuser oder, besser gesagt, Hütten, um diesen halbwilden

A u f r u h r d e s G e i s t e s     81

und barbarischen Menschen eine furchtbare Lektion zu erteilen.“ Er behauptete, an jenem Abend seien viele Dorfoberhäupter gekommen, um sich den französischen Generälen zu unterwerfen und ihnen ihre Dienste anzubieten, „die angenommen wurden“. Weiter berichtete er: „Unsere Generäle überreichten ihnen Bonapartes Proklamation an das ägyptische Volk.“ François schildert in seinem Bericht eine lineare Entwicklung von der Invasion über Widerstand und Schrecken hin zu Unterwerfung und Akzeptanz. Was hier begonnen hatte, war jedoch in Wahrheit ein Kreislauf, in dem sich Invasion, Aufruhr, Terror und friedlicher Austausch abwechselten. Dieser Kreislauf hatte eher mit Okkupation und Widerstand zu tun als mit einem „Kampf der Kulturen“. Nach ein bis zwei Tagen Pause – je nachdem, wann die französischen Kolonnen eingetroffen waren – brachen sie von Wardan wieder auf. Anfänglich fühlten sie sich erfrischt, aber schon bald atmeten sie wieder glühend heiße Luft. Erneut starben Männer durch Austrocknung, nachfolgendes Nierenversagen oder durch Selbstmord. „Die meisten Dörfer, durch die die Truppen zogen“, berichtete François, „waren von den Bewohnern verlassen worden“. Am 21. Juli erblickten die Franzosen zum ersten Mal die Ehrfurcht gebietenden Pyramiden, die damals noch halb unter Sand verborgen waren und deren Bedeutung noch nicht erkannt worden war, auch wenn es den einen oder anderen gab, der ihre Funktion als Pharaonengräber ahnte. Die ägyptischen Muslime nannten den in der Nähe stehenden Sphinx Abu al Hul, „Vater des Schreckens“, und sahen in ihm ein uraltes Mahnmal unsäglichen Grauens. Die Soldaten waren noch nicht weit gekommen, als sie auf die Späher der Vorhut von Murad Bey stießen. Die Franzosen trieben die Ägypter vor sich her, von Dorf zu Dorf. Etwa um zehn Uhr morgens entdeckten sie den Hauptverband der Truppen des Beylik. Bonaparte wandte sich an seine Soldaten und rief ihnen zu: „Soldaten, seid euch bewusst, dass von diesen ­Pyramiden vierzig Jahrhunderte auf euch herabblicken.“ 29

82   

4 Einzug in Kairo

Hungrig, durstig und erschöpft marschierte Bonapartes Armee aus Wardan weg und musste den Feind nun auf dessen eigenem Terrain bekämpfen. 1 „Die Hitze war erdrückend und nahm uns den Atem“, ließ Moiret keuchend wissen. Seine Division war seit dem Morgen in Karreeform marschiert, und die Soldaten hatten keine Möglichkeit, sich für einen Schluck frischen Wassers aus dem Nil von den anderen zu entfernen. Bonaparte und seine Generäle hatten ganz bewusst befohlen, in dieser disziplinierten Formation zu marschieren, weil sie nicht wollten, dass ihre Soldaten dem Nil zu nahe kamen, der von den osmanischen Ägyptern kontrolliert wurde. Einige Unglückliche, unfähig, den Durst zu ertragen, brachen aus und stürzten zum Fluss. Doch kaum hatten sie ein paar Schluck getrunken, erschien der Feind, und sie mussten schnell in die Linie zurückeilen. Bonapartes große Worte über viertausend Jahre Geschichte hatten sie schlichtweg nicht verstanden, und Majoradjutant Pelleport räumte zumindest ein: „Für die meisten unserer Kameraden war das völlig unverständlich.“ Sie wussten allerdings, dass ihre Tapferkeit und ihr Durchhaltevermögen auf die Probe gestellt werden sollten. Ihre Armee bestand aus zwei riesigen Karreeformationen mit jeweils sechs gestaffelten Gliedern von Infanteristen, während die Artillerie zwischen den beiden Karrees vorrückte. Hauptmann Vertray schrieb, dass die wenigen KavallerieDivi­sionen zu Beginn in der Mitte der Karrees ritten, wo sie vor den unerschrockenen osmanisch-ägyptischen Reitern geschützt, aber dennoch angriffsbereit waren, wenn sich Gelegenheit bot. Die Kavallerie unter Murad Bey hatte in dem Dorf Imbaba hinter einer eindrucksvollen Batterie von schweren Geschützen gut gesichert Stellung bezogen. Bonaparte wusste, dass die Kanonen seiner Feinde nicht auf Lafetten montiert waren und dass ihre Unbeweglichkeit ihren

E i n z u g i n K a i r o     83

Nutzen auf verhängnisvolle Weise einschränkte. Im Rücken der osmanisch-ägyptischen Reiter lag der Fluss, und auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses Kairo, wo Ibrahim Bey und seine Gefolgsleute sich am Ufer in Shubra und Bulaq in ähnlicher Form verschanzt hatten. Die von Panik ergriffenen Stadtbewohner meldeten sich entweder freiwillig zum Kampf an der Seite der Emire, blieben zuhause oder ­versuchten auf zunehmend unsicher werdenden Straßen zu fliehen. ­Al-Gabarti klagte, die Märkte wären verlassen und würden immer staubiger und nur noch Einbrecher und Randalierer seien unterwegs. Viele Bauern auf dem Land glaubten Bonapartes Propaganda, er sei vom osmanischen Sultan geschickt worden. Auf dem Nil hatten sich die großen, in Giseh gefertigten Galeonen der örtlichen Flussflotte versammelt. Der Glanz der reich mit Gold und Silber bestickten Gewänder und der schimmernd polierten Waffen der Emire blendete die Franzosen. Die Krieger saßen bis an die Zähne bewaffnet auf ihren flinken Arabern, mit fünf oder sechs juwelenverzierten Pistolen mit Griffen aus Elfenbein im Gürtel. Mit ihren rasierklingenscharfen gebogenen Säbeln aus Damas­ zenerstahl konnten sie einen Feind mit einem einzigen, gut geführten Schlag enthaupten. Auf Moiret machten sie starken Eindruck, wie sie sich dort vor ihrem Lager tummelten. Aus ihren Manövern schloss er, dass sie eine Offensive starten wollten, und die Franzosen bereiteten sich auf einen Angriff vor. In einer kurzen Notiz, die Bonaparte nur drei Tage später an das ­Direktorium schrieb, hieß es: „Ich gab den Divisionen der Generäle ­Desaix und Reynier den Befehl, auf der Rechten, zwischen Giseh und Imbaba, Position zu beziehen, um so dem Feind den Weg nach Unter­ ägypten, seinem Rückzugsgebiet, abzuschneiden.“ 2 Nach drei Uhr nachmittags stürmte Murad Bey, der Kopf eines Elite-Kavallerie-Korps mit Tausenden von Reitern, auf die Divisionen von Reynier und Desaix zu, und zwar „schnell wie der Blitz“, wie Bonaparte berichtete. Es hat den Anschein, als wäre es ihnen fast geglückt, die Franzosen zu überraschen. Der Rest der ägyptischen Armee täuschte einen Angriff auf die Hauptmacht der Franzosen vor, um andere Divisionen daran zu hindern, dieser zu Hilfe zu eilen. Als die Reiter näher kamen, gab General Reynier Befehl, so erinnerte sich Vertray, „und binnen Sekunden waren wir in Karreeform aus sechs Reihen aufgestellt und bereit, dem Schlag standzuhalten. Diese Formie-

84    E i n z u g i n K a i r o

rung geschah trotz Beschuss mit einer Präzision und Ruhe, die wirklich erstaunlich war.“ Dann eröffnete die französische Artillerie das Feuer aus großer Entfernung – unerwartet für die Emire und ihre Mamelucken, die an Feuerwaffen, die mehr als eine mittlere Reichweite besaßen, nicht gewöhnt waren. Viele der angreifenden Reiter machten beim ersten Schuss kehrt und zogen sich zurück. Der unaufhörliche Beschuss der franzö­ sischen Musketen auf der anderen Seite des Flusses hörte sich in den ­Ohren al-Gabartis an „wie ein Kessel, der über einem knisternden Feuer kochte.“ Daraufhin versuchte Murad um die Franzosen herumzureiten und sie von hinten anzugreifen, aber die Divisionen hatten sich schon in Karrees aufgestellt und drohten mit „einem Wall aus Bajonetten“, den er für undurchdringlich hielt, schon bevor die Musketen losgingen. Solange die Franzosen Disziplin bewahrten und ihre Infanteriekarrees intakt hielten, blieben sie für die Kavallerie unangreifbar. Bonaparte ließ die ­Division General Duguas auf den Hauptteil der osmanisch-ägyptischen ­Armee vor­ rücken und stellte seine Artillerie zwischen dem Nil und Reynier auf. Der Oberbefehlshaber erinnerte sich: „Wir ließen sie auf fünfzig Fuß herankommen und begrüßten sie dann mit einem Kugelhagel aus unseren Artilleriegeschossen, der viele von ihnen zu Tode brachte. Als sie sich in die Lücke zwischen den beiden Divisionen warfen, waren sie doppeltem Feuer ausgesetzt, und ihre Niederlage war besiegelt.“

Murads Soldaten fielen entweder durch die Musketen der Karrees oder durch die Artillerie wie von einer Palme geschüttelte Datteln. Diejenigen, die dem Gewehrfeuer entkamen, traten hastig den Rückzug an. In Imbaba selbst leisteten etwa 1500 osmanische Ägypter und ebenso viele Bauern immer noch Widerstand. Bonaparte befahl der Division von General Bon, die zu diesem Zeitpunkt am Nil stand, „abzuziehen und die Verschanzungen anzugreifen“. Er trug General Bon auf, seine Truppen zwischen die angreifenden Emire und die Verteidiger in Imbaba zu stellen. Damit, so sagte er, wollte er „verhindern, dass die Kavallerie einreiten konnte; ihnen an den Verschanzungen den Rückzug abschneiden; und falls notwendig das Dorf von der linken Seite aus angreifen.“ Bonaparte schrieb später, dass „die erste Einheit eines jeden Bataillons sich in Angriffskolonnen aufstellen sollte, während die zweiten und dritten ihre Position beibehalten und weiterhin Infanteriekarrees bilden sollten.“ Die Karrees rückten vor, um

E i n z u g i n K a i r o     85

die Angriffskolonnen zu unterstützen. Er fuhr fort, dass die Angriffs­ kolonnen, angeführt von General Rampon, „sich mit ihrer üblichen Impulsivität auf die Verschanzungen stürzten, obwohl sie starkem Artilleriefeuer ausgesetzt waren, während die osmanisch-ägyptischen Kämpfer einen Angriff starteten“. Die kühnen Krieger in ihren schimmernden Seidenhemden galoppierten nach vorn. Die Franzosen machten abrupt halt, bildeten eine Frontlinie und empfingen sie mit ihren Bajonetten, die auf die Gewehrläufe aufgesteckt waren, aus denen ein Kugelhagel auf sie prasselte. Die Verteidiger beobachteten mit Schrecken, dass ihre Ver­ bindungsrouten nach und nach abgeschnitten wurden und immer weniger Rückzugsmöglichkeiten bestanden. Die Franzosen machten ihnen das Angebot, sich zu ergeben. Die osmanischen Ägypter lehnten ab – sie ­zogen den Tod vor. Die französischen Offiziere hatten Schwierigkeiten, ihre Soldaten während der Verhandlungen zurückzuhalten, und als die Gespräche abbrachen, eilten die aufgebrachten Infanteristen nach Imbaba hinein und wandten sich zuerst gegen die osmanisch-ägyptischen Artilleristen, töteten sie mit dem Bajonett und eroberten die Kanonen. Die einheimischen Soldaten flohen, ihr Fluchtweg wurde aber von der rechten Flanke der Franzosen abgeschnitten, die nun ein mörderisches Gewehrfeuer eröffneten. Alle, die hier nicht den Tod fanden, warfen sich in den Nil, um am anderen Ufer zu den Streitkräften Ibrahims zu gelangen. Viele ertranken oder wurden von den Franzosen im Wasser erschossen. Die Europäer ­eroberten vierzig Artilleriegeschosse, zahlreiche Gepäckstücke, eine Menge Munition und vierhundert mit Gold und Silber beladene Kamele. Noch Tage später zogen französische Truppen, die am Westufer geblieben waren, Leichen aus dem Nil und durchsuchten ihre Taschen nach Goldstücken. Die eigenen Verluste waren nicht allzu groß, vielleicht 30 Männer wurden getötet und 260 verletzt. Die osmanischen Ägypter hatten zwischen 800 und 1600 Tote zu beklagen. Bonaparte teilte mit, dass viele der großen Beys verwundet waren, darunter auch Murad Bey, der an der Wange verletzt wurde. Moiret hielt den Kampfgeist und die Kühnheit der osmanischen Ägypter für tadellos; wären sie mit europäischer Kriegstaktik vertrauter gewesen, gestand er, hätten die Franzosen für ihren Sieg teuer bezahlen müssen. In seinem Brief an das Direktorium bezeichnete Bonaparte den Kampf großspurig als die Schlacht bei den Pyramiden, obwohl diese Bauwerke

86    E i n z u g i n K a i r o

nur schwach von Imbaba aus zu erkennen waren. Der Oberbefehlshaber berichtete dem Direktorium von seiner neuen Eroberung: „Der ganze Reichtum dieser Menschen liegt in ihren Pferden und ihrer Streitmacht. Ihre Häuser sind erbärmlich. Es ist schwierig, ein fruchtbareres Land zu finden und ein Volk, dass ärmer, unwissender und verrohter ist. Sie ziehen den Uniformknopf eines unserer Soldaten einer Sechs-Francs-Münze vor.“

Schon mehrfach wurde bemerkt, dass die Maler der Romantik, die den Sieg der Schlacht bei den Pyramiden wiedergaben, es versäumten, die ­Artilleristen in ihren offenen und knopflosen Mänteln darzustellen. Generalmajor Berthier prahlte: „Keine Schlacht zuvor hat besser bewiesen, wie hoch die europäische Kriegs­ taktik der Taktik der Orientalen überlegen ist und wie sehr disziplinierte Unerschrockenheit chaotischem Mut überlegen ist.“

Der Beitrag der Taktiker soll hier keinesfalls geschmälert werden, aber man darf nicht vergessen, dass die Franzosen in diesem Kampf viele Vorteile hatten. In Frankreich lebten 1798 etwa 28 Millionen Menschen, sie waren den Ägyptern also zahlenmäßig um ein Fünffaches überlegen. Natürlich war das Entscheidende die Anzahl der französischen Soldaten in Ägypten. Die französische Armee in Imbaba zählte etwa 28 000 Mann. Viele dieser Soldaten waren beim Italienfeldzug dabei gewesen und kampferprobt. Archivdokumente zeigen, dass die sieben osmanischen Regimenter im Jahr 1797 etwas mehr als 18 000 Soldaten umfassten, davon gehörten etwa 8000 Mann zur Kavallerie und 10 000 Mann zur Infanterie. Zusätzlich gab es in den „Häusern“ der Sklavensoldaten viele Kavalleristen, die außerhalb des Regimenter-Systems standen und deshalb hier nicht mitgezählt wurden. Unklugerweise teilten Murad und Ibrahim ihre Truppen auf, und Ibrahim richtete mit der einen Hälfte eine zweite Stellung in Bulaq ein. In der Schlacht um Imbaba leisteten nur ein paar Tausend Emire und Sklavensoldaten den Franzosen Widerstand. Zusätzlich holten die Beys vielleicht 3000 verbündete Beduinen als irreguläre Kämpfer zu Hilfe, zusammen mit 20 000 unausgebildeten und spärlich bewaffneten ägyptischen Bauern und Stadtbewohnern, die aber nicht mehr als Kanonenfutter waren. 3 Außerdem waren die Geschütze und Musketen der Franzosen sehr viel leistungsfähiger und besaßen eine größere Reichweite als die der

E i n z u g i n K a i r o     87

Ägypter. Die mit Bajonetten bewehrten französischen Infanteriekarrees erwiesen sich als praktisch undurchdringlich für jede Kavallerie, die nicht eine noch stärkere Artillerie im Rücken hatte. 4 Ein französischer Gelehrter berichtete später: „Die Mamelucken sagten von der französischen Armee, die in dicht gedrängten Karrees marschierte, dass die Franzosen untereinander verbunden seien und wie die Pyramiden marschierten.“ 5

Bonapartes Fähigkeiten sind unumstritten, da er seine Brillanz als oberster Befehlshaber bei vielen Siegen über gut organisierte europäische ­Armeen in den darauffolgenden fünfzehn Jahren unter Beweis stellte. Nicht zuletzt waren Emire und Bevölkerung im Jahre 1798 nicht in sehr guter Verfassung. Das 18. Jahrhundert hatte dem Land viele Katastrophen beschert, die jährliche Nilschwemme hatte oft zu wenig Wasser mit sich geführt, in der Stadt gab es Überbesteuerung, und es herrschten verheerende Kriege zwischen den Beys. General Desaix verfolgte Murad Beys Truppen auf dem Rückzug bis in die Nähe von Giseh, wo es zu einer offenen Feldschlacht kam, die zwei Stunden bis zum Anbruch der Nacht dauerte. Dabei wurde Murad im Gesicht verletzt, und seine Kavallerie war endgültig besiegt. Er und seine Männer beschlossen zu fliehen. Anfangs wollten sie eine große Galeone mitnehmen, aber der Nil war zu flach, und sie lief auf Grund. Da sie einen großen Vorrat an Waffen und Munition geladen hatte, setzte Murad sie in Brand, damit sie nicht den Franzosen in die Hände fiel. Die Flammen schlugen hoch in den Abendhimmel und sorgten für weiteren Schrecken unter der Bevölkerung von Kairo. Danach flüchteten Murad und seine Männer in die Wüste im Süden. Die Franzosen kontrollierten nun das Westufer des Nils und begannen nach Kairo überzusetzen. Sie fürchteten auf entschiedenen Widerstand der Kontingente Ibrahim Beys zu treffen, die sich am anderen Ufer niedergelassen hatten. Aber die in der Hauptstadt verbliebenen Soldaten hatten erkannt, dass sie in einer herkömmlichen Schlacht nichts gegen die Franzosen ausrichten konnten, und setzten Handelsschiffe und ihre stattlichen Wohnhäuser in Brand, um sie nicht dem Feind zu überlassen, und verließen die Hauptstadt. In weniger als einem Monat hatten die Franzosen ganz Unterägypten erobert und das osmanische Beylik gestürzt.

88    E i n z u g i n K a i r o

Al-Gabarti berichtete, dass die Zivilbevölkerung die brennenden Schiffe für das Ergebnis der Zerstörungswut der rachedurstigen Franzosen hielten und in Scharen „wie die Wogen des Meeres“ aus Bulaq flohen, wobei sie Wolken von Staub aufwirbelten, die ihnen der heftige Wind, der an diesem Tag herrschte, in die Augen blies. Frauen klagten laut auf ihren Balkonen. Ibrahim Bey verließ seine Festung in Bulaq und ließ seine Frauen ­holen, dasselbe taten die Offiziere in seiner Umgebung. „Wer auch immer dazu in der Lage war, ließ seine Frau oder Tochter reiten und lief nebenher, aber die meisten Frauen flohen unverschleiert und zu Fuß, ihre Kinder auf den Schultern und weinend in der Schwärze der Nacht.“ 6

Al-Gabarti sprach wahrscheinlich von den Frauen der vornehmen Klasse, für die es fast ebenso erniedrigend war, sich unverschleiert und zu Fuß in der Öffentlichkeit zu zeigen, wie gezwungen zu sein, ihre Häuser zu verlassen. Hochgestellte Geistliche wie Abdullah al-Sharqawi und Sayyid Khalil al-Bakri riefen ebenfalls ihre Frauen zusammen, packten ihre Wertgegenstände ein und eilten aus der Stadt, ohne zu wissen, wohin sie gehen sollten. Viele besorgte Bürger folgten ihnen. Der Preis für einen Karren stieg in astronomische Höhen. Die von Panik ergriffene Stadtbevölkerung nahm all ihr Hab und Gut mit und war für die vor den Toren der Stadt wartenden Beduinenstämme leichte Beute. Eine Folge der französischen Invasion war sicherlich ein umfassender Gütertransfer von der Stadt- zur Landbevölkerung. „Das Geld und die Wertgegenstände, die Kairo in dieser Nacht verließen, waren mit Sicherheit die doppelte Menge von dem, was zurückblieb. Das meiste Geld trugen die Emire und Würdenträger mit ihren Frauen bei sich, und die Beduinen nahmen ihnen alles ab.“

Al-Gabarti berichtete von Massen nackter und mittelloser Menschen, denen alles geraubt worden war und die in die Felder flohen. Andere, die zurückblieben, sahen in den leeren Wohnungen ihre Chance. Hauptmann Say berichtete, dass die Menschen, „vom Despotismus der Mamelucken befreit … in die Villen der Beys liefen und sie anzündeten oder plünderten.“ 7 Der zeitgenössische osmanische Chronist Izzet Hasan ­Darendeli schrieb, dass der Großteil der Bevölkerung Kairo verlassen hatte und die Stadt fast zu einer Geisterstadt geworden war, sodass Plünderer leichtes Spiel hatten. Auch die Villen von Ibrahim Bey und Murad

E i n z u g i n K a i r o     89

Bey in der vornehmen Gegend Qawsun wurden geplündert und in Brand gesetzt. Einige Tage später, am 24. Juli, zog zur Mittagszeit ein großes Kontingent der französischen Armee in die besiegte Stadt, vorbei an den Menschenmengen. Aller Augen, erinnerte sich der junge Kavallerieoffizier Desvernois, richteten sich auf Bonaparte, den jetzt alle hier den „Großen Sultan“ nannten. Desvernois sagte, die Ägypter hätten vor allem die französische Kavallerie und die Pioniere mit ihren ansehnlichen Bärten bewundert. Den Infanteristen dagegen schenkten sie keinerlei Aufmerksamkeit, weil sie auch „den größten Teil der osmanischen Infanterie mit besonderer Verachtung behandelten“. Die Franzosen fanden zudem mit der Zeit heraus, dass es ein Zeichen des Sklavenstatus war, glatt rasiert zu sein. Wenn junge Mamelucken freigelassen wurden, durften sie sich einen Bart wachsen lassen, der außerdem ein Zeichen ihrer Geschlechtsreife war. Die Franzosen mussten später zumindest einen Schnurrbart tragen, um mit Respekt behandelt zu werden. Bonaparte wählte als Wohnsitz die Villa des Alfi Bey am AzbakiaPlatz. Auguste Marmont, ein Adjutant Napoleons, erinnerte sich, dass Kairo „mir für eine türkische Stadt sehr schön erschien. Hohe Häuser aus Stein säumten die engen Straßen, und es machte einen dicht bevölkerten Eindruck. Die großen Plätze, an denen die Stadtvillen der wichtigsten Beys errichtet worden ­waren, trugen zur Schönheit der Stadt bei. Das Stadtbild war insgesamt viel ansprechender, als wir es uns vorgestellt hatten.“ 8

Die Bevölkerung der Hauptstadt in jener Zeit, geschätzte 267 000 Menschen, lebte in etwa 75 Stadtvierteln, von denen jedes einzelne ein aus dem Volk gewähltes, von Ibrahim Bey legitimiertes Oberhaupt besaß. Leutnant Laval erinnerte sich, am 24. Juli in Kairo eingezogen zu sein. „Die Menschen waren in heller Aufregung.“ 9 Der Tod so vieler hochgestellter osmanischer Ägypter, die meist durch Heirat vielfältige Verwandtschaftsverbindungen in der Stadt hatten, führte dazu, dass die trauernden Familien den Neuankömmlingen ablehnend gegenüberstanden. „An den ersten Tagen fanden wir in der Stadt nichts. Alles war verriegelt.“ Der junge Offizier Étienne Malus, ein brillanter Mathematiker, schrieb, nur aus den lauten Klagen der Frauen, die aus den Harems ertönten, habe man schließen können, dass die Stadt bewohnt war. All-

90    E i n z u g i n K a i r o

mählich knüpften die Franzosen erste Kontakte zu einheimischen Ägyptern und fanden Möglichkeiten, sich mit Vorräten zu versorgen. Sobald die Händler in der Stadt entdeckt hatten, dass die Franzosen gut zahlten, ließen sie die Fremden wissen, wann es etwas zu kaufen gab. Al-Gabarti berichtete, die Soldaten hätten den Ägyptern gewissermaßen europäische Preise für Waren wie Eier, Brot, Zucker, Seife, Tabak und Kaffee geboten, sodass die Ladenbesitzer bald „freundlich wurden“. Die Verständigung war schwierig, und die Soldaten waren gezwungen, die Zeichensprache zu Hilfe zu nehmen. Laval erinnerte sich: „Es brauchte Zeit, ein wenig Arabisch zu lernen. Einige Juden, die etwas Italienisch sprachen, konnten Verschiedenes erklären und dienten oft als Dolmetscher.“ Zunehmend wurden auch französische Soldaten von den 1500 Cafés und öffentlichen Plätzen der Stadt angelockt. Ein weiterer Adjutant Bonapartes, Antoine-Marie Chamans de Lavalette, kam Ende Juli in die Stadt und war erstaunt darüber, wie muslimische Würdenträger auf ihren Mauleseln durch die Menge ritten. „Männer mit Stöcken gingen ihnen voraus und schlugen auf alle ein, die ihren Weg blockierten, aber auch einfach nur auf die Männer, die sich bei ihrem Erscheinen nicht erhoben.“ Bettler mit verhüllten Gesichtern stießen Schreie aus, die sich für ihn mehr wie ärgerliches Rufen denn als Bitten um Geld anhörten. In Kairo wie überhaupt im Nahen Osten mangelte es an Karren mit Rädern und anderen Fahrzeugen, weil der überall eindringende Sand sie einfach lahmgelegt hätte. Es war schwierig, sie fortlaufend einzufetten, und die Räder konnten manches Gelände nicht passieren. Außerdem verwandelte sich ein Großteil des Deltas im Spätsommer und Herbst in einen Sumpf, weil der Nil über seine Ufer trat, sodass Wagen nicht mehr fahren konnten. Ohne Fahrzeuge mit Rädern gab es keinen Grund, breite, gerade Straßen zu bauen, weil Kamele und Maultiere in engen, gewundenen Gassen gut vorankamen. 10 Da in Ägypten fast alle Wohngebiete am Nil oder nicht weit entfernt von Kanälen lagen, die vom Nil gespeist wurden, und der Transport auf dem Wasserweg weitaus günstiger war als auf dem Landweg, war es für das vormoderne Wirtschaftssystem nicht unbedingt von Nachteil, ohne Fahrzeuge mit Rädern auskommen zu müssen. Dass Kanonen mit Rädern besser zu manövrieren waren als ohne Räder, war allerdings von Bedeutung und spielte für den Sieg der Franzosen eine entscheidende Rolle. Lavalette sagte naserümpfend, die engen Straßen von Kairo seien staubig und

E i n z u g i n K a i r o     91

würden „von ich weiß nicht was für einem Mumiengeruch“ heimgesucht. Er war außerdem Zeuge, wie französische Soldaten auf flinken Mauleseln durch die Stadt streiften und schrien und lachten, während sie auf den Tieren auf und nieder hüpften. Ihrem Spaß wurde am Abend des 27. Juli ein Ende gesetzt, berichtete François, als ihnen verboten wurde, in die Stadt zu gehen, weil „eine Verschwörung im Gange war, um uns die Kehle durchzuschneiden. Die Rädelsführer der Verschwörung wurden verhaftet und geköpft. Uns wurde erneut nahegelegt, sogar innerhalb unserer Quartiere nicht ohne Waffen auszugehen.“ Einige koptische Christen in der Stadt schienen über die Ankunft ihrer französischen Glaubensgenossen geradezu begeistert gewesen zu sein, obwohl die enge Verbindung vieler Kopten zu den entthronten Beys sie in eine schwierige Situation brachte. Hauptmann Say berichtete, dass am 24. Juli ein hoher koptischer Geistlicher, den er fälschlicherweise als Mufti bezeichnete, in der „großen Moschee von Kairo“ in koptischer Sprache eine Lobeshymne sang, um den Einzug Bonapartes, des Anführers der „Krieger des Abendlandes“, in Kairo zu feiern. Sollte dieses Ereignis tatsächlich in einer der großen Moscheen der Hauptstadt statt­ gefunden haben, war es eine enorme symbolische Erniedrigung der besiegten Muslime. Say schilderte, er habe den Franzosen ein Loblied gesungen und gesagt, dass sie „den großen Gott (Allah) verehren, die Gesetze seines Propheten respektieren, die Menschen lieben und den Unterdrückten zu Hilfe eilen“. Es erscheint ein wenig unwahrscheinlich, dass ein kop­ tischer Priester sich auf Mohammed als Prophet Gottes bezogen haben soll, es sei denn, Bonaparte, der eine derartige Sprache schon in seinen Proklamationen benutzt hatte, um die Muslime zu besänftigen, hätte die Rede für ihn verfasst. Er fuhr fort: „Und wir, die wir vor Kurzem noch ein verkümmertes Volk waren, sind heute durch die Hilfe der west­lichen Krieger in den Stand freier Menschen erhoben worden.“ Say berichtete, die Rede sei „durch die Armee verbreitet worden.“ 11 Einige Ägypter, sowohl Christen als auch Muslime, pflegten engen Kontakt zu den kleinen französischen Handelsgemeinschaften in Ägypten und waren deshalb auch über einige Ereignisse seit der Revolution 1789 informiert. Bonaparte hatte Kairo, und wer Kairo hatte, hatte Ägypten. Wie viele Menschen lebten in seinem neuen Herrschaftsgebiet? Demografen schätzen, ausgehend von späteren Volkszählungen, dass die Bevölke-

92    E i n z u g i n K a i r o

rung Ägyptens im Jahre 1800 circa 4,5 Millionen Menschen umfasste. Der bedeutende ägyptische Historiker André Raymond berechnete, dass die Bevölkerung von drei Millionen Menschen im Jahre 1500 – nach der katastrophalen Schwarzen Pest – auf ungefähr viereinhalb Millionen im Jahre 1800 anwuchs, da die Bevölkerung in Kairos Umgebung in der Zeit der Osmanen bis 1798 mit einem Faktor von 1,5 wuchs. Wenn Raymond recht hat, sorgte die osmanische Herrschaft für ausreichend Sicherheit und eine gute Infrastruktur, in der die Gesellschaft sich entwickeln konnte. Die Sultane von Istanbul senkten die Steuern, boten Sicherheit und einen soliden wirtschaftlichen Unterbau, und sie beseitigten viele Regierungsmonopole. Der größte Zuwachs fand jedoch wahrscheinlich zwischen 1500 und etwa 1720 statt; im grauenvollen 18. Jahrhundert – durch unzulängliche oder zu starke Überschwemmungen des Nils und interne Mameluckenkriege in Mitleidenschaft gezogen – kann man von einem stagnierenden Wachstum der Bevölkerung ausgehen. Obwohl ­einige Länder in diesen drei Jahrhunderten etwas schneller wuchsen – in Großbritannien verdoppelte sich die Bevölkerungszahl von fünf auf zehn Millionen – wuchs Ägypten doch beachtlich. Generationen von europäischen Historikern und Diplomaten haben behauptet, die Osmanen hätten Ägypten ruiniert und entvölkert. Dieser Mythos nahm mit den Franzosen unter Bonaparte seinen Anfang. Die Franzosen führten Zahlen aus römischen Quellen an, in denen sehr glaubwürdig die ägyptische Bevölkerung unter den Cäsaren auf 7 Millionen oder sogar das Doppelte geschätzt wurde. Deshalb waren sie bestürzt, so wenige Menschen in dem Land vorzufinden, und machten die muslimische Herrschaft für diesen „Niedergang“ verantwortlich. Europäische Konsuln verbreiteten den Mythos schwindender Bevölkerung das gesamte 19. Jahrhundert hindurch, der jedoch durch eine kürzlich entdeckte Statistik widerlegt werden kann. Die Verunglimpfung passte gut in das Konzept der Franzosen, weil sie unterstellte, dass der europäische Kolonialismus für die Menschen im Nahen Osten eine positive Entwicklung mit sich brachte. Bonaparte, angenehm überrascht, dass er die Hauptstadt so problemlos hatte erobern können, machte sich daran, dort eine weitere französische Tochterrepublik mit eigenem Direktorium zu errichten, dessen Mitglieder aus den Reihen der muslimischen Geistlichen gewählt werden sollten. Am 22. Juli (4. Thermidor im Jahre 6), hatte der General eine

E i n z u g i n K a i r o     93

kurze Mitteilung an Glaubensvertreter und hochgestellte Persönlich­ keiten in Kairo gerichtet. „Gestern wurde der größte Teil der Mamelucken getötet oder gefangen genommen, und ich bin den wenigen auf der Spur, die noch übrig sind. Senden Sie mir von Ihrer Seite einige Schiffe, die auf dem Fluss liegen. Schicken Sie mir eine Abordnung, die mir Ihre Unterwerfung übermittelt. Bereiten Sie Brot, Fleisch, Stroh und Gerste für meine Armee vor, und seien Sie unbesorgt, niemand wünscht, mehr zu Ihrem Wohlergehen beizutragen als ich.“ 12

Die muslimischen Geistlichen der Universität al-Azhar brannten ebenfalls darauf, mit Bonaparte Kontakt aufzunehmen, sogar noch bevor er den Nil überquert hatte. All jene, die nicht panikartig geflohen waren, kamen in der Universität zusammen und beschlossen, einen bekannten muslimischen Händler aus Tripolis in Libyen herbeizurufen, der Französisch sprach. Dieser schrieb einen Brief an die Franzosen, in dem er um sicheres Geleit für Zivilisten bat, die in der Stadt blieben. Bonaparte empfing die Boten und bat darum, eine Abordnung der Geistlichkeit zu treffen. Er überreichte ihnen eine Proklamation, in der stand, dass die Franzosen nur den Beys feindlich gesinnt waren und sie sich um die „­Älteren, die Geistlichen, die Lohnabhängigen und die einfachen Untertanen keine Sorgen machen mussten“. Weiter erklärte er den Boten: „Die Geistlichen und die hochgestellten Persönlichkeiten der Stadt müssen zu mir kommen, damit ich aus ihren Reihen einen Diwan aus sieben weisen Männern bilden kann, der sich um alle Angelegenheiten kümmern wird.“

Er entsandte eine Delegation, die von General Dupuy angeführt wurde, der den Brief des Oberbefehlshabers übergab. Étienne Malus, ein junger Offizier, war ebenfalls dabei. Er erinnerte sich, dass „wir in Bulaq die Muftis vorfanden, die nach ein paar einleitenden Freundlichkeiten begannen, in unserer Gegenwart zu beten“. Die Geistlichen empfingen die Nachricht einigermaßen erleichtert, und die Scheichs Mustafa al-Sawi, Sulayman al-Fayyumi und andere setzten am Donnerstag, dem 27. Juli über den Nil, um Bonaparte in Giseh zu treffen. Er lachte über ihre Furcht. Danach, schrieb al-Gabarti, waren die großen Scheichs bereit, ihn zu treffen. Die Franzosen sahen in der Arabisch sprechenden städtischen Mittelklasse das Rückgrat einer französischen Republik von Ägypten, so wie

94    E i n z u g i n K a i r o

die Liberalen der Mittelklasse die Grundlage für das Direktorium in Paris bildeten, und sie betrachteten die muslimische Geistlichkeit als die natürlichen Führer dieser Klasse. Die muslimischen Geistlichen versammelten sich an Orten wie der al-Azhar, der wahrscheinlich ältesten Universität der Welt, die im 10. Jahrhundert gegründet worden war. Viele der 14 000 Seminaristen, die dort studierten – Bonapartes Schätzung –, waren eigentlich eher dafür bestimmt, private Geschäftsleute oder Staatsbeamte zu werden, als in Moscheen zu predigen. Alle, die ihre Studien dort abgeschlossen hatten, wurden Rechtsgelehrte des islamischen Gesetzes, Religionsgelehrte oder angesehene Prediger, und sie alle besaßen ein hohes Maß an moralischer Autorität. Wie in anderen muslimischen Gesellschaften, war es in Ägypten üblich, Besitz für religiöse und manchmal familiäre Zwecke zu stiften – ein Fünftel des Bodens in Ägypten gehörte Stiftungen. War ein landwirtschaft­licher Betrieb als fromme Stiftung ausgewiesen, ging der jährliche Ernteertrag als Unterstützung zum Beispiel an eine Moschee oder eine Religionsschule. Ein Geistlicher wurde für gewöhnlich zum Verwalter der Stiftung bestimmt, und er erhielt für seine Dienste bis zu zehn Prozent der Einnahmen. Hauptmann Say berichtete vom Oberbefehlshaber: „Er nutzte die Zeit, um in dieser Stadt eine Regierung nach dem Vorbild der Regierungen in den neuen Republiken in Europa zu organisieren. Er ernannte ein Direktorium … und Verwaltungen wurden in verschiedenen Provinzen eingerichtet.“ 13

Bei dem Treffen am 27. Juli, schrieb al-Gabarti, beriet sich ein Stellvertreter Bonapartes mit den Geistlichen über die Berufung von zehn muslimischen Männern des geistlichen Standes in den Diwan und legte dann, nachdem er ihren Rat eingeholt hatte, weitere Posten in anderen Bereichen der Regierung fest. Die Mitglieder des Diwans zählten zur Elite der Religionsgelehrten und religiösen Rechtsgelehrten des Landes. Zu ihnen gehörten Scheich Abdullah al-Sharqawi, Sayyid Khalil al-Bakri, Scheich Mustafa al-Damanhuri, Scheich Mustafa al-Sawi, Scheich Shams al-Din al-Sadat und andere hoch angesehene Lehrer und Schriftgelehrte, obwohl die genaue Zusammensetzung umstritten ist. Der nächste Schritt war die Ernennung führender Persönlichkeiten für Militär und Verwaltung. Die Franzosen waren anfänglich dagegen, irgendeinen dieser Posten mit Männern georgischer oder tscherkessi-

E i n z u g i n K a i r o     95

scher Herkunft zu besetzen. Sie zielten auf eine „Entmameluckisierung“ der ägyptischen Elite ab. Die muslimischen Geistlichen jedoch beharrten darauf, dass die Menschen in Kairo niemanden mehr fürchteten als die osmanischen Ägypter und dass niemand sonst sie unter Kontrolle halten könnte. Aus diesem Grund gaben die Franzosen nach und stimmten Ernennungen aus den alten Familien der Emire zu, die „nicht gewagt hatten, so tyrannisch zu regieren wie andere.“ 14 So wurde Hasan Aga Muharrem, der den Ruf eines Ehrenmannes besaß, zum Chef der Marktpolizei ernannt – diese hatte den Auftrag, Wucher zu unterbinden und die öffentliche Sitte und Moral auf dem Markt aufrechtzuerhalten. Die Tatsache, dass Arabisch sprechende ägyptische Geistliche Tscher­ kessen und Georgier in ein hohes Amt beriefen, war gelinde gesagt erstaunlich. Es ist ein Rätsel, warum die Franzosen nicht stattdessen wichtige Kaufleute auf Positionen im Diwan beriefen, verfügten diese doch über Wohlstand und Ansehen in der Stadt. Höchstwahrscheinlich dachte Bonaparte, dass der Islam das größte Hindernis war, das der Akzeptanz einer französischen Obrigkeit im Wege stehen würde, und dass nur eine aus Geistlichen gebildete Regierung aufgrund ihrer Autorität seine Behauptung glaubhaft stützen könnte, französische Gottgläubige seien in Regierungsfragen ebenso annehmbar wie mus­limische. Natürlich waren die bekannten Geistlichen häufig auch selbst bedeutende Kaufleute oder hatten in Familien dieser Gruppe eingeheiratet. Man kann es jedoch in jedem Fall als Ironie bezeichnen, dass muslimische Geistliche nur viermal in der neueren Geschichte des Nahen Ostens an die Macht kamen: unter den republikanischen Franzosen in Ägypten, unter Khomeini und seinen Nachfolgern in Iran, unter den Taliban in Afghanistan und, so könnte man behaupten, mit dem Sieg der Vereinten Irakischen Allianz bei den Wahlen vom 30. Januar 2005 im Irak, wurde doch die Allianz von dem schiitischen Geistlichen Abdul Aziz al-Hakim angeführt. Das erste und das vierte Mal gab es Unterstützung von westlicher Seite. Die erste Aufgabe, mit der Bonaparte den Diwan betraute, war die Unterbindung der ausgedehnten Plünderungen in der Stadt. Die Geist­ lichen beklagten sich, sie hätten keine Möglichkeit, dem Einhalt zu gebieten. ­Einige französische Soldaten, tadelte al-Gabarti, brachen manche der verschlossenen Villen der Beys auf, stahlen Gegenstände und ließen sie ­unverschlossen zurück. Die Franzosen brauchten einige Tage, um die Residenzen der Oberschicht abzuriegeln und das Plündern zu

96    E i n z u g i n K a i r o

beenden. Sie verhafteten den Zunftmeister der Straßensänger, exekutierten ihn und ­etliche andere. Zum Versuch der Franzosen, die Ordnung wiederherzustellen, gehörte auch, dass sie „begannen, die Straßentore und die Verbindungstore niederzureißen“. Diese Zerstörung rief den Unmut der Bevölkerung hervor, weil dadurch die Sicherheit der Menschen in Kairo bedroht war, die nachts oder bei Unruhen ihr Stadtviertel in der Regel absperrten. 15 Da die ägyptischen Häuser, wie die französischen Berichterstatter mit einigem Erstaunen feststellten, keine Schlösser an den Türen hatten, waren die Bewohner eines Viertels tagsüber auf Nachbarschaftshilfe angewiesen, um das Haus vor Fremden und Dieben schützten, und nachts auf die Absperrung des Viertels. Und jetzt ermöglichten die Europäer den Dieben, in der Nacht frei durch die Stadt zu streifen. Die meisten Franzosen nahmen Bonapartes Ankündigung ernst, den Ägyptern mit Institutionen wie dem von Geistlichen geführten Diwan die Freiheit bringen zu wollen. Die Franzosen deuteten Ägypten in einer Form, die ihnen in ihrer eigenen Welt des 18. Jahrhunderts geläufig war, und sie waren darüber hinaus in der Lage, ihre eigene Geschichte im Lichte des in Ägypten Erlebten neu zu werten. Während die rationalistischen Offiziere den weit verbreiteten Islam als reaktionären Katholizismus bezeichneten, verglichen die republikanischen Franzosen das System der besiegten Beys mit dem alten Regime in Frankreich und sahen in deren Sturz und in der Einführung von Kommunalwahlen den Anbruch der Freiheit. „Die Menschen in Ägypten lebten in erbärmlichen Umständen. Wieso sollten sie nicht die Freiheit wertschätzen, die wir ihnen bringen?“, fragte Hauptmann Say. 16 Er stellte fest, dass der Großteil des Bodens in den Händen osmanischer Ägypter war, während andere hohe Steuern zahlten und für die Bauern gerade genug übrigblieb, um zu überleben. Wer Privatbesitz hatte, riskierte Geldstrafen. „Neben seinen Feinden stehen hundert Spione bereit, einen Mann zu denunzieren, der geheime Reichtümer besitzt.“ Say berichtete, die Masse der Menschen in Kairo sei verlumpt und schmutzig. Exekutionen seien unter der Herrschaft der Sklavensoldaten an der Tagesordnung gewesen, und sie wären von einem Richter und einem Polizisten in Schnelljustiz durchgeführt worden. Ein Leben war nicht viel wert. Auch Bernoyer war der Ansicht, Tyrannei und Steuern hätten das Volk ins Elend gestürzt. „Bonaparte“, schrieb er

E i n z u g i n K a i r o     97

im Sommer 1798 zuversichtlich an seine Frau, „wird diesem Zustand zweifellos ein Ende bereiten.“ 17 Daraus kann man schließen, dass die Beys die Verarmung des Landes herbeigeführt hatten, weil sie den Löwenanteil der Einnahmen für sich behalten hatten. Außerdem betrachtete man sie nur als die Letzten in einer langen Reihe von Unterdrückern. Bernoyer kritisierte sogar die ­Pyramiden als prahlerische Werke von Tyrannen, die auf Kosten des Allgemeinwohls sich selbst unsterblich machen wollten. Durch die Vertreibung der osmanisch-ägyptischen Elite hatten die Franzosen dieses uralte Muster geändert und den Weg für eine gerechtere Verteilung der Güter frei gemacht, behauptete er. Aber das Los des einfachen Volkes würde sich nicht allein dadurch verbessern, dass es ein größeres Stück des vorhandenen Kuchens bekam. Es war vielmehr die Freiheit selbst, die eine treibende Kraft für zunehmenden Reichtum darstellte. Als er ihre ­Lebensbedingungen schilderte, schrieb er: „Sie hausen in Lehmhütten, und der Wohlstand, die Tochter der Freiheit, wird ihnen ermöglichen, diese Hütten hinter sich zu lassen.“ Für die Franzosen war Freiheit eine Kraft, die die feudale osmanisch-ägyptische Klasse hinweggefegt, Recht und Gesetz etabliert und eine unter französischer Führung gewählte Regierung eingesetzt hatte. Diese Freiheit, so dachten sie, würde auch produktiven Wohlstand hervorbringen. Obwohl er der Herr eines neuen Landes und der Architekt von dessen Freiheit war, verfiel Bonaparte in tiefe Verzweiflung und beschloss, so bald wie möglich nach Frankreich zurückzukehren. Josephine hatte schon seit langer Zeit eine Affäre mit einem ihrer Leibwächter, Hippolyte Charles, einem Adjutanten General Charles Leclercs. Gerüchte darüber hatten ihn in Italien erreicht, und er hatte gedroht, Josephine zu töten. Bonapartes vielversprechender junger Adjutant Julien und seine beiden alten Waffenbrüder und Generalskollegen Jean-Andoche Junot und Louis Alexandre Berthier organisierten, was man heute als Intervention bezeichnen würde. Eugène de Beauharnais, Josephines siebzehnjähriger Sohn aus erste Ehe und ein Adjutant des Oberbefehlshabers, schrieb aus Giseh an seine Mutter: „Nach einer Unterredung mit Julien, Junot und auch mit Berthier machte Bonaparte in den letzten fünf Tagen einen traurigen Eindruck. Diese Gespräche hatten ihm mehr zugesetzt, als ich für möglich gehalten hätte. Alles, was ich hörte, hatte

98    E i n z u g i n K a i r o

mit Charles zu tun und damit, dass er in Ihrer Kutsche bis drei Stationen vor Paris mitreiste, Sie ihn in Paris gesehen haben, Sie mit ihm in der vierten Privatloge im Theater waren, Sie Ihren kleinen Hund von ihm geschenkt bekamen und er dabei bei Ihnen war. Diese Worte konnte ich neben undeutlichem Gemurmel hören. Mutter, Ihr wisst, dass ich es nicht glaube, aber sicher ist, dass der General tief betroffen ist.“ 18

Eugène achtete darauf, seiner Mutter zu versichern, dass er von Bonaparte nicht schlecht behandelt wurde. Bourrienne, der einzig und allein Junot die Schuld für die Indiskretion zuwies, erinnerte sich, dass Bonaparte seinem Sekretär vorhielt, ihn nicht informiert zu haben, und jammerte: „Josephine! … und ich bin fast zweitausend Meilen entfernt … Ihr hättet es mir sagen sollen! So zum Narren gemacht zu werden! Fluch und Schande über sie! Ich werde all diese Naseweise und Gecken auslöschen! . . . Und was sie betrifft! Scheidung! Ja, Scheidung! Eine flammende öffentliche Scheidung!“ 19

Niedergeschmettert schickte Bonaparte einen Eilbrief an seinen Bruder Joseph. „Ägypten besitzt mehr Getreide, Reis, Gemüse und Vieh als jedes andere Land auf der Welt. Aber die Menschen leben in tiefster Barbarei. Wir können kein Geld beschaffen, noch nicht einmal, um die Soldaten zu bezahlen. Vielleicht bin ich in zwei Monaten in Frankreich.“

Er war ohne Frage tief enttäuscht über seine wirtschaftliche Lage in dem neu eroberten Land und hatte schon entschieden, dass dies nicht der richtige Ort war, um weiteres Vermögen anzuhäufen. Doch sein Entschluss, sich vom Schlachtfeld im Orient zurückzuziehen, war auch auf seine persönliche Krise zurückzuführen. In welchem Zustand auch immer – Bonaparte hatte die Regierung eines Landes vertrieben, und ihm blieb nun nichts anderes übrig, als es zu verwalten, wie profan die Aufgaben auch sein mochten, die ihn erwarteten. Das Bellen streunender Hunde auf den Straßen störte die Franzosen so sehr, dass der Oberbefehlshaber anordnete, die rebellischen Hunde massenweise zu töten – ein Unterfangen, für das seine Scharfschützen zwei Tage brauchten. 20 Die französischen Memoirenschreiber waren überzeugt, dass die Ägypter abergläubisch annahmen, dass es Unglück bringe, einen Hund zu misshandeln, und dass sie die Hunde daher frei

E i n z u g i n K a i r o     99

herumlaufen ließen. Es ist aber wahrscheinlicher, dass ihnen die Tiere als informelle Wächter ihres Viertels dienten. Im Mittelalter, im Jahre 1005, hatte der fatimidische Kalif al-Hakim Bi Amr Allah schon einmal die Hunde Kairos töten lassen. Für die Geschichtsschreiber war dies ­einer der Gründe, ihn für geisteskrank zu halten. Bonaparte hatte zwar die Emire verjagt, war aber weiterhin besorgt wegen der einheimischen Milizen, vor allem solcher, die eine Kavallerie zusammenstellen und beduinische Verbündete anwerben konnten. Er konfiszierte sofort alle gesattelten Pferde in Kairo und setzte hohe Strafen auf Pferdebesitzer aus, die sich widersetzten. 21 Außerdem forderte er, dass alle Bewohner Kairos, die die Villen der Elite geplündert hatten, ihre Beute der französischen Verwaltung übergeben sollten. *** Die einst vibrierende, wohlhabende Stadt rächte sich in den letzten beiden Juliwochen an ihren Eroberern, indem sie sich leerte und das Geschäftsleben einstellte. Bonaparte bekam die Geldnot in Kairo unmittelbar zu spüren. Die Kriegsherren hatten einen Großteil der Gold- und Silberschätze des Landes gehortet, deshalb musste Bonaparte in ihren Villen danach suchen. Von den in der Hauptstadt verbliebenen Schätzen verstaatlichte er, was er konnte, und ordnete an, dass die Frauen der exilierten Beys seine Armee unterstützen mussten. Auch nachdem die Franzosen Kairo erobert hatten und viele der osmanischen Ägypter getötet worden oder in den Süden geflüchtet waren, spielten die Haremsdamen der Tscherkessen, Georgier und Armenier weiter ihre Rolle als Damen von hohem Stand. Die Ehefrauen der Beys hatten eigenen rechtmäßigen Besitz und waren in der Lage, in den vollen Genuss des islamischen Gesetzes zu kommen, das ihnen Eigentumsrechte verlieh, die weit über die in Europa bis ins spätere 19. Jahrhundert üblichen hinausgingen. 22 Anders als in der frühen Neuzeit in Westeuropa verloren muslimische Frauen bei einer Heirat die Kontrolle über ihr Vermögen nicht an ihre Ehemänner. Osmanisch-ägyptische Frauen stifteten bedeutende Gebäude für religiöse und karitative Zwecke und prägten so den Charakter der Stadt, in der sie lebten. Muslimische Edelfrauen besaßen Landgüter und waren manchmal sogar durch männliche Mittelsmänner im Handel tätig. Obwohl sie mit den Oberklasse-Normen von Verschleiern und Abgeschiedenheit im Nahen Osten leben mussten, die ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit strenge Schranken auferlegten, und sie sich außer-

100    E i n z u g i n K a i r o

halb des Hauses nur in Schmucksänften bewegen durften, agierten sie hinter den Kulissen als Triebfedern des politischen und wirtschaftlichen Lebens. Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass muslimische Frauen der herrschenden Klasse im Mittelalter und in der frühen Neuzeit die mächtigsten und reichsten Frauen der Welt waren, obwohl viele von ihnen wie zurückgezogene Millionärinnen in den inneren Räumen ihrer Villen ­lebten. Im Harem (Enderun) herrschten klare hierarchische Strukturen. Die offiziellen Ehefrauen waren die mächtigsten und wohlhabendsten, während die Konkubinen weniger gut gestellt waren, es sei denn, sie waren freigelassene Sklavinnen und verheiratet. Einige der Sklavenmädchen in einem Harem waren Dienerinnen der Ehefrauen und hatten selten etwas mit dem Herrn des Hauses zu tun, obwohl er das Recht hatte, mit jeder der Frauen in seinem Harem zu schlafen. Der Harem war ein Zentrum der Macht und des Einflusses, und die Ängste der Männer vor den Machenschaften im Verborgenen trugen dazu bei, das Klischee vom Orient als Schlangennest der Intrigen zu bestätigen – als würden männliche Höflinge nicht intrigieren! Die Ehefrauen der Kriegsherren besaßen jetzt die volle Verfügungs­ gewalt über den zurückgelassenen Besitz ihrer Ehemänner. Sie fungierten als Bindeglied zu ihren geflohenen Ehemännern und waren immer noch in der Lage, ein Netzwerk der Loyalität unter deren Anhängern aufzubauen. Körper und Besitz dieser aristokratischen Frauen weckten das Verlangen der französischen Offiziere. Bei der Einnahme von Kairo gab Bonaparte den osmanisch-ägyptischen Frauen vierundzwanzig Stunden Zeit, um sich registrieren zu lassen und ihr gesamtes Hab und Gut und ihren Schmuck, den sie von ihrem Herrn erhalten hatten, zu deklarieren. 23 Bonaparte erlaubte den Frauen der Beys unter französischem „Schutz“ in Kairo zu bleiben und verfügte, dass sie nur in ihren Villen bleiben durften, wenn sie auf deren veranlagten Wert Steuern an die Franzosen zahlten. 24 Außerdem mussten sie Auskunft über die Anzahl der weißen und schwarzen Sklaven in ihrem Haushalt geben. Trotz der Garantien, die man den Frauen der Beys gegeben hatte, zwang man sie – häufig sogar mehrfach –, Abgaben zu zahlen. Die Frauen der bekannteren Beys, die in Oberägypten immer noch gegen die Franzosen kämpften, scheinen besonders davon betroffen gewesen zu sein. Als der Kompaniechef Rapp in den Straßen von Kairo niedergesto-

E i n z u g i n K a i r o     101

chen wurde, begannen die Franzosen zu fürchten, dass sich immer noch Gegner in der Hauptstadt versteckten. Der Verdacht fiel auf die Villa des Murad Bey. Bonaparte ließ Nefise Hanim durch Beauharnais, seinen Stiefsohn, einen Besuch zur Warnung abstatten. „Madame Murad Bey empfing mich mit größter Zuvorkommenheit“, erinnerte er sich später, „und servierte mir persönlich Kaffee“. Sie beteuerte, alle Auflagen der Franzosen erfüllt zu haben, und versuchte ihn davon zu überzeugen, dass in ihrem Heim keine verdächtige Person empfangen worden war. Sie bestand darauf, dass er mit ihr einen Rundgang durchs Haus machte, und er willigte ein, obwohl „ich doch ziemlich beunruhigt war und fürchtete, hinter den Bergen von Kissen könnte jederzeit ein in der Kunst des Köpfens geübter Mamelucke hervorspringen“. Im ersten Stockwerk des Gebäudes hielt sich eine Gruppe von Haremsdienerinnen auf. Als sie ihn entdeckten, sprangen sie auf und stürmten zu seiner Verlegenheit auf ihn zu. „Sie waren in ihrer Neugier äußerst zudringlich; sie umringten mich, drückten sich an mich, wollten meine Kleider berühren und sie mir ausziehen, sie legten ihre Hände in äußerst unanständiger Weise auf meinen Körper. Vergeblich befahl Madame Murad Bey ihnen, sich zurückzuziehen; vergeblich stieß ich selbst sie grob zurück. Man musste die Eunuchen zu Hilfe holen, die auf das Rufen ihrer Herrin herbeigeeilt kamen und diese wahnsinnigen Frauen mit einigen Peitschenhieben bändigten und sie schließlich zwangen loszulassen.“ 25

Die Sklavenmädchen, die in Not waren, weil ihr Herr nicht mehr da war, hofften vielleicht, dass ein französischer Offizier sie mit sich nehmen würde. Oft hofften sie nicht vergeblich. Zum Schluss kehrte Nefise Hanim mit einem edlen Schal und einigen Waffen ihres Ehemanns zu Beauharnais zurück und konnte für den Augenblick den Verdacht entkräften, Aufständische zu verbergen. Anfangs hatte ­Bona­parte angeordnet, dass Nefise ihren Besitz und ihre Sklaven behalten durfte, aber 600 000 Francs an die französische Armee zahlen musste unter der Androhung, dass der andere Teil des Besitzes, den ihr Ehemann ihr hinterlassen hatte, beschlagnahmt würde. Diese Zahlung war allerdings nur der Anfang. „Die Ehefrau des Murad Bey musste mehrere Male Abgaben zahlen, beim letzten Mal waren es 8000 Taler.“ ­Al-Gabarti berichtet, die Franzosen hätten die anderen adligen Damen auf dieselbe Weise „unter Druck gesetzt“, ebenso wie sie viele Offiziere

102    E i n z u g i n K a i r o

und Soldaten unter Druck setzten, „indem sie als Mittelsmänner syrische Christen“ und „Ausländer“ benutzten. Ein junger Offizier, Jean-Gabriel de Niello Sargy, behauptete, die Ehefrau des Osman Bey sei eingekerkert und mit einer Strafe von 18 000 Talern belegt worden, nachdem man sie beschuldigt hatte, mit dem Lager ihres Ehemannes in Kontakt zu stehen. Der Ehefrau des Süleyman Bey wurde ebenfalls eine Geldstrafe auferlegt, obwohl ihre Villa eine der ­ersten gewesen war, die nach dem Fall der alten Regierung vom Volk geplündert wurde. Eine Ausnahme machte Züleyha, die Frau des ­Ibrahim Bey, die eine wichtige Rolle gespielt hatte, als es beim Einmarsch der Franzosen darum ging, die europäischen Kaufleute in Kairo vor einem Massaker zu bewahren. Bonaparte belohnte sie mit der Zusage, ihr ­sicheres Geleit und eine Wache zu gewähren. Nichtsdestotrotz fand sie einen Weg, aus dem Land zu flüchten und Ibrahim in Syrien zu treffen. 26 Aber es waren nicht nur die Juwelen und der Besitz der Frauen der Beys, welche die Offiziere begehrten. Niello Sargy beobachtete: „Die Frauen aus dem Volk waren grauenhaft. Aber die Beys hatten einige hübsche Armenierinnen und Georgierinnen zurückgelassen, die sich die Generäle zum sogenannten Wohl der Nation schnappten.“ Bonaparte selbst, dem Josephine eine tiefe Wunde zugefügt hatte, war entschlossen, sein Recht auf Sexualität geltend zu machen, und „entspannte sich zuerst mit einigen Frauen der Beys und der Mamelucken. Da seine Gefühle von diesen wunderschönen georgischen Frauen nicht erwidert wurden und sie keinen gesellschaftlichen Esprit besaßen, überkam ihn ein Gefühl der Leere, und er vermisste umso mehr die lasziven italienischen und die freundlichen französischen Frauen.“ Die Offiziere waren daran gewöhnt, mit einer großen Anzahl von Frauen zu flirten, auch mit den Ehefrauen anderer Männer. Die bedeutenden Kaufleute und Gilden der Hauptstadt bildeten die zweite Gruppe, an die sich der nach Bargeld dürstende Bonaparte wandte. 27 In Kairo und den Außenbezirken der Stadt gab es zur Zeit der Invasion fast 200 solcher Gilden, obwohl die Zahl im 18. Jahrhundert kleiner geworden war. Zu ihnen gehörten wohlhabende Goldschmiede, nützliche Wasserträger und zwielichtige Zuhälter. Bonaparte ordnete an, dass die koptischen Kaufleute 60 000 Taler und die Kaffeehändler – sie gehörten zu den Reichsten im Land – 134 000 Taler zu zahlen ­hatten. 28 Die ägyptischen Kaffeehändler besaßen immer noch beeindruckende

E i n z u g i n K a i r o     103

Handelszentralen, obwohl sie von europäischen Kaffeeplantagen in deren Kolonien in Brasilien und Niederländisch-Indien Konkurrenz bekamen. Die meisten Leidtragenden arbeiteten im alten Viertel al-Qahira mit seinem berühmten überdachten Basar Khan al-Khalili und Märkten für Goldschmuck, Kupferwaren, Teppiche, Kleidung, Gewürze und Lederartikel. Rund 90 Prozent des Geldes, das in Kairo durch Handel verdient wurde, stammte aus al-Qahira. 29 Al-Gabarti hielt Bonapartes Einschätzung für allzu optimistisch und berichtete, die Franzosen hätten die Vertreter der Handelsgilden auf den Märkten zu einem Treffen gerufen, bei dem sie einen exorbitanten Vorschuss von ihnen verlangt hätten. Die Kaufleute schrien zetermordio und eilten in die Viertel alHusayn und al-Azhar, um die Geistlichen dort um Hilfe zu bitten. Die Geistlichen, jetzt der Diwan von Ägypten, setzten sich für sie ein und überzeugten die Franzosen, den Betrag um die Hälfte des ursprünglich verlangten zu reduzieren und den Kaufleuten mehr Zeit zu gewähren, das Geld zu beschaffen. Geistliche und hochgestellte Persönlichkeiten hatten lange diese Vermittlerrolle zwischen den Kaufleuten und den Beys gespielt und unterwiesen nun die Franzosen in ihrer Tradition einer auf Beratung gestützten Regierung. 30 Bonaparte war der Herr von Kairo, aber noch nicht der Herr von Ägypten. Ibrahim Bey und Murad Bey konnten sich immer noch zusammenschließen, um ihre verlorene Provinz zurückzuerobern. Ibrahim und seine 2000 Kavalleristen hatten die Kontrolle über die angrenzende Provinz Sharqia und ihre Hauptstadt Bilbeis übernommen, mit von der Partie war Ebu Bekir Pascha, der osmanische Herrscher von Ägypten und für viele Ägypter ein Symbol für Legitimität. Der osmanische Herrscher der Provinz Syrien, Ahmed Cezzar Pascha, ein Freibeuter und osmanischer Vasall, der in der Region von Akkon regierte, konnte auf der anderen Seite der Sinai-Halbinsel Ibrahim Bey strategischen Beistand und Unterstützung bieten. Schlimmer noch, sie könnten sogar an seiner Seite kämpfen. Bonaparte beschloss, Ibrahim Bey zu verfolgen. Da dieser Herrscher auch einen gewaltigen Goldschatz und andere Wertgegenstände aus der Hauptstadt fortgebracht hatte, war Bonaparte ebenso sehr auf dessen Vermögen erpicht wie auf ihn selbst. Der Korse begann damit, die Armee neu zu organisieren. Er teilte das 7.  Husarenregiment Reyniers Division zu und beauftragte ihn, die ­Provinz Sharqia einzunehmen. Die Kavallerie in Bonapartes Armee war

104    E i n z u g i n K a i r o

schlecht besetzt, weil sie nur wenige europäische Pferde mitgebracht und bis jetzt nur einige arabische Rösser eingefangen und neu ausgebildet hatte. 31 Diese Lücke war ein Nachteil für die Franzosen, wenn es darum ging, die osmanisch-ägyptische Kavallerie und die Beduinen einzuholen und gegen sie zu kämpfen. Am 1. August sandte Bonaparte eine Nachricht an Leclerc und erteilte ihm den Befehl, sich nach Bilbeis aufzumachen und sich unterwegs in den besten Dörfern einzurichten. Er sollte zu den fünf oder sechs Beduinenstämmen in der Region eine Verbindung herstellen und sie wissen lassen, dass bei der geringsten weiteren Überschreitung der Gesetze „all ihre Lager und Dörfer verwüstet würden“. Leclercs Garnison sollte ­außerdem Informationen über die Lage im Osten sammeln und diese weitergeben, ob sie nun die Karawane, Ibrahim Say oder Syrien betrafen. Zudem sollte er in den Dörfern von Sharqia Getreidemühlen errichten lassen, um die französischen Truppen mit Brot zu versorgen. 32 Leclerc, Bonapartes Schwager und Kommandant der Kavallerie, verließ Kairo am 2. August mit vier Schwadronen, Husaren und leichter Infanterie, einem Bataillon und zwei leichten Artilleriegeschützen. Hauptmann Malus schrieb eine Reihe von Berichten über ihr Vorwärtskommen an General Caffarelli. 33 Sie passierten al-Mataria, wo sie gutes Wasser und Proviant im Überfluss fanden, ohne Schwierigkeiten. Dann unternahmen sie einen Streifzug nach Abu Za’bal, weil sie gehört hatten, dass der Ort sehr wohlhabend war, stellten aber fest, dass er von Beduinen und Bauern sehr gut verteidigt wurde. Daher erwogen sie eine Umkehr und zogen erneut nach al-Khanqa, einem Dorf an der Straße nach ­Syrien, neun Meilen von Bilbeis entfernt. Die Stadt nahmen sie, anfänglich mit wenig Widerstand, am 4. August ein. Am Morgen des 5. August, sagte Desvernois, „griffen uns Ibrahim Bey, führende Sklavensoldaten und ­Beduinen an.“ 34

    105

5 Ibrahim Bey auf der Flucht

Anfangs entdeckten Leclercs Kundschafter etwa einhundert Emire, die irreguläre Verbände aus Beduinen und Bauern anführten; schlagartig aber stieg die Zahl von Ibrahims Reitern plötzlich auf tausend Mann an. Etwa um zehn Uhr morgens, so berichtete Hauptmann Malus, kam der größte Teil der beduinischen Kavallerie aus der Dattelpalmenplantage von Abu Zabal heraus, gefolgt von einem „großen Schwarm Bauern“. Nur etwa ein Sechstel der Dorfbewohner war mit Musketen bewaffnet, die übrigen hatten nur Knüppel. „Sie schwärmten aus und kesselten uns ein, um uns dann auf den Feldern aus dem Hinterhalt anzugreifen.“ Nun schlossen sich ihnen auch die Bewohner anderer Dörfer an. Die ägyp­ tischen Truppen „versuchten uns an mehreren Punkten gleichzeitig anzugreifen“, aber zunächst gelang es den Franzosen, sie mit Kanonenfeuer auf sichere Distanz zu halten. Ein junger Kavallerieoffizier, Leutnant Desvernois, schilderte, dass „wie bei der Schlacht bei den Pyramiden der Boden mit ihren Leichen übersät war.“ 1 Es kamen jedoch immer mehr Angreifer, was die Franzosen dazu zwang, sich anders zu formieren. „Wir hatten nur 600 über einen großen Abschnitt verstreute Infanteristen.“ Wie Malus berichtete, begann Leclerc zu spüren, dass er seine Taktik ändern musste. Die Einwohner von al-Khanqa erhoben sich gegen ihre neuen Kolonialherren, töteten die Wachposten im Ort und ermordeten die französischen Bäcker und Schlachter. Leclerc beschloss, die Männer umzugruppieren und an der Umfassungsmauer im Osten des Dorfes Widerstand zu leisten. Malus hielt in seinem Bericht fest, dass sich genau in diesem ­Moment der Feind zurückzog. Durch diese Darstellung wurde seine traurige Geschichte für General Caffarelli vielleicht etwas einleuchtender, plausibel ist sie aber nicht; Desvernois berichtete nicht von solch ­einem Glücksfall. Er sagte sogar im Gegenteil, dass Leclercs Männern die

106    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

Munition ausging und sie sich zurückziehen mussten. Erst um vier Uhr morgens erreichten die Franzosen ihr Lager außerhalb des Dorfes, der Kampfgeist der Soldaten war mittlerweile gebrochen. Laut machten sie ihrem Unmut Platz, schrieb Malus, und General Leclerc beschloss deshalb, sich noch am selben Abend nach al-Mataria zurückzuziehen. Bei Berichterstattungen über diese Schlachten wäre es sicherlich zu einfach, nur Logistik, Taktik und Befehle des Generals zu berücksichtigen. Das Debakel in al-Khanqa legt die zentrale Bedeutung auch ein­ facher Dorfbewohner in Konfrontationen dieser Art offen. Die durch Ibrahim Beys Widerstand ermutigte Bauernbevölkerung von al-Khanqa erhob sich gegen ihre neuen Herren, dabei töteten sie nicht nur die Wachen, sondern auch diejenigen, die für die Versorgung der ausländischen Truppen zuständig waren. Es war beinahe so, als hätten sie beschlossen, auf der Ebene ihrer sozialen Klasse etwas in Bewegung zu setzen. Auch die Bauern umliegender Dörfer strömten auf das Schlachtfeld, fünfzehn Prozent davon mit einem Gewehr bewaffnet. Diejenigen, die sich Feuerwaffen leisten konnten, stammten wahrscheinlich aus den Familien des Dorfoberhauptes; es handelte sich dabei also um reiche Bauern, die einen höheren Anspruch auf Land sowie Führungsvorrechte gegenüber den normalen Bauern und Arbeitern hatten. 2 Viele der Bauern hatten einen beduinischen Familienhintergrund und hielten verwandtschaft­liche Beziehungen zu den Nomaden aufrecht, die über ihre eigenen Kommunikationsnetzwerke verfügten. Selbst die einfachsten Ägypter entsprachen also nicht jener isoliert lebenden, fügsamen Bevölkerung, die Bona­parte erwartet hatte. Leclerc war der Rückzug aufgezwungen worden, von den entsetzten französischen Infanteristen – von denen viele einberufene Bauern waren –, die spürten, dass sie beinahe von Ägyptern ihres eigenen sozialen Standes niedergemetzelt worden wären. Eine zentrale Rolle im Kampf gegen die Franzosen spielten auch die Beduinenstämme. In den Randgebieten, die für eine ausreichende Bewässerung zu weit vom Nil entfernt lagen, wo es aber doch zeitweise gute Weidegründe gab, ging es den Beduinenstämmen sehr gut. Die großen, politisch einflussreichen Stämme züchteten Kamele, kleinere Clans dagegen nur Schafe und Ziegen. Die Franzosen gingen davon aus, dass die 60 Stämme dieser Nomadenbevölkerung dem osmanisch-ägyptischen Heer bei Bedarf etwa 20 000 Reiter zur Verfügung stellen könnten – eine grobe Unterschätzung, wenn man bedenkt, dass sie in Wirklich-

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     107

keit zehn Prozent der Bevölkerung ausmachten. Die Scheichs, also die Oberhäupter der Beduinenstämme, waren in die politischen Strukturen des osmanischen Ägyptens eingebunden; oft waren sie Provinzgouverneure, Aufseher von Wirtschaftsunternehmen wie etwa Minen oder Pächter von Ländereien, wobei sie dafür bezahlt wurden, den Bauern Schutz zu gewähren und sicherzustellen, dass diese ihre Ernte einbringen konnten. Die Scheichs gehörten zu den wohlhabendsten Menschen in Ägypten, auch wenn der Besitz einzelner Stammesangehöriger vielleicht auf einen kleinen Viehbestand beschränkt war. Allerdings war kein Beduine so arm wie ein Bauer, der kein oder nur wenig Land besaß. Angesichts der Durchschlagskraft der Beduinen als Kämpfer schrieb Bonaparte einen verbitterten Brief an das Direktorium. „Immer wieder überfielen uns Scharen von Arabern, die größten Diebe und die größten Schurken auf der Erde. Sie ermorden Muslime genauso wie Franzosen, alle, die ihnen in die Hände fallen.“ 3

Wo auch immer Bonaparte Gebiete eroberte, ging er erbarmungslos gegen die Beduinen vor. Er befahl ihre Entwaffnung, forderte, dass einige von ihnen enthauptet wurden, und nahm Geiseln. Zum größten Teil ­widersetzten sich die Beduinen der Unterwerfung erfolgreich, es gab aber auch einige, die sich mit den Franzosen verbündeten. In der Provinz Kairo gab es fünf wichtige Stämme: Aid, Bili, Huwaytat, Sawalihal und Tarrabin. Die beiden letztgenannten blieben Feinde der Franzosen, und so befahl Bonaparte, ihre Dörfer niederzubrennen und ihre Herden zu zerstören. Sie überfielen immer wieder die Randgebiete Kairos, konnten aber durch vereinten Kanonenbeschuss vertrieben werden. Die drei zuerst genannten Stämme hingegen verbündeten sich schließlich mit den Franzosen. Die Töchter des Stammesfürsten der Sawalihal waren Geiseln eines Regierungsbeamten in Kairo. Das Oberhaupt der Bili schloss sich mit seinen Kämpfern und 200 Kamelen Bonapartes Heer an, ebenso wie der Stammesfürst der Huwaytat und seine Kamelkavallerie. 4 Malus schrieb, dass, lange bevor sie sich mit ­Bonaparte verbündeten, Männer des Bili-Stamms zu denen gehört hatten, die die Franzosen in der Nähe von Bilbeis angegriffen hatten. Ohne die Bedrohung durch die aufsässigen Beduinen hätten die Franzosen Städte wie al-Khanqa sehr viel leichter und mit weit weniger militärischem Aufwand nehmen und halten können.

108    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

Leclerc und seine Männer waren ausgezogen, um eine Provinz zu erobern und einen der beiden großen Beys Ägyptens zu entmachten, nun sahen sie sich plötzlich dem Feind unterlegen und von erbittert kämpfenden Stämmen umzingelt. Als Bonaparte, sogar noch vor der Schlacht, von den Schwierigkeiten hörte, denen Leclercs Einheit auf dem Weg nach Nordosten gegenüberstand, war er zum Handeln gezwungen. Der Oberbefehlshaber setzte das Direktorium davon in Kenntnis, dass er am 5. August den Beschluss gefasst hatte, General Reynier nach al-Khanqa zu schicken, um Leclercs Kavallerie zu unterstützen, die gegen „einen Schwarm Beduinen“ auf Pferden und gegen irreguläre Bauerntruppen aus dem Gebiet von Ibrahim Bey kämpfte. Bonaparte hatte mehr als nur Dörfer im Sinn. In der Karawane, die damals gerade aus Mekka in diese Gegend zurückkehrte, sah er eine wahre Fundgrube an Informationen. „Befragt unauffällig alle Männer, die aus Bilbeis oder Syrien gekommen sind, und schickt mir ihren Bericht“, so wies er General Reynier an. Gleichzeitig ordnete er an, dass die in al-Khanqa zu errichtende Garnison so verstärkt werden sollte, dass sie einem Angriff ­widerstehen könnte, falls Ibrahim Bey beschließen würde, wieder in Richtung Kairo zu ziehen. 5 Bonaparte berichtete, dass Reyniers Truppen „etwa 50 Bauern sowie einige Beduinen getötet und in al-Khanqa Stellung bezogen hatten“. Er befahl den von den Generälen Jean Lannes und Dugua befehligten Einheiten, sich an der Verfolgungsjagd zu beteiligen, und brach auch selbst auf. Dem ägyptischen Chronisten al-Gabarti zufolge bewegten sich die französischen Truppen Welle um Welle von der Hauptstadt aus nach ­Osten. 6 Sie kamen an al-Khanqa vorüber, das Dorf war verlassen. Das Heer zog wieder nach Abu Zabal und forderte dort Nahrungsmittel ein. Al-Gabarti berichtete, dass die Einheimischen dies verweigerten, sodass die Franzosen „sie angriffen, bekämpften, vernichteten, die Stadt plünderten und dann niederbrannten“. Al-Gabartis Bericht zufolge waren alle von Bonaparte selbst angeführten französischen Soldaten unterwegs zur Provinzhauptstadt Bilbeis. Da Ibrahim Bey und seine Gefolgsleute fortgezogen waren, fanden die Franzosen Bilbeis ohne Verteidigung vor und konnten es ohne einen einzigen Schuss abzufeuern einnehmen. Bonaparte erklärte in seiner späteren Depesche an das Direktorium, dass die französischen Truppen, bevor sie in die Provinzhauptstadt gekommen waren, die von Beduinen

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     109

in die Wüste entführte Karawane aus Mekka gerettet hätten. Die reicheren Händler müssen einige Beduinen bestochen haben, die Seite zu wechseln, denn die Franzosen fanden 400 oder 500 Kamele in Begleitung von etwa hundert beduinischen Wächtern. Detroye, der Befehlshaber eines Pionier­bataillons, berichtete, dort etwa 2000 fast zu Bettlern verkommene Pilger vorgefunden zu haben, außerdem einige arme, einfache Frauen, die mit anderen in Sänften versteckt waren. „Als der Oberbefehlshaber vor die Leute trat, grüßten ihn die Pilger, als sei er der ­König von Frankreich, denn er hatte seine Absicht kundgetan, sie zu beschützen.“ 7 Bonaparte ließ die Karawane sicher nach Kairo führen. Bilbeis, so berichtete Detroye, war ein kleines Dorf, das wenig zu bieten hatte, außer dass es ein hervorragender Standort für eine Garnison war, denn es lag wie eine Art Amphitheater inmitten einer kahlen Ebene. Die Einwohner organisierten für ihre Besucher einen Markt. Das war aber nicht die einzige Geschäftstätigkeit im Ort. „Die Frauen machten ihrerseits Geschäfte, indem sie gegen etwas Kleingeld ihre Reize offen in der Straße zur Schau stellten – und viele Verehrer standen Schlange.“ Der nächste Halt auf dem Weg nach Salahia war al-Qurayn. Auch dieser Ort machte auf Detroye den Eindruck verzweifelter Armut – die typische Speise hier war ein flaches, kaum durchgebackenes Brot. Er schrieb: „Diese Dörfer [in Sharqia] ähneln in keiner Weise denen im Delta. Jedes Dorf ist ein weiträumiges, eingefriedetes Gebiet, das wiederum in viele weitere Einfriedungen aufgeteilt ist, auf denen unbedachte Behausungen stehen. Man sieht nur Bäume ohne Häuser, und wirklich ähnelt ein Dorf eher einem Wald.“

Eine andere Gruppe zurückkehrender Pilger war beim Anmarsch der Franzosen geflohen und auf Beduinen gestoßen, die bereit waren, sie sicher zum Dorf al-Qurayn zu geleiten. Auf halber Strecke allerdings brachen die Beduinen ihr Versprechen und plünderten die Pilger, selbst die Kleidung rissen sie ihnen vom Leib. Unter den Opfern war Sayyid Ahmad al-Mahruqi, ein sehr wohlhabender Mann. Bei ihrer Ankunft in al-Qurayn fanden die Franzosen nur die Überreste dieser Karawane vor. 8 Bonaparte merkte zu dieser gründlichen Plünderung durch die Beduinen an: „Ein Händler versicherte mir, dass er an Tuch und anderen Handelswaren aus Indien [umgerechnet] 200 000 silberne Fünf-FrancMünzen verloren hatte.“ Der Mann hatte „den Sitten und Gebräuchen dieses Landes entsprechend“ alle seine Frauen bei sich, und Bonaparte,

110    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

dem sehr an einem Bündnis mit den Großhändlern gelegen war, stellte der Familie Kamele für ihre Reise nach Kairo zur Verfügung. Er schrieb, dass die Frauen verschleiert waren, ein einheimischer Brauch, „an den sich das Heer nur schwer gewöhnen konnte“. Al-Gabarti deutete in seinem Bericht an, dass ihre keuschen Schleier nicht verhindert hatten, dass viele dieser Frauen von den Beduinen vergewaltigt worden waren: „Tränen wurden bei ihrem Anblick vergossen.“ Der ägyptische Chronist berichtete, dass der Oberbefehlshaber sie dafür schalt, sich den Emiren und Beduinen anvertraut zu haben. Bonapartes Begegnung mit den traurigen Überresten der Karawane kann ihn nur in der Ansicht bestärkt haben, wie bedeutsam der Handel mit dem Osten für Frankreichs imperiale Bestrebungen war und wie wichtig es war, die Handelswege zu ­sichern. Bonaparte bestellte das Dorfoberhaupt von al-Qurayn, Abu Khashaba, zu sich und forderte ihn auf, die den Pilgern geraubten Dinge herauszugeben. Abu Khashaba zeigte den Franzosen den Lagerort eines Teils der Beute, und sie luden ihn auf ihre Kamele. Dann führte er sie zu einem anderen Lager und ging hinein, wobei er zu verstehen gab, dass er weitere Schätze herausbringen würde. Doch es handelte sich um eine List – er entkam auf der Rückseite des Gebäudes. Das Lagerhaus war leer, und die Franzosen kamen mit nur eineinhalb Kamelladungen zurück zu Bona­parte. Enttäuscht von ihrer Suche nach Karawanenbeute und Kriegsschätzen, nahmen Bonaparte und seine Einheiten schließlich die Verfolgung der osmanisch-ägyptischen Reiter wieder auf. „Tagelang marschierten wir in Richtung Syrien“, so berichtete Bonaparte seinen Vorgesetzten in Paris, „Ibrahim Bey und sein Heer dabei immer vor uns hertreibend“. Am 11.  August schließlich kamen sie in Salahia an, einem Dorf, das der Oberbefehlshaber als den „letzten Ort in Ägypten, wo es gutes Wasser gibt“, bezeichnete. Von hier war es nicht mehr weit bis zur Sinai-Halb­ insel, hinter der Syrien lag. Endlich hatten sie Ibrahim Bey und seine Soldaten eingeholt. Als dieser dessen gewahr wurde, zog er sich eilig zurück. Der türkische Chronist Darendeli berichtete, dass die Beduinen bei ihrer Ankunft in Salahia mit Ibrahim Bey und seinen Männern ein Abkommen getroffen hatten. Der Beduinenführer soll gesagt haben: „Wenn die Franzosen euch hier angreifen, wird es aufgrund all der Frauen und Kinder, die ihr mit euch führt, schwierig, euch ihnen entgegenzustellen. Ich emp-

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     111

fehle euch, sie rasch einige Stunden in ein Gefecht zu verwickeln, wir werden hier in der Zwischenzeit für den Schutz eurer Frauen, Kinder und eurer Güter sorgen und garantieren euch, dass ihnen kein Leid geschehen wird.“

Die Franzosen waren besorgt. Sollten die Emire und Militärsklaven in die Wüste flüchten, hätten Bonapartes Soldaten keine Möglichkeit, sie zu verfolgen. Schlimmer noch, aus der Sorge heraus, dass ihm seine Beute entkommen könnte, war Bonaparte an jenem Morgen früh aufgebrochen, ohne auf die Infanterieeinheit von Lannes zu warten. Daher verfügte er in erster Linie über Kavallerie, die er gegen die berittenen Emire und Beduinen losschicken konnte. Und eben diese beiden Gruppen hatten sich im Kampf Kavallerie gegen Kavallerie immer als besonders geschickt gezeigt. Die Nacht brach an, so erinnerte sich der Ober­ befehlshaber, und die Pferde waren erschöpft. In einem nahegelegenen Wäldchen sichteten Kundschafter Ibrahim und seine Offiziere; sie waren dabei, die Pferde zu satteln und das Gepäck aufzuladen, schilderte ­Detroye. Bonaparte befahl seinen Reitern, anzuhalten und auf Lannes ­Infanterie zu warten, die im Eiltempo marschierte, allerdings ohne ihren General, den sie verloren hatte. Plötzlich kam die osmanisch-ägyptische Kolonne aus dem Wald heraus und folgte in ordentlichen Reihen der Straße in Richtung Wüste. Die Kamele waren schwer beladen. Ihre Nachhut wartete geduldig, bis die abziehende Kolonne sich eine halbe Wegstunde von den Bäumen entfernt hatte. Trotz der Gefahren ließ Bonaparte General Leclerc Ibrahims Nachhut angreifen. Bonaparte berichtete: „Ich verfolgte sie mit der kleinen Kavallerieeinheit, die mir zur Verfügung stand. Vor uns sahen wir die beladenen Satteltaschen in Reih und Glied ziehen.“ Auch Desvernois schilderte, dass sich die Kamele der Emire unter dem Gewicht der Schätze und ihrer in Sänften reisenden Frauen beugten. ­Bonaparte berichtete, dass sich zu diesem Zeitpunkt eine Gruppe von 150 Beduinen von Ibrahim Beys Verband löste und den Franzosen näherte, denen sie anbot, für einen Anteil an der Beute an deren Seite zu kämpfen. Beduinen, die in der Regel nicht lesen und schreiben konnten, nahmen den Islam oft leicht und schlossen politische Bündnisse eher aus praktischen als aus noblen religiösen Motiven. Al-Gabarti schrieb, dass die Beduinen die Franzosen über den Aufenthaltsort von Ibrahim Beys verstecktem Tross in Kenntnis setzten. Dann, so erinnerte sich al-Gabarti, „erfuhr auch Ibrahim Bey davon, also

112    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

ritt er los mit Salih Bey und einer Gruppe von Emiren und Militärsklaven. Sie trafen auf die Franzosen.“ Wie der Wind galoppierten Leclercs Reiter etwa drei Meilen, bevor sie in die Reichweite der Karabiner der osmanisch-ägyptischen Soldaten kamen. Wie Desvernois erzählte, hatten die 1500 osmanischen Ägypter bemerkt, dass sich in ihrem Rücken nur 200 französische Kavalleristen befanden, deren Pferde vom Laufen durch die Wüste erschöpft waren. Deshalb schwenkten die Emire und Militärsklaven plötzlich um und ritten geradewegs auf ihre Angreifer zu. Er erinnerte sich: „Der Schreck war gewaltig und das Handgemenge blutig. Wir waren einer gegen fünf; der Feind kam mit ungeheurem Überschwang und furchterregenden Schreien auf uns zu. Schon beim ersten Angriff gab es in meiner Einheit auf der rechten Flanke drei Tote und acht Verwundete. Fünf oder sechs Mamelucken, schwarze und weiße, griffen mich unaufhörlich an. Ich tötete einen mit einem Pistolenschuss und verwundete zwei oder drei mit Säbelhieben.“

Desvernois fürchtete, dass seine ­Division Gefahr lief, vernichtet zu werden. Detroye bewunderte die osmanisch-ägyptischen Reiter, „die so wendig waren, dass derselbe Franzose, der eben von einer Kugel aus einem Karabiner getroffen, gleichzeitig von einem durch dieselbe Hand geführten Säbel verletzt wurde.“ Zum Glück für Leclerc und seine Männer, die mehr Mut als gesunden Menschenverstand an den Tag gelegt zu haben scheinen, trafen nun die 3. und die 14. Dragonereinheit ein, also Infanterie und leichte Artillerie. In Bonapartes Bericht hieß es, die Emire hätten dem zweiten Angriff durch die Franzosen unnachgiebig standgehalten und ihren Angreifern großen Schaden zugefügt. „Der Kompaniechef Détrès vom 7. Husaren­ regiment wurde tödlich verletzt. Mein Adjutant Suldowsky wurde sieben- oder achtmal von einem Säbel verletzt und hat mehrere Schüsse abbekommen.“ Und dennoch konnte der Oberbefehlshaber die Tapferkeit der Mamelucken nur bewundern. „Sie sind eine exzellente Truppe leichter Kavallerie, reich gekleidet, sorgfältigst bewaffnet und mit den besten Pferden ausgestattet.“ Jeder französische Soldat und Offizier, so erinnerte er sich, verwickelte einen Mamelucken in einen Mann-gegenMann-Kampf. Desvernois sah die französische Infanterie vor einem Dilemma. Wenn sie alle einfach nur in das Handgemenge schossen, würden sie auch die

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     113

Franzosen inmitten ihrer Angreifer verletzen. Deshalb griffen die Dragoner mit einer Feuerwelle an, die die Mamelucken in die Flucht schlug. Zwar war die Kombination aus Fußvolk und leichter Artillerie in der Tat für die Mamelucken oft tödlich, aber al-Gabarti liefert einen weiteren Grund, warum sie zu diesem Zeitpunkt das Feld verließen. Ibrahim Bey hatte Nachricht erhalten, dass die Beduinen, als sie sahen, dass die Franzosen und Ägypter miteinander so beschäftigt waren, beschlossen hatten, die Beute an sich zu reißen. Er und seine Männer zogen sich daher zurück, spürten die Beduinen auf und verjagten sie. Dann brachen er und seine Truppe, zu dem auch der osmanische Gouverneur Ebu Bekir Pascha gehörte, auf nach ­el-Arisch, dem Tor zum Sinai. Der Oberbefehlshaber schloss mit offensichtlicher Genugtuung: „­Ibrahim Bey machte sich in diesem Moment auf den Weg in die syrische Wüste; er war im Kampf verwundet worden.“ Desvernois schaute sich auf dem Schlachtfeld um. Leichen von etwa hundert Mamelucken lagen dort, aber er gab zu: „Unsere Verluste waren ähnlich.“ Detroye verharmloste die Zahl der französischen Opfer und schrieb, dreizehn Franzosen seien unmittelbar in der Schlacht getötet worden und achtunddreißig verwundet, dreizehn davon tödlich. Drei französische Offiziere waren erstochen worden – Desvernois nannte es „grausam ermordet“. Detroye gab zu: „Fast alle waren wir gezeichnet.“ Bonaparte machte ­einen letzten Versuch, seinen Erzfeind zur Umkehr zu bewegen, und schickte am 12.  August mittels eines Kuriers einen vom Orientalisten Venture de ­Paradis übersetzten Brief: „Die Überlegenheit meiner Truppen kann nicht bestritten werden. Ihr steht kurz davor, Ägypten zu verlassen und die Wüste durchqueren zu müssen. Durch meinen Großmut könntet Ihr Reichtum und Wohlstand erlangen, was hingegen das Schicksal Euch bald vorenthalten wird. Lasst mich wissen, was Eure Absichten sind. Der Vizekönig des Sultans ist bei Euch. Schickt ihn zu mir mit Eurer Antwort. Ich bin gerne bereit, ihn als Vermittler zu akzeptieren.“ 9

General Augustin Belliard schrieb später, dass Ibrahim dank des Netzwerks der Beduinen Kontakt zur Küste Ägyptens gehabt und dabei etwas erfahren hatte, was Bonaparte noch nicht wusste, nämlich, dass die französische Flotte von der Royal Navy, der britischen Kriegsmarine, angegriffen worden war. Da der Bey sich demzufolge nicht sicher sein konnte, was in der Folge passieren würde, lehnte er es ab, auf das Angebot des

114    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

Oberbefehlshabers zu antworten. 10 Bonaparte soll verwirrt darüber gewesen sein, nichts zu hören, denn Murad Bey war angesichts der ihn verfolgenden französischen Offiziere wenigstens zu einem Briefwechsel bereit gewesen. Bonaparte ließ Reyniers Division in Salahia, um diesen Zugang zu Ägypten zu überwachen, und ordnete an, eine Festung zu errichten. Der Biologe Étienne Geoffroy Saint-Hilaire berichtete einen Monat später in einem Brief an seinen Vater, dass die Franzosen tatsächlich die Hauptmoschee der Stadt zu einem Fort umgebaut hatten. Detroye räumte ein, erkannt zu haben, dass die ägyptischen Truppen nicht allein mit Kavallerie angegriffen werden konnten. Die vier erklärten Hauptziele dieses Feldzugs hatte der Oberbefehlshaber nicht erreichen können: ­Ibrahim Bey zu einem Vasallen Frankreichs zu machen, den osmanischen Gouverneur aufzuhalten, die großen Reichtümer, die jener aus der Stadt gebracht hatte, in den eigenen Besitz zu bringen und das Vermögen der Handelskarawane unbeschadet nach Kairo zu bringen. *** Als Ibrahim Bey in die Wüsten des Sinai entschwand, zog er damit einen Schlussstrich unter beinahe ein Vierteljahrhundert ägyptischer Geschichte. Seit Mitte der 1770er Jahre hatte er zusammen mit Murad Bey Ägypten regiert. Nun floh er nach Osten, Murad wandte sich nach ­Süden, ihre Paläste wurden plötzlich von ausländischen Offizieren besetzt, ihre Frauen Steuerzahler der Republik Frankreich oder Mätressen französischer Generäle, ihr Gefolge und die Militärsklaven waren verstreut, tot oder hatten sich zu neuen Bündnissen verleiten lassen. Seit Mitte des 18.  Jahrhunderts hatte eine kleine Zahl mameluckischer Beys immer mehr Reichtum und Macht an sich gezogen. Sie waren jedoch keineswegs eine homogene Führungsschicht, auch Fürsten ohne Hintergrund als Militärsklaven gehörten dazu. Ihre großen „Haushalte“, bestehend aus Militärsklaven, Gefolgsleuten, Anhängern und Soldaten, funktionierten wie Clans, die immer wieder auch untereinander Fehden ausfochten. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen war das Land verwüstet worden, und die hohen Steuern hatten die Wirtschaft nahezu lahmgelegt. Als der ägyptische Kaffeehandel infolge der wachsenden Konkurrenz in Brasilien und im heutigen Indonesien zurückging, hatten sie sich gezwungen gesehen, auf die Einnahmen aus ihren riesigen Ländereien

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     115

zurückzugreifen. 11 Zwar machte sich der osmanische Sultan immer wieder die Mühe, einen Gouverneur zu schicken, aber faktisch übte dieser wenig Macht aus und schaffte es mitunter nicht einmal, die jähr­lichen Tributzahlungen an osmanische Herrscher in Istanbul sicherzustellen. Ibrahim Bey hatte zuvor im politischen Niemandsland gelebt und überlebt, um an die Macht zurückzukehren. Mehmet Ebu Zahab starb 1775 bei einem Feldzug nach Syrien, wo er einen aufständischen Scheich in Akkon in Galiläa zur Räson bringen wollte. Im darauffolgenden Jahrzehnt setzten sich Ibrahim und Murad als bedeutendste Beys in Ägypten durch. Die georgischen Mamelucken hielten an den Verbindungen zu ­ihrer Heimat fest, die aufgrund von Russlands Expansion in den Kaukasus immer stärker in den Einflussbereich von Sankt Petersburg geriet, weshalb ein Bündnis mit Russland interessant wurde. Angesichts der Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Mamelucken, um ihre Reihen zu füllen, brachten die Mameluckenführer im Jahr 1786 sogar eine Brigade aus fünfhundert russischen Soldaten ins Land. Schon Anfang der 1780er Jahre machte sich die osmanische Regierung, die Hohe Pforte, Sorgen über die Loyalität der Qazdaghli-Beys; in einem Kommuniqué an den Gouverneur von Syrien im Jahr 1783 wurde dieser davor gewarnt, dass die Tändelei dieser „ungestümen Beys“ mit Russland sich als schädlich für das Reich erweisen könnte. 12 Die auswärtigen Bündnisse der Beys waren allerdings für das Reich das kleinste Problem, wie sich herausstellte. 1784 schickten die europäischen Konsuln in Alexandria ihren jeweiligen Hauptstädten einen Bericht darüber, dass sich die Beys in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand befanden. Murad Bey hatte Kairo verlassen müssen, kam dann mit Verbündeten zurück und zwang fünf andere Beys zur Flucht. Zwischen ihm und Ibrahim kam es zum Bruch. In der Gazetta de Madrid vom 4. Oktober 1784 gab es einen Artikel, der auf dem Bericht eines Konsuls beruhte: „Die Versöhnung zwischen Ibrahim Bey und Murad Bey währte erwartungsgemäß nicht lange. Sie befinden sich offen im Krieg. Der Erstere brach auf nach Ober­ägypten, wo er seine Position stärken kann. Letzterer ist Herr über Unter­ ägypten, und man befürchtet, dass der Aufruhr bald nach dorthin übergreift.“

Um sich die Loyalität seiner Soldaten zu erhalten, soll Murad einiges an schlechtem Verhalten gegenüber der Bevölkerung toleriert haben.

116    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

Im Frühling des Jahres 1785 wurde berichtet, dass der Großscherif von Mekka aufgrund ausbleibender Tributzahlungen der Beys den Ägyptern in drei aufeinanderfolgenden Jahren die Pilgerfahrt nach Mekka oder den Besuch von Mohammeds Grab in Medina verweigerte. Al-­ Gabarti berichtete über aufrührerische Provinzgouverneure, Stammeskämpfe unter den Beduinen in der Provinz al-Buhaira, Schlägereien in den Straßen von Alexandria, Beduinenüberfälle auf Pilgerkarawanen, galoppierende Inflation und den Ausbruch einer Seuche. Ein diplomatischer Streit brach aus, als Murad Bey, dem bei seinen Fehden mit den anderen Mamelucken-Häusern das Geld ausgegangen war, plötzlich den Franzosen das Recht gewährte, Waren aus ihrer südindischen Kolonie in Pondicherry über Suez umzuschlagen. Die Briten, die eine Vereinbarung mit den osmanischen Behörden in Istanbul getroffen hatten, die eine solche Genehmigung nicht beinhaltete, protestierten lautstark. Sowohl Briten als auch Franzosen kämpften um die Vorherrschaft in Indien, und nun hatte Murad Paris unvermittelt eine gewisse Hilfestellung geleistet. Der Streit darüber, wer wo Waren umschlagen konnte, erschien immer absurder im Licht der ruinösen Steuern und Abgaben, die die Beys den Händlern auferlegten. Französische Handelshäuser in Kairo gingen bankrott, ihre Inhaber versuchten, aus dem Land zu fliehen. Im Februar und März 1786 berichteten die europäischen Konsuln von Alexandria, dass sie von einem der Beys von Kairo die Forderung über eine enorme Geldsumme erhalten hatten, zusammen mit der Drohung, dass, sollte das Geld nicht übergeben werden, eine christliche Kirche zerstört werden würde, die die Mamelucken für sie renoviert hatten. Die Europäer wandten sich an Nefise Hanim, die Frau von Murad Bey, und baten sie, etwas dagegen zu tun, jedoch vergeblich. Ibrahims Männer machten sich tatsächlich daran, die Kirche abzureißen. Aus Angst um ihr Leben verließen die Händler auf französischen Schiffen das Land und schickten eindringliche Botschaften nach Istanbul. Eine Zeit lang hatte sich das Machtzentrum des Osmanischen Reichs beunruhigen lassen, war aber aufgrund der Bedrohung Österreichs und Russlands auf dem Balkan abgelenkt. Die Ausschreitungen gegen die Europäer in Alexandria zwangen den neuen Großwesir Koca Yusuf Pascha, der im Februar 1786 sein Amt angetreten hatte, zum Handeln. Im Spätfrühjahr jenes Jahres kam ein Kurier aus Istanbul mit einer langen Liste von Forderungen. Die Beys von Kairo wurden darüber in

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     117

Kenntnis gesetzt, dass die ausstehenden Zahlungen an den Sultan in ­Istanbul eine unerhörte Höhe erreicht hatten. In den Briefen wurden sie zur Zahlung der ausstehenden Beträge aufgefordert, außerdem dazu, unverzüglich das den beiden Heiligen Stätten zustehende Getreide und Geld zu schicken, das in den vergangenen Jahren aus­geblieben war. Der Besitz der Heiligen Stätten des Islam, der Pilgerziele Mekka und Medina, bedeutete Ehre und Autorität für die osmanischen Sultane. Tausende von Muslimen kamen auf ihrer Pilgerreise jährlich dorthin. Die im ­Hed­schas, im westlichen Arabien, gelegenen Städte hatten im Hinterland nur Wüste oder karges Land und konnten ohne Importe nicht einmal alle Einheimischen versorgen, ­geschweige denn die riesige Zahl von Pilgern. Die Osmanen hatten große Ländereien in Ägypten bestellt, um die Hedschas mit ­Nahrung zu versorgen, aber die Beys hatten vermutlich sowohl das ­Getreide als auch die Erträge daraus für sich selbst abgezweigt und somit eigentlich dem Reich gestohlen. Gerüchte machten in Kairo die Runde, dass Kriegsschiffe unter dem Befehl von Hasan Pascha aus der Reichshauptstadt nach Alexandria unterwegs waren. Wie es aussah, war ­Ahmed Pascha, der Gouverneur von Dschidda, in der größten ägyptischen Hafenstadt angekommen. Im Hafen von Dschidda landeten die Pilger auf dem Weg zu den Heiligen Stätten, ­Ahmed Pascha hatte den Auftrag, dafür zu sorgen, dass das fehlende Getreide abgeliefert wurde. Beunruhigt versuchten die osmanisch-ägyptischen Beys, Zeit zu gewinnen. Anfang Juli kam ein weiterer Abgesandter von Sultan Abdül­ hamid I. und wiederholte die Forderungen. Die Beys gingen hinauf zur Zitadelle, einer riesigen Festung oberhalb von Kairo, um bei dem osmanischen Vizekönig Mehmet Pascha vorzusprechen. Murad Bey bat um einen Zahlungsaufschub für die ausstehenden Beträge und machte den Vorschlag, die Geistlichen der al-Azhar-Universität eine fromme Bittschrift an den Sultan aufsetzen zu lassen und ihn um Nachsicht zu ersuchen. Sayyid Khalil al-Bakri, Scheich Mustafa al-Sawi und andere hohe Geistliche kamen kurz darauf zusammen, um die Bittschrift zu verfassen. ­Murad äußerte allerdings gleichzeitig auch eine Drohung: Sollte der Sultan den Aufschub nicht gewähren, würde er ablehnen, die diesjährige Karawane von Kairo nach Mekka für die Pilgerfahrt auszustatten, und sich außerdem weigern, jemals wieder den Tribut zu zahlen. Ibrahim Bey, der wohl spürte, dass sein Partner dem osmanischen

118    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

­ ouverneur gegenüber zu weit gegangen war, soll al-Gabarti zufolge G „versucht haben, beide zu beruhigen“. In der Zwischenzeit hatten in Alexandria die Gerüchte von Truppenbewegungen und von der Ankunft neuer Schiffe aus Istanbul in der Bevölkerung Besorgnis hervorgerufen. Ibrahim und Murad sandten Generäle zum Hafen von Rosetta, die dort eine effektive Verteidigung sicherstellen sollten, außerdem schlossen sie ein Verteidigungsbündnis mit den dortigen Beduinen des Stammes der ­al-Hanadi. Im Juli 1786 traf der osmanische Admiral Hasan Pascha mit einem kleinen Truppenkontingent in Alexandria ein. Nachdem sein Gesandter ergebnislose Verhandlungen mit Ibrahim Bey geführt hatte, marschierte er nach Rosetta. Er sandte Kuriere in die Dörfer im Delta mit der Nachricht, der osmanische Sultan habe beschlossen, ihre Steuern erheblich zu senken. Für die Bauern waren Loyalität ihrem Sultan gegenüber und das Ansehen des großen Reichs keine ausreichenden Gründe gewesen, in der ­Angelegenheit Partei zu ergreifen, das Versprechen aber, Recht und Ordnung wieder herzustellen, brachte sie voller Begeisterung auf die Seite des Sultans, berichtete al-Gabarti. Immer stärker unter Druck, riefen Ibrahim, Murad und einige andere führende Beys „offen zur Rebellion auf und beschlossen, Krieg zu führen“. Sie versteckten ihre Schätze in kleinen Schutzhäusern und überquerten den Nil, um gemeinsam mit anderen mameluckischen Befehlshabern in Imbaba ein Militärlager zu errichten. Als Hasan Pascha die von Scheich Mustafa al-Sawi und den anderen hohen Geistlichen verfasste Bittschrift bekam, steckte er sie ein und verkündete, es sei nicht notwendig, sie an seinen Herrn weiterzuleiten, denn er selbst sei der ehrwürdige Berater des Sultans. Vermutlich spürte er eine gewisse Gefahr und wollte keine Schwächung der Macht des Reichs riskieren. Ibrahim wollte von Imbaba aus einen gemeinsamen Widerstand organisieren, konnte aber seinen Partner nicht überzeugen. Sein Plan war, dass sie sich, sollten sie Kairo nicht halten können, nach Oberägypten zurückziehen und dort auf eine Gelegenheit warten, wieder an die Macht zu gelangen. Murad Bey, der diesen Vorschlag angeblich feige fand, bestand darauf, nach Norden zu ziehen und in Rahmania auf das Heer des Sultans zu treffen. Seine Truppen wurden geschlagen, und die Boote brachten verwundete Sklavensoldaten und die Überreste von Kampfeinheiten zurück. Panik machte sich breit in Kairo. Die christliche

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     119

Bevölkerung der Stadt fürchtete Vergeltungsmaßnahmen von Seiten der Beys. Spanische Quellen berichteten, dass Nicht-Muslime durch ihre Beschwerden vor der Hohen Pforte die Invasion heraufbeschworen hätten. Ibrahim Bey machte sich auf den Weg zur Zitadelle, um sich dort zu verbarrikadieren, aber der osmanische Gouverneur hatte sich inzwischen die Loyalität der Azeban-Einheiten sichern können und diesen befohlen, die aufrührerischen Fürsten aus der Festung zu vertreiben. Später forderte der Gouverneur, dass die großen Gelehrten der al-Azhar als Zeichen ihrer Loyalität zum Reich zu ihm auf die Zitadelle kommen. Sayyid Khalil al-Bakri ging sofort darauf ein, andere hingegen ließen sich Zeit und lehnten es ab, sich gegen die Beys zu stellen. 13 Der osmanische Gouverneur Mehmet Pascha schickte eine Nachricht an Admiral Hasan Pascha, er solle unverzüglich seine Männer nach Kairo bringen, dabei war der größte Teil der Truppen des Sultans – dem spanischen Botschafter in Istanbul zufolge 25 000 Männer – noch gar nicht gelandet. Der Gouverneur versammelte die Aufständischen von niedrigerem Rang und machte ihnen deutlich, dass nur Murad Bey und Ibrahim Bey gesucht würden und dass allen anderen, die darum ersuchten, Amnestie gewährt würde. Das Angebot wurde von den mächtigen Fürsten zurückgewiesen, darunter Süleyman Bey und Eyyub Bey der Ältere, die den Boten des Gouverneurs fortjagten, seine Verfügung zerrissen und Ibrahim und Murad die Treue hielten. Die Rebellen versuchten in die Kamelställe einzubrechen und Reittiere für den Kampf zu stehlen, aber die maghrebinischen Truppen des ägyptischen Heeres, die die ­Kamele bewachten, hatten dem osmanischen Gouverneur die Treue geschworen und verjagten die Mamelucken. Mehmet Pascha hatte gehört, dass die Janitscharen einige Zeit ohne Verpflegung geblieben waren und ihr Wille aus Verärgerung darüber geschwächt war. Also ließ er Geld unter ihnen verteilen, und sie stellten sich hinter ihn. Ibrahim und Murad, die sich für kurze Zeit anlässlich des desaströsen Rahmania-Feldzugs gegen die Truppen des Sultans entfremdet hatten, versöhnten sich wieder. Ihre Männer überfielen die Städte auf der Jagd nach Waren, Nahrungsmitteln, Lasttieren und Schiffen. Kairo entzweite sich in einem Bürgerkrieg. Murad begann in Bulaq mit dem Bau von Barri­kaden, die durch seine Marine verteidigt wurden. Aber die osmanischen Schiffe trafen ein, bevor er mit dem Bau der Barrikaden fertig war, sodass er und seine Männer sich zerstreuen mussten. In großer Zahl

120    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

­ elangten nun die Truppen des Sultans mit Gewehrfeuer in die Stadt g und konnten die Kairoer für sich gewinnen. Entmutigt übersandten ­Murad und Ibrahim einen Brief an Mehmet Pascha, in dem sie ihre Reue über das Geschehene beteuerten und anboten, in den Schoß der Gemeinschaft zurückzukehren. Al-Gabarti schrieb dem Gouverneur die Worte zu: „Gott sei gelobt! Wie oft werden sie noch bereuen und zurück­ kehren?“ An jenem Abend kam Hasan Pascha unter enormem öffentlichen Beifall und Kanonensalut am Hafen von Bulaq an. „Die Menschen waren beglückt und voller Freude und sahen in ihm den Mahdi.“ Im Volksglauben des Islam erwarteten die Menschen die Ankunft eines gottgesandten Erlösers, des Mahdi – „des Geleiteten“ –, der die Gerechtigkeit auf Erden wiederherstellen würde. Al-Gabarti hatte mit dieser Wendung wahrscheinlich nur eine rhetorische Untermalung im Sinn, doch solche Vorstellungen gab es im Ägypten des 18. Jahrhunderts reichlich. Der Admiral kam schließlich in die Stadt und begab sich auf die Zitadelle, um mit Gouverneur Mehmet Pascha zu sprechen. Die Tore der Festung wurden geöffnet, und nach und nach kehrte Ordnung in die Stadt ein. Einige Banden plünderten die Häuser von Ibrahim und Murad, aber al-Gabarti berichtet, dass Hasan Pascha, als er davon hörte, seinen Truppen befahl, der Plünderung ein Ende zu machen und die Diebe zu erschießen, selbst wenn es seine eigenen Leute sein sollten. Al-Gabartis wohlwollende Darstellung von Hasan Paschas entschlossenem Eingreifen und der Wiederherstellung osmanischer Ordnung widersprach den Berichten der europäischen Konsuln, die beklagten, dass das Land weiterhin im Chaos versank. Eine der ersten Maßnahmen Hasan Paschas war die Abschaffung der irregulären Steuern, die die osmanischen Mamelucken vor allem von den europäischen Kaufleuten gefordert hatten. 14 Al-Gabartis Schilderung zufolge war Hasan Pascha fest entschlossen, die Verwaltung des osmanischen Ägyptens wiederherzustellen. Er traf mit den Geistlichen der al-Azhar zusammen, die sich bitter über die Tyrannei und die von den Beys auferlegten hohen Steuern beklagt haben sollen. Er setzte einen neuen Diwan, einen Regierungsrat ein, zu dem Befehlshaber der verschiedenen Einheiten der Janitscharen gehörten und einige der altgedienten hochrangigen Beys. Somit machte er die widerrechtliche Ver­ legung des „Regierungsrates, des Diwans, in die Zitadelle als Ort der

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     121

­ olitischen Macht“ durch die „führenden Qazdaghli-Fürsten“ wieder p rückgängig. 15 Er ernannte auch neue Befehlshaber für einige der sieben Janitscharen-Regimenter. Er vollzog eine Konterrevolution, auch indem er den Janitscharen befahl, ihre alten Sitten und Gebräuche wieder zu pflegen. Die Truppeneinheiten erhielten wieder die Kontrolle über die Gewürzzölle sowie über die Einnahmen aus dem Schlachthaus, welche ­Ibrahim Bey an sich gerissen hatte. Die so ermutigten Janitscharen fingen an, ihre Bedeutung bei den Kaufleuten und Händlern auszuspielen, sie bestanden darauf, an deren Geschäften teilzuhaben und erpressten sie. Von den versprochenen Steuersenkungen nahm Hasan Pascha nach und nach Abstand. Der Bauernschaft erlegte er eine „Befreiungssteuer“ auf, die somit für seine Eroberung des Landes zahlte. Hasan Pascha verbot den Christen, Pferde zu reiten, muslimische Diener anzustellen und Sklavenmädchen oder schwarze Sklaven zu besitzen. Christen und Juden war es auch verboten, die Namen der im Koran genannten Propheten zu tragen, die zumeist identisch waren mit denen der biblischen Propheten und Patriarchen – arabische Formen von ­Abraham, Moses, Josef, Isaak und anderen. Die Betonung der Unterschiede machte es leichter, den Status von Nicht-Muslimen herabzusetzen. Vielleicht war er in der Verfolgung seiner Ziele zu effektiv, denn die muslimischen Massen fingen an, die Christen anzu­pöbeln, und so sah er sich gezwungen, eine Verordnung zu erlassen, die den Christen als „­Untertanen des Sultans“ das Recht auf Unversehrtheit und ­Eigentum garantierte. Er beschränkte auch die Bewegungsfreiheit von Frauen in der Öffentlichkeit. Hasan Pascha lud die Frauen der aufrührerischen Mamelucken vor und ließ sie eine große Summe Geld zahlen sowie ihren Schmuck abgeben. Al-Gabarti erinnerte sich: „Von Züleyha, Ibrahim Beys Frau, forderte er ein juwelenbesetztes Diadem und andere Schmuckstücke.“ Murads Frau hatte sich verstecken können, aber Murad hatte einen Teil seiner Schätze zur Aufbewahrung in die Obhut von Sayyid al-Bakri gegeben, der sie dem Admiral übergab. Die Geistlichen der al-Azhar versuchten zugunsten von Züleyha auf Hasan Pascha einzuwirken, jedoch ohne Erfolg. Schließlich verkaufte Hasan Pascha die Sklavenmädchen und Haremsfavoritinnen der aufständischen Beys zu einem niedrigen Preis, um diese zu demütigen. Die Geistlichen der al-Azhar, darunter Scheich al-Sadat und Scheich Ahmad al-Arusi, ritten jedoch zu Hasan, um mit

122    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

ihm über diese Maßnahme zu sprechen. Sie erläuterten ihm, dass es im islamischen Recht illegal sei, einen freien Menschen zu verkaufen, und dass es auch unzulässig sei, eine Sklavenfrau zu verkaufen, die ihrem Herrn ein Kind geboren hatte. Der Admiral soll die Geistlichen verärgert zurechtgewiesen haben, weil sie es wagten, sich einzumischen und stellte sich gegen sie. Europäische Diplomaten verbreiteten Geschichten über Hasan Paschas Verhalten gegenüber den Frauen der gehobenen Klasse – für sie ein Ausdruck barbarischer Tyrannei. Hasan Pascha beabsichtigte die osmanisch-ägyptischen Herren über die Arabisch sprechende ansässige Oberschicht etwa der Geistlichen und großen Kaffeehändler zu stellen. Das war nichts Neues – die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erfolgte Machtkonzentration in den Händen der Beys aus dem Qazdaghli-Haus hatte bereits zu dieser Schichtenbildung beigetragen. Die turbulenten Ereignisse in den 1780er Jahren stellten die Weichen für die spätere französische Invasion, machten sie aber nicht unabwendbar. Französische Diplomaten und Kaufleute waren beunruhigt angesichts der offensichtlichen britischen Wertschätzung Alexandrias und Ägyptens als Schlüssel zu ihren Handels- und Kommunika­tionswegen nach Indien. Auch das von Russland gezeigte Interesse an Ägypten und das große Interesse Sankt Petersburgs an dem Land am Nil, versetzte französische Beobachter in Sorge. Einige französische Diplomaten stellten die Vermutung an, dass es mit zunehmendem Zerfall des Osmanischen Reiches immer wahrscheinlicher wurde, dass England oder Russland in der ägyptischen Provinz eingreifen würden. In der folgenden Dekade machten sich die politischen Hardliner in Paris für einen Präventivschlag stark, um für den Fall, dass Ägypten einer europäischen Macht in die Hände fallen sollte, sicherzustellen, dass dies Frankreich sein sollte. Im August 1786 waren Ibrahim Bey und Murad Bey nach Oberägypten aufgebrochen, wo sie ein paar restliche Beys auf ihre Seite zogen und sich mit den dort lebenden Beduinen verbündeten. Eine unter dem ­Admiral Hasan Pascha durchgeführte Expedition nach Süden mit dem Ziel, die beiden endgültig zu schlagen, kam im Herbst ins Stocken, als die Soldaten des Sultans in einer Schlacht mit den Aufständischen ihre Geschütze verloren und sich nach Kairo zurückziehen mussten. Hasan ­Pascha verließ Ägypten 1787, als sich ein neuer Krieg mit Russland an-

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     123

bahnte. Vor seiner Abreise begnadigte er Ibrahim Bey und Murad Bey, verlangte allerdings, dass sie in Oberägypten blieben. Um 1791 hatte sich die Aufmerksamkeit Istanbuls auf ganz andere Ziele gerichtet. In jenem Jahr raffte der Ausbruch einer Seuche in Kairo die Mitglieder der herrschenden Elite wie ihre Anhänger im gemeinen Volk dahin, was den Zusammenhalt der städtischen Gemeinschaft extrem schwächte. Nur sieben Jahre nach der Wiederherstellung des Bey-Duumvirats im Jahr 1791 kam Bonapartes riesiges Heer nach Alexandria; einmal als ­Reaktion auf die Ausbeutung der französischen Kaufleute, zum anderen, weil die aufständischen Georgier Ägypten bereits so sehr vom Osmanischen Reich losgelöst hatten, dass es unter britische oder russische ­Kontrolle hätte fallen können. In vielerlei Hinsicht ähnelte Bonapartes ­Expedition der von Hasan Pascha, bis hin zu Details wie den Verteidigungslagern in Imbaba und Bulaq. Auch zu Murad Beys Versuch eines ­Widerstands in Rahmania gibt es Parallelen, ebenso beim Appell beider Seiten an die moralische Instanz der Geistlichen der al-Azhar, dem Versprechen niedrigerer Steuern, der Rolle der europäischen Konsuln und Kaufleute beim Vorantreiben des Einmarsches und der von den neuen Herrschern angestrebten kulturellen Revolution. Außerdem suchten in beiden Fällen einige besiegte Beys Zuflucht in Oberägypten. Der Unterschied zwischen Bonapartes und Hasan Paschas Politik lag im sozialen Bereich. Hasan Paschas Erlasse hatten zum Ziel, die konservative osmanische Ordnung wiederherzustellen und die sozialen Hier­ archien zu stärken, wodurch die loyalen, sultantreuen Beamten an der Spitze der Gesellschaft standen. Hasan Pascha duldete keinerlei Einmischung von Ägyptern, nicht einmal von den Geistlichen der al-Azhar, die theoretisch die Garanten des islamischen Rechts waren. Passend dazu sollten sogar die Janitscharen in den Kasernen einen höheren Status genießen als die Arabisch sprechenden Ladenbesitzer und Händler, während diese muslimischen Kairoer wiederum einen höheren Stand hatten als Christen und Juden; Frauen hingegen sollten kontrolliert und von der Öffentlichkeit ferngehalten werden. Hasan Paschas Erlasse wären kaum nötig gewesen, wenn die Ägypter seine Vision einer gerechten Gesellschaft geteilt hätten. Ein neuer, an Europa orientierter Sultan stellte diese konservative Ordnung bald sogar in Istanbul infrage.

124    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

Bonapartes Maßnahmen kehrten jene von Hasan Pascha ins Gegenteil. Indem er den Griechen Bartholomaios al-Rumi zum Chef der ägyptischen Polizei machte und Kopten in hohe Provinzämter hob, förderte er die Christen als neue Elite. Er erhob die Arabisch sprechenden Geist­ lichen der al-Azhar in den neuen Diwan und setzte die osmanische, Türkisch sprechende Militärelite von der Spitze der Verwaltung ab. Er schaffte die den Frauen auferlegten Einschränkungen ab. Inhaltlich gab es also einen großen Unterschied. Aber wie war es bei den Methoden? Jedenfalls ist klar, warum Ibrahim Bey und Murad Bey trotz ihrer demütigenden Niederlage keinen Grund hatten, sich der Verzweiflung hinzugeben. Sie waren schon einmal sehr geschwächt gewesen und dann wieder zu Pomp und Pracht zurückgekehrt. *** Bereits am 27. Juli bat Bonaparte zum ersten Mal einige Verbündete um Ideen zu Reformmaßnahmen für Ägypten. Wie waren beispielsweise die Verwaltungsangelegenheiten im Privat- und Strafrecht am besten zu organisieren? Ohne auf Antwort zu warten, erließ er noch am selben Tag Befehle bezüglich der Provinzverwaltung. Der aus sieben Personen zusammengesetzte Diwan sollte Fehden zwischen den Dörfern verhindern, Verbrecher unter Bewachung stellen und sie nötigenfalls bestrafen. Der Rat konnte zu diesem Zweck auch auf französische Waffen zurückgreifen. Ebenso sollte es in jeder Provinz eine von einem Aga der osmanischen Janitscharen geführte Gendarmerie mit einer Garde aus sechzig Einheimischen geben, die mit der Wahrung der Ordnung beauftragt wurden. Zum Gouverneur einer Provinz wurde jeweils ein französischer General ernannt – ein Hinweis auf die eigenartige Kombination aus militärischer Besatzung und „demokratischem“ Führungskommittee, die die republikanischen Invasoren kennzeichnete. Seine ganze Laufbahn hindurch war Bonaparte so vorgegangen: Er ließ die Eroberer für die Unterwerfung zahlen, verbreitete Angst und Schrecken. Die französische Republik Ägypten machte nun Bekanntschaft mit der Freiheitsvision des korsischen Generals. Zur Zeit der französischen Invasion waren von den 4,5 Millionen Ägyptern 3,5 Millionen Fellachen – die große Mehrheit bildeten also Bauern. Sie bearbeiteten ihr Stückchen Land in kleinen, am Nil liegenden Dörfern, wandten raffinierte Bewässerungstechniken an und nutzten den durch das alljähr­ liche Nilhochwasser über die Ufer gespülten Schwemmsand als natür­

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     125

lichen Dünger. Bonaparte hatte für die ­Fellachen nur Geringschätzung übrig. „In den Dörfern können sie nicht einmal mit einer Schere umgehen. Ihre Häuser sind aus einem Haufen Schlamm gebaut. An Möbeln haben sie lediglich ein Strohbett und zwei oder drei Tontöpfe. Sie essen und verbrauchen im Allgemeinen nur sehr wenig. Mit Mühlen sind sie nicht vertraut mit der Folge, dass wir oft auf Bergen von Weizen übernachteten, ohne Mehl zu haben. Wir ernährten uns von Gemüse und tierischen Erzeugnissen. Sie benutzen Steine, um das Getreide zu Mehl zu verarbeiten. In einigen großen Dörfern gibt es Mühlen, die von Kühen angetrieben werden.“ 16

Bonaparte herrschte nun über ein Land voller Bauern und musste sich daher mit Themen wie Grundeigentum und Agrarsteuern beschäftigen. Theorie und Praxis landwirtschaftlicher Pacht im Ägypten des 18. Jahrhunderts waren kompliziert, und man sollte sich Land dabei nicht als eine Art Handelsware mit einem Besitzer vorstellen. Land war eine Ressource, die im „Besitz“ von unterschiedlichen Nutzern war, von denen jeder aus der Bewirtschaftung einen gewissen Profit zog. Theoretisch war das gesamte Land Eigentum des osmanischen Sultans. Die Beys, seine Vasallen, ersteigerten eine Steuerpacht (Iltizam), also das Recht, bestimmte Dörfer zu besteuern und einen Teil der Einnahmen für sich selbst zu behalten, während der größte Teil an die Regierung in Kairo und an den ­osmanischen Vizekönig weitergegeben wurde. Die Oberhäupter der Dörfer beanspruchten Rechte auf die Bewirtschaftung großer Teile des zum Dorf gehörenden Landes sowie die Erträge daraus. Und die Bauern erhoben Anspruch auf die Landstücke, die sie gewohnheitsmäßig bewirtschafteten. Bauern kauften und verkauften Rechte an Landparzellen, was belegt, dass in der Gesellschaft diese lokalen Ansprüche trotz des theoretischen Anspruchs des Sultans und der Steuervorrechte der örtlichen Führungsschicht anerkannt waren. 17 In jeder Provinz sollte ein koptischer Christ als leitender Steuerbeamter die Zahlung der Steuern sicherstellen – etwa den Miri, festgesetzt auf Bauern, die Land des Sultans bewirtschaften, und den Feddan, festgesetzt auf andere Ländereien je nach Landfläche –, die zuvor an die osmanisch-ägyptische Elite abgeführt wurden, nun aber an die Repu­blik gingen. Der Steuerbeamte sollte für diese Aufgabe so viele Steuer­eintreiber wie nötig anstellen und bekam einen französischen Beamten zur Seite, der über die Finanzverwaltung Bericht erstatten musste. Bonaparte

126    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

hatte den Ägyptern zuvor versprochen, sie von den erdrückenden Steuern der Beys zu befreien, nun aber beanspruchte er dieselben Steuern für seine eigene Verwaltung. 18 Koptischen Christen, die in Ägypten etwa sechs Prozent der Bevölkerung ausmachten, wurden im Islam das Recht auf Unversehrtheit und Eigenbesitz sowie Religionsfreiheit gewährt, sie hatten aber einen geringeren Status als die Muslime. Die osmanischägyptischen Regenten hatten schon lange Kopten eingesetzt, um die Steuer­einnahmen im Auge zu behalten. Aufgrund der Tatsache, dass die ­Kopten keine verwandtschaftlichen Beziehungen zur muslimischen Mehrheit hatten, hielten die Beys sie für weniger korruptionsanfällig. Einzelne ethnische Gruppen oder Kasten waren in den Verwaltungen des Nahen Ostens und Indiens oft auf derartige Tätigkeitsbereiche spe­ zialisiert. Durch den Aufstieg einer zentralisierenden, mächtigen Militärjunta im 18.  Jahrhundert gelangten einige Kopten zu Wohlstand und Macht. „Viele der großen Mamelucken-Häuser des 18. Jahrhunderts beschäftigten [hochgestellte] Kopten und übertrugen diesen viele Verantwortungsbereiche beim Führen ihrer Finanzen oder setzten sie als Schreiber beim Prüfen ihrer Bücher ein.“ 19 Diese neuen Adligen, die zu großem Wohlstand gekommen waren, entwickelten sich zu Philan­ thropen und Wohltätern der Kirche und taten sich als Führer der Gemeinschaft hervor, während die Priester an den Rand gedrängt wurden. Mit zunehmendem Wohlstand genossen die Kopten in der ägyptischen Gesellschaft wachsendes Ansehen – die Führer der Gemeinschaft nahmen sogar an muslimischen Festen teil. Bonaparte führte also keineswegs etwas Neues ein, als er die Kopten für seine Finanzverwaltung einsetzte oder sie gesellschaftlich förderte. Allerdings sorgte die Tatsache, dass er sie in gewisser Weise höherstellte als die Muslime, für viel Verärgerung. Bonaparte konnte die Verwaltung Ägyptens zum Teil deshalb so nahtlos weiterführen, weil er einfach das bereits existierende Netzwerk der ­Kopten übernahm, auf das sich schon die osmanisch-ägyptischen Herrscher gestützt hatten. Konsul Magallon und andere ägyptenerfahrene Helfer werden Bonaparte diesbezüglich in Kenntnis gesetzt haben. Vor dem Hintergrund der französischen Militärherrschaft über das Land sahen einige Muslime in der Einsetzung von Kopten wie Mata Sirafim und Binuf Gizawi als leitende Finanzbeamte eine christliche Übernahme des Landes. 20 Der muslimische Gelehrte al-Gabarti kritisierte, dass die Franzosen zwar die Pächter von Lehensgütern in ihren Ämtern

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     127

bestätigten, aber koptische Christen als Steuereintreiber für diese Güter einsetzten. „Wie Herrscher fielen diese über das Land her und setzten ihre Forderungen gegenüber den Muslimen mit Schlägen, Gefangenschaft und Demütigung und durch Zwangsmaßnahmen durch, und sie verängstigten die Menschen mit der Drohung, die französischen Soldaten zu rufen, sollten die festgesetzten Steuern nicht sofort bezahlt werden. Hinter allem steckten koptische Machenschaften und List.“ 21

Zwei Wochen nach der Einnahme von Kairo rügte Bonaparte General Joseph Zajonchek, den Gouverneur der Provinz al-Minufia, für seine schlechte Verwaltungsarbeit – offensichtlich weil er einen seiner kop­ tischen Steuerbeamten entlassen und öffentlich gedemütigt hatte: „Es hat mir missfallen, wie Ihr euch dem Kopten gegenüber verhalten habt. Ich will, dass diese Leute mit Takt und Anstand behandelt werden. Teilt mir mit, wenn Ihr Beschwerden habt über jemanden, und ich werde ihn ersetzen. Weiterhin kann ich es nicht gutheißen, dass der Steuerbeamte ohne weitere Nachforschungen seiner Schuld oder Unschuld festgenommen und dann zwölf Stunden später wieder freigelassen wurde. Das ist nicht der richtige Weg für ein gutes Miteinander. Beobachtet die Menschen in Eurer Umgebung; findet heraus, wer sich am besten eignet. Statuiert hin und wieder ein Exempel an jemandem, aber nie aus einer Laune oder aus Gedankenlosigkeit heraus.“ 22

Ganz offensichtlich war Bonaparte der Ansicht, dass die koptischen Steuereintreiber einer der Schlüssel zum Aufbau einer kolonialen Verwaltung Ägyptens waren, denn als Christen mit genauen Kenntnissen der örtlichen Gegebenheiten und Gepflogenheiten konnten sie den französischen Besetzern einen bereits funktionierenden Verwaltungsapparat zur Verfügung stellen. Er war nur allzu bereit, Beamte zu rügen, sollte er das Gefühl haben, dieser würde die guten Beziehungen zu den Kopten gefährden. Am 22. August setzte er die Generäle darüber in Kenntnis, dass es ausdrücklich verboten war, die Arbeit der koptischen Beamten zu beeinträchtigen, die mit der Versorgung des Heeres beauftragt waren. 23 Vorerst sollte die Zivilgerichtsbarkeit auf Anordnung Bonapartes genauso gehandhabt werden wie in der Vergangenheit. Auch die Handels­ tätigkeiten sollten unverändert weitergeführt werden. Er bestätigte alle Landbesitzer in Ägypten in ihrem Eigentum und erhielt auch – zumindest nach außen hin – die religiösen Stiftungen (Awqaf) aufrecht. Stif­

128    I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t

tungs­­eigentum war nach islamischem Recht nicht zu besteuern; Schätzungen zufolge war zu jener Zeit ein Fünftel des ägyptischen Bodens für verschiedene dieser wohltätigen Einrichtungen im Bereich Familie, Wohlfahrt und Religion bestimmt. Es gab gute Gründe für Bonapartes Vorgehensweise. Die muslimischen Geistlichen, die er zu gewinnen suchte, bezogen einen großen Teil ihres Einkommens aus den Stiftungen. Außerdem nutzten wohlhabende Familien sie dazu, öffent­liche Arbeiten und Familiengräber zu unterstützen – die Stiftungen aufrechtzuhalten diente also auch dazu, die Arabisch sprechende muslimische Mittelschicht zu beruhigen. Einen Einblick in Fragen dieser Art gibt ein Brief, den Bonaparte am  22. August an General Honoré Vial, den Gouverneur der Provinz ­Damiette, schrieb. „Da es der Wille des Oberbefehlshabers ist, alle religiösen Stiftungen zu respektieren und zu erhalten, werdet Ihr sicherstellen, den Dörfern al-Busrat und Kafr al-Jadid Schutz und Sicherheit zu gewähren, zu denen die Stiftungen von Ubaydullah al-Rumi gehören, die dieser für seine Nachwelt und für die Unterhaltung seines Mausoleums, eines öffentlichen Brunnens und eines Wasserspeichers in Kairo eingerichtet hat. Ihr werdet dafür sorgen, dass diesen beiden Dörfern, deren Einnahmen den Wohltätigkeitseinrichtungen zugutekommen, keine Steuern auferlegt werden.“ 25

In der Tat beklagt al-Gabarti, dass die Franzosen Kopten und christliche Syrer in vielen religiösen Stiftungen als Kontrollinstanz eingesetzt hatten und letztere deren Geld veruntreuten. Er notierte, dass sich Mitte Oktober zahlreiche auf die Stiftungen angewiesene ägyptische Muslime im Haus von Scheich al-Bakri, des berühmten Geistlichen, einfanden, bei dem sie sich bitter darüber beklagten, dass ihre Zahlungen und Brotzuteilungen gekürzt worden waren. Zu dieser bunten, aber mitleid­ erregenden Gesellschaft gehörten Blinde, Muezzins, Patienten des Krankenhauses al-Mansuri, Kinder aus den Medresen und Koranschulen, sowie Menschen, die auf die Stiftungen des angesehenen Abdurrahman ­Kethüda angewiesen waren. 26 Hinter einer in Bonapartes Korrespondenz erkennbaren Fassade von Rechtsetzung und Vernunft lauerte die unerbittliche Realität von Korruption, Macht und Terror. Als er General Menou nach Rosetta entsandte, der wichtigen Hafenstadt bei Alexandria, um die Verwaltung der dortigen Provinz zu organisieren, schrieb er mit ungewöhnlicher ­Offenheit:

I b r a h i m B e y a u f d e r F l u c h t     129

„Die Türken können nur durch größte Strenge geführt werden. Täglich lasse ich fünf oder sechs Menschen in den Straßen Kairos den Kopf abschlagen. Bisher mussten wir so mit ihnen umgehen, dass der uns vorauseilende Ruf des Schreckens vermieden wurde. Heute ist es im Gegensatz dazu notwendig, einen Ton anzuschlagen, der sie zum Gehorsam zwingt, und gehorsam sind sie nur, wenn sie Furcht haben.“ 27

Mit „Türken“ meinte er natürlich alle Muslime. In den Chroniken von ­al-Gabarti werden Exe­kutionen in Kairo erwähnt, obwohl der eher aristokratische Autor Bestrafungen des Pöbels, wie er sie nannte, kaum Beachtung geschenkt haben dürfte. Die Memoiren französischer Offiziere sind voller Berichte über Dorfbewohner, die hingerichtet wurden, allerdings sprechen sie weniger über die Situation in Kairo selbst. Bonapartes Prahlereien sollten für bare Münze genommen werden. Wenn er sich diese Zahl an Hinrichtungen zur Gewohnheit machte, tötete der Ober­ befehlshaber allein in Kairo 150 bis 180 Menschen im Monat. Von allen Generälen Bonapartes nahm vielleicht nur Menou den Oberbefehlshaber wirklich ernst und machte diese Worte zur Leitlinie seiner Führung der unterworfenen Bevölkerung. Es spricht Bände, schaut man sich die Diskrepanz an zwischen Bonapartes Behandlung einfacher Muslime, von denen täglich einige enthauptet wurden, um die anderen im Zaum zu halten, und seiner Anordnung, den koptischen Steuereintreibern kein Haar zu krümmen.

130   

6 Der schönste Nil aller Zeiten

Am 1. August machte sich der im Hafen von Rosetta stationierte Ingenieur und Wissenschaftler Prosper Jallois mit einigen Freunden zu einer Wanderung in das nahegelegene Dorf Abu Mandur auf. 1 Das Wahrzeichen des Dorfes, ein großer viereckiger Turm, beeindruckte sie, obwohl er in einem erschreckend baufälligen Zustand war. Gegen sechs Uhr abends, als die leuchtende Sonne unterging, „hörte ich plötzlich ein lautes Geräusch“. Er machte Kanonendonner aus und fragte sich: „Wo sonst konnte er herkommen, wenn nicht von der Flotte? Sie wurde angegriffen.“ Er lief zum Turm und stieg hinauf, weil er zunächst vorhatte, die Schlacht zu beobachten. Aber die furchtbaren Begleiterscheinungen solch einer Auseinandersetzung hielten ihn von seinem Vorhaben ab, er kletterte wieder herunter und machte sich auf den Weg zurück zu seinem Zimmer in Rosetta. Erneut ruhelos geworden, ging er nach oben. „Ich stieg auf die Terrasse des Hauses. Die Nacht war schwarz, deshalb konnte ich im Feuer­ schein der Kanonen zahlreiche deutliche Umrisse erkennen.“ Die Schiffe feuerten Breitseiten aufeinander ab. „Unmittelbar darauf folgte ein schrecklicher Lärm, und das grauenvolle Blutbad ging weiter. Oh! Eine Seeschlacht ist ein solch furchtbarer Gedanke.“ Er war in seine bangen Betrachtungen versunken, als „wir einen nach und nach stärker werdenden weißen Lichtschein entdeckten.“ Der leicht blaugrüne Schimmer wurde schnell größer, und es war bald klar, dass ein Schiff in Flammen stand. Es trieb im Wind, und dann begann das leuchtende Feuerwerk. Das Feuer war offensichtlich bis in ein Munitionsdepot unter Deck vorgedrungen. Das Schiff „sprang auf und ab“, erinnerte sich Jollois. „Nichts ist grauenvoller oder schöner.“ Die Schlacht schien zu Ende zu sein. Er ging wieder nach unten und versuchte zu schlafen, konnte aber vor Angst kein Auge zutun.

D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n     131

Am nächsten Morgen lief er zum Turm in Abu Mandur. Zwar hatten die Kämpfe gegen zehn oder elf Uhr abends nachgelassen, doch in der Nacht flammten sie wieder auf und wurden in der Morgendämmerung heftiger. „Die Schlacht ging weiter. Die Schiffe hissten ihre Segel und entfernten sich voneinander.“ Die Auseinandersetzung auf See dauerte den ganzen Tag. Jollois berichtete, dass beide Flotten ungefähr gleich stark zu sein schienen und dass es manchmal so aussah, als würde die Trikolore am Ende des Tages siegreich wehen. Für den größten Teil des 17. Thermidor (3. August) gab es keine weiteren Informationen über den Ausgang der Schlacht. Endlich kam ein Brief für Menou von Kléber aus Alexandria. Der engere Kreis um den General erfuhr die Wahrheit, dass nämlich „unsere Flotte nicht länger existierte und es sich bei den gesunkenen Schiffen um die Orient und die Arthémise handelte“. Desertierte Matrosen kamen nach Rosetta und brachten zusätzliche Neuigkeiten mit, berichtete er weiter. „Die Traurigkeit und die Verzweiflung waren umso größer, als die Freude zuvor so gewaltig gewesen war.“ Die Briten hatten das Schiff mit den Postsäcken gekapert und besaßen jetzt plötzlich nicht nur eine Fülle von Informa­ tionen über sämtliche Operationen der Franzosen in Ägypten, sondern sie konnten sich auch die Zeit damit vertreiben, die private Korrespondenz der französischen Soldaten zu lesen, auch die von Bonaparte. Die Briefe wurden umgehend veröffentlicht. 2 Bonaparte, der schon niedergeschlagen gewesen war, als er die Nachricht von Josephines Untreue gehört hatte, musste jetzt untätig zusehen, wie Josephines Eskapaden von seinen ärgsten Feinden in alle Welt verbreitet wurden. Admiral Horatio Nelson war mit seiner Flotte nach Alexandria zurückgekehrt; nachdem er die Segel der Franzosen entdeckt hatte, ging er das Risiko einer nächtlichen Schlacht ein und stürzte sich noch am späten Abend in den Angriff. 3 Unbekannte Untiefen und die Gefahr, blind auf die eigenen Schiffe zu feuern, hielten Marinekommandanten in der Regel davon ab, in der Dunkelheit zu kämpfen, aber Nelson schien daran keinen zweiten Gedanken verschwendet zu haben. Die beiden Flotten waren ungefähr gleich groß, jede bestand aus dreizehn Kriegsschiffen und hatte über 900 Kanonen in Stellung gebracht – nicht alle 1026 Kanonen der Franzosen waren tatsächlich aufgestellt worden. Weder die Tatsache, dass die französischen Schiffe leichter und besser zu manövrieren waren, noch dass sie schwerere Geschütze an Bord hatten, erwies sich

132    D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n

als hilfreich. Die Vorliebe der Franzosen, eher auf die Takelage als den Rumpf des feindlichen Schiffs zu feuern, kann in Verbindung mit der Technik ihrer Kanonen dazu geführt haben, dass sie zu hoch feuerten. In einigen britischen Memoiren ist zu lesen, dass die französischen Kugeln über sie hinwegzischten. Die britischen Kapitäne – ob sie einer klaren Strategie folgten, die französischen Pläne kannten oder einfach nur besonders fähig waren – zerstörten vor Sonnenuntergang den Mast der Guerrier und machten die Conquérant kampfunfähig. Eines der britischen Schiffe lief auf einer der berüchtigten Sandbänke Alexandrias auf Grund, aber der Kapitän konnte zwei nachfolgende Schiffe warnen. Die Schiffe brachten ihre Kanonen in Stellung und setzten das Feuer fort. Die Spatiate feuerte ein Schrapnell auf Nelsons Flaggschiff ab, das diesen streifte, während er eine Karte auf Deck studierte, sodass die Haut an seiner Stirn aufriss und er erblindete. Er gewann sein Augenlicht bald darauf zurück und ließ sein Gesicht von einem Chirurgen wieder herstellen. Später am Abend kamen die Briten wieder näher ­heran. Die Swiftsure und die Alexander zwangen das französische Flaggschiff L’Orient in die Knie. Die Alexander feuerte immer wieder auf die L’Orient,setzte sie in Brand, sodass das Schiff zu einer schwimmenden Gefahr für die Alexander selbst wurde, die in ihrem Windschatten segelte. Nicht lange vor Mitternacht erreichte das Großfeuer das Munitionsdepot, und das stolze Flaggschiff der Flotte zerbarst in seine Einzelteile. Brennende Trümmerteile flogen so hoch und weit, dass sie auf den Decks einiger britischer Schiffe landeten und auf einem von ihnen ein Feuer entfachten, das schnell gelöscht wurde. Die meisten Besatzungsmitglieder der L’Orient wurden bei dieser Aktion getötet. Bonapartes Prunkgemach mit dem vergoldeten Billardtisch, den Bernoyer einst so heftig kritisiert hatte, gab es nicht mehr. Während die britischen Offiziere und Matrosen frohlockten, hatten sogar einige ihrer eigenen Kapitäne ein schlechtes Gefühl angesichts dieser ungeheuren Katastrophe. Die Briten retteten vierzehn Überlebende. Die Schlacht wurde später in der Nacht und auch am 2. August weitergeführt. Ein weiteres französisches Kriegsschiff lief auf Grund und wurde letztendlich von seiner Mannschaft versenkt, zwei weitere französische Kriegsschiffe ergriffen die Flucht. Die Briten kaperten neun Schiffe und setzten drei von ihnen später in Brand. 3305 Franzosen wurden gefangen genommen, eintausend von ihnen wurden verwundet;

D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n     133

1700 Tote waren zu beklagen. Die Zahl der Verluste bei den Briten belief sich auf 218. Auch die britische Flotte war schwer beschädigt und weit von einem ­Hafen entfernt, in dem sie problemlos hätte repariert werden können. Da die Masten so vieler britischer Schiffe ver­loren oder beschädigt waren, war ein weiterer Angriff auf die Franzosen undenkbar geworden – vielleicht die einzige gute Nachricht für Paris und Kairo. Da die Briten zu viele Gefangene und zu wenig Vorräte hatten, waren sie gezwungen, alle verwundeten und viele gesunde französische Matrosen nach Alexandria zurückzubringen. Angehörige der Beduinenstämme an der Küste kamen, um den Triumph der Briten zu feiern, und „entzündeten Freudenfeuer zu ihren Ehren.“ 4 Unter den Franzosen in Ägypten löste die Nachricht vom Verlust der Flotte Bestürzung aus. Der Mathematiker Malus schrieb: „Es war abzusehen, dass von nun an jede Verbindung zu Europa abgebrochen sein würde. Wir begannen die Hoffnung zu verlieren, unser Vaterland je wiederzusehen.“ Er brach von Salahia aus nach Kairo auf, „müde, krank und traurig.“ 5 Ein französischer Offizier, der einige Zeit danach den Strand aufsuchte, sah die Leichen Hunderter von Matrosen. Ihm fiel auf, dass sie aufgrund des extrem trockenen Klimas nicht zu verwesen schienen. Das hielt nicht lange an. Jollois gab kund, dass sich der Gestank des ­Todes bald entlang der gesamten Küste verbreitete und man häufig Arme oder Beine auf makabre Weise aus dem Sand des Strandes herausragen sah. Der Oberbefehlshaber erhielt die Neuigkeiten zum 12. August in Salahia, nachdem er Ibrahim Bey aus Ägypten vertrieben hatte. 6 Nach seiner Ankunft in Kairo teilte Bonaparte seinem Generalstab die schreckliche Nachricht mit. Bourrienne, Bonapartes Privatsekretär, erinnerte sich, dass „die Katastrophe von Abukir den Oberbefehlshaber wie ein Blitzschlag traf“. Marmont schrieb einen Brief, in dem er von seiner Unterredung mit Bonaparte zu diesem Zeitpunkt erzählte. „Wir sind ohne sichere Kommunikationswege vom Mutterland abgeschnitten. Nun gut, man weiß ja, dass wir autark sind. Ägypten besitzt Reichtümer im Überfluss; wir müssen sie zum Aufblühen bringen. Einst war es ein mächtiges, unabhängiges Königreich … Wichtig ist vor allem, die Armee vor der Mutlosigkeit zu bewahren, weil das den Kern ihrer Zerstörung bedeuten würde“, zitierte der General den Ober­befehls­haber. 7 Als Bonaparte in eine noch schlimmere Depression verfiel als zu der Zeit, als er von Josephines Untreue erfahren hatte, sah er sich dem Zorn

134    D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n

seiner Offiziere wegen der Zwangslage in Ägypten gegenüber. Schon vor der Katastrophe hatte Generaladjutant Pierre Boyer an Bonaparte geschrieben, um ihn vor „den vielen Generälen, die nach Frankreich zurückkehren wollen“, zu warnen und ihn darauf aufmerksam zu machen, „dass offenbar große Unzufriedenheit in der Armee herrscht“. Murat, Lannes, Berthier und andere hatten Bourrienne Äußerungen überbracht, die „so weit gingen, dass sie fast einem Aufstand gleichkamen“. Bonaparte hatte gehofft, nach der Sicherung Ägyptens bald mit der Flotte nach Toulon zurücksegeln zu können. Jetzt saßen er und seine Armee in der Falle. Die Enttäuschung über das Land selbst und die Tatsache, dass keine ihrer Fantasien über den Orient der Wahrheit nahekam, trugen zu der verzweifelten Stimmung bei. Bourrienne schrieb dazu: Ägypten war nicht länger das Reich der Ptolemäer mit vielen dicht bevölkerten und wohlhabenden Städten; jetzt glich es eher einer monotonen Szenerie der Verwüstung und des Elends. Anstatt von den Einwohnern unterstützt zu werden, die wir ruiniert hatten, um sie vom Joch der Beys zu befreien, waren alle gegen uns: Mamelucken, Araber und Fellachen. Kein Franzose, der sich eine halbe Meile von einem unbewohnten Ort oder seiner eigenen Abteilung bewegte, war seines ­Lebens sicher. 8

Desvernois berichtete von der in Offizierskreisen kursierenden Meinung, dass sie angesichts der Unmöglichkeit, Ägypten zu verlassen, einen Weg finden mussten, um dort überleben zu können und „die Bewohner Ägyptens für die Sache der Franzosen zu gewinnen“. Sie würden sogar ägyptische Soldaten rekrutieren müssen, „um genauso erfolgreich wie die Mame­lucken zu sein.“ 9 Die Bereitschaft der Franzosen, einheimische Soldaten in ihrer republikanischen Armee zu akzeptieren, zeigt, dass sie trotz ihrer gelegentlich zutage tretenden rassistischen Ideen letztendlich von dem universalen Gedanken ihrer revolutionären Ideologie überzeugt waren – andere Völker, sogar die exotischsten, können erfolgreich integriert werden. Diese Angelegenheit setzte Bonaparte bald ganz ­praktisch in die Tat um. Miot erinnerte sich: „Er befahl, dass alle jungen ­Mamelucken, die älter als acht und jünger als sechzehn Jahre waren, und all jene Jungen, die Sklaven gewesen waren, ob schwarz oder weiß, und jetzt verlassen in Kairo lebten, entweder als Soldaten oder als Trommler in die Halbbrigaden aufgenommen werden sollten.“ 10 Unglücklicherweise konnte derselbe Universalismus die revolutionären

D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n     135

Franzosen auch dazu veranlassen, auf der Unterstützung ihrer Sache zu bestehen oder sie gar zu erzwingen. Auch kam es vor, dass sie auf sehr unschöne Weise Unterschiede machten. Ursprünglich enthielt ihr gedruckter Briefkopf in Ägypten das Wort „Orientarmee“ neben den Begriffen „Freiheit“, „Gleichheit“ und „Die Französische Republik“. Nur wenig mehr als ein Jahr nach ihrer Ankunft lautete der Kopf eines Briefes schlicht „Kolonien“, obwohl die anderen Begriffe beibehalten wurden. 11 Bonaparte musste sich jedoch zuerst einmal um die Unzufriedenheit in seinem eigenen Offizierskorps kümmern. Er lud General Joseph ­Dugua, der sich während der Schlacht bei den Pyramiden hervorgetan hatte, zum Abendessen ein und forderte ihn auf, einige Generäle dazuzubitten, darunter Murat und andere von ihm namentlich genannte. ­Dugua tat wie gebeten. Nach dem Essen erkundigte sich Bonaparte bei seinen Gästen, wie es ihnen in Ägypten ginge. Alle antworteten: „Hervorragend!“ Bonaparte antwortete: „Umso besser!“ Dann fuhr er fort: „Ich weiß, dass viele Generäle den Aufruhr unterstützen und den Aufstand predigen. […] Sie sollten sich vorsehen. Der Abstand eines Generals und eines Trommlerjungen zu mir ist gleich groß, und wenn sich die Gelegenheit bietet, lasse ich den einen ebenso leicht erschießen wie den anderen.“ Die Gruppe soll „respektvoll“ in Schweigen verfallen sein. 12 In Kairo ging das Gerede los. Al-Gabarti berichtete vom einflussreichen Seifenhändler Sayyid Ahmad al-Zarw, der über die Niederlage der Franzosen in der Seeschlacht von Abukir tratschte. 13 Al-Zarw beging den Fehler, das in Hörweite eines syrischen Christen zu machen, der ihn den Franzosen meldete. Die Franzosen zitierten al-Zarw zu sich und „konfrontierten ihn mit den Tatsachen“. Der Seifenhändler antwortete, er habe lediglich weitergegeben, was er von einem Christen gehört hatte. Der Mann wurde ebenfalls herbeigeholt. Die Franzosen drohten, sowohl al-Zarw als auch seinem Freund die Zungen abzuschneiden, wenn sie nicht beide die enorm hohe Summe von hundert Francs zahlten. Muslimische Geistliche wollten vermitteln, aber die Franzosen wiesen sie ab. Schließlich bot Scheich Mustafa al-Sawi, ein Mitglied des Diwans, zweihundert Francs an, und seine Fürsprache wurde akzeptiert. Der repu­ blikanische Offizier trug ihm auf, das Geld an die Armen zu verteilen. ­Danach, so berichtete al-Gabarti, „unterließen es die Leute, über die Angelegenheit zu sprechen“. Nichtsdestotrotz schöpften alle, die gegen die Franzosen waren, Mut aus dem von Admiral Nelson verursachten Un-

136    D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n

glück. Dazu gehörte auch Murad Bey, der seinen Widerstand gegen die Eindringlinge von seinem Zufluchtsort in Oberägypten aus verdoppelte. Diese Geschichte lässt ahnen, dass das in der Hauptstadt verbreitete Gerede, das vom beduinischen „Nachrichtendienst“ durchs ganze Land getragen wurden, als Mittel des Widerstands gegen die Franzosen diente, die dadurch wiederum herausgefordert waren, die Einwohner zu überwachen und zu bestrafen. Die Methoden der Bestrafung waren dieselben wie die der Vollstrecker Ludwigs XVI. und der osmanischen Sultane. *** Zu Bonapartes größten Problemen bei dem Versuch, Ägypten zu regieren, gehörte seine mangelnde Legitimation: Er war ein ausländischer General europäischer und katholisch-christlicher Herkunft. Viele Ägypter befürchteten, er würde sie zur Konversion zwingen. Der Biologe Saint-­Hilaire schrieb in jenem August: „Die Frauen haben viel mehr Angst. Sie hören nie auf zu weinen und zu klagen, dass wir sie zwingen werden, ihre Religion zu ändern.“ 14 Die mittelalterlichen Gesetze und Traditionen des Islam lehrten Muslime, dass sie es nach Möglichkeit vermeiden sollten, unter der Herrschaft eines Nicht-Muslims zu leben, auch wenn das Emigration bedeutete. Einige Rechtsgelehrte erlaubten eine Ausnahme, wenn der nicht-muslimische Herrscher dem Islam nicht feindlich gegenüberstand und die Religion frei ausgeübt werden konnte. Dieses Schlupfloch war Bonapartes einzige Chance, und er verfolgte sie, als wäre er ein Winkeladvokat in einem alles entscheidenden Fall. Um seine Position als pro-islamischer Herrscher eines muslimischen Landes zu unterstreichen, übernahm Bonaparte den Vorsitz über das Fest am Nil und das Fest zur Geburt des Propheten, die im August stattfanden. Obwohl die Ägypter vor zwei Jahrtausenden die heidnische Religion aufgegeben hatten, in der der anschwellende Nil als Gott Hapi verehrt wurde, hatte der große Fluss immer noch immense religiöse Bedeutung. Sie nannten ihn den „gesegneten Nil“. 15 Der Quartiermeister Bernoyer beobachtete: „Die Ägypter sehen im Nil ihren Vater und in der Erde ihre Mutter, und es ist ihnen völlig gleichgültig, ob sie im Tode dem einen oder der anderen übergeben werden.“ Die jährliche Überschwemmung des Nils galt immer noch als Orakel, das voraussagte, ob es ein gutes oder ein schlechtes Jahr werden würde. Diese Wasserader, der längste Fluss der Erde, erstreckte sich von Quellflüssen und Zuflüssen in Afrika bis nach Äthiopien und den Sudan und wand sich dann durch die

D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n     137

ägyptische Wüste, wo sie eine Besiedelung ermöglichte. Im Winter und Frühling sank der Wasserspiegel und blieb niedrig. Die Monsunregen im Sommer brachten die Wasser des Blauen Nils in den Hochländern von Äthiopien zum Anschwellen, sodass der Wasserspiegel in Ägypten im Juni zu steigen begann. Mitte August oder Anfang September begann der Fluss unaufhaltsam seine Ufer zu überschwemmen. Die Ägypter hatten schon vor Tausenden von Jahren ihren Frieden mit diesem sanften, jedes Jahr wiederkehrenden Naturereignis geschlossen und ihre Häuser und ihren Ackerbau so organisiert, dass sie das Hochwasser zu ihrem Vorteil nutzen konnten. Sie lebten mit ihm, anstatt vor ihm zu fliehen. Kairo verwandelte sich für die Hälfte des Jahres in Venedig, und das Delta glich den Everglades in Florida. Die Bewohner der Dörfer an den Ufern des Flusses bauten ihre Hütten auf Pfähle, um nicht jedes Jahr vom Wasser überrascht zu werden, und entwickelten ein Dammsystem, mit dem sie ihr Ackerland zuerst fluten und später wieder trockenlegen konnten. Ingenieure in der Stadt bauten ­Kanäle und Becken, um das Wasser aufzufangen. Jedes Jahr ließ das zurückgehende Wasser auf den Ackerflächen eine dicke Schlammschicht zurück, die wie natürlicher Dünger wirkte. So wurde für viele große Reiche aus dem Nildelta die Kornkammer des östlichen Mittelmeers. Fiel das Hochwasser in einem Jahr zu niedrig aus, wurde nicht genug Land überschwemmt, und die Ernte fiel schlecht aus. War es zu hoch, trug das Getreide Schäden davon. Das Nilometer (arab. migyas) auf der Nilinsel Roda wurde jedes Jahr mit ziemlicher Furcht beobachtet, weil man gut daran ablesen konnte, wie sich die Wirtschaft in dem betreffenden Jahr entwickeln würde. Das Hochwasser musste mindestens sechzehn Ellen hoch steigen, damit die Dämme brachen. Auch ­Bonaparte ging wie ein muslimischer Herrscher dorthin und inspizierte es. 16 Am Morgen des Nilfestes ließ sich Bonaparte ein Flussschiff, die Aqaba, schmücken, und die wenigen Beys, die sich den Franzosen angeschlossen hatten, richteten ebenfalls einige Galeonen festlich her. Der Oberbefehlshaber befürchtete immer noch, dass die neue politische Lage nicht sicher genug sei, und rief die Menschen dazu auf, am Fluss und auf der Insel Roda spazieren zu gehen, wie sie es gewohnt waren. Al-Gabarti erinnerte sich, dass die Bewohner Kairos über diesen Aufruf

138    D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n

alles andere als begeistert waren, während „neue Steuern auferlegt worden waren, Häuser geplündert wurden, Frauen und Sklavenmädchen belästigt, ja sogar entführt und eingesperrt wurden“. Mustafa Pascha, der Stellvertreter des Vizekönigs, stieg von seinem Anwesen herab und gesellte sich zu Bonaparte. Hinzu kamen die wichtigsten sunnitischen Geist­lichen des Diwans, die Agas (Kommandeure) des Janitscharenkorps und andere hochgestellte Persönlichkeiten. Sie alle ritten auf ihren reich geschmückten Pferden in einer Parade zum Damm der al-SaddBrücke. Bonaparte und der stellvertretende Vizekönig, die einzige verbliebene Spur osmanischer Herrschaft in Ägypten, wurden unter einen prachtvollen Baldachin gesetzt. Die hochrangigen französischen Offiziere waren ebenfalls zugegen. Die Franzosen behaupteten, eine große Menschenmenge habe sich an Land und auf dem Wasser versammelt. Französische und ägyptische Musikgruppen spielten auf. Als Bonaparte das Zeichen gab, den Damm zu öffnen, so erinnerte sich Desvernois, „stürzte das Wasser durch die Öffnungen und strömte wie ein Sturzbach in den Kanal. Das Nilboot (Vali) überquerte langsam den Fluss. In der Zwischenzeit stürzten sich alle, Männer, Frauen und Kinder durcheinander, in den Nil und übergaben dem Wasser Büschel von Pferdemähnen, Kleidungsstücke und andere Opfer, um von Allah die Fruchtbarkeit ihrer Frauen oder die Erhaltung ihrer Schönheit zu erbitten.“

Eine große Gruppe Tänzerinnen, berichtete Hauptmann Say, „bewegte sich leichtfüßig am Kanal entlang und erfreute die Menge mit ihren lasziven Tänzen“. Die französische Zeitung Kairos, der Courrier de L’Égypte, berichtete, dass Bonaparte große Mengen kleiner Münzen in die Menschenmenge und Goldstücke auf die Decks der vorbeifahrenden Boote warf. Den obersten Geistlichen hatte er mit einer schwarzen Robe und den Anführer der Nachkommen des Propheten mit einer weißen Robe ausstaffiert. Außerdem verteilte er Kaftane an die hochrangigen französischen Offiziere, um sie zu ehren. Arbeiter warfen die tönerne Statue einer Frau in den Fluss, die fiancée genannt wurde, ein Ritual, ein Überbleibsel einer alten pharaonischen Sitte, dem Flussgott eine Jungfrau zu opfern. Die Menschen schienen betrunken zu sein. Dann zogen sich die offiziellen Teilnehmer in einer Prozession zurück. Die Menschen begleiteten sie, sangen Loblieder auf

D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n     139

den Propheten und, so behauptete Desvernois, „auf die französische ­Armee“, und fährt fort, sie hätten dem Oberbefehlshaber zugerufen: „Wir erkennen sehr wohl, dass du der Gesandte des Propheten bist, denn dein ist der Sieg und der schönste Nil aller Zeiten.“ Kairos Flussläufe und Kanäle füllten sich. Die Franzosen erlaubten nicht, dass der Azbakia-Platz zeitweise in ein Wasserbecken verwandelt wurde, weil sie dort einen Teil ihrer militärischen Ausrüstung untergebracht hatten. Al-Gabarti notierte verächtlich, dass an diesem Abend auf den Kanälen nicht wie sonst Familien in Booten unterwegs waren, außer Christen, Syrern, Kopten und Europäer mit ihren Frauen. Er schrieb, dass die muslimische Bevölkerung die Abendveranstaltung des Festes im Großen und Ganzen boykottiert habe, mit Ausnahme einzelner Personen. Die Franzosen dagegen erinnerten sich an eine fröhliche musli­ mische Schar, die tagsüber ihre Befreiung von den Beys feierte und ­Napoleon zum Propheten ausrief – eine unerhörte Gotteslästerung. ­Al-­Gabarti berichtete von einer Bevölkerung voller Groll, deren Hab und Gut geplündert und deren Frauen vergewaltigt worden waren. Die Franzosen konnten Kopten und syrische Christen nicht von Muslimen unterscheiden und waren froh, dass die einfachen Muslime ihre Häuser verließen in der Hoffnung, einige von Bonapartes Münzen zu ergattern. Al-Gabarti hatte weder die christlichen Gruppen noch die muslimischen Arbeiter im Blick und konzentrierte sich ganz auf die muslimische Mittelund Oberschicht, die diesen Tag wahrscheinlich eher beklagte als feierte. In den darauffolgenden Wochen begannen der See Azbakia und die Kanäle der Hauptstadt wieder die Hauptrolle im Leben der Bewohner Kairos als gern besuchte Orte für Bootsfahrten und zur Abkühlung am Abend zu spielen. Hauptmann Say erinnerte sich gerne daran zurück: „Der Himmel war so klar, fast nie nebelverhangen, die Sterne funkelten auf ihrem azurblauen Untergrund, und das Leuchten so vieler Lichter spiegelte sich im Wasser wider. Diese Spaziergänge an einem klaren Tag oder in der köstlichen Kühle der Nacht bereiteten große Freude. Mit welch intensivem Wohlgefallen diese Menschen, die zwölf Stunden unter einer brennenden Sonne verbracht haben, hierherkommen, um den erfrischenden Atem Zephirs an diesen Seen einzuatmen.“

Die üblichen Jahrmarkts-Gaukeleien mit Wahrsagern, kleineren Dar­bie­ tungen und feierlichen Sufi-Ritualen begleiteten dieses Fest. Ursprüng-

140    D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n

lich war es ein dem Flussgott geweihtes Fest der Pharaonen und ihrer Untertanen. Die koptischen Christen und dann die Muslime hatten es sich angeeignet, behielten aber die heidnische Bedeutung der Befreiung von moralischen Vorschriften bei, weshalb „Trunkenheit, Spiele, Unterhaltung und Todesfälle vorkommen konnten.“ 17 Als die besonders rationalistisch gesinnten französischen Beobachter dieser Art von ägyptischem Volksislam in der Öffentlichkeit begegneten, missbilligten sie ihn sehr und sahen in ihm abergläubische Praktiken der ägyptischen Unterschichten. Auch François Bernoyer vertrat diese Philosophie und war ein – so könnte man sagen – jakobinischer Bürger. Er beschrieb eine von SufiMystikern vollzogene Zeremonie, der er während des Nilfestes beiwohnte. Bernoyer tat die führenden Sufis als Scharlatane ab: Sie waren wie Mönche gekleidet. Das Oberhaupt dieser Gruppe saß, umringt von seinen Schülern, auf dem Boden. Der erste Besucher erschien und bat um gött­ liche Inspiration. Er näherte sich dem ehrwürdigen Hohepriester und warf sich mehrere Male vor ihm nieder. Der Hohepriester packte ein Haarbüschel des Bittstellers und zwang ihn so, sich zu erheben. Dann befahl er ihm mit drohender Miene, seine Augen zu schließen und den Mund weit zu öffnen. Er bekam Speichel des Hohepriesters in seinen Mund. Daraufhin begann er grauenvoll zu schreien, und seine Gliedmaßen versteiften sich. Man konnte das knackende Geräusch seiner Knochen hören. Es sah aus, als würden seine Augen aus den Höhlen treten. Dickflüssiger Schaum trat aus seinem Mund. Dann wälzte er sich nackt im Sand. 18

Der Scheich – wahrscheinlich aus dem Sufi-Orden der Shadhiliyya – beendete die Zeremonie indem er unter seinem Gewand einen Sack voller Schlangen hervorholte und sie über den Bittsteller kriechen ließ. Später sah Bernoyer eine alte Frau von etwa sechzig Jahren oder mehr, die vollständig nackt auf einer prachtvollen Stute saß. Sie stoppte bei jedem Haus und wurde von den Bewohnern mit dem größtem Respekt empfangen. „Sie berührten ihr Gesäß mit den Fingerspitzen und führten diese dann an ihre Lippen.“ 19 Im ägyptischen Islam dachte man, Segenswünsche (Baraka) wohnten in bestimmten Bäumen, Schreinen oder Menschen. Ihr Normverstoß – Nacktheit, eine Frau auf einem Pferd – stattete die alte Frau in den Augen der Menschen mit übernatürlichen Kräften aus. Der Geschichtsschreiber al-Gabarti berichtete ebenfalls von dieser

D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n     141

Frau als einer „gotttrunkenen“ weiblichen Mystikerin aus dem Volk. Wie Bernoyer missbilligte auch er volkstümliche religiöse Praktiken. Bonaparte enttäuschte sowohl Bernoyer als auch al-Gabarti mit seiner strategischen Haltung zur Religion. Ungeachtet seiner zahlreichen antireligiösen Erklärungen und Proklamationen in der Vergangenheit hatte Bonaparte nun beschlossen, die Religion als Verbündete zu betrachten. Dabei unterschied er nicht sehr zwischen den verschiedenen Religionsformen, die er einbeziehen wollte. Instinktiv bemühte er sich zuerst um das Ansehen der formal anerkannten, bedeutenden Geist­ lichen, damit diese seine Unternehmung in Ägypten unterstützten. Parallel dazu und falls diese Strategie fehlschlug, benutzte er bereitwillig den islamischen Volksglauben mitsamt seinen Heiligen, Riten und wundertätigen, charismatischen Weisen, wenn ihm das die Loyalität der Menschen einbrachte. Die Unterstützung des Nilfestes war in seinen ­Augen nur ein erster Schritt, mit dem er sich in Ägypten religiöses Charisma zulegen wollte als „Großer Sultan“ und Verteidiger des Glaubens. *** Vor dem Gewaltmarsch der Franzosen von Kairo nach Alexandria war keine Zeit gewesen, das Territorium in Unterägypten, durch das die ­Armeen gekommen waren, zu sichern. Die hiesige Bevölkerung, aufsässig und weitgehend außer Kontrolle, fühlte sich noch stärker zu Attacken auf die Franzosen ermutigt, als sie vom Untergang der Flotte in Abukir hörte. Bonaparte seinerseits war in Ägypten von der Außenwelt abgeschnitten und musste seine Machtbasis angesichts des geballten Widerstands im Süden nun im Delta errichten. Die Hafenstädte am Mittelmeer, die von der britischen Flotte blockiert wurden, mussten sich ihre Versorgung aus dem Hinterland beschaffen, das nicht von den Franzosen kontrolliert wurde. Beduinische Stammesführer, immer noch loyal gegenüber den entmachteten osmanischen Ägyptern, beherrschten die Handelsstraßen, die Kornspeicher, die Dörfer und einige Städte. Einige Emire hielten sich in Städten und Dörfern im Delta verborgen und führten den Widerstand an. Die französischen Terrorpraktiken führten bisweilen eher zu mehr Entschlossenheit als zu Unterwerfung. Sogar in der Nähe der Hauptstadt waren unvorsichtige Soldaten vor Dorfbewohnern und Beduinen nicht sicher. Millet erzählte, wie er und seine Einheit Ende Juli, Anfang August für zwei Wochen in die Gegend um die Pyramiden abkommandiert wurden. 20 Dort, mitten im Wüsten-

142    D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n

sand und zwischen den gespenstischen Gräbern der Pharaonen, hatten sie nicht einmal Brot zu essen. „Eines Tages“, schrieb er, machten sich „viele Kavalleristen und Musketiere“ in ein nahegelegenes Dorf auf, „um etwas zu essen zu finden“. Sie stahlen den Dorfbewohnern offenbar Weizenvorräte und vermahlten sie mit Handmühlen direkt vor Ort zu Mehl. Plötzlich erschienen vierzig Beduinen, die „wussten, dass diese Soldaten keine Waffen zu ihrer Verteidigung mit sich führten, drangen in das Dorf ein und enthaupteten die unglückseligen Soldaten, insgesamt ungefähr zwanzig; nur zwei, denen es gelungen war, sich zu verstecken – der eine in einem Ofen und der andere in einem tönernen Wasserkrug –, konnten entkommen.“ Die Information, dass Beduinen im Dorf waren, war bis in das Lager vorgedrungen, aber der diensthabende General in Giseh, behauptete Millet, nahm an, die Soldaten dort wären bewaffnet, und schickte keine Verstärkung los. Ein fatales Missverständnis, sagte er, und er kannte die Schuldigen. „Da es immer Männer gibt, die mehr tun, als ihnen befohlen wurde, hatte ein niederträchtiger Majoradjutant“ untersagt, „dass irgendein Soldat das Lager bewaffnet verließ, und genau das war die Ursache für das Unglück dieser Soldaten“. Sogar in Sharqia, das Bonaparte gerade eingenommen hatte, sah sich die Garnison, die in Bilbeis zurückgelassen wurde, weiteren Aufständen ausgesetzt. Feldwebel François schrieb, dass am 19.  August das Dorfoberhaupt von Qurain zu seinem Kompaniechef kam und ihn warnte, etwa 1500 bis 1800 Mann, sowohl Beduinen als auch Bauern, hätten sich in seinem Zuständigkeitsbereich versammelt. „Diese Truppe war darauf aus, uns anzugreifen, weil sie wusste, dass wir nur wenige waren (458 Mann).“ 21 In der Nacht „drangen diese Banditen an allen Ecken in unser Feldlager ein; aber gut verschanzt hinter Erdwällen töteten wir 33 ihrer Männer.“ Die Franzosen fuhren in Bilbeis mit dem Bau ihrer Festung aus Lehmziegeln fort. Sie konnten in den umliegenden Dörfern Fleisch und Geflügel kaufen, aber auch „flache Blätterteigkuchen, die sehr gut sind und einigermaßen sauber. Denn die Türken sind im Allgemeinen schmutzig. Aber wir schauten sie nicht aus der Nähe an; wir dachten daran, dass wir eines Tages Muslime werden könnten und dann noch elender aussähen als sie.“ Was den Soldaten und Unteroffizieren noch schlimmer erschien, als inmitten einer feindlichen Bevölkerung zu Tode zu kommen, war die bedrohliche Aussicht darauf, dass ein Überleben auf lange Sicht nur

D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n     143

durch Assimilierung und Übernahme inländischer Sitten möglich sein könnte. Die Provinzen im Westen von Bilbeis waren für die Franzosen sogar noch gefährlicher. Niello Sargy erinnerte sich an den August 1798: „Man konnte noch nicht einmal auf dem Nil reisen, ohne gegen Beduinen und Araber kämpfen zu müssen, die von den Bewohnern der am Fluss liegenden ­Dörfer unterstützt wurden. Schiffe, die nach Rosetta und Damiette fuhren, wurden immer häufiger angegriffen.“ 22

Der Ingenieur Villier du Terrage räumte ein, dass die Schwierigkeiten auch durch die Plünderungen der Franzosen entstanden waren. So musste er Mitte August in Begleitung einer bewaffneten Eskorte von Rahmania nach Kairo reisen, „weil wir ahnten, dass man auf uns schießen würde; das Feuer kam in der Regel aus Dörfern, die erst kürzlich von Franzosen oder Beduinen geplündert worden waren“. Am 23. August beschrieb Hauptmann Thurman seine Rückkehr von Kairo nach Rahmania in Ruderbooten, wobei er und seine Begleiter ständig auf Sandbänke liefen, die durch das steigende Hochwasser nicht mehr zu erkennen ­waren: „Bei diesen Reisen auf dem Nil liefen unsere Boote häufig auf Grund. Die Beduinen und Bauern nutzten die Gelegenheit und feuerten auf uns. Wir antworteten auf ihren Beschuss, während die Matrosen damit beschäftigt waren, unsere Boote wieder flottzumachen. Viele unserer Männer wurden getötet oder verwundet.“

An der Nilmündung, beschwerte sich Niello Sargy, war es „fast un­ möglich, britischen Kriegsschiffen zu entkommen“. General Auguste ­Marmont beschrieb, warum diese Situation untragbar war: „Während dieser Zeit war die Armee in hohem Maße auf Kriegsmunition angewiesen, die in Alexandria gelagert war. Und in Alexandria wurde der Weizen benötigt, der in Rosetta oder am Nil eingelagert war.“

Die großen Mündungsarme im Delta hatten sich im Laufe der Zeit verlagert, wodurch Alexandria vom Wasser abgeschnitten wurde und ohne natürliche Süßwasserzufuhr zurückblieb, das aus dem Landesinneren in die Stadt gebracht werden musste. Es war notwendig, die Bauern dazu zu bewegen, dem Kanal, der nach Alexandria führte, nicht zu viel Was-

144    D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n

ser zu entziehen, was wiederum die militärische Kontrolle des Hinterlandes erforderlich machte. Niello Sargys Ziel war Damanhur. Dort war General ­Félix Dumuy Mitte Juli mit einem Aufstand konfrontiert worden, der ihn zwang, sich nach Alexandria zurückzuziehen. Mitte August rückte ­Kléber, der in ­Alexandria stationiert war, mit Truppen an, um die Beduinen zurück­ zudrängen und Damanhur erneut einzunehmen. Am 18. August schrieb Bonaparte an General Marmont, dass er, sollte die Expedition zur Unterwerfung Damanhurs fehlschlagen, mit zwei Kolonnen sämt­liche feindlichen Truppen aus der Provinz vertreiben und dann die Bewohner der Stadt für ihr Verhalten gegenüber General Dumuy bestrafen sollte. 23 ­Kléber gelang es tatsächlich, die Stadt mit 4000 Einwohnern wieder unter französische Kontrolle zu bringen, und Niello Sargy fand „alles in geordneten Verhältnissen“ vor. Kléber war zu der Vermutung gelangt, dass der ehemalige Gouverneur von al-Buhaira, Sayyid Muhammad Kurayyim, hinter den Kulissen zu den Drahtziehern der Revolte in Damanhur gehörte und dass die Spitze seiner Truppe Beduinen waren, die den Truppenbewegungen der Franzosen feindlich gegenüberstanden. Der rechtschaffene Elsässer trug mit Sorgfalt Beweismaterial gegen den Gouverneur zusammen, überzeugte Bonaparte von dem Fall und ließ Ersteren am 15. August als „Verräter der Französischen Repu­blik“ festnehmen. 24 Niello Sargy beklagte sich darüber, dass die Franzosen trotz ermutigender Neuigkeiten in Sicherheitsfragen zu diesem Zeitpunkt Not litten. Die Import- und Exportzölle in Alexandria hatten zuletzt 50 000 Grands Écus (300 000 Francs) im Monat betragen. Seit Beginn der britischen Blockade waren diese allerdings auf Null gefallen. Sie hatten keine andere Wahl und mussten versuchen, den Gold- und Silberschatz aus Malta, der vor der britischen Attacke nach Rosetta in Sicherheit gebracht worden war, zu Geld zu machen. Sie hofften, 185 000 Francs dafür zu erhalten, was in etwa den Zolleinnahmen entsprach, die in früheren Zeiten in ­Alexandria innerhalb von zwei Monaten aufgekommen waren. Als der junge Offizier Jean-Pierre Doguereau, dessen Vater Perückenmacher war, im August nach Alexandria kam, fand er die Strände übersät mit den Trümmern der einstigen französischen Flotte. Er wurde Zeuge eines Ereignisses, dass die unsichere Lage der Franzosen im Delta bestätigte. 25 Die Briten sichteten in Alexandria ein aus Frankreich kom-

D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n     145

mendes Schiff zwischen Marabout und dem Burg el-Arab (Turm der Araber) und nahmen seine Verfolgung auf. Der Kapitän spürte schon den Atem des Feindes im Nacken und beschloss, dass sie leichter entkommen konnten, wenn sie auf den Strand aufliefen und dann zu Fuß der Küstenlinie folgten. Die Matrosen sprangen mit der wertvollsten Fracht des Schiffes an Land, „waren aber nicht umsichtig genug, ihre Waffen mit von Bord zu nehmen“. Kaum hatten ihre Füße den Sand berührt, wurden sie von einem Beduinenstamm angegriffen. Die Stammesangehörigen „zogen sie splitterfasernackt“ aus und schlugen sie, einige wurden getötet. Dann ritten sie mit ihrer Beute auf und davon. Die Franzosen versuchten zu fliehen, aber weitere Beduinen erschienen und hackten sie mit ihren Säbeln in Stücke. Einige nahmen sie gefangen, weil sie hofften, Lösegeld erzielen zu können. Von den insgesamt siebzig Männern – ob Passagiere oder Matrosen – wurden nur fünfzehn verschont. Unter den Toten war auch ein General. Die Beduinen boten Kléber die Überlebenden gegen eine entsprechende Geldsumme an. „Sie kamen praktisch nackt an und waren halbtot und von der Sonne verbrannt.“ Die Kontrolle der Franzosen über das Delta blieb mangelhaft. In einigen Städten lagen kleinere Besatzungseinheiten, doch die Gefahr lauerte auf dem Land. Menou und Marmont nahmen bei einer Exkursion ins Landesinnere einige Wissenschaftler mit, darunter Alix Delile, ­Déodat Dolomieu, Dominique-Vivant Denon und einen Landschaftsmaler namens Joly, zusammen mit einer Eskorte aus sechzig Infanteristen, die mit Musketen bewaffnet waren. Die Offiziere und ­Intellektuellen ­waren zu Pferde und ritten ihrer Eskorte versehentlich etwas voraus. ­Außerhalb der Mauern eines größeren Dorfes, vielleicht Kafr Shabbas Amir, das auf einem künstlich angelegten flachen Hügel errichtet war, trafen sie plötzlich auf zweihundert bewaffnete Bauern, die „Irga! Irga!“ (Geht zurück! Geht zurück!) riefen und einige Schüsse über die Köpfe der Fremden abfeuerten. Die Situation blieb heikel, bis die Infanterie eintraf und zum Angriff überging. Sie erklommen die mit Zinnen bewehrten Mauern des Dorfes, setzten später die hölzernen Tore in Brand und umzingelten auf diese Weise die Kämpfenden im Dorf. Schließlich fiel das Dorf an die Franzosen – doch unerkannt, im Schutze der Dunkelheit, griffen die Dorfbewohner weiter an und konnten zwanzig Soldaten töten oder verwunden. Menous Pferd wurde unter

146    D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n

ihm erschossen, und Joly aus der Begleitergruppe wurde tödlich am Kopf getroffen. Marmonts Abteilung machte sich auf den Rückweg nach Rosetta. Marmont hatte früher in seinem Bericht die Klugheit und die Neugier der Beduinen gegenüber den Franzosen mit dem Mangel an Erstaunen oder Wahrnehmungsvermögen der Dorfbauern verglichen, die an den französischen Regimentern vorbeigingen, „ohne sie anzusehen“. Diese herablassende Haltung war verhängnisvoll. Marmont war sich nicht darüber im Klaren, dass es für eine rangniedrige Person in den ­hierarchischen Gesellschaften im Asien und Nordafrika jener Zeit den Tod bedeutete, einer gesellschaftlich ­höhergestellten Person in die ­Augen zu sehen. Die Bauern waren weder dumm, noch mangelte es ihnen an Neugier, sie waren nur ob ihrer Erfahrungen mit vormaligen Kriegsherren vorsichtig. Aber Marmonts Streifzug durch das Delta stand unter einem schlechten Stern und zeigte, dass dort, wo sie sich eine Chance ausrechneten, gut bewaffnete, mutig gewordene Bauern bereit waren, den Eindringlingen entschlossen Widerstand zu leisten. Jollois in ­Rosetta schrieb am 13. August in sein Tagebuch: „Von der Kolonne, die ausgesandt wurde, um ein Dorf am Nil in Brand zu setzen, sind einige Trupps zurückgekehrt.“ 26 General Honoré Vial wurde mit nur etwa fünfhundert Mann nach ­Damiette geschickt, der Hafenstadt im Osten von Alexandria. Auf seinem Weg dorthin stationierte er am 4. August hundertzwanzig Mann in Mansura, der Hauptstadt der Region mit achttausend Einwohnern, ungefähr 78 Meilen von Kairo entfernt. 27 In Mansura organisierte er einen lokalen Diwan aus hochgestellten Persönlichkeiten, die bereit waren, die Franzosen zu unterstützen. Er beschlagnahmte hundert Pferde und belegte die Baumwolle der Region zur Erntezeit mit einer hohen Steuer, dann verließ er die Stadt. Der syrisch-ägyptische Chronist Niqula Turk notierte, dass jeden Donnerstag viele Bauern und Beduinen vom Land in die Stadt Mansura zum Markt ­kamen. Sie nutzen diese Zusammentreffen, um einen Aufstand vorzubereiten. Am 9. August um acht Uhr morgens versammelte sich eine bewaffnete Menschenmenge, um den französischen Posten anzugreifen. Die Zahl der Aufständischen belief sich auf ungefähr viertausend Mann. Nach langem und zähem Kampf, versuchten die Soldaten mittels einiger Boote auf dem Nil gen Süden zu fliehen. Die Aufständischen verfolgten sie bis zum Dorf Shubra, wo die Soldaten letztendlich eingekesselt und

D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n     147

getötet wurden. Es gab nur zwei Überlebende, ein Soldat und eine Französin, die ihren Mann begleitet hatte. Diese wurde gefangen genommen und mit einem Scheich der Abu Qawra verheiratet. In dieser Nacht versuchte General Vial in Damiette einige Soldaten auf dem Nil nach dem südwestlich gelegenen Mansura zu entsenden, doch unterwegs wurden sie von bewaffneten, mit Beduinen verbündeten Dorfbewohnern gestoppt. Sie mussten ihre Boote verlassen und auf dem Landweg zu der Hafenstadt am Mittelmeer zurückkehren. Hauptmann Pierre-François Gerbaud zufolge wurde ein Mann getötet und sechs wurden verwundet. Niello Sargy war in Rosetta und berichtete, der Aufstand in Mansura sei ein Angriff der Beduinen gewesen. In dem sorg­fältig verfassten Bericht von Oberstleutnant Théviotte, dessen Quelle offensichtlich die Schilderungen des überlebenden Augenzeugen waren, ist nicht ausdrücklich von Beduinen die Rede, und aus Turks ­Notizen lässt sich schließen, dass sowohl Stadtbewohner als auch Beduinen und Bauern, die zum Markt gekommen waren, an dem Aufstand beteiligt ­waren. Die Franzosen neigten dazu, den sesshaften Ägyptern mangelnde Energie und Initiative zuzuschreiben und die Beduinen für sämtliche Gewaltakte verantwortlich zu machen. Mansura, eine ziemlich große ägyptische Stadt, diente den Bauern in diesem Teil des Deltas als Zwischenlager, und die Bevölkerung hier hatte reichlich Mittel, Waffen und verfügte über eine gute Infrastruktur, um aus eigenen Kräften einen Aufstand auf die Beine zu stellen, auch wenn damit nicht ausgeschlossen ist, dass Beduinen und Bauern sich anschlossen. Im Nachhinein, so Turk, hätten die Ältesten der Stadt versucht, den Beduinen die ganze Schuld in die Schuhe zu schieben. Auslöser für den Aufruhr war mit Sicherheit der Unmut über die französische Besatzung und die Angst vor möglichen ­hohen Steuern, vor denen Vial sie unklugerweise gewarnt zu haben scheint. Vial, hilflos angesichts einer derart ausufernden Revolte, benachrichtigte Bonaparte in Kairo. Der Oberbefehlshaber tadelte ihn dafür, ein so kleines Kontingent zurückgelassen zu haben. Da Bonaparte zu seinem eigenen Schutz Tausende von Soldaten in Kairo versammelt hatte und die Garnisonen in Rosetta und Damiette nicht ausreichend besetzt zu haben scheint, muss ihm ein Teil der Schuld zugeschrieben werden. Der Oberbefehlshaber entsandte jetzt General Dugua mit mehreren starken

148    D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n

Kolonnen nach Mansura. Sie konnten die Beduinen aus der Umgebung vertreiben und die Stadt, die zum Zeitpunkt ihres Einmarsches fast vollständig verlassen war, erneut einnehmen. Als symbolischen Vergeltungsschlag verhängte Dugua die Todesstrafe über zwei ortsansässige ägyptische Muslime, die in Mansura über Besitz verfügten und von denen die Franzosen annahmen, sie hätten den Aufstand angezettelt und gefördert. Turk behauptete, Dugua hätte die Stadtbewohner darauf hingewiesen, dass er Befehl hatte, rebellische Siedlungen niederzubrennen, sie aber unter der Bedingung ein Bußgeld von viertausend silbernen Kis zu zahlen – eine osmanische Münzeinheit – verschonen würde. Sie kamen der Aufforderung nach. 28 Er behauptete außerdem, Bonaparte habe angewiesen, die Minarette ihrer Stadt und das gesamte Delta mit der französischen Trikolore zu beflaggen, und alle Städte oder Dörfer, die sich weigerten, in Brand setzen zu lassen. Der Drucker A. Galland bestätigte in seiner Zeitung, dass Bonaparte für Nilschiffe anordnete, die Trikolore anzubringen. „Darüber hinaus wurde von ihnen gefordert, dieselbe Fahne von den höchsten Minaretten in den Hauptstädten der Provinzen wehen zu lassen; eine Verordnung, die den Muslimen einigen Kummer bereitete.“ 29 Nichts hätte besser gepasst, um Muslime zu erniedrigen und zu empören, als sie zu zwingen, eine Fahne ungläubiger Europäer auf den Minaretten ihrer Moscheen zu hissen. Obwohl die französischen Soldaten mit ihren Waffen siegreich gewesen waren, verlangte das sumpfige, dicht besiedelte Delta ihrer Gesundheit viel ab. Einige Zeit nach der Rückeroberung von Mansura wurde Millet kurzfristig dorthin geschickt. „Dort griff eine schreckliche Augenkrankheit um sich, die sich fast in der gesamten Armee ausbreitete und viele erblindet oder nur noch auf einem Auge sehend zurückließ.“ 30 Das Trachom, die Franzosen nannten es „Opthalmia“, ist eine bakterielle ­Virus­infektion, die im Niltal allgemein verbreitet ist. Es verursacht eine Vernarbung der Augenlider, sodass die Wimpern sich nach innen richten und wie Waffen die Hornhaut im Auge des Kranken aufreißen und sie manchmal völlig zerstören. In al-Minufia kämpften die Generäle Fugière und Zajonchek gegen „Horden aufständischer Beduinen“ und lieferten viele Dörfer den Flammen aus, „um bei diesen renitenten Menschen Schrecken zu verbreiten“, schrieb Niello Sargy frank und frei. Seiner Meinung nach hing die Erobe-

D e r s c h ö n s t e N i l a l l e r Z e i t e n     149

rung des Deltas von der Unterwerfung zweier großer Provinzen ab: Mansura und Sharqia. Niello Sargy schrieb: „In diesen Provinzen war es unmöglich, sich der Besitztümer der Mamelucken zu bemächtigen, aufgrund des Widerstands dieser Dörfer und wegen der Art und Weise, wie sie unsere Soldaten empfingen.“ 31 Angesichts der Geldnot waren die Franzosen verzweifelt darauf aus, sich die Schätze der ehemaligen herrschenden Klasse zu eigen zu machen, wurden aber durch den Widerstand der Einheimischen daran gehindert. Durch die Entmachtung der Führungsschicht des osmanisch-ägyptischen Staates hatten die Fran­ zosen eine Revolution von unten ausgelöst, die sie niederhalten mussten, wollten sie nach der Katastrophe von Abukir nicht eine weitere Schmach erleiden. Hätte Nelson ihre Flotte nicht versenkt und hätten sie sich in militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht sicherer gefühlt, hätten Bonapartes Offiziere vielleicht weniger geplündert und geraubt und wären dadurch leichter zu einer Einigung mit den Anführern der Provinzen gekommen. Aber so, wie die Lage war, mehrten sich im Delta die Zeichen für einen großen Aufstand.

150   

7 Ali Bonaparte

Zwar war das übertriebener Optimismus, aber Bonaparte war der Überzeugung, dass ihm mit seinem Vorsitz über das Fest zur Nilschwemme, das im ägyptischen Volksglauben mit Wohlstand und Segen assoziiert war, ein öffentlichkeitswirksamer Auftritt gelungen war. Er freute sich schon auf die nächste Gelegenheit dieser Art und war entschlossen, sie zu seinem Vorteil zu nutzen. Der „Große Sultan“ schrieb an General Vial in Damiette: „Ich nehme an, Sie planen, das Fest des Propheten noch prunkvoller auszurichten. […] Das Nilfest hier war wundervoll; das Fest des Propheten wird sogar noch prächtiger werden.“ 1 Al-Gabarti hielt fest, dass die muslimischen Oberhäupter Kairos in jenem Jahr gar nicht beabsichtigt hatten, den Geburtstag des Propheten zu feiern, Bonaparte sie aber dazu drängte, als er dies erfuhr. Sayyid Khalil al-Bakri entschuldigte sich mit der Begründung, die Lage sei zu instabil, und der geistigen Elite fehlten die finanziellen Mittel zur Ausrichtung der Feierlichkeiten. Bonaparte stellte daher al-Bakri dreihundert französische Francs aus seinen eigenen Mitteln zur Verfügung. Die gleiche Zurückhaltung wie in Kairo zeigte sich anfangs auch in den Provinzstädten. Der Maler Dominique Vivant Denon, der Jahre zuvor ein Porträt von Voltaire angefertigt hatte, schrieb mit einiger Empörung, dass der Mufti von Rosetta beabsichtigt hatte, den Geburtstag des Propheten nicht zu feiern, um damit der Bevölkerung zu vermitteln, dass „wir uns gegen eines ihrer höchsten religiösen Feste stellen.“ 2 Menou erkannte in letzter Minute die wahre Bedeutung des Festes und gab dem Mufti den Auftrag, die Feierlichkeiten zu organisieren. Das Fest zu Mohammeds Geburtstag begann am 20.  August, drei Tage vor dem eigentlichen Jahrestag. 3 Detroye erzählte, dass die Kairoer an zwei Stellen auf dem Platz im Stadtteil Azbakia bunte Lampions auf Stangen aufstellten, die am Abend eine wundervolle Stimmung erzeug-

A l i B o n a p a r t e     151

ten. Um zehn Uhr abends versammelten sich die Gläubigen zu Prozessionen, die sich von den Stadtvierteln aus zu verschiedenen Moscheen bewegten, angeführt von Männern, die Fackeln oder große Leuchter mit vierzig Kerzen trugen. Andere, so klagte Detroye, „sangen wunderliche Lieder, die von noch wunderlicherer Musik begleitet wurden. So sah die Prozession aus, die in der Nacht mit infernalischem Getöse schreiend und lärmend durch die Stadt zog“. Moiret schrieb, dass „die bedeutendsten Bewohner der Stadt, ihre Rangabzeichen tragend, von Sklaven begleitet durch die Straßen gingen, manche bewaffnet, andere nur Fackeln tragend“. Über Azbakia schwebte eine beleuchtete Nachbildung des Prophetengrabes in Medina in der Luft. Am nächsten Tag, so berichtete Detroye, gingen die Feierlichkeiten weiter, noch stürmischer als am Tag zuvor. Es gab mehr Prozessionen, mehr Gesang, mehr Getöse. Man kann nur vermuten, dass die Ägypter die Erlaubnis der Franzosen, diesen religiösen Feiertag zu begehen, ausnutzten, um dabei ihren Glauben und ihre Unbeugsamkeit zu bekräftigen. Sicherlich war beides dadurch erschüttert worden, dass die ungläubigen Franzosen Ägypten erobert hatten, ein Land, das seit dem siebten Jahrhundert ununterbrochen unter muslimischer Herrschaft gewesen war. Am Jahrestag des Geburtstags Mohammeds selbst, so entsann sich Detroye, wurde noch leidenschaftlicher gefeiert als in den vorangegangenen Tagen. „Auf allen öffentlichen Plätzen fanden den ganzen Tag über kleinere Vorstellungen statt: es gab Bären- und Affendompteure, Sänger, Sängerinnen, die Dialogszenen aufführten, Frauen, die singend Gedichte vortrugen, Zauberer, die lebendige Schlangen in Pokalen verschwinden ließen, Kinder, die höchst unanständige Tänze aufführten, Gladiatoren, die sich auf Einzelkämpfe einließen …“

Trotz der hohen religiösen Bedeutung des Feiertages beteiligten sich die Leute auf der Straße häufig an anzüglichen Tänzen. Denon wurde in ­Rosetta Zeuge einer ähnlichen Szene, allerdings mit Männern statt mit Kindern: „Der Tanz, der nun folgte, gehörte zur gleichen Art wie der Gesang. Es war kein Bild von Freude oder Fröhlichkeit, sondern von Sinnlichkeit, die recht schnell in eine immer abstoßendere Laszivität umschlug, in der die stets männlichen

152    A l i B o n a p a r t e

­ kteure in höchst anstößiger Form Szenen darstellten, die selbst Liebenden beiA derlei Geschlechts nicht erlaubt sind, außer vielleicht im Schatten des Verbor­ genen.“ 4

Denon, Autor der 1777 erschienenen Novelle „Nur eine Nacht“ („Point de Lendemain“), war keinesfalls prüde. Er beklagte nicht die Erotik als solche, sondern die in Ägypten übliche, unverblümte Art der öffent­ lichen Zurschaustellung. Vielleicht war er auch, da er die Männlichkeit der Tänzer erwähnte, besonders schockiert vom homosexuellen Charakter der obszönen Vorstellung. Der Kundschafter Millet stellte fest: „Prüderie ist in Ägypten unbekannt. Ein wahrer Muslim wird seiner Familie auch die anstößigsten und ausschweifendsten Tänze und Freizeitvergnügungen zeigen.“ 5 Die weltmännischen Libertins aus dem säkularen Paris erröteten angesichts der von den für rückständig gehaltenen ägyptischen Muslimen dargestellten Szenen, üblicherweise mit Einsatz der Hüften. Auf der anderen Seite erhielt der ägyptische Historiker ­al-­Gabarti einen vagen Einblick in die Sexualmoral der französischen Männer und Frauen. Als der Abend anbrach, erschienen auch jene, die Bernoyer am wenigsten schätzte, die Derwische, Sufi-Mystiker mit langen Haaren und mit einer Kleidung, die „nicht der Rede wert“ war. Malus äußerte sich direkter über die Derwische: „Sie sind die Heiligen des Landes; ihr Leben ist eine einzige Ekstase, ihnen ist alles gestattet; viele ziehen zu unterschiedlichen Zeiten des Jahres durch die Straßen, nackt wie Affen. Sie leben nur von den Almosen der Menschen.“ Villiers du Terrage beschrieb die nackten Heiligen als „Männer, die man mit Wahnsinnigen vergleichen kann, die extrem verehrt werden, denen alles gestattet ist, deren Beleidigungen eine Ehre sind, selbst den Frauen gegenüber, die sich ihnen hingeben“. Ihre Anhänger versammelten sich, so berichtete Detroye, stellten sich sehr dicht beieinander in Kreisen auf und fassten sich an den Händen. Dann begannen sie „in einer sehr heftigen Bewegung, jeder für sich und auch im gesamten Kreis, mal nach links und mal nach rechts zu schwingen. Diese Bewegung war für die Beteiligten extrem anstrengend.“ Mit diesen gleichförmigen Bewegungen fuhren sie fort bis zur völligen Erschöpfung. „Es heißt, dass manch einer dabei an seinem Platz tot zusammengebrochen ist.“ Die ekstatischen Bewegungen und der mystische Gesang führten bei den Sufis zu Hyperventilation, durch die sie, wie sie glaubten, in einen anderen Bewusstseinszustand (Hal)

A l i B o n a p a r t e     153

­ elangten und ihrem Ziel, sich mit dem Göttlichen zu vereinen, näher g ­kamen. *** An jenem Morgen hatte Bonaparte zu Ehren des großen Tages eine imposante Parade der Garnisonstruppen angeordnet, dabei mischten sich die soldatischen Klänge einer französischen Marschkapelle mit der ­Musik der Muslime. Dann, so bemerkte Detroye trocken, „salutierte die französische Artillerie zu Ehren Mohammeds“. Alle hohen franzö­ sischen Offiziere wurden Sayyid Khalil al-Bakri, einem der geistlichen Führer der Muslime, vorgestellt. In Anwesenheit des Diwans kleidete ­Bonaparte al-Bakri in einen Hermelinmantel und erklärte ihn zum Naqib al-Ashraf, zum Sprecher der Nachkommen des Propheten, da der vor­ herige Amtsinhaber, Umar al-Makram, nach Syrien geflohen war. Das Geburtstagsfest des Propheten stand unter der Leitung seiner vermeintlichen Nachkommen, der Scherifen, die eine angesehene Bevölkerungsschicht bildeten. Bonaparte verfügte, dass jeder Ägypter, der eine Aus­ einandersetzung mit einem Mitglied der Scherifen hatte, sein Anliegen Sayyid al-Bakri vortragen sollte. Bei all diesen Maßnahmen übernahm Bonaparte die Rolle eines muslimischen Sultans und ehrte die Nachkommen des Propheten. Diese verpflichteten sich im Gegenzug dazu, den Status quo zu wahren und ihren religiösen Einfluss geltend zu machen, um bei Auseinandersetzungen zwischen Herrscher und Beherrschten zu vermitteln. Der Versuch, von Seiten der Nachkommenschaft des Propheten die notwendige Legitimierung zu erlangen, war nicht in jeder Hinsicht erfolgreich. Der Chronist der Besatzung, Niqula Turk, ein syrischer Christ, notierte dazu: „Scheich Khalil al-Bakri liebte die Französische Republik, und eben aus diesem Grund hassten ihn die ägyptischen Muslime.“ Der ehrgeizige und wohlhabende al-Bakri, von der Aura der Familie des Propheten umgeben und im Wissen um seine Vorrangstellung unter den Geistlichen, ließ die Verachtung der Masse an sich abprallen. Hauptmann Say, der Bonapartes Tändelei mit dem Islam missbilligte, schilderte, wie der Oberbefehlshaber bei den Feierlichkeiten zum Geburtstag des Propheten „in orientalische Gewänder gekleidet war und sich selbst als Bewahrer aller Religionen bezeichnete. Man war begeistert und gab ihm in großer Einmütigkeit den Namen des Schwiegersohnes des Propheten: Jeder nannte ihn Ali Bonaparte.“ 6 Für die Sunniten

154    A l i B o n a p a r t e

war Ali ibn Abi Talib, der Schwiegersohn und Vetter des Propheten ­Mohammed, der vierte sogenannte rechtgeleitete Kalif und Stellver­ treter des Propheten. Wenn die Ägypter dem Korsen diesen Beinamen ­gaben, dann erlaubten sie sich einen riesengroßen Spaß mit ihm. ­Bourrienne, Bonapartes Privatsekretär, der spürte, wie sich dieser durch seine anbiedernde Art in religiösen Belangen lächerlich machte, sagte, er habe danach nie wieder ägyptische Kleidung getragen, da er sie „unbequem“ fand. An jenem Abend gab der Scheich auf seinem Anwesen ein großes Fest für Bonaparte. Etwa hundert bedeutende Geistliche der al-Azhar-­ Universität saßen mit gekreuzten Beinen auf Teppichen rings um zwanzig niedrige Tische, während einer von ihnen, dessen Stimme der Franzose monoton fand, eine Überlieferung aus dem Leben des Propheten vortrug. Die Franzosen saßen an Tischen und bekamen Silberbesteck und Teller sowie eine Flasche Wein angeboten. Danach wurden Vorspeisen, Braten, Reis und Gebäck serviert, alles sehr gut gewürzt. Desvernois bemerkte hierzu: „Die Araber essen mit den Fingern; aber ich muss gerechterweise hinzufügen, dass sie während der Mahlzeit dreimal ihre Hände gewaschen haben.“ Den Gegenstand ihrer Konversation kann man sich leicht vorstellen. Desvernois berichtete von Bonaparte und den Geistlichen der al-Azhar, dass er „häufig mit ihnen sprach, denn er wollte über die Bedürfnisse des Landes informiert werden und wissen, wie man ihm zu Wohlstand verhelfen könnte. Manchmal, um ihren religiösen Überzeugungen zu schmeicheln, ließ er sogar durchblicken, die republikanische Armee könnte den Glauben Mohammeds annehmen.“ Ein anderer Offizier beobachtete: „Auf nichts wurde verzichtet, um die Ägypter davon zu überzeugen, dass die Armee die größte Hochachtung vor Mohammed hatte; waren sie dann in ihr Lager zurückgekehrt, lachten sie über dieses ­Theater.“ 7 Später auf St. Helena, in einem Moment ungewöhnlicher Offenheit, erinnerte sich Bonaparte an seine Schwierigkeiten in jenem August. 8 „Die Position der Franzosen war ungewiss. Sie wurden von den Gläubigen nur toleriert, die sich, überrannt von den Ereignissen, der Macht zwar gebeugt hatten, aber bereits offen den Triumph der Götzendiener beklagten, deren Anwesenheit den gesegneten Fluss entweihten. Sie litten unter der Schmach, die der wichtigste Schlüssel zur heiligen Kaaba erfahren hatte. Die Imame übertrafen sich

A l i B o n a p a r t e     155

gegenseitig darin, die Verse aus dem Koran zu zitieren, die sich am schärfsten gegen die Ungläubigen richteten.“

Das „heilige Wasser“ des Nils hatte eine hohe Bedeutung für die Muslime, und seine Eroberung durch nicht-muslimische Franzosen bedeutete für sie eine Verunreinigung. Ebenso war die Kaaba, das würfel­ förmige Gebäude in Mekka, das die Muslime auf ihrer Pilgerreise umkreisen, einst durch das muslimische Bollwerk Ägypten geschützt. Nun, so zitierte Bonaparte die Vorwürfe seiner Gegner, hielten Ungläubige den Schlüssel zu Mekka selbst in der Hand. Der Oberbefehlshaber war sich sehr wohl bewusst, dass jeder gebildete ägyptische Muslim, der eine Erklärung für die französische Eroberung suchte, auf die mittelalterlichen Kreuzzüge verweisen würde. Wenn die Ägypter zu dem Schluss gelangten, die Franzosen seien schlicht und einfach Kreuzfahrer und hätten lediglich das spezifisch christliche Ziel einer Vormachtstellung im Nahen Osten, würden sie sich niemals mit einer französischen Herrschaft abfinden. Er verwies auf die Worte des Comte de Volney, der 1788 nach Ägypten gekommen war und geschrieben hatte, dass jeder, der Ägypten erobern wolle, drei Kriege würde führen müssen: den ersten gegen die Briten, den zweiten gegen das ­Osmanische Reich und den dritten, den schwierigsten von allen, gegen die hiesigen Muslime. Volney hatte diese drei Punkte als Gründe ins Feld geführt, keinen Angriff gegen Ägypten zu versuchen. Bonaparte hingegen sah darin eine Herausforderung. Am 30.  Juli hatte Bonaparte an General Kléber in Alexandria geschrieben und ihn um die Einrichtung eines Diwans vor Ort gebeten, der sich aus profranzösischen Regierungstreuen zusammensetzte. Er hatte vor den Gefahren gewarnt, wenn unter der verängstigten ägyptischen Bevölkerung ­Panik ausbrechen sollte, und schrieb: „All diese Menschen hätten erwarten können, wir wären mit demselben Ziel hierhergekommen wie Ludwig der Heilige, und dass sie sich nun so verhalten müssten, als lebten sie in einem christlichen Staat.“ 9 Dabei scheiterte die Invasion durch Ludwig den Heiligen schon an internen Problemen! Fest steht, ­wären die Ägypter zu der Überzeugung gelangt, Bonapartes Ziel sei ein neuer Kreuzfahrerstaat, so hätte das den Todesstoß für Bonapartes gesamtes Unternehmen bedeutet. Daher versuchte er so rasch wie möglich, sich vom Christentum zu distanzieren.

156    A l i B o n a p a r t e

Bonaparte hoffte, die Imame überreden zu können, das Freitagsgebet in seinem Namen zu sprechen. Normalerweise wäre im Ägypten jener Zeit das Gebet im Namen des osmanischen Sultans Selim III. gesprochen worden, aber der Oberbefehlshaber zielte auf den Legitimitäts­beweis ab, der mit diesem Privileg verbunden war. Es war aber natürlich völlig abwegig zu hoffen, dass die Prediger beim Freitagsgebet die Ansprache im Namen eines europäischen christlichen Herrschers sprechen würden. Bonaparte protestierte bei den Vertretern der al-Azhar, wann immer er in jenem Sommer mit ihnen zusammentraf, und warf ihnen vor, sie würden nicht genug gegen die von den Predigern entfachte, fieberhafte Agitation tun. Er drängte auf eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten zu dieser Frage, die von den Imamen forderte, zum Gehorsam gegenüber dem neuen Staat aufzurufen. Er sagte, sie seien erblasst und zutiefst bestürzt gewesen. Scheich Abdullah al-Scharqawi antwortete schließlich: „Ihr wollt den Schutz des Propheten. Er liebt Euch. Ihr wollt, dass die arabischen Muslime unter Eurem Banner marschieren. Ihr wollt den Ruhm Arabiens wiederherstellen, Ihr seid kein Götzendiener. Werdet Muslim! 100  000 Ägypter und 100 000 Araber aus Arabien, aus Mekka und Medina werden sich Euch anschließen. Gedrillt und diszipliniert nach Euren Maßstäben werden sie den Orient für Euch erobern, und Ihr werdet das Vaterland des Propheten in seinem ganzen Ruhm wiederherstellen.“ 10

Bonaparte berichtete, dass in dem Moment ihre alten Gesichter erstrahlten und sie sich niederwarfen, um den Schutz des Himmels zu erflehen. Al-Scharqawis Versuch, Bonaparte zum Übertritt zum Islam zu überreden, ist nur allzu gut nachvollziehbar. Dass er in Begriffen wie „Araber“, „Nation“ oder „Vaterland“ dachte, ein Jahrhundert, bevor sich in der Arabisch sprechenden Welt ein solches ethnisches Nationalgefühl zu entwickeln begann, ist allerdings fraglich; der Korse stülpte dem, was er hörte, lediglich europäische Kategorien über. Höchstens könnte ­al-Scharqawi die Konversion Bonapartes als eine Möglichkeit gesehen haben, die muslimische Welt neu zu beleben. Seine Hoffnung könnte gewesen sein, dass Bonaparte konvertierte und dann Istanbul mit der Bitte, vom Sultan formell als Vizekönig Ägyptens anerkannt zu werden, Tribut zollte. Vom ägyptischen Standpunkt aus wäre diese Entwicklung nichts Unübliches gewesen. Schließlich waren viele der Beys, die Ägyp-

A l i B o n a p a r t e     157

ten ­regiert hatten, in christlichen Familien im Kaukasus geboren worden, und üblicherweise gewährte der Sultan ihnen, nachdem sie an die Macht gekommen waren, eine Art rückwirkender Anerkennung. Der oberste Befehlshaber zog diese Option trotz aller späteren Beteuerungen des Gegenteils ernsthaft in Betracht, zumindest auf einer formellen Basis. Seine Antwort an den Scheich war: „Es gibt zwei große Hindernisse, die meine Armee und mich davon abhalten, Muslime zu werden. Das erste ist die Beschneidung, das zweite der Wein. Meine Soldaten sind seit ihrer Kindheit daran gewöhnt, und ich werde sie niemals dazu bringen können, darauf zu verzichten.“ Er berichtete davon, wie Scheich Muhammad al-Mahdi – der als kop­tischer Christ geboren worden war und konvertierte, um die al-Azhar besuchen zu können – vorschlug, sechzig Geistlichen des al-Azhar-Priesterseminars die Erlaubnis zu erteilen, die Frage der Öffentlichkeit vorzutragen und sich über die Angelegenheit zu beraten. Er behauptete, im ganzen Land verbreite sich die Nachricht, dass die Geistlichen dem „­Großen Sultan“ Islamunterricht erteilten. Bonaparte neigte stets dazu, seiner eigenen Propaganda zu glauben oder sie zumindest auch dann noch zu wiederholen, wenn sie längst unglaubwürdig geworden war. Sein Bild von glücklichen ägyptischen Muslimen, die sich über die Nachricht freuten, dass der ungläubige General den Koran auswendig lernte, steht allem entgegen, was wir über die tiefe Feindseligkeit wissen, die die ägyptischen Muslime ihren neuen Herren gegenüber hegten. Bonaparte scheint sogar geglaubt zu haben, dass eine öffentliche Debatte über die Frage, ob die Franzosen Muslime werden könnten, seiner Sache zugutegekommen wäre. Bonaparte schmückte seine Geschichte noch weiter aus und beschrieb, dass vier muslimische Rechtsberater über einen Monat später eine Fatwa vortrugen, in der sie das Gebot der Beschneidung außer Kraft setzten, die, so sagten sie, keine zentrale islamische Pflicht sei. Außerdem sollte Nicht-Muslimen, die Wein tranken, erlaubt werden zu konvertieren – würden sie aber nach der Konversion nicht darauf verzichten, kämen sie in die Hölle. Bonaparte drückte seine Freude darüber aus, dass die erste Schwierigkeit aus dem Weg geräumt worden war, zeigte sich allerdings etwas konsterniert über den zweiten Punkt, der in dieser Form kaum ein Anreiz war, zum Islam überzutreten. Scheich al-Mahdi schlug vor, den ersten Teil der Fatwa auf jeden Fall für gültig erklären zu lassen, der, wie er meinte, sich günstig auf das Land auswirken würde.

158    A l i B o n a p a r t e

Die Geistlichen der al-Azhar sollten über das zweite Thema weiter diskutieren, auch in Übereinkunft mit den Geistlichen aus Mekka. Am Ende einigten sie sich darauf, dass Konvertierte trinken durften, dafür aber ein Strafgeld zu zahlen hätten. Bonapartes Geschichte lässt Zweifel aufkommen. ­Obwohl die zweite Fatwa als Lösung der Angelegenheit gedacht war, ließ er das Thema an diesem Punkt fallen. Ihm war es eindeutig misslungen, die Geistlichen der al-Azhar davon zu überzeugen, eine reine Proforma-„Konversion“ der Franzosen zum Islam zu erlauben. Zwar betonten Bonaparte und sein Fürsprecher Bourrienne einleitend zu diesem Bericht, dass Bonaparte niemals konvertierte, niemals in die Moschee ging und niemals wie ein Muslim betete, aber all das ist unerheblich. Es steht eindeutig fest, dass er versuchte, aus strategischen Gründen einen Weg zu finden, die französischen Deisten zu Muslimen erklären zu können. Diese Strategie geht in die gleiche Richtung wie die seiner ersten Proklamation in arabischer Sprache, in der er behauptete, die französische Armee sei bereits in gewisser Weise muslimisch, da die Soldaten nicht einer bestimmten Religion angehörten und die Dreifaltigkeit ablehnten. Natürlich war ihm dabei der Islam weniger wichtig als die offizielle Legitimierung seiner Herrschaft. Ohne diese konnten die Franzosen nicht darauf hoffen, Ägypten auf lange Sicht zu halten. Zu diesem Ziel schien Bonaparte die Idee, als nicht ganz regelgerechter Muslim zu gelten, eine durchaus reizvolle „Abkürzung“ zu sein. Er scheiterte allerdings an der Strenggläubigkeit der al-Azhar-Geistlichkeit. Bonapartes Bewunderung für den Propheten Mohammed war im Gegensatz dazu aufrichtig. Er schrieb in seinen Memoiren, dass „in Arabien Götzen angebetet wurden, als Mohammed, sieben Jahrhunderte nach Jesus, dort die Religion von Abraham, Ismael, Moses und Jesus einführte“. Der Korse verdammte die grausamen, doktrinären Kriege des frühen Christentums und all die Streitigkeiten um das Wesen von Vater, Sohn und Heiligem Geist und erklärte bewundernd: „Mohammed erklärte, es gebe nur einen Gott, der weder Vater noch Sohn habe, und dass die Vorstellung der Dreifaltigkeit dem Heidentum entstamme.“ Er erklärte die sinnlichen Darstellungen des Paradieses im Koran mit der Armut und Unwissenheit der Araber in jener Zeit, die nicht den Luxus eines Lebens in kontemplativer Ruhe kannten, wie es die Athener führten. ­Mohammed, so erklärte Bonaparte, musste seinen in bescheidenen Verhältnissen lebenden Gefolgsleuten „duftende Haine versprechen, wo sie

A l i B o n a p a r t e     159

beständig im Schatten ruhen konnten, umfangen von göttlichen Huris mit weißer Haut und schwarzen Augen“. Bonaparte beschrieb die frühen Muslime als Beduinen, die vor lauter Begeisterung über solch eine Aussicht zu Helden wurden. „Mohammed war ein Fürst, der sein Volk um sich scharte. In wenigen Jahren eroberten seine Muslime die halbe Welt. In fünfzehn Jahren rettete er mehr Seelen vor falschen Göttern, bekämpfte mehr Götzenbilder und zerstörte mehr heid­ nische Tempel, als es den Anhängern von Moses und Jesus in fünfzehn Jahrhunderten gelungen ist.“

*** Bonaparte ließ nicht von seinem Vorhaben ab, sich islamischer Rhetorik als Teil seiner Herrschaftsstrategie zu bedienen. Am 28. August, nur wenige Tage nach dem Fest, schrieb er einen Brief an den führenden Vertreter der muslimischen Gemeinde von Alexandria, Scheich al-Masiri, den er bei der Übernahme der Stadt kennengelernt hatte und der später seine Kooperationsbereitschaft mit Kléber, dem Vorsitzenden des dortigen Diwans, unter Beweis stellte. „Sie wissen“, schrieb er, „dass ich ­Ihnen vom ersten Augenblick unserer Begegnung an große Hochachtung entgegenbringe.“ Er gab der Hoffnung Ausdruck, bald „all die weisen und gebildeten Männer des Landes kennenzulernen“, um „eine einheitliche Regierungsform zu errichten, die auf den Prinzipien des Korans basiert, die die einzig wahren sind und die allein das Wohlergehen der Menschheit sicherstellen können.“ 11 Auf diese Weise bot er al-Masiri die Aussicht auf ein Amt und auf Einfluss im Staat und gab das Versprechen ab, auf der Grundlage der Scharia, des kanonischen Gesetzes des Islam, zu regieren. Zumindest hätte ein Vertreter der ägyptischen Geistlichkeit das Angebot, in Übereinstimmung mit dem Koran zu regieren, so verstanden. Sogar im Osmanischen Reich wurde die Scharia nicht immer in der Form angewandt, wie die Geistlichkeit sie interpretierte. Bonaparte, der durch die britische Blockade von Frankreich abgeschnitten war und sich einer feindlich gesinnten Bevölkerung und Aufständen einheimischer Beduinen und Städte gegenübersah, benutzte den Koran als Schutzschild und die Förderung der muslimischen Geist­ lichen als Programm. Die französischen Jakobiner, die Notre Dame umgewidmet hatten, um dort dem Kult der Vernunft zu huldigen, und den Vatikan unter ihre Kontrolle gebracht hatten, waren nun dabei, Ägypten als erste moderne islamische Republik der Welt entstehen zu lassen.

160    A l i B o n a p a r t e

Mitte August kündigte Bonaparte dem Großscherifen von Mekka, Ghalib ibn Musaid al-Hashimi, in einem Brief seine Ankunft in Kairo an und sprach von „Maßnahmen, die ich getroffen habe, um den heiligen Moscheen von Mekka und Medina die ihnen zugesprochenen Einkünfte zu sichern.“ 12 Bonaparte hatte durch die Geistlichen der al-Azhar von der übergroßen Fülle an Ackerland in Ägypten erfahren und von den Getreideernten, von denen ein Teil für die heiligen Städte bestimmt war. Er strebte nach muslimischer Legitimation, indem er den osmanischen Sultan Selim III. als Nahrungsmittelgaranten für das heilige Land der Muslime ablöste. Er wies den Großscherifen darauf hin, dass er „die Imame, die Scherifen und alle Männer des Gesetzes geschützt hatte“. Er teilte ihm weiter mit, dass er Mustafa Bey, den Stellvertreter des verstorbenen osmanischen Vizekönigs, als Führer der Pilgerkarawane eingesetzt hatte, und versprach, dass der Bey die Karawane mit einer ausreichenden Zahl an Männern begleiten würde, um Überfälle durch Beduinen zu verhindern. Bonaparte bot an, entweder französische oder ägyptische Truppen als Eskorte zu entsenden. Ghalib musste bald darauf einen Angriff der streitbaren puritanischen Sekte der Wahhabiten aus Nadschd abwehren und hatte den Eindruck, dass die Osmanen ihm im Kampf keine große Hilfe gewesen waren. Aus diesem Grund war er bereit, gute Beziehungen zu den Franzosen aufzubauen, vor allem weil die Wirtschaft im Hedschas mit den heiligen Städten Mekka und Medina größtenteils von Ägypten abhängig war, und zwar nicht nur in Bezug auf die Getreidelieferungen, sondern auch wegen des Kaffeehandels und der Handelstätigkeit der Pilgerkarawanen. Bonaparte erklärte sich zum Garanten der wirtschaftlichen Sicherheit dieser Region und damit auch zum wichtigsten Unterstützer der muslimischen Pilgerfahrten. Bei seiner Rückkehr aus Salahia nach Kairo scheint Bonaparte insgeheim Mustafa Bey zum Führer (Amir al-Hadsch) der jährlich stattfindenden Pilgerfahrt ernannt zu haben. Der vorherige Amtsinhaber war mit Ibrahim Bey nach Syrien geflohen. Am 2.  September hielt Bonaparte eine formelle Amtseinführung ab. Im Beisein des Diwans und der Geistlichkeit überreichte Bonaparte Mustafa Bey einen prachtvollen grünen Umhang, einen mit Diamanten übersäten Helmschmuck und ein reich mit Schabracken verziertes Pferd. 13 Sechs Schuss Salut wurden abgefeuert, als der neue Amtsinhaber sich in Begleitung vieler Berater von der Zitadelle aus auf den Weg machte. Die jährliche Pilgerkarawane war

A l i B o n a p a r t e     161

eine Hauptquelle wirtschaftlichen Reichtums für Ägypten, und Bonaparte wollte den Handel mit Gewürznelken, Kaffee, Tüchern, Ölen, ­Balsam und Karmesin-Farbstoff zwischen dem Roten Meer und Nord­ afrika in jedem Fall fördern. Es war ein Vorrecht des osmanischen Vizekönigs gewesen, den Führer der Pilgerkarawane zu ernennen, und indem Bonaparte sich dieses Recht aneignete, versuchte er, den Anschein zu erwecken, einen legitimen islamischen Staatsakt vollzogen zu haben. Der „Große Sultan“ ließ die Geistlichen der al-Azhar zu diesem Anlass einen Brief an den Großscherifen von Mekka aufsetzen. Sie schrieben: „Er hat uns versichert, dass er die Einheit Gottes anerkennt, dass die Franzosen unseren Propheten ebenso wie den Koran ehren und dass sie die muslimische ­Religion als die beste betrachten. Die Franzosen haben ihre Liebe zum Islam ­bewiesen, indem sie die in Malta festgehaltenen muslimischen Gefangenen befreiten, indem sie in der Stadt Venedig die Kreuze entfernten und Kirchen zerstörten und indem sie den Papst verfolgten, der den Christen befahl, die Muslime zu töten, und dies auch noch als religiöse Pflicht darstellte.“

Bonaparte ließ eine Abschrift des Briefes an Kléber senden mit dem Auftrag, sechshundert Exemplare zu drucken, von denen vierhundert auf die Arabische Halbinsel geschickt werden sollten. 14 Es ist gar nicht sicher, ob die hohen geistlichen Muslime in Mekka es beruhigend fanden, zu hören, dass die Franzosen Kreuze und Kirchen zerstört hatten. Im Islam galten sowohl Christen als auch Juden als „Leute des Buchs“, sie gehörten somit einer Buchreligion an und waren ebenso Monotheisten mit einer legitimen Religion wie die Muslime selbst. Diese Haltung der Muslime, die Ausübung anderer Religionen in ihrer Mitte zuzulassen, war vergleichsweise unüblich. Während der Inquisition hatte es im christlichen Europa so gut wie keine muslimischen Einwohner gegeben, und mehrere Hunderttausend Menschen, die nach der Reconquista im späten 14. Jahrhundert in Spanien bleiben wollten, wurden gezwungen, zum Katholizismus überzutreten. Auch Juden war der Aufenthalt in verschiedenen christlichen Ländern über mehrere Jahrhunderte verboten. Muslimische Staaten hingegen erlaubten Juden und Christen – wenn auch mit einigen Einschränkungen –, unter ihnen zu leben und ihre eigene Religion zu pflegen, vorausgesetzt, sie zahlten eine Art Kopfsteuer und verhielten sich loyal. Zweifellos wurden diese Minderheiten bisweilen von besonders fanatischen oder tyrannischen

162    A l i B o n a p a r t e

Herrschern und Geist­lichen angegriffen, aber das war nicht die Regel – der Gegensatz zum mittelalterlichen und modernen Europa bleibt eklatant. Bonapartes Worte, den Geistlichen der al-Azhar in den Mund gelegt, waren eigentlich Ausdruck eines geringeren Maßes an Toleranz, als es dem islamischen Gesetz nach üblich war. *** Bonapartes Islampolitik führte zu lebhaften Debatten unter seinen Offizieren und Soldaten. Einige Offiziere gingen ganz unbekümmert mit der damit verbundenen Heuchelei um. General Dupuis in Kairo schrieb an einen Kaufmann aus Toulouse: „Mit Begeisterung begehen wir hier die Festtage Mohammeds. Wir führen die Ägypter an der Nase herum mit unserer vorgetäuschten Hingabe zu ihrer Religion, an die Bonaparte und wir nicht mehr glauben als an die von Pius dem Verflossenen.“ 15 Die abschätzende Bezugnahme auf den Papst und den römischen Katholizismus bringt eine tiefe Kirchenfeindlichkeit und einen militanten Säku­ larismus zum Ausdruck. Gleichwohl legten die Franzosen in Ägypten keine offene Verachtung für eine ihnen fremde Religion an den Tag, sondern gaben stattdessen wohlkalkulierten, zynischen Respekt für dieselbe vor, um so die ägyptische Bevölkerung zu täuschen. „Ihr werdet es nicht glauben“, so fuhr er fort, „aber ich versichere Euch, wir geben uns genauso hingebungsvoll wie die fanatischsten Pilger. Dies ist dann letztlich das dritte Schauspiel, das wir aufgeführt haben werden, denn der feierliche Einzug der Karawane aus Mekka, den wir hier organisiert haben, ist keine Kleinigkeit. Es würde Euch amüsieren, mich mit unseren Musikanten an der Spitze ­dieser Pilger zu sehen.“

Aus Dupuis Schilderung geht hervor, dass Bonaparte angeordnet hatte, den noch vom Staub der heiligen Stadt Mekka bedeckten Pilgern einen sichtbar frommen französischen Empfang zu bereiten. Zwei Monate nach dem Geburtsfest des Propheten berichtete Hauptmann Moiret, dass inzwischen Wahrsager bezahlt würden, damit sie verkündeten, Bonaparte sei auf einer göttlichen Mission, um die Feinde des Islam zu vernichten, wie es „in mehr als zwanzig Passagen des Korans“ vorhergesagt wurde. 16 Sie prophezeiten, dass der französische Sultan sich demnächst beschneiden ließe, den Turban aufsetze und der Religion Mohammeds folge, und dass seine ganze Armee es ihm nachtun werde. Moiret merkte dazu an, dass „die Politiker“ in den französischen

A l i B o n a p a r t e     163

Streitkräften behaupteten, die positive Rhetorik über den Islam und das Wecken entsprechender Erwartungen innerhalb der ägyptischen Bevölkerung seien für die Sicherheit des Heeres notwendig gewesen. Sie wiesen auf die Praxis der alten Römer hin, jede Veränderung im Hinblick auf Sitten und Gebräuche, Gesetze und Religionen der von ihnen eroberten Völker zu vermeiden. „Anstatt sie dazu zu zwingen, die Götter des Kapitols anzunehmen, setzten sie dort die Götter von Athen und Karthago ein.“ Moiret behauptete, dass sich diese Sichtweise unter den Soldaten durchsetzte, und sicherlich dachte Bonaparte genauso. Hauptmann Moiret bemerkte trocken, die französischen Soldaten hätten wohl nichts dagegen gehabt, Zugang zum Paradies der Muslime zu bekommen. Das ist eine scherzhafte Anspielung auf das im Koran gegebene Versprechen, im Paradies würden ewige Jungfrauen, die großäugigen Huris, auf die Gottesfürchtigen warten. Die rationalistischen Anhänger der Aufklärung, so berichtete er, machten sich entweder über die Prophezeiung lustig, dass Bonaparte konvertieren würde, oder aber sie zuckten die Schultern. Sie blieben bei ihrer Überzeugung, dass sie nicht „den Aberglauben in Europa bekämpft hätten, um dann den vom Orient zu übernehmen, und dass man dem Volk stets nur die Wahrheit sagen dürfe.“ 17 Für Moiret waren diese überzeugten Säkularisten eine Minderheit mit wenig Rückhalt unter den Soldaten, die überwiegend Bonapartes pragmatisches Heidentum nach römischem Modell bevorzugten. Auch der Zivilist und Quartiermeister Bernoyer schrieb verärgerte Briefe über den Islam nach Hause. Einmal verfasste er sogar eine Schmährede gegen die muslimischen Geistlichen, er bezeichnete sie als „wahre Schwindler“ und warf ihnen vor, die Gläubigen dazu zu zwingen, so absurde Dinge zu glauben wie die Vorstellung, sie seien die Stellvertreter oder Statthalter des Schöpfers auf Erden: „Nichts kann einen bei ihnen überraschen, aber es ist unfassbar, dass es genug Dummköpfe gibt, die ihnen glauben!“ Als er einmal Pilger von Mekka nach Kairo zurückkommen sah, eine bunt zusammengesetzte Menschenmenge verschiedener Ethnien und Länder in den unterschiedlichsten Gewändern, schrieb er von seinem Wunsch, ihnen die Wahrheit der Aufklärung entgegenzubrüllen, nämlich dass es keinen Gott gebe, der unmittelbar in die Geschichte eingreife. Aber, so schloss er, „wozu hätte das schon gut sein sollen?“ 18

164    A l i B o n a p a r t e

*** Bonapartes Islampolitik führte zu lebhaften Debatten unter Intellektuellen; für diejenigen aber, die mit den Ägyptern in ihrer Umgebung enge persönliche Beziehungen knüpften, hatten die Begegnungen mit dem Islam eine ganz andere Bedeutung. Das schönste Beispiel uneingeschränkter Zustimmung zu Napoleons Annäherung an den Islam lieferte General Jacques Menou. Das ist aber eine Geschichte für sich. Die Präsenz französischer Soldaten in den Städten des Deltas brachte eine tiefgreifende Umwälzung der hergebrachten sozialen Verhältnisse in der ägyptischen Gesellschaft mit sich. In Rosetta waren bis dahin alle Frauen der Mittelschicht daran gewöhnt gewesen, tagsüber ihre Häuser verlassen und sich im Badehaus der Stadt treffen zu können. Die Praxis, Frauen einzuschließen, war normalerweise nur unter den sehr wohlhabenden osmanisch-ägyptischen Familien verbreitet und unter den Ägyptern der Unter- oder Mittelschicht nur selten anzutreffen. Mit der Seklusion sollte gezeigt werden, dass der Herr des Hauses vermögend genug war, sich Diener zu leisten, die alles besorgen konnten, was im Haushalt benötigt wurde, und in seinem Haus einen nahezu kompletten zweiten Haushalt, in dem nur Frauen anwesend waren, zu unterhalten. Die Wohlhabenden hatten Baderäume in ihren Häusern, sodass die Frauen nicht auf die städtischen Badehäuser angewiesen waren. Niello Sargy berichtete, dass die Ägypter in Rosetta angesichts der in den Straßen patrouillierenden französischen Soldaten anfingen, ihren Frauen das Ausgehen zu verbieten. Die Frauen beschlossen, eine Abordnung zu Menou zu schicken, dem Befehlshaber von Rosetta, um ihn zu bitten, Maßnahmen zu ergreifen, die es ihnen erlauben würden, sich wie zuvor frei ­bewegen zu können. Die zwei hübschesten Frauen wurden als Sprecherinnen ausgewählt, darunter Zubayda, die Tochter des Besitzers des städtischen Hamam, der ein wirtschaftliches Interesse an der Aufhebung dieses informellen Verbotes hatte. Menou willigte in ihre Forderung ein und gab ein Dekret heraus, in dem festgeschrieben wurde, dass die Franzosen den Frauen mit Respekt begegnen würden und dass die Scheichs und die Geistlichen ihnen erlauben sollten, sich wie zuvor frei in der Stadt zu bewegen. Menou muss dabei genug von Zubayda gesehen haben, um sich Hals über Kopf in sie zu verlieben. Er hielt um ihre Hand an und bekam von ihrem Vater, Muhammad Ali al-Bawwab, zu hören, dass er nur dann eine Aussicht darauf hätte, sie zu heiraten, wenn er zum

A l i B o n a p a r t e     165

Islam überträte. Im islamischen Recht ist es muslimischen Männern ­erlaubt, nicht-muslimische Frauen zu heiraten, muslimische Frauen aber dürfen nur Muslime heiraten. Hinzu kam, dass die Familie ­al-­Bawwab den Anspruch erhob, vom Propheten ­Mohammed abzustammen, was sie zu Mitgliedern der Scherifen-Kaste machte. Also konvertierte Menou zum Islam, nahm den Namen Abdullah, „Diener Gottes“, an und heiratete im Frühjahr des Jahres 1799 Zubayda, die Tochter des Hamam-Besitzers und geschiedene Frau von Selim Aga Nimatullah. Zwar sprach Bonaparte gern von seiner kirchenlosen Armee, in Wirklichkeit dienten unter ihm aber auch viele Gläubige. Für einige von ihnen, die zuerst durch den Antiklerikalismus der Revolution und dann durch den Kulturschock im Nahen Osten richtungslos geworden waren, stellte der Übertritt zum Islam eine Möglichkeit dar, Gläubigkeit zuzulassen und gleichzeitig eine Beziehung zu ihrer neuen Heimat aufzubauen. Menou schrieb im Oktober an General Marmont in Bezug auf ­einen nützlichen verwaltungstechnischen Vorschlag, den dieser gemacht hatte: „Ihr seid ein Mann Gottes, lieber General . . . Ich bitte Gott, ­Mohammed, alle Heiligen des Paradieses und des Korans, dass die von Euch vorgeschlagenen Maßnahmen übernommen werden.“ 19 Menou war im September 1795, in einer Zeit royalistischer Aufstände, Oberbefehlshaber der Pariser Nationalgarden. Alarmierte Politiker hielten ihn für zu nachgiebig. Sie ließen ihn absetzen und durch Barras und Bonaparte ersetzen. Drei Jahre später war er Gouverneur von ­Rosetta und zum Islam konvertiert. Dass sich ein französischer Offizier in Ägypten derart dem islamischen Glauben verschreiben würde, hatten die Jakobiner im ­Direktorium jener Legislaturperiode, das die Invasion bewilligte, wohl kaum vorhergesehen. Menou war anfangs einer der wenigen, die zu einer Konversion bereit waren, um eine formale Heirat in Ägypten eingehen zu können. Die meisten Offiziere nahmen sich einfach ägyptische Frauen als Geliebte. Und doch hatten einige von ihnen mit denselben Fragen zu kämpfen wie Menou. Hauptmann Moiret schrieb einige Monate später, dass er eine heimliche Affäre mit Zulayma führte, der Witwe eines unbedeutenderen Scheichs, die weggelaufen war, um in Damiette bei einem Gönner Zuflucht zu finden. 20 Moiret wohnte an der Straße, die zur Moschee führte, und häufig hielt vor seiner Tür eine wohlhabende Frau kurz inne, wenn sie unterwegs zu ihrem Gebet war oder von dort zurückkam. Moiret

166    A l i B o n a p a r t e

konnte durch den doppelten Schleier ihr Gesicht nicht sehen. Einmal allerdings grüßte er sie, und sie legte ihre Hand auf ihr Herz. An jenem Abend kam ihre Dienerin zu ihm und arrangierte, dass er sie unterrichten konnte. Er konnte sich mit ihr verständigen, weil diese Sklavin ursprünglich aus Marseille kam, vor der Barbareskenküste gefangen genommen und auf dem nordafrikanischen Sklavenmarkt verkauft worden war. Zulayma verfügte noch über ausreichend persönlichen Freiraum und Wohlstand, um Moiret dafür zu bezahlen, dass er sie in Mathematik und Französisch unterrichtete, immer unter der Aufsicht ihrer Sklavin. Er schrieb auf, was sie über ihr bisheriges Leben erzählte. Sie war in Georgien verkauft worden, dann aber nicht wie ursprünglich gedacht nach Istanbul, sondern nach Kairo geschickt worden, da sie für den türkischen Markt nicht füllig genug war. Sie sagte, selbst der Bey, der sie kaufte, hätte sie zuerst nicht beachtet, weil er hoffte, sie würde mit der Zeit zunehmen. Er schrieb, wie sie beklagte, von den mächtigeren Frauen im Harem unterdrückt, „gedemütigt und versklavt“ worden zu sein und dass sie sich nur im inneren Bereich des Hauses, einzig in Gesellschaft älterer Sklavinnen, aufhalten durfte. Die Frauen und Nebenfrauen durften zu keinem anderen Mann außer zu ihrem Herrn Kontakt haben, der hin und wieder in ihre Gemächer kam, wofür sie sich dann herausputzten und die feinsten Speisen zubereiteten. Sie verbrachten ihre Tage mit Stickarbeiten, manchmal kam eine Alima, eine ägyp­tische Tänzerin, um ihnen vorzutanzen und leidenschaftliche Geschichten zu erzählen. Nachmittags tranken sie Tee und aßen Früchte. Manchmal machten sie eine Bootsfahrt. Der Komfort, den sie genossen, war allerdings überschattet von den Grausamkeiten, die sie oft zu erdulden hatten. Moiret gab Zulaymas Geschichte über eine tscherkessische Nebenfrau wieder, die mit einem älteren Sklaven zur Moschee ging. Unterwegs hörte sie einen fremden Akzent, drehte sich um und sah einen Europäer, der in der Nähe mit jemandem sprach. Der Sklave soll dieses Vergehen dem Bey berichtet haben. „Der wütende Tyrann packte die Schuldige bei den Haaren und trennte ihr vor unseren Augen mit seinem Säbel den Kopf ab.“ Schließlich legte sie ihre Gefühle offen, vermutlich über ihre französische Dienerin. „O Gnade, junger Geliebter und bezaubernder Krieger, entreißt mich diesem abscheulichen Land und führt mich nach Frankreich, sollte das Schicksal Euch jemals wieder dorthin rufen.“ Er schrieb,

A l i B o n a p a r t e     167

dass die Tränen sie noch schöner machten und dass er ihr das Versprechen gab. Dann drängte er sie jedoch und fragte, ob er darauf hoffen könne, als Gegenleistung für dieses Versprechen seine Liebe erwidert zu sehen. Er wollte ein eindeutiges Zeichen von ihr, dass sie, abgesehen von ihrer Dankbarkeit dafür, dass er sie erlösen würde, wahre Gefühle für ihn hegte. Wie konnte sie sicher sein, dass er sein Versprechen ernst meinte, fragte sie, „bevor es nicht durch Religion und Gesetz abgesegnet war?“ Denn, so sagte sie, die Franzosen seien bekannt für ihre Unbeständigkeit, sie entbrannten schnell in Leidenschaft, die aber sogleich wieder erlösche. Wenn die Franzosen zu dem Zeitpunkt bereits in diesem Ruf standen, so spricht das Bände über ihre Beziehungen zu den einheimischen Frauen. Moiret stellte sich selbst als eine Ausnahme dar. Aber er fragte unnachgiebig weiter, welche Religion sie genau meinte. Sie dürfe nicht von ihm erwarten, den Turban zu tragen, sagte er entschieden, „oder mich dem demütigenden Eingriff zu unterziehen, der die Juden und Muslime kennzeichnet“, oder auf Wein zu verzichten, „der eine Erfindung Noahs ist“. Er würde nicht dem Beispiel Menous folgen, der zum Islam übergetreten war und den Namen Abdullah angenommen hatte, worüber sich das ganze Heer lustig machte. Schließlich sagte er: „Wie könntet Ihr mir vertrauen, dass ich Euch gegenüber nicht wortbrüchig werde, wenn ich all meine Bindungen zu der Religion, mit der ich aufgewachsen bin, löse?“ Sie wandte ihrerseits ein, dass sie sich kaum vom Islam abwenden könnte, da der Mann, mit dem sie lebte, ein Kaufmann namens Aboulferu, dem Glauben tief verbunden sei und niemals ihre Abkehr von der Religion gutheißen würde. Moiret antwortete darauf kalt: „Dann müssen wir einander auf ewig Lebewohl sagen“. Zulayma bot einen Kompromiss an. Er sollte sie benachrichtigen, wenn er nach Frankreich zurückkehren musste, sie würde ihn dann mit all ihren Reichtümern und Juwelen begleiten, und dort würde dann sein Gott auch zu ihrem werden. Er traf sie weiterhin, bis er am 19. Juli 1799 versetzt wurde. Als sich die Franzosen 1801 zurückziehen mussten, schaffte Zulayma es nicht, ihn in Alexandria zu treffen, da sie den Mamelucken-Beys in die Hände fiel, die mit dem osmanischen Heer zurückgekommen waren. 21 Trotz des romantischen Flairs – der Annäherung durch den Schleier, der Tränen, die ihre Schönheit betonten, und der Schwüre ewiger Liebe –

168    A l i B o n a p a r t e

hatte diese Beziehung doch auch einen geschäftlichen Charakter. Moiret bot Zulayma Zuflucht vor den osmanisch-ägyptischen Herrschern an für den Fall, dass die Franzosen das Land verließen, und sie stellte ihm die Reichtümer in Aussicht, die ihr verstorbener Gatte ihr hinterlassen hatte. Die Möglichkeit, in Damiette zu heiraten, blieb ihnen verwehrt, weil er nicht bereit war, zum Islam überzutreten, und sie nicht zum Christentum übertreten konnte, ohne ihren einheimischen Gönner zu verlieren. Er erklärte außerdem, dass er sich nicht zum Gespött machen wolle oder fremde Lebensweisen annehmen, aber mit Sicherheit hatte es auch mit seiner eigenen religiösen Überzeugung zu tun. Anders als viele Offiziere der Republik war er gläubiger Katholik, schließlich hatte er in Lyon das Priesterseminar besucht, um Dominikanerpriester zu werden. Laut Moirets Darstellung waren gesellschaftliche Konventionen und das Ansehen der eigenen Person für beide zu wichtig, um die Kompromisse einzugehen, die in Ägypten für eine Heirat notwendig ­waren. *** Die französischen Jakobiner sahen im Islam lediglich einen Schmelztiegel des Aberglaubens. Sie beobachteten häufig Ausdrucksformen von Volksfrömmigkeit, die ihnen als bizarre und barbarische Riten erschienen. Die muslimischen Rechtsgelehrten, die Ulema, leugneten, dass ­solche Praktiken etwas mit dem Islam zu tun hätten. Die meisten Informationen über die Bedeutung volksreligiöser Bräuche erhielten die Franzosen vermutlich von ihren aus der Mittelschicht kommenden ägyptischen Dolmetschern, die den Europäern wohl etwas von ihrer eigenen Abneigung dagegen vermittelten. Dieses Bild des Volksislams war keineswegs eine alleinige Schöpfung des europäischen Orientalismus, sondern wurde von beiden Lagern forciert. Die arabisch-muslimische Gesellschaft hatte für die Franzosen der Aufklärung und der revolutionären Epoche als Symbol für eine bestimmte Kultur vielerlei Bedeutung. Zuweilen benutzten die Franzosen die muslimischen und islamischen Bräuche als Gegenbild, mit dem sie aufzeigen konnten, wie sehr sie sich von den Menschen im Nahen ­Osten unterschieden. Charles de Montesquieu, der Staatsphilosoph des 18. Jahrhunderts, hatte, als er über die Vorzüge der Gewaltenteilung – die Trennung von Exekutive, Legislative und Judikative – sprach, ausdrücklich betont: „Bei den Osmanen, wo diese drei Gewalten in der einen Person des Sultans vereint sind, herrscht ein grausamer Despo-

A l i B o n a p a r t e     169

tismus.“ 22 Montesquieu überschätzte dabei die Fähigkeit des Sultans, den Kadis, den islamischen Richtern, die Gesetze zu diktieren, und er rechnete nicht damit, wie mächtig die Großwesire und ihre Minister gegenüber dem Sultan geworden waren. Einige französische Philosophen versuchten aufzuzeigen, wie nahe die Europäer, ohne es zu wissen, den islamischen Bräuchen manchmal waren. In Voltaires Theaterstück Mahomet wurde der Prophet des Islam in wenig schmeichelhafter Weise dargestellt, das Stück sollte aber eine Kritik an der institutionalisierten Religion sein, nicht am Islam als solchem, und Voltaire gestand offen ein, dass er ­Mohammed Unrecht getan hatte. Bonaparte selbst verwarf das Theaterstück und sagte, Voltaire habe „den großen Charakter ­Mohammeds mit den gemeinsten Intrigen verraten. Er behandelt einen großen Mann, der das Gesicht der Welt verändert hat, so, als sei er ein elender Schurke, der es wert sei, gehängt zu werden.“ 23 An anderer Stelle schrieb Voltaire, dass Mohammed ein großartiger Mann gewesen sei und seinerseits großartige Männer hervorgebracht hätte und dass die Weltgeschichte eine andere Entwicklung genommen hätte, wenn er aus der Schlacht von Badr gegen seine ungläubigen Feinde von Mekka als Verlierer hervorgegangen wäre. Auch die Herausgeber der vielbändigen Encyclopédie, dem Hauptwerk der Aufklärung und ersten Versuch der Neuzeit, das gesamte Wissen in einem einzigen Werk zusammenzuführen, benutzten den Islam als Code für ihre Kritik an Aberglauben und Dogmatismus des katho­ lischen Glaubens. 24 Andere Autoren in dieser Enzyklopädie hoben da­ gegen die Errungenschaften der arabisch-muslimischen Wissenschaft ­hervor und stellten sie der in Europa herrschenden religiösen Aufklärungsfeindlichkeit gegenüber. Bonaparte selbst war ein Bewunderer der arabischen Wissenschaftstradition. 25 Er verglich die Zivilisation der städtischen Bevölkerung des Nahen Ostens mit den Sitten der Hirten­ nomaden der asiatischen Steppen und Wüsten, die, wie er meinte, unaufhörlich gefestigte Reiche stürzten. Sie seien „Feinde der Wissenschaft und der Künste“, so schrieb er, „aber dieser Vorwurf kann den Arabern, oder Mohammed, nicht gemacht werden.“ Er pries die umayyadischen Kalifen des 17. und 18.  Jahrhunderts als ­Poeten und Kenner schönster Verse, die sie ebenso sehr schätzten wie Tapferkeit auf dem Schlachtfeld. Für die Kalifen der abbasidischen Dynastie des 8. und 9. Jahrhunderts fand er noch mehr Lobesworte:

170    A l i B o n a p a r t e

„Al-Mansur, Harun al-Rashid, al-Mamun, sie alle waren Förderer von Kunst und Wissenschaften. Sie liebten die Literatur, die Chemie und die Mathematik; sie umgaben sich im Alltag mit Wissenschaftlern und ließen Übersetzungen griechischer und lateinischer Autoren ins Arabische anfertigen . . . Chemie, Destillierkunst, Sonnenuhren, Uhren, unsere heutigen Zahlen, all dies sind Erfindungen der Araber. Kaum etwas kann schöner sein als ihre Fabeln und Parabeln; ihre Gedichte sind voller Wärme und Güte. Mohammed pries vor allem die Gelehrten und die Menschen, die sich einem Leben in Kontemplation und dem Verfassen schöngeistiger Texte hingaben.“

Bonaparte hatte den Schauplatz all dieser Entwicklungen und Auseinandersetzungen grundlegend verändert. Die Ankunft von etwa 32 000 französischen Soldaten in Ägypten im Sommer des Jahres 1798 machte aus der Frage, was vom Islam zu halten sei, mehr als ein Gesellschaftsspiel. Die Franzosen waren nun unmittelbar beteiligt am umfassendsten Zusammenstoß der Kultur Westeuropas mit der muslimischen Kultur des Nahen Ostens seit der Zeit der Kreuzzüge.

    171

8 Der unaufhörliche Triumph der Vernunft

Ende August schrieb Kléber aus Alexandria an Bonaparte, dass Emir ­Ibrahim Çurbaci, das Oberhaupt von Damanhur, ihm bei einem Besuch den Rat erteilt habe, dass es nie zu einem Frieden mit den Stämmen in dieser Region komme, wenn er nicht Geiseln aus deren Reihen nehme. Ibrahim war vorher in den Aufstand gegen die Franzosen verwickelt gewesen, konnte aber überzeugt werden, sich ihrer Herrschaft zu beugen, und Kléber sprach sich dafür aus, ihn mit Milde zu behandeln. Zur Zusammenarbeit bei der Kontrolle der Wasserzufuhr von Rahmania nach Alexandria war Ibrahim nun bereit, doch nur bei gleicher Bezahlung wie unter den osmanischen Beys. 1 Trotz Emir Ibrahims Rat und Unterstützung war jedoch die Versuchung für die wasserbedürftigen Dorfbewohner, Wasser aus den Kanälen abzuzweigen, zu groß, um ihr widerstehen zu können, zumal es für sie zum einen lukrativ war und sie andererseits damit auch ihre Missachtung gegenüber der europäischen Besatzungsmacht demonstrieren konnten. Das Dorf Birkat Gitas verbündete sich mit dem Beduinen Awlad Ali und blockierte den Kanal. Kléber sah sich gezwungen, am 13. September sechshundert Soldaten auszusenden, um die Blockierer zu bestrafen. Er ordnete an, dass die Köpfe der in diesem Dorf getöteten Männer abgeschlagen und auf Pfähle gesteckt werden sollten, damit Vorübergehende sie sehen konnten. Das Dorf wurde bis auf die Grundmauern niedergebrannt, Frauen, Kinder und alte Menschen verschont. Als die Abteilung am 16. September zurückkehrte, hatten die Männer fünfzig Ägypter getötet und einen beträchtlichen Viehbestand im Schlepptau. Kléber verschickte Flugschriften in alle Dörfer am Nil und drohte den Bewohnern dasselbe Schicksal an, sollten sie den Wasserlauf des Kanals behindern. 2 Obwohl der Aufstand in Mansura Mitte August niedergeschlagen worden war, blieb die Provinz unruhig. General Dugua berichtete über einen lebhaften Aufruhr im nahe gelegenen Dorf Sonbat.

172    D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t

„Einen Teil des Dorfes bewohnen drei- oder vierhundert Beduinen des Stammes Dirn aus der Wüste auf der anderen Seite von Alexandria. Sie wurden vor vier Jahren von Eyyüb Bey, dem Schutzherrn von Sonbat, hierher beordert, um die Bewohner, die sich tagtäglich gegenseitig umbrachten, in ihre Schranken zu ­weisen.“

Die Franzosen hegten Groll gegen die Dirn, weil diese die Ermordung des Kontingents in Mansura angeführt hatten. Dugua plante eine Expedition zur Bestrafung Sonbats, sagte aber, er müsse gut bewaffnet sein, da die 300 Bauern dort ein Bündnis mit den Stammesmitgliedern eingegangen seien. Er hatte das Gefühl, die Dirn hätten sich mit ihren jüngsten Plünderungen in den benachbarten Dörfern so verhasst gemacht, dass er von dieser Seite mit Neutralität rechnen konnte. 3 Bonaparte antwortete Dugua am 6. September und teilte ihm mit, er schicke die Patronen, die der General verlangt habe, sie würden mit dem beigefügten Brief eintreffen. Er fügte hinzu: „Ich hoffe, Ihr habt die verfluchten Beduinen im Dorf Sonbat ein wenig zur ­Räson gebracht. Brennt dieses Dorf nieder! Statuiert ein abschreckendes Exempel und erlaubt diesen Arabern nicht, in das Dorf zurückzukehren und dort zu wohnen, bis sie Euch zehn Geiseln aus den Reihen ihrer bedeutendsten Männer übergeben haben, die Ihr mir dann zur Internierung in der Zitadelle schicken werdet.“ 4

Unter Anleitung einheimischer Größen wie Emir Ibrahim übernahmen Bonaparte und seine Generäle die Methoden der osmanischen Ägypter, mit politisch wichtigen Gruppen wie den Beduinen und aufsässigen Dorfbewohnern umzugehen – in ihrer Grausamkeit erschreckende Methoden. Am 12. September schickte Dugua General Jean-Antoine Verdier mit 550 Mann und einigen Artilleriegeschützen nilaufwärts. 5 Am 14. gingen sie in der Nähe von Sonbat an Land. Verdier suchte das Oberhaupt des benachbarten Dorfes Hanud auf und bat um Unterstützung bei der Erkundung der Region und der Umgebung von Sümpfen, die sich durch das Hochwasser des Nils ausgebreitet hatten. Als die Franzosen im Juli in Ägypten eingefallen waren, hatten sich die Dirn den Zusammenbruch von Recht und Ordnung zunutze gemacht und den Scheich sowie andere hochstehende Dorfbewohner ausgeplündert. „Der Scheich von ­Hanud marschierte deshalb ständig in vorderster Linie und zeigte uns mit Freuden die Straßen, die uns direkt zum Feind führen würden“, so Verdiers

D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t     173

Bericht an Dugua. Eine Vorhut traf außerhalb von Sonbat auf ein Lager der Dirn mit sechshundert Soldaten. Ungefähr die Hälfte der Männer griffen die Franzosen an, während die andere Hälfte versuchte, mit Gepäck, Frauen und Vieh zu entkommen. Verdier berichtete: „Die Grenadiere unter dem Befehl von Brigadechef Laugier griffen wie üblich ­ungestüm an, schlugen die dreihundert Beduinen zurück und zwangen die anderen, alles stehen und liegen zu lassen, um ihren Kameraden zu Hilfe zu eilen und mit vereinten Kräften ihr Lager zu verteidigen, das General Laugier mit seinem rechten Flügel gestürmt hatte.“

Verdier hatte in der Zwischenzeit sein eigenes Kontingent von 500 Mann um das Lager herumgeführt, um weiter von rechts anzurücken, und die verstörten Beduinen ergriffen massenweise die Flucht und ließen alles zurück. Die Beduinen und Dorfbewohner sammelten sich in Sonbat und brachten sich auf den Hügeln im Umkreis des Dorfes in Position. Die Franzosen drängten sie erneut zurück, und sie warfen ihre Waffen weg, um ungehindert in die Sümpfe der Umgebung fliehen zu können. Verdier berichtete, seine Soldaten hätten sie verfolgt, bis sie sahen, dass sie ertrunken oder verschwunden waren. Die Stammesmitglieder der Dirn und die Bauern von Sonbat entkamen wohl größtenteils in die herbstlichen Sümpfe, in denen sie sich inzwischen gut auskannten. Verdier berichtete mit Bedauern, sie hätten viel mehr Feinde töten können, wären nicht so viele Patronen, die aus Kairo geschickt worden waren, defekt gewesen. Es kam häufig zu Fehlzündungen, oder die Reichweite betrug nicht mehr als zwanzig Fuß. Sie entdeckten im Dorf drei edle Pferde, die von Dienern der Emire dort vor ihrer Flucht vor den Franzosen versteckt worden waren, und fanden heraus, dass einige der toten Beduinen französische Schuhe trugen, ein Beweis für ihre Teilnahme an dem Massaker in der Garnison von Mansura. Verdier höhnte: „Ihr habt mir befohlen, diesen Schlupfwinkel zu zerstören. Sehr gut, er existiert nicht mehr.“ Er hatte ihr Waffenversteck im Schlamm entdeckt und die Schusswaffen zerstört. Er versicherte seinem Vorgesetzten, die Dörfer Hanud und Shubra sowie das, was von Sonbat übrig geblieben war, würden von da an ihre Tore vor den Beduinen der Dirn verschlossen halten. „Dieser Tag kostete die Republik nur einen Grenadier der

174    D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t

25. Halbbrigade, der leicht am Knie verwundet wurde, und brachte ihr eine große Zahl von Schafen und 59 große und kleine Kamele ein, die ich Euch übergeben werde.“ Die ernste Notlage der Republik zu diesem Zeitpunkt wird darin deutlich, dass sie auf solche aus einem ägyptischen Dorf geraubte Schafe und Kamele angewiesen war. Da Bonaparte nicht in der Lage war, seine Soldaten zu bezahlen, lebten diese häufig von der Plünderung der einheimischen Bevölkerung, was sie in ihrer Privat­ korrespondenz als Einsammeln von „Spenden“ bezeichneten. *** In Kairo bot die schier unübersehbare Zahl französischer Soldaten, die anfangs einschüchternd auf die Bevölkerung gewirkt hatte, ein Minimum an Sicherheit. Dort konnte Bonaparte sich ungehindert auf den Aufbau der Institutionen konzentrieren. Im August hatte er das Institut d’Égypte nach dem Vorbild des Institut de France als wissenschaftliche Gesellschaft eingerichtet, die sich intensiv mit dem Studium Ägyptens befassen und die Bedürfnisse der Armee unterstützen sollte. Hauptmann Say betrachtete Bonapartes Gründung des Instituts als einen Weg, die Freiheit in Ägypten zu verankern mit einer „Regierung, bei der die Gleichheit der Rechte allen die Möglichkeit zusichert, ohne Diskriminierung erfolgreich zu sein.“ 6 Die Anliegen der Wissenschaftler und der ­Regierungsbeamten in Ägypten kamen bei der ersten Sitzung des Institut d’Égypte klar zum Ausdruck. Bonapartes eigene Notizen geben einen Eindruck von der Bandbreite der hoheitlichen und wissenschaftlichen Fragen, die am 23. August im ­Institut erörtert wurden. „Können die Öfen, in denen das Brot für das ­Militär gebacken wird, verbessert werden? Gibt es in Ägypten einen Ersatz für Hopfen, um Bier zu brauen? Wie kann das Nilwasser gereinigt werden? Sollte man in Kairo Wasser- oder Windmühlen bauen? Kann Schießpulver in Ägypten hergestellt werden? Wie kann es verbessert werden?“ 7 Bonapartes größte Sorge schien nicht so sehr die Gleichheit vor dem Gesetz zu sein, vielmehr kümmerte er sich ­darum, das Institut als wissenschaftlichen Beirat für sein militärisches Unternehmen zu ­nutzen. Das Institut sollte anfänglich sowohl kulturellen als auch wissenschaftlichen Zwecken dienen. Bonaparte teilte die Ansicht, dass The­ ateraufführungen eine „öffentliche Schule für die Moral und den Geschmack“ sind. 8 Später sagte er über öffentliche Darbietungen: „Welch

D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t     175

ein Werkzeug, wenn die Regierung es zu nutzen weiß!“ Bonaparte schrieb in jenem Herbst auch an Jean-Lambert Tallien, den jakobinischen Journalisten und ehemaligen Parlamentarier, den er mit nach Ägypten genommen hatte: Da er „der Errichtung eines Theaters und anderer festlicher Ereignisse große Bedeutung“ beimesse, ordnete er an, Tallien und einige andere Intellektuelle müssten „sich mit der Möglichkeit“ beschäftigen, „einen Saal für Aufführungen einzurichten, Schauspieler zusammenzubringen und das Stückerepertoire vorzustellen, das diese spielen könnten. Hauptmann Says Biografie, die von dem Dramatiker Louis Laus de Boissy – einem regelmäßigen Besucher des Salons von Josephine und ­Autor von „La vraie républicaine“ – redigiert wurde, macht deutlich, dass Say besonderen Wert auf Kultur legte, um den Bürgersinn und die Ideen der Revolution unter den Ägyptern zu fördern. Er stand mit diesem Anliegen nicht allein. Das Institut d’Égypte, schrieb er, „ernannte eine Kommission aus Künstlern, die den Auftrag erhielt, in Kairo einen Auf­führungsort für Tanz, Konzerte und Feuerwerk zu schaffen.“ Diese öffentlichen Vorführungen in der Stadt, so hoffte er, „werden eine neue Möglichkeit bieten, die Gemüter dieser Neulinge in Sachen Freiheit zu erheben und in diesem Land einen Gemeinsinn zu formen, das fünfte Element eines freien Volkes.“ 9 Nach seinem Wunsch sollten bei diesen öffentlichen Vorführungen die Awalim, die wir heute als Bauchtänzerinnen bezeichnen würden, eine große Rolle spielen. Das war in jener Zeit eine Gruppe von kultivierten Darstellerinnen, die für die kriegerische osmanisch-ägyptische Elite aufzutreten pflegte. Say war sich über die sinnliche Natur des Repertoires der Tänzerinnen voll und ganz im Klaren, als er diesen ziemlich ausgefallenen Vorschlag unterbreitete, und es lohnt sich, nach den möglichen Gründen zu forschen. Er schrieb, dass die professionellen Sängerinnen „gelehrte Frauen“ (Alima, im Plural Awalim, oder Savantes) genannt wurden, und gab zu, dass sie „ihren Namen verdienten … weil die Ausbildung, die sie genossen hatten, weit umfangreicher war als die der anderen Frauen“. Sie waren, sagte er, „Priesterinnen der Sinnlichkeit“. Zu den Voraussetzungen, in ihre Reihen aufgenommen zu werden, gehörten eine schöne Stimme, eine „gute Kontrolle über die Zunge“ und die Fähigkeit, aus dem Stegreif Verse entsprechend dem gesellschaft­ lichen Anlass zu verfassen und zu singen. Hauptmann Say fuhr fort:

176    D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t

Kein Ereignis kann ohne diese Awalim stattfinden. Nach dem Gesang führen sie kleine pantomimische Tänze auf, die für gewöhnlich die Mysterien der Liebe zum Thema haben. […] Zu Beginn ihres Tanzes legen sie mit ihrem Schleier auch die Bescheidenheit ihres Geschlechts ab. Ein langes Gewand aus hauchdünner Seide reicht bis zu ihren Fersen. Ein prachtvoller Gürtel umgibt locker ihre Taille. Langes schwarzes Haar, geflochten und parfümiert, fließt über ihre Schultern, und eine Bluse, die durchsichtiger ist als Gaze, als wäre sie aus Luft gewebt, verhüllt kaum ihre Brüste. Wenn sie anfangen, sich zu bewegen, scheinen die Konturen ihrer Körper sich nach und nach aufzulösen. […] Dies sind Bacchantinnen im Delirium; in diesem Stadium vergessen sie die Menschenmenge und überlassen sich gänzlich der Verwirrung ihrer Sinne. An diesem Punkt applaudierten all die doppelt so laut, die wenig für Zartheit übrig haben und nichts Verschleiertes ­mögen. 10

Die Franzosen sahen in der Beschäftigung der Tänzerinnen die Möglichkeit, eine bürgerlich-republikanische Kultur zu fördern. Obwohl die eindringliche Darstellung sexueller Reize von Reformoder Revolutionsautoren manchmal als Möglichkeit genutzt wurde, die Dekadenz des Ancien Régime zu kritisieren, konnte sie genauso gut revolutionären Zwecken dienen. So bedient sich Choderlos de ­Laclos in seinem Roman „Gefährliche Liebschaften“ (1782) auch dieses Stilmittels, um Monarchie und Aristokratie anzugreifen. Das wird auch in den pornografischen Flugblättern deutlich, die beim einfachen Volk und unter Kritikern der Monarchie im Umlauf waren und auf denen Königin Marie Antoinette in schockierender Weise abgebildet war. Auf der anderen Seite hat die Missbilligung der Sinnlichkeit durch die Kirche dazu geführt, dass sie Freigeistern als revolutionär ­erschien. Unsere männ­ lichen ­Memoirenschreiber beschäftigten sich damit allerdings nicht, da sie die Revolution als brüderliche Angelegenheit betrachteten. Frauen, obwohl sehr geschätzt als Gesprächspartnerinnen und Begleiterinnen, zählten für sie nicht als politische Personen der Öffentlichkeit. 11 *** Obwohl Say schrieb, er habe die eher sinnlichen Aspekte der Vorführungen der Awalim missbilligt, feierten die Tänzerinnen doch die Liebe, den Wein und das Leben. Sie standen für eine weltliche Tradition der Darstellung, die sich das republikanische Theater zu eigen machen konnte. Detroye begegnete während des Nilfestes auf den Straßen von Kairo „Sängerinnen, die Szenen mit Dialogen vorführten, und Frauen, die singend Gedichte vortrugen“. Die sozialen Beziehungen zwischen den

D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t     177

Franzosen und einheimischen muslimischen Frauen waren außerdem ein Zeichen dafür, dass ihre Rolle sich radikal verändern konnte. Die Eroberer traten als Befreier der ägyptischen Frauen auf und sahen in ihnen wie in Kopten und Griechen eine potenzielle Anhängerschaft für ihre kulturelle Revolution im Niltal. Die Franzosen hofften immer noch, auch die muslimische Geistlichkeit Ägyptens von republikanischen Werten überzeugen zu können, und viele glaubten, dass die Vernunft bei diesen letztendlich siegen würde. Niello Sargy war offensichtlich beeindruckt, wie interessiert sich die wichtigsten Mitglieder des Diwans – die Scheichs al-Mahdi, ­al-­Fayyumi, al-Sawi, ­al-Fasi und al-Bakri – an der Druckerpresse zeigten, die von M. Marcel geleitet wurde. Die französische Presse war um einiges schneller und präziser als die Pressen, die einige von ihnen in Istanbul oder im maronitischen Kloster in der Region Keserwan gesehen hatten. „Scheich al-Bakri kam, um die Druckerpresse zu sehen. Er fragte, ob es viele davon in Frankreich oder in Europa gebe. Dann fragte er nach Russland.“ Niello Sargy erzählte ihm, dass Russland gerade erst beginne, sich mit der breiten Verwendung von Druckerpressen, die aus dem frühen 18. Jahrhundert stammten, aus der Rückständigkeit herauszuarbeiten. Er berichtete, Scheich al-Bakri habe gesagt, es gäbe viele ­ausgezeichnete arabische Werke, die gedruckt werden sollten. 12 Obwohl man in Westeuropa schon um 1450 begonnen hatte, mit beweglichen Metall-Lettern zu drucken, wurde diese Technologie erst viel später auch im Rest der Welt angewendet. Nur in China, Japan und Korea, wo man Druckformen aus Holz benutzte, wurden in der frühen Neuzeit einige tausend Bücher veröffentlicht. Im Nahen Osten, in Afrika, Indien und sogar in großen Teilen Osteuropas und Russlands war das Drucken bis mindestens ins erste Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts eine unbedeutende, sehr spezielle Tätigkeit. Ab etwa 1720 wurde viel auf der Müta­ferrika-Presse in Istanbul gedruckt, was einige der Geist­lichen Ägyptens auch sehr wohl wussten. Die Drucktechnik erlaubte die genaue Reproduktion wissenschaftlicher und technischer Darstellungen, die bei handschriftlichen Abschriften nicht möglich war. Da man in Westeuropa von dieser Technik in großem Stil Gebrauch machte, geriet diese Region auf wissenschaftlichem Gebiet in der frühen Neuzeit klar in Vorteil. Scheich al-Bakri und andere Intellektuelle in Kairo, die im Osmanischen Reich bei früheren Gelegenheiten das

178    D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t

Drucken kennen­gelernt hatten, ­waren leicht von diesen Vorteilen zu überzeugen. *** Die Loyalität der ägyptischen Muslime versuchte Bonaparte zwar auf die Französische Republik zu lenken, indem er die Geistlichen zwang, die Kokarde zu tragen. Doch eigentlich galt ihre Loyalität dem osmanischen Sultan, der entschlossen war, dieser Treue neue Geltung zu verschaffen. Für die sunnitischen Geistlichen von Ägypten besaß der Herrscher in ­Istanbul im Allgemeinen keinen besonderen religiösen Status, weil nach ihrer Meinung das Kalifat, das sunnitische Pendant zum Papsttum, schon vor Jahrhunderten bedeutungslos geworden war. Aber sie schätzten den Sultan als praktischen Verteidiger sunnitisch-muslimischer Interessen. Bonaparte hatte Volneys’ Erkenntnis angeführt, dass für jede Eroberung Ägyptens drei Kriege nötig wären – gegen die Briten, die Osmanen und die ansässigen Muslime. Bei der Seeschlacht von Abukir hatte er die Antwort der Briten erhalten. Jetzt war er dabei, herauszufinden, wie schwierig es für einen Freibeuter war, die weitreichende Autorität und Rechtmäßigkeit eines Sultans zu überwinden. Istanbul lag 679 Meilen nördlich von Alexandria auf der anderen Seite des Mittelmeers. Dort funkelte das Goldene Horn. Westlich davon lagen die Blaue Moschee und der Topkapi-Palast. Im Osten lag Galata (oder Pera), wo Europäer Handel mit Luxusgütern trieben und diplomatische Enklaven errichtet hatten. Das Osmanische Reich erlebte nach einer sieben Jahrhunderte währenden Zeit unaufhörlicher Siege nun ein Jahrhundert der Niederlagen. Es hatte mehrere bedeutende Schlachten gegen ein wiedererwachendes Österreich verloren, und die aufstrebende russische Macht bedrohte es mit weiteren Rückschlägen. Sein Einfluss in Randprovinzen wie Algerien war bedroht, und die Herrschaftssysteme der Militärsklaven in Kairo und Bagdad hatten bereits weitgehende Autonomie erlangt. Einheimische Persönlichkeiten und Stammesfürsten meldeten Rechte auf die Macht in Teilen Syriens und Anatoliens an, und in den Balkanländern kam es neuerdings zu Unruhen. Dennoch stand das Osmanische Reich nicht ohne Reserven da, und die Wachsamkeit seiner Führer war durch den Verlust einer entscheidenden Provinz geschärft worden. Ägyptens Schicksal wurde nicht nur in Paris und London entschieden, sondern auch in Istanbul – inmitten der Intrigen im osmanischen Kabinett und

D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t     179

der Verschwörungen, die die europäischen Konsuln gegeneinander ausbrüteten. Der osmanische Chronist Ahmad Cevdet beschrieb Notizen osmanischer Schreiber aus dem späten 18. Jahrhundert zufolge den Schock der Hohen Pforte in Istanbul angesichts der französischen Politik. Er machte darauf aufmerksam, dass sich die meisten gekrönten Häupter Europas nach der Revolution gegen Frankreich gewandt hätten, während die ­Osmanen zuverlässig ihre lange Tradition freundschaftlicher Beziehungen zu Paris aufrechterhielten. Istanbul hatte den französischen Kaufleuten weiterhin Handelsfreiheit im Reich eingeräumt. Die Osmanen mussten für diese Haltung nicht gerade wenig bezahlen, behauptete ­Cevdet, weil sie enormem Druck seitens des britischen Botschafters und anderer ­europäischer Mächte ausgesetzt waren. 13 Obwohl einige konservative osmanische Adlige der Französischen Revolution feindlich gegenüberstanden, muss hier betont werden, dass die Osmanen anders als die Österreicher und Briten in keiner Weise ideologisch auf die Revolution reagierten. Stanford Shaw, der bedeutendste Historiker jener Epoche für das Osmanische Reich, schrieb: „Während die Ideen der Französischen Revolution die gesamte soziale und politische Struktur des Osmanischen Reiches sowie die Position des Sultans selbst infrage stellten, hatten der Sultan und seine Gefolgschaft sie nie gefürchtet und nie den Wunsch gehegt, sich der Bewegung anzuschließen, die der Seuche ein Ende bereiten wollte.“ 14 Osmanische Sultane waren von ihren Verfolgern getötet worden, einige von ihnen in Volksaufständen, sodass aus Istanbuls Sicht der Tod des Königs und der Königin unter der Guillotine, so bedauernswert er auch gewesen sein mochte, nichts Neues war. Die osmanische Führung betrachtete die Revolution als eine obskure und komplizierte politische Angelegenheit von römisch-katholischen Christen im fernen Westen. Die Tatsache, dass die Europäer ständig in solchen gesellschaftlichen ­Tumulten gefangen zu sein schienen, wurde als Beweis dafür gesehen, dass es in der Tat besser war, in einem stabilen muslimischen Sultanat zu leben. Die geopolitische Dimension der seit Langem bestehenden Verbindung zwischen Frankreich und den Osmanen, die auf der gemeinsamen Angst vor Russland und Österreich gründete, hatte sich nicht verändert. Shaw fügte hinzu: „Selim ging sogar so weit, das Aufkommen der Revolution gerade wegen der Konflikte zu begrüßen, die sie hervorrief,

180    D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t

die samt und sonders dazu dienten, seine Feinde von seinem eigenen Reich abzulenken, während es schwach und vor Angriffen ungeschützt war.“ Obwohl er den Franzosen Sympathien entgegenbrachte, versuchte Selim III. auch zur antifranzösischen Ersten Koalition gute Beziehungen zu unterhalten, also zu Österreich, Preußen, Großbritannien und Spanien. Sein Hauptanliegen in den 1790er Jahren blieb die Reform des ­Militärs. Er wollte das Janitscharen-Korps neu organisieren und eine „neue Armee“ (Nizam-i Cedid) schaffen, mit Uniformen, Ausbildung und Ausrüstung, die modernen Maßstäben entsprachen. Zu ­Beginn lehnte er es ab, eine offizielle Botschaft des revolutionären Frankreichs in Istanbul zuzulassen, um die anderen Großmächte nicht zu erzürnen. Er gab aber den Franzosen insoweit nach, als er seinen Staatsmännern informelle Treffen mit Gesandten erlaubte. Dort lebende französische Kaufleute veröffentlichten in französischsprachigen Zeitungen zahlreiche Berichte über die Entwicklungen in der Republik, die von vielen osmanischen ­Diplomaten und Kaufleuten gelesen wurden. Die Osmanen erlaubten außerdem revolutionären französischen Zirkeln in ­Istanbul, Flugblätter zu verfassen und sich öffentlich zu versammeln. Die Hohe Pforte ­reagierte auf die heftigen Proteste der Briten und Russen gegen die ­öffentliche Zurschaustellung des Emblems der Revolution mit „amüsiertem Verständnis“. Als klar war, dass die neue Republik militärisch überleben würde, stimmte Selim III. 1795 der Ernennung eines französischen Botschafters in seiner Hauptstadt zu. Paradoxerweise wäre Bonaparte selbst in dieser Zeit fast in die osmanische Hauptstadt gereist. Im selben Jahr hatte er eine Versetzung in die französische Infanterie abgelehnt, die in der Vendée den Aufstand königstreuer Bauern gegen die Revolutionsregierung niederschlagen sollte. Der Ausschuss für Öffentliche Sicherheit hatte ihn deshalb aus der Armee entlassen und für kurze Zeit unter Arrest gestellt. Im September 1795 wurde Bonaparte für eine achtköpfige militärische Mission zur Neuorganisation des osmanischen Artilleriekorps vorgeschlagen, aber er hoffte auf einen besseren Posten und nutzte seine Beziehung zu Paul Barras, der für die Sicherheit von Paris verantwortlich war. Sein Freund Bourrienne stellte die Idee, nach Konstantinopel aufzubrechen, als Bonapartes eigene hin, doch das Gegenteil scheint der Fall gewesen zu sein. 15 Am Ende nutzte Barras ­Bonapartes Talente, um

D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t     181

eine Meute von Royalisten und Abweichlern aus Paris zu vertreiben, die gedroht hatte, die Revolutionsregierung zu stürzen. Der General wurde zum Helden. Barras forcierte die Abkehr von Radikalismus und Terror, die im Sommer 1794 mit dem Umsturz und der Exekution Robespierres und seiner Anhänger eingesetzt hatte, und unterstützte die Errichtung der neuen Regierung in Form des Direktoriums. Dann sicherte er Bonaparte den Oberbefehl über den Italienfeldzug, wo sich der Korse als ­innovativer militärischer Stratege hervortat, der die Artillerie neuen Einsatzmöglichkeiten zuführte. Wäre Bonaparte wirklich zu ­Selim III. ge­ reist, hätte die Geschichte vielleicht eine andere Wendung genommen. Der Friede von Campo Formio von 1797 erkannte die Herrschaft Frankreichs über einen Teil der Adriaküste Italiens und mehrere Inseln an. So waren die Franzosen mit einem Schlag auf dem Balkan präsent und wurden zu direkten Nachbarn der Osmanen. Obwohl diese Ausdehnung nach Osten in Istanbul Misstrauen hervorrief, besaß General JeanBaptiste Aubert-Dubayet, der französische Botschafter in Istanbul von 1796 bis 1797, einiges Ansehen. Als besonders hilfreich erwies er sich, indem er für Selims Militärreform leichte Artillerie zur Verfügung stellte. Innerhalb der osmanischen Regierung entstand ein profranzösischer Flügel, der für liberale Reformen eintrat und diese auch durchzuführen begann. Aubert-Dubayet verstarb Ende 1797 im Amt. Talleyrand sah in seinem Tod eine Gelegenheit, gegenüber Istanbul eine neue Politik einzuleiten, die auf Bonapartes ägyptische Ambitionen ausgerichtet war. Er schlug sich selbst als neuen Botschafter vor, verschob aber seine Abreise. 16 Später berief er den Geschäftsträger der Botschaft in Istanbul, Pierre-JeanMarie Ruffin, zum offiziellen Botschafter. In einem geheimen Briefwechsel im Spätfrühling 1798 warnte er Ruffin vor der Entscheidung des Direktoriums, Ägypten zu besetzen, und versprach, er würde eine hochrangige Gesandtschaft schicken, um der osmanischen Regierung zu erklären, warum die französische Besetzung Ägyptens ein Zeichen der Freundschaft gegenüber dem Sultan bedeute. Selim III. war anfangs besorgt, dass die Flotte aus Toulon nach Kreta, Zypern oder Morea (heute der Peloponnes) segeln würde, um die Präsenz der Franzosen im östlichen Mittelmeer zu stärken, nachdem diese einen Brückenkopf an der Adria errichtet hatten. 17 Als die Franzosen Malta einnahmen, wurde Ruffin vor die Hohe Pforte geladen, um dieses

182    D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t

Vorgehen zu erklären – er wies jede Art von feindlichen Absichten gegenüber den Osmanen zurück. Ende Juli übermittelte der Sultan ­Talleyrand, dass jeder Angriff auf das osmanische Territorium unverzüglich zu einer Kriegserklärung führen würde. Talleyrand antwortete, dass die Flotten der Osmanen und der Franzosen bald in der Lage sein könnten, in der Adria und im Schwarzen Meer gemeinsam gegen die Russen vorzugehen. Am 1. August schrieb Ruffin an Talleyrand, dass es unerlässlich ist, den Unterhändler aus Paris nach Istanbul zu bestellen. 18 Er merkte an: „Meine Erfahrung hat mich außerdem gelehrt, dass dieses Volk im Grunde genommen weniger besorgt ist über unsere Unternehmung in Ägypten als über die Unfähigkeit und Tyrannei der gegenwärtigen Regierung.“ Ruffins Bemerkungen offenbaren den Triumph darüber, dass Tatsachen geschaffen werden, indem sie ausgesprochen werden. Als sich die Nachricht von der Eroberung Kairos in den Städten Syriens, Iraks und Anatoliens und dann bis in die Hauptstadt selbst herumgesprochen hatte, war Ruffin mit einem Mal nicht mehr so zuversichtlich. Er berichtete am 1. August, dass er zwei beunruhigende Treffen mit hohen osmanischen Beamten gehabt hatte. Am ersten Treffen nahm der oberste Rechtsgelehrte der Sunniten, der Mufti, teil, der über die Stimmung in den Straßen Istanbuls berichtete: „Das Überschäumen der Gemüter gibt täglich mehr Anlass zur Sorge.“ Ruffin erinnerte sich, wie ­Izzet Mehmet Pascha, der Großwesir, „von der Unzufriedenheit der Menschen niedergedrückt war“ und außerdem irritiert, dass Bonaparte bekannt gegeben hatte, mit der Zustimmung des Sultans in Ägypten einzumarschieren. Ruffin wies den Vorwurf als Verleumdung zurück. Der Großwesir versicherte ihm, dass er zuverlässige Beweise habe. Auch ein großes Reich musste auf die öffentliche Meinung achten, und es war dem höchsten Minister klar, dass sich die osmanische Öffentlichkeit ­Untätigkeit nicht bieten lassen würde. In der zweiten Unterredung am 6. August ließ der Großwesir Ruffin deutlich wissen, dass die Hohe Pforte und die Öffentlichkeit die Vorgehensweise der Franzosen missbilligten. Er sagte dem Vertreter von Paris: „Ihr müsst innerhalb der Mauern des französischen Palastes bleiben. Bürger Dantan [der Dragoman oder Dolmetscher] soll nicht mehr bei der Pforte vor­ stellig werden. Er soll mich, falls notwendig, bei Nacht aufsuchen. Die Franzosen

D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t     183

müssen vermeiden, sich auf öffentlichen Plätzen, Promenaden oder in Seitenstraßen aufzuhalten. Ihr werdet das Siegel der Republik, das auf dem Außen­ gitter des Palastes angebracht ist, entfernen und stattdessen im Haus an­bringen.“

Die höchsten osmanischen Staatsmänner waren der festen Überzeugung, dass Bonapartes Feldzug sämtliche französischen Händler und andere Bewohner des Sultanats in Gefahr brachte, vom wütenden muslimischen Volk in Stücke gerissen zu werden. Drei Tage später stellte Sultan Selim III. die Franzosen in seinem Reich unter eine Art Hausarrest und verbot ihnen auszugehen. In einem späteren Brief nach Paris zeichnete Ruffin ein Bild der Enttäuschung, die sich in der osmanischen Öffentlichkeit breit machte. Er berichtete, Ende August sei in Istanbul ein Feuer ausgebrochen und Izzet Mehmet Pascha habe vor Ort, wie es seine Gewohnheit war, das Löschen des Feuers überwacht. Die Hausbesitzerin machte ihm Vorwürfe, als sie zusehen musste, wie ihr Haus in Schutt und Asche fiel, und sagte, sie würden nun bezahlen müssen für die „Langsamkeit der Regierung, mit den Ungläubigen zu brechen, die ihnen die Nachbarländer Mekkas gestohlen hatten“. Bonaparte, stets optimistisch und voller Zuversicht, kündigte Izzet Mehmet Pascha Mitte August brieflich die Ankunft von Talleyrand als hochrangigem Gesandten an, der erläutern würde, warum die Besetzung Ägyptens notwendig war, um die Freundschaft Frankreichs mit dem Osmanischen Reich zu stärken. Die Invasion sei durchgeführt worden, um „der Hohen Pforte die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie gegen ihre natür­lichen Feinde benötigt, die in diesem Augenblick begonnen haben, sich gegen sie zusammenzuschließen.“ 19 Bonaparte gab zu verstehen, dass die georgischen Mamelucken begonnen hätten, mit dem Russischen Reich in neue und ernsthafte Verhandlungen zu treten. Die Osmanen hatten seit den frühen 1770er Jahren in dieser Furcht gelebt. Der profranzösische Flügel im osmanischen Kabinett – dazu gehörte auch der erste Minister – hatte sich mit der Frage der Kriegserklärung an Frankreich Zeit gelassen. Diese Beamten wurden unterstützt von den Abgesandten Spaniens, von dem von Frankreich beherrschten Holland ebenso wie von den Gesandten Schwedens und Österreichs, die fürchteten, Russland würde einen entscheidenden Vorteil aus einer osmanischen Allianz ziehen. 20 Die Antikriegspartei verlor die Aus­einandersetzung. Am 31. August wurde der Sultan aktiv und veranlasste die Inhaftierung

184    D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t

von Izzet Mehmet Pascha und einigen anderen profranzösischen Politikern an seinem Hof. Er ernannte Yussuf Zia ­Pascha, einen konservativen Vertreter der sunnitischen Geistlichkeit, zum Großwesir und setzte seinen zuverlässigen Helfer Ashir Efendi als deren Oberhaupt ein. Der reformfreudige, liberale Hof Sultan ­Selims III., der sogar die stürmische Französische Revolution mit Gelassenheit aufgenommen hatte, sah sich plötzlich unter dem Einfluss der Reaktion, für die die russische Allianz und der neu erstarkte Einfluss revanchistischer muslimischer Geistlicher in der Hauptstadt entscheidend waren. Die Folgen der Französischen ­Revolution hatten die konservativen Kräfte in Istanbul schon seit Langem in Unruhe versetzt, aber der Reformeifer des Sultans hatte sie ab­gelenkt. Jetzt wurde der öffentliche Diskurs von ihrer Stimmung beherrscht. Darendeli erinnerte sich, dass die Einsetzung Yusuf Zia ­Paschas auf keinerlei Widerstand in den Reihen der hohen osmanischen Beamten stieß. Selim hatte die richtigen Männer an der Hand, um eine neue, konservative Außenpolitik zu verfolgen, die auf Allianzen gegen die Französische Republik beruhte. Am 2. September signalisierte der russische Zar Paul I. seine Unterstützung, indem er seine Flotte von Sewastopol am Schwarzen Meer nach Istanbul entsandte. Selim III. ließ unvermittelt Ruffin und das gesamte Personal der französischen Botschaft gefangen nehmen und in das Gefängnis der Sieben Türme bringen. Zur selben Zeit wurden Vergeltungsmaßnahmen gegen das französische Kapital im Reich angeordnet, Kaufleute wurden inhaftiert, ihr Besitz konfisziert. Bonaparte hatte im Handumdrehen Jahrhunderte erfolgreicher französischer Handelsbeziehungen zum Osmanischen Reich zunichtegemacht. Am selben Tag forderte der Sultan vom obersten islamischen Rechtsgelehrten in aller Form eine rechtskräftige Anordnung, um Frankreich den Krieg erklären zu können. Am 9.  September wurde eine Kriegser­ klärung entworfen, die am 12.  September formal erlassen wurde. Sie führte Beschwerde über die Heimtücke der Franzosen, denen der Sultan früher in dieser Dekade Unterstützung erwiesen hatte. Außerdem wies sie mit Nachdruck darauf hin, dass „diese Angelegenheit von größter Wichtigkeit für alle Muslime ist, da Ägypten das Tor zu den beiden heiligen Städten Mekka und Medina ist.“ 21 Tatsächlich hatte es viele solcher Reichsdekrete (­Fermane) gegeben, die ersten schon Ende ­August. In ­einem Ferman verurteilte der Sultan ­Bonaparte explizit für die Ein-

D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t     185

nahme ­Kairos und dafür, „dass er gegen die Muslime in diesem Land in den Krieg gezogen ist und verschiedene Lügen und falsche Berichte verbreitet hat“. Er reklamierte, dass die niederträchtigen Taten der Franzosen, die das internationale Recht verletzten (­bigayr-i kaide-i düvel), ihre Absicht bewiesen, ebenso in allen anderen muslimischen Gebieten Chaos zu stiften und diese zu unter­jochen. Der Ferman betonte, der Aufmarsch gegen die ungläubigen Franzosen sei zu einer „persönlichen religiösen Pflicht“ (Farz-i Ayn) geworden. Nur so, hieß es, könnten die Muslime hoffen, „die Aufgabe zu erfüllen, Kairo und seine Umgebung“ von der „verkommenen Gegenwart der Franzosen zu reinigen“ und „die Diener Gottes zu befreien.“ 22 Man beachte, dass die Franzosen in diesem osmanischen Dekret in erster Linie beschuldigt werden, internationale Gesetze und Normen verletzt zu haben. Dieses Dokument, das an osmanische Obrigkeiten gerichtet war, ist bemerkenswert, weil es die reformwillige, weltliche Einstellung Selims  III. erkennen lässt. Er stellte das französische Vorgehen nicht einfach als Akt Ungläubiger gegen Muslime dar, obwohl es das war, sondern in erster Linie als einen Akt internationalen Vergehens. Sich bei einen Angriff zu verteidigen, wurde im klassischen islamischen Recht als „Gemeinschaftspflicht“ betrachtet. Das bedeutet nicht, dass jedes einzelne Mitglied der Gemeinschaft die individuelle Pflicht hatte, zu kämpfen – wann und wie gekämpft wurde, war eine Entscheidung, die nicht von Mitgliedern einer Bürgerwehr getroffen werden konnte, sondern von den ordnungsgemäß eingesetzten Obrigkeiten, in diesem Fall vom Sultan. Die Gesetze, die den Heiligen Krieg, den Dschihad, regelten, forderten eine öffentliche Kriegserklärung, die Warnung der feindlichen Kräfte, dass sie angegriffen würden, die Möglichkeit für die Feinde, zum Islam überzutreten und die Beachtung eines Verhaltenskodex, der das Töten von Zivilisten sowie Frauen und Kindern untersagte. Da Selim III. den Verteidigungskrieg erklärte, machte er deutlich, dass es jetzt zur Pflicht jedes Einzelnen geworden war, die Franzosen zu bekämpfen, und legitimierte damit Guerilla-Aktionen ägyptischer Bürger. Nichts hätte für die Franzosen gefährlicher sein können. Der Sultan verband das islamische mit dem internationalen Recht, indem er sich auf die Pflicht eines Verteidigungskrieges und gleichzeitig auf internationale Vorschriften für das Verhalten von Staaten berief. Wie wenig der Sultan in diesem Konflikt einen Kulturkampf sah, zeigt seine unverzüg­

186    D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t

liche Allianz mit Russland und Großbritannien, christlichen Großmächten, gegen die säkulare Republik, mit der er einst verbündet war. Die osmanische und die russische Marine vereinigten sich, um der französischen Präsenz auf den Inseln im Ionischen Meer und in der ­Adria ein Ende zu bereiten, während die Briten gemeinsam mit einem osmanischen Geschwader an den Küsten der Levante und Ägyptens patrouillierten. Talleyrands Bestrebungen, mit hochgestellten Persönlichkeiten auf dem Balkan Ränke zu schmieden, um den Sultan zu stürzen, wurden mühelos vereitelt, indem Selim diesen mehr Land und Privilegien gewährte. Sie nahmen Talleyrands Gesandte fest und erklärten sich loyal gegenüber Istanbul. So entstand die zweite große Koalition gegen die Französische Republik mit Zar Paul I. von Russland, der britischen Regierung mit William Pitt dem Jüngeren und Selim III. Später wurde auch Franz I. von Österreich einbezogen. Nach langem Gefeilsche und Verhandlungen übergab die Hohe Pforte die Provinz Ägypten an den Gouverneur von Sidon, Ahmed Cezzar ­Pascha, und versprach ihm Kapital und Armeen, um die Franzosen dort herauszufordern. 23 Die Tatsache, dass der osmanische Sultan den Franzosen den Heiligen Krieg erklärt hatte, wurde nach und nach in Ägypten bekannt. Niello Sargy erinnerte sich, dass die Vorbeter in den Moscheen das Dekret ­Selims  III. verbreiteten. Al-Gabarti berichtete, dass am 14.  September ein Brief von Ibrahim Bey in Syrien angekommen war, in dem dieser versprach, an der Spitze einer osmanischen Armee zurückzukehren. Bonaparte wurde informiert, las den Brief voller Empörung und bezeichnete die Beys als „Lügner“. Ende September ließ Bonaparte zwei Personen exekutieren, weil sie Briefe von und zu den gestürzten Beys in Syrien oder Oberägypten befördert hatten, und ließ ihre Köpfe durch die Straßen tragen. Die ägyp­ tischen Obrigkeiten, die jetzt loyal zu Bonaparte standen, appellierten ebenfalls an das gemeine Volk von Kairo, seine Neugier einzudämmen und aufzuhören, über „die Staatsangelegenheiten“ zu reden, sich lustig zu machen oder zu applaudieren, wenn sich besiegte oder verwundete Soldaten in die Stadt zurückschleppten, „wie es bei ihnen üblich war“. 24 Es war eine alte osmanische Form gesellschaftlichen Handelns, dass Diskussionen über staatliche Angelegenheiten für gewöhnliche Menschen tabu waren – die Anwendung dieser Taktik durch die französische Republik, den Bannerträger der Menschenrechte, war höchst deplaziert.

D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t     187

Ein Ferman mit der Unterschrift des konservativen osmanischen Großwesirs Yusuf Zia Pascha, in dem die Ägyp­ter aufgerufen wurden, sich den Franzosen zu widersetzen, kam in Ägypten in Umlauf. 25 Die Hohe Pforte war über die Invasion Ägyptens durch die Franzosen informiert gewesen. „Ihre Absichten waren unter dem Deckmantel von Lügen und Schurkerei verborgen.“ Sie zielten darauf ab, so warnte er, „nicht allein Ägypten zu regieren, sondern Syrien und den Iran zu erobern.“ Bonaparte spielte tatsächlich manchmal mit dem Gedanken, die Briten in Indien mit einem Landfeldzug herauszufordern, der durch den Iran der Kadscharen und das Afghanistan der Durrani bis zum Khaiberpass und dann nach Delhi führten sollte – auf den Spuren Alexanders des Großen. Der Großwesir warnte, die Franzosen würden „die Güter der Gläubigen beschlagnahmen und ihre Frauen und Kinder zu Sklaven herabsetzen; und Euer Blut wird vergossen werden (Möge Gott uns schützen!)!“ Er rief die Ägypter dazu auf, im Kampf gegen die neuen Eroberer alles zu opfern, und versprach ein osmanisches Expeditionskorps, um das Land vor der Fremdherrschaft zu retten. „Die Erhabene Pforte, gegründet auf der Macht des Königs der Könige, des Herrschers der Helden und Eroberer, Königs der beiden Meere und der beiden Landmassen, unser Herr über die Welt, dessen Ruhm Gott durch die Fürsprache seines Propheten und seines Erwählten vermehrt, setzt seine Hoffnung auf Gott und hat diesen Feinden den Krieg erklärt.“

Bonapartes Hoffnung, er könne die Geistlichen der al-Azhar dazu bewegen, von ihrer Loyalität gegenüber dem Sultan abzulassen, oder sie davon überzeugen, dass er ein aus Istanbul entsandter Vizekönig war, war vergeblich, egal, was ihm die unter Zwang stehenden und verängstigten Geistlichen sagten. Scheich Abdullah al-Sharqawi, das Oberhaupt des Diwans in Kairo, den Bonaparte abwechselnd mit Ehren überhäuft und mit Demütigungen erniedrigt, bestochen und verächtlich behandelt hatte, schrieb später in einem Buch zur ägyptischen Geschichte über die Franzosen. „Die Wahrheit über die Franzosen, die nach Ägypten kamen, ist, dass sie materialistisch waren, libertäre Philosophen.“ 26 Angeblich sind sie katholische Christen, die Jesus folgten, aber in Wahrheit „bestreiten sie die Wiederauferstehung, das Leben nach dem Tod und Gottes Aussenden von Propheten und Boten“. Sie waren Monotheisten, die beteuerten, an den einen Gott zu glauben, aber sie kamen zu dieser

188    D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t

­ rkenntnis „auf dem Weg der rationalen Schlussfolgerung“ statt durch E den Glauben. Sie „machen die Vernunft zum Herrscher und bestimmen einige aus ihrer Mitte zu Verwaltern ihrer Regularien, die sie auf der Basis ihrer Vernunft erlassen und ‘Gesetze’ nennen. Im Islam dagegen gibt es einen Unterschied zwischen dem Gesetz (Scharia) und den rein zivilrechtlichen Bestimmungen (al-­Ahkam), die vom Sultan und den Gouverneuren verkündet werden. Die Franzosen brachten beides durch­ einander oder ersetzten Ersteres durch Letztere. Sie behaupteten dass Gottes Gesandte wie Jesus, Moses und Mohammed „eine Gruppe weiser Männer war und dass die religiösen Kodizes, die ihnen zugeschrieben werden, ein indirekter Ausdruck des Zivilrechts waren, das sie kraft ihrer Vernunft in einer Form erlassen hatten, die für ihre Zeitgenossen angemessen war“. Aus diesem Grund haben die Franzosen in Kairo und in größeren Dörfern Diwane eingerichtet, die die Staatsangelegenheiten in Übereinstimmung mit ihrer Vernunft regelten, „und das war ein Segen für das Volk Ägyptens“. Einem der Diwane ordneten sie eine Gruppe von Klerikern bei „und begannen, sie in einigen Angelegenheiten um Rat zu fragen, die nicht zum heiligen Gesetz gehörten“. Obwohl al-Sharqawi die Idee eines Gemeinderates eher gefallen zu haben scheint, beklagte er, dass die Geistlichen der al-Azhar, die doch Fachgelehrte des Gesetzes waren, das vom Koran und den erleuchteten Worten und Taten des Propheten Mohammed hergeleitet wurde, nicht mit zivilrechtlichen Vorschriften hätten behelligt werden dürfen. In der Regel hätte eine muslimische Regierung sie um Rat gefragt, damit sie entscheiden konnten, was das islamische Gesetz in diesem Fall vorsah. Im Wesent­lichen betrachtete er seine Ernennung zum Mitglied des Diwans als Herabstufung. Anstatt sich mit erhabenen Angelegenheiten zu beschäftigen, wurde er jetzt von ausländischen Ungläubigen zur banalen Politik um Rat gefragt. „Der Grund, warum die Menschen in Kairo und den umliegenden Dörfern gezwungen waren, ihnen zum Teil zu gehorchen“, sagte er, „war, dass sie ihnen keinen ­Widerstand leisten konnten, weil die ­Mamelucken mit der Kriegsaus­rüstung geflohen waren.“ Bei ihrer Ankunft in Ägypten hatten die Franzosen ein Pamphlet verfasst und überall verbreitet. Sie betonten, dass sie keine Christen sind, weil sie die Einheit Gottes bejahten, während Christen an die Dreifaltigkeit glaubten, dass sie außerdem Mohammed und den Koran ehrten und

D e r u n a u f h ö r l i c h e T r i u m p h d e r V e r n u n f t     189

die Osmanen liebten. Sie sind nur gekommen, um die Mamelucken zu stürzen, weil diese die französischen Kaufleute enteignet haben, und sie würden sich nicht gegen das Volk wenden. Al-Sharqawi weiter: „Aber als sie in das Land kamen, beschränkten sie sich nicht darauf, die Besitz­ tümer der Mamelucken zu plündern. Sie beraubten die ägyptischen Bewohner und töteten viele von ihnen.“ Al-Sharqawis Beschreibung der Deisten ist im Großen und Ganzen korrekt, aber er betrachtete sie mit den Augen des Nativisten. Mittel­ alterliche arabisch-muslimische Denker hatten sich mit dem Stellenwert der Vernunft, vor allem der griechischen, in der muslimischen Geisteswelt auseinandergesetzt. Wie Bonaparte erkannte, hatten muslimische Gelehrte während des Kalifats der Abbasiden vom 8. bis zum 13. Jahrhundert begierig die philosophischen Werke der griechischen Antike übernommen. Philosophie war in der al-Azhar immer noch umstritten, und zum Teil beruhte die Spaltung zwischen den Geistlichen, die sich für die französische Wissenschaft interessierten, und jenen, die sie ablehnten, auf ihrer unterschiedlichen Haltung zur griechischen Tradition. 27 *** Ende September war der junge Leutnant Desvernois, der gegen die Streitkräfte Ibrahims in Salahia gekämpft hatte, ziemlich verzweifelt, als er hörte, dass die Osmanen der Französischen Republik am 12. September 1798 den Krieg erklärt hatten. Er war der Ansicht, Bonaparte wäre vom Direktorium und von Talleyrand verraten worden, die ganz offensichtlich mit ihrem unrealistischen Versuch, ein Bündnis mit der Hohen Pforte aufrechtzuerhalten und gleichzeitig eine osmanische Provinz zu besetzen, gescheitert waren. Er wusste, dass die französische Armee jetzt Angriffen der osmanischen Streitkräfte und vielleicht auch der Briten ausgesetzt war. Seit Ende September, schrieb er, war Ägypten in Aufruhr, und die Beduinen erhoben sich. 28

190   

9 Das Fest der Republik

Der Nordosten blieb unsicher, und die instabile Situation bedrohte Frankreichs Herrschaft über Ägyptens östlichsten Mittelmeerhafen ­Damiette, der auch das Zolllager für die Reisernte des Deltas war. „Täglich“, so berichtete Niello Sargy, „griffen die Araber unsere Boote auf dem Manzala-See an, plünderten sie und ermordeten die Eskorten.“ 1 Die Beduinen, die in den nordöstlichen Provinzen des Deltas die politische Macht stellten, verbündeten sich mit den Fischern, die die 700 Quadratmeilen große Lagune kontrollierten. Der See war für die Franzosen ein wichtiger Transportweg, und nur wenn dieser unter ihrer Kontrolle war, konnten sie Damiette sichern. Die Bewohner an den Ufern dieser riesigen Lagune und auf den Mataria-Inseln, einem darin liegenden Archipel, waren Seeleute und Fischer. General Andréossi, der später mit der Erkundung dieses Gewässers beauftragt wurde, berichtete, dass sie über etwa fünf- oder sechshundert schmale Boote verfügten und als Einzige das Recht zum Befahren des Sees und zum ­Fischen hatten. „Zusammen mit den Beduinen waren sie die Herrscher des Sees und der Flussufer.“ Ihre Loyalität galt dem großen Steuerpächter (Multazim) Hasan Tubar. Die Franzosen sahen in Tubar, aus dessen Familie seit vier oder fünf Generationen die einflussreichsten Stammesoberhäupter in diesem Gebiet stammten, den Anstifter der Aufstände im Nordosten. Mit dem alljährlichen Nilhochwasser kam Süßwasser in die Lagune und frischte das brackige Wasser auf. Der See war zwischen drei und acht Fuß tief und sehr fischreich. Die Bewohner der Mataria-Inseln hatten dank ihrer relativ isolierten Lage seit dreißig Jahren keine Seuche mehr erlebt, ganz anders als der Rest des Landes. Erst 1791 war Kairo von einer Seuche heimgesucht worden. Etwa 1100 Männer lebten auf den Inseln, ihre Frauen und Kinder nicht mitgezählt. Sie wohnten in

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     191

Hütten aus Lehmziegeln oder gebrannten Ziegeln, die jeden Quadrat­ meter der Inseln bedeckten. Die Inselbevölkerung von Mataria, unter der es auch zu Inzucht kam, verbot ihren Nachbarn das Fischen im See und hatte daher kaum Kontakt zu ihnen. Millet beschrieb die Bewohner als stark und energisch, die Haut sonnengebräunt, Haare und Bart schwarz und rau, was sie recht wild erscheinen ließ. Wenn sich ihre Feinde näherten, schlugen sie auf eine Art Trommel oder auf den Bug ihrer Boote und „gaben in den schlimmsten Tönen barbarische Schreie von sich“. Scheich Hasan Tubars Position als Quasi-König der nordöstlichen Deltaregion beruhte auf seinem Reichtum, auf der großen Schar von Söhnen, und auf der Unterstützung durch die Beduinenstämme. Diesen gab er Land zum Bewirtschaften, erklärte Niello Sargy, und überhäufte ihre Anführer mit opulenten Geschenken. Niello Sargy behauptete, dass er trotz seiner offiziellen Position als Vasall des osmanisch-ägyptischen Staates seit einigen Jahren keinen Tribut mehr gezahlt habe. Hauptmann Moiret sah die Dinge anders. Er schrieb, dass Tubar in Wirklichkeit seinen Lehnsherren über 500 000 Francs im Jahr zahle. Er war einer der wenigen gewesen, der vor den Augen der Kairoer Magnaten riesige Liegenschaften angehäuft hatte; diese hatten zwar gelegentlich versucht, ihm eine Geldstrafe aufzuerlegen, wurden aber immer wieder von seinen Beduinen und Lagunen­bewohnern zurückgeschlagen. Sein Herrschaftsgebiet aus Lagune, Sümpfen und Wüste erwies sich als ideal, um den Staat fernzuhalten. Als Bonaparte auf die Bildfläche trat, hatte Tubar seine Hauptfrau und ihre Kinder zusammen mit einem großen Teil seiner Schätze nach Damaskus bringen lassen. Da ein osmanischer Gegenschlag auf die französische Invasion sehr gut von diesem Teil des Landes ausgehen konnte, war es auch eine strategische Frage, ob Tubar seine Soldaten den osmanischen Kräften zur Verfügung stellen würde. Turk behauptet, dass Tubar von Ibrahim Bey zu einem Aufstand ermutigt wurde, außerdem vom ­Vizekönig des Sultans in Sidon, Cezzar Pascha, den Selim  III. damit beauftragt hatte, von Syrien aus auf die französische Invasion zu reagieren. Hauptmann Pierre-François Gerbaud merkte an, dass kein westeuropäischer Händler in Damiette eine Niederlassung hatte, da der gesamte Handel der Stadt über Syrien, Zypern und die heutige Türkei erfolgte. 2 Die Stadt hatte vermutlich eine Bevölkerung von etwa 12 000 Einwoh-

192    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

nern. Millet beschrieb die Straßen als „sehr eng“, sagte aber auch, dass es einen schönen zentralen Platz gab. „Das griechische Viertel umgibt … [diesen Platz] und macht ihn sogar noch schöner.“ In der Stadt fand man Lokale und Cafés nach europäischem Geschmack errichtet. Gerbaud merkte zu Damiette an: „Es gibt viele kleine Läden und kleine Händler, aber keine großen Kaufleute.“ Der Hafen der Stadt lag am östlichen Nil­ arm, einige Meilen landeinwärts vom Mittelmeer. Ein Offizier notierte, dass man in nur 48 Stunden über das Meer von ­Damiette nach Gaza im osmanischen Syrien gelange. Gerbaud vertraute am 12.  September seinem Tagebuch an: „Die Angst nahm zu angesichts 3000 auf dem Manzala-See versammelter Boote, unweit von hier.“ Tubar hatte seine Fischer rund um den ManzalaSee bewaffnet und ihre Boote als Flotte ausgerüstet. Millet schilderte, dass er und seine Einheit etwa Mitte September von Mansura aus über den Manzala-Kanal dorthin geschickt wurden. „Nach mehreren Tagen auf dem Kanal“, schrieb er, „wurden wir von Arabern und den Einwohnern vieler Dörfer angegriffen, die sich zusammengeschlossen hatten, um sich auf uns zu stürzen. Der Kanal, über den wir fuhren, war sehr eng. Die Boote berührten beinahe die beiden Ufer.“ 3 Er beschrieb, wie seine Einheit keine zwanzig Fuß von einem großen Dorf entfernt ankam. „Ein Angriff war das Letzte, womit wir gerechnet hätten, als wir plötzlich eine Menschenmenge aus Bauern und Arabern erblickten, die kurz davor waren, sich auf uns zu stürzen.“ Unvorbereitet und von der Hitze erschöpft mussten die Franzosen zu den Waffen greifen. Millet erklärte, dass die Angreifer „sowohl Männer als auch Frauen“ gewesen wären, die mit Lanzen, Pistolen und Schwertern bewaffnet waren. Die Franzosen hatten nur 150 Männer. Sie feuerten ihre Musketen ab und schreckten so die Ägypter ab, „die sogar noch schneller wieder flohen“. Dann verfolgten die Franzosen die Bauern „unter ständigem Beschuss, was ihnen große Verluste zufügte, sowohl Tote als auch Verwundete“. Millets Einheit hatte fünf Tote und ein Dutzend Verwundete zu beklagen. „Die Schlacht endete, wir überquerten den ­Kanal und betraten das Dorf, wo wir ein furchtbares Blutbad unter all jenen anrichteten, die sich dorthin zurückgezogen hatten.“ Nachdem sie den Ort durchsucht hatten, legten sie Feuer „an all seinen vier Ecken“. Dann gingen sie zurück zu einem Dorf, wo sie einen Vertreter mit viel Beute – „Spenden“ – zurückgelassen hatten, fanden ihn aber ermordet

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     193

vor und das Schiff geplündert. Sie brannten auch jenes Dorf nieder. Dann kehrten sie nach Mansura zurück. Tubar lud eine riesige Zahl ungestümer Beduinenkrieger aus den Provinzen Daqahlia und Sharqia in Boote, um seine Leute vom See und die Dorfbewohner zu unterstützen. So brach eine Flotte aus 150 Schiffen nach Mataria auf, eine Stadt etwa in der Mitte des westlichen Seeufers. Dann machten sie sich, getragen von einem lebhaften Wind, auf den Weg nach Damiette und legten nur eine halbe Wegstunde von dort entfernt an. Am 14. September schrieb Gerbaud: „Gewissheit über die Niederträchtigkeit der Anführer von Shuara und Manzala.“ Etwa um Mitternacht verließen die Beduinen ihre Boote, bewaffnet mit Musketen, Lanzen und Pickeln, und konnten den schlafenden General Vial und seine 13. Halbbrigade in den Kasernen des Hafens überraschen. ­Gerbaud berichtete, dass die Angreifer Stroh und anderes entflammbares Material in die Stadt gebracht hatten und es am Kasernenfundament der französischen Garnison ablegten. Sie stahlen die Schatzkasse der Garnison und begannen die Stadt zu plündern, anstatt die militärische Eroberung methodisch zu Ende zu führen. Sie riefen: „Heute ist der Tag des Krieges gegen diese Ungläubigen und die Christen, die ihnen folgen! Heute werden wir unsere Religion verteidigen und diese verfluchten Geschöpfe töten!“ Die zahlenmäßig starke, griechische und syrische Bevölkerung von Damiette verbündete sich nun mit den Franzosen und organisierte den Widerstand der Bürger gegen die Beduinen und die Leute vom See. Turk schrieb, dass sie, mit eigenen Musketen bewaffnet, von den Dächern ­ihrer Häuser auf Tubars irreguläre Truppen schossen. Vial, der belagert wurde, traf in jener Nacht Vorbereitungen für den Aufbruch. Es ging das Gerücht, dass die Christen von den Franzosen getötet werden sollten, da sie die Anti-Frankreich-Koalition unterstützten. Vial verschob seine Abreise. Am 16. September blieben die Franzosen in ihren Kasernen, berichtete Gerbaud und merkte an: „Der Feind rührt sich nicht.“ Sie hörten, dass Tubar selbst von Manzala aus unterwegs war und auf dem Weg mit dem Anführer von Shuara zusammentraf. Vial versuchte, ein kleines Boot in Begleitung von zwei mit Kanonen bewaffneten Langbooten zu General Dugua zu schicken. Aber diese wurden unterwegs in der Nähe von Mit al-Khawli „von Beduinen“ gestoppt und beschlagnahmt. Die Ägypter schnitten zwanzig Männern die Kehlen durch. Spät in jener

194    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

Nacht schafften es zwanzig Pioniere in die Stadt hinein, wo Vial das Krankenhaus evakuieren ließ. Am 17. September hatte Vial den Plan eines Angriffs auf Shuara aufgegeben, denn er hatte nur 400 Mann und konnte nicht darauf hoffen, eine Garnison zurückzulassen, die stark genug war, die Sicherheit der griechischen Bevölkerung zu garantieren. Andréossi schaffte es mit einer Eskorte aus 50 Mann in die Stadt. Am Morgen des 18. September kam endlich die französische Verstärkung unter Dugua aus Mansura, die vor allem unter den Christen Hoffnung verbreitete. Mit 250 zusätzlichen Mann zum Schutz von Damiette waren Vial und Andréossi nun in der Lage, eine Offensive zu starten. In weniger als zwei Stunden zwangen sie die Leute vom See und die Beduinen dazu, Damiette aufzugeben und über die Lagune die Flucht zu ergreifen. Tubar und seine Truppen zogen sich in den Weiler von Shuara zurück, wo sie Verstärkung erhielten. Turk berichtete, dass man im Dorf al-Izba Gerüchte darüber gehört hatte, dass alle Franzosen in Damiette getötet worden waren und dass sich das Dorf daher ebenfalls gegen die dortige kleine Garnison aus 25 französischen Soldaten erhob. Sie töteten fünf Soldaten, die im Dorf außerhalb des Forts waren, und griffen dann die Garnison an. Nach stundenlangem harten Kampf erhielten sie die Nachricht, dass der Angriff auf Damiette fehlgeschlagen war. Die Einwohner des Dorfes fürchteten nun Vergeltungsmaßnahmen von Seiten der Franzosen, also packten sie ihr Hab und Gut und zogen in Massen nach Syrien. Vial kam, um das Dorf zu inspizieren, fand es aber vollständig verlassen vor. Vial zog mit seiner Truppe los, um die in Shuara stationierten Ägypter anzugreifen. Während seine Soldaten über Land marschierten, unterstützte Andréossi ihn mit einer Flottille. Als sie die Stadt erreichten, erblickten sie die Beduinen vor sich in einer einzigen, aus 1200 bis 1500 Mann bestehenden Linie, die sich vor dem Hintergrund eines Palmen­ dickichts vom See bis zum Nil erstreckte. Als die Beduinen die Franzosen kommen sahen, feuerten sie ihre Karabiner ab, allerdings war die Distanz viel zu groß, um damit irgendetwas auszurichten. Vial schickte eine Grenadierkompanie mit Feldgeschützen, um sie vom Palmendickicht und ihren am Ufer des Sees festgemachten Booten abzuschneiden. Die Beduinen jedoch erkannten sogleich, was er vorhatte, und so war Vial gezwungen, sofort weitere hundert Mann gegen die Beduinen loszu­ schicken. Als die französischen Soldaten näher kamen, zerstreuten sich

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     195

die Beduinen, einige nach Shuara, andere in das Dorf Minya, wo sie ­allerdings von besser bewaffneten republikanischen Truppen erwartet wurden. Einige schafften es, ihre Boote auf dem See zu erreichen. Vials Leute brachten zwei kleine Kanonen und zwei Boote in ihren Besitz und töteten dreihundert Bauern und Beduinen. Unter ihnen selbst gab es eine Handvoll Tote und zwanzig Verwundete. Hauptmann Say berichtete über Shuara: „Das Dorf wurde niedergebrannt“, und Turk schrieb, dass die Franzosen die verbleibenden Einwohner töteten. Am darauffolgenden Tag plünderte Vial das verlassene Dorf al-Izba. Am 20. September hörte Gerbaud, dass General Damas mit sechshundert Mann mehrere Dörfer niedergebrannt hatte, die Tubar gegenüber loyal gewesen waren. Bonaparte schrieb am 24. September an Vial: „Bürger General, der von Euch durchgeführte Angriff auf das Dorf Shuara ehrt Euch genauso wie Eure Soldaten.“ Duguas mobile Kolonnen patrouillierten in den Provinzen Daqahlia und Damiette. Bonaparte, der beunruhigt darüber war, dass Dugua es nicht geschafft hatte, den Angriff auf Damiette zu verhindern, befahl diesem am 24.  September, 500 Boote mit Kanonen auszurüsten, um ­damit die Kontrolle über die Lagune am Manzala-See zu übernehmen: „Damit werden Sie vollständig Herr über den See werden.“ 4 Bonaparte fügte hinzu: „Versucht, Hasan Tubar zu fassen und greift wenn nötig auch auf eine List zurück, um dies zu erreichen.“ Der Oberbefehlshaber wies ­Dugua an, unter den Aufständischen „einige strenge Exempel zu statuieren“, und sagte, da seine ­Kontingente nicht in Damiette und Mansura bleiben würden, sei es von großer Wichtigkeit, „den Moment zu nutzen, um sie endgültig zu unterwerfen. Deshalb ist es notwendig, sie zu entwaffnen, einige Köpfe abzuschlagen und ein paar ­Geiseln zu nehmen.“

Die französischen Expeditionen in das nordöstliche Delta legen uns wichtige Merkmale von dessen Sozialgeografie offen. Die Menschen am Manzala-See, die politischen und militärischen Bündnisse zwischen Bauern und Beduinen, die Bedeutung der Sümpfe und der Wüste für die Förderung einer gewissen lokalen Unabhängigkeit sowie die Regel­ mäßigkeit, mit der sowohl reiche Bauern als auch Beduinen zu ihren Handfeuerwaffen griffen, über all das wird in den auf Kairo konzentrierten arabisch verfassten politischen Chroniken, die als Quellen der Ge-

196    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

schichte des 18.  Jahrhunderts erhalten sind, nichts berichtet. Millets ­Anmerkung, dass sowohl Frauen als auch Männer am Angriff auf die Franzosen im Nordosten von Mansura beteiligt waren, lässt auf eine Rolle der Frauen bei den Aufständen in den Dörfern schließen, über die männliche Chronisten sonst nichts berichten. Auch gesellschaftliche Bündnisse und Fehden werden aufgedeckt. Die Ausrichtung des Mittelmeerhafens von Damiette auf die Europäer und die bedeutende politische und militärische Rolle der dort lebenden Griechen und Syrer lässt erahnen, wie zersplittert die Gesellschaft Ägyptens damals gewesen sein muss. Die Art und Weise, mit der Eyyüb Bey, ein mameluckischer Steuerpächter, Beduinen aus der libyschen Wüste in das Dorf Sonbat umsetzte, gibt Aufschluss über die Beding­ungen, unter denen nomadische Viehzüchter und Dorfbewohner lebten. 5 In der Regel gibt es einen gewissen Interessenkonflikt zwischen Beduinen und Ackerbau betreibenden Dorf­ bewohnern, denn dasselbe Stück Land kann entweder zum ­Weiden oder zum Bebauen benutzt werden, nicht für beides. Beduinen züchten Huftiere und ziehen auf der Suche nach Weidegrund umher. Wenn sie Ackerland beanspruchen, schädigen sie die Ernte, außerdem können die Hufe der Tiere Bewässerungsanlagen beschädigen. Die einzige Möglichkeit friedlicher Koexistenz von Nomaden und Bauern in derselben Gegend besteht darin, den Nomaden Brachland anzubieten, auf das sie sich beschränken; abgesichert wird dies durch staatliche Maßnahmen. Im osmanischen System erhielten Hirtennomaden Geld vom Staat, was wiederum den guten Umgang miteinander unterstützte. Das war vermutlich das, was der Bey gemacht hatte, der den Stamm der Dirn hierher führte. Er übertrug den Beduinen die Aufgabe, die in Fehde liegenden Bauern unter Kontrolle zu halten und wahrscheinlich auch Angriffe anderer Beduinen abzuwehren. Diese Vereinbarung ermöglichte ein für beide Seiten vorteilhaftes Verhältnis zwischen den Ackerbauern von Sonbat und den Nomaden. Höhere Sicherheit bedeutete bessere Ernteerträge und somit mehr Geld für Eyyüb Bey. Mit der Invasion durch die Franzosen und dem Ende des ­Beyliks – und damit auch der geleisteten Zahlungen für das Aufrechterhalten der Ordnung – waren die von ihrer Verpflichtung befreiten Dirn, wie vorauszusehen war, außerhalb der Siedlungen für die sesshaften Dorfbewohner ein Ärgernis. Sie überfielen und plünderten die anderen Siedlungen, was eine gesellschaftliche Spaltung nach sich zog, die die Franzosen sich zunutze machten.

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     197

Dem Chronisten al-Gabarti war das Lagunenreich von Hasan Tubar nicht bekannt. Der Bericht vom Manzala-See zeigt Wege auf, mit denen auch sehr unterschiedliche gesellschaftliche Gefüge (Bauern, Beduinen, Seebewohner) politische Bündnisse schließen konnten, um den Staat außen vor zu halten und ihre Ressourcen möglichst schonend einzusetzen. Den Franzosen begegnete oft gar nicht so sehr ein neuer Widerstand, der sich gegen die Fremdherrschaft richtete, sondern eher der alltägliche Widerstand der Provinzbewohner gegenüber der Zentral­ regierung – und zwar jeder Zentralregierung. In ihrer Habgier, Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit unterschieden sich die Franzosen nur wenig von den Beys, an deren Stelle sie getreten waren. Der Unterschied lag darin, dass sie noch entschlossener auf Ressourcen aus waren. Ibrahim und Murad hatten es nicht als wirtschaftlich sinnvoll angesehen, Hasan Tubar unter Einsatz enormer Mittel zu unterwerfen. Die Franzosen, die auf Geldmittel aus waren und sich um die Sicherheit von Damiette sorgten, konnten es sich nicht leisten, Potentaten wie ihn an der Macht zu lassen. *** In Kairo betrieb Bonaparte die Durchsetzung französischer Autorität auf symbolischer Ebene, die seine Generäle im Delta durch das Niederbrennen ganzer Dörfer und das Ködern von Dorfoberhäuptern zu erreichen suchten. Der 1. Vendémiaire, der den ersten Tag des Republikanischen Kalenders und nun den Beginn des siebten Jahres der Republik einläutete, fiel auf den 22. September des gregorianischen Kalenders. Der Tag wurde damals „in allen Ländern Frankreichs“, wie Hauptmann Say es ausdrückte, als das Fest der Republik begangen. Wie in Frankreich wurde in Ägypten das Ideal der Freiheit durch Symbole und Festakte sowie durch die Künste gefeiert. 6 Ein Historiker dieser Epoche hat dargelegt, wie in Frankreich Freiheit und Revolution zum Mittelpunkt unzähliger Festakte gemacht wurden, die „zum Zwecke des Gedenkens und der Freude im ganzen Land organisiert wurden.“ 7 In Ägypten umfasste die Rhetorik der Befreiung durch Eroberung, die Bonaparte und seine Offiziere vollzogen, einige völlig gegensätzliche Begriffspaare, Zivilisation und Barbarei, Freiheit und Unterdrückung, öffentlich und privat, männlich und weiblich, Großmachtdiplomatie und lokale Politik. Wo soviele Motive und Elemente unter dem Zeichen der Trikolore zusammengezo-

198    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

gen wurden, boten die öffent­lichen Feierlichkeiten eine Möglichkeit, sich mit diesen Gegensätzen zu befassen. Bonaparte befahl, dass die Feierlichkeiten in „beiden Teilen“ der französischen Republik von Ägypten den Beginn des 7. Jahres einläuten sollten.“ 8 Er „wollte dies mit nie dagewesenem Glanz zelebrieren, um den Ägyptern die ganze Pracht und die ganze Stärke unseres Heeres zu zeigen“, schrieb Bernoyer an seine Frau. Die Truppenteile in Oberägypten, die Murad Bey verfolgten, begingen den Feiertag bei den pharaonischen Ruinen von Theben (Luxor). Auch in Städten wie Rosetta gab es Festakte in mehr oder weniger gleicher Form. In Kairo ließ Bonaparte auf dem Azbakia-Platz eine Pyramide aus Segeltuch errichten, auf deren vier Seiten er die Namen der Soldaten schreiben ließ, die während der Eroberung des Landes den Tod gefunden hatten. In den frühen 1790er Jahren hatte die Revolutionsregierung eine Pyramide in der Nähe des Tempels der Unsterblichkeit beim Nationalkonvent errichten lassen, auf der die Namen der vierzehn republikanischen Armeen angebracht waren. Bonaparte hatte solche Gedenkpyramiden bereits auf dem Italienfeldzug bauen lassen – ihr Gebrauch in Ägypten hatte also keinen speziellen Bezug zur französischen Präsenz im Land der Pharaonen, obwohl ihnen natürlich hier noch eine spezielle Bedeutung zukommt. Ironischerweise beschreibt der Chronist al-Gabarti den Bau in einer Weise, die deutlich macht, dass er selbst darin gar keine Pyramide erkannte. Die ägyptischen Muslime schenkten solch einem heidnischen Bauwerk keinerlei Beachtung. Die Pyramide war von 105 mit der Trikolore drapierten Säulen umgeben, auf denen die Namen aller Départements Frankreichs standen. Im Courrier de l’Égypte wurde berichtet, dass die Säulen „durch einen doppelten Kranz verbunden waren, Zeichen der Einheit und Unteilbarkeit aller Teile des republikanischen Frankreich. Es ist zu vermuten, dass Ägypten zu dem Zeitpunkt als einer der unteil­ baren „Gebiete des Republikanischen Frankreich“ angesehen wurde, was wohl auch damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die französischen Départements symbolisch in die Mitte Kairos gebracht wurden. In der Mitte der Kolonnade befand sich ein mehr als zwanzig Meter hoher Obelisk. Auf einer Seite stand in goldenen Buchstaben „Für die Republik Frankreich, Jahr VII“. Genau gegenüber waren die Worte „Für die Vertreibung der Mamelucken, Jahr VI“ zu lesen. Auf beiden Seiten

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     199

befand sich jeweils die Übersetzung ins Arabische. Ein Triumphbogen mit der Darstellung der Schlacht bei den Pyramiden war an einem der beiden Eingänge zur Kolonnade errichtet worden. Am anderen Eingang befand sich ein Portikus mit der arabischen Inschrift: „Es gibt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist sein Prophet.“ Der Mehrzahl der französischen Soldaten wird die Bedeutung dieses arabischen Satzes, bei dem es sich um das ­islamische Glaubensbekenntnis handelt, überhaupt nicht bewusst ge­wesen sein. Bernoyer kannte die Bedeutung der Formel: „Diese wenigen Worte, meine Liebe, bilden das einzige Glaubensbekenntnis der Mohammedaner. Sie sind ihnen so heilig, dass sie selbst einen Ungläubigen, der die Worte auf Arabisch in dem Moment ausspricht, in dem er auf dem Schlachtfeld getötet werden soll, verschonen und als Freund behandeln.“ Er enthielt sich hier seiner üblichen jakobinischen Beschimpfungen, wenn es um Religion ging, aber es ist bekannt, dass er diese Politik nicht guthieß. Bonaparte versuchte immer noch, die republikanischen Tugenden mit einem Islam zu verbinden, der als eine Art Deismus verstanden werden sollte. Der Portikus sollte die ägyptische Öffentlichkeit positiv stimmen und das Gerücht einer bevorstehenden Konversion der Franzosen untermauern. Paradoxerweise hatten das Direktorium und seine lokalen Verwaltungen im fernen Frankreich gegen die Religion gekämpft und versucht, den Sonntagsmessen, den katholischen Symbolen und Riten zivilreligiöse Feiern entgegenzusetzen. Eine Revolutions­ woche war auf zehn Tage festgelegt, jeder zehnte Tag war ein freier Tag mit einem öffentlichen Fest, das aber mit schwindendem Einfluss des ­Direktoriums immer weniger Anklang fand. 9 Um sechs Uhr morgens kündigten drei Kanonensalven den Beginn des Festes an, und alle Soldaten der Garnisonen aus Kairo und Bulaq waren auf dem Azbakia-Platz in Reih und Glied angetreten. Al-Gabarti schilderte mit offensichtlicher Abneigung das Eintreffen der seit Kurzem reichen und mächtigen Christen der Stadt. Der Kopte Jirjis al-Jawhari und der Grieche Philotheos trugen ihre besten, mit Goldfäden bestick­ ten Kleider, Turbane aus „Kaschmirtüchern“ und ritten auf „prächtigen Maultieren“, ihr Verhalten brachte den Schilderungen al-Gabartis zufolge ihre Freude deutlich zum Ausdruck. Um sieben Uhr in der Frühe kam Bonaparte mit den Generälen, den Verwaltungsdirektoren, den Künstlern und Wissenschaftlern des ägyptischen Instituts, dem Leiter

200    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

der Pilgerfahrten nach Mekka und den Mitgliedern der Diwane von Kairo und aus den Provinzen. Ein Offizier sagte, es sei eine „beinahe orientalische Prozession“ gewesen. Sie nahmen Platz auf einem Podest oder seiner Ehrentribüne. „Alle Musikanten der Halbbrigaden kamen hinzu und spielten Kriegsmärsche und patriotische Weisen, diese Siegesmelodien, die allen Republikanern so lieb sind.“ Dann führten die Soldaten ihre Truppenparade und ihre Schießübungen mit „erstaunlicher Präzision“ durch und versammelten sich danach rund um den Obelisken. Ein Adjutant verlas anschließend Bonapartes Proklamation. 10 „Wir feiern den ersten Tag des Jahres VII der Republik. Vor fünf Jahren war die Unabhängigkeit des französischen Volkes in Gefahr, aber Ihr erobertet Toulon. Das war ein Vorzeichen für die Vernichtung unserer Feinde.“ Das war Bonapartes Art, seine Männer an die britische und spanische Besetzung von Toulon zu erinnern und daran, wie seine Artillerie Admiral Nelson 1793 besiegt und die Ausländer von französischem Boden vertrieben hatte. Angesichts der verheerenden Niederlage, die Nelson Bonaparte erst kurz zuvor bereitet hatte, als er die französische Flotte besiegte, musste Bonaparte alle Register ziehen, um die Auseinander­ setzung mit seinem Erzfeind in einem positiven Licht erscheinen zu ­lassen. Die Proklamation versprach den Soldaten ein hohes Ansehen in Frankreich und der ganzen Welt. Bonaparte unterlief ein Fauxpas, indem er die Möglichkeit, dass sie alle in Ägypten ihr Leben lassen könnten, ernstlich in Erwägung zog, doch er betonte noch einmal den Stellenwert der Unternehmung. „Oder Ihr werdet mit Lorbeeren und der Bewunderung aller Menschen überhäuft in Euer Vaterland zurückkehren. Seit wir vor fünf Monaten von Europa weggingen, sind wir Gegenstand der Sorge unserer Landsleute. An diesem Tag feiern 40 Millionen Bürger das Zeitalter der Volksvertretungen, 40 Millionen Bürger sind in Gedanken bei Euch!“ Er versicherte ihnen, alle sind überzeugt, dass ihr Blut und ihr Opfer „der Allgemeinheit Frieden, Ruhe, Wohlstand, Handel und die Vorzüge einer bürgerlichen Freiheit“ bringen wird. Dann habe, wie Jollois berichtete, Bonaparte ausgerufen: „Vive la République!“, „was von den Soldaten nicht wiederholt wurde, so groß war ihr allgemeiner Unmut“. Er fügte hinzu: „Bonaparte, der normalerweise Heiterkeit ausstrahlte, wurde plötzlich ganz ernst. Das hatte ihn zweifellos nachdenklich gemacht.“

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     201

Nachdem der Oberbefehlshaber seinen Soldaten gegenüber noch einmal hervorgehoben hatte, dass sie die bürgerliche Freiheit nach Ägypten brachten und durch ihr Tun die Ära der „Volksvertretung“ einläuteten, setzte die Musik ein. „Das Orchester spielte danach eine von Bürger Parseval komponierte Hymne und die Musik von Bürger Rigel, ebenso die Marseillaise“ und andere patriotische Melodien. Pelleporte erinnerte sich: „Das Heer hatte für das Fest nur Gleichgültigkeit übrig. Es war an jenem Tag Opfer der Schwermut, an der es schon einige Male seit dem Verlust der Flotte gelitten hatte.“ Malus, dem die Nachricht Sorgen machte, dass die Osmanen letztlich den Franzosen nicht unbedingt dankbar dafür waren, ihre Provinz vor den unberechenbaren Beys gerettet zu haben, wurde deutlicher: „Es war eine kleine Ablenkung von dem Kummer, der mich schon seit einiger Zeit plagte. Zu jener Zeit griff die Epidemie der schlechten Moral im Heer um sich. Man verlor nach und nach jede Illusion über die Absichten des osmanischen Sultans in Hinblick auf die Expedition, und für die Zukunft bestand keinerlei Hoffnung auf Ruhe.“

Moiret beschrieb das nachfolgende Bankett für Hunderte von Gästen in der Sprache der offiziellen Presseberichte: „Der Diwan, die höchsten Vertreter jeder Provinz und die obersten Richter jedes Dorfes, waren zu den Feierlichkeiten eingeladen und nahmen an einem von Bona­parte ausgerichteten Essen teil. Es war das erste Mal, dass man die französischen Farben mit den osmanischen an einem Tisch vereint sah, den Turban mit der ­roten Jakobinermütze, die Erklärung der Menschenrechte mit dem Koran, die Beschnittenen mit den Unbeschnittenen – der Unterschied lag darin, dass die Erstgenannten Sharbat und andere Getränke zu sich nahmen und die anderen [Wein].“

Mustafa Bey war überrascht, ein Gemälde mit seinem Porträt vor sich zu sehen, das ihn in denselben Kleidern zeigte, die er bei dem Bankett trug. Villiers du Terrage hielt in seinem Tagebucheintrag über die muslimischfranzösische Harmonie während des Banketts fest, dass der Mathematiker und Physiker Gaspard Monge „sie dem Fortschritt der Menschheit und dem Vormarsch der Aufklärung zuschrieb“. Hauptmann Say war der Meinung, dass die Ägypter „überrascht waren, ob der Zahl unserer Soldaten und wie gut sie gekleidet waren. Die

202    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

Präzision, mit der die Waffenübungen durchgeführt worden waren, beeindruckte sie sehr.“ Während die Menge vielleicht durch die militärischen Vorführungen vorübergehend abgelenkt und beeindruckt war, gab Bernoyer in einem Brief an seine Frau realistisch zu: „Es wäre absurd, zu glauben, dass die zu unserem Fest geladenen Ägypter unsere überschäumende Freude uneingeschränkt teilten!“ Trotz aller Versuche, so schrieb er weiter, ihre wahren Gefühle zu verbergen, konnten die Gesichter der Ägypter doch ihren französischen Gastgebern gegenüber die Traurigkeit nicht verbergen, die das Ergebnis der furchtbaren Strafaktionen war, mit denen Bonaparte auf ihren Widerstand – er selbst nannte es Aufstand – gegen die französische Invasion reagiert hatte. Er bewunderte, dass sie es trotz ihrer Traurigkeit schafften, einen freundlichen und lächelnden Gesichtsausdruck an den Tag zu legen. Die Ägypter hatten vielleicht noch weniger Grund, beeindruckt zu sein, denn die von den Franzosen errichtete Pyramide und die Säulen waren nicht annähernd so glanzvoll wie in der Propaganda, die Bonaparte in Kairo betrieben hatte. Jollois, der Ingenieur, verriet: „Die Ausführung des Projekts verlief fürchterlich. Als Arbeiter hatten wir Einheimische, die nicht in der Lage waren, die einfachsten Dinge zusammenfügen. Da das ägyptische Kunsthandwerk eigentlich hoch entwickelt war, erwecken Jollois’ Bermerkungen über die Unfähigkeit der Handwerker den Verdacht, dass sie nicht gerade begeistert darüber waren, den Franzosen dabei helfen zu müssen, ihre Eroberung zu feiern. Um vier Uhr nachmittags veranstalteten die Franzosen Pferderennen auf dem Azbakia-Platz. In der Nacht gab es Feuerwerk, Tänze, Fanfaren und Artilleriesalven, „die den Ägyptern wieder ein neues Spektakel lieferten, das sie anscheinend in Erstaunen versetzte“. In Alexandria hissten die Franzosen auf der Pompejus-Säule, auf der die ­Namen der vor der Stadt getöteten Soldaten eingemeißelt waren, die Trikolore. Mit bunten Lampions beleuchteten sie außerdem den als „Nadel der Kleo­ patra“ bekannten Obelisken. Während Bernoyer und andere vom Miteinander zwischen Ost und West beeindruckt waren, betonte Say mehr die Einseitigkeit als die Partnerschaft. „Es war ein wirklich interessantes Schauspiel für die Franzosen, ihre Trikolore, Emblem ihres Freiheitsideals und ihrer Macht, über diesem alten Land wehen zu sehen, aus dem die meisten Nationen ihr Wissen und ihre Gesetze abgeleitet haben; zu sehen, dass von Alexand-

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     203

ria bis Theben und von Theben bis zum Roten Meer überall die Herrschaft ihres Vaterlands anerkannt wurde.“ 11 Die Trikolore steht für die zentralen Begriffe dieser Aussage: Freiheit, Wissen, Macht und Herrschaft. Die darin enthaltenen unvereinbaren Gegensätze schienen Say nicht einmal in den Sinn gekommen zu sein. Er sah keinerlei Problem darin, einmal die „Befreiung“ des Niltals von den Beys zu erwähnen und gleichzeitig von der „Herrschaft“ der Franzosen über das Land zu sprechen. Das revolutionäre Frankreich war in gewisser Weise das neue Ägypten, ein Wegbereiter von Wissenschaft und Recht. Er sah in der französischen Besitznahme Ägyptens, dieses schon in der Antike bedeutenden Landes, eine Bestätigung seiner kulturellen Größe, denn nun umfasste es sowohl den Ursprung des alten Wissens als auch des modernen Staates. Diese Offiziere sahen keinen Widerspruch zwischen der Forderung nach Stärke und dem Genuss der Freiheit. Schließlich waren ihre politischen Errungenschaften durch eine Revolution zustande gekommen, durch Gewalt also. Ansonsten hätte das Ancien Régime niemals gestürzt werden können, oder es hätte sich selbst wieder Geltung verschafft. Es war offensichtlich, dass „Freiheit“ im späten osmanischen Ägypten keine ganz freiwillige Angelegenheit sein konnte. Sie musste von einem freien Land aufgezwungen und untermauert werden. Die Verflechtung von Vernunft, Nation, Freiheit und Terror spielte in der Epoche nach der Hinrichtung des Königs eine wichtige Rolle, und obwohl die Terrorherrschaft zu Ende war, setzte sich diese Kopplung von Aufklärung und Gewalt bei einigen zentralen Figuren der Direktoriumsära fort – in Bezug auf Kriege gegen Österreich, Italien und Deutschland und in der Notwendigkeit, die äußeren Feinde der Revolution zu bekämpfen. Daher werden die Anhänger von Freiheit und Vernunft in Ägypten den Prinzipien Robespierres nicht grundsätzlich widersprochen haben, dass Terror nichts anderes sei als schnelle, strenge und unbeugsame Gerechtigkeit –, eigentlich also eine Tugend –, und ebenso wenig seiner Anweisung: „Ihr müsst die Feinde der Freiheit mit Terror bezwingen, und Ihr werdet als die Gründer der Republik das Recht dazu haben.“ 12 In diesem Sinne schrieb Say, als Julien, ein Adjutant des Generals, und fünfzehn Franzosen, die auf dem Nil unterwegs waren, von den Einwohnern des Dorfs ­Alkam getötet wurden: „Der General, der so streng war wie gerecht, gab Befehl, dieses Dorf niederzubrennen. Der Befehl wurde mit höchstmög-

204    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

licher Strenge ausgeführt. Es war unabdingbar, solche Verbrechen durch Terror im Zaum zu halten.“ 13 Angesichts fortdauernden ägyptischen Widerstands gegen die Besatzung bestätigte Say die Notwendigkeit, „diese fanatischen Einwohner“ an die „Herrschaft derer zu gewöhnen, die sie die Ungläubigen nennen“. Wieder betonte er die französische Vorherrschaft, hoffte aber, dass die Ägypter lernen würden, sie zu lieben. „Wir müssen glauben, dass eine Regierung, die jedem Freiheit und Gleichheit garantiert, genauso wie Wohlstand, der naturgemäß darauf folgt, unmerklich zu dieser wünschenswerten Revolution führen wird.“ Die hier angesprochene Revolution ist nicht als politisches Ereignis gemeint, sondern als die geistige Überwindung der alten osmanisch-ägyptischen Vorherrschaft und des religiösen „Fanatismus“. Genau diese Revolution der ­Ideale ist auf die Kunst als Fürsprecher angewiesen, denn sie spricht ebenso zum Herzen wie zur Vernunft. 14 Laus de Boissy wehrte sich entrüstet gegen Kritik am Ägypten-Projekt. Jeder Mann mit Herz, so sagte er, würde die Ägypter aus ihrem Elend erretten wollen. Und dennoch hätten einige Pariser das „edle Vorhaben“ des Direktoriums kritisiert. Dabei handelte es sich, so klagte er, in erster Linie um junge, reiche Frauen der alten Aristokratie, Vertreter eines „französischen Mameluckentums“, die 20 000 Francs bei einem einzigen Ball ausgaben und in „eine Kaste hineingeboren waren, die der Mameluck Robespierre ausgelöscht hatte“. Diese Debütantinnen verteidigten die „armen Beys, die, so sagen sie, vom republikanischem Zorn sogar bis in die Wüsten Afrikas verfolgt werden“. Laus de Boissy benutzt hier die Mamelucken als Symbol: Zum einen setzte er sie als reiche „feudale“ Klasse mit den wohlhabenden Höflingen des französischen Ancien Régime gleich, zum anderen sieht er sie in der Tradition der radikalen Jakobiner, die die Terrorherrschaft durchgesetzt hatten. Für ihn war die gesamte Periode vor der Abkehr vom Extremismus seit dem 9. Thermidor im Jahr 1794 mit der vernichtenden Kriegsführung zwischen unterschiedlichen Mamelucken-Häusern vergleichbar, die wiederum den Konflikten zwischen den Häusern der Militärsklaven im osmanischen Ägypten entsprach. Er erhob die Republik unter dem Direktorium zum wahren Erben der Ideale von 1789. Die Republik hatte weiterhin Herausforderungen zu bestehen, sowohl von Seiten der rest­lichen Mamelucken in Oberägypten und Syrien als auch von deren Sympathisanten unter

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     205

den verdorbenen jungen Erben der abgesetzten, aber immer noch reichen Pariser Aristokratie. Bei der Charakterisierung der Opposition in Frankreich benutzte er sprachlich bewusst die weibliche Form und stellte diese so nicht nur als herzlos und aristokratisch dar, sondern auch als leichtfertig und unmännlich. Er zeichnete die Gegner der vom Direktorium beschlossenen noblen Expedition als nutzlose junge Gören, reiche Erbinnen und Salonlöwinnen. Auf diese Weise ließ er gleichzeitig die Mamelucken, Mitleidsobjekt reicher junger Pariserinnen, als verweichlicht erscheinen. 15 Die Memoirenschreiber, vorwiegend wohlhabende Angehörige der Mittelklasse, sahen eine Analogie zwischen der Befreiung Frankreichs von der Tyrannei der Aristokratie und vom Terror der Sansculotten einerseits und der Befreiung Ägyptens vom orientalischen Despotismus und den internen Fehden der osmanischen Beyliks andererseits. 16 So wie sich in Frankreich unter dem Direktorium – nach der Terrorherrschaft – eine milde Form der „starken Hand“ herausbildete, so wurde auch in Ägypten die autoritäre Herrschaft durch französische Soldaten als eine Form der Freiheit ausgelegt. Einige Republikaner, die dem Direktorium verbunden waren, verurteilten die Methoden von Gewalt und Terror ausdrücklich. Bernoyer schilderte, wie angewidert er war, als er in jenem Herbst in ein kleines Dorf gehen sollte, um Steuern einzufordern. Die Steuern konnten erst nach Androhung der Prügelstrafe für das Dorfoberhaupt eingetrieben werden. Er klagte, es sei für Republikaner schwierig, sich derart zu verhalten, und warf ­Bonaparte vor, die Gesetze nicht dahingehend abzumildern, dass statt fortgesetzter Sklaverei eine „­liberale, gerechte und unabhängige Regentschaft“ entstehen konnte. „Das Schlimmste für uns war“, so merkte er an, „dass Bonaparte dieselben Methoden anwandte wie die Mamelucken.“ 17 In der vorrevolutionären Zeit hatten viele Franzosen immer lauter gegen willkürliche Festnahmen und die Lettres de cachet – willkürliche Haftbefehle im Auftrag des Königs – protestiert und sich dabei auch auf das Recht des Menschen auf Eigentum, auch an der eigenen Person, ­berufen. 18 Bonapartes Methoden erschienen liberalen Republikanern immer schändlicher, deuteten sie doch auf ein Wiedererwachen der schlimmsten Auswüchse des Ancien Régime hin. Einige französische ­Autoren machten später die Beys nicht nur zu Symbolen für Ludwig XVI. (­Tyrannei) und Robespierre (Terror), sondern für Bonaparte selbst.

206    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

­ ogar einige französische Maler verurteilten später die Expedition nach S Ägypten indirekt in einer romantisierenden Revolutionstradition, indem sie die französischen Soldaten in orientalischer Kleidung darstellten und Bonaparte als jemanden, der mit dem Leben der Menschen spielt. 19 Bernoyers wachsender Pessimismus hinsichtlich der Freiheitsperspektiven in Ägypten brachte ihn letztlich dazu, Rousseau’sche Gefühle über das der Zivilisation innewohnende Unheil zu entwickeln. Einerseits hatte er den Eindruck, dass die Ägypter, würde man ihnen Bildung und Aufklärung zuteilwerden lassen, nie wieder bereit wären, sich dem Joch der Unterdrückung zu unterwerfen. In ihrem derzeitigen Zustand der Unwissenheit würden sie die Unterdrückung nicht fühlen und alles geduldig und ergeben ertragen. 20 Bernoyer sah in einem Fellachen nicht den edlen Wilden, sondern einen gemeinen Bauern, der die Demütigungen in einer despotischen Gesellschaft ertrug. Da sich immer deutlicher zeigte, dass weder Tyrannei noch Freiheit wirklich zum Glück führten, fand Bernoyer Trost darin, Rousseaus Romantizismus vom idealen Naturzustand wiederauf­ leben zu lassen, ein Zustand, der vor allem für diejenigen vorteilhaft war, die ein makelloses Ideal ersehnten. Sogar die antiken ägyptischen Bauwerke der Zivilisation sprechen in dieser Lesart nicht von Fortschritt, sondern von „Fanatismus und Sklaverei“, und stehen für einen orientalischen Despotismus. Ohne Vernunft und Freiheit werde die Schönheit der Pyramiden, die nach dieser Logik auf Tyrannei fußt, beeinträchtigt. Die Franzosen nutzten öffentliche Feierlichkeiten und Vorstellungen dazu, die Werte der Republik zu würdigen und im Hinblick auf die Revolutionssiege ein Gefühl der Einheit einzuflößen. Solche „Feste erinnerten die Beteiligten daran, dass sie die mythischen Helden ihres eigenen Revolutionsepos waren.“ 21 Das allgemeine Tragen der Kokarde, das Hissen der Trikolore, die komplizierte Symbolsprache der Säulen und Banner, die beeindruckenden Militärparaden und Kanonaden, all das sollte Leidenschaft für die Revolution und für die Gestaltung der Gesellschaft als Republik hervorrufen. Die Tatsache, dass einige der Franzosen allen Ernstes erwartet zu haben scheinen, die Ägypter würden bei diesen Veranstaltungen mitfeiern, zeigt, wie wenig sie ihr eigenes Unterfangen am Nil als ein koloniales Abenteuer begriffen. Der größte Nutzen republi­ kanischer Ideologie scheint genau darin bestanden zu haben, diese Tat­ sache vor ihnen selbst zu verbergen. ***

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     207

Die Abertausenden von französischen Soldaten in Kairo, die anders als die Soldaten im Delta keine Möglichkeit zu Militäraktionen hatten, die vom Verlust ihrer Flotte bedrückt und von Heimweh geplagt waren, litten unter heftiger Langeweile. Die von Bonaparte geschätzten bürger­ lichen Spektakel scheinen sie kalt gelassen zu haben. Doguereau schrieb: „Das Leben, das wir führten, langweilte uns enorm, obwohl wir mit so vielen jungen Menschen zusammen waren. Es unterschied sich so sehr von dem Leben, das wir in Europa geführt hatten, dass wir uns schwer­ taten, uns daran zu gewöhnen.“ 22 Er klagte über die große Hitze, die sie davon abhielt, tagsüber ins Freie zu gehen. Und wo, so fragte er, hätte man auch für einen Spaziergang hingehen können? „Selbst in der Wüste, umgeben von Staub und Geröll, braucht man noch Eskorten; an den ­Toren der Stadt wurden wir von Arabern angegriffen. Wir hatten nur wenige Bücher. Wir wollten nur noch nach Frankreich zurückkehren.“ Ihre Langeweile in der Hauptstadt bekämpften die Soldaten damit, dass sie verschiedene gesellschaftliche Veranstaltungen organisierten, sich dem Glücksspiel hingaben und Gesellschaft suchten, egal wie herunterkommen sie war. Die nun verlassenen Harems der Fürsten zogen die Aufmerksamkeit einiger dieser jungen Männer an. Doguereau berichtete, wie Anfang August „ein Harem, zu dem sich zwei unserer ­Kameraden Zutritt verschaffen konnten und aus dem sie mit schwarzen Frauen wieder herauskamen, eine Möglichkeit bot, sich in diesen ersten Tagen etwas die Zeit zu vertreiben.“ 23 Er beschrieb, wie mehrmals oder zumindest einmal im Jahr Sklavenkarawanen „aus Darfur, Senar, Dongola und Borgu“ in die Hauptstadt kamen. Der Arzt Louis Frank behauptete, dass nur vier solcher Karawanen während der französischen Be­ satzung durchgeführt worden sind, und dass die Zahl der jährlich importierten Sklaven durch die hohe Besteuerung bereits beträchtlich reduziert worden war – von vier- bis sechstausend im Jahr in früheren Jahrzehnten auf tausend und weniger in den späten 1790er Jahren. Doguereau erzählte, dass die äthiopischen Sklaventreiber sie zu Fuß marschieren ließen, wie es europäische Pferdehändler mit ihrer Ware taten. „Männer und Frauen sind nackt bis auf einen Lendenschurz.“ Er fügte hinzu, vielleicht um sich selbst zu trösten: „Ihr Schicksal scheint ihnen gleichgültig zu sein.“ Doguereau berichtete, dass die afrikanischen Sklaven mit Tätowierungen geschmückt waren – er nannte sie „Narben“ – und dass die

208    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

Frauen oft Nasenringe trugen. Sie wurden zu einem Preis zwischen 40 und 150 Piastern verkauft, je nach „Alter, Schönheit und Kraft; die jüngsten sind acht oder neun Jahre alt“. Andere Franzosen wurden ihrer Sklavinnen nicht so schnell müde wie Doguereau, sondern hielten sie für den Rest ihrer Zeit in Ägypten als Geliebte. Der junge Zoologe Saint-Hilaire gab zu, dass unter seinen Sklaven wenigstens eine schwarze Geliebte gewesen war, außerdem sorgte er dafür, dass auch sein Bruder, der in Salahia stationiert war, eine Konkubine hatte. 24 Sich Haussklaven zu halten, war unpraktisch für jene Franzosen, die wie Saint-Hilaire viel unterwegs waren. Der Biologe tat kund, dass er dieses Problem gelöst hatte, indem er seine Sklavin im Harem eines hohen Ägypters ließ. „Ich holte meine Negerin aus dem Harem des großen Scheichs Sulayman al-Fayyum[i] zurück, der sie aus Freundschaft zu mir dort untergebracht hatte.“ Saint-Hilaire war keine Ausnahme. Viele Franzosen in Ägypten kauften Sklaven und hielten sie sich für die Hausarbeit oder sexuelle Gefälligkeiten – oder auch für beides. Einige Offiziere nahmen sich die Haremsfrauen der entthronten Beys als Geliebte, viele davon waren Sklavenmädchen. Admiral Jean-Baptiste Perrée schrieb an einen Freund in Frankreich: „Die Beys haben uns einige schöne armenische und georgische Huren überlassen, die wir zum Nutzen der Nation beschlagnahmt ­haben.“ 25 Zumindest drückten die Offiziere ihr Bedauern darüber aus, dass die einheimischen Frauen aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse und französischer Umgangsformen keine Rolle im französischen Gesellschaftsleben spielen konnten. Sie waren zwar günstig, konnten aber „unsere Feste nicht bereichern oder jedenfalls nicht die Anmut und die Liebenswürdigkeit unserer französischen Frauen von sozialem Rang bieten“, so beklagte Niello Sargy. Obwohl er den kaukasischen Frauen die Schuld an diesem Mangel zuschrieb, ist doch offensichtlich, dass der Rassismus innerhalb der französischen Truppen großen Anteil daran hatte, die Frauen von dieser Rolle auszuschließen. 26 Ausgerechnet Bernoyer, dieser jakobinische Vorkämpfer der Aufklärung und Uniformschneider, war, bevor er Fatima begegnete, versucht, Sklavenbesitzer zu werden. Er traf eines Tages den Hauptmann Lunel aus Avignon, der ihm vorschlug, zusammen zum Basar zu gehen, wo gerade eine Karawane mit vielen Sklavinnen angekommen war, „zum größten Teil Schwarze.“ 27 Die sudanesischen Frauen trugen Strohröcke

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     209

und „rochen alle sehr schlecht“. Auf Einwände der beiden Männer hin zeigte ihnen der Händler andere Frauen: Dann näherte ich mich einer von ihnen und lächelte sie freundlich an, um sie nicht zu ängstigen. Ganz vorsichtig hob ich ihren Schleier an. Ich spürte eine leichte Gegenwehr. In ihren Augen nahm ich eine geheime Freude wahr, als sie sah, dass ich hingerissen die verführerischen und wundervollen Kurven ihres Körpers verfolgte. Ihre Bescheidenheit erforderte, dass ich derjenige war, der sie entkleidete. Sie bedeckte sich auf einer Seite, als ich sie von der anderen Seite entblößte. Ich konnte überhaupt nicht mehr aufhören, diesen perfekten Körper zu bewundern – die schlanken Arme, die harmonisch geformten Beine, die Brüste, rund und fest, die gleichmäßigen Hüften, dazu ein erstaunlich flacher Bauch, leicht eingewölbt zum Bauchnabel hin . . . und dann, weiter unten, dieser dichte Schopf lockigen Haares, der den geheimen Zugang zu einem Moment der Lust erahnen ließ, dem man nie entsagen würde. 28

Trotz seiner Begeisterung fand Bernoyer den Preis unannehmbar. Der Verkäufer wollte 1800 Francs für jede der beiden Frauen. Bernoyer bot 1600. Auch Lunel machte ihm Vorhaltungen, dass dieses Angebot eindeutig zu hoch war. Es begann ein Feilschen um einen niedrigeren Preis, aber der Händler gab nicht nach. Sie zogen dann eine halbe Stunde lang über den Bazar in der Hoffnung, den Händler zum Nachgeben zu bewegen. Als sie zurückkamen, stellte Bernoyer bestürzt fest, dass die beiden Frauen bereits verkauft waren. Bernoyer, der Philosoph und Verehrer Rousseaus, Autor der „Abhandlung über die Ungleichheit“, der sich heftig gegen Bonapartes Missachtung der Rechtsprinzipien stellte, sank hier auf das Niveau eines wollüstigen Voyeurs. Es gab französische Beobachter, die die ägyptische Sklaverei verteidigten und darauf hinwiesen, dass Sklaven besser behandelt würden als Hausdiener und dass die Besitzer verpflichtet waren, die Mädchen nach einigen Jahren zu heiraten und den männlichen Sklaven zu eigenem ­Besitz zu verhelfen. 29 Bonaparte selbst argumentierte: „Im Orient hatte die Sklaverei nie denselben Charakter wie im Westen. Sklaverei im Osten ist das, was man in den heiligen Schriften sieht; der Sklave erbt von seinem Herrn, er heiratet seine Tochter. Die meisten Paschas waren einst Sklaven gewesen. […] Die Vorstellungen von Orient und Okzident sind so unterschiedlich, dass es lange dauerte, den Ägyptern begreiflich zu machen, dass nicht die ganze Armee aus Sklaven bestand, die dem Großen Sultan gehörten.“ 30

210    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

Doguereau schrieb: „Die schwarzen Sklaven Ägyptens führen ein glückliches Leben. Frauen werden gekauft, um den Männern Gesellschaft zu leisten oder sich um die Hausarbeit zu kümmern.“ 31 Saint-Hilaire stimmte mit ihm überein: „Die Sklaverei ist hier anders als in Amerika. Es handelt sich um eine richtige Adoption. Meine beiden Sklaven sagen nie etwas anderes als Vater zu mir, und ich bin mit ihren Diensten so zufrieden, dass ich ihnen dieselbe Freundlichkeit entgegenbringe. In vergangenen Zeiten war es eine Ehre, gekauft worden zu sein.“

Ägyptens Sklaverei war tatsächlich anders organisiert als die auf Haiti. Ein Grund für den Unterschied, den Saint-Hilaire und auch andere sahen, war, dass nach islamischem Recht Kinder von Sklavinnen freie Menschen mit Erbansprüchen waren; es haftete ihnen wenig oder gar kein Stigma an, sodass sie durch Heirat immer wieder in die allgemeine muslimische ­Bevölkerung aufgenommen wurden. Es entstand nie eine Bevölkerungsgruppe aus Ex-Sklaven. Außerdem gab es kaum Sklaverei auf den Plantagen, da in der Landwirtschaft ausreichend Arbeitskräfte vorhanden waren. Deren Los war zwar vielleicht weniger hart, trotzdem war es eine Form der Zwangsarbeit, die den Menschen ihre Freiheit verweigerte, und Nebenfrauen zum Sex gezwungen wurden. Im Gegensatz dazu äußerte sich Niello Sargy gegen die Sklaverei: Hat man aber die Basare besucht, wo sich dieser Handel vollzieht, und die Missetaten gesehen, die sie an diesen Unglücklichen begehen, die sie im Auftrag gegen ein paar Goldmünzen eintauschen; wenn man das junge Mädchen sieht, kaum in die Pubertät gekommen, das der Mutterbrust entrissene Kind, und weiß, dass beide bald in die Hände eines gierigen Mannes gegeben werden, dann kann man sich eines schmerzlichen Gefühls nicht erwehren, das nur durch die ferne Hoffnung gemildert wird, dass eines Tages Philosophie und Menschlichkeit auch am Nil einen Triumph davontragen werden. 32

Offensichtlich sollten „Philosophie und Menschlichkeit“ vom Offizierskorps der Republik in dieser Hinsicht nicht viel Hilfe bekommen. Die ­Widersprüche zwischen Freiheit und Zwang in der französischen Republik Ägypten zeigten sich nirgendwo deutlicher als in ihrer Haltung gegenüber der Sklaverei. Auf französischem Boden war Sklaverei seit Langem verboten; Sklavenbesitzer, die aus den Kolonien zurückkehrten und

D a s F e s t d e r R e p u b l i k     211

Sklaven mitbrachten, bedauerten es oft, wenn diese von den Gerichten in die Freiheit entlassen wurden. 33 Vor der Revolution war es franzö­ sischen Bürgern, die außerhalb Frankreichs lebten, nicht verboten, Sklaven zu besitzen oder Sklavenplantagen zu unterhalten. Das war das Ergebnis einer im 17.  Jahrhundert verkündeten Verfügung von Ludwig XIII., für die sich die katholische Kirche eingesetzt hatte. Von den französischen Sklavenbesitzern in der neuen Welt wurde erwartet, dass sie ihr menschliches Gut zum Christentum bekehrten. Französische Sklavenhändler verschickten Abertausende von Afrikanern aus dem Senegal und anderen Ländern Westafrikas über den Hafen von Nantes in die Neue Welt. Auf den französischen Sklavenplantagen auf Martinique, Guayana und Haiti wurden Zucker, Kaffee, Indigo und anderes produziert, während die Arbeiter unter den schlimmsten Verhältnissen leben mussten. Montesquieu, Rousseau, Voltaire und die ­Autoren der ­Encyclopédie, hatten, soweit es möglich war, ohne mit der Monarchie in Konflikt zu geraten, trotz ihrer offen rassistischen Haltung gegenüber Menschen afrikanischer Abstammung die Einrichtung der Sklaverei entschieden verurteilt. So konnte man in der Encyclopédie Formulierungen wie diese finden: Wenn „ein Handel dieser Art durch ein moralisches Prinzip gerechtfertigt ist, dann gibt es kein Verbrechen, und sei es noch so grauenhaft, das nicht legitimiert werden kann“. In einem anderen Artikel war zu lesen, dass „Schwarze zu kaufen, um sie in die Sklaverei zu zwingen, ein Handel ist, der Religion, Moral, Naturgesetz und alle Naturrechte des Menschen missachtet.“ 34 Voltaire prangerte in seinem Roman Candide die Sklaverei an und wetterte gegen die Zuckerplantagen der Franzosen in Haiti, wo, wie er sagte, die Sklaven für den Luxus anderer Menschen starben. Die Revolution selbst setzte diesen Punkt dann auf die Tagesordnung der Legislative. Es kam zu Aufständen in Haiti, woraufhin die Klasse der Landbesitzer von dort wütende Briefe nach Paris schickte. Die Jakobiner taten diese Appelle einfach als Manipulationsversuche verweichlichter ­royalistischer Auswanderer ab. Abolitionisten drängten auf eine Gesetzgebung zur Abschaffung der Sklaverei. Nach bitteren Auseinandersetzungen, in denen deutlich wurde, dass das Ende der Sklaverei auch das Ende des französischen Kolonialismus bedeuten könnte, erklärte der Nationalkonvent im Februar 1794 (Jahr II) die Sklaverei in den französischen Kolonien für ungesetzlich, der Sklavenhandel selbst wurde allerdings nicht verboten. 35 Das Gesetz ver-

212    D a s F e s t d e r R e p u b l i k

bot jedwede Entschädigung der Sklavenbesitzer, in denen die Revolutionäre nichts anderes sahen als Diebe. Die französischen Plantagenbesitzer in der Karibik und in Französisch-Guayana ignorierten die Proklamation weitgehend, und es heißt, sie sei nie in Martinique angekommen. Auch die französischen Offiziere und andere erwarben trotz dieser aufklärerischen Debatte Haussklaven und Nebenfrauen in Ägypten, und niemand dort schien das Gesetz von 1794 zu beachten.

    213

10 Die ägyptische Revolution

Die Angaben zu Bonapartes Aufenthaltsort am Tag des Aufstands sind widersprüchlich. Er schrieb, dass er Kairo verlassen hätte, um in Giseh das französische Waffenarsenal zu inspizieren. Vielleicht hatte er ja die Absicht, nach Giseh zu gehen, aber laut Augenzeugenberichten war er an jenem Morgen nur bis zur Nilinsel Roda gekommen und wurde von dort zu seinem Hauptquartier im ­Azbakia-Bezirk zurückgebracht. ­Detroye behauptete, es habe am frühen Morgen zwar einige Anzeichen von Unruhen gegeben, Bonaparte habe seinen Soldaten aber lediglich befohlen, sich zu bewaffnen, und sich dann auf den Weg gemacht, um die Arbeit der französischen Ingenieure in Alt-Kairo und auf der Nilinsel Roda zu inspizieren. 1 Dieser Bericht stimmt nicht genau mit Bonapartes eigenem überein, was zu Spekulationen Anlass gibt. Hatten ihn Depression und Schrecken gelähmt an diesem ersten Tag des Aufstands, der, wenn sich die ganze Stadt daran beteiligt hätte, ohne Weiteres in einem Massaker an der französischen Armee hätte enden können? Geht man davon aus, dass Bonaparte gezielt verkünden ließ, den ganzen Tag in Giseh, also relativ weit weg gewesen zu sein, um damit seine Untätigkeit zu verschleiern, lassen sich die Berichte schlüssig in Einklang miteinander bringen. Seine Anwesenheit auf der Nilinsel Roda an jenem Morgen ist gut belegt, und er war viel früher wieder im Hauptquartier zurück, als er später zugab. Leutnant Jean-Pierre Doguereau schilderte diesen Morgen in seinen Tagebüchern: „Ich stieg auf mein Pferd, zusammen mit General Dommartin, um nach Giseh zu reiten. Wir schenkten den Gerüchten über ­einen Aufstand, die nur vage zu sein schienen, keine Beachtung. In Alt-Kairo trafen wir mit General Bonaparte zusammen, der unterwegs zur Insel Roda war, und begleiteten ihn. Während wir uns in der Kompanie von General Lannes aufhielten, das Generalhauptquartier

214    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

befand sich ja auf jener Insel, bekam dieser die Nachricht, dass man in den Straßen verwundete Offiziere gesehen habe. Im selben Moment kam ein Laufbursche des Generalhauptquartiers und verkündete, dass der Befehls­haber der Zitadelle, General Dupuy, obwohl er in Begleitung einer Kavallerieeinheit war, soeben ermordet worden sei, als er versuchte, eine Menschenmenge in der Nähe der ­Großen Moschee zu zerstreuen. Überall wurde mit Kanonenschüssen Generalalarm ge­ geben.“

Detroye erinnerte sich, dass die Neuigkeiten um zehn Uhr morgens eintrafen. Doguereau berichtet, dass berittene Führer zu Bonaparte kamen, um ihn in sein Hauptquartier in Azbakia zurückzubringen. Der Hauptmann wollte sie begleiten. „Ich hatte schon einmal die unangenehme Erfahrung gemacht, in einer solch kritischen Situation zurückgelassen worden zu sein.“

Er folgte General Jean Lannes – einem Veteran des Spanien- und ItalienFeldzugs –, der mit seinen Soldaten zum Anwesen von Ibrahim Bey ausgerückt war. „Wir wurden mit Steinen angegriffen, als wir in das Viertel Bab al-Luq kamen, dann trafen wir glücklicherweise mit einigen berittenen Führern zusammen, die selbst attackiert worden waren. Bei der Ankunft erfuhren wir, dass einer großen Zahl von Franzosen in den Straßen die Kehle durchgeschnitten worden war und der Aufstand fast überall um sich gegriffen hatte.“

Bonaparte hatte sein Quartier in Azbakia nur unter Schwierigkeiten erreicht und stellte nun rund um den Azbakia-Platz Posten mit Artilleriegeschützen auf. Er ernannte General Louis-André Bon – den Sohn eines Kaufmanns, der in Toulon, in den Pyrenäen gegen Spanien sowie in Italien gekämpft hatte – zum Nachfolger des gefallenen Dupuy. Bon versuchte in den Hauptdurchgangsstraßen Kanonen einzusetzen, um die Rebellen in das Viertel al-Qakim zurückzudrängen. 2 Die griechischen Bewohner, die sich anfangs neutral verhalten hatten, unterstützten die Franzosen im Lauf der Auseinandersetzungen, als der Mob zunehmend Kollaborateure angriff. Der Wissenschaftler Charles Norry frohlockte: „Bis dahin waren die Griechen noch nicht für unsere Sache eingetreten; am Tag des Aufstands stellten sie sich auf unsere Seite und schüttelten das Joch der Sklaverei ab, das sie lange schon unter der türkischen Herrschaft ertragen hatten.“ Der Grieche Bartholomaios

D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n     215

al-Rumi, den Bonaparte zuvor zum Polizeichef ernannt hatte, erhob sich nun, um den Aufständischen den Kampf anzusagen. Bernoyer notierte: „Jene, die ihn kämpfen sahen, verkündeten seine erstaunlichen Heldentaten und verglichen ihn mit einer von Homers Gottheiten in Troja.“ 3 Jean-Gabriel de Niello Sargy erinnerte sich an Bonapartes rasende Wut darüber, dass die Massen in Kairo ihn herausforderten. „Sollen wir etwa zum Gespött von einigen Horden von Taugenichtsen werden, diesen Arabern, die kaum zu den zivilisierten Völkern zu zählen sind, und vom gemeinen Volk in Kairo, den unzivilisiertesten und primitivsten Schurken, die es auf der Welt gibt?“ 4 Die sunnitischen Geistlichen, die Bonaparte als Führungsriege der Französischen Republik von Ägypten eingesetzt hatte, verhielt sich in dieser Situation sehr unterschiedlich. Die erste floh oder tauchte unter. Al-Gabarti berichtete, dass es bei den sunnitischen Geistlichen „jene gab, die sich aus ihren Häusern flüchteten und versteckt im Haus ihres Nachbarn saßen; andere verriegelten die Tore, weil sie ihre Feinde fürchteten, und verschanzten sich mit ihren Frauen. Andere verließen ihre Häuser, gingen zum Qayitbey-Gebäude in der Wüste und lebten dort.“ 5 Die zweite Gruppe der Geistlichen, die im Hussein-Viertel und dessen Umgebung wohnten, beteiligte sich an dem Aufstand – etwa Sayyid ­Maqdisi  –. Die Aufständischen, so sagte Bonaparte, machten Scheich Shams al-Din al-Sadat zum Führer ihres neuen Diwans, der aus hundert Geist­lichen, Priestern, Muezzins, hochrangigen Persönlichkeiten aus dem Maghreb und „Menschen niederen Standes“ – vermutlich Vertretern der Handwerkergilden – bestand. Selbst in der Rebellion wurden die Ägypter durch eine Volksvertretung nach französischem Vorbild ­regiert! Scheich al-Sadat war zwar von den Rebellen zu ihrem Führer ernannt worden, er stand der Rebellion aber wohl eher zurückhaltend gegenüber, da er die militärische Stärke der Franzosen sehr realistisch einschätzen konnte. Al-Sadat, der damals wohlhabendste und einflussreichste unter den sunnitischen Geistlichen Ägyptens, außerdem Nachkomme einer der führenden islamischen Familien, nahm für sich den Anspruch, direkter Nachkomme des Propheten Mohammed zu sein. Aus seinem Familienklan waren viele Akademiker der al-Azhar-Univer­sität gekommen, das Oberhaupt der ­Familie stand an der Spitze des Sufi-Ordens Wafa’iya, einer mystischen Bruderschaft, was ihm zu noch mehr Ehre und Autorität beim gemeinen Volk verhalf. Als Aufseher von vier wichtigen heiligen

216    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

Stätten, darunter die Hussein-Moschee, stand ihm ein Teil der Einnahmen zu, die aus Pilgerreisen dorthin erwirtschaftet wurden. Die Franzosen hatten die Beziehung zu ihm gepflegt und seinen Besitz nicht angetastet. Da er weder ein osmanischer Aristokrat noch ein Bauer war, sahen sie in ihm genau die Art durchschnittlicher „eingeborener“ Persönlichkeit, die sich als Stütze der französischen Republik Ägypten erweisen könnte. Im Gegensatz dazu sahen ihn die Aufständischen als einen muslimischen Anführer, der im Heiligen Krieg gegen die französischen Ungläubigen auf ihrer Seite stehen würde. Die dritte Gruppe unter Führung von Sayyid al-Bakri stellte sich aktiv auf die Seite der Franzosen; die Tatsache, dass es in ihren Stadtvierteln kaum zu Aufständen gekommen war, erwies sich dabei als vorteilhaft. Die Mitglieder dieser Fraktion waren im Großen und Ganzen wohl­ habender und älter als jene Geistlichen, die sich dem Aufstand anschlossen. Zu ihnen gehörte auch der Chronist al-Gabarti – seine Sympathien für diese besonnene politische Führungsschicht sind aus seinem Text herauszulesen. Al-Bakri ging mit zwei weiteren Geistlichen, Scheich Sirsi und Scheich Mahdi, zu Bonaparte. Der Oberbefehlshaber verlangte, darüber aufgeklärt zu werden, was vor sich gehe. Sie versicherten ihm, dass „dies die Taten von Verrückten aus dem Volk seien, von solchen Menschen, die nicht die Folgen ihres Tuns bedenken“. Bonaparte wollte von al-Bakri wissen, warum er nicht in Begleitung der Scheichs vom Diwan kam, „die wir auserwählt und über die anderen erhoben haben“. Scheich al-Bakri und die anderen antworteten ausweichend, dass die Straßen blockiert seien. Bonaparte blieb hartnäckig: „Sie müssen bei Sonnenaufgang hier sein. Wenn sie bis dahin nicht eingetroffen sind, wenn sie sich gegen uns stellen oder sich stur zeigen, dann werden wir mit Kanonen auf sie feuern, dann wird keine Entschuldigung sie retten können; daher reitet jetzt los und kündigt ihnen sicheres Geleit auf allen Straßen und Plätzen an.“ Die Delegation aus drei führenden Scheichs verließ Bonapartes Haus nach Sonnenuntergang und setzte einen Brief an die Religionsführer in den aufständischen Vierteln auf. Der Überbringer ihrer Botschaft schaffte es allerdings nicht, die Barrikaden zu überwinden, und so wurde der Brief nicht an die entsprechenden Adressaten überbracht. Bonapartes eigener Bericht über die Geschehnisse konzentriert sich auf die Geistlichen des Hussein-Viertels und stimmt erstaunlicherweise

D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n     217

weitgehend mit dem von al-Gabarti überein. „Ich lud die großen Geistlichen vor“, sagt er, „aber alle Straßen waren bereits von den aufständischen Wachen abgeschnitten.“ Die Kämpfenden errichteten Barrikaden zur Verteidigung, und die Stadt wimmelte nur so von bewaffneten Männern. Bonaparte behauptete, die prominente muslimische Geistlichkeit habe versucht, das gemeine Volk vor den unvermeidlichen Folgen seines Handelns zu warnen, sei dabei aber erfolglos geblieben. Niello Sargy bot eine andere Sichtweise. Bonaparte „ordnete unverzüglich an, dass die leitenden Persönlichkeiten der Stadt vor ihm erscheinen sollten. Sie erwiderten darauf, dass sie alles daran setzten, den Pöbel zu beruhigen, und dass ihre Anwesenheit im Diwan unerlässlich sei.“ Auf diese Weigerung hin ließ er seine versammelten Soldaten zu den Waffen greifen und das Viertel der Großen ­Moschee umstellen. Noch in der Nacht wurde Artillerie aufgestellt. 6 Bonaparte schrieb besorgt: „Die Angelegenheit nahm höchst ernste Ausmaße an; die Rückeroberung von Kairo könnte sich als extrem schwierig erweisen.“ Von den vierhundert Minaretten der Stadt konnte er die „erbitterten Stimmen der Muezzins“ hören, die die Feinde Gottes verfluchten, die Ungläubigen und Götzendiener. Aber er suchte bereits nach einem Weg, wie die Stadt dazu gebracht werden könnte, sich seiner Autorität zu fügen, ohne aus ihren Bewohnern dauerhafte, erbitterte Feinde zu machen. ­Bonaparte befahl Dommartin, am Sonntag um Mitternacht mit Artillerie und Soldaten auszurücken und das Stadttor in der Nähe der al-Azhar-Universität anzugreifen. Doguereau und die anderen unter Dommartin verbrachten die ganze Nacht damit, die großen Geschütze durch ihnen unbekannte Straßen zu ziehen – ihr Ziel erreichten sie erst, als der Morgen graute. Malus berichtete darüber, dass dieser Versuch, Artillerie innerhalb der Stadt einzusetzen, fehlschlug, denn die Barrikaden und die Häuser rings um al-Azhar erwiesen sich als hinderlich. 7 Die Lage für die französischen Einheiten blieb prekär. Am Montag, dem 22. Oktober bei Tagesanbruch hatten die Franzosen ihre Geschütze an der Zitadelle und auf den Anhöhen der MokattamBerge über der Stadt wirkungsvoller aufgestellt. Bonaparte versuchte immer noch, Sayyid al-Bakri dazu zu bewegen, mit den anderen Religionsführern im Hussein-Viertel zu sprechen, in der Hoffnung, dass sie der Revolte selbst Herr werden könnten, und setzte alle Feuerbefehle auf die Stadt aus, während al-Bakri seine Verhandlungsbemühungen fortführte.

218    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

Er gab eine Erklärung auf Arabisch und Türkisch heraus. „Es ist nicht wahr, dass Cezzar die Wüste durchquert hat. Die Zerstörung der Tore zwischen den Vierteln erfolgte nach den Regeln guter Polizeiarbeit. Mit der Bewaffnung der Zitadelle nahe der Stadt wurde nur eine militärische Vorschrift befolgt.“ Die Einwohner wurden an die Schlacht bei den Pyramiden erinnert und wie sich damals Sultan ­al-Kabir ihnen gegenüber verhalten hatte. Die Proklamation endete mit dem Vorschlag, dass sich die Einwohner dem Urteil des Diwans unterordnen sollten. Bonaparte gab später zu, dass dieses Flugblatt die Lage verschlimmerte, denn es trug dazu bei, die Einwohner Kairos davon zu überzeugen, dass die Franzosen Angst hatten, und führte dazu, dass sie noch „anmaßender“ wurden. Die Bonaparte beratenden muslimischen Geistlichen, zu denen vermutlich auch Sayyid al-Bakri gehörte, drängten ihn auf entschlossenes Handeln, denn, so sagten sie, die Beduinen würden noch an jenem Tag in die Stadt strömen. Die Stämme aus der näheren Umgebung waren bereits mit einigen Tausend Mann vor den Toren. Pelleport schrieb: „Schwärme von Beduinen, die von den Anführern des Aufstands herbeigerufen worden waren, näherten sich der Stadt und schnitten sie von der Außenwelt ab.“ Bernoyer erzählte: „Am nächsten Morgen ermöglichten die Rebellen im Zentrum der Stadt das Eindringen von Rebellen aus den umliegenden Gebieten.“ Mit Spießen und Stöcken bewaffnet, versammelte sich die größte Einheit der Aufständischen am großen Friedhof, der Stadt der ­Toten am östlichen Rand von Kairo. Sie wurden verstärkt von den Viehzüchtern und Bauern aus den Dörfern rings um die Hauptstadt. Der Ober­ befehlshaber schrieb: „Ich erfuhr, dass sieben- oder achthundert Männer der Bili und der Tarrabin an Kampfhandlungen beteiligt waren und die Nachrichten aus Bulaq abfingen.“ 8 Der städtische Aufstand entwickelte sich zu einer beduinischen Angelegenheit, sowohl inner- als auch außerhalb der Stadtmauern. In der Tat breiteten sich die Unruhen rasch bis zum Delta aus und waren keine reine „Kairo-­Revolte“. Von seinem Standort auf den Hügeln aus sah Doguereau mit eigenen Augen, was nun folgte. „Schon bald sahen wir in der Ferne viele Reiter – im Handumdrehen näherte sich uns eine Wolke aus Beduinen und Bauern.“ Er berichtete, die Franzosen hätten keine Angst gehabt, da sie ihre Artillerie auf den Hügeln aufgestellt hatten, um so den Zugang zum Viertel zu verteidigen. Sie versuchten, mit der Kavallerie gegen die Beduinen auszurücken, „aber deren zahlenmäßige Überlegenheit drängte uns zu-

D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n     219

rück.“ Nachdem er auf die Anhöhe zurückgekehrt war, sah er Sulkowski und die berittenen Führer losreiten, um die Beduinen anzugreifen. „Angesichts der kleinen Zahl von Franzosen ritten die Beduinen ihnen entgegen und griffen ihrerseits an. Gegen die Übermacht der Beduinen konnte die geringe Anzahl der Franzosen nichts ausrichten, sie wurden eingekreist und getötet. Sulkowski wurde vor ­einer Moschee zerstückelt.“ Bonaparte ersann für Sulkowski in seiner typisch großspurigen Art einen mythischen Tod, darin ließ er ihn mit „zweihundert Reitern ausrücken“, die Beduinen „mehrere Wegstunden“ verfolgen und „die Umgebung der Stadt säubern“, bevor er sein Pferd erschießen und ihn von zehn Lanzen erstechen ließ. Bourrienne vermittelte einen besseren Eindruck von den Ereignissen, als er schilderte, dass nur eine Stunde, nachdem sie losgeritten waren, einer der Führer blutüberströmt zurückkehrte und berichtete, dass die ganze Truppe niedergemetzelt worden sei. Er merkte an: „Das war ein rasches Werk, denn wir saßen noch bei Tisch, als die traurige Nachricht eintraf.“ 9 Desvernois spricht von vorsätzlicher Schändung des toten Franzosen. „Die Einwohner verfütterten den tapferen Polen Sulkowski, den Adjutanten des Oberbefehlshabers, an die Hunde.“ Alle Menschen in Kairo konnten an jenem Montagmorgen sehen, dass die Franzosen Geschütze auffuhren, um sie gegen die Bewohner einzusetzen, und sie beschlossen, sich dem Angriff nicht ungeschützt zu stellen. Die Bewohner des aufständischen Utuf-Viertels suchten nach Kanonen, die im Haus von Qayed Aga, einer bekannten ägyptisch-osmanischen Persönlichkeit, vergessen worden waren. Dass die aufständische Stadtbevölkerung die Artillerie besser zu nutzen wusste als zuvor die Emire, zeugt von ihrer Entschlossenheit und ihrem Einfallsreichtum; ­außerdem muss es ihnen ein gutes Gefühl gegeben haben, den Europäern mit ­modernen Waffen anstatt mit Stöcken entgegenzutreten. Im Laufe des Morgens wurde der Schusswechsel immer hitziger. Doguereau berichtete: „Die ganze Zeit über wurden wir von den Einwohnern hinter der Mauer beschossen. Schon bald schlug knapp rechts von uns eine Kugel ein, die ein Feuer verursachte.“ Von ihrer auf der Anhöhe gelegenen Position antworteten die Franzosen mit schwerer Artillerie. Der Quartiermeister Bernoyer erblickte mit eigenen Augen furchtbare Grausamkeiten: „Alle Straßen wurden zum Schauplatz eines blutigen Gemetzels.“ 10

220    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

Al-Bakri und seine beiden Mitstreiter, die von zwei französischen ­ oldaten begleitet wurden, machten sich am Montagmorgen in einem S weiteren Versuch, die Scheichs im Hussein-Viertel zu sprechen, auf den Weg in die nach dem Bab Zuweila benannte Gegend. Sie wurden jedoch von einer Menschenmenge bemerkt, die „rasend vor Wut auf sie zukam und ihnen den Zugang versperrte“. So mussten sie sich rasch in die nahegelegene Moschee von Iskandar zurückziehen, von wo aus sie den Religionsführern innerhalb des von Muslimen gehaltenen Gebietes eine Nachricht zukommen ließen. Schließlich ritt Scheich al-Sharqawi mit einer Gruppe weiterer Geistlicher aus. Sie versuchten die Barrikaden zu durchbrechen, aber im Kharratin-Viertel trafen sie auf eine Gruppe Bewaffneter, die auf sie feuerte und sie zurückdrängte. Al-Sharqawi und seine Gruppe versuchten erneut, sich für Friedensverhandlungen in das von den Franzosen gehaltene Gebiet durchzukämpfen, aber sie wurden immer wieder zurückgedrängt. 11 Bernoyer erzählte, dass er daraufhin ein Schwert umschnallte und ein Gewehr in die Hand nahm, obwohl er kein Soldat war. Er stieg auf ein Pferd und schloss sich einer Kavallerieeinheit an; zusammen passierten sie verlassene Straßen, bis sie den Platz Birkat al-Fil („Elefantenteich“) erreichten, wo sie auf eine größere Menschenmenge stießen, die in eine Schlacht mit der 22. Einheit der leichten Kavallerie verwickelt war. Die Verstärkungen stellten nun zwei Geschütze auf und schossen auf die Ägypter. Beim ersten Kugelhagel zögerte die Menge. Als der zweite ­Kanonenschuss mehrere ihrer Kameraden niederstreckte, bekamen sie es mit der Angst zu tun, und die Menge drängte in die engen Gassen hinein. General Jean Reynier, der dort die Befehlsgewalt hatte, ordnete den Angriff an. „Es kam zu einem fürchterlichen Massaker. Der Platz wurde im wahrsten Sinne leergefegt.“ Bernoyer gab eine Geschichte wieder, die ihn davon überzeugte, dass ein Muslim „dem Tod besser widerstehen kann als jeder andere Mensch“. Ein Kavallerist entdeckte einen Nachzügler, der zu fliehen versuchte, und schoss auf ihn. Der Fliehende sank nieder, zog sich aber wieder hoch, stürzte sich in den See, der Birkat ­al-Fil seinen Namen gab, und begann zu schwimmen. Als er auf der anderen Seite ankam, wurde er erneut von einem Schuss getroffen und fiel rücklings ins Wasser. Er überquerte das Wasser in eine andere Richtung, und als er dort auftauchte, wurde er von einem französischen Grenadier mit einem kurzen Säbelhieb niedergestreckt. „Er sank zurück und

D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n     221

verschwand. Ich dachte, er sei tot, aber nein: Er tauchte wieder auf!“ Ein Kugelhagel ging auf ihn nieder. Todesmutig kroch er aus dem Wasser und setzte sich auf. „Trotz seiner Wunden lebte er noch eine Viertelstunde.“ 12 Das erste Bataillon der 18. Halbbrigade griff an und versprengte die zahllosen Aufständischen, die sich in der „Stadt der Toten“ versammelt hatten und in enger Verbindung mit den Beduinen standen. 13 Angesichts des unerbittlichen Vormarschs der Franzosen am Montagmorgen, der durch den Einsatz von Artillerie gegen die Menschenmenge beschleunigt wurde, gab es bald nur noch einen Ort, an dem die Aufständischen die Kontrolle behielten: das Hussein-Viertel rund um die große Moschee in der Nähe der al-Azhar-Universität. Bernoyer schien es, als seien die Menschen dort entschlossen, es bis auf den letzten Mann zu verteidigen. Alle Zugänge zu diesem beeindruckenden Posten waren verbarrikadiert und schwer bewacht. Ein frontaler Infanterieangriff hätte die franzö­sischen Truppen viele Tote gekostet. In der Tat schlugen anfängliche ­Angriffe fehl. Die Grenadiere der 18.  Brigade, angeführt von Hauptmann Bart, zogen mit einem Geschütz zum bevölkerungsreichsten Viertel ­Kairos, so ­erinnerte sich Pelleport. Die engen Straßen zwangen seine kleine Kolonne jedoch, immer wieder zurückzuweichen. Als die Menge diese Rückwärtsbewegung bemerkte, rückte sie vor und griff an. Die französischen Soldaten „blieben hart wie Granit und ließen sich nicht einschüchtern. Sie töteten viele Männer und kehrten zum Hauptquartier zurück.“ 14 Bonaparte ließ das al-Azhar-Viertel von Grenadierkolonnen umstellen, damit keiner der Aufständischen entkommen konnte. Angesichts der großen Zahl der Beduinen und Bauern, die nun in die Stadt strömten und sich der Revolte anschlossen, stieg die Gefahr, dass die Revolte sich über die Hauptstadt hinaus ausweitete. Vigo-Roussillon notierte, dass „General Bonaparte um zwei Uhr nachmittags befahl, das Viertel, in dem sich das Zentrum des Aufstands befand, von der Zitadelle aus zu beschießen.“ 15 Die Geschützgruppen auf der Mokattam-Anhöhe begannen zu feuern. Kanonenkugeln und Granaten schlugen in die Gebäude ein, von ­denen viele in Brand gerieten. Bernoyer schrieb nach Hause: „Das Bombardement richtete große Verwüstungen an und hätte beinahe die Moschee zerstört, als die Türken sich aus Angst, unter deren Trümmern begraben zu werden, gezwungen sahen, an die Großzügigkeit Bonapartes

222    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

zu ­appellieren.“ 16 Der Oberbefehlshaber antwortete ihnen daraufhin, so ­erzählte Bernoyer, dass sie seine Gnade nicht gewollt hatten, als er sie angeboten habe. „Die Stunde der Vergeltung ist gekommen. Ihr habt es begonnen, es liegt an mir, es zu beenden!“ Verzweifelt griff die Menge zu den Waffen, aber die Grenadiere stachen sie erbarmungslos mit ihren Bajonetten nieder. „Dann gingen die Anführer unbewaffnet auf unsere Grenadiere zu und baten inständig um Erbarmen, dabei verliehen sie ihrer Bitte mit heftigen Gesten und Rufen Nachdruck.“ Ein Kavallerist, der mit seiner Einheit von Bilbeis herbeigerufen worden war, näherte sich der Stadt. „Das Schauspiel, das die unglückliche Stadt bot, ließ mich erneut zittern. Viele Häuser waren den lodernden Flammen zum Opfer gefallen“, schrieb Desvernois. „Die Unterwerfung war furchtbar. Wir töteten mehr als 3000 Aufständische, ohne selbst mehr als hundert Männer zu verlieren.“ Kaufmann Grandjean schätzte dagegen, dass bei dem Aufstand achthundert Franzosen ums Leben kamen. ­Detroyes Schätzung kam auf 250 französische Tote, darunter ein General, Befehlshaber der Brigade, einige untergeordnete Offiziere sowie mehrere Ingenieure und Sanitätspersonal. Aus Propagandazwecken sprach Bonaparte von der unglaublich kleinen Zahl von 21 getöteten französischen Soldaten. Grandjean spürte, dass der Aufstand das gesamte Unternehmen in Ägypten hätte gefährden können, wenn er besser ausgeführt worden wäre und die Ägypter bessere Waffen gehabt hätten. Die meisten hatten nur Stöcke aus hartem Holz, die allerdings ziemlich wirkungsvoll waren, wenn auch nur aus unmittelbarer Nähe. Ihre Musketen waren „schlecht“, und am Ende konnten sie einfach nicht gegen die Überlegenheit der französischen Artillerie ankommen. Der Biologe Saint-Hilaire prahlte sogar damit, wie repressiv die französische Führung sein konnte, und schrieb nach Frankreich: „Am 30. Vendémiaire brach ein Aufstand aus, der bis gestern Abend andauerte. Die armseligen Einwohner Kairos hatten keine Ahnung davon, dass die Franzosen die Lehrmeister der Welt darin sind, wie man die Niederschlagung von Aufständen organisiert. Das haben sie jetzt gelernt und mussten teuer dafür bezahlen.“ 17 Danach, davon war Desvernois überzeugt, war der Kampfgeist der Ägypter durch diesen heilsamen Schrecken gebrochen. Die ­ihnen auferlegte Strafe habe den Nachweis erbracht, dass die Franzosen unter einer Art himmlischem Schutz stünden und es aussichtslos sei, sich ihnen entgegenzustellen.

D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n     223

*** Bonaparte befahl den Aufständischen gegenüber solch furchtbare Vergeltungsmaßnahmen, dass die Folgen der Revolte beinahe genauso viele Menschenleben kosteten wie der Aufstand selbst. Leutnant Laval vermerkte: „Die französischen Besatzungstruppen nahmen die wichtigsten Anführer des Aufstands gefangen und erschossen sie zusammen mit vielen anderen, die wir gefangen genommen hatten, als sie aus der Moschee herauskamen. Die meisten davon waren beduinische Diebe.“ 18 Natürlich waren es nicht zum größten Teil Beduinen, auch wenn sich einige von ihnen bei einem letzten Verteidigungsversuch an der Hussein-­ Moschee unter die Menge gemischt haben könnten. Die Tatsache, dass sich auch Beduinen und Bauern aus dem Hinterland von Kairo anschlossen, zeigt, dass der Aufstand nicht nur ein Protest von Kaufleuten und Handwerkern gegen neue Steuern war, sondern eine Dimension hatte, die über Klassengrenzen hinausging. Viele der einfachen Menschen in Ägypten, die über die Ortsgrenzen hinweg durch Handwerkerzünfte und den Sufi-Orden miteinander verbunden waren, erkannten schlichtweg die französische Herrschaft nicht als legitim an. In jener Nacht, so erinnerte sich Bernoyer, führten die Franzosen viele weitere Festnahmen durch. Insgesamt nahmen sie etwa 2000 der aktivsten Aufständischen in Gewahrsam. Am Dienstagmorgen, dem 23.  Oktober, schickte Bonaparte einen knap­pen, gefühllosen Brief an General Berthier. „Bürger General, gebt an den zuständigen Befehlshaber die Anweisung, alle Gefangenen, die mit Waffen in der Hand festgenommen wurden, zu enthaupten. Sie sollen in dieser Nacht zum Nilufer zwischen Bulaq und Alt-Kairo gebracht werden; ihre kopflosen Leichen werden in den Fluss geworfen.“ 19 ­Detroye schrieb am 3. Brumaire (24. Oktober) in sein Tagebuch: „Sie begannen damit, einige der Aufstän­dischen hinzurichten. Diese Hinrichtungen wurden, fast heimlich, auf der Zitadelle mit Bajonetthieben ausgeführt.“ 20 Diese Beschreibung der Exekutionen zeigt die französischen Soldaten als Scharfrichter, ja Massenmörder. Quartiermeister Bernoyer, der als Zivilist fernab des Schauplatzes nur schreckliche Geräusche gehört haben wird, versuchte die Verantwortung abzuwälzen, auch wenn sein Bericht unglaubwürdig klingt. „Trotz ihrer Unwissenheit und Ineffizienz legten die Türken bei dieser Hinrichtung eine besondere Geschicklichkeit an den Tag.“ Bernoyer schilderte

224    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

eine Hinrichtungsprozedur, die am Dienstagmorgen begann. Der zuständige General rief den obersten Scharfrichter der Stadt zu sich, der zuvor den osmanischen Emiren gedient hatte, und übergab ihm eine Liste derjenigen, die er hinrichten sollte. Eine Quelle identifiziert ihn als keinen Geringeren als Bartholomeios al-Rumi, den neuen Leiter des ­Janitscharen-Korps. Bernoyer merkte an: „Seine Opfer – ich nenne jede Person Opfer, die ohne Gerichtsprozess zu Tode gebracht wird – wurden in einem großen Hof versammelt. Der Scharfrichter rief einen nach dem anderen auf.“ Sie ließen sie durch eine kleine Tür hinausgehen, die in einen weiteren Hof führte. Dort empfingen den Gefangenen zwei Wächter, die seine Arme so griffen, als würden sie ihn zum Richter bringen. „Der Scharfrichter näherte sich ihm mit einer Handvoll Sand, den er in seine Augen warf. Der Verurteilte führte natürlich seine Hände zu den Augen und senkte den Kopf. Genau in diesem Moment wurde er durch ein Damaszener-Schwert enthauptet, das der Scharfrichter in seinem Gewand versteckt gehalten hatte.“ Er beschrieb, dass es am Hinrichtungsort Rinnen gab, über die das Blut abfließen konnte, dass die Leichen sofort weggebracht wurden und dass Sand über die Blutflecken gestreut wurde, sodass das nächste Opfer nicht ahnte, was ihm bevorstand. Die Exekutionen wurden ab sieben Uhr morgens durchgeführt, und das ganze Prozedere endete am Mittag. Als der Mittag kam und die Soldaten ihre Vorgesetzten darüber informierten, dass der Auftrag erfüllt sei, erschien es diesen unglaublich. Der zuständige General, „der sich zurückgezogen hatte, um diesem furchtbaren Geschehen nicht beiwohnen zu müssen, dachte zunächst, sie wollten ihn auf den Arm nehmen. Er ging unverzüglich zu dem Platz und war äußerst erstaunt, dort keine Menschenseele zu sehen und nicht einmal irgendwelche Spuren dieser recht umfangreichen Hinrichtungsaktion.“ Hauptmann Joubert versicherte dem General, dass alle Männer auf der Liste der Verurteilten hingerichtet worden seien. Er führte ihn zu dem behelfsmäßigen Leichenhaus, in dem die kopflosen Leichen aufgestapelt waren, um ihn zu überzeugen. „Bei diesem schrecklichen Anblick überfiel den General das schiere Entsetzen, und er verfluchte den Befehl, den er bekommen und weitergegeben hatte.“ Bernoyers Beschreibung einer orientalischen Effizienz beim Morden ist nicht plausibel, so anschaulich und makaber sie auch sein mag. Die Proze-

D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n     225

dur mit der beschriebenen List, dem Abtransport der Leiche und dem Abdecken mit Sand war vielleicht in manchen Fällen durchgeführt worden. Aber das hätte mindestens zehn Minuten pro Hinrichtung gedauert, weshalb nicht mehr als sechs Enthauptungen pro Stunde hätten ausgeführt werden können. Detroyes unverblümte Beschreibung von französischen Soldaten, die unbewaffnete, vermutlich gefesselte Gefangene mit dem Bajonett abstachen, ist für die meisten Hinrichtungen plausibler – ein Vorgehen, das außerdem entsetzlich effizient sein konnte. Niello Sargy sprach davon, dass 300 hingerichtet wurden, darunter fünf bedeutende Geistliche. Andere sprechen von 2000 Getöteten. Falls dies der Wahrheit entspricht, so muss sich das Gemetzel tagelang hingezogen haben. In jener Nacht, so schilderte Bernoyer, wurden die Leichen in den Nil geworfen – die Einwohner Kairos blieben daher im Ungewissen über das wahre Ausmaß der von Bonaparte angeordneten „strengen Gerechtigkeit“. Zu den etwa 3000 während des Aufstands getöteten Ägyptern kamen an einem einzigen Morgen also noch mindestens 300 weitere. Die Abscheu, die der Quartiermeister gegenüber dem willkürlichen und rachsüchtigen Verfahren an den Tag legte, das eher an den Sonnen­könig Ludwig XIV. oder an die radikalen Anhänger Robespierres während der Schreckensherrschaft denken lässt als an die besonnene Rechtsprechung des Direktoriums, verrät, dass immer mehr der französischen Invasoren den Verdacht hegten, dass es bei ihrem Unternehmen letztlich gar nicht darum ging, Freiheit und Rechtstaatlichkeit ins Niltal zu bringen. Bonaparte hatte einige der wichtigeren Anführer des Aufstands aus politischen Gründen geschont. „Sie trugen zwar mehr Schuld, hatten aber großen Einfluss auf die Menschen, entweder aufgrund ihrer Tätigkeit oder aufgrund ihres Vermögens.“ Bernoyer deutete hier an, dass einige der Wohlhabenden der Stadt zu den treibenden Kräften des Aufstands gehörten, was rückblickend betrachtet einen Sinn ergibt, von alGabarti in seinem Bericht allerdings weitgehend außer Acht gelassen wird. Er erwähnte nur beiläufig, dass einer der Rädelsführer, Sayyid ­al-Maqdisi (oder al-Qudsi), ein Geistlicher niederen Ranges und Kara­ wanenhändler war. Al-Maqdisi gehörte zu denen, die hingerichtet ­wurden. Bernoyers Quelle waren wahrscheinlich die Großhändler von ­al-Qahira, wo achtzig Prozent des Handels in Kairo ­abgewickelt wurden. Bonaparte legt in seinen Memoiren nahe, dass die hochrangigen Persönlichkeiten in den Aufstand hineingezogen worden waren.

226    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

Bernoyer hielt fest, dass Bonaparte den Aufstand als Vorwand nutzte, um der Bevölkerung weitere Steuern aufzuerlegen. Er setzte allein für die Stadt Kairo eine Strafe von „zwölf Millionen“ fest – die Währung nannte er dabei nicht. „Im französischen Viertel [dem christlichen Viertel] war vor einigen Tagen ein Markt unter den Soldaten eingerichtet worden. Dort ist die Beute zu sehen, die jene sich bei dem Aufstand unrechtmäßig angeeignet haben.“ Er klagte darüber, dass die einheimischen „Griechen und Juden“ ihnen dicht folgten und von deren Unwissenheit über den wahren Wert der ägyptischen Waren profitierten. Bonaparte richtete Polizeieinheiten in jedem Viertel ein, um die Muslime kontrollieren und beobachten zu können und weiteren Verschwörungen zuvorzukommen. Niello Sargy berichtete, dass alle Einwohner Kairos unmittelbar nach dem Aufstand verpflichtet worden waren, die Kokarde mit den Farben der Trikolore zu tragen, und dass die französische Nationalflagge auf allen öffentlichen Gebäuden gehisst werden sollte. Al-Gabarti deutete im Gegensatz dazu an, dass die französischen Behörden nach der Revolte die Forderung an die Ägypter, die Kokarde zu tragen, nach und nach lockerten. Bonaparte befahl den Bau neuer, ausgedehnter Festungen in Kairo und Umgebung, selbst wenn dies bedeutete, Moscheen niederzureißen – al-Gabarti beklagte unter anderem die Zerstörung der al-Maqs-­Moschee, einer weiteren in Imbaba und der al-Kazaruni-Moschee auf der Nilinsel Roda. Militäringenieure erweiterten die Straßen und fällten Dattelpalmen. 21 Seine Soldaten durchsuchten die Häuser, die dem Vorsteher der Vereinigung der blinden Bettler, dem Sekretär der Gewürzhändlerzunft und einer Reihe von Geistlichen gehörten. Blinde wurden als Straßenbettler und Koranrezitatoren geschickt platziert, um aufmerksam zu lauschen und heimlich Nachrichten über den Feind mitzuteilen. Die Gewürzhändler waren wohlhabend, und Ibrahim Efendi wurde angeklagt, ganze Banden von Schlägern für den Aufstand angeheuert und bewaffnet zu haben. Am 3. November verurteilte Bonaparte elf Männer, die er als Rädelsführer betrachtete, öffentlich zum Tode. 22 Dazu gehörten sieben meist unbekannte Geistliche wie Scheich al-Sayyid Abd al-Karim, Scheich Badr al-Qudsi (oder Al-­Maqdisi) und Scheich Abd al-Wahhab al-Schubrawi. Bonaparte wollte unbedingt jemanden für den Aufstand bestrafen, scheint aber befürchtet zu haben, jede Chance auf Aussöhnung mit der Führungsschicht der Stadt zu verspielen, wenn er mehr als

D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n     227

eine Handvoll Geistlicher mittleren Ranges und Kaufleute oder Mitglieder der Zünfte öffentlich hingerichtet hätte. Er mag tatsächlich Tausende von Aufständischen hingerichtet haben, doch tat er es eher im Verborgenen aus Sorge davor, Märtyrer zu schaffen. Auch die Maghrebiner aus dem Viertel al-Fahhamin mussten Wiedergutmachung leisten. Die jungen Männer dieser Bevölkerungsgruppe zeigten sich damit einverstanden, dem französischen Heer beizutreten und ein eigenes Bataillon zu bilden. Französische Offiziere übten mit ihnen das Exerzieren, brachten ihnen bei, die Waffen zu präsentieren, gleichzeitig zu schießen und im Gleichschritt zu marschieren. Dann setzte Bonaparte sie im Delta gegen aufständische Bauern ein. Sie griffen Ibn Shair, das Dorfoberhaupt von Ashama, an, besiegten und töteten ihn, plünderten sein Haus und konfiszierten sein gesamtes, nicht unbeträchtliches Vermögen und sein Vieh. Wie die Geschichte des maghrebinischen Bataillons zeigt, hatten beide Seiten nach dem Aufstand kaum eine andere Möglickeit, als sich einander anzunähern, zumindest partiell. Den Ägyptern, denen es an schwerer Artillerie und auch an disziplinierter Infanterie fehlte, war es nicht gelungen, die besser bewaffneten und besser ausgebildeten Franzosen entscheidend zu schwächen. Bonaparte wollte eine ergebene Bevölkerung, keinen Friedhof, und so musste er bei den Vergeltungsmaßnahmen Umsicht walten lassen. Die Religionsführer der al-Azhar-Universität ritten zu seinem Quartier in Azbakia und baten ihn mit Hilfe seines arabischen Dolmetschers um sicheres Geleit. Er drängte sie, die Anführer des Aufstands zu benennen, woraufhin sie ihm einige Namen nannten. „Wir kennen jeden Einzelnen von ihnen!“, antwortete er triumphierend. Sie baten ihn, seine Truppen aus der Hussein-Moschee abzuziehen, wo nicht nur die Soldaten stationiert waren, sondern auch ihre Pferde untergebracht ­waren, wie Abdullah al-Sharqawi empört berichtete. Bonaparte willigte ein, behielt sich aber vor, eine Einheit von siebzig Mann in dem Gebiet zu lassen. Lieutenant Laval schrieb, dass „Bonaparte ihren Diwan auflöste“. Einige Mitglieder des Generalrats und des Sonderausschusses wurden verdächtigt, bei der Planung des Aufstandes mitgewirkt zu haben, während sie gleichzeitig mit den Franzosen die Einzelheiten planten, wie die neue Republik gestaltet sein sollte. Laval berichtete, Bonaparte habe ihnen wütend gesagt, „dass die Muslime in Ägypten nicht länger eine Rolle spielten, da die Vorsitzenden des Diwans die Franzosen ans Messer lie-

228    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

fern wollten. Ihr Versammlungssaal wurde geschlossen.“ 23 Bonaparte wollte Bernoyer zufolge „das Volk mit denselben Mitteln gegen sie aufbringen, die sie selbst benutzt hatten, um den Aufstand anzuzetteln“. Er verfügte, dass sie, wenn sie ihren Kopf retten wollten, ihre Namen auf ein von ihm vorbereitetes Dokument setzen mussten, das vervielfältigt und an den Moscheen der Stadt und überall in den Provinzen ausgehängt werden sollte: Einwohner von Kairo: Möge der Allmächtige Euch vor Aufwiegelung bewahren und Euch vor jenen schützen, die Unheil über die Welt bringen wollen. Gerade erst gab es große Unruhen in Kairo, daran waren Teile der Bevölkerung und niederträchtige Menschen beteiligt, die sich daruntermischten. Sie säten Zwietracht aus zwischen den französischen Soldaten und den Untergebenen [sic]. Dies hat zum Tod vieler Muslime geführt, aber die wohltätige und unsichtbare Hand Gottes brachte den Aufruhr zum Schweigen. Durch unsere Fürsprache bei Ober­ befehlshaber Bonaparte wurde das Unheil abgewendet, das die Folge gewesen wäre. Er verhinderte, dass die Soldaten die Stadt niederbrannten und plünderten, denn er ist voller Weisheit, wohltätig und gnädig zu den Muslimen. Er ist vor allem der Beschützer der Armen, und ohne ihn würde es die Einwohner von Kairo nicht mehr geben. 24

Diese den Geistlichen in den Mund gelegte Proklamation warnte die Einwohner Kairos vor weiteren Unruhen. Später richtete Bonaparte den von Geistlichen geführten Diwan wieder ein und versuchte ­erneut, Beziehungen zur al-Azhar-Universität aufzubauen. Nachdem Bonaparte in seinen Beziehungen zu den gebildeten sunnitischen Geistlichen einen Rückschlag erlitten hatte, beschwor er nun wieder die mystischen und jahrtausendealtes alten Vorstellungen im islamischen Volksglauben. In einer im Herbst herausgegebenen Erklärung an die Einwohner Kairos brüstete er sich damit, dass die „fehlgeleiteten Männer“, die „einige von Euch“ auf Abwege geführt hatten, den Tod gefunden haben. 25 „Scherifen, Geistliche, Vorbeter in den Moscheen, ­höret, dass diejenigen unter Euch, die sich freudigen Herzens selbst zu meinen Feinden erklären, weder in dieser Welt noch in der nächsten Zuflucht finden werden.“ Er nahm übernatürliche Kräfte für sich in Anspruch, um über das Schicksal anderer zu entscheiden, sogar im Jenseits der Muslime! „Kann ein Mensch so blind sein, nicht zu sehen, dass das Schicksal selbst meine Taten lenkt?“ Auch das weite Universum, so mahnte er sie, musste dem „Imperium des Schicksals“ gehorchen.

D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n     229

„Sagt den Menschen, dass seit Anbeginn der Welt geschrieben steht, dass ich nach der Vernichtung der Feinde des Islam und dem Niederreißen des Kreuzes aus dem fernen Westen kommen würde, um die mir auferlegte Aufgabe zu erfüllen.“ Er forderte sie auf, die Menschen auf die „mehr als zwanzig Abschnitte“ in der „Heiligen Schrift des Korans“ aufmerksam zu machen, die seine Ankunft vorhersagen und erklären. Jene, so sagte er, die den Himmel anflehten, Fluch über die Franzosen zu bringen, sprachen ihre eigene Verdammnis aus. „Die wahren Gläubigen werden ein Gelübde auf den Erfolg unserer Waffen ablegen.“ Dann machte er sogar noch geheimnisvollere Kräfte geltend. „Von jedem von Euch könnte ich Rechenschaft verlangen über die geheimsten Gefühle seines Herzens; denn ich weiß alles, selbst das, was Ihr niemandem gesagt habt.“ Der Tag werde kommen, so versprach er, an dem die ganze Welt erkennen werde, dass er von einer höheren Macht geleitet war, „und dass menschliche Anstrengungen nichts gegen mich ausrichten können“. Man könnte versucht sein, daraus den Schluss zu ziehen, dass Bonaparte ob der verschiedenen Katastrophen, die ihm seit der Zerstörung seiner Flotte durch Nelson zugestoßen waren, ein wenig aus dem Gleich­ gewicht geraten ist. Es ist natürlich gut möglich, dass der selbstzu­ friedene jakobinische Säkularismus der Revolutionsära den Franzosen immer noch ein paternalistisches Überlegenheitsgefühl über die leichtgläubigen, klerushörigen und abergläubischen Orientalen verlieh. In dem Fall versuchte Bonaparte einfach nur, die, wie er es sah, Leichtgläubigkeit und Naivität der Ägypter auszunutzen, indem er sich selbst als eine Art unbesiegbares, übernatürliches Wesen darstellte. Wenn diese List auch nur ein paar Menschen von weiterer Rebellion abhielt, könnte es die Sache wert gewesen sein; zu verlieren hatte er nichts dabei. Es ist auch möglich, dass Bonaparte Dinge aus dem muslimischen Volksglauben wiedergab, die ihm von den einfachen Leuten oder den Wahrsagern, mit denen er manchmal mit Hilfe seiner Dolmetscher sprach, zugetragen wurden. Der Volksislam in Ägypten enthielt in einer langen Tradition den Glauben, dass am Jüngsten Tag der Mahdi, der „Rechtgeleitete“ kommen werde. Einiges von dem, was in Bonapartes Proklamation angesprochen wird, findet sich in diesem Glauben wieder. Er war sich dieser Motive genau bewusst. In seiner Jugend hatte Bonaparte eine Kurzgeschichte geschrieben über einen mittelalterlichen „verschleierten Propheten“ aus Chorasan im öst­

230    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

lichen Iran, der die gerechte, friedliche und „wissenschaftliche“ Herrschaft von Kalif al-Mahdi in Bagdad herausforderte und durch eine Täuschung den Mob hinter sich versammelte, schließlich aber im Unglück endete. 26 Darin schien Bonaparte sich mit dem Kalifen zu identifizieren, in seiner Proklamation dagegen hörte er sich eher an wie der verschleierte Prophet selbst. Solche Vorstellungen kursierten auch im damaligen Ägypten. SaintHilaire hatte bereits im August mit Prophezeiungen ägyptischer Wahr­ sager über die Unabwendbarkeit von Bonapartes Expedition Bekanntschaft gemacht. „Eine Prophezeiung, so sagen sie, geschrieben in einem heiligen Buch, sah voraus, im Jahr 1305 der Hedschra würden Christen kommen, um Ägypten zu retten und die Herrscher für ihre Ungläubigkeit gegenüber Gott zu bestrafen. Alle Türken glauben, dass wir von Gott gesandt sind, und respektieren uns daher.“ 27 Man wird nie erfahren, ob ­Bonaparte für die Verbreitung dieser Prophetien gezahlt hat. Al-Gabarti übertrug die unglaubwürdige Proklamation in seine Aufzeichnungen, die angesichts des scheußlichen Stils zweifellos von Venture de Paradis ins Arabische übersetzt worden war. Er sagte, er hätte es einfach tun müssen „angesichts seiner Verfälschungen und Prahlereien gegenüber einfachen Menschen, seines grandiosen Anspruchs, der Mahdi oder ein Prophet zu sein, und schließlich seiner ,Beweisführung durch einen Gegenbeweis‘, um diesen Anspruch zu belegen.“ 28 Der strenge Logiker und Theologe al-Gabarti, der von seinem aristotelisch gebildeten Vater unterrichtet worden war, klagte Bonaparte der schlimmsten Sünde überhaupt an: eines logischen Trugschlusses. Eigentlich gibt es in der Proklamation so viele logische Trugschlüsse, dass es eine Weile dauern würde, sie alle aufzulisten. Im Gegensatz dazu behauptete Moiret, dass einige der Wahrsager in Kairo – ob sie es ihm nun tatsächlich abnahmen oder vielleicht bestochen waren – das Bild des Hellsehers Bonaparte unterstützten und dazu beitrugen, die Bevölkerung zu beruhigen. Einige prophezeiten, dass der französische Sultan bald zum Islam übertreten würde und „sein gesamtes Heer seinem Beispiel folgen würde.“ 29 Das Heer, so Moiret, folgte im Allgemeinen diesem pragmatischen Vorgehen, wenn das Probleme verringern half; die „Philosophen“ unter ihnen waren aber erzürnt angesichts dieser Kapitulation vor dem Aberglauben. Vielleicht hat Bonaparte den Stellenwert spezifisch religiöser Gefühle in dem Widerstand, den ihm die Ägypter entgegenbrachten, überbewer-

D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n     231

tet. Ägyptische Führer setzten die Rhetorik des Islams zur Stärkung politischer Bündnisse ein, aber sowohl al-Gabarti als auch al-Sharqawi, beides Männer des Glaubens, machten für den Aufstand ausdrücklich die säkulare Ablehnung der französischen Steuerpolitik sowie ein Gefühl der Unsicherheit bei den Zünften und Ladenbesitzern durch den Abriss der Trennungstore zwischen den Vierteln verantwortlich. Bonaparte neigte auch dazu, die mittleren und oberen Schichten Ägyptens zu entschuldigen und stellte sie so dar, als hätten sie Angst vor dem Pöbel und seien von diesem in den Aufstand hineingezogen worden. Dem stehen aber al-Gabartis offene Worte entgegen, dass Sayyid Badr al-Maqdisi, gleichzeitig Karawanenhändler und Geistlicher niederen Ranges, die Menge im al-Azhar-Viertel anführte. Die Maghrebiner aus al-Fahhamin waren wie viele andere Volks- und Berufsgruppen der Stadt in ihrer Zunft organisiert. Aufstände sind nichts Spontanes, und hier waren die Zünfte der Kaufleute, Handwerker und Wachmänner wahrscheinlich mit an vorderster Front. Die Auswirkungen, die die Vernichtung der Flotte, die Verkündung des Heiligen Kriegs durch den Sultan und der ägyptische Aufstand auf die Moral der französischen Soldaten hatten, waren in jeder Hinsicht verheerend. Moiret erinnerte sich, wie besorgt er darüber war, weit weg von Frankreich in Ägypten festzusitzen. Die Offiziere fürchteten die alljährlich im Frühjahr ausbrechenden Seuchen, und er konnte sich nicht vorstellen, wie sich die Franzosen vor einer Krankheit schützen sollten, die ihre Reihen ebenso wirkungsvoll ausdünnen konnte wie jede muslimische Waffe. Auch machte er sich Sorgen über die osmanisch geführte zweite Koalition. „Wenn Frankreich selbst angegriffen wird, wenn der Frieden, in dem wir fortgezogen sind, verletzt wird, wie können wir unserem Land die Unterstützung sichern, die es zur eigenen Verteidigung benötigen wird?“ Die Wendung „der Frieden, in dem wir fortgezogen sind“ ist eine implizite Kritik daran, dass Bonaparte es riskiert hatte, mit seinem Angriff auf eine große Provinz des Osmanischen Reichs eine weitere antifranzösische Koalition heraufzubeschwören. In der Zeit nach dem Aufstand, der größtenteils von ägyptischen Muslimen geführt und ausgefochten worden war, stützte sich Bonaparte stärker auf die Mitglieder religiöser Minderheiten. Im Delta setzte er kleine maltesische Einheiten ein, und in Kairo, Damiette und Rosetta baute er drei griechische Kompanien mit jeweils tausend Mann auf. 30

232    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

Anfang Dezember beantwortete er einen Brief der koptischen Gemeinde, den Jirjis al-Jawhari ihm überbracht hatte, ein hochgestellter Kopte, der als Finanzberater der französischen Republik von Ägypten tätig war. ­Bonaparte kündigte an, dass er in naher Zukunft, wenn die Umstände es erlaubten, den Kopten „das Recht zusprechen werde, ihre Religion öffentlich auszuüben, so wie es in Europa üblich ist. Ich werde alle Dörfer strengstens bestrafen, in denen bei verschiedenen Aufständen Kopten ermordet wurden. Von heute an könnt Ihr ihnen verkünden, dass ich es ihnen erlaube, Waffen zu führen, Esel und Pferde zu reiten, Turbane zu tragen und sich so zu kleiden, wie sie es wünschen.“ Bonaparte ließ sich hier auf die Verpflichtung ein, nach und nach die Zeichen der Zugehörigkeit zu einer untergeordneten oder „geschützten“ Gemeinschaft in einer vormodernen muslimischen Gesellschaft abzuschaffen. Zwar hatten die Angehörigen der Buchreligionen einen Schutzstatus, dennoch versuchten muslimische Herrscher und Rechtsgelehrte der mittelalterlichen und frühmodernen Zeit, die nicht-muslimischen Bevölkerungsgruppen als Untertanen zweiter Klasse zu kennzeichnen. Sie durften sich nicht wie Muslime kleiden oder die Kennzeichen eines hohen muslimischen Status führen. Allerdings hatte Bonaparte in den Kopten keine besonders engagierten Mitarbeiter gefunden. Mit Verdruss stellte er fest, dass im Gegensatz zu den muslimischen Geistlichen, die viele der Orte, an denen die Beys ihre Schätze horteten, den Franzosen verraten hatten, die Kopten, eigentlich ihre wichtigsten Helfer, all ihre diesbezüglichen Kenntnisse zurückgehalten hatten. Er sagte dazu: „Wenn ich der koptischen Bevölkerung die Würde und die unveräußer­ lichen Menschenrechte zurückgebe, dann habe ich auch das unbestrittene Recht darauf, von den Betroffenen einzufordern, dass sie im Dienst der Republik großen Eifer und Ergebenheit an den Tag legen.“ Bonaparte musste seine Minderheitenpolitik aktiv gestalten, denn „natür­ liche“ Mitstreiter fand er nicht vor, und die angeblich unveräußerlichen Menschenrechte dienten ihm nur als Lockmittel auf der Suche nach Verbündeten. Einige der Männer um Bonaparte stellten sich eine ähnliche Rolle für die kleine jüdische Gemeinschaft in Ägypten und Großsyrien vor, insbesondere als der Oberbefehlshaber offen Pläne einer militärischen Auseinandersetzung mit Cezzar Pascha von Sidon schmiedete. Es gab in Kairo nur 3000 bis 5000 Juden, die im jüdischen Viertel in der Nähe des Gold-

D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n     233

marktes lebten. 31 Waren sie im früheren 18. Jahrhundert unter den osmanischen Janitscharen noch Bankiers gewesen, hatten sie durch den Aufstieg der georgischen Beys stark an Einfluss verloren und spielten ­unter der französischen Besatzung keine bedeutende Rolle mehr. Der Stücke­schreiber Laus de Boissy ergänzte die Aufzeichnungen von Hauptmann Say später durch seine eigene Hoffnung auf eine profranzösische jüdische „Kolonie“ in „Jerusalem“, die er als potenziell nützlich für die Franzosen in Ägypten ansah. Er veröffentlichte das Werk im Frühjahr 1799 in der Décade Philosophique, dem Magazin eines Zirkels, der sich selbst „Die Ideologen“ nannte und dem Bonaparte nahestand. Die Etablierung der Franzosen in Ägypten und Syrien könnte für das jüdische Volk eine erfreuliche Epoche einleiten; die Juden in Jerusalem willkommen zu heißen, könnte vielleicht ein Mittel sein, sie nützlicher und zufriedener zu machen. Würden die Juden, die bislang in drei Teile der Welt verstreut sind, dort eine blühende Kolonie aufbauen, könnten sie die Kolonisierung Ägyptens durch die Franzosen wirkungsvoll unterstützen. Den Juden werden viele schlechte ­Eigenheiten nachgesagt, diese sind aber bedingt durch die Unterdrückung, unter der sie zu leiden haben, andererseits haben die Juden Tugenden, die in unserer Zivilisation und in unseren Fähigkeiten fehlen. Sie sind gelehrsame Söhne, treue Ehefrauen, liebevolle Väter, sie bekennen sich zur Gleichheit und setzen unter­ einander Gastfreundschaft und Brüderlichkeit in die Tat um; sie sind ernst, fleißig, sparsam, diszipliniert, geduldig und erfindungsreich. Es gibt niemanden auf der Welt, der weniger Geld ausgibt oder mehr arbeitet, der besser die Geheimnisse des Sparens und der Arbeit kennt. Als geborene Kaufleute, die Verbindungen zu allen Völkern unterhalten, können sie mit und gegen alle arbeiten. Ihr umfangreiches Vermögen können sie denjenigen anbieten, die ihnen ihre ursprüngliche Heimstätte zurückgeben. Man kann vom jüdischen Volk sagen, was man auch vom Beischlaf sagt: Die Tugenden bringen sie selbst mit, die Laster haben sie von uns. Ägyptens Eroberer weiß die Menschen so gut einzuschätzen, dass er niemals den Vorteil verkennen wird, den er aus diesem Volk bei der Durchführung seiner Pläne ziehen kann. 32

Indem er das osmanische Jerusalem zur „Heimstätte“ der europäischen Juden erklärte, machte Laus de Boissy die Juden ungeachtet all seiner liberalen Komplimente zu Exoten, die in Paris und Rom fehl am Platze waren. Im Gebiet von Palästina gab es damals nur einige Tausend ­Juden – viel zu wenige, als dass sie für Bonapartes koloniale Pläne hätten nützlich sein können; außerdem, wie wir es schon im Fall der Kopten gesehen haben, kann man nicht davon ausgehen, dass sie ihre Loyalität

234    D i e ä g y p t i s c h e R e v o l u t i o n

zu einer europäischen Macht so einfach über die Treue zu ihrer eigenen osmanischen Regierung stellen würden. Es ist nicht anzunehmen, dass Bonaparte die Ansichten von Laus de Boissy teilte, auch wenn er gewiss von ihnen Kenntnis hatte, da de Boissy zu Joséphines Salon gehörte. Es gibt keinen sicheren Beweis dafür, dass er selbst ein solches Projekt unterstützte, klar aber ist, dass durch die französische Kolonisierung Ägyptens einige in seinem Umkreis über eine neue Form des Zionismus nachzudenken begannen, der den europäi­ schen Juden eine nützliche Rolle für den Imperialismus zuwies, ihre Auswanderung in die staubigen Dörfer Palästinas vorantrieb und ver­ suchte, ihre finanziellen und kaufmännischen Stärken für nationale Zwecke zu nutzen. 33 Was sein Verhältnis zu den Muslimen anging, so begann Bonaparte nach dem Aufstand in Kairo eindeutig zu spüren, dass seine Methoden letztendlich der Grund für den Aufstand waren. Am 11. November schrieb er einen Brief an General Berthier, in dem er streng verbot, Auf­ ständische zu schlagen, um Informationen aus ihnen herauszupressen. „Es ist eine anerkannte Tatsache, dass die Methode, Menschen zu ver­ hören, indem man sie der Folter aussetzt, nichts Gutes bewirkt. Die ­Unglücklichen ­sagen alles, was ihnen gerade einfällt und von dem sie denken, dass man es hören will.“ 34 Daher verbot er den weiteren Einsatz der Folter als ­Methode der Informationsbeschaffung, da sowohl „Ver­ nunft als auch Menschlichkeit“ es verböten. Er fügte hinzu, dass er nicht beabsichtige, die Bastonade zu verbieten – das Schlagen auf die Fußsoh­ len eines Gefangenen, während dieser mit dem Kopf nach unten hing –, sie solle jedoch ausschließlich zum Zweck der Bestrafung angewandt ­werden.

    235

11 Der Fall des Deltas und der arabische Dschihad

Der Aufstand in der Hauptstadt hatte sich schnell bis ins Delta ausgebreitet, das die Franzosen während der beiden vorausgegangenen Monate versucht hatten, zu unterwerfen. Die Garnison in Bilbeis erfuhr in kürzester Zeit von der Revolte in Kairo, die Soldaten gingen von da an nur noch bewaffnet aus und die Garnison verdoppelte ihre Wachpatrouillen. 1 Am 23. Oktober schickte sie eine Kavallerieeinheit aus, um das Gebiet zu erkunden. Diese entdeckte, dass sich in einem ehemaligen römischen Lager in der Wüste nicht weit von Kairo etwa 12 000 Mann versammelt hatten, die mit Musketen, Schwertern, Lanzen und Keulen bewaffnet waren. Einige saßen auf Pferden. Die Franzosen bereiteten sich auf den sich anbahnenden Feldzug vor. In der Hauptstadt erteilte Bonaparte den Befehl, die Artillerie nicht für Säuberungsaktionen einzusetzen, weil man sie meilenweit in der Umgebung hören konnte. Er fürchtete, die Rebellen auf dem Land könnten den falschen Eindruck gewinnen, der Aufstand sei noch im Gange. Seine Besorgnis zeigt, wie gefährlich die Lage der Franzosen noch immer war. Feldwebel François erklärte, dass eine Allianz aus Bauern und Beduinen nach wie vor beabsichtigte, die Handwerker von Kairo zu unterstützen. Die Truppen in Bilbeis, die ursprünglich als Bollwerk gegen die Rückkehr Ibrahim Beys aus Syrien dienen sollten, mussten jetzt in Richtung Kairo marschieren, um dort für Unterstützung zu sorgen. Auf dem Weg nach Süden traf Feldwebel François’ Einheit auf angreifende beduinische Reiter und stellte die Geschütze in Position, um diese zurückzuschlagen. „Wir töteten einige von ihnen“, berichtete er mit Genugtuung. Aber dann wendete sich das Blatt, und sie mussten sich in ihr Lager zurückziehen, verfolgt von einer „Horde Angreifer“, die sie, wie es scheint, gerade noch abwehren konnten. Mit Unterstützung der Artillerie zogen sie am nächsten Abend erneut aus. Sie begegneten einer großen Bedui-

236    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

nentruppe und „berittenen Bauern“, wobei Letztere sich unter dem Feuer der Artillerie zurückzogen. Die Franzosen kehrten zu ihrer behelfsmäßigen Festung zurück und wurden die ganze Nacht über beschossen. Elf Männer fanden den Tod und zwölf wurden verwundet. „23 Dörfer, die als die rebellischsten bekannt waren, wurden von uns geplündert und niedergebrannt; ihr Vieh und Getreide wurden ins Lager gebracht. Alle Bewohner außer den Frauen und Kindern, die sich in diesen Dörfern aufhielten, wurden getötet; es waren mehr als 900.“ Wahrscheinlich bezog Bourrienne sich auf diesen Kampf, als er von einem Angriff der Franzosen auf „Stämme“ in der Nähe Kairos sprach, die „viele Franzosen“ überrumpelt und ihnen die Kehlen aufgeschlitzt hatten. Die Franzosen töteten die 900 bäuerlichen Aufständischen nicht nur, sondern enthaupteten sie außerdem. Die Soldaten, die auf ihren Pferden aus Kairo gekommen waren, brachten viele der abgetrennten Köpfe zurück, um ein makabres Schauspiel auf dem Azbakia-Platz zu veranstalten. Sie trommelten eine Menschenmenge zusammen, und dann „wurden die ­Säcke geöffnet und die Köpfe rollten vor die Füße der versammelten Bevölkerung“. Bourrienne war überzeugt, dass dieser Anschauungsunterricht den Kairoern derart Angst einflößte, dass sie bereit waren, sich zu unterwerfen. François war ebenfalls überzeugt, dass die Zerstörung von 23 Dörfern den Aufstand niedergeschlagen hatte. Die Nachricht, dass Bonaparte die Rebellion in Kairo endgültig beendet habe, war in die umliegenden Dörfer gelangt, und Dorfoberhäupter aus Sharqia kamen als Abgesandte zu General Reynier in Bilbeis und baten um Gnade. Aus François’ weiterer Berichterstattung wird deutlich, dass die Garnison in Bilbeis trotz dieses vorübergehenden Sieges weiterhin Angriffen ausgesetzt war und sich faktisch im Belagerungszustand befand. Bonapartes Adjutant Lavalette erinnerte sich: „Die Revolte in Kairo breitete sich an beiden Nilarmen aus, besonders an dem von Damiette.“ 2 Der wichtige Mittelmeerhafen war erneut in Gefahr, ebenso seine Versorgungswege nach Kairo. Der Oberbefehlshaber schrieb am 27. Oktober besorgt an General Lanusse, dass den Kutschen- und Wagenlenkern, die von Damiette in die Hauptstadt kamen, „die Kehlen aufgeschlitzt wurden von den Dorfbewohnern von Ramla und Banha al-Asal in der Provinz Qalyub und ebenso von denen in Bata und Mishrif in der Provinz Minuf. Versucht, ihre Anführer zu ergreifen und schlagt ihnen die Köpfe ab. Ich versichere Euch, dass aus Damiette Geld kommen wird.“ 3

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     237

Der Oberbefehlshaber schrieb General Berthier am 1.  November einen dringlichen Brief mit dem Befehl, General Lannes mit 400 Männern in das Dorf al-Qata unweit von Rosetta zu entsenden, „um die Dorf­bewohner dafür zu bestrafen, dass sie an diesem Morgen zwei mit ­Artillerie beladene Boote in ihren Besitz gebracht hatten.“ 4 Er sollte die Oberhäupter des Dorfes oder ein Dutzend bedeutender Dorf­bewohner verhaften und „tun, was in seiner Macht stand, um die geraubten Bajonette, Kanonen, Schusswaffen etc. wieder in unseren Besitz zu bringen“. Gerbaud hörte, sie hätten außerdem 4000 Musketen gestohlen und ­Bonaparte habe eine Woche später General Murat mit 1300 Männern losgeschickt, der sich Lannes anschließen und die Waffen zurückerobern solle. Dieser Bericht lässt darauf schließen, dass die Dorfbewohner im Delta Vorbereitungen für weiteren Widerstand trafen und wussten, wo sie sich versorgen konnten. Etwa Ende Oktober erhielt Bonaparte auch aus Alexandria keine Nachrichten mehr, weil es Unruhen in der Gegend von Rahmania gab. Einige aufständische Dörfer ließ Bonaparte niederbrennen, um ein Exempel zu statuieren. Es scheint, dass der Aufstand in Kairo Bonapartes Befürchtung wiedererstehen ließ, die muslimischen Ägypter würden in den Franzosen Kreuzfahrer sehen. Der Offizier sagte, dass „der Ober­ befehlshaber den lebhaften Wunsch hegte, zu wissen, ob die Bewohner von Mansura sich eine Erinnerung an ihren siegreichen Widerstand bewahrt hätten, als der Graf von Artois sie auf so dreiste Weise während der Expedition von Ludwig dem Heiligen angegriffen hatte. Aber es schien, nachdem wir viele Nachforschungen angestellt hatten, als würden die Ägypter weder den Namen von Ludwig dem Heiligen kennen noch die Taten, durch die ihre Vorfahren berühmt geworden waren.“ 5 Gebildete Ägypter wussten selbstverständlich alles über die Kreuzzüge, und Scheich Abdullah al-Sharqawi, der ehemalige Präsident der Französischen Republik von Ägypten, hatte in seiner kurzen Geschichte Ägyptens über Saladin und seinen Sieg geschrieben. Die Stadtbewohner von Mansura waren indessen mit anderen Dingen beschäftigt. Während die Bauern häufig Bündnisse mit Beduinen eingingen, um die Steuern der habgierigen Franzosen abzuwehren, gerieten sie nun, nachdem der osmanisch-ägyptische Staat seinen Einfluss verloren hatte, auch mit diesen Hirtennomaden in Konflikt. Da es von den Beys kein Gehalt und keine Bodensteuern mehr gab, griffen die Beduinen auf ihre

238    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

eigentliche Einnahmequelle – die Viehzucht – zurück; sie wollten das Land als Weideland nutzen und lehnten die Forderung der Bauern ab, es für den Ackerbau zu bewahren. Die sich daraus ergebende Spaltung erlaubte den Franzosen, ab und an neue Anhänger unter den Bauern zu finden. Bonaparte schrieb am 14. November an General Leclerc in ­Qalyub und teilte ihm die Beschwerden des dortigen landwirtschaft­ lichen Beauftragten von Sayyid Khalil al-Bakri mit. Er schrieb, dass „der Vertreter sich darüber beklage, dass die Araber die Bewohner in der Umgebung des Dorfes Mit Ghamr daran hindern, auf ihrem Land zu säen. Unternehmt die notwendigen Schritte, um diese Araber zu bestrafen und um sicherzustellen, dass der Landwirtschaft kein Schaden zugefügt wird.“6 Eine Woche später schrieb der in Mansura stationierte Gerbaud in sein Tagebuch: „Verheerendes Wüten der Araber in den Dörfern der Provinz.“ Beduinen und Bauern pflegten häufig eine sehr enge Beziehung, wo sie nicht um dasselbe Land wetteiferten – die Konflikte waren wahrscheinlich ein Hinweis auf den Zusammenbruch gesellschaftlicher Regeln, ausgelöst durch die französische Besatzung. Die Beduinen im Delta konkurrierten mit den Franzosen und versuchten, „Spenden“ in Naturalien einzufordern, als die Winterernte eingebracht wurde. Damit stellten sie eine Bedrohung für die Finanzen der Franzosen dar, da Bonaparte vorhatte, selbst Steuern auf die Ernte zu erheben. Die Enteignung der Bauern durch feindliche Armeen war nichts Neues: Die Emire und ihre Mamelucken taten während ihrer Regentschaft häufig dasselbe. Wegen Bonapartes Geldmangel erhoben die Franzosen ihre habgierigen Steuern jetzt auch in ländlichen Gegenden. Er brauchte das Geld, um Ägypten zu regieren, aber noch mehr benötigte er es, um seinen geplanten Feldzug nach Syrien zu finanzieren. Jollois in Rosetta kommentierte Ende jenes Jahres in seinem Tagebuch: „Die Kälte geht immer noch weiter. Der Geldmangel in der Staatskasse ist so groß, dass die Gefahr besteht, dass wir die Arbeiten am Hospital von Ibrahim Bey, den Öfen des Oberbefehlshabers und der Schule ruhen lassen müssen.“ Die französische Überbesteuerung der Bevölkerung sorgte für ständigen Tumult. Bonaparte beauftragte seine Offiziere mit dem Einsammeln der WinterMiri, einer ehemals osmanischen Steuer auf landwirtschaftlich genutzte Flächen. Die Reisernte wurde eingebracht. Gerbaud erinnerte sich im Spätherbst: „Die Landschaft war schöner als je zuvor. Es war die Zeit der Reisernte. Reis ist eine Pflanze, die im Wasser wächst. Er wird im Mai

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     239

ausgesät. Geschnitten wird er, wenn er noch sehr grün ist, und wird dann mit einer Maschine mit runden Eisenklingen geschält, die mit der Hilfe von Eseln oder Kühen darüber gezogen wird.“7 Der Oberbefehlshaber war außerdem auf der Suche nach Pferden und anderen Tieren. Ende November griff General Louis-Nicholas ­Davout mit 300 französischen Kavalleristen einen Beduinenstamm im Delta an, um dessen große Kamelherde zu beschlagnahmen. Bonaparte benötigte die Kamele als Packtiere für weitere Feldzüge und plante vielleicht sogar schon ein Kamelkorps als Kavallerieeinheit. Davout erhielt Unterstützung von Schiffen, die von Kapitän Umar geführt wurden, einem Mamelucken, der zu Bonaparte übergelaufen war. Die Franzosen umzingelten die Stammesmitglieder an Land, während Umars Boote jede Hoffnung auf einen Rückzug über den Fluss zunichte machten. „Ungeachtet ihrer Bitten und Flüche nahmen wir ihnen mindestens 1500 Kamele, eine große Zahl Schafe und 30 Wasserbüffel ab. Der Stamm hatte sich schon bei mehreren Gelegenheiten geweigert, die Miri-Steuer zu zahlen, und war jedes Mal geflohen, wenn sich Infanterietrupps näherten.“ 8 Als den Beduinen klar wurde, dass die Kavallerieeinheit ihnen den Rückzug abgeschnitten hatte, gaben sie sich und ihren Viehbestand auf. „Nur die Frauen weinten und rissen sich die Haare aus und beschimpften uns mit einem unglaublichen Wortschwall.“ Ein französischer Kavallerist lobte die Unterstützung durch die ägyptischen ­Matrosen und sagte, die Muslime seien „sehr gute Soldaten“ und „unempfänglich für Ermüdung“. Er bezeichnete Umar als „extrem intelligent“ und als ausgezeichneten Anführer der von ihm bereitgestellten Einheit. Sie waren, sagte er, wertvolle Hilfstruppen für die französische Armee und „verabscheuen die Araber, unter deren Hand sie häufig gelitten haben“. Die Adjektive, mit denen französische Offiziere die muslimischen Soldaten und Offiziere, die den Beys dienten, beschrieben, fielen sonst weniger positiv aus. Die Kavalleristen sagten, die ägyptischen Einheiten, die Bonaparte ins ­Leben gerufen hatte, würden die Last für die französische Armee leichter ­machen. Bonaparte war ganz offensichtlich auf der ­Suche nach mehr jungen Rekruten. Gerbaud notierte, dass im Dezember ein Befehl des Oberbefehls­ habers eingetroffen war „mit der Anweisung, dass die Generäle, die eine Provinz befehligen, die zwölf- bis sechszehnjährigen Kinder aus den aufständischen Dörfern holen“. Bonaparte selbst wolle dann festlegen, was

240    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

mit den Kindern geschehen solle. „Wenn das Dorf es verdient hat, in Flammen aufzugehen, sollte man immer die Kinder herausholen.“ 9 ­Bonaparte scheint eine Art Waisenhaus mit militärischem Trainingslager in der ­Zitadelle betrieben zu haben, weil er die kleine Einheit aus Mameluckenkindern, die er im vorausgegangenen August aus ägyp­ tischen Bauern­rekruten gebildet hatte, vergrößern wollte. Ägyptische Bauern waren unter osmanischer Herrschaft nicht als Mamelucken ­rekrutiert worden, obwohl einige Anatolier und Kaukasier ursprünglich vielleicht bäuer­licher Herkunft waren. Die Operation, von der die Kavalleristen berichteten, war besonders gut bemannt gewesen und hervorragend durchgeführt worden, doch das war nicht die Regel. Viele Dorfbewohner im Delta hatten eine beduinische Vergangenheit, und die ägyptische Landbevölkerung war daran gewöhnt, vor mameluckischen Soldaten, Hochwasser und anderen Landplagen zu fliehen. Häufig verschwanden die Bauern einfach, wenn die französischen Steuereintreiber näher kamen. Laugier beschrieb, wie General Dugua ihn am 18. Dezember von Mansura aus mit 280 Mann gegen die beiden Dörfer Nabiluha und Kafr Nabiluha aussandte. Diese hatten sich fünfmal hintereinander geweigert, Steuern zu zahlen, obwohl sie wiederholt schriftlich von den Franzosen dazu aufgefordert worden waren. „Ich fand das Dorf Nabiluha völlig verlassen vor, die Bewohner hatten sich in das Dorf Kafr Nabiluha zurückgezogen.“ Er marschierte mit seinen Männern so schnell wie möglich durch die über­ fluteten Sümpfe im Delta dorthin. „Die Bewohner flohen mit Ausnahme einiger Frauen und sehr weniger Männer, unter ihnen auch das Oberhaupt des Dorfes.“ Das Oberhaupt versprach, die Dorfbewohner würden zahlen; als die Franzosen ihn gehen ließen, da er versprochen hatte, seine abwesenden Landsleute zurückzuholen, verschwand er einfach. Laugier brannte die Häuser der Oberhäupter in beiden Dörfern nieder und kehrte mit leeren Händen zurück. 10 Der Nordosten blieb unsicher. Ein Ingenieurskollege, Fèvre, erzählte Jollois im Spätherbst von der gefährlichen Lage in jenem Teil des Deltas. Er war von General Andréossis Auftrag, den Manzala-See zu vermessen, zurückgekehrt. 11 Die Expedition flussabwärts sei außerordentlich verlustreich gewesen, sagte er. „Die Zerstörung vieler Boote mit 20, 30 oder sogar 60 Franzosen an Bord und ein Angriff auf Andréossi selbst auf seinem Weg dorthin – all diese Ereignisse zeigten nur zu gut, wie schmerz-

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     241

lich der Leichtsinn der Franzosen und die Heftigkeit der Bewohner für uns gewesen waren.“ Als er wieder nach Damiette kam, so schrieb Fèvre an Jollois, habe Andréossi die Stadt in der furchtbarsten Unordnung vorgefunden. Man muss nicht lange suchen, um den Grund für die Verzweiflung der Franzosen zu finden. Hauptmann Moiret machte in seinem Tagebuch deutlich, dass Hasan Tubar seine Angriffe gegen die Franzosen wieder aufnahm, während die Soldaten in Kairo festsaßen. Er schrieb: „Während des Aufstands in Kairo unternahm der einheimische Abenteurer und Pirat Hasan Tubar, dem ein angebliches Dekret des osmanischen Großwesirs Rückendeckung gab, mit dem Boot Raubzüge über den See nach Damiette.“ 12 Dass Tubar die Revolte in Kairo nutzte, um Damiette Hunderte von Meilen flussabwärts zu überfallen, zeigt, dass die Ägypter sich weiterhin in beide Richtungen des Nils verständigen konnten und darauf aus waren, ihren Widerstand zu koordinieren. Von Tubar hieß es, dass er vor allem in der Heirat eine Möglichkeit sah, mit mächtigen Beduinen und anderen Clans Bündnisse einzugehen. Am Ende wurde er besiegt. Bonaparte ließ ihn verhaften, seines Besitzes und Harems berauben und als Geisel für das Wohlverhalten seiner Leute in die Zitadelle bringen. Später entließ ihn der Oberbefehlshaber aus der Gefangenschaft, behielt allerdings seinen ältesten Sohn als Geisel in Kairo und gab ihm seine Besitztümer unter der Voraussetzung zurück, dass er unter Bewachung in Damiette lebte. Tubar hingegen bestand darauf, dass die Franzosen ihm auch seine Frauen zurückgaben. Bonaparte hatte in dieser Hinsicht keine Verfügung getroffen, da sie bereits anderweitig vergeben worden waren und er dem freigelassenen Magnaten kein zu großes Ansehen zugestehen wollte. Später ließ Kléber die Frauen zu Tubar zurückkehren, weil er von dessen Loyalität überzeugt war und ihn als Vorbild für andere Feinde der Franzosen hinstellen wollte, wie zum Beispiel den osmanisch-ägyptischen Murad Bey. Niello Dargy erzählte, wie der unersättliche Tubar „eine Nacht nach der anderen in den Armen der vielen Frauen seines Harems verbrachte“. Eine von ihnen, Ziftiya, so schrieb er, war „in höchstem Maße eifersüchtig“ und rührte ein tödliches Gift in seinen Kaffee. 13 Hochstehende Frauen wurden auf diese Weise zu Spielbällen in kolonialen Machtkämpfen. Die französischen Offiziere dachten sich nichts dabei, die Frauen eines besiegten Feindes an loyale einheimische Ge-

242    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

währsmänner „zu verleihen“, als wären sie leblose Kriegsbeute, und sie dann später, wenn der Besiegte die Seiten gewechselt hatte, an ihn zurückzugeben. Andréossi bildete danach eine Flottille aus bewaffneten Booten, „um die Fischer zu verfolgen, die dort das Sagen hatten“. Den Ingenieuren war die Aufgabe zugefallen, die riesige Lagune zu überwachen, die an Damiette grenzte, eine Pflicht, die sie als lästig und unerfreulich empfanden, weil sie im Wasser und bis zu den Knien im Schlamm arbeiten mussten. In der Zwischenzeit verfolgten die Franzosen ihren Plan weiter, Festungen zur Sicherung des Deltas zu errichten. Die Arbeit ging langsamer voran, als Bonaparte es wohl erwartet hatte, zum Teil, weil der November die Zeit der Reisernte war und nur wenige Handwerker aus der Bauernschaft zur Verfügung standen. Insbesondere wollte er das Fort in ­al-Izba fertigstellen, um Damiette gegen Angriffe jeder Art zu schützen, wenn er Armeen von dort in Richtung Syrien schickte. Das Problem der Bauernaufstände war keineswegs gelöst, doch Ende 1798 erinnerte sich der Kundschafter Pierre Millet: „Während unserer Zeit in Damiette wurden wir ziemlich in Ruhe gelassen. Der Oberbefehlshaber unternahm alles Erdenkliche, um Forts zu errichten, die uns als Zuflucht vor den Übergriffen der Bevölkerung und der Beduinen dienen sollten.“ 14 Diese Forts, die Bonaparte in ganz Ägypten bauen ließ, waren in der Regel mit Artilleriegeschützen ausgestattet, anders als die früheren, glücklosen Garnisonen an Orten wie Mansura. Auch die Kavallerie konnte Bonaparte zunehmend ausbauen und einsetzen. Zuvor hatte es ihm an Pferden gemangelt, doch konnten diese im Delta ohnehin nicht eingesetzt werden, wenn Hochwasser und der Boden überschwemmt oder zu Sumpf geworden war. Im Dezember, als der Pegel schnell fiel, hatte Bonaparte eine große Anzahl Pferde „requiriert“, und berittene Kavalleristen ließen sich wieder gegen rebellische Bauern aussenden. Zwar konnten die Franzosen die unablässigen Angriffe und gelegentliche Aufstände im Delta nicht verhindern, aber mit ihren mit Kanonen ausgerüsteten Booten, mit einer wachsenden Kavallerie und neu errichteten Forts, die zumindest über einige Kanonen verfügten, ­waren sie besser geschützt. Der Mangel an Holz in Ägypten schränkte jedoch den Bau von Forts und Schiffen zunehmend ein. Die Zedern­ wälder im Libanon, Teil des osmanischen Syriens, rückten daher zunehmend in den Fokus der Begierde.

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     243

*** Die Errichtung der französischen Republik im Zentrum der muslimischen Welt rief mehrere eindeutige Reaktionen hervor. Sultan Selim III. erklärte den Franzosen den Krieg in herkömmlicher Form, gemeinsam mit seinen christlichen Verbündeten, den Briten und den Russen. Aber er rief ebenfalls zu einem islamischen Heiligen Krieg gegen die französische Orientarmee auf und verlangte von Ahmed Cezzar Pascha aus ­Sidon, eine Vasallenarmee aufzustellen, die dem Sultan gegenüber loyal war und die Aufgabe hatte, die Franzosen anzugreifen und aus Ägypten zu vertreiben.15 Der Sultan erklärte den Kampf gegen die Franzosen zur persönlichen Pflicht der Muslime. In Arabien und im Jemen riefen muslimische Gelehrte und Freiwillige dazu auf, Murad Bey zu unterstützen und gegen die von General Louis Desaix geführten Streitkräfte in Ober­ ägypten zu kämpfen. All diese Kampfansagen aus der muslimischen Welt – von Cezzar Pascha, von arabischen Anhängern des Heiligen Krieges und von ägyptisch-muslimischen Freischärler in Ägypten – bekamen die französischen Besatzer in diesem Winter zu spüren. Für Bonaparte war ein guter Angriff die beste Verteidigung, und so begann er mit den Vorbereitungen, die Schlacht zum Feind zu tragen. Zuerst musste er Ägypten endgültig sichern. Die Franzosen hatten, obwohl sie in der Provinz Sharqia Garnisonen stationiert hatten, den wichtigen Hafen Suez am Roten Meer noch nicht eingenommen. Der Hafen spielte eine bedeutende Rolle für den Kaffeehandel und war sicherlich ein Schwachpunkt der französischen Abwehr, weil feindliche Truppen dort landen konnten. Suez war einer der beiden für Ägypten wichtigen Häfen am Roten Meer, der andere war Quseir im Süden. Bonaparte hielt es für schwierig, in Oberägypten die Oberhand zu gewinnen, weil Murad Bey ihn dort ständig herausforderte. Dagegen lag Suez ziemlich in der Nähe, und er sah die Möglichkeit, die Stadt einzunehmen. Der Zugang zum Roten Meer würde gleichermaßen die osmanische Kontrolle darüber herausfordern und einen wichtigen britischen Seeweg blockieren. Die Osmanen erlaubten den Briten, verschiedene Waren von Indien über den Indischen Ozean, durch das Arabische Meer und das Rote Meer nach Suez zu bringen und sie dann mit Karawanen nach Alexandria zu transportieren. Zumindest könnte er den Briten diese Abkürzung streitig machen, die sich vor allem für leichte Luxusgüter und Eilsendungen eignete. Bonaparte beauftragte General Bon mit der Eroberung von Suez

244    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

Anfang November. Hauptmann Eugène de Beauharnais, zum Befehls­ haber der Vorhut bestimmt, erinnerte sich, dass die Expedition riskant war. Die Streitmacht war relativ klein und musste von Durst geplagt nach Osten durch die Wüste marschieren. 16 Als sie von Bons Anrücken erfuhren, schickten die Ältesten der Stadt Suez eine Delegation los, die den Franzosen ihre Unterwerfung erklärte. Am Morgen des 9. November zog Beauharnais an der Spitze seiner Vorhut in Suez ein, ohne einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben. Sie fanden dort vier Kriegsschiffe ohne Waffen, sechs Ruderboote und neun Handelsschiffe vor, denen er Schutz anbot. Beim Versuch, sich vor Feinden innerhalb und außerhalb der Stadt zu schützen, besetzten die französischen Soldaten die massiver gebauten Häuser, obwohl der Hafen selbst zu einer Geisterstadt geworden war. Al-Gabarti merkte dazu an, dass die vornehmsten Bewohner von Suez geflohen waren, mitsamt ihren Frauen und Hafenarbeitern, und dass die Franzosen daraufhin die Stadt plünderten. Mitte Dezember, am Tag, bevor er zu einer Besichtigung von Suez aufbrach, ließ Bonaparte Bourrienne einen langen Brief formulieren, in dem er detaillierte und präzise Befehle für die Versorgung von Qatia gab, einen Stützpunkt inmitten von Wanderdünen, der auf der Route seines geplanten Feldzugs nach Syrien lag. Er ordnete an, dass Qatia von Damiette versorgt werden sollte. 17 Bonaparte hatte auch deshalb darauf gedrungen, dass seine Armee den Nordosten des Deltas und den Hafen von Damiette sichern sollte, weil er den Angriff Syriens schon beschlossen hatte und diese östliche Region als Standort für die Versorgung der Truppen benötigte. Am nächsten Tag, dem 24. Dezember, machte sich Bonaparte selbst mit einer Expeditionseinheit nach Suez auf. Er folgte der Route, die von den Pilgerkarawanen auf ihrem Weg in das heilige Land der Muslime regelmäßig benutzt wurde, und nahm nicht nur französische Soldaten und Truppen mit, sondern auch ein ägyptisches Gefolge. Zu seinen ägyptischen Begleitern gehörten der bedeutende Karawanenhändler Ahmad al-Mahruqi, den Bonaparte im vorausgegangenen Sommer bei Bilbeis vor den Beduinen gerettet hatte, und Ibrahim Efendi, Sekretär der Gewürzhändlerzunft, der nur knapp der Enthauptung wegen Aufwiegelei beim Aufstand in Kairo entkommen war. Der koptische Finanzier Jirjis al-Jawhari nahm ebenfalls teil. 18 Die Tatsache, dass Bonaparte die ägyptische Handels- und Finanzelite bei sich hatte, zeigt, dass seine Reise

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     245

nach Suez teilweise zum Ziel hatte, die Herrschaft der französischen ­Republik von Ägypten über den Handel auf dem Roten Meer zu sichern und dessen Ausweitung durchzusetzen. Außerdem wollte er Suez gegen osmanische oder britische Gegenangriffe während seines geplanten Feldzugs nach Syrien befestigt wissen. Suez war im ägyptischen Handel ein wichtiger Verbindungspunkt mit der arabischen Halbinsel. Von Suez aus verschickten die Ägypter Weizen nach Dschidda und Hudaiba, und im Gegenzug sandten jene Händler wertvolle Waren wie Kaffee. Die Gelegenheit, aus Kairo herauszukommen, gefiel dem rastlosen Korsen sehr gut. Doguereau erinnerte sich daran, wie sie die Hauptstadt verließen: „Der Obergeneral [sie] trieb sein Pferd zum Galopp an, und wir alle ritten wie der Teufel, sodass unsere Pferde bald außer Atem waren.“19 Am nächsten Tag kamen sie in die Wüste, schlugen ihre Zelte an einem verlassenen Ort auf und zitterten vor Kälte, weil die Wüste im Winter die Hitze, die sie während des Tages von der Sonne aufgenommen hat, schnell wieder abgibt. Sie entzündeten ein Feuer nach Beduinenart, indem sie Kamelknochen aneinanderrieben. Die Oberhäupter des Tarrabin- und Bili-Stammes begleiteten sie und zeigten ihnen, wie man trockene Kräuter, die sie in der Umgebung zu finden wussten, ins Essen mischte. Das, was die Franzosen als Wüste bezeichneten, waren häufig nicht die vollkommen verlassenen Sanddünen, die etwa tief in der Sahara typisch sind. Es war braunes und gelblich-grünes Land mit vereinzelten widerstandsfähigen Sträuchern und Sukkulenten. Sie kamen mit erschöpften Pferden in der Nacht des 26. Dezember in Suez an. Al-Gabarti beklagte sich, dass die französischen Soldaten vor der Ankunft des Oberbefehlshabers Kaffee und andere Waren aus dem Hafen geraubt hätten. Am 27. besichtigte Bonaparte Suez und ordnete an, es zu befestigen, damit die Briten dort keine Truppen aus Indien landen konnten. Die wenigen dagebliebenen einheimischen Händler beklagten sich bei ihm über die Plünderung, und er versprach, sie zu entschädigen und bat um eine Liste der gestohlenen Waren. Die Einnahme von Suez durch die Franzosen beunruhigte die Händler der anderen Hafenstädte am Roten Meer, und Amir Ghalib aus Mekka untersagte umgehend, dass Schiffe aus Dschidda dorthin segelten. Bonaparte korrespondierte von Suez aus mit hochstehenden Persönlichkeiten aus dem Hedschas im nahegelegenen Arabien und drängte sie, die Handelsbeziehungen zu Ägypten wie-

246    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

der aufzunehmen; dem Großscherif von Mekka schrieb er persönlich. Obwohl Amir Ghalib die Kriegserklärung Sultan Selims III. gegen die Franzosen erhalten hatte, zeigte er sich nicht abgeneigt, mit Suez Handelsbeziehungen einzugehen, nachdem er Bonapartes Brief erhalten hatte.20 Am 28., so schrieb Doguereau, nutzten Bonaparte und einige seiner Soldaten das Niedrigwasser, um den Golf von Suez am nördlichen Ende des Roten Meeres mit ihren Pferden bis zum Bauch im Wasser zu durchqueren, und erreichten mühelos das Ufer der Sinaihalbinsel auf der anderen Seite. Sie tranken das leicht brackige Wasser der Quellen, die den Namen „Quellen des Moses“ tragen. Bonaparte trug den Wissenschaftlern auf, sich umzusehen, und sie fanden die Ruinen eines viereckigen Gebäudes und einen „Kanal, der Wasser direkt zum Strand leitete. Unsere Wissenschaftler vermuteten, dass dies der Ort war, an dem die vene­zianischen Schiffe Wasser aufnahmen, als diese Nation über das Rote Meer mit Indien Handel trieb.“ Der Oberbefehlshaber zeigte sich außerdem an dem flachen Kanal aus der Antike interessiert, der klassischen Quellen zufolge das Rote Meer einst mit dem Mittelmeer verbunden hatte. Ein solcher Kanal würde die Route von Marseille nach Indien um Tausende von Meilen verkürzen, und falls es den Franzosen jemals gelänge, ihre Flotte wiederaufzubauen und so der überlegenen britischen Seestreitmacht erfolgreich zu begegnen, wären sie endlich in der Lage, ihren Rivalen auch in Asien herauszufordern. General Belliard sprach mit einem der Scheichs von Tur, der sich erkundigte, warum sie sich für die Geografie der Sinaihalbinsel interessierten, und sagte ihm: „Wenn diese Route sich als möglich erweist … werden die Handelsrouten nach Indien wieder wie in der Antike sein. Kaffee, Kautschuk, sämtliche Erzeugnisse Arabiens werden auf dem Nil transportiert werden, und Ägypten, zum Lagerhaus der Welt geworden, wird wieder so prachtvoll werden wie in der Antike.“ 21 Indien lauerte im Hintergrund dieser kleinen Expedition auf lange Sicht sowohl als Bedrohung wie auch als Versprechen. Auf Wunsch Bonapartes blieben sie länger auf der Halbinsel, als ursprünglich geplant, und die Dunkelheit brach herein. Ihre beduinischen Führer waren aus Furcht vor dem Versuch, das Wasser bei Nacht zu durchwaten, verschwunden. Das Wasser war normalerweise drei bis fünf Fuß tief, konnte aber bei entsprechender See rasch auf das Doppelte

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     247

ansteigen. Unter der Wasseroberfläche verbarg sich eine ­Mischung aus härterer Erde, weichem Schlamm und sandigen Stellen, die wie Treibsand wirkten. Bei Tage konnten die Reiter diese Stellen in dem klaren Wasser unterscheiden. Bei Nacht wurde die Passage jedoch gefährlich, denn die Pferde versanken im Schlamm oder Treibsand und das Wasser stieg rasch an. Der aus 60 Männern bestehende Trupp wollte nicht die ganze Nacht vom Lager abgeschnitten sein und machte sich vorsichtig und mit dem Zaumzeug in der Hand auf den Weg zurück nach Suez. Auf dem Rückweg geriet Doguereaus Pferd, dem das Wasser fast bis zum Rücken reichte, in eine Vertiefung, und Reiter und Ross mussten ans andere Ufer schwimmen. Es ist umstritten, ob Bona­parte ein ähn­ liches Missgeschick passierte; einige behaupten, man hätte ihn an einer Stelle an den Epauletten durch das Wasser ziehen müssen. Die Nachricht über dieses Missgeschick erreichte Suez und verursachte leichte Panik, doch niemand hatte bei der Expedition sein Leben verloren. Es wurde zu einer Redensart unter den Memoirenschreibern, dass Bonaparte fast dasselbe Schicksal ereilt hätte wie den Pharao, nämlich zu ertrinken, als das Rote Meer sich über ihm schloss. Der französische Konsul Charles Magallon – und wahrscheinlich auch Bonaparte selbst – hatte die Eroberung Ägyptens stets als den ersten Schritt eines französischen Angriffs auf Britisch-Indien und die französische Wiedereroberung seiner indischen Besitzungen verstanden. Nimm den Briten Indien weg, so dachte man, und du reduzierst diese Seemacht auf eine kleine Insel vor der Küste Europas, reif, gepflückt zu werden. Es ergab keinen Sinn, 32 000 Soldaten nach Ägypten zu führen – 4000 waren in Malta zurückgeblieben –, weil die Eroberung und Besatzung dieses Landes schlichtweg keine so große Streitmacht erforderte. Anfangs hatte Bonaparte geplant, mit indischen Potentaten zusammenzuarbeiten, zum Beispiel mit Tipu Sultan aus Mysore, und 20 000 Mann über das Rote Meer nach Indien zu bringen. Spät in jenem Herbst kam ein Boschafter aus Mysore nach Suez und suchte Bonaparte in Kairo auf. Er sagte, man habe ihm in Dschidda seine Papiere gestohlen, aber er „ver­ sicherte ihm, Tipu Sahib treffe weitgreifende Vorbereitungen und rechne stark mit der Ankunft der Franzosen. Er wolle Beziehungen zu Bonaparte aufnehmen.“ 22 Die in den Memoiren der Offiziere häufig geäußerte Überzeugung, dass die indische Etappe der Expedition unmöglich geworden war, spie-

248    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

gelt die Entschlossenheit des Oberbefehlshabers wider, keine Meuterei zu riskieren, indem er offen und übereilt einen weiteren beschwerlichen Feldzug nach Osten ernsthaft in Erwägung zog. Lavalette behauptete: „Das politische Ziel der Expedition war durch den Verlust der Flotte auf ein großes Hindernis gestoßen. Es war nicht mehr daran zu denken, auch nicht in der Zukunft, die Armee nach Indien zu führen, da die Übermacht der Briten auf allen Weltmeeren unbestreitbar war.“ 23 Doch Bonaparte hatte die Idee, Indien anzugreifen, noch nicht ganz aufgegeben. Desvernois erinnerte sich, wie der Korse nach der Rückkehr von der Erkundungs­expedition ans Rote Meer die Geschwindigkeit und Beweglichkeit von Kamelen erwähnte. 24 Seine Adjutanten hatten gelernt, auf Kamelen zu galoppieren. Bonaparte verfolgte sie auf seinem Pferd, konnte sie aber nicht einholen. Desvernois sagte, Bonaparte habe die Überzeugung gewonnen, dass eine Armee auf flinken Kamelen, Tieren, die in Ägypten in großer Zahl zu finden waren, Indien leicht erreichen könne. Die Invasionsarmee würde wahrscheinlich nach Syrien ziehen, entlang des Tigris nach Bagdad, würde sich dort nach Osten wenden, nach Kermanshah im Iran marschieren, die iranische Hochebene überqueren, in Afghanistan einziehen und dann den Khyber-Pass in Nord­ indien überqueren. Diese Route ähnelte der Alexanders des Großen in der Antike und war in den 1730er und 40er Jahren von dem Iraner Nadir Schah eingeschlagen worden. Er gründete in kürzester Zeit ein von Nomaden beherrschtes Weltreich, das sich von Bagdad bis Delhi erstreckte. Bonaparte verfolgte hier einen verzweifelten Plan. Die Methode Alexan­ders des Großen und Nadirs hatte darin bestanden, in Blitzangriffen Land zu besetzen. In jedem neu eroberten Land fanden sich wieder neue Rekruten, gierig auf Beute in der nächsten gefallenen Hauptstadt. Die aufeinanderfolgenden Siege und Plündereien ließen eher eine verwüstete Einöde als ein blühendes Reich zurück, das sofort nach dem Tod seines Eroberers in seine Einzelteile zerbrach. Bonaparte betrachtete das Ganze nicht als festen Plan, sondern als eine Option unter vielen. Jeder Feldzug dieser Art in West- und Südindien würde indessen erfordern, dass er aus seinem ägyptischen Käfig ausbrach und Syrien unter seine Kontrolle brachte. Ende Januar schrieb Bonaparte an Tipu Sultan: „Selbstverständlich seid Ihr schon über meine Ankunft mit einer zahlreichen und unbesieg-

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     249

baren Armee an der Küste des Roten Meeres informiert. Ich brenne darauf, Euch von dem eisernen Joch Englands zu befreien, und bitte Euch dringlich, mir über Maskat oder Mokka einen Bericht über die politische Lage, in der Ihr Euch befindet, zukommen zu lassen.“ 25 Lavalette war der Ansicht, Bonaparte könne am besten seine katastrophale Isolation überwinden, wenn er das Vertrauen Selims III. zurück­ gewänne und das osmanische Bündnis mit den Briten und den Russen zerstöre. Der Oberbefehlshaber wählte nun den Astronomen und Orientalisten Joseph Beauchamp für eine Spezialmission aus. Letzterer hatte ein Jahrzehnt im osmanischen Bagdad verbracht, wo sein Onkel als französischer Konsul tätig war, und von der Französischen Akademie den Auftrag erhalten, die geografische Länge und Breite des Kaspischen Meers zu ermitteln, eine Aufgabe, die durch die politischen Unruhen im Iran jener Zeit nicht zu erfüllen war. 26 Er war zufällig in Ägypten, als die britischen Truppen landeten. Er verfügte sowohl über Sprachkenntnisse als auch die notwendigen Erfahrungen in der Region, um heikle diplomatische Verhandlungen führen zu können. Venture de Paradis, Bonapartes arabischer Dolmetscher, misstraute einheimischen Übersetzern und Fremdenführer zutiefst und wollte, dass französische Diplomaten in der Lage waren, in der Landessprache zu verhandeln. 27 Eine osmanische Karavelle lag vor Alexandria vor Anker, weil ihr Kapitän von den Franzosen gefangen genommen worden war. Der Mann, eine hochgestellte Persönlichkeit in Istanbul, hatte seine beiden Kinder dabei. Bonaparte zwang ihn, die beiden als Geiseln in Alexandria zu lassen, und schlug ihm dann vor, Beauchamp heimlich in die osmanische Hauptstadt zu bringen. Der Kapitän stimmte dem Plan zu. Beauchamp sollte zuerst nach Zypern reisen, Informationen über die politische und militärische Lage im östlichen Mittelmeerraum sammeln und einen Bericht zurücksenden. Danach sollte er nach Istanbul aufbrechen und über die Freilassung französischer Kaufleute und Soldaten verhandeln, die in Syrien gefangen genommen worden waren, und er sollte außerdem dafür sorgen, dass ihnen erlaubt würde, nach Frankreich zurückzukehren oder nach Ägypten zu kommen. Er hatte den Auftrag, mit dem Groß­ wesir Verhandlungen zu führen und ihm zu verstehen zu geben, dass die Franzosen Ägypten unter zwei Bedingungen aufgeben würden: Erstens müssten die Briten sich verpflichten, keinen Versuch zu unternehmen, osmanische Besitztümer jedweder Art in den Balkanländern zu okkupie-

250    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

ren. Zweitens müssten die Osmanen ihre Freundschaft mit den Franzosen erneuern und ihre Beziehungen zu den Briten und Russen abbrechen. Beauchamp sollte die Hohe Pforte warnen, dass die Weigerung, mit Frankreich zu verhandeln, eine Invasion Syriens auslösen würde. Schließlich nahmen die Briten Beauchamp gefangen und lieferten ihn an die Osmanen aus, die ihn gemeinsam mit anderen französischen Diplomaten in den Sieben Türmen inhaftierten. Bonaparte hatte den Osmanen ein Ultimatum gestellt: Verhandelt mit Beauchamp oder seht Euch der Invasion Syriens gegenüber. Die Invasion nahm ihren Lauf. *** Lavalette erinnerte sich, dass er, als er Ende Dezember Beauchamp zum Hafen begleitete, General Marmont traf, der dort für die Sicherheit verantwortlich war. 28 „Ihr kommt“, sagte er, „zu einer ausgesprochen ungünstigen Zeit. […] Gestern wurde unter unseren Soldaten die Pest ausgerufen.“ Er sagte, dass der Befehl, der anfangs bei ihrer Ankunft in Alexandria ausgegeben worden war, die Kleidung eines jeden Pestkranken zu verbrennen, nicht konsequent in die Tat umgesetzt worden sei. Die Kleidung der Erkrankten wurde unter den gesunden Ägyptern wieder in Umlauf gebracht. „Und da unsere Soldaten intime Beziehungen zu einigen von ihnen unterhalten, hat dieser Kontakt zur Ausbreitung der Pest unter den Franzosen geführt.“ Marmont teilte ihnen mit, vier wären am Vortag gestorben und acht wären erkrankt. Bald starben in Alexandria nahezu dreißig Menschen täglich. Der General ordnete daraufhin an, dass die französischen Soldaten in den Unterkünften bleiben und sich von der einheimischen Bevölkerung fernhalten sollten. Lavalette stand der Idee, die Soldaten von den ägyptischen Frauen abzusondern, skeptisch gegenüber, da sie, so sagte er, überzeugt waren, dass die Pest lediglich etwas sei, das sie riskieren müssten, „und die Beziehungen zu den Frauen brachen trotz strengster Strafe nicht ab“. Auch die Prostituierten wurden ins Fadenkreuz genommen. „Alle öffentlichen Frauen, die dabei überrascht werden, eine Beziehung zu einem Franzosen zu unterhalten, werden in einen Sack gesteckt, der zugebunden und ins Wasser geworfen wird“, bemerkte der Drucker Galland einige Zeit später. 29 Solche Maßnahmen wurden eher aus einer momentanen Hysterie heraus getroffen als mit Methode und hatten kaum Auswirkungen. Lavalette schrieb, dass er beauftragt worden war, den militärischen Verwalter Michaud und zehn Männer

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     251

von Rosetta nach Alexandria zu beordern. Sie wohnten bei Marmont. Zwei Tage später war Michaud allein – alle anderen, sagte er, seien gestorben. Einer von ihnen, Renaud, war in die Stadt gegangen, um Papiere zu unterzeichnen, damit er seine Rationen erhielt. Am nächsten Morgen hatte er glasige Augen, seine Zunge war angeschwollen, er war über und über mit kaltem Schweiß bedeckt und Schmerzen zerrissen seine Gelenke. Der Arzt, der kam, um nach ihm zu sehen, untersuchte ihn aus einiger Entfernung mit einem Stab und verschrieb kaltes Wasser. Die französischen Soldaten versuchten, durch Quarantäne und sogar durch den Gebrauch der Gebärdensprache die Ausbreitung der Seuche so gering wie möglich zu halten. „Wir begegnen uns nur noch mit Argwohn und vermeiden sorgfältig, uns gegenseitig zu berühren oder sogar, uns im Windschatten von jemandem aufzuhalten“, schrieb Hauptmann Thurman Ende Januar im nahe gelegenen Abukir. „Wenn wir zusammenkommen, was nur in dringenden Fällen geschieht, stellen wir uns mehrere Fuß voneinander entfernt im Kreis auf. Schuldscheine, Befehle und Briefe werden mit Essig behandelt und mit einer hölzernen Pinzette aufgenommen.“ 30 Millet in Rosetta erinnerte sich: „Die Seuche beginnt mit hohem Fieber, danach bekommt man schreckliche Kopfschmerzen, und die Lymphdrüsen in der Leistengegend oder an anderen Verbindungsstellen der Glieder eines Menschen schwellen an und werden so groß wie ein Ei. Wenn der Kranke vier Tage überstanden hat, besteht große Hoffnung; aber das passiert nur selten. An diese Krankheit haben wir die meisten Soldaten unserer Armee verloren.“ 31

Schnell nahm die Verbreitung der Pest in Alexandria und den Hafenstädten „erschreckende Gestalt“ an. Ein Offizier witzelte, nachdem sich die Nachricht von der Ausbreitung der Pest herumgesprochen hatte, mit schwarzem Humor, dass die Soldaten, die Murad Bey in Oberägypten verfolgten, „mehr Angst vor uns haben als vor den Mamelucken“. Es wurde schnell unmöglich, in eines der kleinen Militärkrankenhäuser aufgenommen zu werden, und die Kranken, die es sich leisten konnten, engagierten kostspielige islamische Hakims, traditionelle Ärzte, die in der islamischen Variante der klassisch-griechischen Medizin ausgebildet waren. Der mittel­alterliche Kanon der Medizin aus der Feder des persisch-muslimischen Arztes und Philosophen Avicenna wurde im späten

252    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

Mittelalter und sogar in der frühen Neuzeit an vielen medizinischen Fakultäten in Europa gelehrt. Einige islamische Gelehrte waren zu dem Schluss gekommen, dass Epidemien durch Ansteckung von Mensch zu Mensch verbreitet werden, womit sie den Griechen der Antike einiges voraus hatten, die im Klima und in der Astrologie die Hauptgründe gesehen hatten. Die Diskrepanz zwischen westlicher und nahöstlicher Medizin war in den 1790er Jahren nicht so groß, wie sie uns heute erscheinen mag, und die Hakims hatten den Vorteil, schon praktische Erfahrungen mit der Seuche gesammelt zu haben. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Franzosen immer an dem erkrankt waren, was nach heutigen Gesichtspunkten zur Pest berechnet wird, und ebenso wenig, dass sie die Ursachen des Krankheitsausbruchs richtig erkannten. Es ist wahrscheinlich, dass die Soldaten an einer Reihe von Krankheiten litten, darunter Tuberkulose, Skrofulose und Milzbrand. Die französischen Soldaten behaupteten, von der Beulenpest befallen gewesen zu sein, deren Inkubationszeit mehrere Tage beträgt. Wenn das der Fall war, wurden sie von Flöhen infiziert, denen sie in Bordellen und schmutzigen, überfüllten und rattenverseuchten Wohnungen ausgesetzt waren. Die Lungenpest kann sehr schnell ausbrechen, sogar innerhalb weniger Stunden; die Krankheit kann auch durch die Luft übertragen werden, das heißt durch Einatmen von Tröpfchen aus der Atemluft einer infizierten Person. Da Lavalette in seinem Bericht über Renauds Erkrankung keine Beulen oder entzünd­liche Schwellungen der Lymphknoten erwähnte, die für die Beulenpest charakteristisch sind, würden die Symptome, von denen er berichtete, eher mit der Lungenpest übereinstimmen, mit der die französischen Soldaten von ihren ägyptischen Geliebten oder durch den Husten erkrankter Kameraden infiziert wurden. Die Nachricht, dass sich unter den Soldaten in Alexandria eine Krankheit ausbreite, so klagte Lavalette, ermutigte die Beduinen außerhalb der Stadt, ihre Attacken wieder aufzunehmen. Die Hirtennomaden waren gegen Epidemien relativ gefeit. Sie waren in der Regel gut über Ausbrüche von Epidemien in den Städten informiert. Kléber, der zu jener Zeit in Damiette Vorbereitungen für den Feldzug nach Syrien traf, erhielt von Bonaparte eine Nachricht, aus der deutlich wurde, wie sehr der Krankheitsausbruch seine Pläne durchkreuzte. Er leitete Bonapartes ­Bericht an den Divisionsarzt weiter:

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     253

„Die Briefe, die ich aus Mansura erhalten habe, lassen mich befürchten, dass die 2. leichte Infanterie in so starkem Maße von dieser ansteckenden Krankheit befallen ist, dass es gefährlich sein könnte, sie gemeinsam mit den anderen Halb­ brigaden aufzustellen. Erstellt einen detaillierten Bericht über die Lage jener Halbbrigade, und wenn Ihr der Ansicht seid, dass sie die quälende Seuche auf andere Korps übertragen könnte, schickt sie zurück nach Mansura.“ 32

*** Der wachsende Widerwille der Ärzte, sich erkrankten Soldaten auszusetzen, demoralisierte diese zusätzlich. Ärzte standen während der Behandlung mit den Erkrankten unter Quarantäne. Davon unterrichtet, schritt der Oberbefehlshaber mit Nachdruck ein. „Bonaparte erfuhr, dass Boyer, der Chef der pharmazeu­tischen Abteilung in Alexandria, sich geweigert hatte, für die Pest­kranken zu sorgen. Unverzüglich gab er den Befehl aus: „Boyer wird als Frau verkleidet auf einem Esel durch die Straßen geführt. Er trägt ein Schild, auf dem steht: ,Er verdient nicht, ein französischer Bürger zu sein, er fürchtet den Tod.‘ Danach wird er inhaftiert und nach Frankreich zurückgeschickt.“ 33 Marmont handelte schnell und zog die französischen Truppen aus dem Zentrum von Alexandria ab, er richtete in einer großen Moschee ein Krankenhaus zur Beobachtung ein, eröffnete ein Spezialkrankenhaus für all jene, die schon die ersten Symptome wie Lymphknotenschwellungen zeigten, und richtete eine aktive Überwachung der Stadt, der beiden Häfen und des Krankenhauses ein. 34 Sogar die berüchtigte Härte des Oberbefehlshabers jagte seinen Männern weniger Schrecken ein als das Fieber und die Pestbeulen. Wenn es Bonaparte nicht gelang, mit Strenge die Oberhand zu gewinnen, griff er wie gewöhnlich auf seine Überredungskunst zurück. Am 2. Februar schrieb er an Dugua: „Die Krankheit, von der ich Euch berichtet habe, hält noch an, aber ihr Fortschritt ist weniger beunruhigend. […] Ich habe eine Kommission aus zwei Ärzten aus diesem Land gebildet, einer der beiden kommt aus dem Hospital; sie haben alle Kranken untersucht, die Fieber und Beulen haben. Sie erklärten, dass diese Symptome nichts mit der Pest zu tun hätten und dass die kalten, kargen Speisen und vor allem zu viel Dattelsaft die Hauptursachen wären.“ 35

Es ist schwer zu glauben, dass Dugua oder irgend­jemand sonst diesen „Ergebnissen“ viel Beachtung schenkte, zudem werden sie durch Bonapartes eigene Anordnung widerlegt, die kranken Soldaten in Mansura

254    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

nicht mit den anderen Halbbrigaden zusammenzubringen. Lediglich die Behauptung, die Krankheit sei für den Augenblick eingedämmt, entsprach der Wahrheit. *** Die Geistlichen auf der Arabischen Halbinsel betrachteten Ägypten als strategischen Schlüssel, um das Küstengebiet am Roten Meer und die heiligen islamischen Städte Mekka und Medina zu kontrollieren. Kaufleute und hochgestellte Persönlichkeiten, die auf den Handel mit Ägypten angewiesen waren, kooperierten zwar häufig mit der neuen Befehlsmacht und riskierten den Zorn der schwachen osmanischen Regierung und der britischen Marine. Doch einige sahen die französische Eroberung mit Empörung. Der jemenitische Historiker Lutf Allah Jahhaf erzählte von der arabischen Reaktion auf die Invasion der Franzosen und von den Helden­taten der Freiwilligen, die sich aufmachten, in Ober­ ägypten einen Dschihad gegen diese zu führen. 36 Er beschrieb Bonapartes Ankunft mit den Worten, dass sich „die Hand des Unglaubens“ auf Ägypten „ausstreckte“, dessen Muslime besiegte und große Verdorbenheit mit sich brachte. Bei Beobachtern im Jemen war durch den üblichen Klatsch und Tratsch der Seeleute des Roten Meers und der Pilger ein unzulänglicher Bericht über die Invasion angekommen. Jahhaf schrieb die Expedition den Machenschaften eines bedeutenden französischen Händlers zu, den die osmanisch-ägyptischen Beys schlecht behandelt hatten – ein Hinweis auf Charles Magallon. Aber er machte aus dem Konsul den „Sohn ihres Königs“. Von Magallon wird berichtet, er sei inhaftiert und wieder freigelassen worden, dann nach Frankreich zurück­ gekehrt und habe sich „bei Bonaparte, dem Sultan ihres Königreiches“, beschwert. Als der vom Reichtum Ägyptens hörte, ließ er von allen sonstigen Unternehmungen ab, bereitete „seine Pferde und Kamele“ und machte sich auf Schiffen auf den Weg. Es mutet wie ein Märchen an, wenn Jahhaf erzählt, Bonaparte sei zuerst in Istanbul gewesen, um Selim III. um die Erlaubnis zu bitten, auf dem Weg nach Indien Ägypten durchqueren zu dürfen. Diese wurde ihm zunächst verweigert, bis sich die Hauptfrau des osmanischen Sultans für ihn einsetzte. Dann eroberte Bona­parte jedoch Malta wie es der Koran vorhergesagt hatte. Dann unterwarf er Alexandria. Selim III. war angesichts dieser Entwicklungen beunruhigt und stellte Armeen bereit, die über die syrische Route den Angriff auf sein Königreich abwehren soll-

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     255

ten. Trotz Ungenauigkeiten und Einzelheiten, die an ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht erinnern, kommt die ­Dynamik des Konflikts in der Erzählung ausreichend zum Ausdruck. ­Einige der Ungenauigkeiten rührten von Bonaparte selbst und seiner ­Lügengeschichte, Selim  III. habe ihn nach Ägypten geschickt. Al-Gabarti erzählte, wie die Nachricht, dass die Franzosen „das Land um Kairo erobert hätten“, den Hedschas erreichte und wie die Menschen in Mekka sich schreiend zur großen Moschee begaben und den Vorhang von der heiligen Kaaba herunterzogen, mit dem sie geschmückt war. 37 Dieser Vorhang (Kiswah) wurde üblicherweise in Ägypten angefertigt und dann mit der jährlichen Pilgerkarawane nach Mekka gebracht. Die Menge verkündete mit dieser Handlung, dass das kosmische Gleichgewicht gestört und der Islam einer seiner prächtigsten Zierden beraubt worden war. Jahhaf erklärte, ein gewisser Scheich Muhammad al-Jilani aus dem Maghreb beginne, zum Dschihad gegen die Franzosen aufzurufen. Er predige zu den Menschen, die sich um ihn versammelten. Frauen kämen, um seinen Reden über die Notwendigkeit eines Heiligen Krieges zu lauschen, und stifteten ihre Juwelen, Wertgegenstände und sogar Kleidungsstücke, um zur Finanzierung des Vorhabens beizutragen. Er werde in seinen Predigten von Muhammad Ba Islah al-Hadrami aus dem südlichen Jemen unterstützt und außerdem von zahlreichen anderen Helfern, die Waffen zur Verfügung stellten. Männer aus vornehmen islamischen Gelehrtenfamilien widmeten sich der Sache, so wie Muhammad al-Sindhi, der Enkelsohn des Muhammad Hayat al-Sindhi, des großen Lehrers der Weissagungen des Propheten, der im 18. Jahrhundert zum Aufkommen von Reformbewegungen im Islam beigetragen hatte. 38 Der Großscherif von Mekka, Amir Ghalib, mit dem Bonaparte in jener Zeit Beziehungen pflegte, spielte ein doppeltes Spiel, indem er auch al-Jilani Spenden zukommen ließ. Im Dezember erreichte Mekka die Nachricht, dass die Franzosen in Oberägypten gegen Murad Beys Streitkräfte kämpften, genau gegenüber vom Hedschas auf der anderen Seite des Roten Meers, und dass die Franzosen diese besiegten und zum Rückzug zwangen. Die Armee unter Desaix hatte den ehemaligen Herrscher Ägyptens monatelang verfolgt, nachdem ihm im Oktober bei Sediman ein heftiger Rückschlag versetzt worden war. 39 Aber Murad Bey war nicht vernichtend geschlagen und trat kämpfend den Rückzug nilaufwärts an. Desaix hatte

256    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

ursprünglich lediglich 1500 Soldaten angeführt und keine Kavallerie zur Verfügung gehabt. Wenn Desaix ein Gefecht gewonnen hatte, konnten die Emire und ihre Mamelucken, die Beduinen und die Bauern, denen er gegenüberstand, daher immer entkommen. Bonapartes unablässige Forderung nach Pferden aus dem Delta hatte ihm die Zusammenstellung einer ­Kavallerieeinheit von 300 Mann ermöglicht, die er mit weiterer Infanterie unter General Davout im Dezember nach Süden schickte. Murad Bey selbst und die Angehörigen der Scherifen in Oberägypten standen, so berichteten die Memoirenschreiber, mit den Bewohnern Mekkas in Verbindung und forderten Freiwillige an. Al-Gabarti schrieb, dass sich etwa 600 Mudschaheddin, heilige Krieger, in Arabien versammelt hätten und auf einem Schiff über das Rote Meer in die ägyptische Hafenstadt Qusair gekommen seien. Weitere Freiwillige aus der nord­ arabischen Hafenstadt Yanbu oberhalb von Dschidda gesellten sich da­ zu, sodass die Zahl der Freiwilligen auf 2000 anwuchs. Diese Mudschaheddin stießen zu Murad Beys Mamelucken, denen sich auch Hasan Bey Cuddavi und seine Mamelucken aus Esna sowie weitere Verstärkung aus Nubien anschlossen. Diese hohe Zahl an Freiwilligen verbesserte die ­Moral der Muslime in Oberägypten erheblich. Belliard äußerte sich in seiner Zeitung äußerst skeptisch über die Gerüchte, eine arabische Armee aus Freiwilligen sei im Anmarsch. Er schrieb am 10. Januar: „Die Bewohner glauben immer noch an die Verstärkung, die Murad Bey von Qusair erhalten hat. Es ist zweifellos ein Gerücht, das er sicherlich verbreitet, um sie zum Aufstand zu ermutigen. Denn es ist alles andere als glaubhaft, dass Truppen aus Mekka eintreffen werden. Aus welchem Grund sollten sie eine derart lange Reise unternehmen? Und wem würden sie zu Hilfe eilen? Männern, die Feinde der Türken sind und mit denen sie sich fast unentwegt im Krieg befinden.“ 40

Belliard und andere französische Offiziere, die ähnliche Zweifel äußerten, hatten Bonapartes Propaganda über die Beys als Rebellen gegen den Sultan derart verinnerlicht, dass sie sich noch nicht einmal vorstellen konnten, dass muslimische Solidarität und Wut über die Verwüstungen zu einer antifranzösischen Dschihad-Bewegung führen konnten. Hauptmann Desvernois berichtet:

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     257

„Murad profitierte davon, dass die Franzosen die Verhandlungen mit den Arabern in Dschidda und Yanbu hinauszögerten, und er ermunterte sie, über das Meer nach Qusair zu kommen und sich mit ihm zusammenzuschließen, um die Ungläubigen auszulöschen, die gekommen waren, um die Religion Mohammeds zu zerstören.“

Über der kleinen oberägyptischen Stadt Samhud schien sich eine kriegerische Auseinandersetzung zusammenzubrauen. 41 Murad Bey verfügte noch über 1500 Emire und Mamelucken, und Hasan Bey brachte ihm weitere 400 Soldaten. Ein weiterer Hasan aus Yanbu befehligte zwischen 1000 und 2000 Mudschaheddin aus Arabien. Murad Bey hatte ungefähr 7000 beduinische Reiter, die von 3000 ägyptischen Infanterie-Freischärlern begleitet wurden. Am 18.  Januar, gerade zur rechten Zeit, kam günstiger Wind für die französische Flottille auf, und sie erreichte Girga mit dem Nachschub. Am 20. Januar brachen Desaix und seine Truppen in Girga auf. Als Desvernois am 21. Januar im Anmarsch war, sah er, wie sich eine Gruppe von Kopten, die von Desaix als Steuereintreiber eingesetzt worden waren, auf der Flucht auf ihn zubewegte. Sie informierten ihn, dass Murad Bey und seine Anhänger in dem Dorf Samhud in großer Zahl in Stellung gegangen seien. Desaix schrieb später an Bonaparte: „Unsere Vorhut, die aus dem 7. Husarenregiment bestand, hatte zwei Kolonnen vor sich, die vom Hauptmann [Desvernois] befehligt wurden. Sie wurden plötzlich von den Truppen aus Mekka angegriffen, unterstützt von einigen Mame­ lucken.“ Die Freiwilligen, die vor allem mit Lanzen bewaffnet waren, ­sahen sich der leichten französischen Kavallerie gegenüber. Die Franzosen trieben sie zurück. „Unter diesem starken Druck machten sie kehrt, und zwanzig von ihnen mit schwingenden Säbeln niederzumetzeln war ­Sache eines Augenblicks.“ Den Mudschaheddin gelang es, einen französischen Kavalleristen zu erschießen. Daraufhin ließ Desaix seine Infanteristen zwei große Karrees bilden, die Artillerie stellte er an deren Flügeln und die Kavallerie im Inneren eines Karrees auf, und sie marschierten weiter nach Samhud. Er befahl zwei Kompanien von Musketieren, mit Unterstützung einer leichten Husarenvorhut aus Kavalleristen unter Leitung von Desvernois das Dorf anzugreifen, das „von den „Scherifen aus Mekka“ verteidigt wurde. Er erinnerte sich: „Der Feind war am Ufer eines Kanals. Sie leisteten heftigen

258    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

Widerstand.“ Die heiligen Krieger töteten einen Musketier und verwundeten Desaix’ Adjutanten Rapp. Desvernois erlitt einen Dolchstoß durch die Sehnen am Unterarm, sodass er seinen Säbel mit der linken Hand schwingen musste, als er sich vom Schlachtfeld freikämpfte. Es gelang ihm, sich blutüberströmt und von Dutzenden von Schnitten übersät in ein Infanteriekarree zu retten. Jetzt war die Reihe an den Franzosen, brüstete sich Desaix. Als der Feind zu nah heranrückte, um auf ihn schießen zu können, starteten die Musketiere eine Attacke mit ihren Bajonetten, schwangen die Enden ­ihrer Waffen mit fataler Wirkung und töteten dreißig Männer. „Und das Dorf gehörte uns.“ Mit den Infanteriekarrees und der Artillerie, ­undurchdringbar für die gegnerische Kavallerie, war das Ende des Gefechts vorhersehbar. Mit der Verstärkung verfügte Desaix über 2500 Mann, einschließlich leichter Kavallerie, und war besser für einen Sieg gerüstet als zuvor. Die osmanischen Ägypter luden nach, feuerten aufs Geratewohl und stießen furchterregende Schreie aus, dann trafen sie auf die Mauer aus Musketen, Bajonetten und zischenden Kanonen­kugeln, die sie unerbittlich ins Landesinnere nach Süden drängte. ­Desaix und ­Davout entdeckten Murad ungeschützt an der Spitze seiner Reiter, und Davout nahm mit den französischen Husaren die Verfolgung auf, doch die Beys und ihre Mamelucken verschwanden. Die Freiwilligen aus Mekka waren zwar für den Ausgang der Schlacht nicht entscheidend gewesen, aber als untrainierte Zivilisten hatten sie sich auch nicht mit Schande befleckt. ­Außerdem war es nicht das letzte Kontingent dieser Art von Freiwilligen, das aus dem Hedschas in Ägypten eintreffen sollte. Die Bedeutung der Mudschaheddin lag nicht etwa darin, dass diese Seminaristen und Städter durch bloßen Enthusiasmus eine Gefahr für die moderne europäische Armee bedeuteten. Die Kämpfer waren vielmehr ein Vorbote dafür, dass sich die muslimische Welt gegen die Franzosen zusammenschloss. Diese Welt wurde politisch nicht von Mekka, sondern von Istanbul gelenkt. Sultan Selim III. besaß bessere Voraussetzungen als al-Jilani, ausgebildete und gut ausgerüstete heilige Krieger zu versammeln, die der republikanischen Armee standhalten konnten. Er war außerdem bereit, sich mit mächtigen christlichen Reichen auf eine Weise zu verbünden, die al-­Jilani nicht in den Sinn gekommen wäre, die aber die Wirksamkeit seines Gegenangriffs durch Kommandos von beträchtlicher Größenordnung verstärkte. Größere

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     259

Aussicht auf Erfolg hatte nicht religiöser Enthusiasmus, sondern standhafter, kultivierter und prag­matischer Glaube. Bonaparte vereinigte Anfang Februar 10 000 Soldaten, um Cezzar ­Paschas Streitmacht in Syrien anzugreifen und damit ernsthaft in den vom Sultan ausgerufenen Heiligen Krieg einzutreten. Die anderen Herausforderungen, denen er sich in jenem Winter in Ägypten gegenübersah – ob aufsässige Beduinen und Dorfbewohner, die sich den erdrückenden Steuern und Enteignungen nicht unterwerfen wollten, oder die Ausbreitung der Pest und anderer Infektionskrankheiten in den Reihen seiner Soldaten –, konnten nicht als überwunden gelten. Es war klar, dass die Ägypter allein es nicht vermochten, sich vom Joch der Franzosen zu befreien, so sehr sie es auch versuchten und obwohl sie wahrscheinlich schon einige Tausend Soldaten getötet hatten und so mit der Zeit für beträchtliche Zermürbung sorgen konnten. Nach sechsmonatiger Besatzungszeit hatten die Franzosen vermutlich 12 000 Ägypter getötet. Die Franzosen waren den Ägyptern gegenüber in Organisation, Taktik und Waffenqualität etwas im Vorteil. Das war wenig genug, reichte auf mittlere Sicht aber aus. Bonaparte glaubte, er hätte Ägypten im Ganzen umgestaltet, aber sein Einfluss war bis dahin oberflächlich. Er war tief verschuldet und mit dem monatlichen Sold seiner Soldaten im Rückstand. Die Legitimierung durch den Islam, die er anstrebte, entglitt ihm immer dann, wenn er bei den Geistlichen physisch nicht präsent war. Das Delta war immer noch instabil, vor allem im Westen. Innerhalb der Geistlichkeit herrschte Unruhe, und allerorten machte sich endzeitliche Stimmung breit. Solange Murad Bey sich Desaix entzog, blieben Oberägypten und das Rote Meer die Schwachstellen der französischen Republik von Ägypten. Bonapartes Armee war ohne Flotte von der Außenwelt abgeschnitten und ständiger Zermürbung durch Gefechte, Krankheiten und Sabotage ausgesetzt. Seine einzige Chance, dieser Vielzahl an Misserfolgen noch einen Triumph abzutrotzen, bestand nicht darin, Ägypten weiter zu sichern, sondern auszubrechen und einen Weg zu finden, die größte Bedrohung seiner Unternehmung, die zweite große Koalition, auszuschalten. *** Bonaparte führte eine Streitmacht gegen Cezzar ­Pascha, der Anfang ­Februar Vorbereitungen traf, in Französisch-Ägypten einzumarschieren. Am 20. Februar, nach einwöchiger Belagerung, nahm seine Armee

260    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

die Stadt el-Arisch am Mittelmeer ein, das Tor zur Sinai-Halbinsel und zum osmanischen Syrien. Fünf Tage später hatte er Gaza erobert. Anfang März besiegten die Franzosen Jaffa und brachten trotz des Sieges Schande über die französische Armee, weil sie dort am 8. März, am Tag ihres Sieges, ein Massaker anrichteten. Schlimmer noch war die von Bona­parte angeordnete Exekution von mehreren Tausend unbewaffneten Kriegsgefangenen. Am 18. März standen die Franzosen vor der Festung von Akkon. Bonaparte war es nicht gelungen, schwere Artillerie auf dem Landweg zu transportieren. Er versuchte, einige große Feldgeschütze von ­Damiette aus zu verschiffen, aber die Transportschiffe wurden von den Briten gekapert und erreichten ihr Ziel nie. Da er lediglich über leichte Artillerie verfügte, war es ihm unmöglich, die Mauern der Kreuzritterfestung zu überwinden, in der Cezzar und seine Soldaten sich festgesetzt hatten. Bonaparte griff immer wieder an. Starrköpfig, ohne Rücksicht auf das Leben seiner Soldaten, verzweifelt, weil er wusste, dass der Erfolg seines gesamten Orientfeldzugs auf dem Spiel stand, befahl der Oberbefehlshaber seinen Männern nicht weniger als dreizehn Mal, die Festung zu stürmen. Sie wurden jedes Mal von der neu organisierten, westlich gedrillten Armee Cezzars zurückgeschlagen, die von der britischen Marine Rückendeckung erhielt. Mehrere Offiziere, denen wir bereits verschiedentlich begegnet sind, darunter auch Hauptmann Horace Say, der Ingenieur, und General Caffarelli mit dem Holzbein starben bei den Kämpfen in Syrien. Ende Mai hatte Bonaparte sich widerstrebend mit seiner Niederlage in Akkon abgefunden. Seine Streitmacht war schlichtweg nicht in der Lage, die Festung einzunehmen, und ohne diese gab es keine Hoffnung auf eine Übernahme Syriens. Er kehrte mit seiner Truppe, deren Stärke durch Gefechte und die Pest stark dezimiert war, nach Kairo zurück, verkündete aber lautstark, der Feldzug sei ein ruhmreicher Erfolg gewesen. Er ließ sich mit seinen schwer angeschlagenen Soldaten in der ägyp­ tischen Hauptstadt feiern und gab erneut ein Dekret als der Große Sultan heraus, in dem er versprach, eine ­riesige Moschee zu Ehren seines Triumphs zu errichten. Ende Juli brachte die britische Marine eine osmanische Erkundungseinheit von 15 000 Mann unweit von Alexandria in Abukir an Land. General Murats Kavallerie schlug sie zurück, doch zum Preis von mehreren

D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d     261

Hundert französischen Soldatenleben. Die Schlacht bei Abukir war ein deutliches Vorzeichen und in gewisser Weise ein Wendepunkt für die Zukunft der in Ägypten eingeschlossenen Franzosen, die wieder und wieder den Versuchen der vereinten britischen und osmanischen Streitkräfte ausgesetzt waren. Die Orientarmee hatte seit Beginn des Feldzugs fast 6000 Soldaten verloren. Bonaparte war in der Lage zu erkennen, wenn er sich in einer Sackgasse befand. Im August schlich er sich heimlich aus dem Land und hinterließ dem überraschten General Kléber eine Nachricht, die ihn in Kenntnis setzte, dass von nun an er für Ägypten verantwortlich sei. Ebenfalls überrascht, plötzlich sitzengelassen worden zu sein, war seine Geliebte Pauline Fourès. Der Korse erreichte Frankreich am 9. Oktober und begab sich direkt nach Paris. Im November 1799 wurde er durch einen Staatsstreich zum Ersten Konsul ernannt, und er versöhnte sich mit Josephine. In Ägypten konnte Kléber Murad Bey endlich davon überzeugen, sich mit den Franzosen zu verbünden, doch bald darauf starb der alte ­Georgier an der Pest. Kléber wurde im Sommer 1800 von einem verärgerten ­Ägypter ermordet; seine Nachfolge trat der ungeeignete und brutale ­Abdullah Menou an. Das militärische Bündnis zwischen Osmanen und Briten zwang die Orientarmee 1801, Ägypten zu verlassen, den ­rest­lichen französischen Soldaten wurde auf britischen Schiffen eine sichere Rückreise nach Frankreich gewährt. Viele unserer Memoirenschreiber kamen auf diese erniedrigende Weise zurück nach Hause, darunter Hauptmann Moiret, Hauptmann Desvernois und der jakobinische Uniformschneider François Bernoyer. Pauline Fourès hatte Ägypten nach einem fehlgeschlagenen ersten Versuch im Jahre 1800 verlassen können – nach einer angeblichen Affäre mit General Kléber. Sie heiratete wieder, ließ sich 1816 erneut scheiden und ging nach Brasilien, wo sie ein Holzunternehmen gründete. 1837 kehrte sie nach Frankreich zurück und starb dort hochbetagt. Ibrahim Bey erlebte noch, wie das alte Beylik in Ägypten abgeschafft und durch die Herrschaft eines albanisch-osmanischen Offiziers, des späteren Vizekönigs Mehmet Ali Pascha ersetzt wurde. 1811 tötete Mehmet Ali einen großen Teil der noch verbliebenen Mamelucken in einem Massaker an der Zitadelle und führte eine neue Politik moderner auto­ ritärer Herrschaft ein, die der Bonapartes in Teilen nach­eiferte. Ibrahim starb vergessen im Jahre 1818.

262    D e r F a l l d e s D e lt a s u n d d e r a r a b i s c h e D s c h i h a d

Bonapartes Erfahrungen in Ägypten prägten seine weitere Politik mehr, als europäische Historiker in der Regel einräumen. 1804 krönte er sich zum Kaiser, was besser in den Nahen Osten als in das revolutionäre Frankreich gepasst hätte. Die Privilegien in sexueller Hinsicht, die er als Großer Sultan in Ägypten angenommen hatte, trübten immer wieder seine Ehe mit Josephine, obwohl sie zu seiner Kaiserin wurde, bis er sich 1810 von ihr scheiden ließ. Napoleon suchte mit dem Konkordat die gleiche Art von Übereinkunft mit der katholischen ­Kirche, wie er sie um des sozialen Friedens willen mit den muslimischen Geist­lichen der al-Azhar getroffen hatte. Als Großer Sultan und Herrscher über das Niltal hatte sich Bonaparte auf Anordnung des Direktoriums an einen Rang gewöhnt, auf den er nicht mehr verzichten wollte. Nun sahen Frankreich selbst und ein großer Teil Europas einem Schicksal entgegen, das die Direktoren und Talleyrand Ägypten zugedacht hatten.

    263

Epilog

Die französische Invasion und die Besetzung Ägyptens von 1798 bis 1801 dienen unter Historikern immer wieder als Lackmustest für die Beurteilung der Methoden beim Aufbau eines Imperiums. Nachdem aus Bonaparte Kaiser Napoleon I. geworden war, erkannte er sehr schnell, dass das Fiasko am Nil seinem Ruf schaden konnte, weshalb er anordnete, dass viele der staatlichen Akten über die französische Republik von Ägypten verbrannt wurden. Einige militärische Aufzeichnungen und ­Depeschen blieben erhalten, und sehr viele von ihnen wurden veröffentlicht. Besonders verdient gemacht hat sich dabei Clément de la Jon­ quière um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Aber es steht außer Frage, dass Napoleon seine eigenen Erinnerungen an Invasion und Besetzung an die Stelle der vernichteten Aktensammlung treten lassen wollte. Seine Hoffnung sollte sich nicht erfüllen, denn die Wissenschaftler haben dem „Orientalisten“ Bonaparte eigentümlicherweise kaum Beachtung geschenkt. Sein Bericht musste mit den Aufzeichnungen einer Vielzahl sowohl ägyptischer als auch französischer Zeugen konkurrieren, die sich häufig dadurch auszeichnen, Bonapartes Propaganda zu widersprechen. 1 In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sahen französische Historiker wie François Charles-Roux in der Besetzung einen Prolog zu dem in ihren Augen ruhmreichen Französisch-Algerien. 2 Sie stellten die ägyp­ tischen Bauern dar, als seien sie überglücklich über die Invasion der Franzosen gewesen, und spielten die Brutalität und Raffgier der Franzosen herunter. Paradoxerweise betrachteten auch ägyptische Nationalisten im frühen 20. Jahrhundert Bonapartes Expedition als das Hereinbrechen der dynamischen Moderne in eine traditionelle Gesellschaft, Druckerpresse und Buchdruck, modernen Handel, Krankenhäuser und die Wissenschaften mit sich brachte, darunter auch die Archäologie, die

264    E p i l o g

schließlich die Wiederentdeckung der pharaonischen Vergangenheit Ägyptens durch die Entzifferung des Steins von Rosetta ermöglichte. Nachfolgende Historikergenerationen wiesen darauf hin, dass Ägypten bereits im 18.  Jahrhundert intensive wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen zu Europa und zum Mittelmeerraum unterhalten hatte und keineswegs eine unberührte Wildnis war, die von Bonaparte „entdeckt“ und in die Moderne übergeführt werden musste. Sie wandten ferner ein, dass die meisten der Neuerungen, die von der Orientarmee importiert wurden, den Abzug der Franzosen im Jahre 1801 nicht überlebten und vor Ort auf lange Sicht keine besonderen Spuren hinterließen, abgesehen vielleicht von der Tötung Zehntausender von Menschen und der Zerstörung der osmanisch-ägyptischen Gesellschaft. 3 Das Ende des Kolonialismus in den 1950er und 60er Jahren veranlasste die Historiker zu einer skeptischen Sicht der Dinge. Die zuvor übliche romantisierendnationalistische Sicht der französischen Besatzungszeit wurde nach dem Offiziersputsch von 1952 von der Darstellung einer ausschließlich kolonialen Besatzung verdrängt. Bonaparte selbst hätte es als die größere Erniedrigung empfunden, wenn man seine Unternehmung nicht kritisiert, sondern einfach nur ­ignoriert hätte. Mit dem Ende der Kolonialzeit geriet die imperiale Geschichte Frankreichs zu einem bloßen Gegenstand wissenschaftlichen Interesses. Historiker begannen nun die postkolonialen Landesgrenzen in die Vergangenheit zu übertragen. Wenn sie über die Geschichte Frankreichs – und in gleicher Weise die Großbritanniens – schreiben, beziehen und beschränken sie sich auf die jeweils heutigen Grenzen, als ob diese beiden Nationen im 19. Jahrhundert nicht zwei Fünftel der Welt unter sich aufgeteilt hätten. 4 In den meisten zeitgenössischen Abhandlungen über das heutige Frankreich spielen Ägypten, Algerien und Vietnam kaum mehr als eine Nebenrolle. François ­Furet brachte dieses Phänomen auf den Punkt, als er schrieb: „Ich werde die Expedition nach Ägypten in dieser Darlegung nicht berücksichtigen, weil sie eine besondere und eigene Geschichte hat, unabhängig von den Ereignissen in Frankreich, die aber von großer Bedeutung ist, wenn es darum geht, den Nahen Osten im 19. Jahrhundert zu verstehen.“ 5

Länder wie Ägypten schreiben heute über ihre neuzeitliche Geschichte zunehmend auf der Grundlage eigener Archive und aus einer selbst­

E p i l o g     265

bezogenen Perspektive, die entscheidende koloniale und neokoloniale Einflüsse herunterspielt. Für die Sozialhistoriker der 1970er und späterer Jahre war das französische Zwischenspiel in Ägypten belanglos in seiner Auswirkung auf die speziellen Bedingungen der ägyptischen Wirtschaft und die Güterverteilung in der Gesellschaft, weshalb es für sie nicht lohnte, darüber viele Worte zu verlieren. 6 In seinem bahnbrechenden Werk „Orientalismus“ rückte der Literaturkritiker Edward Said Bonapartes Ägypten erneut ins Zentrum der wissenschaftlichen Diskussion über den Imperialismus und das postkoloniale Verständnis der Welt. Er stellte die Invasion als europäischen Drang nach absoluter Erkenntnis und totaler Kontrolle über eine orientalische Gesellschaft dar, als die Erbsünde der modernen Verflechtung von hegemonialer westlicher Macht und Wissen. 7 Saids Kritik übte weltweit großen Einfluss auf antikoloniale Strömungen aus. Als die französischen und ägyptischen Behörden eine gemeinsame Zweihundertjahrfeier planten, bei der das positive Vermächtnis der Invasion im Mittelpunkt stehen sollte, zwang ein Aufschrei der Entrüstung von Seiten der Bevölkerung den ägyptischen Kulturminister, Kairos Beteiligung abzusagen. 8 Die Antwort der französischen Nationalversammlung in ­Paris auf eine derart heftige Kritik an der Kolonialpolitik war im Jahre 2005 der Versuch, ein Gesetz durchzubringen, das Lehrer verpflichten sollte, die positiven Errungenschaften des französischen Kolonialreiches zu betonen. Präsident Jacques Chirac hielt diese Maßnahme für übertrieben und legte dagegen sein Veto ein. Bonapartes Expedition war der erste Versuch in der neueren Geschichte, eine orientalische Gesellschaft von Bedeutung in ein europä­ isches System einzugliedern. Es blieb nicht der letzte. Das, was wir heute Nahen Osten nennen, ist nicht nur eine Ansammlung von Nationalstaaten mit jeweils eigener Geschichte, sondern ein Gebilde stark ausgeprägter Wechselbeziehungen zu dominierenden Weltmächten. Die internationale Ordnung wurde aber auch von Politikern und Gesellschaften des Nahen Ostens geprägt, etwa als die algerische FLN (Nationale Befreiungsfront) die Franzosen 1962 aus dem Land vertrieb und eine neue Beziehung zum ehemaligen Mutterland aufbaute. Das Ende des europäischen Kolonialismus wurde nicht eingeläutet, weil es der französische Präsident Charles de Gaulle damals so wollte. Der Grund war, dass Politiker und Gesellschaften des Nahen Ostens nicht länger zur Kooperation

266    E p i l o g

bereit waren und dass sie jetzt über die notwendigen Mittel und Wege verfügten, sich zu behaupten – Urbanisierung, Industrialisierung, bessere Bildung, bessere Kommunikationsmöglichkeiten, größere Gestaltungsmöglichkeiten durch politische Parteien und fortschrittlichere Technologien, einschließlich der militärischen. Das Ende des groß angelegten direkten Kolonialismus in den 1950er und 60er Jahren läutete die Ära eines nordatlantischen Neoimperialismus ein, dessen wichtigstes Herrschaftszeichen nun die ökonomische Abhängigkeit im Verbund mit gelegentlichen militärischen Interventionen war. Außerdem setzte eine nie dagewesene Auswanderungswelle aus dem Nahen Osten nach Westeuropa ein, mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die europäische Politik und sogar auf die Außenpolitik. So wird zum Beispiel neu über die französische Identität diskutiert. Bonapartes Expedition war nicht, wie viele Historiker es gesehen haben, der Fehltritt in einer ansonsten auf Europa ausgerichteten Karriere. Sie erprobte vielmehr eine Form des Imperialismus, die sich liberaler Rhetorik und Institutionen bediente, um Ressourcen auszubeuten und geopolitische Überlegenheit zu erlangen. Auch als Kaiser hatte er ein ausgeprägtes Interesse am Handel mit der Levante. Seine Vision eines imperialen Frankreichs mit wertvollen Besitzungen in Übersee wurde von späteren französischen Regierungen realisiert. Sogar seine Vorahnung vom Ende des Osmanischen Reiches und davon, wie europäische Mächte es aufteilen würden, wurde während des Ersten Weltkriegs und danach bestätigt. In seiner häufig grausamen und zynischen Art entwarf er, was wir heute den „modernen Nahen Osten“ nennen, einen Schauplatz militärischer und wirtschaftlicher Hegemonie nordatlantischer Staaten mit einer Mischkultur und unterschiedlichen politischen Strukturen. Die Parallelen zwischen der Rhetorik und den Methoden des korsischen Generals und denen späterer Übergriffe auf diese Region geben Aufschluss auch darüber wie ambivalent die Politik von Staaten sein kann, die sich der Aufklärung verschrieben haben. Das Ziel des ÄgyptenUnternehmens war Edward Said zufolge, eine „Region aus der gegenwärtigen Barbarei zu ihrer ehemaligen Größe in der antiken Welt zurückzuführen; den Orient in die Erkenntnisse der modernen west­lichen Welt einzuweisen; militärische Macht in den Hintergrund treten zu lassen oder herunterzuspielen, um das Streben nach ruhmreichen Erkenntnissen, die im Zuge der politischen Herrschaft über den Orient gewon-

E p i l o g     267

nen wurden, an Größe gewinnen zu lassen … und dabei den Platz in der Erinnerung, die Bedeutung für die Kriegskunst, und die ‘natürliche’ Rolle als Anhängsel Europas in vollem Maße anzuerkennen.“ 9 Eine ­binäre Konstellation von westlicher Vormachtstellung und nahöstlicher Gegenwehr kann jedoch die vielschichtige Komplexität dieser Beziehungen nicht erfassen. Erfolgreiche Imperialisten sind per definitionem domi­nant, aber von den Abhandlungen der Eroberten geht durchaus ­eigene kulturelle Strahlkraft aus. 10 Wie soll man sonst verstehen, dass Bonaparte den Propheten Mohammed gegenüber Voltaire in Schutz nahm oder dass Scheich Abdullah al-Sharqawi die Einführung von Verwaltungs­räten in den ägyptischen Provinzen durch die Franzosen für eine gute Idee hielt? Die widersprüchlichen Angaben der Memoiren, die in diesem Buch wiedergegeben werden, deuten darauf hin, dass man, will man den Kolonialismus verstehen, die wechselseitige Aneignung kultureller Eigenheiten bei Kolonialisierten wie bei Kolonialherren würdigen muss. Allerdings wurden die entscheidenden Konflikte zwischen Franzosen und Ägyptern nicht von der Kultur geschürt, sondern vom Kampf um Macht und Ressourcen, den Bonaparte geschickt zu einem rhetorischen Kampf zwischen Freiheit und Fanatismus umformulierte. Welche Seite sich wofür mit mehr Inbrunst einsetzte, versank mit der Zeit immer mehr im Nebel.

268   

Anmerkungen KAPITEL 1   1. Elting, John R.: Swords Around a Throne: Napoleon’s Grande Armée, New York: Da Capo Press, 1997, S. 33. Moiret, Joseph-Marie: Mémoires sur l’expédition d’Égypt, Paris: Pierre Belfond, 1984, S. 33.   2. Marmont, Auguste Frédéric Louis Viesse de: Mémoires du duc de Raguse de 1792 à 1832, Paris: Parrotin, 1857, S. 350.   3. Say, Jean-Honoré Horace mit Boissy, Louis Laus de: Bonaparte au Caire, Paris: Prault, 7. Aufl., 1799, S. 3.   4. Gillispie, Charles Coulston: Scientific Aspects of the French Egyptian Expedition, 1798–1801, in: Proceedings of the American Philosophical Society 133, Nr. 4, Dez. 1989, S. 447–474; Bret, Patrice (Hg.): L’Expédition d’Égypte, une enterprise des Lumières, 1798–1801, Paris: Technique & Documentation, 1999.   5. Bonaparte, Napoléon: Lettres d’amour à Joséphine, hg. von Chantal de Tourtier Bonazzi, Paris: Fayard, 1981.   6. Herold, J. Christopher: Bonaparte in Egypt, New York: Harper & Row, 1962, S. 4.   7. Niello Sargy, Jean-Gabriel de: D’Égypte, Bd. 1 Beauchamp, M. Alph. de (Hg.): Mémoires secrets et inédits pour servir à l’histoire contemporaine, 2 Bde., Paris: Vernarel et Tenon, 1825; Hibbert, Christopher: Waterloo: Napoleon’s Last Campaign, London: Wordsworth, 2005, S. 43.   8. Hunt, Lynn: Politics, Culture and Class in the French Revolution, Berkeley: University of California Press, 1984, S. 21.   9. Say/Boissy, S. 14–15. 10. Zitate in diesem Abschnitt sind aus Bonaparte, Napoléon: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Paris: H. Plon, J. Dumaine, 1858–1870, Bd. 4, S. 109, Bd. 4, S. 113. 11. Sanglée-Ferrière, F. E. et al.: L’Expédition d’Égypte: Souvenirs, mémoires, et correspondence, Paris: Librairie Historique F. Teissèdre, 1998, S. 23–24; Bricard, Louis Joseph: Journal du canonnier Bricard, 1792–1802, Paris: C. Delagrave, 1891, S. 299. 12. Bernoyer, François: Avec Bonaparte en Égypte et en Syrie, 1798–1800: Dix-neuf lettres inédits, hg. von Christian Tortel, Abbeville: Les Presses Françaises, 1976, S. 20. Das unten aufgeführte Zitat steht ebenfalls auf S. 20. 13. Crook, Malcolm: Toulon in War and Revolution, Manchester: Manchester University Press, 1991. 14. Brégeon, Jean-Joël: L’Égypte française au jour le jour, 1798–1801, Paris: Perrin, 1991, S. 97. 15. Coleridge, Samuel Taylor: Confessions of an Inquiring Spirit, New York: Cassell & Co., 1892. 16. Lacroix, Désiré: Bonaparte en Egypte (1798–1799), Paris: Garnier, 1899, S. 43–44; Cavaliero, Roderick: The Last of the Crusaders: the Knights of St. John and Malta in the Eighteenth Century, London: Hollis & Carter, 1960, S. 216–220. 17. Napoléon I: Napoleon’s Memoirs, hg. von Somerset de Chair, New York: Howard Fertig, 1988, S. 279. 18. Napoléon, Corr., Bd. 4, S. 155, Nr. 2665. 19. Die Bibliografie zur französischen Expedition nach Ägypten ist umfassend. Der größte Teil wird abgedeckt in: Dykstra, Darrell: The French Occupation of Egypt, 1798–1801,

A n m e r k u n g e n     269

in: Daly, M. W. (Hg.): The Cambridge History of Egypt, Bd. 2: Modern Egypt, from 1517 to the End of the Twentieth Century, Cambridge: Cambridge University Press, 1998. 20. Talleyrand, Charles Maurice de: Essai sur les avantages à retirer de colonies nouvelles dans les circonstances présentes, Paris: Chez Baudouin, Imprimeur de l’Institut National, 1797, R. 5; Lokke, Carl Ludwig: French Dreams of Colonial Empire Under Directory and Consulate, in: Journal of Modern History 2, Nr. 2, Jun. 1930, S. 237–250. 21. Confer, Vincent: French Colonial Ideas Before 1789, in: French Historical Studies 3, Nr. 3, Frühjahr 1964, S. 338–359; Poniatowski, Michel: Talleyrand et le Directoire, 1796–1800, Paris: Librairie Académique Perrin, 1982, S. 66–74. 22. Bonaparte/Directory, 16 August 1797, in: Charles-Roux, François: Les Origines de l’expédition d’Égypte, Paris: Librairie Plon, 1910, Kap. 10. 23. Teile dieses Dossiers haben in den Dokumenten des Arabisch-Dolmetschers Bonapartes überlebt: Venture de Paradis, Jean Michel: Papiers, Bibliothèque Nationale, Département des Manuscrits, 9135. 24. Brown, Howard G.: Mythes et Massacres: Reconsidérer la ‘Terreur Directoriale’, in: Annales Historiques de la Révolution française, Nr. 325, 2001, S. 23–52. 25. Melito, André François Miot de: Mémoires du comte Miot de Melito, ancien ministre, ambassadeur, conseiller d’état et membre de l’Institut, 3 Bde., Paris: Michel Lévy Frères, 1858, Bd. 1, S. 163; zitiert in: Schom, Alan: Napoleon Bonaparte, New York: Harper Perennial, 1998, S. 64–67. 26. Barras, Paul François: Mémoires de Barras, membre du Directoire, hg. von Georges Duruy, Paris: Hachette, 1895, S. 184, S. 205–215. 27. Brown, Howard G.: War, Revolution and the Bureaucratic State: Politics and Army Administration in France, 1791–1799, Oxford: Clarendon Press, 1995, S. 216–219. 28. Krettly, Elie: Souvenirs Historiques, 2. Aufl., Paris: Nouveau Monde Editions, 2003, S. 42.

Kapitel 2   1. Napoléon Bonaparte: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Paris: Plon, H., Dumaine, J., 1858–1870, Bd. 4, S. 190, Nr. 2721.   2. Bernoyer, François: Avec Bonaparte en Égypte et en Syrie, 1798–1800: dix-neuf lettres inédits, hg. von Christian Tortel (Abbeville: Les Presses françaises, 1976), p. 41.   3. Moiret, Joseph-Marie: Mémoires sur l’expédition d’Égypt, Paris: Pierre Belfond, 1984, S. 33. Siehe auch Memoirs of Napoleon’s Egyptian Expedition, 1798–1801, Übers. Rosemary Brindle, London: Greenhill Books, 2001.   4. Crecelius, Daniel: The Mamluk Beylicate of Egypt, in: Philipp, Thomas und Haarman, Ulrich (Hg.): The Mamluks in Egyptian Politics and Society, Cambridge: Cambridge University Press, 1998, S. 128–149; Hathaway, Jane: The Politics of Households in Ottoman Egypt: The Rise of the Qazdaglis, Cambridge: Cambridge University Press, 1997.   5. Correspondance intime de l’armée d’Égypte, interceptée par la croisière anglaise, Paris: R. Pincebourde, 1866, S. 11.   6. Grandjean: Journal, in Wiet, Gaston (Hg.): Journaux sur l’expédition d’Égypte, Paris: Librairie Historique F. Teissedre, 2000, S. 63.   7. Grandjean, ibd., S. 66.

270    A n m e r k u n g e n

  8. Norry, Charles: An Account of the French Expedition to Egypt: Comprehending a View of the Country of Lower Egypt, its Cities, Monuments, and Inhabitants, at the Time of the Arrival of the French; . . . übersetzt aus dem Französischen, London: 1800, S. 26–27, Quelle: Eighteenth Century Collections Online. Gale Group, .   9. Moiret, S. 36., Zitate von Moiret in darauf folgenden Paragraphen: S. 36, 37. 10. Douthwaite, Julia V.: Exotic Women: Literary Heroines and Cultural Strategies in Ancien Régime France, Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 1992. 11. Napoléon, Corr., Bd. 4, S. 198–199, Nr. 2733. 12. Zur Ungleichheit in der Direktoriumsära siehe Lyons, Martin: France Under the Directory, Cambridge: Cambridge University Press, 1975, Kapitel 5. 13. Darendeli, Izzet Hasan Efendi, Al-Hamlah al-Firansiyyah ‘ala Misr fi Daw’ Makhtut ‘Uthmani, Übers. Jamal Sa’id ‘Abd al-Ghani, Kairo: al-Hay’ah al-Misriyyah al-’Ammah li’l-Kitab, 1999, S. 138. 14. Napoléon, Corr., Bd. 4, S. 228, Nr. 2784. 15. Jaubert, Pierre Amedée/Bruder: 20 Messidor 6 (8. Juli 1798), in Copies of Original Letters from the Army of General Bonaparte in Egypt, Intercepted by the Fleet under the Command of Admiral Lord Nelson. Erster Teil. Englische Übersetzung, London, 1798, 9. Auflage, S. 19, in: Eighteenth Century Collections Online. Gale Group, . 16. ‘Abd al-Rahman Al-Jabarti, Ta’rikh: Muddat al-faransis bi misr, hg. von Abd al-Rahim A. Abd al-Rahim, Kairo: Dar al-Kitab al-Jami’i, 2000, S. 33–41; id., Napoleon in Egypt: Al-Jabarti’s Chronicle of the French Occupation, 1798, Übers. Shmuel Moreh, Princeton und New York: Markus Wiener Publishing, 1995, S. 27–33. 17. Al-Jabarti: Mudda, S. 41–46; id., Napoleon, S. 33–35; ‘Abd al-Rahman al-Jabarti, Muzhir al-taqdis bi dhihab dawlat al-faransis, Kairo: Matba’at al-Risalah, 1969, S. 36–39; ‘Abd al-Rahman al-Jabarti, ‘Aja’ib al-athar fi al-tarajim wa al-akhbar, 4 Bde., Bulaq: al-Matba’ah al-Amiriya, 1322/1904, 2. Auflage, Bd. 3, S. 4; ‘Abd al-Rahman al-Jabarti’s History of Egypt, übers. und hg. von Philipp, Thomas & Perlman, Moshe, Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 1994. 18. Al-Jabarti: ‘Aja’ib, Bd. 3, S. 3–4. 19. Moiret, S. 55. 20. Millet, Pierre: Souvenirs de la campagne d’Égypte (1798–1801), hg. von Stanislas Millet, Paris: Emile-Paul, 1903, S. 48; Nivin Mustafa Hasan, Rashid fi al-’Asr al-’Uthmani: Dirasah Tarikhiya wa Watha’iqiya, Kairo: Dar al-Thaqafa al-’Ilmiya, 1999. 21. François, Charles: Journal du capitaine François, dit le dromadaire d’ Egypte 1792–1830, hg. von Charles Grolleau, 2 Bde., Paris: Carrington, 1903–1904, Bd. 1, S. 195–197. 22. Morand, Charles Antoine: Lettres sur l’expédition d’Égypte (De l’Italie à la prise du Caire), Paris: La Vouivre, 1998, S. 43–44. 23. François, S. 196. 24. Vertray, M.: Journal d’un officier de l’armée d’Egypte, hg. von H. Galli, Paris: Charpentier, 1883, S. 36. 25. Belliard, Lt. Gen. Augustin-Daniel: Mémoires du Comte Belliard, hg. von M. Vinet, Paris: Berquet et Pétion, 1842, S. 107–108. 26. Doguereau, Gen. Jean-Pierre: Journal de l’expédition d’Egypte, hg. von C. de La Jonquière, Paris: Perrin et Cie., 1904, S. 58. 27. Desvernois, S. 109–111.

A n m e r k u n g e n     271

28. Morand, S. 53. 29. Miot, J.: Mémoires pour servir à l’histoire des expéditions en Égypte et en Syrie, Paris: Le Normant, 1814, S. 37–38. 30. Larrey, Bd. 1, S. 205; François, Bd. 1, S. 198–199.

Kapitel 3   1. Napoléon Bonaparte: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Paris: H. Plon, J. Dumaine, 1858–1870, Bd. 4, S. 232, Nr. 2793.   2. Vigo-Roussillon, François: Journal de campagne (1793–1837), Paris: Éditions France-Empire, 1981, S. 63.   3. Marmont, Auguste Frédéric Louis Viesse de: Mémoires du duc de Raguse de 1792 à 1832, Paris: Parrotin, 1857, S. 372–373.   4. Bernoyer, François: Avec Bonaparte en Égypte et en Syrie, 1798–1800: Dix-neuf lettres inédits, hg. von Christian Tortel, Abbeville: Les Presses Françaises, 1976, S. 53; Malus, Étienne-Louis: L’Agenda de Malus: Souvenirs de l’expédition d’Égypte, 1798–1801, hg. von: Gen. Thoumas, Paris: Honoré Champion, 1892, S. 52.   5. Damas/Kléber, 27. Juli 1798, in: Copies of Original Letters from the Army of General Bonaparte in Egypt, Intercepted by the Fleet Under the Command of Admiral Lord Nelson. Erster Teil. Englische Übersetzung, London: 1798, 9. Auflage, S. 77, in: Eighteenth Century Collections Online: Gale Group. .   6. Gough, Hugh: Genocide and the Bicentenary: The French Revolution and the Revenge of the Vendée, in: Historical Journal 30, Nr. 4 (Dez. 1987), S. 977–988; Christofferson, Michael Scott: An Antitotalitarian History of the French Revolution: François Furet’s ‘Penser la Revolution française’ in the Intellectual Politics of the Late 1970 s, in: French Historical Studies 22, Nr. 4, Herbst, 1999, S. 557–611; Sutherland, D. M. G.: The French Revolution and Empire: A Quest for Civic Order, Oxford: Blackwell, 2003, S. 13–74.   7. Vigo-Roussillon, S. 64.   8. Detroye, in: Clément de la Jonquière: L’Expédition d’Égypte 1798–1801, 5 Bde., Paris: H. Charles-Lavauzelle, 1899–1906, Bd. 2, S. 159–160.   9. Sulkowski, in: la Jonquière, Bd. 2, S. 156–158 10. Capitaine Deponthon, in: la Jonquière, Bd. 2, S. 158–159. 11. Say, Jean-Honoré Horace mit Boissy, Louis Laus de: Bonaparte au Caire, Paris: Prault, 7 R. [1799], S. 73. 12. Vigo-Roussillon, S. 65; Miot, J.: Mémoires pour servir à l’histoire des expéditions en Égypte et en Syrie, Paris: Le Normant, (1814), S. 62–66. 13. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 236–237, Nr. 2803; Malus, Étienne-Louis: L’Agenda de Malus: Souvenirs de l’expédition d’Égypte, 1798–1801, hg. von: Gen. Thoumas, Paris: Honoré Champion, 1892, S. 56. 14. Winter, Michael: Egyptian Society Under Ottoman Rule, 1517–1798, London: Routledge, 1992. 15. Tuchscherer, Michel (Hg.): Le commerce du café avant l’ère des plantations coloniales, Kairo: Institut Français d’Archéologie Orientale, 2001; Hanna, Nelly: Making Big Money in 1600: The Life and Times of Isma’il Abu Taqiyya, Egyptian Merchant, Syracuse, N. Y.: Syracuse University Press, 1998; Hattox, Ralph S.: Coffee and Coffeehouses: The Origins of a Social Beverage in the Medieval Near East, Seattle: University of Washington Press, 1985.

272    A n m e r k u n g e n

16. Hathaway, Jane: Ottoman Responses to Çerkes Mehmed Bey’s Rebellion, in Jane Hathaway (Hg.): Mutiny and Rebellion in the Ottoman Empire, S. 108–109. 17. Vigo-Roussillon, S. 65. 18. Moiret, Joseph-Marie: Mémoires sur l’expédition d’Égypte, Paris: Pierre Belfond, 1984, S. 42–43; Pelleport, Pierre de: Souvenirs militaires et intimes, Paris: Didier & Co., 1857, S. 120; Berthier, Louis Alexandre: Mémoires de Maréchal Berthier. . . 1er Partie: Campagne D’Égypte, Paris: Baudouin Frères, 1827, S. 16–17. 19. Pelleport, S. 120–121; Moiret, S. 43. 20. Darendeli, Izzet Hasan Efendi: al-Hamlah al-Firansiyyah ‘ala Misr fi Daw’ Makhtut ‘Uthmani, Übers. Jamal Sa’id ‘Abd al-Ghani, Kairo: al-Hay’ah al-Misriyyah al-’Ammah li’l-Kitab, 1999, S. 148. 21. Dieses sowie die folgenden Zitate sind aus: ‘Abd al-Rahman al-Jabarti: ‘Aja’ib al-athar fi al-tarajim wa al-akhbar, 4 Bde., Bulaq: al-Matba’ah al-Amiriya, 1322/1904, 2. Aufl., Bd. 3, S. 7, laut Übersetzung des Teams unter Philipp und Perlmann. 22. Terrage, Édouard de Villiers du: Journal et souvenirs de l’expédition de l’Égypte (1798– 1801), Paris: Librairie Plon, 1799, S. 50; Kléber/Dumuy, 17. Juli 1798; Kléber/Bonaparte, 21. Juli 1798; Kléber/Menou, 24. Juli 1798, in: Henry Laurens, Kléber en Égypte, 1798–1800, 2 Bde., Kairo: Institut Français de l’Archéologie Orientale, 1988, Bd. 1, Laurens, Henry et al.: L’Expédition d’Égypte: 1798–1801, Paris: A. Colin, 1989, S. 99. 23. Bernoyer, S. 57. 24. François, Charles: Journal du capitaine François, dit le dromadaire d’ Egypte 1792–1830, hg. von Charles Grolleau, 2 Bde., Paris: Carrington, 1903–1904, Bd. 1, S. 202–203. 25. Moiret, S. 34; eine weitere Erwähnung über nackte Dorfkinder in Bernoyer, S. 84. 26. Tomiche, Nada: The Situation of Egyptian Women in the First Half of the Nineteenth Century, in: P. M. Holt (Hg.): The Beginnings of Modernization in the Middle East, Chicago: University of Chicago Press, 1968, S. 171–184, bes. S. 175. 27. Cuno, Kenneth M.: The Pasha’s Peasants: Land, Society and Economy in Lower Egypt, 1780–1858, Cambridge: Cambridge University Press, 1992, Kapitel 3. 28. Dieser und der folgende Paragraph basieren auf: Moiret, S. 45–46; zum niedergebrannten Dorf siehe: Bernoyer, S. 58 29. François, Bd. 1, S. 203–204.

Kapitel 4   1. Der folgende Bericht über die Schlacht an den Pyramiden stammt aus: Vertray, M.: Journal d’un officier de l’armée d’Egypte, hg. von H. Galli, Paris: Charpentier, 1883, S. 56–59; Besancenet, Alfred de: Le Général Dommartin en Italie, et en Égypte, Paris: Téqui, 1887, S. 410; Pelleport, Pierre de: Souvenirs militaires et intimes, Paris: Didier & Co., 1857, S. 121–124; Desvernois, Nicolas-Philibert: Mémoires du Général Baron Desvernois, hg. von Albert Dufourcq, Paris: Plon, 1898, S. 121–128; Moiret, Joseph-Marie: Mémoires sur l’expédition d’Égypte, Paris: P. Belfond, 1984, S. 46–51; Berthier, Louis Alexandre: Mémoires de Maréchal Berthier. 1er Partie: Campagne D’Égypte, Paris: Baudouin Frères, 1827, S. 17–22; Chandler, David G.: The Campaigns of Napoleon, New York: Macmillan, 1966, S. 219–227; Shosenberg, James W.: The Battle of the Pyramids: Futile Victory, in: Napoleon and the French in Egypt and the Holy Land, 1798–1801, hg. von Aryeh

A n m e r k u n g e n     273

Shmuelevitz, Istanbul: Isis Press, 2002, S. 235–251; und al-Jabarti, ‘Abd al-Rahman: Muzhir al-taqdis bi dhihab dawlat al-faransis, Kairo: Matba’at al-Risalah, 1969, S. 39–43.   2. Bonaparte, Napoléon: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Paris: H. Plon, J. Dumaine, 1858–1870, Bd. 4, S. 251, Nr. 2834.   3. Zu den französischen Streitmächten, siehe Martin, Pierre Dominique: Histoire de l’expédition française en Égypte, 2 Bde., Paris: J.-M. Eberhart, 1815, Bd. 1, S. 203–204.   4. Keegan, John: The Face of Battle, New York: Viking Press, 1976; Ich danke außerdem meinem Kollegen John Shy für seine Beiträge zur Kriegsführung im 18. Jahrhundert, eventuelle Fehler habe ich zu verantworten.   5. Saint-Hilaire, Etienne Geoffroy: Lettres d’Égypte, 1798–1801, Paris: Paleo, 2000, S. 43.   6. al-Jabarti, Abd al-Rahman: Aja’ib al-athar fi al-tarajim wa al-akhbar, 4 Bde., Bulaq: al-Matba’ah al-Amiriya, 1322/1904, 2. Aufl., Bd. 3, S. 10.   7. Say, Jean-Honoré Horace mit Boissy, Louis Laus de: Bonaparte au Caire, Paris: Prault, 7 R. [1799], S. 79.   8. Marmont, Auguste Frédéric Louis Viesse de: Mémoires du duc de Raguse de 1792 à 1832, Paris: Parrotin, 1857, S. 385.   9. Dieses und die nachfolgenden Zitate von Laval, Journal, in: Gaston Wiet (Hg.): Journaux sur l’expédition d’Égypte, Paris: Librairie Historique F. Teissedre, 2000, S. 176–178; Malus, Étienne-Louis: L’Agenda de Malus: Souvenirs de l’expédition d’Égypte, 1798–1801, hg. von Gen. Thoumas, Paris: Honoré Champion, 1892, S. 66; Villiers du Terrage, Édouard de: Journal et souvenirs de l’expédition de l’Égypte (1798–1801), Paris: Librairie Plon, 1799, S. 71; François, Charles: Journal du Capitaine François (dit le Dromedaire d’Egypte), 1792–1830, hg. von Charles Grolleau, 2 Bde., Paris: Charles Carrington, 1903–1904, Bd. 1, S. 216. 10. Bulliet, Richard: The Camel and the Wheel, Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1975. 11. Say/de Boissy, S. 136–38; Desvernois, S. 128. 12. Napoléon, Corr., Bd. 4, S. 240, Nr. 2817. 13. Say/de Boissy, S. 126; Malus, L’Agenda, S. 64–65. 14. Al-Jabarti, ‘Aja’ib, Bd. 3, S. 11. 15. Ibd., Bd. 3, S. 11–13. 16. Say/de Boissy, S. 104. 17. Bernoyer, François: Avec Bonaparte en Égypte et en Syrie, 1798–1800: Dix-neuf lettres inédits, hg. von Christian Tortel, Abbeville: Les Presses françaises, 1976, S. 75. 18. Beauharnais, Eugène de: Giza, Josephine, 6 Thermidor 6 (24. Juli 1798), in: Masson, Frédéric: Les Préliminaires de la divorce impériale, Revue de Paris 6, Nov.-Dez. 1900, S. 227–243. 19. Bourrienne, Louis Antoine Fauvelet de: Mémoires de M. de Bourrienne, 10 Bde., Paris: Ladvocat, 1829, Bd. 2, S. 212. 20. Bernoyer, S. 68. 21. Napoléon, Corr., Bd. 4, S. 260, Nr. 2846. 22. Marsot, Afaf Lutfi al-Sayyid: Women and Men in Late Eighteenth-Century Egypt, Austin: University of Texas Press, 1995; Hathaway, Jane: The Politics of Households in Ottoman Egypt: The Rise of the Qazdaglis, Cambridge: Cambridge University Press, 1997, Kap. 6; Peirce, Leslie: The Imperial Harem: Women and Sovereignty in the Ottoman Empire, New York: Oxford University Press, 1993.

274    A n m e r k u n g e n

23. Diese und nachfolgende Stellen von Jean-Gabriel de Niello Sargy: D’Égypte, Bd. 1, hg. von M. Alph. de Beauchamp: Mémoires secrets et inédits pour servir à l’histoire contemporaine, 2 Bde., Paris: Vernarel et Tenon, 1825, Bd. 1, S. 72, 182, 194, 199; Al-Jabarti: ‘Aja’ib, Bd. 3, S. 19. 24. Napoléon, Corr., Bd. 4, S. 267, Nr. 2860. 25. Beauharnais, Eugène de: Mémoires et correspondance politique et militaire du prince Eugène, hg. von Albert du Casse, Paris: Michel Lévy frères, 1858, S. 43–44. 26. Niello Sargy, Bd. 1, S. 182. Niello Sargys Zitate in späteren Abschnitten wurden ebenfalls dieser Quelle entnommen. 27. Raymond, André: Artisans et commerçants au Caire au XVIIIe siècle, Kairo: Institut Français d’Archéologie Orientale, 1999; id., Arab Cities in the Ottoman Period, London: Ashgate, 2002, Kap. 15; Baer, Gabriel: Egyptian Guilds in Modern Times, Jerusalem: Israel Oriental Society, 1964; Ghazaleh, Pascale: Masters of the Trade: Crafts and Craftspeople in Cairo, 1750–1850, Kairo: American University in Cairo Press, 1999. 28. Napoléon, Corr., Bd. 4, S. 294, Nr. 2920. 29. Raymond, André: Le Caire des Janissaires: L’apogée de la ville ottomane sous ‘Abd al-Rahman Katkhuda, Paris: CRNS Editions, 1995, S. 68. 30. Napoléon, Corr., Bd. 4, S. 307, Nr. 2949 und 2950; Al-Jabarti, ‘Aja’ib, Bd. 3, S. 13. 31. Anonym: Journal d’un dragon d’Égypte (14 e Dragons), Paris: E. Dubois, 1899. 32. Napoléon, Corr., Bd. 4, S. 288–289, Nr. 2911. 33. Malus/Cafarelli: 17 Thermidor (4. August 1798), Malus/Cafarelli: 19 Thermidor (6. August 1798), in: Jonquière, Clément de la: L’Expédition d’Égypte 1798–1801, 5 Bde., Paris: H. Charles-Lavauzelle, 1899–1906, Bd. 2, S. 349–350. 34. Desvernois, S. 129.

Kapitel 5   1. Diese und weitere Bezugnahmen auf Desvernois’ Bericht über den Sharqiya-Feldzug sind aus: Mémoires du Général Baron Desvernois, hg. von Albert Dufourcq, Paris: Plon, 1898, S. 130–133. Diese und weitere Bezugnahmen auf Capitaine Malus zeitgenössische Berichte sind aus: Malus/Cafarelli: 17 Thermidor (4. August 1798), Malus/Cafarelli: 19 Thermidor (6. August 1798), in: Clément de la Jonquière, L’Expédition d’Égypte 1798–1801, 5 Bde., Paris: Charles-Lavauzelle, H., 1899–1906, Bd. 2, S. 349–350.   2. Vgl. Cuno, Kenneth M.: The Pasha’s Peasants: Land, Society and Economy in Lower Egypt, 1780–1858, Cambridge: Cambridge University Press, 1992.   3. Napoléon Bonaparte: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Paris: H. Plon, J. Dumaine, 1858–1870, Nr. 2834.   4. Napoléon: Corr., Bd. 5, S. 307, Nr. 3950. Niello Sargy, Jean-Gabriel de, D’Égypte, Bd. 1 von M. Alph. de Beauchamp (Hg.): Mémoires secrets et inédits pour servir à l’histoire contemporaine, 2 Bde., Paris: Vernarel et Tenon, 1825, Bd. 1, S. 77–79, 87; Malus, Étienne-Louis: L’Agenda de Malus: Souvenirs de l’expédition d’Égypte, 1798–1801, hg. von: Gen. Thoumas, Paris: Honoré Champion, 1892, S. 75.   5. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 319–320, No. 2975.   6. ‘Abd al-Rahman al-Jabarti, Muzhir al-taqdis bi dhihab dawlat al-faransis, Kairo: Matba’at al-Risalah, 1969, S. 51–53; id., Aja’ib al-athar fi al-tarajim wa al-akhbar, 4 Bde. Bulaq: al-Matba’ah al-Amiriya, 1322/1904, 2. Auflage, Bd. 3, S. 14–15.

A n m e r k u n g e n     275

  7. Detroye, in: Clément de la Jonquière, L’Expédition d’Égypte 1798–1801, 5 Bde., Paris: H. Charles-Lavauzelle, 1899–1906, Bd. 2, S. 371.   8. Der folgende Bericht über die Schlacht von Salahiyah basiert auf: Bonaparte: Corr., Bd. 4, S. 357–361, Nr. 3045; Al-Jabarti: ‘Aja’ib, Bd. 3, S. 14–15; Darendeli, Izzet Hasan Efendi, al-Hamlah al-Firansiyyah ‘ala Misr fi Daw’ Makhtut ‘Uthmani, Übers. Jamal Sa’id ‘Abd al-Ghani, Kairo: al-Hay’ah al-Misriyyah al-’Ammah li’l-Kitab, 1999, S. 161–164; Desvernois, S. 132–133; Lt. General Augustin-Daniel Belliard: Mémoires du Comte Belliard, hg. von M. Vinet, Paris: Berquet et Pétion, 1842, S. 11–115; Malus: L’Agenda, S. 81–84; Detroye in: la Jonquière, Bd. 2, S. 375–376; François, Charles: Journal du capitaine François, dit le dromadaire d’ Egypte 1792–1830, hg. von Charles Grolleau, 2 Bde., Paris: Carrington, 1903–1904, Bd. 1, S. 217–221; und, hinsichtlich der darauf folgenden Zeit, Saint-Hilaire, Étienne Geoffroy: Lettres d’Égypte, 1798–1801, Paris: Paleo, 2000, S. 59–60.   9. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 334, Nr. 3005. 10. Belliard, S. 114. 11. Hathaway, Jane: The Military Household in Ottoman Egypt, in International Journal of Middle East Studies 27, Nr. 1 (Feb. 1995), S. 39–52. 12. Der Bericht darüber, wie Murad und Ibrahim in den 1780er Jahren geschlagen wurden und über die Invasion von Ghazi Hasan Pasha basiert auf al-Jabarti, ‘Aja’ib, Bd. 2, S. 79–124; Palau, M. Arribas: Sobre la expedición del capitán bajá Gazi Hasan a Egipto (1786–1787), Revista del Instituto Egipcio de Estudios Islámicos en Madrid 22 (1984), S. 207–257; Crecelius, Daniel: Orders of Ghazi Hasan Pasha to the Egyptians, al-Majallah al-Ta’rikhiyah al-’Arabiyah li al-Dirasat al-’Uthmaniyyah Nr. 17–18, (1998), S. 23–33; Charles-Roux, François: Les Origines de l’expédition d’Égypte, Paris: Librairie Plon, 1910, Kap. 6; und Crecelius, Daniel und Djaparidze, Gotcha: Relations of the Georgian Mamluks of Egypt with Their Homeland, in : Journal of the Economic and Social History of the Orient, 45, Nr. 3 2002, S. 320–341. 13. Raymond, André: Égyptiens et Français au Caire, 1798–1801, Kairo: Institut Français d’Archéologie Orientale, 1998, S. 68–69. 14. Crecelius: Orders of Ghazi Hasan Pasha, S. 28. 15. Hathaway: Military Household, S. 47. 16. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 252, Nr. 2834. 17. Cuno: The Pasha’s Peasants. 18. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 266, Nr. 2858; vgl. Bret, Patrice: L’Égypte, au temps de l’expédition de Bonaparte: 1798–1801, Paris: Hachette littératures, 1998, S. 113–118. 19. Guirguis, Magdi: The Organization of the Coptic Community in the Ottoman Period, Hanna, Nelly und Abbas, Raouf (Hg.): Society and Economy in Egypt and the Eastern Mediterranean 1600–1900: Essays in Honor of André Raymond, Kairo und New York: American University in Cairo Press, 2005, S. 201–216. 20. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 270, Nr. 2868. 21. Al-Jabarti: Muzhir, S. 57; id., Mudda al-faransis bi misr, hg. von. Abd al-Rahim A. Abd al-Rahim, Kairo: Dar al-Kitab al-Jami’i, 2000, S. 83; id., Napoleon in Egypt: Al-­Jabarti’s Chronicle of the French Occupation, 1798, Übers. Shmuel Moreh, Princeton und New York: Markus Wiener Publishing, 1995, S. 54. 22. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 348, Nr. 3030. 23. Ibd., Bd. 4, S. 382–383, Nr. 3080.

276    A n m e r k u n g e n

24. Ibd., Bd. 4, S. 285, Nr. 2902. 25. Ibd., Bd. 4, S. 378, Nr. 3074. 26. Al-Jabarti: ‘Aja’ib, Bd. 3, S. 24. 27. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 286–287, Nr. 2907

Kapitel 6   1. Jollois, Prosper: Journal d’un ingénieur attaché a l’expédition d’Égypte, 1798–1802, Paris: Ernest Leroux, 1904, S. 51–53. Jollois’ Zitate in nachfolgenden Abschnitten wurden ebenfalls dieser Quelle entnommen.   2. Copies of Original Letters from the Army of General Bonaparte in Egypt, Intercepted by the Fleet under the Command of Admiral Lord Nelson. Erster Teil. Mit englischer Übersetzung, London, 1798, 9. Aufl., in: Eighteenth Century Collections Online.   3. Dieser Bericht ist eine Pharaphrase von Lavery, Brian: Nelson and the Nile: The Naval War Against Bonaparte 1798, London: Chatham Publishing, 1998, auch unter Bezugnahme auf Battesti, Michèle: La Bataille d’Aboukir 1798: Nelson contrarie la stratégie de Bonaparte, Paris: Economica, 1998.   4. Lavery, S. 221.   5. Zu diesem und nachfolgenden Zitaten und Stellen siehe Malus, Étienne-Louis: L’Agenda de Malus: Souvenirs de l’expédition d’Égypte, 1798–1801, hg. von Gen. Thoumas, Paris: Honoré Champion, 1892, S. 88–89; Marmont, Auguste Frédéric Louis Viesse de: Mémoires du duc de Raguse de 1792 à 1832, Paris: Parrotin, 1857, S. 392; Jollois, S. 54; Boyer/Bonaparte: 10 Thermidor 6 (27. Juli 1798), Correspondance intime de l’armée d’Égypte, interceptée par la croisière anglaise, Paris: R. Pincebourde, 1866, S. 39–42.   6. Lavalette, Comte de: Mémoires et Souvenirs du Comte de Lavalette, Paris: Mercure de France, 1994, S. 191.   7. Marmont in: Brouwet, Émile (Hg.): Napoléon et son Temps: Catalogue de lettres autographes, de documents et de souvenirs napoléoniens faisant partie de la collection de M. Émile Brouwet; dritter Teil, London: Sotheby, 1936, S. 28; Bourrienne, Louis Antoine Fauvelet de: Memoirs of Napoleon Bonaparte, hg. von R. W. Phipps, 4 Bde., New York: Charles Scribner’s Sons, 1892, S. 163.   8. Bourrienne: Memoirs, hg. von Phipps, S. 165.   9. Devernois, Nicolas-Philibert: Mémoires du Général Baron Desvernois, hg. von Albert Dufourcq, Paris: Plon, 1898, S. 134. 10. Melito, André François Miot de: Mémoires du comte Miot de Melito, ancien ministre, ambassadeur, conseiller d’état et membre de l’Institut, 3 Bde., Paris, Michel Lévy frères, 1858, S. 80. 11. LeRoy/Jacotin: 6 Prairial 8, in Jacotin: Papiers, BN 11275. 12. Colbert-Chabanais, Auguste Napoléon Joseph: Traditions et souvenirs; ou, Mémoires touchant le temps et la vie du général Auguste Colbert (1793–1809), 5 Bde., Paris: F. Didto frères, 1863–73, Bd. 2, S. 89. 13. Al-Jabarti‘Abd al-Rahman: ‘Aja’ib al-athar fi al-tarajim wa al-akhbar, 4 Bde., Bulaq: al-Matba’ah al-Amiriya, 1322/1904, 2. Aufl., Bd. 3, S. 15. 14. Saint-Hilaire, Étienne Geoffroy: Lettres d’Égypte, 1798–1801, Paris: Paleo, 2000, S. 43. 15. Die folgende Schilderung des Nilfestes basiert auf Al-Jabarti, Al-Jabarti, ’Abd al-Rahman: Muzhir al-taqdis bi dhihab dawlat al-faransis, Kairo: Matba’at al-Risalah, 1969, S. 53–54; id., ‘Aja’ib, Bd. 3, S. 14–15; Say, Jean-Honoré Horace mit Boissy, Louis Laus

A n m e r k u n g e n     277

de: Bonaparte au Caire, Paris: Prault, 7 R. [1799], S. 129–135; Desvernois, Mémoires, S. 135–137; Le Courrier de L’Égypte in: Jonquière, Clément de la: L’Expédition d’Égypte 1798–1801, 5 Bde., Paris: H. Charles-Lavauzelle, 1899–1906, Bd. 2, S. 480; und Laurens, Henry et al.: L’Expédition d’Égypte: 1798–1801, Paris: A. Colin, 1989, S. 110–111. 16. Cuno, Kenneth: The Pasha’s Peasants, Cambridge: Cambridge University Press, 1992, S. 17–19. 17. Lutfi, Huda: Coptic Festivals of the Nile, in: Philipp, Thomas und Haarman, Ulrich (Hg.): The Mamluks in Egyptian Politics and Society, Cambridge: Cambridge University Press, 1998, S. 254–282. 18. Bernoyer, S. 72; vgl. Lane, Edward William: An Account of the Manners and Customs of the Modern Egyptians, 5. Aufl., hg. von Edward Stanley Poole, London: John Murray, 1860, S. 454. 19. Ibd., S. 76; Al-Jabarti: ‘Aja’ib, Bd. 2, S. 106–107; zur Nacktheit der Derwische siehe: Cousin, Victor: Fragments Philosophiques, Bd. 2, Paris: Ladrange, 1838, 2. Aufl., S. 391. 20. Millet, Pierre: Souvenirs de la campagne d’Égypte (1798–1801), hg. von Stanislas Millet, Paris: Emile-Paul, 1903, S. 54–55. 21. François, Charles: Journal du Capitaine François (dit le Dromadaire d’Egypte), 1792–1830, hg. von Charles Grolleau, 2 Bde., Paris Charles Carrington, 1903–1904, Bd. 1, S. 222–223. 22. Niello Sargy, Jean-Gabriel de: D’Égypte, Bd. 1 von Beauchamp, M. Alph. de (Hg.): Mémoires secrets et inédits pour servir à l’histoire contemporaine, 2 Bde., Paris: Vernarel et Tenon, 1825, Bd. 1, S. 142; Villiers du Terrage, Édouard de: Journal et souvenirs de l’expédition de l’Égypte (1798–1801), Paris: Librairie Plon, 1799, S. 69. 23. Bonaparte, Napoléon: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Paris: H. Plon, J. Dumaine, 1858–1870, Bd. 4, S. 352–53, Nr. 3040. 24. Kléber in Laurens, Henry: Kléber en Égypte, 1798–1800, 2 Bde., Kairo: Institut Français de l’Archéologie Orientale, 1988, Bd. 1, S. 209–211, 213. 25. Doguereau, Gen. Jean-Pierre: Journal de l’expédition d’Egypte, hg. von C. de la Jonquière, Paris: Perrin, 1904, S. 83–84. 26. Marmont, Auguste Frédéric Louis Viesse de: Mémoires du duc de Raguse de 1792 à 1832, Paris: Parrotin, 1857, S. 371, 393–395, 398. In den Quellen gibt es unterschiedliche Angaben zum Zeitpunkt dieses Ereignisses, ob Mitte August, wie Villiers du Terrage in seinen Aufzeichnungen schrieb, oder Anfang September. Die Aufzeichnungen sind zuverlässiger als spätere Memoiren in Bezug auf die Datierung. 27. Bericht von Lt. Col. Théviotte in: Guitry, Paul: L’Armée de Bonaparte en Égypte, Paris: Ernest Flammarion, 1898, S. 144–147; Gerbaud, Pierre-François: Le Capitaine Gerbaud, 1773–1799, hg. von Maxime Mangerel, Paris: Plon, 1910, S. 237–239; Niqula al-Turk, Dhikr Tamalluk Jumhur al-Firansawiyyah al-Aqtar al-Misriyyah wa al-Bilad al-Shamiyyah, hg. von Yasin Suwayd, Beirut: al-Farabi, 1990, S. 51–52; Millet, S. 57; Herold, J. Christopher: Bonaparte in Egypt, New York: Harper and Row, 1962, S. 139–140; Cuno, S. 93. 28. Laurens: L’expédition, S. 122–123. 29. Galland, A.: Tableau de l’Égypte pendant le séjour de l’armée française, 2 Bde., Paris: Cerioux et Galland, R. 11 [1804], Bd. 1, S. 50–51. 30. Millet, S. 57. 31. Niello Sargy, S. 148.

278    A n m e r k u n g e n

Kapitel 7   1. Napoléon Bonaparte: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Paris: Plon, H., Dumaine, J., 1858–1870, Bd. 4, S. 363, Nr. 3050.   2. Vivant Denon, Dominique: Voyage dans la Basse et la Haute Égypte, Paris: Editions Gallimard, 1998 [Erstveröffentlichung 1802], S. 95–96.   3. Der folgende Bericht basiert auf al-Jabarti: Mudda al-faransis bi misr, hg. von Abd al-Rahim A. Abd al-Rahim, Kairo: Dar al-Kitab al-Jami’i, 2000, S. 77–78; id.: Napoleon in Egypt: Al-Jabarti’s Chronicle of the French Occupation, 1798, Übers. Shmuel Moreh, Princeton und New York: Markus Wiener Publishing, 1995, S. 51; Niqula al-Turk, Dhikr Tamalluk Jumhur al-Firansawiyyah al-Aqtar al-Misriyyah wa al-Bilad al-Shamiyyah, hg. von. Yasin Suwayd, Beirut, al-Farabi, 1990, S. 46; Desvernois, Nicolas-Philibert: Mémoires du Général Baron Desvernois, hg. von Albert Dufourcq, Paris: Plon, 1898, S. 137; Jean-Gabriel de Niello Sargy: D’Égypte, Bd. 1 von M. Alph. de Beauchamp (Hg.): Mémoires secrets et inédits pour servir à l’histoire contemporaine, 2 Bde., Paris: Vernarel et Tenon, 1825, Bd. 1, S. 176–177; Malus, Étienne-Louis: L’Agenda de Malus: Souvenirs de l’expédition d’Égypte, 1798–1801, hg. von: Gen. Thoumas, Paris: Honoré Champion, 1892, S. 89–90; Moiret, Joseph-Marie: Mémoires sur l’expédition d’Égypte, Paris: Pierre Belfond, 1984, S. 58; Detroye, in: Clément de la Jonquière: L’Expédition d’Égypte 1798–1801, 5 Bde., Paris: H. Charles-Lavauzelle, 1899–1906, Bd. 2, S. 481–82; Terrage, Édouard de Villiers du: Journal et souvenirs de l’expédition de l’Égypte (1798–1801), Paris: Librairie Plon, 1799, S. 71–72.   4. Denon: Voyage, S. 97.   5. Millet, Pierre: Souvenirs de la campagne d’Égypte (1798–1801), hg. von Stanislas Millet, Paris: Emile-Paul, 1903, S. 63.   6. Say, Jean-Honoré Horace mit Boissy, Louis Laus de: Bonaparte au Caire, Paris: Prault, 7 R. [1799], S. 126.   7. Pelleport, Pierre de: Souvenirs militaires et intimes, Paris: Didier & Co., 1857, S. 429.   8. Napoléon Bonaparte: Campagnes d’Égypte et de Syrie, hg. von. Henry Laurens, Paris: Imprimerie Nationale, 1998, S. 142–147; Bourrienne, Louis Antoine Fauvelet de: Memoirs of Napoleon Bonaparte, hg. von R. W. Phipps, 4 Bde. New York: Charles Scribner’s Sons, 1892, Bd. 1, S. 170 n.    9. Bonaparte/Kléber: 12 Thermidor 6 (30. Juli 1798), Nr. 2880, in: Christian Cherfils: Bonaparte et l’Islam d’après les documents français et arabes, Paris: A. Pedone, 1914, S. 19–20. 10. Napoléon: Campagnes, S. 140–141; Mustapha al-Ahnaf: Cheikh al-Mahdi (1737–1815): uléma, médiateur et businessman Monde arabe, n. 1, 2ème série (1er semestre 1999), S. 115–149. 11. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 420, Nr. 3148. 12. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 413, Nr. 3136. Abir, M.: The ‘Arab Rebellion’ of Amir Ghalib of Mecca (1788–1813), in: Middle Eastern Studies 3 (1971), 185–200. 13. Desvernois: Mémoires, S. 135–137; Saint-Hilaire, Étienne Geoffroy: Lettres d’Égypte, 1798–1801, Paris: Paleo, 2000, S. 57. 14. La Jonquière, Bd. 2, S. 8–9.  15. Gen. Dupuis/Deville, 19. August 1798, in: Guitry, Paul: L’Armée de Bonaparte en Égypte , Paris: Ernest Flammarion, 1898, S. 152. 16. Moiret, S. 79.

A n m e r k u n g e n     279

17. Moiret, S. 80; zu seiner Kritik an Mohammed wegen des Alkoholverbots, siehe S. 100. 18. Bernoyer, François: Avec Bonaparte en Égypte et en Syrie, 1798–1800: Dix-neuf lettres inédits, hg. von Christian Tortel, Abbeville: Les Presses Françaises, 1976, S. 126–127. 19. Marmont, Auguste Frédéric Louis Viesse de: Mémoires du duc de Raguse de 1792 à 1832, Paris: Parrotin, 1857, S. 422. 20. Moiret, S. 104–113. 21. Ibd., S. 180. 22. Montesquieu, Charles de Secondat de: L’Esprit des lois, hg. von. Laurent Versini, Paris: Gallimard, 1995), S. 113. 23. Bousquet, G.-H.: Voltaire et l’Islam, in: Studia Islamica 28 (1968), S. 109–126; 24. Joubin, Rebecca: Islam and Arabs through the Eyes of the Encyclopédie: The ‘Other’ as a Case of French Cultural Self-Criticism, in: International Journal of Middle East Studies 32, Nr. 2 (Mai 2000), S. 197–217. 25. Napoléon: Campagnes, S. 152–153.

Kapitel 8   1. Kléber/Bonaparte, 28 August 1798, in: La Jonquière, Clément de la: L’Expédition d’Égypte 1798–1801, 5 Bde., Paris: H. Charles-Lavauzelle, 1899–1906, Bd. 2, S. 75–78.   2. Kléber: Journal, in: La Jonquière, Bd. 2, S. 104; Laurens, Henry et al.: L’Expédition d’Égypte: 1798–1801, Paris: A. Colin, 1989, S. 107.   3. Dugua/Bonaparte: 18 Fructidor 6 (4. September 1798), in: La Jonquière, Bd. 2, S. 130–131.   4. Bonaparte, Napoléon: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Paris: H. Plon, J. Dumaine, 1858–1870, Bd. 4, S. 471–72, Nr. 3252.   5. Verdier/Dugua: 15. September 1798; und Laugier: Journal, in: La Jonquière, Bd. 2, S. 134–137, 136 n.   6. Say, Jean-Honoré Horace mit Boissy, Louis Laus de: Bonaparte au Caire, Paris: Prault, 7 R. [1799], S. 153–154.   7. Napoléon: Corr., Bd. 4, S. 390, Nr. 3091; Laurens, Henry et al.: L’Expédition d’Égypte: 1798–1801, Paris: A. Colin, 1989, S. 111–112.   8. Maza, Sarah C.: Private Lives and Public Affairs: The Causes Célèbres of Pre­ revolutionary France, Berkeley: University of California Press, 1993, S. 60–62; Maza, Sarah: Luxury, Morality, and Social Change: Why There Was No Middle-Class Consciousness in Prerevolutionary France, in: Journal of Modern History 69, Nr. 2. (Juni 1997), S. 199–229; Maslan, Susan: Revolutionary Acts: Theater, ­Democracy, and the French Revolution, Baltimore: Johns Hopkins University Press, 2005; Triolaire, Cyrole: Contrôle Social et arts du spectacle en province pendant le consulat et l’empire: L’exemple du Puy-de-Dôme, Annales historiques de la Révolution française 333 (2003), S. 45–66, Zitat auf S. 47; Bonaparte/Tallien: 16 Vendémiaire 7 (7. Oktober 1798), in: Brouwet, Émile (Hg.): Napoléon et son Temps: Catalogue de lettres autographes, de documents et de souvenirs napoléoniens faisant partie de la collection de m. Émile Brouwet; troisième partie, London: Sotheby, 1936, S. 3; Bernoyer, François: Avec Bonaparte en Égypte et en Syrie, 1798–1800: Dix-neuf lettres inédits, hg. von. Christian Tortel, Abbeville: Les Presses françaises, 1976, S. 93; Saint-Hilaire, Etienne Geoffroy: Lettres d’Égypte, 1798–1801, Paris: Paleo, 2000, S. 103.

280    A n m e r k u n g e n

  9. Say/de Boissy, S. 161; Boissy, Louis Laus de: La Vraie Republicaine, Paris: De l’Imprimerie de Cailleau, 1794; Jauffret, Eugène: Le Théâtre revolutionnaire (1788–1799), Paris: Furne, Jouvet et Cie., 1869, S. 296–297. 10. Say/de Boissy, S. 118–120; vgl. dazu, wie Frauen arabische Poesie zur Selbstdarstellung nutzten, Abu-Lughod, Lila: Veiled Sentiments: Honor and Poetry in a Bedouin Society, Berkeley: University of California Press, 1986. 11. Darnton, Robert: The Forbidden Bestsellers of Prerevolutionary France, New York: Norton, 1996; Lynn Hunt (Hg.): The Invention of Pornography: Obscenity and the Origins of Pornography, 1500–1800, New York: Zone Books, 1993; McDonald, Christie: Changing Stakes: Pornography, Privacy, and the Perils of Democracy, Yale French Studies 100 (2001), S. 88–115. 12. Niello Sargy, Jean-Gabriel de: D’Égypte, Bd. 1 von M. Alph. de Beauchamp (Hg.): Mémoires secrets et inédits pour servir à l’histoire contemporaine, 2 Bde., Paris: Vernarel et Tenon, 1825, Bd. 1, S. 335–338. 13. Sendesni, Wajda: Regard de l’historiographie Ottomane sur la révolution française et l’expédition d’Égypte: Tarih-i Cevdet, Istanbul: Les Editions Isis, 2003, S. 79–117, diese Stelle steht auf S. 85. Zu den diplomatischen Beziehungen zwischen Osmanen und Franzosen in jener Zeit siehe: Soysal, Ismail: Fransiz ihtilali veTürk-Fransiz Diplomasi Münasebetleri (1789–1802), Ankara: Türk Tarih Kurumu Basimevi, 1987. 14. Shaw, Stanford J.: Between Old and New: The Ottoman Empire Under Sultan Selim III, 1789–1807, Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1971. 15. Schom, Alan: Napoleon Bonaparte, New York: Harper Perennial, 1998, S. 26–27; vgl. Bourrienne, Louis Antoine Fauvelet de: Memoirs of Napoleon Bonaparte, hg. von R. W. Phipps, 4 Bde., New York: Charles Scribner’s Sons, 1892, S. 28–37. 16. Poniatowski, Michel: Talleyrand et le Directoire, 1796–1800, Paris: Librairie Académique Perrin, 1982. 17. Shaw: Between Old and New, S. 255–257; Soysal: Fransiz ihtilali, S. 208–254. 18. Die Korrespondenz von Ruffin, die in diesem und dem nachfolgenden Abschnitt zitiert wird in Ruffin/Talleyrand: 14 Thermidor 6 (1. August 1798); und Ruffin/Talleyrand: 23 Thermidor 6 (10. August 1798), in: La Jonquière, Bd. 2, S. 600–609; siehe auch Soysal: Fransiz Ihtilali, S. 241. 19. Bonaparte/Grand Vizir: 5 Fructidor 6 (22. August 1798), in: Napoléon: Corr. Bd. 4, S. 379, Nr. 3076. 20. Shaw: Between Old and New, S. 263–265; Soysal: Fransiz Ihtilali, S. 243–44; Izzet Hasan Efendi Darendeli, al-Hamlah al-Firansiyyah ‘ala Misr fi Daw’ Makhtut ‘Uthmani, Übers. Jamal Sa’id ‘Abd al-Ghani, Kairo: al-Hay’ah al-Misriyyah al-’Ammah li’l-Kitab, 1999. 21. Soysal: Fransiz Ihtilali, S. 244; La Jonquière, Bd. 2, S. 233–235 22. Hoheitliches Dekret, ca. 1. September 1798, in Kabrda, Joseph: Quelques firmans concernant les relations Franco-Turques lors de l’expédition de Bonaparte en Égypte (1798–1799), Paris: Imprimerie Nationale, 1947, osmanischer Text, S. 6; Kabrdas Übersetzung auf S. 74–78; Peters, Rudolph: Islam and Colonialism: The Doctrine of Jihad in Modern History, Den Haag; New York: Mouton, 1979. 23. Darendeli, al-Hamlah, S. 177–182; McCranie, Kevin: The Operations and Effectiveness of the Ottoman Navy During Napoleon’s Invasion of Egypt, 1798–1801, in: ­ Shmuelevitz, Aryeh (Hg.): Napoleon and the French in Egypt and the Holy Land, 1798–1801, Istanbul: Isis Press, 2002, S. 155–164; diese Periode, S. 155–158.

A n m e r k u n g e n     281

24. Al-Jabarti: ‘Aja’ib, Bd. 3, S. 18–21; Niello Sargy, Bd. 1, S. 184. 25. Firman du Grand Vizir, in: Moiret, Joseph-Marie: Mémoires sur l’expédition d’Égypte, Paris: Pierre Belfond, 1984, S. 74–76. 26. Abdullah al-Sharqawi: Tuhfat al-Nazirin fiman waliya Misr min al-Muluk wa al-Salatin (Hg.): Rihab Abd al-Hamid al-Qari, Kairo: Madbuli, 1996, S. 122–123. 27. Zu Kultur und den Wissenschaften der Ulema siehe: Gran, Peter: The Islamic Roots of Capitalism: Egypt, 1760–1840, Austin: University of Texas Press, 1979. 28. Desvernois, Nicolas-Philibert: Mémoires du Général Baron Desvernois, hg. von Albert Dufourcq, Paris: Plon, 1898, S. 142.

Kapitel 9   1. Der detaillierte Bericht von Jean-Gabriel de Niello Sargy über den Kampf im ManzalaGebiet ist in D’Égypte, Bd. 1 von M. Alph. de Beauchamp (Hg.): Mémoires secrets et inédits pour servir à l’histoire contemporaine, 2 Bde., Paris: Vernarel et Tenon, 1825, Bd. 1, S. 148–174; siehe auch Niqula al-Turk: Dhikr Tamalluk Jumhur al-Firansawiyyah al-Aqtar al-Misriyyah wa al-Bilad al-Shamiyyah, hg. von. Yasin Suwayd, Beirut, al-Farabi, 1990, S. 52–54; Gerbaud, Pierre-François, Le Capitaine Gerbaud, 1773– 1799, hg. von. Maxime Mangerel, Paris: Plon, 1910, S. 250–252; Say, Jean-Honoré Horace mit Boissy, Louis Laus de: Bonaparte au Caire, Paris: Prault, 7 R. [1799], S. 140–141; Moiret, Joseph-Marie: Mémoires sur l’expédition d’Égypte; Millet, Pierre: Souvenirs de la campagne d’Égypte (1798–1801), hg. von Stanislas Millet, Paris: Emile-Paul, 1903, S. 57–60; Jonquière, Clément de la: L’Expédition d’Égypte 1798–1801; Laurens, Henry et al.: L’Expédition d’Égypte: 1798–1801, Paris: A. Colin, 1989, S. 125–126.   2. Gerbaud, S. 246; Millet, S. 61.   3. Millet, S. 57–59; Gerbaud, S. 250.   4. Napoléon Bonaparte: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Bd. 5, S. 5–6, Nr. 3374.   5. Bates, Daniel: The Role of the State in Peasant-Nomad Mutualism, in: Anthropological Quarterly 44, Nr. 3 (Juli 1971), S. 109–131.   6. Siehe Ozouf, Mona: La fête révolutionnaire, 1789–1799, Paris: Gallimard, 1976; Übers. Alan Sheridan: Festivals and the French Revolution, Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1988.   7. Hunt, Lynn: Politics, Culture and Class in the French Revolution, Berkeley: University of California Press, 1984, S. 19–20.   8. Quellen für das Fest der Republik: La Jonquière, Bd. 2, S. 22–29; Say/de Boissy, S. 141–149; Desvernois, Nicolas-Philibert: Mémoires du Général Baron Desvernois, hg. von Albert Dufourcq, Paris: Plon, 1898, S. 138–140; Moiret, S. 64–65; Norry, Charles: An Account of the French Expedition to Egypt: Comprehending a View of the Country of Lower Egypt, its Cities, Monuments, and Inhabitants, at the Time of the Arrival of the French; . . . übersetzt aus dem Französischen, London: 1800, S. 26–27, Eighteenth Century Collections Online. Gale Group. , S. 19; Bernoyer, François: Avec Bonaparte en Égypte et en Syrie, 1798–1800: Dix-neuf lettres inédits, hg. von Christian Tortel, Abbeville: Les Presses Françaises, 1976, S. 79–80; Malus, Étienne-Louis: L’Agenda de Malus: Souvenirs de l’expédition d’Égypte, 1798–1801, hg. von: Gen. Thoumas, Paris: Honoré Champion, 1892, S. 92–93; Niello Sargy, Bd. 1, S. 176–177; Jollois, Prosper: Journal d’un ingénieur

282    A n m e r k u n g e n

attaché a l’expédition d’Égypte, 1798–1802, Paris: Ernest Leroux, 1904, S. 61–62. Pelleport, Pierre de: Souvenirs militaires et intimes, Paris: Didier & Co., 1857, S. 130– 131. Terrage, Édouard de Villiers du: Journal et souvenirs de l’expédition de l’Égypte (1798–1801), Paris: Librairie Plon, 1799, S. 76; Laurens, Henry et al., L’Expédition d’Égypte: 1798–1801, Paris: A. Colin, 1989, S. 120–121, Herold, J. Christopher: Bonaparte in Egypt, New York: Harper and Row, 1962, S. 153–155.   9. Byrnes, Joseph F.: Celebration of the Revolutionary Festivals Under the Directory: A Failure of Sacrality, in: Church History 63, Nr. 2 (Juni 1994), S. 201–220. 10. Bonaparte: Corr., Bd. 5, S. 1, Nr. 3365. 11. Say/de Boissy, S. 142. 12. Robespierre in Hunt: Politics, S. 46. 13. Say/de Boissy, S. 139. 14. Ibd., S. 166–167. 15. Ibd. , S. 107. Ich sehe diesen Abschnitt als eine Ergänzung durch Laus de Boissy, denn darin ist von Auseinandersetzungen in Frankreich nach der Landung der ägyptischen Expedition die Rede, von denen Horace Say kaum Kenntnis haben konnte. 16. Hunt, Lynn: The Family Romance of the French Revolution, Berkeley und Los Angeles: University of California Press, 1992. 17. Bernoyer, S. 85–86. 18. Maza, Sarah C.: Private Lives and Public Affairs: The Causes Célèbres of Prerevolutionary France, Berkeley: University of California Press, 1993, S. 279–280. 19. Grigsby, Darcy Grimaldo: „Rumor, Contagion, and Colonization in Gros’s PlagueStricken of Jaffa (1804), in: „Representations no. 51 (Summer, 1995), S. 1–46. 20. Bernoyer, S. 86. 21. Hunt: Politics, S. 28. 22. Doguereau, Gen. Jean-Pierre: Journal de l’expédition d’Egypte, hg. von C. de La Jonquière, Paris: Perrin et Cie., 1904, S. 69–70. 23. Ibd., S. 70–77; siehe auch, Frank, Louis: Mémoire sur le commerce des nègres au Kaire, et sur les maladies auxquelles ils son sujets en arrivant, Übers. Michel Le Gall, in: Marmon, Shaun E. (Hg.): Slavery in the Islamic Middle East, Princeton, N. J.: Markus Wiener, 1999, S. 69–88; und Bret, Patrice: L’Égypte au temps de l’expédition de Bonaparte, 1798–1801, Paris: Hachette littératures, 1998, S. 132–138; 24. Saint-Hilaire, Étienne Geoffroy: Lettres d’Égypte, 1798–1801, Paris: Paleo, 2000, S. 81. 25. Admiral Perée/La Jolle: 28. Juli 1798, in: Copies of Original Letters from the Army of General Bonaparte in Egypt, Intercepted by the Fleet under the Command of Admiral Lord Nelson. Erster Teil. Englische Übersetzung, London, 1798, 9. Auflage, S. 19. 26. Niello Sargy, Bd. 1, S. 193–195. 27. Diese Eskapade ist erwähnt in Bernoyer, S. 98–101. 28. Bernoyer, S. 99. 29. Zum sudanisch-ägyptischen Sklavenhandel in dieser Zeit siehe Walz, Terence, Trade Between Egypt and Bilad as-Sudan, 1700–1820, Kairo: Institut Français d’Archéologie Orientale du Caire, 1978, s. zum mittelalterlichen Hintergrund siehe Ahmad Abd ar-Raziq: La femme au temps des mamlouks en Égypte, Kairo: Institut Français d’Archéologie Orientale, 1973. 30. Napoléon Bonaparte: Campagnes d’Égypte et de Syrie, hg. von. Henry Laurens, Paris: Imprimerie Nationale, 1998, S. 153 31. Doguereau, S. 70–77

A n m e r k u n g e n     283

32. Niello Sargy, Bd. 1, S. 218–19. 33. Peabody, Sue: There Are No Slaves in France, Oxford: Oxford University Press, 1996. 34. Hunting, Claudine: The Philosophes and Black Slavery: 1748–1765, in: Journal of the History of Ideas 39, Nr. 3 (Jul.-Sep. 1978), S. 405–418. 35. Benot, Yves: Les Lumières, l’esclavage, la colonisation, Paris: Éditions de la Découverte, 2005, S. 252–263; Piquet, Jean-Daniel: Robespierre et la liberté des noirs en l’an II, in: Annales historiques de la Révolution français 323 (2001), S. 69–91; Stinchcombe, Arthur L.: Sugar Island Slavery in the Age of Enlightenment: The Political Economy of the Caribbean World, Princeton, N. J.: Princeton University Press, 1995; Dubois, Laurent: Avengers of the New World: The Story of the Haitian Revolution, Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 2004.

Kapitel 10   1. Detroye, Jean-François, in: Clément de la Jonquière: L’Expédition d’Égypte 1798–1801, 5 Bde. Paris: H. Charles-Lavauzelle, 1899–1906, Bd. 2, S. 279.   2. Doguereau, Jean-Pierre: Journal de l’expédition d’Égypte, hg. von C. de La Jonquière, Paris: Perrin et Cie., 1904, S. 90–91; Bernoyer, S. 88–89;   3. Bernoyer, S. 88; Norry, Charles: An Account of the French Expedition to Egypt: Comprehending a View of the Country of Lower Egypt, its Cities, Monuments, and Inhabitants, at the Time of the Arrival of the French; . . . S. 22–23;   4. Niello Sargy, Jean-Gabriel de: D’Égypte, Bd. 1 von M. Alph. de Beauchamp (Hg.): Mémoires secrets et inédits pour servir à l’histoire contemporaine, 2 Bde., Paris: Vernarel et Tenon, 1825, Bd. 1, S. 187;   5. Al-Jabarti ‘Abd al-Rahman: Ta’rikh, Muddat al-faransis bi misr, hg. von Abd al-Rahim A. Abd al-Rahim, Kairo: Dar al-Kitab al-Jami’i, 2000, S. 131–132; id.: Napoleon in Egypt: Al-Jabarti’s Chronicle of the French Occupation, 1798, Übers. Shmuel Moreh, Princeton und New York: Markus Wiener Publishing, 1995, S. 87.   6. Napoléon Bonaparte: Campagnes d’Égypte et de Syrie, hg. von. Henry Laurens, Paris: Imprimerie Nationale, 1998, S. 163; Niello Sargy, Bd. 1, S. 186.   7. Bonaparte: Campagnes, S. 163–64; Doguereau, S. 90–91; Malus, Étienne-Louis: L’Agenda de Malus: Souvenirs de l’expédition d’Égypte, 1798–1801, hg. von: Gen. Thoumas, Paris: Honoré Champion, 1892, S. 95.   8. Pelleport, Pierre de: Souvenirs militaires et intimes, Paris: Didier & Co., 1857, S. 131; Bonaparte: Campagnes, S. 163.   9. Dogeureau, S. 92–93; Bourrienne, Louis Antoine Fauvelet de: Memoirs of Napoleon Bonaparte, hg. von R. W. Phipps, 4 Bde., New York: Charles Scribner’s Sons, 1892, S. 176; Desvernois, Nicolas-Philibert: Mémoires du Général Baron Desvernois, hg. von Albert Dufourcq, Paris: Plon, 1898, S. 145. 10. Al-Jabarti: Mudda: S. 133–134; id.: Napoleon in Egypt, S. 89; Dogeureau, S. 93; Bernoyer, S. 89. 11. Al-Jabarti: Mudda, S. 134–135; id.: Napoleon in Egypt, S. 90. 12. Bernoyer, S. 89–90. 13. Pelleport, S. 131–132. 14. Ibd., S. 132. 15. Vigo-Roussillon, François: Journal de campagne (1793–1837), Paris: Éditions France-Empire, 1981, S. 76.

284    A n m e r k u n g e n

16. Bernoyer, S. 90–92. Auch die folgenden Paragraphen basieren weitgehend auf dieser Quelle. 17. Grandjean: Journal, in Wiet, Gaston (Hg.): Journaux sur l’expédition d’Égypte, Paris: Librairie Historique F. Teissedre, 2000, S. 98–100; Detroye in: la Jonquière, Bd. 2, S. 282; Saint-Hilaire, Étienne Geoffroy: Lettres d’Égypte, 1798–1801, Paris: Paleo, 2000, S. 75. 18. Laval: Journal, in Wiet (Hg.): Journaux, S. 181–182. 19. Napoléon Bonaparte: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Paris: Plon, H., Dumaine, J., 1858–1870, Bd. 5, S. 89–90, Nr. 3527. 20. Detroye in la Jonquière, Bd. 2, S. 283. 21. Al-Jabarti ‘Abd al-Rahman: ‘Aja’ib al-athar fi al-tarajim wa al-akhbar, 4 Bde., Bulaq: al-Matba’ah al-Amiriya, 1322/1904, 2. Auflage, Bd. 3, S. 27–33. 22. Napoléon: Corr., Bd. 5, S. 112, Nr. 3571. 23. Laval: Journal, in Wiet (Hg.): Journaux, S. 181–182. 24. Bernoyer, S. 92. 25. Bonaparte in Moiret, Joseph-Marie: Mémoires sur l’expédition d’Égypte, Paris: P. Belfond, 1984, S. 79. 26. Martin, Andrew: „The Mask of the Prophet: Napoleon, Borges, Verne, in: „Comparative Literature 40, Nr. 4 (Herbst 1988), S. 318–334. 27. Saint-Hilaire, S. 42. 28. Al-Jabarti: Mudda, S. 168–169; id.: Napoléon in Egypt, S. 113–114. 29. Moiret, S. 80, Zitat unten, S. 76. 30. Napoléon: Corr., Bd. 5, S. 98, Nr. 3542, und la Jonquière, Bd. 2, S. 290; zu den Kopten, siehe Napoléon: Corr., Bd. 5, S. 184–185, Nr. 3717. 31. Raymond, André: Égyptiens et Français au Caire, 1798–1801, Kairo: Institut Français d’Archéologie Orientale, 1998, S. 63–64. 32. Say, Jean-Honoré Horace mit Boissy, Louis Laus de: Bonaparte au Caire, Paris: Prault, 7 R. [1799], S. 99 n. Ich denke, ich bin der erste Historiker, dem es gelungen ist, für diesen Abschnitt, der von einigen Lucien Bonaparte zugeschrieben wurde, den korrekten Autor zu nennen (er war mit „L. B.“ signiert, für Laus de Boissy). 33. Laurens, Henry: Orientales I: Autour de l’expédition d’Égypte, Paris: CNRS Editions, 2004, S. 121–142; 34. Napoléon: Corr., Bd. 5, S. 128; Nr. 3605.

Kapitel 11   1. François, Charles: Journal du Capitaine François (dit le Dromadaire d’Égypte), 1792–1830, hg. von Charles Grolleau, 2 Bde., Paris: Charles Carrington, 1903–1904, Bd. 1, S. 232–144; Bourrienne, Louis Antoine Fauvelet de: Mémoires de M. de Bourrienne, 10 Bde., Paris: Ladvocat, 1829, Bd. 2, S. 185; id.: Memoirs of Napoleon Bonaparte, hg. von. R. W. Phipps, 4 Bde., New York: Charles Scribner’s Sons, 1892, Bd. 1, S. 177.   2. Lavalette, Comte de: Mémoires et Souvenirs du Comte de Lavalette, Paris: Mercure de France, 1994, S. 193–194.   3. Bonaparte, Napoléon: Campagnes d’Égypte et de Syrie, hg. von Henry Laurens, Paris: Imprimerie Nationale, 1998, Bd. 5, S. 97, Nr. 3540.   4. Bonaparte, Napoléon: Correspondence de Napoléon Ier, 34 Bde., Paris: H. Plon, J. Dumaine, 1858–1870, Bd. 5, S. 107, Nr. 3565; Gerbaud, Pierre-François: Le Capitaine Gerbaud, 1773–1799, hg. von Maxime Mangerel, Paris: Plon, 1910, S. 264–265.

A n m e r k u n g e n     285

  5. Lavalette, S. 193–194.   6. Napoléon: Corr., Bd. 5, S. 133, Nr. 3616; Gerbaud, S. 259, 267.   7. Jollois, Prosper: Journal d’un ingénieur attaché a l’expédition d’Égypte, 1798–1802, Paris: Ernest Leroux, 1904, S. 77; Gerbaud, S. 259.   8. Anonym: Journal d’un dragon d’Égypte (14 e Dragons), Paris: E. Dubois, 1899, S. 49; zu Kapitän Umar siehe Napoléon: Corr., Bd. 5, S. 97, Nr. 3541.   9. Gerbaud, S. 273. 10. Laugier in: La Jonquière, Clément de: L’Expédition d’Égypte 1798–1801, 5 Bde., Paris: H. Charles-Lavauzelle, 1899–1906, Bd. 2, S. 461–2. Im französischen Text steht „Tabiluhah“, aber da ist wahrscheinlich ein Fehler beim Lesen des Arabischen unterlaufen (ein Punkt, nicht zwei). Nabiluhah ist ein Dorf in Buhayrah, westlich von Mansura. 11. Jollois, S. 75. 12. Moiret, Joseph-Marie: Mémoires sur l’expédition d’Égypt, Paris: Pierre Belfond, 1984, S. 72–73. 13. Niello Sargy, Jean-Gabriel de: D’Égypte, Bd. 1 von Beauchamp, M. Alph. de (Hg.): Mémoires secrets et inédits pour servir à l’histoire contemporaine, 2 Bde., Paris: Vernarel et Tenon, 1825, Bd. 1, S. 172–174. 14. Millet, Pierre: Souvenirs de la campagne d’Égypte (1798–1801), hg. von Stanislas Millet, Paris: Emile-Paul, 1903, S. 66; La Jonquière, Bd. 2, S. 457. 15. Briefe des Sultans Selim III. an die Muslime und an Cezzar Pasha in: Shihab, Haydar Ahmad: Ta’rikh Ahmad Jazzar Basha, Beirut: Librairie Antoine, 1955, S. 123–130. 16. Beauharnais, Eugène de: Mémoires et correspondance politique et militaire du prince Eugène, hg. von Albert du Casse, Paris: Michel Lévy frères, 1858, S. 47–48; François, S. 245; La Jonquière, Bd. 2, S. 443–502; Al-Gabartis Beschreibung weiter unten stammt aus: Al-Jabarti, ‘Abd al-Rahman: Muzhir al-taqdis bi dhihab dawlat al-faransis, Kairo: Matba’at al-Risalah, 1969, S. 100. 17. Bonaparte/Daure: 3 Nivose R. 7 (23. Dezember 1798), in: Brouwet, Émile (Hg.): Napoléon et son Temps: Catalogue de lettres autographes, de documents et de souvenirs napoléoniens faisant partie de la collection de M. Émile Brouwet; troisième partie, London: Sotheby, 1936, S. 7; Bonaparte/Caffarelli: 22. Dez. 1798, in: La Jonquière, Bd. 2, S. 476. 18. Al-Jabarti, Abd al-Rahman: ‘Aja’ib al-athar fi al-tarajim wa al-akhbar, 4 Bde., Bulaq: al-Matba’ah al-Amiriya, 1322/1904, 2. Aufl., Bd. 3, S. 36–37. 19. Doguereau, General Jean-Pierre: Journal de l’expédition d’Égypte, hg. von C. de la Jonquière, Paris: Perrin et Cie., 1904, S. 103–113; Bourrienne, Mémoires, Bd. 2, S. 190–197; id., Memoirs, Bd. 1, S. 181–182. 20. Abir, M.: The ‘Arab Rebellion’ of Amir Ghalib of Mecca (1788–1813), Middle Eastern Studies, 3 (1971), S. 192–193; Lutf Allah Jahhaf: Nusus Yamaniya ‘an al-hamla al-Faransiya ‘ala Misr, hg. von Sayyid Mustafa Salim, Kairo: Markaz al-Dirasat al-Yamaniyah, 1975, S. 128–129. 21. Belliard, Lt. Gen. Augustin-Daniel: Mémoires du Comte Belliard, hg. von M. Vinet, Paris: Berquet et Pétion, 1842, S. 176. 22. Doguereau, S. 132–133. 23. Lavalette, S. 194. Die nachfolgenden Stellen wurden ebenfalls dieser Quelle entnommen 24. Desvernois, Nicolas-Philibert: Mémoires du Général Baron Desvernois, hg. von Albert Dufourcq, Paris: Plon, 1898, S. 146–148. 25. Bourrienne: Mémoires, Bd. 2, S. 188–189; id., Memoirs, Bd. 1, S. 179.

286    A n m e r k u n g e n

26. Joseph Beauchamps Bericht über seine astronomische und geographische Forschung in Irak und Iran in: Bibliothèque Nationale (BN), Ms. 10157; zu Bonapartes Beschreibung seiner Mission siehe: Corr. Bd. 5, S. 199, 201, Nr. 3742 und 3746; Laurens, Henry et al.: L’Expédition d’Égypte: 1798–1801, Paris: A. Colin, 1989, S. 160–170. 27. Venture de Paradis, Jean Michel de: Mémoire sur la nécessité d’encourager en France l’étude des langues Orientales, Papiers, Bibliothèque Nationale, Département des Manuscrits, 9137, foll. 2 b–8 b. 28. Lavalette, S. 195–198. 29. Galland, A.: Tableau de l’Égypte pendant le séjour de l’armée française, 2 Bde., Paris: Cerioux et Galland, R. 11 [1804]), Bd. 1, S. 171. 30. Thurman, Louis: Bonaparte en Égypte: Souvenirs Publiés, Paris: Émile Paul, 1902, S. 76. 31. Millet, S. 61–62. 32. Kléber in Laurens, Henry: Kléber en Égypte, 1798–1800, 2 Bde., Kairo: Institut Français de l’Archéologie Orientale, 1988, S. 366. 33. Villiers du Terrage, Édouard de: Journal et souvenirs de l’expédition de l’Égypte (1798–1801), Paris: Librairie Plon, 1799, S. 93; Napoléon: Corr., Bd. 5, S. 239, Nr. 3818. 34. Triaire, Paul: Dominique Larrey et les Campagnes de la Révolution et de l’Empire, Tours: Maison Alfred Mame et Fils, 1902, S. 210. 35. Bonaparte/Dugua: 14 Nivose R. 7 (2. Februar 1799), in: Brouwet (Hg.): Napoléon et son Temps, S. 11. 36. Jahhaf; Laurens, Henry et al.: L’Expédition d’Égypte: 1798–1801, Paris: A. Colin, 1989, S. 160. 37. Al-Jabarti: ‘Aja’ib, Bd. 3, S. 44. 38. Voll, John: Muhammad Hayya al-Sindi and Muhammad ibn ‘Abd al-Wahhab: An Analysis of an Intellectual Group in Eighteenth-Century Madina, Bulletin of the School of Oriental and African Studies 38, Nr. 1 (1975), S. 32–39. 39. Bourdin, Philippe: Le sultan dévoilé, in: Annales historiques de la Révolution française 324; Brégeon, Jean-Joël: L’Égypte française au jour le jour, 1798–1801, Paris: Perrin, 1991, S. 132–143; Herold, J. Christopher: Bonaparte in Egypt, New York: Harper and Row, 1962, Kapitel 8. 40. Belliard in: La Jonquière, Bd. 2, S. 518; vgl. Donzelot/Berthier, 18. Januar 1799, in ibd., Bd. 2, S. 525; Desvernois, S. 157. 41. Desaix/Bonaparte: 9 Pluviose R. 7 (28. Januar 1799), in: La Jonquière, Bd. 2, S. 531–532; Desvernois, S. 160–163.

EPILOG   1. Meulenaere, Philippe de: Bibliographie raisonnée des témoignages oculaires imprimés de l’expédition d’Égypte (1798–1801), Paris: F. et R. Chamonal, 1993.   2. Charles-Roux, François: Bonaparte, gouverneur d’Égypte, Paris: Plon, 1936; id. Bonaparte: Governor of Egypt, aus dem Französischen übersetzt von E. W. Dickes, London, Methuen & Co., Ltd., 1937.   3. Gelvin, James L.: Napoleon in Egypt as History and Polemic, in: Bierman, Irene (Hg.): Napoleon in Egypt, Reading, UK: Ithaca Press, 2003, S. 139–160.   4. Said, Edward W.: Culture and Imperialism, New York: Knopf, 1993.   5. Furet, François: Revolutionary France, 1770–1880, Übers. Antonia Nevill, London: Blackwell, 1995, S. 199.

A n m e r k u n g e n     287

  6. Gran, Peter: Islamic Roots of Capitalism: Egypt, 1760–1840, Austin: University of Texas Press, 1979.   7. Said, Edward W.: Orientalism, New York: Vintage Books, 1978.   8. Koszinowski, Thomas: Die Kontroverse um die Feiern zum Ägypten-Feldzug Napoleons, Nahost-Jahrbuch (1998), S. 191–196; Colla, Elliott: ‘Non, non! Si, si!’: Commemorating the French Occupation of Egypt (1798–1801), MLN, 118.4 (2003) S. 1043–1069.   9. Said, Orientalism, S. 86. 10. Bhabha, Homi K.: The Location of Culture, London: Routledge, 2004.

288   

Sach- und Personenregister

A Ahmed Pascha 117 Ahmed Cezzar Pascha 103, 186, 191, 232, 243, 259 f. Ali Pascha 46, 75 Alima 166, 175 Ashir Efendi 184 Awalim siehe Alima Andréossi (General) 190, 194, 240 f., 242 Aubert-Dubayet, Jean-Baptiste 181 Azbakia-Platz 89, 139, 198 f., 202, 214, 236 Azbakia-See 139 Azbakia-Viertel 150 f., 213 f., 227

B al-Bakri, Sayyid Khalil 88, 94, 117, 119, 121, 128, 150, 153, 177, 216-218, 220, 238 Barras, Paul 11, 165, 180 f. Bauernaufstände 60, 242 Beauharnais, Alexandre de 10 Beauharnais, Eugène de 97, 101, 244 Beauharnais, Joséphine de 10-12, 28, 97 f., 102, 131, 133, 175, 234, 261 f. Beduinen 31, 36 f. 39, 51 f., 54-57, 60, 72, 74-80, 86, 88, 104-111, 113, 116, 118, 122, 133, 141-148, 159-160, 171-173, 189-191, 193-197, 218 f., 221, 223, 235, 237-239, 241 f., 244 f., 252, 256, 259 Belliard, Augustin-Daniel 53, 113, 246, 256 Berthollet, Claude-Louis 24 Bernoyer, François 14, 16, 32, 34, 36, 38, 50 f., 53 f., 56 f., 59-61, 65, 77, 79, 96f., 132, 136, 140 f., 152, 163,

198 f., 202, 205 f., 208 f., 215, 218-226, 228, 261 Berthier, Louis Alexandre 77, 86, 97, 134, 223, 234, 237 Besteuerung 87, 207, 238 Bilbeis 103 f., 107-109, 142 f., 222, 235 f., 244 Bon, Louis-André 31, 63 f., 84, 214, 243 Bourrienne, Louis 24 f., 55 f., 65 f., 98, 133 f., 154, 158, 180, 219, 236, 244

C Caffarelli, Louis 104 f., 260 Cezzar Pascha siehe Ahmed Cezzar Pascha Charles-Roux, François 263 Coleridge, Samuel Taylor 17 Cuddavi, Hasan Bey 256 f. Çurbaci, Ibrahim 171

D D’Aigalliers, François-Paul Brueys 30 Damas, E. F. 60, 195 Damaskus 42, 191 Damiette 26, 49, 128, 143, 146 f., 150, 165, 168, 190 f., 193-197, 231, 236, 241f., 244, 252, 260 Darendeli, Izzet Hasan 41, 75, 88, 110, 184 Delile, Alix 145 Denon, Dominique-Vivant 145, 150-152 Deponthon, Charles-François 63 f. Derwische 74, 152 Desaix, Louis 24, 52, 54, 57 f., 63, 83, 87, 243, 255-259 Desvernois, Nicolas Philibert 19, 53-55, 89, 104 f., 111-113, 134, 138, 154, 189, 219, 222, 248, 256-258, 261

S a c h - u n d P e r s o n e n r e g i s t e r     289

Detroye, Jean-François 62, 109, 111-114, 150-153, 176, 213 f., 222-225 d’Hilliers, Louis Baraguey 18 Direktorium 28, 35, 40, 54, 61, 73, 83, 85 f., 92, 94, 107 f., 165, 181, 189, 199, 203-205, 225, 262 Doguereau, Jean-Pierre 54, 144, 207-210, 213 f., 217-219, 245-247 Dolomieu, Déodat 145 Dugua, Charles François 49, 58, 63, 84, 108, 135, 147 f., 171-173, 193-195, 240, 253 Dumuy, Félix 76, 144

E Ebu Bekir Pascha 46, 74, 103, 113 Eyyüb Bey 119, 172, 196

F Fest der Republik 190ff. Fourès, Pauline 261 Friedensvertrag von Campo Formio 181 Fugière, Jean-Urbain 148 Furet, François 264

G al-Gabarti, Abdarrahman 43-47, 49, 65-67, 74-76, 83 f., 88, 90, 93-95, 101, 103, 108, 110 f., 113, 116-118, 120 f., 126, 128 f., 135, 137, 139141, 150, 152, 186-189, 199, 215-217, 225 f., 230 f., 244 f., 255 f. Geburtstag Mohammed 150 f., 153 Gerbaud, Pierre-François 147, 191-193, 195, 237-239

H Hasan Pascha 117 f., 119-123 Hompesch, Ferdinand von 17, 19 Hunde, Massentötung von 98 f.

I Ibrahim Bey 36, 46 f., 74, 83, 87-89, 102-106, 108, 110 f., 113-115, 117-119, 121 f., 124, 133, 160, 186, 191, 214, 235, 238, 261 Ibrahim Efendi 226, 244 Institut d’Égypte 174 f. Izzet Mehmet Pascha 182 f.

J Jahhaf, Lutf Allah 254 f. Jaubert, Pierre Amédée 35, 42 f. Jollois, Prosper 130 f., 133, 146, 200, 202, 238, 240 f. Junot, Jean-Andoche 97 f.

K al-Khanqa 77, 104-108 Kléber, Jean-Baptiste 31, 34, 48, 60, 76, 131, 144 f., 155, 159, 161, 171, 241, 252, 261 Koca Yusuf Pascha 116 Konkordat 262 Koptische Christen 91, 125-127, 129, 140 Kürdlü, Halil 65-67

L Lannes, Jean 108, 111, 134, 213 f., 237 Lanusse, François 236 Larrey, D. J. 57 Laus de Boissy, Louis 175, 204, 233 f. Lavalette, Antoine-Marie Chamans de 90, 236, 248-250, 252 Leclerc, Charles 97, 104-106, 108, 111 f., 238 L’Ouverture, Toussaint 28

M Malta 9, 14, 17-20, 25, 27, 41, 144, 161, 181, 247, 254 Malteserorden 14, 17, 20

290    S a c h - u n d P e r s o n e n r e g i s t e r

Malus, Étienne 59, 68, 89, 93, 104-107, 133, 152, 201, 217 Mamelucken 31, 33 f., 41, 46, 56 f., 64, 67-72, 84, 87-89, 92 f., 102, 112 f., 115 f., 119, 120-122, 126, 134, 149, 167, 183, 188 f., 198, 204 f., 238-240, 251, 256-258, 261 Marmont, Auguste 59, 89, 133, 143-146, 165, 250 f., 253 Mehmet Ali Pascha 261 Mehmet Pascha 117, 119-120 Menou, Jacques 31, 34, 68, 76, 128f., 131, 145, 150, 164 f., 167, 261 Millet, Pierre 50, 141 f., 148, 152, 191 f., 196, 242, 251 Miot, Jacques 56, 67, 134 Mireur, François 54 f. Moiret, Joseph-Marie 7 f., 10, 12, 18, 20, 25-28, 32f., 37-39, 49 f., 57 f., 61, 64, 72 f., 78 f., 82 f., 85, 151, 162 f., 165-168, 191, 201, 230 f., 241, 261 Morand, Charles Antoine 51 f., 55 Murat, Joachim 134 f., 237 Murad Bey 36, 46 f., 64, 66-68, 75, 81-83, 85, 87, 101, 103, 114-119, 122-124, 136, 198, 241, 243, 251, 255-257, 259, 261 Mustafa Bey 160, 201 Mustafa Pascha 138

O

N

S

Nasuh Pascha 46, 75 Nefise Hanim 101, 116 Nelson, Horatio 15, 17, 28-30, 48, 51, 131 f., 135, 149, 200, 229 Niello Sargy, Michel de 12, 102, 143 f., 147 f., 164, 177, 186, 190 f., 208, 210, 215, 217, 225 f. Nilfest 137, 140 f., 150, 176 Norry, Charles 38, 214

Say, Jean-Honoré Horace 9, 17, 19, 66, 88, 91, 94, 96, 138 f.., 153, 174-176, 195, 197, 201-204, 233, 260 Schlacht bei den Pyramiden 85 f., 105, 135, 199, 218 Seeschlacht von Abukir 133, 135, 141, 149, 178, 261 Selim III. (Sultan) 23, 41, 59, 156, 160, 180 f., 183-186, 191, 243, 246, 249, 254 f., 258 al-Sharqawi, Abdullah 88, 94, 187-189, 220, 227, 231, 237, 267

Osmanen 24, 33, 68-71, 92, 117, 160, 168, 178-183, 188 f., 201, 243, 250, 261 Osmanisch-ägyptische Streitkräfte 32, 58, 62, 65 f., 72, 82-85, 104, 106, 110-112

P Pelleport, Pierre de 73, 82, 201, 218, 221 Perrée, Jean-Baptiste 65 f., 208 Pitt, William 186 Pest 37, 92, 250-253, 259-261

R Rahmania 50, 57-62, 80, 118-120, 123, 143, 171, 237 Rampon, Antoine-Guillaume 85 Reynier, Jean 63 f., 80, 83 f., 103, 108, 114, 220, 236 Rosetta 31, 47-50, 76, 118, 128, 130 f., 143 f., 146, 147, 150 f., 164 f., 198, 231, 237 f., 251 Rosetta-Stein 264 Rousseau, Jean-Jacques 8, 60, 206, 209, 211 al-Rumi, Bartholomaios 124, 214, 224 al-Rumi, Ubaydullah 128

S a c h - u n d P e r s o n e n r e g i s t e r     291

Shuara 193-195 Shubrakit 62 f., 65, 67 f. Shum 80 Seuchen 37, 71, 116, 123, 179, 190, 231, 251-253 Sklaverei 22 f., 28, 71, 205 f., 209-211 Sonbat 171-173, 196 Stadt der Toten 218, 221 Syrien 30, 71, 102-104, 108, 110, 115, 153, 160, 178, 182, 186 f., 191 f., 194, 204, 232 f., 235, 238, 242, 244 f., 248-250, 252, 259 f.

T Talleyrand, Charles Maurice de 21-24, 28, 38, 181-183, 186, 189, 262 Théviotte 147 Thurman, Louis 143, 251 Tubar, Hasan 190-195, 197, 241 Turk, Niqula 146-148, 153, 191, 193-195

V Vaubois, Claude-Henri 20 Verdier, Jean-Antoine 172 f. Vertray, Jean-Baptiste 53, 63, 65, 82 f. Vial, Honoré 63, 128, 146 f., 150, 193-195 Vigo-Roussillon, François 58, 62, 72, 221 Villiers du Terrage, Edouard de 56, 76, 152, 201 Voltaire 8, 25, 40, 150, 169, 211, 267

Y Yusuf Zia Pascha 184, 187

Z Zajonchek, Joseph 127, 148 Zuckerrohr 22, 28, 38 Zulayma 165-168 Züleyha Hanim 47 Zünfte 223, 226, 231, 244