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German Pages 141 [152] Year 1914
Die Methode der Erkenntnis bei Descartes und Leibniz von
Dr. Heinz Heimsoeth Privatdozent der Philosophie in Marburg
Zweite Hälfte: Leibniz' Methode der formalen Begründung Erkenntnislehre und Monadologie
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J
Gießen 1914 Verlag von Alfred Töpelmann (vormals J. Ricker)
Philosophische
Arbeit
herausgegeben von
Hermann Cohen und Paul Natorp in Berlin
in Marburg
VI. Band 2. Heft
I n h a l t s v e r z e i c h n i s der zweiten Hälfte. Seite
Einleitung. D i e S t e l l u n g d e s M e t h o d e n p r o b l e m s Ganzen der L e i b n i z i s c h e n P h i l o s o p h i e
im 193—200
Zweiter Teil. Leibniz' Methode der formalen Begründung Erkenntnislehre und Monadologie E r s t e s K a p i t e l . D a s V e r f a h r e n der E r k e n n t n i s und seine logischen Formen A. D i e „ E l e m e n t e d e r e w i g e n W a h r h e i t " . . . . a) Begriff, Aufgabe und Prinzipien der „Denkkunst" . b) Die „universale Synthesis und Analysis" und das Mittel der Definition c) Die „Analyse der Begriffe und Wahrheiten" . . . d) Nominaldefinition und Realdefinition. . , . . . B. D i e „ z u f ä l l i g e n W a h r h e i t e n " u n d d i e E r k e n n t n i s de s W i r k l i c h e n a) Notwendige und zufällige Wahrheiten. Die ratio contingentiae b) Die Erkenntnis a posteriori c) Apriorische Prinzipien der empirischen Erkenntnis
201—265 201—239 201 214 222 231 239—265 239 247 259
Z w e i t e s K a p i t e l . E r k e n n t n i s l e h r e und M o n a d o l o g i e a) Die allgemeinen ontologischen Grundlagen der Monadologie und ihrer Erkenntnislehre b) Das Selbstbewußtsein und die Idee als „unmittelbares inneres Objekt". Die Repräsentation der Essenzen c) Die „inneren Phänomene" und die Repräsentation der existierenden Außenwelt
266—324
Sachregister zu beiden Hälften
325—334-
266 281 296
Einleitung. D i e S t e l l u n g des M e t h o d e n p r o b l e m s im G a n z e n der L e i b n i z i s c h e n P h i l o s o p h i e . Zwei Interessen sind in Descartes' „Regeln" zusammengespannt: die Erkenntnislehre mit ihren Fragen nach dem Subjekt, dem Objekt der Erkenntnis, ihrer Geltung und Herkunft — und die Methodologie der Wissenschaften, die Universalwissenschaft. Noch bei Descartes selbst treten dann die beiden Aufgaben auseinander: die Erkenntnislehre, ohne die Verkleidung methodologischer „Vorschriften", kommt in der „ersten Philosophie" zu neuer Behandlung und tritt in ausdrücklichen Zusammenhang mit den Interessen der Metaphysik. Die Trennung wird von da an dem Zeitalter geläufig. „Methode" ist nun allgemein das Schlagwort; kaum ein Systematiker versäumt es, seine Methodenlehre zu entwickeln. Aber nur in Denkern von nebengeordneter Bedeutung lebt jene Verquickung noch fort. Für Tschirnhausen etwa fallen in der Tat noch „erste Philosophie" und ars inveniendi in eins. Die methodologische Grundwissenschaft ist ihm die Wurzel an seinem „Baume" des Wissenssystems. Nicht so bei den führenden Denkern der Zeit, bei Malebranche und Spinoza, um nur Philosophen Cartesianischer Abkunft zu nennen. Ihnen wird die Erkenntnislehre eine systematische, an die metaphysischen Seinsprobleme geknüpfte Angelegenheit; die bloße Methodologie wird davon abgetrennt, als eine spezielle und sekundäre Aufgabe. Sie löst sich los von der „ersten Philosophie". Bei Leibniz ist die Scheidung strenger durchgeführt als bei allen Zeitgenossen. Gewiß war die Methodenlehre dem Philosophen ein Hauptanliegen, das ihn sein ganzes Leben hindurch beschäftigte, und dem er wohl soviel Mühe und Arbeit zugewendet hat wie dem Ausbau der Monadenlehre. Die Gedanken des Knaben sind ebensowohl dem Problem der logischen Ordnung der Inkomplexen und Komplexen zugewandt wie der Entscheidungsfrage zwischen scholastischer und mechaC o h e n und N a t o r p , Philosophische Arbeiten VI
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Methodenlehre und Metaphysik
nistischer Seinsauffassung. Unter den Schriften seiner Jugendphilosophie steht die Ars combinatoria neben der Confessio naturae und der Hypothesis nova. Und die Pläne zur „universellen Charakteristik" reichen bis in das Jahr der „Monadologie". Aber schon in der literarischen Niederlegung laufen die beiden Gedankenreihen ohne engere Beziehung meist nebeneinander her. Nur nebenbei und gelegentlich wird in dem einen Zusammenhang auf das andere Problemgebiet hingewiesen. Die Interessen sind geschieden und mit ihnen die Probleme und die Aufstellungen. Die Methodenlehre als Instrument der wissenschaftlichen Forschung überhaupt bildet ein abgetrenntes Arbeitsgebiet, das mit dem der metaphysischen Seins- und Erkenntnislehre sich kaum berührt. Nur unterirdisch gleichsam und nur von gewissen speziellen, späteren Fragen der Methodenlehre aus laufen deutlich Problemfäden nach dem System und der in ihm beschlossenen Erkenntnistheorie. In allem logisch Grundlegenden bewegen sich die Entwicklungen von Leibniz' Beweis- und Erfindungskunst rein im Logisch-Ideellen; sie wollen sich sowenig auf Voraussetzungen über Sein und Subjekt gründen, wie es die Untersuchungen der formalen Logik oder auch die der Mathematik tun. Die methodologische Universalwissenschaft knüpft an die Wissenschaften und ihre logischen Formen an, nicht an das Subjekt, den „natürlichen Verstand" und die in ihm liegenden „Regeln", oder an die „menschliche Vernunft". — Alles eigentlich Erkenntnistheoretische dagegen tritt im anderen Zusammenhang auf: in den Untersuchungen zur Metaphysik, zur Monadologie. Beide Gebiete sind als „Analyse der Ideen" und „Analyse der Sachen" meist scharf geschieden, der Darstellung wie der Sache nach. — Nun spielte aber in Descartes' Disposition die Erkenntnislehre innerhalb des metaphysischen Problembereichs eine fundierende, mindestens propädeutisch fundierende Rolle. Seine Philosophie lief auf eine Substanzenlehre hinaus (und damit sicherlich auch auf einen „Realismus" 1 ), und der ratio essendi nach sollte die Erkenntnis gewiß eine auf das Dasein und Sosein der Substanzen sich aufbauende Beziehung sein; aber für unsere ratio cognoscendi sollte es eines erkenntnistheoretischen Unterbaus bedürfen, wollte man zum wahren Sein gelangen. S o *) V g l . dazu die Abhandlung über Idealismus und Realismus bei Descartes von V . Delbos in der „ A n n é e philosophique" 1 9 1 1 und meinen Artikel in der „ R e v u e de Métaphysique et de Morale" 1 9 1 2 Nr. 4.
Methodenlehre nicht Fundament
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ergab es sich, daß die „erste Philosophie" Descartes' im Ersten und Grundlegenden Erkenntnislehre war und sein wollte. Und insofern also die Methodenlehre Erkenntnistheorie in sich schloß, sollte sie „methodisch" der Lehre von den Substanzen als ihr „Fundament", ihre „Wurzel" vorangehen. Das erhielt dem Methodenproblem die Vorrangstellung im Cartesischen System. 1 Davon ist nun bei Leibniz keine Rede. Nicht nur daß die Methodenlehre von der eigentlichen Erkenntnistheorie abgetrennt ist, es kommt hier auch der letzteren sowenig wie der ersteren jene propädeutische, unsere Seinserkenntnis fundierende Rolle zu. Zwar soll die Methodenlehre als „allgemeine Wissenschaft" so gut wie für alle Sonderwissenschaften auch für die Metaphysik und ihre künftige Ausgestaltung das Instrument der sicheren Erkenntnis liefern, ja für sie in erster Linie. Aber bei diesem instrumentalen Sinne, den ja auch Descartes gleichzeitig vertrat, bleibt es dann auch. Die Methodenlehre ist hier in keinem anderen Sinne bedingend, als eben in allen Wissenschaften. Sie soll allgemeine Mittel und Methoden für Beweis und Erfindung ausbilden; aber es liegt keine sachliche Problemvorbereitung für die Metaphysik in ihren Aufgaben. Ihr liegt nur die Technik ob; das Fundament des Gebäudes steht nicht mehr und anders unter ihrer Verantwortung als alles Spätere. Leibniz" Metaphysik baut sich weder der Darstellung noch der Sache nach auf seine Methodenlehre auf. Das Problem der Methode ist in keinem Sinne und durch keine Vermittlung Zentrum oder Fundament in diesem System. Denn wenn auch die Fäden von der Methodenlehre zur Erkenntnistheorie sich hier aufzeigen lassen — die Leibnizische Erkenntnistheorie ist nicht Vorbereitung der Seinslehre. Sie ordnet sich ihr vielmehr ein, als ein Spezialproblem und eine Folge aus allgemeinen ontologischen Bestimmungen. Leibniz' „erste Philosophie" ist reine Ontologie. Sie beginnt mit der Definition der Substanz, nicht mit einem Cogito. Und wenn in ihr vom erkennenden Subjekt die Rede ist, so geschieht das, weil es zum Sein gehört und eine Daseinsform, eine Seinsstufe vertritt neben anderen; wenn von der Erkenntnis, so tritt diese als Seinsbeziehung auf, die einem allgemeineren ontologischen Rahmen sich einfügt. — Davon ist später zu handeln. — Soviel also in Leibniz' philosophischer Tätigkeit das Methodenproblem bedeutet haben mag, eine zentrale Stellung in ») Vgl. oben S. 80—89, 158—160.
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Abhängigkeit der Erkenntnislehre von der Metaphysik
seinem System kommt ihm sowenig zu wie eine bedingende Wirkung für dessen Genese. W a s bei Descartes lohnende Aufgabe sein kann: von der Methodenlehre aus auf das ganze System hinzublicken, das würde gegenüber der Leibnizischen Philosophie nur eine höchst unfruchtbare und das wahre Bild verzerrende Fragestellung bedeuten. Wenn auch hier die Methodenlehre auf das Erkenntnisproblem führt (das liegt im Wesen der Sache), dieses aber zu seinem Verständnis in Leibniz' Sinne das Eingehen auf das System seiner Metaphysik erfordert, so geschieht dies letztere in anderer Ordnung als bei Descartes: nicht der Erkenntnislehre bedarf es, um zu den wahren Substanzen zu gelangen, sondern die Substanzenlehre muß klar sein, will man auf gesichertem Boden den rechten Erkenntnisbegriff gewinnen. Diese Ordnung der Leibnizischen Philosophie darf man nicht umkehren wollen. — Der Versuch ist dennoch gemacht worden, Leibniz' Metaphysik in einem Abhängigkeitsverhältnis von seiner Methodologie (bzw. seiner Logik, beides ist hier gleichbedeutend) zu begreifen. L . Couturat im besonderen hat geradezu diese Behauptung aufgestellt: „Leibniz' Metaphysik ruht einzig und allein auf den Prinzipien seiner Logik und geht ganz daraus hervor" ; Leibniz selbst habe „alle seine philosophischen Thesen von den Prinzipien seiner . . . Methodologie abgeleitet". 1 *) Zuerst hat E. R u s s e l l (A crit. expos, of the phil. of Leibniz. Cambridge 1900) in Leibniz' Auffassung vom logischen W e s e n des Urteils die erste und wesentlich entscheidende unter den „Prämissen" des Substanzbegriffs und damit dieser ganzen Metaphysik sehen wollen. Ausführlichere historische Begründungen gibt er nicht; ihm scheint es ohnehin schon sachlich evident, daß jeder Substanzbegriff abhängig sei von der Bestimmung des logischen Verhältnisses von Subjekt und Prädikat. (Es ist nur konsequent, wenn Russell dann aus der Tatsache, daß es doch Urteile gibt, die auf die Subjekt-Prädikat-Form nicht reduzibel sind, auf die Unhaltbarkeit des Leibnizischen Systems schließen zu dürfen glaubt!) — Zum alleinigen und ausreichenden Prinzip der Leibnizinterpretation hat diesen Ausgang dann, mit Heranziehung der einschlägigen Textstellen, L . C o u t u r a t proklamiert (La logique de Leibniz', Paris 1901, P r é f a c e ; Rev. de Méta. et de Morale, 1902, p . i s q q . ; Bulletin de la société française de philosophie 1902 février). Gegen ihn zunächst richtet sich unsere Kritik im T e x t e . — An diese beiden Interpreten glaubte sich dann E. C a s s i r e r (Leibniz' System . ., S. 532, auch 547/8) anschließen zu dürfen; sie treffen, meint er, mit seiner eigenen Darstellung „in einem wichtigen Hauptergebnis zusammen: in der entscheidenden Bedeutung, die sie Leibniz' l o g i s c h e n Grundanschauungen für den A u f b a u seiner gesamten Metaphysik zuerkennen. Darf demnach dies allgemeine Resultat nunmehr als anerkannt gelten . . . so bleiben doch in der B e g r i f f s b e s t i m m u n g
Die Ableitung aus dem Satz vom Grunde
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Die Ausführungen bei Leibniz, auf die man sich hier beruft, gehören einem bestimmten Zusammenhang an: sie finden sich in dem für Antoine Arnauld geschriebenen „Discours de métaphysique" und den Fragmenten und Briefen, die sich um ihn gruppieren. Die übrigen (auch sonst authentischeren und viel mehr endgültigen) Darstellungen lassen die hier verwendete Argumentation sämtlich fallen. Daß diese aber hier mit diesem Nachdrucke vertreten ist, erklärt sich, wie öfters schon bemerkt worden ist, aus der Absicht Leibnizens, den Logiker Arnauld für seine Sache zu gewinnen. Sehen wir aber hiervon einmal ab. W a s wird denn nun sachlich in jenem Zusammenhang vertreten? Leibniz kommt da zu seinem Begriff" der individuellen Substanz von einer logischen Behauptung her: daß nämlich in jedem wahren Satze das Prädikat im Subjekte enthalten sei. d e r L o g i k s e l b s t Gegensätze bestehen . ." etc. — In Wirklichkeit hat Cassirers Begriff von „ L o g i k " so wenig mit dem zu tun, was Russell, Couturat und Leibniz selbst darunter verstehen, daß seine Auffassung unsere gegenwärtige F r a g e nicht direkt berührt. Worauf Cassirer wesentlich ausgeht, das ist die den wissenschaftlichen und naturphilosophischen Aufstellungen Leibnizens immanente Logik, nicht Leibniz' eigene logische Lehre. So vermißt er an Couturat, daß dieser nicht „die inhaltlichen Fundamente der Wissenschaften und die Prinzipien der D y namik selbst" in seinen Begriff von L o g i k hineinbezogen habe. — Nun sieht Cassirer allerdings bei Leibniz zwischen den beiden Arten v o n „ L o g i k " eine durchgängige Übereinstimmung und Identität der Einstellung — was uns in Wirklichkeit nicht vorzuliegen scheint. (Daß z. B. nach Leibniz' logischer Lehre das Urteil vor dem Begriff, allgemein das Funktionale, die Relation, dem „fertigen" Substantiellen voraufgehe, können wir in keinem Sinne zugeben; während der entsprechenden Behauptung in bezug auf Leibniz' Naturphilosophie ein wichtiger Sinn zukommen dürfte.) Wir glauben nicht, daß man in Leibniz' L o g i k die Ursprünge seiner Metaphysik finden kann; auch dann nicht, wenn man die „Prinzipienlehre der wissenschaftlichen Erkenntnis" zum „Mittelglied" zwischen beiden Extremen nimmt. — An anderer Stelle (Das Erkenntnisproblem . . II, 52) deutet Cassirer auch die Vermittlung durch die Erkenntnislehre an: „Der Gehalt der Leibnizischen Philosophie wurzelt in den formalen Eigentümlichkeiten seines Erkenntnisbegriffs und empfängt von hier aus erst sein volles Licht." W i e sehr das unserer Auffassung von der Leibnizischen Metaphysik und Erkenntnislehre widerspricht, wird aus dem zweiten Kapitel ersichtlich werden. — Erwähnt sei schließlich noch, daß auch W i n d e l b a n d s Darstellungen (in der Gesch. d. n. Ph. und im geschichtsphilos. Bande der „Kultur der Gegenwart") mit der Methodologie beginnen und von hier nach der Metaphysik überleiten; aber es geschieht das ohne den Anspruch, damit historisch, oder sachlich eine Genese der Leibnizischen Gedanken zu verfolgen.
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Logisches Prinzip und Seinsprinzip
Das ist nun die einzige Vermittlung, die man da zwischen Leibniz' Methodenlehre und Metaphysik aufzuweisen hat. Es könnte also schon nicht allgemein die Abhängigkeit der Monadenlehre von der gesamten Methodologie, sondern nur von einem Hauptsatz derselben behauptet werden. Schon das nimmt der These ihr Gewicht. — Auch gelangt Leibniz nicht etwa zu allen Thesen der Monadenlehre auf dem Wege dieser Deduktion. So z. B. nicht zu der von der unendlichen Vielheit der Monaden. Vor allem aber ist es im Grunde gar nicht der logische Satz vom Grunde, sondern das S e i n s p r i n z i p , von dem alles abhängt. Die logische und die ontologische Bedeutung des Satzes vom Grunde müssen streng auseinandergehalten werden, wenn sie auch bei Leibniz selbst manchmal ungeschieden miteinander gehen. In der Darstellung, die jetzt in Frage steht, ist die Verwechslung ja wohl besonders nahegelegt. Leibniz suchte eben von dem sozusagen harmlosen und von „den Philosophen" anerkannten logischen Prinzip unvermerkt in seine Substanzspekulation hineinzuführen. Zugleich aber ist es doch angedeutet, daß der logische Satz hier nur Fingerzeig sein soll, ein Hinweis auf die Struktur des Seins, die „Natur der Dinge", in der ja das fondement für die wahren Sätze gelegen sein müsse. Der Satz, daß „nichts ist oder geschieht" ohne bestimmenden Grund, ist kein Prinzip der Methodologie. Die Deduktionen dieser Substanzenlehre bewegen sich rein im Ontologischen. Die Tradition, in der sie stehen, ist nicht die des Cartesianismus, sondern die aristotelisch-scholastische. Ihr Rationalismus ist ein ontologischer, ohne erkenntnistheoretische Begründung oder Vorbereitung. Will man hier nach einer (impliziten) Abhängigkeit suchen, so wird man eher auf eine solche der logischen Bestimmungen von ontologischen Voraussetzungen stoßen. 1 — ') So hat Halivy in der Diskussion gegen Couturat darauf hingewiesen, daß Leibniz deshalb der komprehensiven Auffassung des Logischen sich so geneigt zeigte, weil er von der Voraussetzung der Substanz-Akzidenzstruktur des Seins von vornherein ausging. — Entsprechend ist gegen Russell zu sagen, daß Leibniz sicherlich nicht d e s h a l b die selbständige Realität der Relationen negierte und das Reale an ihnen in die Substanzen hineinverlegte, weil er sein einmal gefaßtes logisches Prinzip um jeden Preis retten wollte, sondern daß er d e s h a l b die relationalen Urteile zugunsten derer von der Subjekt-Prädikat-Form vernachlässigte, weil er (als ontologischer Individualist) in den Relationen selbst keinen eigenen Seinsgehalt erblicken konnte. — Übrigens hätte auch Leibniz natürlich für alle „abstrakten" (z. B. alle „ewigen") und nicht
Komplikation von Logik und Charakteristik
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Es tritt also die Methodologie bei Leibniz ganz ohne den Anspruch auf, einen W e g oder direkten Beitrag zum System zu bedeuten. So bringen wir denn auch die Methodenlehre und die, metaphysisch fundierte, Erkenntnislehre getrennt zur Behandlung. Die Scheidung wird durch die Gestalt der T e x t e nicht schwer gemacht. Die Hauptschriften für beide Gebiete sind verschieden; und wo gelegentlich beide Interessen miteinander auftreten, ist die sachliche Scheidung doch klar genug vorgezeichnet. Das gilt wenigstens für die allgemeinen Grundlinien der Methodenlehre; in der Erfahrungsmethodologie werden dann allerdings metaphysische Voraussetzungen impliziert. — Eine beständige Schwierigkeit für die Herausschälung der logischen Methodenlehre liegt dafür in einer anderen Komplikation. Leibniz' Methodologie befaßt (wie es an vereinzelten Stellen ja auch bei Descartes vorkam) nicht nur rein logische Methoden, sondern zugleich psychologische, technische, praktische Hilfsmittel. Der Schriften, welche wie die „Über die universelle Synthesis und Analysis" wesentlich in rein logischen Untersuchungen bleiben, sind bei Leibniz wenige. Die logische Lehre ist in der großen Mehrzahl seiner Darstellungen verquickt mit den Interessen der „universellen Charakteristik". Leibniz' Methodenlehre ging, wie die so vieler Denker seiner Zeit, aus von der Bewunderung für die einzigartige Sicherheit und das stete Fortschreiten der mathematischen Wissenschaften. Die Absicht war, alle anderen Wissenschaften durch Übertragung der Methoden und Mittel, denen jene ihr Vermögen verdankten, auf denselben W e g und Grad der Vollkommenheit zu bringen. Diese Methoden und Mittel sind zunächst die logischen Formen, in methodologischer Wendung. Zugleich aber auch andersartige „Werkzeuge". W a s nach Leibniz der Mathematik zu ihren Erfolgen verhilft, das ist nicht allein die Strenge des deduktiven Aufbaus, in Definitionen, Axiomen, Beweisen, sondern ebensosehr die exakte Vertretung der einzelnen Inhalte und Komplexe durch entsprechende Zeichen, Charaktere. Die Hülfe, die diese gewähren, ist eine psychologische Unterstützung unserer Aufmerksamkeit, unserer Vorstellungskraft und unseres Gedächtnisses. Lange Reihen von Deduktionen werden hier mit Genauigkeit in einer knappen Formel zusammengefaßt, die für jene als symbolische Vertretung dienen kann. Ohne die direkt auf die wirkliche Einzelsubstanz bezogenen Wahrheiten einen anderen logischen T y p u s als den der Komprehension zulassen können.
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Ausscheidung der Charakteristik
Hilfe solcher Zeichen, wie sie auch schon in den Formen von Sprache und Schrift allem Denken dienen, wäre bei der Begrenztheit unserer psychischen Vermögen keine Beweisführung und Forschung möglich. Nun soll die Funktion, welche Sprache und Schrift bisher allein bei den nicht-mathematischen Wissenschaften, irreführend und ungenügend nur wegen ihrer Vieldeutigkeit und Umständlichkeit, erfüllten, von nun an durch Zeichen von der Exaktheit und rechnerischen Beweglichkeit etwa der algebraischen Charaktere erfüllt werden. Die psychologische Hilfe der Imagination soll, wie den mathematischen Wissenschaften, nun auch allen denen zustatten kommen, deren Gegenstand und Inhalte der Imagination entrückt sind, so der Logik selbst, der Metaphysik, der Moral, der Jurisprudenz. 1 So gehen denn in Leibniz' methodologischen Schriften diese beiden Aufgaben ständig durcheinander: die Herausschälung der logischen Struktur der Erkenntnis und der damit sich ergebenden methodischen Mittel für Beweis und Forschung, und die Erfindung von Zeichen und Zeichenverbindungen, die ganze Technologie eines calculus universalis. Und dabei stehen diese letzteren Interessen durchweg im Vordergrunde und scheinen alle Bedeutung für sich in Anspruch zu nehmen, das rein Logische aber gänzlich beiseite zu schieben und zu verdrängen. Es braucht nicht ausgeführt zu werden, daß für die historische Betrachtung von Leibniz' Philosophie beides auseinanderfällt, und daß das philosophische Interesse den logischen Bestimmungen dieser Methodologie zugehört. Die ganze Technologie der Charakteristik baut sich ja auch erst auf einer bestimmten Auffassung von der gemeinsamen logischen Struktur aller Erkenntnisse auf. Wir scheiden also bei unserer Darstellung von Leibniz' Methodenlehre diesen ganzen Apparat von Erfindungen zur Charakteristik, Kombinatorik, Universalsprache und -schrift aus. 2 — ') Dabei verfällt Leibniz nicht, wie Descartes, der Gefahr, die Methodenlehre auf das bloß Imaginative zuzuspitzen und einzuschränken. Bei ihm bleibt die allgemeine Methodologie von der Mathesis universalis rein geschieden. Mathematik ist bei ihm eine ganz spezielle Anwendung der Logik, sie ist „Logica imaginationis"; während die Methodologie nicht weniger für die oben genannten Wissenschaften ausgebildet wird. So nimmt sich Leibniz auch stets ebensosehr an der Darstellung der „Jurisconsultes Romains", wie an der des Euklid sein Muster. 2) Für alle diese Fragen sei auf das überaus sorgfältige und kenntnisreiche Buch von Couturat verwiesen.
Erstes Kapitel. Das Verfahren der Erkenntnis und seine logischen Formen. A. Die „Elemente der ewigen Wahrheit".
a) B e g r i f f , A u f g a b e und Prinzipien der „ D e n k k u n s t " . Der Titel, unter dem Leibniz seine Gedanken zur Methodenlehre vereinigen wollte, ist der einer „ s c i e n t i a generalis"-1) Scientiam generalem intettigo quae modum docet omnes alias scientias ex datis sufficientibus inveniendi et demonstrandi. Die Frage nach der Methode der Erkenntnis bestimmt sich für Leibniz als die Frage nach dem allen besonderen Wissenschaften gemeinsamen logischen Verfahren. (Lógica est scientia generalis.) Jede Einzelwissenschaft setzt neben den besonderen „Daten" (Prinzipien und Fakten), welche die Sonderart ihres Gebietes bedingen, noch jene „Prinzipien" voraus, in denen die Geltung ihres Vorgehens als solchen gegründet ist. In diesem VII, 49, 57,64; C 228/9, 5 1 1 . Der Inhalt dieser Wissenschaft greift allerdings über das rein Logische des Erkennens hinaus und befaßt auch alle allgemeinen Hilfsmethoden pädagogischen, technischen, psychologischen Charakters. Zu den „Instrumenten der Erkenntnis" rechnet Leibniz neben den logischen Verfahrungsweisen auch die Mittel der Didaktik und Mnemonik, die Universalsprache, die allgemeine Charakteristik u. a. — Wir zitieren in folgenden Abkürzungen: I , i S = Die philos. Schriften von G. W. Leibniz hrsg. Gerhardt Bd. I, S. 15. M I, 15 = Die mathematischen Schriften von G. W. Leibniz hrsg. Gerhardt. C 15 = Opuscules et fragments inédits de Leibniz éd. par Louis Couturat. Paris 1903. S. 15. Erdm. = G. G. Leibnitii opera philosophica quae exstant . . . omnia ed. J. E . Erdmann. Berlin 1840. Bodemann = DieLeibniz-Handschriftenderkgl. öff. Bibliothek zu Hannover, beschrieben von Dr. E . Bodemann. Hannover 1895. H a u p t s c h r . = G. W. Leibniz Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie hrsg. Buchenau-Cassirer. Leipzig 1906. C o h e n und N a t o r p , Philosophische Arbeiten VI
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Objektive Fassung des Problems
Sinne ist die Methodenlehre der scientia generalis Wissenschaftslehre. „Sie ist für die besonderen Wissenschaften, was die Wissenschaft der Buchhaltung für einen Kaufmann ist." 1 ) In solcher Einstellung der Methodenfrage ist für die Subjekts-Basis, von der Descartes' Methodenlehre ausging, kein Ort. Nicht als Verfahrungsweise des erkennenden Geistes wird die Methode zum Problem gemacht, sondern lediglich als Strukturgesetz der wissenschaftlichen Zusammenhänge und als Mittel und Werkzeug zu deren Herstellung. Der logische (wissenschaftstheoretische) und der instrumentale (methodologische) Charakter des Methodenproblems kommen allein hier in Frage. Auch die Ausdrücke: art de penser, modus bene cogitandi, recta methodus rationis, science de raisonner sind in diesem Sinne zu nehmen. Die „Vervollkommnung des Geistes" und seiner „Funktionen" wird als praktischer Erfolg der Untersuchungen angestrebt; nicht aber ist die subjektive Denkfunktion, die ratio im Sinne der erkennenden Vernunft direkt oder indirekt deren Gegenstand. Die allem Wissenschaftlichen gemeinsame rationale Struktur ist das Problem; ars rationis, das ist universale wissenschaftliche Methodik, Lehre vom Rationalen als solchen, wie die Wissenschaft es darbietet. In anderer Wendung: scientia generalis nihil aliud est quam Scientia de Cogitabili in universum quatenus tale est. Nur gehört die normative Wendung, die Verwertung zum Werkzeuge des Erkennens, zum Organon der Wissenschaften dazu. Die „Logick" ist „Denkkunst", damit aber „als aller Künste und wissenschafften schlüssel zu achten". 2 ) Die Kunstlehre des Denkens begreift zwei Aufgaben. Sie muß uns dazu anleiten „nicht allein was fürgestellet zu b e u r t h e i l e n , sondern auch was verborgen zu e r f i n d e n " . 3 ) Analog stellte Descartes seinen „Regeln" die Aufgabe (oben S. 4of.). Leibniz unterscheidet geradezu zwei „Teile" der Denkkunst: die ars judicandi (auch methode de la certitude, ars demonstrandi) und die ars inveniendiS) Die Erfindungskunst war das Kampfwort seit der Renais*) VII, 43,60; C 229,556. Vgl. V , 504; VII, 12, 49, 51, 57, 62, 183, 516; 219, 335, 337, 511, 556; Erdm. 85 f. 3) V, 504; VII, 516; C 219, 228/9, 338 etc. Vgl. auch den (Baconischen) Titel der Entwürfe zur scientia generalis: de instauratione et augmentis scientiarum. 4) Vgl. V , 457; VII, 49, 174,183 etc. Erdm. 85. 2)
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Beweisen und Erfinden
sance. Durch ihre Forschungsleistung sollte die neue „Methode" sich auszeichnen vor der traditionellen L o g i k , die bloß als Organon für Beweis und Darstellung schon gefundener Wahrheiten zu brauchen sei. A u c h Leibniz war sie das Hauptanliegen. A b e r er faßt beide Interessen enger zusammen. „Die beiden Künste sind nicht so sehr von einander verschieden, als man glaubt." In den Entwürfen stehen die Titel zwar stets getrennt, der Sache nach aber vereinigt die Identität der methodischen Mittel und Formen die beiden „ T e i l e " der Denkkunst. Die Lehre vom cogitabile und von der wissenschaftlichen ratio ist nur eine; die methodologische Auswertung der Ergebnisse erst weist nach verschiedener Richtung. S o verliert jene Zweiheit immer in dem Maße an Bedeutung, als das Methodenproblem rein theoretisch gefaßt und ohne direkten Bezug auf praktische Verwendung behandelt wird. Die Unterscheidung hat darum doch ihren Einfluß auf die Disposition der „allgemeinen Wissenschaft". V o n den beiden Interessen, die auf die logischen Mittel und Formen hinführen, kommt dabei die fundamentale Orientierung dem Problem der Sicherheit, der „Kunst des Beweisens" zu. Der A u f b a u der scientia generalis beginnt mit der „Methode der Sicherheit", mit der Frage nach den „sicheren Prinzipien des Urteilens". Mit diesem Ausgang gewinnt Leibniz, bei allem Interesse für die „Erfindung", zugleich doch den Anschluß an die logische Tradition. — Der Titel für die fundamentalen Untersuchungen lautet: Elementa veritatis aeternae. „ V o r allem anderen werden die Elemente der ewigen Wahrheit behandelt, denn wer keine Merkmale besitzt, um die Wahrheit, wo sie ihm begegnet, daran zu erkennen, der wird sie vergebens suchen." 2 ) Für das rechte Verständnis dieses Titels bedarf es einiger Erörterungen. Zunächst hat man „Wahrheit" hier im Sinne des w a h r e n S a t z e s zu nehmen. Die Frage nach den „Elementen der Wahrheit" ist die nach dem l o g i s c h e n W e s e n d e s w a h r e n S a t z e s , nach den logischen Momenten, die für alle Wahrheiten konstitutiv sind. W i e ist aber zweitens die EinVII, 183. Die terminologische Trennung wird noch insofern gemildert, als Leibniz auch oft wiederum die „ K u n s t , die B e w e i s e zu f i n d e n " zur ars inveniendi rechnet. 2) VII, 49, 57 etc. C 189, 191, 219fr, 335fr. Die reinste Formulierung der logischen A u f g a b e der „Elementa", unberührt von den Interessen der Charakteristik, findet sich VII, 296. *
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Die Sätze von ewiger Wahrheit
schränkung auf die veritas aeterno, (d. h. also auf die Veritätes aeternae, die „propositiones aeternae veritatis") zu verstehen? Gilt die Untersuchung nur diesen und soll sie für die andere Art der Wahrheiten, für das Problem der veritates facti (v. contingentes) nichts leisten? Leibniz' Darstellung ist nicht durchaus eindeutig in diesem Punkte. In der T a t findet eine Menge der Bestimmungen, die er unter jenem Titel trifft, nur auf die Erkenntnis der „ewigen Wahrheiten" uneingeschränkte Anwendung. Und doch sollen damit auch für die Methodik der Tatsachenwahrheiten die entscheidenden allgemeinen „Elemente" aufgezeigt werden. Ihr Wesen wird nicht auf ganz eigenem Boden neu behandelt, sondern stellt eine Modifikation des allgemeinen Begriffs der Wahrheiten dar, wie er an den „ewigen" gewonnen wird. Die modifizierenden Charaktere ergeben sich im Verlauf der allgemeinen Definitionen selbst. Die Einstellung auf die ewigen Wahrheiten ist nicht als strikte Beschränkung auf diese, sondern im Sinne der O r i e n t i e r u n g an ihnen zu verstehen. Leibniz geht von der Überzeugung aus, daß die wesensbestimmenden Momente der Wahrheiten überhaupt gerade an der Struktur der ewigen Wahrheiten zu erschauen seien. So zeigte sich ja auch in Descartes' Ausgang vom „reinen Objekt" zu allem Anfang die rationalistische Grundeinstellung (oben S. 42). Wie Descartes dies zum voraus annahm, daß die mathematische Erkenntnis den vollkommensten und reinsten Typus der Erkenntnis darbietet, so sind nach Leibniz' Disposition die fundamentalen methodischen „Elemente" der Wahrheiten überhaupt zu gewinnen in der Wesensanalyse derjenigen Sätze, deren Geltung „in den Ideen selbst" gegründet ist, derselben idealen Beziehungen also, als deren erste Beispiele immer die Sätze der Mathematik und der formalen Logik angeführt werden. In der T a t fehlen nun auch die Formulierungen nicht, die entgegen der Beschränkung auf die ewigen Wahrheiten als den Gegenstand der grundlegenden logischen Untersuchungen die „Elementa veritatis" (auch „Elementa rationis") schlechthin, ausdrücklicher noch die „ E l e m e n t a veritatis universae" statuieren. Es handelt sich um das Wesen der propositio vera überhaupt, um die „natura veritatis in universum". Dazu führt auch der Ausgang der Methodenlehre von der Definition der Wissenschaft. 1 ) „Um die Elemente der menschlichen Wissenl)
VII, 43.
Die allgemeine Natur der Wahrheiten
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schaft zu konstituieren wird irgendein fester P u n k t erfordert, auf den das G a n z e g e s t ü t z t werden k a n n und von d e m aus wir sicher v o r g e h e n können. D i e s e s Prinzip, meine ich, m u ß man in der a l l g e m e i n e n N a t u r d e r W a h r h e i t e n s e l b s t suchen." D i e s e Stelle bringt zugleich besonders lebhaft dies zu B e w u ß t s e i n , wie die leibnizische P r o b l e m s t e l l u n g , e n t g e g e n d e m A u s g a n g e D e s c a r t e s ' , von aller Beziehung auf das S u b j e k t der E r k e n n t n i s sich frei hält. D i e Interessen, welche im archimedischen P u n k t e des C o g i t o sich verschlingen, sind in L e i b n i z ' Disposition geschieden. V o n „ u n s e r e m " Intellekt und der Selbstgewißheit des D e n k e n s ist in diesen elementa rationis nicht die R e d e . D i e A n a l y s e der W a h r h e i t und die Charakteristik der „ S i c h e r h e i t " b e d ü r f e n keines Seitenblickes auf das subjektive Erleben. D i e Methodenlehre kann des A u s g a n g s von der menschlichen V e r n u n f t und des R e k u r s e s auf den Blick des G e i s t e s für ihr P r o b l e m entbehren. S o sollte denn auch der „ M e t h o d e der Sicherheit" eine Polemik g e g e n D e s c a r t e s ' Erkenntnisbegriff und -kriterium vorausg e s c h i c k t werden. 2 ) N a c h D e s c a r t e s gewinnt alles W i s s e n seinen Halt in der unmittelbaren E x i s t e n z ; für ihn besteht die S i c h e r heit in der G e w i ß h e i t , die das A n s c h a u e n der klaren und distinkten Ideen verschafft. D e r letzte S p r u c h seiner Methodenlehre ist die Hinführung aller A u f g a b e n auf das unmittelbare E r f a s s e n im Intuitus. — Diesen E v i d e n z b e g r i f f glaubt L e i b n i z in j e d e r F o r m und F a s s u n g ablehnen zu müssen. W a s für ihn dabei entscheidend ist, das ist die Gefahr, die der u n g e h e m m t e n F o r s c h u n g mit der B e r u f u n g auf unmittelbare Einsichten und deren grundsätzlicher Sanktionierung erwachsen muß. Nur in diesem Sinne wird die F r a g e der E v i d e n z von L e i b n i z ausdrücklich in Betracht gezogen. D a s Kriterium der W a h r h e i t , wie es die M e t h o d e der Sicherheit darbieten soll, darf nicht in die Merkmale der E v i d e n z gesetzt w e r d e n ; damit schafft man ») C 401; vgl. C 185,188 f., 219., 518/9. Auch der Terminus „certitude" spricht schon gegen eine direkte Beschränkung auf die „vérités de raison" (vgl. VII, 44), an die das Voranstellen des Demonstrativen glauben lassen möchte. 2) S. z. B. VII, 64; C 189, 516. Es sei hier erwähnt, daß Leibniz in seinen zahlreichen und ausführlichen Besprechungen der Cartesischen Erkenntnis- und Methodenlehre sich ausschließlich an die Formulierungen des „Discours", der „Recherche" und der metaphysischen Hauptschriften hält. Das ist insofern überaus merkwürdig, als Leibniz i. J. 1670 mit anderen Manuskripten Descartes' auch eine Abschrift der „Regeln" angekauft und von da an im Besitz gehalten hat. (S. D X, 354 f.).
20Ó
Methode der Ideen und Beweiskunst
nur „eine falsche Zuflucht und ein neues Prinzip der Irrtümer". Jeder sieht danach als wahr an, was ihm handgreiflich klar scheint, was er „in seinen Ideen zu bemerken behauptet". So werden nur die „Illusionen und Visionen autorisiert". 1 ) Das methodische Kriterium muß aller subjektiven Willkür entzogen sein. In diesem Sinne bekämpft Leibniz schon den Ausdruck des Z w e i f e l s , bei Descartes Gegenbild und Vorbereitung der Gewißheit. Und die G e w i ß h e i t selbst, wie sie bei den Cartesianern gefaßt wird, gilt ihm als nicht mehr, denn als eine Berufung auf („prätendierte") Erfahrung, auf „unmittelbare innere Erfahrung von Ideen — " wobei also „besondere" Erfahrungen sich als allgemeine Geltungsinstanzen gebärden. Daraus werde dann wohl eine Zuflucht zum ,,testimonium spiritus internum, ut in theologicis" ! 2 ) — Auch die andere Verquickung von Geltung und Subjektbeziehung in dem Begriff der eingeborenen Idee wird abgewiesen. „Die Frage des Ursprungs unserer Ideen und unserer Maximen ist nicht präliminär in der Philosophie." 3 ) Der wahre „archimedische Punkt" für die Erkenntniswelt muß jeder Rückbeziehung auf das erkennende Subjekt mit seinen Gegebenheiten und Erlebnissen sich entäußern. Aus der Natur der Wahrheiten selbst sind die notae veritatis zu entwickeln, die Wesensdefinition des wahren Satzes liefert allein aus sich das rechte „Criterion de la vérité". Descartes' „Methode der Ideen" stellt Leibniz entgegen die ars demonstrandi. Die Sicherheit wird methodisch garantiert im B e w e i s . 4 ) Er ist das fundamentale Problem der Wissenschaftslehre. „Die Wissenschaft hängt ab vom Beweis". So ist für die „Elemente der ewigen Wahrheit" die „demonstrative Methode" das Hauptanliegen. Das eben ist die Gefahr beim Cartesischen Kriterium, daß mit dem „Vorwand" evidenter Einsicht der Beweis „abgerissen" wird. Durch allgemeine Beweisvorschrift muß man „die Methode der Ideen berichtigen". Wenn man jene „Kunst des Zweifeins" als die Forderung versteht, „nichts ohne Beweis zuzulassen", überall auf „Gründe" sich zu „fundieren", „so gibt es nichts Vernünftigeres"! Nach dieser „günstigeren Interpretation" kann man sagen, daß DesVgl. dazu u. a. 1 , 2 0 5 , 2 3 8 , 3 9 2 ; II, Ó2Í.; III, 324, 4 5 2 ; IV, 3 2 7 ^ , 3 4 5 , 3471 V , 14; VII, 262. C 189. M III, 321. 3 ) V, 16,67. ") 1 , 2 3 8 ; 1 1 1 , 2 2 4 ; IV, 3 2 8 f . C 189. 4 ) I, 1 6 1 , 1 9 4 , 201, 205; III, 452; VII, 183 etc. C 153, 191 f. Hauptschr. II, 505.
Die Formen der alten Logik
20 7
cartes die „Kraft seiner Vorschrift" selbst nicht erfaßt, und daß seine Methode, sei sie noch so entfernt von der wahren gewesen, doch „gute Eröffnungen" dazu gegeben habe. 1 ) — Die Zentralstellung des Beweisproblems hat den Rückgang „auf die alte Logik" im Gefolge. Vom „Weg zur Sicherheit" hat die „Logik des Aristoteles und der Stoiker" weite Partien beschrieben. Die als unfruchtbar verworfene l o g i s c h e F o r m soll wieder zu Ehren kommen. Descartes wollte alle sachliche Notwendigkeit in den intuitiv zu erfassenden Einzelinhalten und Einzelverbindungen gesucht wissen und lehnte es ausdrücklich ab, den Verbindungsmodus näher zu charakterisieren. Gegenüber der Evidenzkraft im Erfassen der jeweils gegebenen „einfachen" Verbindungen erschien ihm alle im traditionellen Sinne logische Betrachtung als leere und überflüssige Formalistik. Leibniz' Mißtrauen gegen die methodische Zuverlässigkeit des Evidenzkriteriums läßt ihn gerade den größten Wert auf die Beobachtung der logischen Form legen. Seine Methodenlehre ist wesentlich als normative Wendung formallogischer Einsichten gedacht. Mit den Begriffen der Evidenz und Intuition stand ja Descartes' Methodenlehre in der Tat an der Grenze der eigenen Kompetenz. Leibniz fordert gerade dies: nie bei der Evidenz stehenzubleiben, sondern stets auf „die Form oder Disposition" des Raisonnements, als die „Ursache der Evidenz" zurückzugehen. Das ist die allgemeinste Vorschrift der Methode der Sicherheit: de ne faire des argumens qu in forma. „Man muß auf die Methode der Logiker und Geometer zurückgehen". Die „Metaphern" des Klaren und Distinkten können so lange keine Kriterienbedeutung beanspruchen, als wir nicht einen exakten „Maßstab besitzen, um zu entscheiden, w a s klar und distinkt ist". Das allgemeinste Kriterium der Wahrheit aber besteht „in einer exakten Anwendung der Regeln der Logik." 2 ) — Alle Regeln der Logik nun, und im besonderen die Beweisformen, gehen zurück auf „die beiden großen Prinzipien jedes Raisonnements", die ihrerseits unmittelbar in der „allgemeinen Natur der Wahrheiten" gegründet, in der „ D e f i n i t i o n d e s W a h r e n und F a l s c h e n mit e i n g e s c h l o s s e n s i n d " : das principium contradictionis und das principium rationis (pr. !) 1,327/8,402; IV, 345, 354, 403; VII, 164, 168; M Uli, 321. C 516. Bodemann 59. 2 ) III, 248,452; IV, 295, 363, 366, 404, 425/6; V, 460 ff.; VI, 404/5; VII, 488, 519 etc. C 189.
2O8
Der Satz des Widerspruchs
reddendae rationis; pr. rationis sufficientis)}). Beide Prinzipien gelten, als aus der Natur der Wahrheiten überhaupt sich ergebend, zunächst ganz allgemein, für die veritates facti nicht minder als für die rein in den Ideen gründenden Wahrheiten. — Das Prinzip des W i d e r s p r u c h s -*- das für Leibniz in eins fällt mit dem der Identität 2 ) — stellt das oberste methodische Prinzip alles Raisonnements dar; „ohne es gäbe es gar keinen Unterschied zwischen der Wahrheit und der Falschheit, und alle Untersuchungen hörten von vornherein auf, wenn es indifferent wäre, ja oder nein zu sagen.3) Das Wesen der Wahrheit, des wahren Satzes, konstituiert sich in dem Momente der Identität: die für Leibniz nichts Geringeres als das „einzige und höchste Kriterium der Wahrheit" zu verantworten hat. Es ist die „Natur der Wahrheit" überhaupt, daß sie (in noch näher zu bestimmendem Sinne) „identische" ist.4) Das Falsche soll allein durch das Widersprechende sich definieren lassen. Identität und NichtWiderspruch charakterisieren für sich allein den wahren Satz; der Widerspruch den falschen. — Die negative Seite des Problems steht dabei durchweg im Vordergrunde der Erörterung. Die verschiedenen Fassungen des Satzes vom Widerspruch lassen verschiedene Bedeutungen erkennen. Die allgemeinste Formulierung ist diese: „ein Satz ist e n t w e d e r wahr oder falsch". Damit soll gesagt sein, daß wahr und falsch in demselben Satze nicht vereinbar sind, der Satz also nicht wahr und falsch zugleich sein kann; und weiter, daß jedem Satze eines von den beiden Prädikaten notwendig zukommt, daß es kein „Mittleres" gibt (Satz des ausgeschlossenen Dritten). „Jede Aussage (d. i. Affirmation oder Negation) ist entweder wahr oder falsch; und zwar, wenn die Affirmation wahr ist, ist die Negation falsch; wenn die Negation wahr, ist die Affirmation falsch." 5 ) — Der Nachsatz führt unmittelbar auf die zweite Fassung: in Gegenüberstellung zweier, zueinander kontradiktorischer Sätze ist dem einen notwendig Wahrheit, dem anderen notwendig Falschheit zuzusprechen.6) — Die dritte Formulierung des Prinzips erst vertritt im eigentlichen Sinne die Kriterienbedeutung des Widerspruchs. „Falsch ist, was >) C 401 f.; II, 62; VI, 127, 413; VII, 199. 3) V , 14/5; vgl. II, 62. 4) C 519; VII, 296. 6) V, 343; VI, 127; VII, 299; C 401. Vgl. Kontradiktorischen C 67, 401. 6) 11,62; VI, 127; C 67.
2)
VII, 355; V, 14.
noch
die Definition
des
Der Satz vom Grunde
209
W i d e r s p r u c h i m p l i z i e r t . " Ein Satz, der die Form A ist non-A hat, oder sich darauf bringen läßt, ist damit als falsch erwiesen (innerer Widerspruch). Entsprechendes gilt für die positive Gegenseite, „ D i e i d e n t i s c h e n S ä t z e sind w a h r und die w i d e r s p r e c h e n d e n sind f a l s c h " 1 ) — das ist das fundamentale Prinzip der scientia generalis. Die identischen Sätze repräsentieren den Urtypus des wahren Satzes überhaupt. Das Prinzip wird daher auch als „ P r i n c i p e des Identiques" bezeichnet.2) — Nur die wenigsten Wahrheiten sind als Identitätsaussagen, nur die wenigsten falschen Sätze in der Form des logischen Widerspruchs gegeben. So tritt dem letzten „primitiven" Prinzip und Kriterium ein vermittelndes methodisches Prinzip zur Seite: der S a t z v o m G r u n d e . „Dies ist das einzige und höchste Kriterium der Wahrheit . . ., daß sie entweder identisch ist o d e r auf i d e n t i s c h e z u r ü c k f ü h r b a r . " 3 ) Der Satz vom Grunde ist das Prinzip eben dieser Zurückführung. Es ist so viel Irriges über diesen bekanntesten Grundsatz der Leibnizischen Philosophie verbreitet, daß eine ausführlichere Heranziehung der einzelnen Formulierungen und genaue Abgrenzung der Bedeutungen geboten scheint. Zunächst kommt für unser Problem das metaphysische (seinstheoretische) Prinzip ganz in Wegfall. „Nichts ist ohne Grund" — das heißt in der ontologischen Einstellung, daß nichts ist oder geschieht ohne „bestimmenden Grund", d. i. ohne daß ein Grund angegeben werden könnte, weshalb es ist und gerade so ist und geschieht (ein „Korollar" dieses Seinsprinzips ist der Kausalitätssatz).4) Dem Dasein und Geschehen wird ein rational einsichtiger Sinn und Zusammenhang zugesprochen. — Seine Hauptfunktion hat dieses Prinzip in dem ontologischen Problem des Wirklichen gegenüber dem Möglichen. Die Frage nach dem „zureichenden Grund" irgend eines Wirklichen führt über die Kette der Einzelwirklichkeiten hinaus.3) Was uns hier angeht, ist das l o g i s c h e (bzw. methodologische) principium rationis. Die beiden Bedeutungen treten bei 2) VI, 4 1 3 ; VII, 295. ») VII, 199, 309; C 183. VII, 296. Auf die nicht mitzitierte Einschränkung kommen wir später zu sprechen. 4) Vgl. z . B . I, 138; VII, 265,310; C 25. A u c h das principium contradictionis wird gelegentlich als Seinsprinzip g e f a ß t : Nihil potest simul esse et non esse sed quodlibet est vel non est. C 515. 5) Vgl. z . B . VI, 602; C 625. 3)
2IO
Der ontologische und der logische Satz
Leibniz vielfach zusammen auf und haben so zu Problemvermischungen Anlaß gegeben. Dennoch ist Leibniz nicht dafür verantwortlich zu machen. Wenn er die beiden Hauptbedeutungen des Satzes vom Grunde oft in einem Atem anführt, und eine Verbindung zwischen ihnen anstrebt, so heißt das nicht, daß die Verschiedenheit der metaphysischen und der logischen Sphäre ihm aus den Augen gekommen wäre. Der Sache nach liegt hier keine prinzipielle Unklarheit. 1 ) Der logische Satz vom Grunde handelt nicht von Sein und Geschehen, sondern von den „Wahrheiten" und den ihnen notwendigen Elementen; die verschiedenen Formulierungen sollen alle nur D e f i n i t i o n e n d e s w a h r e n S a t z e s darstellen, die natura veritatis in universum ans Licht stellen. Die „ a l l g e m e i n e Natur der Wahrheiten", nicht etwa nur die der „ewigen", das wird ausdrücklich und oft betont. 2 ) Die Einschränkungen, die für die „zufälligen Wahrheiten" zu machen sind, gelten nicht dem Prinzip selbst, sondern der Möglichkeit seiner Anwendung in unserem (menschlich begrenzten) Erkennen. 3 ) „ E i n w a h r e r S a t z ist d e r , d e s s e n P r ä d i k a t im Subj e k t e e n t h a l t e n i s t " 4 ) ; oder, nach der genaueren Formulierung (denn nicht vom Verhältnis des Subjekt g e g e n s t a n d e s zum *) Dabei bieten allerdings gewisse Stellen der bedeutungsscheidenden Auslegung nicht geringe Schwierigkeiten. Vgl. etwa 11,56; VI, 127, 602; VII, 301, 309, 355/6; C 519. Bodemann 115. Der Versuch einer Zurückführung des Seinsprinzips auf das rein (formal-)logische, wie das Couturat vertritt (vgl. bes. Revue de métaph. et de morale t. X, 1902, p. i f f ; und Bulletin de la société française de philosophie, 1902 Februarsitzung), läuft der Grundhaltung der Leibnizischen Philosophie zuwider, wenn dem auch bestimmte Darstellungsversuche Leibnizens selbst einen gewissen Anhalt bieten. Die Frage nach dem Verhältnis des Logischen (Idealen) zum Ontischen (Realen) bei Leibniz ist nicht durch eine einfache Reduktion von dieser formal-deduktiven Art zu erledigen. — Wenn übrigens auch der ontologische Satz von Leibniz als „Prinzip des Raisonnements" bezeichnet wird, so gilt dies in dem Sinne, daß die Struktur des Seins notwendig den Gang unseres Erkennens bestimmt. 2) C 401 f, 518/9; 11,56,62; VI, 413 f; VII, 200, 300. 3) Alle Einschränkungen, die in der Leibnizischen Darstellung gelegentlich den grundlegenden logischen Bestimmungen angeheftet werden. — im Sinne der Elementa veritatis aeternae gegenüber der natura veritatis in universum — müssen so verstanden und gewertet werden. (Darüber s. Abschnitt B dieses Kapitels.) — Wenn andererseits auch wohl der Satz vom Grunde den zufälligen Wahrheiten im Besonderen zugewiesen wird, während für die notwendigen der Satz des Widerspruchs ausreiche, so weist das auf das ontologische Wirklichkeitsproblem und das metaphysische Prinzip. C 11, 16,68,401.
Das logische Implikationsverhältnis
211
Prädikatgegenstande soll die Rede gehen, sondern von den B e g r i f f e n , aus denen der Satz besteht): „in jedem wahren Satze . . . steckt der Begriff des Prädikats in dem Begriff des Subjekts darin" (inesse). 1 ) Der allgemeine Typus des Satzes überhaupt ist für Leibniz das allgemeine bejahende Urteil. Die prinzipiellen logischen Bestimmungen sind stets auf diese Urteilsart zunächst gemünzt; für die anderen soll, wie oft ausdrücklich bemerkt, meist aber stillschweigend angenommen wird, Entsprechendes gelten. Leibniz setzt dabei auch dies voraus, daß die anderen Urteilsformen auf jenen allgemeinen Typus sich reduzieren lassen; das negative Urteil sei letztlich auf ein positives zurückführbar, das hypothetische auf ein kategorisches, das besondere auf ein allgemeines. Das allgemeine bejahende Urteil nun besteht in einer „Ve rk n ü p f u n g " (connexio, nexus) zwischen Subjekts- und Prädikatsbegriff; und zwar in einer solchen, die sich charakterisiert als jenes Enthaltensein des letzteren im ersteren (connexio atque comprehensio praedicati in subjecto). Dieses Implizierungsverhältnis, in dem Sinne der Begriffe objektiv gründend, muß den „ G r u n d " für die Wahrheit des Satzes verbürgen; in seiner Aufdeckung kann allein der Beweis bestehen. „Principium ratiocinandi fundamentale est, nihil esse sine ratione, vel. . . nullam esse veritatem cui ratio non subsit. Ratio autem veritatis consistit in nexu pradicati ctim subjecto, seu ut praedicatum subjecto insit. .." 3) „Necesse est quandam inter notiones terminorum esse connexionem, sive fundamentum dari a parte rei ex quo ratio propositionis reddi seu probatio a priori inveniri possit.Ui) „Jede Wahrheit hat ihren Beweis a priori, gezogen aus dem Begriff der Termini." 5) Vor der weiteren Auslegung haben wir eine notwendige Einschränkung zu beachten, die uns wieder auf den Zusammenhang mit dem Satz des Widerspruchs bringt. Die Formulierung, 1
) C 402; II, 56; IV, 4 3 3 ; VII, 199, 309. ) C 262, 3 0 1 . Vgl. C 52, 57, 61, 86. 3 ) C 11. E n t s p r e c h e n d wird auch die L o g i k oft als L e h r e de Continente et Contento charakterisiert. 1,390/1; V , 469; C 256. V g l . M VII, 219. 4 ) C 402. D e r Gebrauch des W o r t e s „ T e r m i n u s " iterme) schwankt bei Leibniz: gelegentlich in dem uns gewohnten Sinne angewandt, wird es doch meist für den B e g r i f f (notio, conceptus, idea) als ideales Gebilde gebraucht und ausdrücklich vom bloßen W o r t (nomen) als dessen B e d e u t u n g unterschieden. C 2 4 3 ; vgl. 240 f. 6 ) 1 1 , 6 2 ; VI, 413/4; VII, 199, 295, 309. 2
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Die virtuell identischen Wahrheiten
daß jede Wahrheit ihren Grund und Beweis habe, ist nicht exakt. Die identischen Sätze sind nicht beweisbar; ihre Wahrheit wird direkt durch den Satz des Widerspruchs verbürgt. Sie sind „immédiat", „durch sich wahr". — Dem tragen denn auch die ausführlicheren Formulierungen Rechnung. 1 ) Die Verknüpfung zwischen Prädikat und Subjekt tritt in zwei Formen auf: das Prädikat ist im Subjekt entweder „ a u s d r ü c k l i c h " (expresse) und „offenbar" (manifeste) enthalten, wie bei den identischen Wahrheiten, oder „ v i r t u e l l " und „verborgen" (tecte), wie bei allen übrigen. 2 ) Und wie der Satz des Widerspruchs das Prinzip für die ausdrücklich identischen Wahrheiten darstellt, so ist der Satz vom Grunde das P r i n z i p d e r v i r t u e l l i d e n t i s c h e n W a h r h e i t e n . 3 ) „Identisch" ist j e d e Wahrheit, und insofern kann der Satz des Widerspruchs nicht nur als das erste und fundamentale, sondern als das „ e i n z i g e Vernunftprinzip" ( „ p r i n c i p i u m rationis", im umfassenden Sinne zu verstehen, wie auch principium ratiocinandi") und die einzige Wahrheitsinstanz bezeichnet werden 4 ); nur liegt die Identitätsbeziehung nicht bei allen Sätzen offen zutage, wie das bei den „ersten Wahrheiten", den identischen, der Fall ist. So konstatiert der Satz vom Grunde die prinzipielle Zurückführbarkeit aller Wahrheiten auf identische; entsprechend fordert er im methodischen Sinne (principium reddendae rationis)5) die Begründung und den Beweis aller nicht-identischen Sätze auf dem Wege solcher Zurückführung. — Weitere Fassungen des Prinzips vom Grunde geben Weisungen für diesen Reduktionsweg. Einzig in den Begriffen selbst und ihrem Gehalt kann und muß Begründung und Beweis vorgezeichnet sein; „das Fundament der Verknüpfung der Termini in einem Satze muß in ihren Begriffen liegen". 6 ) Das ist die Grundvoraussetzung des Leibnizischen Wahrheitsbegriffs. ') C402; VII, 199,300,309. "-) C 11, 373, 402, 519; 11,56; VI, 612; VII, 199,309; vgl. auch noch C 18; 111,259; VII, 300. Es ist anzumerken, daß Leibniz mit den „identica" vor allem Sätze dieser Form meint: homo albus est albus, so daß wirklich von einem Enthaltcnsein des Prädikatbegriffs im Subjektbegriff die Rede sein kann. Auf diese Art von Sätzen geht auch die Bemerkung, daß die identischen Sätze, weit entfernt so unnütz und unfruchtbar zu sein, wie man gemeinhin annimmt, „durch eine leichte Veränderung" in „nützliche Axiome" sich umwandeln lassen. VII, 299^ vgl. V, 343, 347, 410. 3 ) Vgl. bes. VII, 300. Auch C 18; III, 259; L. Conturat, La logique de Leibniz, p. 215. 4 6 6 ) C183; vgl. C519; VII, 296. ) C525; VII, 309 etc. ) 11,56.
Die analytische Reduktion
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Der wahre Satz als ideales Gebilde kann seine Geltung nur aus sich selbst, aus dem Gehalt seiner „Termini", den Wesensbeziehungen der Ideen selbst haben. (Der Unterschied von notwendigen und zufälligen Wahrheiten ist dafür prinzipiell irrelevant. Der Idealismus der Leibnizischen Logik steht außerhalb des Gegensatzes von „Vernunft" und „Erfahrung"!) Die Aufgabe des Erkennens ist es, diese Beziehungen herauszustellen. Die Wahrheit der nicht-identischen Sätze ist durch die Aufdeckung der in ihnen gegebenen Implikationsverhältnisse ans Licht zu heben. „A priori beweisen" heißt, die Verknüpfung von Subjekt und Prädikat — welche in den identischen Sätzen „ o f f e n s i c h t l i c h " „zusammenfallen oder in dasselbe eingehen" — „ d i s t i n k t zu e r k l ä r e n " . Und diese Erklärung geschieht „per resolutionem ter-minorum". Die ratio eines jeden nicht-identischen Satzes ergibt sich „aus der A n a l y s e d e r B e g r i f f e . " Durch Einsicht in die Termini (terminis intellectis) sind alle Sätze zum Identitäts- bzw. Widerspruchskriterium zu leiten, können sie „aus den bloßen Ideen . . . bewiesen oder auf die ersten Wahrheiten zurückgeführt werden, so daß es offenbar wird, daß das Gegenteil Widerspruch einschließt und mit einer identischen . . . Wahrheit streitet." 1 ) — So ist denn das fundamentale Problem der scientia generalis in dem Gedanken der „Analyse der Begriffe" zu suchen. In ihm gipfelt zunächst und vor allem die Frage der „Sicherheit", die „Kunst des Beweisens." — Ein Rückblick sei gestattet auf die Funktion der beiden „großen Prinzipien unseres Raisonnements" in ihrem Verhältnis zueinander. Das „Principe des Identiques" ist das Fundament und Kriterium aller Wahrheit. Die immediate „Sicherheit" der identischen Sätze bildet die letzte Gewißheitsinstanz. Der Satz vom Grunde vertritt die Reduktion aller Wahrheiten auf solche „unmittelbare"; in diesem Ziele gipfelt die „logische Doktrin": rem a praedicatione transferendo ad identitatem.2) Somit ist er das eigentliche Methodenprinzip. Ähnlich vertrat bei Descartes die Deduktion methodisch die breiteren Interessen gegenüber dem sachlich fundamentaleren Intuitus. Indessen ist das Verhältnis nicht das gleiche. Descartes' Erkenntnisbegriff ist der einer konkreten Evidenz; sein letztes methodisches Kriterium ist ein durch weitere Vorschriften nicht umschreibbares jeweiliges Erschauen der gegebenen Sachgehalte und inhaltlichen 11,62; VII, 295,300,309; 011,513.
2
) C 194.
214
Die Wege der Begründung
Zusammenhänge. Seine Methode ist „Methode der klaren und deutlichen Erkenntnis". — Inwieweit mit Leibniz' immediaten identischen Wahrheiten die Wurzel aller Erkenntnis grundsätzlich in unmittelbare Einsicht und Einsichtigkeit verlegt wird, werde jetzt nicht erörtert. D a s entscheidende Moment für das Methodenproblem liegt hierin: daß Leibniz im Gegensatz zu Descartes für seine letzten „durch sich bekannten" Einsichten ein exaktes f o r m a l e s K r i t e r i u m anzugeben hat. Alle inhaltliche Evidenz soll sich reduzieren lassen auf die Sicherheit, die in der formalen Identität gewährt ist. Darum kann sich Leibniz' Methodenbegriff trotz der Anerkennung einer letzten Unmittelbarkeit der „Methode der Ideen" entgegenstellen. Der subjektiven Willkür der Evidenzbehauptungen, welcher die Cartesische Methode Vorschub leistete, tritt hier ein streng objektives eindeutig bestimmtes „Merkmal" der Wahrheit gegenüber. Und damit tritt die F r a g e der Immediatheit für die Methodenlehre mehr in den Hintergrund. Die Gesetze und „Vorschriften" sind nicht auf Einsicht und Intuition gerichtet, sondern allein auf die W e g e der formalen Klärung und Reduktion. S o ist es der Satz vom Grunde, der diese Methodenlehre anführt; und alle die weiteren Aufstellungen der methode de la certitude stehen unter seiner Direktive. Descartes' „allgemeine R e g e l " sollte ersetzt sein durch diese Vorschrift: „ e s ist zu forschen nach den Gründen eines jeden S a t z e s " . Leibniz' Methode der Sicherheit ist „Methode der formalen Begründung". b) D i e „ u n i v e r s a l e S y n t h e s i s u n d A n a l y s i s " u n d d a s Mittel der Definition. Die nähere Charakteristik der logischen Verfahrungsweisen geht von Gedanken aus, die uns von Descartes her vertraut sind. Beweis und Erfindung beruhen auf der Verbundenheit der Wahrheiten miteinander. Die ratio im umfassenden- Sinne definiert sich als „ K e t t e oder Verknüpfung der Wahrheiten". 1 ) Die L o g i k ist „die Kunst, welche die O r d n u n g u n d V e r b i n d u n g d e r G e d a n k e n lehrt". 2 ) Darin ist der Vorwurf der scientia generalis befaßt; denn dies ist die „Hauptsache in aller Wissenschaft": „wie die Begriffe auseinander entstehen". 3 ) Die reifste Anleitung für die logische Untersuchung der Ordnung und Abfolge der „ G e d a n k e n " bietet die Mathematik. ') V, 185, 457; VI, 64, 87, 465, 601. 3 ) C 160.
2
) V, 324;
Vgl.
I, 194 etc.
Vorwiegen der Analyse
215
Vor allem bedeutet der mathematische Beweis Muster und Orientierungsstütze für die Grundfragen der Methodenlehre. Allgemein ist ja die Kunst des Beweisens für Leibniz das erste Anliegen. In der Aufdeckung der Beweiszusammenhänge soll unmittelbar auch der eigentlichen Forschungsaufgabe gedient, für die Erfindung „Ordnung und Disposition" an die Hand gegeben sein.1) Und zugleich sind die mathematischen Wahrheiten die klarsten Beispiele für die ewigen Wahrheiten, an denen ja die „Elemente der Wahrheit" und die Methode der Sicherheit ihre Orientierung nehmen. Die mathematischen Beweise geben uns „gleichsam in Modellen" Aufschluß über die „natürliche Disposition der Wahrheiten" ganz allgemein, über die Ordnung und „notwendige Verkettung" der Gedanken, über die Art, wie die Sätze „voneinander abhängen". Im Euklid liegt auch dem Logiker das klassische Lehrbuch vor; die Beweiskunst, die dort am Werke ist, gibt die deutlichsten Hinweise auf die wahre Denkkunst. — Diese „Methode Euklids" wird dann auch immerwährend der „Methode der Ideen entgegengestellt". 2 ) — Es werden dann also, in ausdrücklichem Anschluß an jene speziell mathematischen Methoden, die „universellen" Denkmethoden der S y n t h e s e und A n a l y s e zur Auszeichnung gebracht. 3 ) Entsprechend der Vorrangstellung des Beweisproblems und der Begründungsforderung steht dabei das analytische Verfahren durchweg im Vordergrund. Oft scheinen „Raisonnement" und Analyse geradezu identifiziert. 4 ) Man darf sich indessen durch diese Akzentuierung der Leibnizischen Darstellung nicht irreführen lassen. Es ist eine falsche Formulierung, wenn man den Leibnizischen Erkenntnisbegriff als „analytisch" charakterisiert. Der einzige Gedanke seiner Kombinatorik sollte davor schützen. (Das Problem der Synthesis tritt fast durchweg in dieser Einkleidung und unter diesem Titel auf.) Zudem wird die Aufgabe der „Erfindung" wesentlich als Anliegen des synthetischen Raisonnements gefaßt. — Aber der Synthesis gilt doch eben nicht das primäre Interesse. Da nach den ersten ») Vgl. z.B. C 3 i f f ; VII, 180. 2 ) F ü r die Beziehung der Logik auf die Mathematik vgl. I, 187,201, 2 0 3 , 3 0 5 , 3 5 6 , 3 6 1 ; 1 1 1 , 1 6 5 , 2 5 7 , 4 5 3 ; IV, 291,328, 355,401,404; V, 22, 43, 351, 3 5 2 , 4 3 3 . 4 3 4 ; VII, 25, 154, 496,519,ff, 553; C 160, 1 3 3 , 1 5 3 f , 1 7 5 , 2 2 5 - MIII, 194. 3 ) Vgl. darüber insbesondere den Aufsatz „ D e Synthesi et Analysi universali seu arte inveniendi et iudicandi." VII, 292 ff. 4 ) Vgl. z. B. III, 224.
2l6
Definition der Analyse
Aufstellungen alle Neuerforschung wesentlich bedingt ist durch die Sicherung und Klärung des Bekannten, da die „Mehrung" der Wissenschaften erst nach der instauratio erfolgen kann, so tritt die Analyse — besonders eben in den Entwürfen zur scientia generalis mit ihrem unmittelbaren Hinzielen auf die Errichtung der wissenschaftlichen Enzyklopädie — ganz in den Vordergrund. Es ist kein Zweifel, daß durch diese Bevorzugung die Frage des Synthetischen (und mit ihr das Problem der „Erfindung") innerhalb der Leibnizischen Methodenlehre geschädigt und verkümmert worden ist. — Die A n a l y s e besteht in einer Zurückführung des vorgegebenen Erkenntnisinhaltes auf seine „Gründe a priori", d. h. auf Inhalte, die der „natürlichen Ordnung" nach ihm vorangehen, aus denen er hervorgeht. „Analyse liegt vor, wenn wir zu einer gegebenen Konklusion oder einem vorgelegten Problem deren Prinzipien suchen, um sie mit diesen zu beweisen bzw. zu lösen." Der zweite Fall, in dem also wie bei Descartes die Analyse speziell dem Forschungsinteresse dient (Analytica consistit in arte inveniendi quaestionum solutiones)kommt bei Leibniz seltener in Frage und wird nicht weiter aufgeklärt. Der vorwiegende Wert der Analyse liegt für ihn in der Explikation und Prüfung vorliegender Begriffe und Sätze, in der ars iudicandi. Der Weg der „Erfindung" wird dabei in umgekehrter Richtung nachgezeichnet; die Beweisgründe sind immer zugleich die „Ursprünge der Erfindung", die beweisende Analyse eines Vorgegebenen zeigt zugleich „die Art und Weise, wie entweder der Autor die Erfindung gemacht hat, oder wie man, der Kunst des Raisonnements folgend, zu der Erfindung kommen konnte". Es werden in diesem Verfahren „Einfache an Stelle der Zusammengesetzten, oder Prinzipien an Stelle der Abgeleiteten gesetzt". Dabei hat man das „Einfache" und das „Prinzip" zunächst im rein komparativischen Sinne zu verstehen. Ein unmittelbarer Rückgang auf evidente und letzte Elemente, wie sie Descartes fordert, liegt nicht im Sinne der Leibnizischen Bestimmungen. Die Frage, worauf die analytische Reduktion letztlich führt, wird meist vermieden. Von ihr haben wir jetzt abzusehen. Leibniz' Formulierungen halten sich an die praktischen Bedürfnisse der Forschung, die in vorläufiger Begrenzung und l
)
C167.
Definition der Synthese
217
Arbeitsteilung sich befriedigen lassen. Es sei „nicht notwendig für die Wissenschaften", daß die Analyse „bis zum Ende" getrieben werde; die Beweise würden so zu einer „unerträglichen Weitschweifigkeit" führen, und es gäbe bis heute keine Wissenschaft, wenn man überall die „letzte Analyse" hätte durchführen, z. B. die Axiome gleich wieder hätte beweisen wollen.1) „Die rein analytische Methode ist sehr selten und steht kaum in der Macht der Sterblichen, und meistens wird ein Stück Synthesis oder vorhergefundener Theoreme oder Probleme beigemischt." — Aber das geht nur die Möglichkeit der Durchführung und praktischen Verwertung der Methode im menschlichen Forschen an; prinzipiell ist die rein analytische Reduktion eines vorgegebenen Inhaltes ohne alles synthetische Hinübergreifen zu anderen immer möglich und gefordert; eine reine, bis zum Ende getriebene Analyse, die beim Vorliegenden und dem darin Gegebenen streng verbleibt, „gleich als wenn kein anderes schon gelöstes Problem . . . irgendwo in der Welt vorhanden wäre". 2 ) Die S y n t h e s i s geht den umgekehrten Weg, folgt der „natürlichen Ordnung" vom Grund a priori, dem Prinzip zur Konklusion, dem Abgeleiteten. Synthesis est quando a principiis incipiendo componimus tkeoremata ac problemata, quaecunque nobis offert ordo meditandi naturalis,3) Wie die Analyse in einer Zerteilung gegebener Komplexe, so besteht das „synthetische oder kombinatorische" Verfahren in einer Zusammenfügung außereinanderliegender Elemente. Dabei gilt dies als „allgemeines Axiom": quod ex duobus quibuslibet simul sumtis semper aliquid novi determinatur.4) So dient die Synthesis vor allem der „Mehrung der Wissenschaften", der „Erfindung". „Durch lauter Bekanntes dringt die synthetische Methode zum Unbekannten" vor. Daß diese „Progression" der „natürlichen" Ordnung der Begriffe nachgeht, macht ihre besondere Bedeutung für die wissenschaftliche „Theorie" aus. Das Ausgehen vom einzelnen Problem in der Analyse mag für die „Praxis" oft genug der einzig zugängliche Weg sein; die synthetische Progression ist doch die eigentlich systematische, die >) Vgl. dazu I, 1 9 4 , 2 0 5 , 3 9 2 ; III, 362/3; IV, 355; V, 350; C 3 5 1 , 557. ) Vgl. VII, 297; M VII, 206f; C 165. Ü b e r e i n e n i c h t n ä h e r ausgef ü h r t e S c h e i d u n g d e r A n a l y s e in analysis gradaría u n d analysis per saltum vgl. z. B. VII, 297; M VII, 5 1 ; C 557, 588. 2
3 4
) I, 195.
) C 539. Vgl. d i e das A x i o m e i n s c h r ä n k e n d e B e s t i m m u n g C 258. Cohen und Natorp, Philosophische Arbeiten VI
218
Funktion beider Methoden
eigentlich „wissenschaftliche Methode". „Diejenigen irren gar sehr, welche glauben, daß die Analysis der Synthesis gegenüber den V o r z u g habe; da doch die Analysis angestellt wird, um die vollkommne Synthesis zu finden." Während die Forschung bei der Analyse stets auf die „zufällige" Gegebenheit des einzelnen Problems angewiesen ist, liegt im synthetischen Verfahren „die Kunst die Probleme zu f i n d e n " ; die Synthesis läßt Probleme und Theoreme auseinander in progressiver Ordnung entstehen. Allerdings ist eben dieser W e g nicht immer gangbar, und für die gerade vorliegenden A u f g a b e n der Wissenschaften ist die Hülfe der Analyse eben doch nötig. Die S y n these läßt „immer eine ganze Wissenschaft oder wenigstens eine Reihe von Theoremen und Problemen erscheinen, darunter auch das was gesucht w i r d " ; so „benutzen wir hier mehr als nötig ist, wenn uns nicht durch Zufall begegnet, daß wir gerade auf das allein stoßen, dessen wir bedürfen". „Die Synthesis genügt gewöhnlich nicht, und oft hieße es das Meer austrinken wollen, wenn man alle die dazu erforderlichen Kombinationen ausführen wollte." — Demgegenüber hat die Analyse den V o r teil, im begrenzten Rahmen der vorliegenden A u f g a b e n zu bleiben; hier „nehmen wir nichts Anderes an, was zur Auflösung dessen, wonach gefragt wird, nicht notwendig w ä r e " . 2 ) Übrigens dient das synthetische Verfahren nicht weniger dem Beweisinteresse als dem der Forschung. Der „natürliche" G a n g des „Beweises a priori" ist doch eben der synthetische. Die Analyse dient schließlich immer nur als Vorbereitung, nach deren Erledigung man dann „die Umkehr machen und die synthetischen Beweise finden" soll. 3 ) Synthese und Analyse sind unentbehrliche und praktisch sich ergänzende Methoden, für die ars demonstrandi wie für die ars inveniendi. „Im Urteil wie im Erfinden kann man sich sowohl der Analysis wie auch der Synthesis bedienen." 4 ) — 0 C 1592) V,35o; VII, 84, 297; M VII, 206. 572. Erdm. 86. Bodem. 90.
C 159, 163,165,167, 557; vgl. 350/1,
3
) Vgl. V, 432, C 159.
VII, 477 vgl. 174; VII, 49/50, 297; C 557, 573. An manchen Stellen wird auch versucht, jede der beiden Methoden ausschließlich einem der beiden Interessen zuzuweisen; und zwar meist in dem Sinne, daß der kombinatorischen Methode allein die Aufgabe der Erfindung, der analytischen einzig die des Beweises zukommen soll. (Vgl. 1,295; C 162, 167, 35 r i SS7-) Jedoch muß nach allen näheren Bestimmungen Leibnizens die im Text angeführte Disposition als die eigentliche Meinung gelten. — Der 4)
219
Die Definition
Wie haben nun diese Methoden, wie hat, in erster Linie, die Analyse vorzugehen ? Descartes lehnte nach dem allgemeinen Hinweis auf die „einfachen" Verfahren jede weitere Beschreibung ab. Der Sache nach folgen bei ihm wohl manche richtigen Angaben; im Prinzip aber hielt er eine nähere Bestimmung „wie diese Operationen anzustellen seien" für unmöglich. Sein Mißtrauen gegen das Formale ließ ihn hier Halt machen. Dagegen wendet sich Leibniz. „Diejenigen, die uns Methoden gegeben haben, geben ohne Zweifel schöne Vorschriften, aber nicht das Mittel, sie zu beobachten. Man muß, sagen sie, jede Sache klar und deutlich begreifen, man muß von den Einfachen zu den Zusammengesetzten gehen, man muß unsere Gedanken teilen usw. Aber das hat nicht viel Wert, wenn man nichts weiteres sagt. Denn wenn die Teilung unserer Gedanken nicht gut angestellt wird, verwirrt sie mehr, als sie erhellt. Ein Vorschneider muß die Gelenke kennen, sonst wird er den Braten zerreißen anstatt ihn zu zerlegen." Descartes' „zweite Regel über die Zerlegung der Schwierigkeit in Teile, die geeignet sind, sie zu vermindern, ist von geringem Belang, solange die Kunst zu zerteilen, das ist die wahre Analysis, nicht erklärt ist . . ,". 1 ) Was Leibniz hier verlangt, das ist die Angabe einer logischen Form, nach der die „wahre Analyse" verfahren soll. Als dieses universelle Methodenmittel gilt ihm die D e f i n i t i o n . Darin ist die antike Logik Vorbild und Grundlage für die Denkkunst, daß sie den Beweis und die Definition in den Mittelpunkt gestellt hat. Die platonische ars definiendi ac dividendi und die aristotelische Beweissyllogistik haben den Grundstein der Methodenlehre gelegt. In diesen Formen treffen auch die heterogenen Ausprägungen exakter wissenschaftlicher Forschung zusammen, die das Altertum uns darbietet: Euklids Elemente, Aristoteles' Analytiken und die Digesten der römischen RechtsVersuch Couturats (La log. d. L. p. 178), in Leibniz' Anschauungen über diesen Punkt eine historische Entwicklung zu finden ist verfehlt. A u c h dies ist nicht richtig, daß Leibniz' Unterscheidung der Beweis- und Erfindungskunst „progressiv an Wichtigkeit verloren" habe. » ) M I , 181. Vgl. VII, 83; IV, 329f,347; Erdm. 86. C 161, 351. S. noch C 1 8 7 : „Analytisch ist die Untersuchung, wenn wir die Sache selbst mit der größtmöglichen E x a k t h e i t in Teile zerlegen, indem wir streng achten auf die L a g e , die Verbindung, die F o r m der Teile und der Teile in den Teilen". *
220
Bedingungen oder Requisite
gelehrten. 1 ) Durch präzisere Beobachtung des deflatorischen Verfahrens sollen Wissenschaften wie Jurisprudenz und Metaphysik zu dem Range der Exaktheit und Stetigkeit erhoben werden, den die Mathematik bereits erreicht hat. Die Demonstration ist selbst nur möglich auf Grund genauer Definitionen; im Definieren sieht daher die scientia generalis ihre Universalmethode. Analysieren heißt „die Definition für das Definierte einsetzen"; die Synthesis wieder ist nichts als „das Einsetzen des Definierten an Stelle der Definition". Synthesis und Analysis sind, wenn nicht ausdrücklich, so doch implizit nichts anderes als eine „Kette von Definitionen". Definitionum interventu principia conclusioni connectantur,2) Uns geht zunächst die Analyse an. „Durch Auflösung" das heißt nichts anderes als „durch Definition". Die Forderung des Prinzips vom Grunde ging dahin, die Begriffe zu „erklären", sie „distinkt zu machen", ihre „ R e q u i s i t e " und wieder die „Requisite jedes Requisits" aufzufinden. (Vgl. noch diese Formulierung: in omni veritate omnia requisita praedicati continentur in requisitis subjecti.)3) Das Mittel eben dieser „distinkten Erklärung" soll nun die Definition sein. Die Definition, als „distinkter Ausdruck einer Idee" leistet eben die Auflösung der zusammengesetzten Idee in ihre Teile. „Die Bedingungen oder Requisite" eines Begriffs aufweisen können, das ist nichts anderes „als seine Definition haben". 4 ) So stellt sich hier wiederum Leibniz' Methode der logischen Form in Gegensatz zu der Methode der Ideen. Descartes „verachtete die Definition der bekannten Termini, die alle Welt seiner Meinung nach versteht und die man in der Tat gewöhnlich durch etwas ebenso dunkles definiert. Aber meine Manier zu definieren ist eine ganz andere und man versteht gewöhnlich diese Termini auf eine konfuse und für rationales Vorgehen ungenügende Weise." 5 ) Es dürfen nicht gewisse Ideen schlechthin als „distinkt" behauptet werden; die Denkkunst verlangt, die Ideen durch Definition, durch Explizieren distinkt zu m a c h e n . Ein Gedanke, wie er in Descartes' Metaphysik aufkommt, daß eine (eingeborene) Idee ihre volle Gewißheit haben, „klar und >) 2 ) 3 ) *)
S. z. B. I, 174; VII, 147ff. i67f, 198. C 177.338f. Hauptschr. II, 504fr. I, 185/6, i 9 4 f , 205; VII, 191. C 258, 357. S. noch VII, 62, 83; III, 247. C. 220, 50 ff. 6 i, 194,205; in, 247; v i i , 27,300; e 50. ) in, 569.
Methode der Substitution
221
distinkt" sein könnte, ohne daß ihr Gehalt im einzelnen entwickelt wäre, ist nach Leibniz grundsätzlich auszuschließen. Der „lydische Stein" der Erkenntnis liegt in dem „Beweis der Prädikate vom Subjekt", d. h. in dem Verfahren, welches das „implizite" Enthaltensein der Prädikatsbegriffe in den Subjektsbegriffen „ausdrücklich" macht. Alle Verworrenheit und Unsicherheit der Erkenntnisse besteht darin, „daß ihre Termini nicht genügend aufgelöst sind". — Die Definition ist ein Satz wie andere, bestehend in einer Verknüpfung von Subjekt und Prädikat. Der eigentümliche methodische Vorzug aber vor den übrigen Aussagen liegt darin, daß Subjekt und Prädikat sich hier „gleich weit erstrecken". Inhaltlich gesprochen: es besteht zwischen ihnen sachliche (wenn auch nicht formale) I d e n t i t ä t . Das eine kann für das andere „ s u b s t i t u i e r t " werden; wodurch sie sich unterscheiden, das ist die Form der Explizitheit, die ihren Sachgehalt nicht tangiert. 1 ) Salva enim veritate fiunt mutationes quae fiunt substituendo definitionem in locum definiti vel contra. Die „Substitution" ist das eigentliche Hauptverfahren der Denkkunst. „Alle Wissenschaften, die in Beweisen bestehen, behandeln nichts anderes als die Äquipollenzen oder die Substitutionen der Gedanken." Demonstrare propositionem est resolutione terminorum in aeqtiipollentes manifestum facere quod praedicatum in . .. subjecto contineatur.'1) Unter den Sätzen allgemein bildet die Definition das Analogon zur mathematischen G l e i c h u n g . 3 ) Zur methodischen Sicherung sind stets „Gleichungen oder umkehrbare und gleich weit reichende (aeque late patentes) Sätze zu gebrauchen, d. h. man muß nicht nur sorgen, daß das Prädikat ebenso weit reicht wie das Subjekt und umgekehrt (wie das in den reziproken Sätzen zutrifft), sondern auch daß das Subjekt oder Prädikat des einen Satzes ebenso weit reicht, wie das Subjekt oder Prädikat eines jeden anderen Satzes, der innerhalb desselben Beweises auftritt." „Gleichungen dieser Art haben nicht nur Vgl. C 362. Sehr oft wird die Identität selbst durch die Substituierbarkeit „salva veritate" definiert. C 259, 261; vgl. noch VII, 196, 219, 228, 236. 2) C 352, 362; VII, 44. Vgl. noch C 402/3. 3) Das in der Leibnizischen „universalen Charakteristik" für das Substitutionsverhältnis verwandte Zeichen ist indessen nicht das mathematische Gleichheits- sondern das Kongruenzzeichen. Vgl. z.B. C 229 ff. S. noch C 235, 259, 261.
L o g i s c h e Gleichungen
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in der Mathematik, sondern auch in jedem anderen Raisonnement statt, überall da nämlich, wo Definitionen statthaben." 1 ) Besteht doch eben die Definition in nichts anderem als in der Substitution eines „äquivalenten" Ausdruckes, der die Gründe a priori, die im vorgegebenen Inhalt verborgen liegen, ans Licht stellt. Definitio (Definitum) est terminus aequivalens natura prior (posterior).2) Die comprehensio praedicati in subjecto ist festzustellen durch eine vollständige definitorische Explizierung des Subjektbegrififes; wobei gegebenenfalls auf die einzelnen Definitionsmomente dasselbe Verfahren wieder anzuwenden ist. Dadurch wird das Enthaltensein auf explizite Identität zurückgeführt, wie es der Satz vom Grunde verlangte. „Alle ewigen Wahrheiten gehen zurück auf Definitionen und identische Sätze . . ."; die „Kette der Definitionen" mündet schließlich in formalen Identitätsaussagen. Die allgemeine Natur der Wahrheiten kann auch so bestimmt werden: „wahr ist, was aus Identischem durch Definitionen beweisbar ist." 3 ) Zu den beiden Fundamentalsätzen der scientia generalis tritt so die Methode des Substituierens hinzu als umfassendes Prinzip der methodischen „Veränderungen", insbesondere des Beweises. 4 ) c) D i e „ A n a l y s e d e r B e g r i f f e u n d
Wahrheiten".
Das Problem des Beweises führt auf die Frage nach dem E n d e d e r A n a l y s e . Der Beweis kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn er jeweils in sich abgeschlossen ist und keiner weiteren Rechenschaft mehr bedarf. Soll es also exakte Beweisformen geben, so muß es allgemein sich festsetzen lassen, worin die Suche nach den „Gründen" ihr Ende finden, an welcher Grenze der analytische Regreß Halt machen darf und soll. — Descartes schob hier seine Simplices vor. Diese bedeuteten zugleich bloße Begriffselemente wie auch primitive Wahrheiten, „notwendige Verknüpfungen". Für die letzteren dachte er an die Axiome der Mathematik und bediente sich deren auch zu Beispielen für die absolute und letztliche Evidenz des Einfachen. l)
2) C 242 vgl. 406. I, 195. VII, 194. V g l . noch die Bemerkungen über die Bedeutung der „reziproken Sätze" für die Umkehrung des analytischen Regresses in den synthetischen Progreß V, 432,466; I, 188, 205; C 3 2 , sowie die Formulierung der Hauptaufgaben in der Kombinatorik. S. Couturat, La logiqae de L., p. 41 ff. 4) C 402/3. Vgl. Couturat, La log. de L. p. 206. 3)
Identische Sätze als wahre A x i o m e
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Leibniz' Begründungsforderung aber richtet sich gerade auch auf die A x i o m e selbst. Die Berufung auf deren Evidenz gilt ihm als ignava ratio. Die Forderung des „ B e w e i s e s d e r A x i o m e " durchzieht alle seine methodologischen Ausführungen. Euklid muß an diesem Punkte mit seiner eigenen Methode überwunden werden, und es sind ja auch von späteren Mathematikern die Ansätze dazu gemacht. Alles muß bewiesen werden, auch das, was klar und evident erscheint; dies ist der „allgemeinste Fehler", daß man „ A x i o m e voraussetzt, die man doch beweisen könnte". Alle Axiome, mögen sie noch so „klar und leicht" einleuchten, sind darum doch „beweisbar". Die Forderung, „die A x i o m e zu beweisen" ist nur „ein Korollar der großen Vorschrift", die der Satz vom Grunde gibt. Die Analyse darf in diesem Sinne „nicht beschränkt werden". 1 ) A u f Descartes' Äußerung: jeder müsse die Wahrheit seiner A x i o m e anerkennen, wenn er nur von Vorurteilen frei sich halte, gibt Leibniz die ironische Erwiderung: veritates simplices admodum sed quae tarnen non admittuntur ob praeiudicatas hominum opiniones consultissimum est demonstrare per simpliciores.2) Gerade dies, daß Descartes nicht zum Beweis der A x i o m e vordrang, zeigt das Ungenügen seiner Methode, bei allem A u f wand des Zweifelsapparates. 3 ) W i e schon allgemein in der Stringenz der logischen Formen die „Ursache der Evidenz" gesucht werden soll, so ist auch nach der „Quelle der A x i o m e " zu forschen. „Man begnügt sich zu sagen, daß die A x i o m e von der Kenntnis der Termini oder der Ideen abhängen, aber man zeigt nicht w i e . " 4 ) V o r dem Satz vom Grunde sind die sogenannten A x i o m e Sätze wie andere auch. Sie müssen reduziert werden auf Aussagen formaler Identität. Die identischen Sätze sind die „wahrhaften A x i o m e " , die wirklich „primitiven Prinzipien"; „absolut erste Wahrheiten, die nach der Natur der Dinge unbeweisbar sind". „ A x i o m " , d. h. „notwendiger unbeweisbarer Satz" ist allein der „formell identische". Er allein ist einsichtig sine omni terminorum intellectu sive resolutione. Die identica allein können „evident" heißen, per se notae, per se certae, und dürfen als „Fundamente" aller übrigen Wahrheiten gelten. 5 ) Die „formalen ') 1,194, 111,443,453; IV, 354/5, 401; v , 67, 387; VII, 165f; Min, 321. C 180,400. 2) IV, 364. 3) Bodemann 59. III, 258. 6) I, 194; V, 65, 78, 81, 92, 348, 388, 415; VI, 612; VII, 44, 295, 300, 309; C 186, 219, 518.
224
Die Analyse der Wahrheiten
oder ausdrücklichen Identischen" allein sind wirklich „immédiat": sie allein weisen wahrhafte „Unvermittelheit zwischen Subjekt und Praedikat" auf — nihil enim utique reperiri potest, quod medii instar aliquid. secum ipso connectât.1) — Durch die Ablehnung der inhaltlichen Evidenz und die Forderung des Beweises der Axiome wird also nicht etwa die Gefahr eines endlosen Regresses heraufbeschworen. Wir können „absolute", „apodiktische" Beweise führen „auch wenn wir nicht mit der Auflösung ins Unendliche gehen". Der Beweis „vollendet" sich in den identischen Sätzen, als dem „absolut Ersten und Primitiven" für die „Analyse der Wahrheiten". 2 ) — Damit ist aber nicht etwa die Frage nach dem Ende der Analyse überhaupt entschieden. Von der A n a l y s e der W a h r h e i t e n ist zu unterscheiden die A n a l y s e d e r B e g r i f f e . Die beiden Titel vertreten grundverschiedene Interessen. Im strengen Sinne sind es ja immer nur die Begriffe, welche analysiert werden. Durch Analyse des Subjektbegriffs (bzw. des Subjekt- und Prädikatbegriffs) wird die „Koinzidenz" der Requisite herausgestellt, die der identische Satz (von der Form „homo albus est albus" oder: „ein gleichseitiges Dreieck ist ein Dreieck") dann „ausdrücklich" formuliert. Für die Vollendung des jeweiligen Beweises ist also die Begriffsanalyse nur genau so weit auszuführen, als nötig ist, um jenes Enthaltensein formal „offenbar" zu machen. Der Beweis eines Satzes geschieht „durch Auflösung des Subjekts oder des Prädikats oder beider" — donec perveniatur ad términos quos utique termino communes esse ex definitionibus constat. Die „Analyse der Wahrheiten" vertritt nichts weiter als dieses Interesse der apodiktischen Begründung eines vorgegebenen Satzes durch Rückgang auf die „Koinzidenz", auf das dem Subjekte und Prädikate „gemeinsame Maß" des Begriffs, den der identische Satz sich selbst gleichsetzt. „Die Analyse einer Wahrheit ist vollendet, wenn man ihren Beweis gefunden hat, und es ist nicht immer notwendig, die Analyse des Subjekts oder des Prädikats zu vollenden, um den Beweis des Satzes zu finden. Meistens genügt der Anfang der Analyse der Sache für die Analyse oder vollkommene Erkenntnis der Wahrheit, die man von der Sache erkennt." „. . . Ostenditur ad perfectas demonstrationes Veritatum non requiri perfectos conceptus rerum,"3) 2 o VII, 300; V , 347, 4 1 5 etc. ) C 514, 539; Mill, 321. 3 ) V I I , 83/4, 2 9 5 . C 17, 220, v g l . i 8 6 f , 5 1 4 , 539.
Die primitiven Begriffe
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D a ß die identica die „absolut ersten Wahrheiten" sind, gilt durchaus unabhängig von der Frage, ob ihre Termini k o m p l e x oder einfach sind. Der jeweiligen Beweisaufgabe ist mit der Begriffsanalyse, die auf ihr „gemeinsames M a ß " geführt hat, genügt. „ D a ß die identischen Sätze notwendig sind, steht fest ohne alles Verstehen, d. h. ohne alle A u f l ö s u n g der Termini; denn ich weiß, daß A = A ist, was auch immer unter diesem A verstanden w i r d . " D a s eben ist der grundsätzliche Unterschied dieser „wahrhaften A x i o m e " von den „gewöhnlichen", wie sie Descartes' Simplices zum Muster nahmen: die Evidenz ist hier nicht an bestimmte prinzipielle, primitive Inhalte gebunden, sondern haftet an der logischen F o r m , in die jeder beliebige Begriffsinhalt eintreten kann, der k o m p l e x e nicht weniger als der „einfache". S o ist auch die Zahl dieser ersten Wahrheiten nicht, wie es die der A x i o m e sein sollte, eine beschränkte ; es gibt ihrer vielmehr unendlich viele — ebensoviele nämlich, als es überhaupt Begriffe gibt. 2 ) — D a g e g e n führt das eigentliche Problem der „ A n a l y s e der Begriffe" in der T a t notwendig und unmittelbar auf die F r a g e der letzten „Elemente der G e d a n k e n " überhaupt. Das Interesse geht hier von der F o r m über auf den Inhalt. W e n n die Begriffe als k o m p l e x e Gebilde aufgefaßt werden, die in bestimmter Ordnung durch bloße Kombination auseinander entstehen, so sind damit ohne Weiteres Begriffselemente, inkomplexe Gebilde zum Grundmaterial aller Inhalte angenommen. Die „derivativen" Begriffe bestehen allein auf Grund der „primitiven". 3 ) W i e alle W o r t e einer Sprache aus den Buchstaben ihres Alphabetes, so muß aller Reichtum der komplexen Ideen letztlich resultieren aus einem „ A l p h a b e t der Gedanken". Und es ist gar wohl denkbar, daß auch das Gedankenalphabet sich in einer begrenzten Anzahl von Elementen erschöpft. „Wenn es auch unendlich Vieles gibt, was begriffen wird, so ist es dennoch möglich, daß es Weniges nur gibt, was durch sich begriffen wird. Denn durch die Kombination W e n i g e r kann unendlich V i e l e s zusammengesetzt werden." 4 ) >) 1,194.
-) C 1 8 6 ; IV, 68. Beispiele für die Begründungsfunktion der identica s. I, 223; V, 344; VII, 300; C 5 1 8 ; MIII, 321/2; M V , 395; MVII, 274. 3) C 5 1 3 ; VII, 2 2f; IV, 61. 9 4) C430 vgl. 270; VII, 205. Andererseits läßt die Analogie mit den Primzahlen die Möglichkeit in Rücksicht ziehen, daß die Anzahl der primitiven und irreduktiblen Begriffe unbegrenzt ist. S. VII, 292. — Für
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Intuitive Erkenntnis
Welche Stellung hat nun diesen Begriffselementen gegenüber die Methodenlehre einzunehmen? Versagt hier die Kompetenz der Methode, oder bringt sie hier eine neue Instanz auf? Ihr „lydischer Stein", der „Beweis der Prädikate vom Subjekt", allgemein die formale Reduktion kann hier nicht mehr helfen, wo es um die einfachen Inhaltselemente sich handelt. Und in der Tat muß für das Erfassen der primitiven Begriffe eine besondere Erkenntnisart anerkannt werden. Alles Begreifen der komplexen Termini ruht sachlich auf dem unmittelbaren Erfassen von Gebilden, die nicht „durch andere", sondern „durch sich" begriffen werden. Si nihil per se concipitur nihil omnino percipietur?) Der Erkenntnis komplexer Ideen steht gegenüber die cognitio distincta notionis indefinibilis quando ea est primitiva sive nota sui ipsius, hoc est cum est irresolubilis ac non nisi per se intelligitur atque adeo caret requisitis. Diese Erkenntnisart ist die i n t u i t i v e . Alle Erkenntnis, deren Inhalt einer Begründung, Reduktion, Auflösung fähig ist, ist bloß mittelbar; solange die „letzte Analyse" nicht geleistet ist, bleibt sie „blind oder symbolisch". Direkt und immediat ist allein die „intuitive Erkenntnis". Das findet schon bei den identischen Sätzen Anwendung. Welcher Art auch ihre Termini und deren Erkenntnis sein mögen; ihre Verknüpfung ist eine „unmittelbare", ist irreduktibel, und wird erkannt par intuition. Mit den inkomplexen Termini nun geht diese unmittelbare Einsicht von der Form über auf den Inhalt der Begriffe selbst. Notionis distinctae primitivae non alia datur cognitio quam intuitiva, ut compositarum plerumque cogitatio non nisi symbolica est?) — Es liegt nun auf der Hand, welche Schwierigkeiten diese Anerkennung der einfachen Elemente und der dazu korrelativen Erkenntnisart für Leibniz' Methodenlehre mit sich bringt. Die die Gewinnung der letzten oder der diesen nächststehenden Begriffe (z. B. der Grundbegriffe einzelner Wissenschaften) verspricht sich Leibniz besondere Förderung durch den „Beweis der A x i o m e " , weil eben die überlieferten A x i o m e selbst schon Prinzipienrang einnehmen und eine weitere Auflösung ihres Begriffsgehaltes daher den primitiven Begriffen nahe kommen dürfte. Vgl. z . B . MI, 121; VII, 185; C 187,400. — Versuche einer Aufzählung von Grundbegriffen s. C S'4. 160. Für die dort angeführten Begriffe werden aber Definitionen gefordert (C 253,255,256,284), sodaß es sich nicht wohl um eigentliche primitive Begriffe handeln kann. *) €430,358. Vgl. V, 21 totiies les idees derivatives et toutes les verites quon en deduit, resultent des rafforts des idees primitives qui sont en notis. •) IV, 423; V, 443.
Versagen des Kriteriums
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Zulassung des Intuitiven in der Erkenntnis der formalen Identität bot weiter keine Gefahr. Die Evidenz war hier ein für allemal garantiert durch ein allgemeines Prinzip — das Leibniz übrigens, wie wir sehen werden, noch besonders als notwendige Voraussetzung alles Erkennens auszuweisen für nötig findet. W i e aber soll die neue Methode vor dem Fehler der Methode der Ideen bewahrt bleiben, wenn in der Erkenntnis aller eigentlichen Begriffsmaterie nur die unmittelbare Einsicht soll entscheiden können. D a das formale Kriterium immer nur die Komplexionen angehen kann, welche Prüfungsinstanz soll für die Richtigkeit und Sicherheit der elementaren Inhaltseinsichten eintreten? Das Kriterium des Widerspruchsprinzips bzw. des Satzes vom Grunde galt den W a h r h e i t e n 1 ) ; hat die Methode nicht aber auch für das rechte Erfassen der letzten B e g r i f f e aufzukommen? Oder ist hier alles der einzelnen unkontrollierbaren Einsicht überlassen? 2 ) — Schon in seinen frühesten logischen Überlegungen geht Leibniz davon aus, daß erst die komplexen Begriffe zu den Wahrheiten, den Sätzen führen; von den inkomplexen gibt es immer nur eine einzige Aussage: die der einfachen Identität. (Vgl. C 58.) Ihr Gehalt gibt keine Aussage her wie sie die Explizierung bei den komplexen Begriffen zu liefern vermag. Vgl. z. B. VII, 185, 292; C 346. 2 ) Vgl. V, 21: les connaissances des primitives n'ont point besoin d'être formées, il faut les distinguer seulement. — Im Grunde erheben sich analoge Fragen auch für die komplexen Begriffe. Die Einsicht, daß ein Begriff A eine andere Bedeutung (signification hat als ein Begriff B ist durch keinerlei formale Reduktion zu erhärten. Leibniz ist selbst an einer Stelle auf diese Schwierigkeit gestoßen, doch ohne ihr besondere Bedeutung beizumessen. Er unterscheidet (V, 343 f) von den identiques négatives qui sont du principe de contradiction (z. B. A ist nicht non -A) die qui sont des disparates (A ist nicht B). [Vgl. auch. VII, 225. Der Unterschied von diversum und disparatum ist für unser Problem irrelevant. Streng genommen müßte es an jener Stelle der Nouv. essais „divers" heißen. Vgl. VII, 23öf; C 193 ] Quant aux disparates ce sont ces propositions qui disent que l'objet d'une idée n'est pas l'objet cCune autre idée .... Tout cela se peut asseurer indépendemment de toute preuve ou de la réduction à l'opposition ou au principe de contradiction..." — Zu der Beziehung auf das O b j e k t der Idee muß dies bemerkt werden, daß Leibniz nicht immer scharf zwischen der Sphäre der Bedeutungen und der der Gegenstände unterscheidet. So gibt er als Beispiel für die Identität (Substituierbarkeit) sehr oft Triangel und Trilater, weil eben diese verschiedenen Bedeutungen dennoch in gegenständlichen Aussagen für einander gesetzt werden können salva vertíate, weil sie „aequivalent" sind. Vgl. z. B. C 52, 261, 362; VII, 219, 225,226,236. Ein einziges Mal jedoch wird der Unterschied angemerkt: Cependant on peut toujours dire dans l'abstrait, que le triangle n'est pas le trilatère ou que les raisons formelles du triangle et du trilatire ne
228
Das Alphabet der Gedanken
Leibniz hat diese Fragen ohne Lösung gelassen. Die Schwierigkeit scheint er wohl empfunden zu haben; er ist ihr ausgewichen und bei den formalen Interessen geblieben. Für die Methodenlehre genügt ihm die prinzipielle Anerkennung der primitiven Begriffe und die Forderung, keinen komplexen Inhalt im Stadium der „symbolischen" Erkenntnis, der Unaufgelöstheit zu belassen. Einer Auseinandersetzung zwischen Diskursivem und Intuitivem, Begründung und unmittelbarer Einsicht sich zu entziehen wurde ihm dadurch erleichtert, daß die Erreichbarkeit jener ersten Begriffe durch den menschlichen Verstand ihm mehr und mehr fraglich wurde. Die scientia generalis war in praktisch-wissenschaftlicher Absicht in Untersuchung gezogen; wenn also die explizite Einsicht in die letzten Begriffselemente für menschliches Wissen nicht in Frage kommen sollte, so war die prinzipielle Untersuchung über Art und Methode solcher „Intuition" für seine Methodenlehre entbehrlich. Die frühen (kombinatorischen) Schriften allerdings gehen unbedenklich von der Gegebenheit bzw. Erreichbarkeit des „Alphabets der Gedanken" aus. Für die technischen Aufgaben der Kombinatorik ist dies ja das erste Anliegen: den primitiven Begriffen einfache Zeichen zuzuordnen, um mit deren Kombination alle komplexen Inhalte herauszurechnen. 1 ) Und so bleibt auch in den späteren Entwürfen zur universellen Charakteristik der „Katalog der primitiven Begriffe", das „Alphabet des Denkens" in seiner zentralen Stellung. Je mehr aber auf der anderen Seite die analytische Betrachtungsweise sich vorschiebt (für die Ausführung des kombinatorischen Gedankens bedarf es ja vor allem der allgemeinen „Analyse der menschlichen Gedanken"), und je strenger die Erörterungen in der logischen Sphäre sich bewegen — desto mehr verliert die Annahme, daß jene Elemente unserer Forschung erreichbar seien, an Selbstverständlichkeit und Gewißheit. W ä r e das „Alphabet" in Vollständigkeit zu gewinnen, so hätte man damit nicht weniger als den Schlüssel zum mühelosen Erwerb alles Wissens überhaupt. Denn mit den Elementen sind auch alle Kombinationen prinzipiell mitgegeben. Die Wissenschaft wäre dann „vollendet". 2 ) sont pas les mêmes, comment parlent les Philosophes. Ce sont des differens rapports d'une même chose. V, 344- Vgl. auch die Äußerung C 261 : Est in eo aliquid materiale. *) Außer der Ars comiinatoria vgl. besonders noch I, 58; VII, 185, 205, 292; C 165. ') Vgl. 1,392; dazu C 96, 532f, 560/1 ; VII, 84: Ayant le catalogue des
Vorläufige Annahmen
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Aber das eben ist Leibniz durchaus zweifelhaft, ob diese „analyse jusqu'au bout" in unserer Macht ist. „Ob aber jemals von Menschen die vollkommene Analyse der Begriffe angestellt werden kann, d. h. ob sie zu den ersten Möglichen 1 ) ihre Gedanken zurückführen können, das möchte ich jetzt wenigstens nicht zu bestimmen wagen." In anderen Äußerungen neigt sich die Wagschale sogar entschieden nach der Seite der Verneinung. 2 ) — Welche Folgen die Unerreichbarkeit des Gedankenalphabets für die Durchführung des Gedankens von der universellen Charakteristik haben würde, steht jetzt nicht in Frage. Eine Bestimmung jedoch, die für die Interessen der Charakteristik häufig getroffen wird, geht zugleich die Methodenlehre im rein logischen Sinne an. Für die primitiven Begriffe sollen gegebenenfalls „als primitiv a n g e n o m m e n e " eintreten. 3 ) W o die Analyse sich, für den Moment oder überhaupt, als undurchführbar erweist, kann man den Begriff ungelöst bestehen lassen und mit ihm wie mit einem absolut ersten verfahren, wenn man ihn nur als solches vorläufig ungeklärt hingenommenes Erkenntnisstück, als Annahme oder Hypothese ausdrücklich kennzeichnet. Das beste Vorbild für den Wert solchen Vorgehens aus dem Gebiete der Analyse der Wahrheiten bieten die Axiome Euklids. Sie haben darin ihren wahren Sinn, als vorläufige Annahmen, selbstgesteckte einstweilige Grenzen der Analyse die Basis für die synthetische Entwicklung der Theoreme zu geben. Der Irrtum liegt immer nur darin, daß man solche Annahmen als in sich evident und der Auflösung unbedürftig behauptet. „Es ist sehr wichtig, alle die Voraussetzungen, deren man bedarf, ausdrücklich zu machen, ohne sich die Freiheit zu geben, sie stillschweigend anzunehmen unter dem Vorwand, daß die Sache von sich aus evident sei." pensées simples on sera en estât de recommencer a priori et d'expliquer Vorigine des choses, prise de leur source d'un ordre parfait et dune combinaison ou synthèse absolument achevée. *) Über diesen Ausdruck später. 2 ) IV, 423,425; 0 4 3 1 , 5 1 4 . Für die Methodenlehre ist noch diese Äußerung von besonderem Interesse, daß es uns, selbst wenn wir der primitiven Begriffe habhaft werden könnten, an einem methodischen Mitttel fehlen würde, sie als solche zu erkennen. Wie man die Primzahlen von den übrigen nur so unterscheiden kann, daß man die Teilung versucht, de même les termes irresolubles ne se sçauroient bien reconnoistre que négativement et comme par provision. C 187. An autem ullus ejus modi conceptus hominibus distincte obversetur ut scilicet eum se habere agnoscunt, dubitari potest. C 513; vgl. V, 470; VII, 18. 3 ) Vgl. z.B. € 5 0 , 2 2 0 / 1 , 3 5 8 , 3 6 0 ; VII, 292, 293.
230
Letzte Hypothesen
Der Analyse eine Grenze zu setzen liegt durchaus im Sinne der synthetischen Forschungsinteressen, nur darf man diese Grenze nicht als eine sachlich festgegebene und unübersteigbare Schranke ansehen wollen. Das gilt für die Analyse der Wahrheiten wie für die der Begriffe. 1 ) Nur in einem bestimmten Falle ist man berechtigt, auf eine weitere Reduktion grundsätzlich Verzicht zu leisten. Es handelt sich dabei allerdings nicht um Begriffe und Begrififselemente, sondern um letzte Wahrheiten, auf die Leibniz das Beweisschema der Reduktion auf identica nicht anzuwenden sucht, weil dies Verfahren selbst sich auf sie stützt. Die „beiden großen Prinzipien unseres Raisonnements", der Satz des Widerspruchs und der Satz vom Grunde, sollen als oberste Annahmen, als Hypothesen verstanden werden. Quoniam autem probando in infinitum iri non potest consequens est aliqua sine probatione esse assumenda, non quidem tacita quadam obreptione . . . sed diserte admonendo quibusnam velut Assertionibus primis utamur, exemplo Geometrarum qui... statim ab initio profitentur, quibusnam Axiomatibus assumtis sint usuri, wt sciant omnes sequentia saltem ex his positis hypothetice esse demonstrata. Ante omnia assumo Enuntiationem omnem aut veram aut falsam esse . .. usw." 2 ) Die identischen Sätze galten sonst als unmittelbar und intuitiv gewiß; hier wird das Prinzip, darin ihre Geltung besteht (dans le fonds on peut compter A est A et B est B pour un même principe revestu diversement V , 395) als oberste Hypothese bezeichnet — aber als eine Hypothese besonderer Art. Für die Geltung von Prinzipien dieser Art ist dies entscheidend: daß mit ihrer Verneinung die Möglichkeit aller Erkenntnis überhaupt aufgehoben sein würde. Somit auch das Raisonnement, welches ihre Wahrheit in Frage stellen wollte. Daher kann hier nicht von späterer Begründung der jetzigen Annahme die Rede sein: solche Prinzipien „sind derart, daß man vergebens einen Beweis für sie fordern würde". Da nämlich, im Falle des Widerspruchssatzes, ad probationes non afferri possint nisi aliae propositiones frustra utique afferentur, si simul concedi et negari aut verae et falsae esse possunt cessatque statim ab initio omnis inquisitio veritatis. „Sie sind entweder ohne Schwierigkeit zuzulassen v g ' - 1 , 381; V, 15, 400,434; VII, i65f. Über den Nutzen der „Hypothesen'.' im Sinne der Euklidischen Axiome vgl. noch IV, 355; V, 431 f.; C 33. "-) VII, 299; vgl. II, 62.
D e r e n „Evidenz"
231
oder man muß auf jede Erforschung der Wahrheit verzichten." 1 ) Solche Prinzipien allein können als letzte selbstgewisse Hypothesen, können gar als evident behauptet werden. „Das ist durch sich evident, mit dessen Aufhebung allen die Wahrheit aufgehoben wird." „Ostensiver und apagogischer Beweis" fallen in dieser „letzten Analyse" zusammen; die absurden Konsequenzen der Gegenannahme verbürgen unmittelbar die Notwendigkeit jener Prinzipien.2) Et ita cessat illa difficultas quae omnes torquet, de modo quo ipsorum principiorum certi sumus ex quibus demonstrationes ducuntür . . .3) — Für das Problem der primitiven Begriffe ist damit allerdings nichts gesagt. Wie die Erkenntnis der Gedankenelemente methodisch zu sichern wäre, darüber fehlt jede Andeutung. Es ist auch nicht ersichtlich, welche Beziehung Leibniz zwischen diesen in einem besonderen Sinne „primitiven" Wahrheiten und den primitiven Begriffen angenommen haben mag. Solche für die Durchführung seines Erkenntnisbegriffs doch so wesentliche Fragen hat er völlig im Dunkel gelassen. d) N o m i n a l d e f i n i t i o n und R e a l d e f i n i t i o n . Der Analyse der Wahrheiten und dem formalen Beweisverfahren gegenüber brachte die „Analyse der Begriffe" das Inhaltsmoment zur Sprache. Diese Wendung setzt sich fort in den Untersuchungen, die im Aufbau der scientia generalis auf die Lehre von den wahrhaften Axiomen folgen sollten: de Materia Veritatum sive conceptibus atque ideis, et quomodo conDie ceptus esse genuinos minimeque fictitios cognoscatur.4) formale Betrachtung wird hier verlassen zugunsten der Frage nach dem Realitätswert der Begriffe. Die hierhin gehörigen Bestimmungen heften sich an den Begriff der Definition. Im Grunde liegt ja in der Definition der Mittelpunkt dieser ganzen Methodenlehre. Auf der formalen Seite waren die identica als die Prinzipien des Beweises vorangetreten. Die eigentliche Erkenntnisleistung aber kommt doch der Begriffsdefinition, der Bedeutungsanalyse zu. Das war ja auch der umfassende Sinn des Satzes vom Grunde: daß alle Wahrheit ex solis terminis erkennbar sein müsse. So treten denn auch die Definitionen, die unter dem formalen Gesichtspunkt nur als Überleitungen von dem zu beweisenden Satze zum identischen betrachtet 1) II, 62; V, 14/5; C i 8 3 f . ; vgl. I, 382; IV, 327; V, 474; VI, 63; VII, 195. 2 3 4 ) VII, 295, 420; C 184. ) C 184. ) C 219.
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Synthetisches Definieren
werden, andererseits wieder diesen ebenbürtig als „Prinzipien" zur Seite. Sie sind „erste Sätze", wie die identischen, unbeweisbar wie diese, weil selbst Mittel und Quell des Beweises. 1 ) „Die Bedeutungen der Termini, d. h. die Definitionen, verbunden mit den identischen Axiomen drücken die Prinzipien aller Beweise aus." Die „zwei Prinzipien" des apodiktischen Wissens sind die „Definitionen oder Ideen" und die „identischen Wahrheiten oder die Koinzidenz der Ideen". 2 ) Inhaltlich betrachtet liegt in den Definitionen die eigentliche Erkenntnis, während die identischen Sätze nur die Form der Verknüpfung repräsentieren. Le principe des principes est... le bon usage des idées . . ce n'est autre chose que de lier des définitions par le moyen des Axiomes identiques.3) (Ein besonders klares Beispiel hierzu s. C. 17.) Überall ist es die Bedeutungseinsicht und die Begriffsdefinition, die alle sachliche Richtigkeit und Geltung zu verantworten hat. — Soweit nun kam die Definition immer nur als Mittel der Analyse in Erwägung. Auch das synthetische Einsetzen aber „des Definierten an Stelle der Definition" gehört zum Problem, die Setzung eines neuen Begriffs durch Kombination gegebener Termini. 4 ) Durch jede solche Kombination entsteht, rein formal angesehen, ein neuer Bedeutungskomplex, ein neuer Begriff. Hier nun stellt Leibniz die Frage : ob denn diesen formalen Synthesen immer auch eine sinnvolle Bedeutungseinheit, ein wirklicher Erkenntniswert zukomme. Die Frage geht über die bloß formale Einstellung hinaus. Hier geht es um den Begriffsinhalt und, wie wir sehen werden, zugleich um seine Intention auf den Gegenstand. — Alle hierin gehörigen Probleme nun werden abgehandelt unter dem Begriffsgegensatz von Nominalund Realdefinition. Die Nominaldefinition kommt hier nicht so sehr in dem analytischen Sinne der Worterklärung in Frage, denn als Setzungsmoment, wie es Hobbes verstand, der auf diesen Begriff seinen Nominalismus gründete. Dabei ist allerdings eben von der nominalistischen Mißdeutung abzusehen: nicht um Worte und Wortkombinationen handelt es sich für Leibniz, sondern um Bedeutungen und Bedeutungskombinationen, deren Sachgeltung nicht berührt wird von der Willkür in der Wahl der Bezeichnungen. 5 ) So kommt es für den Leibnizischen Begriff ') C 186 f. 1,194,205; 111,258; V , 3 9 4 f , 4 i 3 ; VII, 300. MIII, 322, MVII, 20. 3) V, 432. 4) Vgl. noch C 363, 367. 6) Zur Widerlegung des Hobbeschen Nominalismus vgl. V, 377/8;
2)
Nominaldefinition
233
der Nominaldefinition nicht auf die Namengebung selbst an, sondern auf die Begriffssetzung durch Kombination von vorgegebenen Begriffen, die in der Namengebung nur ihren Ausdruck findet. Jede Definition (analytisch wie synthetisch genommen, als Erklärung oder als Setzung), die im rein Formalen verbleibt und sich nicht um die Sachgeltung der Begriffe kümmert, nennt Leibniz „Nominaldefinition", zum Unterschied von der „Realdefinition", die eine Entscheidung dieser Frage in sich schließt. 1 ) Dies also war das methodologische Problem : kommt jeder Begriffskombination ein inhaltlicher Erkenntniswert zu? Die Antwort fällt verneinend aus. Der hauptsächlichste „Mißbrauch bei den Definitionen" ist „das was ich den Chimerismus nenne, z. B. wenn einer so denkt: es ist mir erlaubt, die Ideen zu kombinieren und dem was daraus hervorgeht einen Namen zu geben. . . . Der Chimerismus besteht hier darin, daß man eine unmögliche Kombination gemacht hat". „Nicht nach Willkür können die Begriffe vereinigt werden."2) — „Es hängt nicht von uns ab, die Ideen zu vereinigen wie es uns gut scheint, außer wenn diese Kombination durch die Vernunft rechtfertigt wird, die sie als möglich aufzeigt."3) Die bloße Nominaldefinition genügt nicht „zur vollkommenen Wissenschaft". Die Begriffe, welche durch formale Kombination entstehen, sind damit noch nicht als „Ideen" ausgewiesen. Il faut que ces idées qu'on prétend former soyent véritables, c'est à dire possibles, et que les Ingrediens qu'on y met soyent compatibles entre eux.4) Nur dann entsteht ein „conceptus aptus". 5 ) Und nur ein solcher Begriff, eine wahrhafte „Idee" kann im eigentVII, 190—193,219, 264 etc. Leibniz unterscheidet bei diesen Erörterungen nicht immer klar zwischen Bedeutung (signification, idée) und Objekt (objet de l'idée). Meist ist nur von dem Verhältnis „inter res et verba" die Rede, wobei „res" gewöhnlich den Bedeutungsinhalt bezeichnet. Auf diese Vermischung ist es zurückzuführen, wenn Leibniz gelegentlich schon für diese Versicherung der Sachgesetzlichkeit des Idealen und ihre Abtrennung von der Willkür der Bezeichnungen die (sogleich zu erörternde) Forderung der „Möglichkeit" in Anspruch nimmt. (Vgl. z.B. IV, 425; V, 279,413; 11,62/3). Gleich als wenn das Unmögliche und Falsche keine vom Wort unabhängige ideale Signification hätte. In Wirklichkeit spricht denn auch der klassische Aufsatz De connexione inter res et verba von den Falschheiten im gleichen Sinne wie von den Wahrheiten. E s gibt ja auch „Beweis und Sicherheit einer Falschheit". (V, 338.) ') Vgl. z.B. IV, 423 ff.; V, 274; VII, 293. 2 3 ) V, 273. ) 111,225; VII, 294/5; IV,425; V, 301. *) III, 443 ! vgl. IV, 294; VII, 293. *) Z. B. C 513Cohen und Natorp, Philosophische Arbeiten VI jg
234
D a s Kriterium d e r M ö g l i c h k e i t
liehen Sinne „distinkt" sein. Die Angebbarkeit der Requisite, die für Leibniz formal das Distinkte charakterisiert, ist kein ausreichendes Kriterium. „Es genügt nicht zu einem distinkten Begriff, daß alle seine Teile klar sind, wenn nicht auch klar ist, daß sie miteinander vereinigt werden können". 1 ) Nur dann ist die Definition satis perfecta, wenn sie mit der Idee zugleich ihre Möglichkeit erkennen läßt. Dann ist sie eben Realdefinition. Id vero in definitionibus realibus condenáis diligenter observandum est, ut constet esse possibiles seu notiones ex quibus Constant inter se conjungi posse?) Wahrheit und Falschheit gibt es nicht nur an Sätzen, sondern auch an der „Materie" der Sätze, den Begriffen. Der conceptus ineptus, eine Idee, die aus unvereinbaren Ingredienzien sich zusammensetzt, ist eine falsche Idee. „Das Kennzeichen der wahrhaften Idee ist, daß man ihre Möglichkeit beweisen kann." 3 ) Die Ideen heißen „wahr oder falsch nach ihrem Bezug auf eine stillschweigende Behauptung, die sie alle einschließen, es ist die der Möglichkeit. So sind die möglichen Ideen wahr und die unmöglichen Ideen falsch". In diesem Sinne „schließen alle unsere Ideen ein Urteil ein". 4 ) In diesen Bestimmungen gipfelt Leibnizens Polemik gegen die „Methode der Ideen". Die Regel von den klaren und distinkten Ideen dient zu nichts, solange nicht die „Kennzeichen des Klaren und Distinkten" angegeben werden. Diese Kennzeichen sind nicht im rein Formalen der „genügenden Analyse (une idée est claire et distinete lorsqu on entend toutes ses parties) erschöpft. Erst die Feststellung, daß die „Teile" der Idee kompatibel sind, „macht sie klar und distinkt". Neque fidendum est . . . notionibus antequam ad illud Criterion exigantur. . . Im Beweis der Möglichkeit erst liegt das „Wahrheitskriterium". So genügt es z. B. nicht, die Axiome formal auf identische Wahrheiten zurückzuführen, sondern man muß sie „durch mögliche Definitionen beweisen". „Das ist das einzige Mittel . . . um die Methode der Ideen zu berichtigen." 5 ) — J ) 1,268; vgl. III, 363; IV, 577; V, 246. E n t s p r e c h e n d ist a u c h in d e n „ a d a e q u a t e n " u n d „ p e r f e k t e n " B e g r i f f e n (die formal als s o l c h e c h a r a k t e risiert w e r d e n , bei d e n e n wir alle R e q u i s i t e bis zu d e n p r i m i t i v e n distinkt e r k e n n e n ; vgl. 111,257; IV, 449; V, 247; VII, 295; € 2 2 0 , 5 1 2 ) die Möglichkeitserkenntnis mitverstanden. (Gelegentlich wird auch nach dieser Hins i c h t ein U n t e r s c h i e d z w i s c h e n „adaequat" u n d „perfekt" konstruiert. C220). 2 3 ) C 258; V 4 1 3 ; VII, 293. ) 11,63. l ) 1 , 3 8 5 ; 111,4431 IV, 425; V, 250, 279, 347, 378; VII, 295. 5 ) I, 384; 11,62/3; 111,443,449; IV, 403; MI, 85 e t c .
235
Möglichkeit des Gegenstandes An über
diesem
die
Punkte
bloßen
greift
Begriffe und
die L e i b n i z i s c h e
Methodenlehre
ihre g e g e n s e i t i g e n
hinaus zu ihrer gegenständlichen B e d e u t u n g .
Beziehungen
Die vorherrschende
F a s s u n g des Möglichkeitskriteriums spricht nicht v o n der M ö g lichkeit
der
Kombination,
sondern
von
der
Möglichkeit
Gegenstandes, den die Begriffssynthese meint. Ideen „drücken Möglichkeiten aus". das
bedeutet
„Sache",
des
soviel
wie
„Objekts
die der
Alle
D i e W a h r h e i t einer
Möglichkeit Idee".1)
der
Die
des
wahrhaften Idee,
entsprechenden
Realdefinition
sichert d e m definierten Begriff die gegenständliche j e d e K o m b i n a t i o n k o m p a t i b l e r B e g r i f f e g e h t auf ein O b j e k t " , ein E n s possibile, eine reale „ E s s e n z " . 2 )
ver-
Bedeutung; „mögliches —
D i e W a h r h e i t einer I d e e u n d die M ö g l i c h k e i t ihres G e g e n standes w e r d e n also erkannt an der V e r e i n b a r k e i t der Begriffsteile.
An
messen? wiederum
welchem —
Diese
im Satze
Kriterium letzte
aber
wird
diese
Wahrheitsinstanz
vom Widerspruch.
wiederum
liegt
für
ge-
Leibniz
Gegenständliche
Mög-
») 111,443,449, V, 279, 378; 0328,372 etc. V, 272, 274 etc. Auch hier bezeichnet „Idee" oft die ideale Bedeutung, oft wieder den (idealen) Gegenstand, die Essenz. Vgl. z. B. C 361; VII,48; M I , 85. — Das synthetische Definitionsproblem in diesem Sinne vertritt besonders der Begriff der K a u s a l d e f i n i t i o n . Im wesentlichen fällt er mit dem der Realdefinition, wie sie hier charakterisiert wird, zusammen: es ist die Definition, bei der die Möglichkeit ,,a priori bewiesen" wird, durch Aufzeigung der einfacheren Inhalte, aus denen der definierte Inhalt sich zusammensetzt, „entsteht". E s gibt auch andere Definitionen; die Definition durch eine „reziproke" Eigenschaft z. B. leistet meist nicht diesen Dienst. V o n einer Essenz kann es verschiedene Definitionen geben; nur diejenige von ihnen ist Kausaldefinition, welche die logische A b k u n f t , den „Ursprung" (auch „ratio", „causa") des Begriffes aufzeigt und damit das Mittel gibt, die anderen Definitionen herzuleiten, zu „beweisen". Vgl. V, 273, 327, 383; VII, 295; M IV, 462, 481/2; MVII, 262, 294; C 258. Die Beispiele und manche Formulierungen lassen allerdings die historische Abkunft des Begriffs der „Kausaldefinition" deutlich spüren. D a ß es Leibniz aber nicht auf die aristotelische „Ursache" noch auf die „Erzeugung" geometrischer Gebilde (im Sinne etwa der anschaulichen „Konstruktion der Begriffe", wie sie Kant später forderte) ankam, läßt sich gerade auch aus den Beispielen erweisen. Die Ellipse kann als Kegelschnitt, als Cylinderschnitt oder durch eine Bewegung in der Ebene definiert werden. Die F r a g e ist nur, welche von diesen Definitionen auf die „einfacheren Linien" führt. So zeigt es Leibniz für die von ihm bevorzugte Definition des Kreises, daß er in ihr auf wenige Grundinhalte der Geometrie zurückgeführt wird: auf „Raum, gerade Linie und kontinuierliche Bewegung". Sind diese Begriffe „gesetzt", so kann daraus „die Möglichkeit des Kreises bewiesen werden". 1,385; 11,225; M V , 196, 225; C 431. 2)
*
Begriffsvereinbarkeit und Widerspruchslosigkeit
lichkeit und Begriffsvereinbarkeit definieren sich als Widerspruchslosigkeit. Inkompatibel, das heißt: Widerspruch einschließend. 1 ) Der Satz vom Widerspruch tritt hier in einer neuen (weiter nicht geklärten) Funktion auf. Soll er wirklich die letzte und höchste Kriterieninstanz auch für diese Betrachtung bilden, so muß er in einem anderen Sinne verstanden werden als bisher. Die Einsicht, daß einem Begriff, in dem A und non-A als Bestandteile vereinigt werden sollen, keine Möglichkeitsbedeutung zukommt, kann das Problem nicht decken. Man braucht nur auf die primitiven Begriffe selbst zurückzugehen, um das einzusehen. Denn in deren Kombination k a n n doch ein formaler Widerspruch gar nicht auftreten. Hier muß die Unverträglichkeit schon von anderer Natur sein, wenn es überhaupt eine solche geben soll. Und auch bei den komplexen Begriffen wird diese andere Art von Unvereinbarkeit das eigentliche Interesse beanspruchen dürfen. In allen den Fällen, wo die zu vereinigenden Begriffe kein gemeinsames Requisit mit entgegengesetzten Vorzeichen enthalten, sondern etwa aus lauter verschiedenen Einfachen susammengesetzt sind, kann von formalem Widerspruch nicht die Rede sein. Wäre demnach der Widerspruch in einem umfassenderen Sinne zu verstehen, etwa als analytischer Ausdruck einer im Wesen der Sache gründenden, nicht weiter beschreibbaren Unverträglichkeit? Leibniz hat diese Frage nicht weiter verfolgt. 2 ) Die einzige Bestimmung die sich hier anfügt, ist die, daß die Möglichkeit (bei der Definition der einfachen Zahlen) int u i t i v erkannt wird, de sorte qu'on peut dire qu'une connaissance intuitive est comprise dans les définitions lorsque leur possibilité paroist d'abord?) So tritt also hier, wie bei den pri>) Vgl. 1,384; IV, 424,425; VI, 612; V I I , 3 1 0 ; 0 3 6 4 , 3 7 1 , 3 8 7 ) In den näheren Ausführungen ist immer nur von Fällen logischen Widerspruchs die Rede. Daß Kombinationen heterogener Begriffe einen gegenstandslosen Begriff ergeben können (etwa „grüne Gerechtigkeit"), wird nicht in Betracht gezogen. — Der Sinn des gelegentlichen Ausdrucks „combinationes inutiles" (IV, 330, 3 3 1 ; V, 350) ist nicht etwa von dieser Art; vielmehr werden damit nur die Kombinationen bezeichnet, die für ein gerade vorliegendes Problem nicht in Betracht kommen und daher für dessen Lösung auszuscheiden sind. (Combinationes inutiles steht einmal auch für combinaisons impossibles VII, 293; vgl. noch Couturat, la log. d. L. p. 194/5 ) 2
3 ) V, 347, vgl. 390: Quoiqu'il y ait cela de vray et d'évident la définition d'une chose possible.
que c'est
Intuitive Erkenntnis der Möglichkeit
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mitiven Begriffen, den „ersten Möglichen", wie sie auch heißen 1 ) — denn auch sie und vor allem sie sollen doch auf gegenständliche Bedeutung Anspruch machen, auch wenn bei ihnen nicht die Vereinbarkeit von Requisiten in Frage kommt — die Intuition als letzte Erkenntnisinstanz auf. 2 ) E s ist kein Zufall, daß das genau an dem Punkte geschieht, wo Leibniz aus der bloßen Bedeutungssphäre heraustritt und an die Gegenstandsfrage heranrührt. 3 ) Zu beachten sind noch die Folgen, die das Auftreten des Möglichkeitskriteriums nun auch für die Bestimmung des formalen Beweises nach sich zieht. Steht an der Subjektstelle eines Satzes ein Begriff, der in sich unverträgliche Requisite im Sinne des logischen Widerspruches birgt, so wird die Gültigkeit eines Beweises von formaler Korrektheit dadurch in F r a g e gestellt. Um ein grobes Beispiel zu nehmen, so ließe sich von einem viereckigen Kreise auf formal unanfechtbare Weise (durch den identischen Satz) beweisen, daß er viereckig, ebenso, daß er nicht viereckig (weil kreisförmig) ist. V o n zwei kontradiktorischen Sätzen aber kann nach dem ersten principium rationis nur einer wahr sein. E s ergibt sich also, daß das Beweisverfahren nicht so unabhängig von der „Analyse der Begriffe" ist, wie Leibniz das sonst immer annimmt. „ O n ne peut pas
faire
*) z. B. IV, 425; V, 145; MIV, 462. Vgl. auch V, 15: „Die primitiven Ideen sind solche, deren Möglichkeit unbeweisbar ist." '-) Unmittelbar daneben steht noch ein anderer, bloß psychologischer, Intuitionsbegriff: die intuitive Erkenntnis im Gegensatz zur „suppositiven", „symbolischen" (z.B. 1 ^ 4 2 3 , 4 5 0 , 4 5 1 ) , wo dies das Charakteristische ist, daß wir dort „die ganze Idee" mit allen ihren, distinkt erfaßten, Teilen „ z u g l e i c h " denken. Im Begriff der adaequaten Erkenntnis wird gelegentlich beides vermischt. — Eindeutigen Bezug auf den ersten und logisch allein wichtigen Intuitionsbegriff nimmt dagegen die Stelle V, 347: die adaequate Erkenntnis e n t h ä l t intuitive Erkenntnisse, weil sie bis zum Einfachen zurückgeht. In Wirklichkeit b e s t e h t sie ja wesentlich aus intuitiven Erkenntnissen: da doch neben der Erkenntnis der Elemente auch die von der Möglichkeit jeder einzelnen Kombination intuitiv sein muß. 3 ) Uber die Bedeutung der Anschauung (intuition, zu unterscheiden von imaginaiionV) für den Leibnizischen Erkenntnisbegriff und für seine Identifikation von Möglichkeit und Widerspruchslosigkeit vgl. die ausr gezeichneten Ausführungen in der systematischen Untersuchung über „Möglichkeit und Widerspruchslosigkeit" von Hans Pichler (Leipzig 1912), S. 49—60. Auch die Erörterungen über die Möglichkeit, die Inhalte einfacher Begriffe zu definieren, und die Möglichkeit bezw. Unmöglichkeit, aus bloßen Definitionen ein Wissenssystem aufzubauen, geben höchst wertvolle Anweisungen für die Weiterführung und Beurteilung der Leibnizischen Erkenntnislehre.
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Möglichkeit, Beweis u n d „Analyse d e r B e g r i f f e "
des démonstrations exactes, sans estre assuré que les définitions qui servent de base à ces démonstrations sont possibles. Car si ces définitions ou si vous voulés, ces choses définies sont impossibles, elles enfermeront contradictions et si elles enferment contradictions on en peut tirer des conséquences contradictoires en même temps et par conséquent toutes les démonstrations qu'on en tirera, ne serviront de rien, car peutestre que le contradictoire de ce que nous avons demonstré ne laissera pas d' estre vray, puisque le principe (quo d contradictoria non possint simul esse vera) a seulement lieu dans les notions possibles."1) Sobald man die Bedeutung der Definition für den Beweis in Rücksicht zieht, wird es klar, daß mit der formalen Reduktion auf identische Wahrheiten zwar wohl endgiltig bewiesen werden kann, daß das Prädikat im Subjekt enthalten ist, daß damit jedoch eine „brauchbare" Wahrheit selbst nur im Sinne des principium contradictionis erst dann gegeben ist, wenn sich auch dies nachweisen läßt, daß der Subjektbegriff keinen Widerspruch in sich schließt. 2 ) Und da dieser Nachweis erst völlig erbracht ist, wenn man die Analyse bis zu den einfachen Begriffen durchgeführt hat, so wird die Konsequenz unvermeidlich: daß nun doch für die „vollkommnen Beweise" die letzte Analyse der Begriffe erfordert ist! Si nullae darentur in nobis notiones per se conceptae, quae distincte attingi possint... sequitur nec propositionem ullam ratione perfecte demonstrari posse; nam licet ex positis definitionibus et axiomatibus perfecte possit demonstrari . . . definitiones tarnen praesupponunt terminorum possibilitatem adeoque . . . resolutionem in per se conceptos . . ."3) Jeder Beweis verlangt prinzipiell die cognitio possibilitatis a priori, die nur erreicht werden kann durch Auflösung der vorkommenden Begriffe in meras notiones primitivas per se intellectas. Reducía enim analysi ad finem si nulla apparet contradictio utique notio possibile est.41) Aus Nominaldefinitionen er') 1.337- C. 431. ) Vgl. n o c h C 4 3 1 : „. . . si definitionem aliquam. demus, nec ex ea •appareat ideam quam rei ascribimus possibüem esse, non possumus demonstrationibus fidere, quas ex definitione duximus, quia si idea illa forte contradictionem involvit, fieri potest ut contradictoria etiam de ea simul sint vera, adeoque demonstrationes nostrae erunt inutiles. Vgl. a u c h 1,384; 11,63; IV, 4 2 4 ; VII, 294, 3 1 0 ; M II, 51. 2
3
) C 373) IV, 425; VII, 293, 295. D a n u n a b e r diese Analysis ad finem „ k a u m in d e r M a c h t d e r S t e r b l i c h e n " ist, wird es zu einem v o l l k o m m e n e n Be4
Die letzte Analyse für jeden Beweis gefordert?
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geben sich daher immer nur Beweise von „hypothetischer" Gültigkeit ; nur die durch Realdefinitionen begründete Erkenntnis gilt „absolut". 1 ) — So stehen sich die Betrachtungen der „Analyse der Wahrheiten" und des Möglichkeitskriteriums in dieser Frage nach der Notwendigkeit der letzten Analyse unvermittelt gegenüber. Daß Leibniz hier auf weitere Erörterungen sich nicht eingelassen hat, ist um so merkwürdiger, als ihm die letzte Begriffsanalyse für menschliches Erkennen unerreichbar schien. Die einfache Konsequenz ist dann doch eben, daß „absolute" Wahrheit, schlechthin gültige Beweise für uns grundsätzlich unerreichbar sind. Und das widerspricht allen seinen sonstigen Aufstellungen. — B. Die „zufälligen Wahrheiten" und die Erkenntnis des Wirklichen.
a) N o t w e n d i g e und z u f ä l l i g e W a h r h e i t e n . D i e ratio contingentiae. Mit den „Elementen der Wahrheit" ist die Aufgabe der Methodenlehre nicht erledigt. Die scientia generalis ist allgemeine Wissenschaftslehre. Wissenschaft wiederum ist definiert als certa verarum propositionum cognitio. Nun aber heißt „sichere Erkenntnis" nicht etwa bloß die Erkenntnis „aus Beweisen". Solch apodiktisches Wissen durch Beweise a priori gibt es allerdings nur in den ,,scientiae purae seu abstractae a phaenomenis, pendentesque a sola idearum sive essentiarum possibilium et necessarium contemplatione". Aber auch von den wirklichen Dingen, den „Phänomenen" gibt es wissenschaftliche Erkenntnis; und wenn die Methodenlehre wirklich allgemeine Wissenschaftslehre sein will, so muß sie nicht nur für das Erkennen des Ideellen weis der Möglichkeit nirgends kommen können. Es werden immer Begriffe zurückbleiben, deren Realitätsnachweis noch aussteht. — Für die Praxis des Erkennens tritt hier nach Leibniz ein Ersatz ein durch eine außerlogische Instanz: d i e E r f a h r u n g . „Die Erfahrung kommt uns zu Hülfe, um uns diese Realität a posteriori erkennen zu lassen, wenn nämlich die Sache sich tatsächlich in der Welt findet." Ce qui suffit au defaut de la raison. Aus dem Begriff der Existenz folgt (wie wir noch sehen werden), daß alles Existierende eo ipso möglich ist. Ist mir also eine Sache in der Erfahrung als (gegenwärtige oder vergangene) Existenz gegeben, so erkenne ich daraus ohne weiteres, daß sie möglich ist, daß also die Teile ihres Begriffes kompatibel sind. V, 273; 11,63; HI, 257, 449; IV, 425; VII, 194 Anm., 293. ') VII, 194.
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Tatsachenwahrheiten
sondern ebenso für das Erkennen des Wirklichen Anweisungen geben. — Die „Wahrheiten" scheiden sich ihrem Gehalte nach in zwei Gruppen. Auf der einen Seite stehen diejenigen Wahrheiten, welche (wie z. B. die Sätze der Arithmetik, der Geometrie, der Logik) von den „Essenzen", den „Möglichkeiten" handeln, die ,,in einer gewissen Region der Ideen existieren", unabhängig vom Wirklichen, unberührt von zeitlichen Veränderungen, „ e w i g " (aeternes, perpetuae). Die Aussage gilt hier mit „absoluter" („metaphysischer") oder „logischer" (auch „mathematischer", „geometrischer", d. h. der Geltung mathematischer Sätze vergleichbarer) N o t w e n d i g k e i t ; das Gegenteil des „Satzes von ewiger Wahrheit" ist „unmöglich", schließt Widerspruch ein. 1 ) Den „ewigen Wahrheiten" gegenüber stehen die Sätze, deren Gegenstand zum Bereich des „Aktuellen" („aktuell Existierenden"), des Wirklichen, der Tatsache gehört (vérités de fait, vérités historiquesj, die von den „besonderen und zufälligen Dingen" der „existierenden W e l t " handeln. So werden sie selbst „zufällige" Wahrheiten genannt; das Gegenteil eines solchen Satzes ist nicht in sich widersprechend, ist vielmehr auch „möglich" im absoluten Sinne, und „was einer derartigen Notwendigkeit entbehrt, nenne ich zufällig". 2 ) — Auch diese Formulierung tritt häufig auf: daß die ewigen Wahrheiten als veritates rationis (v. rationalesj den veritates facti oder veritates experientiae gegenübergestellt werden. Dem entspricht die Zweiteilung der „sicheren Erkenntnis": „omnia quae certo cognoscimus vel demonstrationibus vel experimentis constant". Beides gehört unter die methodische Leitung der scientia generalis — qua principia rationis atque experientiae primaria contincantur.3) Aber diese Gegenüberstellung darf uns jetzt nicht beschäftigen. Sie geht nicht vom Gehalt der Sätze aus. So kann es jedoch keinesfalls gemeint sein, daß den Tatsachen Wahrheiten keine ratio a priori zukäme, daß sie den rationalen Prinzipien, von denen die allgemeine Wissenschaft ausging, entzogen wären. ») Vgl. z. B. I, 370; 111,400; IV, 41,423; V, 280, 343; VII, 293, 305; C 17 f., 272. S. auch VII, 464: veritates aeternae et necessariae quae solae universalitatis perpetuae nos certae reddunt. 2) V g l . 11,39; HI, 259; IV, 69; V, 426; C 17,405. Vgl. auch noch die Gegenüberstellung der v. aeternes — persistentes und v. temporales = mutabiles VII, 302 f. 3) IV, 296; VII, 46, 198.
Begriff der Existenz
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Das wurde ausdrücklich betont bei der Formulierung jener beiden Hauptsätze, daß sie, aus der Definition der „Wahrheit" als solcher entspringend, für die zufälligen Wahrheiten nicht minder als für die notwendigen Geltung besitzen müssen. Auch der zufällige Satz ist vi terminorum vera; seine Wahrheit liegt genau wie die des „notwendigen" Satzes in dem Einschließungsverhältnis von Subjekt und Prädikat, das seinerseits allein in dem Gehalt der Termini gründet. 1 ) Sollten also für die zufälligen Wahrheiten andere Prinzipien in Frage kommen, so kann das in dieser logischen Betrachtung erstens nicht mit Ausschluß jener Grundmomente der Wahrheit als solcher gemeint sein, und zweitens müßten auch diese Prinzipien in der Sphäre der „Termini", der Bedeutungen selbst sich bewegen. Die methodologische Analyse darf nicht an dieser Stelle von der Inhaltsart der Wahrheiten überspringen zu den Sonderarten ihres Erkennens, wie sie der Gegensatz von „Vernunft" und „Erfahrung" bezeichnet. Wir beziehen uns daher zunächst allein auf die zu Anfang angeführten Ausdrücke für die Tatsachenwahrheiten und stellen uns die Frage, welche logischen Sonderbestimmungen die Inhaltsart dieser Sätze für ihre Begründungsprinzipien zur Folge hat. Diese Frage führt mit Notwendigkeit auf eines der zentralen Probleme der Leibnizischen M e t a p h y s i k . Die formalen Momente der Wahrheit waren durch rein logische Untersuchung zu gewinnen. Die inhaltliche Sonderart der Tatsachenwahrheiten dagegen erfordert die I n h a l t s a n a l y s e d e r Z u f ä l l i g k e i t , des B e g r i f f s der E x i s t e n z . Das ist ein metaphysisches Problem, im Sinne Leibnizens, der in der Metaphysik eine „demonstrative" Wissenschaft sieht, deduktiv aufgebaut und aus reinen Wesensanalysen gewonnen. Die Frage nach dem logischen Sonderprinzip der zufälligen Wahrheiten setzt die nach dem metaphysischen (ontologischen) Prinzip des Zufälligen, dem Prinzip der Existenz voraus. In diesem Sinne stellt die Erstlingsschrift Leibnizens dies als Prinzip der zufälligen Sätze auf: aliquid. existit.2) Die Frage ist dann, was Existenz bedeutet, welche prinzipiellen Bestimmungen dem Existierenden anhaften. A u s der „Definition der Existenz" werden sich dann auch die Bestimmungen ergeben, die für die spezielle Methodologie der Tatsachenwahrheiten entscheidend sind. — Hier tritt der Satz vom Grunde als S e i n s p r i n z i p in Gel') Vgl. noch C 272; IV, 438.
a)
IV, 41.
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Möglichkeit und Wirklichkeit
tung. 1 ) Wenn „etwas existiert", so muß es einen Grund dafür geben, daß dem so ist, und zugleich einen Grund dafür, daß gerade und genau das existiert, was existiert. 2 ) Die Voraussetzungen nun aller Existenz sind die „Möglichkeiten"; sie sind ja nichts anderes als possibilités d'être, Möglichkeiten des Existierens. 3 ) Wenn es also einen Grund der Existenz und des Existierenden geben soll, so muß dieser in den Möglichkeiten selbst ihrem Wesen nach angelegt sein. Die ratio existentiae muß sich ergeben ex generali essentiae seu possibilitatis ratione.4) — Die Lösung ist diese: die Essenz trägt in ihrem Wesen die Tendenz (tendentia, conatus, exigentia, praetensio) zur Existenz. Dies ist das erste Prinzip der Tatsachen und insofern das der Tatsachenwahrheiten: ,,omne possibile exigit existere". Die Existenz definiert sich kurzweg als „essentiae exigentia"' Das Wirkliche entsteht aus dem Möglichen auf Grund dieses Strebens. 5 ) Bleibt die Frage nach dem Grunde des Soseins dieses Wirklichen. Nicht alle Möglichkeiten werden wirklich. Somit bedarf es einer ratio restrictionis ad certa possibilia, eines Grundes für die „Auswahl", die sich hier vollzieht.6) An sich streben alle Möglichkeiten pari jure zur Existenz. Aber es sind nicht alle miteinander kompossibel. 7 ) So ergeben immer nur gewisse Möglichkeiten miteinander eine „mögliche Existenz", ein mögliches „System der Welt". Von den möglichen Existenzen aber und folglich den Kompossiblen gelangt zur Wirklichkeit (die eine und einzig ist) nur die bestmögliche, d. h. die Welt, in der das Maximum von Vollkommenheit und Realität besteht. Ut possibilitas est principium Essentiae, ita perfectio seu Essentiae gradus (per quem plurima sunt compossibilia) principium existentiae. ,,Actualia nihil sunt quam possibilium 2 Vgl. vor allem VII, 289 ff. ) VII, 302 u. a. 4 ») Vgl. z. B. V, 378; C 376, 530. ) VII, 194. 6 ") VII, 300 ff., 194 f.; VI, 603. ) VII, 289. 7 ) Neben diesem Ausdruck wird öfter auch der des K o m p a t i b l e n gebraucht (VII, 194, 289; C. 360, 530). E s muß aber streng unterschieden werden zwischen dieser Bedeutung des Wortes, die auf die (ontische) Vereinbarkeit der Möglichkeiten zum Weltsystem zielt, und jener früheren, bei der von der (logischen) Vereinbarkeit von Begriffen nach dem Satz des Widerspruches die Rede war. Dort handelt es sich um das miteinander Bestehen-Können von Essenzen in derselben existierenden Welt; hier dagegen um die rein logische Verträglichkeit. Die Kompatibilität im Sinne der Kompossibilität tritt zum Possiblen als ein ganz neues Moment hinzu (vgl. noch C 530). Couturat (la log. d. L. p. 239) vermischt die beiden Begriffe (kompossibel für die logische Vereinbarkeit V, 246).
Logische Zufälligkeit des Wirklichen
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optima" — genauer : quam compossibilium optima.1) Die Wirklichkeit, wie sie da ist, ist zufällig, denn auch die anderen (nicht verwirklichten) Essenzen und Kombinationen von Essenzen sind „möglich" im absoluten Sinne; daß gerade diese zur Existenz gelangten, hat seinen Grund in ihrem Zusammenpassen zur realitätserfülltesten, vollkommensten, besten Welt (principe de convenance, principe du meilleur),2) A u s diesen beiden Momenten (der essentiae exigentia und der Auswahl des Maximums kompossibler Realität) konstituiert sich das „Prinzip der Zufälligkeit und der E x i s t e n z " . 3 ) A u s diesem Begriffe der Existenz ergibt sich für die L o g i k der Tatsachenwahrheiten zunächst die F r a g e , die schon der Ausdruck der vérités contingentes vertritt. Die Verknüpfung zwischen Subjekt und Prädikat in einem solchen Satze ist nicht notwendig im Sinne der „metaphysischen Notwendigkeit", die dadurch definiert ist, daß das Gegenteil Widerspruch involviert. Sie ist darum nicht weniger „wahr" und „ u n f e h l b a r " , nicht weniger „sicher", wie der ständige Ausdruck lautet. Nicht „in sich" notwendig ist die Wahrheit, daß Caesar über den Rubikon ging, denn im Gegensatz liegt kein Widerspruch. A b e r sie ist ') III, 572 f.; IV, 438; V,286; VII, 303 f., 200,290; 0360,376,530. Die Formel Couturats (224) „tout ce qui est compossible, existe" ist demnach ungenügend, trotz der dort angeführten Leibnizstelle. Vgl. z. B. III, 573: 1'univers n'est que la collection d'une certaine fafon de compossibles — nämlich die Kollektion unter d e n Kompossiblen, die das „reichste" System miteinander ergeben. 2 ) Da in diesem Auswahlprinzip der „zureichende Grund" für alles Existierende gegeben ist, so geschieht es auch wohl, daß Leibniz für diese Prinzipienleistung den Satz vom Grunde selbst in Anspruch nimmt. Alle die Mißverständnisse, die das Prinzip des Grundes erfahren hat, erklären sich aus dieser Verquickung des logischen Prinzips (Prinzips der „Gedanken"), des Seinsprinzips und des Existenzprinzips. 3 ) Für unsere Aufgabe erübrigt sich eine Auseinandersetzung jener anderen Darstellungsweise, in der die Essenz und der freie Wille Gottes die entscheidende Rolle spielt. Hier indes die Grundzüge: der Grund der Existenz kann nur in etwas Existierendem liegen; also muß es ein ens metaphysicae necessitatis geben, d. h. ein Wesen, in dem Essenz und Existenz mit „absoluter" Notwendigkeit verbunden sind. Das ist Gott. Er ist der Träger der ewigen Wahrheiten; er gibt ihnen „Existenz" in der „Region der Ideen", die nichts anderes ist als Gottes (existierender) Verstand. Von diesen Ideen, Essenzen wählt Gottes freier Wille die aus, welche er zur Existenz im eigentlichen Sinne führt. Indessen geschieht diese Handlung darum nicht „ohne Grund"; sondern sie wird eben von dem „Prinzip der Weisheit oder der Vollkommenheit", d.h. von der Erkenntnis des Realitätsmaximums geleitet. Vgl. VII, 289, 303 f. u. a.
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Unendlichkeit der Bedingungen
„notwendig ex hypothesi", d. h. unter Voraussetzung „dieser Reihe der Dinge", die selbst nicht logisch notwendig ist, sondern durch Auswahl des Passendsten aus den unendlichen Möglichkeiten sich ergibt. Die Notwendigkeit der Tatsachenwahrheiten ist keine „absolute" sondern eine bloß „physische oder hypothetische"; das Gegenteil einer solchen Wahrheit bedeutet keine logische Absurdität, sondern nur eine „moralische", nach dem Prinzip des Besten. 1 ) Auch die „zufälligsten" Wahrheiten haben also „probationem a priori seu rationem cur sint potius quam non sint. Da aber in diese Begründung das principe de convenance eingeht (welches das „Prinzip der Kontingenz" ist und keine absolute Notwendigkeit fundiert), so „setzt diese ratio keine Notwendigkeit", sondern immer nur „Sicherheit". 2 ) Der logische Satz vom Grunde gilt für die notwendigen wie für die zufälligen Wahrheiten; aber die Gewißheitsart der „Gründe", der „Beweise" ist nicht dieselbe in beiden Fällen. Die Sicherheit der zufälligen Wahrheiten kann nur unter Voraussetzung des principe de convenance als Notwendigkeit gelten. 3 ) — Für die Methodologie ergibt sich nun hieraus unmittelbar diese Formulierung: daß die Analyse der zufälligen Wahrheiten g r u n d s ä t z l i c h ins U n e n d l i c h e f ü h r t . Die existierende Welt mit allem was in ihr ist ergibt sich aus der Unendlichkeit des Möglichen durch das Auswahlprinzip. Die zureichende Begründung für das Wirkliche verlangt also die Erkenntnis der unendlichen Möglichkeiten, des Verhältnisses ihrer Kompossibilität, des Realitätsgehaltes aller möglichen Kombinationssysteme. Nur aus solcher unendlichen Überschau würde es möglich sein, das Existierende a priori herzuleiten und seine „Sicherheit" oder „physische Notwendigkeit" zu begründen. IV, 437 f.; VII, 303 f.; C 271. Der zweiten Darstellungsweise des Zufälligen entspricht die häufigere Bezeichnung der Sicherheit ex hypothesi als „certitudo quaedam ex supposito decreto substantiae liberae pendens". ») VII, 301; IV, 438. 3 ) Leibniz hat nicht weiter die Frage gestellt, inwieweit eben doch die Auswahl des Besten aus dem Wesen der Essenzen sich ergibt und damit etwa selbst eine metaphysische Notwendigkeit wird. E r stützt sich hier nur auf seine Definitionen, nach denen nun einmal mit dem Zusammentreten der Möglichkeiten zur Existenz (dem freien, obzwar rational begründeten und nicht etwa ganz willkürlichen Entschlüsse Gottes) eine neue Instanz von besonderer (logischer niederer) Gewißheitsart eintritt.
Der komplete Begriff
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Die Unendlichkeit der Analyse des Zufälligen potenziert sich noch, wenn man von der Betrachtung der existierenden Welt zu der des Einzeldinges in dieser Welt übergeht. Die „Tatsachenwahrheiten gehen, direkt oder indirekt, auf „konkrete" Existenzen. Der dem konkreten Ding (individu) adäquate Begriff ist der „ k o m p l e t e Begriff" (auch notion individuelle). Die Begriffe, in denen die notwendigen Sätze sich bewegen, sind unter dem Gesichtspunkt des Wirklichen „inkomplete oder abstrakte", bloß „allgemeine" Begriffe; bei der Bildung solcher allgemeiner Begriffe an der Hand des Wirklichen „werden nur gewisse Umstände im Geiste abstrahiert, wobei unzählige andere nicht in Betracht gezogen werden". „Der Begriff der Kugel im allgemeinen ist unvollständig oder abstrakt, d. h. man betrachtet in ihm nur die Essenz der Kugel im allgemeinen . . . ohne auf die einzelnen Umstände achtzuhaben." „Aber der Begriff der Kugel, die Archimedes auf sein Grab hat setzen lassen, ist erfüllt (accomplie) und muß alles in sich schließen, was dem Träger der Kugelform (sujet de cette formej zugehört. Darum geht in die individuellen . . . Betrachtungen, die vom Singulären handeln, außer der Form der Kugel die Materie ein, aus der sie gemacht ist, der Ort, die Zeit und die anderen Umstände, die durch eine kontinuierliche Verkettung schließlich die ganze Folge des Universums einschließen würden, wenn man alles verfolgen könnte, was diese Begriffe einschließen." 1 ) Das Einzelne steht seinem Wesen nach in räumlichen und zeitlichen Relationen; seine Stellung und Individualität bestimmt sich durch die Beziehungen, die auf die benachbarten und entfernten Raum- und Zeitinhalte zurückweisen; der vollständige Begriff eines Singulären muß diese Beziehungen, damit letztlich also das ganze System und die ganze Folge der Existenzen einschließen. 2 ) Der komplette Begriff „schließt unendliche Existenzen ein". 3 ) So wird für die vollständige Begründung einer Tatsachenwahrheit die Kenntnis der unendlichen Möglichkeiten und zu*) II, 39; vgl. dazu die Definition der „Materie" im obigen Sinne als mélange des effects de l'infini environnant (V, 59) und den Gedanken des „Einflusses aller Dinge des Universums aufeinander" (V, 268). S. auch C 19: „Das Jetzt und Hier kann nur durch Beziehung auf die übrigen Dinge begriffen werden." 2 ) Es bedarf einer unendlichen Analyse, „um den Begriff dieses Steines hier mit dem Begriff des ganzen Universums zu verknüpfen" C 20. 3 ) II, 37, 277/8; V, 268; M III, 84; C 18, 376.
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Unendliche Analyse des Zufälligen
gleich die der unendlichen Existenzen verlangt. Omnes propositiones quas ingreditur existentia et tempus, eas ingreditur eo ipso tota series rerum, neque enim ro nunc vel hinc nisi relatione ad caetera intelligi potest. . . . Imo etsi quis cognoscere posset totam seriem universi, necdum ejus rationem reddere posset, nisi ejus cum aliis omnibus possibilibus comparatione instituta.1) Die zufälligen Wahrheiten definieren sich als solche, deren Begründung ins Unendliche führt. Veritas est contingens quae infinitas involvit rationes ita tarnen ut Semper aliquid sit residuum cujus iterum reddenda sit ratio, continuata autem analysi prodit series in finita.— Die Analyse der zufälligen Wahrheiten übersteigt, als prinzipiell unendliche, den „endlichen Intellekt". Die menschliche Erkenntnis kann nie zur vollkommnen Rechenschaft des Einzelnen gelangen. „Alle unsere Begriffe von kompletten Dingen sind unvollkommen"; an sich ist das Einzelne „sicher und determiniert", für uns jedoch bleibt es „unausgeforscht". Die „Zurückfiihrung auf identische Sätze" bleibt uns hier verschlossen, so sehr „der Sache nach" die Bestimmungen der „Elemente der Wahrheit" auch für diese Sätze bestehen bleiben. Wir „nähern uns" mit fortschreitender Analyse zwar „beständig den Identischen, niemals aber gelangen wir zu ihnen". Die Erkenntnis a priori der Tatsachen „übersteigt alle Kräfte erschaffener Wesen". 3 ) Der unendliche Intellekt Gottes allein ist dieser unendlichen Analyse fähig. Er kennt von jeder Tatsachenwahrheit den Beweis a priori, den „zureichenden Grund"; er gelangt in der Tat bis zu dem identischen Satz, der das Enthaltensein des Prädikats im Subjekte offenbar macht. Das heißt nicht, daß er an das „Ende der Auflösung gelangt", denn dieses gibt es nicht, sondern daß er die Unendlichkeit der Bedingungen, die jenen identischen Satz konstituieren, in einer vision überschaut. ') C 19; vgl. noch C 371: verae contingentes sunt quae continuata in infinitum resolutione indigent. C 3: Ex his apparet radicem contingentiae esse infinitum in rationibus. VII, 200; Bodemann 121. 2 ) C 2. 3 ) C 17fr., 220, 388 f.; 1,148 f.; II,3oo. Vgl. noch II, 501; 111,582; VI, 414; VII, 44. Nur nebenbei seien erwähnt die Analogien zu den „inkommensurablen Quantitäten" (C 1 f., 17/8,272,388; VII,200,309; Hauptschr. II, 501 f.) und den „asymptotischen Linien" (C 388f.; VII, 200; Hauptschr. II, 501). Daß diese Analogien nicht genau sind („Ähnlichkeit", aber „nicht durchaus Übereinstimmung"), hat Leibniz selbst gesehen. C 388, 272/3, 18. Vgl. auch C 371,374.377-
Vernunft und Erfahrung
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Gott sieht alles a priori ex ipsis ideis suisque decretis; er sieht die unendliche Reihe der Dinge und die unendlichen Möglichkeiten zugleich.1) Unius enim Dei est, omnia ex se ipso distincteque et a priori cognoscere per modum aeternae veritatis.2) b) D i e E r k e n n t n i s a p o s t e r i o r i . Jetzt wird es klar, weshalb die Elemente der Wahrheit so häufig auch als „Elemente der ewigen Wahrheit" bezeichnet wurden. Das sollte nicht heißen, daß für die zufälligen Wahrheiten als solche jene Bestimmungen keine Geltung hätten; nur dies war damit angedeutet: daß die Beweismethode, die dort gelehrt wurde, für den begrenzten Verstand nur bei den Wahrheiten durchführbar ist, die im Bereich des Möglichen verbleiben, ohne über Existierendes aussagen zu wollen. Nun aber ist die scientia generalis die Lehre von u n s e r e m Erkennen, unserer Wissenschaft. Wenn uns also die apriorische Erkenntnis des Zufälligen verschlossen ist, so muß diese Methodenlehre neben jenen Elementen die Prinzipien der anderen Erkenntnisart ans Licht stellen, die uns zum Ersatz gegeben ist: die Prinzipien der „Erkenntnis a posteriori", der „ E r k e n n t n i s d u r c h Erfahrung". Hier stehen also nicht mehr die Wahrheiten selbst und ihr Gehalt zum Problem, sondern die Art, wie wir sie erkennen. Das ist der Gesichtspunkt, unter dem die veritates rationis den veritates experientiae gegenüberstehen. Da die „Wahrheiten der reinen Vernunft" uns nie über das hinausführen, „was in unseren distinkten Ideen ist", uns nie zur Wirklichkeit, zur Tatsache gelangen lassen, müssen wir zu den „Erfahrungen" greifen, die uns darin „weiter führen". Auch die Erkenntnis durch Erfahrung ist „sichere Erkenntnis" und führt zur Wissenschaft. Die Tatsachenwahrheiten, die a priori und rein aus Begriffen zu erkennen uns versagt ist, werden uns durch Erfahrungen a posteriori übermittelt (a posteriori discuntur experimentis). Neben der Erkenntnis durch Begriffsanalyse gibt es die indagatio veritatum facti, quae non demonstratione sed VII, 200, 301, 309; C 272, 2, 17 f., 388; Hauptschr. II, 501. ) Bodemann 81; VII, 296. Der letzte Ausdruck will natürlich nicht den „essentiellen" Unterschied zwischen notwendigen und zufälligen Wahrheiten verwischen. Der modus aeternae veritatis ist nichts als die rein apriorische Erkenntnisweise, die Erkenntnis ex solis terminis. 2
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Prinzip der Erfahrung
experientia innotescere possuntSo werden die zufälligen Sätze geradezu definiert als solche, welche im Gegensatz zu den „intelligiblen", „rationalen" Wahrheiten durch „Erfahrung", „Beobachtung", „Induktion" „als wahr erkannt werden", für uns „Gewißheit" gewinnen. So stellen sich den „intellektuellen Wahrheiten" die „sinnlichen" gegenüber. 2 ) In dem was durch Erfahrung erkannt wird „sind a n d e r e P r i n z i p i e n u n d a n d e r e K r i t e r i e n anzuwenden" als in dem was wir per mo.dum aeternae veritatis zu erfassen vermögen. 3 ) Das oberste Prinzip für die Erkenntnis a posteriori lautet: Quod varia a me percipientur. Es ist das Prinzip der „unmittelbaren Erfahrungen"; in ihm wird zunächst nur dies grundsätzlich konstatiert und anerkannt, „daß etwas uns erscheint". Für das Gebiet der Erfahrung hat dieses Prinzip durchaus die analoge Bedeutung wie der Satz des Widerspruchs für das Gebiet der Vernunft. Wie dieses ist es „primitiv" und „durch sich evident", denn von ihm läßt sich beweisen erstens, daß es einen Beweis dafür nicht geben kann und zweitens, daß wenn es nicht wäre es keine Erkenntnis (keine Erfahrungserkenntnis) überhaupt geben kann. 4 ) In diesem Prinzip wird ein doppeltes Dasein festgestellt: das Dasein meines Bewußtseins und das Dasein der Erscheinungen in diesem. Beides erfasse ich miteinander in „unmittelbarer Apperzeption". 5 ) Et primum sine probatione ex simplici perceptione sive experientia existere judico quorum intra me conscius sum; hoc est primo me cogitantem, deinde ipsa varia phaenomena sive apparitiones quae in mente mea existunt.6) Hier ist der Ort für die erste Wahrheit Descartes': ich denke, also bin ich. In der Tat ist dieser Satz „von der letzten Evidenz, da er ein Satz ist, der durch keinen „anderen bewiesen werden könnte, oder eine unmittelbare Wahrheit". Der Fehler Descartes' war der, diese Wahrheit an die Spitze der rationalen Erkenntnis zu stellen, als die erste und vorbildliche der „klaren und deut111,259; V, 411; VII, 44. 111,259; V. 22, 397/8; VII, 296; C 219, 232. 3) VII, 296. 4) C 183; vgl. IV, 329; V, 14; VII, 296. s) V,4i5. Dieser Ausdruck ist korrekter als der hierfür auch verwendete Ausdruck der Perzeption. Denn diese Erkenntnis vom Dasein des Ich und seiner Erscheinungen ist für Leibniz eine reflexive; das Ich und seine Erscheinungen sind Inhalte, die wir „unmittelbar in uns (intra nos) perzipieren oder deren wir uns ü b e r uns bewußt sind". VII, 296, 319. «) VII, 319. 2)
D i e p r i m i t i v e n v é r i t é s d e fait
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liehen Erkenntnisse", der „notwendigen Verbindungen". In Wirklichkeit ist sie nichts als eine, wenn auch besonders fundamentale, proposition de fait, „gestützt auf eine unmittelbare Erfahrung, und kein notwendiger Satz, dessen Notwendigkeit man in der unmittelbaren Konvenienz der Ideen sähe". „Ich existiere" ist ein „Axiom" in dem Sinne, daß es eine primitive Wahrheit „für uns" ist; unter dem Gesichtspunkt der Vernunft ist es eine unendlich komplexe Erkenntnis, deren Notwendigkeit nur Gott einsieht.1) Und dann war das Cartesische Prinzip eben auch unvollständig. Ebenso unmittelbar wie die Existenz meines Ich das denkt („Denken" im Cartesischen Sinne genommen) ist mir die Existenz meiner Gedanken, und zwar der Mannigfaltigkeit (varietas) meiner Gedanken gegeben. Beide Erfahrungen sind „gleich ursprünglich". Auf diese beiden Prinzipien gehen alle ersten Tatsachenwahrheiten zurück: Ego cogito, et: Varia a me cogitantur.2) Wie nun der Satz des Widerspruchs den allgemeinen Ausdruck für eine Unendlichkeit von primitiven Vernunftwahrheiten, den identischen Sätzen, darstellt, so vertritt auch hier das oberste Prinzip der Erfahrung alle primitiven Tatsachenwahrheiten. In genauer Analogie zu jenen „absolut" ersten Wahrheiten gibt es für die Erkenntnis a posteriori unendlich viele erste Wahrheiten „für uns" (veritates quoad nos, secundum nos primae). Sie sind „durch sich gewiß", „durch sich bekannt", wie jene; und ganz wie die vérités primitives de raison „kann man sie nicht durch etwas Gewisseres beweisen". 3 ) Auch sie sind „immédiat", aber nicht von jener „Unvermitteltheit zwischen dem Subjekt und dem Prädikat" sondern von einer „Unvermitteltheit zwischen dem Verstände und seinem Objekt". 4 ) Jede „unmittelbare innere Erfahrung", jedes „Zeugnis des gegenwärtigen Bewußtseins", jede „Erfahrung in diesem immanenten Sinne" bedeutet eine solche „erste Wahrheit für uns". Es gibt ihrer „ebenso2 ') V, 391 f. ) V, 347 f.; IV, 327, 357; VII, 296, 319. 3 ) V, 348, 4 1 5 ; VII, 296; vgl. n o c h VII, 195; C 219. 4 ) V, 415, 347; V I I , 44, 296, 3 1 9 ; IV, 357. D i e A n a l o g i e w i r d s o w e i t g e t r i e b e n , d a ß a u c h für d a s E r f a s s e n d e r T a t s a c h e n w a h r h e i t e n d i e I n t u i t i o n in A n s p r u c h g e n o m m e n wird (V, 343). — A n d e r e r s e i t s w e r d e n an z w e i S t e l l e n d e r v o n Couturat h e r a u s g e g e b e n e n F r a g m e n t e d i e primitiven Begriffe u n d W a h r h e i t e n a priori in einer h ö c h s t m e r k w ü r d i g e n u n d d u r c h k e i n e s o n s t i g e n Ä u ß e r u n g e n L e i b n i z e n s zu e r k l ä r e n d e n W e i s e auf sinnliche Erfahrungen zurückbezogen. C 186,281.
Cohen und N a t o r p , Philosophische Arbeiten VI
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Reale" und „imaginäre" Phänomene
viele als es unmittelbare oder im Bewußtsein auftretende Perzeptionen gibt." *) Das „erste Prinzip der Erkenntnis a posteriori" wird auch so formuliert: Omnis perceptio cogitationis meae praesentis est vera?) — Die zufälligen Wahrheiten gehen auf Existenz. Es ist aber nicht Existenz im eigentlichen Sinne, was mit den unmittelbaren Perzeptionen und ihrer „Wahrheit" garantiert wird. Soweit handelt es sich nur um das „unbezweifelbare" Dasein von „Erscheinungen" „im Geiste", von einer Mannigfaltigkeit von Bewußtseinsinhalten (cogitationes nach der Cartesischen Begriffssprache). Die Erfahrungserkenntnis aber geht auf mehr: auf die Existenz der Dinge außer uns. Die Phänomene scheiden sich nach diesem Gesichtspunkt in „ i m a g i n ä r e " , d. h. solche denen keine Existenz außer meinem Geiste zukommt, und „ r e a l e " , in denen sich Dinge der Außenwelt darstellen. Die allgemeinste Aufgabe aller Erfahrungserkenntnis ist also die „ U n t e r s c h e i d u n g der r e a l e n P h ä n o m e n e von d e n imaginären". 3 ) — Anzeichen für die,,Realität" von Phänomenen können zunächst in der einzelnen Erscheinung selbst liegen. Leibniz zählt drei Momente auf: si sit viridum, si multiplex, si congruum. Das erste Moment geht auf die Intensität der einzelnen erscheinenden Qualität. Das zweite ist gegeben mit der Mannigfaltigkeit der im komplexen Phänomen auftretenden Qualitäten (Qualitäten verschiedener Sinne zugleich) und deren Standhalten gegenüber einer „langen Kette von Beobachtungen". Und endlich wird man auf Wirkliches schließen können, wenn die Teilphänomene sich auseinander oder aus einer gemeinsamen Hypothese erklären lassen (ratio reddi), und wenn das Phänomen nach Lage, Ordnung und Verlauf solchen Phänomenen ähnlich ist, die uns vertraut sind.4) x ) 3
2 IV, 357) C 515. ) VII, 319 fr. Die Terminologie Leibnizens gibt an diesem Punkte zu den schwersten Mißverständnissen Anlaß. E s muß ausdrücklich betont werden, daß diese Betrachtung rein innerhalb des Empirischen sich bewegt und mit der metaphysischen Frage nach der Wesenhaftigkeit der Erscheinungen in Raum und Zeit überhaupt zunächst nichts zu tun hat. Der Unterschied des „Realen" vom „Imaginären", der in der Leibnizischen Metaphysik den Gegensatz zwischen substantieller Realität und dem „bloßen Schein" des materiellen Seins charakterisiert, scheidet hier nur die bloß subjektiven Erscheinungen (in Sinnestäuschung, Traum, Vision) von den Erfahrungen wirklicher Dinge bezw. diesen selbst. *) VII, 320.
251
Der consensus phaenomenorum inter se
Aber das sind nur beschränkte und meist nicht genügende Kriterien. Zumal das dritte weist auf eine breitere Instanz hin; da es nicht mehr beim einzelnen Phänomen und seiner Beobachtung verbleibt, sondern es in Beziehung zu anderen setzt und auf seine Erklärung zielt. Das zweite und eigentliche examinum caput verlegt das Gewicht der Prüfung vom einzelnen Phänomen auf seine Beziehungen „zu den vorangehenden und nachfolgenden Phänomenen". Unser allgemeinstes und oberstes Kriterium für die Realität von Erscheinungen ist der consensus phaenomenorum inter se. Das ist es, was uns die Wirklichkeit von den Träumen oder den „Bildern" der Phantasie unterscheiden läßt. Die Phänomene, welche die sonst beobachtete „Gewohnheit" wahren und mit sonst erfahrenen übereinstimmend (congrua) sind, sind als reale zu beurteilen; solche die diesen widerstreiten, sind bloß subjektive Erscheinungen (tantum apparentiae). „Der Sinne Wahrhaftigkeit besteht darin, daß die Phänomene untereinander übereinstimmen." 1 ) Sedpotissimum realitatis indicium quod vel solum sufficit, est successus praedicendi phaenomena futura ex praeteritis et praesentibus. Die „beobachtete Gewohnheit" der Phänomene gibt eine Regelmäßigkeit im Verlaufe der Erscheinungen zu erkennen, die uns erlaubt, auf das Eintreten zukünftiger Erscheinungen vorauszuschließen. Insofern der „Erfolg" solcher Schlüsse eben den consensus phaenomenorum inter se bekräftigt, kann er zum Nachweis ihres Realitätswertes dienen. 2 ) Die Feststellung aber solcher,,Übereinstimmung" und solcher „Gewohnheit" führt über die bloße Sinneserfahrung hinaus. In Wahrheit würden uns „die Sinne nicht von der Existenz der sinnlichen Dinge überzeugen können ohne die Hülfe der Vernunft". 3 ) Zwar insoweit wir bloß „empirische" Wesen sind, ist uns die kontinuierliche und in einer gewissen Regelmäßigkeit verlaufende Folge der Erscheinungen unmittelbar als reale Außenwelt gegeben und praktisch hinreichend beglaubigt — nicht anders als den Tieren. Für die wissenschaftliche, die „sichere" Feststellung der Existenz aber kann man nicht bei solcher Sinnesgegebenheit stehenbleiben. Die Ubereinstimmung der Phänomene und die Regelmäßigkeit in ihrem Verlaufe muß bestimmt und gemessen werden. Dabei aber tritt dann in diesen Beziehungen der Erscheinungen und in ihnen selbst ihre rationale (intelligible) Struktur zutage (von der wir aus dem meta') VII, 296, 320; II, 516.
2
) VII, 320.
3
) V, 117; I, 4 1 5 . *
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Die rationalen „ M a ß e " der Phänomene
physischen Begriff der Existenz wissen: alles Existierende ist Resultat einer Kombination von Essenzen und in sich durchgehends rational bestimmt). Das ergibt sich vor allem aus der Betrachtung des hic et nunc, wodurch das Einzelding sich ja zunächst charakterisiert. Die Phänomene sind uns gegeben in räumlicher und zeitlicher Ordnung; die Feststellung einer Existenz bedeutet die ausdrückliche Zuweisung des betreffenden Phänomens zu einem bestimmten Raum- und Zeitpunkte. 1 ) Raum und Zeit aber, als allgemeinste „Ordnungsbeziehungen" des Existierenden („Fundamente der Ordnungsbeziehungen der Dinge" 2 )) sind selbst nicht mehr bloße Erscheinungen, sondern gehören unmittelbar in das Gebiet des „Möglichen", der Essenzen. „Die Zeit und der Raum sind von der Natur der ewigen Wahrheiten, die gleicherweise auf das Mögliche und auf das Existierende gehen." 3) So geschieht die wissenschaftliche Bestimmung der Raum- und Zeitbeziehungen in den einzelnen Phänomenen wie in ihrer Übereinstimmung und Regelmäßigkeit durch die „Vernunft"; die „ M a ß e " der Phänomene liegen in den „Vernunftwahrheiten", vor allem in den Sätzen der Mathematik, als den ewigen Wahrheiten, welche die Raum- und Zeitverhältnisse behandeln. Und ebenso führen die übrigen Beziehungen, die in den Begriff einer Einzelexistenz eingehen (sie wurden unter dem Ausdruck der „Materie" jener Kugel zusammengefaßt) notwendig auf rationale Gesetzlichkeit, auf „ideale Regeln". Niemals zwar zeigt die Beobachtung des Existierenden eine ideale Gesetzlichkeit schlechthin verwirklicht; nirgends läßt die unendliche Mannigfaltigkeit des Phänomens sich durch eine mathematische Form wirklich decken — „weil die aktuelle Welt nicht in der Indifferenz der Möglichkeiten geblieben", sondern aus ihnen durch „unendliche Zusammensetzungen" entstanden ist, so daß die Phänomene (entgegen der „Einförmigkeit" in allem „Abstrakten" und Idealen) „in den kleinsten Teilen vielfältig (varíes)" sind. Es lassen sich also zwar gegebene Phänomene nicht unmittelbar auf ideale Möglichkeiten reduzieren; da aber die idealen Gesetzlichkeiten sich doch (in unendlicher Komplexion) in ihnen finden, so können sie uns 1 ) V g l . die Ausführungen über die Kugel auf Archimedes' Grab II, 39. S . auch C 529; II, 277/8. 2 ) V g l . IV, 368, 394, 568; VII, 304, 564; auch II, 2 2 1 , 234, 510, 5 1 5 ; III, 6 1 2 etc. 3 ) V , 140; vgl. 1 1 , 2 3 4 ; IV, 191, 394; VII, 304, 402/3, 404.
Vernunftwahrheiten als Kriterien
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wohl zur Beglaubigung ihrer „Realität" dienen. 1 ) Das gilt für die bestimmte Fassung der einzelnen Phänomene wie besonders für die präzise Erkenntnis ihrer Ordnung und „Verbindung", ihrer Übereinstimmung und Regelmäßigkeit. So tritt für die wissenschaftliche Erfahrungserkenntnis zur unmittelbaren Gewißheit der („inneren") Erfahrungen die Anwendung rationaler Wahrheiten hinzu. Dabei bleibt die erste Instanz immer unentbehrlich und fundamental („für uns"); denn immer bleibt die rationale Einsicht unendlich weit hinter der Komplexheit des empirisch Gegebenen zurück. Die Existentiälsätze der Erfahrungswissenschaften sind „gemischte Sätze": gemischt aus „Erfahrung" und „Vernunft". La Raison consistant dans l'enchaînement des vérités a droit de lier encore celles que l'experience lui a fournies, pour en tirer des conclusions mixtes?) Das Kriterium der „Übereinstimmung" und des Voraussagens führt auf eine Methode, die zwischen der „unendlichen Analyse" und der bloßen Perzeption von Erscheinungen die Mitte hält. Die Wahrheiten der „demonstrativen Wissenschaften" müssen dazu dienen, „die Wahrheit der sinnlichen Dinge zu beurteilen". Die Tatsachenwahrheiten, deren vollkommene Analyse uns versagt ist, werden von uns auf andere Weise „bewiesen" : „durch ihre Konfrontation mit den Vernunftwahrheiten und durch ihre Reduktion auf die unmittelbaren Perzeptionen, die in uns sind." 3 ) ') Vgl. IV, 568 f.; VII, 563; V, 50; 11,277; M III, 84; M VI, 185. IV, 49. Über die „gemischten Sätze" der Erfahrungswissenschaften („gemischten Wissenschaften") vgl. noch V, 428; VII, 296; C 35. 3) IV, 404; VI, 494. Vgl. noch folgende Stellen: „Das wahre Kriterion im Gebiete der Sinne ist die Verbindung der Phänomene, d. h. die Verknüpfung dessen, was an verschiedenen Orten und Zeiten . . . sich ereignet. Und die Verbindung der Phänomene, die die Tatsachenwahrheiten garantiert inbezug auf die sinnlichen Dinge außer uns, wird bewahrheitet durch das Mittel der Vernunftwahrheiten; so wie die Erscheinungen der Optik durch die Geometrie aufgeklärt werden." V, 355. „Um zu urteilen ob unseren Erscheinungen Realität in den Dingen zukommt, und um von den Vorstellungen (pensées) zu den Objekten zu kommen, muß man nach meiner Meinung zusehen, ob unsere Perzeptionen gut miteinander und mit anderen die wir gehabt haben, verbunden sind, derart daß die Regeln der Mathematik und andere Vernunftwahrheiten dabei statthaben: in diesem Falle muß man sie für reale halten, und ich glaube, daß dies das einzige Mittel ist, sie von den Einbildungen, den Träumen und den Visionen zu unterscheiden." VI, 404,49. „Die Wahrheit der sinnlichen Dinge wird nachgewiesen (justifié) durch ihre Verbindung, die von den intelligiblen Wahrheiten abhängt, die auf Vernunft gegründet sind . . . ." V, 426. „Wir haben bei den Phänomenen kein anderes Kennzeichen der Realität, noch dürfen wir ein solches verlangen, als 2)
Reale Phänomene und Seinsrealität
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Eine höhere Sicherheit für die „Realität" der Phänomene, als sie mit diesem Kriterium gegeben ist, ist dem endlichen Intellekt nicht erreichbar. Er bleibt immer auf dem Wege der Begründung, kommt nie zu einem endgültigen und unumstößlichen Nachweis. Alle Feststellungen stützen sich schließlich auf Erfahrungen, Gegebenheiten, die zwar als „innere" Erscheinungen von unbezweifelbarer Gewißheit sind, deren „Realität" aber doch wieder nur in der Verbindung mit den anderen gewiß werden kann. Das Ganze der phänomenalen Welt aber ist uns nicht gegeben und nicht erreichbar. So bleibt alle empirische Bestimmung relativ. — Relativ aber bleibt auch, unter anderem Gesichtspunkt, dieser Realitätsbegriff selbst. Ob nicht die Gesamtheit der (gut verbundenen und geregelten) Phänomene „bloßer Schein" ist, unsere gesamte Erfahrung nichts als ein „großer wohlgeordneter Traum", die ganze „sichtbare Welt nur ein Phantasma", darüber können Wissenschaft und Erfahrung keine Auskunft geben. Das wäre endgültig zu entscheiden auf diesem W e g e nur durch die vollkommene, die unendliche Analyse, die uns die letzten Gründe der Dinge zeigen würde. Der accord perpetuel in unseren Erscheinungen donne une grande asseurance, mais apres tout elle ne sera que morale jusqu'à ce que quelque homme découvre a priori l'origine du monde que nous voyons, et qu'il puise dans le fonds de l'essence pourquoy les choses sont de la maniere qu'elles paroissent. Car cela estant, il aura demonstré que ce qui nous paroist est une realité et qu'il est impossible que nous en soyons desabusés jamais. Mais je croy que cela approcheroit fort delà vision beatifique, et qu'il est difficile d'y pretendre dans l'estât où nous sommes}) Aber diese Erkenntnis ist auch für die Zwecke der Erfahrungswissenschaft ohne Belang; für sie kommt allein der empirische Realitätsbegriff in Frage. Und für die empirische Betrachtung macht es keinen Unterschied, ob man die ganze Folge der Erscheinungen einen fortlaüfenden und andauernden Traum nennt. „Vorausgesetzt daß die Phänomene verbunden sind, kommt es daß sie gleicherweise einander und den ewigen Wahrheiten entsprechen." II, 283. „Das Fundament der Wahrheit der zufälligen und einzelnen Dinge liegt in dem Erfolg, welcher macht, daß die Phänomene der Sinne genau so verbunden sind wie es die intelligiblen Wahrheiten verlangen." V , 373. Vgl. noch 1,516; VII, 320. — V o n dem Kriterium der Übereinstimmung in den Erfahrungen der verschiedenen Menschen können wir hier füglich absehen. ') 1, 373-
Mechanistische Erklärung der Erscheinungen
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nicht darauf an, ob man sie Träume nennt oder nicht, da ja die Erfahrung zeigt, daß man sich nicht in den Maßen täuscht, die man für die Phänomene nimmt, wenn sie genommen werden gemäß den Vernunftwahrheiten." l ) Nun bleibt die Erfahrungserkenntnis nicht bei der bloßen Feststellung der Existenz stehen; ihre Frage geht nächst dem „daß" auf das „was" der gegebenen Phänomene. Auch die „ E r k l ä r u n g " aber der einzelnen Erscheinungen führt von der bloßen Sinneserfahrung zu den „notwendigen" Erkenntnissen der Vernunft; auch hier tritt eine, gleichfalls immer unvollständige und Ergänzung fordernde Analyse ein. Wesen und Mittel dieser Erklärung stehen für Leibniz von vornherein und grundsätzlich fest. Es gehört zu den fundamentalen Voraussetzungen der Leibnizischen Philosophie, daß in der Natur alles „mechanisch geschieht", daß alles „Detail" der Erscheinungswelt „mathematisch und mechanisch zu erklären ist". Alles Sein ist (nach dem ontologischen Satz vom Grunde) in sich restlos intelligibel, rational determiniert, durch die Einsichten der demonstrativen Wissenschaften erfaßbar; das Sein und Geschehen innerhalb der körperlichen Natur (des phänomenalen Universums) im Speziellen ist geregelt und intelligibel allein durch die Gesetze der Mathematik und Mechanik. Das Kausalitätsprinzip (ein „Korollar" des Satzes vom Grunde für die Erscheinungswelt) besagt nicht nur, daß alles Dasein und Geschehen in der Natur seine Ursache hat, sondern auch, daß diese Ursache zugleich als Erkenntnisgrund fungieren kann; daß die Verursachung rational einsichtig ist. Und für das Gebiet der Erscheinungen decken sich eben nach Leibniz Intelligibilität und mechanistische Struktur. So führt alle erklärende Analyse der Tatsachen auf die Vernunftwahrheiten der mathematischen Wissenschaften und entnimmt diesen ihre „Gründe". Ein eigenes Problem für die Methodologie der Erfahrungswissenschaften entsteht nun aus der Stellung dieses Natur- und Erkenntnisbegriffs zu den „einfachen" Perzeptionen sinnlicher Qualitäten. — Aus diesen setzen sich ja schließlich alle komplexen („vielfältigen") Erscheinungen zusammen und die erste „Analyse" einer gegebenen Erscheinung ist immer die Aufteilung in solche einfachen Qualitäten. 2 ) Auf die Perzeption der Sinnesqualität stützt sich zuletzt alle eigentliche Erfahrungsgewißheit. Die „unmittelbaren Perzeptionen der Sinne" versichern nicht V, 356; vgl. VII, 320.
2
) VII, 268.
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Perzeptionen als „klare" Ideen
nur daß etwas uns erscheint sondern sie lassen uns auch die „Mannigfaltigkeit" und die „Verschiedenheiten" der Erscheinungen mit Bestimmtheit erfassen (per se percipiuntur). So ist uns die Verschiedenheit der sinnlichen Qualitäten nach Art und Abstufung mit ihnen selbst unmittelbar gegeben. Auf diese irreduktiblen Einsichten („Prinzipien" der Erkenntnis a posteriori) stützt sich alle Besonderheit unserer Erfahrungserkenntnisse. Die Perzeptionen der einfachen Sinnesqualitäten, diese „primitiven einfachen Termini" der empirischen Erkenntnis sind „ k o n f u s und dennoch klar". 1 ) „Konfus" („par rapport à l'entendement'): denn diese Gegebenheiten sind nicht explizierbar durch Angabe von begrifflichen Bestandteilen, sie können nicht durch andere Begriffe determiniert werden. Es gibt von diesen „Ideen" keine „Nominaldefinition". Man kann sie „nur empfinden" und nur „durch Hinweis" (per ostensionem) auf präsente Gegebenheiten, nicht durch „Aufzählung der Merkmale" anderen zur Erkenntnis bringen. Einem Blinden kann man von einer Farbe auf keine Weise einen Begriff geben. 2 ) Und dennoch „klar" (claire aus sens)3): denn in diesen Perzeptionen liegt eine anschauliche Gewißheit, die „unbezweifelbar" und innerhalb dieses Gebiets letztlich ist. Die „klare" Idee einer Farbe, eines Tones ist absolut hinreichend, um diese' Farbe, diesen Ton jederzeit mit Bestimmtheit zu agnoszieren und von ') IV, 423; V, 236; VII, 293; C 360 etc. 2 ) VII, 293; VI, 492; V, 18, 237; C 220, 360, 432 etc. Zu beachten ist noch die Unterscheidung von solchen sinnlichen Inhalten, die nur „simples à notre égard" sind und eine gewisse Auflösung zulassen (wie z. B. das Grüne sich als eine Zusammensetzung zweier anderer Qualitäten erweist, als eine Mischung nämlich von blau und gelb) und solchen, die, wie etwa blau und gelb selbst, „in sich selbst einfach" sind. S. 111,256; V, 275; C 190. Das Problem der „einfachen Termini" der Erfahrungserkenntnis geht vorwiegend auf diese letztere Art von Qualitäten. 3 ) Es handelt sich eben in dem Unterschiede der „klaren" Perzeptionen und der „distinkten" Begriffe um heterogene Erkenntnissphären. Ebenso bezeichnet die Gegenüberstellung von „konfus" und „distinkt" meistens nicht einen bloßen Unterschied im Grade der Auflösung, sondern eine Gebietsverschiedenheit und wird im gleichen Sinne verwandt wie der Gegensatz von „intelligibel" und „sensibel", „rational" und „empirisch". „Distinkt" heißen ja auch die unauflösbaren primitiven Termini der „Analyse der Begriffe": eben weil sie zu den „reinen und intelligiblen Ideen" gehören; ihnen gegenüber werden alle Sinneswahrnehmungen, und besonders die „einfachen" Perzeptionen als „konfuse" „Ideen" („Begriffe") bezeichnet. Diese sind nicht nur nicht intellectae, sondern schlechthin unintelligibel.
Die „Ursachen" der sinnlichen Qualitäten
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allen anderen zu unterscheiden. 1 ) Für unser beschränktes und auf sinnliche Erfahrungen angewiesenes Erkenntnisvermögen ist dies Kriterium des Klaren nicht weniger unentbehrlich und selbständig als das des Distinkten und Adäquaten. — Wie verhält sich nun die behauptete Einfachheit dieser „klaren Ideen" von sinnlichen Qualitäten zu jener allgemeinen Forderung der rationalen (mechanistischen) Erklärung, also Analyse der Erscheinungen? Die Antwort ergibt sich leicht, wenn man die „Perzeptionen" als Bestandstücke der Erscheinungen im inhaltlich-objektiven Sinne scheidet von den Perzeptionen im Sinne unserer Vorstellungen. 2 ) Die Perzeptionen sind nur simples en apparence\ ihrem Gehalte nach sind sie dagegen „nicht als etwas Primitives und Unerklärliches aufzufassen". 3 ) Die Sinne lassen uns zwar die Qualitäten eindeutig erfassen und unterscheiden, „aber sie lassen uns nicht erkennen was diese sinnlichen Qualitäten sind und worin sie bestehen". 4 ) Als Momente in der Erscheinungswelt haben die Farben und Töne notwendig ihre „ U r s a c h e n " . In dieser Hinsicht also haben auch die „Begriffe" von ihnen (die mit den klaren und einfachen Perzeptionen von ihnen eben nicht identisch sind) ihre „Gründe". Danach gibt es also wohl eine „Auflösung der sinnlichen Qualitäten in Ursachen oder Gründe durch Raisonnement". „Es ist sicher, daß die Begriffe dieser Qualitäten zusammengesetzt sind und aufgelöst werden können, da sie ja ihre Ursachen haben." 5 ) Diese Ursachen sind eben mechanische, die Gründe also aus den „mathematischen Wissenschaften" zu entnehmen. Auch die Qualitäten müssen „auf den Mechanismus gebracht" werden. 6 ) So betrachtet gibt es also zwar keine Nominaldefinition der „klaren Idee" (der Sinnesperzeption), aber wohl eine „Realdefinition" (des „Begriffs" der betreffenden Qualität), die der Reduktion der Qualität auf ihre Ursachen entspricht. So erwartet Leibniz z. B. die Realdefinition und das „distinkte" Verständnis der einfachen Farben von Newtons mechanistischer Erklärung. 7 ) Für die Methodologie dieser Erklärung gilt dies als die allgemeinste Vorschrift, daß man (da die sinnlichen Qualitäten uns nur in „einfachen" konfusen Per*) IV, 423; V, 236; C 219 etc. Die Schwierigkeit der Identifizierung, die hier aus der Tatsache des kontinuierlichen Übergangs der Qualitäten ineinander erwächst, ist Leibniz nicht unbekannt. S. V, 277. 2) Derselbe Doppelsinn haftet an unserem Worte „Empfindung". 3) ^ 1 0 9 , 2 7 8 ; IV, 575. 4) VI, 492. 5) VII, 268; IV, 422/3; vgl. IV, 569; V, 109, 278,470; VII, 194 Anm., 293. 6) Vgl. M I , 86. ' ) V g l . V , 18; 111,247,256; IV, 575; VI, 492; C 361.
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Unbeschränktheit der „physischen Analyse"
zeptionen gegeben sind, die sich als solche nicht auflösen lassen) auf die distinkten Momente (mathematischen Qualitäten) zu achten habe, die jene „ b e g l e i t e n . " Die einfachen Sinnesinhalte „sind begleitet von Umständen, die Verbindung mit ihnen haben, obgleich wir die Verbindung nicht kennen; und diese Umstände liefern etwas Erklärbares und der Analyse Fähiges, und das gibt einige Hoffnung, daß man eines Tages die Gründe dieser Phänomene finden wird". 1 ) Analyseos physicae arcanum in hoc uno consistit artificio, ut qualitates sensuum confusas . . . revocemus ad distinctas quae eas comitantur . . . . Itaque si deprehendamus certas qualitates distinctas Semper comitari quasdam confusas ... et, si ope distinctarum qualitatum definite totam corporum quorundam naturam explicare possimus, ita ut demonstrare queamus, ipsa talis esse magnitudinis figurae et motus; eo licet qualitates confusas ex ipsis aliter demonstrare non possimus, quia qualitatum confusarum nulla datur definitio, nec proinde de Ulis demonstratio. Sufficit ergo nos omnia distincte cogitabilia, quae ipsa comitantur, posse explicare constantibus conclusionibus, experientiae consentientibus. Nam ope quarundam qualitatum ad determinandam naturam corporum sufficientium possumus invenire causas; et ex his causis demonstrare reliquos affectus seu caeteras qualitates, et ita invenietur per circuitum, quid realis et distincti qualitatibus confusis insit.2) — Auch an diesem extremsten Punkte der Erfahrungserkenntnis also greift die „Analyse" und mit ihr die „Vernunft" ein. Die unmittelbaren Perzeptionen sind und bleiben die „Prinzipien" der empirischen Erkenntnis, sie sind für diese unersetzlich und ihre Evidenz irreduktibel. Die Inhalte aber, die Sinnesqualitäten sind darum nichts schlechthin Vernunftfremdes, sie sind „erklärbar" aus „Ursachen" von rein mechanisch-rationaler Struktur. Das Wirkliche enthält nichts Irrationales, und so besteht in der empirischen Erkenntnis keine prinzipielle Schranke für die Anwendung der Vernunftwahrheiten. Je weiter die Erforschung des Wirklichen vordringt, um so vielfältiger wird die Anwendbarkeit der „distinkten" Begriffe, um so tiefer reicht das Raisonnement in die Erfahrungsgegebenheit hinein.3) ') V, 278,364,470; VII, 293; C 3 8 . ) C 190. Das Interesse der „physischen Analyse" geht darauf, was in der physischen Existenz a parte rei liegt. Was für das Problem der Sinnesqualitäten dabei ungelöst bleibt, gehört in das Verhältnis der Dinge zur „Disposition unserer Organe". Vgl. C 190,361. 3 ) II, 168; IV, 569, 575; V, 50; M I , 86; MIII,84; M VI, 185. — Nur an2
Experiment, Induktion, Logik der Wahrscheinlichkeit
c) A p r i o r i s c h e P r i n z i p i e n
der empirischen
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Erkenntnis.
Alle Erforschung von Wirklichem geschieht a posteriori. Sie geht aus von Sinnes Wahrnehmungen und sucht die Regeln und Ursachen der gegebenen Erscheinungen aufzufinden. Ein endgültiger Abschluß, „unfehlbare" Erkenntnis kann dabei nie erreicht werden; alles „ D e t a i l " der Natur bleibt für den „endmerkungsweise erwähnen wir drei Aufgaben der Erfahrungsmethodologie, deren Titel und Bestimmung von Leibniz immerfort angeführt werden, ohne daß es zu einer zusammenhängenden logischen Theorie darüber gekommen wäre (soweit man aus den vorliegenden Texten urteilen kann!). Die erste ist die ars instituendi experimenta iisque utendi. VII, 198, 296. (Dazu einige Bestimmungen VII, 266 f.). — An zweiter Stelle steht die Auswertung der Erfahrungen und Experimente durch die Methode der wissenschaftlichen „ I n d u k t i o n " (VII, 296; V,428; C 19; M VII, 51 etc. Vgl. Couturat, La log. d. L . p. 261 ff.), die „Erfindung des Allgemeinen aus dem Einzelnen". Sie ist nicht als bloße Sammlung von Einzelexperimenten aufzufassen, wie dies der gewöhnliche Begriff der Induktion meint; ihre empirische Allgemeinheit setzt immer die Beihilfe der idealen Allgemeinheit, der ewigen Wahrheiten voraus. „Hier wird es offenbar, daß die Induktion durch sich nichts hervorbringt, nicht einmal moralische Gewißheit, ohne den Beistand von Sätzen, die nicht von der Induktion sondern von der universalen Vernunft abhängen; denn wenn diese Stützen von der Induktion kämen, würden sie neuer Stützen bedürfen, und so gäbe es ins Unendliche keine moralische Gewißheit." IV, 161/2. Hier ist der Ort der „Hypothese". Die rein induktive „Verkettung von Erfahrungen" läßt auf ein allgemeines Gesetz in Form einer Hypothese schließen. Der Prüfstein für die Richtigkeit dieser Annahme ist dann, ob sie „den Phänomenen Genüge tut", die Erscheinungen „rettet". (I, 132; IV, 496; VII, 320; Hauptschr. II, 505). Die Hypothese ist um so sicherer als gegründet und wahr anzusehen, einer je größeren Mannigfaltigkeit von Phänomenen sie, bei relativer Einfachheit und Intelligibilität ihrer Gründe,-Genüge tut. (I, 174, 186, 195/6; II, 185; 111,353; IV, 158, 180,431; C 591. S. Couturat, L a log. d. L. p. 264 ff.). Das „höchste Lob" einer Hypothese, die sicherste Bewährung ihrer Gültigkeit für die Erscheinungen ergibt sich, „wenn mit ihrer Hilfe Voraussagen angestellt werden können, auch von Phänomenen oder Erfahrungen, die noch nicht untersucht sind; dann nämlich kann in der Praxis eine Hypothese dieser Art als Wahrheit genommen werden". (1,174,196; 1 1 , 5 1 6 ; V,435; VII, 83.) Aus „exakter Beobachtung und einigen Erscheinungen, passend vereinigt" entstehen so die „richtigen Konjekturen über das, was die Erfahrung . . . noch nicht entdeckt hat". V, 386. Aber solche Bewahrheitung ist natürlich nicht als B e w e i s im strengen Sinne anzusehen; hier „hat die Umkehr nicht statt", die es im Bereich der ewigen Wahrheiten gibt. Vgl. V, 466, 432. — Die dritte Hauptaufgabe für die Erfahrungsmethodologie ist die „ L o g i k d e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t " , deren Anpreisung durch alle Schriften und Fragmente Leibnizens hindurch geht. (Vgl. dazu Couturat, L a log. d. L. p. 272fr.; 111,259,605; V, 353, 448, 466; VII, 477 etc. etc. C 218, 226 f.). Da es im Erfahrungsgebiet grundsätzlich keine abgeschlossene
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Das Apriori der mechanisch«! Kausalität
liehen Intellekt" im letzten Grunde undeterminiert. Die Analyse führt nie zu einem in sich gewissen Prinzip, aus dem dann das Gegebene apriorisch sich begründen ließe. Es gibt nur induktive und hypothetische Aussagen über das einzelne Dasein, keine deduktiven. Aber darum entbehren die Erfahrungswissenschaften doch nicht der apriorischen Prinzipien überhaupt. Von dem Detail der Natur gibt es keine „unfehlbaren" Aussagen, wohl aber vom Ganzen der Natur. Und diese prinzipiellen Bestimmungen leiten die empirische Forschung und bestimmen ihre Methoden. — Alle diese „Prinzipien" gehen unter dem Namen und im Gefolge des Satzes vom Grunde. Einigen sind wir bereits begegnet. Die allgemeinste Bestimmung des empirischen Seins ist die des Kausalsatzes (einem „Korollar" des allgemeinen ontologischen Prinzips): „nichts geschieht ohne Ursache". 1 ) Alles im Sein ist derart bedingt, daß man von seinem Sein und Sosein Rechenschaft geben kann. Das Sein der Wirklichkeit wird entfaltet in der Zeitreihe. So ist in dieser alles Nachfolgende bedingt durch das Vorangehende, d. h. durch die „wirkenden Ursachen". Diese Ursachen aber sind rational erfaßbar: „alles geschieht durch intelligible Ursachen". Den Ursachen eines Wirklichen entsprechen die „Gründe" seines Begriffs. So muß in der Wirklichkeitserkenntnis überall eine „Erklärung" durch „Auflösung in Ursachen und Gründe" sich geben lassen. Für Leibniz ist damit ohne weiteres auch dies ausgemacht, daß diese Ursachen „mechanische" sind, die Gründe also solche der „mathematischen Wissenschaften". Ihm gilt eben in der Erklärung der Erscheinungen nur das Mechanische als „intelligibel". So stellt er dies als Grundprinzip der Natur und Naturerkenntnis auf: „alles in der Natur geschieht auf mechanische Weise", daher müssen „alle besonderen Phänomene der Natur mechanisch erklärt werden". 2 ) Der Satz von der (mechanischen) Kausalität gilt von der Natur, insofern sie eine Art des Seins überhaupt ist. Die Gewißheit, sondern stets nur geringere oder größere Wahrscheinlichkeit geben kann, so wird eine Logik erfordert, weiche wenigstens die Wahrscheinlichkeitsgrade in den „Hypothesen" und „Konjekturen" exakt bestimmt. Vgl. besonders C 210 ff.: Ad siateram juris de gradibus frobaiionurn et probilitatum. ') VII, 265, 309; C 519. Vgl. 11,56; V, 457; M IV, 482. Couturat, La log. d. L. p. 222, 251. -) Vgl. VII, 265 und ungezählte Stellen in den systematischen Schriften.
D a s A p r i o r i der Z w e c k m ä ß i g k e i t
eigentlich sogenannten „Prinzipien der Natur" dagegen fließen allein aus dem besonderen Wesen der Existenz; sie sind A b wandlungen und Folgen des Satzes vom Grunde in seiner speziellen Bedeutung als principe de convenance. Unter den Regeln des Naturgeschehens gibt es — auch abgesehen vom Kausalitätsprinzip — solche von einer überinduktiven Allgemeinheit; sie bestimmen nicht besondere Erscheinungen sondern die Erscheinungen überhaupt und gehören unserer, d. h. der Wirklichkeit als solcher zu. Diese Leges huic Seriei Rerum essentielles nennt Leibniz allein „ N a t u r g e s e t z e " . 1 ) Nur diese Gesetze des Empirischen, auf die wir übrigens auch durch Erfahrung und Induktion kommen, sind uns zugänglich p a r r a i s o n et a p r i o r i , c'est à dire par les considérations de la convenance.2) Aus den Zweckerwägungen des principe de convenance ergibt sich „die allgemeine Ökonomie der Welt". In dem „System der Dinge", das aus dem „Konflikt" der Möglichkeiten Wirklichkeit geworden ist, verbindet sich „die größte Mannigfaltigkeit mit der größten Ordnung". In ihr wird „ein Maximum von Wirkung erzeugt durch die einfachsten Mittel"; sie ist „die einfachste in den Hypothesen und die reichste in den Phänomenen". 3 ) Die Ordnung und die Einfachheit sind hierbei nach intellektuellem Muster gedacht ; die größte Mannigfaltigkeit der Erscheinungen erfließt aus einer geringen Anzahl einfacher „Gründe". Die „höchste Ordnung" das ist die „welche am meisten der Intelligenz und Vernunft konform ist". 4 ) Das Maximum an Realität und Essenz bedeutet zugleich das Maximum an Intelligibilität (possibilitas = intelligibilitas s. I, 271). Sequitur etiam eam praevaluisse s erkm, per quam plurimum oriretur distinetae cogitabilitatis,5) Daraus lassen sich die Gründe a priori für die eigentlichen Naturgesetze (die maximes subalternes im Gegensatz zum Oberprinzip der Konvenienz selbst) gewinnen. Leibniz nimmt zwei ») C 19 f.; I V , 445 ff-; V I , 50; VII, 270 ff. *) V I , 50,466. I V , 43, 446; V I , 603. M a n b e m e r k t o h n e w e i t e r e s , w i e diese g r u n d sätzliche B e s t i m m u n g d e s W e l t s y s t e m s als Prinzip dient für j e n e s G e l t u n g s k r i t e r i u m d e r H y p o t h e s e n , d a s die „ e i n f a c h s t e n G r ü n d e " v e r b u n d e n mit der mannigfaltigsten Anwendungsfähigkeit verlangte. 4) V g l . III, 72. 5 ) VII, 190. R e s t l o s intelligibel w ü r d e j e d e W i r k l i c h k e i t sein, weil sie j a nur aus (rationalen) E s s e n z e n b e s t e h t . A b e r es g i b t G r a d e d e r E i n f a c h h e i t und rationalen D e t e r m i n i e r t h e i t . S o w ü r d e z. B . , w e n n ein D r e i e c k zur W i r k l i c h k e i t h ä t t e k o m m e n s o l l e n , n a c h d e n „ E r w ä g u n g e n d e r K o n v e n i e n z " das g l e i c h s e i t i g e D r e i e c k a u s g e w ä h l t w o r d e n sein. 3)
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Das Erhaltungsprinzip
solcher allgemeinsten Naturgesetze („Axiome" des Geschehens) an: das erste bestimmt die besondere Art des Mechanismus, in dem das Wirkliche verläuft; es ist das „ G e s e t z der Äquiv a l e n z , n a c h d e m die a b s o l u t e n K r ä f t e sich e r h a l t e n " („Fundamentale Maxime der Mechanik"). 1 ) Alles in der Natur geschieht auf mechanische Weise, aber die- Prinzipien des Mechanismus selbst sind „metaphysische" und hängen vom Prinzip der „höchsten Ordnung" ab. Alle Erscheinungen und Geschehnisse sind mit Hilfe der Bewegungsgesetze auf mathematische Bestimmungen zu bringen; aber die Bewegungsgesetze selbst sind nicht aus mathematischen Gründen zu beweisen, sondern hängen „von einem höheren Prinzip der Ordnung ab". 2 ) Rein logisch (oder mathematisch) betrachtet könnten die Bewegungsgesetze auch andere sein. Die „Absurdität" des Perpetuum mobile (die Notwendigkeit des Prinzips der Äquivalenz von Ursache und Wirkung und der Erhaltung der Kraft) ist keine logische, sondern eine bloß physische oder „moralische". Von den möglichen Bewegungsgesetzen sind die ausgewählt und Naturprinzipien geworden, die für die „Bildung eines Systems" am geeignetsten waren, eines Systems nämlich, das nach „ökonomischen", „architektonischen" Prinzipien gebildet ist.3) Die Prinzipien der Mechanik werden daraus bewiesen, daß durch sie „die Gründe der Ordnung der Dinge erklärt werden", daß sie für die intelligibelste Ordnung der Erscheinungen einstehen. So soll der Satz von der Erhaltung der Kraft geradezu aus dieser Erwägung heraus sich als physische Notwendigkeit beweisen: quod ea sublata nullus superest modus potentias aestiviandi aut de Effectuum viagnitudine statuendi ex causis.i) Das Erhaltungsprinzip gewährt das „Mittel" für die „mathematische Schätzung oder Messung" der Kräfte; das verbürgt ihm seine Sicherheit als leitendes Prinzip der Naturerklärung. Ontologisch gesprochen: das metaphysische „Axiom" der Erhaltung ist Ausdruck für die vollkommenste mathematisch determinierte und intelligible Struktur des Natursystems. — IV, 398f.; 442 ff.; v i , 3 1 9 , 6 0 3 ; VII, 4 5 5 ; M I I , 305 f., 308 fr.; M III, 227: M VI, 2 2 9 , 2 4 1 , 2 8 7 . 2 ) IV, 398, 446, 472; VI, 37, 44, 5°. 319/20, 603 ; VII, 280 etc. B r i e f w . m. W o l f f p. 129. 3 ) Vgl. IV, 446; VI, 603; s. a u c h VII, 283; M VI, 241. 4 ) M VI, 437, 2 4 1 ; vgl. M III, 210 „ . . . caderet tota Scientia Dynamica seu impossìbile esset vires aestimare', imo fotentia non esset quantilas certa sed quiddam vagum et absomim."
Das Kontinuitätsprinzip
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Auf ähnliche Weise ergeben die considérations de la convenance das zweite der „beiden Naturgesetze": das Prinzip der Kontinuität. Die Kontinuität der Erscheinungen (d. h. daß es in den Erscheinungen und ihrem Verlaufe „keinen Sprung gibt") ist B e d i n g u n g i h r e r I n t e l l i g i b i l i t ä t . Selon moi tout est lié dans l'Univers, en vertu de raisons de Métaphysique de manière . .. qu'aucun état donné n'est explicable naturellement, qu 'au moyen de celui dont il a été précédé immédiatement. Si on le nie, le monde aura des hiatus qui renversent le grand Principe de la Raison suffisante et qui obligeront de recourir aux miracles ou au pur hasard dans l'explication des Phénomènes. Die Phänomene werden nur durch die wahrhaften Bewegungsgesetze intelligiblement explicables, d. h. durch die, welche dem Kontinuitätsprinzip unterworfen sind. 1 ) — In einem anderen Erklärungsprinzip noch bestimmt das Konvenienzprinzip die Methode unserer empirischen Forschung. Die Ökonomie, nach der das Ganze der Welt angelegt ist, muß sich in alles Detail der Erscheinungen hinein verfolgen lassen. „Die geringsten Teile des Universums sind geregelt nach der Ordnung und größten Vollkommenheit, sonst wäre das Ganze es nicht." Überall in der Natur wird ein Maximum an Effekt durch ein Minimum von „Aufwand", durch die „einfachsten und leichtesten W e g e erreicht". 2 ) Daher können die einzelnen Erscheinungen dem Prinzip nach alle durch solche finalen Erwägungen bestimmt werden. Daß solche Bestimmung aber auch dem endHauptschr. II, 557 f. Die Stellung der Kontinuität in der leibnizischen Wissenschaftslehre und Metaphysik zu bestimmen ist eine der verwickeltsten Interpretationsaufgaben, die eine eigene Untersuchung wohl lohnen würde. Sehr häufig (auch in dem soeben zitierten Briefe an Varignon) wird die Geltung des Kontinuitätsprinzips für die Erscheinungen damit begründet, daß alle idealen Regeln der Mathematik auch in der Natur Anwendung fänden. (So besonders auch IV, 568/9.) Danach wäre dann das physische Kontinuitätsprinzip („in der Natur gibt es keinen Sprung") von „mathematischer" Notwendigkeit! Dem stehen aber unzählige Stellen entgegen, die es, als ein principe de Vordre, aus den „metaphysischen" Erwägungen des principe de convenance herleiten. (S. z. B. 1,347; II, 193, 168 f.; III, 52; IV, 399; VI, 321; VII, 279; MIII,544; M I V , 219; M VI, 229,241.) — Die Schwierigkeit potenziert sich, wenn man den Kontinuitätsbegriff der Monadenlehre hinzunimmt, nach welcher ja die wirklichen Dinge und Geschehnisse (Bewegungen) grundsätzlich „diskret" und nur die idealen mathematischen Gebilde wahrhafte Kontinua sind, weil sie im Zustand der „Indifferenz" der bloßen Möglichkeiten verbleiben (z. B. II, 281 ff.). ») VII, 272/3.
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Kausal- und Finalerklärung
liehen Verstände in gewissem Sinne möglich ist, der immerhin stets nur Bruchstücke der Erscheinungen und einen geringen Teil der möglichen „Wege" kennt, das zeigt der Erfolg der Finalgründe in den Wissenschaften, speziell in der Optik. So wird z. B. das „allgemeine Prinzip der Optik" unmittelbar in einer Anwendung des Ökonomieprinzips gewonnen. 1 ) Wie es aus dem allgemeinen Satz vom Grunde folgt, daß „alles in der Natur auf mechanische Weise geschieht", so stellt das Konvenienzprinzip fest, daß alles in der Natur nach finalen Erwägungen bestimmt ist. Die „beiden Reiche" des Kausalen (der causae efficientes) und des Finalen (der causae finales) „durchdringen sich in der körperlichen Natur selbst, ohne sich zu vermischen und gegenseitig zu behindern" ; es herrscht zwischen den beiden Determinationsreihen ein exakter „Parallelismus", eine „vollkommene Harmonie". 2 ) Das ergibt unmittelbar die methodische Wendung: „alles läßt sich erklären durch die wirkenden, wie durch die finalen Ursachen". „Von allen Dingen der Natur kann auf doppelte Weise Rechenschaft gegeben werden, nämlich von der nächsten wirkenden Ursache und von dem Finalgrunde". 3 ) „Das Beste würde sein, die eine und die andere Betrachtung miteinander zu vereinigen." 4 ) Für diese Zusammenarbeit der beiden Methoden weist Leibniz jeder ihre besondere Funktion zu. Prinzipiell sind beide „Erklärungen" gleichwertig; für unsere wissenschaftliche Forschung jedoch ist die eigentliche Erklärung diejenige durch die wirkenden Ursachen; sie ist nach Leibniz „tiefer und in gewisser Weise immediater und mehr a priori". Die „leichtere" Finalbetrachtung dient in unserer Forschung nicht so sehr zur Erklärung und Herleitung des Einzelnen, als dazu, „Entdeckungen zu machen", auf Wahrheiten und Gesetze zu führen, „die auf dem anderen, mehr physischen Wege (der wirkenden Ursachen) zu suchen man viele Zeit brauchen würde, VII, 274; IV, 447.448, 361; v , 404; M VI, 243; C 13. Vgl. Couturat p. 229 ff. 2 ) VII, 273 etc. Daß man diese Harmonie der kausalen und finalen Determination innerhalb der Erscheinungswelt („in der körperlichen Natur selbst") nicht verwechseln darf mit der monadologischen Harmonie des Reiches der finalen Ursachen im seelischen Geschehen mit dem „Reiche der wirkenden Ursachen" im physischen Geschehen (z. B. VII, 344! VI, 599,620), darauf hat schon Dillmann hingewiesen (Neue Darst. der Monadenlehre p. 500 ff.). — Beide Gedanken miteinander z. B. C 13. 4 3 ) VII, 136; C 7, 329) IV, 447, 472, 398; VII, 136.
Die bezügliche Funktion der beiden Methoden
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wozu die Anatomie wichtige Beispiele liefern kann". 1 ) Es ist leicht zu vermuten, wie Leibniz diese Einschränkung begründen würde, durch welche die Methode der Finalerklärung zu einer mehr vorläufigen und bloß regulativen Erkenntnisweise wird. Die Bestimmung der „leichtesten und determiniertesten W e g e " für das einzelne Phänomen bleibt für unsere begrenzte Erkenntnis immer mit Willkür behaftet, zumal die Zweckmäßigkeitsrücksicht immer auch die umliegenden und verwandten Vorgänge in Betracht ziehen muß. Die Isolierung, die bei der Forschung nach den Ursachen möglich und fruchtbar ist, bildet hier die eigentliche Irrtumsquelle. So sind es denn auch nicht so sehr die einzelnen Zweckbestimmtheiten in der Natur, als die Konstitution des ganzen „Systems", wie sie in jenen „Naturgesetzen" sich ausprägt, aus deren Betrachtung sich nach Leibniz unmittelbar der Übergang von der Physik zur Metaphysik, von der materiellen Welt zu den immateriellen Prinzipien ergibt. ') IV, 447/8,472, 340, 506; VII, 136, 273; 1,414.
C o h e n und N a t o r p , Philosophische Arbeiten VI
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Zweites Kapitel. Erkenntnislehre und Monadologie. Die Methodologie der „allgemeinen Wissenschaft" ist in ihren grundlegenden Partien als abstrakte Formenlehre der G e danken unabhängig von allen Fragen der ontischen Essenz und Existenz. Leibniz' E r k e n n t n i s l e h r e dagegen ist in allem Wesentlichen metaphysisch fundiert und will es sein. Sie setzt Untersuchungen über die notwendige Struktur von Seiendem überhaupt und über die tatsächliche Struktur unserer Welt im besonderen voraus. Sie bildet ein spezielles Gebiet innerhalb der Monadenlehre. Ein historisches Erfassen und Darstellen dieser Erkenntnislehre setzt daher die Kenntnis dieser Metaphysik, zum mindesten in gewissen Hauptlinien, voraus. — a) D i e a l l g e m e i n e n o n t o l o g i s c h e n G r u n d l a g e n d e r M o n a d o l o g i e u n d ihrer E r k e n n t n i s l e h r e . Man hat an Leibniz' Denkweise einseitig immer nur den synkretistischen Zug betont. Und doch ist der polemische nicht minder bedingend für Genese und Form seiner Gedanken. Er ist es in tieferem Sinne, insofern in ihm unmittelbarer Leibnizens ursprüngliche und eigene Stellung zu Worte kommt. V o n früh auf sieht Leibniz die beiden Feinde, gegen welche die Weltansicht, der er zustrebt, aufzutreten hat: Materialismus und Pantheismus. Der Boden der mechanistischen Naturansicht und des Cartesianismus hatte beiden Nahrung gegeben. Hobbes und Spinoza — das sind die Hauptgegner, gegen die sich der Immaterialismus und Individualismus Leibnizens wenden will. 1 ) ') Historisch steht zuerst die Bekämpfung des Materialismus im V o r d e r g r u n d e ; die Widerlegung des Pantheismus wird für Leibniz ganz aktuelle Aufgabe erst durch die Berührung mit Spinoza. — A u f die Bedeutung, welche Hobbes für Leibniz' Entwicklung gehabt hat, ist man seit Tönnies (Phil. Monatshefte 1888) aufmerksam geworden. Vgl. bes. die ausgezeichnete Darstellung der Jugendphilosophie Leibnizens (bis 1672)
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Tendenz gegen den Materialismus
Descartes' Ausdehnung des mechanistischen Prinzips auf die gesamte organische Natur hatte einen rapiden Aufschwung des Materialismus zur Folge. Wenn schon die Tiere als bloße Maschinen erkannt waren, so war die Konsequenz auf den Menschen und seine „Seele" nicht weit. Auch Bewußtsein, Perzeption und Gedächtnis, müssen sich mechanisch erklären lassen. 1 ) — Auch war schon bei Descartes, nachdem zuerst die intelligiblen und die materiellen Sachen unterschieden wurden, alles wissenschaftliche Interesse schließlich allein auf das Körperliche gekommen. Wissenschaft und Naturerklärung schienen da, nach einmal vollzogener metaphysischer Grundlegung, identisch; wissenschaftliche Erkenntnis des Seins liegt dann nur im mechanistischen Erklären. So zog man den Schluß, daß klar und deutlich begreifbar und folglich auch als Wirklichkeit anzusprechen nur eines sei: die materielle mechanistische Natur. Die Philosophie wird damit bloße Lehre „vom Körper". Diese materialistische Gefahr in der mechanistischen Naturauffassung gab Leibniz den ersten und fortdauernden Antrieb zur eigenen Metaphysik. Das Immaterielle muß gerettet werden. Über den Elementen der Körperlehre darf man nicht die „Elementa de mente" vergessen. 2 ) Es ist klar, daß die Perzeption nicht aus der Maschine zu erklären ist. Die „Pneumatologie", die Lehre von der Seele (als Subjekt, als erkennendem und moralischem Wesen) und die Lehre von Gott sind der beweiskräftigen Ausgestaltung nicht minder fähig als jene Naturwissenschaften. (Ansätze zu diesen Wissenschaften des Geistigen hatte ja auch Descartes' Metaphysik gegeben.) Der Grund des Seins ist nicht im Materiellen zu finden sondern im Immateriellen, nicht im Imaginablen sondern im Intelligiblen. Das muß sich beweisen lassen, metaphysisch und selbst von der Erfahrung her. — Auch muß der W e g wieder aufgedeckt werden, der von der Natur selbst auf das Geistige hinführt, auf den Sinn der Dinge, den überkausalen Zusammenhang. Wenn die Naturerklärung nur mechanische Gründe anerkennt, so darf darum doch der Zweckgehalt alles Natürlichen nicht etwa einfach geleugnet werden. Mechanismus und Teleologie müssen sich vervon H a n n e q u i n (Études d'histoire des sciences et d'histoire de la philosophie. Paris 1908 T . II.). *) Vgl. dazu L a n g e s „Gesch. d. Material." 1. Buch, E n d e des 2. Abschn. ') Vgl. u. a. I, 52mu, 670m, 71 mu, 730m. S. auch Rabitz, Die Philosophie des jungen Leibniz. Heidelberg 1909. 18*
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Tendenz gegen den Pantheismus
söhnen lassen. Die Natur selbst soll für das Dasein des Immateriellen „Bekenntnis" ablegen. 1 ) Neben dem französischen und englischen Materialismus machte Spinozas Pantheismus Anspruch auf konsequente Durchführung des Cartesianismus. Descartes' Substanzenlehre war widerspruchsvoll. Nicht nur daß die beiden Substanzen, deren gemeinsames Definiens doch eben die Unabhängigkeit sein sollte, aufeinander wirken und also in einzelne Abhängigkeitsbeziehungen treten mußten; zugleich zeigten sie sich ganz und gar abhängig, als endliche, von der unendlichen Substanz, dem einzigen im „eigentlichen" Sinne unabhängigen Wesen. — Auch standen die endlichen Substanzen in ihrem allgemeinen Wesen nicht analog zueinander und zur unendlichen. Schon dies : auch Gott war denkendes Wesen, nicht aber ausgedehntes. Und dann: „die" ausgedehnte Substanz konnte es wohl heißen, denn das war ein Kontinuum, alle Teilungen darin nur Modifikationen. Aber „die" denkende Substanz — das waren doch alle die Einzelwesen, welche „ich denke" zu sich sagen können, die individuellen Seelen! Und diese stehen doch auch Gott selbst als abgetrennte Wesen, als Personen gegenüber. — Spinozas Lösung der Schwierigkeiten durch die radikale Durchführung einer Lehre von der e i n e n Substanz, an der alles Endliche und Individuelle als bloße Modifikation auftritt, hat Leibniz nie etwas anderes als ein „Paradoxon" bedeuten können. Der Individualismus war für sein Weltverstehen nicht weniger innerste und letztgültige Voraussetzung als die Überzeugung vom Dasein und Übergewicht des Immateriellen. Am offenbarsten scheint ihm die Selbständigkeit und Substantialität der endlichen Wesen in der Menschenseele gegeben, dem Bestehen des ego, ille, tu; und die Idee einer âme universelle et unique qui engloutit les autres (die âmes particulières) war für ihn insoutenable et même extravagante, nicht fähig auch eines „distinkten" Begriffs.2) — Aber auch für das Körperliche, für die ganze organische Welt mindestens, ist ihm die Substantialität des Einzelnen gewiß. Die Schwierigkeit liegt nur darin, diese Notwendigkeit mit der anerkannten Geltung des Mechanismus zu vereinigen. — Soweit die fundamentalen Bedürfnisse, die zur Monadenlehre drängten. Hinzu kamen dann die einzelnen philosophischen ') Vgl. die angeführte Darstellung Hannequins.
*) vi, 56, 529-538-
Tendenz gegen den Okkasionalismus
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Probleme, wie sie Geschichte und Zeitlage nahelegten. Unter ihnen als wichtigste Frage die nach dem Verhältnis von Leib und Seele. Bei Descartes waren das heterogene Substanzen; wie konnte da Wechselwirkung sein? Descartes selbst hatte wirklich auf die Erklärung ausdrücklich verzichtet und glaubte nicht an ihre Möglichkeit. Der Okkasionalismus aber gab eine Lösung, die nicht nur zu einem beständigen Wunder Zuflucht nehmen mußte, sondern zugleich, mit der Übertragung alles Wirkens auf Gott, im Grunde auch auf einen Pantheismus hinauslief. Das konnte Leibniz' rationalistisches Denken nicht befriedigen. Er suchte also, von früh auf, nach dem Vermittelnden, nach einem Begriff von Substanz, der eine Annäherung der beiden Seinsarten bedeuten konnte, gegenüber Descartes' dualistischer .Trennung. Es mußte sich ein identisches Grundwesen für das Seelische und das Körperliche, für Geist und Natur finden lassen, das darum doch nicht die Einzelwesen zu bloßen Modis einer Alleinheit machte. Dabei war auch dies von vornherein gewiß für Leibniz, daß diese Substanz, diese Substanzen immaterieller Natur sein mußten. Denn keinesfalls kann das Immaterielle auf Materielles sich reduzieren. Die Lösung aller seiner Fragen und die Befriedigung seiner Desiderate sieht Leibniz erreicht in der Monadenlehre, im System der prästabilierten Harmonie. Wie baut dies System sich auf? Womit beginnt es? Was sind die fundamentalen Gegebenheiten? — Die meisten- historischen Darstellungen suchen diese in bestimmten Erfahrungen. Seit Dillmann will man den Zugang, vorwiegend oder ausschließlich, von der Dynamik her gewinnen und setzt den gleichen Prozeß, historisch und sachlich, bei Leibniz voraus. Das System wird dabei meist angesehen als eine „Hypothese", welche die gegebenen Phänomene der körperlichen Natur (und etwa zugleich die Tatsachen des organischen Lebens und die psychologischen Gegebenheiten der inneren Erfahrung) einheitlich zu erklären beanspruche. Aber das ist nicht die Ordnung, welche Leibniz selbst, und immer und überall, als die sachliche Abfolge seiner Meinungen angegeben hat. Der Disposition, die mit dem Ausdehnungsbegriff und der Bewegung beginnt, bedient er sich in polemischer und pädagogischer Absicht. Der sachliche Beginn und
Apriorische Grundlagen der Metaphysik die B e g r ü n d u n g alles W e i t e r e n liegt n a c h L e i b n i z selbst rein in s p e k u l a t i v e n U n t e r s u c h u n g e n . U n t e r d e n „ e w i g e n W a h r h e i t e n " s t e h e n n e b e n den m a t h e m a t i s c h e n u n d l o g i s c h e n die „ m e t a p h y s i s c h e n " W a h r h e i t e n . 1 ) U n d L e i b n i z ' e i g e n e M e t a p h y s i k will, w i e er o f t b e t o n t , auf s o l c h e n d e m o n s t r a t i v e n G r ü n d e n beruhen. D a s S y s t e m d e r H a r m o n i e ist ihm m e h r als nur eine e r k l ä r e n d e H y p o t h e s e , zu d e r die E r f a h r u n g e n stimmen. 2 ) D i e s e M e t a p h y s i k will, z u m m i n d e s t e n im F u n d a m e n t a l e n , nicht E r f a h r u n g s w i s s e n s c h a f t sein s o n d e r n rein d e m o n s t r a t i v e , apriorische W i s s e n s c h a f t v o m W e s e n d e s Seins. D e r sachliche A n f a n g d e r M o n a d e n l e h r e liegt in den „ m e t a p h y s i s c h e n M e d i t a t i o n e n ü b e r die N a t u r der S u b s t a n z e n " . D i e apriorische E r k e n n t n i s v o m w a h r e n W e s e n der S u b s t a n z ist „ d e r Schlüssel der inneren P h i l o s o p h i e " . W i e die L o g i k v o n der U n t e r s u c h u n g der „ a l l g e m e i n e n N a t u r der W a h r h e i t e n " ausg e h e n m u ß t e , so die M e t a p h y s i k v o n d e r F r a g e n a c h der natura substantiae in universum.3) *) „Metaphysisch", weil sie vom Sein überhaupt handeln; nicht wie die mathematischen von einer bestimmten Art möglichen Seins oder wie die logischen von den Gedankenformen. Man darf diese Bezeichnung nicht ohne weiteres zusammenstellen mit der Betonung der „metaphysischen Prinzipien" gegenüber den bloß mathematischen. Diese letztere Unterscheidung geht auch die Geltungsart an; der Ausdruck des Metaphysischen ist hier in dem engeren Sinne des Konvenienzprinzips zu nehmen. 2) Die metaphysischen Aufstellungen funktionieren zugleich a u c h als Erklärung für die gegebenen Erscheinungen und lassen sich also von diesen aus auch als Hypothesen ansehen. Das ändert nichts an ihrer in sich beruhenden apriorischen Geltung. — Dieses „mehr als eine Hypothese" will übrigens bei Leibniz m a n c h m a l auch nur dies andeuten: daß diese Erklärungshypothese die e i n z i g e sei, die wirklich mit allen Phänomenen zusammenstimmt. 3) In dieser Frage vor allem stehen die älteren Darstellungen der Historiker aus der Hegeischen Schule Leibniz' eigener Meinung so viel näher als die meisten von den späteren. Jene folgen noch ohne Bedenken dem Grundzug des spekulativen deduktiven Rationalismus in Leibniz — der für Spinoza doch von jedermann unbefangen anerkannt wird. Es ist als ob man dem Spekulativen heute aus dem Wege gehen möchte, wo es nur eben möglich scheint; auch in der historischen Darstellung. Seit Dillmann die „Monadologie" von 1716 wegen ihres deduktiven Beweisganges diskreditiert hat zugunsten seiner prätendierten Herleitung des Systems aus den dynamischen Untersuchungen, seitdem begegnet man dieser eigentlichen Vermächtnisschrift Leibnizens und allen den Darstellungen, die ihr ähnlich sind, mit einem ganz unbegründeten und auf Irrtümern beruhenden Mißtrauen. Im Grunde aber sind a l l e Darstellungen in diesem Punkte dem Gedanken nach übereinstim-
Das W e s e n der Substanz
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Von der Revision des spekulativen Substanzbegriffs aus glaubt Leibniz die feindlichen Anschauungen überwinden, der wirklichen Quelle ihrer Irrtümer auf die Spur kommen zu können. Eine falsche Auffassung vom W e s e n der Substanz ist es, welche dort zum Dualismus oder Materialismus, hier zum Pantheismus geführt hat. 1 ) Wir suchen also zunächst den spekulativen Beweisgängen nachzugehen, die dies System fundieren sollen. „Ce qui n' est pas véritablement un estre, n' est pas non plus véritablement un estre.1' Dies ist ein metaphysisches „ A x i o m " (eine primitive ewige Wahrheit). Ens et unum convertuntur lautete die Formel der scholastischen Spekulation. Das erste Definiens für das Wesen der Substanz als eines Seins überhaupt ist E i n h e i t . Die w a h r e Einheit ist in sich ungeteilt und unteilbar. W o Teile sind, da ist schon Mehrheit. Alles Mehrfache aber kann mend: Leibniz betont es oft genug, daß es sich in seiner Naturphilosophie um ein glückliches und bestätigendes Zusammentreffen der allgemeinen apriorischen Untersuchungen mit Ergebnissen der empirischen Wissenschaft handle, und daß die Dynamik selbst erst von' der Metaphysik her ihre volle demonstrative (überhypothetische!) Begründung erhalte. — Will man nun zeigen, daß Leibniz hierbei in einer Selbsttäuschung befangen sei, daß seine angeblich apriorischen Wesensuntersuchungen — nicht etwa nur an Gegebenheiten der Körperwissenschaft oder auch der inneren Erfahrung orientiert und von ihnen als bloßen „Beispielen" des Apriorischen gewonnen sei, sondern im Grunde doch nur auf bestimmten wissenschaftlichen Erfahrungen und Induktionen sachlich beruhe: so muß man doch jedenfalls zunächst einmal auf Leibniz' eigenen Gedanken sich einlassen und genau zwischen dem scheiden, was nach seiner Meinung von apriorischer, was von bloß induktiver Geltung ist. Und es müßten dann vor allem einmal die spekulativen Aufstellungen eingehend auf ihre Schlüssigkeit hin sachlich geprüft und die ev. inneren L ü c k e n des Beweisganges aufgezeigt werden. — Weshalb in so vielen Darstellungen bei Leibniz das Hauptgewicht auf die naturphilosophisch-dynamischen Erörterungeu fällt, ist leicht zu sehen. D e r mechanistische Materialismus sollte aus sich selbst heraus, in den eigenen Fundamenten widerlegt werden. Der Gedanke dieser polemischen Hinführung zum Immateriellen aus den Prinzipien des Mechanismus selbst heraus hat Leibniz unablässig beschäftigt, von der Confessio naturae contra Atheistas bis zur monadologischen Begründung der Dynamik. A b e r es gibt nicht e i n e Äußerung, welche dazu berechtigte, diese Darstellungsform an die Stelle der sachlichen systematischen Ordnung zu setzen. *) Vgl. z. B. IV, 469 o, m; III, 567 u; VI, 582 o.
Einfach, Einheit, immateriell
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nur wieder aus Einfachen resultieren; die Mehrzahl setzt die Einzahl voraus. Einheit und Einzahl gehören zusammen; die Substanz muß e i n f a c h e E i n h e i t sein, unum simplex, Monas.1) Alle Vielheit und Mannigfaltigkeit der Welt geht also zurück auf Einheit und Einfachheit. Aber nicht, wie der Pantheismus will, auf eine einzige Monas (das kann Leibniz nur als indiskutierbares Paradoxon ansehen; bestimmte spekulative Begründung gibt er in dieser Frage nicht); sondern auf E i n h e i t e n , auf Monaden. Jede mögliche Welt muß zuletzt aus „einfachen Substanzen", gleichsam „metaphysischen Punkten" bestehen. Das war der richtige (individualistische) Gedanke des Atomismus : daß er die Mannigfaltigkeit der Dinge zurückführen wollte auf eine Vielheit unteilbarer Wesen. 2 ) Mais les atomes de matière sont contraires à la raison; in ihnen können die wahren „Elemente der Dinge" nicht liegen, denn als ausgedehnte Gebilde sind sie nicht „wahre Einheiten". Das Ausgedehnte ist immer teilbar, also Mehrheit und nicht einfach.3) Die „wahrhaften" Atome, atomes de substance, sind unausgedehnt und also — da im Materiellen unausgedehnt - einfach nur der Raumpunkt ist, der aber nichts Reales bedeuten kann — immateriell. — Die realen „Elemente der Dinge" sind also immaterielle einfache Einheiten. Was ist das ursprüngliche und allgemeine Attribut, das diese Elemente als Substanzen charakterisiert? Die ersten Unstimmigkeiten in der Cartesischen Substanzenlehre und in Spinozas pantheistischer Konsequenz daraus waren nur die natürliche Folge aus einer falschen Grunddefinition der Substanz: durch das Merkmal des unabhängigen Seins. Wirkliche Unabhängigkeit von allem andern kann nur der unendlichen Substanz zukommen.4) Soll es außer der göttlichen noch endliche Substanzen geben, „Kreaturen", die mehr sind als bloße „Modifikationen und Phantasmata Gottes", so muß das notwendige Attribut des substantiellen Seins als solchen anders lauten. VI,6070; 11,970m, 1180 etc. ) Vgl. Leibniz' Anerkennung des Rechtes dieser Tendenz in Cordemoys Atomismus gegenüber der Cartesischen Korpuskularphilosophie und ihrem einen Kontinuum. S. etwa IV, 482 mu, 473 om. 8 ) Die weiteren spekulativen Gründe gegen die Behauptung von Atomen als substantieller Einheiten ergeben sich aus dem principium. identitatis indiscernibilium. und aus den raisons de l'ordre. Dann auch aus der notwendigen, essentiellen Verbindung zwischen Substanz und handelndem Prinzip. 4 ) Vgl. VII, 582 o. 2
Substanz und Aktion
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Jedes endliche, geschaffene Wesen ist notwendig der Veränderung unterworfen. Folglich auch die geschaffenen Monade. 1 ) Daß sie Substanz ist, muß sich dann darin zeigen, daß diese Veränderung aus einem Beharrlichen in ihr selbst erfolgt, und nicht etwa eine bloße Wechselfolge von Modifikationen bedeutet, deren Grund in einem andern Sein zu suchen ist. Nun besteht auch ganz allgemein eine Wesensbeziehung zwischen Substanz und Aktion. La Substance est un Etre capable d'Action; erst dieses Vermögen und das Handeln selbst machen das eine und einfache être zu „etwas Substantiellem". Die Korrelativität von Substanz und Aktion ist eine „metaphysische Notwendigkeit". (Wie alle diese Bestimmungen; sie gelten für jedes mögliche Weltsystem.) 2 ) Die immateriellen Monaden sind also handelnde Wesen. Wo sollte denn sonst auch die Veränderung herkommen, wenn nicht aus den Einfachen, aus denen doch alles Mehrfache, jedes composé erst resultiert. Die „Elemente" der Dinge müssen zugleich die „Quellen" aller Veränderungen und Modifikationen sein.3) Dieses Handeln kann indes nicht Einwirken der Monaden aufeinander sein. Eine solche Einwirkung wäre bei einfachen und substantiellen Wesen völlig „unerklärbar", ja dem Wesen widersprechend. Das Einfache hat keine „Fenster" 4 ), durch die eine Wirkung von außen eintreten, von innen herausgehen kann. Hier gibt es keine mögliche Weise (ratio) für direkten wechselseitigen Einfluß. Die einfache Substanz kann keine anderen actions und passions haben als die, welche sie selbst und in sich produziert. Alle ihre Veränderungen sind i n n e r e und stammen aus ihrem eigenen „inneren Prinzip". 5 ) Alles was der Monade geschieht, mit ihr vorgeht, geschieht durch sie allein, hat seine Ursache in dem aktiven inneren Prinzip. Auch das unterscheidet diese „wahrhaften" Atome ») VI, 608 m; IV, 5 1 8 m. 2 ) V I , 5 9 8 0 ; II, i 6 g u ; VII, 3 2 6 u , 444 u; I V , 473 m, 4 7 » u. 485 m, 589U; VI, 3 5 0 0 . 3 ) II, 239 m, 2 5 2 mu; III, 6 9 0 m ; C 1 4 0 m . 4 ) D a ß die Monade „keine F e n s t e r " hat, darf nicht gleich nur in dem speziellen Sinne verstanden werden, der für die erkennende Monade in F r a g e kommt. Zunächst handelt es sich bloß um die allgemeine F r a g e der wechselseitigen Einwirkung. S o z. B. VI, 607 u. — A u c h der Ausdruck des „inneren" darf nicht sogleich auf die Innerlichkeit eines Bewußtseinsmäßigen eingeschränkt w e r d e n ! 6
) V I , 3 5 4 0 m , 607 u, 608 mu; II, 6 9 0 ; IV, 508/9; C 14 m.
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D a s Kraftprinzip
von den gewöhnlichen, denen alles Geschehen von außen aufgezwungen wird. Die Monaden sind „ f o r m e l l e Atome": in ihnen ist dem Wesen nach quelque chose de forme ou d 'actif.1) Das Einfache, das selbst den Grund seiner Zustände in sich trägt, ist ein Atomon vitale: „Leben" bezeichnet eben dieses spontane Tun von innen heraus, eine activité originale mit „immanentem" Handeln, oder das, welchem die „Form" nicht zufällige äußerliche Gestalt sondern inneres wirksames Prinzip ist. Die Monaden sind ,,principes de vie".2) In ihnen ist ein Prinzip der K r a f t , d. h. ein Vermögen zu handeln, das verbunden ist mit der beständigen aktiven Tendenz zur Auswirkung dieses Vermögens. Insofern diese Tendenz selbst immer schon ein beginnendes Handeln ist, ist der Substanz beständiges Handeln wesentlich. Sie bedeutet, in ihrer Einfachheit, zugleich doch die Vereinigung eines identisch permanenten Grundes mit sukzessiv und ständig wechselnden Modifikationen. In ihrem identischen fonds liegt zugleich das „Gesetz aller ihrer Operationen" und das Aktive, welches nach diesem Gesetz der Reihe der Operationen die Glieder dieser Reihe auseinander wirklich hervortreibt. 3 ) Prinzip der Veränderung ist nicht nur die actio im eigentlichen Sinne, sondern ebenso die passio. Da es aber kein eigentliches Erleiden (durch andere Wesen) hier geben kann, so kann die passio nichts anderes bedeuten als das Moment der Beschränktheit in der actio. Damit ist klar, daß allen end') „ F o r m " , aus der scholastischen Terminologie, bezeichnet vor allem das spontan Handelnde, das, w a s den Grund seiner Veränderungen und Auswirkungen in sich selbst trägt, zum Gegensatz gegen alles Materiell-Passive. V g l . z. B. II, 1 9 0 0 m ; V I , 149 u; I V , 478 u. 2 ) Vgl. etwa IV, 5 1 0 0 m ; V I , 5 8 8 0 m . Unter den Ausdrücken für das spontane Prinzip der Monade scheint uns der Vergleich mit dem „ V i t a len" derjenige, welcher dem allgemeinen Monadengedanken am nächsten kommt und am wenigsten Anlaß zu Mißdeutungen gibt. Die Analogien zur Bewußtseinsspontaneität einerseits, zur bewegenden K r a f t andererseits haben viele Interpreten zu falscher Einengung des fundamentalen Gedankens verführt. *) E s darf demnach die Monade nicht i d e n t i f i z i e r t werden mit diesem Gesetz; und ebensowenig mit der K r a f t , dem aktiven Prinzip in ihr. Leibniz bemerkt es ausdrücklich, daß K r a f t nicht e t w a selbst S u b stanz ist, sondern bloß Attribut — ein Abstraktum, sobald man es von seinem sujet, dem kraftbegabten W e s e n abgelöst denkt! Die K r a f t ist nur das „constitutif" der Substanz, ihr wesentliches Attribut, nicht sie selbst. V g l . z. B. V I , 582 m. — Ü b e r Kraft, V e r m ö g e n und Tendenz vgl. etwa II, 1 1 6 ; I V , 469 mu, 472 mu; 473 m; VII, 326 u.
Unabhängiges Handeln des Einzelwesens
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liehen Substanzen mit dem eigentlich Aktiven zugleich ein passives Prinzip innewohnen muß. Auch diese Verbindung „fordert die Natur der Dinge". 1 ) Das substantielle Einzelding ist also mit allem was in ihm wird und geschieht in sich beschlossen. Die Substantialität ist nicht charakterisiert durch die Unabhängigkeit im Sein sondern durch die dem einmal gesetzten Sein notwendig mitgegebene U n a b h ä n g i g k e i t im T u n . Alles endliche Sein ist eo ipso abhängiges Sein; alles Geschehen und Wechseln aber fließt dem Einzelwesen dann rein aus dem eigenen inneren Prinzip. Diese Unabhängigkeit und ursprüngliche Spontaneität unterscheidet das Substantielle von allem Modalen. Substanz ist das, was den Grund aller Veränderung seiner Zustände in sich selbst hat. — Daß die Elemente der Dinge Einzelwesen (res singulares) sind, war unter den ersten Voraussetzungen. Dasselbe zeigt sich bei der Betrachtung der Aktion: omne quod agit est substantia singularis. Ein a l l g e m e i n e s Formprinzip (wie es der Aristotelismus vertritt) ist für Leibniz ein Widersinn. Ein Allgemeines kann nicht wirken; es kann in sich gar keine Realität haben; jedes Allgemeine wie jede Relation ist an sich nur ein Abstraktum, etwas „Mentales", und das Reale an ihm gehört im Grunde stets nur den Einzeldingen zu. (Leibniz ist der extremste Individualist und in diesem Sinne Nominalist bzw. Konzeptualist, den die Geschichte der Philosophie kennt. Nähere Begründungen für seine Anschauung von der bloßen Idealität des Allgemeinen liegen bei ihm nicht vor.) Die Abgeschlossenheit und Individualität der singulären Substanzen wird aber zugleich in anderem Zusammenhang verbürgt. Sie ergeben sich als unmittelbare Folge aus den allgemeinen Betrachtungen des „individuellen Begriffs". Die Geltung dieses Gedankens ist gleichfalls von apriorischer Notwendigkeit: „il est manifeste ex terminis." Die antike Ideenlehre hat gelehrt, die (überzeitliche, „ewige") Essenz einer Sache von ihrem (zeitlichen) Dasein abgesondert zu betrachten. Der Essenzbegriff aber hat sich verknüpft mit dem Allgemeinen. Darin liegt eine zu überwindende Einschränkung. So gut wie den allgemeinen Bestimmungen an einem Dinge als bloßen „Möglichkeiten", vom Wirklichen abgelöst, eine gewisse (ideelle) Art von Bestand zukommt, ebenso auch II, 249 o; C 9 u ;
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) I V , 509 mu, 432 u.
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Der individuelle Begriff
dem Dinge selbst mit allen seinen Bestimmungen. Tout ce qui est actuel peut estre conçu comme possible. Auch das einzelne Ding hat seine „Idee". Das ist der „individuelle Begriff". 1 ) In Wirklichkeit bezeichnen die allgemeinen Begriffe gar nicht die Essenz eines Seienden, Substantiellen selbst, sondern nur die von B e s t i m m u n g e n am Sein. Als notions spécifiques bleiben sie stets „inkomplet und abstrakt". Erst die notion complète et déterminée des Einzeldings gibt die Idee eines être selbst. Nun ist es aber klar, daß dieser komplette Begriff eines bestimmten existierenden Einzeldinges alle die Determinationen, die jenes aktuell bedingen, an ihm als Eigenschaft oder Modifikation irgendwie auftreten, in sich als ideelle Determinationen befassen muß (notion pleine et comprehensive). Zum individuellen Begriff des individuellen Dinges gehört alles, was von dem wirklichen Dinge sich mit Wahrheit aussagen läßt (auch die sogenannten dénominations extrinsèques), alles was nur irgendwie an ihm ansetzt. Alle Beziehungen, die von diesem Ding zu anderen führen, müssen, insofern sie dies Ding angehen, in seinem Begriff mit enthalten sein. Gleichgültig in welcher Ordnung diese Beziehungen stehen: so befaßt die Forderung auch alle die „Prädikate", die in der Zeitreihe sich an dem Dinge zeigen. Alles was ihm je geschieht, gehört insofern zu ihm — und damit zu seinem „individuellen Begriff". Fehlte im Leben Cäsars dies, daß er über den Rubikon ging, so wäre es eben, unter metaphysischer Betrachtung, nicht ganz derselbe Cäsar. Das gleiche gilt für jede Art von Einzelwesen. Die Prädikate der ganzen Zeitreihe müssen im (überzeitlichen) individuellen Begriff, gleichsam auf einen Punkt zusammengezogen, mit enthalten sein. Die attributs du temps et estât précédant sind genau so wie die attributs du temps et estât suivant Prädikate eines und desselben Subjektes. Und nun bezeichnet diese Idee eben die „Möglichkeit", der das Wirkliche notwendig konform sein muß. Dem individuellen Begriffe, der alle Eigenschaften des Dinges, nach jeder Richtung, *) Leibniz scheidet terminologisch meist nicht zwischen den Essenzen oder „Naturen" selbst und den Wahrheiten und Begriffen (Ideen), die von ihnen handeln. auf sie zielen. (Vgl. z. B. II, 68 u.) Der individuelle Begriff wird sehr häufig eingesetzt für die bloß als Möglichkeit, Essenz, „heccéïté" gedachte individuelle Sache. Die Unbestimmtheiten im Gebrauche des Satzes vom Grunde (als Prinzip der Sätze einerseits, Prinzip der Essenzen und Existenzen andererseits) sind damit verbunden.
Prinzip der Individualität und Unterschiedenheit
befaßt, muß eine Realität im Einzelding genau entsprechen. Das „Fundament der Verknüpfung aller verschiedenen Zustände", der Grund weshalb ihm heute dies, morgen das geschieht, muß in ihm selbst gelegen sein. Das individuelle Ding (die individuelle Substanz) muß in jedem Augenblicke seiner Existenz seinem überzeitlichen Begriff durchgängig entsprechen; so müssen auch seine vergangenen und zukünftigen „Prädikate" in irgendeiner Form in seiner Gegenwart selbst vorhanden, real sein. Und die Aufreihung derselben in der Zeit, in bestimmter Ordnung, muß auch rein aus ihr, aus einem aktiven Vermögen in ihr erfolgen. Alle actiones und passiones der individuellen Substanz müssen spontan sein.1) — Der gleiche Gedanke läßt sich noch in der Ableitung vom principium identitatis indiscernibilium beleuchten. Der Begriff der Individualität wird damit erst vollständig: das Einzelding wird außer durch die Geschlossenheit und Selbstgenügsamkeit nur noch durch die Unterschiedenheit von allen, möglichen und wirklichen, anderen Wesen charakterisiert. Nach dem (ontologischen) Satz vom Grunde ist und geschieht nichts, das nicht seinen Grund hätte. Daraus folgt unmittelbar das Prinzip: non dari posse in natura rerum duas res singulares solo numero differentes; denn sonst wäre doch eben kein Grund angebbar, warum es zwei Dinge sind. Dieser Grund muß in einer den Dingen zugehörenden, in ihnen gelegenen Differenz liegen. Es kann auch keine denominationes pure extrínsecas geben, quae nullum prorsus habeant fundamentum in ipsa re denominata. 2 ) Es müssen also die Monaden, wenn es deren mehrere geben soll, voneinander unterscheidbar sein durch ihr eigenes inneres Prinzip. Jede muß von jeder anderen durch eine différence interne sich abheben. — In der Wesensbestimmung der Substantialität und Aktivität als solcher stimmen die Substanzen alle überein; der Unterschied muß in den „Qualitäten" liegen, die im Wechsel ihrer Modifikationen zutage treten. II faut aussi qu'outre le principe du changement il y ait un d e t a i l de ce q u i c h a n g e , qui fasse pour ainsi dire la specification et la variété des substances simples. (Das bedeutet aber nicht etwa, daß die Substanzen „nur modaliter" unterschieden sind; denn Vgl. den Briefwechsel mit Arnauld. C 520.
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Auch VII, 312 m; IV, 4 3 3 0 ;
) S. II, 240 o, 249 mu; IV, 433 u; VII, 284 m, 393 u; C 519/20.
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Einzelding und Universum
insofern dieses Detail doch eben nur aus einem inneren Prinzip entspringt, muß der Grund dafür, das „Gesetz der Operationen" in ihm ursprünglich gelegen sein.) Es gibt also in der Monade, unbeschadet ihrer Einfachheit und Unteilbarkeit eine „Vielheit von Afifektionen und Beziehungen"; ihre substantielle und permanente Einheit treibt unablässig eine Vielheit von Modifikationen und wechselnden „Zuständen" aus sich hervor. 1 ) — Bis hierhin sind die Monaden nichts als für sich seiende, in sich beschlossene, gänzlich isolierte Einzelwesen. Der einzige Zusammenhang, der dabei doch vorausgesetzt wird, ist der eines jeden solchen Wesens, als eines bloß endlichen Seins, mit dem unendlichen Sein, als der notwendigen U r s a c h e seiner Wirklichkeit. (Auf diese Beziehung gehen wir hier nicht weiter ein.) Soweit also ist jede Monade mit ihren Aktionen und Geschehnissen eine „Welt für sich". Sie sollen aber doch miteinander ein Universum, ein „System der Dinge" bilden, sollen Glieder oder Teile eines Weltzusammenhanges sein. Wie verträgt sich das Fürsichsein des Einzelnen und seine ausschließende Individualität mit universalem Zusammenhang? In diesem Problem nimmt Leibniz ein Grundmotiv der Renaissancespekulation auf. Man denke nur an Nicolaus von Cusa und Giordano Bruno. Das Ganze und der Teil: insofern der Teil Teil des Ganzen ist, bedeutet er doch — das Ganze an seinem Teile ? So entstanden die Thesen von der Identität des Teiles mit dem Ganzen und von der durchgängigen Ähnlichkeit des Einzelnen als Mikrokosmus mit dem gesamten Makrokosmus. Leibniz' Lösung der Frage ergibt sich mit seinem Begriff der Repräsentation, dem eigentlich zentralen Begriff in seinem System. Die Einzeldinge bilden miteinander eine gemeinsame Welt, ein Universum, insofern sie sich gegenseitig repräsentieren oder ausdrücken. Ein direkter realer Zusammenhang ist nach der Natur der individuellen Substanzen nicht möglich. E s gibt hier keinen influxus realis. Ein „System der Dinge" wird aus den Einzeleinheiten nur durch die Vermittlung „idealer" Relationen, die ihrem Sein ursprünglich eingeprägt sind. ') S. vor allem VI, 608; auch 598 u. Wir scheiden hier den Ausdruck der Perzeption für die Vielheit in der Einheit noch ganz aus, um die Stadien der sachlichen Entwicklung, die bei Leibniz an diesen Stellen miteinander auftreten, nicht zu vermischen.
Das System der Repräsentationen
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Logisch oder metaphysisch denkbar wäre auch eine Vielheit von Monaden, wo jede mit ihren Modifikationen und Veränderungen der anderen gegenüber völlig heterogen wäre. E s würde dann eben kein Universum, kein System sein, keine ordre und liaison. In der existierenden Welt dagegen, die vom „Prinzip der höchsten Ordnung" beherrscht ist, sind alle Monaden von Ursprung an aufeinander abgestimmt, einander angepaßt. 1 ) Jedem Momente in der einen Monade entspricht ein Moment in jeder anderen, ebenso jeder Veränderung eine Veränderung. Und zwar sind die Monaden einander derart zugeordnet, daß man von allen Momenten der einen Monade zu allen Momenten der anderen durch eine und dieselbe „exakte Beziehung" gelangen kann, nach einem identischen Projektionsgesetz sozusagen — so wie man zu jedem Punkte der Ellipse den entsprechenden Punkt eines zugeordneten Kreises nach einer gleichbleibenden Regel bestimmen kann. In solcher Weise „sympathisieren" alle Substanzen in unserer Welt miteinander und bilden genau proportionale Veränderungen. Keine Wechselwirkung findet statt, aber eine durchgängige Entsprechung und Begleitung (concomitance), eine Art von Parallelismus in Sein und Geschehen. Man könnte von jedem Zustande, jeder Modifikation in der einen Substanz aus das Entsprechende in jeder anderen gewinnen, wenn man nur die gesetzliche Beziehung kennt, die sie voneinander abhebt und zugleich miteinander verbindet. Das ganze System der Dinge ist so zu vergleichen einem System von unendlich vielen variablen Mannigfaltigkeiten, die alle miteinander durch bestimmte Zuordnungsgesetze ideell verbunden sind. So ist also das ganze Sein einer jeden Substanz vollgültig ausgedrückt oder repräsentiert in jeder andern. Denn Ausdrücken und Repräsentieren bezeichnet in der allgemeinsten Bedeutung nichts anderes als das Bestehen dieser exakten Zuordnung nach einem bestimmten Beziehungsgesetz. Jede Substanz repräsentiert jede andere, also auch alle anderen zugleich. In ihrem „inneren" (fensterlosen) Sein und Daß die „Harmonie" der Monaden, d. h. ihre gegenseitige Repräsentation, vom Konvenienzprinzip abhängt, ist nicht überall eindeutig ausgesprochen. Einige Darstellungen führen diese Bestimmung auch als einfache Notwendigkeit und F o l g e aus dem allgemeinen Satz vom Grunde (bzw. dem princ. ident. indiscern.) ein. Vgl. z. B. VII, 3 2 1 / 2 ; C 521.
28O
Harmonie der Individuen
Geschehen repräsentiert die Monade „das Aggregat der äußeren". Sie ist Ausdruck und Darstellung des ganzen Universums. „Jede individuelle Substanz drückt das ganze Universum aus, dessen Teil sie ist, gemäß einer bestimmten Beziehung." Was das Ganze ist, das ist auch sie, auf ihre besondere Weise. Sie ist eine bestimmte „Konzentration des Universums" (des mond.es en raccourci); le monde estant tout entier dans chacune de ses parties. Das ist nicht wie ein Mikrokosmus, der nur ein verkleinertes Abbild der großen Welt sein will. Eine Ähnlichkeit, ein eigentliches Abbilden braucht hier sowenig zu sein, als zwischen einer geometrischen Projektion und der projizierten Figur ein Ähnlichkeitsverhältnis bestehen muß. Es kommt lediglich auf die exakte Zuordnung an. Der Begriff der Repräsentation in diesem exakten Sinne macht die Vereinigung von universaler Harmonie und Übereinstimmung mit der größten Heterogeneität und selbsttätigen Individualität der Einzelwesen begreiflich. 1 ) ') Vgl. II, 51 ff., 68/9, 7o, 1 1 1 ff.; IV, 434,439, 440, 518f., 542; VI, 327, 6i6f.; VII, 321/2, 263^, 4 : 1 , 544; C 14, 520. Wir glauben für unsere Zwecke uns auf diese knappe Wiedergabe des Gedankens beschränken zu dürfen. Eine eingehendere Beleuchtung würde ein Knäuel verwickelter Fragen aufzuzeigen haben. Auf den Doppelsinn im „Repräsentieren" (den „mathematisch-objektiven" und den „psychologisch-subjektiven" nach der Formulierung von P. Köhler, Der Begr. d. Repräs. bei Leibniz. Diss. Bern 1913) ist man schon vielfach aufmerksam geworden. Wir werden uns, auch im folgenden, wesentlich an die ursprüngliche Definitionsbedeutung halten, die Leibniz seinem Begriff gegeben hat. Jedenfalls glauben wir nicht, daß man die Monade ganz allgemein als „vorstellendes" Wesen verstehen darf. Perceptio selbst wird von Leibniz durch expressio definiert, und ist ursprünglich auch nicht als Tätigkeit von der Art unseres Vorstellens gedacht. Man muß die Tatsache immer im Auge behalten, daß der Monadenbegriff zugleich für die Pneumatik und die Dynamik das Prinzip abgeben sollte; also darf man die allgemeinen Bestimmungen nicht von vornherein in spezialisiertem Sinne auffassen. Allerdings ist Leibniz selbst in diesen Fragen von äußerster Unbestimmtheit und gibt zu Interpretationen jeder Art Anlässe. — Die größte.Schwierigkeit im Repräsentationsbegriff entsteht mit der weiteren Bestimmung, daß Sein und Tätigkeit der Monade gänzlich in diesem Ausdrücken, Repräsentieren a u f g e h e und daß die Individualität des Einzeldinges in nichts anderem bestehe als in der Besonderheit des Ausdruckes, also allein durch das betreffende Zuordnungsgesetz bestimmt werde. Die ganze Welt der Substanzen löst sich damit auf in ein System von Entsprechungen, in dem keine sich entsprechenden Inhalte mehr bleiben. Jede Monade ist •nichts als Ausdruck der anderen, die selbst wieder nur Ausdrücke sind. Alles wird Funktion, Relation, während sonst doch alle Relation durchweg für etwas „bloß Ideales" oder „bloß Mentales" erklärt wird (vgl.
Erkenntnislehre, Ausgang vom Selbstbewußtsein
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Das sind die wichtigsten von den allgemeinen metaphysischen Feststellungen „über die Natur und die Kommunikation der Substanzen". Alle weiteren Untersuchungen der Monadenlehre bauen auf diesem apriorischen Fundamente auf. Zu den allgemeinen ontologischen Grundlagen treten hier Gegebenheiten der Erfahrung und wiederum zu diesen gehörige speziellere Aprioritäten hinzu. Die Fragen ordnen sich in zwei Gruppen: die Körperlehre und die Seelenlehre. Wenngleich der neue Substanzbegrifif den Dualismus metaphysisch überwinden soll, so bleiben Ausgang und Ordnung der Fragen selbst doch geschieden. Die Untersuchungen über die körperliche Substanz, das dynamische Prinzip und das Prinzip des Organischen, gehen aus von den Daten der äußeren Erfahrung; die Untersuchungen über die Natur und die Funktionen der Seele von denen der inneren. V o n der gemeinsamen Unterlage jener ontologischen Betrachtungen ausgehend nehmen beide ihre getrennten und selbständigen Wege. (Erst in den Endproblemen weisen sie wieder aufeinander hin.) Keine ist der anderen gegenüber primär, wenngleich ihre Bedeutung für die gesamte Seinslehre ungleich ist. — b) D a s S e l b s t b e w u ß t s e i n und d i e I d e e a l s „unmittelbares inneres Objekt". Die Repräsentation der E s s e n z e n . Die Erkenntnislehre ordnet sich dem zweiten Problemgebiete ein. Ihr Material gewinnt sie an den Gegebenheiten der inneren Erfahrung, des S e l b s t b e w u ß t s e i n s . Leibniz' Erkenntnislehre knüpft damit an die Erkenntnislehre der Cartesischen Metaphysik an. Seine Zustimmung und sein Anschluß an das cogito sum Descartes' ist uns bereits im Rahmen der Methodenlehre begegnet. Die der Erkenntnis a posteriori eigentümlichen Prinzipien waren gegeben durch die unmittelbare und untrügliche Gewißheit vom Dasein meines Ich und der mannigfaltigen Erscheinungen in ihm. Die Kritik an Descartes' Fassung des Prinzips ist geringfügig gegenüber der Zustimmung zu dem Gedanken. Die Tatsache meiner Existenz, wie sie mir im unmittelbaren Bewußtsein meiner selbst gegeben wird, ist „von der z . B . II,486,491), das Realität nur insofern gewinnen könne, als es in substantiellen Einzelwesen als den Beziehungsgliedern gegründet ist. C o h e n und N a t o r p , Philosophische Arbeiten VI
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Intuition des eigenen Daseins
letzten Evidenz"; dieses reflexive Bewußtsein kann nicht täuschen. Hier haben wir „ u n m i t t e l b a r e I n t u i t i o n " eines Daseins. 1 ) Eines weiteren Existenzkriteriums, wie in den Fragen der Außenwelt, oder einer Beweisführung, wie beim Dasein Gottes, bedarf es hier nicht: diese unmittelbare Daseinserkenntnis steht vor aller Vermittlung durch sinnliche Vorstellungen (Erscheinungen in mir) oder durch rationale Schlüsse. Die Frage, ob ich selbst existiere, ist ganz abgeschieden von der nach der Existenz alles sonstigen Seins. Diese Daseinserkenntnis ist von eigener und unvergleichlicher Art und muß als solche hingenommen werden. Sie ist unmittelbares intuitives Selbsterfassen. Die Seele ist ihr eigenes „unmittelbares inneres Objekt". In diesem einzigen Punkte sind wir in direktem, unvermitteltem Kontakt mit dem Sein.2) Alle apriorischen Feststellungen, also auch jene metaphysischen über die Natur der Substanzen sind bloß „hypothetische", „konditionale" Wahrheiten. Sie sagen nur aus über das (notwendige) Verhalten eines Seins, w e n n es existiert; nie können sie darüber urteilen, ob denn nun solche Dinge solchen Wesens existieren. „Absolute" Wahrheiten, Existenzfeststellungen müssen der Erkenntnis auf anderen Wegen erwachsen. Die erste „absolute" Wahrheit ergibt sich nun also im Selbstbewußtsein. — Und nicht nur das einfache „daß" einer Existenz wird hier mit letzter Evidenz erfaßt; auch über das „was", über Qualität und Struktur dieses meines inneren Seins gibt mir die innere Erfahrung Aufschluß. Dabei zeigen dann die Erfahrungen Punkt für Punkt die offenbare Übereinstimmung des so gegebenen Seins mit den allgemeinen Aufstellungen der Ontologie über das Wesen des Substantiellen. Ich erfahre mich innerlich als unteilbare Einheit, als immateriell, als kraftbegabtes und innerlich, immanent handelndes und zwar beständig handelndes (denkendes und strebendes) Wesen, als selbständige, spontane, im Wechsel identische, substantielle Individualität. 3 ) Diese Übereinstimmung von Erfahrung und Apriori macht es gewiß, daß die Seinserfassung, die im Selbstbewußtsein vorliegt, in der Tat unmittelbar an substantiellem Dasein, an einer existierenden Substanz mit ihren Qualitäten und Modifikationen angreift. Für Leibniz ist damit ') V, 18 m, 22i o, 368 m, 391 u; vgl. noch V , 205 om, 415; VI, 489 o, 4940. ') Vgl. noch V , 23 mu, 99 mu, 355 1 , 368 m; VII, 501. ») Vgl. 1 1 , 4 3 0 m ; IV, 473 m, 5100; VI, 488 u; auch II, 248 u; IV, 4530.
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Innere Erfahrung
ein Ausgangspunkt und Anhalt für die gesamte Seinserfassung gegeben. Da keine andere Substanz uns, wie diese, unmittelbar selbst gegeben ist, sondern immer nur in ihren „Wirkungen" und Modifikationen, so ist der Analogieschluß von meiner Ichsubstanz auf die anderen Substanzen ein notwendiger Erkenntnisweg. (Seine Rechtfertigung liegt im Konvenienzprinzip.) Daher ist es auch die innere Erfahrung von uns selbst, in der wir die Begriffe des Seins und der Substanz, der Identität und Aktion ursprünglich gewinnen. Je voudrois bien savoir comment nous pourrions avoir Videe de l'estre, si nous n'estions des Estres nous mêmes, et ne trouvions ainsi l'estre en nous.1) „Um über den Begriff einer individuellen Substanz zu urteilen ist es gut, den zu konsultieren, den ich von mir selbst habe." 2 ) — Bei aller Unmittelbarkeit und evidenten Sicherheit bleibt aber diese reflexive Icherkenntnis doch E r f a h r u n g und mit den Unvollkommenheiten der Erfahrung behaftet. Das „daß" bleibt davon hier unberührt; aber die Erkenntnis des „was" kann so nicht genügen. Dieses Erfassen der eigenen Individualität, Identität, Spontaneität kann „klar" sein, aber nie „distinkt". Es bleibt da bei einem „Empfinden" oder „inneren Gefühl" des Ich und seiner Eigenschaften; das ist nicht distinkte Erkenntnis von ihm. Meine Identität beruht auf der lückenlosen gesetzlichen Verknüpfung aller meiner inneren Zustände; das Gesetz befaßt der „individuelle Begriff" von meinem Ich. In ihm liegt die raison a priori, durch deren Erkenntnis man allein zu einer wirklichen distinkten Erkenntnis meiner Identität würde gelangen können. Die innere Erfahrung aber gibt dieses Gesetz nicht, sie zeigt immer nur Bruchteile von dem, was alles in meinem Bewußtsein eingeschlossen sein mag, einzelne und vereinzelte Zustände und Geschehnisse. Ähnlich geht es mit der Individualität, deren wirkliche distinkte Erkenntnis ja auch die Abgrenzung gegen alle anderen, wirklichen und möglichen, Wesen fordern würde. So ist auch unsere auf Selbstwahrnehmung beruhende Kenntnis von dem was etwa pensée (Bewußtsein) oder was puissance active ist soweit immer nur eine klar-konfuse, keine distinkte Erkenntnis. Die Tatsache meiner Existenz selbst bleibt hier, so gewiß sie ist, unverstanden, unbegründet. „ W i e diese beiden Termini, Ich und Existenz, *) V,7imu; VI, 488 u, 493 u, 6120; IV, 453 o. ) II, 52 u.
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Die inneren Phänomene
verbunden sind, d. h. warum ich existiere" — das kann solche Erfahrung nicht zu wissen geben. 1 ) — Mit dem Dasein des Ich zugleich zeigt die innere Gegebenheit das Dasein der verschiedenen „Erscheinungen" in mir. Die Gewißheit ist die gleiche; daß mir jetzt in mir etwas Rotes, ein Ton, allgemein Vorstellungen einer sinnlichen Außenwelt oder auch andere Inhalte gegenwärtig sind, das ist genau so evident und von absoluter Tatsachenwahrheit, wie dieses, daß ich selbst als existierend mir gegenwärtig bin. Und alle Erkenntnis von Außendingen muß sich ja in jedem Schritt auf diese unbezweifelbaren Tatbestände stützen. Aber damit ist noch nichts über das ausgemacht, worauf jene Vorstellungen sich doch beziehen wollen: über das Dasein und die Inhalte einer Welt „außer mir". Was zunächst die sinnlichen Vorstellungen anlangt (jene unbezweifelbaren Daten, welche die Sensualisten für die einzigen ausgeben), so bleibt hier offenbar alles, in sich genommen, auf der Stufe des Klar-Konfusen. Alle Sinnesvorstellungen sind und bleiben als solche „ein ich weiß nicht was". Sie sind im Grunde das, was wir am wenigsten verstehen, die wahren qualitates occultae. 2 ) Ein gewisser Zusammenhang, eine Regelmäßigkeit und Gleichförmigkeit läßt sich in ihnen bemerken, und wir richten uns danach im Leben und Handeln und haben Erfolg damit. Aber darin ist noch keine wirkliche distinkte Erkenntnis weder des „daß" noch des „was" der Außendinge. Die Methodenlehre zeigte ja auch, daß schon für die bloße Feststellung des Daseins hier Kriterien anderer Herkunft einzusetzen haben. Wären dem Geiste keine anderen „Materialien" gegeben als die Sinnesinhalte, so gäbe es überhaupt keine sichere und objektive Erkenntnis von den Dingen außer mir. Nun sind eben diese Inhalte, diese Daten (matériaux de la pensée) nicht die einzigen, die das Bewußtsein aufweist. Den sinnlichen Inhalten stellen sich selbständig gegenüber die „int e l l i g i b l e n " . Leibniz faßt sie zusammen unter dem Ausdruck ') 1 1 , 4 3 0 m , 45 mu, 52/3, 53 u , 121 m; V , 1 5 8 0 m , 2 1 8 u, 2 2 0 0 , 3 9 2 0 . Wieviel Vertrauen Leibniz aber doch in diese innere Erfahrungserkenntnis setzt, kann man z. B. außer an den Analogiebetrachtungen der Monadenlehre daran sehen, daß ihm für die Substantialität der Einzelwesen gegenüber dem Gedanken eines esprit universel die innere E r f a h r u n g von der eigenen substantiellen Besonderheit als ausreichendes Argument gilt. S . VI, 537 o ; IV, 510 o. J ) VI, 488 m, 492 o, 500 u.
Der intellectus ipse
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„die Seele und ihre Funktionen". Gegen die sensualistische Erkenntnistheorie stellt er seinen Satz, daß „der Intellekt selbst" doch etwas im Intellekt Gelegenes sein müsse, das nicht vorher in den Sinnen gewesen sei. 1 ) Die Gegenüberstellung sinnlich-materieller und rein intelligibler, immaterieller Inhalte begegnete uns ähnlich bei Descartes. Wir fanden dort dann eine merkwürdige Verquickung von Erfahrungsinhalten psychologischer Selbstwahrnehmung mit Daten ideeller Natur, Inhalten der Logik, der Erkenntnistheorie. Die „reflexive Kontemplation" des Selbstbewußtseins will beides in einem begreifen : sie ist innere Wahrnehmung und rationale Reflexion zugleich. 2 ) Die gleiche Vermischung tritt uns hier bei Leibniz entgegen. Der intellectus ipse — das ist jenes in der Selbstwahrnehmung als existierend vorgefundene Ich, von dem wir bisher gesprochen haben, und zugleich die Gesamtheit apriorischer Vernunftinhalte. Der gemeinsame Gegensatz gegen das „Materielle", das Sinnliche und Imaginable schließt die heterogenen Inhalte und Probleme zu einer scheinbaren Einheit aneinander ; Immateriell = Psychisches und Immateriell = Ideelles, das aktuelle Erfahrungsdatum und der rationale überempirische Wesensgehalt werden da nicht voneinander abgetrennt. Leibniz ist darin, trotz seiner ausdrücklichen Betonung vom bloßen Erfahrungscharakter und Klarheitsgrad des Wissens im Cogito sum, nicht viel genauer und klarer als Descartes. Auch bei ihm verwischen die Ausdrücke der „Reflexion" und des „Intelligiblen" den fundamentalen Unterschied. Wenn Leibniz von der Seele und ihren „Funktionen" (oder „Operationen") spricht, so meint er damit bald das Ich und seine psychischen Aktionen (z. B. „perception", „plaisir"), bald wieder das „Raisonnement" (nicht als psychisches Tun, sondern als logische „Operation" gedacht) und seine Inhalte: die logischen und metaphysischen Ideen und Wahrheiten selbst. 3 ) Und wenn er sagt, daß wir in der Reflexion auf uns selbst erfassen was Substanz ist — da wir doch selbst Substanzen seien ! — so ist hier durchaus nicht genau getrennt, ob dabei bloß eine innere Erfahrung und ein „Beispiel" für das Wesen der Substanz gegeben wird ') VI, 488 u, 493 u. 532 u; V, 100 u; VII, 488 u. 2)
S. oben S. 95/6 und 126—128. Wohin Beispiele wie „Bejahen" und „Verneinen" zu rechnen sind, ist ungewiß, ganz wie bei Descartes. — Vgl. noch VI, 518mu: „. . .puisque nous pensons à nous, et à nos facultés, réglés, pensées et raisonnemens". 3)
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Immaterielle Dinge und Wahrheiten
oder die distinkte Idee selbst.1) Alle die Stellen, wonach wir auf Grund unserer Fähigkeit zur Reflexion zu erfassen vermögen, was Sein, Einheit, Immaterielles, Substanz, Identität, Dauer, Veränderung, Aktion, Ursache, Wirkung usw. ist, tragen diesen Doppelsinn in sich.2) Ob man da en matière de fait steht oder bei ewigen Wahrheiten und intelligiblen Ideen im eigentlichen, engeren Sinne wird nicht gesagt. „ I m m a t e r i e l l e D i n g e und W a h r h e i t e n " : darunter fällt ebensowohl meine in der Selbstwahrnehmung mir gegebene Ichsubstanz, meine psychischen Erlebnisse (meine perception, mein plaisir), das durch Analogieschluß ermittelte Dasein anderer immaterieller Substanzen, die demonstrativ als existierend nachzuweisende unendliche Substanz — wie die „ r e i n e n " Ideen Substanz, Aktion, Perzeption, Identität, Möglichkeit, Ähnlichkeit und alle die Zusammenhänge und Komplexe, die Wahrheiten und Schlüsse, die mit ihnen gegeben sind. — Sehen wir indessen von dieser Verquickung ab und wenden wir uns nur den neuen matériaux de la pensée zu, die mit den intelligiblen (rationalen) Ideen und ewigen Wahrheiten im Selbstbewußtsein aufgezeigt werden. Was ist hier nun eigentlich „in uns": die Idee, etwa die ewige Wahrheit selbst? Ist sie selbst Bewußtseinsinhalt und meinem Denken immanent, ist sie gar mein Denken selbst — oder steht sie ihm gegenüber als ein fremdes und irgendwie äußeres Objekt? Die „Idee" ganz allgemein (mit Einschluß also auch der sinnlichen Vorstellungen) charakterisiert Leibniz als das „unm i t t e l b a r e i n n e r e O b j e k t " der Seele. So sind z. B. die Sinnendinge der empirischen Außenwelt uns offenbar nur da*) Vgl. z. B. III, 247 m : die Idee, die man gemeinhin von der Substanz habe, sei eine bloß klare „mais non pas une idée distincte . .. qui vient à mon avis de ce que nous avons le sentiment intérieur en nous mêmes qui sommes des substances". S. auch IV, 452/3 : Il est toujours faux de dire que toutes nos notions yiennent des sens qu'on appelle exterieurs, car celle que j'ay de moy et de mes pensées et par consequant de l'estre, de la substance, de l'action, de l'identité, et de bien il autres, viennent d'une experience interne. (So heißt es 11,270 m: im dynamischen Aktionsprinzip „plurimum esse intelligibilitatis quia in eo est analogum aliquod ei quod est in nobis . . ." (Vgl. übrigens die Andeutung des entsprechenden Gedankens bei Descartes, oben S. 128 Anm. 1.) 2) Vgl. II, 93 m ; V, 450; VI, 502 m, 518 mu, 601 o, 6120; C 343 om. Zu der Verwirrung hat auch der Wunsch Leibnizens, mit Locke sich zu verständigen (der ja neben der sensation die reflexion zuließ), viel Anlaß gegeben.
„Idee" das „unmittelbare innere Objekt"
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durch bekannt und dadurch Objekte, daß sie uns durch entsprechende Vorstellungen von ihnen in uns v e r m i t t e l t werden. Nur was die Seele in sich selbst innerlich vorfindet ist ihr „unmittelbares" Objekt. Alles Erfassen von Äußerem nimmt den Vermittlungsweg über das Selbsterfassen des Inneren, der Vorstellungen, Ideen in uns. 1 ) In der Seele selbst konstatieren wir so die Spaltung in Subjektives und Objektives. Die Idee (die sinnliche Vorstellung wie die intelligible Idee, Idee im eigentlichen Sinne) fällt nicht zusammen mit der pensée, dem psychischen Akte (actus cogitandi), dem subjektiven Zustande der Seele: sie ist vielmehr das jeweils zugehörige innere „Objekt". Die pensées actuelles entstehen und vergehen in der Abfolge der psychischen Zustände. Jeder dieser Zustände ist von jedem anderen notwendig verschieden; die pensées können einander wohl ähnlich sein (dann z. B. wenn wir mehrere Male dieselbe Sache, denselben Gedanken denken); aber darum können sie, als tatsächliche und zeitlich auseinanderliegende Geschehnisse (Akte), getrennte Modifikationen der realen Ichsubstanz, doch nie Eins und identisch sein. Die Idee dagegen, das innere Objekt (der Gedanke) ist in solchem Falle in der Tat ein und dasselbe; die verschiedenen Denkakte haben hier identischen Gehalt. So ist die Idee also nicht als die forme ou différence de nos. pensées zu nehmen, sondern pour un objet immédiat de la pensée ou pour quelque forme permanente qui demeure lorsque nous ne la contemplons point. Die Idee „subsistiert" wenn die Akte kommen und gehen; sie ist antérieure et postérieure aux pensées. Auch diese permanente Form aber ist „in uns", nicht nur die pensée actuelle, der psychische Vorgang. 2 ) — Aber diese permanenten Formen sind, wenngleich die „unmittelbaren inneren Objekte", so doch nicht die eigentlichen Objekte selbst von denen die Erkenntnis spricht ! Die Erkenntnis zielt letztlich doch stets auf etwas „ a u ß e r u n s " , auf etwas, das uns durch die Ideen nur vermittelt wird. Nur in einem einzigen Falle ist das innere Erfassen in sich selbst das Ziel der Erkenntnis: bei der Wahrnehmung der Existenz meiner selbst. Alle übrige Seinserkenntnis, Erkenntnis von anderen Dingen, ist notwendig Erkenntnis von Dingen außer mir, Erkenntnis einer (materiellen oder immateriellen) A u ß e n w e l t . Inneres und äußeres Objekt bleiben getrennt, wenngleich wir Vgl. z. B. V, 2i, 99,127/8.
2
) S. z. B. IV, 451.
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Das existentiale und das essentiale Außer-uns
vom letzteren nur durch das erstere Kunde und Wissen haben können. Genau dasselbe gilt aber nun auch von der Erkenntnis der „ewigen" Wahrheiten und Ideen. Auch hier fällt der eigentliche Gegenstand der Erkenntnis nicht zusammen mit dem Objekt in uns, auf das wir uns unmittelbar beziehen. Die „ewigen Wahrheiten" haben ontische Bedeutung. In ihnen kommt die ewige „Natur und Notwendigkeit der Dinge" zu Worte. Sie stellen die Essenzen dar aus denen als bloßen Möglichkeiten die existierende Welt durch Auswahl und Realisation entsteht. („Essenz" und „ewige Wahrheit", das ist für Leibniz wesentlich dasselbe, die gleiche Sache unter verschiedenem Gesichtspunkte gefaßt.) 1 ) Diese Essenzen, ewigen Wahrheiten und Ideen sind daher sicherlich nicht „in u n s " , auch nicht als permanente Formen, sondern „außer uns". 2 ) Die Möglichkeiten sind nicht nur unabhängig von unserer pensée, sondern auch unabhängig von unserem Dasein mit allem was darin beschlossen sein mag. Die Ideen in uns, obgleich identische permanente Gebilde und unabhängig vom jeweiligen aktuellen Gedachtwerden, können darum doch nicht die intelligiblen „ewigen Ideen" selbst sein, aus denen die ewigen Wahrheiten sich zusammensetzen und aus deren Realisation die Welt überhaupt entstand! So wenig der Inhalt eines sinnlichen Vorstellungsaktes identisch ist mit einem Dinge der Außenwelt, so wenig sind die intelligiblen Inhalte unseres Denkens identisch mit den „Naturen" der Dinge, den ontischen Essenzen. Die sind nicht in uns sondern außer uns. Das „unmittelbare" Objekt und der eigentlich gemeinte Gegenstand der Erkenntnis fallen auch hier auseinander. Die Erkenntnis ergreift unmittelbar immer nur die Ideen in uns. Aber damit gewinnt sie zugleich doch eine Beziehung auf die Dinge oder die Wesenheiten außer uns. Wir erfassen die Außenwelt nicht selbst und unmittelbar; aber die inneren Ideen, die wir erfassen, haben selbst eine ganz bestimmte Beziehung zu ihr. Sie repräsentieren sie. Die apriorische Seinslehre hat festgestellt, daß es zwischen verschiedenen Substanzen keine Wechselwirkung geben kann, ') Es scheint durchaus so, als ob nach Leibniz' Gedanken der Unterschied von ewiger Wahrheit und Essenz, von Idee und Sein in Gott zunichte würde. Vgl. Boutroux' Einleitung zu seiner Ausgabe der Nouveaux Essais S. 92. 4) Vgl. I, 370.
Die Existenz der Essenzen
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keinen realen Einfluß, kein Ausstrahlen oder Einsenden von auch nur modalen Momenten. Das Ich ist Substanz, Monade; seine Modifikationen können nicht in Realzusammenhang stehen mit dem was außer ihm ist. Die Ideen im Ich kommen nicht von außen hinein und greifen nicht an einem Äußeren an. Das Verhältnis dessen was in mir ist zu dem was außen ist kann nur das „ideale" der Repräsentation sein. Meine Ideen sind nicht die Dinge und Wesenheiten selbst, aber sie e n t s p r e c h e n ihnen, sie repräsentieren sie. Das „unmittelbare innere Objekt" in uns ist „ein Ausdruck von der Natur oder den Qualitäten der Dinge" außer uns. Und wie nach der allgemeinen Monadenlehre die wechselnden Modifikationen meines Inneren die Gesamtheit der außer mir existierenden Dinge und ihrer Veränderungen ausdrücken, so repräsentieren die „permanenten Formen" in uns die permanenten, „perpetuellen", ewigen Essenzen oder Naturen außer uns. Nicht die ewigen Wahrheiten selbst werden von uns unmittelbar erfaßt, sondern die Ideen bzw. Ideenverbindungen, die sie repräsentieren. 1 ) Jene Bestimmungen der Substanzenlehre sprachen indessen von Repräsentation nur als von einer Beziehung zwischen Existenzen. Die ewigen Wahrheiten, die Essenzen aber sind als bloße Möglichkeiten ja nicht wirklich; sie bilden eine bloß „ideale Welt". Wird der Repräsentationsbegriff hier also erweitert? Wie wäre dann diese Zuordnung von Realem und Idealem zu denken? In Wirklichkeit glaubt Leibniz auch hier aktuelle Existenz annehmen zu müssen; anders kann er jenen perpetuellen Bestand, der allem aktuellen Dasein der Dinge und Seelen vorausliegt, nicht fassen. Die „Natur der Dinge", die ewigen Möglichkeiten existieren vor und außer aller Weltexistenz als Ideen und Wahrheiten im Verstände Gottes. Damit erhalten auch sie ihr substantielles Fundament (auch Gott ist Monade, nur nicht eine neben den anderen, sondern jenseits des ganzen Universums endlicher Monaden und zeitlicher Geschehnisse). Gottes Verstand ist das „Land der möglichen Realitäten", ist „die Region der ewigen Wahrheiten oder der Ideen, von denen sie abhängen". Dem realen Fundament der Existenz einer unendlichen Substanz wird es verdankt, wenn die ewigen Wahrheiten ') Vgl. IV, 4 5 1 ; V, 99; VII, 263; s. noch V, 2 7 2 , 2 8 0 0 , 373 mu, 377 m, 378 u.
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Repräsentation und Reflexion
„subsistieren", wenn im Möglichen, in den Essenzen ein Seinswert, etwas „Reelles" liegt.1) Die Ideen in uns repräsentieren also in den Essenzen nichts anderes als die Ideen in Gottes Verstände, als die eigentlichen „Originale" und „Archetypen". Sie sind daher nicht Repräsentationen der anderen endlichen Monaden, sondern Repräsentation Gottes. L'ame est un petit monde où les idées distinctes sont une représentation de Dieu et où les confuses sont une représentation de l'Univers („distinkt" steht hier für intelligibel, „konfus" für sinnlich). „Unsere Seele drückt Gott und das Universum aus, und alle Essenzen ebenso wie alle Existenzen." 2 ) Auch in der Erkenntnis ewiger Wahrheiten also verbindet die Repräsentationsbeziehung existierende Substanzen. Und das bezeichnet nun die Sonderstellung der erkennenden Seele im Universum der Monaden. Im Wesen der Monade überhaupt liegt es, die Gesamtheit der endlichen Substanzen zu repräsentieren. Insofern nun deren Sein von der unendlichen Substanz abhängig und von ihr verursacht sein muß, repräsentiert jede Monade mit dem „Universum" zugleich Gott, mit den Existenzen zugleich die Essenzen, aus deren „Konflikt", Auswahl und Komplikation die Existenzen entstanden sind. (Auch insofern repräsentiert jede Monade Gott, als sie selbst von ihm produziert ist; es gilt allgemein, daß jede Wirkung ihre Ursache repräsentiert.) In diesem Sinne sagt es Leibniz von allen Monaden, daß sie „das Universum und Gott" repräsentieren. Aber die erkennenden Wesen (esprits, mentes) sind doch Monaden von ganz besonderer Art. Nicht nur durch die Welt oder ihr eigenes Dasein hindurch repräsentieren sie Gott und die Essenzen, sondern unabhängig davon, abgelöst von dieser Repräsentation der Existenzen. Sie sind dessen fähig auf Grund des ihnen eigenen Vermögens zur „Reflexion". Die Geisteswesen sind nicht bloß, wie alle Monaden überhaupt, „Konzentrationen", „lebende Spiegel" des Universums, sondern sie wissen auch vermöge ihrer reflexiven Begabung um die repräsentierenden Momente, die in ihnen sind. Sie haben „Bewußtsein" (conscience), „reflexive Erkenntnis des inneren Zustandes". „Im Geiste findet sich außer dem Ausdruck der Objekte noch Bewußtsein oder Reflexion." Die erkennende 54/5, 55 u; HI, 572; VI, 226/7, 229 m, 3 1 4 0 , 5920, 593 mu, 6 1 4 0 ; 2 VII, 304/5, 3 " o . ) V, 99 mu; IV, 4 5 i m u ; s. auch V, 373,429; IV, 4540.
Reflexion und Abstraktion
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Monade, als ame intelligente connaissant ce quelle est et pouvant dire ce MOY definiert sich als mit Bewußtsein begleitete Repräsentation. Die Geister drücken die Welt aus wie die anderen Monaden, aber zugleich „mit Erkenntnis dessen, was sie tun". „Der Unterschied zwischen den intelligenten Substanzen und denen die es nicht sind ist ebenso groß wie der zwischen einem Spiegel und einem der sieht."1) Mit dem Vermögen der Reflexion ist verbunden das Vermögen der Abstraktion. Durch die Abstraktion gelangt die erkennende Monade zu der gesonderten und direkten Erkenntnis der Essenzen. Indem wir uns in der Reflexion auf die repräsentierenden Inhalte beziehen, die uns immanent sind, und indem wir diese Inhalte zerlegen, vergleichen, aussondern, die Komplexe auf die konstituierenden Elemente zurückführen, gelangen wir zu einem gesonderten Erfassen derjenigen „inneren Objekte", welche die essentialen „Gründe" der Existenzen, ihren Wesensgehalt repräsentieren. Bei den übrigen Monaden bleibt das vermischt, die Repräsentation der Gründe der Repräsentation der Fakten immanent. Wir allein dringen durch Reflexion und Abstraktion in die Struktur unserer Repräsentationen und damit der repräsentierten Existenzen ein. Der esprit drückt also die Welt nicht bloß aus, „sondern er e r k e n n t sie auch"; er ist „fähig, die ewigen Wahrheiten zu verstehen und nicht nur das Universum auf konfuse Weise zu repräsentieren, sondern es auch noch zu v e r s t e h e n und distinkte Ideen von der Schönheit und Größe der höchsten Substanz zu haben". Die reflexive Monade repräsentiert nicht nur die Tatsachen, sondern sie erfaßt auch noch explicite „die Gründe" der „Tatsachen", uud damit auch „die Gründe in sich". Die „Verbindung der Fakten", die empirische Regelmäßigkeit der Erscheinungen, die mit diesen immer gegeben ist, wird hier rational geklärt, auf Gründe und Zusammenhänge von Gründen gebracht. So ist die Reflexion „die Mutter der Wissenschaften"; mit Hilfe der demonstrativen Wissenschaft und ihrer Gründe gelangt die mit Bewußtsein begabte Monade zur „Erkenntnis" des Universums, das die anderen bloß ausdrücken wie ein Spiegel sein Gegenüber.2) Also gilt es für die erkennende Monade in einem besonderen Sinne, daß sie die Essenzen und in ihnen Gott repräsen') II, H2 mu; IV, 459 u, 460; VI, 6000m; VII, 3 1 7 0 m . 2 ) Vgl. III, 623 u; I V , 461 u; VI, 497 u, 60411; VII, 291 o, 543 o; II, 82 u; V, 1300.
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Leibniz' Erkenntnisbegriff
tiert. Die Geister allein sind fähig, die Repräsentationen der Essenzen aus denen der Existenzen herauszusondern und so die Gesetze, die „Ordnung" der Existenzen als solche zu repräsentieren, die „Gründe", nach denen die Welt gebildet ist, nach denen der Schöpfer handelte, als er sie erschuf. Die Geister sind nicht nur Ausdrücke des Universums und damit mittelbar auch Gottes, sondern zugleich unmittelbar „Ausdrücke, Nachahmungen, Bilder Gottes". 1 ) Wenn also Leibniz das Erkennen als eine Sonderart des Repräsentierens bezeichnet, so stimmt das nicht genau mit den ausführlicheren Aufstellungen überein. Das Erkennen ist selbst kein Repräsentieren, sondern es hat nur die Repräsentation zur Voraussetzung. Es kommt nichts von außen in die Seele hinein, es finden keine Eindrücke und keine Übertragungen von Abbildern statt. Die Seele hat keine Fenster und empfängt keine Boten. Sondern zwischen dem was in der Seele und dem was außer ihr ist, besteht eine durchgängige Zuordnung, ein Parallelismus, eine prästabilierte Harmonie, die im Wesen jedes Seienden ursprünglich mit angelegt ist. Durch das was in der Monade ist und vorgeht, wird alles repräsentiert was außer ihr ist und geschieht, Ewiges so gut wie Zeitliches. E r k e n n t n i s entsteht erst damit, daß die reflexive Monade ihr eigenes Inneres selbst erfaßt, sich zum „unmittelbaren Objekt" macht. „Wir sehen alles in uns und in unserer Seele." Durch die Reflexion auf die Ideen in uns erkennen wir das Äußere, „die Ausdehnung und die Körper" ebensowohl wie die ewigen Wahrheiten und Gott. Die Ideen in uns, als „Modifikationen und Affektionen unseres Geistes" „ e n t s p r e c h e n " vollkommen dem was außer uns ist, „drücken es aus". 2 ) Daß wir diese Ideen in uns e r f a s s e n , so wie wir uns selbst innerlich erfassen, das macht die E r k e n n t n i s aus. Das eigentliche Erkennen liegt in diesem Erfassen, diesem unmittelbaren Anschauen; und darin ist der Bezug auf das eigene Ich mit dem auf die Außen') 1 1 1 , 5 4 5 m ; 4 5 3 0 m ; VII, 2 0 1 0 , 3 1 7 0 m , 568 u. Vgl. auch noch II, 136m, 3 1 4 u , 3 2 5 m ; III, 339u, 3 4 4 0 ; VI, 611, 6 1 2 0 ; VII, 5 4 1 0 m , 5 4 2 0 m ; C 15. Mehrfach findet sich auch diese Wendung: daß die niederen Monaden m e h r die Welt als Gott, die Geister dagegen m e h r Gott als die Welt ausdrücken. S. II, 124 u; IV, 4 6 2 0 ; VII, 3 1 6 0 . 2 ) Vgl. VII, 410 om, 411 o, 5540m; IV,426mu, 4 5 i m u , 4 5 2 m, 560 mu; V, 99 m; VI, 578; I, 383 u. S. auch noch 1 1 1 , 6 9 0 ; IV, 439 mu, 484 m; VI, 327, 357/8, 5380m; C 15 m. Man beachte auch den bei der erkennenden Monade öfters verwandten Ausdruck ,,se représenter".
Nicht Schauen „in Gott"
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dinge gleich. Der Unterschied tritt erst damit ein, daß wir im ersteren Falle die Sache selbst halten, im anderen nur die R e präsentation der Sache. Selbsterkenntnis ist unmittelbares Anschauen des Objekts; Erkenntnis der Außenwelt dagegen besteht im Erschauen von inneren Objekten, die in ihrer Repräsentationsbeziehung zum übrigen uns die Erkenntnis der äußeren Objekte vermitteln. Wenn es öfters heißt, daß Gott für uns „das einzige unmittelbare äußere Objekt" sei, wenn der Discours sagt, daß wir alle Dinge durch Gott (par Dieu) sehen, so darf man dies nicht so verstehen, als ob Gott und mit ihm dann seine Schöpfung unserem unmittelbaren Anschauen gegeben sein könnte, wie unser eigenes Ich. Auch von Gott gibt es, wie von allem was „außer uns" ist, nur vermittelte Erkenntnis; unmittelbares äußeres Objekt ist er für uns nur insofern als er unmittelbar auf uns wirkt, d. h. uns mit allen Ideen in uns beständig erhält. E r ist ja auch die „Ursache" der prästabilierten Harmonie, der durchgängigen Entsprechung und gegenseitigen Repräsentation der Monaden. Was in uns angelegt ist, ist von Gott in uns hineingelegt. Mit der okkasionalistiscben Auffassung (im besonderen der Malebranches), wonach jeder Erkenntnisakt erst durch die jedesmalige Vermittlung Gottes sich auf Seiendes bezieht, und wonach wir also alle Dinge „in Gott" (en Dieu) schauen, will Leibniz seinen Gedanken nicht verwechselt wissen. (Der ganze Gedanke des „einzigen unmittelbaren äußeren Objekts" kommt bei Leibniz nur als Antwort auf Malebranches Erkenntnisbegriff vor; der Ausdruck ist ein Entgegenkommen: in Malebranches irriger Behauptung sollte ein richtiger Kern aufgewiesen werden ! S. bes. III, 392 om.) W a s wir unmittelbar anschauen, das sind nicht die Ideen in Gott, sondern unsere eigenen uns zugehörenden Ideen in uns — die allerdings ursprünglich von Gott in uns hineingelegt worden sind und mit uns von ihm erhalten werden. 1 ) Im System der prästabilierten Harmonie ist Gott ebensowenig der jedesmalige Durchgangspunkt der Erkenntnis wie er der jedesmalige Vermittler der Aktion ist. Niemals kann uns etwas anderes vorkommen als unsere eigenen Gedanken und V o r stellungen. — Unsere Ideen sind Modifikationen unserer Ichsubstanz und gehen spontan aus deren immanenter Tätigkeit hervor. Ihr *) Vgl. I, 382 u; IV, 426 mu, 439 mu, 453, 454 o; V, 99; VI, 578 m, 593 u.
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Das Eingeborene
Auftreten ist von Anfang an in uns angelegt, im Gesetz der Reihe der Operationen impliziert. Sie sind in diesem Sinne „mit uns geboren". Sind sie es alle im gleichen Sinne? Das Problem des Eingeborenen drängte sich Leibniz zunächst von außen auf — durch die geschichtliche Überlieferung und in der Auseinandersetzung mit Locke. Es ist der Sinn jener Unterscheidung Descartes' von ideae innatae und ideae adventitiae, den es zunächst gegen die empiristische Erkenntnistheorie des Sensualismus zu verteidigen gilt. Leibniz bringt dabei die rechte Begründungsordnung in den Gedanken. Die eingeborene Idee Descartes' vermischte zwei Interessen: die Frage nach der ideellen Geltung und die nach dem Ursprung in der Seele. Leibniz erkennt, daß die Ursprungsfrage „nicht präliminar" ist, sondern selbst von der vorausgesetzten logischen Unterscheidung auszugehen hat. Die Methodenlehre unterscheidet die notwendigen Wahrheiten von den Tatsachenwahrheiten. Wenn die Sinnesvorstellungen uns von dem „Außen" Kunde geben, so können sie es nur im strikten Sinne des Empirismus: als einzelne Eindrücke, auf einzelnes Wirkliches bezogen. Ihre Vermittlung kann, wenn überhaupt, nur im Bereich der Tatsachen in Frage kommen. Sie melden vielleicht was ist und geschieht, wie aber sollten sie Erkenntnis geben von dem was n o t w e n d i g ist und von einer Allgemeinheit, die durchaus mehr bedeutet als jede Wiederholung von Tatsachen und jedes vermutende Erwarten ähnlicher Wiederkehr. Der Beweis der notwendigen Wahrheiten ist nicht aus einzelnen Fakten, „Beispielen" zu gewinnen. Wie immer auch von außen der Anstoß zum Erfassen dieser notwendigen Ideen und Wahrheiten gegeben sein mag — die „Kraft der Konsequenzen", die „absolute Notwendigkeit" und „Universalität" kann nicht von außen, sie muß von „innen" kommen. 1 ) Das sind nicht Daten der Erfahrung, sondern der „Reflexion". Die Reflexion auf den „Intellekt selbst" liefert *) S o steht es auch dort w o das Material des Raisonnements selbst von sinnlicher A r t ist und der Imagination, als dem „Gemeinsinn", zugehört, wie z. B. in der Mathematik. Die „ K r a f t der Konsequenzen", das Notwendige und eigentlich Distinkte kommt auch hier allein den intelligiblen Ideen und Ideenrelationen zu, obgleich das Mathematische an die „Bilder" der Imagination gebunden ist. — Die Mathematik wird bei Leibniz durchweg definiert als logica imaginationis, und es heißt sogar mehrfach von den mathematischen Inhalten, daß sie „von der Jurisdiktion der Imagination" seien! V g l . hierzu IV, 2 9 3 0 ; V , 1 1 6 m, 124 u, 242/3,.
in der Sprache des système commun
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die „reinen" Ideen mitsamt den Geltungsbeziehungen, die mit ihrer Kombination zutage treten. Wir ziehen diese Wahrheiten „aus dem was in uns ist", „aus unsrem eigenen Grunde". Nicht Sinneseindrücke geben hier Erkenntnis, sondern allein das „natürliche Licht", das „mit uns geboren" ist. Alles was zu den notwendigen Wahrheiten gehört, ist damit eo ipso als eingeboren charakterisiert; da es nicht von außen vermittelt sein kann, so muß es im Innern liegen. Daß wir fähig sind diese Wahrheiten zu erkennen, das bedeutet ohne weiteres auch, daß wir fähig sind sie „in uns zu finden". Sinnliche Eindrücke können hier nie den Gehalt selbst, sondern immer nur die äußerliche „Veranlassung" zum innern Erfassen herbeiführen. Wir „beginnen" allerdings in unserem Erkennen durchweg mit sinnlichen Erfahrungen; aber nicht aus ihnen kommen die „ursprünglichen Beweise". Die reinen Ideen würden nur „nicht bemerkt werden, wenn das Äußere nicht hinzukäme". 1 ) Lockes Beweisführung gegen das Eingeborene, die sich darauf stützt, daß wir von diesen Ideen in uns vor ihrem aktuellen Erfassen nichts wissen, beruht auf dem falschen Bewußtseinsbegriff, von dem auch Descartes ausging. Nicht alles was in der Seele ist, ist auch bemerkt. Die Lehre von den „kleinen Perzeptionen" überwindet diesen Irrtum. 2 ) Die Ideen können in der Seele als innere „Objekte" „subsistieren", auch „ohne daß man sich ihrer bewußt wird". Eingeboren ist uns nicht das „aktuelle ins Auge Fassen", sondern die Fähigkeit dazu. Die Ideen sind uns eingeboren als „Virtualitäten". Die 342 m ; V I , 488 u, 4 9 3 0 m , 497 mn, 5 0 1 0 m ; C 3 4 i n , 3 4 3 0 . — E i n e Notwendigkeit innerhalb der Sinnesinhalte selbst (im Sinne etwa der F a r b e n geometrie) erkennt Leibniz nicht an. V g l . z. B. V I , 490 om. I , 3 7 0 ; III, 291, 307/8; V , 2 1 , 4 3 , 67fr., 71 ff., 76; V I , 489/90, 490/1. 5 0 4 0 ; VII, 553 m. Dabei werden als das ursprünglich Eingeborene die „ I d e e n " bezeichnet und unter diesen die primitiven Ideen, aus denen wir die anderen zusammensetzen können; die „ W a h r h e i t e n " ergeben sich dann mit ihnen. S . V , 21 u ; III, 479 u; I V , 4 5 2 om. W e n n man gesagt hat, für Leibniz sei das „Urteil" primär gegenüber dem „Begriff", so ist das in jedem Sinne falsch. Leibnizens Denkweise in der L o g i k ist durchaus substantialistisch. — Über den Zusammenhang von Eingeborensein und Reflexion, mit jener eigentümlichen Begründung, daß wir selbst doch eben seiende W e s e n , Substanzen, Identitäten etc. seien, vgl. V , 93 m; III, 479 u, 307/8; VII, 488 u, 490 o. 2 ) W i r gehen auf diese vielfach behandelte L e h r e nicht weiter ein. V g l . dazu die Dissertation von R . Herbertz, Die L e h r e vom Unbewußten im System des Leibniz. Halle 1905.
Der metaphysische Begriff des Eingeborenen
Idee selbst besteht uns ja „nicht in irgendeinem Denkakte, sondern in einer Fähigkeit, und wir sagen, daß wir die Idee einer Sache haben, auch wenn wir sie gerade nicht denken, sobald wir nur bei gegebener Gelegenheit darüber denken können". Darin besteht die Subsistenz der inneren Objekte in uns. 1 ) — Das ist Leibniz' Begriff des Eingeborenen in der Sprache des systeme commun, des empirischen Weltbegriffs, von dem Descartes' wie Lockes Erörterungen der Frage ausgingen. Leibnizens Metaphysik hat über das „ A u ß e n " und „Innen" und ihren wechselseitigen Zusammenhang schon in den Prinzipien entschieden. Aus der allgemeinen Substanzenlehre folgt unmittelbar, daß, „metaphysisch gesprochen", „der Geist a l l e s aus seinem eigenen Grunde zieht", die Sinnesvorstellungen so gut wie die intelligiblen Ideen, die Vorstellungen von Körper und Ausdehnung so gut wie die vom Ich, von Gott und von den ewigen Wahrheiten. Alle „Gedanken und Aktionen" kommen spontan aus dem Innern. Nicht nur die Fähigkeit ist eingeboren, sondern auch die Tendenz zum aktuellen Bewußtwerden des in der Seele Liegenden, und mit ihr der Akt der schließlich dazu führt. Auch dieses, daß diese und jene Idee in diesem und jenem Augenblicke aktuell gedacht wird, also auch die „Veranlassung" zum Erfassen der eingeborenen Idee im engeren Sinne, jedes Auftauchen von Sinnesvorstellungen in bestimmtem Augenblick ist in seiner Art „eingeboren". „Nichts tritt in den Geist von außen ein", nicht einmal ein veranlassendes Moment. Die Seele hat alle ihre zukünftigen Gedanken in sich, ohne sie doch zu bemerken, und mit ihnen die Tendenzen und die Ordnungsbestimmungen, die sie zu ihrer Zeit ins „deutliche" Bewußtsein heben werden. Alle unsere Vorstellungen sind einzig und allein Folge unseres eigenen Wesens. 2 ) — c) D i e „ i n n e r e n P h ä n o m e n e " u n d d i e R e p r ä s e n t a t i o n der existierenden Außenwelt. Die einzelne Seele bleibt, wie das aus dem Substanzbegriff ohne weiteres folgt, in sich selbst beschlossen. In ihren sinn») Vgl. z. B. V, 20f., 45f.; IV, 426 mu; VII, 263 m. 2
) Vgl. z. B. III, 392 o, 458 u; IV, 439mu. 45' u; V, 16, 66/7, 100, 3730m;
VI, 557 u. Die Ausdrücke ,,distinkt" und „konfus" sind in diesem Zusammenhang in anderem Sinne als sonst zu nehmen: als „bemerkt" oder „bewußt" gegenüber dem nicht oder kaum Bewußten.
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Existenz der Außenwelt
liehen so gut wie in den intelligiblen Vorstellungen erfaßt das Selbstbewußtsein unmittelbar immer nur das was in ihm ist. Daß die sinnlichen Ideen in ihm wirklich ein Äußeres, reale Existenzen darstellen, das wird nicht einfach durch einen Kausalzusammenhang, ein Herkommen von außen verbürgt und läßt sich nicht in einem einfach zwingenden Schlüsse solcher Art nachweisen. Einzig für diese Tatsache: daß außer mir noch Gott existiert, habe ich eine absolut sichere Gewähr durch den ontologischen Beweis (in verbesserter Form) und durch die Tatsache meiner eigenen, endlich-zufälligen Existenz, die eine in sich notwendige Ursache voraussetzt. Der skeptische Gedanke, daß vielleicht nur ich allein mit allen diesen Vorstellungen in mir existiere und nichts anderes sonst, ist nur in diesem Punkte schlechterdings demonstrativ widerlegbar. Dagegen gibt es in der Frage des Daseins der eigentlichen Umwelt überhaupt keine absolute, sondern bloß „moralische" Gewißheit. Es liegen wohl in der Verschiedenheit und geregelten Ordnung meiner Phänomene und in ihrer Übereinstimmung mit den unabhängig davon sich mir darstellenden ewigen Wahrheiten Anweisungen auf äußere „Gründe" und Entsprechungen, aber das besagt doch nichts schlechthin Entscheidendes gegen die Möglichkeit, daß, metaphysisch gesprochen, diese ganze mir erscheinende Umwelt nur ein langer und zusammenhängender Traum meiner Seele sein könnte. Einen zwingenden Beweis für die Existenz der Außenwelt, auf welche die Sinnesvorstellungen deuten, kann es nicht geben. Unbedingte Gewißheit hat die Seele nur von ihrer Existenz und von der Existenz Gottes. Es liegt ja auch unmittelbar in dem Wesen des Ich als einer Monade, daß an seinem Sein und Erleben nichts geändert würde, wenn mit einem Male die ganze übrige Welt der Kreaturen zu existieren aufhörte. 1 ) Leibniz glaubte indessen, diese metaphysische Möglichkeit gar nicht ernsthaft in Betracht ziehen zu müssen. Für ihn ist es ausgemacht, daß eine Welt außer dem Ich existiert, daß die Folge der Erscheinungen in ihm mehr bedeutet als einen in sich zusammenhängenden Traum einer Einzelseele. In der Methodenlehre werden die „realen" Phänomene von den „imaginären" unterschieden, vorwiegend durch das allgemeine Kriterium der durchgängigen Übereinstimmung nach rationalen GeVgl. I, 370, 372f.; II, 378; IV, 439 mu; V, 275 om, 355 u, 425f.; VI, 4890;
V I I , 296, 3 2 0 f.
C o h e n und N a t o r p , Philosophische Arbeiten VI
20
Empirischer und metaphysischer Realitätsbegriff
setzen. Der Sinn dieses „Realen" erschöpft sich nun aber nicht etwa in diesem „ K e n n z e i c h e n " , durch das es sich für uns empirisch gegen unsere Träume oder Halluzinationen abscheidet. Leibniz läßt keinen Zweifel darüber, daß zwar diese immanente Einstimmigkeit vollkommen ausreichend sein kann als Kriterium in unserem erfahrungswissenschaftlichen Erkennen und Beherrschen der empirischen Welt, daß aber das metaphysische Problem der Realerkenntnis in diesem Gedanken keineswegs beschlossen ist. Das Kennzeichen, vermittelst dessen wir uns über die „Wahrheit der Sinne" Rechenschaft geben, auf Grund dessen wir „über die sinnlichen Dinge urteilen" können, genügt in keiner Weise für die Aussage über Realität, nicht Nichtrealität der Seinsinhalte selbst. 1 ) Für das „Detail" der Erfahrungserkenntnis kann man sich mit jenem Realitätsmerkmal der Methodenlehre begnügen; für die metaphysische Erkenntnis und Erkenntnislehre muß man sich zu den Fragen der Realität selbst und der Repräsentationsbedeutung der Phänomene, als bloß „innerer", erheben. In jenen „realen" Phänomenen meines Bewußtseins stellen sich mir, als in vermittelnden inneren Objekten, in der Tat äußere Realitäten dar; wenn die sinnliche Vorstellung nicht kausal hinausführt zu einer auf mich wirkenden Umwelt, so drücken sie darum doch irgendwie ein Universum von Existenzen aus, die zugleich mit mir bestehen und werden, und deren Veränderungen sich in meinen inneren Modifikationen, in ebendiesen Phänomenen, widerspiegeln. Das eben gibt ihnen die Bedeutung von „realen" Phänomenen. Die Frage ist nun, ob sie diese Außenwelt so darstellen wie sie in sich selbst ist! Inwieweit geben uns unsere empirischen Vorstellungen — mit allem Regelmäßigen, Gesetzmäßigen, Rationalen was wir darin finden — ein Bild des Seins, wie es in Wirklichkeit beschaffen ist? Sind alle unsere „realen" Phänomene gleichwertig in bezug auf den metaphysischen Wirklichkeitsanspruch, stellen sie vielleicht alle das Reale nur in einer Verwirrung und Verfälschung dar, so wie es die mechanistische Naturauffassung von den Vorstellungen der Sinnesqualitäten annimmt? W a s ist an den Phänomenen der unvoll') Vgl. die eben zitierten Stellen, bes. noch II, 516 mu, auch IV, 473/4. Die Ausführungen E. Cassirers zu diesem Punkte (Leibniz' System S. 36411.) scheinen diesen Sachverhalt zu verkennen. Insoweit sie Leibniz' Begriff des Seins und des Realen selbst wiederzugeben beanspruchen, beruhen sie auf irrigen Voraussetzungen.
Frage nach der wirklichen Beschaffenheit der Außendinge.
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kommenen Erkenntnis, was dem wahrhaften Sein zuzuschreiben? Gibt es eine farbige W e l t , gibt es eine ausgedehnte; gibt es eine Welt mechanischen Geschehens und eine Welt des organischen Lebens? Man muß nicht etwa glauben, daß solche Fragen durch den Begriff der Repräsentation, als einer Darstellung und bloßen Entsprechung, die nichts mit Ähnlichkeit und Abbilden zu tun haben will, außer Recht und Notwendigkeit gesetzt wären. Leibniz' Gedanke in dieser Bestimmung ist für die Erkenntnislehre der, daß die darstellende Idee durchaus nicht von der gleichen Qualität sein muß wie das dargestellte Sein. So kann Unendliches in einer endlichen Idee, das Ausgedehnte im Unausgedehnten, die ganze Mannigfaltigkeit und das Außereinander der Welt in dem einfachen und einheitlichen Ich repräsentiert werden. Darum stuft sich doch der Erkenntniswert der Ideen danach ab, wie weit sie fähig sind, das Sein so darzustellen wie es ist. Die Monadologie selbst z. B. soll doch jedenfalls das wahrhafte letzte Wesen der Existenzen beschreiben. Wahre Erkenntnis bestimmt sich auch für Leibniz als Übereinstimmung der Vorstellung mit dem Gegenstand. So nimmt er es von unseren intelligiblen Ideen und Erkenntnissen ohne weiteres an, daß sie die Essenzen prinzipiell so wiedergeben wie sie sind, so wie sie auch Gott im Geiste hat — der Unterschied, der darin zwischen uns und Gott besteht, liegt nicht im Inhalt sondern im A k t : was wir diskursiv nacheinander, in langwieriger Kombination und Analyse uns errechnen müssen, das überschaut und durchschaut Gott intuitiv in einem. Es ist also die Frage berechtigt und notwendig: ob dem Bewußtsein in seinen inneren Phänomenen, die es reflexiv erfaßt, die Außenwelt so dargestellt ist wie sie ist, oder ob es sich auch den geordneten und von rationalen Gesetzen durch und durch beherrschten Erscheinungen gegenüber metaphysisch gesprochen um i m a g i n ä r e oder doch mit Imaginärem vermischte Gebilde und Zusammenhänge handelt. — Wir rühren mit dieser Frage an die schwierigste und ungeklärteste Partie der Leibnizischen Philosophie. Wenn irgendwo bei diesem System eine einheitliche Erklärung unerreichbar scheint und man den inneren Widerspruch in Leibnizens Gedanken selbst vermuten möchte, so ist es in dem Problemkomplex, der durch den Begriff des Phänomenalen bezeichnet wird. Die ganze Außenwelt in Raum und Zeit, der eigene Körper und das Universum von Dingen in dem er darin steht, 20*
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Mehrdeutigkeit des Phänomenbegriffs
alles das wenigstens was davon durch unsere „inneren" Phänomene uns vermittelt wird, hat auch in sich, objektiv betrachtet, nur als „Phänomen" Existenz — darin stimmen die Äußerungen Leibnizens so ziemlich überein. Aber was man unter dieser Bestimmung sich des näheren zu denken hat, das ist durchaus nicht so einfach und unzweideutig wie es meist dargestellt wird. Soll diesen Dingen jede objektive Wirklichkeit überhaupt abgestritten, oder soll ihnen eine nur abgeleitete, unselbständige Seinsweise zugeschrieben werden; sollen sie nur Erscheinungen für Subjekte bedeuten oder doch auch Erscheinungen von Objekten? — Leibniz' Ausführungen in dieser Sache sind so wechselnd, daß man nicht beanspruchen kann, eine beweiskräftige Entscheidung in seinem Sinne vorzubringen. Die Frage wechselt den Anblick je nach dem Zusammenhang in dem sie auftaucht. Es treffen an dieser Stelle bei Leibniz besonders zwei Gedankenreihen von grundverschiedener Herkunft zusammen: das Bewußtseinsproblem und die Frage der Wirklichkeitserkenntnis auf der einen, und das Körperproblem im Sinne der Dynamik auf der anderen Seite. Es ist fraglich, ob Leibniz selbst eine mögliche Vereinigung der Aufstellungen in den getrennten Gebieten im Auge gehabt hat und ob die Interpretation hier zu einer einheitlichen Auffassung um jeden Preis sich verpflichtet fühlen muß. Bemühen wir uns jedenfalls, die verschiedenen Ansichten, die von den Texten nahegelegt werden, gegeneinander abzuheben und dabei zu einem Gesichtspunkte zu gelangen, von dem aus wenigstens in relativem Maße eine vereinigende Ausdeutung der verschiedenen Betrachtungen möglich werden könnte. 1 ) — Es liegt im Wesen der Monade, daß sie Ausdruck ist von Anderem, Äußerem. Ihre Einheit befaßt eine Vielheit von Modi*) Es ist merkwürdig, wie wenig ausreichende Beachtung diese zentrale Schwierigkeit des Leibnizischen Systems gefunden hat. Ein nachdrückliches und den Kern der Sache berührendes Eingehen auf die hier vorliegende Mischung von idealistischen und realistischen Momenten haben wir nur in E. v. Hartmanns „Geschichte der Metaphysik" finden können. Hartmanns Darstellung geht von dieser grundsätzlichen Konstatierung aus: „das Leibnizische System zeigt uns ein Doppelantlitz, ein realistisches als metaphysischer Dynamismus, und ein idealistisches als harmonischer Vorstellungsablauf in den reell beziehungslosen Monaden." — Hartmann verzichtet damit von vornherein ausdrücklich auf die einheitliche Interpretation des Systems. Vielleicht heißt das aber doch wieder die Sache zu leicht nehmen.
Die idealistische Auffassung
30I
fikationen, die exakt einer Vielheit außer ihr entsprechen. Bei der erkennenden Monade im besondern entsprechen die intelligiblen Momente den Essenzen in Gott. W a s entspricht nun den sinnlichen Ideen, den eigentlichen „Phänomenen" in uns? Allgemein gesprochen: was drückt die Monade aus, wenn man die (nur den Geistern gegebenen) Repräsentationen Gottes und der Möglichkeiten abzieht? Leibniz Äußerungen hierzu reduzieren sich auf drei typische Fassungen : W a s die Monade, von ihrem Gesichtspunkt, ausdrückt das sind bald „die Phänomene", bald „das Universum", bald die Gesamtheit der übrigen Monaden (die Monaden drücken „sich gegenseitig" und jede alle anderen aus). Dabei scheint das „Universum" einmal für die universitas phaenomenorum, dann wieder eben für die Gesamtheit der Monaden zu stehen. 1 ) Da nun die Monade als substantielle Realität durchweg vom Phänomenalen unterschieden wird, so können diese beiden Aussagen nicht dasselbe bedeuten. Gehen wir dem ersten Ausdruck nach. Die Monade drückt die phänomenale Welt aus. — Die prägnantesten Bestimmungen die unter diesem Titel gehen lassen deutlich ihre Herkunft vom Bewußtseinsproblem spüren. Leibniz' Denken ging hier offenbar zuerst von der einfachen und uns allen unmittelbar gegebenen Tatsache aus, daß die verschiedenen Menschen mit ihren Vorstellungen alle auf eine und dieselbe Wirklichkeit oder Erscheinungswelt sich beziehen, während doch das was jedem dieser Subjekte wirklich als Erscheinung gegeben ist stets verschieden sein muß von dem, was jeder andere vor Augen hat, je nach der räumlichen Stellung seines Körpers, nach der Einrichtung und Schärfe seiner Organe etc. Die metaphysische Tendenz der hiervon ausgehenden Problemstellung zielt bei Leibniz auf einen durchgeführten subjektiven Idealismus. Die klassische Stelle für diese Betrachtung findet sich im Discours de métaphysique 2 ): Dieu tournant pour ainsi dire de tous costés et de toutes les façons le systeme général des pheno') Die gelegentliche Gleichsetzung von Universum und Gott (z. B. VII, 322 o) darf nicht wörtlich genommen w e r d e n ; das widerspräche allen anderen Aufstellungen Leibnizens. 2) Es ließe sich, für die historische Erklärung, vermuten daß diese erste ausführliche Fassung des Monadengedankens das Endglied einer Reihe von Erwägungen der vorangehenden Jahre bildet, die alle vom Bewußtseinsproblem ausgingen. Tatsächlich treten die dynamischen Erörterungen mit ihren realistischen Tendenzen erst nach dem Discours ganz in den Vordergrund.
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Dualismus von Sein und Schein
menes qu'il trouve bon de produire pour manifester sa gloire, et regardant toutes les faces du monde de toutes les maniérés possibles, . . . le résultat de chaque veue de l'univers, comme regardé d'un certain endroit, est une substance qui exprime l'univers conformément à cette veue, si Dieu trouve bon de rendre sa pensée effective et de produire cette substance. Das Bild von der Stadt mit den perspektivischen Ansichten fügt sich hier einfach ein. Die eine in sich unendliche Erscheinungswelt wird selbst wieder unendliche Male wiederholt und variiert durch das Dasein der Subjekte in denen sie sich spiegelt, die sie, als perspektivische Projektionen von ihr, ausdrücken. Die andere Bestimmung: daß die Monaden sich gegenseitig, jede also die Gesamtheit der anderen ausdrücken soll, ergibt sich dann als Folge — denn es ist klar daß alle Dinge, welche einem Identischen in allen Inhalten und Veränderungen durchgängig entsprechen, auch zueinander in einem Verhältnis des vollkommenen Parellelismus stehen. ') In den inneren Phänomenen der verschiedenen erkennenden Subjekte wird demnach ein identisches „System der Phänomene" repräsentiert, welches auch Gott selbst vor Augen hat; ähnlich wie die intelligiblen Ideen in ihnen den ewigen Wahrheiten entsprechen, die in Gottes Verstand gelegen sind. Was für eine Seinsart kommt nun aber diesem Universum zu ? Ist das phänomenale Sein eine eigene Realität neben dem Sein der Seelenmonaden? Oder ist es nur Bild und Schein? Nach der angeführten Stelle des Discours könnte es scheinen, als ob Leibniz einen strikten Dualismus im endlichen Sein bestehen lassen wollte: das System der Phänomene wird ebensowohl (und sogar primär) von Gott produziert (pour manifester sa gloire!), wie die Monaden in denen es sich spiegelt. Die Gesamtheit der Dinge die wir unter dem Namen der Erscheinungswelt zusammenfassen, die Gesamtheit des Sichtbaren, Hörbaren, Tastbaren, des Räumlichen und Materiellen wäre danach nicht weniger real als die Gesamtheit der Bewußtseinseinheiten (und der diesen analogen Wesen) ; die Stadt nicht weniger als ihre Beschauer und Projektionen. Das ist dann nichts anderes, im Prinzip wenigstens, als der Cartesische Dualismus: Körperwelt und Seelenwelt. Nur daß die beiden Seinsarten hier nicht in Wechselwirkung, sondern in einem ') IV, 439 om; vgl. I, 151 554 f.
H, 278 om, 481 mu; III, 72 m; IV, 542 om,
Eine Welt von lauter Subjekten
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funktionalen Entsprechungsverhältnis stehen würden. Aber beide sind gleich real. Nun ist kein Zweifel möglich, daß ein solcher Seinsdualismus nicht in Leibniz' Meinung lag. Die Erscheinungswelt, was sie auch sein mag, ist sicher nicht in demselben Sinne real wie die Monaden es sind. Die „Welt der Phänomene" — das ist mehr als nur ein Ausdruck für das sinnlich-räumliche Dasein; es soll in dem Worte auch eine Aussage über den Realitätswert gelegen sein. Das Phänomenale ist keinesfalls eine eigene selbständige, von den Monaden überhaupt abgetrennte Existenz. — Man kommt Leibniz' Gedanken sicherlich schon weit näher, wenn man sich (wie es vielfach geschieht) seine Welt als ein Universum von lauter Subjekten vorstellt, wobei in allen diesen Subjekten ein identischer Schein, ein gleiches System von bloß scheinbaren und an sich ganz unwirklichen Dingen und Begebenheiten sich verschieden darstellen würde. Eine Seite der Leibnizischen Weltauffassung wird mit einer solchen Interpretation gewiß getroffen; es gibt Stellen genug die sich diesem Sinne nähern. Die metaphysische „Realität" der Phänomene bestünde danach in nichts anderem als in der Übereinstimmung der Perzeptionen in den verschiedenen Subjekten; die „inneren" Phänomene sind dann in der Tat nichts weiter als geregelte Träume — nur müssen die Träume der verschiedenen Subjekte einander zu einer einheitlichen Scheinwelt ideell ergänzen. (So muß z. B. das Haus, welches mein Traum mir von innen zeigt, im gleichzeitigen Traume meines Nachbars sich von der Außenseite darstellen u. dgl.). Der bei Leibniz beständig wiederkehrende Ausdruck, daß die Dinge der Außenwelt bloße, aber „ w o h l g e g r ü n d e t e " Phänomene seien, muß nach dieser Auffassung lediglich so verstanden werden, daß die Erscheinungen der verschiedenen Subjekte „gut zusammenstimmen", parallel und sich ergänzend verlaufen. (Und so wird auch der Ausdruck öfters von Leibniz erklärt.) Auch als „wohlgegründete" bleiben die Phänomene dann „reine Scheingebilde", denen nicht die geringste eigene Realität im ontisch-objektiven Sinne zugesprochen werden kann. Die Identität dieser Scheinwelt findet danach ihren Ort im Geiste Gottes, der diese Welt nicht von einem bestimmten Gesichtspunkt, sondern in allen Teilen zugleich und gleichmäßig als Schein vor sich hat. „Itaque realitas corporum, spatii, motus, temporis videtur consistere in eo ut sint phaenomena Dei seu objectum scientiae visionis." Das System der Phänomene, verschieden repräsentiert in den verschiedenen end-
Bedenken gegen diese Auffassung
3°4 liehen Subjekten, adäquat dargestellt im unendlichen Wesen ist in sich nichts als eine Scheinwirklichkeit.1) — Die Auffassung wäre in sich völlig einheitlich und konsequent durchführbar. Man müßte sich nur entschließen, alles was die Monadologie sonst noch über die Körperwelt und ihre „Ursachen", über die dynamischen und organischen Substanzen, über die Zuordnung und Harmonie von Leib und Seele sagt, als uneigentlich und ungenau im metaphysischen Sinne, als eine Anpassung an den gemeinen Sprachgebrauch anzusehen, der die Scheinwelt für real nimmt. Alle diese metaphysischen Erörterungen sind dann ebenso wie die Forschungen der empirischen Naturwissenschaft auf Unwirkliches, Scheinbares, auf bloße Vorstellungen bezogen, die nicht einmal als subjektiv bedingte oder verfälschte Erscheinungen eines dahinter stehenden Objektiven angesehen werden dürfen. So wäre z. B. die Gebundenheit der Seele an den Körper, durch den ihr Gesichtspunkt gegenüber dem Universum der Dinge bestimmt ist, nicht als eine reale Zuordnung irgendwelcher Art zu verstehen, sondern als ein empirisch-scheinhafter Ausdruck für die Tatsache, daß jedes Subjekt die eine Scheinwelt in einer bestimmten Projektion in sich trägt; so nämlich, daß die Gesamtheit der phänomenalen Inhalte in bestimmterWeise auf einen besonderen Inhaltskomplex hin angeordnet und bezogen ist: den welcher uns eben als unser Körper erscheint. Das alles läßt sich ganz folgerichtig entwickeln und es gibt auch Andeutungen dieser Art genug bei Leibniz. Aber wir glauben nicht, daß damit Leibniz' eigene Stellung wirklich vollständig charakterisiert wird. Auch die naturphilosophischen Teile der Monadenlehre (und damit auch die Dynamik, die Theorie des Organischen, die Lehre von der Naturteleologie etc.) wollen vom Realen sprechen, nicht von Scheinbarem. Es ist durchaus nicht genügend Grund dafür gegeben, diese an Anzahl und Ausführlichkeit weit überwiegenden Partien von Leibniz' Schriften alle für uneigentlich im Ausdruck und für ungeordnet im Gedanken zu halten. Ehe wir indessen zu realistischeren Interpretationen fortschreiten, haben wir die eben vorgeführte Ansicht noch zu ergänzen. Wenn Leibniz sich bestimmt gegen einen subjektiven Idealismus von der Art Berkeleys erklärt hat, als gegen ein ') 11,4380m; vgl. 11,920, ioo, 115 mu, 251 u, 270, 275/6, 281 Anm., 435/6, 444, 450/1, 473 mu, 517 m; HI, 567 Anm., 623, 636; IV, 523 mu; VII, 4680.
Erweiterung des Subjektbegriffs
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bloßes „Paradoxon" — so könnte das allein vielleicht nicht die Auffassung widerlegen, daß Leibniz' Welt aus lauter Subjekten, das körperlich-räumliche Sein nur in Schein bestehe. Denn sein Begriff von diesen Subjektseinheiten ist weiter gefaßt als in dem Gedanken von vorstellenden Wesen im gewöhnlichen Sinne liegt. Der Vergleich von der Stadt mit den verschiedenen Ansichten läßt keine völlig durchgeführte Analogie zu. Zu dem Bilde das jede Monade vom System der Phänomene hat ist zugleich etwas von dem Standorte jeder anderen Monade mit darin enthalten. So einfach zerlegt sich die Zweiheit nicht, daß dort die Stadt, hier die Beschauer stünden, in denen sie abgebildet ist. Die Beschauer wissen auch voneinander. Ich finde unter meinen Phänomenen im Vordergrunde den Komplex, den ich meinen Leib nenne und als mir zugehörig empfinde. Ähnliche Körpergestaltungen begegnen mir nun aber auch weiterhin in der phänomenalen Welt: Körpererscheinungen von anderen Menschen, denen ich im Analogieschlüsse entsprechende Seelen, erkennende Monaden also zuzuschreiben mich genötigt sehe. Nun bleibt es aber wieder nicht bei diesen Subjekten im gewöhnlichen (Bewußtseins-) Sinne. Auch die tierischen Körper, die Pflanzen, die organischen Wesen überhaupt legen uns eine solche Zuordnung immaterieller Einheitsprinzipien, die ihre Vielheit und Zerteiltheit in sich konzentrieren, unabweislich nahe. Immerhin sind auch diese Einheiten in dieser Betrachtung Subjekte, wenn ihnen auch kein Bewußtsein und kein Vorstellen im eigentlichen Sinne zugehört; immer ist doch das körperliche Sein bloße Erscheinung für sie, Schein in ihnen. Und nun ist nach Leibniz' Lehre von der Materie und vom Organischen jeder Teil eines Organismus wieder erfüllt mit unendlich vielen kleinen Organismen; ja auch die unorganischen Körper setzen sich im Grunde aus einer unendlichen Anzahl von Organismen zusammen, die selbst wieder ins Unendliche organische Wesen enthalten. Und allen diesen unendlichemal unendlichvielen organischen Körpern und Körperchen müssen wir entsprechende seelenartige Einheiten, den kleinsten Teilen der Erscheinungswelt also unendlich viele entsprechende Subjekte zuweisen, in denen sie irgendwie als Schein dargestellt sind. Alle diese Monaden haben zusammenstimmende Erscheinungen und repräsentieren die universitas phaenomenorum von ihrem Gesichtspunkte. Die metaphysische Realität und Gegründetheit der Erscheinungen ist nach dieser Anschauung also nicht allein
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Bedenken auch gegen diese Fassung
darin definiert daß alle Menschen (Geister) auf dasselbe scheinbare Sein und Geschehen sich beziehen wie ich, sondern zudem noch darin daß einem jeden Ausschnitte aus der Erscheinungswelt, die ich vor Augen habe, und jedem Teile dieses Ausschnittes zugehörige Realeinheiten entsprechen, in denen diese Körperlichkeiten so konzentriert, ausgedrückt sind wie mein eigener (Schein-) Körper in mir, in meiner Seele. Der Verlauf auch in allen diesen, meinen Erscheinungen objektiv entsprechenden, Einheiten geht dem Ablauf der Vorstellungen in meiner Seele streng parallel. Darum bleibt eben doch alles Körperliche bloßer Schein. W a s real ist, sind immer nur die korrespondierenden Seelen, die Parallelwelt, aus der kein reales Band hinüberführt zum Körpersein, um etwa diesem eine wenn auch nur abgeleitete Realität im metaphysischen Sinne zu verleihen. W a s die Monaden in sich repräsentieren das sind bloße Scheingebilde; insofern aber alle diese Inhalte auf eine identische Scheinwelt einheitlich und ergänzend sich beziehen, repräsentieren die Monaden auch sich gegenseitig. Die Monadenwelt und das Universum des Körperlichen, das bleiben vollkommen getrennte und heterogene Sphären. Die eine aber ist real, die andere Schein. — So weit die idealistische Ansicht. Wir können sie nicht als identisch ansehen mit Leibniz' voller Meinung. Die Zumutung, alle die breiten Ausführungen, die für den Realismus des Körperlichen sprechen, als bloß exoterische und nicht beim Wort zu nehmende Darstellungsweisen für die metaphysische Realitätsfrage außer acht zu lassen, scheint uns zu anspruchsvoll und zu wenig begründet. Leibniz pflegt sich in solchem Falle (wie in der Frage des Eingeborenen im engeren Sinne) klar darüber auszusprechen, daß er hier nicht auf dem Boden seiner Metaphysik stehe sondern die Sprache des système commun rede. Bemerkenswert ist auch, daß in den beiden „Vermächtnisschriften" aus Leibniz' letzten Lebensjahren, die das ganze System zusammenfassend darstellen wollen, der subjektivistische Phänomenbegriff und jene subjektiv-idealistische Einstellung vollständig verschwunden scheinen (zumal wenn man den Perzeptionsbegriff im ursprünglichen Definitionssinne auffaßt). Das in Raum und Zeit geordnete Universum, die organischen Körper, die Bewegung und die Bewegungsgesetze — alles das wird hier ohne weiteres als Realität und Bestimmtheit von Realitäten behandelt.
Realistische Aussagen
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Und dem entspricht Unzähliges in den übrigen Schriften. Wir greifen nur einige Punkte heraus. Meistens heißt es nicht, daß die Körper „etwas Imaginäres und wie gut geregelte Träume" s i n d , sondern daß sie es w ä r e n , w e n n es nur Materie und ihre Modifikationen gäbe, wenn die Körperwelt nur mathematische Bestimmungen, nicht auch dynamische, an sich trüge. Es w ü r d e keine „ k ö r p e r l i c h e S u b s t a n z " geben, und alle Körper würden sich auf reinen Schein reduzieren, w e n n Materie, Ausdehnung und Bewegung die einzigen und letzten Prinzipien des Körperlichen wären. Man müsse dem bloß Materiell-Mathematischen ein Kraftprinzip „ h i n z u f ü g e n " , um zum wahrhaften Begriff" der körperlichen Substanz zu gelangen. Die „Essenz" des Körpers, die „Realität der körperlichen Substanz" bestehe in der Kraft; die Körper „setzen" dieses Prinzip „voraus". Es würden eben s o n s t nur Seelen existieren. 1 ) — W a s sollten ferner in idealistischer Betrachtung alle die Ausführungen über die Verschiedenheit und den Zusammenhang von erster und zweiter Materie, von primitiver und derivativer Kraft bedeuten, wenn hier das zweite Glied doch immer bloß vorgestellter Schein sein kann? — Zu beachten sind dann auch jene (allerdings überhaupt nicht leicht folgerichtig zu interpretierenden) Aussagen, welche den Körper selbst in Analogie setzen zu der einfachen Monade: darin nämlich, daß auch die Körper nicht eigentlich aufeinander wirkten und ihre Kräfte und Bewegungen einander übertrügen, sondern daß jeder Körper (vermöge des elastischen Prinzips) in allem allein aus sich selbst handle, nur beschränkt durch das Dasein der anderen. 2 ) Und es heißt denn auch des öfteren, daß jeder Körper wegen der vollkommenen Erfülltheit der räumlichen Welt alle anderen Körper und Vorgänge im Universum a u s d r ü c k e . 3 ) — Und dann das Verhältnis von Seele und Körper. Man muß den ganzen unablässig vorgebrachten und in den Vordergrund gestellten Gedanken von der prästabilierten Harmonie z w i s c h e n S e e l e u n d K ö r p e r fallen lassen (oder auf ein Parallelverhältnis zwischen aktivem und passivem Prinzip innerhalb der Monade umdeuten, was keinen richtigen Sinn ergeben kann), wenn man dem Körperlichen jede Realität ab') Vgl. z. B. 1 , 3 9 1 / 2 ; II, 77 u, 9 8 0 ; III, 367 u; I V , 473/4; VII, 3 1 3 Anm., 314, 444 mu. 2 ) V g ' - ^ S g m i ; II, 1 1 6 Anm., 251 u, 506; IV, 39211111, 397 mu, 557 u; VII, 3 1 3 o. 3 ) Vgl. z. B. II, 253 o; IV, 557 u; VI, 6 1 7 u; VII, 3 1 5 o.
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Seele und Körper
spricht. D e n n jener G e d a n k e , d a ß j e d e m kleinsten T e i l e meines scheinbaren K ö r p e r s wieder unzählige vorstellende W e s e n mit harmonischer Ü b e r e i n s t i m m u n g e n t s p r e c h e n , kann d o c h für diese S a c h e nicht genügen. Seele und K ö r p e r werden v o n L e i b n i z in diesem Z u s a m m e n h a n g überall als zwei Seinsformen unterschieden und als parallel geordnete Realitäten behandelt. G o t t habe die beiden so eingerichtet, d a ß sie sich, ohne wechselseitigen Einfluß, v o l l k o m m e n entsprechen; in j e d e m nehmen die V e r ä n d e r u n g e n ihren spontanen, „ a u t o m a t i s c h e n " , durch die eigenen G e s e t z e geregelten V e r l a u f — so, „ a l s o b " das andere nicht existierte. S o entsprechen auch den allgemeinen G e s e t z e n des körperlichen G e s c h e h e n s (der B e w e g u n g ) die G e s e t z e des Vorstellungsablaufes. W a s in den K ö r p e r n „ e n t f a l t e t " ist, das ist in der Seele „konzentriert". Jeder inneren A k t i o n entspricht eine ä u ß e r e , j e d e r V o r s t e l l u n g B e w e g u n g . K ö r p e r und S e e l e drücken s i c h g e g e n s e i t i g aus. D e r organische K ö r p e r , die körperliche „ M a t e r i e " sei stets „ b e g l e i t e t " v o n einem Einheitsprinzip, damit „ b e g a b t " . E s könne keine S e e l e ohne K ö r p e r geben. U n d d a ß die Seele „das ganze U n i v e r s u m " ausdrücke, das rühre eben daher, d a ß der K ö r p e r , d e m sie zugeordnet ist und mit d e m sie unmittelbar in H a r m o n i e b e z i e h u n g steht, seinerseits eben die G e s a m t h e i t der ihn u m g e b e n d e n D i n g e ausdrücke!l) — V e r f o l g e n wir also nunmehr die W e g e des Realismus. K ö r p e r und Materie, so heißt es überall, sind nicht selbst S u b s t a n z e n , sondern nur „ s u b s t a n t i i e r t " . D e r einzelne K ö r p e r ist nicht substantia sondern substantiae, Vielheit, Aggregat, A n h ä u f u n g von S u b s t a n z e n , von Monaden. „ D i e S e e l e hat ihren Sitz im K ö r p e r wie eine Einheit im Resultat der E i n heiten, das die M e n g e ist." D i e K ö r p e r würden sich auf reinen Schein reduzieren, wenn es in ihnen nur A u s d e h n u n g und M e n g e g ä b e und keine Prinzipien der wahren Einheit, deren Z u s a m m e n s e t z u n g , Resultat, a s s e m b l a g e sie sind. In ihnen ist genau soviel Realität als in den realen Einheiten liegt aus denen sie bestehen. In der körperlichen Natur müssen sich wahrhafte Einheiten finden, die unteilbar sind und immer handelnd. 2 ) — Man darf diese A u f s t e l l u n g e n nicht verwechseln mit *) 11,690m, 98 rau, i i 2 u , 2060, 307 m; 111,3480; IV, 522 n, 523 mu, 5400, 562, 578 m; VI, 356u, 541, 545 u> 546om, 557 u, 599, 618; VII, 315 m, 317 u, 529 mu; C 12 m, 13 o, 15 om. 2 ) Vgl. z. B. II, 97 mu, 317 om; IV, 473 om, 485 o; VI, 599 o; VII, 444 m etc. etc.
Das Monadenaggregat
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jenen idealistischen, wonach jedes Stück Materie aus organischen Körpern sich zusammensetzt; da bleibt man in der Scheinwelt, und real sind immer nur die diesen Organismen zugeordneten seelenhaften Einheiten. Hier dagegen ist der Gedanke ganz unzweideutig dieser, daß die Körper, die „Maschinen" selbst auf irgendeine Art reales Ergebnis einer durch bestimmte Relationen bedingten Anhäufung und Gruppierung von Substanzen sind. Man hat viel versucht diesen Gedanken vom Körperlichen als einem Aggregat unteilbarer und unräumlicher, immaterieller Einheiten durch Umdeutung aus dem System der Monadologie zu eskamotieren — immer zu Unrecht wie es uns scheint. Wie Leibniz sich das gedacht haben mag braucht uns jetzt nicht zu bekümmern; d a ß er so gedacht hat, zeigen die Texte auf jeder Seite. — Greifen wir nun auf die Erkenntnisfrage zurück. Es ist jetzt folgende; Auffassung möglich. In der Tat gibt es Körper so gut wie es Seelen gibt. Der Körper ist eine Anhäufung und Gruppierung seelenartiger Wesen. In beiden, Seele und Körper, ist der Ablauf der Veränderungen parallel; beide drücken sich gegenseitig aus — d. h. es herrscht zwischen allen diesen Monaden, der einen Seelenmonade und den unzähligen aggregierten Monaden exakte Parallelität des Seins und Geschehens. Die Zuordnung dabei ist so getroffen, daß in der Seele das konzentriert und zusammengefaßt ausgedrückt wird, was in den einzelnen Monaden verstreut ist. Wenn die Seele also durch die Vermittlung ihrer „inneren Phänomene" Körperliches erfaßt, so ist es keine Scheinwelt, auf die sie sich damit bezieht, sondern eine reale, aus realen Monaden sich zusammensetzende Welt. Die Monaden sind hier nicht mehr alle bloß Subjekte, auf ein Scheinbares als Gegenstand bezogen, sondern sie sind sich gegenseitig selbst Objekte. Jene Aussage, nach der jede Monade die Gesamtheit der anderen Monaden repräsentiert, hat dann also einen direkteren Sinn als in der idealistischen Fassung, wonach die gegenseitige Repräsentation nur als Folge der allen Monaden eigenen Repräsentation der identischen Scheinwelt in Betracht kam. Nach der jetzigen Bestimmung geht die empirische Erkenntnis der reflexiven Monade also in der Tat auf Wirkliches, nicht bloß auf Scheinbares. Die Konstituentien dieser Objektwirklichkeit sind dabei von ähnlicher Struktur wie die Seele selbst. 1 ) Vgl. das Schwanken zwischen der idealistischen und einer derartigen realistischen Auffassung VII, 3 1 4 0 m ; s. auch VI, 590 m.
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Verworrene räumliche Anschauung des intelligiblen Aggregats
Man wird hier, selbst bei prinzipiellem Einverständnis mit dieser Auffassung, eine Einschränkung für notwendig erachten. Nach den allgemeinen ontologischen Bestimmungen sind die Aggregationsmonaden, wie die Seele selbst, immateriell und unräumlich. Die W e l t der Erfahrung aber sei materiell und räumlich. W e n n man nun trotzdem an jener L e h r e vom Körperaggregat festhalten und diesen Realismus anerkennen wolle, so könne die L ö s u n g der merkwürdigen Frage nur in einem mittleren W e g e liegen, nur durch eine nach beiden Seiten orientierte Fassung des Begriffs der empirischen Erkenntnis gegeben werden. W a s wir als Wirklichkeit vorstellten, das sei in der T a t bloß phänomenal und subjektiv, insofern es räumlich-materiell sei. A b e r doch entspreche dieser Erscheinung Wirklichkeit, eine W e l t von Dingen an sich: die unräumliche intelligible Ordnung einer Unendlichkeit von immateriellen Monaden. Alles was im Raum ist und geschieht, ist i n s o f e r n nur Schein, Erscheinung, aber diese Erscheinung ist Erscheinung von etwas (was ja nicht zu heißen braucht: bewirkt durch etwas), von objektiv Realem. In den Monaden ist das O b j e k tive und Reale, und insofern die Erscheinungen auf sie zurück 1 gehen, sind sie „ w o h l g e g r ü n d e t " in den reellen Einheiten; der ganze Sinnenschein der W e l t wie wir sie vor uns haben, und ebenso das Bild der W e l t welches die Erfahrungswissenschaft zum O b j e k t hat, entsteht dagegen erst in unserer V o r stellung jener Realitäten. Der Raum ist danach nur eine subjektive „verworrene" Anschauungsweise des in sich unräumlichen Seins. — Diese A u f f a s s u n g von Leibniz' Weltbild — es ist wohl die am meisten verbreitete — hat ohne Zweifel viel Wahrscheinlichkeit für sich. Sie vertritt einen in sich klaren und konsequenten Gedanken und gibt die Möglichkeit an die Hand, viele der sonst widerstreitenden realistischen und idealistischen Momente des Systems zusammenzubringen. A b e r auch sie zerreißt den metaphysischen Zusammenhang zwischen erster und zweiter Materie, primitiver und derivativer K r a f t und setzt einen Dualismus von Realität und Schein an seine Stelle. Wichtige Partien der Leibnizischen Naturphilosophie verlieren damit ganz ihren Sinn. Zudem spricht es Leibniz niemals und nirgends direkt und deutlich aus was man hier so einfach als seinen Gedanken vorbringt: daß alles räumliche Sein und Geschehen nur ein durch unser verworrenes Vorstellen von ganz andersartigen Gebilden entstehendes Schein-
Analogie mit den Sinnesqualitäten
3"
bares sei, daß dem Räumlichen als solchem schlechterdings keine objektive Wirklichkeit zugesprochen werden könne. Wohl wird es oft betont, daß im Ausgedehnten als solchen „ e t w a s I m a g i n ä r e s " darin sei und daß die Begriffe von Ausdehnung u n d Bewegung nicht so distinkt seien wie die Cartesianer glaubten. Und Leibniz vergleicht in diesem Zusammenhang auch wohl Ausdehnung und Bewegung mit den Sinnesqualitäten. 1 ) Will er aber damit beides auf dieselbe Realitätsstufe stellen ? W a s ist zunächst von den Sinnesqualitäten zu halten? Darüber hat schon die empirische Betrachtung entschieden, der wir in der Methodenlehre begegneten. Daß wir es h i e r mit einer bloßen Erscheinung eines in sich anders gearteten Seins zu tun haben ist für Leibniz gewiß. Was den Farben und Tönen die wir sehen und hören objektiv entspricht, das sind die Schwingungen, mechanische Vorgänge komplizierter Art. Die Farben und Töne als solche sind „Phantasmata", die für unser beschränktes und verworrenes Erfassen des Wirklichen die Wahrnehmung der zahllosen kleinen Bewegungsvorgänge ersetzen. 2 ) Die „einfachen" Vorstellungen der Sinnesqualitäten repräsentieren also die komplizierten und vielfältigen äußeren Bewegungen. Wie ist das möglich — verlangt nicht der Begriff der Repräsentation, daß jedem Momente in der einen Sache ein Moment in der andern entspricht ? Auch der Monadenbegriff weist in der „einfachen" Einheit eine unendliche Vielheit von Modifikationen auf. Eine Farbe, ein Ton aber geben sich als schlechthin einfache und aller inneren Differenzierung entbehrende Inhalte aus. Kann die Repräsentation des Vielfachen in diesem Sinne „einfach" sein? Farben- und Tonvorstellungen sind nur „simples en apparence". Sie sind „klar" im Ganzen, aber „konfus in den Teilen" — denn in Wirklichkeit haben sie Teile. Unserem unmittelbaren reflexiven E r f a s s e n (Apperzipieren) der Repräsentationen in uns (der „inneren Objekte") erscheint einfach, was in Wirklichkeit in uns selbst unendlich zusammengesetzt ist. Nicht die Repräsentation selbst ist „konfus" sondern wie wir sie in uns bemerken (s'appercevoir), das wird durch den Ausdruck des Verworrenen gekennzeichnet. Es gibt in diesen Re') Vgl. II, ioo u, 1 1 9 m ; IV, 436 m ; VII, 314 u, 322 mu. 2) Vgl. noch VI, 492, 587 m; V, 490, 118 u, 275 u, 362/3; C i o m u , 190.
3X2
Die Sinnesqualitäten und die konfuse Apperzeption
Präsentationen mehr, „als wir darin sehen", als wir getrennt und deutlich zu erfassen vermögen. Der Erkenntnistrug der Farbenvorstellungen entsteht nicht in der Repräsentation selbst sondern erst in der Reflexion, im teilweisen Versagen der apperzipierenden Tätigkeit unserer Seele. Die innere „Empfindung" die wir von den repräsentierenden Momenten und Komplexen von Momenten in uns haben, vermag deren Vielheit nicht zu unterscheiden, faßt sie konfus in eins, in ein scheinbar Einfaches. Tatsächlich aber sind sie „Perzeptionen" von allen den kleinen und vielfachen Bewegungsvorgängen in uns, und sie alle sind „ i n s i c h d i s t i n k t " . Unser Geist vermag die Vielheit der in ihm selbst liegenden Momente nicht distinkt zu apperzipieren — so entsteht der Schein der Sinnesqualitäten. Caeterum cum colores aut odores percipimus, utique nullam aliam habemus quam figurarum et motuum perceptionem, sed tarnen multiplicium et exiguorum, ut mens nostra singulis distincte considerandis in hoc praesenti suo statu non sufficiat, et proinde non animadvertat perceptionem suam ex solis figurarum et motuum minutissimorum perceptionibus compositam esse . . So kommt der Geist dazu ein novum ens zu „fingieren", eben die „Phantasmata" der Sinnesqualitäten. 1 ) Daß die Außenwelt also nicht durchaus so ist, wie sie uns erscheint, wird schon in empirisch-wissenschaftlicher Betrachtung klar. Die sinnlichen Qualitäten haften in der Tat nicht objektiv dem Körperlichen an. Die Naturwissenschaft reduziert sie, die eine eigene Seinsbedeutung beanspruchen wollten, auf mechanische Qualitäten. Nun stellt wiederum die Metaphysik die Frage, ob die mechanischen Qualitäten objektiv real sind oder ob auch sie in letzter Hinsicht nur subjektive Vorstellungsweisen eines andersartigen Seins bedeuten. Tatsächlich entdeckt die „letzte", metaphysische Analyse auch in diesen Qualitäten „etwas Imaginäres und auf unsere Vorstellungen Relatives", und so ist wohl Grund vorhanden, sie mit den Sinnesqualitäten in vergleichende Parallele zu stellen. Ist es aber Leibniz' Meinung, daß die Analogie sich ganz durchführen läßt, und daß man also die Frage nach der metaphysischen Realität des Räumlich-Mechanischen als solchen schlechterdings zu verneinen hat ? Sollen nach Leibniz auch Ausdehnung und Bewegung lediglich subjektive Erscheinungen von immate') I V , 4 2 6 U ,
VI,
327.
470,
5230,
550U,
5510,
574 u ,
575 m ;
V , 109U,
383/4;
Die mechanischen Qualitäten
313
riellen Monaden und deren inneren Veränderungen sein? S o daß auch in dieser Hinsicht unser Weltbild auf einem bloß verworrenen Erfassen allzuvieler Repräsentationen in uns b e ruhte — die Repräsentationen, unsere inneren O b j e k t e in sich aber immer nur Immateriell-Unräumliches in unendlicher A n zahl und Gruppierung darstellten? K o m m t die ganze W e l t der exakten Naturforschung unter metaphysischem Gesichtspunkt auf eine und dieselbe Stufe mit den Sinnesqualitäten: beide imaginär, bloß subjektiv, Phantasmata? W ä r e das Leibniz' Meinung, so würden unter anderem alle die Wesensunterschiede metaphysisch belanglos werden, die die Methodologie zwischen den konfusen, jeder eigenen Gesetzlichkeit, Notwendigkeit entbehrenden sinnlichen Ideen und den distinkten, der exakten Ursachenforschung unmittelbar sich darbietenden und durch die ewigen Wahrheiten der Mathematik (sowie durch das metaphysische Konvenienzprinzip) bestimmten Inhalte des Mechanismus feststellte. D a ß es von jenen immer nur den sinnlichen A u f w e i s , von diesen dagegen R e a l d e f i n i tionen geben kann, Herleitung aus G r ü n d e n , prinzipielle Reduktion "bis auf die letzten Seinsprinzipien und die Erwägungen, nach denen Gott die W e l t gewählt und erschaffen hat — das alles soll für die F r a g e der Realität selbst irrelevant sein? Kann dies Leibniz' Meinung sein? Will der immer wiederholte S a t z , daß alles in der Natur mechanisch geschehe, daß die mechanistische Wissenschaft völlig ausreiche um alles einzelne Geschehen der Natur zu erklären, wirklich nur dies besagen daß in einer uns allen sich vorspiegelnden Scheinwelt alles nach den Regeln des Mechanismus verlaufe — hinter welcher Scheinwelt in Wirklichkeit nur unräumliche Monaden und deren unräumliche A g g r e g a t e stünden? ( W o b e i man ja dann übrigens wohl noch einen gewissen Parallelismus des G e schehens zwischen der realen und der Erscheinungswelt annehmen könnte.) Der Gedanke hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. W i r meinen nicht, daß Leibniz jene Analogie mit den Sinnesvualitäten streng genommen wissen will. D a ß Ausdehnung und Bewegung e b e n s o imaginär seien wie T o n und F a r b e will er gar nicht s a g e n , sondern nur daß selbst dort „etwas" Imaginäres darinstecke, ähnlich wie „obgleich weit mehr" in den Sinnesqualitäten. Obgleich Ausdehnung und Bewegung „mehr distinkte Erkenntnis in sich schließen, so können sie doch auch nicht die letzte Analyse ausC o h e n und N a t o r p , P h i l o s o p h i s c h e A r b e i t e n V I
21
314
Polemik gegen Descartes
halten". 1 ) Auch der Komparativ aber ist nicht der genaue Ausdruck des Sachverhaltes. An einer Stelle werden die Fragen deutlicher voneinander abgehoben: „Ich beweise, daß Ausdehnung, Figur und Bewegung etwas Imaginäres und Scheinbares einschließen, und obgleich man sie distinkter als Farben oder Wärme begreift-, so findet man dennoch, wenn man die Analyse so weit treibt wie ich getan habe, daß diese Begriffe auch noch etwas Konfuses haben und daß sie, wenn man nicht eine Substanz voraussetzte, die in etwas anderem besteht, ebenso imaginär w ä r e n wie die sinnlichen Qualitäten oder wie gut geregelte Träume." 2 ) Wenn man nicht eine Substanz voraussetzte . . der Ausdruck ist typisch für Leibniz' Fassung der Frage von der Realität des ausgedehnten Körpers. Es wird zu wenig beachtet, daß alle diese Ausführungen im polemischen Gegensatz gegen Descartes' Begriff von der körperlichen Substanz zu verstehen sind. Für den war die Ausdehnung mit ihren Modifikationen das selbstgenugsame Prinzip des Körperlichen, die Substanz selbst. Leibniz sagt, daß dies ein Irrtum sei, der durch weitergetriebene Analyse aufgedeckt werde. So meint er nicht, daß Ausdehnung und Bewegung nichts seien als Schein, oder subjektive Erscheinung von etwas Andersgeartetem, sondern nur, daß sie, in s i c h b e t r a c h t e t , unter willkürlichem Ausschluß alles eigentlich Substantiellen, Einfachen, etwas rein Imaginäres sein würden. Wenn man nicht mit der Ausdehnung ein „höheres Prinzip" „ v e r e i n i g e " , wenn man die Materie bloß in s i c h nehme, ohne aktives Prinzip, so würde man nicht zu substantiellem, gegründetem, realem Sein kommen. Der Körper bestehe n i c h t nur in der Ausdehnung, sondern es müsse in ihm darüber hinaus etwas Immaterielles anerkannt werden etc. Wenden wir uns zu den Ergebnissen jener tieferen Analyse selbst und sehen wir zu, was dort bewiesen wird, und was das dann für unser Problem bedeutet. Zwei Begriffe sind hier streng zu unterscheiden: die extensio und das extensum, der Raum und der Körper als räumlicher, ausgedehnter. Descartes wollte dazwischen keinen Unterschied sehen; Leibniz geht von dem Unterschied aus. Die Frage nach der Realität des Raumes (des „absoluten" Raumes als eines eigenen Seins) ist bei ihm sachlich durchaus getrennt von der nach der Realität ausgedehnter Wirklichkeiten. >) II, 119 m; IV, 436 m.
2)
I, 392 o.
Der absolute Raum
315
Ein großer Teil von den Ausführungen Leibnizens die als Beweis für die bloße Scheinhaftigkeit des Räumlichen angesehen werden, haben in Wahrheit nur dies zur Absicht: die Lehre vom absoluten Raum als einer Existenz außer und vor den Dingen in ihm zu widerlegen. Der Raum ist kein être, keine Substanz, er ist bloß O r d n u n g , seine Realität liegt nur in Beziehungen, die die Beziehungsglieder, die Dinge, voraussetzen. Insofern nun einmal die gesamte Körperwelt mit dem Ausdruck der „Phänomene" charakterisiert wird, ist der Raum das Prinzip für die „Ordnung der Phänomene". Die eigentliche Definition aber lautet weniger fragwürdig: „Ordnung der Koexistenzen", so wie die Zeit als die Ordnung des nicht zugleich Existierenden gilt. Löst man diese Beziehungen und Beziehungsprinzipien von den Existenzen selbst ab, und faßt sie nur als solche Ordnungssysteme ins Auge, so erhält man den gewöhnlichen Begriff vom leeren Raum (und von der leeren Zeit). Aber das ist und bleibt so eine Abstraktion, ein ideales, „mentales" Gebilde. (Ideal, mental im Sinne der ewigen Wahrheiten, und als Gegensatz gegen aktuelle Substanzen, nicht etwa im Sinne von bloß subjektivem Schein!). Wenn diese Abstraktionsgebilde nun als a b s o l u t , als eigene und unabhängige Existenzen gedacht werden, d a n n sind sie in der Tat rein „imaginäre", fiktive Wesen. Den Raum als Substanz fassen heißt denselben Irrtum begehen, wie wenn man der Zahl abgetrennt von zählbaren Dingen eine eigene substantielle Wirklichkeit zusprechen würde. Ein Wirkliches ist der Raum nur insoweit räumlich geordnete Körper existieren. 1 ) Daß aber (wie man es Leibniz gern zuschreibt) der Raum nur ein Ordnungsschema für unsere Anschauungsweise des Wirklichen sei, eine Form in der wir die an sich unräumlichen Dinge (bzw. ihre Repräsentationen in uns) auffassen — dafür findet sich in den Texten, soweit wir sehen können, nicht einmal eine Andeutung, geschweige ein Beleg. Die bloße Tatsache, daß die Raumordnung durchaus analog mit der Zeitordnung gefaßt wird, welch letztere doch zweifellos dem realen Geschehen in der Monade selbst zugehört, sollte gegen diese Ausdeutung bedenklich stimmen. Jedenfalls sind Leibniz' Argumente gegen den absoluten Raum nicht geeignet, weil auch gar nicht darauf abgezielt, die Unwirklichkeit des Räumlichen zu beweisen. Der Zusammenhang in den Raum und Zeit als ') II, 183 mu, 268, 510 u, 515 m; III, 457 u, 595 m. 6 1 2 0 ; IV, 523 mu; VII, 363 u, 372 u, 396, 401 f., 404 u. 21*
316
Ausdehnung und Aktionsprinzip
Ordnungen der Existenz mit der Ökonomie des göttlichen Weltplans gebracht wird, läßt auf das Gegenteil schließen.1) Wenden wir uns also nun zum extensum, zum ausgedehnten Körper. Insoweit der Körper ausgedehnt ist, ist er ins unendliche teilbar und geteilt. Soweit also kann er nicht Einheit, nicht Substanz sein. Ausdehnung ist dem Begriff nach die kontinuierliche Wiederholung, simultane Ausbreitung einer Sache, setzt also diese Sache, dieses sujet qui s'étend oder sujet qui est répété voraus. Der Körper als Ausdehnung ist also etwas auf diesen Träger und diese Vielheit von Trägern Relatives. In s i c h , als bloß Ausgedehntes genommen, ist er etwas Inkompletes, und insofern, wenn er (wie Descartes tat) fälschlich als ein kompletes substantielles Sein genommen wird, ein imaginäres Wesen, wie eine Zahl ohne gezählte Dinge, eine Zeitstrecke ohne Dinge die sich verändern, wenn sie als reale Existenzen gefaßt werden. Das ergibt sich in reiner Begrififsanalyse. 2 ) Zugleich ist aber auch klar, daß die bloße Ausdehnungsbestimmung für den physischen Körper nicht ausreicht: das Räumliche wird zu Körperlichem auch in der empirischen Betrachtung nur durch ein anderes: durch die Undurchdringlichkeit, Antitypie. Das ist ein passives Prinzip, ein Prinzip der Reaktion. Jede Reaktion aber schließt doch eine Aktion ein, ist selbst Aktion. Das Subjekt das im ausgedehnten Körper als solchem ausgebreitet und wiederholt ist, ist ein Prinzip des Widerstandes, der passiven Aktion, ist passive Kraft. Das was den physischen Körper „ konstituiert " muß also in einem „Prinzip des Handelns und Leidens" „ g e g r ü n d e t " sein. Der Ausdehnung geht voran das aktive Prinzip. Ohne dies kommt man nur zu Gedankenwesen (wie Descartes' Ausdehnungssubstanz eines ist), zu Scheingebilden, nicht zu Realem. 3 ) Es gibt nun weiterhin keinen Körper ohne Bewegung. Auch die Bewegung ist in sich allein nichts Substantielles. Sie kann es schon nicht sein insofern sie ein zeitliches Geschehen ist; sie ist ein être sowenig wie die Zeit selbst. Nur die Gegenwart existiert jeweils; und man kann den Verlauf eines Geschehens nicht aus Gegenwarten zusammensetzen, wenn man ') V g l . z. B. VII, 303/4; III, 400 om. ) Vgl. etwa 1 1 , 7 2 0 , 164 u , 170 m, 227 mu, 2 3 4 0 m , 2 6 1 , 267, 269 m; I V , 494. 3 ) V g l . nur VII, 444; II, 1 9 4 0 m , 269 mu. 4
Undurchdringlichkeit, Bewegung, Trägheit
317
nicht für dieses A g g r e g a t ein verbindendes Einheitsprinzip hinzuzieht. Das Reale der Zeit und der Bewegung muß in einem Tendenzprinzip liegen das von einem Zustand und Moment zum andern hinüberführt. Und zugleich ist in der Bewegung dem Begriff nach ein Moment der Aktion (das Descartes unterschlagen hatte). Bewegung als bloße Ortsveränderung genommen ist etwas rein Relatives, und schließt, insofern sie sich doch für absolut ausgibt, etwas Imaginäres nin. W e n n in der Bewegung nichts anderes wäre als Ortsveränderung so wäre sie nichts Reales. Wenn es gleichgültig ist ob man dem Schiff die Fortbewegung zuschreiben will oder dem Wasser, so gibt es eben realiter kein Subjekt der Bewegung und also keine reale Bewegung überhaupt. Das ursprünglich Reale der Bewegung muß in dem Prinzip liegen, das die „Ursache" der realen Bewegung ist, in dem Aktiven in ihr, der aktiven Kraft. Auch das folgt schon allein aus ihrem Begriff. Und wie der Ausdehnung die Undurchdringlichkeit im wirklichen Körper immer verbunden ist, so der wirklichen Bewegung die Trägheit. Auch sie ist ein Moment der Reaktion, der Resistenz. Die Bewegung nach ihrem vollen Wesen setzt also ein Prinzip der Aktion, der passiven Kraft voraus. Denkt man sie losgelöst von diesen Prinzipien, so ist sie nichts als eine Relation ohne substantielle Fundamente, ein „mentales" — als Realität dennoch behauptet, ein imaginäres Wesen. 1 ) — „ I n s o w e i t " das Körperliche in Ausdehnung und Bewegung „ a l l e i n " bestehen soll, ist es nur Schein. Sublatis monadibus manere extensionem non magis verum puto quam sublatis rebus manere numeros (II, 5 1 0 ; vgl. II, 1 1 9 U . ; C 5 2 3 0 etc.). Dies, allein dieses ist es, was die letzte Analyse der mechanischen Qualitäten ergibt. Nicht daß sie selbst unwirklich sind, sondern nur daß sie nicht selbstgenugsam und in sich allein subsistent sind wird ausgesagt. Sie sind nicht in sich beruhende Prinzipien, sondern abgeleitete, „Folgen", „Wirkungen" von tiefer liegenden „Prinzipien" und „Ursachen". Diese Prinzipien sind in den unausgedehnten kraftbegabten Monaden gegründet. Wie Leibniz sich den Zusammenhang zwischen den konstituierenden Monaden selbst und der aus ihnen „resultierenden" Welt der räumlichen Dinge und Geschehnisse gedacht hat, ist l ) 1 , 3 9 2 0 m ; I I , 5 7 m u , 6 9 m , 9 8 0 , 1 1 5 U , 1 3 3 , 1 3 7 0 , 1 7 1 u, 2 2 7 m ; III, 457 mu; IV, 369 m, 400 m, 486 u, 523 mu; VI, 350; VII, 3 1 4 u; M VII, 242.
318
Zusammenhang von primitiver und derivativer K r a f t
für jetzt nicht die Frage. Uns muß die Feststellung genügen, daß er in der Tat einen solchen Zusammenhang angenommen hat. Wir wollen die wichtigsten Andeutungen darüber hier zusammenstellen. Gehen wir von der Bewegung aus. Ihre „Ursache" liegt in der „derivativen Kraft"; und das Grundgesetz der mechanistischen Naturerklärung, das Gesetz von der Erhaltung der Kraft, bezieht sich auf diese derivativen Kräfte. Die derivativen Kräfte gehören selbst noch „zu den Phänomenen", zur empirischen Welt. Als „derivative" aber weisen sie zurück auf die primitive Kraft, als ihr bestimmendes Prinzip. Sie sind selbst „akzidentelle" Formen, „ M o d i f i k a t i o n e n " , „ L i m i t a t i o n e n " oder „akzidentelle Variationen" der primitiven Entelechie, der aktiven Kraft in der Monade. Hier liegt das Prinzip für die abgeleiteten, die „bewegenden" Kräfte, die unmittelbaren „Ursachen" der Bewegung. Alle Kraft ist begleitet von einer Ortsbewegung, die ihr entspricht. So gut wie die primitive aktive Kraft das Prinzip der Perzeption und der inneren Veränderung ist, ist sie auch das Prinzip der „äußeren Aktion", der Bewegung. Die metaphysische Betrachtung der Naturwissenschaft erkennt in vi Activa varie sese per motus exercente Entelechiam primitivam. „Quae utique activitates atque entelechiae, cum materiae primae . . . modificationes esse non possint . . . vel hinc judicari potest, debere in corporea substantia reperiri entelechiam primam, tandem JIQOJTOV dexzixöv activitatis vim scilicet motricem primitivam quae praeter extensionem . . . superaddita Semper quidem agit sed tarnen varie ex corporum concursibus per conatus impetusve modificatur }) Und wie die Bewegung letztlich eine (durch die derivativen Kräfte vermittelte) Folge der primitiven aktiven Kraft in der Monade ist, so ist die Ausdehnung, jene simultane Wiederholung und Ausbreitung, mitsamt der Undurchdringlichkeit die sie zum physischen Körper ergänzt ein Resultat der primitiven passiven Kraft der Monade, der „ersten Materie". Diese ist zwar nicht selbst ausgedehnt (wie die primitive aktive Kraft nicht selbst bewegt ist), aber sie geht auf Ausdehnung aus, sie ist exigentia diffusionis (extensionis) et resistentiae (antitypiae)?)— Zugleich ist die primitive passive Kraft, als „Prinzip der Resistenz", V I , 352 o, vgl. 150; IV, 5 1 1 m ; 329/30; vgl. noch III, 457 u. ' ) 11,306, 320, 324 mu, 4 3 5 0 .
11,171;
III, 59 u ;
IV, 473 u;
VII,
Zusammenhang von Monade und Räumlichkeit
Prinzip der Reaktion ganz allgemein, auch der metaphysische Grund der Trägheit. Die „Quelle" der Ausdehnung und der Veränderungen liegt in Prinzipien die selbst „jenseits" der Ausdehnung sind. — Und so wird es denn auch mehrmals klar ausgesprochen, daß, wenn die Monaden als immaterielle Wesen auch selbst nicht ausgedehnt und an bestimmter Stelle eines Raumes gelegen sind, sie darum doch eine notwendige Beziehung auf Räumliches und auf Stellen in der räumlichen Wirklichkeit haben, so gut wie sie an eine Zeitordnung gebunden sind. Wir lassen die Texte selbst sprechen. Dixeram Extensionem esse ordinem coexistentiarum possibilium, tempus esse ordinem possibilitatum inconsistentium. Hoc si ita sit, mirari Te ais quomodo omnibus rebus tarn spiritualibus quam corporalibus competat tempus, sed non nisi corporibus extensio. Respondeo utrobique utrorumque eandem esse rationem, nempe utrisque mutationibus tarn spiritualium quam materialium sua ut ita dicam sedes convenit in ordine successionum seu in tempore, et utrisque convenit suus locus in ordine coexistentiarum seu in spatio. Monades enim etsi extensae non sint, tarnen in extensione quoddam situs genus, id est quandam ad alia coexistentiae relationem habent ordinatam, per Machinam scilicet cui praesunt. Neque ullas substantias finitas a corpore omni separatas existere, aut adeo situ vel ordine ad res caeteras coexistentes universi carere puto. Extensa involvunt in se plura situ praedita, sed quae simplicia sunt, etsi extensionem non habeant, situm tarnen in extensione habere debent, quanquam illum punctatim ut in incompletis phaenomenis designare possibile non sit (II, 253). Sed nullus foret ordo inter has substantias simplices, commercio mutui influxus carentes, nisi sibi saltern mutuo responderent. Hinc necesse est talem esse inter eas respectum perceptionum seu phaenomenorum, per quas dignosci possit, quantum tempore aut spatio differant inter se earum modifications : in his enim duobus, tempore et loco, ordo existentium vel successive vel simul, consistit. Unde etiam sequitur, omnem substantiam simplicem aggregatum externorum repraesentare et in iisdem externis, sed diversimode repraesentandis, simul et diversitatem et harmoniam animarum consistere (C 14). J'avoue que toute substance créée est accompagnée d'etendue et je n'en connois point d'entierement separées de la matiere (III, 362).1) l ) Vgl. noch 11,324m; III, 357; VI, 595u, 613 Anm.; auch IV, 472, 482/3, 558 mu, 562 mu.
Die räumlich-mechanischen Qualitäten real
Hier überall wird also der Körper auch als ausgedehntes Wesen für real genommen. Daß auch diese Ausführungen wieder in unmittelbarem Zusammenhange mit Formulierungen stehen, die zu den früheren idealistischer bestimmten Anschauungen hinstreben, nimmt ihnen nicht ihr Gewicht. Zudem läßt sich manche Äußerung unter dem jetzt gewonnenen Gesichtspunkte in realistischerem Sinne verstehen als bisher. So scheint z. B. der Ausdruck des Phänomenalen oft nicht so sehr auf eine Abhängigkeitsbeziehung der Inhalte vom Subjekt und seinem Auffassen zu zielen als nur auf diese Feststellung: daß die ausgedehnten und bewegten Körper selbst in sich kein substantielles sondern nur ein akzidentelles, deriviertes Sein bedeuten. Die Monaden sind Substanzen, alles Reale geht auf sie zurück, ist in ihnen „gegründet", die materielle Erscheinungswelt ist ihr „Resultat" — das heißt dann nicht mehr, in diesen Körpern oder in den räumlich-mechanischen Qualitäten, die unsere Anschauung und Erkenntnis ihnen zuschreibt, sei nur subjektiver Schein und keine Wirklichkeit, ganz so wie in den fiktiven Gebilden der Farben und Töne. Sondern auch hier ist Sein, objektive Wirklichkeit; nur sind es nicht ursprüngliche und selbstgenugsame Substanzen, sondern abgeleitete Modifikationen von solchen auf die wir uns da beziehen. — Über Recht und Unrecht, Grenze und Gewinn einer solchen (jedenfalls von vielen Momenten aus nahegelegten) Auffassung wollen wir an dieser Stelle nicht weiter diskutieren. Beschränken wir uns darauf, aus ihr die Konsequenzen für den Begriff der Wirklichkeitserkenntnis zu ziehen. In den inneren Phänomenen steht uns eine farbige, tönende, ausgedehnte, bewegte Welt vor Augen. Diese inneren Phänomene repräsentieren eine äußere Wirklichkeit. Bei dem Übergang von innen nach außen bleiben die ersten, die sinnlichen Qualitäten zurück; nur die mechanischen halten da stand. Sogar im Innern selbst sind jene nicht wirklich enthalten: sie entstehen bloß in unserem verworrenen Erfassen dessen was in uns gelegen ist. Alles eigentlich Sinnliche in der Welt und in den Repräsentationen von ihr ist Schein, Produkt eines unvollkommenen, ungeklärten Anschauens. Das ist der erste Mangel der unserem gewöhnlichen Weltbilde anhaftet; der zweite liegt darin, daß wir von der Außenwelt überhaupt nur „Wirkungen", nur Modifikationen und Akzidentelles wahrnehmen, nie die Substanzen, die „Ursachen" selbst. Die sinnliche Erfahrung gibt (wenn man die Sinnesqualitäten
Unsere unmittelbarenVorstellungennurauf derivatives Sein bezogen 321
abzieht) wirkliches Sein, aber dieses Sein ist nur Derivat, nicht das Ursprüngliche, wofür es gelten möchte. Die Erfahrung kennt nur Ausdehnung und Bewegung, nicht die Kräfte die diesen zugrunde liegen. Unser Erfassen der inneren Phänomene dringt nicht durch bis zu den Repräsentationen der Substanzen selbst. — Auch die empirische Wissenschaft bleibt an diese Schranke gebunden. Die sinnlichen Qualitäten löst sie auf, aber die mechanischen bleiben ihr die letzten, fundamentalen. Ihre Wirklichkeit hält sie für Substantialität. Wenn die Wissenschaft zur Metaphysik hypostasiert wird, wie es bei Descartes geschah, so wird die ganze Natur zum bloßen Schein gestempelt. Die wahre Metaphysik erkennt dagegen die Bedingtheit der wissenschaftlichen Inhalte und Methoden: sie genügen für das „Detail" der Naturvorgänge, aber ihre Prinzipien selbst weisen auf etwas „Höheres" hin, das solcher Betrachtung sich entzieht. Mathematik und Mechanik als solche bleiben im Bereiche der Imagination, wenngleich alle ihre Schlüsse und Rechnungen von distinkter, intelligibler Natur sind. Allein die Metaphysik geht auf das rein intelligible, immaterielle Sein, auf die letzten Seinsfundamente, die Substanzen selbst. W a s die Wissenschaft der naiven Sinnesanschauung gegenüber leistet: die Analyse und Reduktion der in ihr selbst als solcher niemals uns auflösbaren Qualitäten, das leistet auf eine ähnliche, aber darum doch nicht streng analoge Weise die Metaphysik gegenüber der Wissenschaft und der naiven Erfahrung von Räumlich - Mechanischem zugleich: den analytischen Aufweis der eigentlichen Gründe, der letzten Ursachen dieser sonst in sich vollkommen geschlossenen und durch und durch rational bestimmten Seinsschicht. Die Wissenschaft verwandelt progressiv die Sinnenwelt in ein rationales System nach Gesetzen der Mathematik und Mechanik; damit verscheucht sie den Schein und zeigt Wirklichkeitsstruktur. Aber sie bleibt dabei grundsätzlich eingeschränkt auf deriviertes Sein und das Detail des Geschehens in ihm. Erst das rationale System nach Gesetzen der Metaphysik, der apriorischen Ontologie, des Substanz- und Harmoniebegriffs dringt — im Prinzip wenigstens, wenngleich eben wieder nicht im „Detail" — zur letzten ursprunghaften Struktur der Dinge, zu den wahren Seinsursachen vor. — Aber zu diesem allem, zum mechanischen Natursystem wie zum System der Substanzen, kommen wir nur auf dem Wege des Raisonnements, der Schlußmethoden, der Begriffsanalysen. Zu einer unmittelbaren Anschauung der Substanzenwelt gelangt
Unsere Vorstellung von Körpereinheiten
das an Erfahrung und a posteriori gebundene endliche Wesen ebensowenig wie es zu einer unmittelbaren Anschauung des subtilen Mechanismus gelangt, der den Sinnesqualitäten zugrunde liegt. Das unmittelbare Erfassen der Repräsentationen in uns bleibt für uns endliche Wesen grundsätzlich mit dem Trug des Konfusen und Inkompleten behaftet. — In der Welt der unmittelbaren Erfahrung ist auch in anderer Hinsicht noch „etwas Imaginäres", und auch die mechanistische Wissenschaft, soweit sie als menschliche Wissenschaft immer wieder bei begrenzten endlichen Bestimmungen des Wirklichen stehen bleiben muß, ist daran gebunden. In der Körperwelt gibt es keine wahre substantielle Einheit, alles ist hier Aggregat und Aggregat ins Unendliche. Jeder Teil der Materie ist aktuell ins Unendliche geteilt durch unwahrnehmbare Bewegungen der Teile und Unterteile. Aber unsere Erfahrung und in wenig geringerem Grade auch unsere Wissenschaft will überall wirkliche Einheiten ansetzen. Die Wahrnehmung sieht die Bewegung e i n e s Körpers von bestimmter Gestalt und Größe; und die Mechanik selbst entzieht sich dieser Vorstellungsweise nicht. Aber diese Einheitswesen sind immer nur „halb-mentale" Wesen, semientia — so wie der „eine" Regenbogen, der in Wirklichkeit in unzählige Wasserbläschen und ihre Spiegelungen auseinanderfällt, oder das „eine" Heer, das in Wirklichkeit nur aus vielen in gleicher Richtung gehenden Kriegern besteht. Alle diese Einheiten sind nur „akzidentelle Einheiten" und beruhen lediglich darauf, daß eine Menge von aggregierten Teilen sich auf analoge Weise verhält. Solche akzidentelle Einheit beruht bloß auf Relationen, ist nicht Eigenschaft eines Wesens. Gewiß gibt es hier Unterschiede : und man hat wohl ein bedingtes Recht, in der Bewegung zweier Körper etwa diese Teile als dem einen, jene Teile als dem anderen Körper zugehörig zu betrachten — aber das bleiben immer nur Gradunterschiede im Akzidentellen. Wenn darunter beständig mehr gedacht wird, absolute, substantielle, wahre Einheit, so liegt das an der Grobheit unserer Sinne und an der Endlichkeit unseres Fassungsvermögens. Wenn diese Anhäufungen mit analogem Verhalten der Einzelteile (und das setzt sich fort ins Unendliche) für komplete, abgeschlossene, einheitliche Wesen genommen werden, so empfangen sie dieses accomplissement eben nur in unsern „pensées et apparences, comme les couleurs et les autres phénomènes". La tangibilité d'un tas de pierres ou bloc de marbre ne prouve pas mieux sa realité substantielle que
D a s Imaginäre in dieser Vorstellung
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la visibilité d'un arc en ciel prouve la sienne, et comme rien n'est si solide qu'il n'ait un degré de fluidité, peutestre que ce bloc de marbre n'est qu'un tas d'une infinité de corps vivans ou comme un lac plein de poissons .., on peut donc dire de ces composés et choses semblables ce que Democrite en disoit fort bien, sçavoir esse opinione, lege, VO(JL. . . . Nostre esprit remarque ou conçoit quelques substances véritables qui ont certaines modes, ces modes enveloppent des rapports à d'autres substances d'où l'esprit prend occasion de les joindre ensemble dans la pensée et de mettre un nom en ligne de compte pour toutes ces choses ensemble, ce qui sert à la commodité du raisonnement, mais il ne faut pas s'en laisser tromper pour en faire autant de substances ou Estres véritablement reels; cela n'appartient qu'à ceux qui s'arrestent aux apparences, ou bien à ceux qui font des realités de toutes les abstractions de l'esprit. . . Die Einheit eines Körpers ist immer nur im subjektiven Vorstellen, das die Vielheit und Bewegung in den unendlichen Unterteilen nicht bemerkt oder außer Betracht läßt; in d i e s e r Hinsicht sind die Körper unserer Erfahrung durch ein verworrenes Vorstellen bedingt, wie die Farben. Die Körperwelt ist ausgedehnt — das ist nicht Schein sondern Wirklichkeit ; aber die Gruppierung die wir in ihr sehen, die Aufteilung in bestimmte zusammenhängende Körper, die sich begegnen, sich voneinander trennen, sich gegeneinander scharf abgrenzen, ist subjektiv bedingt und immer nur in relativem Rechte. Unsere Vorstellungen von den Körpern stützen sich wohl auf Tatsächliches, Objektives: auf den Bestand von Relationen zwischen den Teilen (die selbst wieder keine wahren Einheiten sind), und insofern entsprechen sie wirklich der äußeren Realität. Aber insofern wir aus diesen Relationseinheiten Dingeinheiten, aus der relativen und akzidentellen Einheit eine unité achevée machen, sind wir in Täuschung und verworrenem Vorstellen befangen, auf bloße êtres d'imagination ou perception bezogen. In der „Ansammlung" als solcher gibt es nichts anderes ,,que le rapport, dont la realité au delà de son fondement (d. h. abgesehen von ihrem Gegründetsein in den aggregierten Teilen) n'est que dans l'esprit qui y pense." Il est vray qu'il y a tantost plus tantost moins de fondement de supposer comme si plusieures choses en faisoient une seule, selon que ces choses ont plus de connexion, mais cela ne sert qu'à abreger nos pensées et à représenter les phenomenes,1) ') II, 96f., IOO/IOI; V I , 5 1 6 ; ähnlich 1 1 , 7 6 , i i g m u , 2 5 0 1 1 , 25611, 268, 306 m, 4 3 8 m, 439 mu, 4 7 1 u, 4 8 6 0 m , 506; I V , 523 mu; V , 1 3 3 m ; V I , 618/9.
Imaginäre Vorstellung des Körperumrisses
Alle empirische Einheitsvorstellung am Räumlichen ist immer bedingt durch die Vorstellung eines bestimmten äußeren Umrisses des betreffenden Körpers. Aber in der Wirklichkeit selbst gibt es keine „figure exacte et arrestee dans les corps ä cause de la sousdivision actuelle du continu ä l'infini . . ." Ex eo quod nullum corpus tarn exiguum est, quia in partes diversis motibus incitatas actu sit divisum, sequitur nullam ulli corpori figuram determinatam assignari posse, neque exactam lineam rectam, aut circulum, aut aliam figuram assignabilem cujusquam corporis reperiri in natura rerum, tametsi in ipsa seriei infinitae deviatione regulae quaedam a natura serventur. Itaque figura involvit imaginarium aliquid . . -1) Die bestimmt umrissenen einheitlichen Körper also, auf die wir uns in aller Naturbetrachtung beziehen, schließen in der Tat „etwas Imaginäres" ein; unsere Strukturvorstellung von der Körperwelt bleibt unendlich weit zurück hinter der Struktur der Ausdehnungswelt wie sie in sich ist. Hier überall bleibt unser Erfassen der inneren Repräsentationen konfus. Auch alle empirische Wissenschaft wird dadurch bedingt und kommt daher — auch abgesehen von ihrer Eingeschränktheit auf die Welt der „Wirkungen", des Derivierten — nie zur vollen Darstellung des Wirklichen selbst. Aber darum ist sie doch überall auf dieses Wirkliche bezogen und berührt es. Die Einheiten die sie betrachtet sind, als akzidentelle, wirklich, in den Relationen der Dinge selbst, in ihrem relativen Gleichverhalten gegründet. Nur soweit man aus diesen akzidentellen Einheiten fälschlich substantielle Wesen macht, bewegt man sich in einer Welt bloßen Scheins. ') II, 97/8; VII, 3 1 4 m ; s. noch 1 , 3 9 2 0 m ; C 5 2 3 0 .
Sachregister. (.D = Descartes, L = Leibniz.)
A b s o l u t D: a. und „respektiv"; d. „Einfachste" a. 47. — L\ a. und hypothetisch 239, 282; a - e Notwendigkeit gegenüber bloß hypothet., moral., phys. Notw. 240, 243/4, 297- ~~ A-er Raum 315. A b s t r a k t bei Galilei 22. — L \ a. und ideal gegenüber komplet und individuell 252, 315; a-er Begriff und kompl. od. indiv. Begr. 245, 276. A b s t r a k t i o n D\ Gegens. zur Verneinung 54, 54 Anm. 1, 123, 141. •— A. u. „kompletes Ding" 140, 184fr. — Imagination u.A. 184fr. — L: Vermögen d. A. 291; A. u. Erkenntnis d. ew. Wahrheiten 291. A l l g e m e i n D : die „Einfachen" als a. 52/3; A-heit d. Anwendung 53. — Das A-e u. d. Besondere od. Einzelne 57, n g f . — L : empir. (indukt.) u. wahre A-heit 259 Anm., 294f. A n a l y s e bei Galilei 2of. — D\ 46, 119; A. „mit Aufzählung" 56. — L \ „A. d. Ideen" u. „A. d. Sachen" 194. — A. u. Synthesis 215 ff.; Vorwiegen d. analyt. Betrachtung 215. — A. d. Begriffe u. A. d. Wahrheiten 222 ff. — A. d. Begriffe 213, 225, 237/8. — A. u. Beweis 216, 238f.; A. u. Definition 219fr. — A. „bis zum Ende" 217, 222, 224, 229, 237/8, 238 Anm. 4. Hypothet. Abschluß 229f., 238. — Unendl. A. des Zufälligen 244fr.; A. in d. Erfahrungserk. 255 f.; A. d. Sinnesqualit. 255 ff. — Letzte metaph. A. 312, der mechan. Prinzipien 316 f. A p p e r z e p t i o n L\ 248,248 Anm., 249,281fr., 311/2. S. Bewußtsein. A u s d e h n u n g D\ nicht d. letzte Konstituens des Wachsstückes 102; dennoch als „hauptsächl. Eigenschaft" 138f.; als Substanz 183 f., 186 f. Zusammenhang m. Imagination 184 fr. — L: d. Imaginäre i. d. A. 311 f., 313/4- 322, 324; Analyse d. A-begriffs 316. Unterscheidung von A. u. Ausgedehntem 314. A. u. Antitypie 316. Zusammenhang v. A. u. metaph. Kraftprinzip 318 f.
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Sachregister
B e g r i f f L\ B., W o r t , Bedeutung 2 1 1 A n m . ; Bedeutung u. Objekt 227 Anm. 2, 232 Anm. 5. — B. u. Urteil s. d. — Realitätsgehalt d. B. 231 ff. — Indiv., kompleter B. 245, 276, 283. B e w e g u n g D\ „kontin. B. des Geistes" 58f. — B - g e s e t z e 189ff. — L: B - g e s e t z e 262. — Das Imaginäre i. d. B. 313/4, 322. A. d. B - b e g r i f f e s 3x6/7. B e w e i s bei Galilei 19. — D\ 38, 180. — L\ B - k u n s t 2o6f., 214/5. — Analyt. B. 213, 216, 218 Anm., 224; synthet. B. 218. Abschluß d. B - e s 222, 224, 237, 238 f. — B. der A x i o m e 223, 226 Anm. — Kein B. für d. letzten Prinzipien 230, 248; Zusammenfallen von ostensivem u. apagog. B. 231. B e w u ß t s e i n D\ 108f. Selbstb. 108, 109f., 125ff. — Z : gegen Descartes' B-begriff 295/6. — B. u. Idee 287. — Dasein meines B - s 248f. — Selbstb., Reflexion, Apperzeption 248, 281 ff, 285, 29of., 311/2. — Doppelsinn d. Reflexion 285. Refl. u. ew. Wahrheiten 294/5. C h a r a k t e r i s t i k L\ 199f., 201, 2 2 1 Anm., 228, 229. C o g i t o D : erstes Prinzip 90, 98, 98/9; archimed. Punkt 103/4, 130. — C. als „reiner Intellekt" 89ff., 112f.; als Erkenntnisbewußtsein 106 ff.; als Bewußtsein überhaupt und Selbstbew. I25f. — C. sum 1 2 4 f r , 129 Anm. 1, I29f. — Cogitare als „hauptsächl. Eigenschaft" 138 f. — L \ A u f n a h m e u. Erweiterung d. Cartes. Prinzips f. d. Erfahrungserkenntnis 248f.; C. als bloße Erfahrungswahrheit 249, 283/4, 5 > von d. letzten Evidenz 248/9, 281/2. — C. als Ausgang f. d. Erkenntnisproblem 281/2ff., 285 fr. D e d u k t i o n D\ 46, 49, 50, 57, 58f., 61, 65, 68, 74, 119. — D. u. E r f a h r u n g 62, 65, 74ff., 157. — L\ s. „Synthesis". D e f i n i t i o n L\ 219fr. — D. u . A n a l y s e 2 i 9 f . — D. u. Substitution, Gleichungen 2 2 1 f.; D - e n u. ident. Sätze als Konstituentien aller W a h r h e i t e n 222, 231/2. — Synthet. D-begriff 232f. — Nominal- u. Reald. 2 3 2 f . ; bei d. Sinnesqual. 256f. Kausaid. 235 Anm. D e s c a r t e s : Entwicklungsgang 30ff., 38fr — „Studium b o n a e mentis" 35 Anm. 2. — „Regeln" 33 Anm., 35. 39 Anm. 3; ihre Dispos. 44 Anm. 3, 63 Anm. 1, 63, 66f., 75, 160, 167f., 175, 176. — „Recherche" 33 Anm. — „Discours" 29fr., 93 A n m . ; die „Essais" 31, 45 Anm. 1, 63, 63 Anm., 162 Anm. I. — „Monde" 29. — „Meditationen" 83, 86. — „Prinzipien" 3 2 . — D.' ontolog. Realismus u. „methodischer" Idealismus 194/5. — S. weiter 193, 194, 195, 196, 200 Anm., 202, 204, 205, 206, 207, 2 1 3 , 214, 216, 219, 220, 222, 223, 225, 248, 267, 268, 269, 281, 285, 294, 314. D i s t i n k t s. „Klar u. distinkt".
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E i n f a c h D: 46, 47, 48, 51, 52, 53, 72 Anm. I, 83/4, 1 1 2 / 3 . —
„Einfache Verknüpfungen" 51. — Nicht das Erfahrungsdatum e. 71. — E. und innere Erfahrung 128, vgl. 128 Anm. 3. — Intellektuelle u. materielle E - e 69, 94. — L \ e. u. zusammengesetzt in Analyse u. Synthese 216 f., 227 Anm. 1. — Die „Elemente der Gedanken" 225, 226 Anm., 228; begrenzte Anzahl 225, intuitiv zu erkennen 226, 227 Anm. 2; Frage ihrer Erreichbarkeit 228 f., 229 Anm. 2. — Primitive Prinzipien d. Erfahrung 248 ff. — Die Sinnesdaten e. „für uns" 256 f., 256 Anm. 2. — Die Monade e - s Wesen 272. E i n g e b o r e n D: 4 3 , m f . , 1 1 2 / 3 , 1 1 6 , 1 1 7 Anm. 1, 1 2 8 Anm. 3. — E-e Idee 121, 122; ihr Realitätswert 148, 149, 150 f. — L \ gegen Descartes' Vermischung von Geltungs- u. Ursprungsfrage 206, 294. — E. in d. Sprache d. système commun 294f.; im metaph. Sinne 296. — E. u. Reflexion 295 Anm. 2. E i n h e i t D : E. des Erk.-systems 33, d. „univ. Weisheit" 34ff., d. Methode 36/7. — E. d. „einfachen Schau" 52. — L\ Monade als E. 271. — Akzidentelle E. (Relations-E.) 322 ff. E n t h a l t e n s e i n D\ E. eines Begriffs im anderen i. d. notw. Verbindung 53 f., 121 Anm. 1. — E. des Allgemeinen im Besondern 57. — E. in d. eingeb. Idee 120/1, 121 ff., 139. — L\ E. des Prädikats im Subjekt 210/1, 211. — Ausdrückliches u. virtuelles E. 2 1 2 . — E. u. Definieren 2 2 o f f . E n u m e r a t i o n D\ 55, 55 Anm. 1, 57, 58, 77. E r f a h r u n g bei Lionardo 8f., bei Galilei 20. — D: E. u. „rein" 42, 62. — E. u. Deduktion 62, 75 f., 157. — E. Quelle aller Täuschung 62. — E-problem 64f., 75/6, H4f., 152. — E. von „Einfachen" 71, 152; von Zusammengesetzten 72, 75. — Innere E. 7 2 Anm. 2 , I 2 7 f . , 1 2 8 , 1 2 9 . — L\ E. als Erkenntnis a posteriori 2 4 7 ; Kriterien d. E. - Erkenntnis 2 5 o f f . ; Analyse 255f.; Vernunft u. E. 240, 247, 251 f., 253, 258. — Innere E. 249, 2 5 3 , 2 8 1 , 282, 2 8 3 , 2 8 4 Anm., 285/6. E r h a l t u n g D: 82/3, 83, igoff. — L: 192, 262. E r k e n n t n i s D: Wesen u. Grenzen d. E. 36, 59/6o, 66. — Teilung d. E-frage 67. — Subjekt d. E. 67 f. — Objekte d. E.: intellektuale, materiale und „gemeinsame" 69, 72, 94, 95/6, 96 Anm., 138, 139 Anm. 1, 161. — E - lehre d. Metaph. 8 5 ff. — E-lehre durch Anwendung der Methode 87 f. — E. als Abbildung 132. — Realitätswert d. E. 148. — L: Elehre fundiert auf Seinslehre 195, 266. — E.-Kriterium 207, 220, 223, 234; für Erfahrungs-E. 248f., 25of., 252. — Möglichkeitsbedingungen für d. E. 230/1, 248. — E. als Apperzeption von Repräsentationen 292, 248 etc. — E. des eignen Daseins unmittelbar 282; E. alles Äußeren vermittelt 287 ff. —
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Objekt d. E.: unmittelbares u. mittelbares, inneres u. äußeres 282, 286/7f., 2 9 2 /3- — E- gebunden an Reflexion u. Abstraktion 290f. — Schranken unserer Wirklichkeits-E. 320 fr. E v i d e n z D\ 38, 40, 48, 83, I04f., 127f. — L\ gegen E. 205, 207. — E. d. log. Form 225. — E. der ident. Sätze 212, 223; d. letzten Prinzipien 230/1; d. ersten Erfahrungsdaten und ihrer Prinzipien 248 fr., 258; d. eignen Daseins 248/9. — E. u. Intuition 2 26 f. E x i s t e n z D\ E. im Cogito 123fr., 129. — E. „außer mir" 131. — Mögliche u. notwendige E. 146, 150 f. — Existentialurteil 137. — Beziehung auf E. durch d. ideae adventitiae 113 f., 151. — Kein E.-Kriterium bei Descartes 152, 152 Anm. 1. — L\ Begriff d. E. 238 Anm. 4, 241 f., 251/2. — Möglichkeit [Essenz] u. Existenz 209, 242 f., 244 Anm. 3, 288. — E. d. Essenzen 243 Anm. 3, 289/90. — E. d. Ich u. seiner Vorstellungen 248 fr.; E. außer uns: empir. E-begriff 250, metaph. E-begriff 297fr. — E. Gottes demonstrabel 297; E. der Außenwelt nicht 297. E x p e r i m e n t Z>: 65, 71, 75f., 77, 78, 153fr., 155, i56f., 181/2, 182. — L\ 259 Anm. F o r s c h u n g D\ 38, 40/1, 49, 61. — L\ 202/3, 214/5, 215, 216, 217, 218, 218 Anm. G e—d äL\ c h t199, n i s 201. D\ 67 Anm. 4, 93 Anm. 1, 135 Anm. 1, 167f. G e w i ß h e i t bei Lionardo 9, i l f . , Kepler 14f., Galilei 19. — D. 38, 40, 48, 52, 61, 92, 103/4, 104f., 131, i82f. S. „Evidenz". — L\ „Methode d. Sicherheit" 203, 206f. G o t t D\ Prinzip d. Metaph. 124, 146, 147; f. d. Erkenntnislehre 142fr., i44f-, 146, 147, 147 Anm. 4, 148, 149, 151. — G. in ontolog. Bedeutung 141/2, 146, 191. — Gottesbeweise 83, 142f. — L\ Gottesbeweise 243 Anm. 3, 297; G. u. d. System d. Phänomene 303. — G-es Verstand, Region d. ew. Wahrheiten, Essenzen 243 Anm. 3, 289/90; G-es Wille, Prinzip d. Existenz, Auswahl 243 Anm. 3, 244 Anm. 1 u. 3, 246/7. — Unendlicher Intellekt G-es u. seine intuitiv apriorische Erkenntnis 246 f., 299. G r u n d bei Lionardo iof., Kepler 14. — L\ Satz v. Grunde: als logisches u. als ontolog. Prinzip 198, 209, 210 Anm., 276 Anm. — Ontologisch 209, 241/2, 243 Anm. 2 u. 3, 260. — Logisch: verschiedene Bedeutungen 209f.; verschiedene Formulierungen 210/1, 211, 212, 213, 220, 277. — Prinzip d. notw. wie d. zufäll. Wahrheiten 210, 240/1, 244. H a r m o n i e L\ H. zwischen d. Reich d. Ursachen u. dem d. Zwecke 264. — Prästabil. H. d. Monaden 279; zwischen Körper u. Seele 307/8.
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H y p o t h e s e D\ 180. — L\ Axiom als H. 229; die letzten Prinzipien als gesicherte H - n 230. — H. für Erfahrungserkenntnis 259 Anm., 250, 261. — Seine Metaphysik „mehr als H." 270. — Notwendigkeit ex hypothesi 244, 244 Anm. 1. I c h - s e l b s t D\ 34t, 6 7 , 1 2 4 f r . , 1 2 7 , i29f., 1 3 0 / 1 , 135f. I d e e D\ I. u. Sein 86, 104, 142. — I. als Bewußtseinsinhalt überhaupt n o f . — Dreiteilung d. I-en i l i f f . — L : I., Bedeutung, Objekt s. „Begriff". — Idee (Wahrheit) und Essenz 235 Anm., 2 3 5 , 243 Anm. 3, 276 Anm., 288, 288 Anm. — „Wahre" I. u. Möglichkeitskriterium 2 3 3 f r . — Perfekte u. adäquate I. 234 Anm. — I. als „unmittelbares inneres Objekt" 286f., 2 9 2 f . ; ihre Identität, Subsistenz 287; unterschieden vom psychischen Akt 287, 295/6. — Ideen u. Wahrheiten „außer uns" 288f. — Repräsentationsverhältnis zwischen beiden 288/9. I d e n t i t ä t D : I. des Dinges in d. Inspektion d. bloßen Geistes 101. — L\ Prinzip d. I. 208 f., 230. — Identische Sätze 209, 212 Anm., 223, 224, 225, 231/2. — I. u. Substitution 221 f., 227 Anm. — Die id. Sätze bei zuf. Wahrheiten f. uns nicht erreichbar 246 f. — I. der Idee gegenüber d. Denkakten 287. I n d i v i d u e l l L\ s. „Substanz" u. „Begriff". — Leibniz' Individualismus 268. — Indiv. u. Universum 278 fr. I n d u k t i o n D\ 56f., 118/9. — L\ 259 Anm. I m a g i n a t i o n D : zweites Erkenntnisvermögen 67, 69, 96; „körperlich" 107 Anm., 135. — Nur f. d. materiellen Dinge 96. — Gegen d. I. 92f., 9